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Full text of "Welt- und Lebensanschauungen im neunzehnten Jahrhundert"

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Prlt- null frtoanfilionnngrii 

im 

neunzehnten §a^v^unbevt. 



Dr. g«i)0lf Jttintr. 



üSetlfn 1901. 

Sßerlafl ©iegfriefc (Sronßac^. 



<r> 



?Wol \7l^, IS- 




JU.. :5S1903 







1 



^rof. Dr. gmfl ^accfteC 



ipi6met öiefes Bu<^ 



m 



^ersHc^er Qo(^f<^d|un9 



ber Perfaffer. 



3n biefer ©d^rift mirb bei Serfud^ gemalt bie Snt« 
tDidebtng ber Seit* unb fiebeitiSanfd^auttnaen bon ®oftl^e 
tmb Sani btd ju Sotioin unb ^atdtl bat)uffcellen. S)iefe 
@nimxdtlvinq fteOt ftdg ab ein gevoltiged SKngen bed ntenfd^« 
fidlen ©etfteiS bar, baiS im anfange bt& neunzehnten ^afyc» 
ffmtitti» mit ber fül^nften Sntfoltung ber S)enfibaft bel^nfd 
Söfungber großen Si&tfelfragen bed Safeind begann, unb badtn 
ber Vertiefung ber natunDiffenfd^aftlid^en Sdenntniffe unferer 
3eit eine porlöufige Sefriebigung fuc^t. 

?;n jtoei Sänbe jerfaüt biefe ©d^rift. 2)er norliegenbe 
bel^anbelt bie erften fünf ^j^tit^ntt bt& ^aJ^r^^unbertiS^ in 
benen bie ®eifler beftrebt moren^ aud fi^ felbft l^eraud 
bie äBol^rl^eit ju Idolen. IRan Idnnte biefen Seitabfd^nitt bie 
ibealiftifd^e $exiobe nennen. 3)er groeite 8anb mirb 
ba& S^ttatter ber Slaturmiffenfd^aft, bie realiftifd^e 
$eriobe, gum ®egenftanbe l^aben. @ie trad^tet burd^ »er» 
Wertung ber bebeutfamen Sfürtfc^ritte, meldbe bie SBeob* 
ad^tung ber S^l^atfac^en in ben legten fünf Sol^rjel^nten 
gemad^t l^ot, bat SSeltrdtfeln nal^e gu lommen. 

S)er Serfaffcr gicbt fid^ ber Hoffnung l^in, bafe toegen 
feinei^ ©trebeni^ naq einer leidet faglid^en, Jo:^uIären 3)ar« 
fteüungiSn^eife^ bie btm 9n^t in meiteften Reifen Singang 
Derfd^offen foD, bie Kenner ber Sßeltanfd^auungiSentmictelung 
unfered abgelaufenen Sal^rl^unbertiS nid^t überfeinen merben, 
ba| er mit aQer ©trenge ben in Setrad^t lommenben gfragen 
nad^gugel^en fud^te. ®ie merben ftnben^ bag ^ier eine Stetige 
neuer ®eftd^tspunlte gemonnen morben ift, menn fie ^ S. 
bie S)arfteDung ber ^antfd^en, ®oet]^efd^en, gfid^tefc^en, 
$egelfd^en unb ©timecfd^en Sßeltanfd^auung mit anberen 
gefd^id^tlid^en Slui^einanberjfe^ungen bedfelben ®egenftanbed 
oergleid^en. 



SSor dum 2)ingen tourbe ongefireBt, jeber $erfonIid^Ieii. 
bie fxä) an bem Shtfbau ber modernen SieÜanfdgauitng itß 
teiligt l^ot/ tl^r DoQeiS Stecht ju teil werben ju toffen. 3dg fte||e 
mit meinen eigenen Slnfci^attungen in t)ouem (SinHange mit 
ben SrfleBniffen, gu benen ber gröfete Slaturforf d&er ber ©egen^^ 
mort, (Srnft $ aedel, gelangt ift. ^ä) ffdbt auf biefen 
Sinltang befonberiS in meiner ;,$]^iIofop]^ie ber f^reil^eit'' 
fiingemiefen, unb barf ei^ mir gur (Sffxt anredbnen, ba% @rnft 
^atdd, ber foeben in feinem SSerle ^®ie feeteätfel" fein 
Sbeengebäube aQfeitig auSgeful^rt l^at, bie Sßibmung meinei^ 
ä3uc^ei$ angenommen l^at. S)aS malere SerftdnbniS biefer 
mobemen SBeltanfd^auung mirb baburd^ mefentlid^ geförbert 
merben, ba^ man {td^ aud^ in bie entgegengefe^ten ©ebatden 
voxuxteü&lo» vertieft.' @o lommt in biefem 93u(i^e }. 93. bie 
3(nfi4lt @d^eIIingiS in einer 3lrt )ur @prad^e, ber man^ tote 
td^ glaube, nid^t einmal anmerlt, ba^ ein entfd^iebener ©egner 
rebet. Um treue gefd^id^tßd^e @rörterung, nid^t um einfeitige 
^ritif mar t» mir ju ^un; unb id^ n)ärbe mid^ glfidClid^ 
fd^ä^en, votnn ^unbige fänben, bai^ meine fd^arf aui^geprögte 
eigene SBettanfd^auung mir ben f8M für bie @tbanhn 
9(nberer nid^t getrübt, fonbern gefd^ärft l^abe. 

»erlin, im gfebruar 1900. 



Sßenn bie Statut beti 9Renfd^en ebenfo bt^anbtUt, tote 
alle übrigen SBefett, fo gäbe ed leine Sßelt« unb Sebend- 
onfd^auiing. @r wanbtlit jnfrieben unb glücflid^ burd^iB 
Stben mit bie Stofe, oon ber 9(ngelui8 @iIefiuiS fagt: ;,3)ie 
9iof' ift o^n n)arumb, fie blül^et, totil fte blühet, fie a^i 
nid^t il^ret felbft, fragt nid^t ob man fte ftl^et.'' ®o lann 
ber ^enfd^ nid^t fein. @r mug nid^t nur feiner felbft 
atzten; er tnu^ auä) ber SBefen utn ftd^ l^er ad^ten. Ott 
mug fid^ felbft in ber SSelt gured)t ftnben, wenn er in i^r 
leben n)iQ. @r lann bie fJfüQe ii^rer @rfd^einungen nic^t 
einfad) an ftd| oorüberjiel^en laffen, benn biefe fteOen nn* 
gäi^Iige fragen an il^n; unb er fül^It fid^ ^altlos, wtnn 
er leine Slntniort ftnbet. @r tnug burd^ fein ^anbeln 
felbft in ben ®ang ber (Srfd^einungen eingreifen. 2)araud 
entfpringen für il^n weitere Qfrogen : SBie f oE er eingreifen ? 
Unb tnbliä) ift ba» Sebürfnid in il^n gelegt, gu n)iffen, 
ioa0 aud feinetn 3ufantmenn)irlen mit ber übrigen JBelt 
entftel^t, meld^er fd^Iieglid^e @rfoIg ftd^ aui^ feinem Sl^un 
ergiebt. SluiS biefen brei ©runbtrieben ber äRenfd^ennatur 
entfpringen aQe Sßelt* unb Sebendanfd^auungen ^ant l^at 
biefe Sriebe in feiner ^Äritil ber reinen SSernunft" in bie 
brei fragen gelleibet: SBaö lann ii) miffen? 8Bai9 foH id^ 
tl^un? Ißa» baxf id^ l^offen? ©oetl^e ^ai il^nen Sludbrud 
gegeben in bem @a^e: ^jSenne id^ mein SerJ^öItnid gu mir 
felbft unb gur aufeenmelt, fo l&ei^' id^iS ©a^rl&eit.'' 

9ta^ ber SIrt unb btm @xabt i^xtt geiftigen fiä^iq* 
leiten beantworten fid^ bie üRenfd^en biefe gfragen in ber 

©teilt er, V&tiU uttb Sei&enSaitfd^auungcit. 1 



— 2 — 

Derfd^tebenften 98etfe. Unb ba bie SInttoorten bte j^öd^ften 
ßrgcbniffc bcr ©cifleölultur ftnb, ba jtc bog auömad^cn, 
tooburd^ ftd^ ber äRenfd^ erft feinen t^al^ren äBert geben 
roiH, fo ift eö begretflid^, ba^ ftc gu bcn geroaltigflcn 
kämpfen gefül^rt l^aben. 

ffiein ^af)xf)nnbtxi f)ai roo^l eine fold^e Sülle oon 
8lnltt)orten auf biefe fragen ]^ert)orgebrad)t mie bai^jenige, 
an beffen @nbe mir ftel^en. @d)open]^auer f)ai eS be^l^alb 
ba^ p]^iIofop]^ifd)e genannt. Unb inSbefonbere ift eS ba^ 
beutfd^e ©eiftei^Ieben, ba^ an biefer Kulturarbeit ben 
j^croorragenbften Slntcil l^at. Saum einer ber SBege, bie 
gum ^idt gu führen fdCieinen, blieb unbefd^ritten innerl^alb 
biefer l^nnbertiä^rigcn ©ntrotdCelung be§ beutfd^cn ®cifte§. 
Sie älteften religiöfen SSorfteüungen ttaten in einen er- 
bitterten Äampf mit ben jüngften ©rgebniffen beg miffcn» 
fd^aftlidjen ©enlenS. SRabifale Slnfrfiauungen erfd)icnen 
neben friebfertigen SermittelungSoerfud^en gmifc^en ben ent- 
gegengefefeten Meinungen. ®ie mutlofefte 3w)cifclfud§t 
gegenüber ben legten fragen l^at il^re SSertreter gefunben 
unb aud^ ber lü^nfte, ftolgefte Sbeenflug, für ben e§ fein 
unbeantmorteted 9latfel gu geben fd^eint. 

9Bie gmifdgen gmet 3RarIfteinen liegt bie (Sntmidtelung 
ber beutfd^en SBelt» unb ßebenSanfd^auungen eingefdjloffen 
groifdjen gmei litterarifdjen 6rfd^einungen, oon benen bie 
eine mie ein SRorgengeläute bt^ neuen ^a^vf)nnbeti^ in 
baöSal&r ISOOfättt: gfid^teö ^Beftimmung beS aKenfd^en/ 
unb bie anbere foeben al9 ^n^llanQ be^felben auftritt: 
Srnft ^aedtelö ^®ie SBeltrötfeL Oemeinoerftänblid^e 
©tubien über moniftifd^e ^ßl^ilofop^ie." 3ßan lann fid^ 
laum einen größeren ©egenfafe beulen, als ber ift, roeld^er 
gmifd^en biefen beiben S3üd^ern l^errfd^t. ^aedtel baut eine 
SBelt« unb SebenSanfid^t aQein baburd^ auf, ba^ er fid^ 
in bie Singe unb SBorgänge ber 9latur vertieft. S)ie un- 
befangene ä3eobad^tung ber @rfd^einungen burd^ bie 
Sinne, il^re genaue Unterfud^ung mit ben Hilfsmitteln bcr 
SBiffenfd^aften, unb ba^ logifd^e ©enlen, roeld&eS bie natür- 
lid&en Qn^ammtnfiänQt unb Oefe^e ber Vorgänge auffud^t, 



— 3 — 

finb il^nt bie CueQe ber SBal^rl^eit. Si(f)te giebl giuar ein Stib 
biefer Slnfid^t^ aber nur, um ^u ^tiQtn, bog mit i^r ffir 
ba» l^od^fie äJebürfnid bed menfd^Iid^en ®eiM nic^td an- 
zufangen ift. 3nt erften 9u(^ feiner ;,9eftimmung bed 
aKenfc^cn^ d^orafterifiert er baö Silb ber Saturerfdieinungen, 
mie ed ftd^ ber ben!enben Setrad^tung ergiebt, in biefer 
SBeifc: ,3n jebem SRomente i^rer S)oucr ifl bie Satur ein 
gufammen^ängenbeiS ®ange; in jebem SRomente mug jeber 
einzelne Seil berfelben fo fein, mie er ift, roeil alle übrigen 
ftnb, mie fte finb; unb bu lonnteft fein <Sanb!()rndE)en oon 
feiner ©teile oerrüden, obne baburd^, meüeidit unft^tbar 
für beine Singen, burti^ aDe £eile bed unermeßlichen ©angen 
^inburc^ etmaiS ^u oeränbern. Slber jeber SRoment biefer 
S)auer ift beftimmt burd^ alle abgelaufenen SRomente, unb 
mirb beftimmen alle lünftigen SRomente; unb bu lannft 
in bem gegcnmärtigen feinet ©anblorniS Sage anberS 
benfen, als fie ift, ol^ne ba% hu genötigt roürbcft, bie 
gange SSergangenl^eit in« Unbeflimmte l^inauf, unb bie 
gange 3w^«wft ins Unbestimmte l^erab bir anberö gu 
benlen." @ine fold^e SSorfteQung oon ber %atur mad)t 
^aedel gu ber feinigen. @r fagt: „"^ie mec^anifd&e ober 
moniftif(i^e $^iIofop^ie behauptet, ba% überall in ben @r« 
fc^cinungen beS menfd)Iid^en SebcnS, wie in benen ber 
übrigen SRatur, fefte unb unabänberlid&e ©efe^e malten, 
ba% überall ein notroenbiger urfac^Iidier 3"fQ"'n^^"^^J^9f 
ein StaufaIncjuS ber 6rf(^einungeu befielet, unb bai bem» 
gemäß bie gange uns erlennbare 92atur ein einl^eitlid^eS 
@ange, ein ^^SRonon*' bilbet." gid^te ftellt btefe Sor- 
fteüung oon ber Statur l^in, um gu geigen, bai fie einem 
Sebürfniffc beS SerftanbeS entfprid^t. aber er f^reibt 
fein Su(^ nur, um biefen Serftanb burd^ bie nod^ tieferen 
Sebürfniffe beS menfd^Iid^en ©cmüteS gu miberlegen. ®enn 
ber Scrftanb fül^re bal^in, ben SRenfd^en felbft mit au 
feinem Sl&un unb ßaffen fi(^ nur als ein oon $Raturfräften 
crgeugteS SBefen oorgufteUcn. „^^ felbft mit ollem, moS 
ic^ mein nenne, bin ein ®Iieb in biefer Stiit ber flrcngen 
Sioturnotmcnbigfeit . . . S)o6 meine 3"f^önbc nun eben 



— 4 — 

oon Scrougtfcin begleitet werben, unb einige bcrfelben, — 
©ebanlen, Sntfd^Iiegungen unb bergleic^en — fogar nic^tiS 
anbetet gu fein fd^einen, dl» Seftimntungen einei^ fold^eu 
SetDugtfeiniS, borf mic^ in meinen gfolgerungen nid^t irre 
machen. @» xH bie %aturbefttmmung ber ^flange, ftc^ 
regelmäßig aud^ubilben, bie bed S^iereiS, ftd^ gmedmägig ^u 
bewegen, bie beö 3»enfd^en, gu benfen." S)ieö- atteö fagt 
ber SSerftanb — ift i^ii^U^ SKeinung. 8ber eine innere 
Stimme meines ®emüte§ fagt mir: menn ic^ biejS ober 
leneiS tl^ue, f^ai eS nic^t eine %aturlraft get^an, fonbern 
id^ f elbft, an» freier @ntfd§Iiegung. 9Senn aber düeS, wa» in 
ber 9iatur gefd^iel^t, notmenbig gefd^icl^t, menn e§ nur er» 
folgt, meil eixoa» anbereS oorl^ergegangen ift, bann ift 
aud^ mein ^anbeln notmenbig gefd^e^en. 3(^ l^abe ed 
nid^t befd^Ioffen. @$ ift burd^ Umftänbe bebingt, bie oon 
meiner @ntf(t)Iiegung gang unabl^ängig finb. (S» ift 
lebiglid^ eine S^äufd)ung, ber id^ mid^ l^ingebe, menn id) 
mid^ für ben Url^eber meiner |)anblungen l^alte. fjid^te 
malt ba» Silb einer fold^en SBerftanbeSanfid^t grett l^in, 
um e» xed)i abfurb erfd^einen gu laffen: „id^ l^anble ja 
überl^aupt nid^t, fonbern in mir l^anbelt bie %atur; mid^ 
gu ttma» anberem gu mad^en, al» mogu id^ burd^ bie 
9iatur beftimmt bin, bieS lann id^ mir nid^t oornel^men 
mollcn, benn id^ maä^e mid^ gar nid)t, fonbern bie 9iatur 
mad^t midö felbft unb alleS, xoa2 id& werbe." Unbefriebigt 
menbet fid^ tii(i)ie oon einer fold^en SBeltanfd^auung ab. 
„Aalt unb tot baftel&en, unb bem SBed^fel ber Segeben* 
l&eiten nur gufel^en, ein träger Spiegel ber oorüberflie^enben 
©eftalten — biefeö Safein ift mir unerträglidö, id^ oer» 
fd^mäl^e unb oerroiinfdtie eS." „SrodCen unb l&ergloß, aber 
unerfd^öpflid^ im ©rllären" nennt unfer 5ßbiIofop]& bie 
anrtdf)t beg Serftanbeö. Unb er erllärt biefe anftdöt felbft 
nur für ein Srugbilb. Senn mol^er miffen wir oon aü 
ben Singen unb SSorgängen ber %atur, bie in einer 
Äette ber ftrengen Sfotwenbigicit gufammenl&ängen? ®od^ 
nur baburd^, ba% wir fie oorftcBen, ba^ unfer Sewufetfein 
fid^ Silber oon il^nen mad^t ^d) lann alfo nid^t fagen : t» 



— 5 — 

gieBt eine ^nitnmtU, fonbem nur: mein 9en)u§tfein l^at 
Silber einer fold^en atugenrnflt. 0ud^ im £raume l^abe 
id^ Silber, benen nid^tö 2BirIItd^e0 entfpric^t. SBarum 
foEte nid^t bie ganje äugenmelt ein 2^raum fein? „HUti^ 
2Btf[en ift nur $(6bilbung, unb ed wirb in i^m immer 
tttoa» geforbert, ba» btm Silbe entfpred^e/' SBie lann 
man ha» eigene Sein aud Singen unb Sorgöngen er« 
IlöreU; beren äStrllid^Ieit burc^ nid^td anbered oerbürgt ift 
als boburdg, ba% biefed eigene @ein fte oorfteOt? SBer 
baS SBefen beffen, was mit Sugenmelt nennen, burd^fd)aut 
— fo meint tjid^le — für ben fann auö biefer 8u|en- 
melt niemolig bie SBal^rl^eit lommen. ,^a\i bu lein 
anbereiS Organ, fo roirfl bu fie nimmer finben." Snt 
eigenen Snnern beiS SRenfc^en glaubt gfid)te ein fold^ed 
Organ cnibtdi gu l^aben. (Sine @timme biefed 3nnem 
fagt itbtxa aRenfd^en: ^anblt im Sinne beiner $flid)t. 
S)iefe Stimme lann nic^t trügerifc^ fein mie bie Sludfagen 
ber finnlid^en äBelt. „2)er %ebel ber Serblenbung föQt 
Don meinem 9(uge; id^ erl^alte ein neued Organ, unb eine 
neue SSBelt gel^t in bemfelben mir auf." SSenn aUtS 
übrige ©d^ein unb SIenbroerl ift: biefer mein SBitte gum 
^anbeln, ber fic^ in meinem eigenen Snnern anlünbigt, 
mufe bie SBaJ^r^eit fein, $fxtt finbet gid^te, einen feften 
$unlt. „SKein SESitte ftcl&t allein ba, abgefonbert oon 
allem, maS er nid^t felbft ift, bloS bnxi) fid) unb für fid^ 
felbft feine SBeÜ." So feft unb fid)er glaubt gid^te in 
bem SBillen baS ®afein in feinem SWittelpunIte crfafet gu 
j^aben, bag il^n baS Semugtfein baoon gu bem Sludfprud^e 
brängt: „3d^ l^ebe mein ^aupt tül^n empor gu bem 
bro^enben gelfengebirge, unb gu bem tobenben 23afferfturg 
unb gu btn Irad^enben, in einem gf^uermeer fdEimimmenben 
äßollen unb fage: idt) bin emig unb tro^e eurer ^Sta^fi 
Sret^t aUt l^erab auf mid^, unb bu @rbe unb bu ^immel 
oermifd^t end) im milben Sumulte, unb i^r (Elemente alle 
fd^äumet unb tobet unb gerreibet im milben Kampfe baS 
I^te @onnenftoub(^en beö fforper«, ben id^ mein nenne, — 
mein SBille allein mit feinem feften ^lane foD lül^n unb 



— 6 — 

latt über ben S^rütntnein be^ SßeltaQiS fd^toeben. 3)enn 
td) J)dbt meine Scftitnntung ergriffen, unb bie ift bauernbcr 
ofe il&r; fie ifl croig, unb id) bin eroig roie fie." Selben 
roir, roaö biefer Äunbgebung oom Slnfange bt& ^äS)x» 
l^unberti^ @rnft ^aedel für eine anbere am @nbe be^felben 
enlgegenfefel. ,,®urciö bie Sernunfl allein lönnen roir jur 
rool^ren 3falur=@rlenntniö unb ^ur Söfung ber SBelträtfel 
gelangen. Sie SSernunft ifl ba^ l^öd^fle @ul beS SRenfc^en 
unb berienige SSorpg, ber il^n aQein t)on ben Vieren 
roefcnllid) unterfc^eibet. Sa§ ©emül l&at mit ber Sr« 
lenntniiS ber Sial^rl^eit gar ni(f)ts ju tl^un. 9Sci^ 
roir „®emüt" nennen, ifl eine oerroicfcite S^ätigleit beö 
©eJ^irnig, rocld^e fid^ au§ ©cfüJ^Ien ber Sufl unb Unluft, 
au^ SSorfleQungen ber S^^^idung unb Slbneigung, au^ 
©trebungen beS Scgel^renS unb Sliel^enS jufammenfefel. . . 
®ie Srlenntniö ber SJal^rl^eit förbcrn alle biefe ©cmütS» 
3uflänbe unb ®emüts«33eroegungen in leiner 9Beife; im 
Oegentcil flören fie oft bie aHein bagu befäl^igte SSernunft 
unb fd^äbigen fie l^äuftg in empfinblid^em @rabc. 9ioi) 
lein SBelträtfel ift burd^ bie ©elöirnfunltion beö ©emütö 
gelöft, ober aud) nur gcförbert roorben." Unb über ben 
SBillen, in bem Sid^te ben Äcrn be§ SDafeinS gu er* 
greifen glaubt, äußert fid^ ^aedel: „SBir roiffen je^t, bafe 
jebcr SBineni8»Slft ebenfo burd^ bie Drganifation beö 
rooQenben Snbioibuum^ beftimmt unb ebenfo oon ben 
jerociligen S3ebingungen ber umgebenben Slugenroelt ab» 
l^ängig ifl roie jebc anbere Scelentl^ätigfeit." ©aß er 
aber gerabe bort, roo ^id^te nur 5£rug unb Unftc^erl^eit^ 
nur ein „trodteneö unb l^erglofeö Sriftem" erblirft, bie 
roa^re DueHe ber SBal^rl&eit finbet, fprid^t ^aedCel mit ben 
SBorten an^: „S)ie roal&re Offenbarung, b. f). bie roal&re 
DueQe vernünftiger @rlenntnii^, ifl nur in ber 92atur gu 
ftnben. S)er reid^e ®d^a^ roal^ren SBiffend, ber ben roert» 
DoQflen Seil ber menfd^Iid^en jfultur barfleüt, ifl eingig 
unb allein ben Srfal^rungen entfprungen, roeldge ber 
forfd^enbe SSerflanb burd^ %atur-@rIenntniiS geroonnen 
l^at^ unb ben SSernunftoSc^Iüffen, roeld^e er burd^ rid^tigeiS 



— 7 — 

Senlen aud ben Srfal^rungd-SorfteDungen gejogen ^at 
Seber Dernünftige SKenfd^ mit ttortnaletn ®e^irn unb 
normalen (Sinnen fd^opft bei unbefangener Setrad^tung 
ani^ ber %atur biefe malere Offenbarung/' Srnft ^aedtel 
beacid^nel in ber Sorrebe gu feiner @d)rifl „SJie ffleÜ* 
rätfei'' ate bereu Si^'l ^i^ Seantmortung ber S^age: 
„SSeld^e (Stufe in ber (Srienntnid ber 9Saf^r||eit liaben mir 
am @nbe bed neunse^nten ga^t^unbertd mirflid^ eneid^t?" 
@r nimmt innerl^alb bed ©eiftedlebend am @nbe bed ^af)x^ 
^unberti^ eine al^nlid^f ®teDung ein, mie fie gfid^te inner« 
l^alb beiSfelben am Seginne eingenommen l^at« S)ie auf 
^arminiS naturmiffenfd^aftlid^e gorfd^ungen begrünbete 
2)enlmeife bel^errfdit fieute bie ©eifter ebenfo mie im 8n« 
fang beS Sal^rl^unbertiS bie SorfteÜungSmeife ftant^. 
^aedel l^at bie legten gfold^ungen and ^attoind ßrgeb« 
niffen ebenfo gesogen mie gfid^te bie au» ben SorauiS^« 
fe^ungen StantiS. Seibe S)enler ftnb fic^ aud^ bemüht, bag 
fie in ben genannten @d^riften bie reifften tJfrüd)te i^red 
®cnlenö gegeben l^aben Sid^te fd&reibt am 5. Siooember 
1799 an feine ®attin: „^d^ ^aht bei ber SuiSarbeitung 
meiner ®d[)rift einen tiefem Slicf in bie JReligion get^an 
als nod) je. Sei mir gei^t bie Semegung btd bergend 
nur au^ oolllommener jtlar^eit l^eroor, t& lonnte mäjt 
f eitlen, bai bie errungene Marl^eit gugleid^ mein $erg er« 
griff." Unb ^acdfel bemerlt oon feiner Slnfdöauung in ber 
Sorrebe ber ,,S!BeIträtfeI" : „S)iefe naturpl^ilofopl^ifdie 
®ebanlenarbeit erftredt ftd^ je^t über ein oollei^ l^albed 
Sal^r^unbert, unb id^ barf je^t, in meinem 66. SebeuiS« 
ja^re, mol^I annel^men, ba^ fie reif im menfd^Iid^en 
Sinne ifi'' 

3ßan barf alfo moi^I eine ©efd^id^te ber beutfd^en 
äSelt« unb fiebendanfd^auungen im neunzehnten Sct^r« 
l^unbert aU bie (Sntmidelung ber ©efid^tiSpunlte tixä)M gu 
benienigen ^aedete anfeilen. 3)er fd^roffe ©egenfa^ ber 
beiben Slnfd^auungen mei^t und gugleid^ barauf l^in, in 
meieren ©ebteten bie ^aupttriebfebern biefer Sntmidfelung 
gu fud^en finb. gid^te betrad)tet bie Staturoorgönge all 



— 8 — 

ein i^db, auf bem bie legten äSal^rl^eiten nid^t gefuc^i 
xoetben bürfen. ^aedel ift ber Slnftc^t^ ba% fte nur l^ier 
gefunben merben lönnen. 3)tefer llmf(^n)ung in ber 
®d)ä^ung ber $atur»@rIenntntiS xoitb begreiflid^, menn 
man ben gegenmortigen 3uf^<i^^ bie\tc @rIenntniiS üer« 
gleid^t mit bem, ber üor l^unbert Salären gel^errfd^t l^at. 
8für bie mid^tigficn ©rfd^cinungen, biejenigen, meldte auf 
baiS SBerJ^öItniS be» äRenfd^en gur übrigen 9SeIt 2xi)i 
werfen, fanb bie Slalurroiffenfc^aft erft in unferem 3<i^i^' 
l^unbert bie 3RitieI unb äSege, um über fte Huffiörung gu 
geben. 9?ur über bie eine biefer S^ögen xon^it vox 
l^unbert ^a^ten bie Siaturmiffenfdiafl mit il^ren SWetl^oben 
ttroaS gu fageU; über bit Stellung, meldte bie @rbe im 
äBeltenraume einnimmt. ®urdö bie Seigren Äopernicuö' 
unb Stvv^tt^, meldte bie Semegung unferei^ Planeten um 
bie Sonne feftfteHten unb bereu gcfefemcifeigen SSerlauf er« 
Hörten, mar feit bem fed^Sgcl^nten Sal^rl^unbert bie mittel» 
alialiä^t Übergeugung erfd^üttert, ba% bie @rbe im 3RitteU 
punite beS SSeltaEd ftebe unb aUtS, maS au^erl^alb il^rer 
ftd) abfpielt, nur um il^retmiHen ba fei. Um fo me^r 
ia^itit man im 3)unleln, menn t» ftd^ barum l^anbelte, 
biejenigen Vorgänge innerl^alb unfereS ©rbenlebenö felbft 
gu erllören, bie fid^ ben groben Sinbrüden ber @inne ent* 
giel&en. ®ie oerbeffcrten mifrofIopifd)en Unterfud^ungö» 
meifen maä^itn t^ in biefem ^al^rl^unbert möglid^, ein leben« 
bigeiS 9Sefen im Beginne feiner @ntmidCeIung genau gu beob« 
ad^ten. SytU» geologifd^e 3^orfd)ungen gaben oor fieben 
Sal^rgel^nten einen naturgemäßen S3egriff, mie bie ©ebilbe 
ber (Srboberflöc^e aQmäl^Itd^ entftanben finb. 2)arn)injS 
(Sntbedungen um bie äl^itte bt^ ^df)xf^nnbtti^ geigten bie 
SSermanbtfdgaft, in ber alleS ftel^t, ma^ auf ber @rbe lebt. 
aSaö auf fold&e ?[rt feftgefteOt ift, läfet fid& nid^t me^r fo 
bel^anbeln, mie t^iä^it bie %aturerIenntniiS bel^anbelt l^at. 
©(Ritter traf für feine 3^^ ^^ö SRid^tige, menn er ben 
SJaturforfd^ern unb ben ^l^ilofopl^en gurief: „^einbfd^aft 
fei gmifd^en euc^! %od^ lommt bai^ SünbniiS gu frül^e; 
menn il^r im ^nä)tn eud^ trennt, mirb erft bie Sßal^rl^eit 



— 9 — 

tdannV 2)enn bxt Staturfocfd^ung feiner 3^^ 6<ttte nur 
fidleren Soben unter ben gffigen, menn fte fid^ auf bie (Sr- 
flebniffe ber 3(ftronontie ftü^te. Unb für biefe gilt getoift 
fein eigenes SBort : „®6^mal^ei mir nid^t f o oiel non 9tebel« 
fledFen unb (Sonnen! 3ft bie Statur nur gro^, meil fie 
3U ^äl^Ien eud^ giebt? @uer ®egenftanb ift ber erl^abenfte 
freilid^ int Staunte; aber, Sfreunbe, int Staunte n^o^nt ba9 
@r^abene nic^t/ 2)er Staturforfd^ung ber ®egenvart 
gegenüber, xodfl^t auf ®runb ber 2)arn)infd^en Slnfd^auungen 
betn äKenfd^en bie natürlid^en ®efe^e feiner Sntfte^ung 
geleiert l^at, wich fid^ Sd^iQerd Hu^fpruc^ nic^t nte^r auf« 
red^t eri^allen laffen. 

SBie n)enig in ben legten S^^^tgel^nten beiS uorigen 
Sal^rl^unbertd bie ätaturforfd^er für bie 9BeIt« unb Sebend« 
anf(f)auung gu leiften Dermod^ten, baiS gel^t aud ben (St* 
fal^rungen l^erDor, bie ©oetl^e tnit i^nen mad^te, aU er 
anfing, fic^ tnit ben (Srfd^einungen ber %atur )u befc^ctf« 
tigen. Seine SorfteQungiSart l^atte i^n gu einetn äSerfal^ren 
gefülgrt, ba^ Schiller in einem S3riefe an i^n am 23. S(uguft 
1794 mit ben SBorten d^aralteriftert: «äSon ber einfad^en 
Organifation fteigen ®ie, @d^ritt nor @d^ritt, gu ber me^r 
oermidelten auf, um enblid^ bie nermideltefte non aDen, 
ben äßenfd^en, genetifd^ an2 ben 9Raterialien b^ gangen 
%aturgeböubejS gu erbauen." ©oetl^e betrad)tete ben 9Ren« 
fd^en nid^t als ein SBefen, ba^ neben ben anbern Statur« 
gefd^öpfen einen befonberen Urfprung l^abe, fonbern er toar 
ber Slnfid^t, ba% biefelben ^äfte unb ©efe^fe, bie aDe 
anbern 3)inge ^emorbringen, aud^ ben 9Renfd^en gu ergeugen 
im ftanbe finb. 3n einer l^errlid^en SSeife l^at er ba^ in 
feinem 99ud^e über 9Bin!eImann auSgefprod^en : ^SBenn bie 
gefunbe %atur beS SKenfd^en als ein ®angeS mirlt, menn 
er fid^ in ber SSelt als in einem großen, fdjönen, mürbigen 
unb merten ®angen fü^It, menn baS l^armonifd^e Sel^agen 
il^m ein reineS, freies (Sntgüden gemalert; bann mürbe baS 
SSeltaQ, menn eS fid^ felbft empfinben lönnte, als an fein 
3iel gelangt, aufjau^gen unb ben ®ipfel beS eigenen 
SSerbenS unb SBefenS bemunbern.'' 9(uf eine fold^e 



— 10 — 

^uffaffung l^atte fd^on ^erber in feinen ^.Sbeen gu einer 
$]&iIofop]&ie bcr ©cfd^id^te ber 3Kenf(f)|[eit/ bie er 1783 
aufjugeic^nen begann, l^ingemiefen. SBir lefen in il^nen: 
,;Sont @tein gunt ^^ftaQ, t)om ^^ftall gu ben ÜRetoDen, 
Don biefen %ux ^flangenfd^öpfung, Don ben ^flangen gunt 
Sier, t)on bicfcm gum 9Benfd(|en fel&en mir bie gornt ber 
Drganifalion fieigcn, ntit il^r anä) bie Sriebe be§ ©efc^öpfö 
Dielartiger werben unb ftd^ tnblid) alle in ber ©eftall beS 
SRenfd^en, fofern biefe fie f äffen lonnte, vereinen." Solche 
Sbeen geprten gu ben äRitteln, burd^ ^ic ®oetl&e unb 
^erber gu einer ©efamtauffaffung ber 28elt gu lommen 
fud^ten unb burd^ bie fie fid^ propl^etifdE) auf ben ©oben 
peilten, auf bem bie 9?aturn)tffenfd[)aft be§ neungel^nten 
Sci^rl^unbertjS gebaut l^at. 2)ie 9SeItanfd)auung btefer 
beiben fprcdjen ©äfee n)ie biefe in §erber§ ^rSbcen" anS: 
„'S)a§ 3RenfdE|cngefd^Ied^t ift ber grofee 3uf<Jinn^^'^fi"6 «i^* 
berer organifd^er ffräfte/' „Unb fo fönnen wir annel^men, 
bai ber SRenfd^ ein SRittelgefc^öpf unter ben Stieren, b. i. 
bie auiSgearbeitete gfornt fei, in ber fid^ bie ^ÜQt aller 
©attungen um il^n l^er ,im feinftcn S^begriff fammeln/ 
2)ie %aturforfd^ung jener S^age fud^te im @egenfa^ gu 
fold^en SBorfteDungcn gerabe nad^ aßerlmalen, bie ben 
äRenfd^en oon ben Sieren unterfdEieiben. Sin fold^er Unter» 
fcl}teb foQte barin beftel^en, ba% bie Siere gmifc^en ben 
beiben f^mmetrifd^en ©älften beö Dberfieferjg einen Keinen 
^nodien, ben 3^ifd^enIieferInod^en l^aben, ber bie oberen 
@d)neibegä]&ne enthält, unb meldfier bei bem Sßenfc^en nid^t 
Dorl^anben fein foD, fo ba^ bei il^m ber Dberfiefer ein 
eingiged ®iM bilbe. S)aiS oertrug fid^ gmar mit ben Sin« 
ftdE)ten ber bamaligen 9!aturforfd^er, bie Sinne in ben @a^ 
gelleibet l^at: Slrten ^gäl^len mir fo oiele, aU oerfd()iebene 
formen im ^ringip gefd^iaffen roorben finb"; eS ftimmte 
aber nid^t gu ©oetl^eS unb ^erberiS SSeltanfd^auung, nad^ 
meld^er bie %atur ben -IRenfd^en nad^ benfelben @efe^en 
gefd^affen l^at mie bie anbern Drganidmen. S)enn, menn 
bie (formen neben unb unabi^ängig oon einanber entftanben 
ftnb, bann lann jeber ein anberer Sauplan gu ©runbe 



— 11 — 

liefen. SBenn aber bie Statut allinä|^lid^ von ben einfot^en 
^formen gu ben tnel^r gufatntnengefe^ien aufgefttegett ifü, 
bann muffen fid^ bei ber sufammengefe^teften; bem 9Renfd^en, 
biefelben ©efe^e, nur t)en)oIIIonimnet n)ieberftnben; bie aud^ 
bei ben anbeten Seben)efen beobad^tet werben. 2)edl^alb 
fud^te ©oetl^e bad Sotl^anbenfein eined 3n>ifd&cnIiefetInoc^end 
and) beim SSenfd^en nad^gumeifen. Unb feine fotgfäUigen 
anatomifd^en gf^^fd^ungen btac^ten il^n gut @ntbedhing beiS« 
felben. <$üt ©oet^e roax biefe @ntbedung alfo auiS bem 
33ebitrfniffe entfprungen, ben nalutgefc^Iidien Swföwmen- 
l^ang ber 9Renfd^en mit bttt übrigen Sebemefen gu erlennen. 
2)aS ge^t au» ben SBorten J^etDOt; bie er im Stoüembet 
1784 an Stnebel fd^teibt: ,,!3dE) l^abe mid^ enthalten, ba» 
tRefuItat, morauf fd^on $etbet in feinen 3been beutet, fc^on 
je^o — et meint, in bet Slbl&anblung, in btt et feine ®nt- 
bedCung mittl^eilt — metlen gu laffen, ba% man nämlid^ 
ben Unterfd^ieb bc» 9Renfd)en vom Zitt in nid^td eingelnem 
ftnben lönne." ®o ^aben mit t» aud^ gu Detftel^en mad 
et an ^etbet fd()teibt: „&9 foll S)ic^ aud^ tec^t l^etglid^ 
ftenen; benn e§ ift mie bex ©d^lufeftcin gum SKcnfd^cn, fel^U 
md)t, ift ani) ba\ abet mie! . . . 3d^ l^abe^miriS in Set« 
binbung mit Seinem ©anjen gebac^t, mie fd^ön ed ba 
wixb.*' gfüt bie 92aturfotfc^ung ^at biefe Snft^auung etft 
^uylc^ 1863 fxnä)iiax gemalt in feinem betü^mten ©a^c: 
2)ie anatomifd^en Unterfd)iebe beiS Snoc^enbaueiS gmifdE)en 
bem SKenfc^en unb ben menfd^enäl^nlid^en Slffen ftnb nic^t 
fo gtog als biejenigen gmifd^ien biefen äRenfd^enaffen unb 
ben meniget entroidEelten Slffenarten. ®ie SRatuifotfd^et gu 
©oetl^eS '^txi mollten einen fold^en Untetfdjieb bnxd^anS 
l^aben. ©oetl^e beSagt fid^ am 13. gfebtuat 1785 in einem 
Stiefe an Tlexd: ;,$on Sömmcting (einem btxbtbtuUnb^tn 
Anatomen) ^dbt xi) einen fel^t leid&ten Stief. (St miE miti* 
gat auöteben. Dl^e!" Unb am 11. SRai 1785 fd^teibt 
Sömmcting felbft an SKetdt: „©oetl&e mitt, mie id^ an§ 
feinem gefttigen ©tief fel^e, oon feinet Sbee in Slnfcl^ung 
beS 3n>ifd^^n^o<$^nS nod^ nid^t ab.'' Unb btx betül^mtefte 
Slnatom vom @nbe beS DOtigen Sal^tl^unbettiS, Sampet, 



— 12 — 

fteOte entfd^iebett ®oeü)t» Seobad^tung aü einen Strtum 
l^in. ®o meit mar bamalS bie Xaturforfd^ung baoon ent- 
fernt, an» ftd^ l^eraud bemjemgen entgegengulommen, ber 
nai) einer naturgemäßen äSeltanfd^auung ftrebte. 



tJfür bie eine ber t^ragen, in bie £ant baii '^id ber 
äßelt« unb SebeniSanfd^auung ^ufammengef aßt l^at: ^SSaiS 
lann id^ miffen?" ift innerl^alb ber (Sntmidelung bed neun» 
gel^nten Sal^rl^unbertiS im beutfc^en ©eiftedleben ol^ne 3n)eifel 
bie %aturmiffenfc^aft baS treibenbe (SIement bt§ tioxt» 
fd^ritted. ^aecfel burfte bal^er in bem Sortrage, ben er 
am 26. 9(uguft 1898 auf btm oierten internationalen 
3ooIogenIongreg in @ambribge gel^alten l^at, fagen: ^9lm 
®d§Iuffe bt» neungel^nten S^^tl^unbertiS bliden mir mit 
gerechtem ©tolg auf bie gemaltigen unb unoetgleic^Iid^en 
gortfd^ritte, mcldic ntenfd^Iid^e SBiffenfd^aft unb Äultur 
möl^renb feinest SBerlaufeS gemad^t l^aben — allen anberen 
ooran bie Siaturmiffenfd^aft. ®iefe S^i^atfac^e finbet 
i^ren d^aralteriftifd^en 3(udbrud barin, ba% fc^on je^t in 
oielen ©djriftcn unfer Sai^rl^unbert afo „baS große" be* 
geic^net mirb ober di» ba» !^txiaUtx ber %aturmiffen» 
fd&aft." 

SSie ftel^t ed nun aber mit ben beiben anbern SBelt« 
anfd&auungöfragen : „^aS fott id& tl^un?'' unb ^SBaS barf 
id^ l^offen?". Sllejanber SiHe fagt in feinem bemerleni?» 
mertl&en SSuc^e ^SSpn S)armin biö ghefefd^e": „'äu^ ba» 
9Renfc^enIeben ift ein S^eil beS $aturlebend; aud^ bie menfd^« 
lidEjen Slnfc^auungen über ba» fieben bed äßenfd^en unb 
feine Stellung gu feinen äRitmenfd^en muffen bem SBanbel 
unterliegen unb bieiS um fo mel^r, ald aÜed, maiS bid gur 
®egenmart über fie Qtbai)t morben ift, mel^r einfeitigen 
Sfoiberungen bt» äßenfd^en an fid^ felbft ald ber Seob^ 
ac^tung eined gegebenen S^l^atbeftanbed entfprungen ift/ 
2)er SBanbel ber Snfd^auungen fpric^t ftc^ l^eute in btm 
Stingen nac^ einer fogialen Sßeltanfd^auung ans. "änä) 
auf biefem ©ebiete l^at bie %aturmiffenfd^aft il^ren Einfluß 



— 13 — 

gelienb getnad^t. @& finb i^re proltifd^en (Srgebntffe^ meiere 
ben menfd)Iid^en @efxd^t^htx9 erioeitert unb btm inenf4* 
Itd^en ^anbeln neue SSege gemiefen ^aben. Sm 3^^^^^ 
bed Selegrapl^en unb bed ZtUpf)on9 mug ber Vlen^i)Stxi 
unb Staunt in anbetet Sßeife in feine fiebendtec^nung ein« 
fe^en ate in ftül^eten S^^^^unbetten. Sutd^ 2!)ampfltafi 
unb SleltnsUöt ftnb und uöQig neue 9(ufgaben gefteOt 
moxbtn, ©ütetetgeugung, ©ütetoetteilung unb Setle^t 
i^aben untet fold^en (Sinroitfungen i^re Srotmen oetänbett 
isind) bie mobetne Silbung lonnte von i^nen nid^t unbe« 
einflugt bleiben. S)et SRenfd^ btd neun^el^nten ^af^x^nnbtM, 
bet in n)enigen @tunben Stteden butdimigt, ju benen 
feine SSotfal^ten £age gebtaudjt l^aben, bex in SBien gel^ött 
mitb, n)enn et in Setiin in einen ^ppaxai l^inein fptid^t^ 
nrad^t fid^ anbete SSotfteQungen übet bta ®ang bet SBelt« 
eteigniffe aU betfenige, bet fold^ed, nad^ beut Silbungdinl^alt 
feinet 3^^/ füt eille S^täumetei ^ätte etllciten muffen, menn 
man eS i^m ald ein Sbeal bex 3ulunft l^ingefteOt l^ötte. 
S)ad Seben ftellt l^eute an ben SRenfd^en anbete 9ln« 
fotbetungen ald an feinen Stirnen oot l^unbett ^a^xtn. @d 
ift ballet begteiflid^, ba% et aud^ ftdEi bie lixaQt: SSaiS foll 
id^ tl^un? anbete beantmottet aU jenet. ^n bex gegen« 
möttigen Slntmott auf biefe Sf^age liegt bet 3nl^alt beffen, 
mad man „^o^iale SBeltanfc^auung" nennt. S)ie oetmidCeU 
tetcn Setl^ältniffe, bie in ben 'Sau unb in ba& ßeben be^ 
fogialen ftötpetd^ butd) bie @ttungenfc^aftcn bet mobetnen 
S^ed^nil gelommen finb, l^aben bie SKenfd^en nid^t nut 
bal^in Qebxaä)i, buxä) fojialtefotmatotifd^e Sefttebungen 
biefem ^otpet ein neueiS ^eptäge gu geben, fonbetn aud^ 
bie %atut beiSfelben genauet gu ftubieten. äSö^tenb Sant 
nut bie menfd^Iid^e Setnunft gu ftagen füt nötig l^ielt, 
menn e^ ftd^ batnm l^anbette, bie fittlid^en 9(ufgaben feft« 
gufteQen, nniex^uä^i man l^eute ben gefeQfdiaftlic^en Otga« 
nidmuS, menn man etlennen miQ, mad bex (Singeine in il^m 
in i^nn ^at S^ax f)ai fd^on SltiftoteleiS ben @a^ an&» 
gefptodien: ^®et SMcnfd^ ift ein gefeüfd^aftlic^eö ßeberoefen." 
2)i)d) mat ed unfetem Sal^tl^unbett DOtbel^alten, biefen 



— 14 — 

©a^ in ben SRülcIpunlt bcr Sclrac^tungcn über ba^ 
mcnfd^lidic Serl&altcn a« rödctt. S)ic ©cfcüfd^aft ift fcül^cr 
ba aö bag Snbioibuum, f)ai ^crbcrt Spencer (geb. 1820) 
gefagt; unb biefc Slnfid&l beeinflußt gcgenmärtig alle 33e» 
trod^tungen über ba^ menfdölid^e ©eifteSleben. Sie Sogio« 
logie ober ©efettfdöafliSroiffenfdiaft ift eine ber iüngftcn 
8Biffenfcf)aften. ^l)xen Segriff unb 9iamen ^ai in ber 
SRitte be§ ^aJ)vf)unbtti^ ber franjöfifcf)e ®enfer Sl. Somte 
gcfdfjaffen. Sic f)ai fd^nell SBurjel gefaßt bei benjenigen^ 
bie fid^ mit bem ausbaue einer SBelt* unb ßeben^auffaffung 
befd^äftigen. 3n ber oor lurgem erfd^ienenen ;, (Einleitung 
in bie ^^ilofop^ie" von SBil^elm Sc^ufalem wirb nur 
eine zeitgemäße Sluffaffung oertreien, menn bel^auptet mirb: 
„6iner fold^en Soziologie finb f)0^z unb mid^tige aufgaben 
Dorbel^alten. Sie roirb gu zeigen l^aben, inwiefern ba§ 
Seelenleben beö einzelnen buri) ba§ foziale Ceben, burd^ 
ben ©efamtroitten beeinflußt mirb, unb t^ bürfte fid^ 
l^erauöftellen, ba^ bieg in meit l^öl^erem TOaße ber Sali 
ift, als man l^eute nodf) glaubt. ®er foziale gaftor in 
ber ®rIenntni^entn)idEeIung mirb ba in feiner 2BirIfamIeit 
unb Scbeutung ^nia^e treten, unb man mirb finben, ba^ 
bie ^ft)d)oIogie unb bie ©rfenntnist^eorie nur mit 33erüdE* 
pd^tigung biefe§ galtorö ^n weiteren g^ortfd)ritten gelangen 
lönnen. Selbft für bie Sleftl&ctil, bie inbioibualiftifdiefte 
unter ben pl^iIofop]&ifdf)en SiSzipKn^n, bürfte bie Soziologie 
»iel neueiS ergeben, inbcm ba2 ^ublüum, für meld^eS eine 
fünftlerifd)e ßeiftung bcftimmt ift, ben ^ünftler oft un- 
bewußt bei feinem Sd)affen leitet unb inbem baB äft^etifc^e 
Urteil beö Singelnen ftarl oon ber l^errfd^enben ©efd^madCiSs 
ric^tung beeinflußt wirb. S)aß bie StI&if nur t)om fozio- 
logifd)en Stanbpunlt auS bearbeitet werben barf, ba^ ift 
i^eute fd)on faft allgemein anerfannt unb wirb mit ben 
3ortfdf)ritten ber Soziologie immer Ilarer werben. — Unfere 
ganze äSelt- unb &ebeniSanfd)auung wirb bann aU ein 
$robu!t ber fozialen ®ntwi(felung erfd^einen, einer ©nt* 
widfelung, bereu bebeutenbfteS SrgebniiS bie Sd^affung 
felbftänbig benfenber unb frcil^eitöbebürftiger $crfönlid)leiten 



— 15 — 

ift. 2)ie Soziologie ber 3ulunft ift bemnad^ nic^t nur eine 
pl^ilofop^ifc^e SSiffenfdiaft, fonbern bürfte ftc^ fogar auü* 
geftalten pr ©runbloge aütt $^iIofop]^ie.'' SBoDte man 
am @nbe bed vorigen ^a^rl^unberld bie Stic^tung bed 
ntenfc^IicE)en ^anbelnd beftimmen, bann gefd^a^ bad im 
@inne @c^illerd, ber in feinen „Briefen über bie äft^etifd^e 
(Srgiel^ung bed SRcnfd^en" bie SReinung audfprid^t: ^Seber 
inbioibueOe äRenfd^; lann man fagen, trägt ber Anlage 
unb Seftimmung nad^, einen reinen, ibealifc^en SKenfd^en 
in ftdi; mit beffen unoeränberlid^er @in|ieit in aQen feinen 
Slbmed^felungen übereinguftimmen, bie groge 3(ufgabe feinei^ 
Safeittg ifi" Unb man ameifelte ni(^t, bai man bie 
©efeSfd^aft aümct^lid^ in einen fold^en Suftanb überführen 
muffe, ba% ber reine, ibealifd^e ^enfd^ in i^r fid^ auf- 
leben lönnc. Sd^iHer fagt weiter: «3ft ber innere TOenfc^ 
mit fid^ einig, fo roirb er aud£| bei ber l^öd^ften Unioerfali« 
ficrung feines Setragenö feine ®igentümlic^feit retten, unb 
ber Staat mirb bloS ber Sluöleger feinet fd^önen Snflinltö, 
bie bcutlid^e Qformcl feiner innern ©efc^gebung fein." 8n 
biefc „innere ©efe^gebung*' roanbte man fit^, mcnn eö fid& 
um bie l^öd^fte Lebensfrage ^anbelte. 9Ran glaubte, man 
braud^c bloS fid^ in ba^ eigene @cmüt gu oerfenfen, um 
bie Sebürfniffe ber ^erfönlid^fcit gu cricnnen. Oegen- 
märtig fragt man fid^: mic ift bie „innere ©efe^gebung* 
aU eine Srrungcnfd^aft ber fogialen ^ulturentmidtelung ge- 
worben? SBenn l^cute fid^ eine inbioibualiftifd^e Sluffaffung 
be§ mcnfd^Iid^cn ©ciftcSlebcnS ©eltung oerfd^afft, fo 
miberfprid^t baS ber l^iermit gejcid^nctcn ^auptlinie in ber 
SBeltanfc^auungScnlmidPelung be§ neunjcl^ntcn Sal^r^unbertS 
cbenfomcttig wie gidjteS fogiale gbeen in feinem 1800 er- 
fd^icnenen „©efd^Ioffenen §anbefeftaat" im ©cgenfafe fte^en 
gu ber inbioibualiftifd^en SebenSanfid^t feiner 3^*^- ®c"« 
ber gegenmörtige 3nbioibuaIiSmuS fielet in ber freien 
Singelpcrfönlidölcit einen S^^puS 9Wcnfd£|, ber fid^ aHmäJ^Iid^ 
aus ben unfreien 3«Pänben l^erauS entmidfelt, ber bie, 
©efeQfd^aft gu feiner SSorauSfe^ung i^at, meil er nur aus 
il^r entftelien lann. @r untcrfudjt bie ®efcllfd)aft unb 



— 16 — 

ftnbet; bag fie il^retn SBefen naä) bai freie Snbiutbuum 
j^eroorbringt. ^xi)it aber fagt nid^t bte einzelne $erfönltd|» 
leil iniS $(uge, tnfofern fte ftc^ auiS ber j^ulturentmidelung 
ergiebt, fonbern er leitet bie 9iatur biefer ^ßerfönlid^fcit 
qM ber SSernunft ab unb fud^t bann eine f^ornt bed 
©efeüfd^oftöIebeniS angaubenlen, bie feiner SSernunftibee 
am beften entfpric^t. Sin Snbioibualift oom Snbe nnferei^ 
Sal^rl^unbertS ift bieiS, tro^bem er Don fogiologifd^en 
SSorauiSfe^ungen auiSgel^t; t3^i<^te entmidelte eine fogialiftifc^e 
®taatiSibee^ obgleid^ er alle $flic()ten nur au^ bem 
inbimbueUen ^iütn beS @ingelnen l^erleitete. 

$Raturn)iffenfd^aft, Sec^nil unb 6ogiologie finb bie 
brei Sriebfräfte, rocictie bie Sntroidtelung ber SBelt- 
anfc^auungen im neungel^nten Sal^rl^unbert bebingen. 
2)amit foD natürlid^ nid)t geleugnet mexben, ba^ im 
einzelnen auc^ anbere Sinflüffe in Sctrac^t lommen. ®ag 
finb aber Siebenftromungcn, bie in ben |)auptflu§ groar 
einmünben unb oon i^m aufgefogen werben, bie aber 
feine SRi(f)tung im roefentlid&en nid^t Deränbern. Sie muffen 
ba berüdficbtigt merben^ mo fie uniS begegnen. $ier follte 
nur bie grofee SRid^tungSlinie beS gortgangeö, bie mir gu 
verfolgen l^aben, oorgegeid^net unb ba» ^xd ini^ Sluge ge« 
fafet merben. — 3" biefem Qxoedt mußten gleid^fam gmei 
Duerfd^nitte burd^ bie SSeltanfc^auung^entmidelung gelegt 
unb nad^gefe^en merben^ burd^ meldte ^auptmerlmale biefe 
SDuerfd^nitte gelenngeic^net finb. 



$00 ^txtaiUx Itimts im) i&otVfts. 



3u gtoet geiftigen Snftanaen blidte am @itbe bt» 
Dorigen S^^^^unbertd berjenige auf, ber gurftlarl^eit über 
bie großen S^agen ber SSelt- unb fiebendanfd^auung lommen 
moQte: gu Sani unb ©oetl^e. @iner, ber am gemaltigften 
nad^ fold^er ftlor^eit rang, ifi Sol^ann ©ottlieb Stci^lc- 
$(te er ^antd „^itil ber praltifd^en Semunft'' lennen 
gelernt l^atte, fd^rieb er: ^3d^ lebe in einer neuen 
SSelt . . . S)inge; non benen xä) glaubte, fte lonnen mir 
nie beriefen nierben, g. 39. ber Segriff ber abfoluten OfJ^ei« 
l^eit unb $fiid^t finb mir bemiefen, unb ii) fü^U mid^ 
barum um fo froher. @i9 ift unbegreiflid^, meldte Sld^tung 
für bie 9RenfdE|l^eit, meldte itraft uniS biefe $^iIofop]^ie giebt, 
meldi ein @egen fte für ein B^^talter ift, in tpeld^em bit 
ÜRoral in il^ren ©runbfeften gerftört unb ber Segriff ber 
^flid)t in aQen 9BörterbüdE)em burd^ftrid)en mar.'' Unb aU 
er auf @runblage ber Santfd^en bie eigene änfd^auung in 
feiner „@runblage ber gefamten SBiffeufdiaftdlel^re'' aufge- 
baut l^atte, ba fanbte er ba» Sud^ an ©oetl^e mit ben 
SBorten : ;^3($ betrad^te @ie, unb l^abe @te immer btixai)iei, 
ai^ ben Stepräfentanten ber reinften ©eiftigleit bed ©efül^te 
auf ber gegenn)Ctrtig errungenen @tufe ber ^umanitöt. 9(n 
@ie menbet mit Stecht fid^ bie $]^iIofop]^ie. ^"^i ®efü^I 
ift berfelben ^robierftein." 3n einem äl^nlid^en Serl^äÜni« 
gu beiben ®eiftern ftanb ©exilier. Über ftant fd^reibt 
er am 28. DItober 1894: „(&^ erfdiredPt mid^ gar nid^t, 
3U beuten, ba^ ba^ ®efe^ ber SSeränberung, cor meld^em 

Steiner, VüüU intb S^benSoitfclauimgeit. 2 



— 18 — 

{ein menfd^lid^ei^ unb lein göttlid^ed äSerl ®nabe ftnbet^ 
auc^ bie gform ber ^antfd^en ^^Uofopj^ie, fomie jebe anbete 
gerftören roirb; aber bie t^unbamente berfelben n)erben bied 
Sd^idfal nid^t ju fürd^ien J^aben^ benn fo alt ba^ 3Kenfd^en« 
gefc^Ied^l ift, unb fD lange es eine SSernunft giebl, l^at 
man fte ftiQfc^meigenb anerldnnt unb im ganaen barnad^ 
gel^anbelt/ ©oetl^eS Slnfdgauung fd^ilbert Sd^iQer am 
23. Slugufl 1794 in einem ©riefe an biefen: „Sänge fd^on 
l^abe id), obgleich au6 ^iemlid^er t^erne^ bem @ang ^^xt^ 
®eiftei5 gugefel^en, unb ben SBeg, ben (Sie oorgegeid^net 
l^aben, mit immer erneuter Serounberung bemerlt. Sic 
fudjen ba§ 9iotroenbige in ber SRatur, aber Sie fud^en eS 
auf bem fc^merften Sege, »or welchem jebe fd^n)äd^cre Sraft 
fidE) mol^I litten mirb. @ie nel^men bie gange ^{atur gu» 
fammen, um über baS @ingelne Sid^t gu belommen; in ber 
SÜlgeit iftrer ©rfd^cinungSarten fud^en Sie ben ßrllörungö« 
grunb für ba§ Snbioibuum auf . . . SBärcn Sie ate ein 
©ried^e, \a nur als ein Staliener geboren morben, unb 
^ötte fd^on Don ber äSiege an eine auSerlefene %atur unb 
eine ibealifierenbe Sunft Sie umgeben, fo roäre 3^^ SBeg 
unenblid^ oerlürgt, oieQeid^t gang überflüffig gemad^t morben. 
Sd^on in bie crfte Slufd^auung ber 3)inge ptten Sie bann 
bie tJrorm beS %otn)enbigen aufgenommen, unb mit Sl^ren 
erften Srfa^rungen ptte firf) ber große ©til bei S^ncn ent« 
roidtelt. 9iun ba Sie als ein S)eutfdt|er geboren finb, ba 
^^t gried)ifd^er ©eift in biefe norbifd^e ©d^öpfung gc« 
roorfen mürbe, fo blieb S^Öncn feine anbere SBal^I, afe ent» 
meber felbft gum norbifd)en Äünftler gu roerbcn, ober S^ter 
Imagination ba^, moS il^r bie S8trIIid^{eit oorent^öU, 
burd^ Siad^l^ilfe berSenllraft gu erfefeen, unb fo gleid^fam 
oon innen l^erauS unb auf einem rationalen SBege ein 
©ried^enlanb gu geboren." 

SSon Äant unb ©oetl&e mirb bal^cr eine SBelt- 
anfd^auungSgefd^id^te beS neungel^nten Sal^r^unbertS i^ren 
Ausgang nel^men muffen. Um bie SBirlung beS erfteren 
auf fein S^italter gu oeranfd^aulid^en, feien noc^ bie 9(uS« 
fprfid^e gmeier üßcinner über il^n angeführt, bie auf ber 



— 19 — 

Collen 93ilbungd]^()^e il^rer 3^i^ ftanben. ^tan $aul 
fci^neb im ^a^xt 1788 an einen fjfreunb: ^.Sfaufen ®ie fi(^ 
umS ^immeliS niillen gmei Suchet; Jtantd ©runblegung }tt 
einer iittiavi)r)[\l ber @itten unb Jtantd Jtritit ber praN 
tifc^en Sernunfi. Sani ift lein Sic^t ber SSelt, fonbern 
ein ganged ftral^Ienbed Sonnenf^fiem auf einmal.'' Unb 
Sßil^elm oon ^umbolbt fagt: ^Jtant unternahm unb 
DoQbrac^te bod größte 9BerI, bad DieQeic^t (e bie pl^ilo« 
fopl^ierenbe SSernunft einem einzelnen äRonne gu banlen f^at 
. . . S)teierlei bleibt, menn man ben 9iu^m, ben ftant 
feiner Nation, ben %u^en, ben er bem fpeluIatiDen 2)enlen 
oerlie^en ^ai, beftimmen mill; unoerlennbar gemig: Siniged, 
was er zertrümmert l^at, mirb fid^ nie mieber erl^eben, 
(£tnige0, ma§ er begrünbet l^at, mirb nie mieber untergel^en, 
unb wa^ baS SBidjtigfte ift, fo l&at er eine SReform geftiftct, 
mie bie gefamte ®efc^id)te bed menfc^Iic^en 2)enlend leine 
äl^nlidie aufmcift." 

9ßan fielet, in £antd S^l^at fallen feine 3^iigcnoffen eine 
erfd^ütternbeSßirlung innerhalb ber SBeltanfdiauungiSentmide« 
lung. @r felbft aber l^ielt ftefür biefe ßntmidelung fo mid^tig, 
ba% ex U)xt Sebcutung bcrjenigen gleid^ fefete, bie Jfoper» 
niluS' (Sntbcctung ber ^lanetenbemegung für bie 9?atur- 
crlenntnis l^atte. 

3Ran mu§ ben S9Ii(f auf bie Quellen rid^ten, an^ benen 
bie ©ebilbeten bcö oorigen Sa^rl^unbertS il^re SiJeltanfd^auung 
l^olten, um bie 9iet)oIution gu begreifen, meldte oon ber im 
Saläre 1781 erfd^ienenen „Sritil ber reinen Sernunft" Äantö 
ausging. S!)te mittelalterlid^e Slnfd^auungi^meife; meldte bie 
^od^ftcn SBol^rl&citcn nur ber gottlid^en Dffenbarung oer- 
banfen gu fönnen glaubte unb ber menfdjlid^en SSernunft 
nur bie ®abe gufd^rieb, biefc SBol&rl&eitcn begreiflid^ gu 
finben, mar burd& S)e5cortcö (1596 — 1650) übermunben. 
Seine Slnfid^t mar, ba^ man an allem gmeifcin muffe, xoa» 
man ntd^t au^ ber Vernunft l^crauS burd^ flarc unb beut« 
Itd^c Segriffe cinfe^en fönne. S)ai^ SRufter eincjS Haren unb 
beutlid^cn ScgriffSgebäubcö bilbcten bie mat^cmatifd^en @r* 
fcnntniffe. Unb nad| biefem 9Rufter fd^uf SeScarteö eine 

2* 



— 20 — 

SBcItanfc^auung, für rodä)t bic SorflcHungcn, ©oll, fjrei- 
l^eil be^ menfd^Iid^en ^iUcn^ unb bte Unflerbttc^Ieil ber 
@eele abfolul getDtffe SSal^rbeil enll^allen. S)urd^ eine fold^e 
SSorfleQungiSart toar ber menfd^lic^en SSernunfl bie t^ä^ig» 
leil juerlannl^ burd) eigene jh:afl bie pd^flen SSell« 
anfd^auung^fragen ebenfo %u enlfd^eiben, mit fte ntil $ilfe 
ber Sßall^emaltf über !iaf)lß unb ©rogenDerl^öIlniffe urleiÜ. 
©eöcorleö war bei biefem Scrfal^ren gu benfelben SBal^r» 
l^eilen gelommen, bie audE) ber religiofen Überlieferung p 
@runbe lagen: gu ©oll, t^i^eil^eil unb Unflerblid^Ieil. 3^ 
einem anbern Ergebnis gelangle Spinoga (1632 — 1677), 
ote er bie ©ebanlenrid&lung S)ej3carle0* roeiler oerfolgle. 
Sür il^n mürbe ba2 gan^e Unioerfum ein einl^etllicI^eiS 
Softem, beffcn einzelne ©lieber tnil einanbcr ebenfo not« 
menbig unb gefe^mögig pfammenlgöngen mie bie einzelnen 
Segriffe beS mall^emalifd^en Sel^rgebäubed. $(IIe0 ma^ 
innerl^olb biefe« S^flemS gefdiiel^l, ba& gcfd)iel^l mit eifer« 
ner %oltoenbigIeil. SBenn id^ meinen Wem aui^flrede, fo ifl 
ba§ ebenfo nolmenbig, mie eine |>o]^Iung enlflei^l, menn ein 
©lein in lodfereö Srbreid^ föDl. ©oll ifl nur ber Snbegriff biefeS 
S^flemS faller, flarrer 9iolmenbigIcilen. SSon einer ^freil^eil 
beö SBittenS lann innerl^alb benfelben feine SRebe fein, 
©benfomenig oon einer Unflerblidfifeil ber Seele, benn biefe 
ifl ja feinSBefen für fic^, fonbern nur eine äufterung beg 
ungemeinen, gefe^mägigen äSellgefd^el^en^. ^alle SeScarleiS 
geglaubt, geigen gu fönnen, ba^ bie p(|flen religiofen 
©laubemSmal^rl^eilen ani) SSernunflmal^rl^eilen feieh, fo l^alle 
@pinoga bie äBal^rl^eil aufgegeigt, gu ber bie äSernunfl 
mirflid^ fomml, menn fie ftd^ fclbfl übcriaffen ifl. 3n 
©eulfc^Ianb ^al ©oltfrieb SBil^elm ßeibnia (1646—1716) 
eine 9BeIlanfi|auung begrünbel, bie aüerbingiS nic^l in fo 
fd^roffem ©egenfa^ gu bem ©laubemSinl^alte flanb, mie bie 
©pinogiflifd^e. Siadi feiner Slnfidit beflel&l bie SBell nic^l 
au0 einem einzigen 3(IImefen, fonbern aui3 einer äSiell^eil 
felbflänbiger (Singelmefen, bie an^ ftd^ l^erauiS l^anbeln. 
SDiefe äBefen ftnb einfad^ unb ungerftörbar, unb ber @in« 
flang in il^rem ^anbeln ifl ein« für allemal oon einem 



— 21 — 

göttlichen Urtoefen oorl^erbefiitntnt. Wart fte^t: ed latn 
Seibni) batauf an, ha» SBefentlid^e ber überlieferten 
®Ianbeni»Iel^ren auc^ aU (Srgebniffe ber reinen Sernunft 
J^ingufteQen. Unb auf biefer Saign fc^ritt bann (Sl^riftian 
SBoIf weiter (1679 — 1764), beffen ?[nfd&auun9en im oorigen 
Soi^rl^unbert tonangebenb maren, nnb gu benen ftd^ au(^ 
^ant belannte, Bid er oon anberer ^eiit l^er in feinen 
Überzeugungen roanlenb gemod^t mürbe. @0 giebt ffir biefe 
SBeltauffaffung gmeierlei SBal^r^eiten. Sie einen merben 
aM ber äSeobac^tung ber £^atfad^en gemonnen; bieanbern 
fte§t bie Sernunft ein burc^ bloged Stad^benlen. Qu ben 
le^teren gelgoren bie pdgften Srienntniffe: ®ott, fjfrei^eit 
unb Unfterblidgleit. SSie tief begrünbet im beutfdgen ®eifted« 
leben bed norigen ^a^x^unbtti» SBoIfd 3)enlungdart mar, 
ba» geigt uniS nidgtd beutlidger ate fiefftngd Stellung inner« 
Igalb ber Sßeltonfdgauungdentmidelung. @r f agt fein ©laubeniS« 
be!enntni0 in bie SBorte gufammen: ,/S)xt Sludbilbung ge- 
offenbarter SBalgrIgeiten in Sernunftmalgrigeiten ift fdglec^ter- 
bingiS notmenbig, menn bem menfc^Iidgen ©efdglec^te bamit 
gelgolfen merben foll.'' 9Ran ^at bad ac^tgelgnte 3a^r- 
^unbert ba» ber 9(ufIIärung genannt. 2)ie ©eifter Seulfdg« 
lanbiS oerftanben bie llufllarung im @inne bed Sefrtng« 
fdgen auiSfprudgeiS. ' 5tant Igat bie Slufllärung erllört aü ben 
^SluiSgang bt» 9RenfdE|en aud feiner felbftoerfc^ulbeten lln« 
münbigleit" unb aü ilgren SBalgIfprudg begeid^net: «^abe 
äRut, bidg beineiS eigenen Serftanbed gu bebienen.'' %un 
moren felbft fo ^eroorragenbe 3)enler mie Sefftng burdg 
bie Sbifücirung nidgt meiter gelommen, ate biiS gu 
einer oerftanbeiSmägigen Umformung ber auiS bem d^ftanbe 
^felbftoerfdgulbeter Unmünbigleit" überlieferten ©laubeniS« 
leieren. @ie ftnb nidgt gu einer reinen Sernunftanftc^t oor« 
gebrungen mie ®pinoga. Stuf folc^e ®eifter mugte bie 
Seigre beiS Spinoga, aü fie in 3)eutfdglanb belannt mürbe, 
einen tiefen Sinbrud mad^en. (St ^aiit t» mirllidg unter« 
nommen, fid§ feine0 eigenen SerftanbeiS gu bebienen, mar 
aber babei gu gang anberen Srienntniffen gelommen ate 
bit beutfc^en Slufllärer. Sein Sinflug mugte um fo be« 



— 22 — 

beuifamer fein^ ate feine naä) matl^ematifd^er 9(rt feft ge« 
bauten @d|IugfoIgerungen eine t)iel größere übergeugenbe 
^aft l^atten; ali^ bie leidEjigefd^ürgten ©ebanlenletten SßoIfiS. 
8Bie biefe auf tiefere ©emüter roirlten, bavon erl^alten wir 
eine äiorfiellung au$ @oti^t» ^^id^tung unb ^al^rl^eit^^ 
6r erjäl^It t)on btm Sinbrudt, ben ^rofeffor SBinllerS im 
@eifte ^olfi^ gel^altene SSorlefungen in i^eipgig auf il^n 
gemad^t l^aben: ^.äReine ^oQegia be^nä)it icf) anfangiS emfig 
unb treulid^; bie ^l^ilofopl^ie wollte tnid^ iebod^ leineiSroegi^ 
auffictren. 3n ber Sogil lam eS mir munberlid^ oor, ba% 
iä) biejenigen ©eifte^operationen, bie id| t)on S^^g^nb auf 
mit ber größten Sequemlid^Ieit Detrid^tete, fo auSeinanber 
gerren, Dereingeln unb gleid^fam ^erftören foEte, um ben 
redjten ©ebrauc^ beiSfelben eingufel^en. SSon bem S)inge, 
Don ber SSelt, t)on @ott gilanbtt iä) ungeföl^r fo oiel gu 
roiffcn afe ber Seigrer felbfl, unb e§ fdE)ien mir an meftr 
afe einer SteDe gewaltig ju l&apern." SSon feiner Sefd^äf* 
tigung mit SpinogaiS Sd^riften ergct^It nn^ bagegen ber 
Siebter: „^ö^ ergab midfi biefer Öeltürc unb glaubte, inbem 
idE| mid^ felbft fd^aute, bie SBelt niemals fo beutlid} erblidCt 
gu l^aben.'' 3(ber nur SSenige oermod^ten, fid^ ber 3)en{ungiS« 
art ©pinogaS fo unbefangen l^ingugeben roie ©oetl^e. Sei 
ben äReiften mufete er einen tiefen 3n)iefpalt in bie SBelt» 
auffaffung bringen. 5ür fie ifi ©oetl^cS greunb 3fr. ^. 
3acobi ein SHepräfentant. (Sr fal^ ein, ba^ bie fid^ felbft 
überlaffene SSernunft nid^t gu ben ©laubendlel^ren, fonbern 
gu ber Slnfic^t fülgre, gu ber ®pinoga gelommen ift, bai 
bie äSelt oon emigen, notmenbigen ©efe^en bel^errfd^t mirb. 
@o ftanb Sacobi oor einer bebeutfamen ®ntfd^eibung : ent» 
meber mugte er feiner SSernunft oertrauen unb bie ©laubeniS» 
leieren fallen laffen; ober er mugte, um bie le^teren gu 
bel^alten, ber Vernunft felbft bie SRöglidEiIeit abfpred^en, gu 
ben l^öd^ften Sinfid^ten gu lommen. @r möl^Ue baS le^tere. 
@r bel^auptete, ba^ ber 3Renfd^ in feinem innerften ©emiite 
eine unmittelbare ©emigl^eit l^abe^ einen fidleren ©lau ben, 
oermöge beffen er bie äSal^rl^eit ber äSorfteüung eineiS per» 
fonlid^en ©ottesS, ber Ofi^ei^eit bed SBiQeniS unb ber Un:? 



— 23 — 

^erblic^Ieit fül^Ie, fo bag biefe Übergeugung gang unabl^ftngig 
fei oon btn auf logtfd^e tJfolgentngen geftfi^ten Srlenntniffen 
ber SBeintinft, bie ftd^ gar nid^t auf biefe 3)inge begießen, 
fonbern nur auf bie äußeren %aturoorgänge. Stuf biefe Seife 
^ai 3acobi ba» oernünftige ffiiffen abgefe^t^ um ffir 
einen bie Sebürfniffe bed bergend befriebigenben ®Iauben 
$Ia^ gu belommen. ®oti^t, ber Don biefer (Snttl^ronung 
btS SBiffeniS votniq erbaut xoax, fd^reibt an ben ^>^eunb: 
„®ott ^ai S)idE| mit ber äRetap^^ftf geftraft unb 2)ir einen 
$fa]^I in» Sleifd^ g^f^^t, mid^ mit ber $l&9fil gefegnet. 34l 
^alte mic^ an bit ©otteiSoerel^rung beiS Streiften (Spinoga) 
unb überlaffe @udE| düt», xoa» il^r Steligion l^ei^t unb 
l^eigen mögt. S)u l^ältft aufd ® lau ben an @oii; ii) 
oufiS (Sd^auen." S)ie Slufllärung l^at gule^t bie ©eifter 
oor bie 'Säaf^l gefteüt^ entmeber bie geoffenbarten SBalgr« 
i^eiten burdi bie Sernunftmal^rl^eiten im @pinogiftifd^en @inne 
gu erfe^en, ober bem Dernunftgemögen äßiffen felbft ben 
^eg gu erllären. 

Unb oor biefer SBal^I ftanb aaä) Sant 9Sie er fid^ gu 
il^r fteSte unb über fie entfd^ieb; ba» gel^t an» ber Haren 
Sludfül^rung im äSormorte gur gmeiten Auflage feiner 
^Äritil ber reinen Sernunft" l^eroor: ^©efefet nun, bie 
3RoraI fc^e notmenbig gfrei^eit (im ftrengften Sinne) afe 
Sigenfd^aft unfered SBiüend ooraud, inbem fte prattifd^e 
in unferer äSernunft liegenbe ©runbfä^e anführt, bie o^ne 
SSorauSfe^ung ber tJfteil^eit fd^Ied^terbingiS unmöglid^ mären, 
bie fpefulatioe SSernunft aber l^ätte bemiefen, ba^ bie» \id) 
gar nid^t beulen laffe, fo mu§ notmenbig jene Soraud« 
fe^ung, nämlid^ bie moralifdie ber|enigen meid^en, beren 
@egenteil einen offenbaren SSiberfprud^ entl^ctlt, folglid^ fjfrei« 
i^eit unb mit i^r Sittlid^Ieit btm %aturmed^anidmu)S 
ben $Ia^ einröumen. ®o aber, ba id^ gur äRoral nid^td 
meiter braud)e, dl» bai f^reil^eit ftc^ nur nid^t felbft miber« 
fprec^e unb ftd^ alfo bodEi menigfteui^ beulen laffe, ol^ne 
notig gu l^aben, fie meiter eingufel^en, ba^ fie olfo 
bem %aturmed|aniiSmui3 ebenberfelben ^anblung (in anberer 
äSegie^ung genommen) gar lein ^inbernii^ in ben SBeg lege; 



— 24 — 

fo Behauptet bie Seigre bex Sittlid^Iett tl^ren $Iatf, toeld^ed 
aber nid^t ftattgefunben l^ätte, loenn nid^t jtritil uniS guoor 
Don unferer uttDermeiblid^en UntDtffenl^ett in 9n* 
fe^ung ber 2)inge an ftd^ felbft belel^rt, unb aUt9, 
ma& mit tl^eoretifd^ erlennen lonnen, auf bloge @rfc^etnungen 
eingefd^rcinlt l^ätte. @ben biefe Erörterung bt§ pofittoen 
%u^eniS Iritifd^er ©runbfci^e ber reinen SSernunft lägt ftd^ 
in Slnfe^ung btB Segriffi^ oon ®oti unb ber einfachen 
%atur unferer @eele jeigen, bie id^ aber ber JCiirge l^alber 
oorbeigel^e. Sd^ lann alfo ®oit, f^reil^eit unb Unfterb» 
lid^Ieit ium ©thtanä^ be$ notmenbigen ©ebraud^iS pral« 
tifd^er Sernunft nid^t einmal anne^men^ menn i(^ nid^t 
ber fpelulatioen SSernunft gugleid^ il^re änmagung über« 
fd^n)englidger @infid^ten benehme. . . . Sdi ntugte alfo 
baii 9ßiffen aufl^eben, um jum ®Iauben ^la^ gu 
belomnten/ 3Kan fie^t, Jfant fielet gegenüber äSiffen nnb 
©lauben auf einem öl^nlid^en Soben mie Sacobi. 

S)er äSeg, auf bem er bal^tn gelangte, ift aüerbingd 
ein anberer. ®r mar bis in fein fünfunboierjigfted J3a|r 
glöubiger Slnl^önger SBoIfiS. Son biefem @Iauben l^atte 
il^n ba» @tubium be» englifd^en $]^iIofopl^en 2)aoib 
$ume (1711—1776) abgebrad^t. ©iefer l^atte allen 6in- 
fid^ten bed menfdjlid^en SSerftanbeiS einen rabilalen 3^^if^I 
entgegengefe^t. äSaiS fdieint eine fic^erere SBal^r^eit ju fein, 
ate bai lebe SSirlung eine Urfad^e l^aben muffe? $ume 
erfc^ütterte bie Überzeugung Don biefer ®twxi^txt äSenn 
ic^ einen ®tein fallen fel^e unb nad^l^er eine äudl^ol^Iung 
im Srbboben ma^rnel^me, fo nenne i^ biefe eine SBirfung 
bed tiaUt». Slber mo^er fd^öpfe id^ bie ©emigl^eit, bog 
jmifd^en Urfad^e unb 9BirIung ein notmenbiger 3ufammen« 
l^ang beftel^e? 3d^ nel^me btn gfall beS ®teind mal^r unb 
nac^l^er bie Sudl^öl^Iung. 2)ag beibeiS mit einanber in Ser* 
binbung ftel^e, beule ic^ l^inju, fagt ^ume. SDad S)en!en 
oerlnüpft bie äSal^rnel^mungen, aber nid^t, meil in biefen 
felbft etwa» liegt, ma& biefer Serlnüpfung entfpräd^e, fon« 
bem meil fid^ ber Serflanb gemol^nt l^at, bie 2)inge in 
einen Sufammenl^ang )u bringen. S)er Stenfd^ ift gemol^nt, 



— 25 — 

)tt fe^en, bog ein 2)fne auf ein anbete« bet 3^^ itad^ 
folgt 6r fielet auä^, baft auf gemiffe Sorgftnge immer 
gleid^e anbere folgen; er bilbetfi^ ^^e SorfieOung, bog ed 
fo fein muffe. (Sr mad^t ben elften Sorgang 3ur Urfod^e, 
btn ameiten gut SBirfung. S)er SRenfd^ ift au<^ gemol^nt^ 
gn feigen, bog auf einen ®ebanlen feined ®eiftei9 eine 9e» 
megnng feinem» Seibed folgt ßr erllört: ber ®eifl l^abe bie 
SeibeiSbemegung bemirlt. 2)enIgemo^nl^eit, nid^t« meiter 
liegt ben ^udfagen über ben Sufammenl^ang ber SBett* 
erfii^einungen jn ©ntnbe. SBirllid^Ieit l^aben nur bie einzelnen 
SBal^mel^mungen. 

%)uxd) biefe SluiSfü^rungen ^umed iß jtant aM bem 
®d^Iummer enoedt morben, in btn il^n, nai) feinem eigenen 
Sdenntnid, bie SBoIffd^e Sbeenrid^tung oerfe^t Igatte. SBit 
lann bie Sernunft Urteile über ®ott, fjfrei^eit unb Unfterb* 
lid^Ieit fallen, menn i^re Üudfagen über bie einfo(^ften 9e« 
geben^eiten auf fold^ unfid^eren ®runblagen rul^en? S>er 
Slnfturm, ben nun jtant gegen bod vernünftige SBiffen unter« 
nel^men mniit, mar ein oiel meiter gel^enber ate berjenige 
Sacobid. 2)iefer l^atte biefem SBiffen menigftend bieSRog« 
lid^Ieit laffen lonnen, bie Statur in il^rem notmenbigen 3u« 
fammenl^ange ^u begreifen. 'Stnn ^at Stani auf bem ®e« 
biete ber %aturerfenntnid eine midE|tige %^ai mit feiner 
1755 erfd^ienenen „SUIgemeinen %aturgefd^id^te unb £]^eorie 
bed ^immete^ ooQbrad^t. (Sr ^ai gegeigt, ba% man ft(^ 
unfer gangeiS $Ianetenf9ftem cm» einem ®aiSbaQ entftanben 
ben!en !dnne, ber ftc^ um feine 9d^fe bemegt. 2)urd^ ftreng 
notmenbige matl^ematifc^e unb pJ^^fSoIifd^e jtrdfte ^aben 
fi(^ innerhalb biefe^S SaHed @onne unb Planeten oerbid^tet 
unb bie %emegungen angenommen, bie fie in ®emä6l^eit 
ber Seigren ftopernitui^' unb Sepplerd l^aben. ffant l^atte 
alfo bie t^rud^tbarleit ber ®pino)ifÜfd^en Sen!art, nad^ 
meld^er aSed mit ßrenger matl^ematifd^er %otmenbigIeit ftd^ 
abfpielt, burd^ eine eigene groge @ntbedEung auf einem 
fpeaieQen ®ebiete enoiefen. @r mar oon biefer O^^d^tbar« 
{eit fo überzeugt, bai er in btm genannten Serie gu bem 
SIttdrufe ftd^ oerfteigt: ^®ebt mir SRaterie, unb id^ miH 



— 26 — 

tnä) eine 9BeIt batau^ bauen/ Unb bie unbebingte ®e« 
n)igl^eit ber matl^ematifc^en SSal^rl^eiten ftanb für tl^n fo 
fefl, ba^ er in feinen ^^Slnfangi^grünben ber Sialurmiffenf^afl" 
bie 93el^auptung auffteQt, eine eigentliche äSiffenfd^aft fei 
nur eine foIdEje, in xod^tv bie Slnmenbung ber 3Rat|entatiI 
ntöglid^ ift. ^äiie |)ume Siedet, fo lönnte oon einer ©enjife» 
l^eit ber matl^emaiifd^en unb naturmiffenfd^aftlidgen @rlennt» 
niffe nid^t bie Siebe fein. ®enn bann wären biefe ßrlcnnl» 
niffe nid^tö afe ©enlgcrool&n^citen, bie fxä) ber 9Kenf(i^ an- 
geeignet l^at^ n)eil er ben Sßeltenlauf in i^rem ©inne fid^ 
{lat abfpielen feigen. 9lber t^ beftünbe nic^t bie geringste 
Sid^erl^eit bariiber, ba^ biefe Scnlgemol&nl^citen mit bem 
gefe^mägigen 3uf<^^in^^^<i^9 ^^^ 2)inge eiroa^ gu tl^un 
l^aben. .*^ume ^iel^t auiS feinen SSorauSfe^ungen bie f^oU 
gerung: „®ie SrfdEieinungen med^feln fortroäl^renb in ber 
äSelt, unb eines folgt bem anbern in ununterbrod^ener 
golge; aber bie ©efefee unb bie Gräfte, meldjc baS SBcItaH 
bemegen, finb unS oöQig oerborgen unb geigen fid^ in leiner 
mal^rnel&mbaren Sigenfd^aft ber Körper ..." 3lüdtt man 
alfo bie 9BeItanfd|auung @pinogad in bie SeleudEitung ber 
^umefd^en änfid^t, fo mufe man fagen: 9iac^ bem bisl&er 
n)a]^rgenommenen SSerlauf ber äBeltoorgänge Igaben mir unS 
gcroöl^nt, fie in einem notmcnbigen, gefefemägigen Swfötnmen» 
i^ange p beulen; mir bürfen aber nid^t bel^aupteU; ba^ 
biefer Swf^twimenl^ang mel^r ift als eine blofee Senlgemol&n- 
l^eit. Siröfe ba^ ^n, bann märe eS nur eine 5£äufd^ung ber 
menfd^Iid^en SSernunft, ba^ fie über ba^ 9Befen ber SBelt 
bmd) fid^ felbft irgenb meldten S(uffd^lug geminnen lönne. 
Unb |)ume lönnte nid^t miberfprodien merben, menn er oon 
ieber Sßeltanfd^auung, bie auS ber reinen SSernunft ge« 
monnen ift, fagt: ^SBerft fie ins Seuer, benn fie iftnid^ts 
als 2:rug unb SIenbmerl.'' 

S)iefe fjfolgerung ^umeS !onnte Sani unmöglid^ )u ber 
feinigen machen. S)enn für il^n ftanb bie ©emigl^eit ber 
naturmiffenfd^aftlidien unb matl^ematifd()en @rlenntniffe, mie 
mir gefeiten l^aben, unbebingt feft. (Bx moDte fid^ biefe 
*®emigl^eit nid^t antaften laffen, lonnte fi(^ aber bennod^ 



— 27 — 

btt Sinfic^t nid^t entaicl^en, bag $uine Stecht f^atit, mtnn 
er fagte: 90e Srtenntniffe fiber bie mtrllid^en Singe ge« 
loinnen mir nur, inbem n)tr biefe beobachten unb auf 
®ntnb ber Seobat^tung uniS ©ebanlen über il^ren 3ufammen« 
bang bilben. Siegt in ben S)tngen ein gefe|mä|iger 3u« 
fammenbang, bann muffen tote ibn aui^ aud ben Singen 
berauiSboIen. 9SaiS mit aber aud btn Singen "^txaM^oltn, 
bODon n)iffen mir nicbt ntebr, aü bag t» bid je^t fo ge* 
mefen ift; mir miffen aber nid^t, ob ein fold^er Sufamnten- 
bang mirllicb fo mit bem äSSefen ber Singe oermad^fen ift, 
ba% tt \\ä) nid^t in iebem Beitpunit änbern lann. Senn 
mir und beute auf ®runb unferer Seobad^tungen eine Seit« 
anfd^auung bilben, fo lönnen morgen Srfd^einungen ein« 
treten, bie und gu einer gang anberen jmingen. $oIen mir 
aOe unfere Srienntniffe and ben Singen, fo giebt ed leine 
®tmxif)eii, Slber ed giebt eine ®emiif)txi, fagt ftant. Sie 
Watbematü unb bit %aturmiffenfd^aft bemeifen t». Son 
einer SBelt, bie auger und ausgebreitet liegt unb bie mir 
nur burd^ Beobad^tung auf und einmirlen laffen, ISnnte 
unfere Sernunft niemald bebaupten, bQ% etmad in ibr gemig 
fei. gfolglicb fann unfere 38elt nur eine folc^e fein, bie 
mir felbft aufbauen: eine SBelt, bie innerbalb unfered 
®eifted liegt S3ad auger mir oorgebt, mäbrenb ein @tein 
fönt unb bie @rbe aM^öfjUi, meig id^ nidE|t. Siefer ganae 
äSorgang fpielt ftdEi in mir ab. Unb er lann fic^ in mir 
nur fo abfpielen, mie ed ibm bie ®efe^e meined eigenen 
geiftigen Crganidmud oorfd^reiben. Sie @inrid^tung meined 
(Seifted forbert, bQ% jebe SBirlung eine Urfac^e b^be unb 
bag gmeimal ^mti oier fei. Unb gemäg biefer Sinrid^tung 
baut fidEi ber ®eift eine SBelt auf. SRöge nun bie auger 
und liegenbe 9BeIt mie immer gebaut fein, möge fie fogar 
beute in feinem 3«g« ber geftrigen gleid&en; und lann bad 
nidE|t berfil^ren, benn unfcr ©cift fd^afft pd^ eine eigene 
SBelt nad^ feinen @efe^en. @o lange ber menfd^Iid^e ®eift 
berfelbe ift, mirb er bei Srgeugung feiner SBelt anä^ in 
gleid^er SBeife oerfal^ren. SRatbematif unb 3?aturmiffenfc^aft 
entbalten nic^t Sefe^e ber Sugenmelt, fonbern biejenigen 



— 28 — 

unfereiS g^^f^^O^^ OrgantömuiS. 2)eiS]^aIB Brauchen mir nur 
biefett su erforfd^en^ rotnn wie ba^ unbebingt SBalgre lennen 
lernen mollen. ,,2)er äJerftanb fd^öpft feine ®efe^e nic^t aM 
ber "Siainx, fonbcrn fcfireibt fte biefer vot". 3n biefcm @a^e 
fagt Sant feine Übergeugung gufammen. S)er @eift erzeugt 
aber feine Snnenmelt nid^t ol^ne S(nfto6 ober @inbrudE t)on 
äugen. Sßenn id^ eine rote f^orbe entpftnbe, fo ift ba» 
;,8lot'' aEerbingö ein 3Mft<ini>^ ^in Sorgang in mir; aber 
id^ ntug eine SSeranlaffung l^aben, ba^ iä) „tof* empftnbe. 
Si? giebl alfo ;, Singe an fid&". SBir roiffen jebod^ oon 
il^nen nid^ti^^ alß bai eB fte giebt. Wit9, ma» mit beob» 
ac^ten^ finb SDinge in uniS. Sant i)ai alfo^ um bie @twii» 
l^eit ber matl^ematifd^en unb naturmiffenfd^aftlid^en SSal^r« 
l^eiten gu retten^ bie gange SSeobad^tungiSmelt in ben menfd^« 
lidEien ©eift l^ineingenommen. S)amit ^ai er aber audE^ 
aDerbingi^ bem @rIenntniiSoerm6gen unüberfteiglid^e ©renken 
gefegt. S)enn aUe^, xoa2 mir erlennen lönnen, begiel^t fidE) 
nid^t auf 3)inge auger uniS, fonbern auf SSorgänge in uniS, 
auf Srfd^einungen, mie er ftdi an^btüdi. %un lönnen 
aber bie ©egenftönbe ber pd^ften SSernunf liSfragen : ©Ott 
Sfreil^eit unb Unfterblic^Ieit niemaliS in bie @rfd)einung 
treten. 9Sir feigen S)inge in uniS; ob bit auger uni^ oon 
einem göttlichen SSefen l^errül^ren, lönnen mir nid^t miffen. 
3ßir lönnen unfere eigenen @eelenguftänbe mal^mel^men. 
Slber auc^ biefe finb nur @rfd)einungen. Ob l^inter il^nen 
eine freie, unfterblid^e @eele malitt, bleibt unferer Sriennt« 
nii? »erborgen. Über biefe „®inge an ftdEi" fagt unfere 
@rlenntnii^ gar nid()tiS an», @ie beftimmt nichtig barüber, 
ob bie Sbeen oon il^nen mal^r ober falfd^ finb. SBenn mir 
nun oon einer anbern ®eite l^er über biefe S)inge tima» 
oernel^men, fo liegt nid)ti9 im SBege, il^re ®£ifteng anju« 
nel^men. %ur miffen lönnen mir nic^tiS über fie. diS giebt 
nun einen S^^g^^g P biefen l^öc^ften Sßal^rl^eiten. Unb 
bad ift bie Stimme ber $flid^t, bie in uniS laut unb beut« 
Iid§ fprid^t: S)u follft bk» nnb ba» tl^un. 2)iefer ^.late« 
gorifd^e gmperatio'' legt uniS tint Serbinblic^Ieit auf, ber 
mir uniS nid^t entjiel^en lönnen. Stber mie mären mir im« 



— 29 — 

ftanbe, einer folgen SSerbinblid^Ieti nad^julommen, xotnn mit 
ntd^t einen freien SBillen l^äittn? 9Sir Idnnen bie 9e« 
fd^affenl^eit unferer ®eele gnxir nid^t erlennen, aber mit 
muffen glauben, ba% fte frei ift, bamit fte i^rer inneren 
Stimme ber $ßid^t nac^Iommen lönne. 2?ir l^aben fomit 
über bie gfrei^eit leine ßrlenntnidgemig^eit mit über bie 
®egenftänbe ber äRat^ematil unb ber 9}aturmiffenf(^aft; 
aber mir l^aben bafür eine moralifc^e (Semiftl^eit 3)ie 
Befolgung bed lategorifd^en 3mperatio0 fü^rt gurXugenb. 
3)urd^ bie Xugenb allein lann ber SRenfd^ feine Seftimmung 
erreid^en. @r mirb ber ©lücffeligfeit mürbig. @r mu| 
olfo bie ©lüdfeligleit aud^ erreid^en lonnen. S)enn fonft 
mdre feine S^ugenb o^ne @inn unb Sebeutung. Damii aber 
ftd§ an bie 2:ugenb bie ®IüdCfeligIeit !nüpfe, mug ein SSefen 
ba fein, ba» biefe ©lüdFfeligleit )ur Sfolge ber Xugenb 
ma^t 2)ad lann nur ein inteütgented, ben pc^ften SBert ber 
Singe beftimmenbed äSefen, ®ott, fein. 2)urd^ ba& Sor« 
^anbenfein ber £ugenb mirb und bereu SSirlung, bie ®Iüdt« 
feligleit, verbürgt unb burd^ biefe mieber bad 3)afein ®otit», 
Unb meil ein finnlic^ed SSefen, mie t» ber SRenfc^ ift, bie 
ooHenbete ®lücffelig!eit nid^t in biefer unoolllommenen 
SBelt erreid^en fann, fo mu6 fein 2)afein über bied Sinnen« 
bafein l^inaudreid^en, bad l^eigt, bie @eele mug unfterblid^ 
fein. 9Borüber mir alfo nid^tö miffen lönnen: ba» ^anhext 
ftant au» bem moralifd^en ®Iauben an bie Stimme 
ber $flic^t ^en)or. 2)ie |)i)d^ad^tung oor bem ^flid^tgefül^I 
mar ba», xoa» i^m eine mirllid^e Sßelt mieber aufrichtete, 
ate unter ^umei^ @influ6 bie 9eobad)tungdmeIt gur bbgen 
Snnenmelt l^erabfanl. 3n fc^bnen Porten lommt in feiner 
;,SritiI ber praltifd^en Sernunft'' biefe ^odEiad^tung gum 
SluiSbrud: ;,$flic^t! bn erl^abener, groger %ame, ber bu 
nid^tiS SeliebteiS, wa» Sinfd^meid^elung bei fid^ fül^rt, in 
bir faffeft, fonbern Untermerfung rerlangft", ber bu „ein 
®efe^ auffteDft . . . uor bem aDe Neigungen rerftummen, 
menn fte gleid) im ®e^eimen il^m entgegenmirlen ....'' 
S)ag bie I^Sd^ften SSal^rl^eiten leine @rIenntniiSmal^r^eiten, 
fonbern moralifd^e feien, bad l^ielt ftant für feine 6nt« 



— 30 — 

bedung. Sluf (Sinfid)ten in eine überftnnlidie 9SeIt tnu§ 
ber SRenfd^ oergid^ten; an^ feiner moralifd^en %atur ent« 
fpringt il^m @rfa^ für bie (SrfenntniS. Sein SBunber, bafe 
Stani in ber unbebingten rüd^altlofen Eingabe an bie 
$flic^t bie pd^fte ^orberung an ben 3ßenfd^en fielet. @r« 
öffnete il^m bie ^flid^t ni(f)l einen Sui^blidC au^ ber ©innen» 
n)eli l^inaud; er toäxe fein gangeiS Seben l^inburd^ in biefe 
eingefd^Ioffen. '^a^ alfo aud^ bie @innenn)elt t)erlangt: 
t9 mug gurüätreten l^inter ben Slnforberungen ber $flid^t. 
Unb bie ©innenrocit lann ouS fiä) felbfl fterauS nidtjt mit 
ber ^flid^t übereinftimmen. Sie roiD ba^ Slngenel^me, 
bie Suft. Sinnen mug bie $fiic^t entgegentreten, bamit ber 
3Renfd| feine Seftintntung erfüDe. SBad ber SBenfd) aui5 
Suft oollbringt, ift nid^t tugenbl^aft; nur roa» er in ber 
felbftlofen Eingabe an bie $fli(^t Doüfül^rt. Unterwerfe 
beine Segierben ber ?5flid^t: ba^ ift bie ftrenge Slufgabe 
ber JSantfd^en Sittenlehre. SßoQe nichts, ma^ bid^ in beiner 
@elbflfud£)t befriebigt, fonbern l^anble fo, ba^ bie ®runb» 
fö^e beined .^anbelni^ bit aütt 9Senfd^en merben lönnen. 
3n ber Eingabe an boS ©ittengefe^ erreid^t ber SRenfd^ 
feine SSoIIIomnten^eit. 5)er ©laube, ba^ btefeS ©ittengefe^ 
in erliabener §ö^e über allem anbern SBeltgefc^e^en 
fd^mebt unb burd^ ein göttlid^eS äSefen in ber SBelt oer« 
mirflid^t mirb, bai? ift, nad^ Santo 9Keinung, roal&re Sleli- 
gion. Sie entfpringt an^ ber 3ßoraI. S)er 3RenfdE| foD nid^t 
gut fein, meil er an einen ®ott glaubt, ber ba^ ®nit 
toiU; er foH gut einzig unb allein au^ ^flic^tgefül&I fein; 
aber er foll an ®oii glauben, meil ^flid^t ol&ne ®ott ftnn- 
loö ift. S)aS ift ;,SleIigion innerhalb ber ©rengen ber 
blofeen Sernunft" mie Äant fein S3ud^ über religiöfe SBelt- 
anfd^auung nannte. 

®ie felbftlofe Eingabe an bie Stimme beS ©eifteS l^at 
$tant gur ©runblage ber äßoral gemacht. $luf bem ®t» 
biete bt^ tugenbl^aften $anbelni^ Dertrögt ftdd eine fold^e 
Eingabe nid^t mit berjenigen an bie Sinnenmelt. @d giebt 
aber ein Sfelb, auf bem ba§ ©innlid^e fo erp^t ift, ba% 
ed mie ein unmittelbarer Slui^brud beS ©eiftigen erfd^eint. 



- 31 — 

3)ieiS i\t ba» ®ebiet bed Sd^Snen unb bei ftunfi 3m all- 
täglid^en Seben verlangen tDtc bod Sinnliche, meil ed unfer 
äSege^ren, unfer felbftfüd^tiged 3ntereffe erregt. 93ir tragen 
Serlangen nac^ bem, toa» und Suft ntad^L 9Bir lönnen 
aber anä) ein felbftlofei^ Sntereffe an einem ©egenftanbe 
Igaben. Sßir lönnen ben)unbernb vox il^m ftel^en, t)oQ von 
feiiger Suft, unb biefe Suft lann ganj unabl^öngig oon 
bent 99efi^ ber Ba^t fein. Ob id^ ein fdE|önei$ ^aud, an 
bent xä) oorüberge^e, aud^ beft^en ntöd^te, ba^ l^ai mit bem 
felbfilofen ^ntereffe an feiner Sd^ön^eit ni(^td gu tl^un. 
SBenn id) aUed ^egel^ren aud meinem ®efü^Ie auiSfd^eibe, 
fo bleibt nod) etmad ^urüdt, eine Suft, bie ft(^ rein an bad 
fd^one ^nfimer! Inüpft @ine fold^e Suft ift eine öftl^etifd^e. 
^a§ @d^öne unterfd^eibet fid^ von btm 9(ngene^men unb 
bem @uten. S)ai$ Slngenel^me enegt mein Sntereffe, n^cil 
ed meine 89egierbe ermedCt; ba» ®ute interefftert mi(^, meil 
tS bnxi) mxd) oermirÜidjt merben foll. 2)em Sd^önen fte^e 
id^ ol^ne irgenb ein fold^ed 3ntereffe, ba^ mit meiner ^erfon 
gufammenl^cingt; gegenüber. SBoburd^ !ann ba^ ©c^öne mein 
felbftlofed äSol^Igef allen an [\ä) giel^en? 9Rir lann ein 
2)ing nur gefallen, menn ed feine Säeftimmung erfüllt, menn 
e§ f befc^affen ift, ba^ ed einem !imtdt bient. 3<^ muft alfo 
an bem Sdjönen einen 3^^^ ma^rne^men. 5Die 3^^^^' 
mögigleit geföQt; bie 3n>cdn)ibrigleit mi^äDt. S)a id^ aber 
an ber 9BirIIid|!eit bt^ fdjonen ©egenftanbeiS lein 3ntereffe 
l^abe, fonbern bie bloge 3lnfd)auung bedfelben mid^ be« 
friebigt, fo brandet ba& ®d)£)ne auc^ nid^t mirfiic^ einem 
3medfe gu bienen. 2)er 3n)ed( ift mir gleichgültig, nur bie 
3n)edbnagigleit verlange id^. 3)edl^alb nennt ftant irfd^ön'' 
badjenige, moran mir 3^^dmägigleit mal^rne^men, ol^ne 
bai mir babei an einen beftimmten '^mtd beulen. 

@d ift nid|t nur eine SrÜörung, ed ift audE) eine ^eä^U 
fertigung ber jSunft, bie Kant bamit gegeben l^at. Tlan 
fielet ba§ am befien, menn man fid| uergegenmärtigt, mie 
er fidE) mit feinem ©efül^Ie gu feiner SBeltanfd^auung fteQte. 
(£r brüdft ba& in tiefen fd^önen SBorten auiS: ;,3n>ei ^inge 



— 32 — 

erfüDen ba^ ®etnüt mit immer neuer nnb fietö junel^menber 
Seipunberung unb @l^rfur(t)t: ber gefiirnte £)immel über 
mir unb ba&' moralifd^e ®efe^ in mir. 5Der erfte Stnbtict 
einer ^al^Uofen SBeltenmenge nernid^tet gleid^fam meine 
Sßid^tigfeit^ al» einci^ animalifd^en ©efc^öpfeiS^ ba» bie 
äRaterie^ aM ber e» maxb, bem ^laneten^ einem blogen 
$unlt im SBeltaQ, mieber gurüdgeben mug, nadjbem t» 
eine lurge '^eit (man meig nid^t mit) mit Sebendiraft oer« 
feigen mar. S)er gmeite erl^ebt bagegen meinen SSert^ als 
einer 3nteQigeng, unenblid^ burd^ meine (felbftbemugte unb 
freie) $erfönlid)leit, in meIdE)er bad moralifd^e ®efe^ mir 
ein Don ber ^ier^eit unb felbft t)on ber gangen @innen» 
melt unabl^ängiged Seben offenbart, mentgftend fo Diel fic^ 
auö ber groedEmöfeigen S3cftimmung meines ®afeinö 
burd) biefeS ®efe^ abnel^men lägt, meiere nid^t auf bie 
Sebingungen unb ©renjen biefcS ßcbenS eingefd&ränft ift, 
fDubern inS Unenblid^e gel^t.'' 2)er ^iinftler pflangt nun 
biefe gmcdCmäfeige Scftimraung, bie in 8BirfIid&!eit nur 
im moralifd^cn 8BcItrcidf)e maltet, ber ©innenmclt ein. ®a» 
burdi fte^t ba^ ^unftroerl gmifd^en bem @ebiet ber Seobi* 
ad^tungSmelt, in ber bie emigen eisernen ®efe^e ber 3toU 
menbig!eit l^errfdEien, bie ber menfc^lid^e @eift erft felbft in 
fie l^itteingelegt l^at, unb bemüteid^e ber freien ©ittlid^feit, 
in ber $fIid^tgebote aU S(uSfIug einer meifen göttlid^en 
SBeltorbnung 9tidt)tung unb 3^^^^ angeben. 3n'if<$cn beibe 
äteidie l^inein tritt ber ^ünftler mit feinen SBerfen. @r ent« 
nimmt bem SReic^ beS SBirllid^cn feinen Stoff; aber er 
prögt biefen @toff gugleid^ fo um, bag er ber Präger einer 
gme(|mägigen .^armonie tft, mie fie im Sleid^e ber f^reil^eit 
angetroffen miro. S)er menfd^Iid^e @eift fül^It fid) alfo un« 
befriebigt mit ben blogen SReidien ber S3irllid)leit, baS 
Kant mit bem geftirnten |)immel unb ber gal^Uofen SSSelten« 
menge meint, unb bem ber moralifd^n ©efe^mögigleit. @r 
c^afft fic^ bedl^alb ein fc^öneS Steict) beS ®d)eineS, bai^ 
tarre %aturnotmenbigIeit mit freier 3<^^<^ä&ioI^i^ ^^' 
binbet. %un ftnbet nian baS ®d^öne nid^t nur in menfd^« 
lid^en Stunftmerlen, fonbem and) in ber %atur. @S giebt 



— Sa- 
rin %aiurfd§oned neben bem ftunflfc^onen. S)tefed 9tatnt« 
fd^öne tft obne ntenfd^Iid^ed 3ut^un ba. S0 fc^eint olfo, 
ote wenn in bei SBirllid^Ieü boc^ nid^t blog bie fiarce, 
gefefenrögige %otn)enbigIrit, fonbern eine freie mrife Z^fttig« 
leit }u beobad^ten möre. S)ad Sd^öne gmingt aber )u einer 
fold^en Slnfc^auung bvd) nic^t S)enn ed bietet ja bie 
3n)edmägig!eit, obne ba% man an einen mirllid^en Stotd 
in benlen l^ötte. Unb ed bietet ni(^t blog 3n'c<lRf^6i8' 
&^önt», fonbern aud^ S^tdmäi Q'^äilxä^t9. 9Ran tann 
olfo annel^men, bag unter ber SfüOe ber Staturerfd^einungen, 
bie nad^ notn^enbigen @efe^en ^ufanintenbängen mit bntd^ 
3ufaQ aud^ fold^e finb, in benen ber menfd^Iic^e ®eift eine 
Analogie mit feinen eigenen jhtnftmerlen ma^rnimmt. 2)a 
an einen mirllic^en Qmtd nid^t gebadet gu mtxbtn brandet, 
fo genügt rine fold^e gleid^fam gufällig oor^anbene S^^^ 
ntä§igleit für bie öftl^etifd^e %aturbetrad^tung. 

SlnbetiS mirb bie @ad^e aüerbingiS; menn mir SSefen 
in ber %atur antreffen, bie ben Qmtd ni(^t blo% dufäDig, 
fonbern mirllid^ in ft(^ tragen. Unb aud^ fold^e giebt d^, 
nad^ ftantd 9Reinung. @d finb bie organifd^en SBefen. 
3u i^rer Srllärung reiben bie notmenbigen, gefe^mägigen 
3ufammenl^änge, in benen ftd^ SpinogaiS S3eltanf(^auung 
erfd^öpft unb bie ftant ald bieienigen bed menfd^Iid^en 
®rifted anfielet, nid^t an». S)enn ein «rOtganiiSmud ift 
rin %aturprobuIt, in melc^em alled Qmed unb med^fel« 
fritig aud^ äRittel, llrfac^e unb medbfelfeitig aud^ SBirlung 
iff". S)er OrganidmuiS lann alfo nt(^t fo mie bie un« 
organif^e %atur burd^ emige, eiserne ©efe^e erllärt merben. 
Sei^l^alb mrint Sant, ber in feiner «äägemeinen %atur« 
gefd^id^te unb Zl^eorie bt» ^immete" felbft ben Serfud^ 
unternommen l^at, bie ^.Serfaffung unb ben med^anifd^en 
Urfprung bed gan3en äSeltgeböubeiS nad^ %emtonf(^en 
®runbfö^en abgul^anbeln'', bai ein gleid^er Serfud^ für 
bie organifd^en 9Befen mißlingen muffe. 3n feiner ;,Jtrittf 
ber nrteitefoaft" bel^auptet er: „^» ift nämlid^ ganj gemig, 
ba% mir bie organifierten SBefen unb bereu innere SRöglid^Irit 
nad^ blog mec^anifc^en ^ringipien ber Statur nic^t rinmal 

steinet, VHÜtß unb Seienftanfd^auungcn- 8 



— 34 — 

gureit^enb lettnen lernen, mel meniger nn^ erllören !önnen; 
unb ixoat fo getotg, bai man breift fagen lann, e^ ift für 
ben 3Renfd^en ungereimt, auä) nur einen fold^en Slnfc^Iag 
au faffen, ober gu l^offen, bag nod^ etma bereinft ein %en)ton 
aufftel^en lönne, ber aud^ nur bie (Srgeugung einest @raiS« 
l^alnti^ nad^ Slaturgefe^en, bie leine Slbftd^t georbnet f^ai, 
begreif lid^ ntad^en merbe; fonbern man mug biefe (Sinfid^t 
btm SRenfd^en fd^Ied^tl^in abfpred^en/ 9ßit ber Santfd^en 
Sfnftd&t, bai ber meufd^Iid^e ®eift bie ®efefee, bie er in 
ber %atur Dorfinbet, felbft erft in fte l^ineinlege^ lägt fid^ 
aud^ eine anbere SReinung über ein gmedmögig gefialtetei^ 
Sefen nid^t oereinigen. S)enn ber S^td beutet auf ben« 
jenigen ^in, ber i^n in bie äSefen gelegt l^at, auf btn 
inteQigenten Sßelturl^eber. könnte ber menfd^Iid^e ®eift ein 
gmedmögigeiS Sßefen ebenfo erllctren, mie ein btog natur» 
notmenbigeS, bann mügte er aud^ bie 3n)ed(gefe^e aud ftdE^ 
l^erauS in bie 2)inge l^inetnlegen. @r mü§te alfo ben 
2)ingen nid&t blofe ©efefee geben, bie für fie gelten, infomeit 
fie feine 3nnenmelt bebeutcn; er müßte i^nen anä) il^rc 
eigene, von if)m gctnglid^ unabigängige 99eftimmung oor« 
fc^reiben lönnen. @r müiit alfo nid)t nur ein erlennenber, 
fonbern ein fd^affenber ©eift fein; feine SSernunft müfete 
mie bie göttlidge bie 2)inge fc^affen. 

SBer bie ©trultur ber Santfrfien SBeltauffaffung, mic 
fie l^ier ffiggicrt morben ift, fid^ oergcgenroärtigt, wirb bie 
SBirlung berfclbcn auf bie 3cit9c«off^w ^^^ ^^^ ^^f Mc 
SBad^roelt bcgreiflid^ finben. ®enn fie taftet feine ber Sor* 
fteHungen, bie fid^ im Saufe ber abenblänbifdt)en ffultur« 
entmidelung bem menfd)Iid^en @emüte eingeprägt ^aben, 
an. ©ie Iä§t bem religißfen ©eiftc: ©Ott, tJtei^cit unb 
Uttfterblid^Icit. Sie befriebigt ba^ SrIenntniSbebürfniS, inbem 
fte i^m ein ©ebiet abgrengt, innerl^alb beffen eS unbebingt 
gemiffe SBal^rl^eitcn gicbt. 3cr, fie läßt fogar bie äReinung 
gelten, bai bie menfc^Iid^e SSernunft ein Siedet l^abe, fid^ 
gur ©rllörung lebcnbiger SBefen nid^t bloß ber ewigen, 
eisernen %aturgefe^e, fonbern be» 3n)edCbegriffd gu bebienen, 
ber auf eine abfi^tlid^e Orbnung im Sßeltmefen btniet 



— 35 — 

Slber um meieren $reid f^ai Stani aOed biefed erreicht! 
@r ^ai bit gange Statur in ben menfd^Iic^en ®etft hinein« 
oerfe^t unb ilgre (Sefetfe gu foldjen biefed ©eifted felbft 
gemad^t. @r ^at bie ^ö^ere SBeltorbnung gang aud bec 
%aiur oermiefen unb [it auf eine rein ntoralift^e ©runblage 
gefteüt. @r ^ai gmifc^en ba& unorganifc^e unb bad organifc^e 
Steid^ eine fd^arfe ©renglinie gefegt; unb j|ened nad^ rein 
med^anifd^en, ftreng noimenbigen ®efe^en, biefed nac^ 
^wtdvoiltn ^btcn erllärt. @nblid^ f^ai er bad 9leic^ bed 
Sd^önen unb ber S(unft oöQig aud feinem Sufammen^ange 
mit ber übrigen SBirllid^leit l^eraudgeriffen. 3)enn bie 
SmedFmagigleit, bie im Schönen beobachtet mirb, ^at mit 
mirttid^en Qrotdett nid^td gu t^un. 9Bie ein fd^oner ®egen« 
^anb in ben Sßeltgufammen^ang l^ineinlommt, ba0 ift 
gleid^gültig ; t§ genügt, ba% er in uniS bie SorfteQung beiS 
SmedEmctgigen erregt unb baburd^ unfer äßol^Igefallen enegt. 



S)cn ©egenfafe gu biefer Äantfd^en Suffaffung ber SBelt 
bilbete in allen mefentlic^en S)ingen bie ®oet]^efd^e. Ungefö^r 
um biefelbe 3«t, als Äant feine ^»Äritil ber reinen ffiernunft" 
crfdjeincn liefe, legte ©oetl^e fein ©laubenSbclenntniö in 
einem g)^mnu5 in $rofa ;,bie Siatur" nieber, in btm er 
ben 9ßenfd^en gang in bie %atur l)ineinfteQte; unb fie, bie 
unabhängig t)on i^m maltenbe, gu t^rer eigenen unb feiner 
@efe^geberin gugleid) madjte. $ant nal^m bie ganje %atur 
in ben menfc^Iid)en ®eift herein, @oet^e fa^ aOed 3Renfd^li(^e 
ote ein ©lieb biefer Satur an; er fügte ben menft^Iic^en 
©eift ber natürlid^en SBcItorbnung ein. ^9iatur! SBir 
ftnb oon i^r umgeben unb umfc^Iungen — < unuermögenb, 
au2 il^r l^erauiSgutreten, unb unoermögenb, tiefer in fie 
l^ineingulommen. Ungebeten unb ungemarnt nimmt fie 
und in ben Kreislauf i^res^ Xan^t» auf unb treibt fid^ 
mit uns fort, bi« mir ermübet finb unb il^rem arme ent- 
fallen Sie 2Rcnf(^en finb alle in il^r, unb fie in 

aOen .... Slud) ba^ Unnatürlid)fte ift 92atnr, aud^ bie 
plumpefte $l^ilifteret l^nt etwa^ oon il^rem ©cnie . . . Ttan 

3* 



— 36 — 

ge^ord^t i^ren ©efe^en, aud^ menn man i^nen loiberfirebi; 
man mxili mit i^r, aud^ xotnn man gegen fte mirlen 
min .... @ie tft aQed. ®te belol^nt ftd^ felbft unb 5e« 
ftraft rtd& felbft, erfreut unb quält fi^ felbft .... Sie 
^ai mii) l^ereingefteSt, fte n^irb mic^ aud^ ^eraudfül^ren. 
^d) vertraue mid^ i^r. @ie mag mit mir fdgalten; fte 
mirb il^r SBerl nic^t l^affen. 3d& fprad^ nic^t Don i^r; 
neiU; mad ma^r ift unb maiS falfd^ ift, aQejg Igat fie ge« 
f protzen. SlQeiS ift i^re ®dE)uIb, aQed ift i^r Serbienft.'' 
2)aiS ift ber ©egenpol ber ^antfd^en äSeltanfc^auung. 99ei 
Sant ift bie %atur gang ©eift; bei ©oet^e ift ber ©eift 
gana %atur. @iS ift bemnad^ nur gu Derftänblidg; menn 
©oeti^e in bem Sluffa^e ^(Sinmirfung ber neueren ^^ilofopl^ie'' 
ergä^lt: „Santd ^ritil ber reinen äSernunft ... lag oöQig 
augerbalb meineiS ^reifeiS. ^d^ mol^nte jebod^ mand^em 
©efpräd^ barüber bei, unb mit einiger äufmerlfamleit lonnte 
xä) bemerlen, ba^ bie alte Hauptfrage fid^ erneuere, mie 
Diel unfer ®elbft unb mie t)iel bie ^(ugenmelt gu unferm 
geiftigen S)afein beitrage? 3d& l^abe beibe niemate gcfonbert, 
unb menn id^ nad^ meiner SBeife über ©egenftänbe pl^ilofop^ierte, 
fo tl^at id^ ei^ mit unbemugler 3laivtiäi unb glaubte mirllid^^ 
id& fä^e meine ÜKeinungen oor Slugen.'' 3n biefer Sluf* 
faffung ber Stellung ©oetl^ei^ gu Kant braucht und auc^ 
nit^t gu beirren, bai ber erftere mand^eiS günftige Urteil 
über ben ftönigiSberger $]^iIofop^en abgegeben l^at. 2)enn 
il^m felbft märe biefer ©egenfa^ nur bann gang Ilar ge« 
morben, menn er fic^ auf ein genaueiS @tubium Kantd 
eingelaffen l^ätte. S)aiS l^at er aber nid^t. 3n bem oben 
genannten Sluffa^ fagt er: „'S)tx Eingang mar t», ber 
mir gefiel; iniS fiab^rint^ felbft lonnte id^ mid^ nit^t magen; 
balb l^inberte mid^ bie S)i(^tungi^gabe, balb ber SRenfc^en« 
oerftanb, unb id^ fül^Ite mid^ nirgenbiS gebeffert." ®d^arf 
aber l^at er bo^ einmal btn ©egenfa^ auiSgefproc^en in 
einer ^ufgeid^nung, bie erft burd^ bie SBeimarifd^e ©oetl^e« 
Slui^gabeaud bem Sad^lagoeröffentlid^t morben ift(3Beimarifd^e 
ausgäbe, 2. «bteilung. »anb XI @. 377): ®er ©runb- 
trrtum ^antiS, meint ©oetl^e, htiiünbt barin, ba§ biefer 



— S7 — 

^bad fttbidKiDe Srlenninidoennogen felbft ate Objeli bu 
ixaä^iti unb ben $unlt, mo ftibjeltio unb objettio aufammen- 
treffen, jmar fc^orf aber ntd^l ganj rid^tig fonbett''. ®oet^e 
ifl eben ber Stnftc^t, bag in bem fubieltioen ntenfc^Itc^en 
SrlenntniiSoermogen ntc^t blog ber (Seift ol0 fold^er fi4 
aM^pxiä^i, fonbern ba% bie "Statut e0 felbfl ift, bie fid^ in 
bem SRenfd^en ein Organ gefd^affen ^at, burd^ baiS fie i^re 
©el^eimniffe offenbar merben Ugt (Id fprid^t gar nic^t 
ber SRenfd^ über bie Salur; fonbern bie Statur f priest im 
SRenfd^en fiber ftd^ felbft. ^a» ift ®oetl^ed fiberaeugung. 
So lonnte ©oetige fagen: @obaIb ber Streit über bie 
Seltanfid^t ftantd ^^ur Sprache lam, mochte ic^ mid^ gern 
auf biejlenige ©eite ftellen, meldte bem SRenfd^en am meiften 
S^re mad^t, unb gab aQen fjfreunben ooIUommen SeifaO, 
bie mit Stant bel^aupteten, menngleid^ aDe unfere SrIenntniiS 
mit ber Srfal^rung angelte, fo entfpringe fie barum boc^ 
nid^t eben aDe aud ber Srfa^rung.'' 2)enn®oet^e glaubte, ba^ 
bie emigen ®efe^e, nad^ benen bie Xatur oerfä^rt, im 
menf(^Ii(^en ®eifte offenbar merben; aber für i^n maren 
fie beiSl^alb bod^ ntd^t bie fubjeltioen ®efe6e biefed ®eifteiS, 
fonbern bie ob|e!tioen ber %aturorbnung felbft. 2)ei8l^alb 
lonnte er an^ Sd^tüer nid^t beiftimmen, aü biefer, unter 
ftanti? (Sinflug, eine fd^roffe ©d^eibemanb gmifc^en bem 9lei(^e 
ber Statumotmenbigleit unb bem ber O^reil^eit aufrid^tete. 
Sr fprid^t fi(^ barüber aud in bem Sluffa^: ^Sefanntfd^aft 
mit Sd^iQer": „'S)it jtantifd^e ^l^ilofopbie, meiere bad 
@ub|elt fo Igod^ erl^ebt, inbem fie t» einjuengen fd^eint, 
l^atte er mit gfreuben in fid^ aufgenommen; fte entmidCelte 
boiS SugerorbentlidEie, mad bie %atur in fein äSefen gelegt, 
nnb et, im l^odEiften ®efü^I berO^reil^ieit unb Selbftbeftimmung, 
mar unbanlbor gegen bie groge SKutter, bie iign gemi^ 
nid^t ftiefmütterlid^ bei^anbelte. »nftatt fte ate felbftänbig, 
lebenbig, oom STiefften biiS jum ^od^ften gefe^flic^ l^eroor« 
bringenb gu betrad^ten, nal^m er fte oon Seite einiger 
empirif(^en menfd^Ii(^en ätatürlid^Ieiten.'' Unb in btm 
Suffa^: »@inn)ir!ung ber neueren ^Igilofopl^ie'' beutet er 
ben ®egenfa^ gu Sd^tüer mit ben Sßorten an: „(St prebigte 



— 38 — 

ba» @oangelittm bet Qfrei^eit, i(i§ tooQte bie 9te(i§te ber 
%atur nid^t Derlürjt toiffen." 3n Sd^iQer ftedte eben tttoa» 
ton Aantifd^er SorfteÖungiSart; für (äoetl^e ift t& aber 
rid^tig, waiS er im ^inblid auf ®efpräd^e fagt, bie er mit 
Kantianern gefül^rt l^at: ^@ie prten mid^ mol^l, lonnten 
ntir aber nid^tiS ermibern, nod^ irgenb forberIid| fein. SRel^r 
aU einmal begegnete ed mir, ba^ einer ober ber anbere mit 
läd^elnber äSermunberung gugefianb: ei$ fei freilid^ ein 
§(naIogon ffantfd^er SSorfteQungi^art, aber ein feltfameiS/ 
Sn ber Sunft unb bem Sd^önen fal^ ®oet^e nid§t ein 
an» btm mirllic^en Sufammenl^ange ^eraudgeriffened 9leid§, 
fonbern eine pl^ere ®tufe ber natürlichen ©efe^mdgigleit. 
Seim Slnblide oon lünftlerifd^en ®d^öpfungen, bie il^n be« 
fonberiS intereffieren^ fd^reibt er mcil^renb feiner italienifd^en 
Steife bie äBorte nieber: „S)ie l^ol^en Sunftmerle ftnb gu« 
glei(^ alB bie l^öd^ften Xaturmerle oon 3Renf(^en nad^ 
maleren unb natürlid^en ®efe^en l^eroorgebrad^t morben. 
mti^ SSiQIürlid^e, @ingebilbete fäUt aufammen; ba ift 
%otmenbigIeit, ba ift ®ott." 9Senn ber Künftler im 
©inne ber ©ried^en oerfä^rt, nämlid^ ,,nad^ ben ©efefeen, 
nad^ meldten bie SRatur felbft oerfäl^rt'', bann liegt in 
einen SBerlen ba» ©öttlid^e, ba» in ber %atur felbft gu 
tnbcn ift. tiüt ®ottt)t ift bie Äunft ;,eine äRanifeftation 
gel^eimer Sfaturgcfcöc"; xoa» ber ffiünftler fd^afft, ftnb Siatur» 
merle auf einer pl^eren Stufe ber SSottlommenl^eit. ftunft 
ift Ofortfe^ung unb menfc^Iic^er Slbfd^IuB ber $atur, benn 
;,inbem ber SKenfd^ auf ben ©ipfel ber »atur gefteHt ift, 
fo fielet er fid^ mieber aU eine gange %atur an, bie in ft(^ 
abermate einen @ipfel l^eroorgubringen l^at. 2)a}u fteigert 
er [xä), inbem er fic^ mit allen ^oDIommenlgeiten unb 
S^ugenben burd^bringt, SBal^I, Orbnung, Harmonie unb 9e« 
beutung aufruft unb fic^ enblic^ bx» gur $robuItion bed 
^nftmerld erl^ebt''. 9IIed ift %atur, oom unorganifd^en 
Stein bid gu ben pd^ften ftunftmerlen beiS 3Renf^en unb 
aQed in biefer %atur ift oon ben gleichen ^emigen, not« 
menbigen, bergeftalt göttlidöen ©efefeen^ bel^errft^t, ba§ ^bie 



— 39 — 

9oii^tü felbft batan ntd^td änbttn linnit\ (Dtd^tung unb 
Sal^rl^eil. 16. Sitd^.) 

3(Id ©oetl^e im Saläre 1811 ^acobx» Sud^ ^t)on ben 
gdttlid^en 2)tngen'' lad; tnad^te cd i^tn «nidit tool^I; wie lonnie 
mir ba» ^n^ tint» fo ^erjHd^ geliebten gfreunbed mill« 
lommen fein, morin i^ bie Xl^efe buid^gefll^ri fe§en foDle, 
bit %atur verberge ®oU! SRugte, bei meiner reinen, tiefen, 
angeborenen unb gefibten Snfd^auungiSmeife, bie mid^ ®ott 
in ber $atur, bie %atur in ®ott gu feigen unoerbrüd^* 
lid^ geleiert ^aiie, fo ba^ biefe SorfteSungdort ben ®runb 
meiner gangen S^fteng mad^te, mugte nid^t ein fo feltfamer, 
einfeitig befc^ränlter StuiSfprud^ mid^ bem ®eifte nac^ oon 
btm ebelften SRanne, beffen ^erg ic^ oerel^renb liebte, für 
emig entfernen? 2)od^ id^ ^ing meinem fd^merglid^en Ser« 
bru^e nid^t nad^, id^ rettete mid^ oielmel^r gu meinem alten 
Sft|I, unb fanb in ®pinogad Stl^il auf mel^rere SSod^en 
meine töglid^e Unterl^altung, unb ba ^d^ inbei^ meine 
ä3ilbung gefteigert l^atte, marb id^ im fd^on Selannten 
gar manc^eiS, ba^ fid^ neu unb anberiS l^eroortl^ut, auc^ 
gang eigen frifd^ auf mid^ einmirlte, gu meiner Sermunberung 
geroa^r." 

2)ai^ Steic^ ber ^otmenbigleit im Sinne (Spinogad ift 
für Sant ein Sleic^ innerer menfc&Iid^er ®efebmä^igleit; für 
®oet^e ift t» ba^ Unioerfum felbft, unb ber 3Renf(^ mit 
aU feinem 2)enlen, gfü^Ien, SSoIIen unb 2:^un ift ein ®Iieb 
innerhalb biefer ^ette oon Xotmenbigleiten. Snnerlgalb 
biefeiS Steid^ei^ giebt t» nur eine natürliche, ni(^t aber eine 
moralifd^e ©efe^mägigleit. „Q» leuchtet bit ®onne über 
ä)of' unb ®uit; unb bem Serbred^er glangen, mie bem 
Se^en, ber äßonb unb bie Sterne''. 2iu» einer SBurgel, au0 
ben emigen S^riebträften ber 9?atur lä^i ®oet^e aUt& tnU 
fpringen : bie unorganifd^en, bie organifc^en äSefen^eiten, ben 
9Senfd^en mit aUen @rgebniffen feined ®eifteiS: feiner @r* 
fenntniß, feiner ©ittlidöleit, feiner Äunft. 

^fBad toät' em Q^ott, htt nur Don äugen ftiege, 
3m ^di ha» Wi am gftnger laufen liege! 



— 40 — 

3^m fiXtmi% Me S^elt im Snnern ^u Betoegen, 
^atwc in fid^, fid^ in 92at]tr }u liegen, 
@o ba6» n)ad in i^m lebt unb mebt lutb ift, 
9ae feine ^raft, nie feinen (0eift üennigt." 

3n fol(^e SBorte fagt ®oetl^e fein Selenntnid }ufammen. 
(Segen fallet; ber ba9 SBort gefproc^en J)ai ^Sn9 Snnere 
ber %atur bringt lein ecfd^affener ©eifi", menbet fid^ ©oetl^e 
mit ben fd^ärfften äSorten: 

wStt* ^rmtte ber 9?otur — " 

D, bu $§ilifter» — 

^S)tingt fein erfd^offnei ©eift." 

W^ unb ©efd^mifter 

3Rögt i^r an fold^ei» SBort 

9{ur nid^t erinnern; 

2Bir benfcn: Drt für Ort 

@inb nnr im Snnem. 

„©lücffelig, tt)em fie nur 

a)le äu6're ©d&alc »eif t" 

^q8 l^ör i4 fed^jig S^^re toieberl^olen, 

Unb flud^e brauf, aber t>erfto]^Ien ; 

@age mir taufenb taufenbmale: 

^Qed giebt fie retd^Itd^ unb gern; 

ili^Qtur l^at tueber ^ern 

ißot^ @d^ale, 

^HeS ift fie mit einemmole; 

2)id^ prüfe bu nur affermeift, 

Db bu ^ern ober ©d^ale feift.'' 

3m Sinne biefer feiner äSeltanfd^auung lonnte ©oetl^e 
aud^ ben Unterfd^ieb gmifd^en anorganifdjer unb organifd^er 
%atur nid^t anerlennen, ben Kant in feiner „^iil ber 
llrteitefraft" feftgefteDt l^atte. (Sein ®ireben ging bal^in^ 
bie belebten Organismen nac^ @efe^en ju erllären, mie 
anä^ bie leblofe Statur erilört mirb. Ser tonangebenbe 
Sotaniler ber bamaligen S^U, Sinne, l^at über bie mannig» 
faltigen Srten in ber ^flan^enmelt nid^td anbered ju fagen 
gemußt/ ate ed gebe folc^er Slrten fo üiele, aü „oerfd^iebene 
formen im ^ringip gef (Raffen morben ftnb''. SBer eine 



— 41 — 

f old^e atetnung "^ai, btt lann ftd^ nur bemfi^cn^ bie (Eigen* 
fd^aften btt etn)d[nen Srormett gu fitxbitttn, unb biefe 
forgföttig oon einanbec ju uitterfd^eiben. ®oetl^e lonnte 
ftd^ mit einer fold^en ätaturbetrad^tung nid^t einoerftanben 
erSären. ^2)ad^ toa» Sinne mit ©emolt audeinanber )u 
l^alten fuc^te, mu%it, nad^ bem innerften 9ebfirfni0 meineiS 
SBefeniS, gut Sereinigung onftreben." (Er fud^te badlenige 
anf, ma» allen ^ßangenorten gemeinfam ift. 8uf feiner 
Steife in Stauen mirb il^m biefed gemeinfame Urbilb in 
allen ^flangenformen immer Ilarer: «2)ie nielen $flanjen, 
bie id^ fonft nur in ftübeln unb £dpfen^ fa bie grdgte 
3eit bed Sa^red nur hinter (SlaiSf enftern )u fe^en gemo^nt 
mar, ftel^en ^ier frol^ unb frif(^ unter freiem ^immtl, unb 
inbem fte il^re Seftimmung erfüllen, merben fie nn» btuU 
lieber. 3tn Slnf^efid^t fo nielerlei neuen unb erneuten ®e- 
bilbeiS, fiel mir bie alte (SriDe mteber ein, ob id^ nid^t 
unter biefer ®d§ar bie Urpflanje entbeden lönnte? @ine 
fold^e mni t» benn boä) geben: moran mürbe id^ 
fonft erlennen, ba% biefed ober jened ®ebilbe 
eine ^flange fei, menn fie nic^t alle nac^ einem 
Slufter gebilbet mären?'' Sin anbereiS 3RaI brfidtt er 
fid^ über biefe Urpflange aud: @ie ^mirb ba» munberlid^fte 
(Befd^opf oon ber 9SeIt, um meld^ed mi^ bie Statur felbft 
beneiben \oJL HRit biefem aRobeQ unb bem Sd^Iüffel bagu 
tann man aldbann nod^ ^flanjen iniS Unenbli(|e erfinben, 
bie lonf equent fein muffen, ia^ l^eigt, bie, menn fte aud^ nid^t 
qriftieren, bod^ qriftieren lonnten, unb nid^t etma malerifd^e 
ober bid^terifc^e Sä^aittn unb Sd^emen ftnb, fonbern eine 
innerlid^e SSa^rl^eit unb %otmenbigIeit l^aben". SBie Jtant 
in feiner ^%aturgefd^id^te unb £l^eorie btS ^immete'' aM» 
ruft „®ebi mir äKaterie; ic^ miQ eud^ eine SBelt baraud 
bauen", meil er ben gefe^mägigen 3ufammenl^ang biefer 
Seit einfielet, fo fagt ^ier ®oet^e: mit $ilfe ber Urpflanje 
tSnne man qiften^fS^ige ^ßangen iniS Unenblid^e erfinben, 
meil man bai$ ®efe^ ber Sntftel^ung unb bed ffierbeui^ 
berfelben inne l^at. SBad Sant nur oon ber unorganifc^en 
Katur gelten laffen moQte, bai man il^re Srfd^einungen 



— 42 — 

naä^ notmenbigen (Saferen (egreifen lann, bo^ bt^nit 
(Soetl^e au(6 auf bte SBdt ber OrgoniiStnen aM. Sr fügt 
in betn Sriefe, in bem er gerbet feine SntbedPung ber 
Urpflange mitteilt, §ingu: ^f)adfeIBe ©efe^ n)irb fi(^ auf 
aUed übrige fiebenbige anmenben laffen''. Unb ®oetl^e l^at 
ed and^ angewenbet. Seine entfigen ®tubien über bie 
Xienoelt braditen il^n 1795 bagu, ^.ungefd^eut bel^aupten ju 
bürfen, bai aUt oolllontmenen organifd^en Staturen, 
worunter wxx 3if(i^e, 9(ntpl^ibien, SSögel, Säugetiere unb 
an ber ®pi^e ber le^teren ben SRenfd^en feigen, alle 
nad^ einem Urbilbe geformt feien^ bad nur in feinen 
beftänbigen Seilen mel^r ober meniger ^in* unb l^erneigt, 
unb fic^ noc^ täglich burd^ f$ortpfIan)ung an&^ unb um« 
bilbet." ®oetl^e ftel^t alfo aud^ in ber %aturauffaffung im 
ooDften @egenfa^ %n Sant 2)iefer nannte ed ein gemagted 
^Sibenteuer ber SSernunft", menn biefe e& unternel^men 
moQte, ba^ Sebenbige feiner @ntftel^ung nad^ gu erilören. 
@r ^ä\i ba» menfd^Iid^e (Srienntnidoermögen gu einer 
fold^en (Srllörung für ungeeignet. „@d liegt ber SSernunft 
unenblic^ oiel baran, ben SRec^anidmud ber %atur in il^ren 
Erzeugungen nid^t faQen gu laffen unb in ber @r!Iärung 
berfelben nid^t oorbei gu gelten; meil ol^ne biefen leine 
Sinftd^t in bie %atur ber Singe erlangt merben lann. 
SBcnn man uniS gleich einräumt: ba^ ein pd^fter Sfrd^iteft 
bie ^formen ber %atur, fo mie ße oon jel^er ba [xnb, un- 
mittelbar gefd^affen, ober bie, fo ftc^ in il^rem :S?aufe Ion« 
tinuierlid^ nat^ eben bemfelben üRufter bilben, präbetermi« 
niert l^abe, fo ift bod^ baburc^ unfere @rIenntniiS ber %atur 
nid^t im minbeften geförbert; meil mir jeneiS äSefend 
^anblungiSart unb bie Sbeen bedfelben, meldte 
bie $rin)ipien ber SRdglid^Ieit ber %aturmefen enthalten 
foQen, gar nid^t lennen, unb oon bemfelben aU oon 
oben l^erab bie %atur nid^t erllären lönnen". Sluf 
foI(^e ftantif(^e Slui^fülgrungen ermibert ®oet^e: «Senn 
mir ja im Sittlid^en, burd^ ®lauben an ®ott, Sugenb 
unb Unfterblic^Ieit und in eine obere Stegion erl^eben unb 
an ba» erfteSBefen annähern follen: fo bürft ed mol^I im 



— 43 — 

SnielldtueDen berfeI6e gfaD fein, bai mir uniS, burd^ bad 
Slnfd^auen einer immer fc^affenben Xaiur, gur geifKgen 
ä^eilnal^me an il^ren $robuItionen mürbig mad^ten. ^aiit 
id^ bod^ erfi unbemugt unb aud innerem Sirieb auf )ene0 
Urbilblid^e, £Qpifd^e rafilod gebrnngen, mar ei9 mir fogar 
geglüdCt, eine naturgemäße 2)arfienung aufaubauen, fo lonnte 
mid^ nunmebr niditö meiter oerbinbern, bad Abenteuer 
ber SSernunft, mie ed ber SHte oom 9bnigdberge felbfi 
nennt, mutig }u beftel^en." 

Son ber ^jtritil ber Urteildtraft'' fagt ®oetl^e, bag er 
i^r ff eine pd^ft frol^e fiebeniSepod^e fd^ulbig'' fei. «Sie 
großen ^auptgebanlen bt» SBerliS maren meinem bid^erigen 
Schaffen, S^un unb 2)enlen ganj analog. Sad innere 
fieben ber ftunft mie ber %atur, i^r beiberfeitiged ffiirlen 
oon innen l^eraud, mar in bem 9vid)t beutlid^ audgefprod^en". 
3[ud^ biefer Studfprud^ @oetl^eiS lann über feinen @egenfa| 
gu ^ant nic^t l^inmegtäufd^en. S)enn in bem Auffa^, bem 
er entnommen ift, Igeißt ed gugleic^: ^Seibenfc^aftlid^ an« 
geregt, ging id^ auf meinen SBegen nur befto rafd^er fort, 
meil id^ felbft nid^t mußte, mol^in fte fül^rten, unb ffir bad, 
ma^ unb mie id^ mir'd gugeeignet l^atte, bei ben Statt» 
tianern menig Anllang fanb. 2)enn id^ fpradg 
aui^, wa» in mir aufgeregt mar, nid^t aber wai^ 
id^ gelefen ^atte." 

@ine flreng einl^eitlid^e ffieltanfd^auung ift ®oti^t 
eigen; er miQ einen ®efi(|tiSpunIt geminnen, oon bem aui^ 
bad gange Unioerfum feine ©efe^mäßigleit offenbart, ^oom 
3iegelftein, ber bem S)ad§ entftfirgt, bid gum leud^tenben 
©eifteiSbli^, ber bir aufgellt unb ben bu mitteilft". Senn 
ff alle äSirlungen, oon melc^er 2itt fte feien, bie mir in ber 
@rfa]^rung bemerlen, bangen auf bie ftetigfte äSeife gu« 
fammen, gelten in einanber über''. ff@in Si^G^'^f^^^ '^^f^ 
fid^ oom 2)ad^e loiS: mir nennen bieiS im gemeinen ®inne 
guföllig; er trifft bie @d^ultern einei^ Sorübergel^enben, 
bod^ mo|l med^anifd^; allein nid^t gang med^anifd^, er 
folgt ben ®efe^en ber @(^mere, unb fo mirtt er p^^fifc^. 
Sie gerriffenen fiebendgeföße geben fogleid^ il^re 3fun!tion 



— 44 — 

auf; im ^(ugenblid n)tr!en Me Säfte d^emifc^, bie ele» 
tnentaren ßigenfd^aften treten Igeroor. ÜDein ba» geftorte 
organtfd^e Sehen loiberfe^t fidb eben fo fdineU unb fud^t 
ftd^ l^eraufteQen; inbeffen ift ha& ntenfc^lidie ®an^e me^x 
ober mentger bewugtloi^ unb pfqd^tfd^ gerrüttet. 2)ie fic^ 
wiebererlennenbe $erfon fü^It fid^ etl^ifc^ im tiefften ver- 
lebt; fie bellagt i^re geftörte Zl^ätigleit^ uon melc^er 9rt 
fie aud^ fei, aber ungern ergöbe ber 9Renfc^ ftd^ in ®ebulb. 
9teIigtöiS l^ingegen mirb i^m leidet, biefen SfaO einer 
l^öl^eren Sd^tdbtng i^uaii|cf)reiben, i^n aü Semal^rung oor 
größerem Übel, al» (Einleitung gu pl^erem ®uten angu* 
feigen. 2)iei9 reid^t l^in für ben Seibenben; aber ber ®e« 
nefenbe erl^ebt ftd| genial, oertraut ®ott unb ftd^ felbft 
unb fül^It fld^ gerettet, ergreift auc^ mol^I bali SufaSige, 
menbet'iS gu feinem Sorteil, um einen emig frifd^en Sebeni^* 
treid gu beginnen.'' ®o erlöutert ®oet^e an btm Seifpiel 
eined faüenben Si^fi^W^ii^^ ^^^ Sufammen^ang aOer 9rten 
von %aturn)irlungen; eine Srllörung in feinem Sinne m&re 
ed, menn man aud^ il^ren ftreng gefe^mö§igen 3i<f<t^^^>t' 
l^ang anii einet SBurjel l^erleiten lonnte. 

