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Full text of "Westdeutsche zeitschrift für geschichte und kunst"

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Westdeutsche  Zeitschrift 

für 

Geschichte  und  Kunst. 

Herausgegeben 


Prof.  F.  Hettner  Dr.  J.  Hansen 

Museums-Diret'tor  in  Trier.  Archivar   der   Stadt   KöJn. 


Jalii<saiig;  XIV. 


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TRIER. 

Verlag  der  Fr.  Lintz 'sehen  Bnchhandlung. 
1895. 


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HARVARD  COI I FGE  LIBRARY 
OCT  28  1905 

HCHCrZOuLERN  COLLECTION 
CIFT  OF  A.  C.  COOLIDGE 


K.  USTZSCHF.  I)U<in>Kl  <  »t»"*'  »'  TRIRR. 


Inhalt  der  Vierteljahrshefte. 

Abteilung  I. 

Domaszewski,  A.  v.,   Die  Religion  des  roinisi-hcn   Heeres.    (Hierzu 

Taf.  1—5) 1 

Gothein,  £.,  Zur  Geschichte  der  Rheinschitft'ahrt 281 


II. 

a)  Altertum. 

Jacobi,  L.,  Grenzmarkierungen  am  Limes.  Ergebnisse  der  im  Jahre  18\)4 

im  Taunus  erfolgten  Untersuchungen.     (Taf.  7 — 13) 147 

Thomas,  Chr.  L.,   Die  Ringmauern  auf  dem  Goldgruben-  und  Dalbes- 

berge  in  der  hohen  Mark  im  Taunus.    Hierzu  Taf.  (>) 125 

b)  Mittelalter  und  Neuzeit. 

Ausfeld,  £.,   Der  Königszug   von   Mainz   nach   Coblenz   am    17.  und 

18.  März  842 348 

Detmer,  H.,  Zur  Geschichte  der  Münsterschcn  Dombibliothek    .     .     .  21)8 
Hansen,  J.,    Römische  Nuntiaturberichte   als  Quellen   zur  Geschichte 

des  Kölnischen  Krieges  (1576—1584) 195 

Heinemann,  0.  V.,  Ein  Zeitgenössisches  Gedicht  auf  Franz  von  Sickingen  293 

Lau,  F.,  Beiträge  zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Köln      .     .  172,  815 

Müller,  J.,  Der  Konflikt  Kaiser  Rudolfs  H  mit  deutschen  Reichsstädten  257 

c)  Recensionen. 

Paul  Giemen,  Die  Kunstdenkmäler  der  Rheinprovinz.  Zweiter  Band 
1.  H.  III.  Dritter  Band  I.  II.  Angezeigt  von  Professor  Dr.  P. 
Lehfeldt 805,  854 

Abteilung  II. 

Museographie  über  das  Jahr  1894: 

Lehner,   H.,    Schweiz,    Westdeutschland    und    Holland.     (Hierzu 

Taf.  14—22) 364 

Schuermans,  H.,  Döcouvertes  d'antiqidtcs  en  Belgiiiuc  ....    412 

Abbildungen. 

Taf.  1—5  zu  V.  Domaszewski :  Die  Religion  des  römischen  Heeres  S.  1  ff. 
Taf.  6  zu  Thomas:  Ringmauern  etc.  im  Taunus  S.  125  ff. 
Taf.  7—13  zu  Jacobi:  Grenzmarkierungen  am  Limes  S.  147  ff. 
Taf.  14—21  zur  Museographie  von  Mainz  *)  S.  379  ff. 
Taf.  22  zur  Museographie  von  Trier  S.  397  ff. 

Clich^s. 

Aedicula  des  Adlers  S.  11.  Altar  der  dii  nülitares  etc.  S.  19.  Altar 
der  Nymphen  S.  157.  Altar  der  Virtus  S.  41.  Azizosstatue  S.  65. 
Eponarelief  Saarbrücken  S.  897.  Herculcsstatue  S.  49.  Koi)f  einer 
röm.  Statue  in  Birkenfeld  S.  395.  Monimosstatue  S.  65.  Münzen  S.  34, 
74,  114.  Relief  mit  Signum  S.  4.  Ringwälle  im  Taunus  S.  127.  Sechs- 
götterstein in  Birkenfeld  S.  895,  396. 


*)  Durch  ein  bedanerliches  Miss  Verständnis  des  Steindruckers  ist  die  Beseidmunif 
aMnieum  Mains"  anf  den  Tafeln  14—21  ausgefallen. 


Inhalt  des  Korrespondenzblattes. 

(Die  Citate  gehen  auf  die  Nummern  des  Korrespondenzblattes.    Die  mit  *  ver- 
sehenen Nummern  beziehen  sich  auf  das  Limcsblatt.) 


Wissenschaftliche  Misceiianea. 

Borch,  L.  V.,  Freie  Eigenleute  der 
Grundherrschaft  55. 

—  Ergänzung  und  Berichtigung  zu 
1894  Nr.  10  und  11  104. 

Keussen,  Eine  Kölner  Steinurkunde 
aus  dem  12.  Jhdt.  103. 

Koehl,  Eine  neue  Deutung  der  sog. 
Jupiter-Gigantensäulen  53. 

Körber,  Mainzer  römische  Inschrif- 
ten 44. 

Lau,  F.,  Die  erzbischötlichen  Beamten 
in  der  Stadt  Köln  während  des  12. 
Jahrhunderts  11.  54. 

—  Ein  Verzeichnis  der  Kölner  llicher- 
zeche  (9.  Aug.  1389—9.  Aug.  1391) 
zugleich  ein  Beitrag  zur  Ergänzung 
des  „Neuen  Buches"  117. 

Lehn  er,  H.,  Zu  dem  neuen  Monnus- 
mosaik  in  Trier  102. 

Maue,  H.  C,  Nochmals  die  hasti- 
feri  64, 

Riese,  A.,  Zur  Provinzialgeschichte 
des  römischen  Germaniens  65. 

Schumacher,  K.,  Gewandnadeln  mit 
Fabrikmarke  6. 

W.,  Aufschwörung  des  Herzogs  Franz 
von  Braunschweig -Giffliorn  (1508 
— 1546)  für  das  Kölner  Domka- 
pitel 16. 

Praehistorische  AltertOmer. 

Grabhügel  der  Früh-La  Tenezeit  bei 
Götzingen  105*,  der  jüngeren  Bron- 
zezeit bei  Osterburken  105*,  in  der 
Pfalz  109. 

Höhle  „Heidenofen"  bei  Niederbrom- 
bach 8. 

Neolithische  Steingeräte  Pfalz  75. 

Wall  und  Scherben  bei  Irnsing  114*, 
123*. 

RVmlsche  AltertOmer. 

Bauten, 
Absteinung    an    der  inneren   Linie 

in  Baden  122*,  bei  Fiegenstall  107*. 
Anbauten  am  Kastell  in   Cannstatt 

112*. 
Badeanlage  Baldringen  17. 
Basilika  Aachen  3. 


Begleithügel  an  der  inneren  Linie 
in  Baden  122*. 

Brücke  über  den  Neckar  bei  Cann- 
statt 112*. 

Bürgerliche  Niederlassung  beim 
Kastell  Zugmantel  116*. 

canabae  (Lehmbaracken)  bei  Cann- 
statt 112*. 

Cisternc  Baldringen  17. 

Durchfalirt  am  Limes  bei  Gundels- 
halm  106*. 

Einbau  im  Kastell  Cannstatt  112*. 

Erdwohnungen  im  Kastell  Zugman- 
tel 116* 

Gebäude  der  30.  Legion  Köln  41. 

Gehöft  bei  Marienhof  bei  Büdesheim 
108*. 

Grabe hen  in  Baden  105*,  an  der 
Mümlinglinie  105*,  am  Schambach - 
thal  114*,  unter  der  via  principalis 
des  Kastells   bei  Hesselbach    120*. 

Grenzsträsslein  am  Limes  Müm- 
linglinie 105*. 

Kanal  Köln  2. 

Kastelle:  Arzbach-Augst  115*,  Bök- 
kingen  110*,  Burgstall  bei  Gunzen- 
hauson  (Zwischenk.)  106*,  Cannstatt 
112*,  Ilainhaus  bei  Würzberg  121*, 
Hesselbach  120* ,  Langendiebaih 
(Zwischenk.)  104*,  Okarben  lOi)*, 
Osterburken  105*,  Rinschheim  (Zwi- 
schenk.) 105*,  Theflenhofen  113*, 
Zugmantel  116*. 

Keller  Baldringen  17. 

Kolonnenweg  Neckarburken- 
Schlossau  122*. 

Limes  äussere  Linie  Baden  105*, 
Ellingen-Kaldorf  107*,  Grauer  Berg- 
Kemcl  116*,  Neckar  -  Mümlinglinie 
105*,  Rinschheim  -  Hönehaus  105*, 
Schambachthal-Donau  114*. 

Mithraeum  Saarburg  i.  L.  108. 

Mosaikböden:  in  Münster  b.  B.  78, 
in  Trier  68,  102. 

Pfahl,  mit  Steinen  verkeilt,  im  Felch- 
bachthal  107*. 

Pfahlreihe  am  Limes  Ellingen-Kal- 
dorf 107*,  am  Limes  im  Odenwald 
118*. 

Pfeiler  im  Limes  Ellingen-Kaldorf 
107*. 


Porta  decumana  am  Kastell  Theilen- 

hofen  113*. 
Quadratischer  Bau   in  Aachen  3. 
Schanze  bei  Irnsing  a.  1).  123*. 
Strasse  hinter  dem  Limes  bei  Gun- 

zcnhauscn  106*,  Pforzheim-Solitude 

111*. 
Tempel    des    Juppiter    Dolichenus 

Köln  41. 
T  11  r  m  e :  am  Limes  Ellingen-Kaldorf 

107*,  bei  Gundetshalm  106*,  an  der 

Miimtinglinie  lOö*. 
Vcrpfühlung  an  der  Odenwaldlinic 

118*. 
Vcrsteinung  in  Baden  105*. 
Villen:   bei  Baldringen  17,  im  Son- 

ilorteich  bei  Tiefenbach  105*,  beim 

Stockbronnerhof  bei  Xeckarburken 

UXo*. 
W  a  c  h  1 1  ü  r  m  e  nördlich  von  Neckar- 
burken lüö*. 
W  eg  bei  Winnenberg  110. 
Wohngebäude  zw.  Bachenau  und 

Obcr-Griesheim  105*. 

.  Skulptur-  und  Architekt urreste. 

(irabsteine:  Gastmahlscenen  Mainz 
44,  Köln  41. 

Götterfiguren:  Epona  (oder  rei- 
tende Matrone)  Cannstatt  112*.  Gi- 
gantenreiter Schierstein  53.  Mer- 
currelief  Grosskrotzenburg  117*. 
Mithrasrelief  Saarburg  i.  L.  108. 
Nantosuelta  Saarburg  i.  L.  108.  Sol, 
Kolossalbüste,  Saarburg  i.  L.  108. 
Sucellus  Saarburg  i.  L.  108. 

Vorschiedenes:  Composita-Kapitell 
Mainz  40.  Gewandtigur,  sitzend, 
Cannstadt  102*.  Mauerdeckel  von 
llainhaus  b.  Wi'irzberg  121*.  Säule 
Speicher  46.  Skulpturreste  aus  der 
Pfalz  66.  Zinncndeckel  Böckingen 
110*. 

Inschriften. 

A u f s eil r i f t e n :  auf  Brenneisen  Ba- 
den 105*,  auf  Gewandnadeln  6,  Zug- 
mantel 116*.  Graffiti  Mainz  40,  Zug- 
mantel 116*,  auf  Krug  Trier  9,  auf 
Mosaik  Trier  68,  102,  auf  Terra- 
cotta  Baden  105*.  Töpferstempel 
Baden  105*,  Mainz  40,  Zugmantel 
1 16*,  auf  Ziegeln  Langendiebach  104*, 
Okarben  lOi)*,  Zugmantel  116*.  Zie- 
gelstempel  Grosskrotzenburg   117*. 

Baninschriften:  Bonn  80,  Mainz 
40,  44. 

Grabinschriften  von  Civilper- 
sonen:  Bonn  80,  Mainz  40,  Spei 
eher  46,  Trier  69. 


Grabinschriften  von  Militär- 
personen: Mainz  40,  77,  Köln  41. 

Votivinschriften:  an  die  Aufaniae 
und  Tutela  loci  Mainz  40,  an  Jup- 
piter Grosskrotzenburg  117*,  Köln 
(Dolichenus)  41,  an  Matronen  Bonn 
80,  Köln  1,  an  Mercur  Grosskrotzen- 
burg 117*,  an  Mithras  Saarburg  i.  L. 
108,  an  Nantosuelta  Saarburg  i.  L. 
108,  an  die  Nymphen  Mainz  40,  an 
Sucellus  und  Nantosuelta  Saarbura: 
i.  L.  108,  an  die  Tutela  loci  Mainz  40. 

Inschriftfrasmente:  Grosskrotzen- 
burg 117*,  Höhebuckel  119*. 


Ccnturiac:  Claudi Secundi Mainz 77 
L.  Flavi  Pudentis  Mainz  44.  C.  Poni 
Yalentis  Mainz  44.  M.  Sili  Januari 
Mainz  44. 

Cohortes:  IUI  Vindelicorum  Gross- 
krotzenburg 117*. 

Legiones:  I  adiut.  Mainz  44,  VllI 
Okarben  109*,  X  g.  p.  f.  Köln  41, 
XIV  Okarben  109*,  XXI  Okarben 
109*,  XXII  pr.  p.  f.  Langendiebacli 
104*,  Mainz  40,  77,  Okarben  m)*, 
Zugmäntel  116*,  XXX  v.  v.  p.  f. 
Köln  41.  Transrhenana  Aachen  3. 
UJpia  Victrix  Aachen  3. 

Numeri:   Catthar.  Zugmantel   116*. 

Notubilia  varia. 
xVndangus  40.  Astigi  41.  Aufaniae  40. 
Bemalung  eines  Reliefs  117*,  bene- 
ficiarius  consularis  40.  Catthar.  116*. 
Gamuxpcrus  40.  hastiferi  41,  64. 
Modestiniana  69.  Nantosuelta  108. 
Niedergermanische  Statthalter  41. 
Pa])ina  (tribus  von  Astigi)  41.  Su- 
cellus 108.  Trever  69.  Tutela  loci 
40.    üdravarinehae  1. 

liömische  Gräber. 
Begräbnisstätte  bei  Winnenberg  110. 
Gräber  bei  Cannstatt  112*.  Kisten- 
gräber bei  Baldringen  17,  bei  Win- 
nenberg 110.  Sarkophag  aus  Klein- 
Winternheim  44.  Urnengrab  Gusen- 
burg  67. 

liömische  Kleimiltertü  mer. 

Glas:  Fensterglas  Baldringen  17, 
Glasreste  Zugmantel  116*. 

Holz:  Pfähle  Limes  Ellingen-Kaldorf 
107*,  im  Odenwald  118*. 

Metall,  Bronze:  Beschlag  Gunzen- 
hausen  106*,  Zugmantel  116*.  Ge- 
wandnadeln 6,  Gusenburg  67,  Limes 
Ellingen  -  Kaidorf  107*,  Zugmantel 
116*.  Griffe  Zugmantel  116*.  Pferd- 


eben  Okarben  109*.  Schale  Bald- 
ringen 17.  Täfelchen  mit  Inschrift 
Grosskrotzenburg  117*. 

Eisen:  Beschläge  Zugmantel  116*. 
Brenneisen  Rinschheim  105*.  Dop- 
haken Zugmantel  116*.  Haken  Gun- 
zcnliausen  106*.  Handwerkszeug  Zug- 
mantel 116*.  Lanzenspitzen  Bald- 
ringen 17,  Zugmantel  116*.  Nägel 
Zugmantel  116*.  Rasiermesser  Zug- 
mantel 116*. 

Silber:   Hirschbein  Zugmantel  116*. 

Weissmetall:  Gewandnadel  mit  In- 
schrift Zugmantel  116*. 

Terracotta:  Figur  mit  Fabrikanten- 
inschrift Baden  105*. 

T  hon:  Amphorenbruchstücke  Cann- 
statt  112*,  Zugmantel  116*.  Becher 
Cannstatt  112*.  Gefältelte  schwarze 
Gefässe  Zugmantel  116*.  Grabgefässe 
Baldringen  17,  Gusenburg  67,  Win- 
nenberg  HO.  Krug  mit  Aufschrift 
Trier  9.  Krug  Zugmantel  116*. 
Reiter  aus  Pfeifenthon  Zugmantel 
116*.  Schwarze  und  graue  Gefasse 
Okarben  109*.  Sigillata  Cannstatt 
112*,  Okarben  109*,  Zugmagtel  116*. 

Fränkische  Altertümer. 
Gräber  in  Frankfurt  a.  M.  45. 

MOnzen. 

Bronzemünzen  des  3.  und  4.  Jahrh. 
Pfalz  6(>,  Saarburg  i.  L.  108.  Miinz- 
funde  Baldringen  17,  111,  Köln  79. 
(lodius  Albinus  Zugmantel  116*. 
Divus  Augustus  Okarben  109*.  Con- 
stantinus  Köln  79.  Constantinus  jun. 
Köln  79.  Constantius  H  Baldringen 
17,  111,  Köln  79.  Crispus  Köln  79. 
Decentius  Baldringen  17, 111.  Fausta 
Köln  79.  Faustina  Zugmantel  116*. 
Geta  Zugmantel  116*.  Helena  Köln 
79.  Licinius  Köln  79.  Licinius  iun. 
Köln  79.  Magnentius  Baldringen  17, 
Hl.  Maxentius  Köln  79.  Nero  bis 
Traian  Okarben  109*.  Septimius 
Severus  Zugmantel  116*.  Severus 
Alexander  Okarben  109*,  Traianus 
Zugmantel  116*.  Urbs  Constanti- 
nopolis  Köln  79.  Urbs  Roma  Köln  79. 

Fundorte. 

Aachen  3.  Arzbach-Augst  115*.  Ba- 
den 105*,  122*.  Baldringen  17,  Hl. 
Böckingen  HO*.  Cannstatt  112*. 
Drachenfels  bei  Dürkheim  75.  El- 
lingen 107*.  Frankfurt  a.  M.  45. 
Grosskrotzenburg  117*.  Gunzen- 
hausen  106*.    Gusenburg  67.    Hain- 


haus  bei  Würzberg  121*.  Heidenburg 
bei  Kreimbach  66.  Irnsing  a.  D. 
114*,  123*.  Kaidorf  107*.  Kernel 
116*.  Köln  1,  2,  41,  79,  103. 
Langendiebach  104*.  Lindeiskopf 
(Pfalz)  76,  Mainz  40,  44,  47.  Ma- 
rienhof (bei  Büdesheim)  108*.  Mittel- 
franken 107*.  Münster  (bei  Bingen) 
78.  Niederbrombach  8.  Obermoschel 
(Pfalz)  109.  Odenwald  118*,  119*, 
120*.  Pfalz  m).  Pforzheim  111*. 
Saarburg  i.  L.  108.  Speicher  46. 
Thcücnhofen  113*.  Trier  9,  68,  69, 
102.    Winnenberg  (Birkenfcld)  HO. 

Litteratur. 

AltmannW.  u.  E.  Bernheim,  Aus- 
gewählte Urkunden  zur  Erläuterung 
der  Verfassungsgeschichte  Deutsch- 
lands im  Mittelalter  61. 

Andreac,  E.  C.  A.,  Geschichte  der 
Jagd  im  Taunus  12. 

Becker,  J. ,  Die  Land vögte  des  Elsass 
und  ihre  Wirksamkeit  innerlialb 
eines  Jahrh.  (von  1308—1408)   20. 

Beiträge  zur  Geschichte  vornehmlich 
Kölns  und  der  Rheinlande  48. 

Below,  G.  V.,  Landtagsakten  von 
Jülich-Berg  1400—1610    57. 

Bernheim.  E.,  s.  Altmann. 

Bianchetti,  E.,  I  sepolcreti  di  Or- 
navasso  70. 

Bijdragen  en  Mededeelingen  van 
het  historisch  genootschap  te  Ut- 
recht 16.  Bd.  85. 

Böhmer,  H.,  Willigis  von  Mainz  50. 

Bonnardot,  F.,  s.  Wolfram. 

Bonner  Jahrbücher  96.  und  97. 
Heft    80. 

Brüll,  W.,  Chronik  der  Stadt  Düren  97. 

Clemen,  P.,  Die  Kunstdenkmäler  der 
Städte  Barmen,  Elberfeld  etc.   29. 

Cumont,  F.,  Textes  et  monumcnts 
tiffurds  relatifs  aux  mysteres  de 
Mithra  15. 

Decker,  A.,  Die  Hildeboldsche  Ma- 
nuskriptensammlung des  Kölner 
Doms  95. 

De  J enge,  W.  F.,  De Mercurius Gallo- 
Belgicus  (1592—1625)    62. 

Dopsch,  A.,  s.  Frhr.  von  Schwind. 

Ehren berg,  Hamburg  und  England 
im  Zeitalter  der  Königin  Elisa- 
beth 114. 

Finot,  S.,  Inventaire  sommaire  des 
archives  dt^partementales,  departe- 
ment  du  Nord  8.  Bd.  86. 

Franz,  Ostfriesland  und  die  Nieder- 
lande zur  Zeit  der  Regentschaft 
Albas  (1568—1573)    113. 


Fundbe richte  aus  Schwaben  Jahr- 
gang II    42. 
Gothein,  E.,  Bilder  aus  der  Kultur- 
geschichte   der   Pfalz    nach    dem 
dreissigjährigeQ  Kriege  11. 

—  Ignatius  von  Loyola  und  die  Gegen- 
reformation 101. 

Heyd,  W.,  Bibliographie  der  Würt- 
tembergischen Geschichte  22. 

H  0  e  n  i  g  e  r ,  Kölner  Schreinsurkun- 
den 28. 

Jansen,  M.,  Die  Hersogsgewalt  der 
Erzbischöfe  von  Köln  in  Westfa- 
len 88. 

Kaufmann,  Die  Entstehung  der  Stadt 
Mühlhausen  und  ihre  Entwickelung 
zur  Reichsstadt  2L 

Keutgen,  F.,  Untersuchungen  über 
den  Ursprung  der  deutschen  Stadt- 
verüassnng  49. 

Kisa,  A.,  Die  Extemsteine  31. 

Knipschaar,  K.,  Kurfürst  Philipp 
Christoph  von  Trier  und  seine  Be- 
ziehungen zu  Frankreich  58. 

Köhler  S.  und  E.  Liesegang,  Über 
Entausserung  u.  zukünftigen  Uechts- 
erwerb  51. 

Kondakow,N.,  Geschichte  und  Denk- 
mäler des  byzantischen  Zellen- 
Emails  4. 

Krämer,  F.  L.,  Lettres  de  Pierre  de 
Grot  60. 

Küch,  F.,  Düsseldorfer  Schöffensie- 
gcl  59. 

Küntzel,  G.,  Über  die  Verwaltung 
des  Mass-  und  Gewichtswesens  in 
Deutschland  während  des  Mittel- 
alters 32. 

L  c  h n  e r ,  H.,  Vorgeschichtliche  Grab- 
hügel in  der  Eifel  und  im  Hoch- 
wald 26. 

Levy,  L.  und  H.  Luckenbach,  Das 
forum  Romanum  der  Kaiserzeit  81. 

Liesegang,  E.,  s.  Kohler. 

Lindenschmit,  L.,  Die  Altertümer 
unserer  heidnischen  Vorzeit  24. 

Luckenbach,  H.,  s.  Levy. 

Ludwig,  Th.,  Die  Konstanzer  Ge- 
schichtsschreibung bis  zum  18.  Jahr» 
hundert  19. 

Maag,  R.,  Das  Habsburgische  Urbar  18. 

Maassen,  G.  H.  Gh.,  Geschichte  der 
Pfarreien  des  Dekanats  Bonn  13. 

Mallinckrodt,G.,  Dortmunder  Rats- 
linie seit  dem  Jahre  1500    99. 

M  e  h  1  i  s ,  C. ,  Der  Drachenfels  bei  Dürk- 
heim  a.  d.  H.  93. 

Moldenhaucr,  Fr.,  Geschichte  des 
höheren  Schulwesens  der  Rhein- 
provinz unter  preuss.  Regienmg  96. 


Muller,  S.,  llechtsboek  van  den  l>om 
van  Utrecht  89. 

Norrenberg,  P.,  Die  hl.  Irmgardis 
von  Süchteln  27. 

Oorkondcnboek  van  Groningen  en 
en  Drenthe  52. 

Pirenne,  H.,  L'origine  des  constitu- 
tiones  urbaines  au  moyen-äge  100. 

Redlich,  O.,  Eine  Wiener  Briefsamm- 
lung 5. 

R  e  h  m  e , .  Das  Lübecker  Ober  -  Stadt- 
buch 115. 

Ritter,  F.,  Katalog  der  Stadtbiblio- 
thek in  Köln  14. 

Schäfer,  D.,  Württembergische  Ge- 
schichtsquellen 23. 

Schäfer,  K.,  Die  älteste  Bauperiode 
des  Münsters  zu  Freiburg  i.  B.  71. 

Scheins,  M.,  Urkundliche  Beiträge 
zur  Geschichte  der  Stadt  Münster- 
eifel  und  ihrer  Umgebung  1.  Bd. 
2.  Hälfte   90. 

Schroeder,R.,  Fränkische  Rechte 87. 

Schult  eis,  K.,  GeFchichtlicher  Atlas 
der  Rheinprovinz  57. 

Schwind,  Frhr.  v.  und  A.  Dopsch, 
Ausgewählte  Urkunden  zur  Ver- 
fassungsgeschichte der  deutsch- 
österreichischen Erblande  im  Mit- 
telalter 94. 

Stein,  W.,  Akten  zur  Geschichte  der 
Verfassung  und  Verwaltung  der 
Stadt  Köln  im  14.  u.  15.  Jahrh.  57. 

Stüve,  C,  Iburger  Klosterannalen  98. 

Vog  t,G.,Bischof  Bertram  vonMetz  116. 

Weiland,  L.,  Fragment  einer  nieder- 
rheinischen Papst-  und  Kaiserchro- 
nik aus  dem  Anfang  des  14.  Jahr- 
hunderts   30. 

Westdeutsche  Zeitschrift  XIV. 
Bd.    112. 

Wintterlin,  A.,  Württembergische 
Künstler  in  Lebensbildern  10. 

Wolfram,  G.  und  F.  Bonnardot, 
Les  voeux  de  l'epervier  84. 

Württembergisches  Urkunden- 
buch  6.  Bd.    43. 

Mittelalterliche  und  spätere  Gegenetlnde. 

Bauten  in  Aachen  3.  Byzantinischer 
Zellenschmelz  4.  Flügelgemälde  der 
westfälischen  Schule  im  Dom  zu 
Köln  47.  Gefäss  (Karolingisch)  Cann- 
statt  112*,  Lindeiskopf  in  der  Pfalz 
76.  Pfalz  (Karolingische)  in  Nym- 
wcgen  34.  Steinurkunde  aus  dem 
12.  Jahrhundert  in  Köln  103.  Ver- 
zeichnis der  Kölner  Richerzeche  117. 


Varia. 

Grundsätze,  welche  bei  der  Herausgabe 
von  Aktenstücken  zur  neueren  (be- 
schichte zu  befolgen  sind  8;^. 

Gelehrte  Gesellschaften  und  Vereine. 

Badische  historische  Kommission  7. 
Historische  Kommission  bei  der  kgl. 
bayrischen  Akademie  der  Wissen- 
schaften 72.  Frankfurter  Historiker- 
tag 83.  Gesamtverein  der  deutschen 
Geschichts-  und  Altertums  vereine 
82.  Konferenzen  von  Vertretern 
landesgeschichtlicher  Publikationsin- 
stitute 56.  Monumenta  Germaniae 
historica  63.  Gesellschaft  für  rhei- 
nische Geschichtskunde  35,  57.         ' 

Berichterstatter  und  Mitarbeiter. 

Anthes  118*,  119*.  Back  8,  110. 
Borch,  V.  55,  104.  Braun  71.  Eidam  , 
106*,  113*.  Eilers  36.  Fink  114*.  I 
II.  13.  Hettner  15,  46.  Jacobi  116*. 
Kapif  112*.  Kelleter  3.  18,  31,  59, 
89.  Keuffer  10.  Keussen  33,  51, 
103.  Kg.  88.  Kisa  1,  2,  41.  Kn. 
27,  29.  Knipping  5,  14,  30,  32, 50, 52. 
Kochl  53.  Kurber  40,  44,  77.  Kof- 
Icr  108*,  120*,  121*.  Kohl  107*. 
Lachenmaier  111*.  Lau  54,  62.  1(X), 
117.  Lehncr  9,  17,  24.  26,  67,  (J8, 
69,  80,  81,  93,  102.  111.     Mau/'  64. 


Mehlis  ?5,  Iß,  109.  Mettler  110*. 
n.  58,  97,  98,  99,  113,  114,  115,  116. 
P.  34.  Riese  45.  65.  Schumacher 
6,  70,  105*,  122*.  Soldan  118*. 
Stedtfeld  79.  W.  12,  46,  25.  Weber 
4.  Wendling  108.  Winkelmann  43. 
Wolff  104*,  109*,  117*.  Zange- 
meister 123*. 

Vereinsnachrichten 

uuter  Redaktion  der  Vereinavorstände. 

Birken  fehl  36,  91.  Vorträge  von  Back 
und  Rädern  ach  er  36.  General- 
versammlung 91.  Back:  Vcrcins- 
bericht  91,  Altburg  91.  Werner: 
Idarer  Kirche  91. 

Franlfiirt  a.  M.  37,  105,  106,  v.  Na- 
thusius-Neinstedt:  Über  Ver- 
sammlung in  Konstanz  105.  Jung 
und  Wolff:  Nikolaikirche  106. 

Prüm  38,  92,  107.  Vorträge  von 
As b ach,  Hertkens,  Rader- 
macher, Sehr  ad  er  ;58.  Gene- 
ralversammlung 92.  A  s  b  a  c  h : 
Münzen  92,  hortulus  animae  107. 
Dons b ach:  Römische  Altertümer 
zu  Breitfeld  107.  H  e  b  1  e  r :  Kloster 
Himmerode  92.  Radermacher: 
Ortsnamen  92. 

Trier  73,  74,  118.  Hauptversammlung 
118.  L  c  h  n  e  r :  Museimisbericht  1 1 H. 
Müller:  Mithracum  von  Schwarz- 
erden IIS. 


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Westd.  Zeitschrift  XIV,  Taf.  lll 


Fig.  1 


Fig.  4 


Westd  Zeitschrift  XIV,  Taf.  Uli. 


Westd.  Zeitschrift  XI V,  Taf.  V. 


Fig.  3 


Fig.  5 


Fig. 

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Die  Religion  des  römischen  Heeres. 

Von  Professor  A.  Ton  Domaszewski  in  Heidelberg. 


Die  Spuren  der  Überlieferung,  welche  auf  eine  be>sondere  Gestalt 
4ler  Religion  im  Heere  hinweisen,  sind  äusserst  schwach  und  an  sich 
in  ihrer  Vereinzelung  kaum  verständlich.  Nur  die  festen  Formen, 
welche  diese  Religion  in  den  Culten  der  Lager  geschaffen,  belehren  mit 
Sicherheit  über  das  Dasein  einer  eigenartigen  Entwickelung.  Auch  diese 
Bedeutung  der  Lagerculte  ist  nirgends  unmittelbar  gegeben.  Erst  aus 
den  Beziehungen,  welche  zwischen  gewissen  Culten  und  den  Institutionen 
des  Heeres  bestehen,  erschliesst  sich  das  Eigentümliche  der  Religion 
des  Heeres.  Selbst  die  Organisation  des  Heeres  ist  in  ein  tieferes 
Dunkel  gehüllt,  als  man  gewöhnlich  anzunehmen  beliebt,  so  dass  die 
Untei-suchung  oftmals  Einzelheiten  der  Organisation  feststellen  musste, 
um  die  Grundlage  zu  gewinnen  für  die  Frage  nach  der  Religion 
4es  Heeres. 

Die  grenzenlose  Zertrümmerung  der  Überlieferung  hat  den  syste- 
matischen Aufbau  ungemein  erschwert  und  nur  das  Ineinandergreifen 
der  verschiedenartigsten  Formen  der  Überlieferung,  Inschriften,  Bild- 
werke, Münzen,  wie  auch  der  Grundrisse  der  Lagerbauten  Hess  mich 
endlich  hoffen,  die  immer  und  überall  zerrissene  Kette  in  der  Ent- 
wickelung  der   religiösen  Gedanken   richtig  zusammengefügt  zu  haben. 

I.  Die  dii  militares  und  das  Fahnenheiligtum. 

Den  Götten^erein  der  dii  militares  nennen  drei  Inschriften,  ohne 
dass  es  unmittelbar  erkennbar  wäre,  welche  Gottheiten  mit  diesem  Namen 
umfasst  wurden. 

Wattd.  ZeitMhr.  t,  Gesoh.  u,  Kumt.'   XIY,   I.  1 


2  V.  Domaszewski 

1  BS  CIL.  III  3472  --  Aquincum  —  Dia  müüaribus  et  Oenio  loci  pro  salute 
ä  teäitu  impieratoris)  Caes{ari8)  M.  Äur(^ü)  Antonini  Fit  invicti  AiigiusU) 
Clod{iu8)  Marcdlinus  [l{aU)]c(laviu8)  *)  tribiunus)  mä(üum)  leg{ioms)  II 
a{diutricis)  p{iae)  fiiddis)  Änt(ommanae)  tran8lai{us)  ex  leg(ione)  X  fr{e' 
Unsi)  AnUpniniana)  numini  eius  semper  dewtissmus.  a  212—222. 

2  =  CIL.  m  3473  —  Aquincum  —  [Z>i>  mäiiaribus  [8]alutaribu8  [Hat]eriu8 
S<Uum[%nu]8  leg(atu8)  Aug(u8torum)  [pr{o)]  pr{aetore)  cum  ....  cOroniano 
[/]i7(ib)  trib(uno)  mü(üum)  ^).  —  Vgl.  auch  Inschrift  14. 

Diese  Inschriften  sind  jungen  Ursprungs  und  stammen  aus  einer 
Zeit,  wo  die  Schutzgötter  des  Heei-es  in  Gegensatz  treten  zu  Göttern 
aller  Art,  die  allmählich  ins  Lager  eingedrungen  waren.  Gleich  unbe^ 
stimmt  ist  die  Bezeichnung  bellorum  dei  des  Tacitus. 

Er  sagt  hist.  3,  10  in  der  Schilderung  der  Revolte,  welche  im 
Lager  zu  Verona  ausbrach,  dass  Antonius  Primus  den  Statthalter 
von  Pannonien  Tampius  Flavianus  in  Ketten  werfen  liess:  sensit  ludi- 
brium  miles^  disiectisque,  qui  tribunal  tuebantur,  extrema  vis  parabatur, 
Antonius  schützt  den  Bedrohten  mit  seinem  Leibe.  Max  conversus  ad 
si^na  et  bellorum  deos,  hostium  potius  exercüibus  illum  furorem,  illain 
discordiam  inicerent  orahat  Die  Götter,  die  nach  den  signa  genannt 
werden,  standen  demnach,  wie  diese,  an  der  via  principalis  und  waren 
vom  Tribunal  aus  sichtbar.  Konnte  das  Heer  auf  dem  Marsche  die 
Götter  mit  sich  führen,  so  waren  ihre  Bildnisse  kleine  tragbare  Figuren. 
Dies  bestätigt  die  zweite  Erwähnung  bei  Tacitus. 

Ann.  15,  29:  Er  erzählt  die  Unterwerfung  des  Tiridates:  dein 
paucis  diebus  interiedis  magna  utrimque  specie  inde  eques  cofnposüus  per^ 
turmas  et  insignibics patriiSf  hinc  agmina  legionum  stetere  fulgentibus  aquilis 
signisque  et  simulacris  deum  in  modum  tempU:  medio  tribunal  sedem 
curulem  et  sedes  effigiem  Neronis  sustinebat^).  Wo  die  Scene  spielt, 
sagt  Tacitus  nicht;  aber  die  ganze  Erzählung  fordert  eine  freie  Ebene, 
in  welcher  beide  Heere  ihre  ganie  Streitmacht  zur  Schau  stellen  konnten. 
Wie  wir  uns  die  Anordnung  der  Heiligtümer  zu  denken  haben,  zeigen 
andere  Unterwerfungsakte  in  Gegenwart  der  Kaiser  selbst. 


^)  Der  Mann  ist  sicher  tribunus  laticlavius  gewesen.  Vgl.  Das  Recht 
der  Heeresreligion.    Die  translatio  eines  tribunus  auch  CIL.  III,  8162. 

2)  Mommsen  zur  Inschrift  und  Dessau  CIL.  XIV  p.  482  halten  den 
Statthalter  für  identisch  mit  Ti.  Aterius  Saturninus  der  Inschrift  CIL.  XIV 
246  aus  dem  Jahre  140.  Der  Begriff  der  dii  militares  ist  erst  im  3.  Jahr- 
hundert entstanden,  wie  diese  Untersuchung  zeigen  wird. 

»)  In  einer  abgekürzten  Darstellung  eines  ähnlichen  Vorganges  sagt 
Tacitus  ann.  12,  17  apud  effigiem  Caesaris  prombuit. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  3 

SuetOD,  Nero  13:  dispositis  circa  fori  tempJa  armatis  cchartibus 
curuJi  residens  apud  rosira  triunvphantis  habitu,  inter  signa  militaria 
aique  vexilla. 

Yexilla  ist  richtig  hinzugesetzt.  Es  sind  die  vexilla  der  speca- 
latores  und  der  eqnites  praetoriani,  sowie  das  vexillam  der  evocati^). 
Die  Grötter  fehlen   hier  ebenso  scheinbar,    wie  in  zwei  anderen  Fällen. 

Dexippus  fr.  24  (Müller  III  S.  682).  '0  U  TcüjiaftDV  ßaadeu^ 
AöpTjXtavö^  ÖS  ^7^6*6X0  dcptyfiivTjv  t^v  Touä^uYycov  Tcpeaßefav,  iq 
T^v  uotepafav  cpfjao^  •xpri[iaxitly/  nepl  6)'^  f^xouat,  StixaTxe  xoug  oxpa- 
xcc&xai;  (5)^  ig  [tiyriy,  ixTcXT/j^ew^  elvexa  xöv  fevavxfwv.  *Enü  Sk 
xaXCb^  etxev  aöxö  i^  Siaxöaftrjat^,  StcI  ötprjXoO  ßi^ijwcxoc  H€x£tDpog 
ß^ßrjxe,  xal  4Xoüpyf5a  äjitc^x^v,  x^v  uÄaav  xagtv  iTCofet  djiq)'  aöxöv 
{iOvo£i8f].  IlapEoxT^aavxo  8fe  xaJ  xöv  Iv  xeXet  5aot  ipx^^  xtva^  Jirt- 
xexpa(A|ji£vot,  a6|i7ravxeg  dq?'  ?7t7r(i>v.  Kaxöirtv  54  ßaotX^tö^  x&  oi^jiaxa 
^Jv  xfjs  ^TccX^xxoü  oxpaxtÄ^*),  xä  8e  efatv  äexol  xp^^o^  ^«^  efxöveg 
ßaatXefoc  xal  axpaxo7c£S(ov  xaxaXoyot  Ypi|X(iaat  XP^^'O^'S  6rjXo6|i€vot. 
ä  84  au|i7tflEvxa  divaxsxa|i£va  Tcpoucpatvexo  StuI  ^^oxcov  ^pyup(ö|i£v(i)V. 
Das  Eelief  der  Traianssänle,  welches  die  Unterwerfung  Decebals  dar- 
stellt^, stimmt  damit  völlig  ttberein. 

Auf  dem  Tribunal  hat  der  Kaiser  mit  seinem  Stabe  Platz  ge- 
nommen und  hinter  ihm  stehen  die  signiferi  der  Praetorianer  ^). 

Warum  weder  die  Schriftsteller  noch  das  Relief  der  Götterbilder 
gedenken,  erklären  das  umstehend  und  die  beiden  auf  Taf.  III  Fig.  2 
und  Taf.  II  Fig.   la  und  b  abgebildeten  Reliefs*). 


^)  Die  Fahnen  S.  76  und  schola  speculatorum. 

')  'EnilixTog  arffcctid  sind  die  Praetorianercohorten,  deren  signa  durch 
den  charakteristischen  Schmuck  umschrieben  werden.  Die  Fahnen  S.  58 
Anm.  3.  Denn  damals  ergänzten  sich  die  Praetorianer  aus  der  Elite  der 
Legionen. 

•)  Fröhner  PL  102. 

^)  Der  Künstler  drückt  die  Praetorianersigna  sonst  durch  3  gleich- 
gebildete  Signa  aus  d.  h.  durch  die  Fahnen  einer  Cohorte  (Die  Fahnen 
S.  59  Anm.  1).  Nur  in  dieser  Scene  sind  6  Fahnen  dargestellt.  Durch  die 
doppelte  Zahl  wollte  der  Künstler  die  Gesamtheit  der  Praetorianersigna  an- 
deuten ;  ebenso  wie  er  durch  2  Manipelsigna  regelmässig  alle  Signa  der  Legion 
bezeichnet    Die  Fahnen  S.  40  Anm.  2. 

")  Das  im  Text  eingestellte  Glicht  stellt  dar  das  Belief  des  Museo 
Lateranense :  Benndorf  und  Schöne  Nr.  115.  Vgl.  die  Fahnen  S.  65.  —  Taf.  III 
Fig.  2  ist  der  Trajansäule  entnommen,  vgl.  Froehner  Nr.  32.  Nach  einer  Pho- 
tographie, die  ich  Cichorius  verdanke.  —  Taf.  II  Fig.  la  und  b  ist  entnom- 

1* 


V.  Domaszewski 


Die  Götter  wurden    also  an   den   Praetorianersigna   getragen  und 
ihre  Anwesenheit  bei  dem  Unterwerfungsakte  ist  selbstverständlich,  aber 
minder  wesentlich   als   die    der   Signa.     Die   drei 
Götter  sind:   Jupiter,  Mars^)  und  Victoria. 

Durch  eine  merkwürdige  Gunst  des  Zufalles 
sind  auf  diese  Weise  die  Cultbilder  aller  dii  mili- 
tares  erhalten. 

Wenn  das  Relief  Taf.  II  Fig.  la  und  b  Vic- 
toria auf  den  Manipelfahnen  der  cohore  III  prae- 
toria  zweimal  darstellt  und  der  Künstler  der 
Traianssäule  den  Mars  sogar  auf  allen  drei  Manipel- 
fahnen der  Gehörte  bildet,  so  muss  es  das  Vorrecht 
bestimmter  Gehörten  gewesen  sein,  die  Götter  zu 
führen.  Da  Victoria,  dem  Range  nach  die  dritte 
unter  den  Gottheiten  der  dii  militares  '•),  auf  dem 
Signum  der  cohors  III  getragen  wurde,  so  ist  es 
klar,  dass  die  Gehörte  der  Traianssäule  mit  dem 
Mars,  dem  zweiten  Heeresgotte,  nur  die  secunda 
sein  kann  und  der  Jupiter  der  cohors  prima  zu- 
kommt. Natürlich  ist  es  eine  Freiheit  des  Künst- 
lers, dass  das  Götterbild,  welches  nur  einmal 
existieren  kann,  zweimal  oder  dreimal  dargestellt 
wird,  ebenso  wie  es  nur  eine  künstlerische  Frei- 
heit ist,  dass  Victoria,  um  sie  auf  der  ersten 
Scene  des  Krieges,  der  siegreich  sein  sollte,  nicht 
fehlen  zu  lassen,  an  dem  vexillum  der  evocati 
befestigt  ist,  wo  die  complicierte  Figur  sich  besser 
entfaltet.  Nur  wenn  der  Kaiser  selbst  ins  Feld  zieht,  konnten  die 
Heeresgötter  an  den  Signa  der  Praetorianer  befestigt  sein.  Aber  das 
Recht  die  Götter    im  Felde   zu   führen   hängt    am  Heerescommando  ^'). 


men  dem  Relief  im  Palazzo  Albani,  Zoega  Bassiräievi  I,  16,  Die  Fahnen 
Fig.  5.  Die  Abbildung  ist  hergestellt  auf  Grund  einer  Photographie,  die  ich 
Heibig  und  Petersen  verdanke.  Fig.  la  stellt  den  oberen  Teil  des  rechten 
Signums  dar,  Ib  den  unteren  Teil  des  linken  Signums. 

^)  Die  Figur  kann  trotz  ihrer  eigentümlichen  Bildung  nur  Mars  sein, 
der  zweite  Heeresgott  der  Römer  und  der  Schutzgott  der  Praetorianer.  Des- 
halb hat  der  Künstler  gerade  ihn  gewählt  und  nicht  Jupiter.  Vgl.  Mars ;  die 
dii  peregrini  und  die  Lagertempel  der  Hauptstadt. 

10)  Vgl.  Victoria. 

")  Vgl.  S.  9. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  5 

In  der  Eaiserzeit  besass  also  dieses  Recht  jeder  Commandant  eines 
exercitus  provinciae  ^^.  Dieser  konnte  die  Götter  nur  an  den  Manipel- 
signa  einer  Legion  befestigen  lassen,  da  es  eigene  Träger  der  Götter- 
bilder, die  als  Chargen  kenntlich  sein  mössten,  nicht  giebt. 

Es  ist  nicht  die  Entfaltung  militärischen  Prunkes,  welche  den 
Feldherm  mit  dem  Stabe  und  der  Stabswache  auf  das  Tribunal  führte, 
sondern  es  ist  der  Ausdruck  eines  bestimmten  militärischen  Gedankens. 
Der  Unterwerfungsakt  vollzieht  sich  in  praetorio.  Deshalb  nennt 
Dexippns  cl  ev  teXsi,  d.  h.  nach  der  Xomenclatur  seiner  Zeit,  den 
praefectus  praetorio,  die  duces  und  die  praefecti  legionis,  sowie  die 
comites  "). 

Auf  den  Scenen  der  Traianssäule  erscheint  der  Kaiser  meist  in 
Begleitung  zweier  Männer,  die  an  ihren  porträtähnlichen  Zügen  erkenn- 
bar sind.  Der  eine  ist  zweifellos  sein  praefectus  praetorio  Tiberius 
Claudius  Livianus^^),  der  so  wenig  vom  Kaiser  zu  trennen  ist,  wie  die 
Garde  selbst,  die  ihn  stets  begleitet.  Der  zweite  ist  der  rangshöchste 
seiner  comites,  also  Licinius  Sura.  Dies  seigt  seine  Inschrift  CIL.  VI 
n.  1444:  ....  %mp(erator)  Caesar  Nerva  Traiafnus  Äiig(u$tus) 
Germanicus]  Dacicus  gentem  Dacorum  et  regem  Decebalum  hello  supe- 
ravU  süb  eodem  duce  leg(ato)  pr(o)  pr(aetore)  ab  eodem  donato  liastis 
puris  VIII  vexiUis  VIII  coranis  muralibfus)  II  vaUarib(us)  II 
classieis  II  auratis  IL  Er  war  comes,  da  für  seine  Legation  jede 
Determinierung  fehlt.  Die  Art,  wie  die  Inschrift  mitten  im  cursus 
bonorum    die   Unterwerfung  Decebals  nennt,    illustriert  das  Relief,    wo 


^>)  Ich  habe  Neue  Heidelb.  Jahrbb.  IV  S.  184  Anm.  6  darauf  aufmerk- 
sam gemacht,  dass  es  einen  exercitus  Romanus  schlechthin  nicht  giebt,  son- 
dern stets  ebensoviele  exercitus  unterschieden  werden  als  selbständige  Heeres- 
kommanden.  Das  ist  bedingt  von  dem  Begriffe  der  Magistratur,  wie  ihn 
Mommsen  festgestellt  hat.  Noch  unter  Marcus  nennen  die  Münzen  die  con- 
cordia  and  die  fides  exercituum  Cohen  IIP  n.  66.  199—202.  Erst  mit  Caracalla 
tritt  der  Begriff  des  Reichsheeres  ein,  Cohen  lY^  n.  78  fides  exercitus  und 
CIL.  VI  231.  Diese  veränderte  Stellung  des  Heeres  prägt  sich  weiter  darin 
aus,  dass  nunmehr  alle  Truppenkörper  den  Namen  des  Kaisers  führen :  Anto- 
niniana n.  s.  w.  Es  sind  nicht  mehr  die  Heere  des  Staates,  sondern  es  ist 
das  Heer  des  Kaisers :  Tetat,  c'est  moi.  Dass  die  Götter  auch  in  Abwesenheit 
des  Kaisers  ins  Feld  mitgefuhrt  werden,  sichert  Tacitus  bist.  3, 10,  oben  S.  2. 

^')  Zum  Generalstab  gehören  ausser  den  comites,  die  primipilares  und 
evocati.  Dass  diese  zusammen  den  Generalstab  bilden,  zeigt  die  Lagerord- 
nung des  sog.  Hyginus  zur  Evidenz  und  bestätigen  alle  übrigen  Zeugnisse. 
Tgl.  auch  Minerva. 

»*)  Hirschfeld,  Untersuchungen  S.  224. 


6  V.  Domaszewski 

Sura  neben  dem  Kaiser  auf  dem  Tribunal  erscheint.  Seine  Stellung 
ist  die  eines  Generalstabchefs  gewesen**),  wofür  den  Römern  ein  tech- 
nisches Wort  fehlt. 

Ganz  anders  ist  der  Unterwerfungsakt  aufgefasst  auf  einem  Relief 
des  Constantinbogens'^. 

Das  Relief  stammt  von  einem  Monumente  des  Kaisers  Marcus. 
Dies  beweist  der  kahle,  bärtige  Mann,  der  hinter  dem  Kaiser  auf  dem 
Tribunal  steht  ^').  Denn  derselbe  Mann  erscheint  als  Begleiter  des 
Kaisers  sowohl  auf  den  Reliefs  der  Marc  Aurelsäule  *®),  als  auf  dem 
bekannten  Relief  des  Conservatorenpalastes '®).  Wie  er  zu  benennen 
ist,  hat  der  gefälschte  Kaiserbrief*®),  aus  welchem  Hamack  die  echten 
Stücke  zurückgewonnen,  gelehrt.  Genannt  ist  ausser  dem  Kaiser 
nojiTcyjiavö^  6  T^iiexepo;  TcoXIjiapx©^ ;  das  ist,  wie  Hamack  bemerkt, 
des  Kaisers  Schwiegersohn,  Claudius  Pompeianus.  Obwohl  7ioX£(xapxo$ 
nur  den  Titel  dux**),  welchen  die  Feldherm  des  Marcomannenkrieges 
führen,  wiedergiebt,  so  wird  doch  Pompeianus  gleich  Sura  als  General- 
stabschef zu  fassen  sein.  Die  Enge  der  Bildfläche  hat  den  Künstler 
bestimmt,  die  Disposition  der  Scene  wesentlich  zu  ändern.  Vor  dem 
Tribunal  stehen,  dem  Kaiser  zugewandt,  die  Offiziere;  unter  ihnen  an 
hervorragender  Stelle  ein  Mann,  der  nach  Petersen  die  Züge  des  Com- 
modus  trägt.  Unmittelbar  unter  dem  Tribunal  zu  Füssen  des  Kaisers 
steht  ein  Barbarenfürst,  Commodus  zugewandt,  den  der  Kaiser  als  neuen 
Schützling  des  römischen  Volkes  zu  bezeichnen  scheint.  Hinter  den 
Offizieren  stehen  signiferi,  an  ihren  Tierfellen  kenntlich,  welche  teils 
vexilla,  teils  Götterbilder,  die  auf  Postamenten  stehen,  tragen.  Und 
zwar  sind  Götterbilder  und  Fahnen  in  zwei  Gruppen  geordnet,  die 
vor  den  zwei  Bogen  einer  Porticus  sichtbar  werden.  Diese  Porticus 
ist   die  Eingangshalle,    mit  welcher   sich   das   Praetorium   eines  Stand- 

^*)  Die  Verleihung  der  Orden  nach  der  consulariscben  Rangstufe  (Mar- 
quardt,  Staatsr.  II  S.  579),  aber  in  doppelter  Zahl  findet  sich  sonst  nie  und 
ist  vielleicht  eine  Folge  der  Ausnahmsstellung  Suras,  obwohl  man  sie  auch 
auf  die  Teilnahme  an  beiden  Kriegen  beziehen  kann. 

")  Taf.  III  Fig.  1  =  Rossini  archi  triomfali  T.  LXXI;  hier  nach  einer 
Photographie,  die  ich  Petersen  verdanke. 

*^)  Petersen  bestätigt  mir  dies  nach  seiner  Untersuchung  des  Originals. 
Vgl.  Rom.  Mitt.  1890  S.  74. 

")  Bellori  Colonna  Antonina  tav.  20  u.  24  nach  Photographieen,  die 
Petersen  genommen. 

")  Die  Fahnen  S.  78  Fig.  9G. 

»ö)  Sitzungsberichte  der  Beriiner  Akad.  1894  S.  879. 

")  CIL.  III  1457  und  VIII  9365,  cf.  CIL.  III  7505. 


Die  Beligion  des  römischen  Heeres.  7 

Jägers  gegen  die  via  principalis  öffnet  **).  Mit  Recht  bemerkt  Petersen, 
dass  das  Texillam  zur  linken  Seite  des  linken  Götterpaares  nur  wegge- 
lassen ist,  nm  mit  dem  Kopf  des  Kaisers  nicht  in  Kollision  zu  geraten. 
Die  Götter,  welche  die  yexilla  einschliessen,  sind  also  den  beiden  Trappen, 
die  darch  die  vexilla  angedeutet  werden,  eigentümlich.  Diese  Truppen 
sind  notwendig  Kaisergarden,  weil  der  Akt  sich  in  praetorio  vollzieht 
und  zwar  sind  es  Gardereiter,  weil  nur  Reiter  vexilla  in  der  Mehrzahl 
haben  können.  Der  gerüstete  Gott  mit  Lanze  und  Schild  kann  nur 
Mars  sein  und  bestimmt  diese  Truppe  als  die  equites  speculatores  der 
Praetorianer  **).  Der  zweite  Bestandteil  der  Garde  sind  die  equites 
^ingulares  des  Kaisers,  die  ebenfalls  unter  dem  praefectus  praetorio 
stehen**).  Die  Elite  dieser  Gardereiter  sind  wahrscheinlich  die  hasti- 
larii^^;.  Der  Schutzgott  der  equites  singulares  ist  der  männliche  Gott 
der  linken  Gruppe.     Petersen  beschreibt  ihn  nach  dem  Originale: 

Hercules  (?)   kräftig,    r.  Fuss  vorgesetzt;    Arme  waren  beide 

gesenkt:    Stütze    am    r.    Oberschenkel    und   für    ein    Attribut 

der  linken  Hand   tiefer  seitlich  in  den  Falten  des  Vexillums. 

Wie   der  Gott  zu  ergänzen  ist,   zeigt    das  Taf.  IH  Fig.  3    abgebildete 

Relief»«). 

Aber  der  Hercules  der  equites  singulares  ist  in  Wahrheit  der 
Donar  der  Germanen  *^),  und  es  ist  eine  bewusste  Symbolik,  dass  dieser 
Gott,  dem  Kaiser  näher  als  Mars,  über  dem  Haupte  des  besiegten  Ger- 
manenfürsten schwebt;  gegen  den  er  seine  Macht  gekehrt  hat**). 

Ein  völlig  anderer  Geist  spricht  aus  dem  Reliefe  des  Kriegers 
Traian  und  des  frommen  Denkers  Marcus.  Mit  Absicht  legt  der  Künstler 
allen  Nachdruck  auf  den  göttlichen  Schutz  und  nicht  auf  die  Sieges- 
kraft  des  Heeres  »'^J.     Nur  in   den   Begleiterinnen   der   beiden   Kriegs- 


'')  Die  Deutung  des  Gebäudes  auf  das  Praetorium  ist  absolut  sicher 
<durch  das  tribunal,  das  gerade  an  dieser  Stelle  stehen  muss. 

'*)  Vgl.  schola  speculatorum. 

")  CIL.  VI  n.  224.  228  und  Henzen,  AnnaH  dell'  instit.  1886  n.  1—18. 

**)  Vgl.  schola  speculatorum. 

^*)  Abgebildet  nach  einer  Photographie,  die  ich  Haverfield  verdanke. 
Vgl.  Bruce  wall  p.  327. 

")  Vgl.  Die  Germanischen  Götter. 

^^)  Von  seinen  eigenen  Göttern  verlassen  zu  werden  ist  für  den  antiken 
Menschen  das  letzte  Zeichen  des  Unterganges. 

'*)  Diese  Denkweise  des  Kaisers  lässt  es  erst  verständlich  erscheinen, 
warum  jene  Legende  der  Christen,  nach  welcher  der  Kaiser  seinen  Sieg  ihrem 
Gotte  zugeschrieben,  unter  ihnen  selbst  so  leicht  Glauben  fand.  Vgl.  Rhein. 
Mus.  49  S.  612  ff. 


8  V.  Domaszewski 

götter  tritt  der  Sieg  hervor.  Denn  auch  die  Figur  zur  Rechten  des 
Mars  ist  Victoria,  weil  die  Victoria  des  Praetoriums  ein  FaUhom  tragt '®). 

Nach  allen  diesen  Zeugnissen  ist  es  sicher,  dass  damals  als  Tiri- 
dates  sich  vor  dem  Bilde  Neros  demütigte,  die  Fahnen  und  die  Götter 
in  der  Mitte  der  römischen  Schlachtlinie  am  Tribunal  standen  und 
zwar  als  Zeugen  des  Vorganges.  Denn  das  ist  der  Grund,  warum  man 
das  Fahnenheiligtum  im  freien  Felde  aufbaute.  Auch  sonst  wird  der 
Schwur,  um  die  Rechtsverbindlichkeit  zu  verschärfen,  vor  den  Fahnen 
geleistet. 

Liv.  26,  48,  12:  obstringere  periurio  non  se  solum  suumque 
Caput,  sed  signa  müüaria  et  aquilas^^)  sacrameniique  religionem,  Ta- 
citus  ann.  15,  16;    Ädiecit  iure  iurando  JPaeti  cautum  apud  sigtia^^. 

Aus  diesem.  Grunde  wird  der  Treueid  für  den  Kaiser  an  eben 
dieser  Stelle  geschworen.  Denn  dass  die  Statue  des  Kaisers  im  Fahnen« 
heiligtume  steht,  ist  dennoch  nebensächlich,  obwohl  ihm  das  sacramen- 
tum  gilt,  weil  der  Gebrauch  noch  aus  der  Zeit   der  Republik   stammt. 

Tac.  h.  I,  55:  Inferioris  tarnen  Germaniae  legiones  solletnni 
kalendarum  lanuariarum  sacramcnto  pro  Gdlba  adactae  —  primani 
quinianiqvie  turbidi^  adeo  ut  quidam  saxa  in  Galhae  imaglnes  iecerint. 
—  Ät  in  superiare  exercitu  quarta  ac  duoetvicesima  legiones  —  ipso- 
kalendarum  lanuariarum  die  dirumpunt  imagines  Galbae^^), 

Im  Marschlager  selbst  ist  ein  besonderer  Raum  für  den  Gottes- 
dienst bestimmt.  Es  ist  dies  der  freie  Platz  zwischen  dem  Feldherm-^ 
zeit  und  der  via  principalis,  auf  welchem  die  Altäre  stehen.  Hygin.  1 1 : 
aris  institutis  in  praetorii  parte  ima  '*).     Der  Raum  muss  von  beträcht- 


»0)  Vgl.  Taf.  II  Fig.  la  und  die  Heeresgötter  der  Republik. 

•*)  Diese  Stelle  ist  wegen  der  aquilae  eine  Fälschung  der  sullanischeni 
Annalistik;  aber  für  die  Zeit  Sullas  ist  sie  beweisend. 

»*)  Vgl.  auch  TertuUian  Apol.  16  unten  S.  13. 

*')  Durch  die  Eaiserbilder  ist  der  Schwur  vor  den  signa  bezeichnet. 
Vgl.  auch  Plutarch  Galba  22.  'EnijXd^sv  ?J  vovfijjvia  tov  niftoTov  firivog,  rjv 
TiaXdvdag  'lavovagiag  xccXovar  rod  Öl  ^Iukkov  avvayayovrog  avroifg  tnl  rov 
OQUOV,  ov  Ed'og  ^OTiv  ofivvsiv  vnhg  rov  aVTonQaTOi^og,  rüg  ulv  bixovag  rot» 
rdkßa  nQOOsX&ovTfg  cctfirgi^av  xcci  xctTianaaoev.  Über  die  Stelle  des  Tacitus^ 
vgl.  noch  Epigr.  Mitt.  XVI  S.  21  Anm.  15. 

'*)  So  glaube  ich  jetzt  schreiben  zu  müssen  statt  des  überlieferten 
aeris  institutis  in  formam  parUs  imae.  Lange. hat  zuerst  vermutet  (bist.  mut. 
68,  4),  dass  formam  aus  forum  verdorben  wäre  und  das  forum  der  Name 
jenes  freien  Platzes  gewesen.  Danach  hat  W.  GemoU  geschrieben  in  fori 
parte  ima.  Denn  die  Überlieferung  ist  nicht  zu  halten,  weil  forma  nur  dea 
Plan  bezeichnen  kann,  hier  aber  das  Lokal  bezeichnet  sein  muss.    Da  aber 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  9" 

lichem  Umfange  gewesen  sein,  denn  auf  der  Traianssänle  findet  der 
Kaiser  mit  seinem  ganzen  Gefolge  Platz,  um  das  Opfer  darzubringen  '^). 

Nur  hier  können  die  Bildnisse  der  Götter  gestanden  haben,  weil 
die  Götter  von  ihren  Altären  nicht  zu  trennen  sind*®).  Auch  gehören, 
die  Götter  nicht  einer  einzeben  Truppe  an,  sondern  sie  sind  die  Götter 
des  ganzen  Heeres  und  der  Träger  des  göttlichen  Schutzes  ist  der 
Feldherr. 

Appian.  b.  c.  4,  134 :  NtxTj,  xpi>CFoOv  dvflc-^Tjiia  Eoaaiou  xaxeTceaev* 

Plutarch  Brutus  39:  A^yexat  6e  xal  Tcpöxepov  *^)  fev  Hq,  tivl 
xoi  Ttojin^  XP^^^  KoLodox}  Ntxrjv  Statpepoiiivrjv  Tieaetv  oXtaä^vxo^ 
xoö  cp^povxo^. 

Da  es  Cassius'  Victoria  ist,  die  der  Unfall  trifft,  so  besass  auch 
Brutus  seine  eigenen  Götter.  Das  Recht,  die  Götter  zu  führen,  hat  also- 
an  den  Auspicien  gehangen  *^),  die  nichts  anderes  sind  als  der  Verkehr 
der  Feldherren  mit  den  Göttern. 

Das  Fahnenheiligtum  der  Standlaser. 

Im  Standlager  führt  jede  Truppe  ihr  Sonderdasein  und  so  müssen, 
die  Götter  des  Heeres  hier  eine  Stätte  der  Verehrung  finden.  Es  ist 
dies  der  geheiligte  Raum,  der  die  signa  birgt  und  nun  auch  den  Göttern, 
des  Heeres  Aufnahme  gewährt. 


G.  Gemoll,  Hermes  XVH  S.  167  gezeigt  hat,  dass  in  der  Lagerbeschreibnng 
oben  und  unten  der  Richtung  von  der  porta  decumana  zur  porta  praetoria 
entspricht,  so  ist  W.  GemoUs  Vorschlag  sachlich  unmöglich.  Denn  er  rückt 
die  arae  an  den  unteren  Rand  des  Platzes.  Aber  das  Relief  der  Traiansäule 
and  die  Analogie  der  Tempelhöfe  zeigt,  dass  die  Altäre  in  der  Mitte  des^ 
freien  Platzes  gelegen  haben.  Deshalb  schrieb  ich  in  foro  partis  imae,  d.  h. 
des  Praetoriums.  Nur  erhebt  sich  gegen  diese  Änderung  das  Bedenken,  dass 
die  Bezeichnung  dieses  Platzes  als  forum  nicht  nachzuweisen  und  geradezu 
unmöglich  ist.  Er  ist  vielmehr  ein  integrierender  Teil  des  praetorium,  ebenso 
wie  auguratorium  und  tribunal  (Tacit.  ann.  2,  13),  welche  beide  an  der  via 
principalis  selbst  liegen.  Da  nun  der  metator  mit  C.  10  die  Beschreibung 
des  Praetoriums  unterbrochen  hat,  so  scheint  mir  die  Wiederholung  des 
Wortes  praetorium  geboten. 

'^)  Fröhner  PI.  35.  Die  Grösse  des  Raumes  bestätigt  Ammian  24,  6, 
17,  der  an  dieser  Stelle  10  Stiere  opfern  lässt. 

••)  Die  Signa  sind  bei  den  einzelnen  Truppenkörpem,  Hygin.  C.  3  u.  14 
und  meine  Erläuterungen  S.  46  und  57  und  die  Fahnen  S.  40  Anm.  3. 

•')  D.  h.  vor  der  lustratio  exercitus,  die  der  Entscheidungsschlacht 
voranging.    Arch.  epigr.  Mitt.  XV  S.  19. 

'^j  In  der  Eaiserzeit  hat  der  Kaiser  mit  dem  Imperium  auch  die 
Auspicien  an  die  Kommandanten  der  Provinzialarmeen  mandiert.  Vgl.  S.  4 
und  das  Recht  der  Heeresreligion. 


10  V.  Domaszewski 

Tacitus  ann.  1,  39  berichtet,  wie  der  Führer  der  Senatsgesandt- 
schaft Munatius  Plancus  in  das  Lager  der  ersten  Legion  flüchtet**). 
Illic  Signa  et  aquilam  amplexus  religione  sese  tutäbaiur  ac  ni  aquilifer 
Calpurnius  vim  extremam  arcuisset,  legatus  popuU  Bomani  Eomanis  in 
-castris  altaria  deum  commaculavisseL  Es  sind  die  Altäre  der  Götter, 
weil  die  signa  keine  dei,  sondern  numina  sind*®).  Ebenso  sind  Fahnen 
und  Götter  vereinigt  im  Praetorianerlager. 

Herodian  4,  4,  5:  6^  Sk  eiaineaey  iq,  xb  azpaxdneSov  5^  xe 
xiv  ve(J)v,  Sv-S«  xi  Gri[ieia  xal  xa  (ä^aXfiaxa  xoO  oxpaxo7c£8ou  Tipoa- 
xüvelxat. 

Der  dritte  Gegenstand  der  Verehrung  in  dem  Fahnenheiligtum  ist 
die  Statue  des  Kaisers.  Bezeugt  ist  dies  für  das  Praetorianerlager: 
Tacitus  h.  1,  36  ut  non  contenti  agmine  et  corporibus  in  suggestu. 
in  quo  paulo  ante  aurea  Galhae  statua  fuerat^  medium  inter  signa 
'Othonem  vexillis^^)  circumdarent.  Für  das  Legionslager :  Tacitus  ann.  4,  2 
(von  Seian)  colique  per  tJieatra  et  fora  effigies  inter que  signa  legionum 
Kineret ^^),  Sueton.  Tib.  48  Sf/riacis  legionibus  quod  solae  nullam  Seiani 
imaginem  inter  principia  coluissent.  Principia  sind  das  praetorium  und 
■die  angrenzenden  Lagerräume  der  Offiziere**):  Hygin.  14  via  principalis 
—  quae  a  principiis  nomen  obtinet,  weil  sie  zwischen  diesen  durchführt. 
Demnach  bedeutet  inter  signa  nur  die  Aufstellung  im  Fahnenheiligtume 
und  nicht,  dass  die  Statue  zwischen  den  Fahnen  stand. 

Trat  der  Kaiser  nach  seinem  Tode  in  die  Reihe  der  divi  über, 
so  blieb  seine  Statue  an  ihrem  Orte  oder  sie  muss  bei  engen  Räumen 
in  den  Hof  vor  das  Fahnenheiligtum  gebracht  worden  sein.  Tacit.  ann. 
1,  43:  Germanicus  spricht  vom  Tribunal  aus:  tua,  dive  Auguste,  caelo 
recepta  mens,  tua,  pater  Druse,  imago. 


")  Über  die  ganze  Situation  vgl.  Korrbl.  d.  Westd.  Zeitschr.  XII 
<1893)  Sp.  262. 

^^)  Tacitus  ann.  2,  17  vom  Adler  propria  legionum  numina.  Vgl. 
numina  castrorum. 

^^)  Die  Vexilla  sind  die  Fahnen  der  speculatores,  die  den  Kaiser  ge- 
macht haben,  während  die  signa  an  der  Wand  zu  beiden  Seiten  des 
l^uggestuB  stehen. 

*')  Sueton  Tib.  65  itnagines  aureas  passim  colL 

^^)  Dies  bezeugt  auch  die  Skandalgeschichte  des  Vinius,  Tacitus  bist.  1, 
48  in  ipsis  principiis  stuprum  ausa  est.  Flutarch  Galba  12:  öiisp^sigev  h 
xoig  f^Qxdoigy  u  ngiyninia  xaXovai  *P(ofiaioi,  Die  griechische  Übersetzung 
«teilt  die  Bedeutung  ausser  Zweifel. 


Die  Beligion  des  römischen  Heeres.  H 

Die  Angabe  des  Tacitas,  Otho  wäre  an  Stelle  der  Statue  Galbas 
auf  den  snggestas  getreten,  zeigt,  dass  diese  Statuen  lebensgross  waren. 
Dies  allein  macht  es  schon  unwahrscheinlich,  dass  das  Heer  die  Statue 
regelmässig  ins  Feld  geführt  hat.  Vielmehr  sind  für  diesen  Zweck  die 
imagines  der  imaginiferi  geschaffen**),  die  selbst  unter  den  signa 
mit  einbegriffen  werden.  Sueton.  Calig.  14  aquilas  et  signa  Romana 
Caesarumque  imagines^^)  adoravit,  CIL.  XIV,  3608  Ignotus  auf 
infensos  p(qpulo)  B(omano)  reges  signa  Bomana  adoraturos  in  rtpam, 
-quam  iuebatur,  perduxU. 

Wenn  dagegen  bei  dem  Schaustück  der  Unterwerfung  des  Tiri- 
dates  die  goldene  Statue  des  Kaisers  auf  die  sella  curulis  gestellt  wurde, 
in  der  Art  wie  die  divi  bei  der  Pompa  circensis  aufziehen,  so  entspricht 
dies  nur  dem  Göttlichkeitsschwindel  von  Neros  persönlichem  Regimente. 
Seiner  Eitelkeit  genügt  erst  die  Widerholung  der  Komödie  in  Rom. 

Über  die  innere  Einrichtung  des  Raumes  ist  es  noch  möglich 
im  Wesentlichen  Klarheit  zu  erlangen.     Sowohl  die  Götterbilder*^)   als 

aquila  et  signa  standen  in  Schreinen. 
Die  aedicula  des  Adlers  nennt  Dio  40, 
18  sait  Sk  veci)^  jitxpö;  xal  dv  (xuxtb 
Xpuaoö^  Äexö;  ESpOxat.  Dargestellt 
ist  sie  auf  dem  Schwerte  des  Tibe- 
rius***)  (vgl.  das  nebenstehende  Gliche) 
angedeutet  auf  einem  Relief  von  Vimi- 
nacium*^,  kaum  mehr  verständlich 
auf  einem  Relief  aus  Condercum  *®).     In  den  Seitennischen  standen  die 


**)  Die  Fahnen  S.  70  Anm.  1.  An  den  dort  angeführten  Stellen  ist 
der  sprachliche  Ausdruck  entscheidend;  es  ist  immer  vom  Herunterreissen 
des  Bildes  die  Rede.  Plutarch  berichtet  dagegen  von  den  Aufrührern  in 
Mainz,  Galba  22:  tug  filv  (hovag  zov  Fillßa  ngoafl&ovTfg  uvirQSilfav  xai 
naxbcnaöav.  Die  statuae  und  imagines  werden  hier  scharf  geschieden,  auf 
die  einen  geht  das  Umwerfen,  auf  die  anderen  das  Herunterreissen.  Taci- 
tus  h.  1,  55  fasst  beides  zusammen  dirumpunt  imagines  Galbae\  eine  Stelle,  die 
deutlich  zeigt,  dass  Plutarch  den  Tacitus  nicht  benützt  haben  kann. 

**)  Es  sind  alle  imagines  der  imaginiferi,  auch  die,  welche  divi  dar- 
steUen.     Vgl.  die  Fahnen  S.  71. 

*^)  Taf.  II  Fig.  4  hier  nach  einer  Photographie,  die  ich  Haverfield  ver- 
danke, vgl.  Bruce,  wall  p.  333. 

^^)  Die  Zeichnung  ist  angefertigt  nach  der  im  Mainzer  Museum  herge- 
stellten Nachbildung  des  Schwertes,  in  *'s  der  Originalgrösse. 

^»)  Vgl.  Arch.  epigr.  Mitt.  XV  S.  192. 

^)  Eph.  ep.  VII  n.  1010. 


12  ▼•  Domaszewski 

MaDipelsigna.  Der  Adler  ist  seinem  Wesen  nach  keine  Fahne,  sondern 
das  Symbol  des  Jupiter  optimus  maximas,  des  höchsten  der  Schatz- 
götter des  Heeres**).  Deshalb  tritt,  wenigstens  in  späterer  Zeit,  beiden 
Auxilia  an  Stelle  des  Adlers  das  Bild  des  Jupiter  selbst.  Dies  zeigt 
das  Cultbild  des  Dolichenus  aus  Kömlöd**),  vgl.  Taf.  IV,  Fig.   1. 

Das  Relief  stammt  aus  einer  Zeit,  wo  die  orientalischen  Sonnen- 
götter den  Jupiter  der  Römer  aus  der  Herrschaft  über  das  Lager  ver- 
drängt hatten*^).  Die  Anordnung  der  Signa  zu  beiden  Seiten  der 
aedicula  ist  für  die  Bedeutung  entscheidend. 

Im  Lager  der  Praetorianer  dagegen  ist  dem  Geiste  dieser  Truppen 
gemäss  das  Standbild  des  Kaisers  der  Mittelpunkt,  um  den  sich  die- 
Signa  ordnen**) 

Die  Signa  sind  die  eigentlichen  Cultbilder  des  Fahnenheiligtums^ 
und  standen  deshalb  an  der  Rückwand  der  Eingangsthür  gegenüber. 
Josephus,  B.  J.  6,  6,  1  xojJifaavTe^  t4^  a>j|iafa^  e?;  zb  £epöv  xal 
•ö-^lievot  TfJ$  ÄvaioXtxfjs  tcuXtjs  ävTtxp^);,  e8*uaav  xe  aötat^  aöxoS-t 
xal  TÖv  Ttxov  jieta  fieytox(i)v  eöcprjfxcöv  öcTCe(f rjvav  aöxoxpaxopa.  Die 
Legionare,  welche  den  Tempel  mit  den  Waffen  in  der  Hand  genommen, 
verehren  ihre  signa,  wie  sie  es  im  Lager  gewohnt  sind.  Die  Symbolik 
des  Opfers  ist  klar :  die  aquilae  sanctae  haben  über  Jehova  triumphiert. 
Plinius  n.  h.  13,  23:  aquilae  certe  et  signa  pulverulenta  illa  ei  cuspi- 
dibus  horrida  unguuntur  festis  diebus,  utinamque  dkere  possemus  quis 
primtis  instituisset !  ita  est  nimirum,  liac  mercede  corrupiae  orbem 
terrarum  devicere  aquilae.  Das  höchste  Fest  des  Heeres  ist  der  Sieg. 
In  gleicher  Weise  wurde  den  signa  geopfert  vor  dem  Auszug  ins  Feld 
bei  der  lustratio  **).  Aber  es  gab  auch  einen  kalendarischen  Festtag 
der  Signa;  es   ist  dies  der  natalis  aquilae,  der  Geburtstag  der  Legion*^). 


^^)  Das  bezeichnet  die  Sprache  völlig  deutlich,  indem  sie  aquila  et 
Signa  verbindet,  also  den  Adler  von  den  Fahnen  unterscheidet.  Vgl.  Die 
Heeresgötter  der  Republik. 

")  Abgebildet  nach  Desjardin-Romer  Taf.  V  u.  VI  (CIL.  III  3316). 

*')  Vgl.  Orientalische  Götter. 

**)  Dies  hat  Hirschfeld  arch.  epigr.  Mitt.  II,  181  richtig  erkannt  und 
nur  zu  weit  ausgedehnt.  Vgl.  Tacit.  bist.  1,  36  (oben  S.  10),  wo  medium 
irUer  signa  die  Anordnung  der  Fahnen  bezeichnet. 

")  Arch.   epigr.  Mitt.  XVI  S.  19. 

")  Vgl.  arch.  epigr.  Mitt.  XV  S.  184.  Den  Inschriften  CIL.  II  2552 
bis  2556  liegt  nur  ein  echtes  (Nr.  2552)  Exemplar  zugrunde,  das  selbst  bi& 
zur  Sinnlosigkeit  interpoliert  ist. 


Die  Religion  des  rumischen  Heeres.  13 

*3  =  CIL.  n  6183  —  Emporiae  —  I(ovi)  o(pHmo)  m{aximo)  vexiUaJbio  P]e- 
gwms  VII  g{eminae)  f(dicis)  [s\ub  cura  luni  Vidoris  (centuHoms)  legijonia) 
ei[u\8d{em)  ob  9ta[t]aZtfm  aquilae. 

Denn  der  Altar  ist  errichtet  worden  um  das  Opfer  darzubringen. 
Auch  die  Kaisertage:  den  Geburtstag  des  Kaisers,  den  Tag  seiner 
Thronbesteigung  und  den  Tag  der  feierlichen  Erneuerung  des  Eides  am 
1.  Januar  muss  das  Heer  gefeiert  haben.  Aber  der  bürgerliche  Ka- 
lender ist  dem  Heere  ebenso  fremd  wie  das  bürgerliche  Tagwerk  ^^). 
Deshalb  sagt  Tacitus  ann.  1,  16  Castris  aestivis  ires  simül  legiones 
habebantur,  praesidente  lulio  Blaeso:  qui  fine  Augusii  et  initiis  Tiberii 
ixudUis  ob  itistUium  intermiserat  solita  munia.  Eo  principio  lascivire 
miks  —  disciplinam  et  läborem  aspemari.  Das  römische  Heer  lebt 
auch   im  Frieden   das  Leben   des  Krieges,    das   keine  Feiertage  kennt. 

In  allen  Zeugnissen,  Schriftstellern  wie  Bildwerken,  werden  die 
Signa  entweder  allein  genannt  oder  sie  gehen  den  Göttern  wie  auch 
•dem  Kaiser  voran.     Dies  bestätigen  nur  die  Inschriften: 

4  =  CIL.  III  3526  —  Aquincum  —  Excubüortum  ad  tuteHam)  8igtior(um)  et 
imagin(um)  sacrarium)  P.  Turran{tu8)  Firmus  vet(eranu8)  ex  comic{uiario) 
leg(ioni8)  II  ad{iuiricis)  Antoninianae  p(ecuniä)  8(ua)  a  8cHo  Te8{tibwt)  Sa- 
bino  II  et  Amdlino  C08.    a.  216. 

5  =  Brambach  693  —  Niederbiber*®)  —  in  h(onorem)  d{omu8)  d(mnae) 
Getiio  vexülariiorum)  et  iinagim(ferorum)  Aitianu8  Coresi  vex(ülanu8)  For- 
tontus  Constäutm  imag{inifer)  Signum  cum  aedic{u)la  et  tab{u)l(am)  mar- 
moream  d(ono)  d{ederunt)  imp(eratore)  d{omino)  n(08tro)  Gordiano  Aug(u8to) 
et  Avida  co8.    a.  239. 

Es  ist  also  wahr**)  was  TertuUian  berichtet:  Apol.  16  Eeligio 
Homanorum  ioia  castrensis  Signa  veneratur,  signa  iurat,  signa  omnibtis 
deis  praeponü. 

Das  excubitorium  ^^)   der  Inschrift  Nr.  4   ist   das  Wachlokal  der 


*^)  Nichts  in  den  Datierungen  der  Altäre  fuhrt  auf  den  bürgerlichen 
Kalender. 

**)  Das  ist  ein  Denkmal  des  CoUegium  der  Victorienses ;  aber  es  ist 
im  Kastell  selbst  gefunden.  Das  CoUegium  wird  deshalb  militärischen  Charakter 
gehabt  haben.    Über  die  imaginiferi  der  Collegia  vgl.  CIL.  III  7900.  8018. 

'^')'Oder  vielmehr  fiir  seine  Zeit  ist  es,  so  wie  er  es  hinstellt,  nicht 
mehr  wahr,  da  gerade  damals  der  Kaisercult  die  alte  Lagerreligion  zu  er- 
sticken begann.  TertuUian  benutzt  diese  offenbar  tralaticische,  vielleicht 
varronische  Definition  der  Lagerreligion,  um  das  Kreuzzeichen  nachzuweisen. 
Aber  das  Signum  ist  eine  Lanze  (vgl.  die  Fahnen  S.  50)  und  kein  patibulum. 

^)  Vgl.  Jordan,  Topogr.  II  S.  573:  cohortes  vigüum  —  quorum  excubi- 
toria  XIIII;  Eph.  ep.  VII  n.  1222  excubat  XII  k.  Mar.;  CIL.  VI  3010  genta 
exctibäori. 


14  V.  Domaszewski 

Mannschaft,  welche  den  Dienst  vor  dem  Heiligtume  hatte.  Diese  Ab- 
teilung gehört  zur  Stabswache,  welche  den  Dienst  in  principiis  thut. 
Die  in  Ostia  unmittelbar  neben  dem  Heiligtume  der  Vigiles  gefundenen 
Grafiti  erklären  sich  daraus. 

6  =  Ephem.  ep.  VII  1217  scUw  d{omino)  n{o8tro)  Severo  Alexandro  pk>  fdict  \ 
Aug(u8to)  statümem  [fe]cmtM  principis  dxeru{m)  XXX^^),  \ 

7  =  Ephem.  epigr.  VII  1218  M.  Mikenius  Itdms  hucinator  coh{oHis)  VII  i 
Vigiäum) ").                                                                                                                           ' 

Die  Notwendigkeit  dieses  Heiligtum  bewachen  zu  lassen,  denn 
Ehrenwachen  kennt  der  römische  Dienst  nicht,  liegt  in  dem  materiellen 
Werte  der  Gegenstände,  welche  dieser  Raum  barg.  Alles  ist  hier  von 
edlen  Metallen®^).  Aber  dies  ist  nicht  der  einzige  Grund;  die  Fund- 
umstände einer  Inschrift  haben  unsere  Erkenntnis  hier  weiter  gefördert.  | 

8  =  CIL.  VII  1030  —  Bremenium  —  Q[enio)  d{pmini)  n(ostn)  et  signorum 
c6h{ortis)  I  VardiUl{orum)  et  n(umen)  explor<xtar{um)  Brem{ensium)  Gor- 
{dianorum)  Egnatius  Lucüianus  leg{atu8)  Äug^ustt)  curante  Casaio  Sabino  \ 
trib(uno). 

Der  Stein  ist  gefunden  an  der  Rückwand  des  Praetoriums  in 
einem  Räume,  den  Bruce  folgendermassen  beschreibt  **) :  One  of  these 
Underground  receplacles  C7S  differed  from  an  ordinary  tank,  The  wood- 
Cid  represenis  it  as  it  appeared  to  a  spectator  sianding  on  ü$  sotUhern 
edge.  Three  of  Us  sides  consisted  of  solid  masonry  of  excellent  work- 
manship,  the  fourih  was  formed  of  large  flags,  hacked  wUh  clay,  A 
ßight  of  Steps  led  into  the  vault  on  Us  north  side,   the  entrance  at  üie 


•*)  Auch  in  den  excubitoria  der  Hauptstadt  dauert  der  Wachdienst 
einen  Monat  lang  CIL.  VI  3062  en  Kalendas  Julias  in  Ka.  Augu.\  Ball.  d.  c. 
m.  XIV  p.  268  (ex  K,)  Febr.  in  pridue  Kai  Martias, ;  CIL.  VI  3053  mese  suo. 
Das  ganze  Detachement  der  Vigiles  in  Ostia  hatte  4  Monate  Dienst  und 
wurde  dann  abgelöst  CIL.  XIV  n.  230  8(u8cepit)  v(otum)  id.  Apr.  8(ölmt) 
r(eüer8U8  d.  h.  nach  Rom)  id.  Aug.;  Ephem.  epigr.  VII  n.  1216  [ex]  id.  Ang- 
in idus  Dec.  Weil  der  Wachdienst  4  Monate  dauert,  stehen  die  Vexillationen 
unter  4  Centurionen,  d.  h.  es  sind  4  Verbände  in  der  Stärke  je  einer  Centurie 
hergestellt  worden  Eph.  ep.  VII  n.  1210,  CIL.  XIV  n.  13  u.  14;  in  letzterer 
Inschrift  ist  zu  ergänzen  [Cassius]  Lig[us  Mb.  pra^.  vexil\lat[ioni8].  Vgl. 
Eph.  ep.  VII  n.  1203  und  CIL.  XIV  n.  13.  Mit  der  Soldzahlung  haben  jene 
Termine  nichts  zu  thun,  denn  diese  erfolgte  an  den  Ealenden  des  Januar, 
Mai  und  September.    Eph.  ep.  VII  p.  460  und  Arch.  epigr.  Mitt.  XVI  S.  21. 

^^)  Der  hucinator  bläst  die  Wachablösung,  Marquardt  St.-Verw.  II  S.  420. 

**)  Die  Götterbilder  S.  9,  Die  Kaiserstatuen  S.  10,  Die  Signa,  vgl. 
Die  Fahnen  Abschnitt  III. 

»*)  the  wall  (1867)  p.  318.  Vgl.  jetzt  auch  Obergerm. -raet.  Limes  44, 
S.  8  fg. 


Die  Religion  des  rumischen  Heeres.  15- 

fooi  of  ihe  stairs  being  closed  hy  a  stone  slab  moving  in  a  groove  upon 
iron  wheels.  In  one  comer  of  ihe  qpartement,  at  ihe  bottom,  was  an 
arched  Channel,  ihe  course  of  tvhich  was  not  ascertained,  The  tvhole 
receptacle  had  evidently  been  provided  toith  a  stone  covering.  Has  this 
vauU  been  ihe  aerarium  of  ihe  sUxtionf  The  Altar  figured  on  page  315 
(=  Nr.  8)  was  found  here,-  ü  lay  as  if  it  had  been  casually  thrown  in. 

Die  Vermutung  von  Bruce  ist  durchaus  richtig;  der  Keller  ist 
das  Aerarium.  Der  Altar,  welcher  in  dem  Heiligtume  stand,  war  beim 
Einstürze  des  Fussbodens  in  den  darunter  liegenden  Keller  gefallen*'*). 
Die  Wache  diente  also  auch  zum  Schutze  des  Aerariums.  Es  bestätigt 
dies  nur,  was  wir  über  die  Aufbewahrung  der  Gelder  im  Lager  wissen  ^^). 
Sueton  Domitian  7 :  geminari  legionum  castra  prohibuit,  nee  plus  quam 
müle  nummos^^)  a  quoquam  ad  signa  deponi,  quod  L,  Antonius  apud 
duarum  legionum  hibema  res  novas  moliens  fiduciam  cepisse  etiam  a 
depositorum  summa  videbatur,  Yegetius  2,  20  Illud  vero  ab  antiquis 
dimnüus  institutum  est,  ttt-  ex  donativo  quod  milites  consecuntur,  dimidia 
pars  sequestraretur  apud  signa  et  ibidem  ipsis  miliiibus  servareiur. 

Deshalb  berichtet  Tacitus  von  den  Aufruhrern  in  Köln  ann.  1,  37: 
turpi  agmine,  cum  fisci  de  imperatore  rapti  inier  signa  interque  aquilas 
veherentur  ^®). 

Andere  Baarmittel  befanden  sich  nicht  im  Lager,  weil  die  Offiziere 
von  der  Geld  Verwaltung  prinzipiell  ausgeschlossen  sind.  Denn  auch  die 
Verwaltung  dieser  Depots  bei  den  signa  haben  nicht  die  Offiziere,  son- 
dern principales  der  Truppe.  Vegetius  2,  20:  haec  ratio  apud  signi- 
feros,  ut  nunc  dicunt,  in  confinio  serväbatur.  Et  ideo  signiferi  non 
solum  fideles,  sed  etiam  litterati  homines  eligebaniur. 

Der  aquilifer  und  die  signiferi  jedes  Manipels  sind  also  die  Buch- 
führer  der  Kasse   und    deshalb   haben    sie  discentes,    die  sie  in  dieser 


•*)  Die  Aufbewahrung  thesaurierter  Gelder  in  Heiligtümern  ist  fiir 
antike  Denkweise  selbstverständlich.  Man  braucht  ja  nur  an  das  Aerarium 
Satumi  und  an  den  Parthenon  zu  erinnern.  Vgl.  Hirschfeld,  Untersuchungen 
S.  3  Anm.  4,  wo  jedoch  vita  Alexandri  39  nicht  auf  Gelder  zu  beziehen  ist. 

^^)  Zangemeister  hat  dies  bemerkt  Limesblatt  S.  75. 

•')  D.  h.  250  Denare  oder  annähernd  ein  Jahressold  des  Legionars. 
Marquardt,  St.-Verw.  II  S.  96. 

«^)  Wenn  die  Truppe  nicht  gefechtsbereit  ist,  sind  alle  signa  an  der 
Spitze  der  Colonne,  Josephus  B.  J.  3,  6,  2  ^nsircc  al  ürjiJLalcci  nsQuaxovacii  tov 
aBvhv  —  rolg  Uifolg  dl  tjxolov^ovv  ol  aalmyxtal  und  die  Bildwerke,  die 
Fahnen  S.  7. 


16  V.  Domaszewski 

Kunst  unterweisen®^).  In  schwierigen  Lagen,  wo  auch  der  miles  ge- 
gehört sein  will,  sind  diese  Principales  die  Vertrauensmänner  der  Truppen. 
Tacit.  ann.  1,  48:  JEas  —  die  Briefe  des  Germanicus  —  CcLccina. 
aquiUferis  signiferisque^  et  quod  maxime  castrorum  sincerum  erat,  occuUe 
recüat,  Hist.  1,  56:  aquilifer  qiiartae  legionis  epulanti  Vitellio  nuntiat 
quartam  et  duoetvicesinmm  legiones,  proiedis  Galbae  imaginihus,  in 
senattis  ac  populi  Romani  verba  iurasse. 

Die  Fundumstände  der  Inschrift  Nr.  8  lehren  auch,  dass  das 
Heiligtum  in  praetorio  stand.  Ebenso  liegt  in  Ostia  das  Heiligtum  der 
divi  Augusti  an  der  Rückseite  eines  Säulenhofes,  der  selbst  noch  einen 
Teil  der  Anlage  bildet;  denn  auch  hier  haben  sich  die  Basen  der 
Kaiserstatuen  gefunden  ^*^). 

Auch  in  Carnuntum  liegen  die  Heiligtümer  am  Ende  eines  grossen 
Säulenhofes  ^»). 

Die  gleiche  Anlage  kehrt  dann  wieder  in  vielen  Kastellen  der 
Rheinlande  ''*). 


«»)  discens  aquüiferu(m)  CIL.  VHI 2988  und  2568,  22.  discens  signiferorum 
—  80  ist  aufzulösen  (vgl.  discentes  capsariorum  CIL.  VIII  2553).  CIL.  VIII 
2568,  8.  9.  10,  2569,  4.  5.  25.  Der  gemeine  Legionär  konnte  nicht  lesen 
und  schreiben  (vgl.  arch.  epigr.  Mitt.  XVII  S.  33).  Deshalb  sind  von  den 
monera  befreit  die  librarii,  qui  docere  possunt  Dig.  50,  6,  7  und  es  ist  dies 
einer  der  Gründe,  weshalb  das  Avancement  vom  gregarius  zu  den  Bureau- 
chargen der  Stäbe  (beneficiarii)  notwendig  durch  die  Zwischenstufe  der  drei 
taktischen  Chargen  signifer,  optio,  tesserarius  führt.  Endlich  ist  die  Kenntnis 
der  Buchführung  der  Grund,  weshalb  die  signiferi  in  Functionen  verwendet 
werden,  die  mit  ihrer  tactischen  Bedeutung  scheinbar  unverträglich  sind, 
CIL.  VIII  18224  I(ovi)  o(pUmo)  m(aximo)  Dolicheno  p(ro)  p(rogre88u)  Flav. 
Studiosi  Sabinma  Ingenuus  et  Aurdius  Sedatus  signiferi  leg(ioni8)  III  Aug(u8tae) 
agentes  curam  macelli  v.  l.  a.  s.  cum  azutortbus  suis ;  die  adiutores  sind  librarii 
(Mommsen  CIL.  VIII  18072)  und  zeigen,  in  welcher  Eigenschaft  die  signiferi 
die  Verwaltung  des  macellums  führen.  Ebenso  verwalten  sie  die  Ziegeleien, 
Brambach  1301,  1302  sig{nifer)  leg(ionis)  XXII  pr(imigeniae)  p(iae)  f{ideUs) 
Optio  navaltorum.  (Über  die  navalia  vgl.  Mommsen  CIL.  III  11382).  Er  heisst 
optio,  weil  er  an  der  Spitze  eines  Detachements  steht,  das  zum  Ziegel- 
streichen bestimmt  ist.  So  trägt  der  signifer  auch  die  Sorge  für  das  Ein- 
hauen einer  Inschrift  CIL.  VI.  220.  1058. 

'0)  Taf.  I  Fig.  1,  nach  Notizie  degli  Scavi  1889  S.  78.  Dass  hier  keine 
Spuren  aufgefunden  wurden,  welche  auf  die  Verehrung  der  Signa  hinweisen, 
kann  nicht  befremden.  Die  Vexillationen  der  Vigiles  hatten  keine  Fahnen 
der  Truppe  und  überdies  wechselten  ihre  Vexilla  mit  den  Vexillationen. 
Vgl.  die  Fahnen  S.  24. 

71)  Taf.  I  Fig.  2,  nach  Arch.  epigr.  Mitt.  VIII  Taf.  III. 

'*)  Darüber  sind  die  Resultate  der  deutschen  Limesforschung  abzuwarten. 


Die  Beligiou  des  römischen  Heeres.  17 

Das  Heiligtum  bezeichnet  sowohl  Tacitus  ann.  1,  39  (oben  S.  10) 
als  die  Inschrift  Nr.  4  nur  nach  den  signa  und  ebenso  sagt  Statins 
Theb.  10,  176'*)  verUum  ad  eoncili  penetrale  domumque  signorum. 
Demnach  führte  der  Raum,  in  welchem  die  signa  aufbewahrt  werden, 
keinen  Namen,  sondern  galt  trotz  seiner  speziellen  Bestimmung  nur  als 
ein  Teil  des  Praetoriums.  Die  Bauinschrift  ist  uns  sowohl  aus  dem 
Lager  der  Legionen,  als  aus  dem  der  Auxilia  erhalten. 

9  =  CIL.  III  905  —  Potaissa  —  Imp{erator)  Caes(ar)  L.  Sept{imiu8) 
Severus  P(iu8)  Pert(inax)  Aug(u8tus)  Aral)(icu8)  Adiabenic{m)  p(mt(tfex) 
max{imu8)  trib{unicia)  pot{e8tate)  III  imp(erator)  VII  co[n)8{tä)  II  pro- 

co{n)8(ul)  p{(Uer)  p{atriae)  leg(wm)  V  Mac{edonicae)  p(iae)  p don(ö) 

dedü  dedkante  P.  SepHmio  Oeta  leg{ato)  Augiustf)  pr{o)  pr{adore)  cura 
agente  Tib.  C[l(audio)]  Claudiano  leg(ato)  Aug{u8ti)  a.  195. 

10  =r  CIL.  III  6230  —  Novae  ^*)  —  [imp(erator)  Caes[ar)  dim  M.  Atdxmwi 
Pü  Germ{anici)  Sarmä]t{ici)  fil{ius)  divi  Commodi  [frater  divi  Antonini 
Pii  nepas  divi  Hadriani  p]ronepo8  drin  Tra[iafu  Parthici  aim(ep08)  divi 
Nervae    adn(epo8)    L,    Septimius    Seo]eru8    Pius    Pert{inax)    Aug{u9tu8) 

[ et  imp{eraJtor)  Ca\e8{ar  L,  Sep{timi)  Severi  [ .  .  . .  ßius 

M.  A]ur{diu8)  Antoninw  Piu8  [ legiioni)  I  It(<üicae) 

d{om)  ded{erunt)  ded{icante)  .  .  .  leg{ato)  Aug{u8torum)  pr{o)  pr(aetore). 
Bechts  ein  Eber. 

11  ==  CIL.  VII  106  —  Isca  ")  —  [Imperatore8]  Caesares  L,  Septi[miu8  Se- 
vems  Piu8  Pertinax  Aug{u8tu8)  et  M.  AureUua  Antomnu8  Ä\ug{ti8tu8)  et  P. 

SeptinUus  [Geta  nob(äi8imu8)  Caesar  leg(ioni)  II  Aug(n8tae)  vetustate  c}orru- 
ptum  [restituerufU  ded(icante) ieg(ato)  Aug(u8tarum)  pr(o)  pr(aetore)], 

12  =  Brambach  7  —  Roomburg  —  Impieratores)  Cae&(are8)  L.  Septimvus 
Severu8  Pius  Perti[nax  et]  M,  Aurdius  Antonmus  Aug{u8ti)  et  P.  8ept{i' 

tnius)    Geta    nob(äis8imus)  [Caesar]    numero    expl{oratorum)    Bat{<iv(mm) 

Cur ....  Antoninianorum  [d{ono)  d(ederunt)]  ^*)  Q.  Venidio  Buf\o  leg{ato) 
Aug{u8torum)  pr(o)  pr{aetore)]. 

*»)  Diese  wichtige  Stelle  hat  Hirschfeld  arch.  epigr.  Mitt.  TL  S.  181 
nachgewiesen. 

^*)  Die  Steine,  welche  Fürst  Mavros  in  seinem  Landhause  aufgestellt 
hatte  (jetzt  im  Bukarester  Museum),  stammen  aus  Niedermoesien.  No.  6223 
(vgl.  Bonus  eventus)  und  7591  ( =  No.  14)  sind  Altäre  des  Fahnenheiligtums  der 
leg.  I  Italica  von  Novae.  Altäre  dieser  Art  sind  so  ausserordentlich  selten,  dass 
der  Fürst  notwendig  auf  Reste  des  Fahnenheiligtum  gestossen  sein  muss.  No.  6230 
ist  die  Inschrift  eines  Epistylbalkens,  wie  die  Zeilenlänge  beweist,  und  die 
Fassung  im  Nominativ  weist  eben  auf  das  Fahnenheiligtum  hin.  Der  Eber  ist 
das  Fahnentier  der  legio  I  Italica.  Vgl.  Die  Heeresgötter  der  Eepublik. 

'*)  Auch  hier  sind  zwei  Altäre  des  Fahnenheiligtums  gefunden  worden 
CIL.  VII  n.  103  (Genius  des  Kaisers),  104  (Orientalische  Götter). 

^«)  Die  Überlieferung  CVR  COQ  ist  so  nicht  haltbar.  CVR  könnte 
der  Beiname  der  Exploratio  sein.    Vgl.  Korrespondenzbl.  1889  Sp.  49. 

Wutd.  ZeitMhr.  t  Ooioh.  n.  Kaut.    XIV,   I.  2 


18  V.  Domaszewski 

13  =  CIL.  VII  585  —  Cilurnum  —  Imp{erator)  Caesar  M.]  Aurei{iusy 
[Antonmm  Pius  fdix]  Aug(u8tu8)  [sacerdos  atnplissimus  invicti  Solis  Ela- 
gdbali  pipntifex)  m(axmu8)  tr]ib{umcki)  p{otest<Ue)  IV  co{n)8(ul)  lllp{ater} 
piatriae)  divi  [Äntonini  Magni  filius]  divi  Seüer{i)  nepos  et  M.  Äur(eliu8) 
Severus  Alexander  nob(tli88imu8)]  Caesar  imper[ak)ris  M.  Aur{ein)  Anionini 
cansobrinus]  alae  II  Astur{um)  [Antonimianae)]  vetusta[te  cordapsum  resti- 

tu]erunt  2>er  Marium  Valerian[um  leq[atum)  Aug{u8tt)  pr(o)  pr{aetore)] 
instante  Septmio  N.  .  .  o  prae[/{ecto)  alae]  dedicatum  III  Kai»  Nocem. 
Grato  et  SeU^uco  cos.],  a.  221. 
Die  Bauwerke,  welche  die  Kaiser  in  sonst  nie  wiederkehrender 
Weise  als  ihr  Geschenk  an  die  Truppen  bezeichnen,  sind  geweiht  ge« 
Wesen,  also  für  die  Zwecke  des  Lagercultes  bestimmt.  Alle  anderen 
Gegenstände  und  Gebäude,  welche  dem  Lagerculte  dienen,  sind  eben- 
falls Geschenke  und  bei  den  Truppen  römischer  Bürger  vom  Statthalter, 
dem  Stellvertreter  des  Kaisers,  geweiht''').  Demnach  können  jene 
Gebäude  No.  9  — 13  nur  die  vornehmsten  Heiligtümer  des  Lagers^ 
die  Heiligtümer  der  Fahnen  gewesen  sein.  Wenn  dem  Fahnenheilig- 
tume  der  Name  fehlt,  so  ist  dies  ein  Beweis,  dass  das  Lager  im  Grunde 
genommen  kein  Heiligtum  besitzt,  sondern  nur  einen  Platz  in  Praetorio, 
wo  geheiligtes  Geräte  aufbewahrt  wird.  So  befremdend  dies  scheint, 
so  ist  dies  doch  nur  eine  notwendige  Folge  der  Idee,  welche  alle  Einrich- 
tungen des  Lagers  durchdringt.  Das  Lager  der  Römer  ist  ein  Marsch - 
lager  und  kein  Standlager.  Denn  die  Sprache  unterscheidet  wohl 
zwischen  castra  hiberna  und  castra  aestiva  ''^),  aber  sie  hat  keinen  Aus- 
druck für  den  Begriff  des  Standlagers  '^).  Auf  dem  Marsche  kann  das 
Heer  keinen  Tempel  mit  sich  führen.     Deshalb  ist  das  Fahnenheiligtum 


^^)  Wo  die  Weihung  fehlt,  handelt  es  sich  entweder  um  Weglassung 
des  Vermerkes,  wie  bei  unbedeutenden  Gegenständen,  oder  die  Rechtsstellung 
der  Truppe  bedingt  es.    Vgl.  das  Recht  der  Heeresreligion. 

^^)  Daher  kann  die  Sprache  den  Begriff  der  Garnison  nicht  anders 
ausdrücken  als  durch  hiberna  et  aestiva.  Vgl.  Arch.  epigr.  Mitt.  XVII  S.  34. 
Die  Macht  der  Thatsachen  hat  es  mit  sich  gebracht,  dass  aestiva  das  Cbungs- 
lager  des  Sommerdienstes  (Tacit.  ann.  1,  16.  31)  und  zuletzt  das  Marschlager 
wurde,  Vita  Marci  29.    Hygin.  48.     Vgl.  Rhein.  Museum  49  S.  615. 

^*)  Von  castra  stativa  spricht  man  nur  im  strategischen  Sinne,  wenn 
eine  Truppe  während  einer  Operation  den  Lagerplatz  längere  Zeit  inne  bat. 
Alles  das  ist  wieder  der  Ausfluss  eines  noch  höheren  Principes,  welches  alle 
römischen  Heereseinrichtungen  als  das  wahrhafte  Lebensprincip  geschaffen  hat. 
£s  ist  der  Gedanke  der  absoluten  Offensive,  in  welcher  der  römische  Soldat 
erzogen  wurde.    Vgl.  die  Heeresgötter  der  Republik. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres. 


19 


nie  eine  organische  Institution  des  Heeres  geworden  und  alles  was  zu 
seiner  Ausstattung  dient,  behält  den  Charakter  der  freiwilligen  Spende. 
Dass  vier  dieser  Bauinschriften  von  Septimius  Severus  herrühren,  ist 
eine  Folge  der  historischen  Entwicklung  der  Heeresreligion.  In  gleicher 
Weise  hat  Septimius  Severus  das  Heiligtum  der  Vigiles  in  Ostia  umge- 
baut; hier  steht  der  Kaiser  inmitten  der  Fürsten,  die  ihm  auf  dem 
Throne  vorangegangen  waren.  Die  letzte  Ursache  dieser  sacralen  Lager- 
bauten ist  aber  das  Eintreten  des  Kaisercultes  unter  dieser  Dynastie, 
welcher  dazu  bestimmt  war,  die  Fahnenreligion  des  Principats  zu  verdrängen. 


Die  gewichtigsten  Zeugen  für  die  Religion  des  Heeres  sind  dem- 
nach alle  jene  Gegenstände  und  Gebäude,  welche  dem  Lagercult  gedient 
haben.     Einer  der  Altäre  ist  durch  den  reichen  Inhalt  der  Inschrift  so 
belehrend,  dass  er  als  typisches  Beispiel  vorausgestellt  werden  soll. 
14  =  CIL.  in   7591    —   Novae   —   Dis  müüaribus    Genta  Virtuti  aquäae 
8anct{ae)  signisque  leg{ionis)  1  Itcä{icae)  Secerianae  M.  Aurd{iu8)  lustus 
domo    Horrei   Margensis    miunicip'o)    Moesiae    superioris   ex    {trecenario) 
pifimus)  p{ilu8)  d(ono)  d(edit)  Dedicat{um)  XII  Kai.  Oct.  luliano  et  Crü- 
pino  (08.  per  Annium  ItcUicum  leg{atum)  Aug(usti)  pr{o)  pr{aetore)  a,  224. 

Nach  den  unsterblichen 
Göttern  stehen  jene  gött- 
lichen Wesen,  deren  Dasein 
an  die  Existenz  der  Truppe 
gebunden  ist  und  die  götter- 
gleichen Fahnen,  deren  Un- 
tergang den  Tod  der  Truppe 
nach  sich  zieht  ®^).  Die  Eigen- 
tümlichkeiten dieser  Altäre 
treten  deutlich  hervor.  Es 
ist  ein  Cultaltar  und  kein 
Votivstein,  geweiht  vom  Statt- 
halter und  errichtet  von  dem- 
jenigen Offizier  der  Legion, 
welchem  der  Schutz  des 
aquila  obliegt®^).  Auch  der 
Dedicationstag  des  Altars  ist 
merkwürdig;  er  findet  sich 
auf  keinem  anderen  Denkmal 


80)  Arch.  epigr.  Mitt.  XV  S.  189. 

81)  Marquardt,  St.-Verw.  II  S.  354. 


Dem  officiellen  Charakter  der  In- 

2* 


20  V.  Domaszewski 

und  ist  kein  Festtag  des  römischen  Kalenders.  Dennoch  ergiebt  sich 
seine  Bedeutung  aus  der  Bestimmung  des  Altars;  es  ist  der  dies 
natalis  aquilae,  der  einzige  notwendige  Festtag  der  Legion®*).  Die 
legio  I  Italica  ist  demnach  am  20.  September  des  Jahres  67  gegründet 
worden  *'). 

Auf  diesem  Wege  fortzuschreiten  und  nach  den  gemeinsamen 
Kennzeichen  jene  Denkmäler,  welche  den  Lagerculten  gedient,  aus  der 
Masse  der  anderen  auszusondern,  wftre  möglich.  Aber  es  giebt  ein 
Merkmal  allgemeinerer  Art,  welches  einfacher  zur  Erkenntnis  der 
Religion  des  Heeres  fahrt.  Die  Truppenkörper  als  Gesamtheit  haben 
in  vielen  Fällen  Altäre  errichtet.  Es  ist  auch  ohne  Beweis  klar,  dass 
Altäre  dieser  Art  nicht  entstanden  sind  auf  Grund  des  persönlichen 
Glaubens  einzelner  Soldaten,  sondern  dass  sie  ihre  Entstehung  jenem 
Glauben  verdanken,  in  dem  sich  eine  ganze  Truppe  vereinigte. 

Durch  eine  Gunst  des  Zufalles  ist  in  dem  Lager  der  equites 
singulares  zu  Rom  eine  Gruppe  von  Altären  zu  Tage  getreten,  welchen 
die  Beziehung  auf  die  Gesamtheit  der  Truppe  deutlich  innewohnt  und 
die  überdies  einen  geschlossenen  Götterverein  in  stets^  gleicher  Folge 
der  Namen  nennt.  Es  sind  jene  AMre,  welche  die  Gesamtheit  der 
aus  dieser  Truppe  entlassenen  Veteranen  in  den  Jahren  132 — 141 
errichtet  hat'**). 

15  =  lovi  optimo  maximo,  lunoniy  Minervae^  Marti,  Victoriae;  Herculi,  For- 
tunae,  Mercurio;  Saluti  Felicüaii,  Fatis;  Campestribus',  Sävano,  ApöUini, 
Dianae;  Eponae;  Suleois  et  Genio  singvilarium, 

Dass   dieser  Götterverein    kein   einheitlicher   ist,   sondern  in  ver- 


schrift  gemäss  nennt  der  Offizier  seine  Heimat  wie  in  den  officiellen  Listen 
der  Soldaten.     Vgl.  Die  Fahnen  S.  21. 

")  Mit  Recht  hat  Hübner  das  Datum  der  Inschrift  CIL.  II  n.  2552 
auf  den  dies  natalis  der  legio  VII  gemina  bezogen,  CIL.  II  Suppl.  praef. 
LXXXIX.     Vgl.  Seite  13,  No.  3. 

8')  Die  Truppenverschiebungen  für  den  Albanerkrieg  begannen  nicht 
vor  dem  Jahre  67.  Rhein.  Mus.  47,  214.  —  Das  umstehende  Glicht  ist  her- 
gestellt nach  einer  Zeichnung,  die  ich  Tocilescu  verdanke. 

8*)  Henzen,  Annali  deir  Institute  1885  S.  825  if.  Alle  Götter  nennen 
4.  9.  10.  12.  13.  Auf  dem  ältesten  Altare  No.  3  lovi  optimo  maximo,  lunoni, 
Minervae,  Herculi,  Fortunae,  Felicitati,  Saluti,  Fatis,  Genio  singularium  ist 
die  Reihe  sichtlich  unvollständig.  Es  fehlen  Mars,  Victoria  und  die  Cam- 
pestres,  die  notwendig  sind,  aus  einem  Grunde,  den  ich  nicht  zu  erkennen 
vermag.  Die  topographische  Besprechung  des  Fundes  durch  Lanciani,  welche 
Henzen  in  Aussicht  stellte,  ist  leider  nie  erschienen. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  21 

schiedene  Grnppen  zerfällt  ®^),  lehrt  der  erste  Blick.  Sichtlich  sind  die 
römischen  Götter  des  Krieges  an  die  Spitze  gestellt  und  hier  wird  die 
Analyse  beginnen  müssen. 

Dieser  "Kreis   der   dii  militares   kehrt   in  gleicher  Vollständigkeit 

nur  noch  auf  einem  Denkmal  wieder. 

i6  =  CIL.  VIII 24Ö5  und  17953  —  Mena^'a  —  I(pci)  o(pttmo)  m{aximo)  Iun(oni) 

reg{inae)  Minervae  Marti  Vict(oriae)  Aug(ustorum  trium)  pro  salute  imp{e- 

ratorum)   L.  Septimi  Seoeri  Pii  et   M,  Aurdi  Antonini  Aug{ustorum)  et 

P.   Septimi  Getae   vexiU{atio)   Ieg{ioni8)  III  Aug{ustae)  p[iae)    v{indici8) 

morans  in  procinctu  cur(ante)  Aemüio  Emerito  dec(urione)  al(ae)  I  Pannio- 
niarum)  Sat[urnino]  et  Gallo  cos.  V  K.  Mais  v.  s.    a.  198. 

Um  die  Beweiskraft  dieser  Inschrift  zu  prüfen,  bedarf  es  einer 
genaueren  Untersuchung. 

Dieser  Posten  war  an  dem  Fundorte  wenigstens  am  Anfang  des 
3.  Jahrhunderts  ein  stehender,  der  in  bestimmten  Zeiträumen  abgelöst 
wurde  ®^).  Das  Datum  bezieht  sich  wahrscheinlich  auf  die  Ablösung  *^^). 
Vexillationen  dieser  Art  sind  noch  an  anderen  Punkten  Numidiens  und 
sonst  im  Reiche  nachzuweisen. 

17  =  CIL.  Vill  18025  (cf.  Cagnat  l'annöe  epigraphique  1888  n.  1)  —  El- 
Gehara  —  Soli  invicto  MUhrae  [lu^ius  Florus  [{centurio)]  leg{ionis)  III 
Aug{u8tae)  ,  .  .  ,  us  Pastor  [de]c(urio)  alae  I  Pann{pniorum)  [Polmponim 
Ma[xi]mus  h[ene)f{iciarius  co{n)s{iilaris)  ü.  s.  l,  a. 

18  =  CIL.  VIII  2482  (cf.  17976)  —  Gemellae  —  Vic[toriae)  Aug(u8tae)  pro 
8al(ute)  d(ominorum)  n{ostrorum)  Valeriani  et  Gaüieni  \^Aagu8'\t{orum)  mi- 
l{ites)  l(egionis)  [III  Aug(wftae)  II  p{iae)  v{indicis)  Te\!itit\Uae  e  Bad(ta) 
GemeU(as)  regressi  die  XI  Kai.  Nov.  Vdusiano  II  et  Maximo  cos.  votam 
8olver{unt)  per  Valente{m)  (centiirionem)  leg{ionis)  s{uprä)  s{criptae)  L.  Vo- 
lumnius  Cresces  op[tio)  pri(ncipis)  M.  Aurel{ius)  Licin<us  opt{io)  C.  Geini- 
nius  Victor  opt{io)^^).    Exculpsit  et  sc(ripsit)  Donatus.    a.  253. 

Diese  zahlreichen  Detachierungen  sind  eine  Eigentümlichkeit  der 
numidischen  Armee  ®^j.     Sonst  treten  diese  Vexillationen  nur  vereinzelt 


^^)  Ich  habe  die  Gruppen  durch  die  Interpunktion  (;)  angedeutet ;  dass 
sie  gerade  so  zu  scheiden  sind,  ist  erst  zu  beweisen. 

««)  Die  anderen  Inschriften  CIL.  VIII  2464  (cf.  17952),  2466  (cf.  17954), 
2467  Cef.  17955)  zeigen,  dass  der  Posten  kaum  20  Legionare  gezählt  hat- 
Dazu  kam  aber  eine  Abteilung  Auxiliarreiter.     Vgl.  S.  22  Anm.  91. 

®^)  Das  Datum  fällt  vor  den  Anfang  des  5.  Monates  und  viermonatlich 
ist  der  Dienst  solcher  Vexillationes.    Vgl.  S.  14  Anm.  61. 

**)  Der  Posten  ist  von  ungewöhnlicher  Stärke,  da  drei  optiones  auf 
den  Stand  einer  halben  Cohorte  führen. 

'*)  Mommsen,  Epb.  epigr.  IV  p.  528. 


22  ^«  Domaszewski 

auf  und   zwar  immer  an    der  Grenze  der  Provinzen.      So   in  Spanien 
an  der  Meeresküste  ®®).     Vgl.  Inschrift  Nr.  3. 

In  Moesia  inferior  an  der  Grenze  von  Thrakien  und  Moesien: 

19  =  CIL.  III  7449  —  civitas  Montanensium  —  Der  Commandant 
ist  ein  centurio,  dem  ein  decurio  und  ein  beneficiarius  consularis 
beigegeben  sind.  Die  Vexillatio  selbst  zählt  76  Mann,  d.  h.  sie 
hat  die  Stärke  einer  Legionscenturie®^). 

In  Pannonia  superior  an  der  Grenze  Dalmatiens: 
In  Topusko   ist    eine   ganze   Reihe   gleichartiger  Altäre   oberpan- 
nonischer  Legionare   gefunden   worden,   welche  die   Stationierung  einer 
vexillatio  an  diesem  Orte  in  hohem  Grade  wahrscheinlich  machen. 

20  =  Viestnik  XIV  p.  66  Süvano  Fla(mus)  Albinus  mä{es)  legiionis)  XIIII 
g(eminae)  v,  $.  l.  l.  m.  und  ö  andere  gleichlautende  Steine. 

In  Obergermanien  an  der  raetischen  Grenze: 

21  =  Brambach  1564   —   Welzheim   —   l{oDij  o{ptimo)   m[aximo)  müiU[8 
legiionis)]  XXII  p[r(imigeniae)] 

Die  Stationsorte  beweisen,  dass  solche  Detachierungen  bestimmten 
Zwecken  dienten,  welche  mit  der  Überwachung  des  Grenzverkehrs  zu- 
sammenhängen müssen. 

Wenn  auch  in  diesen  Inschriften  der  Legionsvexillationen  die  dii 
militares  weitaus  überwiegen,  so  können  sie  doch  wegen  der  Ausnahmen  ^*) 
für  die  Religion  des  Heeres  nichts  beweisen  und  die  scheinbar  wichtigste 
Inschrift  ist  thatsächlich  für  die  Untersuchung  von  geringem  Werte. 
Sie  lehrt  nur,  dass  die  Rangordnung  der  Heeresgötter  bei  allen  Truppen- 
körpem  dieselbe  ist. 

Jupiter  optimus  maximns. 

An  der  Spitze  des  Göttervereines  der  equites  singulares  steht 
Jupiter   optimus   maximus,   der  Schirmherr   des   römischen  Staates   und 


®<*;  Der  Fundort  der  Inschriften  CIL.  II  2552  bis  2556  ist  ebenso  ver- 
dächtig wie  ihr  Inhalt.  Vielleicht  ist  das  einzige  echte  Stück  (vgl.  S.  12 
Anm.  56)  ebenfalls  in  Emporiae  gefunden. 

**)  Die  Inschrift  ist  vollständig  und  das  Verzeichnis  der  Legionare 
sicher  zu  Ende,  ohne  dass  unter  ihnen  ein  eques  legionis  genannt  würde. 
Die  Reiter,  welche  der  Vexillatio  beigegeben  waren  (CIL.  III  12378  ist 
nicht  veteranus  zu  ergänzen),  werden  Auxiliarsoldaten  gewesen  sein  und  sind 
deshalb  auf  dem  Steine  der  vexillatio  nicht  genannt  (vgl.  No.  16.  17). 
Dagegen  ist  der  decurio,  der  früher  in  der  Legion  gedient  hatte  (vgl.  meine 
Note  zur  Inschrift),  mit  aufgenommen,  aber  gegen  seinen  Rang  am  Ende  der 
Liste  hinzugefügt. 

^^)  Entscheidend  ist  die  Nennung  des  Mithras  Nr.  17,  weil  dieser  Gott 
in  der  Religion  des  Heeres  unmöglich  ist.    Vgl.  dei  externi. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  23 

Heeres,   begleitet   Yon  den   Göttinnen,   die   mit  ihm   die  Trias  Capito- 
lina  bilden. 

Der  älteste  Altar,  der  ihm  gilt  und  im  Fahnenheiligtum  ge- 
standen hat,  ist: 

22  =  CIL.  VIII  1839  (cf.  16499)  —  Theveste  —  lovi  Au[gu8tö]  dedicanU 
Cn.  SueOio  jP/.  .  .  .  leg{ato)  ÄugCuati)  pro  p[riaHore)]  Q.  Mantius  Q.  /. 
C<im(üia)  ....  AUm  Pompeia  [p{rimu8)  p{üu8)]  leffiionis)  III  Aug(ustae) 
d{e)  s{uo)  [Jiecü)]. 

Die  Ergänzung  primus  pilus  sichert  schon  die  Grösse  der  Lacke, 
noch  mehr  die  Art  des  Steines,  der  alle  Kennzeichen  der  Altäre  des 
Fahnenheiligtums  an  sich  trägt.  Gesetzt  ist  er  jedenfalls  nicht  vor 
Olignla,  da  sonst  der  Höchstcommandierende,  der  Proconsul  von  Africa, 
genannt  sein  mflsste  "**).  Dessau  wollte  die  Inschrift  m  domitianische  Zeit 
rücken.  Aber  die  Inschrift  ist  weit  älter,  so  alt  als  das  Legionslager 
zu  Theveste.  Die  folgende  sicher  aus  domitianischer  Zeit  stammende 
Inschrift  eines  Lageraltars  ist  ganz  anders  abgefasst. 

23  =  CIL.  III  Suppl.  13443  —  ad  Flexum »')  —  I{ovi)  o(ptmo)  m(aximo) 
lunoni  reginae  Mineroae  ceterisque  dis  deabusque  Genio  legionis  XIIII 
gem{inae)  M{artiae)  V(ictricis)  .... 

Um  die  Zeit  dieser  Inschrift  zu  bestimmen,  ist  es  notwendig, 
•auf  die  dunkle  Geschichte  der  pannonischen  Legionslager  näher  einzu- 
gehen. Als  die  XIIII  gemina  noch  vor  Traians  Dakerkrieg  in  Pan- 
nonien  eintraf*^),  hatte  die  XIII  gemina  das  Lager  von  Yindobona,  die 
XV  Apollinaris  das  Lager  von  Camuntum  inne,  die  eben  für  ihre  Be- 
satzungen Raum  boten.  Deshalb  muss  ad  Flexum  bereits  damals  das 
Lager  der  XIIII  geworden  sein^*).  Nachdem  die  XIII  gemina  die 
Provinz  verlassen  und  ehe  die  X  gemina  zum  Ersätze  eingetix)ffen  war  ®^, 
entstand  noch  ein  4.  Lager  in  Brigetio^^). 


•*»)  Vgl.  das  Recht  der  Heeresreligion. 

^*)  Die  Inschrift  ist  an  der  Burg  von  ungarisch  Altenburg  eingemauert 
zusammen  mit  CIL.  III  13444  leg(io)  XIIII  G{emna)  Mfartia)  V(ictnx) 
(centuria)  P.  Fanni  MaxsimL  Nach  den  Maassen  der  Itinerare  lag  aber  hier 
ad  Flevum,  wohin  Ptolenuieus  2,  14,  3  die  legio  XIIII  gemina  setzt. 

")  Korrbl.  d.  Westd.  Zeitschr.  1891  Sp.  283. 

•*)  Vgl.  für  Köln,  Korrbl.  d.  Westd.  Zeitschr.  1893  Sp.  263. 

^)  Die  Legion  ist  um  eben  diese  Zeit  nach  Pannonien  verlegt  worden. 
Vgl.  Rhein.  Museum  46  S.  604  Anm.  3. 

'')  Also  auch  in  Pannonien  hat  man  die  Legionslager  in  der  Richtung 
"des  Stromlaufes  vorgeschoben  wie  in  Moesien.  Vgl.  Neue  Heidelberger 
Jahrb.  I  S.  198. 


24  V.  Domaszewski 

CIL.  in  11365a  viexiOaUones)  l{egionum)  XIIII  et  XV. 

Dieses  Lager  war  bestimmt  für  die  XXX  Ülpia-Victrix. 
CIL.  III   10974   [F}ortu[nae]    sacrum   PrMciVi[n«]    Hüario   müea   legiianü} 
XXIX]  ü{lpiae)  Viictricis  v.  8.  l  [m.]»«). 

Traian  hat  diese  Legion,  wie  die  Ziffer  lehrt,  als  die  30.  seines 
Heeres  errichtet.  Bei  seinem  Regierungsantritt  hat  aber  Traian  wahr- 
scheinlich nur  28  Legionen  gezählt.  Die  Möglichkeit,  diese  Ziffer  zu 
fixieren,  hat  erst  Mommsens  Beobachtung  geschaffen,  dass  Yespasiaa 
die  im  batavischen  Aufstand  vernichteten  Legionen  des  Rheinherres,  die  I, 
IUI  Macedonica,  XV  Priraigenia,  XVI,  aufgelöst  ®^.  Von  den  Legionen 
dieses  Heeres  haben  weiterbestanden  nur  die  V  Alaudae,  XXI  Rapax 
und  XXn  Primigenia,  deren  Adler  nicht  in  Feindeshand  gefallen  waren  ^****). 
Da  Vespasian  zwei  Legionen,  die  IUI  Flavia  und  die  XVI  Flavia  neu 
errichtet  hat*®')  und  die  in  den  Bürgerkriegen  gebildeten  I  adiutrix^ 
II  adiutrix,  VII  gemina  beibehielt,  so  zählte  sein  Heer  28  Legionen  '***)> 
Eine  dieser  Legionen  war  in  Domitians  Dakerkriege  vernichtet  worden  '"^)^ 


*')  Wenn  kein  Zufall  spielt,  setzt  ein  miles  den  Altar  im  Gamisons- 
ort,  in  einem  anderen  Lager  nur  dann^  wenn  dieses  Lager  das  Hauptquartier 
ist.  Brigetio  ist  also  der  einzige  Ort,  welcher  mit  Wahrscheinlichkeit  als 
Gamisonsort  der  XXX  ülpia,  deren  Anwesenheit  in  Pannonien  früher  nur 
aus  Ziegeln  bekannt  war,  in  Anspruch  genommen  werden  kann.  Die  spätere 
Besatzung  dieses  Lagers,  die  I  adiutrix,  steht  unter  Traian  noch  in  Dacien 
CIL.  III.  8062. 

*»)  Ephem.  epigr.  V  p.  201,  213,  226. 

"0)  Arch.  epigr.  Mitt.  XV  S.  190. 

»<>*)  Arch.  epigr.  Mitt.  XV  S.  190. 

"*)  Unter  Nero  bestanden  27  Legionen,  Borghesi,  Oeuvres  IV  p.  240; 
4  hatte  Vespasian  aufgelöst,  aber  5  neu  gebildete  hinzugefügt. 

^^')  Die  Vernichtung  einer  Legion  bezeugt  Dio  68,  9,  3  Tqocioivos  oqtj 
TS  ivTSTfixi'Ofiiva  flaßs  xai  h  ovroig  rd  ts  onXa  tu  ts  firjX«V7jfiaTa  Ttai 
Tii  aixfiu^oaxa  rd  rc  arjfialov  v6  inl  tov  ^ova%ov  ccXbv  Uaße.  Sueton,  Do- 
mitian  6  suscepit  —  necessario  unam  (expecUtionem)  in  Sarmatas  legione  cum 
Ugato  simui  caesa.  Zuletzt  hat  Ritterling  Westd.  Zeitschr.  XII  S.  236  ff. 
die  Vernichtung  zweier  Legionen  aus  diesen  Zeugnissen  erschlossen.  Aber 
wir  wissen  so  wenig  über  Domitians  Donaukriege,  dass  ich  wenigstens  aus- 
so  dürftigen  Excerpten  keine  Schlüsse  zu  ziehen  wage,  die  sich  an  der  That- 
sache  stossen,  dass  eine  zweite  Legion,  die  unter  Domitian  vernichtet  wurde, 
nicht  nachweisbar  ist.  Wenn  auch  Sueton  sagt,  dass  die  Vernichtung 
der  Legion  die  Ursache  des  Sarmatenkrieges  gewesen,  so  kann  doch  der 
Adler  in  die  Hände  der  Daker  gefallen  sein.  Die  Cherusker  sind  gewiss  die 
Sieger  der  Varusschlacht  und  doch  haben  ihre  Verbündete,  die  Bructerer 
(Tac.  ann.  I,  60)  die  Marser  (Tac.  ann.  2,  25)  und  die  Chatten  (Dio  60,  8> 
die  drei  Adler  gewonnen. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  2b 

an  ihre  Stelle  war  aber  die  I  Minervia  getreten,  so  dass  Traian  das 
Heer  wieder  in  der  von  Vespasian  festgesetzten  Stärke  übernahm.  Die 
vernichtete  Legion  kann  nur  die  V  Alaudae  sein,  für  welche  Zeugnisse 
aus  flaTischer  Zeit  noch  ganz  fehlen.  Dagegen  hat  die  XXI  Rapax 
noch  unter  Hadrian  bestanden,  wenn  die  Worte  der  vita  15,  13  qui 
habet  triginta  legicnes  Glauben  verdienen.  Sie  werden  aber  bestätigt 
durch  eine  Inschrift,  die  frühestens  unter  Hadrians  Regierung  geschrie- 
ben ist  und  noch  die  XXI  Rapax  nennt  ^^).  Auch  sie  ist  unterge- 
gangen, aber  durch  missio  ignominiosa  *®*).  Die  29.  Legion  Traians 
kann  nur  die  II  Traiana  sein.  Sie  wird  zuerst  genannt  im  Jahre  101^ 
auf  einer  äg\'ptischen  Inschrift  *®®).  Man  wird  deshalb  annehmen  dürfen^ 
dass  sie  zum  Ersätze  für  die  nach  Arabia  verlegte  III  Cyrenaica  er- 
richtet wurde  und  als  zweite  des  ägyptischen  Heeres  die  Nummer  U 
erhielt.  Dies  bestimmt  die  Entstehungszeit  der  XXX  Ulpia;  sie  ist 
erst  nach  dem  zweiten  dakischen  Kriege  errichtet  worden.  Die  XIV 
Gemina  ist  später  in  Camuntum  an  Stelle  der  XV  ApoUinaris  getreten 
und  zwar  jedenfalls  vor  dem  Ende  der  Regierung  Hadrians'*^'). 

Diese  lange  Erörterung  war  unerlässlich  um  zu  zeigen,  dass  der 
Altar  No.  23  an  der  Wende  des  1.  und  2.  Jahrhunderts  geschrieben 
sein  muss. 

Die  Capitolinische  Trias  kehrt  wieder  auf  den  Altären  der  Veteranen,. 

welche  aus  den  Legionen  entlassen  wurden  *®*). 

24  =  CIL.  III  1078  —  Apulum  —  I(ovi)  o{ptimo)  m{aximo)  lunoni  reginae 

Minervae  veterani  legiionis)  XIII  Ge(nunae)   m(isst)  h{one8ta)   m(is8ione) 

per  lulium  Bassum   Ieg{atum)  Aug{ustt)  pr(o)   pr{aetore)  Idibus  Decemb. 

Pofaiano  et  Adiano  cos,  müites  fac(U).    a.  135. 

^®*)  CIL.  III  6813.  Der  Mann  ist  senatorischer  Commandant  der  legio  11 
Traiana,  ebenso  wie  der  bei  Benndorf,  Reisen  in  Lykien  I  n.  76;  Renier  za 
Spon  rech.  2.  Aasg.  p.  106  ist  ein  [praep(o8ito)  yexill(ationum)]  iussu  imp. 
Hadriani  Aug.  [leg.  II  Traian.]  fort,  et  leg.  III  Cyr.  genannt.  Vielleicht 
dass  die  II  Traiana  am  Anfang  der  Regierung  Hadrians  zum  exercitus  Arabiae- 
gehörte. 

^^^)  Ihr  Name  ist  eradirt,  Mommsen,  Inscr.  confoed.  Helvet.  n.  248. 
Legionen,  welche  durch  Verlust  des  Adlers  in  der  Schlacht  zu  Grunde  gehen,, 
wie  die  Varianischen  und  die  IX  Hispana  (CIL.  VI!  n.  241  als  Bauinschrift 
beweisend),  sind  nie  eradirt,  sie  sind  den  ehrlichen  Soldatentod  gestorben. 
Dagegen  ist  die  von  Gordianus  aufgelöste  legio  III  Augusta  immer  eradirt; 
es  ist  die  damnatio  memoriae  eingetreten,  ebenso  wurde  die  von  Elagabal 
aufgelöste  III  Gallica  eradiert.    CIL.  III  n.  186. 

!••)  CIL.  III  n.  79. 

»«^)  Arrian  fxrrrjtg  ö. 

i<»8)  Über  diese  Altare  vgl.  Mommsen  Arch.  cpigr.  Mitt.  VII  S.  188  ff.. 


26  V.  Domaszewski 

25  =  CIL.  II  3327  —  Tugia  —  Numini  8ac(rum)?  l(ovi)  o(ptimo)  m{aximo) 
[Iu]non[t]  E[eg(inae)]  M[in{ervae)]  vot(um)  solvenint  lib{eiües)  mer{üi)  ve- 
iera[ni]  leg{ioni8)   VII  gem[in{ae)]  piae  fdicis. 

26  =  CIL.  III  7754  —  Apulum  —  I(oot)  o(ptimo)  m(aximo)  veterani  legiio- 
nis)  XIII  ge(minae)  müüea  facti  Serviano  et  Sura  et  Traiano  cos.  a.  102/3. 

Noch  eine  dritte  Gruppe  von  Inschriften  ist  für  die  Religion  des 
Heeres  streng  beweisend.  Es  sind  die  Cultaltäi-e  der  Canabenses  jener 
Lagerstadter  ^*'**),  welche  vor  den  Wällen  der  Lager  ein  Gemeinwesen 
besassen.  Die  angesehensten  der  Canabenses  sind  die  aus  der  Truppe, 
die  das  Lager  bewohnt,  entlassenen  Veteranen ;  sie  bestimmen  die  Form 
^es  Cultes. 

27  =  CIL.  III  6166  —  Troesmis  —  [I(ovi)  o(ptimo)  m{aximo)  Ian{(mx)  regit- 
nae)  Mineroae  p]ro  saHute)  Imp[eratori8)  Caesiarü)  Tra(iani)  Hadr{iani) 
Aug(usti)  C.  Val(erio)  Pud^ente)  vet{erano)  le(gioniis)  V  Mac{edonkae)  et 
M.  Ulp(iö)  Leontiiö)  mag{istri8)  Canabe{n8ium)  et  Tuc{cio)  Äd(iano)  aed{ile) 
dipno)  d{ederunt)  vet{erani)  et  ciives)  B{omani)  cons{tstente8)  ad  ^nab{as) 
leg{ioni8)  V  M(acedonieaey 

^8  =  CIL.  III  6167  —  Troesmis  —  Hpoi)  o{ptimo)  m(aximo)  I[un{oni)  reg(i- 
nae)  MinerDae]  8ac{rum)  pro  8a[l{ute)  Impieratoris)  Cae8(ari8)  T.  Ad{ii)] 
Had(riani)  Anton(ini)  lAug(u8ti)  Pii  et  Veri]  Cae8(ari8)  c[iües)  B{otnani) 
Tr[oe8mi  con8i8t(entes)  mag{isterio)  [Ge]mini  Aqiul[ini  et .  .  ,  qui  et  8ig[na 

et  templum  per]  mi88[u? 

.29  =  ('IL.  III  7474  —  Durostorum  —  I(ooi)  o{ptimo)  m(aximo)  pro  salute  im- 

p(eratori8)    Caes{ari8)    T.  Adi  Hadriani  Antonini  Aug{u8ti)   Pä  et  Veri 

Caes{arts)  templum  et  statuam  c{ivibu3)  R(omani8)  U  conaistentibus  in  Ca- 

nabis  Adis  legiionis)  XI  Cl(audiae)  Cn.  Oppius  Soterichu8  et  Oppius  Seoerus 

fil{iu8)  eius  de  8uo  fecerunt  dedicatum  est  per  Tib{erium)  CUaudium)  Satur- 

ninum  leg{atum)  Augiusti)  pr{p)  pr{aetore)  Tib.  Cl{audio)  Itdiano  leg(ato) 

Aug{u8ti). 

Die  Aufstellung  der  Altäre  unter  jeder  Regierung**®)  muss  einer 

T)estimmten  Ordnung  des  Cultes  in  den  Lagerstädten  entsprechen.     Auch 

hier  musste  wie  im  Lager  selbst  der  Genius  des  Kaisers  verehrt  werden 

und   das  Standbild   des  neuen  Herrschers  in  einer  Kapelle  seinen  Platz 

■erhalten.     Aber  wie   im  Lager   gelten  die  Opfer  nicht  dem  Genius  des 

^Kaisers,  sondern  den  Heeresgöttern. 

Erwuchs  aus  den  Canabae  eine  Stadt,  was  vor  Diocletian  nur  im 
Innern  des  Reiches  geschah***),  so  blieb  die  Trias  Capitolina  die 
Schutzgottheit. 


*®®)  Mommsens  Untersuchung  Hermes  VII  30t  ff.  ist  grundlegend  fiir 
das  Verständnis  dieser  eigenartigen  Gemeinwesen. 

^*®)  Deshalb  kann  die  Inschrift  No.  29  nichts  beweisen  für  die  Zeit, 
in  welcher  Durostorum  das  Lager  der  legio  XI  Claudia  wurde.  Vgl.  auch 
CIL.  III  p.  1389  Cap.  V  praefatio. 

"*)  Vgl.  Genius  beneficiariorum. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  27 

-30  =  CIL.  VIII  2611  cf.  p.  954  —  Lambaesis  —  Impieratoribus)  Caesiaribus) 
Antanino  III  et  0]eUi  II  Aug{u8Hs)  co{n)8(uhbu8)  [aedes  loois  opHmi  maximi 

lunonia]  Beginae  Minervae  et  Genii  Lambae[si8^^^)  pecunia  publica  mum- 
dpa  Lamb<ie]sitanorum  unno  et  mensibus  .  .  [restituta  est^^^)  dedicarUe] 
M.  Aurdio  Cominio  Ca8sian[o  c[larissimo)  v(iro)  [leg{ato)  Aug{ustorum  trium) 
pr(p)  pr{aetore)  patrono  mun]icipü.    a.  208,'9. 

31  =  Brambach  1281  —  Moguntiacum  —  in  [h{(morem  d(omu8)  d(ivinae) 
loci  o(ptimo)  m{€LJcimo)  et]  lunom  Beginae  et  Minervae  diu  deabusque  im- 
[mortalibus  pro]  salute  et  in[columttate]  d(<munarum)  no8tro[rum  Diodetiam 
et]  Maxitnian[i  semper]  Atigu8tor[um  et  Constanti]  et  Maximia[ni  nob(ili8si' 
unorum)  Cae8(arum)]  civUas  Mog[unt{iacensium)  dedicaute]  . .  Aurdio  Av[. . . . 
[praeside  p{rooinciae]  G[ermaniae)  siuperioris)  Kai 

Jnpiter  optimus  maxinms  ist  auch  der  Schutzgott  der  Auxilia. 
Aber  es  ist  kein  Zufall,  dass  der  Altar  aus  dem  Fahnenheiligtum  ^er 
Auxilia  den  Gott  doch  nicht  nennt. 

32  =  CIL.  VII  1031  —  Bremenium  —  Genio  et  signis  cohiprtia)  I  F(idae) 
Vardul{lorum)  c(ioium)  Romanorum)  eq(uitatae)  (müiariae)  T,  Licinius 
Valerianus  trib(unus). 

Auch  als  der  Kaisercult  der  Provinzialen  unter  Gordian  end- 
gültig im  Lager  siegt  (vgl.  oben  Inschrift  No.  8),  tritt  nur  der  Genius 
•des  Kaisers  an  die  Spitze.  Denn  Jupiter  optimus  maximus  ist  der 
Schutzgott  der  Römer  und  den  Peregrinen  fremd,  die  grundsätzlich  das 
Recht  hatten,  ihre  eigenen  Götter  zu  verehren.  Nur  als  Heeresgott  hat 
er  gleich  Mars  und  Victoria  in  dem  Fahnenheiligtum  der  Auxilia  Auf- 
nahme gefunden. 

In  allen  Auxiliarlagern,  deren  Umgebung  wirklich  untersucht 
wurde,  finden  sich  in  grosser  Zahl  Altäre  des  Jupiter  optimus  maximus, 
errichtet  von  der  Gesammtheit  der  Truppenkörper  **'^).  Aber  nicht  im 
I^ager  selbst  standen  diese  Dedikationen,  sondern  wie  die  in  zwei  Fällen 
genauer  bekannten  Fundumstände  beweisen,  in  ganzen  Gruppen  ausserhalb 
des  Lagers  zusammen  mit  den  Altären  anderer  Götter  **®).  Wenn  nun  die 
cohors  I  Aelia  Dacorum  in  Brittanien  nicht  weniger  als  zwanzig  solcher 


^^')  Gerade  darin,  dass  der  Genius  von  Lambaesis  im  Tempel  der 
Heeresgutter  verehrt  wurde,  zeigt  es  sich  deutlich,  dass  dieser  Tempel  das 
alte  Heiligtum  der  Canabenses  ist.     Vgl.  Fortuna. 

^")  Die  Ergänzung  restäuta  est  scheint  mir  notwendig,  weil  der  Tempel 
in  Lambaesis  seit  der  Begründung  des  Lagers  bestanden  haben  muss. 

"»)  CIL.  III  821.  1344.  6257.  7848.  7849.  7865.  11918.  CIL.  VII  315. 
317.  340—342.  373.  374.  377.  378.  383—387.  435.  808—825.  877—879.  937. 
975.  1066.  1083.  Ephem.  epigr.  III  n.  185  ff.,  VII  967.  1071,  arch.  joum.  I 
(1893)  p.  23. 

"«)  CIL.  Vn  372  ff.  und  Eph.  ep.  HI  p.  314  n.  185. 


28  V.  Domaszewski 

Altäre  an  einem  Orte  hinterlassen  hat^^^)  und  die  cohors  II  Commage- 
norum  in  Dacien  anter  demselben  Praefecten  dreimal  einen  solchen 
Altar  setzt  ^*®,  so  handelt  es  sich  um  die  Erfüllung  eines  Gebrauches, 
für  den  die  Veranlassung  Jahr  für  Jahr  wiederkehrte.  Wie  dieser  Ge- 
brauch zu  erklären  ist,  haben  die  Gelübdesteine  der  equites  singulare^ 
gelehrt.  Diese  Altäre  sind  die  Gelübdesteine  der  aus  den  Auxilia  ent- 
lassenen Veteranen.  Ihre  dürftige  Fassung  entspricht  der  Herkunft  von 
der  barbarischen  Reichsgrenze. 

Drei  dieser  Altäre  haben  für  die  Organisation  des  Lagercult^ 
eine  besondere  Bedeutung. 

.33  =  CIL.  VII  882  —  Petrianae?  —  [1(oü{)  oiptimo)  m{aximo)]  etnum[im] 
[Äug(u8ti]i]  n(08tri)  co{hor3)  11  Tungror{um)  (müiaria)  Gor{diana)  eq(\utata) 
[c(ivmm)'\  L(atinorum)  cui  praeest  T,  Cl(audiu8)  Claud[ianus]  praef{ectu8)' 
instante  Ad{io)  Martine  princ(ipe)  X  Kai,  J.  .  .  ***)  imp{eratore)  d(omino) 
niostro)  G(ordiano)  Augiusto)  11  [et]  Pompeiano  cos.    a.  241. 

34  =  CIL.  VJI  879  —  Petrianae?  —  l{ooi)  o(ptimo)  m(aximo)  cohors  11 
Tungr{orum)  (mUidria)  eq{uitata)  c(»rium)  L(atinorum)  cui  praeest  Alh{ius) 
Severus  praef{ectu8)  Tung(rorum)  insta{nte)  Vic(cio)  Seoero  princip[e]. 

35  =  CIL.  VII  880  —  Petrianae?  —  l(oüi)  o{ ptimo)  m{aximo)  [c]oh{or8)  1[1} 
Tung[ror{um)  [m]ä(iaria)  eq(uUata)  c{iviuni)  L{atinorum)  cu[i  pr]aee8[t] 
Aure[l{ius)]  Optatus  p[rae]f[ectus)  [in]8tan[te]  Mesisio)  Ops[equente]  p[r]in' 
c\ipe] 

In  den  Cohortes  equitatae,  wie  bei  den  equites  singulares  des 
Kaisers  führt  der  höchste  Decurio  den  Namen  princeps  ^*^).  Eine 
Inschrift'**)  nennt  jedoch  principes  der  ordinati,  also  der  Centurionen 
einer  Auxiliarcohorte,  so  dass  auch  an  der  Spitze  der  Centurionen  der 
Cohorte  ein  princeps  gestanden  haben  wird.  Er  trägt  hier  die  Sorge 
für  die  Errichtung  dos  Monumentes.  Seine  Funktionen  müssen  sich 
demnach  auch  auf  die  Lagerculte  erstreckt  haben  "').  Auf  allen  diesen 
Altären  ist  Jupiter  optimus  maximus  allein  genannt  und  es  giebt  auch 
keine  Altäre,  welche  der  Juno  regina  oder  der  Minerva,  als  Mitglied 
der  Capitolinischen  Trias,  von  ganzen  Truppenkörpem  gesetzt  wären. 
Diese  Göttinnen  existieren  also  für  das  Heer  nur  dur(;h  ihre  Verbin- 
dung mit  Jupiter  Capitolinus. 


"^)  CIL.  VII  p.  143  ff. 
"8)  CIL.  HI  7848.  7849.  7865. 

"•)  Es  ist  das  Datum  der  Entlassung  der  Veteranen  und  wahrschein- 
lich X  Kal(enda8)  JaD(uarias). 

120)  Verhandlungen  der  42.  Philologenversammlung  S.  357. 
">)  CIL.  III  7631.    Vgl.  schoUe  der  auxilia. 
"*)  Vgl.  Das  Recht  der  Heeresreligion. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  29 

Minerva, 
Minerva  geniesst.  im  Heere  als  selbständige  Göttin  eine  weitgehende 
Verehrung.     Sie  ist  die  Schutzgöttin  einer  Reihe  von  principales. 

a)  Spielleute: 

36  =  Bramhach  1738  —  Steinbach"')  —  Minervae  aeneatores  oohiortis)  I 
Seg{uanorum)  et  Baur{acorum)  fq{uüatae)  v.  s.  h  L  m. 

Die  verschiedenen  Bläser  der  Gehörte :  tubicines,  comicines,  bucina- 
tores  sind  unter  einem  Namen,  der  sonst  nicht  technisch  ist,  zasammen- 
^efasst  ^**). 

37  =  CIL.  m  Suppl.  10997  '")  —  Aquincum  —  Minervae  Äug(ustae)  8acr{ufn) 
scola  iubicinum  ex  wt(q)  pos(uit)  Imp{eratore)  d(omino)  n(ostrd)  Alexandra  III 
et  [Di\one  cos),    a.  229. 

b)  Verschiedene  Gattungen  der  Schreiber. 
1)  Beamte  des  tabularium  principis  "*). 

38  =  CIL.  VIII 18060  —  Lambaesis  —  Genio  tabül{arit)  princiipis)  Minervae 
Augu8t(ae)  "^). 

39  =  Brambach  1883  —  Argentoratum  —  In  hipnorem)  d{omus)  d{ivinae) 
Minervae  8anct{a)e  et  Genio  loci  C,  Amandim  Finäus  opt{io)  princi[p{i8)]  et 
T.  Cdswt  Victorinus  libr(ariu8)  principie  refecerunt  Mudano  et  Fabiane  cos. 
C,  Q.  Caütus  opt(io)  pr{incipi8)  inchocUum  d{e)  8{uo)  petfecit.  Duob(us)  Au- 
g[u8ti8)  Seoero  III  et  [Ant]onin(o)  cos.    a.  202 1"). 


*")  Der  Stein  stammt  aus  Miltenberg,  dem  Lager  der  Cohorte.  Vgl. 
«cholae  der  auxilia. 

^^*)  Tubicines  besassen  die  auxilia  schon  unter  Tiberius:  Brambach 
1289  (cf.  1233.  1234)  die  cohors  Ituraeorum,  welche  als  Schützen  notwendig 
in  aufgelöster  Linie  fochten.  Ein  cornicen  ist  erst  im  Jahre  210  nachzu- 
weisen, Brambach  1284.  Die  Einführung  dieses  Bläsers  bezeichnet  die  Ver- 
änderung in  der  Taktik  der  auxilia,  weil  der  cornicen  für  das  statarische 
Gefecht,  wie  die  Legionen  es  führen,  bestimmt  ist,  vgl.  Die  Fahnen  S.  8. 
Damals  hatten  also  die  auxilia  den  Charakter  der  levis  armatura  verloren. 
Wahrscheinlich  ist  dies  eine  Einrichtung  Hadrians,  der  die  numeri  in  ihrer 
späteren  Bedeutung  schuf  (CIL.  II I  12601  und  zwei  unedierte  Inschriften 
des  Alutalimes,  welche  demnächst  im  Auctarium  zu  CIL.  III  Suppl.  erscheinen 
werden),  welche  die  taktischen  Aufgaben  der  auxilia  übernahmen. 

^'^)  Die  Bedeutung  der  Inschrift  hat  Mommsen  a.  a.  0.  erkannt. 

"•)  Über  das  tabularium  principis  vgl.  Mommsen  CIL.  VIII  18072. 

*")  Auch  diese  Inschrift  hat  Mommsen  a.  a.  0.  zuerst  richtig  beurteilt. 

**')  Diese  Inschrift  kann  sich  wegen  der  Chargen,  die  sie  nennt,  nur 
auf  das  tabularium  principis  der  legio  VIII  Augusta  beziehen,  das  für  den 
Dienst  der  Legion  und  nicht  des  Legionsstabes  bestimmt  ist.  Sie  beweist 
zwingend,  dass  diese  Legion  mit  allen  ihren  Cohorten  in  Strassburg  stand, 
wie  Strassburg  überhaupt  von  Augustus  bis  in  die  spätesten  Zeiten  Legions- 
lager geblieben  ist. 


30  V.  Domaszewski 

Es  sind  zwei  Beamte  des  tabularium  principis,  die  nacheinander 
die  Wiederherstellung  besorgen. 

2)  Das  Tabularium  der  Auxiliarcohorte. 

40  =  Brambach  1727  —  Nekarburken  —  Minervae  pro  aalute  imp(eratori8} 
v{08tri)  lihrari^'^^), 

3)  Ein  Tabularium  bestand   auch   im  Hauptquartier  der  Pro- 
vinzialarmee. 

41  =  Brambach  974  —  Moguntiacum  —  Beae  PdUadi  C.  Äur(diu8)  Festinu» 
(centurio)  gtrator  c  .  .  gnatiani  leg(ati)  tabularium  pensäem  a  solo  fecit 
admtore  Cossio  Martina  Praeaente  et  Eoctricato.    a.  217. 

Die  Organisation  des  Armeestabes  lässt  sich  in  wesentlichen 
Punkten  noch  erkennen. 

42  =  Cagnat  ann^e  epigr.  1891  n.  146  —  Köln  —  Pro  aalute  imp{eratoris) 
n{08tri)  I{ovi)  o{ptitno)  m{aximo)  ceterisque  diis  et  genta  loci  M,  Verecun- 
diua  Simplex  (centurw)  leg{ionia)  XXX  Ulp{iae)  curam  agena  atratarum 
et  peditum  aingularium  co{n)8(ülari8)  v.  [s.  l]  l  Macrino  et  Cdao  coa,   a.  164. 

Der  Centurio  strator,  dessen  Bedeutung  sein  Titel  nur  erraten 
liess^^®),  ist  also  der  Stallmeister,  die  stratores  sind  die  Bereiter  und 
die  pedites  singulares  werden  auch  als  Stallburschen  verwendet  *^^).  Die 
Inschrift  No.  41  bezieht  sich  auf  das  tabularium  der  Stallverwaltung 
und  der  adiutor  ist  der  dem  centurio  für  die  Führung  der  Geschäfte 
beigegebene  Schreiber  ^'^). 

Der  Centurio  strator  ist  nicht  der  einzige  ins  Hauptquartier  ab- 
kommandierte Legionscenturio. 


^*')  Die  Beziehung  auf  die  auxilia  sichert  der  Fundort. 

180)  CIL.  II  4114,  VIII  2749.  7050,  Brambach  453.  Alle  Inschriften 
stimmen  darin  überein,  dass  der  centuiio  strator  ein  Officiale  des  Statthalters 
ist.  Deshalb  hat  Borghesi  Oeuv.  IV  p.  145  in  dem  legatus  der  Inschrift 
Nr.  41  mit  Recht  den  Statthalter  von  Obergermanien  erkannt.  Es  wäre 
völlig  irrig  zu  glauben,  dass  der  centurio  strator  CIL.  VIII  7050  zugleich 
primuspilus  und  der  CIL.  II  4114  zugleich  hastatus  gewesen  ist.  Vielmehr 
beziehen  sich  diese  höchsten  Centurionate  auf  das  spätere  Avancement,  das  sie 
der  Empfehlung  des  Statthalters  verdankten  (vgl.  arch.  epigr.  Mitt.  X  S.  24). 
Die  Ehrenstatuen,  die  sie  errichten,  sind  der  Ausdruck  der  Dankbarkeit. 

"*)  Die  pedites  singulares  des  Statthalters  bildeten,  wie  jetzt  sicher 
steht,  einen  numerus,  vgl.  Arch.  epig.  Mitt.  X  S.  22.  Die  Ziegel  CIL.  III 12633 
zeigen,  dass  man  sie  auch  zum  Ziegelstreichen  verwendete.  Es  sind  über- 
haupt  die   ins  Hauptquartier  abkommandierten  Fusssoldaten  der  Auxilia. 

^'*)  Adiutor  ist  nur  ein  anderer  Name  für  librarius.  Mommsen  CIL. 
Vm  18072. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  3  t 

Brambach  453  —  HerseP")  —  ...  ger]maniae  infenaris  {*]tem  Hispaniae- 
citer{ioris)  T.  Fla{viu8)  Dubitatus  strat{or}eiu8  M.  Alpinius  Firmanus  P. 
Adius  Marinus  P.  Iidius  Memori[n]u8  (centuriones)  leg{ionis)  L  MineripiaeY 
prae^di  sanctissmo. 

CIL.  III  7741  —  Apulum  —  Offiziere  haben  ein  Denkmal  pro 
salnte  des  Statthalters  der  drei  Dacien  errichtet.  Erhalten  sind  3  Cen- 
turionen  der  beiden  dacischen  Legionen  und  2  comicularii.  Nach 
der  Disposition  der  Namen  zu  schliessen,  waren  auf  dem  jetzt  fragmen- 
tierten Monumente  weit  mehr  Centurionen  genannt. 

Erfolgte  in  Niedergermanien  die  Abkommandierung  ins  Haupt- 
(luartier  aus  beiden  Legionen  gleichmässig,  so  betrug  hier  die  Zahl  der 
Centurionen  des  Hauptquartiers  acht.  Die  Verwendung  dieser  Cen- 
turionen lässt  sich  noch  bestimmen.  Ein  zweiter  steht  an  der  Spitze 
der  equites  singulares  des  Statthalters  *'*),  ein  dritter  fungiert  als 
exercitator  der  equites  singulares  des  Statthalters  ^^%  ein  vierter  ist 
der  princeps  praetorii^'^,  der  Chef  des  gesamten  Armeestabes,  soweit 
er  aus  Centurionen  und  Subalternen  besteht.  Ihm  sind  ein  optio  und 
exceptores  zugeteilt.  Die  andern  Centurionen  standen  zur  freien  Ver- 
fugung  des  Hauptquartiers  und  erhielten   ihre  Verwendung  in   ausser- 


***)  Die  Inschrift  ist  aus  Bonn  verschleppt. 

*")  Cn..  III  10360  und  II  4083  (vgl.  Mars  Campester),  über  die  Zu- 
sammensetzung des  numerus  der  equites  singulares  vgl.  Arch.  epigr.  Mitt.  X 
S.  22. 

"5)  CIL.  in  7904  (vgl.  Campestres)  und  II  4083  (Mars  Campester);  in 
letzterer  Inschrift  sind  ausnahmsweise  wie  der  Wortlaut  zeigt,  beide  Funktionen 
in  einer  Hand  vereinigt  Dass  dieser  exercitator  aus  der  Provinzialarmee 
selbst  genommen  wurde,  ist  selbstverständlich.  Centuriones  deputati  giebt 
es  nur  in  Rom  (Marquardt,  Staatsv.  II  S.  494  Anm.  10)  und  in  den  von  Rom 
direkt  abhängigen  Offiden  der  Provinz  (Hirschfeld,  Untersuchungen  S.  80 
Anm.  1).  Dessau,  Inscr.  lat.  sei.  2417,  hat  dies  Verhältnis  nicht  erkannt  und 
Jung,  Fasten  der  Provinz  Dacien  S.  16  ist  ihm  blindlings  gefolgt,  um  mir 
dann  noch  den  Widersinn  in  den  Mund  zu  legen,  dass  die  zweite  Stadt  Daciens 
Sarmizegetusa  militärisch  zu  Moesia  superior  gehört. 

i»8)  Ephem.  epigr.  IV  p.  231,  2—4  und  p.  232  19  und  19»  Der 
optio  praetorii  n.  19  aus  Sardinien  zeigt  zwingend,  dass  die  Charge  dem 
Hauptquartier  angehurt,  p.  231  n.  2  ist  ex{ceptor)  pr(tncipi8)  pr[aetorn)  zu 
lesen,  n.  4  ist  princeps  praetorii  legionis  XIII  Oeminae  korrekt,  weil  das 
Hauptquartier  Pannoniens  unter  Nero  Pettau  ist  (Tacit.  bist.  3,  1).  Dieser 
princeps  praetorii  ist  der  Vorläufer  des  princeps  der  officia  des  4.  Jahr- 
hunderts. Auf  den  Inschriften  aus  Lambaesis  ist  gerade  die  Organisation  des 
Armeestabes  verdunkelt,  weil  in  Numidien  Armeecommando  und  Legions- 
commando  zusammenfallen.    Vgl.  Schola  des  officium  comiculariorum. 


32  V.  Domaszewski 

ordentlichen    Commanden,    wie   besonders    als   praepositi    der  Auxiliar- 
truppen  '^'). 

4)  Das    officium   corniculariorum ,    wie    es   nach    seinen  Vor- 
ständen heisst 

43  =  CIL.  III  10437  —  Aquincum  —  Min(ervae)  Aug{ustae)  ofßcium  corni- 
culariorum V.  8.  l  m. 

c)  Die  armaturae. 

44  =  CIL.  III  10435  —  Aquincum  —  MarU  et  N%nerv{ae)  Äugiustü)  colile- 
gium)  armatura(rum)  legijonis)  II  adiitUricis)  p{iae)  /{iddis)  Antonimanae 
a.  212-218. 

46  =  CIL.  VIII  2636  —  Lambaesis  —  Marti  et  Minervae  Äug(usti8)  sacrum 
Aurdius  Gaius  evok{atus)  scolae  suae  v.  s.  l.  a. 
Die   Bedeutung    des   Wortes    armatura    erläutert    nur   Lydus   de 
mag.   I,    46    iTcXofieXexyj.      Die   Richtigkeit   seiner   Erklärung   beweist 
der  Altar  No.  44.      Denn    ihre    dienstliche   Bestimmung    als  Exerzier- 
meister   ist    der  Grund,    warum    sie   dem  Gotte    des  Krieges    und  der 
Göttin    der   Kunst    den   Altar    setzen.     Wie    alle    anderen    durch    die 
gleiche  dienstliche  Bestimmung  verbundenen  principales  bilden  auch  die 
armaturae  ein  Collegium,  dessen  Heiligtum  schola  heisst. 
46  =5  CIL.  X  3344  —  Misenum  —  achdla  armaJtur(arHm)  —  [ded]icata  idib. 
Aprüih.  [Quin\tiUo  et  Prisro  cos.    a.  169. 
steht    auf   einem  Altar,    der    im    4.  Jahrhundert   als  Statuenbasis  ver- 
wendet wurde. 

Die  Inschrift  auf  dem  Gesimse  bezeichnet  die  Nische,  in  welcher 
■der  Altar  stand,  und  nicht  das  Collegium  *^®). 

Der  Schöpfer  jener  militärischen  CoUegia  ist  Hadrian,  der  noch 
Dio  Cassius  als  der  Reformator  des  Heerv/esens  galt,  wie  es  zu  seiner 
Zeit  bestand. 


^'^)  Es  liegt  doch  im  Wesen  militärischer  Einrichtungen,  dass  man 
diese  ausserordentlichefi  Verwendungen  nicht  von  Rom  aus  regelte,  wo  das 
Bedürfnis  gar  nicht  vorausgesehen  werden  konnte,  sondern  dem  Commandanten 
der  Provinzialarmee  freie  Hand  liess.  Deshalb  werden  die  praepositi  immer 
-den  Centurionen  der  Legionen  des  Provinzialheeres  selbst  entnommen.  Wenn 
-die  Numeri  regelmässig  von  praepositi  kommandiert  Verden,  so  liegt  der  Grund 
darin,  dass  diese  praepositi  dem  Praefecten  oder  Tribunen  der  Auxiliar- 
cohorte,  welcher  der  numerus  attachiert  ist,  untergeordnet  waren.  In  dieser 
technischen  Verwendung  ist  es  ein  stehender  von  Hadrian  neu  eingeführter 
Offiziersgrad. 

i'^J  Mit  schola  armaturarum  kann  die  Inschrift  eines  Altars  nicht  be- 
ginnen. Als  unter  Septimius  Severus  die  principales,  dank  der  liberalissima 
stipendia,  ihre  Heiligtümer  neu  bauen  oder  ausschmücken,  erhalten  auch  die 
Bauinschriften  eine  entsprechende  Ausführlichkeit.  Das  Collegium  wird  nur 
auf  der  Inschrift  No.  37  schola  genannt,   sonst  ist  schola  immer  die  Nische. 


Die  Heligion  des  römischen  Heeres.  33 

Wir  wissen  aus  einer  Inschrift,  dass  ein  evocatus  der  Lehrmeister 
der  armaturae  ist. 
47  =  CIL.  VI  3736 >»»)   —   Rom   —    [Victö]n(ae)   G]er[man]icae  sacr{um) 
.  .  V]ibülHu8  M.  /.  \Bo]m(üia)  Fdix  Ateste  [ev]oc{atus)  Äug(ustt)  exerat{a- 
tor)  [ar}maturar{um)  voU>  [po]su%  ob  tr%umph[um  Aii]gusiorum  ****)  [sig]num 
aereum  tropae[is  insigtie]  dedi  (quingentis)  {denarüs)  [coUegio  ar]matu[rarum 
pra€torid]norutn^^^),    a.  176. 
Demnach  wird  der  evocatus,  der  den  Altar  No.  45  seiner  schola 
schenkt,  der  evocatus  der  armaturae  legionis  III  Augustae  sein  '*^.    Die 
Zuteilung  nur  eines  Offiziers  aus  dem  Praetorium  ^*')  des  Kaisers  an  die 
Legionen  der  Provinzen    muss    einen    bestimmten  Zweck   gehabt  haben. 
Einen  Offizier  mehr  konnte  man  in  jeder  Legion  nach  Belieben  creiren. 
Vielmehr  ist  der  evocatus  der  Legion  derjenige  Offizier,  welcher  die  mili- 
tärischen Neuerungen,  die  man  in  Rom  im  Praetorium  des  Kaisers  anzu- 
wenden oder  zu  erproben  für  gut  fand,  auf  die  armaturae  der  Legionen 
und  somit  auf  die  Provinzialheere  tibertrug.     Auch  das  ist  eine  Schöpfung 
Hadrians  '**).     So  tritt  die  Bedeutung  Minervas    in  ihren  Altären  her- 
vor;   sie  ist   die  Göttin    der  Kunst    und    auch    der  Kunst  des  Krieges. 
Es  ist  die  griechische  Pallas.     Vgl.  No.  41. 

Mars. 
In  der  Kaiserzeit  wurde  der  Kriegsgott  der  Latiner  zum  Mars 
ultor.  Mit  kluger  Berechnung  hatte  Augustus  den  Anspruch  auf  den 
Thron  in  die  Pietät  für  den  ermordeten  Adoptivvater  zu  hüllen  ge- 
wusst.  Als  das  Werk  der  Rache  vollzogen  war,  erhob  sich  auf  dem 
Forum  Augusti  der  Tempel  des  Gottes.     Und  ihm  als  dem  Heeresgotte 


*'*)  Die  Ergänzungen  nach  meiner  Revision  des  Originals. 

**°)  Es  ist  der  Triumph  des  Kaisers  Marcus  über  die  Germanen,  nur 
dann  erklärt  sich,  dass  der  evocatus  Augusti  ob  triumphum  Augustorum  — 
also  die  Anticipation  des  Augustustitels,  wie  später  so  häutig  bei  Geta  — 
das  Weihgeschenk  Stiftet.  Ins  dritte  Jahrhundert  kann  die  Inschrift  kaum 
gesetzt  werden,  wenn  man  nicht  annimmt,  dass  der  evocatus  aus  den  Cohortes 
urbanae  stammte,  die  Italiener  blieben,  was  seine  Verwendung  nicht  wahr- 
scheinlich macht. 

**^)  Die  Ergänzung  scheint  mir  gesichert  durch  die  Analogie  von 
cquites  praetoriani,  speculatores  praetoriani,  die  auch  principales  sind. 

"«)  evocati  als  exercitatores  auch  CIL.  III  3470  (Mars  Cam'pester) 
und  III  10378.  Die  Centurionen  der  Legion,  zu  welchen  der  evocatus  gezählt 
wird,  können  kein  ('oUegium  bilden.     Vgl.  das  Recht  der  Heeresreligion. 

***)  Die  Legion  hat  nur  einen  evocatus,  der  aus  dem  Praetorium 
stammt.    Mommsen,  Eph.  ep.  V  p.  153. 

'**)  CIL,  VI  2379b,  VI,  27  und  36.     Vgl.  auch  S.  5  Anm.  13. 

Waatd.  ZeiUohr.  f.  Oeach.  a.  Kanat.    XIV,   I.  3 


34  V.  Domaszewski 

der  neuen  Dynastie  verlieh  Augustus  die  Privilegien  des  Jupiter  Capi- 
tolinus  ^**).  Auch  als  Schutzgott  des  Praetoriums  ist  Mars,  Mars  ultor, 
wie  die  eigentümliche  Bildung  des  Gottes  beweist  '**). 

