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Nene Folge No.
Beuische Litteraturdenkma
des 18. und 19. Jahrhunderts
—— von August Sauer
CHRISTIAN THOMASIUS
VON NACHAHMUNG DER FRANZOS
NACH DEN AUSGABEN VON 1687 UND 1701
®
STUTTGART
G. J. GÖSCHEN’SCHE VERLAGSHANDLUNG
1894
DPrud von Garı RemboLd in Heilbronn.
62796
—
Akademische Vortrüge 2,15 weist durauf hin, dass un-
‚gofähr um die gleiche Heit wie T'homasius auch Buddeus
in Jena deutsche Oollegien zu halten begonnen habe.)
Aber dieso Voraucho waren von einander unabhingig
und blieben ohne Folgen. Die Bedeutung des kühnen
Schrittes des Leipziger Dozenten wird dadurch nicht gc-
mindert. Pnracelsus hatte seine Vorlesungen deutsch
‚gehalten, aber lateinisch angokündigt, Thomasius brach
auch hier mit dem Herkommen, Er zur ersten Mal
lud seine Zuhörer zu seinen Vorlesungen durch oins deut-
sche Ankündigung ein, die er am 24. oder 31. Oktober
(alten Stiloe) 1687 an das schwarze Brott der Leipaiger
Univorsität anschlagen liess.
Thomasius hat die Wichtigkeit und Bedeutsamkeit
seines Vorganges in späteren Jahren mehrmals her-
vorgehoben, ebenso das Aufsehen, das er damit erregte:
„Als ich für ohngefehr drayssig Jahren ein tentsch
Programmo in Loipzig an das schwartze Brot
schlug, in welchem ich andeutete, dass ich über des
Grasions Homme do cour lesen wolte, was ware da
nicht für ein entsetzliches lamentiren! Denkt doch!
oin toutsch Programma an das Iateinische schwartze
Bret der lohl. Universität, Ein solcher Greuel
ist nicht erhöret worden, weil die Univer-
sität gestanden. Ich muste damahls in Gefahr
stehen, dass man nicht gar solenni processions das löb-
liche schwartze Bret mit Weyhwasser bespreugle. Kurtz
darauf, als ich don ersten Theil meiner Vernunfit-Lehre
dem Professori Diuleeticos in die Ceusur gab, damit
ich meinen Lästerern das Maul stopfien könte, die
mir gefährliche Lehren schuld guben, wurde ich von
ihm zu dom Profossore des Aristotelischen Orgelwercke
‚gewiesen. Dieser, da er die ersten Bogen etliche
Wochen bey sich Behaltoa hatte, gab mir solbigo wieder
zurlicke, unter keinem andern prwtext, als dass er mit
‚guten Gewissen koine Schriflt censiren könte, darinnen
philosophische Lehren in teutscher Sprache tracliret
Pare
und unabhängiger Geist der ‚Jugend der Nation Selbst-
ständigkeit und Wreiheit ans Herz zu legen. Aber
fern von jedem Ohauvinismus, will er keine Alsper-
rung von fremden Einflüssen, keine Abwendung von
fremden Vorzügen, sondern empfiehlt deren Aufuahme
und Nachahmung un geeignetem Ort, in gumässigter
und besunnsner Weise, Ein fester teuer Patriot ist
or nicht blind gegen die Fehler seiner Nation und
erhebt sich »0 heiteren Geistes über alle Engherzigkeit
und Kleinlichkeit. Er will seinem Volke die fremden
Vorzüge einimpfenundes dadurch den vorgeschritteneren
Nachbarn gleichwertig und ebenbürtig machen. „Eine
‚jele Nation — sagt er gewissermassen in Erglinzung zu
unserem Programm an anderem Orte (Kleine Teutsche
Schriflten. 3. Auge, 5,416) — hut ihren absonder-
lichon Character, Führet derselbige eines theile etwas
Gutes mit sich, so hat er gewisslich auch am undern
Theil etwas vordriessliches darbey, dass also keine
Nation Ursache hat die andere zu verachten, oder all-
zuübermässig zu erheben, Und muss man dannenhero
mehr Mitleyden als Zorn spüren lassen, wenn Baillet
und Bouhours in Gageneinanderhaltung der Deutschen
und Prautzösischen Nation diese wegen vines ungumeinou
Vortheils am Verstande allzuschmeichlerisch erheben,
‚jene aber wegen der Bohwehre des Vorstandes gur zu
partheyisch verachten, und nicht schimpflich genug
davon reden können. Bo wenig aber gescheite Frantzosen
diese Thorheit ihrer Aundes-Leute approbiren werden,
s0 wonig muss ein vernünftiger Peutächer dieselbe mit
einer Gogenschmähnng zuvergelten suchen, Ein weiser
Mann schmühet seine Feinde nicht wieder, damit er
sich ihnen nicht gleich mache: sondern er redet un-
partheyisch von Freunden und Feinden, und übersichet
jener ihre Fehler noch weniger, als er dieser ihre
Tugenden zu rühmen vergist, Ps würde viel zu weit-
läuftig werden, wenn wir die Arten des Fruntzösischen
und Teutschen Geistes mach Würde der Suche aus-
a
dor deutschen Sprache in den akademischen Unterricht,
und weiterhin in die gelohrte Journalistik, sowie seine
Fürsorge für die nationale Brzichung der deutschen
Jugend sind nur oin Glied in der Kette seiner viel-
seiligen ausgebreiteten Thiitigkeit, welche in letzter
Zeit oft und berodt gewürdigt worden ist, vl. ausser
Sehraders Buch noch W. Giesebrecht, Der Biufluss der
deutschen Hochschulen anf die nationale Entwicklung
1870; B, A, Wagner, Christian Thomasius, Borlin 1872;
Minor, Vierteljahrschrift für Litoraturgeschichte 1, 1;
F, Frensdorff, Halle und Göttingen, Göttingen 1804.
Don Einfluss des Graciun auf Thomasins und die Ab-
hängigkeit unserer Schrift von dessen Lehren verfolgt
in erschöpfender Weise das sooben erschienene Buch
vou Karl Borinski, Balthasar Gracian und die Hof-
litteratur in Deutschland, Halle 1894.
Das Programm, das unser Neudrnck von 8, 1-87
nach dem Exemplar der Kgl, Bibliothek zu Dresden
reproduciert, ist ein dünnes Quartheftohen von 39 Seiten
und Kusserst flüchtig gedruckt: Orthographie und Inter-
punction sind ganz unregelmässig, manche Namen ut.
genun widergegeben, die Französischen Cituto nachlässig
abgeschrieben. Der Eindruck der Roschbeit uud Flüch-
tigkeit, den die Schrift macht, sollte in diesem Neudruck
40 wonig wie möglich verwischt werden, Es wurden
daher nur die Abkürzungen aufgelöst, fehlende Ruch-
stuben eingesetzt, unmögliche Wortbilder beseitigt;
ferner folgende Aenderungen vorgenommen: Gyg reits
lid; statt veimlicd) 101 figtrlicher statt figtelidie 1110 der-
borgene statt verborgen 1Bjs wurde das Punetum einge
wotzt 234 wirde statt vurde 275 artige statt artigen
Han Könten statt Minen 349 vernlinfftig statt vernfnfftige
3824 honnetete statt honnite.
Die Nachschrilt 8. 38—50 ist mmch de
Ausgabe dor Kleinen Toutschen Schrifiton S.
unverindert reproduzirt, deren voller Titel lautet:
IX
Chriſtian Thomafens allerhand bißher publicirte Meine
Teutfche Schrifften, Mit Zleik colligiret und zufammen ger
tragen; Nebft etlichen Beylagen und einer Borrede. HALLE,
Gedrudt und verlegt von Chriftoph Satfeld, Konigt. Breuf.
im Hergogtfum Magdeburg Hoff» und Reg. vuchtr. 1701.
Die folgenden Auflagen der Kleinen Teutschen
Schrifften sind für unseren Zweck ohne Belang.
Indem diese Sammlung der Deutschen Litteratur-
denkmale eine neue Folge eröffnet und einen neuen
reichhaltigen Plan ihrer Fortsetzung vorlegt, ihren Titel
vereinfacht und ihr Aeusseres umgestaltet, ist es die
Pflicht des neuen Herausgebers, ihres Begründers und
ersten Leiters zu gedenken, der ihr ein Decennium lang
seine besten Kräfte gewidmet, die Grundlinien auch für
ihre Weiterführung fest und sicher gezogen hat und
seinen Rat und seine thatkräftige Hilfe ihr auch ferner
wird angedeihen lassen. In seinem Sinne soll die Samm-
lung auch weiterhin geleitet werden.
Prag, im Juli 1894.
August Sauer.
Chriſtian Thomas
eröffnet
Der
Stwdirenden Jugend
zu Leipzig
in einem Discours
Welcher Gejtalt man denen Frautzo—
fen in gemeinem Leben und Wandel nadj-
ahmen folle?
ein COLLEGIUM
uͤber des GRATIANS
Grund-Reguln /
Vernuͤnfftig / klug und artig zu leben.
zufinden
bey Morig George Weidemannen.
Gracien Maxim. 67.
Ans les fonetions de l’esprit, le plausible a tou-
jours trionfe. Un discours poli & eoulant cha-
touille les oreilles, & charme l’entendement: au
contreire la secheresse d’une expression metaphysique
choque ou lasse les auditeurs. Il y a des employ,
dont le prineipal exereice consiste ä choisir, & ou
1a dependance est plus grande, que Ia direction:
comme sont tous ceux, qui ont pour but d’enseigner
& de plaire, Que l’Orateur preföre done les argu-
mens les plus plausibles; que l’Historien entremöle
Vutile & Vagrenble, & le Filosofe le specieux & le
sententieux. Qyils #’ötudient tous A rencontrer le
gout universel d’autrui, qvi est la vraie methode de
choisir, Car il en est comme d’un festin, ou les
vinndes ne w'aprötent pas du gout des euisiniers,
mais ü celvy des conriez. — que les
‚choses soient fort au gout de l’Orateur, si elles ne
sont pas à celvy des auditeurs, pour qui elles sont
aprötöes? Nam con® fereula nostre, dit Martial,
lim convivis, quam placuisse cocis,
Ehriftion Thomaſius.
anſehuliche waere Männer achten; ich meine fie wirben
uns entweder einen derben und nachdrädlichen Verweiß
geben; ober aber uns nicht einmahl ihres Zorus wuͤrdig
adjtende mit einen bittern Gelächter vom ſich ſtoſſen
Auff diefe Weife pflegt man Sffters don unjerer
heutigen Lebens-Art und Wandel zu urtheilen; aber
meines Bebndens, wenn man Feine andere Urſachen
wieder diefelbige fürbringen fan, möchte man wohl mit
diejen in Ruhe ſtehen, und die guten alten Teutjchen in
ihren Gräbern ebenmaßig ruhen laſſen. Es iſt von An-
fang der Welt in denen meiften Republigven fo herge-
gangen, daß die Sitten und Manieren zuleben ſich Hin
und wieder verändert Haben; eines einzelen Menfchen
Wille ift veränderlich, wie folten denn jo viele Menſchen,
aus welchen bas gemeine Wejen Leftehet ſtets während
einerley Lebens-Art behalten? Aenderungen find wohl
ins gemein gefährlich, aber deswegen nicht allemahl zuver-
werfen, weil man aud daß gute jelten ohne Gefahr er«
halten lan. Dannenhero ift ungereimbt, wenn man ein
gedndertes Leben bloß wegen der Aenderung tadeln will
ohne zufehen ob man das Gute mit böfen, oder dieſes
mit jenem verwechſelt habe. Die alten Tentichen waren
wegen eines umd andern billig fir ums zuloben; aber
wer wolte leugnen, daB wir nicht auch in vielen Studen
einen merdlichen Vortheil für ihnen auffzuweiſen hätten?
Solte mun ein Teutſcher von der Gattung wie fie ums
Taeitus befchreibet, oder Dieterich von Berne der edle
Held elende (wie ihn das fo genante Helden-Buch
au Öfftern betittelt) uns unſere Gebrauche durchhecheln
woilen; jo halte ich gantzlich dafür, dap ihnen di
erden folte, ala dem [6] alten Hildebrand geweſen, da
F ber Rieie bey ſeinem Bart er!
Achſeln ſchleuderte. Meine — wen
Bücher, ſo fuͤr ein baar hundert X
den, geleſen, und babey bie Herrfichen
merdet haben; jo stellen fie fich mr
der auff diejelbe altvateriſche Art gelleide
Bon Nadahmung der Franzoſen 5
damahlen ü deutſchen dialeetum (4. e. Es
was ein Jungmanm, Be wasein groß hoffierer
ber * [dt x redete, und ſich mit denen zu ſeiner
118 me und Neverengen nichts
3 an zu ſeyn dunden Kieffe, uns iho reformiren
—— = — Gratius und M. Irus
i jener Zeit eine Vieitation
anf unfenn hoben Schulen anſtellen wolteu; wer wide
wohl jo dann fr der gantzen erbarı Welt anstachens
10 würdig ſeyn? So halte ich auch gantzlich daflir, daß die
— ee —— Fire ſich ſelbſt an uns ohne
jonberbahre Urjache geicholten werden Line. Eine Nadı-
ahmung iſt lobens wuͤrdig, wenn die Sache ſelbſt
An iheltwwiindiges an ſich bat, in Mäitteldingen ver-
Diener elbige weder Lob noch Tadel. Bey diefer Ber
— — gleich wie es mit denen Franboͤſiſchen
ind ſtranckheiten feine geweifete Wege hat, und
Bari ſolche — wird; auch beyde nicht
uns, ſondern jene für die derrn Theologos gehören,
20 dieſe aber. denen Herren Medicis zu curiren gelajien
werden mäffen; alſo find die Frantzoͤſiſchen Steider, Speifen,
), Sprachen und Sitten ſolche Dinge, welche wenn
Ba: Üppigteit Überfiuß, närciicher Affeo-
‚ondern Laſteru entfernt ſeyn, mit nichten als
2* — Guligen Geſehen zu wieder ansgeruffen werden
des. Schottelii [6] teutide Spıochen Schul,
0 Danpmeifter aufj die Kirmefien, won u
bern an einen Dorffftrer, oder von
Soeiſen Wohl zuzurichten willen
dergleichen Lederbißlein aus denen alten
ss richten Können, venweijen wolte. Gin u er Mann To
in der Welt leben muß, muß nicht allein das jenige, jo
nicht zu Ändern ft, ohne morren mit Gedutt ertragen,
6 Chriftian Thomafins.
fondern auch vielmahlen was gutes zuftifften und andere
zugewinnen allen alterley werben, ober boch meiftens auch
das jenige, was Teichtlich mißbraucht werden Far, fich
wiſſen zu mige zu machen und zum beften zufehren.
Derowegen jey es jo, man ahme denen Franboſen
nad), denn fie find doch Heut zu tage bie gefchieteften
Leute, und wiſſen allen Sachen ein recht Veben zugeben.
Sie verfertigen die Sleiber wohl und beqvem, und er»
ſinnen folche artige Moden, die nicht nur das Auge be-
kuftigen, fonbern mit ber Jahreszeit wohl Ibereinfommen.
Sie willen die Speifen jo gut zu propariren daß jo
wohl der Gefchmad als der Magen vergiüget wird. Ihr
Haußrath sit veinlich amd propre, ihre Sprache anmuthig
und Liebreigend, und ihre obmerzwungene ehrerbietige
Freyheit tft geſchidter ſich in die Gemuͤther der Menſchen
einzuſchleichen als eine affectirte bauerſlolbe gravitdt.
Nichts dejto weniger It and nicht zu leugnen, daß wenn
man iemand, der hochgeachtet wird, nachahmen will, man
fih in Meinigteiten, welche nichts zur Sache thun, nicht
vertiefen muß, fonbern das Hauptwerck ergeiinden, durch
welches ſich derjenige, jo machgeahmet wird, feine Hoch⸗
achtung erworben. Männiglich acht Bassianum aus,
daß er mit aller Gewalt Alexander den groffen nach-
‚Affen wollen, jo gar daß er ben Kopff auff eine Seite
zutragen ſich angewehnet, und des ehrlichen Aristotelis
Bücher mit grofen Leydweſen derer Herren Peripateti-
eorum verbrennen faffen, weil [7] man ihn berichtet, ob
wäre Aristoteles mit urſach geweſen, daß dem Alexander
mit Gifft vergeben worden; da er doch im fibrigen nicht
die geringite qyalität, Frafft welcher Alexander fich den
Namen des Großen verdienet, an fich gehabt: Je
nicht, Meine Herrn, ob es ums nicht auch jo gehe
wie fommts doch, dafı wan vom uns Teutichen
in Frandkreich reifet, ohnerachtet er propre ge ,
und ſehr geichiett von einen SFranplfhen Braten ober 8
fricassce raisoniren fat, auch perfect parliret und
feinen Revereng fo gut als ein elbtefftiger Franpoß zur
Von Nachahmung der Franzoſen 7
en weiß, er — — a ein einfältiges
A jegen die Frantzoſen, fo zu
ums ee durchgehends Liebe und Verwunde ⸗
rung au kai siehen? Es fan nicht fehlen, wir milffen mit
5 imferer Nachahmung das rechte aen nicht getroffen
', tun iſt dannenhero Hoch möthig, wenn wir ihnen
die ſte kommen wollen, wodurch fie alle Welt
ihnen Ehrerbletung zu bezeigen anlocken, daß wir der
Sachen ein wenig reiffer nachdenclen, ob wir den wahren
“w — erreichen Können.
folten wir aber denfelben beſſer erlangen, als
wenn vir das jenige etwas genaiter Nberlegen, welches
die Franboſen unter fi in hobem Werth halten, und
berohalben bie jenigen fo damit begabt finb andern fir
1» ziehen. Sie machen viel wefens d’un honnöte homme,
d’an homme scavant, d'un bel esprit, d'un homme
de bon gonst, & d’un homme galant, welches alles
ſolche —— ſind, ſo wohl verdienen, daß man
fie mit obenbin anſehe, noch vermeine, dab man es
= trefflich erfunden Habe, werm man nach unferer Nebensr
Urt fagen wolte, fie exfoderten zu einem geſchicten
Menfchen, daß ex ein ehrlicher, gelehrter, wer«
ftändiger, Uuger und artiger Kobff ſey, in
anfehen tie Franhoſen jelbft dieſe Titel nicht allemahl
25 auf gleiche Urt gebrauchen, Zwar jo viel un honnöte
[8] homme betrifft; Hatte ich wohl dafür, daß fie ger
einen ehrlichen und gerechten Mann dadurch
— — niemand mit Vorſatz beleidiget ober ver-
gegebenes Wort en beobachtet, denen
” Nee — Hllffe von nöthen haben, willig und
unge, auch vom feinen Guth i
machet, noch dieſelbe wieder vorruͤcket
wird ohne Zweiffel des Parots Tractätgen welches er
dun bonn&te homme geſchrieben dieſes alles weiter
S erläutern; wie wohl jener Franboſe meinte diejes ware
et honnete homme der zugleich eine efie, einen
en Procef, und eine qverelle hätte, und fich
8 Ehriftian Thomaftus.
bey alfen dreyen wohl betruͤge So bemerden fie auch
mit dem Titel Scayant einen Gelehrten, aber einen
ſolchen, der mit ſchoͤnen und den menſchlichen Geſchlecht
aiplichen Wiſſenſchafften gezieret iſt, dem denjenigen, ber
im Gegentheil den Kopff voll ımmöthige Grillen und
Bophistereien Bat, welche zu nichts mit ſeyn, als die
jo dieſelben Lernen, bet der Augen Welt zu prostituiren,
nennen fie Scayantas, weldes fait dem klange nach mit
unferm Wort phantast bereinfommt. So viel un bel
esprit betrifft, muß mar nicht meinen, daß mit dieſem
Titel die jenigen beleget werden follen, welche in Bejell-
ſchafft einen Iuftigen Schwanck artig zu erzehlen ober
aus dem jteigreiff ein Verfigen oder Liedgen zu machen
wiſſen, obſchon ins gemein ſolche Leute für beaux esprits
ausgeruffen werben, jo gar, daß es bey denen Frangoſen
faſt dahin gefommen, daß verftändige Leute ſich es fuͤr
eine Schande gehalten mit dieſen Namen geruͤhmet zu
werben. Le Pere Bouhours ein betanter Jesuite hat
die Eigenſchafften, welche zu der wahrhafftigen Schönheit
des Werjtands cigendlich exjordext werden, weitkäufftin
bejchrieben. Er machet dreyerfey Arten derer Leute, die
mit fo einem fchönen Geifte begnbet find, derer etliche
fuͤrnemlich vom studiren unb ber Gelehriamfeit profes-
19]sion machen, etliche fich in täglicher conversation
hauptjächlich betiebt zu machen miflen, etliche aber zu
wichtigen Berrichtungen für andern gebrauchet werden
tunen. Zu der erjten Art erfordert er, daß ein Ge
Tehrter, jo ſich diejes Titels wuͤrdig machen will, eine
BVerftand Haben miffe, qui soit solide, brillant, pene-
trant, delicat, fertile, juste, universel, elair & mo-
deste; ba er gejchieht ſey alle Sachen wol
ſcheiden, und jelbige wie fie am fich ſelbſt
* trachten, wicht aber wie ber gemeine Voͤbel fich bu:
euferliche Anſehen betriegen zu laſſen, oder durch
subtiles nadfinnen fi eitele und ve
dungen Davon zu machen, daß ev nicht Verde
mrriſch, Sondern luftig und lebhafft fey; d
Son Nachahmung der Franzoſen.
Tage find, durch ungeitiges disputiren
— Ha 7 er a, nicht —
unangene! mit fer manier und An—
ſrzubringen wiſſe dal; ex einen guten Wor-
all babe von fürjallenden Sachen häuffig und doc nicht
verſchwenderiſch zu raisonniren, und nicht feine locos
2 — auff einmahf ausſchutte, ſondern deuen jenigen
un a: reich und propre gefleidet find, aber
che Unkoſten auf ihre Kleidung wenden;
A er —— ‚eigene Geſchicligteit zu Marckte bringe, und
Fi mit anderer Gelehrten Gute nicht bereichere, ober
E17 — mit nichts als Sprüdjelgen, die er aus
denen alten und neuen Soribenten zuianmen geſucht,
ousichmide; daß er im allen guten Wifienichafften ber
wandert je; daß ex feine Gedanden andern klar und+
deutlich on Tag geben tönne, und wicht fo zweydeutig
=o ober bundel rede, wie che deifen die Oraoula, oder als
wolte lauter Nägel auffzurathen geben; endlich
daß er beicheiben jey und weder zu viel [10] won ſich
noch ſich affeotirter Welie verberge. Nechſt dielem
er bie andere Art des beaux esprits, jo War
or die aber doc durch eine lange Exfi hei
seiten ich die Geſchiclligkeit zu
haben, daß fie wohl, leichte, und axtig i
EHE ontmuen, var net
ten, eg
so werfen, Luftige Hitörgen erzehlen, mit Verſtand ich
in Feöfichen Geſeilſchafften anmuthig ipotten, in ernft
10 CHriftian Thomafius.
jelben penetriren, auch das jenige zuvor fehen, was
daraus entitehen koͤnne; die alsbald die Mittel und Wege
erfennen, wodurch mar auch das fehwerjte Vorhaben zu
Werk richte, und alle Verhinderungen aus dem Wege
rAume; die ſich auch nicht allzuviel Verhinderungen oder
Aufälle vorftellen, welche zu wicht anders ng find, als
die Menſchen ohne Not) zage und zweiflelhafftig zu
madjen. Le bon gout, gleichwie es eigentlich einen
guten und subtilen Gejchntad bedeutet, und dannenhero von
ſolchen Leuten gebraucht wird, die nicht alleine das was
‚gut ſchmedt von andern gemeinen Speifen wol zit unter
icheiden wiſſen, ſondern auch geſchwinde durch ihren ſcharff ⸗
firigen Geſchmack urtheilen Können, woran es einen
eſſen mangele; Alſo haben die Pranbojen nicht umeben
dies Wort hernach figͤrlicher Weiſe von allen denen zu-
brauchen angefangen, bie wohl und vernuͤnfftig das Gute
bon den Böien oder das artige von dem unartigen unter ·
ſcheiden, daß alfo den Nahmen d’un homme de bon
goust der jenige verdienet, ber fo viel bie Sinnen be
trifft, zum Exempel eine artige und geſchickte Lieberey
auszufuchen weiß, [11] oder der fich Lieber an einer
anmuthigen Laute oder wohlgeftwichenen Wioline ala an
den beiten Brumeifen oder der zierlichften Sadpfeiffe
delectiret; jo viel ben Berjtand anlanget, der mehr vom
Hoffmanns oder Cafpars Poüsie Hält, als von Hanns
Sachſens Neimen oder andern Meifter- Geſ igen, der
Ciceronem, Cujacium, Grotium, Carı höher
achtet, als die Scholasticos, Glossator Aristotelia
Ethic, und Petri Lombardi libros sententiarum; fo
viel den Willen angehet, der eine vergnuüͤgliche und dem
gemeinen weſen mipfiche Lebens-Art einer verdrießlichen
Er pedantifchen borziehet ; ja fo viel endlich die Affeoten
md Gemhtheneigungen berühret,- der zum Erempel ein
‚galantes und Liebreigendes Frauenzimmer für eine alberne
amd närrijche coquette fidh zn Hebften mehlet. 4
ad propos was ift galant ımd ein galanter Menſchꝰ
dieſes dürfte uns in Warheit mehr zuthun machen als
Bon Nachahmung der Franzoſen. 1
aumablen da dieſes Wort bey und Teutichen
gemifibrauchet worden, daß es von
von Pantoffeln, von Tiſch und Bänden,
tb Dinten, und ich weiß endlich nicht, ob
von Aepffel und Bir zum öfftern gelagt wird.
ſcheſnet auch, als wenn bie Frangofen felbft nicht
wären, worinnen eigentlich die wahrbafitige galan-
ie befiehe. Mademoiselle Seudery bejchreibet befetbige
abjonderlichen sonversation de Vair galanr,
«8 eine berborgene natlirliche Eigenſchafft wäre,
welche man gleichſam wieder Willen gezwungen
einem Menſchen günſtig und gewogen zu fer,
an danı die Galanterie, und das
Im y oo von obgemelter Pere Bouhours
ipräch verfertiget, einerley wären. Ich
te meines bebiindens davor, bafı Mons. Vaugelas
ons, Costar bie Eigenſchafft der Galanterie ein
ig —— und beutlicher beſchrieben haben, ba
etwos gemiichtes ſey, jo aus dei je ne scay qvoy,
aus ber guten Art etwas zutbun, aus ber manier we
Heben, fo am Hoffe gebräuchlich iſt, aus Verſtond, Ge—
Tehrjamteit, einen guten judieio, Hoͤfflichteit, und ——
feit zuſemmen geſetzet werde, und deme aller zwang,
und unanſtandige Plumpheit zuwieder jey.
en ich 4 dafs ich nicht irren werde, wenn ich ſage,
benen Franthoſen bie Gulanterie uud In Poli»
— ‚eines fer und dannenhero zu beſſern Verſtand der
Galanterie alles das jenige wohl verdiene gelejen zu
werden, was — — Maden
ssgsg®$
5
S
‚8
Fi
HBH
Hirt
wenih
es etwas
wohl und Bee zu Teben, auch gefchiett md }
Zeit zu reben wife, daß man feine Lebens-
dem guten Gebraud) der vernünftigen Welt r ichte,
man miemands einige grob- und Unböffligkeit erweite,
‚man denen Leuten niemals Das jenige umter Mugen
12 EHriftian Thomafins.
age, was man fich ſelbſt nicht wolte gejagt haben, daß
man in Geſellſchafft das groſſe Maul nicht allein habe,
und andere fein Wort auf bringen laſſe, daß man bey
den Frauenzimmer nicht gar ohne Rede fige als wenn
man bie Sprache verlohren Hätte, oder das Frauenzimmer
wicht eines Worts wuͤrdig achte; bingenen much wicht
allzu fühne jen, und ſich mit jelbigen, wie gar vielfältig
geichichet, zugemein mache; dieſes alles ſage ich, find
jolhe Eigenfchafften, bie zu einen galanten Menfchen er-
fordert werden.
&s iſt aber. nicht genug, Meine Herren, daß wir
mit dem Verſtand derer Wörter, die bey denen Franboſen
einen Menichen in hochachtung bringen, richtig find,
Wir müͤſſen auch ein wenig betrachten; ob denn die
Frangofen hierinnen einen Vorzug für ns haben, daf
wir dieſelben in dieſen Stucken nach[18]juahmen beduͤrfftig
ſind. D'un honnete homins von einen ehrlichen Mann
machen fie zwar viel weiens, jo gar daß ein befanter
Hoffmann feinen König auff feine bejfere Axt zuliebfofen
gewuſt, als daß er au ihm gejagt, wie er ihm nicht. jo
wohl wegen feiner tapffern Thaten, als daß er ein rechter
honnöte homme wäre, liebte und ehrete; Alleine ob auch
bey allen oder deuen meijten die wahrhafftige horinetöte
jo wohl in der That als in dem Munde anzutreffen ſey,
it eine kuͤhliche Frage, welche doch auch zu unferen Zwec
eben nicht mörhig. ift, weitläufftig erörtert zu werden,
Denn ohne einer von beyden mationen zuſchmeicheln
oder diejelbe anzuftechen, werden wir gar ficher Tagen
Bunen; das wenn unter denen Franbojen nicht wenig
gefunden werden, welche diefe Tugend hindanſehen, bey
uns Teutſchen an ſolchen Leuten auch Fein Mangel jey,
amd wenn im Gegentheil die AFrangofen viel Er
des honndtes gens auffzuweiſen haben, wir eben
daran wicht arm find, moch von möthen
bey denen Fraugojen nad) Berfonen, denen man bierinnen
nachahmen wolte, uns umzuſehen. 7
Was aber die Gelchriamfeit betrifft,
Son Nadahmung der Franzojen. 13
Fein Zweifel, daß es heut zu tage unter denen Frantzoſen
mit denen ten auff das höchfte fommen, in Anfehen
bie Magnificentz bes Königs und die Hoch⸗
in berer Groſſen bey Hofje angefrlichet Ins geſamot
bemuͤhet find, amurbige und migliche Wifenichafften
'b die ohmmöthigen Grillen derer Schul
und aus dem Lande zu jagen. Petrus
nice zu achten Find, To iſt doch micht zu Läugnen,
Tpes das Haupttih der Weltweißheit, welches
omwei-[i4]fet, wie er jeine Vernunfft
joll, von den Unflat und Narrenpoſſen
in Frandveid) gefaubert, md jo viel
(, fc) euſerſt bemühet, daß die Philo-
ein taugliches Werdzeug berer höhern Wilfen-
bramcht werden fönne; wiewohl mit feiner
abe ja mit Verluft feines Lebens. Ihme find
andere Mnge Möpffe nachgefolget, und muß ich
eingigen zuerwehnen geitehen, daß des Port
‚de penser ob fie gleich durch und Durch
lmnifch ft, dennoch ſehr viel gute Sachen in
amd twohl verdiene, daß fie von einen, der
1 Kopf] ein wenig auffräumen will, mit bi
werde. Und was milfte ich ffir Zeit und
1, wer ich alle die Gelehrten Frant
3
52
sophie
=. qröften
hierinne
mr
u
Diefes lan ich unangemercit nicht
ans einen uͤberaus Aigen abfehen nicht allei
enthells in Frandoͤſiſchet ed
id
14 Ehriftian Thomaſius.
unvermerckt mit groſſen Vortheil jortgepflanget, wenn ein
ieder das jenige, was zu einer klugen Wiſſenſchaft cr
fordert wird in feiner Landes Sprache leſen kan, und es
ſich nicht erit umb frembde Sprachen zuerleruen ſauer
werben laffen muß. Abſonderlich ift an ihren versionen
zu Toben, daß — ſich Leute gebrauchen laſſen, welche
von manniglich fuͤr gelehrt und Flug passiret werben
muͤſſen; auch, beyder Sprachen jo wohl der Franhoͤſiſchen
‚als der Griechiſchen oder Lateiniſchen recht mächtig ge-
wefen; und endlich nicht obenbin, wie die Schiiler die 10
argumenta zu machen pflegen, die Autores uͤber- 15
jeßet, ſondern mit guten bedacht und ſcharffen nachfinnen,
fo gar das mander ber feine version Öffters und fleißig
überjehen auch wohl in die ziwangig Jahr Damit zuge
‚bracht, ſich nicht verdrieſſen laſſen, alles zuzerreiſſen und
von bornen anzufangen, wenn ihm eine beſſere methode
E}
durch verbollmetichung des Thucydidis, Frontini, Minueii
Felieis, Arriani, Csaris, Luciani und Taeiti ihre
Nomen unfterblich gemacht, und muß ich befennen, daß
bie Version des Tueiti mir bey fefung diejes Autoris 25
für einen der beften Commentatorum, jo viel den Ver—
ftanb Davon anlanget, gebienet Habe, in ber uͤberſetzung
des Lueiani aber ein ſolches Kunſtſtuͤct verborgen jtede,
welches einen abſonderlichen weitläufftigen Discurs ver
dienet, Wannenhero Amelot de la Houssaie weißlich a0
getban Hätte, wenn er in jeinen Discurs über die
Commentatores und Versiones Taeiti und in dem
Traetötgen von ber Schmeicheley fein einfältig Judi-
olum von bes d’Ablancourt uͤberſehung bey fich behalten
hätte, denn fo hätte der ungenante Defensor des D'Ab- #5
laneourt ihn auch zweiffels ohne für einen gelehrten
Brangofen und geichicten Dollmeticher passiren laſſen,
Bon Nachahmung der Frauzofen. 15
er hingegen: bey dleſer — den ne Amelot
unbannherhig jtvicgelt, auch die geringiten
— jonften eig zu berfehen geweſen
mie ms nun auch unter uns annbfehen,
en Gelehrten für eine Bewandnuß habe.
noch im Deutichland gelehete Leute, aber
häufig als in Frandrelch, weil ſich ſehr viel von
- umferigen uff die Ab-[16]stractiones Metaphy-
I Schullehrer befleitiigen, (durch welche man
dem gemeinen bejten was muget, noch feiner Seelen
it befördert, und bei welttlugen Zeuten mehr ver-
(6 beliebt ſich machet,) ober bie nöthigen Wiffen-
nur obenhin amd ohne gruͤndlichen Verſtand twie
15 bie Nonnen ben Pſalter fernen, und iſt nichts neues,
bafı wenn zum Exempel ein qut Ingenium an jtatt ber
Zrebern jeinen Verſtand mit vernänfftigen Speifen, nebren,
und den Durandum do 8. Porciano &e. wicht für einen
sE F
El
EHE
Fi
laſſen, ober bem was ihm in ber
E} — en worden, nicht nach pfeifſen will,
felbiges in ja jo ſcharffe Ingvisitiones jält, als Petrus
Ramus zu jeiner Jeit, der jich fir Roniglichen Com-
nacorhklich defendiren, mufte, daß er gefehtt,
definiren, und dod aut Weihe
J
verkehert und aus beiligent Nidod un.
mit denen ihimpfflichften — ber
B
BEE
Hal
— mischi ; a qui
ne: von der Sorbone zu Pı
eine Srammatied liſche Ketzerey begangen hätte,
en becaubet wurde. So ift auch offenbahr,
entſchland unſere Sprache
halten als die Franhoſen bie ihrige
wir uns befleiffigen folten die guten Wiſſen⸗
deutſcher Sprache geichidt zuſchreiben, ſo fallen
gersr
—
16 Ehriftion Thomaſius.
ir entweber auff die eine Seite aus, und bemühen uns
die Sateiniihen oder Sriechiichen Terminos technicos
mit dundelm und lacherlichen Worten zu verdungen, oder
aber wir fommen in die andere Ede, und bilden uns ein,
unfere Sproche ſey nur zu denen Handlungen in gemeinen
Leben nuͤhlich, oder ſchicke fi, wenn es auffs hoͤchſte
könnt, [ER] zu nichts mehr, als Hiſtoͤrgen und nette
Zeitungen darinnen zu fehreiben, nicht aber die Philo-
sophijcen oder derer hoͤhern Faenltäten Lehren und
Grund-Regeln in jelbiger fuͤrzuſtellen. Denn wieviel find
unter uns, die da meinen, es jey die Wiſſenſchafft der
Lateiniſchen Sprache ein weſentliches Stiidte eines gelehrten
Mannes, und wer ſelbige nicht gelernet habe, ber könne
ohnmoͤglich gelehret ſeyn; ja ich wolte wetten, daf unter
denen, jo biejen meinen Discurs fefen werben, fait die
helffte dleſes ihre erſte censur werden ſeyn laſſen, daß
ich ungereimt gehandelt, weil ich ſolchen nicht in Lateini-
ſcher Zunge verfertiget; fo gar wird unter ums felbit
der verdchtlich gehalten ber mir im geringften in diefen
Stuͤck zu beförderung guter Künſte chvas im unſerer
Sprache verfuchen wolte. Dannenhero auch fein Wunder
iſt, wenn es bey uns in Teutſchland am guten uͤber⸗
fegungen mangelt. Swar jo viel die Frantzöſiſchen
Schriften betrifft, dörffen wir eben die Exempel ge—
ſchicter Versionen jo gav weit nicht holen, jo von ber
zühmten Männern nur bey ihren mühigen Nebenftunden
verfertiget worden, Dem wer achtet die Dollmetichung
Mosis Amyraldi von Unterſcheid der Neligionen, und
Jean d’Espngne von allgemeinen Irrthuͤmern, nicht fir
ein Meifterftäet? bes Molinwei Seelen-Friede und anderer
mehr anigo zugejchweigen. Aber was Lateinische und
Griehiihe Seribenten beteifft, werden wir aud wohl
einen einigen finden toͤnnen, den wir ohne Pralerey dent
Vaugelas oder d’Ablancourt toͤnnen entgegen jegen.
Sind gfeich unter uns einige, die hierzu nicht ungefchidt
wären, fo wire es doch denenſelben hödift vor übel zu
‚halten, wenn fie mit jo geoffen Fleiß, als jene gethan
12
Von Nachahmung der Franzofen. 17
eine recht nette Version ausarbeiteten, da man cd ihnen
band wiſſen, ober mit Mähe und Noth die
umgetadelt laffen wuͤrde. Die meiften Über-
ungen berer Autorum Olassicorum ſind von Schul-
5 fenten ‚ber-{iöffertiget worden, die entweder aus iher-
Mangel guter Belohnung unb daß fie Öffters
mehr famis — als füme aeqvirende gratia die
Feber ergreiffen anffen, ober aber aus Mangel eines
reinen md Hochteutſchen Styli, als welchen man nicht
Schulen, ſoudern im Gefellſchaſſt anderer Leute und
anderer Bücher beqreiffet, ums feine anmuthige
Version geben u oder 5— —— —
vielfältig Exenwel koͤnten angeführet werden, wie
ahlen arme Stümper, die iaum zivey oder drey Worte
15 von der Sprache, aus welder bie Überfegung geſchehen
Toll, verftchen, und bey ieder Phrusi das Lexieon
brauchen ‚ Nich des dollmetſchens — F
ee und el wieder anffge⸗
meiſtens
fegt werben ſolle, wolte ber Verleger denen jenigen zu
w mus, jo fein Franhöſiſch verſtehen die Franßoͤſi Wort
und parageaphos alsbald darbey teutih n
bee: That eine — Vrobe ablegte, 6
E} wenigften. be der geradebrechten Version
‚Hätte auff eine zeitlang abteocne:
— gelefen hätte. Ich will nur Erxempels weit
3 die vornehmften hier anführen. (1.) Er \ = dadurch
den Ruhm d’un homme sage erwerber er ſonſt
par un emportement brutal ober durch * —
— oi.
18 Chriſtian Ehomafius,
ansführung feiner Sache ſich [19] überall in ͤbeln credit
jegen wilrbe. (2.) Wie vor biefem ein Polnijcher Seigneur -
zu Bari feinen dollen Yunahmen bey einer Dame lieh
anmelben, gab biejelbe ihrem Diener zur Antwort. Het
qrion mene cet animal A loourie, & qvion luy
donne du foin. Adınirez cela. Ey lajjet dieſes Thier auf
die Reitſchule führen, und ihm ein Bund Heu vorlegen.
Kommet end) diefes frembd vor? (3.) Ahr Herren,
wir fallen zu weit tn unfern Discursen & il faut rompre
les chiens, das ift: wir mAfjen bie Hunde fteeichen
Yaffen. 4) Luxuriosi & Prodigi machen ofjtermahls
eine depence sourde pour des amourettes, das iſt eine
helmtiche Anklage fir ihre Courtesien. (5.) Il ne
taut jamais donner le flanc ou temoigner des bassesses
ü son ennemy, Man muß niemahls weimen oder
gegen feinem Feinbe eingige Zaphafftigfeit ſpüren lafſen
(6.) Un grand esprit tout seul ost un grand instrument
& faire des fautes. Gin hoher Geiſt iſt einbig und
allein ein groſſes Werdzeugn krumme Händel damit
zumachen. (7.) Qvel Hazard faut il courir en prenant
une femme? da er vermeinet, fie je intacta und wie
die feufchefte Seele zu ihm ins Ehrenbette geitiegen, &
un Cousin ou Compere a eu les gans de Madame,
de i. da hat ein guter Velter ober |20] Gevatter Ihre
Haudſchuh in verwahrung gehabt. Sitzet nun ein-
ſolcher ſchon in der höͤchſten Dignitt, ſo wird doch eines
Weibes unehr des Mannes md der Kinder Ehre feinen
geringen Flecken abwiichen, und mag die Comedie des
Moliere oder das Franpöfifche Sprichwort: II a cola
du commun avec des grands Seigneurs d. i. Er
halt dieſe mit andern geoffen Herren auff der gemeinen
Strene andere aber mich wicht tröften. (8.) La mort
subite est des toutes la plus comniode au sage &
a un homme de bien. Ein geihwinder Todt ift einen
Mugen und begüterten Menſchen der nllerbeqdemite.
9.) Avec un bon mot Monsieur, l'on me feroit aller
aux Indes, Mit einem einpigen guten Wort, mein
Bam Nechahmung ber Frrangofen. 19
bracht ih es dahin, daß man mich im Indien
0.) Einer der eine gantz ungejtalte und
meil er un pauyre Cadot, und fie
jel Hatte, Heyrathet, und fie hernach fiben
anders mo und im Haufe mit Cattom
mit einem Catoniſchen ernſtlichen
x.
bierbey zuthun, meine Herren?
bemühen bie teutfche Spradje durchgehends
ae zubringen, um baburch ber Ausbreitung
ben Weg zu bahnen? Diefes duͤrffte
lich angeben, und win-[21]den-wir wenig ausrichten,
il bißher ihon eine geraume Zeit fo viel Eluge Köpfe,
jo viel edele Mitglieder der Fruchtbringenden Gejell-
2— bergebens daran gearbeitet haben. Was fir Hinde-
rungen im Wege stehen, waͤre — zu weitlkufftig
zu erzehlen. Ich wil mm dieſes berühren: In Fraug
veich redet niemand teutſch, auſſer etwan die Teutſchen
unterelnander, ſo ſich darinne auffhalten: Alleine bey
= uns Teutſchen iſt die Franhöſiſche Sprache jo gemein
worden, da an vielen Orten bereits Schufter und Schnei«
der, Stinder und Gejinde diejelbige gut genung veden;
Solche eingeriffene Gewonheit auszutilgen ftehet bey
feiner privat-Perfon, kommet aud) derſelben im geringiten
= nicht zu. Wir folten ums Leber derſelben als eines Mittels
bedienen, bie ————— dadurch jortzupflangen. Der
‚Sefuite Bonhours vühmet die Frantöͤſiſche Sprache meit-
Kdujtiq, doß fie fhhig ey, eben dasjenige zu verrichten,
was man Durch die Lateiniſche und Griechiſche au Ye
» lan. bieweilen, tie bereits erwehnet.
Sprache ediret werden. Wir haben ja a
tentjche Bichet, obgleich nicht jo Häufig. Warum folte
es nicht angehen, daß man durch Hilffe dev Teutſchen
* und Bra e Spradje, welche Legtere fait bey ıms
nnturalisiret worden, Leute, die fonften einen guten
natürlichen Berftand Haben, in kurber Zeit viel weiter
20 Chriſtlan Thomafius.
in der Gelehrfamteit brächte, als daß man fie erſt jo
viel Jahre mit dem Lateinischen pladet. Sprachen find
wohl Sierrathen eines Gelehrten, aber an fich felbit
machen fie niemand gelehrt.
Man laſſe diejenigen, jo Luſt darzu haben, und die
von studiven bie Zeit ihres Lebens profession machen
wollen, Satein und Griechiſch genung Lernen, denen andern
aber, jo man im gemeinen Leben brauchen wil, oder
die nichts als Frangöfiih und Teutſch gelernet haben,
und denen das studiren wegen des Lateinischen ſauer
und verdrießlih wird, helffe man ohne Verdrieplich-[22]
feit, mit dem was fie gelernet haben, fort. Ich halte
adngtich davor, warn man dieſes nur mit wenigen ver⸗
fuchte, man würde garbald einen mercklichen Vortheil
daraus ſpuͤhren. Zum Exempel: Wenn ein Fuͤrſt im
Reich vom 18, oder 20. Jahren nicht alleine gruͤndlich
Davon raisonniren fönte: Worinnen das Amt eines
Ehriftlihen und weilen Fürften insgemein be-
fehe? Wie er zufdrderft denen Göttlihen Ge—
ſehen gehorſame Pilicht zu Leiften ſchuldig? Wie
weit ihn das natärlice Recht gegen alle Men-
ichen verbinde? Was GOtt über diejes in dem
allgemeinen Sitten-Gejeg, jo er bald nad Er-
ihaffung der Welt, oder nad) der Sündfluth dem
ganpen menjhlihen Geſchlechte pudlielret, von
jelbigen erfordere? Worinnen das Weſen und
der Grund der wahren Chriftlichen Religion ber
ſtehe? Wie das Hirhen-Regiment aeführet und
der Kirchen⸗Friede erhalten werden muͤfſe? Wie
der Brofan-Friede jo wohl Auferlich als inner-
ich zu defeftigen? Wie ein Fürft nad dem ge
meinen VBölder-Recht mit andern Staaten und
NRepubligven umbgehen folle? Auff was Art er
das Interesse feiner Benachbarten beobadten
mifje? Wie er bey Zeiten und im Frieden da-
rauff bedacht jeyn jolle, daß er vor alle
lichen Unfall jiher ſeyn könne? Wie er ſcharffe
Bon Nachatzmung ber Frangofen. 21
Seriegs-disciplin ſolle halten, dabeneben aber auch
guten und richtigen Sold geben? Welderger
ftalt und zu was Ende er ſich mit andern Fürſten
ohne Schaden und mit Ruben in Bündnijje ein-
lafſen jolle? Wie die Unterthanen in guten
Sitten auffzusichen? Wie nach derſel ben genio
oder fonft nad) erheiſchender Nothdurfft die civil-
Gejehe einzurichten? Wie weit diefelbigen zu
ezegrixen ober in was maſſe ein Fuͤrft ohne Ge—
fabr darinnen dispensiven Eönne? Wie ferne die
Stroffe zu mindern oder zu schärffen? Was fir
Diener einem Fürften zu [28] Unterhalt jeines
Staats und zur Nothwendigfeit des gemeinen
Beitene vonndthen, auch mas bdererfelben ihr
Amt fey? Wie Die Serehtiglelt gehandhabet
werben mäfje, daß feinem zu furb geſchehe, moch
die Unterthanen durd; langweilige Processe aus»
nejogen umd märbe gemadıt werden? Wie Zölle
umd Contributiones ohne groffe Beſchwerung berer
Unterthanen oder Hinderung der Comercien an—
auflegen, auch wie ſolche (öblich und wohl ange»
wendet erden follen? Und wie endlich derer
Unterihanen Nahrung merdlid gehäufiet und
befördert werben fönne? Wenn fage ich, ein Furſt nicht
‚allein diefes alles wohl verftünbe, und hiernechit fo wohl
in alten als neuen, jo wohl in Kirchen- als projan-
Biftorien wohl wersiret wäre, auch fürnehmlich
den Buftand des H. Nömifchen Rei
fic) innen Hätte, und mit guter Ar
eine geihidte Rede nach dem furhe
stylo jelne Sebanden eröffnen, oder eiı
ne! verfertigen SE a
x biejes dasjenige, was insgemein zu dem Ale eines
Färften geböxet, anff fih und feine Unterthanen
infonberheit wohl zu appliciren wife; Die inten-
ton jeiner Benahbarten; Seiner Unterthanen
nalwrell, bas Thun und Verhalten jeiner Glerifey
22 Chriſtian Thomaſius.
und Bedienten, das Vermoͤgen ſeiner Unterthanen,
die Nupbarkeit ſeines Landes etc. genau be—
merdete, und aus diefem allen dienliche Mittel
zu fuchen wüßte, die gemeine Ruhe umd Wohl-
fahrt zu befördern ete. fo halte ich gänglich dafür, man
tiirbe einen folchen Heben mit guten Fug für einen ger
lehrten Fuͤrſſen passiven laſſen miſſen, und wo mir recht
iſt, jo bat Plato auff einen ſolchen gezielet, wann ex ge-
jaget: Daß alsdenn die Republigven Höchjt glüͤckſelig
jeym wixden, wenn entweder die Furſten philosophirten
oder benen Philosophis die Regiments-Laft aufgetragen
wuͤrde. Uber ift [24] denn Hierzu fo grofie Mühe von-
möthen? und woran Kieget es, daß wir dergleichen Proben
nicht viel auffweiien Können? Warhafftig an denen
Potentaten ſelbſt nicht, ſondern meiftentheils an der Art
jelbige zu unterweiſen? Ich bin verfichert, daß wenn
man einen jungen Herru von 10. bif; 12. Jahren, ber
nur fein Teutſch amd Franhoͤſiſch verjtinde, anfienge
täglich zwey biß drey Stunden non dieſen Materien mit
einem bon Ernſt und Schert gemengten discurs zu unter-
Halten, und darneben mit guter Art disponirte, ba er
noch ein paar Stunden mit Luft auff Leſung guter
Hiftorien, auf die Geographie unb Genenlogien ans
wendete, man wuͤrde ohne ihm einigen Ekel vor dem
Studien noch Verbruß fir denen Gefehrten zu machen,
ingleichen ohne Beſchwehrung des Gedaͤchtniſſes mit vielen
auswendig Lernen, und Marter des Verftandes, dasjenige
zu glauben, was man nicht verſtehet, welches zugleich
denen Menſchen einen haupt-verbriehlichen Eigenfinn ein-
floͤſſet; in endlich ohne Beybringung vieler nichtstwirdigen
ragen, welche das Gehirn verwirren und keinen geöffern
Nusen haben, als Matten und Mäufe zu tödten;
ſam ſpielende und als durch den angenehmften
treib noch vor dem achzehenden oder zwangig|
biejes alles zu wege bringen koͤnnen. l
Ferner, fo viel eine Privat-PBerfon betrifft,
den mir verhoffentlich bie Gelehrten gar gerne Beyfall
Bon Nachahmung der Franzoſen. 23
gie dafs fich felbige nicht wärde ſchamen duͤrffen mit
ſchrteſten Männern zu eonversiren: Wenn
fie — die Regeln qrͤndltich Au raisonniren wohl
innen hätte, ihre Gebanden füglich und ordenttich
5 fürzubringen wuſte, von anderer ihren Schriften
ein gut judieium fällen, auch denenfelbigen dei Ur—
fprung ihrer irrigen Meinungen und wie weit
jebige von ber Nichtfhnur der Warheit abe
on mit guter Urt und Freundlichteit darthun fönte;
Wenn fie hernadmahls [25] die Rede-Kunſt fo weit
— —— dafı fie einen wohlgefegten Brieff ver-
fertigen und einen gefchieten Discurs formiren könte;
wenn fie in denen Muthematifchen Wiſſenſchafften
fo weit bewandert wäre, daß fie von niemand in ſelbigen
as berrathen zu werden ſich befürchten duͤrfftez wen fie von
lien —— — ne
jenichafften, jo diel wachheit des menfchlichen
Berfantes verminfftig vedenz wenn fie von der
menfhlichen Pflicht fo wohl gegen GOtt als
» Menfchen in allen Ständen nicht ungefchidte nadı
richt könnte; wenn fie ferner — was ehe deſſen
von im allen” Pytha;
te
wieder empor fommen, was Ramus che defien in
0 der Bernunfft Lehre, was nach diejen der be
— des .
lich Malebranche in ——— der
ach·
folger, oder Wiederſacher in ber © Sitteutehee
Aheils genenert, theils gebefjert; werm fie von Urjprung
2 Shriftion Thomafins.
und Fortgang derer Republigven in der Welt,
von bererjelbigen heutigen Zuftanb abſonderlich
aber von Beſchaffenheit des 9, Römischen Reiche,
unb beijen Haupt und Öliedern, von derer ans
dern Europwifchen Potentalen und Republigven 5
dessein und interet wohl informiret wäre: wenn fie
von dem Zuſtand der Kirchen altes Teftaments
etwas weniges, don benen Spaltungen [26] neues
Zeftaments und deren Gelegenheit, abjonderlich aber
von denen Irrungen jo nad) der Reformation et» 1
ſtanden genauer und deutlicher zufagen woilite, wenn
jie von bemen beften Autoren, zuförderjt aber
von denen nenejten gute Kundſchafft Hätte und in
deren Schriften nicht frembde wäre u. |. w. Ich dichte
wer dieſes alles prestirte, dörffte noch wohl ſich ımter 15
bie Gelehrten machen. Jedoch weiß ich nicht, ob wir
jo balde unter jungen Leuten, und die nicht unter ben
studiren faft veraltet find, dergleichen antrefien würden,
ob wir jie ſchon nicht umter denen, die im deuen hohen
und niebern Schulen an ftatt der Bücher Wohlluſt und 2
Ergeplichfeit geltebet, ſondern vielmehr unter Denen, Die
die freyen Kuͤnſte in denen trivial Schulen wohl ber
griffen, auch Ihre cursus auf denen Academien absol-
viret und bie Discurs und Dietata ihrer Lchrer an
einem Schnärgen herzuſagen wiſſen, hervor juchen wolten, 25
Und dennoch Aönte gar deutlich dargethan werden, daß
man Diejes alles einem erwachſenen jungen Menſchen,
ber mit einen guten natürlichen Verſtand verjehen wäre
und nebft feiner Ventterſprache einen Frantzoͤſiſchen Autoren
verjtände, es möge ein Frauenzimmer oder Manns m
perfon feyn, fo ferne felbige nur vechtichaffene und
feine laulichte Begierde hätte jolches zu Lernen, mit der
feichteften und angenchmften Art in jehe wenig Jahren,
nachdem der Fleiß mehr oder minder wäre, ich wil nicht
jagen hauptſachlich beybringen, Doch zum wenigften der⸗
‚gleichen Anfeitung darzu geben koͤnte, daß fie hernach
ohne fernere Hanoleitung und fir fich ſelbſt nach beiteben
Bon Rachahmung der Frangofen. 25
Vergnugung ohne Anſtoß fort studiren, oder in
gebraucht werben Eönte, auch allbereit in Gefell-
fie nur die Regelm zu vechter Zeit zu reden
ae Ai — in — und
(te. Es kam jeyn, daß man
jöxheit oder extravagance [27] deuten
menzimmer und Mannsperſonen im eine
ald wenn es eben fo leichte waͤre
zu machen, da doch bey uns fr
wird, wenn eine Dame me in einen
r Gelehrfamfeit etwas beſthet. Aber
— gerne ſeine Meinung laſſe: alio
doch nicht allein diefes, was ich geietet,
‚zubehaupten, jondern gar darzuthun,
jey und mehr Succes zuhoffen, ein
von einen guten Verſtande, welche fein
) ', auch nichts ober wenig von der Ge»
weiß, als eine and mit quten Verſtande ber
die aber darneben van Jugend auff
in gepladt, auch wohl allbereit herrliche
Sefchidtichleit erhalten Hat, zu unter⸗
var er (ie —* Lateiniſche — die
an hindern folte, mt wer wolte jo under“
nlnfftig raisoniten?) ſondern weil durch die durchgehende
5 gemöhnlice Lehr WUrt viel umgegriindet und ohnnöthig
zeug webit dem Latein in die Gemünher der Vehrlinge
eingepröget wird, welches hernachmahls jo feſte Hehet, ı
merefliche Berbinderungen bringet, daß das tuͤch
Bee nr haften will. Cine meine Si
» nimmet das ſenige fo man drauff ſchreit
aber eit
blieben, wie ſchwer gehet es doch zu, wen
das erite auswiſchen will? ift dann ba:
Eieföhent geicheiehen worden, fo wilde
werben bie alten Buchſtaben ober
In z
man viel (ehren unb lernen. Geſeht min
BE 338 ge
———
—
—
*
Pi
&
#
f
®
E
®
fr
Hl
Ki
:
5
26 Ehriftim Thomafius.
daß ein Frauenzimmer manchmahl etwas Vanitdt hat,
welche zuvorhero etwan in einer vierteljährigen Zeit mit
guter Art auff die Seite geſchafſet werden muß; jo
mangelt es doch denen jungen [28] Herren daran eben jo
wenig. Ehe man aber bey diejen wenn fie ſchon studiret
haben, die prajudieia und vorhergefafte Meinungen, welche
fi; auff nichts anders als auff ihre Autorität dexer, von
welchen fie ſolche eingefogen, gründen, ausmiftet, halte
Ach dafiir, daß man zum wenigften ein dahr mehr Zeit
haben muͤſſe, welches niemand wunderlich furlommen wird,
der beym Cartesio geleſen, wieviel derſelbige feinem
eigenen Geſtandnuͤß nach Zeit angewendet, ſeinen Ver—
ſtand von dergleichen impressionen zuſaubern, ohner-
achtet ihm, wenn man ſeine Philosophie etwas genau
betrachtet, noch unterſchiedene, wie wohl wider ſeine gute
Intention, zuruͤck geblieben.
Wir haben uns in Betradhtung bes seavant homme
ein wenig zu lange auffachalten, wir werben aber den
Vortheil davon haben in denen Übrigen Stücken befto
füxher zu ſeyn, weil doch, wenn man es recht heraus
jagen will, die Wiſſenſchafft der Grund zu einem bel
esprit und ein möthiges Stuͤck davon iſt, dieſes beydes
ober das natürliche judieium ober le bon gout trefflich
fchärffet, und aus biefen dreven enblid ein parfait
homme gulant werben fan. So viel le bel esprit
betrifft, dirfften wir die fürgefte Arbeit machen, wer
wir den Bouhours folgen wolten, mafien wir nur mit
zen Worten jagen Könten, in Franckreich waͤre felbige
Wet Heute fo gemein als bie Miden in Hundstagen und
bey uns Hingegen jo rar, als ein Donnerwetter im kälte-
ften Winter. Gr faget daß das vorige Jahrhundert
fir Stalien an ſchoͤnen Geiſtern jo fruchtbar gewefet
jen, als es nad) Augusti ‚Beiten jemahls ſeyn können,
Das iehige aber jey für Frankreich, indem man mit
guten fug jagen koͤnne, daß alle Weißheit und aller Vers
ftand von der Welt eingig und allem bet denen ran
hofen anzutreffen fey, und daß alle andere Nationes
Bon Nachahmung der Franzoſen 27
J ‚gerechnet den Kopff mit Gribe ge—
üllet Hätten. Es fönne niemand mehr in Frandeih
= feinem [29] ichönen Weift empor kommen, und ſich
‚ bringen, weil icderman davon etwas über»
= den Habe, und fen — nahe fein Menſch unter ihnen,
ber ein wenig manterlich erzogen worden, welcher nicht
wohl m reden und artiq zuſchreiben wiſſe; die Yabt von
5 die lehrten Verſanuungen ltluger Leute
lehrten fich nl, ja er wiſſe mit einen Wort nichts,
einer wire im gangen Königreich als le bel esprit
ſein fo var darinnen geweſen) in ansehen er
alleine bey denen Gelehrten anzutreffen ſondern
4 Soldaten und geoffen Herren. Sie hätten
— wohl am Verſtande als an Tapfferteit
deipio und Cesar annehmen koͤnten (bey
fegenheit er dann einen befanten Bringen ſehr
und auf Jeſuitiſche Manier zuicmeicheln weih)
Hertioge, Morggrafen, Grafen, die ſehr geift«
wären, und bie ja fo wohl mit der
Ballet anzugeben ober eine Hiſtorie au
eine Feldſchlacht zu ordnen; Endlich jo
ihnen an Hergoginnen, Marggräffinnen, umd +
* — jo inegeſamt mit ſchoͤnen Verſtande begabt
wären, fo wenig ein Mangel als an denen Herren jelbft.
benen Moscovitern vergleichet, und
das gar was ſonderliches wäre, daß
Mofcoviter einen ſchoͤnen Verſtand
* allen falls dergleichen Leute di
— es Kal) Geifter von
‚habe, gleich als ob es ein Wunderwerd wäre,
daß ein Teuticher mit Verſtande ver-[80]jchen jey; (Er
28 ‚Ehriftinn Thomafius.
ſebet auch die Unſache feiner Meynung darzu, daß nem⸗
Ti, ein ſchöner Geift ſich gang uud gar nicht mit dem
groben temperament und massiv-Leibern derer Nord-
Röfder eomportiven me. Dieſe offenhersige Gedanden
des Bouhours jolten uns nun eine gnungſame Materie
geben, eine Satyre zu fehreiben, wenn es unjer Vorhaben
wäre; in Anſehen jich der gute Water mit jeinem bei
esprit ziemlich bloß gegeben, inben er zwar die modestie,
ale ein nöthiges Stück davon, wie oben erwehnet, er-
fordert, aber in Warheit ſich nicht allein hierimmen jehr
immodest bezeuget, jondern auch jeine Praterey (mern
wir und teutiher Medens>Arten, oder nach feiner Art
zu ſchertzen, massiv-Worte gegen ihm gebrauchen wollen)
darinnen merdlich ſpuͤhren LAft, daß er in eben demfelben
Gejpräd, wo er d’un bel esprit handelt, den einen von i
denen ſich unterredenden Perjonen alfo einführet. Il ne
se peut rien voir de plus beau que l’idee que vous
avez du bel esprit. J’ay pens# dire, qu'il ne se peut
rien voir de plus boau que votre portait; car om
dirvit que vous estes peint vous möme daus le
tableau, que vous venez de faire, tant il vous rag-
semble. Uber wir wollen den Ehrwuͤrdigen Herr an-
ietzo passiven laſſen, weil ihm ohne dem einer von feinen
eigenen Landes · Leulen unter dem verbedten Namen des
Cleante, wie befant, den Kopff mit allzu ſcharffer Lange
neaget, welcher auch abjonderlich ihm dieſes fünwiriit
und fir übel Hält, daf ex ganke Nationen |
der Welt angetaftet, auch vom denen Teutjchen fi nehmlich
gefraget, ob fie koͤnten unter les beaux e esp
werben? Zum wenigſten finden wir unter einen ‚eigenen
Model, jo ex uns oben d'un bel esprit ger nirgends,
daß dergleichen [91] Durchhechelungen und
gegen gange Nationen darzu gehören, jo
offenbabre und — Schmeicele
‚Von Racahnung der Franzojen. 29
® macht, zweiffele ich ſehr, ob es
21 haben gut fenn Laffen, wenn er noch
am Leben blieben, als welcher, wie befandt, mit
— ſich Sffters luſtig gemacht. Und
J der ehrliche Manu, das in Frankreich alles
f gar unmäßig oͤberley At, deß
sehen
sifge H
|
, und dem Bouhours dic Ober-
esprits wol ftreitig machen folte.
bé de Gerard ift warbafitig auch Feine
ben Titel feines Buches In Philosophie
ir und deſſen Worvede, wie auch den
berer daſelbſt befinblichen Geſpraͤche lieſet,
dem Titel ſiehet, daß dieſes Werckgen zum
auffgeleget worden ſey, ber ſolte drauff
der Autor habe den rechten Weg getroffen,
te Leute zu warhafftig Gelehrten und boaux
‚er Arbeit machen jolle, zumal da er in
icht allein auf bie barbariichen Wörter
abstraetiones derer gemeinen Philo-
', Tonbern auch auff die allzu jubtifen mathe-
5 Erfindungen und wunderliche Neuerungen derer
it, und ohme diefe Mängel alles das
‚uriöfeften in der Physio und am
der EittenLehre iſt, auff fo eine I
s2
n
€
.
esprite
Hy
Wenn man aber das Wer
die [82] Hand nimmt, was findet man doch
und albern Zeug? Ich wil nie
toren ber finnreiche Baile (ei war
s esprit) einer ziemlicher derben, wider
N Unmarbeit beſchuldiget bat, and des
Lobes nicht erwehnen, daß er fait in
30 Chriſtian Thomafins.
Seiten ſich jelbft giebt, und fein groſſes Werd (worvon
la Philosophie des gens de eour nur ein hurker Aus—
‚ang if) heraus ftreichet, denen Buchführern, die ſolches
Zweiffels ohne nicht haben verlegen wollen, das Maul
swäjerih zu machen, auch von einer Madame la Mar-
‚quise, bie er wil informiret Haben, viel Nihmens macht;
wielweniger was bie methode betrifft, allzu genau er⸗
innern, daß er wicht mit einen Buchſtaben erwehnet, was
er eigentlich) durch die Philosophie verftehe, auch die
Bernunfft-Schre als das nötbigte Stid austäft, uud in
übrigen die Philosophie und Theologie ziemlich unter-
einander wirfit; ſondern ich wil nur etliche grobe Fehler
und Auffſchneidereyen anführen, die mir im Durchlefung
laum des dritten Theils diefes Buchs vorkommen, Im
ondern Geſpraͤch, da er bon denen Secten der alten
Philosophen gehandelt, macht er mehr Auffhebens als
Die SMopff-Fechter von Vielfältigkeit derer Seoten, und
daß nodı niemand dieſelben genau eingetbeift habe, und
verſpricht, wie er eine gant leichte und jo herrliche Art
weijen wolle, ohne welcher man ohnmoͤglich aus ber
Verwirrung, worein ſich die Philosophi ſelbſt geworffen
haben, kommen koͤnne; Endlich koͤmmt es heraus, man
anhffe zwey DaupiSecten machen, die Dogmatifdhe und
Sceptifhe, und bahin alle andere zu bringen fuchen,
gleich als wenn Lipsius zu feiner Zeit, und nach, and)
mot Fılr ihm viel andere ſich nicht allbereit biefer Ein-
theifung bedienet hätten. In dem dritten Gejpräch, da
‚er beweifen will, daß das Frauenzimmer auch die Philo-
‚sophie ftubieren ſolte, macht er fid) ſelbſt einen Ein-
tirfi, es habe gleidwohl Chriſtus das Mannli⸗ an che
genommen
abe, weil nemlih GOTT an Annehmung der menſch
Bon Nechahnnmg der Fronzoſen 31
lichen Natur ſich habe ermtedrigen wollen, die Wamıs-
ven aber unter allen vernänfftigen Creaturen bie
und miedrigiten wären. ben fo geicheid
antwortet ev an jelbigem Orte auff ven Eimvurff, warumb
= de Banlus denen Weibes-Berfonen das Predigen ver-
r habe? Denn er jagt, es wäre deftegen geicheben,
fie mehr Verſtand hätten als die Männer, und
es nicht das Unfehen gewinnen möchte, als ob das
sinemer durch ihre Schönheit und natlrliche Beredı-
jo ieh Leute am ſich zögen. Im vierdten Ger
er, daß etliche die Meinung behauptet
item bie Engel etliche hundert Jahr für ber
worden. Aber dieje jchlägt er alsbald
m Frage zu Boden: Dem, ſpricht er,
Drte hielten ſich die Engel auff, da noch
. dw. Dem ſey aber nun
', To folten wir Teutſchen uns doch
Bouhoers uns gethanen Borwurff, als ob
feine beaux esprits unter ums hätten, wicht nur
Taffen, daß wir deſto eyffriger ihnen Das
if in der That erwieſen, fondern daß wir auch
ſowohl hohes als niedern Standes, ſowohl
Ba
IH
—
fi) volllommen machen wil, und
da; die Frantoſen bi
33 Chriſtian Thomafine.
gout vollkommen beſaſſe. Wie mander junger Menſch,
der * ausfliegt, afleerirt mit aller Gewalt für galant
angejehen zu fenn, und feinen guten Verſtand fehen zu
laſſen; Aber auff was Weile? Bald Fleivet man ſich
auff die wunderlichſte Art von der Welt, und duͤrffen
unfere Schneider nur mit zwey Worten jagen: diefe Mode
komme nun gan warm aus Franckreich, jo ift es ſchon
gut, wenn glei) bie Frangojen uns damit hoͤchlich aus«
lachen. Bald, wenn man ftudiren oder was nöthigers
th foll, verliebt man fid) fterblich, und zwar zum Öfftern
in ein qut einfdltig Buttes-Mägdgen, aus deren Augen
man gleich ſehen fan, dab eime Seele ohne Geift
den Leib bewohne. Was gehen nun da für galanterien
vor? Wie zutrampelt man ſich vor dem Fenſter, ob
man die Ehre haben koͤnne, die Jungfer, oder doch m
deren ftatt die Magb oder bie Kaye zu gehfien? Wie
viel verliebte Briefe, die man aus zehen Romans zu⸗
fammen gefuchet Hat, amd die mit vielen flanmmenden
und mit Pfeifen durchſchoſſenen Serben bemahlet find,
werben ba abgeichieer, gleich als ob man bes guten Kinbes
affeetion damit bombardiven mwolte? Wie läfjet man
fichs fauer werben, eine galante Nahe-Mufic zu bringen?
Wie fpiefet man mit denem verliebten Minen uͤberall,
auch wohl in dem GOttesHaufe? Daß ja von denen
galanten Hiftörgen iederman zufagen wiſſe, und auff
den galanten Menfchen mit Fingern weifen Anne. [86]
‚Bald, wenn man feine galanterie in eonversation jehen
laſſen wil, vermeynet man nicht beſſer fi
als wenn man nur fein viel vebe, es mi
wie es wolle, ober wenn man einem iede—
ſchaft eontradicire, und da fan e3 denn nid
möäfjen manchmal galante faulen mit um
man zum Grempel aus Stalin fiber die
Waller reifet, dal
Fohlen fönmet, daß mar bey
sophie, bey Sefehrten von a
Frauenzimmer von feinen Collegiis oder vom feta-
34 Chriſtian Thomaſius
viel, auch in etlichen das meiſte thue; Cs wird aber
aud) hiawlederum alemand verneinen Armen, daß mann
der Natur durch Kunſt merklich forthelffen könne, die
Kunft aber am füglichjten durch gewiſſe Grund Regeln
amd maximen erlernt werde. Weil ich dann jonjt nichts
zuthum habe, als daß ich Gelegenheit fuce, Meinen
Herren, nad meinen wenigen Vermögen au dienen, und
an bie Hand zugehen, barneben aber benihet (che, wie
ſolches mit eimer guten Manier gefchehen möge, damit
weber biejelben noch ic) babey verbrichlidh werben; Als
habe ic) mir fürgejegt, geliebts GO diejen Winter
durch, denen jo biehfalls meine Lehrart anſtehet, anleitung
zugeben, wie man obbeſagte Stliete, worinnen die Fran«
boſen uns Teutſchen zu übertreffen juchen, zu erlangen
ſein Leben anftellen und feinen Verſtand disponiren
folle. Zwar was die Gelehriamkeit betrifft, Bin ich
‚allbereit darinnen begriffen, Meinen Herren zuweiſen
auff was für Regeln man jeine Gedanden gründen und
vernünftig raisonniven folle, welche Lehre ob fie wohl
gemeiniglich obenhin tractivet, und von vielen als zur
Gelahrheit ohnndthig gar nusgelaffen wird, jo ift fie
derunoch bei geicheiden Leuten billich Fir das Hauptſtück
eines gelabrten Mannes angeſehen, deren ich mich auch
deſtowe gẽ nger zuihämen urſach habe, weiln eine Hoch⸗
Adeliche Vorſon unter uns Teutſchen (die bey denen
Franbojen jelbit pour un veritable bel esprit & —
homme passiret, und daunenhero von meinen Herr
billig als ein model d’un homme Säge betrachtet wer-
den foll;) felbige Ihrer gefehrten Feder wit
und unter dem Nahmen einer nuͤtzlichen Seelen
artig und geſchickt davon geſchrieben hat.
tete anlanget, bin ich geſonnen, die ]
lichen Mechts, als welches die fin
derielbigen it, mach Anleitung me
‚Jurisprudentie divine, wo Ott will, auff dem Mon
tag nad) ber Zahlwoche nad — all atach
36 Chriſtian Thomaſius
ſelbſt die Grund-Reguln des Gracians zuver-
ſtehen und zubeobachten fähig erkenne? u. ſ. w.
Aber ic) meine es werde ſich beſſer ſchicken, daß ſolches
biß auff die Lectionen ſelbſt verſparet werde, theils weil
diefer mein Discurs über verhoffen unter der Hand
geöffer worden, als ic) anfangs gemeinet, theils weil ich
fonften allzuviel von mir jelbjt wuͤrde reden muͤſſen,
worinnen ich vieleicht allbereit die Negeln der Weißheit
überfchritten, indem ich gar wohl erfenne, daß ein ge»
Scheider Mann, jo wenig als möglich, ja wenn es nicht
die Noth erfordert, gar nicht von ſich ſelbſt reden folle,
zumablen in öffentlichen Schrifften.
Sie leben wohl.
er
10
[89] Gracien Maxim. 79.
"Humeur joviale est une perfection plutöt qu’un
döfaut, quand il n’y a point d’exes. Un grain
de plaisanterie assaisonne tout. Les plus grans
hommes joüent d’enjoüement comme los autres, pour
se concilier la bienveillance universelle: mais avee
cette diförence, qu’ils gardent toujours la pröference
ü la sagesse, & le respect ä la biensöanee. D’autres
se tirent d’afaire par un trait de belle humeur;
car il y a des choses qu’il faut prendre en riant,
& quelquefois celles m&me qu’un autre prend tout-
de-bon. Une telle humeur est l’aimant des cours.
158] ——
Jeſes iſt mein erſtes Teutſches Programma, jo ich
in Leipzig Anno 87. verfertiget, auch vielleicht
das erſte Programme, das in Leipzig in Teutſcher
Sprache an das ſchwartze Brot gefhlagen worden. Ofeich-
wie aber diefes eben deshalben ein Auffſehen machte,
und bel genommen werden wolte, daß ein Doctor prie
vatus folche Neuerungen anfinge, und gelehrte Dinge in
der Wutter-Spradye vortragen wolte, alſo fanben fich
auch welche, die fich befchwereten, daß das ehrliche ſchwarhe
Beet jo bejchimfft und ſiogya latina als lingva eru-
ditorum jo hintan gejcht worden wäre. Andre hingegen
beuteten es fir eine groſſe Kühnheit aus, daß ein junger
Mann von etwa dreyßig Jahren, und zumal der nicht
gereifet Hatte, fid) umterftlnbe, iiber Gcheimnifie der
Staats-Sachen, und zwar eines Spanifchen Autoris, der
jo tieffünnig geſchrieben, daß man Öffters Tehe Meimmg
aber 2 — es nichts deſtoweniger, — die ohne
Ordnung gejesten, auch zuweilen ziemlich untereinander
geworffenen Maximen des Gracians zu etva 6. oder 8.
General-Regeln, die id) vorher aus ihrem J
erflärete, gebracht. Es drgerte mich auch die
berer, bie da meinen, [84] es jey alle Meisheit an has
reifen, oder den Hoff, oder an bie obseuri
Spaniers gebunden, bamals dermaſſen, daß ic
geſehet hatte, ihnen einen artigen Bofien zu ven
zu zeigen, baß bie Leute auff Universitäten
Narren, und manchmal capabel wären, auch Leuten bey
Bon Nachahmung der Franzoſen 39
Hofe zulählicher Weife eine Nafe zu machen. Menilich
ich — daß bes Gracians Homme de Cour fo
in das Tentjche überjeget ıwar, daß id) min
in ber erſten Oenturie meinen damaligen Auditoribus
# über 200. fauton jeigete, Die geöften Theils die Meinung
bes Gracians gang verfehrten. Mo wolte ich ein
Speeimen einer beffern version geben, und darzu etwan
zwandig Dif breyßig Maximen aus bem Gracian austejen,
und wie Gravian jelbjt unterjchiedene Maximen hat, die
10 einander gan offenbar zu eontradiciren iceinen, aud) ohne
dem in Bolitiichen Dingen wicht wohl eine Regut gegeben
werben fan, da nicht die exception fo viel, wo nicht
mehr ensus in ſich halten folte, als die Negul ſelbſt; als
EN Fu dergleichen Reguln aus bem Graciun ansjuchen,
6 und einen jeben derjelben eine andere Maxim ſchnur-
—— ſehen, and dieſe mit bundeln Redens—
arten, weit bergeluchten Sentenzen, auch allerhand Gleich“
aiffen wub Grempeln, wie Gratian mit den jeininen
gethan, als es mir möglich geweſen, ausichmilden:
nnd in einer Vorrede fingiren, als ob ich [56]
ein Buch etiva bes Don Louis de Haro, ober eines
andern Spaniers belommen, ber ex professo wider des
‚Gracians feinen Homme de Cour daffelbige verfertiget,
einer jeden Maxime eine andere entgegen gie
„ davon id) durch ſelbe meine Überfegung de
hätte geben und a}
Hi
H
3 der ne Hs dem — ſchen
Laffen nicht leicht eine Regul ‚gegeben. werben
, Davon man wicht variantibus paululu —
fo viel Erempel antreffen ſolte
und aljo darauff unſchwer
machen konte; Alfo ware
nicht wenige Nachfroge nı
' de Haro AntiGratian wilrde ae
bie metften admirationes der Bilde
I
40 Chriftian Thomafins.
ſchledenen prajudieis herzu flieffen pflegen, von welchen
—— Mons. Baillet in den I. Theil ſeines
ugement des Scavans einen gautzen Praetat geichrie-
ben hat, unter folchem aber das prasjudieium von fremnbben
und vornehmen Autoribus nicht Das geringfte zu ſeyn
pfleget. Endlich hitte ich die Larve wieber abziehen, und
die Thorheit gebührend beſtrafſen wollen, die mar in
unzeltiger Beurtheilung der Gelahrheit und gelehrter
Schrifften zu begehen pflegt. _ AI-[ös]leine es bliebe wegen
vieler Derhindernib dieje Erfindung wur in terminis einer
blofjen ideo. Nach diefen aber wurde id) auch gewahr,
dab es mir auch nach dem gemeinen Sprichwort ergieng,
daß ein Gelehrter nichts weniger gilt als in feinem
Baterfanbe; Denn es geſchach, daß einer von meinen
ausmwärtigen Freunden und Befandten einen gröſſern
Staat aus mix und meinem Programmate machte, als
wir meritivten. Diejer communieirte auch andern jeinen
gelehrten Freunden daifelbige, und hohlte von felbigen,
me qvidem inscio, judieia dariiber ein, die er mir auch
hernach wieder zufendete, und auff etliche meine Autwort
wieder begehrte. Das Lob, das man mir zulegte, fügelte
meinen Ehrgeig nicht wenig, und triebe mich noch mehr
an, aus der obseurität, dariunen td} damalen noch ver-
borgen Tag, mich durch Schreibung anderer dergleichen
Schriften hervor zu thun amd befant zu machen, tie
dann meine monatliche Gedanden bald darauff erfolgeten,
und ich mehr befant ward, als ich vermuthete, und mir
viel Verbruß Damit zugleich aufj den Hals zog. Ich
wolte wohl io viel drum ſchuldig ſeyn, daß ic) wieder
in die obseuritdt gelangen Eönte, nicht daß mid das
jenige, das ic) leiden müflen, verdroͤſſe, denn Gtt hat
mir bierinmen allemal einen froͤlichen Muth aegeben,
unb mein Leiden mit vielen Segen üffet; oder dah
mic mein Gewiſſen biſſe einer ſchaͤndlichen [56] That
halber, dem GOtt hat mic dafir guädiglih behütet,
amd die jalchen Beichuldigungen meiner Widerwaͤrtigen
haben mir mehr Ehre als Schande ermorden; jondern
42 Chriſt ian Thomaflus,
moins du bon sens & de la raison que celuy 1A,
Mais Monsieur je vais trop loin de mon raisonne-
ment. Et noctuns Athenas. Je vous donne le
bon soir Eo.
Num, II.
1: diseours de Mr. Thomas, sur l’imitation des
manieres Frangoises, a et@ trouv& solide, poli,
& aggreable de tous ceux ä qui je l’ay eommuniqud.
On u approuv& Vaddresse, dont il se sert au com-
mencement pour gagner les lecteurs en prenant la
parole de l'un & de Vautre parti. II decouvre fort
bien los qualitös ou les apparences, par ou les
Frangois s’attirent V'estime de tout le monde, Son
instruction pour los sciences d’un Prince est bonne
& & prattiquer; & ies plaintes qu’il (nit [59] sur le
peu de soin que nous avons A eultiver notre langue
comme il faut, sont tresjustes. Tin fin ce programma
est aussi beau & spirituel, que coluy sur les fune-
railles de feu Mr. le Docteur Schertzer etoit fade
E miseruble.
Mais n’y a-t-il rien eu A eritiquer, me dires
vous? C'est si peu de chose, Monsieur, que cola
ne vaut pas la peine de vous &tre rapporte. Si
vous le voulös pourtant, vous serös obey,
Quelqu’'un a done pretendu, que Mr. Thomas
aureit pu dire un peu plus ouvertement, ce quil
pensoit sur lu question, sl y a plus d’hondtes gens
parmy les Francois que parmy les Allemans, vü
Ex les Frangois memes ne faisoient point difficult&
ia nous le eeder, temoins entre Be 1
Frangoises, les quelles, ceteris paribur
toniours plutot un Allemand qu’un
Mais il est dangereux de s
une question si chatouilleuse. y fu
point toucher, ny la mettre sur le tapi:
Bon Nadabunung bes Framolcı. 43
Um autre ın'a dit qu'il ne voloit pas la raison
pourquoi la morals d’Aristote devoit ütre releguce
entre les rabuts de Verudition. Bien loin d’en
tomber d’aceord il se faisoit fort de puiser de cette
s mesme Morale les veritables prineipes pour expli=
quer ce que c'est qu'un honäte homme, un homme
scarant, un bel espril, un homme de ban goust, un
homme golant, purce-[60]qus ces qualitös, quoyquo
habillöes & la Prangoise, m’etoient en efet que
» virtutes intelleotuales, vel morales vel homiletic,
ou quelgque chose de meslö de tout cela.
Il ne püt aussi s'accommoder de Petrus Lom-
bardus, disant, qu’il ne luy voioit point de rival
dans autro rang.
» De plus on ma demund® si Vauteur n’avoit
| pas trop exultö los Traduetions de Mr. d’Abluneourt,
& sur tout celle de Taeite, ol il y avoit pourtanı
gm delegance que de fidelitö., Pour Monsieur do
on osa dire, qu'il n'avoit pas touiours
& bien entondu le Latin, en preuve de quoy
un pussuge du 1. chap. de Quinte
f d: Olympia quadrigis se vieisse cognovir.
itons le Frangois: I apprit qwil avoit etẽ vain-
aux Jeuz Olympigves, ot il avoit envoyk
hariots.
on a eru, quo co disconrs donnoit au
font trop de preference aux Frangois, puisqu'elles
i modele des plus parfaites vertus
je ne soueris pas ä toutes oas remarquen.
itraire je vous puis dire, que jay Iü cette
ee une entiere approbation,
Num. III.
öfiihe censur ber mein Programma it
gulant, und thut mir mehr Ehre an, als
44 Efriftian Thomafius.
ich verdiene, und möfte Ih dev gröfte pedant von ber
Welt jeyn, wenn mic, das geringiie darinnen touehireu
folte, ja ich wilniche in Gegenteil, daß dem Herrn
Autori beliebig gewejen wäre, jeine Meinung über mein
Programma mit mehrer Freyheit, als er fich gebraucht,
von fich zu jagen, weil ich Ihn, ohne Ihn zu kennen,
aus Diefer bioſſen Critigue wuͤrdig achte, von allen
euriösen Schriften gründlich zu wetheilen, und folder
geſtalt feine approbarion over censur hoͤher wätimire,
‚als aller unjerer Gelehrten zu Leipzig. So iſt mir auch
Höchft angenehm gewejen, daß er micht alleine feine
Meimmg von meinen Programma, jondern auch anderer
ihre judiein mit Hinzu ſehen wollen, wiewohl ich Lieber
gefchen bitte, wenn Er auch darbey hätte andeuten
wollen, welhe remarque von feiner invention 1Äre
ober nicht. Nichts deitowenigee till ich verſuchen, ob
ich vermöge ber id&e, die ich mir von dem Herrn Autore
‚gemacht, geſchickt fen, feine Anmerckungen von denen Frembr
den zu unterfcheiden
Die erfte iſt gar zu artig, daß ich fie iemand andere
zurechnen folte, als ihm felbft, amd weil es ſcheinen daß
der Herr Autor dißfalls aus Erfahrung vede, und gutes
Städt in Frand-[ö2]reid bey denen Dames gehabt habe,
als zeiget fie zugleich mit an, daß er ber die galanterie
ein. bollfoimmener honnete home ſeyn uihſſe. Men
ich philosophiren wolte, wolte id) verſuchen, ob ich ge—
hit wäre zu pemetriren, was er in denen Morten
lus Dames Frangoises cholsiroient tousjours, eeteris
paribus, plutot un Alemand qu'un ıgois, mit ber
limitation ewteris paribus, die ich n nicht entſinue
lemols jo wohl angebracht geleſen zu haben, andeuten
wollen. Ich bilde mir ein, daß ich alle Mi
doetrinn de interpretatione declarativa, ext
restriotiva hierbey anwenden wolte, ja auch am meiſten
von der interpretatione uswali. ob gleich diejelbige nicht
vor die privatos jonften gehoͤret. Dieweil aber dieje
Materie jo copids iſt, baf ich mehr davon zu ſagen
46 Ehriftion Thomafiud.
homme werben möge, gleichwie mir bie Franhoͤſiſchen
Bücher hiezu Auleitung geben, ingleichen, ob wir unter
denen Aristotelieis jo viel Exempel antreffen, Die uns
zu biefen Tugenden Anleitung geben können, als unter
denen Franhoſen? Dafi aber eben derjelbe in meinem
RR nicht finden Fömen, wer in der andern
Claſſe den Lombardo entgegen geſehet ſey, weiß ich
nicht, ob mir Die Schuld beyzumeſſen, weil ich meine,
Dal ich ſolches gar deutlich zu verſtehen gegeben, daß ich
dleſem Magistro sententiarum Cartesium vorgezogen.
Was drittens die Franhöfiichen versiones betrifft,
ſo habe id) des d’Ablaneourt feine Überjegung des
Daciti nicht ohne Ausnahme gelobt. Dem ich halte vor
unmöglich, den Taeitum durchgehends zu Aberjegen wegen
feiner groſſen Dundelheit, jedoch habe ich des d’Ablan-
courts version beſſer gefunden, als alle andere Frangde
ſiſche amd taliäntiche Überfehungen, ja gar als die
Loeieiniſchen Commentatores insgelamt. Wiewohl ich
mm auch wegen des Vaugelas version des Curtü jagen
Könte, dab man & potiori feine Verdolmetſchung loben
mitte, jo will ich doch sincer& geftchen, daß ich den
Vangelas nicht geleſen, ſondern dem gemeinen judielo
andern hierinnen nachgefolget, und muß ich bekennen,
daß mir die faute mit denen quad die dev Herr
Autor aufgezeichnet, jo gar groß um 185) merklich ge⸗
schienen, dab ich Minfftig mein Tage ven Vaugelas nicht
mehr loben will, und hätte mich es noch nicht ſo ſehr
verbeieffen ſollen, wenn es Vaugelas nur nicht im erften
Gapitel fo gröblich verfehen hätte.
Legfich fo iſt es wahr, daß ich denen
einen groſſen Worzug vor denen Teitjcher
bever vornehmften Tugenden, geg:
joll man tun? dr bin nicht nere Ei
Autor wirh am beften wiſſen, ob er in Srandreic) unter
denen Vornehmen und Gelehrten, 3 viel pedanten, fi
bey ihnen drunten
den, io a er mır einen Monat fich ımter ums anff-
zuhalten, jo wird er mir VerSorfentlich wicht unrecht
geben, daß id von unfern Deuter auf die Teutfchen
© insgemein geſchloſſen. Maffen wir Meiner und nichts
neringes in Teutſchland zu ſeyn elnbilden.
Nom. IV.
Extr. lit. Fratris mei Albhatis
de dato 23. Octohr. 1657.
— Chrictianus ille Thomasius sit oujus pro-
germanicum diseursum [#6] mihi
— juxta seio cum ignariasimĩs. Quisqui⸗
» sit, certum est virum hune esse valde döetum, &
in illa eruditionis parte, quam curiosam hodie vocant,
‚perquam versatum, opermque pretium facturos maxie
Mmum, qui se in tam eximii Doctoris pliı
dederint. Interim ut videns & me Cı
u sicubi cum viro illo notitia aut familis
et mihi, quererem ex eo, cur pag. IT. Ciceroni
Cartesio inter alios sibi non pro-
atom De 's Bthienm opposuerit.
Recte se habet oppositio prweodens instituta
= inter Hoffmanni Waldovii & Johannis Sa: ‚Poöi
quorum uterque poöta audit, & ille q
— fare prevstantissimus, hie Bavio
comparandus juro morito, ut adı
* un homme de bon goust ill
= multis modis prelaturus. At enim e—
poni sibi invicem —
‚Aristoteles op;
Orationes enim disertissimi illius Romuli
” — ratione comparatio inter illos institwi nom
Bon Nachahmung der Framzoſen. 49
gratä mente arripiam. Quodei tamen ipsi non ingra-
tum futurum sit, legere, quid loco defensionis ud-
veraua alium allaturus essem, cui more hominum
hujus seculi etinm evidentissimas falsitates quocun-
5 En modo defendere allaborantium, vollem contra-
icore, id reseriberem, Initio verba Progrummatis
mei paululum obscurius posita id velle, ut Schola-
sich Cieeroni, Glossutores Cujncio, Aristotelis Bthion
Grotio, & Petrus Lombardus Cartesio opponi debeant,
» adeoque me quidem non ferire en omnin, qua doote
de comparatione Ciceronis cum Aristotele allata
sunt. abundanti tamen & quoniam aliis in ei
opiniono sum, icoronis officia presferri merori
ie Aristotelew, dicerem insuper, Offieia Cicero-
ws nis non videri commod& ad. partieulares Ethiew
materins referri posse, cum ibi Öicero ex hypothesi
Stoicorum wquo offieia hominum in universum secun-
dum quatuor vietutes Cardinales aliis Veterum see-
tis otiam receptas exposuerit, ac Aristoteles in [69]
su Bihiei secundum eatalogum undeeim amarım
virtutum; imo magis, quoniam difficillimas contro-
versias morales in ofliciis resolvit Cicero, quas Ari-
stoteles ne tangit quidem. Ut adeö Cicero breviter
& coneinn® Systerna aliquod Ethieum renpse serip-
= serit, Aristoteles sulteım prolixis verbis non aded
semper momentis rerum zepletis, systemu alt
seribere (vel ipso Revarondo Abbate fatente)
we tamen Ciceronem modern
omnibus prwferre cuperem. At si
» Seuderie Ciceronis libro de ami
est, uti consentio, axistimationi
parum putarem inde accodere. Qu
ex ehdem Cleliü auditoribus mei:
doetrinam ineuleare, quam ex locis Ari
» bus de amisitia agentibus. Sed hiwo om
Reverendus Abbas per joeum magl
‚eibi dieta putabit, certusque quo
Doutsche Litteraradenkminio. di.
50 Ehriftian Thomafins.
ionis mem agnoscere, si per hoc poscem ipsum
disponere, ut nomen suum mi non ulterius celaret,
quam cum illo in arenam disputatoriam descendere,
120] NV.
Extracum ex literis N. N.
Ve ad consurım meam Programmatis sui ropo-
ir Excell, oppido mihi faciunt satis, si
a cum illo intercedoret ignoseontiam pele-
rem audaciw, quis enim wquo animo feret vitio
ereatum operum suorum censorem talem. Summas
igitur ipsius modestie tribuo, quod tam svaviter pro
»e suoquo programmate dieere contentus, nullum
in me verbum gravius adeo non exeidere
patiatur, ut me potius meaque atudia, supra quam
forte merentur, commendare
studio eur@que ha-
buerit &e,
Neue Folre No. 2/8.
— Litteraturdenkmale
des 18. und 19. Jahrhunderts
hörausgegeben von August Sauer
GÖTTINGER
USENALMANACH AUF 1771
HERAUSGEGEBEN
vor
CARL REDLICH
STUTTGART
G. d. GÖSCHEN’SCHE VERLAGSHANDLUNG
1895
Trud von Car! Xembo1d, Heilbronn.
Vorbemerkung.
In dem vorliegenden Neudrack des aweiten Güt-
finger Musenalmanachs sind ausser den drei hinter
dem Register aufgeführten Verbesserungen:
8.9 [9] Nr. 4 V, 10 Morgemointen, statt Abend-
winden
8.20 [32] Nr. 15 2.9 miſche? statt mifche.
8,73 [155] Nr. 79 V. 8 Püflerer — und er verſchonet
fiel statt Täfterer entſeelt — ex ſchonet fiel
nach folgende Druckfehler geändert:
8.20 [32] Nr. 15 Z. 24 Yugen; in Augen.
8.22 [39] Nr. 20 V.5 Erbgut; in Erbgut;
8.23 [41] Nr. 23 V. 4 glieche in gliche
8.29 [53] Nr. 31 V. 14 unfer in unfrer
8,29 [54] Nr. 31 V. 20 verjagt: in verjagt;
8.52 [106] Nr. 62 V. 20 ftehu, in flehn.
S. 55 [112] Nr. 63 V. 59 Emphelung in Empfelung
8.57 [117] Nr. 66 V. 26 fleht; im fieht,
8.91 [194] Nr. 97 V. 21 feindliche
(wach der briefichen Bemerkung Boi
A771 in Koebels Nachlass 2, 93: 5
h anden,
8. 29 [42] Nr. 24 V. 2 das überliofort Int als
Druckfehler zu behandeln, da ( u
lich, aber nicht unmöglich
iels Worken bietet „Tusculum®.
Dem Register liegt das des Almanachs zu Grunde,
©s ist aber ergünzt durch Nachtragung der ausgelussenen
IV
Stücke, und im Einzelnen mit dem Texte der Gedichte
in Uebereinstimmung gebracht. Ausserdem sind die
Chiffern, so weit es mir möglich war, aufgelöst und
die Nachweise der früheren oder späteren Drucke der -
Gedichte hinzugefügt.
Hamburg, 16. April 1895.
Carl Redlich.
Muſen Almanad
A MDOCLXXI.
Göttingen, bey J. C. Dieterich.
[Gestochener Titel von Meil.]
— —
[3] Dieje Heine Sammlung wird keiner groſſen Vorrede
bebürfen. Das Publikum hat bie erſte mit einer jo gütir
gen Rachſicht aufgenommen, daß der Herausgeber, dadurch
befdhämt, ſehr gewinfcht hätte, dieſer einen Grad der Voll⸗
& fommenbeit zu geben, noch welchem er umſonſt geſtrebt
hat. Mon wirb es aber feinem Geichmade nicht allein
zufcreiben, wenn auch dieſe Sammlung ſehr oft den
ftrengen ingen der Kenner nicht entſprechen jollte.
Es fonnte feine Abficht wicht ſeym, [4] dieſen nichts als
10 Meifterjtiide vorzulegen. Deutſchland müßte vor andern
Ländern einen zu groſſen Vorzug haben, wenn ein jedes
Jahr, auc mer in biefer Meineren Gattung, jo viele
Meifterftiide Liefert. Manches vortrefliche Gedicht iſt
vieffeicht erichienen, und Ihm nicht zu Sefichte gefommen,
1 und mandes andre hat er vielleicht auch nicht brauchen
molfen, um mit ondern ähnlichen Sammlungen nicht zu
Br sufanmmen zu treffen. Mus eben diefem Grunde find
ber gebructen Stiche Diesmal nicht viele Man Hat bloß
um des Verlegers willen fie zu bezeichnen unten ſſen,
> weil man voriges Jahr geſehen hat, daß allzu el
nicht gut iſt.
erjten Sammlung. Dieſe war, was ein jeder eı
ſuch diefer Art, wenn nicht in einer —
* jammenflufi
gejepter Ruhm ihm den Zutritt zu *
ig Hat, feicht macht, nothwendig werben muß
umvollfommen. Wer aber ſich einen Begriff davon mn
4
Tann, ober will, wie ſchwer es ift, Stüce von fo vere
ſchiedenen Verfaffern, als ein ehrlider Mann, zur
ſammen zu bringen, ber wird dieſe Unvollfommenhelten
nicht zu hoch anrechnen.
(6) Eben weil der Berfaffer jo viele find, mußte bie
Sammlung Fehr ungleich werden, und dieje Ungleichheit
ift hier vielleicht nicht einmal ein Fehler. Dem fen aber
wie ihm wolle, jo it unſre Abſicht erreicht, wer der
Kenmer Hier einige Stücde findet, die feine Forderungen
befriedigen, und der Liebhaber eine angenehme geſellſchaft ·
liche Unterhaltung. Auf nichts mehr machen wir Anſpruch,
md aus dieſem Gefichtspunfte beurtheile man uns.
Es find, wie in ber vorigen, manche Meberjegungen
und Nachahmungen aus andern Sprachen in dieſer Samm-
kung, ohme Daß [7] man nötig gefunden Hätte, es anzue
zeigen. Wan hat daraus einen Vorwurf gemacht, aber
uns nicht überzeugt. Der Kenner ſieht es meiltens um⸗
erinnert, ob ein Stüc Original ift oder nicht, allein dem
Biebhaber, ber nicht allemal das Verbienft, einen Fremben
Einfall qut ansjudrüden, zu jchäben wein, volieden wir
vielleicht nur jein Vergnügen geitdrt haben. Bey allgemein
befannten Stüden iſt es ein ganz anderes. Hier weih
es auch der blofje Liebhaber dem zu verdanten, der ihm
ein ſolches Stüd in feiner Mutteriprache zu leſen giebt,
Was bem Dichter nicht erlaubt it, Der bey einer Samme
lung feiner Werte ohne Vorwurf des Plagiats nicht wohl
verſchwelgen kan, was ihm nicht felbft zugehört, kann
ganz wohl einem Sammler erlaubt | der nur einige
ante Sachen zu erhalten ſucht an ab
unerachtet eine ſolche Verſchweigun
man wicht die Dichter, ſondern al
L ng I
die der Stolz unſrer Nation
wüniht, dah es uns erlaubt
5
Namen auszubrüden, die unter Buchitaben haben verborgen
jegn wollen. Senner werden indeß das Gepräge bes
Meifters, aud) ohne jeinen Namen zu willen, nicht über-
fehen. Mile Namen, die nur genannt werden fonnten,
5 find genannt: um den Spähern, die nicht begreifen wollen,
daß ein Verfaſſer jehr oft jeine Urfachen haben Tann,
ſich nicht zu nennen, feine Gelegenheit zum Schwaßen zu
geben. Sie werben freylich an ben Buchitaben ihre Ge-
ſchicklichkeit im Rathen üben, aber, wie der Herausgeber
10 fie heilig verfihern kann, meiftens falſch rathen.
[10] Die Fortjegung hängt von dem Verfall des Publi-
tums ab. Verlangt man jie, jo winfcht der Verleger die
Beyträge vor Ende des halben Jahres zu erhalten, weil
die Verhinderungen, die bisher die Ausgabe verzögert
15 haben, diesmal wegfallen.
[Holzstock.)
[Folgen 18 Blätter Kalender.)
[Vignette.]
Dre
anf die Geburt des Prinzen
Friedrich Wilhelms
von Preuſſen.
Verlün, den 2. Sept. 174.
Gebt mir den Königlichen Rebenſaft,
Erzeugt am Rhein, gereift am Letsten Hügel
Bon Afrika, der meiner Seele neue Flügel
Und einen kühnern Taumel schaft!
je] Denn hört ihr nicht? Uns ift ein Brennusſohn,
Ei König {ft ber jungen Welt gebohren!
Es rufen dreyßig ehrne Schlinde (meinen Ohren
Ein ijubelgleicher Donnerton!)
Daß wir mit Weinlaub unſre Loden heut,
Mit Anaranten unfre Becher frängen, }
Und diefe Nacht mit Liedern feyren umd mit Tänzen,
Bis Phosphor uns die Flucht gebeut. — —
D wehe! Wie durchrafet mir ber Geijt
Des Bafjaveus die Seele! Gnade! Gnade!
Ich will ja fingen, Gott ber taumelnden Mänade, 15
Was deine trunfne Wut mich heift !
[B] _ 3a, fingen till ich von der Serligkeit
Des fehbelofen Landes, von ber Beute
Der goldnen Gärten, von ben Spielen junger Braute
Beym Welnſeſt und zur Ernbtezeit. E\
1.2] 7
Ich ſing, o Cypern, Tyrus und Athen!
Von Schiffen ſing ich, die, mit jeder Krone
Der Kunſt, beladen mit der Blüthe jeder Zone,
Die Wind in deine Thore wehn;
Und von dem neuen Helikon, umringt
Mit Galliern und Britten; und von weiten
Amphitheatern, und wohin von allen Seiten
Die ganze Flut Europens dringt.
[4] Ich aber, nicht mehr kämpfend um den Preiß,
1
Ermuntre dann durch meinen Zuruf, Fröne
Durch meinen Beyfall dann des golbnen Alters Söhne,
Schon längft ein ſchwanenfarbner Oreis.
Zu glüdlich! wenn id) dann das 2008 erhielt,
Ich Unbeftechficher, mit milden Händen
Die theuren Urnen und Tripoden auszufpenden
Den eblen Barden, die gefpielt,
Die Flöte füh gefpielt, die Laute füh,
Und kühn die mäonidiſche Drommete ;
Die Laute, wie der Greis von Teos, und bie Flöte,
Die der Siculerhirte blies,
Und hätte meinem Bufenfreunde dann
Entzüdt vor allem Volt den Kranz gegeben,
Und es zerrifje mir die Parze ſchnell mein Leben,
Und diefer König fäh es an.
Ramler.
Auf Guſtav Adolphs Tod.
Zum Schreden Ferdinands führt Adolph Gottes Krieg,
Und thränend rächete den Märtyrer der Sieg.
Käftner.
19) Gellerts Tod,
Eine Erzählung.
Als Gellert jüngit, den manche Schöne
Mus Mode lief und Kiebt, der eitlen Welt entfloh,
Beklagten Doris ımd Klimene,
Die Karten in der Hanb, bes Dichters Aſche fo:
„Mabam, Sie werben fchon bie ſchlimme Nachricht wiffen?“ —
Sie geben - = Nein! Was iſt's? — „Ad! Gellert it
wicht mehr." —
SE möglih? Ey Madam, das jammerte mich jeher! —
„Sie heben ab." — So früh ward er der Welt entriffen?
Er ift Fein Jungling mehr, allein — „Sie haben Recht!“ —
Ach habe jchtecht gefauft — „And ich wicht minder jchlecht!
[9] Rein Sechziger will heute mehr gelingen.“ —
Fünf Blätter! — „Sie find gut!” — Gin niedliches
Genie! —
„Bie wirb ganz Deutichland ihn beſingen!“ —
Ich Tiebt ihn ganz gewiß, Madam, jo jehr als Sie —
„Die Quart in Coeur, die Terz in Trefle, gelten bie?! —
3a, warf ich Pick nicht weg, fonnt ich die Quinte haben.
Dean hat ihn wohl mit vielem Pomp begraben? —
„So, fo! — Er ftarb, woran? — „Ur der Hypo—
chondrie.“ —
Drey Damen! — „Nein, drey Könige find beſſer“ —
Ib zähle zwölf. = » Nie war ein Dichter geöffer. —
„And frömmer» = Was er jhrieb erbauet wie ein Spruch," —
Weiß es Meanthis fhon? - - Sie wird ihn ſehr ber
Flagen! —
Coeur Aß!“ — Ich habe noch drey angufagent, _
{8 „Sie wufte faft fein ganzes Babelduch.“
Und meine Pachterim fingt alle
Hier tat das Mädchen ein: Mader
es
Erſchreden Sie fich wicht, ihr Heiner Hund
Exblaft führt Doris auf, ihe zittern alle Glieder:
10
Schaamhaft zu Gejträuchen,
Wo, durch zärtliches Bemuhn,
Männchen fie erreichen.
Seelen, die der Schöpfer ſchuf,
Fähig edler Triebe,
Folgt dem jüfleiten Beruf,
Schmedt das Glüc der Liebe;
Sie nur kann euch frendenreich
Dieje Wallfahrt machen,
Sie mur führet lächelnd euch
gu dem ſchwarzen Nachen.
a] Gott im Donner.
An die Frau dor + = -
Gott wandelt auf dem Wollenmeere,
Und wenn er winkt, find ganze Heere
Gefpigter Flammen ausgelanbt;
Mit einem Blide feines Zornes
Ruft er dem Hagel, und zerilägt den Wald des Kornes, 5
Und eine Weizenhalmenwand ;
Mit einem Hauche ſeines Mundes
Reiht ex, troh ihres Wurzelgrundes,
Die graugewordnen Eichen aus;
Das Schiff voll trachenden Geſchutzes
Wird Einer Welle Ball, das Opfer Eines Blitzes,
Und Aſche wirb ein Fürftenhaus.
[12] © Freunbinn, biejem Gotte leben
Die Sünder, die mit ihrem Leben,
Wie mit ben Lippen, ihn verneint;
Der thieriihpbebende Matroe,
Unb ber zur Spötterey gewöhnte ftolze Groſſe
Erzittern, wenn fein Grimm erſcheint.
11
Doch feine Huld wehrt oft dem Grimme;
der geſchwinde el, der ſchnell Bethuht und töbtet,
Eh einer trägen Schäferhund,
Und oft bie jtadhelgrline Fichte,
viel zu hoch dem Ungefichte,
anderer feinen Schatten gab;
er im der Erde Tiefen,
Öftrer in die Aut, und Frevler, die ihm riefen,
w Die ſchleudert er nicht in das Grab.
D! Mönut ich doch im Ton ber Dbe
Den fingen, dev nicht Luſt am Tode
daß auch mich fein Lieben will verfchonen
en einer groffen Stadt!
Mid) überfällt ein heilig Grauen;
u Sofnumg, zitterndes Vertrauen
auf dev Wetterwolten Thron;
“ En ben mein Wandel oft betrübte,
Dit redlich. Wenn er mich nicht jo unendlich lichte,
Ro führ in Hin vor feinem Drohn?
[14] Wie, wenn der Blip, fein Diener, lame,
Und meine Seele von mix nähme,
So jänell, ols der Gedanke fleucht
Er Tomme, meinen Kopf zu fchlagen !
Bon meiner Geifte wird, auf jenem Feuerwagen,
Der Himmel im Triumph erreicht!
Karichin.
12
Moſalia.
1770.
So biſt du num die Meine,
Nojalia? — —
Seit ich dich zu beſihen brannte,
Verfloß ein Säculum. —
Und doch — mit jeder neuen Sonne wuchs
Mein zärtlihes Verlangen, wuchs mein Kummer.
Zwar Eränzte jedesmal der Lenz
Mit fchönern Blumen dieſe Duelle;
Allein, von Thränen finfter,
Sah fie mein Auge nicht. —
Im tiefften Hayn, ber, unbepfadet,
Des bangen Wildes dunlle Freyſtadt war,
An eines Baches Schleufe,
Der ähzend über Wurzeln raun,
Fand ich allein Erleichterung für meinen Harz
Denn alles fehien mir in die Farbe
Des Grames Da getaucht zu ſeyn
Die Lüfte ſchienen da mit mir zu ſeufzen,
Und jeder Vogel ſchien mein Leiden zu verjtehn.
Umpifiend nährt ich jo mein Gfend.
Und, ach! id) hatte feinen Freund
In diefer weiten Trift,
Nicht Eine weichgefchafne Seele,
Die meinen Schmerz empfand.