Sßie gmei geiftige 9(ntipoben fte^en ftant unb ®oei^t 
am Anfang ber äSeltanfd^auungdentmidfelung biefed 3a^r« 
l^unbertd. Unb grunboerfd^ieben mar bie 9xi, wie fxd^ 
bie|enigen gu il^nen fteQten, bie fid^ für pc^fte fragen 
intereffierten. ftant l^at feine SBeltanfd^auung mit aEen 
SRitteln einer ftrengen ®(^uIp^iIofop^ie aufgebaut; ®oetl^e 
l^at naio, ftd^ feiner gefunben Statur überlaffenb, p^ilofopl^iert. 
S)ed]^alb glaubte t$id^te, mie oben ermöl^nt, fid^ an ®oet^e 
nur „aU ben Slepräfentanten ber reinften ®eiftig!eit bei» 
®efül^U auf ber gegenwärtig errungenen Stufe ber 
Humanität" menben gu lönnen, mäl^renb er oon Sani ber 
tlnfic^t ift, bag „lein menfd^Ii(^er SSerftanb meiter ate bid 
gu ber ®renge oorbringen !önne, an ber fiant, befonberd 
in feiner Sbritil ber UrteiliSbaft, geftanben/ SBer in bie 
in naioem ®emanbe gegebene ^eltanfc^auung ®oet|ei$ 
einbringt, mirb in i^r aüerbingd eine fiebere ®runblage 
finben, bie auf Ilare Sbeen gebrad^t merben lann. ®oet^e 



— 45 — 

felbft brachte ftd^ biefe ®runblage aber titd^t )um Semugtfein. 
3)eiS^aIb fittbet feine Sorfteüungdort nur anrnd^Ii^i Singang 
in bxt Sntmicfelung ber 3BeÜanf4iauung ; unb im (Singang 
bt» Sai^rl^unbertd ifi ed gunäd^ft ftant, mit bem fxd^ bxt 
^eifter audeinanbergufet^en oerfuc^ten. 

®o grog aber aud^ bie äBirlung roat, bxt oon ftant 
^luiSging : ed lonnte ben 3<it9cnoffen nid^t verborgen bleiben, 
bag ein tiefereiS (Srlenntnidbebürfnii^ burd^ i^n bod^ nic^t 
^efriebigt mttbtn lann. (Sin fold^ed @r![clrungdbebfirfnii9 
j>ringt auf eine ein^eitlid^e SBeItanft(^t, mie bal^ bei ®oet|^e 
btt SfaD n^or. Sei ffant fielen bie eingelnen ®ebiete bed 
SDafeind unoermiüelt neben einanber. Sud biefem ®runbe 
-tonnte t» fid^ lixd^it, trotf feiner unbebingten Sere^rung 
itantö nic^t perbergen, ba^ ^Stani bxt SBa^r^eit blo% an« 
gebeutet, aber meber bargefteSt, nod^ beriefen'' ^abe. «tiefer 
n)unberbare einzige SRann l^at entmeber ein S)ii)inationd« 
vermögen ber äSa^r^eit, o^ne [xä) i^rer ©rünbe felbft 
bewugt )u fein, ober er f^ai fein 3^italter nid^t l^od^ genug 
gef(^ö^t, um fie i^nt mitzuteilen, ober er ^at [xd) gefd^eut, bei 
feinem Seben bie übermenfdilid^e Sere^rung an fic^ ju 
reigen, bie i^m über Iura ober lang nod^ gu teil merben 
mü%tt. %0(^ l^at leiner i^n oerftanben, leiner mirb ed, ber 
nid)t auf feinem eigenen 23ege gu Stani» Stefultaten !ommen 
loirb, unb bann mirb bie SBelt erft ftaunen." «9ber id^ glaube 
^benfo fidler gu miffen, bai ftant [x^ ein fol(^ed Softem 
^ebac^t 6abe; ba^ a&ed, mad er mirllic^ oorträgt, 9rud^« 
ftüdte unb Stefultate biefed ©qftemd finb, unb ba% feine 
Sel^auptungen nur unter biefer äSoraudfe^ung @inn unb 
3ufammenl^ang l^aben." S)enn möre ba» nid^t ber gfaD, 
fo moQe er ^bie ^itil ber reinen SSernunft e^er für ba9 
SSerl bt» fonberbarften 3ufaDd galten, ald für ba» eine0 
.«opfe«". — 

3[u(^ anbere ^aben ba» Unbefriebigenbe ber ftantfd^en 
®ebanfenlreife eingefe^en. Lichtenberg, einer ber geift» 
ooDften unb gugleic^ unab^angigften itopfe aud ber gmeiten 
^älfte bt§ porigen ^a^rl^unbertiS, ber JSant fi^d^te, lonnte 
iid§ bod^ nic^t perfagen, gemid^tige Sinmänbe gegen beffen 



— 46 — 

SBeltanfd^auung ^n madien. @r fagt etnerfeüS: ,,9Bai^ 
I&ei6t mit Äantifd^cm ®ctft bcnfcn? 3<^ glaube, t§ 
Reifet, bic ScrJ^äÜniffc unfcrciS SSefcni^, cö fei nun roaiS e5 
tDoIIe, gegen bie S)inge, bie roit ouger uni^ nennen, 
auiSfinbig machen ; boiS ^eigt, bie SSerl^ältniffe bed ®ub|eltit)en 
gegen ba» Dbjeftioe beftimmcn. S)iefeS ift freilid^ immer 
ber 3^^^ ttQ^^ griinblid^en ^aturforfd^er gemefen, allein 
bie O^tage ift, ob fie ed je fo mal^il^aft p^ilofopl^ifd^ an» 
gefangen l^aben, aU $err ^ant. äßan f)ai ba^, mad 
bod) fd^on fubjellio ift unb fein muö, für obicilit) geJ^alten." 
SlnbrerfeilS bemerft ßid^lenberg aber: „©oute eS benn 
fo gana aui$gemad)t fein, ba% unfere SSernunft oon btm 
Überfinnlid^en gar niä^i^ miffen lönne? @oQte nid^t ber 
SRenfd^ feine Sbeen oon ®otl ehtn fo groedmäfeig roeben 
fönnen, mie bie Spinne il^r 9ie^ gum fyiiegenfang? Dber 
mit anberen SBorten: ©oute eö nid^t SSefen geben, bie 
uni^ megen unferer ^bten oon @ott unb Unfterblid^Ieit 
eben fo berounbern, mie mir bie Spinne unb btn Seiben» 
tonrm?" Slber man lonnte einen nod^ oiel gemid^tigeren @in« 
manb madien. 9Benn e0 richtig ift, ba% fid^ bie @efe^e 
ber menfc^lid^en SSernunft nur auf bit innere 9BeIt bc» 
®eiftei^ begießen, mie lommen mir bagu, überl^auptoon S)ingen 
au§er und gu fpred^en? äSirmügten und bann bod^ ooQig 
in unfere ^nnenmelt einfpinnen. Sinen fold^en (Sinmanb 
mad^it ®ottIob @rnft Sd^ulge in feiner 1792 anonym 
erfd^ienenen Sd^rift: „Slenefibemuj^". (h bel^auptet barin, 
ba^ aUe unfere ßrlenntniffe blofee SSorftettungen feien, 
unb bai roir über unfere SBorfteüungSmelt in leiner SBeife 
]^inauiSgel)en !önnen. S)amit maren im ©runbe aud^ &ant^ 
moralifd^e SSalgrl^eiten miberlegt. S)enn lagt fid^ nid^t 
einmal bie 9ßöglid)Ieit beulen, über bie S^nenmelt l^inaud- 
gugel^en, fo lann un2 in eine unmöglid^ gu benlenbe 9Belt 
aud^ leine moralifd^e Stimme leiten. So entmidFelte fid^ 
an» Sani» Slnftd^t gunöc^ft ein neuer 3^cifcl ^^ <^Öer 
SBal^r^eit, ber jtritigidmuS mürbe gum SleptigijSmud. @iner 
ber lonfequenteften änljcinger bed SIeptigiiSmuiS ift Salomon 
SBaimon, ber feit 1790 ocrfd^iebene Sd^rif ten oerf afete. 



— 47 — 

bie unter bem Sin^ug jtontd unb Sd^uljed ftanben tinb 
in benen ei mit aDer Sntfd^ieben^eit bafür einttot, boji 
Don bem S)afein äußerer ©egenftänbe, wegen ber ganjen Sin« 
riij^tung unfered (SrIenntniiSoermögend, gar nid^t gefpro^ien 
werben bürfe. @in anberer Sd^üler Stantd, 3 a c b S i g i i9 m u n b 
S3ecf, ging fogar fo weit au bel^aupten, Jtant l^abe in 
äSai^rl^eit felbft !eine Singe auger und angenommen, unb ed 
berul^e nur auf einem äRi^oerftänbnid, wenn man i^m eine 
folc^e SSorfteSung gufc^reibe. 

SineiS ift gemi^: i^ctni bot feinen 3^i0^noffen ungäl^lige 
Sngriffdpunlte ju 3(uiSlegungen unb gum SBiberfpruc^e bar. 
®erabe burd^ feine UnÜar^eiten unb SBiberfprüc^e mürbe 
er ber SSater ber Ilaffifd^en beutfdien SBeItanf(^auungen 
tixi^it», @d^ellingd, @(^open^aueriS, ^t^d, ^erbartiS unb 
@d^Ieiermad^erd. @eine Unllarl^eiten mürben für fie au 
neuen ^fragen. @o fel^r er ftc^ bemül^t l^atte, bod SSiffen 
einaufdgränlen, um für ben ©lauben $la^ a^ erl^alten: 
ber menfd^Iid^e ®eift {ann ftc^, im malgrften Sinne bed 
SBorted, bod^ nur burc^ baB SBiffen, butä^ bie @rlenntnid 
befriebigt erllären. @o lam e€ benn, bag ftantd $ad^foIger 
bie @r{enntnid mieber in i^re DoQen tieä^ie einfe^en moDten ; 
bai fte mit ibr bie l^öd^ften geiftigen Sebürfniffe bed 
äßenfd^en erlebigen moÖten. 3it^ t$fortfe^er Rani» in 
biefer 9tid^tung mar Sol^ann ® ottlieb Sfid^te mie ge» 
fci^affcn. dt, ber ba fagte: ^S)ie Siebe ber SBiffenfd^aft 
unb gana befonberd ber ®pe{uIation, menn fie ben SRenft^en 
einmal ergriffen f^ai, nimmt i^n fo ein, ba^ er leinen 
anberen äBunfd^ übrig behält ate ben, ftd^ in Stulpe mit 
ibr au befd)aftigen/ Sinen f^anatiler ber SBeltanfd^auung 
barf man e^id^te nennen. @r mug burd^ biefen feinen 
gfanatiiSmu^ beaaubernb auf feine S^i^S^u^ff^u unb feine 
@d^üler gemirlt ^aben. ^bren mir, wa» einer ber 
le^teren, fjforberg, über il^n fagt: ;,@ein öffentlid^er SSortrag 
raufest bal^er mie ein @emitter, bad fic^ feined tStntt» in 
einaelnen ©dalagen entlabet; er ergebt bie ®eele, er miD 
nid^t blog gute^ fonbern groge äßenfd^en mad^en ; fein äuge 
ift ftrafenb, fein ®ang tro^ig, er miQ burc^ feine $]^ilofop]^ie 



— 48 — 

ben ®eifi bed QtiidÜtt» leiten; feine ^j^anlafte ift nid^i 
blül^enb, aber energifd^ unb mäd^ÜQ; feine Silber finb 
nid^i reigenb, aber lü^n unb grog. @t bringt in bie 
innerften Siefen bed ©egenftanbei? unb fd^altet int Steid^e 
ber SSegriffe mit einer Unbefangenl^eit^ meiere Derrät^ ba% 
er in biefem unftd^tbaren Sanbe nic^t blog mol^nl, fonbern 
l^errfd^t/ 3)ad I^eroorfted^enbfteSRerfmal in gfiditeiS ^erfonlid^« 
leit ift ber grofee, ernfte ©til in feiner fiebcnöauffaffung. 
S)ie l^öd^ften aßagftäbe legt er an aüt», @r fd^ilberi a* S9. 
ben Seruf bed @(i^riftfteQeri^: „Sie 3bee mug felber reben, 
nidbt ber Stfiriftfteller. Stte SBiDIür beö lefeleren, feine 
gange 3nbit)ibualitöt, feine ilgm eigene 3lrt unb jhtnft 
ntug erftorben fein in feinem Vortrage, bamii allein bie 
8(rt unb Kunft feiner 3bee lebe, ba» l^öd^fte fieben, meld^eiS 
ftc in biefer ©prad^e unb in biefem S^taller gewinnen 
iann. So wie er frei ift oon ber Serpflid^tung be« 
münblid^en Sel^reriS^ ftd^ ber Smpfänglid^Ieit anberer ju 
fügen, fo l^at er and) nid)t beffen @ntfd^ulbigung für fic^. 
@r l^at leinen gefegten ßefer im Sluge, fonbern er lonftruiert 
feinen Sefer, unb giebt i^m ba» ®efe^, mie t^ fein muffe." 
— „2)a« SBerf beö Sd^riftfteHer« aber ift in fid^ felber 
ein SBerl für bie @n)igleit. SOtögen fünftige S^Ualter einen 
pl^eren @c^n)ung nel^men in ber SSiffenfc^aft, bie er 
in feinem SSerle niebergelegt l^at; er l^at nid|t nur bie 
SSiffenfd^aft, er l^at ben gang beftimmten unb ooQenbeten 
S^aralter eined S^italteriS, in Segiel^ung auf biefe SBiffenfc^aft 
in feinem SBerle niebergelegt, unb biefer bel^ält fein gntereffe, 
fo lange ed 3Kenf(^en auf ber SBelt geben mirb. Unab« 
l^ängig oon ber 9SanbeIbarIeit, fprid^t fein Sud^ftabe in 
allen ^eiialtnn an aUt 9RenfdE)en, meldte biefen Sud^ftaben 
gu beleben oermögen, unb begeiftert, erl^ebi, oerebelt 
1x9 an ba» @nbe ber Sage/ @o fprid^t ein SRann, 
ber ftd^ feined Serufed ald geiftiger fienler feinei^ 3^^^^^^^^^ 
bemugt iß, bem t» ooQer @rnft mar, menn er — in ber 
Sorrebe feiner SStffenft^aftiSle^re fagte — an meiner $erfon 
liegt nid^td, alled aber an ber SSal^r^eit, benn „id) bin 
ein ^riefter ber SBal^r^eit''. Son einem SSanne, ber fo 



— 49 — 

im 9letd^e hex „^d^tf^tii" lebte, oerftel^en mir ed, ba^ er 
wintere nid^t Mog )um SSerftel^ett anleiten, fonbern gioingen 
n)oIIte. @r burfte einer feiner Sd^riften ben Sitel geben: 
„®onnenIIarer Serid^t an ba» größere $ubliluni über 
ba& eigentlid^e SSefen ber neueften $l^iIofopl^ie. @in 
Serfud^, bie Qefer junt Serftel^en ju gmingen.'' 
@ine $erfönlid^leit, meldte ber SBirllid^Ieit unb beren Z^aU 
fad^en nid^t gu bebürfen glaubt, nm ben Sebendroeg )u 
ge^en, fonbern bie bad 9luge unoenoanbt auf bie Sbeen« 
melt rid^tet, ift Sfid^te. ®ering beult er von benienigen, 
bie eine fold^ ibeale Slid^tung bed ©eifted nid^t oerftel^en. 
jrSnbeiS man in bemienigen Umireife, ben bie gemol^nlid^e 
@rfa]^rung um ums gebogen, allgemeiner felbft benft unb 
rid^tiger urteilt, als oieOeid^t je, finb bie me^rften DöQig 
irre unb geblenbet, fobalb fte aud^ nur eine Spanne über 
benfelben l^inauiSgel^en foQen. SBenn ed unmöglid^ ift, in 
biefen ben einmal audgelöfd^ten gunlen bed l^öi^eren ®eniud 
lieber angufad^en, mu^ man fie rui^ig in jenem Streife 
bleiben, unb infofern fie in bemfelben nü^Iid^ unb un« 
entbel^rlid^ finb, il^nen i^ren äSert in unb für benfelben 
ungefd^mälert laffen. 9(ber menn fie barum nun felbft 
verlangen, aQed gu fid^ j^rrab^u^ie^en, mo^u fte fid^ nid^t 
^rl^eben lönnen, menn fie g. 3). forbern, bai aQed ©ebrudtte 
fid^ als ein ftod^bud^, ober ds ein Sled^enbud^, ober ald 
ein 3)ienftreglement folle gebraud^en laffen, unb dtitS Der* 
fdgreien, xoaS fid^ nid^t fo braud^en lägt, fo l^aben fte felbft 
um ein grogeiS Unred^t. — 2)ag Sbeale in ber mirflid^en 
SSelt fid^ nid^t barfteUen laffen, miffen mir anberen oieQeid^t 
fo gut, als fie, oieQeid^t beffer. 2Sir bel^aupten nur, ba% 
nad^ il^nen bie SBirlltd^Iett beurteilt, unb oon benen, bie 
ba^u Jhiaft in fid^ fül^len, mobifigiert merben muffe. ®efe^t^ 
fie lönnten auä) bavon fic^ nid^t überzeugen, fo oerlieren fie 
babet, nad^bem fie einmal Rnb, maiS fte finb, fel^r menig; 
unb bie äRenfd^l^eit verliert nid^td babei. @S toitb baburd^ 
blog baiS Ilar, ba^ nur auf fie nid^t im $lane ber Ser« 
eblung ber äRenfd^l^eit gered^net ift. S)iefe mirb i^ren 
SSeg ol^ne 3n)cif^ fortfe^en; über jene moQe bie gütige 

steinet, SBelt« unb ütben&an^^ammqm. 4 



— 50 — 

%alur roallen, nnb x^xitn ju redetet 3^^^ Stegen unb @onnen» 
fc^ein, guträglid^e %al^rung unb ungeftürten Umlauf ber 
©äftc, unb babei — Ilugc Oebanicn oerleil&en!'' ®tcfe 
SSorte fe^te er htm SDrud ber Sorlefungen voran», in 
benen er ben S^nenfer Stubenten bte ^.^eftimmung bei^ 
@ele]^rten'' aui^einanberfe^te. Slud einer großen feelifc^en 
(Energie l^erauiS, bie Sic^erl^eit für bie @rIenntniiS ber 
äSelt unb für ba» Seben giebt, ftnb Slnfc^auungen wit bie 
f^id^ted enDac^fen. 9tüdftd^tdIofe äSorte l^atte b'iefer für 
düt, bie in {td^ nid^t bie ^aft gu foldger ®idE)erl^eit Der« 
fpürten. SlliS Steinig olb öugerte, ba^ bie innere Stimme 
btS äRenfdEien bod) and) irren lönne, ermibert il^m tixd)it: 
„Bie fageU; ber ^l^ilofop^ folle beulen^ ba% er als 3nbit)ibuum 
irren lönne, ba% er als fold^er von anbern lernen lönne 
unb muffe. SBiffen ©ie, roeld^e Stimmung Sie ba be« 
fd^reiben : bie eineö äRenfd^en, ber in feinem gangen Ceben 
nod) nie üon tima» übergeugt mar.'' 

®iefer fraftDoHen $erfönIidE)Ieit, beren 33Iidt gang nad^ 
innen gerid^tet mar, miberftrebte e», ba» ^öä^^e, wa» ber 
üßenfd^ erreichen lann, eine äSeltaufd^auung, anberdmo als 
anä) im Innern gu fud^en. ^.Sllle JSuItur foE fein Übung 
atter Äräfte auf ben einen !^wtd ber oßttigen t^ttü^tii, 
b. ^. ber DÖQigen Unabl^ctngigleit Don aßem, ma» nid^t 
mir felbft, unfer reines ©elbft (Sernunft, ©ittengefe^) ift, 
benn nur bieS ift unfer ..." ®o urteilt Qid)U in 
ben 1793 erfd^ienenen ;, Seiträgen gur SBerid&tigung ber 
Urteile beS ^ubltlumS über bie frangüfifd^e Steoolution''. 
Unb bie mertoollfte Äraft im SReufd^en, bie grlenntniSbaft, 
foQte nid^t auf biefen einen Qwzd beS DÖQigen Unab» 
^ängigfeinS uon allem, maS nic^t mir felbft finb, gerid^tet 
fein? Könnten mir benn überi^aupt je gu einem DoQigen 
Unabl^ängigfein lommen, menn mir in ber Sßeltanfd^auung 
Don irgenb meld^em 3Sefen abl^ängig mären? SBenn eS burd^ 
ein foId^eS auger uns gelegenes SSBefen auSgemad^t märe^ 
ma» bie %atur, maS unfere Seele, meld^eS unfere $fiid^ten 
ftnb, unb mir bann i^interl^er t)on einer fold^en fertigen 
Zl^atfad^e auS unS etn SSiffen oerfd^afften? Sinb mir unab» 



— 51 — 

l^öngig, bann muffen mit ed auä) in Segug auf bie @r« 
lenntnid ber 33al^rl^eit fein. SBenn mir timaii empfangen, 
ha» o^nt unfer 3ut]^iin entftanben ift, bann finb mit von 
btefem abl^ängig. S)ie l^öd^fte SSai^r^eit lonnen mir alfo 
nid^t empfangen. äSir muffen fte fc^affen; fte mug burd^ 
uni^ entfiel^en. ($i(i)ie lann fomit an bie Spi^e ber SBett^^ 
anfd^auung nur etmad fieüen, maß burc^ uni9 erft fein 
2)afein erlangt. SSenn mir Don irgenb einem S)inge ber 
SluBenmelt fagen: t» ift, fo tl^un mir bied bei^^alb, meil 
mir ed mal^rnel^men. Sßir miffen^ bag mir einem anbern 
SBefen ba» Safein guerlennen. 9Sai$ biefed anbere S)ing 
ift, ba» l^öngt nid^t oon uni^ ab. Seine Sefd^affenl^eit 
lönnen mir nur erlennen, menn mir unfer äSa^rnei^mungiS« 
uermögen barauf rid^ten. 23ir mürben niemals miffen, 
maS ;,rot'', ^^marm", ,,lalt" ifi, menn mir t§ nid^t burd^ 
bie SSal^rnel^mung müßten. Sßir lönnen }u biefen 99e* 
fd^ Offenheiten ber S)inge nid^tiS l^injutl^un, nid)tiS t)on il^nen 
megncl^men. SBir fagen ;,fie finb". 8Boi8 fle finb; 
ba» fagen fie unS. ©ang anberd ift t» mit unferm eigenen 
S)afcin. 3u fid^ felbft fagt ber 3»cnf(^ nid^t: „t§ ift% 
fonbern: „^d) bin''. S)amil l^at er aber m(f)t blo^ 
gefagt: bag er ift, fonbem aud^: ma» er ift, nämlid^ ein 
;,Sd&". *ur ein anbereö SSefen lönnte von mir fagen: 
^eS ift*. Sei, eö müßte fo fagen. S)enn felbft, menn 
biefeS anbere SSefen mid() gefd^affen ^ötte, lonnte t» von 
meinem S)afein nid^t fogen: id^ bin. ®er äusfprud^: 
„iä) bin'' rerliert allen Sinn, menn il^n baiS SSefen, ha» 
DDn feinem 3)afein fprid^t, nic^t felbft tl^ut. @iS giebt 
fomit nid^tS in ber SSelt, ma» midi mit „id^'' anfprec^en 
iann aU aSein mic^ felbft. 2)iefe Slnerfennung meiner 
ate einei^ „^i)" muß btmnaä^ meine ureigenfte %f)ai fein. 
5{ein SBefen außer mir Iann barauf Sinßuß Igaben. 

$ier fanb "Si^^^ tima», mo er fidC) gang unabl^ängig 
fai^ oon jeglicher fremben Sßefenl^eit. (Sin ®ott lönnte 
mid^ fd^ äffen; aber er v[iü%ie t» mir überlaffen, miä^ ald 
ein ,,3^^" angucriennen. SWein Sd^bemußtfein gebe id^ mir 
felbft. 3n ifttn ^abe id^ alfo nid^t ein SSiffen, ein 6r- 

4* 



— 52 - 

lenncH; ba^ id) empfangen J^aht; fonbern ein fold^ed, ba^ 
id^ feKft gemad^i l^abe. ®o j)ai [xä^ fjfid^te einen feften 
$unltfür bie äSeltanfc^auung gefd^affen, tttoai^, n)0 ®en)igl^eit 
tfi SBie ftel^l cg nun aber mit bem ® afein anberer 2Sefen? 
S(^ lege il^nen ein S)afein bei. Slber id^ ^dbt bagu nid^t 
ein gleiches Siedet, ujie bei ntir felbft. @ie muffen %n 
Steilen meineö „Sd^" merben, menn id^ il^nen mit gleid^em 
{Redete ein S)afein beilegen foH. Unb ba^ merben fie, in* 
bem id^ fie mal^rnel^me. SDenn fobalb baiS ber fJaD ifl/ 
fmb fie für mid^ ba, 3dö lann nur fagen: mein Selbft 
fül^It „rot", mein ©elbft empftnbet „marm". Unb fo 
mal^r id^ mir felbft ein S)afein beilege; fo roa^r lann id^ 
bieS and) meinem t^ül^Ien unb meinem @mpftnben beilegen. 
SBenn id^ mid^ alfo felbft redCjt oerfteige, fo lann iä) nur fagen: 
iä) bin unb id) lege felbft aud^ einer Slufeenmelt ein ®afein bei. 
auf biefe 2Bcife oerlor für fjid&tc bie SBelt au^er bem 
//SdE)" il^r fcIbftänbigeS Safein; fie l^at nur ein il&r oom 
3d& beigelegtes, ein alfo ^u il^r l&ingugebid^teteö Safein. 
3n feinem Streben, bem eigenen ©elbfl bie J^öd^ftmöglidie 
Unabl^ängigleit gu geben, l^at f^id^te ber Slugenmelt jebe 
©elbftänbigleit genommen. SEBo nun eine fold^e felbftänbige 
äugenmelt nid^t oorl^anben gebadet mirb, ba ift t^ aud) 
begreiflid^, ba% ba^ Sntereffe an bevx SBiffen, an ber 6r» 
lenntniö biefer Hugenmclt aufprt. Samit ift ba^ Sntereffe 
an bem eigentlichen SBiffen überl^aupt erlofd^en. Senn ba^ 
3dE) erfäl^rt burdi ein foId^eS SBiffen im ©runbc nid^tö, 
afe maö eS felbft l^eroorbringt. 3" öllem SBiffen l^ält 
ba^ menfd^Iid^e ^d) gIcidEifam nur SKonoIoge mit fid^ felbft. 
(£d gel^t nid^t über fid^ felbft l^inauiS. SBoburd^ e^ aber 
bieg Ic^tere bod) ooHbringt: baS ift bie lebenbige %^at 
SBenn ba^ 3d) i^anbelt, wenn e§ in ber SBelt etna^ ooH* 
bringt: bann ift e& nxd)i mel^r monologifierenb mit fid^ 
aflein. Sann fliegen feine §anblungen l^inauS in bie 
SBelt. Sie erlangen ein fcIbftänbigcS Safein. 3<^ ^oü* 
bringe eimaS; unb menn id) eS ooQbrad^t i^abe, bann 
mirlt eS fort, and) wenn id) mid^ an feiner SBirlung nid^t 
mel^r beteilige. SBaS id) meig, i^at ein Safein nur burd^ 



— 53 — 

mid); wa^ id) iJ^nt, tft Seftanbteil einer oon mir una&« 
i^ängigen moralifd^en Sßeltorbnung. SSad bebeutei 
aber aQe ®en)i§]^eit, bie mir au9 bem eigenen 3d^ )ie^en, 
gegenüber biefer aDerl^ödiften SBa^r^eit einer moralifd^en 
SBeltorbnung^ bie bo^ unabl^ängig ron und fein mug^ 
wenn ba» 3)afein einen @inn ^aben foD? SlleiS SSiffen 
ifi boi^ nur tima» für bad eigene 3d^; biefe SBeltorbnung 
ntug aber fein auger bem 3d^. ®ie mu% fein, tro^bem 
mir Don il^r nid^tö miffen lünnen. SSir muffen fte olfo 
glauben. ®o lommt aud^ Sidfte über baiS äßiffen l^inaud 
gu einem ®Iauben. 9Bie ber £raum gegenüber ber 
äBirllic^Ieit^ ift alled SSiffen gegenüber btm ®la\tbtn. Slud^ 
ba^ eigene Sd^ ^at nur ein fold^ed ^raumbafein, menn ed 
ftc^ felbft blog betrad^tei @d mad^t fid) ein ä3ilb oon 
fid^, ba^ ni^t^ meiter gu fein braucht, ate ein oori* 
überfc^mebenbeiS 93ilb; aQein ba^ ^anbeln bleibt. SRit 
btbtui^amtn SBorten fd^ilbert f^id^te biefed Sraumbafein 
ber SBelt in feiner «8efttmmung beS SReufd^en": „6S 
giebl überaQ !ein SDauernbeS, meber auger mir, nod^ in 
mir, fonbern nur einen unaufprlid^en äßed^feL 3dE) meig 
überall von feinem ®ein, unb anä) nidjt pon meinem 
eigenen. 6ö ifl fein Sein. — 3^ felbft roeig überl^aupt 
nxä)t, unb bin nid^t. Silber ftnb: fte finb ba» @ingige, 
mag ba ift, unb fic miffen »on ftd|, nad^ SBeife ber Silber; 

— Silber, bie oorüberfd^meben, ol&ne ba% tiroa^ fei, bem 
fte Dorüberfd^meben: bie burc^ Silber Don Silbern gufammen« 
l^ängen, Silber ol^ne tiwa^ in il^nen abgebilbeted, o^ne 
Scbeutung unb !^XDed. ^d) felbft bin einS biefer Silber; 
ja, id^ bin felbft bieg nid)t, fonbern nur ein ocrmorrened 
Silb t>on Silbern. — Sitte SRealität oermanbelt fid^ in 
einen munberbaren Sraum, ol^ne ein Seben, Don meld)em 
geträumt mirb, unb ol^ne einen @eift, ber ba tröumt; in 
einen Sraum, ber in einem Sraume Don ftdE) gufammen- 
i^ongt. SDaö Slnfd^auen ift ber Sraum; ba2 S)enfen, 

— bie CueQe aQed @eind, unb aller Stealität, bie id^ mir 
einbilbe, meines ©cinö, mcincxT Sfraft, meiner S^ede, — 
ift ber 2^raum oon jenem SraumC. SBie anberd 



— 54 — 

erfd^eint Stellte bie moraltfd^e SSeUorbnung, bie 9BeIt bt^ 
mianUn»: 3etn äSiOe foQ fd^ledftl^in burd^ ft(| felbft, 
Dl^ne alled feinen Sludbrud fd^roäd^enbe äSerfjeug^ in einer 
il^m oöQig gleichartigen @p]^äre^ ald Sernunft auf Sernunft, 
ate Oeifligeö auf ©eiftigeö, roirlen; — in einer ©pl^cre, 
ber er jebod^ ba» @efe^ bt» üthcn», ber £^atigleit, bt» 
^fortlaufend nid^t gebe, fonbern bie t» in fid^ felbft l^abe; 
alfo auf felbfttl^ätige Sernunft. 9lber felbfttl^ätige ä^ernunft 
ift aSiUe. S)ad ®efe^ ber überftnnlid^en äSelt roäxt fonad^ 
ein SBille . . . ^tntt erl^abene SBiQe gel^t fonad^ nid^t 
abgefonbert Don ber äbrigen ä3ernunftn)elt feinen 9Seq für 
ftd^. @i3 ift gn)ifd^en il^nt unb aJltn enblid^en vernünftigen 
SBefen ein geiftiged 93anb, unb er felbft ift biefed geifttge 
Sanb innerl^alb ber SSernunftmelt . . . . 3d^ Deri^üIIe mein 
ängeftd^t vox bix, unb lege bie $anb auf Iben SRunb. 
äSie bu für bid^ felbft bift, unb bir felbft erfd^eineft, lann 
id^ nie einfel^en, fo gemi^ id^ nie bu felbft werben tann. 
^aä) taufenbmal taufenb burd^lebten @eiftermelten werbe 
td^ bid^ nod) ebenfo wenig begreifen aU je^t in biefer 
^üiit oon @rbe. — 'SBia» id^ begreife, wirb burd^ wein 
iloit» Segreifen gum (Snblid^en; unb biefed lägt aud^ 
burd^ unenblid^e Steigerung, unb (Srl^oi^ung ftd^ nie iniS 
Unenblid^e umwanbeln. 2)u bift vom Snblid^en nid^t 
bent ®rabe, fonbern ber Z'^at nac^ oerfd^ieben. ®ie wad^en 
bid^ burd^ jene Steigerung nur gu einem größeren SRenfc^en, 
unb immer gu einem größeren; nie aber gum @otte, gum 
Unenblid^en, ber leineiS 3ka%e& fällig ift.'' 

SSeil ba» äBiffen ein S^raum, bie moralifd^e SSelt- 
Drbnung für gfid^te ba» eingig wal^rl^aft SBirllid^e ift, 
bedl^alb fteQt er aud^ ba» Seben, burd^ ba» fxi) ber äRenfd^ 
tn ben ftttlid^en SBeltgufammenl^ang l^ineinfteOt über baiS 
bloge @rlennen, bad Setrac^ten ber Singe. „%id^td — 
fagt er — l^at unbebingten SBert unb Sebeutung, ald 
ba» Seben ; alled übrige, 2)enlen, 2)id^ten unb SBiffen ^ot 
nur 9Bert, infofern t» auf irgenb eine SBeife ftd^ auf baiS 
fiebenbige begiel^t, oon il^m audgel^t unb in badfeUe gurüd« 
gulaufen beabftd^tigt." 



— 55 — 

2)er etl^ifd^e ®runbgug in gid^ted ^erfönlid^Ieit ift t9, 
ber in feiner SSelianfd^auunfl aOed auiSgeISf(^t ober in 
feiner Sebeutung l^erabgebrüdt ^ai, xoa» nid^t auf bie 
moralifd^e 93eftimmung bed aSenfd^en l^inaudläuft (Sr 
moHit bie größten ^ bie reinften f^o^berungen für ba» 
Seben QuffieDen; unb babei moUit er burd^ lein Srfennen, 
ba» DieQeid^t in biefen Sielen Siberfprüd^e mit ber natürlid^en 
<3efe^mäBigIeit ber Seit entbeden lönnte, beirrt fein. ®oet|^e 
l^atgefagt: ^2)er ^anbelnbe ift immer gemiffenlod; t» ^ai 
niemanb ©emiffen aü ber SJetrad^lenbe.'' 'S>amii meinte 
et, ba% ber äSetrad^tenbe aQed nac^ feinem magren, mirllic^en 
SSerte abfc^ä^t unb jebed Sing an feinem fßlo^e begreift 
unb gelten lägt. 2)er $>anbelnbe ^at t» t)or aQen Singen 
borauf abgefel^eU; feine fjforberungen in @rfüDung ge^en 
^u feigen; ob er babei ben Singen Unred^t i^ut ober ni^t: 
baS ift i^m gleidE}. tiiä^it mar t» oor aQen Singen umd 
^onbeln ju tl^un; er moDte fid^ aber babei oon ber S3e« 
irad^tung nid^t ®emiffenIoftgIeit oonoerfen laffen. Sedl^alb 
beftritt er ben SBert ber Setrad^tung. 

3niS unmittelbare Seben einzugreifen^ mar tiii^M fort« 
mdl^renbei^ Semüi^en. SSo er glaubte, ba% feine äSorte 
bei anbern jur Z^ai merben lönnten, ba füffiit er fid^ 
am jufriebenften. Sind biefem Srang ^erauiS l^at er bie 
©d^riften oerf agt: ,,3ui*^dforberung ber Sentfreil^eil oon 
ben tJfürften @uropaiS, bie fte biill^er unterbrüdCten. ^eliopoIiiS, 
im legten 3al^re ber alten f^infternid 1792.'' ^^ISeiträge 
^ur äSerid^tigung ber Urteile bed $ublilumi$ über bie 
frangofifd^e 9teoolution 1793." Sud biefem Srang l^eraud 
^ai er feine l^inreigenben Sieben gel^alten: «Sie ®runbjüge 
bei? gegenmctrtigen S^italterd, bargefteOt in Sorlefungen, 
gel^alten gu »erlin im Saläre 1804—1805''; «Sie ^n* 
meifung ium feiigen Seben ober aud^ bie Steligiondlel^re. 
3n Sorlefungen, gel^alten gu Serlin im Saläre 1806", 
unb enblid^ feine «Sieben an bie beutfd^e Station 1808", 
tin ®erl, in bem ftül^nlgeit bt^ SenleniS, ebelfte Segeifterung 
unb äRut ber $erfönlid^leit in gleid^em äRoge unfere 89e- 
lounberung ^eraudforbem. 



— 56 — 

SebingungSlofe Eingabe an Me moraltfd^e SSellorbnung, 
^anbeln au» btm tiefften Sexn ber etl^ifd^en $aturanlage 
bt§ ilRenfc^en l^erauS: ba» ftnb bie S^orberungen, burd^ 
bic bag Scbcn SBert unb SJcbcutung crl^äli 3)icfc anftd^t 
giel^t ftc^ ate ©ntnbmotit) burdi dUt btefe 9teben unb 
@d&riftcn l^inburd^. 3n bcn ;,®runbaÜ9cn bcö gcgcnmörtigcn 
Seitaltcrö" roorf er bicfem 3«taltcr in flantmcnbcn ©orten 
feine ©ettftfud^t oor. Seber gel^e nur ben ©eg, btn il&m feine 
nieberen iriebc Dorfdireiben. ?lber biefe triebe führen ab 
von beut großen ©angen, ba» bie menft^Iidie ©enteinfd^aft 
aliS ntoralifd^e Harmonie umfdiliefel. 6in foId^eS S^italitt 
ntüffe biejenigen, bie in feinem Sinne leben, btm Unter- 
gange entgegenfül&ren. S)ie $fli(^t rooHte gid^te in ben 
menfd^Iidien ©entütern beleben. Unb als S)eutfd)Ianb burd^ 
bie gremb^errfd^aft baran war, feine ©elbftänbigleit gu 
verlieren, ba bot fid^ feinem lebenbürftigen Sinn bie fd^önfte 
©elegenl^eit, cingugreifen in ben ©ang ber ßreigniffe. 
aRitten unter ben geinben, im äSinter 1807—1808 l^ielt 
er feine ;, Sieben on bie beutfd^e Station''. SBie er in S^na, 
als er oor feinen ©tubenten anfing, feine SBeltanfd^auung 
ju cntioidfeln, fagte, feine $erfon löme nid|t in Setrad&t, 
fonbern allein bie SSSal^rl^eit, fo baä^tt er ani^ ie^i, mo er 
red^t gut wu%te, ba^ il^m in jebem Slugenblidt ber fjeinb mit 
einer Sugel ba» Sieben unmöglid^ mad^en lönne, burd^ ba§ 
er in feiner Siation bie Segeifterung rocdfen wollte, il^re 
©elbftänbigleit unb Unabl^ängigleit biefem Qfeinbe gegen- 
über gu oerteibigen. „^aS ®üie ift SSegciftcrung, ®r]&ebung ; 
meine perfönlidic ©efal^r lommt gar nid)t in Slnfd^Iag, 
fonbern fte fönnte oielmel^r l^öd^ft oorteill^aft mirlen." 6r 
xDxtS bic S)eutfd^en auf il^re eigene Statur l^in. Urfprüng» 
lid^ fei aUeg an biefer Siatur: bie ©prad^e, bie ©id^tung, 
bie aSiffenfd^aft. Sie ®eutfd^en fpred^en il^re urfprünglid^e 
©prad^e; fie l^abcn nid^t mie bie roefteuropäifd^en Sßller 
bie romifd£)e ©prad^e aufgenommen. S)ie ©prad^e aber ift 
ber ^uSbxnd beS ©eifteS. 9Ber bie an» feinem ©tamm 
l^erauS entfprungene Urfprad^e fprid^t, brüdtt in biefer feine 
unabl^ängigfte geiftige SSefenl^eit aui^. 9Ser mie jene meft- 



— 57 — 

lii^en SüDer biefe llrfpradbe Derloren unb eine frembeon- 
genommen ^ai, ber l^at aud^ bte Sigenart bed ®ei{ieiS auf« 
gegeben. Unb man fel^e fid^ bie Std^tung bei beiben 
Soßerftämmen an. Sud bem tieffien Soll0(^aralter l^eraud 
Hingt bie beutfd^e $oefte; in öugerlid^en gformen fd^afft 
ber ®eifi ber mefllid^en %a(^bam. 3Rag bal^er beutfc^e 
ftunft aud^ gumeilen raul^ unb liart im Sludbrude fein: fte 
ifft eine Jhtnft ber tiefflen Seelenbebfirfniffe; mag bie mefi« 
lid^e jtunft elegant unb gragiöd fein: fie entfpringt einer 
äu^erlid^en @(i^ongeifterei. %id^t anberd bie SSiffenfd^aft. 
2)eutf(^e ^l^ilofop^ie i^at gül^Iung mit ber Soßdfeele; bie 
frangofifd^e ift Eigentum einer geleierten JFafte^ bie ben 3u* 
fammenl^ang mit bem SSoUe oerloren l^at. 9Bie lann ein 
'Soli, ba^ eine ureigene jfultur l^at, unterliegen einem 
fold^en, bai^ ftd^ eine frembe eingeimpft l^at? @d lann nid^t 
unterliegen^ menn ed fid^ nur auf feine Urfprünglid^Ieit 
beftnni ;r@in Soll« ba» ba faltig ift, fei t» aud^ nur in 
feinen ^öd^ften ®tenoertretecn unb Snfül^rern, bad ©efid^t 
aud ber ©eiftermelt, @elbftctnbigleit feft iniS Sbtge gu faffen, 
unb oon ber Siebe bafür ergriffen gu merben, mie unfere 
älteften Sorfal^ren, fiegt gemig über ein fold^ed, ba» nur 
gum SBerlgeuge frember ^errfd^fud^t unb gur Unteriod^ung 
felbftönbiger Söller gebrandet mirb; mie bie römifd^en ^eere; 
benn bie erfteren ^abtn alled gu oerlieren, bie le^teren 
blog einigeiS gu geminnen." %ur ein ®eift, btm bie l^öd^ften 
^Regionen ber Sbeenmelt gugönglid^ ftnb, lonnte eine fold^ 
gebanlentiefe Sl^aralteriftil feined Soßed liefern, unb nur 
eine ^erfönlid^Ieit, bie ba& SBertrauen in bie fiegenbe 5(raft 
ber 3been l^at, !onnte biefe geiftigen SBoffen gu ben pl^^« 
ftfd^en gefeüen, bie bamate gegen ben fremben Eroberer 
lämpften. 



Sßie Rani ba» SBiffen entti^ront l^at, um für ben 
@Iauben $Ia^ gu betommen, fo ^ai gid^te ba» @rlennen 
für mertloi^ erllört, um für ba» lebenbige $anbeln, für 
bie moralifd^e ^ai freie Sal^n oor fid^ gu l^aben. Sin 



— 58 — 

äf^nlxd)t» ^ai anä^ ©diiller t)erfud)t. %ur naigm (ei t^m 
bte Stelle, bie bei Stant hoc ®Iaube, bei tSxä)it ba& ^an» 
beln beanfprud^te, bie Sd^önl^eit ein. 2)ie SSebeutung 
@c^iQeriS für bie äSeltanfc^auungiSentmidelung toirb ge» 
iDÖl^nlid^ untetfd^ä^t. SEBie ®oetl^e fxä) barüber )u bellagen 
l^atte, ba^ man i^n al» %aturforfd^ei: nid^t gdten la^en 
tDoHte, meil man einmal gerool^nt mar, il^n als S)i(^ter gu 
nel^men, fo müjfen biejenigen, bie fid^ in ®ä^xütt§ pl^ilo* 
fop^ifd^e Sbeen vertiefen, bebauern, bai er x)on benen, bxc 
jid^ mit SBellanfdöauungSgefd&idtile befaffen, fo wenig ge* 
mürbigt mirb, meil il&m fein gelb im Sleid^e ber Äunfl 
angemiefen ifi. 

Sns eine burd^auS felbftänbige S)enlerperf()nlid^!eit ftellt 
pd^ iSc^iOer feinem Anreger Äant gegenüber. SDie $ol&eit 
bt§ moralifd^en ®IaubeniS, gu ber ^ant ben äßenfd^en gu 
erl^eben fudtite, fd^ctfete ber ©id^ler, ber in ben ^SRctubern" 
unb in „Äabale unb Siebe'' feiner 3^^^ ^inen Spiegel il&rer 
Serberbtl^eit Dorgel^alten hat, mai^rlid^ nid^t gering. 3(ber 
er fagte ftd^: foQte ed burc^auiS notmenbig fein, ba% ber 
ÜRenfd^ nur im Äampfe gegen feine Sieigung, gegen feine 
ä3egierben unb ^triebe fid^ gu ber ^ol^e beiS lategorifd^en 
Smperalioö emporl^eben lann? Äanl mollte ja ber finn* 
lid^en Statur beS äRenfd^en nur ben $ang gum fieberen, 
3um @elbftfüd^tigen, gum Sinnlic^^Slngenel^men beilegen; 
unb nur, mer fid^ emporfd^mingt über biefe finnlid)e %atur, 
mer fie ertötet unb bie rein geiftige Stimme ber ^flid^t in 
fid^ fpred^en lögt: ber lann tugenbl^aft fein. So l^at ^ant 
ben natürlid^en SRenfd^en erniebrigt, um ben moralifd^en 
um fo l^öl^er lieben gu lonnen. Sd^iQer fd^ien barin tiwa^ 
bt^ äßenfd^en UnmürbigeiS gu liegen. Sollten benn bie 
triebe bt§ SRenfd^en nid^t fo oerebelt merben lönnen, bog 
fie aui^ fid^ felbft l^erauiS ba» ^flid^tmägige, baiS Sittlid^e 
tl^un? S)ann brauchten fte, um ftttlid^ gu mirlen, nid^t unter« 
brfidCt gu merben. Sd^iQer fteQte beiSl^alb ber ftrengen 
jtantfd^en $f[id^tforberung feine Slnfic^t in btm folgenben 
Epigramm gegenüber: 



— 59 — 

&ttDx\)tn^\UnptU 

®cm bien' idf ben ^fctxatbm, boc^ t^u !c^ ed leiber mit 9{d0uttg, 
Uttb fo umnnt ei» mid^ oft, hai id^ nic^t tugenb^aft bin. 

C^ntfd^eibung. 

2)a ift lein anbetet diät, hu ntugt fnd^en, fie jn t^era^ten, 
Unb mit ^bfd^eu ddbann tl^un, tote bte $fli(^t bit gebeut. 



Irupel'' auf feine 8(rt 
äd^Iid^ itn SRenfd^en: 



@d^iQer fudfte biefe „©emtffend 
3U lofen. '^toti Xtitbt roafitn t^ai\ 
bei {tnnltd^e 2:rieb unb ber Sernunftdtrieb. Überlägt ftd^ 
ber aRenfd^ bem rtnnlid^en Stieb, fo ift er ein SpielbaO 
feiner Säegierben unb Seibenfc^aften, lurg feiner Selbftfud^t. 
@iebt er ftd^ ganj btm SernunftiStrieb ^in, fo ift er ein 
@Qat}e il^rer ftrengen ®ebote, i^rer unerbittlid^en Sogif^ 
il^red lategorifd^en 3mperatit)iS. @in SRenfd^, ber blog 
btm ftnnlidben triebe leben miU, mn% bte Sernunft in fid^ 
3um @d§n>eigen bringen; ein \ol^tx, ber nur ber Sernunft 
bienen miU, mu% bie Sinnlid^Ieit ertoten. $ört ber erftere 
bod) bie Sernunft; fo unterwirft er ftd^ il^r nur unfrei* 
n)illig; üemimntt ber le^tere bie ©tintme feiner Sepierben, 
fo empfinbet er fie aü Saft auf feinem Sugenbwege. 3)ie 
pl^^ftfd^e unb bie geiftige Statut bed SReufd^en fd^einen alfo 
in einem oerliängniiSüoIIen S^'t^fP^^U Su leben. ®iebt e» 
nid^t einen Suftanb im 3Renf d^en, in bem beibe triebe, ber 
ftnnlid^e unb ber geiflige, in Harmonie ftel^en? Sd^iQer be» 
antwortet bie Srage mit „Sa". ®^ if* btx ^u^ianb, in 
bem ba» iSd^one gefd^affen unb genoffen mirb. 9Ber ein 
^nftmerl fd^offt, ber folgt einem freien Naturtrieb. @r 
tl^ut ed an» Neigung, aber ed finb feine pj^^ftfd^en fieiben« 
fd^often, bie il^n antreiben; t» ift bie $^antafie, ber ®eift. 
@benfo ift t» mit bemjenigen, ber ftd^ btm (Senuffe eined 
Ihtnftmeried l^ingiebt. @d befriebigt feinen ®eift a^gleid^, 
inbem t» auf feine ®innlid^leit mirlt. (Seinen Segierben 
fann ber SReufd^ nadfgel^en, o^ne bie ^ö^eren ®efe^e 
bt» ®eifteö au bead&ten; feine ^flid^t lann er erfütten, 
ol^ne fid^ um bie Sinnlid^Ieit au lümmem; ein fd^oned 
ihinftmerl mirlt auf fein SBo^IgefaDen, ol^ne feine Segierbe 



— 60 — 

gu ertDedFen; unb eS Derfe^t tl^n in eine geiftige SSeli, in btt 
er auö Sßcigung Dcrroeill. 3n bicfcm 3wft<J^fcc if^ ^^^^ 
9ßenfd) n)te bad J(inb, baiS bei feinen $)anblungen fetner 
Neigung folgt unb nid^i ftagt, ob biefe ben SSernunft« 
gefe^en toiberftrebt : ;,2)urd^ bie ®c^ön^eit micb ber ftnn« 
Ii(^e 9Kenf(^ . . . pm ©enicn geleitet; burd^ bie ©d^ön- 
l^eit mirb ber geiftige äßenfd) jur 3ßaterie jurüdgefül^rt unb 
ber ©innenmelt roiebcrgegeben." (Sld^tgel^nter Särief über 
äftl^etifd^e Srjiel^ung btS äßenfd^en.) ^S)ie Igol^e ^reii^eit 
unb ©Icit^mütigleit beS ©eifteö, mit Äraft unb Slüftigleit 
oerbunbeU; ift bie Stimmung, in ber uniS ein ec^teiS ^unft» 
merl cntlaffen foH, unb e§ giebt leinen fid^ereren probier* 
ftein ber maleren öftl^etifd^en @üte. gfinben mir \xn2 naä^ einem 
®enug biefer 3(rt ^u irgenb einer befonberen @mpftnbungd» 
meife ober ^anblungdmeife oorgugiSmeife aufgelegt, gu einer 
anberen l^ingegen ungefd()idt unb oerbroffen, fo bient bit^ 
ju einem untrüglid^en SJemeife, ba% mir leine rein äftl^e* 
tifd^e 9SirIung erfal^ren l^aben, eS fei nun, ba% ed an 
btm ©cgcnftanb ober an unferer SmpfinbungSmeife ober 
(mie faft immer ber tSaU ift) an beiben gugleid) gelegen 
^dbt." (3meiunb?;mangigfter ©rief über aftl&etifd^e Srjiel^ung.) 
Sßeil ber SRenfd) burd^ bie (Sd^önl^eit meber ein @iIaoe 
ber ©innlid^Ieit ift, nod^ ber SSernunft, fonbern burd^ fic 
beibe gufammen in feiner Seele mirlen, oergleic^t Sd^iQer 
ben Srieb jur ©d^önl^eit bem|enigen bed jfinbeS, ba§ in 
feinem Spiel feinen ©eift nid^t 38ernunftgefefeen unterwirft, 
fonbern i^n frei, feiner Steigung nad£), gebraud)t. ©eSl^alb 
nennt er biefen Strieb gur Sd^onl^eit Spieltrieb: ^9Kit bem 
9(ngene]^men, mit bem ©uten, mit bem SSoQIommenen ifi 
e§ bem äßenfc^en nur @rnft; aber mit ber Sd^önl^eit 
fpielt er. fjreilid^ bürften mir unS ^ier nid&t an bie Spiele 
erinnern, bie in bem mir{Iid)en fieben im ©ange ftnb unb 
bie fid^ gemöl^nlid^ nur auf fel^r materielle ©egenftänbe 
rid^ten; aber in btm mirllid)en fieben mürben mir aud^ bxt 
Sc^önl^eit oergebeni^ fud()en, oon ber l^ier bie SRebe ift. 2)ie 
mirllid^ oorl^anbene Sd^önl^eit ift beiS mirllid) oorl^anbenen 
Spieltriebd mert; aber burd^ baS 3beal ber Sd^önl^eit, 



— 61 — 

wtlä)t» bie Sernunft auffteOt, ift aud^ ein Sbeal beiS Spiel« 
ixiti» aufgegeben, bad ber SRenfd^ in aDen feinen Spielen 
im Sluge ^aben foD.'' (25. Srief.) 3n ber (SifüHung biefed 
ibeolen @pieltriebd finbet ber 9Renfd^ bie SSirllidgleit ber 
gfreil^eit. @r gelgorc^t nun uid^t me^r ber Sernunft; 
unb er folgt nid^t ntefir ber finnliti^en Steigung. Sr ^anbelt 
an» Neigung fo, mit menn er aM Sernunft l^anbelte. ^5Der 
^enfd^ foD mit ber @d^önl^eit nur fpieten, unb er foD 
nur mit ber Sd^önl^eit fpielen . . . 3)enn um ed enb« 
lidE) l^eraudgufagen, ber 9Renfd) fpielt nur, mo er in uoQer 
Sebeutung bt» SBorted SRenfd^ ift, unb er ift nur ba 
gang 9Renfc^, xüo er fpielt.'' Sd^iüer l^ätte aud^ fagen 
lönnen: ^m Spiel ift ber äRenfd^ frei; in ber Erfüllung 
ber ^flid^t unb in ber Eingabe an bie Sinnlid^Ieit ift er 
unfrei. 9SiII ber 3Renfc^ nun aud^ in feinem moralifc^en 
^anbeln in DoQer S3ebeutung bed Siorted 9Renfd^ fein, ba» 
i^eigt, miQ er frei fein, fo mug er ju feinen Sugenben 
baiSfelbe SSerl^ältniiS l^aben mie gur Sc^ön^eit. @r mu^ 
feine Neigungen gu Sugenben uerebeln; unb er mug fid^ mit 
feinen Sugenbenfo burd^bringen, bag er, feiner gangen äSefen^eit 
nad^, gar leinen anbern S^rieb l^at, ald i^nen gu folgen. 
(Sin 9Renfd^, ber biefen (Sinllang gmifd^en Neigung unb ^flid^t 
l^ergefteQt ^at, lann in jebem SugenblidE auf bie ®üte feiner 
^anblungen, mie auf ttma» Selbftrerftänblid^ed, red^nen. 
9Ran lann oon* biefem ©efid^tiSpunfte aud aud^ bad 
gefeüfd^aftlid^e S^f^^^n^^i^'^^^^n ^^ 9Kenfd^en betrad^ten. 
Ser aRenfd^, ber feinen finnlid^en trieben folgt, ift felbft« 
füdgtig. (Sr ginge ftetd nur feinem eigenen SBol^Ifein nad^, 
menn nid()t ber &iaai ba» 3uf<itnmenfein burd^ Sernunft« 
gefe^ regelte. 2)er freie SRenfdi oollbringt and eigenem 
antriebe, wa» ber ®taat oon btm felbftfüd^tigen 9Renfd^en 
forbern mu§. 3n einem Sitföwimcnfein oon freien iKenfd^en 
bebarf e» !einer 3n>angdgefe^e. ,,9Ritten in btm furchtbaren 
Steid^ ber Strafte unb mitten in bem l^eiligen äleid) ber ®efe^e 
hani ber äftl^etifc^eSilbungdtrieb unoermerft an einem britten, 
fröl^Iid^en Steic^e bt» Spiele, morin er bem 3Renfd^en bie 
Seffeln aOer Serfyältniffe abnimmt unb i^n oon aQem, ma» 



— 62 — 

3n?ong l^etgt; fotDol^I im ^l^^fifdjen tote ittt SRoraltfd^ett ent« 
binbct^ (27. Sricf.) „SiefcS a»cid& crftrcdt ft(^ auftoärts, big 
iDi) bie SSernunft tttit unbebingter Sottoenbigfeit l^errfd^t itnb 
alle äßaterie aufprt; ed erfiredi ftd) abtoörtiS^ biiS wo ber 
Naturtrieb mit blinber 9iötigung tDaltet."" ®o betrad^tet 
Sdfiller ein moralifd^ei^ SteidE) ald Sbeal, in btm bie tugenb« 
l^afte ©efinnung mit berfelben ßeid^tigleit unb Sreil^eit maltet 
mie ber ®efd^mad im 9tei({)e btB ®(^önen. @r mad)t ba9 
£eben im Steid^e bt& @d^onen gnm iD^ufter einer üolllommenen^ 
ben 9Kenfd)en in jeber 9tid)tung befreienben fittlid)en gefell« 
fd^aftlid)en Orbnung. @r fd^Iiegt bie fd^öne Slbl^anblung, in 
ber er biefejg fein 3beal barftettt, mit ber Qfrage, ob eine 
fold^e Crbnung irgenbmo e^iftiere unb beantmortet fte bamit: 
„^tm Sebürfniö nad) cjiftiert fie in jeber feingeftimmten 
©eele; in ber Stl^at möd)te man fie mol^I nur, mie bie reine 
Äirt^e unb bie reine SRepublil, in einigen wenigen aui^er* 
lefenen 3ii^I^Ii^ finben, mo nid)t bie geiftlofe Nad^al^mung 
frember Sitten, fonbern eigene fd^öne 9iatur baS Setragen 
ienft, mo ber ättenfc^ burd^ bie oermidtelteften SJerl^ctltniffc 
mit lü^ner @infalt unb rulgiger Unfd)ulb gel^t unb meber 
nötig ^ai, frembe (Jfreil^eit gu Irönfen, um bit feinige gu be« 
l^aupten, nod^ feineSSürbe meggumerfen, um Slnmutgu geigen/' 
3n biefer * gur ©d^ßnl^eit oerebelteit Sugenb^aftiglcit 
l^at Sd^iHer eine SSermittelung gmtfdE)en ber äBeltanfd^auung 
Santo unb berjenigen ©oetl^eS gefunben. SBie gro§ aud) ber 
3auber mar, ben ^ant auf Sd^iOer auiSübte, aU biefer felbft 
ba^ Sbeal be» reinen äRenfd^entumiS gegenüber ber mirllid^ 
l^errfc^enben moralifd^en SDrbnung oerteibigte: ©d^iHer mürbe, 
ate er ®otif)t naiver lennen lernte, ein 93emunberer oon 
beffen Sßelt« unb SebeniSbetradE)tung, unb fein ftetd nac^ 
reinfter ©ebanlenllarl^eit brängenber @inn lieg il^m nid^t 
el^er 'StnJ)t, i\^ t^ il^m gelungen mar, biefe ®otif)e\ä^t 
SBetiSl^eit auc^ begrifflid^ gu burd^bringen. 2)ie l^ol^e ä3e« 
friebigung, bie ©oetl^e au^ feinen 9(nfd^auungen über 
Sd^ön^eit unb Jtunft aud) für feine fiebeniSfül^rung gog, 
fül^rte Sdiiller mel^r unb mel^r gu ber SSorfteÖungiSart be^ 
erfteren l^inüber. ^U er ©oetl^e für Überfenbung bti^ 



— 63 — 

„mi^tlm äReifler'' banli, t^ui er Med mit ben Sorten: 
„^^ lann 3^nen nid^t ouiSbrücfen, mit peinlich mir bad 
@efü^I oft i% oon einem $robu!t biefer 9rt in bod 
pl^ilofopl^ifd^e 9Befen ^inetn^ufel^en. S)ort ift aUed fo Reiter, 
fo lebenbtg; fo liarmonifd^ oufgelöft unb fo menfc^Iic^ 
mal^r; l^ier aUt» fo ftrenge, fo rigib unb abftrolt, unb fo 
unnatürlid^, meil alle %atur nur ©pntl^eftiS unb $l^iIofop]^ie 
Slntitl^efiiS ift. !^n>ax borf id^ mir ba^ S^ufi^i^ geben, in 
meinen @pe!uIationen ber Katur fo treu geblieben gu fein, 
aU fid) mit bem SSegriff ber Slnal^ftd verträgt ; ja oieDeid^t 
bin id^ il^r treuer geblieben aU unfere j^antianer für 
erlaubt unb für möglid^ l^ielten. Slber bennoc^ fü^Ie 
id^ nid|t meniger lebl^aft ben unenblid^en Slbftanb gmifd^en 
btm Seben unb btm Stäfonnement — unb lann mid) nic^t 
entl^alten in einem fold^en meland^olifd^en Slugenblicfe für 
einen äRangel in meiner %atur aui^gulegen, ma§ i^ in 
einer j^etteren ©tunbe blo^ für eine natürlid)e Sigenfd^aft 
ber ®ad^e anfeilen mug. @o oiel ift inbed gemi^, ber 
2)id)ter ift ber einzig malere ÜRenfd), unb ber befte $l^iIofopl^ 
ift nur eine Starilatur gegen iJ^n." ®iefeö Urteil ©d^iüer« 
{ann ftd^ nur auf bie Stantfd^e ^l^ilofopl^ie bejiel^en, an ber 
©deiner feine @rfa]^rungen gemad^t l^at. @ie entfernt btn 
9Renfd)en in oieler Segiel^ung oon ber %atur. Sie bringt 
biefer leinen ©lauben entgegen, fonbern lägt aU gültige 
9SaI)r]^eit nur gelten, mad auiS ber eigenen geiftigen Orga« 
nifation bed 9Kenf(^en genommen ift. 'S^abuti) entbehren 
alle il^re Urteile jener frifdEjen, inJ^altnoUen gfarbigleit, bie 
aQeS l^at, mad mir bntä^ unmittelbare Slnfd^auung ber 
natürlid^en SSorgänge unb 2)inge felbft geminnen. @ie 
bemegt ftd^ in blutleeren, grauen, falten 9(bftraItionen. ®ie 
giebt bie SSärme auf, bie mir au^ ber unmittelbaren ^c» 
rüi^rung mit btn 2)ingen geminnen unb taufd^t bafür bie 
£älte il^rer abftralten S3egriffe ein. Unb auä^ im SRorali« 
fd^en jeigt bie jCantfd^e SBeltaufd^auung biefelbe ©egenfä^« 
iid^Ieit gegen bie Statur. 2)er rein vernünftige ^flii^tbegriff 
^d)wtU i^i ai^ l^öd^fted oor. Sßad ber äRenfc^ liebt, mogu 
tt Steigung l^at: alleS ba» Unmittelbar»92atürlid)e im 



— 64 — 

äRenfd^eniDefen mug biefetn ^fliditibeal untergeorbnet tuerben. 
(Sogar btö in bte Stegion beS ©d^önen l^inein oertilgt $ant 
bcn äntcil, bcn bcr 9ßcnfd&, feinen urfprünglidien Smpfin« 
bungen unb ©efül^Ien naä^, ^abtn mug. 3)ad @d^öne foK 
ein oöHig ^^intcreffelofe^'' SBoJ&IgefaHen l&eroorrufen. 
|)ßren wir, roie ^i^gebenb, wie ^intereffierl'' ©dritter bem 
SBerle, an bem er bie pd^fte Stufe beö Äünfllerifd^en be- 
munbert, gcgenüberflel^t. 6r fagt über „3Silf)dm Sßeifter'': 
„^ä) lann ba^ ©efül^I, baö mic^ beim Sefen biefer ©d^ift, 
unb %max in gunel^menbem @rabe^ je meiter id^ barin 
lomme, burd^bringt unb befi^t^ ntd^t beffer als burd^ eine 
füge unb innige Sel^aglid^Ieit, burdE) ein ®efü^I geiftiger 
unb leiblid^er ©efunblgeit auSbrüdCen^ unb iä) mollte bafür 
bürgen, ba§ e5 baöjenige bei allen Sefern im ganzen fein 
mufe. — 3d) erllöre mir biefeiS SBol^Ifein oon ber burd^» 
gängig barin l^errfd^enben rul^igen Marl^eit, ©lätte unb 
2)urd|ftd)tigleit; bie aud^ nid|t baS ©eringfie ^urüdCIägt, 
toaS baS @emüt unbefriebigt unb unrul^ig lögt, unb bie 
äJemegung be^felben nid|t meiter treibt ate nötig ift, um 
ein fröl^Iid^eS Seben in ben SKenfd^en an^ufad^en unb gu 
erl^alten/ So fprid^t nic^t jemanb, ber an baS intereffe« 
lofe äSol^IgefaQen glaubt; fonbern ber bie Suft an bem 
©d^önen einer fold^en SSerebelung für fällig l&ält, bai eö 
leine ©rnicbrigung bebeutet, fid| biefer Suft oöHig i&ingugeben. 
SDaö Sntcreffe foH nid)t erlöfc^en, wenn mir bem Äunftmerl 
gegenüberftel^en; mir foHen oielmel&r imftanbe fein, unfer 
Sntereffe aud^ bem entgegenbringen §u lönnen, maS kuiSflug 
beg ©eifteö ift. Unb biefe Slrt beS gntereffcS für baö@dt)ßne fott 
ber „malere"' äßenfd^ aud^ ben moraIifd(|en äJorfteQungen 
gegenüber l&aben. 3n einem ©riefe an ©oet^e fdireibt 
@d)iner: „^S ift roirllidi ber Semerlung mert, bafe bie 
©d^Iaffl&eit über äft^etifd^e Singe immer fid^ mit ber mora- 
Iifd)en ©d^Iaffl^eit oerbunben geigt^ unb ba% baS reine, ftrenge 
©treben nadCi bem ^o^tn ©dgönen, bei ber pd()ften Sibera» 
litöt gegen aQeS toaS "Statut i\i, ben 9HgoriiSmud im 
SÄoralifc^en bei fidti fübren mirb.'' 

SDie (Sntfrembung oon ber $atur empfanb ©diiOer in 



— 65 — 

btx SSeltanfd^auung, in ber ganjen 3^iilu'ttur; inner« 
^alb beten er lebte, fo ftarl, bag er fte }um (Segenßanbe 
€iner 9etrad|iung in beut Suffa^e «Über naioe unb fenti* 
mentalifd^e 2)ic^tung'' ntad^te. Sr oergleid^t bie ißebend« 
anftd^t feiner ^txt ntit berjenigen ber ®ried^en unb fragt 
ftd^: „äSie lommt t», ba% mir, bie in aDem, toa^ Statur 
ift, t)on ben 3Iten fo unenblid^ meit übertroffen werben, 
ber %atur in einem pl^eren ®rabe l^ulbigen, mit Snnig- 
feit an il^r l^angen unb felbft bie leblofe SSelt mit ber 
mörmften (Smpfinbung umf äffen lonnen?'' Unb er beant« 
mottet biefe grage: „^a^tt lommt t§, meil bie %atur bei 
nn» aus ber ÜRenfd^i^eit oerfd^munben ift unb mir fie nur 
üugerl^alb biefer, in ber unbefeelten SSelt, in il^rer SBalgr« 
l^eit miebet antteffen. 9lx^i unfete gtogete Statut« 
magiglett, gang im Gegenteil bie Statutmibtigleit 
unfetet Setpitniffe, ^u^iänbt unb Sitten tteibt und an, 
bem etmad^enben S^tiebe nad^ SBalgtl^eit unb Simplizität, 
hex, mit bie motatifd^e Einlage, aud meldtet et flieget, un« 
befted^Iid^ unb unaudtilgbat in aDen menfdilid^en ^etjen 
liegt, in btt pl^^ftfd^en SSelt eine Seftiebigung gu oet* 
fd^offen, bie in btt motalifdien nid^t ju l^offen ift. 3)ed« 
megen ift bai^ ©efül^I, xoomit mit an bet Statut fangen, 
bem ©efül^Ie fo nal^e oetmanbt, momit mit ba§ entflol^ene 
Slltet bet ^nbl^eit unb bet Knblid^en Unfd^ulb bellagen. 
Unfete ftinbl^eit ift bie einzige unoetftümmelte Statut, bie 
mit in btt lultioietten 3ltenfd|]^eit nod| antteffen, ballet ed 
lein SBunbet ift, menn und iebe 3fu§ftapfe btt Statut äuget 
und auf unfete ^nbl^eit sutüdCfüJ^tt". 2)ad mat nun bei 
ben ®tied§en gan) anbetd. @ie lebten ein Seben innet» 
j^alb bed %atütlid^en. Sllled, toa» fte tl^aten, lam aud il^tem 
n'atiitlidien Sotftellen, imiltn unb (Smpfinben l^etaud. 
@ie maten innig oetbunben mit btt Statut. S)et mobetne 
SRenfd^ fül^It in feinem SBefen einen ©egenfa^ a^^ Statut. 
3)a abet btx S)tang nad^ btefet Utmuttet aUt^ 2)afeind 
bod| nid^t audgetilgt metben lann, fo mitb et fid^ in bet 
mobetnen ®eele in eine Sel^nfud^t nad^ btt Statut, in ein 
Sud^en betfelben oetmanbeln. ^et ®tied§e l^atte Statut; 

®t einer, SBelt« unb Sei&enSanfd^auungen. 5 



— Ge- 
ber HRoberne fudjt Statur. „®o lange ber 3Renfd^ nod^ 
reine, e& oerflel^t ftd^, nidjt rol^e %atur i% roxtlt er al0 
ungeteilte ftnnlid^e Sinl^eit unb ate ein J^armonierenbeiS 
®an}e. Sinne unb SSernunft, empfangenbed unb felbft« 
tl)cttige§ SSermögen^ l^aben fid^ in il^rem ©efd^äfte nod^ nid|t 
getrennt, Diel n)eniger ftel^en ftc ttn SBiberfprudi mit ein« 
anber. Seine Smpftnbungen jtnb nid^t ba^ formlofe @ptel 
beS QnfaM, feine ©ebanlen nid^t ba» ge^altlofe Spiel ber 
SSorfleQungdlraft; an» bem @efe^ ber %otn)enbigIeit 
gelten jene, an» ber 98irIIid|Ieit gelten biefe l^eroor. Sfi 
ber 3Renfd| in ben ®tanb ber Kultur getreten, unb l^at 
bie $unft il^re ^anb an il^n gelegt, fo ift jene finnlidie 
Harmonie in il^m aufgehoben unb er lann nur nod^ aU 
moraIifd)e (Sinl^eit, b. 1^. al» naä^ @in]^eit ftrebenb ftd^ 
äußern. ®ie Übereinftinimung groifd^en feinem ßmpfinben 
unb S)en!en, bie in bem erften S^^fl^^^^ mirllid^ ftatt« 
fanb, ejiftiert je^t blofe ibealifd^; fie ift nid^t mel^r in 
il^m, fonbern auger il&m, alö ein ©ebanle, ber erft reali- 
fiert merben foH, nid^t mel^r als Sl^atfad^e feinet SebeniS/ 
®ie @runbftimmung bt» griedjifd^en ©eifted mar naio, 
bie be^ mobernen ift fentimentalifd^; bie SBeltanfdiauung 
be» erften burfte bal^er realiftifd^ fein. 3)enn er l^atte ba» 
©eiftige üon bem Statürlid^en nodi nid^t getrennt; bie 9?atur 
fd|Io6 für i^n ben ©eift nod^ mit ein. Überlieg er fid^ 
ber %atur, fo gefc^al^ t» ber geifterfüllten %atur gegen« 
über. 3(nber^ ber SRoberne. @r l^at ben ©eift oon ber 
%atur loiSgelöft, in ba» graue Steid^ ber Slbftraltion erl^oben. 
©äbe er fi(^ feiner 9iatur l^in, fo tl&äte er t» ber geift» 
entblößten %atur gegenüber. 2)ed]^alb mug fein l^öd^fteiS 
Streben bem Sbeal ^ugemanbt fein; burd^ baiS Streben 
nad) biefem mirb er ©eift unb %atur mieber oerfö^nen. 
3n ©oetl^e^ ©eifteiSart fanb nun Sd^iHer tima» ber 
gried()ifd^en Hrt äJermanbteS. ©oetl^e glaubte, feine ^bttn unb 
©ebanlen mit 3(ugen gu feigen, meil er bie SBirllidileit ald 
ungetrennte Sinigeit oon ©eift unb %atur empfanb. @r 
igatte fxä), nadg Sd^iüeriS SKeinung, tima» erlgalten, gu btm 
ber fentimentalifdge ÜKenfdg erft mieber fommt, menn er btn 



— 67 — 

®ipfel feinciS Strebend erreid^t Unb einen folc^en ®tpfel 
erllimmt er eben in bem oon Sd^iüer befd^riebenen öftl^eti« 
f(|en 3uftanb^ in btm ®innlid^leit unb SSernunft i^ren @in- 
Ilang gefunben l^aben. 

®iefe SSelt« unb Sebendanfd^auung; bie in @oet^e auf 
naiDe SBeife oorl^anben; unb nad^ ber @d^iller auf aDen 
Ummegen bed 2)enlend ftrebte, l^ai nid^t bai^ SSebürfnid 
nati) jener allgemein gültigen äSal^rJ^eit, bie in ber SRat^ematil 
il^r Sbeal erblidtt; fte ift befriebigt Don ber anberen SBal^r« 
^eit, bie unferem ®eifte ftd| aM bem unmittelbaren SSer« 
fe^re mit ber mirllid^en SBelt ergiebt. ®ie ©rienntniffe, bie 
©oetlge aud ber ä9etrad|tung ber ^unftmerle in Italien 
fd^öpfte, waren gemife nid^t oon jener unbebingten Sid^er- 
^eit mie bie @ä^e ber 3Rat^ematiI. SDafür maren fte 
aud) meniger abftralt. 9(ber ©oetl^e ^ianb oor i^nen mit 
ber @mpfinbung : 3)a ift %otn)enbig!eit, ba ift ®ott. @ine 
äSal^r^eit in btm @inne^ b'ai fie etmai^ anbered fei, ald 
bai^jenige, mad fid| aud^ in bem ooQfommenen Sunftmerl 
offenbart; mar für ®oet^e nid^t oorl^anben. 9Sa0 bie Sunft 
mit i^ren ted^nifd^en äRittcIn: Son, SRarmor, i^atbe, 
fR^i)i^vmS u. f. m, oerlörpert, ba» ift bemfelben 3Bal^r^eitd« 
queQ entnommen, au» bem ani) ber ^^ilofop^ fc^öpft, ber 
aüerbingi^ nid^t bie unmittelbar anfc^aulid^en SRittel ber 
2)arfteIIung l^at, fonbcrn bem eingig unb allein ber ©ebanle, 
bie 3bee felbft jur Serfügung fielet. „$oefie beutet auf 
bie ©el^cimniffe ber 9iatur unb fud|t jie burd|§ Silb gu 
lofen. ^l^ilofopl^ie beutet auf bie ©el^eimniffe ber Ver- 
nunft nnb fud^t fie burd|S SBort gu löfen'', fagt ©oetl&e. 
?lber bie SSernunft unb bie SRatur pnb i^m gule^t eine un- 
trennbare (Sin^eit, benen biefelbe SBal^rl^eit gu ®runbe liegt. 
@in ©ricnntniöftreben, ba», oon ben Singen lojSgelöft, in 
einer abftralten äSelt lebt, gilt il^m nidjt aU ba» l^oi^fte. 
„2)ag ^ödifte märe, gu begreifen, bai düe» galtifd^e f(^on 
S^eorie ift^ S)ie SSIäue bt» §immete offenbart unS ba» 
®runbgefe^ ber fjfarbenerfdieinungen. ;,9Ran fudie nur nid^td 
!>inter ben ^l^änomenen; fie felbft finb bie Seigre." ®er 
$f9d^ologe ^einrotl^ begeid^nete in feiner Hntl^ropologie 

6* 



— 68 — 

ba^ 2)enlen; burd^ ba^ ©oetl^e gu feinen @tnfi({)ten in bie 
naturgemäße Silbung ber ^flangen unb Siere gelangte, 
aU ;,gegenftänbIic^eiS ^tnltn". @r meinte bamit, ba^ ftd^ 
biefeö ®enien üon ben ©egenftänben nid^t fonbere; ba^ 
bie ©egenftönbe, bie Hnftiiauungen in inniger 2)urd^« 
bringung mit bem 2)enlen ftel^en, ba^ ©oet^ed SDenlen gu- 
gleid) ein ^(nfdgauen, fein S(nfdE|auen gugleid^ ein SDenlen fei. 
©dritter ift ein feiner Seobad^ter unb @d|ilberer biefer 
©eifteSart geworben. 6r fdireibt über fie in einem Sriefe 
an ©oetl^e: „Sl&r beobad^tenber Slidt, ber fo ftiH unb rein 
auf ben S)ingen rul^t, fefet @ie nie in ©efal^r, auf ben 
Slbmeg gu geraten, in ben fomol^I bie @peIuIation aU bie 
miniürlid^e unb bloß fid^ felbft ge]^ord)enbe @inbilbungd» 
Iraft fid) fo leidet oerirrt. 3n S^'^er rid^tigen Intuition 
liegt aQeiS unb meit ooQftänbiger, maS bie Hnal^fti^ mül^« 
fam fud^t, unb nur, meil e^ ald ein ®an^t» in S^nen 
liegt, ift S^nen Sl^r eigener 9leid|tum oerborgen; benn 
leibcr miffen mir nur ba2^ wa& mir fdE)eiben. ©eifter ^f)xtv 
Slrt miffen bal^er feiten, mie meit fie gebrungen finb, unb 
mie menig Urfac^e fie ^aben, oon ber ^l^ilofopl^ie gu borgen, 
bie nur oon il^ncn lernen lann." gür Die ©oetl^^fd^c unb 
®dE)iDerfd^e äSeltanfd^auung ift äBal^rl^eit nid^t blog inner« 
J)alh ber SBiffenfd^aft oorl&anben, fonbern auä^ innerl^alb 
ber Äunft. ©oet^eig SKcinung ift biefe: „3d^ benfe, SBiffen* 
fd^aft !önnte man bie ^enntniiS be^ 9(Ilgemeinen nennen, 
ba^ abgezogene SBiffen; ffiunft bagegen märe SBiffenfdiaft 
gur %f)at oerroenbet; SBiffenfdiaft märe SSernunft, unb ffiunft 
il&r SRcd^aniömuS, beöl^alb man fie ancS) praltifd^c SBiffen- 
fdiaft nennen lönnte. Unb fo märe benn enblidi SBiffen- 
fdiaft ba^ S^eorcm, Äunft bai^ Problem." Sie SBed^fel- 
mirlung bed miffenfd^aftlid)en (Srlennen^S unb beS lünft- 
lerifdE)en ©eftaltem^ ber @r!enntnii^ fd^ilbert ©oetl^e: „^» 
ift offenbar, ba^ ein . . . Äünftler nur befto größer unb 
entfd^iebencr merben muß, mann er gu feinem Salente nod^ 
ein unterrid^teter Sotaniler ift, menn er oon ber SBurgel 
an ben Sinfluß ber oerfd^iebenen Seile auf ba^ ©ebei^en 
unb bad SBad^dtum ber ^flange, il^re Seftimmung unb 



— 69 — 

loedifelfeiligen SSirlungen erlennt^ toenn er bie fuccefftoe 
Snttoidelung ber ä9Iäüer,SIumen, 99efrud^tung;8fru(|t unb bt» 
nnten JtetmeiS einfielt unb überbenli Sr loirb atebann 
nidit bieg burdi bit SSal^I aud ben Sifd^einungen feinen 
®t]^mad geigen, fonbern er wirb und auä) burd^ eine 
ridiHge S)arfienung ber @igenf(i)aften sugleid) in SenDun« 
berung fe^en/ @o*n)aUei im lünfUerifd^en (Erzeugen bie 
Sßalirl^eit, benn ber Kunftftil rul^t, nad^ biefer Sluffaffung, 
auf ;,ben tiefften ®runbfefien ber @rlenntnid, auf bem 
SBefen ber S)inge, infofern und erlaubt ift, ed in fid^t« 
baren unb greifiid^en ®efialten gu erlennen.'' Sine gfolge biefer 
Snfid^t über bie SSal^r^eit unb il^re @rlenntnid ift, bai 



man ber ^l^anta 
bed SBiffend guge 



ie il^ren Slnteil beim Suftanbelommen 
ianb unb nid|t bbg in btm abfiralten 
Serfianb ba^ eingige (Srienniniduermogen fal^. 2)ie SSor« 
fteHungen^ bie ©oetl^e feinen Seirad^tungen über $f{angen« 
unb ^^ierbilbung gu ®runbe legte, maren nid^t graue, ab« 
fhralte @ebanlen, fonbern aud ber $l^antafie l^eraud ergeugte 
jinnlid^^überfinnlidie Silber. %ur ba^ Seobad^ten mit 
$]^antafte lann n}ir!Ii^ in ba^ Sßefen ber 3)inge füjpren, 
nid^t bie blutleere Slbftraltion : bied ift ©oetl^ed Über« 
geugung. @r l^ebt ed an ©alilei l^eroor, ba% biefer beob* 
aä)itit aU @enie, bem ;,ein tSaU für taufenb gilt'', 
inbem ^^er ftd^ aud fd^mingenben Sird^enlampen bie 
Seigre bed $enbeld unb bed t^aUeS ber Körper ent» 
midelte". 3!)ie $]^antafte fdiafft an bem einen SfaQe 
ein ini^altooUed ^ilb bed SBefentlidien in btn Qu 
fd^einungen; ber abftral^ierenbe Serftanb lann nur aud 
ber Kombination; SSergleid^ung unb Sered^nung ber @r« 
fd^einungen eine allgemeine Siegel il^reö Serlaufed ge- 
minnen. 2)iefer ©laube @oetl^ed an bie (Srlenntnidfäl^ig« 
feit ber $]^antafte rul^t auf feiner gangen SSeltauffaffung. 
9Ber mie er ba^ %aturmirlen in allem fielet, ber lann in 
btm geiftigcn Snl^alt ber menfd)Iid^en ^^l^antafte aud^ nid^td 
feigen aU Xaturprobulte. 5Die ^Igantajtebilber ftnb Statut* 
probulte; unb ba fte bie $atur miebergegeben, !önnen fie 
nur bie SBaJ^rlgeit entlgaltcn, benn fouft mürbe bie Siatur 



— 70 — 

ftd^ felbft mit biefen Stbbilbern belügen^ bie fte t)on fid^ 
fd^afft. %ur aRenfd^en mit $l^antafte lönnen bie l^ödifte 
®tufe bt§ @rIenneniS erreidien. @ie nennt ©oetl^e bie 
;,Umfaffenben" unb ^^Slnfd^auenben'' im ©egenfafe gu ben 
Mog ;,9S3iPegierigen'', bie auf einer niebrigeren @rlenntntd« 
ftufe [teilen bleiben. ;r3>ie 3Bi§begierigen bebürfen eined 
ntl^igen; uneigennü^igen Slided, einer* neugierigen Unrul^e, 
eined Haren SSerftanbed . . .; fte Derorbeiten aud^ nur im 
roiffenfd^aftlid^en Sinne, mag fte tjorfinben/ ;,®ie 8fn» 
fdiauenben cerl^alten ftd^ fd^on probuftio, unb baS 9Biffen, 
inbem eS fid| felbft fteigert, forbert, ol^ne ed gu bemerlen, 
bal^ Slnfd^auen unb gel^t balgin über; unb fo felgr fidg audg 
bie äSiffenben cor ber Imagination freudigen unb fegnen, 
fo muffen fte bo^, t^t fie fid| oerfelgen, bie probultioe 
SinbilbungiSlraft gu ^ilfe rufen . . . 2)ie Umfaffen* 
ben, bie man in einem ftolgern Sinne bie Srfdgaffenben 
nennen lönnte, oerlgalten fidg im Igodgften Sinne probultio; 
inbem fte nämlidg oon Sbeen auiSge^en, fpredgen fte bie 
^inlgeit bt^ ®angen fdgon an^, unb t» ifi gemiffermagen 
nad^lger bie @ad|e ber %atur, fidg in biefe^bee gu fügen/ 
SSer an eine foldie (SrIenntniiSart glaubt, btm lann ed 
nid|t beilommen, über bie Singefdgränltl^eit ber menfdg« 
lidgen (SrIenntniiS in Stantfdier äSeife gu fpredien. Senn 
ba», meffen ber SRenfdg ate feine Sßalgrl^eit bebarf, ba^ 
erlebt er in feinem Snnern. ä)er Sern ber 3iatur liegt 
im Snnern bei^ 9Henfd|en. Sie SSeltanfdgauung ©oetlgei^ 
unb SdgiDeri^. verlangt garnidgt oon ber SSalgrlgeit, ba^ fie 
eine SBieberlgoIung ber ^elterfdgeinungen in ber SSorfteQung 
fei, ba^ alfo bie le^tere im mortlidgen Sinne mit etmaiS 
auger bem SRenfdgen überein ftimme. 2)ad, toad im 
aRenfdgen erfdieint, ift ate foIdieiS, ate ^btt^it^, ald geifti« 
ged Sein, in leiner Slugenmelt oor^anben; aber ed ift bad* 
jenige, mad ate ®ipfel aVit» SßerbeniS gule^t erfdieint. S)ei9« 
Igalb braudit für biefe äSeltanfdgauung bie äSal^rlgeit nidgt 
allen äßenfdgen in ber gleidien ©eftalt gu erfdieinen. Sie 
lann vx jebem @ingelnen ein inbioibueQed ©epröge tragen. 
SBer bie SBalgrlgeit in ber Übereinftimmung mit einem 



— 71 — 

9u§eren ^üd)i, für btn giebt ed nur eine gform berfelben^ 
unb er mirb mit Stant nod^ berjenigen ^Vteiap^tffxl" fud^en^ 
bie allein „als SSiffenfd^aft wirb auftreten lönnen''. SBer in 
ber SSal^rl^eit bie l^od^fte gfrud^t alled Safeind fie^t^ badjenige, 
in bem ba& „^tUaU, xotnn ed ftd^ felbft empfinben lönnte, 
aü an fein Qitl gelangt, aufiaud^jen unb ben ®ipfel bed 
eigenen SBerbeniS unb SSefend Itwunban" müxbt, berlann 
ntit ©oetl^e fagen: ^.Stenne id^ mein Serl^ältniiS ju mir 
felbft unb gur Hu%tntotU, fo ^eig id^'iS SBal^rl^eit. Unb fo 
{ann jeber feine eigene SSal^r^eit l^aben, unb ed ift bod^ 
immer bief eibige.'' %id|t in bem, xoaS und bie ^(ugenmelt 
liefert, liegt ba» SBcfen bed @eind, fonbern in bem, mad 
ber 9Renfd| in «ftd^ ergeugt, ol^ne bai ed fd^on in ber 
Hugenmelt Dorl^anben ift. ©oetl^e menbet ftd^ bal^er gegen 
biejenigen, bie burdi Snftrumente unb objeltioe Serfudie in 
baS fogenannte ^Snnere ber ^atur" bringen mollen, benn 
^ber 9Renfd& an fid| felbft, infofern er fxä) feiner gefunben 
Sinne bebient, ift ber größte unb genauefte pl^^ftlalifd^e 
^ppwcai, ben ed geben lann, unb bad ift eben baS größte 
Unl^eil ber neueren $1^9fil, bai man bie @^perimen|e gleid^« 
fam vom äRenfd^en abgefonbert l^at, unb blog in bem, 
maS Hinftlid^e Snftrumente geigen, bie %atur erlennen, fa, 
n>a& fte leiften lann, baburdi befd^ränlen unb bemeifen 
milL'' 2)afür Jtel^t ia aber ber SRenfd^ fo Igoc^, bai ftd^ 
baS fonft ÜnbarfteHbare in il^m barfteDt. 98ad ift benn 
eine @aite unb alle med^anifdie S^eilung berfelben gegen baiS 
£)]&r be« SRufBer«? 3ö, man fann fagen, roaS finb bie 
elementaren Srfd^einungen ber Statut felbft gegen ben 
9Renfd^en, ber {te aQe bänbigen unb mobifigieren mug, um 
{ie ftd^ einigermaßen affimilieren gu lonnen". 



— 72 — 

2)er innige ä^uni), btt bux^ ®oti^t, ®d^iQer unb il^re 
3eitgenoffen gwifc^en S)id^lung unb SBeltanfd^auung ge« 
f(|Ioffen n)urbe; l^at ber leiteten im §(nfange unfered 3<i^t* 
^\xnbexi& ba» leblofe ®epräge genommen; in ba» fie lommen 
mug; menn [\t ftd^ aQein in bet Stegion bt» abftral^ierenben 
SBerftanbed bemegt. SHefer ä)unb l^at ald f ein, @rgebni0 
ben ®Iauben gegeiligt; ba^ ed ein perfönlid^ei^; eininbioi* 
bueHed Slement in ber Sßelianfd^auung giebt. S)er äSenfd^ 
ift bered^tigt; ftd^ fein ^ex^ältni^ %nx SBelt feiner @igen» 
art gemög gu fd^affen. Sein Sbeal braudit nid^t ba» 
Santfd^e, einer ein für aQemal abgefd^Ioffenen ilgeoretifd^en 
9[nfd^auung naä) bem äßufter ber äRatlgematil gu fein. %ur 
avi& ber geiftigen Sltmofpl^ctre einer foI(^en> bie menfdilid^e 
3nbioibuaIitöt erl^ebenben Überzeugung lann eine Sor« 
fieQung mie biejenige ^tan $aul$ geboren merben: 
„^a» ^eti be^ ^enieiS, meld^em alle anberen ©lang« unb 
^ilfi^Iröfte nur bienen, f)ai unb giebt ein tä)it» Stenn« 
geid^eU; nämlic^ neue ^dU unb Sebendanfd^auung.'' SEßie 
lönnte t& ba& ^enngeid^en bed pd)ft entmidCelten aRenfd^en^ 
bed ®tn\ßi^, feiU; eine neue 9BeIt« unb SebeniSanfd^auung 
gu fdiaffeU; menn ed nur eine malere, aQgemein gültige 
äSeltanfd^auung gäbe, menn bie SBal^ri^eit nur eine ®e« 
ftolt l^ätte? Scan 5ßaul ift auf feine Slrt ein SSerteibiger 
ber ©oet^efdien 9(nftd^t; ba% ber SKenfd^ im Snnern bie 
^öd)^it Swni beö S)afeinö erlebt. @r fd^reibt an S^cobi: 
w@igentlid^ glauben mir bod^ nid^t bie göttlid^e t^xtu 
l^eit; ©Ott; S^ugenb; fonbern mir fd^auen fie mirllid§ al^ 
fd^on gegeben ober fid^ gebenb^ unb biefeS ®d^auen 
ifi eben ein SBiffeU; unb ein ^b'^txt^, inbeS ba2 SBiffen 
bed SSerftanbeiS fid^ blog auf ein niebereiS ®d§auen begiel^t. 
9ßan lönnte bie SSernunft ba» 33emu^tfein bed aSeinigen 
$ofttioen nenneU; benn allei^ $ofitioe ber ®innlid|leit löft 
fid^ gule^t in ba^ ber ©etftigleit auf; unb ber SSerftanb 
treibt fein äSefen emtg btog mit btm SRelatioeU; ba» an 
ftd^ nid^tiS ift; bal^er oor ®ott ba^ 3Rt^x ober äßinber 
unb alle äSergleid^ungiSftufen megfaQen.'' S)aiS 9ied§t; bie 
äSal^rl^eit im Snnern gu erleben unb bagu aUe @eelen« 



— 73 — 

träfte; mä)i blog btn logifd^en Serftonb in Semegung 
fe|en gu bfirfen^ iDtll ft(| ^tan $aul burd^ nid^td rauben 
laffen. „"^a» $erg, bie lebenbige ZButjel bed SRenfd^en, 
foD mir bie Srandfcenbentalpl^ilofop&ie nid^t aM ber 
39r]i^ 1 eigen unb einen reinen £rteb ber 3(|l^eit an bie 
SteQe fe^en, id| laffe mid^ nid§t befreien oon ber Slb« 
l^cmgigleit ber äitit, um allein burd^ $od^mut feiig gu 
merben''. @o meifl er bie melifrembe moralifd^e Orbnuug 
Rani» unb 9id|ted gurüdt. „^ä^ bleibe babei, bag ei», 
mie Dter le^te, fo mer erfte2)inge gebe: Sd^dnl^eit, äSal^r« 
l^eit; @ittlid^leit unb Seligleit; unb bai bie @t|ntl^efe 
boron nid|t nur noimenbig^ fonbern aud^ fd§on gegeben 
fei^ nur aber (unb barum ift fte eben eine) in unfag« 
barer geiftigr^organifd^er Sinl^eit, ol^ne meldge mir an 
biefen t^ier @DangeIiflen ober SBettleilen gar lein Ser» 
fiänbniiS unb leinen Übergang ftnben Idnnen.'' 2)er nac^ 
äugerfter logifd^er Strenge uerfal^renbe Serftanb mar in 
9ant unb f^idite fo meit gelommen, bie felbftönbige Se« 
beutung be» SSirllid^en, SebendooQen gu einem blogen 
@d)ein; gu einem Z^raumbilb ^erabgufe^en. S)iefe Sin« 
fd^auung mar für pl^antafieooDe aReufd^en, bie ba» Seben 
um bie ©efialten il^rer (Sinbilbungdlraft bereid^erten, un« 
ertroglid^. S)icfe 9Renfd|en empfanben bie ®iritti(^Ieit, pe 
mar in il^rem äBalgrnel^men^ in il^rer Seele gegen« 
märtig ; unb fie foHten ft(| bereu bloge Sraum^aftigleit be« 
meifen laffcn. «S)ic Qfenftcr ber pl^ilofopl^ifd^en Subi» 
torien ftnb gu l^od^, ate ba% fie auf bie ®affen bed 
mirllidien ScbcuiS eine Slu§fid§t gemäl^ren", fagt ba^er 
3ean $aul. 

f^idite ftrebte nad^ reinfter, pdifter SSernunftmal^rl^eit. 
@r entfagte allem SSiffen, ba^ nid^t aü^ bem eigenen 
Snnern entfpringt; meil nur auiS biefem ©emigl^eit ent« 
fpringen fann. Sie Oegcnftrömung gu feiner SBelt« 
anf c^auung bilbet bie 91 o m a n t i I. gfidite lögt nur bie 
SSal^rl^eit gelten^ unb ba^ innere be» 9ßenfd^en nur info« 
fem, ate eS bie SBal&rl^eit offenbart; bie romantifd^e ®elt- 
anf(^auung lägt nur ba^ innere gelten, unb erllärt allei^ 



— 74 — 

für toa^rl^aft tottivoU, road au» biefem Snnern entfpringt. 
3)ad ^^ foD burdb nid^tiS tugered gefeffelt fein. Mt», 
toa» t» fd^afft, f)ai feine SJereditigung. 

9Ran barf oon ber Stontanttl fagen, ba^ fte ben 
@c^iDerfd^en @a^: ,/$)tt äRenfd^ fpielt nur^ mo er in 
DoUer Sebeutung bt» äSorted 3Renfd| ift, unb er ift nur 
ba gang äßenfdi; n)0 er fpielt'' bid gu feinen äu^erften 
Aonfequengen »erfolgte. @ie mxU bie ganje SBelt gu einem 
Steidi bei^ Künftlertfd^en mad^en. 2)er DoDentroidelte aSenfdi 
lennt leine onbere 9Jorm afe bie ®efe^e, bie er mit frei 
maltenber (SinbilbungiSfraft ebenfo fd^afft mie ber jtünftler 
biejenigen, bie er feinem SSerle einprägt. @r erl^ebt fid^ 
über aQed, toa9 il^n t)on äugen beftimmt, unb lebt gang 
aud ftd| l^erauiS. S)ie gange äBelt ift il^m nur ein Stoff 
für fein äftj^etifd^eS ©pieL ©er Srnft beö antagö- 
menfc^en ift il^m fremb. @r !ann bie S)inge nid|t an fid^ 
ernft nel^men, benn fte ftnb il^m nid^t an fid^ mertooE. 
@r ift t^ oielmel^r felbft, ber il^nen einen äSert oerleil^t. 
®ie Stimmung beö ©eifteö, ber fid| biefer feiner ®ou* 
Deränitctt gegenüber ben 2)ingen bemugt ift, nennen bie 
Stomantiler bie ironifdie. ^arl SSill^elm O^^tbinanb 
©olger (1780—1819) l^at oon ber romantifd^en Swnie 
bie Srllarung gegeben: „^^ mu§ ber ®eift bed StünftleriS 
aQe 9tid|tungen in einem aQed überfdiauenben S9Iid( gu« 
fammenfaffen, unb biefen über Slllem fd^roebenben, 
aileö oerniditenben Slid nennen mir Sronic* 
Sriebridi ©d^legel (1772—1829), einer ber Stimm- 
fül^rer ber romantifd^en ©eifteiSrid^tung; fagt oon ber iro« 
nifd^en Stimmung, ba% fie ^^alled überfielet unb ftd^ über 
aUt» S3ebingte unenblid^ erl^ebt, auä^ über eigene Jtunfl, 
Sugenb ober ©enialität''. äBer in biefer Stimmung lebt, 
fül^It ftd^ burd^ niditiS gebunben; nid^tiS beftimmt il^m bie 
SKd^tung feineiS Sl^uniS. @r lann ,,nade belieben pl^ilo« 
fop^ifd^ ober pl^ilologifd^, iritifd^ ober poetifd^, l^iftorifdg 
ober rl^etorifd^, antil ober mobern fi(^ ftimmen''. S)er 
ironifdie ®eift läd^elt über eine ffial^rieeit, bie ftd^ oon ber 
Sogil feffeln laffen mill; er Icid^elt aber anä^ über eine 



— 75 — 

tmiqt, moralifd^e SSettorbnung. 2)enn nid^td fagt i^nt, 
ma» tt tl^un foQ, ab aDein er felbft SBaiS il^nt gefäDt, 
foO ber Sroniler t^un; benn feine Sitilid^Ieit lann nur 
eine äfil^etifd^e fein. 3)ie Slomantiler ftnb bie Scben bed 
tJfid^tefdien ®ebanlend oon ber Sinjigleit bed 3d^. Sber 
fie n)oQten biefed 3(I| nic^t mit Sernunftibeen unb mit 
einem moralifd^en ®Iauben erfüDen mie jener, fonberti 
beriefen fid| Dor allem auf bie freiefte, burc^ nid^td gebun« 
bene (Seelenfrafi, auf bie ^^antafie. S)ad Senlen mürbe 
bei il^nen oöDig oon bem Siebten aufgefogen. Stooalid, 
ber liebendmürbigfte ber Stomantiler, fagt: ^(£d ift red|t 
übel, ha% bie $oefie einen befonberen Kamen l^at unb bie 
S)id^ter eine befonbere S^nft ausmachen. @d ift gar 
niä^ii Sefonbered. Sd ift bie eigentümliche $anb« 
lungiSmeife bed menfd^Iidien ®eifted. S)id^tet unb 
trad^tet nid^t jeber aRenfii^ in |eber SRinute?" 2)aiS allein 
mit fidi befd^äftigte 3<^ '<tnn gu ber l^öd^ften SBal^rl^eit 
lommen: „t^ bünit bem SRenfd^en, ald fei er in einem 
®efpröd^ begriffen unb irgenb ein unbelannted geiftiged 
23efen oeranlaffe il^n auf eine munberbare SBeife gur @nt« 
midelung ber eoibenteften ®ebanlen''. 3m (Srunbe 
moHten bie Stomantiler nid^td anbereiS, ate xoa^ auS^ 
@oet]^e unb @d^iDer ju il^rem Selenntnid gemad^t l^aben: 
eine 8[nfid|t über ben 9Renfd|en, bie biefen fo DoDIommen, 
fo frei mie möglid^ erfd^einen lägt !(ber biefe l^aben il^re 
Stnfd^auungen an^ feften, unerfd^ütterlid^en ®runblagen 
l^erauS ermad^fen laffen. @d|iQer ift burd§ unabläfftged 
p^ilDfopl^ifd^ed S)enlen, ®oetl^e burd^ bie @rforfd|ung ber 
%atur in il^rer ®efe^mci6igleit gu einem freien SebeniS« 
ftil aufgeftiegen. 

Sd^iQer lannte bie Sragmeite ber SBemunftnotmenbig« 
leit, all? er Don bem maleren SRenfd^en verlangte, bag er 
ftd^ Don i^r befreien folle; unb ®oetl^e lonnte fld^ gum 
jhtltui? ber @d|on]^eit belennen, benn für il^n maren bie 
l^od^ften ftunftmer{e nad^ maleren, notmenbigen ®efe^en ber 
%atur gebilbet. S)ie Stomantiler fprangen aber gleid^fam 
mit einem ®a|e in ia^ Sanb ber aft^etifd^en gfreil^eit 



— 76 — 

l^inein; fte eroberten ed fic^ nt(i)t mül^fant; fonbern er» 
Ilörien ftd^ burdg HRad^tfprüd^e gu feinem Sefi^er. 9(ud^ 
®oet]ge l^at fein Sbeal t)on $flid^t barin gefeiten, ba§ man 
;,Iiebt^ mad man fid^ felbft befiel^It'^ Slber er mar unab« 
läffig bemül^t, nur im ®inne ber tiefften ©runblagen ht» 
@rfenneniS bad SBal^re gu fuc^en. Unb auf biefem Sßege 
ftrebte er aud^ nad| ber maleren jtunfi 



f u Itiafftkn ^tt P^it- mh lebt nsanfdianung. 



SBie ein Sid^tMi^, btt innerl^alb bet SBeltanfd^auungd« 
tntmxddani erlgeQenb nad^ lüdtoöxi» unb oorioärtd loirlt, 
<rf(|eint ein @a^^ ben t$i^ici>i^i<^ SSill^elm 3ofep^ 
©d^elling (1776—1854) in feiner ;,»alurpl^ilofopl&ie" 
andgefpro^en ^ai: „Übex bie %atur pl^ilofopl^ieren l^eigt 
fooiel ate bie Statut fd^affen'^ 9Booon (Soet^e unb Schiller 
burdibrungen maren: ba% bie probultioe ^^antafte i^ren 
Anteil bei (Srfc^affung ber SBeltanfd^auung l^aben muffe, bem 
giebt biefer @a^ einen monumentalen SuiSbrud 9Sad bie 
%atur uniS freimillig giebt, menn mir fie beobachten, an* 
f d^auen, mal^rnej^men : ba» enthält nid|t i^ren tief ften (Sinn. 
2)iefen @inn lann ber SRenfd^ nid^t oon au§en aufnel^men. 
(St mu% il^n fd^affen. 

3u foI(^em ®d^affen mar ®i^tllinq» ®eift befonberd 
veranlagt. Sei il^m firebten aDe ®ei^edlräfte nad^ ber 
^l^anta^e bin. @r ift ein erfinberifd^er Aopf ol^ne gleid^en. 
Slber feine (Sinbilbungdlraft bringt nic^t Silber l^eroor, 
mie bie Ifinfllerif(^e, fonbern Segriffe unb gbeen. ®urd& 
biefe feine @eifteiSart mar er baju berufen, bie ©ebanlen« 
gänge gfid^teiS fortgufe^en. 2)iefer befag bie probultioe 
$]^antafie nid§t. Sr mar mit feiner SSal^rl^eitdforberung hÜ 
aum feelifd^en Zentrum bed SKenfc^en gelangt, bid gum 
„Sd^". 8Benn biefe« ber Duellpunlt fein foll für bxt 
SSeltanfd^auung, fo mug berjenige, ber auf biefem <Stanb« 
punite ftel^t, auä^ in ber Sage fein, oom 3d^ au« gu inl^alt« 
DoUen ®ebanlen über bie SSelt unb ba§ Seben ju gelangen. 



— 78 — 

S)aiS !ann nur mit ^ilfe ber ßinbilbungiStraft gefd^el^en» 
Sie fianb t^xä^ie nidit ^n ©ebote. S)e$l^aIB blieb er int 
@runbe fein ganzes Seben lang babei ftel^en, auf ba^^^ 
i^ingubeuten unb ^u fagen, mit ed einen ^xif)QÜ an @e« 
banlen geminnen ntüffe; aber er n)ugte i^m felbft leinen 
fold^en ju geben. 2Bir erfel&en bieö Mar aui5 bcn SSor- 
lefungen, bie er 1813 an ber Serliner Unioerfilät über 
,,9Siffenf(i|aftöIe]^re'' gel^alten f)ai (%ac^gelaffene SBerle. 
1. 33onb). 6r forbert ba für benjenigen, ber gu einer 
9SeItanf(|auung lommen roiQ ;,ein gang neues inneres 
@inneSn)erI)eug, burd^ n)eId)eS eine neue 9BeIt gegeben 
mixb, bie für btn gemo^nlidien 9ßenf(i|en gar nid^t Dorl^anben 
ift''. aber 8fi<^^« lontmt nid^t über biefe fjforberung eineS 
neuen ©inneS |inauS, SBaS ein foldier @inn roal^rnel^men 
fott, ba^ enlroidfeli er nid)t. ©d^elling fielet in ben ®e- 
banfen, bie i^m feine ^l&anlafie cor bie Seele ftettt, bie 
ßrgebniffe biefeS l^öl^eren Sinnes, btn er inleDellueDe än- 
fd^auung nennt. Sl^n, ber alfo in bem, roaS ber ®eift 
über bie 9tatur auSfagt, ein (SrgeugniS fielet, ba& ber ©eift 
fdiafft, ntufele Dor allen Singen bie g^age intereffieren : 
23ie lann baS, roaS auS bem ©eifte ftammt, bod| bie mtri* 
lid^e, in ber 9?alur roaltenbe ©efe^mäfeigfeil fein? 6r 
menbet fid^ mit fd^arfen SluSbrüden gegen biejenigen, meldte 
glauben, bafe mir unfere Sbeen „auf bie Sßatur nur über- 
tragen^, benn „fie fjaben leine Stl^nung baoon, roaS unS 
bie Sßatur ift unb fein foB, . . . benn mir rooQen nid^l, 
bai bie 5ßotur mit ben ©efe^en unfereS ©eifteS guföKig 
(tima burd^ SSermitlelung eines ©ritten) gufammentreffe, 
fonbern, ba% [xt felbft notmenbig unb urfprünglid^ bie ©e- 
fe^e unfereS ©eifteS — nid)t nur auSbrüdte, fonbern felbft 
realifiere unb ba% fie nur infofern Sßatur fei nnb 9iatur 
i&eifee, als fie bieS t^äte . . . S)ie «atur fott ber fid&tbare 
©eift, ber ©eift bie unfiditbare 9iatur fein. §ier alfo, in 
ber abf obtten ^bentitöt beS ©eifteS i n unS unb ber 9?atur 
auger unS, mug fid^ baS Problem, mie eine Statur auger 
uns möglidi fei, auflöfen''. Satur unb ©eift finb alfo 
überl^aupt nid)t gmei oerfd^iebene SSefen^eiten, fonbern eine 



— 79 — 

unb biefelbe Sßefenj^eit in gioei oerfd^iebenen formen. 3)ic 
etgentli^ie 9Reinung Sd^eüingd über biefe (Sinl^eit oon 
Xatur unb ®fift ift feilen rtd^tig erfaßt n)orben. 9Ran 
ntng fid^ gang in feine SorfteDungiSart üerfe^en, menn man 
barunter nid^t eine Srioialität ober eine 9bfurbität per- 
ftel^en mill. ^ier foQ, um biefe SorfteDungdart ju oer« 
beuUidien, auf einen @a^ in feinem ^u^t ^Son ber SBelt- 
feele" l^ingemiefen merben, in bem er ft(^ über bie %atur 
ber Sdimerbaft audfprid^t. SSiele feigen eine Sd^mierigleit 
in biefem Segriffe, meil er eine fogenannte ^SBirhing in 
bie t^erne'' Dorauilfe^t. 3)ie Sonne totrit angiel^enb auf 
bie @rbe, tro^bem nid^td gmtfdEien ®onne unb @rbe ift^ 
ma§ biefe ^ngiel^ung oermittelt. 3Ran mug fid^ beulen, 
ba% bie Sonne burt^ ben 9laum l^inburd^ il^re SSirlungiS* 
fpl^öre auf Crle auiSbe^nt, an benen fte nid^t ifi SDie« 
jentgen, bie in grobftnnlid^en äiorftellungen leben, fe^en in 
einem fold^en. ©ebanlen eine Sc^miertgleit. SBie fann ein 
Körper ba mirlen, mo er nid^t ift? Sc^eüing le^rt ben 
gangen ©ebanlenprogeg um. @r fagt: „@^ ift fel^r ma^r, 
ba% ein Körper nur ba mirlt, mo er ift, aber ed ift 
eben fo mal^r, ba% er nur ba ift, wo er mirlt." SBenn 
mir bie Sonne burt^ bie ^(ngiel^ungdlraft auf unfere @rbe 
mirlen feigen, fo folgt baxan^, ba% fte fic^ in il^rem Sein 
bis auf unfere (Srbe erftredt unb ba% mir lein fftt^i l^aben, 
il^r S)afein nur an ben Crt gu oerfe^en, an bem fte burd^ 
i^re Sid&tbarfeit mirlt. SDie Sonne gel^t mit i^rem Sein 
über bie ®rengen ^inan^, innerl^alb bereu fie ftd^tbar ift; 
nur einen Seil il^reiS 9BefeniS fielet man; ber anbere giebt 
fid^ burdi bie Slngiel^ung }u erlennen. So ungefai^r muffen 
mir nn^ aud^ ba^ Serl^ältnii^ bt§ @eiftes gur %atur beulen. 
S)er ®eift ift nid^t nur ba, mo er malgrgenommen mirb, 
fonbern aud^ ba, mo er mal^rnimmt. Sein äSefen erftredEt 
ftd^ hx§ an bie fernften Orte, an benen er nod^ @egenftanbe 
beobad^ten lanu. @r umfpannt unb burc^bringt bie gange 
il^m belannte %atur. äSenn er ba& @efe^ eined äuleren 
SSorganged btnli, fo bleibt biefer SSorgang nid^t äugen 
liegen^ unb ber ®eift nimmt bloß ein Spiegelbilb auf, fonbern 



— 80 — 

i)ief er ftromt fein SSefen in ben SSorgang l^inein ; er burd^« 
tringt ben SSorgang, unb ntnn er bann ba9 @efe^ bt§» 
felben finbet, fo fprid^t nid^t er ed in feinem abgefonberlen 
®e]^irnn)inlel au»; fonbern bai^ ®efe^ fprid^t ftd^ felbß 
aud. S)er ®eift ift boril^in gegangen, mo ba» ®efe^ n)ir!t. 
^äiit er eiS nid^t bead^tet, fo l^ätte ei$ aud^ gen^irli; aber 
ed n)öre nid^t audgefprod^en rooibttt. S)a ber ®eift in ben 
Vorgang gleid^fam l^ineinbied^C fo ^^^^ ba» ®efe^ aud^ nod^ 
auBerbeni; ba% ed wirft, atö Sbee, aU Segriff audge« 
fprod^en. %ur, wenn ber ®eift auf bie Statur leine StüdC« 
fid^t nimmt, unb fid^ felbft anfd^aut, bann lommt t9 il^m 
votf al» menn er abgefonbert von ber %atur märe, mie t» 
btm Sluge oorlommt, bofe bie Sonne innerl^alb eincö gemiffen 
Staumei^ eingefd^Ioffen. ift, menn baoon abgefel^en mirb, ba^ 
fie an^ ba ift, mo fte burd^ Hnaiel^ung mirlt. Saffe idg 
alfo in meinem @eifte bie Sbeen entftel^en, bie Xaturgefe^e 
aui^brüdCen, fo ift ebenfo mal^r, mie bie eine 99el^auptitng : 
bafe id^ bie 9iatur fd^affe, bie anbere: ba^ fid& in mir bie 
9iatur felbft fd^afft. 

3lnn giebt e0 jmei 3Röglid)Ieiten, ba» eine Sßefen, 
ba» @eift unb %atur gugleid^ ift, ju befd^reiben. S)ie eine 
ift: id^ }eige bie %aturgefe^e auf, bie in SBirllid^Ieit tl^atig 
finb. Ober id^ geige, mie ber ®eift t» mad^t, um gu 
biefen ©efe^en gu lommen. äJeibe male leitet mid^ eined 
unb baiSfelbe. '^a» eine mal geigt mir bie ©efe^mögigleit, 
mie fie in ber $atur mtrif am ift; ba» anbere mal geigt 
mir ber ®eift, wa» er beginnt, um jtd^ biefelbe ®efe^« 
mägigleit oorgufteQen. 3n bem einen gfaHe treibe id^ 
^atur«, in bem anberen ®eifteömiffenfd^aft. SBie biefe beiben 
gufammengepren, befd^reibt ®d^eQing in angiel^enber Sßeife: 
„S)ie notmenbige £enbeng aQer %aturmiffenfd^aft ift, oon 
ber %atur aufiS IgnteQigente gu lommen. S)ied unb nid^td 
anbered liegt btm Seftreben gu ®runbe, in bie %atur« 
erfd^einungen Sl^eorie gu bringen. S)ie l^öd^fte S$erooII* 
lommnung ber %aturmiffenfd^aft märe bie ooUIommene Ser« 
geiftigung aller %aturgefe^e gu ®efe^en bt» 9lnfd^aueni^ 
unb be» S)enleni^. 3)ie ^l^änomene {ba» aRaterieQe) muffen 



— 81 — 

vbüiq Derfdjwtnben unb nur bie ©efet^e (baiS SformeDe) 
bleiben. S)a6er lommt t», bai, je ntel^r in ber ^iaiui 
felbfi ba» Sefe^mägig^ l^exDorbriiit, befto mel^r bie $)ttQe 
Derfd^roinbet, bie $l^änomene felbft geifliger rottbtn unb 
gule^t oSnig auflgören. 2)ie optifd^en ^l^änomene ftnb nic^tö 
3[nbered ate eine ©eomelrie, beten Sinien burd^ bod Sid^i 
gebogen n^erben, unb biefed Sid^t felbft ift fd^on ixotu 
beutiger äßaterialitöt. 3n ben @rfd^einungen bed 9Ragne« 
ti^muiS Derfd)n)inbet fd^on aEe materielle ®pur, unb non 
ben $l^önontenen ber Sc^merlraft, n>eld|e felbft $atur« 
forfi^er nur aU unmittelbar geiftige ßinmirlung — SBirlung 
in bie <$erne — begreifen gu lönnen glaubten, bleibt nid^td 
gurüdC aU if)x @efe^, beffen SluiSfül^rung im ©rogen ber 
SKed^ani^muiS ber $)immeIiSben)egungen ift. 3)ie DoQenbete 
Sl^eorie ber %atur mürbe biejenige fein, Iraft meld^er bie 
gange 92atur ftd^ in eine ^nteüigeng auRöfte. 2)ie toten 
unb bemu^tlofen $robuIte ber %atur finb nur mißlungene 
Serfucbe ber %atur, fid^ felbft gu reflettieren, bie fogenannte 
tote $atur aber überhaupt eine unreife SnteDigeng, bal^er 
in igren $]gänomenen nod^ bemugtloi^ fd^on ber intelligente 
(Sl^aralter burd^blidtt. ^a» pd^ifte 3iel, ftd^ felbft gang 
Dbjelt gu merbeU; erreidE)t bie Statur erft buxi) bie l^odEifte 
unb le^te Slefle^ion, meldte nid^tiS anbered ato ber äRenfd^, 
ober aUgemeiner ba^ ift, xoa» mir Sernunft nennen, burd^ 
meldte guerft bie %atur ooUftänbig in fid^ felbft gurüdHe^rt, 
unb moburd^ offenbar mirb, ba^ bie %atur urfprünglid^ 
ibentifc^ ift mit bem, mai^ in uniS dl» Snteüigentei^ unb 
Semufeteö erlannt mirb.'' 

Sn ein !unftooIIed %e^ oon ®ebanlen fpann ®d^eQing 
bie S^iatfad^en ber 92atur ein, fo ba% alle il^re Srfc^einungen 
mie ein ibealer l^armonifd^er Organii^mui^ oor j einer 
fc^affenben ^^antafie ftanben. @r mar befeelt oon bem 
@efulgl, ba^ bit 3been, bie in feiner $^anta{te erfc^einen, 
oud^ bie maleren fd^öpferifd^en ^äfte ber %aturoorgönge 
feien. Oeiftigc Äräfte liegen alfo ber 9iatur ju ©runbe; 
unb roa» unferen Singen aU tot unb lebloiS erfc^eint, ba» 

@t einer, SBelt« unb Se6enSanf(i§auttnflen. 6 



— 82 — 

fiammt urfpcünglid^ aud ©eifttgem. SBenn tote unferen 
®cift barauf rid&tcn, bann lege« roir bie Sbeen, ba» ©eifttge 
ber Siatur frei. @o finb für uns, im Sinne Sd^cIIingö, 
bit Salurbinge Offenbarungen bt§ ©cifieS, l^inler beren 
äußerer §ülle er fid^ gleid^fam oerbirgt. 3n unferm eigenen 
3nnern'aeigl er fid^ 4ann in feiner rid&tigen ©eftalt. SBir 
wiffen baburd^, roa^ ©eift ift, unb !önnen beiSl^alb aud) 
ben in ber Sttatur ocrborgenen ©eift roieber finben. 3)ie 
Slrt, wie ©c^elling bie 9ialur afe ©eift in fid^ roiebcr 
erftei^en lä^i, f^at tima2 S3ern)anbte$ mit berfenigen, bie ©oet^e 
bei bem ooHIommenen Sünftler anzutreffen glaubt. Siefcr 
oerfäl^rt, nac^ ©oetl&eS SReinung, bei bem ^eroorbringen 
ber Sfunftmerle mie bie 9iatur bei i^ren Sd^ßpfungen. SSir 
l^crtten alfo in bem Schaffen beS ÄünftlerS benfelben Sor* 
gang oor uns, burd^ ben aud^ aUcS baSjcnige cntftanben ift, 
maS in ber äußeren 9iatur oor uM ausgebreitet liegt. 
8Ba§ bie $Ratur unferen Slidten entgic^t, ba^ fteHt fidfj uns 
in bem lünftlcrifd^en ©d^affen mal^rnel^mbar bar. S)ie 
SJatur geigt unS nur bie fertigen SBerle; mie fie eS gemad^t 
l&at, um fie fertig gu bringen : ba^ muffen mir aus bicfen 
äBerlen erraten 2Bir l&aben bie ©efd^öpfe üor unS, nid^t 
ben Sd^öpfer. Seim Stünftler nehmen mir @d|öpfung unb 
©efd^öpf gugleid) mal^r. Sc^eQing miQ nun burd^ bie @r« 
geugniffe ber 9iatur gu i^rem ©d^affen burd^bringen ; er 
oerfefet fid^ in bie fdjaffenbe Sfatur l^inein unb Iä§t fie in 
feiner Seele fo entfte^en, roie ber ffiüuftler fein Äunft* 
wer! eutftel&en lä&t. SBaS finb alfo, ber SRcinung <Sd)eIIingS 
nad^, bie ©ebanfcn, bie feine SäJeltanfd^auung enthält? Ss 
finb bie Sbeen beS fd^affenben 9taturgeiftcS. 2BaS btn 
2)ingen oorangegangen ift unb fie gefd^affen l^at, baS taud)t 
im einzelnen 3Rcnfd|engeifte als ©ebanfc auf. ®S oerl^ält 
fid^ biefer ©ebanle gu feinem urfprüngIidE)en mirllidien 
®afein fo, mie fid^ baS ©rinnerungSbilb an ein SrIebniS 
in biefem (SrIebniS felbft oerl^cttt. So mirb bie menfd&Iid^c 
SSiffenfd^aft für ©d^eüing gu einem @rinnerungsbilbe an 
bie oor ben S)ingen f(^affenben geiftigen SSorbilber. ®in 
göttlid^er ©eift Igat bie SBelt gefd^affen; er fd^afft gule^t 



— 83 — 

anä^ nod^ bie 3Rtn\ä)tn, um fid^ in i^ren Seelen ebenfo 
viele äSerlgeuge ^n bilben, burc^ bie er ftd| an fein ®d^affen 
erinnern lann. ®d^elling fü^It ftd^ alfo, menn er ftd^ 
ber äSetrod^tunfi ber SBelterfdieinungen l^ingiebt; gar nicl^t 
ate @ingeln)efen. (Sr erfd^eint ftd^ wxt ein Seil, ein 
®Iieb ®oüe». @r benit nid^t, fonbern ®ott benlt in 
i^m. (9oii befd^aut in ibm feine eigene fd^öpferifd^e 

3n bem hervorbringen beiS Jtunftroerlei^ erblidCt @d^elling 
eine SBeltfc^öpfung im Ileinen; in ber ben!enben Setrat^« 
tung ber S)inge eine Erinnerung an bie SBellfd^öpfung im 
großen. 3n ber Sßeltanfd^auung treten bie 3been felbft 
in unferem ®eifte auf, bie ben Singen gu @runbe liegen 
unb fie l^eroorgebrac^t l^aben; mir laffen aud ber 9SeIt 
aUtS XDtQ, ma0 bit @inne über fte auiSfagen, unb bel^alten 
nur ba^jenigc, roaS bai^ reine Senlen liefert. Sm Schöffen 
unb ©cniefecn bcS Äunftmerfeö tritt bie innige 3)urd^- 
bringung ber 3bce mit bem, roaS ben Sinnen fic^ offen- 
bart, auf. gffir SdieHingö anftdöt ftcften alfo «atur, Äunft 
unb äSeltanfd^auung (^l^ilofopl^ie) einanber fo gegenüber, 
ba% bie %atur bie fertigen, öugeren (Sr^eugniffe barbietet, 
bie SBeltanfd^auung bie er/ieugenben Sbeen, bie Äunft beibeS 
in l^armonifd^cm 3ufammenroirlen. ®ie lünjMerifd^e S^^ötig« 
feit fielet in ber 3Ritte §mifd^en ber fdiaffenbcn 9iatur, bie 
l^eroorbringt, o^ne oon ben Sbeen gu miffen, auf @runb 
bereu fie fd)afft, unb bem benlenben ©eifte, ber biefe 3been 
mei§, ol&ne mit il^rer §ilfc aud^ bie ®inge fd^affen gu 
lönncn. Sd^eHing brüdtt bieg in bem Sa^c ouö: „S)ie 
ibealifc^e SBcIt ber S'unft unb bie reelle ber Dbjefte finb 
alfo ^robultc einer unb berfelben Sl^ätigleit ; baS ^n» 
fammentreffen beiber (ber bemühten unb bemufetlofen) ol^ne 
Semufetfcin giebt bie roirllid^e, mit Semufetfein bie öft^e» 
tifd^e SBelt. ®ie obj[cftioc SBcIt ift nur bie urfprünnlid^c, 
no(| bcroufetlofe ^oepc beg ©cifteS, ba$ allgemeine Drganon 
ber ^l^ilofopl&ie — unb ber ©d^Iu^ftein il^reö gangen ©e- 
möIbeS — bie ^^ilofopl&ie ber Äunft.'' 

Sie geiftigen Sl^ätigleiten bt& ÜBenfd^en: benfenbe S3e» 



— 84 — 

trad^lung ber 9BeIt unb lünftlerifd^ed Sd^affen, erfd^einen 
@d^elling nid^t nur aU inbioibueQe Serrid^tungen ber 
@ingelperfdnlid^leii; fonbern, toenn fte in il^rer pd^ften 9e« 
beutung erfaßt xoexbtn, augleid^ ate SSerrid^iungen bed Ur« 
n)efend, ®otted. 3n mal^rlgaft bitJ^^rambift^en Sä^en 
fd^ilbert ©d^eüing ba» ®efü^I, ba» in ber Seele auflebt, 
mtnn fie Qexod^t micb, ba% i^t Seben nid^t blog ein inbi* 
DibueQeiS, auf einen $unlt be» UnioerfumS beft^rctnlted ift, 
fonbern, bag il^r Sl^un ein göttlid^-aügemeined ift. 9Benn 
fte fagt: id^ voti^, id^ erlenne, fo i^eigt ba^, in p^erent 
@inne, ®oit erinnert fid^ an fein S^l^un Dor bem 2)afein 
ber S)inge; unb menn fte ein jtunftoeri l^eroorbringt, fo 
l^eigt baS: ®oii n)ieber]^oIt im {leinen baiSfelbe, n^ai^ er 
bei ber ®d^öpfung bt» %aiurgangen im grogen DoHbrad^t 
l^at. ;,S)ie Seele ift alfo im äRenfd^en nid^t ba^ ^ringip 
ber Snbipibualität, fonbern ba», moburd^ er ftd^ über alle 
@elbft^eit ergebt, moburd^ er ber Slufopferung feiner felbft, 
uncigennü^iger ßiebc, unb, maS boö §öd^fte ift, ber Se» 
trad^tung unb (SrIenntniiS bt» SBefeniS ber Singe, thtn 
bamit ber ^unft föl^ig mirb. ®ie ift nid^t mel^r mit ber 
ÜSaterie befd^ctftigt, nod^ oerlel^rt fie unmittelbar mit il^r, 
fonbern nur mit bem ®eift, afe bem Seben ber Singe. 
Sfud) im ffiörpcr erfd^eincnb, ift fie bennod^ frei oon btm 
Körper, bcffen Scmufetfcin in il^r, in ben fd^önften Sil- 
bungen, nur mie ein leidster S^raum fc^mebt, oon bem fte 
nid^t geftört roirb. Sie ift feine Sigenfd&aft, lein Scr« 
mögen, ober irgenb titoa^ ber Slrt indbefonbere; fie meife 
nidjt, fonbern fie ift bie SBiffenfd^aft, fie ift nid^t 
gut, fonbern fie ift bie ®ütc, fie ift nid^t fd^ön, 
mie t» aud& ber Äörpcr fein lann, fonbern fie ift bie 
@d^önl^eit felber.'' (Über ba» äSerl^ältniiS ber bilbenben 
^nfte aur %atur.) 

(Sine fold^e äSorfteQungiSart Hingt an bie btui^d^t 
äR^ftil an, bie einen Stepröfentanten in Sacob SJöl^me 
(167Ö— 1624) l&atte. Sd^etting genofe in SlRünd^en, mo er 
1806 — 1841 mit lur^en Unterbred^ungen mar, ben an* 
regenben Umgang mit gfranj Senebilt Saaber, beffen 



— 85 — 

p^ilofopl^ifd^e Sbeen fid^ gang in ber 9Kd^tung jener Slieren 
Seigre bewegten. 2)ie0 ift bie Seranlaffung, bog er ftd^ 
feUft in biefe ®ebanIenmeU einlebte; bie ganj auf bem 
©eftd^tdpunlte ftanb, auf bem er felbfl mit feinem sbenlen 
angelangt mar. SBenn man bie oben angeffil^rten 2lM» 
fprüf^e and ber Siebe «Über bad Serl^ältnid berbilbenben 
^nfte 3ur Katur^ lieft; bie er 1807 in ber Idniglid^en 
SUabemie ber SSiffenfd^aften in SRAnd^en gehalten ^ai, fo 
mirb man erinnert an Sacob So^med ainfd^auung : „^tnn 
hu bie 2:iefe unb bie Sterne unb bie ßrbe anfteJ^eft, fo 
ftel^eft bn beinen ®ott; unb in bemfelben lebeft unb 
bift bu aud^, unb berfelBe ®ott regiert bic^ aud^ . . . . 
bu bift aM biefem ®ott gefd^affen unb lebft in bemfelben; 
aud^ ftel^et aOe beine SSiffenfd^aft in biefem ®ott unb menn 
bu ftirbeft, fo mirft bu in biefem ®ott begraben." 

9Rit feinem fortfd^reitenben 3)enlen mürbe für Sd^eEing 
bie SBeltbetrad^tung jur ®ottei$betradE|tung ober Xl^eofop^ie. 
SoQftänbig ftanb er fdgon auf btm SSoben einer fold^en 
®ottedbetrad^tung, ate er 1809 feine ;,$l^ilofop|ifd^en 
UnterfudEjungen über bali SBefen ber menfd^Iid^en gfrei^eit 
unb bie bamit ^ufammenl^ängenben ®egenftänbe'' l^eraud« 
gab. S(IIe SBeltcnfd^auungiSfragen rüdEten ftd^ il^m ie^t 
in ein neueiS SidEjt. SBenn alle 2)inge göttlich finb: mie 
iommt t», bQ% t» Sofed in ber SBelt giebt; ba ®ott 
bodi nur bie ooQIommene ®üte fein fann? SBenn bie 
@eele btB äKenfd^en in ®ott ift: mie Iommt t», ba% fie 
bodg il^re felbftfüd^tigen Sntereffen oerfolgt? Unb menn 
®ott t9 ift, ber in mir l^anbelt: mie lann id^, ber id) alfo 
gar nid^t ate felbftdnbigeiS SBefen ^anble, bennod^ frei 
genannt merben? 

2)urd^ ®ottei9betrad^tung , nid^t mel^r burd^ SBelt« 
betrad^tung fud^t Sd^eQing biefe t$^agen gu beantmorten. 
@d m&re ®ott ooülommen unangemeffen, menn er eine 
SBelt oon SBefen fd^affen mürbe, bie er aU unfelbftänbige 
fortmäl^renb leiten unb knien mü%U. Soülommen ift ®ott 
nur, menn er eine SBelt fd^affen lann, bie i^m felbft an 
SoDIommenl^eit gang glei(^ ifi (Sin ®ott, ber nur foIdEied 



— 86 — 

j^eroorbringen länn, ba» unpoQIomntener al& er felbft ift^ 
ber ift felbfi unoolllotntnen. ®oü ^ai bälget in ben ältenfd^en 
äSefen gefdiaffen, bie nid^t feiner ^ü^rung bebürfen^ fon« 
bern bie felbft frei ftnb unb unabhängig mit er. Sin 
SBefen, ba» au^ einem anberen feinen Urfprung ^ai, brandet 
bedl^olb nid^t Don biefem aud) abl^öngig gu fein. S)enn 
t& ift lein SBiberfprud^^ bag ber, welcher ber Sol^n eined 
aSenfd^en ifi, felbft 9Kenfd^ ift. 9Bie ba» 9uge, ba» nur 
im (Sanken bed DrganiiSmud möglit^ ift, nid^tiSbeftoroeniger 
ein unabl^ängigei^ @igenleben für [lä) f^ai, fo ouc^ bie 
Singelfeele, bie ^mat in @ott begriffen, aber beiSl^alb bod^ 
nid^t burd^ il^n n^irlfam ift gleid^ bem ®Iieb an einer 
9Rafd^ine. ;,@ott ift nit^t ein ®ott ber SCoten, fonbern 
ber fiebenbigen. @d ift nid^t ein^ufel^en, mit ba9 aSer« 
DoQIommenfte SBefen ani) an ber möglid^ DoUIontmenften 
9Rafd)ine feine Suft fönbe. äSie man anä) bie Wci unb 
f$oIge ber SSefen an^ ®ott fid^ beulen möge, nie lann fte 
eine med^anifd^e fein, lein blofeei^ Scroirfen ober ^infteHen, 
mobei bai5 Seroirfte nid^ts für ftd^ felbft ift; eben fo roenig 
Emanation, mobei ba» SlUiSfIie|enbe baiSfelbe bliebe mit 
bem, moDon t» auiSgefloffen, alfo nid)t0 @igeneiS, @elbft» 
ftänbigeö. ®ie golge ber S)inge auiS ®ott ift eine ©elbft» 
Offenbarung ®oitt2. @ott aber lann nur fid^ offenbar 
merben in bem, ma^ i^m äl^nlid^ ift, in freien, aud fid^ 
felbft l^anbelnben SSefen ; für bereu @ein tS leinen @runb 
giebt ate ®ott, bie aber fmb, fo mie ®ott ift." aScire 
®ott ein ®ott bt» £oten unb alte äSelterfd^einungen nur 
ein äRe^ianiiSmuiS, beffen Vorgänge auf il^n ald i^ren 9e« 
meger unb Urgrunb aurüdC^ufül^ren mören, fo brandete man 
nur bie 2:]^ötigleit ®otteig gu befc^reiben, unb man l^citte 
aUt» innerl^alb ber 9BeIt begriffen. SBan lönnte aü» ®oit 
l^erauiS aQe 2)inge unb il^re S^ätigleit oerftel^en. ^a» ift 
aber nid)t ber ^aJL S)ie göttlid^e SBelt ^at @elbftänbigleü. 
®ott J)at fie gef(^affen, aber fte l^at iJ)t eigeneiS SBefen. @o ift 
fie göttlid^; aber bai^ ®öttlid^e erfc^eint innerlgalb einer SSefen« 
l^eit, bie oon ®ott unabl^cingig ift, innerl^alb eineiS 3li^iQÖiU 
lid^en. @on)ie baS äid^i au^ ber S)unlel]|eit l^eraud geboren i^, 



— 87 — 

fo bte göitltd^e SBelt au» btm ungottlid^en Safein. Hub 
au» btm Ungottltd^en flammt ba& SSöfe, ftammt ba» Selbft* 
füdgtige. ©Ott l^at alfo bie ©efamtl^eit ber SSefen nid|t in 
feiner ©emalt; et lann il^nen ba» Si^t geben; fte felbft 
aber tauchen an» btx bunllen %ac^t empor. Sie finb 
bie ®ö]^ne biefer 3iai^t Unb wa» an i^ntn S)unlel« 
l^eit ift, über ba» ^ai ®ott leine äRad^t. Sie muffen ftd) 
burd^ 'kadii gnm Si^lt emporarbeiten. S)ad ift ilgre gfrei« 
l^eit. SKan lann aud^ fagen, bie SBelt ift ®otted Sd^öpfung 
an» bem Ungöttlic^en i^^erauiS. ^a» Ungöttlid^e ift alfo ba» 
@rfte unb ba» ©ottlid^e erft ba» Smeite. 

3uerft l)ai Sd^eüing bit 3been in allen Singen ge« 
fud^t, alfo il^r ©öttlid^ed. Saburd^ l^at fidEi für il^n bie 
gange äSelt in eine Offenbarung @otted oermanbelt. Sr 
mugte bann aber nom ©öttlid^en gum Ungöttlid^en oor« 
fd^reiteU; um ba» UnooIUommene, ba» 9bfe^ ba» Selbft- 
füdjtige gu begreifen. S^t mürbe ber gange 9Serbeprogeg 
ber SSelt für il^n eine fortfd)reitenbe Überminbung bt» Un« 
gottlid^en burdE) ba» ©öttlidie. S)er einzelne äßenfd^ nimmt 
an» Ungöttlid)em feinen Urfprung. @r arbeitet ftc^ an» 
biefem l^erau^ gur ©ottlid^Ieit burc^. 2lnä) im SSerlauf ber 
©efd^ic^te lönnen mir ben eJrottgang oom Ungöttlid^en gum 
®öiilxd)tn bcobad^ten. 2)ad Ungöttlid^e mar urfprünglic^ 
ba» $errfd)enbe in ber SSelt. Sm Slltertum überliegen [x6) 
bie 9Renfd)en i^rer %atur. Sie l^anbelten naio an» Selbft* 
fud^t. Sie griedgifd^e Kultur ftel^t auf biefem ä3oben. @d 
mar ba» S^italter, ba ber SRenfc^ im SSunbe mit ber %atur 
lebte, ober, mie Sdtjiüer in btm S(uffa^ ^Über naioe nnb 
fentimentalifd^e Sid^tung'' ftd^ auiSbrüdCte, %atur felbft mar, 
fie bei^l^alb nod^ nid^t fud^ie. 3Rit btm Sl^riftentum oer« 
fd^minbet biefer Unfd^ulbi^guftanb ber SRenfd^^eit. Sie bloge 
%atur mirb al» ba» Ungöttlid^e angefeigen, ba» S3öfe mirb 
bem ©ottlid^en, bem ©uten entgegengefe^t. (Sf^n^in» tt» 
fc^eint, um ba» £idgt bt» ©ottlidgen innerlgalb ber 3taä^i 
bt» Ungöttlidgen erf(^einen gu laffen. Siei^ ift ber üRoment, 
mo ,,bie @rbe gum gmeitenmale müft unb leer mirb'', ber» 
jenige ;,ber ©eburt bt» pigeren ü\6^i» bt» ©eifted", ba» 



— 88 — 

^Don Anbeginn in ber 9BeIt mar, aber unbegriffen oon ber 
für fii) mirlenben fSfinflernid; nnb in annod^ oerfd^Ioffener 
unb eingefd^ränlter Offenbarung; unb ^wax erfd^eint ed, 
um bent perfonUd^en unb geiftigen äJöfen entgegengu» 
Ireten, ebenfaSiS in perfonlidier, menfd^Iid^er ®eftalt, uitb 
ate 9RittIer, unt ben 9tapport ber Sd^öpfung mit ®ott auf 
ber pd^ften ®iufe mieber l^erjuftellen. SDenn nur ^erfön« 
lid^eiS lann ^erfonlid^eiS l^eilen, unb ®oü mu§ SRenfd^ 
werben, bamit ber 9Renfd^ mieber }u ®ott !omme'^ 

2)er ®pinogiiSmuiS ift eine SSeltanfd^auung, bie in ®ott 
ben ®runb däe^ SBeltgefd^el^eniS fud^t, unb an^ biefem 
®runbe aQe Vorgänge nad^ emigen, notmenbigen ©efe^en 
ableitet, mie bie matl^ematifi^en Sßalgrl^eiten auiS ben ®runb« 
fä^en abgeleitet merben. (Sine fold^e 3SeItanfd^auung ge« 
nügte ®d^eQing nid^t. 9Sie @pinoga glaubte aud^ er batan, 
baf alle SBefen in ®ott feien; aber fie finb, nad^ feiner 
9Reinung, nidgt burd^ ®ott allein beftimmt, fonbern t9 ift 
ba^ Ungöttlid^e in il^nen. @r mirft ©pinoga bie ^.Seb* 
lofigleit feineö @^ftemö, bie ®emütIofigIcit ber gform uor, 
bie ©ürftigfcit ber Segriffe unb Slu^brtidte, baö unerbittlid^ 
^erbe ber 93eftimmungen, ba» fid^ mit ber abftraften Se« 
trad^tungdmeife uortrefflid^ oertrdgt''. @d^eQing finbet bal^er 
©pinoaaS ^med^anifd^c 3iaturanfid^t" ganj folgerid^tig. 
aber bie 9iatur ^tiqt leineSmegö biefe fjolgerid^tigleit. 
^2)ie ganje $atur fagt uni^, baj^ fie leineiSmegd vermöge 
einer blofe geometrifdien Sfiotroenbigleit ba ift, e» ift nid&t 
lautere, reine SSernunft in il^r, fonbern $erfönlid^leit unb 
®eift, fonft l^Ätte ber geometrifd^e Serftanb, ber fo lange 
gel^errfdgt l^at, fte längft burd^bringen unb fein Sbol aQ« 
gemeiner unb emiger %aturgefe^e mel^r bemal^rl^eiten muffen, 
aü t» biiS je^t gefd^el^en ift, ba er Dielmel^r baiS irrationale 
Serl^öItniiS ber %atur }u fid^ täglid^ mel^r erlennen mug." 
Sßie ber 9ßenfd^ nid^t blog Serftanb unb Sernunft ift, 
onbern nod^ anbere Sermögen unb ^öfte in fid^ vereinigt, 
foS, im @inne Sd^eQingiS, bieiS auc^ bei bem gottlid^en 
Urmefen ber tSaU fein. 6in ®ott, ber lautere, reine Ser» 
nunft ift, erfd^eint mie perfoniftjierte 3Rat^ematiI; ein ®ott 



— 89 — 

bagegen, btt Bei feinem SBeltfd^affen nid^i na^ ber reinen 
Semunft oerfal^ren lann^ fonbern fortn>ft|renb mit bem 
Ungottlid^en 8U lämpfen ^ai, lann ab «ein gang per« 
fonlid^eiS, leBenbigei» SBefen angefeBen merben''. Sein fieben 
j^at bie grdgte Senologie mit btm menfd^Iid^en. 9Bie ber 
SRenfd^ ba» UnooDIommene in ftd^ au ftbenoinben fud^t 
unb einem ^beal btt SBoEIommen^eit nad^ftrebt: fo mirb 
ein fold^er (Sott, aü ein emtg lämpfenber, oorgefleQt, beffen 
£l^ätigleit bie fortfd^reitenbe Uberminbung bed Ungöttlid^en 
ifi Spinogod ®ott oerglei^t Sd^eHing ben ^ätteften Silbern 
ber ©ottl^eiten, bie, fe meniger inbioibueII«Iebenbige 3^0^ 
ans i^nen fprac^en, befto gel^eimnidooller erfd^ienen''. 
Sd^eEing giebt feinem ®otte immer inbioibueüere 3üge. 
@r fd^ilbert ii^n mie einen !iRenfd^en, menn er fagt: «Se» 
benlen mir ba» Sdgreddid^e in ber %atur unb ®eiftermelt 
unb ba» meit SRel^rere, ba§ eine mol^lmollenbe $anb und 
gujubedCen fd^eint, bann lönnen mir nidE|t gmeifeln, ba% bie 
©ottl^eit über einer 3BeIt ber @d^redten throne, unb ®ott 
nad^ bem, wa» in il^m unb burd^ i^n oerborgen ift, nid^t 
im uneigentlid^en, fonbern im eigentlidien @inn ber @d^red« 
lid^e, ber Sürd^terlic^e l^eigen lönne''. 