Die  ganze  Kaiserzeit  behauptet  sich  diese  Vorstellung.  Das 
Tropaeum  von  Adamclissi  ist  dem  Mars  ultor  geweiht**^)  und  noch  für 
Julian  ist  der  Mars  des  Heeres,  Mars  ultor.  Auf 
den  Altären  des  Fahnenheiligtums  ist  er  in  den  zwei 
ersten  Jahrhunderten  nicht  genannt  (vgl.  oben 
die  Inschriften  No.  22  und  23),  und  noch  unter 
Alexander  Severus,  wo  die  allgemeine  Bedeutung  des 
Jupiter  als  des  Schirmherm  des  römischen  Volkes 
bereits  zurücktritt,  erscheint  Mars  nur  als  einer  der  Götter  in  der  Reihe 
der  dii  militares  (vgl.  oben  die  Inschrift  No.  14).  Seine  allgemeine  Ver- 
ehrung  unter  den  Auxilia  beweisen  nur  die  Veteranenaltäre  **^). 

Erst  um  die  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  entwickelte  sich  die 
Geltung  des  Mars  als  Hauptgott  des  Heeres. 

48  =  CIL.  VIII  2634  —  Lambaesis  i*»)  —  Deo  Marti  müüiae  potetiU  in 
Jionorem  leg{ionis)  III  Aug{ustae)  Valertanae  Sattonius  lucundus  p{rimus) 
p{tlurs)  quiimmus  leg{ione)  renovata  apud  aquilam  viiem  posuit  votum  dedit 
dedicante  Veturio  Veturiatw  v{iro)  c(larissinw)  Ieg{ato)  Äug{ustarum  trium) 
pr(o)  pr(aeU>re),    a.  2ö3. 

49  =  CIL.  III  10256  —  Teutoburgium  —  0.  Äur[eliu3]  Martinus  praef^ectus) 
[cdae  I  c(iviiim)  B(omanorum)]  —  Signum  Mari{is)  vic{toris)  älae  I  c{ivium) 
B{omanorum)  don{6)  po8{uerunt). 

Damals,  als  Valerianus  die  legio  III  Augusta  wiederherstellte, 
stand  man  am  Anfang  jener  Zeit,  in  welcher  das  Reich  von  beständigen 
Kriegsstürmen  erschüttert  werden  sollte.  Kein  Gott  wird  auf  den 
Münzen  der  Kaiser  des  untergehenden  Römertumes  häufiger  genannt, 
als  Mars.     Diese  neue  Marsreligion  hatte  das  Heer  aus  sich  selbst  er- 


"»)  Sueton  Aug.  29. 

»")  Abbildung  nach  Cohen  I*  p.  99  n.  258.  Es  ist  derselbe  Typus  wie 
auf  der  Münze  No.  193:  Marti  tUtori,  Nach  Petersens  Untersuchung  des 
Originals  ist  der  Gott  auf  der  Traianssäule  (vgl.  Taf.  III  Fig.  2)  nackt,  trägt 
einen  Helm,  in  der  Linken  eine  Stange;  an  der  rechten  Hüfte  sind  Reste 
von  Falten  eines  Gewandes  erhalten. 

"')  CUj.  m  n.  12467. 

1*«)  CIL.  HI  793.  7854.  VII  706.  826;  MaHi  müitari  CIL.  VII  390. 
391.  Auch  die  Bedeutung  dieser  Altäre  ist  durch  die  Inschriften  der  equites 
singulares  gesichert,  deren  Veteranen  im  Jahre  139  lovi  optimo  maximo,  im 
Jahre  143  Marti  sanctissimo  allein  den  Altar  setzen. 

***)  Nach  Renier  ist  der  Altar  auf  dem  Friedhofe  gefunden;  er  ist 
also  verschleppt  worden. 


Die  Heligion  des  römischen  Heeres.  35 

zeugt,  im  Gegensatz  zu  der  religiösen  Politik  der  orientalischen  Dynastie. 
Sie  findet  ihren  Ausdruck  darin,  dass  das  Fahnenheiligtum  zum  Tempel 
des  Mars  wird  ^^%  wie  es  die  Inschrift  No.  48  erkennen  lässt  und  ein 
zweites  Denkmal  direkt  bezeugt. 

50  =  Brambach  467  —  Bonn  —  In  h{onorem)  d{omus)  d(ivinae)  pro  salute 
imp{eraiorum)  Diocletiani  et  Maximiani  Äug{ustorum)  Constanti(i)  et  Maxi- 
miani  noh{äi8simorum)  Ccte8(arum)  templum  Martis  müüaris  vetustate  con- 
lapsiim  Auridius)  Si[n]tus  praef{ectus)  leg{ionis)  I  M(inerviae)  a  solo  restäuit 
die  XIII  Kai  Od.  Tusco  et  Antdino  cos.    a.  295. 

Deshalb    setzt    unter    Diocletian    der    Statthalter    von    Numidien 
den  Altar  *^»). 

51  =  CIL.  VIII  2530  (cf.  18041)  —  Lambaesis  —  [Marti]  *")  patripro  salute 
adque  incolumUate  [d(omnorum)]  n{ostrorum)  [Diocletiani  et  Maximiani]  "') 

M,  Aurdius  Decimus  vXir)  p(erfectissimus)  p{raeses)  p{rovinciae)  N(umidiae) 
ex  principe  peregrinorum  votum  sdvit. 


**®)  Das  Fabnenheiligtum  des  Principats  hat  keine  Cultbilder  der  Götter 
gekannt,  vgl.  S.  9  ff.  Die  Statue,  welche  auf  der  Basis  Nr.  48  stand,  ist 
aber  das  Cultbild  des  Raumes,  weil  sie  der  primus  pilus  errichtet. 

***)  Dieser  Altar  und  der  an  den  genius  castrorum,  ebenfalls  erst  eine 
Bildung  jener  Zeit  (vgl.  genius  castrorum)  sind  gefunden  dans  Je  camp,  derriere 
le  praetorium,  sur  un  de  de  piedestale  und  dans  le  camp,  derriere  le  praetorium,  sur 
un  de  d'autd ;  also  beide  in  situ.  Hier  lag  der  innere  Hof  des  Lagerheiligtums 
wie  in  Camuntum  Taf.  I  Fig.  2.  Die  Fundamente  der  Heiligtümer  in  Lambaesis 
liegen  noch  unter  der  Erde.  Man  hält  irrig  den  erhaltenen  Bau  in  Lambaesis 
für  das  ganze  Praetorium,  es  ist  nur  der  Hof  A  des  Lagers  von  Camuntum. 

^**)  Nach  der  treffenden  Ergänzung  Cagnats.  Denn  Mars  pater  ist  der 
Name  des  Hecresgottes  unter  der  diocletianischen  Dynastie.  Kenner  teilt 
mir  über  die  Prägung  der  Caesares  dieser  Dynastie  Folgendes  mit:  „Vor 
der  Abdication  führen  die  beiden  Caesar en  Chlorus  und  Galerius  die  Schutz- 
götter  ihrer  Adoptivväter  Herculius  und  Jovius  im  Rv.  der  Goldmünzen,  nach 
der  Abdication  schlagen  sie  als  Augusti  Votamünzen,  die  den  Votamünzen 
der  alten  Augusti  nachgebildet  sind,  aber  schon  den  Hinweis  auf  Nikomedia 
haben.  Die  neuen  Caesaren  Severus  und  Daja  treten  mit  neuen  Typen  Marti 
patri  und  Soli  invicto  auf.  Nach  Chlorus  Tode  behält  Galerius  als  Jovier 
den  Jupiter  conservator  bei,  Severus  tritt  als  neuer  Augustus  an  Stelle  des 
Chlorus  und  übernimmt  dessen  Münzrevers  Herculi  Victori;  an  seine  freige- 
wordene Caesarenstelle  tritt  Constantin,  der  mm  Marti  patri  aufnimmt, 
welchen  Severus  als  Caesar  eingeführt  hatte  und  behält  diesen,  so  lange  er 
(/aesar  ist,  bei,  wogegen  Da^ja,  als  er  Caesar  wurde  und  so  lange  er  solcher 
blieb,  den  So!  invictus  führt,  d.  h.  jenen  Schutzgott,  welchen  Galerius  als 
Caesar  am  Anfange  der  Goldpräge  von  Nikomedia  hatte."  Die  näheren  Aus- 
fuhrungen giebt  Kenner  in  dem  demnächst  erscheinenden  26.  Band  der  numis- 
matischen Zeitschrift. 

»5»)  (T.  CIL.  VIII  Index  p.  1058.     Wilmanns   ergänzte   Carini  et  Nu- 

3* 


36  V.  Domaszewski 

Auch  als  Julian  die  alte  Religion  neu  zu  beleben  gedachte, 
blieb  Mars  der  höchste  der  Götter  des  Heeres. 

Ammianus  24,  6,  17:  Äbunde  ratus  post  haec prosperitates  similis 
advcntare,  conplures  hostias  Marti  parabat  tiltori,  et  ex  tauris  pulcher- 
rimis  deccni  ad  hoc  perductis,  7iondum  aris  admoti  voluntate  sua  novem 
procubtcere  tristissimij  decimus  verOj  qui  diffractis  vinculis  lapsus  aegrc 
reducttis  est,  mactatus  mimosa  signa  monsiravit,  quibus  visis  exclamavit 
indig)iatus  acrüer  Julianus  Jovemque  testatus  est  nulla  Marti  tarn  sacra 
facturum:  nee  resecravit  ceJeri  morte  praereptus. 

Die  ganze  Tragik  von  Julians  Schicksal  malt  sich  in  diesem 
Opfer,  das  seinem  Tode  voranging.  Der  Kaiser,  dessen  schwärmendes 
Gemüt  den  reinen  Glauben  der  Väter  mit  heisser  Sehnsucht  erstrebte, 
hatte  dem  Heeresgott  der  Römer  in  seiner  letzten  Gestalt  geopfert  und 
glaubte  jetzt  zu  erkennen,  dass  er  darin  gefehlt,  weil  er  dem  Schirm- 
herm  des  römischen  Volkes  Jupiter  hätte  opfern  sollen,  der  aus  dem 
Bewusstsein  des  Heeres  bereits  entschwunden  war.  Erfüllt  von  dem 
Zweifel  an  der  Wahrheit  seines  Glaubens  ist  Julian  waffenlos  in  den 
Tod  geritten  und  so  ist  das  Wort  „Nazarener  du  hast  gesiegt",  das 
die  christliche  Legende  dem  Sterbenden  in  den  Mund  legt,  wahr,  wenn 
es  auch  der  Kaiser  niemals  gesprochen  haben  kann.  Julian  hatte  die 
Einflüsse  des  Christentums,  wenn  solche  bestanden,  aus  den  Lagern 
wieder  entfernt,  denn  er  rühmt  sich  auf  einem  Meilenstein  aus  Pannonien 
(CHi.  ni  10648)  ob  deleta  vitia  temj^orum  praeteritarum. 

Den  Zustand  der  Heeresreligion  unter  seiner  Regierung  geben  die 
Heiligtümer  des  Lagers  von  Carnuntum  wieder  ***).  Das  mittlere  Heilig- 
tum, dessen  Cultbild  nicht  mehr  aufgefunden  wurde,  ist  der  Tempel 
des  Mars. 

Mars  Campester. 

52  =  CIL.  II  4083  —  Tarraco  —  Marti  Campestri  sac{rum)  pro  sal{ute)  M. 
Aur(ßi)  Cmnmodi  Aug(usti)  et  equit(um)  sing(ularium)  T,  Aur(elius)  Decimwt 
(centurio)  legiidm)  VII  G(eminae)  fdiicis)  praep{ositus)  simul  et  camjtii- 
doctor)  dedic{atum)  K.  Mart.  Mam€rt{ino)  et  Rufo  cos.    a.  182. 


meriani.    Aber  auch   der  Parallelaltar  des  Genius  castrorum  entspricht  nur 
der  diocletianischen  Periode. 

^^*)  Das  Lager  kann  nur  jenen  Zustand  repräsentieren,  in  welchem  die 
Römer  es  verliessen.  Unter  Valentinian  ist  aber  Carnuntum  noch  die  erste 
Festung  der  Donaulinie.  Vgl.  CIL.  III  p.  550  und  besonders  Ammian  30,  5,  2 
descrtnm  quidem  nunc  et  squälem  sed  ducton  exercitus  perquam  opportunum 
CIL.  III  10596.  Ob  Constantius  das  Heidentum  der  Grenzheere  anzutasten 
gewagt  hat,  ist  Hei  seiner  Art  Christentum  sehr  fraglich. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  37 

53  =  CIL.  III  3470  —  Aquincum  — "  Marti  Aug{ustö)  sac{rum)  G.  Cu8p{iu8) 
Secundus  exercitator  leg{ioms)  II  adi{utricis)  pro  saiute  milüu{m)  et  sua 
quod  evocatus  vooit  centurio  soloit  l.  m. 

Die  Chargen  der  beiden  Offiziere,  welche  den  Altar  gesetzt  haben, 
beweisen,  dass  Mars  auch  der  Schutzgott  für  die  Vorübung  zum  Kriege 
auf  dem  Exerzierplatz  ist  ^  ^^). 

Victoria. 
Im  Heere  ist  Victoria  die  pei-sönliche  Siegeskraft  des  Feldherm. 
Es  beweisen  dies  schon  die  Spiele  aus  der  Zeit  der  Republik  zu  Ehren 
der  Victoria  SuUana  und  der  Victoria  Caesaris  ^^^).  Auch  die  eigent- 
liche Bedeutung  des  Omens  vor  der  Schlacht  bei  Philippi,  als  die 
Victoria  des  Cassius  zu  Falle  kam,  liegt  in  dieser  Beziehung  auf  den 
Feldherrn  *^^j.  In  dem  Fahnenheiligtum  der  Kaiserzeit  ist  Victoria  die 
Siegeskraft  des  Kaisers. 

54  =  CIL.  in  11082  ^^^)  —  Brigetio  —  Victoriae  Aug{u8torum)  n{ostrorum) 
et  legiionis)  I  adi{utricis)  p{iae)  f{ideli»)  ( Antoninianae )  F.  Marius  P.  /". 
Sextianus  EpJieso  p(nmus)  ij{iliis)  d{ono)  d{edü)  dedicante  Egnatio  Victare 
leg{ato)  Aug{ustC)  itrip)  pr(a€tore)  et  Cl(audio)  Pisone  leg{ato)  leg{ionis)  V 
Idus  lunias  Apro  et  Maximo  cos.    a.  207. 

Das  Kalenderdatum  ist  ein  Siegestag,  der  bereits  im  Jahre  197  ge- 
feiert wurde *^^).  Am  1.  Juni  des  Jahres  193  starb  Didius  Julianus; 
also  wird  Septimius  Severus  am  9.  Juni  in  Rom  eingezogen  sein.  Es 
ist  dies  der  Geburtstag  seines  Principates. 

55  =  Brambach  464  —  Bonn  —  Victoriae  Aug(usti)  G,  Publicim  C.  filius 
SeptinUa  Siscia  Priscilianus  2)(^rimus)  p(ilus)  legiionis)  I  M{inerviae)  [Seve- 

rianae]  p{ia€)  f{iddis)  d(ono)  d{edit)  dedicante  Fl{avk>)  Apro  Comodiano 

leg{ato)   Aug(ii9ti)  pr{p)  pr{aetore)  et  Aufidb  Coresino  Marcdl[ino]  leg(ato) 
legiionis)   eiusdem  .  .  Kcd,    Mains   d{omino)    n{ostro)    \^evero  Alexatidro^ 
Aug{ii$to)  COS.    a.  222. 
JDas  Kalenderdatum  könnte  der  Tag  sein,   an  welchem  Alexander 
Severus  im  Jahre  221  die  Caesarwürde  erhielt  *^^"). 


*^*)  Aus  demselben  Grunde  ist  Mars  auch  mit  Minerva  auf  den  Altären 
Nr.  44  und  45  verbunden. 

ISO)  CIL.  12  S.  357.  Es  ist  die  Göttin  selbst,  die  so  heisst,  und  nicht 
die  einzelnen  Siege  des  Feldherrn. 

"')  Vgl.  S.  9.  Warum  die  Stimmung  im  Heere  der  Befreier  eine  so 
verzweifelte  war,  habe  ich  gezeigt,  Neue  Ileidelb.  Jahrbb.  IV  S.  185. 

^*^)  Der  Stein  ist  an  der  Kathedrale  zu  Raab  eingemauert,  aber  er 
kann  nur  aus  Brigetio  stammen. 

'^^)  CIL.  VI,  224  (vgl.  Germanische  Götter  S.  48). 

"®)  Am    1.  Januar  besass   Severus  Alexander  die   Caesarwürde  noch 


38  V.  Domaszewski 

Beide  Inschriften  sind  die  Cultaltäre  des  Fahnenheiiigtums.    Ganz 
anders  ist  die  Fassung  der  Inschrift  unter  Elagabal. 

56  =  CIL.   XIV  2257    —   ager  Albanus   —    Victoriae  aeter{nae)  d((mini) 
n(ostri)  imp{eratoris)  Caes(ari8)   Marc(i)   Äureli  Antonini  pii  fdiciis)  Äu- 

g(u8ti)  ponti[f{icis}]    maximi   trib{unicia)  potiestate)  III  co(n)8{iUis)    III 
p{atri8)  p{atriae)   divi  Severi  nepotis  leg{io)  II  Parthica  Äntom[ni]ana  p'ia) 
fiiddis)  f{dix)  aet{erna)  devota  numini  [m{aiesiati)[q{ue)  e]iiis.    a.  220. 
Eben  die  legio  II  Parthica  trug  vor  allem  Schuld  daran  ^^*),  dass 
dieser  Auswurf   der  Menschheit    den    Thron    bestieg  ^^*).      Die  Victoria 
aeterna  ist  Elagabal  ebenso  eigentümlich  ^^^),  wie  jener  Legion  der  Bei- 
name aetema.     Es   ist   aber   auch   der  Beiname  orientalischer  Sonnen- 
götter^^*),   und    in    diesem  Sinne  wird  ihn  Elagabal    gebraucht   haben. 
Bedeutsam  ist  es  auch,  dass  der  Altar  gesetzt  ist  von  der  Gesamtheit  der 
Legion  und  nicht  von  dem  Warte  altrömischer  Religion,  dem  primus  pilus. 
Auch  hier  treten  als  Zeugen  für  die  Art  des  Cultes  Veteranenaltäre 

57  =  CIL.  XIV  2258  —  ager  Albanus  —  Victoriae  redu<ns  d(ominorum)  n{ostro- 
rum)    [imp{eratoris)    Caes{ari3)  M.  Iidi  Phüippi]   pii  fdicis  Aug{usti)    et 

[Otacüiae  Severae]  Aug{nstae)  [con]iugi  d{otnini)  nipstri)  milites  Ug(ionis)  II 

PartMicae)  [Phüippianae]  p(iae)  fißdis)  f{elicis)  ael(ernae)  q(ui)  m{{litare) 

c{oeperunt)  Oclatinvo  Advento  cos.  quorum  iunnvna  cum  tribus  et  patrüs 
inserta  sunt  devoÜ  numini  inaiestatique  eorum  d{imisst)  X  K.  Aug.  Pere- 
grino  et  Aemüiano  in  his  [centuriones]  et  evoc{atus)  Aug(ustomm)  n{ostrorum) 
cura  agente  Pompon{io)  lulio  [p]r{aefecto)  ^®^)  leg{ioni$)  eius(dem).  a.  244. 
und  ein  Altar  der  Canabenses  ein. 


nicht,  weil  er  erst  für  222  zum  Consul  designiert  wurde.  Das  älteste  Datum 
für  die  Caesarwürde  ist  CIL.  VI  3069  (d.  1.  Juni)  verglichen  mit  2999  (im 
Juli),  auch  3015  ist  notwendig  aus  dem  Jahre  221,  weil  Elagabal  im  Juli  222 
bereits  tot  war. 

"»)  Die  78,  34,  2. 

"2)  Die  Entschuldigung  des  Caesarenwalmsinns  gilt  am  wenigsten  für 
Elagabal.  Er  war  ein  zielbewusster  Despot  im  Sinne  eines  orientalischen 
Priesterkönigs.  (Vgl.  Orientalische  Culte).  Auch  die  Scheusslichkeiten  per- 
sönlicherer Art,  welche  das  Entsetzen  der  Nachwelt  beinahe  allein  überliefert 
hat,  wurzeln,  wie  Rdville  mit  Recht  bemerkt,  in  seiner  religiösen  Überzeugung. 

"')  Deshalb  ist  CIL.  VIII  9754  Victoriae  Aetcrnae  Aulg{u8ti  sacerd{otis) 

ampliissimi)  imp{eratoris)]  Caesar is  Antonini  M.  Antonius  ProcuUeius  ex  equestri- 

btis  turmis  ob  honorem  aedüitatis  d{eae)  d{ono)  d{edit)  auf  Elagabal  zu  ergänzen. 

Auf  Münzen  früher  Coh.  IV^  p.  70,  aber  nicht  als  die  Victoria  des  Kaisers. 

"*)  CU..  III  988.  1286.  1301a.  1783.  3158b.  3327.  5788.  6758  und  sonst. 

Bezold  bemerkt  mir:  In  den  Teil  El-Amama-Inschriften  (London  Nr.  31  ed. 

V  V 

Bezold  p.  LXII)  wird  der  Sonnengott  „ewig"  (samas  däritum)  genannt. 

^«^)  R  ist  überliefert,  aber  es  muss  heissen  Hl  =  praefectus,   da  diese 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  39 

58  =  CIL.  III  1158  —  Apulam  —  Victoriae  Aug(usti)  L.  Mius  T.  [f{üiu8)[ 
Gcder{ia)  Leuganus  Clunia  vet{eranus)  legiionis)  XIIII  G(eminae)  M{artiae) 
V(ictnci8)  aedis  custos  c[ivium)  R{mnanorum)  Ieg(iofiis)  XIII  nomine  suo 
et  C,  Iul{ii)  Patcrni  ßi(i)  sui  d(ono)  d(edit). 

Die  aedes,  deren  custos  der  Veteran  ist,  ist  die  aedes  der  cives 
Romani,  qui  consistunt  ad  legionem. 

Für  die  Auxilia  beweisen  die  Verehrung  ausser  den  Veteranen- 
altären *^^)  zwei  Cultbilder  der  Fahnenheiligtümer  selbst. 

59  =  CIL.  VII  513  cf.  Eph.  ep.  3  p.  133'  —  Cilumum  —  Victoriae  Au- 
g{ustorum)  AJfeno  Senecioni  co{n)8{ulure)  fdix  Ala  J[  J]  Asturum  [m(«tont«)] 
pra{efecto).    r.  und  1.  Genius  cUatus,  d.  h.   Victoria 

60  =  CIL.  VII  396  —  Uxellodunum  —  supra  coronam  lauream:  Victoria 
Augustorum;  intra  coronam  a  Victoriis  sustentatatam :  D{omimrum) 
n(o8trorum). 

Ebenso  wird  in  zahlreichen  Inschriften  Victoria  als  die  Victoria 
des  Kaisei*s  gefasst  *^^).  Das  sj)ecialisiert  sich  zur  Victoria  eines  be- 
stimmten Sieges  *^®),  so  dass  die  Victoriae  der  verschiedenen  Siege  wieder 
zu  einer  Einheit  verwachsen  können  ^^^). 

Der  Lokalisierung  der  Culte  in  den  Standlagem  entspricht  es, 
wenn  Victoria  auch  als  die  Siegeskraft  der  Trappe  erscheint.  Vgl.  In- 
schrift No.  54. 

61  =  CIL.  VII  217  —  Mancunium  —  Victoriae  Tegionis  VI  Victricis  Valie- 
rius)  lUtfus  V.  s.  l.  m. 

Das  Heer  des  sinkenden  Reiches  verehrt  nach  Mars  als  Schutz- 
gottheit Victoria.  Auch  ihr  Bild  gehört  zu  den  .häufigsten  Münztypen 
der  Zeit;  auch  sie  wird  zur  ersten  Gottheit  des  Lagers. 

62  =  CIL.  III  5565  —  Bedaiura  —  Victoriae  Augustae  [sacyum  pro  salute^n 
{d(pminorum)]  n(ostronnn)  Maximini  et  [Con]sta7itini  et  Licini  [se\mi)er  Au- 
g{ustorum)  Aur{elius)  Senecio  [t'(ir)  p{erfecti8simus)]  dux  templum  numini 
[et]us  ex  voto  a  novo  fieri  iussit  per  instantiam  Val(eri)  Sambarrae  p{rae) 
piositi)  eq(uitibus)  Dalm{atis)  Aquevesianis  Comit(atensibus)  l.  l,  m.  ob  Vic- 
toria facta  V.  K.  Iidias  Andronico  et  Probo  cos.    a.  310. 

Dieser  Tempel  ist,  wie  der  Tempel  des  Mars  militaris,  keine 
neue  Gründung,  sondern  zeigt,  dass  diese  Auffassung  der  Victoria  schon 
im  Heere  des  dritten  Jahrhunderts  Wurzel  gefasst. 


Legion  nicht  von  einem  Legaten,  sondern  von  einem  Praefekten  befehligt 
wird.     Wiener  Studien  VII  S.  297. 

^ß«)  CIL.  VII  394.  395.  726. 

-")  CIL.  III  1072.  V  7643.  VI  789.  790.  VIII  70.  2351.  2677.  4201. 
4582.  4765.  8455.  9022.  9195.  10832.  10871.  X  3816.  6515.  XIV  68.  Eph. 
epigr.  V  1263.  1319.  VII  13.  46.  387.  388. 

1«)  CIL.  VI  377.  VII  200.  VIII  965.  2354.  4202.  4583.  8303.  8304. 

*«9)  CIL.  VIII  8170.  Eph.  ep.  V  576.  953. 


40  ^'  Domaszewski 

Besitzt  Victoria  im  Heere  kein  selbständiges  Dasein,  sondern  er- 
scheint nur  an  den  Subjekten,  welche  die  Träger  dieser  Siegeskraft  sind, 
so  gilt   dies  noch  in  höherem  Masse  von  den  anderen  Personifikationen. 

Fortuna,  Honos,  Virtus,  Pietas,  Bonus  eventus. 

Das  älteste  Zeugnis  für  die  Verehrung  der  Fortuna  im  Fahnen- 
heiligtum ist  ein  Altar  der  Canabenses. 

63  =  CIL.  III  1008  —  Apulunf  —  ^^^)  Fortunae  Aug{ustae)  sacrum  et  Genta 
Canabensium  L.  Süius  Maximus  v[et{eranus)]  leg{wnis)  1  ad(iutrici8)  p{%a€) 

fitddis)  magistra{n)8  primus  in  Can{abi8)  d{otio)  d{edü)  et  Süia  lamuiria 
et  Süius  Ftnninus. 

Der  erste  Kaiser,  welcher  das  Bild  der  Fortuna  auf  seine  Münzen 
setzte,  ist  Vespasian,  und  zwar  im  ersten  Jahre  seiner  Regierung  ^^*). 
Der  Sohn  des  Bürgersmannes  aus  Reate  hatte  allen  Grund,  die  Tüyji 
zu  preisen. 

Aber  die  Betonung  der  Tö^tj  im  Heere  ist  dem  römischen  Geiste 
zuwider,  der  da  meinte,  das  Walten  des  Zufalls  meistern  und  nach 
seinem  Willen  lenken  zu  können  ^'*).  Es  scheint  mir  deshalb  möglich, 
dass  erst  Vespasian  diese  Gottheit  ins  Heer  eingeführt  hat. 

Nur  die  Beziehung  auf  den  Truppenkörper   ist   sicher  erkennbar. 

64  =  CIL.  III  10992  —  Brigetio  —  [I(ovi)]  o(ptinio)  [m[aj:imo)  e[xau]dito[ri\ 
et  F[o]rtun[ae]  forti88ima[e]  leg(ioms)  I  adi(utricis)  p{iae)  f^idelis)  Ä[ct?(c- 
rianae)]  T,  Sere  ,  .  .  Diogen[es'\  .  .  . 

65  =  Brambach  1033  —  Mainz  —  Fortunam  superam  honori  aquÜae  legio- 
nis  XXII  pr{ifnigeniae)  p(iae)  fijdelis)  M.  Minicius  M,  fil{ius)  Quir{ina) 
Lindo  Mar  .... 

Die  Beziehung  auf  die  Persönlichkeit  des  Kaisers  ist  im  Heere 
nicht  zu  belegen,  scheint  jedoch  bestanden  zu  haben,  da  diese  AuflFas- 
sung  sich  vereinzelt  auch  sonst  findet  ^^^). 

Die  allgemeine  Verehrung,  der  Gottheit  bezeugen  nur  die  Altäre 
ganzer  Truppenkörper  "*). 

Virtus  wird  sowohl  auf  die  Truppe  (vgl.  oben  Inschrift  Nr.  14) 
als   auf   den  Kaiser   bezogen  ^'^).     Wir  besitzen  nur  ein  Denkmal,  das 


i'ö)  Der  Altar  ist  wie  Nr.  58  unter  Traian  geschrieben.    Vgl.  Mommsen 
CIL.  m  p.  182. 

»")  Cohen  I»  Vespasian  n.  171—199.  401. 

1")  Polyb.  I  37. 

1")  CIL.  VIII  Index  p.  1082. 

"*)  CIL.  ni  3315.    Vn  617,  1063.    Brambach  1732. 

»"5)  CIL.  VII  45.  VIII  7094—7098.   Eph.  VII 141.    Korrbl.  1894  Sp.  187. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres. 


41 


aus   einem    Fahnenheiligtum   stammt,    aber   es   ist   zugleich    das    Cult- 
büd ''% 

Hon  OS  gilt  der  Legion  und  besonders  ihrem  Adler.   Vgl.  Inschrift 
Nr.  65. 

66  =  Keller  Nachtrag  II  2ob  —  Mainz  —  I(oci)  o(ptimo)  fn{aximo)  Sabaaio 
[c]onservatori  honori  aquilae  leg(ioms)  XXII  pr{imigeniae)  p{iac)  ß^idelis) 
[Alexandrianae  M,  Äur{elius)]  Gennanus  .  .  .  *^^. 

67  =  Westd.  Zeitschr.  XI  S.  298  —  Mainz  —  Pietati  leg{ionis)  XXII  pr{i- 
migeniae)   [Alexandr(mnae)]  p(iae)  ßüleiis)  et  honori  aquüae  L,  Domäiu[s 

Iul]i[antis  iu]nio[r  tr]i(bunus  ?)  [L.  D]omüi  luliam  quondam  p{rimi)  p{tli) 
fil{iti8)  d{ono)  d(ecUt)  ob  merita  dedicante  Maximio  AUiano  c{larissitno) 
v(iro)  legiato)  Aug[u8t%)  [p]ro  pr(aetore)  G{ennaniae)  [s{u2)enoris)]  V  Kai. 
April.  [d(omim)]  n{ostro)  Ä[l]e[x]and[r]o  [Äug(usto)  III  et]  Bione  cos.  a.  229. 

68  =  Keller  Nachtrag  II  134b  und  97b  "«)  ^  Mainz  —  [ et  h]ono[ri  aquilae 

(ONO 
<E    G'XXII 
(N  I  A  N 


F    •  T  E  R  E 
A  T  I   N  Ä 


)R  A 


10    C  C  C  •  D; 

V   I    T  0(^ 

D  •  N  •  I  mJ 

AVG 

B  A  L  B  I  N 


*^*)  Eph.  epigr.  III  p.  134  n.  100  (Cilumum).    Abbildung  entnommen 
Lapidarium  septentionale  p.  472.    Vgl.  oben  No.  59. 

^'^)  Derselbe  Altar  Brambach  972  nach  einer  fehlerhaften  Kopie. 
^^^)  Hier  nach  meiner  Revision.    Z.  6  las  Keller  noch  EA. 


42  V.  Domaszewski 

l]eg{ioni8)   XXII  [pr[%migeniae)  piiae)  fißdis)  Antoni]}vian[ae  .  .  .  M. 

Tälim  ^^^}   M.]  f.  Tere[taui  Rufus]  Atinae 1ionö\ra[tu8  i»«)  .  .  , 

p{nmu8)  p(äu8)  leg{ionis)  s{upra)  s(criptae)  d{ono)  d{edit)  ex]  (trecenario) 

d[edic(ante) Ä]väo  [leg{ato)  Äiig(iisti)  pr(o)  pr{aäore)  G(cnnaniae) 

siuperioris)    .  .  .  .]  diomino)  n{ostro)  im[p(eratore)  Äntonino]  Äug(usto)  IUI 
et]  Balbin\p  II  cos.],    a.  213. 

69  =  Keller  Nachtrag  II  134a  —  Mainz  —  In  h{onorem)  L.  Septwii  Severi 
Pä  Pertinacis  Aug(ustt)  inoicti  imp{eratoris)  et  M.  Äurdi  Anlonini  Cae- 
a{arui)  legioni  XXII  pr(imigeniae)  p.iae)  /(ideli)  Jionoris  virtutisque  causa 
cioitas  Treveromm  in  öbsidione  ah  ea  defensa. 

70  =  Keller  Nachtrag  II  22(1  und  106b  "*)  —  Mainz  —  .  .  .  ,  i  et  nulmi- 

^  I-E  T  N  V 
|:  AST  R  O 
(DRICL-  LEG 

;/  /  /  /  /  /  / 

P-F-LEG-S^ 
D  E  D  I  C  A  N'i 
C  L  E    M   E   wä 

/     /      /       /      / 
/     /      /       /      / 

nü){us)  ^®^)]    ca8t)v[ru7n   h07i]oriq{ue)  leg{ionis)  [XXII  2^{i^»igeniae)  p{iae) 
f{tdelis)  Alcxandnanae] s  Du [p(rimus)]  p{üus)  leg{ionis) 

s(upra)  [s{criptae)   d(ono)  d{edü)  .  .  .   dedican\te  Sex  Catio]  '*^)  Clemen[te 
legiato)  Aug{nsti)  pr{o)  p{raetore)  G{ennaniae)  s{uperioris)]  .  .  . 


*^®)  Es  ist  der  Mann,  dessen  Inschrift  in  Atina  gefunden  wurde  CIL.  X 
5064  M.  Tiüius  M.  f.  Ter(eUna)  Bufiis  (centuno)  legionis)  XX  Val{eriae)  Vic- 
t{ricis)  ex  {trecenario)  coh(ortis)  IUI  pr{aetonae)  p(iae)  v{indici8)  princeps 
castrorum  —  {centurio)  coh(ortis)  XII  urb(anac)  et  I  Vig{üum)  evoc(atu8) 
Aug{ustorum)  a.  208.  Nur  bei  einer  Karriere  dieser  Art  konnte  ein  Italiener 
unter  Septimius  Severus  Centurio  der  Praetorianer  sein. 

^^^)  Eine  Ergänzung  der  Zeile  7.  8  ist  natürlich  unmöglich.  Der  Officier 
muss  im  britannischen  Kriege  gefochten  haben  (vgl.  Anm.  179).  Seine  Ver- 
dienste werden  genannt  sein,  die  die  Ursache  seiner  Beförderung  waren.  Vgl. 
CIL.  XII  2230. 

^8^)  Die  Lesung  beruht  auf  meiner  Revision. 

^^'^)  Die  Ergänzung  numinibus,  nicht  numini,  sichert  schon  die  Lücke, 
und  ebenso  der  Sinn,  weil  es  ein  numen  castrorum  in  dieser  Zeit  nicht  geben 
kann.    Vgl.  genio  castrorum. 

^^^)  Die  Ergänzung  hat  Zangemeister  gefunden  Westd.  Ztschr.  XI  S.  317. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  43 

71  =  CIL.  III  10285  —  Aquincum  i^)  —   ViHuti  et  Homn  L.  Ulpius  Mar- 
cdlus  legiqtiis)  Aug{usti)  pr{o)  iyi'(aetore)  Pannon{iae)  inf{erioris)  v.  s. 

Die  Beziehung  dieses  Steines  auf  das  Fahnenheiligtum  ist  durch 
die  Reliefs  an  den  Seitenflächen:  1.  Victoria,  r.  Mars,  gesichert.  Der 
Stein  stand  als  Votivaltar  des  Statthalters  im  inneren  Hofe  ^®^)  des  Lagers 
von  Aquincum. 

Die  Vertretung  dieser  Gottheiten  in  dem  Göttervereine  der  e<iuites 
singulares  durch  Salus  und  Felicitas  ist  gewiss  eine  beabsichtigte. 
Salus  und  Felicitas  sind  sonst  im  Heere  nicht  nachzuweisen  und  könnten 
doch  in  den  zahlreichen  Zeugnissen  für  den  Cult  der  Legionen  nicht 
fehlen,  wären  sie  den  Bürgertruppen  nicht  fremd  gewesen.  Honos  und 
Virtus  sind  jene  Eigenschaften,  welche  für  den  Römer  den  Inbegriff  der 
Tugend  bilden  ^^^) ,  der  Ausdruck  des  Volkscharakters  und  die  letzte 
Ursache  der  unerreichten  politischen  und  militärischen  Erfolge  dieses 
Volkes  ^®^).  Für  das  hohe  Alter  des  Cultes  im  Heere  sprechen  besonders 
die  Siegestempel  aus  der  Zeit  der  Republik  ^®^).  Deshalb  wird  ganz 
allgemein  bei  den  Auxilia,  obwohl  die  Zeugnisse  noch  fehlen,  Salus  und 
Felicitas  an  Stelle  von  Honos  und  Virtus  getreten  sein. 

Der  Ausdruck  dieser  militärischen  Tugenden  sind  die  dona  mili- 
taria  ob  virtutem  donata.  Die  orientalische  Dynastie  hat  diese  Ehren- 
zeichen für  immer  beseitigt  und  wie  zum  Hohne  erscheint  auf  dem 
Altare  Mammaeas  (Inschrift  No.  14)  die  virtus  legionis,  obwohl  das  Heer 
durch  ein  halbes  Jahrhundert  von  Niederlage  zu  Niederlage  fortschrei- 
ten sollte. 

Pietas  (No.  67)  als  Eigenschaftsgöttin  ist  gewiss  so  alt  als  die 
Verleihung  des  Titels  pia  fidelis  an  die  Truppenkörper,  wofür  bekannt- 
lich die  Ehrung  der  dalmatischen  legio  VII  und  XI  durch  Claudius  das 
erste  Beispiel  bildet. 


*")  Der  Altar  kann  nach  Fünfkirchen  nur  durch  einen  Sammler  ver- 
schleppt sein.  Überhaupt  ist  Fünfkirchen  als  Fundort  irgendwie  bedeutender 
Inschriften  mehr  als  zweifelhaft.  Vgl.  CIL.  III  Suppl.  Fünfkirchen  im  Auctarium. 

"«)  Vgl.  CIL.  I  33  und  34. 

"*)  Deshalb  hat  der  Senat  den  Altar  der  Fortuna  redux  vor  dem 
Tempel  von  Honos  und  Virtus  errichtet.  Denn  im  Ancyranum  2,  29  ist  doch 
zu  ergänzen  Aram  Fortunae  reducis  ante  ae'jdes  Honoris  et  Virtutis  adportam 
[Capenam  pro  reditu  meo  8e]natus  consecravit.  Honos  und  Virtus  blickten 
dann  nieder  auf  den  Altar,  der  zu  Ehren  desjenigen  römischen  Mannes  er- 
richtet worden,  in  welchem  die  nationalen  Tugenden  im  höchsten  Grade  ver- 
körpert sein  sollten. 

>")  Preller,  Mythologie  II  S.  249. 


44  V.  Domaszewski 

Auch  Bonus  eventus,  für  welchen  die  Zeugnisse  erst  am  Ende 
des  2.  Jahrhunderts  hervortreten,  wird  älteren  Ursprangs  sein. 

72  =  CIL.  III  6223  —  Novae  —  Bono  eventui  legiionis)  I  Jtal(icae)  M. 
JMacriua  Geminus  Bononia  p(nmti8)  p{ilu8)  d{ono)  d{edit)  M[ain{ertino)\  et 
Eufo.     a.  182. 

Aus  der  Schola  der  equites  legionis  stammt  der  Altar 

73  =  Brambach  1034  —  Mainz  —  Bonum  eventum  eq(uüum)  legiionis)  XXII 
pr{imigeniae)  p(iae)  f{idelis)  Älbanius  Agricda  et  Macrinius  Iidi{d\nus 
q(uon)d(am)  cives  SiimeKocenses)  [Po]mpeia7io  et  Padigniano  cos.    a.  231. 

und  aus  dem  Heiligtum  der  stratores  der  Altar 

74  =  Brambach  983  —  Mainz  —  pro  scdute  d{ominorum)  n{o8trorum)  sanc- 
tissvnorum  imp{eratorum)  bono  eventu  mü{itwft)  exercitus  G{erfnaniae) 
8{upertori8)  Matermus  Perlectus  mü{es)  [l]€g(ionis)  \XX]II  p{rimigeniae) 
p{iae)  f{idelis)  strator  co(n)s{ulari3) 

Da  diese  principales  beim  Stattlialter  Dienst  thun,  so  ist  der  Bonus 
eventus  auf  das  ganze  Heer  von  Niedergermanien  ausgedehnt. 

Die  Stellung  dieser  Eigenscliaftsgötter  im  Systeme  der  Heeresre- 
ligion ist  eine  verschiedene,  je  nachdem  sie  auf  den  Kaiser  oder  auf 
einen  Truppenteil  bezogen  werden.  Nur  wenn  der  Kaiser  Träger  der 
Eigenschaft  ist,  sind  sie  als  dii  militares,  als  die  allgemeinen  Götter 
des  Heeres,  zu  fassen.  Dagegen  sind  die  Eigenschaft sgotter  der  Truppen- 
körper in  der  Kunst  durch  die  Mauerkrone  als  numina  castrorum  cha- 
rakterisiert *®®). 

Disciplina. 
Sie  bezeichnet  die  kriegerische  Zucht,  durch  welche  das  römische 
Heer  sich  vor  Allem  ausgezeichnet  hat.  Als  Münzbild  erscheint  sie  nur 
auf  den  Münzen  Hadrians  aus  der  letzten  Zeit  seiner  Regierung  ^®^). 
Sie  sind,  wie  Eckhel  bemerkt  hat  *^®),  geprägt  worden  zur  Erinnerung  an 
Hadrians  Heeresreform.  Auf  diesen  Münzen  wechselt  die  Aufschrift 
disciplina  und  discipulina.     Ebenso  auf  den  Altären. 

75  =  CIL.  VII  896  —  Petrianae?  —  discipidinae  .  VC ! !  .  .  .  VST^  isi). 

76  =  CIL.  VIII  9832  —  Altava  —  DiscipUme  militari. 

11  =  CIL.  VIII  10657  —  Bir  uum-Ali  —  Disciplinae  militar(i) 

Man  darf  mit  Bestimmtheit  sagen,    dass  dieser  Cult  von  Hadrian 


188)  Ygi   Numina  castrorum. 

"»)  Cohen  IP  S.  151a.  540—549.  Die  Münze  des  Antoninus  Pius  mit 
derselben  Legende  Cohen  IP  S.  305  n.  351  scheint  ein  ünicum  und  ist  wohl 
falsch  gelesen. 

190)  D.  N.  VI  S.  507. 

191J  Wenn  die  Lesung  des  Steines  zuverlässig  ist,  so  könnte  der  Text 
ursprünglich  DP  C^:S  AVGVSTI  gelautet  haben. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  45 

begründet  wurde.     Der  Altar  der  Göttin  kann   nur  in   dem  Heiligtum 
auf  dem  Exerzierj)latze  gestanden  haben  '^*). 

II.   Die  dii  peregrini,  die  Lagertempel  der  Hauptstadt. 
Die  Götter  der  AnzUia. 

Die  Auxiliarformationen  der  Kaiserzeit  sind,  dem  älteren  Prinzip 
nach,  hervorgegangen  aus  den  Contingenten  föderierter  Gemeinden  ^^^). 
Aus  dieser  Art  ihrer  Entstehung  erklären  sich  alle  Eigentümlichkeiten 
ihrer  Organisation ;  darauf  beruht  auch  das  Recht  der  peregrinen  Truppen- 
körper, ihre  nationalen  Schutzgötter  im  Fahnenhoiligtum  zu  verehren. 
Nur  wenige  dieser  peregrinen  Truppenkön)er  haben  ihre  einlieitlich 
nationale  Zusammensetzung  bewahrt  und  nur  bei  diesen  können  wir  er- 
warten, die  Verehrung  der  nationalen  Götter  auch  in  der  späteren  Kaiser- 
zeit, der  alle  unsere  Zeugnisse  angehören,  noch  zu  finden.  Es  sind  dies 
seit  Hadrian  vor  allem  die  Numeri  ''-**) ,  nur  dass  von  ihren  Culten 
bisher  kein  Zeugnis  zu  Tage  getreten  ist,  welches  aus  dem  Fahnen- 
beiligtum  stammt.  Jedoch  treten  auch  hier  zum  Ersätze  die  Altäre 
ganzer  Truppen körper  ein. 

Germanische  Götter. 

Die  Numeri  jeder  Provinz  sind  von  Hadrian  nicht  in  der  Provinz 
selbst  ausgehoben,  sondern  aus  den  Peregrinen  anderer  Provinzen  ge- 
bildet worden. 

In  Britannien  standen  Raeter,  Noriker,  Gallier  aus  der  Belgica 
und  Germanen.     Während  aber  die  Raeter  ihren  Altar  setzen 

78  =  Ephem.  epigr.  VII  1092  —  Jedburgh  —  I{ovi)  o{ptimo)  m[aximo)  V€[xi\U 
latio  B{a)etorum  Gae8a{torum)  q{uorum)  c{uram)  a(git)  Itä{ius)  Sever{us) 
trib{unu8). 

dem  Schutzgott  des   römischen   Heeres,    und   die   romanisierten  Kelten 
der  Belgica  den  römischen  Cult  angenommen  haben, 

79  =  Ephem.  epigr.  III  p.  134  und  103  —  Procolitiae  —  Genio  hii[i]u8 
loci  Texandri  et  Sunici  v€x{ülatio)  cohor(tis)  II  Nervtorum, 

halten  die  Germanen  immer  an  ihren  nationalen  Göttern  fest. 

80  =  CIL.  VII 303  vgl.  arch.  journ.  I  p.  319  —  Brovonacae  —  Deabiis  matribus 
Tramar(inis)  vex{tÜatio)  German{oruin)  [Bro\v{onacen8ium)  [G6]rd(ian0' 
rum)  "*)  pro  saltUe  et  re[ditu  ?)  t?.  s.  /.  m. 

1»«)  Vgl.  S.  36  und  Campestres. 

*»*)  Vgl.  Deutsche  Litteraturzeitung  1892  S.  1040.  Es  ist  unmöglich 
die  Entwickelung  der  Auxilia  während  der  Kaiserzeit  in  diesem  Zusammenhang 
erschöpfend  zu  behandeln. 

**\>  Ober  die  numeri  vgl.  Mommsen,  Hermes  XIX,  219  und  XXII,  549. 

"')  Die  Ergänzung  sichert  die  Analogie  von  Nr.  82  u.  88 ;  der  nume- 


46  V-  Bomaszewski 

81  =  Ephem.  epigr.  VII  1040  —  Borcovicium  —  Deo  Marti  Thingso  et 
duabus  Älaisiagis  Bed(a)e  et  Fmmüen{a)e  et  n{umini)  Äug(a8ti)  Germ[afu) 
cives  Tuüianti  v.  s.  l.  m. 

82  =  Ephem.  epigr.  VII  1041  —  Borcovicium  —  Marti  et  duabus  Älaisiagis 
et  n{umini)  Äug(usti)  Ger{mani)  cives  Tuxhanti  ctinei  Frisiorum  Ver(covi- 
cianorum)  Se[ve\r(%ani)  Alexandriani  votum  solveru[nt]  libent[es]. 

83  =«  Arch.  Journal  I  (1894)  p.  293  —  Lanchester  —  Deae  Garmangabi  et 
n{umin%)  [G]ordiani  Aug{usti)  nipstri)  pro  sal(ute)  vex{illatümis)  Sueborum 
Lon  .  .  .  Gor'\(lianorum)  votum  solvemnt  m{eritat). 

Die  Unbeugsamkeit  der  Bewohner  des  nördlichen  Britanniens, 
welche  zweimal  die  römische  Herrschaft,  unter  Nero  wie  unter  Hadrian, 
an  den  Rand  des  Abgrundes  gebracht,  wird  die  Ursache  sein,  dass  hier 
auch  die  Auxiliarcohorten  fortfuhren,  sich  ausserhalb  der  Provinz  zu 
ergänzen. 

Die  in  der  cohors  11  Tungrorum  dienenden  Germanen  bekennen 
sich  zu  ihren  Göttern. 

84  =  CIL.  VII  1072  —  Blatum  Bulgium  —  Deae  Rigambedae  pagus  Vellaus 
milit(ans)  coli{orte)  II  Tung{rorum)  v.  s.  l  m. 

85  =  CIL.  VII  1073  —  Blatum  Bulgium  —  Deae  ViradesÜii  pagus  Con- 
drusti's  inili[t]ans  in  coh{orte  II  Tungro{rum)  sub  Silmo  [A]uspice  praef(ectö). 

Die  Raeti  dagegen  zu  den  römischen  Heeresgöttern. 

86  =  CIL.  VII  1068  —  Blatum  Bulgium  —  MaHi  et  Vtctoriae  c{ives)  Raeti 
milit{antes)  in  coh(prte)  II  Tungr{orum)  cui  praeest  Silciu[8]  Äuspex  prae- 
f{ectus)  V.  s.  l,  m. 

Auch  die  Altäre  der  numeri  Obergermaniens,  die  aus  Britanniern 
gebildet  sind,  gelten  nur  den  römischen  Gottheiten  *^^.  Die  bevorrechtete 
Stellung  der  germanischen  Culte  muss  demnach  eine  tiefere  Wurzel  in 
der  Organisation  des  Heeres  haben.    Diese  Wurzel  ist  noch  nachzuweisen. 

Die  Götter,  welche  die  equites  singulares  nach  den  dii  militares 
nennen,  sind  den  übrigen  Lagern  des  Heeres  mehr  oder  minder  fremd. 
Die  erste  Gruppe  umfasst  Hercules,  Fortuna  und  Mercurius  und  scheidet 
die  dii  militares  von  den  Personificationen  der  Salus  und  Felicitas.  Wer 
sich  daran  erinnert,  dass  die  eciuites  singulares  aus  den  germanischen 
Leibwächtern  des  Kaisers  hervorgegangen  sind,  wird  auf  Grund  der  eigen- 


rus  heisst  nach  dem  Kastelle,  in  welchem  der  Stein  gefunden  wurde.  Dies 
beweist,  dass,,  wie  zuerst  Ha^erfield  vermutet  hat,  dieser  Ausdruck  vexillatio, 
der  früher  nur  ein  Detachement  bezeichnete,  technisch  wird  für  stehende 
Truppenkörper.  Aber  schon  in  der  ersten  Hälfte  des  dritten  Jahrhunderts 
wird  der  Einfiuss  germanischer  Heereseinrichtungen  auf  das  römische  Heer- 
wesen so  fühlbar,  dass  die  nationale  Bezeichnung  in  römischer  Form  cuneus 
in  die  Sprache  eindringt.    Nr.  82. 

"«)  Brambach  1600.  1733.  1745.  1751,  1757. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  47 

t&mlicheD  Geltung  der  germanischen  Culte  im  Heere,  hier  die  germa- 
nischen Götter  Donar  und  Wodan  erkennen  müssen  '^').  Fortuna  ist 
die  römische  Göttin,  welche  das  Heer  in  jener  Zeit  bereits  verehrt,  die 
also  in  diesem  Götterverein  nicht  fehlen  kann.  Wie  Victoria  neben  Mars 
steht,  so  wird  Fortuna  zu  Hercules  getreten  sein,  genau  in  demselben  Sinne, 
wie  Salus  und  Felicitas  bei  den  Peregrinen-Truppen  Honos  und  Virtus 
ersetzen.  Wenn  aber  Hercules  und  Fortuna  auf  vier  Altären,  zweimal 
zusammen  mit  den  sicher  germanischen  Suleviae,  fehlen,  so  kann  dies 
keine  Nachlässigkeit  des  Concipienten  sein,  weil  die  Götter  früher  und 
später  in  der  Reihe  auftreten.  Diese  Ausnahme  muss  vielmehr  ilire 
Begründung  finden  in  der  Besonderheit  der  Culte  dieses  Lagers. 

Die  Lagertempel  der  Hauptstadt. 

Es  ist  eine  Eigentümlichkeit  der  hauptstädtischen  Lager,  dass  sie 
einen  Schutzgott  besitzen,  dessen  Tempel  im  Lager  selbst  steht. 

Für  die  Praetorianer  ist  dies  Mars.  Er  regiert  in  jenem  Monate, 
in  welchem  die  Sonne  im  Zeichen  des  Skorpion  steht,  das  Geburts- 
gestim des  Kaisers  Tiberius  und  die  Nativität  der  Garde,  die  dieser 
Kaiser  in  ihrer  späteren  Bedeutung  erst  geschaffen  hat  '®*). 

87  =  CIL.  VI  2256  —  Rom  ~  T.  Adio  Malco  fecton  »»^)  equüi  praetorian{o) 
coMprtis)  III  pr{aetoriae)  qui  et  urb{amcianu8)  item  antistes  sacerdos  tetnpli 
Martis^^^)  castror{um)  pr{aetoriorum). 

Der  Schutzgott  der  castra  percgrina  ist  Jupiter  redux. 

88  =  CIL.  VI  428  —  Rom  —  pro  salute  et  redüu  d{omini)  n{a8tri)  imp{era- 
toris)   Caesaris   C.  lulio   Vero  Maximino  jp/o'°*)  fdici  invicto    Aug[usto) 


^'^)  Hercules  verehrt  die  cohors  II  Tungrorum  CIL.  VII  635  und  die 
vexillatio  Germanicianoram  CIL.  XII  5733,  unter  welchen  ebeufalls  Soldaten 
einer  Cohors  Tangroram  zu  verstehen  sind  (Hirschfeld  a.  a.  0.),  endlich  die 
cohors  I  Nervana  Germanorum  CIL.  VII  936.    Vgl.  auch  CIL.  VII  924. 

i»8)  Vgl.  Arch.  epigr.  Mitt.  XVII  S.  34. 

i»9)  Dessau  hat  gezeigt,  dass  tector  eine  Charge  der  Praetorianer  ist, 
Inscr.  lat.  sei.  2090. 

^^^)  Die  Inschrift  ist  erst  um  die  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  ge- 
schrieben (vgl.  schola  speculatorum),  stammt  also  aus  einer  Zeit,  wo  Mars 
der  Herrscher  im  Lager  ist.  Aber  die  Lagerterapel  der  Hauptstadt  sind 
alteren  Ursprungs,  wie  der  Jupiter  redux  der  castra  peregrina  beweist.  Denn 
dieses  Lager  ist  vom  Standpunkt  der  römischen  Heeresorganisation  eiue  ganz 
künstliche  Schöpfung  (vgl.  Genius  castrorum  peregrinorum)  Hadrians,  das  in 
seiner  Einrichtung  an  Vorhandenes  sich  anschliesst.  t'berdies  ist  auch  noch 
am  Ende  des  dritten  Jahrhunderts  das  Fahnenheiligtum  der  Praetorianer 
nicht  der  Tempel  des  Mars. 

***)  Ursprünglich  stand  Severus  Alexander  und  Mammaea. 


48  V.  Domaszewski 

Domitius  Bclssus  (centurio)  fr{umentariu8)  agens  vice  principis  peregrino- 
rum  templum  lovt's  reducis  c{astrorum)  p[eregrinorum)  omni  cidtu  de  suo 
eocomavit. 
Dass  Jupiter  in   den  castra   peregrina   als   redux   verehrt  wurde, 
beruht  auf  der  Garnison  dieses  Lagers,  die  sich  bloss  aus  solchen  Sol- 
daten zusammensetzt,    welclie   zum  Dienste  nach  Rom   aus  den  Provin- 
zialarmeen    abkommandiert   waren  ^®*).      Der  Hauptbestandteil   sind    die 
frumentarii.      Gerade   ihr  Dienst    forderte,    dass   sie   den   grössten  Teil 
ihres  Lebens  auf  Reisen  zubrachten  **^^). 

Nach  diesen  Analogieen  müssen  auch  die  castra  der  equites  singu- 
lares  einen  Schutzgott  besessen  haben. 

Der  erste  Gott  dieses  Lagers  nach  den  dii  militares  der  Römer 
ist  auf  den  Altaren  Hercules  oder  vielmehr  in  diesem  Lager  gehört  er 
noch  zu  den  dii  militares  selbst.  Ebenso  wie  dem  Jupiter  und  Mars  **^) 
haben  die  Veteranen  ihm  und  dem  Genius  des  Kaisers  statt  all  den 
anderen  Göttern  einen  Altar  errichtet. 

89  =  Henzen  ann.  1885,  14  —  Rom  —  Herculi  et  genio  imp{eratoris).    a.  142. 

Man  wird  also  annehmen  dtirfen,  dass  in  jenen  Jahren,  wo  Her- 
cules Fortuna  und  die  Suleviae  in  der  Reihe  der  Götter  fehlen,  die 
Veteranen  diesen  Göttern  einen  besonderen  Altar  setzten. 

Diese  Bedeutung  des  Hercules  als  Schutzgott  des  Lagers  giebt 
anderen  Altären  der  equites  singulares  erst  ihre  richtige  Bezieiiung. 

90  =  CIL.  VE  224  —  Rom  —  Herculi  invicto  et  dibus  omnibus  deabusqiue) 
sacrum  pro  salutem  imp{eratari8)  L.  Sept[im%)  Severi  et  M.  Aurdio  Anto- 
nino  Caesari  Aug{usti8)  n{08tris)  et  C.  Fulvio  Plautiano  c{Iari8simo)  v{iro) 

pr(aefecto)  pr(actorio)  et  tribunis  Helio  Monimo  Trebio  Germano  exercüa- 
toribus  Hdius  Sabinianus  Aurd{ius)  Titianus  Genio  t[urmae)  Optati  ob 
reditum  numeri  votis  fdicissimis  T.  Fla{vius)  Eespectus,  C.  Severin[i]u8 
VitaliSy  Secius  GemeUinm  Pude(n)8  (h)a8(tüarii)^^^)  fecerunt  dedicamrU 
F.  Idus  luniaa^^^)  Laterano  et  Rufino  cos.    a.  197. 

91  =  CIL.  VI  226  —  Rom  —  Herculi  iuricto  8ac{rum)  Genio  num{eri) 
eq{uifum)  8iug{ularium)  Aug{ustorum)  n{ostrorum)  pr{o)  mlute  imp{era' 
forum)  Caesarijum)   L.   Heptimi  Severi  et  M.  Aureli  Antonini  et   Getae 

Caesaris  et  luliae  Aug{ustae)  matri  ca8tror{um)  et  Augiustorum)  et  Plau- 


2"*)  Vgl.  meine  Bemerkungen  Marquardt  St.-Verw.  II*  494  Anm.  10. 
^^^)  CIL.  III  2063  frumentanus  qui  cucurrit  anjm  XL. 
«0*)  Henzen  a.  a.  0.  12  und  13. 

*o^)  Vgl.  3257.     Die  3  hastilarii  gehören   alle   drei    dem  Stande  der 
Turma  an. 

208)  Über  das  Datum  vgl.  S.  37  Inschrift  Nr,  54. 


Die  Religiou  des  rumischen  Heeres. 


49 


iülae  Äug{wftae)  et  C.  Fulci  Plaufiani  pr{aefecti)  pr{aetorio)  c{laris»imi) 
r(i>i)    totiusque   dämm  dieinue  et   tri{buHis)    Occio  Valente  et  Ociavio 

Pisoni  et  (cefiturionibiis)  exser{citatoribus)  Fl{ano)  TitiafW   et  Äur{eUo) 
Lupo  C.  lulius  Secundus  r€xil{larius)  {a)ere  mo  deo  d€d{it).    dedicatum 
id.  Sept.*^'*)  Serero  III  et  Äntonino  Aug{HStis)  n{ostrü)  cos,    a.  202. 
Den  offiziellen  Charakter  dieser  Altäre***®)   beweist   die  Nennang 
sämtlicher  Offiziere,  wie  auf  den  Veteranenaltären  der  Truppe. 

Hercules   ist   als  Gott  des  Sieges  entweder  allein   oder  vor  allen 
anderen  Göttern  genannt,  d.  h.  er  ist  der  Hauptgott  des  Lagers. 


Diese  Geltung  des  Hercules  ist  schon  im  dritten  Jahrhundert  auch 
in  die  anderen  Lager  des  Westheeres  eingedrungen,  auch  da,  wo. im 
Heere  die  germanischen  Elemente  nicht  überwogen  *®®).  Deshalb  ist  auf 
den  Münzen  des  Kaisers  Postumus,  der  zuerst  im  Westen  ein  Sonderreich 
begründet  hat,  die  Prägung  mit  dem  Typus  des  Hercules  ebenso  reich 
als  mannigfaltig;  Mars  hingegen  fehlt  so  gut  wie  ganz. 

Während  in  Lambaesis  die  Altäre  des  Praetoriums  dem  römischen 
Heeresgotte  Mars  und  dem  Genius  castrorum  gelten*^®),  hat  das  Lager 
in  Gamuntum  unter  Julian  drei  Heiligtümer;  in  der  Mitte  den  Tempel 
des  Mars,  links  das  Heiligtum  des  Genius  castrorum,  rechts  den  Tempel 
des  Hercules.  Seine  Statue  ist  das  einzige  Marmorwerk  von  Bedeutung, 
das  je  in  Camuntum  zu  Tage  gekommen  ist**'). 

Studniczka  sagt  darüber:  „Herculesstatuette 
aus  grobkörnigem  weissem  Marmor  mit  gelblicher 
Patina,  H.  samt  0,06  h.  Plinthe  bis  zum  abge- 
brochenen Halse  0,70.  Arbeit  wohl  nachhadrianisch, 
aber  ungewöhnlich  gut  und  sorfältig  auch  auf  der 
Rückseite  ausgeführt."  Wenn  man  aber  im  vierten 
Jahrhundert  ein  Marmorwerk  älterer  Entstehung  in 
diesem  Tempel  aufzustellen  für  gut  fand,  so  beweist 
dies  nicht  minder  für  die  Bedeutung  des  Cultes. 
Ist  die  Anerkennung  des  Donar  in  der  Ge- 
stalt des  Hercules  so  alt  im  römischen  Heere 
und  die  Geltung  dieses  Cultes  schon  im  dritten  Jahr- 


>^^  Es  könnte  ein  Siegesdatum  des  Partherkrieges  sein. 
"8)  Genau  derselben  Art  waren  CK.  VI  226.  227.  228. 
209)  Ygi^  Genius  centuriae. 

*»«)  CIL.  VIII  2529.  2530.    In  Lambaesis  ist  keine  Spur  einer  Vereh- 
rung des  Hercules  erhalten. 

2")  Abgebildet  nach  Arch.  epigr.  Mitt.  VIII  S.  67. 

Wutd.  Zeitaohr.  f.  Qesch.  a.  Kunst.    XIV,    I-  4 


50  V.  Domaszewski 

handert  auch  bei  dem  Grenzheere  des  Westens  anerkannt,  so  fällt 
auf  den  Namen  Herculius,  den  Maximianus  angenommen,  ein  neues 
Licht.  Denn  dann  ist  die  eigentliche  Ursache  dieser  Namengebung  die 
Verehrung  des  Donar  im  Westheere,  den  die  Krieger  germanischer 
Herkunft  seit  Jahrhunderten  in  Hercules  wiedererkannten,  und  die  ganze 
Zukunft  des  Westreiches  prägt  sich  darin  aus,  dass  der  Herrscher  des 
Westens  nach  dem  deutschen  Gotte  heisst. 

Germanische  Gottheiten  sind  noch  die  Suleviae  der  Bataver,  die 
den  Stock  der  equites  singulares  bilden,  die  Alaterviae  derTungrer: 

92  =  CiL.  Vn  1084  —  Nether  Cramond  —  Matrib{u8)  Alaten^s  et  ma- 
tribius)  campestribius)  coh(ors)  I  Tungr{prum)  wHt{ante)  lllpift  .... 
[{centurione)]  leg{wnü)  XX  V{alen{ie)  V^wtneis). 

und  die  dea  Coventina  der  Cugerni: 

93  =  Ephem.  epigr.  HI  p.  314  n.  186  —  Procolitiae  —  Deae  Coreii1iti{n)e 
cohipriis)  I  Cuhenioruvi  Aur{€lim)  Campester  v€t{erauus). 

Die  keltischen  Gottheiten. 
Keltischen  Ursprungs  sind  die  Camp  est  res. 

94  =  CIL.  VII  510  vgl.  arch.  Journal  I  (1894)  S.  299  —  Condercum  — 
Matr{ihuH)  trihus  Campest r (ihm)  et  Genio  alae  H[i]s})anorum  Anturum 
[Pupienae  Balbinae]    Gordianae   T  ,  .  .  Agrippa  praefieHus)   templum 

a  8ol[o  resjtituit, 

95  =  CIL.  III  7904  —  Sarmizegetusa  —  Eponnh{us)  et  Campestrih{uii) 
sacr{um)  M.  Calrentius  Vu'tor  {centurio)  legi{onvi)  IUI  F(laviae)  f{irmae) 
exerc{itator)  eq{uitum)  »ing{ularium)  '^*)  C.  Atndi  Nigrini  leg{ati)  Au- 
g{usti)  pr{o)  pr{aetore)  v.  s.  l.  m. 

96  =  CIL.  Vi  768  —  Rom  —  Sulecü  et  Campestrihus  sacrum  L.  Aemi- 
lius  Quintus  (centurio)  legiionia)  VII  geminae  rotum  solvit  laetua  lihens 
dedicavit  Villi  Je.  Septemh,  Bradua  et  Varo  cos.    a.  160. 

Der   Centurio   ist   sicher    ein   exercitator  der   equites   singulares, 

weil  nur  diese  Reiter  die  Suleviae  verehren. 

97  =  CIL.  III  11909  —  Pföringen  —  Campentiribus)  et  Eponae  ala  I  sin- 
giidarium)  p{ia)  f(idelis)  c{ivmm)  B{(>manornm)  qui  praeest  Aeliu^  Ba^ia- 
nus  praef(ectus)  i\  a.  l.  hm, 

98  =  CIL.  VII  1029  —  Bremenium  —  Campestribus  cok{ors)  I  fida  Var- 
diidlorum)  [e(]{uitata) 

99  ==  CIL.  VII  1080  —  Newstead  —  Campest r{if ms)  sae^rum  Ael{iu8)  Mar- 
cm  dec{urio)  alae  Aug{nstae)  Vocatitiorum.     r.  s.  l.  1.  m, 

100  =  CIL.  VII  1129  —  Castle-hill  —  Campestvibus  et  Bnttani{ci.<)  Q.  Pi- 
centius  lustus  praef{ectus)  coh{oriis)  IUI  Gallorum^^^)  r.  s.  1.  1.  m. 


«»»)  Vgl.  Seite  31  Anm.  135. 

**')  Auch  die  anderen  Cohorten,  welche  die  Campestres  verehren, 
CIL.  VII 1084.  Brambach  1585.  1596,  werden  equitatae  gewesen  sein.  Hadrian 
hat   den  Unterschied   des   Grenzhecres  und   der  im   Innern   der  Provinzen 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  51 

Alle  diese  Inschriften  stimmen  darin  überein,  dass  die  Campestres 
die  Scbützgötter  der  Reiterei  der  Aoxilia  sind.  Ihr  Eintritt  in  den  Kreis 
der  römischen  Heeresgötter  ist  demnach  eine  Folge  einer  tiefeingreifenden 
Änderung  in  der  Organisation  der  Auxilia.  Die  Auxiliarreiterei,  wie  sie 
in  der  Kaiserzeit  bestand,  ist  aber  nach  ihrer  Grandlage  eine  Schöpfung 
der  Republik.  Mit  der  Zulassung  aller  Italiker  zum  Bürgerrecht  ver- 
schwand notwendig  die  frühere  Art  der  Auxiliarreiterei,  die  Contingente 
der  föderierten  italischen  Gemeinden.  Einen  Ersatz  für  diese  unentbehr- 
liche Waffe  konnte  nur  in  den  Provinzen  gefunden  werden.  Die  Ent- 
stehung dieser  neuen  Art  von  Auxiliarreitern  wird  erkennbar  an  dem 
Auftreten  einer  neuen  Offiziercharge  des  praefectus  equitum,  der  den 
älteren  praefectus  socium  ersetzt*").  Zuerst  wird  so  genannt  Fimbria 
bei  Velleius  2,  24,  wahrend  die  Livianische  Überlieferung  ihn  als  legatus 
bezeichnet*'*).  Beides  ist  richtig,  weil  es  im  freien  Ermessen  des  Armee- 
kommandanten liegt,  welchen  der  Offiziere  seines  Stabes  er  den  Befehl 
über  die  Auxiliarreiter  übertragen  will*'*^).  Wo  immer  wir  Schlachtbe- 
richte aus  der  letzten  Zeit  der  Republik  besitzen,  sind  die  Auxiliarreiter 
Hispanier  oder  Gallier  *^^).  Also  nur  durch  die  gallischen  Reiter  können 
die  Campestres  ins  Heer  gekommen  sein,  denn  den  Hispaniern  ist  der 
Matronencult  fremd. 

Das  Heiligtum  des  Exerzierplatzes. 

Der  Tempel  der  Inschrift  Nr.  94  kann  nur  im  Lager  selbst  ge- 
standen haben,  weil  der  Genius  der  Truppe  nur  hier  verehrt  wurde.  Er 
wohnt  der  Truppe  inne  und  begleitet  sie  auch  ins  Feld,  aber  ausserhalb 


stehenden  Operationsarmee  geschaffen.  Das  Grenzheer  besteht  aus  den 
kleineren  Körpern,  welche  alle  Waffengattungen  vereinigen:  die  Cohors  als 
schwere  Infanterie  organisiert  (vgl.  S.  29  Anm.  124),  mit  einer  Abteilung  Reiter, 
und  den  numerus  als  leichte  Infanterie,  welche  der  Cohorte  zugeteilt  ist.  Diese 
liegen  an  der  Grenze  selbst,  die  Legionen  und  die  alae  liegen  weiter  zurück, 
in  Obergermanien  hinter  dem  Rhein.  Die  einzige  Ala,  welche  das  Diplom 
CIL.  III  Suppl.  No.  L  nennt,  liegt  in  Mainz,  Brambach  985.  1087.  In 
Pannonien  und  Cappadocien  ist  das  anders;  aber  die  Grenzverteidigung  ist 
nicht  nach  einer  Schablone  geordnet. 

^^*)  Es  ist  für  die  Textkritik  von  Bedeutung,  dass  die  Epitome  des 
Yalerios  Maximus  den  C.  Titius  richtig  praefectus  sociorum  nennt,  der  voll- 
ständige Text  dagegen  fälschlich  equitum  praefectus,  Val.  Max.  II,  7,  9. 

*«*)  Linus  per.  82.  Gros.  6,  2,  9.  Aurel.  Victor  de  vir.  ill.  70.  Dio 
fr.  104  Dind.  i<7ro<rrvar i/yog.  Strabo  13  p.  624  macht  ihn  zum  zafiiag,  Appian 
Mith.  52  zum  idimTrjg,  was  insofern  richtiger  ist,  als  Fimbria  kein  imperium  hatte« 

*"«)  Plutarch  Antonius  1. 

'")  Vgl.  Plutarch  Crassus  25.  Appian  b.  c.  2,  42.  Plutarch  Antonius  57. 

4* 


52  V.  Domaszewski 

des  Lagers  hat  er  keine  dauernde  Stätte  der  Verehrung.  Diejenigen 
Inschriften,  welche  durch  den  militärischen  Grad  der  Dedicanten  für  die 
Bedeutung  der  Gottheiten  beweisend  sind,  rühren  von  den  Exerziermeistern 
her  Nr.  9ö  und  96.  Demnach  heissen  die  Campestres  nach  dem  Cam- 
pus, dem  Exerzierfelde,  und  dort  hat  der  Tempel  gestanden,  dessen 
einzige  Gottheit  die  Campestres  sind.  Bei  der  Bürgertruppe  tritt  an  ihre 
Stelle  Mars  Campester.  Die  gallischen  Matronae  sind  römisch  benannt 
worden  nach  der  Stelle  ihrer  Verehrung  im  Lager  und  gerade  durch 
diese  Taufe  ist  es  bezeichnet,  dass  sie  rechtsfähig  geworden  sind  in  der 

Religion  des  Heeres. 

Epona. 
Epona  verehren  auch  die  Bürgertruppen. 

101  =  CIL.  III  3420  —  Aquincum  —  Epone  Aug^mtae)  Apuleiuü  Jammrius 
eq{ue.s)  leg{ionis)  II  addutricis)  p{iae)  /{idelis)  r.  .<.  /.  iw. 

Sie  ist  also  nationalrömischen  Ursprungs  und  ihre  gemeinsame  Ver- 
ehrung mit  den  Göttinnen  der  Reiterei  Nr.  95  und  97  beruht  auf  ihrer 
religiösen  Bedeutung  als  Göttin  des  Stalles. 

Dea  Suria. 

Die  nationale  Zusammensetzung  bewahrten  unter  den  Auxilia  der 
Kaiserzeit  auch  die  im  Orient  gebildeten  Schützen,  weil  die  Kunst  des 
Bogenschiessens  bei  diesen  Völkern  heimisch  war.  Von  einer  dieser 
Truppen  ist  uns  der  Cultaltar  der  Schutzgottheit  erhalten. 

102  -=  CIL.  VII  758  —  Magnae  *")  —  Deae  Suriae  »tth  Calpurmo  Agrieola 
leg{ato)  Aug{usii)  pr{o)  pr{aetore)  A.  Licimua  Clemens  prae/{ecius)  co- 
h{orfis)  I  Hamior[um].    a.  162. 

Die  Nennung  des  Statthalters  ist  ein  sicheres  Kennzeichen  des  Cult- 
altars***).  Geschrieben  ist  der  Altar  in  einer  Zeit,  wo  die  Culte  des 
Heeres  noch  durchaus  römisch  sind^*^).  Es  kann  deshalb  nur  auf  der 
Besonderheit  der  Organisation  der  Truppe  beruhen,  dass  sie  die  Dea  Suria 
im  Fahnenheiligtum  verehren.  Demnach  ist  die  Heimat  dieser  unbe- 
kannten Hamii,  die  sicher  Schützen  *^^)  waren,  der  Orient. 
Illyrisch-thrakische  Götter. 

In  dem  Götterverein  der  equites  singularas  ist  Epona  von  den 
Campestres,  zu  welchen  sie  begrifflich  gehört,  losgerissen  durch  eine 
neue  Trias:  Silvanus,  Apollo,  Diana. 

^^^)  Aus  demselben  Orte  stammt  das  bekannte  Gedicht  CIL.  VII  759. 
21«)  Vgl.  das  Recht  der  Heeresreligion. 
220J  Vgl.  orientalische  Culte. 

"1)  Schon  im  Jahre  124  nennt  das  Diplom  CIL.  III  Suppl.  n.  XLIII 
die  cohors  Hamiorum  sagittariorum  in  Brittanien. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  53 

Was  Silvanus,  Apollo  und  Diana  im  römischen  Heere  sollen,  wäre 
gänzlich  unerfindlich,  wenn  nicht  die  Herkunft  der  equites  singulares 
auch  hier  die  Lösung  brächte.  Die  ecjuites  singulares  rekrutieren  sich 
nicht  nur  aus  Germanen,  sondern  auch  aus  den  Bewohnern  der  Balkan- 
halbinsel ***).  Deshalb  sagt  eine  ihrer  Inschriften  **^)  scheinbar  sinnlos : 
Batavi  sive  Thraces  adlecti  ex  provincia  Germania  inferiori. 

Wir  wissen  aber,  dass  Silvanus  in  lUyricum  die  römische  Bezeich- 
nung für  den  Landesgott  ist.  Die  Griechen  sind  es,  die  den  lUyriern 
das  Bild  des  Gottes  geschaffen  haben,  und  so  trägt  der  Gott,  der  in 
dem  Schatten  der  Urwälder  Dalmatiens  wohnt,  die  Ztlge  des  griechischen 
Pan***).  Apollo  und  Diana  sind  die  Hauptgötter  der  Westthraker '*^). 
Nur  in  diesem  Gebiete  und  vereinzelt  bei  den  stammverwandten  angren- 
zenden Völkern  der  Moeser  und  Daker  heisst  Diana  regina  und  geht 
auf  den  Altären  Apollo  sogar  voran  **^). 

Aber  Silvanus,  Apollo  und  Diana  sind  im  römischen  Lager  so  gut 
zu  römischen  Göttern  geworden  wie  Hercules  und  Mercurius. 
103  =  CIL.  VI  3712  —  Rom  —  Silrano  sacr{um)  et  Gen{i6)  et^uiUim)  sin- 
ff{ularium)   Aug{ust{)   M.  Uljnus  Friuius  aeditumus  signum  cum  base 
d(oHo)  d{edit). 

Vgl.  Taf.  II  Fig.  2  *^^*).  Da  Silvanus  hier  mit  dem  Genius  der 
equites  singulares  verbunden  ist,  so  muss  das  Relief  als  Cultbild  des 
Gottes  aus  einem  Heiligtum   des  Lagers  selbst  stammen.     Für  welches 


*")  Mommsen,  Ephem.  epigr.  V  p.  188  ff. 

"»)  Annal  dell.  Inst.  1885  Nr.  25. 

*2*)  Das  hat  R.  v.  Schneider  gezeigt:  arch.  epigr.  Mitt.  IX  S.  35  ff. 
Dieser  Silvanus  ist  auch  gemeint  auf  den  Altären  von  Topusko  S.  22  No.  20. 

2**)  Auch  die  cohors  Hemesenorum  verehrt  eine  Diana  CIL.  III 10304 . 
[Di]anae  Äu{f{ustae)  [p]ro  salute  d(omini)  n{08tri)  [i]mp{eratori8)  Al€xan[dr]i 
Atufiusti)  vetierani)  [co]h{orti8)  (müiariae)  Heme[se]norum  [v.]  «.  l  m.  Aber 
dieser  Altar  stammt  aus  einer  Zeit,  wo  die  orientalischen  Culte  unter  dem 
Einflüsse  der  Dynastie  ins  Heer  dringen,  so  dass  ^s  ganz  unklar  ist,  welche 
Gottheit  die  Truppe,  die  damals  ganz  aus  Hemesenern  bestand  (CIL.  III 10318), 
sidh  bei  diesem  Namen  dachte.  Auch  die  Beziehung  von  Brambach  1600. 
1751  —  es  sind  beides  Altäre  von  nnmeri,  vgl.  Seite  46  —  ist  unklar. 

2")  CIL.  III  7447.  12370.  12371.  12373.  Diese  Denkmäler  stammen 
alle  ans  der  civitas  Montanensinm,  aber  es  ist  dies  der  einzige,  auf  romani- 
siertem  Boden  gelegene  Ort  der  Westthraker,  dessen  Inschriften  einiger- 
massen  bekannt  sind.  Vgl.  auch  Dumont  Mölanges  p.  509.  Aus  Dacien  und 
Moesien:  Diana  regina  CIL.  HI  1003.  6160,  aus  Dacien:  Dianae  et  Apol- 
lini III  8023. 

3s«a)  Die  Abbildung  ist  entnommen  Bull,  della  comm.  arch.  di  Roma  TL 
Tav.  XIX. 


54  V.  Domaszewski 

der  vielen  Heiligtümer,   die  jedes  Lager  umschloss,  das  Bild  bestimmt 
war,  lässt  die  Inschrift  nicht  erkennen. 

Bie  Xiandeis^ötter. 

Dacien:  Liber. 

104  =  CIL.  III  1092  —  Apulum  —  Libero  patri  sacrum  pro  salute  im- 
p{eratori8)  Caes{aris)  M,  Aur{eli)  Commodi  Antonini  Äugiiisti)  pii 
p{atris)  piatriae)  L.  CaUisim  L.  f.  Velina  Secxindm  Fakrione  p{rimiui) 
p{ilus)  legiionis)  XIII  g{eminae)  d(ono)  d{edit)  stib  Vespronio  [Can]dido 
co{n)8(tilare)  dedic{ante)  CjaereUio  Sa[b]i[n]o  l[€g(ato)].    a.  183/5. 

Dieser  Gott,  dessen  Altar  im  Fahnenheüigtume  der  Hauptstadt 
Daciens  stand,  ist  dem  Heere  gänzlich  fremd.  Wie  es  kam,  dass  unter 
Commodus  Liber  an  der  ersten  Gultstelle  des  dacischen  Lagers  einen 
Platz  der  Verehrung  erhielt,  lehrt  die  Geschichte  des  Heeres.  Es  ist 
dies  eine  Wirkung  der  lokalen  Conscription,  die  Hadrian  fdr  die  Legion 
begründet  hatte  ^*').  Als  dieser  Altar  errichtet  wurde,  bestand  die 
Legion  von  Apulum  seit  langem  ausschliesslich  aus  Dakern.  So  tritt 
hier  dasselbe  Prinzip  in  Wirksamkeit,  das  die  Culte  der  Auxilia  von 
Anfang  an  bestimmt  hatte.  Liber  ist  der  römische  Name  für  den 
Hauptgott  der  Daker.  In  keiner  Provinz  ist  der  Cult  des  Liber  und 
der  Libera  so  weit  verbreitet  als  in  Dacien**®),  und  die  Reliefs  lassen 
erkennen,  dass  eigentümliche  Vorstellungen  mit  dem  gewohnten  Bilde 
des  griechischen  Dionysus  verschmolzen  waren.    Vgl.  Taf.  III  Fig.  4  **'). 

Das  Gebiet  der  Provinz  Moesia  inferior  erstreckt  sich  über  den 
ganzen  Süden  des  von  den  Dakem  bewohnten  Landes  **°).  So  hat  der 
Gott  der  Daker  auch  in  Novae,  dem  Hauptquartier  der  Provinz,  Auf- 
nahme gefunden  und  wurde  im  Fahnenheiligtum  der  legio  I  Italica  verehrt. 

105  =  CIL.  III  750  (cf.  p.  992)  —  Novae  —  Libero  patri  C.  lulius  Caria- 
nu8  p{rimH8)  j>(i7m«)  leg{ionis)  I  Ital{icae)  ex  egiuite)  Romano. 

Auch  in  Unterpannonien,  wo  Liber  dieselbe  Göttergestalt  ist  wie 
in  Dacien*^*),  ist  er  im  Fahnenheüigtume  nachzuweisen. 


^")  Erst  damals  ist  das  Princip  geworden.  Vgl.  Die  Fahnen  S.  31, 
Anm.  1. 

"8)  CIL.  III  792.  896.  930.  1065.  1091.  1093.  1094.  1261.  1303.  1355. 
1411.  1548.  7682.  7683.  7684.  7765.  7916.  7917.  12572. 

^'')  Relief  in  Thorda,  im  Besitz  des  Photographen  Botar.  Ein  gleich- 
artiges Relief  aus  Surduk  (Niederpannonien)  ist  in  Wien.  R.  v.  Schneider 
teilt  mir  mit,  dass  er  in  dacischen  Museen  noch  8  weitere  Reliefs  dieser  Gat- 
tung aufgefunden  hat. 

"0)  Arch.  epigr.  Mitt.  XIII  S.  137. 

"^)  Vgl.  Anm.  229. 


Die  Religion  des  rümisclien  Heeres.  55 

106  =  CIL.  m  3464  —  Aquiticum  —  Libero  Aug{tisio)  C.  aodius  Satur- 
ninus  p{rimus)  p{äiis)  leg{ionis)  II  adüutrkis)  p{i4i€)  f{idel%s), 

Pannonien:  Sedatas,  Trasitns. 

107  =  CIL.  III  11929  —  Pfünz  —  Sedato  scbcrum  coh{ors)  I  Br{€ucorum) 
ex  r{oto)  s(olnt)  l{ibenti)  c{otHm)  so(lutum)  c(uram)  a{gente)  Iid{io) 
Maximo  dec{nrione). 

Die  in  Raetien  stationierte  Cohorte  der  Breucer  war  ursprünglich 
in  Südpannonien  formiert  worden.  Dass  Sedatus  ein  pannonischer  Gott 
ist,  zeigen  zwei  andere  Altäre,  die  in  Pannonien  selbst  gefunden  wurden  ***). 

108  =  CIL.  III  10355"«)  —  Aquincum  —  Sedato  Aug{usto)  sacrum  Fublius 
Ael{ius)  Crescens  tnagister  coH{egi%)  centonariorum  «?.  s,  L  ?«.  Faustino 
et  Rufino  cos,    a.  210. 

Wenn  hier  die  Feuerwehr  ***)  der  Hauptstadt  von  Niederpannonien 
Sedatus  als  Schutzgott  verehrt,  so  wiederholt  sich  dies  in  Ratiaria  in 
Obermoesien. 

109  =  CIL.  m  8086  —  Ratiaria  —  Sedato  Aug{ii8to)  pro  sal{ut€)  Severi 
et  Antonini  Aug{ustorum)  et  Genio  coU{egi)  fabr{um)  Q.  Aelius  Anto- 
nimuf  dec{iirio)  primus  büiellarius),  tnagister  coU{egi)  8{upra)  s{€r%pii) 
d{ono)  d{edit). 

Die  eigentümliche  Erscheinung,  dass  die  Feuerwehr  von  Ratiaria 
den  Schutzgott  der  Pannonischen  Feuerwehr  entlehnt,  legt  den  Gedanken 
nahe,  dass  Yulcanus  und  Sedatus  den  Römern  wesensgleich  waren.  So 
wird  es  erst  verständlich,  wie  es  kommt,  dass  Yulcanus,  den  im  ganzen 
Heere  kaum  einer  der  zahllosen  Yotivsteine  einzelner  Soldaten  nennt, 
in  Pannonien  der  Schutzgott  einer  Auxiliarcohorte 

110  =  CIL.  III  3646  —  Cirpi  —  Vokano  Aug{mto)  sacrum  co?i{ors)  II 
Alp(tnorum)  eg{uitata)  cui  praest  A.  Plautim  Fah{id)  Bassianm  Roma 
pra(efectu8) 

und  der  Canabenses  des  Lagers  von  Aquincum  ist. 

111  =  CIL.  III  3505  —  Aquincum  —  Volcano  sacrum  cet(erani)  et  c{ives) 
R{otnani)  co{tt)8{i8tentes)  ad  leg{ionem)  II  ad{iutri€em)  curam  agentib{us) 
Va!{erio)  Respecto  et  IJtedio  Max[i]m[i\no  ma[(ß{i8tri8)'\. 

Also  auch  Sedatus  ist  im  römischen  Heer  zum  Römer  geworden. 

Trasitus. 

112  =  CIL.  HI  10963  —  Totis  —  Trasito. 

113  =  CIL.  III  4444  cf.  11092  —  Carnuntum  —  Trasito  G,  Cas{sius)  Apro- 
nianus  c{ustos)  a(rmorum)  in  ho{norem)  col{legii)  [ü.]  s.  L  l.  m. 


'3-2)  CIL.  III  3922  belehrt  nur  durch  den  Fundort. 

^33)  Der  Stein  stammt  gewiss  ebenso  wie  10336  aus  Aquincum;  auch 
10334  ist,  wie  10377  zeigt,  aus  Aquincum  verschleppt. 

^^*)  Dass  diese  collegia  Feuerwehren  sind,  hat  Hirschfeld  Sitzungsb. 
d.  Wiener  Akad.  107  S.  239  f.  gezeigt. 


56  V.  Domaszewski 

Es  ist  ein  Heeresgott,  weil  No.  113  aus  der  schola  der  armorum 
custodes  stammt.  Nach  dem  Fundorte  von  No.  112  kann  er  der  Gott 
der  Azali*^*)  sein. 

Britannien:  Cocidius. 

Ein  Heeresgott  des  nördlichen  Britanniens  ist  Cocidius.  Die  Altäre 
wurden  ihm  errichtet  von  den  Vexillationen  aller  Legionen,  welche  am 
Neubaue  des  südlichen  Walles  unter  Septimius  Severus  beschäftigt 
waren  ***),  von  der  Gesamtheit  einer  Cohorte  **')  und  den  Praefekten  der 
Cohorten  *^®).  Für  seine  AuflFassung  als  Heeresgott  ist  entscheidend, 
dass  er  mit  Mars*^^)  geglichen  wird. 

Die  typische  Gleichung  der  Landesgötter  mit  bestimmten  Gestalten 
der  römisch-griechischen  Götterwelt  kann  nicht  erst  eingetreten  sein,  als 
jene  Culte  im  Heere  Aufnahme  fanden,  sondern  muss  in  weit  frühere 
Zeiten  zurückreichen,  weil  sie  entstanden  ist  unter  dem  überwältigenden 
Einfluss  der  Cultur  des  herrschenden  Volkes.  So  erscheinen  denn  die 
Schutzgötter  der  Donauländer  schon  auf  einem  Relief  des  Beneventer- 
Bogens,  das  an  der  Attica  der  Aussenseite,  links  von  der  Inschrift,  also 
an  hervorragendster  Stelle  steht,  vgl.  Taf.  V  Fig.  3  **®).  Erhalten  sind 
Liber  und  Libera,  Diana  Regina  und  Silvanus.  Ihnen  gegenüber  ist  der 
Kaiser  mit  seinem  Gefolge  zu  denken.  Nicht  als  der  Besieger,  sondern 
als  der  Beglücker  der  Donauländer  hat  der  Künstler  den  princeps 
optimus  gefasst,  nachdem  die  Leiden  des  Krieges  unter  den  Segnungen 
seiner  Regierung  getilgt  waren.  Das  zweite  Relief  rechts  von  der  In- 
schrift, vgl.  Taf.  V  Fig.  1^^*),  kann  nur  eine  That  verherrlichen,  die 
ein  würdiges  Gegenstück  zu  dem  Vorgang  des  ersten  Relief  bildet.  Auch 
hier  hat  der  Künstler  klar  gesprochen.  Zwischen  zwei  Sti-ömen  stehend 
nimmt  der  Kaiser  die  Huldigung  einer  besiegten  Provinz  entgegen.  Den 
Kaiser   und    die    besiegte   Provinz   zwischen   dem   Euphi-at  und    Tigris 


"»)  Forbiger  IH  S.  338. 

"«)  CIL.  VII  644.  800.  801.  802.  876.  914. 

2")  CIL.  VU  803. 

"8)  CIL.  Vn  701.  953.  974. 

"»)  CIL.  VII  286.  643.  886.  914.  977. 

**°)  Meomartini,  I  manumenti  e  le  opere  (Varte  della  citUi  di  Benevento 
1889  tav.  XXVII,  Vgl.  Petersen,  röm.  Mitt.  1892  S.  241  f.  Die  Fig.  1,  2,  3 
auf  Tafel  V  sind  hergestellt  nach  Photograph ieen  des  Photographen  Pensa  in 
Benevent. 

"1)  Meomartini  tav.  XXVI,  Petersen  a.  a.  0.  p.  242.  Die  Inschrift 
des  Beneventer  Bogens  CIL.  IX  1558  ist  aus  dem  Jahre  114  n.  Chr.  Die 
Unterwerfung  Mesopotamiens  ist  also  noch  ins  Jahr  114  zu  setzen. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  57 

stehend,  stellen  die  Mtlnzen  dar,  welche  die  Erobemng  Mesopotamiens 
feiern.  Nichts  anderes  verherrlicht  der  Beneventer  Bogen.  Hier  trägt 
der  römisch  gewordene  Euphrat  die  Brücke,  welche  Mesopotamien  an 
das  Reich   fesselt;    der  Grenzstrom  Tigris  ergiesst  frei  seine  Gewässer. 

Die  Reception  dieser  peregrinen  Gottheiten  hatte  sich  auf  der 
historischen  und  rechtlichen  Grundlage  der  römischen  Heeresbildung  voll- 
zogen. Indem  die  Götter  in  römischer  Gestalt  verehrt  wurden,  haben 
die  Culte  die  Unterthanen  dem  herrschenden  Volke  genähert,  ohne  den 
nationalrömischen  Charakter  des  Staates  und  der  Religion  zu  gefährden. 

Anders   ist   die  Entwicklung   der  orientalischen  Culte  im  Heere. 

Orientalisohe  Cnlte. 

In  dem  Werke  der  Wiederherstellung  des  römischen  Staates  bildete 
für  Augustus  die  Neubelebung  der  nationalen  Religion  eine  der  wesent- 
lichsten Aufgaben.  So  lange  seine  politische  Schöpfung  gedauert,  hat 
auch  seine  Auffassung  der  Staatsreligion  unbedingt  geherrscht.  Erst 
als  die  national-römische  Form  des  Staates  unter  den  bewussten  An- 
griffen der  regierenden  Kreise  selbst  ins  Wanken  gerät,  da  lockerte  sich 
auch  die  Geschlossenheit  der  nationalen  Religion. 

Augustus  Gedanke,   dass   diese  Art  Superstition   am  wirksamsten 

durch    die    stillschweigende  Verachtung,    die   jedes    römischen    Mannes 

Pflicht   sei,   eingedämmt  werde***),   hat  in  der  Periode   des  Principats 

die  Haltung   der  Regierung  bestimmt.      Noch   gegen    das   Ende  dieser 

Zeit  hat  Antoninus  Pius  der  reinen  Pflege   römischen  Glaubens  seine 

Aufmerksamkeit  zugewandt. 

114  =  CIL.  VI  1001  —  Rom  —  S{enaM)  p{opulu8)q{u€)  B(omanu8)  Imp{e- 

ratori)  Caesari  T,  Ädio  Hadriano  Antonino  Äug{usto)  Pio  p{atri)  p(atria€) 

pantißici)  max(mo)    trib{unicia)   pot{estaJte)    VI   co(n)s[ul%)   III  optima 

maximo^ue)  prindpi  et  cum  sumTna  benignücUe  iustissimo  ob  insignem  ergo 

caerimonias  puhlicm  curam  ac  rdigionem. 

Dies   bestätigt   die   von   Interpolationen   der   Spätzeit   ganz   freie 

Vita   des  Kaisers  13,  4:    et  qui   rite   comparetur  Numae,  cuius  felici'- 

totem  pietatemque  et  securitatem  caerimoniasqne  semper  obtinuit^  und  er- 


^*^)  Sueton,  Aug.  93:  Peregrinariim  caerimoniarum  sicut  veteres  ac 
praeceptas  reverentissime  eoluit,  ita  ceteras  contemptai  habnit.  Namque  Athenis 
initiatus,  cum  postea  Romue  pro  tribunali  de  privUegio  siwerdotum  Atticae 
Cereris  cognosceret  et  quaedam  secretiora  proponerentur,  dimisso  coimlio  et 
Corona  circumstantium  solus  audiit  disceptantes.  At  contra  non  modo  in 
peragranda  Aegypto  paido  deflectere  ad  visendum  Apin  su2)ers€dit,  sed  et 
Gttium  nepotem,  quod  ludaeam  praetercehens  apud  Hierosolytna  non  auppli- 
casset,  conlaudavit 


58  V.  Domaszewski 

lautern  die  Münzen  **^).     Wie  endlich  Kaiser  Marcus  von  der  Deisidai- 
monie  des  Orientes  dachte,  lehren  seine  Selbstgespräche. 

Die  einzige  rechtliche  Basis  für  die  Ausbreitung  orientalischer 
Culte  lag  in  den  national  organisierten  Truppenkörpem  des  Ostens. 
Aber  gerade  hier  lässt  es  sich  zeigen,  dass  ihr  Glaube  gar  keine  Wir- 
kung geübt  hat.  Jene  Dea  Suria  der  Hamii  bleibt  in  Britannien  gänz- 
lich unbekannt*^*).  Im  Lager  sind  diese  Culte  ebenso  undenkbar,  als 
sie  unvereinbar  sind  mit  dem  Weichbild  einer  römischen  Stadt  **^). 
Wenn  sie  dennoch  allmählich  in  der  Nähe  der  römischen  Lager  sich 
einnisteten,  so  hat  dies  seine  Ursache  in  besonderen  Eigentümlichkeiten 
der  Organisation  des  Heeres.  Die  Centurionen  der  Legionen  dienen 
grundsätzlich  während  ihrer  Laufbahn  in  allen  Teilen  des  Reiches,  so 
dass  derselbe  Mann  aus  dem  Occident  in  den  Orient  und  wieder  zurück  in 
den  Occident  gelangte.     Sie  sind  die  Träger   des   fremden  Samens**^). 

115  =  CIL.  III  4418  — .  Camuntum  —  Inmcto  Mithre  C.  Saddius  Barbarus 
(centuriO)  Ieg(ioni8)  XV  ApoHlinaris)  ex  voto  ! !  ! !  !  !  !  ! !  !  ! ! ! ! ! !  !  **'). 

116  =  CIL.  VII  506  —  Conderum  —  l{ovi)  o{ptimo)  [m(aximo)  I}olic]heno 
numini[b]us  Attgiusti)  pro  salute  imp{eratoria)  Caesaris  T.  Ädi  Hadr{iani) 
Antonini  Augutti  Pii  p{atri8)  p((Uriae)  et  leg(ioni8)  II  Aug(u8ti)  M,  Li- 
humms  Fronto  {centurio)  leg{ionis)  eiusdem  v.  s.  l.  m. 

117  =  Brambach  1584  —  Köngen  —  Soli  invicto  Mithrae  sacrum  P.  Nas[(d]' 
lius  Pr[oc]linu8  [(centurio)]  leg{ionis)  VIII  Augiustae)  v.  s.  l.  m.   a.  148  '**). 

118  =  CIL.  VIII  2627  —  Larabaesis  —  lovi  o(ptimo)  m(aximo)  Hdiopoli' 
tano  C.  Itäius  Vcüerianus  (centurio)  leg(ionis)  III  Aug(ustae)  XVI  Flia- 
viae)  f(irmae)  bis  IUI  Scyt(kicae)  bis  pro  salute  sua  ^  Liciniae  Aguüinae 
uxor(is)  suae  et  luli  Proculi  (centurionis)  leg(ioni8)  V  Mac(edomcae)  et 
III  G(ü(licae)  et  XXII  Primig(eniae)  fratris  sui  et  Variae  Aquäinae 
uxoris  eins  et  luHae  Aquüinae  ß(iae)  eorum  posuit^*^), 

119  =  CIL.  Vni  2638  —  Lambaesis  —  lovi  optimo  maximo  HdiopoHtano 
sanctissimo  sacrum  P.  Seim  P.  /.  Arn(iensi)  Bufas  Teate  Mfirrucinorum 
praef(ectu8)  leg(ionis)  III  Aug(ustae)^^^). 


2")  Eckhel  d.  n.  VII  p.  29. 

'^**)  Die  einzige  Inschrift  dieser  Göttin,  die  ausserhalb  dieses  Lagers 
gefunden  wurde,  CIL.  VII  272,  ist  überdies  sicher  falsch  gelesen,  weil  sie 
keinen  Sinn  giebt. 

^*^)  In  Rom  liegen  die  Cultstätten  ausserhalb  des  Pomoeriums. 

^*^)  Ich  habe  auch  den  Mithrascult  hereingezogen  wegen  seiner  orien- 
talischen Herkunft,  obwohl  seine  rechtliche  Stellung  eine  völlig  andere  ist 

^*^)  Über  die  Zeit  vgl.  S.  25.  Eradiert  ist  vielleicht  ein  Consulat 
Domitians. 

2")  cf.  Brambach  1590. 

'^*^)  Die  Inschrift  dürfte  noch  aus  dem  zweiten  Jahrhundert  sein. 

2^<))  Dem  zweiten  Jahrhundert  gehört  auch  die  Inschrift  CIL.  III  356ö 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  59 

Die  Steine  sind  wahrscheinlich  entstanden  aufgrund  der  GeMbde, 
welche  diese  Offiziere  im  Orient  gethan  und  nach  ihrer  Versetzung  und 
Beförderung  im  Abendland  gelöst  haben.  Erkennbar  wird  der  Einfluss 
dieser  Culte  in  der  Nähe  der  Lager  erst  unter  Commodus, 

120  =  CIL.  III  Uli  —  Apulum  —  Soli  invicto  aedem  restäutt  C.  Caerdlius 
Sahinus  legiatus)  Aug{u8ti)  leg{ioms)  XIII  Geminae.    a.  183/185, 

wobei  jedoch  zu  berücksichtigen  ist,  dass  die  römische  Cultur  Daciens 
zum  Teile  auf  orientalischer  Colonisation  erw^achsen  war***). 

Besonders  lehrreich  ist  das  Dolichenusheiligtum  in  Carnuntum.  Es 
lag  ausserhalb  des  Territoriums  der  Legion;  die  Dedicanten  sind,  so 
weit  ihr  Stand  erkennbar  ist,  Centurionen,  die  datierten  Inschriften  sind 
ans  der  Zeit  des  Commodus  ***»). 

Die  geltende  Anschauung,  dass  die  orientalischen  Culte  im  Abend- 
lande zur  Zeit  der  Antonine  allgemein  verbreitet  gewesen  wären,  hat 
in  den  Urkunden  wenigstens  nicht  die  geringste  Stütze^**). 

Wenn  aber  unter  Septimius  Sevenis  diese  Culte  überall  ans  Tages- 
licht treten  und  unter  der  Dynastie  von  Emesa  auch  die  römische  Re- 
ligion des  Heeres  zu  überwältigen  drohen,  so  ist  es  der  Einfluss  der 
Regiei-ung  gewesen,  welche  diese  Entwicklung  befördert,  wo  sie  sie  nicht 
ins  Leben  rief. 

Von   den   beiden   merkwürdigen   Dolichenusreliefs  (vgl.   Taf.  IUI 


an,  welche  einen  praefectus  legioofs  nennt.  Ebenso  war  Gavius  Maximus 
der  praefectus  praetorio  des  Antoninas  Pius,  unter  Hadrian  praefectus  legionis, 
CIL.  ni  5328.  Also  kann  der  Titel  unmöglich  wie  Wilmanns  wollte,  Ephem. 
epigr.  1  p.  81  £f.  an  Stelle  des  Titels  praefectus  castrorum  legionis  getreten 
sein,  der  noch  unter  Septimius  Severus  vorkommt,  Brambach  481  (a.  201). 
Vielmehr  ist  praefectus  legionis  eine  verkürzte  Ausdrucksweise,  die  seit 
Hadrian  üblich  wird.    Denn  Tacitus  kennt  sie  noch  nicht. 

'*0  ^S^-  ^'L-  ^^^  P-  ^^^'  1°  Lambaesis  ist  der  Dolichenuscultus  so 
alt  als  das  Lager  CIL.  YIII  18221  und  wahrscheinlich  auch  der  Cult  der  Isis 
und  des  Serapis  C.  VIII  2630,  a.  155  wird  der  Tempel  erweitert  Aber  Nu- 
midia  gehört  nach  der  Organisation  dem  Orient  an.  Dies  zeigen  die  Steine 
der  nach  Born  abkommandierten  Frumentarii,  Ephem.  epigr.  IV  p.  455  if.,  die 
einen  einzigen  frumentarius  leg.  III  Aug.  nennen  (n.  16)  und  die  Ergänzung  der 
orientalischen  Legionen  aus  Soldaten  der  legio  III  Augusta  CIL.  VIII  18042 
Ab.    Es  entspricht  dies  nur  der  historischen  Stellung  der  Landschaft. 

2"*)  Arcb.  epigr.  Mitt.  XVI  S.  42  ff.  und  CIL.  III  S.  11129  flf. 

2»i^  Wer  die  Mithrasinschriften,  wie  sie  Cumont  jetzt  gesammelt  hat, 
durchsieht,  erkennt  auf  den  ersten  Blick,  dass  fast  alle,  welche  für  den  Glauben 
freigeborener  Leute  beweisen  können,  dem  3.  Jahrhundert  angehören. 


60  V.  Domaszewski 

Fig.  1  und  2)  ist  das  eine  (la  und  b)  zu  Kömlöd  in  Niederpannonien  *^^) 
gefunden  und  trägt  die  Inschrift: 

121  =  CIL.  III  3316   --   Kömlöd   —   lovi  Dukheno  P.   Äel{ius)   Lucüius 
(centurio)  coh(or^)  I  Älp{inorum)  €q{uüatae). 

122  —  Das  andere  verstümmelte  stammt  aus  Traisenmauer  in  Noricam^'*,^ 

Das  Relief  der  Rückseite  B  war  in  dem  Relief  der  Vordei*seite  A 
durch  einen  Falz  befestigt.  Auf  dem  Relief  121  wird  Dolichenus  von 
Victoria  begränzt,  Hercules  und  Minerva  erscheinen  zu  seinen  Füssen. 
Auf  der  Rückseite  ist  Dolichenus  im  Besitze  des  Fahnenheiligtums. 

Auf  dem  Relief  122  ist  der  untere  Teil  der  Vorderseite  dahin 
zu  ergänzen,  dass  in  dem  untersten  Reliefstreifen  der  Gott  in  der  Aedicula 
stehend  dargestellt  war,  während  auf  der  Rückseite  Mars  gebildet  ist. 
Dolichenus  ist  also  an  Stelle  des  Jupiter  optimus  maximus  als  Gott  des 
Lagers  getreten  und  dies  sind  die  Altarbilder  selbst '^^). 

Beide  Truppenkörper  haben  mit  dem  Orient  nicht  den  geringsten 
Zusammenhang,  so  dass  der  Geschmack  für  den  Religionswechsel  nicht 
spontan  bei  ihnen  ei-\N'acht  sein  kann.  Vielmehr  sind  diese  Cultaltäre 
in  ihrer  völlig  gleichen  Arbeit  auf  Befehl  der  Regierang  entstanden, 
welche  das  Heer  mit  dem  neuen  Glauben  beschenkte.  Wer  in  dieser 
Weise  an  dem  römischen  Geiste  des  Heeres  gefrevelt  hat,  ist  bekannt, 
es  ist  Elagabal. 

Der  Gott  dieses  Kaisers  ist  auf  einem  Altare  der  Legionen  genannt. 

123  ==  CIL.  III  4300  —  Brigetio  —  Deo  Soli  Alagabdl  Ammudati  mäiües) 
leg{ioni8)  I  odyiutricia)  bis  p{iae)  f(iddis)  constiantis)  .  .  . 

Wie  der  Altar  der  Victoria  aeterna  Elagabals  (Nr.  56)  ist  auch 
dieser  von  den  Soldaten  gesetzt,  nicht  vom  primus  pilus.  Welcher  Zeit 
dieser  Altar  angehört,  bestimmt  die  Nennung  des  Gottes,  dessen  Vereh- 
rung mit  den  Hohenpriestern  von  Emesa  selbst  gestorben  sein  muss  *^^). 
Herodian  berichtet  5,  5,  7 :  Ttpcaexa^e  xe  Tiavia^  zobq  Twjiatwv  ap- 


2")  In  Pest.  Desjardius- Romer  Taf.  V.  VI.  Hiernach  abgebildet  auf 
unserer  Taf.  IUI  als  Fig.  la  und  b. 

2^^)  In  Wien.  Das  Publikationsrecht  des  Denkmals  verdanke  ich  der 
einzigen  Liberalität  des  Vorstandes  der  Sammlung  R.  v.  Schneider.  Nach 
einer  von  ihm  mitgeteilten  Photographie  abgeb.  auf  Taf.  HII  als  Fig.  2a,  b,  c. 

^**)  Der  centurio  Nr.  121  ist  also  der  centurio  princeps,  der  die  Auf- 
sicht über  das  Fahnenheiligtum  hat.     Vgl.  S.  28. 

^^^)  Schon  die  unauslöschliche  Schande,  die  sich  an  diesen  Gott  knüpfte, 
gestattet  keinem  späteren  Kaiser,  sein  Andenken  wieder  zu  beleben.  Dass 
die  damnatio  memoriae  auch  den  Gott  traf,  zeigt  die  Erasion  des  Priestertitels 
sacerdos  amplissimus  dei  invicti  Solls  Elagabali,  z.  B.  Inschrift  No.  13. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres. 


61 


Xovxo^,  xaJ  ei  xtve;  Srjfioofa;  9v<jI(x^  iTctieXoöat,  izpb  xöv  äXX(ov  S'eöv, 
oö;  Si]  xoXoöacv  EepoupyoOvieg,  övo|i(iv^etv  xöv  v£ov  -S-söv  'EXayaßaXov, 
und  in  der  offiziellen  Titulatur  des  Kaisers  geht  sacerdos  amplissimus 
dei  invicti  Solls  Elagabali  dem  pontifex  maxiraus  voran.  Deshalb  kann 
ich  in  Nr.  123  nur  den  Hauptaltar  des  Fahnenheiligtums  erkennen.  Ist 
Elagabal  der  Hauptgott,  so  erklärt  dies  wieder  die  Form  der  Altar- 
bilder 121.  122.  Es  ist  eine  Nachahmung  des  kegelförmigen  Meteoriten, 
und  die  Streifen,  in  welche  das  Relief  zerfällt,  sind  die  Nachahmungen 
des  Gewebes  des  Tuches,  das  den  Stein  umhüllte,  wenn  auch  der  Relief- 
schmuck  auf  den  Bronzetafeln  den  Zwecken  des  Lagercultes  angepasst 
sein  wird. 


Dargestellt  ist  die  Umhüllung  auf  den  Münzen  des  Praetendenten 
Uranius  Antoninus  ^^')  und  angedeutet  auf  den  Münzen  Elagabals. 

Als  Elagabal  an  dem  Orte  sein  Grab  gefunden,  für  den  er  ge- 
boren war,  erkannte  der  neue  Regent  Roms,  Mamaea,  die  Notwendig- 
keit einzulenken  und  entschloss  sich,  wenn  auch  zögernd,  die  alte  Religion 
im  Heere  herzustellen.  So  ist  im  Jahre  224  der  Altar  Nr.  14  ent- 
standen und  vielleicht  um  dieselbe  Zeit  Nr.  32. 

Aber  die  orientalischen  Culte  behaupten  sich  im  Heere,  weil  die 
Verleihung  des  Bürgerrechts  an  alle  Nationen  des  Reiches  sie  alle  mit 
einem  Schlage  rechtsfähig  gemacht,  vorausgesetzt,  dass  die  Regierung  die 
Einreihung  eines  solchen  Cultes  in  die  Heeresreligion  verfügte.  Die 
Dynastie,  welche  aus  einem  Weibe  und  einem  Kinde  bestand,  also  zur 
Herrschaft  nach  römischer  Anschauung  nicht  berechtigt  war,  hat  aber 
die  Ausbreitung  dieser  Culte  im  eigensten  Interesse  nur  befördert. 

2")  Auf  den  Münzen  Cohen  IV  p.  325  No.  15.  19,  p.  349  No.  366 
erscheint  auf  dem  Conus  (vgl.  Herodian  5,  3,  5)  ein  Adler,  der  notwendig  ein 
Schmnck  des  göttlichen  Steines  sein  muss,  ebeLSo  wie  im  oberston  Streifen 
der  Reliefs  ein  Adler  sitzt.  Die  obigen  Abbildungen  stellen  dar  ein  Bronze- 
medaillon Elagabals  nach  Cohen  2.  Aufl.  Nr.  19  und  einen  Aureus  des  Ura- 
nius nach  Cohen  2.  Aufl.  No.  1. 


62  V.  ßomaszewski 

Durch  eine  Laune  des  Zufalls  ist  es  gekommen,  dass  bedeutende 
Rest«  des  Praetoriums  von  Mainz  in  einer  Mauer  begraben  liegen,  welche 
mit  der  im  Jahre  1200  n.  Chr.  erbauten  identisch  sein  dürfte.  Vgl. 
Lehne  bei  Brambach  No.   1033  (=  65.) 

Dieser  Fundstelle  entstammen  Nr.  41.  65.  66.  67.  68.  69.  70. 
73.  74,  ausserdem  folgende  Steine: 

124  =  Brambach  975  —  Mainz  —  Miner vae  Fortunae  reduci  et  Genio  huius 
loci  ceterisque  diu  deahusque  imm[ortalihm] 

125  =  Brambach  976  —  Mainz  —  In  h{onorem)  d{omus)  d{ivinae)  Larihuti 
sira{torHm)  co{n)s{ularw)  leyimnis)  XXII  p{rhmgenme)  p(me)  f{ideJis) 
reter[a]ni  m{i8si)  h(onestd)  m{i,mone) 

126  =  Brambach  978  —  Mainz  —  leg{io)  XIIII  ge{mina)  M{artia)  r(«Wrtr) 
{ceniuria)  C.  Senti^^^). 

127  =  Keller,  Nachtrag  II  n.  50b  —  Mainz  —  in  h{onorem  d{omu.si)  r/(/ri- 
nae)  deo  Mer[curio],  .  .  . 

128  =  Westd.  Zeitschr.  XI  S.  296  —  Mainz  —  [luliae  Augustae]  Caelesti 
deae  [m<itri  imperaio]ris  Cacsaris  [M.  Aureli  Anton^ini  pii  felicii^  [Au- 
guHti  Par1h]ici  maximi  [Britannici  maxi]mi  Germanici  [maximi  ei  matr]i 
ftenatus  putri[ae  item  castror]nm  in  honorem  [legioni^  XXII  A]ntam- 
nianae  pr{imigeniae)  [2)(i<ie)   flidelia lut  Qnirina  An iana  . . . 

129  =  Westd.  Zeitschr.  XI  S.  315  —  Mainz  —  n{eo)  invi[cto  Soli]  iinp{e- 
ratori)  Cae[s{ari)  M.  Aure\lio  Anto[nino]  pio  feUc[i  Augus]fo  Parth[ico 
majc{im€)]  Britanni{co  pont]ifki  max{imo)  tnb{unici€a)  j){otesfate)  .  .  . 
co{n)s{Hl)i  IUI  p{atrt)  [2}{atria€)  proco{n)s(HU)]  Q.  lunius  [.  .  f.  Quin- 
tia{nuH  leg{atus)]  eins  pr{o)  [pr{aetore)  Germa]niae  su[periori8]  devo- 
ti[s8imtift]  numin[i  eim  di[cati8fn]mi4^qHe. 

In  der  ganzen  Reihe  dieser  Steine  ist,  mit  Ausnahme  des  Baur 
Steines  (Nr.  126)  keiner,  der  nicht  aus  einem  Heiligtume  stammt,  so 
dass  folgendes  Fragment  ebenfalls  von  einem  Altare  herrührt. 

130  =  Keller,  Nachtrag  II  236  f.    —   Mainz   —    .    .  .  leg.  XXII  2>]r(imi' 

v%      n      r 

^L-  FI  L-  HIP  PI 

SA    D    Y   A  N   /  A 
U  •  C   Y   B   I    R  A 


'^^)  Dass  ein  Baustein  aus  flavischer  Zeit  in  dieser  Masse  liegt,  beweist, 
dass  auch  das  Praetorium  damals  umgebaut  wurde..  Die  zahlreichen  Bau- 
steine dieser  Legion  und  der  I  adiutrix  führen  auf  einen  vollständigen  Umbau 
des  Lagers.  Mainz  ist  während  des  batavischen  Aufstandes  nicht  genommen 
worden  (Tac.  h.  IV  61),  geriet  aber  in  harte  Bedrängnis  (Tacit.  h.  IV,  37). 
Wahrscheinlich  war  das  Lager  wie  das  in  gleicher  Zeit  entstandene  Vetera 
ohne  Rücksicht  auf  die  Möglichkeit  einer  feindlichen  Belagerung  angelegt 
(Tac.  h  IV  23),'  so  dass  eine  Erneuerung  der  Befestigungen  notwendig  wurde. 


Die  Religion  des  rumischen  Heeres.  63 

geniae)  p{iae]   /[idelw)   .  ,  .  ,  L.  fil{iufi)  Hippi  ....    C]adi/an[d]a  ^ 

.  .  .  ,  a  Cyhira. 

Orientalischen  Göttern  sind  geweiht:  Nr.  66  dem  Sabasius  und 
Nr.  130,  weil  diese  Städte  auf  einen  orientalischen  Cult  schliessen 
lassen  *®®),  wahrscheinlich  auch  Nr.  70.  Wenigstens  für  Isca  in  Bri- 
tannien wissen  wir,  dass  auch  hier  dieselbe  Bereicherung  des  Fahnenheilig- 
tums  unter  Severus  Alexander  eintrat. 

131  =  CIL.  VII,  104  erkennbar  ist  noch  das  Jahr  der  Weihung  284  "*). 

Und  aus  der  Schola  der  signiferi  zu  Bonn  stammt 

132  =  Brainbach  151  —  Bonn  —  In  h{onorem)  d{omus)  d{innae)  pro  salute 
im{j>eratoris)  Severi  Alexandri  Au(j{mii)  Deo  Apollini  Byspro  Luinae) 
Soliique)  .  .  militefi  l€g{ioni.s)  XXX  UQinae)  V{ictncia  p{iae)  f{idelis) 
mth  aira  agente  T.  FQavü)  Apri  Commodiani  leg{ati)  Aug{usti)  p{ro) 
]}(raetore)  et  Cannuti  Modesfi  leg{ati)  legiionis)^  es  folgt  1  imaginifer 
und  5  candidati  —  r.  ».  L  m.  Maximo  ii{erum)  et  Aeliano  cos.   a.  223. 

Die  Beinamen  der  Soldaten  sind  thrakisch,  aber  dennoch  kann  der 
Gott  ein  Orientale  sein,  wie  seine  Begleiter  zeigen. 

Die  Frauenhand  Mamaeas  ist  in  dieser  sanften  Beeinflussung  er- 
erkennbar. Aber  die  Rekruten  der  Germanen^  welche  ihre  nationale 
Religion  selbst  unter  dem  Principat  bewahrten,  haben  in  Mainz  Mutter 
and  Sohn  beseitigt  *^').  Und  endlich  hat  das  Heer  wenigstens  im  Westen 
den  orientalischen  Spuk  den  orientalischen  Herrschern  ins  Grab  nach- 
gesandt. 


>^9)  Der  Buchstabe  zwischen  X  und  A  kann  nur  I  oder  eine  Ligatur 
▼on  BDP  mit  N  gewesen  sein.  Da  Cybira  im  südlichen  Phrygien  unweit  der 
karischen  Grenze  liegt,  Hippus  in  Carla  selbst  (Mela,  I,  177,  1  und  Plinius 
5,  29,  wo  Hippini  zu  lesen  ist),  so  wird  die  Endung  wie  in  Alabanda,  Lab- 
randa,  Caryanda,  Laranda  zu  ergänzen  sein  und  die  Stadt  ist  Cadyanda, 
Benndorf,  Reisen  in  Lykien  H  S.  238. 

2*0)  Die  Schrift  stimmt  völlig  Überein  mit  den  Altären  des  dritten  Jahr- 
hunderts, die  aus  demselben  Funde  stammen.  Es  scheint,  dass  in  Zeile  2 
das  Cognomen  dem  L.  fil(iu8)  voranging. 

*«^)  Die  Vorderseite  Eph.  epigr.  III  p.  197  ist  bis  auf  das  P  der  letzten 
Zeile,  das  p(rimu8)  [p(ilus)]  bedeuten  wird,  unverständlich. 

'*')  Herodian  6,  8,  2.  Der  Alexander  Mamaeae  ist  niemals  ein  Mann 
geworden.  Selbst  Herodians  flache  Schilderung  lässt  noch  die  ganze  Kläg- 
lichkeit des  Kaisers  erkennen,  und  Dio  wusste,  warum  er  über  diese  Regie- 
rung schwieg.  Die  Vita  des  Kaisers  gehört  der  völlig  getrübten  Überliefe- 
rangsreihe  an.  Die  Erwähnung  der  Christen  hat  sie  mit  dem  gefälschten 
Schreiben  Haddans  in  der  Vita  Saturnini  gemein.  Welches  Vertrauen  kann 
man  dann  der  sonderbaren  HeiligencoUection,  die  sich  der  Kaiser  gehalten  haben 
soll,  noch  entgegenbringen?  Die  Überlieferung  ist  so  schlecht,  dass  ich  nicht 
einmal  auf  Zeit  und  Art  der  Fälschung  zu  schliessen  wage. 


64  V.  Domaszewski 

Die   Culte   haben    zunächst   den    Sturz   der  Dynastie  überdauert. 

133  =  Brambach  645  —  Remagen  —  in  hiptwrem)  d{omus)  d{icinae)  Areias 
Mari  nun  meerdos  Bolkheni  donum  donarit  equiiibus  cohorivf  I  F .  .  . 
Becio  et  Grato  cos,    a.  250. 

134  =  Henzen  ann.  1885  n.  38  Soli  invicio  pro  salute  imp{eratoria)  —  sie  — 
et  Genio  n(umeri)  eq{nitum)  sing{idarium)  eorum  M.  Uip[ius)  Chresimus 
8ace[rd{os)]  loris  I)olich[e}ii]  r.  s.  l.  l  [m.].     Vgl.  Taf.  III  Fig.  5«"»). 

Beide  Priester  werden  ebenso  wie  der  sacerdos  antistes  des  Mars 
(No.  87)  der  Truppe,  welcher  sie  diese  Altäre  setzen,  angehören  und 
zeigen,  dass  die  alte  Rechtsordnung  der  Heeresreligion  in  völliger  Auf- 
lösung ist.  Aber  die  Wirkung  der  orientalischen  Culte  reichte  noch 
weiter.  In  Dacien,  wo  der  Boden  durch  die  orientalische  Colonisation 
vorbereitet  war,  ist  einer  dieser  Götter  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts 
statt  des  römischen  Mars  des  Westheeres  der  Hauptgott  des  liagers 
geworden. 

135  =  CIL.  875  —  Potaissa  —  Deo  Aj^izo  bono  2A^^^^o  conserra]tori  pro 
salutem  d{ominorHm)  [n{ostrorum)  Vaieriani  et  Gat]liem  Aug{ustorum ) 
et   V(deria[ni  nobilisfi{imi)  Caeft{aris)]  et  (hrneliae  Salon ina[e  ÄH{/{ustae) 

et  Genio]    leff{ionis)    V  Mac{edonicae)  III  piae  fideli.^ Douatus 

praefievtus)  hg{ionis)  eiuHde[m  ....    templum  inceptiim  perfecit 

Dieser  Azizus  scheint  in  Apulum  dieselbe  Geltung  genossen  zu 
haben,  weil  nur  in  diesen  Lagern  des  Westreiches  diesem  Gotte  Altäre 
gesetzt  werden^®"*).  Auch  in  Lambaesis  ist  sein  Cult  ins  Lager  auf- 
genommen worden. 

136  =  CIL.  VIII  2665  —  Lambaesis  —  Beo  bono  puero  pro  salute  d{omini) 
n(ostri)  L.  Bomiti  Aurelinni  p{ii)   f(ideUs)   inr{icti)  Aug{usti)  M.  Au- 
rel{ius)  Fortunatiis  v(ir)  e{gregius)  praef{ectus)  leg{ionis)  III  Aitg{u8tae) 
Aurelianae  et  Aelia  Optata  c{lariiiMma)  i\emina)  con{iiuT)  v.  ss.  l.  «?. 
a.  270/275. 

Wer  dieser  Gott  war,  lehrt  uns  nur  eine  Rede  des  Kaisers  Julian : 
Orat.  IV  p.  195  Hertl.  0£  xijv  "ESeaaav  otxoOvre^,  kpöv  il  acövo; 
*HX(oi)  x^pfov,  MovcfAOV  aÖTcp  xat  "Al^t^ov  au^xaS-tSpucuatv.  atvfTxeaS'ai 
(fTjotv  'Ia|jißXtxo^  —  w;  6  M6v:{Ao;  [ih  'Epjifjs  eirj,  'A^iQoq  5k  "ApYjt;, 
*HXio'j  7capc5poc,  noXkä,  xal  dyaä'a  Kp  nepl  yfjv  iTzo)(&x&üoyzeg  xoTccp, 
und  eine  syrische  Quelle,  über  welche  mir  Nöldeke  schreibt: 

„Die  Notiz  des  Julian,  dass  Ares  bei  den  Edessenem  *A^iC,o^  genannt 
sei,  hat,  so  weit  ich  sehe,  in  der  syrischen  —  zum  grossen  Teile  aus 


^^^a)  Die  Abbildung  ist  entnommen  Bullet,  della  comm.  archeol.  coinm. 
di  Roma  1886  Tav.  V. 

*ö»)  CIL.  III  1130—1136.  Der  Cult  ist  hier  schon  unter  Commodns 
heimisch,  Mommsen  CIL.  III  1132. 


Die  Religion  des  rumischen  Heeres. 


65 


Edessa  stammenden  —  Litteratur  nor  einen  einzigen  Reflex,  näm- 
lich in  dem  im  Anfange  des  3.  Jahrh.  geschriebenen  Dialog  über  das 
Fatum  (in  „dem  Buche  von  den  Gesetzen  der  Länder"  —  Cureton 
Spie.  Syr.  S.  13,  24  des  syr.  Textes,  cf.  S.  16,  11  der  Obersetzung, 
wo  Cureton  Mars  the  fierce  übersetzt),  wo  Ares  als  Sterngott  das  Epi- 
theton 'Azizä,  der  „Gewaltige"  oder  „Gewaltsame",  hat." 

IMe  planetarische  Bedeutung  des  Mars  ist  aber  für  das  Praeto- 
torium  anerkannt  seit  Tiberius  und  dies  wird  im  Heere  die  Brücke  ge- 
schlagen haben  zu  dem  St^mgotte  "A^i^OQ. 

Warum  Julian  den  Gott  genannt  hat,  lehrt  das  Lagerheiligtum  zu 
Camuntum.  Hier  sind  im  inneren  Hofe  vor  dem  Marstempel  die 
Statuen  zweier  orientalischer  Götter  gefunden. 


Der  gewappnete  Gott  mit  dem  Cultbilde  des  Hauptgottes  auf  der 
Brust  ist  der  TcapeSpo^  'A^t^o;,  der  Mars  des  Ostens,  und  der  mit 
dem  Kinde  im  linken  Arm  ist  der  Hermes  des  Praxiteles,  im  orien- 
talischen Gewand,  M6vt(io^*^). 

Aber  von  selbst  kann  sich  dieser  Cult  im  Heere  des  Abendlandes 
nicht   entwickelt   haben,  geschweige   denn   an  Stelle  der  Verehrung  des 


"*)  Abgebildet  nach  Arch.  epigr.  Mitt.  VIII  Taf.  I  und  II.  Der  Monimos 
ist  1,60  m  hoch.  Studniczkas'  Versuch,  beide  Statuen  aut  Elagabal  zu  deuten, 
scheitert  an  der  damnatio  memoriae  des  Kaisers,  so  wertvoll  seine  Bemer« 
kungen  sonst  sind. 

Wettd.  Zeitschr.  f.  Gesch.  a.  Kunst.    XIV,    I-  5 


66  ^'  Domaszewski 

Mars  getreten  sein.  Vor  Gallien  liegt  die  Herrschaft  des  Philippus,  der 
aus  der  Trachonitis  stammte  *^^).  Seit  Jahrhunderten  war  Edessa  im  Be- 
sitze der  Araber  gewesen  und  das  Fürstentum  der  Abgaros  und  Mannos 
das  angesehenste  unter  den  Arabern  des  Euphratlandes  *^^.  Deshalb 
wird  dieser  Kaiser  es  gewesen  sein,  der  den  Mars  des  Ostens  im  Heere 
des  Westreiches  zu  offizieller  Geltung  brachte.  Wenn  aber  dieser  Gott 
in  Dacien  auch  nach  dem  Sturze  des  Fürsten  sich  im  Besitze  des  Lager- 
heiligtums behauptet,  so  darf  man  wohl  vermuten,  dass  das  gleiche  für 
die  Lager  des  Orientes  gegolten**®*).  Julian  vereinigte  in  Camuntum 
die  Lagergötter  des  ganzen  Reiches,  den  Mars  des  Westens  wie  den 
des  Ostens  und  den  Kriegsgott  der  Germanen. 

Von  den  unbedeutenden  Cultbildem  des  Marstempels  ist  erhalten  ein 
Jupiter  und  wahrscheinlich  der  Genius  legionis,  vgl.  Taf.  V  Fig.  4  und  5  *®''). 

Nichts  kann  das  Dahinschwinden  der  nsttionalen  Religion  leibhafter 
vor  Augen  führen,  als  dieser  Jupiter  neben  den  lebensgrossen  Cultbildeni 
der  orientalischen  Götter. 

Del  extern!  >«'). 

So  mannigfach  der  Ursprung  der  dei  peregrini  ist,  allen  diesen 
Göttern  ist  es  gemein,  dass  sie  Stämme  verehren,  welche  dem  Reiche 
angehören.  Dies  bestimmt  die  Grenze,  welche  als  eine  durch  den  Be- 
griff des  römischen  Staates  gegebene,  die  Reception  unrömischer  Culte 
nie  überschritten  hat. 

Deshalb  ist  Mithras,  trotz  seiner  allgemeinen  Verbreitung  in  allen 
Teilen  des  Reiches  und  unter  den  Soldaten  selbst  nie  ein  Heeresgott 
geworden,  denn  er  ist  ein  Perser.  Diese  rechtliche  Stellung  des  Gottes 
bestimmt  die  Art  der  Verehrung,  es  ist  kein  öffentlicher  Cult,  sondern 
an  das  Privatleben  in  der  Weise  gefesselt,  dass  das  Heiligtum  selbst 
ein  Teil  des  Privathauses  ist*®^.      Mit  dem  römischen  Staatsgedanken 


*«»)  Tillemont  III  p.  263. 

«««)  Mommsen,  Rom.  Gesch.  III  S.  48. 

^^^.»)  Ein  Sonnengott  ist  unter  Diocletian  sicher  der  Heeresgott  des 
Ostens.    Vgl  S.  35  Anm.  162. 

2^0  Arch.  epigr.  Mitt.  II  S.  181  ff.  Die  Abbildungen  sind  hergestellt  nach 
Photographieen,  die  ich  R.  v.  Schneider  verdanke.    Der  Jupiter  ist  0,52  m  hoch. 

^*^)  Als  technisch  für  ausländisch  im  Gegensatz  zu  reichsangehörig 
wird  extemus  verwendet,  Ancyranum  I,  13.  14.  Der  Begriff  ist  allerdings 
ein  schwankender,  Mommsen,  bist.  Zeitschr.  64  S.  404. 

869^  Wo  es  sich  um  die  Culte  freigeborener  Leute  handelt.  Das  zeigt 
sehr  lehrreich  CIL.  HI  10461—4  verglichen  mit  dem  Mithraeum  Freigelassener 
CIL.  HI  7922  ff. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  67 

verschwindet  auch  diese  rechtliche  Schranke.    Die  Kaiser  seihst  hekennen 
sich  zuletzt  als  Anhänger  des  Gottes. 

137  =  CIL.  in  4413  —  Camuntum  —  D(eo)  S{oli)  i{nmcto)  Mfithrae)  fau- 
tori  imperii  mti  lovii  et  Herculii  reliffiosissimi  Augusti  et  Cciesares 
sacrarium  restituerunt. 

Völlig  ausserhalb  der  rechtlichen  Voraussetzungen  der  Heeresreligion 
steht  der  Ghristengott.  Er  gehört  keinem  Volke  an.  Dennoch  hätte 
sich  sein  Cult  unter  den  Soldaten  des  Westreichs  verbreiten  können. 
Nur  besitzen  wir  an  dem  Heiligtum  in  Camuntum  den  urkundlichen 
Beweis,  dass  noch  unter  Valentinian,  als  das  Christentum  seit  einem 
halben  Jahrhundert  rechtsfähig  geworden,  der  alte  Götterglaube,  wie  ihn 
Julian  wieder  hergestellt,  unverändert  weiterbestand.  Valentinian  hätte 
dies  nicht  aufrecht  erhalten,  wenn  es  dem  Geiste  seines  Heeres  und 
seiner  eigenen  Überzeugung  zuwiderlief.  Die  einzige  Spur  des  Christen- 
tums  aus   einem  Donaulager  ist 

138  =  CIL.  11026  —  Brigetio  — 

in  tympano: 

Caput 

Mphinus  Medusae  delpMnus 

protome 
M.  Iti(liu8)  Iu8t{us)  militdbit  sacro  comitatu  augustalis  q{ti%)  v{ixit) 
a{nna8)  XL  et  Maxentie  con{iugx)  eius  q{uae)  r{ixit)  a{mws)  XXXV 
Proclinus  mü{e8)  leg{wnis)  p{rimae)  a{diutricis)  sorori  [s\ue  et  c{on)par[i] 
oh  m(emoriam)  [p{<mendmn)]  c{uravit)  sepulchrum  [f]ec[it], 
Mommsen  bemerkt  a.  a.  0.:  „Augustalis  est  opinor  qui  nomi- 
natur  ex  officio  praefecti  praetorio  apud  Cassiodorum  11,  30." 

Die  Skulpturen  dieses  Steines,  welcher  im  vierten  Jahrhundert 
zum  zweitenmale  benutzt  wurde  ^^^),  um  diese  Grabschrift  darauf  zu 
setzen,  sind  weggemeisselt  bis  auf  den  rechten  Delphin.  Wenn  aber 
der  Schwager  es  nicht  wagte,  das  Christentum  des  Todten,  der  unter 
den  Palasttruppen  diente,  offen  auszusprechen,  so  zeigt  dies  besser  als 
irgend  etwas  die  religiöse  Meinung  seiner  Kameraden. 

Das  Heidentum  der  Westheere  ist  die  notwendige  Voraussetzung 
für  Julians  Versuch,  den  alten  Glauben  wiederherzustellen.  Wäre  Heer 
und  Kaiser  nicht  eines  Sinnes  gewesen,  so  hätte  Julian  auch  den  Ver- 
such nicht  wagen  können.  Denn  jede  Politik  fordert  reale  Faktoren  der 
Macht.  Der  hinsterbende  Aberglaube  der  gebildeten  und  ungebildeten 
Heiden  war  keine  solche  Macht.  Aber  die  Barbaren  des  Heeres  hingen 
noch  an  ihren  Göttern. 


>'^)  Von  der  ursprünglichen  Inschrift  ist  Zeile  ö  F  erhalten« 

6* 


68  V.  Domaszewski 

III.  Der  Oeniiu  des  Kaisers  und  die  Heiligtümer  der  prineipales. 

In  der  Rangordnung  des  Lagerhimmels  hat  der  Genius  des  Kaisers 
seinen  Platz  nach  den  unsterblichen  Göttern. 

139  =  Annali  1885  n.  11  I(ovi)  o(ptitfw)  m{ax\nw)  et  Genio  imx)(era1orus) 
T(itt)  Äel[i]  Hadr[i]ani  Antonini  Aug{u8ti)  P[ii]  p{atrin)  p{atriae)  — 
a.  139. 

140  =  Annali  1885  n.  15  Marti  sanctissimx>  et  Genio  imp{eraforis)  T.  AeJi 
Hadriani  Antonini  Pii  p{atri8)  p{airiae)  —  a.  143. 

141  =  Annali  1885  n.  14  Herculi  et  Genio  imp{eratori^)  T,  Aeli  Hadriam 
Antonini  Fit  p{atri^)  p{atriae)  —  a.  142. 

Diese  Steine  der  Veteranen  lassen  über  die  offizielle  Geltung  keinen 
Zweifel,  so  dass  das  Zeugnis  folgender  Inschrift  vollwichtig  ist, 

142  =  Annali  1885  n.  23  lovi  Ivnoni  \  Soli  Lunae  \  Herculi  Minervae  \ 
Marti  Mercurio  \  Campestribus  \  Terrae  Caelo  \  Mari  Nepiuno  \  mairi- 
htis  Suleis  Genio  imp{eraforis)  M.  Uljjius  Noniu»  veteranus  Aug{u8lf) 
cive^  Nemens  r.  s.  l.  m, 

obwohl  der  individuelle  Geschmack  des  Barbaren  die  Göttergestalten  wie 
ein  buntes  Knäuel  durcheinandergewirrt  hat*'^). 

Wie  wenig  der  Principat  die  Göttlichkeit  des  kaiserlichen  Genius 
im  Fahnenheiligtum  betont  wissen  wollte,  zeigt  die  Fassung  der  In- 
schriften, die  dem  kaiserlichen  Genius  gelten.  Die  Inschriften  nennen 
den  Kaiser  nur  als  Menschen  und  Regenten 

143  =  CIL.  III  6168  —  Troesmis  —  Imp{eratori)  Caesari  T,  Aelio  Hadriano 
Antonino  Aug{u8to)  Pio  p{atri}  p(atriae)  T.  Claudius)  Celsus  j>r(fwi«/j) 
p{ilufi)  leg{ionis)  V  Macedonicae. 

144  =  CIL.  VIII  2533  —  Lambaesis  —  [Imp{eratori)  Cae^{ari)  divi  Traiani 
Parth(ici)  fil(io)  dii^i  Ner]vae  n[€poti  Tra]iano  Had[riano  Au'\g{uHto) 
pont{ifki)  maüc{imo)  [trib{unicia)  p]ot{e8tate)  XIII  co{n)8{uli)  III  p{airi) 
p{atriae)  dedicante  [Q.  Fa]bio  Catullino  leg{at)o  Aug{uHti)  pro  pr{ae- 
tore)  .  .  ,  8  C{ai)  f{iliu8)  Camil{ia)  Meino[r]  [Al]ba  Pompeia  [p{rimns) 
p{ilu8)  leg{ionis)  III  Aug{ustae)'\  *").    a.  129. 

145  =  CIL.  VIII  2535  —  Lambaesis  —  Imp{eratori)  (\ae8ari\  T,  Aelio 
Ha[driano]  Antonino  [Aug{usto)  Pio]  pont{ifici  max{imo)  tr[ih{unieia) 
pot{estate)  VII  co{7i)ü{tdi)  III  p{airi)  [p{atriae)\  dedica[nte]  C.  Prasfina 
Me8s[alino]  leg{ato)  Aug{usit)  pro  [priaetore)]  P.  Timinius  P.  f{ilitis) 
Pal[at{ina)]  Tertullu8  Roma  p{rimus)  p{ilus)  leg{ionis)  III  Ang{nstae^ 
a.  148"*).    ■  ....... 


'^')  Auch  die  Zeilenabteilung  ist  offenbar  beabsichtigt  und  5  Paare 
mit  den  Campestres  und  Suleviae  bilden  denn  auch  glücklich  ein  Zwölf- 
göttersystem. 

'^')  Das  Jahr  der  Aufstellung  ist  zugleich  das,  in  welchem  das  Fahnen- 
heiligtum des  Lagers  von  Lambaesis  ausgebaut  war. 

^''^)  Die  verspätete  Weihung  ist  allen  Statuen  dieser  Art  gemein  und 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  QQ 

Unter  Marcus  kam  die  Sitte  auf,  dass  sich  alle  Tribunen  oder  alle 
Centarionen  der  Legion  als  diejenigen  nennen,  welche  die  Statue  er- 
richtet haben. 

146  =  CIL.  III  6578  —  Alexandria  —  Imp{erator{)  Caesari  M,  Aurel{i6) 
Antonino  Aug(usto)  Armeniavo  Medw(o)  Parth{ko)  German{ico)  Sarma- 
t{ico)  maxim{o)  trib(nnicia)  poi€st{atf)  XXX  imp{€ratori)  VIII  co{ny 
siuli)  III  p{atn)  p{atriae)  trib{uni)  leg{ifmui)  II  Tr{aianae)  fori{i8). 
a.  176"*). 

147  =  CIL.  VIII  18065  —  Lambaesis  —  Imp{eratori)  Ca€s{ari)  M.  Aurelio 
Antonino  Aug{tisto)  diri  Antonini  fil(io)  dici  Hadriani  nep(oti)  dioi 
Traiani  Part(hie{)  pronep(oti)  divi  Xenae  ahnep{oii)  trib{unicia)  po- 
({estate)  XVI  co{n)s{tdi)  III  primi  ordines  et  centuriones  et  ecocatus 
leg{ioniii)  III  Aug{mtae)  dedic{ante)  D.  Fonteio  Frontiniano  leg{ato) 
Aug{usti)  p{ro)  p{raetore)  co{n)s{ute)  des{ignato),  —  Es  folgt  das  Ver- 
zeii-hais  der  Centarionen  nach  Cohorten  geordnet,    a.  162. 

148  =  Brambach  1038  —  Mainz  —  ....  primi  o[rdines  et  cefUurioites  et 
ecocatiis  leg{ionis)  XXII  pr{imigeniae)  p{iae)  f[id€lis)]  coh{ors)  pri[i/nd\ 
—  es  folgte  das  Verzeichnis  der  Centurionen  —  .  .  dedicatae  Ci[lone  II 
et  Libone  cos.] a.  204  "«). 

Bei  den  Auxilia  stehen  Statuen  dieser  Art  in  den  Scholae. 

149  =  CIL.  VIII  6581  —  Alexandria  —  [Imp{eratort)  Caes{ar{)]  Divi  M, 
[Antonini  Pii  Gernmnici  Sannatici]  fiUo  divi  Commodi  fratri  dici  An- 
ton[ini]  Pii  nepoti  dici  Hadriani  pronepoti  dici  Traiani  Parthic{i) 
abnep{oti]  dici  Nercae  abnepoti  L.  Septimio  Severo  P[io]  Pertinac{i) 
Aug{u8to)  Adiabeni[co  Parth{ico)  nuiJC{imo)  pontUfici)]  m<ix{imo)  tribuni- 
ci(ae)  potestatis  VII  im[p{eratori)  XI]  co{n)8{uli)  II  p{atri)  p{atriae) 
proconsulii)  Decuriones  alares  ceteranae  Gallic{ae)  et  I  Thrac{um)  Mau- 
rietanae).    Es  folgt  das  Verzeichnis  der  Offiziere*''). 

150  =  CIL.  lU  6760  —  Ancyra  —  ...  [coh  .  .  .  f g.  .  .  .  centuriones e]t 

decuriones  (4  Namen)  [co]h.  II  Hispanorum   ...   es  folgten  die  Offi- 
ziere dieser  Cohorte*'"). 


der  doch  auffallend  lange  Zeitraum,  10  Jahre  nach  dem  Regierungsantritt, 
wohl  daraus  zu  erklären,  dass  der  Genius  des  Kaisers  als  Caesar  bereits  im 
Fahnenheiligtume  stand. 

2"*)  Die  Aufstellung  der  Statue  ist,  wie  Mommsen  im  Corpus  bemerkt, 
veranlasst  durch  die  Anwesenheit  des  Kaisers  im  Oriente. 

2'^)  Die  Basis  trug  die  Statuen  aller  drei  Augusti,  deshalb  dedicatae. 

*'')  Die  beiden  Alae  standen  also  in  demselben  Lager. 

'^'^)  Die  einzige  Analogie  zu  diesem  Fragment  bilden  die  Inschriften 
No.  147—149.  In  Ancyra  war  also  der  cxcrcitus  der  Provinz,  welcher  Gala- 
tien  so  wenig  wie  Lycien  (CIL.  III  p.  1993  Dipl.  LXXVI)  gefehlt  haben 
kann,  stationiert.  Dies  erklärt,  warum  in  Ancyra,  der  griechischen  Stadt, 
so  viele  lateinische  Inschritten  gefunden  werden  und  das  Ancyranum  selbst 
im  lateinischen  Originale  erhalten  ist. 


70  ▼•  Bomaszewski 

In  dem  Lager  der  Praetorianer  ist  die  Statue  errichtet  von  der 
ganzen  Besatzung*'^. 

151  =  CIL.  VI  1009  —  Rom  —  M.  Aurelio  Caesari  Imp{€ratoris) 
Caesaris  T,  Aeli  Hadriani  Antonini  Aug{mtt)  Pii  fd{io)  dwi  Hadriani 
nep{ot%)  divi  Traiani  Parthici  pronep{oti)  divi  Nervae  ahnep{ott)  co{n)- 
8{ult)  Petronius  Mamertinus  et  Gavius  Maximus  pr{aefecti)  pr{a€torio) 
tribuni  cohortüim  praetoriarum  decem  et  urbanarum  trium  catturiones 
colwriimn  praetoriarum  et  urbanarum  et  staforum  eoocati  cohortes  prae- 
toriae  decem  et  urbanae  X  XII  XIII  centuriae  statorum  optinio  ac 
pimimo,    a.  140. 

In  den  Castra  peregrina  von  den  Offizieren: 

152  =  CIL.  VI  1110  —  Rom  —  [Corneliae  Saloninae  safictissimae  Au- 
gustae  coniugi  Imp{eratoris)  Caes(aris)  P.  Lw{inii)]  GaUi{ent]  Au- 
g{ustae)    [matri  P.  Lic{init)   Corn{elt)  Vat\eriani  nobil[i8simi  Ca€]8aris 

[centuriones]  deputati  et  supernume{rarii  et  ßrum^ntarii  cum 

et  lusto  trib{uni8)  et  Aurelio [principe  pe]regrifiorum  et  Au- 
relio   [stib  princijye]  peregrinorum  [n{umint)  m{aiestatique)  eiu4 

dica]tissimi  curante do  v(iro)  e{gregio)  ex  kan^l  .... 

Bei  den  Auxilia  sind  diese  Eaiserstatuen  regelmässig  errichtet  von 
der  Gesamtheit  des  Truppenkörpers.  In  die  Legionslager  ist  diese  Sitte  erst 
unter  Gordian  eingedrungen  unter  der  allgemein  wirkenden  Strömung  der 
Zeit,  den  gemeinen  Soldaten  über  seinen  Offizier  zu  stellen*®^).  Er- 
richtet wurden  die  Statuen  aus  der  Truppen  eigenen  Mitteln*^*)  und  so 
erklärt  sich  das  Schwanken  in  der  Zeit  der  Aufstellung,  die  keineswegs 
an  den  Regierungsantritt  des  Herrschers  gebunden  ist  *®*).  Wie  man 
sich  geholfen,  wenn  das  Geld  zu  den  Bronzestatuen  oder  auch  die  Fähig- 
keit, solche  zu  bilden,  gefehlt,  zeigt  Fig.  4  auf  Taf.  II,  vgl.  S.  11. 


^")  Die  cohortes  urbanae  müssen  seit  Vespasian  in  den  castra  prae- 
toria  gelagert  und  dem  Befehl  des  praefectus  praetorio  unterstanden  haben, 
weil  sie  in  den  Diplomen  mit  den  cohortes  praetoriae  verbunden  sind  (CIL. 
III  p.  2024),  ebenso  in  den  Entlassungslisten  (Eph.  ep.  IV  p.  323).  Bei  dem 
Sturze  der  julischen  (Joseph.  Ant.  I,  19  2,  3)  und  der  claudischen  Dynastie 
(Tac.  h.  3,  68)  werden  sie  gegen  die  Praetorianer  ausgespielt.  Nach  dem 
Tode  des  Commodus  verlautet  nichts  von  ihnen.  Septimius  Sevems  hat,  wie 
die  Diplome  zeigen,  die  Verbindung  wieder  gelöst  und  den  urbanae  die  Kaserne 
am  forum  suarium  gebaut. 

a«o)  CIL.  ni  3520.  3521. 

«")  Die  Soldaten  bezeichnen  dies  CIL.  III  797—798.  1379  mit  ex 
quaestura  sua,  worunter  die  bei  den  Signa  deponierten  Gelder  zu  verstehen 
sind.  Vgl.  CIL.  III  1378  ala  I  Hisp(anorum)  Campag(onum)  Antoniniana 
indulgentia  eius  aucta  liberalit[at]ibusque  ditata.  Und  deshalb  steht  CIL.  VI 
1056.  1057.  1058  das  Verzeichnis  der  ganzen  Cohorte  auf  dem  Steine. 

882)  Vgl.  die  Liste  der  erhaltenen  Statuenbasen. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  71 

Bekannt  sind  Kaiserstatuen  aas  allen  Teilen  des  Reiches :  Hadrian  *^^), 
L.  Caesar *•*),  Pias"*),  Mjircns*»«),  Veras "^),  Commodas*^,  Septimias 
Severus*®*),  Caracalla*^'*),  Macrinus  *•*),  Diadamenianos  "*),  Severus 
Alexander *^^,  Maximinas***),  Gordianus "*),  Philippas"«),  Philippas 
ianior*»'),  Gallas«»«),  Gallienus"»),  Valerianus  Gallieni  fil.«®®),  Claadias»'^*). 

Die  Erhaltang  der  Kaiserstataen  des  zweiten  Jahrhanderts  ist  be- 
dingt von  den  säenden  Lagerbaaten  des  Kaisers  Septimias  Severas.  Die 
Divi  des  Fahnenheiligtams  sind  zagleich  die  Ahnengallerie  des  Kaisers '®'). 


"»)  CIL.  m  1371  (a.  119—138)  und  die  Inschrift  No.  144. 

2")  Eph.  ep.  VII  n,  1197  (a.  137). 

"*)  Eph.  ep.  VII  n.  1198  (a.  138).  CIL.  III  5654  (a.  140),  5906  (a.  141), 
5912  (a.  141),  und  die  Inschriften  No.  143  und  145. 

"«)  Eph.  ep.  VII  n.  1199  (a.  140)  und  die  Inschrift  No.  147  als  Caesar; 
Eph.  ep.  VU  n.  1200  (a.  162).  CIL.  III  1372  (a.  164),  3318  (a.  163),  6658 
(a.  162).  CIL.  Vin  17587  (a.  164). 

"0  Ephem.  ep.  VU  1201  (a.  162).  CIL.  UI  1373  (a.  164).  CIL.  VÜI 
17588  (a.  164). 

"«)  CIL.  III  6052  (a.  185).  CIL.  VI  1023  (a.  177).  Cagnat  an.  epigr. 
1892  n.  52  (a.  183/4).    Vgl.  Note  289. 

^*^)  Ephem.  epigr.  VII  n.  1203  (a.  195  steht  auf  Rasur  wahrscheinlich 
des  Commodus,  weil  die  Vensierungen  mit  n.  1200  übereinstimmen).  Eph.  ep. 
VII  n.  1204  (a.  207).  CIL.  III  1377  (unter  Mevius  Surus  cos.  III  Daciarum), 
3664  (a.  198),  7467  (unter  Mevius  Surus  cos.  UI  Daciarum),  10278  (a.  201), 
12337  (a.  199). 

"«)  Ephem.  epigr.  VII  n.  1205  (a.  207),  1207  (a.  211).  CIL.  III  795 
(a.  213),  1378.  3237  (a.  212),  10279  (a.  211/18).  Brambach  3.  1424  (a.  212). 
CIL.  VI  1055  (a.  205),  1056  (a.  205),  1057  (a.  205),  1058  (a.  210),  1059 
(a.  210),  diese  beiden  trugen  ursprunglich  die  Statue  Getas,  der  210  Angustus 
wurde,  bei  der  Restitution  der  Inschriften  auf  Caracallas  Namen  wurde  die 
Datierung  210  festgehalten,  weil  die  Standesliste  der  Truppe  aus  diesem  Jahre 
war,  Cagnat  an.  epigr.  1892  n.  53  (a.  211)  und  Inschrift  No.  129. 

"0  CIL.  III  12339. 

«")  Ephem.  epigr.  VII  1209  (a.  219). 

"»)  CIL.  III  797.  3638  (a.  230).    Korrbl.  V  Sp.  2. 

»w)  CIL.  m  10375,  VII  621. 

"«)  Ephem  VII  1210  (a.  239).    CIL.  III  3331  (a.  240),  3520  (a.  240). 

"«)  CIL.  m  1379  (a.  245). 

"')  CIL.  m  1380. 

««)  CIL.  m  4270  (a.  252). 

"»)  CIL.  in  8010  (a.  257/60). 

^^)  CIL.  III  130  (a.  253/9). 

»öl)  CIL.  III  3521  (a.  270). 

^^^)  Das  Heiligtum  in  Ostia  ist  im  Jahre  207  umgebaut.  Deshalb  hat 
der  Kaiser  ein  zweites  Standbild  im  Hofe  erhalten,  ebenso  wie  Caracalla 
und  Domna. 


72  V.  Domaszewski 

Die  Aufstellung  der  Statue  des  Caesars  im  Fahnenbeiligtum  ist  bereits 
von  Hadrian  verfQgt  worden,  der  diese  Form  über  die  Xachfolge  zu 
bestimmen  erdacht  hat.  Erst  Septimius  Severus  hat  auch  den  Genius 
der  Kaiserin  in  das  Lager  eingeführt,  wo  er  sich  fortan  behauptet.  Wir 
kennen  Statuen  von  Julia  Domna^^^),  Mamaea*^*),  Tranquillina  *®^), 
ßalonina  ^•^).  Hier  ist  der  Einfluss  der  Syrerin  Julia  Domna  fühlbar, 
die  orientalische  Herrschaftsbegriffe  in  die  dynastische  Politik  einführte. 
Ihren  Ausdruck  findet  die  neue  Stellung  der  Kaiserin  in  den  neuen  Titeln 
mater  Augusti  et  senatus  et  patriae  et  castrorum. 

Der  Titel  mater  castrorum  bezeichnet  die  Aufstellung  des  Genius 
der  Kaiserin  im  Fahnenheiligtum,  wie  der  Titel  mater  senatus  et  patriae 
die  gleiche  Verehrung  im  Senat  und  an  allen  Stätten  des  Kaisercultes. 
Diese  Mitherrschaft  der  Frau  ist  unrömisch  und  unrömisch  ist  auch 
der  Titel  mater  Augusti,  d.  h.  die  Mutter  des  Sultans,  wie  im  Orient 
seit  Alters.  Der  römische  Geist  verabscheut  das  Weiberregiment  über- 
haupt und  vor  Allem  das  Weiberregiment  im  Heere  ^^'');  die  Familie, 
der  Septimius  Severus  entstammte,  war  aber  seit  zwei  Jahrhunderten  ro- 
manisiert  ^®*'),  orientalischer  Denkweise  völlig  entwöhnt.  Deshalb  wird  auch 
das  Eintreten  des  Kaisercultes  in  die  Heeresreligion  das  Werk  der  Kaiserin 


«08)  Eph.  epigr.  VII  1206.    CIL.  HI  1376,  VH  963.    Korrbl.  V  Sp.  3. 
80*)  CIL.  in  798.  3639.    Limesblatt  No.  1  S.  5. 
»08)  Ephem.  epigr.  VII  n.  1211. 
»o«)  Vgl.  oben  Inschrift  No.  152. 

807)  Die  aufdringliche  Art  wie  Livia  die  mater  Augusti  et  senatus  et 
patriae  und  Agrippina  die  mater  castrorum  spielten,  musste  Tiberius,  an  dem 
jeder  Zoll  ein  Römer  war,  aufs  tiefste  erbittern.  Und  so  hat  der  Principat, 
so  lange  er  römisch  war,  immer  gedacht. 

808)  Die  Vita  c.  1  sagt  scheinbar  sinnlos  maiores,  equites  Romani  ante 
civitatem  omnibus  datam.  Der  Schreiber  hat  thöricht  genug  die  Bürgerrechts- 
verleihung durch  Caracalla  im  Sinne  (Momrasen,  Staatsr.  HI,  699),  aber  seine 
Quelle  meinte,  bevor  alle  Leptitaner  das  Bürgerrecht  erhielten,  also  vor  Traian 
(CIL.  VIII  p.  3).  Glieder  dieser  Familie  waren  lange  vorher  in  der  ehren- 
vollsten Weise  zum  Consulat  gelangt  (Vita  c.  1)  und  der  nahe  Verwandte  des 
Kaisers  Plautianus  (Ilerodian  3,  10,  6)  führt  die  flavische  Tribus,  die  Quirina 
(CIL.  XI  1337).  C.  Fxav[io\  C.  /.  Qmlr{ina)]  Flautia{nö]  praef{ecto)  p[raet{orio) 
ac  ne[ce8sario]  dam[morum  nostrorum].  Unter  den  Flaviern  aber  wurde  das 
Bürgerrecht  an  Provincialen  nicht  verschleudert,  sondern '  die  Verleihung  ist 
der  Ausdruck  völliger  Romanisierung.  Wenn  die  Vita  19  Afrum  quiddam 
usque  ad  senectutem  sonans  sagt,  d.  h.  der  Kaiser  sprach  afrikanische  Latinitat, 
so  macht  die  gefälschte  Tradition  Caes.  20  Punica  doquentia  prmnptior  daraus. 
Deshalb  kann  ich  auch  an  die  Tante  Vita  15,  7  (ist  deutlich  interpoliert), 
die  kein  Latein  versteht,  nicht  glauben,  obwohl  es  bei  einem  Frauenzimmer 
minder  anstössig  erscheinen  soll. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  73 

sein^  die  sich  Domna  nannte,  nicht  minder  ein  orientalischer  Herrschafts- 
titeP**®*.  Zur  vollen  Entwicklung  gelangte  diese  Tendenz  erst  unter  dem 
Sohne  dieses  Weibes.     Vgl.  No.  128  und  129. 

Hier  ist  Julia  Domna,  wie  Zangemeisters  treffende  Ergänzung  ge- 
lehrt hat,  zur  Juno  Caelestis  von  Karthago  geworden  und  Caracalla  ist, 
wie  Keller  erkannt  hat,  gleichfalls  ein  Gott,  der  den  Namen  invictus  Sol 
führt»«»).     Welcher  Gott   es   ist,  lehrt  vielleicht  die  Inschrift 3»**): 

153  =  CIL.  HI  3463  —  Aquincum  —  Hammoni  I{om)  o(ptim6)  m{aximd) 
ei  Lar{ihus)  mtl{itaribus)  cet€risq{u€)  dis  M.  Caecüius  Bufinus  tri(bunu8) 
lat{iclavius)  leg{ionis)  IV  FQaviae)  v.  8.  l.  m. 

Sonst  steht  der  Name  des  orientalischen  Gottes  als  Cognomen 
Jupiters  gefasst,  hinter  Jupiter  optimus  maximus,  nur  hier  steht  er 
voran»*').  Da  seit  Caracalla  die  Legionen  den  Namen  des  Kaisers 
führen,  so  wird  der  Stein  noch  unter  Septimius  Severus  geschrieben  sein. 

Ebenfalls  in  Aquincum  ist  der  Altar  gefunden: 

154  ^=  CIL.  in  10407  lunoni  üaelesti  Q.  Caecüüis  Ruflniis  Crepereianus 
co{n)s{al)  legiatas)  Aug(usii)  pr{o)  pr{aetore)  v.  s.  l,  m. 

Der  Altar  ist  vor  Caracallas  Regierung  geschrieben»**)  und  stammt, 
wie  eine  ganze  Gruppe  mit  ihm  in  derselben  Mauer  gefundener  Altäre 
erkennen  lässt,  aus  dem  Praetorium^*»). 

155  =  CIL.  III  10415  J{ovt)  o{piimo)  m{aximo)  Q.  Caecüius  Rufmus  Crepe- 
reianus  co{n)s{ul)  leg{atus)  Aug{ustorum)  pr{o)  pr(aetore)  v.  8,  l.  m. 


308  a)  Vgl.  Vita  Septimii  Severi  3,  9. 

3«^)  Die  Ergänzung  sichert  Korrbl.  d.  Westd.  Zeitschr.  1894  Sp.  187 
Scili  inuicto  imp{eratori)  C.  Paulinius  lustus  b(ene)f{icianus)  co{n)s{ularis).  Es 
ist  Caracalla  selbst,  der  als  Sol  invictus  angeredet  wird,  wie  der  Parallelaltar 
zeigt:  Virtuti  invkti  imp{eratori8)  C.  FauUnius  lustus  h{€ueficianu^)  coin)- 
8{ularis).  Doch  sind  die  Steine  nach  dem  Fundbericht  zu  schliessen,  sowie 
auch  die  anderen  dort  gefundenen  als  Baumaterial  verwendet  worden. 

^^^)  Die  eigentümliche  Erscheinung,  dass  der  tribunus  der  legio  IIU 
Flavia,  die  in  Singidunum  stand,  den  Altar  im  Fahnenheiligtum  der  legio  II 
adiutrix  setzt  (vgl.  das  Recht  der  Heeresreligion),  ist  wahrscheinlich  so  zu 
erklären,  dass  dieser  M.  Caecilius  Kufinus  der  Sohn  des  Statthalters  Q.  Cae- 
cilius  Rufinus  Crepereianus  ist,  welcher  den  Altar  der  Juno  Caelestis  setzte 
(No.  154).  Man  kann  sich  den  Vorgang  so  denken,  dass  M.  Caecilius  Rufinus 
seinen  Vater  in  die  Provinz  begleitete  und  in  Aquincum  die  Ernennung  zum 
tribunus  der  moesischen  Legion  erhielt.    Vgl.  Lares  militares. 

'*^)  Ausserdem  noch  CIL.  III  8084  .  .  .  leno  J{ovi  o{ptimo)  m{axitno) 
Äufietius)  Surianus  ex  voto  renovavü.    Der  Mann  ist  syrischer  Herkunft. 

312)  Rhein.  Mus.  1890,  205  ff. 

2'')  Den  gemeinsamen  Fundort  habe  ich  im  Auctarium  des  Supple- 
ments nachgetragen. 


74  V.  Domaszewski 

156  =  CIL.  III  10396  I)is  et  Genio  procinciae  C.  Val(entis)  FiuUns  le(i(a- 
tuit)  Aug{usti)  pr{o)  pi'iaetore), 

157  =  CIL.  m  10399  Fortun{a)e  huiiis  loci  C.  Valerius  Fudern  kg(atu^) 
Äug{mti)  pr{o)  pr{aetore), 

158  =  CIL.  III  10438  Minervae  Hctrici  C.  Val(eniis)  Ttulens  leg{atm)  Au- 
g{ii8ti)  pr(o)  pr(aetore).  Dieser  Legat  ist  zwischen  196/98  Legat  von 
Germania  inferior'**),  verwaltet  also  Pannonia  inferior  noch  unter 
Commodus. 

159  =  CIL.  III  10470  Urbi  Borne  L.  Cassiiis  Marceüinus  l€g{atui<)  Aug{u4sii) 
pr{o)  pr{aetore)  co{n)8{ul)  des{ignatus).  Ebenfalls  vor  Caracallas  Re- 
gierung ""). 

160  =  CIL.  ni  10436  Marti  Victoriae  Fortunae  r€d{tici)  pro  s{al]{ute)  imp{e- 

ratoris)  Caesar{is)  [M,  Iul{ii)'\  F[hüippi  Aug{u8tt)  et  M.  Iul{ii)  Fhilippi] 
nobi{lissim]i  Caesa[ris]  Afius  Acitus  !  !  !  !  !  !  ! 

161  =  CIL.  in  10424  I{ovi)  o{ptimo)  m(aj:imo)  et  dis  deabusque  omnibn^ 
T.  Clementius  Silvinus  v{ir)  e(jgregins)  a{gen8)  v{ice8)  pUaesidis)  8.  l.  l.  m. 
Unter  Gallienus  *'•). 

Als  Juno  Caelestis  in  das  Fahnenbeiligtnm  eingedrangen  war, 
erhält  sie  auch  in  dem  Heiligtum  einer  Statio  der  beneliciarii  consularis 
ihren  Platz. 

162  =  CIL.  III  10955  —  Tüskevär  —  [Cael]e8ti  Beg{itiae)  pro  sal{ute) 
d{ominorum)  n{ostrorum)  Aug{ustorum)  s{acrtim)  G.  Iul{iiis)  Comstans 
b{ene)f{ici<irius)  ('o{n).s{ularius)  et  lulia  Severa  eitis  tentpulum  [ejow^^i- 
tuerunt  pro  se  suisq{ue)  oliiijnibus  incolumibus  v.  s,  l,  m.  Das  templum 
ist  die  aedicula  des  Cultbildes. 

Septiraius  Sevenis  ist  es  gewesen,  der  die  Göttin 
von  Karthago  in  den  römischen  Olymp  einführte.  Das 
zeigen  seine  Münzen  ^^^). 

Nach  der  Entwicklung   der  orientalischen  Culte 
im  Heere  ei*wartet  man   deshalb   auch    in   Hammon 
eine  karthagische  Gottheit ^^®),  und  zwar  jene,  welche 
man  auf  den  punischen   Inschriften    erkennen  wollte. 
Nöldeke  schreibt  darüber: 

„Tausende  von  punischen  Inschriften  beginnen  so:  „Der  Herrin, 
der  TNT,    Antlitz    des  Baal,    und  dem  Gebieter,  dem  Baal  HMN,  was 


3")  Brambach  No.  6. 

^^^)  Dessau  hatte  die  Güte,  mich  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass 
Cassius  Pius  Marcellinus,  welcher  in  den  Saecularakten  Eph.  epigr.  YIII  p.  292 
genannt  wird,  der  Sohn  dieses  Statthalters  sein  könnte. 

31«)  CIL.  ni  3424  =  unten  Inschrift  No.  166. 

3")  Eckhel  d.  n.  VII  183.  Abgebildet  nach  Cohen  1.  Aufl.  Septi- 
mius  No.  130. 

»")  Genannt  ist  der  Gott  auch  CIL.  HI  11128  (a.  234).  VIII  9018  (a.  246). 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  75 

gelobt  liat  NN.  ..."  Was  das  aber  im  Einzelnen  heisst,  weiss 
niemand.  Eine  einzige  gute  Bilinguis  könnte  da  mehr  helfen,  als  un- 
zählige weitere  Exemplare.  Dass  TNT  (njn)  eine  Göttin,  ist  klar;  sie 
kommt  anch  in  einigen  Personennamen  wie  njncs^N  „Mann  der  TNT'' 
vor.  Ob  aber  die  Aussprache  Tanith  richtig,  weiss  der  Himmel;  sie 
kann  auch  ganz  anders  vocalisiert  gewesen  sein.  Was  feiner  „Antlitz  des 
Baal"  ist,  weiss  auch  niemand.  Vermutlich  ein  Epitheton,  denn  der 
bestechende  Vorschlag  (ich  weiss  augenblicklich  nicht  mehr  von  wem?), 
es  als  Genitiv  zu  fassen:  „der  Tanith  vom  Baalantlitz"  und  dieses  als 
eine  Örtlichkeit  zu  fassen  wie  nnp^DBn  „Haupt  (d.  i.  Vorgebirge)  des 
Melqart",  dieser  Vorschlag  hält  doch  kaum  Stand.  Auf  der  Inschrift 
des  Eschmunazar  steht  hy^  ütff  mnit^y  „Astarte,  Name  BaaPs"  (was 
freilich  auch  „Astarte  des  Himmels  Baals"  ÜU^  oder  „Ast.,  der  Himmel 
B's"  sein  könnte).  —  Nun  weiter:  „Gebieter"  übersetze  ich  bloss,  weil 
es  ein  ganz  anderes  Wort  ist  als  das,  welches  ich  mit  „Herrin"  wieder- 
gebe. Herrin  nni  (hebr.  rahbä\  Gebieter  pN  (hebr.  ädhön).  pn  bV2 
scheint  als  ein  einziger  Name  zu  gelten,  aber  auch  hier  ist  wieder 
durchaus  nicht  sicher,  ob  HMN  Apposition  zu  Baal  oder  Genitiv  „Baal 
des  HMN"  (wobei  zu  beachten,  dass  „Baal"  wieder  nichts  als  „Herr", 
^Besitzer"  ist).  Und  wie  die  Vocale  von  ]on  sind,  ist  uns  wieder 
ganz  unbekannt. 