So ſtumm, jo todt, und jo verlaſſen fteht
In dder Ebene ein Fels:
So ſtumm, jo todt, und jo verlaſſen ſtand
Ich manchen fangen Tag, empfand uur mehr,
Ve weniger ich zu empfinden ſchi
In ftillen Nächten nur, wann aus ze
Mitleidig Cynthia auf mich herunter
„Beindjeeige Götter, die Ihr mich verfolge!”
Rief ich, „was zögert ihr?
18
ellen Pfeile,
langen Lebens Neft?
entbehr ich meine Liebe —
fie mir?
die oje Quasl
be kennt, Die ohne Hofnung glüht,
ie meiner gieſcht!
ch) ſo werfe,
fie nicht!
x nn Götter!
ih
gran
Wohlan, gebt meinen Be, gebt meinen heiffen Thränen
Nojalien, die ihr für mich erſchuft!
War eures Anblicks je anf Erden
» Ein — werth, jo wars ein glücliches,
‚Erfenmtliches Geſchopf, das voll Gefühle hinauf
Zum Himmel blidt, und euch mit Thränen dantt.
Und danten will ich euch, Erhort ihr mich,
Schlich id) Roſalien dereinft in meinen Arm,)
3 Mit meinem ganzen Leben banfen, — danten
Ich ſchone nicht des breitgeſtiruten Stiers,
ichon die Lieb in allen Adern fühlt;
ichone nicht bes Lammes, das an Weiſſe
friſchen Schnee beihämt.“ —
Einjt tlagt id jo, und a umleuchtete
int“
— der plötlich anfloß
fer Schauer, der durch alle Glieder raun,
Gefühl von Ruh in meiner Bruſt,
mie ſelbſt nicht gab; = = das alles lehrte mich:
AI
Die Liebe ſey verübt, Rofalia jey mein.
19] So groß mein Elend war, fo groß war nun mein Glüc;
Num klärte ſich, wie nach Gewittern,
Gemach der Himmel auf;
Nun ſah ich durd mein ganzes eben
Nur Einen biumenreichen Weg, —
Und nun — nun bift du fchon bie Meine, —
Roſalia, — nun drüs ich dich an meine Bruft,
Und ftammfe bir, ba bu bie Meine bift,
Im ſchönſten Rauſch der Freude zu, —
In jedem Blick, in jedem Athemzug,
In jedem Ausdruck zu, daß du die Meine biſt! —
So Lycidas der Hirt an einem Sommerabend,
Er jah am Abhang eines Hügels,
In feinem Schooß Nofalia.
Zu ihren Füffen rauſcht ein Bach
Sanft über Kiefel hin und ward zum Teich;
[20] Im jeinen Fluten zitterte
Des fternenreichen Himmels Wieberichein. —
Der freudetrunfue Jüngling merkt es Kaum,
Daß ſchon in aufgelößten Wolfen
Die Falte Nacht herunter floh. Blum.
An die Feinde eines unbetanntſeynwoll enden
Krititkus.
Den bbſen Krititus doch einmal zu entdeden,
Vemnüht ihr euch, und mit vergebner Wuth;
Vergönnt ihm nur ſich immer zu verftecen !
Das fit das lügfte, was ex thut. ‚Käftmer,
[21] Die Nachtigall,
Der Sommerabend führte mich
Nach einem jchwillen Tag zum Hayn.
Die milder Sänger in dem Hayn
16
Einbilduug und Wahrheit.
Im diehtelichen Entzucken
Wallt ich durch jene Flur,
Und jah, mit truntnen Bliden,
Die blühende Natur.
Ein Volt von Heinen Weſten
Durchflatterte die Luft,
Und ſchuttelte von Aeſten
Der Blüthen Balfambuft.
Raftratenmäßig fangen
Die Sänger der Natım,
Und Wolluft und Verlangen
Durchathmete die Flur.
Sch, ganz in mich verlohren,
Sah Paphos iht vor mir,
Und hätte drauf gejchworen,
Ich ſey ein Priefter hier,
Da hört ich in Geſträuchen,
Ah alaubt ein Feines Reh,
Und, um es zu erreichen,
Gieng ich hoch auf der Zah,
Ich jah — was ich geiehen,
Denkt nur ein Dichter ſich!
Ich ſah eim Mädchen ftehen,
Das einer Göttinn glich.
Sie iſts — von ben Öbttinnen,
Dis, aus des Paris Hand,
Den Apfel zu gewinnen,
Sich bey dem Wettjtreit fand:
9. 10) 17
[25] Nein, eine der Najaden —
» Vielleicht ift Cynthia,
Sich in dem Fluß zu baden,
Mit ihren Nymphen da. —
Schon beugt ich mid) zur Erben,
Indem ich zitternd ſchrie:
s Möcht ich unſterblich werden,
Wo nicht, doch fterbfich fie!
Mit zärtlichen Geberden
Rief mir die Schöne zu:
Nein, ic) wi fterbfic, werden;
“ Laß ſehn, wie küffeft du?
Ich küßt — o Glück! Lucinde,
Bift dus — Erdichtung, flieh!
Der Wahrheit, die ich finde,
Gleicht Teine Phantafie.
Weiſſe.
10 [26] Auf die
Vermählung
Sr. Excellenz des Herrn
Generallientenants Freyherrn von Buddeubroock.
Berlin, im Auguft, 1768.
Dein weiſer König ſchenkt dir Gold und Edelfteine,
Vom größten innern Werth, vom ſchönſten äuffern Scheine,
Und bald ertheift er bir den höchften Ehrenftand;
Und Ehre gilt dir mehr, als Gold und Diamant;
5 Und enblid) giebt er dir die kronenwehrte Hand
Der Würbdigften des ganzen Landes,
Die glei) an Tugenden de3 Herzens und Verftandes.
(27) Was dein Monarch zulegt dir zum Geſchenk erfohr,
Das ift das herrlichfte, mach aller Weiſen Lehre:
10 Denn Liebe geht jo weit der Ehre
Als Ehre jedem Kleinod vor. ®.
Deutsche Litteraturdenkmale, 62:58. 2
18
Brutns.
Uns dur, mein Sohn! fprach Julius;
Rom meine Mutter! dachte Brutus,
Und ſtieß dich tiefer, Dolch der Freyheit!
[Holzstock.]
Der Wicderruf.
Zum Henker! fluchte Stolt zu Velten:
Mußt du mich einen Lügner jchelten ?
Bum Henfer! fluchte Velt zu Stolten :
Ich einen Lilgner dich geichoften ?
Das leugſt du, Stolt, in deinen Hals!
Das leugſt bu als eim Schelm ımb als —
Ha! das hieh Gott dich fprechen, Velten!
Denn Lügner af id) mic) nicht fchelten
An Daphuen,
Du frageſt mich, wie lange wohl
Die Flamme dauren wird, bie ich umfonft bie klage?
D liche Daphne, welche Frage!
Weiß id) denn, warm ich fterben ſoll? 2.
[29] Den 12, Febr. 1766.
Gutes Mädchen, von dem ftol
Don dem Sit ber äͤchten Schaverey,
Sagt dir eine Kleine matte Strophe
Dak bein Freund belagert jey;
Wohl umringt von bunten Legionen,
In ber Kuechtſchaft ſchimpflichen Geftalt,
Und von kleinen Friehenden Spionen
Elelhaft umarmt und kalı.
19
Ba dem hohen teagijchen Cothurne
ein Staatsrat; meinen Blick in Acht,
Hi im Hinterhalt, an einer Urne
‚Hat "ein Kammerherr die Wacht.
Am — auf meinen offnen Flanken,
Schwärmt teichler Leichte Reuterey,
Ob — ein Ausfall von Gebanten
Von mir zu befürchten jey.
Wie erbärmfich find die Leinen Künfte
Groſſer Höfe dem rechtſchaffnen Mann,
Der das Schidſal Telbenber Verdlenſte,
Der den Undant tragen fan!
Wahre Hoheit täßt ſich nicht verbergen,
‚Sie verlacht die niederträchtge Brut
So fchläft ruhig, unter taufenb Zwergen,
Gulliwer in Lilliput. J
ſe v
[Vignette.]
Die Zephyren.
—
Erſter Zephyr
Was flatterft du fo muhig hier im Ro E
Komm! Komm! Ich fliege mit bir ins ort baden
Nymphen ſich im jehattigten Teich.
[82] Zweyter Zephyr.
II Nein, ich fliege nicht mit Dir; ein ſuſſer Gefchäft n
| 3 verrichten, als mifiige Nymphen zu umflattern ;
| “ — Flügel im Nofenthau, und ſamnue
20
Eriter Jevbyr,
Bas iſt denn dein Gefchäft, das ſuſſer it, als in
die muthroilligen Spiele der Npmphen fich zu miichen?
gweyter Zebhyr.
Bald wird ein Mädchen bier den Pfad vorüber
gehn, ſchyn wie die jüingite der Grazien. Mit einem
Korb geht fie mit jeden Morgenroth zu jener Hütte, Die
dort am Hugel jteht; die Morgenſonne glänzt an das
bemoofte [#8] Dach; dort veichet fie der Armuth Troſt
mb jedes Tages Nahrung; dort wohnt ein Weib, fromm
und frank und arın; zwey unſchuldvolle Binder würden
Hungernd an ihren Bette weinen. Bald wich fie wieber-
kommen, bie jchönen Wangen glühend, und glänzende
Tropfen im duntelblauen Auge, Thränen des Mitleis
und der jüffen Freude der Armuth Troft zu ſeyn, Hier
wart ich, bier im Roſenbuſch, bis ich fie kommen jeh;
mit Fühlenden Schwingen flieg ich ihr dann entgegen,
mb mit füffen Gorichen, erauiet ihre Wangen, und flffe
die Thränen von ihren Augen, Sieh, das ift mein Gejchäft!
Erjter Zephyr.
Dir rüheft mich. Welch ſuſſes Geſchäft Ift das! Auch
ich will meine Flügel Fühlen, will mit dir fliegen, [84]
wenn fie Mnmmt, Doch fich, am Weidenbuſch fmmt fie
daher! Welche ernſte Unſchuld veizt auf ihren Wangen,
welch nachlähiger Meiz in jeder Gebärbe! Auf Tchroinge
beine Flügel! So ſchöne Wangen hab ich noch nie gekühlt.
Geßner
Grabſchrift.
Nach dem Griechiſchen ber Auth
Saon, Ditons Sohn, n
Ruhet hier. Er ruhet! Denn man kann
ou den Guten, die ſich Gtterhulb erwerben,
Doch nicht jagen, daß fie fterben.
Gleim.
22
Du Fühtft, wie Sephyrs Kinder Hauch
Den ſchwulen Mittag kühlt,
Und mit ber Achrenwälder Rauch
Im blauen Wirbeln ſpielt.
Du trinkt den ſüſſen Traubenmoft,
Und fchöpfelt Feifchen Muth;
Der Feldban wurzet Div Die Soft,
Und ſchaft bir leichtes Blut.
Du ruft, zufriebenes Gemilths,
Und träumft bon deinem Glück;
Ein heiliger Geſandter fichts,
Und eilt zu Gott zurüd.
Thomſen.
[88] Minerva 20
bey ber Wiege des wohrnen ich
yriehrihr Yeinrig, Nenlitus: Karl,
Berlin, 21. Octobr. 1770,
D Beennusfohn! was kunftig dein Schichal ift;
Ein König, ober Feldherr des Möniges,
Der nad) bir kommen mag, verhüllet
Dir und dem Lande mein ernfter Wille.
[99] Nimm it dein Erbgut: fürſtlichen Genius;
Und einft erwirb dir hausliche Tugenden
Des weifen Bürgers; und dann febe
Zwiefach ein König und mein Erwahlter!
ED0.R.guM.
Au einen ftolzen Herrn von Noel. 21
teund! werndein Stamm ums nurerſt beweiſenkann,
deinem Ahnherru an
Meymung bey,
Daß das Gefchlecht, von dem du abgekonme
Das ältefte im Sande fe.
23
Die Toter,
Lieb,
[Mit Musik von Bondn.]
Mama, dai Sie mich llebreich hüten,
Das tann ich Ihnen wicht verbieten;
Und iſt gleich die Gefahr noch weit,
Dont ich, doch Ihrer Zörtlichteit ;
Doch mehm ich mich micht felbjt im Acht,
So werd ich nur umſonſt bewacht.
Vielleicht, was ich ſonſt nie begehrte,
Meizt mid) nur, weil man mir es wehrte;
Frey Toll mich janfte Tugend ziehn,
Doch Feſſeln brech ich, fie zu flichn;
Drum mehm ih mich nicht jefbft in Acht,
Co werd ich doch umſonſt bewacht,
Nie wird den Müttern Klugheit jagen,
Was muntre Mädchen liſtig magen,
Damit ich keine Thorheit thu,
So trauen Sie miv Weisheit zu;
Denn nehm ich mich micht ſelbſt im Acht,
So werb id; ganz umfonft bewacht.
Käftner.
Ueber Sylviens Bilpnif.
Der Maler übertrift durch jeine Zauberftriche
Selbit alle Schönheit der Natur!
Züngft malt er Sylvien, und alle woiln
Daß fie dem Bildniß gliche.
a2] Au den Beſitzer eines ſchönen Laudgutes,
ben Gelegenheit einer derumglüdten Beſchrei vi
Mein Freund! wer Storens DO
In der er jungſt dein Tusculan geſchildert,
Der benfet Wunder, wie verwildert
‚Der Pindus umd dein Landgut ift! dv. Thlmmel,
24
Der Herametrift. 26
Des niedern Fluges Feind, des armen Reimes Haßer,
Fliegt Dunlel jhwilitig in die Höb;
Sein Lied — es ſchimmert wie der Schnee;
Doch oſe beyde auf, was bfeibet Äbrig? — Re
[#3] An Herrn Michael Denis,
aus d. 6. J.
Lehrer om Terefiano zu Wien.
Im Seuner, 1770,
Freund, o Freund! du frageſt mich,
Was ich mache? Freund! ich lente
Mein Sedantenjchift auf dich,
Schtwimm auf deiner Donau, denke
Deinen Kayjer, Freunb! bu biſt
Priejter Gottes, und ein Wetier!
Dir vertrau ichs: Joſeph ift
Mehr ein Menſchenfreund als Kayſer!
Wär er Kayſer mehr, o Freund!
Wollt er jeine Staaten mehren,
Gegen aller Chriften Feind
Zög ex dann mit feinen Heeren;
Legle Stambols Mond in Staub,
Und mit hriftlichen Banieren
Nähm er des Propheten Raub,
Und du fähft ihm teiumphiren,
Und dur jäheft ihn in Wien
Einen Friedenstempel bauen,
Und darin befängit du ihn,
Und die einzige der Frauen,
Welche mehr als Männer that,
Gegen meines Friedrichs Siege!
Wär ich Joſephs Kriegesrath
Nathen müßt ich ihm zum Kriege!
26
Die Beziere Höflichteit (**)
Und die Muftis Menfchen Lieben. (***)
Glelm.
(or) Der Orofwegier jap gu Dem ponichen Orafen Pot:
(***) Der Mufti raubte durch feine fo genannte Fetfa, ober
eiflhe Sentenzen, ben Grishen re Glter, unb ben mallahie
(hen Chriften ihr Sehen.
[Holzstock.)
a] Faber. 27
Mir ftotz erhabner Stien, und nicht durd) Loft gedriidt;
‚Sprach einjt ein leerer Halm zu einer vollen Achre:
„ie kömmt es, daf dein Haupt jo nad) dem Boden nickt?“
So gleich) verjeßte die, dem Brüberhen zur Lehre:
Ich ftünde frehlich nicht fo tief herab gebückt,
Wenn id) fo feer wie bu in meiner Stime —
An ein Mädchen, das in der Kirche plauderte. 28
So ſehr dich Zugend, Neis, Wit und Verfiand exheben,
So ziemt das Plaudern dir ar diefem Orte nicht;
Dorinde, du vergißt, indem bein Mund jo fpricht,
Daß ſelbſt vor Gott die Engel beben. Pr
[#8] Wiegenlied- 29
; Du, der aus feiner Wiege
So ftirnefaltend
Wie Cato in dem Kriege,
Da Rom an Nom gerüidt,
Und kaum ein Meines Lachen
Auf eine Mutter lenkt,
Die göttlid), wie der Graechen
Erhabne Mutter, dent;
28
Und beine Stirne falten,
Wie Cato, wenn mans wagt,
Bon dem bid) abzuhalten,
Was fie dir dorgejagt.
Narſchin.
[51] Der Uueutſchloſſene. 30
Was mir ihr Blick verſprach, verfaget mir ihr Wort;
Sie kommt umd fleucht, fie lockt und ſcheuchet wieder fort;
Sie giebt und nimmt, was fie mir erit gegeben;
Verzweiflung giebt fie mir und giebt mir wieder Leben;
It wie ber Felfen hart, ven nie ein Sturmwind beugt,
ot wie ein Veilchenblatt, das jeder Zephyr neigt,
Ihr Götter! Lieb ich? — Haß id) fie? —
D rettet mich aus diejes Hweifels Hölle!
Ein Tantalus irr ich an dieſer Duelle
Glaub ewig fie zu haichen, und erhaſch fie nie! =
v
[52] Das Feſt des Daphuis uud der Daphue.
Cin Wettgefang,
Aın Tage der Bermählng des —* Friedrich Wilhelms
von Breuffen,
und der Ra us Friederife Lonije
on Seflerdarnfabt.
Der Schäfer.
Ich wit den edlen Daphnis fingen, der zur Braut
Die junge Daphne ſich ertohr,
Und will ein jährig Böcchen, und den beiten Moft
Vom Nedar opfern und vom Ri
[58] Die Schäferinn,
Von Daphne will ih fingen, von dev cdlen Braut,
Die würdig unfers Daphnis war;
ir will id) Blumen, und von jeder Sommterfrucht
in auserleſues Körbchen weihn.
29
Der Schäfer.
Mein Lied jey Daphnis, der die ſüſſen Sapten rührt
Des — aus ber fremden Alm,
Be Löwen oder wilde Männer zwang,
Gr ſelber fpröde Nymphen zwingt.
Die Schäferinn.
Lied ſey Daphne die viel fühle Lieder lernt
Ron Schafern unirer eignen Flur,
Er unive Schäfer fingen, wie die Nachtigall,
Die Bremden, wie die Grille fingt.
[54] Der Schäfer.
Wo Daphnis hinteitt, fteige
‚Ein helliger Lorbeerwold auf:
‚Zur Krone für den Nüngling,
Der Miuber und Wölfe verjagt;
Kranze für den Fngling,
Im
Der fröhliche Jeſte begeht;
Der Schäfer.
meinen Daphnis, ber bie Künſte liebt,
an fremden Ufern ehrt;
fie bald in unſre Schäferhütten ein,
hebt ein goldnes Alter an. *
Die Schäferinn.
preiſe meine Daphne, meine Daphne liebt
—5 Sitten unſrer Flur;
30
Aſträa kehrt vom Himmel auf die Flur zurld;
Dann hebt ein goldnes Alter an.
Der Schäfer.
Den Daphnis lieb ich, der bie ſchönſten Heerden zieht,
As Jungling feiner Fluren Ruhm;
Der vor Gefahr fie ſchühen, fie vergröffern kaun,
Im Alter einst ber Hirten Gott.
Die Schäferinn,
Ic) Liebe Daphnen, die den Hirten glückich macht;
‚Broiefacher Honig ift ihr Mund;
Die feine Sorgen theilen, fie verfüflen Tan;
Schon jung Gefäng und Dpfer wert.
[56] Der Schäfer.
Mit Nedtarbächen tränke,
D Liebe, dies göttliche Baar!
Das Alter je der Weisheit,
Die Jugend ber Freude geweiht!
Die Schäferinn
In warme Freundichaft wandle
Die feurige Liebe ſih batb!
Die weile Freundichaft dauret,
Die teunfene Liebe verfleudht.
Der Schäfer.
She Himmliſchen, hövet mein Ur
Gebt einen Sohn bem Daphn
Des Baters holdjeeliges Bild,
Den Stolz der teufchen Mutter,
Die Krone der jerligen Flur!
[57] Die Schäferinn.
Ihr Liebenden, böret mein Lieb!
Umarmt noch Enfeljöhne ;
Von mir ward Leibnih dir gegeben,
Bart Sachſen einft Hannover vor;
Dir, ſprach Eherusfien, hieß ihn cin Zufall Leben,
Mir jein erfannter Werth, wach dem ich ihm erfohr.
5 Das Glük gab dir ihm erft; du lieſſeſt dir ihm nehmen;
IE das zum Pralen rund? Iſts einer fich zu ſchämen*
Köftner,
3358] Warunug vor Hymen.
Lied,
[Mit Musik von Wolf]
Wann die Hochzeitfactel Iodert,
Sehet, welcher Gott fie Hält!
Hnmen Fönmt, wenn man ihn fodert,
Amor, wenn es ihm gefällt
Zu dem zweifelhaften Bunde,
Der des Lebens Freyheit raubt,
Schlägt die feperfiche Stunde
Summer cher als man glaubt.
Wünfde, Triebe, Vhantaſieen,
Altes ft euch iht noch Frey;
Lieben könnt ihr, ihr konnt flichen,
Ohne Vorwurf, ohne Neu!
Tauſchet diefe Frühfingstage
Um die Lockung Hymens nicht!
Trug iſt feine janfte Slage,
Träume finds, was ex veripricht!
32
[59] Flieht vor feinen goldnen Striden,
Sieht, mit weiſer Fröblichkeit,
Bis die Jugend euch den Rüden
Zur verhaften Warnung beut!
Aber wenn ein ſüſſes Fener,
Das nicht Urberlegung ſtillt,
Täglich mächtiger und neuer
Euren jungen Buſen füllt;
Wenn Vernunft, mit Reiz verbunden,
Euch zum Schwur der Trene zwingt,
Und, mit Rofen rund umwunden,
Amor felbft die Fackel bringt;
Stehet dann, geführt von Scherzen,
Hymen lächelnd vor euch ba,
Ad! fo ruft, aus vollem Kerzen,
Lieber heut als morgen, Ja!
Die grinplihe Betruͤbniß.
Auf feinem Tobbett Liegt Lubin,
Sein Weib iſt voller Jammer!
Und, ach! aus beyder Vuſen fllehn
Viel Seufzer durch die Kammer,
Doch fagt man, bak nor gleicher Noth
Nicht beyde Gatten beben;
Der Mann befürchtet jeinen Tod,
Und feine Frau fein Yeben,
Lowen.
Der Reichthum. 35
Sprich, weich ein ſchatbbor Gut lann Plutus uns erwerben?
Das Lafter blüht durch ihm und Tugend fAßt er —
vu.
36761) Empfindungen bey einer unglädlicen Liebe.
Armes Herz, warn wird dein Kummer ſchweigen,
Feder Pule ſchiag, jede neue Stunde
Mehet mein Leiden, wühlt in meiner Kunde,
Wird mir neues Gift.
It es ſtrafbar, was ich it enupfinde,
So ift Alles Schwachheit, oder Sünde,
Keine Tugend mehr!
D! jo wiegt mir dieſe Hand voll Erde,
Dieſes Leben, fruchtbar am Beihwerde,
Unerträglich ſchwer!
[62] Nicht ber Tag, vor dem Monarchen beben,
t mein Schidjal, nich mein Gluct, mein Leben,
euget dieſen Schurerz,
Die Empfindung — zarter Triebe,
Sagt um eine bintergangne Liche,
dammert um ein Herz.
Dies Gefühl, dies mitleidswehrte Sehnen,
Diefe wahren, untroſtbaren Thränen,
Rühren fie von mir?
Deſe Gut, die nagend in mir lobert,
Bärtlich liebt, und wiltend Rache fodert,
}, Natur, von dir!
Race? = » - Schnveig, umrühmlicher Gedante!
Halte mic, o — went Id) wante;
Race + du nicht! }
Segne mal, was Ich heut verliehre,
Und verzeih a ei ie Schwire,
Die verlegte Pit
— — Bd,
34
[68] So viel Unſchuld, jo viel Seltenheiten
ind vielleicht in dieſen ſchwarzen Zeiten
‚Bu viel Süd fr mich;
Ach! was jterblich iſt zelgt feine Mängel;
Ehmals warft dir, thenves Kind, ein Engel,
It ein Menid), tie ic) a
been
Auf einen Kaudidaten.
Star will ſich nun dem Tempel weihn;
Wozu wird er wohl tauglich jeyn?
Beym Tempel Salomons wüſt ich es body zu fagen:
Da wär er gut, das chrne Meer zu tragen.
Käfer,
[sa] Der Romaneunritter.
Das zarte Fränfein Rofemmd,
Das jonft von Liebe nichts verjtund,
Halt, ungefähr feit funfzig Wochen,
Des Spieles Slihigfeit geroden,
Das ihre Frau Mama geiptelt,
Als fie die Exiftenz erhielt.
Nun gab ein Herr von jechzehn Ahnen,
Ein treuer Leſer der Nomanen,
Und Feind von jeden Mugen Buch,
Ihr alle Tage den Beſuch;
Der nichts ala Zimmer der Bariie
on feinen Honiglippen blieſe;
Die römifhe Detavia
Dabey des Tags wohl zwier durchſah,
Sinnreihe Ihränen, ja
Wodurch ers denn fo ı sacht
Daß fie ihn zärtlich angeladht,
Die Blicke Ttets auf ihn gewenbet,
Ihm heiße ©: [
Die ihm verbeutichten, was ihr wär, — —
Doc wer war fittiamer als er?
Einjt, als ſich dev Romanenheld
Amabijirenb eingeftellt,
Lag fie, entfernt von Weltgetiimmel,
Des prächtgen
Und zitterte vor Warten fait,
Und ſchmolz vor füllen Bangigfeiten,
Und ioinft ihm immer von ber Seiten,
Aus Woltuft, weil fie ihn jo nah
An ihrem Schwanenlager jab. — —
Er, al# er zitternd fich gebüdet,
Noch zitternder fie angeblidet,
Zog mın aus feines Buſens Schrein
Den alten Senfger: öttinn mein!
Wär id) mit Div ins Waldes Schatten,
Wo ſich bie janften Weſte gatten,
An einem Duell, id) wollte dir —
Was, jprad) die Schöne, wolltet ide?
Mir mit den Stal den Hals durchſchneiden?
Das mag der Henker von euch leiden!
Sprang, als fie dies im Zorn geredt,
lm ins nädjte Kabinett.
D.
39 Beytrag zu einer Sammlung von Widerſprüchen.
Der Dberpriefter Michael
Sagts, und betheurts bey feiner S
Boltaire jey ein Teufelstind;
ihn zu verewigen,
ie Muſen und die Grozien
Ber Bigat (*) ſchon beyſammen find.
2
(#) Der berühmte Bildhauer, der iht mit der Statue des
— ‚vom Woltaire beſchaftigt it.
36
IC Der kurze Prozefi-
Wohl angebrachte Schmeichefeyen
Vethören jelbft geiegtev Männer Sinn.
Dies wußte bie Pariſerinn,
Die, müde jeht von ihres Gegners Schrehen,
Abm Sebbaft unterbrad): „Herr Advorat, wohin
Wit allen den Sophiftereyen?
Sie müffen jelbft aeitehn, daß ich betrugen bin;
Denn mein Aeeord war auf Tapezereyen
Mit menschlichen Figuren, groß und ſchön,
Wie der Here Präfident, Nun die find micht zu fehn; 10
Drum darf ich auch dem Kauf nicht haften!
Es find zwar menjchliche Geſtalten,
[68] Doc frumm und fteif, wie diefer Abvocat,
Der aller Welt Gedult jo lang gemisbraucht hat.“
Der Abvocat jtaub, wie vom Blitz gerühret,
Und murmelte den Araiten Fluch;
Der Pröfipent, durchs jchöne Lob verfilhnet,
That für die Frau den beiten Spruch.
Au einen Dichter.
Kunfteichter werfen dich mit Kath;
Entfliehe, Freund, du wirſt getroffen!
Entfliebe dem Werjer, ber grimmig biv droht!
Der Tempel der Grazien ftehet div offen.
[59] Das Gfüd der Liebe. 2
Das Schidfal zeigte mir jüngft auf zweenen blumichten
Wegen
Der Lieb und Weisheit mir winfendes Glüd ;
Wahl Eines! ſprach es. Ich gieng fogleich der Weisheit
entgegen,
Doch jah ich immer nach Doris zurüd.
37
5 ie gieng mid) fchüchtern vorben, — ya
zur Seiten;
Er aber, der meine Wünfche verftand,
Wie liſtig wuſt er fie nicht durch manchen Untveg zu leiten,
Bis fie an meiner Seite fich fand!
[70] Iht war mein Schicſal getäufcht! Mit unausipredi-
* Blicken
» Dankt ichs dem Amor, der mächtiger iſt
Dank jens dem Amor! Was gleicht der Liebe janften
Entzüden,
Das man im Wege der Weisheit genieht!
v. Thftmmel,
43 Selinde.
Wohin Selindens ſchwarze Augen rollen,
Da rollen fie Vergnügen in ein Herz;
Gejellig ohne Zwang, liebt und veriteht ſie Scherz.
Ach aber den empfinbungsvollen
Scherz, der aus der Seele licht,
In Holden Worten mır, in Blicken ſich ergleßt,
Den hat fie nie verfteben wollen,
4 [a] Auf eine Unguade bey Hofe.
Es geben ſich hienieden veine Tugend
Und reidies Gfüd gar jelten Hymens Hand:
Nur im Dfymp und bey dev Erde J
Gemeiniglich
Am ehften fort, und hat m acht er lieb,
Dann fingt bie Welt von ihrer lucht der Matten
Ein pöttiich Lieb. Doc, liebe Welt, vergieb!
38
[?2] Fortuna fühlt zum Wechjel aleichen Trieb,
Mir zum Beweis fümmt Damis all zu ftatten,
Wo fie entflob, und nur die Tugend blieb,
[Die Frauzoſen.
Wenn übern Rhein die Herren Nachbarn giengen,
Und wir fie dann nach altem Brauch und Urt,
Ein wenig hart
Im wehrten deutihen Vaterland empfiengen,
Da bauten fie nicht ftets ſich Ehrentempel;
Bey Rofbah zum Erempel.
Ps] Au den Heren Kanonifus Jacobi
ber) feiner Durchreiſe durch
Gottingen
den 20. Sept. 1770
Beym Phöbus wunſcht ich mir Eytheren jüngit zu finben,
Und jah fie nur mit ihm verſchwinden;
Doch gern vergeb ich ihr, da fie mir bort enteilt,
Wenn nur bey ums ihr Dichter igt verweilt.
[4] An Phobus.
nach dent Tibu, [IV, 4]
Komme zu des beiten Mädchens Bette,
Blonder Phöbus, fomm herab und rette!
Glaube mir, es wird Dich nicht gereun
Einer Schönen Arpt zu ſeyn
In den Adern,
dedes Nebel tief ins |
45
40
Fififteat,
eine Erzähhm.
Dem Frepheren non Buddenhrooct
zugeeignet,
Berlin, 13. Der. 1709.
Du lennſt, mein Fremd, den klugen Pififteat,
Den tapfern, den beredten Helden:
Ich will Die itzt von ihm nur eine That vermelben,
Id) weiß, du billigeſt die That:
Sie hat ihm einft das Lob von Griechenland erworben. 5
a war jein vedliches, fein ſchönes Weib geitorbei ;
78] Da ſprach er bey ſich ſelbſt wie ehr ic) mein Gemahl⸗
Durch meine Reden? meine Seufzer? meine Qual?
Nein, ihre Tugend muß für mich nicht untergehen,
Ich will ihr holdes Bild ſtets gegemwärtig ſehen.
Er ſpraches, und fchritt zu einer neuen Mahl.
Die Söhne hörten ibn von feiner Wahl erzählen,
Und fie befvemdete der Vorſatz jehr;
Sie fragten: Vater, fiebft du uns nicht mehr? —
‚Fa freylich Lieb ich euch, drum will ich mich vermöhfen: 16
Bon Söhnen ever Art wünsch ich noch mehr zu Bl
[9] Bacchus und Venus. 40
Amor ift mein Sieb!
Schön iſt er befrängt!
Wie fein Auge lacht!
Seine Wange glänzt!
Sehn wie ftol; er da
Seinen Bogen trägt:
Ganz gewiß hat er
Einen Held erlegt!
Seinen Wagen zlehn
Baecchus Tiger ber:
1) S, Lieder nadı dem Anafıwon,
42
Du ſchateſt meine leichten Scherze, biſt
Der Freudengötter, bift der Dichter Freund,
Rom Hohen Klopſtoch bis herab zu mir,
Und trägit ein redlich Herz in deiner Bruſt.
Genug zu einem gültigen Mäcen!
Denn einen gnadigen verlang ich nicht,
Und einen reichen noch viel weniger.
Leotides, der Wechsler, einft ein Fürft!
Der wäre wahrlich gerne mein Mäcen!
Gediegen Bolb Hat er im Ueberfluß.
Er gäbe für mein Meines Büchelchen
Ein halbes Schod nur leicht befcjnittener
Dufaten wohl. In Wahrheit gab er mix
Ein Tönnchen, Freund, ich ſchentte dennoch ihm
Es nicht! Was jollt er mit dem Büchelchen?
Konnt er es leſen? Es verftchen? Nein!
Er erbte ja von ſeinem Vater nicht
Verſtand, wie du! Was erbt er? lauter Gold!
Er that auf hohen Sins es aus, er gab
Dem geoffen Winkelmann, den ‚edlen Abt,
Dem iv Lendelſohn mich
Für ihre Weisheit!
An dem Altar der Dumm
Ihr Priejter war? Ob
Den Eid der Treue ſchwurd Das weiß id) nicht.
Genug! Mein Büchelhen ſchent ich ihm nicht!
ähm es, ja len, 1
Und ih? Sch ftünd, ein armer za vor ihm,
Nähn trüg aber aljobatb das
guter ‚Herr. t ihm
m er Ak —
w- 43
Vohl eingehänbiget!* — Für ein Gericht,
Das einen Ledermund befriediget,
Fit ſolch ein Trinfgeld gut genug! Allein
‚Ben weitem nicht, o Duns Leotides,
Für ein Gericht = einem Bücjelchen,
Dos eine Muje dir zu ſchmaufen giebt,
Und wäre gleich die Mufe nur, o Duns!
Ein Mädchen, welches mic, begeifterte,
So wär es für das Hleinfte Binden nicht genug!
Bezahlt ein Zeutner Bold ein Quentchen Wig?
Genug hingegen ift von dir, o Freund!
2} Ein Winf des Wohlgefallens, wenn, hinauf
[83] Zum hohen Mopftok, und herab zu mir,
‚Schönheiten, groß und Hein, und nah und fern,
Dein fenneriiches Adlerauge foricht.
Allegorie.
— heißt die Nymph, um de
Rönigreiche Phantaſie
= Schwarm verbuhlter Sylphen ſchwebt,
Der Fleiß, voll Eifer und belebt,
Sucht ihre Hand, ſcheint auch allein
Der reichen Nymphe werth zu ſeyn;
Sie aber, wie bie Schönen find,
Flle geiindliches Verdienſt zu blind
Berihmäht den Edlen, front und kußt
Der Gnomen jcjlechtiten, der nur Lit
Und unverjchämt im Betten ift.
An einen Mufenalmanad).
Unb du In dem bemalten Klelde,
Du Heiner Muſenalnanach,
Wie mmft denn bi, geputzt in Seide,
‚Hier unter mein gelehries Dad?
44
‚Bier unter ber Chikane ſchwere,
Hochaufgethurmte Aftenbrut,
Bey welcher ist Eylinder, Sphäre,
Und Prisma ganz vergeſſen ruht?
Gieb Acht, daß nicht des Zirfels Spite,
Der neben dir beftäubet Liegt,
Dir deinen gildnen Schnitt zerrige,
Der feinen Meßingglanz befiegt!
Geh fort aus meinem Sabinekte,
Das Scherzen feinen Eingang gönnt,
Zur liebenswürdigen Brilnette,
Die mehr als ich die Muſen kennt!
Lueinden meyn ich, deren Jugend
Aus innerm Hang das Schöne liebt,
Und Wiſſenſchaft, und ernfte Tugend
Mit einem Geiſt voll Anmuth übt,
Sie wird der holden Seine Schäben,
Die dort vertraulich um fie jtehn,
Dich, Deutichlands Kind, zur Seite ſehen,
Und mit Vergnügen auf dich jehn.
Seh! font wird du mit Staub belaben ;
Bon manchem mobernden Papier
Kann haftender Geruch dir ſchaden!
Geh, Meines Buch, geb flugs zu ihr!
[Holzstock.]
z J
Weint, ihr Kinder der Freude! Weine, Focus!
Beine, Vhantaſus! Alle des Geſange
Töchter, alle des jungen Frühlings Brüder,
Sixenetten amd Zephpretten, weinet!
AH! die Wachtel ft todt! Maibens Wachtel!
»
agr?
Da:
@
2
Mädchen verfenkt im Traun und. ſtumm ſaß,
Gautlerlun dem Pagoben Lama
Wadelkopf, wiegte mit dem Ropfe
Des ſich weiblich hin und wieder.
Ach! fein Vogel war diejem gleich! Der Juno
© Rogef nicht, ber mır fchön war, and der Pallas
Vogel nicht, der nur Mlug war, und nicht ſcherzte.
Unjer Vogel war jhbn und Hu; Naibe
Scherzt und Fofete gern mit unſerm Vogel,
eg
ggr
—
EE
Und ber Vogel verftanb Nalben; gab Ihr
» Nidend Antwort; ſchlug an, jo bald fie winfte,
Gieng und fam auf ihr Wort, und ſaß ihr ruſtig
Ber: Auf der Schulter, und Lich ji türen, ließ fich
(& ben Lippen bev trauten Wirth äben.
ichts! Er vedet nicht mehr! € hat
Stimme ber Tod beraubt, und
Vögel erwürgt, und alle groſſen
iedlicher Schnabel jotl nicht ſterben;
— und. Gold und edle Steine
das Mädchen ihn wohldurchbalſamt legen,
46 8-58.
Dit mit Seufzen ihn anſehn, oft mit Thränen,
Dft ihn herzlich am ihre Lippen drüden.
Hier mm ruhe fein laller Leichnam unter
Dieſem Rofenbaum! Mahyenblumen pflanz id)
Auf fein Grab, und von bunten Taufendichöndhen
Einen Kran. Sein vergnügter Geiſt, das weiß ich,
N gen Himmel geflohn, gleich einen Heinen
unten! Laß ihn anf deiner Schulter figen,
Schuittermädchen des Himmels, die dur Weizen
In den Händen, und Mohn im Mörbehen trägeft!
[ee] Der Befund).
Batill beſuchte mich; zu Ehren
Des gütigen Beſuchs gab mir mein Dämon ein,
Mit ihm ein Gas Burgunderwein
Auf gute Freundſchaft auszuleeren.
Jebt ift er mn mein Freund — allein
Wie dauret mich mein Wei — mein Wein!
v. Thilmmel.
An Leſſiugs jungen Gelehrten.
Um den Monadenpreiß umſonſt fich zu beſtreben,
Das, Damis, hat zum Spotte dich gemacht:
Doc) Zufti'n ward der Preis gegeben,
Und über wer warb ba gefacht ?
Raftner,
[8] Weiffagung der Melpomene 56
an ehren jungen Dichter.
Der du im feihften Tobenslenze
Sobgierig nad) dem Ehrentempel fengit,
Und, neidiſch auf der alten Dichter Rränze,
Schon zum Verſuch die Laute
48
Sinugebicht.
Die Damen deinen hier ben eblen Nachtviolen
Su allem gleich zu jepn;
Denn Nachts verbreiten fie am Mondſchein, unverhohlen,
In junger Bühler Arm, ber Schönheit vollen Schein;
Des Morgens ziehen fie, verftohlen,
Der ftrengften Tugend glei, Die Reize wieder —
[9] Der Kanonikus und feine Köchin,
Gin heiliger Kanonilus begeht,
Bey feinen wohlbeipidten Pründen,
In einem Tage geöffee Sünden,
AS ganz durchs Jahr ein Hungriger Poet.
Ein folder wars, von bem aus Liebe
Die Kochinn ihren Abſchied nahm;
Zu dem, aus einem gleichen Triebe,
Nanette ſich zu präſentiren fam.
Könnt ihr, fragt er mit einem frommen Weſen,
Gut kochen? — Wenig! — Waſchen? — Nein! — w
Doc; ſchrelben und bie Zeitung leſen? —
Nein, gar nicht! — Und, fiel er ihr ein
198] Zum Lohn? — Her, Hundert Thaler! — Sachte!
Da die Befchictefte aufs Jahr
Nur zwanzig fodert! — Mecht! rief fie und lachte; [3
Doch ich, mein Herr! — Nun, ihr? — Here! Ich bin
unfruchtbar.
Lowen
Lied. 5
Neigend ift 03, feinen Ruhm
An die Sterne heben,
Und in Famens Heiligthum
Unvergänglich leben.
Mt ber Slche Frumfenfeit
An Themirens Buſen!
Die Nachtigall und die Fröſche.
An einem heitern Abend gieng
Die fchöne Daphne mit Tiren
An Fühlen Badı, und fühtete_
1)
Und Sanfte Lüfte wehten ihr
———— Gerüche zu.
Des Monden oft erneutes Spiel,
ER ſchnell it hinter Wolfen fiel,
Und igt ins Dunfle Blau hervor
= ‚vollen nn —
Nacht,
Die es auf a ae jont,
Bon ausgelaaner Freude ſchien
Die Welt ſich zu erhohfen, nur
Das Volk der Froſche ſchwärmte noch
Ir Sumpf, und quacte (mit. — „Warum,
Sprach Daphne, larmt ihe unverjchämt,
Bar Bhilomele fingen will?
eigt, derhahte Schreyer, ſchweigt,
ich fie höre!" — Plbhlich hub
Die Meine Sängerin ihr Lied
In Ihmachtendjanften Tönen an.
It floh es fehmetternd durch das Thal;
Die Echo fangs geſchäftig nad,
Und Zephyr trug es Laufchend hir
Ans jernbejäte Hinunelsfeld.
‚Entzüdt xief Daphne: „o Tiren!
Sie fingt! D Höre! Welch ein Lieb!
Deutsche Lirteraturdenkmale, 5203.
50
Mit Unrecht tabelt id; ben Lerm
Der Fröfche. Weit, weit fühfer ſchallt
Mir iht das Lieb der Nachtigatt!”
Wißt es uns ſchlechten Dichtern Dank,
Ihr guten, daß wir fchlechter find!
Trinffich.
{Mit Musik von Kellner.)
Herr Bacchus ift ein braver Mann,
Dos lann id euch verjichern,
Mehr als Apoll, der Leyermann,
Mit feinen Notenbüchern.
Des Armen ganzer Reichthum iſt
Die golbbemalte Leyer,
Bon der ex pralet, wie ihr wiht,
Sie jey entjeßlich theuer;
Doc; borgt ihm auf fein Juſtrument
Kein Kluger einen Heller;
Denn ſchoͤnere Mufit ertönt
In Vater Evans Seller.
Und ob ſich Phobus gleich vornan
Mit feiner Dichtlunſt bläbet;
Co ift doch Bacchus auch ein Mann,
Der jeinen Vers verſtehet.
Wie mag am walbichten Parnaß
Wohl fein Disfant gefallen?
Hier jollte LAbers Cautorbaß
ewißlich beſſer ſchallen.
Auf! Laßt uns ihm für den Apoll
Zum Dichtergott erbitten!
Denn er tft gar vortreflich wohl
Bey groſſen Herrn gelitten.
Apollo muß gebüdt and trumm
In Fliſtenſale chleichen
Allein mit Vaechus gehn ie um,
Als wie mit ihres gleichen.
Dann wollen wir auf den Parnaß,
Bor allen andern Dingen,
Das groffe Heidelberger Taf,
Boll Nierenjleiner, bringen!
Statt Lorbeerhaynen wollen wir
Dort Nebenberge pflanzen,
Und, um gefüllte Tonnen, ſchier
Wie die Bachanten, tanzen!
Man Lebte jo, nach altem Brauch,
‚Bisher bort allzunücteen;
Drum blieben die nenn Jungfern auch
Bon je und je jo ſchuchterm
Ha! Zapften fie ſich ihren Tranf
Aus Vacchus Nektartonnen,
Sie jagten Blödigfeit und Zwang
In öfter zu den Normen!
Firwahe! Sie lieſſen nicht mit Muh
Zur Heinften Gunſt fich zwingen,
Und ungerufen würden fie
Uns in die Arme pringen!
62 [104] Auf Friederilens Geburtstag.
Den 10. Aprit 1770.
Dies ift der Tag, der dich zuerſt geſehen!
Er tonunt zwwick; frolodend geü ich ih! —
Deruimm bon mir, o Freundinn, was geſchehen,
Als er zuerſt erſchien!
52
Noch blinfte Schnee auf St** Nebenhügeln,
‚Den muntern Bach hielt nad; des Eiſes Band;
Der fanfte Weft fon mit mohlthätgen Flügeln,
Und Eis und Schnee verſchwand.
[105] Das Veilchen hob fein Haupt voll füffer Düfte,
Der freye Bach floß filbern durch bie Flur,
Die Lerche ſchwang ſich triflernd in Die Lifte,
Und wedte die Natur.
Der Frühling ſtieg im lieblichen Gepränge,
Mit jungem Laub das Hear umkränzt, herab,
Und mit ihm ſtieg, noch glänzend, eine Menge
Bon dem Dfymp berab.
Mißtraue nicht ber Wahrheit der Gedichte!
Ein Dichter hat den heilgen Pomp gejehn;
Er folgte nad, und fand die Götter Dichte
Bey deiner Wiege ftehn,
[106] &s war Apoll, mit Grazien und Muſen,
Auch Amor kam, umd Alle freuten ſich,
Und vrüücten dich wetteifernd am den Guſen,
Und Alle kühten did.
Dann gaben fie ber Fleinen Friederile
Zur Wörterinm die Göttinm Harmonie;
Und fprachen: Zevs ſorgt ſchon Flle ihr Geihide;
Du aber bilde fie!
Sanft ſey ihr Herz, und edel ihre Seele,
Zaur Redlichteit geſtimmt, und zum Gefühl
Der Tugenden, und liederreich bie Kehle,
Und ftark ihr Saptenipiel,
[107] Aut fühten dic die Götter alle wicder,
Verwebten Gtit im beinen Lebensfan
Und ein Gewolt von Golde fuhr hernie
Und nahm fie wieber auf.
fo, der Briederife?
Sie jell —
ſelbft, was Heut bein — empfinde,
Der fie erfüllt erblidt!
her
[os] WVigneite]
Philaidilis.
Phllaldilis, die jüngfte
Schileriun dev Grazlen,
Achtete ſich die geringite
Von den ſchonen Sterblichen.
Demuth lehrte fie zum Tempel
rer Gottheit täglich gehn,
Allen Tugenden Exempel
Bar fie wohl jo gut, als jchön.
Gern ſah fie in jene Welten ;
Diefe Welt war ihr voll Schmerz;
In den Spiegel ſah fie felten
Nur fo ſcharf, als im ihr Herz,
Wett! im dir ift fein Ber;
Denkt fie ftill, und jagt es Ta
Sich und fie will fie beftegen,
Bon dem Himmel eine Braut,
Sie beilicht dent Weltgetümmel
Zu entflichn, im ich hinein,
Um auf Erden und im Himmel
‚Eine Heilige zu ſeyn.
54
Und ſeitdem, o Himmel! fielen
Ihre Loden ungerollt;
Iren artigen Geſpielen
Ließ fie Schmud und Flittergold.
Ihren Anzug, ihr Geſchmeide
Theilte fie den Armen aus;
Ihre Neben, ihre Freude
War der nahe ofterichmans!
Dichter fangen ihe Geſänge,
Dichtern hieß fie Lalage.
Liebesgötter eine Menge
Hüpften um bie Grazie,
Seufzten, weinten, klagten, ſlehlen,
Hielten ihre Hande feſt;
Ihre Seuſzerchen verwehten
Nicht der Nord und nicht der Weit.
Tief in ſich hineingefehret
War umfonft die Schöne ſchon;
Dichter blieben ungehöret,
Liebesgotter ungefehn.
Feſt dem ſchreclichen Entfchluffe
Nimmt fie num die neue Tracht,
Und mit einem Liebestuſſe
War die Heilige gemacht.
Pater nofter aut zu beten
Sernte feine jo geſchwind;
Schwetern und Gewiſſensräthen
Folgete das gute Sind.
Und, in ihrer Heinen Belle,
Bor fich einen Tobtenfopf,
Droht ihr bennod) mit der Hölle
Pater Zipf und Pater Hopf.
——
er 55
inmer a fie zu wiſſen
Prüfen — te Herz
* Nicht mi Eee Kuſſen,
Nicht Zuder oder Scherz,
2] Die Noth auf ihre Stärte
Vorbereitet kommen fie,
Mit Empfelung guter Werle,
“ Jener ſpate, diefer frih.
Einft an einem Sommermorgen,
Defto fleifiger zu fen
In den frommen Seelenſorgen,
Treten fie zugleich hinein.
® Hingeworfen auf deu Knieen
Liegen Patres, Tieget fie;
rer Wangen Roſen blühen
Schöner diefen Morgen früh.
Das Gebet wird angefangen;
w Vater Zipf und Pater dopf
Schen ihre Rojenwangen
‚Lieber, als den Todtentopf.
[113] Plöplich aber jtöret Schimmer
Ihr Gebet, fie ftürgen auf.
* Amor fteht in ihrem Zimmer!
Patres machen einen Lauf,
Machen Lerm; die Schweitern kommen;
Alle jehn den Sieger ſtehn
Auf dem Altar ihrer Frommen ;
” Aber fie wird nicht geſehn!
Eine ſchleyerhelle Wolte
‚Hatte fie der Zeil entführt,
Wunderbar bem blöben Wolfe,
Welches feine Schönheit rührt. ——
leim
[u] Der beſtrafte Amor,
Zevs, rüfte mich mit beinen Wetten,
Sprach einſt im Zorne Lydia,
Um jenen Tempel zu zerjchmettern,
Wo ic) zuerjt den Amor ſah!
Barum Hab ich Meidens Waffen,
Und feines Armes Stärfe nicht,
Der Erde Race zu verſchaffen
Bon diejem ftolzen Böfewicht?
Bär ich am ſchwarzen Zaubereyen,
Wie die Geliebte Jaſons, reich,
Ihm wollt ich einen Becher weihen,
‚Der Liebe Todesgifte gleich!
Der du miv zu entfliehen jucheit,
Verruchter Frebler, hätt ich did! — —
„Bier iſt er, Nympbe, dem du flucheſt,“
Sprach Amor ſchnell, und zeigte ſich
„Auf Kühne! Wag es dich zu rächen!" —
Sie Hört erſchrocken feinen Spott,
Und eilet Roſen abzubreden,
Zur Ruthe für den kleinen Gott.
Ihn aber läßt fie ungebunden,
Durch Mitleid oder Furcht bewegt,
Und zittert noch ihn zu verwunden,
Weil fie mit leiſer Hand ihn Fchlägt.
Gotter.
Auf Gellert.
57
Amyntas,
eine Idolle
Berti, IL. Mercy, 1705.
Zum Flötenfpieler Daphnis tam
Die Meine Doris mit —— ‚Haar.
‚Du, deſſen Sieber, PA] en we —E
‚Honig, füher find-
Ss
|
fingen heut fein
— ich Lieb ihn Fehr — und hünn ihn gern
: aber an Geſang
me arm, und ſtammlen Lamm ich nur —
von {hm ein Lied! Denn feiner fingt
wie du, bu lieber Hirt,
der Mädchen mit dem blonden Haar!“
‚Umpntas, jprad der Hirt, verdient Geſang;
hätteft du auch nicht, bu holbes Kind
Fr
—
8
s 28
Grazien! ein Lied von ihm begehrt,
Hätt ich dennoch rund umher
Hlgeln feinen Namen fund gemacht;
ftoßzen Tannen hätten ſich vor ihn
Geneigt, und alle Quellen ihm gerauſcht. —
Sebt an, ihr BE ia: den Büfchen,
ab im dem. tiefen 1
Der Abend röthet I — Saum der Wolte,
Und Echo wartet auf Geſang. —
Entzliden —— men Buſen,
Bar
um ne fe fe, hub einem Dache
Die Tugend bey dem Glüde wohnt.
[118] Anuntas! nicht die tauiend Hufen,
Heerden went,
© Eind bein Verdienjt; ein menſchlich Herz im Buſen
Gefeklet dich ben Gottern bey.
58
Ber füllte wohl Altar und Tempel
Dit Gaben; Lebten mur
Bey Neltar und Aubroſia die Götter
‚Sich jelder ſeelig; flöffe wicht
Der Ueberfluß in golbnen Strömen
Ron ihrer Burg herab;
Fand Unſchuld nicht, und Elend feinen Netter,
Und Franke Liebe feinen Troft?
Du wirft in unjern Liedern Teben,
Amyntas! bis das Meer
Verſiegt, und Wälder aus ben Fluten fteigen,
Und Fiſche ſchwimmen durch die Luft. —
[119] Verſtummet nun, ihr scheuen Mujen! —
Die lautre Freud erwacht.
Anyıt erichallet aus den hohlen Thälern,
Und von den Bergen ſchallt — Amynt! —“
So jang der Hirt, Der feinen Doris ſchlug
Ihr Herz vor Freude — Lange ſprach fie nicht; —
Bis des Gefanges fehter Sieberlaut
om jernften Hfigel wieder fanız
Da jagte fie gerühtt: — „Nun dank ich bir —
Num werd ich nicht der Spott der Madchen ſeyn. —
Erquidend iſt dein Lied, Sonnenſchein
In talter Luft, wie Morgenthau,
Der lieblicher die Blumen macht. —
Und nun — wie kann ich Deine Liebe dir
Vergelten, o du befter Hirt! — denn, ad! —
[120] Ein armes fleines Mädchen hat wohl nichts,
Das deine Lieder div bezahlen kann.“ —
„Du ſollſt mir tauſend Kuſſe Hutdig ſeyn,“
Sprach Daphnis, „bis du ſechszehn Sommer bait,
Und einen Kuß verfichit!! — —
Auf einen Necrnten zur
Neichsnrmee.
1757.
Dier liegt Johann, der als Neerute ftard,
Wär nicht der Rare aus Furcht vor jeinem Tod geitorben,
Er hätte ſich gewiß; jo vielem Nıhm erworben,
As jein Herr Oberiter erwarb.
#8 [21] Hymne,
Gros ft der HErr der Welt! Der Sphären Chor
Berkündigt jeinen Ruhm,
Am Fuſſe jeines Throns fniet die Natur,
Und betet am dor ihm.
dv. Thümmel,
Er winkte in die alte Nacht hinab;
Urplöglich ſtand vor ihm
Die grängenloje Schöpfung. Heil und Dank
Erſcholl von Kreis zu Kreis.
Was maret ihr, die ihr um feinen Thron
Die Seeligfeiten trinkt?
Bon feinem Hauch nehmt ihr Beginn, und nehmt
Kein End in Ewigteit!
[22] Wer rief euch, o ihr Sterne, daß ihr flammt?
Wer wieß euch eure Bahn?
Wer gab end; Bürger? Wellen Hand umfpannt
Den Raum, worin ihr vollt?
Und wer hat dich in dieſe ſchone Welt,
Exhabner Menſch. geieht?
Wer jchenfte bir ben Hohen Geift? Und wer
Gab ihn Unfterblichteit ?
Dur fichft erſtaunt die Wunder dev Natur,
Der Weſen Harmonie;
Exhebe dem, den dir vund um did) her
So fidhtbar wandeln fiht!
—
60
[128] Wanı feine Sonn dem rothen Dft eutſteigt,
Und wann ihe Wagen ſich
Zum rothen Schooß der Abendmeere lentt,
Laß deine Lieber glühn!
Und wann, durch ihm geichmictt, die braune Nacht
Im Sternenkleid ericheint,
Und deine Seel ein janfter Schauer fat,
Verehr ihn ftillentzüct!
Lob ih im Lenz, und wann der Sommer dich
Mit Laubgewblben dert,
Und warın dev Herbit, von Nahrung ſchwanger, lacht, as
And wann der Winter zient;
[124] 2 feichtem Blut, und warn dich Krankheit beüict,
Im Glück, und wann e3 flieht,
Wann did) der Tob zum höhern Leben ruft,
Verkündige fein Lob!
Der Schöpfung Kreis, den Tempel feines Ruhms,
Erfült Ein Lobgejang!
Ihr Himmel fingt! Ihr Erden ftimmet ein!
Önos ift der HErr der Welt!
Thomſen
[Holzstock.]
[ass] Elegit
Auf einem Dorftirchhofe geſchrieben.
Nach dem Gray.
Die Abendalode xuft den miüben Tag zu Orabe,
Mattblödend ehrt Das Vieh im |
‚Helm von ber Xır,
Und überläft die Welt 1
Der Landſchaft zittern in de Dämmung ‚Hülle, ©
Und durd) Die ganze Luft erſcht — Stil 2
Nur dal; ein fer mi
um mein. in jenes Lauten irrt,
in Stral des Tages dringet,
oll dem blaſſen Monde Hngt,
fie zu ſthren fich gewagt.
Ime_tenuxt, der Eibe Schatten ſchredet,
Hügel Staubs ein durrer Nafen dedet,
Grab verſentt auf immerbar,
armen Dorf der Väter rohe Schaar.
der Morgen num, der büftend niederwallet,
{be zwliſchernd Lied, das aus dem Strohdach
ichallet,
Trompetenton, des Hornes Wiederflang
vom jchlechten Bett zu Arbeit und Geſang.
wird nun fir fie bes Heerdes Flamme Lobern,
om Abend fie mit Angſt zurüce fobern,
‚Sefchäften ganz fir ihre Pilege weihn,
feine Kinder mehr nad) ihrem Water ſchreyn,
je, wann er Fönmt, fich Ähm entgegenbrängen,
m jeinen Kuß beneidend, an ibn hängen.
tönete die ln von ihrer Sichel Hang;
ibr Plug, dev oft die harten Schollen zwang.
ie froh 309 ihr Geſpann vor ihnen auf bie el .
10 Wie beugten fih, exlegt durch ihren Streich, die Wälder!
Der Ehrgeiz fpotte nicht der Arbeit ihrer Hand,
Serloche nicht ihr Shi, und ihren niedern Stand;
Der Groſſe höre nicht, Hohnlächeln im —
ichte!
237
2 kerkeg
But SER
Kein
Sich den
[123] Und
258
SE
88
Ei
Dafı im Tempel wicht, durch tiefgewölbte &
Der Chöre Harmonien vom ihren Thaten ie f
62
Ruft einer Urne Pracht, des Künstlers Meifterjtüc,
Ein jeelenvolles Bild, den Geiſt im Plug zurtic?
Kann zu des Grabes Nacht der Ehre Stimme dringen?
Laßt ſich des Todes Ohr durch Schmeicheleyen zwingen?
Wie manche dedt vielleicht Hier die Verweſung tief,
In deren ſchwangrer Bruft ein Götterfunken ſchlief!
Provinzen hätten fie mir wachen Blick befchirmet,
[120] In hohes Sayhtenſpiel Begeiiterung geftürmet,
‚Hätt ihnen Wiſſenſchaft ihr groffes Buch entrollt,
In welches jede Zeit den Schah dev Völter zollt,
‚Hätt Elend nicht ihr Haupt in tiefen Staub gebrücet,
Ihr Feuer ausgelöfcht, und ihr Genie erſticket
Wie manche Noj im Thal errörher ungefehn,
Haucht ihren Duft umſonſt, und ſtirbt vergebens fchöi!
Wie manchen edlen Stein hält, vor ber Menichen Sorgen,
Der unerforjchte Grund bes Deeans verborgen;
So vuhet mancher bier, der einſt mit Fühner Hand,
Ein Hambden jeines Dorfs, dem Frevel widerſtand,
Und mancher Milton ſtumm, vermiſcht mit andern Todten,
Und mancher Eromwell, vein vom Blut der Batrioten.
[180] Sie fonnten nicht voll Mut Gefahr und Tod ver-
Ichmähn;
Gehorſam ihrem Wint Senate zittern Tehn,
Dit Ucberflufe nicht ein ſeelig Land beglücken,
Nicht Lejen ihren Werth in eines Woffes Blicen.
Und doch verbot ihr Glüd Tugenden allein,
Auch Lajter wurden jelbit i er Hütte Mein;
Sie durften nicht mit Blut die Thronenvege gieflen,
Die Thore bes Gefühls vor Men]
Erftiden in der Bruft der Wahrheit ©
Den Zeugen ebler Scham nicht tigen von Geſicht
Noch, im der Wolluft Schooß, des ——— ſich er⸗
reuen,
Den, zu der Muſen Schmach, ertaufte Schmeichler freuen.
[181] Bon der unedlen Bahn des Städtevolls entfernt
Hat ihe beſcheidner Wunfd Ausfchweifung nie gelernt;
[23
SEühl war ihr 2ebensthal, und dem Geräujch entlegen,
‚Zufrieden wallten fie anf ihren jtillen Wegen.
Doch ruft ein Denkmel noch, das Die Gebeine ſchutzt,
‚aufgebaut, harbariſch ausgeichnitt, {
dieſes arme Volt die Kunſt zu fterben lehret.
Denn welcher Sterblicher wirſt jehnend nicht den Blict
132] In eine Schöne Flur, bie er verlieh, zuvlid?
‚hat mit jener Nacht, von Sicherheit berauſchet,
m Dies Ängitlichjüfe Seyn gebantuntos vertanfchet ?
Ein ae, das ich fchlicht, ein halbgebrochnes Herz,
hoch, und eines reundes Schmerz;
Vale Er Natur aus unſrer ruft; es lodert
Bor Feuer umverlöfcht, wenn unfre Aſche mobert.
Noch deinen Hügel anf, ımd fragt: wer dir Remefen?
Dann fpricht ein grauer Hirt: —
öhn
10 Der Morgen zitterte, Hab ich ihn oft gefeh
[123] Durch das bethaute Gras vanicht
Bllffen
Auf jenem Hügel dort die Sonne zu be
Dort, an der Buche Fuß, die ji J
Die a aufwärts dreht, un \
en er am Mittag fich, verbroffen, unbelaufchel ;
h er in den Bach, der dort vor jet;
— ich er in den Hahn, und höhnlſch
Bald murnelt er vor fid) verworrne Träume her,
64 Lus. =D.
Bald hieng er bleich fein Haupt, wie ein Verfaßner trübe,
Genagt von inmerm Gram und hofnungsloſer Liebe. 10
An einem Morgenroth eilt ich zum Hügel bin,
Wo ic) ihn tmmer fand, und ba vermißt ich ihn.
Ich eilte zu der Au, zu feinem Lieblingsbaume,
[184] Alten ich fand ihn nicht, mie ſonſt, im jilffen Traume,
Ein zweyter Morgen kam; weit jehaut ich um mich her, 11
Doch ich erblickt ihm micht im Hay, om Bache mehr;
Tags drauf, ach! jahn wir ihn, bet) Liedern und bey lagen,
Im feyerlichen Pomp, nad unſerm Kirchhof tragen.
Siehſt du den Dornſtrauch dort? Komm! (Leſen kannſt
bu ja!)
Lies: Hier an dieſem Stein ſteht jeine Grabſchriſt! Da!“ 1m
Ein Füngling ruhet bier, in unfrer Mutter Schoof,!
Dem Glüiche nicht bekannt, durch feinen Nadruhm groß.
Sein niedrig Wiegenbett verſchmähten nicht die Muſen,
Und Schwermuth weihte fich zur Wohnung feinen Bufen.
Boll Güte war fein Herz, und der Verftellung feind; 1m
[185] Boll Güte Mönete der Himmel fein Begehren.
Er jhenfte Leidenden jein ganz Vermögen — Bähren;
Gemwährt warb ihm bafür fein ganzer Wunſch — ein
Freund,
Wag in das Heiligtum nicht tiefer einzufchauen,
Das feine Tugenden und Fehler mißt!
Ad! Beyde liegen fie mit zitterndem Vertrauen
In deſſen Brut verjenft, der Gott und Water iſt.
Sotter.
Au Doris. 70
Zum Spiegel beiner Schönheit ertwähle bir mein Lieb!
D Doris, dort vergeht fie, werm fie hier ewig bluht.
of
66
Das Gejpenft.
Den Beift des Stutzers Liſimon
Sad Phyllis jüngit und floh davon. —
„So flicht fie den, der einft ihr Zeitvertreib geweſen,
„Ihn, den noch jeder Ball und jeder Spielttich preit?" —
Sie hatte Recht; es war von feinem Weſen
Auch nicht der befte Theil, es war ja nur — ſein Ben
1189] Zu ein Stammbuch. 73
Den 22. Zul. 1770.
Sohn, reize nicht durch deinen Wig die Thoren!
Die Warnung hat bett mir mein Vater oft verlohren.
Left auch, warum fein Wort bey mir fo wenig galt:
Er, ohne ſalſch, wohlthätig, gottergeben,
Wenn ic) nur Thoren veimend ſchalt,
Schalt gar Juriſten durch jein Leben.
Wie mander würde mich um diefen Vers verklagen!
Dir, W-+ den er nicht trift, fomnt ich ihm ficher jagen.
‚stäftner,
[110] Empfindungen bey Nacht. 74
Der Gott des Schlajs umbüllt mit leiſem Flügel,
Was auf des Erbballs Hälfte wohnt,
Stillſeyernd glänzt in heller Bäche Spiegel
Der flberfarbne Mond.
In bes Olymps gewblbter
Verliehrt mein Auge ſich entz
Bo jebt vielleicht Amint,
Mitleidig mach mir blickt,
Geflügelt eilt
Sohn der Unfterblichteit, zu die!
Mein Buſen nährt, gleich einer Feuerflamme,
Des Ewigen Bei
67
[141] Denn überall, — die Ede aränzet,
Herrjcht qualen
Was unſerm Eu a ala Gold entgegen: glänget,
St, mahgeprüfet, Te
Beglucte Beit, wenn num vom meinen Bilden
Der Vorurtheile Nebel Fällt,
Und 2eibenichaft nicht mehr in ihren Striden
Den Geiſt gefeſſelt hätt!
Das ift mein Troft; den Traum von unſern Tagen
Verweht ein Fühler Abendwind;
Wie Blumen, die der Sonne Lajt getragen,
Verbfühen wir geſchwind.
* [142] Stets eift der Tob, damit er uns erhaſche,
Kurz hinter unferm Schritte drein;
elingt es ihm, jo werd ich morgen Aſche,
Und = Fabel jeyn.
Die Menjchheit mag beym Grabe fih emporen;
Setroft lern ich hinunter ſehn
Der freye Geiſt wird, unter Himmelschören,
Dort mit Aminten gehn.
75 [148] Die Brille,
Eine Erzählung,
Den alten Feepheren von Chryfant
Bagts Amor einen Streich zu ſpielen.
Für einen Hageftol; bekannt,
Fe um die Sechzig er fi bieder an zur Fühlen.
Es jlatterte, von Alt und Jung begoft,
Mit Reizen ganz beſondrer —
Ein Bucgermädchen durch die Nachbarſchaft.
Das Burgermadchen hieß Finette
Finette vord des Fredherrn Siegerin
0 hr Bild ftand mit ihm auf, und gieng nie km zu Bette
Da dacht in feinem Sinn
Der Freyherr: und warum denn wur ihr Bild?
[148] For Bild, das zwar den Kopf doch nicht die Arme füllt;
Sie jelbft ſteh mit mir auf, und geh mit mir zu Bette!
Sie werde meine Frau! Es fchelte, wer da fchilt;
Genäbge Tant und Nicht und Schwägeriun,
Finett (ft meine Frau, und — ihre Dienerinn. —
Schon fo gewig? Man wird es hören.
Der Freyherr lonunt, ſich zu erklären,
Ergreift das Mädchen bey ber Hand,
Thut, wie ein Freyherr, ganz befamnt,
Und jpricht: „Ach, Freyherr von Chehfant,
Ich habe fie mein Kind, zu meiner Frau erſehn!
Sie wird fich Hoffentlich nicht {elbft im Lichte ftehn.
Ich babe Cuts die Hitll und Fülle.“
Und Hierauf laß er ihr durch eine groſſe Brille,
Bon einem groſſen Fettel ab,
[145] Wie viel ihm Gott an tern gab;
Wie veich er fie beichenfen wolle;
Welch groffen Wittwenſchatz fie einmal haben Tolle.
Dies alles laß der reihe Mann
Ihr von dem gettel ab, und gute durch bie Brille
Bey jeden aus fie begierig an.
, was iſt ihr Mille“
Mit Biefen "onen ſchwieg der Freyherr ftille,
Und nahm mit dieien Worten jeine Brille —
(Denn, dacht ex, wird Das Mädchen nun
So wie ein Muges Mäbchen thun;
se mich umd fie ihr ſchuelles Ri beglucken;
Werd ich deu erſten Muh auf ihre Lippen brüden;
& tonnt ich, im Entzüden,
|
|
i
u
ges
gi
tie gefagt, dns alles wär ſehr jchön!
ich, — wenn ich —“
J
‚Here ſih blahn
Ir ein mn mir denn ſtehn?“
„Wenm ich nur nicht ver —
? Was? —— —
nicht zu freyu⸗ —“ ”
D Brille! rief der Freyherr, Grille!
nach feiner Br
E
=
SEE
=
Nocmal in Augenfchein, s
= Und vief ns Grille!
— en, Dann zu freyn,
Der jo, wie Eure Gnaden pflegt,
= Die Augen in der Taſche trägt.“
“ Das jhöne Kind einer jhönen
Mutter,
D meld) ein ſuſſes Knäbchen feherzt auf bem Blum
Betrachte feine ter! Sollt es nicht Amor
Nus Die Elſter,
Eine Fabel,
Singen kann ich num frehlich nicht, das ertan
die Elfter, aber cs wäre doch Schade, wen ich meine
fertige Zunge nicht brauchen joltte! Ich weiß, was ich
70 —
thun will. Ich will den Sangvögeln zuhören und Lob
und Tadel unter fie austheilen. Ehrt mich die Nachtigall,
ober bringt fie mir manchmal ein Wilrmden; gut! jo
foll feine liebenswurdigere Sängerimm unter den Wolken
ſeyn. Aber Apollo jey der Lerche gnädig, wenn fie mich
beleidigt! —
Die arme Elſter! Ihr Anschlag mislang.
[149] „Ufo meineft du, daß wir ſelbſt fein Gehör
haben, jagten bie andern Vögel, und von dir follen wir
erſt Iernen, was ſchon Mingt? Won Dir, die du nicht
einmal fingen fannit, jondern nur jehrwagen, und — fteblen,
und den Gutut Lobeft, wenn ex dein Freund ift? Selbſt
die Fehl * der Lerche ſind harmoniſcher, als dein Ge—
plapper!® Wenn die Nachtigalt Eng ift, fo ift fie gegen
dein Lob gleichgültig.“
So ſprachen die Wachtel, die Turteltaube und ber
Stieglig. Aber der Gimpel und die Gans horchten auf zo
dle Funfteichternde Elſter. Käfer.
|
1150] Au Sined, 78
Den Druiden der darfe.
Wo bin ich? — Schlief ich nicht im Walde
Arbeitermüber ein?
Im Walde, wo des Lenzes
Tonvoller Vogel nicht miftet;
Im Walde, wo fein Barde
Nod; feine Harf in die Schatten trug?
Der Wald voll brütender
Als wär er hint
Grotte, gegen Walhalla gepflanzt.
Denn, wie vom Felde ber Seeligen,
Tönt mir durch feine Fichtengänge
Der Bordenborfe Geräufch;
Mid; ummandelt der Geiſt der Lieber,
20
7)
lisi]
[152]
71
Wie die Seele des Brünftiggeliebten
Um den einfamtraurenden Jüngling ſchwebt.
„O fey du mir willkommen!“
Auft der Verzweifeinde.
„O ſey du mir willfommen !”
Ruf ich, und raffe mich auf,
Dab die zweigichte Fichte ſchwankt;
Und eile windſchnell über das Hepdenfraut,
Und eil und fliege gegen den Harfenruf,
Der, bey jedem von Felſen
Zu Zelfen gewagten Sprunge,
Immer näher und näher tönt.
Da raufchet mir gewaltig
Joſephs Nam entgegen;
3 rufen dort oben die velſen,
Dort unten die Fichten rufen
Joſephs Namen zurüd;
Und hier find Nachtigallen,
Hier jcherzt das kühle Lüftchen
Um junge Wiejenblumen;
Weidende Rehe hüpfen
Fröhlich am Bad!
Heil mir! Nun bin ich am Biel!
Heil mir, da ift der Sänger!
Götter! Da ift bie Harfe! — Durftig
Trink ic) al ihre Töne hinab.
Vergieb dem Barbenjohne,
Vergieb, du Bindengejhmüdter,
Ber bift du?
Druide mit der goldnen
Sichel in deinem Prieftergürtel,
Wer bift du, Sänger Jofephs? —
Du Lächelft, teurer Sänger?
Aber ich kenne die Harfe,
7
Und mm fern ih dich; Sined,
Den Freund an Dffians Buſen,
Dem er am Abend
Seiner Augen die Harfe hei!
O finge, ſinge,
Jo ſeph den Fruͤhgeliebten,
Wie er, im Frieden groß,
358] Seegen um ſich ud über ſich hat!
D finge, finge,
‚So fange diefjeit Walhallas
Er jeine Schritte verweilt,
Sofephs Striegsgefang mie!
Yıvar wie der Adler
Liegt er am fühlen Mondenticht,
Brütend über feinen Geliebten,
Und feheint im Leifen Träumen zu ruhn;
Aber, waget der Geyer, waget ber Habicht ſich
Seinen Geliebten zu drohn; Huy! dann erhebet er ſich,
Und wird, hoch aus ber Gegend des Mondes,
Seinen Räuber herunterftitrzen!
Drum jinge, jinge,
Daß er bis an das Morgenroth
Ueber feinen Geliebten vubt!
Aber, ach! Kenn ich dem nicht,
Sined, Dffians Harfe,
Die vom Naufchen ber Speere,
[154] Vom Säufeln des Schwerdtes germ begleitet wird⸗
Wie der Friegeriiche Nngling, J
Des dauernden Friedens ſatt,
Wird fie, wenn du ein Friedenslied willſt,
Harte Triumphtüne ‚geben
Aber dann finge vor Kofeph nicht!
Trage dein Saptenipiel i
Geh zu dem Örabe Dauns,
am 2
Dort, wo —— wachen:
Singe, dort Ruhm, den er i S
5 Auf die — a, —
Der delbenmutier Jofephs, erſtegt Hat!
79 (155) Syume.
Der HErr ift BO! Ihn gugubeten
Bededen Eherubim ihr flammend Angeficht;
Des Himmels Beſte bebt, des Meeres Wogen treten
urücd, wann ev im Donner fpricht.
Der Abgrund heuft vor BR Sein Finger riſhrt die Spige
jen fie;
Da ftehm die Läfterer — und er verfhonet fic.
Soll euch der HErr im Zorn befiegen,
© Elende! War er euch nlcht ſchon durch Wohlthun fund?
Sr — die Vernumft euch grauſam zu betrügen;
Ihr Fühler Ott — — Noch fügt der Mund!
us] Ex hie das wege Herz des Lebeus Ström ergieffen
täglich neugebohrner Kraft;
» = Ähentte ber Natır, Vergnügen zu genieflen,
In jedem Sinn geheime Wiſſenſchaft:
Hög er die Schöpferhand zurüce
Bon biefem Wunderbau, jo jtärh aus jedem Sim,
ſchreclichſten der Augenblicke,
dung und Genuß der fanften Freude bin.
Der mic, aus Liebe ſchuſ, erhält mich au
Dein Ecjiefal tt fein Ungefähr
> Erfen 28, 0 mein Hech, uud weit, ihm
Einf preijeft du ihn herrlicher!
—
157] Die gute Antwort.
Gin junger Graf von Tiegertak
Nitt auf die Jagd. Sein Neitfnecht Mag
Mitt mit ibm, boch, wie billig, hinten,
Mit einer Damascenerflinten,
Mit feinem Silber eingelegt,
Die er queer überm Sattel trägt.
Indem fie nun mit Pfeifen, Singen,
Die Stunden fuchen umzubringen,
Begegnet ihnen, guter Zaun,
Ein Mädchen an dem Zollhauszaun,
Das ein geöbrtes Thier, mit Rüben
Beladen, vor ſich her getrieben;
Ein Maͤdchen, wahrlich wohlgemacht,
Mit Augen, wie die Mitternacht,
Die, wenn fie fich im Kopfe drehten,
Mehr Einfluß hatten als Planeten
Gleich ward das Grafenherz verwundt,
Das Waſſer ftieg ihm in den Mumd.
F frug: mit deinen Gartenwaaren,
J. Mein Kind, wo dentſt du hinzufahren? — —
Zum nächften Fleden, Holder Herr! — —
Kennft dur bafelbit, ‚verfeget er,
Die Baurinn neigt fich tief e
Ey nun, ſprach Graf von ——
Und gab ihr hurtig einen Schmatz
Auf ihren runden braunen Bad
‚Sie feſt umfaſſend m den Nac
Bring ihr, nebft einem Gonen
Von unſertwegen dieſen
Worauf die Dirne, zwar bi chamet,
Doch an der 6 nicht gelähmet,
Erwiederte ; ihn nicht m
‚Herr dar, i, gebt ihm "meinem Thier,
Beliebt es euch, auf jene Wangen;
Es denkt noch vor mir anzitlangen.
si) 75
81 [150] Auf die Statiten der Muſen
im Garten zu Saneſouci.
Ast Mufen ſeh ich hier. Doch ach!
Die neunte fehlt. Hat Glume fie vergefien?
Nein! Nur er konnte nicht der legten Schönheit meſſen,
Denn die folgt ungeſehn dem groſſen Friedrich nad,
Lieberküht.
82 Der Gompilator.
D sprüche doch der Sammler Fulvius
Nicht ſelbſt nunmehr als Krititus!
So lang er uns nur andrer Meynung gab,
Schrieb er manchmal doch noch was Kluges ab.
Käftner,
83 [160] Klage eines Ephemerispoeten.
Gleich nach der Leipziger Meſſe gelungen.
Gern ſang ih meine Rage,
Hau ich zum Singen Kraft!
Denn, kurz; wie ımfre Tage
Bar meine Autorſchaft.
eh mir, dab ic am duſſe
Des Pindus naſchen gieng,
Wie meine junge Muſe
Zum erſtenmol empfieng!
‚Dat wer zu hören Ohren,
Der Höre meine Roth!
Shr Rind war ſchnell gebohren,
Geſangt, verurtheilt, tobt!
Uns ftxeden auf die Bahre
Nicht Seuchen jo geichwind,
Als Bibliothefare
Jot monches Mujenfind,
Die ihr die Lorbeerhahne
Der Muſen auch durchirrt,
76
Wenn ich verſchwiegen weine,
Laut wie ein Kranich girrt,
Hat über euch mehr Leiden
Apoll im Zorn verhängt,
Getroft! nicht an die Weiden
Die Harfe gleich gehängt!
Harrt, wie in Landesplagen,
Auf befire Dichterzeit!
Dft, wenn wir hüljlos Hagen,
I Hilfe nicht mehr weit;
Singt Auttorlitanenen,
Und betet Wilrger fort;
Siugt: Gott woll uns befreyen
Vom Rezenjentenmord!
ee] Auf Gellerten. (*)
Er Lehrte dreyhig Jahr die Schönen Wih und Tugend;
Doch höret, welchen Dank ihm eine Freundinn gab!
Seren verwahrte fie die Schwächen feiner Jugend,
Und ſetzte fie dem guten Mann aufs Grab.
Käfiner,
(9) S. bie Borrede zu den verhüſchten Gedichten, womit
imanı nach dem Tode des verebningstwicbigen Maunes fein Ar
deuten Defchimpft hat.
[168] Lied des Orpheus,
als er in Die Hölle gieng.
Witze dich hinweg, du wildes Feuer!
Meine Soyten hat ein Gott gekrönt,
Er, mit welchen jedes Ungeheuer,
Und vielleicht die Hölle ſich verjöhnt.
78
[166] Lied der Gräfin von» + -(*)
Hofdanıe zu »r=
Verguügt mit meinem Schäferleben
Will ich fein Feld für Hof und Stadt,
Fr Kronen feine Sränge geben;
Behalte fie, wer Kronen hat!
Die Kronen brüden ſchwer, die Stränge
Sind Leicht, und Hauchen ſüſſen Duft!
Ich liebe Scherze, Spiele, Tänze,
Geſunde Kräuter, friſche Luft!
46%) Ich Tiebe Freyheit, liebe Thäler
Und Bäche, fpiegle mich darinn,
Und find ich meinen Wangen Fehler,
Dann werf ich mic ans Ufer Din,
Erforſchend, ob mein reines Herze
Den flieffenden Exiftallen gleicht;
Glücjeelig, wenn es feine Schwärze
Dem Aug und dem Gewiſſen zeigt.
Die ſolſche Göttin mit dem Made,
Die Weife haft, und Thoren liebt,
Die bitt ich ale um eine Onabe,
Nie um die Stetten, die fie giebt,
IH jehe meine Lämmer weiden,
Und freue mich, wenn ich fie jeh,
Und teile Heine Schäferfreuden
Mit einer Lieben Lalage!
[166] Man hält für beffer, fie zu teilen
Mit einem lieben Tityrus;
Man rühmet mir ben Gott mit Pfeilen,
Man redet mir von Lieb und Sub;
(*) Die nebft der Fränlein von -- -fich a
hatte, da fie gebeten wurde in die Etadt zu
87
Umſouſt joll mir der Saft der Neben,
Die mir ihr Blick entführt, die Ruhe wiedergeben!
Nein, Freund! mein Herz wird wart, es glühet, es zerflicht,
Ie mehr ich meinen Becher filte;
s Der Wein jagt mir von nichts, als da fie aöttlich it,
Und ach! von ährem Stolz ſchweigt dev Verräther ſtille!
T.
88 [169] Die Wittwe,
Eine Romanze,
Dem Herr Ranonitus Gleim geribinet,
„Grauſamer Tod pi feige Scelen,
„Dich fich
„Bu Früh kannſt jr ib nicht vermäblen
it meinem Mann!
„Nichts Tann der Armen Freude geben,
„Die faut dir ruft,
„O tom, und enbige mein Leben
„Auf jeiner Gruft!“ —
[170] So rief, von Sagen ganz exmattet,
Dem Tode nah,
Bon Nacht und Schreden noch umſſchattet,
Angelika.
Ein Ritter, im Vorübergehen,
Hört ihe Geſchrey:
von Mitleid bleibt er jtehen,
Und tritt herbey.
so
Des Morgen
Er blidt mit ftratendem Geſichte
Aus Duft und Thau,
Und Lindor fieht, bebedt von Sträuchen,
Ein Weib, jo ſchön,
Daß ihr die fchönften alle weichen,
Die er geichn.
Von welchen Pfeil wirb ex getroffen!
Berftöhet ihr Seid,
Verwirrt das „Saat, der Bufen offen,
Im Auge Leib,
Doc daß daraus ein Funke blintet,
Der Liebe ſpricht
Ber Schönheit noch und Jugend. winfet,
Braucht ſoviel nicht!
Und ſchon zerflieht im Roſenlichte
ns Grau—
„Bier, ruft er aus, hler wiederſiehet
„Sein Felſenherz!
„Nur Einen Blick, und es zergehet
In Lich und Schmerz!
„Bott Amor! Wenn dein Wint auch nimmer
„Mir Wih verlich = - -
„Doch darf ic) fie betrüigen? Immer!
„Sch rette fiel“ —
Und, ganz der Schönen hingegeben
In feinem Sinn,
Wirft er, ihr unbemerkt, ſich neben
Dem Grabe hin;
Und, ſicherer ihr zu gefallen,
Als ſpräch ur,
Laßlt er von feinen Seufzern ſchallen
Die ganze Flur.
Angelika bört ihn exichroden,
Sieht ſich umher;
zu abe ale Mngen
Sen Himmel ſchicti
[473] Zu elend, um A ſich zu Beben,
den Man,
Der —— Seufʒet hier erheben,
So jammern farm;
Neugierig Jekien Sram zu willen
Tritt
„Von zerriſſen
Erſeufgeſt
"
„Die Frau, die ich verlohren habe,
„In meine Quaal!“ —
„Und ach! ſpricht fie, in biefem Grabe
„Liege mein Gemahl!“ —
„Die Zeit wird euer Unglück mindern;
— Troft habt Ihr!
ch nichts kann meinen Nammer lindern;
ns ſchuf ihn mir!“ —
„Grauſamer! Deine Hand verübte
„Die Unthat? » « Wie?" —
„Nein, weil ich In a feurig liebte —“
or fie?
„Bey jeder Schönheit, die euch ſchmucet;
Ich ſchwor es euch!
„Die mich am ihren Buſen drücket,
Erblaſſet gleich!“ —
„So tomm! Der Tod verſchmaht das Leben,
„Das ich ihm bot;
„Er weigert ſich mir Troſt zu geben;
„Sen dit mein Tod!
Donteche Littorarurdenkmulo. LBjER.
82
„D komm! Ich geb in deine Hände
„Hin meinen Harm;
„Es find Angelika ige Ende
„In deinem Arm!“ —
[475] Der du die Einfalt der Empfindung
So edel fingit,
Und Witz und optiaut in Verbindung,
Mit Stärke bringit,
GLeim, könnte von den Huldgöttinnen
Dies "Siedchen mir
Ein kleines Lächeln abgewinnen,
So banft ichs bir!
Die Grazien.
Bey Grazien und Muſen Faß Apoll
In feinem dorbeerhayn.
Söttunnen, fragt ex fie, wer ſoll
Der Dichter der Grazien fenn?
Die Grazien famen den Muſen zuvor,
Und füpelten: Wieland! dem Gott in das Ohr.
G.
Der krauke Amor.
Bey Gelegenheit eines Gemaͤldes von Herr
B. Node zu Berlin,
Selbſt die Götter und Göttinnen
‚Haben eines Schidſals Macht erkannt;
Venus ſah ihr Blut einft vi
Aus der wundgewordnen Hand,
Mars warb von dem Arm bes Griechen
So getroffen, daß cr fan,
Und vor Herzeleld um Binden,
Ward auch Amor einmal Mont.
0]
177)
178]
179]
83
Mit verloſchnem Augenlichte
Lag er in der holden Mutter Schooß;
Auf ſein blafjes Angefichte
Roilten Thränen, ſchön und groß,
Wie der Thau von Roſen zittert,
Von Cytherens Wang herab,
Und fie rief, von Angſt erſchüttert,
Dem hülfreichen Yefculap.
„Sohn Apoltens, Hilf! Ad) rette,
„Nette mein geliebtes krankes Kind!
„Siehe, wie bey feinem Bette
„Selbit die Tauben traurig find,
Die ſich fonft jo fröhlich ſchnäbeln!
„Ach, mein armer lieber Sohn!
„Einer von de Drcus Nebeln
„Ueberzieht fein Auge ſchon!
„Komm, und heil ihn, Arzt der Götter!
„Mit gelähmten Glievern liegt er hier!
„Werde mein und fein Erretter;
Ich verſpreche dir dafür
„Alles, was man nur begehren,
„Alles, was ich geben kann!“ —
Venus fagte dies mit Zähren,
Und der Götterarzt fam an.
Freundlich trat er zu dem Knaben,
Wie noch igt die beiten Aerzte tun,
Wenn fie zarte Kranken haben,
Hieß ihm ftille ſeyn und ruhn,
ZFühfte nach des Bulfes Gange,
Nahm ein heftig Fieber wahr;
Und bedachte ziemlich Lange,
Ziemlich ernftgaft die Gefahr.
Endlich ſprach er: „guter Dinge!
„Mit drey Worten mac) ich ihn gejund;
84
„Aber unter dene Bedinge,
„Daß dein roſenfarbner Mund
„Mir dafür drey Küſſe gebel! —
Venus rief ihm lächelnb zu:
Aesculap, jo wahr ich Lebe,
AAUfzubittig. foberft du!“
Sarichin.
Die Schöne am Morgen,
In ihrem Negligee
Sah ich fie jüngſt beym Thee;
Doch ihr Geficht,
Das ſah ic nicht;
Das lieget, an jo frühen Morgen,
Auf ihrem Nachttiſch moch verborgen.
Die Kayferinn und der Pabſt.
Nach einem alten Dichter.
Der heilge Vater Pabjt zu Nom,
Des Allerhochſten Vicedom,
Und unſre Kayjerinn Frau Mutter,
r Erde Häupter, beyde fromm,
durch der Aerzte ftrengen Orden,
Bu gleicher Hand verdammet worden,
Mit Ruhm und Strafen überſtreut,
Ans obre Paradies zu wandern,
Die Wohnung der Kottommenheit,
Die Reife war cin bischen weit,
Drum ftund für einen, wie den ander,
Ein janfter Trageftubl bereit. +
Die Kayferinn, die Luft der Frommen,
Hat auch, von Traurigkeit beklommen,
Doch ſtandhaft und nicht heidntich meld,
85
un dom Kapjer und dem Reich,
Das jo in Thränen nie geſchwommen,
Den lehten Hänbeluß befommen ;
Und wollt ihr göttlich Auge gleich
Zur goldnen Meifejänfte dreben;
Allein wie fie verwundernd jah
Des Pabftes feine ftille ſtehen.
In tristi eaeremonia
Der ihrigen nicht vorzugehen,
Entjchloß fie fh: Wir bleiben ba!
Bar je auf Erb ein ihöner Streit
Von Demuth und Gefälligteit,
So war es dieſer ſchone Streit!
Die ganze Welt wünicht ihretwegen,
Daß man, jo oft er fich erneut,
Nie fähig fey ihn beyzulegen.
Der Himmel gebe feinen Seegen,
Daß im der wehrten Chriſtenheit
Die hoben Häupter allezeit
So fonft zufammen ftreiten mögen !
Commentarius
Aber mein Sinngedicht don den Chapeaux (*)
Verbeſern Sie Ihe Sinmgedicht;
„Der Schnelber macht ja feine Hüte
& fprad) ein junger Herr. Ich dauft ih
Und fragte: Kennen Sie denn Ihren ©
() ©. Mujenalm. 1770. SM.
86
[13] Muſarion.
Nimum die Leyer, und tanze voran mit geſlligeltem Schritte,
Du jüngfte der Muſen! Ich folge dir.
D welche Geſilde! Wie ihön! Hier iſt Mufarions Hätte;
Der Weisheit offener Tempel ift bier!
Die Lebe führt in leichten Stetten,
Gebunden, jene Leidenichaft,
Die uns, auf Rofenbetten,
Den Frieden aus ber Seele vafft.
An dieſen Bachen wohnt ein ruhiger Genuß
Von zartlichen Vergnügen,
Roll Unſchuld, wie der Taäubchen Kuß,
Die ſich auf einer Myrte wiegen.
[184] Im ſchonſten Blumenkranze gebt
Die Tugend unter Charitinnen,
Verbergend ihre Majeftät,
Und ohne Kunſt, wie Schäferinnen;
Wie, mit geſchmücktem Haar,
Im dünngewebten Schleyer,
Bey ihrer Hochzeitfeyer
Die fleine Pſyche war.
Sie vedet lieblich, wie Eythere:
Die bange Witte lacht,
Wenn ihre Götterlchre
Das Leben füffer macht,
Und aud; den Tod! Hinweg, du ſtummer Knabe,
Der du bie Wange betheänft,
Und an Cypreſſen, bey dem Grabe,
Die umgetehrte Facel lehnſt!
87
— Tod ift ſuühl — — er in bie Palläfte
— Lömmt für mid ber ut, ber beſte
Bon meinen Geſpielen der Künftigen Welt,
Er fönmt mit heiteren Mienen,
Und bietet mir die Hand
3 Cr löfht die Lampe mr aus, bie mehren Freuden geſchlenen,
Und bringt mid; in ein ſchͤneres Land, —
jacobi.
[Holzstock.]
95 [186] An die Meine Lucinde,
Vey ihren neunten Geburtstage.
Dir Meine Orazie, fage mir,
Was wünſcheſt du dir
An diefem Tage? —
„Yon meinen u —
„Die gllerſchonſte zu
AT das noch eine akeee *
Die gütige Natur
Gab bir nicht ine Schönheit nur;
Sie gab dir Arte!
Geſchlant iſt deiner Glieder Bau,
Dein freyes Aug iſt himmelblau,
Die Wange, wie die Roſ im Thau,
Dein Hand), wie Veifchen in dent Klee,
1187| Die Bruft, wie neugefallner Schnee;
Dein allerfichfter Mund
Dit Hein und rund,
Unb deiner Wangen ſriſches Noch
Beſchämt das junge Morgenroth!
Rum ja! Was wird mir denn noch fehlen?“ —
Nur nicht fo geichtwind,
Entzüdendes Kind!
‚Hör an, ich will dir was erzählen:
Es war einmal in Griechenland
Ein Meifter, weit und breit bekannt,
Durch jene Kunſt im Erz und Stein,
Der ſchuitzte ſich aus Elfenbein
Ein wimderſchones Mädehen, —
Sucinde, för wie dur,
Und geöffer noch dazu! —
Ein alter Dichter hats beichrieben —
[188] Pygmalion, fo hieß der Mann —
Und Herr Bygmalion fieng an
Sich in das todte Mädchen zu verlieben;
Feng an, fie voll Eitzüden
Zu herzen und zu drücken,
Und oft jo zärtlich angufchn,
Als könnte fies verſtehn,
Und immer bean zu beufen,
Und ihr vecht viel zu fchenfen,
Bald Blumen, bald ein buntes Band,
Bald einen Ming an ihre Hand,
Sie anzuffeiben, fie zu jchmüren —
(Nicht {hniiven, wie mar ibo ſpricht;
So ſchuüren that man damals nicht ;
Man wußte ſich wohl jonft zu zieren!)
Ich wollte fagen: fie zu gürten,
Mit goldnem Gürtel fie zu girten. = -
Er ſchmückt ihr Haar mit Myrten,
Den Leib mit Gold und Seide,
Die Arne mit Geichmeide,
Der Hals mit eimer Perlenſchuur —
O febte doch das Mädchen nur!
1189] Sieh! plöglich warb in feinem Urne
Die folte Säule weich und warm;
Das Herz fieng an, fi zu bewegen,
Der finger, fich zu regen;
Die Hand fieng an, zu drücken,
Die matten Augen, aufzublicken,
im 59
Di weiſſe Bruft, J
Kr
Und Here Pygmalion ward bfeih und blaß —
Die qute Fee Venus machte das! (*)
Sich, Heine Schönheit, fich! das Leben fehlt dir noch! —
Wer giebt es mir, ſprichſt du, ich Bitte, ſag es doch!" —
s [190] Find, laß mic nur noch ficbenmal,
Um deine fhöne Bruft zu schmiden,
Des jungen Frühlings Erftling pflüden,
Sie wirb nicht mehr jo fühltos feyn,
Us jene Bruft von Elfenbein!
“© Dein Auge, — Sommer alt,
Nicht mehr fo unberedt und kalt,
Wird hald, auf meines Auges Fragen,
Mir deines Herzens Antwort jagen,
Und beine Hand, mit meiner Hand
sw Nicht mehr jo fremb und unbekannt,
Wirb mic, o Wolluft! o Entzücken!
Wer ich fie deilde, wieberdriden. - +
Dir bargereicht zum Rhſſen
Wird fie zu jagen wifjen:
© „Ach bin zwar jchbn ad rund,
„Doch choner ift der Mund!“
Und wag ic) dann, aus Lüſternheit,
Den jhönen Mund zu Kiffen,
Wird fie, voll ſuſſer Grauſamteit,
3 Den Weg zu ſperren willen.
Dann wirft du nicht durch Schönheit wur allein
[191] Die Königinn der jdönen Tugend;
Dann wirft du durch Verjtand und Tugend
in meines Herzens fen;
© Dann wird dir Venus biefes Leben
Der groſſen Schönen geben!
*) Zucinbe of gerne eenmärchen,
fr) me.
Ueber ein Gedicht der Fran Karfmin. (H 96
So wie zum Salomo des Sidens Königin
So reift **** zum geoflen ** bin;
Nur konnte fie wohl nicht mit Centnern Goldes fommen;
Die hatte Salonio vor furzem ſelbſt genommen,
Kaſtuer.
) Mufenalm, 1770, ©. 157.
[192] Ode
au die Venus Urania. (9)
Bertin, ben 2. Nov, 1770.
Göttin Liebe! Dir weiht heute dein Analhon,
Unjers Cyneas (**) Sohn, feinen vollendeten
Tempel: Zeuch in bein Haus, Venus Urauia,
Erjtgebohrne des Himmels, ein!
[193] Freude hüpfe dir vor, Unſchuld begleite dich,
Unauflbslich vereint folge dir, Urin in Arm,
Holde Sanftnuuth und nie täufcende Wahrheit und
Unbeftechlihe Treue nad).
Keine reinere Hand beachte bir Weihrauch dar,
As dein Diener und Fremd, mit ihm Arfinoe,
Rom an Tugenden, ihm gleich an erhabnem Geiſt,
hm am beyderley Grazien.
Keinen heifigern Sit beut dir ein ſterblich Baar:
Schaudernd wird ihm, ibn wird eig. die ihmeihelnde
Aftergöttiun, nach dir fälichlich genannt, und ihr
Unhoidinnengefolge fliehn:
(*) Ben ber — nn hungen Orai
fein, Äitehen — ich preußifhen Staataninifters.
meije Far und Vertraute des Mdwigs
Pyrr hus vun Cyneas
9. 91
[194] Frechheit blutlos von Stirn, Reue mit ſchlafender
Natter, Falſchheit verlarbt, Eiferjucht immer wach,
Und mit rajendem Dolch und mit medeiſchem
> Becher Rad) und Verzweifelung;
Wann der ſchädliche Trupp aus den Hejperiichen
Myrten, oder von dir, eitles Lutetien,
Ausgezeucht, oder den Weg aus dem Auranzien-
Hayn der heiſſen Iberer nimmt,
3% Durd Teutonien irrt, dort ein beglücktes Volt
Zu verderben, daß 'noch fittfame Töchter zeugt,
Noch, vom beiferen Blut Siegmars entiprofjene,
Bieberherzige Söhne nährt.
[195] Aber täglich begrüßt did) die Gerechtigkeit,
» Die num unter uns bfeibt; dich die tiefforichende
Weisheit, leichtes Geiprächs; did die verſchwiegene
Freundſchaft, deinen Huldinnen gleich;
Immer wechſelnd beſucht jede der Muſen did);
Und zur glüdlichen Zeit eilet die helfende
% Muttergöttinn herbey, daß fie die Lieblinge
Deines Bufens veremwige.
Nimm dein Heiligthum ein, Tochter des Himmels! Hier
Sey bein erfter Altar! Wohne bey diefem Stamm,
Bis im Jahrbuch der Welt Friedrich, der Brennen Stolz,
40 Und am Himmel die Sonne jtirbt.
Ramler.
92
1196] An eine Freundin,
über die Wiederkunft ihres Geliebten.
Den 2, Nov. 1764,
D du, vor mehr als zehentaufend Frauen
Beglüdt gewordne Gattin, wirft
Ibt wieder froh gemacht, da Garten, Wald und Auen
Berarmet find, tie ein vertriebner Fürſt.
Dich Lächelten des Baumes krante Blätter,
Mehr, als die Roſentnoſpen, an;
Dich reizte mehr des rauhen Herbftes Wetter,
Us je der Lenz den Schäfer reizen lann.
[197] Des Kranichs Zug, der wilden Ente Schreyen,
Selbſt das verſtummte Lerchenchor
Weiſſagte dir nun wieder lange Reihen
Bon Freuden, die dein liebend Herz verlohr.
Des Traubenmonats graubereifter Morgen
War dir jo lieblich, als der May,
BVerfündigte das Ende deiner Sorgen,
And wie fo nah bir deine Sonne fen.
Oft ſpracheſt du mit deinem ſüſſen Kinde
Von ſeines Vaters Wiederſehn,
Und oft beſchworſt du die Oltoberwinde
Ihn freundlich, wie Zephyren, anzuwehn.
[4198] Ex fan, und ließ von feiner ernften Wange
Zwo Thränen rollen; ſchmelzend weich
Ward ihm das Herz, als beine Lippen fange
An jeinen Lippen biengen, are und bleich,
Als du ihn feſt am beinen Buſen drüdtejt,
Un welchem feine Seele bieng, r
Un zärtlich matt auf jene Stelle blidteft,
Auf welcher dic) fein Arın zulept umfieng.
10) 93
Er küßte die verlohrne Sprade wicder
so In deinen Honigmund; er ſank,
Von dir umarmt, jo taumelnd, wie ein müber,
Erquidter Wandrer, auf die Ruhebant.
[199] Und tHeifte feiner Zärtlichkeit Liebkoſen
Gehörig unter Dich, und bein
3 Geliebtes Kind, dir gleichend, wie auf Roſen
Die Tropfen Thau beym Morgenſonnenſchein
Einander gleichen, und zwey ſchweſterliche
Schneeweiffe Lilien, und zwey
Bom Raphael gemalte Pinfelftriche
© Auf einer tadellofen Schilderey.
Karſchin.
99 Grabſchrift eines Wucherers.
Hier liegt ein Vöfervicht, hier liegt ein Miffethäter,
So fpricht die Welt. Sein Schwiegerjohn
ANein nur denkt: hier ruht die Krone aller Väter,
Der Vater meiner Million.
Hr.
100 [200] Der gute Ruf.
Cleant, dem niemand borgen will,
Iſt auſſer ſich, beneidet den Pedrill,
Dem froh die halbe Stadt
Ihr Geld geliehen hat.
5 Schnell wendet ſich das Blatt:
Pedrill, mit Feſſeln an der Hand,
Schreibt igt im Kerker au die Wand:
„Glüdjeefiger Cleant!
„Mein Unglüd ſchuf
0 „Der gute Ruf!“
[Holzstock.] ke
Verzeichnis der Gedichte.
A Bolor?); HeinriehÜbristiun
(Die Franzomn] . »
— Fuuchtn Obstsen
as. 'elme ldylio. berl
Te
Blum, Jonehlu Christian
Rosalia, eine fdylle. 1770.
© =Crome. Ludwig Gottlieb,
Reetor zu Hildesheim
An die kleine Lucinde. Bey
Ahrom neunten Goburtstage
HD. v.Doring, Johann
‘Der kürze Procesa, eine Er-
— on
— au dem
Thal)
DasGespenn . . .
F=Plügeo, Geh, Rog. Seoro-
tär zu Hannover
An oinon Mussnulmannch
Frhy.os sv Gemmingen,
Eberhard Priedrich
(Ant am Mo) Den 19. Kan,
vm 3. ner un:
Au Priedarikenn, —
Den 20, April 170.
©») Oleim, Tobann Wil:
heim Lmawıi unten,
Peieurien Wine
‚An sinen Dichter . =
Die Grazten . ;
Gonanor, Salomon
Die Zephyren . «
von Gerstonbarg,
zich Wilhelm
Bacchus und Venus
Hotn-
Seite
ra
Sämtliche edichte, 1,
EuelicheOodishteLalyele 1770
Sfnmulohe@eaiste.Letpalg 770
180 Gedichte, Lelpal 1799. 8. 68.
Knebel, Nachlass
Vol. Küstners Werke, Berti ısit.
‚Knebel, Naclılass %, 92,
Knobel, Nachlass 9, 02,
Te.
Hiscihon Vi ieleriey. Hamburg 170,
Vormischte Schriften. Altona,
116. 8, 218,
Solte
An eine Freundin, über die
derkunft ihres Gelteb-
won. Den 2. Nov. 17 . 1
Kästner, Abraham Gottheit
‚Auf Onstav Adolphe Tod. & Vermiichte Schriften. Hand 2
Altenburg A772 S
An die Feinde eines unbe-
kanatasynwollenden Krit-
Die Toner, ein Lid
Aut einen Kandidaten
Au don lem Ku
Sal Boy niner
Surtı fingen. D.2.
Au Leedtags Jongen Betten. 9
— Don an
Juli 1770 *
Die Elster, eine Fi
F FRE
ü
Eh en Ai 2 >
er der Hruu ©
14 — hr, Chriatian Gott
Auf die Station der Musen
BESB
ga REES ER
Am Garten zu Banssonei „100 (Lie Zum
* Ale RED
Beyırag zu einer Sammlung x
ereprüchen . . 00
Löwen, Johann Fric
Die — Hetrltnies . @ Itomanzen. Neun verbesserte Auf-
— Leipzig IT. 8. 180,
A DLe, Heinrich Christ
Die Witwe, eine Romanze,
dom Horın
119 Nach de Ia Placo, La Matrone
— Kuobel, Nuchlans 2,
Be
*a ·
Tas Past ans Dank ma er
au — Ver
7 ren. Peliri
—
Laser *}
Zeisung Lessing,
Metorich Obrktian
10, Heinrich Chrintan
ion Fround
Pr
Der gute Ruf .
r 200
Q #ötr, Johonn Nikolne
Fall. , 2. .
J
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—* —
sine Unena ote
Allegro *
gedicht 26
Ben”
Nach’ nem dur! m
a wald, Wilhelm Priod-
Hermann
— Sucht „140
Kaml ‚arı Wilhelm
‚öde ‚die Geburt don Prin-
zen Friedrich Wilhelms von
Preussen. Berlin, d.ü8, Boy.
ag au ie Yopus Urania, Dr.
lin den 3, Novbr. 1770
— "von Schantne.
Die Sacbtigaliunddte Frösche m
Mymno —*
reerer P),Felsdrich vu.
—8
Thomson, Johan nlurion
Dio Nachtigall. .
Des Landieben ©
ni
Vorfasnor üloser schönen
Sißeke wird den melstan uaarer
Doutache Iitteraturdonkmule.
18 Vi
Hamburgisehe Keue Zeikang ıres-
Pootische Werke #8,
Neue Zeirume, 1101. Brück 1.
rasche Sehriften 3.
70 Vel Vomsisuhn usenilh 13
or, 10 —X —
Fooret Moment
142. 5. Der Wein
—*
7 Vermischte Gedichte, Horaı
©
ben von Karl Wilh. Ranlar.
fanuheim 1780. &, 80.
3,10.
2,100.
Knebel, Nachlass 9, 98.
1 Foeiische Werke.
1001, 1,0,
cebon.
—
—
Ei
Seite
hesar ein ganz unbekannter Mans
slo worden alch
und noch
Unbeksnat nnd "unbelohnt. any
kunn. Es ist abor nicht nalen
‚goln, und Ter-
inen Talenien sur
— worlan ar es auch eben
40 welt gebracht hat. Wir wür-
den uns glücklich schätzen, wenn
die Bekanntmachung dinser Go-
dichte irgend einen Menschen-
fround voranlanate, wolter nach
dem Yorfasser zu fragen, desm
— obon »0 welt übar velns
Stand int, als seln Genie. Man
‚bnsoh *
hörig bearbeit
lnom Dichtar u
mashung sollte wuglolch eins An-
— SD dus Fabian
Stücke wird zelnen Entschluss be-
stimmen.
von Thtmmel, Harlız Au
Das glelche Gliick der Ehe , 95 Simtliche Werke, Achter Hand
Leipzig IND4. 18.
An einen stolgen Horn vom
Ad . .
Tandgutes, bey Gelegenheit
einer verunglückten De-
schruitung davon
Dur Glück der Liebe;
Der Besuch
Auf el Koeraien "zur
Meichsarmee . .
v Bürger, Gotttrind Au-
st h
reinklien 22.108 edlehte. Göttingen 1776, SR
99
Sette
V=Ramler, Karl Wilhelm
Auf die Vermählung_ Sr. Ex-
(cellenz des Herrn General-
Meutenants Freyherrn von
‚Buddenbroock. "Berlin, im
August 1768 . "26. Knebel, Nachlass 2, 93.
Weisse, Christian Felix
Finbildung und Wahrheit . 28
X=Ramler, Karl Wilhelm
Pisistrat, eine Erzählung an
den Froyherrn von Budden-
broock, boy Gelegenheit der
Termkktung seta Vaters,
Borlin, 18. Dec. 1799 . . 77 Knebel, Nachlass 2, 93.