(Stnen fold^en ®ott lonnte Sd^eDing nid^t mel^r fo be» 
ixad^itn, mie Spinoja feinen ®ott betrachtet l^at. Sin ®ott, 
ber aDed au0 fid^ l^eraud nad^ Sernunftgefe^en beftimmt, 
lann an^ mit ber Sernunft burd^fd^aut merben. @in per« 
fSnIidger ®ott, mie il^n Sd^eüing in feiner fpäteren Qtii 
oorfteSte, ift unbered^enbar. Senn er l^anbelt nid^t nad^ 
ber Sernunft allein* Sei einem Sled^ene^empel lonnen mir 
bai^ Srgebnid burd^ bloged S)enlen oorauiSbeftimmen; bei 
bem l^anbelnben SRenfd^en nid^t. Sei il^m muffen mir ab» 
märten, ju meld^er ^anblung er ftd^ in einem gegebenen 
augenblidCe enifd^liegen mirb. S)ie Srfal^rung mu| ^n bem 
Semunftmiffcn J^injutreten. S)ic reine Sernunftmiffcnfd^aft 
genügte bal^er @d^elling nid^t gur SBelt* ober ®otteiS« 
anfdiauung. SllleiS aud ber Sernunft gemonnene nennt er 
bal^er ein negatioed SBiffen, ba» burd^ ein pofttioed ergängt 
merben mu§. 9Ber ben lebenbigen ®ott erlennen miQ, barf 



— 90 — 

ftd^ nid^t Blogben noiiDenbtgenSSernunftfd^Iüffen überlaffen; er 
mu% fid^ tnii feiner gangen ^erfönlid^JEett Derfenlen in ba» 
Seben ©otteiS. 3)ann n)irb er erfa^ren^ ma^ il^m leine 
Sd&Iüffe, leine reine SSernunft geben lönnen. ®ie SBelt ift 
nid^t eine notmenbige SBirlung ber göttlid^en Urfad^e^ fonbern 
eine freie %^ai bel^ perfönlid^en ®otM. ^a» <Sd^eIIing 
nid^t burd^ vernünftige ä3etrad)tung erlannt, fonbern ali 
freie, unberechenbare Sl^aten ®oitt^ erfdiaut gu Igaben 
glaubte, ba^ J)at er in feiner ^^l^ilofop^ie ber Dffcn» 
borung " unb feiner «^l&ilofoplöie ber äffi^tl^ologie'' bar» 
gelegt. Seibe 3Berfe i^at er nid^t me^r felbft »eröffentlid^t, 
fonbern il^ren Slnl^alt nur ben SSorlefungen gu @runbe 
gelegt, bie er an ber Unioerfttät gu Serlin gehalten l^at, 
nad^bem il&n ^ricbrid^ SEBil^elm IV. in bie prcufeifd^c ^aupU 
^iabi berufen l^atte. @ie finb erft nad^ ®d^ellingg £obe 
(1854) oeröffcntlid^t roorben. 

"Stii fold^en ^nfd^auungen l^at @d^eQing fid^ aU ben 
fül&nften unb muttgftcn berjenigen $]&iIofopl)en crroiefen, 
bie fid^ oon Äant gu einer ibealiftifd&cn 2BeItanfd|auung 
l^aben anregen laffen. S)aö ^l^ilofopl^icren über Singe, 
bie ienfcitö beffcn liegen, maB bie mcufd^lid^cn ©inne beob» 
ad^ten, unb ma^ ba» S)enlen über bie äSeobad^tungen 
auSfagt, l^at ntan, unter bem Sinfluffe biefer Anregung, 
aufgegeben. 3ßan fud^te fid^ mit bem gu befd^eiben, xoaS 
innerl^alb SJeobad^tung unb 2)enlen liegt. SBäl^renb aber 
Sant aus ber Siotmcnbigleit foldien Sefdjcibcng gefdE)Ioffen 
"^ai, man lönne über jenfcitige ®inge nid^tö roiffen, er» 
Härten bie 9tad^Iantianer: ba S3eobad^tung unb 2)enlen auf 
lein jcnfeitigeö ©öttlidfie l^inbeuten, finb fie felbft ba& 
©ottlid^e. Unb oon benen, bie foId^eS erllärten, mar 
®d^elling ber energifd^efte. t$id|te l^at aUeiS in bie ^d^^^it 
l^ereingenommen; @dE)eIIing l^at bie S^^^eit über alled aud« 
gebreitet. (Sr moQte nid^t mie jener geigen, bai bie 3d)]^eit 
alles ; fonbern umgelel^rt, bai aQeS Sd^l^eit fei. Unb 
®d^eQing Igatte ben 9Rut, nid^t nur ben ^beengej^alt beS 
3d^ für göttlid^ gu erllären, fonbern bie gange menfc^lid^e 
(Seiftperfönlid^Ieit. @r mad^te nid^t nur bie menfd^lid^e 93er« 



— 91 — 

nunft )u einer gottltd^en, fonbern bett menfd^Ii(^en fieBen0« 
Inhalt gu ber götilid^en, perfönlid^en SBefenl^eU. 9Ran nennt 
eine SSelterllärung Snt^topomorpl^iiSmud, bie Dom 
iRenfd^en audgel^t unb ftd^ vox^ttUt, bag bem äSettenlonf 
int gangen eine SBefen^eit gu ®runbe liegt, bie il^n fo lenlt, 
mie ber äRenfd^ feine eigenen $anblungen lenlt. Slud^ ber« 
jenige erllärt bie äßelt antl^ropomorp^ifd^; ber ben @reig« 
niffen eine aOgemeine SSeltDernunft gu @runbe legt. Senn 
biefe allgemeine SBeltoernunft ift nic^td anbered ate bie 
ntenfd^Iid^e Sernunft, bie gur aDgemeinen gentad^lt n>itb. 
äSenn ©oetl^e fagt: ,,2)er äRenfd^ begreift niemals, roxt 
antl^ropomorpl^ifc^ er ift'^ fo benit er baran, bag in ben 
einfädelten 9[udfprüd)en, bie mit über bie Katur t^un, oer« 
ftedte Srntl^ropontorpieidmen enthalten ftnb. 9Benn mir 
fagen, ein Körper rollt weiter, loeil il^n ein anbeter ge« 
ftogen ^at, fo bilben mit eine fold^e SorfteHung oon unferem 
3(i| and. 9ßir ftogen einen Körper unb er roQt weiter. 
SBenn wir nun fegen, ba% eine jhtgel ft(^ gegen eine anbere 
bewegt, unb biefe bann weiter roQt, fo ftellen wir und oor, 
bie erfte l^abe bie gweite geftogen, analog ber ftogenben 
Sßirfotng, bie wir felbft ausüben. @mft ^aedel ftnbet, bad 
antl^ropomorpl^ifdee SDognta „oergleid^t bie 9BeItf(^öpfung 
unb SBeltregiaung ®otted mit ben S^unftfd^öpfungen eineiS 
finnreid^en Se(^nilerd ober äRafd^inen-SngenieurS unb mit 
ber StaatiSregierung etned weifen ^ext\d^eti^. @oit ber 
|>err ate ©d^opfer, @r^alter unb SRegierer ber SBelt wirb 
babei in feinem Senlen unb ^anbeln buti^an^ menfd^en« 
ai^nlid^ oorgefteSt.'^ Sd^eDing l^at ben 9Rut gu bem lonfe- 
quenteften SlntJ^ropomorpl^idmud gel^abt. (Sr erÜctrte gule^t 
ben äRenfd^en mit feinem gangen Sebendinl^alt gur ©otll^eit. 
Unb ba gu biefem fiebendinl^alt nid^t allein bad Vernünftige 
gei^ört, fonbern aud^ bal^ Unoernünftige, fo gatte er bie 
9RogIi(^Ieit, aud^ bad Unoernünftige innerl^alb ber SBelt 
gu erllären. @r mü^it gu biefem @nbe aQerbingd bie 
Sernunftanftd^t burd^ eine anbere ergöngen, bie ii^re DueQe 
nid^t im S)enlen ^at S)iefe, nad^ feiner äSeinung, l^öl^ere 
Slnftd^t, nannte er „poßtioe ^j^ilofopl^ie''. Sie „ift bie 



— 92 — 

eigentlid^e freie ^l^ilofopl^ie; toer fte nid^t toiQ; mag fit 
lajfett; id^ fteQe e» itbtm fcti, i^ fage nur, ba^, xotnn 
einer %. 9. ben mirllid^en Hergang, n)enn er eine freie SBelt* 
fd^öpfung u. f. xo. roitL, er biefeiS aDed nur auf beut SBege 
einer foldgen ^l^ilofopl^ie l^aben lann. 3ft i^nt bie rationale 
$^iIofopl^ie genug; unb verlangt er au^er biefer niditd, fo 
ntag er bei biefer bleiben, nur ntu§ er aufgeben, mit ber 
rationalen ^l^ilofopl^ie unb in il^r l^aben gu moQen, na» 
biefe in fid| fd^Iec^terbingiS nid^t l^aben lann, nämlid^ ben 
mirllid^en @ott unb ben mirllid^en Hergang unb ein freieiS 
Ser^ältnid ©ottei^ a^^^ 3SeIt''. 2)ie negatioe ^l^ilofopi^ie 
mirb „oorgugi^roeife bie $]^iIofopl^ie für bie @d^ule bleiben, 
bie pofitioe bie für bad Seben. Surc^ beibe gufammen 
mirb erft bie ooQftänbige SBeil^e gegeben fein, bie man 
oon ber ^l^ilofopl^ie gu oerlangen l^at. Selanntlid^ mürben 
bei btn eleuftnifd^en SSeil^en bie Ileinen unb bie großen 
SR^fterien unterf(i|ieben, bie Ileinen galten ate eine Sor« 
ftufe ber großen . . . Sie pofitioe $l^ibfop]^ie ift bie not- 
menbige t^olqt ber red^toerftanbenen negatioen^ unb fo lann 
man mol^I f agen : in ber negatioen $]^iIofopl^ie merben bie 
Ileinen, in ber pofttioen bie großen SK^fterien ber ^l^ibfopi^ie 
gefeiert". 

9Sirb bai^ Innenleben al» ba» ®6ttlid^e erllört, bann 
erfc^eint t& inlonfequent, bei einem £eil biefed Innenlebens 
ftel^en gu bleiben. ®d^elling i^at biefe SnlonfeQueu) nid^t 
begangen. 3n bem SugenblidCe, in btm er fagte : bie %atur 
erllären, ^eige bie %atur fd^affen, ^at er feiner ganjen 
fiebeniSanfc^auung bie Stid^tung gegeben. 3ft ba§ benlenbe 
8etrad^ten ber %atur eine SBieberl^oIung ibred @d^affend, fo 
mn% an^ ber ©runbd^aralter biefed ©d^affend bem bt» 
menfd^Iid^en £^uni^ entfpred^en; er mug ein Stlt ber gfreil^eit, 
nid^t ein fold^er geometrifd^er %otmenbigIeit fein. (Sin freieiS 
@d^affen lonnen mir aber aud^ nid^t burd^ ®efe^e ber 
Sernunft erlennen; t& mu% fid^ burd^ ein an bereit äKittel 
offenbaren. 



— 93 — 

2)ie tnenfillid^e Sinjelperfönlic^Ieit lebt in betn gdtt« 
Itd^en Urioefen unb burdi biefeiS; bennoc^ ift fie im 9e- 
fi^e il^rer voütn f^rei^eit unb Selbftdnbigleä. Stefe Sor« 
fieüung bettaditete Sc^eOing ald eine ber »id^tigften inner« 
l^alb feiner Sßeltanf^auung. Segen biefer SorfteOung 
glaubte er in feiner ibealiftifc^en Sbeenrid^tung einen 
gfortfc^ritt gegenüber frül^eren Snfd^auungen erbliden ju 
bürfen; rotü biefe baburd^^ ba% fie ba9 Singelmefen in (Sott 
gegrünbet fein liegen^ t& and) ganj aDein burd^ biefen 
beftimmt bad^itn, i^m alfo ^rei^eit unb Selbftönbigleit 
raubten. „"S^enn bid gut Sntbecfung bt& SbealiiSmud fel^It 
ber eigentlid^e Segriff ber t^reigeit in oQen neueren 
®9ftemen, im fieibnigifd^en fo gut mie im ©pinogifd^en; 
unb eine f^rei^eit, mie fie ciele oon uniS geballt l^aben, 
bie fid^ nod^ ba^u bed lebenbigften ®efül^te berfelben 
rül^men^ monadi fie ndmlid^ in ber blogen ^errfc^aft bed 
intelligenten $ringipd über ba^ finnlidie unb bie Segierben 
beftel^t, eine fold^e gfreil^eit liege fid^ nid^t gur %ot, fonbem 
gang leidet unb fogar beftimmter aud^ an^ btm Spinoga 
nod^ l^erleiten''. @in äSann, ber nur an eine folc^e fjfrei« 
l^eit baä^U unb ber mit «^ilfe oon ©ebanlen, bie btm 
©pinogiiSmud entlel^nt maren, bie Serfo^nung bed religiofen 
Semugtfeind mit ber benlenben SSeltbetrac^tung, ber Sl^eo« 
bgie mit ber ^l^ilofopl^ie, l^erbeigufül^ren fud^te, mar 
@dE|eQingd 3^i^9^Mfc t^xitbtxd) S)aniel (Srnft Schleier« 
mad^er (1768—1834). 6r l&at in feinen ^Sieben über 
bit S^eligion, an bie ®ebilbeten unter il^ren Seräd^tem" 
(1799) ben @a^ auiSgefprodien : «,Dpfert mit mir el^r« 
erbietig ben äRanen bed l^eiligen, Derfloffenen Spinoga! 
3|in burd^brang ber ^o^t äSeltgeift, baiS Unenblic^e mar 
fein 9(nfang unb fein @nbe^ ba» UniDerfum feine eingige 
unb emige £iebe; in l^eiltger Unfd^ulb unb tiefer 3)emut 
fpiegelte er fid^ in ber emigen SBelt unb fal^ gu, mie auä^ 
er il^r liebeniSmürbigfter Spiegel mar/ S^reil^eit ift für 
@d^Ieiermad^er nid^t bie gäl^igleit eined äSefeniS, fidEi 9lid^- 
tung unb 3id feinej^ SebeniS felbft, in t)9IIiger Unabl^ängig« 
leit; porgufe^en. @ie ift il^m nur ^.SluiSfid^felbftentmidelung''. 



— 94 — 

$I6er ein äßefen lann ftd) fel^r mo^l an^ ftd^ felbft ent> 
toideln, unb eiS !ann bod^ unfrei in einem l^öl^eren Sinne 
fein. SBenn baS Urroefen ber SBcIt in bie einzelne 3nbi» 
Dibualität einen ganj beftimmten ^eim gelegt f^at, ben biefe 
pr (Sntmidfelung bringt, bann ift il^r ber SBeg ganj genau 
Dorgegeid^net, ben fie gu ge^en f)ai; unb bennod^ ent« 
roidelt fie fid^ nur au3 ftdti felbft, 6ine folc^e grei^eit, 
wie fie ©d^Ieiemtadier beult, ift alfo in einer notmenbigen 
SBeltorbnung, in ber adeS mit matlö^matifd^cr Stotroenbig" 
feit fid^ obfpielt, ganj gut ben!bar. S)eS]&aIb lann er 
aud| fagen: „tSxtxf)txt gcl^t ba^er, fo meü aU ba^ Seben . . . 
au(^ bie $flanje l)ai i^re greiJ^cit". SBeil ©d^Ieier« 
tnad^cr bie fjreil^eit nur in biefem @inne !annte, beöl^alb 
lonnte er aud^ ben Urfprung ber Sieligion in beut un« 
freieften ©efü^I fudfien, in bem ber ^fd^Ied^tl^innigen 
abl&ängigleit^ ®er SKenfd^ fü^lt, bai er fein ©afein 
auf ein anbereö SBefen, auf ®ott, begiel&en ntufe. 3n biefem 
Oefü^Ic murgelt fein religiöfej^ Semufetfein. Sin ©efül^I 
ate fold^ei^ ift immer ettoa^, baB fid^ an ein anberei^ 
Inüpfen mufe. ®§ l^at nur ein ®afein au^ gmeiter §anb. 
®er ©ebanle, bie 3bec l^aben eine fold^ felbftänbige 
Sjifteng, ba% ©d^eUing oon il^nen fagen fann: ;,@o merben 
bie ©ebanlen mol^l üon ber Seele ergeugt; aber ber er* 
geugte Oebanle ift eine unabl&ängige 2Rac^t, für fid^ fort« 
roirlenb, ja in ber mcufd^lid^en Seele fo anmarf)fenb, bafe 
er feine eigene STOutter begmingt unb fid^ unter roirft/ SBer 
bal^er ba^ göttlid^c Urmefen in ®ebanhn gu erfajfen fuij^t, 
ber nimmt eS in fid^ auf, unb l^at cS afe felbftänbige 
äRad^t in fid^. Sin biefe felbftänbige SKad^t lann fid) bann 
ein ©cfü^l anfdjliegen, mie fid^ an bie SSorfteDung eines 
fc^önen ffunftmericö ein ©efül&l ber Sefriebigung anfd^liefet. 
©d£|leiermad6er roitt fxä) aber nid^t beS ©egenftanbeS ber 
Sieligion bemäd^tigen, fonbcrn nur beö ©efül&leö. @r 
lägt ben ©egenftanb, ©Ott, felbft oßllig unbeftimmt. S)er 
äRenfd) fü^lt fid) abl^ängig; aber er lennt bai^ 3Sefen nid^t, 
oon bem er abhängig ift. SlDe Segriffe, bie mir unö oon 
ber ©ottl^eit bilben, entfpred^en bem l^ol^en äSefen berfelben 



— 95 — 

nid^t. S)eiS^Ql6 oermetbet ed aud^ Sd^Ieiermad^er auf 
irgenb meldet beftimtnte Segriffe ühtt bie ®oii^tit einju- 
gelten. S)ie unbeftimmtefie^ leerfte äSorfieüung ift il^m bie 
Itebfie. „@d mar SReltgion^ toenn bie 9(ben — j[ebe eigen« 
tümlid^e S(rt bei» SebeniS burc^ bie gange 9Belt ^in ald 
bad SSerl einer ®oii^tii anfa^n; fte Italien bie eigentüm» 
lid^e Cx^nblungi^meife bed Unioerfumd ald ein beftimmted 
©e'fül^I aufgenommen unb bezeichneten fie fo." 3)edl^alb 
fann man and) leine redete ^reube l^aben über bie fein« 
finnigen äßorte, bie ®d^Ieiermad^er über bad SBefen ber 
Unfterblid^!eii gefagt ^at ^S)aiS 3^^^ ^^^ ^^ S^aralter 
eineiS religiöfen Liebend ift nic^t jene Unfterblidileit auger 
ber 3cit unb i^inter ber '^tii, ober oielmel^r nur nad^ 
biefcr 3^ü/ 06^^ i>^^ iw ^^^ S^^K fonbern bie Unftcrblidf)- 
leit^ bie mir fc^on in biefem seitlichen Seben unmittelbar 
l^aben fonnen, unb bie eine Slufgabe ift, in bereu Söfung 
mir immerfort begriffen finb. 9Ritten in ber Snblid^feit 
Sind merben mit btm Unenblic^en unb emig fein in jebem 
augenblidt, ba» ift bie Unfterblid^feit ber Stcligion." ^äiic 
Sd^eüing ba^ gefagt, fo lönnte man bamit eine beftimmte 
SorfteHung oerfnüpfen. (&^ f)xe%e bann, ber 9Kenfd^ erzeugt 
in ftc^ ben ©ebanlen ®otted. 2)ied ift nidjtd anbereiS aU 
ein (Srinnern ©ottejg felbft an fein eigenes SBefen. SDaS 
UnenblidEie lebt alfo im ®otte$gebanIen bed ®xn^tU 
mefcnS auf. ®ö ift in bem Snblid^en gegenroärtig. Siefeö 
nimmt bal^er felbft an ber Unenblid^Ieit teil. Sa eS aber 
Sd^Ieiermac^er fagt, bleibt ed oöllig im 92ebcl^aften fteden. 
@0 bxMt ba^ bloge bunÜe @efül^I an&, ba^ mir oon 
einem Unenbltd^en abhängig finb. @d ift ber S^l^eologe in 
(Sd^Ieiermad^er, ber il^n l^inbert, gu beftimmten Sor> 
fteQungen über ba» Urmefen ber äßelt fortgufdireiten. @r 
möd^te bie Sleligiofität, bie Qfrommigleit auf eine ^öl^ere 
Stufe lieben. S)enn er ift eine ^erfönlicf)leit oon fcüener 
©emütötiefe. ®aö religiofe ©efül^I foH ein mürbigeö fein. 
SlDed^ maiS er über biefeiS ©efü^I fagt^ ift oon oornel^mer 
8lrt. 6r l^at bie über alle Sd^ranlcn be§ .^crfommenö 
nnb ber gefeUfd^aftlid^en SSegriffe ^inauiSgreifenbe, rein aud 



— 96 — 

btt eigenen äSiUIür geborene Ttoxal Derieibtgt, bie in 
©d^Iegefe „ßucinbe'' l&errfc^l; er burfte tB, bcnn er war 
überzeugt ba% btt 9Renfd^ fromm fein lann, ani) menn 
er im @ittlid^en bad ©etoagtefte ooHbringt. ^@d giebt 
feine gefunbe ©mpfinbung, bie nid^t fromm mctre'', burfte 
er fagen. @r ^ai bie Sfrömmigleit oerftanben. SSai^ 
©oell^e in feinem fpäteren Sllter in bem ®tbxd)i ;,£riIogie 
ber ßeibcnfd^aft'' au^fprid^t: „3n unfrei? SufenS Steine 
mögt ein Streben, fid^ einem ^öl^ern, Steinen, Unbelannten 
auiS S)anlbarleit freiioiUig l^ingugeben, enträtfelnb fid^ ben 
emig Ungenannten; mir l^ci§en'§: fromm fein'': biefe^ 
©efül^I lannte @(^Ieiermad)er. ^eB^atb mußte er ba^ 
religiöfe ßcben gu fd^ilbern. ®en ©egenftanb ber §in» 
gäbe moDtc er nid)t erfcnnen. ^^n mag jebe Slrt oon 
S^eologic auf il^re SBeife beftimmcn. (Sin Sleid} ber 
Srömmigicit mottte ©d^Ieicrmad^er fd^affen, ba§ oon bem 
SBefen ber ©ott^eit unabpngig ift. 3n biefem ©inne ift 
er ein SSerföl&ncr be§ ©laubenS mit bem SBiffen. 



„3n ber neueften Qeii "^ai bie SHeligion immer mcl^r 
bie gebilbete SluSbcl&nung il&reg gnl^altiS ^ufammengegogen 
unb fid^ in baS Sntcnfioe ber grömmiglcit oberbeS ©e* 
fü^lB unb gmar oft einc0 fold^en, ba^ einen fei&r bürf:» 
tigcn unb lallen ©el&alt manifcftiert, gurüdtgegogen.'' ®o 
fd&rieb §egel in bem SSorroort jur groeitcn äuSgabe feiner 
^encpllopäbie ber pl^ilofopl&tfd^en SSiffenfd^aften'' (1827); 
unb er ful^r fort: ;,@o lange fie ein Srebo, eine Sel&re, 
eine ©ogmatil l&at, fo l^at fie ba2, mit bem bie $öiIo- 
fopl^ie fidt) befd^äftigen unb in bem biefe mit ber 9leIigion 
fxi) oereinigen lann. 2)ieö ift jebod^ mieber nid^t nad^ 
bem trennenben fd&Ied^ten SJcrftanbe gu nel&mcn, in bem bie 
moberne SReligiofität befangen ift, unb nadt) melc^em fie 
beibe fo oorfteHt, ba% bie eine bie anbere auj^fd^Iöffe, ober 
fie überl&aupt fo trennbar feien, ba% fie fid& bonn nur oon 
aufeen i^er oerbinbcn. SSielmel&r liegt aud^ in bem 33iö- 



— 97 — 

l^ertgen, bog bte Steligion tool^I ol^ne $^iIofop^i^ ober bie 
^^ilofop^ie nid^t o^ne Steligton fein lonn, fonbern biefe 
Dieltnelgr in [xi^ fd^Iiegt. Sie toa^x^afit Steligion, bie 9te- 
ligion bed ©eified; xmi ein ^ol(S)t9, einen ^n^ali, ^aitn; 
btt ®eifi ift wefentlid^ Seoufttfein^ fomit oon bem gegen« 
fiänblidi gentad^ten Snl^olt; ald ®efül^I ift er ber un« 
gegenftänblid)e Sn^alt felbft unb nur bie niebrigfte 
@tufe bed ä9en)uBtfeind, ja in ber mit btm Xiere gemein« 
fd^aftlid^en gform ber (Seele. S)Qd 2)enlen mac^t bie 
@eele, momtt and) bad 2^ier begabt ift, erft jum @eifte, 
unb bie ^l^ilofopl^ie ift nur ein Semugtfein über jenen 
^n^ali, ben ®eift unb feine Sßal^rl^eit, aud^ in ber ©eftalt 
unb SSeife jener feiner, il^n uom 2^ier unterfd^eibenben 
unb ber 9ieIigion faltig madienben äßefenl^eit.^ 
Sie gan^e geifttge ^l^^fiognomie ®eorg SBill^elm 
fjfricbrid^ ^tQtl» (1770—1831) fteDt fid& uor unfcren 
®eift l^in, menn mir fold^e SBorte von il^m uerne^men, 
burd^ bie er Ilar unb fd^arf audbrüdfen moOte, ba% er int 
Senlen bie l^öd^fte Zf^äti^teii bed 9Senfd^en fielet, bie« 
jenige, burd^ bie biefer allein eine Stellung %u ben oberften 
f^ragen geminnen lann. Sod t)on @d^Ieiermad^er für ben 
@dböpfer ber gfrommigleit angefel^ene ©efül^I ber Slbl^ängig« 
leit erllorte $)egel für ba» ed^t tierifdEie; unb er äußerte 
parabo;: menn bied Slbl^ängigleiti^gefül^I ba» SBefen bt» 
@]^riftentumiS auiSmad^en follte, fo märe ber ^unb ber befte 
@]^rift. $)egel ift eine $erf()nlid)leit, bie gang im SIemente 
bt2 Senlend lebt. ;,SßeiI ber SReufd^ benlenb ift, mirb ed 
ebenfo menig ber gefunbe äRenfd^enoerftanb ate bie^l^ilo« 
fopl^ie ftd^ je nel^men laffen, uon unb an» btt empirifc^en 
SSeltanfd^auung fid^ 3U ®ott gu erlgeben. SiefeiS @rl^eben 
l^at nid^td anbereiS gu feiner ®runblage, als bie ben« 
lenbe, nid^t blog finnlid^e, tierifd^e ä3etradE|tung 
ber äSelt.'' SBaiS fid^ burd^ Senlen geminnen lägt, ba^ 
maä^i $egel aum Snl^alt ber 9SeItanfd^auung. Senn xoaS 
ber 9Renfd^ auf einem anbern SSege cd» burd^ ba» Senlen 
geminnt, baB lann ni(^til anbereiS ate eine Sorftufe p 
einer äS^ltanfd^auung fein. ,,Sai$ @r lieben bt» Senlend 

Steiner, flStlU unb Se^enSaufd^auuitgen. 7 



— 98 — 

über ba» Sinnlic^e^ ba» ^inauiSgel^en bedfelben über ba» 
Snblid^e gutn Unenblid^en, ber Sprung^ ber mit 91b« 
bre(i^ung ber Stetigen bt& Sinnlichen ind Uberftnnlid^e ge« 
mai)t Wieb, aUt» biefei^ ift ba» S)enlen felbft, bieiS Über« 
gelten ift nur S!)en!en. 9Benn fold^er Übergang ni(f)t 
gentad^t n)erben foD; fo l^eigt bied^ ed foQ nid^t gebadet 
werben. 3n ber Zf^ai mad^en bie 2:iere fold^eu Sprung 
nic^t; fie bleiben bei ber ftnnlid^en @mpfinbung unb 9ln« 
fd^auung ftel^en; fie l^aben bedroegen leine Steligion/^ 'Sa^ 
ber äKenfd^ burd^ ba» 2)enlen ben 2)tn9en entloden lann^ 
ift alfo ba» l^öd^fte^ xoa» in biefen für i^n ba ift. S)tefei? 
lann er bal^er nur il^r äSefen nennen. 2)er ®ebanle ift 
alfo für ^egel bal^ SBefen ber 2)inge. 3(QeiS ftnnlid^e äSor« 
fteüeu; aüe^ wiffenfc^aftlid^e Seobad^ten ber 9BeIt unb il^rer 
Sorgönge lommt gule^t barauf l^inaud, bai fid^ ber üRenfc^ 
®ebanlen über ben S^f^i^^^it^^^ng ber 2)inge ntad^t. 
$egete Arbeit fe^t nun ba ein, wo ftnnlidjeiS SorfteHen^ 
totffenfc^ aftlid^eö Seobad)ten an fein ^id gelangt ift — beim 
®ebanlen. 2)er miffenfi^oftlid^e Seobad^ter betrachtet bie 
%atur; $egel betrad^tet badjenige, maS ber miffenfd^aft« 
Iid)e Seobad^ter über bie %atur audfagt. S)ex erftere fud^t 
bnxd) fein miffenfd^aftlid^eiS äSerfal^ren bie äßannigfaligleit 
ber 92aturerfd^einungen auf eine @in^eit gurüdfgufül^ren; er 
erllört ben einen äSorgang au^ bem anbern; er ftrebt 
nad^ Orbnung, nadg organifdger ÜberfidE|t über ba§ ©ange^ 
ba» fii) feinen Sinnen al2 eine ungeorbnete SSiel^eit bar« 
bietet, ^egel fud^t in ben Slefultaten bei? 9iaturforfd)erS 
Drbnung unb l^armonifdie Übcrfid^t. Sr fügt gu ber SBiffen« 
fd^aft ber %atur bie SE3tffenfd)aft ber @ebanlen über bie 
%atur Igingu. 9lIIe ©ebanlen, bie man fid^ über bie SBelt 
mad^t, bilben naturgemäß ein ein^eitlid^eS ®anie§, mit bie 
%atur anä) ein einl^eitlic^ei^ @angei^ ift. S)er miffenfc^aftlid^e 
9eobad)ter geminnt feine @ebanlen an ben einzelnen 
Singen; beiSl^alb treten fte gunäd^ft and) in feinem ©eifte 
ate eingelne auf, einer neben bem anbern, Setrad^ten »ir 
fte fo nebeneinanber, fo fd^Iiegen fie fid^ gu einem ©angen 
gufammen^ innerl^alb beffen jeber (Singeine ein ©lieb ift. 



— 99 — 

2)tefeiS ©ange ber ©ebanlen toill bie $l^tIofopl^ie $egeld 
fein. @o toenig ber ^aturforfd^er, ber bie ®efe^e bed 
©ternenl^imtnete feftfteQen tDtD^ glaubt^ ba^ er aud biefen 
©efe^en ^tian» ben ®lernenl^immel aufbauen lann; fo 
wenig glaubt ^egel, ber bie gefe^mö§igen 3ufamntenl^änge 
innerl^alb ber ©ebanlenmelt fuc^t, bai er aud ben ®e- 
banlen l^erauiS irgenb n^eld^e naiunDiffenfd^aftlid^e ^efe^e 
finben Irinnen bie nur burd^ erfal^rungdgemäged Seobad^ten 
feftgefieQt werben lönnen. 9Bad immer mieber bel^auptet 
mirb, $egel l^abe aud btm reinen Senlen bie DoQe unb 
unbef darauf te SrIenntniiS bt» äBeltgangen f(i^6pfen xDoUtn, 
beruht auf nid^ld weiter, ate auf einem naioen äRi^* 
DerftänbniiS feiner Slnfd^auung. @r ^ai boi) beutlid^ genug 
gefagt: „^a», waB ift, gu begreifen ift bie Aufgabe ber 
^bilofopl^ie; benn roaiS Dernünftig ift, ba» ift mirllid), waS 
mirüid^ ift, ba& ift i^ernünftig. SJenn bie $]^iIofop]^ie 
il^r @rau in ®rau malt, bann ift eine ®eftalt bed 
Sebeni^ alt geworben; bie @ule ber ältinerna be- 
ginnt erft in ber einbred^enben Sommerung i^ren 
5lug.'' Sad l^eigt bod^ mo^l nid^td anbereS, ate ba% 
bie tJ^atfäd^Iid^en (Srienntniffe fdjon ba fein muffen, wenn 
ber £)enler lommt, unb fie Don feinem ©eftd^ti^punfte au^ 
beIeudE)tet. 9ßan verlange nur nid^t oon ^egel, ba% er 
neue %aiurgefe^e au» btm reinen 2)enlen l^ätte ableiten 
foQen; benn ba» wollte er burd^auiS nid^t. %ein, er wollte 
nid^tiS anbere^, ate über bie ®umme ber %aturgefe^e, bie 
gu feiner 3cit oorl&anben woren, ein p^ilofopl^ifd^eö ßid^t 
werfen. 93on bem %aturforfc^er oerlangt ntemanb, ba% 
er ben ©terncnl&immel fd^affe, obgleid^ er über il^n feine 
f^orfd^ungen anfteQt; ^egete Slnfid^ten werben für unfrud)tbar 
erllärt, weil er, ber über ben 3wfötnmen]&ang ber 3iatur- 
gefe^e nad^gebad^t l^at, nid^t gugleid) biefe %aturgefe^e ge« 
fc^affen l&at. 

SBogu ber 9Kcnfd& gulefet lommt, tnbcm er fid& in bie 
Singe oertteft, ba» ift il^r 3Sefen. @d liegt il^nen gu 
®runbe. "Sa», wa» ber 3Kenfd^ al» feine pd^ften @rlennt« 
niffe aufnimmt, ift gugleid^ ba» tieffte SBefcn ber Singe. 

7* 



— 100 — 

S)er im ÜDtenfd^en erfd^einenbe ®tbanU ift alfo and) btt 
objieliioe ©el^alt ber SBelt. 3Ran lann f agen : . bet ®e« 
banle ift guerft in ber äSelt auf eine unben>ugte SBeife; 
bann n)irb er oon bent menfd^Iid^en ®eifte aufgenommen; 
er erfd^eint fid^ felbft in bem menfd^Iid^en (Seifte. ®o mie 
ber SRenfd^, menn er benSIid in bie %atur richtet, jule^t 
btn (Sebanlen ftnbet, ber il^m beren @rfd^einungen begreif« 
Ii(i^ maä)t, fo finbet er, menn er Sinlel^r l^ält in ftd^ felbft, 
aud^ l^ier gule^t ben ©ebanlen. 3Sie ba» Sßefen ber %atur 
bie ©ebanten ftnb, fo ift aud^ bt^ 9Renfd^en eigeneiS äBefen 
®ebanle. 3m menfdilid^en @elbftben)u|tfein ^ä^ani ftd) 
alfo ber ®ebanle felbfl an. Sie äßefenl^eit ber Sßdt 
lommt gu [xd) felbft. 3n ben anbern %aturgefd^öpfen ar> 
beitet ber @ebanle; feine äBirIfamleit ift nid^t auf ftd^ 
felbft, fonbern auf anbereiS gerid^tet. 2)ie %atur entl^olt 
bal^er ben ©cbanlen; aber im benicnbcn 3Benfd&cn ift ber 
®ebanle nid^t nur entl^alten, er mirlt nid^t nur; fonbern 
er ift auf fid^ felbft gerid^tet. 3n ber äugeren %atur lebt 
fid^ ber ©ebanic jmar aud£| auö, aber er fliegt ba in ein 
SSnbereS auö; im SRenfdien lebt er in fid^ felbft. So er* 
fc^eint für $egel ber gange äBeltprogeg ate ein ®ebanlen« 
progeg. Unb aQe äSorgönge biefei^ ^rogeffeiS fteQen fid^ bar 
als SSorftuf en gu bem pd^ften @reigniffe, ba» ed giebt : gu 
bem bcnlenben Srfaffen beö ©cbanlenö felbft. S)iefe« ®r« 
eigniiS fpielt fid^ im menfc^Uc^en ©elbftbemugtfein ab. 
S)er ®ebanle arbeitet fid) alfo fortfd^reitenb ^inburd^ 
hxi^ gu feiner l^öd&ftcn Srfd^einungSform, in ber er ftd^ felbft 
begreift. 

93enn man fomit irgenb ein S)ing ber Sßirllid^Ieit, 
einen SSorgang anblidCt, fo mirb man immer eine beftimmte 
SntmidelungiSform bed ®ebanfeniS in biefem 2)inge ober 
Sorgange fel&cn. Ser 8Beltproge§ ift fortfd^reitenbe ®e« 
banlenentmidfelung. Singer ber pd^ften @tufe biefer @nt« 
midCelung entl^alten ade anberen @tabien einen äBiberfprud^. 
@d ift ®ebanle in il^nen, aber er l^at mel^r in fid^, 
ate er in einem fold^en niebrigen @tabium auiSgiebt. @r 
übenoinbet bal^er biefe feine miberfprud^iSooDe Srfc^einungd« 



— 101 — 

form itnb etil )u einer l^Sl^eren, bie i^m mtix entfprid^L 
SiS ift alfo ber Siberfprud^^ ber bie ®ebanIeneittoidelttnQ 
vexwäti» treibt SBenn ber Xoturbeobad^ter bie S)inge 
benlenb beobad^tet, fo bilbei er ftd^ bal^er in {td^ »iber« 
fprudgiSüoIIe Segriffe oon benfelben. SBenn bann ber pl^ilo« 
fopl^ifti^e S)enler biefe aM ber ^taturbeobad^tung geiDonnenen 
®eban{en aufgreift^ fo ftnbet er in il^nen miberfprud^iB* 
ooKe ibeeQe ®ebilbe. Slber biefer Siberfprud^ ift ei9 gerabe^ 
ber t9 il^m ntdglid^ mad^i, and ben einzelnen ®ebanlen 
ein gongeiS ®ebanlengebäube }u mod^en. (St fud^t baiB in 
einem ®eban!en auf, wa9 miberfprud^iSooII ift. Unb t» ift 
miberfprnd^i^ooll, meil ber ®ebanle auf eine l^ol^ere Stufe 
feiner (SntmidFelung meift. 2)urdg ben in il^m entl^altenen 
SBiberfprud^ beutet alfo jeber ®ebanle auf einen anbem, 
auf ben er im Saufe ber SntmidCelung jueili @o lann 
ber $]^iIofop]^ iü bem einfadgften ®ebanlen beginnen, ber 
gang leer ift an Snl^alt, bei bem abftralten @ein. (Sr 
mirb burdEi ben in biefem ®ebanlen felbjft liegenben SBiber- 
fprud^ aud i^m l^erauiSgetrieben }u einer l^öl^eren unb 
meniger miberfprud^dooSen Stufe, unb bann meiter, biiS 
er bei bem pd^ften ®tabium anlangt, bei bem in fic^ 
felbft lebenben ®ebanlen, meld^eiS bie l^öi^fte äugerung bed 
®eifteiS ift. 

$egel l^at alfo ben menfd^lic^en ®eift bei feiner 
^od^ften 2^l|ätigleit, btm 2)enlen, ergriffen, unb bann )u 
geigen oerfud^t, meldten ®inn innerl^alb bed SBeltganjen 
biefe l^öd^fte S^ätigleil l^at. @ie fteEt baiS @reignii$ bar^ 
in bem ba» in bie gange Sßelt auiSgegoffene Urmefen ftd^ 
mieber ftnbet. 2)ie pd^ften SSerrid^tungen, burd^ bie biefed 
SBieberfinben gefd^iel^t, finb jhinft, Steligion unb $l^iIo« 
fopl^ie. 3n btm Xaturmerle ift ber ®ebanle oorl^anben; 
aber er ift fid^ l^ier felbft entfrembet; er erfd^eint nic^t in 
feiner ureigenen ®eftalt äBenn man einen mirllid^en 2öwtn 
anfielet, fo ift biefer ja nid^td anbered dl» bie Serlörperung 
beiS ®ebanleni$ „Simt''; aber t» |anbelt ftd^ l^ier nid^t um 
ben ®ebanlen bt^ Somen, fonbern um ba§ lorperl^afie 
SBefen; biefeiS Sßefen felbft gel^t ber ®ebanle nid^td an. 



— 102 — 

(Srft^ toenn ii) eiS begreifen iptll^ fud^e i^ btn ®ebanlen. 
@in StunfliDeri!; bad einen üörotn barfteQt, ixä^i, ma^ id^ 
an btm n)ir!Ii(f|en SSefen nur begreifen lann, äugerltd^ an 
fxi), S)aiS ßörperl^afte ift nur ba, um bm ®ebanlen an 
jtd^ erfd^einen gu laffen. S)er 9Renfc^ erfd^afft jhtnfhoerle, 
bamit er ba», ma» er fonft an ben 2)ingen nur in ®t» 
banlen erfaßt, aud^ in clugerer 9(nfd^auung Dor fid^ J^at, 
2)er ©ebanle lann ftd^ in SBirllid^Ieit; in feiner il^nt 
eigenen ®efialt^ nur im menfc^Iid^en ©eJObflbemu^tfein er« 
fd^einen. SBad in SBirllid^Ieit nur l^ier erfd^eint, bai^ 
prägt ber 9Renfd^ bem finnlid^en Stoffe ein, bamit t» fd^ein^* 
bar au^ an il^m erfd^eine. Site ©oetlge t)or ben jhtnft* 
mtdtn ber ©riechen ftanb, bröngte ed il^n gu beut Hui^* 
fprud^e: ba ift %otn)enbigIeit, ba ift ®ott. 3n ^egete 
©prac^e^ in ber ®ott ber ®ebanlengel^alt ber äSelt ift, ber 
fidd im menfc^Iid^en @eIbftbemuBtfein felbft begreift, mürbe 
baiS l^eigen: S(ud ben Sunftmerlen bliden uniS bie pc^ften 
Offenbarungen ber 9SeIt entgegen, bie uniS in SBirIIid)Ieit 
nur innerl^alb unfereiS eigenen ®eiftei^ gu teil merben. 
S)ie ^l^ilofopl^ie entl^cilt ben ®ebanlen in feiner gang reinen 
3form, in feiner ureigenften ©efenl^eit. 3)ie l^öd^fte Sr* 
fd^einungdform, meldte ba» göttlid^e Urmefen, bie ®ebanlen« 
melt, annel^men lann, ift in ber ^l^ilofopl^ie entl^alten. 3m 
®inne $egete lann man fagen: göttlid^, b. i. gebanlen« 
erfüEt ift bie gange Sßelt, aber in ber $]^iIofop]^ie er« 
fc^eint ba» ©öttlic^e gang unmittelbar in feiner ®ott« 
Ii(^Ieit, mäl^renb t» in anberen @rfd^einungen bie ®e« 
ftalten bt» Ungottlid^en annimmt. S^i\^^^ bei Jtunft 
unb ber ^l^ilofopl^ie ftelgt bie Steligion. S)er ®e« 
banle lebt in il^r noc^ nid^t al» reiner ®ebanle, fonbern 
im Silbe, im Symbol S)ai9 ift aud^ bei ber Jhtnft ber 
SfaH; aber bei il^r ift ba» 9ilb ein fold^ed, baiS ber 
äußeren Slnfd^auung entlel^nt ift; bie Silber ber Steligion 
ftnb uergeiftigt. 

3u biefen pd^ften (Srfd^einungiSformen bed ®ebanfeniS 
Derl^aUen ftd^ aUt anbem menfd^Iid^en Sebendäu§erungen 
mie unDoOIommene Sorftufen. ^u» fold^en Sorftufen fe|t 



— 103 — 

{td^ ba§ ganje q^d^ii)üxä)e Sthtn ber äRenfdgl^eit gufotnmen. 
SBer ballet ben äußeren Hergang ber l^iftorifd^en Srfd^einungen 
Derfolgt, iDtrb man^ti^ finben^ bad bem reinen ©ebanlen, 
ber ©egenftanb ber Sernunft x% ni^i entfprti^t. SSer aber 
tiefer Midi; mirb fe^en^ bog in ber gefd^id^tlidgen ^U 
roidelung boi) ber oernünfiige ®ebanle ftdg oertoirllid^t. 
@r oenoirllid^t fid^ nur auf eine tixi, bie in il^rer unmittd* 
baren $u§erlid^leit ungottlid^ erfd^eint. 9Ran lann bal^er 
im gangen bod^ fagen: «Sdied 9Bir!Iid^e ift ver- 
nünftig". Unb gerabe barauf lomntt t» an, ba% fid^ im 
(Sangen ber ©efd^id^te ber ®ebanle, ber l^iftorif dge SBeltgeift 
oermirllic^e. 2)ad einzelne Snbioibuum ift nur ein Serl« 
geug gur Sermirllid^ung ber "^mtdt biefed SBeltgeifted. SSeil 
$>egel in bem ®ebanlen bad pd^fte SBefen ber SSelt 
erfennt, bedl^alb verlangt er aui) von bem 3nbit)ibuum, 
ba§ t» ftd^ btn allgemeinen, in ber SBeltentmidtelung 
maltenben ®ebanlen unterorbne. ^2)ieiS ftnb bie großen 
SRenfd^en in ber ©efd^id^te, beren eigentlid^e partünlare 
3me(fe ba» ®ubftantiene entJ^alten, meld^eiS ber ^iEe bt» 
SSeltgeifted ifi Siefer ®el^alt ift ilgre mal^rl^afte SRad^t; 
er ift in bem allgemeinen bemugtlofen 3nftin!t ber 9Renfd^en; 
fie ftnb innerlid^ bagu getrieben unb l^aben leine meitere 
Haltung, bem, meld^er bie 9(ui^fül^rung fold^en Qwtdt» in 
feinem Sntereffe übernommen l^at, SSiberftanb gu leiften. 
3)ie Söller fammeln fxd) Dielmel^r um fein $anier; er geigt 
il^nen unb fül^rt ba» an», roa» i^z eigener immanenter 
3n>edC ifi SBerfen mir meiter einen 9Iid( auf ba& Sd^idCfal 
biefer melt^iftorifd^en Snbiuibuen, fo l^aben fie bai^ ®Iüd 
gel^abt^ bie ©efc^äftdfül^rer eineiS 3^^^^^ 3" f^^^ ^^ ^^^ 
®tufe in btm gfortfd^reiten bt» allgemeinen ®eifteiS mar. 
3nbem ftd^ bie Semunft biefer SSerlgeuge bebient, tonnen 
mir t» eine Sift berfelbeu nenneU; benn fie Iä§t fte mit 
aller SBut ber fieibenfd^aft i^re eigenen QxDtdt DoHfü^ren, 
nnb ttf^&li ftd^ nic^t nur unbefd^öbigt, fonbern bringt fid§ 
felbft l^eroor. 2)ad $artifulare ift meifteni^ gu gering gegen 
ba» SlQgemeine: bie Snbioibuen merben geopfert unb preii9« 
gegeben. 2)ie Seltgefd^id^te ftellt fid^ fomit ab ber jtampf 



— 104 — 

bet Snbtpibnen vor, unb in bem Qfelbe biefer Sefonberl^eit 
gel^t ed gatt) natfirlid^ gu. SBie in ber tierifd^en Xatnr 
bie @rl^attung bt» Sebend 3^^<I unb SnfKnU bed Sinjelnen 
iß; mit aber bod^ l^ier bie Sernunft, bad 9Deemetne; not- 
l^errfc^t, unb bie @injelnen faQen, fo gel^t e& aud^ in ber 
geiftigen SSelt ju. Sie Seibenfd^afien gerftören ftd^ gegen- 
feitig ; bie Sernunft aQein mad^t, oerf olgt il^ren S^^^ ^^b 
ma^t ftd^ geltenb.'' S)er (Sinjelne lann nur in ber Se« 
trad^tung, in feinem 3)enlen ben SlUgeift umfaffen. %ur 
in ber SJeltbetrad^lung ift ®ott in ifym gang gegenwärtig. 
SBo ber 9Kenf(^ j^anbelt^ n)0 er ind tl^ätige Seben eingrei^, 
ba ifi er ein ®Iieb unb lann bedl^alb an^ nur aU ®Iieb an 
ber aQgenteinen Sernunft teilnel^men. SluiS f old^en ®ebanlen 
fliegt aud^ ^egete Staatdlel^re. fBtxt feinem Senlen ift 
ber SRenfc^ aOein; mit feinen ^^l^aten ift er ®Iieb ber 
®emeinfd^afi S)ie nernünftige Orbnung ber ®emetnfd^aft^ 
ber ®ebanle; ber [it burd^bringt^ ift ber Staat S)ie 
einzelne Snbioibualität ate fold^e ift für ^egel nur in 
fo meit ttmai^ xotxt, dl» in il^r bie aQgemeine Sernunft, 
ber ®ebanle erfd^eint 2)enn ber ®ebanle ift bali SBefen 
ber Singe. Sin %aturprobuIt l^at ed nid^t in feiner 3ltaä)t, 
ben ®ebanlen in ftd) in feiner l^öc^ften liotm erfd^einen 
gu laffen; ber 9Renfd^ l^at biefe äRad^t. @r mirb bal^er 
nur feine SSeftimmung erreid^en, menn er ftc^ jum Sröger 
beiS ®ebanleni9 mad^t. Sa ber ^taat ber realifierte ®ebanle 
ift; unb ber einzelne SRenfd^ nur ein ®Iieb innerl^alb 
bedfelbeU; fo l^at ber 9Kenfc^ bem ®iaait unb nid^t ber 
Staat bem SRenfc^en ju bienen. ^SBenn ber Staat mit 
ber bürgerlid^en ®efeQfd^aft nermec^felt unb feine Seftimmun;) 
in bie Sic^erl^eit unb ben ®d^u^ bt& @igentumiS unb ber 
perfönlid^en ^reil^eit gefegt mirb; fo ift bad Sntereffe ber 
Singeinen aü fold^er ber le^te Qxotd, gu melc^em fie vereinigt 
finb; unb ed folgt l^ierauiS ebenfO; ba% t» ttwa» Seliebiged 
ift, 9RitgIieb beS Staatt» gu fein. 6r i^at aber ein gang 
anbereiS Serl^&Itnid gum Snbioibuum; inbem er obje!tioer 
®eift ift; fo l^at ba» Snbioibuum fdbft nur Obieltioität; 
aSal^rl^eit unb ®ittlid^leit; aU ed ein ®Iieb beiSfdben ift. 



— 106 — 

SHe Sereinigung ate fold^e ift fettft ber ma^t^a^it Sni^olt 
uttb ^wtd, unb bie SefKmmnng bec Snbioibuen x% ein 
aflgemeinei^ Seben gn fül^ren; il^re meiiere befonbere S9e* 
friebigung, 2;^&tigleit unb SBeife bed ^tt^aütn» J^ai bie0 
@ubftanUeIIe unb aOgemein ®ültige gu feinem 8(udgangiS» 
pnnlte unb Stefultate/ SBie ftel^t t9 mit ber greil^eit 
innerl^alb einer foI(^en Sebendauffaffung? 3)en Segriff oon 
Sfreil^eit, meli^er ber eingelnen menfd^Iid^en ^erfönlid^Ieit 
ein unbebingted SRed^t guerlennt^ ba» Qitl unb bie S9e« 
ftimmung il^rer Z^ätigitii fid^ felbft )U fe^en, Iä§t $egel 
nid^t gelten. 2)enn maiS foflte ei$ für einen Siert l^abeU;. 
menn biefe eingelne ^erfönlid^Ieit il^r ^xd nid^t aud ber 
oemünftigen ®ebanlenmelt näl^me, fonbern ftd^ nac^ nöüiger 
SBiDIür entfd^iebe? ^a» roäte, nad^ feiner 9Reinung^ gerabr 
bie Unfreil^eit. Sin foId^eiS Snbioibuum entfpräd^e nid^l 
feinem SBefen; ed märe unDoUIommen. @in noülommened 
Snbimbuum lann nur fein Sßefen nermirllid^en moOen; 
unb ba» Sermogcn^ bied }u tl^un^ ift feine gfreil^eit. Siefei» 
fein SSefen ift aber oerlorpert im Staate, ^anbelt ber 
9Renfd^ im ©inne beiS ®iaaiti^, fo ^anbelt er bemnad^ frei 
v3)er @taat, an unb für fid^, ift ba» ftttlid^e ®anje, Ser«^ 
mirSid^ung ber Steilheit, unb ed ift abfoluter S^'edE ber 
Semunft^ ba% bie gfreil^ei) mixJLxd) fei. 2)er ®iaai ift ber 
@eift, ber in ber SSeU ftel^t unb fxä) in berfelben mit 
9emu§tfein realiftert, mäl^renb er fid^ in ber Statur nur 
ald ba» Rubere feiner^ ate fc^Iafenber ®eift Dermirllid^t. . . 
(S» ift ber ®ang ®otted in ber SBelt, bQ% ber ®iaat ift; 
fein ®runb ift bie ®emalt ber ft(^ ald SBiQe nerroirllid^enben 
Sernunft." $egel lommt t» nirgenbi» auf bie 3)inge ate^ 
fDld^e, fonbern ftetd auf btit uernünftigen, gebanllid^en 
Snl^alt berfelben an. Sßie er auf bem f^elbe ber SBelt» 
betrad^tung überaD bie ®ebanlen fud^te, fo moBte er and) 
ba§ Seben oom ®eftd§tdpunlte bt» ®ebanlend anii geleitet 
mi{fen. S)ed^alb lämpfte er gegen unbeftimmte Staate» 
unb ®efenfd^aftdibeale, unb marf fid§ gum Serteibiger bed^ 
aBirllid^-Seftel^enben auf. SBer für ein unbeftimmteiS Sbeal 
in ber 3u!unft fd^märmt, ber glaubt, no^ ^egete 9ßeinung^ 



— 106 — 

bai bit aDgemeine SSernunft auf il^n gekartet J^abt, um 
ju erfd^einen. @inem fold^en utüffe ntan befonberd flar 
maä^tn, ba% in aQem SSirllid^en fd)on Sernunfl fei. @r 
nannte ben ^rofeffor tStxt», beffen ffoKege er in 3ena^ 
beffen $ad^foIger er in ^eibelberg wat, ben ^^eerfül^rer 
aller ©eid&liölcit", roeil biefer auö bem ,,Srei bt» f)erjeniJ* 
l^erauiS ein ^ol^t» S^Iunftöibeal geforntt l^abe. 3n feinem 
Sud^en nad^ ben ©ebanlen im SBirllid^en ging $)egel gumeilen 
bebenllid^ roeit. @o menn er bie SSernünftigfeit bei? p^ilo« 
fopl^ifc^en Sel^rftulgte an ber berliner Uniüerfität barlegt: 
^Stuf l&ieftger Unioerritöt, ber Unioerfttät bt» SKittel. 
punIteiS; mug and) ber 9RitteIpunIt aller ©eifteiSbilbung 
unb aller Sßiffenfd^aft unb SBal^rl^eit^ bie ^j^ilofopl^ie il^re 
X)or8Üglid6e $pege finben. . . . ®iefe SBiffenfd^aft "^ai Rd& 
gu ben S)eutfd^en geflüd^tet unb lebt allein nod^ in il^nen 
fort. Und ift bie S3emal^rung biefed l^eiligen Sid^tei^ an« 
vertraut, unb ed ift unfer Seruf, ed gu pflegen unb gu 
näl^ren unb bafür gu forgen, ba% ba^ C^öd^fte^ ma» ber 
äRenfd^ beft^en lann, bad Selbftbewugtfein feinei^ 9Befend, 
nid^t erlofd^e unb untergel^e''. 

2)ie meitgel^enbe SSerteibigung bt» 9BirIIid^en unb 
SSeftelgenben l^at ^egel felbft Don @eite berjenigen^ bie feiner 
Sbeenrid^tung freunblid^ gegenüberftanben, fc^mere SSormürfe 
eingetragen. @iS barf nid)t überfeinen werben, bai biefe 
SSerteibigung in eine S^it fiel, in ber innerl^alb ber äSirllid^« 
leit bie fc^Iimmften £röger ber Stealtion am 9Ber!e maren. 
@in Slnl^anger ^tQtU, Sol^ann @buarb ßrbmann, 
fd^reibt barüber: ^2)ad entfd^iebene Übergemid^t, meld^ed 
namentlid^ in ber 9Ritte ber gmangiger Saläre, ber ^egel« 
fdgen ^^ilofopl^ie vox allen gleid^geitigen @9ftemen ein- 
geräumt marb, Igat feinen ®runb barin, ba% ber momen« 
tauen Stulpe, meldte ben milben jtcimpfen im politifd^en, 
religiofen unb ürd^Iid^-politifd^en @ebiete gefolgt mar, eine 
^l^ilofopl^ie entfprad^, meldte gfeinbe tabelnb; gfreunbe 
lobenb ^SteftaurationiSpl^ilofopinie'' genannt baben. @ie ift 
bied in oiel weiterer Studbel^nung ate, bie ben Stamen 
erfanben, gemeint l^aben". 



— 107 — 

aXan barf aber audg nid^t überfeinen; bag gerabe burd^ 
feinen SSirllid^Ieildfinn ^egel eine im l^ol^en ®rabe leben« 
freunblid^e Snfd^attung f(|uf. @c^elling 1)at mit feiner 
^^l^ibfopl^te ber Offenbarung" eine Snfdgauung für boB 
Sibtn fd^affen nooQen. SlDein mie frentb finb bie Segriffe 
feiner ©otiedbetrad^tung bem unmiüelbarsmirllid^en Seben 
bed £aged! (B» lonnte eine foldge Sufd^auung J^öd^fiend 
il^ren äSert für jene Sfeieraugenblide bed SebeniS l^aben, 
in benen ber SRenfd^ fi(^ von ber SUHäglid^Ieit 3urficf)ieint 
unb ben f^od^^ttn Stimmungen l^ingiebt; in benen er, 
fogufageu; leinen äBeltbienft^ fonbern aQein nod^ ®otied« 
bienft perrid^tet. {)egel ^ai bagegen ben äKenfd^en mit 
bem ©efül^le burd^bringen moQen; ba% er aud^ in ber aO« 
täglid^en äSirUid^Ieit bem 9IIgemein«®öttIidnen bient. Sei 
il^m reid^t gleid^fam bad ©öttlid^e b^ntnter bid in bie 
Ileinften ^inge, mä^renb eiS fid^ bei Sc^eQing in bie l^öd^ften 
Stegionen bed 3)afeiniS jurüdaiel^t. Sßeil er bie SBirllic^Ieit 
unb ba^ Seben liebte^ beiSl^alb fui^te $egel fte fo oer« 
nünftig ate möglid^ DoraufteQen. @r mollte, bag ber SReufd^ 
jeben Sd^ritt unb £ritt mit Semunft mad^e. 3m ®runbe 
fd^ä^te er bie Singelperfönlid^Ieit bod^ nid^t gering. SBir 
fe|en bieiS aud Sui^fprüd^en mie biefen: ^3)ad Keid^fte ift 
ha» Stoniretefte unb ©ubieltiofte, unb baiS fid^ in bie 
einfad^fte Siefe aurüdne^menbe bai^ Stödgtigfte unb Über* 
greif enbfte. 3)ie pd^fte, jugefd^örftefte ®pi^e ift bie reine 
^erfönlid^Ieit; bie aQein burd^ bie abfolute 2)ialeltil, 
bie ii^re Xatur ift, eben fo fei^r alled in fidg befa§t 
unb ^SÜ, meil fie fid^ gum gfreieften mad^t, gur Sinfad^beitr 
meldte bie erfte Ünmittelbarleit unb StQgemeinl^eit ift^. 
Slber, um ^reine ^erfonlid^Ieit'' ju merben, mni ftd^ 
ber (Singelne au^ mit bem gangen Vernünftigen burd^« 
bringen nnb t» gu feinem @elbft mad^en. SS)tnn bie ^reine 
^erfonlid^Ieit" ift in^lti^ ba» l^öd^fte, mogu fid^ ber SRenfc^ 
l^inaufentmideln lann, mad er aber leinedmegei^ oon Katur 
aud fd^on ifi ^ai er fid^ ba^in erl^oben, bann gilt oon 
i^m bai» ^egelfd^e SBort: „'S>ai ber SReufd^ oon ®ott 
mei§; ift nad^ ber mefentlid^en ®emeinfdnaft ein gemein« 



— 108 — 

fd^aftlid^eiS SBiffen^ benn ber Stenfd^ toeig nur oon ®oti, 
infofent ®ott im iDtenfd^en oon ftd^ felbft toeig: biefei^ 
SBtffen ift Selbftbetouglfetn ®otted, aber ebenfo ein SSiffen 
beiSfelben oom SRenfd^en, unb bied SBiffen ®oiie» Dom 
SRenfd^en ift SSiffen bt» aSenfd^en t)on ®ott. ®er 
®eift bed äKenfd^en, von ®oii ju toiffen, ift nur 
ber ®eift ®otted feIbft^ 9tur ein aRenfd^, in beut 
fold^ed oenoirllid^t ift, oerbient, naä) ^egete äReinung, im 
l^od^ften @inne beiS SBortei» ben %amen ^erfünlic^Ieit. 
^enn bei il^m fällt SSernunf t unb Snbioibualilät guf ommen ; 
er oermirflid^t ben ®ott in \xd), bem er in feinem äSemu^t« 
fein bad Crgan giebt, um \i^ felbft an^ufi^auen. 9lIIe 
®ebanlen blieben abftralte, unbemugte ibeeHe ®ebilbe, menn 
fte im ÜRenfd^en nid^t lebenbige SBirllid^Ieit gewännen. 
OI|ne ben äRenfd^en möre ®ott in feiner pii^ften Soll« 
!ommenl^eit gar nid^t ba. @r möre bai^ unfertige SSelt« 
ura>efen. @r mügte nid^ti^ t)on ftd^. ^egel l^at biefen ®ott 
Dor feiner Sermirllid^ung im Seben bargefteüt. S)en Snl^alt 
biefer SDarfteQung bilbet bie Sogil. Sie ift ein @ebäube 
Don leblofen, ftarren, ftummen ®ebanlen. ^egel nennt fte 
felbft ba» „fRei^ ber Sd^atten". ®ie foQ gemiff ermaßen 
geigen, mie ®ott in feinem innerften emigen SBefen t)or 
ber @rfc^affung ber %atur unb bed enblid^en ®eifted ift. 
3)a aber bie ®elbftanfd^auung notmenbig jum SBefen ®ottei» 
geprt, fo ift ber ^n^aü ber fiogil no(^ ber tote ®ott^ 
ber nad^ S)afein oerlangt. 3n äSirllid^Ieit ift biefed Steidb 
ber reinen, abftralten SBal^rl^eit nirgenbiS Dorl^anben; nur 
unfer äSerftanb lann tS oon bem lebenbigen SBirllid^en 
abtrennen. @d giebt im ®inne ^egel !ein irgenbma 
qriftierenbed, fertiget Urmefen, fonbern nur ein fold^eiS, bai^ 
in emiger Semegung, in ftetem SBerben ift. 2)iefe emige 
SBefenIgeit ift »bie emig mtrflic^e äSalgrl^eit, in meld^er bie 
emig mirlenbe Sernunft frei für ftd^ ift, unb für bie Stot« 
menbigleit, %atur unb ®efd^id^te nur il^rer Offenbarung 
bienenb unb ®efd§e il^rer @]^re ftnb''. 9Bie ft(^ im SRenfd^en 
bie ®ebanlenn)elt felbft ergreift, ba» moQte $egel barfteSen. 
@r l^at in anberer gform ®oetl^ed Slnfd^auung auiSgefprod^en : 



— 109 — 

,,2Benn bie gefunbe Staiur bed äRenfd^en ab ein (Sanged 
mirlt, tDettn er ftd^ in ber SBelt ald in einem großen, 
fd^onen, n)ürbigen unb metitn ®on)en ffil^It^ menn bad 
j^armonifd^e Se^agen i^m ein reined, freted (Sntjüden 
gemöl^rt, bann wfirbe baiS SSeltaü, menn ed ft(| felbfl 
entpfinben lonnte, ote an fein S^tl gelangt, aufjoud^jen 
unb ben ®ipfel bt§ eigenen SBerbeniS unb 9Befen0 be- 
ronnbetn" (uergL @eite 71 oben), ^n ^egeld Sprudle 
überfe^t, l^eigt ba9: SSenn ber 3Renfd^ benlenb fein eigened 
SBefen erlennt, bonn l^ot biefer 9llt nid^t nur eine inbimbueDe, 
perfonlid^e Sebeutung, fonbem eine gan} unioerfeüe; bad 
SBefen beiS SBeltaEd erreid^t in ber @elbfierlenntnid bed 
SRenfd^en feinen ®ipfel, feine SoDenbung, ol^ne bie ed 
Fragment bliebe. 

£ie $egelf(^e Sorfteüung beiS @rlennend fagt biefed 
nid^t mit ein @rfaffen eineiS Z^f^aÜt^ auf, ber o^ne badfelbe 
fertig irgenbn)0 in ber 23elt oorlganben ift, nic^t ate eine 
Sl^ätigleii, bieSIbbilber bed mirllid^en ©efd^el^eniS fd^offt 
38ad im Sinne ^egeld im benlenben ßrlennen gefd^affen 
mirb, ba^ ift fonft nirgenbd in ber 38elt oorl^anben, nur 
eben im @rlennen. 38ie bie ^flange ouf einer gemiffen @tufe 
i^rer SntmidCelung bie Slüte l^erDorbringt, fo erzeugt ba» 
SBeliall ben Snl^olt ber menfd^Iid^en (SrfenntniiS. Unb ebenfo 
menig bie SSIüte Dor il^rer Sntftel^ung uorl^anben ift, fo 
toenig ift t^ ber ©ebanleninl^alt ber äSelt, ber im menfd^« 
lid^en ®eifte 3um Sorfd^ein lommt. @ine SSeltanfd^auung, 
bie ber Meinung ift, bag in ber @rlenntnid nur S^bbilber 
oon fcfjon oorl^anbenem ^nl^alt entfte^en follen, mad^t ben 
ÜRenfd^en ium müßigen Qu\ä)antt ber SBelt, bie ol^ne il^n 
aud^ ooDIommen fertig ba märe« $egel mad^t bagegen ben 
3Renfd^en gum t^ätigen ÜRitorbeiter am äSeltgefd^ei^en, btm 
ol^ne il^n ber ®ipfel fel^Ien mürbe. 

®riIIporger f)at ^egete äReinung Aber ba9 Serböltnid 
beiS S)enIeniS gur SBelt in einem bebeutfamen ÜuiSfprud^ 
d^ara!terifiert: 

W^Qlxäi, ba^ bn und (e^ift pro^l^ettfd§ bad göttlid^e 2)en!en, 
W>ex bad menfd^üc^e, ^eunb, rid^teft bn fidler ^u ®nmb. 



— 110 — 

Set S)i(^ter meint l^ier mit bem menfc^Iid^en S)eulen baiS» 
jenige, ba» eben feinen ^nl^alt fertig in ber 9BeIt voxaM» 
fe^t unb ni(^td fein mtE ate bai^ Slbbilb beiSfelben. Sfür 
{)egel ifi ber SluiSfprud^ lein £abeL S)enn biefeiS 2)enlen 
über etmaiS Slnbered ift, nac^ feiner Slnfic^t, noc^ nid^t ba^ 
^od^fte, ba» DoQIommenfte 2)enlen. 93enn man über ein 
Sing ber Statur nad^benlt, fo fuc^t man einen Segriff, ber 
mit feinem äußeren ©egenftanbe ^.übereinftimmt''. 2Stan 
begreift bann bnrd^ ben ©ebanlen, ben man fid^ bilbet, 
toa» ber äugere ®egenftanb ift. 3Ran l^at ed mit gmeierlei 
)u tl^un^ mit bem ©ebanlen unb mit bem ®egenftanbe. 
SBin man aber bis gum l^öd^ften ®efic()tdpunlt emporfteigen^ 
ben ber äßenfd^ erllimmen lann, bann barf man ftd^ nidgt 
fd^euen, aui) nod) gu fragen, maS benn ber ©ebanle felbft 
ift. 2)agu l^aben mir aber lein anberei^ äßittel ate nur 
mieber ben @ebanlen. ^m pd^ften @rlennen ergreift alfo 
ber ©ebanle fidEi felbft. @r fragt nid^t mel^r nad^ einer 
Ubereinftimmung mit etwa» anberem. @r l^at t^ nur mit 
ftd^ aQein gu t^un. S)iefeiS 2)enlen, bad leine 9(nlel^nung 
an ein SugereiS, an irgenb einen ®egenftanb l^at, erfc^eint 
®rillparger mie ein 3^f^^^^ ^^^ Senlend, baB bie S(uf« 
fd^Iüffe giebt über bie in 3^^^ ^^^ Stuum ausgebreiteten 
mannigfaltigen S)inge ber finnlid^en unb geifttgen Sßirllid^« 
leit. SIber fo menig ber ÜRaler bie 9{atur gerftört, menn er 
i^re fiinien unb garben auf ber Seinmanb miebergiebt, fo 
menig gerftört ber Senler bie Sbeen ber %atur, menn er 
fie in il^rer geiftigen Üteinl^eit auSfpridjt. ®S ift merlmürbig, 
ba% man gerabe in bem ®enlen ein ber ®irllid&feit feinblid^eS 
©lemcnt feigen rniH, meil es üon ber SüDe be§ pnnlid&en 
Snl^alteS abftral^iert. ^a, abftral^iert benn ber SRaler nid^t, 
inbem er blog t^cabt, Ston unb Qinie giebt, oon allen 
übrigen SRerlmalen eines ©egenftanbeS? §egel l^at alle 
fold^en @inmänbe mit feinem l^übfd^en @d)erg getroffen. 
SSenn baS in ber SSelt mirifame Urmefen „ausgleitet unb 
aus bem Soben, mo eS Igerumfpagiert, inS SSaffer fäOt, fo 
mirb eS ein f^ifd), ein Organifd^eS, ein SebenbigeS. SBenn 
es nun eben fo ausgleitet unb ins reine 2)enlen föHt — 



— 111 



benn au^ bad reine S)en!en foQ nid^t fein Soben fein — 
fo foQ t», bal^ineinplumpfenb, titoal^ ®äjHtä)ttS, @nbli(|ed 
werben, oon bem man fid^ eigentlid^ fc^ömen mu%, )u 
fprec^cn, n)enn'd nid^t Smtö^alber gefd^äl^e unb meil einmal 
nid^t gu leugnen ift, bag eine Sogil ba fei. S)ad SBaffer 
ift ein fo laüed, fd^Ied^teiS Clement unb t^ ift bem äthtn 
boc| fo mol^I barin. ®oIl benn bad 2)enlen ein oiel 
fd^led^tereiS (SIement fein? ®oQ bad 9(bfoIute [xd^ fogor 
fd^Iec^t barin befinben unb ftd^ aud^ fc^Ied^t barin auf« 
ffil^rcn?'' 

@iS ift burc^aud in ^egeld Sinn gefprod^en, menn man 
Behauptet, ba» Urmefen ber 9BeIt l^abe bie niebere %atur 
unb ben SRenfd^en gefd^affen; an biefem fünfte angelangt, 
l^abe t» fxd) befd^ieben, unb t& bem äßenfd^en überlaffen, 
au ber Slugenmelt unb gu [xä) felbft l^ingu, auc| nodEi bie 
®^ban{en über bie 2)inge gu fd^affen. @o fd)afft ba9 
Ürmefen im äSerein mit bem SRenfd^en ben gangen 
Snl^alt ber SSelt. 3)er SRenfd^ ift 9Ritfd^öpfer bt» Stin», 
nid^t mügiger 3ufd^auer, nid^t erlennenber äSieberläuer beffen, 
was ol^ne fein S)afein auä^ ba maxe, 

9Sa$ ber 9Kenfc| in feinem innerften 3)afein ift, bai^ 
ift er nid^t burd^ ein anbereiS, baiS ift er burd^ ftd^ felbft. 
S)eS]^aI6 betrad^tet $egel aud^ bie titd^txi nid^l ate ein 
göttlid^ei^ ®efd)en!, bad bem 9Renfd^en ein für aUemal in 
bie 9Biege gelegt morben ift, fonbem al& ein @rgebnii$, 
ju bem er im Saufe feiner Sntmidelung aümä^Iic^ gelangt 
SSon btm Seben in ber ^(ugenmelt, oon ber S3ef^iebigung 
im rein finnlid^en 2)afetn erl^ebt er fid^ gum Segreifen 
feinet geiftigen SBefenö, feiner eigenen Snnenrocit. S)aburd& 
mad^t er fidEi auc^ unabpngig oon ber Slugenmelt; er folgt 
feiner inneren SBefenl^eit. SDcr Solfögeift entl&ält Statur» 
notmenbigleit unb fül^It ftd) in S3egug auf feine @itten gang 
abl^ängig oon btm, wa» auger bem eingehen SRenfdgen 
Sitte unb Sraud^, moralifd^e Slnfd^auung ift $(ber aümäl^Iid^ 
ringt ftd^ bie $erfönlid)leit lod oon biefer in ber 
Sugenmelt niebergeleglen fittlid^en ^nfdEiauungi^melt unb 
bringt in il^r gnnereö oor, inbem fie erlennt, ba^ fie au0 



- 112 — 

il^retn eigenen ©eift ^eraud ftc^ ftttltd^e Slnfci^auungen enl« 
widdn, ntoralifd^e Sorfd^riften geben !ann. 2)er 9Renfd§ 
erl^ebt ftd^ gut Slnfc^auung bed in il^nt roaUtnbtn Urn^efeniS^ 
ba» and^ ber DueQ feiner @ittlid^leit ift. @r fu(^t nid^t 
mel^r in ber 9lu6enn)eli/ fonbern in ber eigenen Seele 
feine @ittengebote. @r mad^i fxd) nur ntel^r oon fid^ ab» 
gängig. (§ 552 oon ^egeliS ,,@nc9lIopäbie ber pl^ilo« 
fopl&ifc^en SBiffenfd^aften''.) ®iefe llnab^ngigf eit, biefe fjrci« 
^eit ift alfo nid)tö btm äßenfd^en oon oornl^erein 3ufommen« 
bt§, fie ift im Saufe ber gefd^id^tlid^en SntroidEelung er« 
TOorben. Sie SBeltgefd^id^te ift ber gfortfd^ritt ber 
IKenfd^l^eit im Semufetfein ber Sreil^cit. 

2)aburd^, bog ^egel in ben Igöd^fien Hugerungen be^ 
menfd)Iid)en ©eiftc« SJorgänge fielet, in bencn baö Urmefen 
ber SEUcIt ben SlBfd^lufe feiner Sntroiclelung, feinet SBerbenß 
finbet, merben il^m aüt anbern @rfd^einungen ^u äSor« 
ftufen biefeiS pd^ften ©ipfefe; unb biefer felbfl erfdieint al8 
ber Qxotd, bcm aDeö anbere guftrebt. ®iefe Sorftellung 
oon Qmedm&iiQltii im äSeltaU ift eine anbere aU bie« 
jenige, bie fid| bie äBeltfd^öpfung unb äSeltlenlung mie 
ba» SBerl eineg ftnnrcid^en Sed^nilerS ober SBafd^inen- 
lonftrulteurg beult, ber oHe Singe nü^Iid^en ^itUn gemäß 
eingerid^tet l^at. Solche %ü^Iic^Ieit$Ie^ren i^at ©oell^e 
fdjorf abgeroief cn. (Sr fagte am 20. Sebruar 1831 gu 
©dfermann (oergL ®efpräd(|e ©oetl&eS mit Sdf ermann, SCeil U) : 
S)er äKenfd^ ^unterlößt uid^t, feine gemol^nte 9(nfid^i au0 
bem Seben and) in bie SSiffenfd^aft ^u tragen unb and^ 
bei ben einzelnen Steilen eine0 organifd^en SBefend nad^ 
bereu 3^^^ ^"^ Stufen gu fragen. SieiS mag aud^ eine 
Sßeile gelten, unb er mag aud^ in ber SSiffenfdgaft 
eine aScile burd^Iommen; attein gar balb mirb er auf Sr- 
fd^einungen ftogen, mo er mit einer fo Ileinen Slnfic^t nic^t 
auiSreid^t, unb mo er ol^ne pl^eren ^alt ftd^ in lauter 
S53ibcrfprüdE)eu oerroidtelt. @oI(^c Sßüfelid^IeitSlel^rer fagen 
mol^l: ber Dd^fe l^abe ^örner, nm fid^ bamit gu meieren. 
%un frage id^ aber: marum l^at bad @d^af leine? Unb 
menn eS meldte l^at, marum ftnb fie il^m um bie Clären 



— 113 — 

geiotdFelt, fo bog fte x^m ju nic^tf bienen? (Stoad anbetet 
ober ift t», wenn id^ fage: S)er Od^fe rotf^ti fi(| mit feinen 
hörnern, weil er {te l^at. 2)ie Sftoge na(| bem Sarunt? 
ifi burd^aud nid^t roiffenfd^oftlid^. Qima» weiter lommi 
man mit ber gfroge SBie? S)enn wenn id^ frage: SSie 
i^at ber Od^fe ^orner? fo ffilgrt mid^ ba» ouf bie 8e« 
ttad^tung feiner Crganifation unb belel^rt mid^ sugleid^, 
worunt ber 2öwt leine ferner l^at nnb l^aben lann." £ro^- 
bent {tel^i ©oetl^e in anberem Sinne in ber ganjen Statur 
eine gwedmögige Sinrid^tnng, bie aule^t im 9Renfd^en il^r 
3iel erreid^t, alfo gletc^fam aQe il^re Sßerle fo einrid^tet, 
ba% biefer anlegt feine Seftimmung eneid^i 93ir lefen in 
feinem «SBinfcImonn": „S)cnn mogu bient alle ber SSuf* 
manb oon @onnen unb Planeten unb SRonben, oon Sternen 
unb 3ßild^fira§en^ oon Kometen unb %ebelfleden, oon ge- 
worbenen unb roerbenben SBelten, wenn fid^ nidE)t gule^t ein 
glüdflid^er SKenfd^ feine« Safeinö erfreut?" Unb aud^ baoon 
ift ©oetl^e überzeugt; ba% ba» SBefen aDer Srfd^einungen 
in unb burdg ben SBenfc^en aU SBal^rlgeit gum äSorfd^ein 
lommt (oergL ®. 71 oben). SSie allei^ in ber SBelt barauf 
angelegt ift; ba^ ber äßenfd^ eine mürbige 9(ufgabe ^at unb 
biefe Uf en lann : ba» gu begreif en^ ift ba» !dxtl biefer SBelt« 
anfd^auung. äBie eine pl^Uofopl^ifc^e Sted^tfertigung ber 
®oet]^efd)en 9(ui9fprüd^e nimmt fid^ auiS, ma& ^egel am 
Sd^Iuffe feiner ^Staturpl^ilofopl^ie'' audfü^rt: ^3m Seben« 
bigen l^at bie Statur ftd^ ooQenbet, unb il^ren t$neben ge« 
fd^IoffeU; inbem fie in ein ^ol^ered umfd^Iögt. 2)er ®eift ift 
fo an» ber Statur l^emorgegangen. S)ad 3^^^ ^^^ Statur 
ift fid^ felbft gu töten, unb il^re Stinbe bt^ Unmittelbaren, 
@innlid^en gu burdE)bred^en, fi^ ate $pni; gu oerbrennen, 
um aud biefer ^u^erlic^Ieit oertüngt aU ®eift l^eroorgutreten. 
2)ie Statur ift fid^ ein anbereiS geworben, um fid^ ate 3bee 
wieber gu erlennen unb ftd^ mit fidE) gu oerfol^nen . . . Site 
ber Smtd ber Statur ift ber ®eift eben barum oor il^r, 
fte ift au^ i^m l^eroorgegangen.'' S)aburd| oermod^te biefe 
SBeltanfdgauung ben SOtenfd^en fo l^od^ gu ftellen, weil fie 
in il^m oerwirllid^t fein lö§t; wa» ald Urbaft, ate Urwefen 

Steiner, fßtlU unb SeJbenftanfdlanitneen. 8 



— 114 — 

aDer SBeli gu ®runbe liegt; toad feine Sertoirllid^ung bttrdg 
ben ganzen ®iufengang aSer fibrigen Srfd^einungen cor* 
bereitet, aber erft im äRenfd^en eneid^t. ®oet^e unb $egel 
fKmnten in biefer SorfteHung t^oQftdnbig mit einanber fiberein. 
SBaiS ber erftere an9 feinem Stnfd^auen ber %atur unb bes 
Seifted l^erauiS gewonnen l^at, ba& fprid^t ber le^tere auf 
®mnb bed l^eSen, reinen 2)enlend oud. 

SBad ®oti^t mit einzelnen Staturoorgdngen unterna^m^ 
fte burd^ il^r SBerben, i^re ßntmidelung ju erllctren^ 
ba» menbete $egel auf ben ganjen Stodmod an. ®oetl^e 
forbert von bem, ber ba» SSefen bed ^flanjenorganiiSmud 
begreifen miK: ^SBerbenb itiiaä^it fte nun^ mie nad^ unb 
nad^ fid^ bie $flanje, ftufenmeife geffil^rt, bUbet )u Slfiten 
unb Srud^t." $)egel mill alle ffieltorfd^einungen in ber 
Stufenfolge il^red SBerbeniS begreifen, oom einfad^ften, 
bumpfen SBirfen ber tragen äRaterie biiS l^inauf ju btm 
felbftbemugten ®eifte. 



^tiMmixt ^titm^ttmm$tn* 



«2)ie Jlnofpe oerfd^minbet in bem ^etDorbred^en bet 
Slüie, unb man lönnie fagen, ba% |ene oon biefer miber- 
legt wirb; ebenfo mirb burd^ bie Sfrud^t bie 83Iütc für ein 
falfc^ed S)afetn ber $flange erllört, unb aU i|ire SBal^rl^eii 
tritt jene an bie Stelle von biefer. 2)iefe ^formen unter« 
fd^eiben fid^ nid^t nur, fonbem oerbröngen ftd^ aud^ aU 
unpertraglid^ mit einanber. 9ber il^re flüffige Statur mad^t 
fie sugleic^ 8U SRomenten ber organifd^en Sinl^eit, morin 
fie ft(^ nid^t nur nid^t miberftreiten, fonbem einiS fo not« 
menbig ald ba^ anbere ift, unb biefe gleiche %otmenbigIeit 
mad^i erft ba§ Stbtn bed ©angen an»." Sn biefen äßorten 
^egete ift einer ber mid^tigften ßl^aralterjüge feiner SSor« 
fteUungdart aui^gefprod^en. @t glaubte baran, bo^ bie 
S)inge ber SBirllid^Ieit ben äSiberfprud^ in ftc^ tragen; unb 
ba% gerabe barin ber antrieb ju il^rem SBerben, gu i^rer 
lebenbtgen Semegung liegt, bai fie biefen äßiberfpruc^ 
fortmäl^renb gu überminben fud^en. S)ie Slüte mürbe nie« 
maliS gur Oftud^t merben, menn fie ol^ne SBiberfpruc^ möre. 
Sie l^ätte bann leinen SInlag, anii i^rem miberfprud^Iofen 
2)afein l^erauiSgugel^en. Son einer genau entgegengefe^ten 
2)enlergefinnung ging Solgann f^i^i^^i^^ $erbart 
(1776—1841) au8. C>egel ift ein fd^arfer ®enler, aber 
jugleid^ ein mirllid^Ieitdburftiger ®eift. @r möd^it nur ®e« 
banlen l^aben, bie btn reid^en, gefättigten ®e^alt ber SSelt 
in ftd) aufgenommen l^aben. ^eiSl^alb muffen feine ®e« 
banlen ani) fo in emigem i^Iuffe fein, in ftetem Sßerben, 

8» 



— 116 — 

in TDtberfprud^üoIIer gfortbetDcgung roit bit äStrllid^Iett 
felBft. ^erbort tft Qani abftralter S)enler; er fud^t bit 
S)tnge nid^t ^u burd^bringen, fonbern er betrad^tet fte von 
fetner ®enferedte aui9. S)en rein logift^en ©enler ftort 
ber SBiberfpruc^ ; er ©erlongt f lare Begriffe, bie neben ein« 
anber befleißen Ibnnen. 2)er eine barf ben anberen nid^t 
beeinträd^tigen. @r fielet ftd^ ber Sßirllid^Ieit gegenüber, 
bit nun einmal n)iberfprud^t)oII ifi, in einer eigentümlid^en 
ßage. S)ie Begriffe, bie fie il^m liefert, befriebigen il^n 
nid^l. Sie uerfto^cn gegen fein logifd^eß Sebürfnii^. 3)iefe« 
@efü]^I ber Ungufriebenl^eit wirb gum 9[u0gang0punfie 
feiner äBellanfd^auung. ^erbari fagt ftc|: menn mir bie 
cor meinen ©innen unb meinem (Seifte auiJgebreiiete SBirl- 
lid^Ieit miberfprud^üoQe Begriffe liefert, fo lann fie nid^t 
bie malere SBirlüd^Ieit fein, nad^ ber mein S)enlen ftrebt. 
®arauö entftel&t i^m feine Aufgabe. S)ie miberfprudiooQe 
5!BirIIid^Ieit ift gar nid^t mirllid^eiS ©ein, fonbern nur 
©d^ein. 3n biefer Sluffaffung fd^Iiegt fid^ ^erbart bi8 ju 
einem gemiffen ®rabe an ^ant an. SBäl^renb aber biefer 
ba^ toaste ©ein aliS ein bem benlenben @rlennen Unerreid^« 
bareiS ertlört, glaubt ^erbart gerabe babnx^ oon btm 
©d^ein gum ©ein ooraubringen, bai er bie miberfprud^» 
ooEen Begriffe bed ©d^einiS bearbeitet unb in ns>iberfprud|> 
lofe oermanbelt. 8Bie ber JRaud^ auf baS Seuer, fo beutet 
ber ©d)ein auf ein i^m gu (Srunbe liegenbed ©ein. äSenn 
mir an» bem miberfprud&ooHen, unferen ©innen unb un- 
ferem (Seifte gegebenen SBeltbilbe, ein miberfprud^Iofeö burd^ 
ba» logifd^e S)cnfen l^erauSarbeitcn, fo l^aben mir in bem 
legieren bai^, ma» mir fud^en. Q» erfc^eint uujS gmar nid^t 
in biefer feiner SBiberfprud^Iofigleit; aber tB liegt l^inter 
bem, ma» nni^ erfd^eint aU bie malere, edE)te SSirllid^Ieit. 
^erbart gel^t alfo nid^t barauf an», bie unmittelbar vor» 
liegen be SBirllid^Ieit als fold^e gu begreifen, fonbern er 
ft^afft eine anbere 8Bir!Iidf|Ieit, burc| bie bie erftere crft 
erilörlid^ merben foQ. ®t lommt baburd) gu einem abftralten 
©ebanlenf^ftem, ba» fxd) gegenüber ber reid^en, ooHen 
SSirllid^Ieit red^t bürftig aui^nimmt. 2)ie malere äSirllidi)« 



— 117 — 

leit lann leine (Sinl^eit fein, benn eine foI(|e mfi^te ia bie 
unenblid^e SRannigfaltigleit ber xovdlid^tn S)inge unb Sor« 
gfinge mit allen il^ren SBiberfprfid^en in ftd^ entl^oUen. Sie 
rm% eine Siell^eit oon einfad^en, {td^ ewig gleid^en Sefen 
fein, in benen t9 lein SBerben, leine SntwidFelung giebt. 
9htr ein einfod^ei^ Sßefen, bad unoeränberlid^ feine SKed« 
male bewal^rt, ifi miberfprud^IoiS. Sin Sßefen, baiS ft(^ tnU 
VDxddi, ift in einem Slugenblide etwa» anbered ate in bem 
anbeten, bau l^eigt, ed miberfprid^i in einem S^ipuniit ber 
@igenl^eit, bie tB in einem anbeten ^at (Sine Siell^eit einfädlet, 
fid^ nie önbember 9Befen ift alfo bie ma^re SBelt. Unb 
wa» mir mal^rnel^men, ftnb nxd^i biefe einfad^en SSefen, 
fünbern nur il^re Segiel^ungen jn einanber. 2)iefe 9e« 
giel^ungen l^aben mit bem magren SBefen nidE)tiS ^u t^un. 
9Benn ein einfat^ed SSefen in eine Segiel^ung gu einem 
anberen tritt, fo merben beibe baburdg nic^t oerönbert; id^ 
aber nel^me bad @rgebniiS il^rer Segiel^ung ma^r. Unfere 
unmittelbare 9Sir{Iid)Ieit ift eine Summe t>on Segiel^ungen 
amifd^cn ben mirllid^en SBcfcn. SBenn ein SBefen au0 feiner 
Segiel^ung gu einem SBefen IgerauiStritt, unb bafür in eine 
fold^e ju einem britten SBefen lommt, fo ift tima& ge» 
fdge^en, ol^ne ba% von biefem ©efdge^en bai^ Sein ber 
SBefen felbft bcrül^rt morben ift. ®iefcö ©cfd^el^en ncl^men 
mir roal^r. ßiS ift unfere fd^einbare, mibcrfprud&oolle SBirl* 
lid^Ieit. Sntercffant ift, wie $erbart auf ©runb biefer 
feiner S[nfd)auung baB ßeben ber Seele fid^ oorfteüt. S)iefc 
ift cbenfo wie aUe anberen roirllidEien SBefen ein 6infad^cg, 
in fid^ Unoeränberlid^ei^. (&» tritt nun in SSegiel^ungen mit 
anberen fcienben SBefen. 3)er auöbrudt biefer Seaicl&ungen 
ift ba» SSorfteHungSleben. Stlleö, wa» [\ä) in unö ab- 
fpielt: »orfteOen, fSfül&Ien, SBoDen ift ein Seaiel&ungigfpicl 
amifd^en ber Seele unb ber übrigen SBcIt ber einfad^cn 
Seienben. SRan fielet, ba» Seelenleben ift baburd) gu 
einem Sd^ein oon SSerl^ältniffen gemacht, in bie baB ein- 
fad&e Scelenmcfen mit ber SBelt eingebt. §erbart ift ein 
matlgematifd^er Jiopf. Unb im ®runbe ift feine gange 
SBeltoorfteDung aus matl&ematifd^en SSorfteHungen l^erauö 



— 118 — 

geboren. Sine Qa^l ctnbert ftd^ nid^i, wtnn fte ba& (Slieb 
einet Slec^nungdoperation mitb. 2)rei^ bleibt 2)rei, ob t» 
gu SSier abbiert^ ober oon Sieben fubtrabiert n)irb. SBie 
bie ^afyUn innerl^alb ber Sted^nungi^operationen, fo ftel^en 
bie einfad^en äBefen innerl^alb bec Sesiel^nngen, bie {td^ 
jmifd^en il^nen l^erauiSbilben. Unb bedl^alb wirb $erbari and^ 
bie @eelenlunbe )u einem Sied^enesempeL ^ fud^t bie 
aRatl^ematil auf bie ^fqd^ologie angumenben. 9Bie fld^ bie 
SorjieQnngen gegenfeitig bebingen^ toit fte auf einanbet 
mirlen, wa» fUix Srgebniffe fte burd^ il^r Sufantmenfein 
liefern, ba» xoitb oon i^nt bered^net. 2)ad „^ä^" ift i^m 
nid^t bie geiftige äSefen^eit, bie mit in unferetn ®elbft« 
bewugtfein ergreifen, fonbern ed ift ba§ Stefultat bei» 3^- 
fantmenwirlend aller SorfteQungen, fomit nic^ti^ anbered 
als and) eine @umme; ein l^öd^fter SluiSbrudC oon Se« 
giel^ungen. Son bent einfad^en SSefen, baiS unferent Seelen» 
leben gu ®runbe liegt, n)iffen n>ir nid^tö, n)o]^l aber er« 
fd^einen und feine fortmäl^renben Segiel^ungen ju anberen 
äBefen. Sn biefed Spiel oon Segiel^ungen ift alfo ein 
äBefen oerftridtt. 3)ied brüdt fid^ in ber Sl^atfad^e au», ba% 
fte aSe nac^ einem 3RitteIpunIt l^inftreben; unb biefer SRittet 
punit ift ber 3dE|gebanIe. 

^erbart geminnt bie äSoglid^Ieit, oon bem ®eftd^t0« 
punite biefer feiner SBeltanfd^auung aM, bie ®ebanlen ber 
Unfterblid^Ieit, unb eined meifen, gielbemugten gotllid^en 
SBeltregiereri» gu retten. Sfür fjfid^te lann ed eine Un« 
fterblid^!eit in bem gemü^nlid^en Sinne nid^t geben, benn 
baS 3d^ ate ba» toaste Seelenmefen ift nur infofern oor« 
l^anben, aü t» fid^ felbft erfaßt, |a fogar felbftt^ätig an 
feinem Safein mitarbeitet. Sein 2)afein geigt in feinem 
Selbfterf äffen auf. %ur burdg fein SB ollen greift ed über 
ftdg Iginaud. &» fdgafft etmai», ma» fortmirlt, audg menn 
t» nidgt oorgefteDt mirb. @i9 lebt fidg ein in eine SBelt« 
orbnung, bie Iginaui^gelgt über ba» Selbftbemugtfein. S)iefe 
SBeltorbnung ift für ffid^it aber auc^ ba» gSttlidge SBefen. 
®egenüber aDen ftirdgenreligionen mui eine foldge religiSfe 
Snfidgt ab fli^ü»mM gelten, gidgte mürbe bedfelben ba^ 



— 119 — 

o]t(^ angellagt nnb aal^ feiner ienenfer Sel^dl^Atigleit dB 
Oottedleugnec entfernt Sd^eSing ntad^t in feiner er^n 
Seit ben (Seift, ber im einzelnen aRenf(|en erfc^eint, }u 
einem Srinnemngi^bilbe beiS gottlid^en SBefend. Seibe, Sott 
itnb enblid^er ®eifi; {tnb alfo im ®runbe ein nnb badfelbe. 
3)er einjelne ®eift lann fid^ aber bod^ nid^t ein fort« 
mä^renbed, abgefonberteiS S)afein gufd^reiben; benn er ift 
in ®oti Stur ®ott ift unfterblid^, unb bie inbioibueOe 
Seele ein ©ebanle, eine ©eböd^tnidoorfteOung innerl^alb 
bed KQgeifteiS. SBenn cutd^ im Saufe feiner SntmidCebtng 
@d^eQing immer mel^r oon ben menfd^lid^en ®eeleneigen« 
fd^often in feinen ®ott l^ineingelegt l^at, menn er il^n (mö^ 
immer perfonlid^er gemad^t l^at: biefed Serl^ältnid bei» (Stn^tU 
qtiHe§ ^nm SIDgeifl bleibt innerhalb feiner ftc^ fortent* 
mideinben S3eltanfd|auung baiSfelbe. dl^nlid^ liegt bie ®ad^e 
bei ^egeL S)aiS Urmefen lommt im (Singelmefen }u feinem 
DoDIommenften 9(udbrudFe. Slber menn ed ftd§ biefe feine 
ooHIommenfte f^orm nid^t mel^r mirttid^ giebt, ift bal^ Ürmefen 
nid^t ate @in)el«, fonbem nur al» KDgeift Dorl^anben. 3Stan 
fit^i, bie t$tagen nad^ Unfterblid^Ieit unb ®ott l^aben 
innerl^alb ber ^eltanfd^auungen gi^ted, Sd^eDingi», C^egeli» 
in ber fjform, in ber fie für Sant unb feine Sorgänger 
eine 9loIIe fpielen unb in ber t^eobgifd^en SSiffenfd^aft 
einl^eimifd^ finb, gar nid^t aufgemorfen merben lonnen. 
(&B ift ein gonj anbereiS SSerl^ältnid oon (Sinjelgeift unb 
^Ogeift unter ben SorauiSfe^ungen biefer $l^ibfop^en oor« 
l^anben, aU mit biefen ^fragen gemeint ift. 

Snberd bei ^erbart. Sein einfad^eiS Seelenmefen ift 
unoeränberlid^. (&» entftel^t nid^t; tB oergel^t nidbi (£d 
mar oorl^anben, cd» bit» fd^einbare Seben begann, bai» ber 
SRenfd^ mit feinem 3d^ umf daliegt; unb t» mitb ftd^ au» 
biefen Segiel^ungen mieber loj^Iofen, unb fortbeftel^en, menn 
biefei» Seben aufprt. — Qn einer ®ottedt)orfteIIung ganj 
im t^eologifd^en @inne lommt ^erbart burd^ fein SBeltbilb, 
bad oiele einfädle SBefen entl^ätt, bie bad ®efd^elgen burd^ 
ilgre ä9e§ie]^ungen l^eroorbringen. 9Bir nehmen innerl^olb 
biefed ®efd^e]^eni$ Sn'edbnägigleit mal^r. S)ie Segiel^ungen 



— 120 — 

iBnnitn dbet, loenn bie SSefen, bxt, i^xtm eigenen Sein 
na^, gar nid^tö mit etnanber ju tl^un ^aben, fid^ felb^ 
fiberla^en wären, nur gufäOige; d^aotifd^e fein. 3)a6 fie 
iVDtdmäixQ {tnb, btutti olfo auf einen meifen SBeltenlenler, 
ber il^re Sejiel^ungen orbnei. @o f)at neben ^erbariiS 
burd^ reined Senlen gewonnenem SBeltbilbe gau) gut nod^ 
ein tl^eoIogifd^eiS $la^. gfid^te, ©d^eüing, $egel fud^en 
naäi einer SSeltaufd^auung, bie reftlod ba9 gange menfd^Iid^e 
SorfteDen auffangt, alfo aud^ baiS tl^eologtfd^e; ^erbart 
fteSt ftd^ in bie Sde mit feinem miberfprud^Iofen 3SeItbiIbe, 
unb lägt neben feinem 2)enlen ba» t^eologifd^e beftel^en. 
^2)aiS SSefen ber ©ottl^eit ndl^er p beftimmen, Dermag 
niemanb'', fagt er. „^it 9(nmagungen ber ©^fteme, bie 
uon ®ott aU einem belannten, in fd^arfen Umriffen auf« 
pfaffenben ®egenftanbe reben, moburd^ mir und gu einem 
SBiffen erl^eben lönnten, für meld^ed und nun einmal bie 
3>aia uerfagt finb" verurteilt er. 

3)ad ^anbeln bed äRenfd^en unb feine ftunftfd^öpfungen 
l^ängen in biefem äSeltbilb oollftänbig in ber Suft. (£d 
fel^It jebe SRöglid^Ieit, fte bemfelben einzufügen. 2)enn 
meld^ed SSerJ^ciltnid foK beftel^en gmifd^en einer äSegiel^ung 
einfad^er SBefen, benen aDe Vorgänge gleid^giltig finb, unb 
giDifd^en ben Sl^aten ber äßenfc^en? S)a^er mug ^erbort 
fomo^I für bie (St^il aU für bie äft^etil eine felbftönbige 
SSurjel fud^en. @r glaubt fte im menfc^Iid^en (Sefül^le gu 
finben. SSenn ber SRenfd^ 2)inge ober äSorgänge mal^rnimmt, 
fo lann ft(^ ba» ©efül^I bed ©efaHend ober aRigfaQend 
batan Inüpfen. ®o gefällt ed und, menn ber JBiQe eined 
SRenf d^en eine Stic^tung nimmt, bie mit beffen Übergeugung 
übereinftimmt. SBenn mir bad ©egenteil mal^rnel^men, fe^t 
ftd^ in und ba^ ©efül^I bt» aRigfallend feft. äSegen biefed 
©efül^Ied nennen mir ben @inllang ber Überzeugung mit 
bem äSoQen fittlic^ gut, ben SRigllang ftttlid^ oermerflid^. 
(Sin fold^ed ©efül^IIann ftd^ nur an ein äSerl^ältnid gmifd^en 
moralift^en (SIementen Inüpfen. Ser SBiUe ald fold^er ift 
und moralifd^ gleid^giltig. 2)ie Überzeugung aud^. ^ft 
menn fte zufammenmirlen, lommt etl^ifd^ed äSol^IgefaUen 



— 121 — 

ober SRigfallen gum Sorfd^ein. ^tthati nennt ein Ser« 
l^dttnid ntorolifd^er Slemente eine praltifd^e gbee. (Sr )ä^U 
fftnf folc^er proltifd^-ell^ifd^en Sbeen^auf: bie Sbee bec 
fUilic^en Sf^ei^eil, Beftel^enb in ber Übereinftimmung von 
SBiQen unb fibeijeugung; bie 3bee ber SSoniommenl^eit, bie 
barauf beruht, ba§ ba9 ®iaxU im Sergleid^ mit bem 
@d^oad^en gefällt; bie 3bee bed Sted^ted^ bie oud bem Wlx%» 
f aOen an bem Streit entfpringt ; bie Sbee bed SBo^ImoQend, 
bie baii ®efaQen audbrfidt, baii man empfinbet, menn ein 
SBiQe ben anberen forbert; unb bie 3bee ber Vergeltung, 
bie forbert, ba% aQed SBol^I unb äSeJ^e, baiS Don einem 
Snbioibuum ausgegangen ift, an biefem mieber audgegli(|en 
toirb. Stuf einem menfd^Iid^en ©efü^Ie, auf ber moralifd^en 
Smpfinbung baut ^erbart bie Stl^il auf. @t fonbert fie 
non ber Sßeltanfd^auung, bie ed mit btm ^n t^un Igat, toa» 
i\i, unb mad^t fie gu einer Summe von tJforberungen beffen, 
wa» fein f oll. @r perbinbet fte mit ber SSlftl^etil; ja mad^t 
fie gu einem S3eflanbteil berfelben. S)enn aucb biefe Sßiffen» 
fd^aft entl^cllt t^o^berungen über ein SeinfoQenbeiS. 9(ud^ 
fie l^at t» mit Serl^ältniffen gu tJ^uU; an bie fid^ @efü^Ie 
Inüpfen. S)ie eingelne gfarbe lä%i uni^ äft^etifd^ gleid^giltig. 
SBenn eine anbere neben fte tritt, fo lann bieiS Sufammenfein 
und bcfriebigen, ober mi§faDen. SBaö in feinem 3ufammen» 
fein gefäKt, ift fd^ön; wa» migföSt ift ^äglid^. Stöbert 
3imm ermann (1824 — 98) l&at auf biefen ©runbfäfecn 
eine äßiffenfd^aft ber jtunft auferbaut. SSon il^r ift nur 
ein 2^eil bie Stl^il ober bie äSiffenfd^aft oom ®uten, meldte 
biejienigen fc^önen äSerl^ältniffe betrad^tet, bie im ®ebiete beS 
^anbelnd in Setrad^t lommen. 

^erbart l^at, megen feines auf ba^ äßatl^emotifd^* 
Siotmenbige angelegten ®eifteS, mit ®lüd bie|enigen äSor» 
gänge beS menfd^Iid^en Seelenlebens betrad^tet, bie mirllid^ 
bei ^Den SRenfd^en in gleid^er SBeife ftd^ mit einer gcmiffen 
Slcgelmäfeigleit abf pielen. ® ie intimeren, inbioibucBeren merben 
ba^ natürlid^ xti^t fein. 3)aS Originelle unb Eigenartige 
in ieber $erfönIidE|Ieit mirb foId§ matl^ematifd^er SSerftanb 
überfeinen. Sr mirb aber eine gcmiffe ginfid^t in ba& ©urd^» 



— 122 — 

fd^ntttöntägige bt» ®eifteiS erlangen unb sugleid^ mit feinet 
ted^nerifc^en Sid^erl^eit eine $)errfd^aft übex Eie @ntn>idelitns 
btS ©eifteiS. SSie bie nted^anifd^en ®efe^e e» ftnb, bte und 
3ur S^ed^nil befäl^igen, fo bie ©efe^e bt» Seelenlebend aut 
Srgiel^ung, )ur 3^ed|nil ber Sludbilbung ber @eele. 2)edl^aIB 
ift ^erbartd Sbbeit auf bem ®ebiete ber ^äbagogil frud^tbar 
gemorben. @r l^at unter $äbagogen eine reid^e ^nl^&ngerfd^aft 
gefunben. aber nic^t nur unter biefen. 2)ad fd^eint bei 
biefer SBeltanfd^ouung, bie ein S9ilb bürftiger, grauer WU 
gemeinl^eiten bietet, nic^t auf ben erften 9Iid einleud^tenb. 
@d erllärt fid^ aber baraud, bag gerabe bie SSeltanfd^auung« 
bebfirftigfien Staturen einen gemiffen ^ang nac^ fold^en 
Sügemeinbegriffen l^aben, bie fic^ mit flarrer %otn>enbig{eit 
toit bie ©lieber eined Sted^ene^empete aneinanberreil^en. @d 
l^at titoa» 93eftridenbed, gu erleben, mie ftd^ ©ebanlenglieb 
an ©ebanlenglieb lettet, meil ed ba» ©effil^I ber Sid^erl^eit 
enoedt. 9Ran fd^ä^t bie matl^ematifd^en äBiffenfd^aften megen 
biefer Sid^erl^eit fo l^od^. ®ie bauen ftd^ gleid^fam von 
felbft auf; mir geben nur ba& ®ebanlenmaterial bagu l^er, 
unb überlaffen bai^ meitere ber felbfttl^ätigen logifd^en %ot« 
menbigleit. 99ei bem O^^i^^g^ng bed ^egelfd^en S)enlend, 
ba» mit SSirllid^Ieit gefättigt ift, muffen mir fortmäi^renb 
eingreifen. ®d ift mel^r 33cirme, me^r Unmittelbarleit in 
bicfem SDenlen; bafür aber bebarf fein fjortflicfeen immer- 
mä^renb unfered S^tl^und. (Sd ift ia bie äBirtlid^Ieit, bie 
mir in ®eban!en einfangen; biefe immer fliegenbe, in |ebem 
il^rer $un!te inbiuibuelle äSirllic^Ieit, bie jeber logifd^en 
Starrl^eit miberftrebt. Sind) ^egel l^at gal^Ireid^e Sd^filer 
nnb $(nl^änger. Slber biefe finb meit meniger treu ate 
bieienigen ^erbartd. @o lange ^egeld mäd^tige $erfönlid^leit 
feine ©ebanlen belebte, fo lange übte fie il^ren Qanbtt, 
unb über^eugenb mirtte, morauf biefer '^anbex lag. 9ia^ 
feinem Xobe gingen oiele feiner Sd^lller bie eigenen SBege. 
Unb ba» ift nur natürlid^. 3)enn mer felbftänbig ift, mirb 
an^ fein Serl^ättnid aur 9BirIIi(^Ieit auf felbftänbige «rt 
geftalten. Sei ^erbartd @d^ülern nehmen mir ein anbered 
malgr. Sie finb treu. ®ie bilben bie Seigren bed SReifterd 



— 128 — 

fort; ben (Srunbflod feiner Qtbanltn ober bel^atten {te in 
nnoerfinberter gfonn bei. Ser fic^ in $egeto Senhoeife 
einbbt, ber oertieft ft(^ in ben SBerbegong ber SBeli, ber 
in ung&I^Iigen SntvidelungiSftufen ftd^ borlebt. 2)a lann 
bec (Sinjelne gwor angeregt »erben, biefen SBeg bd^ SerbeniS 
au gelten; er lann aber bie einzelnen Stufen nad^ fetner 
inbioibneQen SorfteQungdart geftalten. Sei ^erbort l^at 
man t» mit einem feft in fic^ geffigten ®ebanlenf9flem au 
tl^un, ba» burd^ feine folibe @tru{tur Sertrauen einfld§t. 
SRan lann t» ablelgnen. Stimmt man ed aber an, bann 
mirb man t» aud^ in feiner urfprünglic^en ®eftalt annehmen 
muffen. S)enn bai$ Snbioibueüe; baiS $erfSnIid^e, ba» 
amingt, fein eigene^ Selbft bem fremben @elbft gegenüber« 
auf^eOen: biefeiS fe^tt gerabe. 



^2)ad Seben ift eine mi§Iid^e Sad^e; id^ l^abe mir 
vorgenommen, bad meinige bamit l^ingubringen, über ba»» 
fdD6e nad^gubenlen.'' Siefe äBorle äußerte Srtl^ur Sd^open« 
^auer (1788—1860) im Seginne feiner Unioerfttötdaeit 
einmal gu SBtelanb. Hu» biefer Stimmung l^eraud ift 
feine SSettanfd^auung enoac&fen. £>arte eigene Sriebniffe 
unb bie Seobad^tung trauriger @rfa^rungen 9[nberer l^atte 
Sd^openl^auer l^inter fid^, ate er in ber p^ilofopl^ifd^en 
®ebanlenarbeit ein neueiS SebeniSgiel ergriff. S)er pUt^Iid^e 
Zob bei» Sateri», ber burd^ einen fSaU von einem @pei4ier 
l^erbeigefül^rt mürbe, bie fc^Iimmen Sriebniffe innerl^alb bed 
foufmännifd^n SerufeiS, ber ÜnblidF oon ^d^anpläiitn bed 
menfd^Iid^en @Ienbd auf ben Steifen, bie ber Süngling 
mad^te, unb oieied anbere l^atten in il^m weniger bad 8e» 
bürfnii» l^eroorgerufen, bie SBelt ju erlennen, »eil er fie 
für bed Sriennend mert erad^tete, aü oielmel^r ba» gan) 
onbere, in ber Betrachtung ber 2)inge {td^ ein SRittel ju 
fd^affen, fie )u ertragen. @r brandete eine SBeltanfd^auung 
)ur Serulgigung feiner büfleren ®emütdoerfaffung. VÜ er 
1809 bie Unioerfltfit begog, maren bie (Sebanlen, bie ftont, 



— 124 — 

gfid^te unb @d§eaing ber beutfd^en 9BeItanfd§auungdenU 
toidelung einverleibt l^aben, in DoDer Stad^roirlung. ^egete 
@tern wat eben im ^(ufgel^en. @r l^atte 1806 fein erfied 
grd§erei$ Sßerl „bie $lgclnomenoIogie beiS ©eifted'' erfd^einen 
laffen. 3n ®rittingen prte ®(^openl^auer bie Seigren 

ber }n)ar in gemiffer S3ejiel^ung äant» ©egner wax, ber 
aber itm Stubenten bo6) Sani unb $Iato ate bie betben 
großen ®eifter bezeichnete, an bie er fxä^ )u l^alten l^abe. 
9Rit gfeueretfer oerfenlte ftd^ Sc^openlgauer in Sani» SSor« 
fieüungiSart. @r bejeidgnet bie 9f et)oIution, bie baburd^ in feinem 
flopfe ]^ert)orgebrad^t wntbt, als eine geiftige SSiebergeburt. 
@r finbet bei i^r um fo mel^r feine Sefriebigung, afe er 
pc in ooDer Übereinflimmung finbet mit ben anflehten bcö 
anberen $l^iIofop]^en, auf ben il^n Sd^ulge l^ingemiefen i^atte, 
mit benen $IatoiS. ®agt bod^ biefer: fo lange mir uniS 
gu ben 3)ingen unb SBorgängen blog ma^rnel^menb Der« 
]&altcn, ftnb mir mie SKenfd&en, bie in einer finfteren §öl&Ic 
feftgebunbcn fifecn, fo ba% fie ben ftopf nid^t breiten lonnen, 
unb nid^tiS fe^en^ ate beim Sid^te eineiS l^inter i^nen 
brennenbcn (Jeucrö, an ber il^nen gegenübcriiegenbcn SBanb^ 
bie @d^attenbilber mirllidCjer S)inge, bie ^mifd^en il^nen unb 
bem fjeucr üorübcrgefül^rt merben, ja aucf) oon einanber 
unb jcber oon fid^ fclbft nur bie <Sä)aiitn. SBie biefe 
@dC)atten gu mirllidCjen S)ingen; fo oerl^alten fid^ unfere 
SSal^mel^mungiSbinge gu ben Sbeen, bie baiS mal^rl^aft 
SSirllid^e ftnb. S)ie 2)inge ber mal^rnel^mbaren Sßelt ent« 
ftel^en unb oergel^en, bit ^been finb emtg. ^ai nxä)i Bant 
ein gleid^eiS geleiert? Sft nid^t aud) für il^n bie ma^r« 
nc^mbare SBcIt nur SrfdicinungömeÜ? 3^^^ i>^^ Sbecn 
l^at ber ^önigi^berger Sßeife nidCjl biefe uremige SSirllid^Ieit 
gugefd^rieben; aber in ber Sluffaffung ber in Staum unb 
Seit auiSgebreiteten 9SirIItdE)Ieit l^errfd^t, für @(i)open]^auer, 
Zmifd^en $Iato unb c^ant oöDige Übereinftimmung. S3alb 
mürbe biefe S(nfid^t au^ feine unumftö^Iid^e SEBal^rl^eit. @r 
fagte ftd^: 3d^ erl^alte oon btn 2)ingen ^enntnid, infofern 
id^ fie fel^e, pre, fül&le u. f. m., mit einem SBorte: infofem 



— 125 — 

id^ fte oorftelle. @tn ©egenftanb ift für mid^ nur in 
meiner Sorftellung oorl^anben. ^immel, (Srbe n. f. m. 
ftnb alfo meine SorfteQungen; benn ba9 i,3)ing an fid^'', 
ba» il^nen entfprid^t, ift nur baburd^ mein ®egenftanb 
gemorben^ bag t» ben (S^axalitx ber SorfteQung ange« 
nommen ^at 

®o unbebingt ridgtig ®(^open6auer nun aUtB fanb, 
mai^ Sani über ben SorfteDungiSd^aralter ber SBal^rnel^mungd« 
meli oorbrad^te^ fo menig be^ebigt fül^Ite er {tc^ burd^ 
beffen Semerlungen über bad ;,3)ing an ftd^'^ Su(^ Sd^ulge 
mar ja ein ®egner biefer Sfnftdgten Stanil^. SBie lonnen 
mir Don einem ^2)inge an fid^" tiwa& miffen^ mie lönnen 
mir überl^aupi nur ein SBort über badfelbe audfpred^en, 
menn mir nur oon SSorfieDungen miffen, unb baiS ^2)ing 
an ftd^'' gctn^Iid^ augerl^alb aller äSorfteüung liegt? 
@d^open]^auer mu§te einen anberen SBeg fuc^en, um gum 
^2)ing an ftd^'' gu lommen. (St mürbe bei biefem @ud^en 
mel mel^r oon btn geitgenofftfd^en SBeltanfd^auungen beein« 
^nii, aU er je zugegeben l^ai. 2)aj3 Slement^ ba» @d^open« 
^auer gu feiner ani^ Rani unb $Iato gemonnenen Über« 
geugung l^ingufügte^ ate Sing an fid^, bai^ treffen mir bei 
Sfid^te^ beffen SSorlefungen er 1811 in Serlin geprt ^at 
Unb mir treffen eö and^ bei Sd^eEing. S)ie reiffte fjorm 
ber Slnfid^ten ^id^teiS lonnte @d^open^auer in Serlin i^ören. 
Mn^ ift biefe gform in ben nad^gelaffenen @d^riften t^id^ted 
überliefert. S)iefer Derlünbet einbringlic^, möl^renb il^m 
®d§open^auer — nad& eigenem ©eftänbniö — ^ aufmal« 
fam ^uf)öti*', bag aUt^ @ein anlegt in einem Unioerfal« 
millen begrünbet ift. @obaIb ber SRenfd^ ben SBiQen in 
ftd^ Dorftnbet^ geminnt er bie Überaeugung, ba% e§ eine 
von feinem Snbioibuum unabl&ängige ®elt giebt. S)er 
Shlle ift nic^t SBiffen bed Snbioibuumd; fonbern eine gform 
be« mirllid^en ©einö. gfid^te l&ätte biefe feine ®elt» 
anfd^auung an^ begeid^nen lönnen: ^2)ie SBelt ald 
»iffen unb ®ille\ Unb in ©d^elling« ©d^rift ^über 
bal^ SBefen ber menfd^Iid^en gfteil^rit unb bie bamit )u« 
fammeni^angenben ©egenftänbe'' fte^t bod^ ber ©a^: „(&» 



— 126 — 

gicbi in ber legten unb l^öc&ften Snftan) gor lein anberei^ 
Sein aU 9BoUen. 9B ollen ift Ürfein unb auf biefef 
oHein paffen aDe ^cdbilate bedf elben : ®runblofigIeit, Snrig« 
leii, Unabl^ängigleit oon ber 3^^/ ®elbftbeial^ung. S)ie 
ganje ^l^ilofop^ie ftrebt nur bal^in, biefen l^oc^ften SbtiS« 
brud %u finben''. — S)ag SBoIIen Utfein ift, wirb aud^ gu 
Sc^openl^auerd Slnfid^t. SBenn ba» SBiffen audgelofdgi 
»irb, bleibt bei SBiDe übrig. 3)enn ber SBiQe gel^t htm 
Siffen ooran. 3)ad SBiffen ^ai feinen Urfprung in meinem 
®e]^irn. 2)iefed mu§ aber hervorgebracht fein burc^ eine 
tJ^&tige^ f(^opferif(i)e Straft 2)er 9Renf(^ lennt eine foU^e 
fd^6pferif(^e j(raft in feinem eigenen SSoOen. ®(^openl^auer 
fud^t nun nad^^umetfen^ bag auc^ bas, ma& in ben übrigen 
3)ingen mirifam ift, SBille ift. 3)er äStOe liegt fomit al» 
«S)ing an ftd^'' ber blog oorgefteQten 9SirIlidC)Ieit gu ®runbe. 
Unb oon biefem «S)ing an fid^'' lönnen mir miffen. ®d 
liegt ni(^t, mie ba» jtantfd^e, jenfeitiS unfered SorfteEend; 
mir erleben fein Sßirfen innerl^alb unfered eigenen Orga« 
niiSmui^. 

$lud^ ©oetl^e übte einen tiefgel^enben @infiu§ auf 
@d^openl^auer auj». Som ^erbft 1818 bid gum äRai 1814 
geno^ biefer ben Umgang mit bem S)idbter. ®oet^e fül^rte 
ben $]^ilofop]^fn perfönlid^ in bie Seigre oon ben gfarben 
ein. 2)ie S9[nf(i)auungi9art bt§ erfteren entfprac^ ooSftänbig 
ben SorfteDungen, bie fid^ ©d^openi^auer über bie Slrt ge* 
bilbet l^atte, mie unfere Sinnesorgane unb unfer ®eift oer« 
fal^ren, menn fie S)inge unb Sorgänge mal^rnel^men. ®oet]^e 
^atte über bie äSal^me^mungen bed S(uged, über Sid^t unb 
Sfarben forgfciltige unb auiSgebel^nte Unterfud^ungen ange« 
fteU unb bereu @rgebniiS in feinem Sßerle „Qnt tSfarben« 
leiere'' verarbeitet. (£r ift %n 8ln{t(^ten gelangt, bit von benen 
9}emtoniS, bed Segrünberi^ ber mober neu ^arbenlel^re, abmeid^en. 
9Ran lann ben ®egenfa^, ber gmifd^en $emton nnb ®oetl^e 
auf biefem ®ebiete befte^t, nid^t oon bem ridgtigen ®efid^tiS« 
punite üM beurteilen, menn man ni^i oon bem ®runb« 
unterfd^ieb in ben SSeltauffaffungen ber beiben ^erfonlid^- 
leiten auiSgel^t. ®oetl^e felbft l^at leiber burc^ feine ^olemil 



— 127 — 

gegen %eiDtond f^arbenlel^re oiel bagu Beigetragen^ bie ®a(|e 
nnfior }u mad^en. (Sr l^at gfel^Ier in einjelnen Serfuc^en nnb 
2tfyc\äi^tn 9ltwion» nad^jun^eifen gefud^t. SSenn man 
aber, mit bxt» bei ®oet^e ber fiaU ift, auf bem Soben 
einer gan) anberen 9etrod|tungi$n)eife ftel^t dü berfenige, 
ben man belämpft, bann follte man nic^t einjelne SAt^e 
ber gegnerifd^en Slnfd^auung belämpfen. 2)enn, fo lange 
biefe biefelbe bleibt, mirb jid^ audg bei Stid^tigfteüung oon 
Sfe^Iern im einzelnen an bem (Segenfa^ im großen unb 
ganzen nid^ti^ anbem. ®oetl^e betrad^tet bie Sinnesorgane 
bed SRenfdgen aU bie beften, bie l^odgften pl^Qftlalifd^en 
Apparate. Sffir bit fjfarbenmelt mui il^m bal^er ba» Äuge 
bie l^oddfte Snftang fein jur gfeftfteQung ber gefe^mdgigen 
3nfammen](länge. Xemton nnb bie $l^9filer unterfud^en 
bie in Sfrage lommenben Srfd^einungen in ber SSeife, bie 
non ®oetl^e aü ba» «»grögte Unheil ber neueren ^J^Qrtl" 
bejeid^net mirb unb bie, mie bereite im anberen Sufammen« 
l^ang (®. 71) angeführt, barin beftel^t, bag i,man bie (Sjc» 
perimente gleid^fam oom äRenfd^en abgefonbert l^at, unb 
blog in bem, mad lilnftlid^e Snftrumente jeigen, bie Katur 
erlennen, ja mai^ fie leiften lann, baburd§ befd^ränlen unb 
bemeifen miU''. 2)ad 8(uge nimmt ^eQ unb ^unlel ober 
Sid^t unb ^^infternid, unb innerl^alb bed l^eü-bunllen S3eob« 
ad^tungdfelbed bie gfarben mal^r. ®oetl^e bleibt innerhalb 
biefed gelbed ftel^en unb fud^t nad^jumeifen, mie fiid^t, 
Ofinfternid unb garbe sufammenl^ängen. Stemton unb feine 
9(nl^änger moflen bie fiid^t« unb gfarbenoorgänge beod^ad||ten, 
mie fie fi(^ augerl^alb be0 menfd^Iid^en DrganiiSmud im 
Slaum abfpielen, mie fte alfo auc^ oerlaufen müßten, menn 
ei^ lein $(uge göbe. Sine fold^e oom SRenfd^en abgefonberte 
Süigenfpl^äre l^at aber für bie ®oti^t\^t SSeltanfd^auung 
leine S3ered§tigung. 9K(^t baburd^ gelangen mir gum 9Befen 
eineiS 2)inged, bai mit oon ben Siirlungen abfeilen, bie 
mir gemal^r merben; fonbem in ber genauen, mit bem 
®eifte erfaßten ®efe^&gigleit biefer SBirlungen l^aben mir 
biefeiS SBefen gegeben. S)ie Sßirlungen, bie ba9 9uge 
mal^rnimmt, in il^rer ®efamt]^ett erfaßt unb in il^rem gefe^« 



— 128 — 

tnct§igen Sufammenl^ange bargefteüt, ftnb ba» SSefen bei» 
Sid^ted unb ber f^arben — ntd^t eine t)om 3(uge abgefonbertc 
SSelt ctugerer Sorgänge; bie mit lünftlid^en Snftnitnenteti 
feftgefteQt merben foQ. „^tnn eigentlich unternel^men mir 
ed untfonft, ba» SBefen einei» 2)ingeiS audgubrüden. SSir« 
lungen werben mir gemal^r, unb eine DoIIftänbige ®e« 
fd^ic^te biefer SBirlungen umfaßte altenfalliS ba§ 
SBefen jeneiS SingeiS. SSergebeniS bemül^en mir uniS, 
ben Sl^aralter einei» SRenfd^en ^n fc^ilbern; man fteQe ba* 
gegen feine S^l^aten, feine $anblungen gufammen^ unb ein 
9ilb beS S^aralteri^ mirb uniS enigegentreten. 3)ie f^arben 
ftnb Sl^aten bc& Sid^ted, S^l^aten unb Seiben. 3n biefem 
Sinne lönnen mir t)on benfelben Stuffdjlüffe über ba^ Sid^t 
ermorten. i^atbtn unb Sid^t ftel^en gmor unter einanber 
in bem genaueften SSerl^ältniiS; aber mir muffen uniS beibe 
als ber ganzen %atur angelgörig beuten; benn fie ift 
ed gang, bie fid^ baburd^ bem @inne bed Sluged 
befonberö offenbaren mill." 9Ran finbet l^ier ©oet^e« 
äSeltanfid^t auf einen fpegieüen f^aü angemenbet. ^m 
menfd^Iid^en Organidmui^, burd^ feine @inne, bnv^ feine 
Seele offenbart pd^, roa^ in ber übrigen 9iatur oerborgen 
liegt. ®ie gelangt im SRenfc^en an il^ren ©ipfeL SBer 
bal^er bie SSalgrl^eit ber %atur auger bem SKeufdEien fud^t, 
mie KemtoU; ber lann fie, nad^ ®oti^t» @runbanftd^t^ 
nid^t ftnben. 

Sd^openl^auer [xt^i in ber äSelt; bie bem ®eifte in 
Slaum unb 3^it gegeben ift, nur eine SSorfteQung biefed 
®eifte§. ^a» SSefen biefer SSorfteUungiSmelt entl^üOt ftd^ 
und in bem äBiDen, oon bem mir unferen eigenen Orga« 
nidmud burdCjbrungen feigen. @r lann bal^er fi(^ nid^t ein« 
laffen auf eine pl^tiftlalifd^e Seigre, bie ba^ SSefen ber 
Sid^t« unb t^arbenerfd^einungen nid^t in ben bem 9uge 
gegebenen ä^orfteHungen fielet, fonbern in einer 9SeIt, bie 
abgefonbert oon bem $(uge oorlganben fein {oQ. ©oetl^eS 
SorfteOungiSart mugte il^m bal^er fpmpatl^ifd^ fein, meil fie 
innerl^alb ber äSorfteüungi^melt be» SlugeiS ftel^en bleibt 
Sr fanb in il^r eine Seftätigung beffen, xoa» er felbft über 



— 129 — 

biefe SBelt annel^men mn%it. Set Stampf atoifd^en ®oetl^e 
unb 3ttmion ift leine pj^^ftlalifd^e gfrage^ fonbern eine Sn« 
gelegenl^eit ber gangen 2BeIlanfd§auung. SBer ber Snftd^i 
ift; bag ftd^ über bie %atur ttwa» aMma^tn lägt bnrd^ 
%perimente, bie com äRenfd^en abgefonbert ftnb, ber mug 
auf beut Soben ber %en}tonf(^en gfarbenlel^re ftel^en bleiben. 
2)te ntobeme $]^9ftl ift biefer Slnfic^t. @ie lann bal^er 
über ®otif)e» gfarbenlel^re nur bad Urteil fftllen, bad 
{)emnann ^elnt^ol^ in feiner Slbl^anblung ^®oetl^ed Sor« 
a^nungen lontmenber natunniffenfdgaftlid^er Sbeen" and« 
gefprod^en l^at: „^o ed fid^ unt Aufgaben l^anbelt, bie 
burd^ bie in SlnfdjauungiSbilbem fid§ ergel^enben bid^terifd^en 
3)iDinationen gelöft werben lönnen, l^at ftd^ ber S)id§ter 
ber l^oc^flen fieiftungen fd^ig gegeigt, n)0 nur bie ben)ugt 
burd^gefülgrte inbultiüe äßetigobe l^ätte l^elfen lonnen, ift er 
gefd^eiteri'' Sielet man in ben ntenfd^Iid^en Snfc^auungd« 
bilbem nur ^robulte, bie gu ber 92atur l^ingulomnten, fo 
mug man feftftenen, mal^ in ber Statur, abgefel^en non 
biefen Slnfd^auungiSbilbern, gefd^iel^t. ^iti^i man in il^nen, 
nrie ©oetl^e, Dffenbarungen ber in ber %atur entl^altenen 
SSefenl^eiten, fo mitb man fid^ an fie ^aÜAt, wtnn man 
bie SBal^r^eit erforfc^en miQ. ®(^openl^auer ftel^t aller« 
bingiS meber auf htm einen, nod^ auf bem anberen ®tanb« 
punite. @r mill in ben SBa^rnel^mungen ber Sinne gar 
nid^t ha^ Siefen ber S)inge erlennen; er le^nt bie pl^^fi« 
lalifd^e SKetl^obe ab, meil biefe nidCjt bei bem ftel^en bleibt, 
moi^ un» eingig unb allein uorliegt, bei ben SorfteQungen. 
9ber aud§ er Igat bie t^i^age auiS einer rein pl^^ftlalifd^en 
gu einer SBeltanfd^auungiSfrage gemadgt. Unb ba er im 
®runbe bo(^ aud^ bei feiner SSeltanfd^auung oon bem 
9Renfd^en auiSgegangen ift, nid^t uon einer nom SRenfc^en 
obgefonberten Stugenmelt, fo mugte er ftd^ für ©oetl^e ent« 
fd^eiben. 2)enn biefer l^at für bie f^arbenlel^re bit Jton- 
feaueng gegogen, bie ft(^ notmenbig für ben ergeben mn%, 
ber in bem SRenfd^en mit feinen gefunben Sinnen ben 
«größten unb genaueften pl^tiftlalifd^en Slpparat" fiel^i 
^egel, ber ald ^l^ilofopl^ gang auf bem Soben biefer 

steinet, V&üU unb Sel^etiSaiifd^auimgcit. 9 



— 130 — 

Seltanfd^auung ftel^i, mitg ba^er energifd^ füi iSotiht» 
Oforbenlel^re eintreten. SBtc lefen in feiner Staturp^ib« 
fopl^ie: ^3)ie bem Segriffe angemeffene S^orfieQung bec 
Ofarben oerbanlen mit ®oet^e'n, ben bie gfarben unb bad 
Sid^t frfil^ angezogen j^aben, fie )u betrad^ten, befonberi» 
bann von feiten ber äRalerei; unb fein reiner, einfädlet 
9tatnrftnn, bie erfte Sebingung bed 2)id^teri», ntugtefold^er 
Barbarei ber Sleflcjrion, mie fie ftd^ in %en)ton finbet, miber» 
ftreben. SBad t)on $Iato an über Sid^t unb S^be 
ftatuiert unb experimentiert worben ift, f^ai er but^' 
genommen. @r l^at ba^ $^cinomen einfach aufgefaßt; 
unb ber mal^rl^afte Snftinit ber Sernunft befielet barin, bad 
$l^&nomen Don ber @eite angufaffen, mo er fid^ am ein« 
fod&ften barftettt." 

2)er mefentltd^e ®runb aQer Sßeltporgänge ift für 
®d^openl^auer ber 9BiIIe. @r ift ein emiged, bunlied Streben 
na^ 2)afein. @r enthob leine Sernunft. SDenn bie Set« 
nunft entftel^t erft in bem menfd^Iidgen ©el^irn, ba& pom 
SßiQen gefd^affen mirb. SBöbtenb $egel bie SSernunft, ben 
(Seift gum äSeltengrunbe mad^t unb in ber menfd^Iic^en 
Sernunfi nurlsine inbioibueüe Sermirllid^ung ber aQgemeinen 
SSeltoernunft fie^t, lägt Sd^openl^auer bie Sernunft nur 
al0 ^robult bed ©el^irneiS gelten, aU eine @d^aumblafe, 
bie anlegt entfielt, menn ber oernunftlofe bunlle ®rang, 
ber SSille, aUeS anbere gefd^affen l^at. S9ei ^egel finb aQe 
Singe unb äSorgange vernünftig, benn fie merben )a Don 
ber Sernunft l^eroorgebrac^t; bei ®d^openl^auer ift aQed 
unoernünftig, benn eS ift Don btm unoernünftigen SSiüett 
l^Dorgebrad^t. 9(n @d^open^auer fielet man fo beutlid^ 
mie nur irgenb möglidg, ba» SSort gfid^teiS befiätigt: 9Bad 
man für eine äBeltanfd^auung mcil^Ie, ba^ ^änqt bavon ah, 
wa^ für ein äRenfd^ man ift. Sd^open^auer l^at böfe @r« 
fal^rungen gema(i)t, er ^at bit SSelt t)on i^rer fdCjIed^teften 
Seite lennen gelernt, beoor er fid^ entfc^Ioffen l^at, über fie 
nad^gubenlen. 3^n befriebigt ed ba^er, biefe SSelt al9 in 
i^rem %efen unüernünftig DoraufteQen, aü baiS SrgebniiS 
eined blinben SBilleniS. Sie Sernunft Igat, nadg feiner 



— 181 — 

S)enItoeife, leine SKad^t über bie Unoernunft 2)enn fie 
entfielet felbft ate bad SrgebniiS ber Unoernunft; fte ift 
@d^ein unb S^raum, aM bem äSiQen l^eraudge^eugt. @c^open- 
l^auerd SBeltanfc^auung ift bie in (äebanlen untgefe^te büftere 
®ntnbftintmung feined ©emüteiS. Sein Singe mar nic^t 
baranf eingefteüt; bie oernünftigen (Sinrid^tungen bt» 2)afeini9 
mit gfreuben )u verfolgen; ed fal^ nur bie in fieiben unb 
©(^merjen fic^ auiSbrücfenbe Unnernunft beiS blinben SBiüend. 
Seine Sittenlel^re lonnte ftc^ bal^er auc^ nur auf bie äSal^r- 
nel^mung bed Seibend grünben. aXoralifd^ ift i^m eine f)anb« 
lung nur, roenn fie auf biefer SBal^rnel^mung berul^t. 2)aiS 
äSitleib mug DueQe ber menfc^Iic^en S^l^aten fein. SBad 
lonnte ber beffered t^un, ber einfielet, bag aQe SBefen leiben, 
old alle feine |)anblungen oon bem SRitgefül^I leiten kffen. 
3)a in beut SBillen ha» Unoernünftige unb ®(^Ie(f)te liegt, 
fo XDXxb ber SRenfc^ moralif(^ um fo l^ö^er ftel^en, ie mel^r 
er ba» ungeftüme SBoOen in fidg ertötet. SDer 3(udbruct 
bei» SSiüend in ber einzelnen $erfon ift bie Selbftfuc^t, ber 
@goidmu$. 9Ber ftd^ bem 9Ritgefü]^I l^ingiebt, alfo nid^t 
für fic^, fonbern für anbere mxü, ber ift über ben SBiQen 
$err geworben. — Sin SBeg, um oon bem äBillen loi^ju» 
fommen, beftei^t in ber Eingabe an bai» Sunftfdjaffen unb an 
bie @inbrü(fe, bie oon ^unftmerlen aui^ge^en. S)er Jtünftler 
fd^afft nid^t, meil er etmad begel^rt, meil fein eigenfüdt)tigei$ 
SSoÖen auf S)inge unb Vorgänge gerid^tet ift. @r fc^afft 
au» unegoiftifc^er greube. Sr oerfenit ftd^ in ba» SBefen 
ber SDinge ate reiner Setrad^ter. Sbenfo ifl ed bei btm 
Senie^en ber ftunftmerle. 9Benn mir oor einem ^unftmerle 
f^el^en, unb fic^ bie äJegierbe in uu» regt: mir möd^ten e3 
be^^en, bann ftnb mir nod^ in bie niebrigen @elüfte bed 
SSiQend oerftrictt. @rft menn mir bie Sd^onl^eit bemunbern, 
ol^ne fie gu begel^ren, l^aben mir uu9 auf ben erl^abenen 
Stanbpunft eri^oben, auf btm mir nid^t mel^r oon bem 
blinben SBiUen abhängig finb. 2)ann aber ift bie ftunft 
für un» ttma& gemorben, maiS uniS für ^ugenblidfe erlöft 
oon ber Unoernuft bt» blinb moHenben S)afeini». 9lm 
reinften ift bicfe Sriöfung im ®enuffe ber mufilalifd^en 

9* 



— 132 — 

5lunfin)etle. 2)enn bie äRufil fprtd^t nid^t burd^ Me 9$oc« 
fteOung gu und toie Me anbeten ftunfiorten. @te btibet 
ntd^ti^ ab in ber Statur. S)a alle %alutbinge unb Sor« 
gonge nur SorfteDungen ftnb, fo lönnen bit Sänfte, xod^t 
biefe 2)inge unb Vorgänge gum äSorbilb nelgmen^ aud^ nur 
ald Serlorperungen von SorfteQungen an und l^eranlomnten. 
S)ie £öne erjeugt ber äRenfd^ ol^ne natürli(i)ed SSorbtlb aud 
1td& l&eraud. SBeil er ben SBiUen, ate fein SBefen, in ftd^ 
^ai, fo lann ed auc^ nur ber 9BiQe fein, ber bie SBelt ber 
SKuftl aud fid^ gang unmittelbar auSflromt. 2)ed^alb fprid^t 
bie SKuflf fo ftarl gunt ntenfc^Iid^en ®tmüit, tütü fte bie 
ä^erlörperung beffen ift, ma^ ba2 innerfte SSefen bed SRenfd^en, 
fein ma^red @ein, ben SSillen, audbrüdEt. Unb ed ift ein 
S^riump]^ bed äRenfd^en, ba^ er eine $unft l^at, in ber er 
miOendfrei; felbftlod ba» geniegt^ xoa& ber Urfprung alled 
Segel^rend, ber Urfprung aller Unoernunft ift. 2)iefe 9(n- 
fdCjauung Sd^openl^auerd über bie 9RufiI ift mieber bad 
Srgebnid feiner gang perfönlid^en Sigenart. @d^on ald 
Hamburger ^aufmanndlel^rling fd^reibt er an feine 9Rutter: 
^äSie fanb baS ]^immlif(^e @antenIorn Staunt auf unferem 
garten äSoben, auf n^eld^em Stotmenbigleit unb äSangel um 
jebed ^lä^d^en ftreiten? 3Bir ftnb oerbannt t)om Urgeift 
unb foQen nic^t gu il^m emporbringen. — Unb bodE) l^at 
ein mitleibiger (Sngel bie l^immlifd^e ä3Iume für und erßel^t 
unb fie prangt ^oä) in ooQer $errIidC)Ieit auf biefem Soben 
bed Sammerd gemurgelt. — S)ie $uldf(^läge ber gött« 
liefen S^onlunft l^aben nid^t aufgel^ört, gu fd^Iagen bnx^ 
bie Sal^rl^unberte ber ä3arbarei unb ein unmittelbarer 
äBiberl^all bt» @migen ift und in il^r geblieben, |ebem 
@inn oerftänblid^ unb felbft über Safter unb £ugenb 
erl&aben." 

3Ran lann an ber SteQung, meldte bie beiben ®egen« 
fü§Ier ber SBeltanfd^auung, |)egel unb Sd^openl^auer, gur 
ftunft einnel^men, fe|en, mie bie SBeltauffaffung eingreift 
in ba^ perf6nli(^e SSerl^ältnid bt& 9Renfd)en gu ben eingelnen 
©ebieten bt» Sebend. ^egel, ber in ber SorfteKungd« unb 
Sbeenmelt bt» 9Renf(^en ba» \d^, morauf bit gange äugere 



— 133 — 

Statut aü )u il^rer SoQenbung j^infkebt, lann bie ooD« 
lotntnenfte ftunft aud^ nur in berienigen feigen; loo ber ®etft 
am pd^flen^ am ooUenbetften erfd^eint, unb mo er bod^ 
pgletd^ an bemienigen l^aftd, ma9 fortmä^renb nad^ i^m 
l^tnflrebt. Sebed ®ebilbe ber änderen %atur miO ®etß 
fein; aber ed erreid^t i^n nid§t. SSenn nun ber Stenfdl 
ein fold^ed anbete», ränmlid^ed ®ebilbe fd^afft, bem er ben 
®eifi einprägt; ben ei9 fuc^t^ aber burdi ftd^ felbft nid§t 
erreid^en lann, bann l^at er ein ooQIommeneiS Jtunftmerl 
gefd^affen. S)ad ifi in ber $Iaftit ber gfaU. 9Sad fonft 
nur im Snnern ber menfd^Iid^en ®eele ate geftattlüfer ®eift, 
ate 3bee erfd^eint, ba» geftaltet ber plaftifd^e ftünftler aM 
bem rollen Stoff l^erauiS. S)ie Seele, bad ®emüt, bie mir 
in unf erem Semugtfein olgne ® eftalt mal^mel^men : fie fpred^en 
aa& ber @tatue, an& einem ®ebilbe bed StaumeiS. 3n biefer 
SSermäl^Iung oon ©innenmelt unb geiftiger SBelt liegt ba» 
Shtnftibeal einer SBeltanfd^auung, bie im ^erüorbringen bed 
®eifted ben ^xotd ber %atur ^e^t, alfo ba» @d^öne m^ 
nur in einem SBerle feigen lann, baiS ate unmittelbarer 
SIuiSbrudF bed an ber %atur gum Sorfd^ein lommenben ®eifted 
erfd^eint. 93er bagegen, mie @d^openl^auer in aOer Statur 
nur SSorfteQung fte^t, ber lann unmoglid^ biefed Sbeal in 
einem SSerle feigen, ba» bie %atur nac^a^mt. @r mn% )u 
einer jtunftart greifen, bie frei Don aQer %atur ift : bad ift 
bie aSufil. 