Ich  weiss  wohl,  dass  an  diese  Namen  die  schönsten  Combinationen 
geknüpft  worden  sind,  aber  so  steht  es.  Allerdings  kommt  Baal  HMN 
noch  auf  einer  Inschrift  des  eigentlichen  Phöniciens  vor,  wie  auf  der- 
selben und  einer  anderen  auch  ]DnSs  „Gott  (El)HMN",  aber  die  sind 
wieder  so  dunkel,  dass  nichts  damit  zu  machen.  Sehr  wahrscheinlich 
ist  allerdings,  dass  HMN  allein  kein  Gottesname  ist.  Es  ist  doch 
zu  beachten,  da  wir  bis  jetzt  keinen  Personennamen  kennen,  worin  es 
vorkommt,  was  bei  einem  so  ungeheuer  oft  genannten  Ausdruck  höchst 
auffällig  wäre,  wenn  er  eben  einen  Gott  bezeichnete.  (TNT  kommt  in 
4  bekannten  Namen  vor,  allerdings  nur  mit  im  Ganzen  7  Vertretern). 
Es  ist  nun  nicht  unwahrscheinlich  (wie  schon  Gesenius  vermutet),  dass 
HMN  dasselbe  Wort  ist,  das  uns  in  dem  verpönten  hamniänlm  des 
Alten  Testaments  begegnet  und  das  etwa  einen  Pfeiler  oder  dgl.  be- 
zeichne (s.  Ed.  Meyer's  „Baal"  in  Roscher's  mythol.  Lex.);  mit  der 
Sonne  hat  es  sicher  nichts  zu  thun  (wie  man  vielfach  nach  einer 
falschen  Etymologie  angenommen  hat).  Ob  die  Aussprache  hammänim 
richtig,  ist  übrigens  auch  noch  nicht  ganz  sicher.  Die  jüd.  Überliefe- 
rung hat  nämlich  die  Tendenz,  die  Götzennamen  absichtlich  falsch  aus- 


76  V.  Domaszewski 

zusprechen  wie :  Mölech,  MoXox  ^ür  Malk  (hebr.  Melech\  ^ÄscJitöreth  für 
'Äschtart  (hebr.  *'Äschterefh).  —  Natürlich  ist  der  ägyi)t.  Amun  ganz 
fern  zu  halten.  —  Ist  HMN  ein  Pfeiler  oder  dgl.  (wie  die  Aschera),  so 
kann  man  „Herr  des  Pfeilers"  übersetzen;  entsprechend  kommt,  wie  ge- 
sagt, zweimal  auch  El  HMN  vor,   das  dann  „Gott  des  Pfeilere**  wäre. 

Dass  dieses  Wesen  mit  Mehiart  identisch,  haben  wir,  so  viel  ich 
sehe,  keinen  Gnind  anzunehmen." 

Hat  man  in  Inschrift  No.  153,  nach  Nöldeke,  an  den  ägyptischen 
Amnion  zu  denken'^®»),  so  ist  dies  der  Gott  in  der  Mainzer  Inschrift 
(No.  129),  weil  er  mit  Juno  Caelestis  zugleich  Heeresgott  geworden  ist. 

Caracalla  hat  die  volle  Göttlichkeit  des  Herrschers,  welche  auf 
seinen  Münzen  die  Strahlenkrone  der  divi  ausdrückt,  sofort  zu  Beginn 
seiner  Regierung  proklamiert. 

163  =  CIL.  III  5935  —  Eining  —  [Dominia  nostris  M.  Aurelio  Antonino 
et  P.  Septimio  Getue  Augustis  et  Inline]  Aug{u8tae)  matri  A.ug{ii8torum) 
et  kast(roruni)  I(om)  o(ptimo)  [m{aximo)]  et  Iun{oni)  reg{inae)  ei  Mi- 
ner{cae)  sac{rum)  G€n[i\o  coh{ortis)  III  Brit{tamiorum)  aram  T.  Fl{avius) 
Felix  praeflectas)  ex  voto  posuit  l.  m,  Dedicavit  Kai.  Dec,  Gentiano 
et  Basso  cos.    a.  211. 

Der  Offizier  hat  nur  die  Intentionen,  wenn  nicht  den  Befehl  der 
neuen  Regierung  begriffen,  als  er,  wahrscheinlich  bei  Übernahme  des 
Commandos,  denn  darauf  wird  das  Datum  gehen,  die  Cohorte  mit  dem 
Altare  beschenkt. 

Demnach  wird  der  einfach  gefasste  Altar 

164  =  CIL.  VII  440  —  Lanchester  —  Num{ini)  Aug{asti)  et  Geniio)  co- 
h{ortls)  I  fiidae)  Vardullornm  ('(iriuni)  R{omanorum)  eq{uitatae)  {miliariae) 
suh  Antistio  Adrento  leg{ato)  Augimti)  pr{o)  2Jr{aetore)  T  .  .  Titinniis 
tri{buHUs)  d(pno)  d(edit) 

unter  Caracalla  geschrieben  sein^'**). 

Elagabal  ist  durch  seine  religiöse  Überaeugung  verhindert  worden, 
dem'  Beispiele  seines  Vaters  Caracalla,  den  er  durch  eine  Lüge,  die  seiner 
würdig  war,  adoptiert  hatte,  zu  folgen.  Sicher  verschwindet  unter  Mamaea 
der  Genius  des  Kaisers  wieder  vom  Altare   der  Legion.     Vgl.  Nr.    14. 


^^®»)  Dass  der  Sohn  Mamaeas  Alexander  genannt  wurde,  erklart 
sich  daraus. 

^^^)  So  weit  ich  die  Statthalterreihe  Britanniens  iiberblicke,  liegt  kein 
Grund  vor,  diesen  Antistius  Adventus  mit  dem  gleichnamigen  Manne  aus  der 
zweiten  Hälfte  des  zweiten  Jahrhunderts  notwendig  zu  identificieren.  Denk- 
bar wäre  es  allerdings,  dass  bereits  Commodus  bei  den  Auxilia  den  Kaisercult 
der  Provinzialen  zur  Geltung  gebracht.  Der  Genius  des  Kaisers  erscheint 
zuerst  auf  seinen  Münzen. 


/ 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  77 

Aber  je  niederer  die  Herkunft  der  späteren  Kaiser  ist  und  je 
geringer  ihr  wirkliches  Recht  an  dem  Throne,  desto  mehr  drängte  das 
Bedürfnis,  das  Leben  durch  die  göttliche  Weihe  zu  sichern,  in  die 
Bahnen  Caracallas. 

Schon  unter  Gordian  wurde  der  Genius  des  Kaisers  bei  den  Auxilia 
die  erste  Gottheit  des  Lagers.     Vgl.  No.  8. 

Diese  Stellung  des  kaiserlichen  Genius  prägt  sich  deutlich  darin 
ans,  dass  die  Heeresgötter  jener  Zeit  Mars  und  Victoria  auf  dem  Cultbilde 
des  Lagers  als  seine  comites  erscheinen.    Vgl.  Taf.  H  Fig.  4  und  S.U. 

Deshalb  fahren  seit  Postumus,  dem  ersten  reinen  Soldatenkaiser, 
die  Götter  auf  den  Münzen  den  Beinamen  comes.  Der  Göttethimmel 
wird  zum  Hauptquartier,  die  Götter  werden  der  Generalstab  des  Kaisers. 

Der  Unterschied  iu  der  Rechtsstellung  der  Auxilia  und  der  Le- 
gionen verschwindet  durch  die  Bürgerrechtsverleihung  Caracallas.  So 
erhält  der  Legionsaltar  dieselbe  Form. 

165  zr    CIL.   VII    103'*')    —   Isca   —    N{uminibus)    Äug(ustorum)    Geiiio 

leg{ionis)  II  Äug(ustae)   in  honorem  [aquilae] pirimns)  p^iJufi) 

d{ono)  d{edit)  d[e]d{icaUim)  Villi .  .  .  Octob.^^')  .  .  .  p[fr]  C coin)- 

s{ularem).  curante  .  .  .  [/€]</[«]/o  [leg{ioms)]  eiutid{em). 

Trotz  der  veränderten  Bedeutung  des  Kaisercultes  im  Lager  be- 
wahren die  Inschriften  der  Kaiserbasen  die  alte  Form.  Erst  unter  Gallien 
wird  dem  Genius  des  Kaisers  ein  besonderer  Altar  gesetzt. 

166  =  CIL.  III  3424  —  Aquincum  —  Genio  im(j)eratonn)  P.  Lic{inf}  Gal- 
liern inricti  Aug[usti)  Clementius  Silnus  r{ir)  e{f/regim)  a{gens)   r{ice.si) 

p{raesidis)  ei  Val{eriiu^)  Marcellinus  praefectun  leg{ioms)  prot{ector)  Au- 
g{uMi)  n{ostri)  agens  r{ice8)  l{egafi)  municipes  ex  pronncia  Raetia  s{nl- 
reriint)  l{aeti)  l{%hentes)  m{erito).   Paterno  et  Archesilno  cos.    a.  267. 
Dass    diese    municipes    gemeine    Soldaten    der   legio    II    adiutrix 

sind***),    zeigt  die  Nennung  der  beiden  höchsten  Offiziere,  unter  deren 

Kommando  sie  stehen. 


'*^)  Die  Copie  Ephemeris  epigr.  III  p.  1 17  ist  nicht  besser,  sondern  inter- 
poliert. Dies  bestätigt  mir  Ilaverfield,  der  zwei  Fragmente  der  Haupt seite 
im  Museum  zu  Caerleon  wieder  aufgefunden  hat. 


/: 


^I  I  O  D 

i  ^ 
)  V  G 


■»^)  Das  verdorbene  Datum  ist  der  Geburtstag  der  Legion.    Vgl.  S.  20. 
'*•)  Und  zwar  sind  es  jene  municipes,  die  aus  Raetien  rekrutiert  sind. 


78  ^-  Domaszewski 

Gerade  dieser  Kaiser  bat  den  Anspruch  erhoben,  auch  in  seinem 
Geiste  und  seinem  leiblichen  Wesen  den  Göttern  za  gleichen. 
167  =  CIL.  III  8193  —  Scupi  —  Invicto  [i]mp{eratoH)  i>(io)  /[elici)  GaU 
Ueno  Aug{usto)  dis  animo  voUiique  compari  r{es)  %){nhlica). 

Kurze  Zeit  später  unter  Aurelian  wird  die  Göttlichkeit  zum 
Glaubenssatz  des  vollendeten  Dominats  ^*').  Für  den  Gottkaiser  hat 
der  Lagertempel  keinen  Raum  mehr. 

Dass  der  Prinzipat  —  denn  die  Fortführung  dieser  Sitte  unter  dem 
Dominat  des  dritten  Jahrhunderts  ist  nichts  als  die  Nachwirkung  der 
Gewohnheit  —  auf  den  Basen,  welche  den  Genius  tragen,  die  volle  Mensch- 
lichkeit des  Herrschers  in  der  Reihe  der  Amtstitel  festhält,  genügt  allein 
um  zu  sehen,  dass  ein  Kaisercult  im  Lager  dieser  Zeit  gar  nicht  existiert. 
Deshalb  fehlt  auch  der  Genius  des  Kaisers  auf  den  Hanptaltären  des 
Fahnenheiligtums.  Es  kann  nicht  anders  sein.  Denn  der  Kaiser- 
cult ist  geschaffen  für  die  Unterthanen,  denen  wenigstens  im  Osten  diese 
Art  Glaube  ein  Bedürfnis  war.  Das  Heer  des  römischen  Volkes  steht 
Yor  Allem  in  den  Lagern  der  Legionen,  die  dem  Prinzipe  nach  Italiker 
geblieben  sind  bis  auf  Hadrian,  wie  das  Offizierscorps  der  Legionen, 
die  Centurionen  bis  auf  Severus '**^*).  Caracalla  brach  die  Schranke 
nieder,  welche  das  herrschende  Volk  und  die  Unterthanen  trennte  durch 
die  Verleihung  des  Bürgerrechtes  an  alle  Reichsangehörigen.  So  waren 
auch  die  Bürger  reif  geworden  für  den  Ausdruck  der  Knechtschaft. 
Aber  Caracalla  hat  nichts  geschaffen,  er  hat  nur  vollendet,  was  sein 
Vater  vorbereitete.  Es  zeigt  dies  der  Cult  der  scholae. 
Soholae  j^rinoipallain. 

Vor  dem  Hofe  der  drei  Lagertempel  liegt  in  Carnuntum  ein 
zweiter  weit  grösserer  Hof.  Schon  die  Dimensionen  des  Raumes  von 
41,85  m  zu  37,85  m  zeigen,  dass  dieser  Platz  nicht  etwa  die  ver- 
sammelte Legion  des  Lagers  aufgenommen  haben  kann,  weil  höchstens 
anderthalbtausend  Menschen  hier  stehen  können.  Auch  ist  der  Platz  für 
den  miles  nicht  innerhalb  des  Praetoriums,  sondern  auf  der  via  principalis, 
die  vor  dem  Praetorium  das  Lager  seiner  ganzen  Breite  nach  durch- 
schneidet. Dies  beweist  für  das  Standlager  die  Schilderung  des  Tacitus 
ann.  1,  39  über  die  Vorgänge  im  Lager  der  legio  P**)  und  die  Über- 

Auch  das  ist  charakteristisch,  milites  genügt  nicht  mehr,  weil  auch  die  Offi- 
ziere No.  57.  123  noch  miteinbegriffen  sind.  Es  ist  die  reine  Herrschaft 
der  Pike. 

»")  Mommsen,  Staatsr.  II»  S.  760. 

»"»)  Vgl.  auch  S.  112  f. 

»")  Vgl.  darüber  meine  Darlegung  Korrbl.  d.  Wd.  Ztschr.  XH,  Sp.  262. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  79 

reste  des  Praetoriams  von  Lambaesis.  Im  Norden  des  Praetoriams, 
also  in  der  Praetentara,  sind  Basen  gefanden,  weiche,  wie  Wilmanns 
gesehen  hat,  die  Standpl&tze  der  Cohorten  bezeichnen''^). 

168  =  CIL.  VIII  2536  —  Lambaesis  —  Imp{eratore)  Caesare  diri  Hadriani 
f{Hw)  din  Traiani  Part{hici)  nepote  divi  Nervae  pronepote  T,  Adio 
Hadriano  Antonino  Aug{mto)  Pio  imp{eratore)  II  p(mt{ifiet)  majr{imo) 
tnb{umcia)  potestate  Villi  co{n)s{üle)  IUI  p{atre)  p{atriae)  C.  Prastina 
Messahno  leg{ato)  Aug{ttsti)  pro  pr{aetore)  leg{io)  III  Aug{usta)  cohiprs)  L 

An  demselben  Orte  waren  noch  erhalten  die  Basen  der  cohors  II, 

IV,  VII,  vmi,  X. 

In  Lambaesis  ist  nar  der  äussere  Hof  des  Praetoriams,  darch  spätere 
Umbaaten  rerändert,  erhalten  and  hier  sind  gefunden: 

169  =  CIL.  Vni  2527  —  Lambaesis  —  Genio  legiwnis)  III  Aug{un1a€) 
p{iae)  v{indiciH)  pro  salute  imp(eratorum)  Caes(arum)  L.  Septimi  Sereri 
Pii  Pertinacis  Aug{u8ti)  et  M.  Aureli  Anionini  Aug{u$ti)  et  L.  Septimii 

Getae  Caes{arts)  Aug{nisti)   et  luliae  Augtintae  matris  Aug{ustoruvi)  et 

castrar{um)  dedicant[e)  Q.  Anicio  Fausio  leg{ato)  Aug{u8torum)  pr{o) 
pr{aetore)  c{laris8imo)  v{iro)  co{n)8{ule)  de8{igtiato)  T.  Arranim  Batus 
signifer  ex  (sest^rtium)  III  mH{ibus)  n{umum)  de  8U0  pomit    a.  198. 

170  =  CIL.  VIII  2528  —  Lambaesis  —  Genio  Lambaesis  pro  salute  Im- 
p{eratorum)  Caes{arum)  L.  Septimi  Severi  Pertinacis  Aug(usti)  et  M, 
Aureli  Antonini   Aug{ust{)   et  L.  Septi^nii  Getae  (hes{aris)  Aug{usti) 

et  luliae  Aug{ustae)  nmtri  Aug{ustorum)  et  ca8tror{um)  dedicante  Q. 
Anicio  Faust{o)  leg{ato)  Aug(ustorum)  pr{o)  pr{aetore)  c{laris8imo)  t^iro) 
co{n)s{ule)  de8{ignato)  L,  Baehius  Faustianus  sig{nifer)  leg{ionis)  III 
Augiustae)  p{iae)  v{ifhdici8)  L.  Baehi  Felicis  ret{erani)  ex  signifero 
filius  Votum  solvit.    a.  198. 

Diese  beiden,  gleichzeitig  gesetzten  Cultalt&re  sind  noch  in  situ 
gefunden,  No.  2527  au  praetorium^  sur  un  piedestcU  demi-ci^Undrigue,  und 
No.  2528  au  praetorium,  sur  unpiedestcd  demi-cj^lindrique,  orne  sur  les  cotes 
de  feuiUages  et  de  rinceaux.  Ihre  Erhaltung  an  dieser  Stelle  verdanken 
sie  ebenso  wie  die  aus  dem  inneren  Hofe  stammenden  Altäre  No.  2529 
[Marti]  patri  (vgl.  S.  35)  und  2530  Genio  castrorum  nur  dem  Umstände, 
dass  sie  der  Heeresreligion  des  vierten  Jahrhunderts  völlig  entsprachen. 
Als  sie  zuerst  aufgerichtet  wurden,  mOssen  die  signiferi  in  diesem 
äusseren  Hofe  eine  Cultstätte  besessen  haben.     Nun  heissen  die  Heilig- 


"*)  Nach  Renier  gefunden  au  nord  du  camp,  was  doch  zu  verstehen 
ist  au  nord  du  praetorium  dans  le  camp.  Denn  was  diese  6  Basen  neben- 
einander im  freien  Felde  sollen,  würde  man  sich  vergeblich  fragen.  Wie  im 
Marschlager,  so  bildet  auch  im  Standlager  die  praetentura  das  vorderste 
Drittel  der  Lagerflftche. 


gO  V.  Domaszewski 

tümer  der  piincipales  immer  schleclithia  scholae,  d.  b.  Nischen,  so  dass 
diese  Kapellen  notwendig  in  einem  grösseren  baalichen  Zusammenhang 
gestanden  haben  müssen,  der  die  Nennung  des  Ortes  zwecklos  machte. 
Die  Scholä  der  signiferi  hatte  aber  in  Lambaesis,  wie  die  Altäre 
No.  169  und  170  beweisen,  ihren  Platz  im  äusseren  Hofe  des  Prae- 
toriums.     Das  entscheidet  über  den  Ort  aller  anderen  Scholae. 

Die  Tribunen  und  Centurionen  hatten  das  Recht,  den  inneren  Hof 
zu  betreten.  Hier  stehen  die  von  ihnen  errichteten  Kaiserstatuen  und 
hier  müssen  auch  ihre  gemeinsamen  Altäre  gestanden  haben. 

171  =  CUj.  Vm  18239  —  Lambaesis  —  Sil[vano]  Äug{u8to)  sa[cr(um)]  cen- 
turiones  l€g{iones)  III  Äug{ustae)  curante  Meinmio  Donato  decimo  pilo. 

Diese  Inschrift  stammt,  wie  Schmidt  mit  Recht  bemerkte,  aus 
der  Zeit  nach  der  Wiederherstellung  der  Legion  durch  Valerian;  also 
aus  einer  Zeit,  wo  die  lUyrier,  die  dem  Heer  die  Kaiser  gaben,  unter 
den  Offizieren  das  wichtigste  Element  bildeten.  So  ist  der  Gott  der 
lUyrier,    Silvanus,   in   das  Heiligtum   der  afrikanischen  Legion  gelangt. 

Auch  in  der  Hauptstadt  bestand  dieselbe  Scheidung. 

172  =  CIL.  VI  2961  —  Rom  —  C.  lulim  Secumlus  {centurio)  coh{orHs)  I 
Vig{ilum)  p09uit  sihi  coUegisque  suis  et  fuiuris.  Diese  Basis  trug  ein 
fi'ir  Cultzwecke  bestimmtes  Gerät. 

Danach  ist  auch  der  innere  Hof  in  Carnuntum  bemessen,  wie  der 
äussere  für  die  Principales.  Offiziere  zählt  die  Legion:  den  praefectus 
legionis,  6  tribuni  und  60  centuriones  ^^^).  Principales  im  weitesten  Sinne 
sind  alle  die,  welche  noch  zu  den  immunes  gehören  und  deren  Funktion 
in  einem  speziellen  Titel  zum  Ausdruck  kommt.  Taktische  Chargen 
zählte  die  Legion  allein  180,  drei  uuf  die  Centurie,  dazu  kommen  alle 
den  Offizieren  zugeteilten  principales  und  die  equites  legionis,  so  dass 
ihre  Zahl  tausend  übertroffen  haben  muss.  Bei  den  grossen  Cult- 
handlungen,  wie  dem  Opfer  am  dies  natalis  aquilae,  versammelten  sich 
die  Offiziere  im  inneren  Hofe,  die  principales  an  ihrer  Schola,  die  milites 
auf  der  via  principalis^^'). 

Die  Scholae  der  principales  lassen  sich  noch  im  wesentlichen 
rekonstruieren. 

1)  Das  Officium  corniculariorum  des  Statthalters. 

173  =  CIL.  VIII  2586  —  Lambaesis'**)  —  qui  imagines  sacras  aurea^ 
fecerunt  cornicularii  2  Mann,  comm€ni{ariemes)  2  Mann,  einer  davon  ist 


'*')  Ich  gebe  die  Normalzahl,   ohne  auf  das  Einzelne  hier  eingehen 
zu  können. 

'*')  Vgl.  auch  das  Recht  der  Heeresreligion. 

"*)  Die  Provenienzangaben  Reniers   für  dieses   Denkmal  wie   för  die 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  81 

der  commentarietms  des  tnb{unm)  leg{ion\s)y  speculatores  4  Mann'*")^ 
heneficiarii  co{n)s{ularis)  30  Mann,  quaestionarii  5  Mann,   befief[iciarii) 
tiribuni)  s€xm(estns)  5  Mann,  haruspex  l  Mann.  —  Rechts  cura  agente 
C.  Memmio  Victore  {centurione)  leg{ionis)  III  Au{gustae)  "®). 
Dies  ist  die  rechte  pila  der  schola;  die  Zahl  der  principales  dieses 
Officiums  ist  nicht  vollständig  ^^^).     Die  Zasammensetzang  des  Officiums 
ist  nicht  allgemein  beweisend  für  die  Officia  solcher  Provinzen,  wo  der 
Statthalter  mehrere  Legionen  unter  seinem  Befehl  vereinigte.    Aber  die 
ZateiluDg  des  tribnnus  sexmestris   an  das  Hauptquartier  ist  gewiss  all- 
gemeine Norm. 

In  dem  Heiligtume  derjenigen  Hauptlager,  wo  der  Statthalter  seinen 
Sitz  hatte,  der  tlber  mehrere  Legionen  gebot,  gliedert  sich  dieses  Heilig- 
tum in  mehrere  Scholae. 

174  =  CIL.  III  3524"')  —  Aquincum  —  scola  speculatorum  legionum  I 
et  II  adiutHciiun  xnarum  fidelinm  S€renanar{uin)  ref'evta  per  eosdem 
qiiorum  nomina  infra  scripta  sunt  dedicante  Fl{(mo)  Aeliano  leg{nto) 
Aug{u8ti)  pr{o)  pr(aetore)  Kai.  Octob.  Modesto  et  Probo  con.  Es  folgen 
20  Namen  curante  Aur{elio)  Pertinace  frumentario. 

175  =  CIL.  III  4402  —  Camuntum  —  HercuU  Aug{usto)  spec{ulatorea) 
I\annoniae)  8(uperioria), 

Auch  das  ist  kein  Zufall,  dass  der  einzige  Altar  einer  schola,  der 

in  Carnuntum  gefunden  wurde  ^^^),   dem  Hercules  gilt,  sondern  ist  eine 


meisten  gleichartigen,  können  nichts  beweisen  fUr  den  ursprünglichen  Auf- 
stellungsort der  Steine.  Das  Officium  des  Statthalters,  das  im  Tempel  des 
Aesculap  Eaiserbilder  errichtet  —  denn  das  sind  die  imagines  sacrae, 
vgl.  Inschrift  Xo.  4  —  ist  eine  Absurdität. 

'-•)  Warum  nur  4  speculatores  genannt  sind,  habe  ich  erklärt,  Rhein. 
Mus.  45  (1890)  S.  210  Anm.  2. 

"•)  Dieser  wird  der  princeps  praetorii  sein.    Vgl.  S.  31. 

"^)  Ich  muss  mich  hier  wie  bei  den  anderen  scholae  auf  das  Not- 
wendigste beschränken,  da  eine  erschöpfende  Behandlung  nur  im  Zusammen- 
hang einer  Untersuchung  über  Rangordnung  und  Avancement  gegeben 
werden  kann. 

"*)  Vergleiche  über  diese  und  folgende  Inschrift  Rhein.  Mus.  45  (1890) 
S.  205  ff. 

"*)  Der  Altar  wurde  noch  in  situ  gefunden,  weil  er  aus  demselben 
Heiligtum  stammt  wie  No.  176,  das  nicht  ganz  zerstört  wurde.  Nur  der  innere 
Hof  und  die  Tempel  sind  von  den  Steingräbern  der  späteren  Zeit  einiger- 
massen  verschont  geblieben.  Da  dieses  Officium,  das  wenigstens  durch  zwei 
Denkmäler  noch  vertreten  ist,  das  vornehmste  des  Lagers  ist,  so  wird  es 
dem  inneren  Hofe  zunächst  gelegen  haben.  Der  äussere  Hof  ist  sonst  voll- 
ständig geplündert.  Also  waren  die  scholae  in  dem  äusseren  Hofe  nach  dem 
Range  der  principales  aufgestellt,  was  durch  die  militärische  Ordnung  an  sich 
gegeben  ist. 

WMtd.  Zeitsohr.  f.  Gesch.  n.  Knast.    XIV,    I.  6 


82  V.  Domaszewski 

Folge   derjenigen   Ordnung   der   Lagerculte,    wie   sie   im  vierten  Jahr- 
hundert bestand. 

Dennoch  waren  diese  scholae  zu  einem  gemeinsamen  Heiligtume 
verbunden.  Vgl.  No.  43. 
176  =  CIL.  III  4452  —  Camuntum  —  imp{eraton)  Caes{ari)  M.  Aur{elio) 
pio  felici  Aug{mto)  Parth{ico)  majc{imo)  Brit{anmco)  max{imo)  ponti- 
fiici)  maMuno)  trib{Hnicia)  potiesiate)  XVI  imp{eratori)  II  co{n)s{uli)  III 
de9ig{naio)  IUI  p(atri)  piairiae)  proco(n)fi{uli)  cornicitlarii  commen- 
tarie^ises  speculatores  legionum  III  Antoninianor{um)  I\annoniae)  s{ii' 
periorin)  derotisMmi  numini  eius.  Es  folgen  die  Namen  der  3  comit-u- 
larii,  3  commentarienses  und  30  speculatores  des  Statthalters  von  Pannonia 
superior.    a.  213. 

Dass  diese  Basis  den  Genius  des  Kaisers  trug,  stellen  hier  die 
Fundumstftnde  ausser  Zweifel.  Der  Genius  des  Kaisers  lag  noch  neben 
der  Basis  (vgl.  Taf.  II  Fig.  3  88»*). 

R.  V.  Schneider  schreibt  mir:  ^Dass  die  Figur  des  Genius  zur 
Basis  gehört,  entnehme  ich  einem  in  unseren  Aktenfascikeln  aufbewahrten 
handschriftlichen  Berichte  A.  v.  Steinbücheis  über  einen  Ausflug  nach 
Carnuntum  im  Sommer  1816.  Er  spricht  darin  von  ^einer  sehr  nied- 
lichen Statue  von  schönem  Marmor,  aber  ohne  Kopf  und  an  den  Füssen 
beschädigt,  welche  mit  der  linken  Hand  ein  Füllhorn  hielt.  Sie  wurde 
nach  der  Inschrift  des  Postamentes,  welches  auch  von  Marmor  ist  und 
unstreitig  zur  Statue  gehört,  von  den  corniculariis,  den  commentarieosi- 
bns  und  den  speculatoribus  dreier  von  den  Antoninen  benannten  Legionen 
dem  Caracalla  gesetzt\  Auch  in  seiner  Beschreibung  des  Theseums 
(Wien  1817  nnd  1829)  nennt  er  No.  16  einen  'grossen  Untersatz  in 
Gestalt  eines  Opferaltars,  Inschrift  und  dazu  gehöriger  und  darauf 
stehender  Figur  des  Genius  der  Stadt  Camuntum,  die  nebenbei  war 
aufgedeckt  worden\  Die  Späteren  haben  diese  deutlichen  Angaben  Stein- 
büchels  übersehen  oder  mit  Unrecht  missachtet.  Steinbüchel  Hess 
sie  nach  einem  englischen  Relief  (Lyvons  Magna  Britannia  T.  IV  n.  7 
p.  CLXXIV)  ergänzen.  Neu  sind  der  Kopf,  dessen  Mauerkrone  erst 
ich  wieder  entfernen  liess,  die  r.  Brust,  der  r.  Arm  mit  der  Patera, 
der  linke  zum  Teil,  das  spitze  Ende  des  Füllhorns,  der  unterste  Teil 
der  Beine  mit  den  Füssen,  die  Plinthe.  Die  Proportionen  des  Körpers 
sind  durch  Anfügung  eines  Teiles  des  Thorax  dem  Restaurator  zu  kurz 
geraten;  er  erscheint  gedrungener  und  von  kindlicheren  Formen,  als 
wohl  ursprünglich  der  Fall  war". 


'•*•)  Abgebildet  nach  einer  Photographie,  die  ich  der  Güte  R.  v.  Schnei- 
ders verdanke. 


Die  Keligton  des  römischen  Beeres.  BS 

Nach  den  Manzbildern  zu  schliessen,  wird  der  Kopf  den  Modius 
getragen  haben.     Vgl.  S.  96. 

2)  Das  Officiam  des  legatos  legionis. 

Es  kann  in  Lambaesis,  woher  unsere  Denkmäler  fast  alle  stammen, 
nicht  existieren;  aber  in  den  Lagern  der  Provinzen,  welche  mehrere 
Legionen  zählten,  hat  es  bestanden. 

3)  Das  Officium  des  praefectus  legionis. 

177  =  M^moires  de  la  Sociät^  nationale  des  antiquaires  de  France  T.  54 
(1894)  p.  7  SA.  "*)  —  Lambaesis  —  [D{omifm)  7t(ostris)  iribm  Au]g{ustis{ 
Arab{icis)  Adi[ab)enicis)  Parth{i€is)  maa:i(wts)  pro  inc]olumitatc  doniu[8 
divinae  scholam  cum  im]agimb{uA)  »acris  fece\r{unt)  et  oh  eam  soUemni- 
tatem  d]ec{r€rerunt)  uti  duplis  stipend[iis  suin  arca  fiat  regi-esAt]  de 
exp{editione)  fel(ici8sinm)  Mesopot[amica  mil{it€s)  duplarii  l]eg{ioms)  III 

Aug(ustae)  p{iae)   r{indicis)   gtwrulm  nomina  s]uhiecta   mint 

Aemilius   Cattiamis    cor{mculani)   L h{ene)f(iciani) 

prae]f{ecti)  T,  Flavius  Surus  actar[his [Hecundum]   legem 

scholae  [coUegis]  priorihus  denarios  c(entum)  quaestor  [adnumerabit]. 
Nach  den  cornicularii  ^^^)  können  nur  die  beneficiarii  gestanden 
haben  ^^^,  weil  dies  das  Bangvcrhftltnis  fordert;  der  actarius  tritt  hier  wie 
in  dem  officium  des  legatus  legionis  für  den  fehlenden  commentariensis 
ein  ''^).  Dem  officium  gehören  auch  librarii  '**),  immunes  und  discentes 
an^^^),  so  dass  es  schon  deshalb  nicht  voUstfindig  genannt  sein  kann. 
Wie  Cagnat  bemerkt,  sind  zwei  dieser  Officialen  der  erhaltene  cornicu- 
larins  und  der  actarius  vor  dem  Feldzug  optiones  gewesen  ^^).    Sie  sind 


*^)  Mit  den  treffenden  Ergänzungen  Cagnats,  die  ich  nur  an  wenigen 
Stellen  weitergeführt  habe. 

'**)  Die  zwei  comicularii  des  Officiums  sind  wahrscheinlich  eine  Eigen- 
tümlichkeit derjenigen  Provinzialheerc,  welche  nur  eine  Legion  zählen,  so 
dass  die  Funktionen  des  praefectus  legionis  vielleicht  in  diesem  Falle  eine 
weitere  Gompetenz  als  sonst  begriffen.  Ephem.  epigr.  lY  p.  414.  CIL. 
YIII  17625. 

"•)  Die  beneficiarii  müssen  nach  der  Analogie  der  Officia  der  anderen 
Offiziere  weit  zahlreicher  gewesen  sein  als  die  2  in  dieser  Inschrift  fehlenden 
Namen  erkennen  lassen. 

»»')  CIL.  in  7763:  Mius  Alexander  actarius  l{egaU)  legionis)  XIII  geminae. 

"8)  Brambach  146. 

»»»)  CIL.  III  3565  P.  TarruUnio  Stel(atina)  Froculo  Taurini  evocato 
legiionis)  II  ad{iutricis)  8tip{endiorum)  XL  VI  ann{orum)  LXVII  h.  s.  e,  C. 
Cornelius  Fdix  comicular{ius)  praef{ecti)  leg{ionis)  eiusdem  h{eres)  ex  t{estamenio) 
/{aciendum)  curavit  ei  immunes  et  disceni{es), 

»*»)  C-IL.  VIII  n.  'iö54  =  No.  180,  wo  beide  wiederkehren  und  ihre 
Beförderung  durch  den  Zusatz  COR  und  ACT  in  der  Liste  ersichtlich  ge- 
macht ist. 

6* 


84  V.  Domaszewski 

also  darch  Avancement  in   das  collegiam   eingetreten   und  die  collegae 
priores  werden  jene  sein,  an  deren  Stelle  sie  getreten  sind***). 

4)  Das  Officiam  des  tribunus  laticlavius. 

178  =  CIL.  Vm  2Ö51,  cf.  18046  —  Lambaesis  —  Imp{eratori)  CaesiaH) 
L,  Septimio  Serero  Pio  Pertinad  Äug{u8to)  Arah{ieo)  Adiah{enico) 
Parth(wö)  maximo  et  M.  Aurelio  Antonino  Aug{usto)  AugtMti  n{oHtn) 
fiho  et  [L.]  Se\j[i\t\mi{o)  Ge[tae  nobil{issiino)  Cae]s(ari)  Augusti  n{ostri) 

Antonini  [fratri]  fdio  domini  n{o8tri)  Severi  et  luUae  Aug{ustae)  matri 

Aug{ustoi^m)   et   ccistrorum  dedic{ante)  Q.  Anicio  Famto  leg{ato)  Au- 

g{mtorum)  pr{o)  pr{aetore)  co{n)s{ule)  desig{nato)  cornicuUrim  et  h{ene)' 

/[iciarii)  Intidami  mil{ites)  l€g{ionis)  III  Aug{u^t^e)  p{iae)  v{indicis)  ex 

arca  sua  fecerunt,   quorum  nomina  mbiceta  sunt.    Es  folgt  1  cornicu- 

larius  und  11  beneficiarii. 

Der  tribunus  laticlavius  bat  ein  eigenes  officium,  an  dessen  Spitze 

der  cornicularius  stebt,   der  allen  anderen  Tribunen  fehlt,    weil  er  der 

ranghöchste  Offizier   der   Legion   ist   und   nach   der  Dienstordnung   der 

Stellvertreter  des  Legatus**^. 

5)  Die  beneficiarii  der  anderen  tribuni. 

179  =  CIL.  VIII  18078  —  Lambaesis  —  L.  Septim[i^  Getae  imp{eratons) 
Caes{aris)]  L.  Sep[timi  Severi  Pii  Pertin{a€is)]  Aug{usti)  Alrab(ici) 
Adiaben{ici)  Parth(ici)  max{imi)]  fH{io)  M.  lAur{€li)  Antonini  Aug{usti) 
fratri]  n[ohil{isfnmo)  Caes{ari)  dedicante  Q.  Anicio  Faun]to  1eg(ato) 
A\\ig{ustx)  pr{o)  pr{aetore)  co{n)s{nle)  beneficiarii]  trib[unorum].  Es 
folgen  die  Namen»*»).  Es  ist  die  Basis  der  Statue  Getas,  die  in  der 
Schola  stand. 

6)  Die  Signiferi. 

Wir  können  die  Existenz  dieses  coUegiums,  welche  die  Altäre 
Nr.  169.  170  sicher  bezeugen,  noch  nachweisen  aus  der  Charge  optio 
signiferorum  ***).  Denn  das  Statut  des  coUegiums  der  cornicines  (Nr.  182) 
zeigt,  dass  in  jenen  CoUegien,  deren  Mitglieder  dem  Range  nach  gleich- 
stehen, bei  denen  also  ein  durch  die  Organisation  gegebener  Obmann 
fehlt,    ein   optio   die  Leitung  hat^**).     Der   optio  der  signiferi  beweist 


»*^)  Das  CoUegium  bestand  seit  Hadrian,  aber  der  Neubau  der  Schola 
wurde  mit  der  Anlage  einer  arca  verbunden. 

»«)  Vgl.  Rhein.  Museum  1893,  243. 

»**)  Die  erhaltenen  Namen  sind  alle  verschieden  von  denen  des  Col- 
legiums  der  Inschrift  No.  178. 

»**)  Brambach  1048.    CIL.  III  1124.  1202,  XIT  2929. 

"*)  Das  ist  nicht  der  Fall  bei  den  Optiones,  weil  der  Rang  dieser 
Offiziere  sich  nach  dem  Range  des  Centurio  richtet,  in  dessen  Centurie  sie 
dienen.     CIL.  VIII  18072. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  85 

demnach,  dass  es  anter  den  signiferi  der  Legion  keinen  Unterschied  der 
Funktionen  giebt,  oder  dass  die  Legion  nar  eine  Art  von  signa  besass  ^% 

7)  Die  Optiones. 

180  =  CIL.  VIII  2554  —  Lambaesis  —  Pro  salute  Äug{ii8torum)  optianes 
scholam  suam  cum  statuis  et  inuiginibus  domus  [di]cinae,  item  diis  con- 
serratoribus  eorum,  ex  largissimis  stipendiia  et  lifjeraUtatib{iis)  quae  in 
eoa  conferunt,  fei'er{uni),  curante  L,  Egnatio  Myrone  q(uaestore);  ob 
quam  sollemnitaiem  decreverunt  ut  collega  profkiscetis  ad  spem  suam 
confirmamlam  accipiat  sestertium  octo  mil(ia)  n(ummum)  veter{ani) 
quoque  mistn  accipiant  Kai.  lan.  anularium  singuli  sestertium  sex  mi- 
l{ium)  n(ummum)  quae  anulariti  suo  die  quaestor  sine  dilatione  ad- 
numerare  curabit.    Es  folgen  64  Namen. 

8)  Die  tesserarii. 

181  =  CIL.  VIII  18070  —  Lambaesis  —  [Imp{eratori)  Caes{ari)  L.  Sep- 
timio  Se]cero  Pio  Pertin{aci)  Arab[i€o  Ädiabenico  Pafthico  maximo 
Ang{u^to)    et   M.  Au]reli4}   Antonino   Aug{usto)    et  L.  [Septimio   Getae 

Caes{art)  Aug{usto)  et  luliae  Augustae  tnatr]i  Aug{ustorum)  et  castrorum 
ded[icaHte  Q.  Anieio  Fausto  leg{ato)  Aug{ustorum)  pr{o)  pr{aetore) 
co{n)s{ule)']  des{ignato)  tesserari  leg{ionis)  III  Aug{ustae)  p(iue)  [v{indicis) 

scholam  ex  largissimis  stipendiis  fecerunt]  ob  quam  sollemnitatem  [de- 
crecerunt  arca  iit  fiat  ex  qua  iis  qui  ex  eo  colle]gio  dimitentur  singulis 
anular[i  n{omine)  dentur  (sestertium)  ....  m{ilia)  n{ummum)  cur]an[t]e 
(.\  [Iu\lio  Tertidlo  qu{a)€s[tore]. 

9)  Die  tubicines.     Vgl.  No.  37. 
10)  Die  cornicines. 

182  =  CIL.  VIII  2557  —  Lambaesis  —  Pro  Felimtate  et  incolumitatem 
saeculi  dominorum  n{ostrorum)  Aug{ustorum)  L.  Sep{timi)  Severi  Pii 
Pertinacis  Aug{usti)  et  M.  Aureli  Antonini  AMg{usti)  [et  L.  Septimi 
Getae  Caes{aris)]  Aug{usti)  et  luliae  Aug{ustae),  matri  Aug{ustorum)  et 
castr{orum)  et  [Fulviae  PlautilUie  Aug(ustae)]  Antonini  Aug{usti)  nostri 
[coniugis]. 

cof{nicines)  leg{ionis)  III  Aug{usfae)  p(iae)  v{indicis). 

Es  folgen  35  Namen,  dem  ersten  ist  opt{io)  beigeschrieben. 
Scamnari  n{omine)  dabunt  col{legae)  qui  fac{ti)  fuer{int)  denarios  DCCL. 
Si   qui   d{e)    col(legis)    tram{are)    pro{ficiscetur),    cum  pro{nwius)    s{it) 
(u:c{ipiet)   vini{icum)  pro{c€Ssus)    m{iles)   denarios   CC,    €q{ues)   a{utem) 
[(denarios)]  B. 

It[€]m  vet{e)ranis  anularium  nomine  denarii  B. 

Item,  si  qui  ex  coll{egio)  amplio{re)  grad{u)  profiiciscetur),  accip{i€t) 
denarios  B. 


**•)  Es  bestätigt  dies  nur,   dass  es  keine  Signa  der  Cohorten  giebt. 
•  Die  Fahnen  S.  23. 


86  V.  Domaszewski 

Jtem,    si   qui    ohitum   naturae    red(diderit),   acc{ipiet)  ?ier{€s)   ips(ius) 

sive  proc{urator)  denarios  Z>. 

Item,   quod  abom{inamur\    si  q{ui)   loc{um)  8u[um]  amis{ent)j  accipiet 

denarios  CGL. 

[T]t[e]m,  qui  arc{a)  8olut{i)   sunt  et  si  quis  de  iironib{us)   ah  liae  die 

satis  arcae  fec{erit)y  accipiet  quitquit  debet{ur). 

Lex  fact{a)  XI  kal{etulas)  Sep{tembres)  Plautiano  II  et  Geta  II  cos, 

[G]e[m]in[u']s  Antoninus  FHinus  Marcus. 
Die  Zahl  der  cornicines  ist  wohl  verständlich.  Die  erste  Cohorte 
zählte  5  Centurien  '*'),  alle  anderen  6  '*®).  Dieser  Zahl  der  Centurien 
entsprechen  die  cornicines,  wenn  für  die  Gohorten  mit  Ansnahme  der 
ersten  die  alte  Vereinigung  zweier  Centurien  unter  einer  Fahne,  der 
manipulns  ^^®)  noch  bestand.  Dann  sind  32  cornicines  milites  und  3 
equites.     Die  Legionsreiterei  hatte  aber  drei  vexilla'^®). 

11)  Die  armaturae.     Vgl.  No.  44.  45. 

12)  Die  armorum  custodes.     Vgl.  No    113. 

13)  Die  mensores. 

183  =  CIL.  in  10976  —  Brigetio  —  Genio  Mem[or(um)\  [lelg^iünis) 
I  adi{utricis). 

14)  Das  Spitalpersonal. 

184  =  CIL.  VIII  2553  —  Lambaesis  —  Imp{eratoribus)  Caes{artbu8)  L. 
Septimio  [Severo  Pio  Pertinaci  Aug{u4it6)  et  M.'\  Aurelio  Antonino  P[io 
Aug(usto)  et  L.  Septimio  Getae  Caes(art)  Aug{u8to)]  et  luliae  Aug{ustue) 
matri  Aug{ustorum)  et  [castrorum  dedicante  Q.  Anicio]  Fausio  co{n)s{ule) 
ampl{iorem)  ex  largilssimis)  stipendiis  quae  in]  eos  conferunt  fecerunt 
optiones  üalet[udinarii  medici  cajjsarit]  pequari  librarius  et  discentes 
capsasio[rum  et  librari?  ob  quam  so]lemnitatem  decreverunt  universi  arca 
u[t  fiat  ex  qua  veterani  qui  ex]  eodem  collegio  dimittentur  anulari 
n{omine)  sing[uli  ncdpiant  kal.  inn.  (sesterium)  .  .  mil{ia)  n(ummum)] 
item  discentibus  proport{ione)  scamnari  sui  (sestertium)  (miUe)  n{ummum) 
[.swa  die  quaestor  adnumerare  cur{abit)]. 

Die  Ergänzungen  beruhen  auf  Dig.  50,  6,  7,  wo  unter  den  im- 
munes genannt  werden  optiones  valetudinarii  medici  capsarii  und  später 
librari  qui  docere  possunt. 

Die  capsarii  können  nur  nach  der  capsa  heissen;  sie  sind  also 
die  Lazarethgehilfen,  die  in  ihrer  capsa  Verbandzeug,  Schienen  u.  dgl. 
tragen.     Die   discentes   capsariorum   sind  Rekruten,    welche   ihnen   zur 


M')  CIL.  VIII  18072. 
"«)  CIL.  m  6580. 
"•)  Vgl.  die  Fahnen  S.  22. 
«0)  Vgl.  No.  189, 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  87 

Aosbildang  beigegeben  sind.  Die  Tierärzte  fehlen  in  der  Inschrift  ganz. 
Und  doch  hat  das  Veterinarinm  im  Lager  bestanden  und  zwar  in  enger 
Verknapfang  mit  dem  Yaletudinarinm^^^).  Ich  erkenne  deshalb  in  den 
pequarii,  deren  Bedeatnng  ganz  unbekannt  ist'^^,  die  Tierärzte. 

15)  Die  eqaites  legionis. 

185  =  CIL.  VIII  2550  —  Lambaesis  —  Impieratori)  (Jaes{ari)  dici  M, 
Änionini  G€r(tnanwi)  Sar(trMtici)  fil{io)  diri  Commodi  fratri  dici  Pii 
Antonini  ne2){otis)  divi  Hadriani  pronep{oti)  dici  Traiani  Parthici 
abniepoti)  diri  Nerme  adn{epott)  L.  SepHmio  Severo  Pio  Pertinaci 
Aug{iisto)  Arahico  Adidbenico  Parthico  p{ontiflci)  m(aximo)  trib{unicia) 
potestate  VI  imp{eraton)  XI  co{n)s{uli)  II  patri  patriae  proco{n)s{uli) 
et  imp{eratori)  Caeft{ari)  M.  Aurelio  Apiton[ino  A]ug{u8to)  L.  Septimi 
Sereri  Pii  Pertinacis  Aug(mti)  w(o»/rt)  ßio  et  [L.  Septimio  Getae 
Caeif{ari)]  L.  Septimi  Severi  Pii  Pertinticis  Aug{u8tt)  n(08tri)  filio  Imp{€' 
ratoris)  Cae8{aris)  M.  Aureli  Antdnini  [frat{rt)'\  ei  luliae  Domnae 
Augustae  tnatri  castrorum  dedicante  Q.  Anicio  Faiisto  leg{ato)  Aug{u8to- 
rum)  pro  pr(aetore)  c{larissimo)  r(iro)  co{n)s{ul€)  desig{nato)  eq{uites) 
leg(ionis)  III  Aug(ustae)  p{iae)  v{indicui), 

186  =  CIL  II  2663  —  Leon  —  Imp(eratori)  Caesiart)  M.  Aurel{io)  An- 
tonino  Pio  felici  Aug{u8to)  Parthic{o)  max{imo)  Brit{annieo)  niax(inio) 
pontif[iei)  »nax{imo)  trib{unicia)  pot{eHtate)  XVIIII  co{n)s{tUi)  IUI 
imp{eratori)  III  p(atri)  p(atriae)  proc{onsüli)  equites  in  his  actarius 
leg{ionis)  VII  Gem{inae)  Antioninianae)  p{iae)  tel{icis)  decoti  numini 
tnaiestatique  eiiis  dedivat{um)  VII  K,  Od,  Cattio  Sahino  II  et  Cor- 
(nelio)  Anullino  cos,    a.  216. 


''^)  Hygin.  Kap.  4  und  meine  Erläuterung  S.  47  und  56.  Der  Train 
ist  im  Marschlager  eingeschoben,  weil  die  fabrica,  die  Feldschmiede,  mit 
dem  Tierspital  verbunden  ist.  Der  Lärm,  den  sie  verursacht,  stört  die 
Kranken  des  valetudinariums.  Im  Standlager  existiert  keine  Schmiede.  Die 
Waffen  filr  die  Truppen  kamen  normal  aus  dem  Zeughaus  in  Rom.  Tacitus 
bist.  1,  38  aperiri  dcinde  armamentarium  iussit.  rapta  statim  arma,  sine  more 
et  ordine  militiae,  ut  praetorianus  aut  legionarius  insignibus  suis  distingueretur : 
miscentur  auxiliaribns  galeis  scutisque.  Das  Zeughaus  in  Bom  enthielt 
also  Waffen  für  alle  Truppengattungen.  Es  beruht  dies  auf  den  Einrich- 
tungen der  Republik,  die  nur  armamentaria  publica  in  Rom  kennt  (Cicero 
Rab.  perd.  7,  20),  weil  das  Heer  dem  Prinzip  nach  kein  stehendes  ist  und 
keine  Standlager  hat,  so  dass  noch  Caesar  die  Zeughäuser  der  macedonischen 
Könige  in  Demetrias  (Plutarch  Brut.  25)  benützte.  Es  fehlen  daher  den 
Truppen  auch  in  der  Kaiserzeit,  als  die  Standlager  armamentaria  erhielten 
(Brambach  6.  CIL.  YII  446),  die  Chargen,  welche  sich  auf  die  Erzeugung 
der  Waffen  beziehen.      Vgl.  Korrbl.  XI  p.  230. 

3'^)  Die  geläufige  Beziehung  auf  die  prata  legionis  beruht  nur  auf 
einer  falschen  Auffassung  dieses  Begriffes.    Vgl.  S.  100. 


88  V.  Domaszewski. 

187  =  CIL.  VIII  2593  —  Lambaesis  —  A€l{ius)  Semrus  eq{ue8)  leg{ianiji) 
III  Aug{u8tae)  {centuri^)  Iul(i)  Candüli  explkitus  desiderio  animo.sui 
arani  quam  vocerat  Fortunae  Aug{usti)  T)ibens)  a{nimo)  reddidit  eamque 
dedic{avit). 

Es  ist  ein  offizieller  Altar,  weil  der  eques  seine  Centuria  nennt  ^^^). 

188  =  Brambach  390  —  incerta  —  HercuU  lamtarinius  Moderat{us)  cot- 
{legio)  eq{uitum  d(ono)  d{edii). 

Die  Beziehung  auf  die  Legionsreiterei  ist  nicht  sicher,  weil  die- 
selbe Einrichtung  bei  der  Auxiliarcohorte  bestand.     Vgl.  Nr.   133. 

Aus  dem  Heiligtum  der  equites  legionis  III  Augnstae  stammt  auch 
die  Liste: 

189  =  CIL.  VIII  2562:  An  der  Spitze  fehlen  2  Chargen.  Eine  war  auf  das 
Gesimse  gesetzt,  also  als  die  höchste  bezeichnet.  Es  ist  vielleicht  der 
Optio  equitum  '**).  Die  3.  und  die  4.  sind  vexülarii  [eq{uitum)]  ^**).  Dem- 
nach wird  auch  die  2.  ein  texillarim  equitum  gewesen  sein.  Dann  folgen 
t€88{erarius)  [€q{uitum)]  viagiister)  'k{ampi?)  Jiaiit(ilariu^)^^^)  cur{ator) 
8co{lae).  Ausser  den  principales  sind  nur  41  milites  genannt,  das  ist 
für  drei  oder  auch  nur  für  zwei  vexilla  viel  zu  wenig,  so  dass  also  die 
Liste  auf  einer  zweiten  pila  weiterging. 

Dennoch  kann  die  Zahl  der  Legionsreiter  nicht  sehr  gross  ge- 
wesen sein,  sie  war  vielleicht  so  gross  wie  zur  Zeit  Neros  ^^'). 

B.  J.  3,  6,  2:  Mey  oög  auTig  (Vespasian  der  Armeecomman- 
dant) T0U(S  xe  JTTtXIxToug  Töv  Tis^öv  xaE  fTCTcecüv  (=  equites  et  pedites 
singulares)  xal  loug  Xoyxo^^poug  ^*')  l^wv.  zIkzzo  5e  aux^)  zh  TStov  xou 


36S)  Ygi  darüber  Arch.  epigr.  Mitt.  X  S.  36.  Nur  einmal  kehrt  dies 
wieder  CIL.  III  11239,  weil  die  Inschrift  dem  1.  Jahrhundert  angehört,  als 
die  Grabsteine  noch  den  Inhalt  der  latercula  militum  genau  wiedergaben. 
Die  Fahnen  S.  21. 

«*)  Vgl.  CIL.  VIII  2568,  18. 

''*)  In  der  Legion  haben  nur  die  equites  vexilla  CIL.  16549  (vor 
Uadrian),  Verhandlungen  der  42.  Philologenversammlung  S.  239,  Die  Fahnen 
S.  26. 

^^*)  Die  Bezeichnung  hast,  gilt  auch  für  die  4  folgenden  Namen,  so 
dass  also  5  hastilarii  anzusetzen  sind.  Wie  die  Zeugnisse  liegen,  ist  es  wahr- 
scheinlich, dass  Vespasian  diese  Reiter  abgeschafft  und  Hadrian  wieder  ein- 
geführt hat.     Meine  Ausgabe  des  Hygin.  S.  70. 

^^^)  Das  heisst  die  Leute  sind  mit  lanceae  ausgerüstet  und  gehören 
zum  Stabe  des  Armeecommandanten.  Da  unter  den  Praetorianem  die  specu- 
latores  allein  lanceae  führen,  so  sind  die  l.oyxoq)6^ot  die  speculatores  des 
Statthalters.  Sie  sind  die  Leibwächter  aus  der  Bürgertruppe  wie  die  equites 
singulares  aus  den  auxilia.  Die  Einrichtung  geht  auf  die  Republik  zurück 
bell.  Afr.  37,  1  speculatores  apparitoresque  omnes  ut  sibi  praesto  essent.  Im 
Heer  des  Antonius  bilden  sie  eine  Cohorte,  Die  Fahnen  S.  75.    Schon  im 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  89 

Tflcyiiaxo^  [TCTitxöv  etxoa:  Tzpb<;  TOtg  ^xax&v  liznelq.  Vespasian  ver- 
wendete also  die  Legionsreiterei  als  Stabskavallerie.  Dies  wird  ihre 
eigentliche  Bestimmung  sein,  zunäclist  beim  Commandanten  der  Legion. 
Dieser  General,  der  in  der  Organisation  des  römischen  Heeres  unseren 
Divisionsgeneralen  verglichen  werden  darf,  besitzt  keine  singulares,  also 
dem  Anscheine  nach  keine  Stabscavalleiie.  Die  Realität  militärischer 
Verhältnisse  zeigt  aber,  dass  er  ohne  solche  den  mannigfachen  Aufgaben 
seiner  Stellung  gar  nicht  gerecht  werden  kann.  Die  Schi  ach  tencavallerie 
der  alae  und  equites  singulares  des  Kaisers  hat  als  taktische  Chargen 
decuriones,  duplicarii  und  sesquiplicarii  und  als  Träger  der  Tarmafah- 
nen  signiferi.  All  das  fehlt  den  Legionsreitern.  Sie  stehen  im  Stande 
der  Centurien  und  demgemäss  haben  sie  als  Fahnen  vexilla,  die  Fahnen 
detachierter  Truppen.  Wenn  man  sie  als  Stabscavallerie  fasst,  so  erklärt 
sich  die  geringe  Zahl  der  Reiter  und  überhaupt  ihre  Existenz.  Ver- 
wendbar zur  Attaque  sind  sie  trotzdem  und  wurden  wenigstens  unter 
Tiherius,  wenn  notwendig,  eingesetzt. 

Die  Bedeutung  der  scholae  als  Cultgebäude  ist  klar  ausgesprochen 
in  der  Weihung  durch  die  Statthalter.  Deshalb  werden  sie  auch  immer 
von  den  Soldaten  aus  eigenen  Mitteln  errichtet.  Welchen  Charakter 
dieser  Cult  des  Lagers  unter  Septimius  Severus  trug,  bezeugen  die  In- 
schriften nicht  minder  klar.  Die  Namen  der  Kaiser  stehen  auf  den 
erhaltenen  Epistylbalken  im  Dativ  ^^**),  sie  sind  also  die  Gottheiten  der 
Schola  und  gehen  deshalb  den  unsterblichen  Göttern  voran  ^^^j.  Die 
Gebäude  sind  tempelartig  und  die  Nische  bildet  nur  die  Rückwand  ^^^). 
In  diesem  Tempel  stehen  die  statuae  und  imagines,  d.  h.  Geniusstatuen 
und  die  Medaillons  der  kaiserlichen  Familie  ^^'),  die  Bilder  der  dii  con- 
servatores '^^)   mit  ihren  Altären '^^).     Wie   der  Bau  tectonisch  ausge- 


Heere  des  Polj'bius  stehen  nebeneinauder  6,  31,  2  oi  tcov  tndiKTcov  Innimv 
ilxoltHTOi  -Aai  Tivfg  rav  iO'elotrcrjv  atgctTtvofitvav  rfi  rav  vnuvmv  ;p«pirt 
Erstere  sind  die  aus  den  extraordinarii,  also  den  auxilia,  abkommandierten 
singulares,  letztere  Legionare,  über  deren  Benennung  wir  nichts  wissen,  weil 
die  Geschichtserzählung  in  lateinischer  Sprache  für  diese  Zeit  keine  tech- 
nische Korrektheit  besitzt. 

«»)  No.  177.  178.  181.  184.  185. 

»w)  No.  180. 

'*<*)  Erhalten  nur  180.  Die  eigentliche  Bauinschrift  stand  über  der  Thur 
dieses  Tempels  und  lautet  ähnlich  wie  bei  den  in  Anm.  358  aufgezählten  Fällen. 

»")  No.  180  und  173.  176.  179.  186. 

««2)  N0.3I8O. 

»«)  No.  36.  37.  43.  44.  45.  46.  73.  113.  170.  175.  187.  188. 


90  V.  Domaszeweki 

fahrt  war,  Hesse  sich  nur  durch  ein  Studium  der  Überreste  in  Lambaesis 
feststellen.  £s  hing  von  den  Mitteln  der  einem  Collegium  angehörenden 
Soldaten  ab  und  der  Zahl  und  der  Bedeutung  der  principales,  so  dass 
nur  die  allgemeine  Anlage  einheitlich  gewesen  sein  wird. 

Die  arcae  haben  mit  dem  Collegium  als  solchem  und  der  Religion 
des  Lagers  nichts  zu  thun.  Alle  Zwecke,  denen  sie  dienen,  sind  profan. 
Errichtet  werden  diese  arcae  aus  Anlass  der  Einweihung  der  neuge- 
bauten oder  umgebauten  Scholae.  Dass  sie  an  das  Heiligtum  anknQpfen, 
haben  sie  mit  der  gemeinsamen  Sparkasse  aller  milites  ad  signa  ge- 
mein. Die  Zugehörigkeit  zu  der  Kasse  ist  durch  die  Zugehörigkeit  zum 
Collegium  bedingt  und  erlischt  durch  den  Tod  des  Mitgliedes,  Entlassung, 
sei  es  honesta  missio  oder  ignominiosa,  endlich  durch  Avancement,  weil 
das  Mitglied  notwendig  in  ein  anderes  Collegium  übertritt.  Diese  Kassen 
haben  auch  mit  dem  militärischen  Dienste  nichts  zu  thun,  so  wenig  wie 
die  Kasse  ad  signa.  Denn  der  Austritt  ist  auch  demjenigen  Mitglied 
gestattet,  das  in  dem  Collegium  verbleibt.  No.  182  am  Schlüsse: 
Item  qui  arca  soluti  sunt  et  si  quis  de  tironibus  ab  hoc  die  scUis  arcae 
fecerit,  accipiei  quitquit  dehetur. 

Die  Scholae  der  Auxilia. 
Auch  bei  den  Auxilia  bestand  diese  Einrichtung. 

1)  Decuriones.     Vgl.  No.  149.  150. 

190  =  CIL.  lil  7626  —  Alsö-Ilosvae  —  P.  Äel{ias)  Patt/m[w>  templ{um) 
instituit  pro  sc  suor[u]mque  salute  Genio  sancto  scolae  decurionum  (der 
ala  I  Frontoniana). 

2)  Centuriones 

19t  =  CIL.  1117631  —  Alsö-Kosäly  —  [Ge]nio  s[co]l€8  ordhiatorum  mce{ura' 
(jeniihus)  L.  Cilio  [Ä]eliano  et  [T]ib{erio)  Aurel{io)  Bo  .  .  .  principibus 
po8{u€runt). 

Diese  Scholae  beweisen,  dass  Centuriones  und  decuriones  der 
Peregrinen-Truppen  principales  sind^^*). 

3)  optiones. 

192  =  Bonn.  Jahrb.  46,  112:  Genio  opiionum  coh{orti8  III)  Aquitanorum. 

4)  equites  der  Cohortes  equitatae.     Vgl.  No.  133.    188. 

5)  aeneatores.     Vgl.  No.  36. 


«**)  Hygin.  C.  16.  Beide  Chargen  werden  regelmässig  aus  den  Sol- 
daten der  Auxilia  selbst  besetzt,  Arch.  epigr.  Mitt.  X  S.  29  Anm.  1.  Der 
Unterschied  zwischen  milites  und  Centuriones  als  Offiziere,  in  unserem  Sinne 
gefasst,  hat  erst  die  Kaiserzeit  herausgebildet ;  zu  dieser  Art  Centurionat  ist 
nur  der  römische  Bürger  berechtigt. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  91 

6}  Die  duplicarii  eines  numerus. 

193  =  CIL,  VII  1037  —  Bremenium  —  D{€ae)  }{{omae)  s(acrUM)  dupliicarif) 
n(amen)  exploratorum  Brefnen(ietmum)  aram  instituerunt  n{umhii)  eius 
(\  Va€p{io)  (liaritino  trib{uno)  r.  «.  /.  m. 

Die  Einrichtung  gilt  also  fQr  alle  Chargen  der  Auxilia.  Sie  findet 
sich  in  gleicher  Weise  bei  den  hauptstädtischen  Truppen. 

Scholae  der  Praetorianer. 
Schola  specnlatorum. 

194  =  CIL.  VI  215  —  Rom  —  rejc{ill<iHus)  L.  Locer(iua)  L,  (fHiun) 
Sabina  Coivftitutus  Volaterra,  opt(io)  C.  lulius  (\  f{ilius)  (ktm{ilia)  Pri- 
minwf  Raremia  fac{tus)  (centurio)  scolam  ,c€tu,state  corruptam  pecunia 
Xntblica  restituemlum  [curarunt  ii]€m  ae^k'u(\am  de  suo  marmore  ador- 
narerunt 

Schon  Kellermann  hat  erkannt,  dass  diese  Inschrift  wegen  des 
Fundortes  sich  auf  Praetorianer  beziehen  mflsse.  Der  Yexillarius  be«- 
zeichnet  eine  Reitertruppe.  Um  diese  Truppe  selbst  zu  bestimmen,  ist 
es  notwendig,  das  Avancementsgesetz  der  Praetorianer  zu  erörtern.  Auch 
hier  gilt  wie  bei  allen  Truppen,  dass  das  Avancement  zu  den  Principales, 
die  an  Rang  über  den  signifer  stehen,  nie  vom  gregarius  ausgehen 
kann,  sondern  stets  die  Bekleidung  einer  der  drei  taktischen  Chargen : 
tesserarius,  optio,  signifer  voraussetzt'^^).  Ausnahmsweise  kann  eine 
der  taktischen  Chargen  sofort  zum  evocatus  vorrücken*®**").  Die  princi- 
pales, welche  an  Rang  über  diesen  Chargen  stehen,  das  Officium  des 
praefectus  praetorio  und  des  cornicularius  tribuni  werden  nach  der  Dienst- 
ordnung notwendig  evocati'®^),  ebenso  wie  der  höchste  aller  principales 
der  cornicularius  praefecti  praetorio  notwendig  centurio  wird.  Der  optio 
equitam  steht  aber  an  Rang  den  taktischen  Chargen  gleich,  auch  er  ist 
durch  eine  Zwischenstufe  von  der  evocatio  getrennt'®^).  Demnach  ist 
No.   194  kein  optio  equitum  gemeint. 

Innerhalb  der  Centurien   der  Praetorianer  stehen'®*),    obwohl  sie 


"»)  CIL.  II  2610;  III  2887.  7334;  VI  2454.  2794.  3661;  IX  1609; 
X  1763.    Wüm.  1598. 

»««)  CIL.  V  7160;  VI  2578.  Deshalb  ist  in  den  Veteranenlisten  an- 
gemerkt, dass  diese  evocati  ex  signifero  sind  CIL.  VI  2379a  2,  21;  5,  51. 

'•^)  unter  den  Inschriften  der  Veteranen  der  Praetorianer  fehlen  sie 
aus  diesem  Grunde  ebenso  wie  in  den  Entlassungslisten  (vgl.  über  diese  Bor- 
mann, £ph.  ep.  IV  p.  317  ff.),  wo  sie  in  dem  einfachen  evocatus  enthalten  sind. 

»•»)  CIL.  VI  2440. 

"')  Vgl.  besonders  die  Entlassungslisten. 


92  y-  Domaszewaki 

eine  selbständige  Truppe  bilden  ^'^),  die  Speculatores.  Der  einfache 
speculator  steht  an  Rang  bereits  den  taktischen  Chargen  gleich^'*);  der 
Centurio  der  specalatores  steht  an  Rang  über  dem  centurio  praetoria- 
nus^^*).  Schon  dieses  Rangverhältnis  beweisst,  dass  sie  die  Elite  der 
Kaisergarde  bilden  ^^^).  Dies  bestätigt  Tacitus  bist.  2,  11:  Ipsum 
Othonem  coniitabantur  speculatorum  lecta  corpora  cum  ceieris  praetariis 
cohortibus.  Der  Ausdruck  ist  wie  immer  bei  Tacitus  mit  voller  Prägnanz 
gewählt.  Sie  umgeben  den  Kaiser  auf  der  Reise,  Sneton,  Galba  18 : 
descendentem  speculator  impulsu  turbae  Imicea  prope  vulneravit  und 
selbst  beim  Mahle,  Sueton,  Claud.  35:  neque  convivia  inirc  ausus  est 
nisi  ut  speculatores  cum  lanceis  circumstarent.  Sie  sind,  da  sie  den 
Kaiser  im  Felde  schützen,  beritten,  Tacit.  bist.  2,  33:  cum  ipso  prae- 
tariarum  cohortium  et  speculatorum  equitunupie  valida  fnanus^^^),  Sie 
haben  eine  eigentümliche  Bewaffnung  ^^^j,  welche  auf  einem  Relief  des 
Kaisers  Marcus  dargestellt  ist^^^).  Über  ihre  Organisation  wissen  wir 
ausser  der  Einteilung  in  die  Gehörtes  praetoriae,  dass  sie  zur  Zeit  von 
Galbas  Ermordung  24  in  einer  Cohorte  standen ''^^^),  also  im  ganzen 
Praetorium   an  die   300^'®).      Nun    führt   der   rangshöchste   der   Cen- 


"0)  CIL.  III  p.  1960.     Dipl.  XII. 

3")  CIL.  VI  2755  und  Orelli  3206. 

»")  CIL.  X  6674. 
,   ^'^^)  Deshalb  schickt  der  Narr  Caligula  seine  Sicgesbulletins  unter  ihrer 
Bedeckung  nach  Rom,  als  wäre  es  seine  eigene  Person,  Sueton  Cal.  44. 

»'*)  CIL.  IX  395  (unter  Nero). 

^")  Sueton  Caligula  52  specidatoria  caliga,  TertuUian  de  Corona  1 
speculatoriam  morosisshnam  de  pedibns  absotcü,  d.  h.  sie  ist  durch  ein  compli- 
ziertes  Flechtwerk  von  der  gewöhnlichen  caliga  verschieden.  Über  die  lancea 
vgl.  die  Stellen  im  Texte  und  Anm.  376. 

"«)  Die  Fahnen  S.  78  Fig.  96.  Der  Fusssoldat  vor  dem  Kaiser  ist 
ein  speculator,  weil  er  eine  lancea  trägt.  Zu  Pferde  hätte  er  den  Kaiser 
verdeckt  und  soll  doch  nur  seine  Leibwache  andeuten,  die  unentbehrlich  ist, 
weil  auch  diese  Scene  in  praetorio  spielt. 

''*)  Otho  gewann  die  speculatores  (Tacit.  h.  1,  25),  23  speculatores 
erwarten  ihn  am  miliarium  aureum  (Tacit.  bist  1,  27)  und  bringen  ihn  ins 
Lager,  einer  kehrt  in  den  Palast  zurück,  um  die  falsche  Nachricht  zu  bringen 
(Tacit.  bist.  1,  35).  Von  der  Cohorte,  die  die  Wache  hatte  (1,  31),  heisst  es 
dilapsis  speculatoribus  cetera  cohors,  also  standen  in  der  Cohorte  24  specu- 
latores. Wie  diese  principales  es  wagen  uud  durchsetzen  konnten,  einen 
neuen  Kaiser  zu  machen,  wird  erst  durch  ihre  Bedeutimg  als  Elite  der  Kaiser- 
garde historisch  verständlich. 

*^*)  Das  Praetorium  zählte  12  Cohorten,  also  288  speculatores,  oder, 
da  es  wohl  eine  runde  Zahl  gewesen  ist,  300. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  Q*i 

turionen  des  Praetoriums  den  Titel  trecenarius.  Dieser  Titel  kann,  wie 
Mommsen  bemerkt  hat^^^),  nicht  eine  Gehaltsstufe  bezeichnen,  sondern 
wird  von  der  Stärke  der  Abteilung  genommen  sein,  welche  dieser  Cen- 
tario  befehligte  ^^^).  Ich  glaube  deshalb,  dass  der  trecenarius  die 
300  specnlatores  des  Praetoriums  befehligte  und  deshalb  unter  den 
Centarionen  des  Praetoriums  dem  Range  nach  am  höchsten  steht. 
Daraus  erklärt  sich  wieder,  warum  der  trecenarius  an  keine  bestimmte 
Cohorte  gebunden  ist;  er  war  wie  die  specnlatores  dem  Stande  einer 
Cohorte  nur  zugeteilt. 

Die  Inschrift  No.  194  kann  demnach  nur  die  Bauinschrift  an 
der  inneren  Aedicula  der  Schola  der  specnlatores  sein.  Dann  ist  der 
Texillarius.  der  auf  die  Stabscavallerie  allein  passt,  verständlich  und 
ebenso  der  optio,   den  Tacitus   wie  auch    einen  tesserarius  bezeugt^®*). 

Dem  zweiten  Bestandteil  der  Kaisergarde,  den  equites  singulares, 
kann  ein  solches  Elitecorps  nicht  gefehlt  haben  Ich  glaube,  sie  hiessen 
hastilarii.  In  einer  Turma  dienten  drei  dieser  principales  (No.  90), 
was  auf  eine  sehr  grosse  Zahl  schliessen  lässt.  Auch  bei  den  equites 
singulares  finden  wir  den  vexillarius  (No.  91)^®'),  ganz  entsprechend 
dem  vexillarius  der  specnlatores  Die  Schlachtcavallerie  der  alae  und 
der  equites  singulares  ist  mit  Wurflanzen  bewaffnet,  wie  ihre  Grabreliefs 
zeigen.  Deshalb  glaube  ich,  dass  die  hastilarii  nach  der  hasta  heissen, 
mit  denen  sie  als  Stabscavallerie  ausgerüstet  waren,  wie  die  specnlatores 
mit  lanceae. 


•^•)  Ephemeris  Epigr.  IV  242  ff.  hat  Mommsen  die  Inschriften  der 
trecenarii  zusammengestellt  und  im  Wesentlichen  richtig  erläutert. 

•••)  Der  Centurio  speculatorum  auf  der  Inschrift  CIL.  X  6674  ist  ein 
von  Nero  nach  Antium  deducierter  Veteran.  Unter  diesem  Kaiser  findet  sich 
das  erste  Beispiel  des  trecenarius  (Mommsen  No.  80),  während  der  centurio 
speculatorum  später  nicht  mehr  existiert.  Nero  wird  die  Zahl  der  Leib- 
wächter vermehrt  und  dem  entsprechend  den  Titel  neu  geprägt  haben. 

*•*)  Tacit.  bist.  1,  25:  Barbium  tesserarium  speculatorum  et  Veturium 
optionem  eorundem.  .  Plut.  Galba  24  iv  rovroig  Ovstovqios  xorl  Bugßiogj  6  gilv 
oxriatVy  6  81  xfaaeQUQiog-  ovroi  yuQ  xalouvrai  oi  öiayytlcav  xai  öiOTtT'qiftov  vm- 
QTiatag  tBlovvTfs.  Ich  kann  bierin  nur  eine  schlechte  Übersetzung  von  tessera- 
rius und  optio  erkennen  und  nicht  von  specnlatores,  von  denen  Flutarch  gar 
nicht  spricht. 

»»•)  CIL.  VI  n.  3239.  3253.  Es  wird  auch  kein  Zufall  sein,  dass  die 
hastilarii  und  der  vexillarius  die  beiden  hervorragenden  Siegesdenkmäler 
No.  90  und  91  gesetzt  haben.  Vgl.  die  hastilarii  der  equites  Icgionis  oben 
S.  88  Anm.  356. 


94  V.  Domaszewski 

Aber  beide  Elitereitereien  wurden  am  die  Mitte  des  dritten  Jahr- 
hunderts ersetzt  durch  die  tectores. 

Über  die  tectores  der  Praetorianer  vgl.  No.  87. 
Die  tectores  der  equitfs  singulares  nennt  *^^) 

19Ö  =  Dessau,  inscr.  select.  2190:  pro  salute  eqfuitum)  RingCidarium)  Genio 

ttinnes  Herciüi  sancto  Aur(eUus)  Hennogenes  et   ,  ,  .  iliu^  Sahinua  et 

AurfeliusJ   Mciximianus  teclflores  nfutnerij  sfupraj  s(cripti)  [tfurmnej] 

Maximi  ejc  votum  tu[r]maHbiis  hene  iner[en]ies  animo  pleno  posuerunt 

columna  et  lucerna  aenea  Decio  Aug(usto)  II  et  Grato  cos.    a.  250. 

Die  Zahl   der  tectores   ist   genau   dieselbe  wie   die  der  hastilarii 

No.  90  und  die  Art  der  Weihgeschenke  die  gleiche.     Deshalb  vermute 

ich    das  Eintreten    der   einen  Truppe   fttr   die   andere.     In   eben  jener 

Zeit  verpflichteten   sich  die  Stabsoffiziere  und  Generale'*^*),    das  Leben 

des  Kaisers,  der  in  Mitte  seines  Heeres  oft  am  meisten  gefohrdet  war, 

mit  ihrem  Leibe   zu  schützen,    was   in    der  Verleihung   des  Titels   pro- 

tector  divini  lateris  zum  Ausdruck  kommt.    Derselbe  Gedanke  hat  auch 

die  Umtaufe  der  Leibwächter  des  Kaisers  veranlasst. 

Scholae  der  cohortes  urbanae. 

Auch  hier  ist  nur  ein  Zeugnis  erhalten. 

196  =  CIL.  VI  218  —  Rom  —  milites  cohfortisj  XII  urhCanaeJ  A.  Apo- 
nius  Sahinianus  Tuder  fcenturiaj  Veri  stipfendiorumj  XVIII  C.  Au- 
relim  Alexander  Dyrr(achio)  fcenturiaj  Trebi  stipfetidiorumj  XVIIII 
L.  Aelius  Donatus  Bener (enti)  fcenturiaj  Trebi  stipfendiorumj  XIII 
imugines  domin[o]rum  nfostrorumj  et  aediciäam  et  aram  de  suo  feceruni 
dedicaverunt  VII  Kai  Octohr.  duofbusj  AugfustiaJ  Severo  III  et  Anto- 
nino  Pio  cos,    a.  202. 

Auf  der  Rückseite 

T.  Tussatiius  [Restijtutus  Tuder  t[mafginiferj  cohfortisj]  XII  urbfanaej 
fcenturiaj  Vernas[i  aedicu]lam  vetustate  i'lexatam  ad]plicfajtis  columni[s 
et  renovatis]    ornamentis   cum   [imagfinej   dfominij    nfostrij    et]    signo 

Victoriae  et una  cum  Frimitir[o  AugfustiJ]  nfostrij  verna  pedi- 

seq[uo]  .  .  .  Abigei?  fecferuntj. 
Da  die  immunes  kein  Collegium  bilden  können,  so  ist  die  Von 
Henzen  vorgeschlagene  Ergänzung  imaginifer  die  einzig  mögliche.  Sie 
bestätigt  die  Dreizahl  der  Soldaten,  welche  das  Heiligtum  ursprünglich 
gestiftet  haben.  Denn  nur  diese  principales  existieren  unter  Septimius 
Severus  notwendig,  den  drei  Augusti  entsprechend,  in  der  DreizahP*^'*). 


"»)  Auch  CIL.  VI  n.  3261  ist  [te]c(tor)  zu  ergänzen. 

"*)  Vgl.  meine  Bemerkungen  Marquardt,  Staats v.  IP  S.  610. 

S8& 


')  Vgl.  die  Fahnen  S.  73. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  95 

Die  ganz  veränderte  Geltang,  welche  der  Kaisercnlt  anter  Sep- 
timias  Severas  im  Heere  gewonnen,  hat  in  jener  Zeit  lebhaften  Wider- 
spruch erfahren  und  zwar  von  Seiten  der  Christen.  TertuUianus  Schrift 
de  Corona  oder  der  Tractatus  tlber  den  christlichen  Soldaten,  wie  er 
Sein  soll,  ist  in  der  Absicht  geschrieben,  den  neuen  Götzendienst  zu 
bekämpfen.  Nach  Rhetorenart  beginnt  er  mit  einem  fingierten  Falle  ^^®). 
Ein  speculator  d.  h.  der  höchste  caligatus  im  Reiche,  bekennt  sich  beim 
Kaiseropfer'®')  als  Christ.  Der  Frevler  wird  vor  die  praefecti,  d.  h. 
die  praefecti  praetorio  gefahrt'®^;  das  letzte  Schicksal  des  Martyrs 
lässt  die  Schrift  im  Dunkeln,  indem  sie  die  Polemik  auf  Grund  der  Ex- 
position entfaltet  '®^.  Far  die  Geschichte  des  Heeres  ist  dies  doch  von 
Bedeutung,  weil  es  zeigt,  dass,  in  Afrika  wenigstens,  Christen  im  Heere 
dienten  und  zwar  solche,  welche  an  dem  neuen  Glauben  keinen  Anstoss 
nahmen.  Die  Regierung  konnte  Schriften  dieser  Art  nur  als  Aufreizung 
zur  Felonie  betrachten  und  man  begreift,  dass  der  Kaiser  gegen  die 
christlichen  Prediger  eingeschritten  ist. 

IV.  Nnmina  eastrornm. 

Der  Begriff  tritt  nur  einmal  auf,  vgl.  No.  70,  so  dass  seine 
Geltung  schwer  zu  bestimmen  ist.  Vor  et  numinibtis  stand  der  Name 
eines  Gottes.     Da  der  Stein  unter  Severus  Alexander   geschrieben   ist. 


***)  Oder  er  beruht  auf  einem  leeren  Gerüchte.  Die  Kaisergarde  be- 
stand unter  Septimius  Severus  aus  der  Elite  der  illyrischen  Legionen,  denen 
der  Kaiser  den  Thron  verdankte  (Marquardt,  Staatsv.  IP  479).  Aus  diesen 
10000  Kriegern  waren  300  als  speculatores  ausgewählt.  Dass  einer  von 
diesen  Christ  gewesen,  ist  so  unwahrscheinlich  wie  möglich  und  hätte  er  es 
wirklich,  gewagt,  bei  dem  grossen  Opfer,  das  sich  an  die  Liberalitas  anscbloss, 
dem  neuen  Kaisercult  der  Dynastie  offen  aufzusagen,  so  wäre  sein  Schicksal 
der  Tod  gewesen.  Statt  dessen  wandert  er  in  den  carcer  und  erwartet  seine 
Aburteilung,  die  zur  Zeit  der  Abfassung  der  Schrift  noch  nicht  erfolgt  war. 

**')  Das  Opfer  bezeichnet  das  Aufsetzen  des  Kranzes.  Eben  deshalb 
erinnern  die  Soldaten  in  den  Inschriften  der  scholae  an  die  liberalitates.  Es 
sind  militärische  Donative  und  keine  liberalitas,  wie  die  Münzen  sie  preisen. 

»*•)  Es  giebt  kein  anderes  Lager,  wo  die  praefecti  in  der  Mehrzahl 
existieren.  Der  Kaisercult  wurde  sofort  nach  der  Begründung  der  neuen 
Dynastie  eingeführt  (siehe  oben  S.  19  und  die  Inschriften  der  Scholae).  Die 
Schrift  fällt  also  vor  die  Zeit,  in  welcher  Plautianus  allein  Gardepraefect  ist. 
Vgl.  Hirschfeld,  Untersuchungen  S.  230. 

'«»)  Neugierige  Leute  hätten  damals  wie  heute  nach  dem  Namen  des 
Martyrs  fragen  können.  So  schweigt  die  Schrift  darüber  wie  über  alles,  was 
Zeit  und  Ort  deutlich  bezeichnen  würde. 


96  V.  Doroaszewski 

so  darf  man  den  Namen  eines  orientalischen  Gottes  erwarten  '^®)  Wenn 
aber  die  numina  zu  dem  unsterblichen  Gotte  im  Gegensatze  stehen,  so 
kann  man  darunter  auf  Grund  des  Altars  14  nur  die  Genii  der  Truppen 
und  die  signa  verstehen.  Schon  dem  Kaiser  wird  regelmässig  namen 
beigelegt  ^^')  und  ebenso  bezeichnet  Tacitus  die  aquilae  als  numina 
legionis  ^^*).  Aber  auch  die  auf  die  Truppe  bezogenen  Eigen schaftsbe- 
griffe  sind  nicht  dii,  sondern  numina,  vgl.  No.  14.  Denn  die  virtus 
der  Legion  steht  an  Rang  unter  dem  Genius. 

Als  gemeinsames  Attribut  führen  die  numina  castrorum  die  Mauer- 
krone'^'»), und  deshalb  ist  in  der  Figur  2  auf  Taf.  V,  deren  Haupt 
mit  der  Mauerkrone  geschmückt  ist  und  die  in  der  Hand  ein  vexillum 
tr&gt,  auf  welchem  5  Adler  sitzen,  als  virtus  quinque  legionum  zu 
fassen  »ö2b)      ygl.  S.  41. 

Dagegen  trägt  der  Genius  des  Kaisers  und  der  Genius  exercitus 
den  Modius^^^^).  Denn  ihre  Geltung  erstreckt  sich  auf  das  ganze  Heer 
des  Reiches,  es  sind  dii  militares'**'«^). 

Genius  legionis,  alae,  cohortis,  numeri. 

Der  eigentliche  Sitz  der  Verehrung  für  den  Genius  eines  Truppen- 
körpers ist  das  Fahnenheiligtum,  vgl.  No.  14.  23.  32  135  und  S.  66. 
Aber  sein  Geist  erfüllt  das  ganze  von  den  Truppen  bewohnte  Lager- 
Denn  er  ist  kein  Geist  einer  Örtlichkeit,  sondern  lebt  mit  jedem  Sol- 
daten, der  der  Truppe  angehört. 

So  wurde  er  auch  verehrt 

1)  im  Heiligtum  des  Exerzierplatzes,  vgl.  No.  94  und  S.  51. 

2)  in  den  scholae,  vgl.  No.  91.  169. 

3)  in  den  Heiligtümern  der  administrativen  Unterabteilungen  des 
Truppenkörpers. 


'^°)  Auch  er  wird  den  Beinamen  ^conservatori'  gefuhrt  haben  wie  No.  G6 ; 
es  ist  derselbe  Begriff,  der  in  der  Inschrift  180  wiederkehrt  und  bezeich- 
net die  Schutzgötter,  die  der  Kaiser  aus  dem  Pantheon  der  Spätzeit  sich  er- 
koren hat ;  ebenso  auf  den  Münzen  des  dritten  Jahrhunderts. 

'**)  numen  et  maiestas;  es  ist  die  göttliche  und  menschliche  Seite 
seiner  Gewalt.  Auf  den  Basen  der  Kaiserstatuen  ist  die  Formel  numini 
maiestatiquc  devotissima  stehend,  weil  sie  den  Genius  tragen. 

392)  T^c.  Ann.  2,  17. 

8ö2a)  Vgl.  Genius  centnriae  und  Bruce  Lapidarium  septentrionale  p.  400. 

892  b)  Die  Abbildung  ist  dem  Bogen  von  Benevent  entnommen.  Meo- 
martini  XVI  Petersen  röm.  Mitt.  1892  S.  252. 

«»«c)  Cohen  V«  p.  374.     VI«  p.  186  und  sonst. 

892  d)  Schon  unter  dem  Principate,  wie  die  Zusammenstellung  mit  den 
dii  militares  No.  135.  136.  137  beweist. 


bie  Religion  des  Römischen  Heeres.  9^ 

a)  der  Centnria 

197  =  CIL.  in  6577  —  Alexandria  —  Genio  sancto  legionis  et  commäntpu' 
lorum  bonorum  Q,  Caecilius  Kaletulinus  optio  posuit. 

Der  Genias  commanipolorom  bonorum  ist  der  Genius  Centuriae. 

b)  der  Turma 

Ein  sicheres  Zeugnis  fehlt,  aber  No.  103  kann  dort  gefunden  sein. 

4)  Im  Heiligtum  des  tabularium  principis. 

198  =  CIL.  m  6638  —  AeUa  Capitolina  —   .  .  .  .  Genio  ^^)  legfionisj  X 

FrCetensisJ  ....  Uns  Sabinus wa***)  princeps  [legCionisJ  e{\us- 

dem  d(ono)  d(edit). 

Der  princeps  ist  hier  in  derselben  Weise  genannt  wie  sonst  der 
primus  pilus  auf  den  Altären  des  Fahnenheiligtums.  Der  Princeps  ist 
der  Vorstand  des  Tabulariums  ***). 

5)  Im  Heiligtum  der  statio  des  beneficiarius  consularis,  der  den 
Aoxiliartruppen  zur  FQhrung  der  Verwaltung  beigegeben  ist. 

199  =  CIL.  III  10306  —  Intercisa  —  IfomJ  optimoj  mfaximoj  pro  sfalutej 
impferatoriftj  M.  Aur(eli)  Antonini  Pii  AugfmtiJ  et  Genio  cohfortisj 
(miliariae)  HemCesenorumJ  Antoniniatme  TL  ClfaudiwtJ  Procus  bfefiefi- 
ciarius)  cofnjHfularisJ  legfionisj  II  ad(iutricis)  pifaej  fidfelisj  Antoni- 
nianae  impferatorej  AntonfinoJ  IUI  et  CaelfioJ  BaihfinoJ  it(erum)  cos, 
a.  213. 

Das  ist  der  Cultaltar  der  statio  und  nicht  einer  jener  Gelflbde- 
steine,  wie  sie  die  beneficiarii  consularis  bei  ihrer  Ablösung  zu  setzen 
pflegten  **•),  weil  die  Votivformel  fehlt. 


*")  Die  Ergännzung  Reniers  ist  meines  Erachtens  völlig  sicher.  Denn 
der  Genius  des  tabulariums  —  an  den  man  auch  denken  könnte  —  wird  nie 
als  der  Genius  des  tabulariums  des  Truppenkörpers  bezeichnet,  weil  die  Be- 
ziehung auf  die  Truppe  durch  die  Lage  des  tabulariums  in  praetorio  von 
selbst  gegeben  ist. 

'*^)  Hier  steht  die  Origo,  also  eine  Stadt. 

*'*)  Der  Fundort  der  Inschrift  macht  es  in  hohem  Grade  wahrschein- 
lich, dass  das  Lager  der  X  Fretensis  sich  bis  auf  die  Terrasse  Ehankd  er- 
streckte. Bei  der  bedeutenden  Längenausdehnung  eines  Legionslagers  lässt 
sich  dies  mit  Josephus  B.  J.  VII,  1  leicht  vereinigen.  Lag  die  Front  des 
Lagers  gegen  den  Tempelberg,  den  es  beherrschen  sollte,  so  ist  das  Prae- 
torium auf  die  Terrasse  Khank^  anzusetzen  und  es  wird  wahrscheinlich,  dass 
das  Grab  des  Erlösers  auf  dem  Fahnenheiligtum  der  X  Fretensis  steht. 

'**)  Die  Altäre,  welche  Zeugnis  ablegen  für  die  stationes,  sind  als 
Yotivsteine  für  denselben  Ort  mehrfach  bezeugt.  Das  Datum  der  Weihung, 
welches  durch  das  ganze  Jahr  schwankt,  geht  demnach  auf  die  Ablösung. 
Ausdrücklich  sagen  dies  die  Altäre :  CIL.  Vlil,  17626  [I(ovi)]  o{ptitno)  m{aximo) 
[M]afti  Vit^pori]  dii[8]  i\u\vantibus  \^ge\moque  stationis  Vazcu[vi]tanae  .  .  Sa- 
turninus  [b(ene)f{iciarius)]  leg(ioni8)  III  Au[g{uHtae  ex]pleta  statione  promotus 

Wvttd.  ZeiUohr.  f.  Gesch.  n.  Kunst.   XIV,    I.  7 


98  V*  Domaszewski 

Die  YerweDduDg  der  beDeficiarii  consularis  im  Verwaltungsdienste 
hat  ein  Denkmal  ausser  Zweifel  gestellt.  Auf  diesem  sind  die  Amtsin- 
signien  des  principalis  dargestellt. 

200  =  CIL.  III  12895  —  Salona  —  DfisJ  MfanibusJ   Q,  AemüfioJ  Bufo 
bfeneficiarioj  cofnjsftdarinj  Aemih'a  Aphrodite  patrono. 

Rechts  die  Schreibmappe  mit  dem  Griffelkasten,  links  eine  Stange 
mit  Querholz  und  einem  Griff  zum  Herausziehen,  wie  bei  den  Signa; 
es  ist  die  Stange,  welche  die  statio  das  Bureau  bezeichnet.  An  dieser 
Stange  sind  2  —  mir  unverständliche  —  herzförmige  Gegenstände 
befestigt »»'). 

Diesem  Charakter  als  BCkreaubeamten  entspricht  die  Zuteilung  von 
Schnellschreibern. 

201  =  CIL.  VIII   17634  —  Vazaivi  — lianus  bfenejfficiariufij  [et] 

exceptores  [ex]pleta  staiione  cum  suis  omnibus  v.  s.  I.  a. 

Die  Stationen  der  beneficiarii  zerfallen  in  zwei  Gruppen,  von 
denen  eine  für  die  Verwaltung  der  Truppen  selbst  bestimmt  ist.  Sie 
sind  nachzuweisen  bei  den  Vexillationen  der  Legionen,  vgl.  No.  17, 
19  und  bei  den  Auxilia.  In  folgenden  Lagern  der  Auxilia  haben  sie 
sich  gefunden:  Dacia:  Also  Kosaly'^®),  Varmezö^'*),  Homrod-St.  Mar- 
ton*®^),  Veczel*^*),  Rakovitza-Kopaceni"').  Pannonia  inferior:  Teuto- 
burgium*®^),  Intercisa*®*).  Germania  superior :  Jagsthausen  ^"^),  Stock- 
stadt *ö«},  Seligenstadt*»^),  Cannstadt*»»),   Koengen*«»),  Böckingen  *»°), 


ad  [{centurionatiim)]  Ug{ionis)  II  lUüicae  v.  s.  l  m.  17628  exada  staiione, 
17634  expieta  statione  (==  N.  201).  Deshalb  wird  auch  unterschieden  CIL  III 
3949  iieiium)  8tat{ianem}  hab^ens);  VII  996  prima  statione,  Brambach  1575 
8tat{ione)  Oerata.  Die  Ablösung  erfolgt  also  in  festen  Terminen  wie  bei  den 
vexillationes. 

"0  Abgebildet  Bull.  Dalmat  15  tav.  I. 

»»«)  CIL.  III  823.  826.  827. 

»»»)  CiL.  m  7646. 

*oo)  CIL.  ni  7719. 

*oi)  CIL.  m  7859. 

<»»)  CIL  UI  unedierte  Inschrift 
.  *w)  CIL.  III  3270. 

*o*}  No.  199. 

*05)  Brambach  1617—1619;  Westd.  Zeitschrift  VI  p.  77. 

*••)  Bonn.  Jahrb.  82,  209. 

*ö»)  Brambach  1405. 

<o«)  Brambach  1574.  1576. 

*«»)  Korresp.  d.  Westd.  Zeitschr.  I  249. 

*»«)  Brambach  1588. 


l)ie  Religion  des  römischen  Öeeres.  Öd 

bei  GuDdelsheim*'*).  Germania  inferior*"»):  Aßciburgium*"^),  Dotten- 
dorf*"«),  Oberwinter *"^),  Remagen***).  Britannia:  Borcovicium*^*), 
Habitancium***). 

Der  Zufall  allein  hat  unsere  Kenntnis  hier  wie  immer  bestimmt. 
Nicht  die  Grösse  der  Lücken,  sondern  das  Vorkommen  entlang  dem 
Laufe  der  Grenzen  und  in  Obergermanien  auch  an  der  inneren  Linie 
der  Verteidigung  beweisen  fQr  die  Bestimmung,  um  es  modern  auszu- 
zadrQcken,  als  Bureaus  der  Armeeintendanz,  die  anderen  Stationen  liegen 
an  Punkten,  welche  fQr  den  Verkehr  auf  den  Reichsstrassen  wichtig 
sind*»^). 

Für  die  Organisation  des  Heeres  ist  der  Posten  an  der  Grenze 
des  territorium  legionis  von  Wichtigkeit. 

202  =  CIL.  III  10429  —  Aquincum   —   Ifoi'iJ  ofptimoj  m((iximo),   Innoni 
reginae  sacrum  M,    Ulp(iu8)  Emerifun  et   Tib,  Cl(audius)  Exsuperatus 
bfenej/ficiariij    co(n)8(ularisJ    legfionisj    II  adi(utricis)   agetiies  curam 
leg(ionis)  et  colonia  ÄqfuincumJ  v.  l.  tn.  s.  Famtino  et  Bufino  cos.    a.  210. 
In  der  Erläuterung  dieser  Inschrift  habe  ich  geirrt  und  Mommseu 
bemerkt  mit  Recht:    beneficiarii   dno   cum   curam  agere   non  potuerint 
nisi  legionis,  item  colonia  in  lapide  est,  non  coloniae,  evidenter  apparet 
aram   dedicatam   esse  a   duobus   beneficiariis   pro  legione  et  a  colonia. 
Der  Altar  bezeichnet  die  Stelle,    wo   das  Territorium  der  legio  11  ad- 
iutrix*^^   an  das  Gebiet  der  colonia  Aquincum*^')  stiess      Hier  hatte 
sowohl   die  Militärverwaltung  eine  statio   der    beneficiarii  errichtet   als 
auch  die  Gemeinde  ein  Bureau  ihrer  Beamten.     Es  zeigt  dies,  dass  der 
Verkehr  zwischen  beiden  Gebieten  kein  freier  war   und  dass  das  terri- 
torium legionis  seinen  Charakter  als  Festungsrayon   bewahrt  hat.     ür- 
sprtlnglich  hiess  dieser  ftlr   eine  Festung  einfach   unentbehrliche  Raum, 
auf  welchem  im  Umkreise  des  Lagers  keine  Niederlassung  gestattet  war^ 


"1)  Brambach  1606. 

«IIa)  Hier  können  die  Castelle  nur  vermutungsweise  angesetzt  werden. 

*»b)  Brambach  231. 

♦"c)  Brambach  512.  513. 

*»d)  Brambach  641  bis  643. 

'><)  Brambach  647. 

"»)  CIL.  VII  645. 

*")  CIL.  VU  996. 

^^^)  Eine  erschöpfende  Behandlung  kann  nur  durch  eine  Untersuchung 
über  die  viae  militares  gegeben  werden. 

*»•)  CIL.  HI  10418. 

^^^)  Die  Colonia  lag  südlich  vom  Lager  in  der  Richtung  nach  dem 
Bloksberg.    CIL.  III  10418  und  p.  1891. 

7* 


100  T.  Domaszewski 

prata^*®),  d.  h.  Wiesen;  also  nicht  einmal  Bäume,  welche  die  Aassicht 
versperren  konnten,  Hess  man  stehen.  Was  hier  darch  die  Bedürfnisse 
des  Garnisonslebens  der  Standlager  hervorgerufen,  an  Gebäuden  entstand, 
hiess  canabae,  d.  h.  es  waren  Buden  von  Holz,  die  im  Falle  einer 
Belagerung  rasch  beseitigt  werden  konnten,  indem  man  sie  in  Brand 
steckte.  Die  spätere  Zeit  hat  auch  auf  diesem  Gebiete  steinerne  Bauten, 
ein  Amphitheater,  Bäder,  ja  Privathäuser  errichtet^**),  ohne  dass  das 
territorium  legionis  seinen  rechtlichen  Charakter  als  Festungsrayon  ver- 
lor. Es  bleibt  ein  Teil  des  Lagers,  das  Glacis  der  Festung.  Städte 
sind  aus  den  Canabae  nur  im  Innern  des  Reiches  hervorgegangen,  wo 
die  Festung  zur  blossen  Kaserne  wurde  *'^). 

Genius  praetorii. 

Der  Ort  für  die  Verehrung  des  Genius  praetorii,  des  Lebensgeistes 
des  Stabes,   ist  das  Praetorium   und   zwar   das  Fahnenheiligtum  selbst. 

Das  lehrt  zunächst  der  Fundbericht  Bruce  wall  p.  212:  Several 
apartements  were  found  supported  upon  pillars.  One  of  tJie  roams  had  a 
circular  recess  and  on  the  autaide  of  U  teere  found  three  noble  altars, 
tvüh  their  faces  dotvnwards. 

Die  Beschreibung  lässt  sich  in  zwangloser  Weise  auf  das  Fahnen- 
heiligtum deuten.     Die  Inschriften  sind: 

203  =  CIL.  VII  704  —  Vindolana  —  I(ovi)  ofptimoj  mfaxinioj  ceterisque 
diis  immort(alihm)  et  GenfioJ  praetor(ii)  Q,  Petroniu8  Q.  f.  FabfiaJ 
Urbicus  praeffecfusj  cohfortisj  IUI  Gallorum  ! ! ! ! ! ! ! !  ex  Italia  domo 
Briscm  votum  solvit  pro  se  ctc  suis. 

204  =  CIL.  VII  703  —  Vindolana  —  Gefiio  praetorii  sacrum  PHuauius 
Secundus  praefectiis  cohfortisj  IUI  Gallorum. 


«8)  CIL.  II  2916.  6807;  HI  13520. 

^^^)  Schon  im  ersten  Jahrhundert  hat  das  Gefühl  der  Macht  und 
Sicherheit  Qber  die  militärische  Rücksicht  die  Oberhand  gewonnen,  so  in 
Vetera,  Tacit.  bist.  4,  22,  und  hat  dann  die  Verlegung  der  Lager  wie  in 
Vetera  und  Carnuntum  notwendig  gemacht. 

^'^)  So  in  Apulum  und  Lambaesis.  Aber  in  Mogantiacnm,  Bonna, 
Isca,  Deva,  Novae,  Durostorum  sind  nie  Städte  entstanden.  Die  römischen 
Städte  in  der  Nähe  von  Carnuntum  und  Viminacium  basieren  auf  den  älteren 
Ansiedlungen  der  Barbaren  an  diesen  wichtigen  Handelsplätzen.  Vgl.  Arch. 
epir.g  Mittl.  X,  1  ff .  und  R.  v.  Schneider,  Die  Erzstatue  vom  Helenberg 
S.  21.  Aquincum  ist  der  Vorort  der  Eravisci  CIL.  III  p.  1691  und  die  rö- 
mische Stadt  so  alt  wie  das  Legionslager.  Die  Negotiatoren  sind  eben 
wie  immer  bei  römischen  Occapationen  den  Soldaten  vorangegangen. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  101 

205  =  CIL.  VII  705  —  Vindolana  —  IfoviJ  oCpiiino)  mCaximo)  et  Genio 
[pra^/an't]  *'*).  .  .  . 

Das  bestätigt  das  Relief  der  folgenden  Inschrift,  welches  die  Be- 
ziehang  auf  das  Fahnenheiligtam  aasdrückt. 

206  =  CIL.  II  2634  —  Asturica  —  signa  militaria  tria  I(ovi)  oCptimo) 
mCaximo)  Soli  inoicto  Libero  patri  Genio  praetor (ii)  Q.  MamilftusJ 
Capiiolinm  iuridficusj  per  Flaminiam  et  Umbriam  et  Picenum  legfatusj 
Augfugti)  per  Asturiam  et  Gallaeciam  diix  leg(ionis)  VII  [gCeminaeJ] 
pfiaej  [ffeliciitj]  praef(ectm)  aer(arii)  SatfurniJ  pro  salute  sim  et  suorunu 

Der  Altar  stammt  aus  dem  Praetorium  des  iuridicus  von  Asturica 

nnd  Callaecia,    der    in   Asturica    seinen   Amtssitz    gehabt   haben  wird. 

Während    eines  Krieges   hat   der   iuridicus   das  Commando   aber   die 

legio  VII   dieser  Provinz   geführt   und    zum  praefectud   aerarii  Saturni 

ernannt,  weiht  er  den  Altar.     Aber  der  Bildersc})muck  lehrt  auch,  dass 

er  ein  militärisches  Officium  gehabt  hat.    Ebenso  wird  der  Genius  praetorii 

verehrt  im  Sitze  des  Statthalters  von  Hispania  citerior. 

IJ07  =  CIL.  II  4076  —  Tarraco  —  IfoüiJ   ofptimoj   m(axiino)  lunoni  Mi- 

nervae   Genio  praetorii    consularis  diis   i[uvanti]bus  *^^)    T.   FlfavimJ 

Titianus  legCatm)  ÄugCustorumJ  pr(o)  prfaetore)  .  .  .  a  eins  dicaoerunt. 

Das  Praetorium  des  Statthalters  wird  als  praetorium  consulare 
bezeichnet,  im  Gegensatz  zu  dem  Praetorium  des  iuridicus  und  dem 
Praetorium  des  legatus  legionis  VII,  welche  dem  Statthalter  unterge- 
ordnet sind. 

Aus  dem  gleichen  Grunde  sagt  die  Inschrift 

208  =  CIL.  III  1019  —  Apulum  —  Genio  praetorii  huius  M.  ValferiusJ 
Longinus  [vfirj  cflarissimusj  legfatusj]  legfionis)  XIII  G[emfinaeJ]  Se- 
cerianae  cum  suis  tot  um  soleit. 

Denn  in  Apnlum  befand  sich  auch  das  Praetorium  des  Gonsularis 
triam  Daciarnm. 

Als  das  Lager  faktisch  stehend  geworden^  geht  der  Name  prae- 
torium auf  die  Centralbauten  der  Lager  über,'  in  welchen  das  Fahnen- 
heiligtam steht  und  der  Genius  praetorii  wird  zum  Genius  loci. 

209  =  Cagnat,  ann^e  ^pigraphiqae  1891,  115  —  A'in  Chekour  —  [Ge^nio  loci 
....?.  Neon  praef(ectus)  [coh(ortis)]  I  ÄstfurumJ  et  Cal^aecforumJ] 
praetorium  per  munus a  s{ol]o  composuit  et  feciL 

So  bezeichnet  denn  in  No.  1  der  Genius  loci  das  Praetorium; 
denn   die    dii    militares   wohnen    im   Praetorium,   ebenso   No.  42   das 

^^^)  Die  Lesung  Hübners  Genio  diis  q(ae)  costodibfas)  ist  unmöglich 
richtig,  weil  der  Genius  eines  Namens  nicht  entbehren  kann. 

^'')  Die  Lesung  Hübners  P[enati]bu8  ist  sachlich  unmöglich.  Haverfield 
las  schon  vor  Jahren  IVENIBVS ;  es  dürfte  IVVANTIBVS  stehen.  Vgl.  CIL. 
,Vni  17619   17626. 


102  V»  Domaszewski 

Heiligtam    der  stratores    liegt    im  Praetorium,    und  No.   157  wird  die 
Fortuna  im  Praetorium  als  Fortuna  huius  loci  gefasst. 

Im  Praetorium  befanden  sich  noch  eine  Reihe  von  Heiligtümern. 

Das  Heiligtum  des  Tabulariums. 

210  =  CIL.  VIII  18072  —  Lambaesis  —  In  hemicyclio:  [Ta]bidarium  prin- 
ci[pis  cum  im]ag(inihus)^  d{om'\us  divinae  option[€S  cohfortiftj  prQmae 
de  suo  fec€ru[nt]  Q.  [Senijpronius  Felix  p(rinii)  pfütj  P.  Ael[ius  Ma- 
crinus]  priufcipisj  L,  [Vale]riu8  lanuarim  hasftatij  C.  Iu[lCiusJ] 
LonginrnnfusJ  [p]rfincipüij  pos(terioris)  C.  [Änt]onius  Silvanu^  hasCtati) 
posfteriorMj.  in  latere  sinistro:  Tahtdarium  prim(ipi8)  \c]um  imugCini- 
busj  domus  divinae  r[e]novatu7n  ah  Uipio  [Ä]ntonin[o  p]rincfipej  et 
option[€8]  cohCoriisJ  pri[m{aej]  et  adiu[tCor€sJ]  de  suo  /[e'icerunt  M.  Au- 
relfiusj  Aureliamis  pfrimij  pfilij,  in  latere  dextro :  M.  AurelfiusJ  Teren- 
tius  prCineipis)  pr(ioris)  C.  Manil(im)  Donatm  hasCtati)  prfiorisj  Q. 
Aebutius  Saturnin)i8  prCineipis)  posCterioris)  M.  AurelCius)  Licinius 
hasCtati)  posCterioris)  C.  lulCius)  Saturninus  C.  ItüCius)  Numidtus 
lih[rarii]  princCipis). 

Wie  in  den  Scholae  ist  auch  hier  der  Eaisercult  unter  Septimins 
Severus  in  den  Vordergrund  getreten,  neben  ihm  stehen  die  dii  con- 
servatores,  vgl.  No.  38.  39.  Und  wie  beim  Praetorium  wird  der  (renius 
tabularii  zum  Genius  loci,  vgl.  No.  39. 

Das  Heiligtum  im  Tabularium  der  Stallverwaltung, 
vgl.  No.  41. 

Das  Heiligtum  der  stratores, 
vgl.  No.  42.  72  und  unten  Lares  militares. 

Das  Heiligtum  der  equites  singulares. 

211  =  CIL.  III  5822  —  Augusta  Vindelicum  —  BCis)  mCanihus)  Victorini 
Longini  eqCuitis)  alCae)  II  FlCamae)  singCularium)  ClCaudius)  Latinum 
aedituus  singidarium  hCeres)  fCaciundum)  cCuramt). 

Der  aedituus  ist  der  aedituus  der  singulares  des  Statthalters,  der 
seinen  Sitz  in  Augusta  Vindelicum  hatte  ^^^). 

Genius  valetudinarii. 

212  =  CIL.  III 10403  —  Aqmncum  —  Genio  v[aJetudinarii]  "*)  legCionis)  II 
adiCutricis)  pCiae)  fCidelis)  SevC^rianae)  templlum]  a  solo  sum[ptibus 
suis]  cum  cubicu[lo  et  porticu]  fecit  .  .  . 


^^)  Der  Statthalter  ist  genannt  CIL.  III  5810.  5785.  5788,  sein  Officium 
5812.  5814.  5815.  5823.  Diese  Officialen  wie  die  Statthalter  selbst  fehlen 
auf  den  Inschriften  von  Castra  Regina.  Diese  Ordnung  geht  auf  jene  Zeit 
zurück,  wo  Raetia  eine  procuratorische  Provinz  war  und  in  castra  Regina 
keine  Legion  lag. 

*^*)  Einen  Genius  veteranorum  kann  es  nicht  geben,  weil  diese  keine 
Einheit  bilden  (vgl.    die  Fahnen  S.  25),  sondern  unter  den  anderen  Bürgern 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  103 

Genius  horrei. 

213  =  Brambach  694  —  Niederbiber  —  Idm  Octob.  Genio  horrei  n(unieri) 
Brittonum  .... 

Auch  die  anderen  Lagerbauten,  wie  das  armamentarium^'^)  und 
das  ballistarium**^),  die  basilica  equestris  exercitatoria**'),  d.  h.  die 
Reitbahn,  werden  ihren  Genius  besessen  haben.     Nachweisbar  ist  noch: 

Das  Heiligtum  der  Lageruhr. 

214  =  CIL.  III  1070  —  Apnlam  —  ICooi)  oCptimo)  mfaximoj  et  lunoni 
RestinfaeJ  pro  salfute)  impferatorisj  M.  AurCeli)  Antonini  Pii  Aug(usti) 
et  luliae  AugfustaeJ  niatris  Augfusti)  M.  Ulpfitis)  Mucianus  milfesj 
leg(ionis)  XIII  Gem(inae)  korologiar(ius)  **^)  templum  a  solo  de  suo 
ex  roto  fecit  Falcone  et  Claro  com.    a.  193. 

Das  Datum  am  Schlüsse  bezieht  sich,  wie  Mommsen  bemerkt,  auf 
die  Leistung  des  Gelübdes  ^'^),  der  Mann  hat  es  gelöst  und  das  Heilig- 
Inm  gebaut,  als  er  unter  Caracalla  Uhrwächter  wurde. 

Die  Gülte  der  Gebäude  können  sich  erst  in  den  Standlagern  ge- 
bildet haben.  Mit  der  Organisation  des  Heeres  auf  des  innigste  ver- 
wachsen  sind  'dagegen   die  Culte  der  administrativen  Unterabteilungen. 

Genius  centuriae. 
Für  das  Verständnis  der  Organisation  ist  es  von  grundlegender 
Bedeutung,  dass  die  Legion  keinen  Genius  cohortis  kennt.  Ebenso  fehlt 
der  Ck)horte  der  Gommandant,  die  Fahne  und  principales.  All  dies 
zeigt,  dass  die  Legionscohorte  kein  administrativer  Verband,  sondern  wie 
der  Manipel  lediglich  eine  taktische  Formation  ist*^®).  Weil  die  Co- 
horten  der  Hauptstadt,  die  cohortes  praetoriae,  urbanae,  vigilum,  nach 
dem  Vorbilde  der  Legionscohorte  gebildet  sind^^^),  so  fehlt  auch  ihnen 
der  Genius  cohortis.  Es  zeigt  nur  das  völlige  Schwinden  der  nationalen 
Religion,  dass  man  am  Ende  des  dritten  Jahrhunderts  von  einem  Genius 


aufgehen  und  in  den  Lagerstädten  sich  mit  den  cives  Romani  qui  consistunt 
ad  legionem  zu  einer  Einheit  verwachsen. 

«*)  CIL.  Vn  446.    Brambach  6. 

«•)  CIL.  VU  1045.  1046. 

*")  CIL.  vn  928;  HI  6025. 

^^^  Ich  glaube  so  ist  aufzulösen  nach  Analogie  von  CIL.  III  10501  T. 
Ael(iu8)  lastus  hydraulanns  salariarius  legOonis)  II  ad(iutrici8),  dem  Soldaten, 
der  die  Wasserorgel  spielt,  welche  unserer  Musikkapelle  entsprochen  haben 
wird. 

^^  Es  wird  das  Jahr  semer  Einstellung  ins  Herr  sein. 

^'^  Die  Legionscohorte  und  die  Cohorte  der  Auxilia  haben  also  nichts 
als  den  Namen  gemein. 

«»)  Die  Fahnen  S.  28. 


104  V.  Domaszewski 

cobortium  praetoriaram  spricht.  Denn  der  Lebensgeist  der  cohortes 
praetoriae  ist  der  Genius  imperatoris  selbst  (vgl.  S.  12),  der  am  Ende 
des  dritten  Jahrhunderts  aus  dem  Fahnenheiligtum  verschwand. 

215  =  CIL.  VI  216  —  Rom  —  Ginio  (sie)  et  Fortunae  tutdaeque  huius 
loci  cohortium  praeioriarum  jo{{]uni  v[in]dicar[u]m  ! ! ! !  ! ! ! ! !  I !  !  !  aeterni 

Augusti  VcUerei [e]t  Dalmateus  princftpesj  cCastrorumJ  ex 

■v[o]to  f[€ce]runt]  devoii  numini  maie8ta[ttq]ue  eius 

und  im  vierten  gar  sagt 

216  =  CIL.  VI  233  —  Rom  —  Genio  cohfortiumj  *^^)  primae  ÄufreliusJ 
MaxtmÜianm  vir  clarissimus  praefCectusJ  vigüihua. 

Mommsen  hat  im  Index  CIL.  III  p.  1161  darauf  aufmerksam 
gemacht,  dass  die  Altäre  des  Genius  centuriae  errichtet  sind  von  dem 
signifer,  optio  und  tesserarius  und  alle  späteren  Funde  haben  dies  im 
Wesentlichen  bestätigt  ^^^).  Es  sind  die  drei  taktischen  Chargen,  die 
allein  für  den  Dienst  der  Centarie  von  Bedeutung  sind  und  der  Centurie 
angehören.     Auch  hier  ist  der  Cultaltar  als  Geschenk  kenntlich. 

217  =  CIL.  III  11107  —  Camuntum  —  Bis  deabusque  et  GfenioJ  fcen- 
turicte)  eius  L.  ÖcUventftusJ  Victor  optio  dfonoj  dfeditj,  1.  ein  Füllhorn, 
r.  der  Genius  Centuriae.    Vgl.  Taf.  IV  Fig.  3*»»). 

Aber  auch  die  armorum  custodes  setzen  solche  AMre***);  dem- 
nach gehören  auch  diese  zu  den  Principales  der  Centurie.  Die  Votiv- 
altäre  dieser  Chargen  sind  als  Weihgeschenke  an  den  Genius  zu  fassen 
und  die  Veranlassung  liegt  in  der  Beförderung  oder  dem  Austritt  aus 
dem  Dienst. 

218  =  CIL.  VIII  2531  —  Lambaesis  —  Genio  (centuriae)  G,  ServiUm  Ro- 
gatus  optio  dimissus  votum  solvit. 

Dieselben  Heiligtümer  der  Centurien  bestanden  auch  bei  den  haupt- 
städtischen Truppen.  Die  Inschriften  der  aediculae  selbst,  welche  uns 
in  grosser  Zahl  geblieben  sind,  zeigen,  wie  die  Einrichtung  der  Heilig- 
tümer im  Einzelnen  gewesen. 

a)  Cohortes  praetoriae. 

219  =  CIL.  HI  207 "»)  —  Rom  —  Genio  centuriae  G.  Tu  .  .  .  .  [Si- 
gnum] et  aediculam  oynni  in{8trutnento  et  colum]nis  et  canceUo  aereo 
cum  \ara   sumptu   suo  renavavit]  Ä.  Pontius  L.   /.  ScapftiaJ  Priscus 

^^  Die  Abschrift  hat  COHH.  Es  ist  der  Genius  aller  Cohorten  der 
Vigiles,  von  dem  ein  Teil  der  prima  zugedacht  ist. 

^)  signifer  CIL.  HI  4287.  7493.  10402;  optio  CIL.  HI  1026.  11107. 
13456.    Eph.  ep.  IV  937;  tesserarius  CIL.  III  3422;  Brambach  1027. 

«^a)  Abgebildet  nach  einer  Photographie,  die  ich  R.  v.  Schneider 
verdanke. 

*M)  CIL.  m  3452.  3422.  31114.    Bramb.  1024. 

485^  Die  Ergänzungen  habe  ich  vervollständigt. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  105 

*••)  architecfus*^^]  ordinatiis  missus  hon[esta  nmsione  ex  prae- 

tö\rio  ab  optima  maximo  im[peratore  Traiano  AugfwftoJ  revocatus  ab] 
imfperatorej  Caesare  Traiano  H[adriano  ÄugfustoJ  Torquato]  II  et 
Libone  cos.  d(ono)  [d(edit)\    a.  128. 

220  =  CIL.  VI  212  —  Rom  —  Gen(io)  (centuriae)  signum  Genium  cen- 
turiae  cum  aedictUa  et  marmoribm .  exornata  et  aram  sua  pecunia 
fever (unt)  (centurio)  C.  Veiurius  C.  f,  PolfliaJ  Rufinu«  L(epido)  Hfegio) 
item  ecocati^^^)  et  milites  quorum  nomina  (et  medicus  coh(ortis))*^*) 
in  ara  et  aedicid(a)  scripta  sunt  dedicata  est  Kai,  Mai,  imp(eratore) 
Commodo  III  et  Burro  cos.    a.  181. 

221  =  CIL.  VI  213  —  Rom  —  Signum  Geni  centuriae  cum  aede  mar- 
moribus  exornata  et  ara  sua  pecunia  fecerunt  (cetiturio)  Q.  f.  Crufstu- 
minaj  Tuder  et  evocati  et  milites  quorum  nomina  in  ara  scripta  sunt 
dedicatfaj  Kai.  Tunis  Imp(eratore)  M.  Aurelio  Comnwdo  Antonino  Äu- 
gfustoJ III  et  L.  Antistio  Burro  cos.    a.  181. 

222  =  CIL.  VI  214  —  Rom  —  Genium  centuriae  [si]g[n]um  ar[a]m 
aed(emj  a(ere)  collato  stia  pecunia  fecerunt  ii  quorum  nomina  in  ara 
inCfra)  sfcriptaj  s(unt)  iribuno  T.  Flavio  Geniale**^)  (centurione)  C. 
Vaberio  Fomponiano  dedicfataj  Kai.  Decembr.  Mater no  et  Bradua  cos. 
a.  185. 

223  =  Bull,  deir  Inst.  1882,  38  —  Rom  —  T.  Flavius  T.  f  Tro(mentina) 
Froctdus  Salon(a)  (centurio)  de  suo  dedit  manipularibus  suis  in  Genium 
cetituriae  suae  ponefidum  (sestertium)  CCCC  n(ummos)  ad  quam  sum- 
mam  adiecit  (centuria)  eius  (sestertium)  CCC  n(ummos)  eisdem  qui 
mensam  aereatn  et  protectum  fecerunt  positus  III  Non.  Mai.  imp(era- 
tore)  Traiano  Hadriano  II  C.  Fusco  Salinatore  cos.    a.  118. 

b)  Vigiles. 

224  =  CIL.  VI  219  —  Rom  —  Q.  Fabio  CatuUino  M.  Flacio  Apro  cos. 
coh(ors)  IV  (centuria)  C.  Codi  C.  f.  Papiria  Valent(e)  Tusculo 
aediculam  marmoream  cum  calvis  aereis  centuria  ex  pecunia  sua  fecit; 
item  C.  Coelius  Valens  (centurio)  ex  pecunia  sua  centuriae  pa(vjimentum 
stracit.    a.  130. 

225  =  CIL.  VI  221  —  Rom  —  C.  Clodio  Crispino  cos.  Q.  Ramurio  Martiale 
pr(aefecto)  C.  Maesio  Tertio  s(ub)pr(aefecto)  L.  Numerio  Albano 
tr(ibuno)  (centuria)  C.  luli  C.  f.  Sergia  Büß  Jader  principales  infra 
acripti  aediciUam  et  Genium  centuriae  d(ono)  d(ederuni).    a.  113. 


^^^)  Es  fehlt  die  Heimatstadt. 

^^}  ordinatus  wird  von  architecti  gesagt  CIL.  XI  20;  das  erste  ist 
allein  möglieb,  weil  der  Mann  ein  evocatos  ist.    Vgl.  CIL.  VI  2725. 

^'^)  Die  evocati  gehören  ebenso  dem  Stande  einer  centuria  an,  wie 
die  speculatores  und  deshalb  baben  auch  sie  die  Fahne  des  Detachements, 
das  vexillum. 

^')  Der  medicus  ist,  wie  Mommsen  bemerkt,  eingeschoben ;  sie  gehören 
nicht  zum  Stande  der  Centuriae,  wie  die  Inschrift  CIL.  VI  1058  zeigt  und 
hier  der  Zusatz  cohortis,  sondern  jeder  Cohorte  ist  eine  Anzahl  zugeteilt. 

**^)  Das  ist  der  Gardepraefect  Julians  Vita  3,  1.  8,  6. 


106  V.  Domaszewski 

226  =  CIL.  VI  222  —  Rom  —  C.  Calpurnio  Pisone  M.  Veltio  Bolano 
COS.  Q.  Eamurio  Martiale  pr(aefecto)  T.  Flavio  Prinio  trfibunoj  T. 
Scaenio  Clemente  (centuriane)  aedicula  facta  cum  Genio  a  Gremo 
Factindo  bfeneficiarioj  tribfunij  quam  M.  Ceienio  Silvano  (1  Serio 
Augurino  cos.  C.  Tettio  Maximo  prfaefecioj  T.  IlfavioJ  Änterotiano 
sfubjjjrfaefectoj  Q.  Plotieno  Salino  trfibunoj  cöhCortis)  V.  Vig(ilum)  TL 
Claudius  Ti.  f.  FabfiaJ  Messalinus  HeracelfeaJ  (cenlurio)  cohfortisj 
s(upra)  sfcriptaej  vetustate  corruptam  adampliacit  columnis  purpuriti- 
cis  calvis  aereis  marmore  et  omni  ornamento  a  novo  ex  pecunia  furfuraria 
(centuriae)  suue  fecit  volentibfusj  manipid(is)  suis  quorfumj  nomina  in 
tabfulaj  aerfeaj  scripta  sunt.     a.  111/156. 

Die  Anlage  des  Heiligtums  ist  danach  klar***).  Es  ist  eine 
Aedicula  nach  Art  jener  im  Hause  des  Epidius  Rufus  zu  Pompei.  Der 
Schrein,  in  welcher  der  Genius  steht,  hat  die  Form  eines  kleinen  Tempels. 
Der  Raum  zu  Füssen  der  aedicula  ist  durch  ein  Gitter  eingefriedet  und 
hier  ist  der  Platz  für  den  Cultaltar  sowie  für  die  Weihgeschenke. 

227  =  CIL.  VI  375  —  Rom  —  P.  Äelius  P.  f.  Ser[g]ui  ApoUinCaris) 
Nicop(olis)  factus  milfesj  ann(orum)  XXI  missus  honesta  mi^one 
annforumj  XXXVII  ex  cohfortej  VI  prfaetoriaj  (centuria)  Vitani  Cor- 
neliuni  ex  voto  lovi  conservat(ori)  et  comma(nipulis)  suis  et  futfurisj 
Signum  cum  base  dfonoj  dfeditj  l.  m.  C.  Bellicii)  Torquato  P.  Sal[vio'\ 
[JwZtano]  cos,    a.  148. 

Weihgeschenke  gleicher  Art  sind  Altäre,  an  den  Genius  centu- 
riae***), an  Hercules  invictus**^),  ein  Bildnis  des  Hercules  döfensor***) 
und  eine  Tafel  mit  den  Bildnissen  der  Kaiser,  welche  die  Vigiles  zum 
Danke  für  die  Verleihung  des  Bürgerrechtes  in  die  Capelle  des  Genius 
centuriae  gestiftet  haben  **^j. 

Die  aus  romanisierten  Provinzialen  gebildete  Garde  des  Septimius 
Severus  hat  den  Herculescult  der  equites  singnlares  angenommen  ***•). 
Für  die  Provinzialarmeen  zeigt  den  gleichen  Einfluss  besonders  das  Relief 
Taf.  III  Fig.  3,  welches  der  Zeit  des  Septimius  Severus  angehören 
wird**^^). 


^*^)  Die  Ansicht  Bormanns  Eph.  epigr.  IV  320,  dass  das  Fragment  der 
Standesliste  einer  Centurie  der  Praetorianer  CIL.  VI  2382  von  einer  solchen 
aedicula  stammt,  ist  zweifellos  richtig. 

*")  CIL.  VI  208.  209.  217. 

*«)  CIL.  VI  328  (a.  222). 

***)  CIL.  VI.  210  (a.  208). 

*«)  CIL.  VI  220  (a.  203). 

*«a)  Anm.  443.  444  und  CIL.  VI  p.  720. 

445b)  Vgl.  auch  S.  7.  49  und  No.  171.  188. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  107 

Genias  tarmae. 

228  =  Limesblatt  1,  42  —  Osterburken  —  Genio  T.  I[m]ti  Ättiani  lustius 
Attianm  dfecurioj  de  suo  pos(mt), 

£s  ist  der  decario  selbst,  der  als  principalis  den  Altar  der 
Tarma  setzt  •*^^). 

Auch  hier  wurden  Weihegeschenke  gestiftet,  vgl.  Xo.  90.  195. 
Genii  der  principales. 

Ais  collegia  haben  die  principales  einen  Genius,  vgl.  No.  183.  192. 

Der  Genius  der  beneficiarii  consularis  wird  auch  in  den  Stationes 
dieser  principales  verehrt. 

229  =  Brambach  1791  —  Altripp  —  In  hfonoremj  dfomiutj  d(icinae)  Genio 
bfenejfficiariorumj  cofnjsfularisj  GfermaniaeJ  sfujferiorkj  et  loci  Con- 
cord(iueJ  carfiarumj  Htat(ionum)  C.  Iiü(iua)  Adcentus  h(ene)f(iciarins) 
coCnJ.f(idariaJ  iM[pCera(oreJ]  M.  AurfelioJ  Commodo  AuyfttstoJ  III  Burro 
cos,   P.  8.  l.  l.  MI.    templfumj'  rest(ituit).     a.  181. 

Dasselbe  Heiligtum  der  statio  nennt 

230  =  CIL.  m  11676  —  Atrans  —  .  .  .  .  h(ene)t(iciariw)  cofnXularis) 
kgfionisj  II  Ital(icae)  templum  cestustate  conlapsum  et  in  ruinam  con- 
cersum  sumptu  h[uo  restituit] 

und  auch  andere  Götter  fanden  dort  Aufnahme.     No.   162. 

Genius   stationis. 
Da  die   statio  ursprünglich  beweglich  ist  und  mit  dem  beneficia- 
rius  wandert,   so  hat  auch  die  statio  ihren  Genius  ^^^). 

231  =  CIL.  VIII  17625  —  Vazaivi  —  Gradico  patri  Genio  statfionisj 
Vtuaim   et    diis  conseroatoribiis   M,  Baebiwi   Speratm  corfniindariutfj 

praef(ectiis)  legCionia)  III  Aug(witae)  pfiaej    cfindicisj   vol.  ».  /.  a.  **^). 

Und  durch  das  Stehendwerden  der  stationes  wird  auch  der  Genius 
stationis  zum  Genius  loci,  vgl.  No.  229**®). 

Genius   scholae. 
Der  Genius  des  Collegiums  der  Principales  ist  die  Schutzgottheit 
der  Schola.     Bilden  verschiedene  principales,  wie  bei  dem  Officium  des 
Statthalters  von  Numidien,    ein  CoUegium   No.  173    und   eine   gemein- 
schaftliche Schola,  so  ist  der  Genius  dieser  Schola  der  Lebensgeist***). 


«»c)  Vgl.  CIL.  III  10958  und  oben  S.  90. 

**^)  Das  zeigt  das  Relief  oben  S   98. 

^^^  Der  beneficiarius  consularis  ist  zur  Zeit  seiner  Ablösung  zum 
comicularius  praefecti  avanciert;  als  solcher  setzt  er  den  Altar.  Vgl.  CIL. 
VUI  1782a 

«^")  Und  die  Steine  der  beneficiarii  S.  98. 

**^)  Deshalb   wird  die  loschrift  CIL.  III  876  aus  Potaissa  auf  die  be- 


108  V.  Domaszewski 

232  =  CIL.  VIII.  2603  —  Lambaesis  —  Genio  scholae  suae  P.  Äurfeliu^J 
Felix  speculator  UgftonisJ  III  AugfustaeJ  domo  Thamug(adi)  donum 
dedit. 

233  =  CIL.  VIII  17628   —    Vazaivi   —    Deo  Marti genioque  sancto 

scolae  bfenejfficiariorumj  Poconim  Castus  bCeneJfficiariusJ  cofnJsCtdarisJ 
legftonisj  III  ÄugfustaeJ  cum  suis  exa^^ta  statione  v.  s. 

Genius  provinciae. 
Um  dieselbe  Zeit,  wo  der  Hauptgott  der  Provinz  in  das  Fabnen- 
heiligtum   aufgenommen  wurde,    bat  auch   der  Genius  der  Provinz  hier 
eine  Stelle  der  Yerebrung  gefunden,  vgl.  No.  156. 

234  =  CIL.  III  995  —  Apulum  —  Daciis  trihus  et  Genio  Ugfionis)  XIII 
geminae  C.  Caelius  ItUianus  trfibunusj  IfatiJcflaviusJ  dfpnoj  dfeditj. 

Urbs  Roma. 

In  nichts  prägt  sich  die  ganz  veränderte  Bedeutung,  welche  Sep- 
timius  Severus  dem  Kaisercult  des  Lagers  gegeben  bat,  so  deutlich  aus,  als 
in  der  für  den  Kaisercult  der  Provinzialen  typischen  Verehrung  der 
I)ea  Roma,  welche  gleichzeitig  auch  im  Heere  entsteht,  vgl.  No.  159 
und  No.  193. 

Es  ist  nur  eine  weitere  Consequenz,  dass  auch  der  Genius  der 
Stadt,  an  welcher  das  Lager  liegt,  eine  Heeresgottheit  wird,  vgl.  No.  170. 
Genius  castrorum  peregrinorum. 

Dieses  Lager  ist  die  Kaserne  aller  nach  Rom  aus  der  Provinz  ab- 
kommandierten Soldaten  ^^^).  Ein  Lager  dieser  Art  ist  in  dem  römischen 
Heere  eine  völlig  künstliche  Schöpfung.  Der  alte  Begriff  des  Marsch- 
lagers, dessen  Lebensgeist  der  Lebensgeist  der  Truppe  ist,  hat  für  diese 
Kaserne  keine  Geltung  Das  einzige  Band,  welches  die  Besatzung  dieses 
Lagers  verbindet,  ist  das  gemeinsame  Wohnen  in  der  Kaserne,  und  so 
ist  der  Lebensgeist  dieser  Soldaten,  so  lange  ihre  Verwendung  dauert, 
der  Lebensgeist  der  Kaserne.  Aber  das  Gefühl,  dass  der  Genius  nicht 
am  Räume  haftet,  sondern  in  der  Truppe  lebt,  ist  auch  hier  lebendig 
geblieben. 

Wie  der  Genius  der  beneficiarii  mit  diesen  principales,  so  wandert 
auch  er  mit  den  frumentarii,  dem  Hauptbestandteil  der  Besatzung. 

235  =  CIL.  VI  230  —  Rom  —  Pro  salute  impferatori^J  CaesfarisJ  M, 
ÄurCeliJ  Severi  Alexandri  AugCustiJ   Genio  sancto  kastrforumj  per(e- 

grinorumj  totitisque  exercituus  Q,  Haterius  Valerianus  frumfentariusj 


neficiarii  des  legatus  legionis  V  Macedonica  zu  beziehen  sein.    Ebenso  bilden 
die  centuriones  und  decuriones  der  cohors   equitata  eine  schola  S.  90  und 
No.  150  und  verehren  einen  Genius  scholae. 
*W)  S.  47. 


Die  Religion  des  römischen  fieeres.  l09 

UgCionisJ  VIII  Ätig(u8tae)  et  M,  Aurelim  Sophaeiietus  frumCentarius) 
Ug(ionis)  XIII  gemfinaej  Severianarum  stationem  cottegis  suis  impendii 
fecerunt. 

236  =  Clli,  XIV  7  —  Ostia  —  Genio  castrorum  peregrinorum  Opiatianus 
et  Pudens  frumCentaritJ  fratres  ministeru)  !!!!!!!!!  vota  solrerunt. 

Und  der  princeps   peregrinoram   setzt  seltsam  genug  den  Altar 
sogar  im  Atrium  Yestae. 

237  =  Bull.  dell.  com.  mun.  XI  p.  213  —  Rom  —  Pro  saJute  domini  nostri 
imperatorftsj  Severi  Alexandri  Pii  Augusti  et  luliae  Maesae  et  luliae 
Ärntae  Mameae  sanctissimarum  Augustarum  Genio  sancto  kastrorfu9nJ 
peregrinorum  T.  Flainus  Domitianus  domo  Nicomedia  quod  speculator 
legfionisj  III  Parthicae  Severianae  vorit  hastatus  legionis  X  Fretenais 
princeps  peregrinorum  reddedit. 

Ein  Fahnenheiligtum    hat   dieses  Lager   nicht,    sondern   nur  ein 
Heiligtum  des  Genius. 

238  =  CIL.  VI  221  —  Rom  —  Genio  sancto  castrorum  peregrinorum  Aurfe- 
liusj  Alexander  [c]analiclarius  quod  peregre  constitutus  vovit  aedil(is) 
castrorum  [vo^tum  libens  solvit. 

Der  Aedilis  ist,  wie  Mommsen  bemerkt,  der  aedituus  des  Heiligtums. 
Innerhalb  des  Lagers  bilden  die  frumentarii  einen  Numerus.    Dies 
kommt  zum  Ausdruck  im 

Genius  militum  frumentariorum. 

239  =  CIL.  VI  232  —  Rom  —  [G]enio  sancto  [milfitumj  frumentfariorumj] 

B.  Cornelius  D,  ß(ius)  Arm.  Fabia  domo  Karthag(ine)  mil(€s)  frumen- 
tfariusj  legfionisj  III  AugfustaeJ  votum  stisceptum  libens  animo  solrit. 

Genius  domus. 
Das  Haus  und  das  Lager  schliessen  sich  aus.     Und  doch  gehört 
auch  dieser  Begriff  zu  den  technischen  der  späteren  Zeit. 

240  =  CIL.  in  7512  —  Arrubium  —  ...  pro  sa^ute  dfominorumj  nfost- 
rorum]  T,  Fl(avius)  Apollinaris  praef(ectus)  alae  I  DardanforumJ  qui  et 
domum  a  solo  [s]umptibus  suis  fecit  [ad]ventantibus  [c]oUegis  felidter, 

241  =  Brambach  485  —  Bonn  —  IfomJ  ofptimoj  m(aociino)  et  [He\rculi  et 

[/Sijteano   et   [Ge']nio   domus  M us   Nepotianus  praef(ectus) 

castfrorumj  c[tt]w  Marcdlo  e\t  Nep]otiano  et  Festo  filis  \ded]ic(atum) 
XIII  Kai.  Od.    ImpferatoreJ  Commodo  VI  et  Septimiano  cos.    a.  190. 

Dass  die  domus  die  Amtswohnung  des  praefectus  ist,  sagt  die 
Inschrift  No.  240  deutlich  genug,  weil  das  Haus  auch  fOr  die  Nachfolger 
im  Commando  der  Ala  bestimmt  ist.  Also  die  Stabsoffiziere  haben  in 
der  späteren  Zeit  ausserhalb  des  Lagers  gewohnt,  auch  eine  Folge  des 
Stehendwerdens  der  Lager. 

Lares  militares. 

Auch  der  Cult  der  Lares  ist  dem  Marsclilager  notwendig  fremd. 


llO  V.  Öomaszewski 

Erst  in  einer  Zeit  kann  dieser  Galt  ins  Lager  gekommen  sein,  als  aas 
dem  Zelte  der  Soldaten  die  bleibende  Wohnung  vieler  Jahre  warde. 

In   dem  Sinne  von  Haaslaren   sind  sie  gefasst  No.  125.     Denn 
gerade   die   Organisation   der  stratores,   deren  Bestand   aas  den  Mann- 
schaften beider  Legionen  Obergermaniens   zusammengesetzt  war,    sodass 
nar    der    gemeinsame    and    vorübergehende    Dienst    im    Praetorio    die 
stratores  za  eines  Einheit   verbindet,    zeigt  die   Absicht   der   veterani, 
mit   der  Lösung   des  Gelübdes  den  Schatzgöttern   ihrer  letzten   Wohn- 
stätte Dank  za  sagen.     Ihre  Lares  sind  also  nicht  die  Lares  des  Legions- 
lagers selbst,    welche  als  Lares  militares,    ebenso  wie  dei  militares,  im 
Fahnenheiligtam   verehrt  warden,  vgl.  No.  153  and 
242  =  CIL.  III  3460  —  Aquincum   —   Ifoi^iJ  oCptinioJ  m(aximo)   et  Lafri- 
bmj  mU(iiarihm)  ceierisque  dis  C.  lulius  PisibanfusJ  Max\m(uü)  Aemi- 
IfiusJ  Papt43  trfibunusj  latficlaviusj  Jeg(ionis)  II  adfiutricis)  r.  s.  1.  m. 
Es   erscheint  mir  möglich,    dass  dieser  Gült  erst  ins  Lager  kam 
im  Znsammenhang  mit  dem  Kaiserealt,  für  welchen  als  Gottesdienst  des 
Haases   die  Verehrung   der  Lares   neben    der  des   kaiserlichen   Genius 
ebenso  typisch  ist,  wie  die  Yerbindang  der  Dea  Roma  mit  dem  Genios 
des  Kaisers  in  den  öffentlichen  Galtstätten  der  Provinzen.     Es  bestätigt 
dies   die  Zeitbestimmang   aach    dieser  Inschrift;    wie   Dessau   mir   be- 
merkt ist  der  Triban  wahrscheinlich  ein  Nachkomme  des  Gonsuls,  welcher 
in  dem  Fragmente  Fasti  feriaram  liatinaram  GIL.  1^  S.  56  genannt  wird. 

y.   Das  Beeht  der  Heeresreligion. 

Die  Organisation  des  Heeres  bestimmt  die  Formen  des  Rechtes. 
Der  Träger  des  imperiams  ist  aach  der  Träger  des  göttlichen  Schatzes  ^^'). 
Aaf  den  Inschriften  der  Kaiserzeit  tritt  dies  hervor  in  dem  Akt  der 
Dedicatio,  welche  eine  res  profana  in  eine  res  sacra  verwandelt. 

Dig.  1,  8,  9  Sacra  loca  ea  sunt,  quae  publice  sunt  dedicata, 
sive  in  civüate  sint  sive  in  agro,  Sciendum  est  locum  publicum  tunc 
sacrum  fieri  posse,  cum  princeps  cum  dedicavit  vel  dedicandi  dedit 
potestatem.  Diese  Weihe  beschränkt  sich  im  Heere  aaf  das  Galtgebäade 
and  das  Galtgeräte  der  aas  römischen  Bürgern  gebildeten  Trappen.  Der 
Statthalter  vollzieht  die  Weihe  an  seinem  Amtssitze  persönlich,  sonst 
überträgt  er  sie  an  den  nächsthöchsten.  Offizier,  den  Legionslegaten  ^^'). 


"1)  S.  4  u.  9. 

*»«)  No.  9.  14.  22.  48.  54.  55.  67.  68.  70.  104.  144.  145.  147. 165. 169. 
170.  174.  178. 179. 181. 184. 185.  Es  sind  nur  das  Fahnenheiligtam  und  seine 
beiden  Höfe  loca  sacra.  Nr.  104  bestätigt,  dass  die  Dacia  Apulensis  eine  selb- 
ständige Provinz  ist,  weil  der  Statthalter,  der  zugleich  Legat  der  Legion  ist,  den 


Die  EeligioD  des  römischen  Heeres.  Hl 

In  Rom  and  in  Italien  ist  der  princeps  selbst  zur  Dedicatio  berafen, 
aber  auch  hier  tritt  Mandierong  ein^^^). 

Das  Recht  Altäre  za  setzen  innerhalb  des  heiligen  Bezirkes  hat 
der  Statthalter^^)  nnd  notwendig  auch  der  Legionslegat,  obwohl  Zeug- 
nisse fehlen.  Denn  der  nächstböchste  Offizier,  der  tribunns  laticlavins, 
besitzt  dieses  Recht  ^^^);  der  einzelne  tribnnas  militnm  nicht,  sondern 
nur  die  Gesamtheit  ^^').  Ebenso  besitzt  das  Recht  der  höchste  der 
Centurionen,  der  primus  pilus*^^)  und  die  Gesamtheit  der  Centurionen*^®). 

Als  Wächter  der  aquila  sancta  ist  es  der  primus  pilus,  welcher 
das  Innere  des  Fahnenheiligtums  ausstattet  und  die  Sorge  far  die  An- 
stellung der  Auspicien  trägt.  ^^^)  Das  Zeugnis  für  diese  Stellung  des  primus 
pilus  gehört  sicher  noch  dem  Principate  an.  Septimius  Severus  wird  es 
gewesen  sein,  der  die  Hai-uspicin  zu  ausschliesslicher  Geltung  brachte, 
so  dass  der  Haruspex  ein  militärischer  Official  des  Statthalters  wird^^^). 

Die  principales  allein  bilden  coUegia  und  haben  das  Recht  Altäre 
in  ihren  scholae  zu  setzen*^*)  wie  die  tactischen  Chargen  in  ^en  Heilig- 
tümern der  administrativen  Verbände  *^^j.     Ftlr  das  Heiligtum  des  tabu- 


Altar  weiht.  Femer  zeigt  Nr.  14,  dass  Norae  das  Hauptquartier  von  Moesia 
inferior  war,  der  Statthalter  vollzieht  die  Weihung  selbst,  weil  er  am  Orte 
anwesend  ist,  ebenso  wie  in  Mainz  und  Lambaesis;  dagegen  in  Brigetio  No. 
54,  in  Isca  No.  165,  die  keine  Hauptquartiere  sind,  hat  die  cura  der  Legat; 
ebenso  in  Bonn  55  und  Yetera  132,  weil  Köln  Hauptquartier  ist  No.  42. 

*^*)  Das  will  das  curantibus  auf  den  Basen  des  Heiligtums  in  Ostia 
besagen.    Ephem  ep.  VH  p.  1204-1211  und  oben  Nr.  57. 

*»*)  No.  71.  129.  136.  154  bis  161. 

*«)  Vgl.  Rhein.  Mus.  48,  243.    No.  1.  2.  153.  234.  242. 

"«)  No.  146. 

«^)  No.  14.  22.  48.  54.  55.  65.  66.  67.  68.  70.  72.  104.  105.  106.  143.  144. 
145.  165. 

*w)  No.  147.  148.  152.  171.  172. 

«')  Vgl.  das  Relief  Die  Fahnen  Fig.  5  und  hier  Taf.  II  Fig.  la  und 
Ib.  Der  Löwe  der  flavischen  Legionen  ist  mit  dem  Scorpion  des  Tiberius 
Terbunden«  D.  h.  es  ist  eine  Fahne  der  von  Vespasian  restituierten  Prae- 
torianer  (Tac.  h.  4,  46). 

*««)  No.  173.  Es  ist  dies  ein  neuer  Beweis,  dass  die  Lagerbeschrei- 
bung des  Hyginus  vor  dem  Eintritt  des  Dominats  geschrieben  ist.  Das  ganze 
Auspicien wesen  war  ja  sinnlos  geworden  unter  der  Herrschaft  des  absoluten 
Monarchen.  Vgl.  auch  S.  5  Anm.  12.  Hadrian  hat  das  Auguratorium  in 
Rom  hergestellt  CIL.  VI  976. 

*«i)  No.  36.  37.  40.  43.  44.  73.  101.  113.  133.  169.  170.  175.  176. 
179.  186.  187.  188.  190—194.  196. 

«*)  No.  197.  217.  218.  228. 


ll^  V.  bomaszewski 

lariums  ist  erkennbar,  dass  der  princeps  hier  dieselbe  Stellung  hat  wie 
der  primus  pilus  im  Fahnenheiligtum,  und  auch  die  principales  Heilig- 
tümer setzen*«').  Für  die  Heiligtümer  der  stratores  und  singulare 
wird  dieselbe  Bestimmung  gegolten  haben  wie  für  die  Scholae  der  prin- 
cipales^"). Dagegen  hat  der  miles  gregarius  gar  keinen  Anteil  an  den 
Heiligtümern  und  deshalb  ist  sein  Platz  bei  den  Culthandlungen  auf  der 
via  principalis*«*). 

Die  Cultger&te  und  Cnltgeb&ude  der  peregrinen  Truppen  sind  nicht 
geweiht*««)  und  der  einzige  römische  Bürger  dieser  Truppe,  der  Com- 
mandant,  hat  auch  allein  das  Recht  Alt&re  zu  setzen*«^).  Auf  diesen 
Altären  ist  der  Statthalter  nur  als  Höchstcommandierender  genannt*«^*). 
Mit  der  Bürgerrechtsverleihung  an  alle  Reichsangehörigen  verschwindet  der 
Unterschied  und  auch  die  Gultgebäude  der  Auxilia  werden  geweiht*«^). 

Da  aber  die  Gultgebäude  und  Cultgeräte  der  Auxilia  ebenfalls  für 
den  römischen  Gultus  bestimmt  sind,  so  ist  der  Rechtsunterschied,  wo- 
nach die  Qualität  der  res  sacra  diesen  Dingen  fehlt,  in  einer  tieferen 
Ursache  zu  suchen.  Nun  weiht  der  Statthalter  in  gleicher  Weise  wie 
im  Lager  selbst  auch  die  Altäre  der  Ganabenses*«®).  Dies  zeigt,  dass 
der  Rechtsunterschied  am  Boden  haftet. 

Wo  immer  das  Heer  römischer  Bürger  peregrinen  Boden  betritt, 
nimmt  der  Boden  des  Lagers  notwendig  die  Qualität  des  ager  Romanus 
an,  da  hier  die  Anspielen  eingeholt  werden  können.     Das  ist  nicht  der 

*«)  No.  38.  39.  198. 
'      *«*)  No.  41.  42.  74.  125. 

^^^)  S.  80.  Nur  der  miies  praetorianus  hat  das  Uecht  Altäre  in  dem 
Heiligtum  des  Genius  Centuriae  zu  weihen  (No.  227),  weil  er  dem  Range 
nach  den  principales  der  Legion  gleichsteht.    CIL.  VI  2601.  2672. 

*••)  Nur  der  Statthalter  der  tres  Daciae  Mevius  Surus  S.  71  Anm.  289 
hat  auch  die  Kaiserstatue  der  Auxilia  geweiht,  ein  doppelter  Verstoss  gegen 
das  Recht,  weil  die  Truppen  peregrini  sind  und  weil  diese  Funktion  in  der 
Competenz  des  Unterstatthalters  der  Provinz  liegt.  Vielleicht  war  er  (ygl. 
No.  9)  ein  Verwandter  des  Kaisers. 

*«T)  No.  32.  92.  102.  163.  164.  203—205.  Erst  mit  der  Verleihung 
des  Bürgerrechtes  an  alle  Peregrinen  wird  der  princeps  als  Wächter  des 
Heiligtums  (No.  33—35.  121)  eingetreten  sein. 

*•'»)  No.  12.  59.  102.  164.  Deshalb  ist  der  unbekannte  Anociticus 
ebenfalls  ein  Heeresgott:  CIL.  VIT  604  Beo  Änocitico  iudiciis  optimorum 
maximorumque  impferatorumj  stih  Ulp(io)  Marcello  cofnjsfularej  Tineius 
Longus  in  prefectura  equitufm)  lato  clavo  exorn[a\tns  et  qfuaestorj  dfesi- 
gnatm).    Erst  im  3.  Jahrhundert  setzt  der  Statthalter  selbst  den  Altar  No.  8. 

*")  No.  13  und  Altar  163  unter  Caracalla. 

"»)  Nr.  29. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  113 

Fall  in  den  Sonderlagern  der  peregrinen  Trappen.  Dieser  Boden  ist  zwar 
ager  pablicns,  aber  peregrinus.  Dagegen  ist  der  Altar  Nr.  46,  weil  er 
auf  italischem  Boden  steht,  geweiht,  trotzdem  den  classiarii  das  Bürger- 
recht fehlt.  Deshalb  sagt  Gaias  II  7a  item  quod  in  provinciis  non  ex 
auäariiate  pqpuli  Bamani  consecratum  est,  proprie  sacrum  non  est,  sed 
pro  sacro  habetur. 

Selbst  der  Boden  der  römischen  Militärcolonie  bleibt  ager  pere- 
grinus, das  volle  römische  Bodenrecht,  das  ins  Italicnm,  muss  noch 
speziell  verliehen  werden.  Ans  diesem  Rechtssatze  wird  erst  die 
schwierige  Stelle  des  Ancyranum  verständlich.  Gr.  9,  21  fF  ['An" 
ex]efvou  t[o]ö  evtauToö,  l[(p*]  oö  Nato;  xat  UonXio;  [AjsvxXot  uiraxot 
iyiyoyxo,  Sxe  üTiiXetTiov  od  57j[(i6]atat  TzpoaoSoi  äXXote  [xJv  S^xa  |iuptaatv, 
dEXfXote]  Si  uXecoatv  aetTtxÄ;-  xai  ipyuptxa;  cjuvTa5et$  dx  xfj;  i(Afj; 
uTiap^eü);  SSü)xa.  Diese  Stelle  steht  am  Schlüsse  der  Aufzählungen 
jener  liberalitates,  welche  der  Kaiser  seinen  Soldaten  gespendet.  Un- 
mittelbar vorher  geht  die  Errichtung  des  aerarium  militare  zur  Ver- 
sorgung der  Veteranen.  Diese  Worte  beziehen  sich  auf  die  Hilfe,  welche 
der  Kaiser  den  Coloniae  civinm  Romanorum  der  Provinzen,  deren  Boden 
tributpflichtig  geblieben,  gespendet. 

VI.   Die  Heeresreligion  Diocletians. 

Die   Formen   des    Cultus    sind   in    Garnuntum    erbalten:    Ausser 
den  schon  behandelten  Tempeln  des  Mars  und  Hercules  ^^^*)  findet  sich 
dort  als  drittes  Heiligtum  der  Tempel  des  Genius  Castrorum. 
243  =  CIL.  III  Ulli  —  Carnuntum  —  GfenioJ  cfastrorumj  IfoviJ  o(ptimo) 
m(aimmo)  pro  salfutej  AugfustiJ.     Es   folgen   die  Namen   der  Princi- 
pales*'®). 
Die  Auflösung  der  alten  Religion  bezeichnet  die  Voranstellung  des 
Genius  vor  Jupiter  optimus  maximus. 

Diese  neue  Form  des  Geniuscultes  ist  erst  eine  Folge  der  dio- 
cletianischen  Heeresreform,  als  die  grossen  Legionslager  der  früheren 
Zeit  das  Quartier  mannigfacher  unter  einander  nicht  mehr  organisch 
verbundener  Abteilungen  wurden. 


*••»)  Auch  in  Aquincum  hat  dieser  Tempel  bestanden  CIL.  III  10406: 
Herctüi  AugfustorumJ  ÄurelfrusJ  Firminus  preffectusj  leg(ionis)  II  adifii- 
tricisj  ex  protfectorej  v.  s.  l.  m.  dfominisj  nfostrisj  [D]iocletiano  IUI  et 
Maximiano  Äug(ustisJ  cos.    a.  290. 

*^^)  Das  Officiam  ist  das  des  vierten  Jahrhunderts,  wenn  auch  eine 
sichere  Auflösung  der  Notae,  welche  die  principales  bezeichnen,  schwer  zu 
finden  ist. 

WMtd.  Zeitichr.  f.  Oeach.  u.  Kunst.    XIV,    I.  8 


114  V.  Domaszewski 

Das  zweite  bekannte  Denkmal  stammt  aus  Lambaesis. 

244  =  CIL.  VI  2529  —  Lambaesis  —   Genio  castrorum  legfionüj  III  Au- 
gfustae)  pro  salute  et  incolumilate  d(ominorum)  n(ostrorum)  [Diodetiam 

et  Maodmianx]  M.  Aurel(ius)    Becimus  vfirj  pferfectissimus)  pfraesea 
p(rovinciae)  NfumidiaeJ  ex  principe  peregrinorum  votum  solvit. 
Daneben  erhielt  sich   der  Gült   des  Genius  Legionis,   dessen 
Bild  im  Marstempel  stand,  wie  der  Fund  in  Carnuntum  (S.  66)  gelehrt  hat : 

245  =  CIL.  III  1646   —   Singidunum    —    Genio  legfionisj  IUI  FflariaeJ 
f(irmae)  [pfroj  sfalutej]  ÄugfustorumJ  Diocleiiani  [et  Maximiani  A\u' 

relfiiisj  Maooimlinlus  ex  praef(ecto)   legfionisj   eittsdem  votum  posu[it']. 
In  der  Hauptstadt  sind  der  Genius  cohortium  praetoria- 
rum  No.  215  und  der  Genius   cohortium  vigilum  No.  216  dem 
Genius  castrorum  der  Legionslager  gleichzeitige  Bildungen. 

So  tritt  denn  auch  ein  Genius  als  Heeresgott  ein,  welcher  an 
den  Signa  der  Praeto rianer  getragen  wird^^*). 

Derjenige  Genius,  welcher  zur  Qual  der 
Numismatiker  auf  unendlichen  Mfinzreihen  Dio- 
cletians  und  Maximians  allein  herrscht,  ist 
der  Genius  popnli  Romani.  Dieser  wird 
die  Gottheit  der  Signa  sein. 

Das  völlige  Verblassen  der  nationalen  Reli- 
gion  tritt    in    diesem   Vorwalten   des    Genius- 
cultes,  der  von  seiner  ursprünglichen  Grundlage 
ganz  losgelöst  ist,   deutlich  hervor.      So  konnte   sich   der  Übergang  in 
die  christlichen  Cultformen  durch  einfache  Tilgung  der  letzten  concreten 
Göttergestalt  des  Mars  vollziehen. 

VII.  Die  Heeresreligion  der  cbristlichen  Kaiser. 

Die  Altäre  aus  dem  Praetorium  von  Lambaesis  No.  169.  170. 
244  zeigen,  dass  unter  den  christlichen  Kaisern  der  Geniuscult  erhalten 
blieb,  während  die  Heiligtümer  der  Heeresgötter  niedergerissen  wurden 
und  der  Mars  pater  No.  51  sich  in  einen  pater  verwandelte,  bei  dem 
jeder  an  den  pater  noster  qui  es  in  coelo  denken  konnte,  wie  bei  dem 
Genius  an  die  Schutzengel. 


*")  Die  Abbildung  auf  Taf.  V  Fig.  6  ist  einer  Photographie  des  Denk- 
mals CIL.  VI  1203  (vgl.  Hülsen,  röm.  Mitt.  1893,  281)  die  ich  Dr.  J.  Haller 
verdanke,  entnommen.  Das  mittlere  Signum  trägt  den  Genius  mit  dem 
Modius  (vgl.  S.  96)  geschmückt,  die  signa  r.  und  1.  Victoria,  Der  Genius 
ist  als  höchstor  Heeresgott  gefasst. 


Die  Religion  des  römiscbeu  Heeres.  115 

VIIL  Die  HeeresgStter  der  Republik. 

Für  die  Heeresgötter  der  Republik  besitzen  wir  nur  ein  Zeugnis, 
Cicero  de  divinatione  I,  35,  77 :  quidf  hello  Punico  secunäo  nonne 
C.  Flaminius  consul  iieriim  neglexit  signa  rerum  fiUurarum  magna  cum 
clade  rel  piiblicaef  quiexercUu  Imtrato^'^^ )  cum  Ärretium  versus  castra 
moüisset  et  contra  Hannibalem  legiones  dticeret,  et  ipse  et  equus  eius 
ante  Signum  lovis  Statoris^'*^)  sine  causa  repente  concidit  tiec  eam  rem 
Juibuit  religioniy  öbiecto  signOy  ut  peritis  videhatur ,  ne  committeret 
proelium,  idem  cum  tripudio  auspicaretur,  pullarius  diem  proelii  cofn- 
mittendi  differebat^'^^) :  tum  Flaminius  ex  eo  quaesivit,  si  ne  postea 
qiiidem  pulU  pascerentur,  quid  faciendum  censereL  cum  ille  quiescendum 
respondisset,  Iflaminius:  praeclara  vera  auspicia  si  esuricfUibus  pullis  res 
geri  poterit,  saturis  nihil  geretur,  itaqtce  signa  convelli  et  se  seqtii 
iiissU:  quo  tempore  cum  signif er  primi  hastati  Signum  non  posset  movere 
loco^"^^)  nee  qtiicquam  proficeretur,  plures  cum  accederent,  Flaminius 
re  nuntiata  suo  more  tieglexit:  itaque  tribus  iis  karis  concisus  exercUus 
aique  ipse  interfectus  est,  magnum  illud  etiam  quod  addidit  Caelius  — 
es  folgt  das  Erdbeben. 

Die  Omina  ereignen  sich  teils  auf  dem  Marsch,  teils  im  Lager 
unmittelbar  vor  der  Schlacht  am  Trasimen.  Das  Götterbild  des  Stator 
wird  hinter  dem  Feldherra  getragen;  deshalb  stürzt  der  Feldherr  vor 
dem  Bilde.  Die  beiden  anderen  Omina  sollen  die  Schlacht  selbst 
verhindern.  Der  pullarius  meldet  vom  auguratorium  das  Versagen  der 
Vogelzeichen.     Als   der  Feldherr   dennoch   den   Befehl  zum   Ausmarsch 


*")  Vgl.  Arch.  epigr.  Mitt.  XVI  S.  19. 

^^^  Die  gewöhnliche  Ansicht,  welche  die  Situation  vor  den  Stator- 
tempel eines  römischen  Municipiums  verlegt,  steht  nicht  nur  im  Widerspruch 
mit  Ciceros  Worten,  sondern  übersieht,  dass  der  Consul  auf  dem  Wege  von 
Rom  nach  Ärretium  (Polyb.  3,  75)  auf  der  via  Cassia  vorrückend  nur  die 
latinische  Colonie  Sutrium  passierte,  der  emen  Statortempel  zuzuschreiben 
wir  nicht  das  geringste  Recht  haben.  Übrigens  ist  sehr  fraglich,  ob  ein 
römisches  Heer  ohne  zwingenden  Grund  das  Pomerium  einer  Stadtgemeinde 
überschreiten  darf. 

*''*)  Die  Befragung  der  Vogelzeichen  geschieht  unmittelbar,  bevor  das 
Heer  aus  dem  Lager  zieht.    Vgl.  Mommsen,  Staatsr.  P  S.  84. 

*^^)  Die  Signa  der  Legion  werden  wie  späterhin  in  der  pedatura  des 
primus  pilus  gestanden  haben,  also  an  der  via  principalis,  dem  praetorium 
gegenüber.  Es  ist  ja  notwendig,  dass  der  Feldherr  das  Wunder  mit  eigenen 
Augen  sieht  Da  die  hastati  das  erste  Treffen  bilden,  so  ist  es  vollkommen 
richtig,  wenn  der  Manipel  des  hastatus  primus  die  Spitze  des  Heeres  bildet. 


116  V.  Domaszewski 

erteilt,  vermag  der  Fahnenträger  derjenigen  Abteilung,  welche  zuerst 
das  Lager  verlässt,  das  Signum  nicht  aus  der  Erde  zu  ziehen.  Die 
Omina  sind  an  sich  richtig  erdacht.  Dass  sie  auf  die  Situation  wie 
wir  sie  aus  Polybius  kennen,  absolut  nicht  passen  —  denn  sie  setzen  eine 
rangirte  Bataille  voraus  —  belehrt  nur  über  den  Wert  des  Caeliani- 
schen  Geschichtswerkes.  Der  Jupiter  stator  war  den  Annalisten  der 
Sullanischen  Zeit  unverständlich  geworden.  Wie  sie  die  Omina  des 
Caelius  doch  nutzen,  lehrt  zunächst  Livius  22,  3,  9  iratus  se  ex  consüio 
proripuü  signumque  simul  itineri  pugnaeqiie  cum  prqposuisset*^^)  Hmmo 
Arretii  ante  moenia  sedeamus'  inquit  %ic  enim  patria  et  Betiates  sunt. 
Hannibal  emissus  e  manüms  perpqpuletur  Italmm  vastandoque  et  urendo 
omnia  ad  Bomana  moenia  perveniat,  nee  ante  nos  hinc  moverimus  quam, 
sicut  olim  Camillum  ab  Veiis,  G,  Flaminium  ab  Arretio  patres  acci- 
verinf.  haec  simul  increpans  cum  ocius  Signa  convelli  iuberet  et  ipse  in 
equum  insiluisset,  cquus  repente  conruit  consulemque  lapsum  super  caput 
effudit:  territis  omnibus  qui  circa  erant  velut  focdo  omine  indpiendae 
rei  insuper  nuntiatur,  Signum  omni  vi  moliente  signifero  convelli  nequire, 
conversus  ad  nuntium  ^num  litteras  quoque  inquit  ^ab  senatu  adferSj  qu€te 
me  rem  gerere  vetent?  abi,  nuntia,  effodiatU  Signum,  si  ad  convellendufn 
manus  prae  metu  ohtorpuerit^'^'')  und  noch  schöner  Plutarch  Fabius  3 
Oö  {i^v  Ineiae  töv  OXajJtCvtov,  iXkä  cpif)aa(S  oöx  dvl^eaS-at  Ttpoatövxa 
T^  Ttoji-jj  xöv  7c6Xe(iov  oö5',  öoTrep  6  TtaXatö^  KocfitXXos  *'®),  Sv  x^ 
TcoXet  6ta|xaxetaSac  irepl  auxfj^,  xov  |iiv  oxpaxöv  i^dcyetv  äxiXeuae 
xoi>€  )(ikidpy(p\}^,  auxös  8^  inl  xöv  ittttov  aXXofievo^  ^§  oöSevö^  aix(ou 
7cpo5ifiXou  napdXiytdi  fevxpojioü  xoO  Xrnzox)  yevo|i£voü  xal  Tixoplvxog 
i^ineae  xal  xaxevex'S'Ctc:  inl  xecpaXijv*^^)  8|i(i)$  oöSev  Sxpe?j;e  xfjs  yvwjiTj^. 

^^')  Das  enthält  eine  Unmöglichkeit  und  malt  den  Eampfeseifer  des 
Gonsuls  in  alberner  Weise.  Das  Signum  profectionis  (Polyb.  6,  40)  und  das 
Signum  pugnae  (Die  Fahnen  S.  79)  schliessen  sich  logiBch  wie  praktisch  aus. 
Entstanden  ist  die  Albernheit,  indem  der  Annalist,  welcher  den  Gonsul  schon 
von  Ariminum  nach  Arretium,  eine  Strecke,  wo  jede  Gommunication  fehlt, 
gefuhrt  hatte,  die  Omina  in  Arretium  stattBnden  lassen  musste,  weil  er  für 
die  Schlacht  selbst  die  bei  Polybius  erhaltene  Fassung  acceptiert  hatte. 

^^^)  Florus  sagt  1,  22,  14  nee  de  dis  posmmus  quaeri  imminentem  teme- 
rario  duci  dadem  praedixerant  insidentia  signis  examina  et  aquiiae  prodire 
ndentes.  Es  ist  der  Gemeinplatz  für  die  Omina  einer  unglücklich  verlaufen- 
den Schlacht.  Man  sieht,  mit  welcher  Freiheit  die  Epitome,  welche  Florus 
benützt,  den  Livius  behandelt  hat. 

^^^)  Hier  ist  der  Gamillus  wieder,  wenn  auch  etwas  anders  gedreht  als 
bei  Livius. 

*'^)  Dass  der  Gonsul  auf  den  Kopf  fällt,  also  mausetot  gewesen  w&re, 
ist  nur  ein  Übersetzungsfehler  des  Griechen. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  117 

Die  Qaelle  dachte  sich  die  Situation  in  Eom  also  vor  dem  Tempel 
des  Jnpiter  stator  auf  der  via  sacra ;  denn  das  römische  Heer  marschiert 
aus  der  Stadt.  Das  ist  natürlich  ebenso  unmöglich,  wie  der  Consul 
innerhalb  des  Pomeriums  zu  Pferde*®^). 