YBo18, Heinrich Christian
An Daphnen . 8
Veber Bplviens Bildnis”. 41
An ein Mädchen, das in der —
Kirche plauderte.. . . 47 Nach Montreuil
Z=Bo1e, Heinrich Ohrlstion
‚Gellerts Tod, eine Erzählung 8 („Ist von einem jungen Menschen,
ber freilich nar mach der Idee;
1. März 1771 in Knebels Nach-
lass 2. 92)
Der Hexametrit . . . 48
Ungenannte
Nänle auf den Tod einer
Wachtel... . 8 Ramler. Almanach der deut-
schen Musen 1771,48. Poetische
Werke, Berlin 1800. 1801. 1, 18.
‚Wir haben den nı
burgischen Zeitungen
trefiche Stück
habt
ler Dichter-und
Augen al
unbekannter Dichter der würkliche,
Vorfassor eins solchen Stich
wäre,
Auf Gellert 115
Hochzeitlled, den '0. betd.
a —— . 186 Remler. Hamburgischer Corre-
'spondent 1770, Nr. 86. (Auf Gil-
berts Hochzeit.) Almanach der
deutschen Musen 1771, 48. Po-
tische Werke. Berlin 1800, 1801.
fassers In einer Hambarglschen
Zeitung abgedruckt. Da der
Fohlor einmal ges
wir uns demelben nl
hafılg, wenn wir os hier von den
Druckfehlern und Unrichtlgkelten
genkaben
die es dort ontstollen,
„eine Erzäblung „148 Lessing, Gotthold Ephraim,
Neue Zeitung 1767, Stück 138.
Vermischto Schriften 2, 74.
an Sined, den Druiden der
Bere . . „160 Kretschmann, Karl Friedrich,
Sämtliche Werke. Leipzig:
‚Wir hätten, vielleicht nicht
nöthlg, den Verfasser dios
Weichen
sollte dor
= 545. Nene Folge No. 4/6.
Deutsche Litteraturdenkmale
des ı8. und 19. Jahrhunderts
herausgegeben von August Sauer
FORTUNATI
G6LÜCKSECKEL UND WUNSCHHÜTLEIN
EIN SPIEL
: vor
\ ADELBERT. VON CHAMISSO
1
H (1806)
bs DER HANDSCHRIFT ZUM ERSTEN MALE HERAUSGEGEBE!
vor
E. F. KOSSMANN
STUTTGART
G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG
189
DasRocht der Debersetzung vorbehalten.
Druck von Carl Rombold, Heilbronn.
w
das Dichtisieren' durfte nicht mehr die s»0 wichtige
Zeit (zerfetzen‘. Der unter der Presse befindliche dritte
Jahrgang des Musenslmanachs sollte der letzte sein.
Zu diesem Entschluss führte vor allem die Erkenntnis,
dass die meisten seiner bisherigen Gedichte “gemacht”
waren: "Werde ich einmal von innen heraus missen,
wird mich ein anders gestalteter Wille ergreifen! — doch
mögen der entschiedene Misserfolg des Almanachs und
speziell die höhnischen Revensionen, so leicht man sie
auch zu nehmen versuchte, diese Erkenntnis nicht wanig.
‚gefördert haben.
"Der Krieg scheint alle meine nächsten Hoffoungen
sus dem Grunde Ausgerottet zu haben, ich habe gelitten,
und ‘habe mich endlich darin gefunden, — nber mein
redlicher Wünsch wird mir vielleicht auch nicht 'ge-
wätirt, dass ich doeh zum Lohne ulles Hingeopferten,
den Bohnuplatz der wildesten Wirksamkeit ‘der Krfte
sich mir ‚eröffnen sehe, und des stürmische Gewirm des
Krieges. Die Befürchtungen des Jünglings wollten
sich wor allzusehr wrfüllen, Dreizehn Monate dauerto
‚der Feldzug, erst lächerlich langweilig, dann
zulotät achlindlich 'endigend mit «dar feigen Uebergabib
Homelns, Nicht in neu Bahnen, aufs Peld dor Ehre,
wurde (der Bahnsüchende (gerissen, er wurde nur mif-
‚gehalten auf dem ihm vorschwebenden Wege; nicht mit
‚grossen Erlebnissen durfte ‘er sein inhaltbedi
Inueres füllen, zur Jämmerliches bot sich ihmdar, Die.
einzige Gefahr, in die ‘ar geriet, war die elenda, all.
Franzoso im preussisclion Hsere atundrechtlich'erschossen.
zu werden,
Der Anfang freilich liess sich, im Ganzen botruchtet,.
‚so übel nicht an. In mehreren Quartieren ‚sehen wir
ähn. seinen Homer weiterlesen und sich in ds news
Destäment wertiefen, und auch #
Träumereien sotzt er fort (an Now ?
1805); ‚ja er wünscht sich den gottsaligan Böhme, um
ihn zu ‚geniosseti, und bestellt Alschylos und Gostld
—
——
er gehe zu Grunde, Kein Vers entsteht, seine einzige
Lektüre isb Tausend und eine Nacht, Endlich kommen
die Freunde ihn zu besuchen, die zweite Osternacht
besiegelt seinen Entschluss; Abschied und Universität,
Das Abschiedsgesuch wird eingereicht. Er fühlt eich
schon neugeboren, und schreibt sich in Adelberta
Fabel die gewaltige innere Bewegung vom Herzen
(8-25. April 1806).
ber das dritte Vierteljahr brachte nen Not. First
das en Warten auf den königlichen Bescheid
‘wie oin armer Teufel, der auf der Firde sitzt mit
rücklingsgebogenem Haupte und weit aufgesperrtem
Maule, indem der Zahnbrecher hinter ihm den Zahn
gefasst und — noch nicht ouszicht", “Herzenslange-
weile‘ nennt: er seinen Zustand, weil ihm die Ruhe zı
jeder Beschäftigung fehlt, Er liest Märchen, leichte
Tiektüre, und beginnt: selbst auch ein symholisches Hr-
lösungsmärchen in Goethe-Novalisscher Art zu schrei-
a n dem lieben Ginslein.‘)
Am liebsten aber st Homoln hinaus ‘von
den Tamlours weg 2 ıchtigallen,' bald hierhin
schied vorweigert sei,
Aus der Betäubung rüttelte den Enttluschten
eino Einladung nach dem bonach barten Bade Nonn-
dorf, Dort weilten zwei jüngsterworbens Freunde im
Apoll, Boiträger zum
durch einen Besuch im
*
hinüber, und wundoffen wie selne 8
aufs heftigeto errogt durch ‚das Aussp
strebe
VEIT
lor er den Boden unter den Füssen. Ein äusserlicher
Umstand kam zu Hilfe: Von Mitte August bis Anfang
Oktober nötigte ihn ein Fussleiden, das Zimmer zu
hüten. In Zeit einer unverhoflten Muse kam
‚dem Unschlüssigen das Volksbuch von Fortunatns
su Gesichte,‘) und er besohloss, seine Kräfte an diesem
Stoffe zu versuchen, und zwar nach dem Muster von
Tiecks Oktavian. Weder der Stofl noch das Muster
sind wufillig, ist es doch die Zeit der romantisch-er-
neuerten Volksbücher und -mürchen, und war doch fir
die dramatisierten der Oktavian das unbestrittene Muster,
Es sei nur an Oehlonschläger erinnert, der gerade in
derselben Zeit mit dom Manuskripte seines vardsutsch-
ten Alnddin Deutschland bereiste, und in der deutschen
Vorrede zu diesem Werke das Vorhältnis der einge-
sohlagenen Richtung zu Tieck litterarhistorisch festzu-
‚stellen sucht.‘) Dass in aeln nicht einmal ein Ok-
tavlan aufzutreiben ist, scheint Ohamisso ein Charak-
der er sich befindet,
‚hhütlein! in awei selb-
Fortunats und die seiner
alle Bearbeiter sich von
Fr
=
9
—
und „märchen zur Genüge beweisen,') Und gerade
Agrippina ist sicherlich viel weniger Chamissos Lieb-
lingsfigur als die Quelle aeiner Leiden gowasen,
“Agrippina hat mir am meisten Kummer gemacht‘,
schreibt er gegen Ends der Arbeit, und drei Monate
nach dem Abbruch derselben (Walzel agt unrichtig „ala
der Plan beinaheschon aufgogoben war)schenwirihnnsch
Zügen aus dem Leben für seine Agrippina spähen.
Der Grund liogt auf der Hand: der Dichter sah hier
die Grenze seiner Kraft. Eine solche Prinzessin Urraca‘)
aus der Erzöhlung zu dramatischer Sinnlichkeit zu ber
leben, ist eine ganz andere Aufgabe, als die Rolle des.
Helden mit schöneu Rednorblumen zu umkrünzen. Und
von Cörds sollen gar die Farben zum Bilde genommen
sein, von Obrds, mit der seine Korrespondenz eben “die
höchste Wichtigkeit’ für ihn bekam (Brief vom 7. Sep-
tomber)! Gerade als er an den Fortunat ging, muss
ja jener wunderliche Brief von Cör&s angelangt sein,
der ihn veranlasste, ihr seinen treuberzigen Heirate-
untrag zuzuschieken. ‘Ta commais In simplieits de mas
goüte, In fortuno no — 6 tenter, uno chaumidre,
une bibliotaque et
[mon] bonheur,
während er a
“trouvons ia chaum;
Und sis sollte ihm nls
Freitag den 22,
Srischweg den ( ersten Din,
sich im klaren zu Bei
bauen solle.
nicht gebnnet,
#ı Briefe von — un w. Aus dem N
2100 MM,
li =
a
Hoftnungen e
was ioh ahnden kaun, sehr demütigend
me ich mich damum, nicht zu tor
köstlichen Besita der schöpferi
zieht tbun, bleibt mir doch, die nichts. mis
kann, die empfangende, und alko wenne ich
au noch einen Dichter, Lust und Schmore
anühungen selbst haben sich selber reich helohnt.. „ ei
dickes Buch; wird @s wahrlich oder nichts’.
Wochen später (28. September) begleitete er die ante,
Fortunataendung mit einigen Worten, dio ausser dem
un über den ueugefornlen Plan des Werkes
Bett
seien
yarskr
*) in Aloxundrinarn rodot de
sich dahar dnr witzige
Stunden der Nacht, die ich dem Schlafe abborge, kann
ich zu meiner Feder kommen’, ‘*Hunde-Arbeit muss ich
zollen, und darf fast nur für die Zeit des Schlafos
'heimkommen — zu, rag od nark aan‘. Am 21. No-
vember fiel Hameln, Unterdessen hatte der Sturm auch
die Freunde ergriffen, die Universität Halle war aufe
gehoben worden, sie stoben flichend auseinander, Cha-
misso ailte, sowia ar seinen Pass hatte, direkt nach Frank-
reich; durch seinen Diener Bondel lioss or abor, was seit
‚der erston Sendung am Fortunat gearbeitet war, un Varn-
hagen besorgen. “Da ich nun ganz vereinzelt bin‘, schreibt
ar diesem noch auf der Reise (3, Dezember), ist e—
mir wichtig, ein gründliches Wort darüberzu vornehmen;
ich werde vielleicht dort auf dem Land» Zeiten haben,
‚da ich daran wacker arbeiten können werde." Ob Varn-
hagen diese Sendung erhalten hat, ist: nicht, bekannt,
kein einziges, den Forkunab betreffondes Zeugnis von
ähm ist aufaufinden, Es sieht aus, als hätten Unter-
il ee je nachdem Een mir
Aber Deine Aakuntt Nachricht geben wirst, Ich habe
‚auch sehr viel darüber nachgedacht, und guter Rath
ist hier also nichb iheuer. Schlegel lässt dich fround-
lieh grüssen und höchlich Dich und Dein schönes Ta-
Jent ermuntern. Br hofft, durch mich bald von Dir
Bo blieb das Werk liegen, unvoll
auch unvergessen; unvergessen vom Die
allem uuvergessen von einigen Freunden, (die #3 kennen
gelernt, Für ersteres zeugt, dns Uhland, ale er im
Frühling 1810 Chamisso in Paris kennen lernte, ‘den
Fortanat zu lesen bekam; für letzteres, daas eben dieser
Uhlund infolge dieser Lektüre Chomisso für einem
Dichter hielt, der dem Musenälmannche seines Freundes.
Kerner besondre Ehre mache, “Wie sehr würde es
mich freuen, wem ich ihn [Kerner] —
von Ihren überraschen könnte, was Sie gerade haben,
‚etwa Einiges aus Ihrem trefllichen Fortauat, denn aus
dem Findrucke, der mir geblieben, weiss ich, dass
‚schon die Fragmente dieses Codichtos nich lebendig genug
sprechen’ (Uhland an Ohamisso, 93. Dezember
Und noch ein Andrer, den Ohamisso den Paten soimes
Vortanat genannt (28. September 1806), Fongus, ‚der dan
Manuskript, d. h. vermutlich die Abschrift während Oha-
‚mirsos ersten Anfenthaltes in Frankreich in
'hatto (vgl. Chomissos Brief, November 1807), behieltdaszo
Yrisch begormene Werk lieb undschüttelte den Kopf, alsor
sah, wie Ohamisso seinen Andolosin liogen liess, ıım sich.
bei Fra von Staäl mit der Rolle eines Webersetzens
and zweiten Liebhabers zu 'begnügen oder um sich in
der Uebersetzung Französischer Tageskustspielo zu g0-
allen, Er schreibt ihm am 28. Januar 1809: Indem ich
‚gestern Abımd (die Feder miederlegte, umd mich der
Naokiklang des Dichtens lieblich durchbebte, amd (die
Gestulten der künftigen Composizion vor mir anf und.
niederwogten, ergrift es mich plötzlich, wie es möglich
‚sei, dass Du nun schen seit.:so langer Zeit michta go-⸗
dichtet habest, Du, der die Fülle dieser stillen Beelig-
keit aus Bridbrung kennst. Ich bitte Dich herzlich,
nein lieber — +timme (lie Leier wieder, und ainge
dus wackre, krüftige Lied von Fortunatus weiter. Zwar.
wird ‚or Dir nun wohl ein ernstes ‘Gesicht machen,
unch der Iangen Eutfernung, aber ruf nnr Deine
innre Liebe auf und Du wirst ihn Dir schon wieder
‚zum beitern Gelährben ‚gewinnen’ (ungedruckt), und am
Xu
deckte. Das saubre, oigenhändige Manuskript hat er
‚aber trenlich unter seinen Papieren bewahrt. Der Güte
sainos jüngsten Sohnes, meines unvergesslichen Freundes
Hermann von Chamissc, sowie der Liberalität des
jetzigen Hüters des Nuchlussos ist diew erste Publi-
kation zu danken.
I. Analyse des Werkes.
T, Ohamissos Stück hebt an mit dem Gespräche
#wischen Fortunats Söhnen Ampedo und Andolosin,
welches zur Teilang der beiden ererbten Schätze führt,
(in der Simrockschen Ausgabe des Volksbuches 8, 152).
Bald wörtlich der Vorlage folgend (so 11, 80 f., ja
sogar 49), bald weiterausführend, arbeitet der in Blank-
versan geschriebene Dialog die heiden entgegengesetztem
Charaktore möglichst heraus, Diesem Zwecke wird
geschickt ein Teil der Vorfabel nutzbar gemacht, in-
dem joder der Brüder Erlebnisse des Vaters zur Bo-
gründung seiner Tebensansieht anführt. Was der
Diehter so aus den früheren Teilen des Volksbuches
einflicht, die Brwerbung des Seckels, die Wahl zwischen
Reichtum und Weisheit, die bostandenen Gufahren, wird
jedoch mr ohenhin angedeutet.
U. Mit dem Hinzutreten des Probstes erhält das
Gespräch eine frei erfundene Fortsetzung, welche angen-
soheinlich dio Exposition durch Realien aus dom Volka-
buche kriftigen soll. Der Probst selbst ist aus den
Angaben des Volkabuch eschöpft, wonach For-
tunat nnch seiner ersten Rückkehr unter anderm eins
Probstei stiftete (Simtock S, 118), Vers 11 Medusa ist
aus dem Einde des Volksbuch imrock $, 200) har=
ühergenommen, Vora 47 l,organub Zum Rogenbogen
>) "Ich werde geln In fremde Land’ oto, Diese aus einem Driefo
‚Chnimissos bekannte, und in Kochx Ausgabe unter die Fortunnkfragt-
‚verleitet, das Worspfel' beimndie Forkumuts Abenteuer, Unvorsichtig
genug wendet er sich dnbet gegen Palın, dom doch dus Stick vorlag,
Volksbuch einer der Mörder Andolosiae, aber erst vor
der Katastrophe selbst erwähnt (Simrock 8. 201), er-
hält hier in der Bevorzugung Andolosias und in dem
spöttischen Wort des Prinzen einen Grund zu Neid und
Hass gegen den Helden.
IV. Abfahrt, Deu eigentlichen Abschied ‘Gut
Abenteuer geb euch Gott, Herr Ritter’ (Vers 29) umspielt
ein Wechselgesang von sieben vierzeiligen Strophen
(4füssige Trochien Reim a” ba° b), in welchem das Leben
und die Gefahren der sich Hinauswagenden denen der
Zurückbleibenden gegenübergestellt werden, Man be-
merkt, dass in der fünften Strophe 1d x00 z6Aov drigav als
Hort. der Wandrer aus dem Leben des Dichters in die
Dichtung hinübertritt. An diese Strophen schliesst sich,
eine Art Epodos, eine zwölfzeilige Doppelassonunz
(eieo: ar), in welcher das Grundmotiv alles irdischen
Strebens echt romantisch angeschlugen wird.‘) Hesekiet
(Hempel 1, 448) hat das Gedicht dunkel gensnnt, doch
das kann höchstens noch für einen einzelnen sprach-
lichen Ausdruck zugegeben werden, wenn man den Zu-
22 u. ö,) in Botracht zieht, zu-
er den Fortunat hinausschaut,
Kammengotamst!
— Redaktion 1885,
rechtfertigen diese Talluny, und ———— Aesonanz. wider-
strebt dnreniten durchune.
‚Gespräch derselben beiden Ritter mit einem frunzösi-
schen Waffeugenossen vsponiort (36—61). Andolosie
zeigt sich beschsiden in seinem Glück und erwirbt sieh
durch seine ritterlicho Tugend und Grossmut in dem
besiegten Gegner Rinaldo einen jungen Bewunderer und
Bruderfround (dieser Rinaldo ist dem "Theodor ebonso
‚gegenüibergestellt wie in III. der Prinz dem Lymosiz
welche Rollo diesen — frei erfundenen — Freunden im
Stück bestimmt war, ist uabekaunt). Sein Inneres stuft
jedoch sein Kuasores Siogesglück Lügen, soi ar, dass or
wur, wegen seiner Geburt, an Agrippinens Gegenliebe
vorzwoifelt (91 #), sei os, dass ar fühlt, dass hier sein
Lebensgsschick auf ihn lauro (106 #.).
VI Thronsal, Die Pracht des Hoflestos stellt
sich in romnutischem Versfeuerwerk dur. In dem kou-
ventionell gehaltenen Kedeturnier treten die Einzel-
charaktere nicht nur zurück, sie sind vielmehr
hoben, nur König und Narr (Prosn) heben sich von
den andern ab, und zwar wird durch sie ein Schein
von romantischer Ironie über das Ganze geworfen,
1) dankt den Rittern für ihre
n nur scheinbar seien diese Feste
‚orbei und die Thateu der Ritter verklungenz
wie alles in der Welt sie Samonkörner der Zeitz
die um Tege der Erfüllung England Frucht tragen
märchen
reimt) weist diesen z Di
die hier geschehen, seien der notwendigen
Asusssrungen der thatbedürftigen Mannestugend; wenn
in der Zukunft Gutes daraus enispriesse, s0 sei nichb
ihnen, den unbewusst Handelnden, sondern Gott für
dessen wunderbare Pügung zu dnuken, Sie dagegen
seien England zu Dank verpflichtet, weil es ihnen
diese festliche Gelegenheit zur Kraftentfaltung gegeben
XIII
habe (41-54). Im Namen der Frauen, zu deren
Ruhm gekämpft wurde, erstattet die Königin (Stanze)
den Kampfeslohn: der Frauen Dank (55—62). Doch
Theodorus (Stanze) weist auch dieses zurück; nicht
um Lohn, nur zum Ruhme der Frauen hätten sie ge-
kämpft, dagegen nähmen sie ihn gerne als köstliches
Geschenk an (63—70). Agrippina schildert als
die treibende Kraft aller Feste und ihren eigentlichen
Reiz: die Wechselwirkung der Geschlechter; und be-
zeichnet den Rittern als der Mühe Lohn: das Andenken
an diese schönen Stunden (71—102; die künstliche
Strophe ist die der Leslia in Tiecks Octavian, Ausgabe
1804, 8. 395, und ist von dort entlehnt). Den ersten
Teil von Agrippinens Weise nachahmend, nehmen die
Ritter diesen Lohn an, indem sie ihr Gedenken auf
Agrippinens Schönheit beziehen, der fränkische Ritter
nur als Franenkenner, Rinaldo resigniert, Andolosia im
Liebeskampf (103-116). Der Narr fällt höhnisch in
die Melodie ein, und der König sagt in zwei platten
Alexandrinern alles, was eigentlich zu sagen war.
VII. Agrippinens männergefährlicher Charakter
stellt sich in besondrer Scene und künstlicher Form
(Decarimen’) anfangs monologisch, dann dialogisch (mit
der Amme) dar. Anknüpfend an das eben Erlebte er-
scheint ihr das ganze Leben als ein Kampfspiel zwischen
den natürlichen Feinden Weib und Mann, der List
und der Stärke — und die Frau bleibt Siegerin
(21-40). Den unterliegenden Mann aber hat die
Natur so gut zum Spiel der Frau bestimmt als die
Fliege zu dem der Spinne (1 f.) oder den gefangenen
Vogel zu dem des Vogelstellers (11 ff.). Der Hybris
stellt sich in der Amme die Warnerin gegenüber,
deren — jetzt verhöhnte — Worte auf den drohenden
') Chamissos erster Versuch in Dezimen ist wohl die derbe Ant.
wort über Merkel’ aus dem Dezember 1805, die in dem Brief vom
17. Februar 1908-erwähnt wird.
Schicksnlswochsel, ja vielleicht auf den tragischen Aus-
geng weisen. Denn der dem Volksbuch fremde Ernst
der Amme an dieser Stelle kann seinen Grund in der
Aenderung des Planes haben, zu der sich der Dichter
erst in der’ zweiten Hälfte seiner Arbeit entschloss (er
teilt sie am 28. September den Freunden mit; unsre
Scans ist kurz vor dem 22. September gediehtet): Unter-
Kang aller Boteiligten.
VII. Des Königs Neugier und der Plan
(Alexandriner, vermutlich um in den aocontuierten
Reimen das Königs Tiippischkeit zu malen; vgl. oben
8. XII Anm, 2 und den Schluss von VL; das Seonar fehlt,
weil die Scone sich direkt an VIT anschliesst). Als Mo-
mont ist dom Volksbuch eutsprochend die erste Ueber-
raschung über das beim Zimtfeuer gekochte Mahl ge-
wählt, Während dort jedoch des Königs Neugier sich
gleich an die richtige (Quelle wendet (Simrock, 8. 100),
fügt Chamisso orst en königlichen Rat ein, der, wie
mt, ra blos ist — dann
rn zwar" (vgl, V 48) an
u
"ou des Königs, die Geld-
sinom Brunnen, und
jeld zu schöpfen wäre,
ut Chamisso kaum
dass mit diesem Liede Agrippina Andolosia am achick-
saligen Tage selber in die verderbliobe Ruhe ein-
wiege (28. Septsmber 1806), beweist, dass es seine
Stelle in einer grösseren Scene finden sollte. Die (min»
lestens eine Woche früher gedichtete) Soene IX mag
ihn haben zaudern lassen, sich augenblicklich schon
weiter zu wagen in der Darstellung des Kampfes von
sinnlichen Ungestüm mit der kalten List; sicher fühlte
er den Mangel an Erfahrung (s. oben), vielleicht anch
den des Gesichtspunktes, der ein postisches Bild dieser
Scenen möglich macht; denn das Volksbuch berichtet,
dass sie ‘gar zärtlich mit einander redeten' und Agrippina
“ihm der zirtlichen Trünke einen nach dem andern
brachte. (Trefllich bei Decker LI, 2: “And whilst
my fingers wantoned with his hair.)
Die Anrogung zu diesem Gedichte gab vermutlich
Ta Fontaines Te cochet, le chat et la sonricenn,' Hier
ist der Edelmansjüngling, welcher von der Schönheit
einer Katze eingenommen ist, gegeben. Diese Ver-
mutung wird noch gestützt durch die französische Ueber-
setzung, welche sich vi amissos Hund unter dessen
ii Dass die französische
gelnufsn, so none
tuines Lo chatt
Falls erinnert, dies
‚ot dölicate.' A =
Auch die folgende Scene, in welcher die künig-
XXVII
‚Selbsteinladung des Königs, deren alberne Motivierung
‚aber weggelassen ist, Die zehn Pfonnige, die Ando-
Aosig — entgegen dem Volksbuch — in dem falschen
Sockel findet, hat Aygrippina aus leichteinnigem Ueber-
nut’ in denselben gelegt (Chamisso an Varahngen,
28. Soptember 1806*).
15—54: Andolosius Monolog (Trimeter, die
Fünfmal in eine iombische Dipodie ausklingen). Die
einzige Betrachtung Andolosius im Volksbuch, wonach
das Unglück sich als Strafe für das übertretene väter-
liche Gebot darstellt, hat Chamisso an dieser Stelle
‚nicht benutzt (vgl. XIV); esscheint, dass or Agrippinens
Treubruch nicht durch die Schuld Andolosins habe
schwächen wollen. Dieser ist entsprechend seiner ro-
mantischenystischen Liebosuuflussung (vgl. IX) nicht
nur um sein Gold und don Liebesgenuss betrogen, son-
dern um sein Tch und dessen Welt. Auf deu Trümmern
eeines Glücks wendet er den Blick zurück, zu über-
schauen, wie es so hat kommen können, und findet
einen To; s gorado seine Reinheit war,
welche der Teufl , die er für einen Eugel
gehalten, die Wufl d gogeben; ja or über-
windet den srlichen ‚ indem er sich in eine
zein ethische Sphär. bis ihn der Godanko an
den mitbernubten Bı Kumpf um das Ver
r. Der erste Schritt
j Ampedoe, oin Preis.
fe Schon viel früher rechnete Ohn-
„untürlich zum Brode“ (Briei vom
XIV, Palast zu Fomaguata. Die Brüder
unterhalten sich (1—40) über das Unglück ziemlich
mit den Worten des Volksbuches, wobei nur auflällt,
dass Ampedo, Vers 16 fl, seinen Bruder wie in der Vor-
lage tröetot, während der Verswoillungsausbruch Ando-
lasias weggelassen ist, der sowohl bei Simrock, als in den
ei md — Volksbüchern die Vor-
anlassung ‚giebt. Vermutlich fehlte dieser al u
Ubaminsos Vorlage, wis er auch in der Reatlinger. =
fehlt. Ferner bemerkt man, dass Andolosin (6
Volksbuche dio Verlotzung dos väterlichen Geb
Grund seines Unglücks angiebt, während ii x
‚Ikabue)
wünscht sich gleich much
lianten), während ı
Decker) Genua nennen, uns
Venedig nur nebenher erwähnen, Finen witzigen Ab-
schluss erfindet sich Chamisso in den Schlusszeilen, in
welchen der bedächtige Ampedo sich ala wahrer Raucher-
philosoph zeigt.
XV. Gewölbe der Edelsteine zu Venedig,
nach der Hächtigen Erzihlang im Volksbuch (Simrook,
8. 170). Die einleitenden Worte dienen nur duzu, die
Kostbarkeit der Juwelen anschaulich zu machen. Eins
heitre Abrunduug erhält die Scene dadurch, dass sich
der böse Handel ale Erfüllung einer leichtsinuig aus-
gesprochenen Verwünschung (#, 39) darstellt,
Andolosins Ankunft in London, die ‚Inwaliers-
komödis bis zum Zauberwort ‘In cine (wilde) Wüste!
(Simrock, 8. 172) hat, der Dichter noch offen gelassen.
Aus der folgeuden Scene, sowie aus dem Briefe vom
28. September 1806 erhellt, dass Andolosla sich auch
noch taub stellen sollte; und aus domaelben Briefe orsicht
man, dass Chamissos Vorlage ihn “Edelgesteiner" nennt,
also, wie der Rentlinger Druck, zur Frankfurter Text-
familie gehört (Harıns, die deutschen Fortunatusdramen,
Apfolbäume i in die Soono gestellt werden, wird zwischen
IX. die Einheit des Ortes
'£, die auch Tieok vorge-
nommen —* — Der Dinlog hält sieh bis. zum Ver-
schwinden Agrippinas an die Vorl
Istzte Torzine, welche
Glücksrades die Rede trinmphierend beschliessen sollte,
in wieder verschobener Bedeutung von dem Souffleur
en weil der arme Held
Sy De Fra, a hedelonin hierauf nach
‚austeilt, sowie der Wunsch, sich und seinen
en ee an 173 £), ist —
a⸗onioroudon Trimetei
1806 dass or ale diabolischer Hohn über
die Euttäuschung aufzufassen ist; Wie der Mür-
— ‚vermieint die
ZLiebe-Gänsloin-Insul orreicht zu
eafen, ob — die verlorne Mühe Funde
wer sie hätte®,") — Es scheint mir sicher,
Dichter dieser höhnende Ruf so gut gefiel, dass er
XXXH
Als der Dichter später die sich auschliessende Ere-
itenscone iu Angrif® nahm, und das Lied (XVII),
noch nicht aber die Scone selbst (XIX) gedichtat hatte,
fügte er einige Vebergungszeilen bei (106— 111):
Trefflich in dem angeschlagenen Ton der Selbstironie
verharrend, summt sich Andolosia mit dem Refrain seiner
Delilaliedes in den Schlaf, Dagegen entsprechen die
jauchzenden Worte, mit denen er infolge des Eremiten-
liedes erwacht, besser dem Monologe des Volksbuchen
als dem Ohamissos, der eine solche Sehnsucht nach
Monschen kaum flüchtig andentet (65) oder solbst ironisch
wendet (98 f.); diese Zeilen sind übrigens merkwürdig
als Vorhall einiger berühmter Vorse im Salas y Gomez,
XVII. Das Klausnerlied (vier siebenzeilige
Strophen, dreifüssigo Inmbon mit willkürlich. doppelter
Senkung, Rein u bab), dus äusserlich au einen Vers in
Andolosias Monolog ankaüpft (XVI 90), soll im Kon-
trast zu Andolosias rein irdischen Lebenskimpfen den
ssero Zufriedenheit dos vom Irdi-
ebenso gut einmal aus lem gegeben wie den
Wechselgesung und die Katzennatur, —
ZIX. Das Gespräch zwischen Andolosia
und dom Eremiten folgt genau, öfters wörtlich dem
EXIT
Volksbuche; nur kleine ironische Wendungen sind bei-
und dem armen Waldbrader ist auch noch seine
‚nommen, er wohnt unter freiem Himmel,
Teommschlichte Erklärung der Wunder-
bäume ist in eine Stanze gegossen (die mit einem Hieh
auf allen Rationalismus beginnt), und nach Andolosias
frisch vorgetragener Ditte um die andern Acpfel, kri-
stallisiert sich das gunze Gespräch in dieser Strophen-
form. Erst antwortet in vier Strophen der Eremit:
Den schönen Gedanken der ersten (75 fi.) hut dor
Dichter der Vorlage entnommen, und nur mil Gewalt-
thätigkeit iet os ihm gelungen, ihn in die Form zu
zwängen; aber in don folgenden, welche die warnende
des Eremiten enthalten, schöpft er frei aus
der eigenen Brust hinzu: Das Ideal, das der Eremit
den im Trdischen Befangenen hinstellt, dia Freiheit, *mit-
wollend ruhig, klar des Schöpfers Willen’ ist der Mittel-
‚punkt seiner eigenen damaligen Lebensauffnssung, das
ZINGEAEIN aus Adelberts Fabel, Und wenn er Ando-
losin zum Kampfe gegen dns *Ungetüm’, das teitle
Preiben, welches das Licht beleidigt’ aufruft, lüsst
an die allegorischen Weberinnen in demsalben Mil
erinnora, von welchen die innere Selbatmacht d.
giebt und die änssera Weltmacht finstern Wie
bietet. — In Andolosias Antwort, welche
ochten: Tch Icbe nur so — ich
wenn mir Erreichung gegönnt i
Treiben’ verblasst, ich dumpf ersterben mı
Betonung, die diese Worte durch die ‚Folgen:
erhalten, sowie die noch deutlicheren |
die Vermutung, dass Chamisso seine
That. im Prübsinn enden zu lassen“
*) Veranlassung zu einor solchen Idoo I
kanns den gemütskranken Buchhändler
Gutien der vielgellobten Sophie Sander nun hutte ein
Deutsche Litternturdenkmale Nr, 64/85.
XX
Der Abschied vom Eremiten beschliesst diese Soenej
die Beschreibung des Weges nach London ist: wegge-
lassen, sie war vielleicht einer eiguen Soene vorbehalten,
Der ganze zweite Londoner Aufenthalt Andolosias, mit
den boiden Verkleidungen ala Apfelkrämer und als
Doktor, fat nieht ausgeführt (Simrock 8. 177187).
XX. Das Godicht setzt wie in XVI mit der Ver-
wandlung der Scene wieder ein, Den wilden wüsten
Wald hat dieses Mal der moderne Dichter an dus
Meeresufer verlegt. Das Gesprich bewegt sich in vier-
düssigen Trochäen mit u-Assonanz in den geraden Versen,
— Die lange Ansprache Andolosis an Agrippina
(Simrock, 8, 188) ib mit den aus dem Zusammenhang
notwendig. gewordenen Aendernngen (besonders 52 fl.
entsprechend XLI 12 £. gegen das Volksbuch) wieder-
gegeben, mehrfnch unterbrochen von kurzen Ansitzen
Agrippinas. Agrippinens schwerfällige Bitte um Ver-
gebuug (Simrock 8. 188 1.) ist in einen kurzen Augstruf
vorändort, über deu hinwog Andolosia wieder dio ganze
Bedeutung des Vertranensbruches für sein Teben in
Worton erschöpft (entsprechend IX 15 #.) und darch
Verachtung ihre Verzweiflung schürt (61—#0); auch die
folgende Antwort Andolosias (Simrock 8. 189) ist er-
weitert durch den erneuten Hinweis auf den Für beide
tragischen Ausgang (99—104), Im Folgenden ist der
Anschluss au dus Volksbuch genauer, nur dass gegen
Ende die Dialogisierung lebhafter wird,
XXI. Auch in der sich anschliessenden Verhand-
lung vor dem Frauenkloster folgt der Dichter dem
Volksbuche Schritt vor Schritt, er steigert aber hier
mehr als irgend sonst die naive Darstellung desselben.
‚Feierliche Trimeter, die orrige Diktion noch
beschwert am Schluss tige anapästische
kurs zuvor in Pyrmont aufgesucht, weil dor Kranke in don 'orsckrock-
licbsten Zustand surlickgesunken' war (Briof vom 27.138. Juli, 0. August
1806, vel. Z. Werner un Ubemieso, 14. Februar /urnhagen, Denk-
würdigielton® 4, 428, Dorow Denkschriften und
XERV
ausmündend in einen Binmesser, bilden die
‚Form für die wahrhaft pathetisch aufgefassto
Ba Gleich der Beginn greift weit hinüber ins all-
‚gemein Menschlich-Pragische, später in der Schilderung,
‚der das Kloster umgebenden Natur schwelgt der Dichter
im Gigantischen, von Bildern und Gedanken ist übernll
die Sprache achior überaättigt, ja, in den letzten Worten
‚Agrippinas schiehen sich die Bilder für ein und die.
'ahrheit in- und übereinander, Es ist freilich
auch die Hauptwahrheit des Stückes, die den Dichter
0 mit sich fortriss: Die Warnung der Amme (VII 41,
61 ff.) ist Wahrheit geworden, der Webermut: ist zu
Full gekommen, und der unorbittliche Zusammenhang
alles Trdischen, auf den der Kanzler (VI 25 7) leise
wien, hat sich ihr entachleiert,
Diree Annpliste sind dns Letate, was Chamisso un
seinem Fortunst dichtote, sio sind nicht mitgesählt bei
der Versberechnung, die aın 22. Oktober abschloss. Das
Stück bricht bier ab; wie os weitergeführt worden
sollte, ist unbekannt, Nur das Eine berichtet der
Dichter don Freunden: Ein völliger Untergang be-
‚schliesst, Agrippinn geht um Ende mit zu Grund, und
selbst das königliche Haus in Cypern. Auch Ar
Tosias Schicksal sollte sich, so scheint es nach de
deutungen im Stücke, andere vollziehen als. im
gierig gestürzt hatte, sind durch den —
da er aber als Werkzeug der Nomeris v
loben muss, zeigt eich der Zusammen!
dem er seine wahrhuft tragische Auf;
in Geistesumnachtung sollte sich vielleicht
scher Tod äussern; für den körperlichen sorgten wohl
die Feinde wie im Volksbuche.
Die unvollendete, zurückgelegle
gehend zu würdigen, iet hier nirht |
wird gerne einen neuon Blic) thun in die Werkstatt
—
Be
der jüngeren Romantiker,*), in das Dichten und Trachten
des Nordsternbundes; vor allem erwünscht aber mag
erscheinen, dass dieser Versuch an dem Jugendringen
einer #0 merkwürdigen und scharfen Dichterindividun-
lität, wie Chnmisso ist, lebendiger und erfrenlicher An-
toil zu nohmen gestattet als die bisher bekannten Ge-
dichte seiner Strabezeit' (Hempel 1, 458—494). Man
wird Fonqus beistimmen, dass er hier “Eigenes aus
treuer, tiefer Brust! gedichtel hat, und duss die deutsche
'racho sich im allgemeinen ‘mit Freudigkeit seinem
kühnen Wollen’ fügt (s. oben 8. XVIT). Gerade
dieser Kampf mit der Sprache ist gewiss eine der hor-
vorstechendsten Eigenheiten wie des Mannes überhaupt
— denn erstreckte orst im Tode die Watſon — so auch
dieser seiner Arbeit. In Faust und Fortunnt ist den
Nachlebendon jener eigentümliche Reiz lebendig or-
hulten, den schon der Zwanzigjährige auf seine Freunde
ausübte: ‘Am meisten aber und sichtbarsten kämpfte
er mit der Sprache, die er unter gewaltigen Anstren-
gungen mit einer Art von Meisterschaft und Goläufigkeit
vndebrechte.” (Varnhagen, Denkwürdigkeiten* 1, 284).
") Ks ist bedanerlich, dass die Vorarbeiten fehlen, um ohne um-
fassondo eigene Untersuchungen den Jünger un seinen Meistern zu
messen; an 3. Steiners ‘Ludwig Tieck und die Volksblicher" (Berlin
1899) kann man sich nlcht lohnen, da or nur den klofnsten und nicht
Teil meiner Aufgabe behandelt,
Inhalt.
Sette
Einleitung . . » Di seo. .IH
I. Die Entstehung von Chamiseos Fortunat . . II
I. Analyse des Werks . 2. ..... . . RVIH
Fortunati Glückseckel und Wunschhütlein, ein Spiel
von Adelbert von Chamisso (1806) I-XXI . . 1
Anhang: Chamissos französische Uebersetzung des Ge-
dichtes „Katz 64
Anmerkungen ........ · · · · . 66
— 2 22220 68
— —
FORTUNATI
6LÜCKSECKEL UND WUNSCHHÜTLEIN
EIN SPIEL
ADELBERT VON CHAMISSO
Wrochtvolles Zimmer ine Palafte Fortunati zu Famagufia)
(Ampedo. Andolojia.)
Andolojia, Es ift feit unfers Herren Baters Tod
ae Trauer Jahr verftrichen, und den Zoll
Der Thränen, in der Wohnung engem Raum
— haben wir ihm dargebracht,
Wie frommen ſtindern es bie Pilicht aebeut.
hm warb die Ehre, Die den Todten ziemt.
Zah Bruder nun der Trauer uns vergeijen,
Des Lebens und bes Muhmes uns genen,
Sur fremde Lande ziehen, und das tüc
Berfuchen, das ihm günftig war ı
Ampedo. er wandern will, der war
Nach Ehren nicht und Ruhm ein
—— Es iſt nicht ruhmlich,
= wartbegabten Jugend !hateı
trägen Schlafes Wente zu de
4 Abelbert von Epaniffe.
Andolofia. Mir ſcheint Hemuf mır Kampfes Ehrenpreis,
Ampebo, Nur in der Ruhe Schatten blüht er mir.
Andolofia. Es ſchuf mich andern Sinnes die Natur.
Ampedo. Drum geeifft du mich umfonft mit Worten an. d
Andolofia. Mich reizt die Melt, die offen vor mir Liegt;
Sie zu erſchauen treibet mich das Herz,
Die Kraft begehrt in fremder Sräfte Streit,
Mit Lich! und Haß eingreifend, fih zu milden,
Dem nur in Kampfes Mitten reift der Mann,
Und laſeſt du nicht, Bruder, jene Schrift,
Wo in des Alters Tage umfer Vater,
Sein Herz erfreuend, ſeines Schidjals Bahn,
Was er erfuhr und lebte, aufgezeichnet,
Die, uns zur Lehre, ſterbend er uns gab.
Ein Füngling no, da ſprach er zu dem Ahnheren:
Ich werbe geh’n im fremde Land, es iſt
Des Gluckes im der Welt noch viel, id Hoffe
Bu Gott, es wird mir fein auch noch ein Theil.
Er ſprach's und ging. Es trug der Strom des Lebens
Ihr Kiebend, den er ſiarlen Armes ſchlug,
And als ein falſcher Stumm ihn nieberftieh,
Daß ex des Todes nur gewärtig var,
Da ob ihn freubi Hoc) empor die —
Fi \ ber er hieß, und gab
Den Schat ihm, den ex treulich uns bewahrt,
Ampedo. ‘ ai vericherzen beines Trachtens Biel. —
Und fahjt du, Bruder, nicht aus jener Schrift,
Wie in Roth und Angft auf feiner Bahn,
Das Kleinod N er fich erwählt,
er z
Herftte. gezogen
Und mit Bedacht ich felbe
D hätt er doch Herfürgego
Und wie den Meichthum jie
Betrachte doch, auf welche ſe
Unſinnig dein Beginnen! Glüd und Nubm,
Du tannſt in Enpem ihrer dich erfreim,
iucſocel und Wunſchhatlem.
Cypern ich des Gutes, das eu reizt.
in Riterſpielen an He
Ken Sans ‚geniehen,
Denn dies zu fchägen warb mir der Verftand.
„ Andotofin. Der jedes Ungemöhntide vertaßt,
Selbſt die Extreme überjchweifen. Drum
Die Heinod Ich uns thellen, und uns trennen.
— Wilft dur denn brechen deines Waters Wort,
13 auf dem Stexbebett” er ums geboten?
Ampedo. So nimm des Soldan’s Hitlein. —
Wnrbolofia. Das nimm, und laß Fortune
Bad! * Raumes Granz
. Ein Niüplicheres bleibet
—
[5 Adelbert von Ehamifie.
Ampedo. Es hüte unſern Schat Verſchwiegenheit.
Andoloſta. Wohl, Ampedo, drum horche meiner Nede. 100
So la uns aus bem Sedel hundert Truben
Mit Gulden füllen, die behalte dır.
Und bleibe hie, und lebe wohl, — die wirft
In deinem Leben du doch nicht exjchöpfen, —
Und and des Soldans Hütlein bleibe dein, 108
Du lannft damit dir manche Kurzweil gebem.
Dir aber laß den Sedel, und ich will,
Nach, Ehren ftrebend, wandern durch bie Welt,
Sechs oder ſieben Jahre bleib ih aus,
Unb wann ich wiedertomme, ſoll hir banıı
Auf eben ſolche Yeit der Sedel jein.
Und alio laß uns, nad des Wortes Sinn
Des Vaters, ungetheilt den Schab bemuben,
Ampedo. Ich wills — Doc) deiner zu entbehren wird
Ein Schweres mir, ein Ungewohntes fein. 16
Bleib die! — Was zieht dich in die Ferne, fprich?
Andoloſia. Es paßt für alle nicht Ein Glüch, es it,
Wie jeber fie erfchaut, doch ihm bie Welt,
De 1 wir icht aus denſelben Yigen
den eignen Sin ein jeber?
bem mir vielleid)t
ber Schmerz
wenn der Zwang Mich bände, 120
bi intergehn.
die Schwingen
h ich in die Welt,
ich heim, im Ringen
iv geftllft, 10
id) gefeilt,
ine Soofe halfen,
Buch entfalten.
> s * I.
ob it anf)
—
Trenmmmg Schmerz, und freudenleer
ii Valaſt mir veröber feinen.
Frobit. Mit — Segen Gottes, edler Herr.
* x?
Nach Medufa zeit ich morgen,
Königs Dof, von meinem Herrn
und der dritte Morgen
Zu unfers
Urdanb zu
BT
2
diejes Haus verborgen,
muß verfuchen meines Glüdes Stern.
zeihen feiger Trägheit mich die Wellen,
'8 mie wohl, warn ſich die Segel ſchwellen.
es ſoll, jo der Bruder ausbleibt,
Kirche für 17 oh und Gtüc
Fromm. erichallen. Trefft die Ordnung.
Hud; ben Bebürfiigen in Famagufta
id) durd) eure Hand Almoſen ſpenden,
Auhell fie an meinen Winfhen nehmen.
die Probjtei zu euch ſenden
fiebzigtaufend, das Geſoll
und enre Chorheren auf ſechs Sabre,
in ihr voraus, und für die Armen
utfend, fo ihr mit erhaltet,
don umfernt Meberfluß, beftinmt.
B
———
Rn
ung
Alles.
Rechnet drauf.
8 Adelbert von Chamiſſo
Probſt. Der Wille meiner Herren wird erfüllt.
Das feinen Armen mild erwieſne Gut
Mög’ ihnen reich vergeltend lohnen Goit.
Es werden gerne alle Herzen ſich
Geſellen unſerm Chore, denn ter liebt
Den milden, tapfern, jugendlichen Mitter
Den wirdgen Sohn nicht des hochſeeligen
Herrn Forhimati? Und wie biefer war
Selbft-Stifter feines Hauſes hohen Glüds,
Das ungetritbt ex felber lang genoß,
Fort mög’ es anf die Spröhlinge vererben:
Und mögt ihr, Ritter, balde wieberfehren
Mit Ruhm gekrönt, ein Glucklicher, daheim,
Ampebo. Der Himmel höre euren frommen Wunſch.
Andolojia. Ich dank ihn euch, Herr eh “
Amıpebo. Du reiteft doch
Durch unſrer Mutter gräflich Schloß und Stadt
Zu Lorganub genannt zum Regenbogen.
Andolofia. Den Burgen werd ich frommen Grußes nahen,
Daß feru nicht ihre Bilder einft mich teilben;
Und, mo vom Vater Lehre ich empfahen
In ritterlichem Thun, der Wieſe brüben;
Und den Borften, die mich oftmals jahen,
€ oc), bie Luft des Waibiverfs üben:
meiner Kindheit will ich ſchelden,
Sie Freund behalten fern in Luſt und Leiben.
Doch nicht die Stunde ift es nur ber Worte,
Selbft jehen muß ich nad) dem Glanz der Waffen;
Und niederjteigen muß ich zu dem Borte,
Im unfere Gafee die Maunen raffen;
Mus vierzig Reifigen on fremdem Orte
Ein ftandesmähiges Geleit mix Schaffen;
‚Sur Wbfahet müfje alles ſchnell ſich rüften,
dinüber hoffend zu den fernen Küften.
Ihr ſehl bie Sorgen, welche meiner warten,
Drum gönnet, bafı ich mic) von euch entferne. = 6
tapfre Jüngling wird
Bun te el ber Vorficht Rath.
Ampedo. Verzeibt, mir jelber häufet die Gefchäfte
* Der raſche Bug.
Probſt. Ich laß euch, edler Herr!
Ampebo. Bei feiner Abfahrt jehen wir uns wieber.
Brobft ab. Mmpebo, wie er atlein it, zieht den Otiicts-Eedtel
Demon amd. geht Tem er Dee Map hebt Ja; gu einer
ander ‚mach dem Innern des Hauſes ad.)
don Gopern zur Medufa, Der Bouig. Zu
IL
(Den Soden Sana on Cu ‘ I
a
König. Steh auf. — Ich ſehe, Andol
An meinem Hofe gern, dein We
1m Abelbext von Ehamiffo.
König, Rebe bır.
% es in unfeer Macht und billig üft,
Wird gerne dir bewilligt dein Begehr.
Andolofie. Wollt Urlaub mir gewähren, guäb'ger Herr,
Daß id) in fremde Sande zichen mag,
In ritterlichem Wandel meine Jugend
Zu fiben mm beginne, und der Spur
Des guten Vaters folge, den ihr lobt.
König. Du fprachit ein bill ges Wort, drum, ob mit Luft
Wir di an unſerm Hofe bielten, zeich.
Und mögen deine Thaten Cypern's Ruhm
Erhöhen, aber nicht dein Herz vergeſſen
Der Heimath, und zurüd dich balde Fit
Andolojia, Es rufen heimmwärts mich ein theurer Bruder
Die vaterländ'sche Exde, eure Huld.
Prinz. Von hinnen, Andoloſia, willt du zich'n?
Die Kunde zu vernehmen macht mir Schmerz.
Der ich zum Manne bald erwachſen till,
Gedachte nur allein von dir zu lernen,
Wie man * Lanze bricht, das Roß bezwingt,
Wie i mir Luft dich ben ſah und auch
(6, ziemt zu thun.
junger ‚Herr, am eure Gnaden
eu J Lanze
Und wundert Her wie leicht ein Spiel, das euch
Den Durft nad) befferw Thaten auch erwwedt.
Denn euer Arme No En Sa er start,
in Wir
<o Sott es geht.
W.
u Pamı Morgenbänmerumg. Die Malce
a m Eeutreuber Fb, rg
J
(Ser
fenefeiig, km auge RK fin Sa. Sl
yon jein Bolt. tom
am Mechjelgefang.) IR
Auf dem Waffer. Ausgefvannt das That der Wogen
ber Hoffnung Bahn;
Sterne am des Himmels Bogen,
Sterne auf dem feuchten Plan.
= Huf dem Feten, Selbft dem Grund der feiten Erden
It 05 weile nicht zu teau'ns
t uns, Mir werden
Unfrer Saaten Halme ſchau'n
Auf dem Waffer. Feſtes Land mit deinen Bergen
” Wirft du unferm Aug’ entlichn;
Dich im tiefe Fluth verbergen,
Stets der Himmel uns umgieh'n n
Auf dem Fejten. Schweifend durch die öde Weite,
Ber doch hielte da dem Wen;
[3 Selbſt oft an des Führers Seite
Fert ein Wandrer anf dem Steg.
12 Abelbert von Chamiſſo
Auf dem Waſſer. Schauet, dort im ftrengen Norden,
Jenes Sternes feſtes Bild;
Solch ein Führer ift uns worden,
Ewig eruft und ewig mild.
Auf dem Feſten, Wollt ungleichen Sanıpf begehen
Mit der Elemente Wuth
Rechten mit de3 Sturmes Wehen,
Nechten mit empdrter luth.
Auf dem Bafjer. In den Kampf auch freudig zichen 3
Wir, wie in die Männerfchladht;
Willen, daß dem Muth verliehen
Neber alles Wefen Macht
ah ei Dat
{age Amar, Yet mad, na 1 mo Gehein jene jene
Stimmen im Vohl. Gut — geb euch Gott,
eerr Mitter.
(&abofofin Bat ihnen anihend, ef vom Werbe bed Be ae
aelchut an dem Wilde des
alsbald in bie See mil SE — 5 "
Beficht in die Bruft des Probites.)
Sefang auf, bem ‚Schifje bie Entfermmg macht ihn balb
unvernedmfich, Das Lied verhallt m der Ferne).
Fernher, mus gehen So
ein Schat jo wunderbar.
Bei allein jetbft w
Und den“ Dt, ı wo
verad)
Wir begehren nur das Eine,
Wir begehren Ämmerdar,
Jumerdar auch will’s erſche
Ach! verſchwinden immerdar.
und Wunſchhatlein. 13
in Sondon. Eh
So —— in Ag BE
Ein fremder Ritter, Beendet ift das Feſt, es haben ſchon
Fin Fürſten ſich entfernt, und, —*
Aus weit men Landen gegen London,
Im freudgen zu leſen Ruhmes Ähren
Auf diefem ſonn gen Plane, ja vielleicht
‚Hervor aus leuchtenden Gewimmel funtelud
Den Blick zu Rau felkie ‚ber Bewunderten,
‚Der alle Liebe hulbigt, Agrippinens,
Mit Unmuth im getaufchten Aula —
Nun ſelber — verbunfelt, übe
Hoffnung
Ein Sweiter. Die Loft iſt ſtets
EEE
Nicht Anbolofin’s werd’ id) je
Und nicht der Spiele, welche |
% Der Zweite. Daß Er auch Hat den (
ne ergrimmt Aha Leichte
u Adelbert von Ehamifjo,
Graf Theodorus. Um zweiten
Beim erſten Anlauf bieltet ihr euch feit.
Der zweite Ritter, Beim dritten Nennen ward ich
bügellos,
Der Erfte. Bei welchem aber gegen Andolofia
Bar't ihr, Herr Graf, zur Erbe doch getragen.
«Der Grof entfernt fi.)
Der Zweite. Dir nannteft, was er eben nicht begehrt.
Der Erfte. Dom folgen Uebermuth und Neid fein Recht,
Fraäutſcher Nitter. Der Kanzler läßt uns auf ben
König warten.
Der erſte Nitter. Dasiftder uft'ge rafchgewandte Franke,
Der beim Turnier fein Schlechtes auch gethan.
Der Zweite. Zu welder Zeit erhalten wir denn Zutritt
Urlaub zu nehmen von der Königin,
Und biefer Erbe wunderſamen Blume?
And) den erfreut, der feiner Dame dient,
Das hohe Licht zu fan, der Alrftin Auttit
Der Erfte, Mitſammt dem König werden fie vielleicht
In diefem Saal erſcheinen. Nicht fünvahe
Um ſeinetwillen tamen edle Ritter
der Ferne her.
2 eignen Sof.
ii It gefiellt ı und holpricht feine Worte,
Der Trante Verzeibt, Die Sprache möcht" ich ihm nicht
_ tabelı
Die wäre, wahrlich! fetbt d
Ninaldo (Ein junger Nitter). Be, —
derfchmähen mei mit
be Hacken Br bar ern
Fein
mit Sicherheit mir das Bft
x nicht ein würd'ges, euer Roß
euch vom Arft/gen Stoß
er Gewalt allein des —
AH
Der — Rinaldo möge bes 16
‚Es ift ber Rappen viele Hum
® Rinaldo. Es fei, doch Mitter, wie id
Arch Inn’ge Diebe mn ich —
ſien das Herz auf
wandeln, Ritterruhm
Ü nicht den Neid, die Freude
ihr, ein Würdiger, much
it
Schicjal zu erfafien,
Thalen zu entleben.
—— Spuren ——
horret, was einft rieie
— ans des Nichtſeins Orte,
es lautlos annoch jchliefe-
—— Wort int durch des Ohres Pforte,
Icbt jein Sehen in des Buſens Schreine,
In Thaten find au's Licht erblühte Ber
Kr Scamen fhieht, was in des Tages Schen
Geblünet einft, das Neue zu gebähren,
Und — Er ber —— —
Ihren,
Hi an een exreife Feoher Saaten,
Nitterfinn unb Tugend fortgeroähren.
u en dauftt Engeland, ob jelber Thalen
Des eig nen Dantes Kleinod An ſich fehltenen,
Erd, Bali aus euch bie Frohen Keime traten
Auf Helmfchen Grunde herrlich einſt zu Tpriehen
Deutsche Litseratundonkmals Sr, 6455, e
18 Adelbert von Chamiffo, ya
Der Narr. Hör mal Papa, Id) habe ihn zwar eben fo
wenig verjtanben wie bu, aber er ſpricht doch gut,
dein Kanzler, und mich dunlt, dab er im vielen
Worten gejagt hat, was ohme die vielen Worte ganz
tlar geblieben wäre,
König. Schweig, Narr, was ſollen Die Beute benfen?
Der Narr. Ho Sol
Andolofta. Es Fänpft ihr Kampf bes Mannes Tugend
tool,
ma⸗
Gebahreud ih in wechſelnder Sejtaltung,
Sie giebt dem eignen Blumentelch Entfaltung
Und tritt Herfiir an Tagesſtrahlen prachtvoll.
Geordnet ward vom Waltenden bedachtvoll,
Daß fpielend fie bie Sant der Forterhaftung
Selbſt achtlos freue, duch bie Weltverwaltung,
Auf daß fie fpriehe, pfleget ihrer achtvoll.
Und nicht ift Dankes Engeland uns ſchuldig
Ob Saat entiprang des Spieles freud'ger Regung,
Wir wälzen ab von ums ihm ungeduldig
Dem Baltenden allein des Dantes Spendung,
Und ums vor allen ziemet die Erlegung
Denn unfrer Freude word bie Hohe Sendung.
Der Narr a, der kann es doch noch beſſer!
König. Stil!
Königin. Den edlen Franen habet ihr zum Nuhme
Gebrochen eure Langen, und es follen
Die edlen Frauen wohl des Danfes Bnme
Gebührlid euch und treuen Sinnes zollen.
Erfteltten ift fie eud) zum Cigenthume,
Bon euch fie weiſen durfet ihre nicht tollen.
Der ebfen Frauen Dank auf Englands Grunde
Empfanget, Ritter, aus der Mn’gin Munde.
Theodorug. Ob edlen Frauen wir zum Ruhme braden
Die Lanzen nah der alten frommen Sitte,
Doch Dantes nicht und Lohnes wegen ſtachen
|
iden ges
ſtceben raſch empor
rien zu ber Frauen Chor,
Die bang athmend ber ug Darren und des
Woffentanzes.
Wie die Blide ſich begegnen,
Wird der Spiele Luft geboren;
Strömen ans des Morgens Thoren 5
n und beregnen J
Ale die Dlüthen. - —*
Bewer,
ame
Oder weiße Lilien ſchimmern en Roſen fonft er
Alammet him
Da duch, fefterhellte Zimmer
Damen, Ritter, Herz am Deren,
Fliegen den Reigen.
eigen.
die Schranfen find aeihloffen,
Sin Me ee Wract Dr Harte.
E9 Abelben bon Chanie. mv.
BE en OT nee
er RT Sr un mehr be
uf,
Nehmt zum Dank das Angedenten an bie Freuden, die er
> Hfiunden,
Der fränfifche Ritter. Dank und Angebenfen fragen,
Herrin, wir aus dieſem Lande,
Die wir ſah'n auf frembem Straude 105
Solcher Schönheit Sonne tagen
Blendender Strahlen.
Rineldo, — ſtahlen
ercin, Mugen bie eud) Tuben;
es mi en, die cuch mahen,
Stummer Sehnſucht füher Qualen
Ewiglich harten!
Anbolojta. Herrin, nicht im Lanzengarten
=g die hartſten Kämpfe hatten
In ber Nächte ſtummem jatten
Bange ‚Kämpfe ihrer härrten,
Denen ihr nab'tet,
Ratr. Narren, Narren, Narren, Narrethei!
Sengt euch an gemafter Lichtflamm' arıne Fliegen frei.
Habt zum Dirt das Angedenten, Narrenſtreiche, bie 1
ihr thatelt.
auft davon.)
König. Genug! es haben uns die Spiele ſchr erfreut
Und ift ums jelber Teid, daß fie geendet heut.
vH.
Agrippina. Weh' der Miüce, da bie Spinne
Ihrer Nehe Füben ziehe,
Sumſend flengt fie Hin und ſiehet
Die Gefahr nicht, die ſich pinnt
[91
Fortunati Glüdjedel und Wunfhhütlein.
Weh dem Nitter, da der Minne
Fäden zieht mit ſchlauem Sinn
Eine Schöne, wohl darin
Unbefährbet, unbefangen,
Spielend ihn zur Luft zu fangen.
In die Nebe fleugt er hin.
Wurde do uns nur zum Spiele
Diefe Bogelart erichaifen,
Und wir üben unjre Waffen,
Uns ergögend, nach dem Biefe.
Beute unjrer Jagden, viele
Eingefperrt im Bauer müſſen
Für die flatternden uns büßen,
Die nicht ihre Freiheit gaben.
Einen folden Vogel Haben
Kann die Stunden uns verfüßen.
Und ein Recht ift dies Verfahren.
Gilt euch doch ber Stärke Recht,
gift ift unferem Gejchlecht
Stärke, müfjet ihr erfahren.
Drum ſich hüte vor Gefahren,
Und gehalten und beſcheiden
Wolle Spiel und Kampf vermeiden
Mit dem Feind der ſchwache Theil;
Jeder fucht das eigne Heil,
Feinde wir durch Luft und Leiden.
Kämpfe, Spiele, andre Namen;
Kampfipiel ift das Leben mur.
Alſo folg ich deiner Spur,
Tapfre Feindesihaar der Damen.
Und die Minne muß den Saamen
Bu den Rampfesipielen ftreuen,
Die mid Siegerin erfreuen,
3, ide nur euch ftellet muthig;
21
Adelbert don Chamiljo.
Leichter auf bem Felde blutig
Mag ber Sieg ſich euch erneuen.
Amme (hat die letten Worte gehört).
Siegesfuftig annoch heute,
Pflegeſt du des Uebermuthes,
Doc; es bringet nimmer gutes,
Einmal wirſt du noch Die Beute,
Agrippina. Alfo reden alte Leute!
Wiltfe du noch mic quälen, Närchen,
Mit der Wucht dev alten Märchen?
Fanget doch den Wogelfteller
Nicht der Vogel! freudger, heller
Blick ichs an, mein trautes Clärden.
Wulſt hu alt die Jugend fhugen,
WU ich ihrer jo genichen:
Doch bie Lehren laſſe fliehen,
Manches Wort kaun ich benupen,
Andre Narren ziehen Rutzen
Ron der Weisheit andrer Thoren, —
Weisheit, Ti Lange Ohren, —
Nur die find zu ehren;
Drum ergiehe Deine Lehren,
Nicht doch gehen fie verloren.
Amme. Magit du immer, theures Sind,
Unbefonnen mic verlachen,
Klugheit führt des Ulters Nachen,
Und die Jugend fahret blind.
Tag’ die Worte in den Mind,
Audre Tage werden Fommen,
Deine Scherze ſchlecht Dix frommen,
Und du meiner noch gebenfen.
Nicht lann ſolches Wort mic fränfen,
Wohl der Leg, ben du genommen,
Agrippina. Hört ich boch dich üfters fagen:
Alte Wege gehn zum Biel.
Ba8
tet
ee
jeben
wahrlich unerhört, Wie will er dns
SERHE ENDE
essset
En
——
—
“3
&
2
Adetbert von Ghamifie. Ta
Mit voller Freube nahm, mit halber mr ach meines.
Drum trafeit du ſehr — nicht rathe jo Gemeſues.
Rath. Ein ſchwieriger der Buntt ich finne hin und her
Und weiß; wicht aus und ein, drum gömmer mir,
a Hear,
Um nachzudenken Zeit. Ich felber unberatben,
Bir eurer Majeftät fürbab Geſcheites rathen?
König. So ſeid ihr, tluges Volk, wann eurer man bedarf,
Dann ſeht ihr fehief; wenn nicht, daun, Ja! dann
ſeht ihr scharf,
Ein ſchwieriger ber Buntt, das kann ich ſelber ſchauen;,
Doch endet deine Kunſt, jo geh ich zu den Frauen.
IA Au 08 ungern zwar, und ift e3 air fatal,
Doch muf; ich wohl es than, ich Habe micht Die Wahl.
Den, hab ich's doch im — —* will uud muß
Es läht mir feine Rub'. — * dem vorgen
Win
ter
Zreibt er das tolle Spiel, und lebt in Saus und
VBraus,
Ihn fichtet es wicht an, ihm gebt das Seid wicht aus,
ie lommt zur rechten Stunde.
Laß uns allein. 3 weiß, fie hilft mtr zu dem Funde.
(Der Rath ob, Die Königin tritt auf.)
— ‚Heil werde meinem Herrn!
IG danfe dir —
wie er es augerichtet
Köntgim. Jeh we jchon, es wurde mir. berichtet.
Könige — wer jo — Deren |
Das raubt mir
a Schlummer,
Du tannſt, du font, ich nie das Ding,
So dir mir da begmügft, derehir ich dir den Ming,
Du fichft, er iſt von Werth. Wem fan er denn
Was alles er werthut? Es lit j
Königin Rod weih ih's jelber u ha une
‚herrlich, feſtlichen Getag
ihr empfangen, edler Ritter,
Nichts gleicher eurer Pracht, wichts. eurem Muthe
Andolojia, Mein anäd'ges — vedet nicht im
— Mich quälet nicht Die Eoı J
Purpur eurer Lippen jolches Wort,
Verächtlich ift das Gold, wenn man es hat.
Agrippäina Gejeguen mödgt ihr euren Bater, dab
foldhem Hinterlab er euch erfreut,
Unbolofia. So reich als er gewefen, bin ich noch.
26
Abelbert von Ehamiffo ux.
Agrippina, Auch er durchzog sa Welt?
Andolojia. Doch andern Sinnes.
Agrippina. Wie Ritter, meint ihr das?
Andolofia. hr feente nur
Das frenbe Land zu ſchauen, umd bie Sitten
Der Völker zu erkennen, die er jah.
Der Arme kannte nicht ein andres Gluck
hm ward zu Theil der dürftige Genuß;
Befrledigt zog er heim von Diefer Erben.
Ein quälend unbegriffnes Schnen trich
Mich im die weite Welt, und ohne Raſt
Durch vieler Herren Höfe muhl ich zieh'n,
Und fort mich fehmen, weit und weiter zieht,
Und unbefriebigt ein verzehrend Durſten
Nach, Unbekannten tragen mit mir fort.
So fleugt ein muthig ungebändigt Roß
Den mitgetragnen Stachel, ber es treibt,
Want über Felder es den Lauf vollbringt.
Und alfo Tam ich an bes Künigs Hof
In Engeland. — lernt ich erſt nich fernen,
— ich, — und bie Welt.
1.4 n " Rebet weiter, Ritter.
Ich ſah euch, und ihr mühet mich verfteh'n.
Empfand, wie fi des Mannes Namen, Kraft,
Des Weibes Namen, Schönheit, offenbart.
Wie bon einander ewig angezogen,
Entgegen kämpft Kraft, entgegen blüht
Die Schönheit, und
Am ‚Biebeleben, welches ſie vern —*
Gelbſt das Rothſel mir zu ew gem Grauen,
Muß mein begrifnes ‚Sehnen mich, verzehren,
And nicht verflären bes Perfangens Hähren,
Das nur vermehren kann der Stern der Frauen
Straſend niit Zorn verwegenes 8
das Licht erfchien
Inder ee
Der Schranten umd der Feſſeln weiß zu —
Zorn auch ſtürme das Gewitter,
‚Liebefeben laſſe fühn uns frühnen,
Wi bat fo hart die Swanges-Macht geichlagen,
Nicht wollt, um was ich werbe, mir verjagen.
Agripppina. Wohl hold der Hang * Worte, edler
ter,
Die an aus eurem Munde mir ertömen;
ak der Saiten Klang der
ne bald verweht des Windes Aug
&s ift der Glaube füh, der loben bi
Agrippt —— Eh er N
rippina, men! en glü’n
SE ct be Ya, 16 pre
m Sarateiis, Ru den Muth die
— ina. Die Duelle nennet eune
fohnt mit reichen u:
Adelbert von Chamifie- mE
Berkündet werde weblbebachten Mulhes
Und freudereichen Herzens, Quell des Gutes.
(Anbolofia zleht ben Sedel hervor und wirft Gold in ihren Schon)
Arf dir mein Glaube, Werde mie bereuet,
Was reiche Liebe wohlberußt gehandelt. —
&o fang der Sonnen mildes dr mich Freuch,
In ihrem lange noch mein Bruder wandelt,
Wird biefes Goldes reicher Born erneuet,
Bon feiner nledern Sorge wir ummandeft.
Dies armſelige Gold jei dir werehret,
And mehr moch, und jo viel dein Her begehret.
X.
v war wal J Kahen⸗ Konigin.
Die hegte cu Kapen-Sim,
Verſtund gar wohl zu maufen,
Liebt koniglich au —
— Kapen-Natur.
Sa ja
Schlafe, weit en ichlafe du nur!
Die hatt " — Leib,
So jhlanf, ER u die Hände jo weich,
a ja!
Die Augen wie Sarfunteln,
Sie leuchtetem im Dunteln,
Ja h
Schlofe mein Mänschen, fhlafe du nur!
gfing lebt. zur. Bell,
Gr job die Kon’gin.mopl von weit,
da jal »
Adelbert von Chamuſſo.
AL
I Sammer Ip Inens am Mo: Ani
Aa pm ngeiee un Gonfeten Oetin Allee Di
gelegnt. Die Amme binnt am enter, wie Andotofia id) er-
muntert- tritt fie hinzu.)
Undolojia (gähnt, wacht auf, ſchauet um ſich und richtet ſich
auf) Huaa! — wo? — was? Wo ift Agrippina
hingefommen ?
Amme. Selb ihr, Mitter, wach geworben?
Wie jo feite fehlafen Könnt ihr!
Was ih geſtern auch mich milhte,
Euch zu werden war nicht möglich.
Ihrem Lager erſt entitiegen,
Meine Herrin zu dem König
Mußte eilen, da nicht etwa
Er erſchiene hier berjönlich;
Den daß euren Schlaf er jtöre,
Fand fie rathſam nicht noch nothig I
Anbolojio. Daß bu vergingeit, du alte KRuppferin,
warum haft du mich nicht geweckt? Mein Schlaf
ft nimmer jo hart geweſen, hätteft du mich m
ein wenig angerühet, jo wär ich erwacht.
Amme. Hab ich alles bar verjuchet,
Schutteln, Pfetfen. — Ungewöhnlid)
wohl folder Schlaf zu nennen,
O0 er mit gar merhbri ift.
Habt ihre doch mit taujend Kronen
Geſtern mich bejchenft gar hoͤchlich,
Hatt ich deſſen ſchon vergeſſen
Bär id wahrlich eine Thorin
Nein, ich war zu euren Dienften,
Wie air Pflicht iſt, angehöria.
‚Hätte gern auch euch ernumtert,
Doß end) jei die Racht ergöplich.
Aber ja, euch ſchien ein Be
Schlafen, als ein Slüc jo Föftlich.
— was fügte fie deun ?
Sie ward roth, und ward verlegen,
— euch — —
Dann ergeimmt ob
Nichts für ungut, Br — thlpiſch:
Wiederum mit guter Laune
Lobte fie end, zwar. ſehr höhrnſch;
Sagt’, es wär ihr gut —5 —
Uud der Vorfall wäre göttlich.
Legte dann ſich leiſe nieder,
Doch der Schlummer war geſthrt ihr.
— — Daß ich doppelter ah. 3
aber mein! was hatt’ id) dem getrunfen?
“ — Ob die green ihr verjchlafen,
Seib auch darum nicht unlroͤſtlich
Sic) zu harmen oder fluchen,
St zu Nichts 2 ift nur Möricht.
— — gehabet euch jo übel,
Was verborben, fan beſchhnigt
Werden noch, und euch zu bienen,
Vin ich jederzeit exbötig. *
Loſſet allen Summer fahren,
Gutes Mulhes jeid und Fakt,
Glaubt nr, die ich wohl jie kenne,
Auf mein Wort, Herr, ihr verfühnt fie,
Und ich wende fie zum Guten,
"Wbelbert von Chamifio.
Und ſie bleibet
Weüffet ferner um
And
Liebeshadern, Fri
Zieht vorüber ur verjährt fich.
Doch Dah wer euch Hier micht jche —
Kommet, Mitter, und vergönnt mir,
Daß ich euch von dannen Leite;
Deu der Leiste Mımd gar fehndd ift.
Aber werdet ihr geladen
Hier zum Andern und beröfligt,
Nütet beffer and) die Stunden,
Und verhaftet euch achörig.
Einer Sünden Angeventen
Iſt nicht, glanbet, unausloſchlich;
Aber wer zum ziveiten Fündigt,
Wie ihr —— ia, da möcht ih,
Selber jagen, es Hr Abel,
‚Sit vielleicht der Liebe tbbtich.
Und wer eines andern vathet
I an Troft wohl unerichbpilich-
Andolofia. Aber .
Amme. Kommt nur
Andoloſta. Aber
Amme. Kommi doch!
Bas ich ſage, gloubet wortlich
Sie führt ihn hinaue
Andol Weiß id) doc) richt, wie es zuging;
Und es bleibt mir umauflöstich,
Antme. Sagt ich euch doc, wie &8 zuging;
Mu ichs end beichtußren ſormlich
Aber Laffer euch nicht horen
Nicht ein Wort mehr, euch beſchwor ich, MM.)
*
Audoloſig tritt ach en Heftigen Schritt
a TE rakıra Sen
Eupoldus. Der König, gnad' Keß euch entbieten,
Er El urn ob rs ————
bei euch einnehmen. Dente noch.
atndotofin. wettet nicht anf.)
— Ber König, edler Der, ap eine Botfchaft
An euch nejendet, ex begehrt mit. euch
ſſen heute.
Zu fpel
Andolojia. Gut, ich lomme hin,
Zupolbus, — er, gnäb’ger Herr, er will bei euch,
Betöftigt
Anbolofia, "tun, jut, bereite denn
'ich Mahl, id laſſe dir die —
! mache Auftalt.
Supolbus.
S 2
‚bes Selbes. Denn es foftet viel.
en So * bir —
— ee en
(Supofdus ab.
aus · und Ne wirft ine ba
Des alfo War die Meinung, Agrip
Um Diebestohn, die ftolze Mörigst
Der heil gen Liebe hohe 8
— Sn —
Nicht ſchnodes Gold hoſt, faiſch
Bereicherub Dich afteln, o nein, es tere
Dein Frevel mir bes Herzens ca Ch
Daraus mir Glaube, Hoffnung, Leben,
— dhtern Telimneern fngt de
Anbricht die dunkle Winternacht, und
‚Deutsche Kutteratundenkumlo Nr,
Adelbert bon Chamiffe. 18
Erſtarrt von feinen Schauer, ein Vereinzelter,
Den trüben Blit mn ge ich in den tiefen Schoofi
Der Finfterni
Es Lehrte kuhn mich Köftlicheres verichmäh'n das Bold,
Das Raubgeword'ne deiner Trugkunft. Lügend did)
Entftiegen reichen Herzens Grund Traumbildungen,
Die waren lictrein, Die berüdten mir das Herz,
Daß gut id) war, gab über mid die Macht allein.
Ich reichte bir die Waffen, Raubneh, flochteſt du,
Mic zu umgarnen, jener Träume behren Glanz;
Und jelbit dev Lanzen Splitter, die zu deinen Ruhm
Dein Ritter brach, fie gaben ber perfiden Hand
Der in der Bruft arglojen Grund zu ſenkenden
Geſchoſfe Schaft.
Ob mir veröbet ift die Welt, die Freude hin,
And nimmer Hoffnung ſcheinet, bleibt mir dieſes doch,
‚Bu achten mic), daß ich ein Thor, ein Schlechter nicht
In meinen Wahn war, deſſen ich mich rligme reich,
Du aber bift an, Aprippina, ſoll ich dich,
Bellagen, dich verachten, wehe, weh! o ſchones Bild!
DO Schmerzens-stelh!
Ein anbres büftees Bild erwacht auch ängftigend;
Auch) dir zum Diebwarb, theurer Ampedo, mein Wahn,
Ad) dein das Stleinod, welches hinvarf meine Band.
Nicht dacht ben Lohn du theilen meiner raſchen Schuld.
Begonnen jei der Kampf um Gold, des Lebens Glanz
At doch erloſchen! — ſchaue, frechgemeines Weib,
Daf; wie bes Eruften, du bes Spielenden
Auch fiegen mögeft. Nicht in Siegesſchoh zu ruhn
ft weil‘, und höhmeft? warnend ruf ic): chre bi
Die Nenefis.
(Er geht nach der Thar und ruft)
Lupold!
(kritt auf), Was, gnäd "ger Herr, befehlet ihr?
Yubolofia. Es follen alle meine Diener ſich
In dieſem Saal verfammeln, ſchnell!
— im in feines Schud
— Nun ift der ——
ou nicht halten Tann,
Andstofte. Für mid) darf niemand a
Diener. —
und ſtehn bei.
Andolojia, — RI
Noch ſechs zehn Kronen, d
® Aubolofio. Dein PR — Lebt
Diener. Wo zieht ihr, Herr, wo richten
36 Abelbert von Chamifje. NIE xiu
Anbolofie. Iſt Gott mir —* ſuch ich ſelbſt euch auf
Nicht ohne Troſtung will ich von wandern.
Diener. Wir harren eurer Herr, in Brügt in Flandern,
Anboloſla an fich ich ger a — bie Schoar
XIH.
(Der Walaft zu
(Ampedo fipt ae A An a und rauchet aus
‚einer irdenen Pfeile.)
Ampedo (zu ben Leuten, jo ihm zufchanen).
Ihr lacht. Ein Sonderbares danket euch
Mein Kalumet, — nicht die geit ihn keunt,
Worin ich lebe. Gerne gbun ich euch,
D lacht, die feine Freude, aber wiht:
Es ift micht weiſe Ungewöhrtlices
Verlachen, weil es ungewohnt une lit;
In dleſem Puntte Hat dee Bruder Recht.
Ich eilte meiner Zeit voran, erfindend
Au eigner Luſt dies Kalamos. Es wird,
Sie nahet, fommen eine Zeit, da Rand)
Aus folhen Röhren nur allein mod) Luft
Der wohlgewohnten Menſchheit Dampfen wirb,
Bei ber das rege Ungethim erſtirbt.
Santt Lorenz! muß; bie Rebe, die zum Schup
Ich mir erſinne, nich das argſte foften
Das nur mic) au tann, das Feuer ift
Indeß mie ausgegang⸗ bleibt man doch,
Wie alt mar in ber Welt nur wird, ein Thor.
PAY ou el)
38 Abelbert von Ehamifie.
Ampedo (ehnt ſich erſchrocen an eine Stufe).
So! — Haft dit, Sale Ah
Verloren, oder wurde mit Gewalt
Er dir geraubt?
Andolofia. Ich Habe das Gebot
Des Vaters übergangen, ihn gezeigt
Dem Weibe, das ich liebte, doch ſobald
Ich deffen Kraft geoffenbaret, hat
Sie mich darum gebradit, jo jegt mic tummert. 10
Ampedo. So geht es wohl mit Recht, wenn in den Wind
Man treuer Eltern Warnung ſchlagt und ſelbſt
Ein großer Hans jein will; fich, hätteft du
‚Gefolget, wäre unfer Kleinod ba,
Und ich mit dir in gleichem Unglück nicht.
Andolofia. Ich weiß es
Anpedo. Lieber Bruder, laſſe die
Es nicht jo jehr zu Herzen gehen, denn
Wir haben noch elf Truhen voller Goldes,
Und noch das Hütlein, wenn bem König Soldan
Wir es anbieten, giebt ein großes Gut
Er ums dafür, und alfo, nicht gerechnet
Das gräflic, Schloß und Stabt zu Lorganub,
St uns genug ba, mb jo fang wir Teben,
Kit ums zu führen einen guten Stand, —
Drum laß ben Sedel fahren, freue dich!
Andolojia. Gewonnen Gut ift böfe zu verlaflen,
Dies mein Begehren: qieb das Hütfein mir,
Und ich getraue mir mit ihm den Sedel
Noch wieder zu erwerben.
Ampedo. Hm! mar fagt
Wer Gut verfiert, verliert and) ETW Vewahrt
Sid; doch an dir auch dieſer Spruchl Du haft
Uns um ben Sedel ſchon gebracht, und willit
Uns auch noch um das Hitlein bringen. Nein!
Ich loſſe dich es nimmermehr wegführen.
Erluftige dein Herz mit feinen Spiele
Um unfre Wohnung, gerne ſei's gegönnt.
Da Freude dur
Ampedo. Vergeſſen und — mu Freude jebt.
Andofojia. Drum vom dem Freunde a wie lebt
Ampebo. Erfreut von Gott mit Bene: Geſundheit.
Er ſtets zu und.
Antpedo (holt das Hütlein aus einem Schrein hervor).
Mir nimm‘ es.
Freude
Andolojia (ent das Hitlein auf).
Noch Venedig!
(Wird buch bie Luft entführt.)
Ampebo (beftürgt hinſchauend, wo er geft
(Bann geht or nad) dem Fenſter zu dem | Banceug) A
heut’ mein Ralamos zeubrochen,
Sau ‚ein andres wählen und Ban
+ “.
XV
(Bmd —5 Gewolt ber — Bat zu Bea), 5 am
1. — — und fie will die
Bir find gefchlag'ne Leute, gehn
Adelbert von Chamiſſo.
Sie muB fie nehmen, muß gezwungen
Wenn noch Bere t ift in der Welt,
Sie bat fie ja
2. Raufherr.
Und eine Kaiſerin?
4. Kaufberr. So möge denn
Bur Stunde fie der Teufel boblen, ſammt
Was im Gewolb nur iſt von gutem Werth.
2. Kaufherr. Die Rede ift ja jündlich, ſchweig
(Mndolofie tritt auf, von einem Diener gefäfet;)
Diener. ‚Dier, Herr,
Hier findet ihr das Köſtlichſte der Axt,
Das nur Venedig aufzuweiſen bat. (Mb.)
Andolofia. Zeigt Evetfteine mir und Damenfehnud.
1. Kaufberr. Euch Edelfteine?
AUnbolojia. Da.
1. Kaufberr. Bon welcher Art?
Audolofia. Das thenerfte an Preis.
1. Kaufberr. Das wollt ihr faufen?
Andolofta. Das will ich kaufen, wenn es mir gefällt. 15
B% — r. Den Halsſchmucknebſt den Spangen bier, ettiva?
Kaiſerin, die fie beſtellet hat,
nten fie zu fojtbar.
ofia (minumt fie in bie Yanb),
— Sagt den Preis,
1. Kaufherr. Zweihundert Unzen feinen Golbes.
Andolojia. Wohl.
Zeigt mehr.
1. taufhere (öffnet
Und andre zu
Die find bere
42 Adelbert von Chamiffo.
Andotofia. Das wirb fi) alles finden.
Agripping (cheeiend).
D gieb mir Hunde, welcher Ort ift dies?
Wie famen wir dahin ?
Anbolofia. Nur fachte, jachte,
Ich bin wicht taub, ich kann jet wieder hören.
Bir find Gier unter einem Apfelbaum
Und kamen raſch.
Agrippina. O heil'ge Mutter Gottes!
Es raubet alle Kräfte mie die Ungft.
Anbolofia. Du ſollſt dich faſſen mb mein Wort ver- 10
nehmen.
Agrippine. Es brennet hier der Sonne Strahl jo heiß!
Und Durſt umd Müdigkeit, ich bin fo ſchwach
D gäbft dur mir der Hepfel einen, daß
Ich mic erlaben möchte,
Anbolofia. Wohl, ich wills.
9— habe Zeit, es ſoll die Frucht dich laben,
Indeß verwahre bie Juwelen du,
Ich muß den Baum erklettern, da, Das Hütlein.
68 ihliget gegen Sonnenhitze dich
Es wirde durch die Zacken nur mid) hindern.
er bat iht bie Meiwode in ben und das dutlein au
eu Ya I of geſeb. Er Teen ben Sun), i
ke D wär ich nur daheim in meiner Kammer! =
(Das Hitlein entführt fie famt den Meinodien und dem Gfüds-
jedel an ihrem Gfirtel.)
Andolofin (auf dem Bann, führt fort, ohne aufgemexft zu
haben, er wirft Wepfel herab):
Da haft du Aepfel. Iß nar die mit Frieden.
Ein andres Wort, ein ernftes, ſollſt du bald
Aus meinem Munde hören, — Denn die Beit
= nunmehr Fommen, und Die Rache reif,
Andolofia's Macht bift du ae:
Du, Schlange, dunfteft wohl mit fredhem Mu
An arger Ranken Seilen ſeſt mic binden,
‚ Gifrbeteunfnen
Und reich dich rühmen von qeranbten Gute
ö i ie Bruft mit Übermuthe,
ft die Sinne ſchwinden,
Sonne rubte.
meinen Händen,
kam ih nun das Haupt der Schlange.
entflohnen Siege magft dur ftaunen,
Der Soufleur (liftert ihm zu und wieberhoit immer Tauter),
Es freut... Es —— Es freut die
MM...
Aunbolofia wi , fo firede b
Seen ac 18 ame De Bulle au at Ws
Es frent die Jungfrau ſchnell ihr Rad zu wenden,
unerwartet jähen Uebergange 17
Verherrlichet Fortuna ihre Launen.
XVIL. BE
Anbotofia.keaft 6, anf. Ein Kut fingt I dem Wiplel
des Baumes).
Die Baume ſluch ih, fluche ti
Des Hurenfohnes morſchen
Gepflanzt dich hat inmitte
Mitfammt der Hahnereien
‚Die je gefoftet oder foften
, welcher deit
44 Abelbert von Chamiſſo. iv
Und Fluch der tückenſchwang'ren Stunde der Geburt, 10
Wo freudig mich die Eltern grüßten, unbewußt
Der Gegenwart geworb’nen Zukunft, welde nun
Auf mir mit Mordwucht bfeiern laſtend ſchrecklich
ruht.
O Vater, deines Bettes ſei die Luſt verflucht,
Der meines grauenvollen Dafeins fiel die Schuld,
Und daß fie Gift nicht ward, die Er der Mutter-
bruft.
O Hätteft du mich, grimm'ger Tod, gewürget dann,
Bevor noch diefer Stunde fommen Noth und Ungft!
Verflucht der Tag, die Stunde, da zum erften Mal
Ich dich gejehen, mir entſponnen jolhe Schmad. ®
D Agrippina, falſches Herz, Hinfort nun mag
Die, freun der öftliche Velig, der Toppelfchap,
Und dic, Unholdin, ihre Mutter alt und farg.
Mein Ampebo, mein Bruder, der geliebt du warſt
Bor allen meinem Herzen, Ynnt an biefen Plap 2
Dich) meine Mordgier bannen, ſchnell mit eigner Hand
Die, würgen wollt id), jelber mich erhenfen dann,
Und Hohn im Selbftmord grinzen, daß des Seckels
Kraft
Aufhöre und in ihrer Hand verfieg der Schaf.
D Schidjal, Schiejat, böfes, fehlugft bu mich jo Hart, o
Daß härter mic) zu Schlagen, du die Macht bir
brachſt!
Nichts, ſiehe, Nichts iſt, das annoch ich fürchten kann.
Verzweiflung durdhzuct meine Seele [hwvarz und falt.
Ich will mich faſſen, will es, feit fein, fein ein
Mann,
Mein Haupt behelmen, meine Bruſt umziehn mit s
Stahl.
(Er geht Heftig umher und fpeift in Gedanfen zwei ber Wepfel
des Baunıes, die er von der Erde aufnimmt. — zugleich wadjfen
ihm an der Stirne zwei mächtige Hörner, deren Schein ihn
nachher beunruhigt, er et ‚mer den Kopf, um banadı
zu fehen,
x gortunati Giuchedet und Wunſchhatlein. 45
Um meine Stirne ziehen düſtre Schatten fich,
Dem Aug entweichend, wenn id; ſcharf fie ſchauen
will. —
Sind böfe Spiele der Gedanken. ern von mir!
(eine Seit darauf im Wahne, er habe das Wunfchhütfein)
Nach Famagufta! — Wehe! grauenvoll! du ſprichſt
Im Bahnfinn. Selbft zericellet Haft du eben iht
Des Baterhaufes Pfeiler, und anrufen willſt
Verſcherztes Glück du, welches nie rüdfehren wird.
Verſchwinde, arges Dunkel, oder fteh dem Blid.
Nur Hohngeftaltung eig’nen finſtern Sinnes fliehit
Und fehreft du verfofgend ftet3 zurüd, und nicht
Die Ruhe gönnft du, die ic) mir erzwingen will.
Mic ſchrecket leeres Scheinen er bin ein furchtfam
ind
Ich denn geworben? wie jo wüft und leer um mich
Die Fläche diejes üben Landes fich ergießt!
Unaufgehalten überjchwebet fie der Bid.
Die todte Einfamfeit ift furchtbar, ihr erftirbt
Ob kühn, der Traum der Rettung und der Muth
erliegt.
Nichts lebt, e3 regt fein ſcheuer Laut ſich, einzig fingt,
Verhaßter als das Schweigen, der Kudud fein Lied. —
Du würdeſt nie mehr fingen, wenn ic) nur dic fing!
Wirſt du denn, Plagefchatten, mit dem Luftgen Krieg
Ermüden nie, beftürmend meinen franten Sinn?
Du wirft dod) wie dem Auge dich der Hand entziehn?
(Er greift darnadı, fühlt bie Hörner und erfchridt)
DO weh mir! — Nein, verfachen muß; ich jelber mich,
Es war mir —
(er faßt bie Hörner an)
nein! ad) Hörner find es ganz gewiß.
(er verfucht fie abzureißen)
Verwünſchter Mißwachs, Fluch und Tod! fein
Mittel wird
Mic, deiner zu erlöfen heifen! ftofen, zieh'n. —
Dir ift, wie Wachathums Schnelle, Feftigfeit verlieh'n.
46
Abelbert von Chamiſſo. xvu
- Mir ſelbſt zum Abſcheu worden, nun ein ſcheues Thier,
Zu denen ich mich jehnte, Menjchen muß ich fliehn. 65
D Sceufal, Agrippina, faljche Zauberin,
Die doch ich nicht gefreiet, aber mir verlieh
Dies Ungebenten, Rache, Rache über dich!
Es möge deiner ftolzen Schönheit folder Schimpf
Zur Krone werden, Edel vor dem eignen Bid m
Bu flieh'n dich treiben, aber welche du beftridt
Mit Hohn dich ängften, bis in’s Grab du dich ver-
birgft.
IH renne mit dem Kopf den Baum an, ob Getvinn
Es mir wohl bringet, und das Schandbing doch
zerbricht.
(Er verſucht e8)
Nichts — Wieder nichts, o Hölle, Wuth! wie feit 7
es figt!
(Er rennt noch einmal)
So brich! o weh’! das that mir hölliſch weh!
Nicht anders war's, als ob die Seele mir
Zerkracht im Leibe wäre; de3 genug,
Ich will geduldig tragen umd ertragen.
€3 Hat der Zorn ſich mir gefühlt, und anders 60
Erſcheinen mir die Dinge; nun fürwahr,
Von Ritter, der ich hieß, bin Fürjt ich worden:
Mic, freut der liebenswürd’ge Schmud der Krone.
Ih fpiele eine Luftige Figur!
Das fiehet, traun! um vieles befjer aus s
Als der verdammte alte Filz, der fo
Gefällig eilend über Hals und Kopf
Mich Hergepflanzt, und jollt id) an ben Galgen
Mic, Heute wünjchen, ſammt dem Hörnerpaar
Blieb ich doch figen, hier auf grünen Matten, ”
Im duftgen ee, wie die Poeten rühmen,
Für meiner Klugheit Streiche bin id) fidher,
Und was des Sedels ift, den fann ich miffen.
Mit diefem Hanpiſchmug angethan, da hat
Es feine Noth. — Ein Goldquell werd ic) ſelbſt mir. 9
XVILXVOL) Sortunati Glücjedel und Bunjchgütlein. 47
Ich ziehe, wo nur Menjchen find, umher
Und Iafie mich für Geld beihaun — wohlan!
Ei Leute! Leute! will fein Hurenkind
Sich bliden laſſen, das der erite jei?
100 Es ift doch aller Dinge Anfang ſchwer!
Ich bin mit meinen Hörnern hier zu Land
Und meiner guten Laune ganz allein.
Ein König diefer Erden. — König? — ei
So will ich auch mich freuen föniglich,
105 Und önigliches Leben führen. — wohl!
Zu gutem Anfang leg ich Hier mich {hlafen.
(Er legt fic) nieder)
Ja ja! — — — —
Ja ja!— — ſchlafe du nur. — Wie ging es doch?
Schlafe du nur, ſchlafe du nur.
(Er ſchlummert ein.)
(Saiten tönen hinter — — ſpriugt auf. Der
Andolofia. D füßer Ton der — den
uo Nicht gier'gen Ohres noch zu trinken ich
Gedachte, güt’ger Gott! o Freuden-Wahnfinn !
XVII.
Gefang. Der Klee, die grünen Matten
Inmitten dem öden Sand,
Der Apfelbäume Schatten —
Auf Erden fein anderes Land!
5 Und mögen dem trügfichen Winfen
Gehorchen der Meeresfey
Die Erdenföhne, und ſinken
In Sturmes-Drang mit Gejchrei.
Entwandt den Eitelfeiten
1 Hat fi mein jehnendes Herz.
Bon gottgeweihten Saiten
Der Klang ftrebt himmelwärts.
Adelbert von Chamiſſo wir
+ Mir ſelbſt zum Abjchen worben, nun ein ſcheues Thier,
Bu denen ich mich jehnte, Menſchen muß ich fliehn. —
D Sceufal, Agrippina, ſalſche Zauberin,
Die doc) ich nicht gefreiet, aber mir verlieh
Dies Angedenlen, Rache, Rache über dich!
Es möge deiner ftolgen Schönheit ſolcher Schimpf
Zur Some werben, Edel vor bem eignen Bilb 70 |
Zu jlieh'n dich treiben, aber welche du beſtridt
Mit Hohn dic) ängiten, bis in's ei du did) ver-
birgſt.
Ich renne mit dem Kopf den Baum an, ob Gewinn
Es mir wohl bringet, und das Schandding doch
jerbricht.
(Er verſucht ee
Nichts — Wieder nichts, o Hölle, Wuth! wie feſt 7
es fit!
(Er rennt noch einmal
Sp brich! o weh)! das that mir hölliſch weh!
Nicht anders war's, als ob die Seele mir
Zertracht im Leibe wäre; des genug,
Ich will geduldig tragen und ertragen.
Es Hat der Zorn fid) mir gefühlt, und anders *
Erſchelnen mir die Dinge; nun fünvahr,
Ron Ritter, dev ich hieß, bin Fürft id) worden:
Mic; frent dev liebenswuͤrd'ge Schmuck der Krone.
Ich fpiele eine luſtige Figur!
Das fiehet, traum! um vieles. beſſer aus
Als der verdammte alte Filz, dev fo
Sefällig eilend über ‚Hals und Stopf
Dich Hergepflanzt, und follt ic) an den Galgen
Mic heute wünſchen, ſaumt dem Hörnerpaar
Blieb id) doch ſihen, hier auf geünen Matten, ”
In duftgen Klee, wie die Voelen rühmen,
Für meiner Stlugdeit Streiche bin ich fidher,
Und was dos Sedels ift, den dann ich miflen.
Mit biefem Hauptſchmuct ethan, da bat
Es keine Roth. — Ein Goldquell werd ich jelbit mir. 9
Adelbert von Ehamifo. [RYI. XIX.
Und wie ber Klang aufftrebet
it, ibm mein Herze geiellt;
Auf tönenden Schwingen es hebet
Sic; liebend zum Sternengelt.
Der Gottheit Sehnfuchtsnugen,
Der Sterne mahnender Chor,
Sie bliden, und tönen, und ſaugen,
Den dimftenden Athem empor.
Genefung der irdiſchen Qualen,
Gewährung der Sehnſucht, mur dort;
Dort aller Verheihungen Zahlen,
Dort meiner Schnfucht Ort.
Der Mer, die genen Matten
Inmilten dem Öben Sanb,
Der Apfelbäume Schatten —
Auf Erden fein anderes Land.
XIX,
(Ein Exemit mit Seueifig und, a) tritt auf, ein Saiten
fpiel im Händen haltend.)
Undolofin (auf den Bruder zueilend).
Co du vom Weibe Gift gezeugt, ein. Menfch,
Bei deiner Wutter Bruft beichtdr ich dich,
D übe du Erbarmung gegen mid).
Eremit. D armer Menfch, wer hat Did; hergebracht,
Und was in biefer Wilbnif ſucheſt bu?
Andolofim. Ich kam... ich ſuche .. — fronmer
Bruder, nicht
So ſeltſam fraget mich — Nur Hülfe ſchafft,
Daß zu den Menfchen ich mich vetten Tann.
Und euch beſchwerlich werd id) nimmer mod).
Eremit. Ju dreißig Jahren feinen Menſchen hie
2X.) Fortunati Gtüdjedel und Wunſchhütlein. 49
Geſehen hab ich noch gehört, und wollte
Geblieben wärft auch du von diefer Wüfte.
Andoloſia. Mic reut es, daß ich jemals fie betrat.
Eremit. Doc rede du, o Sohn, wofern id kann
Dir dienen, bin ich willig «8 zu thun.
Andolofia. Ein Becher Weines, lieber Bruder — ad!
Ich Habe, eh’ du fameft, ſchlechtbedacht
Bu ſchonen meine Bruft, dem Baume da
Gar manches anzureden mich bemüht,
O fühle meinen Durft, erquide mich,
In deine Zelle nimm mich gaſtlich auf.
Eremit. Mein Haus ift biefer Raum, des Himmels
Wölbung
Der Tempel meiner Andacht vor dem Herrn,
Und Speif’ und Trank empfang ih nur allein
Bon diefen Bäumen. OD mein theurer Sohn,
Die Koft, die mich erhaltet, theile du,
Nicht Wein noch anders kann ich dar dir reichen.
Andolofia. Hm! — Sage Bruder mir, wie fomm ich nun
Aus diefer Wüſtenei, dem Unglüdsboden,
Bu zahmen Menſchen meines Gleichen hin?
Eremit. Fern, über diefen Sand, am Horizont,
Erjhauft du jenen blauen en
Anbdolofia.
Eremit. Ein waldbewachſenes Gebürg m oil;
Und Hinter dem im Thale wohnen Menfchen.
Andolofia. Was aber, frommer Bruder, Ichre mich,
Bas mit den Hörnern, die in deinem Haus
So elegant ſich meiner Stien amvucjjen
Und raid}, daß deffen ich mich nicht derſah
Iſt mir nun anzuftellen? Menſchen — gut.
Meerwunder aber anzujehen muß
Ich ihnen alfo jein, ich möcht" e3 meiden.
Eremit. (pilüdt und reicht ihm zwei Aepfel vom andern Baume.)
Nimm hin und if. Von jenes Baumes Frucht,
Die du gewiß gefoftet, ift allein
Dir ſolches wiederfahren, dieſe hier
Deutsche Litteraturdenkmale Nr. 54155. 4
50 Adelbert von Chamiffo. (IE.
Hegt eine andre Tugend und man barf “
In gleicher Anzahl beide nur genießen.
Andolofia. Wie, Henker! kommt das Obſt an dieſes Lafter?
(Ex verzehrt die Aepfel, indem er ſtets nach feinen Hörnern fühlt,
er freut fich, wie fie immer fürzer werben und zulegt ganz ber-
jchwinden)
Eremit. Wie ſtolzen Wahnes Weiſe ſich geberden,
Die Urkraft höhnet bildend ihrer Träume.
Deß Wort die Himmel ſchaffend rief, die Erden,
Und was erfaffen aller Welten Räume,
Der ließ an Tugend wunderbar auch werden
Auf hiej’ger Sandung diefe beiden Bäume
Und nirgends andre noch von ihres Gleichen
So fern und weit de3 Erdreichs Örenzen reichen. 55
Andolofia. Nicht zürne mir, o guter Bruder, daß
Nicht fragend, ob du mir die Frucht erlaubeft
Bon deinem Hörnerbaum ich Acpfel fpeifte.
Ich twuhte wahrlich nicht dein Cigenthum,
Und fonnte nicht vermuthen auch, daß wer “
In dieſer Dafis Beſitzer war.
Vergieb den Fehl mir, guter Bruder, und
Sei herzlich auch gedankt, daß du jo mild
Bereit warſt alle Spuren zu vertilgen,
So an die Stirne mir geihrieben hatte 6
Verrätheriſch die Frucht — ja, thue mehr,
Erlaube du, o guter, lieber Bruder,
Erlaube du mir, — wüßteſt du wie gut
Ich ſolche anzubringen nun gedenfe
Geiprochnes Wort auch Löfend, o 0
Erlaube du mir, daf ich pflücen darf
Und mit mir nehmen des foftbaren Obſtes
Nur wen'ge Stüde, theurer, lieber Bruder
Nicht hart, nicht graufam fei, es gilt mein Leben.
Eremit. O theurer Sohn, wonad) dein Herz ſich wende, 75
Das nimm, du brauchit mich nicht darum zu bitten;
Den Erdenfindern allen Gottes Spende,
&
zIX.] Fortunati Glückſeckel und Wunſchhütlein. 51
Nicht eignes mir in dieſes Gartens Mitten;
Mein Eine Seele, kann ich in die Hände
” Des Herrn fie geben, hab ih gut geitritten.
Zu meinem Schöpfer die Gedanken flammen
Nicht Irdſches Hegen jolle mid verdammen.
Ich kann an dir wohl merfen, daß umfangen
Dein Sinn und Herz von eitel irdſchem Gleißen;
s Vergänglices wur heget bein Verlangen,
Entfernt des Ewigen dich zu befleißen;
Es gleicht dem Irrlicht, nicht es zu erlangen
Wirſt du dem Wahren frevelnd dich entreißen.
O theurer Sohn, du fröhneſt der Vernichtung,
no Abtrünnig deiner Seelen Urverpflichtung!
O hätteſt du getrunken aus dem Bronnen
Aus dem lebendige Gewäſſer quilten ;
Der Wunden Schmerzen in des Himmels Wonnen
Bu fehren, und den ew'gen Durft zu ftillen;
» Da wäre Freiheit dir und Heil gewonnen,
Mitwollend ruhigffar des Schöpfers Willen ;
Auf Feljen feit gegründet deine Wohnung,
In Herzens Frieden wahrend die Belohnung.
Zum Kampf denn! woll aus deinem Herzen ſchlagen
100 Ein eitles Treiben, das das Licht beleidigt;
Unfrieden fühnt der Kampf, Sieg wirt du tragen,
O6 fid) im Zorn das Ungethüm verteidigt;
Der Streiter Schiem, das hohe Kreuz fich' ragen,
Bei der Geburt auch du warft ihm beeidigt.
105 O theurer Sohn, nicht zu beſtreiten trachte
Die Vorfiht, die an diejen Ort dich brachte.
Andolojia. Nicht kann ein wohlgemeintes Wort dir
frommen,
O heilger Mann, auf Feljengrund zu jäen.
Ich weiß, wie ich an diejen Ort gekommen,
10 Den Kampf, in den des Herzens Flammen wehen,
Augftreiten muß ich, hab’ ich unternommen,
Abelbert von Chamiſſo XIX. xx
Und ſollt' ich jelber aud zu Grunde geben,
Der Kampf ift Leben — ſoll ich einft erwerben,
Verblaft mein Treiben, muß ich dumpf erſterben.
Geſflligelt Wort, du nannteft mein Verhängniß!
Es reift, ich fühl’s, hinab mich unaufhaltiant.
Du Bruder riefft das Wort aus dem Gefängiiß
Das jelbit ich zu erbredhen war enthaltjaut.
Eremit. O Men, der Leidenſchaften Schmachbeorängnif;
Dies Schichal ſpinnſt du jelber dir gewaltjam. 120
Andolojia. Auch alfo. — Doch nad) London muf ich eilen
Den Boden nenne mir, wo wir beriveilen.
Eremit. Hibernia
Andolofin. D Fluch! wie lang noch ſchweiſen
Durch Land und Meer bis ich bas Fiel exit habe. —
Zum erften Nächjten! — Fur dem blauen Streifen, 125
Den Bergen dort. — Div Dant der hohen Gabe
DO frommer Bender, und, ob nicht ergreifen
Es mic, gefonnt, bes Wortes. — Bis zum Grabe
Mit dir der Frieden Gottes und fein Segen.
Eremit. Des Himmels Gnade feuchte deinen Wegen. 130
XX.
Wildniß. Waldhewa hſene Rippen a Meeres Ufer, Andoloſio
fept Agriobnam nleber.)
Agrippina. Was ift mit mir boch geworben!
Weh mir! welcher Ort!
Anbolofia. Vollbracht mn!
Agrippina. Welche ſchauervolle Wilbuif!
Anbolofia. Abgemworfen bie Verfappung!
(wirft he Doftorfleib, ſatſches Haar ab falf Pat ab, das
Ye He nn ‚ Früßen S i
Agrippina. eh mir! Andolofia! weh *
Anbofofin. Ja, du ſtehſt in feiner Macht nun.
(geht mit entblöfiten Meffer anf fie zu.)
Agrippina. Zudft ben Dolch du mich zu morden?
Wed mir, weh mir! hin mich raffft du
w v
are nln Man a dub {ae Seel m rn Or)
Ben;
Und Vergeltung folt bir werben
Der an mir verübten Handlung.
I a ac geftvenger Ritter!
‚gen Rath weiß zu entipinmen
Und zu mifhen Gift und Schlaftrunt.
Wären and) bie hier — der Scart,
Siehe, ruht am alter Statt mın —
Agrippina. Git’ger =
Andolojia, (8, Agrippim
Darhte doch bein Be dafs du
Ahſo grofie Untren übteft
Gegen mich, der ich fo ganz nur
Treuer Liebe hingegebeit,
Lebte in ber Trugumgarnung.
mic) geftärgt in Stampffturm
teudig-ftart, tie im Turniere
Ruhm ich Langen brach und
ward in jeden Strauße,
ot eines Traums Umarnumg.
Adelbert vor Chamifo,
Welches Herzens Ygripplita
Konnteſt du mit fofches authun,
Mir dem männlich guten Ritter
Sole schmählihe Verhandlung:
Faſchingſpiel mit mie die triebeſt
Gierig frohnend niedrer Habjircht,
Meines Herzens Blut dir ſaugteſt
Und verftieheft mich in Memuth;
Meiste ſchier mich dann zum Selbitmord
Der Verzweiflung geaufer Anfturm,
Hatteſt Hohn du, feinen Mitleid:
Eine Zehrung auf bie Wantrung —
Unverloren jieh die Gabe —
Diefe Minze bier mir gabſt du.
Hin die Gabe nimm zur Stunde
Nirmm die rechtliche Erftattung.
Und gedenf gerechten Urtheile
Sprich den Spruch der Selbfiverbammung.
(Er wirft ihr den Falfchen Seckel zu.)
Agelppina. HUF mir Himmel! ach bes Blices
Unheilichwangre Zornentſlammung!
Andolofia. Weh mir, weh dir, daß bem beiten
Ernſt du argen Herzens abſchwurſt.
9, du Haft mich herb gefchlagen!
Mir yerfchellt von jäher Spaltung
Sant ber Himmel, bem ich traute,
Und verftoßen zu dem Abgrund
Muß mit Grauſen ich nun Haufen
Unter ew'ger Nachtumſponnung.
Liebeswort ijt Nebellappe,
Duntelſchleichend ſinnt Verrath mr,
Sinnt Verrath um ichnöbes Gold die
Tochter Ariglicher Abkunft.
Meicher Glaube, fefte Liehe,
Tlammen himmliſcher Abſtammung,
Strebet zu bes Himmels Sternen!
Dies auf Erden eure Zahlung!
x]
Fortunati Gfüdfedel und Wunfchhätlein.
Was doch haucht die raſchen Worte
Thörigt meines Bufens Wallung!
Leere Schallen, fie verhallen,
Nicht doch fie verftehen kannſt du.
Mgrippina. Weh mir! das noch! harte Erde
Bift auch taub du meinem Angitruf,
Willſt hinab denn mich zu ziehen
Reißen feinen tiefen Spalt du?
Liebesringen, Höllenflammen
Veh! im Zorne furchtbar nahſt du
Nichter der gerechten Rache,
Gott des Himmels! weh mir, Schmach num,
Schmach gerecht von ihm nun trinfen
Und den Becher der Beratung!
Nitter, Ritter! könnte feuchten
Meiner Schmerzen Offenbarung!
Andolojia. Nein, zu friihen Angedenkens
Sind die Thaten, und die Langmuth
Bricht die Saft der müßgen Worte,
Spare deiner Kunſt Entfaltung.
Sieh, die Stunde jchlägt, die Rache
Schwingt ſich auf, es wird die Schapung
Ausgezollt gehäufter Schulden.