SIQeiS wa» )ur 9udtilgung, ja Slbtötung bt^ SBiüenS 
fül^rt, fal^ ®d^open]^auer folgerid^tig für erftrebendmert an. 
Senn ein SSertilgen bed SBiUend bebeutet Sertilgen bed 
Unvernünftigen in ber SBelt. 3)er äRenfc^ foQ nidgt moDen. 
@r foa aQeiS Segel^ren in ftd^ ertöten. 3)te 9ld!efe ift 
bal^er Sd^openlgaueriS moralifd^eiS Sbeal. S)er SBeife mirb 
alle SBünfd^e in fid^ audUfd^en, feinen SSiQen oollftänbig 
oemeinen. @r bringt ed fo meit, bai lein HRotit) il^n nod^ 
gum äSoQen nötigt. @ein Streben beftel^t nur nod^ in 
btm quietiftifd^en 2)range naä^ Sridfung von allem Seben. 
3n ben meÜoerneinenben SebeniSanfid^ten bt» Subbl^ii^muiS 
fal^ Sd^openl^auer eine l^ol^e SSeidl^eitdlei^re. äSan lann 



— 134 — 

bal^er feine ffielianftd^t gegenüber ber^egelfd^en eine realtion&e 
nennen. $)egel fnd^te ben SRenfd^en überaQ mü bem Seben 
ottiSjufol^nen, er ftrebte bornad^^ aQeiS ^anbeln ald bte 
aRitarbeit an einer oernünftigen Orbnung ber SSelt bar« 
gufleDen. ©(^openl^aner betrachtet bie Sebendfeinbfd^aft, bte 
Sblel^r non ber äSirllic^Ieit, bie bubbl^iftif(^e unb ^rifüid^e 
aSeltflud^t al» Sbeal bed aSeifen. 



3n ber ^egelfd^en 9lrt ber SBelt« unb Sebendanfd^auung 
liegt etroai^, ma» !^xotx^tl unb ^fragen ^emortreiben lann. 
$egete SuiSgangdpunlt ift ba» reine S)enlen, bie abftralte 
3bee^ bie er felbft ote ,,auftern^afteiS^ graues ober gan^ 
fd^roaraeö" SBefen begcid^net (Brief an ©oetl^e vom 
20. Sebr. 1821), oon ber er aber guglei^ bel^auptet, ba% 
fie auf auf äffen fei ald bie ;,S)arfteaung ©otteiS, n)ie er in 
feinem einigen Sßefen nor ber Srfd^affung ber %atur unb 
eine« enblid&en ®eiftc« ift". SDaö 3i^t 8« bem er lommt, 
ift ber inl^altnoDe, inbinibuelle äßenfd^engeift, burd^ ben baS 
erft jum SSorfd^ein lommt, ma» in bem ®rauen, Stuftern* 
l^aften nur ein fd^attenl^afteiS S)afein fä^rt. @ine $er« 
fonlid^Ieit aU lebenbigeiS, felbftbemugteiS Sßefen ift alfo 
au§er bem menfd^lid^en ©eifte nid^i oorl^anben. C^egel leitet 
bal^er baiS ^nl^altreid^e, ba» mir in und erleben au» bem 
SbeeQen ab, ba& mir erbenlen muffen. äRan lann ed ner« 
ftel^eU; ba% ®eifter non einer gemiffen ®emütiSanIage fid^ 
non biefer 9Belt« unb Sebendanftd^t abgeflogen fül^Iten. 
%ur S)enler oon fold^ felbftlod l^ingebungdooHer Jlrt mie 
ftarl Slofenfrana (1805 — 1879) maren imftanbe, fi(^ 
gana in ben ©ebanlengang £)egete einzuleben unb in ooQer 
Übereinftimmung mit biefem felbft ein Sbeengebdube gu 
fd^affen, ba» mit eine äSiebergabe bed |)egelfd^en aud einer 
weniger bebeutenben 9tatur l^eraud erfd^eint. Slnbere !onnten 
nic^t begreifen, mie fid^ ber 9Renfd^ burd^ bie reine 3bee 
auflloren foll über bie Unenblidgleit unb äKannigfoItigleit 
ber @inbrüdte, bie auf il^n einftürmen, menn er ben Slidt 



— 185 — 

ottf bte färben* unb fonnettreid^e Stohtr ric^td^ unb toie er 
baburd^ ttma» getoinnen foD, ba% tc von ben ßrlebniffen 
bcc SinpfinbungiS«, ®efül^te- unb SorfteOungdmeU feiner 
Seele ben Slid erl^ebi )u ber eifigen $o^e beiS reinen ®e* 
banlend. Sinen SluiSbrud fanb biefe burd^ ^t%tü Sor* 
ßeQungi^ort unbefriebigte Stimmung in ber Sebanlen^ 
ftromung^ bie il^re Seitreter ^aüt in gfrang Senebilt 
»aaber (1766—1841), ftarl S^riftian griebrii^ 
ftraufe (1781—1832), Smmonuel ^ttmann gfid^te 
(1797— 1879),S^riftian$ermannSBei6e(1801— 1866), 
anton ©untrer (1785—1862), St. &. (£. Xta^nborff 
(1782—1863), aRartin 2)eutinger (1815—1864) unb 
$>ermann Ulrici (1806— 1884). Sie moren befteebt, an 
bie Stelle bed grauen, aufternigaften, reinen ®ebanleni9 
$egete ein lebenerfüüted, perfönlid^ed Urn)efen, einen iubi- 
oibueDen ®ott gu fe^^en. Saaber nannte ed eine ^gotted« 
leugnerifd^e SorfteQung'', gu glauben, (Sott erlange erft im 
9Renf(^en fein noOIommened Safein. ®ott mug eine $erfonlid^ 
leit fein; unb bie SSelt barf nid^t fo, mie fid^ ba» ^egel 
oorfteEt, ate ein logifd^er ^rogeg au» i^m l^emorgel^en, 
in bem mit %otmenbigIeit immer ein Segriff einen anberen 
i^emortreibt. Stein, bie 9BeIt mug ®ottej9 freie S^at, eine 
Sd^öpfung feined aümäd^tigen SBiüend fein. 2)abur(^ näl^ern 
fid| biefe S)enler ber c^riftlid^en Offenbarungdle^re. Sie gu 
red^tfertigen unb miffenfd^aftli(^ gu begrünben, mirb ber 
me^r ober meniger bemühte ^mtd il^red %ad^finneni9. Saaber 
oerfenite ft(^ in bie SR^ftil Sacob So l^med (1575— 1624), 
bt» äReiflerd (SdEliart (1250— 1329), Zaulerd (1290—1361) 
unb ^aracelfuiS' (1493 — 1^1), in beren bilbeneic^er Sprache 
er ein oiel geeigneterei^ äRittel fanb, bie tiefften SBaf^r» 
j^eiten oudgufpred^en, ate in ben reinen ®ebanlen ber ^egeU 
fc^en Seigre. 3)ag er aud^ Sd^eQing oeranlagte, feine ®e« 
banlen burd^ 8ufna^me ^acob So^mifd^er SorfteQungen 
|tt oertiefen, mit mörmerem Snl^alt ju erfüllen, ift berettiS 
ouiSgefül^rt morben (oergL S. 84 f.). Semerlen toerte Sr« 
fd[|einungen innerl^alb ber SSeltanfd^auungdentmidCelung merben 
immer $erfönli(^leiten mie Sraufe fein. @r mar äRatl^e« 



— 136 — 

tnaitler. Sr l^at ftdg burdg btn fiolaen, logifd^-ooQIomtneneu 
(Sl^aratter biefer SBiffenfd^aft nid^t beftimmen laffen, bie 
Seltanfd^auungdfragen, bie feine iiefflen ®eifteiSbebürfniffe 
befriebigen foQten, nad^ betn SRuftcr ber 3Ret^obe gu üfen, 
bie il^m in biefer SSiffenfd^aft geläufig mar.' S)er S^pniS 
für fold^e 3)enler ift ber gro§e 3Rai^tmatittt ^teroion, ber 
bie ®rf(^einungen bed ftd^tbaren äSeltaUiS mit ein Sted^en« 
efempet bel^anbelte unb baneben bie ®runbfragen ber SSeli« 
anfd^auung für fid| in einer bem Offenbarungdglauben 
nal^eftel^enben SSeife befriebigte. Sine 9(nfid^t, bie ba& 
Urwefen ber SBelt in ben S)ingen unb Vorgängen fud^t, 
lann jhraufe nid^t anerlennen. 3Ser ®oti in ber SSeli fud^t, 
wie $egel; lann il^n nid^t ftnben. 2)enn %max ift bie SBelt 
in ®oii, ®oii aber nid^t in ber 3Sdi, fonbern ate felb« 
ftänbiged, in fid^ feligru^enbeiS äSefen Dorl^anben. Jh:aufe0 
^btenwdt liegt gu ©runbe ber ;,@ebanle eineiS unenblid^en, 
felbftänbigen 9SefeniS, wdä)t9 auger fid^ m^i§ ^ai, an fi(^ 
aber unb in ft(^ als ber eine ®runb aDed ift, unb n^eld^ei^ 
roxt mitl^in aud^ aü ben ®runb beulen uon Sernunft^ 
%atur unb äRenfd^l^eit''. @r toiU nid^tö gemeinfant l^aben 
mit einer 9(nf(^auung, meldte ^^baig (Snblid^e ober bie SBelt 
ate ben Inbegriff be» @nbli(^en für ®ott felbft ^ält, oer« 
gfittcrt, mit ®ott oermet^felt". 3Ran möge fi(^ in bie 
unferen ©innen unb unferem ®eifte gegebene 9SirIlid^{eit 
nod) fo DertiefeU; niemate mirb man baburd^ gum Urgrunbe 
aUt^ @einiS lommen^ t)on bem man nur baburd^ eine SSor« 
fteüung erl^alten lann, bai man bie Seobad^tung aSeS 
enblid^en S)afeind begleitet fein Iä§t oon bem al^nenben 
@d^auen einei^ Übermeltlid^en. Immanuel ^ermann 
t>id^te l^ielt in feinen ®d^riften „Säi^t gur Sorfc^ule ber 
Sl^eologie'' (1826) unb ^Seiträge gur Slgaralteriftil ber 
neuern $]^iIofop]^ie" (1829) eine fd^arfe 9lbre(^nung mit 
bem ^egelianiSmuiS. @r l^at in gal^Ireic^en äBerlen bann 
feine Sluffaffung, ba% ein bemugtei^, perfonlid^ei^ äSefen btn 
9SeIterf(^einungen gu ®runbe gelegt merben muffe, gu be« 
grünben unb gu vertiefen gefud^t. Um ber ®egnerf(^afi 
gegen bie von bem reinen S)enlen aui^gei^enbe S^lufd^auung 



— 137 — 

$egeto. eine nod^brfidDtd^e Süiung )u oerfd^affeti, oerbanb 
er ^d^ mit ben gleid^geftnnten gf^eunben SBetge, ®eng(er^ 
SL $^. di^^tx, ei^alQbäud, gr. ^offmann, ttlrici, 
SSirtl^ u. a. im ^a^tt 1837 }ur ^eraudgabe ber ^QüU 
fdEinft für $l^iIofop]^ie unb fpelulative ZJ^eoIogie". Kad^ 
3. $• Sfid^led Überzeugung ift nur berjenige ju ber ^oc^ften 
SrIenntniiS emporgeftiegen, ber begriffen ^ai, ba^ ^btx 
^o^^te, xoafyc^afi ba» 9BeItprobIem Ufenbe ®ebanle bie 
3bee bt» in feiner ibealen, mie realen Unenblid^Ieii fid^ 
miffenben, burc^fd^auenben Urfubjeltd ober ber abfoluten 
^erfSnlic^Ieit'' i% ^3)ie äSeÜfd^opfung unb Srl^attung, 
wa» eben bie SBeltmirllid^Ieit aMma^i, beftel^t lebiglid^ 
in ber ununierbrod^enen, oom äSemugtfein burd^brungenen 
SBiEendermeifung ®otit», fo ba% er nur S9emu|tfein unb 
SiQe, beibeiS aber in l^öd^fter Sinl^eil; er aDein mitl^in 
^erfon, ober fte im eminenteften @inne ift'' Sl^r. $er« 
mann Steige glaubte Don ber ^egelfd^en Sßeltanfd^auung 
gu einer ooIUonimen tfieologifd^en ä9etradC)tungdmeife auf« 
fteigen gu muffen, ^n ber d^riftlid^en 3bee oon ben brei 
$erf5nlid^leiten in ber einigen ©ottl^eit fal^ er bai^ ^i^I 
fetned SenleuiS. Siefe 3bee fudgte er bal^er mit einem 
ungemeinen Sfufmanb oon ®d^arfftnn ate Srgebnii^ eineiS 
natürlid^en, unbefangenen 2)enlend j^inguftellen. Sei il^m 
ift bie pl^ilofopl^ifd^e SBeltanfd^auung mieber ooQftänbig an 
bem $unlte angelommen, an bem fie jur 3^t ber @dC)oIaftiI 
^anb. S)ie Sernunft mirb gur @tü^e beiS Offenbarungis^» 
glaubeniS. Qtma^ unenblidg reid^ereiS ate $egel mit 
feiner grauen 3bee glaubte 9Bei§e gu befi^en in feiner brei« 
einigen perfdnlid^en ©ottl^eit^ ber lebenbiger SBille eigen ifi 
S)iefer lebenbige SBille ^mirb, mit einem SBorte^ ber inner« 
gdttlid^en %atur audbrüdflidEi bie ®eftalt unb leine anbere 
geben, meldte in ber ^eiligen @4irift alten unb neuen 
£eftamented allerorten oorauiSgefe^t mirb, menn fte ®ott 
fomol^l oor ber Sd^opfung ber SBelt, ate aud^ bei unb 
nad| berfelben in bem lid^ten Elemente feiner ^errlid^Ieit^ 
aU umgeben oon einer unabfel^baren ^eerfd^ar bienenber 
®eifter mit einer fififfigen, immaterieSen Seiblid^Ieit oorfteüt^ 



— 138 — 

bnx<^ bit i|tn überall au»btüdlx^ oud^ fein Serlel^r nrii 
btx gefc^affenen Sßelt vttmiiidi toirb''. 

3(nton ®üni^tT, ber ^SBiener ^J^ilofopl^'' unb bec 
ititter feinem Sinflu^ ftel^enbe SRartin Seutinger be- 
wegen fid^ mit il^ren 9BeItanfc^anung0gebanIen ganj inner« 
l^olb bed Stammend ber latj^olifd^-tl^eologifd^en SorfieUungd« 
ort. S)er erftere fud^l ben äRenfc^en bobnrd^ von ber natfir« 
lid^en äSeltorbnung loiSgulofen, ba§ er iign in gmei ®tücte 
^ettrennt, in ein %aiunoefen, bad ber notmenbigen ®efe^> 
mä§igleit mie bie niebrigeren Singe angehört, unb in ein 
^eiftmefen, ba» ein felb^&nbiger 2^eil einer l^ö^eren ®eißer» 
melt ift unb ein Safein ^at mie ein ^feienbed" SBefen bei 
^erbart. 6r glaubte babnxd^ ba» ^egeltum^ ba& im ©eifte 
nur eine l^öl^ere @tufe bt& %aturbafeini5 fielet, gu überroinben, 
unb eine d^riftlic^e SBeltanfc^auung ^ begrünben. Sie 
.Sirene felbft mar nid^l biefer änfid^t, benn in Stom mürben 
®üntl^erj$ @d^riften auf ben 3nbe; ber verbotenen Sudler 
gefegt. Seutinger lömpfte l^eftig gegen ^egete reined 
Senlen^ ba», nad) feiner Slnfid^t, bad lebendDoQe ®ein nid^t 
DerfdCjlingen bürfe. Ser lebenbige Sßille gilt il^m l^ol^er, 
oiß ber reine ©ebanle. Sener lann aü fd^affenber mirllid^ 
tiwa» Igeroorbringen; biefer ift mac^tlöd unb abftralt. 
Siefen lebenbigen SSiQen mad^t auc^ S^ral^nborff }u 
feinem Hudgangdpunlte. 3ixä)i an» htm ®d^atlenreid^ ber 
Sbeen lann bie SBelt erllart merben^ fonbern ber Iraft« 
oolle äSille mug biefe Sbeen ergreifen, um tovdlii^t» Safein 
^u fd^affen. Sticht im benfenben Segreifen ber Seit er* 
fd^Iie|t ftd^ bem äRenfd^en beren tieffter @el^alt, fonbern in 
einer ©emfit^erregung, in ber Siebe, burd^ bie ftd^ ber 
^ingelne an bie ©efamtl^eit, an btn im 9(0 maltenben 
SiDen l^ingiebt. 9)tan fielet ed gang beutlid^: aDe biefe 
realtionören Senler ftnb bemül^t, baiS Senlen unb feinen 
®egenftanb, bie reine 3bee, gu überminben. Sie moQen 
biefed Senlen nid^t ate bie Igbdgfte ©eiftedäugerung bed 
ütenfdCien gelten laffen. Sral^nborff min, um ba» Urmefen 
ber SBelt gu begreifen, biefed nid^t erlennen, fonbern 
lieben. (&» foQ ein ®egenftanb für ba» iSmüi, m^t 



— 139 — 

fär bie SBentunft fein. Surd^ ba» fUvct, reine £enlen^ 
glauben biefe $^iIofopl^en^ merbe bie »arme; religiofe $in« 
qabt an bie Urlräfte bed ^a\dn» jerftSrt. 

2)iefer le^fteren SorfteOung liegt eine migoerftfinblid^e 
Huffaffung ber $egelfd^en ®ebanlenn)elt ju ®ntnbe. Siefed 
aRiBoerftänbniiS trat befonberd in ben {(nfdgauungen )tt 
Xage^ bie fid^ nad^ $egeld £obe über beffen SteDung gur 
Sleligion geltcnb matl^iett. S)ie VLnllaxf^tit, bie über biefe 
SteEung l^errfdgenb mürbe, fpaltete bie 9nl^ängerfd^aft 
^egete in eine Partei, bie in feiner Sßeltanfdiauung eine 
fefle @tä^e bed geoffenbarten @tiriftentumiS erblidEte, unb in 
eine folc^e; bie feine Seigre gerabe bagu benu^te, bie d^rift« 
lid^en Slnfd^aunngen aufaulofen unb burd^ eine rabilal frei« 
geiftige änftd^t gu erfe^en. 

SBeber bie eine, nod^ bie anbere $artei l^ätte fid^ auf 
$egel berufen lönnen, mtnn fte il^n rid^tig uerftanben 
Ratten. 2)enn in ^egete SBeltanfd^auung liegt nit^td, ma» 
gur ®tfi^e einer Sieligion bienen ober au bereu Suflofung 
ffiigren lann. ®o xotniq ^eqd irgenb eine Srfd^einung 
ber %atur aud bein reinen ©ebanlen l^erauiS fd^affen moOte, 
fo oenig n^ollte er ba^ mü einer 9ieligion ti)un. 9Bie 
er aud ben Vorgängen ber %atur ben reinen ®ebanlen 
i^eraudlöfen unb fie baburd^ begreifen n^oDte, fo oerfolgte 
er aud^ bei ber 9leIigion lebiglid^ bad '^id, if^xtn ©ebanlen« 
gel^alt an bie Oberfldd^e gu bringen. S3ie er aQeiS in ber 
SSelt ate oernünftig anfal^, n>eil t» xDXxili^ i% fo audg 
bie Sleligion. ®ie ntug ba fein, gefd^affen burd^ gang 
anbere ©eelenlrafte, oi» bem 3)enler gur SSerfügung ftel^en, 
nienn biefer an fie l^erantritt, nm fte %u begreifen. Sd 
mar and) ber Srrtum ber 3. $. t^id^te, Sl^r. $. äSeige, 
Seutinger u. a., bai fte ^egel bedl^alb belampften, n>eit 
er nid^t oon ber @p^äxt bti^ reinen ®ebanlend fort« 
gefd^ritten fei gu bem religiöfen (Srfaffen ber perfönlid^en 
®ott]^eit. @ine fold^e 3(ufgabe f^ai ftd(| aber $>egel nie ge« 
fteQt. @ie betrad^tete er ate ®aä^t bed religiöfen S3en)u|t« 
fetnd. gfid^te, SBeige, ftraufe, S)eutinger u. a. moOten auis 
ber SSeltanfd^auung l^eraui^ eine Steligion fdiaffen. $»egel 



— 140 — 

wäxt ritte fold^e Aufgabe ebettfo obfitrb Dorgelotntttett^ tote 
toenn itmanb au» ber 3bee bed Si^M ^ttaM bie SBelt 
l^äiie erleud^ten tooDen; ober aitd betn ©ebattlett bed 
3Raqntix»mM rinen 9Ragnetett erfd^offen. SlQerbingiS ftotntttt, 
ttadg friiter Slnfid^t, fott)ie bie ganje Statur« uttb ®riftei$« 
toeli, caiä^ bie Steligion au» ber Sbee. 2)eiS]^aIb lann ber 
tttenfd^Iid^e ®rift biefe 3bee in ber Steligiott toieber ftnben. 
$lber toie ber SRagnet au» betn ®ebanlen bed SKagnetidmuS 
gefd^affen ift Dor bent Sntftel^en bed ntenfd^Iid^en ®eifted, 
unb biefer l^interl^er biefe Sntftel^ung nur gu be* 
greifen ^ai, fo ift anä^ bit Steligion an» bem ®ebanlett 
geworben, beoor biefer ®eban!e in ber tnenfd^Iid^en 
Seele old ein Seftanbtril ber äSeltanfd^auung aufleud^tet. 
^egel n^ürbe^ wenn er bie Steligiondhitil feiner @d^üler 
erlebt l^ätte, gu bem 9![udfpru(i)e gebrängt morben frin: 
Saffet bie $änbe xotQ oon aOer ®runblegung riner 9teli« 
gion, oon aUem ©d^affen religiöfer SorfteQungen, fo lange 
il^r S)enler bleiben niollt unb nid^t 9Reffiaffe xoexbm n)oQt. 
^ie SBeltanfd^auung ^egeliS !ann, rid()tig Derftanben, nid^t 
gurüdhoirlen auf ba» religiöfe S9en)U§tfein. 3Ber über 
bie iSunft nad^benlt, ftel^t %vi biefer in bem gleid^en Ser« 
l^ältniffe mie berjentge gur Steligion^ ber beren äSefen er« 
grünben miS. 



2)em £ampf ber Sßeltanfd^auungen bienten bie oon 
9(rnoIb Stuge unb 2^]^eobor @d()terme^er in ben 
Salären 1838 — 43 ]&eraui?gegebenen ^^aHifd^en ^ä^t* 
lü^tt". Son riner ^erteibigung unb Srllörung ^egete 
gingen fte balb ju einer felbftänbigen O^ortbilbung feiner 
Sbeen meiter unb fül^rten auf biefe SEßeife gu ben ®eftd^td« 
puniten l^inüber, bie mir im nctd^ften ^uffa^ aU bie« 
jenigen ber „rabilalen Sßeltanfd^auungen" lenngrid^nen. 
Som Saläre 1841 an nennen bie Herausgeber ii^re 3^* 
fd^rift ^3)eutf^e Sal^rbüd^er'' unb betrad^ten oi» rined 



— 141 — 

il^rer 3^^^^ ^^^ „Stampf gegen bte politifd^e Unfreil^eit^ 
gegen tS^nbaU unb Sanbgutötl^eorie''. @ie griffen ob 
tabtiale $oIttiIer in bie QtittnttDiddani ein, forberten 
einen ®iaai, in bent voViommtnt Steilheit l^ertfd^t. Sie 
entfernten fid^ fomtt t)on bent ®eifte ^egeld, ber nid^tSe^ 
fd^id^te ntad^en, fonbern @efd^id^te begreifen »oQte. 



pe riü^ikalfn ^titm^mm^tn. 



3m Seginne ber Dierjiger Saläre fül^rt ein 9Rann 
Iidftige ®d^Iäge gegen bie äSeltanfd^auung ^egeliS, ber ftdg 
oorl^er grünblid^ unb intim in fte eingelebt l^atte. @iS ift 
ßubmig gfeuerbad^ (1804—1872). ®ie ffirieggerllärnng 
gegen bit SBeltanfddauung, au^ ber er l^eraudgemad^fen 
mar, ift in rabilaler gfonn gegeben in feinen @(i^riften: 
;,SorIäufige S^efen gur SReform ber ^löilofopl&ie- (1842) 
unb in ben ;,®runbfä^en ber $l^iIofop]^ie ber Sulunft'' 
(1843). S)ie meitere Sludfül^rung feiner ®ebanlen lonnen 
mir in feinen anberen Schriften oerfolgen: „"S^a» ®efen 
be» e^riftentum«'' (1841), „®a« ©efen ber Steligion" 
(1845) unb in ber ^S^eogonie'' (1857). — 3n bem 
SBirlen fiubmig ^tntthaä)» mteberl^olte ftd) auf bem ®e« 
biete ber ©eiftegmiffenfd&aft ein Vorgang, ber fid^ f^ft ein 
Sal^rl^unbert frül^er auf btm naturmiffenfd^aftlid^en ®ebiet 
(1759) burdi ba» ^(uftreten Safpar Sfriebrid^ Sßolffi» 
DOÜgogen l^at. S)ie Zf^at SßoIffiS btbtuM eine Steform ber 
Sbee ber @ntmidelung auf btm gelbe ber Sßiffenfdgaft oon 
ben Sebemefen. SBie bie Sntmidelung Dor SBoIff Der- 
ftanben mürbe, bai^ ift am beutlid^ften auiS ben ^Infid^ten bt» 
SRannei^ gu erfel^en, meld^er berUmmanblung biefer SorfteOung 
btn l^eftigften äSiberfprud^ entgegengefe^t l^at: ^littä^ivon 
^alUx». S)iefer äRann, in btm bie ^l^^fiologen mit Sted^t 
einen ber bebeutenbften ®eifter il^rer äSiffenfd^aft oerel^ren, 
lonnte fxd) bie Sntmidelung einei^ lebenbigen SBefend nid^t 
anberiS DoifteEen, ol» fo, bai ber Jteim bereites aUe £eile, 



— 143 — 

bit toäl^renb bed 2tbtMt>ttlcaxft» auftreten, im Heinen, oBer 
oonionttnen Dorgebilbet enthalte. 3)ie Sntmtdelitng foQ 
alfo Sludtüicfelung eined fd^on 3)agen)efenen fein, bai }u« 
er^ wegen feiner jtleinl^eit ober aud anberen ®rfinben fär 
bie äSal^rnel^mung verborgen mar. 9Birb biefe 9(nf(^auung 
lonfequent feftge^alten, fo entfte^t im Saufe ber ßntmidelung 
nid^td Steuer, fonbern eiS mirb ein SerborgeneiS, Singe« 
fd^ac^telteiS fortlaufenb an ba» Si^i bed Zaqt» gebrad^t. 
Malier f)at biefe Snfid^t ganj fd^roff oertreten. 3n ber llr- 
mutter @oa mar im Ileinen, oerborgen, fd^on bad ganje 
SRenfd^engefd^Ied^t oorl^anben. S)iefe 9RenfdgenIeime finb 
nur im Saufe ber äSeltgefd^idgte audgemidFelt morben. SRan 
f el^e mie ber ^l^ibfop^ Seibnia (1646—1716) bie gleid^e 
Sorfteüung audfpridjt: ;,@o follte id) meinen, bai bie 
@eelen, meldte eined £aged menfd^Iid^e Seelen fein merbeu, 
im Samen, mie iene oon anberen ©pejied, bagemefen finb, 
bajß [\t in ben Soreltern bid auf 3{bam, alfo feit bem An- 
fang ber S)tnge, immer in ber gform organifierter 2)inge 
efiftiert l^aben." 9iun l^at SBoIff in feiner 1759 erfd^ienencn 
„Theoria generationis'' biefer 3bee ber Sntmidelung eine 
anbere gegenübergefteOt, bie oon ber Slnnal^me audgel^t, 
bai ©lieber, bie im Serlaufe bed Sebend einei^ OrganiiS« 
mu^ auftreten, oor^er in leiner SBeife oorl^anben maren, 
fonbern in bem Stiipnnlit, in bem fte ma^me^mbar merben, 
aud^ ald mirllic^e %eubilbungen erft entfte^en. SBolff 
jeigte, ba^ in bem @i ni^t^ oon ber Oform bt^ audge» 
bilbeten Organii^muiS oorl^anben ift, fonbern ba^ beffen 
SntmidEelung eine Sciit oon %eubilbungen ift. S)iefe j(n« 
fid^t mac^t erft bie SorfteQung eined mirtlid^en SBerbend 
moglid^. 2!)enn fte erSärt, ba% tiwa» entftel^t, ma» nod^ 
nidgt bagemefen ift, alfo im maleren Sinne ^^mirb''. 

^dätt^ Slnftd^t leugnet ba§ Sterben, ba fte nur ein fort« 
laufenbeiS Sid^tbarmerben eineiS fd^on 2)agemefenen gugiebt. 
Sicfer $aturforfc^er fe^te ba^er ber Sbee äSolffiS bcn 
äRad^tfprud^ entgegen: „&» giebt lein äSerben" (NuUa est 
epigenesis!). 2)amit l^at er in ber Z^at bemirlt, ba% 
SSolffiS älnfd^auung Sal^rael^nte lang gänalidE) unberüdFftd^tigt 



— 144 — 

geblieben ift. ©oetl^e fd^reibt ben Sßiberftanb, ber feinen 
Semü^ungen um bie @rllärung ber Sebendn^efen entgegen« 
gebracht xooxbtn i^i, ber ßinfd^ad^ielungalel^re in bie Sd^ul^e. 
@r ^ai fidg befirebt, bie ©eftaÜungen innerhalb ber organifd^en 
9f atur auiS il^rent Sterben, ganj im ®inne einer mal^rl^aflen 
SntmidelungiSanfid^t gu verftel^en, monad^ ba^ an einem 
fiebemefen jum SSorfd^ein ^ommenbe nid^t fd^on oerborgen 
bagemefen ift, fonbern mirilid) erft entfielet, menn eö 
erfd^eint. 6r fd^reibt 1817, ba^ biefer Serfut^, ber feiner 
1790 oerfafeten ©c^rift über bie äßetomorpl&ofe ber ^flanjen 
gu ©runbe lag, eine ^lalte, faft unfreunblid^e Begegnung 
gn erfal^ren l^atte. @oId)er äBibermiüe jebod^ mar gan^ 
nalürlid^: bie ©infd^ad^telnngölei^re, ber Segriff von 
^räformation, t)on fucccfftoer ßnlmidtelung beö oon 8lbamS 
Seiten l^er fd^on Sorl^anbenen l^atten fid| felbft ber beften 
Söpfe im allgemeinen bemäd^ligt". Sluc^ in C^egefe SBelt- 
anfddauung mar noc^ ein Steft ber alten @infc^ad^teIungiS« 
lel&re. 3)er reine ©ebanle, ber im SRenfdbengeifte erfd^eint: 
er fottte in aUcn (Srfdieinungen eingefc^ad^teÜ liegen, beoor 
er in bem äßenfd^en gum mal^rnel^mbaren S)afein gelangt. 
Sor bie 9iatur unb ben inbioibueHen ®eift fefet $egel 
biefen reinen ®eban!en, ber gleid^fam fein foH bie „®ar« 
fteDnng ©otteS, mie er in feinem emigen SBefen oor ber 
erfd&affung'' ber SBelt. ®ie ©ntmidtelung ber SBett ftellt 
fid^ fomit aU eine SluiSmidEelung beS reinen ©ebanleni^ bar. 
©er $roteft Submig t^tnnhai)» gegen bie SBelt« 
anfdiauung ^egeliS berul^t barauf, bai er ein SSorbanbenfein 
be« ©eifteg oor feinem mirflid^cn 8luf treten in bem äRenfd^en 
eben fo menig anerlennen lonnte, mie SBoIff jugugeben 
imftanbe mar, ba^ bie £eile bed lebenbigen Drganii^muiS 
fd^on im Si oorgebilbet feien. 8Bie biefer in ben Drganen 
bt» Sebemefen^ Sieubilbungen fal^, fo Qfeucrbad^ in 
btm inbioibueDen ©eifte beg SKenfd^en. ©iefer ift in leiner 
SBeife oor feinem mal^rneiömbaren ®afctn oor^anben; er 
entftel&t erft in btm 3citpunlte, in btm er mirllid^ auftritt 
(Si^ ift alfo unbereddtigt, oon einem Slügeift, oon einem 
göttlichen äBefen gu fpred^en, in bem ber eingelne ©eift 



— 145 — 

feinen Urfprung l^abe. @d ift lein vexnünfiiqt» @ein oor 
feinem tl^atfäd^Iid^en auftreten in ber Sßelt oorl^anben, bod 
ft<i^ ben Stoff, bie wal^mel^mbare SBelt fo geftattet, bag 
anlej^t im 9Renfd^en fein SSlbbilb iut Scfd^einung lommt, 
fonbern Dor ber Sntfte^ung bt» äRenfd^engeifieiS finb nur 
oernunftlofe Stoffe unb fträfte oorlganben, bie and {tcl§ 
i^eraui^ ein ^eroenf^ftem geftolten, bad fid^ im ®el^irn Ion« 
zentriert; unb in biefem entftel^t ate ooQIommene %eu« 
b Übung etmaiS nod^ nid^t SDagemef eneiS : bie menfd^Iid^e, 
vernunftbegabte @eele. S$är eine fold^e 3Seltanf(^auung 
giebt t^ leine äßöglid^Ieit; bie Vorgänge unb S)inge oon 
einem geiftigen Urmefen abguleiten. 3)enn ein ©eiftmefen 
ift eine %eubilbung infolge ber Organifation beiS ©el^irni^. 
Unb menn ber äßenfdg ©eiftiged in bit Slugenmelt oerfe|t, 
fo ftellt er fid^ oölltg n)illlärlid() oor, ba^ ein SSefen, mie 
ed feinen eigenen ^anblungen ^u ®runbe liegt, auger il^m 
oor^anben fei unb bie SSelt regiere. Seglid^eiS geiftige 
Urmefen mn% ber äRenfd) auiS feiner $l^antafte l^eraud erft 
erfd^affen; bie 2)inge unb Sorgönge ber SSelt geben leine 
Seranlaffung, ein foId^eiS angune^men. %id^t ba& geiftige 
Urmefen, in bem bie 2)inge eingefd^ad|telt liegen, l^at ben 
ÜRenfdden nad^ feinem @benbilbe gefdiaffen, fonbern ber 
SRenfd^ Igat fi^ nad^ feinem eigenen äSefen ba» $]^antafie« 
bilb eineiS fold^en Urmefeni^ geformt. S)aiS ift fJfeuerbad^iS 
Übergeugung. ^S)a3 SSiffen bt» äRenfd^en oon ®ott ift 
ba^ äSiffen be§ äßenfd^en oon fid), oon feinem eigenen 
SSefen. %ur bie (Sinl^eit be» äSefeni» unb Semugtfeind ift 
äßal^rl&eit. 9So bai^ äSerougtfein ®otteiS, ba ift anä) ba» 
aSefen ©otteä — alfo im SKeufd^en." S)er SRenfd) 
fül^Ite fid^ nicf)t ftorl genug, jtd^ ganj auf ftd^ felbft ju 
ftü^en; beiSlgalb fd^uf er fic^ nad^ btm eigenen Silbe ein 
unenblid^ed SSefen, baiS er oerel^rt unb anhttti. 2)ie $)egelfd§e 
SBeltanfd^auung l^at jmar aQe anberen @igenfd^aften au2 
bem Urmefen entfernt; fie l^at aber für ba^Sfelbe nod^ bie 
Sernünftigleit beibel^alten. ^euerbad^ entfernt aud^ biefe; 
unb bamit l^at er ba& Urmefen felbft befeitigt. @r fe^t an 
bie SteQe ber ©otteiSmeiiSl^eit oöQig bie SSeltmeiiS^eii Ste 

@ teilt er, V&tlU unb SebenSanfd^auitnQen. 10 



— 146 — 

einen notmenbtgen SBenbepunIt in ber Sßeltanfc^auungd« 
entrotdelung be^eid^net gfeuerbad} ba^ ;r offene SelenntniiS 
unb (Singeftönbnii?^ ba% ba» Semugtfein ®oiM nid^tö 
anbereiS ift aU ba» Semugtfein'' ber 9)lenfd^]^ett, ba% bec 
SRenfd^ lein ^anbered SSefen al» abfoluteiS, aU %oiilxi)t» 
SBefen benlen, al^nben, t^orfteüen, fül^Ien, glauben, mollen, 
lieben unb oerel^ren lann al^ bai^ menfdglid^e SBefen". 
(&& giebt eine ^nfddauung üon ber %atur unb eine foU^e 
üon bem 9Renfc^engeifte; aber leine oon bent SBefen ®oiM, 
^d^i9 ift mirllid^ aU ba» 2:^atfäd^Iid^e. „^a» äBirllid^e 
in feiner SSirllid^Ieit ober aU äSirllid^e^ ift ba^ äSirllid^e 
oi» Objielt be» (Sinnd, ift ba» Sinnlid^e. Sßal^rl^eit, 
ffiirllidileit; ®innlid^leit finb ibentifd^. %ur ein finnlid^eS 
ffiefen ift ein roal^reö, ein roirllid^eö SBefen. SJur burd^ 
bie Sinne wirb ein Oegenftanb im roal^ren @inn gegeben — 
nid^t burd^ ba^ SDenlen für fic^ felbft. SDad mit bem 2)rnfen 
gegebene ober ibentifd^e Cbjelt ift nur ©ebanle/' 2)a0 
]^ei§t benn boc^ nid^tiS anbereiS aU: ba^ S)enlen tritt im 
menfd^Iid^en Organii^mud aU %eubilbung auf; unb man 
ift nid^t bered^tigt, ftd^ Dor^ufteQen, bai ber ©ebanle ooc 
feinem Sluftreten fd^on in irgenb einer f^orm in ber Sßeli 
eingefd^ad^telt Derborgen gelegen l^at. äßan foQ nid)t bie 
Sefd^affenl^eit bt» tl^atföddlid^ Sorl^anbenen baburd^ erllären 
moüen, bai man eB au0 einem fdl[|on S)agen)efenen ableitet, 
äßal^r unb göttlid^ ift nur baiS Sl^atföd^Iid^e, toa^ ;, unmittelbar 
fid^ felbft gemig ift, unmittelbar für fic^ fpridbt unb ein« 
nimmt, unmittelbar bie Sejal^ung, bai eS ift, nad^ fid| 
jiel^t — ba9 ii)Ud)if)xn ßntfd^iebene, fd^lcd^tl&in Ungroeifel* 
l^ofte, ba& Sonnenllare. ^ber fonnenflar ift nur ba» 
©innlid^e; nur mo bie @innlid^leit anfängt, l^ört aQer 
3n)eifel unb Streit auf. SDaiS ©el^eimnii^ bed unmittelbaren 
SBiffeni? ift bie Sinnlid^feit". gfeuerbad^ö Selenntni« gipfelt 
in ben Sßorten: ;,2)ie ^l^ilofop^ie gur Sad^e ber äRenfd^l^eit 
gu madCien, ba^ mar mein erfteiS Seftreben. 9(ber mer 
einmal biefen SSeg einfd^lägt, lommt notmenbig gule^t bal^in, 
ben äRenf d^en gur ^ad)t ber ^l^ilof opl^ie gu mad^en." 
^S)ie neue ^l^ilofopl^ie maö^i ben SReufdien mit @infd^lu^ 



— 147 — 

btt 9taint, aU bex SaftiS bed SRenfd^en, aum aüeimgen, 
unberfolen unb l^od^ften ®egenßanb ber $l^tIofop^ie — 
bie 9(nt^ropj)Iogie alfo^ mit Sinfd^Iug ber ^l^^ftologie gut 
nnioerfalmiffenf d^afi. '^ gf^erbod^ forbert; ba% bie Semunft 
tiidit ate SluiSgangiSpunlt an bie ®pi^e ber äSettanfc^auung 
gefteüt toerbe, mie Med $egel tl^ut, fonbem bag fte ali 
SnttDidelungdprobuIt^ ate %eubilbung betrad^tet toerbe an 
btm ntenfd^Iid^en OrganidntuiS, an bem fte llatföd^Iic^ auftritt 
Unb i^m ift jebe Slbtrennung beiS ©eiftigen Don bem 
fieiblid^en gumiber, meil eiS nid^t anberd Derftanben merben 
fann benn al» SntmidtelungiSergebnii^ beiS Seiblid^en. «SBenn 
ber ^fpd^olog fagt: id^ unterfd()eibe mid^ oon meinem Seibe, 
fo ift bamit eben fo viel gefagt, dl» menn ber $^iIofop]^ 
in ber fiogil ober in ber SRetapl^^fil ber @itten fagt, id^ 
abftral^iere Don ber menfd^Iid^en Satur. 3ft e» möglid^, 
bag bn Don beinern äSefen abftral^ierft? Slbftra^ier^ bu 
benn nid^t aU SRenfd^? Senift bn o^ne Stopf? Sie ®e« 
banlen finb abgefd^iebene (Seelen. ®ui; aber ift nid^t aud^ 
bie abgefdjiebene ®eele nod^ ein treued äSilb bei^ meilanb 
leibl^aftigen SRenfd^en? Silnbern fid^ nid^t felbft bie aQ« 
gemeinften metapl&^fifd&en Segriffe, bie Segriffe oon ©ein 
unb Sßefen, fo mie fid) bad mitllid^e Sein unb SBefen bed 
Wenfd^en änbert? 9Bad l^ei§t alfo: id^ abftral^iere oon ber 
menfd^Iid^en %atur? %idgtd meiter al» id^ abftral^iere oom 
9Renf(^en, mie er ®egenftanb meinet 99en)u§tfeiniS unb 
3)enlend ift, aber nimmermehr oom SRenfd^en, ber l^inter 
meinem Semugtfein liegt, b. 1^. oon meiner $atur, an bie 
nolens volens unauflödlid^ meine Slbftraltion gebunben ift. 
So abftral^ierft bu benn aui^ ate ^f^d^olog in ©ebanlen 
oon beinem Seibe, aber gIei(^mol^I bift bu im SSefen aufiS 
innigfte mit il^m oerbunben, b. ^. bu benift bid) unter« 
fd^teben oon il^m, aber bu bift bei^megen nod^ lange nid^t 

oon i^mmirÜid^ unterfd^ieben $at nid^t aud^ Sid^tenberg 

Siedet, menn er bel^auptet: man follte eigentlid^ nid^t fagen^ 
id^ benfe, fonbern t» beult. 9Senn alfo gleich ba»: 
3d^ beule, fid^ oom fieibe unterfd^eibet, folgt baraui^, bai 
aud^ baiS: @» btnli, ba^ UnmiDIÜrlid^e in unferem Genien, 

10* 



— 148 — 

bte äSurgel unb Saftig bt^: ^ä) bettle, DOtn Seibe unter» 
fd^ieben tft? SBol^er lotntnt ed benn, bai mix nid^t ^u 
jeber Seit benlen lönnen, bai uttiS nid^t bte ®ebanlert nad^ 
belieben au ®ebote fte^en, ba^ tt)tr oft miiitn in einer 
geiftigen Sirbett tro^ ber angeftrengteften SBiUeniSbeftrebungen 
nid|t Don ber ®teDe !omtnen, btö irgenb eine äußere Ser« 
anlaffung, oft nur eine SEBitterungiSoeränberung bit ©ebanlen 
mieber flott ntad^t? 2)al^er, ba% anä) bie 3)enl« 
tl^ätigleit eine organifd^e S^l^ätigleit ift. äSaruni 
ntüffen toir oft Saläre lang ®ebanlen mit uniS l^erumtragen, 
e^e fie nn^ Hat unb beutlid^ merben? S)arutn, toeit 
audd bie ®ebanfen einer organifd)en @ntn)td(elung 
untern)orfen finb, aud^ bie ©ebanlen reifen unb 
zeitigen ntüffen, fo gut ald bit f^rüd^te auf beut 
3felbe unb bie ffiinber int Wutterleibc." 



£reffenb meift l^ier fjfeuerbad^ auf ®eorg (Sl^riftop^ 
ßid^tenberg l^in, ben im ^df)U 1799 oerftorbenen SDenfer, 
ber mit mand^er feiner 3been aU ein SSorlöufer ber SSBelt« 
anfd)auung betrachtet merben mug, bie in @eiftern mit 
t^euerbad^ einen SluiSbrudC gefunben ^at, unb ber mit feinen 
anregenben Sorfteüungen mol^I nur bedl^alb nid^t fo be- 
frud^tenb für ba§ neungel^nte Sal^rl^unbert gemorben ift, meil 
bie aQeiS überfdjattenben mad^tigen ©ebanlengeböube ^id)it6, 
@d|elling, ^egete bie ©eifteiSentmidCelung fo in Slnfprud) 
genommen l^aben, ba^ apl^oriftifd^e 2;beenbli^e, menn fie anä^ 
fo erl^eSenb maren mie bie Sic^tenbergiS, überfeinen merben 
lonnten. 9Kan brandet nur an einzelne SluiSfprüdge bed 
bebeutenben äRanneS gu erinnern, um gu geigen, mie in 
ber oon t^euerbad^ eingeleiteten ©ebanlenbemegung fein ©eift 
toieber auflebte. „®ott fd^uf ben äRenfd^en nad) feinem 
Silbe, baS ^eigt oermutli^, ber äRenfd^ fd^uf ®ott na^ 
bem feinigen." ;,Unfere 3Sdi mixb no(^ fo fein merbcn, 
ba% ed fo lädierlid^ fein mirb, einen ®ott gu glauben, al» 
l^eutgutage ©efpenfter.'' „3ft benn mol^I unfer Segriff ])on 



— 149 — 

®oit tiwa» anbttt» ab perfoitifijierte Un^egreiflid^Ieit?'' 
«S)ie SioTMtJbxvQ, bte mir un» oon einer @eele ma^tn, 
i^ai oiel n^nlxäfltit mit ber oon einem 9Ragnelen in 5er 
6rbe. Q» x\i blog Silb. (5» ift ein bm SRenfd^en an» 
geboreneis Srfinbungdmitlel, ftd^ aDed unter biefer gform 
an benfen/ ^Snftatt boB ftdg bit SBelt in uniS fpiegett, 
foQten mir nielme^r fagen, unfere SJemunft fpiegelt ftd^ in 
ber SBeli. SBir lönnen nid^tö anbered; mir muffen Orb« 
nung unb meife 9legierung in ber SBelt erfennen, bied folgt 
aM ber Sinridgtnng nnferer S)enIIraft. @iS ift aber nodg 
leine Sfolge, bai eiroa», wa§ mir notmenbig benlen muffen, 
andg mirflid^ fo ift . . . .> alfo baraud läft \xä) lein ®ott 
ermeifen." ^äBir merben uM gemiffer SorfteDungen bemüht, 
bie nid^t oon uM ab^öngen ; anbere glauben mir menigftend 
l^ftngen oon und ab; mo ift bie ©renge? SBir lennen nur 
aDein bie giften} unferer Smpfinbungen, SorfteHungen 
unb ®ebanlen. (SB beult, foQte man fügen, fomie man 
fagt: t» bli^t.'' ^äitt Sid^tenberg bei fold^rn ©ebanlen« 
anfct^en bie ^öl^igleit gel^abt, eine in fid^ ^armonifd^e äSelt« 
anfd^auung audjubilben: er l^citte ni(|t in bem ®rabe 
unberüdtfid^tigt bleiben lonnen, in bem bieiS gefc^el^en i^ 
3ur Silbung einer SBeltanfd^auung gel^ort ni(^t nur Über« 
legenl^eit be» ®eifteiS, bit er befag, fonbern aud^ bad Ser« 
mögen, ^been im Qn^ammtn^anQt aDfeitig auiSa^geftalten 
unb plaftifd^ gu runben. S)ie$ Sermogen ging i^m ab. 
@eine Überlegenl^eit fprid^t ftd^ in einem oortrefflid^en Urteile 
über ba» Serl^öttnid ftantd gu feinen 3^i8^n<>ff^n <<u^- 
„^ä) glaube, bai, fo mie bit 8(nl^änger bt» $errn Sant 
il^ren ®egnern immer oormerfen, ^e oerftönben i^n nid^t, 
fo aud^ mattet glauben, ^err ftant l^abe 9te(^t, meil fte 
ii^n oerftel^en. Seine SorfteüungiSari ift ntu unb meidet 
oon ber gemü^nltdgen fe^r ab; unb menn man nun auf 
einmal (Sinfid^t in biefelbe erlangt, fo ift man aud^ fel^r 
geneigt, fte für mal^r }u l^alten, )umal ba t& fo oiele eifrige 
Slnl^änger ^at 9Ran foDte aber babei immer bebenlen, 
bog biefeiS Serftel^en no(^ lein ®mnb ift, eiS felbft für ma|ir 
au l^alten. 3d^ glaube, bog bie meiften über ber fjfrenbe. 



— 160 — 

ein fel^r ah\kalit» unb bunlel gefa^teiS Softem gu Derflel^en, 
augletd^ geglaubt l^aben, ed fei bemonftriert.'' — Sie 
geiftedDeriDanbt ftd^ Subtoig Sfeuerbad^ mit Sid^tenberg fül^Ien 
tnit§te, ba& geigt {tdg befonberd^ toenn man oergleid^t, auf 
meldie ©efid^tiSpunlte ft(^ beibe S)enler flenten, menn fte 
bai^ Serl^&ItniiS il^rer SBeltanfd^auung gum praltifdden Seben 
in Setrad^t sogen. S)ie Sociefungen, bie gfeueibad^ vot 
einer Snjal^I oon ®tubenten im SBinter 1848 über bad 
^rSßefen ber Sieligion" l^ielt, fd^Iog er mit ben äSorten: 
^3d^ münfd^e nur, bai id^ bie mir gefteSte, in einer ber 
erften Stunben auiSgefprod^ene 3(ufgabe nid^t oerfel^It l^abe, 
bie Aufgabe nämlid^, @ie aud ®ottedfreunben gu ÜRenfd^en« 
freunben, aud ®löubigen gu 3)enlern, aud Metern gu 
Arbeitern; aui^ Jtanbibaten bei^ SenfeitiS gu Stubenten be» 
3)ieiSfeitd, au0 (Sl^riften, meldte tl^rem eigenen SelenntniiS 
unb ®eftänbniiS gufolge „„f^alb %iex, l^alb Sugel'"" ftnb, 
gu SRenfd^en, gu gangen SKenf d^en gu mad^en." SBer, mie 
Sfeuerbad^ ba» getl^an l^at, aDe 3Beltanfd^auung auf bie 
®runblage ber %atur« unb äRenfd^enerlenntniiS fteQt, ber 
vm% anä) auf bem ®ebiete ber SRoral aDe Slufgaben, aUt 
$flid^ten ablel^nen, bie au» einem anbern ®ebiet ftammen 
ate aud ben natürlid^en Anlagen beiS 9Renfd^en, ober bie 
ein anbered Qid l^aben ald ein fold^ed, bai^ fid^ gang auf 
bie malgrnel^mbare 9Belt begiel^t. ^.SRein Sfed^t ift mein 
gefe^Iid^ anerlannter ©lüdCfeligleitdtrieb; meine $flidgt ber 
mid^ gur $(ner!ennung gmingenbe ®IüdCfeIigIeitdtrieb anberer." 
Stid^t im 8(udbIidE auf ein Senfeitd mirb mir Sluffd^lug, 
toa» idg tl^un foll, fonbem aui^ ber ä3etrad()tung bed Sied« 
feitd. @o oiel jhraft id^ barauf oermenbe, irgenb meldte 
Sbtfgaben gu erfüllen, bie ftd^ auf ba» SenfeitiS begiel^en, 
fo oiel entgiel^e id^ oon meinen Sf&^igl^iten bem 2)ieiSfeitd, 
für bai^ i^ eingig beftimmt bin. ^.ftongentration auf bai 
SieiSfeitd'' ift ed ba^er, mad fiubmig f^euerbadg oerlangt. 
SBir lonnen in Sid^tenbergiS @d^riften dl^nlic^e SBorte lefen. 
Slber gerabe biefe ^nb gugleid^ mit Seftanbteilen oermif d^t, 
bie geigen, mie menig ed einem S)en!er, ber nid^t ba» Ser« 
mfigen l^at, feine Sbeen in fid^ l^armonifd^ audgubilben, 



— 151 — 

0eltn0t, eine Sbee hx» in il^re cUtgerfien ftonfeanenjen (u 
oerfolgen. Sid^tenberg forbett fc^on bie ftongentration auf 
bad SieiSfeitö, aber er burd^fe^t biefe gorbentng nod^ intntec 
mü SorfteOungen, bie auf ein Senfeitd fielen. ^3d^ glonbe, 
fel^r oiele aRenfd^en oergeffen über i^re @r3iel^ung für ben 
$immel, bie für bie @rbe. 3<^ foIUe benlen, ber 
äRenfd^ l^anbelte am meifefien, »enn er erflere 
gang an il^ren Ort geftellt fein liege. Senn oenn 
n>ir von einem meifen SBefen an biefe SteQe gefegt morben 
finb, woran lein Qtotxfd ift, fo lagt uniS bai^ Sefte in 
biefer Station tl^un, unb uni$ nid^t burdg Offenbarungen 
blenben. SSaiS ber 9Renfd6 gu feinet ®lüc(feligleit }u miffen 
notig l^at; bad meig er gemig ol^ne aSe anbere Offenbarung, 
ate bie, bie er feinem SBefen nac^ beft^t" Sergleid^e »ie 
ber gmifdien Sid^tenberg unb gfeuerbad^ finb für bie ®ef(^id^te 
ber äSettanfd^auungdentmidfelung bebeutfam. @ie geigen 
ben Orottgang ber ®eifter am anfc^aulic^ften, meil man 
au» il^nen erlennt, maiS berS^itabftanb, ber gmifd^en il^nen 
liegt, an biefem 3foi^lfi<ing bemirlt l^at. gfeuerbad^ iß burd§ 
^egete SBeltanfd^auung burd^gegangen; er ^ai and il^r bit 
Straft gegogen, feine entgegengefe^te !(n{td^t aUfeitig aud« 
gnbilben. @r mürbe nid^t mel^r geftört burd^ bie Santfdge 
t$rage: ob mir benn mirllid^ audg ein Sted^t l^aben, ber 
SBelt, bie mir mal^rnel^men, au^ SBirflic^Ieit guguf(^reiben, 
ober ob biefe SBelt nur in unferer Sorfteüung e^ftierte? 
Sßer bai? le^tere bel^auptet, ber lann in bie jenfeitd ber 
Sorfteüungen liegenbe malere SBelt aQe moglid^en Xrieb« 
bfifte für ben 9Renfd^en oerlegen. @r lann neben ber 
natürlid^en eine übernatürlid^e 23eItorbnung gelten laffen, 
mie Med Staut getl^an l^at. SSSer aber im Sinne f^^uer« 
bad^d ba» SBal^mel^mbare für ba» SBirllic^e erllört, ber 
mnfi aQe übernatürliche äSeltorbnung ablel^nen. f^ür il^n 
giebt t» leinen irgeub molger an» bem Senfeitd ftammenben 
lategorifdgen Stnperatio; für il^n ftnb nur $^id^ten oor« 
l^onben, bie fidg au» ben natürlid^en trieben unb Qxdtn 
bt» SRenfd^en ergeben. 

Um eine gur ^egelfd^en in fold^em ®egenfa^ fleJ^enbe 



— 152 — 

SBdtanfd^auung audjubüben, tote bit» gfeuerbad^ geii^an 
^at, baiu gel^örte aQetbingd aitd^ eine ^erfönl^Ieii, 
Me von btt $>egete fo oerfc^ieben xoax toie bie (einige. 
$egel füllte {t(^ mol^I mitten im ©etriebe bt» i^m gegen« 
mätixQtn SebeniS. 2)ai$ unmittelbare treiben ber SSelt mit 
feinem pl^ilofopl^ifd^en ®eifte gu bel^errfdden^ mar il^m eine 
fc^öne Aufgabe. ^Ü er pon feiner Sel^rt^ätigleit in ^eibel« 
berg entl^oben fein moUit, um nad^ ^reu§en überkugelten, 
ba lieg er in feinem ^bfd^iebiSgefud^ beutlic^ burd^bliden, 
ba% il^n bie §[udftd^t lodt, einmal einen Sl^cttigleitiStreid gu 
finben, ber il^n nid^t auf ba^ bIo§e Seigren befd)rönfe, 
fonbern il^m ba» @ingreifen in bie $ra^i$ möglid^ maä^t, 
^QB muffe für ilgn pornämlid^ bie 9(udfid^t Don grogter 
SBid^tigleit fein, gu mel^rer (Gelegenheit bei meiter cor» 
rüdEenbem älter t)on ber pre!ctren f^unltion, ^l^ilofopl^e 
an einer Uniperfitöt gu bogieren, gu einer anberen Sl^dlig« 
leit übergugel^en unb gebrandet gu merben.'' 9Ber eine 
fold^e 2)enlergefinnung l^at, ber mn^ in <$rieben leben mit 
ber ®eftalt be& praltifdien Stien», bie biefei^ gu feiner 
Seit angenommen l^at. @r mn% bie 3been, von benen t» 
burd^tränlt ift, Dernünftig finben. %ur barau0 lann er 
bie Segeifterung fd()öpfen, an il^rem SluiSbau mitgumtrfen. 
Sfeuerbad^ mar bem ßeben feiner 3^^ «i^^ freunbliti^ ge» 
finnt. SW n)ar bie ®tiQe eineiS abgefd^iebenen Drtei^ lieber 
afe ba» ©etriebe bt» in feiner 3^^ „mobernen'' Sebenö. 
(Sr fpridgt ftdd barüber beutlid) an»: ^rUberlgaupt merbe id^ 
mid^ nie mit bem @töbteleben Derföl^nen. Son Qtit gu 
3eit in bie ®tabi gu giel^en, nm gu leieren, ba» ^aht ic^, 
nad^ btn @inbrüdFen, bie id^ bereite l^ier l^eroorgebrad^t 
^abe, für gut, ja für meine $f[id^t; aber bann mn% iik^ 
nrieber gurüd in bie länblidie Sinfamleit, nm l^ier im 
@d^o6e ber Statur gu ftubieren unb audgurul^en. ÜSeine 
nfidjfte Slufgabe ift, meine äSorlefungen, mie meine 3ul^drer 
münfd^en, ober bie Rapiere Sateri^ gum 2)rudE oorgu« 
bereiten.'' S$on feiner @infamleit an» glaubte f^euerbad^ 
am beften beurteilen gu liinnen, ma» an ber ©eftalt, bie 
ba» mirllid^e Seben angenommen i^at^ nid^t natürlidg. 



— 158 — • 

fonbem nur bttrd^ bie menfdglid^e Slbtftott in boi^felBe 
hineingetragen morben ift. Sie Steinigung be^S SebeniS oon 
ben SHuftonen, ba» betrachtete er ato feine Aufgabe. Sagu 
ntugte er bem Seben in biefen SSuftonen fo fem oL^ 
ntoglid^ ftel^en. (Sr fud^te nac^ bem »al^ren Seben; ba0 
itnnit er in ber gform^ hxt baiSfelbe burdg bie S^^^ur 
angenommen l^atte, nic^t ftnben« SBie e^rlid^ er ed mit 
ber «ftonjentration auf baiS Z^iedfeitö" meinte, bai^ )eigt 
ein SluiSfprud^, ben er über bie aKärjreooIution getl^an l^at. 
@ie fd^ien il^m unfruchtbar, meil in ben Sorfteüungen, bie 
il^r )u ®mnb lagen, nod^ ber alte S^nfeitdglaube fort- 
lebte: ^2)ie aRärjreooIution mar nod^ ein, menn aud^ 
iUegitimeiS ftinb bei» d^rifUid^en ®laubtn». 2)ie fton« 
ftUutioneQen glaubten, ba% ber $err nur gu fprec^en braud^e: 
t» fei Sreil^eit! t9 fei »tä^il fo ift aud^ fd^on Siedet unb 
3ftei|eit; unb bie Stepublilaner glaubten, ba% man eine 
Stepublil nur )u m ollen braud^e, nm {te aud^ fd^on iuiS 
Seben gu rufen; glaubten alfo an bie Schöpfung einer 
Stepublif au» 9lid)i». 3ene oerfe^ten bie c^rifilid^en SBelt« 
munber, biefe bie d^rifilid^en S'l^atmunber auf bai^ ®ebiet 
ber ^olitit" 9htr eine ftar!e $erfonIid^Ieit, bie bie Harmonie 
bed fiebernd, bereu ber SReufdEi bebarf, in fid^ felbft tr&gt, 
{nun bei bem tiefen Unfrieben, in btm fjfeuerbad^ mit ber 
SBirllid^Ieit lebte, gugleid^ bie ^^mnen auf bie SSirllid^Ieii 
fprec^en, bie er gefproc^en l^at. Siefe StöriFe j^ören mir an» 
SBorten mie biefe: „^n Srmangelung einer Sludftdgt ind 
SenfeitiS lann id^ im ^iedfeitd, im Sctmmertl^al ber beutfd^en,. 
ja europöifc^en $oIitiI überl^aupt, nur babnxä) mid^ bei 
Seben unb Serftanb erl^alten, bai i^ bie ®egenmart ju 
einem ®egenftanbe ariftopl^anifd^en ®eläd^terd mad^e/ Stur 
eine fold^e $erfönfid^Ieit lonnte aber aud^ aOe bie Straft,, 
bie anbere oon einer äußeren Ska^i ableiten, im äRenfd^en 
felbft fu(^en. 



• — 154 — 

^®ott toat mein elfter ©ebanle, bxt Sernunft tnetn 
jtoeiier, bct aRenfd^ mein britter unb legtet ®eban!e.' 
So fd^ilbert f^euerbad^ ben Sßeg, ben er gegangen toat 
oom ©laubigen a^^nt 9[nl^änger ber ^egelfd^en^ unb bann 
}u feiner eigenen SBelianfd^auung. 3)adfelbe l^ätte ber S)enler 
von ftd^ fagen lonnen^ ber im Saläre 1834 einei^ ber mirl« 
famften Sudler be» Sal^rl^unbertd geliefert l^at, ba» „2ebm 
3efu\ ®» mar ©aoib griebrid^ Strauß (1808—1874). 
gfeuerbad^ ging oon einer Unterfut^ung ber menfd^Iid^en 
Seele aui$ unb fanb, bag fte bad S9eftreben l^at^ il^r eigeneiS 
äBefen in bie SBelt I^inau9 gu Derfe^en unb aU göltlid^ed 
Urmefen gu Derel^ren. @r Derfud^te eine pfqd^ologifd^e @r- 
lUrung baffir, mie ber ©otteiSbegriff entfielet. 2)en Sin« 
fd^auungen von Strauß lag ein äl^nlid^ei^ 3^^! S^ ©runbe, 
er ging aber ni4)t mie eJfeuerbad^ ben 9Beg bt» ^f^d^O" 
logen, fonbern ben bt» ®ef4|i4ltiSforfd^eri$. Unb er fteEte 
nid^t btn ©ottei^begriff im aQgemeinen, in bem umfaffenben 
Sinn, in bem bai$ g^euerbad^ getl^an Igat, in ben üRittet 
punit feineiS %ad^ftnneni^, fonbern ben d^riftlid^en Segriff 
bt§ ©ottmenfd^en 3efu. (Sr moDte geigen, mie bie SRenfd^« 
Igeit gu biefer äSorfteQung im SSerlaufe ber ©efc^id^te ge« 
langt ift. 2)aß im menfdEiIid^en ©eifte fid^ ba» gottlid^e 
Urmefen offenbart, mar bie Übergeugung ber $egelf(^en 
ÜBeltanfd^auung. S)iefe l^atte and^ Strauß aufgenommen, 
^ber nid^t in einem eingelnen äRenfd^en !ann ftd^ biegött» 
lid^e ^bte in il^rer gangen SSoIIIommenl^eit oenoirllid^en. 
Ser inbioibueOe @ingelmenf(^ ift immer nur ein unooilo 
lommener 9[bbrud( bt» göttlichen ©eifteiS. 23aiS bem einen 
SRenfd^en gur SSoQIommenl^eit fel^It, bad l^at ber anbere. 
SBenn man bai^ gange 9ßenf(^engefd^Ie4)t anfielet, fo mirb 
man in i^m, auf ungäl^lige Snbioibuen oerteilt, aOe SoD« 
lommenl^eiten finben, bie ber ©ottlid^Ieit eigen ftnb. 2)ad 
aRenfd^engefd^Ied^t im gangen ift fomit ber fleifd^igeroorbene 
©Ott, ber ©ottmenfd^. S)ieiS ift, nad^ StraußeniS SReinung, 
ber 3^fud*9egriff bei? SenleriS. SSon biefem ©efid^tiSpunlt 
auiS tritt Strauß an bie Mtil bt» 4)riftli(^en Segriffed 
Dom ©ottmenfd^en l^eran. SBaiS bem ©ebanlen nad^ auf 



— 155 — 

fcod ganje SReitfd^engefd^Ied^t oerteitt ifi, legi ba» (Sbxiflta» 
tum einer $erfSnIic|leit bei, bie einmal im Serlonf bec 
Oefd^id^te mirllid^ e^ftiert l^aben foD. «3n einem Snbitriii 
bnnm, einem (Bottmenfc^en, gebadet, miberfpred^en ft4 bie 
Cigenfd^aften unb gfunltionen, meldte bie ftirc^enlel^re 
(Sfyn^o jufd^reibt: in ber 3bee ber menfd^Iid^en (SaU 
iung ftimmen fte gufammen." ®eftü^t auf forgfättige 
ünicrfud^ungen über bie l^iftorifd^en ®mnblagen ber (Soan* 
gelien, fu(^t @traug nad^gumeifen, bai bie SorfteQungen 
bed S^riftentumd @rgebniffe ber religirifen $l^antafte ftnb. 
S)iefe l^abe bie religiöfe SSaJ^rJ^eit, ba§ bie menfd^Iid^e 
Gattung ber ®ottmenfd^ fei, amar bunlel geahnt, aber 
nid^t in Ilaren SSegriffen gefaxt, fonbem in einer biegte« 
rifc^en ®eftalt, in einem SRQt^ud ium SludbrudCe gebrad^t 
Sie ®efd^id^te bt» ®ottedfo^ned ift ein SR^tl^ud, in bem 
bie 3bee ber SReufd^beit bid^terifd^ geftaltet mürbe, lange 
beoor fte oon ben S)en!ern in ber ßovm bt& reinen ®e» 
banlend erlannt mürbe. Son biefem ®e{t(^ti9punlt aud 
geminnt alled SBunberbare ber d^riftlid^en ®efc^id^te eine 
(Srllärung, ol^ne bai man gegmungen ift, gu ber trivialen 
Sluffaffung gu greifen, in ben SBunbern abfid^tlid^e 
£(iufd^ungen ober SJetrügereien )u fe^en, gu benen ber 
Steligiondftifter entmeber felbft gegriffen l^aben foll, um mit 
feiner Seigre einen möglid^ft großen Sinbrudt )u machen, 
ober meldte bie 9pofteI ju biefem Swtdt erfonnen l^aben 
foDen. äud^ eine anbere 9(nfid^t, meldte in ben SBunbem 
allerlei natürlid^e Vorgänge fe^en moQle, mar befeitigi 
S>ie SBunber fleOten [x^ bar ald bid^terifd^ed ®emanb für 
taidlid^t Sßal^r^eiten. 9Sie bie SRenfd^l^eit von ifyctn enb« 
lid^en Sntereffen, btm fieben bei$ 3(Qtagi», ftd^ ergebt ^u 
i^ren unenblid^en, jur SrIenntniiS ber gottlid^en SBal^rl^eit 
unb Sernfinftigleit: ba» ftellt ber SJt^i^n» in bem Silbe 
be0 fterbenben nnb auferfte^enben $eilanbed bar. S)ad 
Snblid^e fKrbt, um aü Unenblid^ed mieber gu erftel^en. 
9lod^ rabilaler ge^t Straug )u Sole in feinem 1840—41 
erfd^ienenen ^u^t: ^2)ie c^riftlic^e ®Iaubendleffre in il^rer 
gef(^ic^tHd()en Sntmidelung unb im Kampfe mit ber mo« 



— 156 — 

benten SSiffenfd^aft''. $ier l^anbett ed ftd^ il^m um Suf« 
Ufuitg ber d^rifiltd^en Dogmen aud tl^rer bid^tetifd^en Se« 
ftalt in bie ©ebanlentoa^rlgeiten^ bte iignen )u ©runbe 
liegen. @r betont le^t bie Unoertröglid^Ieit bed mobernen 
Semugtfeini^ mit bemjenigen, baiS ftd^ an bie olten bilb« 
lid^'m^tJ^ifd^en 3)arfteQungen ber SBal^r^eit l^ält. ^9Ifo 
loffe ber ®laubenbe ben äßiffenben, mit biefer |enen, rn^ig 
feine ©trage jiel^en; mir laffen il^nen il^ren ®Ianben, fo 
taffen fte uniS unfere $l^iIofop]^ie; unb menn ed ben Über« 
frommen gelingen foQte, und aM il^rer Stkd^t arx^u^ 
fd^Iiegen, fo merben mir bieS für ®eminn ad^ten. tSoi^ift 
Sermittelungdoerfud^e ftnb j[e|t genug gemad^t; nur bie 
@d^eibung ber ®egenfä^e lann meiter fül^ren.'' Sine un* 
gel^eure 9[ufregung ber ®emüter l^atten ®traugeniS Stn« 
fd^auungen l^eroorgebrad^t. Sitter mürbe t» empfunben, 
ba^ bie moberne SSeltanfd^auung fid^ nid^t mel^r begnügte, 
bie religiöfen ©runboorfteEungen im aDgemeinen }u treffen, 
fonbern bag [xc burd^ eine mit allen mi^enfd^aftlid^en 3Rit« 
teln auiSgerüftete ®efd^id^tdforfd^ung bie ^rSnlonfequen}'' 
befeitigen moUte, oon ber einft fii4)tenberg gefagt l^atte, fte 
beftel^e barin, ba^ ^fid^ bie menfd^Iid^e $atur fogar unter 
ba» 3od^ eineiS S3ud^ed gefd^miegt ^abt, Ttan lann ftd^ 
— fäl&rt er fort — ni(^tö Sutfefelid^erei? beulen, unb biefe« 
Seifpiel allein geigt, maiS für ein l^ilflofed ®efd^opf ber 
9Kenfd^ in concreto, i^ meine in biefe gmeibeinige $l^ioIe 
m» Srbe, SSaffer unb @alj eingefd^Ioffen, ifi äßore t» 
moglid^, bai bie Sernunft fid^ je einen befpotifd^en Z^von 
erbaute^ fo mügte ein äßann, ber im @rnft ba9 Sopemica« 
nifd^e Softem burd^ bie 9(uItoritat eineiS Sud^eiS miberlegen 
moQte, gelgenit merben. S)ag in einem 99ud^e ftel^t, ed fei 
oon ®ott, ift nod^ lein Semeid, ba% e» oon ®ott fei; ba^ 
aber unfere Sernunft oon ®ott fei, ift gemi§, man mag 
nun ba» SBort ®ott nel^men, xoit man toiH. — ®ie Ver- 
nunft ftraft ba, mo fie l^errfd^t, bIo§ mit ben natürlid^en 
gfolgen bed Sergel^end ober mit Selel^rung, menn belehren 
ftrafen genannt merben lann." Sag bie m^tl^ifd^en 
®IaubeniSoorfteQungen bamali^ nod^ nid^t reif maren bei 



— 157 — 

einer größeren SRenge unb bei ben politifd^en Vlad^U 
faUoten in ba& reine Sidbl bed ©ebanlend überjugel^en, 
ba» aeigte ftc^ an bent Sd^idfal @traugend. Seiner Stelle 
ate Stepetent am Sübinger ®tift würbe er infolge bed 
«SebeniS S^fu" entl^oben; unb ate er bann eine ^rofeffur 
ber Z^toloQit an ber UniDerfttät ^üxi^ antrat, tarn 
ba& SanbnoII mit 2)rcfd^flegeln l^erbei, um ben Huflofer 
bt& SK^t^ud unmoglid^ gu mad^en unb feine ^enfionierung 
)tt ergmingen. 

SBeit Aber ba» 3iel j^inaud, bad [xä) @trauB fefete, 
ging ein anberer SDenler in feiner jtritil ber alten SBelt* 
anfd^auung Dom @tanbpunlte ber neuen an»: 93runo 
39 au er. S)ie Slnfid^t, bie t^^uerbad^ oertritt, ba^ bal^ 
SBefen bed 9Renf d^en anä) beffen l^öc^fted äßefen fei unb 
jiebeiS anbere l^ol^ere nur eine SDufion, bie er nad^ feinem 
(Sbenbilbe gef(^affen unb felbft über ftd^ gefegt l^at, treffen 
mix an(^ bei Sruno S3auer, aber in grotedler gform. @r 
fd^ilbert, mie ba» menfd^Iic^e 3d^ bagu lam, ftd^ ein iOu« 
forifd^eiS ®egenbilb gu f(^affen in SluiSbrüdCen, benen man 
anfielet, bag fte nid^t aud bem SebfirfniiS eineiS liebeooQen 
SegreifeniS bed religiofen SemugtfeiniS, mie bei Strang, 
fonbern aud fivtnbt an ber S^f^örung hervorgingen. @r 
fagt, bem ;,anei3 oerfd^Iingenben 34) gtaute oorfid^ felbft; 
t» magte fi4) nid^t ald aQeiS unb al& bie aÜgemeinfte 
3kaä^i )u faffen, b. ^. t» blieb nod^ ber religiöfe @eift 
unb ooOenbete feine Sntfrembung, inbem t» feine allgemeine 
9Rad^t ate eine frembe fid^ felbft gegenüber^eOte unb biefer 
SRad^t gegenüber in gfurd^t unb 3U^^n für feine Srlgaltung 
unb Seligleit arbeitete"". 99runo Sauer ift eine ^erfon« 
lid^Ieit, bie barauf audgel^t, i^r temperamentooQei^ 2)enlen 
an allem Sorl^anbenen Iritifd^ gu erproben. 2)ag bod 
S)en{en berufen fei, gum SBefen ber S)inge oorjubringen, 
i^at er, ate feine Ubergeugung, aui^ $egeld Sßeltanfd^auung 
übernommen. 9[ber er ift nid^t, gleid^ $)egel, bagu oeran« 
lagt, ba» 2)enfen fid^ in einem @rgebnii3, in einem ®e« 
banlengeböube auiSleben gu laffen. Sein 3)enlen ift lein 
^eroorbringenbed, fonbem ein !ritifd^ed. 2)urd^ einen 



— 158 — 

Befümmten @tbanlen, burd^ eine pofttbe 3bee ^ätie er ftd^ 
befd^rdnlt gefül^Ii. St totll bie Iritifd^e jtraft beiS S)enfend 
nid^t babnt^ feftlegen, ba^ er t)on einem ©ebanlen ald 
oon einem beftimmten ©eftd^tdpunlt aui^gel^t, n>ie $)egeC 
baiS getl^an l^at. ^3)ie Jtritil ift einerfeitd bie le^te X^ai 
einer bestimmten $l^iIofop^ie, meldte fid^ barin oon einer 
pofitiDen Seftimmtl^eit, bie il^re malere SlDgemeinl^eit nod^ 
befd^ränÜ, befreien mug, unb bamm anbererfeitiS bie SSor* 
(utiSfe^ung^ ol^ne meldte fie ftc^ nid^t gur legten Slllgemein« 
l^eit bed ©elbftbemugtfeiniS erl^eben lann.'' 2)ieiS ift ba0 
®laubeni$belenntnid ber ^^ritil'' ber SSeltanfd^auung, 
)n bem ftd^ 93runo S3auer belannte. 2)ie ^^itil'' glaubt 
nid^t an ©ebanlen, Sbeen, fonbern nur an bad 3)enlen. 
i,S)er SRenfd^ ift nun erft gefunbcn/ triumpl^i^* Sauer. 
Senn ber SKenfdE) ift nun burd^ nid^ts mel^r gebunben al9 
burd^ fein 2)enlen. Sßenfd^IidE) ift nid^t^ fidE) an irgenb 
tiroa^ augermenfd^Iid^ei^ l^ingugeben, fonbern aUt^ im 
Sd^melgtigel bcö 2)en!enS bearbeiten. Siid^i ©benbilb eine« 
anberen äSefenS foQ ber äRenfd^ fein, fonbern oor aUen 
3)ingen ;,9ßenf4i'' unb ba^ lann er nur baburd^, bag er 
fid^ bur(^ fein 2)enlen bagu mad^t. S)er benlenbe 9Kenf(^ 
ift ber ma^re 3Renfd^. Kic^t irgenb etmaS iSin^ctt^, nid^t 
Steligion, ^tä^i, ®iaai, ®efe^ u. f. m. lann ben äKenfd^en 
gum SRenfc^en madEicn, fonbern allein fein ®cnlcn. 



SBaiS fjfeuerbac^ ate btS Wenfd^en < l^öd^fteS 9Sefen 
erllctrt l^at, mooon 93runo 9 au er bel^auptet ^ai, ba% t» 
burd^ bie jh:itil als 9BeItanf(^auung erft gefunben fei: 
;,ben SRenfd^en'' ft(^ ooHig unbefangen unb oorauiS« 
fe^ungiSloiS ansufel^en, ift bie Slufgabe, bie ftd^ 9Raf 
(Stirner (1806—1856) in feinem 1845 erfd^ienenen »ud&c 
„S)er Singige unb fein ©igentum'' geftettt l^at. 3n biefem 
SRanne ^ai ba» ®enfcn eine feiner reifften 3früd|te gegeitigt 
®r "^ai es bal^er oermod^t, oermittelft be& S)enlen0 mirllid^ 



— 159 — 

iut Sfiei^eit ju lotnmen; babutä), bog er ben 9Rut unb bte 
firoft bt\ai, ben '^tt^tötunqiiiampf gegen bte SQuftonen, 
von betten jtd^ ber äSenfd^ abhängig gentad^t })at, bis )um 
Snbe gtt führen. £urd^ ben n)irllid^ frei benlenben ®ttmer 
lann man fe^en, wie grog ber ^ang bed 9Renfd^en x% ftc^ 
irgenb einer SRad^t in bie Slrnte gu merfen. ®Iaubt nic^t 
). 9. S3ntno Sauer ben aRenfd^en oolllontmen gu befreien, 
inbent er i^n jutn benlenben äRenfd^en ntad^en rniU? 
9[ber ntad^t er i^n nid^t baburd^ gerabe mieber abl^ängig^ 
nätnlid^ Dont 2)enlen. 2)er äSenfd^ foS nid^t ber Sllave 
Don Steligion, ^t^i, Staat, ®efe^ u. f. m. fein, er foQ 
burc^ fein 2>enlen nid^t einmal einen beftimmten ®ebanlen« 
bau leroorbringen, bamit er nid^t oon einem fold^en ab« 
l^ftngig fei. aber er foll fid^ bo(^ vüd^aUlo» bem S)enlen 
ouiSliefern; fid^ gu beffen ©Ilaoen mad^en. @timer erfd^eint 
ieber, ber ftc^ an eine 3Sta6^i l^ingiebt, ftd^ burd^ fte beftimmen 
I&fit, ate ein Sefeffener. Unb t» ift ganj gleid^gültig, ob 
ber 3Kenfd§ befeffen ift oon einem unenblid^en gottlid^en 
ürmefen, ober oon bem äSefen, ba& et fidg aU fein eigened 
oorfieQt. @tirner ftnbet: „äRtt ber Straft ber Serjmeif lung 
greift geuerbad^ nad^ btm gefamten gnl^alt bed SIgriften« 
ium&, niä^i, um il^n megpmerfen, nein, um i^n p er« 
greifen, um il^n, ben langerfel^nten, immer ferngebliebenen, 
mit einer legten Slnftrengung au» bem ^immel gu giel^en 
unb auf emig bei fid^ gu beigaben. 3ft bied nid^t ein 
®riff ber legten Sergmeiflung, ein (9riff auf 2tbtn unb 
£ob, unb ift e» ni(^t gugleid^ bie d^riftlid^e ©el^nfud^t unb 
Segierbe nad^ bem S^nfeitd? 2)er |)erod mill nic^t in bai$ 
Senfeitd eingel^en, fonbern ba» SenfeitiS an fid^ l^erangiel^en, 
unb gmtngen, bai ed gum 2)iedfeiti$ merbe! Unb fd^reit 
feitbem ni^t alle SBelt, mit mel^r ober meniger Semugtfein, 
aufiS «Siedfeitd'' lomme t» an, unb ber ^immel muffe 
auf bie @rbe lommen unb fd^on l^ier erlebt merben?" @timer 
fteÜt ber Slnftt^t Qf^uerbac^iS einen l^eftigen SSiberfpruc^ 
gegenüber: ^2)ad I^Sd^fte SSefen ift aüerbingd ba» SBefen 
beiS SRenfd^en, aber eben meil t^ fein äBefen unb nid^i 
er felbft ift, fo bleibt ed fid^ gang gleid^, ob mir e» auger 



— 160 — 

il^m feigen unb ate ^,30^" anfd^auen, ober in il^m finben 
unb ^SBefen bed SRenfd^en" ober „ber SRenfd^" nennen. 
3(1^ bin nieber ®ott, nod^ ber 9Renfc^, weber ba& l^öd^fie 
SJefen, nod^ mein SSefen, unb barutn iff iS in ber ^anpU 
fadge einerlei, ob i(^ ba^ SSefen in mir ober auger mir 
beule, ^a, mir ben!en and) mirlli(^ immer baiS ^ö^ftt 
SBefen in beiberlei Senfeiti^Ieit, in ber innerlichen unb 
äu§erlic^en, Sugleid^, benn ber „®tx\t ®otit^'' ifi nad^ 
d^rifilid^er 9(nfc^auung auä) „Vin\ex ®eift'' unb ^mol^net 
in und." @r mol^nt im |)immel unb mol^nt in nn^. 
SBir armen S^inger ftnb eben nur feine ^.SSoJ^nung", nnb 
menn t^euerbad^ nod^ bie l^immlifd^e äSol^nung beiSfelben 
^erftört, unb i^n notigt, mit ®ad unb $adE gu utt& ^u 
aiel^en, fo merben mir, fein irbifd^ed SogiS, fe^r überfüQt 
merben.'' @o lange ba^ einzelne menfd^Iid^e 3<^ nod^ 
irgenb eine Straft fe^t, oon ber ed fid) abhängig fül^tt, 
fielet eS fid^ felbft nid^t oon feinem eigenen @efic^tiSpun!te, 
fonbern oon bemjenigen biefer fremben 2Slaä)i auiS. &» 
befi^t fid^ nidE)t felbft, tS mitb oon biefer 3Rac^t befeffen. 
2)er 9leligiöfe fagt: ed giebt ein göttlid^ei^ Unoefen, unb beffen 
S(bbtlb ift ber äRenfd^. @r ift oon bem göttlid^en Ur« 
bilbe befeffen. 3)er Hegelianer fagt: t» giebt eine a&« 
gemeine SSeltoernunft, unb biefe oermirllid^t ftd^ in ber SSelt, 
um im menf($Iid^en 3d^ 3u il^rem @ipfel gu gelangen. 
S)ag 3d& ift alfo oon ber SBeltocrnunft befeffen. ^tuex» 
haä) fagt, t^ giebt ein 9Befen bt» ÜRenfd^en, unb |eber 
@inaelne ift ein inbioibueüeiS Slbbilb biefe^ S3efen0. S^ber 
einzelne ift alfo oon bem ^SBefen ber 9Kenf4|l&eit'' befeffen. 
2)enn mirllid^ oorl^anben ift nur ber einzelne SReufd^, 
nid^t ber ;r®attungiSbegriff ber aRenfc^J^eit," ben Or^uerbad^ 
an bie Stelle be» göttlid^en äBefena fe^t. SBenn alfo ber 
einzelne SKenfd^ bie ^©attung SReufd^" über ft(^ fe^t, fo 
giebt er fid^ genau fo an eine SOufion oerloren, mie 
menn er fic^ oon einem perfönlid^en ®otte abl^ängig 
fü^lt. gür ^euttbaä^ merben bal^er bie ®ebote, bie ber 
Sl^rift als oon ®ott eingefe^t glaubt unb beiSl^alb für 
oerbinblid^ l^dlt, gu ®eboten, bie beftel^en, meil fte ber 



tat 

neunae^xcten |icx^tr^un6cri. 



Dr. Kttbalf Steiner. 

San& IL 



Stü% 1901. 



^fftXt^t. 



Srnft ^atdtl, btm Med 83uc^ sugeeignet x\i, ^at in 
feiner ®d^rift «Sie aSelträtfel" (99onn 1899), oon feinem 
©efid^tiSpunlte au», eine 9Intn)ort auf bie Sfroge gegeben: 
«SBeld^e ®tufe ber Srienntnid Igaben n)ir ant (Snbe bed neun« 
gel^nten Sal^rl^unbertd n^irllid^ etreid^t?'' 3n oorliegenber 
©d^riftfoO gegeigt n)erben, velt^en S3eg bie SBeltanfd^auungd« 
entmidelung feii einem Sol^rl^unberi genommen f^ai, um 
bie gegenwärtige ®tufe ber SrlenntniS ju erreichen. S)er 
fiefer mirb ftd^ überjeugen, bag ber Serfaffer ni^i ein 
fanatifd^er S3elenner bt» mobernen natunoiffenfd^aftlid^en 
®laubendbelenntniffed ift, menn er aud^ in Srnft ^atdd 
einen monumentalen Vertreter moberner Senimeife oere^rt. 
9Bad und ba» naturmiffenfd^aftlic^e Selenntnid fein lann, 
unb aud^ mo eine btn p|eren Sebürfniffen bed SRenfdien- 
geifted 9ied^nung tragenbe Slnfid^t über biefed 9}elenntnid 
l^inaudgel^en mug : barauf glaube id^ im Serlaufe meiner 
2)arfteIIung in gleid^er Sßeife l^ingebeutet )u l^aben. 

Über bie Wd, mie id) meine Slufgabe anfeile, l^abe 
id^ midg in ber SSorrebe gum erften Sanbe audgefprod^en. 
SBenn ein Seurteiler biefed Sanbed nid^t erfüllt ftnbet, 
mad i(^ angeftrebt l^abe, ba% „meine fd^arf audgeprögte 
eigene SBeltanfd^auung mir ben Süd für bie ®ebanlen 
anberer ni(^t getrübt, fonbern gefd^ctrft ^abe/ fo lann 
id^ barauf ermibern, ba% mandier glaubt, red^t fad^lid^ unb 
gefc^id^tlid^ treu gu fd^ilbern, menn er bie eigene ®ebanlen» 
melt moglid^ft audlöfd^t. 3<^ ^oit biefe äReinung nid^t. 
3(^ glaube, ba^ bie eigenen ®ebanlen erft ba» ooDe 



— VI — 

SerftönbniS ber frentben eroffnen. 2)er Shreid beffen, road 
in biefent Sud^e Bel^anbelt merben lonnte, liege fic^ natür« 
lid^ aud^ anberiS beftimmen, dü i^ ed gell^an ^abe. Ser 
eine wirb tttoal^ fiber Stic^orb SBagner^ ber onbere übet 
Solftoi fud^en. 3d^ mu§ie mir ®rengen gießen, bie man^tm 
n)illlfirlid^ erfd^einen totxbtn, unb bie nur gered^tferiigt 
ftnben toicb, wer gan} auf meine SBfid^ien eingebt. 

9 erlin, im DItoBer 1900. 



!gtit^0(f SUlntt. 



InIraU. 



6cüe 

2)ec Siamp^ mn ben Greift 1 

2)at)o!nt9muft unb ^eltanfc^auung 87 

IDie ^elt a(9 Sflufton 71 

2)te 9B eltostff^auimg bed Sl^otfa^enfanatidmu« 119 

SRoberne ibeoIifHfc^e SBeltanfc^ouungen 154 

^er mobeme SJ^enfc^ 175 

SruÄblid 187 

aicgifict . 190 



Ser |tain)if um htn (&M. 

QB Qxtbt ©reigniffe, in benen [xä^, wie in einem ®inn« 
Bilb gufamtnengebtängt, aUed ba» au^^pxx^i, mad ben 
(S^^axaUtt bed geiftigen Sebend einer 3^^^ auiSmad^t. @in 
fol(i)e0 @reigni8 ift für bie SRitte bed neun^el^nten 3<i6t« 
l^unbertiS bie (SntbedFung bt& Planeten %eptun int^al^re 1846. 
9Ran n)ugte nid^td von einem fold^en entfernten äßitgliebe 
ber $Ianetenfc^ar^ bie um unfere @onne fid^ ben)egt. SIber 
man lannte bie ©efe^e, nai) benen ftd^ bie anbern Planeten 
bemegen. Sie ^immeliSmed^ani! berechnet auS ben Gräften, 
meldte bie SSeltlorper auf einanber ausüben, biefe ©efe^e 
il^rer SSemegungen im äßeltraume. S)er Uranud; ber bid 
bal^in aU äu§acfter planet bed @onnenft)ftemS galt, moHte 
fid^ biefen ®efe^en nid)t fügen. @r bemegte ftd^ anberd, 
aU biefe ®efe^e forbern. 9Ran l^atte nun bie SBal^I 
jmifd^en gmei Slnnaj^men. Sntmeber ftnb bie ©efe^e falfd^; 
ober ber Uranui^ l^at no(^ einen bidl^er unbelannten ^ad^bont; 



ber ^öfte au 
ftnb. 2)ann 



i^n audübt, bie nid^t in Sted^nung gegogen 
tnb bie ©efe^e richtig; aber man l^at bial^er 
nur ni(^t alle Sl^atfad^en in ^tixaä)i gegogen, auf bie jid^ 
bie ^enfd^aft ber ©efe^e erftredt. 3nt SSertrauen auf bie 
9Hd^tigIeit ber ©efe^e entfdglog man ftd^ gu ber le^teren 
S(nna^me. St Serrier berechnete, meldte SSal^n im SSelten« 
räume ein $Ianet einfd^Iagen mni, ber bie fc^einbare Un« 
botmä^igleit beiS Uranud Derurfad^t. Itnb Dr. ©alle fanb 
biefen $Ianeten tovtllxä^, aü er ba» gemrol^r — nadg bem 
Crte rid^tete, an bem nad^ £e SSerrieri^ Sled^nung ber Stern 

ettintx, aselt* Itnb SebenSatifd^auimgen. II. 1 



— 2 — 

fein mufetc. — SBor boS ni(f|t ein grofeer S^riumpö b^^ 
©enleniS über bie blofec Scobat^tung? Seine fd)ßnere Se» 
ftätigung fd^eint eS ^u geben für ba^ 9Sort^ mit bem 
©oet^e bie pc^fle fjorm ber (SdenntniS, bie ,,umfaffcnbe'' 
Ienngeirf)net: ^Sie Umfaffenben, bie man in einem flolgcrn 
©inne bie (Srf(f)affenben nennen fönnte, oerl^alten fxd^ im 
pdjften Sinne probullio; inbem fie nämlit^ oon Sbccn 
auögc^en, fpret^en fie bie Sinl^eit beö ©angen fd^on aui5; 
nnb eö ift geroiffcrmaßen nad^l^er bit ©ad^e ber 
Statur, fid^ in btefe Sbee gu fügen.'' (SSergL Sanb I, 
©. 70.) 3n beteiligten Greifen mürbe baö Sebeutfamc 
ber ®ntbedtung tief empfunben. Slleyanber von §umboIbt 
fdireibt borüber (1850) in feinem So^moS: „SaS SBerbienft, 
eine umgele^rtc ©törungöaufgabe (bie, uu§ ben gegebenen 
Störungen eineö bclannten Planeten bie Elemente beS im» 
belannten ftörcnbcn abzuleiten) crfolgreicf) bearbeitet unb 
t)erßffentIidE)t, ja burd) lüi^ne SSorl^erDerfünbigung bie grofee 
(BnibednxiQ be0 9?eptun üon ©alle am 23. September 1846 
üpronlafet gu i^aben; geprt ber fd)arffinntgen Sombinationö» 
gäbe, ber auSbauernben Slrbettfamfeit üon le SSerrier. 
(£§ ift, rote (Snfe fidj ouöbrüdt, bie glängcnbfte unter ollen 
^lanctensCäntbedungen; roeil rein tlieoretift^e Unter« 
fud)ungen bie ©jifteng unb ben Ort beS neuen 
Planeten l^aben üorau^fagen laffen." 

Sin oerftänbntSootter Slnl^änger ^t(^eU l^ätte biefe 
.S;i)atfad}e gu ©unften feinet 9Keifter§ auflegen lönnen. §at 
bod) Sari ßubroig 9Kid)cIet, ber Herausgeber von ^egete 
„9?aturp]^iIofop]&ie" in feiner Sorrcbe gu berfelben 1841 
gefd^rieben: „SBirb man eö nodft länger für eine Sd^ranle 
ber ^l^ilofopl^ie l^alten, nur©ebanlen, nid)t einmal einen 
©raS^alm fd^affen gu lönnen? ®. ^. nur ba^ allgemeine, 
SIeibenbe, eingig SBerlüoHe, nid)t ba^ Singeine, Sinnlidje, 
95ergängIidE)e? Sott ober bie Sd)ranfe ber ^l^ilofopl^ie 
nidt)t blofe borin befte^en, ba^ fie nid)tS 3nbit)ibueIIc0 
mad)en lönne, fonbern oud^ borin, bog fie nid)t einmal 
roiffe, roie e§ gemod)t roerbe: fo ift gu antworten, bofe 
bieö SBie nic^t über bem SBiffcn, fonbern oielmc^r unter 



— 3 — 

htm 3Bttfen fielet, biefei^ alfo leine @d^ranle baxan ^ahtn 
latin. Sei bem SBie biefcr SBanblung ber 3bee in bie 
SBirllic^fcit gcl&t nämlic^ baS SBiffen oerloren, eben roeil bie 
%atur bie ben^ngtlofe ^btt ift unb ber ©xaS^alm ol^ne 
irgcnb ein SBiffen roäd^fl. Sag roaftre Schaffen, ba^ 
be§ Slllgentcinen, bleibt aber ber $^iIofop]&ie, in i^rer (5r- 
lenntnia felbcr, uncerloren. . . . Unb nun Bcl^aupten wir: 
bit leufd^efle ©ebanlenentroidelung ber @peIuIation xovtb 
am DoQftänbigften mit ben SRefuItaten ber Srfa^rung über« 
cinflimmen, unb ber grofee 9latur[inn in biefer roieberum 
am unuer^ol^Ienftcn niditiS roeiter, ate bie ocrförperten 
Sbeen crbliden laffen/ 9Ru6 in ber aftr onomif d^en Sbeen- 
ipclt fi(i) nid^t bie SBirfIicf|!cit barleben, roenn ein aM 
biefer Sbccnrocit afe nolroenbig feftgefteHtcS ©cbilbe fid^ 
l^inter^er in ber ßrfa^rung TOirflid) auffinbcn läfet? 
3Rid)eIet ^at fic^ in ber genannten Sorrebc über %l)aU 
fad&en, wie bie SfieptunsSntbcdtung, fünf ^a^xe vox berfelben, 
auSgefprod^en. ©oUte fid) aber für eine burd) bie ^l^ilo» 
fopl^ic ;, abgeleitete Sbee leine forrefponbierenbe Slnfdjanung 
Dorfinben, fo bleiben ^roci 3Bege übrig : entroeber, geroiffer- 
ntafeen an ber leeren SteKe, ein nod) nid^t oon ber 
©rfal&rung aufgcfunbeneS ^l^önonten ^u fuppo* 
nicren; ober aber, ben ©ebanlen nod^mals in ben @d)melg« 
ticgel ber @rfcnntni§ %vi werfen unb auö bem geugenben 
@d^adf)te ber SSernunft an ben Sag beö SSeroufetfeinö ]&er« 
aufguf orbern. ..." Se Serricr ^öt ein oon ber (Srfal^rung 
xioi) mdE)t aufgefunbencS ^l^änomen fupponiert. Ünb bie 
(Jrfa^rung l^at il^m glänaenb ^tä)i gegeben. 

3Rid)eIet fprid)t in berfelben 33orrcbc aud^ nod^ eine 
Hoffnung au2: „So finb ©oetl^e unb C^egel bie groei 
©enicn, meldte, meiner SlnfidEit nadE), beftimmt finb, einer 
fpcfulatiüen $]^^fil in ber S^^unft bie 23a^n ju 
bred^en, inbem fte bie SSerföl&nung ber ©pefulation 
mit ber ©rfal^rung oorbcreiteten, . . . 9iamentlid| mßd^te 
e§ biefcn §egelfd^en SSorlefungen am crften gelingen, fid| 
in biefer C^'J^P^*)^ Snerlennung gu üerfd^affen; benn ba jtc 
uon umfaffenben empirifd^en Äenntniffen Beugen, fo l^at 

1* 



— 4 — 

$egel an biefen bie ftd^erfte ^obe feiner ©pefulation bet 
bcr §anb gel^abt." 

3)ie gfolgeaeit ^ai eine fol^e SSerrölgnung nid^t l^erbei» 
gefül^rt. @ine gen)i^e STntmofUät gegen ^egel ergriff immer 
meitere jhreife. SRan wirb bit Stimmung biefem 2)enler 
gegenüber, bie fid^ im Saufe ber fünfgiger ^a^it immer 
wdiet verbreitete, rid^tig d^aralterifieren, menn man t^ mit 
ben äSorten tl^ut, bie gfriebrid) Gilbert Sänge in feiner 
^^©efd&id&te beö 2RateriaIiömuö'' (1865) gebrandet: ^Sein 
i^tQtU) gangeiS Softem bemegt ti^ innerl^alb unferer ®e- 
banlen unb ^l^antafien über bie 2)inge, benen l^od^IIingenbe 
%amen gegeben merben, oigne ba% t& gur Seftnnung bar» 
über lommt, meldte ®eltung ben Srfd^einungen unb ben 
aud il^nen abgeleiteten 99egriffen überl^aupt gulommen 
lann. . . . 2)urd^ Sd^eQing unb |)eg el mürbe ber ^antl^ei^mud 
gur l^errfd^enben 2)enlmeife in ber %aturp]^iIofop]^ie, eine 
SBeltanfddauung, meldte bei einer gemiffen m^ftifd^en S^iefe 
gugleid) bie ©efa^r pl^antaftifd^er SluSfd^meifungen faft im 
^ringip fd^on in fid^ fd&Iießt. ®iaii bie ©rfal&rung 
unb bie @innenmelt t)om ^bealen ftreng gu 
fd^eiben unb bann in ber %aiur ht^ äßenf d^en bie SBer« 
föl^nung biefer ©ebieie gu fud)en, DoIIgiel^t ber ^antl^eift 
bie SSerföl^nung von ©eift unb %atur burd^ einen 
3Sla(i)i^pxuä) ber bid^tenben SSernunft ol^ne alle 
Iritifd^e Sermittlung." 

3mar entfpridfjt biefe Slnfd&auung über $egel0 SDenl- 
meife bcffen SBeltanfd^auung fo menig afe möglich (oergl. 
meine S)arfleIIung berfclbcn im erftcn Sanbe); aber fie 
belgerrfc^te um bie äRitte bed Sal^rl^unbertd fc^on gal^lreid^e 
©eifter; unb fie eroberte fid^ einen immer mcitercn Öoben. 
ein 3»ann, ber t)on 1833 biö 1S72, afe ^^ilofopl^ie- 
profeffor in Serlin, eine einflufereid^e Stellung inncrl^alb 
bt» beutfd^en ©eiftedlebenS inne l^atte, Srenbelenburg, 
lonnte eines grogen 33eifaIIed [iditt fein, ald er über $ege[ 
urteilte: er moHte burd^ feine äSetl^obe ,, leieren, o^ne gu 
lernen'', weil er „fid^ im Sefifee beö göttlidien Segriff ci5 
mäbnenb, bie mül&fame gorfd^ung in il^rem fi^ern SBcfifec 



— 5 — 

j^cmmt." Scrgeblid^ fud)tc aWid&cIcl foId^cÄ au bcrid&tiocit 
inü l/egcte eigenen SESorten, mit biefen: ;,2)cr ©rfal^rung ift 
bic ©nlroidelung ber ^J^ilofopl^ic gu rerbanlen. Sic 
empirifd^en ffiiffenfd^aflen bereiten ben Snl^alt be« Sefonberen 
bagu Dor^ in bie ^^ilofopl^ie aufgenommen }u merben. 
anbrerfeilö entl^alten ftc bamit bie SRotigung für ba» 
S)enfen felbfl, gu biefen lonirelen Seftimmungen forlgu- 
ge^cn.'' 

ßj^aralterifüfd^ für ben @ang ber SESeltanfd^ouungö» 
entroicfelung in ben ntiiileren ^a^x^tl^nien unfereS ^aJ^x» 
l^unberts ift ber SfuSfprud^ eincö btttuttnbtn, aber leiber 
wenig gur ©citung gelommenen SenferS: ff. S^. $Ian(I. 
Son il^m erfd^ien 1850 eine l^croorragenbe ©d)rift: „'S^ie 
SBcItalter", in beren SSorrebe er fagt: ;,3"ölcid5 bie rein 
naiürlirfie ©efe^mägigleit unb Sebingt^eit aÖeS @ein& 
gum 93emu§tfein gu bringen unb roieberum bie oollc felbft- 
bcroufete 3frei^eit be3 OeifteS, bal^ felbftänbige innere ©efcfe 
feineö SBefena l^erguftellen, biefe boppcite Senbeng, meiere 
ber unlerfc^eibenbe ©runbgug ber neueren ©efd^id^te ift, 
bilbet in il&rer auiSgcfprod^enften unb reinften ©eftolt au(§ 
bie Slufgabc ber üorliegenben ©d^rift. ^ene erftere 2^enbeng 
liegt feit bem SBieber auf leben ber SBiffenfd^aften in ber 
crn)a(f)ten felbflänbigen unb umfaffenben Slatur«» 
forfd^ung unb ihrer Befreiung t)on ber ^errfc^aft 
be§ rein SReligiofcn, in ber burd) fie I)eroorgebrad)ten 
llntroanblung ber gangen p]&^fifd[)en SBeltanfc^auung 
unb ber immer mef)r nüd)tern oerftänbig gcmorbenen Se» 
tra(f)tung ber Singe überl^aupt, mie cnblid) in l&öd^fter gorm 
in bem p]öilDfopI)ifd{)cn ©trebcn, bie Saturgefefee nad^ 
il^rer inneren Sotmenbigleit gu begreifen, nad^ 
aDen Seiten l^in gu Stage; fie geigt fid) aber aurf) praltifd^ 
in ber immer oollftänbigeren 8lu§bilbung biefeö unmittet 
bar gegenwärtigen Ceben§ nad) feinen notürIi(f)en S3e- 
bingungen/ Ser mad^fenbe ßinflufe ber Sfaturmiffcnfd^aften 
brürft fidE) in fold^en ©äfeen auS. SaS SSertrouen gu biefen 
SBiffenfd^aften mürbe immer gröfeer. S)er ©laube mürbe 
mafegebenb, ba^ fid) aug ben SKitteln unb ©rgebniffen ber 



Staturmiffenfd^aften l^erauS eine äSeltanfcfiauung getoinnett 
laffe; n)eld)e baS Unbefriebigenbe ber tt)egelfd)en nid^t an 
ftd) f)at. SBo foI($e SReinung $Ia^ gegriffen ^aiie, mürbe 
man n^entg @Iü(I ntit ber S)eutung ber SJeptun-Sntbedung 
^u ©unflen $egete gel^abt l&aben. Um fo miHfornmener 
möre man aber gemefen, menn man fid^ anlgeifdE)ig gemad^t 
l^älte, bie l^ol^e Slüte, bie bie Saturroiffenft^aften er« 
reid^t l&aben, an biefem Seifpiele 3u geigen. 

@ine SSorfteHung beS Umfd&roungeö^ ber fid) in biefer 
^id^tung DoEgog, gtebt ein S9ud^, ba^ im ooQften Sinne 
bt^ SBorteö für bicfe ^zii afe ein repräfentalioeS angc* 
fe^en merben lann: Sllejanber üon ^umbolbtö 
^ffoSmoS, Snlrourf einer pl&^fiftfien 8BeItbefd()reibung". S)er 
auf ber ^ö^t ber naturroiffenfd^aftlic^en Silbung feiner 
3eit fte^enbe 9ßann fprid)t von feinem SSertrauen in eine 
naturmiffenfdbaftlid^e äBeltbetrac^tung : ;,9ßeine 3u^^i^fic^t 
grünbet fit^ auf btn glängenben SwP^nb ber Salurmiffen» 
fd&aften felbfl: beren SRei(f)tum nid^t mc^r bie Sülle, fon* 
bern bie aSerleilung be5 Seobad^lelen ift. Sieallgemeincn 
SRefuItate, bie jebem gebilbeten SScrflanbe Sntereffe ein- 
flößen; l^aben fid^ feit bem (Snbe bed adEjigel^nten ^af)u 
i^unbertS munberooH oermei&rt. Sie St^atfad^en ftel^cn 
minber Dereingelt ba; bie Klüfte gmifd^en ben SSefen merben 
au^gefüHl. SBaiS in einem engern ©efid^lSlrcife, in unferer 
3iäf)t, bem forfd^cnben (Seifte lange unerflärlid) blieb, mirb 
burd^ Beobachtungen aufgej^eüt, bie auf einer SBanberung 
in bie entlegenbften ^Regionen angefteHt morben finb. 
5ßflangen» unb Siergebilbe, bie lange ifoliert erfd^ienen, 
reil^en [\ä) bniä) neu entbedCte äßitlelglieber ober burdi 
ÜbergangiSformen an einanber. Sine allgemeine S^erfettung : 
nid^t in einfadfier linearer SHid&tung, fonbern in neuartig 
oerfdE)Iungenem ©emebe, nad^ p^erer Hui^bilbung ober 
SSerlümmerung geipiffer Drgane, nat^ oieifcitigem ©d^manlen 
in ber relatioen Übermad^t ber Steile; fteQt [\^ aQmö^Udj 
bem forfd^enben SBaturrmne bar . . . ®a5 ©tubium ber 
allgemeinen %aturlunbe xoedi gleid^fam Organe in un€v 
bie lange gefd^Iummert l^aben. 9Bir treten in einen innigeren 



— 7 — 

SScrlcl^r mit bcr Slufecnroclt." ^umBoIbt felbft filiert im 
^Sto^mo»" bie %aturbefc^ret6ung nur bid gu ber Pforte, 
bte ben Suficing %m SBeltanfd^aung eröffnet. (Sr fud)t 
nid)i barnadi; bie t^üQe ber Srfc^einungen burc^ allgemeine 
$atttr»Sbeen gu Derlnüpfen; er rei^t bie 2)inge unb %^at» 
iaä)tn in nolurgemöger äSeife aneinanber^ mie t^ „bct 
gang objeltiDen Siic^tung feiner (Sinnedarf" entfprid^t. 

S3alb aber griffen anbere Genfer in bie ©eiftedent» 
n>idelung ein^ bie lü^n im SSerlnüpfen maren^ bie oom 
SSoben ber %aturn)iffenfd)aft aui^ in baS äSefen ber 2)inge 
einzubringen fud)ten. SSad fte l^erbeifü^ren mollten, mar 
nid)tö geringered aliS eine burd^greifenbe Umgeftaltung aQer 
biöl^erigen p]6iIofopl^if(i^»l^coIogifd)en SBcIt- unb Scbend:^ 
anfd^auung auf @runb moberner SBiffenfc^aft unb %atur« 
erlenntniö. 3n ber fräftigflen SBeife Italic i^nen bie 
%atur«@rlenntnid be^ neungel^nten Sial^r^unberid oorge« 
arbeitet. 3n rabilaler äSeife beutet gfeuerbad) auf ba2 
l^in^ ma§ fie moQten: ;,®ott frül^er fe^en aU bie Statur, 
ift eben fooiel, ate menn man bie Äird^e frül^er fefeen 
moQte, aU bie Steine^ morauiS fte gebaut mirb^ ober bie 
3(rd)iteltur^ bie $unft^ meldte bie Steine gu einem @ebciube 
gufammengefe^t l^at, frül^er aU bie SBerbinbung ber d^emifd^en 
Stoffe gu einem Steine, lurg, als bie natürlid)e @nt« 
ftel^ung unb SSilbung bed Steine^/ ^aiit bod^ aud^ nod^ 
$egel fein 3SeItanfc^auungSgebäube mit ber Sogif be» 
gönnen, bie er @ott oor @rfd)affung ber SBelt nennt. Slber 
eS ift nid^t oermunberlid^, ba^ bie Sntmidfelung biefen 
33eg nal^m. SSiQ man ein @ebaube aud Steinen auf« 
fül^ren, fo muffen biefe Steine erft oorl^anben fein. Unb 
bie erfte 3a(|r^unbertplfte l^at go^Ireid^e naturmiffenfdjaft« 
lid^e Steine gu bet Slrd^iteltur etneiS neuen 9BeItanfd)auungd> 
gebäubed gefd^affen. @rft al^ biefe Saufteine innerl^alb 
ber 9iaturmiffenfd)aft felbfl fefte Umriffe erhalten ^atlen^ 
{onnte man baran gelten, fte gu einem ©ebäube gufammen> 
gufügen. 

SBenn man bie $erfönlid|leiten, bie [xd) in ben fünf» 
giger S^^i^^n an ber §(uffü^rung btefeiS ©ebäubeiS betet« 



— 8 — 

Kgten, heixa(S)ki, fo treten bie ^J^^ftognomien breier SKänner 
mit befonberec ®d(|arfe ^eroor: Subipig S3üd^ner (geboren 
1824, geft. 1899), 6arl Sogt (1817—1895) unb Sacob 
SKoIefd^ott (1822—1893). — 2810 man bie ©runb* 
empfinbung, bie biefe brei SRänner befeelt, d^aralterifteren, 
fo lann man ed mit btn SSorten bed legieren tl^un: „^at 
ber 9Renfd^ alle Sigenfd^aften ber Stoffe erforfd^t, bie auf 
feine entmidelten Sinne einen Sinbrud gu mad^en oer» 
mögen, bann f)ai er aud^ ba& äBefen ber S)inge er« 
faßt. Samit crreidfjt er fein, b. f). ber SBenfdfjl^eit 
abfoluted SBiffen. @in anbereiS äSiffen l^at für 
ben Sßenfc^ien feinen Seftanb.'' Steligion nnb bis- 
herige ^^ilofop^ie l^oben, nad6 ber Meinung biefer SKänner, 
bem aroenfc^en ein foId)e§ Seftanb^IofciJ SBiffen überliefert. 
Sudaner mac^t in biefer Sejicftung groift^en ben religiöfen 
S)ogmen ber Stl^eologie unb ben ©ebanfen ber ibealiftifc^en 
$E)ilofopl^ie leinen Unterfd^ieb. 3n biefen ©ebanlen fie^t 
er nur abftrafle Slbfömmlinge ber Dffcnbarungöroa^r« 
l&eiten. ®ie ibealiflifc^cn ^^ilofoplien glauben, nad) ber 
3Reinung Süd)ner§ unb feiner ©efinnungSgenoffen, auS ber 
SScrnunft gu fd)Dpfcn; in SBal&rl&eit bringen fie nur ein 
oerroäffcrteg, abftraflc^S 3^i'i^6ilb l^eologifd^cr 3bcen ju 
ftanbc. ®ie auf bie 9?aturn)iffcnfdöaft bauenben 3)enler 
l^alten c§ mit S euer bad^, ber fagt: ^^Unfere biöl^erigen 
^^ilofopl^en finb niti)t5 aU mebiatifierte, burd^ ben ab- 
ftraftcn Segriff oermiltelie S^^eologcn''. S)aS Hingt aller- 
bing^ nxd)i oiel anberS, aU ein Slui^fprud) ^egeliS über 
ba^ Scrl^ältniö oon Slcligion unb ^^ilofop^ie. 9iur ift 
$egel mit ganger ©eelc für eine grcunbfc^aft ber beiben; 
biefe ©eiftcr ber fünfziger Sal&re aber roollen bie SBcIts 
anfd)auung oon ber SRcligion emanzipieren. §egel ift ber 
SKeinung: „®ie SReligion ift bie Slrt unb SBeifc bcö 8e- 
mufetfeinö, roie bie SSJa^r^cit für aüe 3Kenfd)en, für bie 
aRenfdjen aller Silbung ift; bie miffenfdiafllid^e ©rlenntniS 
ber SBa^rl^eit aber ift eine befonbere 3lrt il^red Semugt- 
feiniS, bereu ärbcit fid& nid^t atte, oicimel&r nur menige 
unteraici&en. ®er Oe^alt ift berfelbe, aber mie §omer 



— 9 — 

Don einigen S)ingen fagt, ba^ fte gmei %amen l^aben^ ben 
einen in ber ®ptaä)t ber ®6Her, ben anbern in ber 
Sprad^e ber übertägigen äRenfc^en, fo giebt t» für jenen 
@e|alt gmei Sprachen/ @r meint, bie Steligion fpred^e 
bie Sprache bed ®tfnf)l», bie $^iIofop^ie bie ber Sbeen. 
generbad^ nnb mit il&m 9üd)ner unb beffcn ©ermnungö- 
genoffen l^aben barauf [bie Slntroort: ^S)ie Steligion ift 
ber ä^raum bed menfc^Iidjen ©eiftei^. Slber and) im 
Sraume befinben mir unS nic^t im *idE)tö ober im §immel^ 
fottbern auf ber 6rbe — im SReid^e ber 8BirHid)Ieit, nur 
bai mir bie mirllid^en Singe nid^t im Sfrf)te ber SBirl- 
lidlleit unb Siotmenbigleit, fonbcrn im entgüdEenben ©djeine 
ber Smagination unb SBiUIilr crblidEcn. 3d^ t^ue ba^er 
ber SReligion — aud^ ber fpefulatioen ^^ilofopbie un^ 
S^cologic — nid^tiS weiter an, afe bafe id^ il^r bie St u gen 
öffne, ober melmcl^r il^re einmärts gelehrten äugen 
ouSroärtö rid^te, b. ^, idEi ocrmanble nur ben ©egenftanb 
in ber SSorfteüung ober ßinbilbung in ben ©egenftanb in 
ber SBirllidileit.'' So menig mad^tcn biefc $erfßnlid|feiten 
gtoifd^en ber Steltgion unb ber ibealiftifd^en äBeltanfd^auung 
in btefer Se^iel^ung einen Untcrfd^icb, bafe SRoIefd^ott 
mit ber folgenbcn Verurteilung nidjt nur bie erftere, fon» 
bern audE) bit Icfetere gu treffen glaubte, bie er garnid^t 
einmal ermäl^nte: ;,&orfd)ung fdE)Iic6t Dffcnbarung an2^ 
Offenbarung unb @rfenntni§ oerl^alten fid^ mie Sid^tung 
unb SBal&rl^eit; jene errät, roo bicfe ergrünbct. 3)ie SBal&r« 
l^eit aber lann nur ber 9?atur unb i^rem SBaltcn abgclaufd)t 
merben.* 3n i^rer unb ber folgenben 3^it f^^fe^c man bie 
ffämpfer für eine fold^e ber Siatur abgelaufdjte SBeltan^ 
fd^auung al^ 3)^aterialiften jufammen. Ünb man l^at 
betont, ba% biefer i^r STOaterialiiSmuö eine uralte SBcIt« 
anfd£)auung fei, oon ber J^croorragenbe ©eifter längft 
erlannt l^abcn, mie unbcfriebigenb fie für ein pljcrc^ 
S)enlen fei. Söüd)ner l^at fid^ fd{)on gegen eine foId£)e 
Slnfid^t gcmanbt. Sr l^cbt l&eroor: „ßrftcnS ift ber SiRatc- 
rialii^mui^ ober bie ganje SRid^tung überhaupt nie miberlegt 
morben, unb fie ift nidit nur bie ältcfte pl&ilofopl^ifdtie 



— 10 — 

'SBeltbetrad^tung, roeld^e e^ifitert, fonbern fte ift anä^ bei 
jtbtm 3BieberaufIeben ber iß^ilofopl^ie in bet ©efd^ic^te mit 
erneuten Shröften roteber auf getaud^t; unb gmeiteni^ ift ber 
materialidmuiS oon l^eute nid^t mel^r ber ehemalige beS 
-@pilur ober ber Snc^IIopäbiften, fonbern eine gang anbere^ 
oon btn ®rrungenf(f)aften ber pofitioen SBiffen» 
fc^aften getragene 9lid^tung ober SRetl^obe, bie fi(^ 
überbem oon i^ren Vorgängern fe^r xot\tnilid) babnxd^ 
unterfd^eibet, ba^ fie nic^t me^r, mit ber ehemalige Watt» 
rialiiSmuiS; S^ftem^ fonbern eine einfädle reaIi|tifd|*pl^tIo* 
fopl^ifd^e ääetrad^tung beS 2)afeiniS ift^ nield^e oor aQem 
i)ie ein^eitlid)en $ringipien in ber 3SeIt ber %atur 
unb bed ©eiftei? auffud)t unb überaQ bie S)arlegung 
«ineö natürlidien unb gefeftmäfeigen Swf^winten- 
l^angiS ber gefamten (Srfd^einungen jener äSelt 
^anftrebt." 

9Ran !ann nun an bem SSerl^alten eineiS ©eifteiS^ ber im 

eminenteften Sinne nac^ einem noturgemäfeen Senlen ftreblc, 

@oetl^eiS^ 3U einem ber ^eroorragenbften äRaterialiften 

ber Örangofen — ber (SncpIIopäbiften beö oorigen Sal&r* 

^unbertiS — gu ^olbad^, S^iO^>^/ ^^^ ftc^ biefer ältere 

äRateriali^Smul^ oon btm neueren unterfd()eibet. $aul 

^einridö ©ietrid^ oon §oIbad^ (geb. 1723) lieg 1770 

ba2 „Systeme de la nature'* erfc^einen. ©oetl^e, bem 

ba^ ^u(^ in Strasburg in bie ^änbe fiel, fd^ilbert in 

^2)id^tung unb äBa^r^eif" ben abftogenben @inbrudt, ben 

er oon i^m erl^alten f)at: „&xnt 9Katerie foQte fein oon 

-^migleit, unb oon (Smigleit l^er bemegt, unb foQte nun 

4nit biefer SBemegung red^t^ unb lintö unb nac^ aOen 

Seiten, ol^ne meitereiS, bie unenblid^en ^^änomene bed 

©afeinö l^croorbringen. ®iei5 allejg mären mir fogar 

.^ufrieben gemefen, menn ber SSerfaffer mirtlidi au^ 

feiner bemegten äRaterie bie SBelt oor unfern ${ugen auf« 

gebaut l^ätte. 3(ber er mod|te oon ber %atur fo menig 

roiffen alö mir; bcnn inbem er einige aHgemeine Segriffe 

J^ingepfal^It, oerlägt er fie fogleid), um baiSjenige, mai$ 

J^ö^er al0 bie %atur, ober ma^ cd^ ^ö^ere %atur in ber 



— 11 — 

tttalur crf(f)cinl, gur materiellen, ((^roeren, groar BetDeglen, 
iiber bod) rid^tungS- unb geftaltlofen 9{atur gu Dermanbeln, 
4inb glaubt baburd^ red^t Diel gemonnen gu |aben/ ©oetl^e 
roav fd^on bamali^ Don ber Überzeugung burd^brungen: 
;,®ic a:^eorie an unb für [lä) ift nid^tö nüfee, afe infofern 
fie und an ben Sufantmenl^ang ber Srfd^einungen glauben 
mad&t." (®prüd|e in $rofa. ©eutfc^c 9iationaI»8itteratur, 
©oetl&eS SBcrIe, Sanb 36, 2 @. 357.) Unb am ßnbe 
beö oorigen Sa^r^unbertiS mar bie Siaturforfdjung nod^ 
nid^t f weit, ba% ein ®eifi wie §oIbad^ mit feinen S^^eorien 
einen S^f^n^^^t^^^ng von erfal^rungSgemägen £]^atfa(f)en 
l^atte geben lönnen. Biaii auf fold^e 2^^atfad|en mürben 
bal^er 9)2änner mie ©oetl^e auf leere Behauptungen gemiefen, 
menn fie naä) bem fragen moHten, ma^ bie Sbeen berufen 
finb, gufammengul^alten. 

5Die naturmiffenfd^aftlid^en Srgebniffe auö ber erften 
^älfte beiS neungel^nten ^ci^tl^unbertd maren bagegen aU 
S^^atfad^en geeignet, ben 3Raterialiften ber fünfziger Soi&re 
eine Unterlage für il&rc SBeltanfd^auung ju liefern. 3n 
ber. Sßateric ba^ SBefen fud)en, baS bie ßrfd^einungen 
ber SBelt erllärt, lonntc man erft in einer 3cit, in ber 
man bie (äigenfd^aftcn ber ERaterie biö gu einem geroiffen 
©rabe lannte. 

6in Seifpiel für ba§ Sorbringen gum SBefen ber 
3Raterie, be§ in ber 9?alur ausgebreiteten Stoffcö, ift bie 
lünftlid^e §erftellung beö §arnftoffe5 burdt) SBö^Ier im 
Saläre 1828. ®urd^ biefe gntbedfuug mar ber Semeiö ge* 
liefert, ba% einfadjc Stoffe fid& burd^ bie in il^nen felbft 
liegenben Sräftc unter geroiffen Sebingungen gu p^cren 
©ebilben oereinigen lonnen, beren ©ntfte^ung man biSl^cr 
nur unter bem lebenbigen (Sinfluffe beg organifd)en ÄörperS 
beobad^tet l^alte. 9Kan mußte fid& jefet fagen: nid^t bloß 
baö organifd^c ßeben l&at bie Äraft Stidfftoff, SBafferftoff, 
Sol^Ienftoff unb Sauerftoff fo miteinanber ju oerbinben, 
ba% au^ i^nen §arnftoff mirb, fonbern biefe Stoffe felbft 
l^aben bie ^äfte, bie fie gu einem l&ö^eren ©ebilbe rer- 
einigen. SKan brandete leine befonbere mgftifd^e fiebernd» 



— 12 — 

fraft tncl^r, bie im DrganiSmuö x^xtn @i^ f)ai, unb bic 
bo0 Unorgantf(f)c in Dtganifd^cS umformt; man fonnte 
bcn unorganifd^cn Stoffen fclbft bic ®abt gufc^rcibcn, ftd^ 
gu einem Crganif(J)cn gu oerbinben. 6in Umfd^roung in 
bcr ©enimeife mar baburd) oorbercitet. STOan mar nic^t 
mel)r barauf ongeroiefen, ^u fagen, ba^ SSoIIfommcnere, ba» 
Drganifd^e, bebicnt fid) nur ber unorganifd^cn Elemente, 
um fic in fid) gu ^öi^cren SBefcnl&eiten gu ocrarbcitcn; man 
lonntc fagcn: ba^ UnooIKommcnc, ba^ Unorganifdie ^ai 
ba§ SScrmögen, fid^ ^u ^ö^ercm fortgubilben. SBaS lonnte 
man oon ber Sßaterie erl^offen, bie für fid^ aU tot galt 
unb bie fein anbere^ Vermögen l^atte, aU [xi) im Staumc 
l^in unb l^er ^u bewegen? 23ie ganj anders fteHtc fid| bit 
Bai^e, al0 man bie SEI^alfadje fai^, bofe bie rermeintlid^ 
tote Sröateric fidE) ^u Singen 5ufammenfd)Iie6t, bic man 
frül^cr nur unter bem (äinfluffc be5 fdjon oorl^anbencn 
Seben§ l^atte entfielen feigen? 

Saö mar ber llnterfd)ieb gmifd^cn ber 9Katertc, oon 
bcr §olbadö fpradt), unb ber, meldte bie üßaterialiften ber 
fünfatger Sol&rc im Sluge l^attcn. ^oIbad)j$ TOaterie mar 
ein ober, leerer, toter SScgriff, auS bem fein SSerftanb bie 
rcidjcn ®rfdt)cinungen ber Siatur l^erauSflaubcn fonnte. 
Surd^ bie ßntbedungcn, bie nad) il^m gemad^t mürben, 
fing bie SRatcric an, in fidf) felbft Seben ^u erl^ölten. S3üd)ner 
braudE)te nidt)t met)r oon bcr toten, bIo§ bcroegten 2Äaterie 
3U fpred^cn; er fonnte oon ber SKatcrie fpred)en, beren 
9Kac^t ber 6f)emifcr, bcr ^^^fiologe im ßaboratorium beob« 
ad)ten fonnten. ^olhaä) mie§ auf ein ©ebanfenbing 
i^in, menn er oon SRatcrie fpradt); S3üd)ner auf ein roirf:» 
lid^ Seftel^cnbeS, ba& für geroiffe ^äüt gegeigt l^atte, 
ma§ e§ auö fid) fclbft gu crscugcn oermag. SDian mufete 
bie 6ntftef)unggmöglid^feiten, bie im materiellen S)afcin 
fd)lummern, erft cntfiüQen, menn man |)öf)ere§ auf biefeS 
matericDc S)afcin jurüctfü^ren rnoHtc. S^ote ©toffflümpt^cn, 
bic fid) ]&in- unb ^erbemegen, fönncn fid^ mieber nur gu 
toten ^[ggrcgatcn jufammenbaHcn; aber man lernte einfel)cn, 
ba^ man c§ mit foldjcn toten filümpd)en gar nid)t gu ttjun 



— 13 — 

l^abC; fonbern ba% bod fd^einbar Zoit ein ^bl^ered an9 
^d^ unb burd^ ftd^ felbfi j^eroorbringen lann. 

Unter bem Sinfluffe foli^er Srienntniffe ftanben bie 
^oterialiften. Sor i||ren Saugen entftanb $b^ered aM 
%iebrigem. @d entftanb bei i^nen ber ®Iaube, bai t& 
bem nienfd^Iid^en 2)enlen nid^t angemeffen fei, nad^ Sfrt ber 
S^eologen, j^d^ere SRäd^te anjune^men, bie burd^ il^re 
ftraft bie SBefen^eiten ber SSelt entfte^en laffen, n)enn man 
bod^ feigen !ann, ba% ba» fiebrige, baS Sinfat^e felbft bie 
.^aft l^at, aus ftd^ ba^ $ö^ere gu ergeugen. 9Bie nal^e 
lag e0 bodg gu fagen: bringt ba» Unorganifdie auiS ftd^ 
organifd^e Stoffe l^erDor: niarum foQte ed nid^t aud^ ba& 
Vermögen l^aben, bie Organismen felbft an^ fid^ jn er« 
jeugen? Unb ba ber ®eift, bie menfc^Iid^e Seele, nur ate 
eine l?ebendängerung an organifd^en SSefen erfd^eint: marum 
-foQten bie Stoffe mit il^ren Straften nid)t aud ftdb l^erauS 
-aud^ ben ®eift gebären tonnen? 3Barum foQte ber @eift 
Don l^immlifdden ^ää^ien ftammen? 

@S geprte um bie äRitte bed Sa^rl^unbertd nur ein 
üilgner S)en!ermut bagu, fold^e O^olgerungen au sieben. 
äRan batikte nur in bem Sinne meiter, in bem man gemiffe 
Sl^atfad^en auflegen mu§te; unb man lam bagu, bie Jträfte, 
bie man e^ebem jenfeitigen Tl&ä^kn beigelegt Igatte, ber 
bieSfeitigen äRaterie gugufprcdien. S)er Stoff mit feinen 
(Sigenfd^aften mürbe ben 3RateriaIiften baj^jenige, mad au§ 
feinem 9ßutterfd)og alle Singe unb Vorgänge erjeugt. ®& 
mar nidC)t meit oon ber £]^atfad^e, ba% ^ol^Ienftoff, 
SBafferftoff, Sauerftoff unb Stidfftoff gu einer organifd^en 
Serbinbung ftd) gufammenf daliegen, gu ber S3 el^ aup tu ng 
»üd^nerö: ;,®ie SSorte Seele, ©eift, ©ebanle, gmpfin- 
bung, SBille, fieben begeid^nen feine SBefen^eiten, leine 
roirflid&en 2)inge, fonbern nur Sigenfd^aftcn, Qfäi&igleiten, 
'^errid^tungen ber lebenben Subftang ober Stefultate oon 
SBefen^eiten, meldte in ben materieDen S)afein5formcn be* 
grünbet finb." 9?id^t mcl^r ein gottlid^eS SBcfen, nid^t 
me^r bie menfc^Iid^e Seele, fonbern ben Stoff mit feiner 
.ftraft nannte Büd^ner unfterblid^. Unb SRoIefd^ott Ileibet 



— 14 — 

McfcIBc Überzeugung in bie SBortc: ^S)ic ffrafl ift fem 
floffenber ®oii, fein oon bcr ftofflid^en ©runblage gclrcnnte«- 
SBefen ber S)tngc, fie ift bciS Stoffe« unacrtrennlid^e, i^nt 
Don ßroigleit innerool^nenbe Sigenfd^aft. — Äo^IcnfäurC;. 
SBaffcr unb ©aucrftoff finb bie aKöd^tc, bie auc^ ben feftcften 
Seifen aerlegen unb in ben 3flu6 bringen, beffen Strömung. 
ba§ Seben erzeugt. — SBed^fel von Stoff unb gorm in 
ben einzelnen Steilen, roä^renb bie ©runbgcftalt biefelbe 
bleibt, ift ha» ©e^eimniö beS tierifcfjen Sebenö.'' 

S)ie naturn)iffenfd^aftlid)e 5orfdöcrorbcit bcr erftea 
Sal^t^l&unbert^älfte gab Subroig öüd)ner bie 9Böglid|feit^ 
Slnfd^auungen wie biefe au§aufprecf)en : „^n är^nlid^er SBeifc^ 
wie hie ®ampfmafd|ine Seroegung l^eroorbringt, erzeugt 
bie oerroicCelte organifd^e ffiomplilation froftbegabter Stoffe 
im SLierleibe eine ©efamtfumme gemiffer Sffelte, meldEie ^a 
einer Sin^cit oerbunben, oon uns ©eift, Seele, ©ebanle 
genannt werben/ 3ßit ooHem Siedete erllärt ßarl ©uftao* 
3leuf(iÖle in feinem gej&altoollen Sud^e: „^^ilofopl^ie unb- 
Siaturroiffenfd^aft. !ivLV Erinnerung an ©aoib Sriebrid&r 
Strauß" (1874), bafe bie riaturmiffenfd^aftlid^en Srgebniffe 
felbft ein pI)ilofop]&ifd^e§ ÜRomcnt in fid^ fd[)Ioffen. S)ic 
SSermanbtfd^aflen, bie man jroifd^en ben 9?aturlräften ent» 
bedfte, führten in bie ©el^eimniffe be§ maiericHen Safeinö^ 

Gine foldje mid^tige SBerroanbtfdiaft fanb 1819 Derfteb 
in Sopenfiagen. 6§ geigte fid^ il^m, ba^ bie SKagnetnabcI 
burrf) ben eleltrifd^en Strom abgelen!t wirb, garaba^ 
entbcdtte 1831 bagu baö ©egenfiüdf, ba^ bnxä) bie Sin* 
nä^erung eines ÜÄagneten in einem fpiralfßrmig gemunbencn 
Äupferbral^t ©lellriaität l^eroorgerufen werben !ann. Siel» 
trigität unb äRagneliSmuS maren bamit als mit einanber 
Derroanbte 9?alurp]&änomene erfannt. Seibc Äräftc ftanben 
nid^t me^r ifoliert neben einanber ba; man mürbe barauf 
i^ingeroiefen, ba^ i^nen im materiellen ®afein eiwa^ ©emein«- 
fameS gu ©runb liege, ßinen tiefen Slidf in ba» SBefea 
oon Stoff unb Äraft ^at guliuS Stöbert 9Mat)er in ben 
oiergiger Salären getl&an, als i^m flar rourbe, ba^ a^ifica 
med^anifd^er ?lrbeitsleiftung unb SEBarme eine gang beftimmtc^. 



— 15 — 

bnxä) eine !^Qf)l audbrüdbare Segie^ung l^errfdit. 2)urd^ 
^xnd, ®tog, SReibung 2Cv b. 1&. ctud Slrbeit entflel^i Sßärtne. 
3n ber Sampfmofdiinc roirb SBörmc roieber in Slrbeilö« 
leiftung utngemanbelt. 2)ie 9Renge ber SBärtne, bie an^ 
Slrbcil entfielet, läßt fid^ auö ber SBenge bicfer ärbcil be»^ 
red^nen. SBenn man bie SBörmemenge, bie notroenbig ift;. 
um ein Kilogramm äSaffer um einen @rab ju ermärmen,. 
in Slrbeit ummanbelt, fo fann man mit bicfer Slrbeit 
424 Silogramm einen SReter l^od^ lieben. @S ift nid)t ju 
rcrrounbern, bofe in folcfien £]^atfoct)en ein ungcl^eurer 
Sortfd)ritt gefc^en mürbe gegen (Srfläruuj^cn über bie 
SKaterie, roic fie C^egel gegeben l^at: „S)er Übergang uon 
ber Sbealitöt gur 'äitalii&i, oon ber Slbftruftion gum Ion» 
freien Safein, l^ier oon 3laum unb 3«^^ 8" ber ^Realität;. 
roclrf)e afe äRaterie erfdjeint, ift für ben SScrftanb unbe- 
greijlid^, unb ma(t)t ftcf) für il^n bal^er immer äußerlid) unb 
aU ein ©egebeneiS.* 

3u fold^en @ntbecfungen über btn einl^eitlidien 
6l^ara!ter ber unorganifrf)en 3?atur!räfte lamen anbere^ 
b\t über bie Swfontmenfe^ung ber DrganiSmen»®eIt Sluf« 
fd^Iuft gaben. 1838 erfannte ber Sotanifcr ©dileiben bie 
Sebeutung ber einfad)cn ^eUt für ben ?ßflangenförper. @r 
geigte, mie fid) alle ©eroebe ber ^flangc unb ba^er biefe 
felbft auö biefen „@Iemcntar*Drganiigmen" aufbauen. 
®d)Ieiben l^atte biefen ;,6Iementar»Drgani§muß" aU ein 
Älümpdjen flüfpgen $flangenf(f)leimei5, ba§ oon einer ^üHe 
(3enf)aut) umgeben ift, unb einen fefleren 3cIHern entl^ält,. 
erlannl. ®iefc ^tUtn oermefiren fxc^ unb lagern fid) fo 
aneinanber, ba^ fie pflanglidie SBcfcn aufbauen. Salb 
barauf eutbecfte Sdimann ba^ ®leid)e aud) für bie Sier» 
melt. 3tn ^ai)xt 1827 l^at ber geniale Sari Srnfl Saer 
ba^ menfcfjlic^c @i entbcdEt. (£r l^at aud) bie Vorgänge 
ber ©ntmidfelung ber l^ö^eren Stiere unb bcS äBenfc^en an^ 
bem 6i oerfolgt. 

©0 mar man überaQ baoon abgelommen, bie ^been 
gu fuc^en, bie ben 9iaturbingen gu ©runbe liegen. 3ßan 
l^at bafür bie 2^l&atfad&en beobadilet, bie geigen, mie fic^ 



— 16 — 

ixt "^o^ntrt, lompitaierteren %aturprogeffe unb ^aturtoefen 
•aud einfad^en unb niebrigen aufbauen. S)te SKänner mürben 
immer feltener; bie nad^ einer tbealiflifd^en 2)eutung ber 
IBelterfd^einungen fud^ten. @d mar nod^ ber ®eift ber ibealifti« 
fd^en SBeltanfd^auung^ ber 1837 bem S^ntl^ropologen 
^ntbac^ bie Slnftd^t eingab, ba^ bad Seben feinen ©runb 
uid^t in ber äßaterie l^abe, fonbern bag t» oielme^r burd^ 
eine l^o^ere ^aft bie SRaterie umbilbe, mie ed fte brauchen 
lann. äRoIefd^ott lonnte bereites fagen: „'^it ßebenS» 
Iraft, mie ba» Stbtn, ift nid^tiS anbered aü bad Srgebnid 
ber permidFelt gufammenmirlenben unb ineinanbergreifenben 
pj^^ftfd&en unb d^emifd^cn Gräfte." 

%ad^bem bie groge SSiriung, bie von ben rabilalen 
S[nfd^auungen Süd^nerd; SSogti?, 3RoU\^oii» ausgegangen 
i% anberen S^i^f^^ntungen gemid^en ift, l^at man fid^ in 
oielen Äreifen, bie fic^ an ©islufrionen über S53eltanfd^au^ 
ungiSfragen beteiligen, baran gemöl^nt, möglid^ft ad^fel^udenb 
über biefe SRänner }ur S^agei^orbnung übergugel^en. SRoIe« 
fd^ott unb S3ogt mugte man an^ in ber O^olgegeit ald 
Spegialiften auf naturmiffenft^aftlid^em @ebiete gelten laffen; 
bafür lonnte man ftd^ in ber Slblel^nung bt» ^.populären 
®erebei^'' Submig SSüc^nerd nidjt genug tl^un. äßan fal^ 
in feinem ^u^t „^aft unb Stoff'', ba», oom ^a^xt 1855 
an, lange 3^^^ ^^^ ;,@oangeIium beiS SRaterialii^mud'' 
bilbete, fpater ben ttipifdien 3(udbrud( einer p]^iIofopl^if(^ 
rollen, bilettantifd^en SSeltanfd^auung. 

@ine fold^e Beurteilung mirb ber gefd^iditlid^en Stellung 
ber brei äßanner nid^t geredet. @iS foQte in Srmägung 
gebogen merben, ba% \\e für nid^tiS anbered lämpfen, ali 
für ein Sbeal, baS einft @d^iQer bei ®oet^e beobad^tet 
i^atte, unb in einem Briefe an biefen mit ben SBorten 
befd^rieb: ,^Son ber einfad^ften Organifation fteigen ®ie, 
©d^ritt ooc 6d^ritt, gu ber mel^r oermidelten hinauf, um 
enblid^ bie oermidFeltfte oon allen, ben äRenfd^en, 
genetif(^ aud ben SKaterialien bed gangen %atur« 
geböubei? gu erbauen'' (@(^iQerd Brief an ©oet^e 
Dom 23. 3(uguft 1794). 3txä^i» anbered moSten biefe 



— 17 — 

SRaterialiften, ald bie oertoideltfle %aturerfd^einung^ ben 
9Kenfd)en; mit feinen leiblichen unb geiftigen äugerungen 
oud ben einfad^ften 9^aturlräften, ben äßaterialien bed 
ganzen KaturgebäubeiS, erbauen. Unb gu einer fold^en (Sr» 
Üärung wollten fte nid^td anberei^ gu ^ilfe rufen ate bie 
S^atfad^eU; bie ftd) oor ben ntenfd^Iid)en €innen ab« 
fpielen. 

S)aiS 3cit^cn>ugtfein brängte ba^n, ba» SBeltaQ burd) 
!eine anberen @rfd)einungen gu erllctren, aü biejenigen, 
bie ftd^ i>or ben Singen ber äRenfd^en abfpielen. di^atlt^ 
&r)tlU 1830 oeroffentlid^te« SEBerf „Principles of geology** 
l^atte mit biefem @r!IärungiSgrunbfa^ bie gange alte ©eologie 
geftürgt. 99iiS gu 2r)tU& epod^emad^enber Sl^at glaubte 
man, ba% bie (Sntmidelung ber @rbe ftd^ fprungmetfe doQ« 
gogen l^abe. SSieberl^oIt foD aUt», maß auf ber @rbe 
entftanben mar, burd^ totale Jtataftropl^en gerftört morben, 
unb über bem @rabe vergangener 9Befen foQ eine neue 
@d^öpfung entftanben fein. 3Ran erÜärte baxani^ bad SSor* 
^anbenfein ber $flangen« unb £ienefte in ben @rbfd)id)ten. 
4uoier mar ber ^auptoertreter fold^er mieberl^olter Sd^öpf« 
ungdepodCjen, fold^er übernatürlidE^er Eingriffe in ba^ fieben 
ber @rbe. S^ell geigte, ba% man leine fold^e S)urd^« 
bred)ung bt^ ftetigen @angeiS ber @rbentmidelung brandet. 
SBenn man nur genügenb lange S^itröume ooraui^fe^t, 
bann lönnen bie ^öfte, bie l^eute nod^ auf ber @rbe 
tl^ätig ftnb, biefe gange Sntmidelung bemirlt l^aben. 3n 
S>eutfd^Ianb l^aben fid^ ©oeti^e unb ^arl oon ^off 
fd^on frül^er gu einer fold^en Slnftd^t belannt. S)er le^tere 
oertrat fie in feiner 1822 erfd^ienenen „®t\6^iä)it ber burd^ 
Überlieferung nad^gemiefenen natürlid^en SSeränberungen ber 
erboberfläd^e.'' 

Tili ber gangen ^ül^nl^eit oon Snt^uftaften beig ©e« 
banlend gingen 93ogt, Südt)ner unb äßolefd^ott an bie Sr» 
llärung aQer Srfd^einungen aud materiellen SSorgängen, 
mie fie ftd^ oor ben mcnfd^Iidien ©innen abfpielen. @ö 
ift berounberungSroert, mie fie babei in fxä) Reibet aUe 
oorgefagten 9ßeinungen übermanben, bie eine S^t^rl^unberte 

@ leiner, fSelt« utii> Sei&enSanft^auuitgen. IL 2 



— 18 — 

alte £rabition in Die 9Renfd^enfeeIe über bie ^rol^e äßderie'' 
gepflangt l^alie. ®ie l^atten mä)i allein jum äSerftanbe^ 
}ur SSernunft }u fpredjen; fte l^atien bie SntpftnbungiSmelt 
gu revolutionieren. Unter bem ßinflug bt^ Ö^J^riftentuntiS 
ift ein Segriff ber äßaterie entftanben, ber nid^t mit 
Unred^t al2 ein ^Sd^auergemälbe'' begeid^net n)orben ift. 
S)ie iDlaterie galt aliS baiS ro^e, ja böfe $rinaip, baS für 
bie eblere, geiftige %atur bed ÜRenfd^en nur ein ^emntniiS 
fei. S)er ®eift foHe über biefeö $ringip pegen, wenn er 
fein Qxd erreid^en rooQe. Unb bie 9ßaterialiften faxten 
ben aRut, biefen (Seift auiS ber äRaterie felbft abzuleiten. 
®ie tl^aten t» ald nial^re, td^it gbealiften, ate lül^ne 
jfämpfer. 