Die  Legende  führt  den  Ursprung  des  Jupiter  stator  wie  des 
Jnpiter  feretrius  auf  Romulus  zurück.  Schon  darin  liegt  es,  dass  wenn 
der  eine  ein  Heeresgott  war,  auch  der  andere  es  sein  muss.  Für 
Jnpiter  feretrius  besitzen  wir  ebenfalls  ein  Zeugnis,  das  ich  nach  diesem 
Zusammenhange  für  beweiskräftig  halte.  * 

Dio  55,  5  (Augustus)  x^jv  Satpvr^v  ig  xoO  Atö^  xoö  (pepe- 
xptou  Tiapi  xö  vop.clJ6p.evov  ioi^veyxe.  Was  konnte  Augustus  bestim- 
men, diesem  Gotte  die  Ehre  des  Triumphes  zu  erweisen,  wenn  er  nicht 
in  seinem  Bestreben  die  alte  Religion  wieder  zu  beleben,  einem  ver- 
schollenen Gebrauche  folgt.  Hat  er  doch  den  verfallenen  Tempel  dieses 
Gottes  wiederhergestellt  und  so  manche  sacra,  die  in  Vergessenheit  ge- 
raten waren,  wie  die  Titienses,  die  Arvalbrüder  und  so  vieles  andere  neu 
belebt.  Man  kann  daran  denken,  däss  für  den  Fall,  dass  der  Feldherr 
die  spolia  opima  erwarb,  dem  Feretrius  der  Lorbeer  gebührte.  Damals 
erstattete  Augustus  die  Gabe  im  Namen  seines  Lieblingssohnes  Drusus, 
dem  der  jähe  Tod  die  Ehre  des  Triumphes  geraubt;  so  könnte  er  ihm 
die  höchste  Form  des  Triumphes  zugedacht  haben.  Wie  dem  auch 
sei,  eine  tiefere  religiöse  Veranlassung  lag  für  einen  Mann  wie  Augustus 
zweifellos  vor,  von  dem  Herkommen,  das  die  Republik  festgestellt,  ab- 
zuweichen. 

Diese  Nachricht  des  Dio  gestattet  aber  auch,  die  Stelle  des 
Ancyranum,  in  welchem  Augustus  von  den  Triumphen  spricht,  die  er 
abgelehnt,    zu   ergänzen:     1,    22 — 24:    Q^os^^^)  pro   vidojris   trium- 

*^^)  Dass  der  Träger  des  imperiums  innerhalb  des  Pomeriums  nicht 
reiten  darf,  zeigt  das  uralte  Gesetz,  wonach  der  Dictator  das  Pferd  erst 
auf  Grund  eines  Volksbeschlnsses  besteigt  (Mommsen,  Staatr.  11  159  Anm.  3). 
Die  Dictatur  ist  geschaffen  für  eine  eminente  Kriegsgefahr,  vor  Allem,  wenn 
Rom  selbst  belagert  wurde.  Die  Servianische  Mauer  zeigt,  dass  dies  in  ganz 
TerschoUener  Zeit  nicht  selten  eintrat.  Dann  muss  aber  der  Feldherr  not- 
wendig auch  im  Amtsgebiet  domi  reiten.*  Die  Erklärung  dieser  Bestimmung, 
nach  welcher  der  Obergeneral  regelmässig  zu  Fusse  geht,  ist  doch  militärisch 
nicht  zu  halten.  Mit  echt  römischer  Zähigkeit  hat  man  an  dem  Buchstaben 
des  Gesetzes  festgehalten,  als  die  Voraussetzungen,  welche  das  Gesetz  her- 
vorgerufen hatten,  längst  verschwunden  waren.  Als  Vitellius  (Tacit.  hist.  2, 
89)  in  das  besiegte  Rom  einreiten  will,  da  bestimmen  ihn  seine  Freunde  ab- 
zusteigen und  in  der  praetexta,  also  nicht  als  Feldherr,  einzuziehen. 

*^\  qiws  bat  mir  Burheler  angegeben. 


118  V.  Domaszewski 

phos  mihi  sefnatus  decrevity  iis  sujpersedi.  Jfovi  aiUem  laurjus  äeposui; 
in  Capiftolio  votis  quae]  quoque  hello  nuncufpaveram  solujtis. 

Augastus  hat  nur  den  actiscben  Triamph  gefeiert  und  zwar 
diesen  kraft  seiner  konstituierenden  Gewalt.  Die  späteren  Triumphe 
hatte  nach  der  Constitution  der  Senat  zu  bewilligen.  Warum  im  zweiten 
Satze  die  technische  Formel  in  gremio  lovis,  welche  die  Kürze  der  Lücke 
ausschliesst,  vermieden  wurde,  zeigt  eben  die  Darbringung  des  Lorbeers 
an  Jupiter  feretrius,  dessen  Cultbild  notwendig  ein  Standbild  gewesen 
sein  muss.  Dann  ist  auch  die  Interpunktion  vor  in  Capilolio  verständ- 
lich. Denn  das  Auszugsgelübde  wurde  notwendigerweise  dem  Jupiter 
optimus  maximus  geleistet,  also  auch  auf  der  area  Capitolina  gelöst. 

Die  Kaiserzeit  kennt  den  Jupiter  feretrius  und  Jupiter  stator 
nicht  mehr  als  Heeresgötter;  also  fällt  die  Aenderung  in  die  Zeit  der 
Republik.  Die  durchgreifende  Aenderung  der  Heeresreligion  geht  auf 
Marius  zuiUck.  Plinius  berichtet  n.  h.  10,  16:  Romanis  eam  ((Kjuilam) 
legionibus  C,  Marius  in  secundo  consulatu  suo  prqprie  dicavit.  erai 
et  antea  prima  cum  qtuiUuor  aliis,  lupi,  minotauri  e^jui  aprique  singur 
los  ordines  anteibant  pamis  ante  annis  sola  in  aciem  portari  coepta 
erat,    reliqua   in   castris  relinquebantur.    Marius  in  totum  ea  obdicaviL 

Die  spätere  Einteilung  der  Heeresgötter  bei  der  1.,  2.  und  3. 
Cohorte  der  Praetorianer^®^»)  und  des  aquila  in  dem'  Manipel  des  primus 
pilus  zeigt  *^^**),  dass  die  ordines  die  C^nturien  der  triarii  sind,  so 
dass  diese  Symbole  der  Götter  wie  notwendig  bei  der  letzten  Reserve 
ausserhalb  der  Gefechtslinie  der  hastati  und  principes  eingestellt  waren. 
Als  die  Cohortenstellung  eingeführt  wurde,  standen  7  Manipeln  der 
triarii  in  der  Gefechtslinie  der  beiden  ersten  Treffen  der  normalen 
acies  triplex.  Deshalb  Hess  man  die  göttlichen  Tierbilder  im  Lager 
und  es  bezeichnet  paucis  ante  annis  den  Zeitpunkt  jener  wichtigen 
tactischen  Reform  ^®*ß). 

Das  erste  dieser  Tierbilder  bedeutet  den  Jupiter,  das  zweite  den 
Mars*®*),  den  zweiten  Heeresgott  des  späteren  Lagerhimmels.  Marius 
wird  es  gewesen  sein,    der  ihnen  die  dritte  Gottheit  Victoria,    die  per- 


*"»)  S.  4. 

*"b)  s.  3.  19. 

^8io)  In  der  Kaiserzeit  hat  die  cohors  prima  im  ersten  Treffen  ge- 
standen Tac.  bist.  2,  43,  aber  das  Heer  führte  damals  das  Cultbild  des 
Jupiters  selbst  ins  Feld  S.  4. 

*"^)  Deshalb  ist  es  Mars  ultor  selbst,  den  auf  dem  Brastpanzer  der 
Augustus-Statue  voa  Primaporta  die   zurückgestellte  Fahne  entgegennimmt 


Die  Religion  des  römischeii  Heeres.  119 

sönliche  Siegeskraft  des  Feldberrn,  beigesellte,  offenbar  nach  dem  Vor- 
bild der  hellenistischen  Condottiers*®').  Hierin  kommt  die  Veränderung 
der  Stellung  des  Heeres,  das  neue  monarchische  Prinzip,  das  es  belebt, 
am  schlagendsten  zum  Ausdruck. 

Aber  jene  Tiersymbole  führen  auf  einen  weit  älteren  Zustand  der 
Religion.  Sie  stammen  aus  einer  Zeit,  wo  die  Latiner  ihre  Götter 
noch  in  den  Tieren  verkörpert  sahen.  Wie  die  anderen  Götter  zu 
nennen  sind,  lehrt  die  uralte  Trias,  an  welche  Wissowa  mich  erinnert, 
Jupiter,  Mars  und  Quirinus.  Er  schreibt  mir:  „Diese  Trias  erwartet 
man  hier  ebenso  wie  bei  der  spolia  opima  (Fest.  p.  189  zu  verbessern 
nach  Plutarch,  Marceil.  8.,  Serv.  Aen.  VI  860)  beim  Abschlüsse  des 
foedus  (Polyb.  HI  25,  6),  im  Ritual  der  Salier  (Serv.  Aen.  VHI,  663), 
bei  der  Devotion  des  Decius  Mus  (Liv.  VHI,  9,  6)".  Entscheidend 
für  die  Bedeutung  des  Quirinus  als  Heeresgott  ist  die  Nennung  beim 
foedus.  Ata  XfS-ov,  xaxöE  zi  TcaXatöv  IS-o^,  inl  Sk  to6tü)v  töv  "Apr^v 
xai  TÖv  'EvuaXtov.  Denn  auch  in  der  Kaiserzeit  sind  die  Heeres- 
götter  die  notwendigen  Zeugen  des  Vorganges. 

Den  aper  führen  als  Fahnentiere  in  der  Eaiserzeit  zwei  Legionen, 
die  I.  Italica*®*)  und  die  XX.  Valeria  Victrix.  Bei  der  ersteren  ist 
die  Bedeutung  klar.  Sueton  Nero  19:  conscripta  ex  Italicis  senum 
pedum  tironibus  nova  legione,  Sie  bestand  also  aus  römischen  Bürgern 
bester  Herkunft,  und  ich  sehe  nicht  ein,  wie  man  Quirites  von  Quirinus 
etymologisch  trennen  kann.  Die  Bildung  der  XX.  Valeria  Victrix  ist 
nicht  hinreichend  bekannt.  Aber  diese  Bedeutung  der  alten  Tierbilder 
wird  auch  Tiberius  geleitet  haben,  als  er  diese  Legion  unter  das  Zeichen 
des  aper  stellte*®*). 

Dann   aber  können  die  beiden  anderen  Tiergestalten  nur  Jupiter 


^'')  Man  braucht  sich  nur  an  die  Münzbilder  dieser  Feldherm  wie  den 
berühmten  Stater  des  Agathokles  und  Denkmäler,  wie  die  Nike  von  Samotbrake 
des  Demetrius  Poliorketes  zu  erinnern,  um  sich  dessen  bewusst  zu  werden. 
Das  Füllhorn  dieser  Göttin  ist  ein  Zeichen,  dass  diese  Siegeskraft  zugleich 
eine  segenbringende  ist.    Vgl.  S.  8. 

*^*)  Die  Bauinschrift  des  Fahnenheiligtums  No,  10  und  die  Münzen, 
die  Fahnen  S.  65.  Doch  ist  der  aper  nicht  die  Nativität,  weil  er  auf  dem 
Relief  rechts  steht,  also  wie  die  Reliefs  der  H  Augnsta  und  der  IV  Ma- 
cedonica  lehren,  in  zweiter  Linie.  (Arch.  epigr.  Mitt.  XV  S.  188).  Das 
zweite  Münzbild,  der  Stier  des  iulischen  Heeres,  ist  vielmehr  die  Nativität, 
welche  Nero  gewählt. 

"*)  Vgl.  Korrbl.  der  Westd.  Zeitschr.  1803  Sp.  263.  Dieser  Legion 
fehlt  also  die  Nativität  ganz. 


120  V.  Domaszewski 

Feretrius  und  Jupiter  Stator  symbolisieren.    Als  loves  minores  gehen  sie 
dem  Quirinus  voran. 

Der  späteren  Zeit  galten  sie  beide  als  Differenzierung  des  Jupiter. 
Und  doch  kennt  die  Schwurformel  nicht  den  Jupiter  optimus  maximus, 
sondern  nur  den  Feretrius  und  zwar  als  ersten  Gott.  Noch  die  Culte 
der  Kaiserzeit  lehren  es,  dass  Jupiter  als  Gott  der  Capitolinischen  Trias 
nicht  von  Anfang  an  der  oberste  Heeresgott  war.  Weder  die  Cult- 
bilder  noch  den  Cult  selbst  der  beiden  Göttinnen,  die  ihn  begleiten, 
kennt  das  Heer  der  Eaiserzeit,  ein  sicheres  Zeichen,  dass  diese  Göttinnen 
dem  ältesten  Glauben  fremd  sind*®®).  Der  römischen  Legende  ist  Jupiter 
optimus  maximus  eine  Schöpfung  der  Tarquinier.  Den  Feretrius  und 
Stator  dagegen  danken  die  Römer  dem  Romulus.  Auch  der  Adler 
ist  ein  Fremdling,  er  ist  der  Bote  des  griechischen  Zeus;  der  Vogel 
des  augurium  augustum  der  Stadtgründung  ist  der  vultur.  Die  griechi- 
schen Culte  führt  die  Legende  auf  die  Tarquinier  zurück.  Diese  ver- 
schollene Dynastie,  die  den  Tempel  gebaut,  welchen  die  Republik  nur 
geweiht,  hat  ihren  Schutzgott  zum  obersten  Heeresgott  erhoben  und  so 
nannte  man  ihn  optimus  maximus.  Aber  schon  vor  dieser  Zeit  hatte 
das  Heer  den  Gott  der  lichtumflossenen  Höhe  in  der  doppelten  Gestalt 
des  Jupiter  Feretrius  und  Jupiter  Stator  verehrt.  Auf  der  Siegesstrasse, 
die  zum  heiligen  Berge  des  Jupiter  hinaufführte  und  deshalb  via  sacra 
heisst,  standen  die  Siegestempel  der  beiden  Götter,  wie  auch  der  erste 
Siegestempel  der  Republik  diese  Strasse  schmückt.  Noch  verehrte  man 
den  Jupiter  auf  dem  Berge  in  freier  Himmelsluft;  hier,  ausserhalb  der 
Stadtgrenze,  brachte  man  die  Gelübde  dar,  die  der  Sieger  löste.  Es 
ist  die  doppelte  Eigenschaft  des  Heeres,  die  Schlagkraft  und  die  Wider- 
standskraft, die  Feretrius*®'')  und  Stator  symbolisieren,  die  Offensive  und 
Defensive.     Die  innerste  Natur  jenes  Heeres,   dessen  gleichen  die  Welt 


*8«)  Vgl.  S.  28. 

*87j  Über  die  Etymologie  von  Feretrius  teilt  mir  Osthoff  folgendes  mit : 
„Wenn  Feretriits  sich  begrifflich  gut  mit  ferire  zusammenbringen  läset,  würde 
ich  in  dem  Formalen  kein  Hindernis  gegen  solche  Annahme  sehen.  Es  wäre 
unbedenklich,  ein  nomen  instrumenti  *feTe'tro-m  *  Schlagewerkzeug ,  Waffe 
zum  Treffen'  oder  auch  ein  ähnlich  gebildetes  nomen  actionis  ^fere-tro-m 
*fere-trä  'das  Schlagen,  Treffen'  —  vgl.  fidge-tru-ni  fulge-tra  'das  Wetter- 
leuchteu,  Blitzen'  —  vorauszusetzen;  davon  käme  Fere-tr-iu-s  'der  schlagende, 
Schlagen  bewirkende  Gott'.  Das  Verhältnis  der  Wortbildungen  Fere- 
ir-iu-s:  fer-io  Hesse  sich  auch  durch  Parallelen,  wie  gr.  dli-TQ-io-g  'zum 
Mahlen  gehörig',  clltT^-ta  ntr.  pl.  'Mehl':  <xk-ia,  ago-rg-io-g  'zum  Ackerbau 
gehurig*:  uqo  tqo-v,  agoaij  einigermassen  illustrieren^. 


Die  Religion  des  römischen  Heeres.  121 

vorher  nicht  gesehen  und  niemals  wieder,  sehen  soUte,  offenbart  sich  in 
dem  Gedanken,  der  am  Anfang  seiner  Geschichte  steht,  dass  der  Gott 
der  Verteidigung  nur  der  Hemmer  der  Flacht  ist.  Denn  siegreicher 
Angriff  ist  das  Lebensprinzip  dieses  Heeres  und  der  Gott  des  Angriffs 
der  höchste  der  Götter  des  Heeres. 

Wie  Jupiter  optimus  maximus  den  älteren  Heeresgott  entthronte, 
so  haben  ihm  Elagabalus,  Dolichenus  und  Heliopolitanus  nach  beinahe 
tausend  Jahren  das  Scepter  entwunden.  Unter  seinem  Schutze  war  der 
römische  Staat  zum  Horte  aller  Völker  des  Mittelmeeres  geworden.  Als 
ihn  die  Herrschaft  der  Orientalen  verdrängt  hatte,  kämpften  die  Kaiser 
der  romanisierten  Illyrier  unter  dem  Zeichen  des  Mars  ein  Menschen- 
alter gegen  eine  Welt  in  Waffen,  um  den  zersprengten  Staatsbau  mit 
dem  Schwerte  zusammenzuschmieden.  Endlich  schien  es,  dass  Diocletianus 
lovius  das  Werk  der  Neugeburt  des  römischen  Staates  vollendet  hatte*®*). 
In  Wahrheit  stand  der  Genius  populi  Romani,  der  Heeresgott  der  lovier 
und  Herculier,  an  der  Leiche  des  römischen  Glaubens  und  des  natio- 
nalen Staates. 


<>>)  Deshalb  nannte  er  sich  lovius  und  bezeichnete  den  Mars  im  Heer 
als  pater,  den  Stammvater  des  römischen  Volkes  S.  3ö. 


Nachtrag. 

Zu  S.  46  f. :  Die  germanische  Herkunft  des  Hercules  und  Mercurius 
der  equites  singulares  hat  eben  in  ausführlicher  Darlegung  auch  Zangemeister 
Nene  Heidelberger  Jahrbücher  V  (1895)  S.  46  ff.  nachgewiesen. 

S.  73:  Über  den  Namen  Donma  teilt  mir  Nöldeke  folgendes  mit: 
„Domna  halte  ich  für  eine  Übersetzung  des  syrischen  Namens  Martha,  das 
uns  zuerst  in  NT.  begegnet,  d.  i.  „Herrin*'.  Er  kommt  in  verschiedenen 
Formen  vor.  Ebenso  das  Masc.  Märä  und  Nebenformen.  Griech.  KvqIos, 
KvQhf  später  meist  Kvgog^. 

WMtd.  Zeitsohr.  f.  Gesch.  a.  Kunst.   XIV,   I.  9 


Register. 


adiutor  30. 
aeneatores  29. 
aestiva  (castra)  18. 
Alaterviae  50. 
Ancyranum   69;   (1,  22) 

117;  (2,  29)  43;  (Gr.  9, 

21)  113. 
Anociticus  112. 
Apollo  52  f. 
aquila  12,  41,  120. 
aquilifer  15. 

Aquincum  73,  100,  113. 
arca  der  principales  90. 
armamentarium  87. 
armatura  32  f. 
armorum  custOB  104. 
Augusta  Vindelicum  102. 
Auspicien  111. 
aaxilia  22,  45,  98;  Altäre 

27 ;  centuriones  90, 108 ; 

decuriones     90 ,    108 ; 

Götter  45;  Kampfweise 

29;  princeps  28,   112; 

Reiterei  51. 
Azizus  64  f. 

beneficiarii  con8ulariB99f. 
Beneventer  Bogen  56,  96. 
Bonus  eventus  44. 

Campestres  50  f. 
Ganabae  26  f.,  99;  Altäre 

26,  39,  40,  55. 
Gapitolinische  Trias  22, 

26  f.,  120. 
capsarii  86. 
Carnuntum  16,  35, 36,  49, 

65,  67,  78,  100,  113. 
centurio    deputatus    31 ; 

exercitator  31 ;  strator 

30. 
Christentum  36,  63,  67, 

95,  114. 
Claudius  Livianus  5. 
Claudius  Pompeianus  6. 
Cocidius  56. 
cohors  equitata  50. 
cohortes  urbanae  70,  94. 
collegia  militum  82,  79  f. 
comites  5,  77. 


cornicen  29,  86. 
Coventina,  Dea  50. 
curare  111. 

Dacia  Apulensis  110. 

Dea  Suria  52,  58. 

Dedicatio  110. 

dei  comites  77. 

dei  conservatores  96. 

dei  externi  66. 

dei  militares  1  f.,  34,  96, 

114. 
dei  peregrini  45. 
Diana  52  f.,  56. 
Dictator  117. 
Disciplina  44. 
divi  10,  71. 

Dolichenus  12,  59  f,  64. 
Dona  militaria  6.  43. 
Donar  7,  47,  50. 
Durostorum  26. 

Elagabal  (Gott)  60  f. 

Epona  52. 

equites     singulares     des 

Kaisers   7,   47  f.,   93; 

Götterverein  20. 
equites     singulares     des 

Statthalters    31,     88; 

Heiligtum  102. 
e?ocatu8  5,  33,  91. 
exceptor  principis  prae- 

torii  31. 
exercitator  31,  33. 
exercitus  5 ;  Stab  des  30, 

81,  88,  99. 
exercitus  Galatiae  69. 
Exerzierplatz,   Heiligtum 

51. 

Fahnenheiligtum  9  f. 
Felicitas  43,  47. 
Flavius  Genialis  105. 
ad  Flexum  23. 
Fortuna  40,  47,  102. 
frnmentarii  59. 

Generalstab  5  f. 
Genius  alae  51.  96. 
Genius  castrorum  35, 113. 


Genius   castrorum  pere- 

grinorum  108. 
Genius  centuriae  103. 
Genius  cohortis  96. 
Genius  domus  109. 
Genius  exercitus  96. 
Genius  militum   frumen- 

triorum  109. 
Genius  horrei  103. 
Genius  des  Kaisers  68  f., 

96. 
Genius   legionis   66,    96, 

114. 
Genius  loci  101, 102,  107. 
Genius  numeri  96. 
Genius  praetorii  100. 
Genius  populiRomani  114. 
Genius  cohnrtium  praeto> 

riarum  104. 
Genius    der    principales 

107. 
Genius  provinciae  108. 
Genius  scholae  107. 
Genius  einer  Stadt  108. 
Genius  stationis  107. 
Genius  turmae  107. 
Genius  valetudinarii  102. 
Genius    cohortium   Vigi- 

lum  104,  114. 
Germanische  Götter  45. 
Götterbilder  des  Heeres 

2,  9,  35,  119. 

Hamii  52. 

Hammon  73  f. 

Haruspiciu  111. 

hastilarii  der  equites  le- 
gionis 88,  der  equites 
singulares  des  Kaisers 
7   93. 

Hercules  7,  47,  60,  106. 
113. 

Herculius  50. 

Heeresgötter  der  Repu- 
blik 115. 

hiberna  18. 

bonos  41  f. 

horologiarius  103. 

hydraularius  103. 

Hygin  de  cast  met.  8, 111^ 


imagines  11,  94. 
Jerosalem  97. 
JoYiiis  121. 
Isea  17. 
Juno  28,  120. 
Jano  caelestis  73  f. 
Jupiter  4,  36,  66,  113. 
Jupiter  feretrius  117  f. 
Jupiter  optimus  maximas 

22.  120. 
Jupiter  redax  48. 
Jupiter  Stator  115  f. 
iuridicos  Asturiae  et  Gal- 

laeciae  101. 

Kaiser  Augostus  38,  57, 
117. 

Tiberius  72. 

Caligula  92. 

Nero  11,  119. 

Yespasianas  40,  88. 

Domitianus  23. 

Traianus  7,  56. 

Hadriaous  29,  32,  33, 
44,  47,  50,  88. 

Pias  57. 

Marcus  7,  33,  58. 

Commodus  54, 59,  76. 

Septimius  Severus  37, 
72. 

Elagabalus  38,  60. 

Caracalla  71,  76. 

Severus     Alexander 
38.  63,  76. 

Gordianus  77. 

Philippus  66. 

Gallienus  77. 

Postumus  49,  77. 

Diocletianus  35,   66, 
113,  121. 

Maximianus  50. 

Julianus  36,  64  f. 

Yalerianus  67. 
Kaiserin  Julia  Domna  72  f. 

Mamaea  43,  61,  76. 
Kalender  des  Heeres  13. 
Kasse  ad  signa  15,  70. 
Kaisercult  19,  68  f.,  96, 
.     110. 

Kaiserstatue  8, 10, 12, 68  f. 
Keltische  Gottheiten  50. 
Köln  23,  111. 


Landesgötter  54  f. 

Lares  der  stratores  110. 

Lares  militares  109. 

legio:  beneficiarii  tribu- 
norum  84,  cohors  103, 
112,  cornicines  86,  equi- 
tes  86,  88,  praefectus 
38,ö9,83,princepsll2, 
tribunus  laticlavius  84, 
1 1 1 ,  tribunus  sexmestris 
81. 

Legionen:  Traians  25, 
Yespasians  25. 

Legionslager:  moestsche 
23,  pannoniscbe  23. 

legio  I  Italica  20,  119,  I 
Minervia25,  II  Augusta 
77,  II  Parthica  38,  II 
Traiana  25,  III  Cyre- 
naica  25,  Y  Alaudae  24, 
YIII  Augusta  29,  X  ge- 
mina  23,  XIII  gemina 
23,  Xim  gemina  23, 
XXI  Rapax  25,  XX  Ya- 
leriall9,XXXUlpia24. 

Liber  54  f.,  56. 

Licinius  Sura  5. 

Mainz  27,  62,  100,  111. 

Mars  4,  7,  33  f.,  47,  49, 
60,  66,  77. 

Mars  campester  36,  mili- 
taris34f.,pater35,121, 
ultor  33  f. 

Marschordnung  15. 

mater  Augusti  72,  castro- 
rum  72,  patriae  et  se- 
natus  72. 

Mercnrius  47. 

Mesopotamien  Unterwer- 
fung 56. 

Minerva  29,  60,  120. 

Militärmusik  103. 

Mithras  22,  66. 

Monimus  64  f. 

municipes  77. 

natalis  aquilae  12,  20,  77. 
Novae  17,  111. 
numeri  29,  32,  45,  51. 
Numidia  59. 
numina  castrorum  95. 


'Lager,   Bodenrecht   112,  officium   comiculariorum 

Uhr  103.  I     81. 

Lagertempel  der  Haupt- :  Opfer  an  die  signa  12,  80, 

Stadt  37.  I     112. 

Lambaesis  27,  35,  49,  59,  |  optio  navaliorum  16,  prae- 

79,  114.  I     t.orii31,signiferorum84. 


Orientalische  Culte  57. 
Orientalische  Schützen  52. 
Ostia  16,  71. 

pedites  singulares  des 
Statthalters  30. 

pequarius  87. 

Pietas  43. 

Poetovio  31. 

praefectus  equitum  51. 

praepositus  32 

Praetorianer,  Avancement 
91,  Signa  3,  111. 

praetorium  (Lagerban)  6, 
14  f.,  35,  (des  Marsch- 
lagers) 8,  (Stab  des  Kai- 
sers 3. 

prata  legionis  100. 

primipilares  5. 

primus  pilus  19,  85, 38, 60, 
111. 

princeps  praetorii  31. 

Quirinus  119. 

Recht  der  Heeresreligion 

64,  110  f. 
Urbs  Roma  108. 

Sabasius  63. 

Salus  43,  47. 

Schola  32,  78  f.,  107. 

Schwur  8. 

Sedatus  55. 

Signa  85,  111. 

signifer  15  f. 

Silvanus  52  f.,  56,  80. 

speculatores  des  Kaisers 
7,  91  f.,  des  Statthal- 
ters 81,  88. 

Sol  invictus  35,  66,  73. 

Stallverwaltung ,  Heilig- 
tum 102. 

Standlager  18. 

Strassburg  29. 

stratores  30,  102,  110. 

Suleviae  47,  50. 

Tabularium  29,  102,  112. 
Tarquinier  120. 
tectores  94. 
Tempel  des  Mars  milita- 

ris  35,  der  Yictoria  39. 
territorium  legionis  100, 

112. 
Tertullianus  13,  95. 
Theveste  23. 
Tierbilder  der  Legionen 

118. 


Trasitas  55. 

trecenarias  (Centurio)  93. 
tubicen  29. 

vexillatio  (der  Legionen) 
21  f.,  98,  (der  vigiles) 
14,  (=  numerus)  46. 

vexillum  3,  4,  7,  89,  93. 

Veteranen  102. 

Yeteranenalt&re  20,  25, 
28,  34,  38. 

via  principalis  10,  78. 

Victoria  4,  8,  9,  37  f.,  60, 
119. 

Viminacinm  100. 


Virtus  40,  (legionis)  96. 
Vulcanus  55. 

Wachdienst  14. 
Wodan  47. 

Tafeln. 

I  Fig.  1:  16,  71. 

l  Fig.  2:    16,   36,   49, 

65,  78,  100,  113. 
II  Fig.  lau.  Ib:  3,  111. 
II  Fig.  2:  53. 
II  Fig.  3:  82. 
II  Fig.  4:  11,  70,  77. 


III  Fig.  1 :  7. 
UI  Fig.  2:  3,  34. 
III  Fig.  3:  7,  106. 
III  Fig.  4:  54. 

III  Fig.  5:  64. 

IV  Fig.  la  u.  b.:  12,  60. 
IV  Fig.  2a,  b,  c:  60. 
IV  Fig.  3:  104. 

V  Fig.  1:  56. 

V  Fig.  2:  96. 

V  Fig.  3:  56. 

V  Fig.  4:  66. 

V  Fig.  5:  66,  114. 

V  Fig.  6:  114. 


-<oa>-o~ 


^vtö.  z^n,c(it .  xffi  f<!if.  VI. 


Die  Ringmauern  auf  dem  Goldgruben-  und  Dalbesberge 
in  der  Hohen  Mark  im  Taunus. 

Ton  Christ.  Ladw.  Thomas,  Architekt  in  Frankfurt. 

(Hierin  Tafel  VI). 


Die  Ringwallanlagen,  auf  den  beiden  benachbarten,  das  Heidetränk- 
thal abschliessenden  Bergköpfen  (Dalbesberg  und  Goldgrubenberg)  ge- 
legen, müssen  nun  für  eine  einzige  zusammengehörige  Wehranlage  an- 
gesehen werden,  nachdem  es  mir  im  April  vorigen  Jahres  gelungen  ist, 
■den  doppelten  Zusammenhang  der  beiden  Bergberinge  aufzufinden  und 
die  unzweifelhaften  Teile  und  Spuren  des  südöstlichsten  Aussenwallzuges 
in  einem  sich  nach  unten  erweiternden  Abstände  vom  Ringwalle  des 
Bergkopfes,  dem  Berghange  entlang,  quer  durch  das  Heidetränkthal  bis 
an  den  südlichen  äussersten  Wallzug  der  Goldgrubenbefestigung  ziehend, 
nachweisen  zu  können. 

Der  gegenseitige  Anschluss  der  beiden  Aussenwälle  findet  an  der- 
jenigen Stelle  im  Thal  statt,  woselbst  die  heutige  Landstrasse,  sog. 
Kanonenstrasse,  den  in  einer  Krümmung  von  Nordosten  in  das  Thal 
herabziehenden  Goldgrubenberg-Aussenwall  vor  seinem  südlichsten  Ende 
•durchschnitten,  d.  h.  an  derjenigen  Stelle  beseitigt  hat,  wo  er  ehemals 
mit  dem  von  Nordnordwesten  ins  Thal  steigenden  Felsgrat,  zunächst 
dem  Heidetränkbach,  zusammentraf. 

Das  unterste  Ende  dieses  Felsgrates,  sowie  ein  Teil  des  Berg- 
hanges samt  Wall  ist  durch  den  zur  Anlage  der  Landstrasse  nach 
Schmitten  erforderlichen  tiefen  Terrainausschnitt  total  abgetragen  worden. 
Aber  ein  glücklicher  Zufall  hat  es  gefügt,  dass  noch  ein  Stück  des  aus 
dem  Fluchtlinienverlauf  der  vorhandenen  Wallstrecke  nachweisbaren 
Wallendes  als  noch  deutlich  sich  abhebender  Erdwall  an  dem  Südrande 
der  sog.  Kanonenstrasse  liegen  geblieben  ist.     Südlich,  direkt  nebenan, 

Wettd.  Zeitoohr.  f.  Oesoh.  q.  Kunst.   XIY,   U.  10 


126  Chr.  L.  Thomas 

läuft  auch  noch  ein  Stück  des  alten  tief  ausgefahrenen  aber  nur  einge- 
leisigen  Fahrweges^)  zum  Heidetränkthal,  mit  der  neuen  Strasse  diver- 
gierend, jetzt  allerdings  völlig  verwachsen  in  der  Thalrichtung  weiter,, 
als  Thorweg  zwischen  jenem  Überbleibsel  und  dem  links  ihn  flankierenden 
Rest  des  vom  Dalbesberg  kommenden  steinernen  Wallarmes  hindurch. 
Denn  hier  in  der  äussersten  Waldecke,  zunächst  dem  Wiesengrund  endigt 
derselbe  als  südlicher  Flankenwall  des  daselbst  befindlichen  Thores  und 
zeigen  sich  die  unzweifelhaften  Spuren  dieses  im  rechten  Winkel  ein- 
gezogenen Wallendes,  dessen  ehemalige  Ausdehnung  als  eine  längliche» 
zur  Steingewinnung  abgehobene  Vertiefung,  im  Anschluss  an  grosse  Fels- 
blöcke sich  bemerkbar  macht.  Diese  letzteren  sind  die  vereinzelten 
Reste  des  anschliessenden  Hauptwalles.  Man  findet  die  gleiche  Er- 
scheinung nochmals  an  Stelle  der  abgefahrenen  nördlichen  Thorflanke 
am  Nordwestthor. 

Dieser  ehemals  enggedrängte  Wegdurchlass  zwischen  Urselbach 
und  felsigem  Berghang,  woselbst  die  beiden  Aussenwälle  vom  Dalbes- 
und  Goldgrubenberg  bis  auf  die  Weite  der  Thoröffnung  sich  nähern^ 
und  die  schroffen  Felsgrate  von  Nordwest  herabziehend  sich  vereinigen^ 
der  Wiesenplan  aufhört  und  der  abwärts  geneigte  alte  Weg  in  den 
dichten,  wasserdurchrauschten  Wald  tritt,  dieser  wichtige  Zugang  in  den 
grossen  Ringwall  ist  noch  durch  einen  Eigennamen  aus  alter  Zeit  aus- 
gezeichnet. Auf  der  Stumpff 'sehen  Karte  wird  uns  derselbe  mit  „Lebers- 
loch" genannt;  ebenso  befindet  sich  auf  dieser  Karte  entsprechend 
meiner  Annahme,  dass  das  unterste  Westthor  in  dem  hinteren,  west- 
lichen Wallarm  in  der  Thalsohle,  aber  jenseits  des  Baches  gelege» 
haben  wird,   für  diese  Stelle   eine  besondere  Bezeichnung:    „die  Esch". 

Der  erst  neuerdings  aufgefundene,  vom  Dalbesberge  in  langgezog- 
ner Kurve  zu  Thal  schreitende  grosse  Flankenwall  hat  auch  in  den 
Wiesen  seine  unverkennbaren  Spuren  zurückgelassen.  Besonders  zwei 
mächtige  Felsstücke,  wovon  eines  noch  in  der  Waldecke,  eines  auf  dem 
Wiesengrunde  gelegen  ist,  sowie  die  vom  Bergwasser  klar  gespülten, 
tiefgehenden  Bachränder  zeigen  in  ihrer  Reihenfolge  den  weiteren  Ver- 
lauf des  ehemaligen  Steinwalles  in  der  Thalsohle. 


')  Dieser  tief  ausgefahrene,  eingeleisige,  alte  Fahrweg  läuft  heute 
noch  wohl  erhalten,  aber  verwachsen  mit  seinen  für  die  in  entgegengesetzter 
Richtung  oder  leerfahrenden  Fuhrwerke  erforderlichen  Neben-  und  Abzweig- 
wegen in  östlicher  Richtung  als  sog.  Gaulshohl  durch  den  Wald,  dicht  neben 
der  Chaussee  herziehend,  an  der  Hohenmarkspinnerei  vorüber  bis  zum  „Hans- 
rotensteg"  u.  s.  f.  Er  war  jedoch  niemals  ein  zur  Ableitung  des  Heidetränk- 
baches bestimmter  Graben;  schon  die  Niveauverhältnisse  schliessen  dies  aus. 


Die  Ringmauern  auf  dem  Goldgruben-  u.  Dulbesberge  i.  Taunus.        127 


Nun  kommt  eine  kurze  Strecke  am  jenseitigen  Abhang,  welche 
durch  mehrfache  Weganlagen,  Steinbrüche,  Wasserkanäle  etc.  zur  Hohen- 
mark-Spinnerei  total  durchgraben  und  verändert  ist  und  nur  weniges 
erkennen  lässt.  Aber  die  Richtung  ist  ja  zweifach,-  einmal  von  unten 
dem  Wiesengrunde  aufwärts,  das  andere  Mal  vom  Berghange  hernieder 
kommend,  völlig  sichergestellt,  so  dass  der  ehemals  mit  in  die  Wall- 
linie eingezogene  Felsgrat  —  gleich  hinter  dem  Kaiserin-Friedrich- 
Fahrweg  gelegen  —  als  weiterer  Fixpunkt  hervortritt,  von  wo  ab  als- 
dann, mit  allerdings  vielfacher  Unterbrechung  an  den  alten  Wegkreu- 
zungen, das  kräftige  und  wohlerhaltene  Steinwallproiil  bis  zum  Anschluss 
an  die  Südwestecke  des  schleifenartigen,  langgezogenen  Steinwalles  auf 
der  Höhe  des  Dalbesberges  gesehen  und  verfolgt  werden  kann.  Fast 
rechtwinklig  findet  hier  der  Anschluss  in  felsigem  Terrain  statt.  Diesen 
obersten  Teil  zeigt  schon  die  Stumpff'sche  Karte. 

In  der  Planskizze  auf  Taf.  VI  ist  der  Verlauf  der  Innen-,  Aussen- 


128  Chr.  L.  Thomas 

und  Flankenwälle  nach  eigenen  Abschreitungen  und  Aufnahmen  darge* 
stellt,  die  von  den  bis  jetzt  vorhandenen  Abbildungen  und  Beschreibungen 
oft  wesentlich  abweichen  (siehe  die  Zusammenstellung  auf  S.  127).  Ich 
glaube  jedoch  aussprechen  zu  dürfen,  dass  die  Darstellung  in  Bezug  auf 
Gestaltung  und  Verlauf  der  Wallstrecken  Anspruch  auf  den  Grad  von 
Richtigkeit  machen  kann,  der  unter  sorgfältigster  Verwertung  der  General- 
stabskarte, aber  ohne  Zuhilfenahme  besonderer  Messinstrumente  und  Auf- 
grabungen erreichbar  ist.  Dagegen  sind  die  beigefügten  Querproiile 
mittelst  Messlatte  und  Nivellierinstrument  ermittelt.  Es  ist  nicht  zu 
bestreiten,  dass  nur  durch  geometrische  Aufnahmen  der  Wallzüge  die 
genauesten  Massverhältnisse  und  die  präzisen  Eurvengestaltungen  ge- 
fanden werden  können ;  vorher  aber  müssen  immerhin  die  nur  zu  häufig 
kaum  noch  erkennbaren,  auf  weite  Flächen  verteilten  Spuren  verwischter 
und  bis  jetzt  unbekannt  gebliebener  Stein-  und  Erdwälle  aus  dem  Wüste 
von  Erdhäufangen  und  Felstrümmem  herausgefunden  und  zu  einem 
zusammenhängenden  Ganzen  geordnet  sein. 

Die  Generalstabskarte  ist  in  fünffacher  Vergrösserung  der  Plan- 
skizze (siehe  Taf.  VI  und  S.  146  Anm.)  zu  Grunde  gelegt  und  die  wesent- 
lichsten Brechungspunkte  der  darauf  kaum  angedeuteten  beiden  Wallan- 
lagen auf  den  Bergkuppen  sind  als  zuverlässig  angenommen  worden,  von 
der  Voraussetzung  ausgehend,  dass  diese  wenigen  Linien  vorzügliche 
Ausgangsstellen  zu  den  weiteren  umfassenden  Aufnahmen  abgeben  würden. 

Vieles  ist  leider  seit  der  Zeit  meiner  ersten  Aufnahme  verschwun- 
den; wie  denn  die  Zerstörung  an  den  Felsen  und  Wällen  der  beiden 
Bergkuppen  durch  schwunghaften  Steinbruchbetrieb  und  Abfahr  in  den 
letzten  Jahren  einen  ganz  erschreckenden  Umfang  angenommen  hat. 

Betrachtet  man  die  eigentümliche  Form  der  Wallzüge  auf  dem 
Dalbesberg  etwas  genauer  und  weiss,  dass  sich  zweifellose  Spuren  einer 
ehemaligen  Mauer  auf  der  in  der  Zeichnung  punktierten  Strecke,  aber 
ohne  Ansatzreste  an  den  Anschluss  -  Stellen  nachweisen  lassen,  so  wird 
man  mit  Recht  annehmen  dürfen,  dass  die  jetzt  weithinziehende,  in  sich 
geschlossene  Wehranlage  auf  dem  Dalbesberge  ursprünglich  als  eine 
beinahe  konzentrische  Doppelanlage  und  Bekrönung  nur  des  vorderen 
Bergkopfes  angelegt  worden  war  und  erst  nachträglich  ein  die  ur- 
sprüngliche Anlage  erweiternder  Umbau  hier  stattgefunden  haben  muss. 

Ich  beginne  meine  Schilderung  eben  dieser  Anlage  absichtlich  mit 
dieser  baugeschichtlichen  Betrachtung,  weil  auf  diese  Weise  die  heutige 
eigentümliche  Gestaltung  leicht  verständlich  wird.  Es  scheint,  dass  die 
erste  kleine  Doppelringanlage,  die  nur  von  einer  massig  grossen  Anzahl 


Die  Ringmauorn  auf  dem  Goldgruben-  u.  Dalbesberge  i.  Taunus.       129 

ZuflachtSHchender  erbaut  worden  war,  dann  einer  grösser  gewordenen 
Bevölkerang  hinsichtlich  ihrer  Anfnahmefähigkeit  nicht  mehr  genügte; 
auch  war  der  anschliessende  höher  gelegene  Bergrücken  gegen  Süd* 
Westen  ein  gefährlicher  Stützpunkt,  der  dem  Angreifer  grossen  Vorteil  bot. 

Man  entsprach  demzufolge  der  Forderung  beider  Bedürfnisfragen, 
bezüglich  Aufnahme  und  Sicherheit,  indem  man  die  oben  genannte 
Mauerstrecke  abbrach  und  unter  Verwendung  des  sich  ergebenden  Ma- 
teriales  den  höher  gelegenen  Bergrücken  schleifenartig  mit  einer  neuen 
Mauer  in  den  Bereich  der  Verteidigung  zog.  Ausserdem  baute  man 
um  diese  erweiterte  Hochburg  die  in  die  Thalsohle  ziehenden  Flanken- 
wälle  und  hatte  durch  diese  ausgedehnte  Anlage  eine  ausgiebige 
und  gesicherte  Zufluchtsstätte  für  sehr  grosse  Volksmengen  geschaifen. 
Ein  ähnlicher  und  gleichzeitiger  Entwicklungsgang  ist  bei  dieser  An*» 
nähme  für  die  Befestigung  des  anschliessenden  Goldgrubenberges  voraus- 
gesetzt. Die  Gesamtlänge  aller  nachweisbaren  Wälle  und  der  mit  in 
die  Anlage  gezogenen  Felsgrate  erreicht  nach  meinen  Messungen  die 
stattliche  Summe  von  ca.  10000  Metern. 

Die  Ringe  des  Dalbesberges  sind  nach  Osten,  wo  ein  mächtiger 
Felssturz  den  Zugang  des  Berges  mit  etwas  Nachhilfe  leicht  unmöglich 
macht,  nicht  ganz  abgeschlossen.  Insbesondere  lehnt  sich  der  äussere, 
beiderseits  tief  in  das  unwegsame  Chaos  eingreifende  Wall  schliesslich 
an  die  schroffen  Gesteinsmassen,  welche  ja  an  und  für  sich,  vielleicht 
auch  noch  durch  etwas  Zuthun  eine  Mauer  abgaben.  Der  kleinere 
Innenwall  hat  gleich  hinter  dieser  Stelle  seinen  Zugang. 

Der  Zugang  in  den  zwischen  den  Ringen  liegenden  Zwinger  hat 
sich  an  der  nördlichen  Vereinigungsstelle  des  Aussenringes  mit  dem 
nördlichen  Flankenwalle  befunden,  an  welchen  sich  der  kürzere  Wall- 
arm mit  einer  nach  innen  gezogenen  Abbiegung  dem  langen  Flanken- 
walle anschmiegt.  Diese  Stelle  liegt  wie  nur  noch  wenige  andere  un- 
berührt und  liess  bei  genauerem  Zusehen  das  weiter  unten  Beschriebene 
feststellen,  das  als  Kriterium  zur  Entscheidung  der  Eingangsfrage 
dienen  soll. 

Es  ist  bekannt,  dass  unberührte,  auf  wenig  abschüssigem  Terrain 
stehende,  allmählich  einsinkende  Trockenmauern  mit  der  Zeit  dach- 
förmig zweiseitig  abfallende  Steinwälle  bilden,  mit  einem  mehr  oder 
weniger  ausgeprägten  Grat  oder  First  in  der  Mittellinie.  Waren  nun 
zwei  solcher  nachträglich  zerfallenen  Mauern  ehemals  so  mit  einander 
anfgefOhrt  worden,  dass  die  eine  derselben  recht-  oder  schiefwinklig 
mit  der  anderen  gradlinig  fortlaufenden  vor  deren  Ende  im  Zusammen- 


130  Chr.  L.  Thomas 

hang  stand,  dann  mnss  als  heutiges  Ergebnis  des  Zerfalles  an  dieser 
Kreuzungsstelle  der  Walle  auch  der  Kreuzungspunkt  der  beiden  Wall- 
firsten sich  finden,  d.  h.  es  müssen  die  beiden  gratartigen,  höchsten 
Wallrückenlinien  ohne  jegliche  Einsenkung  aufeinander  treffen. 

Die  uns  an  dieser  Stelle  entgegentretende  Erscheinung  ist  aber 
ganz  anderer  Art.  Hier  gehen  die  fraglichen,  sich  vereinigenden  Wall- 
teile so  ineinander  über,  dass  die  dachförmigen,  absteigenden  Wallflächen 
sich  erst  in  ihren  unteren  Partien  durchschneiden,  die  Firsten  der 
Wälle  aber  gar  nicht  bis  zu  einander  reichen  und  die  Vereinigungs- 
stelle der  Wälle  in  ihrer  Mitte  eine  Einsattelung  zeigt,  welche  dem 
ehemaligen  Durchgange  der  in  schiefer  Richtung  sich  zugewandten 
Mauern  entspricht.  Die  nach  innen  gezogene  Einbiegung  des  Walles 
erhöht  die  Wehrhaftigkeit  dieses  Einganges,  ist  dem  Übereinandergreifen 
der  Wallarme  des  Altkönigs  gleich  zu  achten  und  bildet  eine  Thor- 
flanke, deren  Anlage  nachweisbar  am  Lebersloch  einfache,  an  den  drei 
oberen  Thoren  der  gegenüberliegenden  Befestigung  des  Goldgrubenberges 
je  doppelte  Anwendung  gefunden  hat. 

Es  lässt  sich  dagegen  einwenden,  dass  der  Verlauf  der  beiden  die 
Thoröffnung  bildenden,  resp.  freilassenden  Wallarme  derart  ist,  dass 
der  von  aussen  in  der  Längsrichtung  der  Thoröffnung  zur  Rechten  ge- 
sehene Mauerzug,  als  die  aussenliegende  der  beiden  Thorflanken,  den 
Verteidigern  des  Thores  nur  schwachen  Stützpunkt  zu  gewähren  ge- 
eignet erscheint.  Bei  den  Thoren  der  gleichaltrigen  Altkönig-Ringmauer 
dagegen  ist  der  Thorpass  so  geführt,  dass  dem  eindringenden  Feinde 
der  innere  der  beiden  Wallarme  zur  Rechten  bleibt  und  der  Verteidiger 
dadurch  eine  überlegene  Position  hat.  Die  Verschiedenheit  in  Anlage 
und  Wehrhaftigkeit  kann  trotzdem  die  Erklärung  der  beschriebenen 
Stelle  als  alte  Thoranlage  nicht  entkräften,  weil  diese  Erscheinung 
andernorts  auch  wahrzunehmen  ist,  ja  die  Ringwälle  des  Silberich  und 
der  Wildenburg  *)  diese  Verschiedenheit  der  Thoranlagen  sogar  mehrfach 
in  ein  und  demselben  Bering  aufweisen. 

Weitere,  als  die  bis  jetzt  geschilderten  Unterbrechungen  oder 
Eingänge  Hessen  sich  an  den  Steinwällen  des  Dalbesberges  nicht  mehr 
nachweisen.  Gräben  sind  an  keiner  Stelle  der  Wälle  auf  der  Höhe 
des  Dalbesberges  wahrzunehmen  und  nur  an  einer  kleinen  Strecke  des 
nordwestlichen   Flankenwalles    ist   am   untersten    Ende,    zunächst    dem 


*)  Friedr.  Kofler,  Vier  Ringwälle  im  Hunsruck,  Westdeutsche  Zeitschr. 
VIII  (1889)  S.  312  und  316. 


Die  Ringmauern  auf  dem  Goldgruben-  u.  Dalbesberge  1.  Taunus.        131 

Heidtränkbach  auf  eine  Länge  von  ca.  260  m  eine  flache,  unten  wei- 
tere grabenartige  Vertiefung  vorgelegt.  Die  Mauer  selbst  überschreitet 
gradlinig  den  Heidtränkbach  und  geht  in  der  gleichen  Richtung  als 
breite  Steinrassel  steil  aufwärts,  um  schliesslich  mit  dem  oberen  Ende 
an  der  westlichen  Ecke  der  Innenwallanlage  des  Goldgrubenberges  so 
^nznschliessen,  dass  nun  auch  der  weitere  Verlauf  des  anschliessenden, 
den  Berg  weiter  hinauf  ziehenden  Walles  nur  um  ein  Geringes  von  der 
bisherigen  Richtung  abweicht.  Von  dieser  Stelle  ab  ist  der  in  nordöst- 
licher Richtung  aufwärts  ziehende,  sehr  starke  Wall  bis  zum  Beginne  der 
runden  Umbiegung  nach  Osten  gleichzeitig  Innen-  und  Aussenwall,  weil 
an  den  Ecken  dieser  Strecke  die  innere  und  äussere  Hauptmauer  in 
«inander  übergehen  und  der  weite  Vorhof  zwischen  beiden  verschwindet. 

Alte  Wegdurchführungen  haben  in  der  Thalsohle,  zur  Seite  des 
Heidtränkbaches,  durch  diese  Mauer  geführt.  Welche  von  beiden  sich 
mit  dem  notwendiger  Weise  hier  anzunehmenden  Thore  deckt,  lässt  sich 
ohne  Aufgrabung  nicht  feststellen.  Die  Stelle  des  das  Heidtränkthal 
überquerenden  Steinwalles,  woselbst  noch  Spuren  wahrnehmbar  sind,  die 
mit  einer  Thorflanke  übereinstimmen  können,  liegt  auf  der  Westseite 
des  Heidtränkbaches.  Auf  der  östlichen  Seite  treten  die  Reste  des 
§t«inwalles  bis  zum  Bachrande  vor,  und  nur  der  neue  Chausseekörper 
überdeckt  mit  seiner  ganzen  Breite  kurz  vorher  die  Walllinie.  Gleich 
hinter  dieser  Thalquermauer,  an  der  Innenseite  derselben,  befindet  sich 
-eine  flache  Furt,  durch  welche  der  östlich  gelegene  alte  Weg  das  jen- 
seitige Ufer  und  wahrscheinliche  Thor  erreicht  und  nordwestlich  weiter 
zieht.  Diese  Stelle  der  Thalseite  ist  durch  die  Überlieferung  bei  der 
Bevölkerung  mit  einer  Benennung  ausgezeichnet,  die  auch  von  Fr. 
Scharff*)  mit  „Esch"  angegeben  ist. 

Sämtliche  Wälle  des  Dalbesberges  sind  reine  Steinwälle,  die  im 
Innern  den  mehr  oder  weniger  erhaltenen  untersten  Teil  einer  Mauer 
in  sich  bergen.  Verschiedene  durch  mich  aufgenommene  Profile  lassen 
keine  allzugrossen  Schwankungen  in  der  Stärke  der  ehemaligen  Mauern 
erkennen.  Durch  die  in  der  letzten  Zeit  ausgeführten  totalen  Ab- 
tragungen ganzer  Wallarme  war  es  mir  einigemal  vergönnt,  in  der 
durch  den  Abbruch  gebliebenen  senkrechten  Durchschnittsfläche  des  noch 
übrigen  Wallteiles  die  ehemals  senkrechte  Richtung  der  Aussenfronten, 
manchesmal  aber  auch  nur  den  untersten  Ansatz  der  Maueraussenflächen 
in  mehreren  dem  Transport  durch  allzugrosse  Schwere  sich  widersetzen- 


^)  Die  hohe  Mark  im  Taunus  S.  324. 


132  Chr.  L.  Thomas 

den  Steinblöcken  zu  sehen  und  aufzunehmen.  Diese  und  jene  Profile  habe 
ich  dem  Grundplan  der  Oesamtanlage  beigefügt.  Den  eigenartigen  Auf* 
bau  und  die  Festigung  der  ehemaligen  Mauern  mittelst  eingelagerter 
und  zwischengespannter  Holzstämme,  habe  ich  im  Archiv  f.  Anthropo» 
logie  B.  XXII  nachgewiesen.  Sie  ist  auch  für  die  stärkeren  Innen- 
mauern  zutreffend. 

Ein  auffälliger  Unterschied  besteht  zwischen  dem  grössten  Teil 
der  Goldgruben-Aussen-  und  Innenwälle  und  denen  des  Dalbesberges. 
Erstere  sind  in  ihrer  Stärke  und  Höhe,  besonders  auf  den  dem  Linden- 
berg zugekehrten  Seiten  wesentlich  mächtiger;  ausserdem  ist  hier  ein 
zum  Teil  tief  eingeschnittener,  breiter  Graben  mit  einem  nochmaligen  ^ 
durch  den  Grabenaushub  gewonnenen  Vorwall  dem  Hauptwalle  vorgelegt. 
Währenddem  ein  Teil  der  inneren  Abschnitts-  und  Umzugswälle  aus 
Steinen  besteht,  ist  der  mächtige  Aussenwall  ausser  dem  bereits  ge- 
schilderten, aus  dem  Heldtränkthal  steil  aufsteigenden  Arme  durch  eine 
zuweilen  stark  mit  Steinen  untermischte  Erdschüttung  hergestellt. 

Trotzdem  auch  auf  dem  Goldgrubenberge  gewaltige  Quarzitfels- 
stttrze,  besonders  am  südlichen  Hange  nach  dem  Heidtränkthal  zu  (die 
Nord-  und  Ostseite  zeigen  viel  Thonschiefer)  die  wehrhafte  Bergfornk 
verstärkten  und  viel  Steinmaterial  abgeben  konnten,  scheint  man  doch 
nicht  in  dem  Masse  wie  jenseits  allenthalben  genügendes  Steinmaterial 
zur  Hand  gehabt  zu  haben,  und  man  hat  sich  dem  Anscheine  nach  zur 
Herstellung  der  Mauern  bezügl.  Konstruktion  und  der  Wahl  des  erfor- 
derlichen Mauermateriales  den  vorhandenen  Verhältnissen  an  Ort  und 
Stelle  angepasst,  gleichwie  dies  bei  den  Ausgrabungen  der  gallischen 
Mauern  von  Mursceint  bei  Gabors  nachgewiesen  worden  ist*). 

Denn  Mauern  haben  ehemals  auch  hier  die  sorgfältig  und  gross- 
artig angelegte  Wehranlage  umschlossen  —  dies  hat  schon  Herr  Oberst 
von  Cohausen,  Ringwälle  und  ähnliche  Anlagen  im  Taunus  etc..  Braun- 
schweig 1861,  ausgesprochen  —  die  allerdings,  wenn  Erdmauem,  mehr 
noch  als  die  Steinmauern  durch  raschere  Fäulnis  der  Holzeinlagerung 
der  jetzigen  Form  zugeführt  wurden.  Waren  es  aber  Erdmauem,  dann 
konnte  ihre  Festigkeit  und  senkrechte  Aussenseite  nur  durch  grosse 
rostartige,    eingelagerte  Holzmassen*)  erreicht  worden  sein,    und  deren 


*)  Revue  archdologique.    Nouv.  Sörie  1868  p.  252. 

*)  Fr.  Scharff,  Die  Goldgrube  im  Taunus  S.  313,  berichtet:  „Bei  An- 
lage des  neuen,  vom  Madkreuz  auf  halber  Höhe  des  Westabhanges  durchge- 
führten Weges  ist  der  westliche  Innenwall  20  Schritte  hinter  der  Stelle,  wo 
er  im  rechten  Winkel  nach  Nordost  umbiegt  und  zum  Haupt-  resp.  Aussenwall 


Die  Kingmauern  aaf  dem  Goldgraben-  u.  Dalbesberge  i.  Taunus.       133 

senkrechte  Fronten  werden  nach  Analogie  der  gallischen  Erdmanera 
ausserdem  zwischen  den  sichtbar  liegenden  Stammenden  mit  Steinen  aus- 
gesetzt gewesen  sein  mtlssen. 

Ein  vorzüglich  erhaltener  Walldurchschnitt  (Profil  f)  befindet  sich 
an  der  Durchbruchstelle  des  Hangelsteinfahrwegs  durch  die  nordöstliche 
Wallstrecke  neben  dem  Hangelsteinthor.  Hier  liegt,  in  dem  fast  senk- 
recht erhaltenen  Walldurchschnitt  wohl  zu  sehen,  die  ehemals  vertikale- 
Steinschichtung  nach  rückwärts  gesunken  im  Böschungswinkel  des  Walles 
unter  der  Grasnarbe,  ganz  so,  wie  man  die  Restspuren  der  geschilderten 
Konstruktion  im  günstigsten  Falle  erwarten  darf,  wenn  die  kreuzweise^ 
und  massenhaft  eingelegten  Holzröste  durch  Zersetzung  verschwunden 
und  demzufolge  die  Mauer  nach  innen  zusammengesunken  ist.  Stellt 
man  diese  Beobachtung  mit  der  von  Fr.  Scharff  im  Herbst  1870  ge-^ 
machten^)  zusammen,  so  hat  man  die  beiden  Hauptformen  der  durch 
den  Zerfall  auftretenden  Zerstörung;  denn  Scharff's  Beschreibung 
zeigt  deutlich  die  diesmal  ganz  nach  aussen  übergeneigte  und  abge- 
stürzt« steinerne  Frontverkleidung.  Ähnlich  wie  auf  dem  Dalbesberge^ 
sind  die  vom  Heidetränkthal  aus  nur  schwer  zu  erklimmenden  Fels- 
stürze')   als    willkommene    Schutzwehren    z.    T.    durch    seitliches    An- 


wird, durchschnitten  und  abgetragen  worden.  Unter  dem  Schutte  dieser 
zusammengebrochenen  Mauer  fanden  die  Arbeiter  einen  Kanal  von  18 — 20  cm 
im  Gevierte,  der  aus  flachen  Bruchsteinen  zusammengestellt  und  überdeckt 
war.  —  An  einer  anderen  Stelle  des  neuen  Weges,  unfern  dem  Metzger- 
pfad, im  Innern  der  Befestigung,  da  wo  die  StumpfiPsche  Karte  kleine  Wälle 
angiebt,  stiess  man  beim  Wegräumen  des  Steinschuttes  auf  eine  eiserne 
Klammer,  Handmühlstücke  und  Topfscherben".  Man  wird  nicht  fehlgeben, 
wenn  man  diese  zufällig  erhalten  gebliebene  Lagerung  eines  Teiles  des- 
Mauermaterials  nicht  ftir  einen  Abflusskanal,  sondern  für  die  unverrückte 
Steiapackung  eines  vermoderten  Rostbalkens  erklärt.  Wenn  auch  die  un- 
bedeutende Stärke  der  gefundenen  Eisenklammer  die  Annahme  der  Ver- 
wendung derselben  zum  Zusammenhalt  einer  Mauer  -  Holzkonstruktion  aus- 
schliesst,  so  sprechen  doch  andere  Erscheinungen  und  Umstände  überzeugend 
für  einen  wesentlichen  Unterschied  der  Mauerkonstruktion  von  der  des  Alt- 
königs und  Dalbesberges,  wie  ich  sie  für  die  dort  befindlichen  reinen  Stein- 
mauern s.  Z.  nachwies. 

•)  Fr.  Scharff,  Die  Goldgrube  im  Taunus  S.  312.  Er  findet  die  Erd- 
wäUe  auf  der  Aussenseite  noch  mit  einer  Steinschichte  bedeckt  und  sagt :  — 
„so  dass  es  den  Anschein  hat,  als  sei  eine  Mauer  von  der  Höhe  des  Walle» 
nach  dem  Graben  herabgestürzt^. 

')  Fr.  Scharff,  Die  hohe  Mark  im  Taunus  S.  324,  schildert  die  Zer- 
störung, welche  durch  die  Industrie  und  die  Strassenbauten  am  Leberslocb,. 
nsbesondere  an  der  ganzen  westlichen  Seite  der  Goldgrube  hervorgerufeik 


134  Chr.  L.  Thomas 

schliessen  der  Mauerzüge  mit  in  das  Yerteidigungssystem  gezogen. 
Leider  hat  hier  die  Vernichtung  an  Fels  und  Wällen  derart  gewütet, 
dass  für  die  Innenwallanlage  sich  kein  weiterer  auch  nur  in  Sparen 
erhaltener  Eingang  als  der  in  der  Südostseite  nachweisen  lässt.  Die 
drei  oberen  Thoranlagen  der  grossen  äussersten  Walllinie  sind  dagegen 
in  den  aus  gemischtem  Material  hergestellten  Wallzügen  mit  doppelten 
Einbiegungen  grösstenteils  noch  recht  gut  erhalten.  Selbst  das  Nord- 
westthor, das  durch  die  Anlage  eines  alten  und  eines  neuen  Fahrweges 
{Metzgerpfad)  zweimal  durchschnitten  ist,  lässt  noch  zweifellos,  ganz 
ähnlich  wie  im  Lebersloch,  in  dem  abgetragenen,  jedoch  steinigen,  vege- 
tationsarmen Streifen  die  genaue  Bestimmung  der  ehemaligen  Lage  und 
<jrundform  der  nördlichen  Thorflanke  zu.  Ein  krüppelhafter  Eichstamm 
mit  grünem  Laubdach,  der  ehemals  in  dem  hochgehäuften  Steinwall 
dieser  oberen  eingezogenen  Flanke  aufwuchs  und  zur  Fristung  des 
kümmerlichen  Daseins  seine  Wurzeln  durch  das  lose  Gestein  bis  zum 
darunter  befindlichen  Mutterboden  entsenden  musste,  dann  aber  beim 
Abräumen  freigelegt  worden  ist,  zeigt  deutlich  in  seiner  bis  auf  1,40  m 
hoch  reichenden  knorrigen  Missbildung  die  ehemalige  Wallhöhe.  Die 
Wallaussenseite  der  unteren  Flankenecke  ist  durch  die  beiden  Wegan- 
lagen und  die  Benutzung  derselben  derart  zurückgedrängt,  dass  es  nicht 
Wunder  nehmen  kann,  wenn  man  sich  s.  Z.  durch  diese  verstümmelte 
Oestaltung  zu  der  Annahme  berechtigt  glaubte,  es  hätte  ehemals  an 
dieser  Stelle  das  oberste  Wallende  sich  in  der  Richtung  des  Hauptwall- 
zuges, aber  im  Abstände  der  gewöhnlichen  Thorweite  vor  das  Ende  des 
unteren  Walles  vorgeschoben. 

Der  weit  ausgedehnte  Wallkörper  der  äussersten  Linie  ist  leider 
auch  an  allen  für  Fuhrwerk  erreichbaren  Stellen  aufgerissen,  und  die 
fortgesetzte  Reihenfolge  teils  flacher,  teils  tiefer  Gruben  zeigt  die  Aus- 
raubung des  ehemals  auf-  oder  eingelegenen  Steinmaterials.  Der  von 
Nordost  nach  Südwest  in  die  Mündung  des  Heidetränkthaies  ziehende 
Arm  ist  überhaupt  nur  eine  Kette  solcher  vertieften  Verwüstungsstellen, 


•worden  ist :  —  „Die  Quelle  abgegraben  und  verlegt ;  der  Bach  fast  wasserlos ; 
die  ganze  westliche  Seite  der  Goldgrube  ein  Steinrutsch ;  mit  den  Rasseln  und 
zackigen  Felsen,  die  über  den  Bäumen  emporragten,  sind  auch  diese  letzteren 
meist  verschwunden'*.  Ferner  (Goldgrube  im  Taunus  S.  310) :  „Dieses  Fels- 
<;haos,  das  bis  in  den  an  dieser  Stelle  Heidetränkbach  genannten  Schellbach 
herabreicbte,  trug  den  Namen  Klemmsteine*'.  Die  hiermit  geschilderte  Ver- 
wüstung hat  inzwischen  an  gleicher  Stelle  und  in  gleichem  Masse  30  Jahre 
hindurch  weiter  gewütet. 


Die  Ringmaaern  auf  dem  Goldgrutnen-  u.  Dalbesberge  i.  Taunus.        135 

durch  deren  zwischenliegende  erhöhte  Beste  man  sich  nnr  mühsam  den 
ehemaligen  Wall  vergegenwärtigen  kann. 

Die  halbkreisförmige  Aasbiegung  des  nördlichsten  Teiles  der  ganzen 
Wehranlage,  mit  ihren  dreifach  hintereinander  liegenden  Wallzügen  und 
der  terrassenartigen  Abstufung  macht  der  Klarlegung  wegen  des  äusserst 
dichten,  kaum  betretbaren  Tannenbestandes,  des  unregelmässigen  und 
wechselnden  Verlaufes  und  der  vorgeschrittenen  Zerstörung  ganz  beson- 
dere Schwierigkeit. 

Der  zweite  Hauptwall  (Innenwall)  läuft  mit  vorgelegtem  Graben 
von  der  östlichen  Ecke  gegen  sein  nordwestliches  Ende  auf  der  oberen 
Kante  der  flachen  Abdachung  des  Goldgrubenberges  und  endigt  sehr 
nahe  dem  Aussenwalle,  an  einem  durch  früher  hier  vorgenommene  Aus- 
grabung freigelegten  senkrechten  Felsen.  Der  vorgelegte  Graben  ver- 
liert sich  jedoch  schon  vor  Erreichung  des  letzten  Längenviertels. 

Hinter  der  letzten  Hälfte  dieses  erst  nach  Nordwast,  dann  nach 
Südwest  ziehenden  Wallarmes  steigt  das  Terrain  immer  noch  an,  doch 
ist  gleich  oberhalb  des  erwähnten  Felsens  der  höchste  Punkt  der  Berg- 
kuppe erreicht. 

Hier  befindet  sich  nun  nochmals  als  besonderer  Abschluss  der 
nicht  starke,  hinterste  der  drei  Wälle.  Er  ist  aus  Steinen  zusammen- 
getragen und  zeigt  in  seinem  Verlauf  nach  Nordwesten  eine  bis  an  den 
Rand  des  kleinen  Plateaus  vorspringende  Ecke.  Von  da  ab  läuft  der 
linke  Arm  in  südlicher  und  nach  aussen  gekrümmter  Bichtung  den 
allmählich  abfallenden  Hang  hinab,  verliert  sich  aber  leider  in  dem 
steinigen,  mit  dichtem  Unterholzbestande  überwachsenen  Boden,  kurz 
vor  dem  alten,  das  Ganze  durchquerenden  Fahrweg®).  Die  Bichtung 
des  letzten  wahrnehmbaren  Teiles  dieses  Wallarmes  führt  zu  der  Ver- 
einigungsstelle des  verlängerten  südlichen  Nordwestthor  -  Flankenwalles 
mit  dem  sehr  abgetragenen  mittleren  Felsgrat.  Dieser  letzte,  durch  die 
Nähe  des  alten  Fahrwegs  schon  früh  verschwundene  Wallteil  hat  sonach 
ehemals  als  Mauer  die  Bekrönung  derjenigen  Erdböschung  gebildet, 
welche  von  der  Durschnittstelle  des  alten  Metzgerpfades  ab  als  oberster 
Beginn  des  genannten  Felsgrates  zu  betrachten  ist  und  sich  als  auf- 
fellige  Abstufung  bis  dahin  bemerkbar  macht.  Der  andere,  rechte  Wall- 
arm, zieht  von  jener  oben  gelegenen  Wallecke  allmählich  niedersteigend, 


*)  Auf  der  Stumpffschen  Karte  von  1830,  die  im  Frankfurter  Stadt- 
archiv II  handschriftlich  aufbewahrt  wird,  ist  dieser  Weg  mit  der  Benennung 
^Metzgerpfad*^  eingezeichnet 


136  Chr.  L.  Thomas 

mit  nach  innen  gekrümmter  Richtung  erst  dem  Hange  des  Bergkopfes 
entlang,  nähert  sich  dabei  dem  nächst  vorliegenden  zweiten  Walle  bis 
auf  eine  ganz  geringe  Entfernung  und  ist  bis  zum  zweiten  Hügel  un- 
sichtbar, von  dessen  rechtem  Hange  ab  dann  aber  beide  Wälle  —  wieder 
divergierend  —  in  südöstlicher  Richtung  weiter  ziehen.  Dabei  umzieht 
der  oberste  Wall  in  leichter  Schwingung  noch  den  in  schwacher  Neigung^ 
abfallenden  Gipfel,  um  sich  schliesslich  gradlinig  und  rechtwinklig  an 
die  im  rechten  Winkel  umgebogene  und  hier  in  nordwestlicher  Richtung- 
verlaufende  zweite  Haupt-  oder  InnenwalUinie  anznschliessen. 

Die  östliche  Strecke  des  grossen  Aussenwalles,  zwischen  Nordost- 
und  Südostthor  gelegen,  zeigt  nochmals  einen  durch  innere  Wallanlage 
abgegrenzten  Hofabschnitt.  Dieser  innere  Zwerchwall  zieht  in  nördlicher 
Richtung  ohne  jede  Unterbrechung  vom  südöstlichen  zum  nordöstlichen 
Teil  des  Aussenwalls  und  hat  seine  Vereinigungsstellen  mit  diesem  ia 
der  Nähe  der  flankierten  Thoröffnungen.  An  diesen  innem  Zwerchr 
wall,  ungefähr  in  der  Mitte  seiner  Längsausdehnung,  schliesst  sich  aber- 
mals ein  innerer  Abschnittswall  an. 

Dieser  bis  jetzt  ebenfalls  nicht  bekannt  gewesene  Wall  zieht  erst- 
gradlinig von  der  oben  am  Plateau  gelegenen  rechtwinkligen  nordöstlichen 
Ecke  des  zweiten  Haupt-  resp.  Inneriwalles  über  das  Ende  des  vorge- 
legten Grabens,  diesen  ausfüllend,  und  von  da  weiter  mit  scharfer 
Biegung  nach  Osten  auf  abfallendem  Terrain  zu  der  vorhergenannt^n 
Anschlussstelle  des  Abschnittswalles  zwischen  den  beiden  Thoren.  Die 
Vereinigung  dieser  beiden  Abschnittswälle  findet  im  rechten  Winkel 
statt,  doch  lässt  eine  Einsenkung  im  Profil  des  vom  Berg  herab  kom- 
menden Abschnittswalles  zunächst  der  Yereinigungsstelle  auf  eine  ehe- 
malige Durchgangsöffnung  schliessen. 

Alle  diese  im  Innem  des  Hauptwalles  sich  befindenden  Abschnitts- 
wälle sind  bezüglich  ihres  Zwecks  mit  Sicherheit  schwer  zu  erklären^ 
Sie  beginnen  übrigens  grösstenteils  auf  sogenannten  Terrainkanten  und 
folgen  in  ihren  Längsrichtungen  annähernd  den  Linien,  welche  mit  dem. 
Brechungswinkel  zweier,  aneinander  grenzenden,  verschieden  geneigten 
Ebenen  der  Bergabhänge  hervortreten.  Sie  teilen  auf  diese  Art  die 
grossen,  zwischen  den  Hauptwällen  eingeschlossenen  Ebenen  in  kleinere 
Bezirke  und  sind  ihrer  I..age  nach  recht  wohl  geeignet,  dem  durch  eine 
Überrumpelung  an  einer  Stelle  bereits  über  den  Hauptwall  vorgedrun- 
genen Feind  sofort  neue  Schwierigkeiten  zu  bereiten  und  als  gut  ge- 
wählte Verteidigungslinien  die  Ausbreitung  desselben  hinter  der  ganzen 
Länge  des  Hauptwalles  vorerst  zu  verhüten.  Diese  Abschnittswälle  er- 
reichen nirgends  die  Stärke  der  anschliessenden  Hauptwälle. 


Die  Bmgmauern  auf  dem  Goldgruben-  u.  Dalbesberge  i.  Taunus.       137 

Der  von  der  südlichsten  Ecke  des  zweiten  Haaptwalles  in  süd- 
licbei*  Kichtung  dem  Ostthor  im  Heidetränkthal  zueilende  Felsgrat  zeigt 
in  seinem  obersten  abgeflachten  Teile  bis  zur  Stelle,  wo  bei  steilerer 
Neigung  auch  die  Felsen  schroffer  aufragen,  den  Anschluss  eines  Stein- 
walles. Die  mit  jenem  an  dessen  unterem  Ende  zusammentreffende 
andere  Felskante,  deren  Steinrasseln  und  mächtige  Trümmer  früher 
den  steilen  südwestlichen  Hang  des  Berges  zunächst  dem  Heidetränkbach 
bedeckten  und  im  Volksmunde  die  „Klemmsteine"  genannt  worden 
ivaren,  hat  meiner  Erinnerung  nach  keine  Spuren  eines  Maueraufbaues 
gezeigt,  aber  auch  ihrer  schroffen  und  gleichsam  gehäuften  Beschaffen- 
heit halber  keines  solchen  bedurft. 

Die  Befestigung  des  Goldgrubenberges  zeigt  im  Gegensatz  zu  den 
Dalbesbergbefestigungen  tiefe  Wallgräben,  je  einen  dem  nach  Norden 
und  Nordosten  gelegenen  inneren  und  äusseren  Hauptwalle  vorgelegt. 
Die  weniger  starken,  in  ihrem  Verlaufe  so  merkwürdigen  Abschnitts- 
vfälle  im  Innern  der  Bergfestung  haben  keine  Gräben  zur  Seite  und 
dürften  erst  nachträglich  in  die  fertige  Wehranlage  eingefügt  worden  sein. 

Die  beiden  trichterförmigen,  oben  quadratischen  Gruben,  die  seit- 
lich an  dem  das  Nordostthor  durchziehenden  Fahrweg  gelegen  und  bis 
jetzt  keine  genügende  Erklärung  gefunden  hatten,  einigemal  sogar  für 
ehemalige  Wasserbehälter  zum  Unterhalt  der  Ringwallbevölkerung  an- 
gesehen worden  sind,  stehen  zur  Goldgmbenbefestigung  und  der  Zeit 
ihrer  Benutzung  in  gar  keiner  Beziehung,  sondern  gehören  ihrer  Ent- 
stehung nach  der  Neuzeit  an.  Durch  eingehende  Untersuchung  der 
weiten  wallumzogenen  Fläche  nach  Erscheinungen,  die  auf  eine  künst- 
liche Entstehung  zurückzuführen  sind,  habe  ich  unter  anderem  auch  die 
Stelle  des  ehemals  bedeutendsten  Grubenbaues  „in  der  Goldgrube", 
dessen  die  Homburger  Bergbau-Akten  Erwähnung  thun,  aufgefunden. 
!Nach  den  urkundlichen  Berichten  war  dasselbe  im  Bau  am  weitesten 
vorgeschritten  und  hatte  zur  Ventilation  ein  durchschlägiges  Lichtloch. 
Ton  dem  Stollenmundloch,  das  nach  der  Beschaffenheit  der  örtlichen 
Terhältnisse  und  der  oberen  Schichten  mit  Thürstock-Zimmerung  ver- 
sehen sein  musste,  ist  heute  nichts  mehr  vorhanden,  denn  dessen  Stelle, 
auf  halber  Höhe  des  Berges,  ist  durch  die  Anlage  eines  neuen  Fahr- 
wegs im  Jahre  1870  rechtwinklig  zur  Stollenrichtung  überdeckt  worden. 
Dieser  Fahrweg,  welcher  durch  Anschüttung  auf  dem  Berghange  mit 
-einer  äusseren  Trockenstützmauer  hergestellt  wurde,  überquert  mit  dieser 
das  obere  Ende  eines  offenen  Einschnittes  im  Terrain,  wo  einst  der 
Stollen   unter  der  aus  verwittertem  Thonschiefer  bestehenden  Bergober- 


138  Chr.  L.  Thomas 

fläche  seinen  Anfang  genommen  hat.  Die  rechts  unterhalb  des  Ein- 
schnittes lagernde  Schutthalde  zeigt  noch  einen  Teil  des  vom  Grubenbau 
herrührenden  Gesteines;  die  Richtung  des  Einschnittes  vor  dem  über- 
deckten Stollenmundloch  ist  aber  auch  die  Richtung  des  Stollens  selbst 
und  zeigt  den  Zusammenhang  der  beiden  trichterförmigen  Gruben  mit 
dem  Stollen,  denn  jene  liegen  senkrecht  über  der  Richtungslinie  des 
Stollens.  Diese  beiden  trichterförmigen  Gruben  zeigen  heute  noch,  nach 
so  vielen  Jahren  der  mutmasslichen  Entstehung,  eine  so  auffallend  zu- 
gespitzte Form,  und  die  Böschungen  der  Vertiefungen  sind  so  ausserge- 
wöhnlich  steil,  dass  zu  dieser  bleibenden  Erscheinung  eine  tiefliegende, 
immer  noch  fortwirkende  Ursache  angenommen  werden  muss.  Ver- 
gleicht man  damit  das  nach  den  Bergbauakten  bis  1722  nicht  durch- 
schlägig gewordene  Lichtloch  des  „unteren  Stollens  am  hangenden 
Stein",  das  unfern  der  Höhe  des  Hangelsteines  im  Berghange  als  eine 
noch  gut  erhaltene,  doch  geringe  Vertiefung  mit  umgebendem  Erdauf- 
wurf erhalten  ist,  so  zeigt  dies  im  Gegensatz  mit  seinem  in  geringer 
Tiefe  unverrückbar  festen  Boden  die  normale  Verflachung  der  Böschungen 
und  grössten  Vertiefung  in  der  Mitte.  Die  Summe  dieser  Erscheinungen 
ergiebt  mit  Bestimmtheit,  dass  die  oberen  beiden  Erdtrichter  die  oberen 
Enden,  die  Pingen,  zweier  Schächte  sind,  welche  ehemals  mit  Zimme- 
rung versehen,  allmählich  zu  Bruche  gegangen,  und  deren  Füllung  mit 
dem  darunter  befindlichen  Stollen  im  Zusammenhang  stehend  durch  das 
Versickern  der  Tragwasser  immer  noch  etwas  nachsinkt.  Eine  dieser 
Pingen  ist  der  Rest  des  urkundlich  erwähnten  durchschlägigen  Lieht- 
loches,  während  die  runden  flachen  Vertiefungen  (Mardellen)  im  sonstigen 
Bereiche  der  Ringmauern  bekanntlich  den  Erbauern  und  der  Benützung 
der  Ringmauern  ihren  Ursprung  verdanken. 

Die  nicht  bedeutenden,  bis  jetzt  bekannt  gewordenen  Funde  aas 
der  Goldgruben-Befestigung,  die  über  die  Erbauer  oder  die  Benutznngs- 
zeit  Aufschluss  zu  geben  geeignet  erscheinen,  glaube  ich  in  Nachfolgen- 
dem gedrängt  zusammenfassen  zu  sollen.  Ein  freihändig  gefertigter 
Spinnwirtel  aus  der  untersten  Schuttlage  des  Innenwalles  unterschei- 
det sich  in  nichts  von  den  beiden,  die  wir  s.  Z.  auf  dem  Altkönig 
gefunden;  alle  —  mit  Ausnahme  eines  einzigen  —  bis  jetzt  bekannt 
gewordenen,  im  Bereiche  der  Goldgruben  wälle  gefundenen  Topfbruch- 
stücke haben  der  Beschreibung  nach,  oder  zeigen  die  rohe  Technik 
und  Form  der  rohen  Gefösse  vom  Altkönig;  das  eine,  leider  unbedeu- 
tende, aber  doch  mit  allen  Merkmalen  des  gleichen  hohen  Alters  ver- 
sehene  Fragment    zeigt   die    volle   Übereinstimmung    in   Material    und 


Die  Ringmauern  auf  dem  Goldgruben-  u.  Dalbesberge  i.  Taunus.        1 39- 

Technik  mit  den  ledergelben  edlen  Gefässformen  vom  Altkönig;  aber 
erst  die  durch  Herrn  Dr.  A.  Hammeran  im  Jahresbericht  des  Taunus- 
klubs,  Frankfurt  a.  M.  1879,  S.  75  mitgeteilten  Fundstücke  aus  dem 
Jabre  1867:  eine  Scheere  und  die  Hälfte  einer  solchen,  eine  Eisen - 
kette  von  8  Gliedern  und  25  cm  Länge,  ein  eisernes  Messer  von 
13,2  cm  Länge  mit  ringförmigem  Ende  des  eisernen  Griffes  und  die 
Hälfte  eines  blauen  Glasarmringes,  von  5 — 6  cm  Durchmesser,  zeigen 
in  Gemeinschaft  mil  den  vorgenannten  keramischen  Funden,  in  Be2ug 
auf  Typus  und  Technik  unserer  Gegend,  die  volle  Übereinstimmung  mit 
den  La  Tenefunden  aus  den  Ringwällen  des  Altkönigs,  die  gelegentlich 
der  bekannten  Aufgrabungen  des  Herrn  Oberst  von  Cohausen  freigelegt, 
jetzt  teils  im  Provinzialmuseum  zu  Wiesbaden,  teils  im  Frankf.  Museum 
aufbewahrt  werden;  das  Gesamtbild  dieser  Funde  aber  findet  eine 
äusserst  reichhaltige,  übersichtliche  Parallele  in  den  Funden  aus  dem 
grossen  Gräberfelde  am  Bahnhof  zu  Bad  Nauheim,  die  als  Dieüenbach- 
sche  Sammlung  sich  im  Museum  von  Frankfurt  befinden.  Wie  mir  ein 
Augenzeuge  berichtet,  sind  die  von  Herrn  Pfarrer  Hannappel  angeführten 
Funde,  sowie  diejenigen  von  Herrn  Dr.  Fr.  Scharff  durchaus  nicht  zu- 
sammenliegend oder  stets  in  den  Wallresten  gefunden  worden,  sie  müssen 
demnach  auch  keine  unmittelbare  Beziehung  zu  einander  haben;  sie 
ergaben  sich  meist  vereinzelt  bei  den  zur  Gewinnung  ebener  Wegflächen 
erforderlichen  Abhebungsarbeiten  ganzer  Strecken  resp.  Lose,  wie  solche 
an  einzelne  Arbeiter  für  bestimmte  Summen  vergeben  zu  werden  pflegen ; 
von  Zeit  zu  Zeit  wurden  dann  die  Sammelfunde  abgeholt.  Diese  Thä- 
tigkeit  der  beiden  Forscher  fiiUt  nicht  zusammen,  sondern  liegt  um 
circa  ein  Jahrzehnt  auseinander.  Auffallend  ist  die  erstaunliche  Menge 
und  die  Form  der  gefundenen  Reste  von  ehemaligen  Handmühlen  aus 
Basaltlava,  deren  Provenienz  nach  dem  in  meinem  Besitz  befindlichen 
reichen  Material  vorwiegend  der  hiesigen  Gegend  zuzuweisen  sein  dürfte. 
Sie  haben  alle,  ohne  Ausnahme,  die  jüngere  kreisrunde  Gestalt  mit 
schalenartigem,  doppelkonkavem  und  durchbohrtem  Läufer  und  gewölb- 
tem Bodenstein  ^).  Am  südlichen  Berghange  und  im  Steinmaterial  des 
zweiten  Hauptwalles  findet  man  Eisenerze.  Ein  schönes  Stück  schlackigen 
Bodensatzes  aus  einem  Rennofen,  sowie  ein  Stück  des  quarzsanddurch- 
mischten  Bindemittels   aus   hartgebrannter   Thonerde   vom   Aufbau   des 


*)  Diese  Form  der  Handmühlen  ist  diejenige,  welche  unter  den  Fund- 
objekten der  La  Tänestation  im  Museum  von  Neufchätel  allein  vertreten  ist. 
Ausser  den  im  Museum  von  Neufchätel  befindlichen  Mühlsteinen  sind  in  der 
La  Tänestation  keine  weiteren  gefunden  worden. 


140  Chr.  L.  Thomas 

letzteren  fand  ich,  unter  sich  nahe  gelegen,  bei  dem  Steinmaterial  des 
-Südöstlichen  Innenringwalles.  Das  nach  unten  konvexe,  nach  oben  mit 
•ebener  Fläche  begrenzte,  ziemlich  kreisrunde  Stück  Schlacke  von  10  cm 
Durchmesser  zeigt  an  seiner  unteren  metallischen  Fläche  die  vorzüg- 
lichen Abdrücke  der  beim  Erkalten  erstickten  Holzkohlteilchen,  wo- 
gegen die  Oberfläche  durch  die  blasige  Masse  der  leichteren  mineralischen 
Substanzen  mit  noch  eingeschmolzenen  Partikelchen  derselben  gebildet 
ist;  auch  die  von  Herrn  Pfarrer  Hannappel  erwähnte  Schmiedezange 
und  eine  zweite,  dem  Frankf.  Museum  überwiesene,  die  entgegen  der 
Legende,  wie  mir  der  Finder  sagte,  auch  auf  der  Höhe  des  Berges, 
nahe  dem  InnenwalL  an  der  Ostseite  gefunden  worden  ist,  deuten  auf 
ehemalige  Eisengewinnung  an  Ort  und  Stelle,  zu  einer  Zeit,  da  die 
Steinhäufungen  der  Wälle  nur  ihres  spärlichen  Erzgehaltes  halber  noch 
-einige  Bedeutung  hatten.  Die  von  Herrn  Dr.  Fr.  Scharff  1870  dem 
Frankf.  Museum  überwiesene  eiserne  Klammer,  die  man  am  Metzger- 
pfad gefunden  hat,  ist  nur  11  cm  lang  und  an  ihrer  stärksten  Stelle 
-8  mm  dick. 

Nach  Friedr.  Scharff,  Die  Goldgrube  im  Taunus  S.  311,  sind 
um  1840,  beim  Wegbau,  in  der  Thalsohle  des  Haidetränkbaches,  ohn- 
weit  der  Quelle  —  also  da,  wo  jetzt  die  Spuren  des  ehemaligen 
äussersten  südöstlichen  Walles  bei  seiner  Überquerung  des  Thalgrundes 
festgestellt  worden  sind  —  „2  bis  3'  tief  gelegte  Platten  gefunden 
if Orden,  mit  Totenumen  oder  Aschenkrügen,  auch  Lanzenspitzen". 
Weder  diese  Funde  und  die  Beschreibung,  noch  die  örtlichen  Verhalt- 
Jiisse  berechtigen  zu  der  Annahme,  dass  dies  Grabfunde  gewesen  seien. 
Ich  vermute  vielmehr,  dass  an  diesem  bachdurchströmten,  ehemals 
5chluchtenartigen  Ende  der  Thalenge,  mit  der  mächtigen  quersperrenden 
Abschlussmauer  die  unterste  Steinlage  und  sonstigen  Koste  der  hier  be- 
dingten aussergewöhnlich  gefestigten  Mauer  zu  suchen  und  diese  im 
nun  angeschwemmten  Wiesengrunde  der  vorderen  Thalsohle  damals  ge- 
funden worden  sind.  Danach  wären  die  vermeintlichen,  daselbst  gefun- 
denen Lanzenspitzen  die  zugespitzten  stabartigen  Eisenteile,  welche  man 
An  dieser  nach  jeder  Richtung  so  sehr  gefährdeten  Stelle,  zur  vollen 
Widerstandsfähigkeit  der  Konstruktion,  durch  die  kreuzweis  gelegten 
Eoststämme  getrieben  haben  muss.  Denn  nicht  allein  der  Feind  fand 
hier  eine  geeignete  Angriffsstelle,  auch  der  verwüstenden  Wirkung  der 
zeitweisen  Wasserstauung  und  ünterspülung  musste  hier  begegnet  werden. 
(Schwierigkeit  der  Anlage  von  Wasserdurchlässen  in  modernen  Damm- 
bauten  im  Gebirge).     Die   durch   ihre  auffällige   Lage   ausgezeichneten 


Die  Riogmauern  aaf  dem  GoMgraben-  a.  Dalbesberge  i.  Taunus.        141 

Steinplatten  aber  dürften  gutgewählte,  lagerhafte  Quarzltbruchsteine  ge- 
wesen  sein,    die  in  ihrer   ehemaligen  Lage,    als   unterste  Schichte  der 
kombinierten  Holz-  und  Steinmauer,   eingeschlämmt  und  als  der  unver- 
gängliche  Rest   erhalten   geblieben   waren.      Das   Gleiche   gilt   für   die 
eisernen  Yerbindungsteile,  die  man  in  diesen,  durch  die  Zersetzung  des 
Holzes  geschaffenen  Zwischenräumen  der  Steine  fand.     Ich  glaube  nicht 
fehl  zu  gehen,  wenn  ich  diese  besondere  Festigungsweise,  mittelst  eiserner 
Nägel,   ausserdem  durch  die  erforderliche  Überbauung  des  Schellbaches 
bedingt   sehe,    die   brflckenartig   den  starken  Wasserlauf  bei  dem  Aus- 
tritt aus  der  Thalschlucht  (Klemmsteine)  überspannt  und  mit  Rücksicht 
auf  die  Wehrhaftigkeit   nur  die  zum  Wasserdurchlass  mindest  erforder- 
liche Öffnung  gehabt  haben  dürfte.     Der  heutige  Schellbach  gewährt  für 
die  damaligen  Verhältnisse  kein  zutreffendes  Bild,  denn  der  grösste  Teil 
des  aus  dem  Tlialkessel  zwischen  Feldberg  und  Altkönig  entstammenden 
Wassers  wird  seit  Erbauung  der  Hohen-Mark-Spinnerei  in  einem  künst- 
lichen,   hoch   oben  am  Hange  des  Dalbesberges  gegrabenen  Kanäle  der 
Rohrleitung   zur   obersten   Turbinenanlage  zugeführt.      Die   Totenurnen 
sind  keinesfalls  in  ganzem  Zustande  gehoben  worden,  sondern  die  regel- 
mässig am   inneren  Fussende   einer  Ringwall-Mauer,    in   der  Nähe  der 
Thore .  oder    an   sonst   gefährdeten    Stellen   sich  vorfindenden   grösseren 
Mengen  von  Gefässscherben  dürften  zu  dieser  nachträglichen  Benennung 
Veranlassung   gegeben  haben.     Auch  in  dieser  Fundangelegenheit  dreht 
es  sich   um   einen  Sammelfund,    der  nachträglich  durch  Herrn  Pfarrer 
Hannappel   von   den  Arbeitern  erworben  wurde;    zur  sachgemässen  Be- 
obachtung   und  Bergung   der  Funde  zugleich  mit  den  Grabarbeiten  des 
Wegbaues  war  kein  Gewährsmann  zur  Stelle.     Nach  einer  gütigen  Mit- 
teilung des  Herrn  Baumeisters  L.  Jakobi  in  Homburg  v.  d.  H.  beßnden 
sich  ausserdem   im   dortigen  Saalburg-Museum   ein  kegelförmiger  Stein 
mit  längs   durchgehendem  Loch   aus  Basaltlava,    19  cm   lang,    16  cm 
Durchmesser,    gefunden   in   der  Wallmauer;    ein  Wirtel   aus  Thon  mit 
SV«  cm  Durchmesser  und  eine  Lanzenspitze  aus  Eisen,  an  den  Wällen 
gefunden;    ein  Pferde-Schuh  aus  Eisen,    gefunden  an  den  W^ällen  nach 
dem  Heidetränkthal  hin;  eine  Lanzenspitze  aus  Eisen  und  eine  gut  er- 
haltene Bronzemüuze    von    Commodus,    beide    vor    dem    „Stollen    am 
Hangenden  Stein ^  gefunden;  eine  Anzahl  Mühlsteine  und  Gefässscherben 
aus  dem  Innern  der  Ringwälle.     Von  den  Ringwällen  des  Dalbesberges 
oder  aus  deren  Umgebung  sind  bis  jetzt  keine  Funde  bekannt  geworden. 
Da  die  Zusammengehörigkeit  beider  Anlagen  nun  durch  die  beiden 
das  Heidetränkthal   zweifach    abschliessenden  Mauern    erwiesen    ist,    er- 

Weitd.  Zeitaohr.  f.  Geioh.  u.  Knnat     XIV,   II  11  i 


142  Chr.  L.  ThomM 

scheint  es  mir  sehr  wahrscheinlich,  dass  unter  der  Bezeichnung  „Alte 
Höfe"  eben  diese  beiden  im  Zusammenhang  stehenden  vorgeschichtlichen 
Ringwallanlagen  zu  verstehen  sind,  von  denen  jetzt  allerdings  —  wahr- 
scheinlich durch  die  verloren  gegangene  Kenntnis  der  doppelten  Ver- 
bindung und  Zusammengehörigkeit*®)  veranlasst  —  nur  noch  die  be- 
kanntere südliche  Anlage  für  sich  allein  die  dialektische  Bezeichnung  „alte 
Höf«  trägt. 

Diese  Bezeichnung  „alte  Höf"  (nicht  „alte  Hof")  reicht  wie  so 
viele  ähnliche  z.  B.  alte  Burg,  Hühnerburg,  Altking,  Alt -Schanz  etc. 
in  sehr  frühe  Zeiten  unseres  Volkslebens  zurück,  in  Zeiten,  in  denen 
über  Zweck  und  Erbauer  der  Anlagen  jedoch  nur  noch  unklare  Über- 
lieferungen vorhanden  waren ;  der  Zusammenhang  der  beiden  Bergbe- 
ringe aber  durch  den  damals  noch  ungestörten  Verlauf  der  gemeinschaft- 
lichen äussersten  Wallumschliessung  jeglichem  vor  Augen  gelegen  hat, 
so  zwar,  dass  die  beiden  Anlagen  auf  den  beiden  Bergköpfen  mit  ihren 
doppelt  aufeinander  treffenden  Vorhof  wällen,  nur  von  dem  Bach  durch- 
flössen, sich  wie  zwei  nachbarliche  Hofraiten  mit  ihren  Umzäuniungen 
einander  angeschlossen  haben. 

Die  trennende  Zerstörung  und  Abfuhr  der  verbindenden  Wälle  im 
Heidetränkthal  kann  erst  in  späterer  Zeit  und  allmählich  stattgefunden 
haben,  als  man  in  den  Markgemeinden  begann,  sich  der  Verwendung 
von  Steinmaterial  zu  Bauzwecken  mehr  und  mehr  zuzuwenden  "). 

Die  Hohe-Mark-Akten  des  Frankf.  Archives  zeigen,  wie  ausgiebig 
man  ehemals  in  Wald,  Feld  und  Wiesenland  alle  besonderen  Erschei- 
nungen und  Bodengestaltungen  mit  Benennungen  versehen  hat.  So  reich 
und  sorgfältig   findet  man  darin    die  Namensgebung  durchgeführt,    dass 


*<*)  Der  gründliche  Kenner  und  Forscher  E.  Neuhof,  Regierungsrat, 
Homburg  1780  (Nachricht  von  den  Altertümern  in  der  Gegend  und  auf  dem 
Gebürge  bei  Homburg,  S.  11),  der  die  bis  auf  den  heutigen  Tag  wohlbe- 
kannte VerbinduDgsmauer  vom  Dalbes-  und  Goldgrubenberg  im  hinteren  Teil 
der  Heidtränk  wie  untenstehend  beschreibt,  hatte  trotzdem  keine  Ahnung 
mehr  von  der  Zusammengehörigkeit  und  einheitlichen  Umschliessung  der  bei- 
den Bergberinge  und  demzufolge  auch  nicht  von  dem  Umstände,  dass  beide 
nur  Teile  einer  einzigen,  grossartig  angelegten  Befestigung  sind.  Er  weiss 
nur,  dass  „die  starke  Mauer,  die  den  Goldgrubenherg  umzieht,  ihre  Beziehung 
auf  eine  andere  hat,  die  über  den  Dalwigsberg  lauffet''. 

^^)  Denn  den  Märkern  war  es  ja  gestattet,  im  Bereich  der  Hohen  Mark 
Steine  nach  Bedürfnis  zu  holen.  In  der  Ordnung  von  1594  wird  diese  Be- 
fugnis bezüglich  der  vorhandenen  Schieferkauten  ausgesprochen,  vgl.  Fr.  Scharff, 
Das  Recht  der  hohe  Mark  (1865)  S.  191. 


t)ie  ftingmaaem  atit  dem  Öoldgniben-  u.  t)albe8berge  i.  Taiinud.       143 

daraus  gefolgert  werden  darf,  man  habe  die  ehemals  gewaltige  weg- 
sperrende Kingwallanlage  auf  dem  Goldgrubenberg  nicht  namenlos  ge- 
lassen. Leider  geben  diese  Akten  keine  Nachricht  über  die  Alten  Höfe, 
während  die  nahe  gelegene  Hühnerburg  und  der  Hühnerstein  mehrfach 
genannt  werden.  Die  Karten,  welche  schliesslich  zu  Ende  des  vorigen 
und  Beginn  des  jetzigen  Jahrhunderts  zum  Zwecke  der  Markteilung  an- 
gefertigt wurden,  zeigen  in  der  Schwankung  und  dem  Fehlen  mehrerer 
Benennungen  die  Veränderlichkeit  und  Vergänglichkeit  der  lokalen 
Namensgebung.  Stückweise  und  nur  oberflächlich  sind  darin  einzelne 
Teile  der  Dalbesbergwälle  eingezeichnet,  von  den  Wallzügen  auf  dem  * 
Goldgrubenberg  dagegen  nichts.  Die  von  dem  letzteren  an  der  Süd- 
westseite nach  der  Heidtränk  abfallenden  Felsgräte  resp.  -häufungen 
(Klemmsteine)  hat  man  wohl  nur  mit  Bezug  auf  Wert  beziehungsweise 
Unwert  des  Waldbodens  eingetragen. 

Die  mündliche  Überlieferung  allein  hat  die  alte  Benennung  der 
grossen  Volksburg  aufbewahrt,  wenn  auch  wahrscheinlich  irrtümlich  nut 
als  Bezeichnung  der  auf  dem  Dalbesberge  gelegenen  kleinem  Hälfte. 
Es  mag  dies  seine  Ursache  in  der  ununterbrochenen  Ausbeute  der 
Steinwälle  auf  diesem  Berge  haben,  die  die  Beziehungen  zwischen  dem 
Markbewohner  und  diesem  Teil  der  alten  Anlage  und  somit  auch  deren 
Name  wach  erhielt. 

Wie  eine  „hochgewölbte  Strasse"  zogen  einst  die  weit  schimmern- 
den Quarzitmassen  um  den  Kopf  dea  Dalbesberges,  zwei  gewaltige  Arme 
lang  gestreckt  über  die  steil  abfallenden  Berglehnen  in  das  Heidetränk- 
thal entsendend.  Man  sah  sie  einst  von  den  Strassen  der  Ebene,  sowie 
von  der  Höhe  der  umliegenden  Berge  als  breite  Bänder  den  Wald 
unterbrechen.  Ähnlich,  aber  vermindert  ragen  noch  jetzt  die  Reste,  be- 
sonders im  Winter  sich  weiss  vom  dunkeln  Walde  abhebend,  weit  in 
das  Land  hinaus  und  bringen  sich  stets  aufs  Neue  in  Erinnerung. 
Auch  die  wiclitige  Teilungsvomahme  der  Hohe-Markwaldungen,  die  im 
Jahre  1813  endlich  zum  Abschluss  gelangte,  musste  sich  mit  dem  Ge- 
biet der  Dalbesbergwälle  näher  befassen,  denn  die  Teilungs-  und  Grenz- 
schneise des  damals  neu  geschaffenen  Frankfurtischen  und  Nassauischen 
Hohe  ^Markanteres  wurde  mitten  durch  die  Walllinien  des  Dalbes- 
berges gelegt. 

Ganz  anders  liegen  die  Verhältnisse  des  auf  dem  sogenannten 
Goldgrubenberge  befindlichen  Wallburgberings.  Die  Teilung  von  1813 
hat  die  Anlage  nicht  berührt;  die  neue  diesseitige  Trennungslinie  des 
Frankf.  Anteiles   zieht   als  Grenzschneise   dahinter  vorbei.     Die   sogen. 

11* 


144  Chr.  L.  Thomas 

Erdwälle,  durchaus  mit  Haidekraut  und  Heidelbeeren  grün  überwachsen, 
dem  Baum-  und  Strauchwuchs  willig  Platz  und  Nahrung  gewährend, 
sind  erst  beim  Betreten  des  Ringwallgebietes  und  in  unmittelbarer  Nähe 
als  allerdings  weit  hinziehende  Erdwellen  am  Waldboden  sichtbar ;  vielerlei 
Wege  aus  alter  und  neuerer  Zeit  durchkreuzen  und  durchschneiden  jetzt 
die  Erdhäufungen,  so  dass  die  Anlage  in  der  späteren  Zeit,  als  der 
neue  Name  Goldgrube  als  Bezeichnung  für  den  Berg  sich  breit  machte, 
dem  seinem  Walde  bereits  entfremdeten  Märker  keine  Beachtung  mehr 
abnötigte.  Die  wenigen  reinen  Steinwälle  erreichen  bei  weitem  nicht 
die  Stärke  der  auf  dem  Dalbesberg  befindlichen  Hauptwälle. 

Der  Name  der  Goldgrube  reicht  nicht  in  sehr  frühe  Zeit  zurück  '*). 
Er  bezieht  sicli  ursprünglich  auf  den  Beginn  des  Versuchsbergbaues  auf 
der  Höhe  des  Berges  ^^).  Dieser  wird  später  erweitert  und  in  den 
Homburger  Bergbauakten  als  oberer  Stollen  und  Schacht  mehrfach  ge- 
nannt. Auch  erscheint  darin  1719 — 22  bei  Beschreibung  der  in  den 
Hangelstein  und  oberhalb  desselben  getriebenen  Stollen  und  Schachte 
der  Name  Goldgrube  bereits  kurzweg  als  Bezeichnung  des  Berges.  Es 
ist  also  sicher,  dass  der  Bergbau  hier  weiter  zurückreicht.  Denn  der- 
selbe ist   um  diese  Zeit  schon   recht  ausgedehnt  ^*)   und  es  ist  urkund- 


")  Römer-Büchner  (Beiträge  zur  Geschichte  der  Stadt  Frankfurt  etc., 
S.  100)  hat  leider  nicht  angegeben,  in  welchen  Frankfurter  Akten  der  Name 
Goldgrube  schon  im  16.  Jahrhundert  vorkommt;  auch  ist  nicht  ersichtlich, 
ob  sich  der  Name  auf  jenen  Berg  in  der  Hohen  Mark  bezieht,  oder  auf 
den  Felddistrikt  gleichen  Namens  bei  Niederursel,  der  schon  zur  Herrschaft 
Frankfurt  gehörte.  Dagegen  wurde  der  Berg  samt  Waldgebiet  erst  bei  Zer- 
stückelung der  ca.  25000  Morgen  haltenden  Markwaldung  im  Jahre  1813 
Frankfurt  zugeteilt.  Der  fragliche  Stollen  selbst  trägt  weder  jetzt,  noch  zur 
Zeit  des  Bergbaues  den  Namen  Goldgrube,  und  er  wird  in  den  Homburger  Berg- 
bauakten 1719 — 22,  nach  Fr.  Rolle,  als  „Stollen  am  hangenden  Stein  nach 
der  Goldgrube  hin'',  im  Gegensatz  zu  dem  anderen  auf  der  Höhe  befind- 
lichen Stollen  und  Schacht  „in  der  Goldgrube"  genannt.  Die  Annahme  des 
römischen  Ursprunges  ist  durchaus  unbegründet.  Weder  römische  Gräber 
noch  römische  Gebäudereste  finden  sich  am  Berg.  Ebenso  wenig  ist  die 
Bauart  der  Stollen  etc.  spezifisch  römisch,  denn  die  Gruben  sind  unter  der 
Leitung  der  Bergbauverständigen  Weis,  Schreiter  und  Friedrich  ausgeführt 
worden.  —  Nach  einem  Protokoll  aus  den  Akten  der  Hohen  Mark  wurde  154.^ 
beschlossen,  einen  Waldteil  am  Goldgrubenherg  auf  3  Jahre  in  die  Hege  zu 
legen.  Man  bedient  sich  im  Protokoll  bezeichnender  Weise  des  Namens 
Goldgrube  nicht,  sondern  beschreibt  die  Lage  des  Berghanges  wie  folgt; 
„Der  Berg  unwendig  der  Magtkreuz  herüber  bis  auf  die  Ursellerbach  und 
bis  auf  die  unterst  Scbellbach."    Fr.  Scharff,  Das  Recht  der  hohe  Mark  S.  195. 

»')  Siehe  Fr.  Scharff,  Die  hohe  Mark  im  Taunus,  S.  322. 


Die  Ringmauern  auf  dem  Goldgruben-  u.  Dalbesberge  i.  Taunus.        145 

lieh  erwiesen,  dass  in  dieser  Gegend  schon  vor  1662  vielfach  durch 
Bergknappen  im  Auftrag  des  Christ  Waldbotten,  Landgraf  Wilhelm 
Christoph,  nach  Eisensteinen  gegraben  worden  ist  *^).  Der  Name  kann 
aller  Voraussicht  nach  nicht  vor  diese  Zeit  zurückreichen.  Denn 
hätte  man  damals  die  Vermutung  auf  den  Goldinhalt  des  Berges  ge- 
habt, so  wQrde  man  auch  damals  schon  den  Abbau  angestrebt  haben. 
So  schürfte  man  allenthalben  nur  auf  Eisen  und  hat  vermutlich  dabei 
das  täuschende  Mineral,  den  Eisenkies,  gefunden,  welcher  mit  seinem 
Goldglanze  die  Markbevölkerung  insgesamt  irrfahrte.  Man  hat  später 
trotz  Erkenntnis  des  Irrtums  doch  mit  der  Hoffnung  auf  Besserung  des 
Gesteins  (der  Schwefelkies  ist  zuweilen  gold-  oder  silberhaltig)  von 
selten  einer  illustren  Gewerkschaft  eben  auf  Grand  der  ersten  Schürfung 
den  Bergbau  zweier  Graben  aufgenommen.  Und  so  finden  wir  ihn  ur- 
kundlich plötzlich  1719  im  vollen  Betriebe  auf  edles  Erz;  das  Ergeb- 
nis vieler  Jahre  bestand  jedoch  nur  in  etwas  Schwefelkies*^). 

Gleich  wie  die  rechtlichen  Verhältnisse  der  Hohen  Mark  im  Laufe 
der  4  Jahrhunderte  trotz  des  Weistums  von  1401  und  des  Märkerdings 
gewaltige  Änderangen  erfahren  haben,  und  wie  sogar  die  Grenzen  der 
Hohen  Mark  ungeachtet  der  öfteren  Begehung  Verschiebungen  unter- 
worfen waren,  so  hat  auch  die  neue  Bezeichnung  in  einer  Zeit,  in  der 
die  volkstümlichen  Überlieferungen  kaum  noch  Beachtung  fanden,  an- 
knüpfend an  ein  —  bezüglich  des  zu  erwartenden  Goldes  —  die  Hab- 
sucht erregendes  Ereignis,  sich  fest  gesetzt  und  die  ältere  Benennung 
des  Berges  samt  seinen  Wällen  ganz  vergessen  lassen. 

Die  Ausbeutung  der  Wälle  des  Goldgrabenberges,  die  grössten- 
teils durch  Aufgrabung  das  einliegende  Steinmaterial  zu  Tage  fördert, 
wird  hauptsächlich  erst  seit  der  letzten  fünf  Jahrzehnte  betrieben,  in 
einem  Zeitraum,  in  dem  bereits  jede  Erinnerung  an  die  alten  volks- 
tümlichen Traditionen  der  Wallanlage  geschwunden  gewesen  sein  müssen, 
und  eine  Namenserhaltung,  wie  auf  der  jenseitigen  Höhe,  dem  Dalbes- 
berge, bereits  ausgeschlossen  war. 

Auf  beiden  nachbarlichen  Höhen  aber  hat  sich  in  den  letzten 
Jahren  der  Ausbrach  und  die  Abfuhr  derart  gesteigert,  dass  davon  nicht 
allein  die  alten  Wehranlagen  betroffen  werden,  sondern  dass  jetzt  gleich- 
zeitig mit  den  Restspuren  der  Wälle  auch  die  überbaut  gewesenen  Berg- 
köpfe bis  tief  in  den  felsigen  Kern  aufgespalten  werden  und  verschwinden. 


'*)  Fr.  Rolle,  Taunasbote  1869  Nr.  14  ff. 

")  Fr.  Scharff,  Das  Recht  der  hohe  Mark,  S.  61  und  191. 

^«)  Fr.  Scharff,  Die  Goldgrube  im  Taunus,  S.  314. 


146  Chr.  L;  Thomas 

Haben  diese  steilen  Höhen  und  hoch  getürmten  Mauern  den  Be- 
wohnern  der  vorliegenden  Ebene   in   dunkler  Vorzeit   bei   kriegerischer 
Bedrängnis  vortrefflichen  Schutz  gewährt  und  zur  Bergung  von  Hab  und 
Gut  gedient,  und  sind  letztere  von  den  zur  Höhe  Flüchtenden  nur  mit 
gewaltigem  Aufwand   von  Kraft   und    zäher  Ausdauer  damals   errichtet 
worden,    so   sehen  wir   jetzt   unter  den  veränderten  Kulturverhältnissen 
und  Lebensbedingungen   den  umgekehrten  Verlauf  der  Dinge  sich  voll- 
ziehen.    Abermals   ersteigen  die  Bewohner  der  Ebene  und  berechtigten 
Erben  mit  Ross  und  Wagen  doch  zu  friedlicher  Arbeit  die  Höhen,  um 
die  dort  gehäuften    und  anstehenden  Steinschätze  mit  der  erstaunlichen 
Kraft  modemer  Hilfsmittel  zu  lösen  und  zu  Nutz  und  Frommen  io  Ge- 
meinde und  Haus  der  Ebene  zuzuführen,  die  dieses  geschätzten  Materials 
diesmal  zur  Erhaltung  und  Erweiterung  ihres  hochentwickelten  Strassen- 
netzes   zu   gedeihlicher  Weiterentwicklung   der  wirtschaftlichen  Verhält- 
nisse nicht  wohl  entbehren  kann.     Es  ist  trotzdem  höchst  beklagenswert, 
dass  diese  grossartigen  Schöpfungen  einer  frühen  Vorzeit  bis  jetzt  durch 
keine   geeigneten  Bestimmungen   geschützt   sind   und   sie  den  modernen 
Kulturarbeiten,  wie  hier,  so  oft  schonungslos  zum  Opfer  fallen   müssen. 
Denn  viel  zu  kurz  ist  die  Spanne  Zeit,  seit  der  diese  Denkmale  mensch- 
licher Thatkraft  in  ihrer  Bedeutung  für  die  vorgeschichtliche  Forschung 
richtig  erkannt  sind.     Allenthalben  ist  die  Vernichtung  in  neuerer  Zeit 
über   den  Rest   dieser  auf  uns  überkommenen  ehrwürdigen  Monumente 
hereingebrochen,    die    auch    auf  den    entlegensten   Höhen    davon   nicht 
verschont   geblieben   sind.      Und   wenn   auch    die  Zerstörung   in    vielen 
Fällen   vorerst   nur   eine   partielle   ist,    so   ist  doch   dadurch    eine  er- 
schöpfende  Forschung   an    diesen    beredten    Zeugen    einer    bedeutsamen 
Epoche    im    kulturgeschichtlichen    Entwicklungsgange    der   Bevölkerung 
ungemein  erschwert,  wenn  nicht  unmöglich  geworden  ^^). 


^^)  Bezüglich  der  beigegebenen  Abbildungen  sei  bemerkt,  dass  im 
Clichö  auf  S.  127  die  verschiedenen  Planskizzen  nicht  in  der  Grösse,  wie  sie 
von  den  verschiedenen  Autoren  veröffentlicht  worden  sind,  dargestellt  sind, 
sondern  in  halber  Grösse,  so  ist  z.  B.  die  Aufnahme  Stumpff's  im  Massstab 
1 :  20000  veröffentlicht  Auf  Taf.  6  war  von  mir  gezeichnet  im  Massstab  von 
1 :  5000  in  fünffacher  Vergrüsserung  der  Generalstabskarte  von  1 :  25000,  aber 
zum  Zwecke  der  Veröffentlichung  wurde  sie  auf  1  :  10000  verkleinert. 


-«^•a>- 


147 


Grenzmarkierungen  am  Limes. 

Ergebnisse  der  im  Jahre  1894  im  Tnunns  erfolgten 
Untersnchnngen. 

Von  L.  Jaeobi  in  Homburg  v.  d.  H. 

Über  die  Untersuchung  der  Grenzvermark  ung  am  Limes,  welche  1893 
im  Taunus  begonnen  und  1894  mit  Erfolg  vom  Rhein  bis  zur  Donau  weiter 
geführt  wurde,  ist  in  den  Limesblättern  berichtet.  Was  im  Limesblatt  Nr.  7 
und  8  über  die  Yermarkung  der  römischen  Reichsgrenze  gesagt  wurde,  hat 
sich  im  Grossen  und  Ganzen  bestätigt,  wenn  auch  bei  den  weiteren  Forschun- 
gen ausser  den  vorausgesehenen  Modifikationen  dank  der  Umsicht  und  der 
energischen  Forschung  der  Herren  Streckenkommissare  noch  manche  Neuig- 
keiten zum  Vorschein  gekommen  sind. 

Die  diesjährigen  Arbeiten  im  Taunus  galten  hauptsächlich  den  Unter- 
suchungen der  Hügel  und  Schanzen,  und  nur  insoweit,  als  diese  im  Zusam- 
menhang mit  der  Yermarkung  des  Limes  standen,  auch  dieser  selbst.  Die 
bei  letzterem  gemachten  Beobachtungen  wollen  wir  des  besseren  Verständ- 
nisses wegen  vorausschicken. 

I.  Vermarkung  der  römischen  Reichsgrenze. 

Der  durch  einen  verdeckten  Graben  hergestellte  Grenzzug  ist  im 
Taunus  überall,  wo  der  Spaten  angesetzt  wurde,  gefunden  worden  imd  scheint 
somit  ein  Zweifel  an  seiner  Continuität  ausgeschlossen.  Die  Entfernung  des 
Grenzgrabens  von  dem  Erd-  und  Steinwall  schwankt  nur  wenig  und  beträgt 
zwischen  5,30  m  bis  6»00  m  —  etwa  20  röm.  Fuss  =  4  Passus  *) ;  nur  an 
den  Stellen,  wo  sich  Hügel  befinden  (Taf.  VH,  VHI,  IX),  weicht  die  parallele 
Richtung  ab.  Hier  ist  der  Abstand  manchmal  ein  grösserer,  was  sich  leicht 
durch  das  Bestreben  erklären  lässt,  bei  Feststellung  der  definitiven  Grenze 
und  bei  Anlage  des  Limes  womöglich  die  älteren  Grenzmarken,  die  wir 
in  den  Hügeln  zu  erblicken  glauben,  noch  einzuschliessen.  Die  Tiefe  des 
Grenzgräbchens  beträgt  je  nach  den  Bodenverhältnissen  zwischen  0,60  bis 
1,00  m,  bleibt  jedoch  auch  im  anstehenden  Gestein,  wo  es  mit  Aufwendung 
grosser  Arbeitskraft  in  die  festen  Quarzite  des  Taunuskammes  eingehauen 
ist,  in  der  Regel  0,70  m  tief.  Die  Breite  beträgt  0,50  bis  0,70  m  und 
ist  immer  gross  genug,  dass  ein  Mann  darin  stehen  und  den  Graben  aus- 
werfen konnte.  Eine  fortlaufende  Aussteinung  findet  sich  hauptsächlich 
an  Stellen,  wo  Steinmaterial  unmittelbar  in  der  Nähe  lag,  oder  an 
steilen  Abhängen,  wo  eine  Festigung  des  Grenzzugs  gegen  Witterungsein- 
flüsse erforderlich  war,  und  wo  es  sonst  die  Bodenbeschaffenheit  verlangte- 


1)  E»  ■cheint,  dasB  anch  bei  den  AbBteckungen  der  Kastelle,  Tttrme  etc.  der  FasBui 
»1b  MaasB  so  Grande  liegt.  An  der  Saalbnrg  iet  es  besondere  auffallend,  die  Lftnge  beträgt 
147,50  m,  Breite  S2I,50  m;  der  PaBBQB  (Doppelschritt)  bat  nach  Hultsch  1,479  m,  woran* 
Bieh  fOr  die  Saalbnrg  100  anf  150  Passus  ergiebt.  Gymnasialdi rektor  Dr.  £.  Schulze  in 
Homburg  hat  zuerst  darauf  hingewiesen,  vergl.  Didaskalia  vom  24.  Mftrs  1896.  Bei  den 
Tflnnen,  die  im  Taunus  in  der  Regel  4,50  m  Seitenlange  haben,  erhält  man  fa«t  gena^  8 
•i&f  8  PaiBU«. 


148  L.  Jacobi 

Die  weiteren  Beobachtungen  im  Taunus  haben  ergeben,  dass  zur  definitiven 
Feststellung  der  Reichsgrenze  das  Gräbchen  selbst  das  wichtigste  und  haupt- 
sächlichste Merkmal  war.  Das  Einlegen  von  Kohlen,  Scherben,  fremdlän- 
dischen Steinen,  angekohlten  üülzern  etc.  war  nur  da  nötig,  wo  es  zweifelhaft 
erschien,  ob  nicht  nach  einer  gewissen  Zeit  sich  die  wieder  eingefüllte  Erde 
mit  dem  gewachsenen  Boden  so  verbinden  würde,  dass  ein  genaues  Erkennen 
des  Grenzzugs  schwierig  und  dadurch  ein  Grund  zu  Grenzstreitigkeiten  werden 
könnte.  Letzteres  traf  besonders  überall  da  zu,  wo  die  Gräben  in  Löss,  losem 
Sand,  Bimsteinsand ,  Kies  oder  feuchtem  Boden  ausgehoben  wurden.  Als 
eklatante  Beispiele  führe  ich  die  Vermarkung  in  losen  Steinrasseln  am  Weissen- 
stein,  Kieshübel  und  Klingenkopf  und  in  sumpfigen  Wiesen  der  Bachthäler 
im  Taunus  an,  ebenso  die  rinnenartige  Aussteinung  mit  Platten  am  Kieshübel, 
wie  an  dem  Abhang  bei  Ober-Bieber.  Wäre  an  den  erstgenannten  Strecken 
der  Graben  ohne  besondere  Beigaben  —  Läufer,  Kohlen,  Scherben  —  her- 
gestellt worden,  so  wäre  es  nach  kurzer  Zeit  vollständig  unmöglich  gewesen, 
den  Grenzzug  noch  zu  erkennen.  Die  losen,  wieder  hineingeworfenen  Steine 
hätten  sich  an  die  anderen,  die  keine  scharfe  Grabenkante  bildeten,  so  angefügt, 
dass  sie  nicht  zu  unterscheiden  gewesen  wären,  sodass  die  Herstellung  des 
Grenzgrabens  eigentlich  keinen  grossen  Zweck  gehabt  hätte.  An  den  anderen 
Strecken  in  sumpfigen  Wiesen  und  im  Sandboden,  der  durch  das  steigende 
und  fallende  Grundwasser  in  steter  Bewegung  ist  und  sich  verschiebt,  ver- 
ändert sich  das  Profil  eines  ausgefüllten  Grabens  sehr  rasch  und  verschwindet 
zuletzt  vollständig.  Auch  haben  Merkmale  wie  kleine  Sterne,  Scherben  eta 
in  solchen  Gräben  keinen  grossen  Wert,  sie  werden  durch  den  beweglichen 
Boden  bald  nach  rechts,  bald  nach  links  gedrängt  und  sind  unsichere  Grenz- 
zeichen. Es  waren  daher  für  solches  Gelände,  um  allen  Grenzstreitigkeiten 
vorzubeugen,  andere  Vermarkungsarten  notwendig  unter  denen  ich  die  von 
Holz  besonders  hervorhebe. 

Man  schachtete  tiefere  Gräben  aus  und  stellte  angekohlte  Holzpflöcke  oder 
Pfähle  auf  die  Grabensohle,  wie  wir  auch  aus  den  Schriften  der  röm.  Feld- 
messer erfahren,  in  denen  verschiedentlich  auf  Holzpfähle  als  Grenzzeichen 
hingewiesen  wird^).  Man  sicherte  die  Richtungslinie  und  den  Bestand  des 
Grabens  noch  dadurch,  dass  man  Langhölzer  beilegte.  Am  Limes  im  W^ürt- 
tembergischen,  dicht  an  der  bayr.  Grenze  bei  Mönchsroth,  sah  ich  in  dem  nassen 
Wiesengelände  ganze  Baumstämme  aus  Föhrenholz,  die  mit  ihren  Querästen 
dicht  an  die  aufrechtstehenden  0,40  m  hohen  Holzstümpfe  angelehnt  waren. 
Eine  ähnliche  Methode  bei  der  Festlegung  der  Grenzpunkte  in  sumpfigem 
Boden  ist  heute  bei  uns  noch  gebräuchlich  und  wird  als  gesetzlich  gültig  an- 
gesehen. In  der  Prcuss.  Grundbuch-Ordnung  ftlr  Schlesien  vom  5.  Mai  1872 
heisst  es  im  §  67  Absatz  4:  „In  sumpfigen  Wiesen  sind,  wenn  die  Yermar- 
.,kung  nicht  durch  Gräben  erfolgt,  angekohlte  Holzpfähle,  welche  inderErde 
„noch  mit  einem  ebenfalls  angekohlten  Querholz  versehen  sind,  verwendbar'^- 
Auf  die  Verschiedenartigkeit  der  Yermarkungen  will  ich  hier  nicht 
näher  eingehen,  in  den  Limesblättem  ist  darüber  von  allen  Seiten  berichtet 
worden.    Es  kann  nunmehr  mit  aller  Sicherheit  angenommen  werden,    dass 


2)  Vgl.  auch  Siculu«  Flaccas,  RqdorfT.    S-  U2. 


Grenzmarkierungen  am  Limes.  149 

am  ganzen  Limes  eine  ziemlich  gleichmässige  Methode,  die  je  nach  der  Be- 
sohalTenheit  des  Bodens  und  des  zur  Verfügung  stehenden  Materials'  sich 
ändert,  zur  Anwendung  kam.  Ich  sah  am  Rhein,  an  der  Donau,  im  Taunus 
—  an  den  Strecken,  wo  Wall  und  Grahen,  Steindamm  oder  gemörtelte  Mauer 
(Teufelsmaner)  noch  vorhanden  —  und  an  solchen  Stellen,  wo  die  äusseren 
Spuren  verschwunden  sind,  das  Gräbchen  mit  und  ohne  Aussteinung,  mit 
und  ohne  Signa,  mit  angekohlten  Langhölzern  und  Ilolzstümpfen  —  meist 
unabhängig  vom  Steinmatcrial,  ob  Quarzit,  Schiefer,  Kalk-  oder  Sandstein  — 
in  der  Herstellungsweisc  überall  ziemlich  gleich,  woraus  geschlossen  werden 
dürfte,  dass  die  röm.  Grenze  vom  Rhein  bis  zur  Donau  eine  einheitliche  und 
nahezu  gleichzeitige  Anlage  ist. 

Obgleich  man  in  diesem  Jahr  davon  absah,  grössere  Strecken  der  Yer- 
markung  aufzudecken,  ist  es  doch  gelungen,  äusserlich  sichtbare  Grenzsteine 
aufzufinden.  Schon  in  meinem  vorjährigen  Berichte  sprach  ich  die  Vermutung 
aas,  dass  der  verdeckte  Grenzzug  auch  äusserlich  mit  Steinen  oder  durch 
Lochbäume  markiert  gewesen  sein  dürfte;  bestimmte  Anzeichen  konnte  ich 
damals  nicht  anführen.  Nachdem  nun  aber  Professor  Mommsen  in  seiner 
klaren  Abhandlung  über  den  Begriff  des  Limes  ^)  das  Vorhandensein  sicht- 
barer Merkmale  als  eine  Notwendigkeit  hingestellt  hatte,  war  ich  bemüht,  der 
Sache  noch  einmal  näher  zu  treten,  doch  war  dies  ohne  Abräumung  und  Blosle- 
gung  grösserer  Strecken  der  Vermarkung  nicht  möglich.  Erst  die  Untersuchung 
der  Hügel  gab  Veranlassung  dazu.  Bei  dieser  Gelegenheit  fanden  sich  bei  drei 
Hngelgruppen  —  Weissenstein,  Kieshübel  und  Klingenkopf  —  (Taf.  VIT,  VIII 
und  IX)  an  den  Knickpunkten  A  und  Fig.  I  A  des  Gräbchens  über  den  Boden 
hervorstehende  Grenzsteine,  die  zweifellos  immer  sichtbar,  aber  jetzt  durch 
Moos  und  Humus  so  verdeckt  waren,  dass  sie  nicht  mehr  auffielen  und  erst 
durch  eine  Aufgrabung  sich  erkennen  Hessen.  Diese  Steine  sind  nicht  mit 
dem  Eisen  bearbeitet,  aber  von  Natur  aus  so  gebildet,  dass  sie  allerdings 
aussehen,  als  seien  sie  zu  dem  Zweck  besonders  hergerichtet;  auf  Taf.  VII, 
VIII  und  IX,  Fig.  a,  b,  c  ist  ihre  Gestalt  und  Lage  am  besten  ersichtlich.  Die 
Steine  haben  eine  Höhe  von  0,70—0,80  m  und  einen  Durchmesser  von  0,50 
bis  0,70  m;  sie  sind  mit  kleineren  Quarzitbrocken  fest  eingekeilt  und  ragen 
0,30—0,40  m  über  den  Boden  hervor.  Am  Weissenstein  ist  es  nur  ein 
einzelner  Stein,  der  an  der  Aussenseite  genau  den  stumpfen  Winkel  der  Aus- 
steinung zeigt,  so  dass  man  an  eine  absichtliche  Bearbeitung  glauben  könnte, 
was  aber  bei  dem  spröden  und  festen  Material  fast  ausgeschlossen  ist.  x\m 
Kieshübel  und  Klingenkopf  sind  zwei  sehr  grosse,  ebenfalls  festgekeilte 
Steine  in  der  Art  gesetzt,  dass  an  dem  recht  bedeutenden  Knick  je  eine  Seite 
des  Steines  die  Fluchtlinie  des  Grenzzuges  angiebt.  Die  zuletzt  genannten 
Steine  sitzen  noch  unberührt,  deijenige  am  Weissenstein  wurde  ausge- 
graben und  nicht  ohne  Mühe  gehoben;  unter  dem  Steine  lagen  nur  Kohlen- 
stttcke  von  Eichenholz.  Auch  fanden  sich  zwischen  den  genannten  Knicken 
in  unregelmässigen  Abständen  gleichfalls  hervorstehende,  besonders  festgekeilte 
Steine,  die  sich  durch  eine  hellere  Farbe  hervorheben  und  meist  aus  weiss- 
lichen  Quarziten  bestehen.    Die  wiederholten  Begehungen  der  Limes-Strecke 


S)  \gl   „Der  Begriff  des  Limes«,  Westd.  Zeittcfar.  Jafarg.  XIII  S.  131. 


150  L.  Jacobi 

Saalburg-Feldberg,  die  wohl  noch  in  ihrer  Ursprünglichkeit  erhalten  ist,  er- 
gaben eine  grössere  Anzahl  solcher  absichtlich  eingesetzter  Steine,  so  dass 
man  für  die  besagte  Taunusstrecke  die  unterirdische  Aussteinung  und  darüber 
die  sichtbare  Absteinung  als  wahrscheinlich,  ja  als  sicher  annehmen  kann. 
Die  Frage,  ob  mit  dieser  eben  besprochenen  Auffindung  der  sichtbaren 
Grenzsteine  eine  weitere  Untersuchung  des  Grenzzuges  in  dieser  Richtung 
noch  zu  veranlassen  sei,  möchte  ich  verneinen,  doch  würde  es  sich  empfehlen, 
das  Gräbchen  noch  auf  längere  Strecken  freizulegen  und  ganz  ausräumen 
zu  lassen ;  es  würden  sich  dann  vielleicht  noch  wichtige  Anhaltspunkte  für  die 
von  den  Römern  angewandte  Yermessungsmethode  finden  lassen*). 

II.  Die  sweite  Linie  des  Limes. 

Bei  den  oben  erwähnten  Untersuchungen  lag  es  nahe,  die  schon  öfters 
besprochene  zweite  Linie  zu  suchen.  Schon  im  vergangenen  Spätherbst  hatte 
ich  mir  diese  Aufgabe  gestellt,  auch  einige  Spuren  entdeckt  und  sie  bereits 
im  Limesblatt  7  und  8  angedeutet;  doch  genügten  diese  nicht,  da  sie  im 
Verfolg  nicht  zu  einem  wirklichen  Ergebnis  führten.  Wiederholt  angeregt 
durch  Prof.  Mommsen,  besonders  durch  seine  Abhandlung  „Der  Begriff  des 
Limes*'  und  durch  die  Stelle  bei  Baibus ^),  die  in  der  Übersetzimg  lautet: 
„Sobald  als  wir  (die  Römer)  das  feindliche  Land  betraten,  erforderten  die 
„Operationen  unseres  Kaisers  sofort  methodische  Vermessungen.  Es 
„waren  in  einem  bestimmten  Zwischenraum  zwei  Parallelen  herzustellen,  fiir 
„die  langhingestreckten  hohen  Wälle,  welche  die  Operationsbasis  sichern 
„sollten**  —  nahm  ich  trotz  verschiedener  Misserfolge  die  Arbeit  wieder  auf. 
Erst  kurz. vor  Winter  gelang  es  mir  durch  einen  glücklichen  Griff  der  Sache 
etwas  näher  zu  kommen;  ich  richtete  meine  Aufmerksamkeit  nochmals  auf 
die  im  vorigen  Jahr  an  einem  Durchgang  des  Pfahlgrabens  an  der  Saalburg 
aufgefundenen  eigentümlichen  Markierungen,  die  aus  mit  Steinen  umstellten 
Pfostenlöchem  und  einzelnen  absichtlich  gesetzten  Steinen  bestanden.  Diese 
traten  allerdings  nur  an  alten  Limes  -  Eingängen,  wo  ein  Graben  nicht  vor- 
handen war,  und  sehr  vereinzelt  an  der  Wallwurzel  hervor;  sie  liefen  längs 
der  Richtung  des  Wallanfangs  und  waren  etwa  20  röm.  Fuss  von  der  Aus- 
steinung entfernt.  Mir  schien  anfanglich  dieses  Maass  für  den  Abstand  der 
Parallelen  zu  gering,  und  ich  suchte  wiederholt  vergeblich  vor  der  Aussteinung 
und  hinter  dem  Wall  nach  der  zweiten  Linie.  Die  Vermutung  Mommsens,  die- 
selbe falle  möglicherweise  mit  dem  grossen  Erdwall  zusammen,  brachte  mich  auf 
den  Gedanken,  dass  die  schon  gefundenen  Spuren  am  Pfahlgrabeneingang 
doch  Punkte  der  gesuchten  Linie  darstellen  könnten.  Allerdings  musste  dann 
da,  wo  der  Limes  ans  Graben  und  Wall  besteht,  die  zweite  Linie  durch  die 


4)  Wikhnnd  der  Dracklegnng  dieses  Berichts  (Mai  1895)  fand  ich  bei  der  Unter- 
suchung eines  darch  den  Umesgraben  angeschnittenen  Grenahttgels  einen  90  cm  hohen 
obaliskenförmig  gebildeten  Stein,  der  auf  einem  Quarmitplftttchen,  anter  dem  sich  ein  aas 
der  Ebene  stammender  bearbeiteter  poröser  Ba»alt  befand,  anfeass.  Darunter  l«g  wagrecht 
eine  35  cm  lange  mit  der  Spitxe  nach  Westen  gekehrte  gut  erhaltene  röm.  I*ansenspitse. 
Es  scheint  diese  Markiernng  keine  snfftllige  sa  sein,  »ondern  von  der  Limes-Abateckang 
hersnrOhren.  Die  Stelle  liegt  M  m  nordöstlich  von  dem  Htigel  and  seichnet  sich  aasser- 
dem  noch  durch  besonders  hervortretende  Steinsetaangen  ans. 

5)  Die  Schrift«B  der  röm.  Feldme«s«r  1  S.  98. 


GhrenzmarkieruDgen  am  Limes.  151 

Aasschachtang  des  Grabens  und  den  Aufwurf  des  Walles  verschwunden  sein, 
oder  konnte  nur  wenige  Spuren  hinterlassen  haben.  Bestärkt  wurde  ich  noch 
durch  die  gütige  Mitteilung  des  Kgl.  Abteil ungsbaumeisters  Spannagel,  dass 
bei  der  durch  den  Bahnbau  Homburg  -  Usingen  notwendigen  Abtragung  einer 
grösseren  Strecke  des  Pfahlgrabtos,  am  Eingang  des  Köpperner  Thals  (Loch- 
miihlkastell),  sich  unter  dem  Wall  eine  mit  ihm  und  dem  Grenzgräbchen 
parallel  laufende  Absteinung  gefunden  habe,  die  man  für  die  zweite  Linie 
ansprechen  könnte ;  doch  erst  die  Nachgrabungen  an  denjenigen  Strecken,  wo 
der  Limes  Steinwall  ist,  ein  Graben  nicht  besteht  und  niemals  vorhanden 
war,  haben  zu  einem  wirklich  sicheren  Ergebnis  geführt. 

An  der  Kante  des  Steinwalls,  die  nach  dem  Grenzgräbchen  hin  liegt, 
aber  noch  gedeckt  durch  den  Steinwall  selbst,  fand  sich  eine  Bezeichnung, 
welche  in  einem  seichten  etwa  30  cm  tiefen  Gräbchen')  bestand,  das  mit 
schwarzer  Culturerde  ausgefüllt  war;  die  Entfernung  von  der  Aussteinung  be- 
trug 20  röm.  Fuss.  Einschnitte  an  verschiedenen  Stellen  des  Steinwalls  er- 
gaben schliesslich,  dass  sich  auch  in  diesem  Gräbchen  in  gewissen  Entfer- 
nungen künstlich  gesetzte,  fest  eingekeilte  Steine  fanden.  Sie  scheinen  die 
eingemessene  Linie  noch  besonders  zu  bezeichnen  und  haben  wahrscheinlich 
bei  der  Absteckung  zur  Fixierung  derselben  gedient.  Bemerkenswerte  und  be- 
sonders markierte  Stellen  mit  solchen  Steinsetzungen  haben  sich  am  Klingen- 
kopf, Kieshübel  und  Weissenstein  gezeigt.  Nun  wurden  zunächst  einige 
Stellen,  wo  Steinwall  sich  an  Graben  und  Wall  anschliesst,  untersucht;  hier 
sassen  grössere  Steinplatten,  ebenfalls  eingekeilt,  in  Form  von  Läufern  und 
zwar  in  der  Richtung  des  Grabenanfangs.  Verschiedene  Stichproben  auf 
längeren  Strecken  machten  es  zur  Gewissheit,  dass  wir  in  dieser  Markierung 
die  zweite  Linie  zu  suchen  haben. 

Betrachtet  man  das  oben  Mitgeteilte  im  Zusammenhang  mit  der  1893 
gefundenen  äusseren  Grenzmarkierung  (Aussteinung)  und  dem  Pfahlgrabcn 
überhaupt,  so  lässt  sich  über  die  Entstehung  des  Limes  und  der  einzelnen 
Stadien  derselben  etwa  folgendes  annehmen :  Nach  der  ersten  Grenzabsteckung, 
auf  die  wir  später  bei  der  Beschreibung  der  Hügel  zurückkommen  werden, 
folgte  in  gewissen  Zwischenräumen  die  Einmessung  und  Herstellung  des 
Limes.  Die  eingemessene  und  durch  Lichtung  des  Waldes  ca.  20  röm.  Fuss 
breite  Schneise  (das  gewöhnliche  Maass  einer  römischen  Strasse)  ist  der  Grenz- 
weg am  Ende  des  röm.  Gebiets'),  er  wird  durch  zwei  parallele  Gräbchen 
markiert.  Auf  Taf.  X  sind  die  verschiedenen  Entstehungsstadien  des  Limes, 
wie  ich  sie  mir  denke,   dargestellt  und  zwar  zeigt  Fig.  I  das  erste  Stadium: 


6)  Der  Streckenkommissar  Prof.  äixt  machte  auf  der  Limesstrecke  Tolnaishof- 
Sindringen  Ähnliche  Beobachtungen;  er  scheint  auch  die  zweite  Linie  in  dem  unter  dem 
Wall  liegenden  Gr&bchen  gefunden  su  haben.  Er  bemerkt  hierüber  im  Limesblatt  Nr.  12 
S.  960:  „Was  aber  als  merkwürdig  noch  au  erwähnen  ist,  ist  der  Umstand,  dass  nach  der 
Ton  Oberstlientenant  Palis  vorgenommenen  Messung  die  Grensmarkiernng  an  diesen  swei 
Stellen  unmittelbar  unter  den  (dort  nicht  mehr  sichtbaren)  Wall  f&llt.  Daraus  ergiebt 
sich  die  Oewissheit,  dass  die  Grensmarkierung  der  Anlage  von  Wall  und  Graben  Toraus- 
geht,  wie  auch  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  mit  der  Aufführung  der  letsteren  die  erstere 
in  ihrer  Bedeutung  surücktrat''. 

7)  Mommsen,  Böm.  Geschichte  Bd.  V  S.  111  und  118,  Tcrgl.  auch  seine  Abhandlung 
«Der  obenrheiniKhe  Limes**  in  der  Westdeutschen  Zeitschrift  lY  S.  48  ff. 


152  L-  «facobi 

die  Festlegung  des  eingemessenen  Grenz wegs  (Limes)  durch  zwei  seichte 
Gräbchen  a  und  a^;  das  zweite  Stadium:  Fig.  II  die  Aussteinung  b:  das  ur- 
sprünglich kleine  Gräbchen  ist  erweitert,  vertieft,  ausgesteint,  d.  h.  markiert 
und  ist  ein  eigentlicher  Grenzgraben  geworden;  das  zweite  Gräbchen  b*  ist  noch 
vorhanden;  das  dritte  Stadium:  Fig.  III  die  Anlage  des  Grabens  und  des 
Walles  —  das  zweite  Gräbchen,  das  für  die  Herstellung  des  Grabens  die 
Richtung  bildete,  verschwindet  und  zwar  wie  bei  der  Anlegung  des  röm. 
Stadtgrabens  die  Furche,  die  eine  Seite  des  Grabens  abgiebt;  der  offene 
Grenzgraben  wird  verdeckt  und  nur  noch  an  einzelnen  hervorragenden  Steinen 
oder  Lochbäumen  äusserlich  kenntlich,  Fig.  Illb.  Eine  Modifikation  hiervon 
giebt  Fig.  IV,  die  Anlage  des  Steinwalls.  Der  steinige  Boden  bereitet  zu  viele 
Schwierigkeiten,  einen  Graben  herzustellen,  es  wird  ein  Steinwall  angelegt, 
das  zweite  Gräbchen  wird  durch  ihn  teilweise  bedeckt  und  bleibt  dadurch 
erhalten.  Wieviel  Zeit  zwischen  den  verschiedenen  Stadien  liegt,  läset  sich 
schwer  sagen,  doch  möchte  ich  bei  dem  derzeitigen  Stand  der  Untersuchungen 
und  mit  Berücksichtigung  der  Stelle  bei  Baibus  und  der  Ausfuhrungen  von 
Mommsen  glauben,  dass  zwischen  der  Aussteinung  und  der  Errichtung  des 
Pfahlgrabens  keine  lange  Zeit  verstrichen  ist,  und  dass  es  nicht  ausgeschlossen 
erscheint,  dass  beide  gleichzeitig  hergestellt  sind,  d.  h.  dass  sofort  nach  der 
Einmessung  und  Absteinung  mit  der  Herstellung  der  Wälle  begonnen  wurde. 
Die  von  Prof.  Löschcke  am  Limes  der  Rheinstrecke  gemachte  Beobachtung, 
dass  Teile  des  Grenzgräbchens  mit  der  aus  der  Tiefe  des  Limesgrabens  ent- 
nommenen Erde  eingefüllt  waren,  würde  eine  Bestätigung  des  Gesagten  sein. 

ni.  Die  Hügel. 

Weiter  berichte  ich  über  die  Untersuchungen  der  Hügel,  jedoch  mit 
der  Einschränkung,  dass  ich  nur  die  Ergebnisse  aufführe  und  auf  den  Gang  der 
umständlichen  und  umfangreichen  Grabungen  nur  dann  zu  sprechen  komme, 
wenn  sie  zum  Verständnis  der  Sache  nicht  zu  umgehen  sind. 

Die  Hügel  am  Pfahlgraben  im  Taunus  sind  schon  ^öfters  Gegenstand 
eingehender  Erörterungen  gewesen  und  auch  von  v.  Cohausen  (Grenzwall)  in 
den  Bereich  seiner  Betrachtungen  gezogen  worden.  Auch  andere  Limes- 
forscher, besonders  Kofler,  haben  Ausgrabungen  dieser  eigentümlichen  An- 
lagen vorgenommen  und  die  Ergebnisse  veröffentlicht,  vgl.  Limesblatt  Nr.  9. 
Man  nannte  sie  Begleit-  oder  Wohnhügel,  erklärte  sie  für  Überreste  von 
Fanalen  oder  von  Nebengebäuden,  Stallungen  u.  s.  w.,  die  für  die  Besatzung 
der  nahe  dabei  gelegenen  Türme  erforderlich  gewesen  seien.  Dass  auch 
Hügelgräber  oft  am  Limes  liegen,  ist  bekannt,  vgl.  die  Berichte  in  den 
Limesblättem.  Aber  Hügel  ohne  jeden  Inhalt  kann  man  schwerlich  für  Gräber 
halten,  da  doch  eine  Spur  der  Beigaben  —  vor  allem  Knochen  oder  reich- 
liche Asche  —  übrig  geblieben  sein  müsste.  Die  Ähnlichkeit  mit  Grabhügeln 
mag  Veranlassung  gewesen  sein,  dass  sie  schon  in  alter  Zeit  als  Heidengräber 
(Rittergräber)  bezeichnet  wurden  und  wenigstens  im  Taunus  unberührt 
blieben,  während  die  daneben  liegenden  Turmreste,  die  durch  Zusammen- 
sturz auch  eine  hügelartige  Gestalt  annahmen,  immer  aufs  neue  durchwühlt 
wurden.  Doch  sei  hier  gleich  bemerkt,  dass  unsere  Hügel  im  Gegensatz  zu 
den  Hügelgräbern  meistens  von  einem  sichtbaren  Rundgraben  umschlossen  sind. 


GrenzmarkieruDgen  am  Limes.  153 

Die  Untersuchungen  haben  es  wahrscheinlich  gemacht,  dass  die  Hügel 
im  Taunus  keinem  der  oben  angeführten  Zwecke  gedient  haben  können, 
sondern  lediglich  zur  Festlegung  der  röm.  Reichsgrenze  angelegt  wurden, 
und  dass  die  bei  uns  erhalten  gebliebenen  Hügel  —  sowohl  am  Limes  als 
auch  seitwärts  —  nicht  Überreste,  sondern  die  wirklichen  und  zwar  die 
ältesten  Grenzmale  und  zugleich  die  Fixpunkte  der  Standlinie  sind. 

Erst  im  vergangenen  Jahr  bei  Auffindung  der  Aussteinung  des  Limes 
begann  ich  diesen  Hügeln  eine  besondere  Aufmerksamkeit  zu  schenken  und 
suchte  sie  mit  der  Festlegung  der  Grenze  in  Zusammenhang  zu  bringen. 
Was  damals  im  Limesblatt  7  und  8  S.  226  darüber  gesagt  wurde,  hat  sich 
nicht  allein  bestätigt,  sondern  die  Ausgrabungen  haben  noch  manches  Neue 
gebracht,  so  dass  von  ihrer  weiteren  Untersuchung  am  ganzen  Limes  die 
Lösung  noch  manchen  Rätsels  zu  erhoffen  ist. 

An  der  Strecke  S a a  1  b u r g  bis  zum  Zwischenkastell  Altes  Jagdhaus 
liegen  sieben  Hügel  und  zwar  am  Weissenstein,  Kieshübel  und  Rosskopf  je 
zwei  ganz  nahe  beieinander,  am  Klingenkopf  nur  einer.  Besonders  auffallend 
erscheint,  dass  der  £rd-  oder  Steinwall  über  die  sonst  intakten  Hügel  hin- 
zieht und  darauf  aufgebaut  ist.  Wir  haben  auf  Taf.  Yll,  YIII  und  IX  die  wich- 
tigsten dargestellt,  vergl.  auch  das  im  Limesblatt  Nr.  ö  darüber  Gesagte. 
Hierdurch  lässt  sich  zweifellos  feststellen,  dass  die  Hügel  vor  Anlage  des 
WaUes  bestanden  haben,  und  dass  ihre  Erhaltung  durch  gewisse  Gründe  be- 
dingt war.  Bei  der  Aufgrabung  der  Hügel  musste  mit  der  grössten  Vor- 
sicht zu  Werke  gegangen  werden,  stand  man  doch  einer  ganz  fremden 
Sache,  von  der  uns  auch  die  Schriftsteller  nichts  Bestimmtes  überliefern, 
gegenüber,  und  es  konnte  leicht  etwas,  was  zur  Beurteilung  der  Anlagen  un- 
erlässlich  war,  zerstört  werden.  Nach  Feststellung  der  Hauptgesichtspunktc 
nnd  nachdem  man  annähernd  wusste,  worauf  es  bei  den  Untersuchungen  in 
erster  Linie  ankam,  Hessen  sich  die  Grabungen  der  übrigen  Hügel  rascher 
fördern,  so  dass  wir  schon  jetzt  in  der  Lage  sind,  den  folgenden  Ausführungen 
die  Ergebnisse  von  12  Hügeln  zu  Grunde  zu  legen.  Die  hier  beigefügten 
und  zum  Verständnis  notwendigen  Zeichnungen  beruhen  auf  genauen  Auf- 
nahmen und  Nivellements,  die  immer  auf  das  Gräbchen,  das  an  den  in  Frage 
kommenden  Hügeln  in  der  Regel  ausgesteint  oder  besonders  markiert  ist, 
eingemessen  sind.  Das  alte  römische  Grenzgräbchen  hat  auch  bei  unseren 
Messungen  gute  Dienste  geleistet.  Es  ist  wohl  nicht  zu  bezweifeln,  dass  die 
Hügel  auf  Grund  genauer  Vorschriften  errichtet  sind,  so  dass,  wenn  auch 
manchmal  Abweichungen  vorkommen,  sich  doch  in  Bezug  auf  die  Maassc  und 
die  Konstruktion  eine  ziemliche  Gleichroässigkeit  konstatieren  lässt.  Der  flache 
Randgraben,  der  den  Hügel  umgrenzt,  hat  in  der  Regel  einen  Halbmesser 
von  etwa  6,00  m  =  20  röm.  Fuss  (2  X  10  Fuss  ==  2  Messlatten) ;  es  ist 
dasselbe  Maass  wie  von  der  Aussteinung  bis  zum  Stein  wall  oder  dem  Anfang 
des  ErdwaUs.  Es  scheint  kein  blosser  Zufall,  dass  sich  dieselben  Maasse  am 
Limes  öfter  wiederholen,  sie  scheinen  eine  praktische  Bedeutung  gehabt  zu 
haben.  Es  wird  allgemein  angenommen  und  mag  auch  sonst  in  den  meisten 
Fällen  zutreffen,  dass  der  um  die  Hügel  herumziehende  concentrische  Graben 
nur  zur  Gewinnung  der  für  die  Hügel  nötigen  Erde  ausgeworfen  wurde. 
Nach  den  im  vergangenen  Jahr  bei  Auffindung  der  Ausstein ung  gemachten 


1&4  L-  ^ftcobi 

Beobachtungen  lag  mit  Rücksicht  auf  diese  Hügel  die  Frage  nahe,  ob  sich 
nicht  unter  den  flachen  Rundgräben  ebenfalls  eine  besondere  unterirdische 
Markierung  befände.  Die  Ausgrabungen  ergaben  hierüber  Folgendes:  Unter  den 
flachen  Gräben  der  Hügel  ist  noch  ein  besonderes,  in  der  Regel  spitz  zu- 
laufendes, auch  manchmal  fast  rechtwinkelig  in  den  festen  Boden  genau  aas- 
geschachtetes  Gräbchen,  auf  dessen  Sohle  Kohlen,  rum.  Scherben  und  ab- 
sichtlich gesetzte  Steinchen  liegen.  An  den  Hügeln  des  Rosskopfs  war  es 
(1  m  unter  dem  Boden  liegend)  mit  vielen  Stückchen  von  Niedermendiger 
Mühlsteinen  (fremdes  Material)  ausgelegt,  am  kleinen  Feldberg  dagegen  mit 
zerschlagenen  Taunus-Quarzitbrocken  ausgestückt ;  aber  auch  hier  in  dem  fast 
senkrechten,  jedoch  schmalen,  1,40  m  tiefen  Gräbchen  fanden  sich  Bruchstücke 
von  gewöhnlichen  rumischen  Gefässen  und  besonders  Kohlen.  Zunächst  wurde 
die  die  eigentlichen  Hügel  bildende  Erde  abgeräumt,  wobei  festgestellt  werden 
konnte,  dass  sich  in  dem  ganzen  Aufwurf  keine  Spur  von  Scherben  oder  einer 
sonst  auffälligen  Beimischung  fand,  und  nur  das  aus  dem  flachen  Rundgraben 
ausgehobene  Material  einfach  nach  innen  geworfen  war.  Unter  der  aufge- 
schütteten Erde  kam  ein  festgestampfter  Boden  zum  Vorschein,  der  an  einigen 
der  Hügel  mit  Steingerölle  und  mit  Lehm  oder  Letten,  der  aus  tiefer  lie- 
genden Schichten  stammte,  durchsetzt,  an  anderen  mit  Steinen  belegt  oder 
gestückt  war.  Ein  Nivellement  zeigte,  dass  nicht  nur  die  Bodenfläche  wage- 
recht abgeglichen,  sondern  auch  der  darunter  befindliche  Erdboden  vor- 
her eingeebnet  war.  Anschliessend  hieran  wurde  die  schon  im  vergange- 
nen Jahr  an  dem  östlichen  Hügel  des  Weissenstein  (vgl.  Limesblatt  Nr.  7 
und  8)  aufgefundene,  damals  nicht  ganz  ausgegrabene  Vertiefung  näher  unter- 
sucht. Es  stellte  sich  bald  heraus,  dass  4  solcher  viereckiger  Vertiefun- 
gen, die  etwa  1,80  m  vom  Mittelpunkte  des  Hügels  entfernt  liegen,  eine 
Seitenlänge  von  0,80—1,00  m  und  eine  Tiefe  von  1,00  m  hatten,  vorhan- 
den waren.  Am  Weissenstein  sind  diese  Vertiefungen  in  das  feste  Quarzit- 
gestein  eingehauen  und  scheinbar  mit  losen  Steinen  ausgefüllt  gewesen;  sie 
bildeten  unter  sich  ein  Quadrat  von  etwa  3,60  m  X  3,60  m  (vgl.  Tafel  VH). 
Auf  der  Sohle  zweier  dieser  Löcher  fanden  sich  Kohlen  und  ein  grosser 
eiserner  Nagel.  In  der  Mitte  des  Hügelbodens  war  eine  Vertiefung  nicht  zu 
finden,  nur  einzelne  grosse  künstlich  gestellte  Sieine  standen  noch  im  Innern 
des  durch  die  4  Löcher  begrenzten  Raumes.  Die.  Aufgrabungen  der  Hügel 
am  Rosskopf  führten  zu  demselben  Ergebnis.  Die  4  Vertiefungen  wurden 
in  annähernd  denselben  Abmessungen  gefunden,  nur  zeigte  sich  bei  sorgfäl- 
tiger Durchsuchung,  dass  die  etwas  unregelmässig  hergestellten  Löcher  wieder 
absichtlich  mit  Steinen  derart  ausgestellt  waren,  dass  in  der  Mitte  dieser 
Ausfiillung  eine  viereckige  0,30  m  X  0,30  m  messende  Öffnung,  welche  fast 
hohl  und  nur  mit  loser  Erde  ausgefüllt  war,  zum  Vorschein  kam.  Dass  diese 
Einrichtung  nicht  schon  am  Weissenstein,  wo  sie  sicher  vorhanden  war,  ge- 
funden wurde,  hat  nur  darin  seinen  Grund,  dass  jeder  Anhaltspunkt  fehlte 
und  dass,  wie  sich  später  herausstellte,  die  eigentlichen  Pfostenlöcher  sich 
dichter  ausgefüllt  hatten  und  dadurch  von  der  übrigen  Ausfüllung  nicht  leicht 
zu  unterscheiden  waren.  Die  Herstellung  der  Vertiefungen  hatte  wahrschein- 
lich nur  den  Zweck,  Holzpfosten  bequem  aufstellen  zu  können;  die  Grösse 
dieser  Eingrabung  war  schon  deswegen  erforderlich,  um  die  Pfosten  senkrecht 


Grenzmarkierungon  am  Limes.  l55 

einrichten,  mit  Steinen  umstellen  und  mit  Erde  fest  einstampfen  zu  können. 
Infolge  dieser  Beobachtung  wurde  bei  den  weiteren  Hügelgrabungen  ein 
Hauptaugenmerk  auf  die  Auffindung  dieser  Pfostenlöcher  gerichtet,  und  es 
gelang,  dieselben,  ohne  das  umschliessende  und  festgestampfte  Material  zu 
zersturen,  zu  finden.  Diese  Pfahllöcher  sind  unterdessen  an  sämtlichen  12 
untersuchten  und  teilweise  freigelegten  Hügeln  nachgewiesen;  sie  zeichnen 
sich  besonders  durch  ihre  regelmässige  quadratische  Form  aus  und  sind 
scharfkantig  bis  zur  Sohle,  die  durchschnittlich  1  m  von  der  künstlich  her- 
gestellten Bodenfläche  des  Hügels  liegt.  Wie  der  Boden,  so  sind  auch  die 
Sohlen  der  Pfostenlucher  wagrecht  unter  sich  angelegt,  so  dass  sie  von  dem 
Boden  einen  gleichmässigen  Abstand  haben. 

Als  eine  besondere  Eigentümlichkeit  müssen  noch  die  maucrartigen 
Steinsetzungen  einzelner  Hügel,  die  jedesmal  zwischen  den  Pfostenlöchem 
nach  aussen  scharfkantig  und  nach  innen  unregelmässig  geschichtet  sind,  be- 
zeichnet werden.  Schon  v.  Cohausen  (Grenzwall)  fand  diese  bei  flüchtigen 
Darchgrabungen  der  Hügel  am  Weissenstein  und  Kieshübel  und  erklärte  sie 
für  Turmreste,  was  auch  auf  den  ersten  Blick  das  Nächstliegende  schien. 
Nach  den  jetzt  vorgenommenen  systematischen  Ausgrabungen  jedoch  ist  diese 
Auffassung  nicht  mehr  aufrecht  zu  erhalten.  Die  im  Taunus  ausgegrabenen 
Türme  haben  tiefe  Fundamente  von  0,85  m  Stärke,  sind  mit  Mörtel  gemauert 
und  verputzt  gewesen;  sie  haben  sicher  zum  Aufenthalt  von  Menschen  ge- 
dient. Dagegen  sind  die  unter  den  Hügelaufwürfen  gefundenen  Steinpackun- 
gen auf  der  glatten  Bodenfläche  ohne  Eingrabung  und  ohne  Mörtel  schichten- 
förmig  aufgesetzt.  Sie  sind  an  einigen  Hügeln  noch  bis  zu  0,80  m  hoch  imd 
nur  mit  soviel  Erde  überschüttet,  als  zu  ihrer  Verdeckung  und  Erhaltung 
nötig  war.  Viel  höher  scheinen  sie  nicht  gewesen  zu  sein,  die  geringe  Stärke 
von  0,40—0,60  m  würde  dies  kaum  zulassen,  besonders  wenn  man  das  un- 
regelmässige Steinmaterial  in  Rechnung  zieht. 

Einige  weitere  bemerkenswerte  Ergebnisse  der  Hügeluntersuchungen 
seien  noch  erwähnt:  In  dem  westlich  liegenden  Hügel  des  Weissenstein  fand 
sich  ausser  den  turmartigen  Mauerresten  und  den  vier  Pfostenlöchern  noch 
ein  0,60—0,70  m  breiter,  in  den  Quarzitein  gearbeiteter,  1,40  m  tiefer  Graben, 
der  seinen  Anfang  am  Steinwall  nimmt  und  in  südöstlicher  Richtung  den 
Hügel  durchschneidet  und  nach  dem  Inlande  bis  zu  den  Fundamenten  eines 
Pfahlgrabentnrms  verläuft.  Von  hier  ab  ist  die  gerade  Verlängerung  des 
Grabens  mit  aufrechtstehenden  eingekeilten  Steinen,  unter  denen  sich  Kohlen 
und  römische  Scherben  fanden,  markiert.  Eine  genaue  Verfolgung  dieser  aus- 
gesteinten Linie  war  bei  dem  dichten  Waldbestand  zur  Zeit  nicht  an- 
gängig, und  m%n  musste  sich  mit  einer  Einvisierung  begnügen;  dieselbe 
führte  nach  der 'Richtung  des  Emesberg,  in  das  Gebiet  der  Quellen  des 
Kirdorfer  Baches,  etwa  Vj*  km  südwestlich  von  der  Saalburg.  Da  nach  den 
rüm.  Feldmessern  bei  den  Vermessungen  und  Grenzfestlegungen  die  Quellen 
als  Fixpunkte  angenommen  wurden  und  darauf  hingewiesen  wird,  dass 
an  dem  Scheidbom  Altäre^)  stehen   (auch  heute  noch  werden  bei  Wald- 


8)  Prof.  Mommsen  bemerkt  hierxu:  „Radorif,  Feldmesser  2,  2ö6.    Die  Angabe  beruht 
aof  dem  Frontincnmmentar   (Feldm.  p.  19,  89)  und  ist  danach  von  Lachmann    (p.  115,  1) 


156  L   Jacobi 

messungen  Quellen  als  Hauptpunkt  der  Vermessung  benutzt  und  Steine  ge- 
setzt), so  lag  der  Gedanke  nalie,  an  diesen  Quellen  Grabungen  vorzunehmen  % 
Bestärkt  wurde  ich  darin  durch  eine  Nachricht  von  E.  Neuhof  **),  nach  welcher 
am  Ende  des  17.  Jahrhunderts  am  Emesberg  in  einer  der  Quellen  des  Kir- 
dorfer  Baches  ein  Sarg(?)  mit  Inschrift  und  bildlichen  Darstellungen  zu  Tage 
gekommen,  aber  beim  Bau  des  Homburger  Schlosses  1685  eingemauert  worden 
sei ;  eine  damals  aufgenommene  und  bei  Nenhof  abgedruckte  Zeichnung  zeigt 
ausser  den  schwer  in  Zusammenhang  zu  bringenden  Buchstaben  einen  Krug, 
einen  Hammer  und  eine  Hand.  —  Die  in  diesem  Sommer  darauf  hin  vorge. 
nommenen  Nachgrabungen  an  einer  der  Quellen,  die  durch  einen  daneben 
aufgeworfenen  Hügel  besonders  gekennzeichnet  war,  ergaben  zuerst  zwei 
ausgesteinte  ziemlich  tiefe  Gräbchen,  welche  bis  zur  Quelle  liefen,  oder  von 
dort  ihren  Ausgang  nahmen;  das  eine  zog  in  der  Richtung  nach  Westen,  das 
andere  nach  Nordosten  —  dem  Gipfel  des  Emesberg  — ,  so  dass  es  aussah, 
als  sei  hier  ein  besonderer  Punkt  markiert.  Die  Auffindung  einiger  römischer 
Scherben  ermunterte  zu  weiteren  Aufgrabungen,  die  ziemlich  umständlich 
waren,  weil  erst  das  stark  zuströmende  Wasser  abgeleitet  werden  musste. 
Nach  längerer  mühevoller  Arbeit  fanden  sich  in  einer  Tiefe  von  fast  3  m 
unter  dem  Waldboden  profilierte  Sandsteinstücke,  die  von  dem  Sockel  eines 
Altars  herrührten ;  in  weiterer  Tiefe  ergab  sich  ein  grösseres  Bruchstück  von 
einem  bearbeiteten  Sandstein,  auf  welchem  ein  Hammer  erhaben  dargestellt 
ist,  genau  wie  auf  der  von  Neuhof  gegebenen  Zeichnung.  Nachdem  nunmehr 
der  ganze  Schutt  aus  der  wohl  ursprünglich  von  den  Römern  an  dem  Berghang 
hergestellten  kesselartigen  Vertiefung  ausgeräumt  war,  fand  sich  auf  der  Sohle 
ein  aus  gelblichem  Vilbeler  grobkörnigem  Sandstein  (Rotliegendes)  hergestell- 
ter wohlerhaltener  Altar.  Er  trägt  auf  der  Vorderseite  die  eingerahmte, 
unten  folgende  Inschrift ;  die  Bekrönung  ist  in  der  üblichen  Weise  als  Nach- 
ahmung der  gekreuzten  Opferhölzer  mit  Schale  hergestellt;  in  dem  Dreieck 
zwischen  den  Rosetten  ist  ein  Kreuzchen  erhaben  ausgearbeitet.  Das  Stein- 
bruchstück mit  dem  Hammer  gehört  nicht  zu  diesem  Altar,  höchstwahrschein- 
lich zu  dem  bei  Neuhof  erwähnten  „Sarg",  und  ist  vielleicht  damals  bei  der 
Ausgrabung  abgeschlagen  worden.  Bei  der  Gewissenhaftigkeit  übrigens,  mit 
der  Neuhof  geschrieben  hat,  liegt  jetzt  umsomehr  kein  Grund  vor,  an  seinen 
Angaben,  wenigstens  in  Bezug  auf  den  Fund  selbst,  zu  zweifeln. 


vermarkungsweise  dem  Hyginng  sugeteilt  worden.  Auf  Jeden  Fall  sind  sie  heillog  ver- 
dorben :  *aepe  qttorundam  aul  monumenta  aut  /otsae  aut  quorundam  taeellorum  out  fontium  nnde 
rivi  ßuminaqtie  inripiunt,  observandur  ßnis  ierritorwrum.  Dass  Quellen  als  Fixpankte  fttr  die 
Termination  dienen  konnten,  versteht  sieb  von  selbst  und  wird  belegt  durch  groma- 
tische  Urkunde  (Rudorflf  S.  259).  Altäre  aber  haben  nur  Eufällig,  eben  wie  Grabsteine 
für  die  Grensbestimmung  gedient  (vgl.  Feldin.  341,  5);  die  arae  an  den  Grensen,  von  denen 
HyginuB  p.  198,  15.  199,  8  (vgl.  p.  4,  22  =  U4,  9)  spricht,  sind  nicht  sacraler  Katur,  sondern 
beschriebene  Grenxsteine*. 

9)  Da  die  nötigen  Geldbeträge  zu  diesen  Arbeiten  von  der  Reichslimeskommission 
nicht  2ur  YerfAgung  standen,  waren  zwei  eifrige  Förderer  der  Saalbarggrabungen,  Herr 
Robert  Fiersheim  von  Frankfurt  und  Frau  Dr  A.  v  BrQning  so  freundlich,  die  erforder- 
lichen Mittel  fttr  diese  Untersuchung  zu  geben. 

10)  Nachricht  van  den  Altertttmern  in  der  Gegend  und  auf  dem  Gebirge  bei  Hom- 
burg V.  d.  Höhe  von  Elias  Neuhof,  Homburg  v.  d.  Höhe  1780,  S.  36  etc. 


We^^b.  Zca\^^xiJfC  XIV.  5^  VII 


Hiij^elgruppe: 
-Am  Wei  ssenstein 

Taunus. 


•'iiVi^.  xcitbi^Mt  xiv:  ^AxJ(.  vin 


y//,.::'''iw\m^^M' 


.,„ .;*« 

'■■"'ir7riiiiiUiiiiiiiH''i'i'H;f!<'''''f//i//(/!it(7,,,^ 


Mhub.  z<iit.scivdjft  xiv:  S'xxf.  IX. 


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'M\Mö.  Zci\::>ckd^  XIV:  5^  X. 


EtsU  Absleckungu.HeniclUm5 
von  OrllidMn. 


GrtnzTn&rlÜervin  9. 


Anla.5|e  von  Gralocn  u.Wall . 


Modi [ic&Uonder  Anlage  Y\<^. 
.  Anlaßt*  desSlcimiraiUs. 


Fi^H. 


•ai?€M-^.  £cit^dW|t  xiv:  Jxxf.  XI. 


Sdiemaliscihe  Darstellung  der  GrenzKü^el. 


%|.^ 


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7rsiorünalict]as  OelA.\iolk- 


Mif  RundgrAfecVi^n  iTi«.TK:crU"Pli.cl|« . 


Fij.l. 


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Btccnjh      -.Ol  .ler  Anlage. 


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R»voti«hue}ton. 