BWeih ich doch, gefühlt der Rachdurſt
Erſt des Buſens, finft mein Leben
Mang- und farblos in Ummachtung
Zumpf hin müden, müß'gen Schleihens
Big der Tod mir reicht den Labtruuk.
5 Agrippina. Und dein Wort macht mid) ergraufen!
Eigner Tugend jei bedacht mur,
Nicht ein Schredliches beginne,
Nicht die dunfle That der Rachſucht.
Wehrlos fieh ein Weib zu deinen
Füßen weinen, fich der Waldung
Wilde Nacht um uns fich ziehen,
Dich zum Zeugen deiner That nur;
Andolofia, Ritter, denke
55
Adelbert von Ehamilio.
Eigen Hochgefülhls Bewahrung:
amd nicht leg am die Gefangne
ländige mit mächt'ger Faſſang
Beinen Zorn, in deinen von
Meines Yeib’s und Ehr Erhaltung.
Undolojia. Meiner, ja, till ich bedacht fein
Unb es wurgelt bie Ermahnung
Burg um Leib und Ehre jet die
Nitterliches Wort. Doch abthun
Kann ich nimmer mid) des Zornes
Nicht berüdit du mich zur Sanftmuth.
Trägft du meiner noch ein Beichen,
Nimmt wohl jolches mit ins Grab du:
Wie befränger deine Schönheit
Doch der Stimme nener Hanzichmud,
Wohl dem Monde nur vergleichbar,
Mit der Hörner ftoßzer Pilanzung.
Agrippina. (fühlt nach RT an ihrer Stirne und er-
Weh, dem Schreden ich gebändigt,
Dachte nicht der Schmachgeftaltung !
YAndo Tofia!
Andolofia. Agribpina!
Agrippina. In der gränfigen Verwandlung...
Anbolofia. Lebe firder nöch nach Herzen
Und nach Bold die upp'ge Yagdluft,
Agrippina. Wär ich, Gott, der Hörner ledig
Bei dem Vater in der Stadtburg!
(Anbolofia bei dem Worte beſiunt fid des EN das bei
grippina zur Erde fient, er jan hinzu, fie bemert bie Ber
wedung und greift mac) — Andoloſia iſt ihr yunor-
getomm
fin. Weh mie Toren!
Wel
xx Fortunati Gfüdfedel und Wunſchhutlein. 57
Wäre nicht mein Eid, du müßteft
Strads mir büßen die Anwandlung.
(Er rüftet fich zur Abfahrt und will das Hütlein aufiegen.)
145 Agrippina. Ritter, Ritter, jeid barmherzig!
Muß ic, fremd der Menſchen Gattung,
Mit dem Wild an wüſtem Orte
Haufen Hier in rauher Waldiuft,
Mic der Hungerstob erichleichen?
180 Sie doc willen ihre Nahrung; R
Schaut zu der Verzweiflung Thränen,
Die find meine einzige Labung.
Andolofia. Bild der mir entſchwundnen Liebe
Laß von ſolchen Worten ab nur.
1 Denn es trauert meine Seele
Und mein Herz finkt in Ermattung.
Mitleid muß ich doch dir zollen
Und mic) rührt die holde Unmuth
Der Geftalt, ob trüglih Gleißen
160 Sie umfchleiert nur Entartung.
Und du follft nun zu den Deinen. —
Dicht vor London, von dem Wartthurm
Bill ih nur fo weit dich tragen,
Wie der Schuß ift einer Armbruft.
165 Denn den Unglüdsort erſchauet
Nie mein Aug’, dei ftumme Mahnung
Mir die Frevelthaten zählet.
Agrippina. Nein nicht alfo! ift im Anbruch
Doc der Tag ſchon deiner Gnade,
1m Andolofia, o den Schmachfluch
Sfe, tilge dieſe Hörner,
Gieb vom ſchweren Bann Erlafjung!
Andolofia. Thörigte, gebeut den Lippen
Von dem eiteln Wort Enthaltung.
175 Ygrippina. O du Täßt dich noch erflehen
Andoloſia.
Andoloſia. Eh'r den Rathſchluß
58 Adelbert von Chamiffo. [3
Brichſt du des unbänd’gen Schichals.
Agrippina. Von der Hoffnung ift Entjagung
Schwer dem Herzen, Andolofia,
Welch ein eijern Wort doch ſprachſt du! *
Andolofia. Wie Nothwendigtkeit jo eiſern
Fällt des Mannes-Willen Machtſpruch.
Doch die Stunden nieder eilen.
Auf nad) London, auf und laß uns
Schleunig zu der Reife. 18
Agrippima. (mit einer Betvegung nach bem Meeresufer.)
Nein nein!
Eh'r verſchlinge mic, die Salzfluth!
Andolofia. Halt an! Weib. Du rajeft Wahnfinn.
Agrippina. Vor befannten Volks Verſammlung
Spott und Spiel und Mahrchen werden,
Der Gedanke heiſcht Erftarrung. 10
Eh'r aus bangem Traum errette
Mich vom fteilen Riff der Abfturz.
Andolojia. Wo denn fonft begehrt dein Herz Hin?
Agrippima. In die Fremde, in Verbannung,
Wo fein Aug mic) je gefehen, 1x
Tief und tiefer! J
Andolojia. Ohne Ahndung
Welches Simmes, fprichft ein Wort du,
Hör das Wort an der Erfahrung:
Nirgends wäre dir es befler,
AS in Eltern Schooß, der Warnung 0
Trauc, die aus treuem Munde.
Agrippina. Berge tief mich Mlofternacht und
Unter Menjchen fei mein Name
Dumpf verſchollen.
Andolofia. Haft bedacht du,
Agrippina, bein Begehren, 20s
Und bedacht, was ich dir antrug?
Agrippina. Lab im Klofter hoffnungslos mich
Weinen.
xxi] Fortunati Gtücjedel und Wunjchhütfein. 59
Anbdolojia. it es Ernſt dir?
Agrippina, Ja!
Andolofia. Nun!
(Indem er das Hütlein aufjept und fie anfaßt.)
Hütlein! vor ein Frauen-Klofter.
XXI.
(Hibernia. Bor einem Nonnenffofter an einfamen Ext, Gletjcher,
Berge und Wälder, Ausficht über die Ger.)
Andolojia (jet Agrippinam nieder).
no Sieh erfüllt dir die Erwartung.
(Agrippina verhült ihr Geſicht. Andoloſia fährt fort.)
ı Und dieſem feiten Thore will ich nahen, das
Sich hinter dir bald dumpfen ernften Klanges ſchließt
Des Grabes Thor gleich, während zu den Lebenden
Entjagter Rüctehr Hoffnung. Wollte dein Geichi
® Aus deiner Bruft ſelbſt ziehen diejen Rath, gefällt
Nun über dic, nicht rechte mit dem Waltenden!
Der äußern Willfün herber Zwang verfündet oft
Vollſtredend ihr Geſchickesloos den Sterblichen.
Agrippina. Verdarben jeden Hoffnungsſchimmer Unglüd-
ſeelige,
» Erfaßt ihr Herz des Todes legte duͤſtre Wahl.
Andolojia (geht dem Kloſter zu; ex betradjtet Gitter und
nefchloffene Thore).
Wer giebt aus diefen Mauern Anttvort meinem Ruf?
(&3 erfolgt feine Antwort, er bemerkt den Hammer des Thores
und pocht; es brößnt Durch die Hallen des Klofters)
Agrippina. Mir wehe, weh!
Pförtnerin (innerhalb).
Wer ftört die Ruhe diejer Gott geweihten Statt?
Andolojia. Der weitentleguen Erden Sohn, ein Ritters-
mann.
5 Bförtnerin. Richt öffnen gaftfrei dieſe Tgore Männern fich.
Andolojia. Gehör begehrend von der edlen Abtiffin.
Pförtnerin. Sie nahet dieier sw horchend eurem
ort.
60 Mdeldert von Chamiſſo ixxn
Die Tore öffnen ſich, die Abtiſſin erfheint von anderen Nonnen
Degteitet.)
Abtifjin. Was treibt den Weltſohn dieſen fe file mern ya?
Andolofin Der Wunſch, daß eine — mir ges
Der Welt entrüdet, in ber Pe ſtillem Haus
Begehrte Zuflucht finde. Ste, uralten Stamm
Eutjproffen fleucht das Mutterland und heim ſche Dach,
Weil ihren ſchon anfblüh'nden jungen Leib entftellt
Miffillig. ploglid ihrem Haupt eutwachjen, ein
—— Gezweige. Kloſtereinſamteit
jerlanget frommen Wunjches ihr gebengtes Herz,
Und unerkannt zu bleiben treibet fie die Scham.
Abtiffin. Nur edlen Jungfvaum Öffnen diefe Thore fidh,
Doch welche Pfründe hier begehrt, erlege denn
Zweihundert Kronen nad) des Haufes Sapungen. *0
Andolofia. Die Pfrunde zehnfach Fahend, nehmt Die
Tochter auf.
Abtiſſin. Es tete ſelbſt uns näher diefe Bittende.
Anbolofia (Agrivoinom herbeihotend),
Komm Wgrippina, deiner harrt die Abtiſſin
Abtiffin. (Zu deu Nomen.)
DO jeht! erbarmt euch ——— daß dies
Entftelle ihrer fünen Bildung Ebenbau?
An Schöne gleid wär einer Heilgen ſie zu ſchaun,
Es zeugt der Anftand hoher Abluft; zlichtiglich
Berweilt fie zögernd noch zu nahen und beichämt.
)
Tritt nähen, edle Torhter, iprich, begehreſt du
unjers Ordens Joch zu leben fromm
ungfran unter ung?
ten Lepten Wunſch ehrwüurd ge
Frau
Abtiſſin So laß zuvor dic) lehren, wie Dies Hans beſteht,
Dein Herze prüfend und bie Hutunft deiner Wahl,
Denn vofches Zornes handeln, ı will”, it weiſe micht, «5
zu Fortunati Gfüdjedel und Wunfhdütlein. 61
Ein Vorgebürg Hibernias, am weiteſten
Hervor ſich werfend aus der Erden feitem Bau,
Trägt nur allein dies Kloſter, von der Sterblichen
Anfiebelein geſchieden, ſelbſt die äußerfte.
Der Erden legte Säulen find die Rieſen dort,
In büftee Nebel tauchend ihre Häupter, da
Herftörungsfroh der alte Winter hauſt und herrſcht
In ew' gem Menſchenhaſſe. Ferne meidet ſcheu
Der Seegler dieſen ihre Füße badenden
Okeanos, denn nordlich endet nah die Welt
Die aufgethürmte, helle, unnahbare Wand
Demant'ner Felfen; weitlich fie der Königin
Des Tages annoch unbelaujchtes feuchtes Grab.
Dies Haus in ſolcher ernfter Abgeſchiedenheit
Nimmt auf in feine Mauern edle Töchter, die
Erfannt der Erben eitlen Scheinens Nichtigfeit.
Und fie vereint Iobpreifen nur den Einzigen
In Hohem Chor anbetend feine heil’ge Macht.
Und ihnen ſtets unfreundlich zeigt die Erde ſich,
Aus dunklem Boden trüber Nebel grauen Flor
Zur Bläue hebend, aber den Begierigen
Nur innern Lichtes ſcheinet herbe nicht zu fein
Ein friedlich Andachtsleben hier zu Leben, denn
Nicht eines harten, diejes Ordens Sapungen.
Und welche treibt zu gehen in ein andre Haus
Der Unbeftand des Herzens, ja ſelbſt in die Melt
Zurüd zu treten ſich dem Ehhern einigend —
Sie mag e3 thun, denn, nicht dem fargen Grabe gleich,
Giebt diefes Haus die Abgejchiebnen wieder frei,
Und nicht die ziwangesharte Macht darf walten hier.
Dem Kloſter ift verfallen nur das Pfründe-Beld,
Denn alio will es des Gejeges ftrenges Recht.
{grippina. Veränbert darf nicht werden meinettvegen was
Herkommen iſt geweſen. Brauch), Gewohnheit, Sitte des
Ehrwürdgen Kloſters gänzlich unterwerf ich mich.
Abtiffin. Du wirft gehorfam meinem Wort fein jederzeit,
Zur Metten und zu allen Horen in dem Chor
62 Abdelbert von Chamiſſo. xxi.
Andähtig beiſein, wirſt befliſſen fein, was nicht
Du weißt beim Eintritt, lernend wie du nur vermagit.
Agrippina. Ich werd es. s
ifſi Sei denn dieſer frommen Schaar vereint.
(Agrippina tritt zu den Nonnen, Andoloſia zählt Geld auf einen
Stein am Klojtergebäube.)
Andolofia. Und diejes Gold aufzähl ic, Pfründen ihr
zu fein. —
Mic) treibt es aber euch zu flehen, edle Frau,
Wollt jagen, und verfichern mich, den Scheidenden,
Ihr Lafjet gerne dieſe hohe Tochter euch
Empfohlen jein, wollt ihrer liebend achten, wollt ®
Sie nicht gering, bei allem was euch heilig ift,
Sie nicht gering, unmürdig nicht behandeln; fagt's!
Abtijfin. Ich werde jorgjam ihrer warten. Selber fie
Beſtimme, ob ich ihrer Freundſchaft mich erfreu'n,
Für fie nur Achtung hegen darf, denn mächtig zieht 5
Mich an die Anmuth ihres Leibes. Diefes noch
Gefob ich gerne wie e3 auch gehalten wird:
Abgehen, wo die Regel zuläßt, Möglichfeit
Nur veichet, wird ihr nimmer, was nur wünſcht ihr
‚Herz,
Der Sorg' entnommen, edfer Ritter, reift mit Gott. 100
(au Agrippinam.)
Qu aber jolfit dem Freunde geben das Geleit,
Den Ernit der Abichiedsftunde chlurfend unbelaufcht.
(zu den Nonnen.)
Ihr, Schweitern, folgt mir, heller Zunge mahnet uns
Tas Erz der Stunde des Gebetes. Nehmt dies Gold.
(die Glode Hat zu läuten angefangen. Die Abtiffin und die Nonnen
treten in dad Softer wieber ein; eine der Schweftern hat das
Gold aufgenommen; das Thor bleibt offen.)
Andolofin. Nun ſegne Gott did), gebe daß du Lang geſund 105
In diefen Mauern Iebejt, für vergängliche
Eriwerbend ew'ge Freuden, und nicht ſchlimm dein
Theil.
Agrippima. Das wolle Gott!
XL] Fortunati Glüdjedel und Wunſchhütlein. 63
(Sie Hebt an heftig zu weinen; Mnbolofie wendet ſich ab und
verhülft fein Geficht in feine Meiber.)
O tapfrer, ftrenger Ritter, denfet meiner bald,
210 Nicht euer Antlig wendet ab der Elenden,
Nicht Bott, der Welt nicht dienen kann doch, deren Herz
Umf—nürt mit Scham in ftummer Angftverzweiflung
nagt.
Andolojia (abgemandt).
Geſcheh der Wille Gottes, des Allmächtigen.
Agrippina. (weicht zurüd.)
Wildgrimmiger Leu, bu verdarbſt in der Bruft
115 Und der Liebe Gewalt und den Mitleid ganz,
Nichtender Gott, weh, weh Rafender mir,
Die zum Zorn ich gereizt den verderblichen Manu!
Denn raubte die That die entfliehende Beit,
Hält karg fie den Raub, und die Saat trägt Frucht,
w Und entfehneltt fleugt, trifft der befieberte Pfeit.
Spiel kindiſcher Luft, ich bervege das Rad,
Es im Schwung hinrollt und erfaßt und entrafft
Die erihrodene bangaufigreiende mich
Bu der Tiefe hinab
Anhang.
ce
it un jour Ia reine chatte,
oui dal
Qustait altiöre et dölicate,
oui da!
Aimant & faire bons repas
De sonris et de petits rat,
oui da! — nature de chat.
Dormez mon chou, mon chat, mon rat-
Elle avait Ia peau blanche et fine,
oui da!
Main fort douce et fort douce mine,
oui da!
Regard tendre, les yeux brillante
La nuit comıne de fins diamants,
oui da! — nature de chat.
Dormez mon chou, mon chat, mon rat.
Un souriceau de noble race
ete.
Vit de loin la reine & Ia chasse,
La bonne päte de souris
Sortit aussitöt de son nid.
II dit: non jamais de ma vie
ete.
Je n'ai vu fomme aussi jolie,
Elle aura de l’amour pour moi,
Car elle a un trop doux minois.
Anhang. 65
Veux tu m’aimer je t'aimerai,
etc.
Seul & seul te röponderai,
Prös de ti venz dormir ce soir,
Pres de moi viens dormir ce soir.')
Le souricaau pas n’y manqua,
etc.
Sa chatte s'en rit aux 6clats,
Un amonreux la bonne pidce,
Je veux le manger de caresse,
On vous mange lä de carasse.*)
») Lesart: dormirai-je aveo toi ce solr | viens dormir avec [chez?
nous co solr.
9) Die Istzte Zelle lat vermutlich Lesart zu der vorhergehenden
Deutsche Litteraturdenkmale Nr. 54155. 0
——
8. XXVI Z. L. x. o. achickaulig] d diese hübsche Wortbildung
Chamissos (s. Deutsches Wörterbuch; aualog fu
talis, holl. noodlottig) findet afch noch nls Variante
in einer Schlemillhandschrift, &, Walzole Ausgabe
S. 508, Anmerkung.
— = vorziehen (s. Deutsches Worter-
buch), mit Dativ wohl nicht zu helagen.
. Weder in dem deutschen noch io dem französi«
schon Sprichwort (tant va In eruche & Yeru, qu’h
1a fin elle se cusse, Der Krug geht s0 lunge zum
Brunnen bis er bricht) kann ‘gehen zu” die Be-
deutmg ‘schwimmen auf’ haben, im Deutschen
Wörterbuch ist eine solche Auffassung gar nicht
erwähnt. Der moderne Niederländer ist dagegen
geneigt, seinem Sprichwort: "De Kruik gaat zoo
lang te water, tot aij broekt’ diese Bedeutung zu
unterlegen. Wie kommt nber Chamisso dazu?
38, fichtet] vgl, birstet [?] Werke 5, 822; ühnlich fahret
VIT 64, ratet XI AT, erhaltet XTX 26, haltet IV 14
(Lesart),
XI 96-80. Der Raub des Goldes lohrt mich nicht nur,
mich über den Reichtum kühn hinwegzusetzen,
sondern auch ühor Köstlicheres ale Reichtum: über
das Vers20—29 genannte. Wasmich an dir berückte,
dns warst gar nicht du, sondern eine lichtroine
Traumbildung, die ausdem Grunde mein esreichen
Herzens (vgl. Vers 38,37, XX 146, XX1 9, 40, 49
und in anderen Jugendgedichten) entstiegen war
und trügerisch vorgab du zu nein (dich log' schon
in Ohamissos Faust, Dontsches Wörterbuch: lügen).
übergehen — übertreten (#0 im Volksbuch) nennt
schon Adelung veraltet, der spätere Heinsius frei-
ich führt ea ohne Einschränkung an; dem Dichter
wahrscheinlich aus der Lutherbibel bekannt, deren
"üchtesdeutsches Deutsch’ Eindruck auf ihn machte
(Brief vom 28. November 1808).
Xx v.d. h. Wenn Unglückselige den letzten Haffnunya-
‚schlimmer zenstört hattonodersahen, wel. Vers 111
‘Du verdarbat in ‚der ‚Brust (der Liebe Gewalt‘.
60, d.h. Die Nichtigkeit des eitlon Scheines der Eile,
vgl. 11:39: *Mitstifter seines Hauses hohen Glücks),
Nachzutragen &, IN Anmerkung 1. M. Stegmmyer,
Fortanntas Wunschhütlein. Zauberposse, 1819 in
Wien aufgeführt (vgl, Abendzeitung 6, Apzil 1819:
‘Von inneren Gehalte ist hier gar icht.die Rede").
Lesarten.
(Die Haupthandschrift besteht aus27 losen Quartbogen
zu je 4 Seiten und ist ohne Titelblatt oder Veberschrift;
auf dns Convert, in dem sie sich nebst, andern Werken
befand, hat Chamisso einfach *Fortunatue' motiert. Der
ausführlichere Titel, den diese Publikation trägt, war aus
Chamissos Briel vom 28. September 1806 zu entnehmen ;
Charaktere 9 Saiten
in lateinischen Bachstaben, enthaltend IX 1-40 und XII
1-XII 28, — Beide von Chamissos Hand): I 29, aubern]
korriglort aus: andres 78. mag) ana: ſoll IV 14. hielte] aus:
haftet W185. Ha. flamen, Mes: lnmmen? 88. Hs. Farben
{tjiunmer Mos: Schimmer?” VIT 40. Wopel!] Loge, IX in F
Veberschrift: Agrippina, Andoloſia. 4. Ei korrigiert in
teich F 14. Weit?] Welt. beide Has, Die Wohnung
Andolofias am andern Morgen Fntit Heffigen Schritten F, im
Erde ger FE 1, Supoldus (Nndelofias Haushofmeifter) F
® — F 46. Ampedo] Bruder ja P_4. (Ex ruft hinaus) F
28. Jahre beide Ins. NIIT2. Tatubet beide Hs. 9. dies]
ben F XIV 19 korriglert aus: Er ftarfer Meift fich duntet.
Er du RVIT® Surcenfohmes 4. Hodhgehfiinte 7. Poren]
laren oder Palmen? dor vierte und fünfte Buchstabe un-
deutlich 11. mir 35. Odruerſ Hcier durchweg VIE
15. am Rande noriert: ber Fittig XIX R2 korrigiert aus:
Und Jedſches Hegen Jo mich wicht verdammen. 301. feine]
eorrigiert an: Hlgt TIA. Der Hampf ift Veben) korrigiert
aus: Wh vingend Ich ih IX 44. jhäfine 45 M- ohne
Was doc loſt bie raſchen
fleug‘ !
Shönheit Ebenmaah, Iron edlen Ban? 101.75. den Kofler.
Neue Folze No. 67.
— Litteraturdenkmale
des 18. und 19. Jahrhunderts
herausgegeben von August Sauer
DER
BOOKESBEUTEL
LUSTSPIEL
vos
HINRICH BORKENSTEIN
(1742)
LEIPZIG
G. J. GOSCHEN’SCHE VERLAGSHANDLUNG
1896
Eos sind genau zehn Juhreher, dass PaulSchlenther
in seinem vortrefflichen Buche „Frau Gottsched und die
bürgerliche Komödie“ (Berlin 1886) einen Neudruck des
„Bookesbeutel® ankündigte, „eines Lustspieles, welches
der Hamburger Buchhalter Borkeustein schon 1742
herausgab und welches, von Gottscheds Regeln nicht un-
abhängig, sich durchaus vor Allem auszeichnet, was
Gottscheds Deutsche Schaubühne gleich darauf beige-
bracht hat“ (9. 2911.) Solche Worte, die mit sichten-
dem Lobe den Nagel auf den Kopf trafen, haben dem
Werk allgemeinere Teilnalıme wieder zugewandt uud
man hat sich seither gemüht, über den Verfasser dieser
Komödie, dem man aber vielleicht den Namen eines
Dichters immerhin wird vorenthalten wollen, näheres
zu erfahren. Mich selbst haben ein paar Jahre später
meine Studien zu Borkenstein geführt und heute ist
man sich wohl darüber einig, dass dieser wilde Schüss-
ling, den noch Gervinus ohne rachtes Verständnis bei
Beite warf, der erneueten Aufmerksamkeit wert war.
Man weiss, dass aus diesem schwellenden Keim ein statt-
licher Baum erstanden ist, der noch heute im heimischen
Mutterboden fest wurzelt und dessen dichtbelaubte Krone
noch houte grünt und blüht und Frucht bringt. Der
Bookesbeutel ist der Stammvater der ham.
burgischen Lokalkomödie, Bis heute hat sich
das Hamburger Lokalstück mit seinem behäbigen Platt,
wenn auch in gewisser Hinsicht entartet, selbständig
erhalten. Mit der simplen Technik Borkensteins, mit
dem naivon Naturalismus seiner Sprache werden noch
heute auf den Brettern der Vorstadtbühnen volkstümliche
Typen aus dem Hamburger Leben vorgeführt und wie vor
hundertundfünfzig Jahren belacht und bejubelt. Nur dass
| a — wi
—
heute das Lokalstück, wie es natürlich erscheint, durch
aus sozial gefärbt ist, dass heute nicht der Gegensatz
‘von guter (Leipziger) und schlechter (Hamburger) Lebens-
art, sondern der von Reich (Böse) und Arm ((ut) den
Stofi der losc verknoteten Handlung hergiebt, Es be-
darf hier keiner Betenerung, dass alle diesa jüngsten
Lokalstücke, deren Titel man in Kürschners Literatur
kalender untar dem Namen ihres ITrhobars Tob. Harm.
Christ, Bischof? findet, künstlerisch ohne Wort sind,
aber ihre Erwähnung gehört deshalb hierher, weil sio
als die letzten Ausläufer einer durch den „Bookosbeutelt
in Hamburg hervorgorufenen dramatischen Richtung an«
zusehen sind, Weber allo diese Pheaterstücke, von denen
gar manche es auf hunderte von Vorstellungen auf den
volkstimlichen Vorstadtbühnen Hamburgs bringen; über
Julius Stinde's „Hamburger Leidon“, welche wohl
an tausend Aufführungen — natürlich mit entsprechenden
Aanderungen — in Deutschland und Oesterreich erlebt
haben; und über die zahlreichen andern plattdontschen.
Komödien hinaus, die zu Anfang der sechziger ‚Jahre
im Oarl Schultze-Theater auf St, Pauli einon fronetischen.
Jubel fen, führt uns die heimische Theater-
g t don vielen beute längst ver-
gessonen die in den dreissiger ‚Jahren
ik Theaters in der Steinstrasse
entzückten. Bis zu den Befreiungskriegen etwa läuft
hior ununterbrochen ein roter Ariadnofaden, dor freilich
mun den tastendeu Händen entgleitet und sich in das
inthische Dunkol des vorigen Jahrhunderts ver-
tens. Wer aber unter Gnedertz’
kundiger a it ö
iederdeutsche Drı ‚den Anfünj bis
enzeit. Von £ Mieter Oder, Bl,
— —
2
spürt, bald genug den Faden in seiner Hand wieder:
‚finden, der ihn.sicher zurückleitet bis in das Jahr 1741
‘Von ihm strahlt ein stilles Leuchten aus: Es ist das
Geburtsjahr des hamburgischen Lokalstücks,
Ich habe früher") des nähern auszuführen versucht,
wie.gerade in dem litterarisch damals 30 rührigen Ham-
burg, das sich eigentlich immer in züh an seine Eigenart
fezthaltendem und vor jeder Uniformierung des Geistes-
lebens starke Abneigung bekundendem Gegensatze zu
Leipzig und dem litteraturgewaltigen Gottsched empfun-
den hatte, der Boden ein besonders günstiger für das
Entstehen einer neuen Komödienart yon vornherein war,
Wie er, planvoll und geschickt vorbereitet, jetzt diese
'hoffnungsvolle Frucht trogen konnte, „Das eigenartige
Leben des niedersächsischen. Gemeinwesens bot eine
Fülle von köstlichen komischen Motiven da, die Stoffe
Ingen gleichsam in der Luft; auch waren durch den
sielgelesonen „Patrioten“ seit 1724 eine Reihe Lokal
typen, scharf und eckig ausgeprägt, in die Litterutur
eingeführt worden, welche, weil sie aus dem Leben go-
nommen, nur auf die Bühne verpflanzt zu werden
brauchten, um des Erfolges sicher zu sein, Der Mann,
der dieselben zuerst mit vielem Humor für das Lokal«
stück verwandte, war eben der Verfasser des Bookes-
beutel, Hinrich Borkenstein.“ Auf diese Er»
innerung darf ich mich hier beschränken.
"Während wir den Spuren der littersrischen Her-
kunft dieses scharf blickenden Mannes fast Schritt um
‚Schritt nachgehen können, liegt sein eigentliches Leben
für uns noch immer im Dunkel und wird es auch wohl
*) Hamburgische Dramatiker zur Zeit Gottscheds und
ihre Beziehungen zu ihm. Ein Beitrag zur Geschichte des
Theaters und Dramas im 18. Jahrhundert. Von Dr. Fer-
dinand Heitmüller. Dresden und Leipzig 1891. — Teil-
weise benutzt für die folgende Darstellung ist ferner auch
ein von m J —— — — au
Hamburg gehaltener (ungedruckter) Vortrag über „Hum-
burgiseits Lokalkomtidlene.
— 4 — —
vr
immer bleiben. Nur wonig davon hat sich in Zeit-
schriften und Büchern niedergeschlagen und ist noch
für uns nachweisbar. Man wird annehmen dürfen, dass
namentlich die zweite Hälfte in den ruhigen Gleisen
eines bürgerlichen Daseins dahinfloss. Dass dieses Leben,
ii 'e Hälfte, nicht in der Oeffentlichkeit
ass e4 still verklang, Dass sein Tod
keine Lücke ries in einer schon ganz anders gearteten
Zeit, die bereits Goothes aufgehender Stern durch-
strahlte und erleuchtete.
C. C. Redlich in Hamburg hat sich, angeregt
durch meine Monographie, der dankenswerten Mühe
unterzogen, die hamburgischen Kirchenbücher über
Borkensteins Geschlecht zu befragen. Auch war er in der
Tage, zwei mit dieser Quelle ziemlich genau überein-
stimmendo Stammbäune der Familien Borkenstein und
Bruguier zu benutzen, sodass man seine Mitteilungen,
welche die meinigen teilweise bestätigten und erweiter-
ten, durchaus als abschliessende betrachten darf,
„Hinrich Borkenstein war das sechsto von eilf Kindern
des Kaufmann. lius Borkenstein, der als Zeuge bei
der Verhand! i
am 27. Sept.
Baltzer Stieloken aufgetreten war.*') Als dieser Prozess
3 spielte, war der ebenfalls zu Hamburg
m Johann Matthias und
Frau Ann Dorothea Borckenstein. Seit 1697 war er
mit Anna von Rönne — des 1690 verstorbenen Heinrich
von Rönne und Cäcilie geb. Tecklenburg Tochter, welche
W März 1719 stirbt — verheiratet und
inom im September 1714 erfolgten Tode”)
—— Deutsches Alter⸗
‚geben von Edward
. Band 37, 8.1684.
Petri ist er am
—
in der kleinen Bäckerstrasse. Der Knabe Hinrich, am
m Jacob Brummer,
ie Bötofsur zur Taufe
„gehalten, ist damals also neun Jahre alt, Er wird eben-
falle Kaufmann. Im Jahre 1741 bezeichnen ihn die
Quellen noch einstimmig als Buchhalter (Bookholler)
und Redlich nimmt an, dass er „bis ungefähr 1745% in
dieser Stellung zu Hambury verblieb, dass er dann aber
nach Spanien ging und 1764 als reicher Mann in seine
Vaterstadt zurückkam. Auf dem Jungfernstioge schafft
er sich in prächtigem Stadthause ein behagliches Heim,
nicht mehr erwerbend und schaffend, auch litterarisch
nicht, nur geniessend. Der „Rentenierer“, der 1766
den Titel eines „kön. dänischen Kommerzienraths“ er-
halten hat, heiratet noch mit dreiundsechzig Jahren:
am 16, Mai 1768, Seine Gattin Susanne, am 8, Juli
1741 zu Hamburg geboren, ist eine Tochter des vor-
storbenen Kaufherrn ‚Jean Alexandre Bruguier und dor
Johannn Susanne, geb. Sarrasin aus Frankfurt a. M,
Droi Töchter und ein Soh, m geboren‘), als der
Tod an den Zweiundsiebenzigjährigen herantritt und am
29. November 1777 dem glücklichsten Familieukreise
‚entführt. Seine Witwe schildert der sonst freilich nicht
immer zuverlässige Jügel*) als eine schöngeistige Dame,
') Redlich macht sie nambaft: 1) Susanne oder
Suseie, 2) Dorothea Amalia, get. 11. März 1770
— Frau Charles Louis Thierry, + ca 1830,
51 Ba: atharina, geb. ca. 1771, gest, unverheiratet
Heinrich, späler Kaufınann und Weinhänd-
er in Hamburg, geb. ea. 1173, gest, 14. Febr. 26, Jemen
el Btadse [Wein Bohn, Kaufnaun in London; b) eine
Tochter, Guttin des französischen Landschafters
— in Fontainebleau ; c) eine jüngere, Wittwe des
— — Jahren verstorbenen Hamburger Lithographen
— itter] Ende 1892 noch alle am Leben waren.
*) Das Puppenhaus, ein Erbstück in der Gontard’schen
0. st den Erinnerungen und Familien-
ers; zusammengestellt von Carl
. Frankfart a. M. 1867, S. 880 £.
eines
Jügel. Mit Lillis Por!
— a wu ——
ERBEN
walche, „angesehen und sehr vermögend“, auch „in den
froundschaftlichsten Beziehungen“ zu dem seit 1775
dauernd nach Hamburg zurückgekehrten Klopstock
standen habe. ‚Neun Jahre nach ihres Eheherrn Tode
Tolgt sie ihrer ältesten, damals siebzehnjährigen Tochter
Susanna (Susette)') nach Frankfurt a, M., nachdem diese
am 9. Juli 1786 „in der französisch-reformierten Kirche
in der Königstrasse, dem bekannten städtischen Wohn-
hanse Klopstocks gegenüber, von Pastor Dumas dem
Frankfurtor Bankior Jacob Friedrich Gontard®) ange-
trant* worden war. Diese junge Frau Gontard ist
Friedrich Hölderlins „Diotima“.°) Im Jahre 1793 stirbt
ihr die zärtlich geliebte Mutter. Schon in Hamburg hatte
sie „zuweilen heftige, Besorgnies erregendo Schmerzen
in der rechten Brust: empfunden,“ aber immer das Leiden
zu verheimlichen gewusst. Als der Frankfurter Arzt,
der mit den Gontards engbefreundete Dr. Ebel zur Ampu-
tation der Brust schritt, war es bereits zu spät: „das
Gift hatte sich bereits dem übrigen Körper mitgetheilb
usste den Folgen davon unterliegen.“*) Das
us ———— am 9. Februar 1769 getauft, in
— — Johanna Sur
Schacht und’Okto Heinrieh Rnorre),
Ber
Namens
die Anmerkung
— die beiden
‚ornehm
ten Heirat Borkensteins be-
er: ‚diesen Irrtum endgeltig
W
—
etea iat das, was heute tiber Borkensteins Vawilie, )
‚die mit alteingesossonen Hamburger Geschlechtern ver-
‚schwägert war, mit Sicherheit faststeht. Und nun zurlick
mach Hamburg und zu des Dichters Stück!
Ein paar Bemerkungen über den Titel des Lust-
spiels kann ich mir hier nicht versagen, obwohl ich achon
früher auch über die Etymologie des Wortes ausführlich
gohandelt habe, Ich muss aber hier darauf zurückkommen,
‚weil neuerdings H. Paul in seinem Deutschen Würter-
buch”) die Annahme, Bookesboutel stamme vom nnd,
Books-Büdel für „unwahrscheinlich“ erklärt hat. . Mit
‚grosser Mühe habe ich seiner Zeit so viel erschöpfendes
Material ans der zeitgenössischen Litteratur über diesen
Pankt zusammengetragen, dass ich wirklich nicht weiss,
wie eine Annahme, ‚die in ihrer schlichten Natürlichkeit
‚echon von vornherein viel für sich hat, durch Litteratur-
belege noch mehr an Wahrscheinlichkeit gewinnen
könnte. Ich muss deshalb annehmen, dass Horrn Pro-
fessor Paul die Darstellung meiner quellenmüssigen Er»
mittelungen hierüber, die auch mein verehrter Lohrer,
Professor Friedrich Kluge, für sein Etymologisches
"Wörterbuch anstandslos acceptiert hat, entgangen sei, und
setze deshalb die Hauptbelege, weshalb man allerdings
‚das Wort von „Beutel‘sur Aufbewahrung des Gesang-
buchs“ herleiten muss, nochmals hierher. Bookenbeutel,
niederslichsioh Booke-Büdel, ist ein speziell hamburgi-
sches Wort und etwa gleichbedeutend mit Schlendrian,
d. b. mit den in Gesellschaftskreisen für „gut befun-
3 Vgl. die Stammbaumtafel.
8. 77 heisst es unter „Bockabentel“: 1) Eine Flaschen-
art, — Aehnlichkeit mit dem Hodensack eines
it ist, verwendet für die edelsten Franken-
weine in der Umgebung von Würzburg. 2) Im 17. und
18, Jahrhundert soviel als Schlendrian, Beibehaltung eines
Herkommens, noch nicht. befriedigend erklärt;
unwahrscheinlich ist die Annahme, dass ‚es ans nnd. Boks-
büdel (Beutel zur Aufbewahrung des Gesangbuchs oder
Statutenbuchs) stamme.
— m | 1
x
denen und festgestelleten, obgleich nimmer schriftlich
zecessirten Gewohnheiten und Gobräuchen,“ Zu Borken-
steins Zeit war diese Bedeutung in Hamburg natürlich
allgemein bekannt; doch kommt dor Name — beilänfig
gesagt — schon hundert Jahre früher in zwei ham-
burgischen Hochzeitsgedichten vor.‘) Ich gebe noch
ein paar Beispiele aus der Presse. Im Patrioten) von
1725 findet sich eine humoristische Auslegung des für
Nichthamburger unverständlichen Begriffes. Ein Frem-
der, welcher meint, der Bookesbeutel sei ein hamburgi-
aches Gesetzbuch etwa in der Art des Schwaben- oder
Sachsenspiegels, wird von einom Hamburger an die Süd-
seite der Petrikirche geführt und sieht „an selbiger
Wand, nicht weit von der Thür, ein gehauenes Bild
einer heiligen und andächtigen Frau, die in der linken
Hand ein Buch in einem Beutel trägt.“ „Da sehen
Bie“ — s0 lauten in der Notiz die Worte des Erklürers —
„eine Mode, die noch kaum vor 50 Jahren erst gänzlich
bey unserem Frauenzimmer in Abgang gekommen, dass
sie nämlich Andachts-Bücher, welche gemeiniglich gar
auuber gezieret gewesen, in einem Beutelförmigen Ueber-
zug zur Kirche tragen.“ Leider hat der grosse Brand
von 1842, welcher bekanntlich auch die Petrikirche heim-
suchte, diese i in Stein gehauene Etymologie des Namens
vernichtet.*) Als aber später der Brauch, dus Kirchen-
buch in einem an der Hüfte mit kunstvollen Ketten be-
festigten Boutel zu tragen, aus der Mode gekommen
war, blieb der Begriff in der weiteren Bedeutung
des Schlendrinn lebendig. Alle althergebrachten,
‚) Die Titel derselben findet man, in meinen „Ham-
Durgischen Drumatikern“ S. 68, Anmerkung 147,
%) 6. Juli 1725 (Nr
doch das alte W
‚kannte Bocksbeutel (eina weibliche Figur an
ki irche mit einem — im Beutel, plattdeutsch
„Booksbüdel® d. h. Buchbeutel) in den Flammen =
—— Allgemeine Zeitung für 1842 (Stuttgart 1849),
zeichen ae der welt»
der Petri-
x
nicht mehr zeitgemässen und deshalb verderblichen und
lächerlichen Gewohnheiten wurden mit ihm „in Hamburg,
wo der Schlentrian den Vorzug für den Wohlstand heget*'),
—— So richteten sich beispielsweise „Frauenzimmer
nach dem Bookabeutel“, was ein „Compli-
— der Haub. Weiber nach dem Books Beutel“
überschrieboner Artikel im ersten Jahrgang des Pa-
trioten*) in sehr interessanter Weise illustriert, Ds heisst
da u. u.: „Wegen des Ranges im sitzen entstund bey
der übrigen Gesellschaft zwischen zwo Frauens-Personen,
ein höflicher Streit, weil beide auf einen Tag geheirathet
hatten, welcher von ihnen, nach der Gewohnheit, der
Vorsitz gebührete, Endlich that die Frau Boocka.
‚eine alte Matrone, don Ausspruch“ — u.s. w
genau, wie ein so alberner Schlendrian, |
auch heute noch nicht völlig überwunden haben, s
damals durch sein Alter ehrwürdig gew:
Hamburger Damen befolgten ihn bei Vorfällen iın bi
lieben Leben, in der Gesellschai
genau. Auch Adum Gottfried Uhlich ei
ın zum „Bookesbeutel“ lieferte,
in der Vorrede seines Stücks ähnlich über
Niedersächsischen und vornehmlich in Hamb
dem herrschenden Gebrauch, das Gesa
Beutel zu tragen. „Da sie nun | g
w &., „auf den Kirchwegen —
mit einander von vielerlei und oft lüg
alles, was wir etwann Schlendei
beutel, von Boock (Buch) und F
) Vgl. Uhliche Poetische Gt
ber 177).
PER auch noch J
buch (eo nes, 3
x
halten“, Klatschen, durch die Hechel ziehen, ist auch
in einer kleinen niedersächsischen Arie persifliert, welche
in einem in Hamburg 1716 aufgeführten „Musicalischen
Schau-Spiele“ des Schwaben Ulrich von König, dem
Singspiel „Dio Römische Grossmuht, Oder Cnlpurnia®
vorkommt und bei K. Ih. Gacdertz‘) abgedruckt ist,
Die beiden ersten Strophen lauten:
As ick noch Jumfer was, yärwahr,
Do hebelt ick dnt hele Jahr,
lek trock de Nüstern in de Höh
Un sedo nicks as Ja un Ne.
Doch as ick kam in Fruen-Stand,
Wur de Bocks-Bildel mi bekant,
Do.mug ick ock so gern als con
De Lüde dor de Hehckel theen.
Das etwa ist mir von zeitgenössischen Belegen ber
kannt geworden und es soll nur noch im Vorübergehen
erwähnt werden, dass es such an einsichtigen Lenten
nie gefehlt hat, welche dem hartlebigen Bookesbeutel
schon früh zu Leibe gingen. Man mag darüber z. B,
die von Hamann 1728—1730 in Hamburg herausgegebene
„Matrone“*) nachlesen. Man wird aber auch nach diesen
Proben nicht fehlgehen, wenn man annimmt, Borken
stein habe die erste Anregung zu seinem Stck viel
leicht in diesen Wochenblättern, zumal im Patrioten,
empfangen. An Stoff mangelte es wahrlich nicht und
es bedurfte nur des scharfen Blickes und der Gestaltungs-
kraft eines Dichters, der eben im stande wur, diese
sinnlosen Gebräuche eingesessener
Familien zu verdichten, zu einem lebensvollen Gebilde
zusammenzufassen, der im stande war, die Albernheiten
\ t auben des vaterstädtischen Lebens humo-
‚In oder, wo es nötig schien, aueh seinen
. 6, 0. 8.122, wo sich auch die —— ab ·
in einer Anmerkung unter dem Texte findet.
ie Mateone, ‚1188, 6. . 49. Von mir wieder abge
Spott und Hohn darüber auszugiesen. Der Umstand,
dass Borkenstein sein Sujet mit ungezählten Lokalismen
zu durchsetzen wusste, macht sein Work kultarhistorisch
noch heute ausserordentlich wertvoll. Das „Milieu“,
wie wir heute sagen würden, ist entschieden seine starke
Seite und lässt ihn uns vor andern mitdichtenden Zeit-
‚genossen merkwürdig erscheinen. Das Konventionelle,
in dem der Zeitgeist stärker war als or, steckt in dem
Typiaöken seiner Charaktere. Es sind keine Men-
schen, keine Individuen, sondern Figuren, die or will-
kürlich achiebt und leitet, wie es das pädagogische End-
ziel, das er verfolgt, gerade erfordert, Doch ich muss
die „Handlung* in wenigen Strichen skizzieren,
"Vater, Mutter und Tochter der Familie „Grobian“
eind die Vertreter des hamburgischen Bookesbautels:
Der reiche, auf Pfünder leihende, kostspielige Geistes-
bildung verachtende und geizig wuchernde Geldprotz,
seine abergläubische, auf das „Herkommen“ pedantisch
haltende, klatschsüchtige und bei jedem Aerger aus
Angst um das teure Leben zum Apotheker schickende
Fran „Agneta" und ihre ungebildete, geldstolze und
patzige Tochter „Susanna“ werden mit naturalistischen
Details geschildert. Das einzige Gute an der Frau
Grobians ist eigentlich nur ihre snubere Akkuratesse
und die liehende Sorge, mit der sie ihre Tochter vor
der brutalen Gewalt des jühzornigen Gatten zu beschir-
men sncht, aber im allgemeinen erscheinen alle drei,
vorzugsweise in den orsten Akten, als dumm und schlecht,
Namentlich diese Susanna vorfügt über alle möglichen
Untugenden und ist ein wahres Monstrum von Unweib-
lichkeit und Herzensroheit: Sie singt vor und nach
Mittag mit Mutter und Domestiquen „neue weltliche
Lioder*, sie spielt mit Kutscher und Mägden Hahnrei
in dor Karte um einen Kuss und trinkt zu alledem
noch Schnaps. Die Tinsitte des Branntweintrinkens
damals unter Hamburgs Frauen und Jungfrauen
leider überhaupt stark im Schwange gewesen zu sein,
— A MM Mi m
siv
‚denn auch die vorhin erwähnte plattdeutsche Arie geisselt.
diese nicht gerade weibliche Eigenschaft, In der letzten
Strophe heisst es nämlich:
Man as ick oono Witwe was,
Do war min Trost een Brunwyns-Glas,
Do find ick mi recht wohl daby
Un dob wat in de Hebely.
Das lässt an Deutlichkeit nichts zu wünachen ührig.‘)
Diese drei gewiss za schwarz gezeichneten Personen
also sind die Vertreter des hamburgischen Schlendrians.
Um so lichter sind die Kontrastfiguren, in denen das
Prinzip der guten, feinen und galanten Leipziger Lebens-
art verkörpert ist, ausgefallen: Sio sind klug und gut.
„In ihnen offenbart sich alle Tugend, Unschuld, Bildung
und der beste gesellschaftliche Tact.“ Da ist besonders
der treffliche, auf der Leipziger Hochschule gebildete
Sohn Grobiens, „Sittenreicht, und dessen eleganter
Universitätsfreund „Ehrenwehrt‘; zu ihnen gehört
auch Grobians Schwager, „Gutherz“, der lange das
Haus gemieden hat. Mit der Ankunft Ehronwehrts
sotzt die Handlung ein. Dieser hat, von seiner liebens-
würdigen Schwester ‚Oaroline“ begleitet, die be-
schwerliche Reise von Leipzig her nicht geseheut, um
des Freundes Schwester Hand zu gewinnen. Da er
nd unerlaubten Mitteln anzulocken
und drängt ihm in oft sehr drastischen Scenen ihre
Tochter förmlich auf, Dieser aber zieht alsbald die
sittige und in der gulanten Lebensart den Leipzigern
nichts nachgebende „Oharlotte‘ aus Hamburg vor
und die böse Susanne muss sich mit einem vom Dichter
für diesen Zweck erfundenen Reservebräutigam („Roth-
bart“), der im Stück aber nicht auftritt, trösten, Auch aus
*) Ueber das Branntwointrinken zioht auch Uhlich in
soinerm Dreiakter „Der Schlendrian oder des berühmten
Boockesbeutels Tod und Testament“ har; es iat hier ein
Hauptcharaktersug der Frau „Alrune“,
xVv
Sittenreich und Onroline wird trotz des Widerstandes des
alten Grobian ein Paar, und wenn der Vorhang füllt,
nehmen wir die Hoffnung mit, dass in künftigen Zeiten
auch in Hamburg die gute feine Lebensart der Leipziger
in Kindern und Enkeln lebendig werden wir.
Wie ganz neuerdings wieder ein moderner Dichter
ein wirksames Drama auf den Gegensatz zwischen
Vorder- und Hinterhaus aufgebaut hat, so entspringen
hier aus dem Widerstreit der feinen Obersuchsen und
und ‚der ‚groben ‚Niedersachsen eine Reihe von köstlichen
Schlechten bestraft — m Ehren. die
bemerkt denn auch schon Schütze,‘) —
— die Blossstellung veraltei
‚schauungonund abgelobter „Wahrh
durch einen humorvollen, übe
das eigenste Gebiet der Komödie
fahrung aber wissen wir auch,
dichter nur zu leicht ein
dürfen wir, meine ich, mi
*) Hamburgische ee 5.2
4 4
psychologische Entwicklung und Motivierung nennen,
ist ihm noch ganz unbekannt, DieCharaktoristik ist dos-
‚halb auch noch eine sehr fusserliche und naive; kein Ein-
sichtiger wird lougnen wollen, dass hier manches über-
trieben und mit zu dieken Farben nufgetragen ist, weun-
gleich Schütze’) bezeugt, dass derartige Charaktere
damals im Leben selbst sehr wohl möglich gewesen
sind, Die grobe Holzschnittmanier alter Meister fällt
einem ein, Man muss aber Schütze auch zugestehen, dass
von „Ookonomie und Sconenverbindung kein Godanke«
sei. Im grossen Ganzen wenigstens. Auch die Akt-
schlüsse sind gewiss matt und kraftlos. Der Leser hat
‚das Gefühl, dass die dramatische Situntionskomik, welche
das Stück im übrigen nieht vermissen lüsst, nicht dem
vorbedachten künstlerischen Scenenaufbau entspringt,
‚sondern jener unverwüstlichen, rücksichtslosen und vor
nichts zurückscheuenden Satire, welche die erkaunten
Schäden der damaligen Gesellschaft in krassester Form
und um jeden Preis blosszulegen und zu verspotten
trachtet. Also ein ganz modernes Prinzip, das von dem
Verfasser in künstlerisch allerdings recht weit gesteckten
‚Grenzen auf eine naturalistische Art, möchte man sogen,
vertolgtwird. Die Wahrheithatauclıschon Borkenstein
auf seine Fühne geschrieben; in ihrem Zeichen will ar
siegen. Sein Stück soll die Bühne reformieren und von
der alten Har] de, die noch immer mächtig war, be-
freien. Gemeine Bitte und Denkart sollen unterliegen,
Geschmack und Vernunft triumphieren. Die Zoten und
Unflätereien des Harlekins will er verbannt schen und
Anfür „die Wahrheit“ — wie er im Vorbericht ausführt —
eingesetzt wissen. Seine Diktion wird man als eine
kräftige, wenn auch bisweilen ungefüge bezeichnen
müssen; aber sie hebt sich so wirkungsvoll und wohl-
RA ‚adelt auch er die — ‚als „übertrieben“,
über er giebt zu, dass „Ch 'ro wie diese damals (dus
—— abgerechnet) keine Seltenheiten gewesen" sein
‚en,
? —
thuend von —— den gereimten
Alexandrinerstücken der Zeitgenossen ab, dass man
manches Rohe und Zotige — schon von Schütze als
„unleidlich* getadelt — gern mit in den Kauf zu neh-
men igt wird. Zudem war das Publikum von den
a her, die mindestens bis 1740 hestimmend
uuf seinen litterurischen Geschmack eingewirkt hatten,
au eine viel stärkere Kost gewöhnt und musste fust
unmerklich und ganz allmählich zu Freuden höherer
Art im Schauspielhause erst erzogen werden.
‚Inwieweit Borkenstein in Wahl des Stoffes, Anlage
der Charaktere und Scenenführung von dem seinerseita
wieder stark von Moliöre beeinflussten Dünen Hol-
berg abhängig ist; inwieweit schliesslich auch er von
Gottsched mit äusseren Regeln und dramatischen
Rüsteoug ausgestattet wird — dus bier nochmals zu
wiederholen dürfte kaum angezeigt sein.‘) Dass er
selbst Beziehungen zu Dünemark gepflogen habe, viel-
leicht gar selbst der fromden Sprache mächtig gewesen
sei, isb wegen des ihm vom König von Dünemärk ver-
lishenen Kommerzienrattitels nicht durchaus unglaub-
lieh. Der Umstand sodaun, duss in dem ben.
‚Altona gerade in jenen Jahren Detharding #
Aufmerksamkeit der deutschen Bühne durch
Uebersotzungen auf jenen nordischen Poctan
nacht es zudem wahrscheinlich,
Ich habe vorhin schon gesagt, di
mancherlei Anregung sicherlich der
dos bamburgischen „Patrioten®
ge davon, dass diese Wochensobrift schon früh
RR} daröber meine frühere Schrift S, 60 #., 67,
besonders 79.
en ser v
xviiu
angefangen hatte, im allgemeinen für die Veredlung
dos littorarischen Geschmacks und für eine ornstgemointe
Sittenverbesserang der Mitbürger iu die Schranken
zu treten, zeigt sich ihr Einfinss auf Borkensteins
Deukweise in einem Punkte besonders deutlich, wus
auf den ersten Blick freilich nieht viel zu besngen
scheint, Es ist dies da, wo der humburgische Schrift-
steller auf die verkahbrte Erziehung der Tochter seiner
Helden, der Susanua Grobiau, und damit auf die Kinder-
zucht im allgemeinen — dieses beliebte und viel von-
tilierte Thema der Hamburger Presse und besonders
des genannten Organs! — zu sprechen kommt, Gut-
herz, Grobians Schwager, ein vielerfahrener, weitblicken-
der, weiser und vorurteilsfreier Mann, vertritt in un-
sorer Komödie, wenn man »o will, die Rolls des autikun
Chors und ist offenbar auch einer der vielen Vorfahren
des Grafen Thrast in Budermanus „Uhre“ Er ist os,
der im fünften Auftritt des zweiten Aktes (S. 40 4
und 41 1-1) auch jetzt auf Frau Aguetens Vorwurf, wenn
er in ihr Haus komme, so sei immer gleich genug über
sie zu klogen, in die bezeichnenden Worte — ganz im
Sinne des „Patrioten — ausbricht: „Ich habe dann
uod wann von der schlechten Kinderzucht gesprochen,
dazu bat mich mein Gewissen verbunden: denn hievon
entstehet alles Böse, was in der Welt ist,“‘) Man
sieht, der philosophierende Mensch war niemals vor-
legen, eine Erklärung für die Existenz des Schlechten
in dieser besten aller Welten zu finden und aussu-
sprechen! Wer aber geneigt ist, diesen Spuren nach-
zugehen, wird unschwer eine Menge interessanter Bo-
lege für meine Beobachtung sammeln können, —
Weber die verschiedenen Drucke ist nicht viel zu
sagen, Die Originalausguben des Lustspiels sind heute
') Vgl, hierzu Karl Jacoby, Die ersten moralischen
Wochenschriften Hamburgs am Anfange des 18. Jahr-
hunderts. (Programm des Wilhelm-Gyınnsiums zu Ham-
burg. 1888. Nr. 687.) 8. 15 und 16.
NIX
ziemlich selten, Ein Unicum') scheint das Exemplar dor
ersten Auflage (Frankfurt und Leipzig 1742), welche
unserm Text zu Grunde liogt, zu sein, Ausser den drei
won mir herücksichtigten Drucken existiert das Stück
in einem „siemlich diekon Octavband von Schau-
spielen“, welche Sammlung Martini, der Veranstalter
der Hamburger Ausgabe von 1746, 1748 herausgab,
Man darf aber vermuten, duss das populire Stick sicher
noch in weiteren Drucken verbreitet worden sei. In
welchem Verhältuis dis drei Haaptlrucke zu einander
stehen, soll die folgendo Uebersicht dartkun. Ganz
Abweichungen sind nicht natiert, offenbar
Druckfehler stillschweigend verbessert worden. Der
Vorbericht von A und 4' fehlt in B, Ich bezeichne mit:
A Der | Boofesbeutel, | Ein | Fuftfpiel | von | Drey Auf-
Sr | Branffurt und Leipzig. 1742. 18°. VIII und
4. da | ooteöbeutel | Ein | Sufipiel | in | Drey Auf-
iger | j Hamburg 1 bey Johann Adolph Martini | 1746.)
VIIT und 104 Seiten.
B Der | Boofesbentel, | Ein Luftfpiel | von dreyen Hand—
ungen. | Mad} dem Originale, wie es auf der | Echöne-
mannifchen Schaubithne | zuerft aufgefligret worden. | Hantz
bung, 1747. | 8% 95 Seiten,
') Ee befindet sich in der
zu St Patereburg, Trotz
verschiedenst
ei
— eins der 1. Auflage,
vorkommenden 3. Au
jetzt im Besitze des Adelber!
are habon mir ı
4
—
9 gelermet, unb) gefermet. Mit B
rember B
genanaen] gegangen wäreft A’
1) au der AIR
so Nach Gehet ab:
Agneta. Nun, meit Sohn, fehet vor allen Bingen ja
zu, daß mit feine ünorduung in meinem Hansweſen daraus
enefet. B
1des jAäge] Liebe B
un Ähnen] fie AZ ich] ichs 4
wicht nach noch ZB
tott) tolles B
da mich] mich daſelbſt A'B
16. merhoürbigftel merlwürdigſte iſt 416
as mit) auch mit B
.. Um] In 418
En geich zu — und gleich , . , verunjacdhen 3
wort] Sprüctwort
* . fairen] Sachen A'B nicht wach gar Z
18a er fehlt B
ad Werben; D
104 Nach I
Gro! Liebe Fran, vergieb mir, wer ich Schuld
daran hin ch Habe mich übereilet. Verdirb mir aber
1 efesm Handel mit Lege Did) mr zu Bette:
Rt von Herzen gute Veſſerung. 2
li) wei B
'raut nach Juugfer wäre und eine B
„. und so Ein Bräntigam!] Ein Bräutigam! Ein Bräutigam! B
ar ihnen] fie 2
2lır angenehm] ihnen angenehm A'Z
Er} t ht B
1
nicht “ nie nicht u 2,
noch alfo) alfo no # "
sn filr weichen] dor welchem 2
sa jo Lange er fcbet, nimmer] nimmermehr 2
26... belieben werben] belieben B
ZxI
26. folde] fie B fogleidj] zugleich B
27. Stählen) Stüflen inne B
14 einer] ber B
a: nicht) wohl 2
28,, Mojcowitern] Tartarn B
1« Steinen] Reimen B
29 Da] Aber ba B
17 nichta] ihm nichts B
ae. oa fo glaube ich] ich glaube B
.. mein] fein B
30, leben] leben als er B
31: 3a] Ja, ja B
«+ Einhigen] Einheigen B
3%. » anhören] länger anhören B
se denen] ben A'B
se nicht] nichts B
se nun fehlt B
sı beine] deiner B Tegen] legen müfen B
«u gehet] tommt B
334 vertrodneten] vertrodnen müßten B
34 Ja] Je B
«s niemals] nicht B
as Dem opngeachtet find wir] Wir find dem ohngeachtet 2
ae genug fehlt B
35s Ehen] Heirathen B
s« ſchonj jung, ſchön B
36. Witt) Wink B
» Ja] Je ja 3
1. das Gewiffen] ein Gewiffen B
ne gutes] recht gutes B
dorfchiebt] borfchieft B
vorige fehlt B
3%} Junge! ih B
37% til) wi ih B .
1u Schtwager] Herr Schwager B
38. Gefallen] Dienft B
se fonft no] noch fo B
su biefeß oft] &8 oft fo B
3% ihnen) fie B
« anftehe) anſtehet, B
» allzueilig] gar zu eilig B
XXI
394 wo ed... bedarf] bie... bedurfen 2
eı ihnen] fie 2
as nur] nun 2
4211 Ofeim) Herr Oheim 2
1» Vruber) Herr Bruder Z
ift fehlt 2
Teufel] gewiß A'B
48, Wochenbette) erſten Wochenbette 3
49: Sorge) unnöthige Sorge B
s mur] nur nit A'B
su wehrten] jchönen 2
50, an) aber an B
ss Dingen) Sachen B
5lse begehre ihr nicht] begehre nicht, ihnen A'2
521 Rache) Strafe B
584, in] vor B
54a Jungfer fehlt B
e wahrgenommen Habe) wahrgenommen A' B
56». 10 ich ließ ihr einen] ber lieh ich den Z
1a Srembden lauter] fremden Zeuten, nichts ala B
14 ben] daß fie den 2
deine] die *
su mit beiner] um deine B
57 dich fehlt B
1» Sandesweife] Sanbesart B
en Sprücwort] Sprichwort 423
5844 friegt] befommt 412
20 nicht] ob er nicht B
Orr zu] gar zu B
6ls geringen] ſchiechten B
621« Nach möge:
Agneta, Da tommt mein Mann. Iht Knnts ihm
{e6R anbringen. om meine Tuer wir molen gen
I) will fein trauriger Bothe fen. B
634» anfieng] angieng 3
64 viel) lang B
» ihre beften Freunde] ihren beften Freund B
ıs um fehlt 4’B
#. und 4 üble) boſe B
65r Dinge fehlt B
„u O Himmel!) Die Charlotte, O Himmel! B
KIT
bdas ein ein Nein Clyſtu! 4
——
* fehlt RB
Giecht 3
As Di je] die A'B
* Sprichwörter] Sprichwörter B
eher ala id) einen Mann befommt] eher einen Mann ber
Kommt als ich 2
doch fehlt Z
34. * baflie verlangen, und nichts bavon abbingen.] fordern,
ohne etwas davon abzudingen. 7
73 gegen] zu B
» allerbefte] allerliebſte B
Bevor ich hiermit meine Betrachtung abbreche,
a0i noch ein kurzes Wort über die vielen Aufführungen,
deren sich allein in Hamburg achtundachtzig’) nach-
weisen lassen, verstattet. Die Premiere fand am 16.
August 1741 im alten Opernhause auf dem Gänse.
markt, wo Schönemann damals spielte, statt und die
Aufnahme war eine geradezu enthusins #
digos Ropertoirstück macht es dann in den ersten di
Monaten immer volle Häuser. Man
klar darüber, dass es sich hier um et
‚dahin Unbekanntes handelte. Inter Schöi
tion (1747) Horiert es weiter durch „Ekl ls und
manns treffiches — ‚Ja sogar 17
beutel noch immer,“ wie Schütze b
später giebt es auch Kuniger in Hambu
settel ch
Schrift 8, 76 £.; ferner F.F,
\ ; ‚Schmid, Uonol
ütze
—
Titel „Der Grobian" erscheint eg noch am 22. November
1765 auf den Brettern des nenen, in diesem Sommer
eröffneten Schauspielhauses am Gänsemarkt, Den Gro-
bian zählte noch 1764 Ackormann zu seinen besten
Leistungen, die „Susanna“ war eine Glanzrolle seiner
Frau. Vor allen andern ‚uber het Konrad Bunt
die nachhaltigsten Triumphe in seiner
„Rentenierer Grobian« gefeiert, den er nach een
Tiengnis „sehr gemein“ darzustellen liebte — und zwar
wie sine Vorgänger in plattdeutacher Sprache. Das
war ein überaus feiner Zug, denn zu diesem Stück, das so
iotim Hamburger Verhältnisse „auf eine comische Weise“
durchzog, gehörte ohne Zweifel die „eogene Fruu-Mooder
Spraak.“ Diese Muttersprache — heuto fast ganz auf
die Strnsse verbannt — war aber das Plattdeutsche,
Im Munde des Arbeiters und kleinen Mannes klingt os
zwar raulı und ungefügig, von den Gebildeten und Vor-
nehmen, besonders uber von Damen gesprochen, soll es
eine angenehme, weiche und leicht bewegliche Um«
gangsspracho gewosen sein. In Geschäfte- und Seo-
mannskreisen spielte daneben das Holländische eine
grosse Rolle‘) und man war gewöhnt, dieses dem Ham-
burger Platt s0 nah verwandte Idiom wuch von der
Hamburger Bühne herab zu hören, Gerade eben jetat,
1740 und 1741, hatten wiederum zwei bedeutsame hol-
ländische Schauspielertruppen mit nachhaltigstem Bai-
fall in der Fuhlentwiete gespielt,') Genau zwei Monate
später findet der plattdentsch aufgeführte Borkanstein
ein ihm stürmisch zujauchzendes Publikum, und noch
heute gehört zu dem im Eingang charukterisierten Lokal-
stücken der Lokuldialekt, eben das Plattdeutsche, das
’) 80 wurden beispielweise auch die kaufnäonischen
Bücher in Hamburg 2, T. bollündisch geführt,
*) Ich habe ihr Repertoir in einer kleinen Studie
„Holliindische Komödianten in Hamburg“ ee
Tiche Forschungen. Herausgegeben von Berthold
T. Hamburg und Leipzig jEsı. 8.97— 128) veröffentlicht,
xxv
sich schnell in der Gunst der Bevölkerung fontsetzte.')
Wenn auch der ausdrückliche Vermerk, dass in diesem
Stücke „drey Rollen in niedersächsischer Sprache ge-
halten® würden, erst auf den Zotteln aus späterer Zeit ]
‚erscheint, so hat doch auch achon Gaedertz sehr fein und
‚empfunden, dass man sich diose Personen schlechter-
nieht anders als platt oder missingach redend danken
könne. Mag dor Vertasser seinen Test bei der Concop-
tion anch wohl hochdeutsch zu Papier gebracht haben,
»0 sind doch manche Parthien in den Reden des Gro-
bien, der und der Susanna durchaus platt-
deutsch ompfunden und es mutet den Hamburger,
dem schon von Kindesbeinen an dieser Laut vertraut
ist, zuweilen an, als ob Borkenstein bei der Nieder-
schrift sich geradezu einen Zwang hüitte anthun müssen.
Man hört deutlich das Platt überall zwischen den Zeilen
heraus und mancherlei Wendung und Redensart, die
im Platt gung und gäbe ist; macht in dor hochdoutschen
Form ein fremdes Gesicht, an das man sich erst ge
galante Charlotte ee ebenso wie ie —
als hochdeutsch konversierend vor.
‚gefärbten Werkes auf den Boden, ü
beschränkt geblieben wären. Aber
teil ist der Fall,’) Heute freilich kö
der itel
FH Der —
nie Sm
XvI
vorhältnismäseig wenige auswärtige Darstellungen nach-
weisen, aber dass os im Triumphzuge über viele Bühnen
ging, bekundet ausdrücklich auch der von Ganedertz.a, 5.0,
abgedruckte Zettel von Johann Ludwig Meyer in Lüne-
burg. In Breslau, wo Schönemann 1744, und zu-
mal in Berlin, wo er 1748 und 1749 spielt, findet
neben den Gellert'schen und Krüger'schen Stücken unter
den Originalen besonders der „werkwürdige“ Bookes-
bentel, nach Plümickes Zeugnis, „ungsmeinen Beifallt,
und 1755 hat ihn Ackermann auch in Halle gegeben,
Noch vier Jahre später ala die Lüneburger Aufführung
von 1764 füllt eine von Döbbelin iu Berlin veran-
staltete, worüber Karl Lessing von hier am 11. April
1768 au seinen Bruder in Hamburg berichtet. Br
erzühlt ihm, dass aus Ehrfurcht vor dem bei der
zehnten Aufführung der „Minus von Barnhelm“ am
dritten Ostertage anwesenden Königlichen Hof des
Bruders Lustspiel „nicht laut vom Parterre wieder-
vorlangt* worden sei. „Mein zerstreuter Döbbelin,*
fährt er daun fort, „kündigte ulso das erste beste Stück
an, das ihm einfhiel: — den Bocksbeutel Der Bocks-
beutel auf die Minna! murrte an und schimpfte
den gekrönten Wachtmeister einen unwissenden Narren,
Aber mit Unrecht; es war von Dübbelin weislich ge-
handelt. Er kennt die Grossen, denen der Books-
beutel eiu sehr schönes Stück ist, Ich war sehr be-
gierig, ob es da voll sein würde. Ich kam und fand
im Parterre etliche zwanzig Personen, von denen ich
als ein leissigor Komödiengänger weis
bessern Erholungsort wissen und bei einem albernen
deutschen Stücke ebenso gern gühnen als bei einem
französischen, Auf der Galerie befanden sich die
Kenner und Gelehrten. Sie wussten auf ein Haar,
wenn der Schauspieler nicht recht Hamburgisch kauder-
wälschte.“ (Dessings Werke, Hempel 20, 236 f.)
Das war im Jahre 1768! Aber schon viel früher
hatte die derbe Burlesque Anstoss und Bedenken er-
KXVIT
regt. Fin vernichtendes Urteil aus dem Jahre 1748
(„Gocttinger Zeit. von gelehrten Sachen“, Stück 88,
8. 703) habe ich in meiner früheren Schrift 8. 81
wioderubgodruckt, Ein andoros, dus mir damals ent-
ist, sei hier nuchgetragen. Es findet sich in
den „Hamburgischen Beyträgen zu den Worken des
Witzes und der Sittenlehre“) und knüpft an eine
dortige Aufführung im „Jahre 1752 an. „Am 2. An-
güst,“ sagt der Verfusser, „snhen wir das vor vielen
Jahren hier in Hamburg verfertigte Lustspiel: Der
Bookesbeutel. Es ist dieses ein satyrisches Stück
auf dio übertriebonen Gebräuche unsrer Einwohner,
Doch die Sitten bessern sich allemal mit den Wissen-
‚schaften, und man wird kaum den Schatten mehr von
diesen groben Unauständigkeiten in unsern Gegenden
wahrnehmen. Ein lücherliches Coremoniel, und andro
etwas leinre, doch aber uuch zugleich lächerliche Ge-
wohnheiten haben itzt die Stelle der alten Sitten ein-
genommen, und wer itzt den Bookesbeutel ei
wollte, der müssto seinen Plan ganz anders
wenn er wuhrscheinlich bleiben sollte.“ Nicht durchaus
verurteilend, aber doch tadelnd äussern sich auch Löwen)
und das „Hann. Magazin“ aus dem Jahre 1768 (8. 372),
während Schütze viele Jahrzehnte r t
nicht geringfügigen Ausstellungen,
schliessend gesteht; „Wer weiss ob di
würde, als manches fnde Lustspiel der noucı
Bühne.“ —
Feen Hamburg 1759. 5. 200 f,
Schriften, 4. Theil, 8, 3.
4
RUE
zu wocken, obwohl die im Fluge beliebt uud bekannt
gewordenen Vertreter des Bookeshentels (Grobian,
‚Agneta, Susanna) darin wieder auftraten, Ein Druck des
Stückes, dessen Verfasser Borkenstein auch wohl nicht
war, ist mir unbekannt geblieben. Abschliessend zei
aber noch an ein anderes Stück Borkensteins mit
orte- und zeiteigentümlichem Gopräge, „Der Misch-
Masch#, erinnert, von dem nichts ala der Titel auf
uns gekommen ist, Die Schröder gub das gogen dis
Sprachvermengung, das Durchsetzon dor Rede mit fran-
zöwischen Floskeln und Phrasen zu Felde ziehende
Stick nach dem Manuskript in Hamburg viermal,
zuerst am 28. November 1742, Es fand keinen Bei-
fall und ist auch nie gedruckt worden.') Wie es scheint,
hatte sich mit dom Bookesheutel Borkenstoins dramati-
sche Kraft: erschöpft. Dieser aher war ein Treffer
erston Ranges gewesen. Unzählige Nachahmungen und
Fortsetzungen, von denen die Uhlich"sche am be
kanntesten geworden ist,") reden noch heute eine deut-
liche Sprache von seinem tiefen und nachhaltigen Ein-
Hass auf die Zeitgenossen, Ale Borkenstein aber 1777
stirbt, war soin diehterischer Ruhm schon längst zu
Grabe getragen: Die Presse geht mit Stillschwoigen
durüber hinweg. Kulturhistorisch betrachtet jedoch ist
mBorkensteins Fareo", wie die „Chronologie des deut-
schen Theaters“ (8. 125) es wegwerfend nennt, ein
merkwürdiges und interessantes Produkt aus der Früh-
zeit deutschen Theaterlabens. Aber auch die Litteratur-
geschichte wird nicht vergessen, dass in der Ent-
wicklung von den Veltheim’schen Possen nnd Harle.
kinaden bis an Lessings „Minna von Barnhelm* „Der
9) Val. darüber. anssr Litamanns Schröder TS. 82,
meine frühere Schrift S. 2—®6, wo sich auch ein Abdruck
des Zettels der ersten Aufführung findet,
") Ebd, 8.87 fl. ER auch meine Monographie „Adam
Gottfried Uhlich“ (Theatergeschichtliehe Forschungen.
VIEL. Hamburg und —— — 8.67 £
—
Bookesbeutel“ einen hochragenden Markstein bezeichnet,
dass sein Erscheinen einen grossen Schritt nach vor-
wärts bedeutet.
Zum Schluss darf ich noch ein Wort des Dankes
sagen, Meine sehr mühsamen und langwierigen Nach-
forschungen nach dem ersten Druck wären wohl erfolglos
‚geblieben, hätte nicht Herr Dr. Johannes Bolte in Berlin
‚mich damals, als ich schon alle Hoffnung aufgegeben hatte,
‚auf dessen Vorhandensein in der Kaiserl, Oeffeatl, Biblio-
thek mußt, Patereburg aufmerkuam gemacht. Nachträglich
‚erst hatte er diese Notiz unter de» ii
Reise gemachten Aufzeichnungen wi !
teilnehmende Liebenswürdigkeit Professor
Suphana vermittelte die Ucbersendung dins
von St, Potersburg an das Goothe- un!
in Wei Dem Entgogenkomn
Rats Professor Dr. A. W
tora der Kgl. Bibliothek in k
lichkeit der Einsicht in das or'sche —
welches darselbe auf meine Biti dem Adelbert:
College in Cleveland (Ohio), dessen Büchersummlung
es gegenwärtig besitzt, nach Deutschland kommen liess.
wi
Der
Bookesbeutel.
Ein
Luſtſpiel
von
Drey Aufzügen.
Frankfurt und Leipzig. 1742,
[Vignetta,]
Dies] Vorbericht.
ie die Schaubühne von jeher als eine Schule guter
Tugenben und Sitten von allen vernünftigen Leuten
angejehen ift; aljo haben auch feit einiger Zeit ſich
verjchlebene bemüher, en fiblen Geſchmack in Dentjchland
© dom derjelben zu vertreiben.
Die») Ungenchtet aber alter jolher Vemtihungen, ſcheinet
eö doch, als wenn die geiunde Vernunft in diefem Stüde
wicht jo Leicht wie in andern ändern, und infonberheit
im Frandveich geicheben ft, die Herrſchoft erhalten wird.
30 Denm obgleich man fidh bemfhet hat, fo wohl durch me
als aus andern Sprachen überſehte Stüde
unſern Landslenten ben guten Gejchmact beyzubringen; fo
fiehet man doc), daß noch an den mehreften Dextern unſers
Boterlanbes, die Zotten und Unflätereyeu des Harlefin,
15 die Vetriegerepen und Ranke Scapins, ftatt der Wahrheit,
wo micht ganz und gar, doch zum b
behalten. Die Urfache, warum man noch immer
vermfinftige, das Pöbelhafte, und das
jet, dem Gefitteten und —
=0 siehet, iſt von jo weitem Umfange ur a au
jelbige hier in einem kurzen zuführen,
— weitfäuftig fallen würde Und man zweifelt micht, ba
und amt bie deutſche
ei verdient gemachte Herr DR] Pro he,
* joldes bereinft in den Fortiehungen feiner Deutfchen Shm-
bühne mit mehrerm thum wird.
Hinrich Bortenftein. Worberichk,
Gegenwartiges Stüd ift Thom vor Jahr und Tag
von der geichidten Schhnemanniſchen Gejellichaft auf der
‚amburgiichen Schaubühne zum öftern aufgeführet worben.
'* hat den Beyſall derer, welche die Vernunft und Bu
guten Geſchmac Lieben, erhalten. Aus ber ganzen Gi
richtung fiehet man wohl, daß der Herr Verfajler hefelben
bejondere Geſchicklichteit befigen mul. Die Einrichtung
it ordentlich und vegelmöhig; und der ganze Sunbalt
mahlet uns jo wohl die Abſcheulichteit der Laſter als auch
bie Aunchmlichteit der Tugenden mit jo lebendigen Farben
ab, dat nic daffelbe ohne Gemuthsbewegung Lejen
ober hören wird. Denn an ber Perfon bes Grobians
bemertet man einen Sanmelplag verjchtebener Laſter, welche
alle in folder Gröffe bey ihm anzutreffen find, daß man
im Zweifel jtehen wird; ob der Geiz oder die Grobheit,
— * — Bun in Fr
ie Oberhand Haben. jeimet es a
dafı dev Geiz, fir alle andere Lafter die Oberherrichaft
über ihn Hat, welcher ihm dermaffen bemeijtert, daß er
auch ſo gar die allerempfindlichite Beſchinpfung nichts
achtet, wenn er nur Geld bekommt, Nichtweniger findet
ter Bar und Tochter die Spuren einer pöbel-
je zu vermeiden und zu derab«
den Sittenreich, Gutherz,
d wohlgefittete Lebensart.
Eindrud von der Hufe
und Bejcheibenheit. Und
er einige geringe Fehler
m ihnen die mit einer ſcharfen
Norat nicht bi ſo wird einjeber, jo lange er an fich,
felbft fühlet, H — bedenlen. doß
niemand ohne Schn
ſes
Führungen Thon zlemlich bekannt * und mit becht vers
a
Vorbericht.) Der Boofesbeutel. 5
dienet, daß e3 noch befannter gemacht werde; fo hat man
ſich nicht entlegen können, es hiemit vielen Leſern in die
Hände zu liefern. Man wünjchet zugleich, daß viele da-
durch aufgemuntert werden mögen, mehrere dergleichen
Stüde zu liefern; fo wird unfer Vaterland endlich fehen,
daß auch auf der deutjchen Schaubühne die gefunde Ver-
nunft und der gute Gejchmad den abgejchmadten Poſſen
vorzuziehen find.
D@®] Perſonen:
Grobian, ein Rentenierer.
Agneta, deſſen Frau.
Sittenreidh, fein Cohn.
Sufanna, feine Tochter.
Gutherz, des Grobians Schwager.
Ehrenwehrt, ein Fremder aus Leipzig.
Carolina, deſſen Schweiter.
Charlotte, Freundin der Sufanna.
wo Mägde.
Der Schauplag ift in Hamburg in des Herrn Grobians
Haufe, fängt vor Tiſche an und währet bis gegen Abend.
[Kopfleiste.]
Erjter Aufzug.
Erſter Auftritt,
Agneta, Sujanna, in Haustraht, jwo Magde
—— ſtrict, — a 353 Jede hat ein
a = — ihm das,
Wenn im grünen Grab
Unfer Hänsgen Gretgen ‚ur:
Bon vorne.
Zweeter Auftritt.
Sittenreid, bie vorigen.
‚Sie fieden geihtwinde die Blätter in die Taſche, eine aber läft
es fallen.
Sittenr. Ey, mern wirb denn das unzeitige
dat ich mitfinge? Ahr habet ar
vorgefehen, denn Hier lieget
nimmt 68 geſawinde auf. Laß chen,
8 Hinrich Vorkenftein. 1.23
Er lieſt. Sechs jhöne, neue, weltliche Lieber. 1. Hat dich
denn das Ungelüde wieder in den Krug geführt? 2. Ge—
jellen Höret an, was mich für Jammer quälet. 3. Ihr
Schtwäger ftellt euch nut bey Tag und Nächten ein. 4. Hans
und Öreigen will, morgen in der Still, eines mit ein 6
ander wagen. 5. Ich bin der Arzt, ich bin dev Dann,
ber allen Madgen helfen lann. 6. Liebjtes Liesgen Iege
dich, Aber faget mir, ſchamet ihr euch nicht? Wenn das
die Nachbarn merken, jo werben fie erſt jchmälen. Bisher
stehen fie im den Gedanken, daß ihr Sauter erbauliche Lieder 10
finget; wenn fie aber Hinter den mahten Inhalt derſelben
lommen werden; was haben fie nicht Bde zu fprechen?
Schöne neue weiktiche Lieber. Ex left 1. Ich bin ein
rechter Engel, ich bin ganz ohne Brangel vom muß bis
auf das Haupt, und wer mir bas nicht glaubt, der darf 1
mid mır — ꝛc. Trefliche Moralia. Dentt doch!
Mutter, Tochter und Mägde ſihen und fingen weltliche
Lieder, dazu jo vortreflich Zeug, welches ſich recht [3] vor
Leute ſchidet, die ſich jo viel einbilden, als ihr thut.
Sufanna. Je mu, was gehts euch an, Bruder, 20
wenn bie Dana es uns gut heiffet? Der Papa hat mir
am Sonntage Sechsling verehret, dafır habe ich
ti Sieber gekauft, und finge fie zu feinen Ehren.
ſchidet ich nicht, daß der Sohn die
= war in meiner Eltern Hans die
alfe Tage eine Stunde vor und nad
gut
ea als ich Lebe, will ich auch
0 zwar fonft alle Neuerungen, denn das
Alte iR ‚immer ber er, als das Neue: aber das muß Ich
Lange bear Neues aufgelommen it,
allen, als dieſe neue melttiche Lieber;
men, wenn ich nit etwas nothwendi s anzubringen hätte.
Agneta, Und was denn?
Ja Der Boolebeutel. £}
Sittenreid, Ich Habe vor einiger Zeit mit meiner
von einem jungen und veichen Menſchen ner
prochen, ben ich in Leipzig habe keunen gefernet, und mit
‚melchene ich eine [4] ſolche genaue Freundſchaft geſtiftet, daß
‚er bios deswegen gewünſchet, mein Bertuandter zu werben.
Und auf Vernehmen, dah ich eine Schweiter hätte, hat
er fich entſchloſſen hierher zu reifen, um zu fehen, ob fie
ihn gefiele, und ſodann zu erfuchen, ob fie Belieben trüge,
ſich ihm zu verbeivathen. Ich möchte ihr dies Gläi
‚gerne gönnen, denn mein Freund iſt fo tugendhaft, als er
reich ift. Auletho eben hat er mir feine unvermuthete
Ankunft willen laſſen, und ich habe nicht umhin tönen,
ihm noch vor dev Mahlzeit zu mir zu bitten.
Aguneta. Ich wollte, daß ihr was anders gethan
hättet: Es ift fein Zimmer im ganzen Haufe reim; alle
Vorhänge find in der Wäſche, und überdem, jo habe ich
geböret, baß feine Ehe glüdtich ſeyn faun, wo der Bräuti—
gam zum erſtenmal in ein Haus kommt, das micht vein
gemacht ift. Welche Unordnung! Eine Stunbe vor ber
Mahlzeit Fremde zu nöthigen! das iſt ja unerhört!
ame, Die Leute find am andern Drten
nicht fo thöricht, daß fie auf dergleichen Kleinigteiten achten.
Mein Freund fonmnt weder um das Haus zu fehen, noch
ums on ber Mahlzeit zu ftören. Die dran Mutter wird
aber — Zweifel auch wohl ehe gehbret haben, daß
nicht gejchiet haben, meinen Freund
Head zu laffen, Weil ich aber Kopfich
e mert ihu
9 als eine
daß das Haus nicht vein fit. m ih bey Leibe
nicht Hier, denn ich habe nichts ; Ir Dägbe,
‚packt euch geſchwind mit euren Spinnrii em Re
‚ober auf dem Boden, daß man euch nicht hd
Srobian und die Borigen.
Grobian. Was tits? was giebts? Wohin führet
ber Teufel bie Mägbe und Sufanmma?
Sittenreid, ES fommt ein Fremder zu mir,
‚Herr Pater! w
[6] Grobion,. Win Fremder! was will der Kerl?
Sittenreid. Er will meine Schweiter heirathen,
Binz, Vesziten if, er Perle
Sittenreid. Ich ſage ja, hai er frentb ift, —
Bater.
Grobian Gin Frember, ein Schelm, ein ‚Dich
will meine Tochter heirathen? Hat der Hund Geld
Agneta. Ey nun, Dann, alle Fremde — »
doch wohl feine Schelme und Diebe jeyn. Wenn darum
unfere Tochter eine gute Heirath treffen Ernte: jo ließ
ſich doch die Sache wohl unterfuchen.
Grobian. Darum frage ich jo, ob er Gelb hat.
Sittenreich. Derr Vater, bejtehet denn das menſch⸗ 3
liche Vergnügen mtr im Gelbe?
Grobian. Ja, du Galgenvogel, wart, faf mir
ben Kerl herfommen, ich werde ihm willfommen heiſſen,
daß ex fich wundern joll. Ich will ihm fragen, ob ex den
Haden wohl fichet, woran ſolche Diebe hängen müffen: 3
Ugneta. Ey, lieber Dann, jen doch nicht gar zu
unchöflich.
Srobtan. Unhöflich! mas habe ich nör [7] thig
einem Fremden Höflichkeit zu erweilen? überbem will er
—
en
Der Vooledbentel. 11
‚ja nichts beingen, er will was bolen. Zum Sutenreich. Doch
fage mir, wie ift ber Merl auf bie Gebanfen gefunmen.
ittenreic, Bor drey Jahren, Herr Vater, als
Herr Gutherz, mich in Leipzig. ſtudiren
ic) mit ihm befanmt geworden, Wir haben uns,
Uebereinitimmung der Semither willen, ewige
and Brüderihaft geihtworen; und auf Benehmen,
‚eine Schweiter hatte, pflegte er jo wohl der Seit,
nachhero in allen Briefen zu herzen: er wünfchte
in Schwager zu Werben. Anietzo möchte aus bem Scherz
denn er ijt herüber gexeifet, ohne
jet zu Schreiben, und hat fich jo eben
[den laſſen daher ich nicht umhin gekommt,
anzun 3 -
1 Ach wollte, daß meinen Schwager und
1er #
zu
‘
i
8
3
dich
nad)
bein
wurde.
b bein Meifen nichts
in
ic ans jeinem Wentel unterbalt .
ern ich bie Unfoften Hätte tragen jollen,
feit [8] nicht geichehen tod
napofji v
y reibung gegeben,
A 1 bezahlen schule
&
deyeft, it
Siltenreich. Hievon ift mi
)- fe
amix,, waren du wicht wehrt, daß ich
2 ‚Hat dich mein Schtwager darum nad)
Sdah du mix, einen fremden Re
folit, ber mir Ungelegenbeit
ing deiner geofien
gern
it glüdki,
KRERERGT
12 Siurich Vorlenftein. [023
Agneta Mein Sohn, ihr — mir ja vorhin viel
Nühmens von dem Reichthum dieies Fremden gemacht.
Sittenreich. Ach muß den Herrn Water wohl bes
felebigen. Der Fremde, dev icht bier fommen will, it
ein Sohn des alten Ehrenwehris, der oft in Hamburg ger 5
weſen, und vor einen Jahre in Leipzig geftorben if. Der
Rede nad), foll er vier Tonnen Goldes hinterfaffen Haben.
Ich zweifle nicht, ber Herr Vater wird ihn Fermen.
[9] ®robtan Je, du Teufelstind, was wollte ich ben
alten Ehrenwehrt nicht gefannt haben! Muſt du mich,
denn erft zum Horn reizen? SHättejt du mir das micht
jagen follen? Auf die Weiſe hat ja mein Schwager was
Sutes geftiftet: Ich habe mich zwar feit drey Jahren mit
ihm veruneiniget, allein ieht till ich fo gleich zu ihın gehen,
und er foll fich mit mix verföhnen, und dieſen Nachmittag
hier kommen. Du aber, wenn der junge Ehrenwehrt kommt,
To Halte ihn To fange auf, Bis ich wieder da bin. Ich
will ihn felber ſprechen. Das Eifen muß man jehmieden,
weil es warm Äft, Bier Tonnen Goldes iſt fein Dred.
Gehet ab.
Sittenreid. Ich werde mein Boftes thun.
Agueta gehet ab,
Mein Freund könnte wie es fchelnet, leicht zu Tel
nem &efuche gelangen; aber Ic) fürchte, wenn er meine
Schweſter jehen und fprechen wird, daß ihr Umgang und =
ihre Erziehung ihm ſchlecht aefallen möchte, Ich hätte
nimmer geglaubet, daß mein Water bey feiner olten Miete
nung, die Kinder nicht das geringite lernen zu laſſen, ver⸗
harren würde, und ich bin daher glüdtic), daß mein Oheim
ſich meiner angenommen hat. Ja, wehrſter Gutherz, dir 20
bin td) mehr Dan ſchuldig für die Erziehung, als meinem
Teibfichen Vater [10] für Das Leben und die zeitlichen Mittel,
jo er mir einmal nochläßt. Zu meiner völligen Bernhls
gung fehlet mir nur noch der Beſih der ſchönen Charlotte ;
alfein Hiezu weiß ich nicht zu gelangen. Cie iſt tugend» 5*
haft und ſchon, klug und wohl erjogen, mit einem Worte,
fie Hat alte Eigenſchaften eines vollfommenen Frauengimmere.
e ——— rühmen, ihre Gunſt zu beſihen, allein fie
die Gunſt meines Vaters. Warum? fie hat
Verdammie Geldjucht, wie ſchädlich biſt du
—E Vergnügen! Olme ſeine Eimvilligung
5 Tann ich gleichwohl wichts anfangen. Er würde mich on
febtbar enterben. Die Iehte Zuflucht ſoll zum Haren Gutherz
ſehu. Doc) da fommt mein Freund von einen Frauen»
‚zimmer begleitet.
Vierter Auftritt.
10 Ehrenwehrt, Carolina und Sittenreid.
Ehremwehrt und Sittenweich umarmen ſich.
Ehrenw. Die angenehme Borftelhung, meinen ge—
‚ehrteften Freund zu jehen, hat mir den Weg von Leip-
‚sin bis bier tauſendſach verlängert, und bie Freude, fo ich
35 empfinde, da ich meinen liebſten Bruder umarme, iſt un
ibli
m) Sittenreicd. So angenehm es mix jederzeit ges
ivejen ift, von des Herrn Bruders Wohlſeyn schriftliche
einzuziehen; jo ſehr vergrüget nuch, daß ich deſſen
30 amieho fo unbermuthet perjönlich von ihm verfichert Werde,
Aber darf ic; fragen, was für ein artiges Frauenzimmer
bee Herr Bruder miigebracht hat?
Ehrenwehrt. Es ift meine Schweiter. Sie war
das ganze — der — — ee uns fubirte,
= bestlägerig, jo, daß man auch an ihrem Auftommen zweifette;
allein fie bat ſich nad) dev Zeit völlig exholet, und wer
weiß, went der Himmel fie vorbehalten hat. Ihre zärt⸗
Tiche Liebe zu mir. hat verurſachet, daß fie mir auf biefer
Meile, Geſeliſchaft geleiftet.
” Sittenreih, It es möglich, daß ich in ‚einer
‚ganzen Fahresfrift nichts hievon vernommen habe? Ich
ichäbe mich inzwiichen beglüdt, die Schweſter eines voll“
fommenen Bruders kennen zu lernen, und in Anſehumg
der gemachten Freund⸗ und Brüderichaft mit dent Herren:
5 CEhrenwehrt, nehme id; mic bie Erlaubniß, mie auch dero
Gewogenheit auszubitten.
14
Carolina. * Et ——
wovon mir mein Bruder fo vo
bat, lann mir nicht anders als hochſtangenehm ſeyn, um fo
vielmehr, da ich gebdret, daß fie eine artige Schwefter Haben.
[12] Sittenveicd. Gtvas verwirrt. Bon ihrer Artig-
feit wird nicht viel zu ruhmen ſeyn. Das Frauenzimmer
in —— einige — — wird mehr
zur sarbeit, als zum Umgang Leuten angehalten,
Wir müfjen den Oberjachfen, was Ye Gerlhung des drauen·
— anbetrifft, den Vorzug laſſen Da kommt mein
jater.
Fünfter Auftritt.
Srobian und die Borigen.
Srobian. Gehorſamer Diener, gehorjamer Sucht,
mein wehrtgefchägter Here! Sind fie nicht der Ehren-
wehrt aus Leipzig? Wein Sohn hat mir vor einer
Hatben Stunde gejagt, Daf fie hier fommen würden, fonft
hätte meine Frau ein und andere Anftalten zu ihrer Ber
wirthung machen follen. Sie laßt ſich auch ent
daß en Daus nicht vein iſt. Ste hat mit der Wil
Ich bin von Herzen erfreuet, beit
—— lernen, den ich über alle
Grobtan, Ja, ja, er ifts auch wehrt, er ift ein
guter Junge. Gr hätte aber noch beifer werden follen,
wenn ich ihn felöft erzogen hätte. [13] Zum Gittenzeidh.
Was ift das für ein Menfch, das ber Herr bey ſich hat?
Caroline. Zum Epremsehet, Ein Menfih, lieber
Bruder!
Grodian. Was ifts, was ifts?
S Zur Carolin. Sie Jurnen nicht,
* ter it niemals im Oberfachjen ge‘
en. Er mimmt das Wort im guten Zune
Oroblan. Herr Vater, das Wort Menſch beveutet in Ober · 1
ſachſen gar etwas Böſes
Der Vootesbeutel.
- Grobiam Und was benn?
- Bittenreicd. Es bedeutet jo viel als eine lieder ⸗
fie im, oder mit einem Worte, eine Hure.
Örobiam. Ie mum, kann ich dem Leuten anſehen
a —— Eine Hure ift ein Menfch, und eine Jungfer
it auch ein Meuſch, und damit it es aus. Sage mir
nee, wer fie
Sittenreid. Es ift des Her Ehrenwehrts
” Grobion. Meine Tiebe Jungfer, ich will nicht
— daß fie bbſe geworden find. Cs wäre fahr
1, denm ich verfichere ihnen, dab ich nicht gewuſt
I auch Dieje Stunde nicht glaube, daß in ihren
— ne eine Hure bedeutet, zum Teufel,
e
“in Carolina. — ſundiget man nicht. Ich bitte
, daß wir Ihnen ſo frey zugeiprochen.
Grobian, D, daran haben fie wohl gethan. Bum
Sittenveidh feife. Das iſt ein gutes Miädgen vor dich. Zum
© Ehrenmwehrt, Aber jagen fie mir doch, mein Herr, aus was
Urfache haben fie eine jo weite Neife angetreten?
und Carolina jprechen beſonders.
Ehrenwehrt. Die Reife ift ja fo groß nicht.
Grobian. on Leipzig bis bier follen doch über
Meil Weges fen.
Ehrenwehet: D, nein, es find nur einige vierzig.
&robian. * Habe mic; mein Tage ı
er it
Örobtan. Ey was Baris, was
einen Better, der ft ͤt Paris und Londo
da mich micht todt wäniden 7 Bum Erempel:
Paris Hat er vor Geid Feine Eyermonden friegen
16
können. In London haben
Fu» [15] hen vor Dinge find. ie
Federbett daſeldſt gehabt. Der Wein ift —
— Sen, — er —
te, und was unter
fonen ift manchmal kaum einer geweſen, ber deutich ver“
ftanden. Kaunn man das geofe Derter nennen ?
Ehrenwehrt.
und unbefannt find, Unter hundert von unfern
von wird auch faum einer englüch oder franzoſiſch ver“
chen.
Grobian. (En, wozu ift das nöthig. Nach meinen
Willen follte die ganze Welt deutfch reden. Was Teufel,
bie bentfche Sprache fofter ja nichts. Die andern muß
man vor Geld und mit groſſem Kopfbrechen lernen, und
alsdenn Mingts, als wenn Hunde und Sagen Heulen. Kein
Menich veritchts.
Ehrenwehrt, ine jede Natiom verfteher Ahre
Sprache jo aut, als wir Deutiche die unſere. Ju London
koftet den Einwohnern, das Engliſche zu lernen, ſo viel,
als ums Deutjchen, das Deutſche, und fo iſts in Baris
mit dem Aranzöfifchen.
Grobian. Reden fie denn in Paris und London
nicht einerfen Sprache? Nach meiner Meinung Hegt Baris
und London fo bey einander, als Hamburg und Altona.
[16] Ehrenmehrt, Nein, mein Herr, fie Itegen 0,
Meilen von einander, London ift die Hanptitadt in Engel-
Kand, und Baris die Hanptitadt in Frantteich, Beyde
aber find die Reſidenzen der Könige.
Grobian: Das ift mir zu weitläuftig und ber
Schnickſchnad bringt nichts ein. Um einer halben Stunde
werben wir ſpeiſen, und till bee Hert bie Ehre haben,
amd mein Gaſt fen, und mebit feiner Rungier Schtweiter
mit uns vorkteb nehmen; ſo joll er mwillfonmmen feym. 35
Was wir über der. Tafel reden werden, joll vielleicht
mehr einbrängen.
Der Voolesbentel. 17
un Wir werden nicht ſo unhbflich ſeyn,
‚gleich, das erſtemal — zu verurſachen.
Grobian. Ey, was Ungelegenheit! Machen fie
nur feine unndthige Complimenten. Ein Schelm, der ihrent⸗
5 wegen Umftände macht.
Ehrenmwehrt. Das wollen wir ung denn von ihnen
ansbitten.
Orobian. D, jo was gebrauche ich nicht. Wenn
der Babjt oder der Türkiiche Kahſer, oder der Teufel und
0 jeine Großmutter auf ben Stutz zu mir fämen, und Hätten
— — — zum Eſſen bäte; jo müßten fie mit
Ehrenwehrt. Das ift auch billig, wenn [17] mans
To gut hat als ber Wirth jelber, jo muß man zufeieben feym.
15 Grobian. Der Herr fit mein Mann, ich höre es
ſchon Ih habe das Sprichwort: Wer das nicht eſſen
will, was ch eſſe, der frefie das, woben cs nekocht üft.
Den ihnen wohl vorher jagen, was wir ſpeiſen werden:
ſchen, e3 iſt heute Montag, Dienſtag, Mitttoochen . ,
= Noden Warmbier und Wlüctefinfen. Wir effen, Jahr aus
Jahr ein, einerlen. R
Ehrenwehrt. Die Gerichte find mir unbefannt;
jeboch es jey was es wolle, gute Geſellſchaft iſt immer
mein bejtes Gericht.
= Grobian. Ey, ey, ich mag dod) gerne was Leclers
freffen, wenn es mm nicht jo viel ee Rh wollte
wehrt und ſeine Jungfer Saweſ immer, und ver⸗
ie ihnen * ‚geit. Ich mil r bey euch ſeyn.
ättenzeich, Ehrenwehrt und Carolina gehen ab.
esse Es foftet mir Mühe dom &
icht dabey — ment, und
Deutsche Lätteraturdenlmnis Nr. &6]
18 Hin Vortenftei, 223
gleich das Maul anfthun fönnen. Mein Sohn wird es
ihm doch wohl gejagt haben, daß ic) es fchon weiß. Ueber
Tiſche werbe ich nicht Lange hinter bem Berge halten, und
wer mir ber Kerl Lange um ben Brey herum geben. toill
jo werde ich ähm Ins Facit jagen: daß er ein Narr ift.
Sedjfter Auftritt,
Agneta. Örobian,
Agneta. Was Teufel, Dan, ſchämeſt du Dich nicht,
Fremde auf ſolche Traftamente zu möthigen?® Ich mitt
durchaus der Goſte loß ſeyn, und follte id) alles Eſſen
anbrennen laſſen
Grobian. Biſt du toll, Frau, oder was jchadet
dir? wilft du mich sunmmünbig machen? Ich Habe ihnen
ſchon geſagt, was wir zu eſſen haben. Es find Auſſen-
Tente, fie verſtehen nichts Davon, und finds wohl nicht eins
mal jo gut gewohnt.
Agneta. So magft bu mit ihnen allein effen: Ich
und meine Tochter wollen uns bey dem Geſinde Debelfen,
denn es Kit nicht Efjen genug.
Wrobian, Das jollt ihr wohl bleiben laſſen. Der
Fremde hat viel Geld, und will er [19] mein Schwiegere
ſohn werden, fo muß er ja wohl feine Braut sehen.
Agneta, Umd wem meine Tochter ewig follte un»
verhetrathet —— jo ſoll fie heute nicht am der Tafel
foumen. Es ifl in unferer ganzen Freunbjchajt fein Ger
brand), daß wir anders, als des Sonntags Gaͤſte haben,
und jo will id es durchaus gehalten willen.
Grobian. Di ficheft aber, daß es micht mehe zu
andern jtehet,
Agneta. Sollte ich in der Mode rein Tiſchzeug
and ginnerne Teller auflegen? das laffe ich wohl bleiben.
Srobian. Gieb uns das faule Tiſchzeug und die
holzernen Teller. Es ift nichts baran gelegen, fo fehen
fie, daß wir jparjam find,
Agneta. Nein, id toill auch auſſerdem feine Un *
za Der Bvotesbeutel, 19
‚ordnung im meinem Haufe haben, und icht will ich felber
und ihnen die Thure weiſen. Will weggehen.
Grobian. Hält ſie. Wo dich der Teufel wicht re—
Siebender Auftritt,
Sufanna, Charlotte und die Borigen.
Suſanna. ch! Mama, Mama!
Agneta. Was wiljt du?
[RO] Suſanna. Das ift ein artiger Menſch.
Ei Srobian. Haft du ihn gefehen?
Sujanna. Ja bon ferne.
Grobian. So gefüllt er div?
Sujanna. Ad ja, er ift fo artig, als mein Bruder
ihm mir bejchrieben hat.
E12 Grobian. Da, gieb deiner Mutter gute Worte
Sie will ihm eben die Ihre weiien.
Sujanna. Ey warum denn, Mama?
Ugneta. Darum, daß dein Vater ſich unterftanden
bat, ihn heute zu Gaſte zu nöthigen, da es doch nicht
Sonntag it.
Sufanne. Ey nun, Mama, es ift ja etwas auſſer⸗
ordentliches Ein Bräutigam wird ſich ja eben nicht om
Sonntage melden,
Agneta. Dir zu gefallen will ich es biesmal ge-
25 fchehen ĩaſſen, dur magſt did) anfleiden, und mit eſſen. Ich
will fo gleid; für die Uergerniß was einnehmen, und mid)
bamit zu Bette legen.
Aaneto gehet üb.
Sufanna. Papa, ich habe Charlotte holen
w laſſen. Sie ſoll mir jagen, was it meinem Bräuti=
gam ſprechen muf. Sie hat es ans den Büchern, und
aba weiß, baß ich nicht vecht leſen tann
Grobian. Du haft wohl gethan. Jungfer Char
fotte, fage fie ihe doch, wie fie mit dem Fremben und
feiner Sapweiter umgehen muß, und was [21] fonft nöthig
20
ift, ſo gut als fie es feibft machen würde, wenn fie eine
reiche Braut werden ſollte. Wenn bie Heirat,
kin Zweifel ift, vor ſich gehet, fo will ich Ihe das Schaur
flüt verehren, fo ich neulich gefunden habe. Es ift ſhön
vergölbet, und ein Jude hat mir ſchon 20 Schillinge bar
für geboten,
— Rh Ihnen zu gehorſamen, ijt meine Schul⸗
ll
——— Zur Sufanna. Bu 5
du dich anlleiden, und wenn du zu
tomunſt. jo Halte dich habſch zu ihm, a A freundlich).
Jungſer Charlotte foll ſich neben dich ſehen,
dir dann und wann einige Redensarten Ins Ohr ſagen
Mache nur nicht, daß * Schimpf einlegeſt, und verblte
= ei Dingen, daß dir der reiche Bräutigam nicht
entgehet.
Sufannn. Wir wollen es jo gut machen, als wir
können. Grobian neht ab.
Ach! Jungfer Charlotte, ein Bräutigam! das Wort Hinget
doch unvergleichlich! Ein Bräutigam! Ha, ha, hal... Aber
was ſoll ich ſagen, weun ich zu Ahm ins immer —
Eharlotte. Er wird fie ohne Zweifel erſt am
— und jagen: Er ſchatze fich gütdlich, fie kennen zu
ernen.
Sujanna. Sollte er mich nicht erft Füffen?
——— Behüte der Himmel, wie würde ſich
8 fchien
Suſanna. Ey, warum nicht? mein Vetter Mothe
bart Tüffer mich ollezeit wenn er zu mir lommt, und ſaget
kein Wort.
Sharlotte. Ihr Herr Better Rothbart weiß nicht
zu Teben
Suſanna. Ey, er mag zu eben wiſſen oder nicht,
die Mode gefällt mir aleihwel, Was habe ich von den
Eompttmenten?
Charlotte. Wenn es ihnen min gleich noch fo
wohl gefältt, fo verfichere id) ihnen, ihr nener Vräutigant
—
‚Der Boofesdeutel. 21
— thun, — a wird fie auf die Weiſe
‚onreben, wie ih vorhin erwähnet habe.
Suſanna, Was joll ich denn antworten?
Eharlotte. Was meinen fie wohl? wenn er zum
s Erempel fo zu ihnen fagte: Ich habe ein befonderes Ver-
—— ‚eine Perſon kennen zu lernen, von ber ich mir
—— ihres Herrn Bruders viel Gutes verſpreche,
und werde ac glücklich [hägen, wenn dieſe Befauntichaft
künftigen genauern Verbindung etwas beytragen Fönnte.
2 wollen fie hler auf antworten?
Snjanna. Ich wollte antworten: Ich bedante mich),
Charlotte, Gy, das wäre eben iv viel als gar
nichts, Zum wenigiten müffen fie jagen: Site[23] wären
wicht weniger exfreuet, feine Belanutichaft zu erhalten. Ihr
1 Bender hätte ihnen ebenmaßig jo viel Lutes von ſeiner
Schweiter
Ken beiifen; fie Tragen: wie fie fih auf ber Neie
befunden, wie es ihr in Hamburg acfiefe; und hören:
* was fie daranf zur Antwort giebt, alsdenn giebt ein Wort
das andere, [
Sufanne. O! das it mic viel zu hoch, Das
Tartte ich unmöglich behaften; und wenn ich es nicht um
bes Bräutigas Willen thäte, ich gienge wahrhaftig nicht
= ins Zimmer. Ich ſtehe Todes Angit aus, werm ich daran
3% Charlotte, Sp gehts, wenn man
IE habe: jie ‚genug gebeten, |
Bra gute Lebensart angemwöhnen.
einen aus unſerer Benvanbichaft heirathen.
Di ale hal “h ge
1, ich hätte es nicht: nötbig. Di ſere Ver—
= wandte, ‚Herr Murtopf nd er Nr hier rt
jo geben wir. una einander die Hände, und der-eine jagt:
guten Tag, wie gehts? Der ai mtwortet: groſſen
22 ‚Hinrich Borkenftein. —
Dant, Gottlob jo ziemlich. Denn ſetzen wir uns nieder
und effen jo vor uns weg. So bald [24] wir fatt find,
fo ftehen wie auf und geben ums wieder bie Hänbe, und
ber eine jagt: geoffen Dank, gute Nacht; der andere ant-
mortet: wiederum bo; und damit geht ein jeber feiner
Were. Hätte ich mir das vorftellen Lnnen, da; mein
Papa mic; wihrde auffer der Verwandſchaft verheirathet
haben; So hätte ich leicht ein Paar Gomplimente lernen
Lnmen. Aber fage fie mir doch, fiebe Jungfer Charlotte,
kann ich nicht damm und wann meinem Bräutigam einen
guten Biſſen von meinem auf feinen Zeller Tegen? Menn
mein Papa und Mama auf den Garten find, jo mufı ich
mit bem Geſinde ſpeiſen; und ba Habe Id) wahrgenommen,
daß der Kutſcher, wenn er ein gut Stiid auf feinen Teller
fand, ſolches bem einen Mäbgen, welches die andern vor
jeine Braut halten, auf ihren Teller legte. Bisweilen
biß fie die Hälfte bavon, und fegte ihm bie andere Hälfte
wieder auf feinen Teller, die ah er denn auf; das gefiel
mie, und fo meinte ich, wollte ich es auch machen.
Charlotte. Dergleichen Careſſen hält man Kut⸗
1 » Mägden zu gute; vor Leute von ihrem Stanbe
ches nicht.
Aber ich wollte ihm gerne etwas zu
er merlen khunte, dab ich ihn Lieb Hüte,
ge num, bas muß mit
fie ieh. en — ift es geit, ihm Darauf zu andworlen.
Sufanna. Je, wenn er mat gar nicht jagt, bafı
er mich lieb Hai
Charlotte. So ifts ein Unglüd, und denm hat
fie micht ndthig darauf zu antworten; oder will fie nach,
der neuen Di etwan ſich ſelbſt anbieten.