@inen bebeutfamen 3(udbrudE fanb ber Santpf, ben 
ber SRaterialidmuiS ^n fülgren l^atte, aU ftd^ ber ©öttinger 
$]^^ftoIoge 9iuboIf SBagner unb @arl äSogt gegenüber 
ftanben. aSagner trat 1852 in ber ^^SlUgemeinen QtitnnQ" 
für ein felbftänbigeö Seclenroefen gegen bie änfd^auung 
be^ WaterialiiSniud ein. 6r fprad^ baoon, ba^ bie Seele 
ftd^ teilen lönne; ba ja ba» kxnb oieleS oom 3Sater unb 
oielei^ oon ber äRutter erbe.'' Sogt antn)ortete gunäd^ft 
in feinen ,,SiIbern an» bent S^ierlebcn". SDlan erlennt 
SogtiS Stellung in bem Streite, menn man in feiner 8lnt» 
roort folgenben Safe lieft: »SDie Seele, meldte gerabc ber 
Snbegriff, ba^ SBefcn ber Snbioibualität, beö einzelnen, 
unteilbaren äSefend aui^mad^en foH, bie Seele foQ ftd^ 
teilen lönnen! S^eologen, nel^mt @ud^ biefen ffefeer gur 
Seute — er mar biöl^er ber 6uren Siner! ©etetitc 
Seelen! SBenn fid^ bie Seele im Site ber 3c"9m«9/ wie 
$err 9t. äSagner meint, teilen lann, fo lönnte fte fid^ aud^ 
oieQeid^t im S^obe teilen, unb bie eine mit Sünben be« 
labene Portion ind fjfegefeuer gelten, mä^renb bie anbere 
birelt iuiS ^arabiei^ ge|)t. ^err SSagner oerfpridtjt gum 
Sd^Iuffe feiner pl^^fiologifd^en Sriefc and) ©jlurfc in ba^ 
@ebiet ber ^l^^ftologie ber geteilten Seelen." ^eftig 
mürbe ber Kampf, ate SBagner 1854 auf ber Siatur» 
forfd^eroerfammlung in ©ottingen einen SSortrag über 



— 19 — 

^9Renf(^enfii^dpfung unb Seelenfubfianj'' gegen ben 9Rale« 
rialtdmud j^ielt. (St mollte jioeierlei bemeifen. Srfiend, ba^ 
bie @rgebniffe ber neueren %aturn)iffenfd^aft bem bibltfd^en 
®Iauben an bie Slbfiamntung bed äRenfc^engefd^Ied^teiS oon 
einem $aare nic^t niiberfprec^en; iwtittn^ bag biefe (Srgebniffe 
nid^td über bie Seele entf^eiben, fomit bie t^eologifd^en 
Seigren über biefelbe unangetaftet laffen. Sogt fc^rieb 
1855 gegen SSagner eine @trettf(^rift ^jföl^Ierglaube unb 
SBiffenfd^aft'', bie i^n einerfeitiS auf ber DoOen ^S^t 
naturmiffenfd^aftlic^er (Sinftt^t feiner ^tii ^eigt, anbererfeitd 
aber «k^ al^ fd^arfen ^mhx, ber rüd^altlo^ bie @d^Iug« 
folgerungeir k^ ®egneriS ate Sruggebilbe entl^üHt. @ein 
3Biberfpruc§ gegen ttognerd erfte Se^auptung gipfelt in 
ben ®a^en: ^SlDe ^iflicifd^en roie naturgefd^idjtlid^en 
t$orfd^ungen liefern ben pofitiien äSemeiiS Don bem vitU 
faltigen Urfprung ber SRenfd^enroffcn. 2)ie fiel^ren ber 
Sd^rift über Slbam unb %oa| unb btc ^meimalige 91b« 
ftammung ber iDtenfd^en Don einem $aare ftnb miffen« 
fdiaftlid) burdiaud unl^altbare äRärdjen." Unb gegen bie 
3Bagnerfd^e Seelenlel^re roanbte Sogt ein: 23ir fe^en bie 
@eelent^atigleiten bed 9Renfd^en ftd) aümö^Iid^ entmidteln 
mit ber Sntmtdtelung ber lörperlic^en Organe. 9Bir feigen 
bie geiftigen Serrid^tungen oom ftinbedalter an bid gur 
Steife bed SebeniS ooQIommener merben; mir feigen, ba^ 
mit jeber (Sinfd^rumpfung ber @inne unb bed ©el^irned 
aud^ «.ber ©eift'' entfpred^enb einfd^rumpft. ^@ine folc^e 
(Sntmidelung ift unvereinbar mit ber Ülnnal^me einer unfterb« 
litten Seelenfubftang, bie in bad ®t^\xn als Organ l^inein» 
gepflangt ift." S)ag bie ÜRaterialiften bei il^ren ®egnem 
nid^t allein SerftanbeiSgrünbe, fonbern aud^ @mpfinbungen 
gu belämpfen l^atten, geigt gerabe ber Streit gmifc^en Sogt 
unb SSagner mit ooQIommener jflarl^eit. ^ai bod^ ber 
le^tere in feinem ©öttinger Sortrage an ba& moralifd^e 
Sebürfnid appelliert, baS tS nid)i oerträgt, menn ^med^anifdje, 
auf gmei Firmen unb Seinen l^erumlaufenbe ^paxaW 
gule^t fic§ in gleid^giltige Stoffe auflöfen, o^ne ba^ man 
bie ^Öffnung l^aben lönnte, ba^ baS ®ute, ba§ fte tbun, 

2* 



— 20 — 

• 

belol^nt, unb il^r 93öfei$ befiraft toerbe. Sogt ertoibert 
barauf: ^S)tc (?fiflcnj einer unfierbltd^en Seele ifl ^errn 
SSagncr nid^t ba» Stefultat ber Oforfci^ung ober bed %a(b« 
benleniS, fte ift bad notmenbige Slequiftt beiS gangeiS ®ebäubed 
ber dtaä^e, toeld^eS biefer 3^^^^^ fi<^ aufgerid^tet l^at. (£r 
bebarf einer unfterblid^en @eele^ um fte nad) bem S:obe 
bcö SKenfd^en quälen unb ftrafen gu Ißnnen; — er bebarf 
eineiS \oli)tn Dbjeltei^, an xod^tm ber ^ag, ben feine 
3leIigion in fid^ trägt, fid^ roeiben fönne; — er ntu§ eine 
fold^e Seele l^aben, bamit er benjenigen, roeld^e mit i^m 
in ber ©efd^id^te ben Unftnn unb in ber gegenwärtigen 
moralifd^en SSeltorbnung gegen il^n bai3 Unfinnige finben^ 
eine ^udgleid^ung ober Söfung in einem fupponierten 
SenfeitS ocrfpred^en lönnc; — bajg ift be0 "^nbd» Kern." 

äSer bie äßaterialiften red^t mürbigen miD, barf bie 
Ummanblung, bie fte in ber ^xoeiitn ^älfte be§ neunjel^nten 
Sal^rl^unbertd in bem öffentlid^en 93emugtfein bemirlt ^aben, 
nid^t außer Setrac^t laffen. 3Sor fünfzig Stören mar 
biefem öffentlid^en SJemufetfein eine märd^enl&afte SorfteHung 
oon ber gefd^id^tlid^en @ntmid(elung bt^ äßeufc^engefd^Ied^tei^ 
natürlid^. 3)aiS erfte äRenfc^enpaar mar eine äJorfteQung, 
mit ber man red)nete. SBon biefem äßenfc^enpaar lieg man 
bie ©efd^id&te beginnen, aber biefe ©efd&id^te felbft mar 
nur eine untergcorbncte Spifobe im ßeben ber SRenfd^l&eit 
S)ie ^anpi^aä^t fal^ man jenfeitö biefer Oefd^id^te. S)iefe 
mar l^öd^ftenS ein SSorbereitung^ftabium gu einem Seben 
auf einem gang anberen Sc^aupla^. iS^x biefen Sd)au' 
pla^ ^aiicn bie irbifd)en %aturgefe^e leine ©iltigleit. S&r 
iign galt eine moralifd^e SBeltorbnung. 9Ran lebte 
fein irbifc^eiS Seben im ^inblidC auf biefe moralifd^e 9Belt« 
orbnung. SDie Seele ift au^ biefer moralifd^en Orbnung 
l^erauiSgenommen unb geitmeilig an ba^ materieQe S)afein 
gefeffcit. 

3n ber gmeiten Sal&r^unbertl^älfte fiegte in meiten 
Reifen ba2 Sntereffe an ber natürlid)en Qrbnung btS 
SBeltaQd über baSjenige an einer übernatürlid^en. %atur* 
gefd^id^tlid^e X^at^ad^m traten an bie Stelle m^tl^ologifc^er 



— 21 — 

Sorgänge. Biaii btt biblifd^en Sd^opfungiSgefd^id^te vtt» 
folgt man bie geologifd^e SnttoidCelung btt (Sxbt mit i^ren 
Sffen. aSan mürbe fid^ ber Sbl^ängigleit bed geifttgen 
fiebend oon bem DrganiiSmuiS immer melgr bemüht. SDie 
aRenfd)en fingen an, ftd^ für bie natfirlid^en, irbifd^en 
Sebingungen il^red 2)afeini9 gu intereffieren. 

^a» aUt» ^ai man gum größten Seile ben 9RateriaIiften 
gu banlen, bie in rabilaler SBeife auf bit materieOen Se* 
bingungen aDeiS S)afeind l^inmiefen. S)er Dorftd^tige %atur« 
forfc^er, ber ftetö nur barüber nad^benft, maiS il^m feine 
SBiffenfc^aft nod^ nid)t erlaubt, oon oeralteten 2)ogmen ab- 
zutragen, lann eine fold^e SBanblung bed offentlid^en 9e« 
mugtfeiniS nid^t bemirlen. S)agu beburfte t» einer bäftigen 
Sprad^e, mie fte g. ö. SRoHfdiott fanb, al» er fügte: ^S)er 
9Renfd^ ift bie @umme oon @Itern unb 9[mme, oon Drt 
unb 3«^/ »on ßuft unb SBetter, oon Sc^att unb Sid^t, 
üon Jtoft unb jtleibung. ®ein äSille ift bie notmenbige 
3foIge aller jener Urfat^en, gcbunbcn an ein Saturgcfe^, 
baS mir au» feiner @rfd^einung lennen, mie ber $Ianet 
on feine Sa^n, mie bit $Pange an ben ©oben. 8Bir finb 
ein Spiel oon jebem 3)rud ber ßuft." 

Unb baB t» einen ©efid^tiSpunlt gtebt, oon btm an» 
and) bie moralifc^e äBeltorbhung ber materialiftifc^en 9[nfid^t 
guftimmen lann, ba^ geigte ^einridfiSgoIbe (1819 — 1873). 
6r fc^t in feiner 1865 erfd^ienencn Schrift: „®ie ©rcngen 
unb ber Urfprung ber menfd^Iidjen (Srienntnid im @egenfa^ 
gu $ant unb ^egel'' auiSeinanber, ba% jebe 2:i^eoIogie an» 
btt UngufriebenJ^eit mit biefer SBelt cntfpringe. ^^S^^^ 8luß« 
fc^Iie§ung be» Übernatfirlidöcn ober alleg be» Unbegreiflid^en, 
wa» gur annal^me einer gmciten SBelt fü^rt, mit einem 
SBorte, gum %aluraIiiSmuiS, nötigt leinedmegd bie 9Kad)t 
naturmiffenfd^oftlic^cr Sl^atfad^cn, gunad)ft aud^ nid^t bie 
alle» begreifen moüenbe ^j^ilofopöie: fonbern in ticfftem 
@runbe bie SRoral, nämlid^ baSjenige ftttlid^e SSerl^alten 
bcö 3Renfd)en gur SBeltorbnung, ma» man 3ufrieben§cit 
mit ber natürlid^en SBelt nennen lann''. ©golbe fielet in 
bem SSege^ren einer übernatürlid^en SBelt gerabegu einen 



— 22 — 

Sfudflug btt Unbanibarleit gegen bie natürltdge. Sie 
gfunbatnente ber 9teItgion unb ber 3enfettd*$]^ilofopl^te ftnb 
i^tn tnoralifd^e %t^et, @ünben miber ben ®eift bet 
natürlid^en 23eItorbnung. 2)enn fte fül^ren ab t)on i,bem 
Streben naä) btm möglid^ften ©lüde |ebed @tn}elnen'' unb 
ber $f[td^terfüQung, bie au» fold^ent Streben folgt ,, gegen 
nn» felbfi unb anbere o^ne Stüdfftd^t auf übematürlid^en 
Sol^n unb @trafe\ 3ta^ feiner 9(nftd^t foD ber 9Renfd^ 
erfüllt fein Don «»banlbarer ^inna^me bed il^m gufaDenbeU/ 
t^ieüeid^t geringen irbifd^en ®Iüdd nebft ber in ber Qu» 
friebenl^eit mit ber natürlid^en SBelt liegenben 3)emütigung 
unter il^re Sd^ranlen, il^r notroenbiged Seib.'' 9Bir begegnen 
Igier einer Slblel^nung ber übernatürlid^en ntoralifd^en SBelt^ 
orbnung — an» moralifd^en ®rünben. 

3n SgoIbeiS SBeltanfd^auung fielet man auc§ Ilar, 
mtlä)t @igenf(^aften ben 9RateriaItdmud für bad menfd^« 
lid^e SDenlen fo annel^mbor machen. S)enn ba» ift groeifel« 
loiS; bag ȟd^ner, Sogt unb 9RoIef(^ott nic^t $^tIofopl^en 
genug maren, um bie f^unbamente il^rer Snfid^ten logifc§ 
Ilor au legen. 9(uf fie mirlte bie SRad^t ber natunoi^en« 
fd^aftlid^en S^atfad^en. Ol^ne fi(^ bi» in bie ^ol^en einer 
ibeengemä§en S)enlmeife, mie ©oetl^e fid) oud^ubrüden 
pflegte, gu oerfteigen, jogen fte mel^r aü %atur-S)enIer bie 
Folgerungen au» bem, ma» bie @inne mal^rne^men. ®id^ 
au» ber %atur be» menfc^Iic^en (Sriennend Stedgenfd^aft )u 
geben über il^r äSerfa^ren, wax nic§t il^re ®ad^t. Sgolbe 
t^at ba». Sn feiner ^9}euen SarfteQung bt» @enfualid« 
muj^'' (1855) ftnben mir @rünbe angegeben, marum er 
nur eine SrIenntniiS auf ber ®runblage ber ftnnlid^en 
SSal^rnel^mungen für xottivoVi l^ölt. %ur eine folc^e @r« 
lenntnid liefert beutlid^ oorfteHbare unb anf(^aultd^e ä3egriffe, 
Urteile unb @c§Iüffe. 3eber ®d^Iug auf eima» UnoorfteD« 
bareiS, fomie |eber unbeutlid^e Segriff ftnb abgumeifen. 
Slnfd^auIid^'Har ift nun, nad^ ^^olht» Slnftc^t, nid^t ba» 
@eelifd^e dl» fold^ed, fonbern baiS äßaterieSe, an btm ba» 
®eiftige al» (Sigenfd^aft erfd^eint. 2)edl|alb bemül^t er fid^ in 
feiner 1856 erfd^ienenenSd^rift: ^®ie dntftel&ung bt» ©elbft- 



— 23 — 

beiougtfeind, eine Snttoort on ^enn $tofeffor So^t*' ha» 
SelbftbeiDu^tfein auf mateiteQ«anfd^auli(i^e Vorgänge gurüd« 
guffil^ren. ^ nimmt eine Sh:eid(en>egung ber £eile bed 
®e^itn» an. Surd^ eine fold^e in ftc§ felbß gurficttel^renbe 
Semegung merbe ein @inbrud, btn ein 3)ing auf bie Sinne 
mad^e, ju einer bemühten Smpftnbung. Sterlmfirbig xfi, 
ba% biefe p^^ftlalifd^e SrUdrung bed Semugtfeind fax 
Sgolbe gugleid) bie SSeranlaffung mürbe, feinem SRaterialid« 
xaM untreu }u merben. ^ier geigt fid^ eine ber ®d^mftd^en, 
bie bem SRaterialidmui^ leidet anhaften. SBenn er feinen 
®runbfä^en treu bliebe, bann mürbe er mit feinen ßr- 
Ilärungen niemals meiter gelten, aü i^m bie mit ben 
Sinnen erforfc^ten £^atfadE|en geftatten. @r mürbe oon 
leinen anberen Vorgängen im ®el^irn fpred^en, al& fold^en, 
bie ftd^ mit naturmiffenfd)aftli(^en äRitteln mirllidb feftfteDen 
laffen. S)a0, ma^ er fi(^ oorfe^t, ift fomit ein unenblid^ ferned 
3ieL ®eifter mie ßgolbe ftnb nid^t gufrieben mit bem, 
wai^ erforfd^t ift; fie nehmen l^^potl^etifd^ S^atfad^en an, 
bie nod^ nid^t erforfd^t finb. Sine folc^e £l^atfad^e ift bie 
ermähnte Sh:eidbemegung ber ©el^irnteile. Sine ooQftänbige 
S)urd^forfd^ung bed ©el^irneiS mirb fid^erlid^ fold^e Vorgänge 
innerl^alb bedfelben lennen leieren, bie fonft nirgenbd in 
ber SBelt norlommen. S)arauiS mirb folgen, ba^ bie auf 
bie ®el^irnt)orgdnge ftd^ grünbenben feelifd^en Vorgänge 
auc^ nur im ©el^irne uorlommen. SSon feiner l^^potl^etifc^en 
ftreidbemegung lonnte Sgolbe nidbt bel^aupten, ba§ fte nur 
auf ba& ®e^im befd^ränlt fei. Sie lonnte aud^ auger^alb 
bed tierifd^en Organidmud oorlommen. Sann aber mügte 
fte feelifd^e Srfd^einungen auc§ in unbelebten Singen mit 
ftd^ fül^ren. S)er auf anfd^aulicbe ftlarl^eit bringenbe 
@3oIbe l^dlt tl^atfäc^Iid^ eine Sefeelt^eit ber gangen %atur 
nid^t für auiJgefd&Ioffcn. „Sollte — fagt er — meine 
Slnfic^t nid^t eine Stealifierung ber fd)on oon $Iato in 
feinem 3:imäud oerteibigten SBeltfeele fein? SoQte l^ier 
nid^t ber SeretnigungiSpunlt'' bed Seibnigfd^en ^bealidmuiS, 
ber bie gange SBelt auS befeelten SSefen (SRonaben) be« 
ftel^en lieg, mit bem mobernen %aturalidmud liegen? 



— 24 — 

3n oergrögertem SRage tritt btt tit^lex, btn Sgolbe 
mit feiner ©el^im-^eidbemegung gemad^t |at^ bei bem 
genialen Sari Sl^rtftian $Iand (1819—1880) auf. 
2)ie ®d^riften biefei^ äRanneiS finb gang rergeffen n^orben, 
tTDl^bem jte gu beut gntereffanteften gei^oren^ toa» bie 
^l^ilofopl^ie l^erDorgebrad^t l^at. @benfo lebl^aft roie ber 
9RateriaIijSmud ftrebte $Iandl l^at einer SBelterllörung and 
ber SSirllic^Ieit l^erauiS. 9(u(^ er meift bie religiöfen Sor« 
fteHungen gurüd, roeil fte il^r Sntereffe an eine ntoralifd^e 
äSeltorbnung Inüpfen. @r iabtU an bem beutfd^en ^bta» 
liiSmuS 9i<^ted, ©d^eSingiS unb ^tQtU, ba% biefer einfettig 
in ber 3bee bad 9Befen ber 2)inge fud^te. gür $IancI 
geprt mie für Sogt unb Sudaner ber (Seift mit feinen 
3been gur %atur. @r fielet td ald ben größten Stangel 
ber ibealiftifd^en Sßeltanfd^auung an, bai fie mit il^ren 
^bttn dxoad geben moQte, waB abfolut^ unbebingt ift mie 
ber @oit ber religiöfen äSeltanfd^auung. 'Slid)t and irgenb 
einem fold^en geoffenbarten ^ber gebadeten abfoluten Sßefen 
follte bie äSelt ber S)inge erllört merben, fonbern nur 
enblid^e, ftd^ gegenfeitig bebingenbe %öfte unb 93efen« 
l&eiten ber iiatur felbfl foHten gur ßrllärung ber Srfd)ci» 
nungen l^crangegogcn merben. „^ie S)inge roal^rl&aft 
unabl)ängig au0 fid^ fclbft erllärcn, J^cigt fie in i^rcr 
urfprünglidtjen Sebingtl^eit unb ßnblid^Icit erlenncn." (SScrgl. 
^landC: ®ic SBeltalter @. 103). „SS ift nur bie eine 
unb mal^rl^afte reine %atur, fo ba^ bie bloge %atur im 
engern Sinne unb ber @eift nur ©egenfct^c inneri^alb ber 
einen "Slainx- im pl^ercn unb umfaffenben ©inne finb." 
(a. a. D. @. 101). 9iun tritt aber bei $Iand( bad aRerl- 
mürbige ein, ba^ er ba§ 9!eale, ba^3 SluiSgebel^nte für baS» 
jcnige erllärt, maß bie SBcItcrllärung fud^en mufe, unb ba% 
er bennod) nidt)t an bie finnlid^e (Srfal^rung, an bie Seob« 
ad^tung ber Sl^atfad^en l^erantritt, um gu bem SRealen, 
gu bem SluiSgebel^nten gu gelangen. S)enn er glaubt, ba% 
bie menfc^lid^e SSernunft burd^ fid) felbft bis gu bem Slcalen 
vorbringen lann. §cgcl ^abt ben §e]^lcr gcmad^t, ba% er 
bie Sernunft fid) fclbft btixadjien liefe, fo ba% fie in allen 



— 25 — 

Singen anä) ftd^ felBft f al^ ; er »olle bie Semunf t nid^t in 
fti^ feUfi vzx^axttn laffen, fonbern fle über ftc^ i^inauiS« 
führen )u bem Sudgebel^nten, aü btm 9Bal^rl^aft-8BidIid^en. 
$Iand labett $egel^ »eil biefer bie Semunft il^r eigene^ 
®efpinnft and ftd^ fpinnen lä%i; er felbß aber iß nenoegen 
genug, bie Semunft bai9 objeltine Safein fpinnen )u loffen. 
^egel fagte, ber ®eift lann bad äSefen ber Singe begreifen, 
»eil bie Sernunft bad SBefen ber Singe ift unb bie 
Sernunft im SRenf^engeifte ^um Safein lontntt; $Ian(f 
erllorl: bai^ ®efen ber Singe ift nic§t bie Sernunft; ben« 
nod^ gebrandet er lebiglic^ bie äJernunft, um biefeiS SSefen 
bargufteQen. @ine hll^ne SBeltlonfiruItion, geiftooU erbat^t^ 
aber etba^t fern t)on mirllid^er Beobachtung, fern oon 
ben realen Singen, unb bennoc^ in bem ®Iauben ent« 
morfen, fie fei gan^ burc^tränlt mit e^tefler SBirlli&Ieit, 
ba^ ift ^land» Sbeengebaube. Site ein lebenbiged SBec^fel« 
fpiel oon SluSbreitung unb Sufammen^iel^ung fie^t er ba& 
SBeltgefd^el^en au». Sie @d^n)er!raft ifi für il^n bai^ 
Streben ber im Staum ausgebreiteten Körper, ftd^ gu» 
fammen gu giel^en. Sie SBörme unb ba» fiid^t ftnb 
ba» Streben eined j{drperd, feinen gufammengegogenen 
Stoff in ber Sntfernung gur SBirIfamleit gu bringen, alfo 
bad Streben nad) Sludbreitung. 

$Ian(IS 93er§öltnid gu feinen S^itgenoffen ift ein ^öd^^i 
intereffanted. S^uerbad^ fagt oon fid^: „^egel fielet auf 
einem bie Sßelt lonftruierenben, id^ auf einem bie 9SeIt 
ate feienb erlennen moQenben Stanbpunit; er fteigt ^erab,. 
ic^ l^inauf. $egel fteOt ben 9Renfd)en auf ben Kopf, i4 
auf feine auf ber @eoIogie ru^enben ($ü^e^. Samit Ratten 
an^ bie äßaterialiften il^r ©laubeniSbelenntnid c^aralteri« 
fiercn fönnen. ^land aber oerfä^rt ber Slrt unb SBeife 
nad^ genau fo mie ^egel. Senno(^ glaubt er fo gu oer« 
fal^ren mie f^euerbac^ unb bie 3Raterialiften. Sie aber 
f^äikn i^m, menn fie feine 9lrt in il^rem Sinne gebeutet 
l^atlen, fagen muffen: Su ftei^ft auf einem bie SBelt Ion« 
ftruierenben Stanbpunit; bennod^ glaubft bn, fte aU feienb 
gu erlennen; bu fteigft l^erab, unb l^ältft ben Slbftieg für 



— 26 — 

einen aufftieg; bu fteQft bie SSelt auf ben Stopl unb bift 
ber Slnfid^t, ber jtopf fei gfug. 3)er S)rang nad^ natürlid^er, 
t]^atfäc§Ii(^er 9BirIIid^Ieit im britten Siertel be& neunael^nten 
Sal^r^unbertd lonnte n)O^I nid^t fd)drfer junt Sludbruct 
gelangen ate burd^ bie SSeltanfd^auung eined SRanned^ ber 
nid^t nur Sbeen, fonbem 9lealität aud ber SSemunft l^erDor« 
gaubern woUit. 92idgt ntinber intereffant mirlt $IandE$ 
^erfSnlid^Ieit, wenn man pe mit berjenigen feine« !itiU 
genoffen äRajr ®tirner vergleicht. 3n biefer Sejielgung 
lommt in S9etrad|t^ mie $IandC über bie SRotiDe bei^ menfdE)« 
liefen ^anbelnd unb bed ©emeinfd^aftdlebend baä^ie. 9Bie 
bie 9RateriaIiften oon ben mirllid^ ben Sinnen gegebenen 
Stoffen unb Straften für bie %aturerllärung ausgingen, fo 
®timer oon ber mirllid^en (Sinjelperfönlid^Ieit für bie 
Stid^tfd^nur bt» menfdjlid^en SSerl^alteniS. S)ie äSernunft ift 
nur bei bem Sinjelnen. SBad fie aÜ Stid^tfd^nur bed 
$anbeIniS beftimmt^ lann bal^er auc^ nur für ben Sinjelnen 
gelten. S)aö S^föntmenleben mirb fid^ oon felbft ergeben 
aud ber naturgemögen SSed^felmirfatng ber Sinaelperfönlid^« 
leiten. SBenn jeber feiner äSernunft gemäg l^anbelt, fo 
mirb burd) freie« S^förnmenroirfen Slttcr ber münfd^cnö* 
mertefte 3uftanb entfte^ien. S)a« naturgemäße Qn^ammeri' 
leben entftel^t oon felbft, menn jeber in feiner ^nbioibualitctt 
bie Sernunft malten lägt, im Sinne Stirner« ebenfo, mie 
nad^ ber Slnfid^t ber 9ßaterialiften bie naturgemäße Slnftd^t 
oon ben 3BeIterfd)einungen entftelgt, menn man bie S)inge 
il^r SBefen felbft au«fpred^en läßt unb bie Sl^ätiglett ber 
Semunft lebigtid^ barauf befd^ränlt, bie Slu«fagen ber 
Sinne entfpred)enb gu oerbinben unb gu beuten, ^ie nun 
$IandC bie 3SeIt nid^t baburd^ erllärt, ba^ er bie S)inge 
gu ftd^ fprec^en läßt, fonbern burd^ feine SSernunft entfd^eibet, 
ma« fie angeblid^ fagen; fo läßt er e« aud^ in Segug auf 
ba» ®emeinfd^aft«Ieben nid^t auf eine reale äSed^felmirlung 
ber ^erfonlid^Ietten anlommen, fonbern er träumt oon einem 
burd^ bie äJernunft geregelten, bem allgemeinen SSol^Ie 
bienenben SoIIeroerbanb mit einer oberften Sted^tdgemali 
@r l^ält e« alfo aud^ ^ier für möglid^^ ba% bie Ser« 



— 27 — 

nunft baiB meifiere, toaiS jenfeitiS ber $erfonItd^Ieit liegt 
«Sai? urfprünglid^e aDgemeine Sted^tdgefeb forbert not« 
menbig fein äu^ereiS S)afein in einer allgemeinen Sled^td« 
ntad^t; benn ed märe feUft garnidgt mirllid^ aü aDge« 
meined auf äußere SBeife üorl^anben^ menn t» nur ben 
Singeinen felbfi überlaffen märe, ed burd^guf ül^ren , ba bie 
Sinjelnen für ftd^ il^rer re^tlid^en Stellung nad^ nur Ser« 
treter i^red Stec^tei^; nic§t bed allgemeinen aU fold^en 
ftnb.^ $Iand lonftruiert eine allgemeine JRed^tdmad^t, meil 
bie Sled^tdibee nur auf biefe SBeife fic^ mirllid^ mad^en 
tann. gfünf Saläre uorl^er l^at 9Rajr @tirner gefd^rieben: 
, Eigener unb ©(^öpfer meineiS Sted^td — erlenne id^ leine 
anbere 9led^t0auelle al» — mi^, meber ®ott, nod^ ben Staat, 
nod^ bie %atur, nod^ aud^ ben äRenf^en felbft mit feinen 
,^emigen 9Renfd^enred^ten/ meber gottlid^eiS, nod^ menfc^Iidged 
Sle^t.'' (Sx ift ber «nftd^t^ ba% ba» mirllid^e 9le^t bed 
@tnaelnen innerl^alb eined aSgemeinen 9ted)ted nid^t beftel^en 
lann. 3)urft nad§ äSirllid^Ieit ift t2, wa» Stirner jur SBer^ 
neinung eineiS unmirllid^en aOgemeinen Sled^te^ treibt; aber 
S>urft nad^ SBirllid^Ieit ift ed aud^ , mad planet ju bem 
Streben bringt, aud einer 3bee einen realen, ben Ste^td* 
juftanb, l^eraudlonftruieren gu moHen. 



SBie eine $Iandf im ftäriften SRage beunrul^igenbe 
3ka^t lieft man au9 feinen Sd^riften bad ®efü^I l^eraud, 
bag ber @Iaube an gmei ineinanberfpielenbe SBeltorbnungen, 
eine naturgemäße unb eine rein geiftige, nid^t natur« 
gemäße, unerträglid^ ift. Stubolf SBagner ift ber tqpifd^e 
liertreter eined fold^en (Slaubend. @r lann ftd^ nic^t 
beulen, bai bie ^anblungen ber aßenfd^en berfelben ®e« 
fe^mäßigleit unterliegen mie bie Vorgänge in ber %atur. 
Stuf ber einen Seite fielet er bie %aturgefe^e nad^ emiger, 
eiserner %otmenbigIeit mirlen; auf ber anbern Seite greift 
in ben natürlid^en @ang ber SBeltorbnung eine ^Stadfyt ein, 
bit ftd^ nadg eigenen ©efe^en richtet. SDiefer 3Slai^t x^x 



— 28 — 

®eBiet gu entreißen, mar ba» gemeinfame 3iel t)on ^btam 
liflen iDte ^Icmd, t)on SRaterialifien , tote Sogt, Süd^ner, 
äRoIefd^ott. 8ber btefe äRad^t fptette batitatö ttod^ eine 
groge StoQe in ber SBeltanfd^auungdentmictelung. ®an) 
abgefel^en oon ber ntoralifc^en SSeltorbnung lonnten bie 
Snl^anger ber gmei SBeltmäd^ie baiS 9ieid^ bei9 organifdEien 
Sebend auf ber @rbe für fid^ in Slnfprud^ nel^men. gür 
ein fad^gentöged Senlen fd^ienen \a groeifeQoiS bie @nt« 
bedungen im ®ebiete bed Drganifd^en eine beutlid^e @prad^e 
gu fül^ren. SBenn organifdie @toffe an^ unorganifd^en 
Vorgängen ftd^ ^eraud entmideln lonnen: marunt foQte fid^ 
nid^t aud^ au& foli^en unorganifd^en Vorgängen unter ge« 
miffen SSebingungen ber oon @d^Ieiben unb ®d^mann be« 
fdiriebene @Iententar«£)rganidmuiS entmideln? Slber oon 
biefetn primitioen OrganiiSmud bi$ %u ber äRannigfaltigfeit 
ber £ier« unb ^flangenformen wai nod^ ein roeiter @d^ritt. 
Sn biefer SRannigfaltigleit fd^ien fid^ beutlid^ ettoai^ an&» 
gufpred^en^ toad in ber unorganifd^en Statur nid^t toaltet. 
3n bem ßeberoefen fd^eint ctroaS gu roirlen, xva^ eS eben« 
fo auf 3n)ede abgefel^en l^at, xoxt bie menfd^Iid^e Vernunft 
bei il^ren ^anblungen. Sm nod^ ungeborenen fieberoefen 
bilben fid^ Sungen, @inned« unb äSemegungiSorgane; bie 
erft bei bem ©intritte in bie SBelt il&re ooDc aufgäbe er» 
füllen lonnen; im Kinbe bilben fic^ bie S^ugungiSorgane ans, 
bie erft in einer fpätcrcn SebenSperiobe roirffam werben. 
@d)eint e& ba nid^t, als ob eine oernünftige Seitung im 
©egenmartigen bie Swlwnft oorbereite? ©d^eint nidjt eine 
oernünftige SBeltregierung in jebem Sebcmefen einen 3roed 
p oerroirllidöcn, bemgcmäfe fie feine Drgane bilbet, mte 
ber TOenfc^ feine SKafd^inen für bie gufünftigen Qtotdt 
oorbilbet? Unb fc^cint bie QwcdmäixQhii nid)t bei jcber 
Sebcnöform eine eigene gu fein, nur in fie oerpflanjte? 
6ö ift für ba§ S)enlen nid^t leidet, bie SorfteHungiJmeife 
Sinnes gu überminben, ba% eS fo oiele ^flangen« unb £ier« 
arten giebt, als ber @d^öpfer urfprünglid^ auSgebilbet ^at 
5ßun l^at eS ja fd^on in früherer 3ctt SDenler gegeben, 
benen eine folt^e SBorfteDungSart leine Scfriebigung ge- 



— 29 — 

toä^ztn lonnte. äSon tnelgr ober mtnber Ilaren Serfud^en 
Slnberer abgefel^en, l^ai Samaid im ^a^xt 1809 ein 9ilb 
von ber @ntfiel^ung unb @ntn)i(felung ber Sebeniefen ent« 
xootftn, ba», nad^ btm ®tanbe ber bamaligen 5(enntniffe, 
für eine aeügemäge SSeltanfd^auung üiel Slngiel^enbed ^ätit 
laben foQen. Sr baä^it ftd^ bie einfad^ften Sebemefen burd^ 
unorganifdEie Sorgfinge unter gen)iffen Sebingungen ent« 
ftanben. 3fi einmal auf biefem SBege ein SeBemefen gebilbet, 
bann entmidCelt t&, bntä) Snpaffung an gegebene Serlgältniffe 
berSlugenmelt, aud ftd^ neue ®ebilbe, bie feinem Seben bienen. 
@d treibt neue Organe aud ftc^ l^erauiS, meil ed fte für 
fid^ nötig l^at. Sie SSefen lönnen ftd^ alfo umbilben unb 
in biefer Umbilbung and^ oerooIUommnen. 2)ie Umbilbung 
ftellt fid^ Samard )um Seifpiel fo t)or. (SS giebt ein Sier, 
ba» barauf angen)iefen ift, feine Kal^rung l^ol^en Säumen ju 
entnel^men. @$ mug %u biefem Qmtde feinen £)ate in bie 
Sänge ftreden. 3m Saufe ber Seit verlängert fid^ bann ber 
^al9 unter bem Sinfluffe bed SebürfniffeiS. Sind einem 
lurgl^alftgen £iere entftel^t bie @iraffe mit btm langen $ate. 
2)ie Sebemefen finb alfo nid^t in ber 9RannigfaItigIeit ent« 
ftanben, fonbern biefe äSannigfaltigleit l^at ftc^ naturgemäß 
im Saufe ber S^i buxi) bie SSerl^ältniffe erft entmiJeÜ. 
SamardC ift ber Sufid^t, ba% ber SRenfd^ in biefe @nt* 
midtelung eingefd^Ioffen ift. @r l^at ftd^ im Saufe ber 
3eit au» il^m äi^nlic^en affenäl^nli(|en Sieren entmidelt gu 
gformeU; bie t» i^m geftatten, l^öbere leiblid^e unb geiftige 
äJebürfniffe gu befriebigen. SiiS gum SRenfd^en l^erauf 
l^atte alfo Samard bie gange Organidmenmelt an ba9 
9teid^ bed Unorganifd^en angefc^Ioffen. 

tJfür SamardiS Serfud^ einer @rllärung ber Sebend« 
mannigfaltipleit mar feine 3^^ ^W ^^if* S)ai^ geigte ftd^ 
mol^I am Ilarften an bem groei ^d^x^t^nit fpäter in ber 
frangofifd^en Sltabemie auiSgebroc^enen Streit gmifd^en 
®eoffro9 ®** ^ilaixt unb Kuoier. ©eoffrog @t. §ilaire 
glaubte in ber gfülle ber tierifd^en DrganiiSmen, tro^ il^rer 
äRannigfaltigleit, einen gemeinfamen Sauplan gu erlennen. 
Sin foldjer mar bie Sorbebingung für eine (Srllärung 



— 30 — 

il^ier @ntn)i(lelung aui^enmifcei. 9Benn fie ftd^ au& ein« 
anber entioidelt l^aben, fo mn% I^kh tro^ tl^rer SKannig» 
falttgleit eima^ ©emeinfamed gu @nmbt liegen. 3n bem 
nieberften Stete mug nod^ etmad ju eifeniicit fein, bad 
nur ber SerooDIommnung beborf, um im Saufe bcr 3^^^ 
)u bem ®ebilbe bt» l^o^eren Siered gu merben. Suüier 
manbte fic§ energifd^ gegen bie jtonfeauengen biefer 9(n« 
f^ouung. (£r mar ber oorfic^tige SKann^ ber barauf Igtn« 
mieiS^ bag bie S^atfad^en gu fold^ meitgel^enben Sd^Iüffen 
leine Seranlajfung geben, ©oetbe betrachtete biefen Streit^ 
fofort ate er baoon borte, ate ba9 midjtigfte SreigniiS 
ber Seil* 9^ i^n Derbla^te gegenüber biefem Stampfe 
ba^ Sntereffe an einem gleid^geitigen politifc^en Sreigniffe, 
mie ed bie frangöftfd^e ^ttlireoolution mar, DOÜftänbig. @r 
fptad^ ba^ beutli^ genug in einem ©efpräd^e mit Soret 
(im 3(uguft 1830) au^. @jS mar i^m flar, ba^ an biefer 
Streitfrage bie naturgemäfee ?luffaffung ber organifd^en 
SBelt l^ing. 3n einem 8luffa^, ben er fc^rieb, trat er 
intenfit) für @eoffrot> @t. ^ilaire ein (nergl. ©oet^eS 
naturro. ©d^riften im 36. Sanb ber ©oetl^e-äuögabe ber 
beutfd)en National -Sitteratur). 3" ^o^anntS von SRüIIer 
fagte er, ba% ©eoffrot} St. §ilaire auf einem SBege manblc, 
ben er felbft t)or fünfzig ^d^ten betreten l^abe. S)araud 
ergiebt fid) Ilar, ma» ©oet^e mollte, ald er balb nac^ 
feinem Eintritte in SBeimar anfing, Stubien über ba^ 
£ier* unb ?ßflangenmefen gu treiben. Sl^m ^d^mebit fd^on 
bagumal eine naturgemäße Srllörung ber lebenbigen SRannig:: 
faltigleit vot; aber aud) er mar Dorftd^tig. @r bel^auptete 
nie mel^r, al^S mogu il^n bie Sl^atfad^en bered^tigten. Unb 
er fagt in feiner Einleitung jur «SKetamorpl&ofe ber 
^flanjcn", ba% bie bamalige 3^^* in Segug auf biefe 
Sl^atfad^en unllar genug mar. iDian glaubte, fo brüdEt er 
fid^ auiS, ber Slffe braud^e fid^ nur aufgurid^ten unb auf 
ben Hinterbeinen gu gelten, bann lonne er gum 9Renfd^en 
merben. 

S)ie naturmiffenfdiaftlidgen S)en!er l^atten eben gang 
anbcre ^flid&tcn aU bie Hegelianer. S)icfe lonnten inner- 



— 31 — 

l^alb il^rer ibeeüen SBelt ftel^en bleiben. Sie lonnten i^ce 
^bee bei^ SRenfd^en an» ilgrer 3bee bed üffen ^etaud tnU 
mdeln, o^ne ftd^ barum ^u lümtnern, xoit bie Statur t» 
fertig bringt, in ber »irllid^en Sßelt ben SRenfd^en neben 
bem Slffen entftel^en gu laffen. ^atit boi) nod^ SRid^elet 
gefagt (oergL oben @. 2 f.); <^ fti nid^t @ad^e ber Sbee, 
^c^ über ba» «SBie" ber Vorgänge in ber roirllid^en Seit 
audjufpredien. Ser Silbner einer ibealiftifci^en 9Beb« 
anfc^auung ift in biefer Segiel^ung in bem gfaQe bed 
3Rat]^ematiIerd, ber aud^ nur ju fagen brandet, burd^ »elt^e 
©ebanlenoperationen ein ftreid in eine Sllipfe unb 
biefe in eine $arabel ober ^^perbel ftd^ oerroanbeli 9Ber 
aber eine ßrÜcirung aui^ S^atfad^en anftrebt, ntügte bie 
n>irllid^en Sorgänge aufzeigen, burd^ bie eine fold^e Um- 
n)anblung fic§ ooDsiel^en lönnte. 3n biefent SaDe ift ber 
Silbner einer realiftifd^en SSeltanf^auung. @r lann fid^ 
nic^t auf ben Stanbpunit fteEen, ben $egel mit ben SBorten 
anbeutet: ^ßiS ift eine ungefd^idCte SorfteDung älterer, aud^ 
neuerer %aturp]^iIofopl^ie gemefen, bie gortbilbung unb 
ben Übergang einer %aturform unb Spl^äre in eine ^ol^ere 
für eine dugerlid^«roirllid^e $robuItion an^ufel^en, bie man 
jebod), um fie beutlid^er gu mad^en, in bad 2)unlel ber 
Sergangenl^eit gurüdfgelegt l^at. S)er %atur iß gerabe bie 
Slu^erlidfleit eigentümlid^ , bie Unterf^iebe audeinanber 
faQen, unb fie ate gleid^gültige Sjrif^enaen auftreten )u 
laffen; bie 3bee, bie bie Stufen fortleitet, ift ba» gnnere 
berfelben. Söldner nebulofer im ®runbe finnlid^er Sor> 
fteEungen, mie indbefonbere baiS fogenannte ^ero orgelten 
g. 33. ber $flangen unb £iere au» bem äSaffer unb bann 
baiS ^ero orgelten ber entmidCelteren S^ierorganifationen 
aui^ btn niebrigeren u. f. m. ift, mni ]xd) bie benfenbe 
Betrachtung entfdjlagen." ($)egete 98erle, 1847. 7. Sanb 
@. 33.) Sinem fold^en 9(udfprud^ eined ibealiftifd^en 3)enlerd 
ftel^t ber bt» realiftifd^en, Samordtd, gegenüber: „^m erften 
Slnfang finb nur bie aüereinfad^ften unb niebrigften £iere 
unb ^flangen entftanben unb erft gule^t biejenigen oon ber 
l^ödEift gufammengefe^ten Drganifation. 3)er (Sntmidtelungd« 



— 32 — 

gang ber (Sxbt unb i^rer organtfd^en SeoöUerung xoai 
ganj lonttnuierltd^, nid^t bnxi) geioaltfame Steooluttonen 
unterbrod^en. 2)ie einfad^ften £iere unb bie einfac^ften 
^flan^en, n)eld^e auf ber tieffien ®tufe ber Crganifationd* 
leiter fiel^en, ftnb entftanben unb entfiel^en nod^ l^eute burd^ 
llrjeugung (Generatio spontanea)''. 

Santardt l^aüe aud^ in S)eutfd^Ianb einen Seftnnungi^« 
genoffen. 9[ud^ Soreng den (1779 — 1851) vertrat eine 
auf ^{tnnlid^e SSorfteüungen" gegrünbete natürlid^e @nt« 
n)idelung ber fiebemefen. ^^üt» Organifd^e ift aud @d^Ieint 
l^eroorgegangen, ift nid^tiS aU Derf^ieben geftalteter @d^Ieint. 
?)iefer Urfdileim ift im SRcerc im Scrfolge ber Planeten» 
SntmidCelung auiS anorganifd^er SKaterie entftanben/ 

Sro^ foId§ eingreifenber ©ebanlengänge mußten gerabe 
bei 2)enlern^ bie in Dorftd^tiger SSeife niemate ben leitenben 
traben ber £^atfad^enerIenntniiS oerlaffen moüten, Qmti\tl 
gegenüber einer naturgenrögen Slnfd^auungiSart beftel^en, 
fo lange bie 3n)edCntägig{eit ber belebten äBefen un* 
aufgellört xoat. ®elbft einen fo bal^nbred^enben unb 
rid^tungweifenben S)enler unb t^^rfd^er roit Sol^anneiS 
äRüUer legte bie Setrad^tung biefer QmedmäixQUii bie 
3bee naige: ^^it organifc^en Körper unterfd^eiben ftc^ nid^i 
blo% oon ben unorganifd^en burd^ bie 9(rt il^rer 3ufanimen« 
fe^ung aui^ @Iementen, fonbern bie beftönbige S^l^atigleit, 
rotl^e in ber lebenben organifd^en SKaterie n)trlt, fd)afft 
aud^ in ben ©efe^en eines vernünftig en $Ianed mit 
3toedmä§igIeit, inbem bie Seile gum '^wedt einei^ 
®angen angeorbnet merben^ unb bieS ift gerabe, ma& ben 
OrganidmuiS auiSgeid^net'' (3- SRüEerd ^anbbud^ ber 
$59fioIogie bei^ SRenfd^en, 3. »ufl. 1838, 1, ®. 19). »ei 
einem 3Sanne mie Igo^anneS 3RüDer, ber ft^ ftreng inner« 
l^alb ber ®rengen ber %aturforfd^ung i^ielt, unb bü bem 
bie Sfnfd^auung oon ber 3n)edmägigleit aU $rioatgebanIe 
im $intergrunbe feiner Sll^atfadbenforfd^ung blieb, lonnte 
biefe 9lnf(^auung i^re ungünftigen SBirlungen aüerbingiS 
nid^t geigen. @r unterfud^te ftreng fad^Iid^ bie ®efe^e ber 
Organismen tro^ il^reS gmedCmögigen S^fammenl^anged 



— 33 — 

nnb mürbe bnxä) feinen umfaffenben @tnn, bei ftd^ in 
uneingefd^ränltem äSage bed p^pfÜalifc^en, d^entifd^en, axta» 
tomifd^en, joologifd^en, müroflopifd^en unb embr^ologifd^en 
SBiffend gu 6ebienen rouite, ein 9leforntator ber ntobernen 
»aturlel&re. ^^n l^inberte feine ?lnfid&l nid^t, bie (Sr- 
lenntnii» ber feelifd^en Sigenfd^aften ber SBefen auf i^re 
f örperlid^en @igentümlid^!eiten au ftü^en. (Sine feiner ®runb« 
anfd^auungen mar, ba| man nic^t ^f^c^ologe fein lönne, 
o^ne $]^9ftoIoge gu fein. SBer aber aud ben ®rengen 
ber %aturforfd^ung l^erauiS in ba» ®tbxti ber aügenteinen 
Sßelianfd^auung tarn, mar nid^t in ber glüdCIid^en Sage, 
bie 3^c<fntct6ig!eitöibee o^ne meilereiS in ben |)intergrunb 
treten gu laffen. Unb fo fc^eint t» benn nur gu Der« 
ftönblic^, menn ein fo bebeutenber 2)enler mie ®uftao 
£l^eobor f^ed^ner (geb. 1801) in feinem 1852 erfd^ienenen 
S9ud^ „Qtnb»^vt\ta ober über bie Statur bed |)immete unb 
bei? S^nfeitd'' ben ®eban!en auiSfprid^t, ba% ed in jebem 
Sfalle fonberbar fei^ gu glauben, t» gel^öre lein Semugtfein 
bagu, bemugte äBefen gu fd^affen mie bie SRenfd^en ftnb, 
ba bie uubemugten äRafd^inen bod^ nur burd^ ben bemühten 
9Renfd^en gefd^affen merben lönnen. ^ai bod^ aud^ ftarl 
ßrnft oon 83a er, ber bie SntmidCelung bt^ tierifd^en 
SBefeniS bid in il^re ^[nfangi^guftclnbe l^inauf oerf olgt l^at, oon 
bem ®ebanlen nid^t laffen !onnen; bai bie Vorgänge im 
lebenbigen Körper beftimmten !^xtUn guftreben, ja ba% für 
bie ®efamtl^eit ber %atur ber ooDe Stoedbegriff angumenben 
fei. (Ä. 6. 0. S3aer, ©tubien ouS bem ®ebiet ber äiatur- 
mijfenfd^aft, 1876, @. 78 unb 82.) 

SSenn bie äRaterialiften über biefe flippe binmegge« 
lommen finb, fo fpric^t ba» für iJ^^^en grofeen 9?aturfinn, 
ber il^nen anä) ba eine SfuiSfid^t eröffnete, mo fid^ il^nen 
bie 2:^atfad^en nod^ in ben SSeg fteDten. ®ie maren oon 
bem Vertrauen gu bem ®eifte i^reiS Senlend befeelt. S)iefed 
Vertrauen fagte i^nen, ba^ bie bisherigen Srgebniffe ber 
%aturerlenntnii$ überaS für fie fprec^en, unb ba% biefe @r« 
lenntniiS, bie fo oiele ^inberniffe l^inmeggeräumt l^at, 
bereinft auc^ ba» ber ^xütdmä^xiitii befeitigen merbe. 

steinet, 8Bett« unb SeimSaufd^attiiitgen. n. 8 



— 34 — 

2lii)i» lägt un» Beffer ate biefeiS SSerirauen in bie 
^ergen ber 9RatertaItften fd^auen. 9Ban ^at i^ntn cor« 
getDorfen, bag fte ben 2)ingen bte ®eele nel^men unb batnit 
bai^ienige, iDaiS jum bergen, gum ®emüte bed 9Renfd^en 
fprid^t. Unb fd^eint ed mä)i, ba^ fte aQe bad ®emüt er- 
j^ebenben @igenf(f)aften ber Statut biefer rauben, unb fte 
gu einem toten 2!)ing J^erabmürbigen, an bem il^r SSerftanb 
feinen S^rieb befriebigt, für alle^ bie Urfadjen gu fud^en, 
bie bad ntenfdE)Iid)e ^erg o^ne S^eilnalgme laffen? ®d^eint 
ed nid|t, al^ ob fte bie über bie blogen Naturtriebe ftd^ 
erl^ebenben, nad) l^öl^eren, rein geiftigen SRotioen auiS« 
fd^auenbe 3ßoraI untergraben unb bie f^al^ne ber tierifd^en 
Sriebe entrollen moOten^ bie fid) fagen: effen unb trinlen 
wir, befriebigen n)ir unfere leiblid^en Snftinite, benn morgen 
ftnb mir tot? So^e (1817 b\» 1881) fagt gerabegu oon ber 
3eit, oon ber l^ier bie Siebe ift, il^re Slngeprigen fc^ö^en bie 
äBal^rl^eit ber nüdE)ternen (Srfal^rungiSerlenntniiS nad) bem 
®rabe ber fjeinbfeligleit, mit meldiem fte atteö beleibigte, 
roa^ l>a§ ©emüt für unantaftbar eradE)tet. 

9Ran lann biefe SSorte nid)t auf bit 3RateriaIiften an« 
menben, menn man in ilgre Seelen blidEt. äKan lernt ba 
in JSarl Sogt einen 9Rann lennen, ber ein tiefeiS Ser« 
ftdnbniiS für bie @dE)ön]^eiten ber %atur f^aiie unb biefe aU 
S)ilettant in beräßalerei feftgul^alten fudite. @inen SRann, 
ber nidE)t ftumpf mar für bie ©efc^öpfe ber menf(^Ii(^en 
$]^antafte, fonbern in bem Umgang mit äRalern unb 
S)id^tem ftd) mol^I fül^Ite. %id^t gum menigften fdieint td 
ber äftl^etif(|e ®enug an bem munberbaren ä3au ber orga» 
nifdien ©efcn gu fein, ber bit SRaterialiften bei bem @e» 
banlen gur Segcifterung fortriß, bai bie l^crrlidEien ^^äno» 
mene beS S{örperlid)en ancl^ ben Seelen il^ren Urfprung 
geben lonnen. Sollten fieftd) nid^t gefagt l^aben: wie oiel 
mel^r SlnfprudE), ate Urfadie be^ @eiftei^ gu gelten, i^at 
ber grogartige äSau be^ menfdE)Iid)en ®e^ixne^, al& bie ab» 
ftralten SSegriffi^mefen, mit benen £l^eoIogie unb oft aud) 
$]&iIofop]^ie fid) befd)äftigen? 

Unb am menigften barf ber Sbrrourf einer §erab- 



— 35 — 

toürbtgung bed Siltlid^en ben SRaterialifien getnad^t merben. 
SRit tl^rer StaturerlenntniiS verbanben ftd^ bei t^nen tiefe 
etl^ifdtie SRotioe. SBad Sjolbe befonberd betont, ba% ber 
Stoturalidmitd einen ftttlid^en ®runb ^ai, empfanben aud^ 
bte SRaterialiften. Sie nioUten bent SRenfd^en bie gfreube 
an bem natürlid^en £afetn einpflanzen; fie moOten in i^nt 
baiS ®efül^l erwedten, bag er auf ber @rbe feine $flid^ten 
unb aufgaben gu fud^en Igabe. ®ie bead^teten ed aü eine 
@rl^ol|ung ber ntenfd^Iid^en SBürbe, menn in bem SRenfd^en 
ba» Senugtfein wirft, ba^ er fid^ aud untergeorbneten 
Sßefen l^eraufentn}idtelt l^abe gu feiner gegenn)örtigen SoII« 
lommen^eit. Unb fie t^erfprad^en fid^ aDein oon bem bie 
rid^tige Beurteilung ber menfd^Iid^en ^anblungen, ber bie 
naturgemäßen Xotmenbigleiten lennt, an» benen bie $er« 
fonlid^Ieit tl^ötig ift. Sie fagten fid^, nur ber oermag einen 
äßenfd^en nad^ feinem 9Berte gu erlennen, ber meig, bag 
mit bem Stoffe ba» fieben burd^ ba» SBeltaQ Ireift, ba% 
mit bem Seben ber ®ebanle, mit bem ®ebanlen ber gute 
ober bofe äBille naturnotmenbig oerbunben finb. Senienigen, 
meldEie bit ftttlid^e f^i^eil^eit burd^ ben 9RateriaIidmuiS ge« 
fä^rbet glauben, antwortet SRoIefd^ott: „ba% jeber frei ift, 
ber fid^ ber Staturnotmenbigleit feineiS 3)afeiniS, feiner Ser« 
^ältniffe, feiner Sebürfniffe, Sfnfprud^e unb Oforberungen, 
ber Sd^ranlen unb Sragmeite feined äBirlungdIreifeiS mit 
gfreube bemüht ift. 23er biefe Xatumotmenbigleit begriffen 
J^ai, ber lennt aud^ fein Sted^t, gforberungen burd^gulampfen, 
bie btm SebürfniiS ber @attung entfpringen. 3a, mel^r 
nod^, meil nur bie fjfreilgeit, bie mit btm ed^t äRenfc^Iid^en im 
Sinllang ift, mit Staturnotmenbigleit oon ber ©attung oer- 
fod^ten mirb, barum ift in iebem gfreil^eitdlampf um menfd^« 
lidie @üter ber enblid^c Sieg über bie Unterbrüdfer oerbürgt.'' 
3Rit fold^en ©efül^Ien, mit fold^er |)ingabe an bie 
SSunber ber Saturrorgänge, mit folc^en ftttlid^en Sm* 
pftnbungen lonnten bie 9RateriaIiften ben 9Rann entarten, 
ber nad^ il^rer 9(nftd^t über lurg ober lang lommen mniit, 
ben 9Rann, ber ba^ große ^inbemid gu einer naturgemößen 

8* 



— 36 — 

äSeltanfd^auung üBertoanb. Siefer 9Rann erfd^ien in 
SIgarIed S)arn)tn; unb f ein 9SerI, burd^ ba» bie Qtotd» 
ntägigleitdibee auf ben Soben ber %aturerIenntniiS gefteüi 
würbe, ift 1859 erfd^ienen unter bem S^itel: «^Ubet bie (BnU 
ftel^ung ber Strien im Zier« unb $flangenreid^ burc^ natür« 
lid^e 3üd^tung, ober Srl^altung ber oerooDIommneten Staffen 
im Äampfe umöSafein." 



Sollte btx Qtotdmä%iqlexi»%tbttnU eine Stefortn im 
Sinne einer naturgemäßen SBeltanfd^auung erfal^ren, fo 
mußten bie gmedmößigen ®eBtIbe ber belebten %atur in 
berfelben Slrt erllärt merben, mie ber ^^^filer, ber Sl^emiler 
bie unbelebten Vorgänge erllaren. SSenn ein SRagnetflab 
(Sifenfpäne an ftd^ gielgt^ fo bentt lein ^l^^ftl^ baran, 
ba% in bem Stab eine auf ba» Si^I^ ^^n 3^^^ ^^^ 
Slngiel^eniS l^inarbeitenbe jlraft mirlt. SSenn Sßafferftoff 
unb Sauerftoff gu SBaffer ^d) oerbinben, fo beutet baiS 
ber Sl^emiler nid^t fo, ate menn in ben beiben äRaterien 
etmaiS mirlte, bem ber !^wtd ber SBafferbilbung oorfd^mebt. 
@ine oon eben fold^er naturgemäßen Sinnesart be^errfdgte @r« 
Ilärung ber Cebemefen, muß ftd^ fagen: bie OrganiiSmen 
merben jmedmößig, ol^ne bai tima» in ber %atur auf 
biefe Sn'^dinclßigleit abgielt. Sie Qxütdmä%XQltH entftel^t, 
ol^ne ba% fte irgenbmo ate fold^e veranlagt möre. @ine 
fold^e ßrllärung bt» 3n)e(Imaßigen l^at Sl^arleiS Sarmin 
gegeben. (&t fteQte ftd^ auf ben Stanbpunit, anguerlennen, 
b(^ ni(f)td in ber %atur baiS 3n)edmößige mill. @d lommt 
für bie Statur gar nic^t in Setrac^t, ob ba», toa» in il^r 
entfielet, gmedbnößig tft, ober nid^t. Sie bringt alfo xoa^U 
loiS ba» Ungmedmäßige unb baiS 3n)edmäßige j^eroor. 
9Sai^ ift iiberl^aupt %medmä%XQ'i 2)od^ baB, mad fo 
eingerid^tet ift, baß feinen Sebürfniffen, feinen ßebenS- 
bebingungen bie Süßeren Seri^öltniffe btd S)afeiniS entfpred^en. 
UngmedCmaßig bagegen ift, bei bem foIdE)eiS nid^t ber ^aU 
ift. SBad mirb gefd^el^en, menn bei ber ooQftänbigen $Ian« 



— 38 — 

loftgleit ber Statut oon htm Qtotdmci%ii\ttn btö gu bem 
Unatoedmcrgtgleiten aOe ®tabe Don SRel^r« ober SRtnbec« 
Stoedmctgigem enlftel^en? S^bed SSefen mirb fud^en, fein 
Safein in ©emögl^eit ber gegebenen Serl^ältniffe }u ge« 
ftalten. S)em 3n)^dinä6igen gelingt ba», ol^ne weitered, 
bem äßel^r« ober 9Beniger«3n)e(f mäßigen nur in geringem 
®rabe. %un lommt eine§ l^ingu: bie %atur ift leine 
fporfame Sßirtin in Sejug auf bie ^eroorbringung ber 
Sebemefen. Sie Qd^l ber $eime ift eine ungel^eure. Siefer 
Überfülle in ber $robuItion ber fteime ftel^t nur ein be« 
fd^ränlted 9Rag ber Wittel bt» Stbtn» gegenüber. Sie fjfolge 
mirb fein, bQ% biejenigen SBefen ein leid^tereiS @piel für 
i^re (Sntmidelung l^aben, bie gwedmagiger für bie 8(n« 
eignung ber Sebendmittel gebilbet finb. Strebt ein ^med« 
mäßiger eingerid^teteiS neben einem ungmedm&^iger einge« 
rid^teten SBefen nad| (Srl^altung feined Safeind, fo mirb 
ba» 3n)edmägigere bem Ungmedmägigeren ben Stang ab- 
laufen. Sai^ le^te mug neben bem erften gu ©runbe gelten. 
SaiS 3:üd^tige, b. i. ba» Smedmägige, er^It ftd^, ba» Un- 
tüditige, b. i. ba» Ungmedmögige, erl^ält fid^ nid^t. SoiS 
ift ber ^Sampf um« Safein". 6r bewirft, bafe ^med* 
mägiged fid) erl^ält, aud^ wenn in ber %atur mal^IIod bai^ 
UngmedCmägige neben btm Sn'edhnägigen entftel^t. Surdi 
ein ®efe^, bad fo ob|eltio, fo meii^l^eitlod ift, wie nur ein 
matl^ematifd^eiS ober medE)anifd^eiS %aturgefe^ fein lann, 
erl^ölt ber ®ang ber %aturentn)idelung bie Zenbenj gur 
Smedmögigleit, ol^ne ba% biefe Xenbeng irgenbmie in bie 
%atur gelegt märe. 

Sarmin mürbe auf biefen ©ebanlen burd^ baS Sßerl 
bed %ationaIöIonomen SRaltl^ud geführt «Über bie )6e- 
bingungen unb bie gfolgen ber Solid «SSermel^rung''. 3n 
biefem ift audgefül^rt, ba% innerl^alb ber menfdE)id^en ®e« 
feQfdjaft ein unaufl^Mic^er SSettlampf ftattfinbet, meil bie 
SeoöUerung in oiel rafc^erem 3Ra%t mäd^ft aÜ bie 
Sal^rungdmittelmenge. Siefed l^ter für bie SReufdil^eitd« 
gefd^id^te aufgefteQte ®efe^ oeraQgemeinerte Sarmin ju 
einem umfaffenben ®efe^ ber gangen Sebemelt. 



— 39 — 

Sortoin tnugle nun jeigen, wie biefer Stampf um» 
Safein %um ®d^öpfer ber mannigfaltigen ^formen lebenbec 
SSefen mvtb, mit burd^ il^n ber alte Sinnefd^e ®runbfa^ 
umgeflogen mirb, bai mix ^@pe)iei9 im £ier* nnb $flan}en« 
tei(|| fo Diele gä^Ien, ato oerfd^iebene fjformen im ^rinjtp 
gef (Raffen finb''. S)ie 3n)eifel an biefem ®runbfa^ bilbeten 
fxä^ bei S)armin Kar aüi^, ate er fid^ im Sommer 18S1 
auf einer Steife nad^ @übamerila unb Slufhalien befanb. 
@r teilt mit, mie biefe Qmtifd bei ilgm ftä^ feflfe^ten: 
„2(1& id^ möl^renb ber gfal^rt bed SBeagle ben ©olapagoi^« 
ard^ipel, ber im ftillen Diean etma fünfl^unbert englifd^e 
SReilen oon ber ffibamerilanifc^en stifte entfernt liegt, be« 
fud^te, fal^ id^ mid^ oon eigentümlid^en Slrten oon Sögein, 
Steptilien unb ®d^Iangen umgeben, bie fonft nirgenbi^ in 
ber äBelt e^ftieren. S)od^ trugen fte faft aQe amerilanifd^eiS 
Gepräge an fid). 3m ®efang ber ®pottbroffeI, in bem 
fd^arfen ©efc^rei bt» 9(adgeieri3, in ben großen, leuc^ter« 
ä^nlid^en Opuntien bemerlte id^ beutlid^ bit %ad^barfd^aft 
mit 3(merila; unb boc^ maren biefe Snfeln burd^ fo oiele 
äSeilen oom gfefllanbe entfernt unb midien in il^rer 
geologifd^en jtonftitution, in il^rem ftlima mtit oon il^m ab. 
Utoä) überrafd^enber mar bie !£^atfadE)e, bai bie meiften 93e« 
mo^ner |eber einzelnen 3nf el biefed Seinen Slrd^ipeld fpe^iftfd^ 
oerfd^ieben maren, menn aud^ untereinanber na^e oermanbt. 
Sd^ ^abe mid^ bamaliS oft gefragt, mie biefe eigentümlid^en 2;iere 
unb aSenfd^en entftanben feien. 2)ie einfac^fte 9(rt fd^ien 
p fein, bai bie Semo^ner ber oerfd^iebenen unfein oon 
einanber abftammen unb im SSerlauf i^rer Slbftammung 
üRobiftfattonen erlitten l^ätten, unb ba% aQe Semol^ner beS 
^xd)ipd& oon benen bt» nöd^ften Ofeftlanbei^, nämlid^ Slmerila, 
oon meld^em bie jtolonifation natürlid^ l^errül^ren mürbe, 
abftammten. (Sd blieb mir aber lange ein uner« 
Ilärlidjed Problem: mie ber notmenbige SRobi« 
filationdgrab erreid^t morben fein lönne". Sn ber 
Slntmort auf biefei^ SSie liegt bie naturgemäße Sluffaffung 
ber @ntmidelung bt» Qebenbigen. SBte ber ^l^^ftter einen 
@toff in oerfd^iebene SSerl^ältniffe bringt, um feine Sigen« 



— 40 — 

fd^aften lernten )u lernen, fo beobad^tete 2)arn)in nad^ 
feiner ^eimlel^r bie Srfd^einungen, bie ftd^ an lebenbtgen 
SBefen in Dorfd^iebenen SSerl^&Uniffen ergeben. @r mad^it 
Süd^tungiSDerfud^e mit Sauben, $ü^nem, $unben, ^anind^en 
unb Jhtlturgen)äd^fen. S)urd^ fie geigte ftd^, mie bie lebenben 
dornten im Serlaufe il^rer fjfortpflanaung fid^ fortmä^renb 
oeränbern. 3n gemiffen S^erl^ältniffen oeranbern fid^ gemiffe 
Sebemefen nad^ menigen ®enerationen fo, bag man, faü^ 
man bie neuentftanbenen formen mit il^cen §(l^nen Der* 
gleid^t, von gmei gang oerfd^iebenen Spegiei^ fpred^en lönnte, 
oon benen |ebe nad^ einem eigenen ÖrganifationiSpIan fid) 
rid^tet. Sold^e SSeränberlic^Ieit ber ^formen benu^t ber S^d)itt, 
um ^uUurorganidmen gur (SntmidCelung gu bringen, bie 
gemiffen 3[bjid^ten entfpredE)en. @r lann eine @(I)afforte 
mit befonberd feiner SBoIIe güdE)ten, menn er nur biej[enigen 
Snbioibuen feiner $erbe ftd^ fortpflangen lägt, bie bie 
'einfte SSoHe l^aben. Snnerl^alb ber %adE)Iommenfd^aft 
udE)t er mieber bie Snbioibuen ^erauiS, bie mit ber feinften 
SSoQe auiSgeftattet finb. S)ie ^^einl^eit ber 9BoQe fteigert 
ftd) bann im Saufe ber Generationen. 9Ran erlangt naä) 
einiger '^eii eine ©diaffpegieö, bie in ber Silbung ber 
SBofie fid) fel^r weit t)on i^rcn Sorfal^rcn entfernt, ©in 
®Uxd)t^ ift bei anbern ©igcnfc^aften ber fiebemefen ber 
SfaH. 6i5 folgt gmeierlei au^ biefer Sl&atfadtie. Sinmol, 
bai in ber 9?atur bie S^enbeng liegt, bie Scbemcfcn gu 
manbeln; unb bann, ba^ eine @igenfd^aft, bie nad) einer 
gen)iffen Stid^tung fid^ gu manbeln angefangen l^at, ftd) 
nad) biefer 9lid)lung fteigerl, roenn bei ber fjortpflangung 
ber ßebemefcn biejenigen Snbioibucn ferne ge^ialten merben, 
meldEie btefe @igenfd)aft nod| nid^t l^aben. S)te organifd^en 
fjormen nel^men alfo im Saufe ber 3"t anbere Sigenfdf)aften 
an; unb l^alten fid) in ber 9lid)tung il^rer einmal einge- 
fd^Iagenen SSermanblung. ®ie oermanbeln fid) unb oer* 
erben gemanbelte 6igenfd)aftcn auf ti^rc 9?ad)fommen. 

3)te natürlid)e t^olgerung an& biefer äJeobad)tunn 
ift, ba% SEüanblung unb SSererbung gmei in ber @nt- 
midtelung ber Sebemefen Ireibenbe ^ringipien finb. SRimmt 



— 41 — 

man nun an, ba% in naturgemöger SBeife in btx SBelt 
bie SSefen fi(^ fo wanbeln, ba% Swtdm&iiit» neben Un^* 
gvedmägigem unb SRel^r« ober 9Rinber»3n)edntägigen tnU 
ftt^i, fo ntu§ man aud^ einen ftampf ber mannigfaltigen 
gemanbelten f^otmen ooraudfe^en. 3)iefer Stampf bemirU 
planloiS; mad ber ^üc^ler planooQ mad^t« SBie biefer 
biejienigen Snbioibuen oon ber gfortpflangung audfd^Iie^t^ 
bie in bie (Sntmidelung baiSjenige l^ineinbringen mürben,. 
wa» er nid^t miH, fo befeitigt ber ffampf umiS 2)afein baiS^ 
Ungmedtmä^ige. Sd bleibt nur ba» 3n)edmä§ige für bie 
Sntmidelung. 3n biefe mirb baburd^ mie ein med^anifd^ed 
®efe^ bie Senben^ jur fteten SerooIIIommnung gelegt. 
2)armin burfte, nac^bem er biefeiS erlannt unb bamit ber 
naturgemäßen SBeltanfd^auung ein ftd^ereiS gfunbament 
gelegt Igatle, an bad @nbe feined eine neue @pod^e 
be0 beulend einleitenben SBerled ^2)ie (Sntftel^ung ber 
Slrten'' bie ent^ufiaftifd^en SSorte fe^en: „^ul^ bem 
Kampf ber ^atur, an» junger unb £ob gel^t bal^er bad^ 
^oc^fte, mad mir gu erfaffen oermogen, bie ^robultion 
ber l^öl^eren Siere l^eroor. d» liegt titoa» ©rogartigei^ 
in biefer Slnftd^t oom Seben, monad^ ed mit aQen feinen 
oerfd^iebenen Straften oon bem @d)öpfer an» menig (formen, 
ober oieSeid^t nur einer, ürfprünglid^ erfd^affen mürbe; 
unb bai, mäl^renb biefer planet gemöß ben beftimmten 
@efe^en ber @d^merlraft im ^eife ftd^ bemegt, an» einem 
fd^Iic^ten Anfang eine enblofe Qa^l ber fc^önften unb 
munberooQften t^ormen entmidelt mürben unb nod^ ent« 
midelt merben/ S^gleid^ ift an» biefem ®a^e %n erfel^en^ 
ba% S)armin nid^t bnx^ irgenbmeld^e antireltgiöfe @m» 
pfinbungen, fonbern allein au» ben ^Folgerungen l^eraui^, 
bie f\d) i^m an» ben beutlid^ fpred^enben S^l^atfad^en er» 
geben l^aben, )u feiner Slnfc^auung gelangt ift. 33ei il^m 
mar e» gemig nid)t ber gfall, ba% t$<inbfeligleit gegen bie 
Scbürfniffe bt» ©efü^fe il^n ju einer rein oernünftigen 
%aturanfid^t beftimmte, benn er fagt nn» in feinem 99ud()e 
beutlid), mie bie gemonnene gbeenmelt gu feinem ^ergen 
fprid^t: ,r®e^r l^eroorrogenbe ©dfiriftftcller frficinen oon 



— 42 — 

ber änftd^t, ba§ |ebe ber 3(rten unabl^ängtg erfd^affen tourbe^ 
DoQig befriebigt gu fein. äReiner SReinung nad^ ftimtnt 
cd beffer mit btn, fo meit toir ed tDiffen, ber äRaterie Dom 
©d^öpfer eingeprägten ®efe^en überein, bag baS ^eroor« 
bringen unb @rIofd§en ber frülgeren unb je^igen 33ett)ol)ner 
ber @rbe, ebenfo roit bie SSeftimntungen über ®eburt unb 
£ob eined ^nbioibiumi»; t)on felunbciren Urfad^en abl^öngig 
ftnb. Setrac^te id^ alle SSefen nid^i atö @onberfd^öpfungen, 
fonbern ate lineare Slblöntntlinge einiger meniger SSefen, 
bie fd^on lange, bevor bie jüngeren geologifdjen Sd^id^ten 
abgelagert maxtn, lebten, fo fd)einen fie mir baburd^ oer« 
ebdt 8U fein. . . . 2Bir bürfen oertrauenöooll einer 3^^*««?^ 
oon großer Scinge entgegenfeigen. Unb ba bie natürlidge 
Sudgtmalgl nur burdE) unb für ba» ®ute jebeiS äSefend 
mirlt; fo merben aSe IotperIid)en unb geiftigen ^Begabungen 
ber ä^oIHommenlgeit guftreben." 

9ln einer S^üQe oon Slgatfac^en a^gte SDarmin, mie 
bie Organii^men madgfen unb fidg fortpflanzen, mie fie im 
äSerlaufe ilgrer Sortenta)idteIung einmal angenommene @igen« 
fdgaften oererben, mie neue Organe entfte^en unb fidg burdg 
©ebraudi ober %id^tgebraudg manbeln, mie fid) alfo bie @e« 
fdgöpfe an ilgre S)afeiniSbebingungen anpaffen; unb enblidg 
mie ber $ampf umiS S)afein eine natürlidEie "än^xodt^l (Qu^U 
wa^l) trifft, moburd) mannigfaltige, immer oolltommenere 
^formen entftelgen. 

S)amit ift eine SrIIctrung gmedtmä§iger 38efen ge« 
funben, bie ed nx(S)t notig madgt^ in ber organifdgen %atur 
anberiS gu oerfalgren aU in ber unorganifdgen. (So lange 
man eine foldE)e @rllärung nidE)t geben lonnte, mugte man, 
menn man folgeridgtig fein moQte, jugeben, ba% über« 
aQ ba, mo innerlgalb ber %atur ein 3n)edhnägiged ent« 
fielet, eine ber %atur frembe 9Rad()t eingreift. S)amit mar 
im ©runbe für jeben foldgen i^dO, ein SSunber zugegeben. 

S)ieienigen, bie fid) jal^rjelgntelang oor bem @rfd)einen 
beiS S)arminfdgen äSerleiS um eine naturgemöge äSelt« unb 
SebeniSanftdgt bemülgten, empfanben nunmelgr in ber aQer« 
leblgafteften Sßeife, bai eine neue Stic^tung bed 2)en!end 



— 43 — 

gegeben iDor. Sine \old)t Smpfinbung f^ai 1872 S)aoib 
Sfriebrtd^ Strang in feinem „Vlitn unb neuen ©lauben" 
mit ben SBorten jum kn&bmd gebrad^t: man fielet «bal^in 
mui ed ge^en, too bie Qfäl^nlein luftig im SSinbe flattern. 
3a luftig, unb jmar im Sinne ber reinften erl^abenften 
®eifteiSfreube. SBir $]^Uofopl^en unb Iritifd^en £lgeoIogen 
l^aben gut reben gel^abt, menn mir ba» SBunber in Ab- 
gang bebetierten; unfer 9tacl^tfpru(|| t^erl^aHte ol^ne SSirlung, 
meil mir eiS nic^t entbel^rlid^ ju mad^en, leine Staturlroft 
nad^jumeifen mugten, bie t» an ben SteQen, mo ed bidl^er 
am meiften für unerU^Kd^ G^It, erfe^en lonnte. Sarmin 
^ai biefe %aturlraft, biefed %aturoerfal^ren nad^gemiefen, 
er i^at bieZl^ür geöffnet, burd^ meldte eine glüdlid^e %ad^« 
melt ba^ SSunber auf %immermieberfel^en l^inaudmerfen 
mirb. Seber, ber meig, xoa» am SBunber ^öngt, mirb i^n 
bafür ate einen ber größten SSol^Itl^äter bt^ menfc^Iid^en ©e« 
fd&Iet^t« preifen." 

S)urc^ S)arminiS 3n)^dmci6igleitdibee ift t& erft moglid^, 
ben begriff ber @ntmid(elung mirllid^ in naturgefe^lid^er 
SBeife gu beulen. 2)er alten @infd^ad^teIungiSle^re, bie an« 
nimmt, ba% aSed, wa» entfte^t, in verborgener gform fc^on 
frül^er oorl^anben mar (oergl. 93anb I, ®. 142 ff.), maren 
bamit il^re legten Hoffnungen geraubt. Snnerl^atb einei^ 
im Sinne Sarmiui^ gebadeten SntmidtelungiSoorgangd ift 
ba^ Soülommene in leiner 9Beife in bem UnooIUommenen 
fc^on enthalten. 2)enn bie äSoDIommenl^eit eineiS l^öl^eren 
SBefeniS entftel^t burd^ SSorgänge, bie mit ben SSorfal^ren 
biefei» äSefeniS fd^Ied^terbingi^ gar nichts gu tl^un ^aben. 
@ine gemiffe SntmidCelungi^reil^e fei bei ben Seuteltieren an« 
gelangt. 3n ber O^orm ber Seuteltiere liegt nid^td, rein 
gar nichts, oon einer l^öl^eren, ooQIommneren gform. &» 
liegt in il^r nur bie ^^^is'^i^/ fi<^ i^ meiteren SSerlaufe 
i^rer gfortpflanaung maJ^HoiS gu oermanbeln. (&» treten 
nun SSerl^altniffe ein, bie oon |eber ^inneren" (Sntmidelungd» 
anläge ber äSeuteltierform unabl^angig finb, bie aber folc^e 
ftnb, ba% ftd^ oon aÖen möglid^en Sßanbelformen an» ben 
Beuteltieren bie Halbaffen erl^alten. @d mar in ber Seutel« 



— 44 — 

tierform fo iDenig bie ^albaffenfonn tni^aütn, wie in bn 
SKd^tung einer rollenden äSillarblugel ber SSeg entl^alten 
ift, ben fte einf dalägt, nad^bem fte oon einer gtoeiten jhtgel 
gefto^en »orben ifi 

i>tntn, bie an eine ibealiftifd^e Sentmeife gen^öl^nt 
moren, ourbe bie Sluffaffung biefeiS reformierten (BnU 
midelungdbegriffej? nid^t leidet. S)er an» ^egeliS ®d^ule 
j^emorgegangene, äugerft fd^arfftnnige unb feine ®eift, 
gfriebrid^ Sl^eobor äSifd^er fd^reibt nod^ 1874 in einem 
Stuffa^e: ;,@ntmidelung ift ein ^eranSmidCeln and einem 
jteime, meld^ei^ t)on Serfud^ gu SSerfud^ fortfdEireitet, bid 
bai» ä9ilb; bad aU SRoglid^Ieit im keime lag, mirl« 
lid^ geworben ift, bann aber ftiOftel^enb bie gefunbene gform 
aU bleibenbe feft^cilt. Überl^aupt jeber begriff lommt ini^ 
@d^manlen, menn mir bie St^pen, bie nun fett fo otelen 
Sa^rtaufenben auf unferem Planeten beftel^en, unb oor aQem, 
menn mir unfern eigenen äJ^enfd^ent^pud für immer nod^ 
oeranberlid^ l^alten foQen. äßir lonnen bann unfern ®e» 
banlen, ja unfern S)enlgefe^en, unfern ©efül^Ien, ben 
Sbealbilbern unferer $l^antafie, bie boä) md)t» anbereiS 
ftnb, ate läuternbe %a(^btlbungen oon t^ormen ber und be» 
lannten %atur: mir lonnen feinem biefer feften ^alte 
unferer @eele mel^r trauen. SllleiS ift in t$^age gefteüt.'' 
Itnb an einer anberen Stelle bei^felben Sluffa^ei^ lefen mir: 
„&» mirb mir g. 93. immer nod^ etmaiS fd^mer, gu glauben, 
ba% man ba» Sluge oom Selben, ba» £)^r oom $ören be« 
lomme. ^a» ungemeine @emid|t, ba§ auf bie 3ud^tma^I 
gelegt mirb, miQ mir aud| nid)t einleud)ten.'' 

9Benn SSifdjer gefragt morben mare, ob er ftd^ oorfteQt, 
buS in SBaffcrftoff unb ©auerftoff ein »ilb beö SBafferiS im 
Jteime liege, bamit biefe^S ftdE) an» il^nen l^eraudentmideln 
Mnne, fo mürbe er ol^ne 3rocifcl geantwortet l^oben: Sßein; 
meber im ©auerftoff, nod^ im SBafferftoff liegt tixoa» oom 
SBaffer; bie Sebingungen gur (Sntftel^ung biefed ©toffed 
finb erft in bem Slugenblide oorl^anben, in bem Sßafferftoff 
unb ©aucrftoff unter gemiffen SSerpItniffen gufammen» 
treten. Srau(i)t ed nun anberiS gu fein, menn auiS btm 



— 46 — 

Sufammentoirlen ber Seuteltiere mit ben äußeren SDafeiniS« 
bebtngungen bie Halbaffen enftel^en? SBorum f ollen bit 
£)albaffen fd^on ate 3RÖQlxä)ltii, al» Mb in ben Beutel- 
tieren verborgen liegen, bamit fte ftd^ an§ il^nen Igeraud« 
entmideln lönnen? 9Sad buid^ @ntmidelung entftel^t, ent« 
ftel^t neu, o^ne ia^ e» vot^tt in irgenb einer t^omt oor« 
l^anben gen^efen ift. 

Sefonnene %aturforfd^er empfanben ba» ©emid^t ber 
neuen Sn^^^Intägigleitdle^re nic^t n)eniger al& 2)enler mie 
@traug. eigne ^rotiftl gelgört $ermann ^elmlgol^ gu 
beneu; bie in ben fünfziger unb fedggiger ^a^itn aü Ste« 
präfentanten foldger befonnenen %aturforf(^er gelten lonnten. 
@r betont, mie bie rounberbare uub oor ber niadgfenben 
SBiffenfdgaft immer reicher ftdg entfaltenbe ^mtdmä^x^Uii 
im Slufbau unb in ben äSerridgtungen ber Sebemefen ge> 
rabegu ^erauiSforbert, bie fiebendoorgönge mit menfc^Iidgen 
^anblungen ^u oergleidgen. 3)enn biefe ftnb bie einzige 
Steige oon @rfd|einungen, bie einen ö^nlidgen @^aralter 
mie bie organifdgen ^^önomene tragen. 3a, bie ^wtd» 
mäßigen (Sinridgtungen in ber Drganidmenmelt überfteigen 
für unfer SSeurteilungSoermögen jumeift baiS meit, n>ad 
menfdglic^e anteiligen} gu fci)affen oermag. (£d ift alfo 
nidgt gu Dermunbern, menn man borauf oerfaQen ift, ^au 
unb S^ätigfeit ber £ebemelt auf eine ber menfdglidgen meit 
überlegene SnteQigeng gurüdCgufülgren. ,9Ran mu^te ba^er — 
fagt ^elmlgol^ — oor 2)armin nur gmei (Srllörungen ber 
organifdgenStoedEmägigleit gu geben, meldge aber beibe auf @in« 
griffe freier SttteQigeng in ben Stblauf ber %aturerf(^einungen 
gurüdfülirten. Sntmeber betradgtete man, ber oitaliftifdgen 
Slgeorie gemäg, bie Sebendprogeffe ate fortbauemb geleitet 
burc^ eine QebeniSfeele; ober man gri^ für jebe lebenbe 
@pegie0 auf einen 3(It übernatürlidger ^nteüigeng gurüdC, 
burdg ben fie entftanben fein follte. . . . 2)arn)ind £lgeorie 
entlgält einen mefentlid) neuen fc^öpferifdgen ®eban!en. ®ie 
geigt, mie eine Sn^edmagigleit ber äJilbung in ben SDrganid« 
men an^ olgne aQe @inmifdgung oon SnteQigeng burdg ba» 
blinbe SSatten einei^ %aturgefe^ed entfte^en lann. @d ift 



— 46 — 

bxt& ba» @efe^ btt gforierbung ber inbtPtbuellen Stgentüm« 
lid^Ieiten von ben SUern auf bie Stacfilommen; ein ®efe^^ 
iX)aiS löngft bdanni unb anerlannt toar unb nur eine be* 
ftimmle äbgrengung gu erl^aUen braudite.'' ^elntl^ol^ ift 
nun ber Slnftc^t^ ba% burd^ ba^ ^ringtp ber natürlid^en 
3ud^tn)al^I im Jtampf umd S)afein eine fold^e ^Ibgrenjung 
be» ©efe^ed gegeben morben fei. 

Unb ein ^orfd^et; ber nid^t n)eniger aU ^elm^ol^; gu 
ben Dorfic^Hgften gel^örte^ S- $enle fü^rt in einem SSortrag 
aud: ^SoDlen bie Srfal^rungen ber lünftlid^en 3ü(i|tung auf 
bie Olen-fiamardfd^e ^^ptl^efe Slnmenbung finben, fo 
mugte gegeigt merben, mie bie 9tatur eiS anföngt^ um Don 
ftd^ aus bie Seranfiallungen gu treffen, mittelft beren ber 
Sjperimentator fein 3^^^ erreicht. S)icö ift bie Aufgabe, 
meldte £)armin fxd) gefteüt unb mit bemunberni^mertem 
@ifer unb @d)arfftnn oerfolgt l^at. S)ie Operationen btS 
3üdE)teriS berul^en auf ber SBal^rnelgmung, ba% inbioibueDe 
@igentümlid^leiten, bie burd^ ben Sinßug beiS Roberts, be0 
jtlima, burd^ Übung eingelner Organe unb SSernad^Iäfftgung 
anberer fid) audgebilbet l^aben, auf bie %ad)IommenfdE)aft 
fortgepflangt unb burc^ fortgefe^te Sngud^t fijriert unb ge« 
fteigert merben. Sie $rogeburen, burdi meld)e auf ®runb 
jener äSal^rnel^mung ber 3üd^ter bie gemünfdE)te Staffe er« 
gielt, mufeten in bem freien SSerlel^r ber lebenben SBefen 
nac^gemiefen merben. ^ier fanb fte Sarmin üermirllid^t 
burc^ baS, was er, im ©egenfa^e gur lünftlid^en, bie 
natürlid^e Qu^itoa^l nannte. 3lad) il^m ift tß ber JEampf 
umd S)afein, ber bei ben frei lebenben ©efc^öpfen bie 
menfd^Iid^e gfürforge erfe^t uub bie SeruoDIommnung ber 
Organifation baburd^ oerbürgt, bag immer nur ben ftärleren, 
beffer gerüfteten ober beffer gefdjä^ten @;emplaren einer 
Spegied geftattet ift, il^r ®efdE)Ied)t fortgupflangen unb il^re 
Sigenfd^aften gu ©ererben.'' 

S)ie größte Segeifterung unter 9(IIen empfanben bie 
3RateriaIiften über 2)arn)iniS Sl^at. Sinnen mar ja längft 
Ilar, ba% ein foIdE)er iERann über htrg ober lang lommen 
mu^te, ber bai^ aufgel^aufte, nad^ einem leitenben ©ebanlen 



— 47 — 

brängenbe £]^atfa(f)engebtet p^ilofopl^tfc^ beleud^tete. Stad^ 
il^rer 3Reinung lonnte^ nad^ S)arn)tnd @ntbedung, ber SSelt« 
anfc^auung, für bie fte ftd^ eingefe^t ^aiitn, ber @ieg nid^t 
auiSMeiben. 

S)am)tn ift ald Katurforfd^er an feine Slufgabe l^eran« 
getreten. ®r l^ai [x^ gunäd^ft innerl^alb ber ©rensen etneiS 
foldien gel^alten. ^og feine ®ebanlen auf bie ®runb« 
fragen ber SSeltanfc^auung, auf bal^ Serl^ältnid bed 9Renfd^en 
gur %atur^ ein l^eQed Sic^t merfen lonnen, bad »irb in feinem 
grunblegenben SSud) nur gefitreift: „Z^ ber S^I^nft fel^e 
id^ ein offeneiS gfelb für weit mi^tiqtit fjforf (jungen. 2)ie 

^f^c^ologie xoicb ft(^ ftd^erlid^ auf bie @runblage 

ftü^en : bie %otn)enbigIeit^ jebe geiftige ^aft unb Sfä6igleit 
ftufenn)eife gu ttxüttbtn. Siel fiid^t mag auc^ nod^ fiber 
ben Urfprung bt& äRenfc^en unb feine ®ef(^id)te 
Derbreitet merben.'' 3)iefe S^^age nad^ btm Urfprung bed 
3Kenfd^en mürbe ben äßaterialiften, nad^ Süd^nerd 9ud» 
brudC, gerabegu gur ^ergendangelegen^eit. @r fagte in ben 
Sorlefungen, bie er in bem SBinter 1866—67 in £)ffenbad& 
l^ielt: „3Rn% bie UmmanblungiStl^eorie aud^ auf unfer eigenei^ 
®efd^IedE)t, auf ben SRenfd^en ober auf un9 felbft ange« 
menbet merben? SRüffen mir uniS gefallen laffen, ba% bie« 
felben $ringipien ober Siegeln, meldje bie übrigen OrganiiS« 
men in bai^ Seben gerufen l^aben, aud) für unfere eigene 
@ntfte]^ung unb ^erlunft gelten f ollen? Dber macfjen mir — 
bie Ferren ber ©d^öpfung — eine auÄnaJörne?" 

2!)ie $aturmiffenfd^aft leierte beutlid^, ba% ber SRenfd^ 
leine Sludnal^me mad^en tonne. 9luf @runb genauer 
anatomifc^er Unterfuc^ungen lonnte ber englifc^e Statur« 
forfd^er ^n^cUy 1863 in feinen ;,3^Mgniffen für bie 
Stellung bt» SRenfc^en in ber %atur'' ben @a^ audfpred^en: 
^2)ie Iritifd^e 9SergIeid)ung aller Organe unb il^rer SRobift« 
!ationen innerl^alb ber Slffen« Steige fül^rt uniS gu biefem 
einem unb bemfelben Stefultate, bai bie analomifd^en Ser- 
fdE)iebenl^eiten, meldte ben SKenfd^en oom ®oriQa unb 
@d|impanfe trennen, nid)t fo grog ftnb, alB bie UnterfdE)iebe, 
meld)e biefe SReufd^enaffen oon ben niebrigeren 3(ffenarten 



— 48 — 

f (Reiben.'' konnte man fold^en Sl^atfad^en gegenüber nod^ 
^meifeln, ba% bie naturgemäße ßntroidelung, bte burd^ 
SSaddiStum unb S<>ttpf{an}ung, burd^ (Sthlid^Uit, SSer« 
änberltd^Ieit ber formen unb Äampf um» ©afein bie Steige 
ber organifd^en SSefen bid gum 9lffen l^erauf ^ai entftel^en 
laffeu; gule^t auf bem ganj gleichen äSege aud() ben SRenfd^en 
ergeugt J^ai? 

S)ie ©runbanfd^auung brang eben im Saufe beS 
gal^rl^unbertiS immer tiefer in btn äSefianb ber natur« 
miffenfd^aftlid^en (Srienntniffe, oon ber ©oetl^e burd^brungen 
mar, unb megen meld^er er mit aQer Energie batatt 
ging, bie 3Keinung feiner S^i^S^noffen gu berid)tigen, ba% 
bem SRenfd^en in ber oberen jiinnlabe ein fogenannter 
3n)if(i^enIieferInod^en fel^Ie. 3[Qe Spiere foQen biefen ^nod^en 
l^aben; nur ber Stenfd^ nid^t, baä)it man. Unb barin fa^ 
man ben Semeid, bafi ber SKenfdE) anatomifd^ Don ben 
Sieren fxä) unterfd^eibe, bag er, feinem Sauplan nadg, 
anberiS gebadet fei. S)ie naturgemäße 2)enlart ©oet^eS 
f orberte Don il^m, bag er gur ^inmegfd^affung biefei^ grrtumi^ 
emftge anatomifd^e @tubien betrieb. Unb aü il^m fein 
3iel gelungen mar, fd^rieb er im SSoQgefü^I baoon, ba% 
er tixoa» getrau, xoa» ber @rlenntnid ber %atur im l^öd^ften 
SBafee förberlid^ fei, an §erber: „Sd^ oerglid^ . . . 3Renf(|cn- 
unb S^ierfd^äbel, !am auf bie @pur, unb fiei^e, ba ift ed! 
%un bitt' id^ bid^, la% bidE) nid^td merlen; benn ed mn% 
gel^eim belganbelt merben. @d foQ bid^ aud^ rec^t l^erglic^ 
freuen; benn e^ ift mie ber ©dölußftein gum 3Kenfd&en, 
fel^It nid)t, ift aud^ bal Slber mie!'' 

Unter bem Sinfluffe fold^er SorfteQungen mürbe bie 
große äBeltanfd^auungdfrage nad^ bem SSeri^ältnid bt9 
3Kenfd^en gu ftd^ felbft unb gur Slußenmelt gu ber 9luf* 
gäbe, auf naturmiffenfd^aftlid^em SBege gu geigen, meld^eiS 
bie t^atfäd^lid^en Vorgänge ftnb, bie im Sauf ber @nt« 
midCelung gur SUbung bt& ÜRenfd^en gefül^rt l^aben. S)amit 
änberte fid^ ber ©efid^tdpunlt, oon bem aud man bie 
%aturerfd^einungen gu erllären fud^te. ®o lange man in 
jebem Organii^muiS, unb bamit aud^ im SIRenfd^en, einen 



— 49 — 

Stt)edmä§tgen Sauplan vtxtDixlli^i fa^, tnugte man bei 
ber Srilärung ber äSefen biefen ^toed ind Sluge faffen. 
9Ran mugte eben barauf Sebarf nel^men^ bag im (Smbrqo 
fid^ ber fpätere Drgantj^mud in ber Einlage voriger Der« 
KInbigt. Slufd gange äBellaQ audgebel^nt bebeutete bied, 
ba% biejenige 9taturerIIctrung il^re Aufgabe am beften er« 
fülle^ bie geigt; mie bie %atur auf ben frfil^eren Stufen 
il^rer Sntmideüing ftd^ barauf vorbereitet, bie fpöteren, unb, 
auf bem ®ipfel, ben äRenfd^en ju erzeugen. 

S)ie moberne @ntmidelungdibee Dermarf aQe Neigung 
ber @rlenntnid, in bem f^rül^eren bereits ba^ Spätere gu 
fe^en. Qfür fie mar ja in leincr SBeife ba» Spätere im 
tJrül^erenn enthalten. S)agegen bilbcte ftdE) in i^r immer mel&r 
ber ©runbfa^ an^, in bem Späteren ba^ grül^ere gu 
fu(^en. ©iefer ©runbfaft bilbete ja ein Seftanbfiüdt beö 
$ringipiS ber SSererbung. 9San barf gerabegu pon einer 
Ümlcl&rung ber Slid^tung beS Srflärungi^bebürfniffcS fprec^en. 
3Bi(f)tig mürbe biefe Umlel^rung für bie 9(ui^bilbung ber 
©ebanfen über bit @ntmidelung bed einzelnen organifd^en 
Snbioibuumi? vom 6i hi» gum reifen 3uftanbe, für bie 
fogenannte Äeimeögef(I)i(f)te (Dntogenie). ®iaii fxä) t)or- 
gul^alteU; bai \xä) im (Smbr^o bie fpäteren Drgane t)or« 
bereiten, ging man baran, bie gormen, bie ber DrganiiSmuS 
im Saufe feiner inbit)ibueQen @ntmidelung t)om @i bis 
gur Steife annimmt, mit anberen DrganiSmen-Sormen gu 
oergleid^en. Sd^on Soreng Df en ocrfolgtc eine fold^e ©pur. 
6r fd)rieb im oierten Sanb feiner ^^Slttgemeinen Siatur» 
gefdöid)te für aUt ^iänbt" (@. 468): ^^ä) bin burd^ 
meine pl^^fiologifd^en Unterfud&ungen ft^on vox einer Steige 
Don ^Qj)xzn auf bie SlnfidE)t gelommen^ bai bie @ntmideIungiS« 
guftänbe beS ^üd^eld^enS im @i S^nIidE)Ieit l^aben mit ben 
oerfd^iebenen Sierllaffen, fo bag e0 anfangt gleid^fam nur 
bie Organe ber Snfuforien beft^e, bann aümä^Iic^ bie ber 
$ßoIgpen, Quallen, 3Rufdt)eIn, ©dfeneden u. f. m. erl&alte. 
Umgelel^rt mvi%ie iä) bann auä) bie Stierllaffen afe ®nt- 
midelungdftufen betrad^ten, meldie benen be0 ^üd^eld^eniS 
parallel gingen. S)iefe Slnfid^t oon ber Statur forberte 

©teiltet, 9&tiu unb Seaeneanfd^auungen. 4 



— 50 — 

bic gcnoucftc SSergIcid&ung bcrjcnigcn Organe, tocld^c in 
einer jebcn pi^eren 2'terIIaffe neu p ben anbern l^in^u» 
fontmcn, unb ebenfo berjenigen, roeld^e int Südielc^en jtrf) 
roäl^rcnb beö Srütcnö naä) einanber cnlroidteln. Sin voU» 
lontntener ?ßaraDeIii5ntuß ift notürlid) nid)! fo leidet bei 
einem fo fdimierigen unb nod& longe nid^t l^inlänglicJ^ beob«^ 
ad^leten ©cgcnfianbe l^erguflenen. 3" berocifen aber, ba^ er 
roirllid^ oorl^onben fei, ift in bcr %l)ai nid^i fd^roer: biefeS 
geigt am beutlid^ften bic ffier«)anblung ber Snfelten, meld)e 
nid^tS rociter ift, al§ eine Sntroidfelung ber Sungen, bic 
aufecrl^alb bem Si cor unfern äugen oorgcl^l, unb groar fo 
langfam, bai mir jcben embr^oniftf)en 3uftanb mit TOuge bc- 
trad)ten unb unterfudE)cn fönnen." D!en ocrglcid^t bie SSer* 
manblung^guftänbc ber anfeilen mit anberen Sieren unb 
finbet, ba^ bieSRaupen bic größte '^i^nlid^Uxi mit benSBürmcrn 
I)abcn, bic puppen mit ben ffirebfen. Slu§ foldien Sl^nlid)'« 
leiten frf)Iie6t ber geniale Genfer: „S§ ift bal^er lein Sn^cifel, 
ba% l^ier eine auffaQenbc äl^nlidEiIcit bcftel^t, meiere bic 
3bee red)tfertigt, ba^ bit Sntmicfelungögefdfiid&tc im ®i 
nid^tS anbereS fei, al§ eine SBicberl&oIung ber @d^öpfung§« 
gefd^idE)te ber SCierflaffen.'' (Sg lag in bcr 9iatur 
biefe§ gciftooHen 31?anne§, eine grofee Sbec auf ©runb 
cinc5 glüdflid^en Slper^uS gu al^nen. (gr brandete gu einer 
foldfjcn Sll^nung nid^t einmal bit entfprcd^enb ooHrid^tigcn 
£]^atfad)en. Siber cS liegt auä) in ber 3?atur foId)cr 
gcaFinten Sbeen, ba^ fie auf bic Slrbeiter im f^elbe ber 
9BiffenfdE)aft leinen großen (Sinbrudt mad)en. SBie ein Äomct 
bli^t Olen am bculfd^en äScItanfd^auungSl^immcI auf. 
(Sine güße oon Sid)t entmidfelt er. Sluig einem reid^cn 
3bcensSefife i^crauS giebt er Seitbegriff c für bic ocr» 
fdf)iebcnften S^l^atfadbengebiete. ®od^ l^attc bic 8lrt, roie er 
\xä) SC^atfadf)engufammen]^ängc gured^tlegtc, gumeift ctioajS 
©eroaltfameö. 6r arbeitete auf bic Pointe loS. S)aS 
mar auä) bei bem oben genannten ©efe^e bcr SBieber» 
^olung geroiffer Stierformen in ber Äeimentroidtelung Slnbcrer 
ber ^aU. 

3m ©egenfafe gu Dien l^ielt firf) Sjarl 6rnft oon 



— 51 — 

Sa er möglid^ft an ba^ rein Zf)ai\ää)li^t, aU er 1828 
in feiner ^@ntn)idelungdgefd^ic^te ber Ziere'' t)on bem fproc^, 
xoa» den au feiner 3bee gefül^rt ^at. „^it ßmbr^onen 
ber Säugetiere, SSögel; @ibed^fen unb Sd^langen, toa^t» 
f^einlid^ aud^ ber <S(^iIb!röten, ftnb in frül^en S^ftönben 
einanber ungemein ä^nlid^ im ®angen, fon)ie in ber @nt« 
middaiiQ ber einjelnen Seile; fo ä^nlid^, bai man oft 
bie Smbr^onen nur nad) ber ©röge unterfd^eiben lann. 
3d& beftfte jroei Heine ßmbr^onen in SBeingeifl, für bie 
id^ oerf äumt ^abe bie %amen au notieren; unb id^ bin 
ie^t burd^aud nid^t imftanbe, bie jtlaffe gu beftimmen, ber 
fte angel^ören. @iS lönnen @ibed^fen, Heine Sögel ober gang 
junge Säugetiere fein. @o übereinftimmenb ift Aopf« unb 
3lumpfbilbung in biefen Sieren. Sie ßjtremitäten fel&Ien 
aber jenen Smbr^onen nod^. Siären fte and) ba, auf ber 
erften Stufe ber Slugbilbung begriffen, fo mürben fie 
bod) nidE)tiS lelgren, ba bie f^üge ber @ibed)fen unb Säuge» 
tiere, bie Slügel unb Öüfee ber Sögel, fomie bie ^änbt 
unb 5ü§e ber SDienfd^en itc§ auö berfelben ©runbform 
entmidfln." 

SoIdE)e Sl^atfad^en ber %eimeiSgef(^id)te mußten bei 
benjenigen S)enlern, bie gum ®arroinijSmui8 mit i^ren 
Übergeugungen neigten, ba^ größte Sntereffe Igeroorrufen. 
S)armin l^atte bie SRöglid^Ieit erroiefen, ba% bit organifdjen 
formen ftd^ manbeln, unb ba% auf bem 9Bege ber Um« 
manblung bie l^eute lebenben 9lrten oon menigen, oieQeid^t 
nur oon einer urfprünglid^en abftammen. %un geigen fid) 
bie mannigfaltigen Seberoefen auf i^ren erften ©ntroidtelungö- 
ftufen fo äl^nlic^, ba^ man fte faum ober gar nid)t unter« 
fd^eiben lann. SeibeS, biefe Sl&atfad^e ber äl^nlidileit unb 
jene SlbftammungSibee, brad^te 1864 gri^ äKüIIer in 
einer gebanlenooDen Sd^rift „tSüt Sarmin" in organifd^e 
Serbinbung. aßüQer ift eine oon benjenigen l^od^ftnnigen 
$erfönlid^leiten, beren Seelen eine naturgemäße SBeltan« 
fd^auung gum geiftigen Sltmen unbebingt braud^en. @r 
empfanb aud^ an feinem eigenen ^anbeln allein Sefriebigung, 
menn er nur ben aRotioen gegenüber ba» ©efül^I l^aben 

4* 



— 52 — 

lonnte, bag fte notioenbig tote ettte Staturlroft ftitb. @r 
tooQte Oberlel^rer tDerben unb ftellte an bai^ preugifd^e 
aRinifimuttt bie Sitte, bett <Staati$btener«6tb t)on tl^tn 
nid^t %n Derlangen. (B» toiberftrebte feittett freigeifttgett 
@tnpftnbungett, bte reltgtöfe SSettbung ber @tbei$fortneI 
auiSgufpred^en. Man befd^teb tl^n abf(^Iägtg. @r lonnte 
bt^^alb auf etnett SBtrIitngiSiretiS im @taait ttie l^offen. 
gtn 3a]&re 1852 überftcbelte SRüHcr nad& »rartlien. Sr 
belleibete gmölf Saläre lang eine ©^mnaftallel^rerfteQe in 
Sefterro (auf ber Snfel Santa Satl&arina unweit ber ffiüfte 
t)Ott Sraftlien). 1867 mufete er an^ biefe Stellung auf* 
geben. 2)er aßann ber neuen SESeltanfc^auung mu^te ber 
9leaItion meidjen; bie fid^ unter beut (Sinfluffe ber Sefuiten 
feiner Sel^ranftalt betnädE)tigte. @rnft ^aedel l^at in ber 
^Senaifd^en Seitfd^rift für aiaturroiffenfd&aft" (XXXI. Sanb 
9?. 5. XXIV. 1897) ba^ Ceben unb bie SBirIfamleit grifc 
aßüIIerS befd)rieben. SSon ®arn)in rourbe biefer afe ;,8fürft 
ber ä3eobad)ter'' begeid^net. Unb au^ einer QüUt non 
äSeobad^tungen l^eraui^ ift bie Heine, aber bebeutung^DoUe 
©d^rift „^üx ^^axroin" entftanben. Sie bel^anbelte eine 
einzelne ®ruppe t)on organifd&cn Qf^i^inen, bie Ärebfc, in 
bem Oeifte, von beut fjrife äßüHer glaubte, ba^ er fxd) 
an^ ber S)arn)infd&en 8lnfdE)auung ergeben ntüffe. 6r geigte, 
ba% bie in il^ren reifen Suftönben t)on einanber oerfd^iebenen 
ffircbiSformcn einanber oolllommen äl&nlic^ finb in ber 3cit, 
in ber fie aug bem Si fdjlüpfen. ®t^i man oorauö, ba% 
im Sinne ber ©arroinfd^en Slbftammungölel^re bie ÄrebS» 
formen an^ einer ,UrȀrebgform ftdE) entmidtelt l^abcn, unb 
nimmt man an, ba^ bie Slgnlid^Ieit in Sugenbauftcinben 
biefer Sicre ein ßrbftüdt oon il^rer gemeinfamen äl^nenform 
l^er ift, fo ^ai man bie 3been S)armind oereinigt mit benen 
DIenö oon ber SBieberi^oIung ber SdEjopfungögefd^id^te ber 
2:ierIIaffen in ber Sntroidfelung ber einjelnen S^ierform. 
SDiefe SSereinigung Igat gfri^ 3RülUt an^ ooQgogen. @r 
brad^te baburd^ bie frül^en tJormen einer SierHaffe in eine 
bcftimmte gefefemöfeige SBerbinbung mit bcn fpäteren, bie 
fid^ burd) Ummanblung aui^ il^nen gebilbet l^aben. 3)ag 



— 53 — 

einmal eine SlJ^nenfomt eineiS ^eute lebenben SBefend fo 
unb fo audgefel^en ^ai, ba» ^ai htmidt, bag biefeiS l^eute 
lebenbe äBefen in einer ^nt feiner Sntmicfeinng fo unb 
fo auiSfiel^t. 9(n ben Sntroidelungdftabien ber Crganidnien 
erlennt man il^re ^})ntn; unb bie 9ef(^affen^eit ber legten 
bewirlt bie Sl^oraltere ber J(eintfornten. Stammedgefd^id^te 
unb JteinteiSgefd^id^te (^l^^logenie unb Ontogenie) ftnb in 
t^ri^ aSüQerd ^uä^ oerbunben n)ie Urfad^e unb äßirfung. 
2)antii mav ein neuer 3ug in bie Sarminfd^e Sbeenrid^tung 
gelontmen. 2)iefeiS mirb and) baburd^ ni^i abgefd^n)öd)t; 
ba% ÜRüIIerd ^ebdforfd^ungen burd^ bie fpateren Unter« 
fud^ungen Slrnolb SangiS mobiftgiert n)urben. 

@iS waren erft oier Sa^re oergangen fett beut @r« 
fd^einen oon 2)am)in0 83uc^ „Sntftel^ung ber Slrten'', ald 
äRüQerd @d^rift gu feiner äSerteibigung unb SSeflötigung er« 
fd^ien. @r ^atic an einer einzelnen 2!ierIIaffe gegeigt, mit 
man int ©eifte ber neuen Sbeen arbeiten foQ. ©ieben 
Sal&re nad^ ber „Sntftel&ung ber Slrten", im 3öl&re 1866, 
erfc^ien BereitiS ein äSudE), ba» gang burd^brungen oon biefem 
neuen ®eifte mar, baiS oon l^ol^er äSarte l^erab mit ben 
3been bed 2)anoinidmuie^ ben Suf^i^i^^n^^^O ^^ SebeniS« 
erf d^einungen beleud^tete: @r n ft $ a e df e I iS: „ ® enereüeäRorpl^o« 
logie ber OrganiiSmen." ^tbt @eite biefeiS äSud^eiS oerröt 
bai^ groge ^id, oon ben neuen ®eban!en au0 eine Um« 
fd^au über bie ©efamtl^eit ber %aturerfd^einungen gu l^alten. 
%nB btm SarminiiSmuiS l^eraud fud^te $aedel eine SBelt« 
anfd^auung. 

3la^ gmei 9Kd)tungen l^in mar ^aedCel beftrebt, für 
bie neue Sßeltanfd^auung ba^ äßöglid^fte gu t^un: er be« 
reid^erte unabläffig ba» äSiffen oon ben Sl^atfad^en, bie 
Sluffd^Iufe geben über ben 3"fo^n^c"^öng ber Siaturmcfcn 
unb %aturlräfte; unb er gog mit eiferner ^onfequeng aui^ 
biefen 2^|atfad^en bie 3been, bie ba^ menfd^Iid^e ßrllärungiS« 
bebürfniiS befriebigen foQen. @r ift oon ber unerfd^ütterlii^en 
Übergeugung burd^brungen, ba% ber äRenfd^ für aQe feine 
@eelenbebürfniffe au§ biefen Sl^atfad^en unb biefen Sbeen 
ootte fflcfriebigung geminnen lann. SBie t^ ©oetl^e Ilar 



— 54 — 

wax, fo ift e0 anä) x^m, ba% bie %atur nad^ ewigen; not« 
roenbigen, bergeftalt göltlid^en ©efefeen njtrit, ba% bit ®ott- 
l^eit felbft baron ntd^l« önbern lonnle. Unb weil il^m biefeS 
Ilar ift, oerel^rt er in bcn eroigen unb notroenbigen ©efefeen 
ber Statut unb in ben Stoffen, an benen fxä) bief c ® ef e^e 
betl^ätigen, feine ©ottl^eit. SBie bie Harmonie ber in fid^ 
mit SRotroenbigleit aufantntenl^ängenben Siaturqefefee, nai) 
feiner Slnfrfiauung^ bie SSernunft befriebigt; fo Bietet fie 
and) bem fül^Ienben §ergen, bem et^ifd^ unb religiös ge- 
ftintntten ©emüt, roonadi eö bürftet. 3n bem Stein, ber 
oon ber Srbe angezogen, gu biefer l^infällt, fpri(f)t fidi ba^ 
gleid^e ©öttlid^e au^ wie in ber $ßflanjenblüte unb in bem 
menfd^Iidöcn ©eifte, ber ben „SBill^elm ^tW bramatifd^ formt. 
SBie irrtümlicf) e^ ift, gu glauben, ba% burd^ ein oer* 
nünftigeö (Sinbringen in ba^ SBalten ber 3iaiux, burd^ 6r« 
forfd^ung il^rer ©efefee, baQ ©efü^I für bie munberbaren 
©d^önl^eiten ber 9iatur gerftört mirb, ba2 geigt fidEi fo red^t 
anfd^aulid^ an bem 3BirIcn Srnft^aedelS. SWan ^ai ber 
oernunftgemäfeen Sttaturerllärung bie eJäl^igleit abgefprodien, 
bie Sebürfniffe be^ ©emiiteS gu Befriebigen. @ö barf he» 
Rauptet werben, ba^ mo immer ein äRenfd^ in feiner ©e« 
mütSmelt burd^ bie S?aturerfcnntni§ beeinträd^tigt mirb, 
bieö nid^t an biefer SrIenntniS, fonbern an bem äßenfd^en 
liegt, beffen ©mpfinbungen fid^ in einer falfd^en SWd^tung 
Beroegen. SBer unBef angen ben tiox\ä)eitDeQen eines ^latnx» 
Betrad^terS, mie eS ^aedel ift, folgt, ber mirb Bei jebcm 
©d&ritte in bie SßaturerlenntniS aui) fein §erg l^öl&er 
dalagen fül^Ien. S)ie anatomifrf)e 3^tglieberung, bie milro- 
lopifdEie Unterfud^ung mirb il^m feine ^iaturfd^önl^cit ger» 
toren, aber ungöl^Iige neue entpHen. 6S ift gmeifeüoS, 
ba^ in unferer S^it ein Äampf Beftel^t gmifd^en SSerftanb 
unb ^l^antafie, groifdEien SÄeflejton unb Intuition. 611 en 
Äet), bie geiftooüe gffa^iftin, ^ai unBebingt Sfted^t, wenn 
fie in biefem Kampfe eine ber mid&tigften ®rfd£)einungen in ber 
gegenroärtigen ^eit fte^t. (SSergl. ©Ken 5tet|: (Sffa^S. Serlin 
S. Sif d^cr, Serlag 1899). 3Ber, mie 6rnft §aedel, tief l^inunter» 
gräBt in ben <Sä)ad)t ber Sl^atfad^en unb fül^n l^inauffteigt mit 



— 55 — 

ben ©ebanlen, bie und au^ biefen S^l^atfa^en ftd^ ergeben, gu 
ben®tpfeln ntenfd^Iid^erSrlenntnid, ber lann nur in ber Statur« 
erllärung bie oerföl^nenbe 9Rad^t finben «rgmifd^en ben beiben 
gleid^ ftarlen Stennern, berStefle^on unb ber Intuition, bie ft(^ 
roed^felfeitig in bie Änie groingen" (Sllen Äe^ ebb.). Qfaft 
gleiddgeitig mit ber SSeröffentlid^ung, burd^ bie ^aedel mit 
ftrengfter logifd^er golgerid^tigleit feine aui ber %atur« 
erlenntnid ßiegenbe SBeltanfdiauung barlegt, vxii bem 1899 
erfolgten ©rfc^einen feiner „SBelträlfel" ^at er mit ber$)erauö- 
gäbe eined Sieferungi^merled begonnen ^^Aunftformen ber 
%atur/ in htm er %adE)biIbungen giebt oon ber unerfdEjöpf» 
Itd^en t^üQe ber rounberbaren ©eftalten, meiere bie 92atur 
in il^rem @d^o§e ergeugt unb meldte an ©(^onl^eit unb 
90tannigfaltigleit ^.aUeoomSOtenfd^en gefdjaffenen^unftformen 
roeitauö* übertreffen. S)erfelbe SRann, ber unfcren SSerftanb 
in bie ©efe^mctgigleit ber %atur filiert, lenlt unfere 
$^antafte auf bie @d)ön]^eit ber %atur. 

S)aj^ Sebürfnid, bie großen SBeltanf^auungdfragen in 
unmittelbare Serül^rung gu bringen mit ben miffenfd^aftlid^en 
ßingelunterfud^ungeu; l^at ^aecfel gu einer berjenigen £^at« 
fad^en gefül^rt, oon benen ©oetl^e fagt, ha^ fte prägnante 
fünfte begeid^nen, an benen bie %atur bie ©runbibeen gu 
ii^rer (Srllörnng ^eimiQig i^ergiebt unb und entgegenträgt. 
Siiefe S£]^atfadE)e bot ftd^ für ^aedel baburd^, bag er unter» 
fud^te, inmiefern fid^ ber alte DIenfdEie ®eban!e, ben Sri^ 
äKüIIer auf bie jh;ebdtiere anmenbete, für ia^ gange S^ier« 
reid^ frud^tbar mad^en laffe. 99ei allen Sieren, mit Slud« 
nal^me ber ^rotiften, bie geiticbend nur au^ einer '^tVit be- 
fielen, bilbet ftd^ aud ber @igelle, mit ber ha^ äSefen feine 
i^eimedentmidEelung beginnt, ein bed^erförmiger ober Irug» 
förmiger Äörper, ber fogenannte Sed^erleim ober bie ®a- 
ftrula. ©iefer Sed^erleim ift eine tierifc^e gorm, bie atte 
Siere, oon ben @d^n)ämmen bid l^erauf gum äßenfd^en, in 
il^rem erften Sntmidelungdftabium annel^men. S)iefe gform 
l^at nur ^aut, SRunb unb 3ßagen. %un giebt ed niebere 
$flangentiere, bie mäl^renb ilgred gangen Sebend nur biefe 
Drgane j^aben, bie alfo itvx Sed^erleim äl^nlid^ ftnb. 3)iefe 



— 56 — 

Xl^atfad^e btnitit $aedel im Sinne btt (ünixoxddnnQ&i^tom. 
®ie ©aftrulaform ift ein @xBftüd, ba» bit Zitxt von ifyxtt 
genteinfamen 9(l^nenform überlommen l^aBen. (S& ^ai eine 
njalgrfd^einlid^ voi Sa^r-SRillionen audgeftorbene Sierart ge« 
geben, bie @a\ixaea, bit äl^nlid^ gebaut max mit bit f^tntt 
nod^ lebenben nieberen $flangentiere: bie Spongien, $olQpen 
n. f. w. ^n» bittet Zitxati f^ai ftd^ aUt» entmidelt, voa» 
l^eute an mannigfaltigen f^ormen gmifd^en ben ^ol^pen, 
@c^n)ämmen unb SRenfd^en lebt. SlUe biefe Siere mieber* 
Idolen im Serlauf c il^rcr ÄeimcSgef d^id^tc biefe ii^re Stamm- 
form. 

Sine ^btt Don ungel^eurer Sragroeite mar bamit ge» 
monnen. Ser SSeg vom Sinfad^en jum S^fammengefe^ten, 
gum SSoUIommenen in berOrganidmenmelt mar t)orge)ei(^net. 
6ine einfädle Stierform cntmidtelt fid^ unter gemiffcn Um* 
ftänben. 6ineö ober mel^rcre Snbioibuen biefer gorm oer- 
manbeln ftd^ nad^ 9)2aggabe ber fiebeniSoerl^ältniffe, in bit 
fie lommen, in eine anbere gorm. SBag burrfi Sermanblung 
entftanben ift, ocrerbt ftd^ mieber auf Sßac^Iommen. ®i5 
leben bereitiS gmeierlei fS^xmtn. S)ie alte, bit auf ber erften 
Stufe ftel^en geblieben ift, unb eine neue. Scibe formen 
lönnen fid) nad^ oerf d^iebenen 9tid)tungen unb äSoQIommenl^eitd» 
graben meiter bilben. 3la^ großen 3«träumen cntfte^t 
burd^ SSererbung ber entftanbenen f^ormen unb burd^ 
9?eubilbungen auf bem SBSege ber 81 np äff ung an bie ßebeujS- 
bebingungen eine f$ülle oon Slrten. 

So fd^Iiegt ftd^ für ^aedel ^ufammen, xoaB l^eute in 
ber OrganiiSmenmelt gefdEjiel^t, mit bem, xoai^ in Urzeiten 
gefd^el^en ift. SSoIIen mir irgenb ein Organ an einem Siere 
unferer ©egcnmart erllären, fo bliden mir gurüd auf bit 
Sll&nen, bie bei ftd) biefes Drgan unter ben SSerl&ältniffen, 
in bcnen fie lebten, auögcbilbet l^abcn. SBaö in früheren 
3eitcn aus natürlid^en Urfad^cn entftanben ift, l^at fid^ bt« 
l^eute oererbt. 3)urd^ bie ®efd)id^te btS StammeiS tlort 
fid^ bie (Sntmidelung beiS ^nbioibuumd auf. Sn ber 
Stammei^entmidclung (^ßl^^Iogenefii?) liegen fomit bie Ur» 
fad^en ber ^nbioibualentmidelung (OntogeneftS). ^aedel 



— 57 — 

brüdt biefe Zl^otfad^e in feinm biogenetifd^en ®runb» 
gefe^e mit ben SBorten an»: «SDie iurje Ontogeneftd 
ober bie Sntioictelung bed Snbioibuumi^ ift eine fd^neüe unb 
pfammengejogene SSieberl^oInng^ eine gebrängte Stelapi« 
iuiation ber langen ^^Qlogenefe ober (Sniwicfelung ber 2lxi,'* 

2)antit ift auiS bem Steid^e bed Organifd^en aUt @r« 
Ilörung im Sinne befonberer Sttjede, alle Seleologie, ent« 
fernt. 9Ran fud^t nid^t me^r nad^ bem 3 n> cd eineiS OrganeiS; 
man fudgt nad^ ben Urfad^en, au» benen ed fid^ entmidelt 
l^at; eine t^otm meift nid^t nad) bem Qitl i^in^ bem fte 
guftrebl, fonbern nad^ bem Urfprunge, an» btm fie ^ttvou 
gegangen ift. SDie SrIIcirungdmeife be» Organifd^en ift ber 
bt» Unorganifd^en gleid^ gemorben. 9Ran fud^t ba» SSaffer 
nid^t aU Qxtl im Sauetftoff; unb man fud^t aud^ nid^t ben 
äRenfd^en al» '^xotd in ber ®d^öpfung. 9Ran forfd^t nad^ 
bem Urfprunge, nad^ ben tl^atfäd^Iid^enllrfad^en ber 9Befen. 
S)ie bualiftifd^e Slnfd^auungiSmeife, bie erllärt, bai Un« 
organifd^ed unb Organifd^eiS nadE) gm ei oerfd^iebenen $rin* 
gipien erllört merben muffen, Dermanbelt fid^ in eine moniftifc^e 
SSorfteEungi^art, in ben ^oxtx»mn», ber für bie gange 
%atur nur eine einl^eillid^e (Srllörungdmeife l^at. 

^aedCel meift mit bebeutfamen SBorten barauf l^in, ba§ 
burd^ feine (Sntbedung ber 9Beg gefunben ift, auf bem aller 
SualiiSmud iibermunben merben mug. „^it $^^Iogenefid 
ift bie med^anifd^e Urfad^e ber DntogenefiiS. SRit biefem 
einen @a^ ift unfere pringipieQe moniftifd^e SCuffaffung 
ber organifd^en SntmidCelung Ilar begeid^net, unb Don ber 
äSal^rl^eit biefei^ ©runbfa^ei^ pngt in erfter Sinie bie 
9ßa]^r]^eitber®aftraea«£l^eorieab, . . . .gürunbrniber 



biefen ®runb 
fd^eiben müf 



a^ mirb in 3ulwnft jeber 9iaturforfdE|er fidi ent- 
en, ber in ber Siogenie ftd| nidt)t mit ber 
blühen Semunberung merlmürbiger (Srfd^einungen begnügt, 
fonbern barüber l^inauiS nad^ btm SSerftönbnid il^rer 
ä3ebeutung ftrebt. iDiit biefem @a^ ift gugleid^ bie un« 
aui^füQbare Kluft begeid^net, meldte bie ältere teleologifd^e 
unb bualiftifd^e äßorplgologie oon ber neueren med^anifd^en 
unb moniftif dE)en trennt. SBenn bie p^qfiologifd^en Ofnnitionea 



— 58 — 

iex S3erer6ung unb Sfnpaffung ald bit aQeinigen Urfad^en 
btt organtfd)en O^ormbtlbung nad^gemiefen ftnb, fo ift ba* 
tnit augleid) jebe $(rt Don £eIeoIogte, üon bualiftifd^er 
unb metapl^^ftfd^er Setrad^tungiStDeife aui^ bem ©ebiete ber 
Stogente entfernt; ber fd^arfe ®egenfa^ gmifd^en ben leitenben 
$rin3tpien ift bamit Ilar beaetd^net. Sntmeber e^iftiert 
€tn btrelter unb laufaler 3ufammen^ang gmifd^en 
Cntogenie unb ^^^logenie ober er e^iftiert nid^t. 
^Sntweber ift bie Öntogenefe ein gebrängter SuiSjug ber 
^^^^logenefe ober fle ift bied nid^t. 3n)ifd^en biefen beiben 
jlnnal^men giebt eiS leine britte! @ntmeber (Spigeneftd nnb 
©eScenben^ — ober ^räfrrmation unb Sd&öpfung. (SSergL 
aud^ aSelt- unb ßebeni8anfd)auungen Sanb 1. @. 142 ff.) 
^aedtel ift eine pl^ilofop^ifd^e S)enlerperfßnlid^leit. 3)eS» 
l^alB trat er, balb nad^bem er bie 2)arn)infd^e 3(nfd^auung 
in fxi) aufgenommen l^atte, mit aller Snergie für bie n)i(^tige 
@d^lugfoIgerung ein, bie fxä^ an» biefer Slnfd^auung für ben 
Urfprung beö SRenfd^en ergiebt. (Sr lonnte fid^ nid^t 
bamit begnügen, fd^üd^tern roie SDarmin auf biefe „Qfrage 
<iller fragen'' l^ingubeuten. 3)er SKeufd^ unterfd&eibet 
ftd) anatomifd^ unb pl^^ftologifd^ nid^t oon ben pl^eren 
2^ieren, folglid^ mug il^m audE) ber gleid^e Urfprung mie 
biefen augefd^rieben merben. 9Kit groger ^ül^ni^eit trat er 
fogleid^ für biefe SBleinung unb für alle golgen ein, bie 
fic^ in Säegug auf bie SSeltanfd^auung barauS ergeben. @d 
mar i^m nid^t gmeifell^aft, ba% fortan bit l^öd^ften Sebeni^« 
äugerungen bt§ SRenfd^en, bit S^l^aten feineiS ©eifteiS, unter 
einem gleid^en ©efid^tSpunft gu betrad^ten ftnb, wie bie 
Scrrid^tungen ber einfad^ften ßebemefen. ®ie 35ctradt|tung 
ber nieberften Siere, ber Urtiere, Snfuforien unb Sll^igopoben, 
leierte il^n, bai caxä) biefe DrganiSmen eine Seele ^aben. 
Sn il^ren 93en)egungen, in ben §lnbeutungen oon @mpfinbungen, 
bie fie erlennen laffen, erlannte er Sebeni^äufeerungen, bie 
nur gefteigerter, ooDfommener gu merben braud^en, um gu 
ben lompligierten 9}ernunft» unb Sßillendl^anblungen bed 
tKenfdEien gu merben. 

äßeld^e Sd^ritte ooQfül^rt bie Statur, nm oon ber 



— 59 — 

®a^ixata, bem Urbonntiere, ba9 oor Sal^r-ÜRillionen gelebt 
^ai, aum 9Renf d^en )u gelungen? S)aiS toar bie umfaffenbe 
^rage, bie ftd^ ^aedel oorlegte. S)te Slntmort gab er in 
feiner 1874 erf(^ienenen ^Slntl^ropogenie.'' @ie bel^anbelt 
in einem erften £eil bie SteimeiSgefd^id^te bed SRenfd^en, 
unb in einem jmeiten bie Stammedgefd^id^te. Son $unlt 
gu $unlt mürbe gejeigt, mie in ber legieren bie Urfad^en 
für bie erftere liegen. SDie Stellung bt» äRenfd^en in ber 
$atur mar bamit nad^ ben ©runbfö^en ber Sntmidelungd«» 
leiere beftimmt. 2luf SBerle, mie ^aedfete „SntJ&ropogenie" 
eineiS ift, barf man bad SSort anmenben, ba& ber groge 
Slnatom @arl ©egenbauer in feiner ^ Sergleid^enben 
Slnatomie" (1870) audgefprod^en l^at, bag ber S)arminidmuiS 
aU 2^]^eorien reid^Iid^ baiS Don ber 9Biffenfd^aft gurüdC« 
empfängt, was er biefer an SRetl^obe gegeben l^at: Älarl^eit 
unb @id^er]^eit. äßit ber barminiftifc^en äßet^obe ^at 
^aedCel bie Sl&eorie oon ber ^erfunft bei5 SKenfd^en ber 
ffiiffenfd^aft gefdpenit. 

9Bad bamit getrau mar, mirb man, feinem DoQen 
Umfange nad^^ nur ermeffen, menn man auf bie Oppofttion 
blidCt, mit ber ^aedCete umfaffenbe Slnmenbung ber 2)armini« 
ftifd^en ®runbfä^e Don ben Slnl^cingern ber t^eologifd^en 
unb ibealiftifd^en SSeltauffaffungen aufgenommen morben 
{tnb. 9Ran brandet babei gar nidgt auf biejenigen gu feigen, 
bie fid| in btm blinben ©lauben an eine überlieferte 
©laubendlel^re gegen bie ^3(ffen«£l^eorie'' manbten, ober auf 
biejenigen, bie aDe feinere, l^öl^ere @ittlid^leit geföl^rbet 
glauben, menn bie äSenfd^en nid^t me^r ber S(nftdE)t finb, 
bai fte einen ^.reinem, pl^ern Ucfprung'' l^aben. SKan 
lann ftd^ and^ an foldtje l^aUen, bie burd^aui^ geneigt finb, 
neue äBal^rl^eiten in fid^ aufgunel^men. ^ber audi fold^en 
mürbe ed fc^mer, ftdE) in biefe neue äBal^rl^eit gu finben. 
@ie fragten ftd^: SSerleugnen mir nid^t unfer oernunftge« 
m&^tS 2)enlen, menn mir feinen Urfprung nic^t mel^r in 
einer allgemeinen SSeltoernunft über uM, fonbern in bem 
tierifd^en 9leic^e unter und fud^en? Sold^e ®eifter miefen 
mit großem (Sifer auf bie $unlte l^in, an benen bit 



— 60 — 

^aedelfdje 9(uffaffung burd^ bie Zf^at^ad^m nod^ im ®tid^ 
gelaffen ^u mnbtn fd^ien. Unb biefe ©eifter f^dbtn tnäd^ttge 
SunbeiSgenoffen in einer S(nja]^I oon ^aturforfd^ern^ bie^ aud 
einer merln)ürbigen äSefangenl^eit l^eraud^ i^re %^ai^aä)tn» 
lenntnid bagu benüi^en, fortroäl^renb ^u betonen, wo bie 
(Srfal^rung nod^ ni^t auiSreid^e, um ^aeddS ©c^ilugfolge« 
rungen gu giel^en. S)er t^pifdie 9tepröfentant unb jugleid) 
bcr einbrud^ooDfle Vertreter biefeS 9?aturf orfd|er-@tanbpunItcS 
ifl SRub olf SSird^oro. STOan barf bcn ©egenfofe ^atdtU 
unb SJirdjomö elroa fo d^araöerifteren. .J)aedfel oerlraut 
auf bie innere Äonfequeng ber 9?alur, oon ber ©oetl^e meint, 
ba^ ftc über bie Snlonfequeng ber ilßenfdEien l^inmegtröftc, 
unb fagt fid^: SBenn ftdi für geroiffe Sälle ein 9?oturpringip 
afe ridE)tig ergeben l^at unb unö bie (Srfaftrung fel^It, feine 
SRid^tigleit in anbern fJäDen nadfiauroeifcn, fo ift lein ©runb 
oor^onben, bem Sortgang unferer SrlenntniiS ^Jeffcln an- 
zulegen; roaS uns l&eute nod^ bie (Srfal^rung oerfagt, lann 
uns morgen gebrad)t roerben. SSird^oro ift anbrer SKeinung. 
(Sr miH ein umfaffenbeS ^ßringip fo menig roie möglich 
33oben gewinnen laffen. Sr fdjeint, gu glauben, ba^ man 
einem fold^en ^ringip ba^ Seben nid^t fauer genug magert 
lann. @(f)arf fpi^te fid^ ber ©egenfa^ beiber ©eifter auf 
ber fünfjigften ffierfammlung beutfdber SRaturforfd^er unb 
ärgte, im September 1877, gu. §aed(el l^ielt einen SSor* 
trag über ;,bie l^eutige (äntmidtelungStl^eorie im SSerpltniffe 
gur ©efamtroiffenfdEiaft.'' SluS ooller Segeifterung 5^rauS 
fdtiilberte er bie SESirlung, bie bie neue Se^rc für unfere 
gefamte geiftige Kultur l^aben muffe. S)a er ber Übergeugung 
ift, ba^ ber oon 3)armin ausgegangene Umfd^mung unferer 
n)id)tigften Slnfd^auungen nid^t allein bie ißaturmiffenfd^aften, 
fonbern audE) bie ©eifteSmiffenfd^aften betreffen mu§, fo 
forberte er oom Unterrid^tSroefen eine SlüdtfidötSnalöme auf 
bie neue Se^re. Sier Sage fpäter trat SSird^om mit einer 
Sftebe auf: ;,®ie greil&eit ber SEBiffeufd^aft im mobernen 
®taaie." (5s fd)ien gunäd^ft, als ob er bie moniftifd^e 
äSeltanfd^auung nur aus ber Sd^ule oerbannt miffen moQte^ 
meil er fie für eine blofee ^tipotl^efe, nid^t für eine burd^ 



— 61 — 

ftd^ere SeiDeife belegte £]^atfa(^e J)äli. S)od^ mn% man oud^ 
einetn fold^en ^ox^abzn gegenüber ftu^ig loerben, tDenn 
Siräjoip fagt: jeber SSerfud^, unfere Probleme gu Se^rfä^en 
umgubilben, unfere SBemtulüngen atö bie ©runblagen be9 
Unierrid^ti^ eingufül^ren, mug fd^ettern; unb er wirb in 
feinem @(i|eiiern gugleid^ bie pd^ften ©efal^ren für bie 
8Biffenfd&oft l^erbeifül^ren. SJird^oro rebel olfo brei ^af^it 
nad) bent @rfd|einen t)on ^aedCete ^Slntl^ropogenie'' oon 
ber montfiifd^en äSeltanfd^auung ald Don einer ^rSSermutung." 
Unb fein ganged SSer^alien ^aedel gegenüber geigt, ba% 
beffen @d^IugfoIgerungen für i^n nid^ti^ aU ^Vermutungen'' 
finb. @r l^ot jebe ©elegenl^eit ergriffen, um gegen biefe 
@d^Iu§foIgerungen bie fd)einbare Dl^nmad^t ber Srfal^rungiS« 
erlenntniffe audgufpielen. äJeim fünfunbgmangigiäl^rigen 
©tiftungSfeft ber ;,S)eutfd^en antl&ropologifd^en ©efeUfd^aft* 
im Saläre 1894 fanb er fid^ genötigt, gu fagcn: ^8luf bem 
SBege ber ©pefulation ift man gu ber Slffentl^eoric ge» 
lommen; man l^ätte ebenfo gut gu einer @Iefanten« ober 
einer SdEiaftl^coric lommen lönnen." ®ie Saltil SSird^oroiS 
bem IRoniiSmud gegenüber ift eine i^od^ft eigentümlid^e. @r 
forbert unumftöglid)e äSemeife für biefe Slnfd^auung. So« 
balb aber etmaiS in bie (Srfd^einung tritt, ma$ fidü ald ein 
@lieb in ber SemeiiSlette ergiebt, fud^t SSird^om feinen äBert 
auf jebe möglid^e 3lrt gu entfräften. 

6in foIdieS ©lieb in ber SemeiSlettc bilbcn bie 
Snodjenreftc, bie Sugen S)uboiö 1894 in ^ava gefunben 
l&at. Sie beftel^en au2 einem ©d^äbelbad), einem Ober* 
dE)enIeI unb einigen Söhnen. Über biefen gunb entfpann 
trf) auf bem Sctibcner 3ooIogen»Songre6 eine intereffante 
©isluffion. 3Son groölf Biologen maren brei ber SKeinung, 
bai bie Jfnodjenrcfte oon einem Slffen, brei, ba^ fie oon 
einem SKenfd^cn ftammen ; fed^ö ocrtratcn aber bie SRcinung, 
ba% man t^ mit einer ÜbergangiSform gmifd^en äßenfd^ nnb 
Slffe gu ti^un l^abe. S)uboiS l^at in einleud^tenbcr SBeife ge» 
geigt, in welchem SJerl^ältniS ba& SBcfen, beffen Slefte man 
oor fid^ l^atte, einerfeitiS gu ben gegenmörtigen Slffen, anbrer« 
feit)? gu ben gegenwärtigen aRenfd)en ftcl^e. S)ic ßntmidte- 



— 62 — 

InnQ&le^xt mufe foldjc 3n)ifc^cnformcn in bcfonbcrcm iffiafec 
für fic^ in 8lnfprud^ ncl&mcn. Sic füllen bic Süden au^, 
bie gmif(i)en ben ga^Ireid^en S^^inen ber Drgantömen be* 
flehen. 3cbc foltfjc 3'5if<%cnform liefert einen neuen Se- 
roeis für bie 35erroanbtf(|aft aßeö Sebenbigen. SSird^oro 
roiberfe^te fid) ber Sluffaffung, ba§ bie ffinod^enrefie oon 
einer folc^en S^^ifdienform l^errül&ren. ^nnäd^^i erllärle er, 
ber @d)cibel ftamntc Don einem Slffen, ber Oberf(f)enIeI oon 
einem SRenfd^en. @a(f)Iunbige Paläontologen fprad&cn fid^ 
aber nadt) bem geroiffenl^aften Qfunbberid^te mit ©ntfd^ieben» 
l^eit für bie S^fommengeprigleit ber Sftefte auö. SSirc^oro 
fud^te feine Slnfid^t, ba% ber Dberfd^enlel nur oon einem 
SKenfd^en l^errül^ren lönne, burd) bie Sel^auptung ju ftüfecn, 
eine Änod^enroud^erung an bcmfelben beroeife, ba^ an il^m 
eine Äranfl^eit oorjanben geroefen fei, bie nur burdb forg* 
fältige menfd^Iic^e Pflege gcl^eilt roorben fein !önne. Sa« 
gegen fprad^ fid) ber Paläontologe äRarfd^ bal)in an^, bag 
äl^nlic^c Änod^enroud^erungen aud^ bei roilben Slffen oor» 
lommen. Siner weiteren Sel^auptung SSirdjoroö, ba^ bie tiefe 
(Sinfd^nürung groifd)en bem Dberranb ber Slugenpl^Ien unb 
bem nieberen ®^äbelbaä) be2 oermcintlid^en 3n)ifd6enroefenS 
für beffen Slffennatur fpred)e, roiberfprad) eine S3cmerlung 
beö 9?aturforfd&er§ 9?e]&ring, ba^ fid) biefelbe Silbung an 
einem 9Kenfd)enfd^äbcI oon SantoS in Srafilien finbe. Sicfc 
(Sinroänbe Sird^oroS lamen au^ berfelben ©eftnnung, bie 
il^n aud^ in ben berül^mten @d^äbeln oon S^eanbertl^al, oon 
@pt) u. f. ro. Iranl^af tc, abnorme Silbungen fel^^n läfet, 
roäl&renb fie ^aedeU (SefinnungSgenoffen für 3w)ifdt|en» 
formen groifd^en Slffc unb 9Kenfd^ l^alten. 

^aedel liefe ftc^ burdt) leine Sinroänbe ba2 SSertrauen 
in feine SSorfteüungSart rauben. 6r bel^anbelt unabläffig 
bie ftrenge SBiffenfdE)aft oon ben gewonnenen @cfid)tg- 
punlten au§, unb er roirft burd) populäre ©arfteüung 
feiner 9Jaturauffoffung auf ba^ öffentlid)e Seroufetfein. Sn 
feiner „St)ftematifdf)en ^^^logenie. Sntrourf eincig natür» 
Iid)cn ©i)ftem0 ber Organismen auf ©runb ber Stammes* 
gefd^iid^tc (1894 — 1896) l^at er bie natürlid)en SSerroanbt« 



— 63 — 

f^iaften ber CrganijSmen in fiieng n)iffenfd)aftlic^er SBeife 
bargeflcDt. 3n feiner „Sialürlid^en ©d^öpfungögefc^idöte'', 
bie Don 1868 bis 1897 neun Sluflagen erlebt ^ai, gab er 
eine allgemeinDerftönblic^e SluiSeinanberfe^ung feiner Sin* 
fd)auungen. 3n feinen gemeinperfiänblid)en Stubien gur 
moniftij(i)en ^^ilofop^ie ^SBelträtfel'' lieferte er 1899 
einen Uberblid über feine naturpl^ilofopj^ifdjen 3^een, ber 
rüd^altlod nad^ aQen Seiten l^in bie tjfolgerungen feiner 
©runbgebanlen barlegt. Sn^if^i^^ ^H^n biefen Slrbeiten 
oeröffentlidite er Stubien über bie mannigfaltigften Special« 
forf(f)ungen, überall ben pl^ibfopl^ifd^en ^ringipien unb 
bem roiffenfd^oftlidtien S)etailroiffen in gleid^er SBeife JRed^nung 
tragenb. 