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Bömi«teF«ldtne«««r 


ai?€»i-i>.  Zcvcöckxi^  xiv:  3Ax.f.  XII 


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Grenzmarkierangen  am  Limes. 
Die  Inschrift  des  Steines  lautet: 


157 


KliVMPUISMl 

VSACRVM;'^ 

YrLLMlli 


\ ',- ^         I  I  I  r  I 


Am  Rosskopf  wurde  gleichfalls  am  westlich  liegenden  Hügel  eine  Mar- 
kierung aus  festgestellten  Steinen  gefunden,  die  ungefähr  denselben  Verlauf 
nach  dem  Inland  nimmt  Man  dürfte  daraus  vielleicht  auf  eine  allgemeine 
Vermessung  des  Inlandes  schliessen  können. 

Wenn  ich  noch  anführe,  dass  bei  den  bis  jetzt  geschehenen  Ausgra- 
bungen der  Hügel  von  der  Saalburg  bis  zum  Roten  Kreuz  in  den  Rundgräben, 
auf  den  Sohlen  der  Vertiefungen  der  Pfostenlöcher,  römische,  auch  ein  paar 
vorrömische  Scherben,  Mühlsteinstücke,  Kalksteine,  Kiesel,  grosse  und  kleine 
Nägel,  Kohlen  und  Asche  gefunden  wurden,  und  wenn  ich  noch  besonders 
ein  Schieferplättchen  mit  eingeritzten  Buchstaben  JANV ////**),  das  unter 
(lern  Aufwurf  —  zwischen  der  Steinsetzung  des  Hügels  am  Stockborn  —  lag, 
erwähne  und  sage,  dass  in  der  Erde,  welche  die  Hügel  bedeckt,  sich  keine 
Kulturreste  fanden,  so  glaube  ich  im  Grossen  und  Ganzen  alles  das  bis  jetzt 
bekannte  Thatsächliche  und  Bemerkenswerte  mitgeteilt  zu  haben. 

Anschliessend  an  die  oben  beschriebenen  Ausgrabungen  möchte  ich 
nunmehr  in  Folgendem  einen  kurzen  Überblick  über  die  Resultate  geben  und 
gleichzeitig  versuchen,  von  der  Herstellungsweise  und  dem  Zweck  der  Ver- 
markung  ein  Bild  zu  entwerfen.  Ich  weiss  zwar,  welche  Schwierigkeiten 
hiermit  zusammenhängen,  doch  kann  ein  vorläufiger  Versuch,  auf  Grund  der 


11)  Der  Schiefer  mit  der  Inschrift  \Ag  auf  dem  geebneten  Boden,  etwa  1  m  von  der 
Miti«  der  Anlage  nnd  war  durch  den  Hügelaufwurf  etwa  0,80  m  hoch  mit  Erde  zugedeckt. 
Das  Material,  rötlitiher  Dachschiefer,  stammt  aus  der  Nähe,  wahrscheinlich  von  einem  der 
römischen  Schieferbrttche  am  Stockbom  oder  Roten  Krenss;  besonders  wird  noch  bemerkt, 
dass  die  Inschrift  ganz  deutlich  ist  und  sich  vor  dem  Anfangsbuchstaben  eine  glatte  Fläche 
von  6  cm  befindet. 

Weitd.  Z«ittchr.  f.  Qesoh.  n.  Kunst«   XIV,    IL  12 


158  L'  J^obi 

Überleffung  und  Yergleichang,  unter  Heranziehung  der  technischen  und  geo- 
metrischen Werke  von  alten  und  neuen  Schriftstellern,  wohl  gewagt  werden.  In 
den  rönuschen  Feldmessern  und  den  ihnen  verwandten  Schriften,  soweit  sie  durch 
die  Werke  von  Mommsen,  Rudorff,  Lachmann,  Stöber,  Cantor,  Nissen  u.  s.  w. 
bekannt  wurden,  finde  ich  nichts,  was  sich  ohne  weiteres  auf  unsere  Anlagen 
am  Limes  anwenden  liesse.  Nur  durch  die  Abhandlung  „Der  Begriff  des 
Limes^  von  Mommsen  und  die  mir  von  demselben  Verfasser  freundlichst 
zur  Verfügung  gestellten  Nachträge  und  eigens  zur  Grenzforschung  geschrie- 
benen Mitteilungen  war  es  mir  möglich,  Anhaltspunkte  zu  finden,  die  es 
doch  wahrscheinlich  machen,  dass  die  Hügel  am  Limes  und  die  damit  in 
Verbindung  stehenden  Anlagen  zum  Zweck  der  römischen  Grenzfestlegung 
errichtet  wurden.  Es  ist  dabei  allerdings  Manches  zum  Vergleich  herange- 
zogen, was  nicht  lediglich  zur  Termination,  sondern  zu  anderen  gromatischen 
Vorschriften  gehört,  doch  wird  man  wohl  annehmen  können,  dass  ein  tech- 
nisches Verfahren,  das  bei  einer  Methode  verwendet  wurde,  auch  im  Prinzipe 
bei  der  anderen  zu  Grunde  lag.  Wir  entnehmen  aus  den  Beschreibungen, 
dass  überhaupt  Verfahren  bekannt  waren,  ohne  dass  sie  jedesmal  besonders 
erwähnt  werden.  Es  ist  dies  auch  heute  der  Fall;  es  giebt  in  der  Technik 
zahlreiche  Vorschriften,  die  nicht  gedruckt  und  immer  als  bekannt  voraus- 
gesetzt werden,  und  die  man  in  den  Lehrbüchern  gar  nicht  mehr  besonders 
hervorhebt.  In  der  praktischen  Feldmesskunst  wie  überhaupt  in  der  Praxis 
giebt  es  viele  Manipulationen,  die  man  durch  Übung  lernt  und  überall  da 
anwendet,  wo  sie  zur  Lösung  einer  Aufgabe  erforderlich  erscheinen,  ohne 
davon  besonders  zu  sprechen.  Den  Hat  Mommsens,  bei  Übertragung  der 
Verfahren  die  grösste  Vorsicht  zu  üben,  habe  ich  befolgt  und  mich  soviel 
als  möglich  an  das  Thatsächliche  gehalten. 

Die  für  unsere  Abhandlung  in  Frage  kommenden  Hügel  liegen  alle  an 
hervorragenden  benachbarten  Punkten,  von  denen  man  eine  Übersicht  nach 
dem  linken  und  dem  rechten  Hügel  hat,  jedoch  nicht  in  gleichen  Abständen 
von  einander,  und  wenn  man  die  Richtung  des  Limes  ins  Auge  fasst,  so 
findet  man,  dass  fast  immer  die  höchsten  Punkte  des  Grenzzuges  gewählt 
sind.  Nachdem  einmal  die  Abtretung  des  Gebietes  vereinbart  und  die  unge- 
fähre Richtung  festgestellt  war,  fiel  dem  Agrimensor  die  Aufgabe  zu,  auf 
Grund  der  gromatischen  Institutionen  eine  geometrische  Absteckung  der 
Grenze  vorzunehmen  und  Hauptpunkte  des  Grenzzugs  zu  bestimmen  *').  Doch 
ehe  Letzteres  geschehen  konnte,  musste  die  Festlegung  einer  Standlinie  voraus- 
gehen. Diese  Aufgabe  war  bei  den  unvollkommenen  Messinstrumenten  der 
Römer  nicht  sehr  leicht,  besonders  in  gebirgigen  Gegenden,  wie  im  Taunus, 


12)  Ich  habe  dies  »uf  Grund  der  heutigen  Praxis  so  angenommen  und  stOtse  mich 
auch  noch  auf  Vorschriften  bei  Frontin  Über  Limitation,  die  sieh  meines  Erachten«  anch 
auf  die  Termination,  die  hier  am  Limes  in  Frage  kommt,  übertragen  lassen.  Die  Stelle 
(Frontinns  S.  33^)  lautet  nach  der  Übersetzung  Ton  Stöber:  „Jedes  Gebiet,  das  vermessen 
„werden  soll,  muss  atuerst  umgangen  werden,  und  es  sind  bei  dieser  Gelegenheit  an  allen 
„Eckpunkten  Signale  aufsupflanzen,  die  von  der  Hauptlinie  im  rechten  Winkel  eingemessea 
„werden.  Ist  dieses  geschehen,  so  stellt  man  das  Instrument  auf,  richtet  es  horisontal  und 
„fUngt,  von  der  ersten  Hauptlinie  ausgehend,  an,  die  zweite  Parallele  su  bestimmen,  in- 
„dem  man  in  gleichen  Zwischenräumen  auf  den  beiden  ftussersten  Punkten  Signale  recht- 
^winkelig  bestimmt  und  sodann  die  notwendigen  Zwischenpunkte  etnvisiert." 


ßrenzmarkierangen  am  Limds.  159 

der  zweifellos  mit  dichtem  Wald  bewachsen  war.  Nach  der  Sachlage  und 
den  Analogieen  ist  nicht  anzunehmen,  dass  die  Römer  bei  der  Besitzergreifung 
von  neuem  Gebiete  sofort  in  den  Wäldern  grosse  Lichtungen  vorgenommen 
und  den  Limes  hergestellt  haben;  solche  Arbeiten  nehmen  viele  Leute  in 
Ansprach  und  erfordern  längere  Zeit ;  es  musste  daher  zuerst  eine  ungefähre 
GrenzabsteckuBg  vorausgehen,  genau  wie  heute  noch  und  wie  es  jüngst  in 
Afrika  geschehen,  wo  zwischen  deutschem  and  englischem  Colonialgebiet  vor- 
läufige Grenzlinien  festgelegt  und  einzelne  Fixpunkte  hergestellt  wurden.  Die 
definitive  Grenzabsteinung  soll  und  kann  auch  dort  erst  erfolgen,  wenn  das 
Land  angebaut  ist  und  die  Landes  Verwaltung  es  erfordert.  Zur  Absteckung 
einer  geraden  Linie  und  zur  Bestimmung  der  rechten  Winkel  kam  das  Groma 
zur  Anwendung,  ein  Instrument,  das  unserem  heutigen  Kreuzkopf  ähnlich 
war.  Nach  den  Beschreibungen  kann  man  sich  ein  solches  als  ein  auf  einem 
mit  eiserner  Spitze  beschlagenen  Holzstab  befestigtes  Winkelkreuz,  an  dessen 
Enden  vier  Lote  hingen,  vorstellen  (vgl.  Stöber  S.  73),  eine  recht  primitive 
Einrichtung,  die  zu  ihrer  Handhabung  viel  Umstände  erheischte.  Zur  Be- 
stimmung des  Meridians  gebrauchten  die  Römer  das  gnomon  (vgl.  Stöber  S.  77). 
Nach  den  mir  von  Prof.  Mommsen  gemachten  Mitteilungen  wurde  von  den 
Römern  bei  Einmessung  der  Reichsgrenze  and  Festlegung  der  Standlinie  der 
Meridian  nicht  bestimmt,  was  sich  auch  wohl  daraus  erklären  lässt,  dass  sie 
keine  orientierten  Karten  hatten  und  nur  Handrisse  anfertigten. 

Betrachten  wir  zunächst  die  Hügel-Anlagen,  wie  sie  im  Taunus  ent- 
standen zu  sein  scheinen,  und  wie  sie  ursprünglich  ausgesehen  haben  mögen : 

Auf  Taf.  XI,  Fig.  I— IV  ist  dargestellt,  wie  die  verschiedenen  Stadien 
gedacht  werden  können.  Fig.  I  das  ursprüngliche  unebene  Gelände ;  Fig.  II 
die  mit  einem  Rundgräbchen  markierte  Fläche,  wie  sie  unter  den  Hügeln 
noch  gefunden  wird;  Fig.  III  Querschnitt  eines  Hügels;  Fig.  IV  Recon- 
struktion  des  ursprünglichen  Bestandes.  Hygin  bemerkt  ausdrücklich,  dass  zur 
Aufstellung  der  Instrumente  eine  wagrechte  Ebene  nötig  sei,  er  sagt: 
»vorerst  beschreibe  auf  einer  ebenen  Fläche  einen  Kreis  und  stelle  das 
Gnomon  in  den  Mittelpunkt  desselben."  Es  ist  wohl  anzunehmen,  dass  dieser 
Kreis  sichtbar  auf  dem  Boden  durch  Furchen  (Gräbchen)  markiert  wurde. 

Bei  Vitruv  (I.  Bd.  6.  Cap.)  findet  sich  in  dem  Abschnitt  über  die 
n Verteilung  und  Lage  der  Gebäude  innerhalb  der  Stadt**  eine  Stelle,  die 
zur  Bestimmung  der  Windrichtung  eine  Manipulation  angiebt,  die  auch  wahr- 
scheinlich den  Vorarbeiten  zu  den  Hügeln  zu  Grunde  gelegt  war,  es  heisst: 
„Man  setze  mitten  innerhalb  der  Stadtmauern  eine  Messplatte  wagrecht  auf, 
oder  glätte  den  Boden  nach  Richtscheit  und  Wasserwage  so  ab,  dass  man 
der  Messplatte  nicht  bedarf  und  stelle  auf  dem  Mittelpunkt  dieses  Platzes 
einen  ehernen  Zeiger  auf.** 

Die  unter  den  Hflgelaufwürfen  gefundenen  wagrechten  Flächen  mit 
den  Rundgräben  entsprechen  dem  Obigen,  und  ich  glaube,  dass  auf  den  kreis- 
förmigen Stellen,  worauf  die  Hügel  aufgeworfen  sind,  ein  ähnliches  Verfahren 
stattgefunden  hat.  Für  die  Aufstellung  des  gromas  war  dieses  wohl  nicht 
aOtig,  dagegen  scheint  für  die  Aufrichtung  der  Grenzzeichen  und  Fest- 
legung der  Richtungs-  und  Fixpunkte  eine  Abgleichung  des  Bodens  erforder- 

12* 


160  L.  Jacobi 

lieh  gewesen  zu  sein.  Im  Übrigen  können  auch  noch  andere  Grunde  eine 
solche  umständliche  Anlage  bedingt  haben,  vielleicht  geben  sp&tere  Unter- 
suchungen bestimmtere  Anhaltspunkte. 

Von  diesen  erhöhten  Stellen  aus  war  die  Einvisierung  der  Linien  nicht 
schwierig,  es  bedurfte  hierzu  keiner  grossen  Lichtungen,  zumal  die  Tbäler 
einen  freien  Blick  gestatteten;  eine  schmale  Schneise  genftgte.  Allerdings 
waren  die  Entfernungen  von  Hügel  zu  Hügel  in  der  Regel  zu  gross,  um  mit 
blossem  Auge  eine  genaue  Einvisierung  der  Linien  zu  ermöglichen ;  es  müssen 
besonders  bei  Änderung  der  Richtung  Zwischenpunkte  vorhanden  gewesen 
sein,  und  diese  sind  gefunden  worden.  Sie  geben  uns  heute  noch  die  Rich- 
tung der  ersten  Grenz-,  richtiger :  Standlinien  an.  Über  die  Beschaffenheit  der 
Hauptpunkte  —  der  jetzigen  Hügel  —  ist  oben  berichtet  und  besonders  auf 
die  Pfostenlöcher  aufmerksam  gemacht  worden ;  dieselben  kann  man  zunitchst 
als  Reste  von  besteigbaren  Holzgerüsten,  die  wohl  an  einzelnen  ungünstig 
gelegenen  Punkten  zur  Ausfiuchtung  erforderlich  waren,  ansehen;  doch  scheint 
es  mir,  dass  sie  nicht  lediglich  diesen  Zweck  hatten,  sondern  ich  halte  sie 
auch  fUr  die  Spuren  der  nach  der  Einmessung  errichteten  Fixpunkte,  sowie 
Grenzzeichen,  und  gelange  nach  dem  weiteren  Fundbestand  und  den  in  alter 
und  neuerer  Zeit  angewandten  Messungsmethoden  zu  folgender  Erklärung: 
Die  Hauptpunkte,  wo  sich  jetzt  die  Hügel  befinden,  wurden  zuerst  mit  Signal- 
stangen in  der  Weise  bezeichnet,  dass  sie  mit  den  an  den  Zwischenpunkten 
ebenfalls  errichteten  Signalen  eine  Flucht  bildeten.  Waren  Hindemisse  im 
Wege,  so  dass  der  Zwischenpunkt  mit  den  zwei  Hauptpunkten  nicht  eine 
gerade  Linie  bilden  konnte,  so  entstanden  in  den  Thälern  Knicke,  in  denen 
die  Fluchtlinien  zusammenliefen  und  der  Grenzlinie  manchmal  eine  abweichende 
Richtung  gaben.  Nach  Beendigung  dieser  Einfluchtung  wurde  die  durch  Flucht- 
stäbe (metae)  abgesteckte  Linie  durch  besondere  Merkmale  gekennzeichnet, 
was  durch  Errichtung  eines  parallel  zur  Fluchtlinie  gelegenen  quadratischen 
Aufbaues  geschah,  der  den  doppelten  Zweck  —  die  Unverrückbarkeit  des 
Messpunktes  und  gleichzeitig  die  Herstellung  eines  sicheren  Grenzmales  hatte. 
Lief  nun  von  einem  dieser  Punkte  die  Grenze  gradlinig  weiter,  so  genügte 
eine  Markierung,  wie  am  Klingenkopf  und  Feldberg;  nahm  jedoch  die  Grenze 
eine  andere  Richtung  und  entstand  ein  Knick,  wie  am  Kieshübel  und  Weissen- 
stein,  so  war  zu  deren  Einvisierung  ein  zweiter  Punkt,  der  in  der  vorge- 
dachten Weise  hergestellt  werden  musste,  erforderlich,  so  dass  dann  durch 
die  folgenden  Zwischen-  und  Knickpunkte  die  Standlinie  in  ihrem  weiteren 
Verlauf  festgelegt  wurde.  Hierbei  möchte  ich  eine  Notiz  erwähnen,  die  mir 
kürzlich  zufällig  in  die  Hände  kam,  und  die  mir  für  die  Klärung  der  rätsel- 
haften Anlagen  besonders  wichtig  erscheint  ^') ;  es  heisst  da  wörtlich :  „Die 
„eingebürgerte  Schreibart  „Grenze"  ist  nach  den  etymologischen  ünter- 
„suchungen  unrichtig.  Bei  den  Slaven  war  granica  (sprich:  granitza)  ein  als 
„regelrechtes  Rechteck  aufgestellter  Holzstoss  mit  scharfen  deutlichen 
„Kanten,  altslavisch:  gran  (czechisch:  hrany),  nicht  selten  ein  Rechteck  von 
„Holz  mit  Erde  ausgefüllt.    Die  Kanten  des  Rechtecks  dienten  zur  genauen 


18)  LandmeBsknnst  und  Landmesser  bei  den  alten  Römern,  Vortrag  des  Kedaktenrs 
£meliu8  in  Cassei,  1894  (Zeitschrift  des  Bheinisoh-Westf&liscben  Landmesser-Vereins). 


Grenzmarkierungen  am  Limes.  161 

„Aasmittelung  der  graden  Linie,  welche  als  Markscheide  von  einem  dieser 
„Zeichen  zum  andern  hinlief'^).  In  sp&terer  Zeit  erlosch  das  Bewusstsein 
^für  den  ursprünglichen  Begriff  der  granica  und  man  übertrug  diese  Bezeich- 
„nung  auf  die  Linie  selbst,  welche  als  Grainz,  Graintze,  Grenze  in  das 
„Deutsche  einwanderte  und  hier  die  alte  Bezeichnung  marka  vollkommen 
„verdrängte**. 

Die  Ähnlichkeit  mit  den  Ergebnissen  der  Hügeluntersuchungen  ist  un- 
verkennbar. Die  in  den  Hügeln  gefundenen  mauerartig  gesetzten  Steine  ent- 
sprechen dem  als  regelrechtes  Rechteck  aufgestellten  Holzstoss  des  Mittel- 
alters, der  wie  unsere  Anlagen  ebenfalls  scharfkantig  mit  Erde  ausgefüllt  war. 
Diese  Anlagen  hatten  sicherlich  verschiedene  Bedeutung,  sie  gaben  einmal  die 
Richtung  der  eingemeesenen,  den  Erdboden  schneidenden  Linie  an,  dienten 
als  Kontrole  bei  Nachmessungen  und  waren  bei  der  definitiven  Herstellung 
des  Grenzznges  von  Wichtigkeit;  doch  scheinen  sie  auch  noch  einen  an- 
deren Zweck  —  den  der  Grenzbezeichnung  —  gehabt  zu  haben,  sie  er- 
setzten einfach  den  Grenzstein.  Die  Aufsetzung  eines  gewöhnlichen  Grenz- 
steins genügte  in  den  Waldungen  nicht,  bearbeitete  und  grosse  Steine  waren 
für  Strecken,  die  vom  Verkehr  entlegen  waren,  damals  schwierig  und  vielleicht 
kaum  zu  beschaffen.  Man  fand  sich  mit  den  gegebenen  Verhältnissen  ab, 
errichtete  aus  dem  zur  Hand  liegenden  Material  ein  kistenfdrmiges  Mal,  den 
gromatischen  Vorschriften  entsprechend,  das  als  Grenzmarke  durch  seine 
Grösse  auch  den  Landesbewohnern  mehr  als  ein  einfacher  Grenzstein  impo- 
nierte und  nicht  ohne  grosse  Mühe  zu  beseitigen  war. 

Über  die  Herstellung  dieser  Anlagen,  für  die  ein  Namen  erwünscht 
wäre  ->  Grenzhügel?  Eckhügel?  —  will  ich  folgendes  sagen:  Dass  das 
von  dem  Feldmesser  angewandte  Verfahren  nicht  überall  gleich  war,  er- 
sehen wir  schon  aus  den  Schriften  der  römischen  Feldmesser.  Dass  bei 
diesen  Arbeiten  der  Ortsgebrauch  und  das  vorhandene  Material  maassgebend 
waren,  ist  selbstverständlich.  Man  wird  wohl  mit  Recht  annehmen  dürfen, 
dass  die  Grenzabsteckung  früher  als  die  Erbauung  der  Kastelle  und  Türme 
erfolgt  ist  und  Baumaterialien,  Kalk  etc.  nicht  zur  Hand  oder  sehr  unbequem 
zu  beschaffen  waren.  Man  sah  sich  deshalb  gezwungen,  die  auch  den  Urein- 
wohnern bekannte  Holzkonstruktion  für  die  Markierung  der  Grenzpunkte 
anzuwenden.  Eichenholz  war  im  Überfluss  vorhanden,  und  unbearbeitete 
Steine  ohne  Mörtel  aufeinander  zu  setzen,  versprach  keine  Dauer.  Die 
starken  Holzbalken,  0,30x0,30  m,  die,  nach  den  vorhandenen  Löchern  zu 
schliessen,  gebraucht  wurden  und  1  m  tief  im  Btfden  festgestampft  waren, 
sprechen  dafür,  dass  man  eine  solide  Konstruktion  anwandte ;  sie  drückte  die 
Absicht  aus,  eine  unverrückbare  und  nicht  leicht  zu  zerstörende  Anlage  zu 
schaffen  ^').  Dass  man  im  Taunus  nicht  überall  zwischen  den  Pfostenlöchern 
eine  Steinsetzung  gefunden  hat,   mag  darin  seinen  Grund  haben,   dass  man 


14)  Es  wird  wobl  auch  hier  die  Einvisierung  stattgefanden  haben,  bevor  die 
Rechtecke  definitiv  angelegt  wurden. 

15)  Prof.  Mommsen  macht  auf  Holzgrenxzeichen  aafmerkaam  und  führt  u.  a.  eine 
Stelle  aas  dem  Oromatiker  Gains  an  (Teldm.  p.  907,  8),  wo  von  den  termini  Ugnei  und  den 
pali  die  Bede  itt  —  ^nie  werden  gepicht  nnd  dann  tief  in  den  Boden  eingelassen  and 
sngedeckt". 


162  I*.  Jacobi 

fiich  an  Stellen,  wo  kein  passendes  Steinmaterial  zur  Hand  war,  mit  einer 
Auszimmerung  von  Balken,  vgl.  Taf.  XI,  Fig.  III  und  V,  oder  mit  einer  Aus- 
füllung von  Erde  oder  Rasen  begnügte.  Waren  diese  Zwischenräume  mit 
Holz  ausgefüllt,  so  ist  dieses  längst  vermodert.  Ich  erinnere  an  den  Block- 
verband, der  in  jener  Zeit  allgemein  üblich  war  und  heute  noch  in  Holz- 
gegenden  im  Gebrauch  ist.  Der  Qrenzpunkt  wurde  in  der  beschriebenen 
Weise  fertig  hergestellt  und  dann  der  Hügel  darüber  aufgeworfen;  ob  dies 
geschah,  um  dem  aus  Holz  gezimmerten  Werk  eine  grössere  Dauer  gegen 
Witterungseinflüsse  oder  gegen  die  Zerstörung  von  Menschenhand  zu  sichern, 
ist  nicht  nachweisbar,  doch  kann  beides  möglich  sein. 

Ein  Vergleich  mit  den  in  den  Schriften  der  römischen  Feldmesser  bei- 
gegebenen Zeichnungen  lässt  in  Bezug  auf  Form  und  Grösse  eine  merkwürdige 
Ähnlichkeit  erkennen  (Taf.  XI,  Fig.  VI)  Fig.  288;  sie  werden  dort  S.  341,  16 
„Area  in  quadrifinio^  genannt  und  stellen  einen  Grenzstein  vor.  Maasse  sind 
auf  der  Zeichnung  nicht  eingeschrieben,  aber  nach  der  angegebenen  Steinein- 
teilung müssen  sie  ähnliche  Abmessungen  gehabt  haben.  Die  unsrigen  sind 
etwa  15/15  röm.  Fuss  im  Quadrat  und  3  röm.  Fuss  hoch ;  höher  scheinen  sie 
nicht  gewesen  zu  sein  ^®). 

Die  weiteren  Darstellungen  in  den  Feldmessern,  die  auf  Taf.  XI,  Fig. 
VI  und  VII  nachgebildet  sind,  können  auch  in  Vergleich  gezogen  werden;  sie 
deuten  eine  ähnliche  Vermessungsmethode  und  Grenzbezeichnung  an,  wie 
solche  im  Taunus  angewendet  scheint. 

An  den  Ecken  —  den  Knickpunkten  —  sind  quadratische  Aufmaue- 
rungen, an  den  Zwischenpunkten  Steinsetzungen  und  einzelne  hervorragende 
Steine  angegeben.  Dass  die  runde  Aufmauerung  in  Brunnenform  nicht  ein 
wirklicher  Brunnen  ist,  geht  daraus  hervor,  dass  durch  das  dargestellte  ab- 
gegrenzte Gebiet  fliessendes  Wasser  durchläuft  und  Tiefbrunnen  dadurch  nicht 
erforderlich  waren.  Die  Brunnenform  galt  auch  als  Grenzmal.  Dass  die 
Hügelform  der  Grenzpunkte  nicht  erst  im  Laufe  der  Zeit  entstanden  ist,  wie 
es  bei  Bauresten  von  Türmen  oftmals  geschieht,  bei  denen  sich  durch  Zu- 
sammensturz und  Verwitterung  eine  hügelartige  Erhöhung  bildete,  wird  noch 
dadurch  erhärtet,  dass  der  Limes-Erd-  oder  Steinwall  mit  intaktem  Profil 
über  die  Hügel  hinzieht,  ebenso  spricht  der  Rundgraben  für  eine  gleichzeitige 
und  ursprüngliche  Herstellung  der  Hügelform. 

Zu  den  Pfostenlöchern  möchte  ich  noch  folgendes  bemerken:  sie  sind 
teilweise  hohl  und  mit  loser  Erde,  die  durch  die  Verwesung  entstanden  sein 
mag  und  von  oben  allmählich  hineingefallen  ist,  ausgefüllt  worden.  Auch  die 
Zwischenpunkte,  wo  vorübergehend  die  Signale  zur  Einmessung  standen, 
müssen  äusserlich  gekennzeichnet  gewesen  sein,  denn  an  einzelnen  Strecken 
im  Taunus,   die  selbst  von  der  Waldkultur  noch  wenig  berührt  sind,   fanden 


16)  Nach  Professor  MommBeni  Ansicht  gehört  die  Area  in  guadrifinio  mitsamt  den 
Zeichnungen  sa  den  späteren  Zusätzen,  welche  sich  unserem  gromatischen  Corpus  snge- 
fagt  haben,  und  ich  hätte  füglich  einen  Vergleich  mit  derselben  weglassen  können.  Da 
aber,  wie  schon  oben  gesagt,  zwischen  den  in  den  röm.  Feldmessern  angeführten  Anlagen 
und  den  unseren  eine  gewisse  Ähnlichkeit  unverkennbar  ist,  so  glaubte  ich,  doch  im  In- 
teresse der  weiteren  Untersuchungen  darauf  hinweisen  eu  sollen. 


Grenzmarkierungen  am  Limes.  163 

sich  Merkmale,  die  sich  besonders  durch  kreisförmige  Steiusetzungen  aus- 
zeichnen. 

Die  nachrömische  Bevölkerung  hatte  wohl  keine  rechte  Ahnung  von 
der  inneren  Beschaffenheit  eines  Grenzhügels,  doch  wusste  sie  sicherlich,  dass 
die  Hügel  Grenzpunkte,  sei  es  nun,  dass  es  Hügelgräber  oder  Grenzzeichen 
waren,  bezeichneten;  denn  die  alte  Römergrenze  blieb  auch  in  späterer  Zeit 
noch  vielfach  Territorial-  oder  Gemeindegrenze. 

Mit  dieser  Grenze  wurden  auch  die  Grenzzeichen  übernommen,  und 
diese  blieben  dem  Volke  heilig  und  unantastbar,  schon  aus  diesem  Grunde 
sind  solche  Hügel  vielfach  intakt  auf  uns  gekommen.  Ob  die  Grenzbezeich- 
nung mit  Hügeln  in  Deutschland  schon  in  vorrömischer  Zeit  angewandt  wurde, 
ist  fraglich,  dass  sie  sich  aber  in  nachrömischer  Zeit  erhalten  hat  und  lange 
im  Gebrauch  war,  dürfte  bekannt  sein.  Sogar  in  unserer  Zeit  werden  sie  in 
einzelnen  Gegenden  in  Deutschland  noch  zur  Yermarkung  errichtet  und  als 
rechtlich  anerkannt.  In  dem  Erlasse  des  Freuss.  Finanzministers  vom  25.  Oct. 
1881  zur  Erneuerung  des  Grundsteuerkatasters  für  den  Geltungsbereich  der 
Preuss.  Grundbuchordnung,  im  6.  Absatz  des  §  67  heisst  es:  „In  Gegenden, 
„in  denen  grosse  Besitzstände  vorherrschen  und  deshalb  kein  sonderlicher 
„Wert  darauf  gelegt  wird,  ob  die  Grenzmarken  grösseren  Raum  einnehmen 
„oder  nicht,  ist  die  Yermarkung  durch  Grenzhügel  weit  verbreitet  und  auch 
„als  ausreichend  anzusehen,  wenn  unter  dem  Hügel  in  gehöriger  Tiefe  der 
„eigentliche  Grenzpunkt  durch  unverwesliche  Gegenstände  (wie  Schlacken, 
„Ziegelstücke,  Glas,  Thon,  Forzellanscherben  u.  dgl.)  scharf  markiert  ist^  ^'). 
Solche  Hügel  sind  z.  B.  in  Schlesien  vielfach  zur  Grenzlegung  der  grossen 
Gutsbezirke  angewandt.  Wir  sehen  gleichzeitig  daraus,  dass  heute  noch 
wie  in  röm.  Zeit  zur  Sicherung  der  Grenzpunkte  ebenfalls  unverwesliche 
Gegenstände  eingegraben  werden.  Auch  Prof.  Tocilescu  teilte  mir  mit,  dass 
in  Rumänien  in  ähnlicher  Weise  die  Eckpunkte  der  Grenzen  mit  Hügeln  be- 
zeichnet werden  und  dass  bei  Errichtung  dieser  Eckhügel  verschiedene  Cere- 
monien  gebräuchlich  sind. 

Die  Ergebnisse  meiner  Nachforschungen  an  den  Hügeln  am  Limes 
selbst  wurden  auch  noch  anderweitig  bestätigt.  Südöstlich  vom  Rothenkreuz 
(Feldbergcastell)  liegen  in  einer  Entfernung  von  170  m  rückwärts  vom  Limes 
zwei  Hügel,  von  denen  der  eine  mit  Rundgraben,  der  andere  mit  einem 
quadratischen  Graben  '^),  der  nur  an  den  Ecken  abgerundet  ist,  umzogen  wird. 
Infolge  ihrer  rückwärtigen  Lage  vom  Ffahlgraben  wurden  diese  Hügel  nicht  für 
rumisch  gehalten,  sondern  als  spätere  Verschanzungen  angesehen;  v.  Gohausen 
(Grenzwall)  hat  sie  mit  dem  Namen  „Umgrabungen^  bezeichnet.  Zunächst  wurde 
nun  der  röm.  Ursprung  dieser  Hügel  durch  Auf^ndung  des  verdeckten  Gräb- 
chens  und  römischer  Gefassreste  nachgewiesen;  die  weitere  Untersuchung 
ergab,  dass  die  auch  hier  gefundenen  Löcher  die  Richtung  einesteils  nach 
dem  Gipfel  des  grossen  Feldbergs,  andemteils  nach  dem  südwestlich  gelege- 
nen „MaiseP*  hatten.     Bei  Verfolgung  dieser  Richtung  fanden  sich  in  be- 

17)  G.  Hansi,  OreiuTermarkungen,  GrensBeichen  etc.  8.  Aufl.  Berlin  1895. 

18)  Der  StreckenkommiBBU  Kohl  hat  im  Weiltinger  Forst  (Bayern)  einen  ähnlichen 
Hflgel  mit  einem  1,40—1,50  m  tief  in  weichem  Gestein  eingehaltenen  Grftbchen  gefanden, 
Tergl.  Limeeblatt  Nr.  10  S.  309. 


164  L*  Jacobi 

stimmten  Entfernungen  kreisförmig  aufgesetzte  Steinhaufen,  die  Reste  der 
Zwischenpunkte,  an  welchen  sich  noch  bei  einzelnen  in  der  Mitte  ein  qua- 
dratisch hergestelltes  Loch  erkennen  Hess,  das  wahrscheinlich  ebenfalls,  wie 
an  den  Hauptpunkten,  zur  Ajufsteliung  der  Visiersignale  diente.  In  der  That 
führte  die  eine  Linie  nach  dem  Grossen  Feldberg,  die  andere  nach  dem 
Maisei;  auf  letzterem  fand  sich  der  vermutete  Hügel  mit  Rundgraben,  in 
Gestalt  und  Abmessung  den  anderen  gleich.  Die  nur  flüchtig  vorgenommenen 
£ingrabungen  ergaben  den  römischen  Ursprung.  Auf  dem  Gipfel  des  Grossen 
Feldbergs  hat  eine  Untersuchung  nicht  stattgefandon,  doch  erzählen  Geming 
wie  Rössel  von  Mauorresten,  die  möglicherweise  beim  Bau  des  Feldberg- 
hauses  verschwunden  sind,  und  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  bei  genauen 
Untersuchungen'  dort  doch  noch  Spuren  gefunden  werden. 

Durch  diese  ganz  neuen  Beobachtungen  ist  es  wahrscheinlich  gewor- 
den, dass  die  erste  Grenzabsteckung  —  Standlinie  —  im  Taunus  nicht  an 
allen  Strecken  die  gleiche  Richtung  wie  die  spätere  definitive  Grenze  hatte. 
Für  die  Errichtung  des  Limes  und  der  Castelle  kamen  aber  noch  andere 
Gründe  und  Rücksichten  in  Betracht.  Bei  der  Feldbergstrecke  lässt  ein 
Blick  auf  die  Karte  dieses  annehmen-,  man  wollte  den  höchsten  Berg  des 
Taunus  noch  voll  im  Besitz  haben  und  musste  daher  den  Limes  an  seinen 
nördlichen  Fuss  legen,  wodurch  sich  die  eigentümliche  Ausbuchtung  des 
Pfahlgrabens  von  selbst  ergab.  An  der  Maiseistrecke,  die  ebenfalls  eine  auf- 
fallende Abweichung  zeigt,  mag  dies  aus  ähnlichen  Gründen  geschehen  sein, 
auch  hier  liegen  die  Grenzhügel  hinter  dem  Limes.  Es  ist  jedoch  auch 
nicht  ausgeschlossen,  dass  an  anderen  Strecken  sich  auf  jenseitigem  Gebiete 
noch  Grenzhügel  finden,  wie  dies  bereits  an  der  Saalburg  —  am  eisernen 
Schlag  — ,  wo  zwei  Grenzhügel  einige  Meter  hinter  der  Aussteinung  liegen, 
nachgewiesen  ist.  Ob  der  mächtige  Hügel  mit  Rundgraben,  der  den  Namen 
„Drususkippel"  führt  und  etwa  1500  m  nördlich  von  der  Saalburg  (im  Aus- 
land) liegt,  zur  ersten  röm.  Grenzabsteckung  gehört,  muss  durch  Untersuchungen 
noch  geklärt  werden. 

Schliesslich  führe  ich  noch  an,  dass  1878  auf  dem  etwa  600  m  südlich 
vom  Limes  hochgelegenen  Herzberg  (Inland)  durch  Abtragung  von  Steinen 
zum  Wegebau  etc.  ein  Hügel  zerstört  wurde,  auf  dessen  Sohle  sich  Stücke 
von  Syenit  vom  Odenwald  (Signa)  befanden;  dieser  Fund,  der  damals  nicht 
erklärt  werden  konnte,  ist  im  Saalburg-Museum  aufbewahrt.  Nach  den  jetzt 
gemachten  Beobachtungen  zu  schliessen,  dürfte  auch  dieser  Hügel  als  ein 
Fixpunkt  bezeichnet  werden  und  mit  der  römischen  Vermessung  im  Zusam- 
menhang gestanden  haben. 

Zur  Erläuterung  des  oben  Gesagten  habe  ich  auf  Taf.  XIII,  Fig.  I 
einen  Lageplan  beigefügt,  auf  welchem  der  Limes  mit  den  Castellen,  Türmen 
und  Hügeln  von  der  Saalburg  bis  zum  Maisei  und  die  Absteckungslinie  -r-  die 
Standlinie  —  eingezeichnet  sind.  Die  von  den  Hügeln  von  der  Saalburg  bis 
zum  Maisei  als  sicher  nachgewiesenen  Standlinien  sind  ausgezogen,  die  ver- 
muteten dagegen  nur  punktiert ;  auf  Taf.  XIII,  Fig.  II  ist  eine  schematische 
Darstellung  der  Strecke  Weissenstein-Kieshübel  gegeben.  Die  erste  Richtung 
—  die  Standlinie  —  ist  mit  einem  starken  Strich  ausgezogen,  die  äussere 
Grenzlinie  —  Aussteinung  —  und   die  mit  ihr  parallel  laufende  zweite  Linie 


GrenzmarkieruDgen  am  Limes.  165 

ist  punktiert,  (der  darch  das  äussere  und  innere  Gräbchen  eingefasste  Streifen 
ist  der  Limes).  Der  Pfahlgraben  und  Steinwall  sind  schraffiert.  Die  heutige 
Grenze  ist  mit  Strichpunkten  und  den  Grenzsteinnummem  kenntlich  ge- 
macht. —  Es  erübrigt  noch  zu  dem  Abschnitt  über  die  Hügel  mitzuteilen, 
dass  Ende  des  Jahres  der  Strockenkommissar  Geh.  Rat  Soldan,  der  im 
Oktober  d.  J.  mit  den  Herren  Dirigenten  der  Reichslimes -Commission  sowie 
dorn  Vorsitzenden  des  Ausächussest  die  Hügelgrabungen  im  Taunus  eingehend 
besichtigte,  später  im  Odeuwalde  an  der  Mümlinglioie  mit  dem  Sondiereisen 
an  yerschiedenen  Hügeln  Untersuchungen  anstellte,  die  zu  einem  analogen 
Ergebnis  fährten.  Soldan  fand  in  etwa  6  Hügeln  die  gleiche  Steinsetzung 
und  dieselben  Pfostenlöcher  in  gleichen  Querschnitten  und  in  den  nämlichen 
Abmessungen  von  einander  wie  an  den  Hügeln  des  Taunus;  an  einzelnen 
waren  ausser  den  Löchern  an  den  vier  Ecken  auch  solche  dazwischen,  wahr- 
scheinlich die  Stelleu  der  Holzzangen.  Auch  ist  es  ihm,  wie  er  mir  mit- 
teilte, noch  gelungen,  daselbst  einige  bearbeitete  Steine,  die  besonders  mar- 
kiert waren,  zu  finden.  Die  eine  Marke  ist  der  von  dem  Streckenkommissar 
Kreisrichter  Conrady  auf  dem  Greinberg  (Grenzberg)  in  dem  Gräbchen  ge- 
fundenen ähnlich  (vergl.  Limesbl.  No.  11)  und  hat  folgende  Form: 


Ich  möchte  diese  Einritzungen  mit  einer  Markierung  einzelner  Grenz- 
punkte und  mit  der  Bezeichnung  der  Richtung  in  Zusammenhang  bringen. 
Auch  am  englischen  Limes  *^)  ist  schon  früher  auf  einem  bearbeiteten  Stein 
eine  solche  Marke  gefunden^  und  derselbe  deswegen  als  Grenzstein  (boun- 
dary  stone)  erklärt  worden. 

Im  Taunus  sind  bis  jetzt  derartig  markierte  Steine  nicht  vorgekommen, 
was  darin  seinen  Grund  haben  mag,  dass  das  dortige  Steinmaterial  (Quarzit) 
nicht  die  geringste  Bearbeitung  zulässt.  Doch  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass 
auf  den  aus  eichenen  Balken  hergestellten  Yermessungs-  und  Grenzanlagen 
ähnliche  Einkerbungen  vorhanden  waren.  In  Wäldern,  wo  es  durch  den 
Holzbestand  schwer  ist,  die  Richtung  ohne  Weiteres  zu  finden,  werden  die 
Einteilungssteine  mit  solchen  Marken  und  Einritzungen  auf  ihrer  Kopffläche 
bezeichnet,  so  dass  man  bei  jedem  Stein  sofort  die  Richtung  der  Schlag- 
einteilung findet.  Dieses  Verfahren  hatte  bei  den  teilweise  verdeckten  Grenz- 
zügen  der  Römer  wohl  besonders  den  Zweck,  die  Grenze  leicht  wieder  auf- 
finden zu  können,  ohne  umständliche  Nachgrabungen  vornehmen  zu  müssen. 
Der  Königl.  Reg.-Baumeister  Spannagel,  der  seit  einigen  Jahren 
bei  dem  Bau  der  Homburg-Usinger  Eisenbahn  hier  als  Abteilungsbaumeister 
thätig  ist  und,  wie  schon  oben  gesagt,  ein  besonderes  Interesse  an  unseren 
Limesforschungen  genommen  und  sich  eingehend  damit  beschäftigt  hat,  war 
so  freundlich,  die  vorliegende  Arbeit  zu  prüfen  und  sie  mit  den  ihm  be- 
kannten Ergebnissen  im  Taunus  zu  vergleichen ;  er  hat  darauf  hin  eine  treff- 
liche Abhandlung  geschrieben,  die  er  mir  in  dankenswerter  Weise  zu  benutzen 
gestattete.    Ich  lasse  sie  hier  im  Wortlaut  folgen: 


19)  L»pidmriQm  leptentrionale  of  the  north  of  England  1875,  S.  452. 


166  L.  Jacobi 

„Bei  dem  grossen  Gewicht,  welches  die  Römer  auf  eine  mit  peinlicher 
Sorgfalt  durchzuführende  Vermarkung,  auf  eine  dauernde  örtliche  Kennzeich* 
nung  des  Grundbesitzes  legten,  ist  es  wohl  nicht  fraglich,  dass  nicht  allein 
das  privatrechtliche  Landgebiet,  sondern  auch  das  Reichsgebiet  in  seinen 
Grenzen  örtlich  genau  bezeichnet  und  eingemessen  wurde.  Die  Ergebnisse  der 
Messungen  wurden  aus  den  Feldbüchern  aber  nur  in  Form  von  Handrisseu 
in  ihre  Karten  aus  Leinen  oder  Erz  übertragen,  da  die  Messungen  auf  so 
schwacher  mathematischer  Grundlage  beruhten,  dass  danach  Karten  in  unse- 
rem Sinne,  die  eine  Gegend  vollkommen  orientiert  in  verjüngtem  Maassstabe 
darstellen,  nicht  angefertigt  werden  konnten.  Ausserdem  soll  der  verjungte 
Maassstab  erst  im  16.  Jahrb.  erfunden  worden  sein.  Man  musste  sich  damit 
begnügen,  in  den  Plänen  die  Entfernung  der  einzelnen  Punkte  von  einander 
einzuschreiben,  diese  selbst  in  ihrer  Form  einzuzeichnen  und  im  Uebrigen  ia 
einem  Yermarkungsverzeichnis  durch  genaue  Beschreibung  der  verschiedenen 
Zeichen  und  Formen,  sowie  der  Messvorgänge  den  Grenzzug  so  zu  schildern, 
dass  er  danach  von  einem  Sachverständigen  leicht  wit*der  aufzufinden  und 
auch  bei  dem  Verschwinden  einzelner  Zeichen  wiederherzustellen  war. 

Um  nun  einen  Grenzzug,  wie  er  einen  Staat  umschliesst  und  dessen 
Verlauf  von  mancherlei  Erwägungen  beeinflusst  wird,  einigermaassen  durch 
llandskizzen  festlegen  zu  können,  war  unbedingt  eine  Standlinie  (Operations- 
basis,  rigor)  erforderlich,  welche  leicht  zu  durchfluchten  war  und  die  unter 
Vermeidung  von  vielen  Knickpunkten  sich  im  Gelände  dauernd  festlegen  Hess. 
Von  dieser  festgelegten  Linie  aus,  den  Seiten  eines  Polygonzuges  der  heu- 
tigen Uorizontalmessungen  vergleichbar,  konnte  alsdann  die  Einmessung  des 
eigentlichen  Grenzzuges  erfolgen. 

.  Diese  Standlinie  ist  allem  Anschein  nach  durch  die  jetzt  aufge- 
deckten Grenzhügel  —  Eckhügel  —  im  Taunus  festgelegt  worden.  Dieselbe 
zieht  sich,  da  die  Grenzhügel  fast  sämtlich  auf  besonders  hervorragenden 
Punkten  liegen,  die  noch  jetzt  vielfach  als  trigonometrische  Polygonpunkte 
benutzt  werden,  in  gerader  Flucht  von  einem  Hügel  zum  andern  und  ihre 
Richtung  wurde  später  dauernd  durch  die  Seiten  der  in  den  Hügeln  gefun- 
denen Stein-  oder  Erdkisten  bezeichnet.  Die  eigentliche  Grenze  bildet  der 
durch  zwei  parallele  Linien  eingefasste  Geländestreifen  „limes*',  und  als  der 
wichtigste  Teil  derselben  erscheint  seine  äussere  Linie,  das  ausgesteinte 
Gräbchen.  Dieses  Gräbchen  ist  es,  das  in  seinen  Hauptknickpunkten  von 
der  Standlinie,  der  Verbindungslinie  der  Eckhügel,  aus  eingemessen  wurde 
und  zwar  auf  dieselbe  Weise,  wie  uns  Hyginus  und  Frontinus  die  Einmessung 
der  Peripheriegrenzen  beschreiben,  durch  rechtwinklige  Coordinatenmessung. 

Versuchen  wir  nun,  uns  unter  Beachtung  der  gromatischen  lieber- 
lieferungen  den  Weg  klar  zu  machen,  den  die  Feldmesser  der  Römer  ein- 
zuschlagen hatten,  nachdem  das  eroberte  Land  in  Besitz  genommen  war. 

Gang  der  Arbeiten  zur  Herstellung  des  Limes.  Zunächst 
handelte  es  sich  darum,  möglichst  nahe  der  vielleicht  schon  vorhandenen 
alten  Völkergrenze,  oder  der  ins  Auge  gefassten  neuen  Grenze  hervorragende 
Punkte  aufzufinden,  die  nicht  zu  weit  von  einander  entfernt,  einen  guten 
Ueberblick  über  das  naheliegende  Gelände  ermöglichten  und  gegenseitig  zu 
übersehen  waren.     Hohe  Stangen,   vielleicht  auch  besteigbare   Holzgerüste, 


Grenzmarkierimgen  am  Limes  167 

lieBseQ  trotz  der  Bewaldung  der  Höhenzüge  leicht  erkennen,  ob  der  Punkt 
geeignet  und  beizubehalten  war.  So  von  einem  zum  anderen  Punkte  fort- 
schreitend, legte  man  die  St  an  dl  in  ie  fest,  ohne  besonders  umfangreiche 
Aasholzungen  vornehmen  zu  müssen.  Nunmehr  wurden  die  Längen  der 
Standlinie  (Seitenlängen  des  Polygonzuges)  nach  fiinfluchtung  von  Zwischen- 
punkten  eingemessen  und  so  die  Längeneotfernuogen  von  Winkelpunkt  zu 
Winkelpunkt  ermittelt  (Taf.  XIII,  Fig.  III).  Eine  Messung  der  Winkel  au  den 
Brechpunkten  der  Standlinie  (der  Eckhügel)  hat  wohl  nicht  stattgefunden,  da, 
wie  schon  oben  erwähnt,  die  Karten  nur  Handrisse  waren  und  da  die  Winkel, 
wie  sich  weiter  unten  ergeben  wird,  in  der  Natur  dauernd  bezeichnet  wurden. 

Jetsft  ging  man  daran,  die  eigentliche  Grenze  herzustellen  und  zwar 
zunächst  das  äussere  Grenzgräbchen  (Taf.  XIII,  Fig.  IV)  Hierbei 
sprachen  andere  Rucksichten  mit,  wie  bei  der  Bestimmung  der  Standlinie. 
Es  kam  bei  Wahl  der  äusseren  Grenzlinie  hauptsächlich  darauf  an,  sich  dem 
Gelände  und  den  örtlichen  Bedingungen  anzupassen,  wichtige  Punkte:  Quellen, 
Fundorte  von  Erzen  und  Thon,  Haine,  geeignete  Plätze  für  Anlage  von  Castellen 
u.  8.  w.  in  Besitz  zu  nehmen,  sodass  dieses  Grenzgräbchen  natürlich  viele  Knick- 
punkte und  kleine  Seitenlängen  besitzt.  Die  Eckpunkte  1,  2,  3  dieser  eigent- 
lichen Grenze  bezeichnete  man  durch  fest  verkeilte  grosso  Steine  und  setzte 
zwischen  diese  besonders  bezeichneten  Eckpunkte  in  gewissen  Abständen  klei- 
nere Steine  —  Läufer  —  oder  verband  auch  diese  noch  durch  eine  zusammen- 
hängende Reihe  von  Steinen.  Nachdem  so  die  Eckpunkte  des  Grenzgräbchens 
und  die  Flucht  im  Allgemeinen  bezeichnet  waren,  konnte  die  Einmessung  der- 
selben von  der  Standlinie  aus  erfolgen.  Der  Feldmesser  geht,  nachdem  er  so- 
wohl die  Standlinie  als  auch  die  Eckpunkte  des  Grenzgräbchens  mit  Flucht- 
stäben (metae)  bezeichnet  hat,  von  dem  Eckpunkt  a  aus  mit  seinem  groma 
in  der  Flucht  der  Standlinie  a— b  soweit  vor,  dass  er  dem  einzumessenden 
Eckpunkte  1  des  Grenzgräbchens  gegenüber  steht  und  rückt  nun  sein  groma 
so  lange,  bis  sowohl  die  Fluchtstäbe  der  Standlinie,  als  auch  der  Eckpunkt 
des  Grenzgräbchens  in  den  Visieren  seines  Winkelkreuzes  erscheinen,  er  hat 
nunmehr  den  rechten  Winkel  ermittelt  und  kann  Abscisse  (Abstand  des  Auf- 
stellungsortes des  groma  vom  Eckpunkt  der  Standlinie)  und  Ordinate  (Ab- 
stand des  groma  vom  Eckpunkt  des  Grenzgräbchens)  mit  seinen  Messlatten 
(decempeda,  pertica)  einmessen  und  in  sein  Feldbuch  (Wachstafeln,  cerae, 
auf  Baumrinde)  mit  dem  Griffel  (Stylus)  einschreiben.  In  dieser  Weise 
werden  die  einzelnen  Punkte  des  Gräbchens  sämtlich  auf  die  Standlinie 
rechtwinklig  eingemessen,  besonders  umfangreiche  Holzungen  waren  auch 
jetzt  noch  nicht  nötig,  es  genügte  ein  Durchforsten  einzelner  Visierlinien.  (Ob 
auch  die  Längen  zwischen  den  Eckpunkten  des  Grenzgräbchens  zur  Controle 
eingemessen  worden  sind,  mag  dahingestellt  bleiben,  unumgänglich  nötig  für 
die  Aufzeichnung  war  dieses  nicht.) 

Nachdem  vielleicht  erst  jetzt  das  Grenzgräbchen  auch  zwischen  den 
Eckpunkten  mit  Läufern  und  zwischen  diesen  mit  gewöhnlichen  Steinen 
ausgesetzt  war,  war  die  Herstellung  der  zweiten  parallelen  Limes-Linie,  des 
inneren  Grenzgräbchens,  eine  leichte  Aufgabe^  die  keine  besonderen 
Fachkenntnisse  erforderte  (Tafel  XIII  Fig.  V).  Man  brauchte  nur  eine  kleinere 
Abteilung  Soldaten  auszuschicken  mit  dem  Auftrage,   von  dem  ausgesteinten 


168  L  Jacobi 

Grenzgräbcheu  aus  nach  dem  Inland  zu  in  gewissen  Abständen  zwei  Messlatten 
—  20  röm.  Fuss  —  ungefähr  rechtwinklig  zum  Gräbchen  vorzustrecken,  den 
so  gefundenen  Punkt  irgendwie  zu  bezeichnen  und  dann  diese  eirzelnen  Punkte 
durch  ein  Gräbchen  zu  verbinden.  Eine  zweite  Arbeitergruppe  konnte  darauf 
den  ganzen  Streifen  zwischen  beiden  Grenzgräbchen  abholzen  und  der  limes, 
der  Querweg  Mommsen's,  welcher  die  in  das  Ausland  führenden  Strassen 
schneidet,  war  hergestellt.  Ob  nunmehr  Graben  und  Wall  oder  Mauer 
in  unmittelbarem  Anschluss  an  die  geschilderte  Einmessung  errichtet  worden 
sind,  mag  dahingestellt  bleiben,  jedenfalls  aber  sind  die  Eckpunkte  der  Stand- 
linie schon  nicht  mehr  gebraucht  worden,  als  Wall  oder  Mauer  hergestellt 
wurden.  Es  geht  dieses  daraus  hervor,  dass  der  Wall  Qber  die  Grenzhügel 
hinweg  zieht. 

Grenz-  oder  Eckhügel  der  Standlinie.  Es  mag  nun  ver- 
sucht werden,  die  Eckhügel,  wie  sie  die  Aufgrabung  uns  gezeigt,  zu  er- 
klären. Jedenfalls  ist  anzunehmen,  dass  diese  Stein-  oder  Erdkisten  wegen 
der  mutmaasslichen  geringen  Höhe  nicht  zu  der  ursprünglichen  Coordinaten- 
messung  benutzt  wurden,  dass  vielmehr  hierfür  später  wieder  entfernte,  hohe 
Stangensignale  dienten,  die  über  die  Baumwipfel  hinausragten. 

Nachdem  aber  sämtliche  Messungen  beendet  waren,  ging  man  an  die 
Errichtung  von  Steinkisten  oder  Erdkisten,  die  in  der  Flucht  der  beiden  an- 
stossenden  Standlinien  angelegt  und  später  mit  Erde  hügelformig  überdeckt 
wurden  und  die  nunmehr  den  Winkel  a  b  c  (Tafel  XIII  Fig.  VI),  welchen 
beide  Standlinien  miteinander  bildeten,  örtlich  dauernd  festlegten  und  zwar 
so  sicher,  dass  derselbe  heute  noch  nach  fast  2000  Jahren  zu  erkennen  ist 
(vgl.  Tafel  VII,  VIII,  IX). 

Diese  ermöglichten  es  später  auch  bei  Verschwinden  irgend  eines 
Winkelpunktes  denselben  wieder  aufzufinden,  indem  nach  Aufdeckung  eines 
benachbarten  Hügels  nur  die  Fluchtlinie  in  der  Seitenrichtung  der  Erdkiste 
herzustellen  und  die  nach  dem  Plane  bekannte  Länge  abzumessen  war.  Sollte 
auch  die  Fluchtlinie  nicht  genau  mit  der  ursprünglichen  zusammenfallen,  so 
konnten  doch  sicher  am  Endpunkte  der  gemessenen  Linie  bei  einiger  Auf- 
merksamkeit leicht  Spuren  des  verschwundenen  Endpunktes  gefunden  werden. 
Selbst  bei  böswilliger  Abtragung  des  ganzen  Hügels  mit  der  Steinkiste  hätte 
immer  noch  das  um  den  Hügel  gezogene  Gräbchen  einen  Anhalt  zur  Wieder- 
herstellung der  Fluchtlinie  geboten. 

An  denjenigen  Stellen,  wo  die  Standlinie  keioen  Winkel  bildete,  wo 
vielmehr  wegen  zu  grosser  Entfernung  der  benachbarten  Eckpunkte  ein 
Zwischenpunkt  nötig  war,  genügte  natürlich,  wie  z.  B.  am  Klingenkopf,  ein 
einziger  Hügel.  Aus  den  schematischen  Skizzen  Tafel  XIII  Fig.  IV  und  Y 
ist  auch  zu  ersehen,  dass  Fälle  vorkommen  können,  wo  der  Hügel  nicht  im 
römischen  Gebiet,  sondern  ausserhalb  des  eigentlichen  Grenzzuges  angelegt 
werden  musste'^. 

IV.  Schanzen. 

Gleichzeitig  mit  den  vorher  beschriebenen  Untersuchungen  der  Hügel 
ging  auch  eine  solche  der  im  Taunus  gelegenen  sogenannten  Schanzen 
Hand  in  Hand.    Obgleich  nun  diese  Forschungen  noch  nicht  zum  Abschluss 


öreozmarkieruDgen  am  Limes.  Iß9 

gekommen  und  positive  Ergebnisse  noch  nicht  zu  verzeichnen  sind,  so  möchte 
ich,  da  immerhin  gewisse  Anhaltspunkte  gefunden  wurden,  doch  der  Sache 
wegen  Einiges  darQber  mitteilen,  und  zwar  mit  dem  Wunsche,  dass  die 
anderen  Herrn  Streckencommissare  in  ihren  Bezirken,  in  denen  sich  solche 
Schanzen  befinden,  weitere  Beobachtungen  machen  und  dadurch  die  Lösung 
dieser  noch  nicht  genügend  erklärten  Anlagen  fördern  möchten. 

Bei  den  bis  jetzt  untersuchten  Schanzen^  von  denen  eine  grosse  An- 
zahl rückwärts  vom  Limes  liegt,  konnte  mit  ziemlicher  Sicherheit  festgestellt 
werden,  dass  sie  nicht,  wie  oftmals  angenommen,  zur  Verteidigung  gedient 
haben  und  auch  niemals  bewohnt  waren.  Dass  sie  röra.  Ursprungs  sind,  ist 
bei  den  von  mir  untersuchten  Anlagen  —  der  Preussenschanze,  dem  Eichel- 
garten,  der  Rundschanze  am  Zugmantel  —  wegen  der  röm.  Funde  als  be- 
stimmt anzunehmen.  Welchen  Zweck  könnten  diese  immerbin  umfangreichen 
und  mit  grosser  Mühe  hergestellten  Umwallungen  gehabt  haben? 

Nach  dem  Fundergebnis  und  den  dabei  gemachten  Beobachtungen 
halte  ich  sie  für  Anlagen,  die  mit  der  Vermessung  des  Limes  oder  vielleicht 
mit  der  römischen  Inlandvermessung  zusammenhingen  und  besonders  wichtige 
Punkte  bezeichneten.  Indes  bin  ich  mir  bewusst,  dass  bei  der  Beurteilung 
derselben  noch  die  grösste  Vorsicht  geboten  ist. 

In  der  Preussen-Schanze  (Taf.  XII  Fig.  I),  die  eine  Grösse  von 
73  m  auf  60  m  hat,  fand  sich  nicht  ganz  in  der  Mitte  in  Metertiefe  eine 
trocken,  jedoch  regelrecht  gemauerte  dreieckige  Vertiefung  a,  vielleicht  ein 
Trifinium  (?),  an  welche  sich  etwa  1,20  m  tief  ein  sauber  in  den  gewachsenen 
Boden  hergestelltes  Gräbchen  an  der  Langseite  des  Dreiecks  anschliesst:  b. 
Das  Gräbchen  läuft  etwa  10  m  schnurgerade,  dann  macht  es  bei  c  einen 
stampfen  Winkel,  geht  von  hier  aus  etwas  gebogen  bis  zur  Umwallung, 
durchschneidet  diese  wie  den  davorliegenden  Graben  und  zieht  auf  eine 
grössere  Entfernnng,  ohne  die  angenommene  westliche  Richtung  zu  verändern, 
weiter.  Leider  konnten  die  Grabungen  der  beschränkten  Mittel  wegen  nicht 
fortgeführt  werden.  —  Bemerkenswert  ist,  dass  das  Gräbchen  an  dem  Drei- 
eckpankt  mit  kleinen  Steinchen  ausgeschlagen  ist,  genau  wie  an  dem  Gräb- 
chen der  Hügel  am  Rotenkreuz.  Gefunden  wurden  auf  der  Sohle  Kohlen 
von  Eichenholz  und  am  Knickpunkt  1,10  m  tief  drei  Münzen,  eine  unleser- 
liche Ton  Bronze  und  zwei  von  Silber:  Vespasian  und  Trajan.  Das  Gräb- 
chen läuft  teilweise  mit  einer  der  östlichen  Aussenseiten  der  Schanze  parallel 
(vergl.  Tafel  XII  Figur  I). 

b.  Eichelgarten  (Tafel  XII  Fig.  III).  Diese  schanzenartige  Anlage 
liegt  ca.  300  m  rückwärts  vom  Pfahlgraben  auf  einer  hohen  Stelle  des  dor- 
tigen Geländes;  sie  ist  fast  wagerecht  eingeebnet,  mit  einem  Wall  umgrenzt, 
und  aussen  zieht  ein  im  Boden  verdecktes  Gräbchen  herum,  welches  sauber 
in  den  gewachsenen  Boden  eingearbeitet  ist  Ausser  Kohlen  und  einigen 
wenigen  römischen  Scherben  hat  sich  in  demselben  und  auch  in  der  aller- 
dings nur  hier  und  da  aufgegrabenen  Fläche  der  Schanze  nichts  gefunden, 
doch  hat  sich  im  Inneren  direkt  an  der  jetzigen  Gemarkungsgrenze  von 
Lenzhahn,  die  in  einem  offenen  Graben  besteht  und  die  Anlage  durchzieht, 
ein  —  durch  ein  in  den  Urboden  eingearbeitetes  Gräbchen  (0,35  m  tief)  — 
markierter  Kreis  (a)  gefunden.    Es  könnte  hier  der  ursprüngliche  Standort  des 


1'7Ö  L.  Jacobi 

Instruments  —  vielleicht  des  gnomons  —  gewesen  sein  (bei  der  castellartigen 
Anlage  der  Schanze  könnte  eine  Orientierung  stattgefunden  haben),  der  uns 
in  seiner  anfänglichen  Beschaffenheit  erhalten  ist.  Daas  die  jetzige  Gemar- 
kungsgrenze in  einem  Znsammenhang  mit  einer  römischen  Teilungslinie  steht, 
ist  möglich,  doch  bis  jetzt  nicht  nachweisbar. 

c.  Rundschanze  am  Zugmantel  (Taf.  XIII  Fig  II).  Ueber  diese 
merkwürdige  Anlage,  die  ztrischcn  dem  Gastell  Zugmantel  und  dem  Pfahl- 
graben liegt,  haben  bereits  Rössel  (Rom.  Grenzwehr  S.  101)  und  v.  Cohansen 
(Rom.  Grenzwall  S.  158)  berichtet.  Letzterer  hielt  sie  für  eine  mittelalter- 
liche Befestigung.  Eine  Durchgrabung  bat  jedoch  ihren  röm.  Ursprung  er- 
geben. Diese  sogenannte  Rundschanze,  die  auf  dem  höchsten  Punkt  des 
Zugmantels  errichtet  ist,  hat  meines  Erachtens  denselben  Zweck  gehabt 
wie  die  Grenzhügel ;  sie  unterscheidet  sich  von  diesen  nur  durch  ihre  Grösse 
und  den  wallartigen  Aufwurf,  der  sich  an  den  Rundgraben  anschliesst;  der 
durch  diesen  Wall  begrenzte  innere  Raum  ist  abgeglichen  und  steigt  etwas 
nach  der  Mitte  (vergl.  Fig.  II,  C— D).  Eingrabungen  in  dieser  dicht  mit 
Wald  bewachsenen  Fläche  haben  bis  jetzt  nichts  von  Belang  zu  Tage  ge- 
fördert, dagegen  fanden  sich  auf  der  Sohle  des  verdeckten  Gräbchens 
unter  dem  Rundgraben  röm.  Gegenstände,  Scherben  von  Terra  sig.  und  ge- 
wöhnlichem Thon,  Ziegelstücke,  Nägel  und  Stücke  von  röm.  Glasscheiben.  Be- 
merkenswert ist  hier,  dass  das  regelrecht  in  den  Boden  gearbeitete  Gräbchen 
äusserlich  kaum  sichtbar  ist.  Die  Erde  für  den  Rundwall  scheint  aus  dem 
Innern  der  Anlage  entnommen  zu  sein.  Ich  vermute  in  dieser  noch  gut  er- 
haltenen Anlage  einen  Hauptpunkt  der  röm.  Absteckung  und  Einmessung  des 
Limes  im  Taunus,  doch  wird  sich  auch  hierüber  erst,  nachdem  weitere  Auf- 
grabungen stattgefunden  haben,  und  noch  ähnliche  Schanzen  untersucht  sind, 
ein  sicheres  Urteil  fällen  lassen.  Im  Uebrigen  sei  noch  bemerkt,  dass  diese 
Rundschanze  auch  bei  der  neueren  Landmessung  zugrunde  gelegt  und  ein 
trigonometrischer  Stein  dort  aufgestellt  ist'^). 

V.  Kardo  und  Decumanus  ^^). 

Die   Auffindung  der  Grenz- Aussteinung  am   Limes    legte    die  Frage 

20)  Profesgor  MommBen  bemerkt  folgendes  sn  den  Schansen:  „Über  die  Erdschansen 
eine  Vermutong  aiiszusprechen  wage  ich  kaum.  Darin  scheinen  die  beiden  nntersucbten 
sich  mit  den  Begleithttgeln  au  begegnen,  dass  ein  Mittelpunkt  darin  festgelegt  wird  — 
denn  der  Triangel  der  Preussenschanze  und  der  Kreis  in  dem  Eichelgarten  kennen  nicht 
wohl  einen  anderen  Zweck  gehabt  haben  als  der  Balkenverband  der  Begleithttgel.  Römisch 
sind  die  Anlagen  doch  iweifellos,  und  wenn  sie  nicht  Verteidigungsswecken  gedient  haben, 
was  können  sie  anders  bezweckt  haben  als  Orensflxiernng,  Termination?  Aber  das  möchte 
dech  zu  fiberlegen  sein,  ob  nicht  neben  der  Fixierung  der  Orenzpunkte  militftriBche 
Postiernng  oder  Avisierung  dabei  ins  Auge  gefasst  worden  ist?  Wie  der  Oberbau  dieser 
Anlagen  beschaffen  war,  ist  rein  conjectural;  wilre  nicht  eine  Einrichtung  fUr  Beobach- 
tnngsposten  oder  dgl.  denkbar,  auf  erhöhte  und  umwallte  Punkte  gestellt,  wenn  auch  nicht 
eigentlich  befestigt?  —  Wäre  es  nicht  angezeigt  die  bekannten  Grenahfigel  und  Erd- 
schanzen in  einen  Übersichtsplan  einzutragen?  der  Gesamtlauf  wäre  vielleicht  lehrreich. 
Hyginns  192  spricht  davon,  dass  man  sich  bei  der  Limitation  vor  Abirrung  von  den  ge- 
raden Linien  zu  htlten  habe  und  sagt  in  dieser  Verbindung:  eulti»  lo<A9  linutem  ttüei»  opHme 
servabimut,  das  heisst :  'auf  Ackerland  wird  man  die  Bichtung  das  limes  am  besten  einhalten 
durch  Furchen',  des  Pfluges  nämlich." 

21)  Ueber  die  Bedeutung  des  Kardo  und  Decumanu«  Tgl.  Budorff  2.  Bd.  S.  34V  und 
Stöber  8.  60. 


Grenzmarkierungen  am  Limes.  l7l 

nahe,  ob  sich  nicht  auch  die  Absteckung  der  Castelle,  welche  wohl  in  ähn- 
licher Weise,  wie  die  der  Tempel-  und  Städteanlagen  hergestellt  war,  auffinden 
Hesse.  Zunächst  dachte  ich  an  Gräbchen  und  Aussteinung  der  Hauptlinien, 
des  Kardo  und  des  Decumanus.  Bereits  Ende  März  suchte  ich  an  der 
Saalburg  in  den  Axen  des  jetzigen  Castells,  fand  aber  nicht  das  Gewünschte, 
sondern  die  Reste  und  Spitzgräben  eines  älteren  kleineren  Castells.  Auch 
bei  den  weiteren  Nachgrabungen  des  im  Innern  noch  wenig  berührten 
Castells  Feldberg  hatte  ich  keinen  Erfolg.  Erst  die  Untersuchungen  des 
Castells  Zugmantel  im  Juli  führten  zur  Entdeckung  der  ursprünglichen  Ab- 
steckung des  Lagers.  Decumanus,  die  Linie  von  Ost  nach  West,  und 
Kardo,  die  Linie  von  Nord  nach  Süd  —  sind  dort  fast  genau  orientiert 
und  als  Gräbchen,  welche  wie  das  Grenzgräbchen  am  Ijimes  in  den  ge- 
wachsenen Grund,  ungefähr  0,35  m  tief,  eingearbeitet  sind,  an  vielen  Stellen, 
wo  sie  nicht  durch  spätere  Ueberbauten  zerstört  worden,  gut  erhalten.  Im 
Gasten  Zagmantel  gehen  die  Linien  des  Decumanus  und  Kardo  durch  die 
Thore,  bezw.  fallen  mit  den  Axen  des  Castells  zusammen.  Nochmalige  Un- 
tersuchungen am  Castell  Feldberg  ergaben,  dass  der  Decumanus  und  Kardo 
seitlich  —  nordöstlich  —  lagen;  an  der  Saalburg  sind  neuerdings  ebenfalls 
sichere  Spuren,  bestehend  in  Gräbchen  und  in  Löchern,  welche  in  Zwischen- 
räumen liegen,  1  m  im  Quadrat  gross  und  1,20  m  tief  sind,  gefunden  worden. 
Aehnliche  Löcher  finden  sich  auch  im  Castell  Zugmantel.  Die  Untersuch- 
ungen sind  selbstverständlich  noch  nicht  zum  Abschluss  gekommen,  doch 
möchte  ich  bemerken,  dass  bereits  Anhaltspunkte  dafür  vorliegen,  dass  wahr- 
scheinlich in  den  Römerstrassen  die  Absteckungslinien  für  die  allgemeine 
Landesvermessung  festgelegt  sind,  vergl.  Stuber  S.  94;  hierdurch  wird  die 
Gradlinigkeit  der  Strassen  jedenfalls  mitbedingt  gewesen  sein.  Inzwischen  ist 
es  auf  Grund  der  oben  mitgeteilten  Entdeckungen  den  Herren  Limesstrecken- 
commissaren  Hofrat  Fr.  Kofier  und  Prof.  G.  Wolff  gelungen,  in  Friedberg  und 
llofheim  die  Absteckungen  der  beiden  Castelle,  d.  h.  den  Decumanus  und 
Kardo  aufzufinden,  was  besonders  für  die  Feststellung  des  Castells  Fried- 
berg, wo  das  röm.  Castell  unter  der  mittelalterlichen  Burg  liegt  und  die 
Grabungen  sehr  beschränkt  werden  mussten,  von  grossem  Werte  war**). 

VI.  Die  Umitation  (vergl.  Taf.  XIII  Fig.  I,  Castell  Feldberg). 

Rückwärts  vom  Castell  FeUberg  hat  sich  genau  im  rechten  Winkel 
mit  der  Hauptstrasse,  die  nach  dem  Inland  führt,  eine  Parzelleoeinteilung 
gefunden,  die  durch  ein  0,30—0,40  m  tiefes  in  den  gewachsenen  Boden  ein- 
gearbeitetes Gräbchen  bewirkt  wird,  in  welchem  ebenfalls  Kohlen  und  röm. 
Scherben  niedergelegt  sind  und  in  Abmessungen  festgekeilte,  die  Richtung 
angebende  Steine  sitzen.  Auch  hier  befanden  sich  in  einzelnen  dieser  Gräb- 
chen in  gewissen  Abstän  len  quadratische  Löcher,  manchmal  1  m  tief  in  den 
Boden  gearbeitet,  in  denen  Kohlen  lagen  und  die  zu  der  Limitation  in  irgend 
einem  Zusammenhang  stehen  werden.  Prof.  Luigi  Pigorini  hat  bei  seinen 
Ausgrabungen   in   der  Po-Ebene   am  Schlüsse   vorigen  Jahres  ähnliche  P>- 

33)  Anch  Pigorini  hat  bei  seinen  AuBgrabnngen  von  Niederlassungen   „der  Italiker 
in  der  Poebena"  den  Kardo  und  Decuniannt  gefunden.     Vgt.  seine  Abhandlang:   La  terra- 
Castellazo  di  Fontanellato  Borna  1895. 


172  fr.  Lau 

scheinungen  gefunden,  auch  er  ist  der  Ansicht,  dass  diese  Vertiefungen  im 
Zusammenhang  mit  der  Limitation  und  dem  Eardo  stehen.  Hoffentlich  werden 
die  folgenden,  der  Limesforschung  noch  zur  Verfügung  stehenden  Arbeitsjahre 
auch  über  diese,  noch  in  Dunkel  gehüllten  Anlagen  mehr  Licht  bringen.  — 
Die  Ergebnisse  meiner  Untersachungen  sind  ans  der  Wirklichkeit,  aus  dem 
offen  Daliegenden  und  wieder  Ausgegrabenen  genommen  worden.  Sie 
stimmen  im  Grossen  und  Ganzen  mit  dem,  was  Mommsen  scharfsinnig  aus 
den  alten  Schriftstellern  gewonnen  hat,  überein.  Die  erzielten  Resultate 
verdankt  man  dem  Zusammengehen  der  Theorie  und  Praxis,  sie  lassen  gewiss 
den  Wunsch  gerechtfertigt  erscheinen,  dass  auch  bei  den  ferneren  Limes- 
forschungen auf  demselben  Wege  weitergearbeitet  werden  möge! 


-<De>- 


Beiträge  zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Köln. 

Von  Dr.  Friedrieh  Lau  in  Köln. 

L 
Das  SchSffencollegium  des  Hocbgerichts  zu  Köln  bis  zum  J.  1396 '). 

Wie  über  den  Anfängen  der  Kölner  Stadtverfassung  vor  dem 
12.  Jahrhundert  ein  fast  undurchdringliches  Dunkel  schwebt,  das  auch 
durch  die  Bemühungen  so  vieler  Forscher  nur  zum  kleinsten  Teile  ge- 
lichtet werden  konnte,  wie  diese  Forschung  zwar  in  vielen  Fällen  an- 
sprechende Vermutungen,  aber  doch  selten  sichere  Ergebnisse  zu  Tage 
gefördert  hat,  so  giebt  auch  die  erste  Ausbildung  der  Kölner  Gerichts- 
verfassung der  Forschung  so  manches  Rätsel  auf,  dessen  Lösung  nur 
durch  Annahmen,  die  je  nach  der  Eigenart  des  einzelnen  Historikers 
immer  einen  mehr  oder  weniger  subjektiven  Charakter  tragen  werden, 
zu  ersetzen  ist.  Einer  Erörterung  dieser  Fragen  nachzugehen,  ist  nicht 
der  Zweck  der  nachfolgenden  Abhandlung.  Es  gilt  hier  vor  allem  das 
urkundlich  sicher  Beglaubigte  festzulegen  und  die  einzelnen  ermittelten 
Züge  zu  einem  möglichst  einheitlichen  Gesamtbilde  zu  vereinigen,  auf 
Grund  dessen  es  dann  später  vielleicht  gelingen  wird,  der  Lösung  der 
genannten  Rätsel  näherzukommen. 

I.  Das  Alter  des  Schöffencollegiums. 

Erst  im  Anfange  des  zwölften  Jahrhunderts  werden  die  Schöffen 
zum   ersten  Male   urkundlich    erwähnt.     Im  Jahre    1103^)   treten   die- 


*)  Dieser  erste  Teil  der  Beiträge  erscheint  mit  einigen  unwesentlichen 
Abänderungen  gleichzeitig  in  der  Festschrift  für  Herrn  Geh.  Commerzienrat 
Dr.  von  Mevissen.  Eine  weitere  Untersuchung  über  das  Kölnische  Patriciat 
ist  für  eines  der  nächsten  Hefte  bestimmt. 

')  Hansisches  Urkb.  III  S.  385  (1103  Dez.  4). 


beitrage  zur  Verfassungsgesctiiclite  der  Stadt  Köln.  l73 

selben  bereits  in  ihrer  Eigenschaft  als  städtische  Eommuhalbehörde  auf, 
in  den  Jahren  1135 — 42')  enthtlllt  die  erstmalige  Nennung  der  Schöffen 
und  Schöffenbrüder  die  Existenz  der  genossenschaftlichen  Organisation 
derselben,  die  erfolgte  Bildung  eines  Schöffencollegiums.  Es  braucht 
kaum  betont  zu  werden,  dass  gerade  die  letztere  Form  eine  längere 
Entwickelungszeit  zur  unerlässlichen  Voraussetzung  hat,  und  dass  schon 
TOT  dieser  Organisation  Schöffen  existiert  haben  müssen.  Möglich  ist 
daher,  dass  die  Institution  der  Schöffen  bis  in  die  fränkische  Zeit  zu- 
rückgeht, es  ist  aber  ausgeschlossen,  etwas  Zuverlässiges  darüber  fest- 
zustellen. 

II.  Die  genossenschaftliche  Organisation  des  Schöffen- 
collegiums. 
Das  Schöffencollegium  zerfiel,  getreu  der  bei  fast  allen  städtischen 
Korporationen  wiederkehrenden  Schablone,  in  zwei  Hauptklassen,  1)  die 
Schöffen,  die  unter  sich  wieder  in  die  Schöffenamtleute  (officiales  sca- 
binorum,  Schöffenamtleute,  verdiente  Schöffen)  *)  und  die  Schöffen  schlecht- 
weg geschieden  werden,  und  2)  die  Schöffenbrüder.  Die  Schöffenbrüder 
sind  die  Anwärter  auf  das  Schöffenamt,  die  erst  durch  Wahl  in  später 
zu  erörternder  Form  in  den  Verband  der  Schöffen  aufrückten.  Sie  ge- 
nossen bereits  einen  Anteil  an  den  finanziellen  Erträgnissen  des  Amtes, 
besonders  an  den  Reichnissen  der  Schöffenmeister*),  und  in  der  ältesten 
Zeit  an  den  Einktlnften  des  Schöffenschreins  ^.  Genauer  begrenzt  sind 
ihre  Funktionen  und  ihre  Teilnahme  an  den  Verhandlungen  des  Schöffen- 
collegs  erst  in  den  Statuten  von  1370 — 75'),  die  ihnen  das  Recht  zu- 
sprechen, an  den  Gerichtssitzungen,  doch  ohne  Stimmrecht,  teilzunehmen! 
Eine  solche  Teilnahme  war  jedenfalls  nötig,  um  die  künftigen  Schöffen 
den  vielßiltigen  Geschäften,  wie  sie  grade  einem  städtischen  Schöffen- 
collegium oblagen,  gewachsen  zu  machen.     Die  Zahl  der  Schöffenbrüder- 


')  Hoeniger,  Schrelnskarten  Mart.  1  V.  1. 

*)  Das  von  Glasen,  Schreinspraxis  S.  69,  im  Auszuge  mitgeteilte  statu- 
tom  Bcabinorum  de  candelis  findet  sich  noch  in  einem  Fascikel  des  Schöffen- 
schreins, der  im  Besitze  der  Fahneschen  Erben  ist  (Mitt.  H.  XX  S.  98  Nr.  105). 
Eine  Abschrift  desselben  verdanke  ich  Herrn  Prof.  Hoeniger.  Es  scheint  etwa 
den  Jahren  1220—30  anzugehören.  Aus  demselben  geht,  wie  auch  von  Hegel, 
Chroniken  XIV  S.  XLU  richtig  hervorgehoben  ist,  die  Einteilung  der  eigent- 
lichen Schöffen  in  Schöffen  und  Schuffenamtleute  zuerst  hervor. 

^)  Vgl.  über  dieselben  weiter  unten. 

')  Dies  ergieb^  sich  aus  der  citierten  Scbreinseintragimg  von  1135—42. 

')  Stein,  Akten  I  Nr.  312  S.  558  ff. 

WMtd.  Zeitflohr.  f.  Qescli.  n.  Kunst.    XIV,    II.  13 


174  Fr.  Lau 

stellen  lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit  feststellen^),  wahrscheinlich  hat 
dieselbe  im  Laufe  der  Zeit  öfters  geschwankt,  je  nachdem  die  Erträg- 
nisse des  Schöffenamtes  die  Schaffung  weiterer  Stellen  zuliess,  oder  eine 
Verminderung  derselben  rätlich  erscheinen  Hess.  Die  Gründe,  die  zu 
der  Schaffung  dieser  eigenartigen  Institution  beigetragen  haben,  liegen 
verhältnismässig  klar  zu  Tage.  Es  war  der  Wunsch  möglichst  viel 
Verwandte  und  Bekannte  der  Einkünfte  des  Schöffenamtes  teilhaftig  zu 
machen,  zusammen  mit  dem  Streben,  das  gewonnene  Amt  der  Familie 
zu  erhalten,  was  diesen  weiteren  Verband  ins  Leben  rief.  Besonders 
der  erstgenannte  finanzielle  Grund  wird  durch  die  Weiterentwicklung 
des  Instituts  bestätigt.  Die  Schöffenbrüderämter  verloren  allmählich 
vollkommen  ihren  Charakter  als  Amt  und  nahmen  den  einer  Präbende 
an.  Während  im  Anfange  des  13.  Jahrhunderts  die  Wahl  durch  das 
Collegium  der  Offizialen  wenigstens  formell  gewahrt  wurde,  gingen  im 
Laufe  der  Zeit  die  einzelnen  Schöffenbrüderstellen  in  die  Hände  eines 
jeden  Schöffenamtmannes  über,  der  die  ihm  zustehenden  Stellen  je  nach 
Wahl  vergeben,  ihre  Einkünfte  für  sich  behalten  und  auch  vererben 
konnte.  So  vermachte  der  Schöffe  Werner  Overstolz  in  der  Rheingasse 
seinem  Sohne,  dem  Schöffen  Johann  und  dessen  Frau  „omnia  bona  sua 
mobilia  et  inmobilia,  officia  fratrum  scabinorum  et  officiatorum,  que  habet 
in  manu  sua  (1333  Oct.  16)"  ^),  so  finden  wir  in  den  früher  citierten 
Statuten  von  1370 — 75^»)  bereits  weltliche  und  geistliche  Schöffen- 
brüder von  einander  unterschieden.  Vermutlich  hat  es  schon  damals  ^% 
sicher  1387,  auch  „Schöffenschwestem"  gegeben.     Es  ist  dies  eines  der 


8)  1180  werden  22  genannt  (Qu.  I  90)  ca.  1230  (362  k.  1.  f.  la;  Qu.  II 
Nr.  418,  wo  die  Datierung  unrichtig  ist)  15,  ca.  1235—37  (vgl.  Beilage  I)  c«.  30 
neu  gewählt. 

^)  Schöffenschrein  355  f.  61b.  Die  officia  officiatorum  sind  als  die 
Stellen  unverdienter  Amtleute  in  den  Sondergemeinden  zu  fassen,  wo  die  ver- 
dienten Amtleute  um  diese  Zeit  ebenfalls  eine  Anzahl  von  unverdienten  Ämtern 
zu  verteilen  hatten  (Liesegang,  Sondergemeinden  S.  96).  Vielleicht  handelt 
es  sich  auch  um  unverdiente  Ämter  der  Richerzeche. 

8»)  Stein  I  Nr.  314  §  8. 

^^)  Die  mit  dem  Schöffenkollegium  nahe  verwandte  Richerzeche  hat 
eben  dieselbe  Entwicklung  durchgemacht.  Ein  neu  aufgefundenes  Verzeichnis 
der  Richerzeche  aus  dem  Jahre  1391,  das  demnächst  veröffentlicht  werden 
soll,  beweist,  dass  die  unverdienten  Ämter  gleichermassen  von  den  verdienten 
Amtleuten  als  Pfründen  an  männliche  und  weibliche  Personen,  geistlichen 
oder  weltlichen  Standes,  vergeben  wurden  und  dass  dieselben  einzelne  Ämter 
in  ihrer  Hand  behalten  konnten. 


beitrage  zur  Verfassangsgeschichte  der  Stadt  £öln.  175 

vielen  Beispiele  f&r  die  im  alten  Köln  herkömmliche  rücksichtslose  Aus- 
nutzung der  gegebenen  Vorteile  durch  die  herrschenden  Geschlechter, 
für  das  Hineintragen  privater  Rücksichten  und  finanzieller  Ausbeutung 
in  fast  alle  Institute  der  Verfassung  und  Verwaltung.  Eine  weitere 
Consequenz  dieser  Auffassung  wäre  es  gewesen,  wenn  auch  die  Ver- 
erbung der  Schöffenstühle  auf  den  Sohn  eingeführt  worden  wäre.  Wir 
werden  jedoch  sehen,  dass  die  Schöffen  diesen  letzten,  äussersten  Schritt 
nicht  gethan  haben,  dass  in  Bezug  auf  die  Schöffenwahl  es  bei  dem 
früher  gültigen  Wahlmodus  auch  im  14.  Jahrhundert  geblieben  ist. 

Die  Zahl  der  Schöffen  scheint  25  betragen  zu  haben.  Als  Erz- 
bischof Eonrad  die,  wie  gezeigt  werden  wird,  widerrechtlich  auf  eine 
geringere  Zahl  zusammengeschmolzenen  Schöffen  absetzte,  ergänzte  er  das 
CoUegium  auf  diese  Normalzahl.  Die  Schöffen  bedurften  nach  ge- 
schehener Wahl  der  Anwäldigung  durch  den  Burggrafen,  später  nach 
dem  Übergang  der  Burggrafschaft  an  die  Erzbischöfe,  stand  dieses 
Recht  den  letzteren  zu.  Um  in  den  engeren  Verband  der  Schöffen- 
amtleute aufzusteigen,  mussten  die  Schöffen  ein  Jahr  lang  das  Amt  des 
Schöffenmeisters  bekleiden  und  den  diesem  auferlegten  „Dienst"  ")  aus- 
richten. Die  Leistung  dieses  Dienstes  war  obligatorisch,  wer  nicht  die 
unten  erwähnten  „servitia"  ausrichtete  „ita  ut  honest  um  est  et  consue- 
tum,  nuUam  cum  scabinis  habebit  communionem  et  ab  omni  beneficio 
suo  officii  scabinatus  privatus  nullam  deinceps  tam  in  curia,  quam  in 
domo  civium  recipiet  partitionem".  Die  Zahl  der  jedesmaligen  Schöffen- 
meister betrug  2  *^,  anfangs  war  vielleicht  nur  einer  ^*)  vorhanden. 
Über  ihre  Funktionen  ist  nichts  bestimmtes  überliefert.  Von  den  in 
den  Statuten  von  c.  1370 — 75")  genannten  Schreinmeistem,  die  alle 
7,  resp.  6  ^^)  Wochen  wechselten,  sind  sie  wohl  zu  unterscheiden,  die- 


**)  Dieser  Dienst  bestand  nach  dem  oben  citierten  Statut  in  der  Liefe- 
nmg  von  Wachs  an  die  Schöffenoffizialen,  Schöffen  und  Schöffenbrüder.  Im 
nächsten  Jahre  hatte  der  Meister  „tortellos  et  nebulas  et  panem,  qui  unnet  (?) 
didtuT,  vinum  et  moretum"  zu  beschaffen ;  „ita  ut  officium  scabinorum  lauda- 
bile  Sit  et  honestum".  Ausserdem  mussten  Wachskerzen  an  die  Klöster  St, 
Mauritius,  Weyer  und  Walberberg  gegeben  werden,  Scab.  2  IV  8  (c.  1197 
— 1212).  Inbetreff  des  erstgenannten  Klosters  vergl.  Lac.  I  Nr.  564  (1198),  wo 
es  von  den  Schöffen  heisst,  „qui  patrocinium  advocati^  in  possesslonibus  predicti 
monasterii  [s.  Mauritii]  habent^. 

")  Qu.  m  Nr.  442  (1297  Febr.  22). 

»»)  Qu.  I  Nr.  80  (1171). 

")  Stein  I  Nr.  312. 

")  ib.  Nr.  313  [1385]. 

13» 


176  Fr.  Lau 

selben  waren  schon  verdiente  Schöffen.  Hier,  wie  in  den  AmtleutecoUe- 
gien  der  Sondergemeinden  *^)  ist  der  gleiche  Vorgang  eingetreten,  dass 
die  Schreinmeister  die  eigentlichen  dienenden  Meister  in  den  Hinter- 
grund gedrängt  haben.  Wahrscheinlich  hängt  aber  auch  die  Schaffang 
der  letzteren  Beamtung  mit  der  Einrichtung  des  Schöffenschreins  zu- 
sammen. Erst  die  verdienten  Schöffen  sind  die  einzig  vollberechtigten 
Mitglieder  des  CoUegiums,  sie  allein  erliessen  die  Statuten.  In  ihrer 
Hand  allein  lag  endlich  flas  Wahlrecht. 

in.  Die  Voraussetzungen  der  Schöffenmässigkeit  und 
die  Wahl  der  Schöffen. 
Die  Schöffen  mussten  frei  von  körperlichen  Fehlem,  unbe- 
scholten, ehelicher  Geburt*')  und,  dies  kann  man  auch  für  die  frCHiere 
Zeit  behaupten,  geerbte  *®)  grundbesitzende  Bürger  sein.  Weitere  Voraus- 
setzung war  die  Zugehörigkeit  zur  Schöffenbrüderschaft.  Die  Wahl  lag 
in  der  Hand  der  verdienten  Schöffen  '^),  die  Form  der  Wahlhandlung 
ist  nicht  überliefert,  doch  ist  aus  dem  Umstand,  dass  es,  wie  noch  be- 
wiesen werden  wird,  den  Schöffenoffizialen  wohl  häufig,  aber  nicht  immer, 
gelang,  ihren  Sohn  in  das  Collegium  zu  bringen^  zu  schliessen,  d^s 
nicht  dem  einzelnen  Schöffen  die  Berechtigung  zustand,  ein  Mitglied  zu 
ernennen,  sondern,  dass  derselbe  in  einem  bestimmten  Turnus  das  Vor- 
schlagsreclit  hatte,  dessen  Genehmigung  oder  Ablehnung  von  der  Mehr- 


^^)  Liesegang,  Sondergemeinden  S.  118. 

")  Vgl.  Qu.  n  Nr.  384,  Schied  I  4  (S.  381)  und  III  4  (S.  388)  Qu.  I 
Nr.  76,  Gefälschter  Schied  S.  557  und  Qu.  V  Nr.  166  (1377  Febr.  16):  Die 
Schöffen  sollen  den  neuen  Schöffen  wählen  „uss  getzale  der  scheffenbrudere  den 
byrffsten,  ersamsten  ind  den  wysten,  den  sy  under  den  haven  mugen,  die  van 
den  geschlechten  syn  bynnen  Colne  ind  die  euch  dem  scheffendoim  zeemlich  sy. 

^^)  Dies  galt  bekanntlich  auch  als  Vorbedingung  für  die  Wählbarkeit 
als  Schöffe  im  Niederich  (Hoeniger :  Schreinskarten  IP  S.  52).  Inwieweit  auch 
der  Wohnsitz  in  der  Altstadt  unbedingte  Vorbedingung  für  die  Wahl 
zum  altstädtischen  Schöffen  war,  lässt  sich  für  das  12.  Jahrhundert  bei  der 
Lückenhaftigkeit  der  Quellen  nicht  sicher  feststellen.  Im  13.  Jahrhundert 
ist  dies  Prinzip  sicher  schon  nicht  mehr  massgebend  gewesen,  da  sich  auch 
in  Airsbach  wohnhafte  Personen  im  Schöffenkollegium  finden.  Auch  im 
Niederich  ist  dasselbe  1344  Sept.  29  (Qu.  IV  Nr.  273)  aufgegeben.  Schieds- 
spruch des  Schöffen  Franco  vom  Home:  Item  dico,  quod  unusquisque  ciyis 
Coloniensis,  qui  est  in  iure  suo  et  honore,  ubicumque  residet  in  civitate 
Coloniensi,  potest  esse  scabinus. 

")  Bestätigungen  des  Selbstergänzungsreohtes  hei  Hegel  1.  c.  S.  XL, 
Anm.  5. 


Beiträge  zur  Yerfassungsgeschichte  der  Stadt  Köln.  177 

heit  der  Ofiicialen  abhing,  ähnlich  wie  dies  später  bei  dem  engen  Rat 
der  Fall  war.  Diese  Art  der  Selbst-Ergänzung  barg  von  vorneherein  den 
Keim  zu  Missbräuchen  in  sich.  So  warf  denn  auch  schon  Erzbischof 
Konrad  1258^®)  den  Schöffen  vor,  dass  sie  nulla  sede  vacante  scabi- 
nomm  .  .  eligunt  et  ad  sedes  non  vacantes  scabinos,  femer  dass  sie 
bei  Erledigung  eines  Schöffenstuhles  die  nötige  Neuwahl  ungebührlich  hin- 
ausschöben und  die  Zahl  der  Schöffen  verminderten,  dann  jedoch  auf  einmal 
eine  grössere  Zahl  von  Schöffen  zum  Teil  gegen  Geldabgaben  wählten 
nnd  so  wieder  die  festgesetzte  Zahl  überschritten.  Es  ist  interessant 
und  wirft  ein  grelles  Streiflicht  auf  die  Moralität  der  damaligen  Schöffen, 
dass  sich  dieser  Missbrauch  urkundlich  belegen  lässt.  In  den  Jahren 
1235—37**)  wählten  15  Schöffenofficialen  auf  eiumal  8  Schöffen,  sie 
nahmen  weitere  7  Schöffen  auf,  denen  sie  die  Anwartschaft  auf  die  zu- 
nächst zur  Erledigung  kommenden  Sitze  gaben  und  ernannten  endlich, 
wie  schon  erwähnt,  ca.  30  Personen  zu  Schöffen brüdem.  Inwieweit  bei 
dieser  illegalen  Wahl  und  ähnlichen  auch  Bestechung  und  andere  eigen - 
nfitzige  Bestrebungen  eine  Rolle  spielten,  ist  selbstverständlich  unerweis- 
lich, aber  bei  der  Ungeheuerlichkeit  des  Verfahrens  ist  die  Anwendung 
solcher  Mittel  wohl  wahrscheinlich.  Einen  anderen  Grund  für  die  will- 
kürliche Ergänzung  des  Schöffencollegs  hat  schon  Arnold'^)  richtig  be- 
tont, es  .sei  der  Wunsch  der  Schöffen  gewesen,  das  Amt  möglichst  bei 
der  eigenen  Familie  zu  erhalten.  Es  ist  eine  glänzende  Bestätigung 
dieser  scharfsinnigen  Vermutung,  dass  aus  dem  genannten  Wahlgange 
in  der  That  6  *^)  Söhne  der  wählenden  Officialen  als  neue  Schöffen  her- 
vorgingen. Die  Schiedsrichter  verwarfen  von  rechtswegen  den  geschil- 
derten Missbrauch,  es  darf  aber  mit  Grund  bezweifelt  werden,  dass  dies 
von  nachhaltigem  Erfolg  war;  denn  als  Erzbischof  Konrad  1259  die 
Schöffen  absetzte,  betrug  die  Gesamtzahl  derselben  wieder  nur  18,  die 
damaligen  Schöffen  hatten  also  die  beschworenen  Bedingungen  des 
Schiedes  nicht  erfüllt,    und  dies  wird,    obwohl  es  in  der  Absetzungsur- 


*«)  Schied  I  33,  34. 

")  Vgl.  Beilage  I. 

")  Freistädte  I  S.  405. 

^^)  Vgl.  Beilage  I :  Man  beachte  auch  die  Reihenfolge  der  neu  gewählten 
Schöffen:  Dem  unter  den  Schöffenamtleuten  an  zweiter  Stelle  stehenden 
Mathias  von  der  Lintgasse  entspricht  unter  den  neuen  Schöffen  sein  Sohn 
Johannes,  ebenso  entspricht  der  Zahl  der  15  Schöffenamtleute,  die  Zahl  der 
neuen  Schöffen  mit  Einrechnung  der  Schöffenanwärter. 

^)  In  derselben  wird  den  Schöffen  ausser  anderm  vorgeworfen,  dass 
sie  Minorenne  zu  Schöffen  gewählt  und  sich  hätten  bestechen  lassen  (Qu.  II 


178  Fr.  Lau 

kunde^^)  nicht  erwähnt  wird,  einen  der  Gründe  gebildet  haben,  die  dem 
Vorgehen  des  Erzbischofs  die  legale  Grundlage  gaben.  In  späterer  Zeit 
scheinen  derartige  Schwankungen  in  der  Zahl  der  Schöffen  seltener  ge- 
worden sein. 

IV.  Die  Schöffenfamilien. 
Inwieweit  hat  sich  nun  auf  Grund  der  Wahlform,  wie  sie  eben 
geschildert,  ein  bestimmter  Kreis  von  Schöffenfamilien  gebildet,  inwie- 
weit ist  eine  Erblichkeit  von  Schöffenstühlen  innerhalb  bestimmter  Fa- 
milien erkennbar?  Es  ist  bekannt,  dass  die  Untersuchungen  Zallingers 
die  früher  allgemein  anerkannte  Lehre  von  der  Existenz  eines  recht- 
lich geschiedenen  Standes  von  Schöffenbarfreien  für  das  Gebiet,  wo  der 
Sachsenspiegel  entstand,  als  den  thatsächlichen  Verhältnissen  nicht  ent- 
sprechend und  unhaltbar  erwiesen  haben.  Aber  immerhin  liegen  in  der 
Stadt  Köln  andere  Verhältnisse  vor.  Dort  die  Bildung  der  Schöffenbank 
in  jedem  einzelnen  Falle  aus  den  gerade  anwesenden  Personen,  hier  die 
Existenz  eines  geschlossenen  Collegiums.  Die  Untersuchung,  wie  sich 
die  Verhältnisse  in  dem  von  jenen  ländlichen  Gegenden  so  verschiedenen 
und  räumlich  begrenzten  Stadtgebiet  gestaltet  haben,  ist  deshalb  keines- 
wegs überflüssig.  Auf  Grund  der  urkundlichen  Überlieferung,  besonders 
mit  Benutzung  der  Schreinsbücher,  lässt  sich  über  diese  Frage  ein 
sicheres  Urteil  gewinnen.  Es  ergiebt  sich,  dass  die  Annahme  bestimmter 
Schöffenfamilien  falsch  ist.  Familien,  die  Jahrhunderte  lang  im  Schöffen- 
collegium  nachweisbar  sind^^)»  verschwinden  aus  demselben,  ohne  dass 
sich  als  Grund  dafür  ^^)  anführen  liesse,  dass  dieselben  in  ihrer  sozialen 


Nr.  394).  Vor  der  Absetzung  hatte  Konrad  bereits  den  Bat  in  seinem  Sinne 
reformiert.  Man  vergleiche  die  beiden  Vertragsurkunden  von  Köln  und  Utrecht 
(Hansisches  Urkundenbach  III  S.  400,  von  12Ö9  März  23,  in  denen  die  Stadt- 
obrigkeit als  iudices,  scabini,  ceterique  consules  iurati  etc.  bezeichnet  wird 
und  in  deren  einer  die  aus  der  Hagenschen  Darstellung  genugsam  als  Führer 
der  demokratischen  Partei  bekannten  Conradus  Blome  und  Herimannus 
Sapiens  genannt  werden.  Dadurch  werden  die  Bemerkungen  Liesegangs  (Son- 
dergemeinden S.  46)  hinfällig.  Hegel  hat  seine  frühere  Ansicht  (1.  c.  S.  LXI) 
geändert  und  für  das  Auftreten  des  Rates  gegen  die  Schöffen  die  oben  nach- 
gewiesene Reform  desselben  durch  den  Erzbischof  zur  Erklärung  herange- 
zogen (Städte  und  Gilden  II  S.  338). 

3'^)  Als  Belege  dafür  habe  ich  in  der  Mevissen-Festschrift  S.  113  die 
Stammbäume  der  Familien  Raitze  und  Jude  mitgeteilt.  Im  übrigen  vgl.  Das 
kölnische  Patriciat  bis  132Ö  in  Mitteil,  aus  dem  Kölner  Stadtarchiv  H.  24,  25,  26. 

^^)  Man  könnte  bei  den  Raitze  an  Übergang  in  den  Landadel  und  Auf- 
hören des  Bürgerrechts  denken.  Ebenso  wie  die  obengenannten  Familien 
verschwinden  aber  auch  die  Grin,   die  seit  1149  als  Schöffen  nachweisbar 


Beiträge  zur  Yerfassangsgeschichte  der  Stadt  Köln.  179 

Stellnng  oder  ihrem  Grundbesitz  so  zurückgegangen  wären,  dass  sie  viel- 
leicht nicht  mehr  der  Ehre  des  Schöffentums  für  würdig  erachtet  hätten 
werden  können.  Die  rücksichtslose  Ausnutzung  des  einmal  gewonnenen 
Vorteils,  wovon  das  eben  erwähnte  Wahlverfahren  Zeugnis  ablegt,  hatte 
eben  auch  die  Kehrseite,  dass  diejenigen  Familien,  die  durch  die  bisher 
im  Besitze  der  Schöffenstühle  befindlichen  Geschlechter  von  denselben 
fern  gehalten  worden  waren,  jeden  sich  bietenden  günstigen  Zufall  aus- 
nutzten, um  ihrerseits  die  ersehnte  ehrenhafte  Pfründe  für  sich  einzu- 
heimsen. Es  ist  die  krasseste  Familien-  und  Protektionswirtschaft,  die 
man  sich  auszumalen  vermag.  Wenn  daher  Familien  Jahrhunderte  lang 
in  dem  Besitze  von  Schöffenstühlen  sich  behaupteten,  so  ist  dies  aller- 
dings ein  Kennzeichen  dass  dieselben  eine  hohe  soziale  Stellung  ein- 
nahmen, dass  ihre  Verwandtschaft,  Gevatterschaft  und  Freundschaft 
mächtig  und  zahlreich  genug  war,  um  ihnen  den  Besitz  des  Schöffen- 
stuhles zu  sichern,  aber  man  wird  diesem  doch  nur  rein  zu&Uigen  Um- 
stand zu  Liebe  niemals  einen  besondem  Kreis  von  Schöffenfamilien 
innerhalb  des  Patriziats  konstruieren  können.  Man  wäre  sonst  ge- 
zwungen etwa  alle  50  Jahre  einen  neuen  Kreis  von  Schöffenfamilien  auf- 
zustellen. Das  Kesultat  ist  in  der  Kürze  gefasst:  Es  fand  stets  eine 
mehr  oder  weniger  grosse  Verschiebung  der  Schöffenstühle  innerhalb  der 
Geschlechterverbände  statt,  und  dank  dieser  Verschiebung  sind  fast  alle 
bekannten  Familien  zu  einer  oder  anderen  Zeit  im  Besitze  von  Schöffen- 
stühlen gewesen ''). 

V.  Das  Schöffencollegium  als  Gerichtsbehörde. 
Das  Schöffencollegium  als  Gerichtsbehörde  tagte  in  dem  Gerichts- 
lokale auf  dem  Hofe.  Es  war  in  dieser  Eigenschaft  zuständig  für  alle 
Kriminal-  und  Civilsachen,  für  die  ganze  Stadt  und  deren  Bannmeile 
(burgban,  banmile,  districtus  civitatis).  Den  Vorsitz  führte  der  Erz- 
bischof*®), der  Burggraf  und  Stadtvogt  und  deren  Vertreter,  der  Unter- 


sind, aus  dem  CoUeg  and  bei  ihnen  ist,  wie  bei  den  Jude,  die  erwähnte  An- 
nahme nicht  zulässig.    Das  Gleiche  gilt  auch  von  den  Mommersloch. 

^^  Besonders  lange  Zeit  sassen  im  SchöffencoUeg  die  Overstolzen 
1235 — 1396,  die  Gir  in  der  gleichen  Zeit.  Die  von  der  Aducbt  kamen  z.  6. 
erst  1383  in  dasselbe. 

'*)  Hegel  fuhrt  als  eventuellen  Vorsitzenden  auch  den  König  an  (1.  c. 
XLUI).  An  und  für  sich  ist  es  kaum  zweifelhaft,  dass  der  König,  wie  überall, 
so  auch  hier  bei  seiner  Anwesenheit  als  höchster  Bichter  den  Vorsitz  über- 
nehmen konnte,  in  der  von  H.  angegebenen  Urkunde  findet  sich  jedoch  der 
citierte  Passus  nicht.  Derselbe  stammt  lediglich  aus  dem  Privileg  Eb.  Konrads 
von  1239  JuU  23  (Qu.  U  Nr.  198),  das  1242  Mai  (Lac.  U  Nr.  267)  von  Fried- 


180  Fr.  Lau 

graf  lind  Untervogt.  Nach  dem  Übergang  der  Barggrafschaft  auf  die 
Erzbischöfe  trat  der  Greve  (Untergraf)  **)  an  die  Stelle  des  Burggrafen ; 
das  Amt  des  Untervogts,  früher  ein  lebenslängliches,  verschwindet  nm 
1250,  an  seiner  Statt  führen  in  der  letzten  Hälfte  des  13.  Jahrhun- 
derts einzelne  Schöffen  den  Titel  Untervogt,  Vogt  oder  Richter  ^^. 
Höchst  wahrscheinlich  sind  dies  die  ältesten  Schöffen,  die  beim  Aus- 
bleiben der  Oberrichter  oder  von  deren  Stellvertretern  den  Vorsitz  über- 
nahmen, ein  Recht,  das  dem  SchöffencoUegium  zuerst  1314  durch 
König  Ludwig  ^^)  verliehen  und  später  durch  Kaiser  Karl*^  bestätigt 
wurde.  Die  Gerichtssitzungen  fanden  zur  Zeit  des  laudum  Conradi- 
num^*)  täglich  statt,  später  (1370 — 5)**)  an  den  vier  ersten  Tagen 
einer  jeden  zweiten  Woche,  wobei  es  jedoch  dem  Richter  freistand, 
auch  in  der  sonst  gerichtsfreien  Woche  Sitzungen  anzusetzen,  an  denen 
die  Teilnahme  der  Schöffen  nicht  obligatorisch  war.  Die  schweren 
Sachen  mussten  innerhalb  drei  Tagen ^^)  entschieden  werden,  die 
leichten  sofort. 


rieh  II  bestätigt  wurde.  Ein  Beispiel  für  den  Gerichtsvorsitz  des  Erzbischofs 
bildet  die  von  Glasen:  Schreinspraxis  S.  72  mitgeteilte  Schreinseintragung, 
besser  bei  Alfter  Bd.  26  S.  24  (1230  Nov.  19). 

*')  Das  Amt  des  Untergrafen  war  im  13.  und  14.  Jahrhundert,  wie 
auch  schon  im  12.  kein  lebenslängliches,  die  Amtsdauer  ist  in  der  Regel 
10  Jahre  (vgl.  Lau,  erzb.  Beamte  S.  40).  Dieser  Unterrichter  brauchte  merk* 
•  würdiger  Weise  kein  Schöffe  zu  sein.  Keine  Schöffen  sind  Franco  vom 
Herne  (Patriciat  II  Birclin-Vom  Hörn  Nr.  43)  und  Gottfried  Hardevust 
(ib.  III  Hardevust  Nr.  123).  Auch  der  bekannte  Greve  Hermann  von  der 
Kompforte  wurde  erst  während  seiner  Amtsthätigkeit  Schöffe  (vgl.  Beilage  I) 
und  Geschlecht  Kompforte  I  Vorbemerkung. 

»<>)  178  f.  24  a  (1290  März)  Hildegerus  Overstolz  tunc  advocatus  f.  25  b 
(1290  Sept.  4)  Th(eodericu8)  Gir  tunc  advocatus,  133  f.  27  b  (1292  Aug.  30) 
Gobelinus  Parfuse  tunc  index,  Weisses  Buch  Bl.  80  b  ff.  (1326  Juli  2):  Mathias 
de  Speculo  subadvocatus  miles.  Über  die  Gerichtsbarkeit  des  Vogtes  handelt 
folgende  Schreinseintragung  (360  f.  IIa  1323  Mai  14).  N.s,  quod  dominus  . . 
Rutgerus,  nobilis  advocatus  Coloniensis,  elegit  et  acceptavit,  si  Gerardo 
Scherfgin  non  satisfecerit  de  undecim  marcis  pagamenti  Goloniensis  infra 
festum  beati  Jacobi  apostoli,  quod  extunc  ad  iudicium  Ire  non  debeat  nee 
nuncii   sui   facere   aliquas  arrestaciones,   quousque  dicto  .  .    Gerardo   fuerit 

OD  (I 

satisfactum  de  undecim  marcis  antedictis.  Actum  anno  domini  m  ccc  XXIII 
in  vigilia  penthecostes. 

«1)  Qu.  IV  Nr.  22  (1314  Dez.  5). 

»2)  Qu.  IV  Nr.  306  (1349  Febr.  8). 

")  Hegel,  1.  c.  S.  XLIII. 

")  Stein  I  Nr.  312,  §  4  und  5. 

35)  Dieselbe  Frist  wird  den  Schöffen  auch  1395  gesetzt  Stein  I  Nr.  317  §  2. 


Beiträge  zur  Verfasssiingsgeschichte  der  Stadt  Köln.  Igl 

Über  die  richterliche  Thätigkeit  des  Schöffencollegiums  geben  die 
älteren  Bmchstflcke  des  Schöffenschreins  einen  annähernd  klaren  Auf* 
schluss,  Sie  zeigen,  wie  mannigfach  schon  damals  die  Anfordernngeh 
waren,  die  der  lebhafte  noch  immer  wachsende  städtische  Verkehr  und 
Wandel  an  die  richterliche  Behörde  stellte.  Leider  fehlen  derartige 
Zeugnisse  für  die  spätere  Zeit  fast  ganz,  und  nur  sehr  vereinzelte^) 
begegnet  in  den  Büchern  des  Schöffenschreins  noch  eine  Eintragimg, 
die  sich  von  den  gewöhnlichen  formelhaften  Nota  durch  ihren  Inhalt 
abbebt.  Wohl  aber  ist  es  auf  Grund  der  Bücher  möglich,  eine  genaue 
Aufstellung  der  Fälle  zu  geben,  wo  bei  dem  Grundstücksverkauf,  bei 
Erbschaftssachen  u.  s.  w.  das  Schöffenurteil  notwendig  war.  Eine  solche 
zu  geben  liegt  jedoch  selbstverständlich  ausserhalb  der  Grenzen  dieser 
Arbeit"). 

VI.  Das  Schöffencollegium  als  Schreinsbehörde. 
Neben  den  richterlichen  Funktionen  der  Schöffen  steht  unabhängig 
ihre  Thätigkeit  als  Schreinsbehörde.  Als  Gerichtsbehörde  tagten  sie 
auf  dem  Hofe,  als  Schreinsbehörde  auf  dem  Bürgerhause.  Wann  sie 
zuerst  begonnen  haben,  den  Schöffenschrein  e®),  oder  besser  gesagt,  das 
Stadtbuch  zu  führen,  steht  nicht  sicher  fest.  Immerhin  ist  anzuneh^men, 
dass  der  genannte  Zeitpunkt  etwas  später  liegt,  als  der  Beginn  der 
Schreinspraxis  in  den  Parochieen.  Von  dem  Charakter  eines  Grund- 
buches sind  freilich  die  älteren  Teile  des  Schöffenschreins  noch  weit 
genug  entfernt,  und  mit  Recht  bezeichnet  der  Herausgeber  dieselben  als 
Stadtbuch.  Als  Gründe  für  die  Schaffung  des  Schreines  haben  wir  vor 
allem  zwei  zu  vermuten,  einmal  die  Notwendigkeit,  ein  Grundbuchamt 
zu  haben,  vor  dem  nicht  nur  räumlich  in  der  Stadt  zerstreute  Erb- 
schaften, sondern  auch  solche  vor  der  Stadt  übertragen  werden  konnten, 
dann  auch  den  persönlichen  Wunsch  der  Schöffen,  sich  ebenfalls  einen 
Anteil  an  den  Erträgnissen  der  neu  eingeführten  Schreinspraxis  zu 
sichern.  Mit  dem  Ansprüche,  nicht  nur  für  die  ganze  Stadt,  sondern 
auch  für  deren  Bezirk  kompetent  zu  sein,  trat  der  neue  Schrein  auf. 
Grundstücke  im  Niederich'®)  und  in  Airsbach,  Höfe  in  der  Umgegend 
werden  in  ihm  eingetragen  und  weiter  geführt.  Es  gewährt  ein  ge- 
wisses Interesse  zu   verfolgen,    wie   im  Laufe  der  Zeit   der  Bezirk  des 


••)  Vgl.  einige  Beispiele  (Beilage  Nr.  4). 

^')  Vgl.  die  wichtigeren  Fälle  bei  Liesegang  Sondergemeinden  S.  121. 
'^  Die  ältesten  Teile  stammen  aus  der  Zeit  um  1150.  Hoeniger  IP  S.  290. 
")  Scab.  2  V  13  und  passim. 


182  Fr.  Lau 

Schreins  immer  mehr  zasammenschrampft,  bis  er  im  Anfange  des  14. 
Jahrhunderts  den  Umfang  gewonnen  hat,  den  er  später  beibehielt,  den 
Raum  innerhalb  der  alten  Mauer.  Es  ist  das  langsame  Zurückweichen 
der  centralisierenden  Gewalt  gegenüber  den  Sonderbestrebungen,  die  sicli 
in  den  vorstadtischen  Schöffen-*^)  und  AmtleutecoUegien  verkörperten. 
Der  Schöffenschrein  blieb  demnach  nur  das  Grundbuchamt  für  die 
ganze  Altstadt.  Es  ist  nunmehr  festzustellen,  ob  sich  daraus  eine  Über- 
ordnung des  Schreins  über  den  übrigen  Schreinen  der  Altstadt  und  des 
weiteren  ein  Aufsichtsrecht  des  Schöffencollegiums  über  die  Schreinsbe- 
hörden entwickelt  hat.  Neuerdings  hat  Hegel  ^^)  im  Gegensatze  zu  dieser 
früher  von  Ennen  und  Liesegang  vertretenen  Meinung  die  Ansicht  auf- 
gestellt, dass  vielmehr  der  Richerzeche  die  Bewahrung  des  Bürgerschreins 
obgelegen  habe,  dass  sie  als  solche  die  obere  Instanz  in  Schreinssachen 
der  Burgerichte  gebildet  habe.  Zum  Belege  für  seine  Ansicht  beruft 
er  sich  auf  eine  Stelle  aus  dem  Amtleutebuch  von  Airsbach**),  wo  es 
in  einem  Nachtrage  zu  den  Statuten  von  1376  Juli  23  heisst:  It  sij 
zo  wissin,  dat  unse  heirrin  de  verdeinde  amptlude  gemeinlichin  oever- 
dragin  haint,  dat  so  we  eyn  urdel  beroefft  vur  me  schrijne  up  dat  huyss 
vur  unsse  heirrin  van  der  rijcherzecheit,  de  sal  setzin  eynen  verdeinden 
amptman  zo  bürge  as  vur  5  marc.  Es  ist  begreiflich,  wenn  Hegel  aus 
dieser  Stelle  den  obenerwähnten  Schluss  zieht.  Trotzdem  ist  seine  An- 
nahme in  einem  Teile  ein  Irrtum,  der  allerdings  durch  den  vollstän- 
dig kritiklosen  Abdruck  der  Amtleutebücher  in  den  Quellen  verzeihlich 
wird.  Vollständige  Klarheit  über  die  Frage  lässt  sich  eben  nur  durch 
das  Zurückgehen  auf  die  Originale  gewinnen  und  erst  durch  die  Ver- 
gleichung  der  Parallelstellen  derselben  ergiebt  sich  folgender  Sachverhalt: 
die  Burmeister  oder  dienenden  Meister  der  Sondergemeinden  übten  als 
Beauftragte  ihrer  Genossenschaft  die  Gerichtsbarkeit  über  Klagen  in 
Geldschuld  **)  und  Schreinssachen.  Von  dem  Urteile  dieser  Richter  und 
der  urteilfindenden  sieben  Amtleute,  stand  dem  Unterlegenen  das  Recht 
der  Berufung*^)  an  sämtliche  verdienten  Amtleute  oder  an  den  „Schrein" 
zu.  Dies  ergiebt  sich  aus  folgenden  zwei  Stellen  Amtleutebuch 
Laurenz  f.  6a  Nachtrag  zu    den   Statuten   von    1320   Sept.  29:    Vort 


^^)  Vgl.   über  die  Stellung  zu  den  Schöffen  von  Airsbach,  Beilage  3. 
*0  Städte  und  Gilden  II  S.  331. 
")  Qu.  I  S.  299. 

")  Vgl.  Kruse,  Richerzeche,  Savigny  Zeitschr.  IX  S.  208. 
**)  Liesegang  hat  in  seiner  Schrift  „Die  Sondergemeinden^  diesen  Punkt 
völlig  ausser  Acht  gelassen. 


Beiträge  zur  Verf&ssuogsgeschichte  der  Stadt  Köln.  183 

willen  wir,  so  wilg  amtman  eyn  urdeil  bereiffe  ove  gesnnne  voyr  unse 
heirren,  de  ir  amt  virdeint  haint,  inde  woyrde  he  des  virvunnen  mit 
deme  meistin  parte  der  amtmanne,  de  van  geboyde  da  sint,  so  gilt  he 
dri  Schillinge  zu  boysin.  Aposteln  f.  24b  1324:  Item  statnimns,  qnod 
si  qnis  persona  appeliaverit  a  sentencia  data  apud  magistros  dictos 
vorderere  vel  magistnim  superiorem  ad  scrinium  officiatomm  nostrorum, 
si  offidatns  est  et  devictus  faerit,  solvet  marcam  in  pena.  Ein  Nicht- 
amtmann  hat  einen  Amtmann  für  die  Mark  zum  Bargen  zu  stellen, 
wenn  dieser  nicht  innerhalb  3  Tagen  den  Betrag  entrichtet,  wird  ihm 
sein  Amt  gep&ndet.  Die  Strafe  teilen  die  Amtleute  unter  sich,  welche 
das  Urteil  gefitllt  haben.  Ganz  dieselben  Bestimmungen  finden  sich  auch 
in  den  Amtleutebüchem  von  Alban**)  (Gerichtsgebühr  1  mr),  Martin*^) 
(ebenfalls  1  mr),  Columba*^)  (3  sol,  später  1  mr),  Peter**)  (5  sol, 
später  ebenfalls  1  mr).  Sehen  wir  von  dem  für  unsem  Zweck  bedeutungs- 
losen Unterschied  der  Gebühren  ab,  so  ist  die  Sache  überall  die  gleiche : 
Von  den  Gerichten  der  Burmeister  ist  die  erste  Berufungsinstanz  das 
Amt,  und  da  die  Verhandlungen  des  Amtes  vor  dem  Schreine  statt- 
fanden, der  Schrein.  Von  dem  Urteile  dieser  Instanz  war  wiederum 
die  Berufung  möglich :  I^aurenz  f.  6a,  anschliessend  an  die  vorher  citierte 
Eintragung:  Were  ug  sagge,  dat  sig  eynig  unser  amtmanne  bereiflfe 
eyns  urdeyls  voyr  de  scheffenen  of  voyr  dat  amt  van  der  rigerzeggeyt 
inde  he  des  da  neydervellig  werde,  so  gilt  (he)  zo  boyssen  zwa  marc*'). 
Aposteln  f.  24a:  Item  statuimus,  si  aliquis  officiatus  noster,  vel  non 
officiatus  appeliaverit  a  sentencia  data  apud  scrinium  ofticiatorum  ad 
summum  officium  *®),  solvet  quinque  marcas  in  pena.  Wiederum  bedarf 
der  Nichtamtmann  eines  Amtmannes  als  Bürgen  für  diesen  Betrag.  Peter 
f.  10a:  Item  ordinatum,  quicunque  officiatus  a  scrineo  de  sentencia  se 
proclamaverit  supra  domum  civium,  si  victus  fuerit,  solvet  duas  marcas. 
Ebenso  nennt  das  Amtleutebuch  von  S.  Martin  **)  als  Sitz  der  Berufungs- 


")  Qu.  I  S.  273. 

")  ib.  S.  252. 

*0  Amtleutebuch  Columba  f.  23b,  f.  26  a. 

**)  Amtleutebuch  Peter  f.  8b,  10a,  IIb. 

")  Dieser  Satz  ist  von  Ennen,  Quellen  Bd.  II  Vorrede  p.  X  nachträg- 
lich gedruckt.  Der  für  das  Verständnis  des  Sachverhalts  unumgänglich  not- 
wendige vorhergehende  Satz  ist  auch  dort  fortgelassen. 

*^)  Gleichbedeutend  steht  zwei  Absätze  später  von  gleicher  Hand  ad 
samxnum  iudicium. 

")  Qu.  I  S.  253. 


184  Fr.  Lau  ' 

Instanz  das  Bürgerhaus  und  bestimmt  als  Busse  die  Summe  von  5  Mark, 
dasjenige  von  Celumba  belegt  die  Berufung  an  ein  „anderes  Gericht"  *^ 
mit  einer  Busse  von  5  sol,  resp.  1  mr,  und  bedroht  in  einer  zeitlieh 
etwas  sp&tern  Statutenniederschrift  ^^)  denjenigen  Amtmann,  der  die  be- 
rufende Partei  unterstützt,  mit  dem  Strafsatze  von  5  mr.  Das  Amt- 
leutebuch von  Alban  enthält  keine  Bestimmung  über  die  obere  Be- 
rufungsinstanz, in  dem  von  Brigiden  fehlt  eine  solche  betreffend  die 
Berufung  überhaupt  gänzlich.  Aus  den  angeführten  Stellen  ergiebt  sich 
klar,  wie  die  erwähnte  Stelle  des  Airsbacher  Buches  zu  fassen  ist.  Sie 
handelt  über  die  Berufung  vom  Schreine  der  Parochie  an  die  Richer- 
zeche  von  der  unteren  an  die  obere  Instanz.  Es  ergiebt  sich  demnach 
folgender  Zusammenhang:  Über  den  Burrichtem  der  Sondergemeinden 
steht  die  Gesamtheit  der  Amtleute,  über  diesen  eine  höhere  Instanz,  die 
abwechselnd  als  Richerzeche,  Schöffen  oder  Richerzeche,  höchstes  Amt 
oder  höchstes  Gericht  bezeichnet  wird  und  auf  dem  Bürgerhause  ihren 
Sitz  hat.  Welches  ist  nun  dies  Gericht  auf  dem  Bürgerbause,  an  dem 
Schöffen  und  Richerzeche  teilnehmen?  £s  kann  nur  eines  sein,  das 
Bürgermeistergericht  der  Richerzeche  auf  dem  Bürgerhause,  dessen 
Existenz  zwar  erst  im  Jahre  1375^)  aber  doch  noch  in  der  letzten 
Zeit  des  Bestehens  der  Richerzeche  urkundlich  nachweislich  ist.  Schon 
Kruse  ^^)  hat  darauf  hingewiesen,  dass  das  spätere  sogenannte  Amtleate- 
gericht  des  Rates  als  Fortsetzung  dieses  Gerichtes  der  Richerzeehe  be- 
trachtet werden  müsse.  Diese  Ansicht  findet  durch  folgendes  eine  Stutze: 
Als  im  Jahre  1391^*^)  der  Rat  die  Schöffen  und  die  mit  ihnen  verbau- 


st) Qu.  I  S.  267  (5  8ol.  der  Geburmann)  Col.  Amtlb.  f.  19  b  (l  mr  der 
Amtmann). 

")  ib.  f.  26  a  b. 

*»)  Stein,  Akten  I  S.  114. 

**)  Kruse,  Richerzeche  Sav.  Zeitschr.  IX  S.  181.  Gegen  die  von  Ldese- 
gang:  Sondergemeinden  S.  120  und  Sav.  Zeitschr.  XI  S.  48  vertretene  Ansicht, 
dass  das  Amtleutegericht  erst  im  Jahre  1396  von  dem  demokratischen  Rate 
eingeführt  worden  sei,  vgl.  man  die  Bestimmungen  über  die  Amtleute  von 
1400  Sept.  1  (Stein  I  Nr.  65) :  Ind  dye  amptlude  sullen  sitzen  bij  den  burger- 
meisteren  op  dem  raithus,  wannee  sij  dyncgen,  urdele  zo  w^sen  ind"  vort  zo 
doin,  as  van  alders  van  den  amptluden  gewoenlich  ys  geweist  .  .  ge- 
lijch  dye  andere  amptlude,  dye  vurzijtz  saiszen.  Die  Ansicht  L's 
ist  demnach  falsch. 

^^)  Das  auch  von  Stein  nach  Hamm  gegebene  Datum  1391  wird  ge- 
sichert durch  die  gleichzeitige  Niederschrift  dieser  Schreinsordnung  im  Amt- 
leutebuch zu  Airsbach  f.  14  a— 16  b,  wo  von  gleicher  Hand  derselben  die  Be- 


Beiträge  zur  Verfassungsgesc  hiebt e  der  Stadt  Köln.  ]g5 

dene  Richerzeche  ihrer  Ämter  und  Herrlichkeiten  entsetzte  und  das 
Bürgermeisteramt  zu  einem  Ratsamt  umschuf,  erliess  er  im  Anschluss 
an  diese  Massregeln  eine  Schreinsordnung,  deren  eine  Bestimmung  lautet : 
Voir  wurde  in  eynchen  gebuyrhusen,  id  were  ouch  zo  Nederich  of  zo 
Orsburg,  van  eyman  eynich  urdel  geschuldigeit  van  den  amptluden  Mir 
dat  schryn,  so  mach  eicklich  partye,  dey  wilt,  van  deym  schryne  dat 
urdel  vort  schuldigen  vur  unse  heren  vanme  raede,  den  dat  up  dey 
zyt  dunresd.ages  geburt  zo  wysen«  In  diesem  Jahre  trat  dem- 
nach  an  die  Stelle  der  bisherigen  zweiten  Instanz  eine  Ratskommission  oder 
ein  Ratsgericht,  das  wir  mit  Fug  und  Recht  als  das  Amtleutegericht 
bezeichnen  dürfen. 

Wenden  wir  die  so  gewonnenen  Ergebnisse  nunmehr  auf  die  von 
Hegel  citierte  Stelle  an,  so  ergiebt  sich,  dass  aus  derselben  nicht  der 
Schluss  zu  ziehen  ist,  dass  die  Richerzeche  mit  der  Bewahrung  '<ies 
Schöfifenschreins  betraut  gewesen  sei.  Immer  wird  der  Schrein  als  der- 
jenige der  Schöffen  bezeichnet  und  nirgends  findet  sich  in  den  Karten 
und  Bachern  bis  1325  überhaupt  ein  Amimann  der  Richerzeche  mit 
diesem  Titel  bezeichnet,  gleichermassen  kommen  auch  die  Bürgermeister 
höchst  selten  vor  und  nie  in  Sachen,  die  auf  die  Schreinsführung  Be- 
zug haben. 

Die  Stellung  des  Schöffenschreines  gegenüber  den  anderen  Schreinen, 
wie  sich  bis  zum  14.  Jahrhundert  herausgebildet  hatte,  lässt  sich  in  der 
Kürze  folgendermassen  feststellen :  Das  einzige,  was  ihn  von  den  übrigen 
Schreinen  scheidet,  ist  seine  räumlich  ausgedehntere  Kompetenz.  Es 
konnten  in  ihm  alle  Grundstücke  eingetragen  werden,  die  innerhalb  der 
alten  Mauer  lagen  ^^).  Von  dem  Schöffenschrein  waren  Übertragungen 
der  einzelnen  Häuser  in  die  Schreine  der  Sondergemeinden  ohne  weiteres 
möglich.  Es  genügte  die  Beurkundung  zweier  Schöffen  an  den  be- 
treffenden lokalen  Schrein,  dass  das  beztlgliche  Grundstück  im  Schöffen- 
schrein auf  den  Namen  einer  bestimmten  Person  geschrieben  sei,  um 
ohne  weiteres  die  Anschreinung  derselben   in   dem  Schrein  der  Sonder- 


merkung  hinzugefügt  ist:  Notandum,  quod  premissa  per  circumspectos  vires 
doroinos  consules  civitatis  Coloniensis  sunt  ordinata  et  statuta.  Sab  anno 
domini  m  ccc  nonagesimo  primo.  Vgl.  dazu  Stein,  Akten  I  S.  700/701.  In 
den  Statuten  von  1437  §  119  wird  als  Berufungsinstanz  der  Rat  als  Gesamt- 
heit bezeichnet.  Bemerkenswert  ist,  dass  auch  damals  noch  die  Busssumme 
den  alten  Ansetzungen  gleich  war,  1  mr  für  die  erste,  5  mr  für  die  zweite 
Instanz. 

'^)  In  S.  Aposteln  ragte  dieser  Bezirk  über  die  alte  Mauer  hinaus. 


i86  tr.  Lau 

gemeinden  zu  ermöglichen,  und  umgekehrt  urkundeten  auch  die  Amt- 
leute an  den  Schöffenschrein,  wenn  der  Übertrag  eines  Hauses  ans 
ihrem  Grundbuch  **)  in  den  Schöffenschrein  beabsichtigt  war.  Auch  die 
durch  Schöffenurteil  erdingten  Häuser  und  Renten  u.  a.  brauchten  nicht 
im  Schöffenschrein  geschrieben  zu  werden,  auch  hier  konnte  der  Be- 
rechtigte die  Beurkundung  durch  die  Schöffen  an  den  Parochialschrein 
veranlassen.  Der  Schöffenschrein  stand  also  neben,  nicht  Aber  den 
anderen  Schreinen.  Allein  zuständig  war  er  dagegen  für  die  Xieder- 
legung  von  Testamenten,  aber  auch  hier  nur  bei  Verfügungen  über 
liegendes  Gut  ^')  innerhalb  der  alten  Mauer.  Die  Schöffen  selber  genossen 
sowohl  bei  der  Eintragung  von  Grundbesitz^^),  wie  auch  bei  der  Ein- 
legung und  Abänderung  ihrer  Testamente  bestimmte  Vorteile.  Wem 
unter  den  Schöffen  in  der  älteren  Zeit  die  Aufsicht  über  den  Schrein 
oblag,  ist  nicht  überliefert,  wahrscheinlich  waren  es  nur  die  verdienten 
Schöffen,  und  die  Schaffung  dieses  engeren  Verbandes  steht  vermutlich 
mit  der  Einrichtung  des  Schöffenschreins  im  ursächlichen  Zusammen- 
hang. Später  wechselte  die  Aufsicht  über  den  Schrein  alle  6  **),  resp. 
7  Wochen  und  das  Amt  der  Schreinmeister  ging  innerhalb  des  Kreises 
der  verdienten  Schöffen  um.  Die  Einkünfte  des  Schreines  bildeten  einen 
wesentlichen  und  wie  anzunehmen  ist,  den  grössten  Teil  der  Ge&lle^') 
des  Schöffenamtes.  Schon  früh  begegnen  Klagen  über  übermässige  Ge- 
bühren*^), später  griff  auch  der  Rat^)  ein  und  bestimmte  die  zu  er- 
hebenden Sätze. 


^^)  Bemerkenswert  sind  die  Strafandrohungen  in  den  Amtleutebüchcm 
gegen  diejenigen  Amtleute,  die  irgend  jemand  mit  Rat  oder  That  dazu  ver- 
anlassen, ein  im  Bezirk  gelegenes  Haus  im  Schüffenschrein  anschreinen  zu 
lassen,  z.  B.  Amtleutebuch  Laurenz  f.  8  a.  Vort  willen  wir,  so  wilg  amtman 
unse  geschreyge  mit  rayde  of  mit  dayde  up  dat  huys  zuge  in  der  scheffenen 
schryn,  wurde  he  des  virvunnen  van  zwen  unsen  amtmannen,  so  gilt  he  zo 
boyasin  eyne  marc. 

^*)  362  m  f.  31a:  Es  sollen  nur  Testamente  über  Grundbesitz  inner- 
halb der  alten  Mauer  aufgenommen  werden:  infra  antiquum  mumm  et  extra  non, 
quod  domini  scabini  nulli  optinent  hereditatem  extra  antiquum  murum  [1334]. 

•»)  Stein  I  Nr.  314  §  1—3  und  7. 

•»)  Nr.  312  §  1  und  Nr.  313  §  1. 

«*)  Eine  ältere  Abrechnung  über  die  Gebühren  findet  sich  im  Schöffen- 
Schrein  362  e  f.  4  b  [1271],  die  Gebühren  für  eine  Urkunde  „testimonium"  be- 
trugen damals  3  sol. 

")  Vgl.  Qu.  II  Nr.  384,  I  32. 
•»)  Stein,  Verbundbrief  S.  271. 


beitrage  zur  Verfassungsgeactiichte  der  Stadt  kölo.  lg? 

VII.  Das  Schöffencollegium  als  höchste  Kommanalbehörde. 
Schon  im  Jahre  1103  •*)  erscheinen  die  Schöflfen  in  ihrer  Eigen- 
schaft als  leitende  Behörde  der  Stadt,  als  Schöffensenat.  Sie  werden 
zn  der  Feststellung  der  Zollsätze  far  die  Kaufleute  von  Lattich  nnd 
Huy  von  Erzbischof  Friedrich  hinzugezogen,  die  Bestimmung  erfolgt 
iudicio  scabinorum,  wobei  selbstverständlich  nicht  an  ein  eigentliches 
richterliches  Erkenntnis  zu  denken  ist.  Grade  dieselbe  Amtshandlung 
nehmen,  wie  bekannt,  die  Schöffen  auch  später  mehrere  Male^**)  wahr. 
Mit  anderen  angesehenen  Borgern  zusammen  verleihen  sie  1149  den 
Bettziechenwebem  den  Zunftzwang^'').  1159^^)  bestimmen  sie  als  Ober- 
behörde über  die  Sondergemeinden  die  Amtsdauer  der  dienenden  Meister 
und  Amtleute  in  denselben.  Das  Schöffencollegium  vereinigt  demnach 
in  dieser  Zeit  die  Funktionen  des  späteren  Rates  mit  denen  der  Richer- 
zeche**).  Über  die  Zeit,  wann  dasselbe  diese  Befugnisse  zuerst  aus- 
geübt hat,  wann  die  nach  der  allgemeinen  Ansicht  früher  getrennten 
Sondergemeinden  sich  zu  einem  einheitlichen  Verwaltungskörper  zusam- 
mengeschlossen haben,  fehlt  es  an  verlässlichen  Nachrichten.  Es  mag 
jedoch  die  Vermutung  gestattet  sein,  dass  dies  vor  der  Zeit  geschehen 
ist,  wo.  die  beiden  grössten  Vorstädte  Kölns,  Niederich  und  Airsbach, 
in  den  Mauerring  der  Altstadt  einbezogen  wurden,  da  dieselben  doch 
sonst  wohl  neben  den  altstädtischen  Schöffen  irgendwelche  organisierte 
Vertretung  in  der  Centralleitung  der  Stadt  gefunden  hätten.  Die  Rats- 
competenz  ist  in  dieser  Zeit  demnach  an  eine  in  sich  geschlossene  Cor- 
poration gebunden.  Weil  dieselbe  nicht  durch  Wahl  der  Bürger  sich 
ergänzte,  sondern  durch  Ck)optation,  weil  femer  die  communalen  Funktio- 
nen, ebenso  wie  die  richterlichen  von  iliren  einzelnen  Trägem  auf 
Lebenszeit  ausgeübt  wurden,  ist  dieser  Schöfifensenat  von  dem  späteren 
Rate  trotz   aller  anscheinenden  Ähnlichkeit  doch  durchaus  verschieden. 


«*)  Hans.  ürkb.  III  Nr.  601  (1103  Dez.  23):  Hoc  autem  testimonium 
sancitnm  (est)  et  astipulatum  iudicio  scabinorum. 

««)  Für  Verdun  (Scab.  1  I  3  (ca.  1160—61),  Cornelimunster  (Mari,  et 
Durand  Coli.  I  S.  829  (1155),  Dinant,  Qu.  I  S.  563  (1171),  Andenne  u.  Nivelle, 
Qu.  I  Nr.  114  (ca.  1200),  Erbach,  Qu.  H  Nr.  59  (1218). 

")  Qu.  I  S.  329  (1149).  Vielleicht  steht  die  verstümmelte  Schreins- 
eintragung (Scab.  1  V.  6  ca.  1150—80)  mit  dem  Zunftaufsichtsrecht  eben- 
falls im  Zusammenhang. 

••)  Qu.  I  Nr.  73  (1159)  im  übrigen  vgl.  Hegel,  1.  c.  S.  XLIV. 

")  Diese  hat  die  Zunftaufsicht  schon  ca.  1182,  ist  Oberbehörde  über 
den  AmtleutecoUegien  der  Sondergemeinden  im  14.  Jahrh.   Vgl.  oben  S.  183. 


188  Pr.  Lau 

VIII.  Die  Stellung  des  Schöffencollegiums  in  der  städtischen 
Verfassung  während  der  Geschlechterherrschaft. 
Eine  Umbildung  des  Schöffensenates  zum  Schöffenrate  wäre  da- 
durch zu  ermöglichen  gewesen,  dass  die  lebenslängliche  Dauer  des 
Schöffensenates  aufgehoben  und  statt  dessen  eine  jährliche  Erneuerung  ^*') 
der  Schöffen  durch  Wahl  der  Bürgerschaft  eingeführt  worden  wäre.  In 
diesem  Falle  wäre  auch  ein  direkter  Zusammenhang  zwischen  dem 
früheren  Schöffensenat  und  dem  Rate  anzunehmen.  Aber  in  Köln  ist 
eine  derartige  Umformung  der  alten  Behörde  nicht  erfolgt.  Die  Ein- 
setzung des  Rates  bedeutet  hier  vielmehr  die  Loslösung  der  Ratscom- 
petenz  von  dem  bisherigen  Personenkreise  des  Schöffencollegiums  und 
die  Übertragung  eben  dieser  Competenz  auf  eine  neue,  jährlich  wechselnde 
Behörde.  Über  die  Zusammensetzung  des  ersten  Rates,  einer  ephemeren 
Erscheinung,  die  nur  in  einer  erhaltenen  Urkunde  von  1216'*)  ge- 
nannt wird,  ist  aus  den  Zeugen  derselben  nichts  zu  ermitteln;  ebenso 
wie  sich  der  Inhalt  derselben  mit  den  späteren  „Schöffenbriefen"  deckt, 
werden  auch  die  genannten  weltlichen  Zeugen  lediglich  als  Schöffen  be- 
zeichnet. Welcher  Art  also  die  Elemente  waren,  die  Anteil  an  der 
Stadtverwaltung  begehrten  und  wohl  hauptsächlich  aus  diesem  Grunde 
die  Errichtung  der  neuen  Behörde  durchsetzten,  ist  nicht  festzustellen. 
Sie  mögen  in  den  angesehenen  Familien  bestanden  haben,  welche  ihre 
sociale  Stellung  zu  einer  Anteilnahme  an  der  Stadtverwaltung  zu  be- 
rechtigen schien,  die  aber  nicht  hoffen  konnten  in  dem  engen  Rahmen 
des  Schöffencollegiums  in  absehbarer  Zeit  zu  einer  solchen  zu  gelangen. 
Dass  schon  im  12.  Jahrhundert  derartige  Familien  bestanden  haben, 
und  der  Schöffensenat  schon  damals  sich  selber  nicht  immer  mehr  als 
alleinige  berechtigte  Behörde  ansah,  lehrt  die  in  manchen  Fällen  ge- 
schehene Zuziehung  auch  ausserhalb  seines  Kollegiums  stehender  Barger 
zu  seinen  Beschlüssen.  Die  Zahl  dieser  Familien  hatte  sich  aber  seit- 
dem, sei  es  durch  Zuzug  von  aussen,  sei  es  durch  die  Stadterweit^ning 
von  1180,  sicherlich  vermehrt.  Andererseits  ist  es  auch  nicht  ganz 
unmöglich,  dass  die  Zünfte,  deren  unruhiger  Geist  bereits  in  jener  Zeit 
auch  dem  Erzbischof'*)  zu  schaffen  machte,  bei  der  Einsetzung  des 
Rates  die  Hand  im  Spiele  gehabt  haben.  Eine  demokratisierende  Ten- 
denz spricht   sich    in    der  Schaffung   dieser  Behörde  ohnehin  aus,    mag 


^<^)  Jährlich  wechselnde  Schöffen  gab  es  u.  a.  in  Lille  (Hegel,   Städte 
und  Gilden  11  S.  170),  Gent  (S.  181),  Brügge  (S.  186),  Ypern  (S.  193). 
'»)  Westphäl.  ürkb.  IH  Nr.  1702. 
")  Caesarius,  Vita  Engclberti  III  .37,  ed.  Gelenius. 


beitrage  zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Kuln.  IgO 

nun  der  neue  Rat  einem  weiteren  Kreis  von  angesehenen  Familien  oder 
der  Einwirkung  der  ganzen  Gemeinde  sein  Entstehen  verdanken.  Ob 
überhaupt  Schöffen'')  und  wie  viele  von  ihnen  diesem  Rate  angehört 
haben,  bleibt  vollkommen  unsicher. 

Der  neue  Rat  war,  wie  erwähnt,  nur  kurze  Zeit  in  Thätigkeit, 
es  gelang  dem  thatkräftigen  Erzbischof  Engelbert  denselben  zu  beseitigen 
und  wieder  trat  der  Schöffensenat  in  seine  frühere  Funktion  als  Ge- 
meindebehörde. Erst  1242'*)  wird  der  Rat  wieder  urkundlich  genannt, 
es  ist  der  zweite,  nunmehr  von  Erfolg  begleitete  Versuch.  Wann  die 
Barger  diesen  entscheidenden  Schritt  gethan  haben,  ist  nicht  sicher 
nachzuweisen.  Es  kann  ebensowohl  unter  Erzbischof  Heinrich '^),  1225 
bis  1238,  wie  in  den  ersten  Jahren  der  Regierung  Konrads  geschehen 
sein.  Gegen  diesen  neu  geschaffenen  Rat  richteten  sich  bekanntermassen 
die  Beschwerden  des  Erzbischofs  im  Schiede  von  1258.  Der  Punkt, 
der  an  dieser  Stelle  allein  in  Frage  kommt,  die  Beteiligung  der  Schöffen 
an  demselben,  lässt  sich  aus  den  Angaben  des  Erzbischofs  und  der 
Antwort  der  Schiedrichter  nicht  mit  der  wünschenswerten  Deutlichkeit 
erkennen.  Zwar  geht  daraus  hervor,  dass  Schöffen  gewöhnlich  im  Rate 
sassen,  ihre  Zahl  erfSihrt  man  jedoch  nicht,  ebensowenig  ob  dieser  That- 
sache  eine  rechtliche  Abmachung  zu  Grunde  lag,  ob  also,  was  an  und  für 
sich  unwahrscheinlich  ist,  sie  als  Vertreter  des  Schöffencollegiums'^) 
dem  Rate  angehörten,  oder  als  solche  der  Bürgerschaft.  Dies  ist 
überhaupt  der  allein  ausschlaggebende  Punkt  für  die  Beurteilung  des 
Einflusses  des  Schöffencollegiums  auf  die  Ratsregierung.  Nur  dann 
könnte  man  doch  noch  von  einer  verfassungsmässigen  Beteiligung  des- 
selben an  der  Verwaltung,  die  der  Rat  ausübte,  reden,  wenn  etwa 
nachzuweisen  wäre,  dass  die  Schöffen  in  irgend  einer  bestimmten  Zahl 
in  den  Rat  kraft  ihres  Schöffenamtes  hätten  gewählt  werden 
müssen.     Es  fehlt    aber    für   eine  solche  Annahme  jeglicher  Beweis'''). 


'')  Die  Wahrscheinlichkeit  spricht  allerdings  eher  dafür. 

'*)  Qu.  II  Nr.  225  (1242  Nov.  21). 

")  Hegel,  Verf.  LXII. 

'*)  Dem  Erzbischof  und  den  sich  seiner  Auffassung  nach  Möglichkeit 
annähernden  Schiedrichtern  galten  allerdings  die  Schöffen  allein  als  die  voll- 
berechtigten Ratsherren,  die  Nichtschuffen  nur  als  gewohnheitsmässig  hinzu- 
gezogene oder  hinzugewählte  Personen. 

'')  Die  späteren  Eidbücher  enthalten  keine  Bestimmungen  darüber, 
dass  Schöffen  im  Rate  sitzen  müssten,  erst  später  wird  unter  dem  Einfluss 
der  inneren  Streitigkeiten  festgestellt,  dass  Schöffen  nur  in  bestimmter  An- 
zahl demselben  angehören  dürften. 

W«itd.  Zsitichr   f.  Oeioh.  n.  Knnst.    XIV,   II.  14 


190  Fr.  Lau 

Wir  dürfen  deshalb  annehmen,  dass,  wenn  sich  bis  an  das  Ende  des 
14.  Jahrhunderts  stets  einige  Schöffen  im  Rate  finden,  dieselben  eben 
auch  nur  Ratsherren  sind,  die  nebenher  zufällig  Schöffen  waren.  Es 
ist  kein  Gegenbeweis  gegen  diese  Annahme,  dass  der  Erzbischof  den 
ausgewiesenen  Schöffen  als  eines  ihrer  Rechte  zusicherte  ^^),  es  mftssten 
stets  mindestens  fünf  Schöffen  in  den  Rat  gewählt  werden.  Diese  Be- 
hauptung kann  selbst  im  guten  Glauben  geschehen  sein,  es  ist  dies  in 
der  That  die  annähernde  Zahl'^)  der  Schöffen,  welche  sich  in  den 
überlieferten  Rats  Verzeichnissen  findet,  aber  gleichwohl  bürgt  dies  nicht 
dafür,  dass  dieselbe  nicht  anfangs  nur  einem  Zufall  ihr  Entstehen  ver- 
dankte, die  infolge  des  Selbstergänzungsrechtes  des  Rates  dadurch,  dass 
die  austretenden  Schöffen  wiederum  Mitglieder  der  Korporation  an  ihre 
Stelle  wählten,  den  Charakter  einer  gewohnheitsmässigen  Beteiligung  und 
auf  dieser  fussend  den  einer  Berechtigung  annahm.  Die  feststehende 
Formel  iudices,  scabini,  consules  etc.  bedeutet  deshalb  nicht  mit  Sicher- 
heit, dass  das  Schöffencollegium  als  solches  einen  Anteil  an  der  Stadt- 
verwaltung, soweit  sie  der  Rat  übte,  hatte,  sondern  spiegelt  nur  die 
Thatsache  wieder,  dass  einige  Herren  des  Rates  nebenbei  auch  Mit- 
glieder des  Schöffen coUegiums  waren. 

Ist  es  demnach  zum  mindesten  sehr  zweifelhaft,  ob  die  Be- 
teiligung der  Schöffen  am  Rate  einem  Rechtsgrunde  ihren  Ursprung 
verdankt,  so  liegt  das  Sachverhältnis  allerdings  ganz  anders  bei  einem 
anderen  Institut  der  Kölner  Verfassung:  bei  der  Richerzeche.  Es  ist 
der  auch  von  Stein  ®®)  genügend  betonte  Umstand,  dass  stets  ein  dienen- 


")  Qu.  V  Nr.  97  (1375  Juli  12). 

'*)  Stein,  Zur  Vorgeschichte  des  Verbundbriefs  (Westd.  Zeitschr.  XII 
S.  185)  berührt  in  seiner  höchst  beachtenswerten  Abhandlung  diesen  Punkt 
gleichfalls,  doch  sind  ihm  bei  seinen  diesbezüglichen  Zahlenangaben  einzelne 
Irrtümer  untergelaufen,  die  hier  berichtigt  werden  mögen:  1305  (Qu.  III 
Nr.  528)  sassen  5  Schöffen  im  Rate,  nämlich  ausser  den  drei  ausdrücklieh  so 
bezeichneten  noch  die  Ritter  Gottfried  Grin  (Patriciat  II  Grin  Nr.  118)  und 
Heinrich  Scherfgin  (III  Scherfgin  Nr.  65),  1319—20  5  (Stein,  Akt.  I  S.  S\ 
Heinrich  vom  Spiegel  auf  dem  Schachzabel  war  ebenfalls  Schöffe  (III  Spiegel 
Nr.  48),  1320/21  (Stein  1.  c.)  6,  nämlich  die  drei  zuerstgenannten  Ritter  und 
ausserdem  Gerhard  von  Benesis,  Johann  von  Gürzenich  und  Dietrich  Gir, 
1321  (Qu.  IV  Nr.  105)  4,  Philipp  vom  Spiegel  Ritter,  2  Werner  Overstolz, 
Franco  Gir,  132(5  (Qu.  IV  Nr.  133)  5:  Hilger  von  der  Stessen,  Rüdiger  Raitze, 
Johann  vom  Hörn,  Werner  Overstolz  (Sandkaule),  Gerhard  Scherfgin,  1334:  (>. 
1343:  (i,  1344:  4.     Die  letzten  drei  Angaben  Steins  sind  richtig. 

8°)  Vgl.  das  Bürgermeisterverzeichnis  bei  Stein,  1.  c.  S.  189  Anm.  143. 
Hinzuzufügen   sind   die  Bürgermeister   von  1334  April  29  (Lac.  III  Nr.  280), 


Beiträge  zur  Verfassungsgeschichte  der  StJ^dt  Köln.  191 

der  Meister  der  Richerzeche,  einer  der  beiden  Bürgermeister,  ein  Scböife 
Spin  miisste,  der  dem  Schöffencollegium  als  solchem  eine  feste  Be- 
teiligung an  dieser  Behörde  sicherte.  Und  gerade  weil  die  Bürger- 
meister neben  ihren  sonstigen  ausgedehnten  Befugnissen,  das  Ehrenamt 
als  Präsidenten  der  Freistadt  Köln,  als  ihre  Vertreter  nach  aussen  tiber- 
kamen, musste  die  Beteiligung  der  Schöffen  an  der  Besetzung  dieses 
Amtes  denselben  einen  fortdauernden  Einfluss  auf  die  Stadtregierung 
und  in  Verbindung  damit  auch  eine  besonders  geachtete  Stellung  im 
städtischen  Gemeindewesen  verschaffen.  Die  Fälle,  wo  die  Schöffen  in 
ihrer  Gesamtheit  als  Collegium  vom  Rate  zur  Entscheidung  hinzuge- 
zogen werden,  berühren  sich  stets  mit  ihrer  Eigenschaft  als  richter- 
liche Behörde,  es  sind  Urteile  über  Vergehen^*),  Änderungen  des  E'rb- 
rechts®*)  u.  s.  w.,  alles  Beschlüsse,  wo  der  Rat  die  Mitwirkung  der- 
selben mit  Fug  und  Recht  nicht  entbehren  oder  umgehen  konnte. 


fein  Bürgermeister  ist  Schöffe)  und  1369  (Rentenregister  Nr.  1  f.  4  a)  (ein 
Bürgermeister  ist  Schöffe).  Die  Angabe,  dass  1320/21  beide  Bürgermeister 
Schöffen  gewesen  seien,  ist  ein  Irrtum  (vgl.  deutsche  Litteraturzeitung  1894 
Spalte  654).  Das  nachweisliche  Vorkommen  zweier  Schöffenbürgermeister 
beschränkt  sich  daher  auf  das  Jahr  1344.  Möglicherweise  ist  der  eine  der 
beiden  damaligen  Bürgermeister,  Johannes  Scherfgin,  erst  während  seines 
Amtsjahres  Schöffe  geworden.  Diese  Möglichkeit  liegt  im  erhöhten  Grade 
auch  für  die  verdienten  Amtleute  der  Richerzeche  vor,  so  dass  man  aus  dem 
gelegentlichen  zahlenmässigen  f'berwiegen  der  Schöffen  in  den  Amtsleutever- 
zeichnissen doch  wohl  nicht  mit  Sicherheit  schliessen  kann,  dass  des  öftcrn 
beide  Bürgermeister  Schöffen  gewesen  seien.  Es  sind  1282  unter  12  Amt- 
leuten 9  Schöffen  (vgl.  Stein  Anm.  148,  dazu  Daniel  0 verstolz  (Patriziat  II 
Overstolz  Nr.  229),  Henricus  Hardevust  (ib.  III  Hardevust  Nr.  93)  und  Til- 
mannus  Gir  (ib.  II  Gir  Nr.  64),  von  denen  sich  eine  Anzahl  1297  unter  den 
verdienten  Schöffen  (Qu.  III  Nr.  441)  wiederfinden,  1326  12  Schöffen  und 
12  NichtSchöffen.  Die  von  Stein  als  drei  verschiedene  Verzeichnisse  aufge- 
führten Niederschriften  von  1369,  1368—73,  1381  sind  die  Listen  der  Renten- 
empfönger  von  der  Dom  wage,  die  erste  von  1369  (Rentenregister  Nr.  1  f  4  a) 
nennt  16  Schöffen  und  9  Nichtschöffen.  Diese  liiste  wurde  mit  Ausscheidung 
der  inzwischen  verstorbenen  Personen  in  die  Rentenregister  Nr.  2  (f.  IIa) 
(Qu.  I  S.  415)  und  Nr.  3  (f.  7  a)  übernommen. 

")  Qu.  III  Nr.  441  (1297)  Febr.  11),  wo  Richter,  die  verdienten 
Schöffen  (diese  sind  es  allein,  die  hinzugezogen  werden,  die  damaligen  Schöffen- 
meister stehen  als  jüngste  Mitglieder  des  engeren  Verbandes  am  Ende  der 
Scböffenreihe),  die  verdienten  Amtleute  der  Richerzeche,  soweit  sie  nicht 
Schöffen  sind,  die  Ratsherren  über  Bestrafung  eines  Vergehens  gegen  die  Be- 
stimmungen betr.  den  Weinverkauf  in  den  Immunitäten  Bescliluss  fassen,  vgl. 
andere  ähnliche  Fälle  bei  Stein  1.  c.  S.  186. 

")  ib. 

14* 


192  Fr.  Lau 

In  der  Stellung  der  Schöffen  zum  Erzbischof  war  im  Jahre  1279®') 
eine  bedeutungsvolle  Wandlung  eingetreten.  Der  in  diesem  Jahre  er- 
folgte Übergang  der  Burggrafschaft  auf  die  Erzbischöfe  war  notwen- 
diger Weise  auch  von  einschneidendster  Wirkung  auf  das  Verhältnis  der 
Schöffen  zu  denselben.  Konnten  vorher  Zweifel  darüber  obwalten,  ob 
die  Übernahme  des  Schöffenamtes  zugleich  eine  Abhängigkeit  von  dem 
Erzbischof  als  Gerichtsherrn  begründe,  so  war  eine  solche  Ungewissheit 
fortan  nicht  mehr  möglich.  Wie  der  Erzbischof  nunmehr  alleiniger  und 
unbestrittener  Inhaber  des  hohen  Gerichts  wurde,  so  waren  auch  die 
von  ihm  angewäldigten  Schöffen  lediglich  erzbischöfliche  Gerichtsbeamte. 
In  diesem  Verhältnisse  zum  Erzbischofe  einerseits,  in  den  Verpflichtungen, 
welche  die  Schöffen,  soweit  sie  als  Ratsherren,  Bürgermeister  oder  ver- 
diente Amtleute  der  Richerzeche  zugleich  Beamte  der  Stadt  waren,  dieser 
gegenüber  zu  erfüllen  hatten,  andererseits  lagen  die  Keime  zu  inneren 
Konflikten,  die  zu  Zeiten  des  Friedens  zwischen  Erzbischof  und  Stadt 
wohl  vertuscht  und  latent  bleiben  konnten,  aber  bei  allen,  sei  es  äusser- 
lichen,  sei  es  innerlichen  Streitigkeiten  und  Auseinandersetzungen  dieser 
beiden  widerstrebenden  Gewalten  mit  Notwendigkeit  sich  zeigen  mussten. 
Jedesmal  waren  dabei  die  Schöffen  vor  die  Wahl  gestellt,  ob  sie  treue 
Bürger  und  untreue  Schöffen,  ob  treue  Schöffen  und  untreue  Bürger 
sein  wollten.  Aus  diesem  inneren  Gegensatze  heraus  hat  sich  der  Kampf 
des  Rates  gegen  die  noch  immer  bedeutende  Beteiligung  der  Schöffen 
am  Stadt regiment  mit  Naturnotwendigkeit  ergeben.  Die  einzelnen  Phasen 
dieses  Kampfes  und  den  endlichen  vollständigen  Sieg  des  Rates  hat 
Stein  ^*)  in  dieser  Zeitschrift  in  klarer  und  einwandsfreier  Weise  ge- 
schildert. Am  Ende  dieser  Verfassungsperiode  waren  die  Schöffen  wieder 
das,  was  sie  vor  dem  Beginne  derselben  gewesen,  eine  einfache  richter- 
liche Behörde.  Nur  eins  war  es,  was  sie  daneben  aus  den  Tagen  ihrer 
Macht  in  die  neue  Zeit  hinüber  retteten,  die  Führung  des  Schöffen- 
schreins. Im  Genüsse  dieser  beiden  Rechte  führte  das  Schöffencollegium 
fortan  ein  Stillleben  neben  dem  nunmehr  unumschränkt  herrschenden 
Rate  der  Zünfte,  ein  letzter  Zufluchtsort  für  die  gestürzten  Geschlechter, 
in  dem  diese  sich  noch  geraume  Zeit  mit  Hülfe  des  Selbstergänzungs- 
rechtes zu  erhalten  wussten. 

")  Lac.  II  Nr.  727. 

")  Zur  Vorgeschichte  des  Kölner  Verbundbriefs  Bd.  XII  S.  162  ff. 


Beitrage  zur  Yerfassimgsgeschichte  der  Stadt  Köln.  193 

Beilagen. 

I.  Protokoll  über  eine  Schöffenwahl  ca.  1235—37. 
Notum  Sit,  quod  officiales  scabinorum  scilicet  Waldaverus  Hirne  ^), 
Mathias  de  Lintgazzen,  Ludewiens  de  Molengazzen  j  Henricus  de  Zudindorp, 
Herimannus  Grin,  Berwinns  Grin,  Vogelo  de  porta  Martis,  H[enricus  Parfuse]  ^}  , 
Theodericus  filius  L(udewici)  de  Mftlingazzen,  Simon  comes,  Theodericus  de 
Niderig,  Gerardns  Scherfwin,  Johannes  de  Lintgazzen,  Theodericus  de  Pavone, 
et  Richolfus  Scherfgin  in  eligendis  scabinis  et  fratribus  scabinorum  unanimi  ; 
sententia  convenerunt  et  per  iuramentum  et  sententiam  confirmaverunt,  quod 
YIH  scabini,  scilicet  [Gerardns,  Gerardi  filius]  |  Johannes,  filius  Mathiae, 
Ludewicus,  filius  Ludewici  de  Mftlingazzen,  Henricus  iuoior  de  Zudendorp, 
Johannes  Overstoltz  [Godejschalcus  Overstoltz,  Theodericus  de  Erenporzen 
et  Henricus,  filius  L(udewici)  de  Mftlengazzen  in  simul  invest[iti  in  sedes 
scabi]  I  natus  locabuntur  et  sententiam  dicere  iurabunt.  Item  Johannes, 
filins  Theoderici  de  MMingazzin,  Johannes,  [frater?]  Theoderici  de  sancto 
Maaritio  et  Henricus  Scherfwin  electi  in  officium  scabinorum  simul  [intra- 
bunt, si]  V  . .  i  loca  vacaverint.  Item  Theodericus  Gir,  Ludewicus  de  Pavone 
et  Herimannus  comes  .  .  .  ^)  |  Ioc[is]  vacantibus  simul  intrabunt.  Item  nomina 

fratrum  Ricolfus,  filius  Pelegrini  Nigri^j,  Gerardus  filius ^)  '  nepos  . . , 

Gerardns,  filius  llenrici  de  Zudindorp,  Alexander,  filius  Herimanni  Grin ^) 

filius . . .  ^)  I  filius  U(lrici)  de  Marporcen,  Henricus  de  Ervethe,  Symon  Gebure, 
Johannes,  filius  Th(eodorici)  .  . . ')  Gerardus  ;  Gerardus  Scherfwin,  .  .  ^),  filius 
J(ohanni8)  de  Lintgazzen,  Ludewicus  de  Pavone,  et  Gerardus,  filius  Richolfi 
Scherfgin.  Item  Mathias  filius  .  .  .  ^*),  „  Gerardus  filius  ")....  Sifridus 
de  Nussia,  Herimannus  ^^)  Overstolz,  Herimannus,  filius  ....  ^\  Hen  '|  ricus 
de  Ervethe,  Ludewicus  .  .  .  .  '^)  filius  S(ymoni8)  comitis,   Kenerus  Birclin, 

Bruno  Scherfwin,  J(ohannes)  ...**)  ||  Gerardus  de  Pavone,  Herimanno **}, 

Gerardus  de  Aquila. 

Entnommen  aus  dem  Fascikel  des  Schöffenschreins  (362  k.  2  f.  8  b). 
Für  die  Datierung  ergeben  die  vorhergehenden  und  nachfolgenden 
Eintragungen  keinen  unbedingt  sicheren  Anhalt.  Als  untere  Zeit- 
grenze ist  mit  Sicherheit  das  Jahr  1237  nachzuweisen,  da  in  einer 
Urkunde  dieses  Jahres  (Qu.  nr.  166  1237  Dez.  24)  einige  der  hier 
neugewählten  Schöffen  schon  in  amtlicher  Thätigkeit  erscheinen,  die 
obere  ist  nicht  mit  gleicher  Sicherheit  festzulegen,  liegt  aber  jedenfalls 
falls  nach  1230.  Der  Anfang  der  Eintragung  gedruckt  bei  Glasen, 
Kölnischer  Senat  S.  6. 

IL   Ebd.  362  k.  1  f.  7  a. 
[1290 — 1300].   Item   notum  sit,   quod  Jacobus  aurifaber  comparens  in 
iudicio  coram  iudice  et  scabinis,  si  Symonem,  filium  Ludolfi   aurifabri  uUo 


1)  t^ber  der  Zeile.  —  2)  Nach  Glasen  1.  c.  —  3)  Etwa  swei  Worte  unleserlich.  •— 
4)  Über  der  Zeile.  —  5)  Etwa  swei  Worte  erloschen.  —  6)  Ein  Vor-  und  Zuname  unleser- 
lich. —  7)  Etwa  zwei  Worte  unleserlich.  —  8)  Ebenso  ein  Wort.  —  9)  Desgl.  —  10)  Perga- 
ment eingerissen.  —  II)  Ein  Wort  durch  Abbröckelung  verloren.  —  12)  Henricus  (?)  — 
13)  Zwei  Worte  erloschen.  —  14)  Etwa  drei  Worte  wie  bei  11.  —  15)  Ein  Käme  unleserlich. 
^  16)  Drei  bis  Ti^r  Worte  wie  boi  11. 


194  Fr.  Lau 

umquam  tempore  infestaverit  verbis  vel  operibus,  [si  ijdem  Symon  testiücare 
poterit  cum  personis  fidedigais,  quod  infestacio  sit  predicti  Jacobi,  sine  sen- 
tencia  scabinorum  amiserit  vitam  suam  super  gratiam  Symonis  supradicti. 

Ebd.  362  m  f.  14  b  1311  Aug.  6. 

Item  notum  sit,   quod  Agnes,  filia  quondam  Gerlaci  dicti  SwendefuUe 

querimoniam  faciens  in  iudicio  de  Cristiano,  filio  Grozwini,   de  patente  facto, 

quod  dicitur   bligendait,   ubi   dictus,   Cristianus   publice  fatebatur  in  iudicio 

sub  testimonio   iudicum  et  .  .   scabinorum,   quod  ipsa  Agnes  esset  legitima 

mo 

uxor  sua.  Datum  ut  supra.  [Datum  anno  domini  millesimo  ccc  undecimo. 
feria  sexta  post  festum  beati  Petri  ad  sincula]. 

III.  Stellung  der  altstädtischen  Schöffen  zu  denen  von  Airsbach.    Airsb. 
Panthal.  f.  18  a.    ca.  1230. 
N.  s.,   quod  Methildis,   que   uxor   fuit   Cunradi,   venit   in   presenciam 
scabinorum  civitatis  et  scabinorum  de  Overburg  et  coram  iudice  et  obtinuit 
iuramento,  quod  maritus  suus  .Cunradus  in  tantis  debitis  eam  reliquerat,  quod 
sine  sua  hereditate  ipsa  debita  persolvere  non  posset,   unde   sententia  scabi- 
norum dedit  ei,  quod  Gertrudis,  puer  prescripte  Methildis,  cum  sua  hereditate 
et  matris  Methildis  debita  patris  de  iure  ambo  tenentur  solvere. 
Inde  d(atum)  t(estimonium)  ut  i(ure)  de(buit). 