Sufanna. & nun, das tote mir ungelegen. Ich
riſſe mir die Haare aus dem Mopfe. Mein Jungfer Char-
fotte, fie räthet mir nicht recht. Sie will mir nur das
Gluck micht gönmen. Ich will zu unferer Köchin —
und will die fragen, wie ſie es gemacht hat, daß
vr Der Voofeöbeutel. 23
Kutjcher fie 0 Lieb gewonnen, bie wird nich gewiß beſſer
—— Neulich ſpielten wir nach der Mahlzeit im der
Karte Hahnren; wer das Spiel verlohr, mufte feine Nach«
barn zur Rechten und zur Linken küffen, und da wuſte
fie es Be fo zu farten, baß her Kutſcher Hahney
wurde, denn mußte er uns begbe, weil wir — Be faffen,
Kiffen. Die andern friegten nichts, ha, hi
Charlotte. Um des Himmels Be täht fie
ich denn vom Kuticher tüfjen?
” Sufanna, Je, warum nicht? Iſt er nicht eim
ehrlicher Menſch? Meine Mama hat fon [26] einmat
dem Spiel mit zugejehen, und wenn der Papa nicht
eben gerufen Hätte, jo hätte fie gewiß mit gejbiefet.
Charlotte. Ey, ey, Jungſer Sufanna! fo vielen
15 Rerftand traue ich {he doch zu daß fie einfehen wird, wie
unter ihr und dem Kutſcher ein aroffer Unterſcheid iſt.
Sujanna Wie groß denn? meine Mama hat mir
wohl zehnmal gejagt, dah ich darum nicht hoffärtig ſeyn
müffe, weil unjere Abtunft von fchfechten Leuten ift; und
= wenn ich nicht irre, jo ift mein Aelter-Vater ein Schur
flider gewefen, daß num ber Himmel meinem Vater ger
davor farm der Kutſcher ja nicht.
Charlotte. DerSaphatfeine Richtigkeit. Nungfer
Suſanna, nehmen fie mins nicht übel, Ach ſage alles aus
= guter Meinung. a fie es aber nicht annehmen, das
Yes ift Schon gut. Alle Leute wiſſen
es ſchon, dab fie gerne hofmeiſtern e
nichts anders jagen wollte, fü ge
»0 jchtwiegen haben. So tas brauch ich nich
felber ſchon, was ich fagen E
Charlotte. Allein. 4 iebe Jungfer Sufantta,
ich merfe wohl, Herr Nothbart, Ehrenwehrt und der
Sutjcher find alle [27] Mannsteute bey euch. Jedoch,
© mas foll ich jagen? Der Apfel fällt felten meit vont
Stamme, umd wie die Mutter ift, fo erziehet fie auch die
Tochter.
Achter Auftritt.
Sittenreich, Charlotte,
Sittenreih, Wie! allein, liebſte Charlotte? &
iſt · meine Schweiter?
Charlotte. Sie ift fo eben von mir gegangen.
Ich habe fie erzurnet, und es iſt mir leid,
Sittenreid. Es ift unmöglich, daß fie jemand
erzurnen können.
Charlotte. Sie erzählte miv eins unb das anbere
vom ihrer Lebensart, und ic war jo unvorſichtig,
feinen Beyfall zu geben.
Sittenreid. Es üt ihrer Aufeichtigfeit und micht
ihrer Unvorfichtigleit zuzuſchreiben. Vergeben fie meiner
Schweſter einen Fehler, dev von fchlechter Erziehung her⸗
rühtet. Ste weiß es nicht beffer.
Charlotte. Es hat auch nichts zu bedeuten. Ich
bin es jchon mit ihr gewohnt. Ich werde ihr bem *
geachtet, ſogleich machachen. Will wegt
28] Sittenreich, ESlauben fie, ſchönſte —
ic) fie eine Heine Weite aufhalte. Es hat feine Urſachen.
Sie wiſſen, daß ich mich nun ſchon Jahr und Tag um ihre
Gunſt bemübet habe. Ste ſpeiſen mich ftets mu zioeifel«
hajter Hoffnung ab. Sie lüugnen ihre Zuneigung nicht,
und jagen doch gleichwol nicht ja. Wie lange jo id)
denn in Ungewihbeit leben? entbeden fie mic Kürzlich bie
Urſachen hiervon. Zweifeln fie an meiner Aufrichtigkeit?
oder misfällt ihnen meine Perſon? oder haben fie ihr
Herz bereits andersiwo verjchentt? (3 jcheinet gleichtwol,
daſerne ich mich nicht Io ſehr ſchmeichele, daß feines von
diefen allen ihre Einwilligung in mein, auf Tugend und
Ehre gegründetes Verlangen, hindere. Sie mühlen noch
alfo ein Bedenken tragen, fo mir unbetannt, und welches
gleichwol ihre aufrichtige Erklärung zurlid hält: Sie werben
aber zu gleicher Zeit nicht unbillig finden, wenn ich mir
bie Entdedung deſſen, won ihnen ausbitte,
Charlotte. Ihre Forderung, mein Herr Bitten
Der Bootesbeutel. 25
Ara haben recht, es ift munmehro
ihre Zuneigung zu meiner Perſon ent ⸗
begleng ben Fehler, ihnen Gehör zu geben;
die allerſtrengſte Damen werden jolden
, werm fie betrachten, daß ein reicher Herr,
29) on — und Aufführung nicht das Geringſte
ſich einem armen Be anbot. So
hatte nachzuſinnen, mahm ich mir vor,
ine Megung ftandhaft zu widerſehen,
die Ummdglichteib ihres Verlangens vorzuftellen;
‚aber Gelegenheit hiezu fuchte, wurbe ihr Herr
Fran. Dieje Krankheit dauerte über ein halbes
+ balbı war Hoffnung zu feiner Genefung, bald zu
Tode, Währende diejer Zeit jchmitte ich ihnen
‚Gelegenheit ab, mit mir zu deden, denn die Wahrs
zu geftehen; wollte erſt jehen, wo es mit der
— ihres deren Vaters hinaus wollte. Arie da
‚er völlig geneſen ift, kann ich nicht uunhin fie zu bitten,
dab fie ihre Diebe von mir ab, unb berjenigen Perſon
2 Bear mögen, welcher ihr Herr Water ihnen aus—
* ——— So höre ich wohl, ſchonſte Char ⸗
Totte, mein Vater it derjenige, fr welchen fie fich fürchten,
und um fie auch mir. gehaßig find.
Gharlotte.. Diefes nicht allein. Bebenten fie nur,
nei
würde, wenn ihr Herr Ba
auf eine ihm nicht anftändige Art
Sie lennen jein hartes und
5 würbe fie ohnſehlbar enterben.
26 Himrich Bortenftein. 3
‚einer übereilten Verbindung ſeyn. Ich Hoffe, bafı fie mit
diefer Erklärung vollfonmen zufeieden ſehn werben, fo
bald fie die Sache auf eben die Art einzufehen belieben
werben, als ich foldhe bereits eingefehen Habe: fogleidh
werben fie auch meine Aufrichtigfeit enticjuldigen. Den
die Wahrheit zu jagen; ich babe mir ein Gewiſſen ge
macht, ihnen das Geringfte zu verhelen: und Uberdem,
mit Leuten von ihrer Art, kann man aufrichtig feyu, ohne
zu beforgen, daß es übel ausgelc * werde.
Sittenreih. Ihre Aufrichtigkeit gefällt mir ums
gemein, und machet, daß ich fie noch weit ftärter Liebe,
Ihre Entſchlieſſung aber, welche aus biefem Nachfinnen
entftehet, misfällt mix aufs äufferftes denn wenn fie mic),
jo, wie ich fie, Lieben; fo bin ich entichloffen, auch wider
Willen meines Vaters mich mit ihnen zu verhei- [31] rathen,
und alles mit ihnen auszuftehen, was das Schidſal über
ung verhänget hat.
Charlotte. Hiezu wird aber erft meine Ein-
willigung gehören.
Sittenreid. D! daran zwelfele ich. nicht mehr,
nachdem fie fich einmal fo gätig ertlaret Haben.
Charlotte. Verzeiben fie, mein Herr, das Erempel
einer meiner Freundinnen, welche ſich auf eben die Art,
an einen jungen Herrn verheirathet, welder deßhalben
von feinem Water, drey Tage vor feinem Ende, enterbet
worden, aus Verzweifelung Kriegesbienfte genommen, meine
Freundin erft in Armuth, und furze Heit barauf vor
Sram und Sorge ins Grab geftürzet hat, — mir in
gar zu friſchem Andenlen, als daß ich ihr fo bald nach-⸗
ahmen follte.
Sittenreich, Alle Unternehmungen haben Keinen
gleichen Ausgong, und alle Menſchen haben nicht einerley
Schigſal. Schönfte Charlotte, haben fie guten Muth, und
entziehen mir nur ihre Gunſt nicht. Das übrige wird
ich fchon finden.
Charlotte. Ich weiß hierauf melter nichts zu
jagen, als: wollte ber Himmel, ihr und mein Glud ftünde
in meinen Händen. Jedoch der Wohlſtand erfordert, daß
a en Ih werde ihnen ſoleich an de
e 5 0 J an T
Ih Geſellſchaft leiſten.
Vegleitet fie bis an bie Thure
Allein, Nun ſihe ich recht zwiſchen zween Stühlen. Der
Charlotte habe ich meine Liebe angetrogen, fie
ſoiche nicht ab, und nimmt ſie auch nicht an.
liebenswurdig, aber zu meinem Ungtide verjtehet fie voll-
0 fommen die Kunit, die Liebhaber mit guter Hoffnung aufs
‚Mein Freund, der Herr Ehremwehrt, giebt mir
— zu verſtehen, daß er jeine Schweſter zu meiner
it beftimmt. Sie ift nicht weniger hebenswuürdig
und aus eimer kurzen Unterredung, fo ich it ihr ge»
15 pflogen, habe ich jo viel Gutes wahrgenommen, daß ich
| Urſache hätte zu winjden, bie Charlotte nicht cher ge»
font, und mich nicht mit ihr jo weit eingefaffen zu Haben.
diefer wird mein Vater mir aud im Wege ſeyn, fo
wie er gerne fichet, daß ich bie Carolina Heirathe. Sollte
mic; auch wohl recht lichen? Sollte es nicht
Verftellung feyn? Sollte ich nicht einen Nebenbuhler
haben? ... Nein, He ift zu aufrichtig. Sie liebet mic),
aber gar zu vorfichtig. Ohne Vorwurf kann ich fie nicht
verlaſſen. Ich habe mir aber einmal ſeſt vorgenommen,
Entfehlieffung
it gar ſehr ver
J lachen, wie Die
heutigen neumodiſchen Freyer, bie fi 9, beey und
mehr Bräute auf einmal anſchaffen. Ja, ja, daß wird
bas Defte ſeyn. Das Glüd mag den Ausichlag gebe.
Gehet ab.
Ende bes erſten Aufzuges.
Dinrich Vorteuſtein
Zweeter Aufzug.
Erſter Auftritt.
Agneta, Suſanna, Beybe gepupt.
Sufanno. Mama, id) habe —
der Tafel bleiben fünnen, Ich weil nicht, ob
rathen oder berfauft bir.
Agneta. Wie fo, meine Torhter?
Sujanne. Der Fremde und mein Bruder
Tauter Zeug gefprochen, wovon Id) mein Lebtage fein Wort
nehöret habe, Sie redeten von Hönigen und Kürften, die
‚alle wunderliche [34] Namen ehe fie ſprachen von Krieg
und Blutvergiefien, von Türden und Mojcowitern;
nad) fiengen fie von Sonne, Mond und Sterne an; Hemadı
von Steinen, hernach vom Calender und dergleichen albern
Zeug mehr, and da waren fo. viele lateiniſche Wörter mit
eingennſcht, dab mir übel abe wırrde: Was mich aber
am meiften verbroß, war biefes: Daß bie frembe Jungfer
und Charlotte allenthalben mit einvebeten, und daß ber
Frembe und mein Bruder fie kunner lobeten. Ich glaube
and) feſt, die fremde Jungfer bat ſich nur jo. mufgepuht-
Sie wird wohl eben. jo ein armes Mädgen- jeyn, als die
Charlotte iſt.
Agueta.“ Wöoher ſchlieſſeſt du diefes?
Sufanna Ja, Mama! weil fie von allen Sachen
zu planbern weiß, fo wird fie auch fonber Zweifel viel
geleſen und gelernet haben; und Mama hat mir ja immer
gejagt, daß Pie armen Leute viel lernen mühten, und daß
die Neichen ſolches nicht nötbig hätten.
Agneta. Es giebt bisweilen auch reiche Leute, bie
eine Ehre darin ſuchen, daß ihre Stinder viele Wiſſen⸗
ſchaſten befigen. Ich halte «6 für bie größte Thorheit,
und weih meinen Citern noch diefe Stunde Dank, daß
fie mich mitsvielen Kopfbrechen verfchonet Haben. Mein
Mann ift Dart, Gottlob, mit mir einerley Meinung. Aber
29
[85] fage mie, mie führete dein Water fi) bey biefer
Mauberen auf?
Sufanna, Er hat im Anfange fih alle Mühe ger
„oc, mit zu ſprechen. Da er merkte, daß bie fremde
und mein Bruder einmal über feine Reden helmlich
, monede er gang böje; ja ich war bange, dafı cs
nicht gut gienge; denn er fieng ſchon an auf meinen Bruder
Ihmälen, allein ber Arembe brachte ihm geſchwinde
die Sefunbheit aller wilden Männer; ich glaube er ver—
30 funde die Thaler, morauf wilde Männer gepräget find,
denn mein Water winjchte fie alle zu haben, die in der
Welt find; darüber fam er auf andere Gedanlen.
Agnete. Das war ein Sfüd. Aber wie führte
ich der Fremde gegen dich auf?
= Sufanna. Sehr ſchlecht. Er Hat mich kaum an-
geſehen; und wenn er ja einmal mit mir vedete, fo waren
feine Worte fo hoc, daß td) nichts darauf zu antivorten
wuſte. Dagegen blieb Jungfer Ci ihm nichts
ſchaldig, md er har hundertmal mehr mit ihe, als mit
n — Die Narrin! wenn fie Geld hätte, fo glaube
ich, fie unterftlinde fid mich anszuftehen.
Agneta. O, dafür it dein Brantihab Biürge, Aber
wir gefällt dir fonft dein Bröutigam ?
Sufanna. Recht gut, ic möchte ihm gerne [36] haben,
= Er fleht wohl aus. Gr ift aud) reich, — er nur beffer
Beſcheid würte.
Ugneta, Dein Bruber Hat ja 2
auten Vebensart gerühmet,
— mg —* Si
» ey jeden N
hätte ja müffen hungerig vom
niemand genöthiget Hätte- Cein
4
30 Dintich Bortenflein.
ſchlecht zu leben. Sie hat Immer Ihren Teller vein ledig
EN amd bier ift gleichwol die Mode, Da man nie
mals alles aufißt, was einem vorgeleget wird, , Jondern
allezeit ein Stüc auf dem Teller Liegen läßt: ja wenn
fie nichts mehr vor ſich hatte, jo Langte fie a und
nahm fih etwas. Sie ſchentte fich much bisweilen ſelber
ein Glas Wein ein.
Agneto. Pfuy, it das die Lebensart, bie dein
Bruder jo geriihmet hat?
Sufjanna. Noch mehr, Mama, er bat mich nicht
einmal mit dem Fuſſe angeftofjen. Wenn mein Better
Mothbart ben mir ſihet, und es ſich eben nicht ididen
till, daß wir uns oft die [37] Hände geben; fo weiß er
mich jo ſachte mit dem Fuſſe anzuftoffen, daß miche wecht
erfrenet. Fa als ich heute desſals verdrießlich wurde,
and um dem Fremden Gelegenheit zu geben, ihn endlich
mit meinem Fuſſe anftieh, fo zog ex feinen gar weg.
Agneta. Der Kerl fit wohl gar ein Alegel Doc)
laß dic) den ſchlechten Anfang deiner Heirat, nicht ver⸗
drieffen, wenn darum ein Paar aus euch geworden ift:
jo wollen wir deinem Liebſten bald unfere Weiſe beys
bringen. Hat er nur erſt die Anwerbung gethan, und
Jawort erhalten; hernach joll er ſchon nach unſerer
‚Hal Vater allein können N
biefen auch wohl zwingen,
mwohnheiten am jich, allein 1 wuſte fie Ihm mit Liſt bald
abzugewöhnen, Bors erſte jagte ich alle jeine alte Ber
diente, fie mochten jo gut feyn als fie wollten, einen nad)
den andern zum. Haufe hinaus, und ſchaffte mir neue
dere hielte id) ihm mit guten Worten
gegangen wat, ab. Rum hatte er noch ein paur gute
die ihm dann und warn Im Haufe befuchten, dieſe
i ich fo lange, bis er auch die abfchaffte. Pferde,
nde, und alles tooran er. bisher Bergnügen gefunden
hatte, woufte ich ihm mach und mad) fo feib. zu machen,
Det Boofebentel: 31
er zufegt niemand, ala mich Hatte, mit bem er
, Mit Hülfe meiner andten habe ich
ich jo weit gebracht, dab er alle Gewohnheiten, jo
— find, angenommen bat; und nun iſt
ſillen zu thun.
Tanne. Na, Mama, wer es erſt fo weit wäre,
das vielleicht mit mir und meinen Bräutigant
‚aber die Sache fichet noch verzweifelt meit-
ig aus.
2g 538
a
te mir des Morgens, "hafı wir Frenide friegen
E machte darum eine Meine Baftete, und ſehte
iſeiammer. Es fanten zwar Feine Fremde,
darüber: allein, als ich des Abends nach
sh wollte, ſaß ordentlich; eine Fremde
fraß, was jie konnte; und alfo war
* * eingetroffen. Dieſe Nacht hat mir
als faulen Eyern geträumet, und alle meine
jagen, daß diefes eine Brant im Haufe ber
nur gutes Muths, die Sache wird ſich bald
Zwetter Anftritt.
Grobian. Und bie Borigen.
Grobian. Zelt meines Lebens hat mir feine Mabts
ie fo jchlecht geichmedet, als die heutige.
der Höfe hat den Schnidichnad er
o u habe anhören muſſen. We
Sterne und bie Confuſion der e
mag der Türke ſechs oder fieben
er einen groſſen Ofen hat, fo mag er auch
Holz zum Einhigen kriegt. Ich wollte, FA dent exften,
25 ber im meiner ee von Staatsfahen rebet, bie
32 ß m.
unge im Halfe verlähmte. Zur Sufanna. Du haft ji
auch Barrel mie ein Beeſt. Fänfft vom Tiſche, wie
bie Mablzeit Halb war,
Sulanma. Ey, Papa, wer konnte den Winb am
hören? es war mir pleichfalls ärgerlich. Wenn noch einer
jo vernünftig geweſen wäre, und hätte das Eſſen gelobet,
wie unfere andere Freunde tun, die Hier bisweilen kommen,
‚ober Hätte nach unferm Geſinde gefraget, ober ob umfere
Huͤner gut legten, jo hätte man nod mit einſprechen
Brnen: allein von allen, was heute vorfiel, habe ich
fein Wort verftanden, und als mix endlich bie Heit lang
wurbe, llef Id) gar bavon.
[40] Srobion. Da, ruf mir deinen Bruder hevans,
amd bfeibe fo fange bey denen Fremden, und höre wohl
au, was dein Bräutigam faget: Stelle dich nur freund-
Nih gegen ihn, fo wird er ja endlich Das Mauf aufthun,
und fein Gewerbe anbringen, warum er hergekommen it.
Sufarmıa gehet ab.
it das nicht ein Leben, die Hmptjache verfäunen wir,
mb plaudern von Dingen, bie uns nicht angehen
Bon der Philojophie, von der Mathematiichen Boejie,
vom geofien Gometen und Klipfiſch am Himmel, und wie
der Quart alle heißt. Ich Hätte meinem Sohne gerne
ein paar Ohrfeigen gegeben, wenn ich es nicht aus Furcht,
bie Fremden möchten ſich daran ftofien, unterlafen hätte,
Zur Agueta, Nun, Lebe Frau, wie fiehts mit deiner Ger
ſundheit?
Agueta, Es ift ein wenig beſſer
Grobian. Gottlob! Ich bin deinetwegen recht be⸗
ſorgt geweſen. Ich gedenke aber, ich werde mich num an
deine Stelle müſſen ins Bett legen.
Agneta. Haft dur dich denn fo ſehr geärgert?
Grobian. Je, das möchte den Henker nicht wer-
brieffen. Der Kerl fommt ba her und will meine Toter
heivarden, und wenn es ans Mappen gebet, fo fängt er
ein Wiſchewaſche von Dingen an, bie feinem vernünftigen
Menfchen [41] etwas angehen, Mein Sohn desgleichen.
Der Boolesbeutel. 33
ihm hinters Ohr geftedt, ex folle ſich an bie
je, jo ſibt er da und unterftügt den andern
in feiner albernen Plaudereh, unb haben mid) zum Narren.
Wo die Schurfen fich einbilden, dab fie ihre Gelehrſamteit
© dor mie wollen jehen laſſen; fo wollte ich, dah fie jamt
Ährer Gelehrjamfeit im Galgen vexrtrodneten.
Agmeta. Le, min, Keber Mann! äugerr dich mr
nicht mehr. Es liegt blos daran, daß ich mer nicht babe,
geweſen bin. So bald ich mich ins Spiel mifchen werde,
20 ſoll es ganz anders fommen.
Grobian. Nım, man, mid jofl denn verlangen,
was du wirft für Kunſte jehen alien.
Agneta. Ey, ey, beſinne dich nur, mie es uns
felber ergangen ift, als wir uns heirateten. Mein Lebtage
© wäre aus uns fein Paar geworben, term meine Mutter
nicht Das Befte gethan hätte. Ja wer Die Eltern nicht
Hüger wären, als bie Kinder. jo würde es oft toll ausjchen.
Grobiam. a, wenn ic) zuruch denke, jo habe
Ach Urjache deiner Mutter zu danten. Denn als ich nicht
© tmufte, wie ich die Sache angreifen jeltte, und uniere
‚Heirat vor jehr weitlänftig, ja vor ungewißi anjahe, über
ruempelte deine Mutter mic und meine Eltern. und die
war wichtig, ehe ichs mich verjahe. Si
[42] eine vernünftige Frau in Puneto des Kuppelns. Es
3 it Schabe, dab fie in der Erbe verjaul
Agueta, Meine Mutter Hat mir e
Kuppelns ſelber beugebraht, und are werde ich das Hand-
werk ja wol verſtehen. wir jego
werben Cafjee trinten, jo mi
0 da joll es wicht funf Meinten too
‚eigene Tochter, in des Fremden Namen,
fprechen. ©, wie lange ift
bie Heirathen von Seiten ber
die Mädgen immer io lange warten |
* ee fie ſelber anfpriht, jo wiirde aus — Seite
in Ewigteit nichts werden. perſonen find oft
blöbe, da muß man ihnen zu Hülfe fommen,
Deutsche Littoraturdenkmnlo Nr. 80/87.
a Sinic) womtennem. was
Srobiam. Ich wünſche dir Glück zu deinem Vor⸗
haben. Ich habe dich immer vor eine vernünftige Frau
gehalten, und die Wahrheit zu Sagen, bas Kuppeln Fleidet
auch bie Frau beſſer, als ben Mann.
Dritter Auftritt.
Sittenrei und die Vorigen.
Sittenr. Was beliebet dem Herrn Vater?
43] Örobian. Ge ift dein Gfüc, daß du nicht ein
paar Minuten cher gekommen bit. Deine Mutter hat 10
mich eben befänftiget; fonjt würde es toll musgejehen
haben. Habt ihr Teufelsfinder euch bexedet, daß ke mich
zum Narren haben wollt? Was vor Poſſen habt ihr biefen
Mittag vorgebabt? Meinet ige, dat mit euerer Freierey
ein ganzes Jahr vergehen joll? Ich will noch Heute eim 16
Ende darin willen, oder dns Wetter joll darein ſchlagen
Sittenreih, Ja, Herr Vater, das fäßt fich ja
nicht zwingen. Herr Ehrenwehrt muß ja erft meine
Schywefter ennen lernen. Er wird ja nicht fo hinein plagen.
Biſt du toll, oder was ſchadet Die? 20
Bertranen zu bir, doß er glaubet,
Sittenreidh. So dentt ber Herr Ehrenwehrt
nicht, Es iſt ihm nicht ums Geld zu thun. Er fichet
hauptſächlich aufs Öemäth. »
Brobian. So ift er ein Narr, wie du bift. Was
Zenfel, als ich meine Fran heirathete, war feine anbere
Frage, ala: Wieviel Geld iſt da? Wir hatten uns wohl
von ferne gefehen, aber niemals geſprochen Ihre umb
meine Eltern m zuſammen, und wir hatten ein *
einen Ming mitgebracht. Die Eltern führten [44] das
Wort und vertauſchten die Ringe, ohne das Geringſte
zu fpreden. Da ich erinnere mich, daß umjere Berwandte
und Brad verieten, da wir fo gar denjelben ganzen Abend
nicht mit einanber ſprachen. Den ohngeachtet find wir ©
hero befannt gemig geworden, ımd da war mehr als
Der Boolesbeutel 36
zu viel Zelt, dasjenige mit einander zu fprechen, was
der auf unſere Lebensart was zu fagen hat.
werben im Himmel gemacht, Aber ihr junge Narren
s wollet olles vorher unterjuchen. Darüber gehet manche
th zur,
Sittenreih, Aber Herr Vater, woher kommen
denn bie unglüctichen Ehen? Ich follte meinen, aus Uns
‚gleichheit der Gemüther.
wo Grobian. Halts Maul Ich habe dir ſchon oft
pt, du ſollſt nicht vaifonieen. Wenn Geld und Geld
Tommt, bas giebt die bejten Ehen. Die Ge—
mither find eine Nebenjache- Aber fage mir, Haft du
anf Univerfitäten and) gelernet, dab ber Sohn dem Bater
38 gehorjam jenm jolt?
Sittenreid. D, das verftehet fich, in Bilfigen Dingen.
Grobian. So will ich, daß dir nod heute des
Deren Ehrenwehrts Schweſter um bie Ehe anfprichit.
145] Sittenreich, Herr Vater, ich habe feine Luft zum
20 Helvathen. Ich finde mehr Berguiigen am Ledigen Stande.
Grobian. Vergnügen Hin, Bergnügen her. Ich
befehle es bie, und beine Mutter will es aud).
Agneta. Ta, lieber Sohn, wenn ihr wünscht, daß
8 euch wohl gehen folk; fo tut eurer Eltern Willen,
= Ihe felegt ja alles, was ihr verlangen fünnet. Cure Braut
Ajt, wie ich höre, ſchön und reich
Sittenreicdh, Wenn der Herr Vater und die Frau
Mutter jo hart baranf dringen, jo will ich mein Heit
verfuhen. Wie aber, wenn fie mir eine abichlägige
0 Antrort giebt?
Ugneta. D, dafür laßt mich forgen. Ich will
fogfeich Eaffee mit euch teinfen, und ba follt ihr jeben,
wie ich das Wort für euch führen will. Gehet ab,
Geobian. Ih muf dod gewiß ein gedoppelt
3 rechtichaffener Mann ſeyn; weil der Himmel mir auf
einmal ein geboppeltes Glüd beſcheret. Num, du haft
ftwdiret, lege mir das einmal aus.
Sittenreich, Der Herr Vater iſt reich und...
Srobian. Heraus bamit.
Sittenreid, Weich und gei.. .
[46] Orobian. Willt du es jagen ober nicht?
Sittenreich. Reich und ſparſam.
Örobian. Gelt, bu bift nad) gerade mit kr einerley
Meinung, dab nichts mehr Vergnügen bringer, als wenn
man viel Gelb Hat, und täglich wos dazu erobert.
Stttenreid, Ja, wenns mit gutem Gewiſſen ges
ehe
Srobian. Was ift das vor ein Ding, das —
Sittenveid, Das Gewiſſen überhaupt iſt eine be>
ſtandige Erinnerung des Guten und Böfen, ſo wir vers
richtet haben; und eine Wucherer, wovon bier bie Rede
iſt, wird es fleißig vorhalten, ob er erlaubte oder ums
erlaubte Binfen von feinem Gelbe genommen hat: In dem
erſten Falle heißt es ein gutes, und in dem zweeten ein
böfes Gewiſſen.
Groblan. D, jo habe ich ein qutes Geroiffen, denn
ich habe mein Qebrage nicht über 10 pro Eento auf and
genommen. Wenn man einmal minderjährigen, ober andern
Leuten, die in Noth find, hundert Mthle. vorjchiebt, und
läßt fich hundert Dueaten dafür verſchrelben, das lann
ii D erben, dent ſolches find auſſerordentliche
Yufälle, und fonmen, Leiden! ſehr ſelten vor. Doch wieder *
Materie zu fommenz jollie es bem Herrn
Ehren» |47) wehrt wohl ein rechter Ernit um deine Schweſter
ſeyn? Ich will inner hoffen, dab du mir was weiß
ht Hal hienge dich ‚auf, und mich babey.
Ey, Here Vater, was find das für
jedanken. Was Hätte ich denn vor Urſache,
dem derrn Bater wos weiß zu machen?
Grobtan Viellelcht deine Freunde dann und warn
zu Gaſte zu bitten, und mie auf die Weiſe das Geld
aus dem Beutel zu beriven.
Sittemreic, Das wäre eine jchlechte Sache. Es
verfohnet fi wol Der Mühe, von einer Mahlzeit‘ zu
—
Det Voolesbeutel. 37
reden, Wenn es BR anders geweſen wäre, jo hätte ſch
es dem Herrn Bater gefagt, Er hätte meinen alten Be
Tannten doch wol ein paar Mal zum Eſſen genöthiget:
hen Das hätte ich wohl bleiben laſſen.
daß Mahlzeiten lein Geld koſten? Iſt mir
nicht dicſen Mittag eine ganze Boutellie Wein daranf ge
gangen? Und kurz von der Soche zu reden? Wenn bir
mich die Wahrheit geſaget Haft, fo will auch noch heute
ein Ende darin wiſſen, ober
1 [48) Vierter Auftritt,
Gutherz und bie Borigen.
Gutherz. Lieber Schwager, ich freue mich, daß ich
noch bey guter Geſundhelt fehe.
Grobian. Num, das geſtehe ich! Ich bachte, fie
35 mären mir ganz böje; Haben fie nicht wiber meiner Frau
Be Iqh hätte fie beleidigt? Wie it es denn mönlich,
mir
tommen, da fie Ham merfen, bafı ich Fuft
habe, * mit ibmen zu vertragen?
Sutherz. Ich habe gehöret, daß fie diefen Morgen
20 in meinem Haufe geweſen find.
Groblarn. Ha, ba, ba fonmts her. Ihnen iſt
mit der Ehre gebiener.
Gutherz. Keinesweges
Grobian. Meinen andern Schtwärern ſoll es auch
2 jo gut micht werden, fommen ji t erſt zu mir: ein
Schelm, der ſich mit ihnen
Gutherz RU glaube, fie Habe ihnen eben fo Diet
zu Teide gethan, als ich. F
Srobtan. Be hut zur nichts. Ich bin
0 der Reichſte unter ihnen, und alſo gebühret mir and die
— Das iſt ein R h Si — Er Er
guiige amt, wenn fie ns Yeuge 49] mi
‚geben, daß ich mich jederzeit genen fie als ein rechtſchaffener
ss Freund bewieſen Habe.
3 Siuie) Borteuleit. Mu.
&robian. Ich habe feine andere Urſache, als fie
für meinen liebſten Schwager zu halten, und werde c#
ach künftig thun, wenn fie mix nur noch diesmal einen
Gefallen ermeijen wollen.
Gutherz. Bon Herzen gerne; jagen fie mir nur,
worin der Dienft beftehen joll.
Hrobtam. Der junge Ehrenwehrt von Leipzig und
feine Schweiter ſind bier gelommen, Mein Sohn hat mir
geſagt, daß es blos darum geichehen it, weil ex meine
Tochter beivathen will; und ich bin nicht allein Willens,
ihm meine Tochter zu geben; jonderm ich ſahe guch gerne,
dab mein Sohn jeine Schwefter heicathete. Denten fic,
welch eine vortrefliche Sache wäre das! Ihr Vater hat
ihnen vier Tonnen Goldes hinterlaflen.
Gutherz. Herr Ehrenwehrt aus Zeipzig will ihre
Tochter heirathen? Ich babe viel Gutes von ihm gehöret.
Gy, beſchreiben fie mir einmal jeine Aufführung. Wie ger
fällt ex ihnen?
Grobtan, Er ift mit einem Worte ein Narr, er
hat jtudieret.
Butherz. Wollen fie denn ihre Tochter einem
Narren geben?
Srobian. Gr ift ein reicher Narr. Wäre [50] er
ein armer, jo möchte er wieder hingehen, wo er herge-
tommen Kit.
Gutherz. So, jo. Aber hat er denn ihre Tochter
ſchon angeiprocgen, und will ev ihrem Sohne feine Schweiter
. Das ift es eben, worin fie uns bes
hulflich ſeyn sollen. Die Sache fichet jonjt noch weit
läuftig ans. Sie Haben biefen Mittag mit ums gefpeifet,
und da iſt nichts vorgefallen. Sie kennen mich. Dix iſt
nichts verbrießlicher, als das lange Janbern, zumal wenn
es einen Unloſten verurſachet. Da haben fie mir ſchon
ben ganzen Tag auf bie Sie gelegen, und mir würde 85
” ſchlechter Gefallen geichehen, wenn dieſes oft Tommen
jollte.
3
Gutherz. Hun Sittenerih, Was ſagen fie beim
dazu, mein Vetter? Sollte Here Ehrenwehrt ihnen wohl
feine Schweiter geben, und die ihrine danenen heivathen?
Sittenreich. Daß er im der Abſicht hieher ger
5 Eommen if, am fie zu ſehen, das lann ich ihnen ver⸗
fihenn; ob fie ihm aber anftehe und ob er fie Heirathen
wieb, beögleichen, ob jeine Schweiter mich Liebet, das alles
find Dinge, welche der Exfolg lehren wird. Der Herr
Bater iſt ein bißgen allzueilig.
2 Örobian. Und du biſt eine ofte Hure. Was Teufel,
bier find ja Umftände, wo es feiner [51] Weitläuftigteit be»
darf. Ahr Habt alle vier Geld. At das wicht genug?
‚Hören fie, lieber Schwager, ich verlafle mich auf Tie- Sie
find ein vernünftiger Mann, fie werdens fo machen, Daß
5 ich noch heute ein Ende darin jehe. Gehet ab,
Gurherz. Lieber Berter, nochdem fie mich vor
einiger Heit zum Vertrauten ihrer Geheimniſſe in Anfehung
des Viebesverftänbnifies mit dev Jungfer Charlotte gemacht
haben: jo habe ich nicht ermangelt, joldye theils bey mir
20 zu überlegen, theils auch bey der Jungfer Charfotte mid)
jelber zu erkundigen, tie fie gegen ihnen geſinnet jey. Um
ihnen mir alfo mit kurzem meine Meinung zu eröffnen;
jo wiſſen fie: daß ich fie gleich vor dem Eintritt in dieſen
Sool geſprochen, und aus ihren Reben jo viel vernommen
5 habe, daß fie ohne Einwilligung ihres Herrn Vaters ſich
nicht entjchlieffen will, in ihren Anteng zu willigen. Wenn
num des Her Ehreuwehrts Jungfer Schweiter ihren
Eharlotte: jo
w ıbficht ift doch mr, fich des verbrießtichen Umganges
Ungehörigen zu entzich da die Aungfer
— ſie ſchon fo Lange alten hat, ſo ſind ſie
ſchmeichelten
mit der Hoffnung, daß ſie dieſelbe endlich überredeten,
3 wietvol es nicht [52] unmöglich wäre; So ſtellen fie ſich
dagegen die Schwilrigfeiten vor, ihres Herrn rs Ein⸗
tilligung zu erhalten. Ich betenne in dieſem Stůcke mein
40 Dintich Bortenftein. ma
Unvermögen. Ueberlegen fle es frziid, Ermwägen fie aber
hauptfächlich, bad fie nicht alle Tage eine fo jdöne Ger
Tegenheit Haben, ihren Five zu erreiche.
Sittenreih, Lieber Herr Obeim, ich habe
bereits anf eben die Art iiberlegetz ich ann
die ſelbe Entſchlieſſung gefafet, und — da fie
durch ihren allezeit treuen Math mich bavin ftärken möchten.
Ra, ich will der Carolina mein Herz anbieten, und hoffe
glucttich zu ſeyn. Sie hat eben fo utel veizendes, als bie
Charlotte, und ihr Befit wird air dur die Einwilligung
meines Baters Teicht gemacht. Nur Flrchte ich, daß Char-
Totte mich einer Untreue beichuldigen möchte, und allo er⸗
vorher nothwendig zu ſeyn, ihr mein Vorhaben zu
Ontherz. Nein, das finde ich nicht rathſam.
will es ſchon bey ihr verantivorten, und hernach mid)
Ährer annehmen.
Sittenreih. Ich nehme Ihren guten Natb deun
als einen Befehl an.
[53] Fünfter Auftritt,
Ugneta und die Rorigen.
Agneta. Guten Tag, mehr lieber Bruder! Es iſt
mir Ueb euch wohl | zu ſehen. Woher hat man Das ti?
Gutherz Es ift cin Glück, welches ihr jo oft haben.
rmet, als ihr es verlanget, Liebe Schwefter.
Agneta, D, ihr jend immer höniſch
Gutherz. Gy, verfteht mich doch einmal,
u Ey, mas verftchen? Alle Leute fönnen
. Wer den Berftand hätte, der ums beyden
bin ich zufiteben: Aber wenn Ihr bieher
immer genug über mich zu Magen.
Öntherz. Ich habe dann und warm von ber fchlechten 36
4
, dazır hat mich mein Gewi 2
Sremmern
— Ste habe bey ber ser meiner Tochter
Sie kann fo viele Ge⸗
ü |der Woche find, und ich
ee — — dahr aus Jahr ein, immer einerley;
Das wird jich mein tinftiger Schwiegerfohn auch gefallen
laſſen. Sie farm ſtricken und mähen. Sie finget Wor-
und Nachmittage mit mir ein Lieb. Sie lichet die Ein-
jamteit, und geht lieber mit geringen Leuten um, als in
jen vornehmen Geſellſchaften. Sie fpielet nicht am
; rn irgend um einen Kuß oder fo was. Sie
trinkt nicht, auſſer dann und wann ein Glas Branntwein,
= um den Wein zu erſparen. Wie ſoll ein Frauenzimmer
beffer befchaffen ſeyn⸗
Butberz. Es ift zu späte ieho Davon zu veden.
Die Früchte dieſer Erziehung werben fich Ahuftig zeigen.
Sch bin überdem aus feiner andern Abjicht hergelommen,
= als unjere Freundſchaft zu erneuern, amd euch zu dem
eure Kinder zu verforgen, Glück zu wünſchen.
Agnetn Da jeht ihes nun, daß meine Tochter
gleichwol einen Mann kriegt, ohngeachtet fie jo ſchlecht er⸗
augen Äft. x
E Gutherz. Dit cs dem damit genug, daß fie einen
Mann friegt? Daran Habe ich niemals gezweifelt.
Agneta. Ja was hat das Arauenzim
Stück im der Welt zu erwarten, als einen Mann zu triegen
155] Gutherg. Vlelbet nur bey eure E17
0 werbe doch nicht vermögend jet
Agneta. Das will ich an
36 cin Unglüd! Ih babe zu mein
und fragen laſſen, wie man J
Sohn md Tochter im einem Haufe zu ‚gleicher Zeit ber⸗
42 Dinzich Vorlenſiein. 56
ſprochen find. Da triege ich zur Antwort: In einigen
achzin Jahren wäre dergleichen Exempel ihres Willens
nicht vorgefommen, Nun weit ich mich bey niemand anders
Raths zu erholen, Denm dies ift die einige Frau, die
das Herlommen and den Schlenbrian recht aus bem Grunde
verſtehet. O, was müfien Eltern am ihrer Kinder willen
nicht manche Sorgemvolle Stunde haben!
Sittenreih. Ey, Frau Mutter, wir wollens machen,
fo gut wir fünnen.
Agneta. Ey, wir wollen uns auslachen laſſen?
Sittenreih. Wer fraget nad) närrifcher Leute Ger
lachter?
Agueta. Ich war neulich af einen Beſuch einer
Kindbetterin, da waren die klügſte und vornehmite Frauen
von ber ganzen Stadt, Die Hat- Do) ten Aber Funfzig Sebfer
angemerfet, die fich bey allerhand Frenden- und Trauer
füllen zugetragen Hatten. Cofte ich auch, jo über ihre
Zunge jpringen? ich müßte mich wahrhaftig todt jchämen.
Gutberz Ja, ja, in den MWochenftuben ift ber
Sih der Weisheit,
Agneta, Das geht euch ſchon wleder nichts am.
Genug. ich will jo Lange nachfragen, bis ich wein, was
das alte Herfonmmen in biejem Stüde erjorbert.
anderer kann thun, was er will.
. Sedjfter Auftritt.
Ehrenwehrt, Carolina, die Vorigen.
Sittenreich. Zum Gutherz. Lieber Dheim, ba ft
der Herr Ehrenwehrt und feine Jungfer Schweiter, Jum
Ehreuwehrt. Lieber Bruder, bas ijt meine Mutter, and bas
it der Herr Gutherz, mein Oheim.
Ehrenwehrt. Rd jhäge mich glüdlich, fie Tennen
zu lernen,
Agneta, Neigt fi. Ich bebanfe mich.
Garolina. Ich erfreue mich nleichfals, mit ihnen
belaunt zu werden
5
1,6) Der Bookesbeutel. 43
Agneta. Ich bedanke mic).
Ehrenwehrt. Wir beffagen, daß wir ihrer Ge-
ſellſchaft bey der Tafel haben entbehren müſſen.
[57] Agneta. Ich bedanfe mid.
Carolina. Dan jagte uns, daß fie unpäßlich wären,
und es foll mir lieb jeyn zu hören, daß es ſich gebeffert.
Agneta. ch bedanke mich.
Ehrenwehrt. Wir bedauren inzwiihen, daß wir
Ungelegenheit verurſachet haben, dod es ift auf Befehl
de3 Herrn Liebften geichehen.
Agneta. Ich bedanke mich.
Carolina. Wir Haben die Güte zu rühmen, fo ung
dero Herr Liebiter ermwiejen.
Agneta. IC bedanfe mid).
Ehrenwehrt. Die Betanntihaft mit dem Herrn
Sohne, fo ih zu Leipzig erhalten, hat mich begierig ge-
macht, aud) deſſen wehrte Angehörige zu fennen.
Agneta. Ich bedanke mid).
Carolina. Cie haben ein überaus wohleingerich⸗
tetes Haus.
Agneta. Ich bedanke mid. Ich bitte gleichwol
nicht übel zu deuten, daß e3 jo unrein augfiehet, und daß
die Vorhänge abgenommen find. Wir Haben mit der
Wäſche zu thun.
Ehrenwehrt. D, das haben wir nicht einmal bes
merfet. Der Umgang mit wadern Leuten ift alles, was
wir fuchen.
Gutherz. So ift ihnen die heutige Tiſchgeſellſchaft,
ohne Zweifel, jehr angenehm gewejen?
[58] Ehrenwehrt. D ja, wenn man einen alten Be—
fannten zum erftenmale tvieder fiehet, und ein artiges
Franenzimmer zugleich antrifft, da Tanıı es nicht anders jeyn.
Agneta. Mein Herr, fie müſſen fi in Hamburg
verheivathen, weil ihnen unſer Srauenzimmer jo wohl
gefällt.
Ehrenmwehrt. Ich höre, es werden hier viele
Umftände dazu erfordert.
Agneta. Ach nein; wenn
Tochter verheirathen jollte, dazu
lauftigteit gehören. Ihre ganze Ausfteuer ift fertig.
gebe ihr von jedem Stücke ſeche Duhend mit, und
baaren Gelbe, 20000. Rihlt. 7
schlechte Partbie. Und wenn ein
ber uns gefiele; To ſollte er noch heute
Menſchen gönnen, der ihrer wehrt wire.
Agneta. Ach ja, mein Herr, wenn fie etwa einen
ten Bräutigam fir fe wiſſen; fo will ich bitten, ums
then dorzuichlagen.
Ehrenwehrt. D, ba wirb ſich leicht einer finben.
Ich will mic nur ein wenig befinnen.
Agneta. Bor ihre Ehrlichkeit ſtehe ich eim. Hier
lommt feine fremde Manusperſon ins [50] Haus, nujler
ein Paar von unſerer Freundſchaft, und von denen ich
nichts zu befücchten habe.
&hrenwehrt: Gy, folche Oebanfen mu man ſich
nicht in den Kopf ſehen. Das Vertrauen zu einer wohl“
erzogenen Tochter muß ftärter ſeyn, als bie Furcht für
A öperfonen in der Welt
a, aber Gelegenhelt macht doch Diebe.
ich im meiner Jugend für Anfechtung ge
Und wer ich bon meiner — ‚Ehre, Gebe
ntwwort geben voll, fo wuß ich fie ſelbſt hüten,
Diefes habe viel möglich gethan 1
© Arme zur Muffeherit beftelfet.
jo getreu, daß fie eher ihr eben
daß einer meine Tochter nur ams
Auf bieje Welſe ft fie In guten
ie gute Amme tft in ihrer Jugend u
d alio farm fie aus der
aber Fommt nicht vor den Nahen; und das
od) nicht don mir angenommen hat, wird
it der Zeit friegen.
— D, fo wird ſie volllommen jo werben,
j
Mutter ift.
(getan. Ich bedanke mich.
hrenwehrt. Zur Karolina. Liebe Schweſter, vers
weilet ein wenig bier, und höret, was bie Frau Agueta
15 euch vor qute Lehren giebt, ich will mw ein paar Worte
mit ge allein Ba : —
utherz werde fie begleiten, denn ich hat
ihnen beyden etwas zu jagen.
Ehrenwehrt, Sittenreich und Guthetz gehen ab.
* Nun meine liebe Jungfer Carolina, wie
gefällt es ihnen in unſerer Stadt?
Carolina. Ach kaun noch wicht viel davon Tagen,
Ich bin eine ſehr kurze Zeit hier.
Agneie: ‚Aber wie gefällt es ihnen denn in meinen
Earotina. Was ich bisfero geichen, gefüllt mir
wohl.
Ugneta. Sie werden einen groffen Unterſcheid
were fie erſt zu andern Keuter kommen werben.
lich zu. Sollen
N
Lebensart finden, daß fie ſich tu
‚te fommen da mehr, alz Verwandte; im unferne
' fein Fremder riechen. H r Eſſen
I a0 wird da getocht, woron wir unſer &ı nicht einmal
Namen gehöret haben. Da wir! ‚eite Wein ger
en. Da ſind
46 Hinrich Vorfenftein. aus
bie neuejten Moden in en ne —
Hochzeit oder auf eine Safteren o borgen-
den Schmud von den Galanterichändlern, unter dom Vor-
wende, als wollten wir ihn kaufen, ſchiden ihn aber des
andern Tages wieder hin, und laſſen jagen: er hätte ums
nicht angeftanden. Uns darf niemand was übel
denn wir find reiche Leute Wenn wir nun bes
gemöhnltchermaffen un neun lUhr, um das Licht zu eriparen,
zu Bette neben; To fihen fie noch ein paar eu und
laden. In unſerm Haufe wird gar nicht gelacht, Wenn
dor der Armen gejammlet wird, geben wir einen Sechs
fing, und fie einen Gulden. Mein Mann kann fich nicht
genug. darüber bertvundern. Er hat vor schm Nahren
ſchon prophezeget, daß biefe Leute zum Thore hinaus
‚gehen wilrden; fie leben aber noch auf eine Weile, und
‚bleiben doch Im Sande,
[62] Earolina. Ohue Zweiſel werden die Leute ſehr
reich jenm
Agneta, DO nein! Sowohl der Dann als die Fran
haben wenig Vermögen t, als fie ſich geheirathet
haben; und diejes verdriefiet eben meinem Manne, daß
er vor feinen groſſen Gelde bas nicht thun kann, ——
dieſe Leute von ihren mittelmäßigen Vermögen
Garolinn. So werden * {hre — ſonder
Hweifel auch wohl ersichen?
Agneta Sie Haben mır eine Tochter, ber Halten
fie wohl ein halb Dutend Lehrmeiſter. Mein Mann hat
ausgerechnet, wer man jährlich hundert Reichothaler an
einen Kinde eriparet, daß ſolches in einer Yeit vom zwölf
Jahren, nebſt ber Zinfe, Die er mit biefem Gelde erwerben
ann, wenigſtens dreptaufend Neichsthaler betrüge. Wenn
man bie zum Brautſchatze Legt, iſt das nicht beffer als
alle Wiſſenſchaften ?
Carolina. a, ja, mit Gelb kann man vieles
ausrichten, aber Geld und qute Erziehung karm auch wohl
beyſammen ſtehen
Agneta. Am unſerer Verwandſchaft werden alle
47
Töchter nad) einer Weife erzogen. Und denten fie nur,
wenn wir zufammen fämen, und ein Mädgen wollte es
dem andern in der Lebensart zuvor thun; wurde es nicht
Hundert Stichelrebei, je gar eine ewige Feindſchaft jehen?
s — Hlevon zu urtheilen, Dim ich zu un⸗
Agneta. Wenn man ſich im allen Fällen nach
jeinen Verwandten richtet, das tröget viel zum Haus“
feieden bey. Mar hat einerley Ordnung, einerlen Ge—
10 wohnbeit, einerley Lebensart. Wir halten jo ſtreng dar
rüber, daß wir. unter uns verabrebet, Feinen fremden in
unfere Gejellfchaft zu bringen. Wer Henker wollte ſich
‚alle Augenblide auslachen laſſen? Cs kommen jo viele
neue Medensorten, jo viele neue Moden bey Tiiche und
35 andern Gelegenheiten dor, daß man bis an fein Ende
Ternen müfte, Wozu ſoll die Unglegenbeit? Wenn man
eg man ift, jo darf man ſich den Kopf nicht
Carolina. Ganz vet.
=» Agneta. Ueberbem fagt mein Mar immer, dal
man von Äremden bie Verſchwendung lernet; und wenn
wie allein find, jo reden wir won nichts, als von der
Sparjanteit.
Carolina. Sole reiche Leute, wie fie find, haben
= ja nicht möthig, ſich unndthige Sorgen zu machen. Was
jollen denn die Armen thun?
Ugneta. Gy, jagen fie das nicht. Es laßt ſich
ein Konigreich verzehren. Mein Mann jpri
don ſlechten Zeiten. Cr bat das lette Jahr 50. Reiche
0 ihaler weniger eingenommen, als das vo die habe
Fe mäffen in der Saushal⸗ (64) tung eriparen, foftet Das
Tein Kopfbrechen? Der Himmel gebe meinem Sohne
eine Frau, die 08 mit ihm fo redlich meinet, als Ich mit
meinem Manne; ſo wird es ihm fejt wohlnehen. Denn
das — ſchon bey meinen Voreltern ‚ein Sprichwort ger
weſen Daß der reichte Mann verarmen mu wenn ihm
bie Frau nicht fparen Hilft. Und, die Wahrheit zu ger
48 dinrich Bottenſtein mer
ftehen, mein Sohn ift eben nicht der Sparſamſte. DO
‚Himmel! foltte ic; das Ungtüc erleben, daß mein Sohn
verarmete, ich thäte mir zu nahe. Mängt a zu meinen.
Garotina Ey, a Ne a OL LI Pag 4
Agneta. a, ja, das ift meine gröhte Sorge,
von meinem Wochenbette an bis hieher gewejen, a
meine Kinder micht an den Bettelitab gerathen möchten.
Carolina. Das wäre ganz gewiß
glich, wenn es ſich zuttragen jolkte.
ſolchen Vermuthung tt ja nicht die allergeringfte Wahr-
ſcheinlichteit, und alfo thut man unbillig, wenn man durch
dergleichen Borftellung ſich miederichlägt, am fiat bafı man
fi, um feiner eigenen Geſundheit willen, aufmunterm umb
das Geben verfüffen ft ſoll
Agneta. Ia, ja, wer beſtändig mit ſolchen — J
haften Gedanten umgehet, als mein Mann und ich, dem
Toll bie Süfigfeit des Lebens und die Aufmunterung wohl
vergehen; und es wäre [65] zu — daß alle Leute
für ihre Wohlfahrt ſorgen möchten, als wie wir, jo
soiiwden wir nicht fo wiele traurige Exempel haben. »
Carolina. Daß man für feine Exhaktung Sorge
ber Diefe Sorge muß fich nicht jo weit
über krank oder mihvermmgt mind.
und die Gefunbdheit find doch nicht
=
. Siebenter Auftritt
ich, und die Vorigem,
rein Sohn ich habe eurentwegen ſchon
dante der Frau Mutter für alle ao
; ich, bellage aber, wenn meine
49
um Sorge? Wenn der Himmel einfiele, das wäre ein
— re mir, bie Zeit wird klommen, da
ihr an mid) gebeı
s ie ueber Ich werde Zeit Lebens an die Frau
den, aber nicht an diejen Cinfall,
— Ich muß erſt recht ausweinen, alsdenn
ich fie wieder zu jehen. Seht weinend ab.
Eittenreih. Meine Mutter fo wohl als mein Vater,
10 Haben eine ganz auffecordentliche Geſchiclichleit ſich jelber
zu quälen. D, wie bin ich Ihrer Geſellſchaft überdrüßig!
Ad) habe ſchon oft mir einen eigenen Heerd gewünſchet,
um mein Brodt in Ruhe und Frieden zu verzehren; allein
ich habe ſolchen nicht finden fünmen. Schönfte Carolina!
15 jollte fich qniebo wohl Gelegenheit dazu zeigen? Ich
‚glaube, ber Hinmel hat fie hergejandt, mid) vum biefem
berdrießlichen Umgange zu befreyen.
Caroline. ch wüſte wicht wie biefes zugehen
follte. Kann ich aber zu ihrem Vergnügen etwas bey-
20 tragen: jo verfichere id) ihnen, daß ſoiches gerne ger
Eittenreich, Mein einziges Bergnitgen, meine Bes
Freyung don einem verdriehlichen Umgange, mein Leben,
ja meine ganze Wohlfahrt bernfet in dem Befit ihrer
3 wehrten Perjon.
Caroline. Ich habe mic nach meiner Ellern
Tode gänzlich der Aufficht meines Bruders übergeben, und
au aljo and) eutichloffen, feinen andern Liebften zu wählen,
als welchen ev mir [87] borſchlagen wird. Sollte ingwiſche n
» feine Wahl auf ſie fallen; fo wi e ich ihnen für meim
eil, dab ich am ihrer Perſon nicht das geringfte aus«
Sittenreid, Ich bin mit dieſer Erklärung voll»
jeden, und um bero Serem ders Aus»
lommen
2 pruch zu hören, wollen wir uns fo gleich zu ihm ber
Caroline. Da kommt ex fo eben her.
Deutsche Litternturdenkmale Nr. 66,87.
Vinrich Vorkenftein,
Achter Auftritt.
Ehrenwehrt, und bie Vorigen.
Sittene. Der Herr Bruder font — — ‚Belt,
um in einer Sache den Ausſpruch zu thun, woran
ganze Wohlfahrt hänget,
Ehrenwehrt. Ich bin begieris ——
Sattenreich. Ich liebe dero weiter,
und babe fie fo eben um ihre egenliehe — Sie
verwieh mid an den Herrn Bruder, um ftatt ihrer,
von demſelben eine Antwort auf meinen Vortrag zu be
lonmien.
Ehrenwehrt. Die Sace iſt von folder Wichtige
Teit, daß ich nicht jo gleich darauf antworten fan. Ich will
fie einen Augenblick ver⸗ [68] Laffen, um es bey mir zu
überlegen. Es foll wicht lange währen ; jo will ich, ie
bey ihnen jeyn.
Gehet ab.
Sittenreich, Bey Selte. Wie ſoll ic) das verjtehen?
Er hat mir zu dieſer Liebe anfangs ſelber ——
gegeben, und nun ſcheinet es, als ob er Schwurigteiten
— wollte?
aroline. Wie jo tieſſinnig, Herr Sittenreich?
Sittenveih, In Wahrheit, ihees Herrn Bruders
Vezeigen macht mich gan verwirret. Ich dachte, bey
einen ſolchen Heryensfreunde Körmte man Feine Fehlbitte
thum, und mm erfahre ich das Gegenthell. Ja Id) ——
er möchte mir gar eine abichlägige Antwort geben, und
alsdenn würde ich bereuen, daß ich es auf feinen Miss
ſpruch anlommen laſſen.
Carolina. Mein Bruder wird ganz wichtige Urs
ſachen haben, daß ex feinen Ausſpruch verzögert: Ich
tenne ihm. Er iſt nicht gewohnt, in wichtigen Dingen
zu fchergen, vielmeniger feine Areunde zu bintergehen.
m ba fommt er, um ums aus Dem Traume zu
jelfen.
Der Voolesbeutel.
[69] Neunter Auftritt.
Ehrenwebrt. Charlotte, und die Borigen.
Ehrenw. Hter bringe ich eine Perſon, welde
in ihrer Sache den beiten Ausſpruch geben kaun. Was
5 fagen fie, fchönfte Charlotte! Herr Sittenveich verlanget
— Kann ich ſie ihm mit gutem Gewiſſen
g
Charlotte. Zum Sittenrelch. Ungetreuer, ift es er—⸗
laubt ſein Herz mehr als einnal zu verſchentenꝰ
2 Bekee Eu, mein Herr, das hätte ich mir von
', den mie mein Bruder jo vorteilhaft be—
jan, nicht vorgeltelfet. Der Hinnnel bewahre mich
unbeftändigen Liebften.
ee Und fr einen ſolchen, der mit
Cchmwüren und Eiden ſcherzet.
Sittenreich. O Himmel! in was für Umstände
bin id) gerathen?
Carolina. Wie glüdlich bin ih, daß ich ihre
Wanfelmuth ber; Zeiten tenmen Lernen. Jungfer Charlotte,
20 idy begehre ihr nicht ihren Liebften abſpenſug zır machen.
Charlotte. Ich mag feinen Liebften, welcher in
Anzer Zeit auf andere Gedanken kann gebracht werden.
v0) Elttenreih, Ih Kin verlohren
Ehrenwehrt. Ich ſche wohl, ich muß der Schiebs-
=> mar fern. Zum Sittenreich. Herr Bruder, diefer Streich
fommt von mir, doch Gedult! Ich habe der Jungſer Char
Totte mein Herz angetvagen, erfuhr aber, daß der Here
Bruber einige Anforderung an dem Ihrigen habe; und daß
3 — Buriciziehung derjelsen mir ſoiches wicht ſcheuten
Da mir mum der Herr Bender durch den An-
es am meine Schtoefter jelbft Gelegenheit an die Hand
‚gab, Eormte ich nicht umhin, mich jolcher zu bebienen. Der
‚Herr Bender werde darum nicht böfe. Vlelleſcht mache Ich
es wieder gut.
[3 Sirtenreich. Im Wahrheit, Herr Bruder, ber
Sireich war ein biegen fchlimm. Was inzwifchen meine
»2 Hinrich, Borterfen. un
Abficht auf die Jungfer Charlotte betrifft; Co ijts —
daß ich fie verſchiedenemal um ihre ‚gebet
aber auch allemal abichlägige Antwort
olſo, dahı meine Untreue nicht fo groß ſeyn wird, "als mar
mir bejchuldiget.
Charlotte. Mei Herr Sittenreich, fie ſehen aber,
daß ich gewiſſenheſtet bin, els fie find. Ich babe olme
ihre Cimoilligung mein Herz nicht verſchenten wollen.
Sittenreid. Es ift wahr, fiebjte Charlotte, ich
babe einen fehler begangen. Ich er [71] fenne ſolchen,
nub will zu meiner Gntichuldigung nicht einmal jagen;
daß die Hitze meines Vaters, und das Zurathen des Herrn
Gutherz mich dazu verleitet haben. Nur biejes will ich
Bitten, bafı fie auf feine weitere Rache denfen; denn der
Schreden, ben fie mir abgejaget, iſt ſürwaht Rache genug.
Den Heren Ehrenwehrt hätte ich mein Recht an ihrem
‚Herzen ohueben mit oder wiber Willen abtreten nüflen;
denn fir einen ſolchen Nebenbuhler Hätten viel geichichtere
als ich, hinten a stehen müſſen
Ehrenwehrt. Der Herr Bruder ichmeichelt mir
gewifi, meiner Schweiter wegen. Ja, ia, 68 ift im ber
ſchone Sache, wenn man eine hübſche
Schweſter oder Tochter hat. Mancher wich
und bilder ſich ein, es gelte Ahne
Ich habe das gute Vertrauen zu ihn,
enwarte alfo zur vernehmen, was ber Herr Bruber, nach⸗
dem er mich auf eine jo Harte Probe geſeht hat, in meiner
Liebesjahe vor einen Ausjpruch. thum wird
enwehrt. gur Carolmo, Liebfte Schweiter, was
dazuꝰ
ot na, Ich elle alles in euren Willen, liebſter
s
2) Ehr enwehrt. Führet fie dem Sittenreich zu. So em ⸗
biangen fie denn bon meiner Hand diejenige Bern, welche
1 Der Voofesbentel. 58
— — habe, und ertennen daraus, daß ich
— Zur Carolina. es möglich, ſchonſte
Carolina, daf fie denjenigen Lieben tnnen, am deſſen
& fie vor kurzer Zeit zu zweifeln Urſache ger
haben
Carolina. Die Umftände Haben mich überführet,
daß id) ihnen zu nahe gethan habe. Der Zweifel hat
völlig aufgehdret, und ich berene meine Webereilung.
EU Cittenreich, So empfangen fie denn mit der Hand
leich ein Herz, welches nicht aufhören wird, diejenige
ion zu lieben, woran mir mehr als an allen Schäben
der Welt gelegen tft. Zum Ehrenwehrt. Ahnen aber, Herr
Bruder, ich unendlich verbunden, für ein Geſchent,
18 welches ich nicht vermögend bin zu erjegen, wie gerne
auch wollte,
Ebrenmwehrt: Des Herru Bruders beftändige Ge—
wogenheit iſt allein veemmögend, mich ihn zu verbinden:
Charlotte. Num, Herr Sittenreich, haben fie den
vergeſſen, dem wir ihnen verurſachet haben?
Cittenreih. O fa, und zwar das daranf erfolgte
Vergnügen iſt um jo viel angenehmer.
173] Charlotte. So verzeihen fie mir denn auch, was
Ach auf Anftiften des Herrn Ehrenwehrts dazu beygetragen
= habe. Beſchutdigen fie mich aber keiner Unbejtändigfeit ;
jondern gedenten: bafı ich nicht anders verſahren können,
mal, da ich erfuhr. day; ic) eine Nebenbuhlerin hatte,
— aiſo, wie fie, das Gewiſſe, dern Ungewiſſen
‚eine Rede zu halten, welche fie vielleicht, J
werben, nicht anhören mögen.
54 Oinrich Vorkenltehn, 1,830,
Ehrenmwehrt. (Ey, ey, Herr Bruder! junge reger
müſſen nicht einmal willen, daß «6 umbeftändiges Frauen
nnmer giebt.
Sittenceid. Das iſt wahr, denn Die Liebe wird
ja blind adgemablet.
(ma) Zehnter Auftritt,
Gutherz, und die Vorigen,
Ehrenwehrt. Es ift gut, mein Herr, daß fie
fommen, jonft wären wir In Bank geratheit.
Butberz. Ey, en, wenn Verliebte ſich zanfen, das
iſt ein gutes Zeichen. Jedoch mir beucht, der Zant muß
nicht weit her geweſen ſeyn, denn fie jehen alle jo ver»
grügt aus.
Ehrenwehrt, Wir haben ums zanlend vereiniget,
daß Herr Sittenreich der Brautigam meiner Schweiter,
und Sungfer Charlotte meine Braut fen foll,
Sutherz Ich glaube, daß ſich mander auf die
Welſe gene einmal zankte. Inzwiſchen nehme ich gar
vielen Theil am ihrem Vergnügen, und winfce ihnen vor
Herzen Gluck; allein das macht mix Sorge, doß mein
Schwager damit wicht friedlich jenm wird, Er fteher in
den Gedanken, daß Herr Ehrenwehrt eine Abjicht auf feine
Jungſer Toter Habe; und ex wird abſcheutich Be
Wenn er hören wird, daß fie von der Jungfer Ci —*
ausgeſtochen worden
Ehrenwehrt. Mein Here Gutherz, es if würllich
am dem, daß ich die Meinung gehabt [75] habe, die ——
Tochter des Herrn Grobian zu heirathen. Nachdem ich
fie aber gefehen, und ihre ſchlechie Erziehung wahrger
nommen habe, jo habe ich meine Meinung geändert. Im
Hetrathen muß man feiner eigenen und nicht anderer Leute
Neigung Folgen, und alfo jagen fie nur meinenthalben dem
‚Heron Schwager: daß ich zwar gefonnen, meine freiheit
au verlaufen, aber nicht um einen fo Ichlechten Preis, ale
feine Tochter.
Der Booleebeutel. 55
Charlotte. Sagen fie der Jungſer Sufanna meinet>
wegen· Sie körme ſich mit guten Gewiſſen einen ſchlechtern
Freier erwahlen.
Gut herz. Ich werde ein unangenehmer Bote jeyn.
5 Yebod, was a zu thun ꝰ
Ende des zweeten Aufzuges.
Dritter Aufzug.
Grfter Auftritt.
Grobian und Agucta,
10 Grobian. Dich ſoll doch beym Teufel verlangen,
was endlich aus der Sache werden wird.
[76] Agneta. Habe mur guten Muth, mein lieber Dann,
‚es wird ſich ſchon geben. Seitben ich darzwiſchen gekommen
bin, Hat die Sache ein ganz ander Anſehen gewonnen:
Ih —* meinen Sohn mit der Jungfer Carolina allein
jen. Ich weiß, was das mach ſich ziehet, wenn man
mit Dannsperionen alleine iſt.
Grobian. Ha, ha, ſprichſt du aus eigener Er—
fahrung? Biſt du auch wohl cher mit Mannsperjonen
= alleiıe gewefen? Nun geftche es nur. Haft du Geld dafiir
befommen, fo ſoll es nicht darauf ankommen?
Aguneta. IE glaube, daß du nicht geſchent bift.
Bin id) nicht oft mit die allein geweſen?
Grobtan So, fo, lafi es denn gut jeyn; erzähle
3 mir nut weiter.
Agneta. Sch gedenfe, unſer Sohn wich id) ber
Gelegenheit bedienet haben; der habe len, daß
in einer halben Stunde niemand nen hineln gehen joll,
Grobian. Die Erfinbum ungeimeht; und wenn
beine Anſchlage — fo ſollt du Sekt Lebens eine Erz⸗
Tupplerin
Agneta. — derrn Ehrenwehrt habe ich jo ver»
bfimt zu verftehen gegeben, dafı unfere Tochter ihm une
56 Hinrich Borfenftein. muıa
verjagt wäre, und alfo ein vedhter biummer Schöps jeyn
müßte, wenn er es nicht gemerlet hätte, Es ſcheinet aber,
als wenn es [#7] ihm fein vedhter Gruft ware; und Ach
‚glaube, er ift von der Axt, die Lieber plaudern und haſe⸗
liren, als heirothen.
Grobign. Warum gebet ihr ibm Gelegenheit
andern? Warum habt ihr Die — holen
Und warum fie annoch nicht zum Haufe hinaus geworfen?
Wahrhaſtig, wein bie mir ben Handel verdürbe, ich ließ
ihr einen Stanbbeien im Seller geben. Da kommt es ber,
wobon wir jo oft geſprochen haben, daß ber Umgang mit
Fremden lauter nie nach ſich ziehet. ES iſt wicht
genug, daß einem die Teufelstinder das Haus uncein
machen, den beften Biffen ans der Schüffel freien, ſondern
wenn man einmal ernthafte Geſchäfte hat: So figen bie
verfluchte Hunde einem dazu im Wege. Es wäre genug,
wenn bie Narriu unfers Gleichen wäre; fo anöchte fie fü
anf Herrn Ehrenwehrt Rechnung machen. Uber dafür
meiner, Tochter Brautſchah Bürge. Einen Duart wirft
dur Friogen. Herr Ehrenwehrt ift aus einem Geſchlechte,
das den Wehrt des Geldes ſo gut feet, als ich.
Zweetet Auftritt.
Sittenreih. Die Borigen.
Grobian. Nun, mun, wie ftehts, mein, Soht?
[78] Wie haft dur deine balbe Stunde angewandt, bie du
mit der Jungfer Carolina allein zugebracht?
_ Eittenreic. Recht wohl, Herr Vater! Ich habe
wicht allein ihr Herz erobert, fondern auch die Einwilligung
Ihres — ‚erhalten.
. Das dit je unvergleichlich
Das Habt ihr mir zu banfen.
ſtehts aber mit deiner Schweiter?
nwehrt ſich noch nicht heraus gefafjen?
Die Wahrheit zu geftehen, Here
Vater, ich habe meiner eigenen Sache wegen nicht Adıt *
57
können. Ich glaube aber, es wird ſich
Bey Selte, Der henter ſoge hhu bie
obion, Nun höre, weil ber eine Puntt feine
Wichtigkeit hat, jo bemühet euch alle beyde, daf ihr den
much jo weit bringet. Du, liche Armı, Haft un-
im Kuppeln, und du, mein Sohn, haft Ber-
merfe ich heute zum erfienmale, indem du bich
Mödgen zur Frau erwählet hat. Wenn ihr
euch zuſammen wacht, jo wird es ſchon gehen. Mit
einem Worte: Ich habe viel Vertrauen zu euch. Sch will
indeſſen unter meinen PBfänbern ſuchen, ob ich micht ein
‚paar Ninge und andere Sachen, welche fich fiir euch ſchicken,
finden Tann, die will ich den Eiguern fürs [79) halbe Geld
28 abdringen. Wan muß jeinen Staat auf anderer Leute
Rechnung führen Lönnen, Gehet ab.
Agneta. Nun, mein Sohn, ihr müſſet denn auch
Binführo mit eurer Braut, ob fie gleich eine Ausländeriu
ft, nach unſerer Landesweije leben. Bors erfte muß die
20 Helnath noch vier Wochen verſchwiegen bleiben, hernad)
müßt ihr fie nicht anders, als Sonntags, Dienstags und
Donnerstags bei
n
Sittenreich. Liebe Frau Mutter, ich werde es
morgen allen Leuten jagen; und hernach des Montags,
æVWeitlwoche, Freytags und Sonnabends
DB
Ahr seht, daß mein Dann ganz verdrießlich wird, weil
8 fo lange mähret.
Sittenreid. Er wird noch viel verbriehlicher
werden, wenn er hövet, daß gar nichts daraus wird
Agneta. Barum jollte wichts darans werden? Was
Henfer! Here Ehremwehrt ift ja blos deswegen bicher
gefommen. Gr würde fich ja ſchümen, wenn er under
richteter Sache wieder weggehen follte.
Sitteureid. Ich babe von jeher baran gesweifelt:
Denn obwol feine Abficht wurtlich geweſen ift, meine
Schwefter zu — ER — die Frau —
dagegen, wenn ein Menich von ſolcher naart, von
Sitten und von ſolchem Herkonnnen, als Here Ehreuwehrt
iſt, eim jo verwildertes Madgen zu ſehen kriegt, wie meine
Schweſter ift, nicht Urfache hat feine Meinung zu änbern?
Agneta. Schweigt, ſage ich! von eurer
Lebensart. Sie iſt gut genug. Sie kann zehn Männer
vor einen kriegen.
Sittemreich. Das glaube ich gar wohl. Jhres
‚nleichen, das ift, ſolche Lente, welche man alle Angenblüde
von der Gaſſe greifen fan, - Aber von ber Art, wie der
‚Herr Ehrenwehrt ift, das möchte viele Mühe erfordert.
Aqneta. Der Herr Ehrenwehn wird doch nicht
mehr Knfte fünnen, als andere Dannsperjonen ?
Sittenreid. Ja freylich Imın ex bie. Bum Eher
ſtande gehöret mehr als Ejjen, Trinfen und Schlafen. Es
wirb ein angenehmer Umgang und eine gute Vegegnung
beyder Gatten erfordert, weiche die verdriehliche Stunden,
fo im Eheſtande vorfommen, verjüffen; wodurch einer dem
andern beftändig aufmumtert, und wodurch die Liebe immer
wächjet, an ftatt fie bey andern abnimmt. Es wird Ver⸗
ftand exfodert, wenn einer dem andern feine Fehler zu gute
hält. Es follen * wohlgezogene Kinder, und nicht ſolche
Ungebeuer .
au aneta. "D, ſchweigt, ſchweigt! Von jo vielen
Beitfutigte habe ich mein Lebtage nicht gehöret, und
lebe gleichwol im Ehejtanbe.
Der Bootesbeutel,
Dritter Auftritt.
Snjanna, und die Borigen.
Sujenne Mana, mein Bräutigam fit immer
bey ber Charlotte, und Sagt mir fein Wort.
Agnern. Das Hit nicht gut.
Sittenreid. Deine liebe Schweiter, wo⸗ [82] von
foll er mit euch reden? Ihr wiſſet ihm ja nichts zu amt»
orten. Da fehet ihr mm, daß ich es aut mit euch ge—
‚meinet Habe, werm ich end) ermahnet, daß ihr euch zur guten
40 Lebensart gewöhnen jolltet, Wahrhaftig! von Sutichern
und Mägden lernet man ſolche nicht. Da Habt ihr mn
ichöne Ehre, daß euch ein armes Mödgen vorgezogen wird.
Sufanna Das befte ift, daß ich nicht viel bar
Frage.
Ugnern Wie jo? geftlt dir veim Brantigam nicht?
Sufanna. Er gefällt mie awar wohl, aber bie
Wahrheit zu jagen, er ift mir zu vornehm,
Sittenreih. Hat jemand fein Lebtage gehöret,
daß einem Frauenzimmer ein Bräutigam zu vornehm feyn
= fann? Ich merfe wohl, eure Reden bedürfen einer Er⸗
Härung. Se gewiß jagen: Er ift nicht nieder⸗
trächtig ſaget lieber? Jhr ſeyd ihm zu geringe,
denn das luft auf eins hinaus. Jedoch ſaget mir: Wie
reimet ſich das mit euerer Einbildung? Ich habe euch wohl
= hmbertmal jagen hören, ihr twöret eine dom ben vor⸗
nchmiten Zungfeen im der Stadt? Wifſet ihe aber wohl,
worin alle eure Vorzüge beftchen? In cuerer und anderer
Beute ſchlechten Einbildung, und in dem Reichthum, dei
2 — Sonſt ſeyd ihr nichts wer 18 vor» [83] nehm
oder edel; und derjenige, welcher
nee nennen toill, heißt euch Y
Sufanna. I habe gar nicht nöthin, von euch
honſche Neben zu vertragen. Wenn ihr jonft
nichts mollet; önnet ihe nur euerer Wu —
Eat 1
fogen, wenn 3 höret, daß unfere
Sujanna Ih ſelle mi
vor, Wenn Charlotte mir nur mi
habe fie Holen laſſen, daß fie mir
wie ich mit meinem Bräutigem
die mir im Wege fig.
Agneta. Ey, he wollen ihr die Thlire weijen.
Vierter Auftritt.
Gutherz und die Borigem.
Gutherz. Wohin fo eilig?
[84] Ugneta. Wir wollen die Charlotte zum Haufe hinaus
Ächmeiffen.
Gutherz. Warum das?
Agneta. Weil fie meiner Tochter Hinberlich iit,
und verwejachet, daß ihr Bräutigam wicht mit ihr reden fan.
Gutherz. Meinet Ihr denn, liebe Schweiter, werm
Chorlotte nicht gegenwärtig ift, daß er alsdenn eurer Tochter
fogfeich einen — than wird?
u
ja!
6 verſichere euch das Gegeniheif.
Agneta. Wie ſo?
Guͤtherz. Es thut mic leid, daß ich Beige geweſen
bin. Er Hat ſich in meiner Gegenwart mit der Jungfer
SHmfotte verlobet:
Snjanna. Weinend. Ad, Mama!
Agneta, Ey, das hättet ihr nicht zugeben müffen;
inte ihr waret ein aufrichtiger Freund unſers Haufes?
Gutherz. Ich bin aber fein Herr über ben Willen
bes Herrn Ehrenwehrt. Ich habe das Meinige getban,
aber bie Antwort, jo ich erhalten, Mingt eben nicht zı vor⸗
theithaft.
Agneta. Was fügte er ben?
‚Der Boofeshentel, 1
Gutherz. Er fügte: Ich möchte dem Hexen Gros
bian nur hinterbringen, daß er jeime Frei⸗ — =
am einen jo Preis, als die Jungfer Sufaı
5 Mgneta. Der Narr, verachtet meine Tochter, und
wahlet fich ein nadtes Madgen!
Sujanna Meinend, Ad, Mama! ich kriege mun
mein Lebtage feinen Mann.
Agneia. D, gräme dich mr nicht! Ich will dir
10 einem ansfuchen, der beffer nach deinem Stune ift.
Gutherz. Ihr habt in Wahrheit wenig Ehre dar
von, dafi Herr Ehremvehrt ein armes wohl erzogenes
Madgen einer reichen übel geratbenen Jungfer vorge
en hat.
Agneta. D, ihr habet immer was zu weiſſagen,
Butherz. Und ihr wollet nicht einmal durch Schaden
Agnera, Ihr könnet euer Gewerbe be meinem
Manne jelber anbringen. Ich babe nichts damit zu thun.
= Gr wird für Zorn aus der Haut fahren.
Gutherz. Euer Manıt fürchtet ſich ja ſonſt für
mlemand mehr, als für feine Frau.
Unneta. Das ift ein vernünftiger Mann, der ſich
von feiner Frau regieren laſt.
“ Gutherz. Und jür einen mwernünftigen [86] Dann
Üt es ein Blük, wenn er eine vernünftige Armı Hat, die
ihm vegieren fat.
Anneta. Es ift feine Frau in ber Welt, bie nicht
mehr Verftand hat, als ihr Manıt.
”“ = Gutherz. &s iſt wohl wahr, denn fie haben immer
Agneta; Wenn id) meinem Du
nicht gerathen hätte; es wilde gejchen
Gutherz. Zndem man andern guten Rath) ertheilet,
ht man ſich gemeiniglich jelber.
Wgneta. Ich merke wohl, daß
dafı meine Tochter wicht nach eurem Sinne erzogen ift.
62 Hinrich Vorkenfein. mas
Allein, wenn Ich mit ige gufeleben ——
nicht, was andere davon ſprechen.
das Arauenzinmmer mn zu en mb ——— ans
‚Heiraten geht, io heifit es doch: Wie viel Geld it da?
Die armen Jungfern mögen noch jo viel gelermet haben;
fo bleiben fie doch fipen.
Gutherz. Bon bem Gegentheil haben wir heute
ein Mares Grempel.
Ugneto. D, bas fit eimas jeltenes, und beweiſt,
daß Here Ehrenwehrt nicht recht tlug iſt. Ein Erempel
aber, daß ſich unter hundert tanfenben faum einmal zu⸗
trägt, farm wicht geverhmet werden. Genug, meine Tochter
ſoll gewiß nicht ſihen bleiben.
[87] Gutherz. ch wünfce, daß fie das Ziel ihres
Verlangens noch heute erreichen möge.
Agneta und Suſanna gehen ne
Gutherz. Soll ich es ihm deun anbringen, jo
mag es darum jeym; To will ich ihm and alles jagen,
was ihm zu wiſſen nötig iſt, ev mag fo böfe werben,
als er will,
Fuufter Auftritt.
Wroblan und Gutherz.
Grobiar So geht mirs immer. Wen id) meine,
ich habe hundert Reichsthaler verdienet, fo jind es mie
neun md neunzig. Wenn ich eine Erbichaft von 20000 =
Neichsthaler Friege; jo muſſen wenigitens 300 Neiche-
thalet ſchlechte Schulden darunter ſehn. Sein Wunder
wäre «8, wenn man fich zu nahe thäte Da habe ich
einen fchönen Schmuck von Perlen und Juwelen, der bey
mir verjeget tft; da gebachte ich ſeſt, ich wollie ihm dem
Eigner für das halbe Geld abbringen: fo muß ich zu
meinem Ungluck hören, dafi er morgen eingelöfet werden
joll; und bin alſo genöthiget, die Steine und Berlen, jo
zu meiner Kinder Be erfodert werden, für
Daares Geld zu kaufen. O, bin ich wicht der unglüde *
Det Boofezbeutel, 6.
Sache nach meinen Stme? Es find ohngeſehr acht Tage,
da jand ich auf der Gaſſe einen Kleinen Beutel, welchen
jemand vexlohren, darin zählte ich vier Gold⸗
wide, Ws ic) ſolche des andern Tages wollte tariven
war eines darunter, jo mm von Silber und ver
geidet war; darüber ärgexte ich mich dermaffen, baf man
mir zur Ader laſſen mufte-
Gutherz. Das hat ihnen jemand zum Poſſen getan.
» Grobian. Das iſt möglich, denn es giebt viele
Verfcwender. Jedoch ich wollte, daß man mir auf die
Art ojt einen Poſſen joielte.
Butherz. Das wäre eine Gewiſſensſache. Wiel
wenn fie ſich einmal tobt ärgerten?
” Grobian. D, das Hat nichts zu bedeuten. Wenn
ich Geld dafiix befomme, jo ſchadet mir Die Aergerniß nicht,
Gutherz. Ich höre, wen fie Stodichläge kriegen,
ſo ärgern fie ſich auch nicht, um die Procenkoften zu
ent.
5 [89] Grobian. Ach merke jchon, worauf fie zielen. Es
mie {dom andere vorgerücet, daß ich menkich im
— Geſe —5 — Stodihläge belonmmen; allein das
ie und Diebe, die es gejagt haben, Wie bie
„, Shi anfieng, war ich, eben weggegangen.
Gutherz. Wenn ihre Rüden dantit zufrieden iſt;
Zr Tann ich es auch Leiden.
Grobtam Gin jeder muß feine Sachen ausführen,
wie ers fir ſich felbften am zuträglichiten findet; und
das find Schurken, die ſich um anderer Leute Schläge
befümmern.
Gutherz. D, das find Steinigfeiten, wenn lhnen
ſonſt jedermann mit Fingern nachwieſe.
64 dinrich Borkenftein.
Grobtan. Ey, laß fle mie Hinten fingeeiven,
viel fie wollen. E
Gutherz. Aber wollen fie denm ı einmal in
ſich ſchlogen, und ſich fin fich jelber ſchamen
fie nur ihre Geſtalt. Sie gehen auf der Gaſſe wie ein
Bär, und a en el een ie beſtellt wären, 2
mann zu verfolgen. gruſſen ihre beften Freunde
Grosian &y, mein Hut foftet Geld.
Surherz. We Leute Hagen über ihre Unempfinde
tommen Fünmen,
Grobian. Ey, Näder often Geld,
Sutherz. Ihre ganze Verwandſchaft fürchtet ſich
mit ihnen umzugehen. ie geben ihnen aus dem Wege,
als einen Raubthiere oder einem Truntenen
Grobian. Ach glaube, ſie find herlommen, um mich
toll zu machen.
Butberz. Cs ft meine Schufbigteit, ihnen bier
jenige Aufführung vorzuhalten, wodurch fie fi im der
ganzen Stadt eine Able Nachrede machen.
Srobian. Nachrede Hin, Nachrede her, Wenn die
Leute fogen, daf man fein Geld hat, das ift eine üble
Nachrede. De
Gntherz. i
#ft, das if no e Ärger ihnen
Wahrheit zu fagen: Der Hochmuth in — bie Wurzel
ihrer Örobheit: Cie bilden ſich ein, daß niemand In der
Stabt fen, an den mehr gelegen ift, als an ihnen. Wenn
fie fich im den Finger ‚ichneiben, amd der Nachbar bricht
‚einen Arm oder ein Bein; jo iſt ihr Unglüd doch das
größte. @ie meinen, die ganze Wett fen mur allein zu
dem Ende da, dal; fie ihnen zulle. Wie wäre Font
möglich), daß fie fid) ärgern fönnten, wenn fie etwas Finden,
da nicht fo viel [OL] wehrt ift, els fie ſich vorftellen? oder
wie formen fie mit Fug verlongen, bat ihnen jemand
Der Voolesbeutel. B5
lelnodien oder andere Sachen fie den halben Wehrt ver-
fanje? Und wie tönnen ſie wohl mit Recht ei werden,
wenn man ihnen dergleichen Thorheiten vorhält, da fie
doch allen Leuten, bie mit ihnen umgehen, nichts als Grod⸗
5 heiten jagen.
Grobian. Wenn mir jemanb anders dergleichen
Dinge fagte, den ſollle der Beclgebub ms meinem Haufe
führen. Weil id aber ihrer Hülfe Heute noch bendthiget
bin, fo will ich fie mit Höflichteit bitten, das verfluchte
10 Maul zu halten, und mir jtatt deffen zu fagen: wie meiner
Kinder Hehrathfadden ftehen.
Gutherz. Bon ihrem Sohne werden fie vernommen
‚Haben, daß er der Jungfer Carolina Herz gewonnen hat.
Was aber ihrer Jungfer Tochter Abficht auf den Herrn
18 Ghvenivehrt betrifft, daraus möchte wohl nichts werben.
brobian. Was! nichts werben?
Gutherz. Nein! Und, um fie nicht aufzuhalten,
fo wiffen fie: daß dev Herr Ehrenwehrt ihre Tochter nicht
verlanget, weil fie nicht nach feinem Sinne erzogen Äft;
20 Dagegen hat er ſich die Jungfer Charlotte zur Braut ers
BSrobian, O Himmel! Saft den Barbierer tommen,
daß er mich zur Aber läht! Schidt zum Doctor, daß er
ein Pulver mitbringe! ac), [92] ein Ciyſtir! Wo tft meine
2 Pran mit ungarischen Waller? Ha, ich zerueiffe mich!
ich werde toll! id) bin Des Todes! Ich bin verdammt!
meine Tochter! Charlotte! Meine frau! Herr Ehren
wehrt! Mein Son!
Sedjfter Auftritt,
Agneta und die Vorige
Agneta. Was iſts? was giebts? wollen fie dich
umbringen, Lieber Mann?
Grobian, Ach, liebe Fran! Haft du das entjehliche
Ungtüct gehöret?
Ugneia, Was denn?
Deutsche Littoruturdonkımalo Nr. 66187.
Hinrich Vorfenftein. nme?
Grobian. Herr Ehrenwehrt will die Charlotte
. De, ſonſt nichts? ich dachte was es toäre,
Das habe ih ſchon Längft gewuſt. Darum ftelle dic) mr
nicht jo ungebehrbig au.
Grobian. Äch, tft die Urſache nicht wichtig genug?
Die verfluchte, vernafebeyete Charlotte! Halt mich, ober
ich begehe einen Mord.
Agneta. Ey ſchäme dich, Mann! willſt du ein
Narr dazu werben?
Grobian. Ad, muß ich bas Unglüd erleben, bafı
es armen Lenten wohl gehet! Ein Strid her! ich will
mich erhängen.
[93] Siebentet Auftritt.
Sufanna und die Vorigen.
Sujanna. Weinend. Ach, Papa! denk, Pabal wie
ich heute veradhtet werde.
Sroblan. ehe mir aus ben Augen, bu Mas,
oder Ich trete dich mit Fühlen,
Agneta. Je, was tann bas arme unſchulbige
Mädgen dafür, dab Herr Ehrenwehrt ein Narr ijt?
Grobian. Was! fie jolkte ſich beſſer aufgeführet
haben. Warum hat fie die Charlotte hergerufen? und
ba fie fahe, baf fie ihr hinderlich war, Avarum- fie nicht
gleich fortgejcict? Ja komm nur her, du Beſtie, du
ſollſt das Gelag bezahlen. Bil fie ſchlagen.
Sufanna. Schreyet. Ad, Mama! Mama!
Agneta. Teitt vor Ihr. Ey, rühre fie einmal an,
ich will div weijen, mit wem du zu thun Haft,
Grobian Stärke fie nur in ihren Lajtern, jo kann
fie hernach mit dem Sntiher davon laufen, wenn fie ſich
bie andern Freyer von ber Naſe wegnehmen läßt. Er
lauft jo ſchon hinter ihr ber.
AUgneta. Was! willſt du deiner Tochter ſelbſt einen
böfen Namen machen? Schweige, ſage id) Dir, ober es 3
gebet nicht gut.
Der Voofesbeutel, 67
robian. Der — weiß, was ihr beide wohl
f, wenn ich nicht zu Haufe bin.
y Hgneta. Sch fage bie och einmal, du ſollſt ſchweigen,
oder id) krahe dir die Augen aus.
» Grobian. Nu, mu, ich will denn ſchweigen.
After Auftritt,
Sittenreih. Carolina und bie Vorigen.
Grobian. Ha, Jungfer Carolina! ihe Bruder ift
ein Schöner Kerl.
EU Carolina. Wie jo? mein Herr!
Grobian. Wiffen fie nicht, was er gemacht hat?
Earolina. Mir ift nichts böfes bewuſt.
Srobtan. Jd fa mir auch nicht einbilden, daß
fie es wiffen, denn fonft hätten fie es nimmer zugegeben.
E73 Garolina. Sollte mein Bruder etwas begangen
haben, daß wider ihres Haufes Ehre wäre: jo mill ich es
ihm ſelber verweifen.
— Freplich, hat er mein Haus geſchändet,
und ich werde es ihm mein Lehtage nicht vergeben.
* Earolina. Behüte der Himmel! worinn beſtehet
denn fein Verbrechen?
[95] Grobian. Darin, daß er die Charlotte heirathen
will. Denten fie doch, ein nadtes Mädgen!
Carolina. D, das ift mie ſchon bekannt; Aut ex
* bavan übel?
Grobian. Ich höre wohl, fie find auch im Kopfe
verrüdt. Iſt das nicht eine Verachtung meiner Tochter?
Earolina. Er fann ja aber mr eine nehmen,
sn ven wohl; aber er
50 hätte doch wohl Hüger getham, wenn er ftatt eines armen,
ein reiches Mädgen erwählet
Bene Sierinn ie 6 keinen Unterſcheid.
Man heiratet ja die Perfon, und ulcht das Selb, Die
Aumgfer Charlotte wird meinen Bruder beifer gefallen
#6 Haben, darum hat ev ihre Zungfer Tochter nicht verachtet.
68 Dinrich Vortenſtein. us»
Meines Bruders Abſichten beym deirathen find bios auf
fein eigen Vergnügen gerichtet.
Örobtan. So weiß er ſchlecht, worin bas Wer-
gnügen beftehet.
Carolina. Ein jeder fucht fein Vergnügen nad)
ea Einfiht. Was ben einen ergöpt, iſt oft bem andern
zuwider.
Groblan. Wer ſich am Gelde wicht ergöht, ber
muß toll und raſend ſeyn
196] Garolina, Das Geld ift freilich eine Schöne Sache,
weil man deſſen nicht — Tan; der Ueberfluß aber,
welchen man einfberret, und welchen man nicht genieſſet,
iſt ſchadlich; und wer einen Abgott daraus macht, der
Handelt gar töriht Mit einen Worte: Der Misbrauch
einer jeden Sache iſt umerlandt; und das Geld iſt zu Feinem
andern Eubzwed ba, ala baß wir es zu unferer Bedürſniß
anwenden, and mit dem Ueberfluffe uns Freunde madjen.
Srobian. für ben beften Freund in ber Welt
gebe ich feinen falſchen — Wenn man reich it,
muß, — unfere reunbfepajt juchen, IB fichs für eine
Laufen ai und meine Tochter nimmt.
Caroline. Da fommt ex eben her. Sie werden
feine Meinung von ihm felber am beften erfahren.
or] Nennter Auftritt.
Ehrenweht, Ehartotte und die Vorigen.
fein Feuer = "der Herrn
Ich werde ja wohl Macht Haben, in meinem
eigenen Haufe Lerm zu machen?
Der Boofeöbeutel. #9
Ehrenwehrt Sie verzeihen, mein Herr, wenn
ich jo fuͤrwihig gewejen bin. Es Fam mir zum wenigſten
vor, als wenn ſich ein Unglüd zugetragen hätte, und ich
wollte gerne deswegen mein Mitleid bezeugen,
Orobian. Wir brauchen des Herrn Mitleib nicht.
Es thut ihm ſelber möthig, daß man Mitleiden mit ihm
Ehrenwehrt. Wie jo?
Grobian. St ber Herr wicht fo närriſch geweſen
und hat fich mit einem nackten Mädgen vertändelt? Wahr-
haftig, wenn ich es nicht in Betrachtung, daß mein Sohn
fein Schwager wird, unterlieſſe, ich Inte ihn ins Geficht.
Ehrenwehrt. Ey, ey, mein Here! nicht fo hihig!
os] Grobian. Meinet der Herr, daß meine Tochter
eine Närein tft?
Ehrenwehrt. Ich habe nicht das geringite an
ihrer Jungfer Forhter auszuſetzen
Grobian. Warum will der Herr fie denn nicht
? Meinet er nicht, daß ich weiß, da er blos
deswegen. nad Hamburg gekommen ift? Hat den Herrn
efwan fonft niemand umjonft beherbergen wollen ?
Ehrenwehrt. Ich geitehe gerne, daf meine Abs
ſicht — iſt, ihre Jungfer Tochter zu heiraten. Ich
babe es ihrem Heren Sohne auch ſelbſt gejagt. Allein
eben — bin ich auch jetbft anhero gefommen, um fie
erjt zu schen. Daß ich Ihnen nun bie Ürſache nicht ſage,
toarım ich meine Neigung geändert habe, belleden fie
meiner Beſcheidenheit zuzuſchre
Grobian. Beſchedenhe Beſcheidenheit her.
Der Herr bat einmal meine Tochter verlanget, er muß
fle and nehmen. Ich Hal it nur file eine
Mebereilung; wenn der de S dt beſinnet: To
wirb er bie Charlotte ball M und Dagegen
meine Tochter mit beyden Händen ergreifen. Umd ihr,
Bungee Eharfotte, Ihe habt hier nichts zu thum, da fchert
end) zum Hanje hinaus.
Charlotte, Ich Habe icho feinen andern [99] Be-
A u
70 dinrich Borkenftein. Tun, 3
fehlshaber, als den Heren Ehremwehet; fobald mid ber
verſtoßt, will ich gehen.
Grobiar. Was! in meinen eigenen Haufe?
Ehrenwehrt. Sie ſoll gehen, doch mit dem Ber
binge, daß ich fie begleite,
Grobion. Mein, das ift die Meinung nicht, der
‚Herr ſoll hier. bleiben.
Ebrenwehrt Eh, das würde ſich nicht ——
Sie iſt ein für allemal meine Verlobte, und alſo kann
uns niemand trennen.
Grobian. So till der Herr alſo meine Tochter
nicht haben?
Ehrenwehrt. Mein Herr, bringen fie wicht To
ftark im mich; es fchiet ſich nicht, daf Ich mein fage.
Gutherz. D, es wäre nit das erflemal, daß
Mannsperfonen dem Frauenzimmer einen Korb geben.
Grobian. Weiß der Hexe wohl, bafı ne bier
figen Stadtrechten, wenn es zur Klage fäme, meiner
Tochter etwas fir den Abteitt geben müfte?
Ehrenwehrt, Die Sade würde jehr weitläuftig
auszumachen feyn. Jedoch, wenn es aud) darauf anfänıe,
jo wollten Die uns ſchon vergleichen.
Ich rufe euch alle zu Yeugen. Herr
Ehrenwehrt Hat fh anheiſchig gemacht. [100] meiner Tochter
etwas für den Abteitt zu geben. Mein Herr! menn er
ollezeit jo fig mit feinen Gelbe it; fo hätte er Ta au
meinem Schtwiegeriohne nicht geichieit; denn von
ſchwendern bin ich ein Todfeind! Er mag alfo mit —
nadten Braut immer hinlauſen.
r ehrt. Ich verfichere fie, mein Serr! daß
er bloſſen Perſon bin, als mit ber
Erziehung.
bi Ey, meinchvegen heiralhe ber Herr bes
— feine nactte Großmutter
Agueta Unſere Tochter | jo auch ſchon einen Mann 30
triegen, das ſoll meine Sorge ſeyn.
|
|
Der Boofesbeutel. au
Ehrenwehrt. Ich wünſche ihr einen Liebften, wie
t,
Agneta. egt fie denn feinen, der fo reich ift,
jo Soll fir auch feinen Verſchwender haben, Meine Tochter!
= wenn jonft niemand ift, fo jollft du den Nothbart heirathen.
Sufanna. Ach ja, Mama! mit bem Fönnen wir
t, Was wir Wolken, ex iſt nicht fo vornehm.
Siltenreid, Mit bem künnet ihre auf dem Feuer—
heerd in der Warte fpielen; der kann auch jchöne weltliche
10 2ieber mit euch fingen.
COREL & iſt beſſer ein ſchlechter Mann, als
— Es üt beſſer ein ehrlicher Menſch, dev
zu rathe hält, als ein reicher Verſchwender.
is een Liebe Schweſter! der Fuchs halte die
rauben ſauer, als er fie nicht erreichen Fornte,
— Habe id; eiwan nicht Aergerniß genug
15
Agneta. Ach, leder Mann! du kenneſt ja meiner
= DBruber, er mag gerne welffagen. Es Ijt bee Mühe nicht
wehrt, daß man ihn antwortet, Und wenn Here Ehrentvehrt
fein eigen beftes wicht wiſſen will; jo Aönmen wie ihu
nicht helfen. Gieb mir nur dein Wort, daß Here Roth-
hart unfere Tochter heirathen darf; fo will ich Bald Anftalt
25 dazu machen: Denn diefe Sache habe ich mehr in meiner
Gewalt. Was fagit du, meine Tochter! was gilts, Here
Wothbart gefällt Dir: befier, als Herr Ehrenwehrt?
Sufanna. Mama! id) laffe mir Alles gefalen,
was fie für gut findet.
Sittenreld. Liebe Schwefter! menu man bie
Fliegen von einer mit Speijen on Tafel verjagt, jo
feben fie fih gemeiniglich auf einen Mifthaufen, und ftilfen
ihren ge mit eben fo grofiem A
Gutherz, Darum haben auch bie lieben Alten
© gejagt: Ein Vater ſoll feinen Sohn verheirathen, wenn
er will, und feine Tochter, wenn er fanır,
Ugneta. Haben das die lieben Alten gejagt! 0,
70 Hinrich, Vorkenſtein. mu, 9
fehlshaber, al3 den Herrn Ehrenwehrt; fobald mich der
verftößt, will ich gehen.
Grobian. Was! in meinem eigenen Haufe?
Ehrenwehrt. Sie fol gehen, doch mit dem Be—
dinge, daß ich fie begleite. [2
Grobian. Nein, das it die Meinung nicht, der
‚Herr fol hier bleiben.
Ehrenwehrt. Ey, das würde ſich nicht ſchicken.
Sie ift ein für allemal meine Verlobte, und aljo kann
und niemand trennen. »
Grobian. So will der Herr aljo meine Tochter
nicht haben?
Ehrenwehrt. Mein Herr, bringen fie nicht fo
ſtart im mich; es ſchickt ſich nicht, daß ich nein fage.
Gutherz. D, e3 wäre nicht das erftemal, daß
Mannsperjonen dem Frauenzimmer einen Korb geben.
Grobian. Weiß der Herr wohl, daß er nad) hie-
figen Stadtrechten, wenn es zur Klage käme, meiner
Tochter etwas für den Wbtritt geben müfte?
Ehrenwehrt. Die Sache würde ſehr weitläuftig
auszumachen jeyn. Jedoch, wenn es aud) darauf anfäme,
jo wollten wir una ſchon vergleichen.
Grobian. ZIG rufe eud) alle zu Beugen. Kerr
Ehrenwehrt hat ſich anheifchig gemacht, [100] meiner Tochter
etwas für den Wbtritt zu geben. Mein Herr! wenn er 3
allezeit fo fir mit feinem Gelbe ift; fo Hätte er fich zu
meinem Schtwiegerjohne nicht gejchidt; denn von Ber-
ſchwendern bin id) ein Tobfeind! Er mag affo mit feiner
nadten Braut immer hinlaufen.
Ehrenwehrt. Ich verfichere fie, mein Herr! daß "©
ich vergnügter mit ihrer bloffen Perjon bin, als mit ber
teichften Fungfer ohne Erziehung.
Grobian. Ey, meinetwegen heirathe der Herr des
Teufels feine nadte Großmutter.
Agneta. Unfere Tochter ſoll auch fon einen Mann 36
Triegen, das joll meine Sorge feyn.
®
a
8
=
u, 9) Der Boolesbeutel. 71
Ehrenwehrt. Ich wünſche ihr einen Liebiten, wie
fie ihn berlanget.
Agneta. Kriegt fie denn feinen, der fo reich ift,
To fol fie auch feinen Verſchwender haben. Meine Tochter!
wenn fonft niemand ift, jo follft du den Rothbart heirathen.
Sujanna. Ad ja, Mama! mit dem können wir
machen, was wir wollen, er ift nicht jo vornehm.
Sittenreidh. Mit dem könnet ihr auf dem Feuer-
heerb in der Karte fpielen; der fann auch ſchöne weltliche
Lieber mit euch fingen.
Gutherz. Es ift beffer ein ſchlechter Mann, als
gar feiner.
Agneta. Es ift beſſer ein ehrlicher Menich, der
das Seine zu rathe hält, als ein reicher Verſchwender.
[101] Gutgerz. Liebe Cchwefter! der Fuchs dalte die
Trauben jauer, al3 er fie nicht erreichen Tonnte.
Grobian. Habe id) etwan nicht Aergerniß genug
gehabt?
Agneta. Ach, lieber Mann! du kenneſt ja meinen
Bruder, er mag gerne weifjagen. Es ift der Mühe nicht
wehrt, daß man ihn anttortet. Und wenn Herr Ehrenwehrt
fein eigen beſtes nicht wifjen will; jo können wir ihn
nicht Helfen. Gieb mir nur bein Wort, daß Herr Roth-
bart unjere Tochter Heirathen darf; fo will id) bald Anftalt
dazu machen: Denn diefe Sache habe ich mehr in meiner
Gewalt. Was ſagſt du, meine Tochter! was gilts, Herr
Nothbart gefällt dir beffer, ala Herr Ehrenwehrt?
Sufanna. Mama! ih laſſe mir alles gefallen,
was fie für gut findet.
Sittenreid. Liebe Schweſter! wenn man die
Fliegen von einer mit Speifen bejegten Tafel verjagt, jo
fegen fie ſich gemeinigfich auf einen Mifthaufen, und ftillen
ihren Hunger mit eben fo großem Appetit.
Gutherz. Darum haben auch die lieben Alten
gefagt: Ein Water foll feinen Sohn verheivathen, wenn
er will, und feine Tochter, wenn er Tann.
Agneta. Haben das die lieben Alten gefagt! o,
2 Hineid) Vorfenfleit. Im, 8.
fo laß ich meinen Mann feinen Frieden, bis ers in meine
Hände ftellet, daß ich meine Tochter am [102) den exjten,
der mir und ihr anftehet, verheirathen mag; deun a alte
Sprichwörter und Das — laſſe id) mein Geben,
Sufanna. Ad, in, Mann! Blos am bed Schimpfed *
wegen, dal ein armes Mädgen cher als ich einen Dann
befonunt.
Charlotte. Ich will aud eine Fürbitte für fie
einlegen, Jungſer Sana! Bebenfen fie doch, Herr
Grobian, daß es ihnen den vergöldeten Schaupfennig von
20 Schill. gefoftet hätte, wenn Here Ähre
Jungfer Tochter genommen; der wäre ihnen doch hart
abgegangen.
Srobian. Ich hätte euch gerne 5 Mard 4 Schill.
zum Staubbefen gegeben, wenn ihr mie nur heute ans
dem Haufe geblieben wäret.
Carolina. Sie find doch ber Here Grohian.
Ehrenwehrt Nu, nu, mein Herr! geſchehene
Dinge find nicht zu änbern. Wir mifjen Ins künftige
doch als gute Freunde mit einander leben, um fo viel 20
mehr, da meine Schweſter bie Ehre hat ihre Schwiegers
Tochter zu heiffen.
Grobian. Erſt thut man alles, was man woill;
ke fonts man mit jolcher dummen Schmeidheley an⸗
Jet.
Ehrenmwehrt. Ich will ihnen nebft meiner Liebſten
Abbitte thun, wenn fie e8 verlangen.
Grobian. Ey, mit Ehre ft mir nichts gedien
aber das will Id haben, doß fie bie Juwelen [108] *
andere Sachen, welche fie ihrer Braut ſchenken, von mir
fanfen. Es werben oft bergleichen Sachen bey mie verfekt,
und da i
Eh pehrt. Dies verſpreche ich ihnen, und noch
dazu will nen geben, was fie dafür verlangen, und
ulchls baum abbingen.
Srobian. D, ho! wer man endlich weiß, woſtr
man eine Sache tut, fo gehet man vft etwas ein, 1vas
Der Boolesbeutel. 73
‚man fonft bleiben Tiefe, Ich wunſche ihnen mit ihrer
ne Braut fit und Segen Selb iſt bie Lofung.
Earolina Nun, mein Lieber künftiger Herr
Schwieger-Bater, find fie mir denn auch bbje?
bh Grobian. Meine Gewogenheit gegen ihmen wird
ſich nad) der Gröffe ihres Beautichages richten.
Ehrenwehrt. Fir 10000. Rtylı. jährlihhes Ein-
tommen Din id) Bürge.
Grobian. D, fo find fie meine allerbefte Schwieger-
0 Tochter. Der Himmel ſegne euch beyde und verleihe eud)
die edle Sparjamteit, jo werdet ihr mit der Zeit ans
biejen 10000, Rthlr. 20.000. maden.
Sittenreih. Wir wollen uns bejtreben, den
Herr Vater, jo viel möglich, jederzeit gefällig zu ſeyn.
Ei Carolina. Wir wollen hübſch haͤußlich leben.
[104] Grobian. Der Himmel gebe fein Gedeyen bazı.
Ugneta. Nun, lieber Mann, laß dod; das arme
Mäpgen nicht ungetröftet.
Srobian. Meinenvegen verheirathe fie an den
» Schinder.
Agneta, Nun, jo gieb dic) zufrieden, meine Tochter!
in vier und zwanzig Stunden joll Here Nothbart bein
Bräutigam feyn.
Butherz. Es fehlet nichts, als daß ich noch mein
#5 Vergnügen iiber diefe dreyfache Verbindung an den Tag
lege. Mid; deucht, feiner unter ihnen hätte beffer wählen
können, und ein jeder, der davon | rd, muß jagen:
lei und gleich gefell
Ende des dritten und festen Aufzuges.
[Viguette.]
AM 58/62. Neue Folge No. 8/12,
eutsche Litteraturdenkmale
des 18. und 19. Jahrhunderts
herausgegeben von August Sauer
SECHS UNGEDRUCKTE AUFSÄTZE
ÜBER DAS
KLASSISCHE ALTEATUM
von
WILHELM von HUMBOLDT
HERAUSGEGEBEN
von
ALBERT LEITZMANN
LEIPZIG
@. J. GÖSCHEN’SCHE VERLAGSHANDLUNG
1896
RUDOLF HAYM
ZUM 5. OKTOBER 1896
IN DANKBARER VEREHRUNG
DARGEBRACHT.
INHALT.
Einleitung.
Sechs ungedruckte Aufsktze über das klas-
sische Altertum.
I. Über das Studium des Altertums und des griechischen
insbesondre.
II. Pindar. . :
II. Betrachtungen über die 6 Weltgeschichte.
IV. Über das antiko Theater in Sagunt. An Goethe.
V. Latium und Hellas oder Betrachtungen über das
klassische Altertum. :
VI. Geschichte des Vorfalls und Unterganges der grie-
chischen Freistaaten. :
Anhang. Bruchstücke einer spteren. — der
„Skizze über die Griechen“. .
Seite
Einleitung.