2)ai$ Sid^t, baS von ber moniftifd^en äSeltanfd^auung 
auiSge^t, ift, nad^ ^atdtU Überaeugung, bai$|enige, baS „bie 
fd)n)eren äBoIIen ber Unmiffenl^eit unb bcS Slberglaubeni^ 
gerftreut, meldte biiSl^er unburd^bringlid^eiS S)unlel über bad 
mid^tigfte aQer (Srlenntnii^probleme verbreiteten, über bie 
t^rage nad| bem Urfprung be^ 3ßenfc()en, oon feinem 
roaören äBefen unb oon feiner ©teHung in ber 9iatur". 
@o l^at er fid^ in ber Siebe auiSgefprod^en, bie er am 
26. Sluguft 1898 auf bem oierten internationalen 3oöIogen- 
^ongreg in ßambribge ,,über unfere gegenmärtige SenntniiS 
oom Urfprung bcS 9Renfd)en'' gehalten l^at. 3nroiefern 
feine SBeItanfdt)auung ein Sanb Inüpft gmifdfien SRcligion 
unb SSiffcnfd^aft, l^at §aed[el auf einbringlic^c SBeife bar« 
gelegt in feiner 1892 erfdEjienenen ©d^rift „'^tx äßoniSmuö 
aU Sanb groifdien Slcligion unb SBiffenfd)aft. ®Iaubeni3» 
befenntni« eines äiaturforfd^erig". 

SBenn man ^aedtel mit §egel oergIeid)t, fo ergicbt 
fid) in fd^arfen Sögen ber Unterfd)ieb ber äSeltanfd^auungS» 
intereffcn in ben b3iben ^älften bei^ neungcj^nten ^a^u 
l^unberti^. $egel lebt gang in ber 3^ee unb nimmt aus 
ber naturn)iffenfd)aftli(f)cn S^atfat^enmelt nur fo oiel auf, 
ali^ er gur SQuftration feines ibealen äSeltbilbeS brandet, 
^aedel murgelt mit aQen gafern feines ScinS in ber 
5tl^atfa(f)enmelt unb gte^t auS biefer nur bie Summe oon 



— 64 — 

^been, 3u benen biefe notmenbig brängt. $egel ift immer 
fieftrebt/ gu geigen, mie aQe ^efen barauf l^inatbeiten; 
gule^t im menfd^Iid^en ®eifte ben ®ipfel il§re$ SBerbenS gu 
erreichen; $ae(fel ift ftetiS Bemül^t^ gu ermeifen, mie bie 
lompligierteften menfd)Iid^en SSerrid^tungen surüdfmeifen auf 
bie einfad^ften Urfprünge bei^ 3)afeind. ^egel erllört bie 
'Statux aus bem ®eift; Qatdd leitet ben ®eift aud ber 
92atur ab. (Sd borf beiSl^alb oon einer Umlel^rung ber 
SDenlric^tung im Saufe bed ^af^t^unbtxi^ gefprod^en merben. 
Snnerl&att beö beutfd)en ©eifteSlebeniS l^aben @lrau§, S^uer- 
baä) u. a. biefe Umlel^rung eingeleitet; in bem SRateria« 
lidmuiS l^at bie neue 9lid^tung einen oorlöuftgen, e^tremen^ 
in ber ©ebanlenroelt ^aedfelö einen ftreng mell^obifd^« 
miffenfd^aftlid^en Slu^brud gefunben. S)enn baS ift bad 
äSebeutfame bei ^aedfel, bai feine ganje t^orfd^ertl^ätigleit 
Don einem pl^ibfopl^ifd^en @eifte burd^brungen ift. (Sr arbeitet 
burdtjauiS nid)t nad^ 9lefultalen i^in, bie aud irgenb meldten 
üttotioen aU QxtU ber äSeltanfd^auung ober be^ pl^ilo« 
fopl^ifdtien ©enlenö aufgeftettt finb; aber fein SBerfal^ren 
ift pl&ilofopl^ifd^. S)ic SBiffenfd^aft tritt Bei il&m unmittel- 
bar mit bem @^aralter ber SBeltanfd^auung auf. S)ie gange 
Slrt feinet SlnfdEiauenS ber S)inge l^at i^n gum Selenner 
beg entfd^iebenften üßoniSmu0 beftimmt. Sr fielet ©eift unb 
Ißatur mit gleid^er Siebe an. ^t^f^alh lonnte er ben ©eift 
in ben einfad^ften Sebemefen nodt) finben. ^a, er gel^t 
nod) meiter. 6r forfd^t nad^ ben ©puren be§ ©eifteS in 
ben unorganifd^en SRaffenteild^en. ^SebeS Sltom" — fagt 
er — /rbefi^t eine inl^ärente Summe t)on ffraft unb ift in 
biefem ©inne bcfeelt. Dl^ne bie Slnnai&me einer Sltom- 
f eele finb bie gemöl^nlid^ften unb aDgemeinften Srfd^einungen 
ber ßlgemie unerllärli(|. Suft unb Unluft, Segierbe unb 
Abneigung, Stugiel^ung unb Slbftofeung muffen allen äßaffen- 
atomen gemeinfam fein; benn bie Semegungen ber Sltomc, 
bie bei Silbung unb Sluflofung einer jeben d^emifd^en Ser- 
binbung ftattfinben muffen, finb nur erllörbar, menn mir 
il^nen gmpfinbung unb SBillen beilegen, unb nur 
hierauf allein berul^t im ©runbe bie allgemein angenommene 



— 65 — 

{^emifd^e Seigre oon btt SBal^IoeriDanbtfd^aft/ Unb mit 
er ben ®eift Bid ind aiom hinein verfolgt, fo bal^ rrin 
materiea-mecj^anifcl^e ©efd^el^en ix» in bie erl^abenfien 
©eiftedleifhingen l^eiauf. ,,®eift unb @eele bed aRenfd^en 
{tnb aud^ nid^td anbetet, al» Stxä^it, bie an bad mate« 
rieSe ©uüfirat unfered jtörperi» untrennbar gebunben ftnb. 
2He bie SeniegungiSbaft unfereiS gfleifd^eiS an bie gfonn- 
@Iemente ber SRuiSleln^ fo ift bie SDenllraft unfereiS 
®etftei^ an bie gform-SIentente bed ©el^irnd gebunben. 
Unfere ©eifiegfräfte finb eben gunltionen biefer 
jförperieile, mie jebe jtraft bie O^tnltion eined ntaterieQen 
ÄSrpcr« %%'' 

9Ran barf aber biefe SorfleEungdmeife nid^t oa« 
roed^feln mit berjenigen, bie in m^ftifd^er Sirt in bie Satur« 
n)ef en @eelen l^ineintrclumt^ unb biefe ber ntenfc^Iic^enmel^r ober 
weniger al^nlid^ fein lägt. ^aedCel ift ein fd^arf er ©egner ber 
SBeltanfd^auung, bie Sigenfd^aften unb £^ätigteiten bed 
SRenfc^en in bie aufeenroelt »erlegt, ©eine Verurteilung 
ber Serntenfd)Iid^ung ber Statur, bed Slntl^ropomorpl^idmud, 
i^at er mieberl^olt mit nid^t mi§3uoerfte^enber S)eutlid^leit 
auiSgefprod^en. SSenn er ber unorganifd^en äRaffe ober 
btn einfac^ften CrganiiSmen eine SSefeeltl^eit aufd^reibt, fo 
meint er bamit nid^td meiter, alB bie Summe ber jtraft« 
augerungen, bie mir an il^nen beobad)ten. 6r l^ölt fid^ 
ftreng an bie Sl^atfad^en. Smpfinbung unb SBille beö 
Stomö finb il&m !eine mpftifd&en ©eclcnfräfte, fonbern fie 
erfd^öpfen fid) in bem, mai^ mir aU Slnaiel^ung unb 9(b« 
ftogung mabrnel^men. @r miQ nid)t fagen: knaiel^ung unb 
Slbftogung finb eigentltd^ (Smpfinbung unb äBiae, fonbern 
Slngie^ung unb 9(bftogung finb auf niebrigfter ®tufe ba», 
roa» @mpfinbung unb äBiQe auf ^o^erer Stufe ftnb. S)ie 
(Sntmicfelung ift |a nid^t ein blogeiS $eraudentmidteln ber 
l^öl^eren Stufen bei^ ©eiftigen aud btm fiebrigen, in benen 
fie fd^on oerborgen liegen, fonbern ein mirllic^eö Sluffteigen 
au neuen Silbungen (oergL oben ®. 43 f.)^ eine Steigerung 
oon Slnaie^ung unb 9(bftogung au Smpfinbung unb SBtSe. 

steinet, Sielt« unb Se^eitSanf c^auungen. n. 6 



— 66 — 

2)iefe ©runbanfd^auung ^atdtü ftitnmt gan) mit ber 
(äottf^t» überetn, ber ftc^ barüber mit ben SBorten au»* 
f priest: bie (SrfüQung feiner Xaturanfd^auung fei il^m burc^ 
bie (Srlenntnid ber ^^jmei grogen Zriebrftber aSer ^atur'' 
getoorben, ber Polarität unb ber Steigerung^ jene ,,ber 
SRaterie, infofem roir fie materiell, biefe il^r bagegen, info« 
fem mir fie geiftig benlen, angel^orig; jene ift in immer« 
mäl^renbem Slngiel^en unb ^bftogen, biefe in immermäl^ren* 
bem Sfuffteigen. 3SeiI aber bie äßaterie nie ol^ne ®eift, 
ber ®eift nie ol^ne SRaterie e^iftiert unb mirifam fein 
lann, fo permag aud^ bie SRaterie fic^ ju fteigern, fo 
mie ftd^'d ber ®eift nid^t nel^men lägt angugiel^en unb ah" 
guftofeen." 

S)er äJelenner einer foId)en äSeltanfdiauung lägt fi(f| 
baran genügen, bie tl^atfcld^Iic^ in ber Sßelt Dorl^anbenen 
Singe unb SSorgcinge auiSeinanber abzuleiten. S)ie ibea« 
liftifd^en SBeltanfc^auungen bebürfen ju ber Slbleitung eineiS 
S)ingei$ ober SSorgangeiS SBefenl^eiten, bie nid^t innerl^alb 
bt» äSereidCieiS bed £]^atfäd)Iic^en gefunben merben. ^aedd 
leitet bie 8*>rwi beö SJed^erfcimeö; bie im Saufe ber 
tierifd^en (SntmidCelung auftritt au» einem tl^atfäd^Itd^ ein« 
mal Dorbanbenen OrganiiSmuiS ab. @in Sbealift fud^t nad^ 
ibeeQen ^äften^ unter beren (Sinflug ber ftd^ entmicfeinbe 
JSeim }ur ©aftrula mirb. 2)er 3RoniiS$muiS ^atdd» giel^t 
aUeiS, wa» er gur Srllörung ber mirllic^en SSelt brandet, 
aud^ au» biefer mirllid^en äSelt l^eraud. @r l^ölt im SteidEie 
beiS Sßirllic^en Umfd^au, um gu erlennen, mie bie S)inge 
unb SSorgänge einanber erllären. @eine Sll^eorien finb il^m 
nid^t mie bie he» ;^bealiften ba^u ba, gu btm Slgatfäd^Iid^en 
ein ^öl^ereiS gu fud^en, einen ibeeQen Snl^alt, ber ba» 
SBirllid^e erllört, fonbern bagu, ba^ fie i^m ben '^u^ammeu* 
l^ang bt» £]^atföd^Ii(^en felbft begreiflich machen, fjfidjte^ 
ber Sbealift, l^at nad^ ber Seftimmung bt» SKenfd^en 
gefragt. @r meinte bamit etmad, ma» fxä) nid^t 
in ben t$ormen bt» SSitllic^en, beiS S^l^atföd^Iid^en er« 
fdEiopft; er meinte etmaS, wa» bie SSernunft gu bem tl^at« 
fäd^Iid) gegebenen 2)afein l^ingufinbet; tiwa» ma» mit einem 



— 67 — 

l^ol^eren Sid^te bxt reale ^fteng bt§ SRenfd^en burd^- 
leud^tet. ^aedel, ber tnoniftifdge äSeltbelrad^ter, fragt 
naä) bem Urfprunge bt» röenfd^en; unb er meint 
batnit ben realen Urfpmng, bte nteberen SBefenl^eiten, an» 
benen f\ä) ber 3Renf(l^ burd^ tl^atföd^Iic^e Vorgänge ent« 
widelt l^at' 

@d ift begetd^nenb, n)te ^aedel bte Sefeelung ber 
nteberen Seben)efen begrünbet. @tn Sbealift »ürbe ftc^ 
babei auf SSernunftfd^lüffe berufen. (£r toüxbt mit S)enl« 
notmenbigleiten lommen. ^atdd beruft ftd^ barauf; roai^ 
er gefe^en Jat. ,,3«ber Slaturforfd&er, ber gleid^ mir 
lange Saläre l^tnbur^l bie SebeniStl^ätigleit ber eingeQigen 
$roIiften beobachtet l^at; ift pofitin übergeugt, bai au6^ 
ixt eine ®eele befi^en; au(^ biefe S^Hfeele befte^t auiS einer 
Summe Don @mpfinbungen, SSorfteÖungen unb äBiUenS« 
tl^ätigleiten ; ba& Smpfinben, 2)enlen unb äBoUen unferer 
menfd^Iid^en Seelen ift nur ftufenmeife bavon perfd^ieben''. 
S)er Sbealifl fprid^t ber SKaterie ben ®eift gu, meil er ftd^ 
ni(f)t beulen lann, ba^ au» geiftlofer äßaterie @eift entftel^en 
lann. @r glaubt, man muffe ben ®eift leugnen, menn man il)n 
nid)t ba fein lagt^ beoor er ba ift, b. ^. in aU ben SDafeind« 
formen, mo nod) lein Drgan, lein ©el^irn für ijn ba ift. 
t^ür ben äRoniften giebt t» einen fold^en gbeengang gar 
nid^t. @r fprid^t nid^t oon einem 2)afein, baiS ftd^ al» 
iolä)t» nid^t aud^ ctu^erlid^ barfteQt. @r teilt nid)t ben 
3)ingen gmeierlei Sigenfd^aften gu: fold^e, bie an il^nen 
mirllid^ ftnb unb fid^ an ilgnen öu§ern, unb fold^e, bie 
inSgel^eim in il^nen finb, um {td^ erft auf einer p^eren Stufe, 
gu ber fic^ bie ®inge entmidteln, gu äugern. t^iit x^n ift 
ba, ma» er beobad^tet; meiter nxä)i». Unb menn fid^ ba» 
9eobad^tete meiter entmidCelt, unb fid^ im Saufe feiner 
@ntn)idEeIung fteigert, fo ftnb bie fpateren f^ormen erft 
in bem Slugenblidfe oorl^anben, in btm fte ftd) mirllid^ 
geigen. 

9Sie leidet ber ^aedEelfd^e 3!llonx»mn» nad) biefer SRid^« 
tung l^in mi§oerftanben merben !ann, ba» geigen bie @in« 
mönbe, bie ber geiftDoUe Sartl^oIomöuiS Don @arneri 

5* 



— 68 — 

gemacht l^d^ bex auf btt anbexn iSeite für ben flufbau 
einer (Sil^tl biefer SBeltanfd^auung VLnDttQänqli^e» geletftet 
^at 3n feiner ®d^rift „Smp^nbung unb 9en)ugtfein. 
äRonifKfdge Sebenlen.'' (1893) meint er, ber ®a^: 
^Jtein ®eifi ol^ne SRaterie, aber au^ !eine SRaterie o^ne 
(Seift" müibt uniS bered^tigen, bie g^rage auf bie $flan}e, 
j[a auf btn näc^ften beften ijtüblod auiSjubel^nen, unb au^ 
biefen ®eift gujufd^reiben. @iS fei aber bod^ gmeifeDod, bag 
baburc^ eine Sern)irrung gefd^affen mexbt. @i3 fei bo^ 
nid^t ju überfeinen, ba% nur burd^ bie Sl^cttigleit ber 3^Qen 
ber grauen ^irnrinbe Seiougtfein entftel^e. ^2)ie über« 
geugung, bai e^ leinen ®eift ol^ne äRaterie gebe, b. 1^. ba^ 
aDe geiftige S^l^ätigleit an eine materielle S^ätigleit gebunben 
fei, mit bereu (Snbe auä) fie il^r @nbe erreid^t, fugt auf 
(Srfal^rung; mö^renb nid^tsin ber Srfai^rung bafür fprid^t, 
bai mit ber ÜRaterie überl^aupt ®eift Derbunben fei." 
9Ber bie äRaterie, bie leinen ©eift oerrät, befeele, glid^e 
bem, ber nid^t bem SRed^anidmuiS ber Ul^r, fonbern fc^on 
bem 3KetaIIe, anB bem fie verfertigt ift, bie t^cti^igleit ju« 
fdiriebe, 3^U^ngaben ju mad^en. 

^aedFeld 9(uf[affung mirb, richtig oerftanben, t)on ben 
Sebenlen ©arncriö nid^t getroffen. ®atJor mirb fie ba* 
burd^ gefd^ü^t, bai fie ftd^ ftreng an bte SSeobad^tung pit. 
3n feinen „SBäeltrcitfeln" fagt ^aedtel: „^ä) felbft l&abe bie 
^Qpotl^efe be» SItom-Semugtfeind niemaU vertreten . . 
3(| i^abe Dielmel^r audbrüdlid) betont, bai id^ mir bie 
elementaren pf^id^ifd^en Sl^dtigleiten ber @mpfinbung unb bed 
9BiQend, bie man ben 9(tomen gufd^reiben lann, unbemugt 
oorfteüe." ^a» ^aedtl mxü, ift nid^tiS anbereiS, aü ba^ 
man in ber Srllörung ber ätaturerfd^einungen leinen Sprung 
eintreten laffe, ba^ man bie lompligierte 9lrt, mie burd^ 
ba^ ®eljirn @eift entftel^t, gurüdoerfolge bi§ gu ber ein« 
fad^ften 9lrt, mie bie 3Kaffe fid^ angiel^t unb abftogt. 
^aedEel fielet aU eine ber mid^tigften (Srienntniffe ber 
mobernen SBiffenfd^aft bie (SntbedCung ber S)enIorgane burd^ 
$aul ($Ic<$fi9 <in. S)iefer l^at nad^gemiefen, ba% in ber 
grauen Stinbengone bed ^irnmanteliS oier ®ebiete für bie 



— 69 — 

centralen Sinnei^organe liegen, mer «innere SntpfinbnngiS- 
fpl^oren/ bie ft5rperfül^Ifp|öre, bie Sliedgfpl^fire, bie @e]^« 
fpl^fire unb bie $)örfp]^äre. 3n'if4l^n ^i^f^n oier ®inne0« 
gerben liegen bie 2)enl^erbe, bie «reolen Organe bed 
@eifteiSlebend" ; {te «ftnb bie l^ü^lften Serljeuge ber Seelen- 
tl^ätigleit, weld^e bai9S)enIen unb bad Sen)ugtfein ner« 
miüdn .... Siefe nier ^tnt^etbt, burd^ eigentümlid^e 
nnb ^oi^H Denoidelte 9ten)enfim!tur vox ben gn^ifd^en« 
liegenben SinneiSl^erben aui^gei^eid^net, ftnb bie tod^xtn 
3) enl Organe^ bie ein}igen Drgane unfered SemuBtfeiniS. 
3n neuerer 3^^ ^Q^ Si^^^^fig nac^gemiefen, ba% in einem 
2^eile berfelben ftd^ beim SRenfd^en nod^ gan) befonberiS 
DenoideÜe @tmlturen ftnben, meldte ben übrigen Säuge- 
tieren f eitlen, unb meldte bie Überlegenheit bed 
menfd^Iid^en »emugtfeind erllären.'' (SSSeltrStfel 
®. 212 f.) 

®oId^e SiuiSfül^rungen geigen beutlid^ genug, ba% t» 
^aedCel ni(|t »ie ben ibealiftifd^en Sßelterllärem borauf an» 
lommt^ in bie nieberen Stufen bed materieDen S)afein0 
ben ®eift fd^on l^ineingulegen, um il^n auf ben l^o^eren 
mieber gu ^nben, fonbern barauf, an ber ^anb ber 
Seobad^tung bie einfad^en Srfd^einungen bid gu ben 
lompligierten gu Derfolgen, um gu jeigen, mie bie Z^ätxQ» 
leit ber äRaterie, bie ftd^ auf primitivem ®ebiete ate 9(n« 
giel^ung unb Slbfto^ung äußert, ft^l S^ ^^^ l^ol^eren geiftigen 
Senid^tungen fteigert. 

^aedel fudgt nid^t ein aDgemeinei^ geiftiged ^ringip, 
weil er mit ber allgemeinen ®efesmä§igleit ber Statur« unb 
®eiftederfd^einungen nid^t audreid^t, fonbern er reid^t obllig 
mit biefer allgemeinen ©efe^mö^igleit an&. 2)ie ®efe^« 
magigleit, bie ftd^ in ben geiftigen äSerrid^tungen auiSfprid^t, 
ift il^m oon glei^er 9(rt mit berjenigen, bie im Slngiel^en 
unb S(bftj)gen ber 9RaffenteiI4ien %nm SSorfc^ein lommt. 
ffienn er bie Sltome befeelt nennt, fo ^at ba» eine gang 
anbere Sebeutung, ald menn bieg ein Selenner einer 
ibealiftifd^en SBeltanfc^auung tl^ut. S)er le^tere gel^t vom 
®eifte auiS, unb nimmt bie SBorfteüungen, bie er an ber 



— 70 — 

Setrad^tung bt» ®tx^M gemonnen l^at, mit l^inunter in 
bte einfachen Serric^iungen ber 9itomt, mtnn er biefe be« 
feett benit. @r erll&ri alfo bie ätaturerfd^einungen cai» 
ben SSefenl^eiten^ bie er erft felbft in fte l^ineingelegt l^at 
$)aedel gel^t ron ber Seirad^tung ber einfadgften %atur« 
erfd^einungen an» unb verfolgt biefe biiS in bie geiftigen 
aSerrid^tungen l^erauf. Sr erlWrt alfo bie Oeifteöer- 
f (Meinungen and ®efe^en^ bie er an ben einfad^ften ^atur» 
erfd^einungen beobad^tet l^at. 



Sieben ber SSeltanfd^auungiSftrömung; bie burc^ ben 
@ntn)idelungdgebanlen eine ooDe (Sinl^eit in bie Sluffoffung 
Don %atui* unb ®eiftederfd)einungen bringen wxU, läuft 
eine anbete, bie biefen ©egenfa^ in ber benibar fd^cirfften 
Sform lieber gut ®eltung bringt, ^uä) fte ift au^ ber 
%aturn)iffenf(igaft l^erauiS geboren. Sl^re Sefenner fragen 
fid^: äßorauf ftü^en roxt un» benn, bie mix aud ber 99eob« 
ad^tung burd^ SDenlen eine SBeltanf d^auung aufbauen ? 9Bir 
l^öreU; feigen unb taften bie Korpern)eIt burd^ unfere @inne. 
^ir beulen bann über badjenige nad^, ma^ uniS bie Sinne 
über bie SSelt fagen. 98ir mad^en unii alfo unfere ®e« 
banlen über bie 9BeIt auf ba» S^^gniiS ber @inne Igin. 
^ber finb benn bie Sludfagen unferer @inne untrüglid^? 
fragen mit bie )6eobad^tung. 2)ad Stuge bringt uniS bie 
Sid^terft^einungen. @ir fagen, ein Jtörper fenbe und roted 
fiid^t; roenn bal^ Sluge rot empftnbet. 9ber bal^ Sluge 
überliefert uniS eine Sid^tentpfinbung aud^ in anberen trauen. 
SBenn eiS geflogen ober gebrüdt micb, totnn ein eleltrifd^er 
@trom ben ftopf burc^fliegt, fo l^at bai^ äuge ani) eine 
JOid^tempfinbung. @» lönnte fontit aud^ in ben gföSen« in 
benen wie einen Körper ate leud^tenb empftnben, in bem 
jtorper etmad oorgegen, mad gar leine ^]^nlid)leit l^at mit 
unferer (Smpftnbung bedfiidgteiS: bad äuge mürbe und bodg 
£id^t übermitteln. 2)er $^#oIoge gol^anned äRüUer 
(1801—1858) I^at aud biefen X^ai^a^txt gefolgert, bag 
ed nid^t oon ben dugeren Vorgängen abpngt, mad mir 
empftnben, fonbern oon unferer Drganifation. Unfere 



— 72 — 

%eroen vermitteln uniS bie Smpfinbungen. So mit mit 
nid^t bau äReffer etnpftnben^ baiS uniS fd^neibet, fonbern 
einen 3uftanb unferer Heroen, ber und fd^mergl^aft erfc^eint; 
fo entpftnben mix and^ nid^t einen Sorgang ber kugen« 
mtli, mtnn und Sidgt erfd^eint, fonbern einen 3>ifl<^^ 
unfered Sel^neroen. Sprangen mag Dorael^en^ mad miO: 
ber @el^nen) üBerfe^t biefen au^er und ßegenben SSorgang 
in Sid^tempfinbung. ^S)ie Smpftnbung ift nid^t bie Seitung 
einer Dualität ober eined Qnfianbt» ber äußeren ftorper 
gum äSemu^tfeiU; fonbern bie Seitnng einer Qualität, eined 
3uftanbed unferer %eroen gum Semugtfetn, oeranlagt buxi} 
eine äußere Urf ad^e.'' 2)ied ©efe^ l^at ^o^annt» aRüUer 
bad ber fpegififd^en @innedenergien genannt. Sft ed 
rid^tig; fo l^aben mir in unferen Beobachtungen nid^td oon 
ber ^ugenmelt gegeben, fonbern nur bie Summe unferer 
eigenen ^n^iänbt, 9Sad mir mal^rnel^men, l^at mit ber 
Sfugenmelt nid^td gu tl^un; ed ift ein (Srgeugnid unferer 
eigenen Crganifation. SSir nel^men im ©runbe nur mal^r, 
mad in und ift. 

Sebeutenbe 9taturforfdt)er feigen in biefen ©ebanlen 
eine unmiberleglid^e ©runblage il^rer SSeltauffaffung. 
^ermann ^elmi&olfe (geb. 1821) fanb in il^r ben 
Jiantfd^en ®eban!en, ba% fid^ alle unfere Srienntniffe nid^t 
auf S)inge auger und begiel^en, fonbern auf Vorgänge in 
und (oergL I. Sanb biefer SBeltanfd^auungdgefc^ic^te) ind 
%aturmiffenfd^aftlid^e überfe^t. @r ift ber $(nftd^t, ba% 
unfere @mpfinbungdmelt und nur 3^i<^^n giebt oon ben 
Vorgängen in ben J^örpern brausen in ber SBelt. „^(^ 
j^abe bie äJejiel^ung gmifd^en ber @mpfinbung unb i^xtm 
Dbjelte fo formulieren ju mfiffen geglaubt, ba% id^ bie 
@mpftnbung nur für tin '^ti^tn oon ber @inmirlung bt^ 
Objeltd erÜärte. 3^^ Sßefen eined Qüd)tn^ geprt nur, 
ba% für ba^ gleid^e Objelt immer badfelbe '^tii^en gegeben 
merbe. Übrigend ift gur leine Sirt oon äl^nlid^Ieit gmifd^en 
il^m unb feinem Objelt nötig, ebenfo menig mie gmifc^en 
btm gefprod^enen SSorte unb bem ©egenftanb, ben mir 
baburd^ begeid^nen. — 8Bir lönnen unfere ©tnnedeinbrüdfe 



— 73 — 

nic^t einmal Silber nennen; benn ba» Silb bilbet^ 
gleid^ed burd^ gleid^ed ab. 3n einer Staiue geben n)ir 
ftbrperfomt burd^ ^örperform^ in einer S^i^^^ung btn 
perfpellioifc^en Stnblid bed ObieltiS burd^ ben gleid^en bt» 
SilbeiS^ in einem ®emälbe gfarbe burc^ gfarbe." Ser« 
fd^iebener al& Silber pon btm Slbgebilbeten muffen fomii 
unfere ßmpftnbungen con bem fein, toa» brausen in ber 
SSelt Dorgel^t. S3ir l^aben ed in unferem ftnnlid^en SBelt« 
bilb mit nid^tö ObjeltiDem, fonbern mit einem gang unb 
gar ®ubj[eltipem gu tl^un, bad mir felbft aM uniS aufbauen 
auf ©runt ber äßirlungen einer nie in und bringenbea 
9(ugenmett. 

3)iefer SSorfteQungi^meife iommt bie plg^ftlalifd^e Se« 
trad)tung ber ®innederfd^einungen oon einer anbem @eite^ 
entgegen. Sin @d^all, ben mir pren, fül^rt uniS auf einen 
Körper in ber Hugenmelt, beffen Zieile ftd^ in einem be« 
ftimmten Semegungi^duftanbe beftnben. (Sine gefpannte- 
Saite fd^mingt, unb mir Igoren einen Zon. Sie @aite 
verfemt bie Suft in ©c^mtngungen. 2)iefe breiten ftd^ an»^ 
gelangen biiS gu unferem Dl^re: uniS teilt ftc^ eine Son* 
empfinbung mit. S)er $]^9ftler unterfud^t bie (Sefe^e, nad^ . 
benen brausen bie Körperteile fid^ bemegen, mäl^renb mir 
biefe ober jene £öne Igoren. äRan fagt, bie fub|eItioe 
£onempfinbung berul^t auf ber objeltioen Semegung ber 
ftörperteild^en. äl^nlid^e Serlgältniffe fielet ber ^l^^ftler in 
Segug auf bie Sid^tempftnbungen. ^u6^ baS Sid^t beruht 
auf Semegung. %ur mirb biefe Semegung nid^t bur^l 
bie fd^mingenben Suftteilc^en uniS überbrad^t, fonbern burd^ 
bie @d^mingungen bt^ ^t^tt», biefed feinften ®toffed; ber 
aUe 9täume bt» ^tÜaU» buri^flutet. 2)urd^ jeben felbft« 
leud^tenben ftörper mirb ber Htl^er in meüenformige @d^min* 
gungen oerfe^t, bie ix» gur Ste^l^aut unferei^ SlugeiS ftd^ 
ausbreiten unb ben Seltnen) erregen, ber bann bie(Smp^nbun$ 
bed fiic^ted in uniS ^eroorruft. SESad in unferem SBelt« 
btibe ftd^ dü üxä)i unb ^aibt barfteHt, baii ift brausen 
im Slaume äJemegung. Sc^Ieiben brüdCt biefe SCnfid^t mit 
ben SSorten aM: ,,Z)ad Sid^t au^er und in ber %atur ifi 



— 74 — 

IBetpegung beS Stl^erd, eine Seroegung lann langfam unb 
jc^nell fein, biefe ober jene Stic^tung Igaben, aber e$ f^ai 
offenbar leinen Sinn, oon einer l^ellen ober bunllen, oon 
einer grünen ober roten SBemegung ju fpred^en; lur^: 
auger und, ben entpftnbenben ^efen, giebt e» lein ^eH 
unb ®unfel, leine Qforben.* 

2)er $]^9filer broingt alfo bie f^arben unb ba» Sid^t 
<tud ber Slu^enmelt l^erauiS, rotil er in il^r nur SBeroegung 
finbel; ber ^^qfiologe ftel&t fidEi genötigt, fie in bit Seele 
^ereinguncj^men, roeil er ber änfidtit ift, ba^ ber 9iero nur 
feinen eigenen 3uftanb angeigt, mag er oon roaö immer 
erregt fein. Sd^arf fprid^t bie baburc^ gegebene Snfd^ou» 
ung S>. Saine in feinem ©udE|e ;,®er SSerftanb" (S)eutfdt|e 
Sludgabe, Sonn, 1880) an». SDie äugere SSal^rnel^mung 
ift, feiner SReinung nac^, eine malere ^aüucination. S)er 
^aHucinör, ber brei Sd^ritte meit oon fid^ entfernt einen 
Stotenlopf fielet, mad^t genau bie gleid^e SBa^rnel^mung mie 
berjenige, ber bie Sic^tftral^Ien empfängt, bie il^m ein 
mirllit^er Sotenlopf gufenbet. @» ift in und baSfelbe 
innere ^l^antom oorl^anben, gleid^giltig, ob mir einen mirl« 
lid^en Sotenlopf oor uni^ l^aben ober ob mir eine ^aUn» 
cination Igaben. S)er eingige Unterfd^ieb gmifd^en ber einen 
unb ber anberen äBal^rne^mung ift ber, bag in bem einen 
tiaU bie auiSgeftredEte $anb ind Seere iappi, in bem anberen 
^uf einen feften SBiberftanb fiöfet. Ser S^aftfinn unterftü^t 
alfo ben ©eftd^tiSftnn. Slber ift bie Unterftü^ung mirllid^ 
fo, ba^ burc^ pe ein untrüglid^cö 3cugni5 überliefert mirb ? 
1B8aS für ben einen Sinn gilt, gilt natürlich aud^ für ben 
onbern. Slud^ bie 2^aftempflnbungen ermeifcn ftd^ aU 
|)aIIucinationen. ®cr Slnatom ^cnlc bringt biefelbe an» 
fdCiauung in feinen „8lnt]^ropoIogifd)en Vorträgen " (1876) 
auf ben SluSbrudt: „SlHeS, moburd^ mir oon einer Slugen» 
melt unterrid^tet gu fein glauben, finb gormen bc» 33e- 
mugtfeiniS, gu meld^er bie 9(ugenmelt fid^ nur aU anregenbe 
Urfad^e, ate Steig im Sinne ber 5ß]&^fioIogen oerpit. ®ie 
Slufeenmelt l&at nid^t fjarben, nid^t 2:öne, nidt)t ©efd^mädte; 
waB fie mirllidt) pt, erfal^ren mir nur auf Ummegen ober 



— 75 — 

gar ntd^t; toad ba9 fei, toobnxd) fte einen ®inn affigiert, 
erf4llie^en mir nur aM xfyctm Serl^atten gegen bie anbem, 
toit mit beifpietemeife ben Son, b. 1^. bie @d^n)ingungen 
ber (Stimmgabel mit bem Suge feigen unb mit btn Sfingern 
füllen; ba9 SBefen mond^er Steige, bie nur einem ®inne 
jtc^ offenbaren, g. 9. ber Steige bt» ®eru4ftnnd, ift uni^ 
nod^ l^eute ungugänglid^. 2)ie Qdf;ll ber Sigenfc^aften ber 
SRaterie rid^tet fid^ nac^ ber '^af^l unb ber @d^ärfe ber 
®inne; wem ein Sinn gebrid^t, bem ift eine ®ruppe von 
@igenfd^aften unerfe^Iid^ verloren; mer einen Sinn mel^r 
l^dtte, befäge ein Drgan gum Srfaffen oon Dualitäten, bie 
mir fo mcnig a^nen, wie ber S3Iinbe bie Ofarbc." 

@ine Umfd^au auf bem ©ebiete ber pl^^fiologifd^en 
£itteratur aud ber gmeiten ^älfte bei^ neunge^nten ^d^xm 
l^unbertd geigt, ba% biefe Slnfd^auung uon ber fubjeltioen 
%atur bed SBal^rnelgmungdbilbeiS meite ^eife gegogen l^at. 
SRan mirb ba immer mieber auf Variationen bed ®ebanleni^ 
ftogen, ben 3- Stofentl^al in feiner ;;$(Dgemeinen $^9fio« 
logie ber SRudleln unb Heroen'' (1877) audgefprod^en l^at: 
^^ie @mpfinbungen, meldte mir burd^ andere @inbrüde er« 
galten, finb nid^t abl^öngig oon ber %atur biefer Sinbrüde, 
fonbern oon ber %atur unferer %eroengeIIen. 9Bir 
empfinben nid)t, maiS auf unferen jtörper einmirlt, 
fonbern nur, wa^ in unferm ©el^irn oorge^t.'' 

3nmiefern unfer fubj[eItioeiS 9BeItbiIb und S^ic^^n oon 
ber objeltioen 9ugenmelt giebt, baoon giebt ^äml^ol^ in 
feiner ^$l&t|fioIogifd^en Dptil'' eine SorfteHung : ^©ie^rage 
gu fteDen, ob ber 3innoBer mirllidti rot fei, mic mir il&n 
feigen, ober ob bicö nur eine ftnnlid^e SCäufd^ung fei, ift 
finnloi^. S)ie @mpfinbung oon Stot ift bie normale Slealtion 
normal gebilbeter Singen für ba» oon '^innobtt refleltierte 
Sid^t. @in Stotblinber mirb ben Sinnober fd^marg ober 
bunlelgraugelb feigen; auc^ bieg i^ bie rid^tige Stealtion 
für fein befonberS geartete^ Sluge. @r mn% nur miffen, 
bai fein 9(uge eben anberd geartet ift, ate bal^ anberer 
9Kenfd^en. 9n ftd^ ift bit eine @mpfinbung nidgt richtiger 
unb nic^t falf^ier oü» bie anbere, menn mä) bie Stotfel^en« 



— To- 
ben eine groge äRajorität für ftd^ l^aBen. Übtt^anpt 
e^iftiert bie rote 3<n:be bed S^nnoberiS nur, infofern t» 
3lugen giebt, oie benen ber 9Raiorität ber 9Kenfd^en ä^n» 
lid^ befd^affen finb. ©enau mit bentfelben Sted^te ift t» 
eine @igenfd^aft bed SinnoberiS, fd^n)ar} gu fein, nämlid^ 
für bie SRotblinben. Öberlgaupt ifi bad t)om 3innober 
9urüdgen>orfene Sid^l an ftd^ burd^auiS ni^lt rot gu nennen, 
ed ifi nur für beftimntte Slrten oon Stugen rot. — Stroad 
anbereiS ift t», menn mit bel^aupten, ba% bie SSeHenlängen 
bed oom 3^1^"^^^ gurüdEgeroorjfenen fiid^teiS eine gemiffe 
ISänge l^oben. 2)aiS ift eine SiuiSfage, bie mir unabl^ctngig 
oon ber befonberen %atur unfered S(ugei$ mad^en lonnen, 
bei ber t» fidg bann aber anä) nur unt Segiel^ungen ber 
Subftang unb ben oerfd^iebenen Stl^enoeQenf^ftenien 
^anbelt." 

@d ift Ilar, ba% für eine folc^e Slnfd^auung bie ge« 
fantte Summe ber äSelterfc^einungen in eine Sn'ci^^ii ^^^' 
einanberfäQt, in eine SBelt ber SemegungiSguftänbe, bie un« 
abl^öngig oon ber befonberen 9!atur unfered ÜSal^rnel^mungiS" 
oermögend ift, unb in eine S?elt fubjeltioer S^ftönbe, bie 
nur innerl^alb ber ma^rnel^menben SBefen finb. @d^arf 
pointiert l^at biefe $(nfd^auung ber $l^^fiologe 3)u SSoiiS» 
9tet)monb in feinem Vortrage: «Über bie ©renjen bei^ 
%aturerlennend'' auf ber fünfunboiergigften Serfammlung 
S)eutfd^er %aturforfc^er unb Wc^it in äeip}ig am 14. Sluguft 
1872 gur 2)arfteIIung gebradE)t. Staturoiennen ift Quv&d» 
fül^ren ber oon nM mal^rgenommenen Vorgänge in ber 
äSelt auf Semegungen ber Ileinften Körperteile, ober «!luf« 
löfung ber %aturoorgcinge in äRed^anil ber 8ltome." S)enn 
„ed ift eine pfpd^ologifd^e @rfal^rungdtl^atfad^e, bag, mo 
fold^e 9(uflöfung gelingt'' unfer @rIIärungiSbebürfniiS vou 
läu^g befriebigt ift. %un finb unfer Xeroenf^ftem unb 
unfer ®t^itn and) lörperlic^er Statur. 2)ie Vorgänge, bie 
fid^ in il^nen abfpielen, lönnen anä^ nur Semegungdoor« 
gonge fein. SBenn ftd^ £on« ober fiid^tfd^mingungen biiS 
gu meinen SinneiSorganen, unb oon ba bis in mein ®e« 
i^irn fortpflanaen, fo lönnen fie l^ier an^ nid^tö fein ate 



— 77 — 

Setoegungen. 3<^ I<tnn nur fagen: in meinem ®el^irn 
finbet ein beftimmter äSemegungiSnorgang ^iaii; unb babei 
empftnbe id^ „toi.*' 2)enn menn e» ftnnlod ift, oom 
3innober ju fagen: er fei rot, fo ift ed nidgt minber finn« 
bd, Don einer Semegung ber ©el^irnleile gu fagen, fic fei 
l^eQ ober bunlel, grün ober rot. „®tumm unb finfier an 
fxi), b. lg. eigenfd^aftiSloiS'' ift bie SBelt für bie burd^ natur« 
miffenfd^aftlid^e SSetrad^tung gemonnene ^(nfc^auung, meldte 
„^iaii @c^aS unb Si(|t nur Sc^mingungen eineiS eigen« 
f(!^aftIofen, bort jur mögbaren, ^ier gur unmägbaren 
SRaterie gemorbenen Urftoffed lennt . . . ®aö mofaifd^e: 
@d marb Sid^t, ift pl^pfiologifd^ fttifä). fiid^t marb erft, 
ald ber erfte rote Slugenpunlt eineiS Snfuforiumi^ gum 
erftenmal $ell unb S)unlel unterfd^ieb. Cl^ne @el^« unb 
o^ne ©eprftnnfubftang möre biefe farbenglü^enbe, tönenbe 
SBelt um unö f^tt pnfter unb ftumm.'' (©rcngen be« 
Äaturerlennenö, @. 16.) ®urd^ bie SSorgänge in unfcrer 
@e]^« unb ©eprfinnfubftang mirb alfo aM ber ftummen 
unb ftnfteren SBelt — biefer 8lnfid^t gemöfe — eine tönenbe 
unb in gfarben leuc^tenbe l^eroorgegaubert. Sie finftere 
unb ftumme Säelt ift lörperlid^; bie tönenbe unb farbige 
^elt ift feelifd). SBoburd^ ergebt ftd^ bie le^tere aud ber 
erfteren; moburd^ mirb ouö Semegung ©mpftnbung? §ier 
geigt pd^unö, meint ®u SoiS»9le^monb, cine^^Srengc beS 
Sfaturerlennenö.'' 3n unferem ©el^irn unb in ber äufeen« 
mclt gicbt cö nur Scmegungcn; in unfercr Seele erfcfteinen 
@mpftnbungen. %ie merben mir begreifen lönnen, mie ba^ 
eine ans bem anberen entftel^t. „@d fd^eint gmar bei ober« 
fIädE)Iid^er SSetrad^tung, als tonnten burd^ bie ^enntniiS ber 
materieQen SSorgänge im ©e^irn gemiffe geiftige Vorgänge 
unb Einlagen uniS oerftänblic^ merben. 3d^ red^ne bal^in 
baS ©ebäc^tniiS, ben SIu§ unb bie Slffogiationen ber 9Sor- 
ftcHungen, bie folgen ber Übung, bie fpegififd^en 21alente 
u. bergl. m. ^aS geringfte 3tad)benUn lel^rt, ba^ bxtS 
eine SEäufdEiung ift 9iur über gemiffe innere Sebingungen 
beS ©eifteiSlebenS, meld|e mit ben äußeren burd^ bie 
©innegcinbrüdte eitoa glcic^bebeutcnb finb, mürben mir 



— 78 — 

uttterrid^tet fein, nic^t über ba» 3uftanbe!ommen bed ©eifted« 
lebeitiS bnxi) biefe Sebingungen. — SBeld^e benlbore äSer« 
btnbung it\ttf)i ^totfc^en beftitnmten Semegungen beftimtnter 
9tome in meinem ©e^irn einerfeitd, anbererfeitd ben für 
mid^ urfprünglic^en, nid^t meiter beftnierbaren, nid^t n)eg« 
guleugnenben £]^atfad^en: Sd^ fül^Ie Sd^merg, fül^Ie Suft, 
id) fd^mede @üged, ried^e Stofenbuft, l^öre Orgelton, fel^e 
Stot, unb ber ebenfo unmittelbaren baraud fliegenben ®e» 
mig^eit: alfo bin id^? @d ift eben burdgauiS unb für 
immer unbegreiflid^, ba% ed einer Slngal^I oon J(ol^Ienftoff% 
SBofferftoff-, ©tidftoff-, Sauerftoff- u. f. m. ätomen nid^t 
folle gleid^giltig fein, mie fie liegen unb ftd^ bemegen, mie 
fie lagen unb ftd^ bemegten, mie fie liegen unb fid^ bemegen 
merben/ (Sd giebt für bie Srienntnid leine SrüdEe Don 
ber Semegung gur @mpftnbung: ba» ift S)u SoidoSle^» 
monbd ©laubendbelemttniiS. 98ir lommen aud ber 9e« 
megung in ber materiellen äSelt nic^t l^erein in bie feelifd^e 
9SeIt ber @mpftnbungen. SSir miffen, ba^ bnxi) bemegte 
SKaterie 6mpfinbung entfielet; icbod) mir miffcn nid^t, mie 
baß mögltd^ ift. Slber mir lommen in ber SBelt ber Sc* 
megung aud^ nid)t über bie Semegung l^inaud. SSir !önnen 
für unfere fub|eltit)en äSal^rnel^mungen gemiffe Seme« 
gungdformen angeben, meil mir aui^ bem Serlauf ber 
äSal^rnel^mungen auf ben Serlauf ber Semegungen fdgliegen 
lonnen. 2)od^ l^aben mir leine SorfteQung, mad fid^ brausen 
im SRaume bemegt SBir fagen: bie 9Raterie bemegt fid^. 
SBir oerfolgen il^re Semegungen an ber ^anb unfercr fec« 
lifd&en 3wf*önbe. S)a mir aber baß Seroegte felbft nicfit 
roa^rnel&men, fonbern nur ein fubjeltioeö '^txä^tn baoon, 
lönnen mir aud) nie miffen, maß 9ßaterie ift. SieOeid^t 
mürben mir, meint S)u SoiiS-Sle^monb, aud^ baS Sfätfel ber 
Smpfinbung löfen lönncn, menn erft baß ber SKaterie offen 
oor unß läge. äSügten mir, waß äßaterie ift, fo müßten 
mir oermutlid^ aud^, mie fie empftnbet. Seibed fei unferer 
(Srienntnid ungugänglid^. S)ie über biefe ©renge l^inmeg« 
lommen moQen, bie foQen S)u Soii^^^ie^monbd SSorte 
treffen: ;,9Kogen fie tß bod^ mit bem einzigen Sludmeg oer- 



— 79 — 

fud^en^ btm beiS ®upranaturalidmud. Stur ba%, mo @upra«^ 
naiuralidmud anfängt, SSiffenfd^aft aufhört.'' 

3n gmei fd^arfen ©egenfä^en lebt ftd^ bie ntnttt 
9}aturn)iffenfcl^aft an». 2)te eine, bie ntoniftifd^e Strömung 
fd^eint auf beut SBege au fein, aud beut ©ebiete ber Statut» 
erlenntnid l^erauiS )u ben n)i(^tigften SSeltanfd^auungiSfragen 
oorgubringen; bie anbere erllört fid^ au^er ftanbe, mit. 
naturmiffenfd^aftlid^en SRitteln meiter gu lommen, ate biiS 
gu ber Srienntnid, biefem ober jenem fubjeltioen S^ftanb 
entfprid^t biefer ober jener Semegungdoorgang. Unb fd^arf 
[teilen {1(^ bie Vertreter beiber Strömungen gegenüber. 2)u 
SSoiiS'Sle^monb Igat ^atdtU «Sd^öpfungdgefd^id^te'' ald 
einen Stoman abgetl^an. (Sgl. S)u SSoid'Slepmonbd 9iebe 
„Darwin versus Galiani.**) ®ie Stammbäume, bie ^aecfel 
auf ®runb ber oergleid^enben 9)natomie, ber jteimungiS» 
gefd^id^te unb ber Paläontologie entmirft, ftnb il^m Mtoa 
fo oiel merl, mie in ben 9[ugen ber l^iftorifd^en ^iti! bit 
Stammbäume l^omerifd^er gelben.'' ^aedCel aber fielet in 
2)u äJoiiS-Ste^monbd Slnfd^auung einen unmiffenfd^aftlic^en 
2)uaIidmuiS, ber naturgemäß ben rüdfd^rittlid^en SBelt« 
betrad^tungen eine Stü^e liefern mui, ^.Ser gubel ber 
Spiritualiften" über S)u SJoiö-Sle^monbS ^©reng-SRebe'' 
mar um fo l^eDer unb berechtigter, al& @. bu SoiS«9le^»^ 
monb bid ba^in aU bebeutenber pringipieQer Vertreter 
bed miffenfdEiaftlid^en 9RateriaIiiSmui$ gegolten l^at.'' %od^ 
fd^ärfcr l&at fid^ ^aedtel in feiner ^äntl^ropogenie'' über 
ben ©ebanlen an „©renken beiS %aturerlenneni$'' auiSge« 
fprod^en. ;,3n biefem ©eifteölampfe . . ftel^en auf ber einen 
Seite unter bem lid^ten Sanner beräSiffenfd^aft: ©eifteiS« 
freii^eit unb SBaJ^r^ett . . auf ber anberen Seite unter ber 
fc^margen tjaf^nt ber ^ierarc^ie: ©eiftedlned^tfd^aft unb 
Süge.'' 

SBaö Siele für bie Sn^citeilung ber SBelt in äußere 
Sorgänge ber Semegungen unb in innere (fubjeltioe) ber 
@mpfinbung unb Sorfteüung gefangen nimmt: S)ad ift bit 
Slnmenbbarfeit ber SKat^cmatil auf bie erfte Hrt oon Vor- 
gängen. SSenn man materielle Seile (Sltome) mit Gräften. 



— 80 — 

•annimmt, fo lann man bered^nen, mie ftd^ biefe Sltome 
unter bem @tnflug biefer jträfte bemegen muffen. 3Stan 
f^ai ba» ängtel^enbe, ba» bie Slftronomie mit il^ren ftrengen 
Ted^nerifdjen 9Retl^oben l^at, in ba& Meinfte ber Körper 
]^inein getragen. S)er Slftronom bered^net au^ ben ©efe^en 
ber $immeteme(^anil bie ^xi, mit fxd) bie SBeltlörper be« 
toegen. 3n ber ßntbedung bed %eptun l^at man einen 
Sriumpf biefer C>i^wtefemecl^anif erlebt. Stuf foldie ®e» 
fe^e, mie bxt Bewegungen ber ^immeldlörper, lann man 
nun au^ bie Semegungen bringen, meldte in ber äugecen 
USelt vov fxä) gelten, menn mir einen S^on l^ßren, eine 
gfarbe feigen; man mirb DieQeid^t einmal bie Semegungen, 
bie fid^ in unferem ©e^irn abfpielen, bered^nen lönnen, 
mäl^renb mir baS Urteil fäDen: gmeimal gmei ift t)ier. 3n 
bem Slugenblide, mo man aUt^ bered^nen lann, xoa^ fid^ 
auf 9led)nungiSformeIn bringen lögt, ift bie SSelt matl^e» 
matifc^ erllärt. Saplace l^at in feinem „Essai philoso- 
phique sur les Probabilites" (1814) eine beftridfenbe ©d^il» 
berung beS Sbeald einer foI4)en SBelterllörung gegeben: 
„@in ©eift, ber für einen gegebenen SlugenblidC aDe Gräfte 
lennte^ meldEie bie Statur beleben, nnb bie gegenfeitige fiage 
ber SBefen, auS benen fie beftc^t, menn fonft er umfaffcnb 
genug märe, um biefe Slngaben ber Snalgfe gu unter» 
rocrfcn, mürbe in berfelben Formel bie Scmegungen ber 
größten SBeltlörper unb beS leid^tcften Sltomö begreifen: 
nid)tiS märe ungemig für il^n, unb Si^'^nf^ ^^^ SSergangen« 
l^eit märe feinem Slidte gegenroärtig. 2)er menfd^lid^e Ser* 
ftanb bietet in ber SSoDenbung, bie er ber äftronomie 
gu geben gemußt f)ai, ein fd^mad^ed Slbbilb einei§ fj)Id)en 
^cifteS bar." Unb 3)u SoiS-SHe^monb fagt anfc^Iiefeenb 
an biefe SBorte: ^^SBie ber Slftronom ben Sag oorl&crfagt, 
an btrn nad) Salären ein Äomct au^ ben Siefen beö SBelt» 
raumeig am ^immeliSgemöIbe miebcr auftaud^t, fo läfe jener 
©eift in feinen Sfted^nungcn ben Sag, ba baS gried^ifdfie 
Sreug oon ber ®op]^ienmofd)ee bli^en unb ba @nglanb 
feine le^te ©teinlol^Ie ocrbrennen mirb.'' 

@j^ lann nid^t begmeifelt merben, ba^ idt) auä^ burd^ 



— 81 — 

bie ooniotntnenfie matl^ematifc^e jtenntnid eined SemegungiS« 
DorgangeiS nid)ti9 getoinne, xoaS mii) barüber aufllärt^ 
marunt biefer SemeguttgdDorgang als rote gforbe auftntt 
SBenn eine jtugel an eine anbete flögt, fo lönnen mit — 
fo fd^eint ed — bie 9li<i|tung bei gn)eiten Stugel erilären. 
äSir lonnen ntatl^entatifc^ angeben, n^ad für eine Seme« 
gung aud einer anberen entfielet. 3Bir lönnen aber nid^t 
in biefer 3Beife angeben, wie au^ einer beftintmten 93e* 
megung bie rote gfarbe l^eroorgel^t. 9Bir lönnen nur fagen: 
wenn biefe ober jene SSemegung oorl^anben ift, ift biefe 
ober jene t^ctrbe oorlganben. 98ir lönnen in biefem t^aUt 
nur eine Xl^atfac^e bef einreiben. äSäl^renb mir alfo ba& 
rcd^nerifd^ Scftintmbare — fd^einbor im ©egenfa^e jur 
bloßen 93efd^reibung — erllären lönnen, fommen mir 
aQen^ na^ ftdE) ber Sted^nung entgiel^t, gegenüber nur %n 
einer Sefdireibung. 

SDiefe Unterfd^eibung berul^t bei einem genaueren 3u* 
feigen auf einem 9ßigoerftctnbniiS beffen, xoa» bie 9Rat^ematiI 
unb bie SBiffcnfdjaflen Iciften, bie fid^ auf fte aufbauen. S)ie 
SRat^ematil l^at etxoa^ burd^auiS Unperfönlid^eiS, SSIutleered. 
^^xt äSorfteüungen treten aU Ilare, aüfeitig burd^ftd^tige 
auf. @ie fügen fic^ ^ufammen, fd^einbar ol^ne ba% i^ mit 
meinem ©eifte babei bin. SBenn id^ an^ eingelnen Qal^Un 
eine Summe bilbe, fo ift mir Ilar, ba% iä) md)i^ bagu 
t^un lann gu bem, mie biefe ®umme mirb. äSenn id^ nun 
biefe burd^pt^tige, unpcrfönlid^e Älarl^eit auf bie SBelter* 
fd&einungen übertrage, fo übertrage iä) ba& Unperfönlid^e, 
S31utleere mit. 9Kir erfd^eint aUtB, morauf fid^ matl^ema« 
tifd^e Sorfteßungen anmcnben laffen, burd& fid^ felbft [id)et. 
äBenn eine ftugel bie anbere ftö^t, fo lann idE) bie 33eme« 
gung ber ^mtiitn aM berjenigen ber erften beredgnen. 3<$ 
übertrage bie ®iä)tTf)tit, bie in ber Sted^nung liegt, auf 
ben äugeren SSorgang. 3d) oerliere ooUftänbtg au» btm 
9luge, ba^ iä) bodd nid^t^ getl^an l^abe, als einen äußeren 
SSorgang bur^ bie matl^ematifd^en äSorfteQungen auiSgebrüdtt, 
bie id) mir oorl^er gebilbet l^abe. (&» ^ai fxä^ mir l^eraud« 
gefieQt^ ba% ein SSorgang, ben id^ mal^rnel^me, in meine 

steifer, fü&tJU unb SebmSanfd^auimgen. n. 6 



— 82 — 

matl^ematifd^en SorfieQitngen pagt. ^äiit id) mir nid^t 
Mtfe mat^tmatx\d)tn SorfieSungen geBilbet, fo lonnte i^ 
oud^ bcn Setoegung^Dorgang nur ate £^atfad^e befd^reiben. 
3d^ lonnte fagen: eine jtugel bemegt ftd^ fo unb fo; fle 
ftogt an eine ^mtiit; biefe belegt fid^ fo unb fo. 3d^ 
lann nicfttiS anbereiS tl^un, als wa» id^ aud^ l^ue, wenn 
id^ fefifteOe, l^ier ift eine Semegung Ileinfter ftürperleile unb 
im 3ttf<twinen^ang bamit bie tSc^tbt «Stot." Sin i^ mir 
nun Ilar barüber, bag mir anä^ innerl^alb ber burd^ 
Sted^nung p faffenben SBal^rnel^mungen bie Srfd^einungen 
felbft nid^td geben ate kf^ai\ad)tn, bie i^ befd^reiben 
lann, fo entfällt ber ganje Unterf(^ieb jmifd^en ben Se» 
megungiS« unb btn anberen SSorgöngen. @d ift nur bad 
eine gmeifeQod; bag id) auf bie äJemegungen burd)fid^tige, 
Höre SorfteQungen ann^enben lann, bie id^ mir in ber 
9Ratl^ematiI bilbe. SSad tl^ue id^ benn nun eigentlid^? 3d^ 
befd^reibe bie Xl^atfad^en mit $ilfe ber matl^ematifc^en 
SorfteQungen. Sag biefe Sefd^reibung mir aü tttoaS 
gang SefonbereiS erfd^eint, oerbanle id^ lebiglid^ einer Ser« 
me(^felung ber Haren, burd^fid^tigen matl^ematifd^en Sor- 
fteUungen mit ber S^atfad^e felbfi 

%un ift eine burd^aud unbered^tigte 93el^auptung, menn 
man fagt: £l^atfad^engufammen^ctnge, bie nid^t in Seme« 
gungen fxd) erfd^öpfen, laffen fid^ nxd)i mit SSorfteDungen 
faffen. @o unperfönlid^ unb blutleer ftnb anbere SSor:: 
ftellungen nid^t, mie t9 bie matl^ematifd^en finb. @o 
unperfönlid^ unb blutleer finb anbere SSorfteDungen nxd)i, 
mit tS bie matl^ematifd^en finb. Slber fte finb btS» 
l^alb nid^t unmoglid^. ^a» S)u Soid-Ste^monb ald 9e« 
meid für eine fold^e Unmdgli(^leit beibringt, befagt gar 
nid^tiS. S)enn menn id^ fage: ed beftel^e leine benfbare 
Serbinbung gmifd^en beftimmten Semegungen beftimmter 
Sttome in meinem ©el^irn unb ber £^atfa(^e: id^ fü^Ie 
@d^merg, fü^Ie Suft, fo lonnte id^ auc^ behaupten, ed be« 
ftel^e eine foI(^e benibare äSerbinbung ni(^t jmifc^en ber 
einen unb ber anberen Semegung. @d foll burd^aud unb 
für immer unbegreißic^'' fein, marum eiS einer «beftimmten 



— 83 — 

W^ta^l Don Jtol^Ienfioff-, äSafferfioff-, Stidtftoff-, 6auer- 
\to^* u. f. w, Atomen'' nid^t gleid^giltig fein foS, mie fie 
liegen unb ftd^ bemegen, mie fte lagen unb ftc^ bewegten, 
mie {te liegen unb [xd) bemegen merben." 2)a il^nen biefed 
gleid^giltig fein lann, fo foQ man md)i oerftel^en lonnen, 
morum fie burd^ il^re Semegungen i,3tot'' ober «Slau" |er« 
ooxbringen. ^a, lann ed benn nxd)t aud^ ber auf bem 
SiDarbbrett ba^inroSenben Jtugel glei(^giltig fein, mie fie 
fid^ bemegt; matum foS benn eine befÜmmte Semegung ber 
gmeiten jtugel au^ ber S9emegung ber erflen folgen? SBer 
leugnet, bc^ gu begreifen ift, mie ^Stot'' ober „&d)mtti*' 
mit einem Semegungdoorgang pfammenl^ängt, mug aud^ 
leugnen, bag irgenb eine SRoglid^Ieit beftel^t, ju erlennen, 
marum eine Semegung an» einer anberen folgt. Sie Sor* 
fteüungen, burdi bie mir ba» erftere begreifen, merben fo 
einf ad^ unb burd^F^d^tig nid)i fein mie bie mat^ematifc^en. 
2)a6 fte nid)i oorl^anben ftnb, Irinnen nur fold^e S)enler 
bel^aupten, bie oon ber Snfdiaulid^leit unb 2)eutlid^leit ber 
mat]^ematif(^en SorfteQungen fo fadjiniert finb, ba% aüt Sor* 
fteQun^en, bie man fid^ auger biefen nod) bilben lann, 
il^nen al» unmiffenfd^aftlid^e $^antafiegebilbe erf(^einen. 
Sinnen lann man nur antmorten: mol^er nel^mt il^r eure 
matl^ematifc^en SorfteSungen? {)antiert tl^r mit S^l^atfad^en, 
menn i^r ben jhreiiS, bie (Sümpfe, bit ^r)pttbd in mat^e* 
matif(^er SSeife begreift? SIeibt i^n nxd)i ganj innerl^alb 
eurer ^^antafie? 2)ie gange 3Rat^ematiI ift ein $robuIt 
ber $]^antafie, unb il^r fä^It tuä) mit euren matl^ematifd^en 
Sered^nungen ber äSelterfd^einungen burd^ nid^td anbereiS 
fo fi^er, ato meil il^r finbet, ba% eure mat^emattfd^en $l^an« 
tafieoorfteQungen fo oortreffiid^ auf bie äSelterft^einungen 
anmenbbar finb. SBo aber bie SBelterfc^einungen aufhören, 
mat^ematif(^ gu fein, muffen mir aud^ aufboren, mai^tma* 
tifd^ gu beulen? Sollen mir beSl^alb audi aufhören, fiber« 
l^aupt gu beulen? ®o gut mir und oorfteDen lonnen, ba^ 
33emegung au» Semegung i^eroorgelgt, fo gut lonnen mir und 
oorfteQen, ba% „Sd^merg'' ober ^Stot'' an» Semegung folgt 
9htr ift ba» le^tere eben lompligierter. Sedl^alb !ann and) 

6* 



— 84 — 

leidet ein S^rtum in unferen SorfteDungen eintreten. 9,het 
geint lann aud) feI6ft in ber Sted^nung merben. 

@in ithtnintii^voUt» n)iffenf(^aftltc^ed SelenntniiS fiai 
Sthcl^^off Qti^an, al» tt 1874 bie Slufgabe ber äRed^anil 
in bie SBorte fagte: fte foQe ^bie in ber $atur cor ftd^ 
gel^enben Semegungen DoUftänbig unb auf bie einfad^fte 
SSeife befd^reiben.'' S)ie äRedEianil bringt bie aSatl^entatil 
)ur Slnmenbung. JKirdil^off belennt, ba% mit $Ufe ber 
äßatl^entatil nid^td erreid^t merben lann, ald eine DoQftänbige 
unb einfädle Sefd^reibung ber Vorgänge in ber %atur. 
Stun n^öre ed gmeifeUoiS gu n^eit gegangen, menn man bie 
n)iffenfd^aftli(^e Bearbeitung ber %aturerfd^einungen auf 
gleidie Stufe fiellte mit ber rollen Sefd^reibung, bie mir 
im gemöl^nlid^en Seben t)on einem Vorgänge liefern. S)ie 
benlenbe Setrad^tung unterfd^eibet fid^ bod§ mef entließ Don 
ber rollen S9efd^reibung. 3)iefe SJefd^reibung geid^net auf, 
xoa» fie in Staum unb 3^^^ nebeneinanber finbet; jene ä9e« 
trad^tung bringt anbere mefentlid^e Regierungen in bie 
Sßal^rnfl^mungi^melt. SBer blo% befd^reiben miQ, ber 
fd^ilbert, mie ftd^ ber Smbr^o eineiS 2:iered von einer @tufe 
%nx anberen entmidCelt; mer ben SntmidCelungdoorgang benlenb 
betradE)ten miD, ber oergIeidE)t, mai^ er bei einem £iere fid^ 
entmideln fielet, mit anberen fiebemefen; er bringt eine 
beftimmte embryonale gform eined fiebendmefeniS in '^u» 
fammenl^ang mit einer nadE) Staum unb Stii gang ent* 
fernten, längft untergegongcnen, Sl^nenform. S)er Se* 
fd^reibung gleid^t bie benlenbe 83etra4)tung baburd^, ba% 
fie Sl^atfadben Derlnüpft; fie unterfd^eibet ftd^ aber oon 
il^r baburd^, ba^ fte biefe SSerlnüpfung nad^ gang anbern 
@efid^tdpunlten Igerbeifül^rt. Unb eine SrIIctrung ift 
nid^td anbereiS ate eine S3efr^reibung nad^ beftimmten ®e« 
ftd^tdpunlten. Cb id^ barfteDe, mie eine kn%d meiter roQt, 
menn fte oon einer anberen geftofeen roirb; ob id^ fage, baft 
^©d^merg" entftel&t, wenn fid^ im ©ebirn bie Seile in be- 
stimmter SBeife lagern; ob id^ feftfteüe, mie ftd^ eine alte 
Stammform in einer gegentoörtigen JSeimform burd§ äSer« 
erbung gumSlu^brudf bringt: id^ l^abe niä)ii^ meiter getl^an, 



-- 85 — 

al» na^ geioiffen ®eftcl^tiSpunIten befd^rieben. 
3(j§ lann in tnatl^emaüfd^en gformeln baiS|enige bffd^reiben, 
load in Semegungen ftd^erfd^öpft; id^ntug )u anbeten Sor* 
fteSungen greifen^ wenn titoa^ onbre0 in Setrac^t lontntt 
ald Bewegungen. 

Sfüi biejenigen, bie t)on einer @rllärung etmaiS wefent« 
liä) anbered verlangen aü eine S3efd^reibung nad^ ®e« 
fid^tdpunlten, lonnte bod JKr(^]^offfcl^e Selenntnid ate 
eine Seftötigung ii^rer Slnfid^t bienen, ba% ed ^ ©renken 
bt» ätoturerlennend" gebe. S)u SoiiS«9let)monb preift bie 
«weife Surüdl^aUung bed aReifterS'' (S^itf^l^offiS); ber ate 
Aufgabe ber aRec^anil Iginfleüt^ bie Bewegungen ber itörper 
gu bef(^reiben, unb fieSt fte in ©egenfa^ au Srnft $aedel^ 
ber pon «Sttont-Seelen" fpred^e. 3n SSai^rl^eit ober lann 
gerabegu ^aedete SrllcIrungiSweife ben ^rd^l^offfd^en @a6 
für fid^ in änfprud^ nel^men. @ie lann fagen: meine 
@ntwideIungiSgefd^t4)te ^ai eine ä^nlid^e 3(ufgabe wie bie 
ÜRed^anil; fte wiQ bie in ber %atur Dor jid| gel^enben 
Sebeni^erfd^einungen «DoQftönbig unb auf bie einfad^fte 
Seife befd&reiben.'' SRan wirb fid^ fold&en S^l^atfad^en 
gegenüber nur gu entfd^eiben l^aben: liegt in ber doQ« 
ftänbigen unb einfad^en Befd^reibung bereits baS, wad baiS 
ntenfd^Iidge SrIIcirungdbebürfniiS verlangt; ober gel^t biefed 
über ba^ l^inauiS, xoa^ bad (SrIenntniiSoermögen erreid^enlann? 



ßinen bebeutungiSDoQen Serfud^, bie SSeltonfd^auung 
auf bie SSorfteQung aufaubauen^ ba% aUtl^, ma» wir wal^r« 
nei^men^ nur ba^ Srgebnid unferer eigenen Organifation 
x% ]&at Sriebridö aibert Sänge (1828—1875) mit 
feiner «®efd^id^te be0 aSaterialiiSmud" (1864) gemadit. 
@r l^atte bie ^ül^nl^eit unb vox 92id^tS $alt ma^tnbt 
Jtonfequena, biefe ©runboorfteQung wirllid^ a^ ®n^^ 2" 
beulen. Sangeö ©törle lag in einem fd^arf unb möglid^ft 
aüfeitig ftd^ auSlebenben Sl^aralter. (St war eine dou bm 
^erfbnlid^Ieiten, bie pieleiS ergreifen lönneu unb überaO 
mit il^rem Sonnen auiSreidgen. @t war ©^mnafiallel^rer^ 



— 86 — 

Unioerftt&idbocent, aber )eiltoeilig oud^ Sud^l^änbler unb 
dltbcütni, unb ^anbetelamtnerfdcetär. (Sr oertiefte fid^ 
in bit |d(^ften (Sdtnnini9ptübltmt, unb »irlte ab Soumali^ 
ffir bie ÜrbeUerfcage. (Sr wac ebenfo bebeutenb in feinen 
populären Sieben unb Sortr&gen, wie glängenb in feinen 
Sorlefungen ald S)ocent. SSad er ergriff, »urbe unter 
feiner $anb bebeutenb. 

Unb bebeutenb »urbe bie, mit Sul^ilf enal^me ber neueren 
%aturn)iffenf(l^aft; oon il^nt befonberd mirifant erneuerte 
Santfd^e Sorfteüungdart, bog nnr bie Singe n)a|rnelgnten, 
nxd)i xDXt fte t6 oerlangen, fonbern mit t» oon unferer 
Organifation geforbert mirb. Sauge l^at im ®runbe leine 
neuen SSorfteQungen probu^iert; aber er l^at in gegebene 
©ebanlenmelten mit einem 2id)i l^ineingeleu(^tet, ba» an 
^eUigleit eima» ®elteneiS ifi Unfere Organifation, unfer 
®el^irn mit btn Sinnen bringt bie 9BeIt unferer Sm» 
pfinbungen l^eroor. ^d) feige «blau", id) fülgle ^^ärte", 
meil i(t| fo unb fo organifiert bin. 9ber id) oerbinbe audg 
bie @mpftnbungen gu ®egenftänben. Sud ben Smpftnbungen 
bed «äSeigen'' unb «äSeidgen" u. f. m. oerbinbe idg g. S3. 
bie SorfteSung beiS Sßad^feiS. SBenn id) meine @m» 
pfinbungen benlenb betradgte, fo bemege idg md) in 
!einer Sugenmelt. 3Rein SSerftanb bringt 3uf<t^nten]^ang 
in meine SmpfinbungiSmelt; nad^ meinen SSerftanbed« 
gefe^en. SBenn id^ fage, bie (Sigenfdgaften, bie idg an 
einem jtorper ma^rnel^me, fe^en eine SRaterie ooraud mit 
SemegungiSoorgängen, fo lomme idg audg md)i aud mir 
IgerauiS. 3(^ ^nbe mid) burdg meine Organifation genötigt, 
)u ben Smpfinbungen, bie idg malgrnelgme, materielle 9e« 
megungdoorgänge j^ingugubenlen. S)erfelbe 9ße(^anidmui9, 
wdd)tt unfere fämtlidgen (Smpfinbungen Igeroorbringt, er« 
geugt audg unfere Sorfteüung oon ber SKaterie. 2)ie 3Raterie 
ift ebenfo gut nur $robu{t meiner Organifation mie bie 
t^arbe ober ber 2:on. 9ludg menn mir oon S)ingen an Txd) 
fpredgen, muffen mir uniS Ilar barüber fein, ba% mir bamii 
nidgt aus unferettt eigenen Sereidge l^inaud lommen lonnen. 
9Sir finb fo eingeridgtet, bai mir unmoglid^ an» und IginauS 



— 87 — 

ISnnen. 3a, wir lonnen und aud^ ba9, wa9 jenfeitd unfeted 
Sereic^ed liegt, nur burd^ unfere Sor^ellung oer« 
gegenmärtigen. SBir fpfiren eine ®ren)e unfered 9erei(^ed; 
mix fügen uniS, jenfeitiS ber ®renge mug etmod fein, moiS 
in nn» Smpfinbungen bemirlt. Sber mir lomnten nur 
bid gurSrenge. Unä^ biefe ®ren)e fe^en mir und felbft, 
meil mir nid^i meiter fonnen. ^®er gfifd^ int Xeid^e lann 
im SBaffer f(^mimmen, nid^t in ber Srbe; aber er lann 
bod^ mü bem ftopf gegen Soben unb SBänbe ftogen.' 
®o lönnen mir innerl^alb unfered SorfteDungd« unb @m« 
pfinbungdmefend leben; nid^t aber in äugeren Singen; aber 
mir ßogen an eine ®renge, mo mir nid^t meiter lonnen; 
mo mir und ni(^td ntelgr fagen bürfen, ald: |enfeitd liegt 
ba» Unbelannte. SlDe SSorfteOungen, bie mir und über 
biefed Unbelannte ntad^en, ftnb unbered^tigt; benn mir 
lönnten bodb nic^td t|iun, ald bie in und gemonnenen SSor« 
fteOungen auf ba& Unbe!annte übertragen. äSir mären, 
menn mir fold^ed tl^un moHten, genau fo Ilug, mie ber 
Sfifd^, ber ftd^ fagt: l^ier lann id^ nid^t meiter, alfo ift 
Don ba ab ein an ber ed SBaffer, in bem id^ anberd ju 
fc^mimmen probieren miO. @r lann eben nur im SBaffer 
fd^mimmen unb nirgenbd anbali. 

3iun aber lommt eine anbere SBenbung btl^ ®ebanlend. 
@ie gel^ört gu ber erften. Sauge l^at fie ald ®eift oon 
unerbittlid^em gfolgerid^tigleitdbrang ^eran gegogen. SBie 
fielet ed benn, menn id^ mid^ felbft betrachte? Sin id^ 
benn babei ni(^t eben fo gut an bie ®efe^e meiner eigenen 
Drganifation gebunben, mie menn id^ titoa» anbaed be« 
trad^te? ÜRein 9[uge betrad^tet ben ®egenftanb. Sielmel^r 
ed ergeugt i^n. Cl^ne SSluge leine gfarbe. 3d^ glaube 
einen ®egenftanb oor mir gu l^aben unb finbe, menn id^ 
genauer gufel^e, ba% mein Sluge, alfo id^, ben ®egenftanb 
ergeuge. 9^un aber miQ xd) mein Sluge felbft betrad^ten. 
jtann id| bai^ anberd ald mieber mit meinen Organen. 
Sft alfo nid^t and) bie Sorfteüung, bie id^ mir oon mir 
felbft mad)t, nur meine SSorfteSung. 2)ie (Sinnenmelt ift 
$robuIt unfaer Organifation. Unfere ftd^tbaren Organe 



— 88 — 

ftn& gleid^ aUtn anbeten Zeilen bet @rfd^einungdn)elt nur 
Silber einei^ unbelannten ©egenftanbeiS. Unfere mirilid^e 
Orgonifotion bleibt un» ba^tt ebenfo oerborgen^ mit bie 
mirllidgen Slugenbinge. SBir Igaben ftetö nur ba^ $robuIt 
oon beiben oor und. 9Bir erzeugen auf ®runb einer uni^ 
unbelannten SSeli auiS einem und unbelannten Sdg l^eraud 
ünt Sorfteüungdmelt, bie alled ift, n^omit toix und be« 
fd^&ftigen lonnen. 

Sauge frögt ftd^: mol^in fül^rt ber lonfequente SOlate« 
riolidmud? (Sd fei, ba^ aUt unfere SSerftanbedfd^Iüffe 
unb @innedenipftnbungen burd^ bie Zptigleit unfered an 
materielle 39ebingungen gebunbenen ©el^irned unb ber 
ebenfaUd materiellen Organe l^eroorgebrad^t merben. S)ann 
ftel^en mir vor ber %otmenbigIeit, unferen Organidmud ju 
unterfuc^eU; um gu feigen, mie er i^äixQ ift. ^a» lönnen 
mir nur mieber mit unferen Organen. Steine gfarbe ol^ne 
9(uge; aber anii lein Singe ol^ne 8(uge. ^2)ie lonfequent 
materialiftifd^e 99etrad^tung fd^Iögt babuxd) fofort um in 
eine fonfeQuent ibealiftifd^e. ®d ift leine ffiluft in unfcrem 
SBefen ängunel^men. 9Sir l^aben nid^t einzelne f^unltionen 
unfered 9Befend einer pj^^fifd^en, anbere einer geiftigen 
%atur gugufd^reiben, fonbern mir ftnb in unferem 9led^t, 
menn mir für aQed, aud^ für ben 3!lttä^ani^mn§ bed 
2)enlend; pl^^fifd^e S3ebingungen poraudfe^en unb nidt)t 
rafteU; bid mir fie gefunben l^aben. SBir finb aber nid^t 
minber in unferem Siedet/ menn mir nid^t nur bie und 
erfd^einenbe 3(uftenmelt; fonbern aud^bieOrgane, mit 
benen mir biefe auffa^en, ald bloge Silber bt& mal^rl^aft 
Sorl^anbenen betrad^ten. 'S)a» Sluge^ mit bem mir gu 
feigen glauben, ift felbft nur ein $robuIt unferer SorfteQung, 
unb menn mir finben, ba% unfere ©efid^tdbilber burd^ bie 
Sinrid^tung be& ^uged l^erDorgerufen merben, fo bürfen 
mir nie oergeffen, ba% aud^ ba& %n%t famt feinen Sin- 
rid^tungen, ber Seltnen) famt bem $irn unb aU btn 
®trulturen, bie mir bort nod^ tima ald Urfad^en bt^ 2)enfend 
entbedten mod^ten, nur SSorfteQungen finb, bie gmar eine 
in fid^ felbft gufammenl^ängenbe SBelt bilben, iebo(^ eine 



— 89 — 

SSett, bie über fid^ feI6ft l^inauiStoeift . . . S)ie @tnne geben 
un», mit ^elml^ol^ fagt, SBirlungen ber 2)inge, nid^t 
getreue Silber, ober gar bie S)inge felbfi 3^^ bie\m 
bloßen äSirbingen gepren aber aud^ bie ®inne felbfi 
fomt bent ^irn unb ben in ii^nt gebadeten SRoIebilor« 
ben^egungen'' (®efd^id^te bei» SRateriali^rnui» ®. 734. f.) 
Sänge nimmt beiSl^alb eine 9BeIt jenfeitiS ber unfrigen 
an, möge biefe nun auf S)ingen an ftd^ felbft beru^en^ 
ober möge fte in irgenb etwa^ befielen, mad nid^t einmal 
mit bem „'Siinq an ^id)" timai^ ^n if)un ^at, ba j|a felbft 
biefer Segriff, ben mir un« an ber ©renae unfereö Se» 
reid^ed bilben, nur unferer SSorfteQungiSmelt angehört. 

Sanged SBeltanfd^auung filiert alfo gu ber SReinung, 
ba% mir nur eine SorfteQungiSmelt l^aben. S)iefe aber 
gmingt und, ein @tmaiS jenfeitd il^rer felbft gelten )u laffen; 
fte ermeift ft(^ aber aud^ gang ungeeignet, über biefeiS (StmaiS 
eine irgenbmie geartete SluiSfage gu mad^en. S)ied ift bie 
9SeItanfd^auung beiS abfoluten %id^t«9BiffeniS, bed 31g n oft i« 
aiiSmujS. 

3)ag allein miffenfd^aftlidge Streben unfrud^tbar bleiben 
mni, ba» ftd^ nid^t an bie SluiSfagen ber Sinne unb an 
ben logifd^en Serftanb l^ält, ber biefe SluiSfagen oerlnüpft: 
Med ift Sanged fiberjeugung. 2)aB aber Sinne unb Ser- 
ftanb gufammen und ntdE)td liefern, ald ein (Srgebnid^ 
unferer eigenen Drganifation, ift il^m aud feinen Setrad^tungen 
über ben Urfprung ber ßrfenntnid Ilar. ®ie SBelt ift 
tl^m alfo im ®runbe eine 2) id^ tu ng ber Sinne nnb bt» 
Scrftanbed. S)icfe SReinung bringt i^n bagu, ben Sbeen 
gegenüber gar nid^t melgr bie gfrage nad^ il^rer SBal^rl^eit 
aufguroerfcn. ©ine SBal^rl^eit, bie und über ba» SBefen 
ber 3Belt aufllärt, erlennt Sänge nid^t an. %un glaubt 
er gerabe baburd^, ba% er btn @rlenntniffen ber Sinne 
unb be» SSerftanbed leine SSSa^rl^eit gugugeftel^en brandet, 
aud^ bie Sal^n frei gu bdommen für bie gbeen unb Sbeale, 
bie fid^ ber menfd^lid^e ®eift barüber l^inaud bilbet, ma» 
i^m Sinne unb Serftanb geben. Unbebenlltd^ l^ält er 
aQed, ma» über bie ftnnlid^e Beobachtung unb oerftanbed« 



— 90 — 

mä%xit(&dtnnin\Sf)xnan»qt% fürßrbid^tung. SBad immer 
ein ibealiftifd^er $^ibfopl^ erbad^t ^ai über ba» SBefen 
ber £|atfad^en: ed ift 2)id§tung. %otmenbig entftel^i 
bur(^ bie SBenbung, bie Sänge bem äRaterialiiSmuiS ge« 
geben ^ai, bie gfrage: morum foDten biefe l^o^eren Sbeen« 
bid^tungen md)i gelten, ba bod^ bie ®inne fdlbft bid^ten? 
SSoburdg unterfdgeibei fidg bie eine S)i(^tungiSart pon ber 
anbern? @d mug ffir ben, ber fo benit, ein gang anberer 
®mnb Dorl^anben fein, morum er eine SorfteSung gellen 
Uii, aU für ben, ber glaubt, fte gelten laffen ^n muffen, 
meti fte mal^r ift. Unb Sänge finbet biefen®runb barin, 
baB eine Sorfteüung äßert für ba» Seben Igoi %i(^t 
barauf lomme e» an, ba% eine SSorfteDung mal^r ift; fonbern 
barauf, bai fie für ben äRenf d^en mertDoII ift. %ur 
einei^ mn% bentlid^ erlannt merben: ba% id& eine Stofe 
rot fel^e, ba^ ii) bie SBirlung mit ber Urfad^e Derlnüpfe, 
i^abe id§ mit allen empfinbenben unb benlenben ®ef(^opfen 
gemein. SReine Sinne unb mein Serftanb lönnen fid^ 
leine ^tra*9Serte fd^affen. ©el^e id) aber über ba^ienige 
l^inauiS, ma» ®inne unb SSerftanb biditen, bann bin id^ 
nid^t melgr an bie Organifation ber ganjen menfd^Iid^en 
Gattung gebunben. ®d^iQer, ^egel, |)in3 unb ^ung feigen 
t\nt ä3Iume auf gleid^e 9Beife; ma» ©d^iOer über bie 
3.Uume bxd)iti; toa» $)egel über fte beult, bid^ten unb 
beulen $in} unb j(una nid|t in ber gleid^en SBeife. ®o 
wit aber ^ing unb ^ung im Sn:tum finb, menn fte il^re 
SSorfteüung dou ber ä3Iume für eine auger il^nen befinblid()e 
SSefenlgeit l^alten: fo mören ©d^tller unb $egel im Srrtum, 
menn fte il^re 3been für etmaiS anbered anföl^en, benn aU 
S)id^tungen, bie il^rem getftigen Sebürfniffe entfpred^en. 
ÜBaiS bie ®inne unb ber SSerftanb bid)ten, gel^ort ber 
gangen menfd^Iid^en ©attung an; leiner lann ba oon bem 
<xnbern dbwti^tn, 3Sad über Sinnes« unb SerftanbeiS« 
bid^tung l^inaudgel^t, ift ®a(^e bed einzelnen SnbioibuumiS. 
Slber biefer 2)id^tung bed SnbioibuumiS fprid^t Sänge bod^ 
-einen SSerf an^ für bie gange menfd^Iid^e ©attung gu, 
menn ber (Singeine, meld^er ,,fte ergeugt, reid^ unb normal 



— 91 — 

begabt unb in feiner Z)enln)eife t^pifd^, burd^ feine (Seifted« 
Iraift pm gffibrer berufen ift/ ®o oermeint Sänge 
baburd^ ber ibealen SBett ibren SBert }u ftd^ern, ba% 
er au(^ bie fogenannie mirllid^e jur SDid^tung mod^t 
@r fiebt überaQ, mobin mit blidfen Unnen^ nur Sicbtung^ 
von ber unterften @tufe ber SinneiSanfd^auung, auf benen 
^baB Snbioibuum nod^ ganj an bie ©runbgflge ber ®aiiuni 
gebunben erfd^eint, biiS binauf )u bem fd^Spferifcben Sßalten 
in ber ^oefte." „9Ran lann bie gfunltionen ber Sinne 
unb be9 oerlnüpfenben SerflanbeiS, weld^e un9 bie SSirl« 
li^Ieil erjeugen, im einjelnen niebrig nennen, gegen- 
über htm f^o^tn Sfluge beiS ®eiftei9 in ber frei fd^affenben 
Jhtnfi 3m gangen aber unb in ibrem Sufammen« 
bange laffen fie fid^ leiner anbern ®ei^edtbätigleit unter« 
orbnen. @o menig unfre SBir!It(bIeit eine 9BitIli(bIeit nad^ 
bem SBunfd^e unfered bergend ift, fo ift fie bod^ bie fefte 
©runblage unferer ganzen geiftigen ß^ftenj. 3)ad 3nbi« 
pibuum möd^r^ aud bem S9oben ber ®attung ^ta>ox, unb 
bad allgemeine unb notmenbige (Sriennen bilbet bie einjig 
fidlere ®runblage für bie Srbebung bed SnbiDibuumd gu 
einer äftbetif(ben Sluffaffung ber SBelt." (®ef(b. be0 aRate« 
rialiiSmud 1887. ®. 824 f.) 

%id^l baiS fiebt fiange ate ben Strtum ber ibealiftifd^en 
9S3eItanf(bauungen an, bai fie mit ibren ^bttn übte bie 
®inned« unb Serftanbei^melt binauiSgegangen finb, fonbem 
ibren ®Iauben, ba^ mit biefen Sbeen mebr erreid^t ift; aU 
inbiDibueDe S)id^tung. SRan foll fid^ eine ibeale SBelt 
aufbauen ; aber man f oD fid^ bemüht fein, ba% bief e Sbeal« 
melt nid^t^ meiter ift aU 3)id^tung. Sebauptet man, fte 
fei mebr, fo mirb immer mieber unb mieber ber 9Rate« 
rialiiSmuiS auftaudEien, ber ba fagt: id^ b^be bie SBabrbeit; 
ber Sbealidmud ift S)i(btung. 9Sob(an, fagt fiange: ber 
SbealiiSmui^ ift 3)id^iung; aber au^ ber 9RateriaIidmui9 ift 
S)id^tung. 3m gbealii^muiS bläßtet ba9 Snbioibuum, im 
9RateriaIiiSmuiS bie ®attung. @tnb {td^ beibe ibrer äBefen« 
beit bemüht, fo ift aDed in Orbnung: bie Sinned« unb 
SSerftanbeiSmiffenfd^aft mü ibren ftrengen, für bie gange 



— 92 — 

®attung hinbtnbtn Seioeifen; Me SbeenMd^tung mit il^ren 
ootn 3nMmbuum erzeugten; aber boä^ für bit Gattung 
wttiDoUtn l^dl^eren SSorftellungdtoeUen. „Sxn& ift ftd^er: 
ba% ber äRenfd^ einer Srgängung ber SBirllid^Ieit burd^ 
eine Don il^nt felbft gefd^affene Sbeolmeli Bebarf, unb ba% 
bit l^od^ften unb ebelften S^nltionen feineiS ®üftt» in 
fold^en Sd^opfungen jufammen toixlm. @oI[ aber biefe 
freie %^at bt» ©eifie^S immer unb immer mieber bie S^rug- 
geflalt einer bemeifenben SBiffenfd^aft anneigmen? Sann 
mirb aud^ ber äRaterialii^mud immer mieber Igeroortreten 
unb bie lül^neren ®peIuIationen gerftSren, inbem er btm 
Sinl^eitötriebe ber SSernunft mit einem äßinimum i^on @rs 
l^ebung über ba§ SBirllid^e unb SemeiiSbare gu entfpred^en 
fud^t.'' (©efd^id^te bt» äRateriali^muiS @. 828.) 

(Sin DoQftänbiger SbealiiSmui^ gel^t bei fiange neben 
einem DoQftänbigen Slufgeben ber SBal^rl^eit einiger. 2)ie 
Sßelt ift il^m S)id^tung; aber eine S)id^tung, bit er aU 
fold^e nid^t geringer fd^ä^ft, al& menn er fte für SBirllid^» 
JEeit er!ennen lönnte. SDarauiS ermöd^ft i^m eine neue f^form be^ 
religißfen Öemufetfeinj?. Sr mill ben Äern ber Sfteligion 
nid|t in gemiffen Seigren über ®ott; bie menfdglidge Seele, 
über bie ©dgöpfung unb ilgre Drbnung fudgen, fonbern in 
ber Srigcbung ber ©emüter über boS SBirllidgc, in ber 6r- 
fdgaffung einer §eimat ber ©eifter. ;,9Ran gemölgne ftdg 
alfo, bem ^ringip ber fdgaffenben 3bee an fidg unb olgne 
Übereinftimmung mit ber Igiftorifdgen unb naturmiffen« 
dgaftlid^en (SrlenntniS, aber audg oigne SSerfcilfdgung ber« 
elben, einen plgeren äSert beizulegen ate bi^^lger; man ge« 
mölgne ^xd), bie SSelt ber Sbeen afe bilblidge ©teüoertretung 
ber DoQen äBalgrIgeit für gleidg unentbeigriidg gu jebem 
menfdglidgen tJ^ortfi^ritt gu betrad^ten, mie bie Srienntniffe 
beS SSerftanbei^, inbem man bie größere ober geringere 
Sebeutung jeber Sbee auf etlgifdge unb ciftl&etifdge ®runb» 
lagen gurüdfülgrt. @iS mirb freilidg mandEiem Sllt» ober 
%euglöubigen bei biefer 3umutung oorlommen, ate moQte 
man ilgm ben Soben unter ben trügen meggielgen unb 
babei oerlangen, ba^ er ftelgen bleiben foQe, ate menn 



— 93 — 

nid^tö pafftert wäxt; allein t» fragt Tid) eben, n>ad bei 
Soben ber ^bttxi ift; ob il^re Sinorbnung in ba9 (Sanje 
ber !3beenn)eli nad^ et^ifd^en StüdCftd^ten, ober bai^ Ser« 
l^äliniiS ber SorfleQungen, in benen bie Sibee ftd^ ausprägt; 
}ur erfaJ^mngdmägigen SSirllid^Ieit. Site bie Umbrel^ung 
ber Srbe beriefen mürbe, glaubte jeber $|ilifter faSen ju 
ntfiffen, menn biefe gefä^rlid^e Seigre nid^t miberlegt mürbe; 
ungefäl^r mie je^t niand^er fürd^tet ein |)ol)tto^ %n merben, 
menn Sogt ilgm bemeifen lann, ba% er leine @eele Igat. — 
3ft bie Steligion etmaiS med, unb ftedt il^r bleibenber 9Bert 
im etl^ifd^en, unb nid^i im logifd^en Snl^alt, fo mirb biei^ 
aud^ mol^I frül^er fo gemefen fein, mie fel^r man and) ben 
bud^iftäblid^en ®Iauben für unentbel^rlic^ l^olten mod^te.'' 
(©efd^id^te bed aRaterialidmud @. 831 f.) S)er etl^ifd^e 
9Sert ift alfo ba^ @ntfd^eibenbe für btn religiöfen Snl^olt; 
bie Sfrage nad^ bem SBal^rl^eitiSmert lann überl^aupt gar 
nid^t gefieUt merben. S)iefe Slnfd^auung fielet Sänge ald 
bunlle @mpftnbung beim SSoUe oorl^anben; benn fonft 
l^ätten, feiner älnftd^t gemäg, in ®ried^enlanb unb 9tom 
bie 2)id^ter unb äSilb^auer nid^t magen bürfen, btn StQtl^uiS 
um^ugeftalten, bem @otteribeaI neue fjformen gu geben. 
;,%iemate mol^I, nie, fo lange bie 9BeIt ftel^t, ift eine 
religiöfe Se^rmeinung oon fieuten, bie fid§ über btn @tanb< 
pun!t bed rol^eften 3(berglaubend erl^eben lonnien, in ber« 
felben SJeife für mal^r gel^aüen morben, mie eine ftnnlid^e 
Srlenntnii^, ein @rgebnid ber Sled^nung ober beiS einfad^en 
Serftanbedfd^IuffeiS; menn aud^ nie oieQeid^t, bid auf bie 
neueren 3^i^n l^in, oöQige Slarl^eit über ba9 Serl^ältnid 
jener „emigen SSaJ^rl^eiten" gu ben unabänberlidgen f^unl« 
tionen ber ®inne unb bed SSerftanbeiS gel^errfd^t l^at.'' 
9So immer bie religiöfen SSal^rl^eiten ber ^rd§e als bie 
l^ol^eren gepriefen wntbtn, ba lag eine 3(l^nung baoon gn 
@runbe, ba^ nid^t bie logifd^e @id^erl^eit, fonbem 
ber SSert für baS Seben bas (Sntfd^eibenbe ift bei ber 
Beurteilung ber ^.SBal^r^eiten/ SDer 9Renfd§ bebarf gum 
Seben l^öl^erer ®üter aU berjenigen, bie i^m bie Sogil, 
bai^ 9(uge unb bie taftenbe ^anb bieten lönnen; er bebarf 



— 94 — 

einer begeiferten Zeilnal^me feinei^ ®tmüit9 an einer ibeolen 
SBeliorbnung. „"S^ain lann bie %aturn)iffenf(|aft nic^t 
fül^ren. 8(Qe %aturn)iffenfcl^aft . . • malt beim Sinjelnen. 
Sie einzelne Sntbedung erfreut und; bie BRetl^obe gn»ingt 
uni^ Semunberung ab, unb oon ber ftetigen gfolge ber 
@ntbe(fungen mirb unfer Slid meDeid^t in eine unenblid^e 
fSferne intma DoQIontmenerer Sinftd^t geleitet. S)od^ oerlaffen 
mit bantit fd^on ben Soben ber ftrengen SSiffenfd^aft. 
S)aiS SBeltaQ, mit mix ed blog naturmiffenfd^aftlid^ begreifen, 
lann uniS fo wenig begeiftern, mit eine bud^ftabierte Sliod.' 
3Q)ei Strömungen mit fc^orf audgeprügtem natur* 
miffenfd^üftlid^em S^aralter ftel^en innerl^alb ber mobernen 
SSeltanfd^auungiSentmidelung einanber fd^roff gegenüber. 
S)ie moniftifd^e, in ber ftc^ bie SSorfteQungiSart $aedEel0 
bemegt, unb eine bualiftifd^e, beren energifd^efter unb 
lonfequentefter Scrtcibiger 3f. 81. Sauge ift. S)er 9Ro» 
nißmn^ fielet in ber SSelt, bie ber SReufd^ beobad^ten lann, 
eine malere 9SirIIid^Ieit unb gmeifelt nid^t baran, ba^ er 
mit feinem an bie Seobad^tung fid^ l^altenben S)enlen 
aud) Srienntniffe von mefenlgafter Sebeutung über biefe 
9BirIIid^Iett geminnen lann. @r bilbet fid^ nid^t ein, mit 
einigen Iü]^n-erbad)ten f^ormeln ha» (Srunbmefen ber äSelt 
erfdE|öpfen gu lönnen; er fd^reitet an ber $anb oon Zf^ai» 
fad^en votmäti» unb bilbet fic^ Sbeen über bie 3ufammen« 
Pnge biefer Sl^atfad^en. SSon biefen feinen Sbeen ift er 
aber überzeugt, ba% fte il^m ein 9Biffen oon einem maleren 
2)afein geben. Sie bualiftifd^e 9nfd^auung SangeiS teilt 
bie äBelt in ein 93elannted unb in ein UnbdannteiS. 2)ad 
erfte bel^anbelt fie in eben berfelben 3(rt mie ber SRonii^muiS, 
am Seitfaben ber Seobadjtung unb bed betrad^tenben 
SenleniS. 3(ber fie l^at ben ©lauben, bai burd^ biefe 
93eobad^tung unb burd^ biefeiS Senlen über ben maleren 
SBefeniSlern ber SBelt nid^t baiS geringfte gemußt merben 
lann. S)er Ttoni^mn» glaubt an bit äSal^r^eit bt» 
SBirllid^en unb fielet bie befte Stü^e für bie menfd^Iid^e 
Sbeenmelt barin, ba^ er fte feft auf bie Seobad^tungiSmelt 
grünbei 3n ben Sbeen unb Sbealen, bie er aud bem 



— 96 — 

naiürlid^en Safein fd)Spft; ftel^l er ZBefenl^etten, bie fein 
@emüt, fein fUtlid^ed SebüxfniiS ooll befriebigen. 3n ber 
Statur finbet er baiS ^od^fte Safein, ba» er nid^t nur 
benlenb erlennen toiü, fonbern an baiS er eine J^erjlid^fte 
Eingabe, feine ganje Siebe oerfd^enlt. Sanged Sualidmud 
l^&tt bie %atur ^r ungeeignet, bt» ®eift«d l^od^fte Sebfirf« 
niffe ju befriebigen. (£r ntuB ffir biefen ®eifi eine be- 
fonbere Sßelt ber l^ol^eren Sid^tung annehmen, bie i^n 
fiber baii l^inaudfül^rt, watf Seobad^tung unb Senlen offen« 
baren. 2)em SRonidmud ift in ber wal^ren @rlenntni0 
ein ^öd^fter ®eiftedn)ert gegeben, ber megen feiner SSal^r« 
l^eit bem SRenfd^fen aai^ bad reinfte fUtlid^e unb religibfe 
$atl^od oerleil^t 3)em SDualidmud lann bie Srtenntnid 
eine fold^e Sefriebigung nid^t gewähren. @r ntug ben 
SBert bed SebeniS an anberen SBefen^eiten aü an ber 
SBa^r^eit abmeffen. Sir^been l^aben nid^t SSert, »eil fie 
anl^ ber ZBa^r^eit ftnb. @ie ^aben ZBert, meil fie bem 
Seben in feinen l^dd^ften gformen bienen. SDaiS Seben 
wirb nid^t an ben Sbeen gemertet, fonbern bie 3been 
»erben an i^rer Sfi^ud^tbarleit für ba» £eben bewertet. 
SHd^t malere Srienntniffe ftrebt ber 9Renf4l an, fonbern 
»ertoolle ®ebanlen. Sie SBeltanfd^auung S^. 8(. SangeiS 
ift gleid^bebeutenb mit einer Ummertung aller Sßerte. 
SSal^rl^eit l^at ber 9)lenfd^ nid^t, fonbern aM feiner füu 
ganifation entfpringenbe SSorfteDungen, bie feinem Seben 
forberlid^ ftnb. ^t forberlid^er fte ftnb, befto mel^r ®runb 
ift für il^n, fte ansune^men. %i4)t baS SSal^re, fonbern 
bai^ 8eben«er^altenbe unb Seben«fdrbembe mug ®runb 
unb Qitl unferer ®ebanlenn)elt merben. 



3n ber S(nerlennung ber naturmiffenfc^aftlid^en Senl« 
meife ftimmt 8Fr. St. Sänge mit bem äRoniiSmui? infofem 
überein, ate er jeber anberen jDueQe für bie @rIenntniiS 
bed SBirllid^en il^re Sered^tigung beftreitet; nur fprid^t er 
biefer Senboeife jebe grö^igfeit ab, xn& SBefen^iafte ber 



— 96 — 

S)in0e gu bringen. 2)amit er \iä) auf fid^etem Soben 
bemege, befd^neibet er ber menfd^lid^en äSorfteQungiSart bie 
SflügeL SSaiS Sänge auf einbringlid^e 9lrt i^ui, entfprid^t 
einer tief in ber SBeltanfc^auungdentwidelung ber neueren 
3eit n)ur)elnben ©ebanlenneigung. S)ied geigt fxä) mit 
DOÜlommener jtlarl^eit aud^ an ber Semegung ber Sbeen« 
oelt in @nglanb mäl^renb bed neungel^nten Salgrl^unbertiS. 
Surd^ oerfd^iebene $l^afen ^inburd^ tntmdeh fxd) biefe 
3beenn)elt gu ®efid§ti9punlten, oon benen aM Herbert 
@pencer ungefäl^r um biefelbe S^tt mie Sänge in 2)eutfd^« 
lanb einen 2)ualidmu$ begrünbet, ber auf ber einen 
Seite DoEftänbige naturmiffcnfd^aftlid^e SBelterlenntnid an« 
ftrebt, auf ber anbern @eite gegenüber bem Sßefen bt& 
Safeind ftc^ gum SgnoftigiiSmuiS belennt. Site 2)arn)in 
fein SSerl Don ber ^rSntftebung ber Slrten'' erfd^einen lieg 
unb bamit bem 3Roni^mn& eine feiner feften @tü^en 
überlieferte, lonnte er bie naturmiffenfd^aftlid^e 3)enlart 
©penceri? rül^menb anerlennen. ^3n einem feiner Sffa^S 
(1852) fteQt $erbert Spencer bie Sl^eorie ber Sd^opfung 
unb bie ber organifc^en Sntmidfelung in merlmürbig ge« 
fd^idCter unb mirifamer Sßeife einanber gegenüber. @r 
fd^Iiegt an» ber 3[naIogie mit ben !ßüä)inn^i^ptobntttn, 
an» ber Seränberung, ber bie Smbr^onen oieler 9(rten 
unterliegen, an» ber ©d^mterigleit, Wci Don Sarietöt }u 
unterfd^eiben unb auiS bem ©runbfa^ einer allgemeinen 
@tufenreil^e, bai Slrten abgectnbert morben finb. S)iefe 
Slbänberungen mad^t er Don ben oeränberten Serl^altniffen 
abl^ängig; S)er Serfaffer l^at aud^ (18öö) bie ^f^d^ologie 
nad^ bem $ringip ber notmenbig ftufenmeifen (Srmerbung 
jeber geiftigen ^raft unb göl^igleit bel^anbelt.'' 98ie ber 
93egrünber ber mobernen Slnfid^t t)on ben Sebeni^uorgöngen, 
fo füllen fid^ aud^ anbere naturmiffenfc^aftlid^ S)enlenbe gu 
©pencer l^ingegogen, ber bit äSirllid^Ieit t)on ber un« 
organifd^en S^l^atfad^e bid in bie ^f^d^ologie l^erauf in ber 
Stid^tung gu erllären ftrebt, bie in obigem 9(udfprud^ 
SarminiS gum Sludbrud lommt. Spencer fte^t aber auc^ 
auf ber Seite ber 8lgnoftiIer, fo bai gr. 81. Sauge fagen 



— 97 — 

barf: „Herbert Spencer l^ulbigt^ unferetn eignen @tanb- 
punit oern^anbt^ einem 3RaieTxali&mu^ ber Srfd^einung^ 
beffen relative Sered^tigung in ber 9}atunüiffenfd^aft il^re 
@d|ranlen ftnbet an bent ®eban!en eined unerlennbaren 
abfoluten." 

9Ran barf ftd^ oorfteüen^ ba% ®pencer oon öl^nlidien 
SluiSgangiSpunlten n)ie Sänge gu feinem ®tanbpunll ge« 
fül^rt morben ifi ^f^m gingen in ber ®ebanlenentmide« 
Inng @ngIanbiS ©eifier Doran^ bie von einem boppelten 
Sntereffe geleitet maren. @ie moQten befümmen, mad ber 
SKenfcl^ an feiner @rlenntnid eigentlid^ befi^t. @ie moQten 
aber aud) ba» äSefenl^afte ber 9BeIt burd^ leine S^^if^I 
unb burc^ leine SBernunft erfd^üttern. Sn mel^r ober 
meniger auiSgefprod^ener äSeife maren [\t aQe oon ber @m« 
pfinbung bel^errfd^t^ bie j{ant gum Slui^brud bringt^ wenn 
er fagt: „^d^ mugte ba» Sßiffen aufl^eben, um gum ©lauben 
^lafe §u belommen." (SSergL ben 1. Sanb biefer SBelt- 
anf(^auungdgef(i^id)te, @. 24.) 

9[m Eingänge ber äBeltanfd^auungSentmidtelnng bed 
neungel^nten ^df)x^nnbctiB ftei^t in (Snglanb 'S'^oma» 
8*eib (1710—1796). 6« Hlbet ben ©runbaug ber 
Überzeugung biefei^ äßanneiS, waB aud^ ©oetl^e als feine 
Slnfdiauung mit ben SSorten auiSfprid^t: „eS finb bod^ am 
@nbe nur, mie mid^ bünit, bie praltifd^en unb ftd^ felbfl 
reltifigierenben Operationen beS gemeinen Sffienfd^en» 
oerftanbejg, ber fid^ in einer pl^eren Spl^cire gu üben 
magt." (Sergl. ©oetl&eö aSerle, »anb 36, ®. 595 in 
Äürfd^ner« ©eutfd^er 9iationaI*Sitteratur.) SDiefer gemeine 
SKenfc^enoerftanb groeifelt nid^t baran, ba% er eS mit mir!« 
lidben, mefenl^aften S)ingen unb äSorgöngen gu tl^un l^abe, 
menn er bie Sl^atfad^en ber SBelt betrad^tet. ^eib fielet 
nur eine fold^e äSeltanfd^auung für lebeuiSföl^ig an, bie an 
biefer ©runbanpd^t beö gefunben 3Renfc^enocrftanbei5 feft- 
Igält. äSenn man felbft gugäbe, bai uniS unfere äSeobad^« 
tung taufdjen lönne, unb baB ma^xt äSefen ber S)inge ein 
gang anbereS märe, ate unB @inne unb äJerftanb fagen, 
fo brandeten mir unS um eine fold^e 9RogIid^feit nid^t gu 

@ teilt er, Belt« unb SeaenSattfd^QUimgeit. IL 7 



— 98 — 

iümmern. SSir lotnmen im Seben nur gured^t, tpenn totr 
unfecer Seobad^tung glauben; aUt9 mettere geigt uni^ ntdgtö 
an. Son biefem ®eftc^tdpunlt aui^ glaubt yitib ju toid' 
lidg befriebigenben 9Bal^rlgeiten )u lommen. @r fudgt nidgt 
burdg lompitgterte S)enlDerrt(i§tungen ju einer Slnfdgauung 
üBer bie 2)inge gu lommen, fonbern burdg 3urüd(ge^en auf 
bte Don ber Seele inftin{tit) angenommenen SInftdgten. Unb 
tnfitinitio, unbemugt, befi^t bie Seele fdgon ba& Stidgtige, 
beoor fie ed unternimmt, mit ber gfadEel bt& Semugtfeini^ 
in ilgre eigene äBefenlgeit Igineinguleudgten. Snftinltio meig 
fie, ma^ fie oon ben (Sigenfdjaften unb Vorgängen in ber 
Sörpermelt %n Igalten Igat; inftinitio ift ilgr aber anä) bie 
SKdgtung ilgred moralifc^en SerlgalteniS, ein Urteil über ®ni 
unb Söfe, eigen. 3teib lenlt baö ©enfen burdg feine Be- 
rufung auf bie bem gefunben HRenfd^enoerftanb eingeborenen 
SBa^rlgeiten auf bie S3eobadgtung ber Seele bin. S)iefer 
3ug nadEi ^eelenbeobadgtung bleibt fortan ber englifdgen 
SBeltaufd^auungöentmidtelung eigen, ^eroorragenbe ^erfön- 
lidgleiten, bie innerlgalb biefer (Sntwidclung ftelgen, finb 
SBilliam Hamilton (17S8— 1856), «)cnr9 SKanfel 
(1820—1871), SBilliam SB^eroell (1795—1866), So^« 
C>erfd£|el (1792—1871), SameS SWill (1773—1836), 
Solgn Stuart TOill (1806—1873), aiejanber »ain 
(1818 geb.), ©erbert Spencer (1820 geb.). Sie atte fteflen 
bie ^f^dgologie in ben ÜKittelpunft ilgrer äSeltanfdgauung. 
'änä) für Hamilton gilt als ma^r, roaS Die Seele, 
urfprünglidg aU ma^t angunelgmen, fidg genötigt finbet. 
llrfprüngli(^en SBalgrlgciten gegenüber prt ba2 Semeifen 
unb Stegreifen auf; man lann einfadg i^r Sluftaudgen am 
^origonte bcS ScroufetfeinS feftftcDen. Sie finb in biefem 
Sinne unbcgreiflidg. 8lber eS geprt ju ben urfprüng- 
lidgcn 8lu5fagen beS SemufttfcinS audg bie, ba% ein j[eg» 
lidgeiS S)ing in biefer äBelt oon etmaiS abigangig ift, ba» 
mir nidgt Icnnen. SBir finben in ber SBclt, in ber mir 
leben, nur abpngige S)inge; nirgenbd ein unbebingt un> 
ablgängige0. @in foldged mug e0 aber bodg geben. SBenn 
ablgängigeS angetroffen mirb, mufe ein Unablgängigcö oor* 



— 99 — 

aitiSgefe^i toerben. 9Rtt unferem 2)enlen lotnmen mir in 
baiS Unabl^ängige nid^t l^inein. 2)ad ntenfd^Iid^e Sßiffen ift 
auf ba» Sbl^ängige berechnet unb oeriDidelt ftd^ in SSiber« 
fprüd^e, nenn ed feine ®ebanlen, bie für Slb^ängiged fel^r 
iodI^I geeignet ftnb, auf Unabl^&ngigeiS anmenbet. 2)ad 
SSiffen ntug alfo abtreten, wenn mir an ben @ingang )um 
Unabl^öngigen lontmen. 2)er religiöfe ©laube ift ba an 
feinem $Ia^e. ^utä) ba» SelenntniiS, ba% er oon bem 
Sßefendlern ber Sßelt nid^td miffen lann, lann ber SRenfd^ 
erft ein moralifd^ed SSefen fein. @r lann einen ®ott an» 
nehmen, ber in ber 9Belt eine moralifdie Orbnung bemirlt. 
Seine Sogil lann biefen ®Iauben an einen unenblid^en 
®ott rauben, fobalb erlannt ift, bai aUt Sogil ftd^ nur 
auf Slbl^öngiged; nid^t auf Unabl^dngigei^ rid^tet. — SRanf el 
ift ®d^üler unb f^^^tfe^er $)amiItoniS. @r Ileibet beffen 
Snfid^ten nur in nod^ extremere t$oi^men. 9Ran gel^t nid^t 
p meit, menn man fagt, äßanfel ift ein 9bD0lat bt» 
®Iaubend, ber nid^t unparteiifd^ gmifdEjen ^Religion unb 
SBtffen urteilt, fonbern parteiifd^ für baiS religiöfe 3)ogma 
eintritt. @r ift ber Slnfid^t, ba% bie religiöfen s3ffenbarungiS« 
mal^rl^eiten unbebingt bad Sriennen in äStberfprüd^e oer« 
midCeln. ^a» rül^re aber nid^t oon einem äßangel in ben 
Dffenbarungdmal^rl^eiten l^er, fonbern bat)on, ba% ber 
menfd^Iidie ®eift begrenzt fei, unb niemals in bie Siegionen 
lommen lönne, über bie bie Offenbarung Sludfagen mad^t. 
— äBilliam SSI^emell glaubt am beften baburd^ 
eine 9(nfid^t über bie Sebeutung, ben Urfprung unb 9Bert 
bed menfd^Iid^en ffiiffend gu eilangen, ba^ er unterfud^t, 
mie bal^nbre^ienbe ®eifter ber 9Biffenfd)aften ^u il^ren @r» 
lenntniffen gelangt finb. Seine „@t\^id^ic ber inbultioen 
SBiifenfd^aften" (1837) unb feine ^^^ilofop^ie ber inbul- 
tinen Biffeufd^aften" (1840) gelten barauf an», bie ^fpd^o- 
logie bed miffenfd^aftlid^en gforfd^eni^ gu burd^fd^auen. S(n 
ben l^erDorragenben miffenfd^aftlid^en SntbedFungen . fud^t er 
%n erlennen, mie Diel uon unferen Sorftellungen ber äugen« 
melt unb mie oiel bem SRenfd^en felbft angel^ört. äSl^emell 
finbct, ba% bie ©eele in jeglid^cr SBiffcnfdjaft bie Seob- 



— 100 — 

ad^tung aud @igenem ergänzt. Jteppler f^atit btn Segriff 
5er @IIipfe, beoor er fanb, ba^ bxe Planeten fid^ in SQipfen 
betoegen. ®ie SBiffenfd^aften lotnmen alfo nici^t burd^ 
blogeiS (Smpfangen t)on ^ugen^ fonbern burd^ tl^ötiged 
(Eingreifen btß äRenfd^engeifted guftanbe, ber feine ®e« 
fe^e bem (Empfangenen einprägt 9(ber bie SJiffenfd^aften 
reid^en nid^t ii^ %u ben legten SBefenl^eiten ber Singe. 
®ie befd^äftigen fid^ mit ben (Singell^eiten ber 9BeIl. 3Bie 
man aber für jebed einjelne 2)ing g. S3. eine Urfad^e an» 
nimmt, mug man eine fold^e and) für bie gange SBelt 
poraudfe^en. SDa einer fold^en gegenüber ba9 SSiffen oer« 
fagt, mug bai^ religiöfe 2)ogma ergängenb eintreten. SBie 
SBJ^emeD fud^t au^ $erfd^el eine Slnfid^t über ba^ ^n» 
ftanbelommen bed 98iffeni3 im menfd^Iid^en ®eifte bnrd§ 
Setrad^tung gal^Ireid^er 93eifpiele gu geminnen. (A. Preli- 
minary Discourse on the Study of Natural Philosophy 
ift 1831 erf (dienen.) 

Sol^n Stuart 9RiU gel^ört gum Zypui^ berjenigen 
SDenler, bie oon ber (Smpfinbung burd^brungen ftnb: man 
lönne nid^t Dorfid^tig genug fein, menn ed fid^ um fjfeftfteQung 
beffen l^anbelt, mag in ber menfd^Iid^en @rlenntnid geroi^/ 
mad ungemig ift. Sag er fd§on im Knabenalter in bie 
Derfc^iebenften S^^^io^ ^^^ äSiffend eingefül^rt mürbe, bürfte 
feinem ©eifte ba» il^m eigentümlid^e @eprage gegeben l^aben. 
(Sr empfing ate breijal^riged Kinb Unterrid^t im ©ried^ifc^en, 
balb barauf mürbe er in ber Slritl^metil untetmiefen. 3)ie 
anbern Unterridjti^gebiete traten entfpred^enb frül^ an i^n 
l^eran. %od^ mel^r mirlte mol^I bit Wci beiS Unterri(^teiS, 
bie fein SSater, ber al^ 2)enler bebeutenbe Samens äßill 
fo geftaltete, ba^ ^ol^n ^inaxi bie fdjörffte Sogil mie gur 
%atur mürbe. Slud ber @eIbftbiograp]^ie erfal^ren mir: 
„3Sa^ fid) burdEi S)enlen au^ftnbig mad^en lieg, ba» fagte 
mein Sater mir nie, beüor id^ meine Äräfte erfd)ßpft l&atte, 
um auf aHed felbft gu fommcn." Sei einem folc^en 
SKenfd^en muffen bie S)inge, bie fein ®enlen befc^äftigen, 
im eigentlidEjften <Sinne bt^ 98orteiS ba» ®d^idfal feineiS 
Sebend merben. „^d^ bin nie Kinb gemefen, l^abe nie 



— 101 — 

@ridet gefpieli; ed ift bo^ Beffer, bxt Statut il^re eigenen 
Salinen manbdn jn laffen/ fagt 3. @t. 9KtII, nxd)t ol^ne 
Sejielgung auf bte (Srfal^rungen; bte jentanb maä^t, be^en 
®4idfal fo einzig bod S)enlen tfi SRit aDer Stärle 
ntuglen auf i^m, ber biefe Sntn^idelung burd^gemad^t ^ai, 
bxt Sfragen nad^ ber Sebeutung bed SSiffeniS laften. 3n« 
n)iefem lann bie (Stltnnim^, bxt x^m ba§ Stitn ift, and^ 
gu ben Quellen ber SSelterfd^einungen filieren ? 2)ie Stic^tung; 
bie SRiQiS ®ebanIeneniQ)ideIung nal^m, uut über biefe gfragen 
9(uff(j^lug ju gen^inneu; ift »ol^I au(^ frül^geitig t)on feinem 
Sater beftimmt n)orben. Santed 9RiIIiS S)enlen ging im 
Sinne ber englifd^en SSeltanfd^auungiSentn^idelung von ber 
pfpd^ologifd^en Srfal^rung an», @r &eoba(i^tete, mie ftd^ 
im 9Renfcl^en SorfieQung an SSorfieQung angliebert. S)ur4 
bie Snglieberung einer SorfteUung an bie anbere gewinnt 
ber aRenfd^ fein SBiffen oon ber SBelt. @r mug [x^ alfo 
fragen: in meld^em Serl^ältniffe fielet bie ®Iieberung ber 
SorfieQungen gu ber ©lieberung ber S)inge in ber äSelt? 
2)urd^ eine fold^e Setrad^tungdmeife mirb ba» 3)enlen 
migtrauifd^ gegen ftd^ felbfi 3m SRenfd^en lönnten ftd^ 
bie SSorfieQungen moglid^ermeife in einer gau} anbern 9Seife 
Derlnüpfen, ate brausen in ber äSelt bxt S)inge. 9(uf 
biefed äRigtrauen ift Sol^n ®inca^i 3SiIId Sogil aufgebaut, 
bie 1843 ate fein ^auptmerl, unter btm Zxttl „System 
of Logic** erfd^ienen ift. 

iDtan lann ftd§ in Singen ber SBeltanfd^auung laum 
einen fd^ärferen Oegenfafe benlen, afe biefe SÄiH'fd^e ^ßogil" 
unb bxt fiebenunbgmangig ^a^xt frül^er erfd^ienene „äSi^en* 
fd^aft ber Sogil'' $egete. Sei $egel finbet man bai^ 
i^od^fte Vertrauen in ba» S)enlen, bie uoDe @id§er]^eit 
barüber, ba^ und bad nid^t täufd^en lann, xoa» mir in uniS 
felbft erleben. $egel fü^It ftd^ al» ©lieb ber Sßett. 
äßad er in fidEi erlebt, mug alfo aud^ ju ber SBeli gepren. 
Unb ba er am unmittelbarften ftd^ felbfi erlennt, fo glaubt 
er an biefed in fid^ @rlannte unb beurteilt banai) bxt 
gange übrige SSeli @r fagt fid^: menn id^ ein öu^ereiS 
3!)ing mal^rnelgme, fo lann t» mir oieQeid^t nur feine 



— 102 — 

auBenfetie itiitn, unb fein SBefen bleibt vtt^üUt Sei 
mit felbfi ift 5ad unmoglid^. äftid^ burd^fd^aue t(^. 3c^ 
lann aber bann bie Singe brausen mit meinem eigenen 
SBefen Dergleid^en. 9Benn fte in il^rer Slugenfeite etmod t)on 
meinem eigenen Sßefen oerraten, bann barf ic^ i^nen auä^ 
titoa^ Don meinem SBefen jufpred^en. ^t^^ali fud^t $egel 
Dertrauen^ooQ ben ®eift, bie ®ebanlent)erbinbungen^ bie 
er in ftd^ ftnbet^ aud^ brausen in ber 9lcdnt. SKill fül^It 
fid^ aunäd^ft nid^t aU ®lxtb, fonbern aü Sufd^auer ber 
äSelt. S)ie S)inge braugen ftnb il^m ein Unbelannted, 
unb ben ®ebanlen, bie ber äRenfd^ ftd^ über biefe 2>inge 
mad^i, begegnet er mit äRi§trauen. 9Ran nimmt SRenfc^en 
ma^r. SRan l^at biiSl^er immer bie Seobad^tung gemad^t^ 
bag bie 3Renfd§en geftorben finb. S)ed]^alb l^at man fid^ 
ba& Urteil gebilbet: aOe ÜRenfd^en ftnb fterblid^. „StOe 
äßenfd^en finb fterblid^; ber C^erjog t)on SBiSington ift ein 
9Menf(^; alfo ift ber ^erjog oon SBiDington fterblid^.'' ®o 
f daliegen bie HRenfd^en. SSaiS giebt il^nen ein 9ted^t baju? 
fragt 3. @t. SRitt. SSenn fid^ einmal ein einziger aRcnfd& 
als unfterblid^ ermiefe, fo märe baS gange Urteil umgeftogen. 
S)ürfen mir, beiSl^alb meil biiS je^t aQe 3Renfd^en geftorben 
finb; aud^ oorauiSfe^en, bag fie bied aud§ in S^Innft tl^un 
merben? S!(IIeiS SSiffen ift un{td§er. S)enn mir f erliegen oon 
S3eobad^tungen, bie mir gemad^t i^aben, auf 2)inge, über 
bie mir nid^ti^ miffen lönnen, fo lange mir nid^t bie be« 
treffenben ^eobad^tungen aud^ an il^nen gemadit l^aben. 
93aiS mügte jemanb, ber im @inne ^egete beult; gu einer 
fold^en Slnfd^auung fagen? 9Ran lann fid^ unfd^mer 
barüber eine SSorfteQung bilben. äßan meig auS fidleren 
ScgriffeU; ba^ in icbcm Ärcife aHe ^albmeffer gleidEi finb. 
trifft man in ber aBirllid^feit auf einen Sxd§, fo bcl^auptet 
man oon biefem mirllid^en ^etfe and), bag feine |)albmeffer 
gleid^ feien. S3eobad§tet man benfelben Sreid nad^ einer 
SBiertelftunbe unb finbet man feine ^albmcffer ungleid^; fo 
entf daliegt man fid^ nun nid^t p bem Urteile: in einem 
jh:eife lönnen unter Umftctnben and) bie ^albmeffer ungleid^ 
fein; fonbern man fagt fid§: mad e^ebem jh:eiiS mar, l^at 



— 103 — 

fid^ auiS irgettb toeld^ett (Stünben )u einer @Qtp{e oerl&ngert. 
@o tixoa ßeQle ftc^ ein in $^egeld @inn 2)enlenber 3» 
bem Urteile: alle aXenfd^en ftnb fterblid^. S)er 'JRenfd^ i^ol 
fi(^ nid^t burc^ Seobad^lung, fonbem al& innered 
®ebanIenerIebniiS ben Segriff beiS äRenfd^en gebilbet, mie 
er fid^ btn Segriff bed fireifei» gebilbet l^at. 3^ bem 
Segriff bt» SRenff^en gei^brt bie Sterblid^Ieit, wie gu bem 
beiS jtreifed bie ©leid^l^eit ber ^albmeffer. trifft man in 
ber Sßtrltid^Ieit auf ein SBefen, ba» alle anberen 9RerImale 
bed aSenfd^en l^ai, fo mn% biefed SBefen aud^ bai^ ber 
©terblid^Ieit l^aben; mie aQe anbern äRerlmale beiS ^eifed 
ba» ber ^albmeffergleic^l^eit nad^ fid^ gleiten. £)egel 
lönnte, menn er auf ein Sßefen tröfe, baiS nid^t ftirbl, f\i^ 
nur fagen: bai^ ift lein 3RenfdE); nid^t aber: ein 9Renfd^ 
lann aud^ unfterblid^ fein. @r fe^t eben votanli, bai ftd^ 
bie Segriffe in uni^ nid^t miOIürlid^ bilben, fonbern bog 
fie im SSefen ber Sielt murgeln, mie mir felbft biefem 
SSefen angei^oren. ^ai fid^ ber Segriff bed SRenfd^en in 
und einmal gebilbet, fo ftommt er aud btm Sßefen ber 
SDinge; unb mir l^aben ba» voüe Siedet, i^n aud^ auf 
biefed SBefen angumenben. SBarum ift in und ber Segriff 
bed fierblid^en Stenfd^en entftanben? S)oc^ nur meil er 
feinen @runb in ber %atur ber Singe l^at. 9Ber glaubt, 
ba% ber 9Renfd^ gang augerl^alb ber S)inge ftel^e unb fid^ 
ald Slugenfte^enber feine Urteile bilbe, lann fxä) fagen: 
mir l^aben bidl^er bie SRenfd^en fterben feigen, alfo bilben 
mir ben Sufd^auerbegriff: fterblidje äRenfd^en. äSer fid^ 
bemu§t ift, bai tt felbft gu ben Singen gehört, unb biefe 
fid^ in feinen ©ebanlen audfpred^en, ber fagt ftc^: bidl^er 
ftnb alle 3Renfd^en geftorben; alfo gel^ort ed gu i^rem 
äBefen, gu fterben; unb mer nid^t ftirbt, ber ift eben lein 
äRenfd^, fonbern etmad anbered. ^egete fiogil ift eine 
Sogil ber Singe gemorben; benn ^egel ift bie Sprad^e 
ber fiogil eine äSirlung bed SSefend ber 9BeIt; nid|t etmad 
gu biefem äßefen oon btm menfd^Iid^en ©eifte non an^tti 
^ingugefügted* SKiQd Sogil ift eine Sufd^auer^^Sogil, bie 
^unöc^ft ben traben gufd^neibet, ber fie mit ber Sßelt oerbinbet. 



— 104 — 

®o unberechtigt eiS nun mäxt, biefen Qn^d^antt» 
©eftd^tdpunlt auf bal^ ©anse ber SSeltanfd^auung an^^ 
}ubelgnen unb Don tl^m an» btn Slgnoftigti^muiS gu oer- 
teibigen; fo einfeitig mäxt ti^, biefent @eftd^ti^punlte feine 
Sered^tigung innerl^alb ber met^obifd^en n}iffenf(j^aft- 
lid^en 9[rbeit abgufpred^en. 3n ben einzelnen SBiffeniS« 
gn)eigen ift ber äRenfd^ gunäd^ft 3uf(^auer ber Vorgänge, 
bie ftd^ mit btn 2)ingen abfpielen. @r ntug ftd^ mit ^ilfe 
feiner logifd^ geglieberten SSorfteQungi^roelt in ber %atur 
gured^tftnben. Unb ba tann er nid^t migtrauifd^ genug 
fein. @r mn% bie 93ebingungen auffud^en, unter benen er 
an» einem gemiffen Sufammenl^ang ber ®ebanlen auf einen 
fold^en innerl^alb ber 2)inge fd^Iiegen barf. ®o mal^r 
t» ift^ ba^ bie %atur im ©angen btn ÜRenfd^en ni(|t 
tclud^en lann, fo mal^r ift t» anä^, ba^ fte bieiS im 
eingelnen fortmct^renb tlgut. SRiQ meift borauf l^in, mie 
®eban{en, bie einem gemiffen S^italter alß unbebingt 
fidlere innere (Sriebniffe erfd^einen^ bod^ t)on einem folgenben 
umgeftogen merben. 3- ^* ^^t man im SRittelalter baxan 
geglaubt; bai ed unmöglid^ ©egenfügler geben Ibnne, unb 
ba% bie Sterne l^erunterfaüen mitgten, menn fie nid^t an 
feften @p^ättn l^ingen. 2)er äßenfd^ mirb alfo ein red^teS 
äJerl^ältnid gu feinem SSiffen nur geminnen lönnen, menn 
er fid^, tro^ bed äJemu^tfeini^^ ba^ bie Sogil ber äSelt fic^ 
in il^m audfprid^t, im eingelnen nur burd^ met^obifd^e 
Prüfung feiner SßorfteQungiSgufammenl^änge an ber ^anb 
ber Seobad^tung ein ber fortmöl^renben ^orreltur be« 
bürftiged Urteil bilbet. Unb bie SRetl^oben ber Beob« 
obad^tung ftnb t», bie 3. @t. 3!ftxü, in unt)ergleid^lid^«llarer 
SBeife in feiner ßogil feftgufleDen fud^t. gin Seifpiel baför 
ift biefed. SRan nel^me an, eine @rfd^einung möre unter 
gemiffen SBebingungen immer eingetreten. 3n einem be» 
ftimmten gfaDe treten ])on biefen 93ebingungen eine gange 
Steil^e mieber ein; nur eingelne f eitlen. S)ie @rfd^einung 
tritt nid^t ein. S)ann mu§ man fd^Iiegen, ba% bie nid^t 
eingetretenen 33ebingungen mit ber nid^t eingetretenen &x» 
fc^einung in einem urfadE|Iid§en 3iif<iin^en]^ange ftel^en. 



— 105 — 

SESenn atoet ®ioffe fid^ ftti» 31t einer d^etnifd^en Serbinbung 
gitf atnmengefügt Igaben ; ünb fte bit» einmal nid^t tl^un, fo 
ntug ntan nac^forfd^en, wad bieiSmal nid^t ba i^ unb fonft 
immer ba mar. 2)urd^ eine fold^e 9Ret^obe lommen mir 
jn SSorfteDungen über Zl^atfad^engufammenl^önge^ meldte mit 
Sered^tigung Don und ate fold^e angefel^en merben, bie 
il^ren ®runb in ber Statur ber ^inge Igaben. Sen 9eob« 
ad^tungdmetl^oben miQ SKill nad^geben. S)ie Sogil, von 
ber Sant gefagt f^ai, ba% fte feit SriftoteleiS um leinen 
®d^ritt meiter gelommen fei^ ift ein SDrientierungiSmittel 
innerl^alb bed beulend felbft. ®ie a^igt, mie man von 
einem rid^tigen ®eban!en auf ben anbern lommt. SRiDd 
Sogil ift ein DrientierungiSmittel innerl^alb ber äSelt ber 
Sl^atfad^en. Sie miQ geigen, mie man ani^ Seobad^tungen 
gu giltigen Urteilen über bie 2)inge gelangt. SKiO maä)t 
leinen Unterfd^ieb gmifd^en ben menf4)Iid^en Urteilen. 3l^m 
gel^t allea aui^ ber Seobad^tung l^erDor, ma» ber SRenfd^ 
über bie S)inge beult. %i(|t einmal begüglid^ ber Statine- 
matil lagt er eine SSlui^nal^me gelten, ^u^ fte mn% x^it 
©runberlenntnrffe auiS ber 9)eobad^tung geminnen. 9&ir 
l^aben in allen SföQeU; bie mir btiSl^er beobad^tet j^aben^. 
gefeigen, ba^ gmei gerabe Sinien, bie ftdg einmal gefc^nitten 
Igaben, auiSeinanberlaufen (bioergieren) unb ftd§ nidgt ein 
gmeiteiS Sßal gefdgnitten liaben. 3)arauiS fdgliegen mir, ba^ 
fte fidg nidgt fdgneiben lonnen. Slber einen DoQIommenen 
»emeiiS bafür Igaben mir nidgi Qfür Stuart SRill ift 
alfo bie SBelt ein btm SKenfdgen Srembei^. ®er SRenfd^ 
btitaä^tti ilgre @rfdgeinungen unb orbnet fie nadg ben Sind» 
fagen, bie pe iigm in feinem ffiorfteüungSleben mac^t. Sr 
nimmt Stegelmögigleiten in ben @rfdgeinungen ma^r nnb 
gelangt burdg logifdi-metlgobifdge Unterfudgung biefer Sftegel- 
mögigteiten gu %aturgefe^en. Slber nidgtd fülgrt in ben 
®xnnb ber 3)inge felbft. 9Ran lann beiSlgalb gang gut 
ftdg Dorfteüen, bai aUt» in ber SBelt audg anberd fein 
fönnte. HRitt ift übergeugt, bai jeber, ber an »bftraltion 
unb anal^fe gemßlgnt ift, unb feine fjfäl&igleitcn reblid^ 
anmenbet, nadg genügenber Übung feiner SSorfteQungi^Iraft^ 



— 106 — 

leine @d^ioierigIett in ber Sbee finbet, t» lonne in einem 
anbem ®temf9ftem ab bem unfrigen nid)i» t)on ben ®e« 
fe|en ju finben fein, bie im unfrigen gettem 

Sd ifl nur lonfequent, menn biefer SJeltsSufd^ouer« 
Stanbpunlt oon SRiD aud^ auf bad eigene !3cl^ bed SRenfc^en 
oudgebel^ni mirb. SorfteDungen lommen unb gelten, oer« 
Inüpf en fxä) unb trennen fid^ in feinem Snnern ; ba& nimmt 
ber aRenfd^ mal^r. Sin äßefen^ ba» fid^ al» „^d)" gleich 
bleibt in biefem ftommen unb (Selben, brennen unb Ser« 
binben ber SorfteSungen nimmt er nid^t mal^r. (St l^at 
biiS^er in fid^ SSorfteKungen auftauten fe^en unb fe^t 
ooraud, bag bied aud^ meiter ber ^aQ fein mirb. ^ud 
biefer SRoglid^feit, bai ftd^ um einen äßittelpunlt l^erum 
eine SorfteQungdmelt gliebert, entfielet bie SorfteQung bed 
„^ö^". 3(ud^ feinem eigenen „Sd^" gegenüber ift ber SRenfc^ 
alfo 3ufd^auer. @r lögt ftdb oon feinen SSorfteKungen 
fageU; mad er über fic^ miffen lann. $ier gelangt WJH 
nun an ben munben ^unlt feiner SBeltanfd^auung. @r 
btixa^iti bie S^l^atfad^en ber Erinnerung unb ber Srmartung. 
9Senn aDed, wa» id^ von mir xüti%, fxi) in SSorfteKungen 
erfd^öpfen foQ, fo lann id^ nid^t fügen: id^ erinnere mic^ 
an eine frül^er oon mir gel^abte äSorfteQung, ober i^ er« 
marte ben Eintritt eined gemtffen ErlebniffeS; fonbern eine 
äiorfteQung erinnert fid^ an ftd^ felbft ober ermartet il^r 
gulünftigcö auftreten. ;,8Benn mir" — fagt SRiH — „com 
©eifte ate oon einer Steil^e oon SSal^rnel^mungen fprec^en, 
bann muffen mir oon einer SBal^me^mung^reil^e fprec^en, 
bit ftd^ felbft ate merbenb unb oergangen bemugt tft. Unb 
nun beftnben mir uniS in bem ^iltmma, entmeber p fagen, 
baii „^ä)" ober ber ®eift fei ettoaiS oon ben SBal^cnel^mungen 
SSerfd^iebened; ober bai^ $arobo;on %u bel^aupten, eine 
blo^e SBorfteQungdreil^e lönne ein Semugtfein oon i^rer 
Sergangenl^eit unb 3ulunft l^aben." äßiQ lommt über 
biefeiS S)ilemma nid^t ^inaud. gfür i^n birgt ed ein un* 
löi^bared StätfeL @r l^at eben ba» 9anb jmifd^en ftd^, 
btm äSeobad^ter, unb ber äSelt jerriffen, unb ift nid^t im 
ftanbe, e» mieber gu Inüpfen. S)ie äSelt bleibt il^m ba» 



— 107 — 

jenfettige Unbelonnle, ba» auf ben äRenfd^en Sinbcüde mai^L 
Wit», wai^ biefcc non bem jenfeitigen Unbelannten toeig, 
iß, ba% bie aRSglicI^Ieit oorl^anben ift, t» lönne in i^m 
SBal^rnel^mungen l^ect^omtfen. @tait olfo oon oirSid^en 
S)ingen au^er ftd^, lann ber SKenfd^ im ®runbe nur baoon 
fpted^eu; bag SBa^rne^mungdmoglid^Ieiten oorJ^onben 
jtnb. Z3er oon Singen an ftd^ fprid^t, agel^t ftd§ in leeren 
SBorten; nur tott Don ber beftänbigen SRoglic^Ieit bed 
SintreteniS oon Smpfinbungen SBal^rnel^mungen, Sor- 
fteOungen fprid^t, bemegi ftd^ auf bem Soben bt^ £l^at> 
fäc^Iid^en. 

@tuart 9RiE l^at eine i^eftige Slbneigung gegen aQe 
©ebanlen, bie auf anberm SSege gemonnen ftnb, ald burd^ 
Sergleid^ung ber Sl^atfadjen, burd^ Verfolgen bed SH^nlid^en, 
Stnalogen unb '^n^ammtxtQtf^övxQtn in ben @rfd^einungen. 
@r meinte, ber menfd^Iid^en Sebendfül^rung lönnte nur ber 
größte Sd^aben augefügt merben, totnn man fi(^ in bem 
®Iauben miege: man lönne gu irgenb einer SBalgrl^eit auf 
eine anbere SBeife gelangen ate burd^ äSeobad^tung. 9Ran 
fül^It in biefer Abneigung SRiQd bie @d^eu baoor, fid^ bei 
allem (Srienntnidftreben anberd ate rein empfangenb 
(paffit)) ben S)ingen gegenüber gu Derl^alten. Sie foQen 
bem 9Renfd^en bUtieren, ma» er über fte ju ben{en l^at. 
@ud^t er über baiS @mpfangen J^inauiSgugel^en unb aud 
fid^ felbft l^exau^ tima^ über bie S)inge gu fagen, fo felglt 
i^m jebe ©arantie bafür, ba^ biefei^ fein eigeneiS @rgeugnid 
audt) mirllid^ etmaiS mit ben Singen gu t^un i^abe. S^Ie^t 
lommt e& bei biefer 9(nfd^auung barauf an, ba^ i^t S3e« 
lenner fid^ nid^t entfd^Iiegen fann, fein etgeneiS felbfttl^citiged 
2)enlen mit %u ber S3elt gu red^nen. ®erabe, ba^ er babei 
felbfttlgätig ift, ba^ beirrt il^n. @r möä)it fein Selbft am 
liebften gang audfd^alten, um nur [a nidjtiS galfd^ei^ in 
ba& eingumifd^en, xoa& bie @rfd)einungen über fid^ fagen. 
@r mürbigt bie Si^atfac^e nid^t in rid^tiger SSeife, ba% 
fein Senlen tbtn fo jur $atur gel^ört, mie ba^ SBad^fen 
einei^ ®radl^almi^. @o tlar t» nun ift, ba% man ben 
©rai^lgalm beobad^ten mu%, menn man tiroa^ von il^m 



— 108 — 

toiffen wiUf fo Ilar foQie t» fein^ ba% man au^ fein 
txQtm^ felbfttl^ättgeiS S)enlen befragen mu%, n)enn man 
über baiSfelbe ttma9 erfal^ren miH SBie foH man, nad^ 
bent ©oetl^efd^en ^ottt, fein SSerl^ältniiS )u fid^ felbfl unb 
gur $[ugenn)eU lennen lernen^ menn man im SrIenntniiS« 
proaeffe fid^ felbfi gan} auiSfdgalien miQ? SBie grog bie 
Serbienfte 9RiIIi9 au^ {tnb um bit Sluffinbung ber äRetlgoben^ 
burd^ bie ber äRenfd^ allec^ ba» erlennt^ ma» Don il^m 
nid^t abl^öngt: eine Slnfid^t barüber^ in meld^em äSer^It« 
niffe ber 3Renfd^ gu fid^ felbft unb mit feinem ©elbft jur 
Slugenmelt ftel^t^ !ann burd^ leine fold^e äRetl^obe gemonnen 
merben. 3lQe biefe aReti^oben l^aben il^re ©iltigleit bal^er 
für bit einzelnen SBiffenfd^aften; nid^t aber für eine um» 
faffenbe Sßeltanfd^auung. 9Bai9 baB felbfttl^ätige 3)enlen 
ift, lann leine SSeobad^tung leieren: bai^ lann nur ba» 
2)enlen auiS fid^ felbft erfalgren. Unb ba ba» 2)enlen über 
fid^ nur burd^ fid^ ttwa^ auiSfagen lann^ fo lann t^ fid^ 
aud^ nur felbft tima^ über fein SSerl^öUnii^ gur Slugenmelt 
fagen. ÜKilld äSorfteQungiSart fd^Iiegt alfo bie ©eminnung 
einer SBeltanfd^auung DoQftcinbig au». @ine fold^e !ann 
nur burd^ ein fid^ in ftd^ oerfenlenbed unb babnxä) ftd^ 
unb feine Segiel^ung gur Slugenmelt überfd^auenbeiS 
S)enlen gewonnen merben. S)ag ®inatt 'SHiU eint 3(ntipatl^ie 
gegen ein fold^ei^ auf ftd) felbft bauenbeiS S)enlen liegte, 
ift aui^ feinem @l^aralter mo^I gu begreifen. @Iabftone 
"^ai in einem ©riefe (oergL ©omperfe: Sol^n Stuart 3Ritt. 
SBien 1889) gefagt, ba% er mU in ©efpröd^en ben 
0^tiliQtn bt» StationaliiSmuiS'' gu nennen pflegte. (Sin 
3Rann, ber in biefer SBeife fid& gang im ®enlen auiSlebt, 
fteüt an ba» SDenlen gro^e Hnforberungen unb fud^t nad^ 
ben grogtmbglid^en äJorfid^tdmagregeln^ ba^ t» il^n nid^t 
töufd^en lönne. @r mirb baburd^ btm S)enlen gegenüber 
mi§trauifd^. @r glaubt, leidet ind Unftd^ere gu lommen, 
menn er fefte Slnl^altdpunlte oerliert. Unb Unftd^erl^eit 
gegenüber alten f^ragen, bie über ba» ftrenge SSeobad^tungiS« 
miffen l^inauggel^en, ift ein ©runbgug in SRillö ^erfönlid^» 
leit. 2Ber feine @d)riften oerfolgt, mirb überall feigen, 



— 109 — 



tote TlxR fold^e ^fragen ald offene betrachtet, fiber bie er 
ein ftc^ered Urteil nid^t roagt. 