IV.  Schöffenschrein  346  f.  15  a  1331  März  16. 
Rechtsweisung  der  Kölner  Schöffen  für  diejenigen  von  Deutz. 
N.  s.,  quod  cum  scabini  Tuicienses  venerint^^)  ad  presenciam  domi- 
norum  scabinorum  Coloniensium  exponentes  et  proponentes,  quod  sex  licet 
Septem  eorum  conscabini  concordaverint  super  quadam  sententia  concorditer  *^ 
ferenda,  tarnen  .  .  duo  scabini,  videlicet .  Ailgerus  de  Tuicie  et  L&dewicus  de 
Keldenich,  eorum  conscabini,  hanc  sentenciam  contradixerint,  quesiverunt  a 
dominis  nostris,  quid  iuris  .  .  dominus  terre,  eius  officiatus,  scultetus,  aut 
scabini  in  hoc  haberent,  domini  nostri  diffinierunt  pro  iure,  quod  quia  ipsi 
Ailgerus  et  Ludewicus  eorum  sensum  dixerint,  iuxta  meliorem  intentionem 
suam,  quod  nee  dominus  terre,  scultetus,  officiatus,  nee  scabini  aliquid  iuris 
in  hoc  haberent. 

0  0  0 

Actum  anno  domini  m  ccc  XXXI  sabbato  post  letare. 

Ib.  f.  15  b.  N.  s.,  quod  scabini  Tuicienses  venerint^')  ad  presenciam 
dominorum  scabinorum  Coloniensium  petentes  sententiam  super  eo,  quod  cum 
sententia  quedam  transiverit  inter  eos  et  Ailgerus  de  Tuicio  necnon  Lude- 
wicus de  Keldenich  ipsam  sententiam  coram  domino  .  .  archiepiscopo  Co- 
loniensi  et  alibi  revocavcrint,  quid  iuris  dominus  terre  aut  scabiai  Tuicienses 
in  hoc  haberent,  domini  scabini  Colonienses  diffinierunt  pro  iure,  quod  quia 
non  culpaverint  ipsam  sententiam,  sed  simpliciter  recitaverint,  quod  nichil 
iuris  .  .  dominus  terre,  nee  scabini,  uec'^°)  aliquis^^)  in  co  habere  dinos- 
cerentur.    Datum  wie  vorher. 


17)  Hs.  veninerit.  —  18)  Über  der  Zeile.  —  19)  He.  veninerit,  —  30)  Über  der  Zeile. 


Beiträge  zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Köln.  195 

N.  s.,  quod  scabiui  Tuicienses  venerunt  ad  preseutiam  scabinorum 
Coloniensium  exponentes,  quod  cum  quidam  ad  querimoniam  alterius  ad  clau- 
suram  Tuiciensem  depositus  fuerit  et  ipse  per  seotentiam  de  huismodi  clau- 
sura  quitus  iudicatus  fuerit,  utrum  ille  conquerens  eandem  penam  pati  debeat 
et  quid  iuris  dominus  terre,  scultetus,  aut  scabini  in  hoc  habeat,  domini 
nostri  scabini  diffinierunt  pro  iure,  quod  satis  in  hoc  perdiderit  qui  queri- 
moniam suam  perdiderit  et  quod  nichil  iuris,  nee  dominus  terre,  nee  scultetus, 
nee  scabini,  nee  aliquis  in  hoc  habeat.    Datum  wie  vorher. 

V.  1338  Mai  29  Verfahren  über  liegendes  Gut  eines  flüchtigen  Schuldners. 
N.  s.,  quod  cum  Johannes  Buckingh  profugus  factus  fuisset  et  quedam 
dehita  aliquibus  suis  creditoribus  teneretur  et  esset  obligatus  ipsique  credi- 
tores  medietatem  domus  vocate  Heren  Johanshüys  in  Lintgassin,  que  medietas 
fuit  Johannis  Buckingh  predicti  pro  suis  creditis  per  iudicium  dominorum 
scabinorum  procuraverint  occupari,  domini  nostri  scabini  attendentes  iusticiam*^) 
et  affectantes  solucionem  fieri  creditoribus  antedictis  commise^unt  dominis 
Godeschalco  Overstolz,  domino  Johanni  Overstolz  in  Ringassen,  domino  Jo- 
hanni  de  Lyntgassen  et  domino  Everhardo  Gyr,  magistro  cirium,  scabinis 
Coloniensibus,  ut  ipsi  dicte  domus  medietatem  venderent  et  creditoribus  pre- 
dictis  satisfacerent  pecuniam  ex  huiusmodi  vendicione  provenientem  inter 
dictos  creditores  proportionaliter  distribuerent,  unde  predicti  domini  scabini 
ad  iussum  communium  dominorum  scabinorum  eandem  medietatem  ^'^)  vendi- 
derunt  et  ipsam  donaverunt  et  remiserunt  domino  Uenrico  de  Speculo  militi, 

o     mu  o 

scabino  Coloniensi  .  .  .  Actum  anno  domini  m  ccc  tricesimo  VIII  feria  sexta 
ante^)  penthecosten. 


21)  über  dor  Zeile.  —  22)  hereditatem  geatr.  —  23)  gestr.  pu. 

»-<^{J>— 0 

Römische  Nuntiaturberichte  als  Quellen  zur  Geschichte 
des  Kölnischen  Krieges  (1576—1584). 

Von  Joseph  HasseD. 

Unter  obigem  Titel  hat  Max  Lossen  in  dem  soeben  erschienenen 
ei-sten  Hefte  des  75.  Bandes  der  Sybelschen  Zeitschrift  eine  ziemlich 
umfangreiche  Erörterung  über  die  von  mir  herausgegebenen  beiden  Bände 
der 'Nuntiaturberichte  aus  Deutschland  1572 — 1585'  veröif entlicht,  deren 
gnindsätzliche  Ausführungen  mich  zu  einigen  Gegenbemerkungen  veran- 
lassen. Es  war  leider  nicht  möglich,  eine  Entgegnung  meinerseits  noch 
in  demselben  Hefte  der  genannten  Zeitschrift  zu  bringen.  Da  mir  aber 
daran  liegt,  die  Lossenschen  Einwände,  soweit  sie  die  Bedeutung  der 
Nuntiaturberichte  als   historische  Quelle   im    allgemeinen   und   die   Art 


196  J-  Hansen 

ihrer  Herausgabe  betreifen,  unmittelbar  zu  würdigen,  nachdem  sie 
ausgesprochen  worden  sind,  so  habe  ich  mich  entschlossen,  nicht  erst 
das  Erscheinen  eines  neuen  Heftes  jener  Zeitschrift  abzuwarten,  sondern 
an  dieser  Stelle  meiner  Ansicht  Ausdruck  zu  geben,  um  so  mehr,  als 
Lossen  seine  Ausführungen  an  ein  Thema  aus  der  westdeutschen  Ge- 
schichte angelehnt  hat. 

Bevor  ich  aber  auf  die  wesentlichen  Punkte  der  Lossenschen  Aus- 
führungen eingehe,  will  ich  auch  an  dieser  Stelle  nicht  unterlassen, 
einige  Einzelfragen  kurz  zu  erörtern,  in  denen  L.  meine  Darlegungen 
angreift. 

In  Bezug  auf  die  von  mir  „wieder  aufgerührte  Streitfrage"  über 
die  Regalienverleihung  an  nicht  confirmierte  Bischöfe  (vgl.  a.  a.  0.  S.  9) 
ist  der  Thatbestand  der  folgende.  L.  behauptete  (Kölnischer  Krieg  I, 
624)  zum  J.  1578*):  „Man  war  am  kaiserlichen  Hof  neuerdings  in 
Bezug  auf  die  Verleihung  von  Regalien  viel  zäher  geworden,  als  zu 
Zeiten  Maximilians.  Dies  wurde  damals  einem  Versprechen  zugeschrieben, 
welches  König  Rudolf  beim  jüngsten  Regensburger  Reichstag  dem  Kar- 
dinal Morone  gegeben  haben  sollte :  künftighin  keinem  erwählten  Bischof 
die  Regalien  zu  verleihen,  bevor  derselbe  gemäss  den  Konkordaten  der 
deutschen  Nation  die  päpstliche  Konfirmation  erhalten  habe*)."  L.  ist 
geneigt,  diese  Begründung  für  zutreffend  zu  halten.  Die  Belege,  die  er 
anführt,  sind  bayerische  Äusserungen  vom  März  und  Mai  1578^).  Aus 
den  Nuntiaturberichten  ergiebt  sich  aber  Folgendes. 

Die  Behauptung,  dass  ein  solches  Versprechen  einem  päpstlichen 
Nuntius  gegenüber  abgegeben  worden  sei,  wurde  seitens  der  Kurie  schon 
1576  mit  Bezug  auf  Max  II.  aufgestellt  (I,  S.  XXXI  Anm.).  Morone 
hatte  ferner  den  Auftrag,  1576  in  Regensburg  zu  versuchen,  von  Max  II. 
eine  bestimmte  weitere  Erklärung  in  dieser  Hinsicht  zu  extrahieren  (ebd.). 
Morone  machte  diesen  Versuch  in  einem  Memorial  vom  4.  Oktober  1576 


^)  Es  handelt  sich  am  die  Erteilung  der  Regalien  an  den  Electeu 
Gebhard  Truchsess  von  Köln. 

^)  Eine  bestimmte  Erklärung  in  dieser  Richtung  hatte  K.  Ferdinand  I 
abgegeben  (1562  Nov.  7,  vgl.  Ritter,  Gegenreformation  I,  194). 

')  Haeret  in  aula  Caesaris  intrusi  Coloniensis  frater,  ut  vel  infeudatio- 
nem  quam  vocant  et  regalia,  vel  certe  indultum  aliquod  emungat.  De  priore 
forsan,  cum  id  contra  canones,  contra  Germanicae  nationis  cum  S.  Sede  con- 
cordata  et  eam,  quae  cum  Smi  D°i  N.  legato  Morono  nuper  admodum 
repetita  est  conventionem,  omoino  sit  futurum,  minus  videtur  esse  peri- 
culi;  alterum  tarnen,  ne  artibus  quibus  ii  hodie  jam  sunt  deditt  obtineatur, 
verendum  est  (Hz.  Albrecht  an  den  Nuntius  Portia,  157Ö  Mai  i). 


Rom.  Nontiaturber.  als  Quell,  z.  Gesch.  d.  Küln.  Krieges  (1576-1584).  197 

(II,  S.   164  Anm.  2).     Da  der  Kaiser  aber  am  12.  Oktober  starb,  er- 
hielt er  überhaupt  keine  Antwort  mehr  auf  dieses  Memorial. 

Nun  behauptet  man  auf  bayrischer  Seite  1578,  nuper  admodum^ 
sei  eine  *conventio'  über  diese  Angelegenheit  mit  Morone  (Rudolf  II. 
persönlich  wird  nicht  genannt)  wiederholt  worden.  Lossen  nimmt  an, 
dass  dies  in  Regensburg  1576  zwischen  Morone  und  K.  Rudolf  ge- 
schehen sei.  Rudolf  hat  mit  Morone,  wie  sich  aus  den  Nuntiaturbe- 
richten  ergiebt,  in  Regensburg  eine  einzige  Unterhaltung  gehabt,  und 
zwar  am  10.  Oktober  1576,  also  noch  bei  Lebzeiten  Max  II.  Über 
ihren  Inhalt  ist  nichts  weiter  bekannt,  als  die  von  Lossen  S.  10  Anm.  1 
wieder  abgedruckte  Notiz  Morones,  in  der  von  der  Frage  der  Regalien- 
verleibung  nicht  die  Rede  ist.  Lossen  ist  geneigt  zu  glauben,  dass  eben 
in  diesem  Gespräch  das  betr.  Versprechen  abgegeben  worden  sei.  Zur 
RegrOndung  dieser  Annahme  reichen  aber  m.  E.  die  enväihnten  baye- 
nscfaen  Angaben  nicht  aus.  Viel  wahrscheinlicher  ist  mir,  dass  die- 
selben auf  eine  unbestimmte  Kenntnis  von  Morones  Auftrag  im  Jahre 
1576  und  von  der  Art  seiner  Erledigung  zurückgehen  **).  Denn  Rudolf  II. 
weigerte  sich  eben  im  J.  1578,  aus  welchem  die  bayrischen  Angaben 
stammen,  am  18.  Oktober  dem  Nuntius  Malaspina  gegenüber  ausdrück- 
lich, das  von  der  Kurie  gewünschte  Versprechen  abzugeben.  Malaspina 
berichtet  über  diese  erste  gut  beglaubigte  Äussening  Rudolfs  II.  in  dieser 
Angelegenheit  nach  Rom:  'lo  non  so  quello  che  S.  M**  habbi  promesso 
agli  altri  nuntii,  dico  ben  che  a  me  non  Tha  voluto  promettere  di  non 
dar  regalie  avanti  la  confirmatione'  (I,  S.  XXXI  Anm.  1).  Erst  im 
Dezember  erklärte  Rudolf  auf  weiteres  Drängen,  er  werde  Nichtcontir- 
mierten  nur  kurze  Lehnsindulte  gewähren^).  Und  erst  im  J.  1582  ver- 
sprach er,  wiederum  auf  weiteres  Drängen,  dem  Legaten  Madnizzo,  dass 
er  von  jetzt  ab  keine  Indulte  mehr  gewähren  werde  ^). 


*)  Rudolf  wird,  wie  bemerkt,  in  dem  betr.  Schreiben  Bayerns  persön- 
lich nicht  genannt,  und  es  ist  zu  berücksichtigeD,  dass  er  zur  Zeit  seines 
Gesprächs  mit  Morone  noch  nicht  die  Regierung  führte,  also  ein  bindendes 
Versprechen  schwerlich  abgegeben  haben  wird. 

')  Bericht  Malaspinas  d.  d.  1578  December  6:  In  materia  delle  re- 
galie ....  spero  che  sarä  servita  S.  S**,  perche  Timperatore  mi  diede 
parola  di  voler  far  cosi,  cioe  di  concederle  per  poco  tempo  et  non  proro- 
garle,  caso  che  manchino  di  mandar  per  la  confermatione  a  Roma  (Vatik. 
Archiv  Germ.  vol.  99  fol.  49).  Ich  habe  Regalien  und  Lehnsindulte  keines- 
w^^  verwechselt,  wie  L.  glauben  möchte. 

')  II  S.  5ßl :  (Pimperatore)  promise  al  securo  di  non  dare  per  Tavenire 
indulti   ad   alcuno   non   confirmato,   berichtet  Madruzzo   am  29.  Sept.  1582 


198  •       J.  Hansen 

Bei  dieser  Sachlage  sehe  ich  in  der  unbestimmten  Wendung  der 
bayrischen  Angaben  keinen  Beweis  für  die  sonst  nicht  belegte  Annahme, 
dass  Rudolf  II.  in  liegensburg  1576  dem  Legaten  Morone  das  bezeich- 
nete Versprechen  abgegeben  habe,  ein  Versprechen,  das  er  im  J.  1578 
ausdrücklich  ablehnte. 

Dass  meine  gegen  L.'s  Darlegungen  gerichteten  Ausführungen') 
über  den  Charakter  der  Kölner  Nuntiatur  Kaspar  Groppers  (1573 — 1576) 
als  einer  ausserordentlichen  L.  nicht  überzeugt  haben,  bedauere  ich^). 
Wenn  ich  aber  auch  persönlich  Einsicht  in  die  Groppei-schen  und  die 
übrigen  einschlägigen  Berichte  genommen  und  eben  aus  ihnen  meine 
Auffassung  gebildet  habe,  so  bin  ich  doch  \sie  L.  der  Ansicht,  dass, 
falls  diese  viel  erörterte  Frage  überhaupt  noch  einmal  behandelt  werden 
soll,  gewartet  werden  muss,  bis  auch  L.  diese  Berichte  bekannt  ge- 
worden sind,  d.  h.  bis  sie  im  Druck  vorliegen,  was  in  kurzer  Zeit  der 
Fall  sein  wird.  Ich  werde  diese  Gelegenheit  benutzen,  um  meinei-seits 
die  Motive  für  Groppers  seltsames  Verhalten  in  Köln^)  auf  Grund  von 
hiesigem  Material  noch  einmal  zu  beleuchten.  Vorläufig  kann  ich  nur 
erklären,  dass  die  Einwände  L.'s  mir  unerheblich  erscheinen.  Dieselben 
setzen  eine  Einheitlichkeit  der  curialen  Praxis  in  Bezug  auf  die  Nuntia- 
turen voraus,  die  thatsächlich  nicht  vorhanden  war. 

Einen  'Grundirrtum'  meinerseits  sieht  L.  S.  4  in  der  Überschätzung 
des  römischen  Einflusses  auf  die  Erledigung  der  Kölner  Angelegenheit, 
verweist  aber  für  den  Nachweis  desselben  auf  das  demnächst,  über  zwei 
Jahre,  zu  erwartende  Erscheinen  des  2.  Bandes  seines  'Kölnischen  Kriegs'. 
Auch  die  Entscheidung  über  diese  Frage  wird  also  vorläufig  wohl  ver- 
tagt Averden  müssen.  Ich  möchte  jedoch  auch  bis  dahin  nicht  missver- 
standen werden.     Es   liegt  mir  durchaus  fern,    wie  L.  anzunehmen  ge- 

(Rudolf  handelte  später  aber  nicht  nach  dieser  Zusage,  vgl.  Stieve,  Politik 
Baierns  I,  201  Anm.  2). 

7)  I,  S.  719  ff. 

»)  Zu  S.  7  Anm.  1.  Meine  Angabe  über  die  Stellung  des  Cardinals 
von  Como  unter  Plus  V.  geht  zurück  auf  sein  eignes  Expose  aus  dem  J.  1572, 
in  welchem  er  Gregor  XIII.  gegenüber  erklärt:  'havendo  io  havuto  sin  qui 
cura  di  scrivere  a  nuntii  in  tutto  il  tempo  del  pontificato  di  Pio  V ,  prede- 
cessor  suo'.  (Vgl.  1  S.  XXIII  Anm.  2).  Das  Schreiben  an  die  Nuntien  ge- 
hörte zum  Geschäftsbereich  des  Staatssekretärs.  Ob  die  Angabe  Como^s  un- 
genau ist,  vermag  ich  mit  dem  mir  hier  zugänglichen  Material  nicht  zu  prüfen. 

^  Ich  habe  es  liisher  (I  S.  728,  und  danach  Lossen  a.  a.  O.  S.  12} 
auf  eine  Gemütbskrankheit  zurückgeführt. 


Rom.  Nuntiaturber.  als  Quell,  z.  Gesch.  d.  Köln.  Krieges  (1576—1584).   199 

neigt  ist,  die  Bedeutung  der  andern  von  ihm  erwähnten  Faktoren  ^®) 
für  die  Entscheidung  in  Köln  zu  unterschätzen.  Ich  habe  im  Gegenteil 
selbst  darauf  hingewiesen  ^^),  dass  das  mit  verhältnismässig  geringem 
eignem  Kraftaufwand  erreichte  Ergebnis  in  Köln  die  kühnsten  Hoff- 
nungen der  Kurie  erfüllte,  und  ich  habe  die  charakteristischen  Äusse- 
rungen Minuccis  angeführt  **),  die  beweisen,  dass  man  sich  in  Rom 
wohl  bewusst  war,  den  Erfolg  nicht  sich  allein,  sondern  daneben  vor 
allem  dem  unerwarteten  Entgegenkommen  zu  verdanken,  welches  die 
römischen  Pläne  und  Massnahmen  in  Deutschland  fanden.  Wenn  ich 
also  behauptet  habe,  „der  Erfolg  der  katholischen  Restauration  in  Köln 
sei  in  erster  Linie  der  Initiative  der  päpstlichen  Regierung  zuzuschreiben", 
so  liegt  der  Nachdruck  auf:  Initiative.  Das  zielbewusste  und  rück- 
sichtslose Vorgehen  der  Kurie  vom  ersten  Augenblick  an,  wo  sie  sichere 
Nachrichten  über  Gebhard  Truchsess'  Verhalten  in  Händen  hatte,  ihr 
sofortiger  Entschluss,  den  Erzbiachof,  der  bis  dahin  vortrefflich  bei  ihr 
angeschrieben  war,  abzusetzen,  ihr  unentwegtes  Festhalten  an  der  Person 
des  Herzogs  Enist  als  Gegencandidaten,  trotzdem  derselbe  erst  ihrem 
Befehl  gehorchend  den  Kampf  in  Köln  aufnahm,  gaben  dem  Vorgehen 
der  katholischen  Faktoren  in  Deutschland  den  festen  Sammelpunkt  und 
die  einheitliche  Richtung.  Dass  daneben  für  die  Durchführung  des 
Kampfes  diese  anderen  Faktoren  unentbehrlich  waren,  ist  mir  nicht  — 
und  überhaupt  wohl  niemanden  —  zweifelhaft  gewesen.  Unter  den 
treibenden,  anregenden  Kräften  steht  aber  m.  E.  die  Kurie  im  Vorder- 
grunde. Es  wird  abzuwarten  sein,  ob  diese  Auffassung  durch  L.'s  Buch 
erschüttert  wird. 


^^)  d.  i.  des  Hauses  Wittelsbacb,  der  katholischen  Partei  im  Kölner 
Kapitel  und  der  kaiserlichen  Kommissare. 

»)  II,  S.  XCIII. 

»)  II,  S.  659. 

^^  S.  17  erwähnt  L.,  ich  spreche  die  'ideinung'  aus,  dass  Rudolfs  II. 
Archiv  bis  auf  geringe  Reste  verschollen  sei.  Meine  Angabe  geht  auf  die 
ausdrückliche  Feststellung  von  Stieve  zurück,  der  dem  Schicksal  dieses  Archivs 
eine  besondere  Untersuchung  gewidmet  hat  (vgl.  Verhandlungen  über  die  Nach- 
folge Rudolfs  II,  in  den  Abhandlungen  der  Müncheuer  Akademie  XV  (1879) 
S.  1  Anm.).  -—  Die  Berichte  der  kaiserlichen  Kommissarien  aus  den  Jahren 
1582 — 1584),  auf  deren  Bedeutung  L.  an  dieser  Stelle  hinweist,  habe  ich 
leider  bei  meinem  nur  wenige  Tage  umfassenden  Aufenthalt  in  Wien  (1890) 
nicht  benutzen  können.  Dass  die  Reichshofratsakten  dieser  Zeit  (unter  denen 
sich  die  Berichte  befinden)  von  Bedeutung  sind,  habe  ich  allen  Grund  zu 
glauben,  nachdem  ich  in  Bd.  I  aus  diesen  Fascikeln  eine  Reihe  wesentlicher 
Ergänzungen  zu  Lossens  erstem  Band  habe  bringen  können.   L.  hatte  für  den 


200  J-  Hausen 

Wenn  ferner  L.  in  diesem  Zusammenhang  betont,  dass  ich  Akten 
der  deutschen  Archive  für  meine  Edition  nicht  benutzt  habe,  und 
daran  grundsätzliche  Erwägungen  über  die  Veröffentlichung  der  römischen 
Materialien  überhaupt  knüpft,  so  mnss  ich  zur  Erklärung  zunächst  auf 
meine  Vorbemerkung  im  ersten  Band  meiner  Edition  verweisen,  wonach 
„die  an  und  für  sich  schon  nicht  im  Plan  unserer  gesamten  Edition 
liegende  systematische  Ausbeutung  der  deutschen  Archive  sich  hier  noch 
besonders  aus  dem  Grunde  verbot,  weil  Max  Lossen  diese  Arbeit  für 
den  im  J.  1882  veröffentlichten  ersten  Band  seiner  Geschichte  des 
Kölnischen  Kriegs  und  für  den  voraussichtlich  bald  erscheinenden  zweiten 
Band  bereits  ausgeführt  hat".  Die  Edition  der  Nuntiaturberichte  hat 
vor  allem  den  Zweck,  der  deutschen  Forschung  das  italienische  Material 
bequem  zur  Verfügung  zu  stellen ;  im  Rahmen  dieser  Edition  kann,  wie 
ich  unten  darlegen  werde,  unmöglich  auf  alle  deutschen  Archivalien 
Rücksicht  genommen  werden.  Um  so  weniger  ging  das  in  dem  vorliegen- 
den Fall  an,  wo  es  dem  Herausgeber  bekannt  war,  dass  Lossen  seit  mehr 
als  zwanzig  Jahren  sich  die  Durchforschung  der  deutschen  Archive  für 
eine  Darstellung  der  Geschichte  des  Kölnischen  Kriegs  zur  besondem 
Aufgabe  gestellt  hatte.  Also  z.  T.  grade  mit  Rücksicht  auf  L.  habe 
ich  meine  archivalischen  Forschungen  nicht  auf  die  von  ihm  bezeich- 
neten Materialien  ausgedehnt. 

Was  endlich  das  von  Lossen  (S.  3)  geäusserte  allgemeine  Bedenken 
über  das  Anschwellen  der  Edition  der  Nuntiaturberichte  betrifft,  so  wird 
sich  für  die  Epoche  von  1572 — 1585  (über  die  ich  genauer  informiert 
bin)  im  Fortgang  der  Arbeiten  das  Mass  der  Beschränkung  von  selbst 
finden  '^).  Dass  eine  Beschränkung  erforderlich,  ist  kein  neuer  Gedanke; 
es  ist  von  mir  z.  B.  schon  in  Berichten  aus  dem  März  1890,  also 
mehrere  Jahre  vor  Beginn  der  ganzen  Edition,  geäussert  worden.  In 
den  bisher  erschienenen  ersten  Bänden  der  Edition  handelt«  es  sich  aber 
neben  dem  Hauptzweck  vor  allem  auch  darum,  den  ganzen  Betrieb  der 
im    16.  Jahrhundert   neu    eingerichteten  Nuntiaturen    offen    darzulegen, 

ersten  Band  seiner  Darstellung  die  Wiener  Akten  überhaupt  nicht  angesehen. 
Ich  musste  die  Durchsicht  der  betr.  Fascikel  zu  früh  abbrechen  und  mich 
für  die  spätere  Zeit  mit  den  Auszügen  begnügen,  die  v.  Bezold  aus  ihnen 
entnommen  hat  (Briefe  des  Pfalzgr.  Joh.  Casimir).  —  Überhaupt  darf  ich 
an  dieser  Stelle  wohl  bemerken,  dass  mir  zur  Sammlung  des  in  den  zwei 
Bänden  der  Nuntiaturberichte  herausgegebenen  Materials  nur  zwei  Jahre 
(1889  bis  1891)  zur  Verfügung  gestanden  haben. 

^^)  Ich  selbst  bin  übrigens  bei  der  Fortsetzung  nicht  mehr  beteiligt. 


Rom.  Nuntiatarber.  als  Qaell  z.  Gesch.  d.  Köln.  Krieges  (tö76~15d4).  20l 

und  es  hätte  nach  meiner  heutigen  Auffassung  in  dieser  Beziehung  wohl 
noch  mehr  geschehen  können  als  geschehen  ist,  es  hätten  namentlich 
die  Quellen,  aus  denen  die  Nuntien  in  Deutschland  schöpften,  und  die 
Werkzeuge,  deren  sie  sich  bedienten,  noch  genauer  festgestellt  und  vor- 
gefahrt werden  können.  Das  lässt  sich  aber  noch  nachholen.  An  einer 
Stelle  hoffe  ich  es  selbst  demnächst  zu  thun,  und  nachzuweisen,  wie  es 
vor  allem  die  unmittelbaren  Anregungen  und  Wünsche  der  jesuitischen 
Kreise  waren,  welche  die  Thätigkeit  der  Nuntien  beeinflussten ;  und  L. 
seinerseits  macht  (S.  16)  darauf  aufmerksam,  wie  sehr  Minuccis  Berichte 
von  den  Briefen  bayrischer  Räte  abhängig  sind.  Im  übrigen  ist  es  mir, 
vrie  gesagt,  nicht  zweifelhaft,  dass  die  späteren  Arbeiten  in  allmählicher 
Progression  Kürzungen  der  vorhandenen  Berichte  für  den  Druck  vor- 
nehmen werden.  Mit  dem  blossen  Entschluss  zur  ^Selbstbeschränkung* 
bei  der  Fortsetzung,  die  Lossen  empfiehlt,  dürfte  der  Sache  aber  schwer- 
lich gedient  sein.  Denn  bei  der  Herausgabe  der  römischen  Akten 
kommen  besondere  Umstände  in  Betracht.  Einmal  die  eigenartigen  Ver- 
hältnisse des  Vatikanischen  Archivs,  auf  die  näher  einzugehen  nicht  er- 
forderlich ist.  Daneben  aber  noch  ein  anderes.  Wer  in  Rom,  fem  von 
allen  litterarischen  Hülfsmitteln,  die  in  Deutschland  jede  grössere  Bib- 
liothek darbietet,  und  fern  von  der  Möglichkeit,  deutsche  Archivreper- 
torien  zu  benutzen,  den  Stoff*  zu  einer  Aktenpublikation  über  die  Gegen- 
reformation in  Deutschland  sammelt,  ist  gar  nicht  in  der  Lage,  feststellen 
zu  können,  ob  in  irgend  einem  der  vielen  deutschen  Archive  für  eine 
bestimmte  Frage  wichtiges,  vielleicht  ebenso  wichtiges  Material  vorliegt, 
wie  in  Rom,  und  ob  er  mit  Rücksicht  darauf  römische  Akten  unver- 
öffentlicht lassen  darf,  die,  wenn  auch  vielleicht  nicht  durch  die  in 
ihnen  berichteten  Thatsachen  so  doch  durch  ihre  Nüancierung  von 
Bedeutung  sind.  Ganz  anders  läge  die  Sache,  wenn  wir  eine  Anzahl 
von  Aktenpublikationen  aus  den  Archiven  der  für  diese  Zeit  massgeben- 
den katholischen  Reichsstände  bereits  besässen.  Das  ist  aber  bekannt- 
lich nicht  der  Fall,  die  Veröffentlichungen  von  Stieve  und  Ritter  aus 
den  Wittelsbachischen  Akten  setzen  erst  später,  mit  dem  J.  1590,  ein. 
Der  im  J.  1860  von  Cornelius  entworfene  Plan  der  Sammlung  und 
Herausgabe  der  Wittelsbachischen  Dokumente  von  1559—1650  durch 
die  Historische  Kommission  in  München  ist,  soweit  er  den  bayrischen, 
katholischen  Zweig  des  Hauses  betrifft,  bisher  erst  für  die  Jahrzehnte 
nach  1590  verwirklicht,  und  das  damals  mit  Recht  betonte  Bedürfnis, 
verwandte  Unternehmungen  an  andere  Männer  und  andere  Regenten- 
bäuser   anzuschliessen,    um   eine   sichere  Grundlage   der   deutschen  Ge- 


202  J.  Öanseü 

schichte  dieser  Zeit  zu  schaffen,  hat  leider  bisher  nur  Kellers  Akten- 
sammlung zur  Geschichte  der  Gegenreformation  am  Niederrhein  und  in 
Westfalen  veranlasst.  Wie  lange  sich  das  wichtige  Material  für  diese 
Zeit  der  Forschung  manchmal  entzieht,  dafür  genüge  ein  Beispiel.  Lossen 
hat  die  Berichte  der  kaiserlichen  Kommissarien  aus  den  Jahren  1582 
bis  1584,  die  in  Wien  beruhen  und  die  er  a.  a.  0.  S.  17  zu  den 
wertvollsten  Quellen  über  den  Kölnischen  Krieg  zählt,  erst  im  Jahre  1892. 
also  im  22.  Jahre  seiner  Beschäftigung  mit  den  Akten  des  Kölnischen 
Kriegs,  kennen  gelernt.  Er  glaubte  früher,  ohne  die  Wiener  Akten 
auskommen  zu  können.  Denn  im  ersten  Band  seines  Werkes  erklärte 
er,  dass  er  zwar  seine  Forschungen  gerne  auf  das  Wiener  Archiv  aus- 
gedehnt hätte,  dass  aber  die  übergrosse  Fülle  des  bereits  gesammelten 
Materials  ihn  nötigte,  „an  irgend  einem  Punkte  abzubrechen,  es  andern 
überlassend,  unvermeidliche  Lücken  auszufüllen."  Wenn  dieser  Ge- 
sichtspunkt, von  dem  Lossen  bei  der  Ausarbeitung  seines  zweiten  Bandes 
zum  Vorteil  der  Sache  abgewichen  ist,  bei  einer  Darstellung  erlaubt 
ist,  so  ist  er  bei  einer  Aktenpublikation,  die  sich  notwendig  auf  eine 
bestimmte  Quellengruppe  beschränkt  und  der  unmöglich  jahrzehntelange 
Vorarbeiten  voraufgehen  können,  geboten.  Mit  der  Thatsache,  dass 
bei  der  fortschreitenden  Veröffentlichung  und  Verwertung  der  deutschen 
Archivalien  manches  römische  Aktenstück  an  Bedeutung  verlieren  wird, 
muss  man  rechnen.  Denn  ein  allgemeines  Kriterium  für  Kürzung  der 
römischen  Quellen  mit  Rücksicht  auf  später  bekannt  werdendes  deut- 
sches Material  giebt  es  nicht,  die  „Selbstbeschränkung"  wird  also  immer 
nur  von  Fall  zu  Fall  und  mit  grösster  Vorsicht  anzuwenden  sein.  Der 
von  mir  betonte  und  auch  von  Lossen  anerkannte  Grundsatz,  dass 
diplomatische  Depeschen  einen  besonderen  Wert  für  die  Forschung  be- 
sitzen, wenn  ihre  Verfasser  als  handelnde  Personen,  nicht  als  beobach- 
tende, mehr  oder  minder  unbeteiligte  Zuschauer  auftreten^  dürfte  m.  E. 
in  den  meisten  Fällen,  aber  auch  nicht  immer,  ausschlaggebend  sein.  Die 
hier  in  Rede  stehende  Abteilung  der  ^Nuntiaturberichte  aus  Deutsch- 
land' hat  die  Aufgabe,  die  Akten  der  päpstlichen  Regierung  über  ihre 
deutsche  Politik  während  des  wichtigen  Pontifikats  Gregors  XIII.  all- 
gemein zugänglich  zu  machen,  sie  soll  aus  den  römischen  Akten  selbst 
klar  erkennen  lassen,  auf  welchen  Grundlagen  und  mit  welchen  Mitteln 
die  Werkzeuge  der  Kurie  den  umfassenden  Plan  der  Gegenreformation  in 
Deutschland  durchgeführt  haben.  Dass  eine  Darstellung  dieser  grossen 
Bewegung  oder  einzelner  Teile  derselben  auch  alle  übrigen  Quellen  zu 
Ijerücksichtigen  hat,  bedarf  keiner  Erörterung.     Ebensowenig  aber,  dass 


Rom.  Kuntiaturber.  als  Quell,  z.  Gesch.  d.  Köln.  Krieges  (1576—1584).  203 

für  diese  DarstelluDg  auch  die  Kenntnis  der  Nuntiaturberichte,  und 
dieser  an  erster  Stelle,  weil  der  Anstoss  der  Bewegung  von  Rom  aus- 
ging, unentbehrlich  ist. 

Lossen  ist  in  Bezug  auf  den  Kölner  Krieg  —  unter  diesem  Ge- 
sichtswinkel betrachtet  er  die  Nuntiaturberichte  —  in  einer  besonderen 
Lage,  da  er  seit  25  Jahren  das  Material  für  eine  Darstellung  dieses 
Krieges  in  den  deutschen  Archiven  sammelt.  Ihm  wird  natürlich  eine 
einseitige  Quellenpublikation  —  eine  solche  sind  die  Nuntiaturberichte 
ohne  Zweifel  —  nicht  so  viel  Neues  bringen  können,  als  der  übrigen 
Forschung,  welche  die  Schätze  nicht  kennt,  die  Lossen  in  langer  Arbeit 
bei  sich  angesammelt  hat.  Auch  Lossen  wird  aber  wohl  nicht  leugnen 
wollen,  dass  von  den  gedruckten  aktenmässigen  Quellen  über  den  Kölner 
Krieg  die  Nuntiaturberichte  bis  jetzt  die  wichtigste  sind.  Und  im 
übrigen  ist  es,  auch  nach  dem  Inhalt  der  beiden  vorliegenden  Bände, 
nicht  erforderlich,  die  Nuntiaturberichte  ausschliesslich  vom  Standpunkt 
der  Kölner  Verwicklungen  zu  betrachten.  Als  eine  Quelle  ersten  Ranges 
für  die  Geschichte  der  Gegenreformation  überhaupt  werden  sich  die 
Nuntiaturberichte  mit  jedem  folgenden  Bande  deutlicher  erweisen. 


-O— e*j;j>— 0- 


Zur  Geschichte  der  Münsterschen  Dombibliothek. 

Von  Bibliothekar  Dr.  H.  Detmer  zu  Münster  i.  W. 

Die  kurzen  Notizen,  die  sich  über  die  ehemalige  Dombibliothek 
zu  Münster  i.  W.  erhalten  haben,  bis  dieselbe  infolge  der  anabaptistischen 
Wirren  1 534  fast  völlig  vernichtet  wurde  und  bis  erst  durch  eine  reiche 
testamentarische  Zuwendung  des  Domdechanten  Gottfried  von  Raesfeld 
vom  Jahre  1586  der  Grund  zu  einer  neuen  ansehnlichen  Büchersamm- 
lung gelegt  ward,  sind  wiederholt  zusammengestellt  *).  Weiteres  Material 
zur  Geschichte  der  Münsterschen  Dombibliothek  findet  sich,  abgesehen 
von  einigen  nur  ganz  trocken  aufzählenden  Katalogen,  weder  in  dem 
Akten-  noch  in  dem  Handschriftenbestande  der  Königlischen  Paulinischen 
Bibliothek  mehr  vor,  in  die  nach  der  Säcularisation  des  Bistums  die 
Dombibliothek  aufging.  Glücklicher  Weise  aber  lässt  sich  die  Lücke  in 
mancher  Beziehung  noch  ausfüllen  mit  Hülfe  aktenmässiger  und  hand- 
schriftlicher Bemerkungen,  die  sich  im  hiesigen  Königlichen  Staatsarchive 


*)  Zuletzt  von  meinem  Kollegen  Dr.  Bahlmann  im  „Korrespondcnzblatt" 
der  Westdeutschen  Zeitschrift  Jahrg.  10  (Trier  1891)   Sp.  84/89   und  114  ff. 


204  tl.  betmei' 

erhalten  haben.  Sie  geben  uns  gelegentlich  erfreulichen  Aufschluss  über 
das  Wachsen  und  Gedeihen  und  über  die  Verwaltung  der  Dombibliothek. 
An  der  Hand  dieser  zum  grössten  Teil  noch  nicht  benutzten  Quellen 
versuche  ich  in  folgendem  die  Geschichte  der  für  unsere  westfälische 
Provinz  besonders  wichtigen  Büchersammlung  zu  ergänzen. 

Doch    vorerst    noch    Einiges    über    die    Zerstörung    der    ältesten 
Münsterschen  Dombibliothek,  von  der  wohl  kaum  ein  Rest  erhalten  ge- 
blieben ist.     Sie  hatte  lange  ihren  Platz  in  der  Vorhalle  der  Domkirche, 
im  sogenannten  Paradies,    gehabt,    bis   sie  zu  einem  guten  Teile  durch 
eine  am  7.  September  1527  entstandene  Feuersbrunst  vernichtet  wurde. 
Der  Einzige,  der  uns  von  diesem  Brandunglück  berichtet,   ist  Hermann 
von  Kerssenbroick  *).     Zwei  Stellen  seines  Werkes  kommen  in  Betracht, 
die  hier  nach  dem  ältesten  erhaltenen  Manuskripte  angeführt  sein  mögen, 
da  die  oft  citierte  im  Jahre  1771  erschienene  mangelhafte  Übersetzung 
Ungenauigkeiten   enthält,    die   selbst  in  der  zweiten  Auflage   derselben 
von  1881  noch  wiederholt  werden.     Kerssenbroick   sagt  in  der  Einlei- 
tung zu  seiner  Wiedertäufergeschichte: 
Veterem  autem  instructissimum  et  irrecuperabilem  thesaurum  omnes  totius 
Westpbaliae  bibliothecas  nobilitate  auctorum  et  antiquitate  librorum  super- 
antem  flamma  cum  paradiso   eius  repositorio  aono  1527  die  7  Septembris 
absumpsit.    In  ea  enim  autographa  multorum  auctorum   et  libri  ex  corti- 
cibus  arborum  facta  conservata  fuisse  dicuntur 
und  dann  in  seiner  Erzählung  der  Ereignisse  aus  dem  Jahre  1527: 
Nee  solum  KnipperdolliDgns,   sed   ne  factiosorum  quisquam  liaguae  suae 
frenum  iniicere  eaoique  a  mordacibus  suis  dicteriis  et  obloquiis  in  ponti- 
ficios  continere  potuit.     Cum  enim  septimo  die  Septembris   per  incuriam 
eorum,  qui  plumbeas  laminas  tecti  paradisiaci  consolidatioDe  firmiori  refi- 
cerent,  (ubi  forte  ignem  negligeotius  custodivissent)  paradisum  episcopalis 
iudicii  consessum  nocturna  flamma  corripuisset  ac  non  tantura  teclum,  sed 
etiam  admirandae  vetustatis  bibliothecam,  irreparabilem  totius  Westphaliac 
thcsauram,  in  qua  praeter  Codices  ex  arborum  libris  confectos  multorum 
quoque  doctorum  virorum  autographa  aliaque  insignia  ipsius  Caroli  Magui 
monamenta  conservata  extiterunt,   absumpsisset   et  in  cineres  convertisset, 
atque  illud  incendium  bonos  vires  maxime  doctos  ad  lacrimas  effundendas 
fere  commovisset,   factiosi  rident,   cachinnantur,  prae  gaudio  exultant  .  .  . 
Wir  dürfen  annehmen,  dass  schon  bei  diesem  Brande  leider  viele 
unersetzliche  litterarische  Schätze  ein  Raub  der  Flammen  geworden  sind, 
und  müssen  hinzufügen,    dass,    was  etwa,    wie  die  stattliche  Sammlung 
Rudolfs  von  Langen,  noch  gerettet  wurde,  sehr  bald  darauf  zu  Grunde 


')  Corfeys  Nachricht   (Geschichtsquellen  des  Bistums  Münster  Bd.  3 
(Münster  1856)  S.  326)  geht  gewiss  auf  Kerssenbroick  zurück. 


Zur  Geschichte  der  MünsteMchen  Dombibliothek.  205 

ging  bei  dem  wQsten,  vaDdalistischen  Xreiben  der  Anabaptistea.  Kerssen- 
broick  schrieb  sein  umfaDgreiches  Werk  zwischen  den  Jahren  1566  und 
1573.  £r  sagt  ausdrücklich,  dass  zu  seiner  Zeit  die  Bibliothek,  die 
sich  damals  an  der  rechten  Seite  des  oberen  Stockwerkes  im  Kapitel- 
hause  befand,  nur  unbedeutend  ausgerüstet  gewesen  sei ;  sie  habe  nur  ans 
wenigen  Werken  bestanden,  Geschenken  des  gelehrten  Hermann  von  dem 
Bosche  und  des  Domdechanten  Rotger  Schmising').  Wie  wir  weiter 
unten  sehen  werden,  sind  diese  Zuwendungen  an  die  Dombibliothek  in 
ihren  Hauptmassen  erst  im  Jahre  1548  gemacht  worden. 

Ganz  systematisch  in  der  Vernichtung  der  noch  gebliebenen  Druck- 
werke und  Manuskripte,  der  Urkunden  und  Privilegien,  der  Ratsproto- 
kolle, Gerichtsakten  und  Rentenverzeichnisse  gingen  gleich  beim  Beginn 
ihrer   Herrschaft    die  Wiedertäufer    vor.      Kerssenbroick    weiss   zu    be- 
richten,  wie  am  24.  Februar  1534  nicht  nur  die  Reliquien  und  Zier- 
rate  des  Doms   und   anderer  Kirchen   ihrer  Zerstörungswut  zum  Opfer 
fielen,    sondern  wie   an   diesem  Tage   mit   anderen  Büchern   zusammen 
auch   die   an  Handschriften  reiche  Sammlung  Rudolfs  von  Langen  zer- 
rissen und  verdorben  wurde*).     Bald  darauf  fährt  er  fort: 
Qaicquid  ex  superioribus  motibus  in  templis  integrum  relictum  fuerat,  dis- 
perditur;  libros  ex  omnibus  templis  in  campum  dominicum  congestos  cum 
literis  consignatis  exurunt,   libros  vero  rationum   et  acta  iudicialiam  cau- 
sarum  discerpant  ac  per  vicos  disiieiunt, 
und  erzählt   endlich,    wie  um  die  Zeit  des  Sonntag  Lätare  (15.  März) 
1534   auf  Mattfays'  Geheiss   alle  Bücher   mit  Ausnahme   der  Bibel  auf 
den  Domplatz  zusammengetragen  und  dort  verbrannt  wurden^). 


^)  „Bibliotheca  in  guperiori  tabiilato  (seil,  domus  capitularis)  ad  dextram 
parumestinstructa,  cum  tantum  habeat  quosdam  auctores  ex  donatione 
M.  Hermanni  ßuschii,  de  nobili  genere  orti  ac  viri  citra  controversiam  doc- 
tissimi  poetacque  lauro  insigniti,  ac  Domini  Rotgeri  Smysingi  decani**. 

*)  Den  richtigen  Text  hat  schon  Bahlmann  a.  a.  0.  Sp  88  gegeben. 
Seine  Auffassung  im  Gegensatz  zu  der  flüchtigen  und  irrigen  Übersetzung  ist 
durchaus  zutreffend.  Auf  Langeu's  Bibliothek  beziehen  sich  wohl  die  Worte 
des  Frankfurter  Bürgermeisters  Justinian  von  Holtzhausen,  der  aus  dem  Lager 
von  Munster  berichtet:  ^sagen  wunder,  wie  ein  schone  liberie  sie  verprent 
haben,  geacht  über  zehen  dansent  gülden  wert,  on  die  privilegia  und  änderst'^. 
(Geschichtsquellen  II,  342). 

^)  „Circa  dominicam  Laetare,  quae  fuit  15  Martii,  idem  ille  Matthis- 
son  praecipit,  ne  quis  in  urbe  cuiuslibet  generis  auctores  seu  libros  praeter 
vetus  et  novum  testarnentum  habeat,  contrectet  seu  legat ;  hos  enim  solos  ad 
salutis  negotium  suffleere;  reliquos  vero  omnes  ad  campum  dominicum  illico 
perferant.   Quo  eum  incredibilis  libroruin  multitudo  perlata  fuisset,  qui  etiam 

W«ttd.  Zeitsohr.  f.  Gesch.  n.  Kunst.    XIY,   II.  15 


206  H.  Detmer 

Diese  wiederholt  schon  verwerteten  Angaben  Kerssenbroicks,  der 
sehr  oft  aus  gleichzeitigen  Quellen  schöpft^),  geben  uns  ein  dnixhaus 
richtiges  Bild  von  der  fanatischen  Art,  wie  die  Wiedertäufer  die  litte- 
rarischen Erzeugnisse  der  früheren  Zeit  verwüstet  und  mit  den  wich- 
tigsten rechtlichen  Dokumenten  aufgeräumt  haben.  Anschaulicher  noch 
wird  es,  wenn  wir  die  Thatsachen  aus  dem  Munde  der  dem  Zerstörungs- 
werk Nahestehenden  selbst  berichtet  hören.  Schon  am  29.  Januar  1535 
giebt  Johann  Klopriss  in  seinem  Verhöre  zu  Brühl  an:  ,,Was  da  ist 
gewesen  van  briefen  und  siegeln  und  bucheren,  auch  der  stat  Privile- 
gien, das  sie  alles  verbrant^).**  Johann  von  Leiden  äussert  sich  in 
seinem  Bekenntnisse  am  24.  Juli  1535  zu  Dülmen:  „Item  sin  die  brieve 
und  segeile,  vort  Privilegien,  regesteren  und  alle  ander  bueke  und  reke- 
nongen  in  dem  upruere  durch  Johan  Thisen  bevel  int  irst  verbrant 
worden,  und  dat  durch  der  oirsacken,  so  alle  ding  gemein  sin,  gein 
eigendomb  wesen  und  niemantz  meher  erbeiden,  sonder  sich  allein  auf 
Got  verlaeten  solde^).*'  Ganz  Ähnliches  bekennt  Enipperdollinck  in 
seinem  Verhöre  am  selben  Tage^j  und  gleichzeitig  gesteht  Krechling: 
„Item  dieweil  auch  aller  menschen  ja  sal  ja  sein,  neen  neen,  derhalven 
hebben  se  alle  ehre  segele,  breve  und  register  umbracht  und  verbrant, 
up  dat  man  damit  kein  woker  weder  dryven  könne  ^^j.^  Eine  Flug- 
blatt endlich  aus  dem  Jahre  1535  „die  Ordnung  der  Widerteuffer  zu 
Münster*'  betitelt  ^^),  hat  einen  Abschnitt  „wie  es  zu  Münster  ergangen 
ist  von  der  zeyt,  alls  die  statt  ist  beleger t  worden**.  Die  hier  geboteneu 
Nachrichten,  die  zum  grössten  Teil  in  die  Münstersche  Bischofschronik 
übergegangen  sind,  gehen  auf  den  Bericht  des  Hermann  Ramert  zurück  '^), 
eines  gewesenen  Anhängers  der  Wiedertaufe,  der  am  19.  Juni  1534 
heimlich  Münster  verliess,  um  die  durch  Hille  Feiken  beabsichtigte  Er- 


ultra  viginti  millibus  florenorum  valebant,  in  ignem  ibi  excitatum  coniecti  in 
favillam  rediguntur**  .  .  . 

')  Die  zuletzt  angefahrte  Stelle  ist  der  „Warhafftigen  Ilistoria*'  des 
Dorp  (Strassburg  1536)  entnommen  (Bl.  C.  4^).  Dieselbe  Quelle  benutzte 
Ilamelmann  (Opera  geneal.  bist.  ed.  Wasserbach.    Lemgoviae  1711  S.  1221). 

^  Niesert:  Miinsterische  Urkundensammlung  I  (Coesfeld  1826)  S.  1:^2. 

^)  Geschichtsquellen  II,  374. 

»)  G€schichtsquellen  II,  378. 

^0)  Niesert  a.  a.  0.  S.  194. 

")  Abgedruckt  in  der  Zeitschrift  für  vaterl.  Gesch.  Bd.  17  (Münster 
1856)  S.  240  ff.    Einen  Originaldruck  besitzt  das  hiesige  Staatsarchiv. 

**)  Vgl-  meine  Ausführuagen  in  der  Zeitschrift  für  vaterl.  Gesch.  Bd.  51 
(Münster  1893)  S.  107  ff. 


Zur  Geschichte  der  Münsterschen  Dombibliothek.  207 

mordung  des  Bischofs  Franz  zu  verhüten.  Hier  heisst  es:  „Die  capitels 
kamer  oben  und  unden  sind  alle  fenster,  benck  und  was  darinnen  was 
zerprochen,  die  lyberey  gar  verderbt,  und  alle  bücher,  die 
darauff  waren,  verprennet,  und  die  auff  dem  chor  waren,  die 
nit  verprennet  waren,  dieselbigen  alle  zerschnitten  und  zer- 
rissen worden." 

Sicher  ist,  dass  nach  dem  Brande  von  1527  und  nach  dem  noch 
vernichtender  aufgetretenen  wüsten  Treiben  der  Wiedertäufer  von  der 
einst  wohl  recht  stattlichen  Münsterschen  Dombibliothek  Nichts,  oder  so 
gut  wie  Nichts  erhalten  geblieben  ist'^),  und  dass  mit  der  Sammlung 
von  Büchern  für  den  Dom  von.Neoem  vorgegangen  werden  musste. 

Zur  Erkenntnis  der  Geschichte,  des  allmälichen  Entstehens  und 
Wachsens  einer  neuen  Dombibliothek  in  Münster  schien  es  mir  notwen- 
dig zu  sein,  die  etwa  noch  vorhandenen  Testamente  der  Domherren  zu 
durchforschen.  Lag  doch  die  Annahme  nahe,  dass  gerade  in  den  Kreisen 
der  höheren  kirchlichen  Würdenträger  und  der  Domgeistlichkeit  hier  sich 
das  Interesse  für  das  Znstandekommen  eines  reichhaltigen  und  gut  ge- 
ordneten Bücherschatzes  an  der  Kathedrale  am  lebhaftesten  betätigen 
würde.  Eine  grosse  Anzahl  solcher  Vermächtnisse,  die  überhaupt  auch 
sonst  noch  manches  wertvolle  Material  zur  Kultur-  und  Sittengeschichte 
der  früheren  Zeit  enthalten,  sind  im  hiesigen  Königlichen  Staatsarchive 
aufbewahrt.  Sie  reichen  bis  in  die  dreissiger  Jahre  des  16.  Jahrhun- 
derts.    Ihnen  sind  die  zunächst  folgenden  Angaben  entnommen. 

Das  älteste  dieser  Testamente  und  der  damit  zusammenhängenden 
Sacbaufnahmen,  in  denen  Bücher  überhaupt  erwähnt  werden,  ist  das  des 
am  5.  Februar  1632  verstorbenen  Domvikars  Heinrich  Sternemann.  In 
dem  über  die  Nachlassenschaft  aufgestellten  Inventar  heisst  es: 

,,ltem  invenerunt  ibidem  bibliam  cum  concordantiis,  sermones  Pomerii  de 

tempore,  sermones   eiusdem  de  sanctis,  item  manipulum  cnratorum,  item 

tractatum  de  vitiis" 
und  bald  darauf  ist  in  den  Receptis  secundum  tenorem  inventarii  vermerkt : 

„Hos  libros  distribuimus  inter  amicos  domini  testatores*^. 
Dann  folgen  der  Zeit  nach  mehrere  Testamente,  die  über  Bücher  Nichts 
enthalten,    so   die  des  Kanonikus  Wilhelm   Staell   (1534),    des  Vikars 
Arnold  Lübbeken  (1535),    des  Dechanten  Heinrich  Hake   (1537),    des 


'')  Unter  den  von  Staender  in  seinem  Catalogus  chirographorum  (Bres- 
lau 1889)  S.  192  angeführten  32  Handschriften  der  Dombibliothek  könnten 
der  Zeit  nach  hier  höchstens  6,  die  Nummern  3,  52,  347,  355,  380  und  381 
in  Betracht  kommen.  Anhaltspunkte,  wann  sie  der  Bibliothek  einverleibt 
wurden,  finden  sich  nicht. 

15* 


208  H-  Detmer 

Domherrn  Philipp  von  Hoerde  (1538),  des  Vikars  Hermann  Mersch- 
mann  (1538).  Einen  Einblick  in  eine  reichere  Büchersammlung  er- 
halten wir  erst  durch  das  Testament  des  Jobannes  Hertogen  genannt 
van  Camen,  der  am  15.  September  1541  als  Domvikar  verstorben  ist. 
Sein  letzter  Wille  ist  vom  13.  M&rz  1536  datiert.  Die  Hauptmasse 
seiner  aufgesammelten  Werke  vermachte  er  einem  gewissen  Dietrich 
Scheve.  Ich  führe  von  ihnen,  weil  sie  Bezug  haben  auf  die  Wieder- 
täufer-Litteratur,  folgende  an:  „Bericht  und  antwortb  brodor  Johann is 
Heller  up  etzliche  falsche  artykell.  Bescheytlick  und  unstrafflich  ant- 
wortb up  de  duytschen  artykell  Bernhard!  Rothman  durch  Ghristia- 
num  Adelphum  Stenerensem.  Noch  unstraffliche  und  merckliche 
antwortb  des  selffte  up  44  artykell  Dirici  Buytmanss.  Catapultum  fidei 
in  plerosque  pseudopropbetas  Johannis  Daventriensis.  Noch  eine 
disputation  Petri  und  Diriri  Buytmanss.  Malleolnm  christianum 
Johanne  Hellero  authore:  assertiones  eiusdem  unici  baptismatis  contra 
anabaptistas.^^  Den  Dom  bedenkt  der  Erblasser  zwei  Mal,  indem  er  der 
Marien-Kapelle  am  Umgang  sämtliche  geschriebenen  Teile  des  Breviers 
schenkt  und  ferner  bestimmt:  „Josephum  et  Egesippum  de  hello  Judaico 
in  de  gcrkameren  to  leggen."  Dass  Alles  wirklich  geschehen  ist,  be- 
zeugen nicht  nur  die  Worte  im  Rechenschaftsberichte  der  Testaments- 
vollstrecker, sondern  die  jetzt  der  Königlichen  Paulinischen  Bibliothek 
angehörige  Josephus-  und  Hegesipp- Ausgabe  von  Mailand  1513  trägt 
noch  heute  die  von  gleichzeitiger  Hand  schön  eingetragene  Notiz: 

„Hunc  librum  donavit  et  assignavit  Dominus  Johannes  Kamen  huic  sacrario 

ecciesiae  maioris  Monasterii  anno  1541^. 

Nirgends  geschah  bisher  einer  Dombibliothek  Erwähnung.  Auch 
noch  in  der  Computatio  executorum  des  am  18.  April  1546  verstor- 
benen Domherrn  Andreas  Valcke  werden  die  im  Inventar  namhaft  ge- 
machten Bücher,  darunter  Emsers  Übersetzung  des  Neuen  Testaments, 
die  Responsiones  Doctoris  Gropper  contra  Bucerum,  ein  Speculum  Saxoniae, 
unter  die  Neffen  des  Valcke  verteilt  **)  Aber  im  folgenden  Jahre  finden 
wir,  und  zwar  gleich  in  ziemlich  bedeutsamer  Weise,  die  ersten  Spuren 
einer  neuen  Büchersammlung  fQr  den  Dom.  Der  Urheber  einer  solchen, 
oder  wenigstens  derjenige,  der  zuerst  etwas  Wesentliches  für  die  Neube- 
gründung einer  Dombibliothek  gethan  hat,  ist  der  gelehrte  Domdecfaant 
Rotger  Schmising,  von  dessen  Geschenkgebung  uns  auch  Kerssenbroick 
erzählte.     Er  starb  am  23.  Januar  1548.     Das  für  uns  wichtige  Testa- 


^*)  Reccpta  de  bonis  inventis :  Item  ibidem  invcnimus  nonnallos  libros, 
qaos  reposuimus  pro  filiis  fratris  domini  testatoris. 


Zur  Geschichte  der  Münsterschen  Dombibliothek.  209 

ment  trägt  das  Datum  des  3.  November  1547  und  hat  in  dem  hier  in 
Betracht  kommenden  Abschnitt  folgenden  Wortlaut: 
„Item  Corpora  utriusque  iuris  cum  doctoribus  et  alios    quoscumque  libros 
meos   selectiores   et   qui  digni  videbuntur  executoribus,  nt  reponantur  ad 
bibliothecam  novam,  do  ecclesiae  Monasteriensi  ibidem  in  usum  com- 
munem  reposcendos,  salvo  quod  ca'pellano  meo  domino  Johanni  Norder- 
mann,  si  aliquot  ex  libris  huiusmodi  sibi   utiles  commendatos   et  ad  vitam 
suam  privatim   ntendos  petierit,   illud  ipsum  concedi   et  permitti  debeat. 
Item  domino  Joanni  de  Aquis  concionatori  do   et  lego  Originis  opera  per 
Erasmum  recognita  in  duobus  voluminibus". 
£r  vermachte  also  seine  sämtlichen  Bücher  mit  wenigen  Ausnahmen,  so 
weit  seine  Exekutoren  sie  für  passend  dazu  erachten  würden,  der  Dom- 
kirche, damit  sie  zu  einer  neuen  Bibliothek  und  zum  allgemeinen) 
öffentlichen  Gebrauch  aufgestellt  werden      Dass  also  vor  Schmisings 
Legat  eine  Dombibliothek   hier  in  Münster  noch  nicht  wieder  bestand, 
das   geht   aus   diesem  Testamente   mit   grösster  Sicherheit   hervor   und 
wird  weiter  bestätigt  durch  die  schriftlichen  Yermerkungen,  die  sich  in 
einzelnen   der  früher  in  Schmisings  Besitz  gewesenen  und  jetzt  auf  der 
Pauüna   befindlichen  Bücher  in   deutlichen  Zügen   erhalten  haben.     So 
heisst    es    beispielsweise   im   Lexicon    biblicum    per  Andream   Placnm, 
Coloniae    1543,    und   im  Compendium   iuris   canonici  Petri  Ravennatis, 
Coloniae  1507: 
„Y.  D.  Rotgerus  Smisiuck  decanus  maioris  ecclesiae  Monast.  logavit  hunc 
librum  eidem  ecclesiae  ad  bibliothecam  instruendam  anno  1548** 
und  in  der  Baseler  Ausgabe  des  Eusebius,  Hieronymus  etc.  von  1536: 
3Y.  D.  Rotgerus  .  .  .  pro  institueuda  bibliotheca". 

Im  Inventar  wird  leider  kein  einziges  der  Schmisingschen  Bücher 

dem  Titel  nach  angeführt,  wohl  aber  die  Zahl  derselben  genau  genannt. 

Es  lautet  dort: 

9  .  .  .  Dicti   domini   executores  ...    in   dicta   stuba   quadraginta   novem 

libros  in  asseribus  compactos  magnos  et  viginti  duos  alios  libros  parvulos 

etiam  in   asseribus   compactos,  item   quinquaginta  octo  libros  magnos  et 

parvos  in  pergamenis  compactos  una  cum  nonnuUis  aliis  libris  incompactis''. 

Es  waren   also   neben   einigen  ungebundenen  49  grosse  (Folio)  und  22 

kleine  (Oktav)  Bücher  in  Holzband,  sowie  58  grosse  und  kleine  Bücher 

in   Pergamentband,    zusammen   mithin   129   Bände.      Der   grösste  Teil 

derselben  wird  den  verschiedenen  theologischen  Disciplinen,    sowie  dem 

Kirchenrechte  angehört  haben. 

Neben  dieser  seiner  eigenen  Zuwendung  für  eine  neue  Dombiblio- 
thek in  Münster  hat  Rotger  Schmising  in  seinem  Testamente  noch  eine 
andere   wichtige  Yerfügung   getroffen   und   damit   den    ausgesprochenen 


210  H.  Detmer 

Willen  eines  seiner  Freunde  und  Verwandten,  des  berQhmten  Huma- 
nisten Hermann  von  dem  Busche,  erfüllt.  Wir  erfahren  hier,  dass 
Buschius  selbst,  der  grösste  westfälische  Gelehrte  und  Dichter  seiner 
Zeit,  seine  sehr  ansehnliche  und  an  Schätzen  reiche  Bibliothek  nach 
seinem  Tode  (1534)  für  Studienzwecke  im  Besitze  der  Münsterschen 
Domkirche  hat  wissen  wollen.  Danach  ist  die  Angabe  des  oft  unge- 
nauen Hamelmann'^)  zu  berichtigen,  als  ob  Schmising  das  Domkapitel 
bestimmt  habe,  die  Buschius'sche  Sammlung  zu  kaufen,  und  als  ob  der 
Bruder  Hermanns,  der  Mindener  Domdechant  Burchard  von  dem  Busche, 
erst  darauf  hin  sie  dem  Kapitel  freigebig  schenkte. 

Die  Bibliothek  Hermanns  von  dem  Busche  war  im  Laufe  der  Zeit 
—  wir  können  nicht  mehr  feststellen,  ob  die  ganze,  oder  nur  ein  Teil 
derselben  —  in  die  Hände  Schmisings  gelangt.  Da  dieser  nach  des 
Mindener  Domherrn  Tode  (1542)  dessen  Testamentsvollstrecker  gewesen 
ist,  so  mögen  damals  schon  die  Bücher  nach  Münster  gekommen  sein, 
um  mit  Zustimmung  auch  der  Wittwe  des  Humanisten  nach  dessen  Ver- 
fügung dem  Dome  zugeteilt  zu  werden.  Längere  Zeit  war  das  unter- 
blieben.    Jetzt  bestimmte  Schmising  letztwillig: 

„Item  sunt  adhuc  apud  me  libri  quondam  domini  Hermanni  Bnschii  per 
ipsum  et  demum  post  eins  obitum  uxore  ipsius  manifestante  idqne  rat  um 
et  gratum  habente  capitulo  et  ecclesiae  Monasteriensi  donati  et  ad  biblio- 
thecam  novam  nunc  nondum  inchoatam  in  ecclesiae  et  studiosorum  usum 
reponendi.  Quod  cum  hactenus  nondum  factum  sit,  velim  et  rogo,  ut  quam 
primum  fieri  poterit  executores  mei  curare  diguentur,  ut  dicti  libri  ad  re- 
positorium  novum  in  dicta  bibliotheca  ad  hoc  praeparatum  bono  ordioe 
reponantur,  idque  fiat  sano  iudicio  peritorum  et  harum  rerum  experientiam 
habentium''. 
£r  fährt  aber  unmittelbar  fort: 

„Quoniam  quidem  inter  dictos  libros  pleraqne  Lutheri  et  aliorum  maxime 
recentiorum   schismaticorum  et  hereticorum   opuscula,   quae   meo   iudicio 
melius  fuerit  in  bibliotheca  non  reponi,  sed  vel  perdeuda  vel  sine  offendi- 
culo  utenda  doctis  ac  piis  viris   committere;   inter  hos  praecipue  velim 
domino  Patre  in  domo  Fontissalientis  ^^;  eiusque  opera  et  consilio  utantur 
executores,   condigna  sibi   et  domui   remuneratione  pro   laboribus  ut  par 
est  de  meis  salva''. 
Also  einige  Schriften  Luthers  und  Werke  anderer  „Ketzer"  sollen  aus- 
geschieden, und  deren  Verbleib  soll  abhängig  gemacht  werden  von  dem 
Urteile  gelehrter  katholischer  Männer,  in  erster  Linie  von  dem  des  Vor- 


^^)  A.  a.  0.  S.  312.    Sie  ist  dann  weiter  in  neuere  Werke  übergegangen. 
"}  Damals  Johannes  Crampe.    Vgl.  Zeitschrift  fUr  vaterl.  Gesch.  Bd.  6 
(1843)  S.  98. 


Zur  Geschichte  der  Münsterschen  Dombibliothek.  211 

Stehers  im  Fraterbause.     £iQ  anderer  Fall  ganz  ähnlicher  Art  wird  ans 
weiter  unten  begegnen. 

Wieder  müssen  wir  hier,  und  zwar  mehr  noch,  als  bei  den  Werken 
Schmisings,  beklagen,  dass  das  Inventar  keine  einzige  Titelangabe  macht. 
Es  wäre  von  grossem  Interesse  gewesen,  wenn  wir  auf  diese  Weise  die 
ganze  Büchersammlnng  kennen  gelernt  und  auch  dabei  erfahren  hätten, 
welche  „ketzerischen**  Werke  der  gelehrte  und  immer  streitbare  Humanist 
nach  und  nach  fflr  sich  gewonnen  hatte.     Nur  Qber  die  Zahl  der  Bücher 
erhalten  wir  auch  hier  Aufschluss: 
»Ascendentes  cameram  supra  stubam,  in  qua  inveneruut  septuaginta  quin- 
que  libros  in  asseribus  et  viginti  quinqae  libros  in  pergamenis  compactes; 
olim  ad  quondam  magistrum  Hermannum  Buschium  spectant  .  .  .** 
£s  sind  also  genau  100  Bände.     Im  Rechenschaftsberichte  endlich  lesen 
wir,  dass  die  Schmisingschen  Bücher  alle,   von  denen  des  Buschius  nur 
die  75  Holzbände  dem  magistro  fabricae  übergeben  wurden 
„ad  novam   bibliothecam   bono   ordioe  reponendam  maiorem  et  meliorem 
partem,  reliquos  cum  iudicio  domioi  patris  Fontissalientis  iuxta  clausulam 
testamenti  legendos  et  seponendos*'. 
Die   25   in  Pergament  gebundenen  Werke  sind   hier  also  nicht  wieder 
besonders  erwähnt. 

Schon  Hamelmann  ^^)  bemerkt,    dass  die  Buschius'sche  Bibliothek 
reich  ausgestattet  gewesen  sei  mit  in  Italien  gedruckten  Werken.     Das 
bestätigt  sich  vollständig,  wenn  ich  nun  ganz  kurz  den  Titel,  den  Druck- 
ort und  das  Druckjahr  der  20  verschiedenen  Werke  aufführe,    die  ich 
bis  jetzt  als  aus  dem  Legate  des  Humanisten  stammend  in  der  König- 
lichen Paulinischen  Bibliothek  aufgefunden  habe.     Alle  tragen  von  der- 
selben schönen,    gleichzeitigen  Hand,    die  die  Geschenke  des  Schmising 
kenntlich  macht,  die  Notiz: 
„M.  Hermannus  Baschius  assignavit  (donavit,  legavit)  hunc  librum  biblio- 
thecae  maioris  ecclesiae  Monasteriensis''. 
Aristotelis  libri  logici.    Paris,  1510. 
Aristotelis  opera  a.  Jo.  Argiropolo,  Hermolao  Barbara  ....  traducta. 

Venetiis,  1505. 
Verschiedene  Schriften  des  Aristoteles,  Theophrast,  Alexander  Aphro- 

disiensis  Theodore  Gaza  interprete.     Venetiis,  1504. 
Decem  librorum  moralium  Aristotelis  tres  conversiones.   Paris  1505.   Mit 

mehreren  Beibänden. 
Maximi  Tyrii  sermones,  Cossuo  Paccio  interprete.     Romae,  1517. 
Piatonis  opera  a  Marsilio  Ficino  traducta.    Paris,  1518. 
Homeri  Odyssea.    Argentorati,  1510. 


")  A.  a.  0.  S.  312. 


212  H.  Detmer 

Bessarionis  Cardinalis  Niceni  iu  calumniatorem  Platoois  II.  4.    Venetiis, 

1503. 
Strabo :  de  situ  orbis.   Veuetiis,  1502.    Mit  Solinus :  do  mirabilibus  mundi. 

Brixen,  1498. 
Justioi  historiae.    Yenetiis  1507.    Mit  Orosius.   Yenetiis,  1499  und  Li- 

gurinus  S.  1.  e.  a. 
Ovidii  Metamorphoses   cum   Raphaelis  Regii   enarrationibus.     Yenetiis, 

1509.    Mit  Terentius.    Yenetiis,  1497. 
Seuecae  Tragoediae  cum  commentariis  Bernhardini  Marmitae  et  Danielis 

Galetani.    Yenetiis,  1498.    Mit  Macrobius.   Yenetiis,  1500  und  Galenus. 

Yenetiis,  1494. 
Commentationes  Philippi  Beroaldi  in  Suetonium.    Yenetiis,  1510. 
Yitruvius  per  Jocundum  castigatior  factus.    Yenetiis,  1511.    Mit  Lactan- 

tius  Firmianus.     Yenetiis,  1509. 
Yitruvius,  Sextns  Julius  Frontinus,  Angeli  Politiani  Panepistemon.  Yenetiis, 

1493.    (Sammelband  mit  vielen  Beibänden). 
Raphael  Yolaterranus :  commentariorum  urbanorum  libri.  Mediclani,  1513. 
Textus  de  sphera  Jobannis  de  Sacroboseo.    Paris,  1507. 
Opus  Cyrilli  Patriarchae  Alexandrini  in   evangelium  Joannis,  a  Georgio 

Trapezontio  traductum.     Paris,  1508.    Mit  Arrianus,  quem   latinitate 

donavit  Barthol.  Facius.    Pisauri,  1508. 
Epistolae  Sancti  Hieronymi.    S.  1.  1496. 
Job.   Franc.     Pici   Miraudulae  liber  de  Providentia  Dei   contra   philo- 

sopbastros,  1508.     Mit  Probi  instituta  artium,  1509 ;  libri  paraphraseos, 

Themistii.    Yenetiis,   1499;    Epitoma   Jobannis   de   Monte   Regio    in 

Almagestum  Ptolemaei.    Yenetiis,  149Q. 

Wir  sehen,  die  meisten  der  Bücher  sind  Ausgaben  griechischer 
und  lateinischer  Klassiker,  und  in  einem  Bande  sind  häufig  verschiedene 
Werke  zusammengebunden.  Bei  einer  weiteren  von  mir  beabsichtigten 
sorgfältigen  Durchforschung  des  Bücherbestandes  in  Münster  wird  sich 
gewiss  der  Katalog  der  Busche'schen  Sammlung  wesentlich  vervollstän- 
digen lassen.  Ich  hofife,  einen  solchen  in  nicht  ferner  Zeit  bibliographisch 
genau  veröffentlichen  zu  können.  Jedenfalls  genügt  wohl  diese  Probe 
schon,  um  darzuthun,  dass  durch  die  Schenkung  des  Buschius  an  die 
Münstersche  Doinkirche  der  engeren  Heimat  des  Dichters  ein  wertvoller 
Schatz  litterarischer  Seltenheiten  erhalten  geblieben  ist.  Dafür  hat  es 
glücklicher  Weise  nichts  verschlagen,  dass  das  Domkapitel  schon  in  den 
Jahren  1588  und  1589  sich  seines  reichsten  Bücherbesitzes  selbst  ent- 
äusserte, indem  es  denselben  den  eben  angelangten  Jesuiten  zum  Geschenke 
machte.  Es  mag  in  der  ersten  Freude  darüber  geschehen  sein,  dass 
der  Lieblingswunsch  des  am  23.  Oktober  1586  verstorbenen  thatkräftigen 
Dechanten  Gottfried  von  Raesfeld  sich  erfüllt  hatte,  und  die  Mitglieder 
der  Gesellschaft  Jesu  festen  Fnss  in  Münster  fassten.     Die  meisten  der 


Zur  Geschichte  der  Münsterseben  Dombibliothek.  213 

Bttsche'schen  Bücher  (von  den  angeführten  bilden  nur  zwei  eine  Aus- 
nahme) tragen  den  Vermerk:  „Liber  Societatis  Jesu  Monasteriensis  1588 
(oder  1589)  dono  rev.  et  nob.  capituli  ecclesiae  cathedralis."  Wie  die 
Bachersammlung  der  Jesuiten  in  Münster  den  eigentlichen  Stamm  der 
heutigen  Königlichen  Paulinischen  Bibliothek  bildet,  so  gehören  die  Werke 
aus  dem  Besitz  des  Busch  mit  zu  ihrer  schönsten  Zierde. 

Aus   dem   Schmising'schen  Testamente    sei   schliesslich   der  Voll- 
ständigkeit wegen  noch  folgende  Stelle  angeführt: 
„Item  Goesswynn  van  Raesfelt  zelliger  tho  Empten  hefft  my  irtydtz  etz- 
licke  Juristen  boyke  gelenth,   der  eyn  deyll  in  tydt  der  wedderdopischeu 
uproir  bynnen  Münster  verbleven,  doch  den  mheren  und  besten  deyll  noch 
by  my  vorhanden,  uod  synt  alle  grothe  volumina  in  bredder  myt  brunen 
ledder  overthogen   gebunden,   so  dat   se  van  mynen   und  zelligen  Buschii 
bokeren  woU  tho  unterscheiden  und  tho  erkennen,  und  synth  in  alle  noch 
twelff  stucke  edder  volumina.    Desolven  zall  men  Goissens  zelliger  vorges. 
erven  wedder  tho  stellen,  und  vor  de   umbgekomen  boiker  vorges.  eyns 
geven  twintich  daler,  der  se  doch  nicht  werdt  (myns  achtens),  so  se  schorn 
vorhanden  weren'^. 
Diese  zwölf  juristischen  Bücher  wurden  nach  dem  Rechenschaftsbericht 
den  Erben  zugestellt. 

Jetzt  war  wenigstens  in  Münster  eine  Dombibliothek  wieder  vor- 
handen ;  und  wenn  sie  auch  nicht  zahlreiche  Bücher  enthielt  (die  Schmi- 
sing*sche   und  Busche'sche  Sammlung  ergeben  vereint  ja  nur  höchstens 
229  Bände),    so   konnte    der  wertvolle  Inhalt   doch   einigermassen  ent- 
schädigen.    Für  eine   numerische  Vergrösserung   der   Bibliothek   bieten 
die  erhaltenen  Testamente  der  Domgeistlichkeit  in  den  zunächst  folgenden 
Jahren  keinen  Anhaltspunkt.     Entweder  ist  von  Büchern  gar  nicht  die 
Rede,    oder  es  werden  zwar,    wie  bei  dem  Pastor  zu  St.  Michael  und 
Domvikar  Eberwin  Wegener  im  Testamente  vom  30.  Okt.   1581,  einige 
wenige  Bücher  genannt,  ohne  dass  über  deren  Verbleib  eine  Bemerkung 
hinzugefügt    wird.       Im  Inventar   des  Domherrn   Rutger  Ketteier   vom 
29.  März    1582   (das    Testament  vom    18.  Febr.   1574   bietet  Nichts) 
sind  im  Ganzen  neun  Werke  namhaft  gemacht,  dann  aber  heisst  es  weiter : 
„Noch  181  stuck  bücher  mehren  teils  in  octavo  in  bredder  und  pergamen 
gebunden,  darunder  veel  scholasticalia  gewesen,   welche  alle  in  specie  zu 
designiren  die   hern   executoren   unvonnötea   erachtet,   dan   dieselben  in 
einen  grossen  koriT  zusamen  gethaa  uud  verschlosseu". 
Die  Exekutoren  werden  mehrfach  mit  Büchern  bedacht.  .  Ich  führe  ein 
Beispiel  aus  dem  Testamente  des  Vikars  Ulrich  Verne  (stirbt  am  4.  Juni 
1575)  an,  das  nebenbei  auch  des  Klosters  zu  Ueberwasser  gedenkt. 
„Ick  geve  den  hern  zu  Overwater  up  dat  huiss,  dar  se  plegeu  tho  etten, 
myne  bibeln,  concordantias  maiores  sacrae  scripturae,  Calepinum  und  Lau- 


214  H.  Detmer 

rentii  Vallae  clegantiaruin  libros  io  brederen  gebunden,  der  up  dem  baiss 
ad  mensam  tho  gebruicken.    Dem   dechen  gove  ick  myne  coUectanea,  die 
ich  gescbreven   und  colligeirth   up   de  evangelia  und  epistolas  durch  dath 
jair,   und  homiliarium    tomos  Eckii  de  tempore    et   sanctis  dre  boche  und 
oich  postillen  Konninckstein  de  tempore   et  sanctis  in  eucn  boke  und  so 
he  noch  welck  sunderlinges  begerde  ^%  dat  hie  myner  daii  by  gedencke  in 
synen  gebede.    Die   anderen  myne   boke   geve  ick  mynen  handtgetruwen 
nha  ehren  willen  tho  gebruken". 
Am  häufigsten  sind  Schenkungen  an  Verwandte  und  Freunde.     Freilich 
stellt   sich    der  Nachlass    an  Büchern    nur   selten   als   ein   grosser  dar. 
Ganz   ansehnlich  für  die  damalige  Zeit  war  nur  die  Bibliothek  des  am 
19.  Oktober  1571  als  Pastor  zu  St.  Jakob  verstorbenen  Berthold  Travel- 
manu.     Ans   dem  Inventar   lassen   sich  im  Ganzen  334  Bände  beraus- 
rechnen,  darunter  ein  Manuskript  auf  Pergament,   „liber  statutorum  seu 
privilegiorum  der  kercken  Sunth  Jacob**.     Titelangaben  finden  sich  sonst 
nicht   im  Inventar.     Mit  Ausnahme   der  Werke   des  Chrysostomus  und 
des  Beda  sowie  des  Katechismus  Francisci  Sounii  and  weniger  anderer 
Schriften,  die  einzelnen  Verwandten  besonders  vermacht  wurden,  fiel  im 
Testamente  die  ganze  Sammlung  den  Neffen  des  Verstorbenen  zu.     In- 
teressant ist  hier  wieder  die  Einschränkung,  die  Travelmann  macht,  mit 
Bezug  auf  nicht  gut  katholische  Bücher: 

„Dewyle  ick  oick  etliche  suspecte  authoren  hebbe  manck  mynen  boikeren, 
de  verbodden  sinth  van  der  hilligen  Romischen  kercken,  sie  sinth  dan 
Philippi,  Brentii,  Lutheri  etc.  und  etliche  mehr,  de  oick  van  mir  iu  ein 
register  sint  upgeschreven,  de  solt  nicht  in  die  voirgeschreven  gyffte  ge- 
taldt  syn.  Dan  myn  entlich  will  und  begher  is,  dath  de  dem  w.  bereu 
üecano  Beatae  Mariae  Virgiuis  und  pastori  Divi  Lamberti  werden  overge- 
lauget;  und  van  dennen  syn  ich  begheren,  datt  iro  w.  und  1.  de  boike  nicht 
sunder  ergerniss  konde  gelesen  werden  wolden  tor  stundt  verbernen,  und 
so  etlichen  geraden  der  to  verkopen  gelherden,  godtfruchtigen  preisteren, 
datt  sodaine  gelde  moichte  umb  Gods  wylleu  gegeven  werden;  so  oick 
etliche  dair  van  ime  geraden,  armen  preisteren  to  geven,  sette  ick  alles  an 
der  beiden  guiduncken,  als  ire  w.  und  1.  in  sodanen  vall  voir  sick  gedaiu 
hebben. 

Wiederholt  werden  auch  die  Büchernachlasse  durch  die  Exeku- 
toren  zum  Verkaufe  ausgesetzt.  Dann  wird  der  Einband  genauer  be- 
zeichnet und  der  Wert  der  einzelnen  Werke  abgeschätzt.  Den  ersten 
Fall  der  Art  hier  finde  ich  bei  der  Nachlassenschaft  des  Domherrn 
Theodor  von  Merveldt  (st.  1585).  Da  es  immerhin  von  Interesse  ist, 
zu  erfahren,  welchen  Geldwert  man  damals  einzelnen  litterarischen  Er- 


^^)  Recepta:   Insuper  ad  libitum  suum  delegit   pro   singulari  quadam 
memoria  canones  proviucialis  concilii  Colouiensis. 


Zur  Geschichte  der  Münsterschen  Dombibliothek.  215 

Zeugnissen   beilegte,    so  lasse  ich   ans   dem  Inventar  wenigstens   einige 
Notizen  hier  folgen: 

Des  hilligen  Romischen  Richs  Abscheidt   ein  Volumen  in  weiss  ledder 
gebunden  in  fol.  4  Mk. 

Corpus  iuris  civilis  in  quinque  partibus  in  folio  mit  roiden  ledder  ge- 
bunden, gantz  neuw,  46  Mk.  8  sh. 

Consilia  Wesenbecii  3  Mk.  G  sh. 

Nicephorum  in  fol.  mit  weiss  pergamein  gebunden,  3  Mk. 

Opera  Ciceronis  in  novem  tomis  in  octavo  mit  wissen  ledder  gebunden,  3  Mk. 

Observationes  Latinae  linguae  Schon  .  .  .  5  sh. 

lAurentii  Yallae  elegantiae  .  .  .  3  sh. 

Jamblichi  de  mysteriis  Aegyptiorum  in  decimo  sexto  2  sh. 

Hippocratis  opera  medica  in  octavo  5  sh.  4  d. 
£in  späterer  Rechenschaftsbericht  tlber  das  Inventar  des  Johannes  Lo- 
man   (st.  1634)   giebt  an,    dass   dem  Aestimator   fQr  die  Abschätzung 
von  58  Werken  im  Gesamtwert  von  48  Reichsthalern  19  sh    für  seine 
Mahewaltnng  6  Schillinge  bezahlt  wurden. 

Wir  sehen,  kein  einziges  der  bisher  seit  Schmisings  Gabe  ange- 
fahrten Testamente  bedenkt  die  Dombibliothek.  So  konnte  der  Dechant 
Gottfried  von  Raesfeld  am  15.  Juli  1586  wohl  sagen:  „Nachdem  eine 
liberie  des  thnmbcapittnls  von  bucheren  sehr  bloss  nnd  leddigh  ist.** 
Aber  er  knüpft  an  diese  Worte  ein  Legat,  durch  das  er  den  Anspruch 
hat,  wenn  nicht  als  Neubegründer,  so  doch  als  wesentlichster  Förderer 
der  Bibliothek  zu  gelten.  „Sein  schönes  Portrait,  offenbar  ein  Meister- 
werk eines  (Hermann)  Zum  Ring*^),**  schmückt  noch  heute  den  statt- 
lichen Saal  der  Königlichen  Panlinischen  Bibliothek  und  ruft  in  dank- 
bare Erinnerung  znrück,  dass  seiner  Gabe  ein  guter  Teil  der  älteren 
Bacherschätze  verdankt  wird. 

Gottfried  von  Raesfeld,  der  in  der  Münsterschen  Geschichte  als 
einer  der  Thatkräftigsten  wirkte  in  unermüdlichem  Kämpfen  für  katholische 
Lehre  und  für  katholischen  Glauben  im  Sinne  der  Gegenreformation, 
hat  anch  für  die  Umgestaltung  und  Festigung  wissenschaftlicher  Bildung 
rastlos  gearbeitet.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  genauer  darauf  einzugehen. 
Er  hat  kein  Opfer  gescheut,  seinen  Zweck  zu  erreichen,  und  in  diesen 
Kreis  seines  Wirkens  fällt  auch  die  Vervollständigung  der  Dombibliothek. 
Im   ersten   Zusatz   zu   seinem  Testamente^")    vermachte   Raesfeld 


^')  Nordhoff:  Denkwürdigkeiten  aus  dem  Münsterischen  Humanismus 
(Münster  1874)  S.  21. 

'^)  Das  Haupttestament,  bereits  vom  9.  August  1575  datiert  und  im 
hiesigen  Staatsarchiv  im  Original  erhalten,  hat  kein  auf  die  Bibliothek  bezüg- 
liches Legat.    Den  uns  interessierenden  Text  der  Zusatzbestimmungen,   die 


216  H.  Detmer 

dem  Domkapitel  am  15.  Juli  1586  alle  seine  „gate,  bestendige  und 
catholische  bucher  zum  vortheill  einer  instruirter  und  beständigen  liberien*. 
Ein  besonderes  Verzeichnis  der  Bücher  soll  aufgenommen  werden.  Zur 
Herstellung  einer  sicheren  Verwahrung  der  Bücher  durch  Ketten  sind 
100  Thaler  angewiesen.  Wer  vom  Domkapitel  mit  der  Aufsicht  und 
Verwaltung  der  Sammlung  betraut  sei,  der  solle  für  seine  Mühe  jähr- 
lich die  Zinsen  eines  dafür  zu  belegenden  Kapitals  von  100  Thalem 
geniessen.  Doch  erscheint  es  Raesfeld  gleich  darauf,  dass  mit  diesem 
Legat  „zu  stendiger  underhaltungh  bemelter  liberien  nit  allerdings  ge- 
holffen  und  gedienet"  sei,  und  so  vermacht  er  weiter  500  Reichsthaler, 
ans  deren  jährlichen  Zinsen  „obgedachte  bibliothec  alle  jar  and  zu 
ewigen  dagen  sali  underhalten,  augmentirt,  zugekaufft  und  verbessert 
werden  an  guten,  bestendigen  bucheren,  Sonderlings  so  viell  die  religion 
belangt,  keine  bucher  kauffen,  die  nit  der  warer,  orthodoxer  catholiscber 
religion  gemess  und  unver hotten  sein".  Zu  dem  für  die  Besoldung  des 
Bibliothekars  ausgesetzten  Kapital  von  100  Thalern  fügt  er  ein  weiteres 
von  200  Thalern  hinzu.  Endlich  soll  dem  Domkapitel  jährlich  um 
Martini  oder  an  dem  darauf  folgenden  Tage  über  die  Verwaltung 
Rechenschaft  abgelegt  werden,    und  im  Notfall  soll  Visitation  eintreten. 

So  weit  das  Testament,  das  nicht  nur  eine  für  die  damalige  Zeit 
ansehnlich  reiche  Zahl  guter,  alter  Bücher  unverteilt  beisammen  hielt  und 
der  öffentlichen  Benutzung  zugänglich  machte,  sondern  das  auch  Vor- 
sorge traf  für  die  Erhaltung  guter  Ordnung,  für  die  Kosten  der  Ver- 
waltung und,  was  die  Hauptsache  ist,  das  endlich  auch  noch  Mittel 
gewährt  zur  Vervollständigung  des  Bücherbestandes. 

Ein  Verzeichnis  der  geschenkten  Werke  ward  dem  Wunsche  Raes- 
feld's  entsprechend  im  Jahre  1589  vollendet  und  ist  in  der  Paulinischen 
Bibliothek  aufbewahrt^*).  Im  Grossen  und  Ganzen  gibt  es  noch  heute 
Zeugnis  von  der  Reichhaltigkeit  und  dem  Werte  der  Sammlung  haupt- 
sächlich auf  theologischem  und  kirchenrechtlichem  Gebiete.  Nur  schwach 
ist  das  Fach  der  Profangeschichte  vertreten  **).  Aber  schon  Bahlmann 
führt  mit  Recht  an,  dass  sich  leider  genau  nicht  feststellen  lasse,  was 
Raesfeld  an  Büchern  besass.     Das  verhindern  später  gemachte  Titelein- 


im  Archive  nur  in  gleichzeitigen  Abschriften  beruhen,  hat  schon  Bahlmann 
a.  a.  0.  Sp.  115  ff.  abdrucken  lassen. 

*0  Ms.  Nr.  258  (Nr.  754  des  Staender'schen  Kataloges). 

'^)  Aus  der  Gesamtsumme  von  1443  Bänden  entfallen  884  auf  die 
Theologie,  nur  85  auf  die  Geschichte. 


Zur  Geschichte  der  Münsterschea  Dombibliothek.  217 

tragnDgen,  die  nicht  immer,  besonders  zuletzt  nicht  mehr,  als  Zusätze 
zum  alten  Stamm  der  Bibliothek  zu  erkennen  sind.  Einzelne  Perga- 
mentblätter sind  mit  dünnen  neu  beschriebenen  Papierseiten  überklebt, 
durch  die  die  alten  Titelvermerke  noch  mehr  oder  minder  deutlich  hin- 
durchscheinen. Ganze  Papierlagen  wurden  eingefügt.  £s  scheint  mir, 
als  habe  der  Katalog  bei  einer  späteren  Bücherrevision  mannigfache 
Veränderungen  erfahren.  Leider  sind  auch  niemals  die  Druckorte  und 
Dmckjahre  der  verschiedenen  Werke  angeführt.  Nur  eine  Durchmuste- 
rung des  gesamten  alten  Bücherbestandes  der  Paulina  an  der  Hand  dieses 
Kataloges  würde  ein  annähernd  getreues  Bild  des  einst  Raesfeldschen 
Besitzes  geben.  Erleichtert  wäre  diese  Mühe  vielfach  schon  dadurch, 
dass  zahlreiche  Bücher  auf  dem  figurenreichen  Deckel  noch  heute  das 
Raesfeldsche  Wappen  vereint  mit  dem  Merveldtschen  tragen. 

Raesfeld  hat  übrigens  einige  seiner  Bücher  auch  anderweitig  ver- 
macht. In  seiner  dritten  ^Additional-Disposition^  verfügt  er:  « Meine 
bueber,  so  auff  dem  hause  Lüdinckhausen  sein  in  die  kirche  gehörigh 
und  sonsten,  sollen  bei  dem  hause  Lüdinckhausen  verpleiben  ^  Für- 
sorge für  unbemittelte  Studierende  bekundet  die  Bestimmung:  „Item 
meine  böche,  die  ich  dannocli  ein  gude  anthall  habe  und  velle  daran 
gelecht,  für  irsten  die  Scholasticalia  so  viell  der  etlichen  Studenten  dienen 
mochten  und  nicht  so  vermögend  seindt  zu  kauffen  und  lust  haben  zu 
Studiren,  dass  sie  denen  umb  Gottes  willen  gegeven  und  ausgetheilet 
werden."  Und  endlich  fördert  Raesfeld  den  Plan  für  eine  besondere 
Büchersammlung  an  der  Kollegiatkirche  zu  St.  Mauritz  mit  folgenden 
Worten :  „Item  zu  erbowung  einer  liberien  zusteur  verordne  ich  einmals 
zu  verrichten  zwantzigh  Reichsthaler  eins  und  zwei  block  oder  planken 
druger  geschnittener  bredder,  und  dannoch  etliche  übrige  bocher  zu  bathe 
und  behueff  derselben  liberien  in  macht  einer  verzeichnus  verordne  ich 
bei  coUegiatskirche  zu  S.  Mauritz."  Über  diese  geplante  Sammlung 
habe  ich  weitere  Nachrichten  nicht  gefunden. 

In  sofern  eigentlich  erst  Raesfeld  die  Münstersche  Dombibliothek 
numerisch  und  einem  vielseitigen  Inhalte  nach  auf  eine  Höhe  brachte, 
von  der  aus  sie  wohl  mit  ähnlichen  Sammlungen  an  anderen  Orten 
wetteifern  konnte,  so  wird  er  auch  heute  noch  als  der  Neubegründer 
derselben  betrachtet.  Nur  dürfen  wir  nicht  vergessen,  dass  er  hoch- 
herzig ein  Werk  fortsetzte  und  durchführen  konnte,  das  schon  fast  40 
Jahre  vor  ihm  der  Dechant  Rotger  Schmising  geplant  und  begonnen 
hatte.  Von  seinen  Zeitgenossen  ist  Raesfeld  dankbare  Anerkennung 
geworden.     Der   Chronist   Melchior   Röchell   hebt   rühmend   sein  Legat 


2l8  H.  Detmer 

hervor*');  und  es  fehlt  auch  nicht  die  Dichterstimme,  die  ihn  preist 
und  seine  Gabe  besingt.  In  dem  schon  oben  erwähnten  1589  vollen- 
deten Kataloge  wird  zuerst  ein  Auszug  aus  dem  Raesfeldschen  Testa- 
mente gegeben,  dann  folgt  von  einem  unbekannten  Verfasser: 

In  reverendi  ac  nobliis  D.  Godfridi  a  Rassveld  Decani  Bibliothecam  Encomiasticon. 
Sacro  Godfridus  reverendus  in  ordine  Christi 

De  Raesfeldiaca  nobilitate  satus, 
Yivus  et  in  terris  et  vivus  in  aethere,  cleri 
Westvalici  verum  perpetuumque  decus, 
5  Nobilis  ut  vita,  sie  claro  nobilis  ortu 

Yirtute  enixus  vincere  stemma  suum. 
Consiliis  pollens  prudentibus  egit  id  unum, 
Publica  qua  posset  parte  luvare  bona. 
Hoc  monumenta  locis  diversis  edita  clamant, 
10         Hoc  obiecta  ocuUs  Bibliotheca  probat. 
Cuius  si  pretium,  si  docta  volumina  spectes, 

Natio  per  terras  vix  dabit  ulla  parem. 
Hie,  reverendo  Del  mystes,  venerande  sacerdos, 
Munere  praescripto  quod  mediteris  habes. 
15  Hie  tibi  sunt  licitae  dulcissima  fercula  mensae, 
Hie  est  cui  figas  oscula  blanda  venus. 
Hie  Jovis  aeterni  flamen  mysteria  pandit, 

Hie  resonat  celsi  Musa  beata  poli, 
Hie  vetus  in  variis  loquitur  lex  edita  linguis 
20  Et  cum  Mose  quidem  qoisque  Propheta  Dei. 

Hie  tuba^^)  victoris  qui  nunc  cum  patre  triumphat 

Te  vocat  ad  sacrae  proelia  militiae, 
Et  quao  victuro  manibus  vibranda  sit^^)  hasta, 
.  Et  quae  sint  sanctis  arma  movenda  canit. 
25  Hie  cum  discipulis  uno  docet  ore  magister, 
In  coelum  recta  qua  gradiare  via. 
Quae  patres,  eadem  ti:aduDt  documenta  nepotes. 

Unus  in  bis  loquitur  Spiritus,  una  fidcs. 
Adsunt  aethereo  profuso  lumine  docti, 
80  Omnia  qui  scriptis  explicuere  suis, 

Qui  res  obscuras  verbis,  sermone,  figuris 

Non  liquere  rüdes  usque  latere  vires, 
Qui  loca,  quae  certa  coUidi  parte  vidcntur, 
Conciliaverunt  acribus  ingeniis. 
35  Haereticis  si  quid  blasphemo  prodiit  ore 
Divini  Stratum  militis  ense  iacet, 


*')  Geschichtsquolleu  des  Bistums  Munster  III  S.  92. 
")  Ms.:  tibi. 
»<>)  Ms.:  Sic. 


Zur  Geschichte  der  Miinsterschen  Domhibliothek.  219 

Dogmata  sectarum  quasi  sint  oracula  divum 

Quae  prima  facie  fronteque  sola  vides, 
Sed  iungas  patres  sponsaeque  examina  Christi 
40  Unica  quae  veri  firma  columna  datur, 

Vana  videbuntur  mendacia,  somnia,  fraudes 

Clarius  in  medio  quam  solet  axe  dies. 
Ut  dictis  Sit  firma  fides,  hos  perlege  libros, 

Ordine  qui  iuxta  conveniente  iaceut. 
45  Qui  cupit  annales  veterum  cognoscere,  fidos 

Remm  custodes,  tempora,  facta,  viros, 
Hie  habet  historicos  teuui  non  aere  coempto^, 

Qui  vere  referunt  ordine  cuncta  suo. 
Quae  snb  naturae,  sub  Mosis  lege  per  orbem, 
50  Sub  Christi  variis  gesta  notata  locis, 

Quae  sub  gentili  sunt  observata  popello, 

Sub  recutitorum  plebeque  Christiadum, 
Et  demnm  toto  quicquid  memorabile  mundo 

Et  calamo  dignum  perpetuare  fuit. 
55  Nee  tibi,  qui  calles  divina  volumina  iuris, 

Ipsa  manus  Crassi  larga  negavit  opes 
Quicquid  iuris  habet  conscriptum  pagina  libris. 

Hie  tibi  suppeditat  non  sine  laude  locus. 
Ins  tibi  vis  canonum,  tibi  vis  civile,  librorura 
60  Copia  fecundo  praebet  utrumque  stilo. 

Non  leges,  non  qui  rationis  acumine  legum 

Nodos  dissolvunt,  cernis  abesse*')  viros. 
Ut  iudex  iusto  lites  examine  discat, 

Ut  tribuat  cunctis  vindice  iure  sua, 
65  Ut  defendantur,  qui  sunt  sine  crimine  noxae, 

Ut  sontes  poenae  subiiciantur,  habes. 
Vulnera  qui  curas  dextro  vel  ApoIIine  febres, 

Quae  multum  valeant,  hie  tibi  parta  vides, 
Quae  vis  naturae,  quae  vis  innata  sit  herbis, 
70  Quae  sit  in  humano  corpore  causa  mali, 

His  male  perceptis  hominum  quot  corpora  perdis, 

Aufers  quot  vitam,  queis  reparare  studes. 
Totius  haud  sophiae  generalia  dogmata  desunt. 

Hie  qui  quaerat  habet,  qui  sapuisse  velit. 
75  Quisquis  amat  doctas  divinae  Palladis  artes, 

Huc  celer  accurrat  doctaque  scripta  legat. 
His  in  Musarum  campis  hortisque  Minervae 

Oblectet  sese  mentis  et  arva  colat. 
Utatur  medicus  praesenti  munere  laetus 
80  Et  qui  iura  colunt  et  cui  sacra  placent, 

Sentiat  ut  tandem  Christi  respublica  sccum. 


'')  Ms.  adesse. 


220  H.  Detmer 

Magnitici  hi  sumptus  commoda  quanta  ferant, 
Quanta  sacerdoti,  medico,  iurisque  perito, 
Toti  doctorum  commoda  quanta  gregi 
85  Sentiat  et  dicat  devoti  cordis  ab  imo: 

Haec  qui  fundavit  vivat  in  arce  Dei, 
Vivat  in  aeternum  laetus  conviva  Tonanti, 
Vivat  et  aethereis  gaudeat  usque  bonis. 
Als  Quelle  fQr  die  weitere  Geschichte  der  Mttnsterschen  Dombiblio- 
thek tritt  nun  zu  den  Testamenten  eine  Handschrift  hinzu,  die  sich  jetzt 
auf  dem  hiesigen  Königlichan  Staatsarchiv  befindet*'^).    Sie  hat  den  Titel: 
„Copiarium  Jitterarum  originalium  bibliothecae   cathedralis  ecclesiae  Mo- 
nasteriensis,  a  reverendissimo   et  perillustri  domiuo  Godefrido  a  Raesfeldt 
eiusdem  ecclesiae  decano,  aliisque  piae  memoriae  benefactoribus  fundatae 
et  instructae,  anno  1709  conscriptum.*' 

Die  ganze  Anlage  derselben,  die  zahlreichen  unbeschriebenen 
Blätter  zwischen  den  einzelnen  Abschnitten  ihres  Inhalts  weisen  deutlich 
darauf  hin,  dass  sie  gleichsam  ein  übersichtliches  Repertorium  für  wicli- 
tige  Schenkungen  an  die  Bibliothek  und  ftkr  grössere  Bücherei nkäufe  sein 
sollte,  und  dass  ursprünglich  beabsichtigt  war,  dasselbe  weiter  zu  führen. 
Das  ist  zwar  leider  nur  mangelhaft  geschehen.  Immerhin  aber  sind  die 
Angaben  wichtig  genug,  um  sie  hier  zusammenzustellen  und  sie  an  der 
Hand  einiger  Testamente  zu  prüfen  und  zu  ergänzen.  Sie  sind  in  vier 
Abschnitte  eingeteilt : 

1.  Nomina  fundatorum  et  benefactorum,  qui  bibliothecam  annuis  redi- 
tibus  seu  proventibus  pecuniariis  auxerunt. 

2.  Nomina  fundatorum  et  benefactorum,  qui  bibliothecam  libris  ia- 
struxerunt. 

3.  Fundationis  et  originalium  litterarum  autbentizatae  copiae  cum 
extractu  restantium  pensionum  ex  registris  et  computationibus  biblio- 
thecae desumpto  anno  1709. 

4.  Speciticatio  librorum  post  annum  1707  ex  mediis  bibliothecae  com- 
paratorum  eorumque  pretium. 

Wie  schon  das  Titelblatt  ergiebt,  sind  die  Verzeichnisse  im  Jalire 
1709  angelegt  worden.  Es  lässt  sich  aber  auch  feststellen,  auf  wessen 
Veranlassung  das  geschah.  Auf  der  Rückfläche  der  ersten  Seite  der 
Handschrift,  vor  dem  Titelblatte,  nämlich  befindet  sich  erfreulicher 
Weise  eine  Zusammenstellung  der  Namen  sämtlicher  Bibliothekare  der 
Dombibliothek  bis  hin  auf  Johann  Adolph  Zumhaschen,  der  im  Jahre 
1761  sein  Amt  antrat.  Im  Ganzen  sind  16  Namen  aufgeführt  mit 
näheren  Angaben,  deren  10  erste  von  einer  Hand  geschrieben  sind, 
derselben  Hand,  die  der  wesentlichste  Teil  des  Manuskriptes  zeigt.     Unter 


")  Ms.  I,  59. 


Zur  Geschichte  der  Müostersch  en  Dombibliothek.  221 

No.  10  ist  genannt  Joannes  Kording  vicarius  .  .  . ,  und  es  heisst  dann, 
immer  noch  in  denselben  Schriftzflgen,  weiter:  „obiit  anno  1707,  26 
Augusli;  post  huius  obitum  gratia  .  .  .  capituli  obtigit  mihi  Adamo 
Gerardo  Hönigh  vicario  ,  ,  ."•  Das  Todesjahr  sowie  alle  weiteren  Namen 
und  Daten  sind  dann  von  verschiedenen  Händen  eingetragen  worden. 
Der  11.  Bibliothekar  A.  G.  Hönigh  also  Hess  im  Jahre  1709  die  Ver- 
zeichnisse anlegen,  ist  vielleicht  selbst  der  Schreiber  gewesen. 

Bevor  nun  gleich  der  Inhalt  der  Handschrift  näher  angegeben 
werden  soll,  möge  zunächst  das  Verzeichnis  der  Bibliothekare  in  seinem 
Wortlaute  folgen. 

Nomina  Bibliothecariorum. 

1.  Bernardus  Bttren  vicarius  S.  Stephani,  dein  SS.  Joannis  et 
Pauli;  obiit  anno  1638,  8.  Julii.  (Über  seine  testamentarische  Ver- 
fügung weiter  unten). 

2.  Joannes  Coccius  vicarius  SS.  Laurentii  et  Vincentii,  obiit  anno 
1644,  21  Decembris.  (In  seinem  Testamente  vom  13.  August  1644 
giebt  er  über  seine  Amtsverwaltung  mit  folgenden  Worten  Rechenschaft) : 

Ad  bibliothecam  reverendissimi  capituli  quod  attinet,  sciat  reverentia  vestra 

omnes  libros  eiusdem  in  genere  mihi  commissos  quam  diligentissime  a  me 

CQStoditos,   nuUos   destructos,   deperdltos   aut  suffuratos,    aut   mutuo  aliis 

traditos,  nisi  paucis  de  capitulo  dominis,   quorum  manus  in  pulpito  ibidem 

hac  super  re  deprehendentur.    Percepta  et  exposita  pro  libris  meo  tempore 

coemptis  in  rationibus  meis   pro  bibliotheca   coufectis  clare   liquent,   quas 

rationes  meas  occasione  datas  reverendissimo  capitulo  praesontari  poterit 

et  nullam  huic  rei  ioesse  difficultatem  opinor. 

Seine  Breviere  und  die  anderen  Bücher  schenkt  Ck)ccius  testamentarisch 

armen  Studenten,    die  sich   auf  ein   geistliches  Amt  vorbereiten.     Nur 

Kerssenbroicks  Geschichte  vermacht  er  dem  Dechanten   zu  Überwasser. 

3.  Bernardus  Doerhoff  vicarius  capellae  B.  M.  V.  im  ambitu; 
obiit  anno  1667.  (Auf  seinem  Testamente,  über  das  gleich  unten 
Näheres,  ist  der  15.  Februar  1668  als  Datum  seines  Todes  verzeichnet). 

4.  Bernardus  Eneyerbein  vicarius  SS.  Dorotheae  et  Caeciliae  in 
armario,  obiit  1670. 

5.  Henricns  Poppe  vicarius  secundus  S.  Petri;  resignavit  anno 
1678  factus  exin  sacellanus  bursae;  obiit  vero  anno  1703. 

6.  Bernardus  Gerdeman  primissarius  capellae  B.  M.  V.  in  am- 
bitu; resignavit  anno  1681  expost  factus  sacellanus  cellerariae  et  vica- 
rius S.  Antonii. 

7.  Christophorus  Jacobus  Molle  vicarius  11,000  Virginum;  re- 
signavit et  obiit  anno  1686. 

WMtd.  Zaitaehr.  1  0«sota.  n.  Knnit.    XIV,   IL  16 


222  H.  Detmer 

8.  Godefridas  Cappios  vicarius  Omnium  Sanctoram,  resignavit 
aoDO  1691  factus  pastor  in  EwerswiDkell. 

9.  Joannes  Gerardas  Detten  vicarias  primos  4  Evangelistaram,  ia 
caius  locam  anno  1700   in  generali  capitolo  S.  Martini  substitatus  est 

10.  Joannes  Kording  vicarias  SS.  Dorotheae  et  Caeciliae  in 
armario;  obiit  anno  1707,  26.  Angusti.  Post  haios  obitam  gratia  . . . 
capitnli  obtigit  mihi 

11.  Adamo  Gerardo  Hönigh  vicario  Omniam  Sanctomm ;  obiit  1720. 

12.  R.  L.  Leachterman  vicarias  Dorotheae,  cui  anno  1730  in 
capitnlo  generali  sabstitatas  est 

13.  Josephns  Reineras  Lion  vicarias  S.  Stephani,  qni  obiit  13. 
Decembris  1741,  in  caias  locam  in  generali  capitnlo  S.  Jacobi  1742 
nominatas 

14.  Everhardas  Franciscas  Bolten,  qni  obiit  1745,  in  caias  locam  a 
generali  capitulo  nominatas 

15.  Joannes  Ignatias  Pathays,  qai  obiit  4.  Febraarii  1761,  cai 
saccessit 

16.  Joannes  Adolphns  Zamhaschen  diaconas  primas  sammi  altaris 
cathedralis.  Er  wird  im  Adresskalender  für  das  Ilochstift  MQnster 
noch  far  das  Jahr  1800  als  Dombibliothekar  angefahrt.  1801  er- 
scheint als  sein  Nachfolger  der  Vikar  Melchior  Hagebök.  Einer  gQtigen 
Mitteilang  meines  Kollegen  Bahlmann  verdanke  ich  die  Notiz,  dass  hier 
noch  im  Jahre  1816  in  der  Person  des  1818  nach  Bonn  berufenen 
Wecklein,  Professors  für  orientalische  Sprachen  an  der  hiesigen  Uni- 
versität, ein  besonderer  Dombibliothekar  fangiert  hat. 

Der  erste  Abschnitt  unserer  Handschrift  führt  die  hauptsächlichsten 
Geldlegate  auf,  die  der  Dombibliothek  zugewendet  wurden.  Nach  Er- 
wähnung der  uns  bereits  bekannt  gewordenen  reichen  Raesfeldschen 
Schenkung  wird  mitgeteilt,  dass  der  Dechant  Heidenreich  von  Lethmate 
und  der  Vikar  Hermann  Biderwandt  je  100  Reichsthaler  vermachten, 
und  dass  weitere  Legate  seitens  der  Vikare  und  Bibliothekare  Bernhard 
Büren  und  Bernhard  Doerhoff  zuflössen.  Nur  über  die  beiden  letzteren 
habe  ich  die  testamentarischen  Bestimmungen  auffinden  können.  Sie  lauten : 

1.  Büren:  Item  eiusdem  capituli  bibliothecae  obligatio  centum  daleronim 
a  domino  scholastico  Drosten  piae  memoriae  supra  praedium  Bentlage  sigil- 
lata  .  .  .  cum  pensionibas  cessis  et  cedendia  detur,  sie  tamen,  ut  inde  tres 
daleri  in  usum  et  augmentiim  librorum  quam  diu  soWuntar  a  bibliothecario 
impendantnr,  duo  daleri  Bemardo  Loman  olim  famulo  meo,  nunc  eustodi 
summi  templi,  singulis  annis  ex  perceptis  solvantur.  Post  ipsius  obitam  aliis 
tribus  eustodibus  duo  illi  daleri  dentur.    Sextum  dalerum  bibliothecarius  pro 


Zar  Geschichte  der  Münsterschen  Dombibliothek.  223 

tempore  propter  emonitionem  habeat.    (Die  noch  erhaltene  Quittung  des  Biblio- 
thekars Coccius  über  dieses  Geschenk  ist  vom  31.  August  1638  datiert.) 

2.  Doerhoff:  Similiter  ad  bibliothecam  cathedralis  ecciesiae  lego  pen- 
sionem  sesqui  daleri  in  termino  Michaelis  mihi  restantem  ex  praedio  maiore 
Storberock  in  Senden  de  anno  1633  et  omnibus  sequentibus  insolutam,  quae 
ad  50  daleros  se  extendit  hoc  anno  1665.  Etiam  ad  bibliothecam  ecciesiae 
cathedralis  lego  pensionem,  quam  mihi  debet  dominus  Korff,  dominus  in  Laer- 
kotten,  scilicet  sex  florenos  in  termino  dominicae  Palmarum  de  novem  annis 
insoluta,  nempc  de  anno  1637,  40,  46,  47,  50,  51,  53,  55,  61;  ad  haec  unum 
florenum  ex  praedio  Boiman  de  Septem  annis  restantes,  scilicet  de  anno  1636, 
37,  40,  46,  47,  50  et  51. 

Wie  schlecht  übrigens  hier,  uAd  aach  sonst  noch  häufig,  die 
Zinsen  an  die  Bibliothek  entrichtet  worden,  das  geht  aas  den  Auszügen 
hervor,  die  ans  ansere  Handschrift  im  dritten  Abschnitt  aas  den  Rech- 
nangsbüchem  mitteilt.  Probeweise  lasse  ich  die  auf  das  Bürensche 
Legat  bezüglichen  Angaben  folgen: 

£xtractas  restantiaram  pro  bibliotheca. 
Vigore  emonitoriorum  medietas  huius  pensionis,  seil.  3  Rtlr. 
(custodes  enim  et  bibliothecarius  alteram  medietatem  ip- 
sismet  in  privato  exegere  usque  ad  annum  1669)  restat 
pro  bibliotheca  de  anno  1633  usque  annum  1641  inclusive, 
sunt  duodecim  anni,  ad  36  Rtr. 

Pro  anno  1645,  46,  47  et  48  solvit  tum  temporis  colonus 
sperans  se  priorum  annorum  remissionem  a  capitulo  im- 
petraturnm,  quod  tamen  non  obtinuit.  De  annis  1649 
usque  1660,  sunt  etiam  12  anni,  hi  tres  imperiales  denuo 
restaut  insoluti  ad  36     „ 

De  anno  1661  usque  1669  ad  novem  annos  (ut  quinque  pro 

ceuto)  medietas  facit  .22     „   14  s 

Ab  anno  1670  usque  1690  utrimque  inclusive  in  compu« 
tationibus  reperitur  pro  quota  custodibus  et  bibliothe- 
cario  competente  solutos  esse  ex  mediis  bibliothecae  et 
inter  exposita  relatos  anuue  2  Rr.  20  s.,  unde  pro  illo 
tempore  integralis  pensio  ad  quinque  imperialis  biblio- 
thecae vicissim  competit   et  facit  de  modo  dictis  annis    105      „ 


Summa 

199  Rr.  14  8. 

Contra  usque  ad  annum   1690  ad  bibliothecam   soluti  et 

computati  in  toto 

ö9     „    15  „ 

Quibus  a  superiori   summa  .    .   .  subtractis  restabunt   ex 

praedio  Bentlage  ad  bibliothecam  solvendi  139  Rr.  27  s. 

salvis  restantiis  custodibus  summi  templi  et  bibliothecario 

usque  ad  annum  1670  in  privato  competentibus. 
Ab  anno  1690  usque  1708  inclusive  haec  5  imperialium  pensio 

a  cultoribus  praedii  saepedicti  rite  praestita  et  ad  com- 

putationes  relata. 


224  H.  Detmer 

Bei  der  Doerhoffschen  Schenkung  wird  die  noch  ausstehende  Ge- 
samtsumme auf  120  Kr.  15  s.  berechnet.  Dazu  bemerkt  Hönigh: 
Anno  1709,  7.  Novembris  praeinsertorum  extractus  et  clausulae  testameuti 
copiam  communicavi  domino  Bischopingh  vicario  et  emonitori  capellae  B. 
M.  y.  in  ambitu  eum  in  ünem,  ut  si  haec  capitalia  in  futurum  redimi 
contingat,  restantiarum  a  domino  Bernardo  Doerhoff  vicario  praefatae  ca- 
pellae ad  bibliothecam  legatarum  ratio  habeatur. 

Im  zweiten  Abschnitte  der  Handschrift  werden  die  Namen  derje- 
nigen angeführt,  denen  die  Bibliothek  Zuwendungen  von  BQchern  ver- 
dankt. An  der  Spitze  steht  wiederum  Grottfried  von  Baesfeld.  Erst 
nach  ihm  ist. Rotger  Schmising  erwähnt  (legavit  varios  libros),  und  dann 
folgen,  eingeleitet  durch  die  Worte:  „similiter  dederunt  varios  libros^, 
die  Namen  von  achtzehn  Wohlthätern.  Sie  sind  ohne  weitere  Bemer- 
kungen zusammengestellt,  weder  in  chronologischer,  noch  in  alphabetischer 
Folge  und  scheinen  nur  gelegentlich  aufgefundenen  Schenkungsvermerken 
in  den  Büchern  selbst  entnommen  zu  sein.     Wir  finden  verzeichnet: 

Hedenricus  a  Lethmate  decanus. 

Theodorus  a  Plettenbergh  cellerarius  et  senior. 

Arnoldus  a  Kaesfeldt. 

Temmonis  a  Bucholtz  executores.  (Er  starb  als  Domherr  am 
6.  April  1626.  In  seinem  Testamente  vom  16.  Dezember  1624  ist 
von  seinen  Büchern  nicht  die  Rede.  Doch  lesen  wir  in  der  3*^  pars 
computationis :  „Sixtinus  in  4^  pro  bibliotheca  capituli  cathedralis  ec- 
clesiae  hingelegt  und  dahin  transferiert."  In  der  jetzt  in  der  Panli- 
nischen  Bibliothek  aufbewahrten  Ausgabe  des  tractatus  de  regalibus 
Regneri  Sixtini,  Cassellis  1614,  steht  handschriftlich  eingetragen:  ^Ad 
domini  Temmonis  a  Bocholtz  canonici  .  .  .  libros  inventrizatos  spectat. 
Sui  executores  ad  usum  bibliothecae  rev.  capituli  anno  1629  transtule- 
runt  et  illi  donarunt"^). 

Bomardus  a  Mallingkrott  decanus.  (Er  starb  im  Jahre  1664. 
Seine  Schenkung,  von  der  ich  in  den  Testamenten  nichts  auffand,  muss 
sehr  reich  gewesen  sein.  Zahlreiche  Bücher  der  Paulinischen  Bibliothek 
tragen  Mallinckrodts  Namen,  darunter  den  Vermerk:  Ad  bibliothecam 
cathedr.  eccles.  Monast.). 

Nicolaus  Aid  Gehmen. 

Doctor  Batzen. 

Nicolaus  Steenlage  Ordinis  Praedicatorum  prior  in  Bispinghove  et 
per  Saxoniam  provincialis  nee  non  summae  aedis  concionator.  (Er  starb 
1589.  Neben  anderen  Büchern  wird  ihm  das  älteste  bekannte  Manu- 
skript   der  Wiedertäufergeschichte   Kerssenbroicks    verdankt.      Es   hat 


Zur  Geschichte  der  Münsterschen  Dombibliothek.  225 

auf  dem  Titelblatte  die  Notiz:  Nicoiao  Steinlagen  .  .  .  pertineo  anno 
1574.  Coias  exeeutor  .  .  .  Arnoldus  Bueren  decanus  .  .  bibliothecae 
rev.  capitnli  dono  dedit  anno  99). 

Christiauus  Cappius  vicarius. 

Michael  Dalius  typographus. 

Ludolphus  Wyseman  vicarius. 

Hermannus  Beventrup  cameralis. 

Hermannus  Biderwandt  vicarius. 

Hermannus  Buschius. 

Andreas  Yalcke.  (Das  schon  oben  angeführte  Testament  dieses  am 
18.  April  1546  verstorbenen  Domherrn  hat  Biicherlegate  nur  für  dessen 
Neffen). 

Joannes  Camen. 

Joannes  Hageboken  vicarius. 

Godefridus  Herdinck  vicarius. 
Dnreh  die  erhaltenen  Testamente  lassen  sich  die  Angaben  unserer 
Handschrift  leider  so  gut  wie  gar  nicht  ergänzen.  Ausser  in  dem  In- 
ventar des  1645  gestorbenen  Domherrn  Kaspar  Schmising  dictus  Korff, 
der  ein  ^breviarium  Romanum  in  octavo,  sambt  anderen  btlcheren,  dar 
von  ein  nngebundener  tomus  auctore  patre  Theodoro  Schmisinck,  ad 
bibliothecam  cathedralis  ecclesiae  verehret^,  finde  ich  testamentarisch 
der  Dombibliothek  nur  noch  von  Seiten  des  Bernhard  Büren  das  Kräu- 
terbuch Adami  Loniceri  vermacht.  Auf  den  ersten  Blick  scheint  das 
sehr  auffällig  zu  sein,  um  so  mehr,  da  wir  wiederholt  bei  den  Anlagen 
zu  den  Testamenten  ganz  stattliche  und  wertvolle  Büchersammlnngen 
inventarisiert  bemerken.  Aber  diese  wurden  teils  der  Familie  der  Ver- 
storbenen erhalten,  teils  —  und  das  ist  wichtiger  —  einer  anderen 
Bibliothek  zugewandt,  die,  nicht  viel  jünger  als  die  Dombibliothek,  sich 
grösseren  und  allgemeineren  Interesses  zu  erfreuen  gehabt  hat.  Das  ist 
die  Sammlung  der  Jesuiten.  Wir  sahen  sclion  oben,  wie  der  Gesell- 
schaft Jesu  sehr  bald  nach  ihrer  Niederlassung  in  Münster  vom  Dom- 
kapitel selbst  wichtige  und  ganz  gewiss  nicht  doppelt  vorhandene  Werke 
ans  der  Dombibliothek  geschenkt  wurden.  Von  der  Mehrheit  des  Ka- 
pitels begünstigt,  brachte  der  Orden  bald  auch  eine  Büchersammlung  zu 
Stande,  die  diejenige  des  Domes  schnell  an  Zahl  der  Bücher  überflügelte. 
Selbst  Verwalter  der  Dombibliothek,  wie  Büren  und  Dörhoff,  vermachten 
ihre  Druckschriften  dem  Kollegium  Societatis  Jesu.  Wie  reich  der  Zu- 
flnss  an  Büchern  dahin  war,  das  lässt  sich,  mehr  noch  als  aus  den 
erhaltenen  Testamenten,  aus  den  zahlreichen  verschiedenen  Herkunfts- 
vermerken  erkennen,  die  sich  noch  heute  in  den  Werken  aus  der  frühe- 
ren Jesuiten-Bibliothek  vorfinden. 


226  H.  Detmer 

Der  dritte  und  umfangreichste  Teil  der  Handschrift  giebt  uns 
zunächst  einen  wortgetreuen  Auszug  aus  dem  Raesfeldschen  Testament 
und  macht  uns  sodann  in  beglaubigten  Abschriften  mit  verschiedenen 
Kapital-  und  Zinsverschreibungen  zu  Gunsten  der  Bibliothek  bekannt. 
Ans  den  Rechnungsbüchern  wird  stets  dabei  vermerkt,  wie  hoch  sich 
bis  zum  Jahre  1709  noch  die  Restforderungen  belaufen.  Ich  setze  die 
Inhaltsangaben  dieser  Urkunden,  wie  sie  von  Hönigh  formuliert  wurden, 
kurz  hierher  und  fQge  jedes  Mal  die  noch  ausstehenden  Beträge  hinzu. 

1.  Litterae  sigillatae  loquentes  erga  dioecesin  Monasteriensem  super 
Sorte  capitali  800  imperialium  et  annuc  40  imperialium  reditu  in  termino 
Furilicationis  B.  M.  V.  sublevando  ex  camera  nummularia  sab  speciali  hypo- 
theca  molendini  in  Stattlohn  et  praedii  schultetici  Probstinck  in  Saetlohn, 
dat.  anno  1573,  pridie  Parificat.  —  Copia  authentica  cessionis  super  prae- 
missa  obligatione,  quam  haeredes  Gertrudis  Buren,  viduae  Michaelis  Wegandts 
consulis  in  Ahauss,  transferunt  in  Bemardum  Buren  bibliothecarium,  dat. 
anno  1620,  14  Novembris. 

Restforderung,  capitali  salvo,  bis  1678  1080  Rr.  Ab  anno  1697  usque 
huc  (1709)  ex  camera  nummularia  solutio  rite  facta. 

2.  Gutsherliche  verschreibuitg  herren  thumbkelners  Diederichen  von 
Plettenbergh  auf  Lüdke-Cappenbergs  erbe  über  100  alte  Rr.  haubtsumm  und 
6  Rr.  iährliche  renthe  in  behuef  eines  .  . .  tumbcapittels  bibliothec,  dat.  anno 
1622  in  vigilia  Epiphaniae. 

Bis  1708  belief  sich  die  noch  ausstehende  Summe  auf  428  Rr.  Hönigh 
fügt  hinzu:  Ob  tenuitatem  praedii  ad  contributiones  et  pachtas  vix  sufficien- 
tis  praescripta  pensio  in  hodiemum  usque  diem  percipi  aut  extorqueri  non  potuit 

3.  Gutsherliche  verschreib ung  .  .  .  Diederichen  von  Plettenbergh  auff 
Grote  Kendrups  erbe  kirsfpels  Sandorp  über  50  Rr.  capitali  und  3  darab  in 
termino  SS.  Philipp!  et  Jacobi  iährlicher  zinse  in  usum  bibliothecae,  dat. 
anno  1629,  1  Maji. 

Bis  1690  waren  an  Zinsen  noch  146  Rr.  14  s.  zu  entrichten.  De  anno 
1690  usque  1700  creditur  solvisse,  abinde  vero  usque  annum  1708  incl.  solutio 
indubitate  facta. 

4.  Consentbrief  .  .  .  Diederichen  von  Plettenbergh  auf  Reckevehrts 
Erbe  im  kerspel  Nienberge  sprechendt  über  50  Rr.  haubtsumb  und  3  Rr. 
jährlichs  pension  in  behuef  eines  zeitlichen  bibliothecarii,  dat.  anno  1624, 
20  Apriüs. 

Im  Ganzen  standen  bis  1690  noch  135  Rr.  14  s.  an  Zinsen  aus.  De 
anno  1691  usque  huc  consequenter  solutum. 

5.  Consentbrief  .  .  .  Diederichen  von  Plettenbergh  auf  zelleren  Schele 
und  dessen  im  kirspel  Telgt  belegenen  erbe  haftend  von  50  Rr.  capital  und 
3  Rr.  pension. 

Hönigh  sagt:  Notandum,  consensus  huius  originales  litteras  mihi  non 
esse  extraditas  nee  hucusque  reperibiles,  quamvis  expressam  de  consensu 
mentionem  faciat  dominus  Bemardus  Doerhoff  bibliothecarius  in  emonitorio 
de  anno  1645.  —  Die  Restforderung  bis  1690  ist  auf  151  Rr.  14  s.  berechnet. 


Zur  Geschichte  der  Münsterschen  Dombibliothek.  227 

De  anno  1690  usque  1700  an  et  quantam  solutem  sit  non  constat.  De  anno 
tarnen  1701  usque  1708  utrimque  inclusive  vigore  emonitoriorum  solvuntur  a 
modernis  cultoribus  dicti  praedii  Schele  annue  2V2  Hr- 

6.  Consensus  rev.  domini  scholastici  maj.  Henrici  a  Droste  super  prae- 
dio  Bentlage  parochiae  Amelbuhren  de  capitali  100  et  pensione  6  imperia- 
lium  in  usam  Bemardi  Buren  vicarrii  de  anno  1618,  28  Junii.  —  Clausula 
testamenti  quondam  domini  Bemardi  Buren. 

Testament  und  Abrechnung  sind  schon  oben  mitgeteilt. 

7.  Consensus  dominicus  rev.  domini  obedientiarii  in  Lembeck  Godefridi 
a  Droste  super  praedio  Koep  parochiae  Greven  de  sorte  capitali  50  nee  non 
3  imperialium  interesse  in  usum  bibliothecae,  dat.  anno  1625  ipsa  die  S.  Ur- 
sulae  (21.  Oct.). 

Nicht  entrichtet  siad  bis  1689  101  Rr.  14  s.  Utrum  de  anno  1690 
usque  1699  utrimque  inclusive  solutio  facta  sit,  asserere  nequeo,  cum  emoni» 
torinm  herum  annorum  mihi  non  sit  cxtraditum.  De  anno  1700  usque  1708 
solttti  sunt  annue  2Vs  Kr. 

8.  Littera  consensus  sub  manu  Henrici  de  Ledebuhr  et  Georgii  Vogel- 
poeth  uti  mandatariorum  rev.  domini  Reinardi  de  Mettemigh  obedientiarii  in 
Hiddinxell  super  praedio  Grosse  Wischman  parochiae  Bulleren  de  capitali  100 
et  sex  imperialium  annua  pensione,  dat.  anno  1626,  7  Januarii,  ex  legato  rev. 
Domini  a  Lethmaten. 

Bis  1690  sind  212  Rr.  rückständig.  Dann  gingen  his  1708  die  Zinsen 
richtig  ein. 

9.  Consensus  vicarii  10000  Martyrum  summae  aedis  Bartholdi  Huick  . .  . 
super  praedio  Niehoff  parochiae  Albersloh  ratione  capitalis  50  et  pensionis 
trinm  imperialium  ad  bibliothecam  annue  praestandae,  dat.  anno  1624, 
25.  Februarii. 

Nicht  eingegangen  waren  bis  1690  70  Rr.  14  s.  Ab  anno  1691  usque 
1708  solutio  2 Vi  imperialium  laudabiliter  continuata  est. 

10.  Gutsherliche  verschreibung  hern  Francisci  von  Lethmate,  obedien- 
tiarii in  Greving,  sprechend  auf  das  im  Eirspel  Roxell  belegene  grosse  Jock- 
weges  erbe  über  100  Rr.  haubtsumb  und  sechs  in  termino  Martini  fälliger 
zinse  in  usum  Henrici  et  Catharinae  Nunningh  coniugum,  dat.  anno  1632, 
lO.  Novembris.  —  Praemissi  consensus  dominici  cessio  Henrici  Nunningh  ce- 
dentis  in  Joannem  Kölner,  pastorem  in  Roxell,  cessionarium,  dat.  anno  1653. 
—  Altera  cessio  super  eadem  obligatione  ab  J.  E.  C.  Riccius  in  usum  Joannis 
Gerardi  Detten  tergo  prioris  cessionis  inscripta. 

l'ensiones  praescriptae  obligationis   ad  annum  1708  solutae  sunt  annue 
quinque  imperialibus. 

So  weit  die  YerschreibuDgen.  Hönigh  fügt  ihnen  schliesslich  noch 
zwei  weitere  Forderungen  hinzu,  die  die  Bibliothek  schon  seit  Jahren 
vergeblich  geltend  gemacht  habe.  Es  sei  auch  wenig  Aussicht  vor- 
handen, dass  sie  je  erfüllt  würden.  Beide  Male  handelt  es  sich  um 
abhanden  gekommene  Bücher.  Ein  Buchhändler,  Bernhard  Kracht  aus 
Schermbeck,  hat  1647  mit  Genehmignng  des  Domherrn  B.  v.  Mallinck- 


228  H.  Detmer. 

rodt  sämtliche  Werke  des  Augustinas  in  6  Bänden,  die  zasammen  aaf 
18  Rr.  abgeschätzt  waren,  erhalten,  ohne  gleich  Zahlung  za  leisten,  fQr 
die  sich  Mallinckrodt  verbürgte.  Nach  10  Jahren  bot  Kracht  bei  aber- 
maliger Anwesenheit  in  Münster  dem  Domkapitel  an  Zahlungsstatt  einige 
andere  Bücher  an,  die  aber,  weil  bereits  in  der  Dombibliothek  vorhan- 
den, nicht  angenommen  wurden.  Die  18  Rr.  sind  bis  1709  nicht  ent- 
richtet worden.  Im  selben  Jahre  1647  entnahm  Bernhard  v.  Mallinck- 
rodt aus  den  Dubletten  der  Bibliothek,  die  mit  Zustimmung  des  Kapitels 
verkauft  zu  werden  pflegten,  eine  Anzahl  alter  Bücher.  Es  waren  im 
Ganzen  17,  deren  Titel  und  abgeschätzter  Wert  genau  verzeichnet  sind. 
Von  dem  vereinbarten  Preise  blieb  die  Hälfte  mit  12  Rr.  zunächst  un- 
bezahlt. Auch  dieser  Betrag  wird  bis  zum  Jahre  1709  fortlaufend  als 
ausstehend  notiert. 

Der  vierte  und  letzte  Abschnitt  der  Handschrift  sollte  ein  über- 
sichtliches Verzeichnis  aller  Bücher  geben,  um  die  seit  1707  die  Doni- 
bibliothek  aus  eigenen  Mitteln  sich  vermehrte,  mit  Hinzusetzung  der 
dafür  gezahlten  Preise.  Entweder  ist  das  Register,  selbst  in  den  ersten 
Jahren,  nur  sehr  mangelhaft  geführt,  oder,  wenn  das  nicht  der  Fall,  so 
beweist  es,  dass  auf  Vervollständigung  der  Sammlung  durch  Ankäufe 
herzlich  wenig  verwendet  ward.  Von  Hönigh,  der  der  Bibliothek  noch 
bis  zum  Jahre  1720  vorstand,  stammen  nur  noch  zwei  Notizen  her, 
einmal,  dass  1710  auf  speziellen  Wunsch  des  Domkapitels  die  Acta 
publica  Lundorpii  in  15  Bänden  für  einen  Preis  von  137  Rr.  9  s.  4  d. 
erworben  und  für  16  Rr.  eingebunden  wurden,  dann,  dass  im  Jahre 
1715  auf  Geheiss  des  Kapitels  eine  grössere  Büchersammlung  aus  der 
Nachlassenschaft  des  Eleemosynar  Hermann  Schulte  gekauft  ist  Es 
waren  im  Ganzen  40  Werke,  und  der  Gesamtpreis  dafür  betrug  37  Rr. 
18  s.  2  d.  Ich  mache  einige  Bücher  namhaft,  besonders  diejenigen,  in 
denen  sich  noch  heute  Herm.  Schulte  als  der  einstmalige  Besitzer  nach- 
weisen lässt: 

Sporer:  theologia  moralis.  fol.  5  Rr.    3  s.    6  d. 

Imhoff :  notitia  procerum.  fol.  2  „     10  „     6  ^ 

Lud.  Engels:  ad  ius  canonicum.  4^  2  „      9  ^     4  „ 

Abraham  a  S.  Clara:  grammatica  religiosa.  4®                1  „      7  „  —  ^ 

Wilh.  Stanihurstii  tessera  militis  christiani,  et  eius- 

dem  de  passione  Christi.  8**  —  „     24  „  —  „ 

Comenii  ianua  linguarum.  8®  —  ^      3  „     6  „ 

Vinitoris  compendium  sacrorum  rituum.  8**  —  „14„— „ 

Novum  Testamentiim  in  lingua  Gallica.  8^  —  „     14  „     6  „ 

Loarte:  instructio  confessariorum.  8**  —  -      2  „     4  - 


Zur  Geschichte  der  Münsterschen  Dombibliothek.  229 

Ei*st  Pathuys  (1745 — 1761)  machte  dann  wieder  einige  Ein- 
tragungen, aber  nicht  mehr  als  11  (darunter  Gretseri  opera  omnia  in 
17  Bänden  für  85  Rr.),  und  fünf  Mal  ist  dabei  versäumt,  den  Preis 
hinzuzufügen.  £s  ist  kaum  glaublich,  dass  die  Dombibliothek  so  spär- 
lich aus  den  ihr  zur  Verfügung  stehenden  Mitteln  vermehrt  sein  sollte. 
Viel  eher  ist  anzunehmen,  dass  sehr  bald  unterlassen  wurde,  das  Ver- 
zeichnis regelmässig  weiterzuführen. 

Hier  endet  die  Handschrift,  die  als  Nachtrag  nur  noch  einige 
unwesentliche  Obligations-Urkunden  aus  den  Jahren  1737,  1744,  1746 
and  1751  enthält,  also  aus  der  Zeit  der  Verwaltung  des  Bolten  und 
Pathuys.  Weiteres  Material  zur  Geschichte  der  Münsterschen  Dom- 
bibliothek ist  im  Staatsarchive  hier  nicht  vorhanden.  Sind  auch  die 
Testamente  der  Geistlichen  im  Ganzen  nicht  sehr  ergiebig  gewesen,  und 
zwar  in  erster  Linie,  weil  später  die  Büchersammlung  der  Jesuiten  vor 
derjenigen  des  Domes  stark  begünstigt  wurde,  so  haben  sie  doch  die 
einzigen  authentischen  Nachrichten  über  den  Plan  zur  Begründung  einer 
neuen  Dombibliothek  und  über  die  Ausführung  dieses  Planes  gebracht. 
Die  Bibliothek  ist  im  Anfang  dieses  Jahrhunderts,  wie  bekannt,  in  die 
jetzige  Königliche  Paulinische  einverleibt  worden.  Wann  und  unter 
welchen  Verhältnissen  das  geschehen  ist,  darüber  werden  wohl  nur  die 
Akten  im  Provinzial-Schulkollegium  zu  Münster  Auskunft  geben  können, 
aus  denen  uns  Bahlmann  weitere  Mitteilungen  versprochen  hat.  Ganz 
sicher  ist,  dass  ein  guter  Teil  der  wertvollsten  alten  Schätze,  die  jetzt 
in  unserer  Sammlung  aufbewahrt  werden,  der  ehemaligen  hiesigen  Dom- 
bibliothek zu  verdanken  ist. 


Weatd.  Z«itoehr.  f.  Geioh.  u.  Kuait.    XIV,    II.  17 


Zur  Geschichte  der  Rheinschifffahrt. 

Ein  Vortrag  von  Eberhard  Gothein. 

Unter  den  Strömen  Deutschlands  ist  der  Rhein  nicht  nur  der 
grösste  und  wichtigste,  sein  Lauf  und  sein  Stromgebiet  sind  auch  am 
reichsten  und  mannigfachsten  entwickelt.  Seine  einzelnen  Teile  sind 
in  ihrem  natürlichen  Charakter  scharf  von  einander  unterschieden,  sie 
haben  sich  daher  auch  ein  jeder  eigenartig  für  sich  entwickeln  müssen. 
Zugleich  aber  sind  alle  Abschnitte  dieses  Stromgebietes  unter  einander 
durch  die  grosse  Wasserstrasse  zu  einer  Einheit  verknüpft  und  deshalb 
auf  einander  angewiesen.  Mag  auch  die  oberrheinische  Wirtschaftsge- 
schichte wesentlich  die  Beziehungen  ihres  Gebietes  zum  schwäbischen 
Hinterlande,  mag  die  niederrheinische  vorwiegend  den  Zusammenhang 
mit  der  Hansa  ins  Auge  fassen,  dennoch  wird  sich  weder  die  eine  noch 
die  andere  der  Aufgabe  entziehen  dürfen,  den  Rhein  als  Ganzes,  selbst 
sein  Mündungsgebiet,  die  Niederlande,  nur  als  Abschluss  des  Strom- 
systems  zu  betrachten. 

Der  Rheinlauf,  soweit  er  für  den  Verkehr  in  Frage  kommt,  be- 
ginnt mit  dem  mächtigen  Becken  des  Bodensees,  das  den  eigentlichen 
Mittelpunkt  Oberschwabens  bildet.  Nur  die  fortgesetzte  Ungunst  der 
politischen  Verhältnisse  hat  es  verhindert,  dass  Konstanz,  einst  die 
geistige  Metropole  dieser  Landschaft,  sich  auch  zu  ihrer  beherrschenden 
Stadt  ausgebildet  hat.  Eigentlich  ist  die  Gunst  seiner  Lage  nur  ein- 
mal ganz  heiTorgetreten,  als  das  grosse  Konzil,  die  bedeutsamste  inter- 
nationale Versammlung  des  Mittelalters,  diesen  Platz  wählte,  gleichsam 
als  den  gelegensten  Transitplatz  des  geistigen  Verkehrs.  Damals  Hess 
man  alle  Verkehrsbeschränkungen,  alle  Organisationen,  innerhalb  deren 
engbemessenen  Kreise  sich  sonst  das  gesamte  Wirtschaftsleben  mittel- 
alterlicher Städte  bewegte,  für  die  Dauer  des  Konzils  fallen,  und  sofort 

WeitcU  Zeitachr.  f.  Gesch.   n.  Kunst.    XIV,    UI.  18 


232  E.  Gothein 

stellte  sich  heraus,  welches  unvergleichliche  Verkehrsmittel  der  Bodensee 
bildet,  mit  welcher  Leichtigkeit  von  allen  Seiten  her  die  Zufuhren  er- 
folgten und  bei  einer  enormen  Steigerung  des  Konsums  sich  dennoch 
alle  Preise  erniedrigten*)  —  eine  Lehre,  die  einstweilen  noch  verloren 
bleiben  musste. 

Bis  Schaffhausen  erstreckt  sich  auf  dem  ruhig  fliessenden  Strom 
die  Schifffahrt  des  Bodensees,  und  auf  dieser  Strecke  sind  im  Mittelalter 
mehrfach  Versuche  gemacht  worden,  Städte  zu  gründen,  die  den  Ver- 
kehr von  Konstanz  abziehen  sollten.  Dann  beginnen  die  Hindernisse, 
welche  zunächst  bei  Schaffhausen  selbst  eine  völlige  Unterbrechung  des 
Wasserweges  veranlassen  und  hier  notwendiger  Weise  einen  Platz  des 
Güterumschlags  entstehen  Hessen.  Auf  der  Strecke  bis  Basel,  wo  sich 
der  Rhein  zwischen  Schwarzwald  und  Jura  hindurchzwängt,  besitzt  er 
wohl  überall  die  zur  Schiffahrt  nötige  Tiefe;  aber  sein  Bett  ist  von 
Felsbarren  und  Klippen  durchsetzt,  durch  welche  eine  Reihe  von  ge- 
fährlichen Strudeln  gebildet  werden.  Mit  dem  Knie,  welches  er  bei 
Basel  macht,  tritt  er  nun  in  die  oberrheinische  Ebene,  um  sie  erst  bei 
Bingen,  bei  seinem  Eintritt  in  die  Mittelgebirge,  zu  verlassen.  So  gleich- 
massig  diese  grosse,  an  Breite  zunehmende,  von  Randgebirgen  ähnlicher 
Bauart  eingerahmte  Ebene  auch  dem  Blick  erscheint,  so  verschieden- 
artig gestaltet  sich  doch  gerade  in  ihr  der  Rheinlauf.  Bis  Breisach 
reicht  noch  der  flache  Schuttkegel,  den  sich  der  Rhein  von  Alters  her 
gebaut  hat.  In  flachen  Rinnsalen  zwischen  Geröll  und  Schotterbänken, 
an  kein  bestimmtes  Bett  gebunden,  suchte  der  Strom  hier  ursprünglich 
seinen  Weg;  nur  wo  sich  Felsen  im  Überschwemmungsgebiet  selber 
finden,    oder  wo    ein  Stück    des  festen  Hochgestades    sich    dem  Flusse  i 

nähert,  bestand  ein  natürlicher  Brückenkopf.     Auch  solche  Orte  waren,  | 

wie  das  kleine  Neuenburg,  der  Gefahr  der  Unterspülung  ausgesetzt,  oder  i 

wurden,  wie  das  grössere  Breisach,  durch  den  Eigensinn  des  Flusses 
bald  dem  rechten,  bald  dem  linken  Ufer  zuerteilt.  Noch  bis  Strass- 
burg  behält  der  Rhein  im  Wesentlichen  dieses  Aussehen;  breite  Sand- 
bänke durchsetzen  überall  sein  Bett  und  verschwinden  nur  unter  dem 
Hochwasser,  um  nach  Kurzem  wieder  hervorzutreten.  Der  Rhein  ist 
in  der  That  auf  dieser  ganzen  Strecke  noch  das  „gewaltige  Wildwasser", 
als  welches  ihn  der  Mann,  der  diese  Wildheit  zuerst  gebändigt  hat,  der 
badische  Oberst  Tulla,  der  Schöpfer  der  Rheinkorrektion,  bezeichnet  hat. 


^)  Über  die  wirtschaftlichen  Begleiterscheinungen  des  Konzils  s.  meine 
Wirtschaftsgeschichte  des  Schwarzwalds  L 


Zur  Geschichte  der  Rheinschifffährt.  233 

Strassbarg,  die  natürliche  Hauptstadt  des  Oberrheins,  wo  sich  die 
Strassenzüge,  die  aas  den  Pässen  des  Schwarzwaldes  und  der  Yogesen 
herkommen,  mit  dem  Rhein  und  der  stilleren  111  schneiden,  macht  auch 
für  den  Stromlauf  den  grossen  Abschnitt.  Von  hier  ab  verändert  sich 
sein  Bild.  In  langsamerem  Laufe  gräbt  sich  der  Rhein  in  dem  lockeren 
Alluvialboden  sein  geschlängeltes  Bett.  So  lange  man  ihnen  nicht  künst- 
lich wehrt,  greifen  seine  Windungen  an  der  Seite  der  Strömung  immer 
weiter  aus,  bis  sie  zu  einer  Schleife  geworden  sind,  und  das  nächste 
Hochwasser  den  engen  Hals  derselben  durchbricht.  Dann  bleiben  die 
Altwasser  als  Spuren  des  früheren  Laufes  zurück,  sie  erfüllen  mit  ihrem 
Netze  das  ganze  breite  luundationsgebiet ;  die  Besiedlung,  die  alten 
Strassenzüge  rücken  nicht  über  den  Rand  des  Hochgestades  hinaus,  der 
auch  noch  durch  die  Erosionsarbeit  des  Flusses  beständig  benagt  in 
geschweiften  Linien,  oder  auch  in  Schollen  aufgelöst,  die  Niederung 
begleitet,  etwa  wie  im  Tieflande  die  Geest  neben  der  Werth  einhergeht. 
Nur  einzelne  Klöster,  in  früher  Zeit  mit  diesem  unsicheren  Besitze 
ausgestattet,  Honau,  Selz,  haben  sich  anfangs  in  die  eigentliche  Niede- 
rung hineingewagt.  Wo  festes  Ufer  ansteht  und  frühzeitig  die  Kunst 
der  weiteren  Befestigung  nachhalf,  konnten  auch  städtische  Ansiedlungen, 
Speier,  Worms,  später  auf  ungünstigerem  Boden  Mannheim  in  vergleichs- 
weise gesicherter  Lage  entstehen. 

Diese  Strecke  des  Flusslaufs  reicht  bis  Oppenheim.  Hier  zuerst 
tritt  der  Rhein  wieder  über  eine  Schwelle  felsigen  Bodens  und  sofort 
gewinnt  er  ein  völlig  verändertes  Ansehen,  ohne  dass  sich  die  Gefahren 
für  die  Schifffahrt  sehr  verminderten.  Durch  die  Verengung  seines 
Thaies  von  Bingen  abwärts  werden  seine  durch  die  beiden  bedeutendsten 
Nebenflüsse  vermehrten  Wassermengen  aufgestaut,  so  dass  er  zuletzt 
im  Rheingau  fast  einem  See  gleicht.  Er  greift  jetzt  nicht  mehr  nach 
Aussen,  aber  er  verändert  sich  unablässig  in  seinem  Bette  selber.  Von 
Oppenheim  abwärts  begegnen  uns  in  zunehmender  Anzahl  die  Auen, 
kleine  Inseln  von  wechselndem  Bestand.  Der  Fluss  giebt  und  nimmt 
sie  nach  Belieben.  Mir  liegt  eine  umfangreiche  Schrift  aus  einem 
Prozess,  den  Kurpfalz  mit  Kurmainz  i.  J.  1575  über  das  Eigentum 
dieser  Auen  führte,  vor  ^).  Genau  wird  hier  die  Geschichte  dieser  An- 
schwemmungen etwa  von  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  an  aufgezählt. 
Keine  einzige  dieser  Inseln,  deren  man  allein  in  der  Nähe  von  Ingel- 
heim  25   zählte,    datierte   damals   aus   älterer  Zeit.     Von  allen  waren 

>)  Bad.  Gen.  Landes-Archiv  Pfalz  Gen.  Nn  5684. 

18* 


234  E.  Gothein 

die  Schicksale  noch  in  Erinnerung;  wir  hören,  wann  sie  zuerst  er- 
schienen sind,  wie  sie  sich  verändert  haben,  wie  sie  abgespült,  ein 
Stück  abwärts  „verschoben"  sind,  oder  sich  an  andere  „angehängt** 
haben.  Fortwährend  entstehen  neue  „Sande"  und  verschwinden  bis- 
weilen schon  nach  wenigen  Jahren.  Als  ein  blosses  Geschenk  des 
Flusses  sollen  sie  auch  zum  Fluss  gehören;  das  Reich,  und  an  seiner 
Stelle  der  Pfalzgraf  am  Ehein,  macht  deshalb  allein  Anspruch  auf  sie; 
das  Rheingauer  Weistum  gab  dem  Landesherren,  dem  Kurfürsten  von 
Mainz,  nur  so  weit  Recht  am  Rheine,  als  er  mit  seinem  Pferde  hin- 
einreiten oder  mit  einem  Hammer  werfen  möchte.  Sobald  sich  eine 
Aue  über  dem  Wasserepiegel  erhob,  wurde  sie  vom  Gerichte  in  Ingel- 
heim in  Besitz  genommen  und  verliehen.  Dann  wird  sie  mit  Weiden- 
anpflanzungen notdürftig  befestigt  und  gewährt  bald  als  Jagd-,  Fischerei- 
und  Weidegrund  einen  reichen  Ertrag,  bis  sie  schliesslich  doch  wieder 
dem  Element,  das  sie  geschaffen  hatte,  zum  Opfer  fällt.  Ein  unsicherer 
Besitz  blieb  sie  auch  in  anderer  Hinsicht ;  denn  über  die  Zugehörigkeit 
herrschte  beständig  Zwist  zwischen  den  beiden  Ufern.  Es  herrschte 
hier  selbst  in  den  friedlichen  Zeiten  am  Ende  des  16.  Jahrhunderts 
ein  fast  unablässiger  kleiner  Krieg.  Wenn  die  Ingelheimer  ausrückten, 
um  die  Weiden  zu  schneiden,  läutete  man  wohl  auf  dem  rechten  Ufer 
die  Stuimglocken,  rückte  mit  bewaffneter  Mannschaft  aus  und  richteu^ 
wohl  gar  von  den  zahlreichen  Türmen  des  Rheingaus  die  Stücke  auf 
die  Auen.  Gelang  es  dann,  die  geschnittenen  Weiden  den  Nachbarn 
zu  entführen,  so  Hess  man  es  an  Spott  und  Hohn  nicht  fehlen. 

Kein  grösserer  Gegensatz,  als  wenn  man  aus  dieser  lachenden 
Landschaft,  in  der  sich  der  Fluss  breit  entfaltet,  in  die  Enge  der  Berge 
kommt.  Wieder  beginnen  mit  dem  Binger  Loch  die  Felsbarren,  die 
den  Fluss  durchqueren  und  verengen  und  der  Schifffahrt  beträchtliche 
Hindemisse  in  den  Weg  stellen.  Allein  schon  nach  der  Einmündung 
der  I^ahn  und  der  Mosel  beginnt  das  Flussbett  sich  wieder  zu  erweitem. 
Von  neuem  begegnen  uns  Inseln,  diesmal  von  festerer  Art,  nicht  leicht 
verschiebbare  Auen  wie  im  Rheingau.  Erst  bei  Köln  aber  nimmt  der 
Fluss  seinen  Tieflandscharakter  an ;  seine  Breite  und  Tiefe  nehmen  hier 
beträchtlich  zu ;  er  folgte  früher  seiner  Neigung  sich  in  Arme  zu  teilen, 
bald  in  diesen,  bald  in  jenen  die  Masse  des  Wassei-s  zu  wälzen,  und 
noch  heute  gewahrt  man  überall,  schon  von  Bonn  ab,  die  Spuren  alt^r 
Flussbette,  die  bereits  im  Mittelalter  landfest  gemacht  worden  sind. 
An  der  Stelle,  wo  der  Rhein  aus  dem  deutschen  Reichsgebiet  austritt, 
spaltet   er   sich  dann   auch    endgiltig   in  Arme  und  erreicht  damit  sein 


Zur  Geschichte  der  Rheinschifffahrt.  235 

Mündungsgebiet,  das  holländische  Delta,  lange  Zeit  hindurch  ein  schwan- 
kendes Land,  in  dem  auch  der  Rhein  seine  veränderliche  Natur  be- 
wahrt. Bedeutung  und  Blüte  der  holländischen  Städte  haben  zum 
guten  Teil  davon  abgehangen,  nach  welcher  Seite  der  Rhein  den  Strom 
richtete.  Erst  am  ICnde  des  17.  Jahrhunderts  ist  der  Waal  der  Haupt- 
strom geworden,  während  der  Leck  völlig  zu  versanden  drohte,  wie  der 
alte  Rhein  vei-sandet  war;  und  damals  glaubte  Dordrecht  Amsterdam 
den  Rang  in  der  Flussschilffahrt  ablaufen  zu  können. 

Es  ist  ersichtlich,  dass  die  Entfaltung  der  Schifffahrt  ganz  von 
den  Bedingungen,  die  ihr  durch  die  Vei-schiedenheiten  des  Stromlaufes 
jjestellt  sind,  abliängt.  Der  Verkehr  w^ar  genötigt,  die  mannigfaltigen 
Sohifffahrtshindemi^se  zu  bewältigen;  an  ihre  gründliche  Beseitigung 
dachte  erst  die  Neuzeit.  Am  ganzen  Oberrhein,  also  der  verwahr- 
losctsten  Strecke  des  Flusses,  hat  man  sich  während  des  Mittelalters 
begnügt,  den  Seitenbächen  aus  dem  Schwarzwald  ihren  Lauf  durch 
künstliche  Ijandgräben  anzuweisen  und  hat  notdürftig  genug  für  ihre 
regelmässige  Räumung  und  Herstellung  Sorge  getragen,  die  den  an- 
rstossenden  Gemeinden  oblag.  Vom  Rheine  aber  sagt  ein  Weistum, 
welches  der  Kurfürst  von  der  Pfalz  im  16.  Jahrhundert  über  seine  Ge- 
rechtsame bei  den  „Rheinleuten",  den  Vertretern  der  in  der  Pfalz  von 
I^auterburg  bis  Bachai-ach  gesessenen  Fischer,  erfragte:  „Es  ist  nicht 
Gebrauch  von  Alters  zum  Rheine  zu  bauen,  sondern  was  er  giebt  und 
nimmt,  so  ist  es  Recht".  Die  Altwasser  zumal  erschienen  wohl  gar 
als  ein  besonders  nutzbarer  Teil  des  Flusses,  denn  ihr  stilles  und 
schlammiges  Gewässer  bietet  die  besten  Fischereigründe.  In  jenem 
selben  Weistum  fragen  die  Besamten  des  Kurfürsten:  „Wie  man  die 
Altwasser  gemacht  habe?",  worauf  dann  freilich  die  Fischer  etwas 
verwundert  antworten :  „Ihres  Wissens  mache  man  die  Altwasser  nicht, 
sondern  kämen  sie  durch  die  Überschwemmungen  und  Durchbrüche  von 
selber".  Sollten  nun  auch  die  Zölle  recht  eigentlich  in  der  Hand  der 
Regalherren  für  die  Erhaltung  des  Wasserweges  dienen,  so  war  doch 
deren  Interesse,  da  man  den  Verkehr  nur  immer  glaubte  belasten  zu 
können,  weit  mehr  der  Fischerei  zugewandt.  Für  diese  hat  man  auf 
dem  Rhein  fiHhzeitig,  erst  durch  Weistümer,  dann  durch  Landesord- 
nnngen,  dann  durch  Verträge  hinreichend  gesorgt  und  eine  Verwaltung 
eingerichtet,  die,  wenn  sie  nur  auch  pünktlich  ausgeführt  worden  wäre, 
jede  Raubfischerei  verhindert  haben  würde.  Wie  wenig  man  dabei  an 
die  Schifffahrt  dachte,  zeigt  die  sonst  treffliche  Rheinordnung  des  Kur- 
fürsten Philipp  von   der  Pfalz  vom  Jahr  1488,    die   den  Fischern   nur 


236  ^'  Gothein 

auflegte,  den  Rhein  vierzehn  Schuh  breit  offen  und  unversperrt  zu  lassen. 
Immerhin  war  es  in  der  Pfalz  noch  am  besten  bestellt.  Hier  hatte 
man  schon  früh  dem  Rhein  durch  den  einen  oder  andern  Durchstich 
nachgeholfen,  hier  sorgte  man  wenigstens  seit  den  Zeiten  des  Kurfürsten 
Karl  Ludwig,  der  seine  Lehrjahre  in  der  Verbannung  in  Holland  durch- 
gemacht hatt€,  leidlich  für  die  Befestigung  des  Ufers  durch  Weiden- 
pflanzungen, und  bald  nach  der  Gründung  von  Mannheim  entwarf  der 
Deichhauptmann  dieser  Stadt,  ein  eingewanderter  Niederländer,  Pläne 
für  einen  besseren  Dammschutz  der  ganzen  Umgegend.  Hier  war  auch 
der  Dammbau  Landessache,  während  in  fast  allen  andern  oberrheinischen 
Territorien  auch  der  Schutz  vor  den  Rheinfluten  den  anstossenden  Ge- 
meinden überlassen  blieb.  Weiter  aufwärts  fand  man  denn  auch  nur  wenige 
Dörfer,  die  sich  durch  Dämme  geschützt  hatten ;  überall  sonst  bezeichnete 
der  Rand  des  Hochgestades  auch  die  Grenze  des  Überflutungsgebietes. 
Ganz  anders  war  es  mit  dem  Strombau  am  Niederrhein  und  in 
Holland  bewandt.  Eine  uralte  Kunst  des  Deichbaus,  durch  die  das 
beste  Stück  des  Landes  dem  Flusse  erst  abgewonnen  werden  musste, 
ist  hier  heimisch.  Freilich  da  hier  zunächst  die  einzelnen  Genossen- 
schaften der  Grundbesitzer  jede  für  sich  sorgte,  brachte  dies  eine  ge- 
wisse Zersplitterung  der  Thätigkeit  mit  sich.  Nicht  an  Deichen,  aber 
wohl  an  einem  Deichsysteme  fehlte  es.  Die  Regalherren  schienen  ur- 
sprünglich nur  so  weit  ein  Aufsichtsrecht  in  Anspruch  genommen  zu 
haben,  als  die  Deichbauten  des  einen  den  anderen  schadeten  oder  die 
Wasserstrasse  beeinträchtigten.  So  finden  mr  frühzeitig,  dass  holländische 
Dammbauten,  weil  sie  diesen  Anforderungen  nicht  entsprachen,  wieder 
abgethan  werden  mussten;  so  geben  noch  im  13.  Jahrhundert  die 
Landesherren  besondere  Erlaubnis,  wie  der  Erzbischof  von  Köln  den 
Bürgern  der  Stadt  Rees,  gegen  die  zerstörenden  Fluten  des  Rheinstroms 
Wälle  und  Bauwerk  zu  errichten.  Schon  im  14.  Jahrhundert  sind  hier 
die  Formen  des  Deichverbandes,  wie  er  seitdem  bestanden  hat,  ausge- 
bildet, und  wahrscheinlich  reichen  sie  in  viel  ältere  Zeit  zurück.  Auch 
in  den  Städten  war  die  Dammbaupflicht  nicht  anders  als  in  den  länd- 
lichen Gemeinden  geordnet.  Auch  wenn  der  Kölner  Rat  einen  Damm- 
bau oder  bei  niedrigem  Wasser  eine  Befestigung  des  Ufers  abwärts 
der  Stadt  beschloss,  liess  er  den  Bürgern  von  den  Kanzeln  ver- 
künden, dass  sich  jeder  am  bestimmten  Tage  selber  mit  den  nötigen 
Gerätschaften  einfinden  oder  durch  einen  starken  Knecht  vertreten 
lassen  solle'). 

^)  Köln.  Arch.  Ediktensammlung,  Dammbau  in  Poll  1575—1580. 


Zur  Geschichte  der  RheinscbifTfahrt.  237 

Als  dann  die  Landesherrschaften  erstarkten  und  den  Kreis  ihrer 
Tbätigkeit  erweiterten,  begannen  sie  am  Niederrhein  auch  sofort  mit 
eigenen  Bauten  vorzugehen,  um  mehr  Zusammenhang  in  die  inselartig 
vereinzelten  Deichsysteme  zu  bringen.  So  verwandte  schon  Herzog 
Adolf  von  Cleve  die  Schätze,  die  ihm  durch  den  Sieg  im  Cleverhamm 
zugefallen  waren,  aufs  nützlichste  in  dieser  Weise.  Im  J.  1575  gab 
dann  Herzog  Wilhelm  die  erste  ein  ganzes  Territorium  umfassende 
Deichordnung,  da  aus  dem  Mangel  einer  solchen  für  alle  Ämter  am 
Rhein  Nachteile  erwachsen  seien.  Hier  wird  die  Selbstverwaltung  der 
Deichverbände  geordnet  und  ohne  dass  sie  beeinträchtigt  wurde,  in  ihr 
Gleichmässigkoit  hergestellt.  Hieran  haben  dann  die  genaueren  Ord- 
nungen Friedrichs  des  Grossen  und  die  Gesetzgebung  unserer  Zeit  an- 
geknüpft, ohne  doch  wesentliche  Änderungen  einzuführen.  Daran  aber, 
den  Rheinlauf  selber  zu  vertiefen  und  zu  verbessern,  im  Interesse  6ßr 
Schifffahrt  wie  der  Anwohner,  konnte  Niemand  denken ;  denn  dass  man 
hin  und  wieder  einen  Rheinwörth  durch  Weidenpflanzungen  zu  befestigen 
suchte,  ist  doch  kaum  hierher  zu  rechnen.  Nur  die  Holländer  mussten 
auch  hierbei  der  Natur  jederzeit  nachhelfen,  und  die  grossen  Summen, 
die  sie  zeitweilig,  z.  B.  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts,  auf  die  Ver- 
tiefung des  Rheinbettes  verwandten,  erregten  die  Verwunderung  der  be- 
nachbarten Fürsten  und  ihrer  Räte,  die  immer  nur  gewöhnt  waren, 
vom  Rhein  Einkünfte  zu  beziehen  und  nichts  auf  ihn  zu  ver>venden. 
Erst  in  unserm  Jahrhundert  ist  das  Bett  des  Rheines  durch  die  grosse 
Korrektion,  die  von  dem  am  meisten  gefährdeten  Oberlauf  ihren  Aus- 
gang genommen  hat,  zu  dem  geworden,  was  es  heute  ist:  einer  Art 
Kunstprodukt,  einem  Werke  der  Technik. 

Es  ist  klar,  dass  die  Entfaltung  der  Schifffahrt  ganz  von 
den  Bedingungen,  die  ihr  durch  die  Verschiedenheiten  des  Stromlaufs 
gestellt  sind,  abhängt.  In  erhöhtem  Masse  war  dies  der  Fall  in  einer 
Zeit,  als  man  die  Zustände  hinnahm,  wie  sie  nun  einmal  lagen,  ohne 
an  eine  künstliche  Verbesserung  zu  denken;  Grade  in  diesen  Zeiten 
aber,  im  eigentlichen  Mittelalter  bevorzugte  der  Verkehr  die  Wasser- 
strasse. Sie  war  trotz  aller  ihrer  Hindernisse  und  Schwierigkeiten  doch 
immer  noch  bequemer  und  sicherer  als  die  meisten  Landstrassen. 
Lamprecht  hat  darauf  aufmerksam  gemacht,  wie  Karl  der  Grosse  und 
Ludwig  der  Fromme  ihre  Reisen,  wenn  es  sich  nicht  gerade  um  Kriegs- 
züge bandelte,  gerne  zu  Schiffe  machten,  wie  der  Erzbischof  von  Trier 
in  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  mit  seinem  ganzen  ritterlichen  Ge- 
folge in  40  Schiffen  ohne  die  Lastschiffe  die  Mosel  herab&hrt.     Selbst 


238  E.  Gothein 

aufwärts  bevorzugen  diese  Erzbischöfe  die  langsame  Beförderung  auf  der 
vielgewundenen  Mosel.  Die  Fischer  von  Coblenz  sind  gehalten,  sie  bis 
nach  Trier  zu  geleiten.  Ebenso  werden  im  ältesten  Stadtrecht  von 
Strassburg  die  Fischer  für  die  Beförderung  des  Bischofs  auf  seinen 
Eeisen  verpflichtet.  Abi'  auch  Kaiser  Friedrich  III.  hat  seine  Reisen 
am  Rhein  noch  wiederholt  zu  Schiffe  gemacht.  Die  Scharen  von  Wall- 
fahrern, die  grossen  Reisegesellschaften  früherer  Zeit,  miethen  regel- 
mässig ein  Schiff;  solche  Brüderfahrten  begegnen  uns  regelmässig  auf 
ihrem  Wege  den  Rhein  aufwärts.  Noch  am  Ende  des  16.  Jahrhun- 
derts bilden  sie  eine  ständige  Rubrik  in  den  Zollregistern  der  Kur- 
pfalz. Was  uns  besonders  in  Erstaunen  setzt,  ist  die  Thatsache,  dass 
selbst  auf  der  heute  unfahrbaren  Strecke  oberhalb  Basel  die  Personen 
wie  die  Waaren  auf  dem  Wasser  befördert  werden.  Der  Kaufmann, 
welcher'  über  den  Arlberg  kam,  bestieg  auf  dem  Bodensee  das  Schiff; 
derjenige,  welcher  die  Pässe  Graubündens  gewählt  hatte,  nahm  den 
Weg  durch  den  Walensee,  die  Limmat,  die  Aare  in  den  Rhein.  Zahl- 
reiche Itinerarien  berichten  von  den  Fährlichkeiten,  namentlich  auf  dem 
stürmischen  Walensee,  aber  man  blieb  bis  ins  16.  Jahrhundert  bei 
dieser  Route,  die  im  Mittelalter  selbst  Zürich  zu  einem  Knotenpunkt 
des  Schiffsverkehrs  machte.  Nachgelassen  hat  der  Personenverkehr  auf 
dem  Flusse  erst  im  16.  Jahrhundert,  gleichzeitig  mit  dem  Waaren  ver- 
kehr; und  das  weist  darauf  hin,  dass  weit  mehr  die  wirtschaftlichen 
Gründe  als  die  Unbequemlichkeiten  zu  diesem  Rückgang  Anlass  gege- 
ben haben.  So  konnte  denn  ein  kühnes  Projekt,  das  an  der  Wende 
des  17.  Jahrhunderts  die  wirtschaftlichen  Hindernisse  des  Rhein  Verkehrs 
beseitigen  wollte,  auch  sogleich  damit  umgehen,  die  Personenbeförderung 
in  grösstem  Massstab  auf  den  Strom  zu  ziehen.  Der  Nahverkehr  blieb 
so  wie  so  immer  den  Marktschiffen,  die  von  den  grossen  Stapelplätzen 
ausgingen. 