I. Die Skizze über die Griechen.
Von früher Jugend an trat Wilhelm von Hum-
'boldt das klassische Altertum In einigen hervorragen-
den Vertretern der beiden antiken Literaturen nahe:
‚der eigentlich philologische und Realunterricht lag zwar
sehr im Argen!), doch holte ‚sich die damals herr-
schende Anfklärungsphilosophie eines Moses Mendels-
sohn und Engel, von deren Geiste die ganze Erzichung
der Brüder Humboldt den Tendenzen der Zeit ent-
sprechend boscelt war, gorn anregende Muster aus
dem Altertum. Der arste aus Humboldts Feder orhal-
tono Aufsatz bringt eine nicht ungewante Üborsotzung
von Xenophontischen und Platonischen Stellen über
Gottheit, Vorsehung und Unsterblichkeit mit einer all-
gemeinen Vorbemerkung, ganz im Geiste Mendelssohns
gehalten und gowiss unter seinom unmittelbaren Ein-
Muss noch in Berlin entstanden). Während der Gdt-
1) Üboe seine ersten Lehrer wel, Schlesior, Brimerungen
an Wilhelm von Humboldt 1,18; Br ander von Hum-
aan:
alle Slade 9,186. &,1; in den Gesammelten Werken 3,103 ist
— — — die aus dem achten Bande des Lese]
zur Entstehungazeit — Bricfo von Cha-
Jalisı Ondbenno langt 110, Daee Hurelde hir-Mondele
a Engel den Hauptanteil an seiner Bildung zuspricht,
u seinor eigenen früheren Deutung (Wilhelm
yon Harald 5 5, 9 nachgewiesen in Hamboldts Briefen an
Nieoloyius &. 1
— —
tinger Studienzeit nahmen danu unter der
von ihm, er habe lange keinen so tröflichen Philolo-
gen mus seiner Schule entlassen’); aus seinen Inter-
des Pindar und des Aeschyleischen Aga-
memnon erhielt Humboldt damals vielleicht die erste
Anregung zu seiner intimen, über Jahrzehnte hinaus
ige "praktische Ausübung
war nur ein kurze Episode im Loben Humboldte, Vior-
undzwanzigjährig verliess er im Sommer 1791 den
preussischen Dienst, heiratete Karoline von Dacherödon
und beschloss in der seligen Ruhe einer unendlich
glücklichen Hüuslichkeit fortan nur seiner
und den Ideen zu leben: „Mir heisst ins Grosse und
Ganze wirken anf den Charakter der Mensohheit wir-
ken und darauf wirkt jeder, sobald er auf sich und
bloss auf sich wirkt; man sei nur gross und viel,
werden. dio Menschen es schen und nutzen; man Tnbe
nur viel zu geben, so werden die Menschen os g&-
uiessen und ( der Genuss wird Yater neuer Kraft sein?)
‚ger
ı Nebenresidens mancherlei Störung und
Abhaltung brachte, kamen nun in bunter Folge, nur
IX
des Deneidenswert glücklichen Mannes,
den Pflichten einos eigentlichen Berufs bemerkon wir
bei Humboldt ein rastloses Streben nach einer festen
Konsolidierung seiner Ansichten, zunächst in strenger
Denkarbeit, dann auch in schriftlicher Form. Im Prüh-
jahr 1792 entsteht so, unter Dalbergs Anregung und
aus Össprächen mit ilım erwachsen, in Erfurt die herr-
liche Schrift „Ideen zu einem Versuch die Grenzen der
Wirksamkeit des Staats zu bestimmen“"); in ähnlicher
Weise bringt der Winter 1792/93 die engere Frennd-
‚schaft mit Friedrich August Wolf in Halle und in
ihrem Gefolge die erste ausführliche Darstellung der
ldsen über Wert und Bedeutung der Beschäftigung mit
‚dem griechischen Altertum, die Skizze über die Griechen.
—— sich Humboldt und Wolf auch schon früher
flüchtig begegnet sein, entscheidend für ihr gegen-
seitiges Verhältniss wurde ein zweitägiger Besuch Hum-
‚boldts in Hallo im Sommer 1792 auf einer Reise nach
‚oder von Berlin®); die Gemeinsamkeit in ihren Ansich-
2 — den — ‚Bericht a Forster vom 1. Juni
tiefwuchsel 2,324); die, durt 5, 825 erwähnte Kurze-
2) Die urkeht
datiorten, aber mit Si
auch Hayın 8.
— his
zu vor N;
Bear: u .) gedruckt. a unbe
Fe durch Ahreissen eines Ik Bis beschtldigt, zum
grossen Teil Be weggelassen ; aufgenommen ist,
ist an zwei getrennten Stellen (Ge te Wurke 5,01.07)
‚werlruckt und ganz fulsı 'r gessinmte Briof-
ton von der Antike und das Gefühl |
derung trat mit —
os knüpfte sich eine
Leben hindurch nerschälirt Enere uadunere Btteme
tiberdauerte. In seinem ersten (ungedruckten) Schrei-
ben an Wolf aus dem September oder Oktober 1792
nennt Humboldt die Bekanntschaft mit ihm und die
Hoffnung einer näheren Vorbindung eine neue Epocho
in seinem Leben; er bittet Walf ihn als einen ab-
wosenden Sohüler anzuschen, Wonige Wochen später
gesteht er ihm, dass das Studium des Griechischen
fürs erste seine uusschliessende Beschäftigung sein
werde und, wenn er auch in rein philologisch-grum-
matischen Dingen stets oder doch auf lange ein dire
blaiben miisse, so habe ihn hingegen seine Individun-
lität auf einen weniger allgemeinen Gosi beim
Studium der Alten geführt „Es wird mir schwer
werden,* fährt er fort, „mich kurz darüber zu erklä-
ren, indoxs ist doch dus Resultat olngefähr folgendes:
es giebt ausser allen einzelnen Studien und Ausbil-
dungen des Menschen noch eine ganz eigene, welche
gleichsam den ganzen Menschen zusammenknüpft, ihm
nicht nur fühiger, stärker, besser an dieser und jener
Aa zum grössoren und edloren
ht, wozu zugleich Stärke der intellek-
tuollen, Güte der moralischen und Reizbarkeit und Em-
pfinglichkeit der ästhetischen Rithigkeiten gehört. Diese
Ausbildung nimmt nach und nach mohr ab und war
in sehr hohem Grade unter den Griechen. Sie num
Tan dünkt mich, nicht besser befördert werden als
u ‚grosser und gerade in dieser Rtick-
indernswürdiger Menschen oder, um os mit
wochsol, welehor aus don in Togol befindlichen Papii volle
w don — verdient a. reinlicho Nounns-
— und 1810 — —
xı
sagen, durch das Studium der Grie-
glaube durch viele Gründe, die ich
einer der vorzüglichsten der ist, dnss kein andres Volk
zugleich soviel Einfachheit und Natur mit soviel Kultur
verband und keins zugleich soviel ausharrende Energie
und Reizbarkeit für jeden Rindruck besuss, ich glaube,
sags ich, beweisen zu können, dass nicht bloss vor
allen modernen Vülkern, sondern auch vor den Römern
die Griechen zu diesem Studium taugen. Das Studium
der Griechen in dieser Rücksicht also und die Dar-
stellung ihrer politischen, veligißsen und häuslichen
Lage in ihrer höchsten Wahrheit wird mich für mich #0
lange beschäftigen, bis meine Aufmerksamkeit gowalt-
sam auf etwas andres gelenkt wird oder ich damit
ins Reine gekommen bin, wozu aber meinen Forderungen
„an mich nach schwerlich ein Leben hinreicht. Da man
doch nun auch manchmal Lust bekommt scine Idoon
andern mitzuteilen und diese Behandlungsart der
Alten mir überhaupt nicht unwichtig und selbst nicht
gewöhnlich scheint, da alle Bücher, die ich in dieser
Art kenne, wovon ich nur den Anacharsis!) nennen
will, schlechterdings kein Genüge tun, so denke ich
eine ‚Schrift, die, olıne ein Journal zu ein, fortliofe,
anzufangen, etwa untar dem Titel Hellas, welche allein
der griechischen Literatur gewidmet wäre und teils
ingen aus allen Arten der Schriftsteller, teils
eigene Aufsätze enthielte, die vorzüglich auf die Be-
‚förderung jenes ersterwähnten Zwecks hinarbeiteten.
Bigentliche Gelehrsamkeit: würde, wie Sie schon aus
der Person des Verfassers schliessen werden, nicht zu
dem Zwecke gohören, aber zweokmässige Boarbei-
tung der vorhandenen Materialien und vorzüglich reine
1) Barthölämys Voyage | ne Anacharsis en Gräce
(Paris 1785) erwähnt Humboldt schon Im Juli 1789 an Forster
iofwechsel 2,801).
m
und treue Darstellung der Quellen, die. doch nicht
mal vergleicht: Im ersten Heft wiirde ich dann vor-
züglich den Gesichtspunkt austihrlich zu schildern
versuchen, von dem mein Studium der Alten allein
— ——————
Dieser Plan eines prinzipiellen Aufsatzes über das
griechische Studium, den Humboldt Wolf gegenüber
arst im Dezember 1792 genauer auszusprechen wagte,
ging jedoch schon in «len herbstlichen Anfang des
Are Aufenthalte zurück und entstand in unmittel-
barem Anschluss an die beginnende intensive Lektüns
griechischer Autoren. Schon am 3. September schreibt
Humboldt un seinen intimen, in Berlin zurückgeblie-
benen Freund Gustaf von Brinekmann (ungedruckt):
„Ich gehe damit um einmal mir in einem eigenen _
lebhaftes Interesse für irgend ein besonderes Fach, das
sie bearbeiten, einen Monschen allein würdig zu be-
schäftigen vermag. Man hat, dünkt mich, diese Gründe
bisher ri gefühlt, denn das natürliche Gefühl
geopfert,
auseinandergasetat. Was mir bis
st, besteht bloas in den Paar
Iton sind 3. ‚Schriftsteller bloss zweier
Nationen en wenn man es genau nimmt, nur einer,
‚der Griechen, da die römischen Schriftsteller als solehe
E iem heissen müssen. Indem man sis
an ılso eine Nation, nicht Biicher,
m Nutzen müsste es go⸗
Xu
immer ebenso beträchtlich sein, als die Alten origineller
waren als die Neueren und uls sich in dem Schrift“
steller bei ihnen mehr der Mensch als der Schriftsteller
zeigt. Dann kommt nun auch noch dazu, dass diese
Menschen an sioh so viel, 30 weit weniger durch Kunst
und Kultur geformt und so viel mehr der Natur näher
waren als wir.“ Auch den originellen Plan einer Zeit-
schrift Holle, bei der wir des oben erwähnten Auf-
satzes in Züllners Lesebuch gedenken, teilt Humboldt
brieflich am 30, November Brinckmann mit (ungedruckt):
„Ich werde nämlich jetzt höchst wahrscheinlich auf
Michaelis anfangen eine fortlaufende, heftweise ar-
scheinende Schrift, jedoch kein Journal, Hellas, für
griechische Litsratur bestimmt, herauszugeben. Für
die ersten Hefta bestimme ich jene Oden!) und fal-
gendes noch zu machende: 1) eine Einloitungsabhand-
über das Studium der Griechen, 2) Stücke aus
dem Thukydides, 3) das bekannte Lehnssystem, 4) über
die Kampfspiele zum Behuf des Pindar“ ®).
'Zu Weihnachten war Wolf Humboldts Gast in Au-
leben: der Plan jenes Aufsatzas war naturgemäss ein
stand der Gespräche; Wolf erkannte die
Wichtigkeit und Förderliehkeit einer solchen Betrach-
tungsweise ohne Rückhalt an und trieb zur Ausgestal-
tung, besonders in seinem ersten nach der Rtiekkehr
nach Halle nach Auloben geschriebenen Briefe vom
6. Januar 1793. So entstand denn um die Mitte des
Januar in raschem Wurf die erste Niederschrift, Am
23. Eins sie zur Begutachtung an Wolf al. In dem
1) Gemeint sind die Übersetzungen der zweiten olym-
chen, (eparat Berlin 1798 enäruck) und dieier kleinerer
2) Des — einer Thucydidesübersetzui denkt Hum-
hold au Wolf Gesammelte Werke B,21. 0.47 Was mit dan
stem“ gemoint i nag ich nioht anzugeben, Dis
Rank den Aa e die Kampfopiele därkien In
die Pindaralhandlung Ken
re
ausführlichen Begleitschreiben m
„Sie wissen, dass ich mich schon
die Ideen niederzuschreiben, die mir
Studium vorzüglich interessant machen. Am grüsseaken
wurde diese Lust in mir, als in den glücklichen Tagen,
die Sie uns hier schenkten, wir einigemale über die
Materie sprachen, Sie mit mir zum Teil ül
zum Teil meine Ideen berichtigten, und ich mich vor
allem freute die Wichtigkeit einer ähnlichen Entwick-
lung von Ihnen anerkannt zu sehen. Zwar sprachen
wir wirklich weniger darüber, als anfangs Ihre Absicht
schien und als auch ich wünschte; es rührte aber
vorzüglich davon her, dass meine Ideen noch nicht
genug entwickelt in mir waren, nm, da wir im All-
gemeinen üboreinstimmten, die Verschiedenheiten der
feineren Nüancen gehörig auseinanderzusetzen. Nach
Ihrer Abreise habe ich oft wieder an den alten Plan
gedacht, indess war ich zu sehr —
um mich zu unterbrechen. Ihr lieber tenrer
weckte indess meine Lust aufs neue und es. —
die
Betrachtung hinzu, dass Sie Ihrem Briefe 0 viele mir
und lehrreiche Bemerkungen
Ich versuchte also meine Gedanken so kurz, aber doch
zugleich so deutlich aufzuzeichnen, als mir möglich
war, und diesen Ver: die Arbeit «weier Tage, schicke
‚längeren
zuarbeiten. Dies sage ii
aus dem reinlichen Äı
en
ich hielte es auch nun für gleich gehobelt in Absicht
seines Inhalts Um nun noch von diesem oin Paar
‘Worte hinzuzufügen, so ist es, wie Sie sehen, ein
‚bloesos Gorippe, woraus allenfalls künftig eine wirk-
liche Abhandlung entstehen könnte. Es fehlen daher
nicht allein schr oft die ausführenden und eigentlich
beweisenden Sätze, sondern auch in den Schlüssen
manchmal nicht ganz leichte Mittelsätze. Es ist dies
freilich um so schlimmer, da der Gegenstand gar nicht
von der Art ist, um bequem in Aphorismen vorgetragen
zu werden, sondern vielmehr gar sehr der Ausführung,
vorzüglich auch durch historische Beweise bedarf,
wenn er die gehörige Wirkung tun soll, Aber ich
konnte einmal jetzt nicht anders. Denn ausserdem
dass aus diesen Bogen bei einem andern Zuschnitt ein
wirkliches Puch hätte werden müssen, s0 besitze ich
such jetzb gar noch nicht die zu einer wahren Aus-
führung erforderlichen Kenntnisse, Es ist mir schon
mehrmalen so gegangen, dass mich, wenn ich in ein
nenes Fach trete und allonfalls die Aussenlinien über-
sehe, dieser Anblick dergestalt; begeistert, dass ich mit
zu reden anfange, als wäre ich längst drin gewesen.
Nur schade, dass der Zuhörer des Irrtums bald gewahr
wird. Hier nun 2. B. bin ich erstlich moralisch im
Voraus gewiss viele historische Data zu übersehen,
‚fürchte ich zweitens manche aus einem falschen Ge-
Sichtspunkte anzusehen und fühle ich drittens, dass
ich mehreres, was ich auch für völlig wahr halte, nur
aus einem gewissen noch dunkeln Gefiihl habe und
dass mir die wahren beweisenden Data noch fahlen.
ade fa Dichter, einzelne
davon das. Gegenteil
noch ganz. Ds
gar meine Absicht nicht jetzt
oder bald oder nur in den nächsten Jahren diese Apho-
und nach berichtigen kann. Es kann dies meiner Art
zu schreiben nach mm so eher ———
rade nur 50 lange recht von ldoon überzeugt bin, ala
ich sie im Kopfes trage, hingegen gleich zweifelhaft
werde, sobald sie nur auf dem Papier stehen. Wollten
Sie mir nun, liebster Freund, bei dieser Prüfung und
Sichtung behilflich ‚sein, #0 orzeigten Sie mir dadurch
einen in der Tat übemus grossen und
bei grösserer Kürze für die Klarheit gefürchtet hätte
Zwur kann es leicht sein, dass Sie den Gang nicht
billigen, don ich genommen; aber das ist an sich un-
wesentlicher, Dass der Endzweck des Studiums des
Altertums Kenntniss der Menschheit im Altertum ist,
sind Ihre eigenen Worte, und dass diese Kenntniss
neben andrem Nutzen, den sie stiftet und den ich in
den ersten Paragraphen abgesondert, auch ganz be-
sonders zur Bildung des schönen menschlichen Oha-
rakters beiträgt, daran zweifeln Sie gewiss nicht: Von
8 18 an aber bis zu Ende sind es meist historische
Sätze oder das Raisonnement ist doch mit solchen ge-
mischt. Um nun an Ihrer Zeit so viel als möglich
zu schonen, die ich wahrlich auch aus
Absichten so sehr ehre, wünschte ich, Sie schrieben
bloss richtig ‚oder falsch oder — dazu und,
noch mehr a »0 — allenfalls
chtsdatum hinzu, das mich widerlegte, oder
mich auf einen andern Gesi
ie, der ganze Aufsatz allein dazu dienen
soll die Ideen bei künftigem fortwährendem Studium
XVIE
eu zu prüfen, so ist mir in der Tat auch die Belalı-
rung am liebsten, die mir bloss zu zweifeln und weiter
nachzuforschen befiehlt. Was ich von
zuge ($ 42), werden Sie keine Trostgründe für einen
angehenden Ül er nennen und in der Tat ists
eine undankbare und doch so saure Arbeit. Allein
bei mir entsteht alle Lust zu übersetzen aus wahrhaft
‚etliusinstischer Liebe für das Original und, so wie mir
es der unerträglichste Gedanke wäre so zu übersetzen,
dass man das Original darum weniger läse, so ist mir
in Wahrheit der der liebste, dass man meine
setzung wegwerfe, ‚um! jenes ‚in. die, Hand ‚za .nehmen.
Der Übersetzer ist allemal in der Gruppe nur die Neban-
figur und er hat das Höchste getan, wenn die Haupt-
Sgur durch ihn mehr hervorspringt. Diese Einfälle
denke ich in der Vorrede zum Menexenus noch mehr
auszuführen®). Doch genug von meiner Beilage" ?).
‚Schliesslich ersucht or Wolf ihm den Aufsatz in einigen
Wochen zurückzusenden, du er davon nur „ein Brouillon
in halben Hieroglyphen“ habe®). Bei dem skizzen-
haften Charakter des Ganzen beschlich ihn bald darauf
Reue das Manuskript in so unfertigem Zustande in die
Hände des. kritischen Meisters der Altertumskunde
‚gelegt zu haben: „Hütte ich endlich“, schreibt er am
6. Febrnar, „den Aufsatz noch einige" Tage länger be-
halton, so hätten Sie ihn nicht bekommen. Ich tat
neulich einen Blick in meir
nich in dor Tat; ao Michti,
Sie nur auf den guten
Mieslingan“ 4).
Wis Wolf sich al
zvIn _
sprach, wissen wir nicht authentisch. Gewiss hob er
die) vielar Ideen Humbaldts mit seinen
ihn Schillern, dom ich bald darauf schrieb, und da
Sie die schönen Ränder so weiss gelassen hatten, bat
ieh ihn sich ihrer anzunehmen, Dies hat er denn
auch getan und allerlei zugeschrieben. Es eind sehr
hübsche Sachen darunter, obgleich Sie denken
dass er in das Ganze dor Idee, da ihm die alte Dite-
ratur doch nicht geläufig ist, wenig eingegangen ist.
Ich schreibe Ihnen hier eine Anmerkung ab, die, dünkt
mich, eine genievolle Idee enthält; ob nuch eine wahre
mögen Sie selbst entscheiden. [Folgt 10]
Von Schiller bekam ich den Aufsatz hier zurdek.
teilte ihn dem Koadjutor mit, der von meinen Winter-
arbeiten zu sehen wünschte, und, aufgemuntert durch
Friedrich Augı
und zur Pidkeocit 1,80. 9,
Schillers Noten, hat er noch weit mehr (ie Ränder
mit Glossen beschrieben. Es wird Sie sehr unterhalten
einmal dies Werk cum notis variorum wiederzusehen.
Vorzüglich sind Dalbergs Anmerkungen originell und
ordentlich komisch ist das durchgängige Bemühen zu
zeigen, dass die griechische Literatur ein Studium für
"Wenige sein und bleiben müsse, zu welchen ich, wie
or zu verstehen giobt, nun eben nicht gehören möchte,
‚Er selbst hat viel mit mir dariber gelacht und die
‚Anpreisungen dor Griechen in meinem Aufsatz scheinen
ihn am meisten zum Widerspruch zu reizen. Wiader
gesehen habe ich aber bei dieser Gelegenheit, dass
Jie Gesichtspunkte, die entweder an sich nieht ge-
wöhnlieh oder nur dem einzelnen jedesmaligen Leser
fremd sind, hell und klar zu machen eine unglauh-
liche Schwierigkeit hat und dass sie bei dem Kondjutor,
der immer, möchte ich sagen, mehr mit: dem Geiste
seiner eigenen als mit den Augen des Andern Idoon
Hest, fst bis zur Unmöglichkeit wächst. Bei diesem
Aufsatz hat er meine eigentliche Meinung, wie jede
‚Zeile seiner Anmerkungen beweist, abermals ganz miss-
verstanden, Abstrahiert habe ich mir wenigstens hier-
aus, dass, hätte ich je die Absicht durch eine Schrift
‚eigentlich zur Ausbreitung des Studiums der Griechen
beizutragen, ich mich einer viel andern Methode be-
dienen miisste. Indess soll auch der Himmel mich
davor in Gnaden bewahren. Habe ich mir einmal eine
Idee entwickelt, so okel mich an sie
äussere Umstände — de ich diesen Ekel
nicht. Mir salbst ı ; über die Griechen noch
sehr vieles —
mir keins diese nn gogehen va und ich
muss hinzusetzen, dass auch der Schatten von Lust ein
tätiges Leben in Geschäften zu führen nie so sehr in
ve
lung begründet sein®). Dalberg hat sich sonst, soriel
ich sehen kann, über die Altertumsstudien nirgends
gelussert: #3 Ist merkwürdig, wie er auch hier wieder,
wie im vorhorgehenden Jahre bei der politischen Schrift
Humboldts, gegen dengelhen in direkter Opposition
steht. Stil und Inhalt seiner Randglossen gewähren
denselben Eindruck, den man auch sonst von seinen
Abhandlungen erhält; manche Stellen erinnern an Ge-
danken seiner 1776 erschienenen Commentatio, quibus-
llustrari I ‚umanus intelleetus ajusquie
i promplissime et commodissime
‚possw is Humboldt im Herbat 1793 in Dresden
war, | er Körner das Manuskript und schreibt: darfiber
in einer kurzen Charakteristik Humboldts um 22, Sop-
tember an Schiller: „Seine Aufsätze haben ntwax
Trockones und | Unbofriedigondes, was mohr in der Form
als im. Stoffe. lie t. Er fehlt, däucht mich, in der An-
spannt di Erwartung nicht, armüdet dureh
9 Aufthrli keit, fällt ins Schleppende, weiss
nel
ETr en eher in seinem Verhiliime zur
Wissenschaft. —
und 2 Zeit 3 Kira ee paar!
hung on zu Hambait ET 1.100.200; Seller u Kekie
Dalbergs
Die Dalbergschen Iiaben mich eben nicht erbaut.
Er hat Humboldt grösstenteils gar nicht verstanden“),
Als Friedrich August Walt ı im Jahre 1807 den
lehrten, auuquholoyoürrög runög 109 Aue» xuhod ad-
bezeichnet; den Namen des Verfissers nennt
er nicht, Es sind Bruchstücke aus Humboldts Griechen-
skizze, wie schon früh richtig erkumnt worden ist und
mit Unrecht von dem neueren Biographen Wolfe be-
zweifelt. wurde‘); wegen mannigfacher Abweichungen
von unserm handschriftlichen Texte in Anordnung und
‚Ausdruck habe ich sie im Anhang mitgeteilt. Inhaltlich
setzen sie sich folgendermassen aus Stücken unsres
Textes zusammen: 1) Hauptbegriffe und -sätze von $2,
8 und 5, Schlusssatz von & 6, Hauptstichworte der
Kinssiflzierung in 8 7—10, Mitte und Schluss von $ 7,
ziemlich vollständig 3 11; 2) zwei Anfangssätze nicht
vorhanden, Anfangssatz von $ 17, zweits Hälfte von
on“ soi ine Abschrift:
bel —* ir von der Berliner
öniglicben Bibliothek, die den Nachlass jetzt bewahrt, Daunde
fiber gemachten Mitteilungen das Richdige:
—
‚ dass die
Fassung im „Museum“ etwa auf Wolf selbet zuräckzu-
führen sei. der zu seinen Zwecken Umstellungen und
Änderungen in Humboldts Texte vorgenommen haben
könnte, Am einfachsten lässt sich, glaube ich, der
Zusammenhang so erklären: Wolf, der, wie wir oben
sahen, nicht durchaus mit Humboldts Ausführungen
einverstanden war, wenn er auch die Fülle wesentlich
;
schrieb ihm mın wahrscheinlich diese Sätze kurz zu-
sammen und bosserte dabei an vielen Stellen den Aus-
druck, nahm auch mehrere Umstellungen vor und
sotzte neue Mittelglieder ein; ich behaupte natürkol
damit nicht, dass diese zweite Fassung der Skizan, die
—
‚Anmerkungen zum Texte.
fagena Das a ‚dieser Aufsatz ähnlich wie in Humboldtschen
‚och mehrfuch (111. 14. 20. 136. 14. 3010. 17.
guenie © Wort — im Sinne von „idenler
ein — — der Aufklitrun — —— aus
——— * Inhalt der Abhandlung, schan
herausgetroton
109] Aeeführiicher ist dies Mensohhoitsidenl entwickelt
dan Tdten zu einem — die Grenzen der Wirkaamkait
der deutschen Vorzeit” zu erscheinen:
'atz schrieb alne „Doutscho S
— 1770) und „ die deutsche ‚Sprache ‚fend“
alt. 17211770); el Hanmer, Geschichte der germnniachen
az, „106.
Grnters und Böckhs ragen, al Mnraeiehen Di
in 1701
I ———— der Kunst des Altertums 8. 39 Lessing,
{TA} Johann Jakob Beuover wird kurs gowiindigt wor
Y Hering, in der Allgemeinen dettschen Biographie 9207.
‚Gemeint ist wohl saina Hixtoria eritica philosophiae a
en ad nostram usque aetatem. dedueta (leipzig
Ein So fssolt uns in dem Altertum vor allem die
[Che immer mit dem Leben eines Menschen dahin
‚Grösse,
ist, die Blüte der Phantasie, dia Tiefe des Geistes, die Stärke
‚des Willens, die Einheit des ganzen Wesens, walche allein dem
"Menschen wahren Wert giebt“ Ideen zu einem Versuch 8. 7.
225] Ausführlioher spricht Humholdt von der Sklaverei
in den Ideen zu einem Versuch 8. 25.
jwio fehlerhaft sein, dann an
u Fam
330
steht bei
philosoi — en etwas
Herbst 1793 brachte die Be-
rege
wechsel über den Begriff der Schönheit eröffnet wurde.
künftig einmal )
delten Humboldts nuch Jena über; Schiller hatte den
Wunseh eines ununterbrochenen Idsennustauschs
Humboldt im vergangenen Sommer ;
Winter 1794/95 die beiden naturphilosophischen Auf«
sütze „Über den Geschlechtsunterschied“ und
männliche und weibliche Porm“, in densn Humboldt
Lieblingsgedanken schon seiner früheren Jahre?) in
streng philosophischer Form ins —— zu erheben
versuchte. Dazwischen brachten die
der Wolfschen Proles
von Seiten der Griechen. woron
Leiden von Humboldts Mutter, die langsam
entgegensiechte, machten den schönen Jenaer Tagen zu
früh ein Eude durch einen anfangs nur auf wenige
Wochen geplanten, dann 6 über. fünf Vierteljahre
in Berlin und agel, wohin man im Juli 1796.
J AR — Werke
* 3 Humboldt an Karol aroline von Wolzogen 1. Bar 1708
—— in den Ideen zu
xxv
übersiedelte. Hier in der winterlichen Einsamkeit
seines Landsitzes wante sich Humboldt Ausgang des
Jahres wiederum energischer antiken Studien zu. Den
Körner
1. August 1795 folgendermassen; „Allerdings habe ich
manches aus den Griechen, das ich für die Horen be-
arbeiten könnte. Aber teils ist es eine Grille von mir
höchst ungern etwas über die Griechen zu schreiben,
Sie eind mir zu heilig, um sie anders als mit einer
von ihnen reden zu dürfen. Ich habe gewisse
mit ihnen, die aber freilich eben wagen ihrar
vielleicht ewig Plane bleiben. Aber ich habe
sie einmal und, ehe nicht das Studium, das dazu ar
fodert wird, vollendet, ‚ehe nicht bei mir selbst danach
das Bild des Ganzen entworfen ist, schene ich mich
das Einzelne zu berühren. Wer von den Griechen
sprieht, versündigt sich leicht an der Vorwelt oder
der Nachwelt und, wem die Menschheit heilig ist, soll
rlıaupt mit
Ich gehe
—— halte ich
selten etwas
Wichtigkeit. Th
überhaupt, doch di
Denken durüber, v
Da ich jetzt fast sümmtliche
als einmal und mit grosser Sorgfalt gelesen, x wurde
ich dndurch anf diese Idee geführt); ähnlich am
9. Novembor an Wolf: „Es ist mir noch immer ein ange-
Unter Schillers mahnenden
sind seine Briefe an Fiumboldt aus dieser Zatt nieht
orhalten) kam dieser Plan sehr bald zu deutlichsrer
Ausgestaltung. Bereits am 23. November entwickelt:
ihn Humboldt brieflich Kömer: „Sie wissen, dam ich
mich schon sehr lange mit den Griechen
Sie wissen freilich auch, dass ich eine —
hatte von diesen Beschilftigungen öffentlichen Gebrauch
2 chen; aber ungeachtet ich hierüber auch jetzt
N ike, ‚als ich Ihnen = einigen Wochen
Ansichten üiber Ästhetik und Literatur 5. 45.
a Briefwechsel? 8 . 201.
3) Gesammelte Werke 5,14
—————
une ‚Ermunterungen mich anders bestimmt,
denke nämlich eine Charakteristik dos griechischen
Geistes zu entwerfen. Dies wäre die Idee des Ganzen;
fürs erste würde. ich mich nun bloss auf den Dichter-
‚geist beschränken. Zweitens würde ich den Gegenstand
mehr ästhetisch als historisch behandeln. Es ist näm-
ich nicht meine Absicht eine Geschichte der griechi-
‚schen Dichtkunst zu entwarfen, in die ich jeden ver-
schiedenen Zug der griechischen Dichter samıneln,
ordnen und die griechische Poesie von ihren Anfängen
bis zu ihrem Verfall schildern müsste. Aber trotz der
‚Verschiedenheiten der griechischen Dichter, ungeachtet
dessen, dass der Name Griechen ein Kollektivum ist,
in dem höchst verschiedene Individualitäten verbunden
sind, giebt es doch in allen griechischen Dichteru
einen unverkennbaren Geist, durch den sie alle einan-
—F — sind, denselben Geist, den wir meinen, wenn
‘vom. griechischen Geist schlechtweg. reden, wenn
* die Griechen mit den Römern oder die Alten mit
den Neueren vergleichen. Dieser eigentlich ist es, den
ich zu schildern gedenke. Alles dagegen, was diesen
nicht atmet oder wenigstens für ihn gleichgültig. ist
und ibm nur schwach verrät, übergehe ich ganz, stelle
zuerst dasjenige hin, was ganz von ihm durchdrungen
ist, und knüpfe an diese Hauptfigur nun das Übrige
an. Hier erwähne ich allerdings dann auch die Ver-
i nicht sowohl um
— sentanten nonnt Mlumboldt such am
ei am erschischen Chamnkter
ist, wie Sie es selbst bestimmen, eine Charakteristik
des griechischen Geistes. Es ist so der wichtigste Teil
des Werkes, was ich mir einmal zu liefem vorgesetzt
hatte: eine mit ausführlichen historischen Beweisen
belegte Schilderung des griechischen Charakters. Den
griechischen Geist überhaupt aber zu charakterisieren
ist ein Gegenstand von sehr grossem Umfang. Um
mich also nicht gleich in ein zu grosses Ganzes
verirren, nehme ich bloss für jetzt den dichterischen
s in einem Aufsatz zu schildern, ohne ent-
und unvollständig oder zu abstrakt
rdon. Es würde mir damit wie mit
XIX
‚sollen. Auch müsste ich, wenn ich nun nach jenem
Aufsatz an das Einzelne gehen wollte, mich nur wieder-
holen und würde in der ersten Abhandlung fast gar
keine Beispiele bringen können, ohne der Allgemein-
heit zu schaden. Ich denke also von dem Besondern
‚, zuerst bloss beschreibend zu Werke zu
bukolischen, die tragische, komische und Iyrische im
weitesten Verstande. Am zweckmässigsten würde man,
glaube ich, mit der epischen anfangen, auf diese die
Iyrische folgen lassen und mit der dramatischen den
Beschluss machen. Denn wie Sie mir hoffentlich bei-
stimmen werden, ist die Haupttendenz der echt grie-
hischen Stimmung episch und die griechische drama-
tische Poesie eine sogar nicht immer sehr künstliche
Zusammensetzung der epischen mit der lyrischen.
Dennoch will ich mit der Iyrischen den Anfang machen.
Mein nächster Grund ist hier bloss der, dass von Homer,
der die Epopöe doch fast allein ausmacht, schon gerade
jetzt 50 viel gesprochen ist und dass ich meinem Auf-
satz tiber die minder bekannten Iyrischen Dichter schon
von selbst mehr Interesse geben kann, Auch habe
ich in ihnen mehr vorgear An sich aber ist es
auch nicht übel die griechische Iadiy ät an ihnen
epischen erscheint
vesie In 80 ga-
xxx
drei Aufsätze teilen? Hätte ich erst einen oder ein
Paar solcher Aufsätze fertig, so könnten sie einzeln
für die Horen dienen. Was aber das Ganze betrifft,
so werden mir die einzelnen Bearbeitungen selbst besser
die Art in die Hand geben, wie ich diese zusammen-
ordnen kann. Jetzt habe ich angefangen an den Pindar
Hand anzulegen, der die Grundlage ausmachen soll.
Indess werde ich zugleich die Chöre vormehmen, um
zu sehen, ob diese sich besser dazu schicken. Sie
sehen, dass ich nun eile mich an eine bestimmte und
kleinere Arbeit zu binden. Iclı kenne mich, wie leicht
ich mich durch grössere Plane zerstreue Bin ich aber
mit dieser Arbeit arst im Gange, so entwerfe ich doch
vielleicht einen Plan des Ganzen, mich zu leiten und
ihn Ihnen mitzuteilen. Bei den einzelnen Aufsätzen
denke ich historische Details, die nicht ganz bekannt
sind und zur Sache dienen, nicht zurückzuweisen. Tch
denke immer, die Klarheit gewinnt, wenn ieh der Wirk ·
lichkeit oder der Tatsache nahe bleibe. Ich bitte Sie
jetzt recht sehr um Ihre Meinung über diesen Plan.
Ich könnte ihn sehr leicht umändern, wenn Sie es
für nötig fünden; denn da ich «doch einmal das ganze
Feld bearbeiten will, so ist nichts verloren und was
die Dichter betrifft, so bin ich in jede Gattung gut
genug eingelesen. Dass ich zugleich die lateinischen
und neueren Hauptdichter derselben Gattung für mich
studiere und als durch den Kontrast oder die Älmlich-
keit erläuternd manchmal gebrauche, versteht sich von
selbst. Die Hauptschwierigkeit ist unstreitig die philo-
sophische Theorie der Dichtungswerke, die zur Witrdi-
individuellen vorausgesetzt werden muss und
den Köpfen der Leser noch in einzelnen
XXXI
lieber Freund, dass ich mit Eifer und Wärme ans Werk
gehe. Auch am Ausharren soll es nicht liegen.
das Übrige mögen dann günstige Götter walten und
vor allen Dingen Ihre Teilnahme, die oine ganz eigene
Kraft für mich besitzt“}). Am 4. Dezember meldet
‚er Schiller weiter: „Ich suche mich immer mehr in
meine naue Arbeit hinainzudenken, die mich mit jedem
Tage mehr interossiert, und die nächste Vorarbeit dazu,
die mich jetzt beschäftigt, das bloss rmhige Lesen
einiger Iyrischen Stücke, bei denen ich allein auf den
Geist und die Manier des Dichters und auf die Wirkung
des Produkts achte und mich von allem Wuste der
‚Sprach- und Altertumsgelehrsamkeit, mit denen man
eich bei dom ersten Studieron eines alten Schriftstellers
doch immer herumzuschlagen hat, losmache, gewälrt
mir einen grossen Genuss. Freilich fühle ich auch bei
jedem Schritt, den ich weiter vorwärts tue, die
‚Schwierigkeiten lebhafter. Abor os lässt sich je vieles
überwinden und man leistet wonigstens, soviel man
vermag“*), Schillers Teilnahme blieb der Arbeit des
Freundes stats im regsten Masse erhalten und zeigte
sich auch in amusführlichen kläronden oder wider-
eprechenden Bemerkungen; ein Brief vom 7. Dezember,
der sich erhalten hat, empfiehlt Humboldt ein nenes
‚Einteilungsprinzip seines reichen Stoffas, die Hauptzüge
des griechischen Charakters einzoin zu entwickeln und
bei jedem allemal die ganz u durchmustern,
dem dieser aber keine Folge. er
So entstand denn um die N
wie es Humboldts Art entsprach, mi
rasch hingeworfen, die Charakter
——
‚schreibt er am 14. Dezember an Schiller,
derung Pindars
ins Stocken geraten. Am 5, Januar 1706 schreibt er
an Wolf: „Ich hatte mir vorgesetzt, «la ich jetzt mit
————
machen mir den Charakter der
zum Thema Ge Anhand
machen. Um das. Feld zu verengern, hatte ch mich.
auf die Iyrische beschränkt
Gunze zu — vor und ich werde an
erst fürs Ganze genauer denken und Sie
godoutete:
Falle. „Sie
Humboldt am 3, Mni an ‚Körner, „einen #0 gütigen
Anteil an meinem Plan fiber die Griechen und, wenn
noch etwas aus der Sache wird, hofle ich Ihre 7
zu benutzen. Allein Een habe ich sie, wenigstens
Art aufgogebon.
tiefer hineinzugehen anfing und die Menge
iborschlug, fand ich, dass i
Briefwechsel® 8. 250,
2) Gesammelte Werke 5,161.
—————
dass jch in den nächsten Jahren nicht einmal einen
fosten Aufenthalt, viel weniger die Nähe einer guten
Bibliothek haben würde. Es würde daher eine sehr
unterbrochene und unvellkommene Arbeit geworden
sein, in der ein Andrer mit den nötigen Hülfsmitteln
versehener mit der Hälfte der Zeit und Mühe das Dop-
pelte geleistet haben würde. Indass hat mich dies
Mokpeschrenkt Die Haspiscten den prichiocken Oh
. Die ten des griec) ”
rakters aus einigen — Hauptfaotis herzulsiten
habe ich immer noch grosse Lust. Nur ist dies ge-
rade, da es das Resultat jener ganzen grossen Arbeit
sein müsste, auch doppelt schwer, wenn man sich jener
überheben will“'), Die Charakteristik Pindars blieb
unfertig und unyeröffentlicht liegen; auf den Gedanken
den griechischen Dichtercharakter in derartigen Binzel-
studien darzustellen ist Humboldt nie wieder zurück-
*
‚Humboldts Bemühungen um Pindar, vor allem
seine Übersetzungen vieler Pindarischer Gedichte, die
von ungelenken Versuchen zu immer vollendeteren
Leistungen fortschreiten, in deren Ausfeilung er sich
kaum je genug tun konnte und von denen die meisten
erst nach seinem Tode aus den Handschriften veröffent-
licht wurden®), haben bis heute von Seiten ‚der fach
männischen klassischen Philologie
bührende Beachtung gefuni
» Ansichten übar Ästhetik und. 5
2) Vel.im — noch Sohl
Humboldt solb
zweite olympische sep art (Ben
in Gontzons Nouor
hische in Sol
‚Musonal
—
und Würdigung Pindare bei Christ, Geschichte der
‚griechischen Lätteratur® 8. 141. —
Leider ist das erhaltene "Manuskript defekt: os
fehlt das Stück zwischen $ 35 und 40 und damit der
Eingang des dritten philosophischen Teils der Abhund-
lung sowie der Schluss des Ganzen von $ 55 an;
beidemal handelt es sich um die innere ‚eines
worden und sind vielleieht bei der! Togels
durch die Franzosen im Jahre 1806 mit abhanden ge-
kommen*) Die Anmerkungen, nur Zitate und en
gelehrte Nachweise enthaltend, sind im Abdruck fort-
gelassen.
Anmerkungen zum Texte.
395] „Humboldt meint, die Dorier hätten viel
kolt mit den Hebriern!! So ar ** ihr IE
mit schreibt Friedrich Schloge)
— —
die Erwähnung im Suldas davon vor und ınag denn dar
ebango attisch gewesen sein und in Benarlen, als die
der attigchen Dichter dorisch sind? Ich kann mir eine
Gewantheit ın zwei verschiedenen Dinlokten und
ıt in —— aber eh
ner und na iger im
Hambeldt an alt 5. Tanaar 1790 ——
4520] Von der
ver ihn (den — uren mehrere
=
iche zu den —— der Grösse
rhanpt — stimmen, welche die Feier einen
— — forderte‘‘ Gesammelte Warke 2, 2,330.
en „Der junge Apollon an der Saite des Chiron ist
eine übarauk schöne und vielleicht in der ganzen griechischen
‚Dichterwelt einzige Gestalt" Gesammelta Warke 2,320.
‚4916| Ausführlich handelt Humboldt von den Episoden
Pindar in seiner Vorbemerkung zur vierten piythischen
Ite Werke 2,297).
iso] „Ms ist nicht Seine Absicht in dem Gemilte des
Hörers durch ein ‚durchgeführtes Thema ein bestimmtes Gefühl
zu machen“ Gesammelte Werke 2,330.
528] Vel. Gesammelte Werke 2.330.
531] „Eine solche musikalische Einheit aber ist in allen
Pindarisc ‚en Hymnen und offenbart sich sehr deutlich iu deu
nen Stimmungen, welche jeda einzalne hervorbringt.
Ball schreitet ein nbgemaisaner und volltönender Rhythms
eig al, Kl hr on ———
liger dahin, ırt ein rauherer und mel
= irnst des Schicksals und die Mucht der
Gi in FR aa warnonden Sprüchen vor das bewegte
‚Gemiit, bald endlich reisst ein rascher und feuriger es in
‚einem leichteren und minder gehemmten Schwunge mit sich
Tori" Gesammelte Werke 2,531.
541g] Vgl. Humboldt an Wolf Gesammelte Werke 5,159.
II. Die Betrachtungen über die Weltgeschichte,
‚scheinlichkeit behaupten, dass i
‘vor die Übersiedelung ts
Gesammtcharakter —*
in der Führung d
wann auch ein
ser Richtung hin
o*
hinzu: vor a
„woyn“ eintritt,
Worte. Auch innerlich kennzeichnet sich a Ein
deutlich als ein Jugendontwurf. Zweifelhaft kann
ob er vor oder nach ee
ordnen ist: io solbst habe geschwankt und in intimem
mehrjährigen Zusammenleben mit diesen Betrachtungen
sie mir bald in den Burgörnerschen Winter eh
bald mit derselben Gewissheit des Geftihls in dem
Togelschen 1795/96, bald in den Jennischen 1796/97
verlegt. So ist denn die schliessliche
nach dem Pindaraufsatz doch im Grunde willkürlich:
mir schien #8 passender die beiden antiken Aufsätze
bei einander zu lassen, da denn doch einmal keine
Sicherheit zu gewinnen war. Für eine sichere An-
knüpfung der Betrachtungen an aonst, bekannte Arbeiten.
und Studien Humbaldts in den in Betracht kommen-
den Jahren ist, wie schon bemerkt, kein
vorhauden, man müsste denn au den Plan einer
der Bildung anknüpfen wollen, den er in einem Briefe
au Körner vom 19. November 1798 ausführlich ent-
wickelt %); doch lassen sich hier nur unsichere Fäden
spinnen. Dass manche der hier vorgetragenen Ge-
danken bleibende Gmundanschanungen Humboldts über
geschichtliches und individuelles Leben gewesen sind,
erweisen die mannigfachen Anklänge an uns Ba
trachtungen, die wir in der Abhandlung „Über die
Aufgabe das Geschichtsschreibers“ und in den
allgemein einleitenden
1) Ansiohten über Ästhotik und Litteratur S. fl.
Xxvu
änden?); überall ist dabei Steinthals vortrefMlicher Kom-
mantar heranzuziehen.
in zum Texte,
357] Gemeint ist Kauts Abhandlung „Idee zu einer
— Be im ——— aa vom Jahre
BR licht daran die Gesotze auszuspähen,
das ewige Schicksal . . . . die Menschen in ewig
den Kreisen oder einem grossen
Haven ‚Ziele zu (denn welcher Philosoph oder Qoschichtsforscher
bat dies je nur mit irgend einem Grade von Wahrscheinlichkeit
Ion?) führt‘ heisst es in dem oben erwähnten Brief
net CAnsahlen über Ästhetik und Litteratur 8.9); wel.
auch 11
Ei ‚Sans der gleiche Gedauke Andet sich Gesammelte
Werke 1,
Bu] Val! Ocammelte Werke ga
ee ur
und Zivilisation der Punkt der bi Vervollkommaung der
lemisiert Humboldt ausführlich Gesammelte
One] ie ch ——— Humboldts
15] Hier ist eine Grundü ig Humboldt ausge-
Sursehen, de ai Ihm m Schr —— —
'h verweise nar auf 11417 Ton: —
Werke 1,10. * Di iR 17; Briefwechsel mit Schiller? 9, 179;
Ansichten {il jetik und Litteratur 8, 12. 90. 41; Briefe an
ae
&lio] Val. Gesammelte Werke 031.
[22 stelle man die ausführliche Analyse des
Eanzdeinchen ———— EN die ae in
ein iefe an Jacobi rom 2b. Oktobe ler
mp Bi,
in Hun-
icht ein Gott
gabe); ähnlich.
ddreve
Ken Ähnlich rei ho Geschichts-
betrachtung an in A Werken 1,13. 6,0.
2) Gesammelte Werke el. auch im allgemeinen
IV. Der Aufsatz über das Saguntiner Theater.
Im November 1797 langten Humboldis zu malır-
hrigemm Aufenthalt in Paris an. | Von rt anf hatte
im reichsten Mass Gewährung aller
ein vieljähriger Aufenthalt in Fraukneich, Span
lien. Schwer war Humboldt der Absohied von |
yon Seile und dem Ähm Jets anc fang
Gootho geworden; seine innerste Soalo war mit dem,
was jene Männer waren und lebten, untrennbar ver-
kuüpft; mit ihnon vorband or in Gedanken alles, was
er usues salı und erfuhr; sie gewissermassen —
Teilnehmer seiner Reisen zu betrachten erschien
ein selbstverständlicher Gedanke. So — 3
zwischen Paris und Thüringen bald ein idaanrwicher
Briefwechsel. Humboldt selbst ward es in der Fülle
der fimmden Eindrücke und der dadurch angeregten
Grdanken mehr und mehr zum Bediirfniss ER
‚Gebiete Tremden 'Volkstums, einzelne landschaftliche
oder künstlerische Bilder in geschmackvoll abhandeln-
der Form, verwabt mit den gedanklichen
seiner Art die Dinge anzuschen und einzuordnen, zu
schildern. Der Adrossat dieser kleinen Aufsätze ist
Goethe; mit ihm hatte er sich bei der Ausarbeitung
seines Buches über Hermann und Dorothea in den
ersten Pariser Monaten eingehend und allseitig be
schäftigt, auf ihn als einen alles Menschliche mit uni-
verseller Liebe umfassenden Mittelpunkt bezieht er in
erstar Linie, was er zu schildern sich vormimmt. 80
entstehen im Jalre 1798 und 1799 in Paris die bei-
den Aufsätze über das Mnscum der kleinen Augustiner 2)
über die französische tragische Bühne*).
twachsel mit Goethe 8. 87. De ee
ı 5. 18% Anm. nachgewiesen.
ioethe 8. 87. 15% Er an Wolt
besonders des geistigen Zustandes der Spanier
gab es nicht!); bald musste also Humboldt der Ge-
danke nahe treten seine reichen Erfahrungen und Ei-
Ein Aufsatz über den Montserrat bei Barcolona, an
‚Goethe gerichtet, entstand im Sommer 1800 nach dor
Rückkehr nach Paris und erschien auf Goothes Ver-
anlassung, da die Propyläen, in denen die Briefe über
dio französische tragische Bühne seinerzeit erschienen
waren, inzwischen wegen mangelhafter Beteiligung des
Publikums eingegangen waren, im Jahre 1803 in
Gasparis und Bertuchs Allgemeinen geographischen
Ephemeriden #).
Der Schluss dieses Aufsatzos lautet: „Ich schliosse
für heute, mein Lieber. In meinem nächsten Briefe
erhalten Sio eins Beschreibung berbleibsel des
"Theators von Murviedro Itan Supunt, das man
1) VgLdi J el
in derzeit —
mit Gosthe & 189. 170;
leis 15,09. 103. 147;
XL
vor #iner von einem Bewohner
‚schriebenen Abhandlung, aus der i
zug mitteilen werde, mur ans
vollständigen Nachrichten
geht ausser den oben erwähnten Worten auch deutlich
aus den Anrodestellen des Aufsatzes selbst, |
aus der Stelle 70, hervor, wo Goethes
Sizilien erwähnt wird®). Zweifelhaft bleibt es, ob die
Abhandlung wirklich — ———
Hände kam; einen Beweis für diesen |
ich nicht erbringen, zumal weder in Goctles KR
spondenz noch auch iu den Beständen des Goethu-
zu stammen, wo Humboldt wohl während der Var-
arbeiten zu seinem Buche über die Urbewohner Spa-
niens vorübergehend an eine Publikation der Arbeit
dachte. Das erste Manuskript enthält sine grosse Zahl
von Anmerkungen, meist gelehrte Nachweise und Zitate,
such hie und da philologisch-archäologische Polemik
dieselben sind hier fortgelassen, wie auch
der von Humboldt autorisierten Abschrift go-
XL
echehen ist: Die S12, erwähnte Zeichnung des Sa-
‚guntiner Theaters ist nicht: mehr vorhanden.
Anmerkungen zum Texte.
899] „Angulus muri erat in, Hlaniorem Petentioremgue
quam cetera circa vallem vergens“
6923] Die Angabe entstammt —— Buche nOdser-
—— sobre el reyno de Valencia‘,
—— —* Gedanken spricht Goetho mehrfach aus.
Sekten Taormins sort er: „Wenn man die Höhe der
he uufern dos Meorstrandes in
. Was dies
haben mag, die Kunst hi
Bee bände
—
io die
Neu
— eomvenisse, ut
qua aliquid fabr-
Ten ©
6,
20] nIva nm *
—
patent
Ovid, Metamorphosen,
——
V. Die beiden Abhandlungen der römischen Zeit.
Ttalicn zu schen, eine Zeitlang uuf klassischem
inmittelbarem tüglichem Verkehr mit den
XLIH
50 hatten die ungünstigen politischen Um-
Ahn an der Ausführung gehindert; da bracht
das Frühjahr 1802 ihm in unerwartetar Form die Er-
füllung der lange gehegten Wünsche: er wurde an
Scchs volle Jahre, bie zum Herbst
1808 dauerte dieser unendlich glliekliche römische
Aufenthalt, in vieler Beziehung die genussreichste Zeit
seines Lebeus, zweifsllos diejenige Periode, in der sein
innorog geistiges Dasein in abgeklärtester Form sieh
wusleben konnte. Bezeichnend für die Chundstimmung.
der römischen ‚Jahre ist, was or am 29, Soptember 1804
au Wolf schmibt; „Ich glaube wirklich, man geniesst
das Leben nur hier. Der Genuss wird hier ein frucht-
bares Geschäft und erweckt eine Art von Verachtung
gegen die Tätigkeit . . . Was giebt as auch eigent-
Jich Höheres als sich und die Natur, die Vergangen-
heit und die Gegenwart geniessen? Nur wenn man
das tut, lebt man für sich und für etwas Wahres.
Alles Übrige ist ein Treiben und Jagen, bei dem man
wenigstens nie zurückblicken muss#);“ In unendlichen
Variationen spricht er sich brieflich über Gehalt und
Wesen seiner ıömischen Existenz aus, am eingehend»
sten und grossartigsten in einer längeren Stelle eines
Briefes an Goethe aus Marino vom 23. August 1804,
die dadurch allgemeiner bekannt geworden ist, dass
Goethe sie fast, wörtlich unmittelbar in seine Schil-
derung Winckolmanns aufnahm 6).
1) Vgl. Briefwechsel mit Schiller" 8, 1, ar au;
Briofwecheel mit Go Anziehen über Asiheik nd
. 70; Bri Gosummelte Werks
'n zur branden-
und. 2 und Wilhelm
von Humboldt
‚ als Su
2 ıhagen, 'hriften® 2,241,
Vgl. Karoline von Be Litterarischer Nachlasst
den idenlen Wort dos Altertums für uns, immer innig
gepflegt und doch nie voelt ausgetrugen, aufs neue
und diesmal nachhaltig in Fluss. „Mon aetinite
sentir ensuite plus. dögage
Ja die strömende Überfülle der Gedanken
Arangta sogar zu poetischer Gestaltung und ws aut
standen in den ersten Monaten des Jahres 1806 die
der alten treuen Jugendfreundin Karoline von Ne
gewidmeten Stanzen „Rom“, tiber deren Schwächen als
Gedicht Humboldt selbst der strengsto Richter
deren Gedankengvhalt jedoch einen
zu bewundernden Bau darstellt. Im ee ——
34; Diifwechsel mit Gosle 8. 916 (Gcothen, Werke 40,07
Weimarische Ausgabe); im allgemeinen Hayın 8.
1) Vgl. Letires & Schweighäuser 8. 9. 103, 121; Brief-
8, 186; Goethejahrbuch er —
4. Fehrust 180% bestätigen dies.
2) Leitres 8. 110.
® Val, sein Urteil in Karoline von Wol
rischem ıchlass® 3,10. LISTE
Lettre ern nd 121. 18: I 1
& user 5. 1
168. In⸗ Riemer, Briefe von und au ©
Pocmat) machte nun Humboldt auch wieder einen Ver-
such seine Anschauung vom Altertum in einen pro-
seischen Abhandlung auscinandorzusotzen: os sind
das die uns unter dem Namen „Hellus und Rom“
ochaltenen Betrachtungen, die demnach in. den Sommer
oder Hurbst 1806 gehören. Am 6. September dieses
Jahres echreibt er an Schweighäuser: „Cette porsie a
ee pour comsÖquenee de me parter ü
ATart et aux antiquitis, Je m’en oceı
fagons et autant que cela m’est possible; et je me
emvaines de plus en plus, que dans ce domaine tant
erploiti on peut reneontrer bien des apergus nouveanz,
ZU doit .y avoir speeialement beaueoup d’ötudes attray-
anles & faire sur les simililudes et sur les dissem-
blances dw genie gree et du gönie romain, sur leur
‚provenance respechive, sur leur influence distinete
dans le döveloppement ultörieur de la eiwilisation" ?).
Ant diesen selben Aufsatz beziehe ich auch die Stelle
in dem Briefe an Schweighäuser vom 6. April 1808:
zu ya longtemps, que je möditais les idees, qui somt
— de ma Rome, et jarais eommened ü les
developper en prose. ‚Je tiens pour exacte et juste
Bauer je die de Pacetion de la Gröce sur Rome et
aotion respeotive sur les temps modernes et
sur Ta eultwe de Uhumanite“*), Yaidır sind die
jgen Fragment gehlieben. Den Schlnss der-
selben kildet, was im Hinblick auf Humboldts Alters-
hauptung, „que
rnit une
arbeiten basonders Intervasiart und —
—
vergleichen, die Haym*) übersichtlich
‚hat; man wird hier die Hauptidoen zu dem schon da-
mals geplanten Werke fiber die — Sprach«
studiums?), das nicht ausgeführt wurde, wiedererken-
nen dürfen,
Seit dem Harbst 1906 bereits suchte Humboldt
m war ausgebreitete, aber, wie er selbst üfters rilgt,
loch einigermassen einseitige Kenntniss der alten Lit-
—* dureh eingehende Lektüre soleher Schriftsteller
zu vervollständigen, die bisher noch kaum in seinen
Gesichtskreis getreten waren, ihm jedoch jetzt mancher
lei Ankmüpfungspunkte auch von antiquarischer Seite
her boten: Diodor, Dionysius von Halikarnass,
niag®). Daneben trat im Sommer 1807 ein mens
hellleuchtendos Gestim, das ihm ebenfalls bis dahin
noch ziemlich unbekannt gewesen war: Demostlenos,
dessen Lektüre ihn in helle Begei versetzte
und sein — Interesse für diese Periode des
er
= We "Zen kan — der Finn von nenom auf: Y;
‚Goethe 8. 244. 247; Ansichton über Ästhetik und
Val. Kir a ‚Sohueigkäuser 3, 130. An Walt
mber sitzo. tiefor
er ee
Sp aufgegeben. er so lange, —
Taf ale .""Ioh bouohiftige mich jetz seit mehreren Woohen
mit gronsen 6 Genuss ES ——— (ungedruckt).
KXLVIT
der griechischen Freiheit und Seltetündig-
and die, in ihr auftretende eigenartige griechische
erwecktet),
‚es, que Tai uniquement
loute Vhistoire de son &poque, quanenn
in na euposce intigralement
nd de rgna da Pike
mengant au ne rögne
— de Chsronke, est une des
et des plus remarquables de — groeque. Je
done exactement note pour mon usage parli-
Tale adrigum rl Dar Dinvalkenet
las
— NE Ze — ‚Schteighäuser 8. 130. 148. 140. Ein
ae nu (vel. Gosammelte
are —— ** — nur Plan.
tr6) constitwe un point central historique pour Ta dif-
fusion de tout cr qui est chez nous le cötd ewti-
rieur de la civilisation: ligislation, organisation
politigue, religion etc, la chute des republiques
Post ii
ie ders
lorsque Uhumanitö veprendra sans
‚obslacle sa marche progressive. Vous me dires, mon
‚cher ami, que c'est Forupre d'une vie entiöre; aussi
Fre de ner, me er sera nennt ma
joie de —— ——— ouerage. Je
suis #galement decid@ d ne travailler pour ls moment
ed jusquWau jour de son impression quü une partie
diterminde de ma tüche. Je divise Pepoque de deca-
——— iodes; celle de Philippe et d Alexandre,
'a decadence dw commencement du rögne
de 3 des, göniraur d’ Alexandre, enfin
‚periode romaine jusqwü la reduction de WAchaie en
‚provinee. Je me borne actuellement 4 mettre la dar-
Bo de longue — Ne souries pas, tres cher
ami, du myslöre, que je füis de mon projet. En ve
— le silence. En premier View il a dt si sou-
went question de moi & propos de travaı commen-
eis, que je ne veux pas domner oecasion d’en anugmen-
ter la liste; en second lieu, eb ici le mohf ne döpend
‚plus uniquement de moi, mon sujet a, sans quil y
ait de mon fait, une certaine analogie avec les temps
presents. Or des gens, qui n’ont wien de mienz d
faire, donneraient ü entondre, que je Tai choisi ü
cause de cela, Si le livre parait, il se döfendra
u |
J———
begonnene Anfgabe im Hinblick anf die ähnlichen
schicke Preussens und Deutschlands und unter dem
bittern Eindruck der Tags von Jena und Tilsit noch
besonders ans Hera wuchs, wie er hier dem Freunde
vortrnut, beweist das orhalteno Stück dos Aufsatzes an
mehreren Stellen selbst (1556. 1582. 170g). Wie
1) Lottres 8, 146,
mütigen Verlassen des römischen Bodens!) und dem
Eintritt in das aun folgende Jahrzehnt einer ange-
stiengten und sewensreichen politischen Tätigkeit
‚schwindet Lust und Musse den so grausam abgerissenen
Faden wieder anzuknüpfen und weiterzuspinnen. Hum-
boldt ist nie wieder zu diesem Thema zurückgekommen,
Und wenn eı auch, wie Haym so schön geengt hat?),
den Kem dieses seines hier unter dem Siegel des
tiefsten Gelheimnisses seinem jungen Freunde unvar-
trauten Plans wenige Jahre danach vor den Augen
allar Wolt, nicht in Buchform, sondern praktisch durch
‚die Schöpfung der Berliner Universität verwirklicht hat,
so müssen wir es doch aufs schmerzlichste beklagen,
dnss auch diese reifste Arbeit über das klassische Altor-
tum “in Torso geblieben ist, Nach Inhalt und Form
schen wir in diesem herrlichen Fragment, dem klarsten
Abglanz der Humboldtschen Individualität in Sprache
und Ideengang, eine seiner allerbedeutendsten schrift-
stellerlschen Leistungen, die niemand ohne tirfe Rüh-
rung lesen wird.
Anmerkungen zu don Toxton.
Udır] Vgl. obon die Anmerkung zu 611.
er Bun Val. die ähnliche Ausoinandersotzung Gesammelte
orko
114) Ein Lieblingsthoma Humboldte ans früherer Zeit:
vgl. Ideen zu oinem Vorsuch 8, 26; Gesammelte Warko 1,911;
die beiden Horenaufsützo Gesammelte Works 4,270. 1,215,
12126) „So entstand dis ägyptische plastische Kunst, der
'g dio menschliche Gostalt aus dom organischen Mittel-
t ihrer Vorhältnisse horaus aufsubnuon und die dadurch
—— Werken das Gopräge ochter Kunst aufdrückter‘
Gesummelte Werke 6,18.
12535] Von soleben Anschanungen aus erklären sich
Humoldtsche Aussprüche wie der bekannte von der Wirkung
— oreos in dor Todosstunde —— Welekor
ı) Vgl. besonders B an Weloker 8. 5.
2) In den Gettingischen gelehrten — 1893 8.660.
13221] Vgl. — 15815. „Das geheime Leben und die
Be —
ORAL yag oUHt Bin "Hguxifer ailye wägar Ts
u.
133%] Vgl. auch — ‚Schr chen diesen Go«
danke 2 m — an eine Fa 2 vgl. 1,85. 144.
3
Re ee) arorras Ang, ür’ Av mr" daai hose pi iins
Bun d hadon ir — — —
Ar] m Zt ri zei * a
——
137 arcortcag⸗ di nal — wol Dürr vambe zer
14a ndvra ra mode Mor dr@gemuv addulnora, he
mar wizge rönde row saıgam daulres“ Divdor D,1D,
14410] Zu Humboldts, wie er salbst einmal &s
— von der Ähnlichkeit der Griachen uud Pete? a atschen! vol.
Briefwechsel mit Schiller® 8. 145 tt
00: Briefe an Jacobi 5. dr ——
Vgl. oben die Anmerkung zu 6118,
1523] vol, ‚Gesammelte Werke 6,81.
1065) Vgl. auch 6028.
15018] Vel. oben die Annerkung zu 13221,
1 ent Vgl. oben die Anmerkung zu 12922.
1] „Hi enim pro nobis comi
— qwid Tuendum esset, mumentüns Tlıebunis —*
in angegebenen
—* ade Henn Die Punk ds dAndüg
— Di xai zrgorei war de Erg,
end yadenn ———— Ei Or
dern 4
H area, mori op dygdrugar alldr, märrüs
ae are a — —
——* dgus algovnen a ai Arepydouodas mwölar“
Plötarel, Tysander. Kapitel: 15.
LI
—
Hy sai dmopumönevos: .
Kapyndöra a 75 yag, us 2 Üßgen mov Ijnor ögüw
[2
Zitat in den Ideen sa einem Versumh 8 4
1803) ar ER düg ae n eur
od tor dröfine dori
Boom zer arrob din, Exbr Fe FR 73 —
Ilias 3,03,
1006] Humboldt meint, wohl die Stelle Pyrhia 4510;
Brei 3°’ dumey weder” drapgraeov nad — ——8
deeig iger mom, Kal may aeivus Arlas oomahrlee
wow re aurodns dd yüz dad tu weedvm: hi ig due
Tas Trevas. Ev JE zeöru merafloini Iikarcos — ———
Um
re voor; danluhdar wögumyu
— — Oeyiner, wie dv rue — — —————————
9° aleöe eds derür.“ In seiner vigonen Übersetzung Tautet
die Stelle (Gesammelte Werke 2,821):
dos Unglücks
Eh, das Schae kuman ©
Ringt jetat, ein
Dieser, von de Hoimat entfernt
Und avinen Schützen Doch die Titanen
r rc renden Krankheit
in Haus zu schen, an Apollons
Fe an fr — Mahleu
or £
Verderben
‚on keinem selbst os duldend..-
ee inte
Bruins 3,10 4,
m Movanıs nal "Ya Hoyrect
ee Bone —
wohl sine nicht ganz klaro Erinnerung
von
” *
*
Es erübrigt noch ein Wort über die Provenienz
der Aufsätze hinzuzuftigen. Die Handschriften, alle
von Humboldts eigener Hand, befinden sich simmtlich
in seinem handschriftlichen Nachlass im — Tegel,
Der immer aufs neue bewährten Güte der Besitzerin,
Frau Konstanze von Heinz, gebornen ron Bülow,
oiner Enkelin Humboldts, vordanke ich die Erlaubniss
zur Veröffentlichung. Ihr haben die Leser den Genuss
zu danken, den sie bei der Lektüre diegar über aim
Jahrhundert mit‘ pietätvoller Troue schliteten Schätze
empfinden. Die hochharzige Liberalität, die mir Jahre-
lang mit diesen Blättern gleichsam zu leben, sie nach
frelar Lust un g wieder und wieder zur Hand
zu nehmen verstattete, ist, mit Humboldt zu reden,
wie alles, was des Dankos am meisten wert ist, aueh
am meisten {ber den Dank, wenigstens über den g-
sagten eıhaben. Möchte die treue begeisterte Hingebung,
dis ich diesen herrlichen Blättern mit stets wachsender
für di» Grösse des Geistes, der sich darin aus-
idmet habe, in vielen Herzen einen, iinmer
yeren Wiederhall wecken!
Weimar, 6. Mai 1806.
Albert Leitzmann.
SECHS
UNGEDRUCKTE AUFSÄTZE
ÜBER
DAS KLASSISCHE ALTERTUN
WILHELM von HUMBOLDT.
I.
Ueber das Studium des Alterthums,
und des Griechifchen insbejondre.
1.
Studium der Ueberreſte des Alterthums — Dit:
teratur und Kunſtwerke — gewährt einen zwiefachen
Nuzen, einen materialen und einen formalen.
materialen, indem «3 andren Wiſſeuſchaften Stoff har-
Bietet, ben fie bearbeiten. Infjofern tt daſſelbe, und find
aljo die humaniſtiſchen Wiſſenſchaften Be OR
von jenen, und wie wichtig Fe Augen mug, an ſich fein
mag, fo ift ex ihnen eigentlich fremd,
2.
Der formale Nuzen lann wiederum zwiefach fein, ein⸗
mal infofern man bie Ueberreſte des Alierthums an fid)
umb als Werke der Gattung, ‚zu ber fie gehören, betvadhtet,
und alſo allein auf ſie jeldjt jieht; und zweitens indem
man fie als Werle aus der Periode, aus welder fie
ſtammen, betrachtet, und auf ‚ihre Urheber fieht.") Der erfte
Nuzen it der öfthetifche; er ift überaus wichtig, aber
nicht der Cinzige. Darin daf; man Ihn oft fiir den ein-
gen gehalten Hat, liegt eine Quelle mehreren faljcher
Beurtheilungen der Alte.
Dieß unterjchelbe ich noch.
Wilhelm von Humboldt.
En
Aus der Betrachtung Der Ueberrefie des Alterthums
in Ratſicht auf ihre Urheber entjteht die Kenntnii
der Alten ſelbſt, ober der Menjchbelt im Alteribum,
Diefer Gefichtspuntt ift es, welcher allein in den folgenden
Sägen anfgefaßt werben joll, IHeils jeiner Innern tige
feit wegen, theils weil ex jeltmer genommen zu werden
pilegt.
4.
Das Studium einer Nation gervähet ſchlechterdings
alle blejenigen Vorthelle, welche le Geſchlchie —
darbletet, indem dieſelbe durch Beiſplele vom
und Begebenheiten die Menfchentemmmiß erweitert, ie
Barrteilungskraft jhärft, den Charakter erhöht und ver⸗
beffert; aber 8 Aut och mehr. Indem e8 nirht fomohl
dem Faden auf einander folgender Begebenheiten mach“
ſpürt, als vielmehr ben Zuftand umd die günzliche Lage
der Nation zu erforjchen verjucht, Liefert es gleichſam eine
Biographie derſelben
5.
Das Auszeichnende einer ſolchen Biographie it vor-
jüglid) das, daß, Indem der game pafthäe, religtöfe und
häusliche Juſtand ber Nation geicilbert wir, Ihr Che—
rakter nad) allen feinen Seiten, und Im fetten
ganzen Juſammenhange entwillelt, nicht bloß die
gegenfeitigen Beziehungen der einzelnen Ehnrats
terzüge umter einander, jondern auch ihre Nelas
tionen zu den äußren Umſtänden, als Urſachen
oder Folgen, einzeln unterjucht werden; und die
Bortheife diefes Harakteriftifchen Kennzeichen eine® foldhen a
ums verfolge ich hier allein, mit Nebergehung jener
öfter beriheten
6.
Man pil hentenntnif nur zum Ungange mit
e zu. halten, und man pflegte ce
Über das Studium des Afterifums. 5
Menſchenlenninl zu nennen, wenn man eine Menge
einzeiner Menſchen beobachtet und dadurch eine Fertigteit
erworben hat, aus ihren dußren Handlungen ihre imeven
Abſichten zu errathen, und umgekehrt durch fünftlich ihnen
‚gegebene Berveggründe fie zu Handlungen zu beftimmen,
and in einem gewiſſen politiſchen Siune mag beides wahr
fein. Allein tm vhiojophifchen kann Menfcentenntnik —
Kenn des Menjcen überhaupt, wie der einzelnen
wirlllchen Individuen — nichts anbers heißen, als Die
Kenntniß dev verſchiedenen intelleftuellen, en=-
vfindenden, und moralijden menſchlichen Kräfte,
der Modifikationen, die jie durch einander ge—
mwinnen, der möglichen Arten ihres richtigen und
unzihtigen BVerhältniffes, der Beziehung ber
äußeren Umftände auf fie, deſſen, was biefe in einer
gegebnen Stimmung unausbletblich wirken miiſſen, und
was fie wie zu wirken vermögen, fur; ber Geſeze der
Nothwendigfeit der von innen, und der Wöglich-
feit der von außen gewirlten Umwandlungen.
Dieje Kenntniß ift, oder vielmehr das Streben nad; dieſer —
da bier mir Streben möglid) ift — führt zur wahren
Menſchenlenntniß, und dieß ift jedem Menſchen, als Men-
chen, und febte er auch ganz von Menſchen abgejonbert,
nur In verjchiedenen Graden der Intenſion und Extenfion
anentbehrlich
ti
Buerft — um vom eichteſten anzufangen — dem
bandelnden Menjchen, bem ich in der Folge den nur
mit Ideen Veichäftigten, jo wie endlich beiden Den bloß
Geniehenden enigegenfe;
von Umgange in der
dem Megieren des aröhet je
minder unmittelbar At hen; und wer feiner
moralifchen Würde wahrhaft ein wird in Keimen
3 diefer Verhältnifie des höchften Zoels aller Moralität,
der Veredlung Und fleigenden Ausbildung des Menſchen
6 Wiitelm von Qumbolbt,
vergeflen. Dazu ft jeue Kenntniß Ihr
Seiten Einfhränkungen in den Weg
immer das Hödft mögliche Minimum bi
gen zu beivahren. So lehrt fie ihn,
wen dürſe und politiſch mit Erfolg
tonne und leitet dadurch feinen Verſtand. — Aber auch
chung, jo daß dad, vorher einfeitig Detradhtete
durch diefen alljeitigen Ueberbfit gleichſam in eine andre
höhere Mafje verjezt wlrd
8.
Der mit Ideen Beſchaftigte iſt — da id; mic) Hier
der Genauigkeit logischer Eintheilungen überheben kann —
‚Htitoriter Im allerweiteflen Sinne des Worts, ober
ſoph, ober Künſtler. Der Hifloriker, Infofemm id) von
dem im eigentlichten Verftande — den Vejchreiber der
Menfhen und menichliden Handlungen — abiirabire,
bedarf jener Kenntniß vielleicht am wenigjten. Wenn in-
dei auch der Forſcher des am mindeften mit Hy
ühnlichteit begabten Theils der Natur nicht bloß die
Erihelnungen aufzählen, fondern auch den innern Baur
jähen will; fo laun ex derſelben ſchlechterdings nicht
lich, entbehren. Denn nicht bloß dafı alle unfre Ideen
Drganlfation urfprünglid) vom Menicen ausgehen;
Fe die gange Natur eine Analogie wie
ten, fo des inneren Baues. Es läßt
‚tiefer ONE in die Beſchaſfenheit der Dre m
auch der Teblofen Natur ohite phyſiologiſche
Über das Studium des Alterthums. 7
‚Semuniß des Menſchen thun, und biefe ift wieberum wicht
ohne pſychologiſche möglich; und cbenjo fteigt umgelehrt
mit dem Umfange biefer lezteren die Schärfe jenes exjten
Vils, wenn gleich fretlich in oft ſehr Heinen Graden.
Endlich muf id bemerlfidh machen, dafı ich bier den Bit
auf den Zuſammenhaug der ganzen Natur, und Die Be—
Jehung ber lebloſen auf bie menſchliche — die fein
großer Naturfündiger verfünmen wird — ganz übergehe,
wie es denn überhaupt meine Abficht it, aur zu verfuchen,
das für fich minder SMere in ein helleres Sicht zu ftellen.
9.
Diefem Grundſaze getven, bleibe ich bei dem Philo-
fophen nur bei dem abjtrakteiten Metaphyfiter jtehen.
Aber wenn auch diejer das ganze Erlemunißvermögen
ausmefien joll, wenn es ferner von dem Gebiete der Er—
ſchemungen in das Gebiet der wirllichen Weſen feinen
andren Weg, als durd) die praktiſche Vernunft giebt, wenn
‚Freiheit und Nothwendigleit eines allgemein gebietenben
Bejezes allein zu Beweilen für die wigtigfien, überfinn-
Uchen Prineipien führen können; jo muß Die mannigfaltigite
Beobochtung der, in andren und anbren Graden gemijchten
menſchllehen Krafte auch dieß Geſchaft um vieles erleichtern,
md am ſicherſten das ſehen laſſen, was allgemein it und
ſich im jeder Miſchung gleich erhält,
Des Künitlers ein; e önbeit. Schöne
heit iſt das allgemeine, nothm reine Wohlgefallen
an einem egenftand ohne Ein Wohlgejallen,
das nicht durch Ueber J g erden Fan und
doch abgenörhigt | dad allgemein fein muß, und
deſſen Gegenſtand ni ch den Begriff reizt, muß ſich
notbtendig auf die ganze Seelenftinmung des Empfin-
5 Ha
Wilhelm von Humboldt:
urthellen zeigt. Wer es alſo hervorbringen will, muß
fein Wefen mit ben einften und eye "Wefen
gleichjam ibentifieitt haben, und wie Iit Dieh ohne tiefes
mb anhattenbes Studlum möglih? — Auch außer
zwar allgemein beweifenden, aber auch
Örterung, gehört der Kimftler gleichſam zux Klaſſe der
prattiſchen Menfchen, und bedarf umſomehr alles des-
jenigen, wos jenen unentbehrlich ift, als er unmittelbar
auf das Hödjfte und Edelfte wirkt, Nicht aljo bloß um
ats Menſch moralifch, fondern auch um ale Künjtler mit
Erfolg zu wirken, muß er den Gegenjtand tief lennen,
auf welden er wirft, — Endllch ift ſein —— entweder
Ausdrut oder Schilderung, Das Ecſtere bezieht ſich
allein uud unmittelbar, das Leztere, da die Schilderung
fonft nicht gefaht wird, mittelbar auf Empfindung, und
jo bleibt biefe und ber empfinbenbe Menjch überhanpt
immer fein Haupfftudiun.
11.
Von dem bloß Geniefenden endlich lleße ſich —
fi nichts jagen, da ber Eigenſinn bes Genuſſes Teine
Negel annimmt, Aber ic jtelle mich billig hier in die
Stelle idit ‚gerade der edelſten Menfchen, aber ber Mens
jchen überhaupt in ihren ebleren Momenten. In dieſen
men find bie Freuden ber höchften Gattung bie, welche
man durch ſich und andre empfängt, durch —
tung, Ungang In allen Abſtuf ungen. Freimdſchaft. i
Je höher dieſe find, deſto eher find fie zerſtert
ſcharſes Auffaſſen bes wahren Seins jeiner jelbit
Zu 10: — d Dichter Genie eines Schaleſpeart —
jo mandjer andern waren durg
Ex en Studium gebildet, Dieſe männer würden durch
‚anbaltendes Studium an Vollendung gewonnen an —
aber eclohren haben. Dem ungeachtet bin
exe vollfommener geworden wien —
doch nicht zuviel fi A
‚Studium fremder mufter ma
er unten bes tigten Ge⸗ erifdht algbanıı. Dalberg:
Über das Studium des Witerifums.
derer Dieß aber iſt nie möglich, ohne tiefes Studium
bes Menjchen überhaupt. — Diefen Freuben an bie Seite
treten wicht unbillig, diejenigen, welche dev äſthetiſche Genuß
der Werle der Natur und ber Kunft gewährt. Dieje
wirlen vorzüglich durch Erregung der Empfindungen, welde
durch die Aufren Geftatten, oleichſam als durch Symbole
gewelt werden. Je mehr lebendige Anſichten möglicher
menfhlicher Empfindungen num das Stubiunt des Menfchen
verſchoſt Hat, deito mehr äußter Geftalten it die Seele
10 embfänglich. — Da ich des, aus der eignen Thätigleit
entipringenden Genuſſes ſchon mit diefer Thätigteit ſelbſt
im Borigen erwähnt habe (7—19.) jo bleibt mix mer
noch der ſinliche übrig. Aber oud) dieſer wird, indem
die Phantafie ihm das reiche Schaufpiel feiner möglichen
1 Manmigfaltigkeit nad) der Verſchiedenheit des genichenden
Inbioidurms zugefellt, amd indem fie ſo gleichfam mehrere
Indibiduen in Eins vereint, verbieljacht, erhöht und ver⸗
feinert. Endlich mindert ſich durch eine folde Anficht
das Gefühl auch des wirtlichen Unglüls. Das Leiden,
0 wie das Lajter, iſt elgentlid mm parttell, Wer bas
Ganze vor Augen hat, fieht, wie es dort erhebt, wenn es
‚hier nieberkchlägt.
Zu 11; Der Geſchmac des Als ſorſchenden Kunſileuners
Üft feiner und zwverläfliger ais ber Gejchmad desjenichen
der ſich immer und — ialich — eindrlicen über»
dajien hat, fo bie Öegenftlnde, uch. zufällige Einvir-
un und feine eigme ı nesjontice innere Anlage in ihm
‚ Allein das Gefühl des erſſern wird im ſehr
jamteit verloren.
bat er durch S
führen auf, —
Wilden don Humboldt.
12,
Ich Habe biß jept den Menfcen mit Fle —
dert im einzelnen Energien betrat Zelgte
auch im feiner bie — — Dom. *
ich hier vede, fo würde fie ſich doch gerade dadurch bes
währen, daß jle vorzüglid; nothwendtg lit, um Das
einzelne Bejtreben zu Einem Ganzen und gerade
zu ber Einheit des edeljten Zmwels, der *
— Ausbildung des Men
zu bereimen. Denn das Bejchäftigen einzelner Geiten
Hr — — — BEN a
jes Bei igens, als Energie, un g en
Nuzen — als es rem, und nur
jänfiges Betrochten des Menfhen in ber Schönhelt jelner
heit Führt den zerjlveuten Blik auf den wahren Ende
zwet zurlit
13.
Sp wirkt jene Keuntniß, wenn fie erworben tft, glelch-
fam als Materiot; aber gleich heilſam und vielleicht noch
beilfamer wirkt gleichjam ihre Form, bie Urt jie zu
{blntern, und deswegen verdient died Stublam des men“
i6en Empfehlung. Dalberg,
Zu 12: Sollte nicht von bem Forfritt dev — Kultut
eingeht eben das gelien, was wir bey jeder Erfahrung
I einerten Gelegenheit haben. Hler aber bemerkt man
Momente.
1. Der Gegenſtand ficht gs vor und, aber verworren
„und ineinanber flichenb
Bir trennen einzelne Merkmale und —
Gtenninih ih Deutlich aber vereingelt ab
De das man und dad Ganze ſieht
nd, — — mehr venporren
f aberma
. A
Über das Studium des Alterthums. —
erwerben. Um den Charalter Eines Menſchen und noch
mehr elnex noch vielſeltigeren Nation in ſeiner Einhelt zur
je, — man auch ſich ſelbſt mit ſeinen vereinten
Beweg ſezen. Der Auffaſſende muß ſich
immer — auf 36 Weiſe ähnlich machen, das er auf⸗
faffen will. Daher entfteht aljo größere Webung, alle
Kräfte gleichmähig anzuſpannen, eine Uebung, die ben
Venſchen jo vorzüglich Bilder. — Wer ſich mit diefem
Studium anhaltend beichäftigt, faht ferner eine umendliche
Monnigfattigteit der Sormen auf, und fo ſchletfen ſich
‚gleichjam die Ellen feiner, eignen ab, und aus ihr, vereint
mit den aufgenommenen entftehen ewig wiederum neue —
So ift jene Kenntniß gerade darum beilfem, warum jede
andre mangelhaft jein würde, darum, daß fie, nie ganz
erreichbar, zu umaufhörlichem Studium zwingt, und fo
wirb die Höchfte Menfeplichteit Dincch das tieffte Studium
des Menſchen gewirkt.
Zu 19: lie den Lehrer bumankitlicer Wihenſchaſten einen Wolf
seneftt umd f. m. It Biees Stubnm Hauptgeichdft. —
für den man der jid, deu thätigen Leben witmet; it «6
wie mir dünft neben ſache. Anhaltendes nachdenken laun
feidenfhaitlices BVergnigen werden; und dann ift bie
Berriebfamfeit des practiichen Gefchäftsmmanns gefäwädht.
== ade iſt, auch fühe ihn Silfswifenihaft; aber fo viel
Hann ex in ber Jugend erlernt haben, und
allemah ifto8 für ib benftunden angenehme Er
bobfung und fh eiftes; aber nicht
anbaltenbes w
mean alle Eden
Stun
in ‚ feiner | om! — ven en:
bafı er viele faceten erhaltet olme ganz abgerundet
zu werben. — = hahmen, — hinindenen
in fremde Sefinmungen und funfiweife oenoifcht das
(dh bierin ent mu-
* Sache Inge le
Wi un ie ſelbfigeda ie»
ben, ware — nühig, Dalberg,
Wiljetm von Yumbotkt.
14,
Das bis jezt bettadhtete Studium des — me
haupt an dem Charakter einer eingelnen Nation, aus
von ihr hinterlaffenen Denfmälern, it ziwar bei einer —
Nation in gewiſſem Grade möglich, in einem vorzüglicheren
uber bei einer ober der andren nad) folgenden vier
Momenten: 1., je nachdem die von ihr vorhandenen
Ueberreſte ein treuer Abdrul Ihres Delftes und
thres Charakters find, oder nit Jedes Produkt
der Wiffenfchaft oder der Kunſt Hat feine bi
feine Natur beftinmmte, gleichjam objektive, idea! ce Bol
tommenbeit, aber ſelbſt bei dem dußerſten Annähern an
diefe Volllommenheit prägt ſich dennoch die Snbivibnafttät
des Geiſtes ber es herorbringt, mehr ober minder darin
aus, am meiſten aber freilid da, wo am mindeften ab⸗
ſichtlich auf die Eneldung jener Volllommenhelt geſehen
it. Daher dex objektive Werth und die Individualität
eines Selftesprodufts nicht felten im umgefehrien Verhalt
niffe ftehen, Am auffallendften ift dieſer Unterfe bei
den eigentlichen eifteäprobuften, weniger bei den
und unter diejen mehr bei den energiſchen Muſit, Tanz)
618 bei den bilpenden (Maplerei, Bilphauerkunft).
jeder Dejenidhe nation
k Me die A
Hannte noh er
—— —
—— —
2 3*8
ft
Es
Über dod Stublun des Alterthums. 18
15.
2, je nachdem der Charakter einer Nation
Bielfeitiglelt und Einheit — welche Im Grunde Eins
find — bejlzt. Einzelne große und ſchöne Charalterzüge
mb ihre Veirachtung hat ihren unbejteittenen, aber hie—
‚ber nicht gehörigen Nuzen. Dos Studium des Menſchen
überhaupt an einem einzelnen eifpiel erfordert Mannigs
faltigkeit der verſchiednen Seiten de3 Charakters, und Ein
heit ihrer Verbindung zu Einem Ganzen.
16.
3, je nachdem eine Nation reich) ift an Mannigs
faltigteit der verjdiedenen Formen. Es fommt
aljo hier wieder nicht jomohl darauf an, ob bie Nation,
deren Studium jenen Nuzen gewähren foll, auf einem
vorzüglicen Grade der Ausbildung oder der Citilichfeit
ftehe, ſondern bei weiten mehr darauf, ob fie von aufen
veigbar, md von innen beiveglid) gemig if, elues geoen
Reichthums der Gejtalten empfänglic zu fein.
17,
4, je nachdem der Charakter einer Nation
vun der Art ift, Daß er demjenigen Charalter des
Menſchen überhaupt, welcher in jeder Lage, ohne
Rütſicht auf inbivipuelle Verjhiedenheiten da
fein kann und da jein jollte, am nächiten kommt.
Verjchiebenheiten dieſer Art unter Nationen zeigt nud) eine
oberflächliche Wergleihung; Nationen, die eine ſo Lokale
Ausbildung haben, dab ihr Studium mehr Stubium einer
einer nähern Cıtlänmg. Bielfeitigteit
n Theil unfrer Beitgenofien nirit adges
ſprochen werden — aber Einheln? Schiller.
14 Wilhelm von Humboldt:
Km ” hier — — en —— ent⸗
ſtehen, einmal buxı angel ber II
Wähtigeit, yweltans dunch Einfadjbeit des — Ko
das Sezlere it hellſain. — Das Etubium des Menſchen
gewonne am meiften duch, Studium und Vergleichung AS
Nationen aller Linder und Zeiten. Allein außer ber
Immenſitat dieſes Studiums kommt es mehr ne
Grab der Antenfion an, mit bem Cine Nation, auf
dan der Ertenfion, mit weldem eine Menge bon Nationen
ftubirt void. Iſi es alfo ralbjam, bei Einer ober einen
Baar jtehen zu bleiben; jo ift es gut, diejenigen zu wählen,
welche gleichlam mehrere andre repräfentiren.
18,
Daß nach dieſen 4 Momenten bie alten Nationen
bie find, deren Studium jenen hier allein ausgeführten
Nuzen der Kenntniß und Bildung des Menfchen am
relchſten gewähret, ſoll bie Folge zu zeigen bemüht fein. —
Alte nenne ich hier ausichliehend die Griechen, umd unter
biejen oft ausfchliehend die Athener, Die Grlinbe hie—
bon werde ich, tmenn fie ſich micht durch Die Felge des
von jelbft entdellen, weiter unten noch mit
ill
ragen bie melften Spuren ber Jubie
vidualität ihrer Urheber an fi. Die betrachtlichſten find
bie fitterarlichen. biejen Fällt ber Betrachtung ae:
die Sprache auf, In einer Sprache entjtchen be
hungen von ber Individualität der Spredenden ver⸗
aus folgenden 3 Gründen: 1., durch (Entlehnen
Wörtern oder Nedensarten aus freinden
völlig allgemeine und obftratte
h völlig neugebildete, oder ger
üfte zu bezeſchnen. wobel bie
133 5 immer in dem Grade
Über dos Studium des Aterthums, 15
ſelnem — Vorrath genommenen ſinnlichen Bilde
‚zu ſaſſen. durch Nachdenken über die Natur der
Spradie et und die Analogie der eignen insbe
jondre, woraus viele Mbänderungen des durch den Sprach -⸗
5 gebraud; Cingeführten, und näher mit ber Indivibunlität
der Lage der Redenden Verfnüpften vorzüglich im Eyntar
und in ber Grammatll überhaupt enljpringen, Nun wareı
die Griechen mit feinem einzigen höher gebildeten Volle
vor ober neben ihnen in ollgemeiner und vertrauten Bes
10 lanniſchaft; es finden fi daher im ihrer Sprache nur
fremde Wörter, und aud) dieje gegen doS Ganze nur in
unbedeutende Anzahl, von fremden Beugungen und More
Ntruftionen wenigitens feine deutliche Spur. Co füllt
jener erfte Grumd hinweg. Nicht minder aber die beiden
15 [exteren, da in Vergleichung mit Der ſeht frühen Ausbildung
der Sprache ſehr ſpat eine beſtimmtere Philoſophie und
noch jpäter Philoſophie der Sprache entſland, und in Rük—
ficht auf den zweiten Grund insbefondre fein Wolf Leicht
eine fo reiche Phantafie im Schafjen — Aus
© brüfte befizt, als den riechen eigen war. — Eingelne
Beiſblele in Abficht der Bildung der Wörter, der Beuge
ungen und Verbindungen lonnten hier Die Nebereinftimmung
ber Sorache der Griechen mit ihrem Charakter zeigen.
19.
* Die Geiſtesprodutte ſelbſt find Gefchichte, Dichtung
Wozu ich Hier Kumft überhaupt vechne) und Philofophie. —
Die Die Befgiihte ift großentheifs Griechiſche, und wo fie es
Zu 18: ae aealeie jltet fichere Spuhren daß die Tisler
nilden Grlegen zum gefitteten Menfchen. bifbeten,
w
biinft die Oriegifdie Literatur feinen
2 je fan man wie
— ——
von. Überzeugen.
6 e jeden Cpruche eines jebem aus
dat die nernliche ftufen exftiegen. Dulbarz,
16 Wilhelnt von Humboldt,
Hi — a die — ae
er noch zu wenig gewohnt, mei
zu bergleiden, umd Eigne® und Fremdes von einander
abzujondern, auch zu ſehr mit allen Wate je 1.
ſchaftigt, als daß ſehr oft der Grieche du—
ſollte. In der Griechiſchen Geſchichte ſelbſt aber Se
eine Anfammenkunft mehrerer Umſtände, wozu ich vor⸗
züglich dem größeren Einfluß einzelner Perſonen auf die
Öffentlichen Ungelenenheiten, die Verbindung des religiöfen
Buftandes mit dem politiichen, und des häuslichen mit 10
dem religiöfen, ferner den Heinen Umfang der Geſchichte
feloft, ber ein gröheres Detail erlaubte, Kae die noch
mehr Endijchen Ideen don Merkvirbigkeit und Wichtig-
feit rechne, daß die alte Geſchichte unendlich mehr Chas
ralter⸗ und Sitienfchilderungen enthält, als die neuere. 16
20,
Wenn Dichtung und Geichichte gejondert fein I,
fo ſegt dieß ſchon beftimmtere Ideen über FEN
Unmögtichteit, Wahrſcheinlichteit ımd Unwahrſẽ
mit Einem Worte Kritit vorayd. Diele erl De die m
Griechen exft fpät, und vorzüglich durch Die Verbindung
Ährer Fabel mit Neligion und Nationalitolz Ipäter, als fid
fonjt hätte erwarten faffen. Sehr Iange {ft affo Dichtung
und Geſchichte gar nicht gelondert, und als fie toirkfich
ſich mehr von einander en durfte bev Künitler, ber 3
micht fowohl für Kenner und Dilettanten der Ka
Künfte, als für ein Volt arbeitete, das in dem Kunſtwert
nicht die Kunft allein, auch fich und feinen Ruhm fehen
ſich nicht von dem entfernen, wos Cinbruf auf
Alleſte Weichichtfähreiber ber Oriegen Hit Herobot zu
x bie — aller Bölter unb Gogenden aufzufaffen
ite. Dall
fee =, unb Srchiſtſtelet des mitelalters
en noch ı Ki reichhaltiger: und mancıe
tonifen En in Bügen des Ebel- m
. Dalbarg,
Über das Studium des Alterthums. i7
hieß Voll zu machen im Stande und alſo mit feiner
Fudividualität nal verwandt war, Wie hätten aud) wirt
berungen der Babel durch den Künſtler nicht
wieder im höchjten Grade Griechiſch werden follen, da er
5 feine fremde Mufter vor fich hatte, und felbft bie eigent-
lie Theorie der Künſte ext ſpäter entjtand? — Ferner
entprangen alle vorzüglichſte Arten der Dichtung — epifche,
wagifche, lyriſche — bei den Griechen aus Citten und
Üffentlihen Einichtungen, bei Saftmähleen, Seiten, Opfer,
10 umd fo behielten fie bis im die fpäteften Beiten einen
— dieſes hiſtoriſchen, nicht eigentlich Afthetifchen Urs
98.
21.
Die Philojophie jollte am wenigjten Spuren der
» Eigenthinnlichleit bes Philofophirenden tragen. Aber die
‚pratijche zeigte bei den Griechen immer im einem jehr
hohen Grade den Griechen, und die jpefulative that dieß
wenigſtens auch ſehr lange.
Gegenbfil auf moderne Nationen. — Ihre Sprache
18.) durch) Entlehnen don fremden, amd Hhiloſophie in
ent Grade umgebildet. — Selbit ihre vaterlänbifde
Geſchichte (19.) durch Vertrautheit mit allen Zeiten und
Erbftriden, und andre zujanmenkommende Urſachen minder
individuell erzählt. — Ihre Dichtung (20.) fait ganz aus
5 Zu 20: $% Biatneptanniis Hatten die Griegen Epibtide —
ie Hohen Gefdhnadl und Ebenmaaf; in ande
Bars — ‚wie Winfelman fehr ſcharffinnig gezeigt
at. Dal
überhaupt bim ich mit dem Seren Verfafjer —
das im beziehung auf Geſchuiack bildende Künſte und
tmahre Bey FH vi nei F die Griegen eine fehr hohe
ftufe, der Bolltommenpeit erreicht haben; und hierin Ihre
— der — Gegenſtand eines bauptitudiums
Dalber,
w Zu 2: ir (uch {n der Döllo F entlehnten die Orlegen ſehr viel
= alte; tale Bruder und andre gejelgt haben
Dowtscho > — Nr. van2. 2
18 Wilhelm bon Humboit,
fremder Mythologie genommen, und nach objeltiven allge
meinen Theorien geformt: — Ihre Philofophie (21.) ab-
ſtralt und allgemein,
22.
2. Moment. (15.),Der Grieche in der Periode, 5
wo wir die erite vollftändigere Kenntniß von ihm
haben, ſteht nod auf einer jehe niedrigen Stufe
der Kultur In dieſem Buftonbe wird, ha her Bevliufe
niſſe und Bejriedigungämittel nur wenige find, immer weit
mehr Sorgfalt auf die Entioifffung der perfönlichen Kräfte,
als auf die Bereitung und den Gebrauch von Sachen verwandt
Der Mangel biefer Hülfsmittel macht auch jene Entwilts
lung nothwendiger. Da überhaupt noch keine Veranlaffung
vorhanden it, einzelne Seiten vorzüglich zu beiäftigen,
da der Menſch mu schlechthin dem Gange der Natur 10
folgt; jo ift, mo er hanbeinb ober feibend wird, fein
ganzes Weſen um jo mehr vereint in Thätigleit, als er
vorzüglich durd) Sinnlichkeit afficket wird, wıd gerube
diefe am jtärkften das ganze Wejen ergreift. Es iſt
daher bei Nationen auf einer niebrigeren Stufe
der Kultur verhältnigmäßig mehr Eutwitklung
ber Berfünficgteit in ihrem Ganzen, als bei Nas
tionen auf einer höheren.
23,
Bei ben Griechen zeigt fi aber ein boppeltes,
äußerft merkwitrdiges, — vielleicht in der Geſchichte
einziges Phänomen. Als ſie noch ſehr viele Spuren
Nationen dutch Negeln, “
antler ur Orth
A zeigt Einien uud dar
der Sinn beingt Manrlglaltig-
En Er vebin: Grlutcung, &4 3,
fe E) um = wann eigemt ee
h er Inc J ige
Über das Studhum des Altertum, 19
der Mohheit anfangender Nationen verriethen,
befaffen fie Schon eine überaus große Empfäng-
lichkeit für jede Schönheit der Natur und der
Kunft, einen feingebildeten Takt, und einen
wichtigen Geſchmat, nit der Mritil, aber der
Empfindung, und finben ſich Inſtanzen gegen biefen
Tatt und diefen Geſchmat, jo ijt wenigſtens jene Aeiz-
barkeit und Empfünglichteit unläugbar; und wicberum
als bie Kultur fon auf einen jehr Hohen Grad
geftiegen war, erhielt ſich dennoch eine Einfach—
heit des Sinns und Gefhmals, den man jonft
nur In der Jugend der Nationen antrift Die
Entwittlung der Urſachen hievon gehört nicht hleher.
Genug das Phänomen iſt da. Ju ſeinem erſien Lallen
verrath der Grieche feines und richtiges Gefühl; und im
dem zeifen Alter des Mannes verliert er nicht gang feinen
erften einfachen Finderfinn. Sterin, duͤntt mich, liegt ein
großer Theil des eigentlich Chavakteriftiichen ber Nation.
24.
Da ſich die den Griechen eigenthumliche Reizbarteit
für das Schöne (23.) mit dev, bei allen minder kultivirten
Nationen gewöhnlichen größeren Aufmerlkſamleit auf die
Entwitllung der verfönfichen, und vorzüglich der kürper-
lichen Kräfte (22,) und mit dem im griechifchem Slktma
bejonders ſtarl wirkenden Hange zur Siunlichieit verband;
mußte Sorgfalt für die Ausbildung des Nörpers zu
Die Kultite der Griechen war bloß äfthetifc und da-
von glaube ich meiihte wögehen, zum Diejes ‘Phänomen
au erfflieen. Wud) man nicht vergeffen, da die
Griechen es auch im Polltiſchen wicht über das gu ende
Hiche Alter brachten, und es iſt je die Frage ol fe in
einen männlichen Mlter diefes Lob noc) verdient haben,
20 Wilhelm don Humboldt.
Stärke und Behendigleit um jo entjoringen,
a die Beides unen und
in t 1 *
& —— es die Aıltr Kar is
mar, und läny
Birpeien Saft vehrkngt Inte, el
Vehendigteit und Sch
und trat Vegriffe jelten find, und bie
feit für das Schöne in jo hohem Grabe präbominiet, ba
un mon ſich auch die bloß geiftigen Vorzüge natürlich)
merft unter biefem Bilbe barjtellen, und in einer gries
Sifen Seele verſchmolʒz Lörperlihe und DIE —
jo zart in ehnander, daß noch jezt bie
Verſchmelzens 3. ®. die Raijonnements — re in
Platon ein wahrhaft entzüftendes Vergnügen gewähren,
War aber auch diefe Stimmung in diefem Grade nur
einem und individuell, fo Lift fid doc) foniel überhaupt
als hiſtoriſches Faltum aufftellen, da die Sorgfalt für
bie fürperfide und geiftige Bilbung In Griechen⸗
ſehr a und vorzüglid don Ideen ber
Schönheit Afehtet war.
von eigen
ıslun, = Anwurtſam werden, meine® erache
chen bie. — lterotut Haupt
Ian
iegifcher biumen blene
tünliche
Über das Studlum des Alierthums. 21
25,
Wenn nun irgend eine Vorſtellung menſchlicher Voll⸗
lommenhelt Bieljeitigfeit und Einheit herborzubringen in
Stande ift; jo muß dieß diejenige fein, die von dem Be—
if der Schönheit und der Vorjtellung dev ſinnlichen
ausgeht. Diejer VWorftellungsart zufolge darf es dem mora-
chen Menſchen ebenfowenig am richtigen Ebenmaake der
einzelnen Charakterjeiten mangeln, als einem jchönen Ge—
de oder einer ſchönen Statue an dem Ebenmaafie
ihrer Glieder; und wer, wie ber Grieche, mit Schönheit
der Formen genähet, und jo enthufigftiich, wie ex, für
Schönheit und vorzüglich auch für finnliche geftimmt it,
der muß endlich gegen die moraliſche Disproportion ein
‚gleich feines Gefühl befizen, als gegen die phyſiſche. Aus
allem Gejagten it aljo eine große Tendenz; der
Griechen, den Menfhen in der mögligiten Biel-
feitigfeit und Einheit auszubilden unläugbar.
Bemerken muß ic Hier — ımd zwar gerade hier,
teil hier am feihtejten der Einwinf entjtehen lann, dent
bie Bemerkung begegnen ſoll — daß was hier von den
Charakter der Griechen gejagt üt, zwar unmöglich von
einer ganzen Nation in allen ihren einzelnen Individuen
bucjitäblih wahr fein kann. Gewiß iſt es aber doch,
daß «8 einzelne Individuen der beſchriebuen Stimmung
wirklich ar dafs dieſe wicht allein häufiger, als auderswo
eriftirten, fondern daf aud) glei Nüancen biefer
Stimmung in ber ganzen Nation verſtreut waren, und
ft (ih die Dichter und Phllo—
if des Geiftes des edelſten
ſolche Charaktere vorzüglich,
thwendig, um die Erreichung
Zu 25: Diefe jchöne für mich ſehr lehrteiche Stelle heweiſt bafı
ganz gevif viegen in beiehung auf Schönheit die
Biljelm von Humbolbt.
28
Diefe Sorgfalt für die Ausbildung und dleſe Art
ber Ausbildung des Menſchen zu bejörbem, trugen
andre, in der Anfiren age der Poren —
ſtande bei Bu dieſen Iron, id) a) folgende:
1, die Sklaverei Diefe itberhob den Freien eines
großen Theild der Arbeiten, deren Gelingen einfeitige
Uebung des Körpers und des Geiſtes — mechanifd
len — erforbert. Er hatte nun Muße, ſeine
zuv Ausbildung jelnes Körpers durch Gymnaſtit, feines
Seiftes durch Künſte und Wiffenfchaften, feines Charakters
überhaupt durd) thatigen Antheil an der Staatswerfaffung,
nn und es es a * — dann
erhob ar den Freien Die m er 38
vor dem Sklaven, bie er nicht bloß dem 1 Oi su be zu dan
glaubte, ſondern auf bie er — —
und — der, er ent je
vabwärdigung ber laven — mit Necht, Ani
—— die a zum Theil, wie bei vr BVerthetdigung
des Vaterlandes, mit Gefahren und Beſchwerden erkaufte,
die der Sklave nicht mit ihm theilte — Hieraus zus
janmengenommen bilvete ſich die Siherafität, bie fi, bet
feinem Volle wieder in dem hohen Grade findet, das it
dleſe Herrjchaft edler, großer, eines Freien wahrhaft
witrbiger Gefinmungen in der Seele, und biefer lebendige
Ansdrut derſelben in der Stattlichtett ber Vildimg und
der — der Bewegungen bes Körpers,
ollfouum zerte welche mit recht ſate
— — F boh F SB, at “4 —
‚alter feine eines t-
—— der — Umjttinde An ——
nerten Lit ſi tie, mie, duntt manches
laven wilmeten ſich oft denen hönen as
den waren Sriegäger
füngene von ſeht edlem urforung is j. tu, Dalbeng.
Über das Stubium des Altertkums. 23
9:
2, bie Negierungsverfaflung und polttiſche
Einrichtung überhaupt. Die einzige eigentlich gejeg-
mäßige Verfaffung in Oriechenland war die vepublifanifche,
5 om welcher jeder Bürger mehr oder minder Antheil
nehmen iennte. Wer oljo etwas durchzuſezen wünſchle,
mußte, da ihm Gewalt fehlte, Ueberredung gebrauchen.
Er konnte aljo Studium der Menſchen, und Fähigkeit
fi) ihnen anzupaſſen, Gewandtheit des Charakters, nicht
10 entbehren. Aber das oft überfein ausgebildete Voll ver-
langte noch mehr. Es gab nicht blof der Stärke oder
ber Natur der Gründe nad), es jah auch auf die Form,
die Beredfamteit, das Organ, den türperlichen Unftand.
Es blieb aljo beinah feine Seite übrig, welde der
1 Staatemam ungeſtraft vernachläffigen durfte. Dann er—
‚forderte die Staatsverwaltung mod) nicht abgejonderte
weitläuftige Fächer von Kenntniſſen, noch Talente dieſer
Art, Die einzelnen Theile derielben waren mod nicht
jo getrennt, daß man fich ausſchliehend für fein Leben
» mr Einen gewidmet hätte. Diejelben Elgenfchaften, die
den Griechen zum großen Menden machten, machten ihn
auch zum großen Staatsmann. So fuhr er, indem er
an den Geſchaſten des Staats Theil nahm, mn fort, ſich
ſelbſt höher und vielfeitiger auszubilden.
28,
3., die Religion. Cie war ganz finnlich, beför-
derte alle Künfte, und erhob fie durch ihre genaue Ver—
Zu 27: Es gab bey
Die
5 ſondern die freiejte Tochter der
Lhantaſie v fein Kanon vorhanden, der der
Dichtungäftaft Foſſein anlegte. Sabillor.
24 Biel von Kaniholdi.
eu
Kühtine and gleihnkiine
förberte, trug fie mittelbar en ganz, — ‚bei,
29.
4, den Nativnalftolz. Wie der Grieche übers
haupt einen hohen Grad vun Lebhaftigleit und Meipbarkeit
beſaß, fo drulte ſich dieſe vorzüglid) ftart In dem Gefühl
für Ehre und Nachrehm aus, und bei der engen Vers
bindung des Bürgers mit dem Staat in Gefühl für Ehre ıs
der Nation Da num ber Werth der Nation auf dem
Werthe ihrer Viürger beruhte, und von Diefent verztgfi
D Siege im Kriege und ihre Blüte im drieden abs
hieng, jo verdoppelte dieſer Nationalftol; Die Aufmerkfams
keit auf die Ausbildung des perjönliden Werths. — Dan
eignete ſich der Ruhm der Nation jedes Verdienſt ober
Talent eines Einzelnen ihrer Mitbürger zu. Die Nation
nahm alſo jedes in Schuz, und hieraus entjtand ein newer
Grund bee Achtung für Fünfte und Wiſſenſchaften.
30, *
5, die Trenmung Öriehenlands in mehrere
Heine Staaten. Wenn ein Staat allein und für ſich
eriftiet; jo nimmt die Ausbilbung jener Sräfte den Weg,
den eine einzelne Kraft nehmen muß. Sie erhöht fich in
ich, und wenn fie ein gewiſſes Mani erreidjt hat, axfet zo
fie in twas andres aus. Ihre Ausartungen find aber
Zu 30: Dieſe fahöne Vemetlung — wie mie dontt auch auf
Zeutfchland — ‚Europ
(ce Republic eimicher Be
anwendbar.
immer in ihr allein motivirt, und dauut ft allemat Ele
Teitigfeit, nur mehr oder minder, verbunden, In Griechene
land aber machte bie gegenfeitige Semeinichait der vers
ſchiednen Nationen, die fait alle auf verſchiednen Graden
der Kultur ftanden, und eine ehr verſchiedne Art der
Ausbildung beſaßen, daß ſich bon einer Nation auf die
ambre manches übertrug, und wenn and), bei ber Ehre
richtung der alten Nationen, das Fremde nur ſchwer bei
ihnen Cingang finden lonute, jo gieng doc) immer mehr
über, als wenn jede abgejondert erütirt hatte, Dich
geſchah aber um jo mehr, ols doch alle immer Griechen,
und aljo in der unſprunglichen Anlage der Gharaltere
einander gleich) waren, jo daß dadurch Ucbergänge der
Sitten yon der einen zur andren erleichtert wurden. —
Ja wenn aud) biefe wicht Statt fanden, machte dennod)
das bloße neben einander Exiſtiren und die gegenjeitige
Eiferfucht, daß die eine Vorzüge nicht vernachläffigen
durfte, Durch welche die andre überlegen werden konnte,
und auſs mindefte ſezte dieſe Eiferfucht die Kräfte einer
jeden in thätinere Bewegung.