Sin ber Unerlennbarleit beiS xoa^tm Sßefend ber S)inge 
l^ölt ani) Herbert Spencer feft. @r fragt fic^ junäd^fi: 
rooburdg lomme id^ gu bem, mad id^ Sßal^rl^etten über bie 
Sßelt nenne? Sd^ beobad^te SingelneiS an ben 3)ingen unb 
bilbe mir über pe Urteile. 3d& beobad^te, bai Safferftoff 
unb ©auerftoff unter geroiffen ^ebingungen fid^ gu SSaffer 
t)erbinben. 3d^ bilbe mir ein Urteil barüber. S)ad ift 
eine einzelne äSal^rl^eit; bie fid^ nur über einen Seinen 
jb:ei^ oon S)ingen erftredCt. 3d) beobad^te bann aud^, 
unter meldten Seri^oltniffen fid^ anbere Stoffe oerbinben. 
Sä) oergleid^e bie einzelnen Seoba(f)tungen unb lomme baburd^ 
^u umfaffenberen, allgemeineren SBal^rl^eiten barüber, mie 
fid^ Stoffe überl^aupt c^emifd^ oerbinben. Slled @rlennen 
berul^t barauf, bai bei 3Kenf(i) oon eingeben SBa^r^eiten gu 
immer aQgemeineren äSa^r^eiten übergel^t, um gule^t bei 
ber l^ödgften äSal^rl^eit gu enbigen, bie er auf leine anbere 
gurüdfül^ren lann; bie er alfo l^innel^men mu§^ ol^ne fte 
meiter begreifen gu lönncn. Sn biefem (SrlenntniiSmeg Jiaitn 
mir aber lein äRittel, gum abfoluten SBefen ber SBelt oor« 
gubringen. 2)aiS S)enlen lann ia, nad^ biefer äKeinung, 
nid)ti$ tl^un, aU bie oerfd^iebenen S)inge mit einanber 
Dergleid^en, unb ftd^ über ba§, was in il^nen ©leid^ortigeiS 
ift, fid^ allgemeine SSSal^rl^eiten bilben. ^aS unbebingte 
SBeltroefen lann aber, in feiner ©ingigartigleit, mit 
feinem anbern S)ing oerglid^en merben. 2)eiSl^aIb oerfagt 
baS 2)enlen il^m gegenüber. (SS lommt an badfelbe nid^t 
l^eran. 

9Sir l^ören in fold^en SSorfteQungi^arten immer bm 

I ©ebanlen mitfpred^en, ber aud^ auf ®runb ber ®inntß» 

pl&^fiologie pd^ auögebilbet ftai (SSergl. oben @. 72 ff.) 

Sei oielen ©enlern ift biefer ©ebanbe fo mit il&rem geiftigen 

Seben oermad^fen, ba% fie il^n für baiS gemiffefte l^alten, 



— 110 — 

bod ed geben lann. ®ie fa()en [\^, ber äRenfd^ erlentti 
bie 2)inge nur babuxä), baB er ftd^ tl^rer ben)ugt wirb. 
®te Derwanbeln nun, mel^r ober weniger unwiDfürlid^, biefen 
®ebanlen in ben anbern: Tlan lann nur oon beut wiffen^ 
xoa» in ba» ä3en)u§tfetn eintritt; t^ bleibt aber unbelannt, 
mit bie 3)inge waxtn, htvox fte in ba» Sewugtfein ein« 
jetreten ftnb. @o ftel^t man aud^ bie iSinneiSempfinbungen 
an, ate wären fte im IBemu^tfein; benn man meint, 
te muffen boi) erft in badfelbe eintreten, alfo Seile bed« 
felben (SSorfteQungen) werben, wenn man von i^nen etwaig 
wiffen foH. 

"äni) @pencer l^ält baran feft, ba§ es Don un^ 
SRenfd^en abl^ctngt, wie wir erlennen lönnen, unb ba^ mit 
beSl&alb jenfeitö beffcn, ma^ unfere Sinne unb unfer S)enlcn 
uns übermitteln, ein ÜnerlennbareiS annel^men muffen. SSir 
l^aben ein IlareiS ä)ewugtfein von allem, wod uniS unfere 
SSorfteüungen fagen. Slber biefem Ilaren ift ein un- 
beftimmteiS Sewugtfein beigemifd^t, ba» befagt, ba^ allem, 
maS wir beobad^ten unb benlen, etwaig gu ®runb liegt, 
maS wir nid)t mel^r beobad)ten unb benlen !önnen. 9Bir 
wiffen, ba^ wir eS mit biegen Srfd^einungen, nid^t mit 
DoQen für fid^ beftel^enben 9tealitäten gu tl^un l^aben. 9(ber 
eben weil wir genau wiffen, ba% unfere SBcIt nur @r- 
fd^einung ift; fo wiffen wir aud^, ba^ il^r eine unoorfteH- 
bare wirllid^e ^u @runb liegt. ®urdE) foId)e SBcnbungen 
feinet S)enIenS glaubt Spencer bie DoQe äSerföl^nung von 
Steligion unb @rlenntnii^ l^erbeifül^ren gu lönnen. @d giebt 
etwaiS, baS feinem @rlennen gugänglid^ ift; alfo giebt eiS 
anä^ etwas, was bie Sleltgion in ©lauben faffen lann; 
in einen ®Iauben, ben bie ol^nmö(i)ttge (Srienntnid nid^t 
erfd^üttern lann. 8[ud^ ber Spenccrfd^e ägnoftigiömuS ift 
alfo in ber Sage, mit ber Sleligion in ooHem ^rieben gu 
leben. (5r ooHaiel^t eine reinliche Sd&eibung ber ©ebiete. 
©aöjenige ©ebiet nun, baS Spencer ber Srienntnid 
guganglid^ i^ölt, madgt er oöllig gum gfelbe natur« 
wiffenfd^aftli(^er SSorfteQungen. 9Bo er gu erllären unter« 
nimmt, tl^ut er baS nur in naturwiffenfd)aftlid^em Sinne. 



— 111 — 

Katurioiffenfd^aftltcl^ benit ftd^ ®pencet ben Srlenntnii^« 
progeg. @tn ieglid^ed Orgon tine» Sebeioefend ift baburd^ 
enißanben, bag ftd^ biefed SSefen ben Sebingungen an« 
gepagt l^ai^ unter benen ed lebi. 3^ ben menfdjlid^en 
SebeniSbebtngungen gel^ört, ba% ftd^ ber aRenfd^ benlenb in 
ber äSelt ^ured^tftnbet. @etn @rIenntnidorgan tniftt^i burd^ 
SInpaffung feined SorfteEungdleBend an bie Sebingungen 
ber 9(u^enn)elt. SBenn ber äRenfd^ über ein 2)ing ober 
einen SSorgang tima^ aniSfagt, fo bebeuiet bied nid^tö anbere0, 
aU er pa^i fi^ ber il^n umgebenben SSeli an. Slle SBal^r« 
l^eiten finb auf biefem Sßege ber Slnpaffung entfianben. 
SJaiS aber burd^ Snpaffung erworben ijit, !ann fi(^ auf 
bie %ad)Iommen oererben. S>ieientgen l^aben ntd)t rec^t^ 
bit belgaupteU/ bem SRenf d^en lomme burd^ feine Statur 
ein für aOental eine gen)iffe SDidpofttion gu aDgemeinen 
SBal^rl^eiten gu. 3BaiS al& folc^e 3)idpofitton erfc^eint, war 
einmat bei ben SSorfal^ren bt^ SRenfd^en nid^t ba, fonbern 
ift burd^ Snpaffung erworben morben, unb l^at fid^ auf bie 
Stad^Iontnten oererbt. SBenn gewiffe $^iIofoplgen oon äBa^r« 
l^eiten fpred^en, bie ber 9Renf(^ nid^t aud feiner eigenen 
inbioibueHen Srfal^rung gu fd^öpfen brandet, fonbern bie 
Don porn^erein in feiner Organifation liegen, fo i^aben fie 
in gewijfer Segie^ung rec^t. Slber fold^e äSa^r^eiten finb 
bod^ au^ erworben, nur nid|t oon bent SRenfd^en äü 
Snbioibuum, fonbern aU ©attung. S)er @ingelne ^at baiS 
in früherer 3cit Erworbene fertig ererbt. — @oet^e fagt, 
ba^ er mand^em @efprad^ über ftantiS „ih:itil ber reinen 
SSernunft'' beigewohnt unb babei gefeiten l^abe, ba^ bit 
alte Hauptfrage fid^ erneuere, wie ^oiel unfer ©elbft unb 
wieoiel bie 3(ugenwelt gu unfernt geiftigen S)afein bei« 
trage?" Unb er fä^rt fort: „^^ f^aiit beibe nicmafe ge- 
fonbert, unb wenn id| nad^ meiner äBeife über ©egenftänbe 
pj^ilofopl^ierte, fo tl^at iä) ed mit unbewußter %aioität 
unb glaubte wirllid^, id^ föl^e meine äReinungen oor Slugen.'' 
©pencer rüdEte biefe ^alte Hauptfrage'' in ba^ Siä^t ber 
naturwiffenfd^aftlid^en §lnfd^auungi$art. @r glaubte, gu 
geigen, ba^ ber entwidCelte 9Renfd| aDerbingS aud^ an9 



— 112 — 

feinem ®elbft gu feinem geifügen Safein beizutragen ^at; 
aber biefed ®elbft fe^t fid^ bod) ani) an» btn (Srbftuden 
gufammen^ bie unfere Sorfal^ren im ffampfe mit ber ^n%tn* 
mtli ermorben l^aben. SSenn mir l^ente unfere äßeinungen 
Dor Singen gu feigen glauben^ fo maren bieiS nid^t immer 
unfere äße inungen^ fonbern ed moren einft Seobad^tungen, 
bie mirllid^ mit ben Singen an ber Slugenmelt gemad^t 
morben ftnb. @penceriS 9Seg ift alfo mit ber Sinaxi 3RiJlB 
ein fold^er, ber non ber ^fqd^ologie auiSgel^t. Slber SKill 
bleibt bei ber ^f^d^ologie bt» 3nbiDibuumi9 fte^en. (Spencer 
fteigt non bem 3nbioibuum gu beffen SSorfal^ren auf. 
2)ie 3nbinibuaIpf9d)oIogie ift in berfelben Sage mie bie 
JteimeiSgefc{)id^te ber 3ooIogie. ©emiffe Srfd^einungen ber 
Keimung finb nur erllcirlidi, menn man fie gurüdCfül^rt auf 
@rfd^einungen ber ®tammeiSgefd^id^te. (Sbenfo finb bit 
Sl^atfadien bed inbioibueQen äSemu^tfeinS and fid^ felbft 
nid)t nerftänblid). äßan mug auffteigen gu ber ©attung, 
|a über bie 9Benfd^engattung nod^ l^inauiSgel^en bis gu ben 
(grIenntntSermerbungen, meldte bie tierifd^en SJorfal^ren beS 
Sßenfd^en f4|on gemad^t l^aben. Spencer menbet einen 
großen @d^arffinn an^ um biefe feine @ntn)id(elung0gefd^id^te 
beS (SrfenntnidprogeffeS gu ftü^en. @r geigt, mie bie geiftigen 
gfcll^igletten auS niebrigen Slnfängen fidg aDmäl^lic^ ent« 
micfelt l^aben burd^ immer entfpred^enbere Slnpaffungen 
beö Oeiftcö an bie Slufeenmelt unb burd^ SScrerbung biefer 
Slnpaffungen. ^ütS, maS ber eingelne äßenfd^ ol^ne @r« 
fal^rung, burd^ reinei^ Scnlcn über bit S)inge gewinnt, 
l^at bie äßenfd^l^eit ober bereu ä^oreltern burd^ S9eobad^tung, 
burd^ (Srfal^rung gemonnen. Seibnig l^at bie Überetn« 
ftimmung beiS menfd^IidE)en Innern mit ber Hugenmelt nur 
baburd^ erllären gu Irinnen geglaubt, bag er eine t)om 
@d^öpfer Dorl^erbeftimmte Harmonie angenommen l^at. 
Spencer erllärt biefe Übereinftimmung naturmiffenfc^aftlid^. 
@ie ift nid)t oorl^erbeftimmt, fonbern geworben. 9Ran 
i^at l^ier bie gfortfe^ung beS naturmiffenfd^aftlid^en SenleniS 
bid in bie pd^ften, bem 3ßenfd^en gegebenen 2^l^atfad)en. 
ßinnö erllört, jebe lebenbige SBefenöform fei oori^anbcn. 



— 118 — 

loetl ber Sd^opfer ftefo gefd^affen l^ot, mt fte ifL S arm in 
erflSrt, fte fei fo, tote fte ftd^ burd^ Snpaffung unb Sererbung 
alltnftl^Iid^ enttoideli l^ot. fieibttig tdl&tt, bad SDettlett 
ßitntne mit ber Sugentoelt, toeil ber Sd^Spfer bie Über« 
cinfütntitung gefd^affen l^ot Spencer erlUrt^ biefe über« 
einßitntnung fei oorl^attben, toeil fie fid^ burd^ Stnpaffung 
itnb Sererbung ber ®ebanIrntoett eitttuidCeli ^at 

Son betn Sebfirfttid ttad^ einer ndurgemäfien Sr» 
HArung ber geiftigen ^d^einungen ift Spencer ouiSgegangen. 
Z)ie Slid^iung auf eine fold^e l^at il^nt Skelid Geologie ge» 
geben. (SBergL ®. 17.) Sn t|ir toirb jnxir ber (Sebonle 
nod^ bel&ntpfi, ba§ bie organifd^en gfornten ftd^ burd^ aD« 
mäl^Iid^e Sntoidtelung and einonber gebilbet l^aben; aber er 
erfäl^rt bod§ eine mid^tige ®tü^e baburd), bag bie uxt" 
organifd^en (geologifd^en) Silbungen ber (Srboberfläd^e bnrd^ 
eine fold^e aQnt&l^Iid^e SntmidFelung, ntd^t burd^ gewaltfante 
Aalaftropl^en, erllärt merben. Spencer^ ber eine natur« 
tDiffenfdgaftItdge Silbung l^atte, ftd^ aud^ einige Seit aU Sioil- 
ingenieur betl^fitigt l^atte, erlannte bie voUt Sragmeite bed 
(Entwidelungi^gebanlend fofort, unb menbete il^n an, trp| 
ber Seldntpfung burd^ SqeQ. ^a, er roenbete il^n fogor 
auf bie geiftigen Sorgönge an. ®d^on 1850, in feiner 
@(^rift Social Staues, befd^rieb er bie fo^iale @ntn)fdEeIung in 
Stnalogie mit ber organifd^en. @r madiit fid^ aud^ mit 
^axvtJf» unb SBoIffd (nergl. 9b. I biefer 2ßeltanfd)auungi9« 
gefd^id^te @. 142 ff.) @tubien über fteimedgefd^id)te ber 
OrganiiSmen belannt unb vertiefte fid| in bie arbeiten 
A. @. von Sans (t)gL oben ®. 50 f.), bie i^m geigten, 
toie bie @ntmid(elung barin beftel^e, bai au» einem Su^anb 
ber ©leic^artigleit, ber Sinformigfett ein foldger ber Ser« 
fdgiebenl^eit, berSRannigfaltigleit, beiSSleid^tumiS ßd^ entroidtele. 
3n btn erften fteimftabien feigen fidg bie OrganiiSmen 
4lgnlidg; fpöter merben fie oon einanber oerfdgieben. (Sergl. 
oben ®. 51 ff.) S)urdg Sarmin erfuhr biefer @ntmidelungd« 
gebanle bann eine oolllommene S3elr&ftigung. üni^ einigen 
menigen UrorganiiSmen f)ai {tdg ber gange Steidgtum ber 
Igeutigen, mannigfaltigen gormenmelt entmidtelt. 

6t einer, VklU unb ScaenSoiif^atmnoeit. II. 8 



— 114 — 

Son btm ßntmtdelungdgebanlen ouiS looHte @pencer 
auffieigen gu ben allgemeinften SSal^rl^eiten, bie nad^ feiner 
äRetnung baiS 3i^I ^^^ ntenfd^Iid^en Srlenntnii^flrebeni» auiS» 
tnad^en. 3n ben einfad^ften Srfd^einungen glaubte er ben 
Sntmidelungdgebanlen fd^on ju ftnben. Sßenn au» jet' 
ftreuien SBafferteild^en jt(^ eine SBoUe am ^intmel^ aui^ 
gerftreuten ©anblörpern ein @anb^aufen fid^ bilbel, fi> 
l^at man ed mit einem (SntmidfelungiSprogeffe gu t^un» 
3erfireutei ®toff mirb ^ufammengegogen (longentriert) }u 
einem ©angen. Stintn anbern $rogeg l^at man in ber 
jtant-SapIacefd^en SBeltbilbungiSl^Qpotl^efe cor ftd^. 3^' 
ftreute Seile eineiS d^aotifd^en äBeltnebete l^aben ftd^ 
gufammengego^en. 3)er OrganiiSmuiS entfielet auf tbtn 
biefe äBeife. Qet^iveutt (Elemente merben in @cxothm 
longentriert. S)er ^f^d^ologe lann beobad^ten, mie ber 
äRenfd) gerftreute SSeobad^tungen gu allgemeinen SSal^rl^eiten 
gufammengiel^t. Snner^alb bt» longentrierten fangen 
aliebert fid) bann ba» 3ufammengegogene (e0 bifferengiiert 
jtd^). 2)ie Urmaffe gliebert ftd^ gu ben eingelnen $immeld« 
iötpem be» ©onnenf^ftemd; ber OrganiiSmuiS bifferengiiert 
fid^ gu mannigfaltigen Organen. 

äßit ber 3ufammengie^ung med^felt bie 3(uflöfung ab. 
äBenn ein @ntmtdEeIungiSproge| einen gemiffen -^öl^epunlt 
erreid^t l^at, bann tritt ein ®Ieid^geit)id^t ein. S)er SRenfd^ 
entmidfclt fid^ g. S. fo lange, hi» fid^ eine möglid^ft grofte 
Harmonie feiner inneren ^äl^igleiten unb ber äu|eren 
%atur l^eraui^gebilbet l^at. Sin foId)er ©leid^gemid^tdguftanb 
!ann aber nid^t bauern; augere Gräfte merben gerftörenb 
an il^n i^erantreten. 9luf bie Sntmidelung mu§ ber ab« 
fteigenbe, ber Stuflöfungöprogefe folgen; ba» S^\ammtn» 
gegogene belgnt fid) mieber auiS; ba» loSmifd^e mirb mieber 
gum Q^^aoB. 2)er $roge§ ber @ntn>idelung lann von 
neuem beginnen. @in r^Qtmifd^eiS 33emegungdfpiel fte^i 
©pencer alfo im SBeltprogefe. 

SiS ift eine gemig nid|t unintereffante Seobad^tun^ 
für bie t)ergleid)enbe SntmidelungiSgefd^id^te ber äBelt- 
anfd^auungen, ba^ ©pencer l^ier au» ber 93etrad^tung bei^ 



— 115 — 

SSerbeniS ber SSelterfd^einungen gu einem ä^nlid^en ®tß 
banUn lontmt, ben auä) ®oti^t ouf (Srunb fetner Sbeen 
über ba» SBerben bt» Stltn» audgefprod^en ^at 5Diefer 
befd^reibt ba» äBad^iStum ber ^flan^e fo: „@d mag bte 
${ianae fproffen^ blülgen ober fjfrüd^te tragen, fo ftnb ed 
bod^ immer nur biefelbtgen Drgane, meldte in oielfäliigen 
93efttmmungen unb unter oft oerönberten ©eftalten, bie 
Sorfdirift ber Sßatur erfüllen, ©aöfelbe Organ, meldte« am 
Stengel aU 93Iatt ftd^ auiSgebe^nt, unb eine l^od^ft 
mannigfaltige ©eftalt angenommen l&at, giel^t fid& nun 
im Stdä)t gufammen, bel^nt fid^ im ^lumenblatte mieber 
au$,gie]^t fid^ in ben ®efd)Ied)tiSn)erIaeugen gufammen, 
um fid) als gfrud^t gum le^tenmal audgube][)nen.'' 
38an beule ftd^ biefe SSorfteüung auf btn gangen SBelt» 
progefe übertragen, fo gelangt man gu ©penceriS ^u^ammcn» 
Biegung unb 3^ftrcuung beö ©toffeö. 



®pencer unb Ttill l^iaben auf bie SBeltanfc^auungd' 
entmidelung ber legten Sal^rl^unbertl^älfte einen gro|en 
ßinflufe geübt. S)ag ftrenge Setonen ber SScobad^tung unfr 
bie genaue Bearbeitung ber SReti^oben be» beobad^tenben 
(Sriennenö burd& 3»iII, bie Slnmcnbung naturmiffenfd^aftlit^er 
Sorftellungen auf ben gangen Umfang beS menfd^Iid^en 
SBiffcnS burd^ iSpcncer: pe mußten ben ©mpfinbungen 
eines !iexiaUet^ cntfpredöcn, ba» in ben ibcaliftifd^en SBelt» 
anfd&auungen Siebtes, ®d)ellingö, ^eqeU nur ©ntartungen 
beß menfd^Iid^en S)enIenS fa]& unb bem bie Srfolge ber 
naturn)iffenf4iaftlid^en gcrfc^ung alleinige ©d^äfeung ab^ 
gemannen, mäl^rcnb bie Uneinigleit ber ibcaliftifd^en S)enfer 
unb bie, nad^ äßeinung SSieler, oöllige Unfruc^tbar!eit bed 
in pd^ fclbft fid^ oertiefenben 2)enlenß ein tiefet SKifetrauen 
gegenüber bem SbeatomuS ergeugten. 3Ran barf mol^I 
bel^aupten, ba^ eine in ben leisten oier Sal^rgel^nten meit 
verbreitete llnfd^auung gum ^n&bxnd bringt, ma» Stub olf 

8* 



— 116 — 

Bir^oto (189S) in feiner Rebe: «Sie ©tfinbung 6er 
Serliner Unioerju&i nnb ber Übergang au» bem pl^ilo« 
fopl^ifd^en in bad nohtnDiffenfd^oftlid^e S^^"^^" f<^8^- 
„Seitbent ber ®Ianbe an S^uberforrndn in bie öugerften 
ftreife bed SoDed iurüdtgebrAngt mar, fanben audg bie 
Sformeln ber Saturp^ilofoplgen menig Slnllang mel^r.'' 
Unb einer ber bebeutenbften $l^iIofopl^en oon ber gmeiten 
^älfte bt» Sol^^l^unbertd, (Sbuarb oon ^artmann, fa§t 
ben Sl^aralter feiner Seltanfd^auung in bem SRotto ju« 
fammen, ba& er an bie ®pi^e feinet Sud^ed <,$l^iIofop]^ie 
bed UnbemuBten'' gefteOt l^at: ^@pelulatit>e SlefnUate nad^ 
inbnltio^natunoiffenfcl^aftlid^er SRetJ^obe". 3^ ^ iß 'ber 
SReinung, ntan muffe bie „®x&it bed oon SRiD bemirften 
^otii^niM" anerlennen, burd^ «ben aOe Serfudge eined 
bebuttiDen $l^iIofopl^ierend für immer übermunben ftnb''. 
(SergL @. V. $artmann: ®efd^id^te ber ÜReiapl^pfil. 
2. S^eil, @. 479.) 

Sud^ mirtte bie Slnerlennung gemiffer ©renjen be» 
menfd^Iid^en Sriennend, bie Diele %aiurforfd^er aeigien/ auf 
religio^ geftimmte ©emüter f^mpatl^ifd^. ®ie fagten fid^: 
bie %aturforfd^er beobad^ten bie unorganifd^en unb organifd^en 
S^l^atfad^en unb fud^en burd^ Serlnüp^ng ber einzelnen 
@rfd^einungen allgemeine ®efe^e )u finben, mit beren ^ilfe 
ftd^ Vorgänge erSoren laffen, |a fogar ber regelm&§ige 
Serlauf gulünftiger Srfd^einungen DorauiSbeftimmi merben 
lann. Sbenfo foH bie gufammenfaffenbe SBeltanfd^auung 
Dorge^en; fle foQftd^ an bie £]^atfad^en l^alten, aud i^nen au« 
gemeine SBal^rl^eiten innerl^alb befd^etbener ©renken er* 
forfd^en unb leinen Sinfprud^ barauf mad^en, in baiS ®ebiet 
bc» «Unbegreiflid^en" gu bringen. @pencer mit feiner voU» 
lommenen @d^eibung beiS «Segreifli^en'' unb bed «Un« 
begreiflichen" lam fold^en religiöfen Sebürfniffen im 
l^Sd^ften äRage entgegen, dagegen betrad^telen biefe religio^ 
geftimmten ®eifter bie ibealtftifd^e SSorfteQungi^art aU eine 
Serftiegenl^ett. Siefe lann eben im ^ringip ein Un- 
begreiflid^eiS nid^t anerfennen, meil fte baran feftl^alten 
mug; ba% burd^ bie Serfenlung in bad menfdglid^e Snnen« 



— 117 — 

leben bie Srlenntnid nid^t nur ber Sugenfeite bt» SBeli» 
bafeiniS, fonbern aud^ bed toirllid^en ftemed mSglid^ ift. 

@ana in ber Stiftung fold^er religio^ geftimmten 
®eifter ben^egt ftd^ au(i^ boiS S)enlen ein^ugretd^er Statur- 
forfc^er mit ba» ^ujrleq'd^ ber ftd^ }u einem ooDIommenen 
^gnofiigiiSntuiS gegenüber btm äBeltmefen belennt unb 
einen m Sinne ber Sarminfd^en Srienntniffe gehaltenen 
Vlonx&mu9 nur für bie bem äRenfd^en gegebene SlugenfeUe 
ber Statur für ann^enbbar erllärt. @r ift ate einer ber 
erften für bie S)äm)infd^en SorfteQungen eingetreten; ift 
aber gugleid^ einer ber entfd^iebenften Vertreter ber 
Sefd^ränlti^eit biefer Sorfteüungdart. 3" einer äl^nlid^en 
anftd^t belannte ftdgi ber ^Ii^rtler 3o^n S^nball (1820 bid 
1893)/ ber in bem äSeliprogeffe eine bem menfd^Iid^en 
Serfianbe poülommen ungugänglid^e Straft anerlennt. 
2)enn gerabe^ menn man annel^me, ba§ in ber SBelt alled 
bur^i natürlid^e (SntmidCelung entftel^e, lonne man nimmer« 
mel^r gugeben^ baB ber @toff, ber bod^ ber 2^räger ber 
ganzen (Sntmidtelung ift, nid^td meiter fei ald bad, toa» 
unfer SSerfianb von i^m begreifen lann. 



(Sine für bie ^tii d^aralteriftifd^e @rfd§einung ift bie 
$erfonIid^Ieitbei$engIifd^en@taatjSmannei$ S^^nt^d Salf our, 
ber 1879 (in feinem Sud^e ^A defence of Philosophical 
Doubt being an Essay on the Foundations of Belief) 
ein ®IaubeniSbeIenntniiS ablegte, ba» bemjenigen meiter 
Streife gmeifeüoiS äbnlid^ ift. Sr ftellt ftd^ in Segug auf 
aüt», wa» ber 9Renfd^ erlldren lann, ganj auf ben SBoben 
bed naturmi{fenfd^aftli(^en ^tnttnS. 6r lä^t im %atur» 
erlennen ftd^ bie gefamte @rIenntniiS erfd^Spfen. Slber er 
bt^aupM augleid^,ba^ nurberienige bad naturmiffenf^iaftlid^e 
Sriennen red^t oerftel^e, ber einfe^e, ba§ bie ©emütiS« unb 
Sernunftbebürfniffe bei» äRenfdiien burc^ baiSfelbe niemate 
befriebigt werben lönnen. ÜRan brause nur ein^ufel^en, 



— 118 — 

bog jule^t aDed and) in btt Xatunoiffenfd^oft borauf an« 
lomme^ bie legten SBal^rl^eiten^ bie man nid^t mel^r be^ 
toeifen lann^ ju glauben. @d fd^abet aber nid^ts, bag 
mit in biefer Stid^tung blog ju einem ®Iauben lommen, 
benn biefer ®Iaube leitet und fidler bei unferen ^anblungen 
im töglid^en ätttn. SBir glauben an bie %aturgefe^e, 
unb be^errfd^en fte burd^ biefen ©lauben; mir gmingen 
burd^ i^n bie %atur, uniS für unfere ^wtdt gu bienen. 
2)er religiofe ®Iaube foK eine gleid^e fibereinftimmung 
jmifd^en btn ^anblungen bti^ 3ßenfd^en unb ben pl^eren^ 
über ba» SlDtöglid^e IginauiSgel^enben Sebürfniffen l^erftellen. 
®& ift etnleud^tenb^ ba^, mer aud^ in ben naturmiffeufd^aft« 
lid^en @rlenntniffen einen blogen ®egenftanb bed ©laubeniS 
fie^t, lein Sebenlen tragen mirb^ neben biefem natur« 
miffenfd^aftlid^en ani) ben religiofen S^nfeitdglauben gelten 
gu laffen. 3(uf bem ©lau ben berul^t; t)on biefem ©ejid^ti^« 
punite and, jede SSeltanfd^auung unb SebeniSfü^rung^ 
nid^t auf einer burd^ ilgre ©rünbe gu bem SReufd^en 
fpred^enben @inft(^t in irgenb ein äBefen ber 9S$eIt. Salfour 
lann ftd^ ba^er aud^ nid^t ani^ äSernunftgrünben^ ein 
Sefenntni« bitten; fonbern er mn^ fic^ auf bie Über- 
zeugungen ftü^en^ meldte bie Vernunft überfteigen. @r nennt 
biefe Übcgcugungen bie Autorität. 



din monumentaler SSerfuc^, t^on ber ©runblage ber 
fitengen SBiffenfd^afi an» eine ©efamtanftd^t über bte SBelt 
nnb ba» Seben ju geminnen^ mürbe im SSerlaufe biefeiS 
Sal^rlgunbert^ in ti^antttiä) buxd) Sluguft @omte 
<1798 — 1857) unternommen. ®iefei8 Unternel^mcn, ba» 
in SomteiS ^Cours de Philosophie positive'' (6 Sänbe 
1830—1842) ein umfaffenbeiS äSebbilb geaeitigt Igat, fte^t 
in fd^roffem ©egenfa^e gu ben ibealiftifd^en Sln^d^ten in 
Seutfd^Ianb mäl^renb ber erften Sal^rlgunbertl^älfte, mie 
and^ in einem imat minber ftarlen, aber bod^ beutlidien 
3U allen ©ebanlengeböuben^ bie an» ben £amar(i*S)arminf4en 
(SntmiddungiSibeen ii^re (Srgebniffe nel^men. 9Ba0 bti ^egel 
im aSittelpunft aQer äSeltanfdiauung ftel^t, bie äJetrad^tung 
unb (Srfaffung be0 eigenen @eiftei^ im äßenfd^en: fte lelgnt 
<£omte ooQftänbig ab. @r fagt ftd^: moQte ber menfc^Iic^e 
®eift fxä) felbft betrad^ten^ fo mügte er ftd^ ja gerabegu in 
gmei $erfönlid^!eiten teilen; er mü^te au0 fid) l^erauiS« 
f4|Iüpfen, unb fiä) ftd^ felbft gegenüberfteQen. @d^on bit 
$f9d^oIogie, bie fid^ nic^t in ber pl^^ftologifd^en Setrad^tung 
«rfd^opft, fonbern bie geiftigen SSorgänge für fid^ Betrad^ten 
min, lägt (Somte nid^t gelten. ^Ut», toa» ©egenftanb ber 
©rienntniö werben miH, mn% fxä) auf objeltioe 3ufammen» 
l^önge ber S^lgatfad^en begiei^en, mug fid^ fo obieltto bar» 
[teilen^ mie bie ®efe^e ber matl^emattfd^en äBiffenfdEiaften. 
Unb l^ierauiS ergiebt ftd^ and) ber @egenfa^ SomteiS gu 
btm, wa» in Snglanb ©pencer^ in S)eutfd^Ianb bie auf 
JCamard unb 2)armin bauenben naturmiffenfd[)aftlid^en 



— 120 — 

S)enler ocrfud^i l^oben. Qüx Somte iß bie menfd^lid^e ftck 

ab feftftel^tnb unb unoerfinberlt^ fleg^^^» ^ ^^Q ^<»< ^^^ 
Xl^eorie Satnotdd niil^td »iffen. Sinfad^e, burd^itd^ttge 
Stoturgefe^e, tote fte bie $^9ltl bei il^ren (Stjfc^eittungen an- 
toenbet, finb il^m Sbeale ber ßrlenntnitf. 60 lange eine 
Siffenfd^aft ni)(^ nid^t mit f old^en einfad^en ®efe^en arbeitet, 
ift jte für Somte aU ßtlenntnid unbefriebigenb. (St ift 
ein matl^entatifd^er jtopf. Unb toai ftd^ nid^t burd^ftd^tig 
unb einfad^ niie ein mat^entatifd^ed Problem bel^anbebt 
lägt, ift i^m nod^ unreif für bie SBiffenfd^aft. Sontte l^at 
leine @mpfinbung bafür, ba§ man um fo lebeniSooDere 
Sbeen brandet, |e me^r man von btn rein med^anifd^en 
unb p]^9filalifd^en Vorgängen gu ben ^dl^eren 9taiur* 
gebilben unb )um SRenfdgen l^eraufffteigt. ©eine Seit* 
anfd^auung geminnt baburd^ etwa» koit», ©tarreiS. S)ie 
gange SBelt fteüt fxä) mie baiS Stdbermerl einer SRafdgine 
bar. Somte fielet überaQ am Sebenbigen norbei; er treibt 
bad Stitn unb btn ®eift aud ben S)ingen l^eraud unb 
erll&rt bann lebigli^l, mad an i^nen med^anifd§, mafd^inen« 
mägig ift. S)ad inl^altoolle gefd^i(^tlid§e Seben bt» 
9Renf(^en nimmt ftd^ in feiner Sarfteüung aud mie bad 
SegriffiSbilb, ba» ber äftronom non btn Semegungen ber 
^immetelörper entmirft. @omte l^at eine Stufenleiter 
ber SBiffenfd^aften aufgebaut. SRatl^ematil ift bie unterfte 
@tttfe; bann folgen ^l^^ftl, ßl^emie« bie SSiffenfd^aft ber 
Sebemefen; ben 8bfd^Iu| bilbet bie Soziologie, bie Sr- 
lenntnid ber menfd^Iid^en (SefeQfd^aft. Sein Seftreben gel^t 
bal^in, alle biefe SBiffenfd^aften fo einfad^ gu madigen, mie 
bie aSatl^ematil ift. Sie drfd^einungen, mit benen fid^ bie 
eingelnen SBiffenfd^aften befd^äftigen, feien immer anbere; 
bie ®efe^e feien im (Srunbe immer biefelben. 



9Ran fielet in biefer Stid^tung SomteiS bie !(rt bei 
S)enleni9 nad^mirlen, bie in ber iwüttn ^älfit bed oorigen 



— 121 — 

Sal^rl^unbertd in gfranlceiö^ bie l^errfd^ettbe xoax, bie @on« 
billac (1715—1780), ^tlvtim» (1715—1771), S)c la 
aRettrie (1709—51) gep^egt l^abett, unb bie auf ®üet]^ 
einen fo abflogenben ßinbrud maä^it, aü fte il^m in 
^olbad^d (1723—1789) ^®#em ber $atur'' entgegen« 
trat (oergL oben ®. 10 f.)* — @onbiIIac fal^ in aQem 
Sieben über eine felbfttl^atige @eele tixoa» ÜberflfifftgeiB. 
S)ie eingelnen Smpftnbungen treten an ben SRenfc^en l^eran. 
Kid^td anger il^nen brandet ba gu fein, bamit eiS et»a0 
n9ie eine einl^eitßd^e ®eele aufbaue. Sie gruppieren ftd^ 
Don felbfl, fte fetten ftd^ an einanber, fo ba% ed ben Sin« 
fd^ein l^at, aU w&ttn fie Zeile eineiS ©angen, ber @eele. 
3)er ntenfd^Iid^e (Seift ift ein Slutomat, ben fxä^ bie 
Smpftnbungen aufbauen. Sonbillac forbert feine £efer auf, 
ftd^ eine Silfbfäule ju beulen, bie aQmäl^Iid^ ®inne belomme. 
3uerft trete ber ®erud^finn, bann ber ®e^6rftnn, bann bie 
anberen Sinne auf. ^9 braud^e oon Snnen gar nid^td 
n^eitereiS, feelifd^ei^ l^ingugutreten; au^ ben SinneiSeinbrüdCen 
baut fic^ im rollen Stoffe feelifd^eiS Stbtn auf. ®o l^at 
aud^ be la äRettrie in „rhomme machine^^ (1748) 
fiber bie Statur beiS ntenfc^lid^en ®eifted gefproc^en. 60 
fprid^t fid^ in fold^en Soreiligleiten bie fuggeftioe Sßirlung 
au9, mtld)t auf bie franjoftfd^en S)enler bie einfädle 
ftlorl^eit ber Xaturgefe^e oudübte, wxt fie j. S. in %en)tond 
SrHörung ber jtrfifte im SSeUaQ ftd§ barbietet. Soltaire 
(1694—1778) l^at in feinen Lettres sur les Anglais feinen 
lianbdleuten ben ®eift einer fold^en Staturerllärung oer« 
mittelt. Sie S)urd^{td^tigleit biefer 9taturerIIärung mirlte 
fa^jinierenb. Soltaire meinte, nur auf htm SBege einer 
fold^en (SrHärung lonne man gu einer ®efd^id^te ber Seele 
lommen; mdl^renb düt anbere Setrad^tungdmeife l^od^ften^ 
bereu 9loman gu liefern imftanbe ift. 3n Sonbillac fal^ 
er btn «rgtogen $l^iIofop]^en^, ber ben Sinn einer folc^en 
Srildrung getroffen f^at S)a6 t» tl^atffid^Iidg nidjjt eine 
tiefere @infld^t in bad Sßefen ber Selterfd^einungen x\i, 
fonbern ein S)rang nad^ einfad^er, bequemer Orientierung 
in ber SBelt, geigt fii^ am fiarften gerabe bei Soltaire. 



— 122 — 

6r l^at tttd^t ba» tiefere Sebürfnii^^ )u ben DueDeit bed 
@einiS Dorgubringen; er ift aud^ mit einem oberflad^lid^en 
©ebanlen gufrieben, toenn biefer nur einer @rl(drung 
ölinlid^ fielet. @r lommt leicht über bie ©d^mierigleit l^inmeg : 
mie bie SRaterie an» [xä) felbft bie Srfd^einungen be0 
©eifted l^ervorbringen !dnne. „^d) bin Körper, unb i^ 
benie, mel^r meig id^ nid^t; merbe id^ nun einer unbe!annten 
Urfac^e gufd^reibeU; toa& id^ fo leicht einer fruchtbaren 
Urfac^e^ bie id^ lenne, gufd^reiben lann? Sn ber Si^at^ 
XDtt ift ber äRenfd^, ber ol^ne abfurbe ©ottloftgleit oerftd^ern 
bürfte^ ba^ t» bem Sd^öpfer unmöglich ift; ber äßaterie 
©ebanlen unb ©efül^Ie gu oerleil^en.'' S)aiS ift in ber 
%f)ai bequem: man nimmt ein einfad^ed %e^ üon Statur» 
gefe^eU; unb bann oon ben alten religiöfen äSorfteQungen 
fo Diel; als man gerabe brandet, um ber £)f^nmai^i jener 
%aturgefe^e auf bie Säeine gu J^elfen. S)en burd^greifenben 
@rIenntniiSbrang, ber nid^t Dcrträgt^ bag bie Derfd^iebenen 
ä3ebürfni[fe ber menfc^lid^en ®eele anS oerfd^iebenen 
Duellen bcfriebigt mcrben, cmpfanb SSoItairc nid^t. ©ein 
SSerftanb geftattete i^m, in ber @r!Iörung ber %atur« 
erfd)einungen materialiftifd^ gu fein^ für baS fittlid^e 
S3ebürfniiS bagegen btn ©a^ angunel^men: ^äSenn lein 
©Ott ba märe, fo müiit man einen erfinbcn." $oIbad&, 
ber im ^.©^ftcm ber Siotur" einen mirflid^en Snfafe gu 
einer umfaffenben äBeltanfd^auung oom ©tanbpunfte btS 
äRaterialii^muS mad^t, unb in ber, megen beS bamaligen 
Umfangei^ ber äSeobad^tung, ungulänglid^en 9(rt bie %atur 
unb bie fittlid^e SBeltorbnung einl^ettlitl betrad^tet: er ift 
SSoItairc unf^mpatl^ifd^. Seffer gefiel il&m ber äbt SonbiUac, 
ber ba fagt: gebet bem SSerftanb feinen äßaterialiSmuiS unb 
ber Stcltgion il^ren ©Ott unb il^re Unftcrblid^Ieit. S)enn 
@ionbinac fielet leinen SSSiberfprud^ gmifc^en ber pofitioen 
SReligion unb ber matcrialiftifi^cn SBiffenfd&aft. 3tn 
©egenteil, er fagt fid^: befriebigen mir ben SBerftanb mit 
feinem materialiftifd^ien 2)range; ber ©eift ift bann por 
feinen SlnfedE)tungen um fo ftd^erer geborgen. 



— 123 — 

@tn feftereiS ©efflge erl^olt bie auf natunotffenfd^aft« 
lid^e ®ntnblagen gebaute äSeltanfd^auung burd^ S)enid 
2)iberot (1713—1784); ber burd^ bie Segrünbung unb 
Seiiung beiS Stiefentoeried ber Sluftlärung, bei SncQcIopöbie, 
bie 1751 — 72 in 28 Scinben erfd^ienen i% Unermeglid^ed 
^ur Sinfü|rung biefer SBeltanfd^auung in bie öffentlid^e 
^ilbung getl^an l^at. ÜRand^e ber erft im neunjel^nten 
^df^t^unbai gum Seben gelommenen Sbeen liegen in S)iberotö 
auiSfül^rungen aü j(eime eingebettet @r fprid^t bereite 
baDon, ba^ burd^ eine ftufenmeife @ntn)idelung bie Igöd^ften 
OrganiiSmen aud ben unorganifd^en ®ebilben aHmä^Iid^ 
entftel^en; er btuiti fogar auf bie @ntn}idEeIung burdg natürlidge 
3ud|tn)aI)I, auf ben Untergang bt^ 92id^t«QebeniSfct]^igen, 
UngmedFmägigen unb ba^ Überleben beiS SSoHIommenen; 
3n>edmä§igen. @r finbet einen Übergang Don Unorganifd^em 
3um Crganif^ien, inbem er beibe nid^t bem SBefen nad^ 
Don einanber Derfd^ieben fein lögt, fonbern in btn jträften 
ber leblofen Statur SebeniSclugerungen auf ber unterften 
Stufe pc^t. 

SSte ein SSermäd^tni^ übernal^m ber franjöftfd^e @eift 
biefe SSeltanfd^auungSftrömung aM btm ad^tgel^nten in 
ba» neunael^nte 3<i^^^nnbert Igerüber. Slber er erhielt aud^ 
ba» ©egenbilb baoon überliefert: bie 3(uflel^nung bed 
menfd^li(|en ©entüteiS gegen feine @rllärung aud öugeren 
Xaturnorgangen. 9Rit aU ber (Sinfeittgleit, mit aH bem 
SiabilaliiSmud, mit bem ©efülgl unb Seibenfd^aft fpred^en, 
menn fte über bie anberen SeelenMfte bie Oberl^anb ge« 
minnen, er^ob fid^ biefe Slufle^nung in ^tan ^aqnt» 
Slouffeau (1712—1778). 3Ba5 ßonbinac, $oIbad&, 
Soltaire, Siberot in ber äußeren 3BeIt burd^ benfenbe SSe« 
trad^tung ber Staturoorgänge am SKenfd^en gu erreid^en 
fudE)en, ba» erflrebt Slouffeaü burd^ SSertiefung in ba» un« 
gelünftelte, t)on Vorurteilen ungetrübte äSefen bt» menfd^« 
liefen ©emüteiS. @r ift von Dornl^erein bavon überjeugt, 
bai bem Sßenfd^en ber S^rieb gum äBal^reU; jur %atur« 
gemäg^cit eingeboren ift. 5)iefcr lönne nur baburd^ gu 3rr« 
tümern in feiner @rlenntnii$ unb in feinem ftttlid^en $anbeln 



— 124 — 

gelommen fein, ba% er feiner edgten SBefenl^eit untreu 
geroorben ift. Stouffeau n^ollte gu 5en eingeborenen Sor» 
gedungen jurüdgel^en ; er f ud^te ftd^ in ftd^ f elbft einzuleben. 
äHd^t bie auf raffinierten (Sebanlenmegen erbeutete Sßal^rl^eii 
xootie er l^aben, fonbern biej[enige, bie ba§ unntittdDbare 
©efül^I giebt. ,9Senn bie %atur uniS beftimmt, gefunb 3U 
fein, fo n)age id^ feft gu belgaupten, bai bex ®tanb ber 
9iefIe;ton ein 'Sianb gegen bie %atur, bQ% ein 9Renfd^/ ber 
beult, ein entartetei^ ©efd^opf ift.'' SSie il^m jebe vermittelte, 
nid^t burd) Urgewalt auiS beut ^ergen Quellenbe SBaigrl^eit 
unf^mpatl^ifdEi ift, ba» erfiel^t man an üudfprüd^en mie ben 
in feinem ;,@mil'', mo ein $eibe^ ber belel^rt merben foQ, 
fagt: ^2)u fprid^ft mir Don einem ®ott, ber t^or gmei« 
taufenb Salären am anbern @nbe ber SSelt geboren unb 
geftorben ift, an einem Orte, ben id^ nid^t fenne . . • SBarum 
lieg bein ®ott bie Vorgänge, oon benen iä) unterrid^tet 
merben foH, fid^ in foldier fjferne ereignen? 3ft ed ein 
Unred^t, menn man oon bem nid^tiS miffen miD, ma§ bei 
ben ©egenfüglern gefd^iel^t?'' %ad^ Stouffeaud SReinung 
mü^it ber ®ott, an ben geglaubt merben foD, in ber 
eigenen ®eele feine Stimme erl^eben. SSie ein SBäd^ter 
fteUt fxä) Slouffeau oor bie $forte ber menfd^Iid^en ®eele 
l^in, nm nid^tiS il^r ^rembei^ in fie bringen gu laffen. %ic^t 
lernen foQ ber SRenfd^, ber Igeranmäc^ft; er foll oielmelgr 
angeregt merben, aUt», wa» er an SBiffen unb SBal^r^eit in 
fid^ felbft als jteim liegen l^at, gu entmideln. 

titouffeau ^at bit ®emüter feiner S^i^G^noffen unb 
aud^ ber Stad^melt tief erregt. äRan mfirbe aber feinen 
Sinflug überf^ä^en, menn man bel^aupten moDte, ba% er 
auf bie SBeltanfd^auungiSentmidelung bc» neungel^nten Sal^r« 
i^unbertd eine tiefgel^enbe SSirlung gehabt l^abe. SBie er felbft 
gang in ber unbeftimmten, elementaren SBelt bei^ ®efü6te 
fd^melgte, fo fonnte er aud) nur baS tiü^Un unb @m« 
p^nben aufregen. 3n feiner lül^nen gorberung nad^ Ur« 
fprfinglid^Ieit unb Slatarlidgleit ffi^Iten bie Seften ber Seit 
eine ^^^^erung an ftd^ felbft, gu eigener Prüfung oor$ 
gufd^reiten. 2)ie £enbengen, bie in Slouffeau lagen, maren 



— 125 — 



t», bie mtrlten; nid^t ber Sn^alt beffen^ toad er auiSfprad^. 
<lr gab toenig, bie Seele mit Snl^alt ju füDen; aber er 
brad^te aSgemein gum Setougtfein, bag fold^e ^rfilOung 
itottoenbig fei. 2Lu» biefem Semugtfeitt l^eraui» ifl oieied 
«ntfprungen^ »ad mit ben Slnfd^auungen 9louffeaud felbft 
jtid^td gu tl^un |at. 



@d lonnte nid^t ausbleiben, bag gegen ben 3ug in 
ber 9BeItanfd)auung8entmi(Ielung, ber in ber benlenben Se« 
Irad^tung ber %aturerfd^einungen einerfeitd, in 9touffeaui$ 
tabilalem Stuf na^ rüdlattlofer 9lu0geftaltung bed menfd^« 
lid^en SBefend anbrerfeitiS liegt, {td^ eine ®egenftromung erl^ob. 
Jgn ber Sfleoolution glaubten biejenigen, bie an 2^rabition 
nnb ^erlommen l^ingen, bie prattifd^e Sfolge gu feigen oon 
itn ©runbfa^en ber mobernen S(nf4)auungen. 9Ran fpürt 
bie ©efül^Ie fold^er 9Renfd^en nad^gittern in ber Semerlung, 
bie S, 9Rager in feiner 1837 erfd^ienenen ^©efd^id^te ber 
frangöfifd^en ^ationalitteratur'' mad^t: «@in Sfrangofe, ber 
nadg langer Slbmefen^eit in ben fc^Iimmften Zagen ber 
^obel^errfd^aft nad^ $arii$ gurüdtgelommen mar, meinte 
'Ouf bie S3emer!ung, er merbe mol^l meied peranbert ftnben: 
bad eben nid^t, man t^ue j[e^t blog auf ben Strafen, ma& 
man lange ^a^u in ®alon» gefagi 9Ran ergöi^Ite aud§ 
Don Soltaire, er Igabe, menn ilgn $arifer f^reunbe befud^ten 
unb biffe bei S^ifc^e i^re pl^ilofopl^ifdgen S)iiSlurfe begannen, 
ixt Sebienten fd^neQ meggefd^idt; er mollte nidgt, fagte er, 
ba^ i^m in näd^fter %ad^t ber $ate abgefd^nitten mürbe". 

(Sin ®eift, ber ben SRut l^atte, rüdffld^tlod bie gange 
mobeme SSilbung megen i^rer ®efäl^rlid^leit abgule^nen, 
ifl 3ofep5 be aRaiftre (1754—1821). ®ie 1811 
gefd^riebenen, aber erft 1821 erfd^ienenen «®oir6ed be 
@t. ^eterdbourg" biefed 3Ranned enthalten fo giemlid^ aüt&, 
toa» ber menfdglid^e ®eift gegen bie Übergeugungen auf« 
bringen lann, bie ftd^ in ben legten S^i^i^^unberten auf 



— 126 — 

®runblage ber 9?aturerlenntntd aMQebilbti ^abtn. SBtDfit 
bu toiffen; toa» bu benlen follft, bann frage nid^l betn 
S!)en!en unb bie SBeobad^lungen betner Sinne; frage bte- 
^bit, bie l^ol^en ^iaaiBitamitn, ben $apft. 92id^t beine 
Sernunft, nur allein bie Slutoritöt lann bir über ben Srrtum 
l^inroegj^elfen. SRit ber Ütefomtation ^ai t» begonnen, baiS 
groge Übel S)er aRenfd} fing an, f\ä) felbft eine Prüfung 
ber SBalgrl^eit gugulrauen. ^ie aufllörerifdien ^l^ilofopl^cn 
l^aben bann bie @acl^e auf bie ®pi^e getrieben. 2)ie Un» 
orbnung, bie fie in ben SRenfd^engelgirnen burd^ i^re @r« 
flörungen ron ber StDeinl^errfd^aft ber SBernunfl angerid&tct 
l^aben, ^at fid} enllaben in ber ret)oIuHonären Seroegung 
8franfeei(^ö. S)er 3wftSrung ber geifiigen Drbnung mu^it 
biejenige ber gefettfd)oftIic^en folgen; ber Unglaube ber 
Slutoritcit gegenüber touxbt gum blutigen Kampf gegen 
biefelbe. (Sine ooQftcInbige Um!el^rung be9 naturgemä|en 
Slufllärungöftrebeni? roiD SKaiftre beroiricn. SBaö biefeö afe 
®ogma begeic^net, nennt er SBol^rl^eit; bie ßrgcbniffe ber 
Sßaturernärung finb il^nt bagegen ^©ogmen". S)a6 fid^ 
aSaffer au» ©auerftoff unb SBaffcrftoff entroidfclt, ift ein 
^^ffiognta." 3Kan mag mit fold^en ©ogmen ben SScrftanb 
befriebigen; auf bie ©egenftänbe be0 pd)ften mtxi^ä^liä^en 
Sntereffeö; auf bie fittlidic SBeltorbnung barf eine SrflärungS» 
meife nid)t angemenbet merben, bie auf foIci)en ©runblagen 
berul^t. 

Sie SBellen, bie §oIbac^S, ßonbillacß unb 3)iberoti^ 
©ebanlen gefdjlagen, finb no(^ beutlid; oernel^mbar in btn 
SSorlefungen über ba» ;,Ser^aItniö ber Seele gum Äorper/ 
bie Pierre Scan ®eorge§ SabaniS 1797 — 98 an ber 
rom ^onoent errid^teten $od)fd^ule gu $arid Igielt. ^ennoci^ 
bürfen fie ate ber ?lnfang ber SBcItanfcfiauungöentmide» 
lung fjranfreid^ö im neungel^nten Sa^rl^unbert begeid^net 
werben. 6s fprid)t fidEi in il^nen ein beutlid&cö Scroufet» 
fein baoon aui?, ba% bie Sctrad^tungSroeife ßonbillacS für 
bie @rfd)cinungen bcS ©eelenlcbenö bodf) gu flarl btn Sin- 
fd^auungen nad^gebilbet fei, bie man Don bem S^ftanbe« 
lommen rein med)anifd)er SSorgänge ber unorganifd&eti 



— 127 — 

$aiur l^ot. 2)obei wirb (Idbami^ btt mal^rl^aft naiur« 
toiffetifd^aflltdien Settad^tungiStoeife nid^t untreu. @r ift ftd^ 
Ilor borilber, bug bie geifiigen @rf(f|etnungen ebenfo ftreng 
gefe^ntfigig, im Sufammen^ange mit bem Iörperlid)en Örga- 
nidmud^ betrad^tet merben muffen mie g. 9. bie Htmungd« 
ober Serbauungduorgänge. @r unterfud^t ben @infiug beiS 
fiebendalteri^, bt» ®t^^ltä)i9, btt Sebenj^meife, bed Zempe* 
ramenteiS auf bie 2)ent unb @mpftnbungiSmeife bt& aitenfd^en. 
@r ^ai eine beutlidie SorfteDung baoon, ba% ftd^ @eiftiged 
unb ftorperlid^ed nidEjt mie ^mei SSefenl^etten gegenüber« 
ftel^en, bie nid^ti^ mit einanber gemein i^abeU; fonbern bai 
fie ein untrennbareiS ©an^ed audmadien. SSaiS il^n non 
feinen SSorgängern unterfd^eibel^ift nid^t bie®runbanfd^auung, 
fonbern bie art, mie er biefe ouöbaut. 3cne tragen bie 
Slnfd^auungen, bie in ber unorganifctjen 9SeIt gewonnen 
finb, einf ad^ in bie geiftige l^inein; Q>aianx9 fagt ftd^: be« 
trad^ten mir gunad^ft unbefangen^ mie mir ba» Unorganifd^e 
anfefien, auä) bie ®eifteiSmeIt; bann mirb fie und fagen, 
mie fie fid) %n ben übrigen Sfaturerfd^einungen fteÜt. — 
3nä]^nIid^er8Beifeoerfu]&rS)eftutt beSrac? (1754—1836). 
3(u(^ er monte bie geiftigen äJorgänge gunädift unbefangen 
betradjten, mie fie fid| barfteDen, menn man o^ne 
religiofeiS, aber aud^ o^ne naturmiffenfdE|aftIid[)ei$ Vorurteil 
an fie l^erantritt. 9Ban gicbt fid&, nadf) ber SWeinung biefe« 
©enlerö, einem Srrtum l^in, menn man bie ©cclc fidi fo 
automatifd^ oorfteüt, mie bai^ SonbiDac unb feine Slnl^anger 
getigan l^aben. Sßir !bnnen biefe Slutomatenl^aftigleit nidgt 
mel^r aufred)t erl^alten, menn mir und aufri(||tig felbft be« 
trad^ten. 9Bir finben in und leinen Slutomaten, ni(f)t ein 
SSefeU; bai^ blog oon aufien ^er am ©ängelbanbe gefülgrt 
mirb. 9Bir finben in und ftetd @elbftt^cltigleit unb (Sigen« 
mefen. 3ö, mir müßten oon SBirlungen ber Slufeenmelt 
gar nidCjtd, menn mir nid^l in unferem Eigenleben eine 
Störung burd^ Sufammenftöge mit ber S(u§enmelt empffinben. 
SBir erleben und felbft; mir entmidCeln au^ und unfere 
2:]^cltigleit; aber in bem mir biefed tl^un^ ftogen mir auf 
SBiberftanb; mir merfcn, ba% nid^t nur mir bo finb, fonbern 
anä) no(^ eiwa§, bad fid) und miberfe^t; eine Slu^enmelt. 



— 128 — 

3n biefen ®ebanlen 3)efitutt be %tac^9 fprid^i ftd^ 
ein beutlid^er ^ataUdi»mM )tt htn SSeUanfd^auutigdibeen 
atti9/ bie um bie gleid^e ^üi in S^enifd^Ianb auftraten. 
Sol^ann (Sottlieb gfiditeiS aufbauen einer umfaffenben ®e« 
banlenwelt auf bie aOeinige 2:^atf ad^e ber Selbftma^rne^mung 
unb Selbftbetl^ätigung (oergl. 9anb I, @. 50 ff. biefet 
Seltanfd^auungiSgefd^i^te) l^at oiel ^l^nlic^Ieit mit bett 
Seobad^tungen ber |r3beoIogie'^ SieiS ift ber Xame, ben 
Seftutt be £rac9 unb feine ©eftnnungdgenoffen i^rer 9e« 
trad^tungiSmeife gaben. Unb ba mie bort ift bie äSeranlaffung 
)u biefer ©ebanlenftrömung eine äl^nlid^e. gfid^te ge^t oom 
@pinojidmud an», ber fein Slugenmerl auf bie emige, 
eherne ©efe^mägigleit bei^ gangen Unioerfumd rid^tet, unb 
in biefe eroige %otmenbigIeit aud^ btn äRenfd^engeift ein« 
fpinnen milL Seftutt be ä^racQ l^at G^onbiQac gu feinem 
Sorgönger, ber bie Seelenoerrid^tungen auf äugerlid^e 
SSeife entftel^n laffen miU xoit bie gunllionen einer SRafd^ine. 
gfid^te unb be Srac^ glauben ben ®eift nur gu oerftel^en^ 
menn fie i^n nid^t aU ein äSefen betrad^ten, baiS oon 
anberen äSefenl^eiten bemirlt, gufammengefe^ mirb^ fonbern 
menn fte ftc^ oor allen S)ingen in fein Sigenleben vertiefen. 
Snnerl^alb biefer aDgemeinen ^l^nlid^Ieit liegen aüerbingd 
bebeutfame äierfd^iebenl^eiten ber beiben S)enler. ^id^it 
fd^mebt in ben l^öd^ften Siegionen bed ©ebanlend; er be« 
tractjtet ben benlenben ©eift^ ber ftd^ burd^ fein 2)enlen 
felbft erf(f)afft. @r fül^It in energifd^er SBeife in feinem 
®elbftbenlen ein ©elbftfd^affen. Sd^ bin nid^t e^er, aü 
biiS id^ in meinem ®ebanlen ju mir fage: id^ bin; bid id§ 
mir alfo mein S)afein felbft guerteile. 2)eftutt be Ztaa^ 
fel^lt biefe @nergie. @r lebt mel^r in ben 9legionen ber 
(Smpfinbung; bed ©efül^IeiS. @r beobad^tet bie feelifd^en 
@igenl^eiten, mie fte ftdE) anlünbigen, dl» ^nnenleben^ ol^ne 
ba| mir benlenb fte erft felbft fd^affen. S)ie ä^l^atfad^en 
beiS ©eifteiSlebeniS, bie in und mirifam ftnb, aber bod^ 
ol^ne unfer benlenbei? (Singreifen, finb gunäd^ft ber ®egen« 
ftanb feiner 93eoba(^tung; gfic^te betrad^tet bie ®ebanlen« 
tl^&tigleit be» ®eiftei$ unb ift oor allem auf beffen Selbft* 



— 129 — 

il^dtigleit, auf fein Selbftfd^affen Bebad^t; be Ztaoi htoi» 

adelet bie Snnenioelt ber (Stnpfinbung; bt^ ®efül^Ied, bed 

SBiQend; nie fie erlebt witb, ol^ne ba% man fo red^t in 

dgopf erif d^er SBeif e f elbft eingreift. tSid^it betrad^tet %^aU 

ad^en ber Seele, bie er erft f elbft fd^affen ntug; be £rac9 

old^e, bie man in fid^ oorfinbet. 

2)er ^oraUelidmud mit ber beutfdgen SBeltanfdiauung 
fprid^t fid^ bei jn)ei anbern franjöfif(^en 2)enlern ebenfo 
au», bei SRaine be Siran (1766—1824) unb SInbre« 
SRarie »mpÄre (1776—1826). »iran ift ein feinRnniger 
Seobadgter bt» menfdglid^en ®eifted. SBaiS bei SRouffeau 
toit eine tumultuarifd^ auftretenbe, nur Don einer wiQ« 
{Micken Saune l^erporgerufene, Setrad^tungiSmeife erfd^eint^ 
ba& tritt und bei i^m ate IlareiS inl^aÜDoIIed 2)enlen 
entgegen. SBad in bem SRenfd^en bntd) bie %atur feiner 
SBefenl^eit, burd^ fein Temperament ift; unb mad er burd^ 
fein tl^ätigeiS Singreifen an» fid^ mad^t, feinen Sl^aralter: 
biefe beiben gfaltoren feinet Snnenlebend mad^t Siran ald 
tief benlenber $f94)oIoge gum (äegenftanb feiner ^tttaä)innitn. 
@r fud^t bie SSergmeigungen unb SBanblungen bei^ Snnen« 
lebeuiS auf; im Snnern bed 3Renfd^en finbet er ben QueD 
ber SrIenntniiS. S)ie Gräfte, bie mir in unferm 3nnem 
{ennen lernen, finb bie intimen SSelannten unfereiS SebenS; 
unb eine 3(u§enmelt lennen mir bod^ nur infofern, ate fte 
ftd^ mel^r ober meniger al^nlid^ unb vttmanbi mit unferer 
Snnenmelt barfteDt. äSaiS mügten mir oon Säften in ber 
92atur brausen, menn mir nid^t in ber felbfttl^ätigen ®eele 
eine ^aft mirllid^ aU @rIebniiS lennen lernten, unb mit 
biefer bal^er oergleid^en lonnen, toa» und in ber Singen« 
melt Jh:aft«äl|nlid^ed entgegentritt, tlnermüblidg ift Siran 
bal^er in btm Sluffud^en ber Vorgänge in ber eigenen @eele 
bed 9Kenfd^en. knf ba» UnmiQIürlidge, Unbemugte im 
Innenleben rid^tet er fein Slugenmert, auf bie geiftigen Sor« 
gänge, bie in ber @eele fd^on ba finb, menn in i^x ba» 
fiid^t bed Semugtfeind auftritt. — Sirand ®ud^en nad§ 
SBeidl^eit im Snnern ber ®eele fül^rte il^n in fpäteren S^^i^^n 
ju einer eigenartigen SR^ftil. äSenn mir bie tieffte SBeid^eit 

etetner, fBkiU uttb SebettSaufd^auttttoeit. II. 9 



— 130 — 

auiS ber Seele fd^öpfen, fo muffen toir an^ btn UrgrAnbett 
bt{^ 2)afeiniS bann am nad^ften lommen^ n)enn mit nn» in uni^ 
felbft vertiefen. S)aiS Erleben ber tieffien SeelenDorgänge 
tft alfo ein hineinleben in ben UrqueQ bei$ 2)afeind^ itt 
ben ®ott in und. 

Sad Slngie^enbe ber Siranfd^en SSeiiSl^eit liegt in ber 
intimen Sbrt, mit ber er fte oortrögt. @r fanb anä) leine 
geeignetere S)arfteQungSfi)rm ate bie eined „Journal intime*'^ 
eine £agebud)eartige. 2)ie @d^riften 99iraniS, bie am tiefften 
in feine ©ebanlenmelt fül^ren, finb erft nad) feinem S^obe 
burd^ @. 3tamUt l^erauSgegeben morben. (SSergl. beffen: 
äRaine be Siran. Sa vie et ses pensees, 1857; unb 
bie Don biefem l^eranSgegebenen Oeuvres inMites de 
M. de Biran). ®aS öffentlid^e ßeben in granlreid^ mar 
im S(nfange bt» ^a^x^unbexi^ ber SSerbreitung unbefangener 
9BeItanfd^auungiSgeban!en nid^t günftig. 3m engeren Sbreife 
nur lonnte man ungeftört feine ®ebanlen entmideln. (Sin 
foI(f)er ^eii^ bilbete ftd^ in SluieuiL ^ahani^, Geflutt be 
ä^rac^l gel^örten ald ältere SKänner; Siran ate jüngerer gu 
il^m. — 3^ bencn, bie fdE)on bei SiranS ßebgeiten ooQ- 
ftönbig in beffen Slnfd^auungen eingemeil^t maren, gel^orte 
Smpere; ber afe 9iaturforfd^cr burcf) feine ©rmeiterung 
ber Örftebfd^en Seobad^tungen über ba§ Serl^ältniiS oon 
Sleltrijitat unb äßagnetiiSmuiS bebeutenb ift. (SSergL oben 
©. 14). 25iran§ Sctrad^tungöroeifc ift intimer, biejenigc 
Slmp^rcö miffcnfd^aftlid^'metl^obifd&er. 3)iefer oerfolgt einer» 
feitö, mie ftd^ Smpfinbungen unb SBorfteHungen in ber Seele 
uerlettcn, unb anbcrerfcitS, mie ber ©eift mit §ilfc feinet 
S)enIeniS gu einer SSiffenfd^aft ron btn Sßelterfd^einungen 
gelangt. 

SDad SSebeutungdDoIIe biefer äSeltanfd^auungi^ftromung^ 
bie fid^ geitlid^ aU eine ^^ortfe^ung ber @onbiIIacf4)en Seigren 
barfteDt, ift barin gu fud^en, ba^ ba^ Eigenleben ber Seele 
entfd^ieben betont mirb, ba% bie Selbfttigcttigleit ber menfd^» 
lid^en Snnenperfönlid^Ieit in ben äSorbergrunb berSetrad^tung 
rüdt; unb ba% babei bennod^ aUt bie l^ier in ^tixa^i 
lommenben ©elfter auf Srienntniffe im ftreng naturmiffen» 



— 131 — 

fd^aflltdgen ®inne loiSarBeiten. ®ie unterfud^en ben ®eift 
naturtDtffenfd^aftlid^; aber fte moHen feine Srfd^einttngen 
ni(f|t von Dornl^eretn gletd^fieUen ben anbeten SSorgängen 
in ber 92atur. 

3)er ißaraüelidmud ntü ber beutfd^en SßeltanfdiauungiS« 
entoideinng tft fein }ufcilliger. Sie gfrau v. Staäl f^at 
auf i^ren Steifen burd^ S)eutf(|lanb bie gbeen Sant», tixi^it», 
Sd^eüingiS, Sd^iDeriS u. a. lennen gelernt unb üerpflangte 
fte nad| O^tanfreid^. Zf)t S9udE| ^Uber Seutfd^Ianb'', bad 
1810 erfd^ienen ift, ^ai beutfd^e ®ebanlen reid^IidE} in bad 
franaSftfd^e ©eiftedleben getragen. Sugerbem ift gu bebenlen, 
hQ% bie S9rüber ®d^legel bei il^rer Slnn^efenl^eit in $arid 
befru4)tenb auf ba^ bortige 2)enlen mivlitn. 2)er fd^meigerifd^e 
©cfanbte ©tapfer, ein mit btn Sbeen ber beutfd^en ibta* 
liftifd^en ^l^ilofop^en grünblidE} vertrauter ÜKann^ Derlel^rte 
in bem Streife von 9(uteul, in bem @iabanid, ^t^tnii be 
%xacr^, Siran u. a. an ber fjfortbilbung ber ®ebanlen bed 
frangöfifd^en äRaterialiiSmud com ad^tgel^nten ^a^vl)nnbeti 
arbeiteten. S)ie SSenbung sunt SbealidmuiS; meldte bie 
SBeltanfd^auung in f^ranlreid^ nm biefe "^tii nimmt, erfd^eint 
ald ein (Srgebnid gmeier Elemente: ber Sfnfd^auung StouffeauiS, 
unb ber beutfd)en ©ebanlenmelt. S)er Stad^brud, mit bem 
Stouffeau betont Igat, ma» in bem SRenfc^en burd^ bie Ur« 
quettcn feiner SRatur oorl^anben ift, unb bit auf ben ©ipfel 
beiS S)enlen$ leitenbe beutfd^e ^l^ilofopl^ie bemirlten eine 
Slblel^r von ber rein mectjaniftifd^en SSorfteQungSmeife ber 
SKaterialiften. — SoDenbö eingelebt in ben beutfd^en ®eift 
"^ai ftd^ bann »ictor®oufin (1792—1868). Sr unter- 
nal^m meistere Steifen burdd S)eutf(f)Ianb unb* lernte burd^ 
biefelben bie fül&renben ®eifter ber ibealiftifd^en 6pod^e 
perfonlid^ lennen. 2)en tieffien (SinbrudC l^aben auf i^n 
$egel unb ®oetlge gemad)t. ^^xtn 3beaIiSmuiS brad^te 
er nad^ 3franlreid&. @r lonnte für il^n mirfen burdE) feine 
|)inrei§enbe Stebncrgabe, mit ber er tiefen ßinbrudt mad^te; 
crft als $rofeffor an ber Ecole normale {von 1814 ab), 
bann an ber Sorbonne. S)ag nid|t burdE) bie SBetrad^tung 
ber ^ugenmelt, fonbem burd) biejenige bt^ aRenfd§engeifte0 

9* 



— 132 — 

ein befriebtgenber SSeltanfd^auungi^Fianbpunlt ju gewinnen 
tft, bai^ ^otte (Souftn an» htm beutfd^ien ©eifieiSleben l^erüber« 
genommen. Suf bie Selbftbeobad^tung ber Seele gtünbete 
er, wa& tc fagen moIUe. Unb von $egel l^at er ftd) an« 
geeignet, bag ®eiß, 3bee, ®ebanle nid^t nur im Innern 
bed 9Kenfc^en, fonbern aud^ brausen in ber 92atur unb im 
tJfortgange beiS gefd^id^tlid^en Sebend malten, ba% Sernunft 
in bei äSirllid^Ieit Dorl^anben ifi @r l^at ben gfrangofen 
geleiert, ba% in btm Sl^aralter eineiS Soßed, einei» QtitaÜet» 
nid^t ba» blinbe Ol^ngefäl^r, bie SBiQIür einzelner 3Renfc^en 
l^errfd^en, fonbern ba^ fid^ ein notmenbtger ®ebanle, eine 
mirllid^e 3bee barinnen audfpredgen, ia, bQ% ein großer äRann 
in ber ffielt nur aU ber ©enbbote einer großen 3bee et^ 
fd^eint, nm fte innerl^alb bed SBerbeganged ber ©efd^id^te 
gu oermirllid^en. @iS mu^te auf feine franjdftfdien 3^* 
l^örer, bie meltgefd^id^tlid^e @türme ol^ne ©leid^en in ben 
iüngften @ntmidelungdp]gafen il^red äSoIIed gu begreifen 
l^atten, einen tiefen @inbrud mad^en, oon einem glanj» 
ooQen Stebner bie Sernünftigleit bt» gefd^idjtlid^en SSerbend 
auf ®runb groger SBeltanfd^auungiSgebanlen bargelegt }u 
l^ören. 

Sine Slrt ©egenbilb gu SoufiniS ©ebanlenmelt bilbet 
biejenigc SRobert be fiamennaiö (1782 — 1854). 
Sr mirft fid^ aum Serteibtger ber l^öl^eren äSeltanfd^auungiS« 
intereffen auf, meil er burd^ bie ©leid^giltigleit, bie in 
meiten Streifen biefen Sniereffen gegenüber in feinem 3^^^" 
alter ^errfd^t, eined ber traurigften Stiebergangdf^mptome 
ber aßenfd^^eit fielet. @d^öblid^er ald eine falfd^e SBeltan« 
fd^auung, ift, feiner SReinung nad^, ber Serluft beiS ®IaubeniS, 
ba^ man burdE} rid^tigen ®ebraud^ feiner ®eiftedlräfte }u 
befriebigenben (SinblidEen in bie SBeltengrünbe gelangen lönne. 
6r gel^t in feinem (Streben aQerbingS gunäd^ft oom ftatl^o« 
liaii^muiS auiS, unb glaubt, bem ^apfttum bie 3Riffton gu« 
erlennen gu muffen, bie geiftigen 3^^^^ ^^ 9Senfd^^eit gu 
beftimmen. @r mni aber halb erfalgren, mie menig feine 
SSfuffaffung bed ffatl^oIigidmuiS ben 9(bftd^ten ber römifd^en 
Sird^enleiter entfprid)t. S)enn nad^ Seröffentlid^ung feiner 



— 133 — 

^SSorteeineiS ©laubigen" loirberoonSlomald Ungläubiger oer« 
urteilt. Sennod^ ift Sontennaid ein ed^t d^riftlid^er Senler. 
2Ln& btn d^riftlid^en ®IaubeniSemflpnbungen l^eraud arbeitet 
er eine ®ebanfenn)elt; oft t)on l^inreigenber Sd^önl^eit unb 
von lünftlerifdier 5troft, niemals aber frei unb oor« 
urteiteloiS auf bie ftd^ felbft überlaffene Sernunft gebaut. 
Snergifc^, atelberougt ftellt ftd^ Somte in biefen ®ang 
ber frangöfifd^en SBeItanfd^auungiSentn)id(eIung l^inein mit 
einem ©runbfa^e: nur in ber SSiffenfd^aftlid^Ieit, bie t)on 
ftrengen mati^ematifdien unb beobad^teten SBal^rl^eiten 
audgel^t, mie bie $l^qftl ober bie Sl^emie, lann ber SluiS« 
gangdpunit für eine äSeltanfd^auung gefud^t merben. @r 
lann nur ein foId^eiS menfd^IidieiS S)enlen für reif gelten 
laffen, bai$ fidEi ju biefer 9(nf(^auung burd^gerungen ^at 
Um bal^in gu lommen, mugte bie äRenfd^l^eit gmei Spoc^en 
ber Unreife burd^mad^en, eine fold^e, in ber fie an ®btter 
glaubte, unb eine folgenbe, in ber fte ftd^ abftralten Sbeen 
Eingegeben l^at. 3n bem ^uffteigen oon ber tl^eologifd^en, 
bur4) bit ibealiftifd^e )u ber miffenfd^aftli^ien SBeltan- 
fd)auung fielet @omte ben notmenbigen @ntioid(eIungiSgang 
ber SRenfd^lgeit. 3m erften @tabium badete fid^ ber äSenfd^ 
in bit Staturoorgönge menfd^enal^nlid^er ®dtter l^inein^ 
meldte biefe Vorgänge fo miQIürlid^ gu ^ianbt bringen 
mie ber ÜRenfd) feine Serrid^tungen. @pöter fe^te er an 
bie @telle ber ®otter abftralte Sbeen, mie fiebeniSiraft, aU» 
gemeine äBeltoemunft, SBeltgmedE u. f. m. Slud^ biefe (SnU 
midelungdpl^afe mu^ einer l^bl^eren $Ia^ mad^en. @& mug 
eingefel^en merben, ba^ nur in ber Seobad^tung unb in 
ber ftreng matJ^ematifc^en unb logifd^en SBetrad^tung ber 
^l^atfadgen eine @r!(cirung ber SBelterfdgeinungen gefunben 
merben lann. %ur mad auf biefem SBege bie $l^9ftl/ bie 
Sl^emie unb bie äBiffenfd^aft oon ben Sebemefen (bie Sio« 
logie) erforfd^en, l^at ba» SDenlen jum S^tdt einer SBelt* 
anfd^auung j)u oerbinben. @iS l^at gu btm, mad bie ein« 
gelnen SBiffenfd^aften erforfd^t l^aben, nid^td l^inguaufügen, 
mie t» bie Sl^eologie mit il^ren gottlid^en SBefenl^eiten, bie 
ibealtftifd^e ^l^ilofopl^ie mit il^ren abftralten ®ebanlen tl^un. 



— 134 — 

S(ud^ Me anfdiauungen über ben ®ang btt äRenfd^l^eiti^* 
cntmidelung, über bai^ 3ufanttnenleben ber äRenfd^en im 
®iaaU, in ber ©efeSfd^aft u. f. to. werben erft bann 
ooSftänbig Ilore n^erben, n^enn fte fold^e ®efe^e fud^en mte 
bie ftrengen Katunoiffenfd^aften. 2)ie Urfad^en, morum 
<$amiIien,Serbänbe;9lecl^tdanfd^auungen,@taatöeinric^tungen 
entfielen, ntüffen ebenfo gefud^t werben, wie bie|enigen, 
warum SCörper gur Srbe faDen, ober warum bie Ser» 
bauungiSwerljeuge bt& £iereiS ilgre Slrbeit il^un. S)ie 
SBiffenfd^aft Dom menfcl^Iidien S^fammenleben, oon ber 
menfd^Ii(^en Sntwidelung, bie ®ocioIogie^ liegt bal^er @omte 
befonberd auf ber ®eele. Sl^r fud^t er ben ftrengen 
(S^atalUx gu geben, btn anbete Sßiffenfc^aften aQmäl^Iid^ 
angenommen l^aben. 3n biefer Stid^tung ^at er an @Iaube« 
^enri be @aint-@imon (1760—1825) einen Sorgcinger. 
2)iefer fd^on fteQte bie 9(nftd^t ^in, bai ber iRenfd^ nur 
bann ein DoOIommener Senler feiner eigenen ©efd^ide fein 
werbe, wenn er fein eigeneiS Seben im Staate, in ber ®e* 
feEfd^aft, im SSerlauf ber ©efd^id^te im ftreng wiffenfd^aft« 
lidien Sinne auffaffe unb im ®inne einei^ naturgefe^Ii(^en 
SSerbend einritzte, dornte ftanb eine S^i^^^^S ^^ ^^' 
traulid^em Umgang mit @aint«@imon. @r trennte ft($ Don 
ilgm, aU biefer ftd^ mit feinen Slnftd^ten in aUerlei boben« 
lofe Sröumereien unb Utopien gu oerlieren fd^ien. 3n ber 
einmal eingefd^Iagenen Stid^tung arbeitete @omte mit feltenem 
6ifer fort, ©ein „Cours de Philosophie positive" ift ein 
Serfud^ im größten ®til, bie wiffenfdgaftli(f)en @rrungen« 
fd&aften feiner 3^** burd^ blofee orientierenbe 3ufötnmen« 
fteDung unb burd^ 9(udbau ber Sociologie in il^rem ®eifte, 
ol^ne 3ui^ilfena]^me tl^eoIogtf(f)er ober ibealiftifd^er ©ebanlen 
ju einer Sßeltanfd^auung auiSjubauen. 3)em $l^ilofop]^en 
ftellte @omte Seine anbere Slufgabe dü bie einer fold^en 
orientierenben 3ufammenfteDung. 3^ bem, waiS bie jEßiffen« 
fd^aften über ben 3ufammen]^ang ber Z^at^aä)en feftgefteEt 
j^aben, i^at er an» (Sigenem nid^tiS ^ingugutl^un. 2)amit 
war in fd^ärffter 9lrt bie 9Reinung jum SluiSbrud gelommen, 
ba% allein bie S3iffenfd|aften, mit il^rer S3eoba(^tung ber 



— 135 — 

äBirllid^Iett, tnit il^ren Ttti^obm, tnii}ufpre(j^en l^aben, 

toenn ed ftd} um btn %x»hau bex SBeltanfd^auung l^anbelt. 

* 

Snnerl^alb bt» beutfd^en ®tx^t»Ubtn» txai aü i^aU 
Mfttger SSerfedgter biefed ©ebanlend Don einer 3lIIein- 
bere(f|tt9ung bt» tDtffenfdiaftlicI^en SenleniS @ugen 2)fil^« 
ring (geb. 1833) im 3al&re 1865 mit feiner ^9ialfirli(^en 
"Sixaldixt" auf. 3n weiterer ^(udfül^rung legte er bann 
1875 ber SSett feine anftd&ten in feinem »udie: ^^Surfug 
ber $||iIofop]^ie dl» ftreng miffenfd^aftlid^er äSeltanfd^auung 
unb Sebendgeflaltung''^ unb in 3a^Ireid^en anberen matige« 
matift^eU; naturn)ifFenfcl()aftIi(^en, pl^ilofopl^ifc^en, miffen« 
f(f)aftiSgef(i^i(i)tIic^en unb nationalölonomifd^en ®d^riften bar. 
S)ü^ringiS gangei^ Sd^affen gel^t aud einer im ftrengften 
Sinne matl^ematifd^en unb med^aniftifd^en S^enlmeife l^erDor. 
3n bem 2)urd^benlen aUe» beffen, mad ftd) in btn äSelt* 
erfdgeinungen mit matl^ematifc^er ©efe^mägigfeit erreid^en 
lägt, ift S)ül^ring bemunberuiSmert. SSo aber ein fold^ed 
©enlen nid^t l^inreit^t, ba t)erliert er jebe SBßglid&Ieit, fi^ 
im ßeben aured^tjuiinben. SluiS biefem feinem geiftigen 
€^aralter l^eraui? ift bxt SBiQIür^ bic äJoreingenommenl^eit 
ju erllcircn, mit ber ©ül&ring fo oieleiS beurteilt. SEBo man 
nad^ ^öl^eren Sbeen urteilen mug, mie in ben fompligierten 
Ser^ältniffen bt» menfdjlid^en Suf^mmenlebcnö, bo ^ai er 
bed^alb leinen anberen 9(nl^aItiSpunIt aU feine burd^ gu* 
fäOige perfönlid^e SSerlgältniffe in iign gepflangten S^m« 
patl^ien unb Slntipatl^ien. @r ift Hntifemit megen biefer 
feiner gil^aralteranlage gemorben; er, ber matlgematifd^-ob« 
ieltioe Äopf, oerföttt in bie t)önigfte SBiüIür, menn er 
menfddlid^e Seifiungen ber gefd^i(^tlid^en Sergangenigeit 
ober ber ®egenmart }u bemerten unternimmt. Seine 
nüd^terne mai^tmaii\i)t SSorfteQungdort l^at i^n bain ge« 
irad^t; eine $erfönli(^leit, mie ®ott^t eine ift, aU btn 
unmiffenfd^aftlid^ften ffiopf ber neueren 3cit a" oerlefeern, 
beffen ganje Sebeutung fid§, feiner äSeinung nad^, in 
einigen I^rifd^en fieiftungen erfd^iöpft. SRan lann in ber 
Unterfd^ä^ung allein beffen, ma0 bie nüd^terne SBirllid^Ieit 



— 136 — 

üBerfd^rettet, nid|t rotiitc Qc^tn, al§ b\t9 2)ül^nng in feinem 
Sud^e ^3)ie ®rogen bct ntobemen fiitteratur'' getl^an l^at. 
£ro^ biefer Sinfeitigleit ifi 3)ül^nng eine btt anregenbften 
®eftalien berntobernenäSeltanfdiauungiSentoidelung. Seiner^ 
ber fidS) in feine gebanlenDoQen SJüd^er Dertieft ^ai, lann 
ft(f| etmai? anbereiS ate biefeiS geftel^en, ba% er oon il^nen 
tiefe SBirhtngen empfangen ^at 

3flxi ben berbfien SluiSbrüdCen belegt S)ül^ring aUt 
SSeltanfdiauungen; bie oon anbeten ate ftreng miffenfd^aft« 
lid^en ©efid^tdpunlten auiSgel^en. 3(IIe fold^en unmiffen« 
fd^aftlid^en S)enlungdarten «begreifen ftd^ im @tabium ber 
linbifd^en Unreife ober ber fieberhaften Slmoanblungen^ ober 
in ben Siüdbilbungen ber ©reifenl^aftigleit^ fie mögen unter 
biefen Sorani^fe^ungen gange (Spod^en unb Seile ber 
9Renfd^]^eit ober gelegentlid^ einzelne Elemente ober oer« 
lommene ®d^id|ten ber (SefeUfdEjaft l^eimfndEien, aber fie ge» 
^oren fteti^ in ba& ©ebiet beiS Unreifen, btS ^atl^ologifd^en 
ober ber bereit« oon ber göuIniiS gerfe^tcn Ueberreife'' 
(Surfud ber ^l^ilofop^ie @. 44). 9Bad Sant, mad fSid)it, 
@(f)eiling, C^egel geleiftet l^aben, oerurteilt er aU Sludflug d^ar« 
latanl^after ^rofefforenmeidlgeit; ber SbealiiSmuiS ate SBeltan* 
anfd^auung ift il^m eine Sl^eorie bed SBal^nftnniS. @r miQ 
eine 3BitIIid)Ieitdp]^iIofopI;te fdfiaffen, bie allein naturgemäß 
ift, meil fte „bie lünftlid^en unb naturioibrigen @rbid)tungen 
befeitigt unb gum erften 9RaI ben Segriff ber SBirllid^Ieit gum 
9Ka§ aUer ibeeQen ^ongeptionen madjt;" bie SESirllid^Ieit mirb 
oon il^r „in einer SBeife Qtbaä^i, biejeber Slnmanblung gu einer 
trauml^aften unb fubieltioiftifd^ befd^ränlten SBeltoorftellung 
au^fd&Iiefet.^ (Surfug ber Sß^ilofopl&ie ©. 13.) 

iißan benle, mie ber richtige SRed^aniler, ber rid()tige 
$l^9filer beult, ber fid^ an ba» l)äü, mad bie @inne mal^r« 
nel^men, ber äSerftanb logifd^ lombinieren unb bie Sted^nung 
feftfteüen lönnen. Wlt^, xoa^ borüber l^inauiSgel^t, ift müßige 
Spielerei mit Segriffen. @o fagt fx^ S)ü]^ring. Slber 
biefem S)enlen miU er aud^ gu feinem ooQIommenen ^t^tt 
oerl^elfen. S3er ftd^ auiSfc^Iieglidg an biefeiS S)enlen ^SLi, 



— 137 — 

ber lann ftd^er fein^ ba§ t» il^m Sluffc^Iüffe üBer bie SSirl« 
lid^Ieit giebt. SilleiS Xad^finnett barüber, ob mit mit un« 
ferem S)enlen aud^ tl^aiffic^lid^ in bie ©el^eimniffe bt9 äSelt- 
gefd^el^eniS bringen lönnen, aUt gfoif^^ungen, bie xoit bie 
ftanl'fd^en baiS @rfenntniiSt)ermogen begrenzen woSen, ent« 
fpringen einer bgifd^en Serlel^rt^eit. SRan foQ nidgt in 
bie aufopfernbe @elbftoerleugnung bei» Serfianbed Der« 
faDen^ bie ftd^ nid^t n^agt, eixDa& ^oftÜDed über bie SBelt 
auiS}unta(i§en. SSaiS n)ir toiffen lonnen, ifi eine mirllid^e 
ungetrübte S)arftenung bt» SBirflid^en. ,,2)aiS ©ange bet 
S)inge l^at eine f^ftematifd^e ©lieberung unb innere logifd^e 
ftonfequen}. 9!atur unb ®efd^id^te l^aben eine Serfa^ung 
unb @ntn)idFeIung, beren SBefen gu einem grogen 2^eil btn 
aügenteinen logifd^en Sejiel^ungen aller Segriffe entfprid^t. 
Sie aQgemeinen digenfd^aflen unb SSerl^ältniffe ber S)enl« 
begriffe, mit benen fid^ bie Sogil bef4)aftigt, muffen anä) 
für ben befonberd auiSgugeid^nenben ^aH gelten, ba^ il^r 
©egenftanb bie ©efamtl^eit bt» Seind nebft beffen $aupt« 
geftolten ift. S)a ba» oHgemeinfte S)enlen in einem meiten 
Umfange über ba» entfd^eibet, ma» fein unb mie ed fein 
lann, fo muffen bie oberften ©runbfä^e unb ^auptformen 
ber Sogtl audEi für alle Sßirllid^Ieit unb beren gformen bie 
maggebenbe Sebeutung erl^alten'' (SurfuiS ber ^l^ilofopl^ie 
6. 11). Sie 9SirIlid)Ieit Igat fic^ in btm menfd^lic^en 
S)enlen ein Drgan gefdgaffen, burd^ bad fie ftd^ gebanlen« 
mägig, in einem ibeeüen Silbe^ mieberergeugen, geiftig 
nad^fdgaffen lann« 3)ie %atur ift überall uon einer burd^« 
(gängigen ©efe^mägigleit bel^errfd^t, bit burd^ ftd^ felbft int 
Sted^te ift, an ber leine Äriti! geübt merben lann. 
SSie foDte ed einen ®inn l^aben, an ber ^^ragmeite bed 
2)enleni$, bed OrganeiS ber %atur, ffriti{ ju üben. ®» ift 
eine Sl^orl^eit, ber %atur aujumuten, bat fie fidEi ein Organ 
fd^afft, burd^ ba» fte fid^ nur unuoQIommen ober lüdCenl^aft 
fpiegelte. ^ie Orbnung unb ©efe^mögigleit brausen in ber 
SBirllid^Ieit muffen ba^er ber logifd^^en Crbnung unb ®efe^« 
mägigleit im menfdEjIid^en Senlen entfpred^en. «,3)ad ibeelle 
Softem unferer ®ebanlen ift ba» Silb bt» realen Spftemd- 



— 138 — 

ber obielttoen SStrllic^Ieit; ba» ooQenbete SSiffen l^at in 
gform DOtt (Sebanlen biefelbe ®eftalt, meiere bie 2)inge in 
bec tSotm be^ wirllid^en S)afeinjS l^ben''. — Xxol^ biefer 
oQgemeinen Übereinflimmung jmifd^en 2)enlen unb äBtrt« 
lid^Ieit giebt t§ für bad erftere bod^ bie SRüglid^Ieit, über 
bie le^tere l^inaud}ugel^en. S)ad 2)enlen fe^t in ber 3bee 
bie Serrid^lungen fort, bie i^m oon ber SBirllid^Ieit auf- 
gebrängt merben. 3n ber SSirllid^Ieit ift leber jtörper 
teilbar, aber nur bid tu einer geroiffen ®renge. S)ai$ 
2)enlen bleibt bei biefer ®renge nid^t ftel^en, fonbern teilt 
in ber 3bee nod^ meiter. S)er ®ebanle fd^meift über bie 
SSirllid^Ieit l^inaud; er lS§t ben Jtorper ind Unenblic^e 
teilbar fein, aM unenblidi Ileinen Zeilen beftel^en. 3n 
9SirIIid)Ieit befielet jeber Storper nur aM einer ganj be« 
ftimntten, enblid^en Stnaal^I Seiner, aber nid^t unenblid^ 
Heiner Zeile. — 9(uf fol^e ^rt entftel^en aUe bie 9BirIIid^« 
leit überfd^reitenben Unenblidileitdbegriffe. SRan fd^reitet 
t)on iebem ßreigniffe fort gu einem anbern, ba» beffen 
Urf ad^e ift; t)on biefer Urfad^e mieber au beren Urfad^e u. f. f. 
©ogleid^, totnn ba» Genien ben S9oben ber SBirllic^Ieit 
perlägt, fd)n)eift ed in eine Unenblid^Ieit. @d ftellt ftdb 
9or, ba% }u ieber Urfad^e lieber eine Urfad^e gefudgt 
VDCtbm ntüjfe, ba% alfo bie SBelt ol^ne einen Anfang in 
ber Seit f^i* ^ud) mit ber StaumerfüIIung nerfä^rt ba» 
S)enlen auf ä^nlidie Sßeife. @d ftnbet, menn t§ ben 
^immeteraum burd^migt, auger^alb ber fernften @terne 
immer nod^ anbere; tS gel^t über biefe mirllid^e Zl^atfadge 
^inaud unb ftellt fidg ben ^aam unenblid^ unb erfüUt mit 
einer enblofen Qa^l oon SBeltlörpern oor. SRan muffe 
ftd^, meint S)ül&ring, Ilar barüber fein, bai aüt fold^e 
Unenblid^teitdoorfteUungen mit ber SBirllid^Ieit nid^tiS gu 
tl^un l^aben. @ie entftel^en nur baburd^, ba§ ba^ S)enlen 
mit ben SRet^oben, bie innerhalb ber SBirKid^Ieit biefer 
oöQig entfpred^en, biefe überfliegt unb baburd^ ini^ Uferlofe 
lommt. 

SBenn ba» Senlen ftd) biefed feineS SuiSeinanbergel^end 
mit ber Sirllid^Ieit bemüht bleibt, bann brandet ed im 



— 139 — 

üBrigett; nad^ S)fil^ringd tünjtd^t, nid^t aurücf^oltenb au fein 
in ber Übertragung oon Segriffen, bie bem ntenfc^Ii(|en 
Zl^un entlel^nt ftnb, auf bie %atur. S)ül^ring fd^redt, t)on 
fold^en (Seftd^tdpunlten auiSgel^enb, nidgt einmal baoor ju- 
rfidC, ber %atur ebenfo bei il^rem ®d^affen $]^antafie 
pauerlenneu; mie bem SRenfdien bei bem feinigen, „^it 
$l^aniafie reid^t ... in bie %atur felbft ^inab, fie muraelt, 
mie überl^aupt aQed S)enlen, in Stegungen, bie htm fertigen 
Semugtfein üoraudgel^en, unb felbft gar leine Elemente 
bed fubjeltiD Smpfunbenen bilben'' (Surfud ber $^iIofop]^ie 
®. 50). S)er t)on Somte oerteibigte ©ebanle, ba% aQe 
©eltanfd^auung nid^tö weiter fein bürfe, afe eine 'initi^U 
legung bed rein S^l^atfäd^Iid^en, bel^errfd^t S)ü]^ring fo poQ« 
ftänbig, bag er bie $]^antafie in bie 2^l^atfad^enmelt Der« 
legt, meil er glaubt, fie einfadi ablel^nen gu muffen, menn 
fie nur im ©ebiete bt§ menfd^Iid^en ©eifteiS auftröte. Son 
biefen 35orfteQungen auiSgel^enb, gelangt er aud^ nod^ ^u 
anberen Übertragungen foI(|er SSegriffe, bie bem menfd^« 
lid^en 93irlen entnommen finb, auf bie %atur. 6r beult 
i. ä3. nid^t nur, ber 3Renfd^ lann bei feinem S^i^un erfolg« 
lofe SSerfud^e mad^en, oon benen er ablägt, meil fte nid^t 
aum Qid führen, fonbem aud^ in ben SSerrid^tungen ber 
$atur fäl^e man SSerfud^e nadi biefer ober jener 9Kd^tung. 
n'S>ex dl^aralter beiS SSerfud^dartigen in ben ©eftaltungen 
ift ber SBirllid^Ieit nid^td meniger aü fremb, unb man 
fielet nid^t ein^ marum man an^ ©efäOigleit für eine ober« 
fläd^Iid^e ^l^ilofopl^ie bie parallele ber Statur au§er bem 
SRenfd^en nnb ber %atur im SReufd^en nur gur ^dlfte 
gelten laffen foO. SBenn ber fubjeltioe Si^tum bt» 
^enleuiS unb Smaginierend an^ ber relatioen ©etrenntl^eit 
unb ©elbftänbigleit biefer Spl^öre l^eroorgel^t, marum foQ 
nid^t aud^ ein praltifd^er 3rrtum ober Sel^Igriff ber 
objeltioen unb nid^t benlenben Statur bie fjfolge einer oer« 
]^äUnidmä§igen Slbfonberung unb gegenfeitigen @ntfrembung 
il^rer oerfd^iebenen Steile unb SIriebIräfte fein lönnen? Sine 
ma^re unb nid^t oor ben gemeinen SSorurteilen gurüdC« 
fd^redCenbe $l^iIofopl^ie mirb fd^Iieglid^ ben ooQftcinbigen 



— 140 — 

^ataUdi^mM unb bit burd^gängige @tnl^eit ber Ston» 
itiiution naä) btiben @eiten l^in ancrietinen'' {Sux\M ber 
$l&tlofop]&ic ®. 61). — 

Z)ü^x\nQ ift alfo nid^t fprobe, menn t& ftd^ borum 
^anbdt, bit Segriffe, bie ba^ 2)enlen in fidi ergeugt, auf 
bit SBirllid^Ieit ju fibertragen. 9BeiI er aber, feiner gangen 
Veranlagung nad^, nur Sinn ffir mat^entatifd^e Sor« 
fteüungen l^at, fo gen)innt aud^ bal^ S3ilb, baB er Don ber 
SBelt entn)irft; ein ntat]^ematifd)«fc^ematifd^ei$ ©epräge. S)er 
Setrad^tungiSmeife; bie fid^ burdi ^aitoin unb ^aedel aud- 
gebilbet f)Qi, fte^t er ablel^nenb gegenfiber. f)ffir bie Sluf« 
fud^ung ber ®rfinbe, marum fidEi ein SBefen au» bent an« 
bereu entmidtelt; l^at er lein SSerfianbniiS. S)er SRatl^e« 
matl^iler fteQt bod^ audi bie ®ebilbe: 3)reiedt, SieredE, ^eii^, 
@IIipfe nebeneinanber: n^arum foQte man fid^ nid^t bei 
einem äl^nlid)en fd^ematifdien Nebeneinanber in ber Statur 
berul^igen? Xid^t auf ba& SBerben in ber %atur, fonbern 
auf bie feften ©eftaltungen, meldte bie 9?atur l^erauiS» 
arbeitet burdi Kombination il^rer jCröfte, geigt 2)filgring 
loiS; wie ber SRatlgematiler bie beftimmten^ ftreng um* 
riffenen Staumgebilbe betradgtet. Unb S)filgring finbet e<s 
nidgt unangemeffen, ber %atur audg ein gmedtoolled ^in« 
arbeiten auf foId)e fefte @ebilbe gugufdgreiben. %i(f|t als 
btmn%it& SBirlen, mie tB fxä) beim SRenfdien audbilbet, 
fteSt fidg 2)fi]gring biefei^ ^mtdooUt %aturftreben oor; aber 
bodg ift t§ ebenfo beutlidg in bem Slgun ber %atur ausgeprägt, 
mie bit fibrige Staturgefe^mägigleit. — SfilgringS Slnfidgt ifi 
alfo in biefer Segielgung ber entgegengefe^te ^ol ber oon 
3fr. % Sauge oertretenen. S)iefer erllärt bie pigeren 99e« 
griffe, namentlidi aUt, an benen bie $lgantafie einen $(nteil 
Igat, ffir berechtigte 2)idgtung; S)filgring le^^nt aSe 
^ic^tung in Segriffen ab, fdgreibt aber baffir gemiffen, 
ilgm unentbelgriidgen Igolgeren Sbeen, tlgatfädglidge SSirf* 
lidgleit gu. ®ang folgeridgtig erfdgeint ed bager, wtnn 
Sauge bie ®runblage ber ^oral allen in ber S3irIUdg!eit 
n)urgelnben 3been entgie^en miO (oergL oben ®. 92f.)r 
unb aud), menn Sfilgring Sbeen, bie er im ®ebiete ber 



— 141 — 

Sittlid^Ieit für geltenb ^Sli, audg auf bie %atur audbel^nt. 
<£r ift eben DoQIommen baoon überjeugt, ba^ ftdg bad, 
toaiS im äRenfd^en unb burc^ ben SRenfd^en gefd^tel^t, 
ebenfo naiürlid^ abfpielt^ tote bie leblofen Vorgänge. 
S3ad alfo im äRenfd^enlebett rid^tig ift^ lann in ber %atur 
nidjt folfd^ fein. Soldie (Srmägungen mirlten mit, um 
S)ü]^ring ^nm energifd^en ®egner ber S)Qrn)infd^en Seigre 
Dom jtampf umd ^afein ju mad^en. 9Benn in ber %atur 
ber Stampf Silier gegen 9[IIe bie SSebingung ber SerooQ* 
lommnung more, fo müfite er t& aud^ im SRenfd^enleben 
fein. «r@ine fold^e SSorfteQung/ bie fxä) obenein ben 3(n< 
firid^ ber 9ßiffenf(^aftlid^!eit giebt, ifi ba» erbenllidEi üRoraU 
mibrigfte Don aDem. S)er Sl^aralter ber Statur mirb auf 
biefe SBeife im antimorolifd^en Sinne gefaxt. @r gilt 
nid^t etwa blo% aU gleid^giltig gegen bie beffere SRenfdgen* 
moral, fonbern gerabegu al0 übereinftimmenb unb im 
Sunbe mit berjentgen fd^Ied^ten 9RoraI; ber aud) bie ®auner 
^nlbxQm" (®urfuö ber ^l^ilofopl&ie @. 164). — SBaö ber 
^enfd^ al& moralifd^e eintriebe empfinbet, mni, im Sinne 
ber Sü^ringfdgen SebeniSaufd^auung, fd^on in ber %atur 
veranlagt fein. 3n ber Statur mu§ ein ^injielen auf ba^ 
URoralifd^e beobad^tet merben. Sßie bie %atur anbere 
JCrdfte f(^afft, bie ftd^ amedmägig p feften ©ebilben lom« 
J&inieren, fo legt fie in ben 9Renfd^en fpmpatl^ifd^e Snftinite. 
S)urd^ fie lagt er fid^ in feinem Sufammenleben mit btn 
^ebenmenfd^en beftimmen. $im SDlenfd^en fcfet fid^ alfo auf 
igol^er Stufe bie S^^ätigleit ber %atur fort, ^en leblofen 
med^anifd^en haften fd^reibt 2)ü^ring ba» äSermögen gu, 
<tu» fid^ felbft; mafd^inenartig, bit Smpfinbung ^u erzeugen. 
^S)ie med^anifd^e ^aufalität ber %aturlräfte mirb in ber 
gfunbamentalempfinbung fo gu fagen fubjeltioiert. Sie Z^ai» 
i(xä)t biefeiS elementaren SubjeltioierungiSoorgangiS lann 
offenbar nid^t meiter erllärt merben; benn irgenbmo 
unb unter irgenbmeld^en Sebingungen mn% bit 
Jbemugtlofe aRed^anil ber SBelt gum ®efül^I i^rer 
jelbft gelangen" (®urfu« ber ?ßl&iIofop]^ie @. 147). 
SBenn fie aber bagu gelangt, bann beginnt nid^t eine neue 



— 142 — 

®ffe^mä6tglett; ein Steid^ bt» ®tiitt», fonbern t» fe^t fi^ 
nur fort, ma» fd^on in ber Berougtlofen üRed^antl x)or» 
^anben wax. S)iefe SRed^anil ift fomti gmor bemugtloiS, 
aber bod^ meife, benn ^.bie @rbe mit aUent; ma» fit Iget« 
vorbringt, nebft ben auger^alb, namentlid) in ber ®onn^ 
liegenben Urfad^en ber SebeniSer^altung, fomie überhaupt 
einfd^IieglidEi aller @inflüffe; bie auiS ber umgebenben @e« 
famnttn)elt fiammen; biefe gange Einlage unb (Sinrid^tung 
niu§ ate mefentlid^ für ben äRenfd^en l^ergefteQt, b. ^. ali- 
mit feinem SBol^I in fibereinftimmung gebadet merben" 
(®urfuö ber ^^ilofop^ie ®. 177). 



@d ift Sl^atfad^enfanatiiSmud, menn S^ül^ring ber 
Statur ©ebanlen gufd^reibt, ja fogar Qidt unb moralifd^e 
Senbengen, ol^ne gugugeben, ba% tt fte bamit ibealiftert. 
3ur SJaturerllärung geboren pl&cre, über ba» ®ir!IidE|c- 
i^inauiSgelgenbe Sbeen; fold^e barf ed aber nadi S)ü^nng 
nid^t geben; folglid^ beutet er fie gu £l^atfad|en um. @itt 
ä^nlid)tx S^l^atfac^enfanatti^muiS lebte fid^ in ber SBeltan« 
fd^auung S. ^. d. Jtird^manniS aui^, ber mit feiner 
„^^ilofopl&ie be« SBiffenö" um biefelbe Seit auftrat (1864). 
wie S)ü]&ring mit feiner ^^SRatürlid^cn ©ialcltil''. Sttur ba» 
ift mirflid^, mas mal^rgenommen mirb: baoon gel^t 
JKrd)mann aui^. 2)urd^ feine SSal^rnel^mung ftel^t ber 
äRenfd^ mit btm SDafetn in äSerbinbung. SdleiS, xoa2 ber 
SRenfd^ nid^t an» ber SSal^rnel^mung geminnt, mu§ er auiS 
feiner (Srlenntnii^ bt» SSirllidien audfd^eiben. S)ied erreid^t 
er, menn er aQeiS äSiberfprud^iSDoIIe ablel^nt. „S)er SBiber« 
fprudi ift nid^t"; bied ift JKrdEimanniS gmeiter ®runbfa^. 
neben bem crften: ,®aS SSol^rgenommene ift." 

3)ie SBeltanfd^auuug, bie jhrd^mann audbilbet, mü§te,. 
wenn fie fid^ felbft ridf)tig cerftünbe, ba» SBiffen für bie 
überflüffigfte ®a^t in berSBelt anfeilen. S)enn menn ftd^« 
aUed S)afein in bem erfd^opft, wa» mal^rgenommen mirb,. 
fo lann ba§ SB iffen nidE)t« fein aU eine begriff lid^e SBieber» 



— 143 — 

l^olung beffen, xoaB aud^ o^ne ba» SBiffen ba ift. 3n ber 
Zf^at lägt jKrc^mann nur bie ©effil^Ie unb bie Segierben 
ate fold^e @eelenauftänbe bed SRenfd^en gelten, bie ein 
Safetn für fid^ l^aben. 2)ad SBtffen fe^i er in ®egenfa^ 
au biefen feien ben Suftönben ber Seele, „^a» SBif fenbilbet 
}u ben gtDci anbern Suftcinben, gu bem f^ül^Ien unb Segel^ren, 
einen ®egenfa^ ... Q^ mog bemäSiffen irgenb ein geifüger SSor** 
gang, ja t^ieUeidgt ein Sl^nltdiei^; mie SDrud, Spannung, gu 
®runbe liegen ; aber f o aufgefaßt ift baß SBiff en nid^t in feinem 
Sßefen gefagt. Site SSiffen, unb nur ate foId^eiS ift t» 
Igier gu unterfud)en, pcrbirgt e^^ fein eigenei^ ®ein unb 
mad^t fid^ nur gu bent Spiegel eines fremben Seind. 
(S§ giebt lein beffereiS ©leid^niiS bafür, n)te ben Spiegel. 
So n)ie biefer unt fo oolllommener ift, |e ntel^r er nid^t 
fid^ felbft feigen lögt, fonbern nur frentbed Sein abfpiegelt, 
fo aud^ ba» SBiffen. Sein SBefen ift biefeS reine Spiegeln 
eines fremben Seins, ol^ne Seimifd^ung beS eigenen 
feienben SuftanbeS.'' ^an tann ftd^ aüerbingS leinen 
ftärleren ©egenfa^ gegen bie äSorfteOungSmeife ^egete beulen, 
als biefe Slnfd^auung üom SSiffen. Sßdl^renb bei ^egel in 
bem ©ebanlen, alfo in bem, maS bie Seele burd) il^re 
eigene S^l^ätigleit gu ber Sßal^rnel^mung l^ingubringt, baS 
SSefen einer Sad^e gum 3Sorfd)ein lommt, ftellt ^rd^mann 
ein Sbeal vom SSiffen l^in, in bem biefeS ein Don alten 
eigenen Suti^aten ber Seele befreites Spiegelbilb ber SBaJ^r« 
nel^mungen ift. @iner foId)en SSorfteHung t)om SBiffen 
gegenüber mu% man notmenbig naC^ ber Sered^tigung beS 
SSiffenS fragen. iDtan braud^t bei einer fold^en fjfrage nid^t 
bie veraltete SSorfteüung im ^intergrunbe gu ^aben : meldten 
iJroedt i^ätte bann baS SBiffen? 3n biefer veralteten gorm 
mirb bie fjfrage gefteüt, menn man mit 2)ü]^ring fagt: 
„®aS Unioerfum lann eben nur barauf angelegt fein, 
fd^lieglid^ überall unb in reid^fter fJfüQe bie @mpftnbung 
gu probugieren. 2)ie empfinbenben SBefen muffen unS als 
3n)ed[ jeber loSmifd^en Sntmidtelung gelten; benn eine 
burd^gängig bemugtlofe 9Selt märe eine tprid^te ^albl^eit 
unb fo gu fagen eine Sd^aubül^ne ol^ne Spieler unb 3^« 



— 144 — 

fdgauer." Sber man mug fldg fragen: wad lann benn 
ben SRenfc^en baju oeronlaffen, bie i^m aU SBal^rnel^ntung 
abgefd^Ioffen unb fertig oorliegenbe 9BeIt nod^ einmal in 
gform eineiS @piegelbilbed ftd^ aufjubauen? Ser SRenfcl^, 
ber bie @piegeU%atur bed 33iffend burd^fd^aut, mürbe not« 
menbig {t(^ bed SiffeniS entäußern; meil er ftd^ als tl^orid^t 
anfe^en müiie, menn er ftd^ mit einer SSerboppelung bed 
fdgon fertig Sor^anbenen belaften moQte. @ine ^ome, 
bie [xi) eined Spiegels Bebient, lann ftd^ bod^ auf btn 
Dernünftigen ®runb berufen^ ba% fie ftd^ felbft nid^t be« 
fd^auen !ann; bie SSelt ber SBa^rnel^mung !ann man aber 
ol|ne Spiegel feigen. — 3n Äir(^manng ©piegel-Sl^eorie 
"^ai bie SBeltanfd^auung^ bie ber eigenen jtraft bei$ SenleniS 
lein Vertrauen für bie SBelterlenntnid entgegenbringt, eine 
i^rer parabo^eften ä3Iüten getrieben. — 

SßiQ man Aird)manni$ Stellung im ©eifteiSleben rid^tig 
beurteilen, fo mn^ man bie großen Sdgmierigleiten in 
Setrad^t ixtitn, bie gur !ßtxi feinet Sluftreteni^ j[emanb fanb, 
ber btn 2^rieb in fid^ l^atte, ein felbftänbigeiS 2BeItanf(^auungd« 
gebäube aufgurid^ten. 2)ie naturmiffenfd^aftlid^en @rgebniffe, 
bie einen tiefge^enben @influg auf bie 93eltanfd^auungi$« 
entmidelung l^aben mußten, maren nod^ jung. 3^r 3^« 
ftanb retd^te gerabe ^in, um ben ©lauben an bie Ilaffifdge, 
ibealiftifd^e äSeltanfd^auung ju erfd^üttern, bie i^r ftolged 
®eböube ol^ne bie |)ilfe ber neueren %aturmiffenfd^aft l^atte 
auffüi^ren muffen. 3tiä^i leidet aber mar tS, ber fJfüQe ber 
(Singelergebniffe gegenüber in neuer Sorm %n orientierenben 
©runbgebanlen ju lommen. äßan Derlor in meiten Streifen 
ben gfaben, ber t)on ber miffenfd)aftlid^en £^atfad^en«fiennt« 
nid gu einer befriebigenben ©efamtanfd^auung ber äSelt 
fül^rte. @ine gemiffe 9latIoftgIeit in SSeltanfd^auungiSfragen 
bemcid^tigte ftd^ SSieler. 'S)a§ SSerftänbniiS für einen ®e« 
banlenfd^mung, mie fid^ ein fold^er in ber Snfd^auung 
^egete aufgelebt l^atte, mar laum me^r gu ftnben. %ur 
gang oereingelt maren bie ^erfönlid^IeiteU; bie eined folc^en 
Serftönbniffed fällig maren. @iner ber befteh ift ber frül^ 
Derftorbene $aul Sldmui^, ber 1873 eine Schrift per« 



— 145 — 

offentlid^ie: „^a» 34 unb ba» S)tng an [xd^." ®r jeigt, 
mit in ber ^it, in ber $egel ba» 2)enlen unb bie Sbeen« 
xodi an\a^, ein Serl^ältniiS beiS 9Renfd^en gum SBefen ber 
2)in8e ju geQ)innen ifi @r fe^t in fc^arfftnniger 9Seife 
auiSeinanbet; ba% im S)enlen bed äRenfdien ni^t timaB 
SSirllidileitdfretnbeiS, fonbern tiwa» SebendooSed, Urmirl» 
lid^eiS gegeben ifi, in ba» man fiä) nur gu Derfenlen brandet, 
um gum äßefen beiS S)afeiniS gu lommen. ®r fteQte in 
lid^tooller SSeife ben ®ang bor, ben bie SBeltanfd^auungiS« 
entmidelung genommen f)at, um von Sani, ber baiS „Sing 
an ^ä)" oIiS etmaiS bem äRenfd^en gfrembed, Unjugänglid^eiS 
angefel^en l^atte, gu ^egel gu lommen, meld^er meinte, bai 
ber ©ebanle nid^t nur ftdi felbft aü ibeeQe SBefenl^eit, 
fonbern aud^ ba» »Sing an ftd^" umfpanne. ®oId^e 
Stimmen fanben aber laum ©el^ör. 3n ^egelfd^er 9(rt 
gu beulen, ^atit man oerlernt. S(m fdiörfften lam biefe 
SerftSnbnidloftgleit in bem 9tuf gum ^n^bxud, ber feit 
Sbuarb ^tlUx» ^eibelberger UnioerfitätiSrebe ^Über bie 
Sebeutung unb Slufgabe ber Srlenntnidt^eorie" in einer 
gemiffen pl^ilofop^ifdien Strömung beliebt mürbe: „Qntüd 
gu ftant.'' Sie teite unbemugten, teite bemugten Sor« 
fteQungen, bie gu biefem Stuf fül^rten, finb etma biefe: Sie 
%aturn)iffenfd^aft l^at baii Serlrauen gu bem felbftänbigen 
Senten erfdjüttert, baiS oon fid^ anB gu ben l^öc^ften Safeind« 
fragen oorbringen mill. 9Sir lönnen uniS aber bodi bei 
ben blogen naturmiffenfd^aftlid^en ßrgebniffen nid)t be« 
rul^igen. Senn fie führen über bie 9(ugenfeite ber Singe 
nic^t ^inmeg. (SB mn% f)xnttt biefer Slugenfeite nod^ oer« 
borgene Safeini^grünbe geben, ^ai |a bodEi bie %atur« 
miffcnfd^aft felbft gegeigt, ba% bie SBelt ber fjarben, Xönt 
u. f. m., bie und umgiebt, nid)t eine SSirlltd^Ieit braugen 
in ber objeltioen SBett ift, fonbern ba% fie l^eroorgebrad^t 
ifi burd^ bie (Sinrid^tung unferer Sinne unb unfered ©el^irnd. 
(Sgl. oben @. 71 ff.) 9Ran mu% alfo bie gfragen ftellen: 
Snmiefern meifen bie naturmiffenfdiaftlidien @rgebniffe über 
ftd^ felbft Iginaud gu l^o^eren S(uf gaben? äBeld^ed ift ba» 
SBefen unfered Sriennend? jtann biefeiS Sriennen gur 

etcinct, VUIU unb SebenSonfii^auuitgeit EL 10 



— 146 — 

Sdfung biefec l^d^eren Aufgaben fül^ren? Stani l^atte in 
einbringenber SBeife folc^e tiiaqtn gefteüt. SRan tooltte 
fel^ett; tote et t9 qtmai^i l^at, um i^nen gegenüber @teDung 
in nel^men. 2Stan xooUit in aller @d^ärfe feine ®ebanlen« 
gänge nad^benlen, um burdi fjfortfül^rung feiner 3been, 
burd^ Sermeibung feiner Irrtümer einen ^uiSmeg au^ ber 
Statloltgleit )u ftnben. 

5t ir ermann fud^te ben einfac^ften, btn nüd^temften 
Studgang an» ber äSirrntiS. @r fagte: S)aiS @ein al0 
foldied bleibt braugen; ba& SBiffen lann von biefem Sein 
in feiner ureigenen f$orm nid^tö aufnel^men; ed fpiegelt 
nur in ®ebanIenform bt» @ein ab. — %id^t fo Iei(i)t mürben 
Sinbere mit ber tixa^t fertig. Sine lange Steil^e t)on 
Senlern mül^te fid^ ab, Don ^antfd^en 9(uiSgangiSpunIten 
auiS gu irgenb einem 3^^^^ P lommen. S)ie bebeutenbften 
unter il^nen finb $)ermann Sollen (geb. 1842), Otto 
Siebmann (geb. 1840), SBil^elm äSinbelbanb (geb. 
1848), 3ol&anneg »olfelt (geb. 1848), »enno Srb« 
mann (geb. 1851). @d ift mel (Sd^arfftnn in ben Sd^riften 
biefer Sttdnner gu finben. (Sine groge arbeit ift baran 
gemenbet morben, bie $atur unb Sragmeite ber menfd^Iid^en 
Srlenntnidfäl^igleit gu unterfud)en. äSie menig Spanniraft 
be» S)enlend aber bie gange Slid^tung gezeitigt l^at, ba^ 
geigt ftd^ mo^I am beften an ^ol^annt» SSoIIelt, ber 
gang in i^r lebt, and^ felbft ein grünblid^ei^ SBerl über 
„Äantö ©rienntnistl&eorie'' (1879) geliefert l^at, unb ber 
auiS biefer Strömung l^erauiS ein 'Snä) über ^.(Srfa^rung 
unb ©cnfen'' (1885) gcfc^riebcn l^at, in bem aHe biefe 33or« 
fteQungSart beftimmenben Silagen einbringlid^ erörtert merben. 
Solfelt l^at 1884 beim eintritt feineiS Se^ramted in 99afel 
eine 9tebe gel^alten, meldje bie völlige aRutloftgleit, bie @r« 
gebniiSloftgleit bed erneuerten KantianiSmuiS gerabegu dl» 
Programm einer neuen SSeltanfc^auung prollamiert. %ac^ 
feiner 9(nfidE)t trägt aUt» ^tnhn, ba» über bie Srgebniffe 
ber eingelnen St^atfad^enmiffenfd^aften ^inauiSgel^t, ben ;,un« 
rul^igen S^arolter bt» Sud^eniS unb %a(f)fpürend, bt» 
probierend, Slbmel^reniS unb Sugeftel^eniS an fxd) ; ed ift ein 



— 147 — 

Sortoörtögel^en; ha» boi) toieber tettoeife gurüdioeid^i; ein 
Sladigeben, bad bod^ toieber bid gu einem geroiffen ®rabe 
jugreift.'' (SoQelt. Über bie 9RögIi(^{eit ber Wetap^pftl. 
$>amburg unb Seipgig. 1884.) — %od^ trofilofer erfd)eint 
bad $l^tIofopl^ieren OttoUiebmanniS. S)iefer ^erfönlid^« 
leit fe^It ed gemig nid^t an Sd^arffinn. ®eine ®d^riften 
«3ur Slnal^ftd ber äSirllidileit'' (1876), ^®ebanlen unb 
SJ^atfad^en'' (1882), ^Slimaj ber S^eorien" (1884) pnb 
ma^re SRufterbeifpiele pl^ilofopl^ifd^er ^itil. @in a^enber 
Serftanb becft ba in genialifc^er SBeife SBiberfprüd^e in 
ben ©ebanfenmelten auf, geigt ^olb^eiten in fidler er« 
fdieinenben Urteilen unb redinet grünblid^ btn einzelnen 
äBiffenfd^aften oor, wa^ fie Unbefriebigenbed entl^alteU; roenn 
il^re @rgebniffe uor ein l^ödEifted S)enltribunal gefteüt merben. 
Sber über ein foId^eiS !^ex\ti^tn lommt Otto Siebntann nid^t 
l^inaui^. @r red^net g. 93. beut S)arn)inidmud feine 3Stber« 
fprüd^e uor; er geigt feine nid^t gang begrünbeten Sin« 
nal^men unb feine ©ebanlenlüdCen. @r fagt; ba% tixoaii 
ba fein mu§, wa» über bie SBiberfprüd^e ^inmegfül^rt, wa9 
bie SüdCen audfüQt/ mai^ bie ^nna^nten begrünbet. §lber 
er finbet felbft gar nid)td; wa» gu allen biefen 9(ufgaben 
geeignet ift. Siebntann f daliegt einmal bie äSetrad^tung, 
bie er ber $atur ber Qebemefen mibmet, mit ben SSorten: 
«S)er Umftanb; ba% $Pangenfamen tro^ donenlangen Strodten« 
liegeuiS feine fteimfä^igleit nid^t Derliert, ba% g. 93. in 
ög^ptifd^en äRumienfärgen aufgefunbene SBeigenlörner, nadEi« 
bem fie Sal^rtaufenbe l^inburdi Igermetifd^ begraben gemefen 
finb, l&eute in feud^ten adter gefällt, aufS oortrefflid^fte ge« 
beiden; bai femer %äbertierd|en unb anbere Snfuforien, 
bie man gang uerlrodtnet auB ber 2)ad)rinne aufgefammelt 
l^at, bei Sefeud^tung mit Stegenmaffer neu belebt uml^er« 
wimmeln; ja bai 8frßf(f|e unb fjfifd^e, bie im gefrierenbcn 
SBaffer gu feften SiiSllumpen erftarrt finb, bei forgfaltigem 
auftauen ba» verlorene Qeben miebergeminnen; — biefer 
Umftanb lägt gang entgegengefe^te Seutungeu 
gu . ... Äurg: 3f«beg lategorift^e Sbf preisen in biefer an- 
gelegenl^eit a}äre plumper S)ogmatidmui^. S)al^er bred^en 

10* 



— 148 — 

toir ^ier ab." 3)iefe9 ,S>al^er bred^en toir l^ier ah" ifi 
int ©runbC; wenn oud^ ntc^t bem SSorte, fo htm Sinne 
nai), ber @d^luggebanle jeber Siebmannfd^en Setrac^tung. 
3a, t» ift boiS @d^In§erge6ntiS beiS ganzen erneuerten 
ftaniianidmud. — 2)ie Selenner biefer SHd^tung lontnten 
nid^t barüber l^inaud; ba% fte bie Singe in i^r S9en)u6i« 
fein aufnel^men; ba% alfo aUt9, wa^ fte fe^en, Igoren u. f. m. 
nid^t braugen in ber SBelt, fonbem brinnen in ii^nen felbft 
ift; unb ba% fte folglid^ über ba», mad brausen ift, nid^td 
auiSniad^en fönnen. Sor mir fielet ein £ifd^, fagt ftc^ ber 
Steulantianer. S)od^ nein, bad fdieint nur fo. 3tuT xoet 
nait) ift in 39e)ug auf SBeltaufd^auungdfragen, lann fagen : 
Sluger ntir ift ein £ifd^. 3Ber bie Saiottctt abgelegt ^ai, 
fagt fid) : 3tgenb tiwa^ UnbelannteiS tnad^t auf mein Singe 
einen @inbrudt, biefed 9luge unb mein ©el^irn madgen an» 
biefem (Sinbrud eine braune (Smpftnbung. Unb loeil id^ 
bie braune Smpftnbung nic^t nur in einem einzigen fünfte 
l^abe, fonbern mein Sluge l^infdimeifen laffen lann über 
eine gflöd^e unb über oier fäulenartige ®ebilbe, fo formt 
ftd^ mir bie SJraunl^eit ^u einem ©egenftanb, ber eben ber 
Zifd) ifi Unb menn idi ben Zi^d) berül^re, fo leiftet er 
mir äBiberftanb. @r mad^t einen @inbrudC auf meinen Saft« 
finn, ben id^ baburd^ audbrüde, ba^ ii) bem oom Singe 
gefd^affenen ©ebilbe eine .^arte gufdEireibe. 3d& ^ctbe alfo 
auf 9(nla§ irgenb eineiS ^SingeiS an [x^", ba» id^ nxi)i 
Unne, an» mir l^erauiS ben £ifd^ gefd^affen. 2)er S^ifd^ ift 
meine SSorfieQung. @r ift nur in meinem äJemugtfein. 
SSoIIelt fteUt biefe 3(nftd^t an ben ä3eginn feineiS S9ud^eiS 
über ;,ÄantS (SrlcnntniötöeoriC : ^®cr erfte Sunbamcntal- 
fa^, ben ftd^ ber $]^iIofopb gu beutlid^em ä9en)u§tfein gu 
bringen l^at, befielet in ber SrIenntniiS, bai unfer äSiffen 
ft(^ gunäd^ft auf nid)tiS meiter ate auf unfere SSorfteQungen 
erftredt. Unfere SSorfteQungen ftnb ba» @ingige, toai^ mir 
unmittelbar erfal^ren, unmittelbar erleben; nnb ebtn meil 
mir fte unmittelbar erfal^ren, bei^l^alb oermag uniS aud^ 
ber rabilalfte 3n)eifel ba» SSiffen oon benfelben nid)t gu 
entreißen. Sagegen ift bai^ SSiffen, ba» übet mein Sor* 



— 149 — 

flellen — id^ nt^mt biefen ^Mbxnä l^ier üBeraQ im xotiitfttn 
Sinne, foba§ aUed pf^d^tfdge ©efd^el^en barunter fäDt — 
l^inaudgel^t; cor bem 3n)^f<I nid^t gefd^ü^l. S)al^er ntug 
gu 9e()inn bed $]^iIofop]^iereniS aQed über bie SorfieEungen 
linauiSgel^enbe SBiffen andbrüdlid) ate begweifelbar l^in« 
gefteUi wttbtn/' Oiti) Siebmann oermenbet biefen ©ebanlen 
fogar baju, bie SSel^aupiung gu Derteibigen : S)er äBenfd^ 
ISnne ebenfomenig mijfen; ob bie Don il^m Dorgefieüten 
S)inge augerl^alb feinet SemngtfeiniS nid^t feien, mie er 
miffen lönne, ob fie feien. ;r®erabe beiS^alb, meil in ber 
£l^at lein oorfleÜenbeiS Subieli and ber Spl^äre feineiS 
fub|e!tioen SorfteDend l^inauiSlann; gerabe bedl^alb, meil 
t» nie nnb nimmermel^r mit Überfpringung bed eigenen 
9emu§tfeiniS; unter @manripation oon ftd^ felber, badjentge 
ju erfaffen unb }u lonftatieren im Staube ift, ma» jenfeitd 
unb augeri^alb feiner Subjeltioitöt e^iftieren ober nidit 
e^ftieren mag; gerabe bedl^alb^ift ed ungereimt, bel^aupten 
%n moQen, ba% bai^ oorgefteüte Objelt augeri^alb ber 
fubieltioen SorfteHung nid^t ba fei.'' (D. ßiebmann, 3«^ 
analtiftd ber äßirllid^Ieit, @. 28.) 

Somo^I SoUelt mie Siebmann finb aber bod^ bemül^t, 
nadEigumeifen, bai ber 9Renfd^ innerl^alb feiner SSorfteQungd« 
melt ttmaS oorfinbet, mad nid^t blog beobad^tet, ma^r« 
genommen, fonbern gu bem SBal^rgenommenen ^inju« 
gebadet ijt, unb wo» auf ba& äßef en ber S)inge menigfteniS 
l^inbeuiet. äSoBelt ift ber $(nftd^t, ba% ed eine Sll^atfadbe 
innerl^alb bei^ SorfteüungiSlebeniS felbft giebt, bie l^inaud« 
meift über ba» bIo§e SorfteüungiSleben, auf eixoaS, mad 
augerl^alb biefeiS SorfteHungiSlebend liegt S)iefe Sl^atfadge 
ift bie, bai ftd^ gemiffe SorfteQungen bem 9Renfd^en mit 
logifd^er %otn)enbig!eit aufbröngen. ^3)ie unmittelbare 
@rfa^rung Iö§t und in ber Sl^at erleben, ba% gemiffe 
SegriffiSoerlnüpfungen eine pd^ft eigentümlidie Nötigung 
bei ftd^ fül^ren, meldte oon allen anbern Sorten ber Nötigung, 
oon benen SSorfteQungen begleitet finb, mefentlid^ unter- 
fd^ieben ift. 2)iefe Nötigung gtoingt uniS, gemiffe Segriffe 
nid^t nur ate in bem bemühten äSorfteüen notmenbig gu» 



— 150 — 

fatnmen ge^drig ju benlen, fonbem an(^ eine entfpred^enbe 
oB|eIttoe, unabl^Angig oon ben bewußten Sot« 
ftellungen e;iftierenbe nottoenbige 3ufatnmett« 
gel^origleit anjunel^men. Unb ferner {mingi uniS btefe 
Nötigung nid^t etwa in ber SBeife, ba^ fte und fagte, ed 
n)äre; faOd baiS oon il^r SSorgefd^riebene nid^t ftattfönbe, 
um unfere moralifd^e Sefriebigung ober um unfer innere^ 
@Ifid; unfer $eil u. f. m. gefd^el^en, fonbern i6r S^'ang 
entl^ält bied^ ba% bad ob|eItit)e @ein fid^ in fid^ felbß 
auf^eben^ feine %iftengmdglic^leit verlieren mfigte; menn 
ba& ©egenteil oon bem, wa9 fte oorfd^reibt, befiei^en foQte. 
2)aiS Sfudgegeid^nete biefed Qmarxit» befielet alfo boriU; bog 
ber ©ebanle, t» foQ baS ®egenteil ber fid^ und auf» 
brdngenben %otmenbigIeit e^iftieren, ftd^ und unmittelbar 
ald eine gforberung, bag fid) bie Stealität gegen il^re 
@j:iftengbebingungen empören folle, funbtl^ut. SBir 
begeic^nen belanntlid^ biefen eigentümlichen unmittelbar 
erlebten 3n)ang ald logifdien 3n>ang^ ald Senlnot« 
menbigleit. 2)ad logifd^ ^otmenbige offenbart fid^ und 
unmittelbar ald ein Sludfprud^ ber @a(i)e felbft. Unb 
ixoax ift ed bie eigentümlid^ie finnoolle Sebeutung, bie 
oernunftoolle S)urd^Ieud^tung, bie aUe» Sogifd^e 
entlgölt; moburd^ mit unmittelbarer ßoibenj für bie fad^Iid^e, 
reale ®eltung ber logifd^en äSegriffdoerlnüpfungen gezeugt 
mirb.'' (»oKcIt, Äantd gricnntnidtl&eorie, @, 2087.) Unb 
Otto fiiebmann legt gegen bad @nbe feiner @d^rift „^it 
jHima; ber ^t^eorien'' bad ääelenntnid ab, bai, feiner Slnftd^t 
nad^, ba^ gan^e ©ebanlengeböube menfd^Iid^er (Srienntnid, 
oom Srbgefd^oB ber SeobadEitungdmiffenfd^aft bid in bie 
luftigften Siegionen l^öd^fter äBeltanfd^auungdl^Qpotl^efen bur(^« 
sogen ift oon ©ebanlen, bie über bie SBal^rnel^mung ^inaud« 
meifen, unb ba% bie ^Sßalgrne^mungdbrud^ftüdte erft nad^ 
äKaggabe beftimmter Serfal^rungdarten bt» SSerftanbed burd| 
au§erorbentItd^ oiel %idE)tbeobad)teted ergctngt, oerbunben, 
in fefter Orbnung jufammengereil^t merben muffen.'' 8Bie 
lann man aber bem menfd^Iid^en Z)enlen bie t^älgigleit 
abfpred^en, aud ftd) ^eraud, bnxd^ eigene ä^^ätigleit ttma» 



— 151 — 

ju erlennen, wenn t» fd^on gut Orbnung ber Beobod^teieis 
SBal^rnel^mungiStl^atfad^en biefe feine eigene £]^citigleit }tt 
$Ufe rufen mu§? S)er %euIantianiiSntnd ifi in einer fonber- 
baren Sage. @r möä^it innerl^alb beiS 9en)u§tfeini$; inner* 
^alb bei^ SorfteQungiSlebend bleiben^ mni fid^ aber geftel^en, 
ba% er in biefent ^Snnerl^alb" leinen Sd^ritt mad^en lann, 
ber iign nic^t linte unb red^td l^inauiSfü^rte. 



ä^ro^bem bie Slnfd^auung; bai bie SSeobad^tungdmelt 
nur ntenfd^Iid)e SSorfteQung ift, ftd^ felbft aui^Iöfd^en mn%, 
wtnn fte rid^tig oerftanben tovtb, finb il^re Selenner jal^l- 
reid). ®ie mirb in ben Derfd^iebenften ©(Wattierungen im 
Saufe ber legten 3<ii&tge]^nte bed Sal^rl^unbertiS immer 
mieberl^olt. (Srnft Saa» (1837—1885) Dertritt energifdg 
ben ®tanbpunlt, ba% nur pofitiDe äSal^melgmungdt^atfadien 
innerl^alb ber @rlenntnid »erarbeitet merben bürfen. SLIo^d 
Sliel^I (geb. 1844) erllört; meil er von berfelben ®runb« 
anfd^auung audge|t^ ba^ t» überhaupt leine aOgemeine 
SSeltanfd^auung geben lönne, fonbern ba% aQed, ma» über 
bie eingelnen SSiffenfd^aften l^inaudgel^t, nid^td anbereS fein 
bürfe, alB eine jh:itil ber @rlenntnid. @rlannt mirb nur 
in ben einzelnen SSiffenfd^aften; bit ^^ilofopl^ie l^at bie 
9lufgabe, ju jeigen, mie erlannt mirb, unb barüber ju 
mad^en^ ba^ ba9 Genien nur ia nid^td in ba& @r!ennen 
einmif(^e, mad fid^ burd^ bie Sl^atfac^en nic^t red^tfertigen 
laffe. 91m rabilalften iftStid^arbSBal^Ie in feinem äSud^e 
«2)ad ®ange ber $]^tIofop^ie unb il^r @nbe'' Dorgegangen 
(1894). @r fonbert in ber benibar fc^arfftnnigften äBeife 
auB ber (SrIenntniiS aQed auii, roa» burd^ ben menfd^Iid^en 
®eift gu ben ^SBorlommniffen'' ber äSelt l^ingugebrad^t ifi 
3ule^t ftelgt biefer ®etft ba in bem SReere ber üorüber« 
fiutenben Sorlommniffe, ftd^ felbft in biefem 3Reere ate ein 
fold^ed SSorlommniiS fd^auenb, unb nirgenbiS einen 9[nl^alti8« 
punit ftnbenb; fid^ über bie äSorlommniffe finnooll auf« 
aullären. i)iefer ®eift mü§te |a feine eigene Straft an* 



— 152 — 

\panntn, um tion ftdg aus bie SSorlommntffe gu orbnen. 
aber bann ift t» j[a er felbfit; ber biefe Orbnung in bie 
Statur bringt. 3Senn er etwa» übet ba» SBef en ber Sor« 
lommniffe fagi, bann l^at er t» nid^t au» ben S)ingen^ 
fonbern and ftd^ genommen. ®r lönnte ba» nux, menn 
et ftd^ jugeftönbe, bai in feinem eigenen Sl^un tixoa» 
JE3efen^aftei9 fid^ abfpiele^ menn er annehmen bürfte, ba% 
t» au(^ für bit Singe eitoa» btbmitt, menn er dmad fagt. 
S)iefe8 Vertrauen barf im @inne ber äSeltanfd^auung SSal^Ied 
ber ®eift nic^t l^aben. ®r mug bie ^Snbe in ben ®d)D% 
legen unb aufel^en, ma» um i^n nnb in ilgm abflutet; unb 
er preQte fid§ felbft, menn er auf eine Slnfd^auung ttma» 
gäbe; bie er fid^ über bie SSorlommniffe bilbet. ,,9Bad 
lonnte ber ®eift, ber, ini^ äBeltgel^aufe fpäl^enb unb in 
fiä) bie fragen nai) bem SBefen unb bem 3^^^^ ^^^ ®^' 
fd^el^eniS l^erummölate, enblid^ al& Slntmort finben? (S» ift 
il^m miberfa^reU; ba^ tx, mit er fo fd^einbar im ©egenfa^e 
jur umgebenben SBelt baftanb, fid^ auflofte unb in einer 
Sflud^t t)on Sor!ommniffen mit aSen SSorlommniffen gu« 
fammcnflofe. @r ^xonitt" nid^t mel&r bie SBelt; er fagte, 
id^ bin nid^t fidler, ba^ SBiffenbe ba finb, fonbern Sor» 
lommniffe finb ba fd&Ied^tl^in. Sie lommen frcilid^ in 
fold^cr SBcifc, bai ber Segriff eineiS SBiffenö oorft^neH, 

ungcrcd^tfcrtigt cntftel&cn fonnte Unb ^SSegriffe'' 

Igufd^ten empor; um Sid^t in bie SSorlommniffe gu bringen, 
aber t§ maren Strlid^ter; ®eelen ber äBünfd^e nad^ äBiffen, 
erbärmlid^e; in ilgrer (Soibeng nid^ti^fagenbe ^oftulate einer 
unauögcfünten SBiffenöform. Unbelannte gaftoren muffen 
im 98ecf)fel malten. Über il^re %atur mar 2)unlel gebreitet. 
SorlommniffefinbberSd^Ieier bei? SBaJ&r haften..." 
SBal^Ie ft^Iiefet fein ^nä), ba» bie ^»ermädfetniffe- ber 
$l&iIofopl&ie an bie einzelnen SBiffenfd^aften barfletten foH; 
an Sl^eologie; ^l^^fiologie; llft^etil unb ©taatiSpäbagogif, 
mit ben ©orten: ^SKöge bie 3cit anbrechen, in ber man 
fagen mirb; einft mar $5iIofop5ic«" 

^a^ltB Sud^ ift eined ber bebeutfamften Symptome 
ber 9BeItanf(^auungiSentmid(eIung im neungel^nten Sal^r* 



— 168 — 

l^unbert. S)te Sertraitenloftgleit gegenüBer btm Silennen^ 
Me oon jtant il^ren SuiSgangdpuntt nimmt, ettbet mit btm 
DoU^änbigen Sanierott an aSer 9BeItanfd^auung. SBie felgr 
l^atte bod^ ^egel Sted^t, ate er baoon fprad^, bag baiS 9taä^» 
benlen über bte gfäl^igleit bt» Sriennend im Sinne ftantd 
bem Streben jleid^e, Sd^mimmen )u lernen, ol^ne ind SBaffer 
gtt geigen. Über ba» @rlennen mirb man fidg eben nur 
flor, menn man ftd§ mirllidg entfdgliegt, lül^nttdg an bie 
Singe biefer 9BeIt Igerangutreten, menn man feine Senl« 
Iraft ed junädgft mit bem aufnehmen Idgt, ma» und bie 
Sßelt barbietet. SBer, olgne ftd^ in ben tila% bed mirÜidgen 
ßrlennend jn ftürgen, an ber (Srienntnidfdigigleit nnb Sr« 
lettntnid-Sragmeite Igerumlritiftert, ber übt eine S^lg&tigleit 
mit nntauglidgen SRitteln an», Senn an^, maiS bai^ ®t» 
lennen bebeutet, lann nur burdg ba» Sriennen erfdgaut 
merben. 9Ran mug alfo audg gu ber SorfteDung ber @r« 
lenntnid fdgon bod Sertrauen in bit Srienntnid mitbringen. 
SiefeiS Vertrauen gu Igaben, ift erfted SrforberniiS einer 
SBeltanfdgauung. SBie ed gu erlangen ift, morauf ed 
berulgt, bad gu miffen, baoon ift ber Steulantianidmud fo 
meit mie möglidg entfernt 



Sitrd^ brei 2)enIerIopfe ift in ber ixotiitn ^SLfie bed 
^a^t^unbtxii^ bie noiurtoiffenfd^aftlidie SorfteDungdort mit 
btn ibcalifiifd^en Ztabitiontn aud ber erften Sal^rl^unbert« 
l^ftlfte breimal }u SSeltanfd^auungen üerfd^tnolgen moxbtn, 
bit eine fd^arfe inbioibueDe ^j^^ftognomie tragen, burd§ 
^ermann Sofee (1817—1881), @uftao Sl^eobor 
gfed^ner (1801 — 1887) nnb @buarb von ^artmann 
<geB. 1842). 