Überall  waren  auf  den  gefährdeten  Strecken  Hilfskräfte  zur  Unter- 
stützung der  Schiffer  nötig,  oder  auch  die  Schiffer  selber  beschränkten 
sich  auf  diejenige  Strecke  des  Flusses,  die  ihnen  genau  bekannt  war. 
Daraus  entwickelten  sich  je  länger,  je  mehr  die  Monopolbestrebungen 
der  einzelnen  Schifferschaften:  jede  sucht  den  Nachbar  aus  ihrem  Ge- 
biet nach  Möglichkeit  auszuschliessen,  dennoch  aber  in  das  seinige  über- 
zugreifen. Diese  Tendenzen  der  Schifferschaften  fielen  nun  wieder  zu- 
sammen mit  den  Absichten  der  Handelspolitik  der  grösseren  Städte, 
und  stets  unterstützten  die  einen  die  andern.  Der  Rheinfall  bei  Schaff- 
hausen bildete  ein  absolutes  Hindernis;  durch  die  grosse  Stromschnelle 


Zur  Geschichte  der  RheinschifEfahrt.  239 

bei  Laufenburg  liess  sich  hingegen  die  Schifffahrt  nicht  abschrecken, 
eine  eigene  Genossenschaft,  die  der  Laufenknechte,  besorgte  das  Durch- 
fahren der  Schiffe  an  starken  Seilen.  Unablässig  haderten  die  Schiffer 
von  Laufenbarg  mit  denen  von  Basel  über  das  Recht  der  Waaren-  und 
Personenbeförderung  aus  der  Schweiz.  NocV  hartnäckiger  waren  die 
Streitigkeiten  der  Basler  mit  den  bis  Strassburg  abwärts  gesessenen 
Schiffern.  Die  Geschichte  der  Schifffahrt  am  Oberrhein  bewegt  sich  fast 
ausschliesslich  in  diesen  Differenzen,  die  durch  Geering  in  seiner  Handels- 
geschichte Basels  ihre  Darstellung  gefunden  haben.  Man  kam  zu  Ver- 
trägen, in  denen  der  Rheinlauf  streckenweis  ausgeteilt  war,  und  in 
denen  noch  weiter  zwischen  den  Rechten  an  der  Thal-  und  an  der 
Bergfahrt  unterschieden  war.  Freilich  kam  schon  vor  dem  Ende  des 
16.  Jahrhunderts  die  ganze  Fahrt  auf  dieser  gefährlichen  Strecke  zwischen 
Strassburg  und  Basel  fast  ganz  in  Abgang.  Die  berühmte,  von  Fisch- 
art besungene  Fahrt  des  glückhaften  Schiffes  von  Zürich  nach  Strass- 
burg war  wohl  ein  Probestück  dieser  Schifferkunst,  aber  zugleich  auch 
ihr  Abschluss.  Für  den  Lokalverkehr  mit  dem  oberen  Elsass  genügte 
das  stillere  Fahrwasser  der  lU,  und  in  unserm  Jahrhundert  hat  es  bis 
zur  deutschen  Besitzergreifung  geschienen,  als  ob  der  Rhein  im  Elsass 
durch  die  Kanäle,  die  das  Land  mit  Frankreich  in  Verbindung  setzen, 
ganz  in  den  Hintergrund  gedrängt  werden  solle. 

Wenn  die  Strassburger  Schiffer  aus  dem  Rheinarme,  mit  dem 
sich  die  III  und  Breusch  in  ihrer  Stadt  vereinigen,  stromab  in  den  offenen 
Rhein  hinausfuhren,  so  hatten  sie  zuerst  alle  Vorsichtsmassregeln  ge- 
troffen, namentlich  aber  das  Strombett  darauf  hin  untersucht,  ob  es 
durch  hineingeschwemmte  Baumstämme  nnfahrbar  gemacht  sei.  Mit 
Pflöcken  wurde  das  Fahrwasser  abgesteckt.  Gleiche  Dienste  leistet  die 
Fischerzunft  in  Germersheim,  wie  denn  diese  überall  innungsmässig 
organisierten  Fischerschaften  die  beste  lokale  Kenntnis  des  Wassers  in 
ihrem  Bezirk  besassen.  Über  diesen  erstreckte  sie  sich  freilich  selten 
hinaus,  und  deshalb  durften  sich  auch  die  Fischer  nicht  an  der  eigent- 
lichen Schifffahrt  beteiligen,  sondern  werden  nur  als  Hilfsarbeiter  ver- 
wendet. Im  16.  Jahrhundert  war  es  üblich,  dass  die  Steuerleute,  die 
im  Gebiet  der  Abtei  Selz  gesessen  waren,  den  Rhein  aussteckten  und 
die  Schiffe  bis  gegen  Mainz  geleiteten.  Am  Mittelrhein  war  vor  Allem 
Bingen  der  Platz,  wo  man  sich  mit  Steuerleuten  versah;  ein  grosser 
Teil  der  Bevölkerung  des  Städtchens  bestand  aus  solchen.  Genossen- 
schaften, ähnlich  jenen  von  Laufenburg,  hatten  in  mehreren  der  kleinen 
Rheinstädtchen  bis  hinter  Andernach  ihren  Sitz. 


240  E.  Gothein 

Mit  besonderen  Schwierigkeiten  war  jederzeit  die  Bergfahrt  ver- 
knüpft, bei  der  man  das  künstliche  Beförderungsmittel  der  Zagpferde 
bedurfte. 

An  der  Mosel  bestand  der  Leinpfad  seit  der  Römerzeit.  Auso- 
nius  erwähnt  ihn,  und  auf  dem  Jgler  Monument  ist  zudem  ein  Kahn, 
der  von  2  Männern  geschleppt  wird,  zu  sehen.  Es  ist  daher  sehr 
wahrscheinlich,  dass  der  Leinpfad  am  Rhein,  mindestens  abwärts  Cob- 
lenz,  ebenfalls  aus  dem  Altertum  stammt.  Am  Mittelrhein  begegnete 
seine  Anlage  keinen  Schwierigkeiten.  Diese  beginnen  erst  in  grossem 
Masse  oberhalb  Speyer;  eine  gleichmässige  Fortführung  des  Leinpfades 
in  dem  Gewirr  von  Altwassern  und  toten  Armen  war  unmöglich.  Noch 
im  vorigen  Jahrhundert  bediente  man  sich  hier  statt  der  Pferde  der 
Menschenkraft,  um  die  Schiffe  notdürftig  aufwärts  zu  bringen.  So  wollen 
denn  auch  die  Klagen  über  den  Zustand  des  Leinpfades  auf  allen  Zoll- 
kapiteln der  rheinischen  Kurfürsten,  wo  man  jederzeit  auch  alle  An- 
gelegenheiten der  Schifffahrt  einer  Beratschlagung  unterzog,  nicht  ab- 
reissen.  Wohl  waren  z.  B.  in  der  Pfalz  nicht  nur  die  eigenen  Unter- 
thanen  des  Kurfürsten,  sondern  auch  die  der  übrigen  Rheindörfer  ver- 
pflichtet, auf  das  Gebot  der  kurpfälzischen  Beamten  jederzeit  an  der 
Ausbesserung  des  Leinpfades  mit  zu  helfen ;  aber  gerade  solche  Rechte, 
von  den  anderen  Territorialherren  eifrig  bestritten,  dienten  oft  dazu, 
das  ganze  Unternehmen  zu  vereiteln.  Eng  verbunden  scheint  das  Recht 
des  Leinpfades  mit  dem  Geleitsrecht  zu  sein,  wie  es  die  Sache  ergab, 
aber  auch  bei  der  Bemessung  der  älteren  Zölle  kommt  die  Benützung 
des  Leinpfades  in  Betracht.  Jedenfalls  wird  ursprünglich  die  Bergfahrt 
höher  besteuert  als  die  Thalfahrt.  Eine  Erklärung  der  Zolltarife,  als 
ob  diese  ursprünglich  ganz  frei  ausgegangen  sei,  scheint  mir  einstweilen 
noch  zu  gewagt. 

Der  wechselnde  Zustand  des  Fahrwassers  machte  die  Benützung 
von  Schiffsgefässen  verschiedener  Grösse  auf  den  einzelnen  Strecken  ge- 
radezu erforderlich.  Die  primitive  Beförderung  von  Waaren  auf  Flössen, 
wie  sie  etwa  auf  der  Weichsel  gebräuchlich  war  und  in  dem  Handel 
Danzigs  ihre  Rolle  spielt,  war  auf  dem  Rhein  niemals  von  besonderer 
Bedeutung.  In  den  bekannten  ältesten  Goblenzer  Zolltarifen  wird  zwar 
das  Floss  bei  der  Verzollung  dem  Vollschiff  gleich  gerechnet,  doch  geht 
daraus  nicht  ohne  Weiteres  auch  die  Benützung  für  den  Transport  her- 
vor. Die  Murgschiffer,  die  wichtigsten  unter  den  rheinischen  Holzflössern, 
durften  nur  ausnahmsweise  auf  ihren  aus  Sägeborden  bestehenden  Flössen 
Güter  laden.     Wohl  aber  bediente  man  sich  namentlich  oberhalb  Strass- 


Zur  Geschichte  der  Rheinschiflffahrt.  241 

burgs  vielfach  grosser,  roh  aus  Balken  ohne  Anwendung  von  Eisen,  nur 
mit  Pflöcken  zusammengefügter  Schiffe,  die  zur  Bergfahrt  nicht  tauglich 
waren  und  deshalb,  am  Ziele  angelangt,  zerlegt  und  als  Holz  verkauft 
wurden.  Auch  im  Kölner  Holzhandel,  dessen  Ordnungen  seit  dem  14. 
Jahrhundert  erhalten  sind,  kommen  diese  Schiffe,  die  zum  Materialwerte 
verkauft  werden,  vor.  Sehr  häufig  war  es,  dass  der  Schiffer  das  alte 
unbrauchbare  Schiff  überhaupt  im  Stich  Hess,  und  es  war  der  bessere 
P^all,  wenn  er  es  zuvor  aufs  Land  gezogen  hatte,  wo  es  alsdann  all- 
mählich zerfiel;  häufig  genug  begegnet  man  aber  auch  im  Fahrwasser 
den  Resten  verlassener  oder  verunglückter  Schiffe,  und  gerade  im  Kölner 
Winterhafen  wird  über  diese  Hindernisse  am  meisten  geklagt  Im 
Gegensatze  hierzu  waren  auf  dem  Rhein  oberhalb  Basel  nur  sehr  stark 
gezimmerte  Schiffe,  die  den  Felsen  und  Stromschnellen  widerstehen 
konnten,  brauchbar.  In  den  letzten  Jahrhunderten  fassten  die  Schiffe, 
die  zwischen  Basel  und  Strassburg  gingen,  höchstens  1500  Ctr.,  von 
Basel  bis  Mainz  höchstens  3000  Ctr,    von  Mainz  bis  Köln  4000  Ctr. 

So  beträchtlich  waren  die  Unterschiede  aber  doch  erst  geworden, 
seitdem  die  Ausbildung  der  Stapelrechte  jeden  durchgehenden  Schiffs- 
verkehr beseitigt  hatte.  Seit  dem  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  hatte 
man  erst  begonnen  die  grösseren  Schiffe  zu  bauen,  aber  dieser  tech- 
nische Fortschritt  erfreute  sich  keineswegs  der  allgemeinen  Billigung. 
Es  zieht  sich  vielmehr  fast  von  jener  Zeit  ab  ein  ununterbrochener, 
wenn  auch  nicht  gerade  hartnäckiger  Kampf  gegen  die  grossen  Schiffe 
durch  alle  Kapitelstage  und  alle  Verhandlungen  der  Rheinuferstaaten. 
Bald  beklagt  man  es,  dass  durch  die  grossen  Schiffe  den  kleineren  die 
Konkurrenz  unmöglich  gemacht  werde  und  befürchtet,  dass  sie,  wenn 
sie  erst  zur  völligen  Herrschaft  gelangt  sein  würden;  dem  Kaufmann 
nach  ihrem  Gefallen  die  Preise  diktieren  würden,  bald  beschwert  man 
sich,  dass  durch  sie  die  ohnehin  langsame  Verfrachtung  noch  langsamer 
werde,  weil  sie  jederzeit  mit  der  Abfahrt  warteten,  bis  sie  volle  Ladung 
hätten;  bald  befürchten  die  Kaufleute  von  ihnen  für  sich  verstärkte 
Konkurrenz,  weil  diese  kapitalkräftigeren  Unternehmer  eine  verstärkte 
Neigung  zeigten,  Handel  und  Schifffahrt  mit  einander  zu  verbinden ;  bald 
argwöhnten  die  Zollherrschaften,  dass  durch  die  erhöhte  Schwierigkeit 
der  Durchsuchung  des  Schiffsraumes  auch  die  Gefahr  des  Schmuggels 
erhöht  werde. 

Dennoch  hatten  selbst  die  grössten  dieser  Schiffe  einen  sehr  ge- 
ringen Tiefgang.  Selbst  bei  dieser  flachen  Bauart  drohte  die  Gefahr, 
auf    den  Grund    zu   geraten,    beständig.      Das  Verbot   der   Grundnihr, 


242  E.  Gothein 

ausdrücklich,  soviel  wir  wissen,  zuerst  von  Kaiser  Friedrieh  II  im  J. 
1235  zu  Gunsten  der  Strassburger,  die  dieser  Zusicherung  auch  am 
meisten  bedurften,  erlassen,  war  die  erste  Voraussetzung  aller  Sicher- 
heit der  Fahrt.  Immerhin  war  dieses  Verbot  auf  einem  Binnenstrora 
leichter  durchzusetzen  als  das  des  Strandrechtes  an  den  Seeküsten.  Bei 
so  notwendiger  Vorsicht  ging  denn  die  Reise  mit  einer  uns  unbegreif- 
lichen Langsamkeit  vor  sich.  Bei  der  Personen  fahrt,  die  sich  flacher 
Fahrzeuge,  aber  zugleich  der  Ruder  bediente,  ging  es  immerhin  etwas 
rascher  vonvärts.  Allein  die  1 9  Stunden  Fahrt  des  glückhaften  Schiffes» 
von  Zürich  nach  Basel,  während  deren  der  Breitopf  nicht  kalt  wurde, 
bleiben  eine  Ausnahme.  Das  Marktschiff  von  Mainz  nach  Frankfurt 
bedurfte  einschliesslich  der  bequemen  Mittagspause  in  Höchst  den  ganzen 
Tag,  und  die  Personenfahrt  von  Mainz  bis  Strassburg  dauerte  regel- 
mässig etwa  8  Tage.  Aber  die  Frachtschiffe  auf  dei-selben  Strecke 
konnten  bei  ungünstigem  Wasserstande  wohl  bis  an  34  Tage  brauchen. 
So  blieb  denn  auch  der  Plan  des  Kölners  Gerwin  von  Beiwegh,  im  J. 
1699  eine  Galeerenfiottille  auf  dem  Rhein  einzurichten,  die  mit  uner- 
hörter Schnelligkeit  Personen  und  Güter  befördern  sollte,  trotz  des 
grossen  Interesses,  das  ihm  die  sämtlichen  rheinischen  Kurfürsten  ent- 
gegenbrachten, ein  blosses  Projekt. 

Die  Personenbeförderung  als  der  leichtere  und  weniger  verant- 
wortliche Teil  der  Schift'fahrt  unterlag  auch  weniger  strengen  Bestim- 
mungen. Zwar  wurden  die  Übergriffe  der  Fischer,  die  sich  nach  dieser 
Seite  hin  mit  Vorliebe  richteten,  überall  zurückgewiesen,  sonst  aber 
nahm  man  es  mit  der  Regelung  der  Konkurrenz  nicht  zu  genau.  Öfters 
beschwerten  sich  die  Schiffer  hierüber,  ohne  doch  in  diesem  Punkt  viel 
zu  erlangen,  während  sonst  der  Rat  ihren  Ausschlussanträgen  immer 
ein  offenes  Ohr  lieh.  Auch  in  Strassburg  Hess  man,  als  die  Rangfahrt 
für  die  Frachten  eingerichtet  wurde,  die  Pei-sonenfahrt  frei.  Anderer- 
seits gelangte  man  gerade  bei  der  Pei-sonenfahrt  auf  den  Marktschiffen 
zwischen  nahe  gelegenen  Orten  zuerst  zu  festen  Tarifen. 

Im  Übrigen  aber  drängte  der  ganze  Zustand  des  Verkehi-swesens 
auf  eine  genossenschaftliche  Organisation  der  Schiffer  hin,  und  je  mehr 
die  Verkehrspolitik  des  späteren  Mittelalters  darauf  hinausführte,  die 
einzelnen  Strecken  des  Rheinlaufes  gleichsam  als  gesonderte  Abschnitte 
in  den  Besitz  eines  Platzes  zu  nehmen,  um  so  mehr  mussten  sich  auch 
diese  Genossenschaften  festigen  und  abschliessen.  Dahin  zwar  kam  es 
nie,  dass  sie  die  freie  Schifffahrt  auf  dem  Rhein,  die  niemand  eifriger 
als  die  mit  der  Aufsicht  über  den   ganzen  Rheinverkehr  betrauten  vier 


Zur  Geschichte  der  Rheinschififahrt.  243 

Kurfürsten  im  Munde  führten,  ganz  ausgeschlossen  hätten.  Die  Gross- 
wirtschaften des  früheren  Mittelalters  haben  den  Absatz  ihrer  Produkte, 
namentlich  der  ausschlaggebenden  Waare,  des  Weines,  noch  selber  in 
der  Hand  behalten.  Grössere  Klöster  besitzen  oft  in  ziemlich  weit  ent- 
legenen Städten  das  Recht  des  Ausschanks  ihrer  Weine,  den  sie  dann 
gewöhnlich  selber  hierher  beförderten.  Die  zahlreichen  Zollbefreiungen 
für  Landesherren  und  geistliche  Stifter  lassen  auch  später  diesen  Eigen- 
handel nicht  unbeträchtlich  erscheinen.  Ganz  regelmässig  haben  sich 
die  Hofhaltungen  mit  Schiffsladungen  von  Fischwaren  und  anderen  Pro- 
dukten Hollands  jährlich  einmal  versorgt ;  aber  je  länger  um  so  weniger 
war  es  üblich,  dass  man  sich  hierzu  eigener  Schiffe  bediente.  Die 
Statuten  der  Strassburger  Schifferschaft  stellen  aber  doch  noch  den 
Grandsatz  an  die  Spitze,  dass  ein  jeder  seine  eignen  Waren  verfrachten 
und  verführen  könne,  ohne  an  die  Zunft  gebunden  zu  sein.  Als  eigne 
Waren  gelten  aber  hier  wie  anderwärts  auch  alle  Kaufmannsgüter,  die 
erkauft  sind,  nicht  blos  der  Erwachs  auf  eigenem  Gute.  Solche  Sta- 
tuten binden  also  auch  nicht  den  Kaufmann,  dem  man  ja  nach  dem 
geltenden  Handelsrecht  nur  den  Handel  mit  selbsterkaufter  Ware  allein 
zaliess;  sie  besagen  nur,  dass  Niemand  ausser  den  Zunftgenossen  die 
Waren  Anderer  verfrachten  darf.  In  der  That  hat  der  Eigenhandel 
auf  dem  Rhein  niemals  ganz  aufgehört.  Namentlich  seit  dem  17.  Jahr- 
hundert wird  oft  darüber  geklagt,  dass  die  Schiffer  zugleich  für  eigne 
Rechnung  kaufen  und  für  andere  Frachten  besorgen  wollen.  Diesen 
wird  dann  stets,  z.  B.  in  Köln,  eingeschärft,  dass  sie  sich  entweder  zu 
dem  einen  oder  dem  anderen  Berufe  entscheiden  müssten,  verboten 
aber  wird  ihnen  der  Eigenhandel  niemals. 

Die  Schifferzünfte  am  Rhein  gehören  überhaupt  zu  den  jüngeren 
genossenschaftlichen  Bildungen  des  Mittelalters.  Freilich  berichtet  be- 
reits die  älteste  monumentale  Urkunde  der  Rheinschifffahrt,  der  rö- 
mische Neptunusstein,  der  an  der  Brücke  zu  Ettlingen  eingemauert  ist, 
von  einem  Contubernium  nautarum;  doch  mag  das  eine  Genossenschaft 
von  Flössern  oder  Fährleuten  gewesen  sein.  Die  Fischer,  als  grund- 
hörige Leute,  die  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  ein  herrschaftliches  Eigen- 
tum, das  sogar  oft  als  Regal  betrachtet  wurde,  ausnützten,  standen 
überall  in  einer  genossenschaftlich  organisierten  Fronhofsverfassung ; 
auch  für  jene  fest  ansässigen  Hilfsarbeiter  der  Schifffahrt,  wie  die 
Lanfenknechte  u.  a.  m.  war  eine  solche  angezeigt.  So  bildeten  auch 
die  Rheinarbeiter  in  Köln  und  die  „Krahnenkinder",  wie  die  Riesen- 
gestalten  der  Verlader   nicht   gerade  bezeichnend   offiziell   hiessen,   eine 


244  E.  Gothein 

Oenossenschaft  mit  strenger  Ordnung,  die  sogar  den  Lohn  gleicbmässig 
verteilte.  Die  eigentlichen  Schiffer  aber  gelangten  zu  einer  zunftm&ssigen 
Gliederung  erst,  als  das  Zunftwesen  die  gleicbmässig  durchgehende  Or- 
ganisation der  gewerbtreibenden  Stände  geworden  war.  Auch  dann 
hatte  es  noch  grosse  Schwierigkeiten,  gerade  dieses  Gewerbe  zu  einem 
städtischen  zu  machen,  und  noch  grössere,  einer  so  gestalteten  Zunft 
Ausschlussrechte  zu  verschaffen.  Der  Zolltarif  der  Basler  Schiffer  wurde 
erst  1351  gegeben;  allerdings  ist  in  ihm  die  Rede  von  Satzungen,  die 
sich  bisher  die  Schiffer  selber  gegeben  hätten  und  die  fortan  zu  Gunsten 
der  allgemeinen  Verordnungsbefugnis  des  Rates  abgestellt  werden.  In- 
dem die  Genossenschaft  öffentliche  Rechte  erhält,  schränkt  man  zugleich 
ihre  Thätigkeit  ein.  In  der  That,  fast  mehr  gegen  die  Schiffer  als  fQr 
sie  scheint  dieser  Zunftbrief  gegeben  zu  sein,  wird  ihnen  doch  vor  allem 
eingeschärft,  dass  sie  keinen  Schiffer,  der  zu  Basel  lädt,  verhindern  sollen. 
In  dieselbe  Zeit  fällt  die  Stiftung  der  Strassburger  Zunft.  £s 
blieb  hier  der  Schifferschaft  dauernd  in  Erinnerung,  dass  sie  sich  am 
spätesten  innerhalb  der  allgemeinen  Bürgergemeinde  abgegliedert  habe; 
sie  wollte  noch  so  halb  und  halb  zu  den  aristokratischen  Eonstaffelo 
gehören,  und  völlig  hat  sie  auch  später  nicht  auf  eigenen  Handelsbe- 
trieb ihrer  Mitglieder  verzichten  wollen.  Weiter  abwärts  dienten  be- 
sonders die  Stapelrechte  dazu,  um  eine  Trennung  der  Schiffer  in  ein- 
zelne Abteilungen  zu  veranlassen.  So  hatte  Köln  zwei  Schiffergeseil- 
schaften —  als  eigentliche  Zünfte  sind  sie  nicht  einmal  zu  bezeichnen 
—  die  oberrheinische  und  die  niederrheinische.  Das  Recht  des  Rates, 
für  sie  Verordnungen  zu  erlassen,  war  aber  mehr  als  zweifelhaft,  da 
die  allgemeine  Ordnung  auf  dem  Rhein  den  vier  rheinischen  Kurfürsten 
zustand.  Auch  sind  die  Kölner  Schiffer  oft  und  noch  im  18.  Jahr- 
hundert vom  Kurfürsten  von  Köln  zu  Versammlungen  berufen  worden. 
Durch  Festsetzung  des  Kapitelstages  der  Kurfürsten  erhielten  i.  J.  1609 
die  Schiffer  bestimmte  Satzungen,  in  denen  aber  nicht  sowohl  ihre  Ge- 
nossenschaften als  vielmehr  nur  Lehrzeit  und  Ausbildung,  also  Fragen, 
die  die  Sicherheit  der  Schifffahrt  betrafen,  geregelt  wurden.  Auch  der 
Zunftbrief,  den  hierauf  die  Stadt  Köln  ihren  Schiffern  i.  J.  1620  aas- 
stellte, enthielt  nicht  mehr.  Erst  in  den  Wirren  des  30jährigen  Krieges 
i.  J.  1637,  als  jegliche  Ordnung  zu  zerfallen  drohte,  suchte  der  Rat 
seinen  Schiffern  einige  Vorrechte  zu  sichern,  indem  er  sogenannte  alte 
Gebräuche  statutarisch  festlegte  Diese  besagten ,  dass  kein  Mosel- 
schiffer andere  Waren,  als  die  auf  die  Mosel  bestimmt  seien,  in  Köhi 
laden  dürfe,  und  dass  der  Kölner  Schiffer  allen  anderen  oberländischen 


Zur  Geschichte  der  Rheinschifffahrt.  245 

vorzuziehen  sei,  wenn  er  gleichen  Preis  fordere.  Hieraus  konnte  man 
ein  EinStands-  oder  Zugrecht  dieser  Schiffer,  nicht  aber  ein  ausschliess- 
liches Privileg  folgern.  Auf  dem  Niederrhein  wäre  auch  das  unmöglich 
gewesen,  weil  die  holländische  Konkurrenz  hier  viel  stärker  entwickelt 
war.  Selbst  in  den  Zeiten  ängstlicher  Pflege  lokaler  Interessen  hat  der 
Niederrhein  nicht  völlig  seinen  Charakter  als  internationaler  Verkehrs- 
weg verleugnen  können. 

Ihre  schärfste  Ausgestaltung  gewannen  diese  Korporationen  erst 
nach  dem  dreissigjährigen  Kriege.  Sich  sparsam  in  das  knappe  Stück 
Brod  einzuteilen:  das  ist  damals  der  Gipfel  aller  Yerwaltungsweisheit 
bei  allen  Zanften.  Unter  diesem  Gesichtspunkt  richtet  man  allerwärts 
die  sogenannten  Rangfahrten  ein,  d.  h.  man  stellt  eine  bestimmte  Ord- 
nung, einen  Rang  der  Schiffer  auf,  nach  dem  sie  zur  Beförderung  der 
lagernden  Waren  berufen  werden.  Rasch  nach  einander  nahmen  alle 
grösseren  Städte  am  Rhein  diese  Einrichtung  an.  Es  schien  dies 
System  anfangs  im  Interesse  der  Kaufleute  zu  liegen;  denn  über  nichts 
hatten  diese  so  häufig  geklagt  als  über  die  Unpünktlichkeit  der  Schiffer, 
die  regelmässig  so  lange  mit  der  Abfahrt  warteten,  bis  sie  volle  Ladung 
hatten,  während  bei  der  Rangfahrt  meistens  der  Abgang  der  Schiffe  an 
bestimmtön  Tagen  geregelt  war.  Allein  bald  stellte  sich  heraus,  dass 
die  freie  Konkurrenz  der  Schiffer  doch  für  den  Kaufmann  viel  grössere 
Vorteile  biete.  Als  sogar  im  19.  Jahrhundert  nochmals  durch  Vertrag 
der  Kölner  und  Amsterdamer  Kaufmannschaft  eine  solche  „Beurtfahrt" 
zwischen  den  beiden  Städten  eingerichtet  wurde,  war  man  deshalb  doch 
bedacht,  im  Übrigen  den  Kaufmann  von  der  Verpflichtung  zur  Benützung, 
den  Schiffer  vom  Zwang  zum  Beitritt  frei  zu  halten.  Ebenso  hätte  es 
scheinen  mögen,  dass  durch  die  Rangfahrten  zersplitterte  Kräfte  zu 
einer  kräftigen  Einheit  zusammengefasst  würden,  dass  sich  die  Schiffer- 
schaften zu  eigentlichen  Betriebsgenossenschaften  umgestalten  müssten. 
Aach  haben  die  Magistrate  der  Städte  solche  Erwägungen  angestellt, 
aber  in  Wirklichkeit  bedeutete  diese  Austeilung  doch  nur  Beschränkung 
des  Einzelnen,  und  auch  für  die  Schifffahrt  selber  war  nicht  das  System 
der  regulierten  Kompagnie,  sondern  die  freie  Konkurrenz  von  Nöthen. 
Besser  bewährten  sich  diese  Einrichtungen  auf  dem  kleineren  Gebiet  der 
Personenfahrt.  In  Köln  hatte  man  freilich  auch  hiermit  während  des 
17.  Jahrhunderts  eine  Reihe  vergeblicher  Versuche  angestellt,  ehe  man 
seit  1703  zu  festen  Ordnungen  gelangte. 

Weit  früher  hatten  bereits  die  Genossenschaften  der  Flösser  am 
Oberrhein    jene    Prinzipien    der    regulierten    Kompagnie    angenommen. 


246  £•  Gothein 

Schon  im  15.  Jahrhundert  erscheinen  sie  hei  ihnen  völlig  durchgeführt. 
Zwei  derselben  kommen  namentlich  in  Betracht.  Zunächst  die  Kinzig- 
fiösser,  die  in  dem  Schwarzwaldstädtchen  Wolfach  und  den  umliegenden 
Thälern  ihren  Sitz  hatten  und  eine  eigentliche  Zunft  bildeten,  sodann 
die  Murgschifferschaft,  die  wichtigste  dieser  Genossenschaften.  Das  Kinzig- 
holz  ging  nur  zum  kleinsten  Teil  über  Strassburg  hinaus,  während  die 
Murgschififer  die  Rheinorte  bis  nach  Mainz  mit  ihren  Sägewaaren  ver- 
sorgten. Sie  bilden  eine  Genossenschaft  von  bäuerlichen  Wald-  und 
Sägemahlenbesitzern,  die  zugleich  mit  ihren  Knechten  das  Flössen  auf 
Murg  und  Rhein  besorgen.  Der  Holzhandel  ist  auf  dieser  Strecke  kein 
freies  Gewerbe.  Die  Städte  und  ebenso  die  Fürsten  haben  ihre  Holz- 
höfe und  für  jeden  derselben  feste  Lieferungskontrakte  mit  der  Murg- 
schifferschaft. So  konnte  die  Austeilung  der  Produktion  sich  einiger- 
massen  nach  dem  Bedarfe  richten.  Der  Margschiffer  fuhr  nicht  ab- 
wärts Mainz  oder  höchstens  Bingens.  Mainz,  wo  sich  das  Holz  des 
Schwarzwalds  und  das  „Mainholz^  aus  dem  Spessart  begegnen,  ist  wäh- 
rend des  ganzen  Mittelalters  der  wichtigste  Platz  des  Holzhandels. 
„Menzerbretter^  sind  auch  am  Niederrhein  eine  beliebte  Waare.  In 
Köln  hatte  der  Händler,  der  Holzmenger,  freiere  Hand  als  am  Ober- 
rhein. Mehr  als  von  eigentlichen  Flössen  ist  hier  immer  von  Holz- 
schiffen die  Rede;  und  diese  kommen  sogar  bisweilen  aus  dem  Nieder- 
lande. Hier  handelte  es  sich  also  schon  früh  um  einen  überseeischen 
Holzbezug. 

Erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  griff  die  Holz- 
flösserei  vom  Oberrhein  unmittelbar  nach  dem  Niederrhein  über,  als 
der  Vorstand  der  Murgflösser,  ihr  Hauptschiffer  Jakob  Käst,  die  Ge- 
nossenschaft in  eine  solche  Abhängigkeit  von  sich  gebracht  hatte,  dass 
sie  fast  nur  noch  die  Rolle  seines  Lieferanten  spielte.  Er  dehnte  seine 
Handelsbeziehungen  bis  in  die  Niederlande  aus;  damals  zuerst  sah 
der  Rhein  ein  einheitlich  geleitetes  Schiffahrtsunternehmen  von  grössten 
Dimensionen  zu  einer  Zeit,  als  die  gewohnten,  hergebrachten  Organisa- 
tionen verknöcherten. 

Wieder  übernimmt  gleich  nach  dem  westfälischen  Frieden  der 
Holzhandel,  die  Flösserei,  die  Führung  auf  dem  Rhein.  Was  kann 
Deutschland  dem  Welthandel  damals  auch  anders  bieten,  als  die  Produkte 
seiner  Wälder,  da  die  Bemühungen  dem  W^einhandel  seine  Stellung  wieder- 
zuerobern  von  geringem  Erfolg  begleitet  waren.  Jetzt  aber  liegt  der 
Holzhandel  ganz  in  der  Hand  der  Holländer,  die  nicht  mehr  wie  die 
Holzhöfe    des   Mittelalters   Bordwaaren,    sondern  das    lange    geschonte 


Zur  Geschichte  der  Rheinschiflffahrt.  247 

Eichenholz  und  das  Langhholz,  „die  Holländer  Dickbalken ^  zum  Schififs- 
bau  und  zu  den  Pfahlrosten  ihrer  Städte  begehren.  Das  neugegrün- 
dete  Mannheim,  der  Vorposten  Hollands  in  Deutschland,  wird  seitdem 
Mittelpunkt  des  Holzhandels.  Diesen  Einzelhändlern  sind  im  vorigen 
Jahrhundert  die  privilegierten  Flosskompagoieen  nachgefolgt,  die  die 
Ausbeutung  der  Hochwälder  und  die  YerfQhrung  des  Holzes  gleichzeitig 
in  grossem  Umfang  betrieben.  In  einer  Zeit,  wo  alle  andere  Schiif- 
fahrt  auf  dem  Rhein  dahinsiechte,  zeigte  wenigstens  dieser  eine  Zweig 
Leben  und  Betriebsamkeit,  trug  er  einen  internationalen  Charakter. 

Der  Grund  hierfür  ist  nicht  schwer  zu  ermitteln:  Man  hat  den 
Holzhandel  auf  dem  Rhein  weniger  chikaniert  als  irgend  einen  andern 
Teil  der  Schifffahrt.  Stapelrechte  waren  hier  nicht  geltend  zu  machen, 
wo  alles  darauf  beruhte,  dass  der  Niederländer  unmittelbar  am  Ober- 
rhein einkaufte,  und  die  Zölle  mussten  hier  gelinder  als  bei  irgend 
einem  andern  Artikel  gehandhabt  werden,  weil  für  das  rheinische  Holz 
die  Konkurrenz  mit  dem  niederländischen  auch  ohne  dies  schwer  genug 
war.  Schon  im  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  hat  der  Markgraf 
Christoph  von  Baden  den  Kurfürsten  Ludwig  von  der  Pfalz  mit  Erfolg 
gewarnt,  3er  Holzflösserei  die  Zollbegünstigungen  zu  entziehen.  Andern- 
falls, meinte  er,  werde  es  mit  dem  Holze  gehen  wie  mit  den  Elsässer 
Weinen,  die  auch  bei  Menschengedenken  aus  dem  Handel  auf  dem  Rhein 
verdrängt  worden  seien. 

Will  man  nun  den  wirtschaftlichen  Erfolg,  den  die  Schifffahrt 
auf  die  Entwicklung  der  Rheinlande  ausgeübt  hat,  bestimmen,  so  hängt 
dieser  zugleich  von  zu  viel  anderen  Bedingungen  ab,  als  dass  dies 
hier  anders  als  andeutungsweise  geschehen  könnte.  Nitzsch  hat  seiner- 
zeit gemeint,  dass  sich  die  besondere  und  vermeintlich  langsamere  Ent- 
wicklung des  Oberrheins  daraus  erkläre,  dass  man  hier  erst  später  die 
Bedeutung  des  Wasserweges  erkannt  habe,  und  dieser  Orakelspruch  ist 
oft  wiederholt  worden.  Ich  weiss  jedoch  keinen  Sinn  damit  zu  ver- 
binden. Dass  die  Schifffahrt  auf  dem  Oberrhein  unvergleichlich  grösse- 
ren Schwierigkeiten  unterlag  als  auf  dem  Niederrhein,  haben  wir  ge- 
sehen, aber  ebenso,  dass  man  sich  gerade  in  der  früheren  Zeit  am 
Wenigsten  dadurch  abschrecken  liess.  Nicht  nur  der  Dichter  Ermoldus 
Nigellns  berichtet  von  dem  Verkehr  des  Elsass  mit  den  Niederlanden 
und  sieht  in  der  Ausfuhr  des  Überschusses  des  oberrheinischen  Wein- 
baus den  grössten  Vorteil  für  beide  Länder;  auch  die  Zollprivilegien 
der  Strassburger  Kirche  aus  der  Karolingerzeit  erweisen  die  direkten 
Beziehungen   der  Strassburger  Kaufleute  zu  den  niederländischen  Höfen. 

Westd.  Zeitachr.  f.  Gesch.  u.  Kunst    XIV,    IH.  19 


248  E.  Gothein 

So  steht  auch  weiterhin  der  Elsässer  Wein  ebenbürtig  im  Handel  neben 
dem  rheinischen;  im  Anfang  aber  war  er  ihm  entschieden  überlegen. 
Wir  sahen  soeben,  dass  man  um  1500  noch  ganz  genau  wusste,  warum 
er  seinen  Markt  eingebüsst  habe.  Man  wird  sagen  können,  t  dass  sich 
bis  zum  Schlüsse  des  13.  Jahrhunderts  der  durchgehende  Verkehr  auf 
dem  Rhein  beständig  gesteigert  hat.  Material  wie  das  der  Koblenzer 
Zolltarife  reicht  zwar  zu  statistischen  Schlüssen  nicht  aus,  in  der 
Sache  aber  hat  Lamprecht  an  ihm  mit  völliger  Sicherheit  erwiesen, 
dass  im  Laufe  des  Mittelalters  der  durchgehende  Verkehr  erst  allmäh- 
lich einem  Zwischenverkehr,  der  sich  nach  den  Absätzen  des  Stromes 
gliederte,  gewichen  ist.  Wenn  in  den  Zollrollen  seit  dem  14.  Jahr- 
hundert doch  noch  Züricher  und  Basler  stehen,  so  ist  das  blosse  De- 
koration ;  sie  sind  aus  den  älteren  Vorlagen  übernommen.  Anders  aber 
ist  es  damals  noch  mit  den  Strassburgern  bestellt,  und  ebenso  währt 
die  direkte  Schifffahrt  von  den  Niederlanden,  ja  von  England  bis  über 
Köln  hinaus  fort. 

Für  das  mittelrheinische  Land  ist  namentlich  um  des  Weinex- 
portes willen  die  Schifffahrt  die  Grundlage  ihrer  ganzen  Blüte  gewesen. 
Es  ist  öfters  ausgesprochen  worden  und  an  sich  klar,  dass  eben  der 
Weinbau,  der  in  einer  sonst  wesentlich  naturalwirtschaftlichen  Zeit  die 
bedeutendste  Handelswaare  lieferte,  den  raschen  wirtschaftlichen  Auf- 
schwung der  Rheinlande  veranlasst  habe.  Der  Weinhandel  aber  war 
wiederum  ganz  auf  den  Wasserweg  angewiesen.  Er  hat  ihn  auch  später 
nicht  verlassen,  als  eine  verkehrte  Politik  fast  alle  andern  Waaren  vom 
Rhein  verdrängte.  Der  Wein  für  die  Thalfahrt,  die  Häringe  und  Stock- 
fische für  die  Bergfahrt  waren  zu  allen  Zeiten  die  charakteristischen 
Waaren,  neben  denen  alle  übrigen  zurücktraten. 

Zwei  Gründe  haben  besonders  dahin  gewirkt,  die  Bedeutung  des 
Rhein  Verkehrs  abzuschwächen;  sie  haben  ihn  seit  dem  14.  Jahrhundert 
bis  in  die  ersten  Jahrzehnte  des  19.,  zwar  in  ungleichem  Masse,  aber 
doch  unablässig  gelähmt:  die  Stapelrechte  und  die  Ausgestaltung  des 
Zollwesens.  Das  Stapelrecht  besteht  in  der  Verpflichtung  des  Kauf- 
mannes, seine  Waaren  an  der  Stapelstadt  auszuladen.  Häufig  wird 
hiermit  die  andere  Verpflichtung  verbunden,  die  Waaren  eine  bestimmte 
Zeit  hindurch  im  Kaufhaus  der  berechtigten  Stadt  feilzubieten,  ehe  er 
sie  einladen  und  weiterführen  darf.  Der  Ursprung  dieser  Stapelgerech- 
tigkeiten bedarf  noch  der  Aufklärung,  soviel  sieht  man  auch  jetzt,  dass 
sie  sich  erst  allmählich  und  unter  beständigem  Widersetzen  der  davon 
Betroffenen  entwickelten.     Der  Dortrechter  Stapel,  der  die  freie  Schiff- 


Zur  Geschichte  der  Bh einschifffahrt.  249 

fahrt  von  der  See  auf  den  Rhein  hindern  sollte,  trug  noch  am  Ende 
des  15.  Jahrhunderts  Spuren  eines  gewaltsamen  Ursprungs.  Die  Dort- 
rechter fuhren  den  Schiffen,  die  ihn  brachen,  nach,  suchten  sie  zu 
kapern  nnd  führten  sie,  wenn  ihnen  dies  gelungen,  auf  den  Richtplatz. 
Dort  wurde  an  ihnen  eine  symbolische  Hinrichtung  vollzogen ;  ein  Pfahl 
ward  mitten  durch  sie  geschlagen  und  die  Planken  wie  der  Leichnam 
eines  Missethäters  der  allmählichen  Verwesung  preisgegeben.  Als  die 
Kölner  von  Kaiser  Karl  IV  die  erste  ausdrückliche  Anerkennung  ihres 
Stapels  erhielten,  wobei  sie  sogar  allen  Landhandel  über  Köln  hinaus 
verboten  wissen  wollten,  da  beriefen  sie  sich  wohl,  namentlich  was  die 
Arrestierung  des  ungehorsamen  Kaufmannes  anlangt,  auf  ihren  alten 
Brancb;  in  Wahrheit  handelte  es  sich  wohl  um  eine  in  allen  wesent- 
lichen Stücken  neue  Liste  von  Wünschen.  Den  Kölnern  wird  damals 
das  Ziel  vorgeschwebt  haben,  ihre  Stadt  ähnlich,  wie  Brügge  dies  war, 
zu  einem  allgemeinen  Platz  des  Umtauschs,  zu  einem  Emporium,  nach 
dem  alle  Ilandelswege  hinführten  und  an  dem  sie  alle  endeten,  zu 
machen;  nur  dass  sie  ungleich  Brügge. sich  auch  alle  Vorteile  für  den 
eigenen  Handel  sichern  wollten.  Wie  wenig  sie  mit  solchen  Ansprüchen 
durchdringen  konnten,  zeigen  die  Proteste,  die  alsbald  von  allen  Seiten 
einliefen  und  den  Kaiser  veranlassten,  das  Privileg  zwar  nicht  geradezu 
aufzuheben,  aber  durch  seine  Erklärungen  kraftlos  zu  machen.  Stück- 
weise ist  dann  Köln,  .eigentlich  erst  seit  dem  15.  Jahrhunderts,  zu 
seinem  Stapel  gelangt.  Als  die  Absicht,  zu  einem  eigenen  Zoll  zu  ge- 
langen, den  man  sich  durch  die  Opfer  des  Neusser  Krieges  verdient  zu 
haben  glaubte,  vereitelt  war,  hat  Köln  erst  mit  Entschiedenheit  und 
wachsendem  Glück  nach  dem  Stapel  gestrebt.  Als  die  Kurfürsten  arg- 
wöhnisch wurden,  hat  es  i.  J.  1497  ihnen  noch  entschieden  versichert, 
dass  nur  für  die  von  den  Niederlanden  kommenden  „Ventwaren*',  Fische, 
Batter  und  Käse,  die  Verpflichtung  gelten  solle,  und  dass  sie  nur  zu 
dem  Behuf  eingeführt  sei,  um  bei  diesen  leichi  verderblichen  Waaren 
eine  Garantie  für  die  Käufer  zu  schaffen.  Durch  die  Umpackung  in 
in  Köln  sollten  sie  erst  zum  vollwertigen  Kaufmannsgnt  gemacht  und 
als  solches  beglaubigt  werden.  Damals  beteuerte  man  noch,  dass 
der  Stapel  für  allen  andern  Handel  und  für  die  Schifffahrt  keine 
Hemmung  mit  sich  bringen  solle.  Wenig  später  hat  man  sich  bei 
Maximilian  doch  ein  unzweideutiges  Privileg  verschafft,  durch  das  dem 
Niederländer  die  Bergfahrt,  dem  Oberländer  die  Thalfahrt  über  Köln 
hinaus  untersagt  wurde.  Man  hat  auch  noch  weiterhin  auf  den  Kapi- 
telstagen eiuige  Male  die  Versicherung  gegeben,    dass  Alles  beim  Alten 

19* 


250  E-  Gothein 

bleiben  solle,  aber  gestützt  auf  jenes  Privileg  hat  man  dann  doch  den 
Stapel  im  Laufe  des  Jahrhunderts  immer  schroffer  ausgebildet.  Dann 
hat  vom  Ende  des  16.  Jahrhunderts  ab  bis  zum  Aufhören  der  Reichs- 
freiheit Kölns  Handelsgeschichte  nur  in  der  Verteidigung  des  Stapels 
und  der  verschiedenen  Eaufhausordnungen,  die  auf  ihn  gebaut  waren, 
bestanden.  Einmal  in  den  verworrensten  Zeiten  des  dreissigjährigen 
Krieges,  die  trotzdem  für  den  Grosshandel  nicht  eigentlich  die  un- 
ganstigsten  waren,  hat  man  ihn  nochmals  in  wesentlichen  Punkten 
suspendiert  und  eine  halbe  Handelsfreiheit  eingeführt;  dann  hat  man 
diese  Vorrechte  immer  ängstlicher  ausgebildet,  immer  engherziger  in 
ihnen  allein  den  Grund  für  Kölns  Wohlstand  gesehen.  Und  doch  hat 
man  sie  nicht  ganz  festhalten  können.  Den  Niederländern  hat  man  es 
immer  erlauben  müssen,  Tuff  und  Mühlsteine  unmittelbar  von  Andernach 
aus  zu  laden ;  und  den  Unterthanen  von  Jülich-Berg  bat  man  wenigstens 
verstatten  müssen,  ihre  selbsterkauften  Güter  an  Köln  vorbeiznführen. 
Die  niederrheinischen  Städte  und  die  Generalstaaten  selber  haben  wohl 
hin  und  wieder  versucht,  Köln  zu  veranlassen,  freiwillig  seinen  Ansprach 
aufzugeben,  sich  im  Ganzen  aber  in  die  lästigen  Bestimmungen  gefügt, 
die  ihre  Schiffer  freilich  so  oft  wie  möglich  zu  umgehen  suchten.  Die 
Opposition  ging  von  den  benachbarten  Landesherren,  zumal  den  drei 
geistlichen  Kurfürsten  aus,  die  den  Stapel  nie  anerkannt  haben  und 
bald  mit  den  langsamen  Mitteln  des  Kammergerichts,  bald  mit  den 
raschen  der  Selbsthilfe  ihm  beizukommen  suchten. 

Schon  von  Köln  kann  man  nicht  behaupten,  dass  sein  Stapel 
durchaus  den  Stromverhältnissen  entsprach,  und  die  Umladung  hier 
wünschenswert  gewesen  wäre,  wie  denn  auch  dieser  Gesichtspunkt  in  den 
Debatten  über  Nutzen  oder  Schädlichkeit  des  Stapels  nie  berührt  wird; 
geradezu  ein  unerhörtes  Hemmnis  war  aber  der  Mainzer  Stapel.  Als  die 
Kurfürsten  sich  der  freien  Stadt  bemächtigt  hatten,  behaupteten  sie,  dass 
auch  hier  der  Stapel  von  Alters  hergebracht  und  nur  durch  die  bürger- 
lichen Wirren  der  letzten  Zeit  in  Vergessenheit  geraten  sei.  Kurfürst 
Berthold  liess  sich  von  König  Maximilian  in  den  Zeiten  ihrer  innigsten 
Freundschaft  den  Stapel  bestätigen  und  erwarb  damit  eigentlich  erst  die 
Rechtsgrundlage  für  ihn.  Wenigstens  gegen  das  Oberland  hat  man  ihn 
von  da  ab  geltend  gemacht  Dass  er  nichts  anders  sei  als  eine  Schutz« 
massregel  für  die  Mainzer  Schiffer  und  Faktoren,  ohne  dass  eine  natür- 
liche Nötigung  vorgelegen  hätte,  hat  man  auch  damit  gezeigt,  dass 
gerade  für  die  Zeit  der  lebhaftesten  Schifffahrt,  während  der  Frank- 
furter Messe  das  Stapelrecht  ruhte.     So  lange  diese  währte,  unterbrach 


Zur  Geschichte  der  Rheraschifffahrt.  251 

man  die  •  unmittelbare  Verbindung  Strassburg- Frankfurt  nicht.  Erst 
nach  dem  dreissigjährigen  Kriege  haben  die  Mainzer  Kurfürsten  mit 
dem  Stapel  vollen  Ernst  gemacht,  um  ihre  völlig  gesunkene  Stadt  zu 
heben.  Auch  gegen  Frankfurt,  wohin  man  bisher  die  von  Köln  kom- 
menden Schiffe  ohne  Umladung,  sobald  sie  darum  nachgesucht  hatten, 
hatte  passieren  lassen,  richtete  man  jetzt  diese  Massregeln,  schien  doch 
den  Mainzer  Herren  immer,  als  ob  Frankfurt  nur  auf  Kosten  ihrer 
Stadt  aufgeblüht  sei.  Durchzusetzen  haben  die  Kurfürsten  auch  damals 
ihren  vollen  Anspruch  nicht  vermocht ;  aber  fortan  war  der  Kampf  gegen 
den  Mainzer  Stapel  fast  noch  lebhafter  als  der  gegen  den  Kölner;  es 
machte  dabei  nichts  aus,  dass  die  Kurfürsten  von  Mainz,  wenn  es  sich 
um  Köln  handelte,  dieselben  Argumente  gegen  den  Stapel  leidenschaft- 
lich vorbrachten,  die  sie,  wenn  es  ihren  eignen  Besitz  anging,  ebenso 
leidenschaftlich  zurückwiesen. 

Wiederum  machte  oberhalb  Mainz  erst  Speier,  meist  schüchtern 
aber  bisweilen  auch  heftig  Stapelrechte  geltend,  und  dann  behauptet 
Strassburg,  ohne  den  Namen  des  Stapels  einzuführen  doch  thatsächlich 
seine  Rechte.  Nur  war,  wie  wir  sahen,  der  Kaufmann,  der  seine 
Waaren  selber  verfrachtete,  von  der  Umladung  frei,  und  musste  sich 
nur,  was  sich  nahezu  von  selbst  verstand,  mit  einem  Steuermann 
versehen. 

Eine  der  wichtigsten  Bestimmungen  in  den  Stapelgesetzen  ist 
jederzeit,  dass  zwischen  den  Stapelplätzen  nicht  ausgeladen  werden  darf. 
Der  Schiffer  musste  in  Köln  hierauf  einen  Eid  leisten;  wer  diese  Vor- 
schrift übertreten  hatte,  durfte  in  Zukunft  weder  am  Werft  anlegen, 
noch  den  Krahn  benützen;  er  war  durch  diese  Zwangsmassregel,  die 
statt  aller  andern  Rechtsmittel  dienen  musste,  aber  besser  als  irgend 
eines  veröng,  dem  Willen  der  Obrigkeiten  der  Stapel  platze  preisgegeben. 
Mit  Mühe  und  Not  haben  sich  wenigstens  die  klevischen  Städte  von 
dieser  unleidlichen  Vorschrift  emanzipiert.  Gegen  Mülheim,  Deutz, 
Düsseldorf  und  namentlich  Neuss  war  Köln  immer  auf  der  Hut,  um 
jeden  Anlauf  dieser  Art,  zu  selbständiger  Handelsbedeutung  zu  gelangen, 
im  Keime  zu  ersticken. 

Diese  Zustände  machten  vor  Allem  die  Einrichtung  der  Markt- 
schifFe  nötig.  Sie  dienten  keineswegs  nur  zur  Vermittlung  des  kleinen 
Güter-  und  Personenverhehrs  an  den  Markttagen,  sondern  mit  ihnen 
werden  auch  nach  den  Zwischenplätzen  die  für  jene  überhaupt  be- 
stimmten Waaren  befördert.  Von  Mainz  und  Köln  gehen  dieselben 
daher  nach  allen  Seiten ;  und  wenn  die  Frankfurter  Kaufleute  über  den 


252  E.  Gothein 

Mainzer  Stapel  klagen,  so  geschieht  dies  namentlich  darum,  weil  sie 
sich  an  den  einzigen,  höchst  lässigen  und  teuren  Marktschiffer  daselbst 
gewiesen  sehen.  Wenn  dagegen  auch  einmal  in  Trier  von  einer  „navis 
nundinarum  Francofurtensium"  die  Rede  ist,  so  darf  man  das  nicht  mit 
Lamprecht  als  ein  regelmässiges  Marktschiff  auffassen;  es  ist  vielmehr 
ein  zur  Frankfurter  Messe  bestimmtes  Schiff. 

Wenn  man  von  den  Hindernissen,  die  durch  die  Stapelrechte  be- 
reitet werden,  spricht,  so  sind  dabei  im  Wesentlichen  die  Zeiten  des 
17.  und  18.  Jahrhunderts  zu  verstehen.  Selten  hat  sich  wohl  ein 
Privileg  so  schwer  gerächt  an  denen,  die  es  besassen  und  rücksichtslos 
ausnützten,  als  in  diesem  Falle.  Der  Stapel  hat,  wie  sich  Schritt  für 
Schritt  im  Einzelnen  erweisen  lässt,  bewirkt,  dass  Mainz  und  Köln 
schliesslich  ihren  Eigenhandel  fast  völlig  eingebüsst  haben,  dass  sie  blos 
Plätze  der  Spedition  blieben,  und  noch  dazu  einer  Spedition,  die  an 
sich  unnötig,  die  eine  wahre  Last  für  den  fruchtbaren  Handel  war! 
Das  Vorrecht  der  Nachbarn  aber  hat  Frankfurt  und  hat  die  bergischen 
Städte  nicht  verhindert,  zu  wahren  Grosshandelsplätzen  in  dieser  selben 
Zeit  zu  werden. 

Zur  gleichen  Zeit  stellte  ein  genialer  Fürst,  der  seine  Bildung  im 
Auslande  genossen  hatte,  ein  Experiment  eetgegengesetzter  Art  an; 
Kurfürst  Karl  Ludwig  von  der  Pfalz  gründete  Mannheim  mit  der  Ab- 
sicht, seinem  verwüsteten  Lande  einen  Ausfuhrhafen  zu  verschaffen. 
Zum  ersten  Mal  sah  der  Rhein  einen  Freihafen,  den  Verzicht  eines 
Landesherrn  auf  Zölle  zu  Gunsten  eines  einzelnen  Platzes,  eine  völlige 
Unbeschränktheit  des  Verkehrs.  So  bedeutend  die  Vorteile  waren,  die 
die  Pfalz  hiervon  zog  —  ihr  rasches  Aufblühen  legt  davon  Zeugnis  ab  — 
so  konnte  doch  ein  solches  vereinzeltes  Experiment  nur  einen  partiellen 
Erfolg  haben.  Mannheim  blieb  eine  Oase  des  freien  Verkehrs  inmitten 
von  Landschaften,  die  ihre  Sperrmassregeln  nur  verschärften.  Die  Ein- 
sichtigen waren  auch  hier  fast  nur  die  Fremden,  die  Kolonisten,  die 
der  Kurfürst  herbeigezogen  hatte.  Als  ein  holländischer  Handelsherr 
riet,  statt  des  ergebnislosen  Streites  über  den  Stapel  möge  sich  die 
Pfalz  lieber  mit  Mainz  vertragen  und  den  Weinen  des  Rheingaues  freie 
Durchfuhr  bei  Bacharach  und  Caub  gewähren,  da  erregte  diese  Zumu- 
tung, ein  Recht  aufzugeben,  den  höchsten  Zorn  der  kurfürstlichen  Be- 
amten :  ,,Da  man  es  in  der  Stapelsache  mit  Mainz  nun  einmal  zum 
Äussersten  getrieben,  so  müsse  man  auch  bis  zum  Ende  fortfahren"^, 
war  ihre  Beamtenweisheit.  Schliesslich  hat  dann  Karl  Ludwig  doch 
mehr  Zugeständnisse  gemacht,  als  späteren  Kurfürsten  lieb  war,  Mann- 
heim aber  blieb  vereinzelt  und  darum  machtlos. 


Zur  Geschichte  der  Rheinschiflffahrt.  253 

So  sind  dann  auch  andere,  kQhn  gedachte  Projekte,  die  Schifffahrt 
auf  dem  Rheine  zu  hehen,  die  alten  Fesseln  zn  sprengen,  den  grossen 
europäischen  Handelsverkehr  auf  die  Wasserstrasse  zurückzubringen, 
schon  im  Entstehen  gescheitert.  Keines  war  grösser  als  das  erwähnte 
des  Kölners  Bürger  Gerwin  von  Beywegh  i  J.  1699,  der  eine  ständige 
Galeerenflotte,  die  in  gröster  Geschwindigkeit  zu  Berge  wie  zu  Thal  von 
Amsterdam  bis  Strassburg  fahren  sollte,  die  gleichmässig  für  Handels- 
wie  für  Kriegszwecke  bestimmt  war,  ins  Werk  zu  setzen  suchte.  Dass 
er  die  Bedenklichkeiten  der  fürstlichen  Kanzleien  zu  überwinden,  die 
sämtlichen  Kurfürsten  zu  gewinnen  wusste,  zeigt,  dass  auch  sie  für 
grössere  Gesichtspunkte  zugänglich  waren;  an  dem  hartnäckigen  Be- 
harren der  Stadt  Köln  auf  ihrem  Sta|)elrecht  und  an  der  Gleichgiltigkeit 
der  Wiener  Hofkaozlei  prallten  alle  solche  Erwägungen  ab,  ohne  einen 
Eindruck  zu  hinterlassen. 

Das  eigentlich  entscheidende  Moment  für  die  wirtschaftliche  Ein- 
wirkung der  Rheinschifffahrt  hat  aber  nicht  einmal  beim  Stapel,  sondern 
jederzeit  in  den  Zöllen  gelegen.  Nicht  als  ob  ich  hier  auf  diesen  Ge- 
genstand, der  eine  besondere  Behandlung  für  sich  beanspruchen  würde, 
eingehen  könnte.  Freilich  hätten  wenige  Gebiete  der  Wirtschaftsge- 
schichte eine  gründliche,  prinzipielle  Behandlung  so  nötig  wie  dieser. 
Bedürfen  doch  Ursprung,  Wesen,  Ausbildung,  Einwirkung  der  Regalien 
noch  überall  einer  sorgfältigen  Untersuchung.  Unter  den  Faktoren, 
durch  die  das  Recht  und  die  Wirtschaft  des  Mittelalters  bestimmt 
werden,  sind  wenige  so  bedeutsam  gewesen,  keiner  ist  so  wenig  er- 
forscht. Was  nun  die  Zölle  im  Besonderen  anlangt,  so  gestehe  ich, 
dass  mich  die  Beweisführung  Lamprechts  für  die  Existenz  grundherr- 
licher Zölle,  d.  i.  die  Berechtigung  des  Grundbesitzers,  den  Verkehr,  der 
durch  seinen  Besitz  geht,  zu  besteuern,  nicht  überzeugen  kann.  Natür- 
lich erkennt  Lamprecht  daneben  das  Regal,  auf  dem  die  Zölle  des 
Königs  beruhen,  als  vorhanden  an,  und  die  späteren  Territorialzölle  er- 
scheinen ihm  gleichsam  hervorgegangen  aus  der  Verbindung  dieser 
beiden  Elemente.  Einer  neueren  Arbeit  war  es  vorbehalten,  selbst  die 
Zölle  des  Königs  nur  als  Grundzölle,  die  dieser  an  seinen  Pfalzen  erhob, 
darzustellen.  Eine  solche  Ansicht  führt  sich  doch  eigentlich  selber  ad 
absurdum.  Dass  der  König  von  Anfang  an  das  Eigentum  am  schiff- 
baren Flusse  als  Regal  in  Anspruch  genommen  hat,  steht  durch  eine 
fortlaufende,  nie  unterbrochene  Reihe  von  urkundlichen  Äusserungen  von 
der  Karolingerzeit  an  fest.  Wem  auch  das  Ufer  gehören  mag,  das 
Wasser  bleibt  doch  des  Königs.     Mir  scheint,  dass  auch  alle  fürstlichen 


254  ^-  Gothein 

Zölle  späterer  Zeit  sich  entweder  auf  königliche  Verleihung  oder  doch 
auf  die  öffentlichen  Rechte  ihrer  Inhaber  zurückführen.  Das  Verkehrs- 
recht ist  wie  das  Bergrecht  aus  der  Wurzel  des  Begals  erwachsen. 
Wo  sich  der  Anspruch  des  Grundeigentümers  geltend  macht,  da  ist  er 
kein  Recht,   sondern  ein  Unrecht,  nicht  anders  als  bei  der  Grundruhr. 

Wie  gedankenlos  und  wie  habgierig  zugleich  die  Zölle  vervielfäl- 
tigt und  ausgebeutet  worden  sind,  wie  alle  Gewalten  des  Reichs,  von 
den  gross ten  bis  zu  den  kleinsten,  an  dieser  scheinbar  unversieglicben 
Quelle  geschöpft  haben,  das  ist  öfters  und  für  den  Rhein  noch  in 
jüngster  Zeit  dargestellt  worden.  Immerhin  ist  auch  hier  noch  viel 
und  fast  das  Beste  zu  thun.  Denn  einmal  haben  sich  an  der  Frage 
der  Zollerhebung  politische  Geschichte  und  Handelsgeschichte  immer  am 
engsten  berührt;  sodann  aber  bleibt  auch  noch  die  wichtigste  Aufgabe 
zu  behandeln :  die  Rückwirkung  der  Zölle  auf  die  Wirtschaft  muss  noch 
erst  im  Einzelnen  verfolgt  werden.  Die  enorme  Verteuerung  aller 
Waaren  durch  sie  hat  am  Meisten  dazu  beigetragen,  die  einzelnen 
Landschaften  und  ihren  Verkehr  zu  isolieren;  sie  hat  diesen  Krystalli- 
sationsprozess,  wenn  man  ihn  so  nennen  will,  am  Meisten  gefördert. 
Ausser  der  Menge  der  Zölle  kam  hier  als  erschwerender  Umstand 
vielfach  noch  ein  Prinzip  der  Zollerhebung  hinzu,  das  sich  schon  im 
Goblenzer  Tarif  von  1304  ausgebildet  zeigt:  n&mlich  die  Fernergesesse- 
nen höher  zu  belasten  als  die  Näheren.  Es  wiederholt  sich  dieser 
volkswirtschaftliche  Irrtum  selbst  bei  den  Gebühren  des  Kölner  Erahns, 
die  nach  dem  gleichen  Gesichtspunkt  abgestuft  sind.  Später  sind  wohl 
noch  in  Holland  die  Weine  verschiedener  Provenienz  in  ungleicher  Höhe 
besteuert  worden,  am  Rheine  selbst  hat  man  eine  gleichmässige  Ver- 
zollung als  Regel  anzusehen.  Etwas  trugen  wenigstens  die  Zollisapitel 
der  rheinischen  Kurfürsten  dazu  bei,  eine  gewisse  Gleichmässigkeit  hier 
durchzuführen. 

Am  Oberrhein  ist  die  Anzahl  der  Zölle  zwar  geringer  gewesen 
als  am  Mittelrhein,  wo  der  Schiffer,  namentlich  in  der  Thalenge  zwischen 
Bingen  und  Koblenz,  eigentlich  nie  von  einer  Zollstätte  wegfahren 
konnte,  ohne  gleich  die  nächste  zu  erblicken,  oder  am  Niederrhein,  wo 
die  Zollbeträge  am  höchsten  waren  und  seit  den  niederländischen  Kriegen 
zu  den  Zöllen  die  ebenso  schweren  Licenten  hinzukamen,  aber  aus  diesen 
Gründen  hat  doch  der  Oberrhein,  dessen  Waaren  alle  diese  Beträge  zu 
zahlen  hatten,  am  meisten  unter  ihnen  gelitten.  Mir  liegt  ein  pfäl- 
zisches Zollregister  vom  Ende  des  16.  Jahrhunderts  vor,  in  dem  alle 
Schiffe  einzeln,    ihre  Besitzer  und  ihre  Befrachtung  angegeben  sind;   es 


Zur  Geschichte  der  Rheinschifffahrt.  255 

legt  nur  das  dentliche  Zeugnis  dafür  ab,  bis  zu  welcher  Bedeutungs- 
losigkeit die  oberrheinische  Schifffahrt  damals  bereits  herabgesunken 
war,  sie  konnte  sich  nicht  heben,  solange  die  Bedingungen  dieselben 
blieben.  Auch  das  aufstrebende  Mannheim  musste  einstweilen  noch-  in 
diesem  Kampfe  erlahmen. 

Anders  war  es  freilich  am  Niederrhein.  Eine  gewisse  Bedeutung 
hat  hier  die  Schifffahrt  immer  behalten,  aber  auch  hier  wurde  der 
Landweg  Voständig  wichtiger,  und  die  Klagen,  dass  die  Städte  Bremen 
und  Harjburg  den  Handel  an  sich  zögen,  immer  lebhafter.  Die  fran- 
zösische Herrschaft  hat  dann  auch  in  diesen  Dingen  höchst  ungleich 
<;<;wirkt.  In  Köln  hat  sie  durch  Einrichtung  eines  Freihafens  einigen 
Anstoss  zu  entschiedener  Regsamkeit  gegeben.  Der  Stapel  ward  zwar 
dem  Namen  nach  aufgehoben,  aber  weil  man  eine  allgemeine  Verwir- 
rung befürchtete,  blieben  die  Verpflichtungen  der  einzelnen  Schiffer- 
schaften dieselben.  In  Mainz,  das  doch  sonst  seine  revolutionären  Ge- 
sinnungen gern  zur  Schau  trug,  blieb  alles  beim  Alten.  Die  Eifersucht 
gegen  Frankfurt,  der  Wettbewerb  der  französischen  Stadt  mit  dem 
kleinen  Schutzstaate,  wurde  lebhafter  als  je.  Wie  konnte  aber  über- 
haupt die  Schifffahrt  aufblühen,  wenn  der  Rhein  auf  seiner  längsten 
Strecke  die  Zollgrenze  war,  die  dem  schärfsten  Prohibitivsysteme,  das 
man  je  gesehen  hat,  diente,  und  wenn  seine  Mündungen  gegen  das 
Meer  gleichsam  abgemauert  waren! 

Der  Wiener  Kongress  hat  sich  zuerst  zu  dem  Gedanken  einer 
völligen  Freiheit  des  Rheines  aufgeschwungen,  wohl  der  fruchtbarste 
Gedanke,  den  er  gehabt  hat.  Wohl  wurden  alsbald  Zweifel  laut,  wie 
weit  nun  dieses  grosse  Prinzip  der  Wiener  Akte  auch  in  Wahrheit 
durchgeführt  werden  würde;  aber  die  Denkschriften  der  Kölner  Han- 
delskammer aus  den  nächsten  Jahren  zeigen  auch,  wie  hoffnungsfreudig 
der  Handelsstand  wieder  in  die  Zukunft  zu  blicken  begann.  Einstweilen 
waren  es  die  Holländer,  die  mit  gewagten  Interpretationskünsten  das 
Schicksal  von  ihren  Rhein-Transitzöllen  abwenden  wollten.  Nachdem 
man  ihnen  die  Auslegung,  dass  Waal  und  Leck  nicht  der  Rhein  seien, 
abgeschnitten  hatte,  beharrten  sie  darauf,  dass  „jusqu'ä  la  mer"  „bis 
an  das  Meer",  nicht  „bis  in  das  Meer"  zu  übersetzen  sei.  Erst  als 
sie  sich  selber  in  Not  sahen,  im  Jahre  1831,  gaben  sie  nach.  Ehe 
die  letzten  Spuren  einer  Zollerhebung  im  deutschen  Binnenlande  ver- 
schwanden, hat  es  doch  noch  bis  zum  Jahre  1866  gedauert. 

Wenn  der  Rhein  heute  in  einem  Bette  strömt,  das  ihm  mensch- 
liche Kraft  angewiesen  und  befestigt  hat,  wenn  seine  Tiefe  achtsam  für 


256 


E.  Gothein. 


das  Bedürfnis  der  Schiffahrt  reguliert  ist,  wenn  die  Dampfer  der  Nord- 
see schon  jetzt  bis  nach  Köln  hinauffahren  und  binnen  absehbarer  Zeit 
unsre  alte  Metropole  wieder  in  die  Reihe  der  grossen  Seehäfen  ein- 
treten wird,  wenn  der  Rhein  zur  Hauptverkehrsader  des  mittleren 
Europa  geworden  ist,  so  ist  dies  alles  das  Werk  des  neunzehnten  Jahr- 
hunderts.  Die  Geschichte  der  Rheinschifffahrt  ist  auch  in  unseren 
Tagen  geblieben,  was  sie  von  jeher  war :  ein  getreues  Spiegelbild  der 
deutschen  Geschichte.  Auch  sie  fahrt  uns  zu  jener  Erkenntnis,  die 
aller  Geschichschreibung,  mag  sie  sich  auch  mit  verschiedenen  Namen 
nennen,  gemeinsam  ist :  Dass  der  Staat  zwar  nur  die  Kräfte,  die  das 
Kultur-  und  Wohlfahrtsleben  der  Nation  entwickelt,  in  seiner  Hand  zu- 
sammenfassen kann,  dass  aber  auch  die  Wirtschaft  eines  Volkes  nur  in 
einem  starken,  selbstbewussten  Staate  gedeihen  kann. 


Der  Konflikt  Kaiser  Rudolfs  II.  mit  den  deutschen 

Reichsstädten. 

Von  Reallehrer  Johannes  Milller  in  Augsburg. 


Nach  dem  12.  Artikel  des  Augsbarger  Religionsfriedens  vom 
J.  1555  sollten  y,in  denjenigen  Reichsstädten,  in  welchen  eine  zeither 
beide  Religionen,  die  katholische  und  die  protestantische,  im  Gang  und 
Gebrauch  gewesen,  selbige  künftig  auch  also  bleiben,  und  kein  Teil 
sich  unterstehen,  des  andern  Teils  Religion  und  Kirchengebräuche  ab- 
zuthun  oder  ihn  davon  zu  bringen".  Diese  durchaus  klare  Bestimmung, 
die  ihrem  Wortlaut  nach  auf  keine  anderen  als  die  paritätischen  Reichs- 
städte bezogen  werden  konnte,  legte  ein  Teil  der  Katholiken  dahin  aus, 
dass  der  kirchliche  Rechtsstand  jeder  Reichsstadt  in  dem  Stand  bleiben 
müsse,  in  dem  er  zur  Zeit  des  Abschlusses  des  Augsburger  Friedens 
gewesen.  Diese  Auffassung,  die  nach  einem  zuverlässigen  Zeugnisse 
des  päpstlichen  Nuntius  Commendone  (siehe  dessen  Bericht  vom  14.  Jan. 
1561)^)  unzweifelhaft  im  Sinne  Kaiser  Ferdinands  I,  des  Haupt- 
forderers  des  Religionsfriedens,  gelegen,  hatte  sich  weder  unter  diesem 
Kaiser,  noch  unter  dem  versöhnlichen  Regiment  Maximilians  II  recht 
hervorgewagt.  Als  im  Jahre  1574  Erzherzog  Ferdinand  von  Tirol  als 
Landvogt  im  Elsass  der  Stadt  Hagenau  das  jus  reformandi  zu  bestreiten 
wagte  und  die  Reichsstädte  zu  Gunsten  Hagenaus  und  zur  Erhaltung 
der  Freiheiten  und  des  alten  Herljommens  der  Städte  eine  Gesandtschaft 
an  den  Kaiser  nach  Wien  geschickt  hatten,  gab  ihnen  derselbe  die 
VersicheiTing,  dass  „seine  Intention  niemals  gewessen,  den  Reichsstädten 
an  ihrem  im  Reiche  hergebrachten  Stand,  habenden  Freiheiten  und  Ge- 


^)  Bericht  des  Nuntius  Commendone  v.  14.  Januar  1561,  Miscell.  di 
storia  Italica  VI  S.  44. 


258  J.  Müller 

rechtigkeiten  etwas  zu  präjudiciren,  dieselben  za  schmälern  oder  in 
einen  Zweifel  zu  ziehen.  Was  aber  die  heilsame  Konstitution  des 
Religionsfriedens  betrifft  und  wer  desselben  fehig  oder  nit,  wollen  S. 
Kays.  Majest.  den  Verstand  solcher  Constitution  nit  disputiren,  sondern 
lassen  dieselbe  in  ihrem  Werth  bleiben"  ^).  Von  gleich  toleranter  Ge- 
sinnung zeigte  sich  Kaiser  Maximilian  II  in  der  Aalener  Reforraations- 
angelegenheit.  Als  nämlich  diese  Reichsstadt,  deren  Rat  bis  zum 
Jahre  1575  der  alten  Lehre  angehangen  hatte,  im  April  1575  „durch  die 
Erleuchtung  des  h.  Geistes  den  Irrtum  des  leidigen  Pabstthums  erkannt 
hatte  und  die  Lehre  der  Augsb.  Conf.  bei  sich  einzuführen  entschlossen 
war,  allein  an  ihrem  Vorhaben  durch  den  Probst  von  Ellwangen  als 
Collator  der  Pfarre,  Frtlhmesser  und  Kaplaneyen  unter  dem  Vorwand 
verhindert  wurde,  dass  sich  allerhand  Sekten,  Wiedertäufer,  Zwinglianer 
und  andere  einschleichen  möchten",  Hess  es  Maximilian  II  ungehindert 
geschehen,  dass  sich  die  Aalener  mit  Hilfe  des  Herzogs  Ludwig  von 
Wtlrttemberg  der  Umtriebe  des  EUwangener  Probstes  erwehrten  und 
die  Reformation  in  ihrer  Stadt  bis  zum  Jahre  1576  zur  Durchführung 
brachten^).  Von  Kaiser  Rudolf  II  nun,  der  infolge  seiner  streng 
katholischen  Erziehung  in  Spanien  gleich  von  seinem  Regierungsantritt 
au  eine  ausgesprochene  Abneigung  gegen  den  Protestantismus  und  die 
Protestanten  kundgegeben  hatte,  war  eine  solche  tolerante  Gesinnung 
nicht  zu  erhoffen,  ebenso  wenig  wie  von  der  neu  auftretenden  Gene- 
ration der  katholischen  Füreten,  einem  Wilhelm  V  von  Bayern, 
einem  Julius  Echter  von  Würzburg,  einem  Balthasar  von  Fulda.  Diese 
Fürsten,  sämtlich  Zöglinge  der  Jesuiten,  waren  ganz  von  den  exklusiven 
religiösen  Ideen  erfüllt,  w^elche  eben  damals  der  gelehrte  italienische 
Jesuit  Robert  Bellarmin  in  seinen  Vorlesungen  am  Collegium  Germanicum 
in  Rom  aufstellte  und  zu  rechtfertigen  suchte.  Bellarmins  Meinung 
und  festeste  Überzeugung  war  aber  die:  Es  ist  jeder  Staatsgewalt 
heiligste  Pflicht,  ihren  Unterthanen  keine  Glaubensfreiheit  zu  gewähren 
und,  wo  dieselbe  etwa  einmal  eingeräumt  w^orden  ist,  sie  mit  Stumpf 
und  Stiel  wieder  auszurotten  *).     Wenn  nun  solche  extreme  Anschauungen 


^)  Resolution  des  K.  Maximilian  II.  v.  8.  Dezember  1574  auf  die  Erb. 
Frei-  und  Reichsstädte  durch  ihre  ansehnliche  Legation  allerunterth.  furge- 
brachte  gravamina  und  Beschwerden.    St.-A.  d.  Augsburger  St.-Arch. 

')  Häberlin,  Neueste  deutsche  Reichsgeschichte  IX  S.  520 — 526. 

"*)  R.  Bellarmin  „Disputationes  de  controversiis  fidei"  (Rom  1586),  vergl 
auch  M.  Ritter,  Deutsche  Geschichte  im  Zeitalter  der  Gegenreformation  II 
S.  73  ff. 


Der  Konflikt  Kaiser  Rudolfs  11.  mit  den  deutsch.  Reichsstädten.       259 

bei  der  Mehrzahl  der  katholischen  Reichsstände  einmal  zur  Herrschaft 
gelangt  waren,  so  mnsste  es  zu  Einzelkonflikten  zwischen  den  streitenden 
Parteien,  beziehungsweise  zwischen  dem  Oberhaupt  und  den  einzelnen 
Ständen  des  Reiches  kommen,  die  um  so  weitere  Kreise  zogen,  je 
grösser  die  Bedeutung  des  in  seinen  Rechten  sich  verletzt  fühlenden 
Reichsstandes  war.  Ein  solcher  Konflikt  zwischen  dem  Kaiser  und  der 
Gesamtheit  der  Reichsstädte  ergab  sich  nun  in  den  ersten  Regierungs- 
jahren Rudolfs  IL  aus  der  Ende  der  70er  Jahre  auftauchenden  Frage, 
ob  die  Reichsstadt  Aachen,  die  zur  Zeit  des  Abschlusses  des  Augsburger 
Religionsfriedens  noch  durchaus  katholisch  war,  jetzt  das  jus  refor- 
mandi  besitze.  Da  Ursache  und  Verlauf  des  Streites  zwischen  dem 
Kaiser  und  den  Städten  ohne  einen  Einblick  in  die  Genesis  der  Aachener 
Reformationsbewegung  unverständlich  sein  würde,  so  muss  hier  zunächst 
über  letztere  ein  gedrängter  Überblick  gegeben  werden. 

Die  freie  Stadt  Aachen,  an  der  wichtigen  Grenzscheide  zwischen 
Jülicher,  Lütticher  und  niederländischem  Gebiet  gelegen,  war  nebst 
Köln  die  einzige  grössere  deutsche  Reichsstadt,  welche  im  Zeitalter  der 
grossen  europäischen  Kirchentrennung  der  alten  Kirche  treu  geblieben 
war.  Zwar  hatte  auch  in  die  Mauern  dieser  Stadt  die  Reformation 
um  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  Eingang  gefunden.  Aber  der  Ver- 
such der  Aachener  Protestanten  in  den  Jahren  1559  und  1560,  das 
Recht  öfifentlicher  Religionsübung  für  sich  zu  erlangen,  war  an  dem 
gemeinsamen  Widerstand  des  Kaisers  Ferdinand  I,  des  spanischen  Königs 
Philipp  II  und  des  Jülicher  Herzogs  gescheitert.  Der  Rat  von  Aachen 
hatte  unter  dem  Druck  der  genannten  Fürsten  am  7.  März  1560  das 
Statut  erlassen,  dass  künftig  zu  dem  Rat  und  den  städtischen  Ämtern 
nur  kundbare  Katholiken  zugelassen  werden  sollten^). 

Aachen  war  jedoch  den  Einwirkungen  des  niederländischen  Pro- 
t^tantismus  viel  zu  sehr  ausgesetzt,  als  dass  derselbe  sich  durch  diese 
eine  Zurückweisung  von  der  wichtigen  Grenzstadt  ganz  hätte  aus- 
schliessen  lassen.  Als  mit  dem  Ausbruch  der  niederländischen  Unruhen 
im  Jahre  1566  der  schwere  Druck  der  spanischen  Regierung  in  Brüssel 
auf  die  benachbaiten  deutschen  Protestanten  leichter  zu  werden  begann, 
als  sich  besonders  seit  Anfang  d.  J.  1567  tausende  von  niederländischen 
Emigranten  über  die  anstossenden  deutschen  Lande  ergossen,  erhoben 
sich  die  westdeutschen  Protestanten  mit  erneuter  Zuversicht.  Auch  in 
Aachen,    wo  in  diesen  Jahren   neben  drei  calvinischen  Gemeinden  auch 


«^j  M.  Ritter  a.  a,  0.  I  S.  223. 


260  J.  Müller 

eine  lutherische  Gemeinde  sich  gebildet  hatte  ^),  erfolgte  um  die  Mitte 
der  siebziger  Jahre  des  16.  Jahrh.  eine  scharfe  Wendung  in  den  kirch- 
lichen Verhältnissen.  Die  Protestanten,  damals  wohl  schon  die  Mehr- 
heit innerhalb  der  vierzehn  politischen  Zünfte  (Gaffeln)  bildend,  setzten 
im  Jahre  1574  bei  der  Präsentation  der  von  den  Zünften  vorzuschlagen- 
den 112  Ratsherrkandidaten,  aus  denen  der  amtierende  Rat  die  Hälfte 
zum  Ersatz  für  den  alljährlich  zur  Hälfte  ausscheidenden  Rat  erwählte, 
die  Wahl  mehrerer  Glaubensgenossen  durch.  Als  diese  sich  weigerten, 
die  nach  dem  Statut  v.  J.  1560  zur  Aufnahme  in  den  Rat  vorge- 
schriebene Gläubenserklärung  abzugeben,  und  der  Rat  infolge  dessen  mit 
ihrer  Aufnahme  zögerte,  stellten  die  Zünfte  demselben  die  wirtschaft- 
liche Schädigung  Aachens  bei  weiterer  Ausschliessung  der  meist  wohl- 
habenden Protestanten  so  eindringlich  vor,  dass  er  sich  zu  dem  Be- 
schlüsse verstand,  es  seien  fortan  neben  den  Katholiken  auch  Bekenner 
der  Augsburger  Konfession  zu  Ratssitz  und  Ämtern  zuzulassen'). 

Der  Aachener  Stadtrat  war  nun  wohl  zunächst  zu  keinen  weiteren 
Zugeständnissen  an  den  Protestantismus  geneigt  und  glaubte  solchen 
Versuchen  auch  dadurch  zuvorzukommen,  dass  er  den  neu  eintretenden 
Ratsherren  das  Gelöbnis  abnahm,  „in  Religionssachen  keine  Änderung 
einzuführen  oder  einführen  zu  lassen".  Aber  die  Verhältnisse  waren 
stärker  als  der  Wille  des  durch  ängstliche  Rücksichten  auf  die  benach- 
barten Fürsten '  gebundenen  Stadtregimentes.  Als  sich  nämlich  die 
Aachener  Protestanten  allmählich  ihrer  Macht  in  der  Stadt  bewusst 
wurden,  bewog  sie  ihr  wachsendes  Selbstgefühl,  den  Schleier  des  Ge- 
heimnisses von  ihrem  bisher  nur  in  Privathäusem  abgehaltenen  Gottes- 
dienst mehr  und  mehr  wegzuziehen.  Insbesondere  trugen  die  zahlreichen 
Sakramentspendungen  und  Beerdigungen,  die  eine  von  1576  bis  1579 
in  Aachen  wütende  Pest  zur  Folge  hatte,  zu  diesem  fast  unmerklichen 
Übergang  des  protestantischen  Gottesdienstes  vom  Konventikelwesen  zur 
freien  Religionsausübung  bei^).  Inanbetracht  dieser  Verhältnisse  sah 
sich  Kaiser  Rudolf  II.  schon  im  J.  1577  veranlasst,  den  Bischof  von 
Lüttich  und  den  Herzog  von  Jülich  nebst  einem  seiner  Räte  mit  einer 
Kommission  zur  Untersuchung  der  Sache  zu  betrauen®).  Vor  allem 
griff  aber   die   burgundische  Regierung  von  Brüssel  aus  in   den  Jahren 


*)  J.  Hansen,  Beiträge  zur  Geschichte  von  Aachen  I  S.  25. 

^)  M.  Ritter  a.  a.  0.  I  S.  564. 

■)  Summarischer  Bericht,  was  seit  den  Jaren  1558  und  1559  bis  in  das 
jetzige  1582.  Jar  in  diesem  K.  Stuel  und  Stat  Aachen  sowohl  in  Religions-  als 
andern  politischen  Sachen  sich  zugetragen.     St.-A.  d.  Augsb.  Arch. 


Der  Konflikt  Kaiser  Kudolfs  IL  mit  den  deutsch.  Reichsstädten.       261 

1579  und  1580  mit  gewohnter  Energie  in  den  Fortgang  der  Aachener 
Reformationsbewegang  ein,  indem  sie  die  Aachener  aufgrund  alter,  mit 
den  Brabanter  Herzögen  abgeschlossener  Verträge  zunächst  zur  Fern- 
haltung der  ans  den  Niederlanden  geflohenen  Protestanten,  des  weiteren 
aber  auch  zur  Erhaltung  des  orthodoxen  Glaubens  ermahnen  liess^^. 
Diese  Einwirkungen  seitens  des  Kaisers  und  Spaniens  vermochten  jedoch 
die  in  Fluss  geratene  Reformationsbewegung  in  Aachen  nicht  zu  hemmen. 
Im  April  d.  J.  1580  traten  nämlich  die  Calvinisten  und  die  Lutheraner, 
jede  Partei  mit  besonderen  Eingaben  um  Gestattung  der  öffentlichen 
Religionsübung  an  den  Rat  heran  ^^).  Mit  diesen  Anträgen  war  die 
wichtige  Frage  zur  Entscheidung  gestellt,  ob  das  grosse  katholische 
System  in  Nordwestdeutschland,  das  bisher  mit  allen  Mitteln  aufrecht 
erhalten  worden  war,  an  einer  Stelle  durchbrochen  werden  sollte.  Diese 
Eventualität  liess  den  Kaiser,  sowie  die  benachbarten  Fürsten  auf  un- 
verzügliche Gegenmassregeln  denken.  Noch  im  April  1580  schickte 
Rudolf  IL  ein  Abmahnungsschreiben  an  den  Aachener  Rat;  zugleich 
liess  er  durch  den  Herzog  von  Jülich  und  den  Bischof  von  Lüttich  auf 
die  Aachener  einwirken,  dass  sich  dieselben  zu  dem  nach  der  Ansicht 
überzeugungstreuer  Katholiken  durchaus  ungesetzlichen  Schritt  nicht 
hinreissen  liesen  ^^).  Nach  den  Kommentaren,  die  ein  Bellarmin  und  seine 
deutschen  Geistesverwandten,  wie  die  kaiserlichen  Hofjuristen  Eder  und 
Erstenberger,  (vgl.  z.  B.  „die  evangelische  Inquisition  wahrer  und  falscher 
Religion"  v.  J.  1579)  eben  damals  zu  dem  Augsburger  Religionsfrieden 
lieferten  *'),  mussten  nämlich  ihrer  Kirche  treu  ergebene  Katholiken  das 
leise  Nachgeben  des  Aachener  Rathes  gegenüber  den  dortigen  Protes- 
tanten für  durchaus  ungesetzlich  halten.  Was  nun  diese  gelehrten 
Theoretiker  mit  einem  überwältigenden  Aufwand  juristischen  Scharfsinns 
in  ihren  Schriften  zu  beweisen  unternahmen,  das  suchten  kleinere 
Naturen,  bei  denen  Leidenschaften  der  verschiedensten  Art  an  die 
Stelle  echter  Geisteskraft  traten,  sofort  in  Thaten  umzusetzen.  Ein 
typisches  Beispiel  eines  solchen  Eiferers  scheint  der  damalige  Dechant 
an    der   Aachener   Stiftskirche,    namens   Franz   Voss    (Fuchs),    gewesen 


•)  M.  Ritter  a.  a.  0.  I  S.  572. 

10)  Haagen  Geschichte  der  Stadt  Aachen  II  S.  162  ff. 
")  Summarischer  Bericht,   was   seit   den  Jaren   1558  und   1559   etc. 
St.-A.  d.  Augsb.  Arch. 

>>)  Summ.  Bericht,  was  seit  den  Jaren  1558  und  1559  etc. 
")  M.  Ritter  a.  a.  0.  II  S.  76. 


262  J.  Müller 

zu  sein**).  Auf  seine  Veranlassung  kamen  im  Jahre  1579  zwei  Jesuiten 
nach  seiner  Vaterstadt.  Er  äusserte  sich  sowohl  im  geheimen,  wie  öffent- 
lich von  der  Kanzel  so  heftig  gegen  die  Protestanten,  dass  sogar  seine 
Glaubensgenossen  ob  solchen  Gebahr ens  nicht  geringes  Missfallen  empfan- 
den. Er  entblödete  sich  z.  B.  nicht,  das  Augsburger  Bekenntnis  mit  einem 
gemeinen  Frauenhause  zu  vergleichen,  das  man  losen  Buben  höchstens 
aus  Not,  bis  mans  ändern  und  bessern  könne,  nachgeben  dürfe.  In- 
sonderheit hat  sich  Voss  bemüht,  die  Gemüter  der  konfessionell  geschie- 
denen Blutsverwandten  gegen  einander  zu  verbittern  und  zu  verfeinden. 
Durch  seine  Wühlereien  brachte  er  es  denn  auch  endlich  dahin,  dass 
am  Vormittag  des  11.  Oktober  d.  J.  1580  etliche  Hundert  katholische 
Bürger  teils  mit,  teils  ohne  Gewehr  im  Aachener  Münster  sich  zu- 
sammenrotteten, von  da^  auf  das  Rathaus  zogen  und  vom  Rat  mit 
Gewalt  forderten,  dass  er  die  Ratspersonen  und  Bürger  Augsburger 
Konfession  mit  der  Schelle  aus  der  Stadt  verweisen  lasse.  Solche  Vor- 
gänge erzeugten  nicht  nur  bei  den  Protestanten,  sondern  beim  ganzen 
Rat,  auch  bei  den  Katholiken,  zu  dem  schon  geschöpften  vorigen  Ver- 
dacht neuen  Argwohn  und  stärkeres  Misstrauen  *^).  Zur  Beseitigung 
alles  Missverstandes  ordnete  der  Kaiser  im  November  d.  J.  1580  eine 
neue  Kommission  ab,  mit  der  er  wiederum  den  Herzog  von  Jülich  und 
den  Bischof  von  Lüttich  betraute.  Der  Verlauf  dieser  vom  17.  No- 
vember bis  6.  Dezember  thätigen  Kommission  ist  in  mehr  als  einer  Hin- 
sicht wichtig  ^^).  Einmal  ward  hier  zum  erstenmal  im  Namen  des 
Kaisers  von  den  subdelegierten  Räten  Jülichs  und  liüttichs  die  Behaup- 
tung aufgestellt  und  zu  begründen  versucht,  dass  aus  dem  oben  er- 
wähnten 12.  Artikel  des  Augsburger  Religionsfriedens  „a  contrario  sensu 
unvermeidlich  erfolgt,  dass  den  Reichsstädten,  darin  zur  Zeit  des  Ab- 
schlusses  des  Friedens   beide  Religionen   in   Übung   nicht  gewesen,  die 


**)  Nuntiaturberichte  aus  Deutschland,  3.  Abt.,  II  S.  536  und  biy6. 
Auf  den  Antrag  des  Legaten  Madruzzo  v.  5.  Sept.  1582  bei  der  Kurie,  dem 
Dechanten  Fr.  Voss  (als  „persona  molto  buona,  ma  molto  miserabile"  bezeichnet 
ihn  der  Kardinal  in  seinem  Schreiben)  für  seine  Treue  und  Standhaftigkeit 
im  kathol.  Glauben  ausser  den  gewöhnlichen  Dekanatseinkünften  noch  zwei 
Präbenden  zuzuwenden,  beschloss  man  in  Rom  diese  Aufbesserung.  (Como  an 
Madruzzo  v.  22.  Sept.  1582,  ebd.  S.  55()). 

")  Summarischer  Bericht,  was  seit  etc.    St.-Akt.  d.  Augsb.  Arch. 

*•)  Summarische  Deduction  oder  Anzeigung  dessen,  was  die  Kays,  sub- 
delegirten  Commissarien  in  Religionssachen  im  Monat  November  nechst  abpe- 
loffenen  Jars  bei  einem  Erb.  Rat  des  K.  Stuels  und  Statt  Aachen  geworben 
und  femer  darauf  hinc  inde  fürgelaufen.    St.-A.  d.  Augsb.  Arch. 


Der  Konflikt  Kaiser  Rudolfs  IL  mit  den  deutsch.  Keichsstädten.       263 

Augsbarger  Konfession  künftig  anzustellen  nnd  zuzulassen  gänzlich  be- 
nommen und  abgestrickt  sei"  ^^).  Das  von  übereifrigen  Geistlichen  aus- 
geheckte Sophisma  war  damit  von  der  kaiserlichen  Regierung  als  gesetzliche 
Waffe  gegen  eine  ganze  Gruppe  von  Reichsständen  anerkannt  worden, 
ein  politischer  Missgriff,  der  sich,  wie  wir  sehen  werden,  am  Reichs- 
oberhaupt in  kürzester  Zeit  bitter  rächen  sollte.  Sodann  bestritten  die 
kaiserlichen  Kommissäre  dem  Augsburger  Magistrate  das  Recht,  in  Re- 
ligionssachen  Änderungen   vorzunehmen,    darum,    weil   die    Jurisdiction 


^')  Das  rätliche  Bedenken  der  Ev.  Reichsstätte  an  Aachen  wegen  Auf- 
richtung der  Augsb.  Confession ;  Ulm,  26.  Aug.  1580  (St.-A.  d.  Augsb.  Arch.). 
Die  herzoglich  jülichsche  Regierung  hatte  dieser  Anschauung  in  ihrem  Namen 
schon  in  einem  unter  dem  7.  Juli  1580  an  den  Aachener  Rat  gerichteten 
Schreiben  Ausdruck  gegeben.  Nicht  wenig  bestürzt  über  die  Unverfroren- 
heit, mit  der  Jülich  seine  parteiische  Auslegung  des  Angsburger  Religions- 
friedens den  Reichsstädten  zu  oktroyieren  suchte,  hatten  die  Aachener  den 
im  August  des  J.  1580  zu  Ulm  versammelten  StäQtetag  um  ein  Gutachten 
darüber  ersucht,  wie  sie  sich  in  der  Sache  weiter  verhalten  sollten.  Die 
Städte  fassten,  nachdem  sie  die  Aachener  in  ihrem  Antwortschreiben  auf  „die 
fast  gleiche  Handlung  der  Stadt  Hagenau  und  deren  Span  mit  dem  Erzherzog 
Ferdinand  von  Österreich,  sowie  auf  die  Anstellung  des  ministerii  confessionis 
augusti  in  andern  mehr  Reichsstädten  seit  der  Aufrichtung  des  bemelten  Re- 
ligionsfriedens" aufmerksam  gemacht,  ihr  rätlich  Bedenken  in  diese  Worte 
zusammen:  „Da  nun  in  diesem  kein  Zweifel,  dass  die  E.  Reichsstätt  Stände 
des  Reichs  sein,  auch  allen  des  h.  Reichs  constitutionibus  und  Verabschie- 
dungen nit  weniger  dann  die  höheren  Stände  jeder  Zeit  unterworfen  und 
fähig  gewesen  und  noch  sein,  aber  der  gedachte  Religionsfriede  ingemein 
verordnet,  dass  die  K.  Majest,  auch  Churfürsten,  Fürsten  und  Stände  des 
Reichs  keinen  Stand  des  Reichs  von  wegen  der  Augsb.  Confession  und  der- 
selben Lehr,  Religion  und  Glaubens  halber  vergewaltigen  oder  wider  sein 
Gewissen  und  Willen  von  dieser  Augsburger  Confession,  Religion,  Glauben, 
Kirchengebräuchen  etc.,  so  sie  nicht  allein  dazumalen  aufgericht,  sondern 
auch  nochmals  aufrichten  werden,  in  ihren  Fürstentümern,  Landen  und  Herr- 
schaften drängen  oder  durch  mandat  oder  anderer  gestalt  beschweren  sollen, 
so  hatt  ein  E.  Rat  der  Stadt  Aachen  als  einer  uralten  Stadt  des  h.  Reichs 
endlich  zu  erkennen,  was  Im  in  solchem  gebühren  wolle.  Dieweil  aber  nit 
allein  einem  E.  Rat  zu  Aachen,  sondern  auch  gemeinen  E.  Reichsstädten  an 
dem  vil  gelegen,  dass  sie  bei  berürten  Iren  Freiheiten,  Rechten  und  Gerech- 
tigkeiten erhalten  würden,  wird  ein  E.  Rat  der  Stadt  Aachen  Im  selbst  und 
gemeinen  Reichsstädten  zum  besten  das  bemelte  Fürgeben,  als  ob  die  Reichs- 
städte nit  Stände  des  h.  Reichs  sein  sollten  und  was  sonst  noch  deshalb  zu 
Abbruch  und  Nachteil  berürter  Reichsstädte  Privilegien  und  Gerechtigkeiten 
aufgesucht  wird,  mit  sonderem  Ernst  und  gebürender  Bescheidenheit  an 
seinen  Ort  zu  verantworten,  zu  widersprechen  und  sonderlich  des  beneficii 
des  vilbemelten  Religionfriedens  zu  behelfen  und  zu  handhaben  wissen. '^ 

Vartd.  Z«iteohr.  f.  OMoh.  n.  Kunst   XIY,   HI.  20 


264  J-  MüUer 

des  Herzogs  von  Jülich  mit  derjenigen  der  Stadt  konkurriere,  die  Stadt 
Aachen  also  nicht  anderen  freien  Reichsstädten  gleich  za  achten  sei. 
Der  Herzog  von  Jülich  besetzte  das  Amt  eines  Yogtmaiers  in  der  Stadt, 
dem  der  Vorsitz  im  Schöffengericht  und  die  meisten  Befugnisse  gericht- 
licher Exekutionen  zugeteilt  waren;  seinem  Patronat  unterstand  neben 
anderen  Beneficien  die  Propstei  des  altberühmten  Stiftes,  femer  die 
Scholasterei,  also  das  gesamte  Schulwesen  der  Stadt,  endlich  die  Stelle 
des  Erzpriesters,  des  Vorsitzenden  im  geistlichen  Gericht,  dem  sog. 
Sendgericht.  Das  waren  nun  zwar  bedeutende  Rechte,  die  durch  diese 
Befugnisse  dem  Herzoge  von  Jülich  in  dem  Gerichts-  und  Kirchenwesen 
Aachens  eingeräumt  waren.  Ob  aber  aufgrund  dieser  von  einem  späteren 
Reichstag  (Regensburg  1594)  ausdrücklich  „als  zu  weit  ex  tendiert"  be- 
zeichneter Befugnisse  Jülich  den  Aachenern  kurzweg  das  jus  reforraandi 
und  damit  zugleich  die  Reichsstandschaft  absprechen  durfte,  das  war  denn 
doch  noch  eine  Frage,  die  nur  auf  reichsgerichtlichem  Wege  zur  Ent- 
scheidung gebracht  werden  konnte.  Der  Kaiser,  der  Hort  und  die 
Quelle  alles  Rechtes  im  Reiche,  konnte  sich  zu  einer  solchen  un- 
parteiischen Auffassung  nicht  durchringen.  Am  11.  Januar  1581  langte 
in  Aachen  ein  kaiserliches  Schreiben  an,  in  welchem  auf  den  Bericht  der 
kaiserlichen  Kommission  hin  die  Aachener  heftig  getadelt  wurden,  dass  sie 
unter  dem  Schein  der  von  den  kaiserlichen  Vorfahren  gegebenen  Privi- 
legien und  mit  ungereimter  widerwärtiger  Deutung  des  Religionsfriedens, 
auch  wider  die  alten  Ordnungen  der  Stadt  den  Sekten  und  Feinden  der 
wahren  katholischen  Religion  in  Aachen  Platz  gegeben  hätten ;  vier  Wochen 
darnach  befahl  ein  weiteres  kaiserliches  Mandat,  dass  die  Aachener  bei 
den  demnächst  stattfindenden  Ratswahlen  genau  nach  der  Ratsordnnng  vom 
J.  1560,  also  mit  steifer  Handhabung  der  alten  wahren  katholischen 
Religion,  zu  wählen  hätten.  Unter  solchen  Verhältnissen  erachtete  es  der 
Rat  von  Aachen  für  nötig,  wegen  der  besondem,  Aachen  allein  angehen- 
den, wie  auch  wegen  der  alle  Reichsstädte  betreffenden  Beschwerden 
sich  an  die  Reichsstädte  um  Beistand  zu  wenden.  Dieser  Entschlass 
brachte  nun  die  ultramontane  Partei  in  Aachen  erst  recht  in  Harnisch. 
Vor  allem  that  sich  jener  Dechant  Voss  wieder  hervor.  Er  bezeichnete 
von  der  Kanzel  aus  alle  diejenigen,  welche  die  vom  Aachener  Rat  an 
Frankfurt  gerichtete  Werbung  um  Beistand  befürworteten,  als  Verächter 
ihres  Glaubens,  als  Feinde  ihres  Vaterlandes  und  als  Rebellen  gegen 
Kaiser  und  Reich;  er  stiftete  etliche  katholische  Bürger  an,  unter  sich 
einen  Ausschuss  von  60  Deputierten  aufzuwerfen  und  die  bevorstehende 
Abordnung   nach  Frankfurt    mit  aufrührerischen  Bedrohungen   und  Be- 


Der  Konflikt  Kaiser  Rudolfs  II.  mit  den  deutsch  Reichsstädten.       265 

schimpfangen  der  nach  Frankfurt  verordneten  Ratspersonen  zu  verhin- 
dern ;  er  brachte  den  einen  der  beiden  Bürgermeister,  Leonhard  v.  Hoven, 
nebst  etlichen  wenigen  katholischen  Ratsverwandten  dazu,  sich  vom 
ordentlichen  Rat  abzusondern  und  für  sich  selbst  einen  besonderen  Rat 
anzustellen^^).  Diese  Absonderung,  sowie  die  im  Mai  des  Jahres  be- 
vorstehenden neuen  Ratswahlen  bewogen  dann  den  Kaiser  im  April  1581, 
eine  neue  Kommission  nach  Aachen  zu  entsenden  und  zwar  diesmal, 
neben  Jülich,  und  Lüttich  den  Präsidenten  des  Reichshofrates  Phil, 
von  Winneburg  und  den  kais.  Rat  Phil,  von  Nassau -Sprinkenburg.  Als 
diese  beiden  Kommissarien  nebst  den  Jülichschen  und  Lüttichschen  Sub- 
delegierten  gegen  Ende  des  Monats  Mai  in  Aachen  eintrafen,  fanden 
sie  zwar  die  Wahlen  schon  beendet,  zugleich  aber  infolge  derselben  die 
Stadt  in  heftiger  Bewegung.  Als  nämlich  bei  der  Ergänzung  des  Rates 
wieder  Protestanten  aufgenommen  worden  waren,  wurde  von  selten  der 
katholischen  Mitglieder  dagegen  Protest  erhoben,  und  als  dann  am  25.  Mai 
der  grosse  Rat  zur  Wahl  der  Bürgermeister  und  sonstigen  Amtsträger 
zusammentrat,  war  die  offene  Spaltung  erfolgt :  48  katholische  Ratsherren 
auf  der  einen  Seite,  80  Anhänger  der  Neuerung  von  1574  auf  der 
anderen  Seite  traten  zu  zwiespältiger  Bürgermeisterwahl  auseinander^^). 
Mitten  in  diesem  Streite  befand  man  sich,  als  die  kaiserlichen  Kommissarien 
anlangten.  Da  trat  am  29.  Mai  Philipp  von  Nassau  vor  den  protestan- 
tischen Ratsteil  und  verlangte  in  grobem  herrischen  Ton  die  Entfernung 
sämtlicher  Protestanten  aus  Rat  und  Ämtern,  sowie  die  Auslieferung 
der  zu  den  Ratsämtem  gehörigen  Schlüssel;  im  Weigerungsfalle  werde 
er  gegen  die  Ungehorsamen  als  Majestätsverbrecher  nicht  bloss  mit  Kon- 
fiskation ihrer  Hab  und  Güter,  sondern  auch  mit  Leibesstrafe  verfahren. 
Auf  die  Kunde  von  diesen  Drohungen,  sowie  davon,  dass  die  abgewichenen 
katholischen  Ratsmitglieder  ihre  Amtsschlüssel  bereits  an  die  kaiserlichen 
Kommissarien  abgeliefert  hätten,  brachen  nun  die  Protestanten  und  die 
ihnen  freundlich  gesinnten  Katholiken  in  einem  grimmigen  Auflauf  los: 
sie  Hessen  die  Sturmglocken  läuten,  erbrachen  das  Zeughaus,  fuhren 
die  Kanonen  auf  dem  Markt  auf  und  rotteten  sich  bewaffnet  zur  Ver- 
teidigung ihres  Rates  zusammen.  Über  diesem  entschlossenen  und  dabei 
doch  massvollen  Auftreten  der  Aachener  Protestanten  —  ein  einziger 
Katholik  war  bei  dem  ganzen  Auflauf  getötet  worden  —  verlor  die 
Gegenpartei  den  Mut.     Bereits  am  30.  Mai  Hess  sich  der  katholische  Teil 


^^)  Summarischer  Bericht  dessen,  was  seit  den  Jaren  1558  u.  1559  etc. 
*•)  Zeitschrift    des  Aachener  Geschichichtsvereins  X    S.  228  ff.,   vgl. 
auch  M.  Ritter  a.  a.  0.  I,  S.  578. 

20* 


266  J.  Müller 

des  Rates  mit  dem  protestantischen  zu  einem  Vergleich  herbei,  kraft  dessen 
beide  Teile  ihre  Bürgermeister  fallen  Hessen  und  sich  zu  neuer  Wahl 
der  Bürgermeister  und  Amtsträger  vereinigten.  Diese  neue  Wahl  fand 
am  5.  Juni  statt,  also  noch  bM  Anwesenheit  der  kaiserlichen  Kommissarien 
in  der  Stadt,  da  dieselben  erst  am  6.  Juni  von  Aachen  abreisten. 
Zuvor,  am  2.  Juni,  ward  zu  Ehren  der  kaiserlichen  Eommissarien,  sowie 
zur  Feier  der  Versöhnung  der  Parteien  auf  dem  Rathaus  ein  grosses  Fest- 
mahl gegeben,  wobei  die  Gesandten  öif entlich  vermeldeten,  dass  sie  an 
dem  getroffenen  Frieden  grossen  Gefallen  trügen,  dass  die  Aachener 
nur  dabei  verharren  möchten  und  dass  sie  dem  Kaiser  genau  referieren 
wollten,  wie  nun  die  Sachen  beschaffen  seien.  Diese  Versicherungen 
waren  eitel  Heuchelei;  denn  die  von  den  Kommissarien  an  den 
Kaiser  abgestattete  Relation  über  ihr  Kommissorium,  deren  Wortlaut 
den  Aachenern  trotz  allen  Bitten  bezeichnenderweise  stets  vorenthalten 
blieb,  war  durchaus  parteiisch,  voll  von  Übertreibungen  und  Entstel- 
lungen. Ebenso  unaufrichtig  war  die  von  einzelnen  katholischen  Ratsmit- 
gliedem  am  30.  Mai  vollzogene  Aussöhnung;  denn  teils  unmittelbar  mit 
den  Kommissarien,  teils  nach  Verlauf  von  drei  Wochen  entfernten  sich 
neben  einer.  Anzahl  katholischer  Geistlicher  im  ganzen  sieben  Rats- 
personen aus  der  Stadt,  in  der  festen  Absicht,  den  Kampf  gegen  die 
in  ihrer  Vaterstadt  obsiegende  Neuerung  mit  Anklagen  beim  Kaiser  und 
bei  den  katholischen  Ständen  fortzusetzen*®).  Den  Wünschen  dieser 
Ausgewichenen  kam  der  kaiserliche  Hof  auf  das  bereitwilligste  entgegen. 
Er  erliess  zwei  Mandate  an  die  Stadt,  das  eine  vom  21.  Juni  1581, 
das  andere  vom  17.  August  1581,  welche  die  Kassation  der  protestan- 
tischen Ratsherren  und  Amtsträger,  die  Ausweisung  der  Prediger  nebst 
deren  Anhängern  und  die  Rückberufung  der  geflüchteten  katholischen 
Geistlichen  und  Ratsherren  anbefahl.  Wenn  die  Stadt  den  Mandaten 
binnen  sechs  Wochen  nachgekommen  sei,  solle  sie  Verzeihung  erhalten, 
im  anderen  Falle  aller  Freiheiten  und  Privilegien  verlustig  gehen**). 
Das  zweite  verschärfte  Mandat  vom  17.  August  war  des  Kaisers 
Antwort  auf  die  in  bescheidenem  Tone  gehaltene  ausführliche  Defensions- 
schrift    der   Aachener  vom   25.   Juli    1581**).      Denselben    blieb    nun 


^^)  Summarischer  Bericht  dessen,  was  seit  dem  Jare  1558  etc.  St.-A. 
d.  A.  Arch.  Vgl.  auch  die  Aachener  Ratswahlen  v.  J.  1581  und  1582  von 
J.  Hansen  in  d.  Zeitschr.  d.  Aach.  Geschichtsvereins  X  S.  222  ff. 

**)  Summarischer  Bericht  dessen,  was  seit  dem  Jare  1558  etc.  St-A. 
d.  A.  Arch.    Vgl.  auch  Häberiin,  N.  d.  R.  XI,  S.  358  und  366. 

»«)  Häberiin,  a.  a.  0.  XI,  S.  358  und  359. 


Der  Konflikt  Kaiser  Rudolfs  IL  mit  den  deutsch.  Reichsstädten.       267 

nichts  anderes  mehr  übrig,  als  sich  an  protestantische  ReichsstHnde,  vor 
allem  an  die  weltlichen  Kurfürsten  und  an  die  übrigen  Reichsstädte  um 
Hilfe  und  Beistand  zu  wenden.  Nachdem  die  weltlichen  Kurfürsten  bereits 
im  Juli  Fürbitte  für  die  Stadt  Aachen  beim  Kaiser  eingelegt  hatten  *'), 
nahm  sich  vor  allem  die  Ende  August  in  Speyer  tagende  Reichsstädte- 
versammlung der  bedrängten  Stadt  an.  Nicht  als  ob  unter  den  reichs- 
städtischen Obrigkeiten  nicht  auch  ängstliche  Gemüter  gewesen  wären, 
welche  teils  wegen  der  calvinischen  Neuerungen  der  Protestanten  Aachens, 
teils  wegen  des  demokratischen  Zuges,  der  durch  die  ganze  Aachener 
Bewegung  ging,  gewisse  Bedenken  trugen,  den  Aacheneni  hilfreich  bei- 
zuspringen. Erwägungen  solcher  Art  finden  sich  z.  B.  in  der  vom 
Augsburger  Rat  am  17.  August  1581  ausgefertigten  Instruktion  für 
seine  Gesandten  zum  Speyerer  Städtetag.  „Die  Gesandten  sollen  in- 
sonderheit diesem  nachfragen,  ob  die  zu  Aachen  der  Augsburger  Kon- 
fession verwandt  oder  dem  Calvinismus  anhängig  seien ;  denn  da  sie  mit 
dem  Calvinismus  verhaftet,  könnten  wir  nicht  sehen,  wie  man  sich  ihrer 
anzunehmen  Fug  und  Recht  hätte,  weil  der  Calvinismus  in  den  Religions- 
frieden nicht  einbegriffen".  Und  weiter:  „Da  gleich  die  von  Aachen 
der  Augsburger  Konfession  zugethan  wären,  wäre  hierin  noch  zu 
distingnieren.  ob  man  bestreite,  dass  die  Erb.  Städte  selbst  des  Re- 
ligionsfriedens fähig  und  Reichsstände  seien,  auch  ihre  Session  und 
Vota  im  Reichsrat  geben,  oder  ob  den  Bürgern  in  den  Reichsstädten 
solches  gebühre.  Der  Privatbürger  halber  halten  wirs  nicht  dafür, 
dass  sie  Macht  haben  sollten,  als  Stände  des  Reiches  Ändenmg  in  der 
Religion  in  den  Städten  ihres  Gefallens  vorzunehmen ;  denn  sonst  würde 
es  dahin  kommen,  dass  die  Städte  ihren  Bürgern,  sie  wären  gleich 
zwinglisch  oder  anderen  Sekten  anhängig,  die  Ausübung  der  Religion 
frei  lassen  müssten,  was  eine  grosse  Konfusion  geben  würde.  Aber  den 
Obrigkeiten  in  den  Reichsstädten  als  Gliedern  des  Reiches  hülfe  man 
billig  ihre  Freiheiten  erhalten"  '*).  Aber  solche  Bedenken  konnten 
nicht  Stand  halten,  als  der  Abgesandte  Strassburgs,  dessen  Bemühungen 
die  sofortige  Einberufung  des  Speyerer  Städetages  überhaupt  zu  ver- 
danken war,  in  der  Sitzung  vom  26.  August  den  Städteabgesandten  mit 
unerschrockenen  Worten  klar  machte,  dass  es  sich  bei  dem  Vorgehen  der 
katholischen  Partei  gegen  Aachen  um  einen  wohlüberlegten  Streich  gegen 


")  Häberlin,  a.  a.  0.  XI,  S.  359  und  360. 

'^)  Instruction  des  Rates  von  Augsburg  für  seine  zum  Speyerer  Städte- 
tag 1581  abgesandten  Deputirten.  den  Ratsherrn  Mathäus  Stamler  und  den 
Advokaten  Wemher  Sauter,  v.  17.  August  1581.    St.-A.  d.  Augsb.  Arch. 


268  J-  Müller 

den  von  der  Mehrheit  des  deutschen  Volkes  hoch  und  heilig  gehaltenen 
Augsburger  Religionsfrieden,  zugleich  aber  um  eine  Schmälerung  der 
verhassten  reichsstädtischen  Freiheiten  und  Gerechtigkeiten  handle. 
Nachdem  die  Aachener  Gesandten  in  ihrem  Vortrag  vor  allem  betont 
hatten,  dass  der  im  Juni  1581  getroffenen  Vergleichung,  ebenso  wie  die 
kaiserlichen  Kommissarien,  die  gesamte  Bürgerschaft  zugestimmt  habe 
und  nur  etliche  13  bis  14  unfriedfertige,  nachher  aus  Aachen  entwichene 
Personen  gegen  das  Friedenswerk  weiter  agitierten  *^),  stellte  der  Strass- 
burgische  Syndicus  Paul  Hochfelder  folgenden  Antrag:  Der  Kaiser  ist 
durch  eine  eigene  städtische  Gesandtschaft  an  das  gnädige  Verhalten 
seines  Vaters,  des  Kaisers  Maximilians  II  in  einem  ähnlichen  Falle 
(Hagenau  ist  gemeint)  zu  erinnern  und  zugleich  zu  bitten,  die  Ton  den 
Aachenern   unter   sich  getroffene  Vergleichung  anzuerkennen*^.     Diese 


^^)  Dass  die  Aachener  Bewegung  zum  guten  Teil  auf  die  Machinationen 
einiger  weniger  Glaubenseiferer  zurückzufuhren  ist,  geht  unter  anderem  aus 
einer  charakteristischen  Episode  im  Verlaufe  der  im  Frühjahr  1584  in  Aachen 
vor  sich  gehenden  Kommissionshandlung  hervor.  Die  den  Aachenern  von  den 
Beichsstadten  beigegebenen  Abgesandten  Strassburgs  und  Heilbronns  berichten 
hierüber  an  den  im  Aug.  1584  zu  Speyer  versammelten  Städtetag  folgender- 
massen:  Es  hatte  auch  Dr.  Ealenbeckh,  Sächsischer  Verordneter,  nachdem 
einer  vom  Adel,  des  Baths  und  noch  der  Gatholischen  Beligion  zugethan,  so 
vor  drei  Jaren  auch  mit  an  den  K.  M*  Hof  gewesen,  begert,  im  die  drei  für- 
nembsten  von  den  Aussgewichenen  (wahrscheinlich  Dechant  Voss,  Stadt- 
secretär  Job.  Thenen  und  Leonhard  von  Hoven)  under  die  Augen  zu  stellen, 
sie  gegenwertig  zu  überzeugen,  dass  die  pacification,  so  in  anno  1581  mit 
beiden  thailen  getroffen,  nit  allein  von  beiden  thailen  were  angenommen  und 
zu  halten  versprochen,  sondern  auch  von  den  damalen  gewesenen  Kays.  Com- 
missarien  approbirt  und  ratificirt  worden,  mit  vermelden,  Irer  K.  M.  wurde 
zu  gnedigsten  gefallen  gereichen,  dass  sie  sich  under  einander  selbst  wider 
verglichen,  welches  alles  die  Aussgewichenen  jetzt  nit  mehr  gestendig  sein 
wolten.  Als  nun  dieselben  drei  im  Beysein  der  Subdelegirten  alles  solches 
auf  des  vorgemeldeten  Adeligen  Verhalten  gestendig  sein  müssen  oder  nit 
weiter  widersprechen  khönnen,  hatte  darauf  Dr.  Eulenbeckh  Inen  zum  hef- 
tigsten Ire  Ungebüer  und  dass  sie  diese  neue  Unruhe  erweckt,  undersagt  und 
Inen  zu  erkennen  gegeben,  dass  sie  allein,  deren  so  wenig  in  der  Zal,  die 
weren,  die  der  K.  M.  das  ganze  Contributionswesen  strittig  gemacht,  dieweil 
die  Erb.  Statt  umb  dieser  sache  willen  die  Gontribution  Irer  M.  nit  einwilligen 
wollen  und  infolge  davon  auch  die  höheren  Stände  mit  ihrer  Gontribution 
zurückhielten.  (Belatio,  was  sich  bei  Verrichtung  der  K.  Gommission  in 
Aachen  i.  J.  1584  in  unser  der  beiden  Statt  Strassburg  und  Heilbronn  abge- 
sandten Beysein  begeben.    St.-A.  d.  A.  Arch.) 

'^)  Protokoll  und  Abschied  des  Speyerer  Städtetages  v.  J.  1581  (24- 
Aug.— 1.  Sept.).    St.-A.  d.  Augsb.  Arch. 


Der  Konflikt  Kaiser  Rudolfs  II.  mit  den  deutsch.  Reichsstädten.       269 

reichsstädtische  Gesandtschaft  ging,  da  die  Gesandten  im  September  und 
Oktober  einerseits  Jülich  und  Lüttich  zu  besänftigen,  andererseits  die  zu 
Düsseldorf  weilenden  Ausgewichenen  zur  Rückkehr  nach  Aachen  zu  be- 
wegen suchten,  erst  im  Dezember  des  J.  1581  und  im  Januar  des  J.  1582 
vor  sich*^). 

Inzwischen  waren  aber  die  fürstlichen  Nachbarn  Aachens,  da  der 
Kaiser  vor  Massregeln  zur  gew.altsamen  Durchführung  seiner  Mandate 
zurückscheute,  auf  eigene  Faust  gegen  die  Stadt  vorgegangen.  Nachdem 
der  Herzog  von  Jülich  schon  anfangs  Oktober  den  Aachenern  den  Ver- 
kehr gesperrt  und  die  im  Jülichschen  anzutreifenden  Güter  der  Aachener 
konfisziert  hatte,  begann  im  Dezember  1581  auf  Anreizung  Jülichs  und 
Lüttichs  der  niederländische  Statthalter  Alexander  von  Parma  seine  Truppen 
ins  Aachener  Gebiet  vorzuschieben  und  dasselbe  mit  Plünderungen  und 
Verwüstungen  heimsuchen  zu  lassen.  Mitte  Januar,  eben  als  die  städtische 
Gesandtschaft  am  kaiserlichen  Hof  zu  Wien  angelangt  war,  war  die  liage 
Aachens  eine  ganz  verzweifelte  geworden,  da  von  Seiten  der  Spanier 
alle  Anstalten  zu  einer  wirklichen  Belagerung  getroffen  worden  waren  **). 
Dazu  wollte  es  aber  der  Kaiser  damals  doch  nicht  kommen  lassen.  In 
einigen  Monaten  trat  der  von  ihm  bereits  berufene  Reichstag  zusammen ; 
wenn  er  auf  demselben  seine  Fordeningen  betreffs  einer  Türken- 
steuer durchsetzen  wollte,  so  durfte  er  die  protestantischen  Stände  jetzt 
nicht  allzusehr  vor  den  Kopf  stossen.  Er  dekretierte  also  am  20.  Januar, 
sodann  nochmals  am  10.  März  1582  an  Jülich  und  Burgund,  dass  die- 
selben ihre  Gewaltmassregeln  gegen  Aachen  einstellen  sollten;  er  ver- 
ordnete die  Kurfürsten  von  Trier  und  Köln  als  neue  Kommissarien  und 
Hess  es  dann  geschehen,  dass  der  Rat  von  Aachen  dieser  neuen  Kom- 
missionshandlung mit  der  Erkläning  auswich,  er  könne  ohne  die  Be- 
teiligung der  mitinteressierten  protestantischen  Stände  sich  darauf  nicht  ein- 
lassen*^). Inzwischen  war  auf  die  flehentlichen  Hilferufe  Aachens  von 
den  Städten  auf  den  6.  April  1582  nach  Heilbronn  ein  neuer  Städtetag 
ausgeschrieben  worden.  Derselbe  hatte  sich,  da  die  Herzoge  von  Jülich 
und  Parma  den  kaiserlichen  Befehlen  vom  20.  Januar  und  10.  März  1582 
keine  Folge  geleistet  hatten,  mit  der  Frage  zu  beschäftigen,  welche  Mass- 


*')  Protokoll  des  v.  6. — 9.  April  1582  zu  Heilbronn  versammelten 
Städtetages.    St.-A.  d.  Augsb.  Arch.    Vgl.  auch  Häberlin  a.  a.  0.  S.  544  ff. 

^*)  Schreiben  des  Rates  von  Aachen  an  den  Rat  von  Frankfurt  v.  22 
imd  31.  Dez.  1581,  desgleichen  an  den  Rat  von  Nürnberg  v.  10.  Januar  und 
11.  Februar  1582.     St.-A.  d.  A.  Archivs. 

")  M.  Ritter,  a.  a.  0.  I  S.  579. 


270  J.  MüUer 

regeln  nun  weiter  zu  ergreifen  seien,  nachdem  die  gütlichen  Mittel  ohne 
Erfolg  geblieben  waren.  Strassburg,  das  als  sorgsamer  Wächter  reichs- 
städtischer und  evangelischer  Freiheit  schon  in  seinem  Schreiben  an 
die  ausschreibende  Stadt  Ulm  vom  24.  Februar  1582  auf  die  von  Spanien 
drohende  Gefahr  gewaltsamen  Eingreifens  in  den  deutschen  Religions- 
streit hingewiesen^")  hatte,  machte  auf  dem  Städtetag  im  Namen 
der  rheinischen  Städtebank  den  Vorschlag,  dass  die  Städte  von  sich 
aus  den  Aachenern  mit  einer  eilenden  Hilfe  beistehen  sollten,  da  bei 
dem  langsamen  Zustandekommen  der  Kreishilfen  Aachen  inzwischen 
eine  Beute  der  Spanier  werden  könne  ^^).  Für  dieses  Vorgehen  waren 
nun  die  oberländischen  Städte  nicht  zu  gewinnen;  sie  hielten  vielmehr 
in  Übereinstimmung  mit  der  Instruktion  des  Augsburger  Rates  vom 
28.  März  1582  an  seine  Städtetagsgesandten  dafür,  dass  für  Aachen 
die  gewöhnliche  Kreishilfe  zunächst  genüge,  und  dass  man  behufs  Vei*- 
hinderung  ähnlichen  Vorgehens  gegen  andere  Reichsstädte  die  Sache 
vor  den  demnächst  zu  Augsburg  zusammentretenden  Reichstag  bringen 
solle'*).  Der  Heilbronner  Städtetag  stimmte  den  Vorschlägen  Augs- 
burgs zu,  d.  h.  die  Aachener  blieben,  da  eine  Kreishilfe  in  Monaten 
nicht  zu  erwarten  war,  auf  ihre  eigene  Kraft  angewiesen*').  Durch 
einen  glücklichen  Ausfall  anfangs  April  gelang  es  ihnen  auch  wirklich, 
die  Spanier  zur  Aufhebung  der  Blockade  zu  zwingen  und  sich  dieselben 
bis  auf  weiteres  vom  Halse  zu  halten'*).  Die  Entscheidung  der  prin- 
zipiellen Streitfrage  aber,  d.  h.  der  Frage,  ob  die  einseitige  Auslegung 
des  20.  Artikels  des  Augsburger  Religionsfriedens  seitens  des  kaiserlichen 
Hofes  wirklich  zu  Recht  bestehen  sollte,  wurde  auf  den  am  3.  Juli  in 
Augsburg  eröffneten  Reichstag  verschoben. 

Der  Kaiser  hatte,  da  er  den  nach  der  Ratsordnung  vom  J.  1574 
gewählten   Aachener  Magistrat    als   solchen   nicht    anerkannte,    Aachen 


*°)  Schreiben  des  Rates  von  Strassburg  an  den  Rat  von  Ulm  vom 
24.  Februar  1582.    St.-A.  d.  A.  Archivs. 

**)  Protokoll  des  Heilbronner  Städtetages  vom  6.-9.  April  1582. 
St-A.  d.  A.  Arch. 

•*)  Instruction  des  Rates  von  Augsburg  für  seine  zum  Heilbronner 
Stadtetag  (April  1582)  abgeschickten  Gesandten,  die  Ratsherren  Eonrad 
Mair,  Mathäus  Welser,  Gregor  Henning  und  den  Advokaten  Dr.  Gg.  Tradel, 
vom  28.  März  1582.    St.-A.  d.  A.  Arch. 

**)  Abschied  des  Heilbronner  Städtetages  v.  9.  April  1582.  St-A.  d. 
A.  Arch. 

»*)  Relatio  historica  des  Mich.  Eytzinger  v.  J.  1583  S.  26—36.  (Vgl. 
auch  Häberlin  a.  a.  0.  XI  S.  542  und  543). 


Der  Konflikt  Kaiser  Rudolfs  II.  mit  den  deutsch«  Reichsstädten.       271 

nicht  zum  Reichstag  beschieden ;  trotzdem  waren  Bevollmächtigte  dieser 
Stadt  zu  Augsburg  erschienen,  hatten  ihr  Kredenzschreiben  beim  kur- 
mainzischen  Kanzler  abgegeben  und  waren  von  demselben  auch  nicht 
zurückgewiesen  worden.  Auf  Veranlassung  der  Kurie  hatten  aber  auch 
die  Aachener  Ausgewichenen  zur  Vertretung  ihrer  Sache  eine  eigene 
Gesandtschaft,  darunter  den  uns  schon  bekannten  Dechanten  Voss,  zum 
Augsburger  Reichstag  geschickt'*),  und  diese  Gesandtschaft  beschwerte  sich 
am  5.  Juli  beim  Kaiser  darüber,  dass  die  protestantischen  Abgeordneten 
Sitz  und  Stimme  im  Städterat  angenommen  hätten.  Zwei  Tage  danach, 
am  7.  Juli,  benutzte  der  päpstliche  Legat  Madruzzo  eine,  ihm  vom  Kaiser 
gewährte  Audienz,  demselben  die  elende  Lage  der  Aachener  Katholiken 
und  die  Wichtigkeit  des  Aachener  Handels  auseinander  zu  setzen.  Als 
nun  am  9.  Juli,  morgens  9  Uhr,  die  Städte  wegen  der  Streitigkeiten 
Augsburgs  mit  dem  Reichs-Marschall  beim  Kaiser  Audienz  hatten  und 
unter  den  vorgelassenen  Gesandten  auch  der  Aachener  Bürgermeister  Job. 
lenzen  aus  Versehen  vom  Kaiser  begrüsst  worden  war,  ward  Lonzen 
nach  beendigter  Audienz  von  einem  Trabanten  zum  kaiserlichen  Sekretär 
Erstenberger,  zu  dem  kaiserlichen  Rat  Trautson  und  dem  Vicekanzler 
Vieheuser  berufen  und  ihm  von  denselben  vorgehalten :  Der  Kaiser  wäre 
nicht  wenig  befremdet  gewesen,  dass  er  und  seine  Mitverwandten,  ob- 
wohl sie  sich  der  kaiserlichen  Kommission  ungehorsamlich  widersetzt 
und  deshalb  auch  nicht  zum  Reichstag  vorgefordert  worden,  sich  dennoch 
bei  der  Mainzer  Kanzlei  angezeigt,  im  Reichstag  erschienen  und  die 
Session  genommen;  das  alles  gebühre  ihnen  nicht.  Darum  befehle 
ihnen  der  Kaiser  hiemit  ernstlich,  dass  sie  sich  „ebenso  wie  ihre 
Widerpart"  der  Räte  enthalten  und  darein  nicht  kommen  sollten.  — 
Lonzen  zeigte  das  Vorkommnis  sofort  dem  Städterat  an  und  bat  den- 
selben um  ein  Gutachten,  was  die  Aachener  Abgesandten  hierin  thun 
sollten.  Die  Städte  wählten  hierauf  zu  Beratung  der  Pappenheimschen 
und  Aachenschen  Sache  folgenden  Ausschuss:  a)  Strassburg,  Lübeck, 
Frankfurt,    Speyer;     b)  Regensburg,    Augsburg,    Nürnberg,    Ulm^*). 


'^)  „Si  patriae  tuae  libertatem  amas^,  so  schrieb  unter  dem  20.  Juni 
1Ö82  von  Augsburg  aus  der  dem  kaiserl.  Hof  beigegebene  päpstliche  Nuntius 
BoDomi  an  jenen  Voss,  „si  catholicos  restitui  cupis,  curandum  tibi  est  quam 
diligentissime,  ut  prlmo  quoque  tempore  legati  aliqui  (sique  potes  tu  ipse) 
Augustae  adsint,  causam  vestram  et  catholicae  religionis  acturi.  Tu  ne  cede 
adversariis,  sed  contra  nitere  et  viriliter  age  hoc  praesertim  comitiorum 
tempore,  in  quo  non  deerunt  vobis  et  patroni  et  defensores  acerrimi.^  (Vgl. 
Nuntiatarberichte  aus  Deutschland,  3.  Abt.  2.  6.,  S.  466  Anm.  2). 

••)  Städterats  -  Protokoll    des   Augsb.   Archivs   über    den   Augsburger 


272  J.  Müller 

Dieser  achtgliedrige  Ausschuss  fasste  die  Beschwerden  der  Aachener, 
sowie  die  Beschwerden  Augsburgs  über  Anmassungen  des  Erbmarschalls, 
des  Grafen  Pappenheim,  kurz  zusammen  und  beantragte,  dieselben  den 
höheren  Ständen,  bezw.  dem  Kaiser  mit  der  Erklärung  zu  übergeben,  dass 
vor  Abstellung  dieser  gravamina  sie  sich  weder  an  einer  Reichstagsbe- 
ratung, noch  an  einer  Bewilligung  für  die  Türkensteuer  beteiligen  könnten. 
Diese  am  19.  Juli  übergebenen  Beschwerden  der  Städte  richteten 
sich  nun  zunächst  gegen  den  Kaiser  selbst,  der  wider  den  klaren 
Wortlaut  des  Religionsfriedens  und  des  kaiserlichen  Dekretes  vom 
8.  Dezember  1574  die  Reichsstädte  nicht  wie  andere  Reichsstände  des 
Religionsfriedens  für  durchaus  fähig  erklärt,  der  ohne  vorhergehendes 
rechtliches  Verfahren  sogleich  die  achtsmässige  Exekution  gegen  Aachen 
ausgesprochen  und  dieselbe  Stadt  vom  Reichstage  ausgeschlossen  habe. 
Sodann  enthielten  die  städtischen  Beschwerden  einen  Protest  gegen 
das  den  Reichsconstitutionen  ganz  zuwiderlaufende  Verfahren  der  Nach- 
barfürsten (Jülich,  Lüttich  und  Burgund),  die  unter  dem  Schein  eines 
prätendierten  Interesses  die  Exekution  gegen  Aachen  mit  der  That  aus- 
geführt hätten.  Und  endlich  wendete  sich  die  eine  der  städtischen  Be- 
.  schwerden  gegen  das  Reichskammergericht,  das  in  der  Aachenschen 
Sache  den  erbetenen  Prozess  —  bereits  am  19.  Oktober  1581  waren 
die  Aachener  beim  Kammergericht  um  ein  Strafmandat  auf  den  Reli- 
gionsfrieden gegen  den  Herzog  von  Jülich  eingekommen  —  so  lange 
hinausgezogen  habe,  dass  die  Stadt  inzwischen  *in  die  äusserste  Be- 
drängnis geraten  sei^^). 

Dieses  mutvolle  Auftreten  der  Städte  brachte  den  Kaiser  in  keine 
geringe  Verlegenheit,  zumal  gerade  in  derselben  Zeit  infolge  des  Magde- 
burger Sessionsstreites  der  Fürstenrat  seine  Sitzungen  eingestellt  hatte 
und  Rudolfs  ei*ster  Reichstag  also  an  Sonderinteressen  zu  scheitern 
drohte.  Als  jedoch  durch  den  Eifer  der  katholischen  Partei  und  die 
Nachgiebigkeit  des  Kurfürsten  August  v.  Sachsen  der  Magdeburger  Bis- 
tumsadministrator Joachim  Frieilrich  von  Brandenburg  gezwungen  wurde, 
auf  seine  Session  für  diesmal  zu  verzichten,  und  die  beiden  oberen  Kollegien 


Reichstag  vom  Jahre  1582.  R.-A.  d.  A.  Arch.  Vergl.  auch  in  Nuntiaturbe- 
richte  aus  Deutschland,  3.  Abt.  II  S.  456  Madrazzo*s  Bericht  an  Como  t. 
10.  Juli:  plo  con  tal  occasione  ho  pregato  anco  il  signor  Trautsohn  che  di- 
sponga  S.  M.  cesarea  rimediare  toste  alli  disordini  d^Aquisgrano  et  a  qneste 
intnisioni  de  commissarii  impertinentL'^ 

»')  Häberlia  a.  a.  0.  XH  S.  80-^. 


Der  Konflikt  Kaiser  Rudolfs  II.  mit  den  deutsch.  Reichsstädten.       273 

zu  weiteren  Beratungen  tlber  die  Türkensteuer  schritten'^),  da  glaubte 
Kaiser  Rudolf  den  Trotz  der  Reichsstädte  durch  die  äusserste  Schroff- 
heit brechen  zu  können.  Er  erteilte  den  beiden  oberen  Kollegien, 
Vr eiche  ihm  die  „ganz  befremdliche  Beschwerdeschrift"  der  Städte  vom 
19.  Juli  zugestellt  hatten,  am  30.  Juli  eine  Resolution,  in  welcher 
er  seine  Verfügungen  in  der  Aachener  Angelegenheit  nicht  nur  streng 
aufrecht  erhielt,  sondern  auch  das  Eintreten  der  Städte  für  die  unge- 
horsame Reichsstadt  Aachen  als  ein  gefährliches  Komplott  bezeichnete, 
für  das  eine  gebührende  Strafe  zu  finden  ihm  der  Kürfürsten-  und  Fürstenrat 
ihren  Rat  und  Beistand  nicht  versagen  würden.  Welchen  Ingrimm  beim 
Kaiser  und  seinem  Hof  die  vermeintliche  Antastung  der  kaiserlichen  Hoh- 
heitsrechte  durch  die  trotzigen  Städter  hervorgerufen  hatte,  davon  zeugt 
unter  anderem  die  Thatsache,  dass  man  sich  in  der  kaiserlichen  Kanzlei  nicht 
scheute,  den  in  der  erwähnten  kaiserlichen  Resolution  vorkommenden  Namen 
Dr.  Tradels,  des  Augsburger  Ratskonsulenten  und  freimütigen  Wort- 
führers der  Städte  bei  den  Verhandlungen  des  Reichstages,  in  den  Spott- 
namen Radler,  d.  h.  Rädelsführer  umzukehren,  ein  Vorgehen  seitens  der 
kaiserlichen  Regierung,  das  man  nicht  anders  denn  als  eine  grobe  Verletzung 
der  guten  Sitte  und  des  Anstands  bezeichnen  kann^^).  Die  Städte 
Hessen  sich  jedoch  weder  durch  Drohungen,  die  gegen  sie  selbst  ge- 
richtet waren,  noch  durch  läppische  Beschimpfungen  ihres  Sprechers 
einschüchtern,  ebensowenig  wie  sie  sich  durch  die  Missgunst  der  Mehrheit 
des  Kurfürstenkollegiums,  das  ihnen  auf  Grund  veralteter  Reichstagsge- 
bräuche zunächst  eine  Abschrift  der  kaiserlichen  Resulution  vom  30.  Juli 
verweigerte,  in  ihrem  Beginnen  irre  machen  Hessen  *'^).  Sie  wussten 
sich  in  Übereinstimmung  mit  der  Mehrheit  des  Fürstenrates,  welche, 
von  dem  unerschrockenen  Kanzler  des  Pfalzgrafen  Job.  Casimir,  Dr. 
Ehern,  einem  geborenen  Augsburger  geführt,  die  Städte  bei  der  Ver- 
teidigung ihres  Postens  erfolgreich  unterstützte,  so  dass  die  von  den 
Gegnern  versuchten  unlauteren  Mittel,  die  Städte  mürbe  zu  machen, 
wie   mehrfache    Vorforderang    zu    nicht    angesagten    Reichsratsitzungen, 


*«)  M.  Lossen,  Der  Magdeburger  Sessionsstreit  auf  dem  Augsburger 
Reichstag  von  1581.    Abh.  der  III.  Cl.  d.  b.  Ak.  d.  Wiss.  XV.  Bd.  lU.  Abt. 

*")  Auszug  aus  den  ProtokoUen  der  v.  J.  1466—1582  abgehaltenen 
Reichstage.    R.-A.  d.  A.  Arch. 

-*•)  Städterats-ProtokoU  des  Augsb.  Archivs  über  den  Augsb.  Reichs- 
tag v.  1582  (Sitzungen  vom  1.,  2.,  3.  und  4.  August).  Vgl.  auch  HäberHn 
a.  a.  O.  XII  S.  446  etc. 


274  J.  Müller 

Fälschung   der  Votenabgaben   im  Fürstenrat   seitens    des  Vorsitzenden, 
des  Salzburger  Erzbischofs,  ohne  jede  Wirkung  blieben*^). 

Am  1.  August  wiederholten  die  Städte  ihre  Erklärung  vom 
19.  Juli  mit  der  angehängten  Bitte,  ihnen  die  Anzeige  ihrer  Beschwerden 
nicht  ungnädig  zu  vermerken,  sondern  sich  gegen  sie  als  Mitglieder  der 
Reichsversammlung  mitleidig  zu  erzeigen,  bei  der  Überreichung  der 
Duplik  der  höheren  Stände  an  den  Kaiser  in  puncto  cx)ntributionis 
die  zweite  Erklärung  der  Städte  auch  vorzubringen  und  ihnen  Ab- 
schrift von  der  Resolution  vom  30.  Juli  zukommen  zu  lassen.  Sie  fügten 
auch  noch  bei,  dass,  wenn  ihren  geklagten  Beschwerden  abgeholfen 
würde,  ihre  Oberen  trotz  des  notorischen  Rückganges  des  Wohlstandes 
der  Städte  die  von  den  höheren  Ständen  bewilligten  32  Römermonate 
wohl  auch  bezahlen  würden.  Auf  die  erste  von  den  Städten  vorgetragene 
Bitte,  ihre  Erklärung  der  von  den  höheren  Ständen  erstatteten  Re- 
lation an  den  Kaiser  anzuhängen,  vermeldete  der  Mainzische  Kanzler  in 
der  Reichsratsitzung  vom  1.  August,  dass  sich  die  höheren  Stände  darin 
dem  Herkommen  gemäss  verhalten,  d.  h.  dass  sie  den  Städten  darin 
willfahren  würden.  Betreffs  der  Kommunikation  der  begehrten  Abschrift 
der  kaiserlichen  Resolution  bemerkte  er  jedoch,  dass  man  diese  Sache 
bis  jetzt  nicht  habe  erledigen  können.  Die  Frage,  ob  die  höheren 
Stände  zur  Mitteilung  der  Resolution  an  die  Städte  verpfliclitet  seien, 
wurde  nämlich  in  den  nun  folgenden  Sitzungen  des  Kurfüi-sten-  und 
Fürstenkollegiums  aufs  ernstlichste  erwogen,  viel  ernster,  als  die  Fassung 
des  zweiten  Bedenkens  der  Reichsstände  auf  die  Duplik  des  Kaisers  in 
Sachen  der  Türkenhilfe.  Der  von  den  höheren  Ständen  ausgearbeitete 
Entwurf  dieses  Bedenkens,  der  in  der  gemeinsamen  Sitzung  der 
Reichsstände  vom  2.  August  zur  Verlesung  kam,  fand  fast  in  allen 
Stücken  die  Billigung  der  Reichsstädte.  Dieselben  wünschten  das  Kon- 
zept nur  an  einer  Stelle  geändert  zu  sehen,  nämlich  da,  wo  die  von 
den  Städten  übergebenen  Beschwerden  als  Privatsache  bezeichnet  wurden. 
Der  Sprecher  der  Städte  erinnerte  die  höheren  Stände  daran,  dass  diese 
Beschwerden,  da  sie  doch  das  ganze  Kollegium  der  Städte  beträfen, 
nicht  für  eine  Privatsache  angesehen  werden  könnten,  und  dass  deshalb 
die  höheren  Stände  diesen  Ausdruck  aus  ihrem  Bedenken  ausmerzen 
möchten.  Nach  kurzer  Beratung  erklärten  sich  dieselben  bereit,  das 
den  Städten  anstössige  Wörtlein  Privathandlung  durch  den  Ausdruck 
„solcher  ihrer  Sachen  wegen"  zu  ersetzen,  für  welche  günstige  Milde- 
rung sich  die  letzteren  dann  auch  unterthänigst  bedankten. 

**)  V.  Bezold,  Briefe  des  Pfalzgrafen  Johann  Casimir  I  S.  527. 


Der  Konflikt  Kaiser  Itudo<fs  It.  mit  den  deutsch.  Reichsstädten.        275 

Während  nun  in  den  Sitzungen  des  St&dterates,  bezw.  des  Stadt- 
ansschusses, vom  3.  und  4.  August  über  die  Erklärung  der  Städte  auf 
die  kaiserliche  Triplik  in  puncto  contributionis,  sowie  über  einen  aus  frühe- 
ren KeichstagsprotokoUen  anzufertigenden  Auszug  beraten  wurde,  durch 
welchen  der  vom  Kaiser  und  mehreren  Reichsständen  erhobene  Vorwurf, 
dass  die  Städte  mit  ihrer  Absonderung  in  der  Türkensteuerbewilligung 
eine  Ungesetzlichkeit  begingen,  entkräftet  werden  sollte,  fanden  im 
Kurfürsten-,  insbesondere  aber  im  Fürstenrat  die  heftigsten  Debatten 
über  die  oben  erwähnte  verfassungsrechtliche  Streitfrage  statt.  Die 
geistlichen  Kurfürsten  und  Fürsten  behaupteten  nämlich,  dass  die  kaiser- 
liche Resolution,  da  sie  ausschliesslich  an  die  oberen  Stände  gerichtet 
gewesen,  den  Städten  nicht  mitzuteilen  sei.  Die  weltlichen  Kurfürsten 
und  die  Mehrzahl  der  weltlichen  Fürsten  waren  dagegen  der  Ansicht, 
dass  man  den  Städten  die  Mitteilung  der  Resolution  vor  einer  Be- 
antwortung derselben  bewilligen  müsste,  damit  denselben  nicht  unge- 
hört  eine  beschwerliche  Strafe  zuerkannt  würde.  Die  erstgenannte  An- 
schauung vertrat  im  Fürstenrat  besonders  Salzburg,  während  die  ent- 
gegengesetzt« Meinung  in  den  Reichstagsgesandten  des  Pfalzgrafen  Job. 
Casimir  ihre  eifrigsten  Verteidiger  fand.  Als  man  nun  im  Fürstenrat 
am  4.  August  über  den  Punkt  zur  Abstimmung  kam  und  die  Mehrheit 
der  p&lzischen  Anschauung  beifiel,  sachte  Salzburg  das  Abstimmungs- 
ergebnis zu  vertuschen,  indem  es  bei  der  Relation  des  Fürstenratsbe- 
schlusses an  das  Kurfürstenkollegium  den  von  ihm  vertretenen  Stand- 
punkt als  denjenigen  der  Fürstenmehrheit  ausgab,  ein  Fälschungsver- 
sucb,  der  durch  die  Wachsamkeit  der  pfälzischen  Gesandten  sofort  als 
solcher  nachgewiesen  und  damit  vereitelt  wurde**).  Übrigens  war  der 
Kurfürstenrat  auch  der  milderen  Auffassung  der  strittigen  Frage  beige- 
treten, so  dass  die  Vertreter  Augsburgs,  nachdem  ihnen  der  Mainzische 
Kanzler  die  Erlaubnis  der  höheren  Stände  zum  Kopieren  der  kaiserlichen 
Resolation  angezeigt  hatta,  am  Sonntag  den  5.  August  endlich  Abschrift 
davon  nehmen  konnten*^).  Der  Städteausschuss  benützte  nun  diesen 
Sonntag,  sowie  den  darauf  folgenden  sitzungsfreien  Feiertag  (Tag  des 
hl.  Sixtus)  dazu,  auf  die  in  der  kais.  Resolution  erhobenen  Vorwürfe 
eine  ausführliche  Defensionsschrift  auszuarbeiten.  Die  letztgenannte 
Schrift,   den  oben  erwähnten  Auszug  aus  früheren  Reichstagsprotokollen, 


^2)  Häberlin  a.  a.  0.  XII  S.  449—459. 

^*)  Städterats-Protokoll  d.  Augsb.  Arch.  (Reichsratsitzungen  vom  9.  und 
11.  Aug.  1582). 


276  J.  Müller 

sowie  ihre  endgültige  Erklärung  in  puncto  contributionis  übergaben  die 
Städteabgesandten  in  der  Reicbsratsitzung  vom  7.  August  den  höheren 
Ständen  zur  Weiterbeförderung  an  den  Kaiser.  Bezüglich  der  Türken- 
hilfe erklärten  sie,  dass  sie  wegen  ihres  notorischen  Unvermögens  bei 
ihrer  Eventualbewilligung  von  32  Monaten  bleiben  müssten.  In  dem 
Auszug  aus  den  Protokollen  früherer  Reichstage  brachten  sie  den  Nach- 
weis dar,  dass  die  Einreichung  von  Beschwerden  an  den  Reichstag  und 
die  bedingungsweise  Bewilligung  von  Steuern  durchaus  keine  Ungesetz- 
lichkeit in  sich  schlössen,  sondern  auf  altem  Herkommen  beruhten.  Ein 
jeder  Stand  habe  das  Recht,  soviel  zu  bewilligen,  als  er  wolle  oder 
geben  könne;  es  habe  diesfalls  keiner  dem  andern  etwas  zu  prä judi- 
zieren. In  ihrer  Defensionsschrift  erklärten  sie  ernst  und  fest:  Es 
wäre  ihnen  nicht  bewusst,  sich  in  ungebührlichem  Tone  beschwert  zu 
haben,  sie  hätten  vielmehr  ihre  Beschwerde  mit  mehr  Bescheidenheit 
vorgebracht,  als  es  die  Beschaffenheit  der  Sache  habe  leiden  wollen. 
Um  so  mehr  hofften  sie,  dass  der  Kaiser  ihrer  geklagten  Notdurft  ab- 
helfen werde.  Dies  könne  aber  nicht  allein  dadurch  geschehen,  dass 
der  Kaiser  die  Reichsstädte  für  Stände  des  Reiches  erkläre,  was  ohne- 
hin seit  etlich  hundert  Jahren  notorisch  wäre,  sondern  dazu  bedürfe  es 
im  Abschied  des  jetzigen  Reichstages  einer  feierlichen  Erklärung,  dass 
künftig  weder  sie,  noch  irgend  ein  Reichsstand  wider  den  Religions-  und 
Landfrieden  mit  Kommissionen,  Dekreten  oder  Befehlen  beschwert 
werden  dürften*^). 

Diese  entschiedene  Sprache  der  Städte,  eine  wahre  Oase  in  dem 
dürren  Sandmeere  sonstiger  Bedenken  und  Gutachten  dieser  illustren 
Versammlung,  führte  nun  allmählich  zur  Scheidung  der  Geister  in  den 
beiden  oberen  Reichsräten.  In  den  gemeinsamen  Sitzungen  vom  9.  and 
11.  August  war  die  Trennung  noch  nicht  recht  ersichtlich;  da  hofften 
die  Anhänger  des  Kaisers  und  der  alten  Kirche  die  Städte  immer 
noch  von  ihrer  Eventualbewilligung  abzudrängen  und  ihnen  das  Zu- 
geständnis zu  entreissen,  dass  angesichts  so  hochwichtiger,  zur  Beratung 
stehender  Angelegenheiten  ein  Bestehen  auf  Erledigung  sogenannter  Pri- 
vatbeschwerden als  nicht  loyal  zu  betrachten  wäre*^).     Als  aber  in  der 


**)  Häberlin  a.  a.  0.  XII  S.  449.  Vgl.  dagegen  Madruzzo's  Bericht 
V.  4.  Aug.  1582  in  Nuntiaturberichte  aus  Deutschland  II  S.  497,  wonach  den 
Katholiken  bei  der  Abstimmung  die  Mehrheit  —  mit  33  gegen  24  Stimmen  — 
geblieben  wäre. 

**)  Nach  dem  Bericht  Madruzzo's  vom  7.  August  (Nuntiaturberichte 
aus  Deutschland,  3.  Abt.,  II  S.  498)  hätten  die  Reichsstädte  ihre  Erklärung  zum 


Der  Konflikt  Kaiser  Rudolfs  II.  mit  den  deutsch.  Reichsstädten.        277 

Reichsratsitzung  vom  13.  August  der  Sprecher  der  Städte  auf  das  un- 
gestüme Andrängen  des  Kurmainzischen  Kanzlers,  sich  nunmehr  cathegorice 
in  puncto  contributionis  zu  erklären,  abermals  die  runde  und  nette  Er- 
klärung' abgab,  dass  sie  von  wegen  des  grossen  Abfalls  der  Kommerzien 
solche  Kontribution  bei  ihrer  armen  Bürgerschaft  einzubringen,  ja  auch 
Gewissens  halber  sie  über  ihr  Vermögen  zu  beschweren  nicht  zu  verant- 
worten wüssten,  es  sei  denn,  dass  ihren  Beschwerden  abgeholfen  würde ; 
als  an  demselben  Tage  die  Städte  sich  unter  einander  das  feierliche  Ver- 
sprechen gaben,  sich  in  dieser  Angelegenheit  niemals  zu  trennen,  sondern 
bei  der  einmal  gefassten  Erklärung  zu  beharren*^,  da  begannen  die 
Gegner  das  Visier  allmählich  zu  lüften.  In  den  Sitzungen  des  Fürsten- 
rates vom  16.  und  18.  August  stellten  Österreich  und  Salzburg  den  An- 
trag, dass  die  Städte,  weil  sie  dem  Kaiser  trotzig  die  Kontribution  ver- 
weigert, zur  Strafe  anzuweisen  wären ;  die  Aachener  hätten  den  Anord- 
nungen des  Kaisers  unbedingt  zu  gehorchen.  Diesem  Antrag  stimmten  die 
geistlichen  Fürsten  selbstverständlich  zu*').  Im  Kurfürstenrat,  wo  der 
städtefeindliche  und  mit  Augsburg  insbesondere  verfeindete  August  von 
Sachsen  das  Zünglein  an  der  Wage  bildete,  fand  man,  dass  die  Städte 
keine  erheblichen  Ursachen  gehabt  hätten,  sich  auf  die  geschehene  Art  zu 
beschweren.  Denn  was  die  besondere  Beschwerde  der  Stadt  Aachen  be- 
treffe, so  ergebe  sich  aus  dem  kaiserlichen  Bericht  (der  Resolution  vom 
30.  Juli   beigefügt)  soviel,    dass  dieselbe  in  ihrem  Stand  zu  lassen  sei. 


1.  Artikel  der  kaiserlichen  Proposition,  bezw.  ihre  Defensionsschrift  schon  am 
5.  August  im  Reichsrat  verlesen,  wären  aber  wegen  des  anzüglichen  und  un- 
Yerschämten  Tones  derselben  von  den  höheren  Ständen  zu  erneuter  Beratung 
der  Sache  angewiesen  worden.  Diese  Darstellung  muss  schon  deshalb  auf 
falschen  Informationen  beruhen,  da  am  5.  und  6.  August  als  an  Feiertagen 
überhaupt  keine  Sitzungen  stattfanden. 

*•)  Die  Erklärung  Dr.  Tradels  in  der  Reichsratsitzung  vom  13.  August 
lautet  wörtlich :  „Die  E.  Statt  haben  I.  K.  M.  wie  auch  den  höheren  Stenden 
ihr  äusserstes  vermögen  hievor  schon  zu  erkennen  gegeben,  welches  dermassen 
beschaffen,  da  sie  was  weiteres  bewilligen  sollten,  dass  von  wegen  des  grossen 
Abfalls  der  commertien  solche  Contribution  bei  ihrer  armen  Bürgerschaft  nit 
einzubringen  und  zu  erlangen,  ja  auch  gewissenshalber  sie  über  ihr  vermögen 
zu  beschweren  nicht  zu  verantworten  wissen. '^  —  Als  der  Mainzer  Kanzler 
zum  Schlüsse  der  Sitzung  in  die  Städtabgesandten  drang,  ihre  Eventualbe- 
willigung  doch  wenigstens  auf  40  Monate  zu  erhöhen,  erklärten  sich  dieselben 
öffentlich  gegen  die  höheren  Stände:  „Es  wäre  alles  weitere  Verhandeln  in 
dieser  Sache  vergebens,  man  würde  die  Stände  damit  nur  unzeitig  und  zu 
lang  aufhalten."  (Städterats-Protokoll  d.  Augsb.  Arch.  über  die  Reichsrat- 
unn  Städtratsitzungen  v.  13.  Aug.  1582). 

*')  Häberlin  a.  a.  0.  XII  S.  460. 


278  J.  Müller 

Wegen  der  Wiederherstellung  der  Einigkeit  zwischen  Bürgerschaft  und 
Geistlichkeit  in  Aachen  möchte  es  wohl  ratsam  sein,  dass  der  Kaiser 
nochmals  beide  Teile  vor  seine  Kommission  bescheide  und  sie  womöglich 
in  der  Güte  vergleichen  liesse.  Falls  aber  solche  nicht  erfolge,  würde  der 
Kaiser  nach  erhaltener  Relation  seiner  Kommissarien  die  Sache  zu  ent- 
scheiden wissen.  Nach  der  Ansicht  der  drei  weltlichen  Kurfürsten  sollten 
die  Kommissarien  von  beiden  Religionen  bestellt  werden*^).  Im 
Gegensatz  zu  diesen  teils  recht  lahmen,  teils  ganz  städtefeindlichen  Vor- 
schlägen votierte  die  weltliche  Fürstenbank  dahin,  dass  sie  nicht  be- 
finden könnte,  warum  die  Städte  zu  bestrafen  seien.  Es  wäre  ein  altes 
Herkommen,  dass  nicht  allein  von  besonderen  Ständen,  sondern  auch 
von  den  Reichsstädten  fast  auf  allen  Reichstagen  Beschwerden  unbe- 
straft vorgebracht  und  erledigt  worden  seien.  Dass  sie  aber  in  Kon- 
tributionssachen soviel,  als  sie  wollten,  und  diese  Summe  auch  nur 
eventuell  bewilligen  könnten,  das  hätten  die  Städte  aus  den  Exempeln 
von  dergleichen  Absonderungen  von  160  Jahren  her  genügend  nachge- 
wiesen. Es  wäre  also  vielmehr  der  Kaiser  zu  ersuchen,  die  gegen  die 
Städte  gefasste  Ungnade  fahren  zu  lassen,  in  der  Aachenschen  Sache 
unparteiische  Kommissarien  von  beiden  Religionen  zu  verordnen,  über- 
haupt gegen  die  Reichsstädte  in  Profan-  und  Religionssachen  nach  den- 
selben Grundsätzen  zu  verfahren,  wie  gegen  andere  Reichsstände  *^). 

Am  24.  August  trat  der  Fürstenrat  mit  dem  Kurfürstenrat  über 
diese  reichsstädtische  Angelegenheit  zur  Relation  und  Korrelation  zu- 
sammen. Als  nun  der  fürstliche  Referent,  der  Bischof  von  Seckau,  an- 
zeigte, dass  die  Mehrheit  des  Fürstenrates  sich  in  Sachen  der  Städte 
mit  den  Kurfürsten  vergleichen,  den  Städten  ihr  Verhalten  verweisen 
wolle,  erklärte  Dr.  Ehem,  dass  dieser  Mehrheitsbeschluss  des  Fürsten- 
rates nur  dadurch  zu  Stande  gekommen  sei,  dass  Stände,  welche  dem 
Reiche  nichts  kontribuieren,  oder  solche,  welche  an  der  Aachener  An- 
gelegenheit interessiert  seien,  mitgestimmt  hätten.  Die  Fürsten  Augsb. 
Konfession  begehrten  darum,  dass  ihr  Bedenken  dem  Kaiser  auch  über- 
geben werde  ^®).  So  kam  es  denn,  dass  dem  Kaiser  am  25.  August  zwei 
ganz  verschiedene  Gutachten  übergeben  werden  mussten,  das  eine  im 
Namen  der  Kurfürsten  und  der  angeblichen  Mehrheit  des  Fürstenrates, 
das   andere   im  Namen   der  Fürsten   und  Grafen  der  Augsburger  Kon- 


")  Häberlin  a.  a.  0.  XII  S.  462  und  463. 

*»)  Häberlin  a.  a.  0.  XU  S.  441. 

^^)  Y.  Bezold,  Briefe  des  Pfalzgrafen  Johann  ('asimir  I,  S.  526. 


Der  Konflikt  Kaiser  Rudolfs  iL  mit  den  deutsch.  Keichsstädten.       279 

fession,  beide  dem  Inhalt  nach  den  oben  skizzierten  Abstimmungen  vom 
24.  Angust  entsprechend. 

Was  sollte  nun  der  Kaiser  in  dieser  von  ihm  selbst  heraufbe- 
schworenen peinlichen  Lage  thun?  Den  Fordeningen  der  Städte  nach- 
zugeben, hinderte  ihn  einerseits  sein  reizbares  fürstliches  Selbstgefühl, 
anderseits  die  Rücksicht  auf  die  fernere  Geneigtheit  der  katholischen 
Reichsstände,  insbesondere  auch  des  päpstlichen  Legaten,  des  Kardinals 
Madruzzo,  der  ihm  durch  sein  kluges  und  energisches  Auftreten  zu 
Beginn  des  Reichstages  die  Wege  in  dem  durch  Sessionsstreitigkeiten 
gespaltenen  Fürstenrat  geebnet  hatte  ^^).  Der  Kaiser  versuchte  es  also 
—  wohl  vor  allem  auf  den  Rat  des  Legaten  Madruzzo,  der  bereits  am 
9.  August,  dann  nochmals  am  23.  August  wegen  des  Aachener  Handels 
beim  Kaiser  Audienz  gehabt  und  dabei  denselben  nicht  nur  auf  die 
üblen  Folgen  eines  den  Protestanten  günstigen  Entscheides  in  dieser 
Sache  für  die  katholische  Kirche,  sondern  auch  für  die  Wahrung  des 
kaiserlichen  Ansehens  aufmerksam  gemacht  hatte  ^*)  —  nochmals  mit  einer 
Einschüchterung  der  Städte  durch  das  Einsetzen  seiner  ganzen  kaiser- 
lichen Autorität.  Diese  Taktik  wäre  vielleicht  von  Erfolg  begleitet 
gewesen,  wenn  der  Kaiser  durch  sein  persönliches  Auftreten  den  Städte- 
gesandten hätte  imponieren  können.  Bei  dem  scheuen,  verschlossenen 
Wesen  Rudolfs  IL  jedoch,  zum  Teil  erzeugt  durch  ein  lästiges  körper- 
liches Übel,  war  mit  ziemlicher  Bestimmtheit  vorauszusehen,  dass  der 
Versuch  misslingen  würde.  Und  so  geschah  es  auch.  So  wenig  nun 
Kaiser  Rudolf  II.  für  eine  Heldenfigur  geschaffen  war,  so  kommt  doch  seit 
seinem  persönlichen  Eingreifen  in  die  reichsstädtischen  Angelegenheiten 
in  die  bisher  schleppenden  Verhandlungen  des  Reichstages  dramatisches 


^^)  M.  Lossen,  Der  Magdeburger  Sessionsstreit  auf  dem  Augsburger 
Reichstag  v.  1582.    Abh.  d.  IlL  Cl.  d.  b.  Ak.  d.  W.  XX.  Abt.  HI. 

")  Nuntiaturberichte  aus  Deutschland,  3.  Abt.,  II  S.  503  und  520. 
Madruzzo's  Berichte  an  Como  vom  9.  und  23.  August.  Madruzzo  an  Como 
V.  9.  Aug.:  Hora  vedend'io  cosl  incerto  et  pericoloso  il  camino  di  questo 
negotio,  mi  risolsi  di  parlame  giovedi  con  la  Mt^  dell'  imperatore,  massime 
per  le  male  consequenze,  che  ne  derivaranno  alle  cittä  d'Aquisgrano  et  Co- 
lonia  etc.  —  Madruzzo  an  Como  vom  23.  Aug.:  Et  perche  in  questo  caso 
(seil.  11  voti  essere  divisi)  h  libero  a  S.  M*»  l'appigliarsi  a  quäl  parte  le  piace, 
giovedi  ne  feci  seco  il  piu  caldo  officio  che  potei,  aciö  ella  approbasse  il  parer 
piü  commune  de  principi,  quäle  ^  anco  eguale  fra  gFelettori,  mostrando  che 
ciö  non  solo  serve  al  beneficio  de  catholici  d'Aquisgrano  dalla  causa  commune 
della  religione,  ma  anco  all'  autoritä  et  dignitä  della  M^»  S.,  alla  quäle  la 
determinatione  degl'  aversari  pregiudica  con  ristringimento  notabile. 

Westd.  Zeitochr.  1  Q«tch.  n.  Kunst.   XIV,    in.  21 


280  J.  MüUer 

Leben.  Die  Bollen  waren  auf  beiden  Seiten  derart  verteilt,  dass  der 
päpstliche  Legat  und  des  Kaisers  Räte,  vor  allem  Hans  Trautson  und 
der  Sekretär  Erstenberger, .  das  vorwärts  drängende,  der  Kaiser  selbst 
und  die  Mehrheit  der  höheren  Reichsstände  das  zurückhaltende  Element 
bildeten.  Auf  Seite  der  Reichsstädte,  die  die  einmal  ergriffene  Posi- 
tion zu  verteidigen  hatten,  stand  Strassburg  in  der  vordersten  Linie 
der  Kämpfer;  wie  ein  Aldermann  erhob  es  immer  wieder  seine  treu- 
herzig warnende  Stimme,  wenn  im  Städterat  gegenüber  den  Anzapfungen 
des  Kaisers  und  der  höheren  Stände  unsichere  Kantonisten  von  der  ge- 
meinsamen Sache  abzufallen  drohten.  Ausser  Strassburg  waren  dann 
besonders  noch  Nürnberg  und  Lübeck,  jenes  das  Haupt  der  fränkischen 
Städtegruppe,  dieses  die  Führerin  der  Hansastädte,  stets  klar  zum 
Gefechte.  Zu  den  Städten  mit  etwas  zweifelhafter  Gesinnung  und 
Haltung  gehörte  nun  vor  allem  Augsburg.  Der  einflussreichste  Mann 
Augsburgs  war  damals  Anton  Christof  Rehlinger,  seit  1574  Stadt- 
pfleger, „ein  Mann  von  grossem  Verstand  und  Erfahrenheit",  wie  ihn 
P.  V.  Stetten  in  seiner  Augsburger  Chronik  schildert  „aber  doch  in  seinen 
Unternehmungen  vielleicht  etwas  zu  heftig"  ^').  Letzteres  Urteil  mag 
ja  bezüglich  des  Verhaltens  Rehlingers  in  dem  bald  darauf  ausbrechen- 
den Kalenderstreit  stimmen;  während  des  Augsburger  Reichstages  von 
1582  und  in  den  vorhergehenden  gemeinsamen  Beratungen  der  Reichs- 
städte jedoch  hat  sich  Rehlinger  als  höchst  vorsichtig  lavierenden 
Staatsmann  erwiesen,  der  strenge  Beobachtung  der  Reichskonstitutionen 
mit  erfolgreicher  Förderung  der  Interessen  Augsburgs  sowohl,  sowie  der 
kath.  Kirche  —  Rehlinger  war  nämlich  ein  ergebener  Sohn  der  alten 
Kirche  —  zu  vereinigen  wusste.  Der  oben  mitgeteilte  Passus  aus  der 
Instruktion  Augsburgs  an  seine  Gesandten  zum  Speyerer  Städtetag  im 
August  1581  wirft  schon  ein  Licht  auf  die  vorsichtige  Haltung  des 
Augsburger  Rats  in  dem  Aachener  Reformationsstreit.  Noch  deutlicher 
verrät  ein  im  Konzept  erhaltener  Brief  des  Stadtpflegers  Rehlinger, 
am  22.  April  1583  an  den  bayrischen  Herzog  Wilhelm  V.  gerichtet, 
die  innerste,  den  Aachenern  durchaus  ungünstige  Gesinnung  des  Angs- 
burger  Rates.  Auf  des  Herzogs  v.  Bayern  Aufforderung  an  Augsburg, 
auf  die  übrigen  Reichsstädte  behufs  Bewilligung  der  Reichskontri- 
bution einzuwirken,  antwortete  Rehlinger  im  Namen  des  Stadtrates, 
dass  sich  Augsburg  zu  seinem  Teil  trotz  aller  Ungelegenheit  in  dem 
Aachener  Handel  von   den  übrigen  Städten  mit  Fug  nicht  wohl  abson* 


*)  P.  y.  Stetten,  Geschichte  der  Stadt  Augsburg  I  S.  712. 