31.
3. Moment. (16.) Viele zufanmenkommende Urſachen
bradjten zwar bei ben Alten ſeht entſchiedene Nationale
qharaltere und daher weniger Diverfität in dem Charatter
und der Ausbildung ber einzelnen Bürger hervor, nd
jo herrſchie unter diefen von diefer Seite eine verhält
nlindßig geringere Mannigfaltigleit, als unter den Neues
ven, Allein auf der andren Seite machten doch auch
bievon die mehr wiſſenſchaftlich gebildeten Nationen eine
beträchtliche Ausnahme, und auherdem famen 2 Umftände
zufammen, jene Mamvigfaltigfeit wieder, und vielleicht um
mehr zu befördern, als von jener Seite her Fit,
1, bie Bhantafle be hen war jo reizbar von
außen, amd er | jid) jo beweglid), daß er
= nicht bloß fr jeden Eindruk in hohen Grade empfüng-
26 Wilhelm von Humboldt.
lid) war, fondern auch jedem einen großen Einfluß auf
jeine Bildung erlanbte, durch ben wenigjtens bie ihm am
ſich eigenthümliche eine veränderte Geſtalt annahm.
82.
2, die Neligion übte ſchlechterdings Feine
Herrichaft über den Glauben und die Gefin-
nungen aus, jondern ſchränlte fi auf Carimonien ein,
die jeder Bürger zugleich immer don der politijchen Seite
betrachtete; und ebenjowenig legten die Ideen bon
Morslität dem Geiſte Feſſeln an, da diejelbe nicht 10
auf einzelne Tugenden und Lafter, nad) dem Maaße einer
einfeitig abgewagten Nüplichteit ober Schädlichteit der
Ichränft war, jondern vielmehr überhaupt nach Ideen der
Schönheit und Liberalität beftimmt wurde.
38.
4. Moment, (17.) Ein den Griechiſchen Charakter
vorzüglich auszeichnender Zug ift, wie oben (23.) bemerft
worden, ein ingewöhnlicher Grad der Ausbildung des
OGefſlhls und dev Phontafie in einer nod) jehe frühen
Periode dee Kultur, umd ein treueres Bewahren der
Kinblichen Einfachheit und Naivetät in einer fahen ziemfic)
jpäten. E38 zeigt fih daher in dem Öriehifchen
Gharatter meiftentheils der urfprünglide Chas
vakter der Menjchheit überhaupt, nur mit einem
fo hohen Grabe ber Verfeinerung verſezt, als vielleicht
nur Ammer möglich jein mag; amd Vorzüglich it der
Menſch, welchen die Grlechijchen Scheiftiteller darjtellen,
aus Inter höchit einfachen, großen ımd — wenigſtens
aus gewiſſen Gejichtspunkten betrachtet — immer. ſchönen
Zügen zuſammengeſezt. Das Studium eines ſolchen Char
(8 muß in jeder Lage und jebem Zeitalter allgemein
Zu 33: Diefe Stelfe enaltet bie ſeht fnuchtGare wahebeit, ba
man die Nufmerkjamfeit in neuern Jeilen viel zu wenig
auf iunem Iebensgenus richtet. cin fürtrefliches Stublanm
Über das Studium des Alterthums,
beiffon auf die menjchliche Bildung wirken, da- derjelbe
jam die Grundlage des menſchlichen Charakters über»
t ausmacht, Vorzügkid aber muß es in einem Zeit
alter, wo durch unzählige vereinte Umftände die Aufmerk-
ſamtelt mehr auf Sachen, als auf Menfhen, und mehr
auf Maſſen von Menden, als auf Indibiduen, mehr
auf äußren Werth und Nuzen, als auf innere Schönheit
und Genuß gerichtet ift, und wo hohe ımd mannigfaltige
Kultur ehr weit von der erſlen Einfachheit abpeführt hat,
heilfem fein, auf Nationen zurützubtitten, bei weichen dieß
alles beinah gerade umgelehrt war.
3.
Ein zweiter vorzüglid darakterijtiider
Bug der Örieden iſt bie Hohe Musbilbung des
Skhönheitsgefühls und des Geſchmalts und vor-
ziüglih die allgemeine Ausbreitung biejes Ge—
fühls unter der ganzen Nation, wovon fi Bei-
viele in Menge aufzählen laſſen. Nun ober ift Leine
Art der Ausbildung in allen Zeiten und Erdſtrichen
jo unentbehrlich, als gerade diefe, die das ganze Weſen
des Menſchen, wie es an fich beſchaffen ſein möge, erſt
oleichſam in Eins vereint, und ihm die wahre Politur
und den wahren Adel ertheilt; und nun ift auch gerade
feine jegt und bei uns jo nothwendig, als biele, ba «8
bei uns jo eine Menge von Tendenzen giebt, die geradezu
bon allem Geſchmat und Schöuheitsgefühl entfernen müſſen.
30,
So tft die Stimmumg des Charakters der Griechen
ad) allen oben aufgezählten Momenten überaus vortheil
beftehet: tie mir duntt in Beobadittng dev Sinber und
Aprer fortfehreitenden Entoiffung, da Lieft mar tägtid,
N marır und Terme dem menfchen
Datbarg.
28 Wilbelm von Humboldt:
haft für das Studium des Menſchen überhaupt am ben
ſelben, als einem eingelnen Beiſpiele. Aber dieß Stu—
dium Ät aud) bei ihnen vorzüglich möglich aus folgen:
den 2 Umſitanden: 1., hat ſich überaus
Menge don Denfwälern ber Griechtſch ilten,
vorzüglich eine Menge litterarifcher, welche in jeder Rutficht
zu dem gegenwärtigen gwetle die wichtigiten find. 2,, ex
fordert das Studium einer Nation, und vorzüglich aus ihren:
Dentmälern, ohne lebendiges Anſchauen, wenn 8 irgend
gelingen joll, fowohl an ſich einen entjehiebenen Nartonat-
Charolter, als auch überhaupt abgejchnittene, at denen
des Studirenden fontraftirende Züge. Nun aber geht
Zu 3: Nach meiner Überzeugung mu der wmenich biej
Gegenſtande am genauefien teumen am
ftubierem die ihm am nächiten legen; mei
iefe — blejenien finb. wei
ifim wirten, unb auf bie er unaufhl
weilen in witrfen und rlidwlirfen ber Oh
Hicher Kräften und ber Ent; En
it; und en * —— Be
ann ʒwed mai — Teiten,
I en ie dung) ‚anbaltenbes Studium
femme auf welche ex vermög Belr und
und immern Anlagen om meiſten
wollt vechjelirig mad) biefen memlichen ums
NE A ibn mürten, nach diefem (rumbjap
Die Gegenftlinbe ber Stublen fir a Ar
anne It bat
je ein
in han Im beim ie
vichtig 1 fi En] —F re
a ah, ftegen. ?.) mach Diefem
verdient meines eradhtend bie Oriegifche Iteratur
weit einen Vorzug als fie die voflfommenjte
ie di tet; umb zu de
en le al Bade
Über das Studium des Aiterthums. 29
bie Bildung des Menfchen in Maſſen immer ber Bildung
der Individuen voraus, und darum umd aus andren hin-
zufommenben Urſachen haben alle anfangende Nationen
ſehr entſchiedene und abgejchnittene NationelCharaltere,
5 Bei den Griechen aber vereinigten ſich, dieß zu befördern,
noch andre, ihnen eigenthünmliche Umjtände,
30.
Giebt man zu, daß man in dev That zu dem hier
ins Licht geftellten Endzwel des Stubiums Einer Nation
10. vorzugsweiſe bedarf; jo laßt ſich nun auch bald entjchei-
den: ob leicht eine andre an die Stelle der Grie—
lan treten könne? Es mühten nemlid, von einer
Br alle bier aufgeftellte Gründe und zwar, welches
zu bemerken tft, zujammengenommen gelten, oder
15 bie mangelnben durch anbre gleich wichtige erſezt werden.
Die ftärkften unter denſelben aber Gerußten alle mittelbar
und unmittelbar darauf, daß die Griechen, wenigſtens für
uns, eine anfangende Nation find. (18-23. 33. 35.)
Die Erſorderniß wird alfe aud unumgänglich noth-
zu wendig und amerlaplich fein. Ob fi mm in iegend
einem nod) umentdeften Exdftrid; eine ſolche Nation zeigen
wird, welche mit diefer Eigenthuͤmlichteit die übrigen, oder
ähnliche, oder höhere Vorzlige, als bie Griechiſche, ver-
Bände, oder ob genauere Bekanntſchaft mit den Chineſern
= und Indianern dieſe al3 ſolche Nationen zeigen wirb? ift
im Voraus zu entfcheiden nicht möglich. Daß aber weder
die Nömifche, noch gar eine neuere Nation an ihre Stelle
freien fünne, berpirkt {dom der einzige Umland, daß Diele
alle aus den Griechen mittelbar unmittelbar Ichöpften;
so und von den übrigen, ae alten Nas
tionen haben wir
m. Die Grlogen ſcopflen won
mer von (regen, wir von
r von ums. Dalborg.
30 Wilheln von Humboldt:
einzig bleiben; nur daß dich gerade ein — Bu
Vorzug, fondern mehr eine uf
relativen Tage ift. GVergl. Kants Kritik ber Te
©. 258—260.)
37
Wenn das Srubium der Griechen in der Abſicht
unternommen wird, die ich hier dargeſtellt habe, ſo er⸗
fordert natüruch feine eignen allgemeinen und befonde
ten Borjehriften. Die allgemeinjten und hauptjächlichiten
möchten ehon folgende fein: 1,, der Nuzen eines
Studiums kann nie durch eine, and von dem gelehri
Manne und dem größejten Kopfe entworfene Sch
der Griechen erreicht werden, Denn einmal wird dieſelbe
immer, wenn fie völlig treu jein joll, nicht individuell
genug fein Hnmen, und wenn fie völlig individuell fein
joll, wird es ihr an Treue mangeln müfjen; und zweitens
befteht auch der gröpeſte Nugen eines jolchen Studiums
nicht gerade in dem Anſchauen eines ſolchen Charakters,
als der Grichiiche tar, fonderm in dem eignen Aırfe
juchen befjelben. Denn durch biefes wird ber Äufſuchende
ſelbſt auf eine ähnliche Weile geftinmt; Griechiicher Geiſt
geht in ihn ‚ber; md bringt durch bie Art wie er jüh
mit feinem eignen vermilht, ſchöne Gejtalten hervor. E—
bleibt baher nichts, als eignes Stubium übrig,
in unaufhörlicher Mühjiht auf dieſen Zwek—
unternommen.
38.
2., muß das Stubium der Griechen jelbit
gewiſſen fpitematiihen, und auf diejen
bezugenen Orbnung vorgenommen wWers
Dem wenn gleich alle Schriftiteller in Nüchicht
jen Aue wichtig find; fo hält man ſich doch billig
füns exfte allein an die veichften, und wählt in dieſen eine
Zu 97: Thom und wahr; und auf alle Studien anwendbar Dalbarg.
Über das Stublum des Alletihunis a1
ſeſte Ordnung, die aber hier ſchwer zu finden iſt, da,,
wenn man auf die Materien ſehen will, man hier eigent⸗
Uch nicht Die Gattung ber Schriftſteller, ſondern ber
Sachen, die fie behandeln, betvachten mußte, umd wenn
man ber Zeit folgen will, es ſchwer iſt, nur zu bejtims
men, ob man auf die Periode des Lebens des Schrift-
ftellers, ober auf die der don ihm behandelten Öegenftände,
oder auf beides gewiſſermaaßen zugleich jehen ſolle⸗
39.
2, muß man am längſten nicht allein bei den
Perioden verweilen, in welchen die Griechen am
ſchönſten und gebildetiten waren, jondern auch
gerade im Oegentheil ganz vorzüglich bei den
eriten und jrübeiten Denn in diefen liegen eigent>
lich die Keime des wahren Griechiſchen Charakters; und
es iſt leichter und intereffanter in dev Folge zu fehen,
mie er nad) und nad) ſich verändert, und endlich aus—
ariet. — Äuch polen mehrere der im Vorigen ausges
Ihrten Gründe (22. 23. 33.) ganz vorzüglich nur auf
Dieje früheren Berioden.
40.
Die Hülfsmittel zu diefem Studium und insbefondre
in der hier entwilleften Abjicht find vorzüglich, folgende;
1., unmittelbare Bearbeitung der Quellen ſelbſt
durh Mritil und Interpretation. Diefe berblent
natürlich die erſte Stelle,
Wilhelm von Humboldt.
4.
2, Schllderung bes Zuſtandes der Griedhen, Grie—
chiſche Antiquitäten im weiteften — des
Boris, welden ber hier aufgeftelkte ——— ‚böchite
Ausdehnung nieht Dieſe Hülfsarbeit iſt methiwendig 4
theil$ zum Verftändnif; der vinzelnen Tuellen, tGeils zur
allgemeinen Ueberficht, und zur Einleitung im das ger
fanımte Studium überhaupt. Jeder Schriftfteller behans
delt nur einen einzelnen Gegenjtand, und man iſt das
Einzelne nicht im Stande In feiner ganzen Anjchaulichteit 10
auf zuſaſſen, ohne von der Lage Überhaupt gehörig unters
richtet zu fein.
a2,
3, Weberfezungen. Diefe Binnen in Abficht bes
übefen Schriftſtellers einen dreifachen Nuzen haben. 15
Um Diejenigen fernen zu lehren, Die fein Original
zn ſelbſt zu lefen im Stande find. 2, file denjenigen,
ber das Original felhft Neft, zum Verſiandalß beffelben
zu dienen. 3,, denjenigen, der das Driginal zu leſen im
Begriff üit, vorläufig mit ihm Defannt zu machen, — in
feine Manier, ft einzuwen Beftimmt man
die Wihtinfeit diefe$ berichiebmen Nugens noch, dem Iier
genommenen Sera vuntt jo ift der INe der Eleinfte und
geringfügiglte; bei twichtiger, aber immer Hein, Da
gerade biezı Ueberfezungen Die ſchlechtern HüljEnikttel
find; der 3% aber ber wichtigſte, da durch Ihn bie Uebere
fezung zum Leſen des Originals reizt, und bei dem
Leſen ſeibſt auf eine Höhere Art unteritügt, indem fie
nicht einzelne Stellen verftändigt, ſondern den Geijt Des
Lefers gleichfem zum Geift des Schriftftellers tim,
2 der Ieztere noch Härer erſcheint, wenn man ihn im
ee St tubium erfordert das ee leben eines Manes,
—
a
Zu 42: firkehtar Dulleng Ex
Über das Studium des Alierihums.
dem zioiefa Medium zwei verſchiedner Sprachen ers
Bl. "Die en dickes En Nuzens allein
auf die Schäzung des Originals führen, und jo iſt ber
ſie Nugen einer Ueberſezung derjenige, welcher fie
Sf zerftört. Die Haupterfordernifje einer Ueberſezung
wechslen nun nach dieſem dreifachen Zwelle. Ju dem 1er
wird Anpaſſung des überſezten alten Schriftſtellers auf
ben modernen Leſer, alſo oft abſichtliche Abweichung don
der Exene erforbert; zu dem 2 Trene ber Worte und
10 des Buchitabens; zu dem ZEN Treue des Geiſtes, wenn
ich fo jagen darf, und des Gewandes, worin er geffeivet
it, wobei aljo vorzüglich viel auf die Nachahmmg der
Diltton bei Brojaifern und des Rhythmus und bes Vers:
baues bei Dichtern ankonunt.
43,
Um den im Vorigen dargeftefften Nuzen in feiner
‚ganzen Größe hervorpubringen, erfordert das Studium
des Alterthums die gröfefte, ausgebreitetfte, und genaueſte
Gelehrſamteit, die ſich natürlich nur bei jehe Wenigen
© finden kann. Allein der Nuzen iſt immer, wenn gleſch
in geringeren Graden auch da vorhanden, wo man ſich
nur Überhaupt, wenn gleſch mit minberm Streben nad)
Gründlichkeit, mit diefem Studium beichäftiat; und ev
theilt fih endlich auch ſogar allen denen mit, welchen
> die Studium mich ewig ganz fremd bleibt. Dem im
der Verbindung einer hoch Lultivirten Geſellſchaft kann
im genaueſten Verſtande jede Kennt eines Einzelnen
ein Eigenthum Alfer genannt werben.
Zu 43: er meinung des vobs =
7 e cren trinfen motll der ſhopſe recht
Ni bgelarte find verjtimmte
(ft ir joldhen menfdjen
ing tann mon in Minis
bildung De& is famm mer duch ambaktendes
Studtum erreicht werben. Dalbarg-
Deutsche Litteraturdonkmalo Nr. E02, 3
Finder. 3
Gott einpfieng — und fein oußgebreiteter Ruhm machte
ihn zum Organ jeder öffentlichen Feier bei Siegen und
Feten im ganzen Griechenland.
3
Daher entipringt die feitliche Wirbe und Erhaben—
heit, die ihm fo vorzügtic) auszeichnet, und die vermehrt
wurde durch feinen nationellen umd individuellen Charakter,
4
en des Möotifhen Charakters anf ihn.)
Der Hanptzug des Böotijchen Charakters ift unbe
büfjliche Schwere, und fürperlihe Starfe. Dann Hang
zur Mufit, insbefondre dev Flöte,
5.
Wenn man dieß verbindet, ſcheint Hang zu Eörper-
iger Thätigkeit umd förperlichem Gen; hervorzugehn.
Ueberhaupt fann man wohl die Bbotiſchen Nationalzüge
nad) andern Nationen desfelßen Heoliihen Stammes be-
urtbeilen. Im Ganzen kam der Aeoliſche Charakter dem
Doriſchen unftreitig näher, als dem Attiſchen. Schon die
größere Achnlichleit dev Mundarten fpricht dafiir, jo wie
dan beide Stimme jovtele und faſt bloß fpriiche Dichter
beſaden. Man barf daher wohl den Aeoliern den Haupt
zug der Dorier gleichfalls beilegen, vermöge beffen dieſe
weniger der Phantaſie und einer müffigen Speculation,
als der Mirtifet und den xeelfen Werhäftuiffen des
praktifchen Lebens angehörten. ben Dorletn. wenigſtens
im dem Sacedämpnrien, aber hatten biefe Züge eine ehr
bexedelte Geftalt gewonnen. herrſchte daher auf dev
einen Seite mehr Seelengeöße und Strenge der Eitten,
aber auf der andern auch, mehr Nigieitit umd daher
weriger Neigung zu Kinftlerifchem Talent. Bon beiden
dad Gegentheil zeigen in Lesbos die Aeoliſchen Sitten,
ge
36 Wilhelm von Humboldt;
an Menu u DR In dc chnen Ben
bie] eich Himmelsfteid,
Shasa —— Anlage in unglnftige Schronten
6.
Nachdem es auf dieſe Weife, durch Hilfe der Lese
bifchen Dichterſchule begreiflich geworden ift, wie
Pindar In Theben aufſtehen konnte, fieht man zugleich,
daß eine entſchleden lyriſche Stimmung und Hang zu
häufigeren Einmlſchen De eignen Perfon, dem
Schuld nenebenen Eigennuhh, und der Peierlichteit ober
‚Heftigfeit feines Ganges entdedten.
7.
* indlvibuelfer Eharakter.) *
‚Bu einem He der Götter und Helden paßt auch
Pindars Inbioibne Mer. Charakter. Tiefe Ehrfurcht für
Seelengröhe umd Tugend; mit edlem Stol; verbundenes
Beawuftenu feiner eignen Würde; endlich, der müde und
ae Frohſinn, welcher zum ferien Erguß der Empfine 20
einlabet machen die Hauptzüge ans, welche feine
HR verrathen.
et ich ſeine Frömmigkeit aus, bie mehr
Furcht zeigt, als mon jonit bei Grie-
bil rn gewohnt ft. Daher feine Beft
die Wotthelt duch irgend einen Ausdruck zu beleidigen,
Pindar. 37
und feine Vorſicht in ber Verwerfung unheiliger ober
abgefegmadter Fabeln. — Hiitorifche Beweiſe
9.
An diefe ſchließt ſich zunächſt die Verehrung der
‚Helden der Vorzeit an, die er oft als Mittelperjonen
wiſchen den Göttern und feinen Siegern braudt. In
diefen ſchätzt er am meiften gerade Tapferkeit und ofne
Stärke. Daher find Herkules, Achill, Ajax, Jaſon mehr:
mals bei ihm wiederkehrende Figuren; Dagegen LyE
jelft durch Homer: Namen nicht gegen feinen Tadel
geſchützt wird.
10.
Ebenfo ift feine ganze moraliſche Geſinnung auf
Offenheit, Treue und Genügfamfeit, auf Bürgereintracht,
Friedfertigfeit und Familienglück, dabei aber auf ein edles
Streben nad großen Thaten, nur verbunden mit Be—
ſchrantung unmäßiger Wünfche gerichtet. Neid, Selöftfucht
und Sinterfijtige Öfeifmerei erbittern ihm bis zur Härte,
11.
Aber jede Größe verſchwindet umjonft, wenn nicht
die Stimme des Nechruhms fie verherrlicht. Dieſe er-
tönen zu lafien, ift ex beftimmt; bei dieſem Gefchäft ſtehn
ihm die Mujen vorzüglich bei; und wenn er dem Haufen,
der ihm nicht faht, misfält, jo hat ex doch den Beifall
der Weiſen
12.
In dieſem ernſten, jtrengen, feierlichen Charalter
herrſche doch durchaus milde Sanftmuth und heitre Fröß-
fichfeit. Die Charitinmen find es melden der Dichter
am häufigften opfert, und wo ex die wünjchenswürbigiten
Dinge nennt, vergiht ex nie des finnlichen Cchenägenufieß,
erhöht durch die Freuden ber Mufit und des Geſanges.
38 Wilhelm von Hundert
Dich ſchloß eh) an feine nn un, da der Gotie⸗
dienft zugleid) immer mit Kunftgenuß verbunden war, —
Gefang feiner Töchter bei Naht, Schöne Stimmen ber
Bbotlerlnnen
13
Bon Pindars janfteren Gefühlen
zum fchönen Theoxenus. So viel
Derufte fie auf dem begeifteten Mefüht
und empfänglichen Seh fi für Schönheit
ab Hat mit Wintontfcher und Sofratifcher Sm
keine Aehnllichteit. In Theozenus Armen und im Theater
ſtarb er.
1.
Auf dieſe Weife war über Pinbars ganzes Leben
ein Glang verbreitet, in welchem Sröfie und Anmuth fi ”
gatteten. Hiermis muß man es fi erllären, menm
öfter auf das Lob des Meichtbums in feinen ——
zurücktommt, und wenn er bie Macht ber —
erhebt, als ehnem Griechen zu geztemen ſcheint.
baupt war ex wohl der eigenifidjen a
geneigt, loßt ſich aus dem Ganzen feines Eharatı
ters fchliehen, 4 er den ruhigen Lebensgenuf kn ber
Sicherheit des Friedens unfihern Gefahren —
vorziehen mußte. Vielleicht Daher fein Abrathen om
Perjerfvieg. Wenn am den Anekdoten von jeiner Ber 8
glerde nad) Relchthüumern eiwas Wahres ift, wie fih
alles wohl taum ablüngnen laßt, jo gehört dieſer Chara- |
bieher, und die Tempel und Bilojäufen, Die er |
ig Neigung mit ſeinem
it feinen moroliichen 3
Oefinnungen ylamamenhieig, |
15.
So Il Pinbar, von bem es wicht bekannt ift, ba
er fonft ein bügerliches Amt betteidet hätte, im genauer
Pindar. 39
fien Berſtande als ein öffentlicher Sänger, und als ein
heiliger Dichter, gleichjan als Priefter anzufehen. Dadurch
amd durch einen Antheil Vöotiühen und Aeoliſchen Nas
turels Gefommt er eine Würde, einen Ernſt, und eine
Sternge, die ihn den Hebräiſchen Sängern auch im
Charakter beinah ghulich machen würde, wenn nicht Die
Griechiiche Leichtigkeit, Milde und Sumlichkeit wieder alle
Spur eigentlicher Gleichheit verwiſchten.
10,
Ueber feine intellecruelle Ausbildung giebt die Ge—
ſchichte fo gut ls feinen Mufichluß, Imdeh find feine
Lehrer, Beitgenofien zu erwähnen, fein Umgang mit
ſchylos und feine Reiſen zu unterfuchen. — ort
fchreitung feiner Bildung; Beitfolge der Oben.
17.
(Beufre Befhaffengeit feiner Gedichte;)
Außer der individuellen Lage des Dichters ſelbſt
wu zur Beurtheilung feines poctifhen Charakters auch
mod) die zufällige und außre VBefchaffenpeit feiner Gedichte
Hitzugenommen werben.
18.
alter Corifhen überhaupt)
Alle lyriſchen Gedichte waren für den Geſang, die
meiften für eine Art iſcher Aufführung bejtimunt,
f, häufig mit Tanz begleitet
ji diejenigen, welche fie aufe
führten, und mt ftentheils war er jelbit ber Tonktiuftler.
Amiefetn gilt das alles auch von Pindar? Echidte er
bloß jeine Gedichte, oder unterrichtete Ehre mach den
so auswärtigen Ländern, für bie ex dichtete?
kn M
Finder, a
wovon im Pindar mr Ein Beifpiel vortommt) iſt es
iehr zweifelhaft, ab ber Preis mehr der Stürle ober
mehr dem Talent gebührte.
22.
Uber auf der andern Gelte war dex Preis, der in dieſen
Splefen errungen wurbe, ber höchſte, deſſen ein Grieche
fi vühmen fomte; und gegen ihn blieb felbjt das
peößefte Bürgerverbienft und der ſchönſte Kampf fürs
Vaterland zurücd, Griechenland kannte für jede Gräfe
einen eignen Dank. Stille Ehrfurcht, Liebe md Vertrauen
belohnten das achte Verdienft; aber lautes Frohlocken,
eraltitte Begeifterung, und ein Preis, an dem bie Stunz
Uchtelt und die Phantafie mehr, als Geift und Herz, Anz
heil nahmen, erhoben den Eleger ber Rampfipiele,
23.
Ihre Feier war eine Feier der Phantafte, Ales
wos die fo zeibare Cinbilbungstraft des Griechen au
beſenern vermochte, kam bei den Kampfſplelen zufammen:
bie ungeheure Menge des Volls, das nationale Vorur—
theil, da nur Hellenen dieſe Feler thellen durften, Die
nahe Verblndung der Spiele mt heiligen Gebräuden,
das ehrwürdige Alter der Einvichtung, dns ſich bis in
das Dunfel der Heldenʒeit verlor, der Wettlanpf ber-
ſchledener Griechiſcher Stämme in der Perſon ihrer Kam-
pfer, endlich die Gräfe des Schauſbiels felbft, die Schönheit
und Stärke der Ningerförper, die Pracht der Geſpanne,
bie welteifernbe Anſtrengung der 3
24
Diefe ſinnliche und phautaſtiſche Stinmumg zu er=
md nicht wenig bei, da der
fondern ein bloies Spiel, eine
ra Jeder ernitliche
42 Wilgelm von Humbofbt.
— itte durch bie glelt
Er re ee
— niedergedrlickt, oder a Ale
06 fie vielmehr in leichtem Spiel in Die ei, ba er
mr gleichjam die Form eines Fi Halten Hatte, a
md. der Sieger in ihm mur dem blofen Pa des
Nuhmes verfolgte,
2ab.
Was den Ruhm in Ze noch vor jeber
andern Gattung der Ehre auszeichnete, und ihn bejonbers 10
x einem Gegenſtande der Bhantafie und einer
— an — wie ex — *
jeber andre Ruhm ſam, mach ml *
mehrere zuſammentreffende ee Umftände, die
immer noch eine imgleiche Beurthellung und Würdigung 1
sulaffen, errungen; und wenn er elumal erworhen fi,
mu er erhalten werben, er leht mur in der fortbaurene
den Meynung der Menichen, auf die alſo aud) fortgeroirkt
erden muß, Bel den Kampffpielen war nur Ein
zu thun, amd ch war alles gewonnen. Der Sieg mufte zu
errungen werben; dieß Bein auf eine iedene un⸗
vertennbare Weile. Alle Meyhnung des Ruhms hieng
jept allein an der Meymug bes Sſeges und hier war
it mehr Unficerheit der Beurtheklung ober Beforguif
des Verluſtes zu fürchten. (Zu unterjucen, ob nadjberiges 2
Unterlienen, odex irgend eine Art der Aufführung und
des BVetragens bie Ehre eines Olympioniten tieber zu
ſchmalern dermochte.) Dadurch wurde die Lrkümpfung
eines Kampffteges jo jehr einer Vergätterung ähnlich, amd
dieh hat Pindar vorkueflic benuht. 2
25,
der Run, deſſen bie Sieger in den vier großen
jen, nun einmal aus der Neigbarteit der Phans
tafte der. Ösriechen, auf bie hier von allen Seiten eingewirtt
Pindar, 43
wurde, erllarbar, jo verwebte jich num diefer Gedanke in
alle gejelfcjaftliie und bürgerliche Einr chtungen Seht
war der Ruhm des Siegers, durch den er zugleich. fein
Baterland verherrlichte in der That etwas Großes, und
ie gering fein wirkfiches umd perſönliches Verdienſt ſeyn
mochte, jo ſtand er dennoch bloß durch den Platz, auf
ben er fi geſchwungen hatte, auf einer unendlichen
‚Höhe. — Veränderungen in dev Meymmg von der Größe
der Kampfipiele. Stviefern ſchon zu Pindars Zeit?
26.
Anftatt alſo daß die Beringfügigfeit des Gegenſtandes
dem Dichter Hätte zu ſchaffen machen follen, hatte ex viel-
mehr jebe Kraft anguftrengen, bemjelben gleich zu bleiben.
Da indeh die Größe deſſelben mr eine finnlihe war,
fo Geftimmte bie zugleich den Charakter ber Siegshymnen,
und jo ſtimmt dieſer Gegenſtand micht wenig mit dem
inbividuellen und nationellen Charalter Pindars, feiner
Lebensart und feiner Veichäftigungen üherein — obgleid)
fi, der ganze Umfang feines Genies und Charakters wldht
genau ausmeſſen läßt, da die Vehandlung diefer Gegen
fände fajt die einzige Quelle ift, aus ber man fchöpfen lan.
IT.
AR,
(Dumnere Natnr und Bserhaffendeit der Stegehymnen
tm Ganjen.)
zu Schildern ift nur am dem
Siegs hymnen mb — feiner übrigen
Stüde geben nur Mt
Siegehummen follten ben
& den Hubm des Sieg
u Wilhelm von Humbolbt.
Ausdrut der Freude und Auxuß bie Gothen bie
Sein Deb Eieaeb zu Bgehen Men, —
28.
Die Stimmung, in welche ber Di —
Zuhdrer verſehen mußte, m daher aus ———
ber Größe und ber Freude vermiſcht —
bringen gab der einzelne ſpecielle Sieg en,
wenig her; biefer Gegenſtand mar
nad und zu bekannt, als daf der Di
verweilen dürfen, Daher Fommt —
Ba der Rampfipiele ſelbſt im Vindar vor; en
befondre einzelne Umfände ſpielt er hie und da am.
Das Einzige, was er bon feinem Gegenftande entlel
Tau, iſt bie allgemeine Ider bes Ruhms und ber Ob
die mit den Siegen verbunden war, und die Gejchihte ı
der Vorfahren ud der Vaterſtadt des Siegers
20.
Hier aber exöfnet ſich ihm auch ein weites Feld für
die Phantaſie. Won der Familie des Siegers oder feiner
Boterflabt geht er leicht zu den berühmteſten Helden —
Srlechenlands Über. Durd) Phiefe bahm ex ſich den Weg
zu ben Göttern, und jo Müpft ev ben Sieger zulegt au
diefe am. Nun ift er in dem Gebiete, welches mehr, alt
irgend ein anderes der dichteriichen Einbildungskraft, =
befonders der begeifterten phantaftifhen Stimmung
meſſen iſt, welche die Kampfſpiele jo ausgezeichnet
gleiteten. Im dieſem verweilt er daher aud) am Hufgften
Hi längften, indeß er dagegen der größeren und ber«
Dienftvolleren Thaten der näheren Vorfahren, ſelbſt des
Kampfs für die Freiheit nur ſoarſam und vorübergehend m
30,
Doedurch alſo wird der Hauptcharatter des Dichters
glängend, erhaben und feierkich. Aber inde er bie Phans
Finder. 4
tafle anf diefe Welſe leicht erhebt und beſchaftlgt, miſcht
ec ber Empfindung zugleich noch einen größeren und
soliwbigeren Gehalt bei. Der Sieg, der nit anders als
durch Kampf zu ewringen war, führte natürlich die Bor—
frelfung der Anftrengung Herbei, die er foftete, und die
chwin delnde Böhm auf welcher der begeifterte Dichter
ben Sieger ſah, erinnerte an Die Gefahr, ſich des Sieges
zu überheben. Aus biefen beiden Quellen entipringen
vorzüglich) die ernten Verrachtungen, durch melde das
Gefühl der Freube auf ber einen Seite zwar gemäßigt,
aber auf der andern auch würdiger und dauernd ge—
macht wird.
a.
Allein auch Hier herrſcht dieſelbe Erhabenheit, welche
den Dichter überall auszeichnet. Die Unveränderlidhkeit
des Schiejals, die Vergleichung dev Nichtigleit ber Men—
ſchen mit der Macht und Größe dev Götter find das oft
in monnigfaltiger Behandlung wiederkehrende Thema, So
verbindet jich überall in der Wirkung, die Pinder her—
vorbringt, gehaltvolle Tiefe mit anmuthiger Fülle und
Leichtigkeit, (Nemeen IV, 10—14,) Die Stimmung, in
Die jene Beften Gticde den Leſer verfeßen, ift nemein-
Ichaftlich durch die größeſten und exhabenften Ideen der
Vernunft, und bie glängendften und lachendſten Bilder
der Phantafie bewirkt, und durch den Gebrauch vom
beiden jtrebt ev Einem und demjelden Ziele entgegen.
Gefühl der Nuhe und.
jre und große Grundlage
eift er zuerſt daB Gefühl
0 ng der furdtbaren
günftige Schiele
ie zu vermeiden,
arm fuhr ex jelbt bie
46 Wilhelm vom Humboldt
Einbildungstraft jo oft, as es —
Gegenſtand feiner Schil durch di J
ſtellung und die u des re —
— — — =
Ende werden dieje beumrubigenden Pre 61
um ausgeglichen und in eine gleichſdemige
aufgelöft, die, zufrieden mit dent fteten Gange bes
jals ımb dem Willen her Götter, fich dem Genuß der
Gegenwart, aber mit weiſer Möfigung überlöht, Weit
dem Oenuß wird immer zugleid) mıf eble —
gewieſen, und innere Größe und äußerer Ruhm immer
als wechſelswels ſich erwerbend und belohnend Dargefteift.
33,
ö au die — en a.
Jette gen gewinnt ar, e Stimmung 113
Größe, in die er den Leſer verſeht, mehr Würde und
Feierlichfeit empfängt. CS ift feine ierdifche, fondern eine
hinmliiche Höhe, auf die fich der Dichter berfeht fteht.
Dieje aber mahlt er mehr für ven äußern, als bem
inneren Sinn aus. Daher der jtrahlende Glanz, der »
über alle jelne Schilderungen ausgegoſſen ift, und bie
File der Bilder und des Auspruds, die mit erhabner
Leichtigkeit dahinrollt. Daher vermeilt er jo gern mu)
bei Begenftänden jinnlicher Pracht und röfer und dev
lanz bes Gothes, die Macht der Mönige, der Scholl =
des Ruhms, lauter Objecte, auf die ihm der Gegenſtand
feiner Dichtungen ſo notbwenbig führen mußte, verwebt
= dadurch jo fehr in den Choralter feiner Poeſte, dab,
fie nicht von felnem Stoff zu empfangen, ſondern
in ühelldh zu wählen ſchein »
34.
Irbße, deren Gefühl der Di herborbringt,
nicht gerade Grüße der — —— der Empfin⸗
dungen, eingelner Thaten, e8 ijt Größe der: Gpie
ſteng, des Dafeyns, des Leben? überhaupt. Wer fie =
a
befigt | ungettübte Ruhe, ift mit allem moraliſch
und phufiih Großen und Glängenden verwandt, elnlg
mit ben Oöttern unb mit dem Schlcſal. Daher ftammt
bie Ruhe, die Heiterleit, bie ſtrahlende Erhabenheit, die
5 ben Pindar vorzugswelje ausgeldnet, und bie ſich jo
ganz bom jener andern Gattung ded Erhabenen unter»
jeidet, welche die moralifc;e Größe im Kumpf gegen
die phofiche darftellt, und fonft von den lyriſchen Dichterit
oft gebraucht wird.
al 30.
Damit hängt es zufammen, baf .. .
[mr 40,
dor allen andern Jaſon, und Herkules heim
Zelamon. Auf ähnliche Weiſe ſind auch alle übrigen
15 Gegenflänbe behandelt, bie er aufführt, wenn fie much
nicht Icbendige Wefen find. Alles tritt in einem gewifjen
Charakter auf; nichts wird Stoß ben Sinnen, alles zus
gleich dem Gemüth und der Empfindung geſchlidert. Haft
bie treflichite Charaktericene, der Geſang Apolls und der
9» Mufen in der 1. Pythiſchen Ode,
4.
Der Umfang, aus welchem die Pindariihen Charat⸗
tere genommen finb, ift freilich nicht groß. Oöttermacht,
‚Heldengröfe, ımeigennüßige Nuhmbegierde, Verfolgung
> bes Laſters, Beihügung alles Öuten, ftrenge Offenheit
und Gerechtigtelt, Neigung zu Bürgereintracht und
Fumilienfiebe, und Frögliche Stimmung zum Genuß bes
Xebens, mit den en, die dieſen entgenengejept Find,
umjchliehen ihn 3 genau, Dennoch fehlt es immer
0 halb dirfes Kreiſes nicht an Mannigfaltigteit
413.
iguren Binde Die Götter: im Ullgemelnen,
bie sehe na, tabello| beit, 6
‚großer Heftigkeit, aber vor
Weisheit begabt, Eine ganz
fonft irgendwo borkommt?) Mor
Chiron. Die Götternatur, ihre Kraft
‚Hier mit der Unerfahrenheit
und der weiſe Grels ehrt bie eine,
belehrt. Die Charitinnen, janfte und | 3—
bie Geberinnen alles Glamzenden, Lachenden
lien. Einige allegorifche Figuren 3. ©. 9 H
übrigen Götter nur im jeigehn, mach hren ge
lichen Eharalteren erwähnt,
43,
Die Helden. Herhules, der Inbeguff
und Tapferlei. Jaſon, neben jenen
an zum Frieden geneigt, und von
Erelmuth. Mar, eine merhvicbige, in
Die Diosfuren, fanft, a
ollen und zur Hülfe
= eftechende Ch
Soryig lich ift der enftere ſchön
ai er Be diefer den
tere werden ee ge
den Gelenaratter
der Kyrene. Wenige aber L
ibfichfeit komnen bei (bes w
Binder. 49
chen a ‚Die und da ſchenen Charaktere, die beſſer
hätten bemußt werben Armen, vernachläfigt 5. B. Meben.
44.
Wo alfo die Einmiſchung des Epifchen im Pindar
wirklich gelungen ift, ba ftellt ec einzelne Wilder —
wirkliche Werfonen und Charaltere oder Handlungen und
Begebenheiten — auf, die, indem fie die Phanlaſie be—
ihöftigen, zugleich das Gemüth feinen lyriſchen Abſicht
gemäß itinmen. Die Eigenthünilichtelt des Dichters zeigt
Ih aledann darin, daß ec auf der einen Seite der
itajie ein ausführliceres, glänzenderes, reicheres Ge—
mählde baxbietet, und auf der andern dennoch das Genuith
Dur) den feiten und beftimmten Charalter feiner Züge
ſarler erichlittert, jo daß durch beibes zuſammengenommen
bie Stimmung, bie er hervorbriugt, und In ber extenſwer
Neichthum ſich mit intenfiver Stärke verbindet, zwar minder
heftig und plöplid, aber voller, dauernder, und mehr über
die ganze Seele verbreitet it, als bei andern hriſchen
Dichtern. Fehler hingegen, iu welche er nicht jelten ver—
fälkt, find theils epifche Cpifoden da einzuiveben, two fie
der Ipriichen Abficht eher ſchaden, al nüßen, oder fie
weiter, als in dieſer Ruckſicht vorthellhaft ift, fortzuführen.
45.
(Findars didantifher Theit, feine Sentengen.)
Das zweite Hauprjächliche Mittel, deſſen ſich der
Eh fer zu jeiner Abſicht bebient, find Die Sentenzen.
Dieſe braucht er zuweilen beinah mit zu freigebiger Hand,
and faft überall dienen fie ihm, bie derichiedenen Theile
längerer Abfchnitte feiner Gedichte, oder Des Ganzen ſelbſt
zu verbinden.
Ihe Juhalt ift wicht von jchr grohem Umfang und
ganz aus dev nommen, aus welcher er zugleich
Deutsche Littorstanlankmalo Xe. 39/02. 4
Pindar. 51
—* Zotaleindrud wird nun mr un jo größer, da die
Stimmung, in welche die Einbildungskraft ver-
= wird, dur die Wahrheit und Junigleit des matür-
üchen Gefühls, an das fi der Dichter zuerſt wendet,
mehr Gehalt und Dauer empfängt. Plndars EigentHimlich-
feit — denn im Ganzen bezeichnet derfelbe Chavakter alle
frühere Grlechiſche Dichter — liegt hiebei darin, daß feine
Weisheit noch gediegener und fraftvoller, aber auch noch
einfaher umd auf einen noch Heineren Kreis beſchrünlt,
die Ausficht ins Sdealiihe aber mehr für die Phantafie
und Die Sume, glängender und lachender ausgemahlt fit.
48.
(Einheit der Pindarifhen Gedichte.)
Nichts mußte bei den Siegshymnen jo jchwierig
jeyn, als in dieſem Stoff ein lyriſches Ganzes hervorzu-
bringen. Der Sieger jollte gepriefen werben. Das Thema
war bier immer der Ruhm, die Hauptempflindung Die
Freude. Aber beides war zu einförmig und unbeſtinmt,
os daß Leicht ein individuelles Iyrifhes Ganze daraus
hätte gebildet werben lünnen, Much giebt es mehrere
Sden im Pindar, die im eigenttichften Verſtande biofe
Siegesfeier find, einzelne poctiſche Schönheiten befiben,
aber im Ganzen, und vor allem, von Mufit entblößt, keine
Wirkung machen, Auch findet ſich in ſehr vielen eine
geroiffe Ginförmigleit der Anlage, Die fie in drei Stüde,
eine Erpofition, Verkündigung des Steges, eine hiſtoriſche
oder jententiöfe Digrejfion, ımd ein Zurüdtehren zu dem
Sieger und feinen Lobe, ſehr natürlich abiheit.
40.
An eine Einheit, wie man fie in andern lyriſchen
Dichten findet, die eine einzelne Empfindung, ein einzelnes
BD, einen einzelnen Gebanfen aufftellen, zu denfen vers
Bietet daher ſchon die epiich-Wyriidhe Gattung, bie und allein
ir
In den Uebergängen hereſcht die
eiheit. Die Phantafie alein bringt fie
Manchmat find die Mebergänge lojer, als fid
eine Weiſe vertheidigen läßt. Allein au
Der he Kir Mintkafe In der Slim
ter it feine fie in der
ex fich verfept hat, frei Herumfimeifen; ergreift
was fi, derjelben gemäß, auf feinem Wege ihm
und bricht am Erbe willfihelid ab, wenn er fich
verlert hat. 3
51.
— 2
Indeß iſt hierin doch mi ſoviel Wi 4—
als es auf — — ſcheinen e 5
Zwar ift 08 gewiß, Daß Pinbars Gejänge feinen fo
Plan, und nicht jo forafältig einander
ennen,
andre ſpãtere lytiſche
Nyvthmus Di
— ieges zu ſtimmen, und ald habe ex nur
allgentein das Gebiet überjchlagen, das ihm bie jedes
malige Weronlaflung üfnete und bier mit willtührlicher a
Frelhelt bie einzelnen Gegenftände gewählt. Jndeß wirlen
dennoch wenn wicht alle, dod) die ſchönſten Oden als ein
Ganzes auf die Elmbildungsfcaft, indem entweder Ein
Thema durchgeführt oder wenigitens Eine dauernde Ente
[1 — durch alle Theile des Stüds hindurch unterhalten
Diefer Leiten Art der Einheit bedient FH der Dichter
— mit vorzůglichem Glücke. Jede Ode hat im dieſer
t ihren eignen Ton, ihre eigne Haltung, bewegt
ſich ſchneller oder langiamer, erhebt ſich färker oder
10 fließt fanfter dahln. Voczuglich zeichnen fc Hierin einige
wie andre Fr —— a = — F
andeuten, doß es um mit Genauigkeit be—
ftimmen läßt. (Buthien 1)
52.
Sind alſo Pindors Gedichte felten als Ausbrüde
eingelner und beftimmter Empfindungen anzujehen, jo find
‚fie doch Ergleßungen ber Seele in einzelnen und bauernben
Stimmungen, die ihren Charakter der Behandlung jedes
un aufprüden, ben ev berührt. Bei der Eins
fürmigfeit jeine® Stoffs laßt ſich bier keine grofe Mannig⸗
ar erwarten. Feierliche Bünde verbunden mit jröhlicher
Unmuth verrathen fi fo gut als überall, Allein auferdem,
dahı bald mehr die eine, bald bie andre das Mebergeivicht
hat, auch beide ben Graden nach verſchieden find, jo
> finden ſich auch ganz eigenthämliche hejtigere oder janftere
Stlmmungen, Die legteren zeichnen ſich alsdann durch
— Bun und Lieblichtelt aus, und merlwürdig
8, daß auch die eriteren, ſelbſt wenn der Dichter
* Neid und Misgunſt kümpft, dieſe Eigeuſchaften
0 dennoch nie verlaugnen
Pindars on] imen eigenthümlichen Tyrifchen
Charakter. Stühne ern, ungenögntiche Qufammenz
5 fehumgen, neue Verbindungen der Cähe geben dem vor—
54 Suhhenn von Gumbolt,
mb prächtig dargejtellt; anbre um fie
Daher wohl die ——
des Dichters wechſelt, verändert ſich auch mi
Fon des Vortrags.
dä,
Rhottuuus.
Ueber das Silbenmaaß it es ſhwer zu lem,
da mir es nur ohne begleitende Mufit fennen. Pindar
ift darin erſtaunlich genau, und bewahrt nicht bloß die
Bahl und das Maaf; der Silben, jonbern auch die einmal 15
gewählten Abichnitte im ſehr vielen Slilbenmasßen.
vhythmtiche Periode hat einen jehr großen Umfang. ben
unjer Ohr faum noch zu faſſen vermag. Nie, cin einziges
mol ausgenommen, haben zwei Oden dasſelbe
(Ueber den Unterſchied dieſer Silbeumaaße von den Kirzen, 3
die ordentliche Sanons geworden find, und ihre i
ist genauer nachzuſuchen, wie auch über alles hiftorifche,
was das Sllbenmaaß betrift) Gewiß war jeher
mus dem Ton ber Dde angemefjen; ein
fich dieß auch jept nor) zeigen, und man mu; mie were a
geſſen, daß es hier auf die Muſil eigentlich ankam, und
das Silben maaß ſich nur infofern zur Beurteilung brauchen
laßt, als es mit dev Muſit übereinftimmte,
55.
(Beflimmter Begrif der Siegshymisen, als Mecapitnlation 5
des Borigen.)
Am richtigſten ſtellt man ſich Daher die Pindariſchen
Siegshymnen als muſilaliſch-poetiſche Ganze vor, In welchen
der Dichte, ... »
In.
Betrachtungen über die Welt-
gejchichte.
Es giebt mehr als Einen Verfud), die einzeln zer-
5 ftrenten, und ſcheinbar zufälligen Weltbegebenheiten unter
Einen Oefichtspuntt zu bringen, unb nad) einem Princip
der Nothwendigfeit aus einander herzuleiten. Kant hat
bies zuerjt am meiften ſyſtematiſch und abftract gethan;
mehrere find ihm nachher hierin nachgefolgt; alle ſoge⸗
nannte phlloſophlſche Geſchichlen find Verſuche dieſer Art,
md die Sucht, Betrachtungen über die Geſchichte anzu—
ftelten Hat faft die Befhlähte, wenigitens ben geicjichtlichen
Sim, verdrängt,
Aber biefe Cyfteme Haben meiftentHeils, außer dem
Fehler, nicht gefchichtlich und am twenigften weligeſchicht
Tich zu feyn, d.h. die Begebenheiten gemaltfam zu bes
handeln, und ganze Theile, die nicht in dem ſichtbarer
verknüpften hinelnpaffen, zu übergeben, noch ben, das
Wenſchengeſchlecht zu ſehr Intellectuell, nach feiner indivi-
duellen, ober gej ı Vervollfommmung, bie oft
auch moch, als bio tur, einjeitig aufgeſaßt wird,
und nicht genug nach ‚feinem Huſammen hange nit dem
Erdboden und dem Weltall, rein naturgeſchichtlich, zu
betrachtet.
Die Aufgabe indek läßt
weiſen. Es ijt einmal offer
ern,
But
Die Mast, welche Ken Jah
Menjehelt ausüben, gun u fi
—— zu ind diefe Ge A
des Gingelnen um —
die Beantwortung der Frage ans
Zuſtand ſich aus dem jepigen, fo tie Diefer a
zunächit vorhergepangenen, entiwidelt wird? *
Um daher eine jo auglehende Unterſuchung
weltgejchichtli en! tz
An, len wir im Fe Bell, ſowohl von. Eeiten ber:
ee, als der Erfahrung, Alles fi
freulich ae: RN. a
Umänderungen des Denfchengefchlehts, ver
Dort Unendliche, obe le in
leren Händen ee
bie Stellen zu zeigen, wo ber
bares und feftes erlaubt,
gebheſte
ft Bugleid) — cf
leich ei ſas en
enwart verfchmähend, zeigt in wie daß
Betrochumgen über die Weltgejchichte. 57
oft groß Geachtete Hein iſt, und wie am Meinten und
minzigiten gegen die Schidjale des Menſchengeſchlechts
im Ganzen und Wefentlichen die Herrſche und Streitſucht
der angeblich civiliſirten Nationen, das Zerſtbren und
Gründen mar auf politiſcher Eintheilung beruhender
Stnaten, und Alles, was einzelne Willtühr fchaft, micht
getragen vom jelbjtftändigen Willen ganzer Nationen.
1, Einleitung. — Phitofophüücher, — Hiftorijcher Theil.
2. Einleitung. — Was tft zu erwarten umd zu
tum? — Ras jind die treibenden Sräfte dev Waltge-
ſchichte) — Worin hat man bis jebt bei ihren Bear—
— gefehlt?
3. Bas if zw erwarten md zu tun? — Das
Menſchengeſchlecht iſt eine Naturpflanze, wie Das Ge—
5 ichlecht der Lzwen und Elephanten; feine verſchledenen
Stamme md Nationen Naturproducte, wie die Macen
Arabiſcher und Islandiſcher Pferde, mır mit dem Untere
Achied, dad fich im Keim der Bilbung felbit zu den Kräften,
die ſich in jenen, uns fichlbor, allein zeigen, die Ahee
der Sprache und Freiheit gefellt, und ſich beſſer oder
ichlechter bettet. nr. 4.
Der Einzelne ift im Verhältniß zu feiner Nation
uur In ber Art ein Inbivibuum, wie ein Blatt im Ders
hültwiß zum Baum, ebenſo kann die Gtufenfolge der
> Individualität weiter gehen, von ber Natlon zum Völler—
ftamm, von. diejent zur Race, von ihr zum Wienſchenge-
ſchlecht. Nur inmnerhalb eines gewiſſen SKreijes kann baum
der Untergeordnete vorärts gehen, zurüchſchreiten, oder
auders ſeyn. ar. 5.
Es giebt einen Moment der moraliihen Erzeugung,
auf bem das Judivlduum (Nation, ober Cingelner) wird,
was es jenm fell, nicht itufenweis, fondern plöglich. und
auf einmal. Asdanı es am zu jeyn, deun vorher
war es ein Andres. tejer Anfang num {it auch jeine
58 Saltyelm vom Sumborbt.
Vollendung: von da geht es —— —
wlclelung Vorhandenen, und mil |
wärts. Aber zwiſchen ben eig
Dipfelß, und dem Sichtbarwerden der
ein Schwanken, und Dies {ft Die fe Periode,
Die Natur im Großen, wie im erzeugt
An einer gewiffen Periode der Fruchtbarkeit, die man i
Jugend nennen kann, und was ich, ohne neue
nur fortentwidelt und bilder, nähert fein
gang. Die Veredlung des Inning ehe fe
nicht eigentlich von ftufenweifer Uusbildung, und an
jelben Smdiotduum, nicht einmal Complerus von Jadibi⸗
duen zu erwarten, fondern nur durch immer neue —
der mit Kraſt zeugenden Natur, und überraſcht mtr
durch Neuheit, Allein es erhalten fi bisweilen von ın
den Untergegangenen Ideen, welche die — Natur ·
erzeugung befördern, oder ihr aufhelſen, 0
nur fruchten, wenn fie mit junger oder erneuter
ergriffen werben.
Auher ber Vereblung bes Wege giebt m
es ein Leben deſſelben, das im verſchiednen und nahen
Beziehungen sit fie ſieht, und zuglelch einen unabhangigen
Werth für ſich Hat. Diefes Liegt innerhalb der —
menſchlicher Erhaltung und Beſrderung. und ift, mer
&5 nicht durd) Die (ut) des Schifals Puxchbrodhen wird, a
einer regelmöfiigen, ftufenwveifen Berbefferung fähig.
Aus beidem num, aus der Entridhung, deren Stufen
ſich verfolgen faffen, und den neuen Erzeigungen =
Revolutionen iſt Die Weltgejcichte aufammengejept, und
fi Beides muß ihr Gang beobachtet und —
Tg
muß aber durchaus aufhören, mit einer ges
utiven Gerechtigteit immer die Individuen zu
un auf das Ganze — und den Gang der
w am ihm bemerken. Dem alle Krofi des m
E Schöpfung macht nur Eine Mafje aus,
und — bie Jubivipualität, ois etwas gleichſom Nelatives,
0 *
—
Betrachtungen über die Weligeſchichte. 59
‚einer ſtufenweiſen Erweiterung fähig it, jo iſt ihr Be—
wußtſeyn auch nur das eines individuellen und momen-
tanen Daſeyns, und ſelbſt nur den Zuſammenhang des
Daſeyns verloren halten, wenn die Indviduolliäten anders
sufammenfllehen, Heißt über etwas aburtheller, wovon
weder Anſchauung, noch Begriff möglich iſt. Das Seyn
in der Beit ift ein bloßes Erzeugen und Untergehen, und
die Erhaltung im demfelben Zuftand ift nur ein trügender
Schein. Die Weltgeſchichte it daher und im dem ger
theilten irrdiſchen Dafeym nur die ums ſichtbare Auflöfung
des Problems, wie — ſey es bis zur Erfchöpfung bes
Begriffs, oder bis zu einem, nad) unbefannten Gejeen
gefterkten Diele — bie in der Menſchheit begriffene Fülle
md Mannigjaltigfeit der Kraft noch und nad; zur Wirke
Tichleit fommt. Die Menſchhelt aber kann nur Au ber,
der Erfcheinung nach, ganz förperlichen Natur Leben
amd eben, und trägt jelbft einen Theil diefer Natur in
fich. Der Geift der diefe beherrfiht, überleht den Einzel-
nen, ımd fo iſt das Wichtigfte im der Weltgeſchichte die
Beobachtung Diefes, ſich forttragenden, anders gejtaltenden,
aber auch jelbit manchmal wieder untergehenden Gelſtes
Die Natur und er find aber nicht im Kampf mit einander,
indem er ſich vielmehr Ihrer und Ihrer Zeugungskraft
bedient. Ihre Verſchiedenheit ſelbſt if vermuthlic; aufer
ihrem — eigentlich Eins jeyenden — Wejen, und nur
An der Bejchranktheit unfrer Unficht. VL nr.
Zu erwarten iſt alfo nicht eine immer fortichreitende
ti tüchvert don Zeit, Raum und
he abhfingende der
it, und ſich immer
Grab grabt jondern nur zu
vertrauen, daß die MM Natur und der Ideen ums
erſchopft bleibt, daß nmirgend etwas Neues erzeugt werden
lann, ohne nicht au unſer mit dem Ganzen eng ber—
einigtes Wejen, un Genuß überzugehen, und daß
in der Gegenwart ın und gelommenen Vergangen-
‚au behandeln. und joniel
Semüth zu beleben.
4.ad nr. 8.8.5 Re
nad) \
Bedurfniſſen ober Smaginationsgelüften, hat.
dleſe Bedurfniſſe, verbunden mit ben Lelden
volutionen, Kriege u. ſ. f in Allem diejem muß man
nad den Endobfihten, jondern nad) den Mao v
und dieje find oft phyſiſch und animaliich,
gung des Menfchengefchlechis, melche bie
zeigt, entſpringt, wie alle Bewegung in ber Natıre,
dem Drange zu wirken und zu zeugen, und bem
ie Diefer Drang erleidet, und folgt Gele
da der Menſch einmal eine
leiſt Foce an, gelingt, uber mise m
alückt, pflangt ſich in gewiſſen don Nationen zur
— 5 fort, umb. Ändert, erweitert
Betrachtungen über die Weligeſchichte. 61
Fluten zur Klarheit bringt. Jede noch jo rohe und
wilde Naturbewegung begleitet aber bie nie untergehende
Idee, Wo ein Krater einſtürzt, ein Vulkan ſich echebt.
hängt ſich Schönheit, oder Exhabenheit um feine Formen;
wo eine Nation auftritt lebt gelitige Form, und Phantafie
und Gemith rührender Ton in ihrer Sprache,
At in jedem Untergang Troft, ımb in jedem Wechſel Erjag.
5. ad nr. 3, ©, 5 [57]. Leben heifit durch eine ger
Heimnivolle Hraft eine Gebanfenform im einer Mafie don
Materie, als Geſetz, herrſchend erhalten, In der pe
ftfchen Welt Heift dieſe Form und bies Geſetz DOrgantjatton,
in ber intellectuellen und morallſchen Charakter, Zeugen
heißt, jene geheſmnißvolle Kraft beginnen loſſen, oder mit
andern Worten eine Kraft anzünden, die plöglid eine
gewiſſe Quantität von Materie im einer durchaus bes
timmten Form von der Maſſe loſreißt, und nun fort
dauernd dieſe Form in ihrer Eigenthämlichteit allen andern
Formen entgegenjtellt. Die wahre Indivldualität entjtcht
aljo von innen heraus, plöglid und auf Einmal, und
twird jo wenig durch das Leben hervorgebracht, da jie
nur {m Leben zum Bewußtſeyn formt, unb oft nod) ver—
Dunfelt, oder verbreht. Da aber der Menid ein Thier
ber Sejelfigfeit iſt — jein diſtinetiver Charalter — weil
er eines Andern nicht zum Schub, zur Hülfe, zur Beugung,
zum Semohnheitsteben (mie einige Thlerarten) jondern des—
halb bedarf, weil er fi zum Bewußtſeyn des Ichs
erhebt, umd id) ohne Du dor feinem ud feiner
Empfindung ein Unding find; jo fih in jehrer
Inbivipualität (in feinem ch) zugleid; bie feiner BE
ichaft (feines = 108. Die Nation fit aljo auch ein
Inbivipuum, ‚der * Ind widuum vom
jonden, aber darum
doc). unfäugba men) Drganifation mit
dem Charakter Zodi dualität ſeſter, und es
find verſchiedene Kreiſe derfelben möglich, in deren jebem
entfernferem dmmer, ieh Degenlfekton eine wichtigere
Rolle fpielt.
Velrachtungen Über die Wellgeſcichte. 63
dies dor allen diejenigen, auf welden Religion, Verfajfung,
Öffentttdyes, Häusliches und einfames Leben (aljo zugleid,
Vergnügungen, Kunſt, Philoſophie und — Ban
Sie vorzüglid) find die Bildenden Nräfte der
Aber Wehnlichleiten ber lettteren in ihnen führen it
immer auf Abftammung, oder Mittheitung, b wenig als
Aehnlichfeit in den Spradien.
Die Kraft der Trügheit zeigt ſich in dem anima·
liſchen, und int imtelleftuellen moralischen durch Gewohnheit
und Leldenjchaft animaliſch werdenden Leben ber Nationen
und Einzelnen, Die Enförmigleit der Xegypter, Indlaner,
Mexieaner, u. |. f ift eine Frucht diefer Kraft,
Aus dieſen verſchledenen, einzeln ober zufammen
wirlenden Nräften, deren Wirkung aber oft ſchwer zu
erlenmen ft, gehen die Schiekfale des Menfchengefchlechts
hervor, ımd bei jeder in demjelben auffretenden merkwirr-
digen Oeftalt (je) es einer Nation, ober eines Judiiduums)
läßt ſich, außer ihrer Beihreibung und Würdigung. nur
fragen, wie fie entjlanben, wie zu bem geworben ift, was
wie im ihr enbliden?
7. ad nr. 3, &. 7 [59]. Unter dem Ganzen, auf bas
man jehen joll, wixd aber hiex nicht die jept oder jedesmal
febende Menjchheit, fondern der Begriff bes Menjchenges
ſchlechtes verftanden. Dieſer ſtellt fich theilweiſe in jeder
einzelnen Nation und jedem einzelnen Individuum, allen
falls wegen des möglichen Yufammenhanges aller zugleid,
Tebenben in jebem einzelnen Zeitalter, aber als Ganzes
me in der nie zu erveichenden Totalität aller nach und
nad zur Wirklichkeit Tommenben Einzelheiten bar. Daß
der Begriff der Menfehheit, uch durch die jo ganze Totalie
tät, jemals wirklich ern die alten Markſteine der
Schöpfung derrüdt würden, it in der Beit möglich,
Mn wareve Weos zer! Aber möglich und. wol
wendig it, — der Subegriff ber Menfchheit, die Tiefe
unerhalb Ihrer Grün unb nad) zur Klarheit des
Bewußtſeyns komm er Geiſt durch das Streben
danach, und das Lhelfweije Gelingen bie Jdee der Menfd-
5
5
Betrachtungen über die Weltgeſchichte. 65
denen man gleichfam eine Reife von Monographien, ſoviel
möglich, nach ihren Wbitammungen geordnet aufitellen muß:
auf die Einwirkung, die fie auf einander und auf
ihre Bildung ausgeübt haben;
auf das Zerhältniß, in dem fie einzeln und zufammen
mit dem Begriff der Vienſchheit überhaupt und den einzelnen
durch ihn gegebnen allgemeinen Jdeen, und ‚mit einander
n Beziehung hierauf jtehen;
auf den Einfluß der jedesmal zugleich exiftirenden
auf die ganze Maffe und die ganze Dauer des Menfchen-
geitegts;
auf die Entftehung neuer intereffanter Erſcheinungen
in ber Menfchengefehichte, und auf das Sortleben der
einzelnen Völlerhaufen in dem einmal betretenen Gleife.
Bei diefer Methode werben zugleich alle Fäden des
Zufammenhanges menfchlicher Begebenheiten von ihren
Anfängen Bis zu ihrem Ende verfolgt, und aud) da, wo
diefer Zufammenfang nicht vorhanden, oder nicht fichtbar
ift, die ganze Dannigfaftigkeit menfchlicher Geftalten, jo
weit fie anziehenb, oder belehrend jein Kann, durchmuftert.
Die Weligeſchichte wird unter einem dreifachen Gefichts-
punkt:
als einer der wichligften Theile der Wirkjamfeit der
Kraft de3 Univerfums;
als ein durch Stubium umb Scharffinn zu ent-
twirrender Knäuel oft kurz abgerijjener, oft aber aud)
Lang zufammenhängender Fäden;
als ein Mafftab der für das Menſchengeſchlecht zu
erwartenden Glüdjeligfeit und Wolltommenheit, und eine
Lehre beide zu erhalten und zu erhöhen
betrachtet.
Um aber dieje Betrachtungen an der wirklichen Ge—
ſchichte anftellen zu Können, müffen erſt viele philofophiiche
Unterfuhungen vorhergehen, um vorher im Allgemeinen
die Mögligfeit der Erfheinungen und ihres Zujammen-
hanges zu prüfen, und ihren Werth an ſich und Einfluß
um fid her vihtig zu würdigen. Diefe Prüfung und
Deutsche Litteraturdenkmalo Nr. 58/62. 5
66 Wilhelm von Humboldt.
Würdigung ift es aber beffer, immer zugleich an ber
Hand der Erfahrung anzuftellen, und gleich in fie, fopiel
al3 irgend nothwendig ift, von der Geſchichte aufzunehmen,
da Hier immer zugleid) mit von Erfahrungsgegenftänden
die Rede ift. Auf das, nad) diefer Methode, in dem
raiſonnirenden Theil ſchon hiſtoriſch Ausgeführte darf fi
der gefcjictliche alsdann nur kurz beziehn.
IV.
[Über das antike Theater in Sagunt]
[An Gosthe.]
Murviedro, das ehemalige Sagunt, liegt vier Meilen
5 von Volenca, eine halbe Stunde dom Meere entfernt,
am rechten Ufer des Fluſſes Palancia. Der Higel, am
deſſen Abhang die Stadt fich anfehnt, iſt oleichlam das
degre Glied zwei Beträchtlicher aus dem mern des
Landes tommender Gebirgsletien, die hier, ſich gegen das
Meer Hinabjenkend, zujammenftoßen. Die eine an ber
rechten Seite des Fluſſes hängt mit der Sierra da Period»
cola, die andre, .an der Linken, gegen Almenara zu, mit
ben Bergen don Esbadon zuſammen, und beide laſſen
bem Steome zwiſchen ſich ein oben breites, aber nachher
immer ſchinaler zulaufendes Thol
Keine andre Gegend am biefem ganzen Theile ber
Süfte bot antommenden Pilanzvöltern fo viele und reizende
Socmgen bar: Sich auf den Vorhügeln diefes Gebirges
feſtſehend lonnten fie der vereinigten Vorzüge der Meeres-
mäße, der fruchtbarften Ebne Spontens, und eines milden
und ſchonen Himmelsftriche: ſeſen. und fanden zugleich
in der natürlichen Sage | ‚Drts eine bequeme Schupe
wehr gegen feindliche Angriffe. Auch gehört Sagunt
mftreitig zu den äfteften ſpaniſchen Pflanzitäbten, und ihr
5*
63 Wilgelm von Humbondt.
Urfbrung verliert ſich in den
Alterthums. Ihre Gruͤnder und erften
ben Zeugniſſen der Geſchichtſchreibet Aufolge, |
und von then ſchrelbt fid) vermuthlich and) der Nam
der Stadt her.
Bel dem Anblicke dieſes Hügels, von dem der Bat”
Karthagos umd die Größe Noms ausging, und den —
in einer weiten Strecke hin die Trümmer
Jahrhunderte ımd Nationen bedecken, drängten Re
Bilder der alten Geſchichte auf einmal in mir zufanımert.
Unläugbar — die Zerſthrung Sagunts das Schigſal
der damaligen Welt, inven fie das Loos zu bem ers
bitterten Stumpf der beiden mächtigiien Notionen warf
Dieſer Kampf endigte ſich auf eine, wie man mit —
annehmen Zaun, wohlthätige Weiſe für die Men|
die unter ber Herrſchaft der mistrauifihen und —
tigen Harager [hmerlich hätte ‚gedeihen Einnen,
bebanern muß man immer, Daß dieſe Entfeheibung
das Ende der Treibeit jo vieler Griechiſcher Colonten an
en bes Minelmeerd nad) fich zog, heren umges
ft gegeben haben würde
) gem ae twiethlichen Buſen des
em ehrflichtigen Eroberungds
2 Noms nicht nad) und nad
eorilet, jo würen eine grofie
en entjtanden, die Einfälle der Barrı
te nie en uns
Hücher Stege, das Mihtelalter jelbft
pre Geftalt gewonnen und unfte
jen Sprachen waren aus ber reihen Fülle
Über das antile Thenter in Sagunt. ss
der Griechifchen, wicht aber aus ber äymeren und rauheren
Sateinifchen aefloffen.
Die alte von den Zatynthern gegriindete Stabt
fand auf dem Gipfel des Hügel, und oft mögen, während
ber entjeplichen Bebrängniffe der fürchterfichen Belagerung
bie unglüdlihen Sagunter ihre Mugen mit ſchmerzlicher
Sehnſucht mach dem Meere gerichtet haben, auf dem jie
eine Nömiiche Flotte und von diejer ihre Rettung erwar—
teten. Mn eine Erfe der Mauern, jagt Livius, meigte
id) im Das ofnere amd freiere Thal, md am einigen
Stellen erlaubte die Page des Orts nice einmal die
‚Heranbringumg der Belagerungswertzeuge Die nach⸗
malige Mönreritadt erftrechte fid) zugleſch über ben Hügel
und die barumter llegende Ebne, wie die Ueberreſte mich-
xerer Romiſcher Sehäude, unter andern der Rennbahn be—
weiſen. Die Mauren hatten ihre Burg und ihre Feſtunge
werte auf der Spige des Hügels Die heutigen Bewohner
haben diefe der verwüſtung und den Truͤmmern über-
faffen, deren Einfanfeit nm ein einzelner Cinfiebler teilt,
und nur einige wenige Häufer ftehen gegen das Theater
zu om Abhange der Anhöhe
Die Stadt iſt Klein, aber reinlich umd Hibjch gebaut,
und zählt, nad; Gavanilles 1525. Samitiendäupter, Cs
muß ihr weder an Gewerbe, noch an Wohlitand fehlen;
menigftens hat fich ihre Beuöfferung feit 1749. um 800
Bantımn vermehrt.
Der merhvärbigfie Ort in Muwiedro find bie Ueber—
vefle des alten Theaters, dos in feinen
zu, und hätte uns
Ahums md die
üdend [hönen Ausficht auf di ie reihbenatane Ebne und
das Meer losrelßen Lönnen. Ionen zwar, Liebfier Freund,
70 Wilßelm von &
Kann dieſe Gegend nur eine noch
zurhckruſen. Sie waren in Taorınina,
= noch wundervolleres Scauſpiel
dem Anblid des Meeres und einer
über den Trümmern ber halb bi
jo fuchtbar exhabe
eh —— — einen befto fdönexen
& der Liebfichteit an
F das Taomminer It dad Sogunt
dent nedpten Theile mach im Felſen ausg
fehlen mm die beiden Felsſtücke, welche in jenem a
Enden der Seene begrängzen, und dadurch Die
zurüsprallende Stinume noch mehr zu verflärken bei
Es ift wunderbar, daß bie — Stunt ae »
Vorteil verichmäht, ſch Ihe Gefchäft bu, die Bug
— gewählter Patunlagen zu erleichtern.
fie — — wenn der eignen ——
hret Werte —— Größe fügte, em«
m des Ebenmaßes und der a
zu äufammeng: ſcheinen. und natürlichen
Srotten eines Aigen Berges ‚gleichen.
— Ren egt etwa auf der Mitte
uternocht und —
Sid und Beit geübt.
man auf dem Wege von dem Marltpfafe
end aus , tritt man zur Rechten
Drc) e en der Seitengebaude a
großer Theil, und eine
noch jegt, mie es ſchein
Au
Über das umtite Theater in Soqunt. 7
öde, welche ehemals das ganze Theater Hatte, Zum
Theil aber find die Bogen eingeftürzt und einige der
vordern diejer verfallnen Gemäner dienen Wohnungen
der jehigen Bewohner zur Stühze. Man ficht hier in
die Thiven zu ben inneren Treppen und Zugliungen hin—
ein, aber erſt in ber Mitte ber Orcheſtra gewinnt man
einen beftinmten Ueberblick des Ganzen.
Denn ber Halbeirkel der Sipe mit feinen verſchie-
denen Treppen und Thüren ift noch größtenteils unver-
jehrt. Nur ein Theil des oberen ET. durch den
man zu den Höchiten Voltsfigen einging, ein etwa gleich
großer der oberften, wie man glaubt, den Weibern bes
ftimmten Stufen, jo wie des Ganges, durch den bieje
fid; zu ihren Sipen begaben, und der ben Gipfel des
Gebäudes umtränzt, iſt — Da die Sitze ſammt-
Hi; Im Felſen gebaut find, fo dient ihnen der Berg ſelbſt
zur Hinterwand, bie äufere Mauer wird von ben Seiten
an, jo wie die Anhöhe altmählig auffteigt, immer nied⸗
tiger und Hat zulegt nur eine fehr unbeträchtlice Höhe.
Von den Seitengebäuden, welche die Hanpteingänge aus-
machten, fprach ich Ihnen jo eben. Sie ſind haib vers
fallen, allein zum Theil ſtehen noch hohe Mauern derjelben,
und überall genug, um die Thlren mb Verbindungen
der innen Gänge zu ertennen. Die Seenenwand —
welche bei den Alten eigentlich und fait ausjchliehend
scona heißt, da die Schaubühne, die wir Scene ober
Theater benennen, ihnen Die Vorjcene und das pulpitum
ft — dieſe nebſt den zu i it
Wor ganglich zerftört, aber
Stücde niedriger
at daher wenig⸗
oft ubige diefes dımlele
Theile der alten Theater.
indet ſih das Deuter jeht:
icſicht Eu es nicht —
72 Wilhelm von Humboldt
mon fonft gewöhnkid findet, oben einen eignen Stulen-⸗
gang gehabt, und man fieht ebt feine Spur elgentlicher
Berzterung, welche jedoch der Scenenwand gemangell
haben wird. ch begreiſe nit einmal, woran man en
lennen will, dafı wie man anzugeben pflegt, feine Bauart s |
Toscantf—er Ordnung geweſen fey. *
Für die Veurtheilumg der inneren Einrichtung diejer
Sebäude aber find mer wenige anbere —
Soviel ich wenigſtens Die Reſte der übrigen, T
Spanlen, Frankreich, Itallen und Griechenland amtrift, 10
nad) ben derſchlednen Neifebeichreibeen habe vergleichen
fönnen, ‘jo gewährt faum ein einziges einen ſo vollftäns
digen Begriff aller Theile auf einmal Die Scenenwand
(ein hobes und ſchmales Gebäude) muf; ihrer Natur nach,
leicht der Herftörung ausgeſeht ſehn, und ſelbſt ihre Bun: 1 |
damente wirden hernach durch Die fie bedeckenden
unkenntlich. Denn allerdings liche ſich durch Nachgraben
am dieſem Thell noch wohl einige Auftlarung über
Puntte erhallen. An den wmeiſten Orten ſieht olſo
das Gerippe der Sige; denn auch fie hat man grofien 3
theils zeritdrt, um jich der breiten Steine zu bediewen,
mit welchen fie gemöhnfic belegt waren. So ift vom
größeſten Theater Griechenlands, dem in Epidaurus, nur
noch). ein Theil der Marmorftufen unter verwachsnem
Geſträuch übrig geblieben. Unter den 30 bis 40 Thenterm 3
von denen man Nachrichten ſommeln kann, find nur etwa
das Oranger, das Taorminer, und das Hereulaner (vott
dem es aber nur leider ganz und gar am einer guten und
vollftändigen Beſchreibung fehlt) für die Scene, den wich⸗
tigfien Theil, und für die Ueberficht des Ganzen lehrreich,
Die übrigen dienen fat blof, das ſchon font bekannte zu
betätigen. Doc) geben manche von ihnen noch über eins
zelne Bunkte intereffante Aufſchlüſſe. Das Sagunter ift
das Einzige bei dem ſich noch zugleich die Sige ganz und
gar, und die Scene wenfgftens nach ihren Fundamenten ao
beurtheilen lift
Wenn man fich erinnert, wie ähnliche Ueberrefie des
An
Über das antike Tpcater in Sagumt. 73
Alterthums on andern Orten vernachlaſſigt werden, wie
fie mit Schutt bedeckt liegen, wle man fie von allen
Seiten plündert und zertrümmert, wie man oft ihre ver⸗
ichiedenen Theile auf Höfen und foger in Sellern neuerer
Wohnungen nachſuchen muf, jo freut es Doppelt, dies
Denkmal mit fo ausgezeichneler Schonung behandelt zu
jehen. Es iſt durchaus von Schutt gereinigt, und fteht
von allen Seiten frei, Glnige wenige Heine Häuſer, bie
ſich am die Außeren Grundmauern der Scene anlehnen,
liegen fo viel tiefer, daß fie dem Auge auf feine Weife
Himderlich Find.
Einer ſolchen Sorgfalt genießt dies Theater Inden
freilich erſt ſeit etwa 15 Jahren. Bis dahin verdeckten
rohe Schutthnufen nicht bloh den Plah der Scene, fons
dern and) die Orcheſtra und ſogar einige der unteren
Stufen, und daher iſt die Beſchreibung deſſelben, welche
en Marti, Derhant in Alicante, 1705. dem dama⸗
igen Päbjllihen Nuncius am Spaniſchen Hofe Antonio
3 Yondadari überſchickte, und welche bisher die einzige
belannte, und überall ausgefchriebene war, teils unvolle
— theils falſch Doch bewirlten die Bemühungen
Marti's, daß da man das Theater bis auf ſeine Jeit
Bau don Kloſter und Privatgebauden geplündert
Haie; wenigſtens nachher ber muthwilligen Serjlürung
Einhalt geſchah. Noch mehr aber leiftete der thätige Eifer
eines heutigen Bewohners von Minviedro, Don Enrique
Valos 9 Navarıo, Dieſer verbienftvolle Mann ließ auf
jeite Koſten den Schutt von — jeften und der Scene
Theile des Gebäudes,
eine ausführliche Beſchreibung
und überall volllommen wahr gefimben habe. Bw Ber
ihn der Köntg von
u Aufſeher c bon Murviedro,
Stelle ein ordentliches Jahr&chaft an
dar Palos hatte das Berpnügen im Jaht 1785.
in den lepten Tngen dee ſufi und dem erfien des
Über das antite Thenter in Sagunt. 75
Schaubühnen anf die idrigen übertengen, da es doch gewiß
üt, doß biefelben nicht bioß ihrer Bauart, ſondern auch
ihrer urjprünglichen Beſtimmung nach einander durchaus
amähnlih waren.
Die Theater der Alten waren im eigentlicften Ver⸗
Fande Berfammfungspläße des Wolle. Nicht bloß un fich
zu ergögen, jondern and), um bei dringenden Vorfällen
zu berathichlagen, um einen erlauchten Verbannten wieber
in feine Mitte aufzunehmen, um eine politiiche Neuerung
durchzuſehen, Fam es hier ganz oder zum Theil zujammen,
Wenigftens one das der Fall in den griehifcen Städten.
Unſte erſten Schaufpielfäle dagegen, wenn Sie Marionettenz
gerüfte abrechnen, um die fi) zufällig ein Haufen Pöbels
verjammelte, waren Säle in welchen ein Fürſt feinem
‚Hofe, ein nur für eine mäßige Gejellichaft beſtimmtes Feſt
gab. Daher wurben in Frankreich, und mod) zu Ludwigs Id.
Zeit gewöhnlich die Ballhauſer, alfo lange viereckte Balle-
zien, zu dieſen Behuf eingerichtet, und das wenige Volls-
mäßige, was unfre jegigen Schauſpiele noch haben, Haben
fie erit fpäter, als man ftehende Schaufpielyäufer errich-
tete, umd regelmäßig und für Geld fpielte, erhalten. Wei
ben Alten nahmen Zehntaufende don Menjchen in auf
ſteigenden Halblreiſen die ganze Seite eines Berges ei.
Sie erfreuten ſich außer dem zeichen Schaufpiel der Kunft
zugleich des Anblids der Natur, und fügten zu dent
matiirligen Genuß ber freien Luft Im Griechtſchen und
Staltichen Himmolsſtrich noch vielerlei andre künſiliche
hinzu. Gegen die St & iften fie aus-
geſpannte reichgeftiekte ‚ die Si dus Sommers
fühten überall und
oberen Bogen; Boae ang
ohlger
gaben fie ſich zuglei
Natur dem Auge =
abs
Über das antife Theater in Eagunt- m
befränzt biefen Abſchnitt cin Porticus zu beſſen Thüren
die Treppen führen. Diejer Theil war, nad) ber Eitte
ver Römer unten den Mitten und oben bem Wolf bes
ſtimmt. Die erfiexen nohmen bekanntlich 14 Stufen ein,
bie hier durch einen Abjab welcher die boppelte Breite
der Site hat, im zwei gleiche Haufen verteilt ſind. Man
gelangt zu ihnen theils dinch bie fehmalen von dem ubern
Bogengang herumierfteigenden Treppen, theils Durch einen
inneren Porticus, der jeine Eingänge an den Seitenwänden
0 bes Thenters, und zwei Ausgange auf dem ebenermähnten
Abiag Hat. Auch führte zu jeder Selte eine eigne Heine
don aufen angebrachte Treppe zur 7ten Stufe, die zur
Bequeinfichteit ber Ein- und Ausgehenden von gleicher
Breite mit den Abfägen iſt.
Dem Volke, defen Sie ein zweiter Abfog von ben
Rittern trennt, find hier 10 Gtufen angewieſen. Es
itrömte zu denjelben duch die 6 Thliren des oberen
Bogenganges ein welche auf eben jo viel Treppen ftoßen,
und eud in der Mitte ber Stufen hat man hier file
mehrere Eingänge nelorgt, vermuthlich weil man unter
dieſem Theil ber Verſammlung das meifte Gebränge und
am wenigjten Ordnung erwartete.
Der oberjte Theil des Theaters endlich erhebt ſich
mit bier Stufen und einem Eingangsporticn® zu benfelben
über ben mittleren.
So find in allem 31 Kreisſihe und zwei Abſaäbe,
alfo zuſammen 38 Stufen gerabe wie im Hereulaner
Theater.
In ber Mitte des ‚hat ber zufeßt erwähnte
Theil fo wie der obere Portieus des mittleren einen ber
1näcptlichen Ginfch
befindlich iſt. Vert
Bildfäule. Saßen
Bußgeitell die Ge
Drbnung unter der enge zu halten befliuum waren,
fo fonnten fie durch mittlere Treppe zu allen Eigen
ber Verſammlung unter ſich, und durch zwei kleinere
a
o
a
Über das antife Theater in Eagunt. 79
Nachrichten wir ung verlaffen müffen, in den Angaben dieſer
Heineren Umftände gemejen jind. Die Treppen gehen,
wie Sie bemerft haben werden, gegen Vitruds Torferift
in gerader Linie von oben bis unten, und wechſeln nicht,
wie er verlangt, jo ab, daß die oberen, bis zum mittleren
Abjape Hin, gerade auf die Mitte der gwiſhenraume der
untern fioßen. Allein alle mir befannten Theater ftimmen
hierin mit dem Saguntiſchen überein, und auch unter ben
Amppitheatern erinnere ich mich feiner Ausnahme hievon.
Zwar werden Sie in vielen Abbildungen der Iegteren bie
Vitruviſche Anordnung finden; allein die Beſchreiber der—
jelben Haben aud) fait fümmtlich die Unart gehabt, nad)
feinen Angaben zu ergänzen, was bie Belt zeritört hatte.
Maffei, der fich oft hierüber beklagt, findet es fogar nöthig.
um feine mandmal unvolltommener jeheinende Zeichnungen
zu retten, ausdrücklich binzuzufegen, daß er nun einmal
nicht zeichnen Könne, was er nie mit Yugen gefehen habe.
Wie gut erhalten, und zue Erllärung der Vauart der
alten Theater mertwurdig daB Saguntifche iſt, fieht man
daher exit dann recht ein, wenn man von dem Plane der
übrigen daS wegnimmt, mas Bloß die Einbilbungsfraft
des Zeichners Hinzugefügt hat. -
Was Maffei vermuthete und für die Amphitheater
durch das Veronijhe unfäugbar darıhut, daß nemlid an
der unterften Stufe auf der Ebne der Orcheſtra bei
Theatern, ober des Kampfplahes bei Amphitheater, nicht
(mie «8 die Ueberfeger und Commentatoren des Bitrud
gewöhnlich zeichnen) von innen kommende Eingangstgüren
Zewefen find, dies beiweijt für die Theater das Saguntiiche
volltommen, da die drei völlig unverjehrt erhaltenen Sena—
torftufen nicht die mindefte Spur einer Unterbrechung
durch eine Thür oder Treppe zeigen, ja jogar bie großen
9 Treppen nicht einmal 6i8 auf bie erite von ifmen,
fondern nur bis auf bie legte darüber führen.
Für die Bequemlichkeit, die Füße dergeitalt auf die
untere Stufe aufzujeßen daß dadurch die auf ihr befindlichen
Zuſchauer nicht gehindert wurden, ſcheint hier nicht geforgt
Über das antite Thenter in Sagunt. 8
beiden ae Seele — er he
en lern welche ſen Gegenjtand
ausdrüdlich abhendeln, Vitruv und Pollız, der erftere
nur den Architekten zum Zweck hatte, und aljo alle —
een Eiriatngen entweder gang übergeht, ober
nur mit wenigen Worten berührt, Dex lehtere nur zum
Theater —5 — Ausprüde erlluͤren wollte, und alſo ohne
je Scheidung der Orte, Umſſande umd Seiten
loß einen Haufen derſelben zufanmenjtellt, beibe aber
einer. Zeit lebten, wo fie ſelbſt ſchon von gewiſſen
len feinen deutlichen Begriff mehr hatten, Die mangels
Höhe und dunklen Vorftellungen aber auch —
lt es unſern Nachrichten noch an Vollſtändigieit.
lonnte noch viele theatraliſche Einrichtungen geben, und
gab beren, aller Wahrjheinlichteit nad, in bev That, von
denen uns weder, in den alten Schrüftitellerm, noch iu
ben Ueberreſten dev Gebäube die mindeſte Spur übrigbleibt
Viele Tpeile der Briechifehen und Nömiihen Tpenter
waren offenbar aus Holz aufgeführt; die Natur der Sache
exforbert es; das Zeungnif; der Eriffteller befrätigt 65;
und das Heveulaner Theater zeigt noch — die deutlichen
Ueberbleibſel der zu Kohlen und Uſche verbrannten Balken
und Bretter. Was wir baber von den alten Theatern
noch jept übrig jeden, iſt (wenn auch unfre Einbildw
traft alles Mauerwerk bis zu feinem Gipfel wicderherfiellt
den) theils die Stellung
ſeibſt ein Berchlihes
) das an, mas bie Alten scona
chlichen Gruner} welche bie
Über das anılte Thenter in Sagunt. 89
nicht ſehr nah an die Sipe der — Anangegangen
‚zu ſen⸗ denn hinter ihr war noch für die Thymele ih,
und Hinter dieſer ſogar blieb noch ein Raum übrig, dev
‚groß genug war, einen eignen Namen zu verdienen. Auf
dieſe Welje aber fällt die Nothwendigteit —
Bühne des Chors eine geringere Höhe, als der Bühne
der Schauſpieler zu geben.
Immer indeß waren beide getrennt, jeder hatte —
obgeſonderie Stellung und Dies mußte wenigitens
Molle, weiche der Chor in der jpätern Traghdie —*
eine jehr gute Wirkung thun. Wie das verſammelte Volk
bei dem Schaufpiel, jo ift er bei der Handlung jelbit,
theifnehmender, aber nicht weſentlich mithandlender Zu⸗
ſchauer; und in diefer Eigenſchaft it ihm feine Stelle
fehe zwechkmaßig zwiſchen den Schaufpieleen und dem
angewieſen. Nur beitimmt, die Handlung, wo es
nöthig war, zu imterbrechen. oder ihre Lacken auszufüllen,
den Juſchauer in feinen Betrachtungen und Ahndungen
Ientend, ven handlenden Perſonen bloß feine mitladännte
Theilnahme — —* ſich durch die Trugſchlüſſe
ühres leidenſcha Wahns beſtechen zu laſſen durfte
ee ſich nicht in ihre Wirte mifchen. Seine Stimme hatte
‚ein boppeltes Gewicht, wenn fie von einem andern Plage,
oleichſam als der unmittelbare Ausſpruch des Schickſals
amp der Gottheit ſelbſt ertänte.
Allein much fo tonnte es nur erjt in jpäteren Zeiten
feye In ber früheren Teagdbte darf man fic ben Chor
———— nicht von den Stoujoielern abgeſondert
er nothtoendig auf demfelbe te der. Bühne mit ihnen
exfiheinen. In den Eumeniden jagt die Pythia ansdeikeke
10: a fie die fu r Racpegdttinnen anf
jlafen exbliche. Indeß
Über das annte Thenter in Sagunt, 1
Mit mehrerem Nechte liche ſich vermuthen, daß diefe
Erh entweder ein Altar war, uber einer Gruppe
von len zum Fußgeftell diente, im welchem fall fie
gerade in der Mitte dis Theaters und vor dem Haupte
thore der Scone eine ehichliche Stelle fand, Bas Theater
in Catana zeigt ſogar zwel derglelchen Erhöhungen,
deren jede, wie man noch deutlich ſieht, don vier Säulen
war, Nur muß man geſiehen, daß die Sagımz
tiſche —* dieſen Gebrauch, viel zu groß ſcheint
Da die Bühne aus Holz aufgeführt war, und und
daher Hier dieles fehlt, woraus ſich die Eimeichtung bes
Ganzen fonft überfehen ließ, fo Darf es 1m, duͤnlt mich,
wundern, wenn uns Hier Ungewipheiten in ber Er—
Mldrung eines einzelnen Mauerftücds übrigblelben. Vlel-
leicht diente dieje Erhöhung bloß den Bolten der Scene
zu einem ſillhenden Fundament: Gerade aus den Thüren
urden befanntlid) die Mafcjinen Hervorgerolt, welche
die Griechen Ekllytlemata nannten, und welche das Aus
nere ber Gemächer zu zeigen Beftimmt waren, und Da fich
0 au dem gröfeften Thor auch die fchwerfte und größefte
Maſchine erwarten ließ, jo war nur vor diefem vorzüglid)
eine Unterlage notwendig.
In den Funbamenten dev Seenenwand erfenmt mar
noch deutlich die Schwellen zwei großer Niden, zu denen
man, wie es ſcheint, durch Stufen emporſtieg. Die
‚größere, in dev Mitte befindliche hat über 25 (40. Kaftir
Lianifche Walmen) die Heinere zur Unfen Seite über 20
Branzöfilche Fuß (32 Saftilianifche Palmen) im Durd-
meſſer. Won der dritten, wei der Symmetrie zufolge
mothwenbig zur rechten Seite vorhanden war, Fit jet
nichts mehr zu jche
Als ich dies zuerſt bemerkte, wunderte ich mich, Tate
der bloßen Thore, die Alten gewöhnlich Ihrer
Scenenwond gaben, zu finden Allein jet
nad) genaueren Na n über de
itjeint mir fogar jtalt Sei weitem. vortheilhafter
mb bequemer, als andre,
Iber das antike Theoter in Sagunt-
Unrung immer mislungen iſt. Wenn der —
abging, verſchwaud die Decoration wieder mit ihm. Di
bie Thenterkunft fein mod fo fehr in ihrer inbgeit
gereſen zu jeyn, daß man nicht bloß das zeigte, was der
* — aus jeinem Standpunkt natlirlich auf einmal
fondern auch entferntere Dinge, indem man
= dem Begriff nur das Gemälde beifügte. So
een n balbeixkefförmigen Derorntionen, die
geſtellt wurden, umd in einiger Euntfer⸗
0 — von ber Stadt vorgehende Dinge, z. B. im Meere
ſchwimmende Perjonen vorftellten.
Auf diefe Welfe, dünft mich, hieng die Moglichtett
fremde, und nicht natürlicherweiſe in dem Hauptgebäude
der Scene mohnende Perjonen einzuführen von einer
5 eignen Einrichtung ded Theaters ab, und jo wird es ber
wie eine jo einfache ımd natürliche Cache, als
Anlunft eined Boten in einem Schaufpiel it, olB eine
eigne Erfindung und als ein Fortſchrut in der Schau-
ſpiellunſt angegeben werben lann.
Wenn man die Biehergebörigen Etellen der Alten
dm Bufanmmenhange lieſt. jo wird es über jeden Zweifel
hinaus Mar, daß jene dreiecigen Mafchinen alletr zur
Seite ded Theaters jtanden, und bloß dazu dienten theils
die Gegenden anzudeuten, aus welchen fremde Berfonen
; herfamen, theils fie jelbit auf die Bühne zu führen.
Dr Griechiſcher Name: Perlaeten deutet ſogar michts
anders als „umdrehbare Mege* am. Es ift daher um!
oreiflich, wie die Borellingart hat entftehen tönen, Die
wendafiens in een — über die Thenter
der Witen durchaus die herrſchende ſoblel Ich. mei,
‚noch don niemand beftii dafs meimlich j —— Maſchinen
auf ihren drei Seiten —
ſpiel angezeigt,
haupt⸗
wir ift feine
die wunderbare
orjtellung auf
>; vielmehr. geben
Über das antite Theater in Sagunt. 9
In biejem flanb gewöhnlich neben ber Wohnung ein
and Teppichen gebildetes Zelt, das ein landliches Ge—
bhude mit weiten Thorweg vorftellte: Als aber Antl-
phaues jeine „Schneiderin" gab, änderte er dies ab,
» mb Was vorher ein Stall gewejen war, wurde nun
eine Wertftatt.
Wie aber vertrugen ſich dieſe wechſelnden Decorationen
mit der ſteinernen und alſo underänderlichen Scenenwand?
Dieſe Frage, die man fich nicht enthalten kann aufzuwerfen,
70 ft in der That ſchwer zu beantworten, folange man ſich
diefe Wand durchaus unverbedt dem Auge des Zuſchauers
‚frei Dargeftellt denkt. Allein wenigſtens in der Epoche,
wo bie Thenterkunft einen höheren Grad der Volllommen-
‚heit erreicht Hatte, fcheint dieſelbe entweder ganz, ober
10 doch großentheils durch Teppiche verbedt geweſen zu jeyn,
— auch davin gewiß, je nachdem mehr oder weniger
ömmdvolle und richtige Ideen über Theateranorbnung
rei waren, zu verfchiednen Zeiten und in verſchiednen
große Verichiedenheiten obmwalteten.
» Zwar waren Die Teppiche deren Die Alter bei den
‚Theatern erwähnen allerbing3 von verſchiedener Art, und
derjenige, deffen am gewöhnlichſten gedacht wird, ift nichts
anders, als unjer Vorhang, der vor dem Spiel und
während ber Soifchenatte Heruntergelafien wird, nur dafs
= die Alten denjelben von unten auf in die Höhe rollien.
Denn dieſer in e8, mit deffen Figuren Did die Draden-
ſaat bes Kadmos vergleicht, wenn er jagt:
Ufo, wenn fi, euhebt dem Fejtihente
Steigen die Bilder empor und emhi han
er,
Dann — den — und in | re ie
&
w Allein es bleibende In Hintergrunde
des Theaters, | 1 waren, dem Aufchauer die
Burlftungen der it verberfen. Diejer wird
ar verſchlednen D) an Einer Eu aber jo
Deutsche Litteratu:
Über das amtite Theater in Sagunt. 99
Tanıen gemöhnlich gus ihren Wohnungen, aljo aus ben
Mittelthore. und den beiden Nebenpforten des Scenenge-
böndes hervor, Es jceint, daß fie in dasjelbe durch die
Seitenflügel, und zwar dergeftalt don oben eingingen, daßz
fie an ben Thoren durch eine Treppe wieder herabitiegen.
Wenigitens beſchreiben es uns einige Schriftiteller auf
Dieje Welje, und im Taorminiſchen Theater finden ſich
nod ein ſolcher Gang und eine jolde Treppe, melde
aus den Seitengebäuden in das Hauptgebäude führen,
Daher fonumt es auch, daß die drei Thore die Stellung
der verſchiednen Theile ber Decoratiouen bejtimmten. Denn
mir jehen aus ben Beichreibungen der Alten deutlich. daß
das haupiſachlichſte Stüd derſelben immer vor dem Mittel-
thore jtand, das nüchit dieſem wichtigfte vor Dem rechten,
endlich ein andres (denn auch hier janb ſhunmetriſche Anz
ordnung jtatt) vor dem finfen, Außer dan BVorftellungen
lonnten die Thore in diefen Nichen zugleich zu Zugängen
für das Wolf dienen. Zhre Slügel f—heinen vom Hol
geweſen zu ſeyn, da Vitrubius jagt, daß ſich die Flötene
fpteler, wenn fie ſehr Hohe Töne anftinnmen wollten, gegen
fie wendeten, um ihre Stimme durch das leicht wieder⸗
ballende Holz zu verftärten.
Uebrigens iſt das Sagunter Theater nicht das Einzige,
welches dieſe Einrichtung zeigt. Auch in dem des Pom—
eins, in einem andern zwiſchen Ferento und Vetulonio
bei Biterbo, in Dem Oranger, Arler, Cataner, einem mur
noch ſehr wenig erhaltenen in Vieenza und anbern find
die ſogenannten Scenenpforten entweber ſelbſt Nichen, ober
bei dem Sagunz
‚hen, noch ver⸗
jenen zu beiben
: Chor gia geweſen zu. jeym
feinen, welche de jenen Worübumgen und,
Zurüftungen dien e er iſt es zu beitinmen,
wozu bie dreizehn [2] bienten, bie Ste
unmittelbar hinter
Über das anlife Thenter in Sagunt, 101
fugungen bon ben Zwiſchenmauern eingenommen werden,
und nur ba jet Leer fichen, wo dieſe Mauern umgeſtürzt
find. Indeß ſcheint es übrigens gewiß, daß ühnllche
Vertiefungen dazu dienten Ballen in fie einzulaffen, die
wenn auch nicht Decorationen, doch den Bretterboben ber
Bühne zu tragen beftimmt waren, Houdl hat dieſe Ver-⸗
tiefungen im Xaorminer Theater mit großer Sorgfalt
unterſucht und beſchrieben; und eine gleiche Beſtimmung
mögen die Löcher gehabt Haben die man im Delifchen
Theater, im Telmiſſer und Herkulaner antraf, obgleich
hiejefben genauere Unterjuhung und mehr Aufmerkamz
feit verdient hätten, als die Reiſebeſchreiber ihnen ge—
widmet haben.
Die Vertiefungen unfres Theaters aber können dieſe
Veftimmumg nit gehabt haben. Ste befinden fich nicht
vor, jondern Hinter der Scene, und ftehen, ſoviel ſich
fehen fäfit, mit feinen andern Gewölbe in Verbindung.
Kalos iſt auf dem Einfall gerathen, daß vielleicht
dieje Vertiefungen für bie Schallgefäße befiinmt gewejen
jeyn möchten, vom denen Vitruv erzählt, und glaubt daß
fie vielleicht mit andern nod) in den Pröcinetionen befinde
lien zuſammengewirtt hätten. Er beruft ſich dabei auf
ein Soc), das fich auf der 1er der 14 Mikterilufen ber
findet, und gerade nach dev Wölbung dev erften Präcinetion
gerichtet it. Ich lafje es babingeflellt jeyn, ümviefern
diefe Muthmaßung Beifall verdient oder nicht. Allerdings
ilt die Uebereinftimmung der Anzahl, da aud, Bin 18
Gellen für feine Sc) fordert, auffallend. Allein
wunderbar bleibt es al diefe Vertiefungen gerade
hinter den Schauſpielern find, Daß fie eine fo fehr be—
trächtliche Tiefe hal af a deu Präcknctionen,
dem einzigen vechtmi Si diefer Saclnenteguug
nicht eine einzige
uthn Be: das ſchon
le din Eleres ertlärt, Denn
in der That iſt Begriff davon zur
machen, wie durch je aeftellte eherne Vaſen nicht
Über dns antife Theater in Sagunt. 103
babe die Probe gemacht, dicht an der Mittelpforte der
- Scene mit gewöhnlich lauter Stimme vorzulefen, und
Perfonen, die auf der oberſten Stufe in einer Entfernung
vor etwa 120 Franzöfiihen Fußen von mir, jahen ver
nahmen jebes Wort mit vollfommener Deutlichleit, Das-
ſelbe bemerkt man auch in dem Taorminifchen. Ich glaube
aber nicht. daß bei der Bauart der Theater der Alten
noch Lünjtliche Mittel notwendig waren, den Schall zu
veritärten. Da fie dasjelbe gewöhnlich an Felſen anlehnen,
jo mußten natürllich mehrere Gänge in biefen gehauen
ſeyn, und dieſe Hölen verjlärkten notbwendig zugleich bie
Stimme. Zu ber gleichen Wirkung trugen die Gewölbe
bei, die. falt bei allen teils zum Abſſuß des Waflers,
theils zu anderm Gebrauch unter der Vorfeene und der
Drcheftra vorhanden waren, Endlich aber lam noch das
amphitheatratifche Auffteigen der Site Hinzu, und es tft
belanut, daß die Stimme immer mit Leichtigkeit von der
Tiefe aus in der Höhe vernommen wird. Auch anders
mwärts findet man hievon merkwürdige Beiiplele In der
‚Einfiedelei von Santiago im Monferrat bei Barcelona,
die gerade Über den Kloſter in ſehr betrüchtlicher Ent-
fermmng in Selstlüften hängt, hört man mit volltommener
Dentlicpleit die Orgel und den Ehorgefang der Mönche,
ja, wie man berfichert, das gemöhnliche Sprechen auf dem
Kloſterblatz amd ähnliche Erfahrungen hat man neuerlich
am ven Negyprifhen Poramiben gemacht.
Wenn es dem Wunſche geroähet werben könnle, ſich
auf einige Stunden nad) dem n Athen und aitten
umer die Griechen zu veriepen; jo oilfite ich mir feinen
intereffanteren Zeitpunkt auszur (8 den einer theatra⸗
Ulcen Borftellung. Nirgen ware es möglich aleich
ſtart und vollſtandig en ren Anterſchied zu. ems
nd. ums herrſcht. Soviel
te davon zeigt, ſo
jfeit weniger, weil
verjtehen, und jie
Über das antite Theater it Sagunt 105
weſenheln des Gefanges und der Mufil: Das Griechiſche
Schaufptel wor ein Feft, ımd zwar ein Vollsfeſt, & beſaß
und verlangte einen ſinnlichen Gehalt, der fich mit unfrer
Intellectnalität nicht vertragen würde. Die Griechen, vor
dem Verfall ihrer Kunſt, jahen alles im Großen an, fie
forderten einfache, aber mächtig ergreifende Eindrüde; wir
bringen überall auf Feinheit, und alles verwidelt ſich vor
unſern Augen, weil wir eine andre Art das Einzelne zu
verknüpfen haben, als fie.
Der indioiduelle Unterſchied von einem Menſchen zum
andern {ft ſtarter und feiner unter uns, als bei ihnen,
und unſer Blick mehr darauf geübt, als der ihrige. Diejer
Hauptunterſchied zwiſchen ihnen umb ums aber, ber vor—
züglic; durch den Fortſchritt der Bildung entſteht, iſt
is gerabe ber, welcher anf das Theater den wichtigiten Ein—
Fluß ausübt. Wir verlangen immer die dealiſche Schilderung
bes Individuums, fie begnügten ſich an dem Bilbe ber
Menfchheit,
Wie aber verftanden fie, dieſes Bild aufzuftellen, mie
den einfachen Begriffen der Menfchheit und der Gottheit,
der Tugend umd des Schicjals eine Erhabenheit und eine
Macht zu geben, hinter der unfre Dichikunſt ebenſo weit
iblelben muß, als unſre bildende hinter der Vefttmmt-
jet und bee weinen Größe ihrer Formen! Und dazu
eng ir Theater und ihre Schauſoteltunſt umläugbar jehr
Wir mit unſern Bor on müſſen zwar Freilich
über Steifheit und Um ſchre ſobald wir von
helmartigen Masten und N e
0 That ift e& ſawer mit der eh ifthetifchen Gefühls
i je Hön er das Geweih Aftäong
rbarer kommt es und
des Sophoffes auf ihrer
Striemen der Schläge
5 ihrer Stiefmutter a r
Wie abe
bie riefenmtißige
[9
Über das antite Theater in Sagunt. 107
mäßig weite Entfernung dev Scene von ben Sthen feine
Ri Anorbnumg zu berratben
Palos, welcher das Theater gleichfalls Griechtſchen
Urfprungs Hält, ihm aber ein bei weitem zu hohes Ater
beimißt, gründet fich vorzüglich auf eine Seiteift in unbe·
tannten MiSpanticen Charakteren, die man auf einem Bad-
ſtein in einen Fenſter eines ber Choragten fand. Er beruft
ih zugleich auf eine Neihe Btegel, die in der Mauer,
‚welche die Bühne von der Orcheſtra ſchied, eingemauert
Find, amd die von ben früheren Bewohnern herzukonmmen
ſcheinen dein ſchon der Ort, wo man dieſe Juſchrift
fand, Läht nicht glauben, dafs dieſelbe auf das Theater
Bezug hat, Vielmehr ift es wahrſcheinuich, daß die Mömer,
‚bon denen, wenn auch das Theater an ſich Griechiſchen
Urfprungs fit, doch unftreitig alles noch jegt vorhandne
Treifiehiende Mauenwert herrührt. dieſe alten Steine gerade
ebenſo einmauerten, als es die Araber und Spanier nach-
ber mit den Nömifchen Inſchriften thaten,
Die Spitze des Hügels ift nur um einige Hundert
jrikt vom Theater entfernt. Co wie man aber durch
Das Thor des Kaſtells hindurch, dieſelbe betritt, fühlt man
ich aus Griechiſcher und Römiſcher Größe, in die öde
Barbarei des Mittelalters verfept. Alle Völkerhaufen, die
vom bier bis ins 13° Jahrhundert bieje Stüfte hinauf und
hinunterzogen, bemächtigten ſich wechſelsweiſe dieſes Hügels,
a eines bequemen Beſeſilgungsblates und fügen der
gerftörung immer neue Tri
und die um⸗
Kiegende Gegend Bald ü J nt = hnen gelangte
Murviedro wieder zu ı N dach dem Heug-
niſſe Arabiſcher va fogar mehr, als
Valencia felbit, $ der Ge Allein immer war
—E
Über das onute Teater in Sogunt- 109
\ nicht chen dauernd wieder, als bis Jalob der Eroberer
von Aragonien bie Araber 1238. daraus vertrieb. Seit
diefer Heit ift das Arogonifce Wappen über der Tpiwe
des eingehauen, unter dem man noch jeht in die
5 Mauern desfelben eintritt.
Man theilt die Muinen bes Koftells bie ſich wohl
eine Biertelftunde weit exftreden in fünf verſchiedene Platze
el, been man eigene Namen giebt, man zeigt Ihnen
Ueberrefte von Säulen, und Altven, Fußbbden von
30 Zempeln, auf deren einem man noch die Rinne zu ſehen
alaubt, in welcher das Opferblut abfloj, Eifternen, Mauern
manmigfoltiger Gebäude; Sie erlennen an einigen Stellen
noch einzelne Figuren von halb zerftörten Mofailpavimentem;
‚aber vergebens würden Sie verfuchen, etwas Einzelnes
15 genau zu unterſchelden. Meberall ijt mr Graus und
. Bermoüflung. Der gröhle Theil der neuern Mauern ift
von den Arabern aufgeführt, die ſich aber dazu Romiſcher
Steine bedient haben. jo daß Sie mitten in neuem
Mauerwert Romiſche Kapitäle, verlehrt eingemauerte In⸗
* ſriften u. ſ. f antreſffen. Ueber einer Thür in einer
Nifhe ſteht noch eine befleidete marmorne Bildſaule,
welcher aber ber Kopf fehlt. Aus den niedrigeren Trümmern
heben ſich von Strecie zu Strafe Hald eingeftürzte Thitume
bewor. Der erſte it. wenn ich mid, mit irre, ber,
welchen man den Mi ggthurm ment, Ev fcheint tein
Berk der Araber; er ijt Imvenbig mit Erde ausgefüllt;
von allen Seiten ine ‚Stufen und man hält ihm
für ein Grabmal. t
man den Namen
unſtreitig von ben
nur zwei bilune,
orragen, Etwa int
mertwärbigften Cihos,
Die Stimme des
nteit dieſer verlaffirem
Über dns antite Thenter im Sagumt. 111
man weiter muf dem Hügel gegen den Hertulesthurm Hin,
ſo verliert man die fruchtbare Ebne aus dem Geficht,
amd [haut tiefen in die waldbewachsnen Berge hinein, aus
Fluß hexvorjtrimt, Dean Fieht ihn über die
‚ die er im Zeiten von Ueberſchwemmungen
Sud und Steinen bededtt hat, und folgt ihm gern bis
denen noch jet bei den ſüdlichen Spaniern, wie ehmals
bei ihren Vorfahren, den Rbmern, das Getreide unter
freiem Himmel ausgetreten wird, laßt man ſich, mit williger
Dauſchnua in die Sitten des Alterthums verjegen,
Bon dem Circus, don dem kaum noch einige Ueber—
zefte ftchen, von dem Fragmenten von Statuen, die man
‚gefunden hat, von ber Menge theils Römijcher, theils
‚unbelannter AltSbaniſcher Inſchriften, von den Gefäßen
umd Scaalen aus Zöpferarbeit, über die man eique
© Wnterfuchungen angefiellt hat, von den Etlüden ber
Widder, die man auf dem Kaſtell als Reſte ver Ve—
Ingerungswerlzeuge Hannibals zeigt und andern Alter
ern diefer Art fage ich Ihnen nichts, weil dns
ige, was ſich darüber bemerken läßt, ſchon ſonſt
> gehörig gefammelt ift.