SBia man So^e unb gfed/ner oerfteJ^en, fo mug man 
ftd^ gemijfermagen ganj mit il^nen ifolieren. 9Ran mtt§ 
jt^ mit i^nen abfeitd fteDen oon bem Strome moberner 
©ebanlenentmidelung unb nid)td an fein O^r lommen laffen 
oon fonftigen 3^i^^nf(^auungen. S)enn beibe gelten aud§ 
abfeitd il^re SBege, faft eigenftnnig überprenb, xoaS um 
fte l^erum oorgel^t @d tönt etwa» geitfrembed an» il^ren 
ÜReinungen l^eraud. Unb bod^ ftnb beibe Don ber mäd^tigften 
£riebfeber ber ^Ät, oon ber %aturn)iffenfd)aft, auiSgegangen, 
la, maren felbft %aturforfd)er. fio^e trat in feiner 1842 
oeröffentlic^ten 3(rbeit über ^^Qeben unb fiebeniSbaft'' (in 
ift. SBagneriS ^anbmörterbud^ ber $l^9ftoIogie) mit @nt« 
fd^iebenl^eit gegen ben ©lauben auf, ba% in ben Sebe« 
mefen eine befonbere jhiaft, bie Sebeni^Iraft, oor^anben fei, 
unb oerteibigte ben ©ebanten, ba% bie fiebeniSerfd)einungen 
nur burd^ lompligierte Sorgdnge oon ber Slrt gu erlloren 
ftnb, mie fte ftd§ anä^ in ber leblofen %atur abfptelen. 
(St fteOte fid§ in biefer Seaiel^ung alfo burd)aui9 auf bie 
Seite ber fortfd^reiienben %aturn)iffenfd§aft, bie ben alten 



— 155 — 

®egenfa^ gtotfd^en betn Seblofen unb bem Sebenbigen }tt 
übttbxüdtn fud^te. 3m ®inne eined fold^en ®tfxä^i»puniit» 
Itnb feine SBerle geJ^atten, bie naturmjfenfd^aftlic^e Singe 
bel^anbeln: feine ^aOgemeine $all^oIogie unb £l|erapie 
old nted^anifd^e Xaturmiffenfd^aften'' (1842) unb „Mß 
gemeine ^^^fiologte bed Iörperlid)en Sebend'' (1851). 
gfed^ner lieferte in feinen «Elementen ber ^f^d^opl^^fUI^ 
(1860) unb in feiner ^Sorfd^ule ber tfil^etil« (1876) 
SSerle, bie ben @eifi ftreng naturmiffenfd^aftlid^er Sor« 
fteOungSort in ftd§ tragen, unb §mar auf ®tbititn, bie 
oor il^m fafi auiSnal^mloiS im ®inne einer ibealiftifd^en 
S)en!n)eife bearbeitet morben maren. So^e unb gfed^ner 
l^atten aber ba^ entfd^iebene SebürfniiS, über bie natur« 
miffenfd^aftlid^e Setrad^tungdart l^inauS, fid^ eine ibealiftifdge 
©ebanlenmelt gu erbauen. So^e mürbe gu einer folc^en 
burd^ bie SJefd^affenlgeit feined ®emüted gebrängt, bai uon 
il^m nid^t nur ein benlenbei^ Serfolgen ber natürlid^en 
®efe^mä§igleit in ber SBelt forberte, fonbern bal^ il^n in 
allen Singen unb Vorgängen Seben unb 3nnerli(^leit oon 
ber 9{rt fud^en lie§, mie fte ber SRenfd^ felbft in feiner Sruft 
empfinbet. @r miQ ^rbeftänbig gegen bie SSorfteQungenftreiten, 
bie uon ber 9BeIt nur bie eine unb geringere $älfte lennen 
mollen; nur bad (Sntfalten oon Sl^atfad^en gu neuen ^^aU 
fad^en, oon gformen gu neuen formen, aber nid^t bie be« 
ftänbige SBieberoerinnerlid^ung aU btefed äuBerlid^en gu bem, 
mad in ber SBelt allein SBert l^at unb SBal^rl^eit, gu ber 
@eligleii unb Sergmeiflung, ber Semunberung unb btm 
flbfd^eu; ber Siebe unb bem ^ai, gu ber fröl^Iid^en ®e« 
mi§]^eit unb ber gmeifeinben Se^nfud^t, gu au bem namen« 
lofen fangen unb Sangen, in meld^em bad Seben oerläuft, 
baiS aQein fieben gu l^eigen oerbient.'' fio^e l^at mie fo 
oiele baiS ®efül^I, ba% unfer Silb ber %atur latt unb 
nüd^tern mirb, menn mir in badfelbe nid^t SSorßellungen 
l^ineintragen, bie ber menfd^Iid^en Seele entnommen ftnb. 
(SSgL oben @. 34.) SSad bei fio^e eine gfolge feiner 
®emütd«0nlage ifi, bad erfd^eint bei ged^ner aU (Srgebnid 
einer reic^ entmidtelten $]^antafie, bie fo mirlt, bag fte oon 



— 156 — 

einer logifc^en Srfaffung ber Singe ftetö gn einer poefte« 
vollen Sui^Iegnng berfelBen fül^ri. @r {ann nid^t aU nainu 
otffenfdgaftlic^er S)enler blog bie Sntfle^ungiSbebingungen 
bed äRenfd^en fud^en, unb bie ®efe^e, bit biefen na^ einer 
geoiffen 3^^ witbtx fterben laffen. 3l^m werben ®eburi 
nnb %ob )u Sreigniffen, bie feine ^^ontafte ju einem 2tbtn 
nor ber ®eburt unb jn einem fold^en nad^ btm Zobt leiten. 
^S)er 9Renfd^ — fo fül^rt gfed^ner in bem «Sudelern nom 
Seben nad^ bem Zobt^ an» — lebt auf ber @rbe nid^t 
einmal, fonbern breimaL Seine erfte SebeniSftufe iß ein 
fteter @d^Iaf, bie gmeite eine Sbmed^felung gmifd^en ®d^Iaf 
unb SBad^en. 3)ie Sritte ein emiged SBad^en. — Suf ber erften 
Stufe lebt ber 9Renfd^ einf am im S)unlel; auf ber gmeitenlebter 
gefeilig unb gefonbert neben unb jmifd^en Slnbern in einem 
Sid^te, ba9 i^m bieCberfläd^eabfpiegelt, auf berbrittenner^idEit 
fid^ fein Seben mit bem non anbern ©eiftern gu einem l^ol^em 
Seben in bem pd^ften ©eifte, unb er fc^aut in ba» SBefen 
ber enblid&en ®inge. — ?luf ber erften Stufe entmidfelt 
fid§ ber Jtörper aud bem jteime unb erfd^afft fid^ feine 
SSer!geuge für bie gmeite; auf ber gmetten entmidCelt fid^ 
ber ®eift aud btm Jteime unb erfc^afft fid§ feine SBerlgeuge 
für bie britte; auf ber britten entmicfelt ftd) ber gottlid^e 
Sttim, ber in jebed 9Renfd^en @eifte liegt, unb fd^on l^ier 
in ein für und bunlleiS, für ben ®eift ber britten Stufe 
tageiSlgelleiS, genfeitd burd^ Sl^nung, ®Iaube, ®efülgl unb 
Snftinit beiS ®entud über ben 9Renfd^en ^inauiSmeift. — 
3)er Übergang oon ber erften gur gmeiten fiebeni^ftufe l^eigt 
®eburt; ber fibergang Don ber gmeiten gur britten l^eigl 
Sob." 

So^e l|at eine Auslegung ber Sßelterfd^einungen, mie 
fie ben Sebürfniffen feineiS ®emüted entfprid^t, in feinem 
Serie „SRilroIoÄmo«'' (1856—64) unb in feinen Sd^riften 
^©rei »üd^er ber Sogü- (1874) unb ^S)rei »üd^er ber 
gietapl^^ftl'' (1879) gegeben. Sein SSerfa^ren fteOt ftd^ 
bar ate ein Verfölgen ber ftreng natürlichen ©efe^mdgig« 
leit in ber Sßelt, unb ein nad^l^eriged 3ured^tlegen biefer 
®efe6mögigleit im Sinne einer ibealen, l^armonif(^en, feelen» 



— 157 — 

DoIIen Orbnung unb SBirIfamleit bed SBeltgrunbed. SBit 
feigen ein 2)tng auf ba» anbete xoidtn; aber ba9 erftere 
lönnte baii gmeiie gar nid^t gu einer SBirlung Dermögen, 
menn nid^t eine urfprünglid^e SSermanbfd^aft unb ßinl^eii 
jmifd^en ben beiben beftünbe. S)ent gleiten S)inge mii%it 
ed gleid^gültig bleiben^ mad bad erfte ooHbringt, menn t9 
nid^t bie gfäl^igleii ^äiit, im Sinne beffen, wa» ba» erfle 
n)iD; fein eigene^ Xl^un eingurid^ten. (Sint SuQtl lann 
burd^ eine anbere, oon ber fte geflogen roicb, nur bann gu 
einer Semegung oeranlagt werben, menn fte gemiffemtagen 
ber anberen mit Serftänbnid entgegenlommt, menn in i^r 
badfelbe SSerftönbniiS oon SJemegung ift mie in ber erften. 
2)ie Semegungdfäl^igleU ift timaS, mad fomo^I in ber einen 
mie in ber anbern ftugel ald il^r ®emeinfameiS entlgalten 
ift. $[De S)inge nnb Vorgänge muffen ein fold^ed ®e« 
meinfamed l^aben. SDag mir fte al& 2)inge unb Sorlomm« 
niffe mal^rnel^men, bie von einanber getrennt finb, rül^rt 
bal^er, ba% mir bei unferer Beobachtung nur i^re Singen« 
feite lennen lernen; lönnten mir in il^r Snnered feigen, fo 
erfd^iene uniS bai^, ma^ fte nid^t trennt, fonbern gu einem 
gro|en äSeltgangen oerbinbet. Stur ein äSefen giebt ed für 
und, ba^ mir nidEjt bIo§ oon äugen, fonbern oon innen 
!ennen, baiS mir ntd^t nur anfdEjauen, fonbern in bad mir 
bineinfd^auen lonnen. 2)ad ift unfere eigene @eele, 
bai^ ®ange unferer geiftigen $erfönlid^leii SBeil aber aQe 
®inge in il^rem Innern ein ©emeinfamed aufmeifen muffen, 
fo mug il^nen aQen aud^ mit unferer Seele bad gemeinsam 
fein, ma^ beren innerften jtern auiSmad^t. SBir bürfen bal^er 
und baS innere ber 2)inge ä^nlid^ ber Sefdgaffenl^eit unferer 
eigenen @eele oorfteQen. Unb ber SSeltgrunb, ber ald ba& 
©emeinfame aller 2)inge maltet, lann oon und nid^t anberd 
gebadet merben, benn ald eine umfaffenbe $erfbnlid^leit, 
nad) bem Silbe unferer eigenen $erfönlid)leit. ^S)er @e^n« 
fud^t bt» ©emüted, bad ^öd^fte, toa» if)m gu al^nen ge« 
\iaiiti ift, ald 9BirIIid^Ieit gu faffen, fann leine anbere ®e« 
ftalt feined Safeind ald bie ber $erfonIid^Ieit genügen 
ober nur in tixa^t lommen. ®o fel^r ift fie baoon über« 



— 158 — 

geugt, ba% lebenbige, ftd§ felbft beft^enbe unb ftd^ gentegenbe 
Sdgigett bie unabmeidlic^e Sorbebingung unb bie einzig 
tnogltd^e $eimat alled ®uten unb aQer ®üter i% fo fe^c 
oon ftiHer ®eringf(^&^ung gegen alled anfd^etnenb leblofe 
S)afein erfüllt, ba% mix ftetö bie beginnenbe Steligion in 
il^ren m^t^enbilbenben Anfängen befd^äftigt ftuben, bie na« 
tfirlid^e äStrllid^Ieit jur geiftigen }u oerllctren, nie ^at fte 
bogegen ein Sebürfnid empfunben, geifiige Sebenbigleit 
ouf blinbe Stealität ald fefteren @runb gurüdgufül^ren.'' 
Unb feine eigene @mpftnbung gegenüber bcn Singen ber 
$atur Ileibet So^e in bie äSorte: ^3^ lenne fte nid^t, bie 
toten SRaffen, Don benen il^r rebet; mir tft aUt» Seben 
unb Slegfamleit unb aud^ bie Stulpe unb ber %ob nur 
bumpfer oorübergel^enber Sd^ein raftlofen inneren SBebeni?." 
Unb menn bie %atun)orgänge, mie fie in ber ^eobad^tuxtQ 
erfd^eineU; nur foIdEi ein bumpfer Dorüberge^enber Sd^ein 
finb, fo lann aud^ il^r tieffteiS äSefen nid^t in biefer ber 
S9eobadE|tung oorliegenben ©efe^mögigleit, fonbern in bem 
„raftlofen 3Bcben* ber fte alle bcfeeligenben ©efamtpcrfonlid^« 
leit, in bercn ^idtn unb S^cdten gefud^t werben. So^c 
ftellt ftd^ bal^er oor, bai ftd^ in aQem natürli4)en SSirlen 
ein oon einer ^erfönlid^Ieit gefegter moralifd^er 3n>ed ^um 
SluiSbrudCe bringt, beut bie 9BeIt ^uftrebt. S)ie Siaturgefe^e 
ftnb ber äugere 'än^bxud einer aQroaltenben etl^ifd^en ©efe^» 
mägigleit ber SBelt. So^e gelangt auf einem Ummege 
burd) bie %atum>iffenfdE)aft ^u ber 9BeItanfdE|auung, oon ber 
@rnft ^aedel fagt, fte oergIeid)e bie 9SeItfd)öpfung unb 
SSeltregierung ©otteiS mit ben Sunftfd^öpfungen einei^ ftnn« 
reid)en Sed^nüeriS unb mit ber @taati^regierung eines meifen 
^errfd^erd. @d ftellt mit biefer etl^ifd^en SluiSlegung ber 
äBelt ooQIommen im Sinllang, ma» So^e über ba^ gfort- 
leben ber menfd^Iid^en @eele nad^ bem £obe oorbringt: 
^jtein anberer @ebanle ftellt und auger ber aQgemeinen 
ibealiftifd^en Übergeugung gu ©ebote: fortbauern merbeiebeiS 
©efd^affcne, beffen gortbauer gu bem Sinne ber SBclt ge» 
l^ört; oergel^en merbe aQed, beffen äBirlld^feit nur in einer 
oorübergel^enben ^l^afe bti^ äBeltlaufiS feine bered^tigte @tcDe 



— 159 — 

l^atte. 3)ag biefer ®runbfa^ leine weitere Stnioenbung itr 
menfd^Iid^en ^änbtn geftatte, bebarf laum ber Snoäl^nung; 
mir lennen ftd^er bie Serbienfte ni^i, bie betn einen 9Befen 
anfpmdg auf emiged Sefte^en erwerben lönnen, no(!§ bie 
9RängeI, bie il^n anberen Derfagen.'' (3)rei Sudler ber 
BRetapl^^fil, § 245.) @d ftnb alfo Serbienfte, bemnod^ ein 
moralifi^er 3ug ber Seele, bie biefer ben 3[nfpnic^ auf 
gforibauer geben Idnnen. 



Sn beut Sd^riftd^en „Sont Seben nad§ bem Zobe" 
fprid^t ftd^ gfed^ner über bad Serl^öltnid bed 9Renf d^en 
Sur SBelt an§. „'Säa» )i^^t ber Anatom, xotnn er in ba9 
®e]^irn bt» 3Renfd^en blidtt? @in ©emirr ton VDtx%tn 
SaferU; beffen @inn er nid^t entrötfeln lann. Unb n>Q9 
^t^i» in M felbft? (Sine SJelt oon Sid^t, Sönen, @f 
banlen, Srinnerungen, ^l^antaften, @mpfinbungen von 
Siebe unb x)on ^a%. @o beule bir ba» Ser^dliniiS beffen^ 
ma» bu, äugerlidE) ber Seit gegenüberfiel^enb; in il^r fiel^ft, 
unb ma^ fte in ftd^ felbft fielet, unb verlange niä^i, ba% 
beibed; ba^ Sugere unb innere, ftd^ int ®angen ber SBelt 
mel^r äl^nlidg fel^e, aU in bir, ber nur i^r £eiL Unb nur 
ba% bn ein Seil uon biefer äSelt bift, lögt bidE) aud^ einen 
Seil oon beut, ma» fie in fid^ fielet; in bir fc^en.*' tSti^ntx 
ftelli fid^ uor, bag ber SBeltgeift gu ber SBeltmaterie ba^» 
felbe ißet^SUni» f)abt mit ber 3Renfd§engeift ^nm 3Renfd^en« 
lörper. @r fagt ftd^ nun: ber sfßenfd) fprid^t uon fid^, 
wenn er uon feinem Körper fprid^t; unb er fprid^t aud) 
uon fid^, mtnn er uon feinem ©eifte rebet. 3)er Anatom, 
ber baS ®tmixt ber ©el^irnfafern unterfud^t, ^at bad Organ 
uor fid^; bem einfi ®eban!en unb $l^antafien entfprungen 
finb. äte ber äßenfd^ nod^ lebte, beffen ©el^iru ber 9[na- 
tom ititai^Ut, ftanben uor feiner <5eele nid^t bie ©el^im« 
fafern unb il^re lörperlid^e Sl^ätigleit, fonbern eine Sßeli 
uon SSorfteüungen. Sßai^ änbert ^d^ nun, wenn ftatt bed 
aRenfd^en, ber in feine ®eele blidt, ber ?lnatom in ba0 



— 160 — 

®t^nn, ba& lörperltd^e Organ biefer Seele, fd^aut? 3ft 
ed ntd^t bad felbe 9Befen, berfelbe 9Renf(^, ber in bem 
einem unb in bem anbern gfalle betrad^tet mirb? 3)ad 
SBefen, meint gfed^ner, fei badfelbe, nur ber @tanbpunlt 
bed Seobad^teriS ^abe ftd^ geänbert. 2)er ^(natom fielet ftd^ 
oon äugen an, mad ber äRenfd^ frül^er t)on innen an« 
gefeiten ^at @d ift, mie menn man einen Kreid einmal 
Don au§en, einmal Don innen anfielet. 3tn erften f$all 
erfc^eint er erlgaben, im gmeiien l^ol^L SSeibe SBale i\i ed 
becfelbe ftreid. ®o ifi ed aud^ mit bem SKeufd^en: fielet 
er ftd^ felbft t)on innen an, fo ift er ®eift; fielet il^n ber 
9?aturfj)rfd^er oon äugen an, fo ift er Körper, 3Raterie. 
äRan brandet alfo im @inne ber Sfed^nerfc^en SorfieDungd« 
art nid^t nad^gubenlen, mie Sorper unb ®eift aufeinanber 
mirlen. 2)enn beibeiS ftnb gar nid^t gmei Derfd^iebene 
Sefcn; fie ftnb eine§ unb baöfelbe. Sie ftcDen fid§ nur 
al& oerfd^ieben bar, menn man fte von Derfd^iebenen @tanb« 
orten aus beobad^let. 3nt 3Renfd^en fielet t$^d^ner einen 
SJörper, ber ®eift gugleid^ ift. — Son biefem ©efid^ti?* 
pun!te auiS ergiebt fid^ für t$ed^ner bie 3RögIi(^Iett, ftd^ bxt 
gange Statur geiftig, befeelt oorgufteQen. 93ei ftd§ felbft ift 
ber äRenfd^ in ber Sage, baiS jtörperlid^e oon innen an« 
gufd^auen, alfo bie 3nnenfeite unmittelbar aü ®eiftiged ju 
erlennen. Siegt nun nid^t ber ®ebanle nal^e, ba% aüt» 
^orperlid^e, menn tS oon innen angefd^aut merben lönnte, 
al& ®etftigeiS erfd^iene? 2)ie $flange lönnen mir nur oon 
äugen feigen. 3ft ti^ nid^t aber möglid), ia^ aud^ fte, oon 
innen angcfd^aut, fi(^ afe Seele ermtefe? S)icfe SSor- 
fteQung mud^i^ ftd^ in f^fed^neriS $^antafte gur Überzeugung 
auiS. SlHed .^örperlid^e ift gugleid^ ein ®eifttgeiS. 2)ad 
Ileinfte SKaterieQe ift befeelt. Unb menn ftd^ bie matt» 
rieüen^etle gu oolllommeneren materiellen Körpern aufbauen, 
fo ift biefer ä^organg nur ein oon äugen angef eigener; il^m 
entfprid^t ein innerer, ber ftd^ ald 3uf^^^^nf^6u^9 ^^" 
©inaclfeelcn ju oolllommcneren ©cfamtfeelen borftellen mürbe, 
menn man i^n betrad^ten lönnte. SSäre j[emanb im Staube, 
baS IorperIi(|e ®etriebe auf unferer @rbe mit ben auf ilgr 



— 161 — 

aügetneinen ^btt ber äßenfd^^eit entfpre(^en. 2)er SKenfd^ 
beurteilt ftc^ fittlid^ \o, ba^ er ftd^ fragt: entfpred^en meine 
^anblungen al& @in)elner btm, mad bem Sßefen bt& 91D» 
getnein«aRenfc^Iid^en angemeffen ifi? S)enn gfeuerbad^ fagt: 
„3ft bai^ äSefen beiS SRenfd^en ba» l^od^fte SBefen bed 
SSenfd^en, fo mug auc^ praltifd^ baiS l^od^fte unb erfte 
®efe^ bie £iebe bed SRenfd^en jutn äßenfd^en fein. Homo 
homini deus est. S)ie @tl^il tft an unb für fid^ eine 
göttlidie Wai^i. Sie moralifd^en SSerl^ftltniffe ftnb burä) 
fid) nial^rl^aft religiöfe Serl^ältniffe. 2)ad Seben tft über« 
l^aupt in feinen wefentlic^en fubftantieDen Serl^ältniffen 
burd^aud gottlid^er Xatur. mt& Stid^tige, SBalgre, ®ute 
l^at überaQ feinen ^eiligungiSgrunb in ftc^ felbft, in feinen 
@igenfd§aften. ^eilig ift unb fei bie Sreunbfdgaft, l^eilig 
ba» @igentunt, heilig bie (S^t, ^eilig ba» SBol^I iebeiS 
9Renfd^en, aber l^eilig an unb für fid^ felbft/ Q» giebt 
a(fo aOgentein-nteufd^Iid^e SRäd^te; bie @t^il ift eine fold^e. 
®ie ift l^eilig an unb für fid^ felbft; il^r ^ai fid^ bad ^n* 
bimbuunt gu fügen. 2)iefei^ Snbit)ibuum foll ni(|t moUen; 
roa^ ed von ft(^ an» n)ill; fonbern^ xoa^ im Sinne ber 
l^eiligen Stl^il liegt. @d ift t)on ber (Stl^il befeffen. 
®tirner d)aralteriftert biefe Slnfid^t: „fjfür btn ®oü beiS 
@ingelnen ift nun ber @ott Silier, namlid^ „ber SKenfd^'' 
erl^dl^t morben: „t» ift ja unfer Mer pd^fteiS, SKenfd^ gu 
fein.'' S)a aber niemanb gang baS merben lann, xoa& 
bie ^bte „SReufdö" befagt, fo bleibt ber SKeufd^ bem 
Singeinen ein erl^abenei^ S^nfeit^, ein unerreid^teiS l^öd^fteiS 
äBefen, ein ®oii." Sin foldt) pd)fteiS äSefen ift aber auc^ 
baS S)enlen, ba» bie ftrilil ate SBeltanfd^auung gum @ott 
Qtma^t l^at. Stirner lann bal^er aud^ Dor il^m 
nid^t ^alt mad^en. ;,S)er Shitiler fürchtet fid^, bogmatifd^ 
gu merben ober 3)ogmen aufgufteQen. %atürli(^, er wüxbt 
baburd^ ia gum ®egenfa^ bt» Jtritilerd, gum 2)ogmatiIer, 
er mürbe, mie er aü Jtritiler gut ift^ nun böfe, u. f. m. 
— ^3iur lein ©ogma!'', ba» ift fein ®ogma. S)enn tB 
bleibt ber jbritiler mit bem S)ogmatiIer auf ein unb bem- 
felben 33oben, bem ber ©ebanlen. ®Ieid^ bem le^teren 

<St einer, SSSelt« unb SebenSanfd^auungen. 11 



— 162 — 

ge|t er ftetd von einem ®ebanlen auiS, aber barin meidet 
er ab, ba» er'd aufgiebt, ben prin)ipieQen ®ebanlen int 
Seniprogeffe ju erhalten, i^n alfo nidgt ftabil werben 
lägt. Sr ntad^t nur ben Senlprogeg gegen bie 2)enlgläubigleit, 
ben Sfotifdiriti im Senlen gegen ben StiQftanb in bemfelben 
gelienb. SSor ber Stritil ift lein ©ebanle fidler, ba fte ba9 
Senlen ober ber benlenbe ®eift felber ift .... Sc^ ^iß 
lein ®egner ber Stritil, b. 1^. id^ bin lein 3)ogmatiIer, unb 
fül^Ie mid^ oon bem Qaf^nt bed Jtritilerd, momit er btn 
Sogmatiler gerfleifd^t, nid^t getroffen. 9Bäre id^ ein 
2)ogmaUfer, fo fteQte id§ ein Sogma, b. f^. einen ©ebanlen, 
eine 3bee, ein $rin^ip obenan, unb ooüenbete biei? afö 
^rS^ftematiler", inbem id^'iS ^u einem @9ftem, b. 1^. gu einem 
©ebanlenbau auiSfpcinne. SBctre id) umgele^rt ein ^itiler, näm* 
lid^ ein ®egner bt^ 2)ogmatiIeriS, f o fül^rte id§ ben Kampf bed 
freien 2)en{eniS gegen ben Ined§tif(^en ®ebanlen, oerteibigte 
bal^ S)enlen gegen ba§ ®ebad(|te. 3d§ bin aber meber 
Sl^ampion einei^ ®ebanIeniS, nod) ber beiS 3)en!end.'' S(ud^ 
leber ®ebanle ift oon bem inbioibueUen 3d^ eineiS ßinaelnen 
erzeugt, unb märe er aud^ ber ®eban!e ber eigenen SBefen«: 
l^eii Unb menn ber SRenfd^ fein eigeneiS 3d^ ju erlennen 
glaubt, eS irgenbmie, feiner SBefenl^eit nad^ befc^reiten miQ, 
fo mad^t er e» f(^on oon biefer Sßefenl^eit abhängig. Sd^ 
mag erfinnen, toai^ id) miß: fobalb id^ mid^ begrifflid^ 
beftimme, befiniere, ma^e id) midg au einem @IIaoen beffen, 
mai^ mir ber Segriff, bie 2)efinition liefert. $egel mad^te 
ba» ^ä) 3ur (Srfd^einung ber SSernunft, b. 1^. er ma^ie e» oon 
biefer abl^Sngig^ 3(ber alle fold^e Slbl^ängigleiten lönnen 
bem 3d^ gegenüber nid)t gelten ; benn fie ftnb jia alle aud 
il^m felbft entnommen. ®ie berul^en alfo barauf, ba^ bai^ 
3^ ftd^ m\ä)t (S» ift in SSal^r^eit nid^t abpngig. 
3)enn aüe», mooon eB ab^öngig fein foK, mn% eB erft 
felbft erjeugen. ®B mü% eitoaB auB fxä) nehmen, um eB 
(Ab ^^pnl** übet fx^ ju feften. ;,3Renfdö, eB fpult in 
beinem Äopfe; bu l^aft einen Sparren gu oiel! SDu bilbeft 
bir groge 2)inge ein unb malft bir eine gange ©öttermett 
auB, bie für bid^ ba fei, ein ®etfterreid^, gu meld^em bu 



— 163 — 

Berufen feift ein ^btal, bn» bir n)inlt. 2)n l|aft eine ftjre 
Sbee!'' Sn 9Bol|rl^eit lann lein 2)cnlen an ba» l^eranräden, 
voa» ote 3ci& in mir lebt. 3d§ lann mit meinem SDenlen 
an düt» lommen, nur nor meinem 3<^ mu§ id^ ^alt 
mad^en. S)ad lann iä) nid^t beulen, ba» lann id^ nur 
erleben, ^ä) bin nidgt SBiQe; id^ bin nidE)t 3bee, ebenfo« 
menig, mie idi Sbenbilb einer ®ottl|eit bin. SHIe anberen 
S)in8e mai^t id) mir burd§ mein 2)en!en begreiflid^. S)a0 
3d§ lebe i(^. 3d^ braud^e mid^ nid^t meiter gu befinieren, 
au befd^reiben; benn id^ erlebe mid^ in jebem 9[ugenbIidCe. 
3it befd^reiben braud^e id^ mir nur, xoa» i^ nid^t un« 
mittelbar erlebe, ma^ au§er mir ift. Qiß ift miberftnuig, 
ba% iä) mxd) felbft, ba id^ mid^ immer aU S)ing |abe, aud^ 
nod^ aU ©ebanlen, ald gbee trfoffen min. Sßenn id^ einen 
Stein nor mir l^abe, fo fuc^e idf) mir burd§ mein 3)en{en 
gu erilören, wa» biefer Stein ift. SSaiS id^ felbft bin, 
braud^e id^ mir nid^t erft gu erllaren; benn id^ lebe t9 ja. 
Sreffenb antwortet Stirner auf einen Slngriff gegen fein 
^nä^: „2)er @ingige ift ein SBort, unb bei einem ffiorte 
mü^it man fid) bod^ eimad beulen lonnen, ein SBort 
mü%it bod^ einen ©ebanleninl^alt l^aben. 9(ber ber (Singige 
ift ein gebanlenlofeiS SBort, c» l^at leinen @ebanlen» 
inl^alt. — ^ai^ ift bann aber fein Snl^alt, menn ber 
@ebanle t& nid^t ift? @iner, ber nid^t gum gmeitenmale 
ba fein, folglid^ aud§ nidEjt audgebrüdCt merben lann; 
benn lönnte er audgebrüdFt, mirllid^ unb gang audgebrüdtt 
merben, fo märe er gum gmeitenmale ba, möre im 
„auöbrudt'' ba. — SBeil ber Sn^alt be« eingigen lein 
@ebanlenin]^alt ift, barum ift er and) unben!bar unb un* 
fagbar, meil aber unfagbar, barum ift er, biefe noüftänbige 
^l^rafe, gugleid^ leint $l^rafe. — 6rft bann, menn nid^t« 
uon bir auiSgefagt unb bn nur genannt mirft, mirft bu 
anerlannt ate bu. Solange (Bima» oon bir au^gefagt 
mirb, mirft bu nur alB biefed ^twa» (SKenfd^, ©eift, Sl^rift 
u. f. f.) anerlannt. ®er (Singige fagt aber nid^tiS an», 
meil er nur ^amt ift, nur biei& fagt, ba% bn b u , unb 
nid^tiS anbered ate bu bift, ba^ bn ein eingigeiS „^n*^ unb 



— 164 — 

bu felBec bift. ^terbutd^ bift bn präbifatlod, bamit aber 
gugleid^ bcfitimmungdlod, beruf Io0, gefeftlod u. f. to.^ — 
(SergL Sttmerd Heine Sd^riften^ l^eraudgegeben oon 3. $• 
9Rada9, ®. 116.) @timer l^at bereitö 1842 in einem %uf- 
fa^ ber ,9l^einif(l^en 3^^n8/ ^^ 8^ ^^^ Sebeutenbften 
gel^brt, mad bie ^äbagogil gu allen Qüien j^emorgebrac^t 
f^ai, über bad ^ unwahre $rin)ip unferer @r}iel^ung ober 
ber $umani0mui9 unb 9leaItdmuiS^ (fergl. Heine ®(^riften 
®. öff.) ftd^ ttar barüber audgefprod^en, bag ha» SenJten, 
ba» SSiffen ni(^t lid ju bem jtern ber $erfonIid^Ieit oor« 
bringen lann. @r betrad^tet ed bal^er ate ein unma^red 
Sraie^ungi^prinaip, menn nid^t biefer jtern ber ^erfönlid^« 
leit anm 9KitteIpunIt gemad^t roirb^ fonbern ineinfeitiger 
SBeife bad SBiffen. ^@in SSijfen, meldet» ftd^ nid^t fo 
läutert unb lonsentriert; ba^ t» }um SBoDen fortreigt^ 
ober mit anberen SBorten^ xotU^t» mid^ nur ate ein 
$aben unb Seft^ befd^mert, ^iaii gang unb gar mit mir 
jufammen gegangen gu fein^ fo ba§ ba» frei bemeglid^e S^, 
von leiner nadEjfd^Ieppenben $abe beirrt, frifd^en ®innei$ 
bie 23elt burd^giel^t; ein 9Siffen alfo, ba» niä)t perfönlid^ 
geworben, giebt eine erbärmlid^e Vorbereitung fürd Seben 
ab ... . 3ft ed ber S)rang unferer ^tit, nadgbem bie 
Senlfreil^eit errungen, biefe biiS gur SoQenbung %u 
verfolgen, burd^ meldte fte in bie äSillendfreil^eit um« 
fd^Ifigt, um bit le^tere ate ba9 ^ringip einer neuen @pod^e 
}u oermirllid^en, fo fann aud^ ba^ le^te !^itl ber ^giel^ung 
nid^t mel^r bai^ SBiffen fein, fonbern bai^ aM btm 
SBiffen geborene SBoUen, unb ber fpred^enbe äudbruct 
beffen, mad fie gu erftreben l|at, ift: ber perfonlic^e 
ober freie 3Renfc^ .... SBte in gemiffen anberen 
@pl^clren, fo lägt man aud^ in ber päbagogifd^en 
bie f$freil|eit nid^t iura 3)urd^brud§, bie ^aft berOppofition 
nid^t gu äSorte lommen: man mill Üntermürfigleit. 
%ur ein formeüeiS unb materielle^ Slbrid^ten mirb begmedtt, 
unb nur ©elel^rte gelten an» ben äRenagerien ber ^umaniften, 
nur ^ brauchbare Sürger" an» benen ber Stealiften l^eroor, 
bie bod^ beibe nid^td ato unterwürfige SRenfc^en finb. . . 



— 165 — 

2)ad SStffen ntug fterben, um ate SBille xoitbex aufju« 
tx^t^tn, nnb aü freie $erfon fid^ täglid^ neu %n fd^affen.'' 
3n ber $erfon bed (Singeinen lann nur ber £)ueQ beffen 
liegen, »aiB er tl|ut. 2)ie jittlui^en $flid)ten lännen nid^t 
Gebote fein, bie beut ÜRenfd^en pon irgenb wol^er gegeben 
roerben, fonbern QxeU, bie er fld^ felbft norfe^t. (S» ift 
eine Säufd^ung, totnn ber 9Renfd^ glaubt: er tl^ue tima» 
bedl^olb, weil er ein ®ebot einer aügenteinen l^eiligen Stl^il 
befolgt. @r tl^ut t», meil ba» fieben feineiS 3<^ i|n bagu 
antreibt 3c^ liebe meinen %ädE)ften nid^t bei^l^alb, meil 
id^ ein l^eiliged ®ebot ber Släd^ftenliebe befolge, fonbern 
meil mid^ mein 3d^ gum %äd^ften l^injielgt. 3d) foll il|n 
nid^t lieben; id^ »ill il^n lieben. SBaiS bie äRenf^en gemoHt 
^aben, ba» l^aben fte ald ®ebote fiber ftd^ gefegt 
2ln biefem $unlte ift Stirner am leid^tefien migguoerftel^en. 
@r leugnet nidgt ba§ moralifd^e ^anbeln. @r leugnet 
blog ba» moralifd)e@ebot. SBie ber äßenfdE) Iganbelt, 
»enn er fid§ nur ri(|tig oerftel^t, ba9 wvcb oon felbft eine 
moralifd^e SBeltorbnung ergeben. 9Roralifd^e SSorfd^riften 
finb ein Spul, eine fi^e Sbee. @ie fe^en etmaiS feft, mogu 
ber 9Renfd^ oon felbft lommt, menn er ftd^ feiner %atur 
gang überlögt. 2)ie äSoraliften menben ba natürlid^ ein: 
®iebt ed nid^t Serbred^er? 2)ürfen biefe barnad^ l^anbeln, 
toa» il^nen i^re Xatur oorgeid^net? S)iefe äRoraliften feigen 
baS aQgemeineS^aod oorauiS, menn ben9Renfd)ennid^taRoral« 
oorfd^riften l^eilig finb. Sinnen mug man in Stirnerd @inn 
antworten: @iebt e0 in ber %atur nic^t aud^ jtrantl^eiten? 
®inb biefe nid^t ebenfo nad^ en)igen, eisernen ®efe^en l^eroor« 
gebrad^t mie allein ©efunbe? Stber lann man bedl^alb nid^t 
bod^ baS jtran!e oon bem ©efunben unterf (Reiben? @o wenig 
t& je einem oernünftigen äRenfd^en einfallen mirb, ba& 
ffranfe gum ©efunben gu red^nen, meil t» ebenfo mie j[ene0 
burd^ %aturgefe^e l^eroorgebrad^t ift, fo menig ift ed @timer 
eingefaQen, baiS Unmoralifd^e gum äRoralifdEjen gu göl^len, 
weil e§ ebenfo wie biefed entftel^t, wenn ber @ingelne fid^ 
felbft überlaffen ift. SBad aber Stirner oon ben äRoraliften 
unterfd^eibet, ba» ift bie Ubergeugung, bag im SRenfc^en- 



— 166 — 

lebeti; loenn bie @iit}elnen fid^ felbft überlaffett finb, bai^ 
äRoralifd^e ebenfo ba& ^ecrfd^enbe fein merbe, tote itt bec 
Xatur t» bad ®efunbe ifit. @r glaubt an ben ftttltd^en 
Sbel ber aRenfd^ennatut; an bie freie @ntn)idelung ber 
SRoraliiftt au9 ben SnbtDibuen l^erauiS; bie 9RoraKßett 
glauben nid^t an biefen 9(bel; bedl^alb emiebrigen fie bie 
itatur bt» Snbioibuuntd )ur ©Ilaoin aDgemeiner ®ebote, btn 
3ud^hnitteln bed menfd^Iid^en ^anbelnd. @ie tnüffen uiel 
SdfeiS unb Stud^IofeiS auf bem ®runbe il^rer @eele l^aben, 
biefe «, moralif (|en SRenfc^en'', »eil fte buxä^an^ nad^ 
tnoralifd^en Sorfd^riften oerlangen; fte mfiffen re^t liebelod 
fein, toeil fie ft(^ bie Siebe, bie bodi ate freier Zrieb in 
il^nen entftel^en foDte, burd§ ein ®ebot anbefel^Ien laffen 
tooQen. Unb mtnn t)or fieben ^d^xtn in einer ernften @d^rif t 
noc^ tabelnb gefagt merben lonnte: ,9Ra£ Stirnerd ®d^rift 
i,i,ber Sinjige unb fein ßigentum'''' gertrümmerte ®eift unb 
aRenfd^l^eit, 9led^t unb Staat, SBal^rl^eit unb Zugenb aU 
®09enbilber ber ©ebanlenbted^tfd^aft unb belennt frei: 
»«aSir gel|t nid^tS fiber ntid^'"' (^einrid^ oon £reitfd§Ie^ 
Seutfd^e ®efd^i(^te. 5. 2:eiL ®. 424), fo i^ bad nur tin 
SemeiiS bafür, xoit meit bai^ Qtitbtwumein l^euie no(^ 
entfernt ift t)on bem SSerftönbnid bt» SRanne^, beut bad 
ntenfd^Iid^e Snbioibuum als ttwaS fo ^tJ^xt», erl^abened, 
einjigeiS unb freteiS oor Slugen ftanb, bai$ nid^t einmal 
ber C^od^flug ber ®ebanlenn)elt imftanbe fein foD, ed )u 
erreid^en. 3n ber gmeiten ^olfte beiS So^tlgnnbertd mar 
9Ra; @tirner fo gut mie oergeffen. 3)en Semül^ungen 
3o^n ^enr^ ÜRadfa^d ift e» ju banlen, bag mir l^eute 
oon il^m ein Sebeni^« unb @^ara!terbilb l^aben. @r l^at 
in feinem Sud^e ^SRa; ©tirner. Sein fieben unb fein 
ffierl'' (»erlin 1898, ®(^ufter unb Soeffler) aüt» Derarbeitet, 
was ial^relanged ®ud§en aü ®toff für bie S^aralterißit 
btS ^{ül^nften unb lonfequenleften ^enltxS" geliefert ^at 
SDiefer Sen!er mürbe ^a^xit^ntt lang oergeffen, meil 
bie äRittel gu feinem Serftänbniffe erft in ber jmeiten 
Sal^rl^unbertl^cilfte in ber redeten SBeife benu^t merDen 
lonnten. S)ie @ntmidCeIung ber Sßeltanfd^ouung ift von 



— 167 — 

einem Uluforifd^en Sugenoeltlicl^en ausgegangen. Stirner 
^ai biefed 2ia%ttwtWx^t erft noQflfinbig übenounben. SBie 
ottd ber $iftf)Ie l^eraudgefc^offen; erfd^eint burd^ il|n ba» 
freie, fouDeräne Snbioibuum auf bem $Ian ber SSell« 
anfd^auungiSentoidelung. Surd^ geniale Intuition f^ai tt 
ed erlannt. (B» war nic^t iebennanniS &ai^t, biefe geniale 
Sntuition nac^)ubenlen. 3n ber gmeiten Sal^rl^unberil^älfte 
greift aber in bie SBeltanfd^auungiSentmidCelung etn)ad ein, 
bod metl^obifd^, anfd^aulid^ gu ber Snfid^t ®tirnerd l^inffil^rt: 
bie naturmiffenfd^aftlid^en 3been. S)ie erfte ^ölfte 
bt» neungel^nten ^a^x^unbtxi» ^ai i^tt SSeltanfd^auungen 
aud bem 3bealidmud geboren. 9Senn eine ^rüdCe jur 
9?aturmiffenfc^aft gebogen mirb, mie bei ©d^eQing, Soreng 
Dien (1779—1851), €>enril Steffens (1773—1846), 
fo gefd^iel^t eS vom ®efid^tSpunfte ber ibeoliftifd^en S3elt« 
anfd^auung au^ unb im Snterejfe berfelben. S)ie Qtii ift 
fo menig reif, naturmiffenfd^aftlid^e ©ebanlen für bie SBelt« 
anfd^auung ftud^tbar ju mad^en, ba^ 3ean SamardCS 
geniale Snfd^auung oon ber ßntmidCelung ber ooQIommenften 
Organismen an» btn einfad^en, bie 1809 anS Sid^t trat, 
DoDig unberüdtfid^tigt geblieben ift, unb ba^, als ©eoffro^ 
be St. ^ilaire ben ®ebanlen einer allgemeinen natürlid^en 
Senoanbtfd^aft aOer OrganiSmen*Sormen 1830 im Sampf 
gegen @)uoier oertrat, ®oet^eS ®eniuS bagu gel^orte, bie 
ä^ragmeite biefer 3bee einjufel^en. S)ie gal^Ireid^en natur- 
miffenfd^afllid^en @rgebniffe, bie aud^ bie erfte SaJ^rl^unbert« 
l^älfte gebrad^t l^at, mürben für bie äSeltanfd^auungS« 
entmidtelung erft in ber gmeiten frud^tbar, namtnüii), nad^« 
bem SIgarleS Karmin für bie (SrIenntniS ber Sebemelt 
im Saläre 1859 gang neue SuSftd^ten eröffnet l^atte. Sie 
fonnen alfo aud^ erft im gmeiten 8anbe gur Sprad^e 
fommen. 



Inlrolt. 



(^nleittmg 1 

2)aS Settalter Mastis unb d^oetl^ed 17 

2)ie ftlafjller bec SBelt^ unb Sebeni}<mf(^auung 77 

9iea!tiottäre SSeltonfd^auungen 115 

^te tabifolett 3BeItanfd^auungen 142 



5DtttcC DOK IL fö. 4>a9n'd drben, 8rrlin utü» ^oiSbanu 



— 161 — 

Ie6enben ^flangen, mit ben ftd^ barauf tutnmeinben Steten 
unb aSenfd^en oon Snnen angufel^en, fo fieOle ftd§ il^m 
btefeiS ©ange als @rbfeele bor. Ünb ebenfo toclre eiS beim 
gangen ®onnenft)ftem, ja bei ber gangen SSett. Sad 
UniDerfum ift, t)on äugen gefel^en^ ber lörperlid^e Sto&mo& 
Don innen angefc^aut^ SlDgeift/ t)oII{ommenfle $erfdnlicl^> 
ieit, ©Ott. 

9Set ju einer SSeltanfd^auung gelangen miQ, mug 
über bie S^l^atfad^en, bie ol^ne fein S^tl^un [xi^ i^m bar« 
bieten, l^tnauiSgel^en. 993ad burd^ ^in foI(^ed ^inaui^gel^en 
über bie 9Belt ber unmittelbaren SSal^rnelgmung erreid^t 
mirb, barüber ]^errf(^en bie Derfd^iebenften S[nftd^ten. 
Stxxä)^of^ W 1874 bie feinige (nergL oben @. 84) 
bal^in audgefprod^en, bag man aud^ burd^ bie ftrengfte 
SSiffenfd^aft gu nid^ti^ anberem lomme aliS gu einer doQ« 
ftänbigen unb einfad^en S3efd^reibung ber tl^atföi^Iid^en 
Sorgönge. 2)ie SSeltanfd^auungi^ftrömung, bie fxä) im ©inne 
ber ^aedFelfd^en SSorfteüungiSmeife bemegt, gel^t fo meit 
nid^t. Sie birgt bie fibergeugung in ftd^, ba^ burd^ bie 
benlenbe Betrachtung ber SBelterfd^einungen eine 
über bie bloge Sefd^reibung l^inaudgel^enbe @r!enntnid 
il^re^ Qn^ammtn^anqt^ gemonnen merben lann. Sie fteQt 
aber bem 3)en{en nid^t bie 9[ufgabe, gu ben Zl^atfad^en ber 
Seobad^tung anbere Z^ai^ad^tn, fonbern Sbeen Igingugufügen, 
burd^ bie ber 3uf<i^tnen^ang ber (Srfd^einungen feine @r« 
üörung ftnbet. t^ed^ner gel^t non einem anbern ©eftd^ti^ 
pun!t auiS. 6r ift ber ^Reinung^ ed fei „ba9 bie groge 
^unft bed @dgluffe9 nom 3)iedfeitd auf ba» genfettd, nid^t 
oon ©rünben, bie mir nid^t !ennen, noc^ non SSoraud« 
fe^ungeU; bie mir mad^en, fonbern oon ä^l^atfad^en, bie 
mir lennen, auf bie größeren unb l^ol^eren £]^aifa^en btii 
SenfeitiS gu fd^Iiegen, unb baburd^ ben praltifd^ geforberten, 
an ledigeren ©eftd^t^puntten l^ctngenben ©lauben oon unten 
Iger gu feftigen, gu ftü^en, unb mit bem Seben in lebenbigen 
^^h^Q 8u fe^en/ (S)ad Süd^Iein oom Ztitn nad^ bem 
Sobe. 4. auP. @. 69 f.) 3tn ©inne biefcr SKeinung fuc^t 
gfed^ner nx^t nur ben ^ 3itf<^^ni<n^<i>i6 ^^^ lorperlid^en 

6t einet, fSelt« unb Scbenlonft^auunoen. 11 



— 162 — 

Crfd^einungen, bie 6er Seobod^tung gegeben fUib, mit ben 
geiftigen Srfd^einungett ber Beobachtung; fonbern er 
fügt au ben beobad^teten ®eelen«^fd^etnungen anbere 
j^in)u, ben Srbgeift, ben ^lanetengeift, ben 9Bettgeift 

i>it\t» ©daliegen oon einer Steige oon £^atfad^en 
auf eine Steige anberer, bie nid^t in einer Seobad^tung 
gegeben ftnb, unterfd^eibet gfed^ner üon berjenigen natur« 
wiffenfd^aftlid^en S)enln)eife, bie ftd^ an bie %amen SDanoin 
unb £>aectel Infipft. S)a aber« wo gfec^ner ben 93oben 
fold^er ®(^Iuffe nid^t betritt, bei ber Unterfuc^ung bt^ 
Sufamnten^anged ber äußeren materiellen (Sinmirlungen auf 
ben Wenfd^en unb ben entfpred^enben, burd^ biefe @in« 
mirlungen l^eroorgerufenen geiftigen Vorgängen in ber 
9Renfd^enfeeIe, ftel^t ((edgner gan^ auf bem Soben ber ge« 
nannten %aturforfc^er. Sr ift eiS gemefen, ber für biefei^ 
®ebiet bie miffenf^aftlid^en äRetboben gefd^affen bat Seine 
«SIemente ber ^fQt^opb^ftf (1860) ftnb auf biefem f^elbe 
bai$ grunblegenbe SSerl. S)aiS ®runbgefe^, auf bem bie 
$ft)d^opbt)rt{ rubt, ift, ba% bie SrnpfinbungiSaunabme, bie 
im iDtenf^en burcb einen mad^fenben Sinbrud Don äugen 
bemirlt mirb, in einem beftimmten SSerbältniffe langfamer 
erfolgt aliS ber @tarleaumad^d bt» (Sinbtüdt». S)ie @m« 
pfinbung mctcbft um fo meniger, je größer bie bereitiS oor» 
banbene ®törle bed Steiget mar. ä^on biefem ®ebanlen 
aui^gebenb ift ed möglid^, ein 3Ragoerbäbnid gmifd^en btm 
äußeren Steig (g. S3. ber pb^fifc^en Si(btftclrle) unb ber 
(Smpfinbung (g. 93. ber Si(btempftnbung) gu geminnen. 
^a& Sefd^reiten bei3 oon ^ed^ner eingefd^Iagenen SSegei^ 
bat gum ^u^ban ber ^fpd^opb^rtl/ ald einer gang neuen 
SBiffenfd^aft oon bem SBerbältnid ber Steige gu ben @m« 
pfinbungen, alfo bed ^örperlid^en gu bem @eelifd^en, ge« 
fübrl. äSilbelm 9Bunbt, ber auf biefem (Sebiete in 
Secbneri^ ®eift meiter gearbeitet ^ai, cbarafterifiert ben 
Segrünber ^ber $f^cbopb;)fiI'' in audgegeicbneter äBeife: 
^SieSeidt)! in leiner feiner fonfttgen miffenfd^aftlid^en 
Seiftungen tritt bie feltene Bereinigung oon ®aben, iiber 
bie gecbner oerfügte, fo glängenb f^tivot, mie in feinen 



— 163 — 

p\i^^op^if^\i)txtfitidUn. Qn einem Serie, tote ben SIetnetttett 
ber ^^f9(^opl^9ftI, beburfte ed einer Sertraut^eit mit ben 
^rinjipien cjalter p^^ftlalifd^-matj^ematifc^er Slell^obil, unb 
gngleid^ einer ä^eigung, in bie tieffien Probleme bed SeiniS 
ftd^ )u oertiefen, mie in biefer Sereinigung nur er fte be« 
fag. Unb baju brandete er jene Ürfpränglid^Ieit bed 
S)enlend, meldte bie überlommenen ^ilfdmittel frei nad^ 
eigenen Sebürfniffen umgugeftallen xon%it, unb lein 9e« 
beulen trug, neue unb ungemol^nte SBege einjufdilagen. 
3)ie um il^rer genialen (Sinfac^^eit l^alber bemunberni^merten, 
aber bod^ nur befc^rönlten SSeobad^tungen S. ^. äSeberi^, 
bie ueteinjelten, oft me^r aufcinig, aü planmäßig gefunbenen 
Serfud^dmeifen unb 6rgebnifFe anberer ^^^fiologen — fie 
bilbeten bad befd^eibene Waterial, an» bem er eine neue 
SBiffenfd^aft mfbauit," m^txQt Sluffdglüffe fiber bie 
SSed^feltoirlungen oon Qeib unb ®eele ergaben fid^ burd^ 
bie oon ged^ner angeregte e^erimenteOe 9Retl^obe auf 
biefem ©ebiete. SBunbt c^aralteriftert bie neue SSiffenfd^oft 
in feinen ^Sorlefungen über 9Renfd^en« unb Sierfeele'' 
(1863): ^3d^ merbe in ben nod^folgenben Unterfud^ungen 
geigen, bag bad Siperiment in ber ^f^d^ologie ba» ^anpu 
mittel ift, ba» und oon ben Zlgatfad^en bed Semugtfeind 
auf jene Vorgänge Einleitet, bie im bunllen ^intergrunbe 
ber @eele ba» bemühte Seben oorbereiten. 3)ie Selbft« 
beobad^ung liefert und, mie bie Seobad^tung überl^aupt, 
nur bie gufammengefe^te @rf(^einung. 3n bem S^oeriment 
erft entlleiben mir bie Srfd^einung aller ber anfälligen 
Umftänbe, an bie fte in ber Statur gebunben ift. S)urd^ 
ba» %periment ergeugen mir bie (Srfd^einung Iünftli(^ au» 
btn SSebingungen ^eraud, bie mir in ber $)anb l^alten. 
SBir oeränbern biefe Sebingungen unb oeränbern baburd^ 
in meßbarer SBeife aud) bie Srfd^einung. <So leitet und 
immer unb überaD erft bad @jrperiment gu ben Statur« 
gefe^en, meil mir nur im %periment gleic^geitig bie Ur* 
fad^en unb bie Erfolge gu überfd^auen oermdgen/ 3n)eifeQod 
ift ed nur ein ®renggebiet ber ^f^d^ologie, auf bem ba» 
%)eriment frud^tbar ift, eben biefed^ mo bie bemugten 

11* 



— 164 — 

Sorgänge l^inftberfül^ren in bxt nid^t ntel^r bemühten, ind 
9RaterieD[e leitenben $intergrünbe bed ©eelenlebeniS. S)ie 
eigentltd^en ®eelenerfd^etnungen ftnb ja bod) nur burd^ bte 
rein geiftige Seobad^tung ju gen)innen. ^ennod^ ^ai bex 
®a^ @. SttatpclinS, eines l^eroorragenben ^f^d^op^^ftleriS 
DoQe Sered^tigung, ba% „bit junge SSiffenfd^aft . . . bauernb 
i^ren felbftänbigen $Ia^ neben btn Übrigen S^ti^tn ber 
9}atum)iffenfd5aft unb infonberl^eit ber ^^^{tologie gu be« 
l^aupten imftanbe fein mirb^'. (^fqd^ologifd^e Slrbeiten, 
l^erauggegeben oon ®. ffiraepelin, 1. Sanb^ l.^eft, @. 4). — 



(Sbuarb oon ^artmann ^aiU, aU er 1868 ntit 
feiner „^l^ilofop^ie beö Unberoufeten" auftrat, weniger eine 
äBeltanfc^auung im 3(uge, bie mit ben Srgebni^en ber 
mobernen %atunDiffenfd^aft red^net, aü oielmel^r eine 
fold^e, meldte bie il^m in Dielen $unlten ungenügenb er« 
fd^einenben 3been ber ibealiftifd^en S^fteme an& ber erften 
Sal^rl^unbertl^älfte auf eine l^öl^ere Stufe l^ebt, fte von 
Sßiberfprüd^en reinigt unb aQfeitig audgeftaltet. 3^m 
fd^ienen fomol^I in ^t^tU mie in ®d^eQingS unb and) 
in @(^open]^auerd ©ebanlen rid^tige Seme gu ftedEen, 
bie nur jur Steife gebrad^t merben müßten. 3)er SRenfd^ 
lann ftd^ nid^t mit ber ^eobad^tung ber Sl^atfad^en be- 
gnügen, menn er bie Singe unb Vorgänge ber SBelt er« 
lennen miQ. @r mu^ Don ben S^l^atfad^en ju Sbeen fort« 
fd^reiten. S)iefe ^bttn lönnen nid^t etmad fein, waS burd^ 
ba9 Genien milltürlid^ ju ben Stl^atfac^en l^ingugefügt 
mirb. @0 mug il^nen in ben S)ingen unb SSorlommniffen 
etmaiS entfpre(^en. S)iefeiS Sntfpred^enbe lönnen ni4)t 
bemugte ^betn fein, benn fold^e lommen nur burd^ bie 
materiellen äSorgänge bed menf^llid^en ©el^irnd guftanbe. 
O^ne ©el^irn giebt ei^ fein Semugtfein. 3Ran mug fid^ 
alfo Dorfteüen, ba^ ben bemühten Sbeen bed menfd^Iid^en 
OeifteS ein unbemufetcß SbccIIeS in ber SBirllid^fcit 
entfprid^t. 3Bie ^egel, betrachtet aud| ^artmann bie 3bee 



— 165 — 

ate bad SBirllid^e in ben Singen, ba» in il^nen porl^anben 
ift über ba» f>h>% ^dfyintJ^mbaxe, ber ftnnli(^en Seobad^« 
tung S^i^^Q^i^^ l^inaui^. — 2)er bloge Sbeengel^all berS)inge 
lonnte aber niemate ein mirllid^ed ®efd^el^en in il^nen 
j^errorbringen. 2)ie Sbee einer jiugel lann nid^t bie 3bee 
einer anbern Jtngel ftogen. Sie 3bee eineiS Sifd^ed lann 
au4l auf bad ntenfd^Iic^e 9[uge leinen (Sinbrud ^eroor» 
rufen. @in wvdlid^ei^ ®ef(^e]^en fe^t eine wirllid^e ftraft 
Doraud. Um über eine fold^e eine SSorfteQung gu geminnen^ 
lel^nt fid^ ^arimann an Sd^openl^auer an. Ser SRenfd^ 
finbet in ber eigenen ©eele eine Ärafl, burd^ bie er feinen 
eigenen Oebanlen, feinen (Snlfd^Iüffen, ©irllid^Ieit »crlei^t, 
ben SBillen. @o wie ber SBiDe in ber menfd^Iid^en Seele 
fic^ äugeri^ f)ai er ba^ Sorl^anbenfein bt^ menfdblid^en 
Organi^muiS gur SSoraudfe^ung. Surdi ben Organi^mui^ 
ift ber SBiQe ein bemühter. äSoQen mix und in ben 
®ingen eine ffraft beulen, fo lönnen mir fte unS nur 
äl^nlid^ bem 9BiIIen, ber einzigen und unmittelbar belannten 
jtraft DorfteUen. %ur mug man mieber oom S3etou§tfein 
abfeilen. Singer und ^ecrfdit alfo in ben Singen ein 
unbemugter 9BiIIe, meldier btn ^bttn bie 3SögIid|leit 
giebt, ftd^ gu Dermirllid^en. Ser Sbeen« unb ber SSiQend« 
gel^alt ber 3BeIt mad^en in ilgrer SSereinigung bie unbe« 
mugte ©runblage ber 3SeIt au». — SBenn and^ bie äSelt 
megen il^red Sbeengel^alted eine burd^aud logifd^e Strultur 
aufmeift, fo oerbanlt fie il^r mirllid&ed Safein bo(^ btm 
unIogif(^en, oernunftlofen SBiUen. ^^t Snl^alt ift oer- 
nfinftig; ba% biefer Sn^alt eine SBirllid^Ieit ift, l&at feinen 
®runb in ber Unpernunft. Sad SSalten bt» UnDernünftigen 
brüdt ftd^ in bem SSor^anbenfein ber ©dgmergen aud, bie 
alle SBefen quälen. Ser @d^merg übermiegt in ber 9SeIt 
gegenüber ber fiuft. Siefe £l^atfad^e, bie p]^iIofop]^if(^ aud 
bem unlogifd^en SBiOendelemente bt§ Safeind gu erlloren 
ift, fud^t @buarb oon ^artmann burdi forgföltige SJetrad^- 
tungen über ba» SSerpltnid t)on Suft unb Unluft in ber 
SSelt gu erl^ärten. 9Ber fid^ gar {einer Süurton l^ingiebt, 
fonbern objeltiD bie äbel ber SBelt betradjtet, lann gu 



— 166 — 

leinetn anbent (SrgebniiS gelongen, ai&, ba% bie Unlitfi in 
mcit größerem SKage oorl^attben ift a\& bit Suft. Soraltd 
aber folat, ba% bad Sid^tfein bem 2)afein oorgudiel^en ifi. 
2)ad %id^tfein lann aber nur erreid^t toetbtn, menn bie 
logifc^'Oemfinf tige 3bee ben ffiiOen, bai^ Safein, nerntd^tet. 
8to eine allmd^Iid^e Sernid^tung bed unoernünftigen äßiSend 
burd^ bie vernünftige ^bttnmdi fielet bal^er ^artmann ben 
SBeltprojeg an. @i9 mu% bie pd^fte fUtlid^e Slufgabe bed 
9Renf(^en bie fein^ an ber Ü6ern)inbung bed SBiHeniS mit« 
3un)ir!en. Silier JtuUurfortfd^ritt mufe a^Ie^t barauf ^inaud« 
laufen, biefe Itberminbung enblid^ j^erbeijufüi^ren. 2)er 
SRenfd^ ift mitl^in fittlid^ gut, mtnn er an bem Sulturfort« 
fd^ritt teilnimmt, menn er ni^i» für ftd^ verlangt, fonbern 
fid^ felbftloiS bem großen SBerle ber Befreiung vom 2)afein 
mibmet. @r mirb ba^ ameifeQo0 tl^un, menn er einfielet, 
ba% bie Unluft immer gröger fein mug aU bie Suft, ein 
®Iüd btmnad^ unmoglid^ ift. %ur ber lann in egoiflifd^er 
äSeife nad^ bem ®Iüd Serlangen tragen, ber e$ für moglid^ 
^äü, S)ie pefftmiftifd^e Slnftd^t non bem Übermiegen bt& 
Sd^merjeiS über bie fiuft ift ba» befte Heilmittel gegen btn 
@goiiSmud. $ur in bem ^(ufgel^en im SBeltprogejfe lann 
ber einzelne fein $eil finben. S)er malere ^effimift mirb 
au einem unegoiftifd^en ^anbdn gefül^rt. — SBaö ber 
äRenfd^ hcxon^i noQbringt, ift aber nur bad in» S3emugtfein 
l^eraufge^obene Unbemugte. 3)em bemühten menfd^Iid^en 
äRitarbeiten an bem Kulturfortfd^ritt entfpric^t ein unbe- 
mufeter ©efamtprogcfe, ber in ber fortfd^reitenbcn 8e* 
freiung bed Urmefend ber äSelt von bem SSiOen beftel^t. 
S)iefem 3id mufe aud^ fd^on ber ©eltanfang bienftbar 
gemefen fein. ®aS Urmcfen mußte bie SBelt fd^affcn, um 
fic^ allmöl&ltd^ mit^ilfc ber 3bcc oom SBiüen gu befreien. 
„i>a» reale Safeiu ift bie gnlarnation ber ®ottl&eit, ber 
SBeltprojcg bie ^affionSgcfd^id^tc beS fleifdigcmorbencn 
®oiU», unb juglcidEi ber 8Beg gur drlfifung beS im gleifd&e 
gelreuaigten; bie ©ittlid^Ieit aber ift bie SRitarbeit an ber 
ablürgung biefcS Scibcnö* unbgrIöfungSmcgeö.* (^artmann, 
^]&änomenoIogic be« fittlid^cn »cmufetfeini?, 1879, @. 871.) 



— 167 — 

$atttnann ^at in einer Stetige umfoffenber Serie unb in 
einer großen S^^I von Slonograpl^ien unb Suffä^en feine 
SBeUanfd^auung aQfeitig auiSgebaut. Siefe Sd^riften bergen 
geifKge Sd^ä^e oon ^eroorragenber Sebeulung in {id^. 
S)ied ift namentlich bedn)egen ber tiaU, toeil ^ortmann t» 
oerftel^i, bei ber Selganblung einzelner gfragen ber äStffen* 
fd^aft unb bed SebeniS oon feinen ®runbgebanlen abgu« 
feigen unb fid^ einer unbefangenen Setrad^tung ber 3)inge 
l^inaugeben. gn befonbetd l^ol^em ®rabe gilt bieiS Don 
feiner ^^^^änontenologie bed fittlid^en Semugtfeind'', in ber 
er bie oetfc^iebenen Strien menfdfilid^er ®ittenlel^ren in 
logifd^er @Iieberung oorfül^rt. @r l^at bomit eine 8rt 
%aturgefd^id^te ber oerfd^iebenen fittlid^en @ianbpunlte ge« 
geben, pon ber egoiflifd)en 3agb nad^ ®Iüdt bi& au ber 
felbftlofen Eingabe an ben aUgenteinen SBeltprojeg, burd^ 
ben bad göttlid^e Unoefen ftd^ oon ber Unfeligleit bei» 
SafeinS befreit. 

2)a ^artmann btn 3n)^dgebanlen in ben SRittelpunlt 
feiner äßeltanfd^auung rüdU, ift t» begreiflid^, ba% i^m bie 
auf bem S)arn)inidnTUiS rul^enbe naturn)iffenfd^aftlid^e Senf« 
n)eife ate Irrtum erfd^eint. Sßie bie 3bee im ®an}en ber 
%3elt nad^ bem Qi^lt bt» Sid^tfeiniS Einarbeitet, fo ift aud^ 
im Singeinen ber ibeeSe ®el^att ein sroecfnoller. Sn ber 
@ntmidelung bei» OrganidmuiS fielet $)artmann einen fid^ 
üermirllid^enben ^wtd; unb ber ^ampf umd S)afein mit 
ber natürlid^en Qu^tma^l finb nur ^anblanger ber gmedC« 
Don maltenben Sbeen. (^I^ilofopl^ie bed Unbemugten, 
10. auP, »anb m, @. 403.) — 



93on Derfd^iebenen Seiten l^er mdnbet ba^ ®ebanlen« 
leben bed neunge^nten ^a^tf^unbtxi^ in eine SBeltanfd^auung 
ber 2:roftIofi gleit. Stid^arb äBal^Ie erllctrt bem 9)enlen 
mit aller Seftimmtl^eit, ba% ed unfähig fei, für bie Sofung 
^überfd^mänglid^er'' pd^fter fragen tiroaS gu t^un; unb 
@buarb uon $artmann fielet in ber gangen Kulturarbeit 



— 168 — 

nur einen Utaxotq, um enbltd^ bie oollige @rlofung vom 
2)afein, ate legten Snbamedf, l^erbei}ufül^ren. ®egen fold^e 
Sbeenfhrömungen barf ein fd^oned SBort gel^olten werben, 
bad ein beutfd^er Sprad^forfd^er, äSill^elm Sßadernagel, 
1843 (in feinem ^u^t ^Uber ben Unterrid^t in ber äRutter- 
fprad^e'') niebergefd^rieben ^at 6r nteinl, ber S^cifd 
lönne leine ®runblage gu einer 38eltanfd^auung abgeben; 
er fei oielmel^r eine ^Sniurie'' gegen bie ^erfßnltd^Ieü, bic 
etn)ad erlennen miü, unb ebenfo gegen bie 2)inge, bie er» 
lannt werben f ollen. ^(Srlenntnii^ fängt mit Vertrauen 
an.'' 9ßenn ein fold^ed äSertrauen fel^It, bann !ann eS 
nimmermel^r gu einer Sßeltanfd^auung lommen. 2)ad ftrenge 
Semeifen ^ört an beftimmten fünften beiS S)enleni$ auf. 
SSiQ man tima^ bemeifen, fo mni man immer fd^on ge« 
miffe SSorau^fe^ungen l^aben, auiS benen man bemeift. 
Serlangt man fürS9[Qed logifd^e Semeife; fo gelangt man 
in» Säobenlofe. (Singeine SSal^rl^eiten^ bie fid^ auf biefeiS 
ober jene^ S)ing ober SSorlommniiS begiel^en, lann man 
bemeifen; unb man lann il^nen nidbt el^er Vertrauen ent« 
gegenbringen, bis fte bemiefen finb. S)ieienigen, bie nac§ 
ben miffenfd^aftlid^en Semeidgrünben für bit SSal^rl^eiten 
verlangen, gemöl^nen fid^ burd^ ba» äSerfal^ren, ba^ fie mit 
9led|t in ben eingelnen SBiffenfd^aften anmenben, anä) ba» 
Verlangen an, überall Semeife gu oerlangen. ®ie gießen 
babei nidE|t in 93etrad^t, bai ed ©runbtl^atfad^en giebt^ bie 
mir gang unmittelbar erleben, bie fid^ burd^ fid^ felbft 
red^tfertigen. 9BeU fte and^ folc^en S^atfad^en gegenüber 
Semeife verlangen, fel^It il^nen bie nötige Eingabe an fie. 
@ie pren gar nid^t mel^r, ma» biefe ^t^atfad^en burd^ {td^ 
felbft audfpred^en. ®o gel^t ed Stid^arb SBal^le. @r fuc^t 
nad) einer miffen fd^aft liefen 9ied)tfertigung bed 2)enlend. 
@r nimmt ba» 2)enlen alß gemö^nlic^eiS SorlommniiS, bai^ 
mie jebeiS anbere in unferem äBeltbilbe an^anä)i, SBie 
lönnen mir biefem 3)enI*SBorIommni$, ba» über bit S)inge 
gufammenfaffenbe Sbeen bilbet, ®Iauben unb äSertrauen 
entgegenbringen? @o frögt er. @r geigt bamit nur, ba% 
er fi(^ ba» Genien nur oon uugen angefe^en l^at. ®inge 



— 169 — 

er auf baiS S)enlen ein, erlebte er ed in fi(^ in feiner 
Valoren ®t\idlt, fo lönnte er feine Sfrage gar nid^t me^r 
ftellen. ®ibeon Spider fagt: ^SDagbad 2)enlen an ftd^ 
rid^ttg fei, lönnen mix nie erfal^ren, roeber empirifd^ nod^ 
logifd^ mit ©id^erfteit feftfteHen . . ." (Seffing» SBeltan- 
fd^auung, 1883; ®. 5). 8(u(^ biefem Urteile liegt eine 
fd^iefe Slnfid^t vom 2)enlen gu ©runbe. 9htr n^enn man 
t^erlangt, ba% unfere (Srfa^rung über bai^ S)enlen eine fold^e 
fein ioU, n>ie über anbete 2)inge; bann lann man S3e* 
i^auptungen, rote biej[enigen äSal^IeiS unb Spicferd t^un. 
9lber im S)cnlen leben, meben unb finb mir. 9Sir erleben 
ba» S)enlen gang unmittelbar. SBir ftellen barinnen, nid^t 
mie ha» bei anberen Singen ber fjfall ift, auger bemfelben. 
äSer über baiS 3)enlen etmad erfal^ren miQ, brandet nur itt 
ftd^ §u fd^auen. SBer ba nid^t finbet, ma§ ba^ S)en{en ift, 
mit bem lann über baSfelbe nid^t gefprodEien merben. 9Katt 
lann i^n burd^ leine miffenfd|aftlid(|e 3Stti^obt über ba^ 
2)enfen aufllören^ ebenfo menig, mie man einen 33Iinben 
über bie gfarbe aufllären lann. S)aB man in fid^ bit 
^aft unb ä^ragmeite bt» 2)enlend erlebt, ift bie ©runb«^ 
uorauiSfe^ung für aSe äSeltanfc^auung. Unb erlebt man 
in fic^ bie Sraft btS S)enfeniS^ fo l^at man gu il^m an^ 
ba^ Vertrauen, mit bem alle (SrlenntniiS beginnt. Sin 
gleid^eiS gilt für bie 9(ntriebe unfered ^anbelnd. @ingelne 
Smpulfe gu biefer ober fener ^anblung lann man red^t« 
fertigen an» gemiffen SSoraudfe^ungen ^erauS. 3)en l^öd^ften 
Smpulfen gegenüber prt bie Sted^tfertigung auf. ®ie 
re4)tfertigen ftd^ burd^ fid^ felbft. @ie treten in und auf 
unb man folgt il^nen freubig^ meil man in i^nen felbfi 
il^ren SSert unb i^ren Qwtd finbet. Sßer barüber l^inaud^ 
nod^ nad^ einem Sn^ed fragt, mie @buarb oon ^artmann,. 
ber geigt tbtn nur, ba^ er btn unmittelbaren 9Sert unb^ 
3med nic^t gu empftnben oermag. SBer am S)afein !einr 
f^teube l^at, meil er oon il^m in feiner Unmittelbar!eil 
nid^t ergriffen mirb, btm lann man burd^ leinen Semeid 
oon ber Übergeugung abbringen, bag bad Safein mertlod fei.. 
SBieSlnbere gum3)enIen,fo l^at ergum 3)afein leinSSertr auen. 



— 170 — 

3n ^inteigenber gform ^ai $l^tlipp 9RainIftnber 
<1841— 76) in feiner ,Wlo\opUt btt (SrISfung' (1876) 
bie Serirauendloftgleit gegenüber bem Safein inm Üu»» 
brud gebrad^t. Sieiei ber flnblid bt9 3)afein9 nur 9Beri- 
iofeiS, fo lann nur beffen Sernid^tung ba9 Qid ber SBeU 
fein. 2)er SRenfdl lann feine Aufgabe nur barin feigen, 
•an ber Semic^tung mil3un)irlen. äRainlänber enbete burd^ 
®elbfimorb. 9tur nod^ ben einen Qmtd l^at bie SSelt/ 
bai mit il^rcr Semid^tung a^gleid^ ®oii nernid^tet n)irb. 
3a, ®ott f^ai bie SBelt nur gefd^affen, unt ftd^ burd^ fte 
Don ber Dual bei» eigenen 2)afeind ju be^eien. ^S)ie 
IBelt ifi baiS SRittel gum Smede bed »idbtfeind, unb ^max 
ift bie SSeU bad eingig mogltd^e aRittel gum 3mede. ®ott 
erlannte, ba§ er nur burd^ baiS SBerbeu einer realen SBelt 
ber Siel^eit ... auiS btm Überfein in ba» 9Kd^tfein treten 
Jönne" (Wl ber (SrUf. @. 325). 

3n fraftnoller äSeife ift ber S)id^tcr Stöbert ^am er- 
lin g (1830—1889) in feinem äßettanfd^auungdioerl 
^ütomiftil bed "Biütn»" {ba» nad^ feinem £obe erfd^ienen 
ift) ber Snfid^t entgegengetreten, bie aud bem SKigtrauen 
in bie Sßelt entfpringt. @r lel^nt logifd^e Unterfu(^ungen 
über ben ^ert ober Unmert bt» Safeind ab unb nimmt 
feinen Slui^gangdpunlt oon einem urfprünglid^en @rlebnii». 
^®ie ^Qanpi^aä^t ift nid^t, ob bie äRenfd^en Sted^t l^aben, 
ba% fte aUe, alle mit oerfd^minbenb Keinen 8(uiSnai^men, 
leben moQen, leben um jeben $reid, gleic^oiel, ob t» il^nen 
gut ergebt, ober fd^Ied^t. S)ie ^auptfad^e ift, ba% fie ed 
•mollen, unb biei» ift fd^Ied^terbingiS nid^tgu leugnen. Unb 
bod^ red^nen mitbiefer entfc^eibenben £^atfad§e bie boftrinären 
$effimiften nid^t. Sie m&gen immer nur in geleierten 
@rorterungen Suft unb Unluft, mie t» ba» fieben im 9e- 
fonberen bringt, oerftänbig gegen einanber ab; aber ba 
Suft unb Unluft ©efü^fad^e, fo ift ed bad ®tfüf)l unb 
nid^t ber äJerftanb, melci^er bie Silan) gmifc^en Suft unb 
Unluft enbgültig unb entfd^eibenb giel^t. Unb biefe Silang 
föQt tJ^atföd^ltd^ bei ber gefamten aRenfd^l^eit, |a man lann 
fagen bei Sdlem, na» Seben l^at, gu ®unften ber Suft bei» 



— 171 — 

2)afetnd and. Sag aUt9, toa^ ba lebt, leben toiO, leben 
unter allen Umftänben, leben um ieben $reid; bad ift bie 
groge X^atfad^e unb btefer ZJ^ai^a^t gegenfiber ift aDeiS 
boltrinäre ®erebe maä^üo»". $amerling gelingt ed nid^t 
vüJüommtn, bad S)enlen ato innered ©runbeilebnii^ gu 
erfaffen. aber er ftrebt überall gu biefem ©runberlebniiS 
l^in. @r fielet einen ^auptfel^Ier ber neueren 9BeItanfdgau« 
ungen ein, n)enn er ber äReinung ift: ,,2)a6 in ber neueften 
$l^ibfop]^ie fo oiel am 3<^ l^erumge^iergelt mirb, mod^te 
tii) aui^ ber Slngft uor einer ®eele, einem ®eelenfein ober 
gar einem Seelenbing erlören laffen." @d lögt fid^ melmel^r 
baraud erlläreU; bai bie aRenfdien, gu fel^r gembl^nt, aUt» 
finnlid^ DorgufteQeU; fid^ nid^t bagu aufraffen lönnen, ba» 
2)enlen in feiner unfinnlid^en Sleinl^eit angufd^auen. 
UnmiQ!&rIid^ Derlörperlid^t fid^ ieber bca 2)enlen, menn er 
ed oorfteHen miH; er fteOt ftd^ nid^t ate benlenbe Sl^ätig« 
leit, fonbern ah ®aä^t t)or. 2)ann lommt er gu bem 
l^;)pot]()eIifd^en @eelenbing, von bem ^aedfel fo treffenb 
f agt : ,,2)iefe ^^potlgetifd^e ©eiftedmelt, bie oon ber materieDen 
jKbrpermelt gang unabigängig fein foD, unb auf beren 
Stnnal^me bad gange lünftlid^e ©eböube ber bualiftifd^en 
SSeltanfd^auung rul^t^ ift lebiglid^ ein $robuIt ber bid^tenben 
^l^antafte.'' (äBeltrcitfel ®. 105.) $amerltng beutet, ol^ne 
ba% er ftd^ beffen ooO bemugt mirb, bebeutungdooQ auf 
bai^, morauf e0 an!ommt: «Sn ben Sd^gebanlen fpielen 
®ef(t^Idmomente l^inein . . . SSad ber ®eift nid^t erlebt 
l^at, ba» ift er anä) gu benlen nid^t fällig ..." @d l^öngt 
alle Igöl^ere Sßeltanfd^auung baoon ab, bad S)enlen felbft 
gu fül^Ien, eiS gu erleben. Sn biefer Slid^tung lönnte ba» 
moberne 2)enlen oiel lernen oon ber innerl^alb ber latl^o» 
lifd^en S^eologie mieber belebten mittelalterlid^en SBeltan« 
f(^auung, mie fte namentlid^ einen gemaltigen Hu^bxnd 
gefunben l^at in btm Sbeengebclube bei^ l^eiL Sl^omai^ oon 
^Quino (1225 — ^1274). 9Kan mu% bavon abfeilen Irinnen, 
ba% biefe Sßeltanfd^auung ftdg oon bem lirdglid^en 2)ogmen« 
glauben gang ind ®d^Iepptau nel^men lieg; man mu| ben 
Slidt auf il^re ©ebanlenmelt aSein rid^ten !önnen. 2)iefe 



— 172 — 

Senler lonnten {td| toirllid^ in ber Sbeenmelt bemegen, ol^ne 
fiä) biefe SBeU in grobftnntid^er gform gu oerlörperlid^en. 
Unb bie lat^olifd^en Senler, bie ftd^ ^eute bemühen, biefe 
®ebanlenlunft gu erneuern^ ftnb in biefer Segiel^ung ber 
Serfidfid^tigung burd^aniS n)ert. ®d n)irb immer ®eltung 
l^aben^ mad einer oon i^nen, ber Sefuitenpater Sofepl^ 
ftleutgen in feinem Sud^e ,,2)ie ^^ilofopl^ie ber Soraeit" 
(Snndbrud. 1878) fagt: ,,S)en Derfd^iebenen Seigren über 
unfer Srlennen, bie mir foeben mieberl^olt l^aben, liegen 
gmei ®a^e gu (Srunbe: ber erfie, ba^ unfere SSernunft 
pgleid^ mit bem SBa^ren an^ bie SBal^rl^eit i^red (Sriennend 
erlennt; ber anbere^ bag fte jeboc^ burd^ 9bfiraItion 
vom @innlid^en gu erlennen beginnt, unb barum 
ba§ 3nteQigibIe in bem @innli(^en il^r nöd^fier unb eigent« 
lieber ©egenftanb ift. 9ür beibe ®ö^e beriefen ftd^ bie 
@^oIaftifer gmar juncid^ft auf bie Srfal^rung unb @elbft« 
beobadjtung; von beiben aber miefen fte aud^ bie mtia* 
plg^fifcljen ©rünbe nac^. ^a& Vermögen ber SBernunft, 
bie äSa^r^eit il^reiS (SrIenneniS gu erlennen, unb baburd^ 
bt& äSa^ren gemig a^ merben, begriffen fte aud ber %atur 
bt^ ®eiftei9 ald einer immaterieOen ©ubftana, bereu SE^ätig* 
leit ftd^ in i^r felbft ooQaie^t, fobag fte fid^ ni(^t nur 
i^rer S^^ötigleit, fonbern auc^ burd^ biefelbe i^red @eind 
bemugt mirb, unb ba^er jene, mie biefed gum ©egenftanb 
il&rcr ^tttaä)iunQ mad^en lann." (^l&il. b. S., 1. Sanb, 
@. 861 f.). SRan braucht h\& gu ber le^teren SSenbung nid^t 
mitaugel^en, fonbern lann bei ber Srfal^rung unb 
©elbflbeobad^tung ftel^en bleiben. ®inge man im <Sinne 
^eutgend über bie Seobad^tung l^inaud gu einer immateriellen 
@ubftang, fo üerfül^re man mie jemanb; ber ft(^ nic^t bamit 
aufrieben gäbe, in ber lunftgemägen 3(norbnung ber 
£§eile ber U^r bcn ®runb gu fud^en, marum biefe bie S^it an« 
giebt, fonbern ber auger ben eingelnen äKetaüen nod^ eine be« 
fonbcrc ;, immaterielle ©ubftang" fud^te, meldie bie Sti^tt 
oormärtiS rüdte. 

äBill man bie eingelnen Steile ber Ul^r lennen lernen 
— il^rcr materiellen Scft^affenl^eit na(!^ — fo beobod^tet 



— 173 — 

man fte mit ben Sinnen. SßiD man ben Wed^aniiSmud 
ber Ul^r lennen lernen, fo mug man fid^ oon ber Sinnet« 
Beobat^tung ju Sbeen (®ebanlen) et^eben. Slber man 
lann nidEit verlangen, ba% biefen Sbeen mieber tiwa^ tnU 
fprid^i, maiS materieQec ^xt ift. $aedel fagt: ^%a(^ meiner 
Überzeugung ift ba», mad man ^^Seele" nennt, in SSal^r« 
l^eit eine %aturerfd^einung; id^ betrachte bal^er bie ^ft^d^o« 
logie ald einen 3n)eig ber ^aturmiffenfd^aft.'' Sßie mir 
bie Slnorbnung unb SBirlungdmeife ber Il^rtlgeile verfolgen, 
menn mir uni$ eine SSorfteQung oon ber gföl^iglett ber U^r 
mad^en moQen, bie Qtii anzugeben, fo verfolgen mir bie 
lorperlid^en Sßirlungen, bie burd^ il^re Organifation bie 
@eelenerf(^einungen ausmachen. 98ie mir aber bei ber 
Ul^r )u leinem U^r«8Befen forifd^reiten, bai^ bie Qeiqtt 
oormörtd bemegt, fo lönnen mir bied aud^ bei ben @eelen- 
erfd^einungen nid^t tl^un. Xiemanb lann ein ,,9Befen'' beiS 
2)enlend finben, ber biefet^ ^^SBefen" nid^t in bem S)enlen 
felbft fielet, ober erlebt. (SergL meine ^^^J^ilofopl^ie ber 
8frei]^eit", »erlin 1894.) 

SSenn SBillgelm Sßunbt (geb. 18S2) bie SD^einung 
oertritt, bag eine 9SeItanf(^auung nur baburd^ mögli(^ fei, 
ba% baS S)enlen oon btm ©egebenen ^u btn nxäji gegebenen 
Sebingungen be» 3)afeini^ meiterge^e, ober ba^ bie Sernunft 
bie $(ufgabe l^abe, bie ßrfal^rung burd^ 3been gu er« 
gangen, bie alle ßrfal^rung umfpannen unb boä^ leiner 
(Srfal^rung angel^ören (Softem ber ^l^ilofopl^ie 1889. 
@. 179 ff), fo lebt er in ber Befangenheit, bie fx^ bnxä) 
oiele (Strömungen ber mobernen SbeenentmidFelung l^in- 
burc^giel^t. @r fitf^i fidE| genötigt, gu Sbeen f ortgufd^reiten ; 
aber er ift mit btm ibecDen ©ein bicfcr ^bttn nid^t gu« 
frieben. @ie eifd^einen i^m unmirllid^, meil fie nid^t mirllid^ 
ftnb mie anbere 3)inge ber Srfal^rung. Serftünbe fid^ 
SBunbt felbft, fo mügte er gugeben, bai, oon feinem ®e« 
ftd^ti^punlte aud, aud^ nur bie Seile ber U^r unb i^re 
gegenfeitige SSirfungdmeife ber Srfal^rung angeprt, ba^ 
aber beqenige, ber oon ber Ulgr bie ^eii abfielt, etmaiS 
gur U^r liinguergängt. — 3n fd^öner 9Beife l^at Otto 



— 174 — 

SSillmann in feiner ^Sefd^icl^te be9 Sbealii^muiS'' (Sraun« 
fdiweig 1895 — 97) mdqt, mit bet neueren SBeltanfd^auung 
aDntäl^lid^ bie Sd^igleit abl^anben gelommen x\i, bie ibeakn 
Sfaltoren bei» Safeini» in il^rer ureigenen SBefenl^eit 3U er* 
lennen. 2)a er aber auf d^riflIid^«pofitiDem @tanbpunlt 
fielet, Derunreinigt aud^ er bie reine Seobati^tung ber Sbeen« 
»ett burd^ ein fortmäl^renbed Serlorperlid^en. 2)ennod^ 
enoeift fid) fein 9u(^ ffir bie Srfenntnid ber Snlwidelung 
ibealifÜfd^er Snfd^auungen äu§erft frud^tbar, roeil man oon 
feinen bogmatifd^en ®ebanlen DÖEig abfegen lann. 8lQe 
feine dugerungen lonnen, um braud^bar gu fein, in mobern« 
naturmiffenfd^aftlic^em ®eifte umgebeutet merben. 



93eiie ^erfpeltben ber SBeltanfci^auung unb Sthtn^m. 
geftattung tougte aud betn 3)aclouitdmuiS ^erauiS ber öfter« 
xtxd^i\i)t 2)enler Sart^olomäud Sarnert (geb. 1821> 
ju eroffnen.' ®r trat elf Salgre nac^ bem Srfd^etnen. Don 
Sarmind ,,@ntftel^ung ber ^rten" mit feinem 33u(f)e ^®itt« 
lid^Ieit unb Sarmtnidmui»'' (SBien 1871) l^eroor, in htm 
er in umfaffenber äSeife bie neue gbeenmelt gur ®runb» 
löge einer et^if(f)en 38eltanf(i§auung mad^U. ®eitbem mor 
er unabläfftg bemül^t, bie 2)arn)inifttfc(|e @t^il auiSgubauen. 
(SSergl. feine @d^rtften «©runblegung ber St^il'' (1881); 
^®er 9Renf(i& ote ©elbftatoed" (1878) unb ^®er moberne 
Tten^d)". SJerfud^e einer ßebenöfül^rung. 1891). ©arneri 
lel^nt alle SRoralanfd^auung ai, bie bem äRenfc^en anbere 
©ittengebote geben miD ote biej[enigen Ttnb, bie fid^ aud 
ber eigenen menfdilid^en %atur ergeben. SRan mug an bem 
©ebanicn feftl^alten, ba% ber äRenfd) nic^t al9 ein befonberei^ 
SBefen neben allen anbern %aturbingen aufgefaßt merbe^. 
fonbern aU ein folci^ed, ba9 ftc^ Qud nieberen 9ßefenfeiteti 
aümöl^Iic^ nad^ rein natürlichen @efe^en entmidelt ^at 
©arneri ift baoon überzeugt, bai aUtS Seben ein (^emifd^er 
$ro3e§ ift. ^S)ie äierbauung beim SReufd^en ift ein fotc^er 
mie bie Srnäl^rung ber ^flanae." @r betont aber gugleid^, 
bai fid) ber d^emifd^e ^rojeg gu einer ^o^eren SntmidCelungiS* 
orm erl^eben mu|, menn er $flan}e ober £ier merben 
oQ. «r^aiS Seben ift ein d^emifd^er ^ro^eg eigener 9lrt, 
eiS ift ber inbiotbueD gemorbene (^emifd^e $rogeg. S)er 
d^emifd^e ^rojeg !ann nämlüf) einen $unlt erreidien, auf 



V 



— 176 — 

toeldjem et geiüiffer Sebingungen, beren er biiS bal^tn be« 
burfte .... entraten fann." SOtan fielet, Sarneri Derfolgt: 
toie fi(^ niebeie natfixlici^e Sorgänge fteigern ^ü l^öl^eren, 
90te ber Stoff burd^ SSerooniommnung feiner Sßtrlung^- 
toeifen gu^ l^ol^eren Safeindfonnen lomtnt. ^9lte SKaterie 
foffen totr ben @toff, infofern bie aud feiner Xeilbarleit 
iinb Semegung fxd) ergebenben (Srfd^einungen lorperlid^, 
b. i. ato SRaffe, auf unfere ®inne roirlen. ®el)t bie 
Seilung ober S)ifferen)ierung fo roeit, ba^ bie baraud ftd^ 
«rgebenben @rf (Meinungen nicfjt mel^r ftnnlid^, fonbern nur 
mel^r bem 3)enfen roal^rne^mbar ftnb, fo ift bie 
^irlung bt» @toffed eine g ei füge." "Und) ba& @ittlid^e 
ift ni(i^t ald eine bef onbere gform beiS ® afeiniS oorl^anben ; 
€d ift ein Katurproge^ auf einer l^o^ern Stufe. @d lann 
bemnod^ nid^t bie g^^age entftel^en^ toal^ foll ber SRenfd^ 
im @inne irgenb roeld^er befonberd für il^n geltenben 
©ittengebote t^un^ fonbern nur bie, ma^ erfd^eint al9 
@ittlid^leit, menn bie nieberen Vorgänge ftd^ gu ben 
l^od^ften geiftigen fteigern? ^rSBä^renb bie 3RoraI« 
4)]^iIofop^ie beftimmte @ittengefe^e auffteOt unb gu 
galten befiehlt, bamtt ber SRenfdi fei^ xoa& er foll, ent« 
oidCelt bie (St^il ben Wenfd^en, roie er ift, borauf ftd§ be- 
fd^rän!enb, il^m gu }eigen, roaS no(^ an^ i^nt rotzbtn 
iann: bort giebt ed ^flid^ten, beren 93efoIgung ©trafen 
3U ergroingen fud^en, l^ier giebt ed ein ^beal, oon bem aOer 
3n)ang ablen{en mürbe, meil bie 2Innctl^erung nur auf bem 
lEBege ber ©rienntniö unb Sfrcil^eit oor fid^ gel^t/ So 
mie ber c^emifd^e ^oje^ ftd^ auf ^ö^erer Stufe gum Sebe« 
mefen inbioibualiftert, fo ergebt fid^ auf nod^ l^öl^erer baS 
ücbtn jum Selbftberoufetfein. ®aö feiner felbfl be» 
mugte SBefen fielet nid^t mel^r blog ^inauiS in bie %atur; 
ed fd^aut in fid^ l)inein. „^ad ttmai)tnbt Selbftbemugt« 
fein mar, buoIiftif(^ aufgefaßt, ein Srud^ mit ber %atur, 
unb ber äßenfd^ fül^lte fid| oon ilgr abgetrennt. S)er iRxi 
mar nur für i^n ba, aber für i^n mar er ooQftanbig. 
So plö^Iid^, mie e^ bie ®enefid lel^rt, mar er nidbt ent« 
ftanben, mie auä) bte Sd^öpfungi^tage nid^t mörtlid^ ^u 



— 177 — 

nel^men ftnb; aber mit ber SSoQenbung bt» Selbfibetougt» 
fetnd wat ber Sttg eine %^ai\ad^e, unb mit bem ®efü^I 
gren^enlofer Seretnfatnung, ba& batnit bem SRenfd^en über« 
lam, ^ai feine etl^ifc^e (Sntmidelung begonnen/' 
S9iiS iVL einem gemiffen ^unlte fül^rt bie Statut baii Seben. 
2luf biefem ?ßunlte enlftel&t ba^ ©elbflbemufetfein, eö ent- 
ftel^l ber SKenfd^. ;,@eine meilere Snlroidelung ift fein 
eigeneiS SBerl, unb, mad auf ber Sal^n bed ^ortfd^ritld 
tl^n erl^allen ^ai, toai bie äßadgt unb aQmäl^IicI^e Klärung 
feiner 2B unfeine.'' Sür aDe übrigen SBefen forgt bie 
Sßalur; ben SKenfdöen begabt fie mit Segierben, für beren 
Sefriebigung fie il^n fclbft forgen lagt. @r l&at benSrieb 
in fic^, fid^ fein S)afein feinen 2BünfdE)en entfpred^enb ^u 
geftalten. ©iefer Srieb ift ber ®lüdtfcligleit«trieb. „S)em 
Siere ift biefer Srieb fremb: e5 lennt nur ben ©elbfl« 
erl^altungiStrieb, unb il^n gum @lüdfeligleitdtrieb 
gu erl^eben, l^at ba^ menfd^Iid^e (Selbftbemugtfein gur 
(Srunbbebingung." 3)a» (Streben nad^ ®Iüdf liegt allem 
^anbdn gu ©runbe. ^®er SRörtgrer, ber ^ier für feine 
miffenfd^afllid^e Überzeugung, bort für feinen ©ottedglauben 
baB Seben l^ingiebt^ l^at auä^ nici^td anbered im @inn old 
fein ©lud; jener finbet eS in feiner Übergeugungötrcuc^ 
biefer fu d^t t» in einer beffern 9BeIt. SlEen ift ©lüdE« 
feligleit baB le^te 3^^^/ ^nb mie oerfd^ieben and) bad 
Silb fein mag, baB [xä) ba» Snbioibuum oon il^r maä^i, 
oon ben rol^eften Seiten ÜB gu btn gebilbetften, ift [xt btm 
empftnbenben Sebemefen Slnfang unb @nbe feines S)enlend 
unb Sül^Ienö." ®a bie Sßatur bem 3Renfd|en nur baB 
Sebürfnid nad^ bem ©lüde giebt, mug ba» ä3Ub bt» 
©lüdeö au» il^m felbft entfpringen. SDer SRenfd^ f<|öfft 
fidfi bxt Silber feine« ©lüdeiS. <Sie entfpringen auö feiner 
etl&ifd^en ^l^antafie. 3n biefer finbet Sarneri ben 
neuen Segriff, ber unferem ®enlen bie Sbeale unfere^ 
^anbelnB oorgeid^net. ®ai^ „®ute" ift für ©arneri 
„ibentifd^ mit ^^ortentmidelung. Unb ba bxt gfortent- 
midelung Suft ift, fo bilbete .... bie ©lüdfeligleit nid^t 



— 178 — 

nut ba» 3id/ fonbern an^ ba» bemegenbe SIement, ba» 
btm 3tcl entgegentreibt'' 

Samen ift t» gelungen, ben Sßeg p ftnben von ber 
Xoturgefe^lid^Iett au ben QueQen beiS ®ittlid^en. @r "^ai 
bie ibeale ^Ra^i gefunben, bie ald Ireibenbed (SIement ber 
fUtlic^en SBeltorbnung ebenfo fd^öpferifdg t)on etl^ifd^em 
Sorlommnid gu et^ifd)em SBorlommniiS mitU, wie bie ma« 
terieQen Jträfte im ^^^fifd^en ®ebilbe au» ©ebilbe, SJ^at** 
fad^e an» S^atfac^e entmitfeln. 

S)ie äSorfteQungdart @arnerid ift gang im @tnne ber 
SntmidEelungdibee, bie nid^t ba» Spätere im <$rii^eren 
fd^on Dorgebilbet fein lägt; fonbern ber ba» (Spätere eine 
wiaiii^e «eubilbung ift. (SSergL oben @. 43 ff.) Scr 
d^emif^e ^rojeg entl^ält nic^t bai^ tierifd^e fieben fd^on 
eingemitfelt; bie ©lüdtfeligleit bilbet ftd^ dl» ooOIommen 
neued @Iement auf @runb bed @eIbfterl^altungiStriebeiS ber 
Spiere. ®ie ©d^mierigleit, bie in biefem ©ebanlen liegt, 
gab einem fdiarjfftnnigen 2)enler, SS. ^. Stolp^, ben Sin» 
ftog gu ben SluiSfül^rungen, bie er in bem Bud^e ,,Bio» 
logifd^e Probleme, gugleid) ate SSerfud^ gur Sntmidelung 
einer rationellen @t^if" niebergelegt \)at (ßeipjig 1884.) 
Slolpl^ fragt fid^: meldte» ift ber (Srunb, bai eine SebenS* 
form nid^t auf einer beftimmten Stufe ftel^en bleibt, fonbern 
fid^ meitcr entroidtclt, ocrooIBommnet? SBcr ba» Spätere 
in bem ^frü^eren fd^on eingemidCelt fein lägt, finbet in 
biefer Srage feine ©d^mierigleit. ®enn t» ift filr il^n oijne 
roeitere^ Ilar, bag fic^ ba» @ingen)idCeIte in einem beftimmten 
3eitpunlt auömidtcit. SRoIpl^ aber roottte fid| biefe 3lnt- 
mort nid^t geben. SlnbrerfeitiS genügte i^m aber au6^ ber 
bloße „ffiampf umS ©afein" ber Seberocfen nid^t. Sämpft 
ein ßeberoefen nur um (ärfüHung feiner notroenbigen Se» 
bürfniffe, fo mirb t» gmar anbere fd^mäc^ere t^^rmen au0 
bem gelbe fd)Iagen; aber eS wirb felbft ba» bleiben, ma» 
e» ift. 9SiIl man in baffelbe nid^t ein gel^eimniSooDei^, 
mqfttfd^eS Streben nad& SSeroottlommnung legen, fo mufe 
man bie ©riinbe gu biefer SSerooQIommnung in äußeren, 
natürlid^en SScrl^ältniffen fud^en. SRoIpl^ finbet fic barin^ 



— 179 — 

ba% febed 98efen feine S9ebürfniffe in reid^Iid^erem 3Rage 
befriebigt, menn bagu bie üßöglid^Ieit t^orl^anben x% aü 
bie unmittelbare %otburft Derlangt. „®t^i burd) bie Sin« 
füi^rung ber Unerfättlid^Ieit n)iib ba^ S)arn)intftifd^e ^rin^ip 
ber Seroomommnung im Sebenig!ampfe annel^mbar. S)enn 
nun erft l^aben mir eine Srllärung für bie Sl^atfad^e, ba% 
bali ©efd^öpf, mo immer ei5 lann, me^r erroirbt, afe ed 
Sur @rl^altung feineiS^ status quo bebarf, ba% ed im Über« 
mag mad^ft, mo bie ©elegenl^eit bagu gegeben ift/ (Siolog. 
^Probleme @. 96 f.) 3taä) JRoIpl&S SReinung fpielt [li) im 
Sleid^ ber Sebemefcn nid^t ein Äampf um bie 6rmerbung 
ber notmenbigfien fiebenSbebürfniffe ab, fonbern ein 
;,Äampf um SRel&rermerb''. ^SBöl^renb eö alfo für ben 
S)arminiften überall ba leinen S)afeiniSlampf giebt, mo bie 
@;iftena bt» ®ef(f)öpfei$ ni(i)t bebro^t ift, ift für mid^ ber 
Äampf ein aUgegenmörtiger: (£r ift eben primär ein ßcbenö« 
lampf, ein ffampf um SebeniSmel^rung, aber lein 
Äampf um» ©afein. " (SioL $rob. @. 97.) Slolpl^ aiel&t 
auö bicfen naturmiffcnfd()aftlid^en SSorauSfe^ungen bie 3foI« 
gerungen für bie (Stl^il. ^ßebeniSme^rung, nid^t SebeniS« 
erl^altung, ^ampf um äSeoor^ugung, nid^t um S^fteng ift 
bie Sofung. 2)er bloge @rmerb ber SebeniSnotburft unb 
9?a]^rung genügt nid^t, ed mu% and) ®emctd^Iid|Ieit, menn 
nid^t gar 9teid)tum, SKad^t unb (Sinflug ermorben merben. 
Sie @ud^t, baa Streben nad^ ftetiger SSerbefferung ber 
ßebcnSlage ift ber d^arafteriftifdbe Srieb oon Xier unb 
SRenfd)." («iol. ^robL @. 222 f.) 

^on fRolvf)» ©ebanlen angeregt l^at ^riebrid^ 
9Hc^f(^e (1844—1900) feine anfc^auung über bie ßeben«- 
fü^rung auf ®runb ber @ntmid(elungi$ibee auiSgebilbet. @r 
ftanb im 99eginne feiner fd^riftftellerifd^en ßaufbal^n bem 
SntmidCelung^gebanlen, mie überl^aupt ber %aturmiffen« 
fdiaft fern. @r empfing gunad^ft einen großen Sinbruct 
Don ber 9Beltanfd^auung Slrtl^ur @d^open]^auerd. S)er 
©d^merg auf bem ©runbe aOed 2)afeind ift eine SSor* 
ftellung; bie er oon ©d^openl^auer aufnal^m. @r fud()le bie 
@rlöfung oon biefem @dgmerg nid^t in ber Erfüllung 

12* 



— 180 — 

motali^ä^tt Stufgaben tote Sd^openl^auer nnb Sbuorb von 
^orttnann; er glaubte otelme^r, bai bie ©eftaltung beiS 
Seben0 jutn ftunftmede über ben Safetndfd^mer} J^inmeg« 
fiil^re. S)ie ®rie(^en l^aben fid^ eine SBelt beiS Schönen, 
bed @(^ein0 erfd^affen^ um ftd^ bad fc^mergerfüllie Safein 
erträglid^ ju ntad^en. Unb in Slid^arb SSagnerd muft« 
lalifd^em 3)rania glaubte er eine 9Belt %vi ftnbeU; bie burd^ 
bad Sd^öne ben 9Renfd^en fiber ben Sd^mer^ erl^ebt. @d 
mar alfo int ®runbe bie Sllufion; bie ^ie^fd^e fud^te, 
um über bad @Ienb ber äSelt Iginmegaulomnten. @r mar 
ber aReinung, ba% ber ölteften griedjifd^en ftultur ber £rieb 
be0 äßenfd^en ju ®mnbe liege, ftd^ burd^ Serfe^ung in 
einen Staufd^^uftanb gum Sergeffen ber mirSic^en SBelt 
au bringen. ,,@ingenb unb tangenb äugert ft(^ beräRenfd^ 
ald äRitglieb einer l^til^eren ©enteinfd^aft. 6r Igat baS 
©eigen unb @predgen oerlernt unb ift auf bent SBege, 
tangenb in bie Süfte emporgufiiegen." @o fdgilbert unb 
erläutert %ie^f(^e btn ^ultuiS ber alten 2)iont)fi)d«Siener; 
in bem bie SSurgel aQer JSunft liegt. @oIrated Igabe biefen 
biontififc^en Srieb baburdg gebänbigt, ba^ er er ben Ser« 
ftanb aum Stid^ter über bie Smpulfc gefegt l&abc. ®er 
Safe „bie Sugenb ift lelgrbar" bebeutet bie Sblöfung einer 
umfaffcnbcn intpulpocn Äultur burdg eine üerroafferte, oom 
©enlen im S^^^ gelgaltenc. ©old^e gbeen entftanben in 
9!iefefdge unter @d)open]gauerS Sinflug, ber ben unge« 
bdnbigten, raftlofen SBillen über bie orbnenbe Sor« 
ftellung fefete, unb burdg Stidgarb äSagner, ber ftdg aU 
aRenfdg unb Äünftler ^u @dgopen^auer belaunte. 9lber 
%iefefd^e mar^ feinem SBefen nadg, a^gleidg eine be« 
trad^tenbe %atur. @r empfanb^ nad^bem er ftdg ber 9(n« 
fdgauung von einer SBelterlöfung burc^ ben fdgonen @dgein 
eine S^i^^^no Igingegeben Igatte, biefe Slnfdgauung ate ein 
frembei^ (SIement in feinem eigenften SSefen, ba» burdg ben 
perfönlidgen ßinHufe bcS i^m befrcunbeten Slidgarb 9Bagner 
in iign oerpflangt morben mar. @r fudgte ft(| t)on biefer 
Sbeenridgtung lo^umad)m unb einer ilgm entfpredgenberen 
Sluffaffung ber äSirllidgleit ^ingugeben. @rft mar t» ber 



— 181 — 

Ifinfllertfdie Sä^txn, btt il^n üiet bie SBirÜid^Ieit l^in« 
toegfäl^ren follte; fpäter ^uä^it er bntd^ tteffteiS Stnieben 
in biefe SEBirllid^feti äSefriebigung. 9[u0 btm Serel^rer ber 
SDufion tontbt ein SSergötterer ber Sßirllid^Ieit. S)enler^ 
bie fxd^ mit bem SBefen ber äSirllici^Ieit audeinberfe^ten^ 
erlangten je^i Sinflug auf il^n. %ie^fd^eiS gangei^ geifliged 
@d^affen lenngeid^net fx6) ate ein inten^D-perfönlid^ed SBer« 
arbeilen ber SorfieDungen, bie i^m auf feinem Sebenö- 
mege entgegentreten. @r probugiert nid^t neue Sbeen; aber 
er i^at ein vertieftet @mpftnben gegenüber benen, bie er 
bei Stnbern t)orfinbet. @r oerfenlt bie äSeftanbteile ber 
äSeltanfdiauung in fein ©efül^teleben unb geigt fte uni^ 
nid^t aU ©ebanlen, fonbern aU ©efäl^Ie anl^ beut Spiegel 
feineö ganj perfßnlid^en Seelenleben^. 3n Sriebriti^ 
aibertö ßangeö ©eift (oergl. oben @.85ff.) ift bie SBelt 
gur S)id^tung genDorben; t^ ^ai ftd^ ber ©ebanle an eine 
Umwertung ber SBerte DoQgogen. S3ei tiefem S)enler 
DOÜgiel^t ft(| ba^ alles innerl^alb ber Sbeenmelt. (Sr giebt 
in rul^iger S9etrad^lung feiner SSorfteQungdart bie 9}id)tung, 
bie fte burd) feine Bewertung ber äBirllid^Ieit erl^alten 
mug. 92ie^f^e mad^te bie @aä^t gu feinem gefül^Idmägigen 
perfonlidien Sriebniö, wie er frül^er ben ©ebanlen, bai 
burd^ bie SSerftanbeSbetraditung bie bion^fifd^ie Kultur ver- 
loren gegangen fei, gu feinem perfönlid^en @rIebniiS gemad^t 
l^atte. 3)a)S giebt feinen Sd)riften ben eigentümlid^en 
©runbton, ber 3üefefd)e mel^r afe fünftlcrifd^en SSerllorer 
ober Slnlläger, aU @önger einer SSorftellung^art erfd^einen 
lägt, benn dlB gebanlenmägigen SDarfteüer. 2)er ©ebanle 
QaxiQtl^ oon ber SBirllid^Ieit al^ S)i(^tung mirb bei 
%ie^fd)e gu einer SriegiSerllctrnng gegen ben 93egriff ber 
SSa^rl^eit. n'S)tt SßiDe gur SSal^rl^eit; ber und gu mand^em 
aSagniffc oerfii^ren mirb, jene berühmte SBal^rl^aftigleit, 
oon ber aQe $]^tIofopl^en bidl^er mit (Sl^rerbietung gerebet 
l^aben, xoa^ für f^ragen l^at biefer SßiQe gur Sßal^rl^eit 
uniS fd^on vorgelegt? Sßeldge wunberlid^en, fdtjlimmen, 
fragmürbigen fjragen? 3)aS ift bereits eine lange ®e* 
fcf)tcf)te — unb bodi fd^eint eS, bai fte faum angefangen 



— 182 — 

l|at. . . . ®efe^t, toir toollen Sßal^rl^eit, maium nid^t 
lieber Untoal^r^ett?" S)ie (Sntioidelungi^ibee ber mo« 
becnen Staturmffenfci^aft btad^le in %ie^f(i^e ben ©ebanlen 
^ttvoi, bag ber 9Renf(i^ über bie äRenfd^l^eit ebenfo l^inaud* 
fd^reite, mie bie Xierl^eii gutn SRenfd^en üorgefd^ritten ifi 
9Bie ber SRenfd^ bie gfortfe^ung ber S^ierbeit, fo tovtb ber 
„Ühttmtn^d^*' bie gfortfe^ung bed 9Renf d^en fein. S)ie 
3bee, bie in Sorneri einen bebeutfamen SSertreter gefunben 
"^ai, ba% bie menfd^Iid^e Sittlid^Ieit mit ibrem „®ut'' nnb 
^Söfe" leine urfprünglicbe ®eltung ^abt, fonbern im 
Saufe ber (Sntmidelung gemorben fei, mürbe für %ie^fd^e 
gur 9(nfd^auung eineiS Suftanbei? ^^enfeitd von ®ut unb 
Söfe". Sr prägte ben Segriff beS ^|)crrcnmcnfd&en'', ber 
ba& ©emorbene nicbt Einnimmt, fonbern Don ftdd aM ba» 
^©nit" unb ^Sd^Ied^te" bcftimmi Slolpb^^ Sbee oon ber 
;,Sebcnigmebrnng" mäd&ft fid^ bei Siicfef^c gu ber Sor* 
fteüung bt» „^iUtn^ gur ^Haä^i" au9, ben er allem @ein 
unb ßeben in Sieri- unb SWenfd^enmelt jufd^rcibt. Sr pebt 
im Seben ;,9lneignung, SSerle^ung, Übermältigung be^ 
gremben unb ©d^mäcberen, Unterbrüdung, ^ärte, 9[uf« 
gmängung eigener f^ormen, @int)erleibung unb minbefteni^, 
milbeftenö Sluöbeutung". 3n „8lIfo fprad^ S^ratbuftra" 
bat ätie^fd^e ben ©lauben an bie 2Bir!IidgIeit, an bie ®nU 
roidclung beö 2Renfcb«n gum „Übermenfdien" ein „^o^t^ 
Sieb" gcfungen; in bcm unooHenbet gebliebenen SBerlc „Um* 
mertung aQer 93erte'' moDte er bie Umprägung aller SSor* 
fteQungen von bem ®eftd^tdpunlte aud DoQgieben, ba% lein 
anberer äBiQe im 9)tenfd)en bie pd^fte $errfd^aft ^dbt ate 
allein berienige gur „2Bta^t**. 

2)ie SSerlennung ber ©runboorfteQung aller möglid^en 
SSeltanfd^auung, ba| ,,unfere SSernunft gugleid^ mit bem 
93abren aud| bxt 9Babrbeit ibreiS (SrIenneniS erlennt" (oergL 
oben @. 171 ff.) ^at bei SKe^fd^e gu einer Slbfage an alle 
äSabrbeit gefübrt unb ^nm dx^ai^ bt» SßiDend gur SSal^r« 
beit burdg ben ,,9ßiDen gur SRad^t'', ber nid^t mebr fragt: 
3ft eine ßrlenntniö mabr? ©onbern ift fie lebeniJer» 
baltenb, lebeuiSförbernb? „Sei allem ^btlofopl^ieren b^n« 



— 183 — 

beUe ed fxä) gar nid^i um „'Sßaf^x^tii" , fonbern um etmai^ 
gang anbered^ fagen tptr um (Sefunbl^eit, 3ulunft, SSad^d« 
tum, 3flaä)t, Seben . . . .". ßigentlid^ firebte ber aßenfd^ 
immer nad^ üßac^i; nur gab er fiä^ ber SHufion l^in, ba% 
er „SBal^rl^eit" moDe. @r Dermed^felte baiS SRUtel mit bem 
Smed. Sie ^af)xl)txi ift nur 3RiltcI gum Smed „SRad&t". 
,,S)ie gfalfd^l^eit eined Urteils ift noc^ !ein Sinmanb gegen 
ba& Urteil". @d lommt nid^t barauf an, ob ein Urteil 
mal^r ift, fonbern „mit meit eiS lebenförbemb, lebenber« 
i^altenb, artergaltenb, oieQeid^t gar artgüd^tenb" ift. ^,S>a0 
meifte S)enlen bed $]^iIofop^en ift burc^ feine Snftinite 
l^eimlid^ gefül^rt unb in beftimmte Salinen gegmungen." 
^e^fd^eiS äSeltanlfd^auung ift ber SIgnofticiiSmuiS aü per« 
fonlid^e @mpfinbung, aH inbioibuelleiS Sriebntd 
itnb @d^id[faL 

@in ©egenbilb l^at %te^fd^ed SBeltauffaffung in ber 
materialiftifc^en ®efdE)id^tiSauffaffung unb SebeniSanfd^auung, 
bie i^ren prögnanteften ^udbrud burd^ Satl 9Kar; 
(1818—1883) gefunben l^at. @r l^at ber 3bee jeben 3[n* 
teil an ber gefd^id(|tli(^en SntmidCelung abgefprod^en. SSad 
biefer SntmidCelung mirllid^ gu ©runbe liegt, finb bie realen 
gfaltoren bed SebeniS, bie ftlaffeuictmpfe gmifd^en Sind« 
gebeuteten unb 3(uiSbeutern, gmifd^en ^errfd^enben unb 9e« 
l^errfd^ten. Sßill man irgenb ein 3^i^<^Üer oerftej^en, fo 
mug man gur (Srllörung fold^e Jtonflilte, fold^e mirtfdjaft« 
lid^e äSorlommniffe l^erangtel^en. 9IQe politifd^en unb 
geiftigen Strömungen finb nur ein an ber Oberfläd^e fic^ 
abfpielenbe^S @piegelbilb biefer SSorlommniffe. Sie fteÖen 
fid^ il^rem 93efen nad^ ate ibeale gfolgen ber realen X^aU 
\aä)tn bar; an biefen S^l^atfadien felbft l^aben fie leinen S(nteiL 
(SiSlann fomit aud^ leine burd^ ibeale gfaltoren guftanbe ge« 
lommene äSeltanfd^auung Slnteil l^aben an ber fjfortent« 
midelung ber gegenmdrtigenSebeniSfül^rung; fonbern t» ift 
bie Aufgabe, bie realen Jtonflilte ba aufgunel^men, mo fie 
l^eute angelangt finb unb fie in gleid^em (Sinne fortgu« 
führen. S)iefe 3(nfd^auung ift burd^ eine materialiftifd^e 
Umbeutung bed ^egelianiiSmuiS entftanben. Sei ^egel ift 



— 184 — 

bie Sbee in eioiger Qfortenttoidelung, unb bie ^folgen biefer 
Sprtentiotdfelung ftnb bie t^atfät^lic^en Sorlommniffe bed 
Sebend. — S9ad Sugufi Somte auiS noturtoiffenfc^aftlid^en 
SorfteQungen f^txaM geftaltet, eine ©efeSfci^aftdauffaffung 
auf ber ©runblage ber tl^atfäd^Ii(^en Sor!ommniffe bt» 
Sebend, baju gelangt Starl 3Raijr bnx^ bie unmittelbare 
Snfd^aung ber mirtfc^aftlici^en Sntmidelung. 2)er ÜRar^d« 
niu9 ift bie lül^nfte Sudgeftaltung einer ®eifteiSftromung, 
bie in ber Seobat^tung ber äu^eren^ ber unmittelbaren 
SBa^rnel^mung gugänglid^eU; gefd^it^tlid^en Srfd^einungen^ 
ben 9(uiSgangiSpunft nimmt^ um bQ9 geiftige £eBen, bie 
gan^e Jtulturentmidelung bed SRenfdien gu Derftel^en. (S§ 
tft bied bie moberne ,,@octologie". @ie nimmt btn 
9Renf(i§en nad^ leiner Slid^tung Igin aü (Singelmefen, fonbern 
aü ein ®Iieb ber focialen Sntmidelung. 9Sie ber 9Renfd^ 
oorfteüt; er!ennt^ l^onbelt, fül^It: baiS aQed mirb aU ein 
Srgebnid focialer ^äd^it aufgefaßt, unter bereu @influ§ ber 
Singelne fte^t. ^ippol^te Saine (1828—1893) nennt 
bit ©efamtl^eit ber SBöc^te, bie |ebed ^uUur-äSorlommniiS 
beftimmen bed ,,9RiIieu''. gebed ^unftmerl, jebe Sinrid^tung, 
jebe ^anblung ift aud ben Dorl^ergel^enben unb gleid^geitigen 
Umftänben gu erllären. Jtennt manStaffe, ÜRilieu unb^oment^ 
aud benen unb in bem ein menfd^Iid^e^S 9Ser! entfte^t, fo 
l^at man eö erllärt. 9?erbinanb ßaffallc (1825—1864) 
l^at in feinem „Softem ber ermorbenen SRed^tc" gegeigt, mit 
Sled^tiSeinrid^tungen: (Eigentum, Sertrag, (Familie, @rbred)t 
u. f. m. an& ben SSorfteDungiSlreifen eines SSoUeS ent^« 
ftel^en unb fid^ entmideln. 2)ie SSorfteQungiSart bei$ SlömerS 
^ai eine anbere 9(rt t)on 9te(j^ten gefcf)affen ald bie bt^ 
Seutfc^en. @d mirb bei allen biefen ©ebanlenireifen nic^t 
bie f^rage aufgemorfen, roa» entfielt im eingelnen menfd^« 
lid^en Snbioibuum, mad vollbringt biefed auiS feiner ur« 
eigenften %atur l^eraud; fonbern bie: meldte Urfad^en 
liegen in ben gefeüigen focialen SSerbönben für ben fiebeni^s* 
inl^alt bed Singeinen. 3ßan lann in biefer Strömung eine 
entgegengefe^te SSorliebe gegenüber berjenigen feigen, bie in 
Segug auf bie fragen nac^ bem SSerl^ciltniS be§ ÜKenfdien 



— 185 — 

aur SBell am SInfange bed ^a^x^unbtxil^ gel^errfci^t l^at. 
3)amaIiS fragte man, meldte Sterte lommen htm eingelnetr 
ÜRenfd^en bvxd) feine eigene SBefenl^eit gu (%aturred^te), ober 
mie erlennt ber äßenfd^ in ©emäglgeit feiner inbioibuellen' 
äSernunft? S)ie fociaologifdie Strömung fragt bagegen: 
9Seld)e Sled^tdoorfieQungen, meldte SrlenntnisSbegriffe legen 
bie focialen SSerbänbe in ben Singelnen? S)a6 iä^ mir ge-^^ 
miffe SorfteQungen über bie S)inge mac^e, l^ängt ni(f)t oon 
meiner SBernunft ai, fonbern ift ein (Srgebnid ber @nU 
midelung, and ber id^ l^eraudgeboren bin. 



Snnerl^alb naturmiffenfd^aftlid^er Streife ftnb in ben^^ 
legten Sa^rgel^nten bt§ Sal^rl^unberti^ 3^cif^I borüber tnU 
ftanben, ob (Sigentümlic^Ieiten, bie ein 9Befen mctl^renb feinei^ 
SebeniS ermirbt, auc^ auf beffen %ad^Iommen oererbt merben 
lönnen. 2)aburd^ ift bem (SntiDtdTelungiSgebanlen ein neuer 
©cgner entftanben. S)enn rool&er foH ed lommen, bai eine 
niebere äSefeniSart ftdb gu einer p^eren l^inaufentmidelt, menn 
fte fid^ nid^t im fieben burd^ rein natürlid^e Vorgänge 
(Slnpaffung an bie Sebendbebingungen) ooDIommenere Sigen« 
fd^aften oerfd^affen lann, al^ eS fd^on l^at, unb biefe bann 
auf bie 9taä^fommen gu übertragen imftanbe ift? SSenn 
ba» nid)t berg^aQ möre, mügte man annel^men, ba^ aüt» 
fd^on in btn Einlagen einer SBefeniSart oor^anben fei, ba% 
gemiffermagen bie gange SBelt fc^on im Urleim oor^anben 
fei, unb baiE^ fd^on oeranlagte SBoüIommene nur im ,,jtampf 
umS ®afein" gur Sntfaltung fomme, mäl^rcnb bie ungmedt- 
mctgigeren Einlagen gu ®runbe ge^en. 3n S)eutfd^Ianb oer« 
tritt biefe Slnfid^t Sluguft äßeigmann, in Snglanb ftel^en 
t^rauQi^ ©alton unb ^Ifreb Stuffei äBaQace auf il^rem 9oben. 
®ie finb ber äßeinung, ba^ bie Sl^atfad^en nid^t gu ber ^n« 
nal^me bered^tigen, ermorbene @igenf(f)aften lönnen oererbt 
to erben. 

Sllejranber Sille l^at in feinem bebeutenben 93ud^ 
„Son ©armin bis SRie^fc^e" mit eiferner Äonfequeng biet 



— 186 — 

Sfolgentngen biefer Snfc^auitng ffir bie (£tl^il gebogen, ^a» 
^njip ber Sudlefe im flatnpf umd S)afein mug aud^ ffir 
bie flttlic^e Snttoidelung ba9 einjig-geltenbe fein. 3kan 
lann ttid^t l^offen, ba% ber SRenfd^ im Seben @igenfd^aften 
cnoerbe, bie er nid^t in ber 9(nlage fd^on oorgebilbet f^at 
(Ed lann fid^ bed^alb nid^t um (Srmerbung fold^er Sigen^: 
fd^aften ^anbeln, fonbern lebiglid^ um folc^e Sinrid^tungen, 
burd^ bie ben DoIÜommencn, gmedbnctgigen Snbioibuen bie 
StSglid^Ieit geboten mirb^ bie unpoDIommenen, fd^mad^en 
gu fiberminben. »»fturj unb bfinbig l^anbelt t» fid§ um bie 
natfirlidie Sfudlefe in ber l^eutigen 9Renfd^enmeIt, um bie 
fociole audlefe." (Son Sormin bi» %ie^fd^e @. 31.) 



3)te natutiDiffenfc^aftlid^e Sßeltanfd^auung ^ai gu tl^rer 
®runblage Me @ntiotdeIungdibee. SSer pon biefer Sbee 
burd^brungen ift, fud^t bad f)ert)orge]gen ber S^l^atfad^en in 
berSBelt auiSeinanber gu begreifen. @r ift aber übergeugt, ba% 
eine Sl^aifad^e, bie eine anbere aud ftd^ l^erDorge^en lögt, 
biefe nid^t bedmegen an» ftd^ l^erDorireibt, meil fte fd^on in 
einer gen^iffen SBeife in il^r Dorgeb übet ift. SSon einer 
fold^en Siciftrebigleit meig biefe SBeltanfd^auung nid^ti^. 
@ie ftnbet webex ber SSirlltd^Ieit, nod^ ber 3bee nai), baB 
Spötere in bent f^rül^eren ^ber SInlage nad^'' Dorlganben. 
(SSergL oben @. 43 ff.) S)iefei8 Spätere ift eine Seu = 
bilbung im üoQften @inne bt& ^oxtt». 2)er äßenfd^ 
entmidCelt nun in fid^, gu ben 2)ingen unb äSorlommniffen, 
bie il^m in ber SBelt entgegentreten, in ber ftunft, in feinem 
$anbeln, in feiner @rlenntnid eine neue Sßelt. @r burd^« 
bringt bie 9BirIIic^Ieit mit feinen Sbeen, mit btn ©ebilben 
feinei^ Snnenlebend. %ur eine fold)e 9BeItanfd^auung mirb 
im Sinne ber (SntmidtelungiSibee beulen, bie auc^ in ben 
^eroorbringungen beiS ©eifted DoQIommene Steubilbungen 
^el^t. @ine foI(f)e äSeltanfd^auung mirb in ber menf(f)Iid^en 
(Srienntnid nid^t nad^ ^bttn fud^en, bie in irgenb einer 
fjform in ben fingen fd^on Dorl^anben finb, ober benen in 
btn 2)ingen ttma» 2:]^atfäd^Iid§ed (ein «Sing an ftc^", ein 
„^iUt*' u. f. m.) entfprid^t. S)er Selenncr einer fold&en 
SBeltanfd^auung ift ftd§ bemugt, ba% ba» SbeeQe, ber ®e« 
banle lein anbereiS Seben l^aben, ate ein ibeeOeiS; ein ge« 
ianllid^ei». „3m S)enlen l^alten mir ba» äßeltgefdge^en an 



— 188 — 

rinem Qipfd, 100 mit babei fein mfiffen, toenn ttma» ju« 
\tanbt lotnmen foll. llnb ba» ift bo(i§ gerabe ba», toorauf 
aUt» anlommi. 3)ad ift gerabe ber ®xnnb, mamm mir 
bie Singe fo lätl^fell^afi gegenftbertreten: ba^ iä) an il^rent 
Suftanbelommen fo unbeteiligt bin. 3<^ ftnbe fie einfad^ 
cor; beim 2)enlen aber wt\% id^, mit eiS gemad^t mirb. 
Salier giebt ed leinen urfprünglid^eren S(ui9gangiSpun!t für 
bad Setra(^ten aUt» SBeltgef^el^eni^ aU ba» 2)enlen.'' 
(@ie^ meine ;,$^Uofopl^ie ber gfrei^eit. ©runbgüge einer 
mobernen SBebanfd^auung" Serlin 1894). äSenn id) mit 
meinen ®ebanlen bie 2)inge burd^bringe, fo füge id^ alfo 
ein feinem SBefen nad^ in mir @rIebteiS gu ben S)ingen 
l^ingu. S)ai$ S3ef en ber 2)inge lommt mir nid^t and il^nen, 
fonbern id§ füge ed ju i^nen ^ingu. 3d^ erfd^affe eine 
gbeenmelt^ bie mir aU baB äSefen ber SDinge gilt. S)ie 
S)inge erl^alten burd^ mid^ il^r SSefen. @iS ift alfo unmöglich; 
nad^ bem SSefen bt» @eind 3U fragen. 3m @rlennen ber 
^betn entl^üHt ftd^ mir gar nid^tiS, ma& in ben S)ingen 
einen Seftanb l^at. S)ie gbeenmelt ift mein (SrIebniiS. 
(Sie ift in leiner anberen f^orm oorl^anben ald in ber oon 
mir erlebten. 9Senn aud^ ber 9lffe ftdb an9 ben Beutel- 
tieren aQmäl^Iid^ entmidCelt, fo ift bod^ in ben Beuteltieren 
nod^ ni(4tiS oor^anben, ma» fd^on ate äSefen bt& Slffen ju 
betröd^ten more. @benfo menig ift ba» SSefen ber 2)inge, 
bai^ id^ gu ben S)in^en ^inguentmidCele, fd^on in irgenb einer 
äSeife in ben 2)ingen oorl^anben. 2)urd^ fein Sriennen 
fe^t ber ^JRenfc^ bie oor bem (Sriennen liegenben Sorlomm« 
niffe fort; aber er Igolt aM i^nen nid^td l^erauiS. (Sd^ l^abe 
eine in biefem Sinne mit ber (SntmidEelungiSibee im 6in« 
Hang fte^enbe äSeltanfd^auung in meiner ^^Igilofopl^ie ber 
grci^cit" bargufteHcn oerfud^t.) SBcr bcömegen, meil mir 
mit unferem (Sriennen nid^t in bie SDinge l^ineinbringen 
lönnen, gum SlgnofticiiSmud gefül^rt mirb unb oon „©rengen 
beS erlennenö" fprid)t, ber erfd^cint wie jcmanb, ber bem 
äffen feinS)afein bcftreitet, ober oon bcn®rengcn feineiJ ©eini^ 
fprid^t, meil er nid^t au» ben Beuteltieren biefei^ @ein 
l^eraudlgolen lann^ fonbern eiS ald einen neuen abrieb ber 



— 189 — 

oorl^ergel^enben (Snitoidelung auffegt. Unb ebenfo menig, 
tote bie Sbeen bie S)inge lann ber SRenfd^ bie legten 
©runbmoÜDe feineiS ^anbelnd auiS irgenb einem öugeren 
S)tng l^erl^olen. @r fügt fie al» %eubilbung ber SBelt 
^ingu. 2)ie Snlmtdelungdibee geminnt baburd) eine SSor« 
fteQung t)on ber t^reil^ett, bog fie bad menfd^Iidie ^anbeln 
nirgenbs üorgebilbet fein, fonbern afe freie @d|öpfung 
burdi ben SKenfd&en entfielen lägt. 3n ©eulfd^Ianb ftnb 
anfange ^u einer folc^en SorfteHnngSart bei S- Srol^- 
fd&ammer tjor^anben {„"^it ^l^anlafie ate ©runbprinjip 
beg SBeltproaeffeö", SIBün(J^en 1877). ßr fa§t bie ^^antafte 
ate baiSjenige auf, na^ fid^ in ber @ntn)i({elung aQer 
®inge unb SBorgänge ium Sluöbrudf bringt. Sa bie 
^l^antafie ein fd^öpferifd^eS ?ßringtp ift, fo lann mit il^r 
eine SntmidFelungiSibee ret^nen, bie nid^t an ein Slu^midCeln 
»on fd^on Sorl&anbenem, fonbern an fortmäl^renbe 9ieu* 
fd&öpfungen glaubt. Sfud^ Stöbert Sd^ellmien (ber 
©eift ber neuern 5ß]&iIofop]^ie 1895—1896) ftel&t biefer 
©enfroeife nal^e. 3n tJi^anfreid^ l^at Smile Soutrouy 
(geb. 1845) eine mit ber ßntmidfelung^ibee im Sinflange 
ftel&enbe SBeltanfd^auung gegeid^net. (De la contingence 
des lois de la nature. Paris 1874. De Tidee de loi 
naturelle. Paris 1895). 3)aö Spätere ift auä) für i^n 
in leiner SBeife in btm grül&eren oorl^anben; er betrad^tct 
t» gcrabegu afe Qn^all, ba^ fid^ ©ö^ercö auö 9?icberm 
entmidelt. 

®urdö eine tyreil^eitsibee im Sinne beö gntmidelungö- 
gebanlend lann allein ba^ fd^mad^mütige SelenntniiS über« 
munben roerben, gu bem iebe SInfd&auung fommen mni, 
bie ba^ SBefen ber SDinge nic^t im SKeufd^en, fonbern 
augerl^alb beiSfelben fud)t. 3^]^..9iibot l^at biefeiS fd^mac^« 
mutige SelenntniiS in bie SBorte gelleibet: ,,®aö ,,3d& loiH" 
fonftatiert eine ©ad^Iage, aber eS fd&afft leine fold^e." 
(®er SBille, Serlin 1893). 



n ^ ao ^ 



•4- 



^eQxflev. 



^ie Soi^len ttbtuim bie (Seiten, fßox best ©eiienaal^Ien be& erßm 
SattbeiS ftel^t leine toeitere Eingabe; tyot benen ht^ atoeiten U. 



SlenefibemuiS 46. 

^mpke, »nbx6 IDlarie 11. 129. 

Slngelui^ ©ilefluiS 1. 

nti^ttU» 18. 

5l«m«j8, «Poul II. 144—146. 

8aaber, grang SBenebict. 84. 135. 

8aer, ^arl @mft 11. 16. 88. 61. 

118. 
©aitt, «lejonber ü. 98. 
©alfour, 3ame« II. 117. 
»aucr, »runo, 167—169. 
©ctf, Sacob ©igiSmuttb 47. 
»trän, SWainc bc 11. 129—181. 
»bl^me, gfacob 84. 185. 
»ontroujf, ®mtle 11. 189. 
SBüt^ner, ß. n. 8—9. 12—14. 

16—17. 22. 24. 28. 47. 
SBurbod^, IJ. 16. 
©abani«, ^. 3. ®. II. 126 m 

127. 181. 
ßameri, Sort^olomftu« ö. n. 67 

bt^ 68. 176—178. 182. 
^alQbäuiS 187. 
©ol^en, ©ermann II. 146. 
©omte, Slnguft 14. IL 119 m 

120. 188—184. 138. 184. 
©onbtaac. IL 121—128. 126 f>\2 

128 
©ouftn, «Bictor n. 181—182. 
©uöier, ®. 167. IL 17. 29—80. 
©äolbe, ©einrieb H. 21—28. 86. 
^artotn, ©^arlciS 7. 9. 12. 167. 

n. 86—87. 39—47. 61—58. 

68. 60. 79.96. 118. 117.119. 

140—141. 147. 162. 167. 176. 

179. 186. 
®e la WlttMe IL 121. 
S)c8cartc^, fR. 19—20. 
S^eulinger, aJi. 186. 188—189. 
©tberot, ®cntg IL 128. 126. 
S)ubot^ IL 61. 



5£)u ©oiÄ^SReijmonb 11. 76—80. 

82 86. 
®ü$rlng/®. H. 186—141.148. 
(Sc^temte^er ^. 140. 
©dermann, 3. «ß. 112. 
©d^art, SKeifter 186. 
epicur II. 10. 
©rbmann, ©enni) 11. 146. 
(Srbmann, °$o^. @b. 106. 
garaba^ IT. 14. 
getaner, ®. St?. 11. 88. 164 f>\» 

166. 169—168. 
geuerba«, ß. 142. 144—146. 148. 

160—164. 167—168. II. 7 bü^ 

8. 26. 64. 
gierte, 3. ®. 2—7. 16—17. 44. 

47—68. 72. 76. 77—78. 90. 

118—120. 124—126. 180. 148. 

IL 24. 66. 116. 128—129. 181. 

186. 
gid^tc, afmm. $erm. 186—186. 

189 
gifd^er Ä. ^^. 187. 
glec^ftg, «Paul IL 68—69. 
gorberg 47. 

grtebrtd^ SBtl^etm IV. 90. 
grol^fd^ammer IL 189. 
©altant n. 79. 
©altlet, ®. 69. 
©alte II. 1—2. 
&aUon, gran^tj^ 11. 185. 
(^egcnbauer, (Sari n. 69. 
metf^e, g. 933. 1. 9—11. 17 f>\» 

18. 22—28. 86—44. 56. 68. 

62. 64. 66. 67—72. 75—76. 

82. 91. 96. 102. 112—114. 

126—180. 184. 144. 167. H. 

2—8. 10—11. 16—17. 22. 80. 

46. 68—64. 60. 66. 108. 111. 

116. 121. 181. 186. 
®labftone H. 108. 



— 191 — 



OirlKpatäcr 109—110. 
Q^ftntl^er, $Cnton 185. 188. 
©ocdcl, @tttfl 2—8. 6—8. 12. 

91. n. 62—70. 79. 85. 94. 

140. 158. 161—162. 171. 178. 
©attcr, 81. ö. 40. 142—143. 
©amcriinö, SRoJcrt II. 170—171. 
©amittott, mmam 11. 98—99. 
^artmann, @b. t). II. 116. 154. 

164—167. 169. 180. 
^ax)att) U. 118. 
©egcl 47. 96—115. 119—120. 

122. 129—180. 182—188. 186 

Btö 186. 138—141. 144—146, 

148. 152. n. 2—8. 15. 24 

m 25. 80—81. 44. 68—64. 

90. 101—103. 116. 119. 131 

m 132. 136. 143—146. 164. 

188. 
©ctnrot)^ 67. 
^clml^ol^, §. 129. n. 45—46. 

72. 74. 89. 
©cÜJCtiixiS n. 121. 
§cttle, afacoB IL 46. 74. 
^crbart 47. 115—122. 188. 
©crbcr 10—11. 42. n. 48. 
©erfd^cl, 3o§tt H. 98. 100. 
©Ilaitc, (^coffro^ bc (St. 167. 11. 

29—30. 
§off, Äarl t>. II. 17. 
©offmann, gx. 187. 
©olbad^, ©. ®tetr. ö. 11. 10—12. 

121—123. 126. 
©orner 11. 8. 

©umbolbt, 31. ö. II. 2. 6—7. 
©umbolbt SB. ö. 19. 
©umc, ®. 24—29. 
©ujrc^ n. 47. 117. 
Scxufalcm 14. 

3ac0M, Sr. ©. 22—25. 89. 72. 
ftanl 1. 12. 17. 18—19. 21. 23 

m 47. 57—68. 62—64. 70 
. bt^ 73. 90. 128-126. 149. 

151. n. 72.86.97. 105. 111. 

114. 181. 136—187. 146 m 

146. 148. 153. 
Steppitt 8. 26. n. 100. 



Stt\) mm n. 54. 
Älr^l^off n. 84—85. 161. 
Ättc^mann, 3. ©. ö. n. 142 bfÄ 

144. 146. 
Älcutgen, S. 11. 172. 
jtnebel 11. 

Stopptxnita» 8. 19. 25. 156. 
Jhraepelin, (&. 164. 
Äraufc, Ä. ei^r. gricbr. 135 bü? 

136. 139. 
iiaa», (gntfl II. 161. 
ßamortf, Sean 167. n. 29. 81 

m 82. 46. 119—120. 
SamennaüS 11. 133. 
Sänge, gtiebr. $llb. II. 4. 86 btö 

97. 140. 181. 
Öaplacc U. 80. 114. 
Öaffattc, gerb. H. 184. 
ßeipnta, ©ottfr. SBiC^. 20—21. 

93. 143. IL 28. 112—118. 
Öcfflng 21. 
Scöcrricr II. 1—3. 
ßtd&tcnbcrg 45—46. 147—161. 

166. 
Siebmann, Otto II. 146—150. 
ßinn^e.ö. 10. 40—41 n. 89. 112. 
ßofee,©. IL 28. 34. 154—156.168. 
S^ctt 8. n. 17. 118. 
mada\), 3. ©. 166. 
a^aßCt, Ä. IL 126. 
^aivxon, ©alonton 46. 
«Wainlänbcr, «pi^. H. 170. 
ai'laiftrc, 3of. b. IL 125—126. 
50lart]^ui3 IL 88. 
a^lanfct ©cnr^ IL 98—99. 
SÄarj, (Sari H. 183—184. 
«Werde 11. 

3Äic^eIct n. 2—8. 5. 81. 
WliU, ^amt» IL 98. 100—101. 
mm, 3o§n ©tuart IL 98. 100 

m 107. 109. 112. 116—116. 
a^olefc^ott, 3öc. II. 8—9. 18. 

16—17. 21—22. 28. 86. 
aJHitter, gri^ 11. 51—63. 65. 
S^üttcr, go^annci^ IL 30. 82. 

71—72. 
SflaoiHe, ®. n. 130. 



— 192 



tlWSrtng H. 62. 

9tta>ton 84. 12&— 180. 186. 

9ae|Wc, 8fr. 12. IL 179—188. 

186. 
SloDaltö 76. 
Ocrftcb n. 14. 
Ölen, ßorcna 167. ü. 82. 46. 

49— Bl. 55. 
^oracelfud 185. 
f^aul, afeati 19. 72—78. 
^land, Ä. ^^, n. 5 24—28. 
^lato 124—126. 180. 11. 28. 
Wetb, ^oma» U, 97—98. 
meinl^olb 60. 

0leufd^le, Qtorl @)uftoD U. 14. 
m>oi, 5:5. n. 189. 
micl^lc, «I09« 11. 161. 
SRotpl^, So. §. n. 178. 182. 
SRofenfrana, Äatl 184. 
afiofcttt^al n. 76. 
9touffeau n. 128—126. 181. 
9htge, $CrnoU) 140. 
(Saittts®tmott, ©enrl be II. 134. 
ec^ctting, gr. 2B. 3. 47. 77—86. 

87—98. 96. 107. 119—120. 

124—126. 148. n. 24. 116. 

181. 186. 164. 
©c^eamin n. 189. 
(Schiller 8—9. 16. 17—18. 87 

f>^ 88. 68—62. 63—64. 66 

m 68. 72. 74—76. 87. n. 16. 

90. 131. 
®*tcöcl, gr. 74. 96. 
©d&leibctt n. 16. 28. 78. 
©c^Iciermad^cr 47. 93—97. 
©dftopcn^aucr 2. 47. 123—126. 

128—134. II. 164—166. 179. 
©c^ulse; @ottl.(Smft ($leneflbeinuiS) 

46—47. 124—126. 
@d|toonn 11. 16. 28. 
©englcr 137. 
©örnmcring 11. 
©ociateig II. 180. 
©olger, Stall SBiC^. gerb. 74. 
©penccr 14. IL 96—98. 109 

btö 116. 119. 



©pider, mhton 11. 169. 
©pittOjo 20-28. 26—26. 88. 

89. 88—89. 98. 11. 128. 
©tael, grau t). U. 131. 
©topfer n. 181. 
©teffen«; ©. 167. 
©tctner, 0lub. IL 187—188. 
©ttmer, SKoj 168—167. U, 26 

btö 27. 
©trauft, ®CU). griebr. 164 — 167. 

II. 14. 43. 46. 64. 
Xalne, ©. 11. 74. 184. 
Zaultx, 3. 186. 
^omaQ t). Slquino 11. 171. 
^to^nbox^, St. g. @. 136. 188. 
Ziüt, mcjanber 12. II. 186. 
Xrac9,®c(tuttbc.n.l27-129.131. 
Srenbelenburg II. 4. 
Sijnban, 9^0^11 IL 117. 
Ulrlci, .&. 186. 187. 
S5ir(^otD, 9lub. 11. 60—62. 116. 
SBifc^er, gr. St^. 11. 44. 
«Bogt, (£. n. 8. 16—20. 22. 24. 

28 84 98 
SBolfeft, 3. ri. 146. 149—160. 
©oUaire n. 121—123. 126. 
äBademagel äB. 11. 168. 
jffiagner, 3fttc^arb IL 180. 
SBagner, SRubolf U, 18—20. 27. 
SBal^le, mtcöarb II. 161—162. 

167—169. 
aßattace 81. m. TL. 186. 
2Bebcr (£. ©. IL 163. 
SBcifec, (£^r. ©crm. 136. 137. 189. 
Söcifemonn, 5lug. IL 186. 
gB^etoeU, SBltt. H. 98—100. 
SBiamotttt, Otto II. 174. 
SBinbclbanb, SBiC^. 11. 146. 
äBtnfelmann 9. 118. 
aßtnfler 22. 
SBirtl^ 137. 

Söolf, ®^r. 21—22. 24—26. 
SBolff, (Sofp. griebr. 142—144. 

n. 118. 
SBunbt, aö«]^. n. 162—168. 178. 
gimmermann, SRobert 11. 121. 



9)ru(C toott 81. SB. ^ai^n'S (Erben, ^Berlin uvJb ^otsbam.