Laſſen Ste mich dafür die Schilderung eines Drts,
den, von dem Augenbtid an, da er in ber Geſchichte
erſcheint, mehr ald alles Andre,
mit einer. Römifchen Grabichrift
Neunzehn Jabre durchlebt’ er; da Iehieb vom Lichte
er Sag,
Weider mit güßendem Deut früh Aäı dem Iiepe
be ich dontſnus
Latium und Hellas. 113
daß von ihm aus alle mannigfaltigen menſchlichen
Sinnes und Borfiellungsarten verftändfic werden, die
man, werm man unmittelbar von einer zur andern über-
‚gienge, nicht leicht verſtehen würde
daß viele anbre Gegenftände auf vielfache Weiſe
ergreifen, allein keiner jo alle Anfprüche befriedigt, jo in
nichts antößt, jo eine vollkommene und zugleich energijche
Ruhe einflöt,
dof; die Weicpäftigung mit dem Altertfume bie e al
ſuchung nie zu einem Ende und den Genuß nie zur
Sättigung führt, daß es ſcheint, als könne man auf einen
Heinen, eng begrenzten Felde in immer unergründlichere
Ziefe groben, um immer größere Anfühten zu erhalten,
dab die Längft belannten Formen immer zu neuer Er—
habenheit und Lieblichteit fibergehen, und zu neuem Ein—
Hong zufammentreten.
Wos diefen Eindruck hervorbringt, lann man bie
Behandlungdart der Alten nennen.
Das Eigenthümfiche dieſer Behandlungsart num ilt:
die menjchliche Natur in ihren individuellſten und
einfachften Wirlungen, bloß durch Läuterung und Bus
———— uͤberall das Ideollſche anfpielen zu
FERN der höchſt möglichen Freiheit von jtofjartigem
Jutereffe immer mi biefe Form dor Augen zu haben,
dieſen Webergang vom udividuellen zum Ideglen, vom
Einfachften zum Hödhften, vom Einzelnen zum Univerfum,
ihn wie einen freien Rhythm mit. ewig verſchlede⸗
nem ıntergelegtem Ti erall ertönen zu Taffeı;
daher alles im Ganzen und yelnen, nur mehr
‚ober minder, ſymbolſch zu behandeln, und darin mit jo
jeyn, daß
heit ber Idee, f Bi dunlität der Wirklichkeit
aefdont wird. — Hierbei timmung. des Begriffs des
4 nicht di —— und. Unſicht⸗
ſey eins bloß) Die Hpillle des jonft
DanR, 8
114 Wilhelm von Humboldt.
Der Geift, der ſich eine ſolche Behandlungsart er-
ſchafft (denn Schöpfer derjelben waren die Grie—en un-
täugbar) muß ihr jelbit ahnlich jegn. uf eine wenig
derſchiebene aber bie Anficht weiter führende Weife läht
fi num der Griechiſche (dev, welchen allein man ſich al
Urheber der ächt griechiſchen Werfe denten Tann) aug jo
beichreißen:
daß fein weſentlicher Charakter darin befteht, bie
Form der menſchlichen Individualität, wie fie ſeyn follte
darzuftellen, und zmar, welches eine mehr zufällige Neben-
bejchaffenheit ift, bie vorzugsweiſe an Gegenjtänden ber
Anſchauung zu thun.
Dies zu erklären wird eine Epifode über Individua-
fität, wie fie ift und ſeyn jollte erfordert.
Eine faitoberflächlihe Betradtung und ein geringes
Nachdenken geben ſchon folgende Säge an die Hand.
Soviel ſich aud; ein Charakter nad; feinen Yeufe-
rungen und felbit feinen Eigenſchaften fchilbern läßt, jo
bleibt die eigentliche Individualität immer verborgen,
unerflächie, und unbegreiflich. Cie ift das Leben des
Individuums felbft, und der Theil, der von ihr erjcheint,
ift der geringjte an ihr.
Auf gewiſſe Weile läßt fie ſich indeß doch als bie
Eonjequenz eined gewiſſen Strebens, dad eine Menge
anderer ausſchließt, erkennen; als etwas poſitiv Werdendes
durch Beſchränkung.
Diefe Veſchrankung führt vermöge der Einrichtung
unfrer Vernunft auf ein über dem Individuum ftehen-
des Ideal
Die Vergleichung mehrerer Individuen mit dieſem
mb unter fid) macht die Anfiht ber gegenfeitigen Er-
gänzung verjchiebener zur Darftellung des Ideales möglich,
und einige Individuen führen ausbrüclich zu berieben.
Das auffallendfte Beiſpiel hiervon ift die Verſchieden-
heit der Gefchlechter, und ein auf dieſelbe vorzüglich
aufmertfames Gemüth Tann durch fie am volftändigften
das Verhältniß des Individuums zum Ideal kennen fernen,
=
=
®
®
Sortıra und Hellas.
und von ihr aus am leichteften alle andre ähnliche in der
Schöpfung borlommende Fülle auffinden.
Beſonders an diefem Belfpiele lernt man, bafı es
Ya für die beſchränltere Klaſſe, und endlich jogar fir
das Individuum ein deal giebt, das man dadurch er—
ie daß man die — des Strebens ſtrenger
weniger einfeitig macht, oder anders ausgedrüdt die Cigen
thümlichteit er duch das, was fie ift, als was fie aus
am den Tag legt.
Da aber jedes Weſen nur dadurch etwas ſeyn Far,
daß es etwas anderes nicht ift, fo ift ein wahrer, nicht
aufzuhebender Widerftreit, und eine ımüberfpeiugbare Kluft
zwilchen jedem und jedem auch der verwandtejten Indi—
viduen und zwifchen allen und dem deal, und das Gebot
im der Individirafität das Ideai zu erreichen ift von un⸗
möglicher Ausführung.
Dennog, — Dies Gebot nicht aufgehoben werben,
Jener Widerſtrelt muß daher mur ſcheinbar jeym,
und in der That entfteht er nur aus einer unrichtigen
Trennung deſſen, was, richtigen gefühlt, Eins und das
ſelbe iſt
Nichts Lebendiges und daher Feine Kraft Feiner Art
fann als eine Subftanz angejehen werden, die entweder
jelbft, oder in der irgend etwas ruhte; ſondern fie iſt
eine Energie bie einzig und allein am ber Hanblung hängt,
bie fie in jebem Mı ausübt. Die ki
exlfttrt mur mod) in dem geg noärtigen Moment, and
ki
Latium und Hellas, 117
fie aber nicht Kraft befipt als Wirllichteit das ft als Leben
gelten zw machen. Daher ift zwiſchen Idee und Leben
ein ewiger Abſtaund, aber auch ein ewiger Wett-
f. Seben wird zum Idee erhoben und Idee im Leben
verwandelt.
‚So it, um näher zu unſerm Vorwurf zurticdzufommen,
bie Form der Sndividwalität, wie fie ſeyn follte, das
Aufftreben einer von dem Iebendigen Bewußtſeyn, daß fie
anf das engite mit dent geheimnißvollen, und unergrlind-
Kichen, aber and; unendlichen Vermögen ber Natur zu=
fammenhängt durchdrungenen Kraft innerhalb der Grenzen
einer beftimmten Wirklichteit zu demjenigen, was jenem
verborgnen Vermögen entipricht, aber bloß als Ahndung
gefaßt und bloß als Idee bargeftellt werben ann.
Zu dem Ücbergange vom Endlichen zum Unenblichen,
der immer mur beat) ft, taugen ausfchliehend die
Ähaffenden Kräfte des Menfchen: Emnbildungstraft, Ber
munft und Gemüt, mb dieje Gebienen fi gewiſſer
Formen, welche nur ſoviel vom Stoff anmehmend, wm
mod) finnfich zu bleiben, mit eigentlichen Ideen in genauer
Verwandiſchaft ftchend, und daher allbeftimmbar, immer
einen ſolchen Eindruck hervorbringen, daß ihre Bejtinmt-
heit niemals beichränfende Gränze jcheint.
Dieje Formen find Geftalt, Nhytömus, und Empfindung.
E läßt ſich aber wo ch eine vierte, aber ſchwer exklär-
bare binzuffgen, die dem ächten Philefophtren fo vorher—
Ächmwebt, wie das Silbenmah dem noch micht nefundnen
Seit 2 —
Die Geftalt ſteht unte Geſehen ber
Mathematit des Ren h
Der Ryhythmus ent) aus den geheimmigvollen,
er
‚aber nothwendigen Hl N ht, beherrſcht die
ganze tönende Natın er beitändige, unfichtbare
Begleiter des
Die Empfindung.
Latium und Hellas.
erreichbarſten Schönheit und Erhabenheit ewig von neuem
beghnen und zurüclegen loßt, und ſeine Eigenthündichteit
in die Berbindung eines Höchit praltifchen amd. höchft
ideafifchen Charakters feht.
Neberhaupt läft ſich jede bedeutende menichliche Eigen-
Ahümtichfeit durch manmigfaktige Anfichten fchildern, von
denen eine nur bald beftinnmter, bald leichter erllärbar,
bald fruchtbarer tt, als die ander. Etne die ſich un—
mittelbar aus dem Vorigen exgiebt, und ich durch vielfache
Anwendbarteit empfiehlt, iſt noch folgende:
AUS, was Örichticher Geift Hervorbrachte, athmet
tief aufgefaßte Anſicht der Form der Natur, und unver
wandte Richtung der Phantofie auf die ewigen und jteten
Sefepe des Raums und des Rhythmus. Beides Tommt
5 in dem Begriffe der Drganifation zujammen, der die
ganze lebendige Natur beherrſcht, und ſelbſt wieder durch
die Höheren Verhaltniſſe des Raums und der Zahl beherrſchi
mird. Da zugleich Sehen und Organifation ſich wedjjel-
jeitig fordern, fo ſorach den Griechen in dem Diganiſchen
zugleid) die von innen aus bildende Kraft an, Dieſer
vorherrichende Begriff ded Organismus in ihm machte
mm, daß er alles ſcheute ımd vorochtete
was ſich nicht in Maren Verhälmiſſen zu Theilen
unb Ganzen aus einander legte,
was nicht feinen hof und felbft feine Form der
Idee eines Ganzen unterorbiele,
ich innere, frei wirlende Kraft athmete.
Alectueller Natur liebt
E 1 uſammenfügt, und
die Ider umendlicher, fid) organifeher Theile,
die ſich leicht an und eines Ganzen,
zur Schilberung
lichleit überaus Feuchte
in Allgemeinen boraus⸗
geſc bie hauptſtichichſten
——— 6, N [ ver Griechiiche Geift noch
Latium und Hellas,
ber unmerfbariten Theile aller Umriſſe entitehen, die jedem
Maß und jeder Andentung im Einzelnen entflicht, und
jelbit an der Stärke und Zartheit, mit dev zwei übrigens
volltommen gleiche Linien Busen —* tft Die verſchiedene
Phantafieftaft des Künſtlers erlenub
Worauf aljo der Griechiſche ler dorgüglich hin⸗
arbeitele, war etwas, dad er ber Tiefe jelnes Werls ans
vertraute, Damit es aus ihm wieder als freies Leben
al: er hielt ſich gem innerhalb beitimmt abges
0 ‚Grenzen, weil er. dies Heine Feld anders und
anders fruchtbar zu machen ee ſuchte mehr Eins
heit, als Mannigfaltigkeit,
Strenge, als Leichügleit a Reiz. Dadurı
durch die äußere religiöfe oder doc öffentliche Beſtimmung
15 der ſtunſt, durch die Lehrmethode in Schulen, und durch
eine edle Scheu, das einmal tveflich Exfundene zu der-
umeblen entfiond das Arbeiten in beſtinunten Ehaxakteren,
und da man unverrüctt die gröfiejten und reinſten Ver—
hültmiffe der Geftalt umd das tieffte Leben im Auge
0 behielt in idealen Götterdharakteren.
Was aber am meilten Bewunderung verdient, iſt
daß ſchon in der Epoche der ftrengeren Kunſt immer
Teockenheit und Härte vermieden blieb, und hlernach alle
Fülle des Lebens jo ſehr jene urſprünglichen großen
> Formen umgoß daß bie ſchlichieſte Ber bioß
in einem edieren Element t ihre ‚sedifche Durftigteit ausger
ER — haben ſchien. feiner Nation und
Meichthum
2 einer. foldhen
bewährt fid) aufs neue
Grundmethode. Den
Leghpter *
———
w - Latbum und Hellas, 127
zu faſſenden Abſchnitten dem Ohr vortragen zu
* Sr fie beſonders bei ben neueren Nationen
die Armuth des Wohllauts jelbjt vertreten mufi,
Dahı in dev That die Griechiſche Poeſie diefen Weg
genommen hat, zeigt die Sprache felbit. Seine unter
allen uns belannfen ift jo reich am mannigfaktigen Rhyth-
men, bietet den Verseinſchnitten jo paſſende Worteinjchntrte
dar, und trägt jo weit mehr den Charakter ber tönenden
— als einer einzelnen menſchlichen Empfludungsart,
wie z. hen * Lateinlihe in der Felerlichtelt, die Jialie-
der Weichheit, die Engliihe in der Kraft ans
‚Der zu — und zu ruhren an ſich
Em welche Weife nun wäre dies möglich, ten
mon nicht ammähme, daf ein großes, noch außerdem in
verſchiedene Stämme getpeiltes, unendlich Lebhaftes, ewig
jendes und fingendes Volf von einen von Natur
auf Ryhythmus und Wohlklang gerichteten Sinne beſeelt
geweſen jey? Nur in dem Munde eines ſolchen Volls
fomten fich bie Härten zufammenftoßender Silben, vie
N ganz andre Orunbjähe, als die des Ohres, zufammenführten,
abjchleifen, mußten ſich von ſelbſt Laute zujammenziehn
und verlängern.
Das hauptfächlichfte und urfprüngfiche Streben des
griechiſchen Rhythmus geht auf Fülle und Reichthum
} leichtgeregelter Elemente, ımd wenn man mit dem vorhin
über bie Empfindung Geſagten einig ift, daß nemlic, wo
fle ben Impuls giebt, die form mehr naft und trocken
dafieht, jo fieht man, daß bies Streben zugleich, wie
überall bei den Griechen, ein Streben as ſich heraus,
I nad) der Natur bin, nad) der Annäherung an ihr allbes
Princip it.
Denn es it immer dasjelbe Suchen des Unendlichen
im Enbticen, der Gottheit im Irrdiſchen, va einmal unleug⸗
bar ift, daß in diefem mehr al bloh Irrdiſches lieat und
5 biefes Wehr doch nur der BVegeifterung zugänglich ift.
Meberall bezeichnet diefer Trieb mac) dem örtlichen beit
Grlejifcgen Charakter. In den edien Veftrebungen ber
1
I
A a üüü
auf le Hefften und elugtelſendſten en
— — aus der der
— x Seine ie tn ac
eines! das
ne Bien =
dieſe Er ‚zu ertennen,
Alle Tichtung, die ſich. erreichte fie aud)
Seiten einzelne Vorzüge dor ihr, von der
entfernt, oder hinter ihr zurücbfeißt,
einfeitig auf Die Idee, oder klebt an ber
bat uldt Kraft biefe mit voller Sinnlichteit —
Uſch zu erhalten. Die Eigenthumlichten der
Bam me darauf — und alle E77
‚u erreichen, zu befiger, wozu, um
ae fagen,, Gehört!" Der Arıs der die ganze |
— belebenden Pak fühlen. Denn *
Typus beſteht darin, bei ——— Moment
Kung wicht die fie fich bedeutend umd tolter, fondern als
Ausdruck der ganzen Unenblichleit ber Kraft Kin
deren ſchon entwickelte Aeußerungen er als
trägt, unb beren noch nic geiehene ex in feiner
3. an der Neligion.
Der Geift der Griechen offenbart ſich theils im ber
Belchaffenheit ihrer Meligton, theils in Der Art, —
zu gebrauchen.
Xu beiden wird far, daf der Grieche ſich dert
‚zum Meberfinnlichen erhob,
daß er dies micht bloß aus abergttuttfen Beraege
gründen, ſondern aus reiner Freude an Ideen that, bemen
ex durchaus freies deld lief,
deß er die Natur des Ueberfinnlichen in den veinen
Ideen fuchte, die in dee That die Wirklichtelt, wie große
und ewige Geſehe beherrichen,
be Lanum md. Hellas. 131
daß er aber endlich doch mit ihmen wiederum auf
wundervolle Weife die lebendigſte Sinnlichkeit verband,
und alfo auch hier
fonbolifch beb
5 Daß den Griechen die Religion nicht bloß ein drm⸗
des Bebürfulß des Aberglaubens war, jonbern daß fie
Ähren ganzen Geift und ihren ganzen Charatter in dieſelbe
verwebten, ba der Einzelne dazu in ſich Betreben fühlte,
amd die Stanten Freiheit gewährten, zeigt fi, wenn man
»0 fieht, wieviel der Grieche eigentlich in Acker etigion fand,
1., den eigentlich religtöfen und moraliſchen Gehalt,
vor allem die Scheu vor dem Unbegreiflichen, Ueberſiun—
lichen, ohne die an feine wahre Größe und Schönheit des
menschlichen Weſens gedacht werden kann
E 2., eine lebendige Welt von Weſen, die, ihrer ganzen
Beſchaſſenhelt nad, Menichen bio von ihren Mängeln
frei find, ja felbft vom diefen moch das an fid) tragen,
was groß, ſtart und üppig ift, und nur auf eine wunder⸗
bare Weife dns moralijch Misfällige daran durch bie eine
© Borausfegung, daß fie Götter find, austilgen. Der ächt
Griechiſche Geiſt kennt im Olymp feine moraliſche Impu—
tation, bie Götter find ihm nur bloße Sumbole ber
Naturkeäfte in ihrem freien Walten; find die Kinder der
Unendtichleit und himveg über den traurigen Ernſt des
35 Grtenmens des Guten und Böfen, aus weldem ber Begriff
der Schuld entſoringt. Von der Zeit an, da beſonders
— denn der Scherz der Dichter glitt umſchadlich
ab) gegen die Immoralitat der alten Götter elſerten, wie
uerſt Socrates und Plato that, war es um die Unſchuld
50 des Griechiſchen Geiſtes geſchehen, und bald darauf erhielt
auch Funft nd Poefie einen töbtlichen Stoß in dem fie
um ihren Ernſt und ihre Wahrheit gebracht wurden
Denn Übrigens ruhte das ganze Gebiet der Kunſt fo auf
ber Neligion, als feiner Grundlage, daß beibe ſich wechſels—
3 weis in einander wieberfanden.
3., dunkle, aber jelbft dadurch nur mächtiger wirkende
Ideen über die Yufammenfügung und die Entjtehung bes
y ”
ku A
moralifcen, phyftichen und —
Philoſobhie und ol
wo Die dichtende Phantafie, —
td bie allegorifirenbe Myftit gl sb Ba
Bed Be an
Die einzige Idee don daß — m
ein Sieial | ftand, dem ——— 2;
unterworfen waren, und bad — — DE
amderftondenen Mail
für Volk von oem ach Geiſt Eu
pfindung eine — Tiefe. Sie zog Fe
ia
icher Weiſe
er dem Nomen
’ Latium und Hella, 133
Welt dauert und wirkt, ımd mit Muth dev Gedante ums
faßt, daß das menſchliche Daſeyn ein hinjälliges ſchatten—
ähnliches und jemmervolles, aber mit großen und reichen
Freuden durdfictes ft, und duxd) die Exhabenheit eben
dieſer Idee Löfte fich die Unruhe und der Schmerz, den
tung erweclen mußte, in milbe Wehnuth; auf.
‚Kein Volt dat das Gefühl der Melandolie fo zu ſteigern
gewußt, als bie Griechen, weil fie in ber Tebenbigjlen
jülderung des Wehs, dem üppigften Genuß fein Recht
30 nicht verſagen und dem Schmerz ſelbſt Heiterfeit und
Größe zu erhalten verftehen. Um hiermit durchaus ein—
mben zu werden, eriimere man ſich mer, ein wie viel
beſſerer Troftgrund das Homeriſche: auch Heralles Kraft
entfloh nicht dem Tode! al3 bie unfrigen find, die, beim
15 Schmerze zum Hohne jedes Unglitk in ein Gut verwan⸗
deln; und wie Lebendig ſelbſt In ben wehmüthigften tra—
giſchen Chören doc) die Luft zu Licht und Luft und Leben
uegeſprochen ift, und Derichtige die Ideen über Glück
md Unglüd, Heiterkeit und Melancholie. Wenn man die
20 Teßtere mehr in den Neueren findet, jo verwechſelt man
das Phyſiſche Unidealiſche mit dem Stärferen und Höheren.
Auch it es nicht richtig (und Dies berbient bier vor
Allem Beberzigung) daß der Menſch nur immer nach
Genuß und Glüdſeligkelt jagt. Sein wahrer Inftind,
3 feine tiefe, innere Leidenfchaft ift, feine Beſtimmung, und
feh es auch eine unglückliche zu erfüllen, wie die Raube
id) einfpinmt und andre Thiere auf andre Weife ihrem
Tode entpegeneilen. ES giebt fein Köheres, thätig und
feibend jtarles und mit edler Scheu vor einer überfinn-
5 Fchen alles beherrſchenden Macht ergebenes Gefühl, als
das, in dem Hektor auswuft: denn es kommt einjt ber
Tag, an bem die heilige Illos finkt! umd doch feinen
Augenblick vom muthvollften Kampfe ablat.
Ein zweites, Uberaus wichtiges Moment iſt es, daß
3 die Meligion nicht in einer Rethe erweisbarer ober ge—
offenbarter Wahrheiten beſtand, jondern ein Inbegriff von
oft widerſprechenden Sagen und Meberlteferungen mar.
lu — —
ſchaftigung mit einer überivrdif Melt,
der Natur jeines Geiſtes Tinm —
and
eingehen Tonnte, Di rien fit {
en daß ein großer heil her Mythen
das aan der — dag Unendliche u
prechen. Was ifolirt notwendig bätte verlieren
hülkte fih wun in die Ehrwirrbigfeit der Zeit, Bee ale
und entfenteften Nationen. 3
— aules grende Immer
Eigentbi t in ben fpäteren Selten |
— fremde, von dem
herbeigefüh⸗ — ohne Verbindung neben ein
ander *
Satium und hellas. 135
Der, jere und jhönere Glaube fragte nicht nad) der
Serien ——— oder en hiſtoriſchen Bit &
te ſie jet, wo die Elemente der
nicht Aa — die Loſe noch nicht ſo —
waren, wo ſich der Olymp umb bie Erde noch
elnander vermiſchten, und jeder Stamm verwebte Diele
in die Geſchichte feiner Vorwäter. Das unmittelbare
halten der Natwelräfte wurde nicht einmal fir durchaus
geenbigt gehalten; e8 dauerte einzeln noch fort, und warb
nur im entfernte oder einfame Gegenden berjeht.
An das Sehen ber Götter auf Erden Mmüpft ſich
unmitielbar das Geſchlecht der Herven an, ihre Geſchichte
und Ihe Dienft. Die Negypter Fannten dieſe nicht.
Wohl alle Nationen Haben Menſchen in den Himmel,
und ifre Götter auf die Erbe verjept, mehrere haben
vergötterte Menjchen den Göttern gleich geitellt oder
untergeorbmet. Aber daß feins dies jo meit ausgedehnt,
ſo genau anögelponnen, To tief in alle ſeine Umgebungen
vermebt, Feins jo für bie Bereicherung der Kunſt und ber
Dichtung und die Belebung bes Nationalgeiites benuhl
hat, als bie riechen, zeigt, daß nur fie eln ewig leben-
diges Streben bejahen, zu dem Höheren und Ueberierbifdien
überzugehen, und «i fe und ſchöne Formen der Anz
ſhaulichteit zu prägen,
Wie die Neliglon der Griechen auf der einen Seite
auf die eben. gejagt Weiſe ſewiſſermaßzen üppige
und überjchießende Ausbil ü
bildungs traft erhielt
Vedinniß mac
fi, ein — einer
‚Beige, als der ges
v Sattum und Hellas. 139
Meppigteit der Begierde ein fveieres Spiel liefen, zeigt
gerade, wie fie, nicht einfeitig in beftimante Formen ges
jen, zwar die Stufenleiter aller menſchlichen Empfins
durchgingen, aber fie immer zum Edleren und
\ Hößeren führten.
Man hat die Knabenliebe oft aus ber geringen
Ausbiſdung des weiblichen Geſchlechts herleiten wollen.
Allein es möchte ſchwer zu beweiien feyn, daß dieſe
wirffich jo gering geweſen jey. Die Geſchichte Bietet
} Beifpiele genug dar, daf Weiber, theils im Ganzen ſich
Fi ihr Vaterland thätig bewieſen, und im Einzeinen in
mehr als Einer Gattung hohes Talent verrietben. Ich
wiirde daher jenen Geſchmack mehr aus einer größeren,
gleichfam überictefenden Fülle der Grichiiden Sinnlich-
d feit mb äußerlich aus dem Umſtand exfläven, daß da ber
geſellige Umgang des Griechen vorzüglich durch die natiir-
‚allein ven Männern ofnen Gpmnafien und Philoſophen-
ulen entftand, die Frauen davon, jo oft derſelbe ſich
nicht auf bie mächjten Verwandten befchränfte, ausge
ſchloſſen blieben.
Uebrigens waren aber unſinnige Prachtliebe und
Ausſchweinmgen bei den Griechen bei weiten wicht jo
herrichenb, als im Drlent und bei ben Nömern. Gin
gewiſſer von Natur feinerer Geſchmack und ein mehr
4 lebenbiger Trieb, die Sinnlichkeit durch Kunſt zu lautern
und zu verfeinern beivahrten fie vor diejen Abwegen.
Indeß ift 8 nicht zu Mugnen, doß das meihliche
Geſchiecht in Griechenland einer geringeren Achtung genoß,
unb bafı fi, Hierin der Nömer bei weitem ebler benies.
FR glaube nicht daß dies durch einen ſtärleren Einfluß,
‚ben morgenlandiſche Sitten in Griechenland ansühten, ent
Mond, Denn im Heroenalter verhielt es fich damit in
hohem habe anders, unb id; jehe nicht, woher in ber
Bolge jener Einfluß entiprungen wäre. Die an ſich auf
+ fallende Erſcheinung far, dünft mich, Himeichend davaus
erklärt werden, daß die Griechen in der Zeit ihrer
Bollsregierungen weder ein patriordjalifdes, noch ein
ke —
v Latium und Hellas. 141
— unfdugbar Mongel an Stätigtelt und oft
Leichtſum.
verllugneten ſich doc) niemals zwei Dinge In
demfelben: Anhanglichleit an Volksgleichheit und vater⸗
landiſchen —
ie Bedrüclung der niedrigen Bürger durch Die
vornehmeren, und ber Armen buch die Reichen war ben
Griechiſchen Staaten durchaus fremd, umd ſchlich ſich in
feiner Zeit ein.
Untergang der Freiheit in einheimiſcher und fremder
Tyrannei Hatte zwar don Zeit zu Zeit Statt, aber niemals
auf eine dauernde Weife, und wenn man fich fragt, was
ullch Im Ganzen namentlich In Athen immer herrſcheud
‚blieb, jo mar es Demagogle, aljo zwar Herrfchaft, aber
Dun) das Voll jelbft. Seldit gegen fremde Mebermacht
ſich der alte Freiheitsgeiſt immer wieder, und fein
Volt kann Leicht einen jo bartnädigen, ohne alle
auch. die mindefte Wahrfcheinlichleit eines günftigen Er—
folges geleifteten Wiberftand auftveifen, al3 Athen in feinem
legten Sampfe den Nömern unter Sylla entgegenſehte.
Auch ift nicht zu übergehen, daß die Griechen fehr
gut den Wert) einer edel Abftammung und großer
Neichthämer Fannten, ohne dennoch weder bas eine, noch
das andre diejer Gefühle im öffentlichen oder im Privat-
Teben zu misbrauchen.
| Unter der Mannigfaltigfeit vom Charakteren, die eine
aus fo vielen Stämmen zujammengefehte Nation in einer
Nelge von Jahrhunderten nothwendig aufreifen muf,
faffen ſich einige auszelchnen, Die vorzüglid die Eigen—
thlimlichkelten ihrer Nation an fid) tragen.
In der edelſten Art thun dies Uriftomenes, den noch
‚geroiffermahen der Glanz des noch nicht zu femen Helden
‚alters umgiebt, Epaminondas, der Milde und Zartheit
mit edler Nuhmbegierde und tiefem Edelmuth verband,
umd Philopömenes, der zeigte, was ein grofier Charakter
noch in der Entartung vermochte,
Unter den glänzenden Charakteren, bie den (befon-
ie |
—
Latium und Hellas, 143
um 2 nicht im Ihrem Streben gehemmt zu jehen,
ſich Tieber an die Leichter zu vermäpfende finnliche Welt
‚hielt, als ſich zu ſehr in bie noch tiefer liegende verjentie;
wodurch ev, nad den verſchiedenen Etufen feines Werthes
und feiner Vildung bald chimäcifh und prahlerifch, bald
zuhmbegierig und beldenmäßig, bald erhaben und idealiſch
im Denken, Dichten und Bilden wurde.
Die Angeln feiner wundervollen Eigenthümlichteit
find alſo bie Intenſität dleſer Teaftvollen Beweglichkeit,
md ihre natürlich vichtige und gleichförmige Stimmung
bie ihn im Aeußern zu Klarheit und Nichtigkeit, im
Imern zu Seftigfeit, Conjequenz und der hödjiten Klar-
‚beit des inneren Sims, der Ibeofitöt fühig machte.
Auf diefe Weile konnte der Griechiſche Charakter
U bie fonft unbegreiflicften Widerſprache in fid) vereinigen:
auf ber einen Seite Sejelligfeit und Trieb nad
Mittellung, wie Ihn vielleicht feine Natlon je gelanni
—* — der andern Sucht nach Abgezogenheit und Ein-
auf der einen beftändiges Leben in Sinnlichteit und
Kunft, auf ber andern in der fieffirmigften Speculation;
auf der einen der verächtlichite Leichtſinn, die unge
heuerſte Juconjequenz, die unglaublichite Wandelbarleit,
mo Die Berveglichfeit und Neizbarkeit allein herefdjten,
auf ber anben die muſterhafteſie Beharrlichleit und bie
Bi Tugend, wo ſich ihr Feuer, als eenjte Kraft, in
en Grunbveiten bes Gemülhs ſammelte.
Vorzüglic) aber begreift man wie bei einem ſolchen
Sharakter Begeifterung für Vaterland, Freiheit und Grie-
Re Ruhm mächtig ſeyn muften, da ſich in biefem
hl die natürlichflen und urfprünglichiten Empftndungen
der Menfchheit, die glanzendſten Bilder der Einbilbungs-
Fraft, und die erhabenften Ideen bes Gemtiths verbanben,
Ganz und gar entbehren aber aud) die Griec
Überjenigen Vorzüge, die man nur durch Jſolirung der
Kraft erhält.
Das hier Vorgetragene wird vielleicht durch eine
Ian |
| Larium und Hellas. 145
Die Befchichte der Griechen iſt mehr, als irgend
etwas Anderes ein triftiger Verweis bed hiec über den
‚Charakter der Nation Gefagten. Denn fie verrath überall,
da die Öffentlichen Vegebenheiten Griechenlands nur ein
5 Mefultat Des Zujammenwirkens des eben gefhilderten
‚Charakters mit ben jebesmallgen Umſtäuden waren.
Man kan fie in vier Perioden adtheilen, in denen
fie vorzüglich eine verfhjiedene Geſtalt annimmt.
Bor den Perfiichen Kriegen fielen überaus wenig
ko merkwürdige Begebenheiten vor; die Staaten bedurften
Mufe und Heit um fi mit ihren näcften Nachbarn in
Öleichgewicht zu ſehen, und fid eine etwas dauerhafte
ing zu geben, .
Während der Perfifchen Kriege verichlang die gemeitt=
15 Scaftliche Bertheidigung des Vaterlandes jede andere Sorge,
Den Zwiſchenraum zwiſchen biefen Kriegen und ber
Magedonichen Uebermacht nahm die Eiferfucht der Athe-
nienfer und Lacedtmonier ein, bei der ſich aber, aufer
dem Streit über die Oberherrſchaft Griechenlands mod)
» Hab und BWeiteifer der Heineren Staaten gegen einanber
Auf vielfältige Weiſe zugleich mit offenbarte,
Bon Philipp an wor die Zelt der Entortung. Ohn-
macht und Verrath brachte mach und nad) alle Staaten
unter das Joch des gemeinfchaitlihen Feldes, und von
85 Zeit zu Zeit ſchuttelte nur augenblicklich wieder aufleben-
ber Frelhellsſinn es wiederum ab.
‚Im diefer ganzen Reihe von Begebenheiten würde
man vergebend Einheit fuchen, die nur da Statt finden
En, wo die Nation eigentlich, politifchen Chavatter befipt.
© Über feine zeigt eine ſolche wundervolle Mannigfaltigteit,
mb die feiner gewinnen die an ſich unwichtigſten Bes
gebenheiten bloß durch den Charakter dev auftwetenden
Menjcen eine ſolche Wichtigkeit und Größe. Die Be
‚gebenbeiten entitehen meiftentheil® durch die Beweglichleit
» des Voltscharalters und werben geadelt durch die Hands
Lmgöweife der Einzelnen. Reizbarleit und Heftigleit des
Enigegenwirlens ſpielen auch hier die Hauptrolle, und
0
Dontsohe Litteraturdenkmalo Nr. 5362. 1
1 a i
—
Latium und Hellas. 147 |
as abhängig, fo ift dieſe Neihe verborgen
( —— für ums nicht vorhanden. Wie im Geiſte ſeibſt
ein Gedanke, wie auf ber Leinwand des Malers eine
' Figur, jo entfieht in der Natur durch das Wirken großer,
‚oder gerade glüdlich begelfterter Kräfte eine Form des
' Sebeng, die auf einmal eine neue Reihe geiftiger Erfchei-
mungen beginnt. Erſt wenn fie exfehienen iſt, begiumt das
und ber Einfluß der Umftände, bie fie ——
und zerflören, aber auch beſchühen und ausbilden Können.
a der MWirklicfeit mögen vielleicht, ehe eine Form
"bes Geiftes in ihrer ganzen Beſlinunthell auftritt, unzäh-
I Verſuche vorhergehen, die gewiffermaßen eine Stufen-
zu dem exften aelingenden abgeben. Allein da don
h Es ‚zu ben verfehlten immer eine Kluft vorhanden jeyn
für die jede fung nad Graden unrichtig wäre,
fo fteht in der Erſcheinung eine ſolche Form immer
Hlöplih und auf Einmal da, umd es bleibt nicht? zu thun
ibrig, als den Moment bes Erſcheinens zu ftriren, umb
vom da an die beglinftigenden ımd hindernden Unftände,
U woht nerftanden aber, daß dieſe much zum heit durg
"jene Form beftimmt werden, aus einander zu ſehen.
Auf die Frage alfo, wie lommt es, daf jene Hin:
reipenb ſchöne Form der Menfchheit allein in Griechenland
aufblithte? giebt es an ſich feine befriebigende Antwort.
® war, weil es war. Selbit der Augenblick, wo? und
bie Art, wie? Griechheit zuerft auftwat, find hiſtorlſch
ſqwer zu beftimmen, und bie Urſachen, bie zu ihrer Ente
Üiuielefung beitcugen, Tisgen, infofern fie moralifc) find,
borzüglich in ihr ſelbſt. Ehe wir ung aber hierüber im
irgend eine Unterjuchung einlafen, müffen wir borher
noch einen andern vorzüglich wichtigen Punkt erörtern,
Die meiften das Leben einer Nation begleitenden
Umitände, dev Wohnort, das Klima, die Mellgion, bie
Staatöverfaffung, die Sitten und Gebräuche, laſſen ſich
gewiſſermaßen don ihr trennen, es Tann, jelbft bei reget
Wechfehivirhung nod), was fie an Bildung gaben und ems
pfingen, gewvifjermahen nbgefondert werden. Allein einer
108
I u \
welche den Gipfel eines Berges deckt, wohl von ſern
eine ſeſte Geftalt zeigt, aber in Nebel zerflicht, jo wie
—* in dieſelbe Hineintritt. Es wird daher, um dlieſe
Schwierigkeit dennoch glüsklich zu überwinden, nothwendig
— eine Bel Abſchweifung iiber Sprache
lad bie Moglichteit ber Verſchledenheit einzelner
Latium und Hellas. 149
* ri "nachtheiligften Einfluß; auf die intereffante Be-
Handfung jedes Sprachftudiums hat bie beiehehnfte Vor—
y ausgeübt, daß die Sprache durch Convention ent-
und das Wort nichts als Zeichen einer umabhängig
von ihm vorhandenen Sache, oder eine® eben ſolchen Bes
geiffs if. Diefe bis auf einen gewiffen Punkt freillch
unläugbar richtige, aber weiter hinaus auch durchaus
5 faljche Anſicht rödtet, ſobald fie bereichen zu werden
anfängt allen Geiſt und verbannt alle& Leben, und ihr
danft man die fo häufig wiederhoften Gemeinpläge: daß
das Sprachjftudium entweder nur zu Auferen Zwecken,
‚ober zu gelegentlicher Entwickelung nod) ungeübter Krufte
v noihwendig; daß die befte Methode bie am Fürzeften zu
dem mechaniſchen Verſtehen und Gebrauchen eher Sprache
I führende; daß jede Sprache, wenn man fi ihrer mr
. recht zu bedienen weiß, ungefähr gleich gut ift; daß es
beſſer jeyn würde, wenn alle Nationen fi nur über den
b Gebrand) einer und ebenberfelben verftnden, ımb was es
noch ſonſt für VBornrtheile diejer Art gebem mag:
[ Genauer unterſucht zeigt fid) min aber von allem
dieſem das gerade Gegentheil.
| Das Wort ift freilich infofern ein Heiden, ala es
für eine Sache ober einen Begriff gebraucht wirb, aber
nad) her Art jeiner Bildung und feiner Wirkung it es
ein eignes und jelbititindignes Wejen, ein Individuum,
bie Summe aller Wörter, die Sprache, iſt eine Welt bie
der ericheinenden außer, und der wirkenden it
5 ums in der Mitte liegt; fie beruht freilich auf Convention,
infofern ſich alle Glieder eines Stammes verftehen, aber
bie einzelnen Wörter find zuerſt aus dem natlirlichen
ie f | pas
Katitm und Helas. 151
Teit beide Ideallich zu Begriffen zu berbinden leicht er
Halten.
Denn der reale aufgefafte Stoff joll idealiſch ver-
‚arbeitet und beherrſcht werden, und weil Objectivität und
Subjectivität — an ſich Eins und dasfelbe — nur dadurch
werden, daß die jelöftthätige Handlung ber
Neflerton fie einander entgegenjeht, da auch das Auffaſſen
wirtlide, nur anders modifieirte Seldftthätigfeit ift, jo
ſollen beide Handlungen möglichit genau in Einer vers
" bunden werben.
‚Das heißt: es joll eine freie Nebereinftinmmg zwiſchen
den urſprunglichen das Semüth und die Welt beherrfchen-
den Gruudformen geben, die am ſich wicht deutlich angeſchaut
werben Können, bie.aber wirlſam werden, ſobald ber Geiſt
An die richtige Stimmung verfebt iſt — eine Stimmung,
‚die Heworzubringen gerade die Sprade, als ein abfichtlos
aus der freien und natürlichen Einwirlung der Natur
auf Millionen von Menjchen, durch mehrere Jahrhunderte,
und auf weiten Exditrichen entitandenes Erzeugniß, als
0 eine eben fo ungeheure, unergründliche, geheimnißvolle
Mafle, als das Gemüth und die Welt ſelbſt, mehr, wie
irgenb etwas andres hervorzubringen im Stande At.
So wenig das Wort ein Wild ber Sache it, die es
begeldiet, eben jo mentg ft e8 auch gleidhfam eine bloße
Anbentung, dab dieje Sache mit dem Verſtande acbadıt,
ober ber Phantafie vorgefteift werden foll. Bon einem
il fü ih unter ihm Die
hten mb auf bie
Be 9 fteht, Tann A 4
len, amd läuft Leine Gefahr, fih
Lottum und Hellas, 153
den übrigen Spradjelementen den Zuſammenhang vorbe-
zeitet, den das Denten in der Welt zu finden, umd in
feinen Erzengniffen hervorzubringen bemüht ift, und endlich
durch feine Flüchtigtelt auf leinem Punkt zu berweilen,
5 fonbeen von allen bem jebesmaligen Ziele zuzuellen ge
bietet. In allen biejen Hinſichten ift die Art der ſinnllchen
‚Form, die nicht gedacht werden kann, ohne nicht auf eine
weiter unten zu unterſuchende vielfache Weiſe ſelbſt als
ie eine Wirkung auszuüben, auf feine Weife gleide
10 gültig, und es läht ſich daher mit Grunde behaupten, daß
auch bei durchaus finnlichen Gegenftänben die Wörter
en Sprachen nicht vollkommene Synonyme find,
und baß wer Zumos, aqmıs und Pferd ausfpriät, nicht
durchaus und volllommen basjelbe jagt.
10 Wo vom unſinnlichen Gegenſtünden die Nede iit, iſt
dies mod; weit mehr der Fall, und das Wort verlangt
eine weit größere Michtigleit, indem es ſich noch bei
weitem mehr als bei jinnlichen von dem gewöhnlichen
Begriff eines Zeichens entfernt. Gedanken unb Empfin=
9 dungen haben gewiffermahen noch unbeftimmtere Umriſſe,
fönmen von noch mehr verfchiebenen Seiten gefaßt und
unter mehr verſchledenen finnlichen Bildern, Die jedes
wieber eigue Empfindungen erregen, dargeftelft werben.
Wörter diefer Art find daher, aud wenn fie Begriffe
= amzelgen, die ſich volltommen in Definitionen auflhſen
Tafien, noch weniger gleichbedeutend zu nennen,
Geſchichte des Verjalls der griechiſchen Freiſtaaten. 155
erhebenden Anblids nichts Einzelnes zu unterſcheiden; das
Nachdenken wird weniger, als die Mitempfindung erregt;
die zuſammen wirkenden Kräfte werden nur in ihren ein⸗
ſachen Refultaten wahrgenommen; viele ſcheinen zu ſchlum
mern, da nicht in die Augen falfender Widerſtand fie
einzeln erwedt. Warn aber ben Fünjtlihen Bau bie
Klippe des Unglüds zerjchellt, fpringen augenblidtic, die
verſchiedenartigen Veftandtheile ind Auge; die Betrachtung
erwacht; an bie Stelle frohen Mitgefühls tritt tief er-
greifende Wehmuth; mit dem Falle des Einen ſcheint
Alles zu wanten; und Gedanke und Empfindung ſchweiſen
in weitere Zerne. Daher ift die Geichichte des Verfalls
der Staaten meiſtentheils anziehender, als bie ihrer Blüthe,
ober vielmehr bie lebtere erit Dann recht anzieend, wenn
fie von dem Verfall aus betrachtet wird.
3. Der Untergang der Griechiſchen Staaten hat aber
noch das Eigenthümliche, daß er mehr einem gewaltfamen,
al8 einem Krankheitötode gleicht, wo das Leben erft meicht,
nachdem die Kraft ſchon erloſchen iſt. Die wahre Periode
des Berfallg Griechenlands war fon die Regierung
Philipps umd Wleranders; nicht Bloß die innere Freiheit,
fondern auch bie äußere Unabhängigkeit war bamal
ſchon zum Namen geworden; und doch lebten in diejer
Periode Praziteled und Apelles; die feinfte Bfüthe Ather
nienfifjer WVerebjamfeit entwidelte ſich in SJiocrates,
Aefchines und Demofthenes; Ariftoteles erftieg ben Gipfel
feiner Größe, und Plato reiht bis an dieſe Zeit. Auch
an weifer und unternehmenber Staatsklugheit, an reiner
Vaterlandsliebe, an außharrendem Muthe, an ewig gegen
feine Seffeln initſchendem Sreiheitsfinn fehlte e8 weder
damals, noch lange nachher, wie die Schlachten von
Chäronea und Cranon, die Unbiegjamfeit der Thebaner
gegen Aleranber, fpäter Philopömenes und Aratus, und
bie verzweifelte Gegentwehr Athens gegen Sylla bezeugen.
Gegen die Aihentenfer, jelbft gegen die Thebaner und
Spartaner waren die Macebonier und Römer, die Unter-
jocher und Eroberer Griechenlands, nur Barbaren zu
Weichichte des Verjalls ber griechiſchen Freiſtaaten. 161
mentern überwundenen Athens ber Thebaner Euanthus
vorſchlug, die Stadt zu zerſthren, und den Boden, der
bie Trophaeen der Griechiſchen Freiheit und bie Meifters
ee Kunjt trug, — wi
. erhoben vener,
en —E— fagten, man müffe Hellas
einäugig werben laffen.*) Wenn Scipiv Naftca**)
ieafale: ber Zerjtörung don Carthago widerjepte,
‚hatte ec dagegen nur zur Abſicht, ſeine [don ausartenden
Metbüirger durch die Erhaltung eines mächtigen, und doch
nicht mehr weſentlich geiührlichen Feindes im Baume zu
halten; jonft findet man feine Spur, daß man darauf
bebadjt geivefen jey, zwiſchen Nom und Carthago. ober
0 und Syracus, oder Griechenland und Perfien,
ober andern fremden und welteifernben Staaten ein Bi
hältni des Gleichgewichts herborzubringen, das die Müg-
Lihleit eines jurchtlofen, friedlichen und ruhigen Nebenz
einanderbeftehens zur Abſicht gehabt hätte. 18. Die po-
tische Richtung dev Stanten des Altertfums nad) aufen
0 hin konnte nicht auf Freiheit, jondern mußte nothwendig
auf Gerrſchaft gehen, und die Sicherheit war für fie nur
in der Weltperrfchaft anzutreffen. Dies hat bie Erfahrung
durch Berſuch und Gegenverſuch bewviefen, an ben Nömern,
welche dieſe Maxime, wenn aud) nicht Mar gedacht, be—
5 fulgend, glüdlic) waren, und an ben Spartanern, —
von der entgegengejegt ausgehend, mit der pokitifchft
— ſich je ein
berdammt hat, vorzi ai weil *
Lylurgiſche Einrichtunt 9
Maren; als wäre ei
geivefen, fo wie di L 1
Hevolutton konnte und that, jeine Freiheit innerhalb feiner
*) Ulplon zu Demofthenes Mebe ilber die Sure
„fen Meistifehe ab 1. Belle 26. Piutardy ee
Kittlo Londinensi Be
* . Rditio Londinansis.
Doutsche Littersturdonkmale 3 102. 1
Geſchichte des Verſalls dev gritchiſchen Freiftanten. 168
mit ſich brachte, jeder Bürger eintreten mußte.
Denn wos Sylurg don feiner Vaterftadt gejagt haben
ſoll, daß ihre Ningmauer die Bruft ihrer Binger ſeyn
müffe, das galt mehr oder minder von jeder, auch wohl
ten Stabt des Alterthums. Man lannte damals
noch weder bie Hinderniſſe, noch Schupmittel, welche die
neuere Zeit in den Nerhten dev Völfervereine, in Maxrimen
der Schidlichleit, Gewohnheiten und ſelbſt Vorurtheilen,
bie mit jenen Nechten, jogar afme doß man es fich fethft
‚geftand, zu gleichen Anſehen gedichen waren, den Unter-
drüdern entgegenftellte, und den Unterdrückten gewährte;
es war damals noch nicht daran zu denen, daß der Krieg,
wie Im 18. Jahrhundert, nur zwiſchen einer vorher bes
tannten Anzahl von Bürgern, mit Schonung ber übrigen,
5 nur mit Benutzung gewiſſer Vorthelie, mit fveimilligem
Aufgeben ondrer, gewifiermaßen bloß wie ein blutiges
Scyachjpiel geführt worden wire; die Gefahr traf jeden
Einzelnen, jeinen Heerd, fein Weib, feine Sinder; und
der Mangel an Kriegswertzeugen und eigentlicher Tattit
0 machte, dafı fich doppelt mehr, als bei uns, jeder Einzelne
ihr entgegenftellen mußte.
18. Vielleicht noch nothwendiger aber ward Bürger-
erztehung zur Erhaltung ber inneen Verfaffung. 19. Wenn
8 bei uns jelten geworden üt, daß ein Einzelner mit
Umſturz der Öejege, oder Hinwegrhumumg des rechtmäßigen
Serrſchers die oberſte Mi jelbjt am ſich zu reihen
derfucht, ober baı entgegen ien die Öffentliche
Nuhe in Gefahr
und mit dief
Nebel, beglet \
en und eſſe ſind durch eine weite
e d Schande der Nallon
‚lüc und eigne Schande
Arbeit und Sorge für die
ift don den Echultern dev Sklaven
un bes Volles gewälgt, der Wohl
u⸗
£
— ne
Geſchichte des Verſalla der griechiſchen Freiſtaaten. 165
Uchen Aders; 26. eine ſolche ebendaſelbſt für die äußeren
Verhaltniſſe die Oberherrichaft Noms über alle andre
Nationen. Ein ganzes Bolt konnte nicht, wie ein einzelner
Eroberer, am Weltherrſchaft denlen; die Nömer hatten auf
der andern Seite ebenfowenig die wohl neueren Staaten
eigne Polltit, ihre Gränzen durch die verbundenen Rück-
fichten auf äufre Sicherheit und inne Erhaltung, auss
dehnend und einjchräntend, zu Beftinmen; 27. exit bie
‚Salier kamen, gewihigt durch Aufere Einfälle und innere
Umuben, auf eine jolhe, bier Provinzen hinzunehmende,
dort Provinzen verlaffende Grenzbeitimmung; die Alte
fiepen. dermuthfich die mögliche Ausbreitung ihrer Herrichnft
dahingeſtellt. Aber llar ausgeiprochner und unabwveichlicher
Grmbfah in ihnen war es, Schiedsrichter der Nationen zu
5 fein, und wo fich, was im Laufe der Zeit niemals Fehlen
fonnte, gerechte ober ımgerechte Bitte an fie wandte, ba
miſchten fie jich ein, und endigten gewöhnlich mit ber
Ihnterjocpung der Unterbeiider und Unterdrlickten zugleich.
28. Dieje beiden Moximen, verbunden mit vielen andern,
bald Allen gemeinfcoftlichen, bald einzelnen Ständen
eigenthünli—hen, jepten dem Liberalen Umgange mit Brem-
den, und ber eignen vielſeltigen Ausbildung unüberwind⸗
Ache Hinberniffe entgegen. Aehnliche Beichränkungen kannten
ambre Nationen, 29. und da, bei dem oft müßigen, und
faft immer gemeinfchaftlihen Leben der Alten, die Sitten,
auch in moraliſch gleihglttigen Punkten, von ganz andrer
Wichtigkeit, als bei waren, jo erſtredten ſich dieſe
Beihränkungen au inge, bie, wie die Unterfagung
dieſer oder jener M jetah unbegreiflich ſcheinen
30. Für jolde, nach Vorigen, dennoch zur
dauernden Erhaltung dei staaten jo nothwendigen
Beihrintungen nun nam die Oviechen zu ebel und
frei, und wenn
die Athenienfer.
mit Athen; nur \ teihe von Jahrtzehen -
den hindurch gen enehmunggeift und Ruhmbegierbe,
Muth, und Klugheit, und troß vieler ſchrelender Unger
Geſchichte bes Verſalls der giiechtſchen Jreiſtaaten. 167
ganſtigt. 84. Die Griechen Hatten eine entſchiedene Ne
zum Föderalismus, — beſaßen fie — 5
bie, Die Sömer, für ftrenge, umveränberte Stantsverfaffung, jo
—— ſie — mehr für bürgerliches Leben und
35. Nur aus dieſer Geneigtheit zur Bildung gleich
dom von jelbjt an einander tretenber Maffen Lafjen ſih
die muffallendften Erſcheinmgen Griechiſchen Lebens und
Grierhifcher Geſchichte ertlären , und nus ihr entforingt
fogar größtentheild jene glüdliche Organifation des Griechie
Ihen Geiftes und Charalters, die eig bie Bewunderung
der Nachwelt bleiben wid, 36. Allein in politijcher
Hinfiht Lnnen jo gebildete Maffen unmöglich gleid) halt:
bar weder gegen äußere Angriffe, noch gegen die Utſachen
fen, bie jeber menjchlichen Verſoſſung den Untergang
allmählich von innen bereiten,
3, 37. Es ift unmöglich, bei Ratjonmements, wie das
enmwärtige, der Begierde zu widerſtehen, alte und neue
it, dergleichend, zu Mefultaten für Das Außere, mod)
8% mehr aber für das innere, tiefere Veben in Ein Ganzes
un Die Schitfale des Menfchengefchledhts
jaupt und nothwei t Welſe als eine munterbrochene
‚Stette auzuſehen, und ihnen ein beſtimmtes Ziel zu jehen,
ft wielleicht ein misliches Unternehmen, da die Reihe jo
= oft, jelbft 616 zum Grlöjchen jeder mündfiden Neberfieferiumg,
aumterbrochen ift, und wii
Fheit- aller Exeigniffe
{ft daß eingel
fh) in einem. wirtlichen
hen, und eine ſolche Weriode
ven erften nicht ganz anges
die Aeghpuer und bie Vorder ·
auf unjve Zelten dor Augen
Weiciice des Verſalls der grichifchen Frelſtacten. 189
die Nömer fi ihnen näherten; bie Hand der Römer
aber näherte ſich nie anders, als um zu unterjodhen, uber
aut zerftören, ,
42. Seit diefer Zeit warb Hellas dergeftalt in .
Latium verwebt, da man nod) jeht kaum einen Schritt
in den Trümmern Noms machen fan, ohne des Landes
mit NRührung zu gedenken, das, noch graufamer, als
Satin, dom. Schicjal behanbelt, von Barbaren vermüftet
da liegt. So in dem Namen des klaſſtſchen Alterthums
vereint, gingen beide auf bie neuere Zeit über, unb lange
Ichied man nicht rein und jorgfältig was Griechiſchem und
Röndjchen Geiſt angehörte; oft werden noch jept beibe
verwechſelt. 43. Die Deutichen beſihen das unſtreitige
Berbienft, die Griechiſche Bildung zuerit treu aufgefaht,
amd tief gefühlt zu haben; zugleich aber Ing im ihrer
Sprac)e fchon vorgebifdet dus geheimnifiwolle Mittel da
ihren wohlthätigen Einfluß; weit über den Mreis der Ge»
feljeten hinaus auf einen beträchtlichen Theil der Nation
zu lonnen. Undre Nattonen find hierin mie
‚gleich gluctlich gewejen, ober wenigitens haben Ihre Vers
Heanlichkeit mit den Griechen weder in Commentaren,
nad). Ueberſehungen, noch Nachahmungen, noch endlich
Gorauf es am meiſten ankommt) in dem übergegangenen
‚Geifte des Alterthums auf ähnliche Art bewieſen Deutiche
fnüpft daher feitdem ein ungleich fefteres und engeres
Band an die riechen, als an irgend eine andere, auch
bet weiter näher liegend: oder Natlon.
eſer B ben Verfall der Griechſſchen
‚der Geſchichte mehmend, möchte
1, zu welden alle
wcehmen cm Ende
taufend und aber
Runkt zu finden
Dieſer Ruhepuntt
und fruchtbarſten auffaßt, und im der Richtung in der er
Geſchichte des Verſolls der griechifcien Freifianten. 171
einem Anloſſe misbraucden wollte, ihr fremdartige Ber
ü jen om fie am zu Mmüpfen. Die eit der
> een de ir je Weihe Menfäen exhaben; der
Gang des Schikjels foll an dem Leitfaden der Erfahrung
‚5 gezeigt, der Sinn durch fie gejtärkt und genäßrt werden;
das Erjte aljo ift, fie vein md treu zu überliefern, und
das bisher Gejagte ift bloß Nechtfertigung der Wahl des
| des und der Art ber Musführung, wo ber
A Geſchichtszweck mehrere zuliehe. 50. Der haupt
üchfte Theil der Arbeit Kfclbt immer einzig und allein
Barftellung Griechenlands in feinem Berfall, und
blefem werde ich daher alle Hiftorifhe Genauigkeit, Aus-
führlichtelt und Unpartheilichleit widmen, beren ich fähig
bin. 51. An ihn jchliept fich der zweite nur am.
52, Die Geſchichte des griechiicen Verfalls theilt
von ſelbſt in drei Perioden ab, in deren erjter bie
üheit und Unabhängigkeit untergraben, in dev zweiten
(id) zu retten verfucht, und in ber dritten auf immer
ve
Mleranderd; von des erſteren
‚lacht bei Cranon; ba Alerander
Verbannten ber griechljchen
hi. u
Geſchihte des Verſolls der grledifchen Freiftnnten. 173
es it leinesweges die Abſicht, diefen als Belag zu einem
ihm fremden Raifonnement zu gebrauden, fonbern mur
die, den im ihm liegenden Reichthum an Folgerungen
mögkichft gut zu benugen.
62. Um aber den hier in feinen äußerften Umriſſen
vorgezeichnelen Plan auszuführen, muB man auf gewiſſe
Thatfachen und Meberzeugungen, wie auf Grundlagen
fußen Können. Zuerſt ift es mothiwendig, zu der Leſung
dieſes Werls einen bejtimmten Begriff von dem Charakter
und ber Lage ber grlechifchen Völlerſchaſten mitzubringen;
dann über gewiffe Grumdjähe von demjenigen, mas
Nationen uripringlich ſeyn und ſpüter werben Minen,
über die Mittel durch deren Gebrauch jie ſich von ihrem
‚Biele entfernen, oder ihm nähern, und über den Werth
der Mafje von Cultur, die fie ftufenweis erwerben, ein⸗
werftanben zu feyn. 68. Denn moralifhe Exjheinuugen,
wie der Charakter, das Wachsthum und dev Verfall ber
Nationen, Laffen ſich nicht bloß einfad) erzäbfen, fondern
müfen Bee aus allgemeinen Gründen erklärt werden;
und auben verjchiedene Unfichten, von welden bie
Am Wortrag gewählte eben jo wohl raifonmirender, als
geſchichtlicher Nechifertigung bedarf.
64. Ich werde daher damit anfangen, eine Darftellung
dei gieihifchen Charakters, mit Berührung der Umftänbe,
welheign bildeten und mit Hinficht ſowohi auf die andern
Vollerſchaſten des Alteriuns, als auf die Befdhaffenhelt und
die Entjtehungsart des Charalters der Nationen überhaupt
und die Mittel ihrer Kenntuiß, Beurlhellung und Bildung,
dem Ganzen voranzuichieen. 65. Ich werde hierbei noch
beſonders bemüht feyn, das exit allgemein gezeichnete Bild
madhher nad) den Verjchiedenheiten der Zeiten und ber elite
zelnen grlechifchen Stänune abzuftufen. 00. Von da aus werbe
id) mir alsdanı durch eine Schilderung des polltiſchen umd
filtlichen Zuſlandes Grlechenlanbs unmittelbar vor ber Throne
Befteigung BHilipps zu der geſchichtlichen Darſtellung ſelbſt
den Weg bahnen; 67, und dieſe beiden Gegenjtände in einer
und berfelben Einleitung umfaffen, zu der ich jept übergehe.
4 [| |
Geſchihte des Verſalls der griegifchen Feeiftnaten. 175
und bervorbringen möchten; wenn jeder ande Theil der
Geſchlchte uns mit menjchlicher Mugheit und menſchlicher
‚Erfahrung bevelchert, ſo ſchöpfen wir aus ber Betradh-
dung der Griechen etwas mehr als Jrrbiſches, ja beinah
Denn melden andern Namen joll man einer Er—
babenheit geben, deren Unerreichbarkeit, ſtatt muthlos zu
machen, aufrichtet und zur Nacheiferung anfpornt? Wenn
wir unfere beſchränlte, engherzige, durch taufend Feſſeln
ber BWilltühe und ber Gewohnheit gedrüdte, durch zaht-
loſe Heinliche, nirgends tef ins Leben eingretfende Bes
ann zerfplitterte Tage mt ihrer freien, rein nach
dem Höchften in der Menſchheit fteebenden Thätigleit,
umjere mühvoll durch wiederholte Verfuche langſam veifene
den Werke mit ihren, die dem Geift, wie aus freier Fülle,
entftrdmten, unfer dumpfes Hinbrüten in Möfterficher Ein
Jamlelt, ober gedanfenlofes Umtreiben in loſe verknüpfter
Öefelligkeit mit bem heiteren Srohfinn ihrer, durch jede
helligite Bande befeftigten Bürgergemeinjcaft vergleichen;
jo müßte, jollte man benten, das Anbenfen an ſie ums
raurig und niedergeſchlagen a, wie den Gefaugnen
die Erinnerung an hr ten 2ebensgenuß, den
Kranten das Andenlen an ungeſchwachte Gefundheit, den
Sewohner des Nordens das Bild eines Italienſchen
Brühlingstags,
Werade im Gegentheil aber ift es nur daS Verjepen
An jene Jeiten des Yllten de ae ‚Herz erhebend
rin unfre ur
ıg Ichöpfen, und gexade bie
Fe das — auf
Geſchichte bes Werlats ber griedlfchen Freiftnaten. 177
ächt entfprungen aus der Natur und ber Menfchheit, daß
fie und nicht, zwingend, auf ihre, jondern begeifterub,
af unfve Weife anregt, uns anzieht, indem fie unſre
Selbitftändigkeit erhöht, und und mit ſich verkuitpft nur
5 im der Idee letzter Volllommenheit, von der fie ein un—
lauabares Vorbild, mad) der aber aud) uns, menu gleid)
auf anbern Wegen a Streben erlaubt iſt.
Es gehört vielleicht eine innigere Wertrautheit mit
den Werfen der Alten dazu, um bie Behauptung der
10 Unerreihborkeit ihrer Vorzüge nicht für bartgellige Ueber»
treibumg zu halten. Was jedoch ſchon ein günftiges Vor -
urtheil für diejelbe erregt, fit daß es föledterbings nicht
gerade mıf Gelehriemfeit oder Studium anfommt, um an
den Werken der Alten Geſchmack zu finden; ſondern dies
15 felben den tiefften Eindruck vielmehr in den umbefangenften,
moch feiner eigenthümlichen Denkart oder Kunſtmanier
fröhnenden Gemathern zurucklaſſen. Es iſt ferner be—
merlenäwerth, daß fie bei jeder Natiom, jedem Alter, jeder
Loge des Bemüths Eingang finden, da das Moderne, ſo wie
> 8 aus einer minder allgemeinen und objectiven Stimmung
entfpringt, ebenfo duch eine mehr eigenthümliche und jub-
feetive verlangt. Shatefpeare, Dante und Cervantes
werben nie eine jo allgemein. verbreitete Wirkung hervor—
bringen, al® Homer, Äeſchylus oder Ariſtobhanes
2 2. Das Moderne, in irgend eimer Gattung, ſobald
nicht don bloß pofitlver Nenntniß und medaniicher Ge-
jehictficgteit die Rede it, ten zu vergleichen,
beweiit eine eben ſo J des Alterthums.
a8 es unrichtige Annicht anzeigt, wenn je ehr
= beftimmter —
mie die Anfchauung reicht, in
der Urkenft der Natur und der Menfchheit, don der
jene beiden verſchiedene Bilder, dieſe beiben verſchie—
Dontsche Lättorasurdonkmale Nr. BSR. 12
ee
—
Gecſchichte des Berfalls der griechiſchen Freiſtaaten. 179
— Grängen beſchränkt Halten — Jrrthümer, bie bei
der Kunſt darum — weil ſie uns das Weſen
der Natur nicht an ſich, ſondern auf eine unſern Organen
une fir fie Harmonife vorbereitete Weiſe darſiellt.
Dwar iſt unſer Leben nicht jo karg von dem Schlck-
ſal begabt, daß es nicht auch mitten in demſelben, umd
— aufer dem Gebiete der Kumft etivas geben jollte,
wodurch man dem Weſen der Natur näher zu treten
bermag, und bies Etwas iſt die Leidenichaft. Denn
feinesiweges jollte man dlejen Namen an die untergeord⸗
neten Afjecte verſchwenden, mit welden man gewöhnlicher-
meife liebt amd Hafıt, ftrebt und vernfdent; tiefe amd
reiche Gemüther kennen ein Begehren, für das der Name
des Enthuſiasmus zu Talt mb ber der Sehnſucht zu
rcahig und milde fit, und bei weldiem der Menfch doch,
In vollfommenee Harmonie mılt der ganzen Natur blelbt,
in dem Trieb und Idee auf eine auf dem Falten und
projatfchen Wege unbegreifiihe Welfe In einander were
ſchmolzen find, und welches dadurch die ſchönſten Geburten
orbringt: In diefen Stimmungen wird die in der
fichteit erſcheinende Idee im der That richtiger er⸗
fannt, und man kann m Wahrheit fügen, daß Freund ·
oft und Siebe in hoher und reiner Begeiſterung ihren
. Begenftand mit tieferen und gleichlam heillgeren Bitden,
als die Kunſt, betrachten. Aber fo it das Schichal ber
Wirtlichteit ba fie, bald zu boald zı Hoc) geſiellt
mie das volle und haewicht zwiſchen der Er
em Auffafjungsver«
er begeifterte
mb ruhige Genuß
‚die Schuld der Natur
fie dem Kunftwerte
ung der Bunt
fo fit Achting
‚ höher geftiegenen,
leichgewicht treffen mir
nie im Modemen, an In
12%
Geſchichte des Derfalls dev geiehlihen Freifinaten. 181
ſchaſt, jener dunch feine eigenen Strahlen alles erſt feſt
zufammenfaffende, exjt innig verfchmelzende Glanz.
Denn ber Menſch mag finnen und wählen und
mühen, wie ev auch wolle, jo dantt er das Zarieſte, wie
bas Höchfte in jeinen Werfen, dasjenige, das der Hand
entitrömt, ohne daß der Bildner es weiß, und in dem
Sinn übergeht, ohme daß der Vetrahter davon Rechen—
Ihaft zu geben vermag, doch nur der glüdlichen Anlage
feiner Natın und der güinjtigen Stimmung des Augens
blicks; und ex mag ausgerüftet ſeyn mit Genie und That
kraft, mie es bie Orängen der menfchlichen Natur mur
verjtatten, jo iſt doc dasjenige was om meiiten am
m hexvorftrahlt, nur das, was nicht unmittelbar Ex ifi,
saft des Geſchlechts, das ihn zeugte, der Boden,
ber ihm trägt, die Notion, deren Eprache ihn umtönt.
Der Menjch gehört dev Natur an, und tft nicht beftimmt,
ulfein und vereinzelt ba zu Stehen; das Wort feines
Mundes iſt Element oder Nachtlang des Schals der
Natur; das Bilb, das er hinwirft, Umriß des Stempels
in den auch fie ihre Geftalten gof, fein Wollen unmittel-
barer Anjtoß ihrer Schöpfungskraft Seine Selbftftändig-
feit wird darum nicht geringer; dem in der Totalttät
der Wirklichleit ift die Kraft der Natur feine eigene, und
An ber Erfheinumg ift ihm Alles, Nation, Boden, Himmel,
Unngebung, Borwelt und Mitwelt, verjchloffen, fpradlos
und todt, wenn er es nicht durch eigene, innere Praft zu
Öfen, zu vernehmen, zu befeben verftcht. Darum {it
es das ficherfte Me ‚Genies im jeder os
äußerung, und am der berwidelteften, im
Sehen, überall, dur ng ob
Siebe oder Haß, di
herauszubeben, und, wi ichtel
eine nee und ſchönere Belt aus der Vergangenheit um
— her zu ruſen alfsn zu welchen die Neueren
ie Alten alles, deſſen
Ri gebung und * ihrem
Ceſchihte deb Werjai der giedien Grefaaten. 188
wenſchliche Bruſt ſich ſehnt, ober wenn dieſe Ideen fie
nicht lebendiger durchglühten, als man je ſonſt zu ahnden
it in. Jener Hauch des Altertbums it alſo
ıh ‚einer hellen von Göttlichfeit — denn 1vas, werm
die dee, iſt göttlih? — durdhitealten Menſchheit,
———— ſolche iſt es. die aus den Kunſtwerten, Dich
tungen, Burgerverfaſſungen, Schlachten. Opfern und Feſten
der Alten gegen unfre Dumpfheit und Eigherzigtent aber
auch zugleich fire das, was Menſchen ſeyn. und wonach
10 wir auf anders vorgezeichneter Bahn ringen khnnen, laut
umd ig zeugt. Denm es wäre ınmglücklich, wenn ſich
der Vorzug Des Alterthums nur in todten Mormorger
bilden, und wicht auch, gleich erhebend und begeifternd,
‚ht Sitten, Geſinnungen und Thaten ankimbete,
a6 Alſo noch Einmal: nichts Mobernes iſt mit etwas
Antttem vergleichbar;
mit Gotern
fo ſih wicht meifen
Argenb ein Menjch;
ZU md mas das Mterthum unterſcheidet, ft nicht bloß
Eigenthümlichteit, ſondern allgemein geltender, Aner⸗
fentung erzwingenber Vorzug: es war eine einzige, aber
gladliche Erſche nung In der Bildungsgejchichte der Menjch-
beit, daß ben Zeitalter, bie durch Mühe reifen joflten,
25 ein Geichlecht voransging, dos mühelos und gleichſam im
ber fhönften Blüthe, dem Boden — Auf weldem
Wege dies begreiflich | ſeigt ſchon das bis
jept Entwictelte an, allein bie ganze t, Bejonders in
ihren einzelnen Anwend m
old wahr annimmt,
Der — der m
in dieſem Griechen und
umgelelrtem Berhältniße
Geſchichte bes Verſallo ber grlechifchen Breifianten. 185.
immer mit bem Göttlichen zu vermäßlen, hatte ihr Cha-
‚auch noch in feiner Form das Cigenthümliche,
Are ihm lag, das ſich wicht rein und glücklich
‚und alles, was fich Auferlich in ihm Darftellte
en Schalt mit Haren und bejtimmten Umrißen
Wir bleiben einen Augenblick bei dieſem Letzteren
fiehen. Dadurch, daß das charakteriitiiche Merkmal der
mod, mehr in der Darftellung beffen, wos fie
', als in dieſem ſelbſt, oder doch nur dadurch im
egt, verbienen fie ſchlechtweg das Ideal zu heifien,
auch ber Begriff des Ideals es nothwendig mit ſich
Srhngt, bafı ſich die Ider der Möglichteit Ihres Erſchelnens
umtertverfe; md ebendadurch {ft dev vorherrſchende Bug
5 im ihrem Geift, ja der, welchen man immer wählen warde
Denm man nur einen einzigen anzuführen hätte, Achtung
und Freude an Ghenmaß und Ofeichgewidt; auch das
Edelfte und Exhabenfte nur da aufnehmen zu wollen, wo
8 mit einem Ganzen — Dos Misverhältnif,
bare Quelle erſchutternder oder hnreißender Gefühle für
fe wird, war ben Griechen ſchlechterdings fremb; fie
nicht dad Umtreiben in Gedanten und Empfür
1, hinter denen jeber Ausdruck zurüchleibt, und was
nicht freiwillig und natürlich in das zwiefache Reich
des Lebens und der Di ung | tellte, gehörte nicht im
Die — war eine
I allen Seiten und Na
murbe ex nirgends“
‚gearbeitet als in Hellas. Diee ille gegen dad
Unperhältnifmößige entiprang. aber bei den Griechen nicht
eigentlich aus einem o r von Schwäche und Wer
weichlichung zeugenben Ab ben übermäßig Her⸗
m der gewohnlichen Natur
Entfernenben, jonbern unmittelbar aus dem Bebärfnif,
Geſchichte des Verjalls ber griedifhen Freiftaaten. 187
| ren a Süden Zeben, gelang, mas ſelbſt In
orbneten bloß das Werk des Genies ift, nur
en — Triebe, dem fie ſich frei und ohne Ruck⸗
t hingal
Alle ee beruht, uber vielmehr ſpricht fich
aus in einem Triebe, und iſt Eins mit dem ihr eigen
thlimlichen. Won ben mmterjten bis zu ben höchjten
Elofjen des Lebens hinauf erkennen wir in jenem Ganzen
umb in bem Begriff feiner Natur jedes Beicöpf weniger an
30 feiner Art des Seyns als an feinem Streben, in welchem ſich
erft alle jeine vergangenen, gegenmärtigen und zulinftigen
in eine Einheit zujammenkmüpfen. Wie das
Leben weber jtilljtehend, noch durch ehe ünfere Urſach
bewegt gebacht werden kann, jo beiteht das ganze Unt-
45 verjum mar durch ven Trieb, jo Lebt und iſt nichts, als
inſoſern es zu leben und zu ſeyn ringt, und dev Menjch
imäre fehlechterdings Herr und Meifter feines Dafeyns
und feiner Fortdauer, wenn er durch ein Machtgebot
Teims Willens feinen Pebenstrieb zu vernichten vermöchte.
© Der Trieb it naturlich ſelbſt beftimmt, und beftinmmt
wieberum bie Form bes Lebens, Aller Unterſchied unter
dem Lebendigen, zwiſchen Pflanzen und Thieren, zwiſchen
ben monnigjaltigen Geſchlechtern dieſer Tepteren, und unter
den Menſchen zwiſchen Nationen und Andividuen beruht
25 alfo allein auf der Verſchiebenheit des Lebenstriehes und
feiner Mönlichleit, ſich durch den Widerftand, den er findet,
durihzuarbeiten. —
Bel den Griechen git gerade darauf
hin, rein und vofl e
= dajeyns in Heite
genieen,
daß er jejt auf der Erbe murzeli,
ji) zum Simmel zu erheben vermag, fo it eigentlid)
feine, noch) fo erhabene Eigenfhaft in if etwas anders,
al8 Frucht eines durch wfung göttlicher Ideen ders
= enelten Naturinftincts. Nun hatte aud; ber zohe unb
ganz umgebildete Grieche unläugbar zwei Eigenjcaften,
bie, wie gefährlich fie in vieler Midficht jeyn mögen, doch
Seidichte des Verſallo der griedilfchen Freiſtaaten. 189
ſchaft und Kunſt. Weit regſamem Stan für alles begabt,
war ihm endlich, einfeitige und vorurthellvolle Chung
der Dinge fremd, md ſchon bei Homer erinnert Paris
den Heelor ſehr Ihn bie Gaben feines und feiner der
Himmlifchen zu verſchmahen. Die evelften Vorzüge einer
Nation zu erkennen, iſt «8 manchmal müßlich, fie in ihrer
Entartung entftellt zu fehen. Wie num befchreißen uns
die Nömer, nicht, wollen wir Hoffen, alle Griechen, unter
denen die ber PVorältern noch Witroigen ſich wohl, wie
noch jeht der Ueberwundne, ber ſich zu ehren berjicht,
werben im ihren durch jene zerftörenden Weltbeherricher
zur Eindbe gemadjten Mauern verborgen gehalten haben,
aber jene, die nur als eine vornehmere, und da fie fich
jelbjt jeden Tag aufs Neue verkauften, verächtlichere Art
bon Sklaven, in den Häufern ihrer Reichen umhergingen?
Als mäßige, neugierige, geſchwätzige, unruhige und ewig
veränberliche Prahler Aber jelbft in dieſen mit Recht
verachteten Fehlern iſt noch immer ein Funlen bes alten
Geiſſes ſichtbar, mod Freihelt vom der Nothdurft des
9 Lebens, noch ein gewiſſes Hängen am den, was nicht
Lörperlich den Sinnen, jondern als Hauch gleihjam und
Duft nur dev Phantaſie und dem Gifte ſchmeichelt, übrig,
noch etwas. das, wenn es auch der Seele nicht himmliſche
Flügel Leiht, doch die Bürde des Körpers abwirfl, über
bie in der fchönften Zeit Griechenlands Plate jo Häufige
und beredte Klage führt: Der Milßiggang laun wieber
zu jener edlen welche noch ber ehrwurdigſten
Wrbeit bei ums den ren giebt, die Neugier und Ber
fchwäßigfeit zu Unterfuchungsgeift, Berediomteit und Poefie,
8 die Unftätigkeit zu ſchönen Auffaſſen alles auch noch jo
verſchiedenen Großen und Berunbernsmärbigen in ber
Menichheit und der Natur zurückichren. Auch in ben
ſWonſten Zeiten Griechenlands find Nuhmbeglerbe und
Diebe zur Gejelligteit fo mit einander verſchwiſtert, daß
jene, ftatt weit ouszujchweifen, umd ihre Befriedigung im
der Ferne zu ſuchen, ſich auf diejenigen Gegenftände ber
Ährtmtte, die unmittelbar im Streife der Bürger und
. u
Weldiichte des Berfallß ber griechifchen Sreiftnaten. 191
Br fremden Geſialt, oder einem trügeriichen
‚Die Griechen waren aber auch außerdem F
im fi) gebildet, und fo wohlthätig durch das
von außen begünftigt, dafs jener borhinermwähnte
jelten ober nie von feinem Biel abierend, ſich and)
herrſchend zu machen berftand. Was ſchien,
E Wert bes Genies feyn zu Lünen, war demnach mehr
rl der Natur, wie fich überhaupt immer im Menjchen
& am feinften Ausgebildete unmittelbar em das Ur—
üngliche anfchlicht, das darin mur gleichſam in eine
dre Klarheit des Bewußtſeyns gejept wird; und wie
im gejellichaftlichen Leben die edelſten und zarteſten
je nur mit den niedrigſten, noch in matielicher
it lebenden Vollselaſſen In unmittelbarer Bes
bes Sinnes und der Empfindung ſtehn, und
& die in ber umjeligen Mitte Schwebenden, bald ohne
fraft, bald im verzereter, beides der Achten Natırr und
F üchten Verfeinerung gleich fremd find,
7 Dem allen ungeachtet wird niemand leicht den Trieb,
© dem bier die Rede ift, mit inftinctartigem Naturzwang,
x untergeordneten Begierben verwechelen ober veriennen
be bier nur darauf anfam zu zeigen, daß, da einmai
amflicher und frrbijcher Stoff Im Menjcen gepanet find,
ungerecht ift, beide einjeitig zu ſchelden. Nicht? des
enjchen Witrbiges kaun in ihm, ohne Freiheit, d.h.
he Ycte, die einzig dev Perfönlichteit angehören, empor»
amen, olfo am menigften das, worauf feine ganze Ibis
hmalttät d. 5, feine Perfönlichteit felbjt beruht: Allein
f ber andern Seite fann auch das Princip des Lebens
HE anders als thätig, und jo wie das in und Gejeke
benbe und Herrſchende der Idee entipricht, ber Enipfinbung,
dem erſten Anſioß zu allem Handien, entjpredjend fen;
Hann ferner nicht durd) eine gfeichham willtührliche Bes
mmung des Willen® gejeht werden, da es vielmehr allem
Sbrüdlichen Wollen vorhergeht.
I men nur einmal ſicher den Grundtrieb der Indie
dmalität (dev als etwas Nnenblices fid) nie rein und
4 1
Geſchichte bes Verfalls ber griechiſchen Freiftaaten. 193
Gemuths in dent nur das ſelbſtgegebne Geſetz herrſcht,
enlſoringenden Trieb nennt der Deutjche mit einem leiner
andern Nation (ba feine Sprache vorzugsweife in dem
Gebiete einheimiich it, das, um gun ausgemeflen zu
werben, ber Hülfe ber Empfindung ‚ebarf) betannten
Worte) Sehnfucht, und der Menſch Hat daher nur injofern
einen bejtimmten Charakter, als er eine bejtimmte Sehn-
ſucht ferne. In jebem Menjhen regt ſich eine ſolche,
aber wenige find glacklich genug, daß [fie] fie, ſich micht in
widerjprechenden Affecten zerſtreuend, rein und beftimmt
em, mod) weniger, def fie auf Acht tbeafifchem
je den Urformen der Menfchheit entgegengehn, ımd
am feltenften ift das Glücd, daß, ift diefe zwiefoche Be—
dingung erfüllt, auch die äußeren Umftände ihr hinlänglich
‚zufagen, durch Befriebigung nene Kraft zu gewinnen.
Die Kbealität eines Charakters hängt von nichts jo
fehr ab, als der Tiefe, und ber Art der Sehnfucht, bie
ihm begeiftert, Denn der Ausdrud des Idealiſchen fügt
ber Moralitit nod) etons Anderes, nicht Höheres (bemm
fie bleibt immer das Höchfte) aber mehr Umfafjendes
hing, da ein ibenfifcher Charakter ſich nicht bloß Einer
Idee, wie der fchlicht moraliſche der der Pflicht, untere
toirft, ſondern fid) gleichjam allen been, ber ganzen
umfichtbaren Welt, anbildet, da ev, wie der Künſtler ein
Kumjtmert, jo eine Geftunung hervorzubringen ftrebt, bie
wie jenes die Schönheit, fo die Menfchheit (im ihrem
Abel und ihrer Würde) in einem einzelnen Fall baritelle,
amd da er endlich im wahren Werftande fchöpferifch ft,
indem ex bie, fonft mm ben Gebanfen vorſchwebende Idee
höchfter Menfchheit in eine Thatſache der Nat dere
manbelt. Dazu t bloß Berichtigung des Denlens
und Übung de 3 Hin, das Gemürh muß fähig
gemocht werben für bas, woran Ten Begriff und. Teine
Empfindung reicht, und tvas, wenn es die Einbildumgskraft
frei zu bilden feheint, don ihr auß ber Tiefe ber Natur
geſchöpft wird; mit anderen Worten, Die Idee, welche Die
Seele und das Deben ber Natur ausmacht, und don ber
Dintschs Litteraturdenkmalo Nr. do de 19
Geſchichte des Verfalls dev griechtſchen Frelſtaaten. 195
müßte an einem andern Orte ausgeführt werben, mei
es nicht ſchon von ſelbſt Har wäre.
Trägt man dieſe Ideen in die aufmerlſame Be—
trachtung des Lebens über, jo wird man, am meiften an
Sich felber, Bald gewahr, doß es eine dreifache Art der
ee giebt, die der jellung des Berftandes, der
Stärkung des Willens, und des Hinneigens zu beim
nimmer Ausgejprochnen und ewig Unausfprechbaren, der⸗
gleichen bie Urperliche und geiftige Schönkelt, bie Wahr-
heit im ihren lehten Ortnden, und die Freihen if, bınch
die im der feblojen Natur die Form die Maffe, im der
febendigen der freie Gedanke die blinde Gewalt überroindet.
Die lehte würde am beiten die des Gemüth3 zur Religion
genannt werben, ıäre biefer Ausdruck zugleich fo
edel amd jo gemisbraucht, daß man immer beforgen mir,
bald durch das Erhabenſte ihm ſelbſt, bald durch ihn (im
ſehner Herabjehung) das höher Gedachte zu entweihen
Die belden erſten Erziehungen fünmen das Wert der Bes
lehrung und des Beiipiels jeyn; aber die Ichte gehört
allein der Secle jeibit umd der Erfahrung des Lebens
an, vorzüglich dem glüdlihen Gange die Welt auf fich,
wirken zu laſſen, und ihr Wirken in felbjt gejchaffener
Einſamleit zu verarbeiten; und hier offenbart es fih, mas
ein recht geftimmmtes, zugleich, ftartes und mildes Semi
aus ben mannigfaltigen Negungen zu machen verſteht, die,
mie Begierde, Liebe, Bewunderung, Anbetung, Freude,
Schmerz und welchen Namen fie führen mögen den Buſen
Salb freunbfich befuchen, bald heftig beftikmen. Den
diefe und alle andern Affecten find die wahren (rs
weckungsnntiel jener hohen und eblen Sehnſucht, jo wle
fie ſelbſt wiederum, fie durch Stärkung läuternd, ala die
Beinigung derſelben angefehen werben Kaum, und weſſen
Bruſt (dozu Frauen meljtentheils beſſer geſtimmt 1md
dnmeeh; ihre Sage mehr begünftigt find als Männer) fie
am bäufigiten und mächtigiien durchwogt haben, in dem
zeift fie zur ebelften und wohlihätigften Stürke.
Wie daher jeder irgend würdige Charakter ſKtraft
ı13*
Geſchichte des Verfals der geiechiichen Freiſtaaten. 197
übrigens eigentlich idealiſche Charaktere allerdings dos
Vorrecht befigen, einzeln zur Gattung zu werben. Viel-
mehr wird alle Seiten hindurch ihre Anzahl aur Mein
jeyn, am Heinften die derer, die auf bedeutende Weiſe
im banblenden Leben auftraten, wie unter ben Griechen
Ariftides, Socrates, Epaminondas, Philopömenes und
andre, Scipio und Cato unter den Nömern, Luther und
Briedeid) in der neuen Geſchichte; bei mehreren wird ſich
wie Bei jo vielen Dichtern und Weifen, die mehr in Ge
fumung als Handlung übergegangene Form nur In ihren
Berlen jptegeln, und bie melſten werden nur einzelne,
hervorſtechend ausgemrbeitete Züge, nur Elemente ber
Idealitat, nicht fie ſelbſt zeigen, und nicht beſſer wird es
ganzen Nationen ergehen.
Nationen indeh gehören zu den gröheren Exzeugs
nißen der Naturkräfte, in denen ihr Wirken fich In Dem
Grade mehr gleich bleibt und das Gewirlte ähnlicher ins
Auge füllt, in welchem der Wille des Einzelnen ſich in
der Maſſe verliert: Wie bie Natur an gewiſſen Küſten
Korallenriffe zufammenhäuft, im gewiffen Erdſtrichen
Bamilien don Pflanzen ſoroſſen laßt, jo verſtreut jic Ges
chlechter ımd Stämme, und mern dieſe auch bald die
Hügel und Flüffe, und endlich auch die Gebirge und
Meere überwandern, welche fie abſondern, fo wirkt dad)
immer‘ fie in zwei mächtigen Dingen, der Jeugung md
der Sprache fort, Im deren erftem ihre dumfeln umd ge—
heimnißvollen Sträfte ganz jchalten, und von welchen bie
deptere gleichfalls durch das, was ihr erit Nachdruck und
Barbe giebt, den Ton, die Weile, und das uripränglich
anwilltuͤhrliche Vertnüpfen des Hörperlichen und Geiftigen
hr angehört. Wenn «5 daher auch ſchwerer iſt, einen
Idenfifchen Nattonenchorakter zu finben, umb wenn mam
auch, um gerecht zu ſehn, mc ben Grlechen ansichliehend
dieſen Vorzug einrdunen barf, jo muß man dennoch ges
stehen, daß, um fich idealiſche Charakterforn bor dem
Gernäthe zu Bilden, um fic durch einzeln erbficte Seiten
und Beitrebungen zu ihrer eignen Erzeugung zu begeifterm
Geſchiie bes Verſalls der griechſchen Freiſiaaten. 199
— Unwerth ber Einzelnen ganz unabhangigen
Neiz bat.
x Aber wenn die Individualität idealiſch feyn Toll, muß
fie durch mehr, als bloß Neuhelt, überrajchen, eine grofie,
wurdige, allgemeine Idee von der Menſchheit dergeftalt
offenbaren, daß fie, mur durch ihre Form begveiflich, durch,
fie mur gejhaffen ſcheint in ideatif—her Charakter muf
Schwung genug haben, ſich und mit ihm feine Beſchauer
ous den engen Geblete der Wirklichkeit in das weite
Reich des Sebnntens zu verſehen; er muß ben Ernſt bes
Lebens nur in dem Ernſt der Ideen erbflden, die es
erivedt, feine Schreckalſſe und Schmerzen zur Erhabenheit
retten, feine Freuden und Genüfle zur Grazie und ie
tellectuellen . Heiterlelt erweitern, in allen Kimpfen und
Gefahren desjelben als ein Minger erfcheinen, der bes
ſtimmt ift dem Großen, Edlen und Unvergänglichen in
der Menjchheit den Steg über das Niedrige, Bejchränfte
und Vergängliche zu erftreiten. Daher iſt Freiheit In jedem
edleren Stune des Worts jeine unerlaßllchſte Bedingimg,
tiefe Liebe zu Weisheit und Kunſt feine trene Begleiterin,
Milde und Anmuth feine untrüglichen Merkmale,
Wir Haben im Vorigen des Epaminondas, als eines
deoliſchen Charakters erwähnt, umd wenn man von dem
‚Heldenzeiten zurüdgebt, wo Fabel und Gedichte ſich mit
einander vermifchen, fo weiß id In der That nicht, ob
das ganze Alterthum einen mehr vollendeten und mehr
dichtertjcyen aufweift. Edelerworbener Ruhm feiner Vatere
ſtadt, und die Freiheit von Helles find die einzigen Ges
fühle, die ihn befeelen; fein Blut farbt fein Schwert, als
das dafür vergoßme; wie der Sieg errungen it, wird er
frögtiner Gründer feiehliher Städte; wie Öriehenland
jeiner nicht mehr bedarf, lehrt er in den beicheidenen
Kreis feiner Bürger zurüc, ımb übt genügfam Weisheit
und Kunſt. Die Gefahren des Vollsgerichts und bes
Todes zerftreut er durch ruhige Heiterkeit, und ftlll ernſten
Stolz md Löft fie im gefälligen Scherz auf; lein Glüd
macht ihn vermeſſen, ımd fein Mißgeſchla teiibt ben
Gelchichte des Berfatts der grlechtſchen Zreiftanten. 201
weſentlichſte Zug des Griechiſchen Charakters, noch amfre
Anficht des Berhäftniffes di en zu der neueren Zeit,
deutlich erkannt werden Fönnen.
Senn wenn nidt das Daſeyn einer folden tiefer
amd reinen Sehnfucht in jeder edleren menf:
gehörig berührt worden wäre, wenn wir nicht darauf aufs
mertſam gemacht hätten, daß fie das Prineip iſt durch das
jede Individualität die ihr zuſtehende Vollendung erhält,
jo wäre nie hinlanglich Hat geworben, wie die Foealität
10 de8 Grieilchen Charakters ma von der Natur und Be»
ſchaffenheln diefer ununterbrochen Iodernden, ewig erwar⸗
menden und begeifternden Flammen möglich wor. Wir
haben km Worigen die eigenthümliche Eigenfcaft der Grlechea
in einen gewoiffen, fie befeelenden Drang gejet, bas höchfte
Leben, als Nation, dayzuftellen, und wir haben fer
‚glei türfiche Anlage ihres Weſens
das Streben, nur ſchlechthin
zu ſeyn, bei ihnen imnexlid; be
mehr von den Umftänden be—
en trug won den fraheſten Selten,
a3 Gepräge jener höheren Sehn
a
un ben Voben aur mit dei
den Geift übe
orzügltc; die letzteren ges
Geſchchte des Verfall der grischifchen Freiſtaaten. 209
von der wir ausgeben. Das Leben joll, durd) die Fülle
jeiner Bewegung, Ideen, erhaben über fich jeldft und über
jede Wirklichteit, helfen zu erſchaffen; der Menſch eine
Kraft befiten, zugleich) durch eigne Anftrengung und Gunft
des Schidchals, geiftige Erfcheinumgen hervorzubringen, die,
gegen die Vergangenheit gehalten, neu ımd für Die Zukunft
fruchtbar find; und wie bie Kunſt in der ideallſchen Schün-
heit eine reine und unkbrperliche Idee aufſucht oder beſſer
erzeugt, nicht anders ſoll die Philojophie die Wahrheit,
und das handelnde Leben die Charaktergröße zu erzeugen
im Stande feyn; alles joll alſo immerfort in Thätigkeit und
in [höpferifcher Thätigleit verharren; alles auf Ergritndung
des noc Unbekannten, ımd Hervorbringung des noch nicht
Gejehenen Hianslaufen; jeder auf einent Punkte zu ftehen
glauben, den er noch weit hinter ſich zurüdlaffen muß. „
Wer Hiermit nicht übereinfilmmt, wer ſich einbitbet,
daß die höchſte Kunſt nur in Erreichung gefälliger Wahr
heit, die Höchite Philoſophle mır im Zuſammenordnen
deutlich entwickelter Begrific, der höchſte moraltiche Werth
me in mwohlgeoröneter Glücjeligfeit, oder einer durch
bloße Gejegmähigteit erreichbaren Privat und. gefellichaft
fidjen Volllommenheit beftehe, ohne zu empfinden, Daß
Schönheit, Wahrheit und Charaktergehalt aus einem in
feiner Bejchaffenhett und Wirtungsart unbegreiflichen Stres
ben entipringen, und ftatt nad) vorhandenen Maßſiabe
beurteilt werben zu fönmen, jelbit Durch bie That bem
Maßſtab zu eigner umd fremder Beurtheilung aufitellen,
don dem mifjen wir gleich hier feheiben. hm mul
ſchon alles bis jegt über die Griechen und Ihr Verhältniß
zu uns Geſogte übertrieben und chlmärlſch erjcheinen, und
da der Punkl, in welcher fir uns erſt die Wahrheit Der
gimt, Ihm gerabe das Ente berjelben bezeichnet, jo Armen
unfre beiderjeitigen Wege ſich ſchlechterdngs in feinem
Schritte begegnen.
Nachdem nun Bisher nicht ſowohl beiviefen, da es
eigentlich) Teines Berweijes bedarf, als mır nad) dem allge-
melnen und von feinem abgeläugneten Eindruck gezeigt
Sefchiehte des Veiſalls der griechiihen Ferifianten. 205
An feiner ganzen Mannigjaltigkeit aufzurollen, die Bruft
in ihren gewaltigiten Tiefen zu erſchüttern, und dann das
Wogen der fo aufgeregten Phantafie und Empfindung
durd) einen immer zugleich betvegenden und beruhigenben
Rhyihmus zu beherrſchen. Man muß ihnen gewißermafen
fon ahnlich geſtimmt feyu, um fie zu werftehen, nicht
bald ihre Tiefe zu überjehen, bald ihre Zartheit zu vers
fennen; aber es ift merfoindig, daß dieſem Verſitindniß
mihts jo madıtheifig, als einfeitige Wildung, und nichts
aninder nothroendig, als Kenntnif ober Gefehrfamkeit: ift
Von den Nömern z. B. tft es ſchwer zu glauben, dah fie
in ben Geift der Griechen je mir einigermaßen tief
hr zu erkennen; und doch waren Die
ge ber Griechen, Tebten zu gleicher
beſaßen HE Svyrache die gewiſſer⸗
je amd Leiden, fein ußer
welche dic Teilnahme des
Geſchichte des Verſalls der griechiſchen Freiſtaaten. 207
Schlaf, den Muſen als Liebling beigejellt (Baufanias EL
31, 5.) ımd fo viele andre Seflaften des Allerthums ſind
wahre und eigentliche Symbole. Denn indem jie von
einfachen umb natürlichen Gegenftänben ausgehen, von
einem von wohlthätig üppiger Kraft überfliehenden Jüng⸗
ling, einem Mädchen, dns, eben aufblühend, ng biefes
Aufblühens mit Vefremden bewußt wird, der Kreiheit,
mit der die Seele im Schlaft, aller Sorgen entfeffelt
durch das leije verknitpfte Weich der Truume ſchweift,
inbene fie, ſage id, von biefen Gegenflänben ausgehen,
lommen fie zu Ideen, die jie vorher nicht fannten, ja die
ewig an fid) unbegreiflich bleiben, und ſich abgefonbert
niemals vein auffaffen laſſen, ohne wenigitens ihrer Indivi-
dualitat und ihres eigentlichen Weſens beraubt zu werben,
wie z.B. die der Quellen der dichteriſchen Begeifterung,
bie, wie es Schiuer fo |chün ausbrüdt, Hervorbrit, exrjt
dann fid) mächtig regt, wer, wie Im Schlafe die Glieder,
die fälteren Kräfte gleichlom erftarıt ruhen, und bas
Leben, wie der Traum, mit einem neuen Glanz über
left. Je tiefer und ſchöner man z. DB. in dem iehteren
Fall die Idee des Schlafes faht, wo der Menſch, im
Vertrauen auf die ſchützende Gottheit das wachlame Auge
ihließt, die ſchůhende Medhte entftriett umd fich nackt und
wehrtos Hingiebt, wo er freudig fich vom Getünmnel des Le-
bens in den Schooß einfamer Nacht zurückzleht, feob ſelbſt
ben Gemufe entfagt, und ſich mur bem reinflen und üthe—
rifchften Theil feines Weſens, der nie ſchlummernden Ein-
bildungstcaft überläßt, wo er erwacht bald aus entzüdenden
Träumen mit wehnrüthiger Rührung, daß ex erjt fein
Dafeyn gleihfam vernichten muß, um Götterfeligteit mit
inühelofer Ueberwindung der Schwierigkeiten zır jdmeden,
bald aus furdtbaren, tief exfcüttert, daf Geiler und
Schicſale vielleicht tuckiſch ihm auflauren, die Ihm die
blendende Helle bes Tages verbirgt, wo er endlich mit
jedem Auf⸗ umd Niedergange der Some, wie im einen
hurzen Borfplel die große Bahn feines Daſeyns immer
von neuem vollendet und wieder beginnt — je tiefer und
208 Wilhelm von Humboldt.
gehaftvoller erſcheint ihm auch die in diefem Bilde ausge⸗
brüdte Idee. Denn das Symbol hat das Eigenthümliche,
daß bie Darftellung und das Dargeitellte immer wechjel-
weife den Geift einladend nöthigen länger zu verweilen
und tiefer einzugehen, ba bie Allegorie Hingegen, wenn
einmal bie vermittelnde Idee aufgefunden ift, wie ein
gelöftes Näthjel, nur falte Bewunderung ober leichtes
Bohlgefollen an anmuthig gehmgner Geltalt zurüdläßt.
Die bloße und eigentliche Allegorie ift den Griechen
fer fremd, und gehört, wo fie fich findet, wohl noch
meiftentheil8 fpäten Zeiten an; denn mo der Sinn ge
wichen it, die Shmbole zu erkennen, werben fie leicht
zur Alegorie Herabgemürbigt.
0
Anhang.
Bruchstücke einer späteren Fassung der „Skizze
über die Griechen‘
(Wolf und Buttmann, Museum der Altertunswissenschaft.
1, 126—120 Anmerkung; 133—137 Anmerkung).
1. —
Das allgemeine Intereſſe der obigen Tendenz wird
vielleicht manchem Leſer näher gerückt, wenn ich hier
einige im einem Wriefwechjel verftreute Gedanten eines
Gelehrten ie auuqıkohoyoisrös rırös moi iin
zah5 xy, wie man deren in unſern Beiten höchſt
felten unter Männern feines Standes findet, Die durch
Zufall mir vorliegenden Bruchſtücke
ihre 1788, doch geht ihnen dadurch
— b, bie alles das haben wird, tab
il pbie mit dem helleften Blic
Fr — Verfaſſer dem Vublienm
Fruchtöniten, wenn man nicht ſowohl auf
15 auf ihre Urheber ımd die Perkos
herſtammt. Nur dieſe Betrach⸗
ahrer philoſophiſcher Menntnig des
ofern fie uns nöthigt, den Quftand
1
210 Wilhelm von Humboldt.
und die gänzlicde Lage einer Nation zu erforſchen und
alle Seiten davon in ihrem großen Zujammenhange aufs
zufaſſen. Das Streben nad) einer jolden Kenntniß (da
niemand eigentliche Vollendung derſelben Hoffen darf)
Tann man jedem Menfchen, als Menden, in verfdjiebenen 5
Graben ber Intenfion und Ertenfion unentbehrlich nennen,
nit nur dem handelnden, fondern auch dem mit Ideen
beihäftigten, dem Hiftorifer im meitejten Ginne des
Bortes, dem Philofophen, dem Fünfter, auch dem bloß
Genießenden. Um von dem Manne im größern praftiz 10
fchen eben zu reden: wenn er wirklich des Böchiten
Zwvedes aller Moralität, der wachſenden Vereblung bes
Menschen, eingebent ift, fo wird er durd) fein Stubium
beſſer befehrt, was er moralifch unternehmen dürfe, und
politiſch mit Erfolg unternehmen fönne; jo daß von dieſer
Seite jein Verjtand geleitet wird. Aber auch fein Wille
wird dadurqh geleitet. Alle Unvolltommenheiten bes Men-
ichen laffen fi auf Mißverhältnifie feiner Mräfte zurüd-
führen: indem nun jenes Studium ihm die Totafität zeigt,
werben die Unbolffommenheiten gewiffermaßen aufgehoben, »
und es erſcheint zugleid; die Nothwendigkeit ihres Ent-
ſtehens und die Möglichkeit ihrer Ausgleihung, wodurch
das vorher einfeitig betrachtete Individuum nach diefem
Ueberbfid gleichfam in eine Höhere Glafie verfegt wird.“
„Von dem Bloß geniehenden Menfchen liehe fih 3
eigentfic) nicht fagen, da der Eigenfinn des Genuffes
feine Regel annimmt. ber ich fege mich hier in bie
Stelle, nit gerade der ebelften Menfchen, aber der
Menfcen in ihren ebefften Momenten. Zr dieſen num
find bie vollfommenften Freuden diejenigen, welche man
burch Gelbtbetradjtung und durch Umgang in feinen
mannichfachen Abftufungen empfängt. Ye Höher foldhe
Freuden find, defto eher find fie zerftört ohne ein ſcharfes
Auffaffen des Seyns unferer felbft und Underer: aber
dies iſt nicht möglich, ohme eindringendes Studium des 8
Menſchen überhaupt. Diejen Freuden an die Seite treten
Billig diejenigen, welche der äfthetiiche Genuß ber Werke
0
Anbang. 211
der Natur und der Kunſt gewährt, Dieje wirken vor—
zuglich durch Erregung der Empfindungen, welche von den
— — an — an ‚geweckt —
Je iv num lebendige item menſcht
Empfindungen uns zu Gebote ſtehen, deſto mehr äuferer
Seftelten it die Seele empfünglih. Selbft ber frnliche
Genuß wird jo bervielfacht, erhöht und berfeinert, Inden
die Phantaſie ihm das reiche Schaujptel feiner möglichen
Mannichfaluglelt nach der Verſchledenheit des Genichenden
zugeſellt, und indem fie dadurch gleichſam mehrere Indie
viduen in eins bereinigt Endlich mindert fich durch eine
folhe Anficht das Gefühl ouch des wirklichen Unglück.
Das Leiden, wie das Lafter, fit, näher betrachtet, immer
nur partiell: wer das Ganze vor Augen hat, fieht, wie
es dort exhebt, wenn es hier niederjchlägt."
2,
Laſſen Sie mich iht nur einige don den Seiten bes
rühren, wodurch bie Griechen ſich vor andern Bölfern
auszeichnen, und die genauejte Kenntniß ihrer Nationalität
zu ben ſchonſten Abſichten x Stubien wihtig machen.
Ich möchte dahin zuerſt den Neichthum an mamichjaltigen
Formen rechnen, ber ſich im ihrer ganzen Cultur zeigte;
womit eine ſolche Ausbildung des Charalters verbunden
ft, wie er in jeber Sage des. Menfchen da ſehn dann
und da ſeyn jol it auf individuelle Ver⸗
fchiebenpeiten. und Verhüttnife. Der Meufd,
und Die heiftiteller daritellen, ift doch
u und großen und, von vielen
Ihnen Bügen zufammenge
das Stubium eines Charakters,
einem Beitalter wirken, wo durch
Aufmerkfamfeit vielmehr auf Sacjen
uf Maflen von Menjchen als
äufern Werth und Nuhen als
und Genus gerichtet ift, und wo hohe
148
Anhang. 213
jeine größte Sorgfalt nur auf die Entwicelung feiner per-
föntichen Sträfte: daher war, wo er handelnd uder Leidend
wurde. ſein ganzes Weſen um jo mehr in Thätigfeit vers
eint, als er vorzüglid) durch Stnnlichteit afficet und vor
diefer am ftärkjten ergeiffen wurde. Mit dieſer Stunlich-
tett aber, bie ihm eine fo große innere Beweglichkeit gab,
bing genau etwas zufammen, das vielleicht in aller =
ihihte einzig ift. AS die Nation ſich mod) micht
ans dem Buftande der Rohheit hevausgeholfen hatte, Ru
fie ſhon eim ungemein feines Seh! für a Schöne
der Natur und der Kunſt ımd einen richtigen Gefchmad,
nicht der Kritik, jonbern der Empfindung; um tleberum,
als fie ſchon das männliche Mlter überjritten hatte,
finben wir bei Ihe noch ein treues Aufbewahren jenes
eiprünglichen einfachen Sinnes. Daher bließ auch auf
immer bei ben Griechen bie Sorgfalt fir die geiftige
Bildung ungetvennt bon dex für die Körperliche, umd ftets
don Seen ber Schlinheit geleitet. Berounbernswerth ift
bier befonders die jehr allgemeine. Verbreitung des Ger
Schönheit untet ber ganzen Natton; umb nichts
N Kat iger ſeyn, als ein Auffaſſen
en Zuges. Denn feine Art ber Mus
"den wahren Abel extheiltz zumal bei
Menge von Nichtungen giebt,
eſchmad und Schönheitsgefühle
ten von Athen (und auf dieſen
ben am höchſten gebildeten,
,) in Athen machte bei einer
freie Berfaifung jelbit eine jo viel
thwendig. Das Wolf, bor dem der
trat, gab nicht Bloß ber Natur und Stärke
® auch auf die Form, auf das
Anftenb: jo blleb für jenen eine
er ungeftenft vernachläfjigen direfte. Allein
A wi
214 Wilhelm von Humboldt.
die Eigenfchaften, nad} denen er zu jtreben hatte, bezogen
fih alle eigentlich auf rein menſchliche und allgemeine
Bildung, nit auf die Cultur bejonderer Talente oder
Kenntniffe. Diefelbigen orzüge, bie den Griechen zum
großen Menſchen machten, machten ihn auch zum großen
Staatömanne. So fuhr er, indem er an ben öffentlichen
Gefäften Theil nahm, nur fort, ſich feibit Höher aus-
zubilden.“
„Um aber den vollſtändigſten Nutzen aus der Kenntniß
der Griechen zu ziehen, muß man am längſten nicht allein
bet den Perioden verweilen, in melden die Nation bie
feinfte Ausbildung gewann, fondern aud;, gerabe im Gegen
theif, ganz vorzüglich bei den früheiten Perioden. Denn
in diefen liegen die fruchtbariten Keime des eigenthümlich
ſchönen Charakters ber Öriechen; und es ift belehrenber
und leichter, in der Folge wahrzunehmen, wie diejer Cha-
takter fi} nad) und nach veränderte und enblich auSartete,
als umgefefrt.“ Aus dem vorhin erwähnten Briefmechfel.
Indem dieſe zum Theil ausführlicher enttwidelten
Gedanken gleichfam über ein Stüd unſeres Textes commen-
tiren, mögen fie zugleich beweiſen, wie viel der Verfaſſer
desfelben aus den mündlichen und fchriftlichen Unter
tedungen eines ſoichen Freundes gelernt Hat.
Kelyalg, Aerander Eheimann.
=
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