Der  Konflikt  Kaiser  Rudolfs  II.  mit  den  deutsch.  Reichsstädten.        281 

dem  könne,  nachdem  die  Sache  in  dieser  Stadt  also  geschaffen  sei,  d.  h. 
weil  in  der  'Augsburger  Bürgerschaft  die  Protestanten  die  Mehrheit 
bildeten**).  Dieser  aus  der  aristokratischen  Verfassung  Augsburgs  er- 
klärliche Zwiespalt  zwischen  den  Anschauungen  der  Mehrheit  der  Bür- 
gerschaft und  denjenigen  des  Stadtregimentes  wird  uns  im  Verlauf  der 
Reich tagsverhandlungen  noch  mehrfach  begegnen.  Einen  Einfluss  auf 
die  Gesamthaltung  der  Reichtstädte  in  der  Aachener  Sache  vermochte 
diese  antiprotestantische  Politik  der  Augsburger  Patrizier  jedoch  nicht 
auszuüben. 

Am  27.  August  Hess  also  der  Kaiser  den  Ausschuss  der  Städte 
vor  sich  fordern  und  demselben  in  seiner  Gegenwart  durch  den  R.- 
Vicekanzler  Dr.  Vieheuser  folgende  Eröffnungen  machen:  Es  seien  ihm 
die  von  den  Städten  vorgebrachten  Beschwerden  wohl  bekannt.  Gleich- 
wie er  nun  nicht  abgeneigt  sei,  denselben  zu  eines  jeden  Zufriedenheit 
abzuhelfen,  so  sei  er  auch  dazu  erbietig,  ihre  ferneren  Klagen  anzuhören 
und  sich  darauf  der  Gebühr  nach  zu  erzeigen.  Dagegen  hätte  sich  der 
Kaiser  nicht  versehen,  dass  die  Städte  ihn  allenthalben  würden  verklagt 
und  verunglimpft  haben.  Er  begehre  daher,  dass  ihn  die  Städte  künftig 
mit  solchen  scharfen  Anzüglichkeiten  verschonen  und  ihm  den  Respekt 
erzeigen  sollten,  der  ihm  als  ihrem  höchsten  Haupt  gebühre.  Desgleichen 
verlange  der  Kaiser,  dass  die  Städte  in  dem  Punkte  der  Türkenhilfe 
von  ihrer  Eventualerklärung  abstehen  und  sich  diesfalls  mit  den  höhe- 
ren Ständen  vergleichen  sollten.  Dies  wolle  er  den  Städten  gewiss  zu 
Gnaden  erkennen. 

An  eben  diesem  27.  August  erfolgte  auch  die  kaiserliche  Resolution 
auf  das  von  den  beiden  höheren  Kollegien  vor  zwei  Tagen  übergebene 
Gutachten.  In  dieser  Resolution  äussert  der  Kaiser,  dass  er  zwar  genug 
Ursache  hätte,  die  Urheber  dieser  Verkleinerung  und  Zerrüttung  der 
Gebühr  nach  zu  strafen.  Allein  in  Anbetracht  der  von  den  anderen 
Ständen  geschehenen  Intercession,  sowie  in  der  Hoffnung,  dass  die  Städte 
ihre  Absonderung  im  Punkte  der  Türkenhilfe  aufgeben  und  sich  gehor- 
sam erzeigen  würden,  wolle  er  es  diesmal  dabei  beruhen  lassen  und  sein 
öfteres  Erbieten  sowohl  wegen  der  Erledigung  ihrer  Beschwerden,  als 
auch  in  allem  andern,  was  die  Städte  als  des  Reiches  Mitglieder  und 
der  Reichsconstitutionen  fähige  Stände  betreffe,  wiederholt  haben.  Was 
aber  insbesondere    die  Aachensche  Handlung   angehe,    Hesse    sichs    der 


")  Schreiben  des  Stadtpflegers  Ant.  Christ.  Rehlinger  an  den  Herzog 
Wilhelm  V.  v.  Bayern  vom  22.  April  1583.   Stadtetagakten  des  Augsb.  Archivs. 

21* 


282  J.  Müller 

Kaiser  gefallen,  dass  die  Güte  nochmals  versucht  würde ;  er  wäre  daher 
entschlossen,  selbige  entweder  durch  Kommissarien  oder  am  kaiserlichen 
Hofe  selbst  zum  ehesten  vorzunehmen  und  keinen  Fleiss  zu  deren  güt- 
lichen Beilegung  zu  sparen.  Sollte  aber  wider  Vermuten  die  Güte  nicht 
stattfinden,  wolle  er  sich  so  verhalten,  wie  es  seinem  Amt  und  den 
Rechten  gemäss  wäre^*). 

Diese  Resolution  nebst  dem  kaiserlichen  Vortrag  rief  nun  unter  den 
Städten  eine  tiefe  Erregung  hervor ;  am  28.  Aug.,  da  man  im  Städterat  über 
weitere  Schritte  in  der  Angelegenheit  zur  Beratung  zusammentrat,  drang 
der  Antrag  Strassburgs,  die  Sache  einem  Ausschuss  zur  weitei-en  Be- 
ratung zu  überweisen,  erst  nach  hartem  Kampfe  durch.  Abgesehen  von 
den  kleinen  schwäbischen,  rein  katholischen  Städten  Rottweil,  Schw.- 
Gmünd  und  Überlingen,  welche  es  nun  für  selbstverständlich  erklärten, 
dem  Kaiser  die  40  Monate  pure  zu  bewilligen,  waren  auch  Städten,  wie 
Esslingen,  Heilbronn,  Köln,  Frankfurt,  Zweifel  gekommen,  ob  ihre 
kleinen  Republiken  der  Hochflut  des  kaiserlichen  Zornes  würden  Stand 
halten  können,  d.  h.  ob  sie  die  zu  erwartenden  kammergerichtlichen 
Prozesse  über  sich  ergehen  lassen  sollten^*).  Augsburg,  das  an  der 
Erledigung  der  reichsstädtischen  Beschwerden  vor  allem  wegen  seines 
Streites  mit  dem  Erbmarschall  interessiert  war,  erklärte  noch  am  29. 
August,  als  es  bereits  in  den  achtgliedrigen  Städteausschuss  gewählt  war, 
dass  es  nicht  verstehen  könne,  weshalb  man  in  dem  Reichstagsabschied 
wegen  der  Beschwerden  Verordnung  zu  statuieren  begehre.  Für  Aachen, 
meinten  die  Augsburger  Gesandten  gar,  habe  man  mit  der  Erklärung 
des  Kaisers,  dass  er  die  Städte  für  Stände  des  Reiches  und  des  Reli- 
gions-  und  Landfriedens  für  fä,hig  erkenne,  genug  erreicht.  Ihre  Herrn 
hätten  deshalb  Bedenken,  ob  es  auch  gut  sei,  sich  femer  auf  solche 
Weiterungen  einzulassen.  Das  war,  wie  man  sieht,  eine  zwar  die 
eigenen  Interessen  wahrende  Politik,  aber  auch  eine  Politik,  welche  der 
Sache  der  Städte  kühl  bis  ans  Herz  gegenüberstand.  Wie  wohlthuend 
stach  doch  gegen  solche  Kaltsinnigkeit  der  Augsburger  Patrizier  das 
Verhalten  der  Nürnberger  oder  Lübecker  ab !  Erstere  erklärten  in  der- 
selben Sitzung  vom  29.  August,  dass  es  Aachens  halber  nicht  genügend 
sei,  Kommissionen  zu  verordnen,  sondern  dass  zur  Entscheidung  der  Frage, 
ob  Aachen  die  Macht  habe,  das  exercitium  religionis  nach  Gefallen  auf- 


")  Häberlin  a.  a.  0.  XH  S.  470—472. 

")  Konzept  des  Städterats-ProtokoUs  über  die  Städteratsitzungen  vom 
28.  und  29.  Auguat  1582.     St.-A.  d.  A.  Arch. 


Der  Konflikt  Kaiser  Rudolfs  IL  mit  den  deutsch.  Reichsstädten.       283 

zurichten,  ein  reichsgerichtliches  Erkenntnis  erforderlich  sei.  Der  Lü- 
bccksche  Gesandte  aber  traf  wohl  den  Nagel  auf  den  Kopf,  indem  er 
von  der  Handlungsweise  Kaiser  Rudolfs  urteilte:  „Ich  sehe  von  S.  M. 
keinen  Effekt,  sondern  allein  Worte",  d.  h.  deutsch  gesagt,  die  Thaten 
entsprechen  bei  diesem  Monarchen  in  dem  vorliegenden  Falle  keines- 
wegs seinen  hochtrabenden  Worten  ^^). 

Der  achtgliedrige  Stadtausschuss  (Regensburg,  Nürnberg,  Ulm  und 
Augsburg  von  der  oberländ.  Bank,  Köln,  Strassburg,  Lübeck  und  Worms 
von  der  rhein.  Bank)  war  nun  so  zusammengesetzt,  dass  Ansichten,  wie 
sie  von  Augsburg  in  der  Städteratsitzung  vom  29.  August  entwickelt 
worden  waren,  darin  nicht  zur  Geltung  kommen  konnten.  Strassburg 
konnte  zur  Unterstützung  seines  Antrages,  von  der  Eventualbewilligung 
vor  Erledigung  der  städtischen  Beschwerden  keinesfalls  abzuweichen, 
noch  zwei  besonders  gewichtige  Gründe  ins  Feld  führen.  Erstens 
würde  es  bei  den  weltlichen  Fürsten  und  Grafen,  welche  den  Städten  bei 
ihrem  Vorgehen  bisher  so  kräftig  sekundiert  hatten,  ein  seltsames  Ansehen 
haben,  wenn  sie  nun  auf  eine  blosse  Schrift  des  Kaisers  hin  ihre  Rechte 
nach  Helotenait  feige  preisgeben  würden;  sodann  wäre  es  die  höchste 
politische  Unklugheit  von  ihnen,  wenn  sie  die  sich  jetzt  bietende  günstige 
Gelegenheit,  ihre  Gleichberechtigung  mit  den  beiden  oberen  Ständen 
mit  Hilfe  eines  Teiles  dieser  selbst  ein  für  allemal  feststellen  zu  lassen, 
ungenützt  vorübergehen  lassen  würden.  Diese  Gründe  schlugen  denn 
bei  der  Beratung  der  dem  Kaiser  zu  erteilenden  Antwort  in  der  Städte- 
ratsitzung vom  30.  August  auch  vollkommen  durch ;  mit  Ausnahme  der 
vier  Städte  Rottweil,  Überlingen,  Schwäb.-Gmünd  und  Dinkelsbühl  er- 
klärten sich  sämtliche  Städte  dahin,  dem  Kaiser  die  Türkenhilfe  nicht 
zu  bewilligen,  es  sei  denn,  dass  ihren  Beschwerden  zuvor  in  der  That 
abgeholfen  werde  ^*).  Am  31.  August  morgens  8  Uhr  übergaben  sie 
diese  ihre  Erklärung,  welche  sie  mit  den  ihnen  als  Reichsständen  zu- 
kommenden Prärogativen  des  näheren  begründeten,  dem  Kaiser  zu 
eigenen  Händen  ^^) ;  am  4.  September  wurden  die  Gesandten  der  Reichs- 
städte insgesamt  vom  Kaiser  zur  Audienz  befohlen,  um  seine  weiteren 
Eröffnungen  in  dieser  Sache  entgegenzunehmen.  Den  Inhalt  der  am 
Vormittag   des    4.   und   am   Vor-   und   Nachmittag   des    5.    September 


*")  Konzept  des  Städterats-Protokolls  über  die  Städteratsitzungen  vom 
28.  und  29.  August  1582.     St.-A.  d.  A.  Arch. 

*«)  Konzept  des  Städterats-Protokolls  über  die  Städteratsitzung  vom 
30.  August  1582.    St.-A.  d.  A.  Arch. 

»»)  Häberlin  a.  e.  0.  XU  S.  473—477 


284  J.  MiUler 

stattfindencfen  Unterredungen  zwischen  dem  Kaiser,  bezw.  seinem  Vize- 
kanzler einerseits  —  Rudolf  IL  selbst  ergriff  nämlich  dabei  nie  das 
Wort  —  und  den  Städteabgesandten  anderseits  auch  nur  in  extenso 
mitzuteilen,  das  dürfte  wegen  der  Eintönigkeit  der  immer  wiederkeh- 
renden Motive  von  keinem  weiteren  Interesse  sein.  Es  genügt  hier 
wohl  auf  diejenigen  Momente  kurz  hinzuweisen,  welche  der  Sache  eine 
neue  Wendung  gaben  oder  wenigstens  zu  geben  versprachen.  Dazu 
gehört  nun  vor  allem  die  Thatsache,  dass  die  Städte  am  4.  September  auf 
die  von  dem  Vizekanzler  an  Dr.  Tradel  gerichtete  Frage,  wie  doch 
diesen  Beschwerden  abgeholfen  werden  möchte,  demselben  einen  kurzen 
schriftlichen  Aufsatz  überreichten,  in  dem  sie  die  Mittel  angeführt 
hatten,  welche  nach  ihrer  Ansicht  zur  Abhilfe  ihrer  Beschwerden  dien- 
lich wären.  Diese  Mittel  waren  nun,  abgesehen  von  einem  Passus,  der 
sich  auf  den  Streit  Augsburgs  mit  dem  Reichsmarschall  bezog,  folgende 
zwei:  1)  Der  Stadt  Aachen  ist  die  freie  Religionsübung  zu  bewilligen 
und  zur  Beilegung  ihrer  Privatirrungen  ist  eine  paritätische  Kommission 
zu  verordnen.  2)  Den  Städten  ist  eine  Recognition  auszustellen,  dass 
die  Bewilligung  der  40  Römermonate  allein  dem  Kaiser  zu  Ehren  und 
nicht  darum  geschehe,  weil  die  Städte  den  Beschlüssen  der  höheren 
Stände  sich  zu  unterwerfen  schuldig  wären. 

Ausserdem  sollte  dem  Reichsabschied  noch  folgende  Erklärung 
beigefügt  werden:  „Weil  die  Reichsstädte  Stände  und  Mitglieder  des 
Reichs,  demnach  gleich  den  Kurfürsten  und  übrigen  Ständen  des  Re- 
ligions-  und  Landfriedens  fähig  sind,  so  dürfen  sie  hierfür  ebenso*  wenig 
wie  irgend  ein  anderer  Stand  gegen  den  Religions-  und  Landfrieden, 
auch  andere  Reichsconstitutionen  mit  einigen  Kommissionen,  Dekreten 
und  Mandaten  beschweret  werden;  sondern  wann  sie  oder  ein  anderer 
Stand  des  Reiches  sich  wider  die  Ordnungen  ungehorsam  erzeigen  und 
dadurch  eine  Strafe  verwirken,  so  sind  sie  laut  der  Reichsordnung  mit 
ordentlichen  Rechten  zu  convinciren.  Sollten  aber  trotzdem  Kommis- 
sionen, Dekrete  oder  Befehle  gegen  sie  ergehen,  so  sollen  dieselben 
kraftlos  und  unbündig  sein,  auch  durch  niemand  exequiert  werden  dürfen. 
Seilten  aber  welche  darwider  einige  Exekution  anstellen,  sei  es  durch 
Sperrung  der  Commertien,  Victualien,  oder  sonstwie  mit  Bedrängnis 
und  offener  thätlicher  Gewalt,  so  sind  solche  Exekutoren  ipso  facto  in 
des  Reiches  Acht  gefallen^®)." 

Solche   Zumutungen    hätten  wahrscheinlich    auch    einen   von    der 


••)  Häberlin  a.  a.  0.  XII  S.  489—491. 


Der  Konflikt  Kaiser  Rudolfs  11.  mit  den  deutsch.  Reichsstädten.       285 

Hoheit  seiner  Stellung  weniger  erfüllten  Herrscher  stutzig  gemacht.  Nun 
mag  man  sich  aber  die  Entrüstung  eines  Rudolf  H.  denken,  der  die 
überspanntesten  Begriffe  von  seiner  kaiserlichen  Autorität  vom  spanischen 
Königshof  nach  Deutschland  mitgebracht  hatte.  Dergleichen  habe  man 
nie  erfahren,  solche  Zumutungen,  die  das  Ansehen  seines  Herrn  ganz 
zu  Grunde  richten  müssten,  seien  noch  keinem  Kaiser  gemacht  worden, 
so  rief  der  Vicekanzler  den  Mitgliedern  des  städtischen  Ausschusses 
entgegen,  als  sich  dieselben  am  Vormittag  des  5.  September  bei  demselben 
wiederum  einfanden.  Ihre  nach  Materie  und  Form  nichtsnutzige  Schrift 
sei  so  beschaffen,  als  ob  man  den  Kaiser  in  einem  Turm  hätte  und 
von  ihm  sich  Urfehde  schwören  lassen  könne.  Doch  wisse  man  wohl, 
dass  dieses  Vorgehen  nicht  im  Sinne  der  Gesamtheit  der  Städte  liege, 
sondern  das  Werk  nur  einzelner  weniger  sei,  die  die  übrigen  zum  Bösen 
verführten.  Den  Verführern  wie  den  Verführten  aber  gebe  er  zu  be- 
denken, dass  sie  es  mit  dem  Kaiser  zu  thun  hätten,  welcher,  nach  Gott 
im  Himmel,  ihr  Gott  auf  Erden  und  ihr  höchstes  und  einiges  Haupt 
sei.  Zu  ihm,  der  sich  so  milde  gegen  sie  erboten,  ihren  Beschwerden 
abzuhelfen,  sollten  sie  Vertrauen  haben.  Doch  wenn  sein  treuherziges 
Bitten  und  Ermahnen  durchaus  nichts  helfe,  so  hätten  sie  wohl  zuzu- 
sehen, dass  ihr  endlicher  Untergang  aus  ihrer  Beharrung  folgen  würde. 
Mit  diesen  und  ähnlichen  Worten  bestürmte  der  Vicekanzler  die  Städte- 
abgesandten am  Vormittag  des  5.  September;  bezüglich  Aachens  aber 
blieb  er  bei  seiner  Meinung,  dass  sich  die  Städte  dieser  Reichsstadt  und 
ihrer  Privatbeschwerden  anzunehmen  keine  Ursache  hätten^*).  Dass  die 
Städte  sich  durch  den  Aufwand  bedeutender  Stimmmittel  von  ihrer 
gegenteiligen  Ansicht  nicht  abdrängen  lassen  würden,  war  für  einen 
klagen  Mann  vorauszusehen.  So  war  die  ganze  Scene  wahrscheinlich 
doch  nicht  viel  anderes,  als  ein  wohl  präparierter  Entrüstungsspektakel, 
den  der  schlaue  Höfling  zur  Befriedigung  des  verletzten  Fürstenstolzes 
seines  Herrn  aufführen  zu  müssen  glaubte. 

Auf  Nachmittag  3  Uhr  desselben  Tages  waren  die  Städteabge- 
sandten in  das  kaiserliche  Quartier  bestellt,  um  daselbst  ihre  endgültige 
Erklärung  vor  dem  Kaiser  selbst  abzugeben.  Da  den  Städten  die  gewährte 
Frist  zur  weiteren  Beratung  der  wichtigen  Sache  zu  kurz  schien,  schickten 
sie  zwei  Abgesandte  von  Regensburg  und  Goslar  an  den  Vicekanzler, 
um  bei   ihm  anzuhalten,   dass   sie   bis  morgen   oder  wenigstens  bis  um 


•*)  Städterats-ProtokoU  des  Augsb.  Arch.    (Verhandlungen  der  Städte 
mit  dem  Kaiser  am  4.  und  5.  Sept.  1582). 


286  J,  MüUer 

5  Uhr  heute  Nachmittag  einen  Anfschnh  erlangen  möchten.  Sie  be- 
kamen aber  von  ihm  die  angnädige  Antwort:  die  Städte  hätten  den 
Kaiser  so  heftig  vor  den  Kopf  gestossen,  dass  er  ihnen  keinen  Auf- 
schub bewilligen  wolle. 

So  erschienen  denn  nachmittags  3  Uhr  die  Stadteabgesandt«D 
vor  dem  erztlmten  Monarchen,  der  von  den  Erzbischöfen  von  Mainz 
und  Trier,  dem  Bischof  von  Würzburg,  dem  Yicekanzler  Dr.  Vieheuser 
and  den  Geh.  Räten  v.  Trautson  und  v.  Harrach  umgeben  war.  Nach- 
dem Dr.  Tradel  die  von  den  Städten  kurz  vor  der  Audienz  entworfene 
Erklärung,  dass  sie  bei  ihrem  gestrigen  Entschlüsse  zu  beharren  ge- 
dächten, verlesen  hatte,  mussten  sie  abtreten.  Der  Kaiser  besprach  sich 
nun  zuerst  mit  den  bei  ihm  anwesenden  Fürsten,  sodann  mit  den  vor- 
gedachten Geheimen  Räten ;  dann  liess  er  die  Städte  wieder  hereinrufen 
und  ihnen  durch  seinen  Yicekanzler  folgendes  eröffnen :  Ihre  hartnäckige 
Widersetzung  im  Punkte  der  Türkenhilfe  und  ihre  Absonderung  darin 
von  den  höheren  Ständen  sei  wider  allen  Gebrauch  und  Herkommen, 
die  Verwirklichung  ihres  Begehrens  aber,  wegen  ihrer  Beschwerden  einen 
besondem  Artikel  in  den  Reichstagsabschied  einzurücken,  würde  die 
Autorität  des  Kaisers,  sowie  das  Ansehen  der  höheren  Stände  zum 
höchsten  lädieren  und  schwächen.  Dass  der  Mehrzahl  der  ^tädte  eine 
solche  böse  Absicht  innewohne,  das  verm^e  er  nach  seinem  väterlichen 
und  milden  Erbieten  gegen  sie  nimmermehr  zu  glauben.  Die  gutherzigen 
Städte,  deren  es  gewiss  noch  viele  unter  ihnen  gebe,  ermahne  er  also 
nochmals,  sich  in  Ansehung  der  Tfirkenhilfe  der  Gebühr  zu  erzeigen; 
von  den  Widerspenstigen  aber  fordere  er,  sich  deshalb  mit  den  höheren 
Ständen  zu  vergleichen.  Im  übrigen  zeige  er  sämtlichen  Städten  an, 
dass  die  von  den  oberen  Ständen  geschehene  Bewilligung  allein  als 
Reichsbeschluss  in  den  Abschieii  gesetzt  werde  und  dass  in  dem  Ab- 
Si'hied  zugleich  Mass  und  Onlnung  gegeben  werde,  wie  gegen  die  Un- 
gehor^men  zu  verfahren  sei. 

Nachdem  sich  die  Städteabgesandteo  kurz  über  die  zu  erteilende 
Antwort  beraten,  trug  Dr.  Tradel  in  ihrem  Namen  dem  Kaiser  folgendes 
vor:  Die  Städte  könnten  ihr  Verlanen,  dass  dem  diesmaligen  Reichs- 
tagsabsohied  um  ihr^r  Sicherheit  willen  ein  Artikel  betreffs  Abstellung 
ihrvr  IV^ohwenien  einverleibt  wenie.  nach  einem  ganz  ähnlichen  Fall 
auf  dem  Au^bur^r  Reichstai?  v.  J.  Iöö9  durchaus  nicht  für  unbillig 
halten.  IVuuals  hätten  die  Städte  dem  Kaiser  Ferdinand  I,  nachdem 
sie  sich  üKt  die  Hohe  ihn^  Anschlags  zur  Unterhaltung  des  Reichs- 
kÄmmenin^riohts  K^hwert  bellen,  den  erlK«hten  Beitrag  nur  unter  der  Be- 


Der  Konflikt  Kaiser  Rudolfs  IL  mit  den  deutsch.  Reichsstädten.       287 

dingnng  bewilligt,  dass  dem  Beichstagsabschied  ein  besonderer  Artikel 
über  die  Verschonung  der  Reichsst&dte  mit  künftigen  derartigen  Kon- 
tributionen eingereiht  würde.  Des  Kaisers  Grossvater-  habe  keinen  An- 
stand genommen,  den  von  den  Städten  begehrten  Zusatz  in  den  Reichs- 
tagsabschied V.  J.  1559  einrücken  zu  lassen;  angesichts  eines  solchen 
Präcedenzfalles  hätten  die  Städte  nicht  daran  denken  können,  dass  ihnen 
ihr  heutiges  Verlangen  zu  Ungnaden  ausgelegt  würde.  Was  übrigens 
des  Kaisers  Meinung  betreffe,  dass  der  Städte  Verlangen  nur  das  Werk 
einiger  weniger  sei,  so  sei  Se.  Majestät  darin  irrig  berichtet;  ausser 
den  vier  Städten  Rottweil,  Überlingen,  Schw.-Gmünd  und  Dinkelsbülil, 
die  die  Kontribution  pure  bewilligt  hatten,  seien  alle  Reichsstädte  in 
dieser  Frage  eines  Willens  und  eines  Sinnes**). 

Die  Städte  vermochten  weder  durch  den  Hinweis  auf  das  Ent- 
gegenkommen eines  Ahnen  bei  einer  ähnlichen  Gelegenheit,  noch  durch 
die  Feststellung  ihrer  Einhelligkeit  und  wahrscheinlichen  ünzertrenn- 
lichkeit  in  dem  vorliegenden  Fall  den  Kaiser  von  seinem  einmal  ge- 
fassten  Standpunkt  abwendig  zu  machen ;  nach  nochmaligen  vergeblichen 
Ermahnungen  an  die  Städte,  sich  mit  den  höheren  Ständen  zu  ver- 
gleichen, schloss  der  Vicekanzler  diese  denkwürdige  Audienz  mit  den 
drohenden^ Worten :  „So  lässt  es  Se.  Majestät  der  Kaiser,  mein  gnädiger 
Herr,  bei  seiner  vorhin  geschehenen  Erklärung  und  endlichen  Anzeige 
bewenden". 

Dem  starken  fürstlichen  Selbstbewusstsein,  dem  solche  stolze  Worte 
entsprangen,  entsprachen  nun  aber  zum  Heil  des  deutschen  Volkes  durch- 
aus nicht  gleichwertige  Machtmittel  bei  dem  rein  kirchlichen  und  dynasti- 
schen Interessen  dienenden  Kaiser.  Sollte  der  kaiserliche  Fiskal  etwa  gegen 
die  zweiundsechzig  Reichsstädte,  welche  die  Kontribution  nicht  bewilligt 
hatten,  am  Kammergericht  Prozesse  anstrengen  ?  Das  hätte  zu  unendlich 
langwierigen  Verhandlungen  geführt,  die  grösseren  Städte,  wie  Strassburg, 
Nürnberg,  Lübeck  etc.,  an  deren  Beiträgen  dem  Kaiser  vor  allem  gelegen, 
war,  hätten  sich  der  Exekution  wahrscheinlich  mit  Gewalt  widersetzt; 
zudem  war  man,  da  die  Türkensteuem  von  den  Fürsten  und  Grafen 
ausserordentlich  langsam  einzugehen  pflegten,  in  dieser  Beziehung  auf 
städtische  Vorschüsse  („Furlehn")  geradezu  angewiesen.  Kurz,  wirkliche 
Strafmassregeln  gegen  die  Städte,  das  hatte  der  Vicekanzler  den  Ge- 
sandten Regensburgs  und  Goslars  auch  offen  zugegeben,  waren  am  kais. 


•*)  Städterats-ProtokoU  des  Augsb.  Arch.    (Verhandlungen  der  Städte 
mit  dem  Kaiser  am  5.  Sept.  1582). 


288  J.  Müller 

Hof  auch  im  Ernste  kaum  je  erwogen  worden  ^^).  Der  Kaiser  versuchte 
es  vielmehr  nochmals  „mit  milder  Ermahnung  und  Erbieten **.  Es  war 
am  Nachmittag  des  12.  September,  nachdem  fast  alle  wichtigeren  Reichs- 
tagshandlungen bereits  erledigt  waren,  dass  der  Städteausschuss  zu  dem 
kais.  Yicekanzler  und  den  beiden  Geh.  Räten  v.  Trautson  und  v.  Harrach 
beschieden  wurden.  In  der  Einleitung  seines  Vortrages  bezeichnete  der 
Vicekanzler  als  Grund  des  abermaligen  Versuches  des  Kaisers,  mit  den 
Städten  wegen  des  Kontributionspunktes  ins  Reine  zu  kommen,  die 
vorliegende  äusserste  Gefahr  der  ungarischen  Grenzen.  Damit  nun  der 
Kaiser  zu  diesen  unleidlich  grossen  Ausgaben  der  Hilfe  der  Städte  nicht 
länger  ermangle,  lasse  er  sie  nochmals  fragen,  was  denn  die  Städte 
noch  für  anliegende  Beschwerden  hätten,  und  ob  sie  nicht  selbst  Mittel 
und  Wege  anzugeben  wüssten,  wie  solchen  Beschwerden  abzuhelfen  sei. 
Liessen  sich  solche  Mittel  nur  einigermassen  mit  der  Aufrechthaltnng 
der  kaiserlichen  Autorität  vereinigen,  so  wolle  er  sich  dieselben  gefallen 
lassen®*).  Diese  Sprache  klang  nun  schon  etwas  freundlicher,  als  die 
am  5.  September  beliebte  Weise;  immerhin  aber  war  es  auffallend,  dass 
man  sich  auf  kaiserlicher  Seite  noch  so  stellte,  als  ob  man  die  Städtebe- 
schwerden nicht  genügend  kenne,  und  dass  man  wiederum  den  Städten 
die  undankbare  Aufgabe  zuschob,  die  Mittel  zur  Abhilfe  ihrer  Beschwer- 
den selbst  anzugeben.  Gewitzigt  aber  durch  die  schlimmen  Erfahrungen 
vom  letzten  mal,  lehnten  die  städtischen  Gesandten  die  Aufforderung 
des  Vicecanzlers  dieses  mal  bescheidentlich  ab  und  erklärten  sich  bereit, 
die  Mittel,  wie  den  Städten  zu  helfen  sei,  unterthänig  von  den  kaiser- 
lichen Räten  zu  vernehmen.  Und  was  vernahmen  sie  nun  da  hinsicht- 
lich der  beiden  Punkte,  die  ihnen  besonders  am  Herzen  lagen?  Der 
endgültige  Bescheid  des  kaiserlichen  Vicekanzlers,  ein  Produkt  kraft- 
loser ünentschiedenheit,  wie  fast  alle  wichtigeren  Regiei-ungsentschliessun- 
gen  Rudolfs  H,  lautet  wörtlich  also: 

„1)  Das  Reformationsrecht  Aachens  betreffend :  Wie  sich  K.  M.  schon 
mermals  erbotten,  den  gebrechen  der  Stadt  Aachen  abzuhelfen,  so  ist 
Sy  auch  noch  erbietig,  durch  dero  Commissarien  zwischen  den  bürgern 
von  Aachen  die  gute  zu  versuchen,  und  im  fall  sie  bei  einem  oder  an- 


*')  StädteratsProtokoU  des  Augsb.  Arcb.  (Unterredung  des  K.  Vice- 
kanzlers Dr.  Vieheuser  mit  den  Reichstagsgesandten  von  Regensburg  und 
Goslar  am  5.  September  1582). 

^)  Wörtlich :  „Es  ist  des  Kaisers  allergnädigstes  Erbieten,  den  Städten 
in  Abhelfung  derselben  gravamina  die  Hand  zu  bieten  und  alles  dasjenige  zu 
leisten,  was  I.  K.M.  salva  imperial!  autoritate  zu  leisten  immer  möglich  ist' 


Der  Konflikt  Kaiser  Budolfs  11.  mit  den  deutsch.  Reichsstädten.       289 

dem  teil  entstünde,  alsdann  die  sach  gen  Hof  zu  ziehen  und  darin  ob- 
liegenden kaiserlichen  ambts  zu  erkennen,  was  den  Rechten,  der  Billich- 
keit,  auch  den  Reichsconstitutionen  gemes  wäre. 

2)  Ebenbürtigkeit  des  reichsstädischen  Collegiums  mit  den  beiden 
oberen  Räten  betreffend :  S.  M.  d.  Kaiser  erklärt  die  Städte  für  stend  und 
mitglieder  des  Reichs  und  daher  aller  Reichsconstitutionen  f&hig.  Was 
dieselben  bisher  I.  K.  M.  Yorfaren  an  Reichscontributionen  treuherzig 
geleistet,  das  ist  aus  keiner  Schuldigkeit,  sondern  allein  denselben  zu 
allerunterthänigsten  ehren  und  gehorsam  beschehen.  Ob  aber  die  Städte 
den  oberen  Ständen  oder  den  mereren  nachzufolgen  schuldig,  das  stellten 
I.  K.  M.  an  seinen  Ort  und  wäre  eine  question,  so  die  Stände  und 
Städte  miteinander  zu  verfechten  und  auszutragen  hätten^*)." 

Bei  der  ersten  Beschwerde  also  ein  absichtliches  Umgehen  des 
Kernpunktes  der  Streitfrage,  nämlich  offene  Verwerfung  oder  Anerken- 
nung des  Reformationsrechtes  Aachens  und  damit  anderer  Reichsstädte; 
statt  dessen  ein  ostentatives  Hervorheben  eines  nebensächlichen  Punktes, 
von  dem  die  Städte  von  vornherein  erklärt  hatten,  dass  sie  sich  darein 
nicht  mischen  wollten.  Bei  der  zweiten  Beschwerde  aber  ein  unmänn- 
liches Zuschieben  einer  verantwortungsvollen  Entscheidung  von  den 
eigenen  Schultern  auf  fremde.  Solche  seltsame  Bescheide,  um  die  man 
wahrlich  nicht  den  Kaiser,  die  Quelle  alles  Rechtes  im  Reiche,  hätte 
anzugehen  brauchen,  konnten  die  Städte  unmöglich  zufrieden  stellen. 
Deshalb  legten  sie  gegen  die  Bewilligung  der  40  Römermonate,  insofeme 
sie  eine  bedingungslose  war,  am  18.  September,  zwei  Tage  vor  der 
Veröffentlichung  des  Reichstagsabschiedes,  Protest  ein.  Da  der  Kaiser, 
wie  gesagt,  den  Widerstand  der  Städte  mit  Gewalt  nicht  zu  brechen 
wagte,  so  folgten  zwischen  beiden  dreijährige  Verhandlungen,  deren 
endliches  Ergebnis  war,  dass  sich  die  Städte  zur  Bezahlung  der  Steuer 
herbeiliessen,  ohne  dass  ihren  Forderungen  betreffs  Aachens  von  der 
kaiserlichen  Regierung  wirklich  Rechnung  getragen  worden  wäre^^). 

Der  Verlauf  dieser  Verhandlungen  lässt  die  Vergeblichkeit  jedes 
Versuchs  dieser  Zeit,  den  Städten  zu  irgend  einem  nennensweiten  Ein- 
fiuss  auf  die  politische  Entwickelung  Deutschlands  zu  verhelfen,  auf  das 
unzweideutigste  erkennen.  Auf  dem  im  Juli  1583  zu  Dinkelsbühl  statt- 
findenden Städtetag  verwahrte  sich  noch  eine  ansehnliche  Städtemajorität 
—  es  waren   damals   erst  vierzehn  Reichsstädte,    meist   kleinere  ober- 


•»)  Städterats-Protokoll  des  Augsb.  Arch.    (Unterredung  des  K.  Vice- 
kamzlers  mit  dem  Städteausschoss  am  12.  Sept  1582). 
««)  M.  Ritter  a,  a.  0.  I  S.  587. 


290  J-  Müller 

schwäbische,  von  den  gemeinsamen  Augsburger  Beschlüssen  abgefallen, 
„weil  sie,  in  der  Landvogtei  Schwaben  gelegen,  von  Österreich  aller- 
hand Gefahren  zu  gewärtigen,  wenn  sie  bei  I.  K.  M.  in  Ungnade  sein 
sollten"  —  feierlichst  gegen  die  Gewohnheit  Kaiser  Rudolfs  IL,  „die 
Städte  in  die  Irrungen  zwischen  ihnen  und  ihren  Benachbarten,  wie 
auch  zwischen  ihren  Privatbtirgern  von  ihren  ordentlichen  Richtern 
wider  ihre  habenden  Freiheiten,  wider  den  Land-  und  Religionsfrieden, 
auch  I.  K.  M.  sondern,  mit  den  Ständen  des  Reichs  getroffene 
Vergleichung,  ohne  Mittel  an  den  Hof  zu  ziehen"  ®').  Die  Mehrheit, 
welche  diesen  Protest  gegen  Kaiser  Rudolfs  Übergriffe  im  Reichsjustiz- 
wesen einlegte,  war  nun  aber  durchaui  keine  innerlich  feste,  homogene 
Masse.  Da  war  zunächst  Nürnberg  mit  seiner  bekannten  Ängstlichkeit 
und  übergrossen  Friedensliebe  ein  höchst  unsicheres  Element  in  dem 
städtischen  Trutzbündnis.  In  seinem  Schreiben  vom  25.  Juni  1583  an 
seine  Dinkelsbühler  Städtetaggesandten  (Baumgartner  und  Hörl)  ^ebt 
sich  diese  Zaghaftigkeit  des  Nürnberger  Rates  in  folgender,  recht  be- 
zeichnender Weise  kund:  „Es  irrt  uns  nit,  was  Strassburg,  Lübeck 
und  dergl.  Statt  thun,  alldieweil  dieselben  auf  des  Reichsgrentzen  ent- 
sessen  und  dermassen  entlegen,  dass  sie  nach  ein  geringen  Zorn  und 
Ungnad  nit  vil  fragen,  mit  andern  Stätten  aber,  sonderlich  uns,  hat  es 
eine  weit  andere  gelegenheit.  Dem  ob  sich  wol  der  K.  M.  betrohung 
ansehen  lesst,  als  ob  I.  K.  M.  den  ordentlichen  Weg,  d.  i.  mit  des  K. 
Kammergerichts  Processen  wider  die  Stätte  fürzunemen  willens,  so  ist 
man  doch  nit  gewis,  ob  es  endlich  bei  demselben  bleiben  würde,  oder 
ob  nicht  vielmehr  I.  K.  M.  andere  weg,  dadurch  den  Erb.  Stätten  auch 
wehe  geschehen  kann,  an  die  Hand  nehmen  möcht.  Unseres  eracht^ns 
kann  es  soviel  nicht  schaden,  wann  man  gleich  I.  M.  zu  diesem  mal 
unterth.  angebotten  hette,  I.  K.  M.  die  erste  und  nechstkünftige  frist 
auf  eine  Protestation,  dass  es  den  Erb.  Stätten  an  voriger  Eventualbe- 
willigung  und  Bedingimg  allerdings  unvorgreiflich  sein  sollte,  folgen  zu 
lassen,  und  dass  man  sich  auf  solchs  unterth.  vertrauen  versehen  wollte, 
I.  K.  M.  würde  hierzwischen  der  Erb.  Stätte  gravamina  eingedenk  sein 
und  denselben  nachmalen  allergn.  abhelfen^®)."  Von  viel  grösserer  Be- 
deutung für  die  G'esamtpolitik  der  Reichsstädte  als  die  unsichere  Haltung 
Nürnbergs  war  aber  die  von  dem  zielbewussten  Stadtpfleger  Ant.  Christ. 


*^)  Fernere  Erklärung  der  Städtebotschafter  auf  die  Replik  der  Kais. 
Commissarien,  datiert  5.  Juli  1583,  Dinkelsbühl..    St.-A.  d.  A.  Arch. 

*^)  Schreiben  des  Rates  von  Nürnberg  an  seine  Städtetaggesandten  in 
Dinkelsbühl  v.  25.  Juni  1583.    Nürnberger  Kreisarchiv. 


Der  Konflikt  Kaiser  Badolfs  II.  mit  den  deutsch.  Beichsstadten.       291 

Rehlinger  geleitete  Politik  Augsburgs  in  dem  Aachener  Streit.  Auch 
Augsburgs  ablehnende  Haltung  gegen  „alle  Weiterungen  in  dem  unleid- 
lichen Handel"  wurde  durch  die  Rücksicht  auf  materielle  Interessen 
der  Stadt  in  nicht  geringem  Grade  beeinflusst  ®^).  Aber  ausschlagge- 
bender als  diese  materiellen  Interessen  war  für  Rehlinger  doch  die  Er- 
wägung, dass  durch  eine  nachdrückliche  Unterstützung  der  Aachener 
und  ihrer  Freunde  im  Reiche  der  verhasste  calvinisch  -  demokratische 
Geist  in  Deutschland  gefördert  werde,  und  diese  Eventualität  liess  den 
vorsichtigen  Augsburger  Patrizier  sogar  die  Konsequenzen  übersehen, 
welche  sich  aus  dem  höchst  bedenklichen  Übergreifen  des  Reichshofrates  über 
seine  Machtsphäre  für  die  kirchliche  Freiheit  der  Reichsstädte  ergaben. 
Es  war  doch  nichts  anderes  als  eine  Art  Vogelstrausspolitik,  wenn  der 
Augsburger  Rat  in  der  oben  erwähnten  Instruktion  an  seine  Gesandten 
vom  18.  Juni  1583  erklärte:  „Sollte  bei  diesem  Tag  von  andern 
Statten  begehrt  werden,  die  E.  Stätte  hinfür  mit  Commissionen  und 
Mandaten  von  Hof  aus  zu  verschonen,  so  halten  wir  ein  solches  Ver- 
langen von  uns  aus  gar  nicht  für  ratsam  und  für  notwendig.  Dann 
wie  die  tägliche  Erfahrung  zu  erkennen  giebt,  pflegen  I.  K.  M.  wohl 
sogar  zwischen  Fürsten,  Grafen  und  Herren  Commissiones  und  Mandata 
ausgehen  zu  lassen,  welche  Mandata  den  Stätten  vielmals  zu  guten  ge- 
schehen. Es  würden  sich  also  die  Stätte  hierdurch  das  Mittel,  dessen 
sie  sich  zu  Erhaltung  und  Handhabung  ihrer  Freiheiten  wider  die  be- 
nachbarten vermuglicheren  Stände  oft  nützlich  gebrauchen  können,  bei 
I.  M.  selbst  abschneiden'®)." 

Bei  solchen  Anschauungen  der  beiden  grössten  städtischen  Ge- 
meinwesen Oberdeutschlands  war  es  kein  Wunder,  dass  der  Dinkelsbühler 
Städtetag  vom  J.  1583  dem  Kaiser  zunächst  eine  Abschlagszahlung  von 
vier  Römermonaten  bewilligte.  Diesen  vier  Monaten  Hessen  die  Städte 
im  Februar  1584,  wo  sie  abermals  in  Dinkelsbühl  tagten,  weitere  sech- 
zehn Monate  folgen,  da  inzwischen  die  von  Rudolf  II.  zugesagte  pari- 
tätische Commission,  aus  Trierer  und  sächsischen  Subdelegierten  be- 
stehend, in  Aachen  zu  Stande  gekommen  war.     Als  nun  diese  Kommis- 


*')  Instruction  des  Augsb.  Rates  für  s.  Gesandten  zum  Dmkesbühler 
Städtetag  v.  18.  Juni  1583 :  „Unsere  Stadt  ist  mit  Landgütern  nicht  versehen, 
sondern  mit  dem  Haus  Österreich  und  dem  Fürstentum  Baiem  allenthalben 
umringt,  damit  die  burger  guten  Teils  täglich  ihre  Commertien  und  Nahrung 
suchen,  auch  der  Zufuhr  von  allerlei  Proviant  gewarten  müssen,  also  dass 
der  K.  M.  Ungnade  halber  diese  Stadt  vor  andern  Stätten  viel  grössere  Ge- 
fahr zu  gewärtigen."     St.-A.  d.  A.  Arch. 

'<»)  St.-A.  d.  A.  Arch. 


292  J.  Müller 

sioB  bezüglich  des  Hauptpunktes  der  Aachener  Streitigkeiten,  des  exer- 
citiom  privatum  et  publicum  religionis  befunden  hatte,  dass  derselbe  „zum 
thail  far  sich  selbst,  zum  thail  auch  von  wegen  der  benachbarten  Fürsten 
angegebenen  Interessen  der  Hochwichtigkeit  sei,  dass  sie  denselben  dieser 
Ort  und  auf  diessmal  keine  endtliche  erclärung  und  ausschlag  geben 
kflnden,  sie  also  solches  zu  I.  E.  M.  allergnädigster  Resolution  bestellen 
müssten*'  ^^),  da  war  der  trotzige  Sinn  der  ehrsamen  Städter  schon  be- 
deutend gemildert.  Die  im  Aug.  1584  zu  Speyer  tagende  Städt^yer- 
sammlung  wagte  nur  noch,  die  K.  M.,  mit  bescheidenlicher  Erinnerung 
der  Erb.  Städte  Herkommens,  allerunterthänigst  zu  ersuchen,  „I.  K.  M. 
möge  seine  Erklärung  allergn.  dahin  richten,  damit  die  Statt  Aachen,  als 
ein  bekannter  Stand  und  Mitglied  des  Reichs,  bei  den  Reichs-Constitu- 
tionen,  Religion-  und  Profanfrieden,  auch  bei  hergebrachter  Irer  Rathswahl 
und  ordentlichen  Rechten  gelassen  werden  möchte'^  ^^.  Doch  es  sollte 
noch  besser  kommen.  Obwohl  nämlich  nach  der  Rückkehr  der  ausge- 
wichenen Aachener  in  ihre  Vaterstadt  im  J.  1584  durch  deren  ungebühr- 
liche Aufführung  in  Aachen  neue  Zänkereien  entstanden  und  damit  für 
die  Städte  erhöhter  Anlass  zur  Wahrung  des  Rechtsstandpunktes  in  der 
Aachener  Sache  gegeben  war,  obwohl  die  Delegierten  des  Kaisers  in 
der  im  September  1585  zu  Dinkelsbfihl  tagenden  Städteversammlung 
betreffs  Aachens  nur  die  vage  Erklärung  abgaben,  „I.  K.  M.  werde 
nicht  feyren,  noch  ainichen  Fleiss,  Müh  und  Arbeit  sparen,  wie 
die  Strittigkeiten  in  ermelter  Statt  Aachen  auch  ehest  widerumb  zu 
Rue  gebracht  werden,  allein  dass  man  mit  I.  Maj.  umb  des  Werks 
Wichtig-  und  Weitläufigkeit  willen  der  Zeit  und  Weil  mit  Geduld  er- 
warten müsste'',  so  verstand  sich  doch  „in  Ansehung  der  grossen  Not 
und  Bedrängnis  der  armen  Christen  an  den  hungarischen  Grenzen,  auch 
des  Türken  Tyrannei  und  Macht"  auch  der  bis  dahin  fest  gebliebene 
Teil  der  Reichsstädte  zur  Bewilligung  der  noch  restierenden  20  Römer- 
monate '*). 

So  hätte  denn   das  Ergebnis   des   überaus  heftigen  Konfliktes  in 
nichts  anderem  bestanden   als   in  einer  um   mehrere  Jahre  verspäteten 


^')  Abschied  der  von  Kaiser  Rudolf  IL  nach  Aachen  abgeordneten 
Commissarien,  bezw.  Subdelegirten  der  Churförsten  von  Trier  und  Sachsen. 
St.-A.  d.  A.  Arch. 

")  Abschied  des  Speyerer  Städtetages  v.  24.  Aug.  1584.  St.>A.  d.  A.  Arch. 

^'}  Abschied  des  DinkeLsbühler  Städtetages  Yom  27.  Dez.  1585,  abge- 
druckt in  Jak.  Fels'  2.  Beitrage  zn  der  deutschen  Reichstagsgeschichte,  2.  Teil, 
H.  Schiessers  summarischer  Extrakt  der  Städtetagabschiede  von  1447—1586. 


Der  Konflikt  Kaiser  Rudolfs  11.  mit  den  deutsch.  Keichsstädten.       293 

Bezahlung  der  TflrkeDsteuer  seitens  der  Reichsstädte?  So  scheint  es 
auf  den  ersten  Blick ;  in  Wirklichkeit  verhält  sich  die  Sache  aber  doch 
etwas  anders.  Der  Kaiser,  der  den  Reichsstädten  offenbar  einmal  hatte 
„spanisch''  kommen  wollen,  war  mit  diesem  seinem  ersten  und  letzten 
exotischen  Versuch  bei  den  Deutschen  übel  angekommen.  Zuerst  vom 
hohen  Piedestal  seines  autokratischen  Selbstbewusstseins  den  biedern 
Reichsstädten!  seine  Befehle  diktierend,  dann,  als  die  Ehrsamen  und 
Getreuen  sich  einer  eigenen  Meinung  erktthnten,  zu  unausführbaren 
Drohungen  greifend,  musste  sich  der  stolze  Habsburger  mangels  der 
bekannten  drei  zum  Kriege  nötigen  Dinge  zuletzt  dazu  bequemen,  jahre- 
lang bei  den  missachteten  Reichsstädtem  um  einzelne  Steuern  zu  betteln, 
die  ihm  bei  einem  geringen  Entgegenkommen  im  Jahre  1582  im  ganzen 
und  auf  einmal '  bewilligt  worden  wären.  Ein  solches  Debüt  konnte 
gewiss  nicht  zur  Förderung  des  kaiserlichen  Ansehens  dienen,  an  dem 
Rudolf  II.  doch  so  viel  gelegen  schien.  Für  das  reichsstädtische  Bürger- 
tum aber,  das  durch  das  unerschrockene  Vorangehen  Strassburgs  noch 
einmal  zu  einmütigem  Handeln  fortgerissen  worden  war  und  das  darum 
auch  einen  vorübergehenden  politischen  Sieg  errungen  hatte,  war  durch 
den  endlichen  Ausgang  des  Konfliktes  der  unwiderlegliche  Beweis  er- 
bracht, dass  ihm  zur  kraftvollen  Vertretung  sowohl  städtischer,  als  auch 
gesamtvaterländischer  Interessen  eben  die  Eigenschaften  fehlten,  welche 
im  politischen  Leben  allein  nachhaltige  Erfolge  zu  verbürgen  im  Stande 
sind,  nämlich  Mut  und  Gemeinsinn. 


Ein  zeitgenössisches  Gedicht  auf  Franz  von  Sickingen. 

Mitgeteilt  vom  Oberbibliothekar  Prof.  Dr.  0.  v.  Heinemann  in  Wolfenbüttel. 

Lieder  auf  Franz  von  Sickingen  begegnen  in  der  zeitgenössischen 
Litteratur  nur  äusserst  spärlich.  Wohl  wird  sein  Name  in  dem  einen 
oder  anderen  Gedichte  jener  bewegten  Zeit,  in  der  er  lebte,  genannt, 
aber  einen  seiner  historischen  Bedeutung  entsprechenden  •  Widerhall  hat 
er  in  ihnen  nicht  gefunden.  So  gross  zeitweilig  sein  Ansehn  war,  so 
überraschend  seine  Unternehmungen  meistens  wirkten  und  so  tragisch 
sich  namentlich  sein  Ausgang  gestaltete,  so  ist  meines  Wissens  doch 
nur  ein  einziges  kurzes  Lied,  das  sich  lediglich  auf  seine  Katastrophe 
bezieht  und  sich  sowohl  in  Uhlands  deutschen  Volksliedern  (Nr.  182) 
wie  auch  in  der  durch  v.  Liliencron  veranstalteten  grossen  Sammlung  von 


294  0.  Y.  Heinemann 

historischen  Volksliedern  der  Deutschen  (Nr.  366)  abgedruckt  findet,  bis- 
her bekannt  geworden.  Und  doch  darf  man  annehmen,  dass  die  Dichtung 
der  Zeit  ihn  vielfach,  gefeiert  und  dass  bei  seiner  Stellung  zu  der  grossen 
religiösen  Bewegung  es  seiner  Person  auch  nicht  an  heftigen  Angriffen  yod 
gegnerischer  Seite,  die  sich  in  Spott-  und  Hohnliedem  entladen  mochten, 
gefehlt  haben  wird.  Manche  dieser  Lieder  müssen  sich  einer  gewissen 
Popularität  erfreut  haben,  da  die  Melodie,  nach  der  sie  gesungen  wurden, 
auf  andere  damals  umlaufende  Lieder  überging.  Dies  bezeugt  nament- 
lich ein  auf  Ulrich  von  Hütten  gedichtetes  Lied '),  das  den  Titel  führt 
„Ain  new  lied.  Im  Ton  wie  man  singt:  Franz  Sickingen  das  edel  blfit, 
der  hat  gar  viel  der  landsknecht  güt.'^ 

Das  unten  mitgeteilte  Gedicht,  das  nicht  eine  einzelne  Episode 
aus  Sickingens  Leben  behandelt,  sondern  seine  gesamte  politische  und 
kriegerische  Thätigkeit  zu  schildern  und  seine  Stellung  gegenüber  der 
kirchlichen  Bewegung  zu  kennzeichnen  unternimmt,  findet  sich  hand- 
schriftlich, mit  einer  Anzahl  gleichzeitiger  Drucke  zusammengebunden, 
in  einem  Mischbande  der  Herzoglichen  Bibliothek  zu  Wolfenbüttel  (104. 
16.  Quodl.  4*^),  wo  ich  es  zufällig  auffand.  Es  füllt  —  abgesehen  von 
dem  Vorsatzblatt  mit  dem  Titel  —  acht  Quartblätter  und  ist  von  min- 
destens vier  verschiedenen  aber  gleichzeitigen  Händen  geschrieben,  die 
sich  leicht  unterscheiden  lassen.  Allem  Anschein  nach  ist  das  Lied 
i.  J.  1524,  also  unmittelbar  nach  Sickingens  Katastrophe,  verfasst  und 
niedergeschrieben  worden.  Dafür  spricht  schon  der  Umstand,  dass 
sämtliche  31  Drucke,  die  mit  dem  Gedichte  in  dem  bereits  bezeich- 
neten Bande  vereinigt  sind,  soweit  sie  eine  Zeitbestimmung  haben,  den 
Jahren  1522,  1523  oder  1524  angehören  und  dass  sich  unter  ihnen 
auch  der  von  Ulmann*)  längere  Zeit  vergeblich  gesuchte  Originaldruck 
von  Kaspar  Sturms  bekanntem  Bericht  über  den  Kriegszug  der  drei 
verbündeten  Fürsten  gegen  Sickingen  und  dessen  Tod')  befindet,  der 
offenbar  gleich  nach  diesen  Ereignissen  verfasst  und  gedruckt  worden 
ist.     Dazu  kommt  der  Charakter  der  verechiedenen  Hände,  die  bei  der 


*)  V.  Liliencron,  a.  a.  0.  III.  Nr.  351,  wo  bemerkt  ist,  dass  das  Lied 
auf  Sickingen  selbst  sich  leider  bisher  nicht  wiedergefunden  habe. 

*)  Franz  von  Sickingen  S.  365,  Note  2. 

»)  Der  Titel  lautet:  Wie  die  drey  kriegssfürsten ,  Nemlich  1  Trier, 
Pfaltz,  vnd  Hessen,  Frantzen  ||  von  Sickingen  vberzogen.  Inen  ||  vü  seine  an- 
henger  eins  tayls  ge- 1|  strafft,  auch  etlich  Schlösser  ||  gewunnen  vnd  Erobert  j 
haben.  Ist  geschehen  !|  wie  hernach  {|  volget.  —  Das  von  Ulmann  benutzte 
Exemplar  befindet  sich  im  Besitze  des  germanischen  Museums  zu  Nürnberg. 


£ia  zeitgenössisches  äedicbt  auf  Franz  von  Sickingen.  295 

Niederschrift  des  Liedes  mitgewirkt  haben  und  die  sämtlich  den  ersten 
Jahrzehnten  des  16.  Jahrhunderts  angehören,  sowie  endlich  der  Um- 
stand, dass  der  Verfasser  von  manchen  der  berichteten  Ereignisse  in 
einer  Weise  redet,  die  ihre  annähernde  Gleichzeitigkeit  mit  der  Ent- 
stehung des  Gedichtes  bekundet. 

Der  Verfasser  des  Liedes  wird  sich  kaum  ermitteln  lassen,  doch 
geht  aus  diesem  selbst  soviel  hervor,  dass  er  der  katholischen  Partei 
angehörte,  und  wenn  man  seinem  Werke  auch  weder  einen  besonderen 
dichterischen  noch  auch  einen  geschichtlichen  Wert  zuschreiben  kann, 
so  ist  es  doch  bemerkenswert  als  ein  Zeugnis  für  die  Bedeutung  des 
Ritters,  der  selbst  einem  politischen  und  kirchlichen  Gegner  eine  ge- 
wisse  unwillkürliche   und   naive  Anerkennung  abzunötigen  gewusst  hat. 

Ein  warhafftige  knrtze  Anzaygung  der  dreyer  Churfarstenn  vnnd 
Farstenn  Kriegssnbung  wider  Frantzen  von  Sickigen  geübt 

Wer  auff  diese  Welt  thut  pawen 

Vnnd  im  selbst  zu  uil  vertrawen, 

Meint,  Gluck  muss  im  alzeyt  peystan, 

Der  feit  unnd  muss  des  Schaden  han, 

Wie  sich  dan  solchs  in  kurtzen  Tagen 

Augenscheinlich  hat  zugetragen, 

Davon  ich  etwass  wil  sagen. 

Es  wass  ein  Edelman,  genant 

Frantz  von  Sickigen,  wolbekannt, 

Wolreden,  wyss  und  fursichtig, 

An  zeytlichen  Gut  habhafftig, 

Mit  gutten  Schlössen  versehen, 

Dem  ich  nye  vbels  bort  iehen. 

Zu  dem  etlich  vssgeleufFen  Leute 

Von  Wormbs,  so  forchten  ihrer  Heute, 

Sich  fugten  mit  Anzayg  Beschwer, 

So  von  ir  Oberkeyt  in  wer 

Begegnet,  hatten  Hilff  vnd  Rath 

Vnnd  sie  zu  rechten  mit  der  That, 

Dan  in  dem  Reich  allein  er  wer 

Der  armen  Verdruckten  Beschirmer, 

Dauan  wurd  er  Eer  vnd  Nutz  han.  Die  Wormbsioh 

Damit  bewegten  sie  den  Man, 

Das  er  sich  ir  wolt  nemen  an. 

Sagt  darauff  ab  Wormbs  der  Stat, 

Fugt  inen  zu  manchen  Vnradt, 

Nam  in  erstlich  ein  Schiff  mit  Gut, 

Das  im  Purgem  noch  wee  thut, 

Kuckt  mit  einem  Zeug  für  die  Stat: 

Westd.  Zeltochr.  f.  Oeioh.  n.  Kunst   XIV,    lU.  22 


296 


0.  y.  Heinemann 


Die  nam  bjr 
WeyMenaw. 


Der  Zug  für 
Metz. 


Der  Zug  wider 

den 

Landgraven. 


Aber  die  Herren  von  dem  Badt 

Prachen  im  die  Euntschafft  fein 

Mit  Yerenderung  der  Wacht  allein, 

Darumb  er  yngeschaift  abziehen  must, 

Deshalb  er  in  die  Beben  wüst. 

Der  selbig  Krieg  weret  ein  gut  Zeit, 

Bis  sich  das  Bomisch  Beich  drin  leyt, 

Vnnd  macht  zwischen  in  ein  Vertrag*). 

Nach  dem  wider  ein  Zuch  geschach 

In  das  Herczogthumb  Lotterick, 

Dryn  er  das  Schloss  Schaumberg  ^)  erzwick, 

Ynnd  müst  im  geben  der  Herczog 

Sechtausent  Gulden,  das  er  zog 

Yss  dem  Landt  vnd  keinen  Schaden  thet. 

Für  sein  Spruch,  die  er  zu  in  hett. 

Verschrieb  im  ierlich  ein  Dinstgelt 

Sechshundert  Gulden,  das  er  stelt 

Das  obgemelt  Schloss  wider  zue 

Dem  Herczogen  vnnd  wehr  zu  Bue. 

Nach  der  Sach  er  erzürnen  thet 

In  dem  heyligen  Beich  die  Stet, 

Dan  er  in  sechs  Lastwegen  nam 

Mit  Gutter'),  dardurch  mancher  kam 

In  Verderben  unnd  grosse  Not, 

Darin  er  plieb  pyss  in  sein  Todt. 

Disswegen  trugen  ein  grosses  Gut 

Das  im  nach  grosser  Macht  sein  Mut. 

Mit  diesem  allen  er  nichts  wass 

Gesettiget,  sunder  dacht  furpass. 

Wie  altzeit  der  Gewonheit  ist. 

Den  Gluck  beystett  zu  aller  Frist, 

Vnd  zoch  mit  Herscrafft  vber  Metz 

Die  nit  erwartten  seiner  letz. 

Sonder  vertrugen  sich  mit  Willen, 

Gaben  im  heimlich  in  Stillen 

Funffvndzwaintzig  tausent  Gulden  gut 

Dardurch  gestillet  wart  sein  Mut^). 

Zog  darauff  mit  seinem  Kriegshere 

Vnd  schlug  vur  Darmstat  sein  Leger, 

Das  gehört  dem  Lantgrauen  zu 

Von  Hessen,  dem  liess  er  kein  Bu, 


*)  Über  die  Wormser  Fehde  cf.  Ulmann  a.  a.  0.  31—48. 
*)  Schauenburg  bei  Tholey,  zwischen  Saarbrücken  und  Birkenfeld. 
•)  Bei  Weissenau  in  der  Nähe  von  Mainz.    Vgl.  über  diese  Ereignisse 
Ulmann  a.  a.  0.  67. 

')  rimann  a.  a.  0.  97—100. 


Ein  seitgenössisches  Gedicht  auf  Franz  von  Sickingen.  297 

Biss  das  ein  Vertrag  gemacht  wart, 

Frantzen  zu  zalen  auif  ein  fart 

Fnnflfvndreyssigtaussent  Gulden 

Von  dem  Lantgrauen  von  Hessen. 

Solch  Gelt  auch  von  Metz  der  Stat, 

In  einem  Monat  er  sye  peyde  lat 

Erobert  an  all  ander  Nam. 

Nach  dem  ein  sonder  Handel  kam,  d»«  LnÄerit 

Des  er  sich  für  ander  annam. 

Das  was  Luthers  des  Munchs  nuue  Lere, 

Der  er  sich  belud  gar  viel  mehre 

Dan  zugepurt  einem  Eriegsman, 

Nam  sich  der  ausgelauffen  Munch  an 

Vnd  liess  in  teutschs  Mess  lesen, 

Hilt  Hütten  und  ander  Wesen, 

Darauss  nit  wol  mocht  Geluck  kommen, 

Dan  in  Schrifft  schmechten  sie  die  Frommen, 

Durch  die  er  ganz  verfuort  wart, 

Vnnd  geweist,  als  wer  er  der  Art, 

Der  das  gantz  Reich  solt  reformiren, 

Dordurch  thetten  sye  in  verfueren. 

Der  gemein  Adel  im  Tröstung  gab. 

Im  beyzustehen  mit  irer  Hab, 

Dan  sie  wurden  gar  hoch  beschwert 

Von  Fürsten  für  ander  auff  Erd. 

Verschriben  gen  Lauda")  ein  Tag, 

Darauff  hört  einer  des  andern  Clag, 

Vnnd  machten  in  Geheim  ein  Anschlag 

Wie  sie  sich  mochten  machen  frey 

Von  Fürsten  vnnd  beschlossen  darpey. 

Zerlangen  der  Geystlichen  Gut. 

Den  Anschlagt  hielten  sye  in  Hut, 

Darmit  nit  der  wurd  offenwar. 

Damach  vber  ein  viertel  Jar 

Frantz  sich  vmb  Volck  bewerbet  thet. 

Der  Fürsten  ein  ieder  Acht  het. 

Wie  doch  der  Tzugs  wollt  vsshiengeen. 

Im  Ende  wurden  sye  das  versteen, 

Dan  er  das  Her  wendt  in  Stieff  Trier. 

Der  Bischoff  bewarb  sich  auch  schier 

Mitt  Volck,  ermant  syn  Bundsgenossenn, 

In  mitt  Hilff  nitt  tzu  uerlassen. 

Nun,  das  ir  wist,  wer  sye  warenn, 

Pfaltzgraff  Ludwich  der  hochgeborenn 

Vnd  Landtgraff  von  Hessen  dy  tzwenn 


*)  Der  Rittertag  in  Landau  ist  gemeint.    Ulmann  250. 

22* 


298  0.  T.  HeiDemann 

Liessenn  ir  Schiff  hinabgienn 

Den  Reyn  mitt  Volck  woll  beladenn. 

Mittler  Tzeytt  thett  in  Frantz  Schadenn, 

Ruckt  für  Sant  Wendel  •),  das  pald  gewann, 

Fing  darin  manchenn  Edelman, 

Zog  hin  für  Trier  den  rechtenn  Weg, 

Acht  nit,  ob  der  Bischoff  drin  leg, 

Legertt  sein  Geschütz  ynd  schoss  hyneyn. 

Die  Burger  fürten  Trawrens  Schein. 

Und  als  man  acht,  ess  wer  gewunnenn, 

Wu  Wilhelmm  von  Haberen*®)  nit  kommenn. 

Wer  nit  Pfaltzgraffenn-Yolck  in  Statt, 

Der  sulchs  vff  das  mal  verhutt  hatt. 

Demnoch  tzog  Frantz  widerumb  ab. 

Der  dem  Stieff  tzu  Trier  ein  boss  letz  gab 

Mit  prant,  wie  man  das  mach  schawenn 

An  Weysenn  vnnd  armen  Frawenn, 

Trent  sein  Volck,  leget  sich  genn  Eberburg. 

Die  Fürsten  warn  keins  lengem  porg. 

Sonder  wolttenn  ernstlich  straffenn 

Die,  so  hettenn  helffen  schaffen 

Frantzen  tzu  beschedigen  Trier, 

Legtten  sich  mit  irem  Volck  fir 

Cronberg")  dye  Furstenn  alle  drey 

Vnnd  bewarttenn  ir  Eer  dopey, 

Schossen  nit  lang,  das  innen  ward 

Tzu  Cronberg  vffgethon  dye  Portt. 

Indem  der  Wintter  nechnen  thett, 

Darumb  dye  Fürsten  daucht  tzu  spett, 

Weytter  tzu  liegen  in  dem  Veld. 

Bstelttenn  Reysig  mit  irem  Geltt, 

Legtten  die  in  yre  Leger, 

Ob  Frantz  auff  Bitt  der  Cronberger 

Den  Yren  Schaden  woltt  fwegen. 

Das  sy  mit  Fleyss  solttenn  lügen 

Vnnd  demselben  thun  Widerstandtt. 

Der  Pfaltzgraff  tzog  heim  in  sein  Landtt, 

Het  vor  etzlich  Landtsessen  gemantt, 

Sye  soltten  im  Hilff  ertzaygtt  han, 

Das  sye  in  kein  Weg  woltten  than, 

Darumb  er  sy  citirtt  für  sich, 

Sich  tzu  purgiren  öffentlich 


»)  So.  von  Trier. 
")  Pfälzischer  Marschall. 

")  Städtchen  mit  Schloss  des  mit  Sickingen  verbündeten  Ilartmuth 
von  Cronberg,  nw.  von  Frankfurt. 


Ein  zeitgenössisches  Gedicht  auf  Franz  von  Sickingen.  299 

Nach  des  Reichs  Beformation: 
Welcher  Frantzen  hett  Hilff  gethan 
Heimlich  oder  auch  öffentlich, 
Der  solt  sehen  erkennen  sich 
Gefallen  syn  in  die  Straff  vnd  Peen. 
Dieselb  Purgacion  nicht  wil  fuegen, 
Dan  es  waren  die,  darauf  Frantz  het 
Sein  Trost  geseczt  ynd  was  er  thet, 
Geschach  dur  ir  Hilff  vnd  Zuthan. 
Darvmb  namen  sye  mit  der  Pfalcz  an 
Ein  Vertrag  nach  seinem  Gefallen. 
In  wardt  eingepunden  allen, 
Das  in  dieser  Vhed  keiner  solt 
Franczen  ein  Hilff  thun,  ob  er  wolt 
Furstengnad  vnd  das  Sein  wehalten. 
Sye  mustens  Got  lassen  walten 
Vnd  stilsten,  wie  hardt  in  das 
Wardt.    Dadurch  Francz  erzürnet  was 
Vnd  schrib  der  Pfalcz  ein  Absagprieff. 
0  Francz,  von  dem  dir  Vngluck  lieff. 
Hest  du  dich  in  dem  bass  bedacht 
Vnd  mher  auf  der  Pfalz  Macht  geacht, 
Das  wer  dir  zu  Guttem  kummen. 
Obschon  Pfalcz  den  dye  het  genomen. 
Das  magstu  wol  geduldet  han, 
Dan  sye  der  Pfalcz  waren  zugethan. 
Als  nun  Pfalczgraff  der  hochgepom 
Den  Ernst  ersach,  das  thet  im  Zorn, 
Wolt  Franczen  fort  nit  schonen  mer, 
Dieweyl  er  was  bricht  seiner  Ger 
Aus  des  von  Minckwicz")  Niderlag 
Vnd  Brieffen,  auch  mundlicher  Sag. 
Schickt  sich  mit  sein  Pundtzgnossen 
Nach  dem  Winter  gar  vmbzustossen 
Franczen  vnd  die  im  Hilff  thetten. 
Zwuschen  solcher  Zeyt  do  beten 
Habemn  vnd  seine  Geselschafft  gut 
Vff  Franczen  Luth  zu  streiffen  Mut 
Vnd  stiessen  im  Veld  auff  sein  Sun, 
Hilchin^^)  vnd  ander  im  zegethun, 
Worfen  die  al  im  Feldt  nider. 
Deckten  sich  zu  stellen  wider 


**)  Nickel  von  Minkvntz,  einer  von  Sickingens  Werbern.    S.  über  dessen 
Niederwerfung  und  Verhaftung  durch  die  Hessen:  Ulmann  292. 

*^)  Von  Lorch.    Vgl.  über  diesen  Zwischenfall:  Ulmann  318. 


300  0.  V.  Heinemann 

Gen  Lauttern")  vnd  an  ander  Ort, 

Wuhieu  die  Pfalz  sye  wurdt  bescheiden  fordt. 

Sye  stehen  sich  als  Piderleut, 

Zu  Germerssheim  ^^)  ligen  sye  heut. 

Das  was  Franczeh  ein  gros  Abschlag, 

Der  ihm  geschah  auf  disen  Tag. 

Francz  der  Pfalcz  etlich  Dorff  verprant. 

In  mittler  Zeyt  die  Kelt  yerschwandt, 

Das  man  im  Felde  bleiben  mocht. 

Die  Fürsten  rüsten  sich  wie  doch 

In  ein  Feld  mit  grosser  Macht, 

Geschickt  all  tag  zu  einer  Schlacht. 

Theten  dergleychen,  als  wolten  sye 

Sich  legem  für  Ebenberg**)  hie 

Eroberung  Nan-  Vnd  santen  doch  von  inen  palt 

•t»i. 

Ein  Anzal  Pferdt,  die  mit  Gewalt 

Solten  wol  verhueten  NanstaP'), 

Das  Niemant  drin  noch  draus  dismal 

Komen  mocht,  biss  die  Fürsten  drey 

Mit  irem  Volck  khomen  herbey, 

Das  dan  dermassen  wardt  volbracht. 

Francz  lag  darin,  wenig  er  dacht, 

Dass  im  sein  Mauern  solten  han 

Also  in  kurczer  Zeit  gelan. 

Die  Fürsten  legren  sich  dafür, 

Schossen  dasselbich  nach  irer  Ghur. 

Francz  vnd  die  Sein  hielten  sich  wol, 

Wie  ein  Eriegsman  pillich  thon  sol. 

Vnd  wiewol  er  umlegert  was. 

Noch  schickt  er  XL  Perdt  mit  Mas 

Von  im,  darvnder  den  Sun*^)  sein. 

Ach,  het  er  gefolgt  vnd  wer  allein 

Mit  seinem  Volck  zogen  heraus, 

Er  war  nit  todt  pliben  im  Haus. 

Die  Fürsten  schössen  mit  der  Macht. 

Das  Fallen  von  dem  Gemeuer  prach(t) 

Gar  grossen  Schaden  den  im  Schlos. 

Francz  von  Sickigen  das  verdros 

Vnd  wolt  wesehen,  wie  das  wer 

Zu  wenden,  ging  auf  ein  Wehther. 

Schos  einer  gleich  zum  Loch  hinein. 


^*)  Kaiserslautem  in  der  Pfalz. 

")  Ebenda. 

**)  Die  bekannte  Sickingische  Feste  im  Nahethal. 

*^)  Auch  Landstuhl  genannt,  bei  Kaiserslautem. 

*^)  Sickingens  jüngster  Sohn  Hans  Konrad. 


Ein  zeitgenössisches  Gedicht  auf  Franz  von  Sickingen«  301 

DrafF  ein  Baicken,  der  schlug  im  ein 

Dieff  Wunden  in  die  Seyten  sein. 

Von  dem  Schlag  er  viel  vberab, 

Darvon  erschrack  mancher  Eriegsknab. 

Sye  namen  in  vnd  trugen  dan 

In  ein  Gewelb,  da  er  Rhue  mocht  han 

Vnd  von  dem  Schiessen  sicher  leg. 

Got  wol  in  han  in  seiner  PÜeg. 

Francz,  als  er  sach,  das  Got  wolt  han 

Von  hin  zu  scheiden,  ret  er  schon 

Mit  denen,  so  pey  im  waren: 

Nachdem  sy  wol  betten  gefaren 

An  ihm,  wolt  er  sie  verfuren  nit 

Vnd  den  Fürsten  schreiben  mit  I*it, 

Das  Schlos  von  im  zu  nemen  an, 

Doch  das  sie  ein  iden  Kriegsman 

Frey  Hessen  ziehen  mit  ir  Hab, 

Die  vom  Adel  er  im  ergab 

In  ein  ritterlich  Gefencknus. 

Wiewol  im  das  pracht  Wetrubnus, 

Noch  dannoch  sein  erlich  Gmut  wolt. 

Das  man  von  im  Gutz  sagen  solt. 

Also  wardt  das  Schlos  aufgethan. 

Da  sach  man  manchen  herausgan, 

Der  sich  Arbeyt  hett  erlitten. 

Die  Fürsten  kamen  geriten, 

Gingenn  tzu  Frantzen  all  drey  hynein. 

Ach  Gott,  er  lag  in  Sterbens  Pein. 

Der  edel  Fürst  Ffaltzgraff  Ludwig, 

Als  er  in  sach,  betrübt  er  sich 

Vnnd  trug  mitt  im  gross  Mitleyden. 

Frantz  thett  also  vonn  hinen  scheydenn 

('hristlich  vnd  mitt  Bestendigkeyt, 

Wye  ein  Man,  der  im  Hertzenleydtt 

Vnd  auch  yn  Frewdt  ist  vnuertzeytt. 

In  sechs  Tagen  vngeuerlich 

Thetten  dye  Fürsten  gewislich 

In  das  Schloss  Nanstal  sechsstausentt 

Viervndsechtzig  vnd  vierhundert 

Schuss.    Ich  gelaub,  das  sey  kein  Kriegsman, 

Der  solches  Schiessenn  mehr  gehortt  han. 

Nach  dem  schickten  sye  für  daz  Hauss 

Trachenfels  ^*),  forderten  herawss  Brobemng 

All      j.  j      •  TrMhenfeli. 

Alle  die,  so  do  inen  waren. 
Dasselb  ergab  sich  an  all  Sparrenn. 


^^)  In  der  Rheinpfalz  östlich  vom  Donnersberg  gelegen. 


302 


0.  V.  HeiDeibann 


Erobernng 
Hohenbnrg. 


Handelung  dem 
Schloss  Dhan. 


Eroberung 
Lutzelburg. 


Eroberung 
Ebernburg. 


Hochenburg 'ö)  woltten  sie  auch  han, 
Das  mog  inen  auch  nit  vorstan. 
Dye  tzwey  Schloss  sie  auch  pranntenn  gar, 
SchlayiFtenn  dye  in  Podenn  furwar, 
Forderten  auch  auff  das  Schloss  Dhan  ^% 
Darauss  ine  vil  Schaden  wass  gethan. 
Als  solchs  Bischoff  von  Speyer  vemam, 
Gar  pald  er  zu  den  Fürsten  kam, 
Zaigtt  in  an,  sein  aygen  das  wer 
Vnnd  ging  vom  Stiift  zu  lehen  her, 
Patt  dasselb  vndtzerprochenn  lan 
Laut  des  Reichs  Reformation. 
Die  Fürsten  namen  solchs  Hauss  ein, 
Legtten  pald  ir  Pfleger  darein, 
Dye  soltten  sechs  Wochen  halttenn, 
Damach,  dasselb  tzu  verwalttenn, 
Tzustellen  dem  Bischoff  tzu  Speyer. 
Bey  den  Fürsten  wass  kein  Feyer, 
Sonder  schickten  ir  Haubttleutt  pald 
Für  Lutzelburg "),  das  sye  mit  Gewaltt 
Dasselb  auffordernn  soltten, 
Ob  sie  ir  Gut  behaltten  woltten. 
Die  sie  auch  ergabenn  inn  Gnad, 
Der  Haubtman  das  auch  verprant  hatt. 
Darnach  tzogen  dye  Fürsten  frey 
Für  Ebemburg  gemenlich  all  dry, 
Liessen  das  durch  iren  Emholt 
Auffordernn,  darumb  in  Gnad  solt 
Von  den  Fürsten  ertzaigt  werdenn. 
Schenck  Ernst  sagt  '*),  auff  diser  Erdenn 
Solt  ditz  Hauss  sein  Kirchoff  wesenn, 
Darinnen  tzu  sterben  vnd  tzu  gnesen, 
Wolt  das  in  kein  Wegk  auffgebenn, 
Solt  im  darauff  geen  sein  Leben. 
Trieb  darbey  vil  seltzamer  Wortt, 
Das  tzu  dieser  Sach  nit  gehordtf). 
Bischoff  Jörg  von  Speyer,  ein  Fürst  gut 
Gebomn  von  dem  pfalczgreuschen  Plut^*), 
Ylents  er  sich  auffmachen  thet, 
Rydt  zum  Fürsten  vnnd  thet  sein  Pet, 


^^)  Sämtlich    in    der   Rheinpfalz    östlich    vom    Donnersberg  gelegen. 
Dhan  hiess  auch  Thanstein. 
")  Oberhalb  Zabem. 

")  Schenk  Ernst  von  Tautenberg,  Schlosshauptmann  auf  der  Ebemburg. 
")  Vgl.  darüber  ülmann,  391. 
")  Er  war  der  Bruder  des  Pfalzgrafen  Ludwig. 


Ein  zeitgenössisches  Gedicht  auf  Franz  von  Sickiogen.  303 

Ob  er  den  Krieg  noch  sönen  möcht, 

Die  armen  Kinder  er  bedöcht, 

Das  er  den  Gnad  möcht  erlangen. 

Mitterzeyt  schossens  mit  Schlangen 

Plyenin  vnnd  von  dem  Schloss  heruss, 

Der  edel  Fürst  nicht  richtet  uss, 

Die  Yrsachen  ich  beleyben  loss. 

>ütterzeyt  wardt  gelegt  das  gross  Geschoss, 

Nach  der  Triualtigkeiten  Tag, 

Am  Montag  der  Anfang  geschach 

Mit  dem  Haubtgeschütz  in  die  Capell. 

Manch  eysen  Kugeln  ward  gar  schnei 

Von  dem  Pfaltzgrauen  vnnd  Hessen 

Mit  Gewolt  hiennin  gemessen. 

Trier  legert  sich  am  andemn  Ortt 

Pym  Kingrauensteyn,  do  wart  gehört 

Ein  Tomel  von  dem  Schiessen  gross, 

Das  gar  manchem  im  Hauss  vertross. 

Aasswendig  am  Hauss  stund  ein  Stal, 

DrjTi  waren  Pferd,  ander  Vihe  zumal. 

Die  Fuessknecht  prachen  in  die  Mauer 

Ein  Loch,  wiewol  in  das  war  sauer. 

Nach  prachten  sie  das  Yhieh  darvon. 

Ob  der  Sach  blieben  etlich  Man. 

Die  Fürsten  schössen  sechs  Tag  lang, 

Vnnd  machten  den  im  Schloss  so  pang, 

Das  sie  begerten  einer  Sprach, 

Am  Freytag  darnach  das  geschach. 

Die  Theydung  ward  also  funden, 

Das  sie  das  Hauss  zu  Stunden 

Solten  den  Fürsten  auffgeben, 

Das  in  gefrist  wurd  ir  Leben. 

Am  Sampstag  vmb  die  neunte  Stunde 

Das  Test  Hauss  Ebernburg  begunde 

Zu  komen  in  der  Fürsten  Hant, 

Dasselbig  haben  sie  auch  aussgeprant 

Vnnd  zerschleyfft  in  den  Poden  gar. 

Yil  Leut  tauert  das  Hauss  furwar, 

Dieweil  kein  Hauss  in  deutschem  Land 

Für  fester  ist  worden  erkandt. 

Das  also  sol  zerrissen  sein! 

Ach,  lebt  Frantz  noch,  es  prächt  im  Pein. 

0  Frantz,  by  dir  ein  yeder  sol 

Exempel  nemen  vnnd  sich  wol 

Bedencken,  ee  er  sich  begeyt 

Zu  begeben  vast  alle  Leut 

Vnd  sonderlich  sein  Nachpaurenn, 


304  0.  V.  Heinemann 

Dan  für  dieselben  hilfft  kein  Maurenn. 
Du  warst  des  gantzen  Lands  ein  Zyer, 
Het  Dich  nicht  verfurt  Dein  Begyer 
Vnnd  ander  Leut  Vertröstung  gross. 
Darvmb  fort  halt  ein  yeder  Moss, 
Lad  nit  mehr,  dan  er  tragen  mag, 
So  kompt  er  nit  in  diese  Klag. 
Nach  dem  han  sich  die  Fürsten  trendt 
Ynnd  ist  also  der  Krieg  geendt 
Das  hab  ich  anzaigen  wollen 
Zu  Nucz  vil  gutter  Gesellen, 
Domit  sie  in  kunfftiger  Zeyt 
Gen  den  Fürsten  fuern  kein  Streyt, 
Sonder  in  gehorsam  leben. 
So  wirt  vuzweyffel  vnss  geben 
Got  noch  ein  ernstlich  Furnemen 
Gen  dem  Türeken  vnnd  das  komen 
Wider  her  zu  der  Cristenheyt, 
Das  bisher  durch  Vncinigkeyt 
Darvon  mit  Gwalt  verloren  ist. 
Das  wer  loblich  zu  aller  Frist 
Vnnd  brecht  den  Fürsten  vnd  Adel 
Mer  Borns  dan  mit  solchem  Tadeln 
Gen  einander  Krieg  zu  fuerenn. 
Bey  der  That  thut  man  spiurenn 
Ein  adlich  vnnd  Cristengemuet. 
Das  Ewangeli  noch  nit  pluet 
Mit  Pruders  Lieb  in  dem  llerczen. 
Got  der  lest  mit  im  nit  schertzenn, 
Wil  nicht  allein  guete  Wort  han, 
Sonder  das  die  Werck  auch  mitgan. 
Darumb  wir  all  in  bitten  sollen. 
Das  er  des  Glaubens  ein  vollen 
Vnns  gnediglich  wol  geben. 
Füren  mögen  in  Vertrawen 
Vnnd  im  End  mit  Freuden  schawen 
Sein  Glori,  Ere  vnnd  Maiestat, 
Darzu  er  vnns  beruffen  hat 
Durch  sein  Leyden  vnnd  auch  Sterben. 
Ach  Got,  lass  vnns  nit  verderben, 
Ste  bey  an  vnsemn  leczsten  End, 
Dan  wir  zu  Dir  des  Hoffnung  hendt: 
Damit  wil  ich  die  Sach  beschliessen. 
Ich  hoif,  es  werdt  kein  verdriessen, 
Das  ich  mit  Warhe}^  beschrieben  han 
Die  grossen  Geschieht  des  Edelman, 
Dergleichen  keiner  hat  gethan 


Ein  zeitgenössisches  Gedicht  auf  Franz  von  Sickingen.  305 

Vor  im  in  achthundert  Jaren. 
Damit  wol  euch  all  Got  sparenn, 
Gsundt  vnnd  mit  Gnaden  fuemn, 
Das  man  den  Glauben  mog  spurenn 
In  euch  vnnd  vnns  allen  gleich, 
Zu  besitzn  das  Himelreich. 
Amen. 


-K» 


Recensionen. 

Die  Kunstdenkmäler  der  Rheinprovinz.    Zweiter  Band.   I.  11.  III.   Die 

Kunstdenkmäler  des  Kreises  Rees,  der  Stadt  Duisburg  und  der 
Kreise  Mülheim  a.  d.  Ruhr  und  Ruhrort,  der  Stadt  und  des 
Kreises  Essen,  im  Auftrage  des  Provinzialverbandes  der  Rhein- 
provinz herausgegeben  von  Paul  Giemen,  Düsseldorf,  L.  Schwann, 
1892.  1893.  —  Angezeigt  von  Prof.  Dr.  Paul  Lehfeldt  in 
Berlin. 

Die  Aufzeichnung  der  rheinischen  Kunstdenkmäler  schreitet  rüstig  von 
Norden  nach  Süden  fort.  Den  Kreisen  Kempen  und  Geldern*),  Moers  und 
Kleve  ^)  des  Regierungsbezirks  Düsseldorf  sind  hier  vier  Kreise  desselben 
gefolgt,  welche  eine  Fülle  des  Anziehenden  und  Beachtenswerten  bieten,  das 
Bekannte  erweitern.  Unbekanntes  hinzufugen.  Es  sind  im  Wesentlichen  vier 
Gebiete,  welche  unter  brandenburgisch  -  preussischer  Herrschaft  zusammenge- 
wachsen sind.  Das  Hauptgebiet  des  Kreises  Rees  mit  den  Städten  Emmerich 
und  Wesel,  die  Stadt  Duisburg  und  Kreis  Ruhrort  gehörten  (wie  die  Kreise 
Moers  und  Kleve  des  1.  Bandes)  vordem  zum  Herzogtum  Kleve;  —  Wesel 
war  dessen  „Herz",  Kleve  der  „Kopf",  wie  ein  altes  Lied  sagte.  Kreis  Mül- 
heim dagegen  war  ein  Teil  des  Herzogtums  Berg,  das  Gebiet  von  Essen  ge- 
teilter Besitz  der  Abteien  Essen  und  Werden. 

Die  ältesten  auf  uns  gekommenen  Anlagen  von  Menschenhand  sind, 
abgesehen  von  Gräbern,  die  Reste,  welche  auf  Befestigung,  auf  Kampf  und 
Verteidigung  zwischen  Römern  und  Germanen,  zwischen  Franken  und  Sachsen 
weisen.  Die  Grenzscheide  beider  Stämme  ging  mitten  durch  das  Gebiet  des 
heutigen  Kreises  Essen,  die  Sprachscheide  ist  noch  jetzt  erkennbar.  Eine 
starke  Grenzwehr  zieht  sich  im  Osten  des  Kreises  Rees  von  Isselberg  erst 
nach  Süden;  bei  Loikum  sind  Wälle  und  Gräben  wohl  erhalten,  deren  Er- 
scheinung von  Giemen  in  anschaulicher  Weise  in  Beschreibung  und  Abbildung 
dargestellt  wird.  Weiter  ging  die  Grenzlinie  nach  Südosten,  nach  Scherm- 
beck  und  setzte  sich  im  Kreis  Ruhrort  fort;  bei  Hünxe  ist  die  bedeutendste 
Wall-Anlage  am  ganzen  Niederrhein,  ein  dreifacher,  symmetrischer  Zug,  da- 
neben Gartrop  mit  zwei  Wallburgen. 


1)  Westdeutsche  Zeitschrift  XI  (1892)  S.  91  f. 

2)  Ebd.  XII  (1893)  S.  91  ff. 


306  Recensionen. 

Den  kriegerischen  Werken  folgten  die  Segnungen  der  Kultur,  die 
Thätigkeit  der  Missionare.  Aus  dem  8.  Jahrhundert  stammt  die  kostbare 
Evangelienhandschrift  in  der  Münsterkirche  zu  Essen,  deren  gemalte  Ver- 
zierungen die  Schule  von  Corbie  bezeugen.  Sie  ist  vielleicht  erst  später 
nach  Essen  gekommen,  sowie  die  Elfenbeinschnitzerei  des  7.  Jahrhunderts 
und  das  Reliquienkästchen  mit  angelsächsischen  oder  irischen  Elfenbein- 
schnitzereien des  9.  Jahrhunderts  in  die  Abteikirche  zu  Werden.  Um  802 
gründete  Bischof  Ludger  an  der  landschaftlich  schönsten  Stelle  des  heutigen 
Ruhrthaies  die  Benediktinerabtei  Werden.  Sein  in  der  Kirche  aufbewahrter 
Becher  (Abbildung  bei  Giemen)  ist  der  älteste  bekannte  deutsche  Kelch  nächst 
dem  Tassilokelch,  diesem  in  der  Form  ähnlich,  doch  nur  an  Fuss  und  Kuppe 
mit  Inschriften  versehen,  deren  obere  zugleich  das  Chronogramm  788  ent- 
hält. Der  Körper  des  Heiligen  ruht  in  der  Vorhalle  der  jetzt  die  Krypta 
unter  der  Abteikirche  bildenden  Kapelle,  von  der  die  Mauern  mit  äusserer 
Blendbogen-  und  innerer  Nischen-Architektur  und  innen  die  Wandpfeiler  mit 
kerbschnittartig  behandelten  Kapitellen  aus  der  Zeit  bald  nach  809  stammen. 

In  Essen  stiftete  Bischof  Alfrid  von  Hildesheim  vor  874  ein  Nonnen- 
kloster und  die  dazu  gehörige  Münsterkirche.  An  ihrem  Westteil  schuf  er 
nach  einem  Brande  von  946  jenen  bekannten,  etwas  künstlichen  Bau,  indem 
er,  um  einen  dem  Ostchor  entsprechenden  Abschluss  zu  gewinnen,  ein 
Westchor  in  drei  Seiten  des  Sechsecks  nach  dem  Muster  des  Aachener 
Münsters  ausbildete,  dahinter  aber  einen  ungleichseitig  eckig  gebrochenen 
Umgang  anordnete,  so  ein  Rechteck  für  den  Turmbau  dahinter  herstellend. 
In  der  Zeit  der  entwickelten  romanischen  Kunst  entstanden,  wie  anderwärts 
am  Rhein,  in  den  hier  behandelten  Gegenden  grossartige  Kirchenbauten,  die 
freilich  durch  Natur  und  Menschenhand,  besonders  durch  den  Bildersturm 
des  16.  Jahrhunderts  ungewöhnlich  stark  zerstört  sind.  In  Emmerich  hat 
das  Martinsmünster  das  Chor  und  die  Krypta  aus  dem  11.  Jahrhundert  be- 
wahrt; die  Säulen  der  letzteren  mit  ihren  frühromanischen  Formen  bezw. 
antikisirenden  Basen  sind  bei  Giemen  abgebildet,  wie  der  Fussbodenbelag  mit 
Mäander-  und  Palmetten-Schema;  im  Übrigen  ist  die  Kirche  in  späterer  Zeit 
vielfach  verändert,  aber  seit  1874  in  sachverständiger  Weise  restauriert  Die 
kleinere,  zweischiffige  Abteikirche  in  Hochelten,  1129  geweiht,  bietet  in  den 
Friesen  anziehende  Nachbildungen  antiker,  stilisierter  Pflanzen,  in  den  Kapitel- 
len Mischungen  derselben  mit  deutsch  phantastischen  Thiergestalten.  Der  Rest 
des  Kreuzganges  im  ehemaligen  Prämonstratenserkloster  zu  Hamborn  zeigt 
die  schöne  (zuerst  in  Echtemach  auftretende)  Bildung  eines  Rundbogens  mit 
Unterteilung  durch  zwei  offene  Rundbögen  auf  einer  Mittelsäule  von  reiz- 
voller Kapitellbildung.  Einfach  wuchtig  wirkt  die  Vorhalle  der  Münsterkirche 
zu  Essen  mit  den  Würfelkapitellen  ihrer  Säulen.  Der  am  vollständigsten 
erhaltene  Bau  ist  die  Stiftskirche  zu  Stoppenberg,  von  gebundener  Grundriss- 
gestalt, lauter  (mit  spätgotischen  Kreuzgewölben  versehenen)  Quadraten  des 
Mittelschiffes  und  einer  West- Vorhalle  der  Seitenschiffe,  deren  südlicher  west- 
lich mit  einem  Turm  endet,  sowie  des  Chorvierecks,  an  das  sich  ein  Halbkreis- 
schluss  mit  Kuppel  legt.  Rundbogige  Fenster  (die  unteren  später  verändert) 
und  Friese  zwischen  Lisenen  vervollständigen  die  interessante  Erscheinung. 

Ein  bedeutender  weltlicher  Bau  ist  das  Schloss  zu  Broich.     Der  älteste 


Recensionen.  307 

Teil,  im  12.  Jahrhundert  unter  den  Herren  von  Broich  gebaut,  ist  die  im 
Osten  auf  dem  höchsten  Teil  des  Hügels  gelegene,  unregclmässig  gebrochene, 
doch  annähernd  kreisförmige  Burg,  an  welche  sich  umfängliche  Erweiterungs- 
bauten unter  den  Herren  von  Hohenlimburg  um  1400  und  unter  den  Grafen 
Ton  Dhaun-Falkenstein  in  der  Mitte  des  17.  Jahrhunderts,  sowie  Umbauten 
der  Landgräfin  von  Hessen-Darmstadt  gegen  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts 
schlössen.  Wie  sich  jede  Zeit  und  ihr  Wohn-Geschmack  schon  in  der  ver- 
schiedenartigen Grundriss- Anlage  anders  äussert,  zeigt  der  beigegebene,  in  den 
Schraffierungen  zwar  nicht  ganz  deutlich  zum  Abdruck  gekommene,  aber  höchst 
schätzenswerte  Plan;  —  solche  Aufnahmen  sind  bei  den  Ungleichheiten  der 
Bauten  und  des  Terrains  ebenso  schwierig,  wie  nötig  zur  Veranschaulichung 
dieses  Teiles  der  Kulturgeschichte. 

Unter  den  Werken  der  Kleinkunst  treffen  wir  hier  auf  die  berühm- 
testen ihrer  Art,  die  Kunstschätze  der  Essener  Münsterkirche.  Sie  fallen 
zum  grossen  Teil  in  die  Zeit  des  Kaisers  Otto  II  und  in  die  Einflusssphäre 
seiner  byzantinischen  Gemahlin,  so  der  erzene  siebenarmige  Leuchter,  die  ver- 
goldeten und  emaillierten  Mathildenkreuze,  der  Deckel  des  Theophanu-Evan- 
geliars,  die  goldene  Marienstatuette  und  Reliquiare  etc. ;  sind  sie  auch  schon 
mehrfach  ausgestellt  und  abgebildet,  so  ist  doch  die  Beigabe  guter  Abbil- 
dungen in  dem  vorliegenden  Werke  zur  Erläuterung  sehr  dienlich.  Ihnen 
reihen  sich  die  Schätze  der  Werdener  Abteikirche  und  die  Willibrordi-Arche 
in  der  Emmericher  Münsterkirche  an,  deren  Abbildung  die  verschiedenen  Her- 
stellungs-Zeiten des  eigentlichen  Schreines,  der  aufgesetzten  Kreuzigungsgruppe 
und  des  Untersatzes  verfolgen  lässt.  Ein  Reliquienkästchen  des  heiligen 
Alfrid  in  der  Essener  Münsterkirche  aus  dem  12.  Jahrhundert  ist  interessant 
durch  die  Vereinigung  von  Schnitzerei,  Einlage-Arbeit  und  Metallbeschlag. 

Verhältnismässig  selten  finden  sich  hier  bedeutendere  Werke  der 
romanischen  Bildnerei.  Ein  Ejruzifixus  aus  der  2.  Hälfte  des  11.  Jahrhuderts 
ist  beachtenswert  wegen  seiner  Grösse  (der  Körper  1,25  m  hoch),  seiner 
vollständigen  Bekleidung  mit  Ärmeltunica  und  seiner  Herstellung  aus  Holz, 
das  ehemals  mit  vergoldeten  Silberplättchen  belegt  war.  Die  Steinfigur  des 
sitzenden  Abraham  mit  einer  Kindergestalt  als  Seele  im  Schoss,  aus  dem 
12.  Jahrhundert,  muss  ziemlich  roh  auch  vor  der  Überarbeitung  gewesen  sein. 
In  der  Abteikirche  zu  Werden  sind  zwei  Reliefs  Geistlicher  aus  dem  11.  Jahr- 
hundert hinter  dem  Hochaltar  an  der  Wand  befestigt.  Mehr  durch  Grösse 
ragt  ein  1  m  hohes  erzenes  Kruzifix  der  Werdener  Abteikirche  hervor ;  es  ist 
noch  unvollkommen  durchgebildet  und  starr  im  Ausdruck. 

Reste  von  Wandgemälden  aus  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  haben 
sich  in  der  Unterkapelle  der  Emmericher  Münsterkirche  erhalten.  Im  West- 
bau der  Essener  Münsterkirche  kam  1883  ein  Cyklus  von  Wandgemälden  aus 
der  1.  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  zum  Vorschein,  in  dürftigen  Resten,  aber 
als  die  frühesten  in  den  Rheinlanden  und  dem  Inhalt  nach  wegen  der  Ver- 
bindung der  überlieferten  Darstellungen  aus  dem  neuen  Testament  mit  Bildern 
aus  der  Engelsgeschichte  von  besonderem  kunstgeschichtlichem  Wert.  Giemen'' 
beschreibt  eingehend,  unter  Beifügung  von  Autotypieen  den  Cyclus,  in  der 
Mittelkuppel  das  jüngste  Gericht,  in  den  Emporen-Nischen  Christus,  von  edler 
Auffassung,  wenn  auch  überschlank,  mit  den  Aposteln,  den  Auferstandenen  mit 


308  Recensionen. 

den  Emausjüngern,  zwischen  den  Bogenstellungen  bezw,  den  Fenstern  Ra&el 
mit  Tobias,  Gabriel  mit  Daniel,  die  Engel  der  Jakobsleiter  mit  Jakob,  die 
Auferstehung  und  Petri  Fischzug.  an  den  Gurtbögen  in  Medaillons  wohl 
Apostel  mit  Zuhörern,  an  den  Zwickeln  der  doppelten  Säulenstellung  inner- 
halb des  mittleren  Rundbogens  wohl  die  Brustbildnisse  der  Äbtissinnen,  recht 
charakteristisch  für  den  Stil.  In  dem  östlich  von  der  Vierung  gelegenen  Ge- 
wölbejoche wurden  1881  Deckenmalereien  vom  Ende  des  12.  Jahrhunderts 
aufgedeckt  und  wiederhergestellt,  Darstellungen  aus  dem  Martyrium  der 
Heiligen  Eosmas  und  Damianus.  Alle  diese  Malereien  bereichem  unsere 
Kenntnis  der  romanischen  Kunst  und  Kultur  ungemein. 

Die  ehemalige  Cistercienserinnenkirche  in  Saam  aus  der  1.  Hälfte  des 
13.  Jahrhunderts  ist  trotz  ihrer  Einfachheit  höchst  interessant.  Der  Grund- 
riss  war  streng  romanisch:  Halbkreisschluss  (trotz  des  Cistercienserbaucs), 
Chorquadrat,  dann,  durch  einen  starken  Triumphbogen  getrennt,  zwei  Quadrate 
des  Langhauses;  Gratgewölbe  auf  Wandsäulen,  aussen  Rundbogenfriese 
zwischen  Lisenen,  welche  darunter  durch  schräges  Vortreten  zu  förmlichen 
Strebepfeilern  werden;  auch  in  den  Fenstern  schon  die  keimende  Frühgotik. 
Einen  Glanzpunkt  des  rheinischen  Übergangsstilcs  in  jenen  Gegenden  bildet 
die  Abteikirche  zu  Essen,  der  auch  in  dem  Werk  ein  besonders  liebevolles 
Eingehen  durch  Wort  und  Bild  gewidmet  ist.  Nach  den  Bränden  des  12. 
und  13.  Jahrhunderts  wurde  der  Bau  1257—1275  ausgeführt.  Der  Grundriss 
ist  charakteristisch  für  die  reiche,  romanische  Ausbildung  der  Benediktiner- 
kirche. Die  Ereuzarme  des  Querhauses  schliessen  östlich  in  Apsiden,  der 
dreiseitig  geschlossene  Chor  wird  von  (freilich  gerade  geschlossenen)  Neben- 
chören begleitet,  so  dass  jene  fünffache  Altar-Anlage  entsteht  (von  der  ich 
eine  Reihe  von  Vergleichspunkten  gelegentlich  der  Kirche  zu  Panlinzelle 
in  der  Veröffentlichung  der  Bau-  und  Kunstdenkmäler  Thüringens,  Bd.  Herr- 
schaft Schwarzburg-Rudolstadt  S.  143  f.  gegeben  habe).  In  der  Einzel-Aus- 
bildung sind  es  einfache  Verzierungen  der  Kapitelle,  Friese  und  Profile;  in 
der  Gesamt-Gestaltung  aber  geben  die  grossen,  unten  dreifach,  darüber  zwei- 
fach gepaarten  und  von  Blenden  umschlossenen  Spitzbogen  -  Fenster,  über 
denen  noch  eine  Reihe  von  Achtpass-Fenstem  das  Innere  erleuchtet,  dann 
der  massige,  hinter  hoher  Vorhalle  mit  Nebenschiffen  vollständig  eingebaute 
Westturm,  zuletzt  der  hohe,  achteckige,  an  die  QuirinsMrche  in  Neuss  er- 
innernde Vierungsturm  den  mächtigen  Eindruck  der  weithin  herrschenden  Abtei. 
Seit  1886  findet  eine  stilgerechte  Restauration  statt. 

Die  ausgebildete  Gotik  findet  Eingang  zunächst  in  Duisburg,  das  sich 
wohl  aus  römischer  Anlage  und  fränkischer  Ansiedelung  mit  Kaiserpfalz  früh 
zu  selbständig  reichsunmittelbarer  Stadt  erhoben  hatte  und  zwar  in  den  letzten 
Zeiten  dieser  Reichsfreiheit  (1290  ward  sie  vom  Kaiser  den  Grafen  von  Kleve 
gegeben).  Die  1265  von  Magdeburg  hergekommenen  Minoriten  bauten  im 
neuen  Stil  ihre  Kirche,  lang  und  schmal,  schlicht,  aber  charakteristisch  in 
Strebepfeilern  und  Fenster  -  Masswerken.  Ungefähr  gleichzeitig  begann  die 
grossartige  Bauthätigkeit  an  der  Essener  Münsterkirche,  die  sich  aber  bis  zur 
Mitte  des  15.  Jahrhunderts  fortsetzte,  zum  Teil  durch  Zerstörungen,  bezw. 
Restaurationen  veranlasst.  Die  romanischen  Teile  wurden  benutzt,  verbaut. 
Das  Chor  (14.  Jahrb.)  erhebt  sich  mit  einem  Gewölbe  auf  Säulen  und  Halb- 


Recensionen.  309 

Säulen  mit  gat  stilisierten  Blätterkapitellen  zu  bedeutender  Höhe;  das  Lang- 
haus wirkt  schön  durch  Ebenmässigkeit  der  Säulen  und  Gewölbe.  Giemen 
behandelt,  unterstützt  durch  G.  Humanns  Vorarbeiten,  recht  eingehend  die 
Kirche,  welche  seit  1840,  besonders  seit  1880  sorgfältig  restauriert  mit  der 
Johanniskirche  zusammen  eine  der  imponierendsten  Baugruppen  bildet.  Die 
Kirche  in  Hünxe,  welche  im  14.  Jahrhundert  unter  Benutzung  romanischer 
Teile  ausgebaut  wurde,  ist  von  regelmässiger  Anlage,  eine  Pfeilerbasilika  mit 
dreiseitigem  Ghorschluss  und  mit  Westturm. 

Die  Werke  der  Kleinkunst  und  Bildnerei  treten  in  der  Zeit  der  Früh- 
und  Hochgotik  sichtlich  gegen  die  der  früheren  und  späteren  Zeit  zurück; 
sie  sind  steif  und  derb,  wenn  auch  charaktervoll,  mehr  interessant,  als  schön. 
Die  dieser  Zeit  angehörenden  heüigen  Gefasse  und  Reliquiare  der  Essener 
Münsterkirche  sind  ^Zeugnisse  dafür,  im  Kirchenschatz  zu  Hochelten  eine 
silberne  Michaelstatuette  und  mehrere  Pastoralien,  in  Marienthal  eine  hölzerne 
lebensgrosse  Kreuzigungsgruppe,  in  Rees  eine  thronende  Maria  mit  dem  Kind 
auf  dem  Schoss.  Für  mangelndes  Schönheitsgefühl  entschädigt  oft  starke 
Empfindung,  so  in  dem  überlebensgrossen  Kruzifixus  in  der  katholischen 
Kirche  zu  Dinslaken  einer  Figur  mit  schmerzlichem  Ausdruck,  langem 
Körper,  flacher  Brust  und  magern  Gliedern. 

Eine  neue  grosse  Blütezeit  begann  im  15.  Jahrhundert  mit  dem  Grafen 
Adolph  H,  seit  1417  erstem  Herzog  von  Kleve. 

Es  entwickelt  sich  die  ostklevische  Bauschule,  welche  fast  ausschliess- 
lich in  Haustein  baute  (wie  die  westklevische  in  Backstein),  unter  Kölnischem 
und  holländischem  Einfluss.  Ihr  gehören  die  schönsten  Kirchen  der  Zeit 
und  Gegend  an.  Drei  bedeutende  Kirchen  stehen  in  gegenseitigem  Zusam- 
menhang, die  Salvatorkirche  in  Duisburg  (Bau  von  1426  ff.),  die  Aldegundis- 
kirche  in  Emmerich  und  die  Willibrordikirche  in  Wesel.  Die  beiden  ersteren 
Kirchen  zeigen  in  den  die  Seitenschiffe  nach  Osten  fortsetzenden  und  wie 
das  Mittelchor  in  drei  Seiten  des  Achtecks  geschlossenen  Nebenchören  das 
System  von  S.  Urbain  in  Troyes  und  des  Regensburger  Domes.  Der  mächtige 
Westturm  der  Duisburger  Kirche  ist  für  den  Weseler  Turm  vorbildlich  ge- 
worden. Wie  am  Turm,  sind  überhaupt  die  Fenster  der  Salvatorkirche 
ungemein  gross  und  im  Yerhältnis  zum  sonstigen  Bau  reich  gestaltet.  Die 
abgebildeten  Konsolen  des  Südchor-Gewölbes  sind  recht  charakteristisch  für 
die  Spätgotik.  An  Bedeutung  ragt  die  der  Hauptsache  nach  1483  gebaute 
Aldegundiskirche  in  Emmerich  hervor,  deren  unten  viereckiger,  oben  acht- 
eckiger, seit  1854  mit  schlankem  Helm  bedeckter  Westturm  die  ganze  Stadt 
beherrscht.  In  Wesel  ist  die  gleichzeitig  mit  der  Maternakirche  gebaute 
Willibrordikirche  nächst  dem  Xantener  Dome  die  bedeutendste  gotische 
Anlage  am  Niederrhein,  von  sehr  regelmässigem  Grundriss,  mit  reichen,  künst- 
lichen Stemgewölben  imd  mit  ausgezeichnetem  Turmbau,  an  dem  unten  das 
riesige  Portalfenster,  oben  der  eigentümliche  Abschluss  mit  Pfeilern  auf  Halb- 
pfeilem,  die  wieder  auf  Kragsteinen  ruhen,  bemerkenswert  erscheint.  Die 
Kirche  ist  unter  denen  der  hier  vorliegenden  Hefte  am  besten  illustriert 
(auch  die  frei  unterschnittenen  Gapitell- Verzierungen),  und  so  eine  Lücke  der 
deutschen  Kunstgeschichte  ausgefallt.  Die  katholische  Kirche  zu  Dinslaken, 
ein  Bau  von  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts,  ist  eine  ebenfalls  regelmässige, 


310  ftecensionen. 

durchweg  gewölbte  dreischiffige,  dreijochige  Säulen-Hallenkirche  mit  dreiseitig 
geschlossenem  Chor  und  einem  von  Seitenkapellen  eingebauten  Westturm. 

Von  den  zahlreichen  Schlossern,  die  sich  Herzog  Adolph  II  erbanen 
Hess,  ist  nur  das  in  Wesel,  jetzt  Kommandantur,  einigermassen  im  alten 
Schmuck  erhalten  geblieben.  Das  Aufblühen  der  Städte  unter  ihm  und  seinen 
Nachfolgern  bekundet  sich  in  dem  Bau  stattlicher  Rathäuser  (Rees,  Wesel) 
und  Bürgerhäuser.  Bis  zur  Virtuosität  steigerte  sich  das  Kunsthandwerk. 
Die  ungemein  reich  geschnitzten  Chorstühle  des  Emmericher  Martinsmünsters 
von  1483,  zweireihig,  in  der  zweiten  Reihe  achtsitzig,  bieten  besonders  in  den 
Wappentafeln  prächtig  stilisierte  Helmdecken,  die  unmittelbar  als  Vorbilder 
für  ähnliche  Aufgaben  der  Gegenwart  dienen  können.  In  der  Kirche  zu  Mil- 
lingen  befindet  sich  ausser  dem  prächtigen,  durch  aus^m  Weerth  veröffent- 
lichten Sakramentshäuschen  noch  ein  zweites,  ebenfalls  spätgotisches  Sakra- 
mentshäuschen von  einfacherem  Aufbau,  aber  geistvollerer  Einzelbildung,  von 
welchem  Clemcn  eine  Abbildung  giebt.  Ein  hölzernes,  ehemaliges  Tabemakel- 
Thürchen  in  der  katholischen  Kirche  zu  Dinslaken  ist  ebenfalls  mit  Recht 
abgebildet;  die  durchbrochen  geschnitzte  Rose  mit  Fällung  von  Fischblase 
ist  ein  gutes  Beispiel  solch  einer  spätgotischen  Lösung. 

Die  Monstranz  der  Emmericher  Aldögundiskirche  ist  eines  der  grössten 
und  prächtigsten  Werke  der  Klevischen  Hof-Goldschmiedekunst  um  1500,  in 
Architektur-Bildung,  mit  musizierenden  Engeln,  Heiligen  und  Christus  als 
Weltenrichter  zwischen  Maria,  Johannes  und*  posaunenblasenden  Engeln ;  ihr 
ähnlich,  nur  noch  grösser  (91,6  cm  hoch)  und  prächtiger  die  Monstranz  in 
der  katholischen  Pfarrkirche  zu  Rees  mit  reizender  Fialen  -  Architektur,  mit 
Engeln,  Heiligen,  einem  Christus,  der  das  Kreuz  in  den  Armen  hält,  und 
oben  Kelchen,  aus  denen  Engel  mit  den  Leidenswerkzeugen  herauswachsen. 

Trefflich  sind  die  Reliquiare  und  figürlichen  Goldschmiede  -  Arbeiten 
in  der  Emmericher  Münsterkirche  und  in  der  Werdener  Abteikirche  aus  spät- 
gotischer Zeit.  Nicht  weniger  als  dreizehn  kostbare  Reliquiare,  darunter  höchst 
eigenartige,  besitzt  die  Abteikirche  in  Hochelten.  Unter  den  Prachtstücken 
der  Essener  Kirchen  bekundet  eine  reiche  Monstranz  in  der  Gertrudiskirche 
das  Festhalten  am  gotischen  Stil  noch  im  Jahre  1521. 

Die  Emmericher  Bildschnitzer-Schule  entwickelte  sich  der  Kalkarer  und 
Kölner  ebenbürtig,  mit  eigenem  Charakter;  die  Frauengestalten  sind  von 
schmalschulteriger  und  kleinbrüstiger  Bildung  mit  lieblichen  Köpfen,  zier- 
lichen, dabei  nicht  mageren  Händen  und  in  Gewändern  mit  gebrochenen 
Parallelfalten.  Die  Männer,  besonders  ältere,  sind  energischer,  individueller 
gebildet.  Gute  Beispiele  bieten  die  Holzschnitzwerke  in  der  Kirche  zu 
Domik,  in  der  Aldegundiskirche  zu  Emmerich  (durch  wohlgelungenen  Auto- 
typien veranschaulicht),  der  Münsterkirche  zu  Essen  (mit  Autotypie  der  Kos- 
masfigur). Ein  Hauptwerk  der  benachbarten  Kalkarer  Bildschnitzerschule  ist 
der  um  1510  gefertigte  Hochaltar  der  Weseler  Fraterherrenkirche,  der  einzige 
am  Niederrhein  mit  lebensgrossen  Figuren;  in  der  Mitte  die  realistisch  auf- 
gefasste  Grablegung  (mit  Lichtdruck  illustriert).  Ebenda  ein  vorzügliches 
Werk  der  Kölner  Schule  um  1450,  die  lebensgrosse  Holzfigur  des  heiligen 
Martin.  Der  Hochaltar  der  katholischen  Kirche  in  Dinslaken  hat  ein  grosses 
Schnitzwerk  mit  gemalten  Flügeln  (innen  Christi  Einzug  in  Jerusalem,  Abend- 


Recensionen.  31]^ 

mahl  etc.,  aussen  hoch  bedeutende  Bilder  der  Evangelisten),  eine  nieder- 
ländische, wahrscheinlich  Brüsseler  Arbeit  um  1490. 

Am  Ende  der  Periode  steht  der  schöne  Grabstein  mit  der  betenden 
Figur  des  Abtes  Grimhold,  f  1517,  in  der  Werdener  Abteikirche;  —  einer 
der  wenigen  besseren  Grabsteine,  deren  Zahl  in  diesen  Gegenden  auch  nicht 
gross  zu  sein  scheint. 

Um  1509  entstanden  die  Deckengemälde  der  Weseler  Willibrordikirche, 
Heilige,  Engel  und  Pflanzen;  die  Blattornamente,  die  hier  „in  der  Art  von 
Makartbouquets"  aus  den  Ecken  hervorwachsen,  sind  von  einem  ausserordent- 
lichen Reichtum  der  Formen  und  graziösester  Zeichnung,  der  Reichtum  an 
Motiven  und  phantastischen  Blüten  ist  fast  unerschöpflich.  Etwa  gleichzeitig 
ward  die  Duisburger  Salvatorkirche  ausgemalt,  in  welcher  Figurenreste  und 
omamentale  Flächenverzierungen  erhalten  sind;  eine  beigegebene  Abbildung 
eines  schablonierten  Musters  lässt  deutlich  den  Einfluss  der  Weberei  erkennen. 

Ein  grosses  Dreiflügelgemälde  in  der  Kirche  zu  Haldem  mit  einer 
figurenreichen  Kreuzigung  im  Mittelteil  und  mit  je  vier  Darstellungen  aus 
der  Geschichte  Christi  vom  ölberggebet  bis  zur  Erscheinung  im  Garten  auf 
den  Innenseiten  der  Flügel  und  je  vier  aus  der  Legende  Johannis  des  Täufers 
und  eines  anderen  Heiligen  aussen,  ein  bedeutendes  Werk,  gehört  nach 
Giemen  der  westfälischen  Schule  unter  leichtem  niederländischen  Einfluss  an 
und  hat  grosse  Verwandtschaft  mit  dem  Soester  Kreuzigungsbild  im  Berliner 
Museum,  das  wohl  zwischen  1470  und  1500  entstanden  ist;  der  beigegebene 
Lichtdruck  lässt  die  lebendige  Komposition  erkennen. 

Die  Renaissance  -  Bewegung  tritt  ein;  der  Humanismus  des  16.  Jahr- 
hunderts äussert  sich  auch  hier  auf  geistigem  und  künstlerischem  Gebiet. 
Duisburg  wird  aus  einer  Handelsstadt  allmählich  eine  Gelehrtenstadt.  Herzog 
Wilhelm,  der  die  Reformation  annahm  und  sie  dann  wieder  verwarf,  fasste 
den  (ein  Jahrhundert  später  ausgeführten)  Plan,  Duisburg  zur  Universitäts- 
stadt zu  machen.  Hier  wirkte  u.  A.  der  berühmte  Erdkundige  Merkator 
(t  1594),  seine  Gedenktafel  mit  Brustbildnis  hängt  in  der  Salvatorkirche. 

Die  Malerei  der  niederrheinischen  Renaissance  steht  erst  unter  west- 
fälischem, dann  unter  niederländischem  Einfluss.  Ein  Hauptwerk  des  Dort- 
munder Meisters  Heinrich  Dünnwege,  das  Gerichtsbild  im  Weseler  Rathaus 
(durch  Lichtdruck  wiedergegeben),  eine  Gerichtsverhandlung  voll  Realismus 
bei  geringen  phantastischen  Zuthaten,  zeichnet  sich  durch  frische  und  indi- 
viduelle Charakterisierung  der  handelnden  Personen,  geschlossene  Komposition 
und  leuchtende  Farbengebung  aus.  Einem  dem  Dünnwege  nahe  stehenden 
Maler  schreibt  Clemen  das  grosse  Dreiflügelbild  in  der  evangelischen  Kirche 
zu  Schermbeck  von  1506,  Kreuzigung,  Darstellungen  aus  Christi  Leben 
und  Leiden  und  Heiligenbilder,  zu.  An  die  Harlemer  Meister  und  Jan  Joest 
erinnert  das  bedeutende  Gemälde  der  Taufe  Christi  im  Spital  zu  Rees.  Den 
glänzendsten  Ausdruck  findet  die  damalige  Kunst  in  dem  Altarwerk  der  Essener 
Münsterkirche,  welche  im  Mittelschrein  eine  Marienfigur,  auf  den  Flügeln 
die  1524  von  Barth,  de  Bruyn  vollendeten  Gemälde  der  Geburt,  Anbetung 
der  Könige  und  Kreuzigung  enthält;  dies  Werk  „bezeichnet  den  Höhepunkt 
der  Jugendperiode  des  Künstlers  und  steht  an  Frische  weit  über  dem 
Xantener  Altarwerke". 

WMtd.  Zeitiohr.  f.  Oesoh.  n.  Kunst.    XIY,   TLl.  23 


312  Recensionen. 

Auf  anderen  Gebieten  der  Kunst  müssen  wir  allmählig  Rückgang  ge- 
wahren. Wohl  erkennen  wir  noch  eine  prächtige  Blüte  der  Kunststickerei 
z.  B.  in  den  Gewändern  der  katholischen  Kirchen  zu  Rees  und  Hambom  um 
die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts.  Die  1578  gestifteten  Prachtpokale  des 
Weseler  Rathauses,  gleich  ausgezeichnet  durch  Schärfe  der  Umrisse  und  Weich- 
heit der  Formen  sind  Erzeugnisse  der  Kölner  Goldschmiedekunst.  Der  Lettner 
der  Weseler  Willibrordikirche  von  1604  ist  eine  interessante  Holzschnitz- 
Arbeit,  ganz  antikisierenden  Geschmackes.  Aber  an  selbständiger  Bildnerei 
und  Baukunst  war  wenig  Rühmliches  aufzuzeichnen.  Manche  ganz  schmuck- 
volle  Wohnhäuser  finden  sich  in  Emmerich ;  das  Haus  des  Herrn  von  Weiler 
in  Empel  hat  einen  prächtigen  Erker  von  1570,  das  wohl  eine  Einzel-Ab- 
bildung verdient  hätte.  Im  Übrigen  wird  die  Kunst  nur  ein  leeres  Blatt 
Wohl  ist,  wie  anderwärts,  viel  Schuld  auf  den  dreissigjährigen  Krieg  zu 
schieben,  zu  dem  sich  hier  noch  die  unsicheren  Zeiten  des  Erbfolgestreites 
gesellten.  Allein,  während  wir  in  anderen  Gegenden  des  Rheines,  selbst  des 
verarmten  Mittel-  und  Norddcutschlands  wenigstens  entschiedene  Bestrebungen 
eines  Aufschwunges  erkennen  können,  fehlen  hier  anscheinend  solche.  Aus 
der  2.  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  stammt  der  Hauptbau  des  umfangreichen 
Schlosse»  Schellenberg  (der  ältere  aus  dem  14.,  der  neuere  aus  unserem  Jahr- 
hundert) ;  Turmbau  und  Innen- Ausschmückung,  darunter  eine  Decke  mit  Stuck- 
verzierung und  Malerei  sind  ohne  sonderlichen  Reiz.  Es  ist  bezeichnend, 
dass  den  Hauptteil  des  Interesses  die  Befestigung  der  Stadt  Wesel  im 
17.  Jahrhundert  beansprucht.  Dies  sowohl  in  künstlerischer  wie  in  tech- 
nischer Beziehung. 

Alte  Pläne  und  Ansichten  unterstützen  diesen  sehr  gut  behandelten 
Teil  der  Clemen'schen  Aufzeichnungen;  es  ist  dankenswert,  dass  der  Ver- 
fasser auch  dieses  meist  von  der  Architekturgeschiclite  umgangene  Gebiet  der 
Bauthätigkeit  mit  erschliesst. 

Im  18*  Jahrhundert  entwickelt  sich  wieder  eine  ganz  tüchtige,  wenn 
auch  nüchterne  Baukunst,  die  sich  in  manchen  Schlossbauten  äussert.  Das 
Schloss  zu  Diersfordt  ist  eine  verhältnismässig  umfangreiche  Erneuerung  dieser 
Periode.  Eine  gewisse  Kunstblüte  verdankt  ihr  Dasein  der  Prachtliebe  der 
Äbte  und  Fürstäbtissinnen  von  Essen.  So  entstand  der  Umbau  ihres  Sommer- 
sitzes Borbeck,  der  durch  Giebel  und  Türme  ganz  wirkungsvoll  im  Gesamt- 
Eindruck  ist,  so  in  Steele  die  riesige  Anlage  des  Waisenhauses,  in  Werden 
das  Abteigebäude.  Das  Rococo  wird  durch  einige  städtische  Wohnhäuser, 
u.  A.  in  Duisburg,  ganz  hübsch  vertreten.  Gegenüber  den  Stilwandelungen 
giebt  der  aus  dem  18.  Jahrhundert  stammende  Berger  Schul t-Hof  in  Hünxe, 
dessen  Grundriss  Giemen  beifügt,  einen  vortrefflichen  Typus  des  unverändert 
gebliebenen,  westfälischen  Bauerhauses,  dessen  Gebiet  in  den  Kreis  Ruhrort 
hineinragt. 

Aus  den  hier  gemachten  Angaben  über  die  rheinische  Denkmaler-Ver- 
öffentlichung wird  der  Leser  sehen,  welche  Fülle  von  anziehenden  Darstel- 
lungen und  Mitteilungen  seiner  bei  dem  Lesen  der  vorliegenden  Hefte  harren. 
Über  Form  und  Art  der  Behandlung  ist  schon  bei  Gelegenheit  der  ersten 
Hefte  gesprochen  worden.  Mit  sich  gleich  bleibender  Liebe  und  Kenner- 
schaft hat  der  Verfasser  auch  diese  Kreise  durchforscht   Besonders  schatzens- 


Recensionen. 


313 


wert  ist  das  Einfügen  der  Bilderhandschriften  in  die  Aufzeichnungen  (unbe- 
schadet späterer  selbständiger  und  weiter  gehender  Veröffentlichung)  und 
das  stärker  vortretende  persönliche,  urteilende  Element;  in  dieser  Beziehung 
könnte  der  Verfasser  noch  etwas  weiter  gehen,  gewissermassen  Licht  und 
Schatten  der  Kritik  auf  die  zu  behandelnden  Gegenstände  stärker  auftragen, 
um  das  Bild  des  Ganzen  aus  der  Fülle  der  Einzelerscheinungen  charakte- 
ristischer hervortreten  zu  lassen.  Die  Abbildungen,  auf  die  ich  schon  gele- 
gentlich hingewiesen  habe,  sind  höchst  schätzenswerte  Beigaben  an  Zahl 
(zusammen  13  Lichtdrucktafeln  und  130  Zinkdrucke),  zum  grossen  Teil  künst- 
lerisch wertvoll.  Die  für  den  vorliegenden  Zweck  gelungensten  scheinen  mir 
die  des  Architekten  Baum  zu  sein,  dann  die  des  Regierungsbaumeisters  Amtz 
und  des  Architekten  Pützer;  ihnen  gesellen  sich  die  zierlichen  Zeichnungen 
von  Giemen  selber.  Noch  hier  und  da  einige  Details  wiederzugeben,  die  bei 
Gemälden  die  Formen-  und  Pinsel-Behandlung,  bei  kunstgewerblichen  Arbeiten 
das  Technische  wiedergeben,  wäre  erwünscht.  Die  Lichtdrucke  sind  sehr 
schön  klar  (von  Kühlen  in  M.-Gladbach)  wiedergegeben;  dass  dies  nicht 
durchweg  von  den  Zinkographieen,  wenigstens  den  Autotypieen  zu  rühmen 
ist,  liegt  vielleicht  an  technischen  Gründen,  da  Behandlung  der  Zinkstöcke, 
Papier  und  Schwärze  gegenwärtig  einem  zu  schnell  wechselnden,  oft  gefähr- 
lichen Suchen  nach  neuen  Verfahren  ausgesetzt  sind,  wie  ich  an  eigenen 
Veröffentlichungen  erfahren  muss.  Doch  wirkt  dies  nicht  wesentlich  störend ; 
die  Hauptsache,  dass  Text  und  Abbildungen,  wie  es  bei  solchem  Werke  nötig 
ist,  immer  mehr  zusammenwachsen  und  ein  einheitliches  Ganzes  bilden,  tritt 
mit  jedem  Heft  erfreulicher  hervor. 


Beiträge  zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Köln. 

Von  Dr.  Friedrieh  Laa  in  Köln. 

IL 
Das  KSlner  Patriziat  bis  znm  Jahre  1396. 

So  verschieden  und  mannigfaltig?  das  Bild  auch  ist,  das  die 
politische  Entwicklung  der  deutschen  Städte  dem  Forscher  darbietet,  so 
ist  es  doch  immerhin  möglich,  die  Grundgesetze  und  Rechtsbegriffe,  aus 
denen  die  politische  Stellung  und  Verfassung  derselben  sich  gebildet 
hat,  in  ihren  Ilauptztigen  festzulegen  und  nach  ihrer  allgemeinen  Gültig- 
keit zu  erkennen.  In  weit  geringerem  Grade  gilt  dies  von  der  Zu- 
sammensetzung ihrer  Bevölkerung  und  der  Ausbildung  der  Standes- 
nnterschiede  innerhalb  der  einzelnen  Stadt.  Diese  ist  so  sehr  von 
lokalen  Bedingungen  abhängig,  dass  es  wohl  ausgeschlossen  erscheinen 
muss,  in  der  Entwicklung  in  den  Mauern  einer  Stadt  ein  für  alle 
Orte  Deutschlands  gültiges  Paradigma  zu  gewinnen.  Aus  diesen  Er- 
wägungen allgemeiner  Natur  ergiebt  sich  der  Gesichtspunkt,  unter  dem 
die  nachfolgende  Studie  aufgefasst  werden  will  und  muss.  Sie  ist 
lediglich  eine  lokalgeschichtliche  Untersuchung,  die  nicht  ohne  weiteres 
auf  andere  Verhältnisse  bezogen  werden  darf,  wenn  auch  nicht  unmög- 
lich erscheint,  dass  sich  an  einem  anderen  Orte  eine  wenigstens  ähnliche 
Entwicklung  nachweisen  lässt. 

Auf  Vorarbeiten  von  anderer  Seite  kann  sich  die  nachfolgende 
Untersuchung  im  allgemeinen  nicht  stützen.  Zwar  hat  sich  schon  der 
alte  Glasen  *)  mit  ehrlichem  Eifer  bemüht,  Material  für  die  Gaschichte 
des  Kölner  Patriziats   zusammenzutragen,   aber  zu   einer   auch   nur  an- 


')  In  den  bekannten  Schriften:   Schreinspraxis,  Edeles  Colin,  u.  s.  w. 
(Vgl.  Quellen  I  p.  X). 

Weatd.  Zeitaohr.  f.  Getoh.  n.  Kami.     XIV,   IV  24 


316  Fr.  Lau 

nähernd  erschöpfenden  Behandlung  der  Aufgabe*)  reicht  das  von  ihm 
Geleistete  nicht  aus.  Nach  ihm  hat  Fahne  einen  erneuten  Versuch  in 
dieser  Hinsicht  unternommen,  man  darf  sagen,  zum  Schaden  unserer 
Erkenntnis,  da  die  Flüchtigkeit  seiner  Arbeitsweise  und  die  grosse  Un- 
genauigkeit  seiner  Angaben  die  Forschung  eher  irreleiten  als  fördern 
können.  Seitdem  ist  durch  die  Herausgabe  der  Kölner  Schreinskarten 
des  12.  Jahrhunderts  durch  Hoeniger  das  ältere  Material  leicht  benutz- 
bar gemacht  worden  und  der  Herausgeber  hat  anlässlich  dieser  Arbeit 
auch  Gelegenheit  genommen,  seine  Ansichten  tiber  einige  der  inbetracht 
kommenden  Fragen  zu  äussern^),  mit  denen  sich  ebenso  wie  mit  den 
anderweitig  geäusserten  Meinungen  die  nachfolgende  Darstellung  eben- 
falls zu  beschäftigen  hat.  Die  hier  gegebene  Untersuchung  stützt  sich 
auf  das  gesamte  erhaltene  Material  der  Schreinskarten  und  Schreins- 
bücher bis  1325,  für  die  Zeit  von  1325 — 96*)  auf  einen  erheblichen 
Bruchteil  derselben,  daneben  sind  die  mir  erreichbaren  Urkunden  des 
Kölner  Stadtarchivs  und  die  in  Frage  kommenden  Urkundenbücher  benutzt. 
Die  Bildung  des  städtischen  Patriziats  im  allgemeinen  hat  sich  in 
der  Weise  vollzogen,  dass  innerhalb  der  breiteren  Masse  der  städtischen 
Bürgerschaft  sich  ein  engerer  Kreis  von  Personen  und  Familien  der 
politischen  Herrschaft  bemächtigt,  der  sich  gegen  die  andere  Bürger- 
schaft auch  sozial  nach  unten  abschliesst.  Erst  dann  kann  von  dem 
Bestehen  eines  Patriziats  die  Rede  sein,  wenn  diese  zwei  Momente,  das 
politische  und  soziale,  zusammentreffen.  Das  blosse  Vorkommen  ange- 
sehener Familien  bildet  noch  keinen  Beweis  für  das  Vorhandensein  eines 
Patriziats,  so  lange  eben  diese  Familien  noch  nicht  ihre  soziale  Schei- 


*)  In  manchen  Punkten  besonders  betr.  die  Lehnsbezichungen  der 
Kölner  Patrizier  zu  den  benachbarten  Fürsten  hat  Cl.  die  Schreinsbücher  mit 
sehr  gutem  Erfolge  durchforscht  und  nahezu  ausgebeutet. 

»)  Westd.  Zeitschr.  Bd.  II  S.  119  ff.  Neuerdings  Mcvissen- Festschrift 
S.  153  ff.  Früher  haben  schon  Arnold  (Freistädte  II  S.  182  ff.)  und  Hegel 
in  seiner  Verfassungsgeschichte  Kölns  (Chron.  XIII  S.  XXIV),  v.  Below, 
Entstehung  S.  119  und  Liesegang  (Savigny  -  Zeitschr.  Germ.  Abteilung  N.  F. 
Bd.  XI  S.  48)  ihre  Meinung  über  den  Gegenstand  geäussert.  Die  von 
Ennen  in  seiner  Geschichte  der  Stadt  Köln  über  die  Frage  vorgebrachten 
Ansichten  sind  recht  leichtsinnige  und  oberflächliche  Behauptungen.  Auch 
die  Aufstellungen  Nitzschs  in  seinem  Werke  „Ministerialität  und  Bürgertum" 
dürfen  wohl  im  allgemeinen  als  widerlegt  gelten. 

*)  D.  h.  alle  Bücher  des  Schöffenschreins,  diejenigen  von  Severin, 
Weyerstrasse,  Gereon-Eigelstein  und  eine  grössere  Anzahl  von  Büchern  der 
andern  Schreine. 


Beiträge  zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Köln.  317 

düng  von  der  übrigen  Bürgerschaft  erreicht  haben,  ein  Verhältnis,  das 
andererseits  erst  die  Stetigkeit  und  Dauer  des  politischen  Ansehens  und 
der  Macht  für  die  betreffenden  Geschlechter  zur  Folge  hatte  und  verbürgte. 
Schon  die  lebensvoUe  Schilderung,  die  Lambert  von  Hersfeld  ^) 
von  dem  missglückten  Aufruhrversuche  gegen  Erzbischof  Anno  giebt, 
bezeugt  das  Vorhandensein  von  angesehenen  Bürgern  (primores  civitatis), 
welche  die  Leitung  des  Aufstandes  übernahmen ;  zahlreicher  begegnen 
dann  in  den  Urkunden  des  12.  Jahrhunderts  die  Namen  von  Personen, 
welche  als  viri  illustres,  probatissimi,  meliores,  maioris  auctoritatis,  be- 
zeichnet werden  und  unter  denen  dieselben  Namen  sich  vielfach  wieder- 
holen. Unter  ihnen  begegnen  uns  schon  die  Stammväter  der  Grin®), 
Jude''),  Raitze*),  Parfuse^),  Scherfgin  ^®),  Von  der  Mühlengasse  *^)  und 
Cleingedank  **),  die  später  in  den  Kreisen  der  Geschlechter  eine  so 
grosse  Rolle  spielen  sollten.  Aber  doch  reichen  diese  urkundlichen 
Zeugnisse  nicht  hin,  die  Existenz  eines  bevorzugten  Geschlechterstandes 
zu  beweisen.  Die  spärliche  Überlieferung  der  Schreinskarten  gestattet 
nämlich  kein  sicheres  Urteil  darüber,  inwieweit  diese  angesehenen  Bürger 
und  ihre  Familien  unter  einander  verschwägert  und  sozial  von  den 
übrigen  Bürgern  geschieden  waren.  Im  Hinblick  auf  die  Erfahrungen, 
die  sich  aus  den  reichhaltigeren  Quellen  des  13.  Jahrhunderts  gewinnen 
lassen,  darf  diese  Frage  für  das  12.  Jahrhundert  sogar  verneint  werden. 
Wenn  man  nämlich  von  den  genannten  Familien  absieht,  so  zeigt  sich 
bei  manchen  anderen  die  Erscheinung,  dass  sie,  welche  im  12.  Jahr- 
hundert" im  Vordergrunde  des  politischen  und  sozialen  Lebens  standen, 
im  Anfange  des  folgenden  an  politischem  Ansehen  verlieren  und  auch 
sozial  in  die  Masse  der  städtischen  Bürgerschaft  zurücksinken.  So  sind 
die  Nachkommen  des  1182  zu  den  verdienten  Amtleuten  gehörenden 
Richolf,  Schultheiss  von  Aachen "),  die  sich  bis  in  den  Anfang  des 
14.  Jahrhunderts  finden,  niemals  wieder  zu  politischer  Macht  emporge- 


»)  Mon.  Germ.  SS.  V.    S.  211. 

•)  Mitt.  H.  25  S.  378. 

^)  H.  26  S.  115. 

8)  Ib.  S.  137. 

*)  Hoeniger,  Mevissenfestschrift  S.  262. 

»<»)  Mitt.  n.  26  S.  139. 

")  Ib.  S.  128. 

>2)  H.  25  S.  370. 

^')  Vgl.  über  ihn  Hoeniger  1.  c.  S.  258.  Johannes  scultetas  de  Aquis 
6  f.  21b  (1264).  Henricus  scultetus  de  Aquis  14  f.  ö4b  (1302/3),  193  f.  7a 
(1302  Jan.  13),  362ra  f.  19a  (1312  März  8).  277  f.  13a  (1318). 

24* 


318  Fr.  Lau 

stiegen,  diejenigen  des  Emund  unter  Macellen  ^*),  des  Amtsgenossen  des 
vorigen,  bekleideten  im  13.  Jahrhundert  nur  noch  das  Amt  von  Schöffen 
in  St.  Severin,  eine  Stellung,  die  sie  um  diese  Zeit  mit  Handwerkern 
teilten.  Auch  die  vorher  genannten  Familien,  die  sich  im  Besitze  der 
Macht  behaupteten,  sind  selbst  im  13.  Jahrhundert  noch  keineswegs  zu 
einer  engen  Familien-Verbindung  gelangt,  so  dass  man,  weil  die  Be- 
wegung, die  zur  sozialen  Abgeschlossenheit  der  Geschlechter  ffthrte,  doch 
von  kleineren  Schwankungen  abgesehen,  sich  in  der  aufsteigenden  Linie 
bewegt  hat,  das  Vorhandensein  eines  Geschlechtverbandes  für  das 
12.  Jahrhundert  in  Abrede  stellen  muss.  Die  Entstehung  des  Patriziats 
ist  sicher  in  dieser  Zeit  in  die  Wege  geleitet,  seine  Anfänge  mögen 
schon  lange  vor  dieser  Periode  liegen,  der  Abschluss  ist  jedoch  damals 
noch  nicht  erreicht.  In  der  Überlieferung  begegnet  der  Ausdruck  „Ge- 
schlechter" erst  in  zwei  Urkunden  des  Jahres  1263*^),  nachdem  kurz 
vorher  in  den  Erörterungen  der  Schiedsricliter  gelegentlich  des  grossen 
Schiedes  ebenfalls  das  Bestehen  einer  solchen  Personenklasse  *^  zum 
Ausdruck  gekommen  war.  In  besonderer  Schärfe  und  Klarheit  tritt 
der  Stand  der  Geschlechter  in  der  Schilderung  Gottfried  Hagens,  der 
sich  selbst  dank  seiner  Abstammung  zu  den  älteren  Familien  der  Stadt 
rechnen  durfte,  hervor.  Zwar  könnte  man  sich  im  Hinblick  darauf, 
dass  auch  um  diese  Zeit  ein  absoluter  sozialer  Abschluss  der  Ge- 
schlechter noch  nicht  erreicht  ist,  versucht  fahlen,  auch  diese  urkund- 
lichen Zeugnisse  Lügen  zu  strafen,  aber  es  würde  doch  ein  Fehler  sein, 
den  Massstab,  den  der  in  Äusserlichkeiten  verknöcherte  Geist  der 
späteren  Zeiten  geschaffen  hat,  an  diese  lebensvolle  Periode  zu  legen. 
Von  jenem  Standpunkte  aus  müsste  sogar  das  Vorhandensein  der  Geschlech- 
ter bis  1396  völlig  geleugnet  werden.  Jedenfalls  stehen  in  der  zweiten 
Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  diejenigen  Familien  in  politischem  Ansehen 
und  Macht  da,  die  diese  Stellung  bis  zum  Sturze  der  Geschlechter  behauptet 
haben.  Der  Abschluss  des  Patriziats  darf  also  im  allgemeinen  in  diese 
Zeit  verlegt  werden. 

Bevor  an  die  weitere  Untersuchung  herangetreten  werden  kann, 
muss,  um  derselben  einen  festen  Boden  zu  geben,  zunächst  die  Frage 
aufgeworfen  werden,  nach  welchen  Kriterien  die  Zugehörigkeit  der  ein- 


**)  Später  führen  sie  die  Namen  Wampleiz,  vom  Linhofe.  Alfter  15 
p.  121  (1285  Mai  30)  Emnndus  Wamplez,  daneben  ein  Johannes  faber.  Alfter 
Bd.  30  p.  149  (1289  Dez.  1)  Emundus  de  Linhove  scabinus  s.  Severini. 

")  QueUen  II  nr.  449.  450. 

")  Qu.  II  nr.  384  S.  382.  19.  22.    Vgl.  Hegel  1.  c.  S.  XXV. 


Beiträge  zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Köln.  319 

zelnen  Familien  zum  Patriziat  zu  bestimmen  ist.  Die  zeitgenössische 
Cberliefemng  hat  nns  keine  Aufzeichnung  hinterlassen,  die,  wie  der 
alte  Ulman  Stromer^*')  es  für  Nürnberg  gethan  hat,  die  Namen  der 
jeweilig  oder  einmal  in  dieser  Periode  zu  den  Geschlechtern  gerechneten 
Familien  wiedergiebt.  Erst  ein  Jahrhundert  nach  dem  Sturze  der  Ge- 
schlechterherrschaft hat  der  anonyme  Verfasser  der  Kölhoffschen  Chronik 
den  Versuch  einer  derartigen  Aufstellung**),  sogar  nach  drei  Rang- 
klassen, gemacht.  Diese,  deren  Zuverlässigkeit  schon  von  vornherein  durch 
die  demütige  Abbitte  des  Verfassers  an  diejenigen  Familien,  die  er  viel- 
leicht ausgelassen  haben  sollte*'),  in  Frage  gestellt  wird,  erweist  sich 
nun  bei  näherer  Prüfung  als  durchaus  willkürlich  und  fehlerhaft  ^%  Nicht 
nur  w^erden  Zweige  derselben  Familie  in  zwei  verschiedenen  Rang- 
klassen ^')  untergebracht,  nicht  nur  wird  eine  ganze  Reihe  von  ange- 
sehenen Geschlechtem  völlig  ausgeschlossen  *^),  es  sind  sogar  solche  auf- 
genommen^^), die  wenigstens  bis  zum  Ende  des  14.  Jahrhunderts  noch 
gar  keine  Rolle  im  städtischen  Leben  gespielt  haben.  Diese  Aufzeich- 
nung ist  deshalb  für  eigentlich  wissenschaftliche  Zwecke  völlig  unbrauch- 
bar. Es  muss  also  aufgrund  der  Quellen  eine  neue  Feststellung  der 
Geschlechter  versucht  werden.  Die  Überlieferung  bietet  nun  hauptsäch- 
lich in  zweifacher  Hinsicht  einen  Massstab,  um  das  Ansehen  und  die 
Macht  der  einzelnen  Familien  zu  bestimmen,  zunächst  nach  der  Be- 
teiligung derselben  an  den  wichtigsten  städtischen  Ämtern,  und  weiter, 
daneben  und  diese  Feststellung  ergänzend,  nach  der  sozialen  Stellung 
in  dem  städtischen  Leben,  die  sich  besonders  in  den  verwandtschaftlichen 
Beziehungen  der  Familien  ausspricht. 

Unter  den  verschiedenen  und  bunten  Bildungen,  die  das  rege 
politische  Leben   der  Stadt  Köln   geschaffen  hat,   ragen   besonders  drei 

")  Städtechroniken  Nürnberg  Bd.  I  S.  83. 

»•)  Chroniken  Bd.  13  S.  325  ff. 

**)  Ib.  S.  327  „Dairamb  begeren  ich  oitmodelich  .  .,  of  einige  unor- 
delicheit  geschiet  is  in  der  setzunge  der  gesiechte,  dat  men  dat  niet  quaelich 
wil  upnemmen,  want  min  meinunge  is  nie  gewest,  einigen  stam  zo  beschemen, 
of  zo  uneren,  ind  bcgere  vruntlich  underwisung  dairup. 

••)  Schon  Fahne  und  Hegel  1.  c.  p.  XXVII  haben  auf  einige  falsche 
Angaben  aufmerksam  gemacht. 

**)  Das  Geschlecht  Mommersloch  und  von  der  Poe. 

*')  Z.  B.  Parfuse,  Von  der  Schuren. 

2')  Vom  Guldenheuft,  Vam  Meroide  (!),  Vam  Walde.  Die  Merode  sind 
nie  Patrizier  gewesen.  Auch  die  Von  Mauwenhem,  Stommel,  Walraven  kann 
man,  wenigstens  bis  1396,  günstigsten  Falles  nur  als  Geschlechtsverwandte 
bezeichnen. 


320  Fr.  Lau 

Verfassongsorgane,  das  SchöflfenkoUegium  **)  des  Hochgerichts,  die  Richer- 
zeche**)  und  der  Rat  hervor.  Für  sie  lässt  die  Überlieferung  keine 
Zweifel  darüber,  dass  wenigstens  gegen  das  Ende  unseres  Zeitabschnitts 
die  Zugehörigkeit  zu  den  Geschlechtem  zur  unbedingten  Voraussetzung 
der  Beteiligung  geworden  war,  wenn  es  auch  zweifelhaft  bleibt,  inwieweit 
dies  insbesondere  für  den  Rat**)  von  Anfang  an  der  Fall  gewesen  ist. 
Immerhin  zeigen  die  überlieferten  Namenslisten  dieser  drei  Korporationen 
nur  Namen  von  so  angesehenen  Familien,  dass  man  alle  diejenigen,  die 
ans  in  diesen  Stellungen  genannt  werden,  ohne  Gefahr  einer  grösseren 
Täuschung  den  Geschlechtem  zuzählen  darf.  Anders  steht  es  mit  den 
übrigen  Gerichts-  und  Verfassungsorganen  der  Stadt.  Sie  weisen  eine 
sehr  versclüedenartige  Zusammensetzung  auf.  So  würde  es  ein  schwerer 
Fehler  sein,  wenn  man,  wie  es  von  anderer  Seite  geschehen  ist,  die 
Amtleute  der  einzelnen  Sondergemeinden  schlechtweg  als  patrizisch  be- 
zeichnen wollte.  Die  Bekleidung  dieses  Amtes  hatte  hauptsächlich  nur 
für  denjenigen  Nutzen,  der  in  der  betreffenden  Parochie  ansässig  war; 
die  Verzeichnisse  der  Amtleute  bieten  deshalb  gewissermassen  ein  ver- 
kleinertes Spiegelbild  der  in  der  einzelnen  Gemeinde  ansässigen  Grund- 
besitzer. Infolge  dessen  sind  die  Kollegien  der  vornehmeren  Stadtteile 
St.  Brigida«^),  St.  Martin  «8),  St.  Alban«»)  und  St.  Kolumba^  im 
14.  Jahrhundert  fast  ganz  patrizisch  geworden,  diejenigen  von  St.  Peter  ^\), 
St.  Aposteln  '*)  und  Airsbach  ^^)  umfassen  schon  Personen  von  geringerer 


2*)  Vgl.  oben  S.  176.  Die  alleinige  Berechtigung  der  Geschlechter  fiir 
die  Schöffenstellen  wurde  erst  1448  Jan.  25  aufgehoben.    (Vgl.  Stein  I  S.  758). 

**)  Die  Richerzeche  ist  von  anderer  Seite  als  Abschluss  des  Kölner 
Patriziats  bezeichnet  worden  (Hegel  1.  c.  p.  LH),  sie  würde  aber  entschieden 
einen  zu  engen  Rahmen  für  dasselbe  abgegeben  haben.  Ende  des  14.  Jahr- 
hunderts sind  übrigens  nur  die  verdienten  Amtleute,  d.  h.  die  gewesenen 
Bürgermeister,  unzweifelhaft  Angehörige  der  Geschlechter,  die  Inhaber  der 
unverdienten  Ämter  nur  zum  kleinsten  Teile. 

^®)  Weil  wir  über  dessen  Zusammensetzung  in  den  ersten  Jahrzehnten 
nichts  Bestimmtes  wissen.  (Vgl.  oben  S.  188/89).  In  ganzer  Schärfe  wird 
die  Notwendigkeit  der  Wahl  aus  den  Geschlechtem  erst  im  Eidbuche  von 
1341  ausgesprochen  (Stein  I  S.  29). 

")  Vgl.  Quellen  I  S.  24ö. 

")  Ib.  S.  2Ö8  ff. 

")  Ib.  S.  275. 

»0)  Ib.  S.  270. 

")  Ib.  S.  294. 

")  S.  288  ff. 

")  Schreinsb.  Xr.  25  f.  69a  (1349)  und  Quellen  I  S.  301. 


Beiträge  zur  Yerfassungsgeschichte  der  Stadt  Köln.  321 

sozialer  Stellung,  und  ganz  tief  sinkt  dies  Niveau  im  Niederich  ^)  und 
wohl  auch  in  den  übrigen  Vorortsgemeinden  ^^).  Etwas  günstiger  für 
die  Geschlechter  stellt  sich  das  Verhältnis  bei  den  Schöffenkollegien  der 
Vorortsgemeinden,  wo  die  Art  der  Ergänzung,  wahrscheinlich  wie  bei 
den  Schöffen  des  Hochgerichts  die  Kooptation  ^^),  den  Geschlechtem  eine 
grössere  Möglichkeit  eröffnete,  ihnen  missliebige  Elemente  ^^)  fernzu- 
halten, sobald  sie  einmal  die  Mehrheit  im  Kollegium  erreicht  hatten. 
Möglicherweise  ist  bei  allen  diesen  Ämtern  die  Zusammensetzung  im 
Laufe  der  Zeit  gewissen  Schwankungen  untei-worfen  gewesen ;  wenn  man 
sich  jedoch  das  überall  begegnende  Bestreben^*)  vergegenwärtigt,  das 
einzelne  Kollegium  sozial  zu  heben  und  niedriger  stehende  Elemente 
nach  Möglichkeit  fern  zu  halten,  so  dürfte  im  allgemeinen  der  Schluss 
gerechtfertigt  sein,  dass  die  Zusammensetzung  in  früherer  Zeit  eher  un- 
günstiger für  die  Geschlechter  als  günstiger  gewesen  ist.  Jedenfalls, 
und  das  ist  hier  der  wesentliche  Punkt,  geht  aus  den  gegebenen  Aus- 
fühi-nngen  hervor,  dass  die  Zugehörigkeit  zu  einem  der  zuletzt  erwähnten 
Ämter  keinen  Massstab  für  die  soziale  Stellung  der  betreffenden  Familie, 
kein  Kriterium  der  Geschlechtsciualität  abgeben  kann.  Bekanntermassen 
ist  die  Überlieferung  der  eigentlichen  Urkunden  über  die  Mitglieder 
der  drei  früher  genannten  Kollegien  eine  sehr  lückenhafte,  dagegen 
bieten  die  Schreinsbücher  besonders  für  das  Schöffenkollegium  eine  sehr 
erfreuliche  Ergänzung  derselben,  da  seit  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahr- 
hunderts die  Schöffen  sehr  oft,  im  14.  stets  mit  diesem  Titel  bezeichnet 
werden.  Auch  in  anderer  Hinsicht  ist  für  die  spätere  Zeit  aus  diesem 
Material  eine  Vervollständigung  zu  entnehmen.     Diese  ergiebt  sich  durch 


'*)  Vgl.  Schreinsb.  247  f.  7a  (1300)  Amtleute  von  Niederich:  presentibus 
W.  Schunde  et  Job.  pistore,  tunc  magistris,  H.  de  Templo  virgulatore,  Pele- 
grimo  Drenkere,  Ratgero  Sunere,  Ludewico  dicto  Brune,  Til(manno)  fratre 
suo,  Uenrico  de  Owe,  Iwano,  necnon  et  nunciis. 

'*)  Das  kurze  Verzeichnis  von  S.  Severin  (S.  297)  zeigt  allerdings  viele 
Geschlechternamen. 

'•)  Vgl.  für  Severin  das  Weistum  von  angeblich  1326  (Mering,  Ritter- 
burgen H.  XII  S.  105.    Mevissenfestschr.  S.  341). 

3^)  Schöffen  von  Airsbach  werden  Schreinsb.  29  f.  26a  ff.  (1353—56) 
angeführt,  sämtlich  Angehörige  der  Geschlechter,  Schöffen  von  Severin  (vgl. 
oben  S.  318  Anm.  14)  Urk.  nr.  1240  (1328  Sept.  28),  Schöffen  von  Niederich 
Schreinsb.  251  f.  4a  f.  6ab  (1309),  Schöffen  auf  dem  Eigelstein  Quellen  IV 
nr.  394  (1357  Dez.  16). 

")  Vgl.  z.  B.  Statuten  von  St.  Alban  (Quellen  I  S.  272)  über  Aus- 
schliessung bestimmter  Handwerkerklassen. 


322  Fr.  Lau 

den  damals  feststehend  gewordenen  Gebrauch  des  Prädikats  „dominus, 
Herr".  Diese  Bezeichnung  kam  um  1396  keineswegs  allen  Mitgliedern 
der  Geschlechter  zu,  nicht  einmal  allen  Schöffen^*)  und  selbst  nicht 
allen  Mitgliedern  des  engen  Rates  *^).  Sie  wird  durchweg  nur  den 
Rittern,  daneben  soweit  es  sich  feststellen  lässt,  nur  den  zeitigen  und 
gewesenen  Bürgermeistern  beigelegt,  vielleicht  auch  den  verdienten 
Schöifen*^).  Jedenfalls  darf  man  die  in  den  Schreinsbüchem  als  „Herren" 
bezeichneten  Bürger  im  14.  Jahrhundert**)  sicher  den  Geschlechtem 
zuzählen.  Immerhin  würde  auch  mit  Hülfe  dieser  Ergänzungen  noch 
kein  vollkommen  klares  Bild  über  die  Zahl  der  Geschlechter  zu  er- 
reichen sein.  Ein  weiteres  Mittel,  diesem  Ziele  annähernd  nahe  zu 
kommen,  bietet  aber,  wie  oben  bemerkt,  der  Nachweis  einer  mehrfachen 
verwandtschaftlichen  Verbindung  der  so  festgestellten  Geschlechter  mit 
anderen  Familien,  natürlich  erst  von  der  Zeit  an,  wo  der  soziale  Ab- 
schluss  der  ei'steren  stattgefunden  hatte.  Auch  die  so  zu  ermittelnden 
Familien  wird  man  mit  einiger  Sicherheit  als  Geschlechter,  mindestens 
als  Geschlechtsverwandte,  bezeichnen  dürfen.  Bei  der  nachfolgenden 
Untersuchung  sind  sie  im  allgemeinen  nicht  berücksichtigt,  um  auf 
jeden  Fall  Trugschlüssen  vorzubeugen. 

Eine  der  wichtigsten  Fragen,  die  bisher  die  Forschung  betreffend 
das  Kölner  Patriziat  aufgeworfen  und  zu  beantworten  gesucht  hat,  ist 
diejenige,    aus   welchen   Elementen  und   Ständen   der  Bürgerschaft   die 


'®)  Z.  B.  Everardus  Hardevust  in  vico  Reni  scabinus  (29  f.  91b). 

*®)  Vgl.  die  Ratsverzeichnisse  (Quellen  1  S.  81),  bei  deren  sehr  flüch- 
tigem Abdruck  diese  Titulatur  nur  bei  dem  ersten  Verzeichnis  zum  Ausdruck 
gebracht  ist. 

^^)  Dass  der  Titel  dominus  allen  geistlichen  Personen  beigelegt  wurde, 
braucht  wohl  kaum  bemerkt  zu  werden.  Die  von  Ennen  Gesch.  I  S.  449  ge- 
gebene Ausführung  betreffend  den  Gebrauch  des  Titels  „dominus''  für  die 
Geschlechter  ist  unrichtig. 

*2)  Gegen  diesen  Gebrauch  sticht  derjenige  des  12.  Jahrhunderts  be- 
deutend ab,  wie  ein  Blick  in  die  Register  der  Schreinskarten  lehrt.  Jeden- 
falls wurde  der  Titel  „dominus'^  damals  einem  weit  grösseren  Personenkreise 
zugebilligt.  Ergänzend  mag  noch  bemerkt  werden,  dass  der  Titel  „domina'* 
durchgängig  den  Wittwen  der  Geschlechter  beigelegt  wurde,  auch  in  dem 
Falle,  wo  ihr  verstorbener  Gatte  den  Titel  „dominus"  nicht  geführt  hatte, 
z.  B.  29  f.  8b  (1344)  domina  Irmengardis,  Wittwe  von  Johannes  de  Heuberg. 
Höchst  vereinzelt  ist  die  Bezeichnung  „domicellus",  z.  B.  356  f.  lila  (1389) 
domicellus  Johannes  de  Cusino,  und  „domicella",  z.  B.  domicella  Ida  de  Saltz- 
gassen  ib.  f.  41b  (1340),  ebenso  der  Ausdruck  Baro  =  Miles,  z.  B.  29  f.  loa 
dominus  Johannes  Quattermart  quondam  Baro. 


Beiträge  zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Köln.  323 

späteren  Geschlechter  entsprossen  sind.  Die  letzteren  selbst  behaupteten 
schon  im  13.  Jahrhundert  mit  allem  Nachdruck  ihre  Herkunft  von 
freien  Vorfahren.  So  lässt  Gottfried  Hagen,  so  recht  der  Verteidiger 
der  Geschlechter,  seinen  Gerhard  Overstolz  sprechen: 
Ir  Sit  van  reichter  edelre  art*^) 
Sint  Colne  alre  eirst  cristen  wart, 
Van  heren  unde  van  scheffen  kumen, 
so  nennt  er  sie  selbst  „die  edele  gesleichte,  dei  her  kumen  sint  van  vrier 
art,  sint  dat  Colne  alre  eirst  kristen  wart"  **).  Gemäss  dieser  Anschauung 
haben  denn  auch  Arnold**)  eine  durchaus  freie  Abstammung  des  Stadt- 
patriziats  und  nach  ihm  Hegel  *^  als  Kern  des  Kölner  Patriziats  einen 
Kreis  altfreier  Familien  angenommen,  die  sich  im  Schutz  der  Stadt- 
mauern ihre  alte  Freiheit  zu  bewahren  gewusst  hätten.  Gegen  diese 
Ansicht  ist  dann  von  anderer  Seite*')  Einspruch  erhoben  worden,  aber 
man  wird  sich  bei  vorurteilsloser  Betrachtung  doch  dahin  bescheiden 
müssen,  dass  die  Frage  auch  jetzt  noch,  wo  die  Schreinskarten  einiges 
nene  Material  zur  Beurteilung  der  Verhältnisse  beigebracht  haben,  in 
ihi*en  Einzelheiten  unentscheidbar  geblieben  ist.  Bei  fast  allen  ange- 
seheneren Familien,  den  Overstolz,  Quattermart,  Hjirdevust,  Gyr,  Grin, 
Hirzelyn  u.  s.  w.  liegt  keine  Nachricht*®)  vor,  die  gegen  ihre  freie 
Abstammung  spräche.  Freilich  ist  das  Schweigen  der  Quellen  auch 
noch  kein  Beweis  für  dieselbe.  Die  frühmittelalterliche  Stadt  ist  be- 
kanntermassen  ein  hervorragend  ausgleichender  Faktor  in  der  Über- 
windung  der   alten  Standesunterschiede  gewesen,    in    dieser  Eigenschaft 


*»)  Hagen  v.  3561  ff. 

*^)  V.  3381  ff. 

**)  Freistädte  H  S.  187. 

*«)  1.  c.  p.  xxvn. 

*')  Hoeniger  Westd.  Zeitschr.  H  S.  245.  Derselbe  fasst  die  Sonderge- 
meinde  St.  Martin  doch  gar  zu  einseitig  als  alleinige  Kaufmannsparochie  auf, 
mindestens  gehörten  doch  zu  den  vorwiegend  von  Kauileuten  bewohnten 
Stadtteilen  auch  St.  Brigiden,  und  der  an  Martin  anstossende  Teil  von  Airsbach. 

*^)  Die  kaufmannische  Beschäftigung,  die  von  anderer  Seite  auch  als 
Massstab  für  den  Personalstand  aufgefasst  worden  ist,  kann  für  das  12.  Jahr- 
hundert diese  Bedeutung  wohl  nicht  mehr  beanspruchen.  Etwas  anderes 
wäre  es,  wenn  diesbezügliche  Nachrichten  aus  den  früheren  Jahrhunderten 
erhalten  wären.  Das  Vorurteil,  das  in  jener  Zeit  gegen  den  Kaufmannsbe- 
ruf bestanden  hat,  ist  im  12.  Jahrhundert  jedenfalls  schon  überwunden.  Ein 
Kaufmann  des  12.  Jahrhunderts  kann  deshalb  an  und  für  sich  sicher  von 
freier  Herkunft  gewesen  sein. 


324  Fr.  Lau 

lag,  abgesehen  von  anderen  Vorteilen,  eine  starke  Anziehungskraft  für 
in  mehr  oder  minder  in  persönlicher  Abhängigkeit  befindliche  Personen, 
denen  dort  die  persönliche  Freiheit  winkte,  falls  es  ihnen  gelang,  sich 
über  Jahr  und  Tag  den  Nachforschungen  ihres  Herrn  zu  entziehen.  Die 
leider  so  verstümmelten  Eintragungen  des  Kölner  Schöffenschreins  ent- 
halten denn  auch  verhaltnissmässig  zahlreiche  Eintragungen,  die  von 
Inanspruchnahme  solcher  Leute  durch  ihre  früheren  Herren  handeln. 
Dieselben  betreffen  aber,  von  einem  einzigen,  unsicheren  Falle  **^)  abge- 
sehen, keine  solche  Personen,  die  als  Vorfahren  oder  Venvandte  ^®)  der 
späteren  Geschlechter  anzusehen  sind.  Es  ist  deshalb  keineswegs  aus- 
geschlossen, dass  eines  oder  das  andere  der  Kölnischen  Geschlechter 
von  unfreier  Herkunft  gewesen  sein  kann,  doch  bleibt  es  immerhin 
fraglich,  ob  selbst  bei  grösserer  Vollständigkeit  unserer  Überlieferung 
wir  Nachrichten  in  dieser  Hinsicht  erwarten  dürften.  Jedenfalls  be- 
durfte es  auch  in  dieser  Zeit  des  allgemeinen  wirtschaftlichen  Auf- 
schwungs eines  längeren  Zeitraumes,  ehe  die  Nachkommen  eines  mittel- 
losen oder  doch  gering  begüterten  Hörigen  denjenigen  Grad  von 
Ansehen  und  Reichtum  erreichen  konnten,  der  den  längere  Zeit  an- 
sässigen Familien  eine  Verbindung  mit  ihnen  wünschenswert,  ihnen 
selbst  die  Beteiligung  an  den  Ehrenämtern  in  der  Stadt  überhaupt 
möglich  machte.  Die  Ministerialität  hat  scheinbar  nur  einen  sehr  ge- 
ringen Prozentsatz  der  kölnischen  Geschlechter  gestellt,  sicher  nach- 
weisbar ist  der  ministeriale  Ursprung  nur  für  die  lleichsministerialen- 
familie  „Schultheiss  von  Aachen"  ^*).  Zweifelhaft  ist  es  dagegen,  ob 
aus  dem  Ministerialitätsverhältnis  einiger  Vorfahren  der  späteren  Ge- 
schlechter zu  kölnischen  Stiftern  und  Klöstern  ein  allgemeiner  Schlnss 
auf  die  Abstammung  von  Ministerialen  zu  ziehen  ist.    Es  scheinen  viel- 


")  Scab.  I  IV  6  (c.  1167—80).  Der  dort  genannte  Erenfridus  könnte 
mit  dem  gleichnamigen  Stammvater  der  Lyskirchen  identisch  sein.  Vielleicht 
gab  es  aber  mehrere  Personen  dieses  Namens.     (Vgl.  Mitt.  H.  24  S.  82). 

*^)  Nur  die  den  Geschlechtern  verwandten  Familien  Halverocke  (vgl. 
Scab.  1  IV  2)  und  Bierbiich  (Schrcinskarten  I  S.  112  Anm.  2)  stammten  von 
Cerocensualen  ab.  Im  übrigen  scheint  es,  als  ob  auch  freie,  aus  der  Fremde 
zuziehende  Personen  öfters  sich  in  das  Cerocensualenverhältnis  zu  Kölner 
und  auswärtigen  Stiftern  begeben  haben,  das  ohne  eine  drückende  persön- 
liche Abhängigkeit  zu  begründen,  ihnen  den  Schutz  der  Kirche  gewährte. 
(Vgl.  Hoeniger  1.  c.  S.  242). 

**)  Vgl.  Hoeniger,  Mevissenhandschrift  S.  258.  Über  das  durch  Fa- 
milienverhältnisse bedingte  zeitweilige  Eintreten  von  Ministerialen  resp. 
Rittern  in  das  Patriziat  siehe  unten. 


Beiträge  zur  Yerfassungsgescbichte  der  Stadt  Köln.  325 

mehr  von  Seiten  der  Bürger  die  Erwägungen  praktischen  Nutzens  bei 
dem  Eintreten  in  diese  Stellung  massgebend  gewesen  sein,  wie  auch 
die  stolzen  Geschlechter  der  späteren  Jahrhunderte  das  Eingehen  solcher 
Verhältnisse  nicht  gescheut  haben,  um  greifbare  Vorteile  zu  erringen. 
Aus  der  kölnischen  Judengemeinde  ist  vielleicht  das  Geschlecht  der 
„Juden"  *^)  hervorgegangen,  mit  grösserer  Sicherheit  kann  dies  von  dem 
Geschlecht  von  St.  Laurenz  behauptet  werden,  das  auf  den  getauften 
Juden  Eckebertus  ^^)  zurückzuftlhren  ist,  und  später  in  seinen  verschie- 
denen Verzweigungen  die  Namen  Morart,  Oveliunc,  Kranz,  Dreil  geführt 
hat.  Über  den  standischen  Urspi-ung  des  Patriziats  lässt  sich  nach  dem 
Gesagten  kein  klares  Bild  entwerfen,  und  die  Frage  muss  im  allge- 
meinen offen  gelassen  werden. 

Eine  wenigstens  etwas  klarere  Anschauung  gestattet  die  Über- 
lieferung darüber,  ob  die  Kölner  Geschlechter  altangesessenen  oder  zu- 
gezogenen Familien  entstammten.  Eine  verhältnismässig  geringe  Anzahl 
der  ei-steren  führt  nämlich  Familiennamen,  die  von  auswärtigen  Örtlich- 
keiten ^),  Städten  und  Dörfern  entnommen  sind.  Freilich  ist  es  auch 
bei  diesen  nötig  mit  äusserster  Vorsicht  zu  Werke  zu  gehen.  Eine 
grosse  Reihe  von  Kölner  Häusern  war  nämlich  nach  Städte-  und 
Ortsnamen  benannt,  die  häufig  von  den  Bewohnern  derselben  als  Fa- 
miliennamen angenommen  wurden.  So  nennen  sich  die  Nachkommen 
eines  Hildebrandus  Albus  *^)  in  zwei  Linien  von  Merzenich  und  von 
Lovenberg,  nach  zwei  Häusern  in  der  Salzgasse,  so  führte  eine  Ver- 
zweigung der  seit  dem  12.  Jahrhundert  in  Köln  ansässigen  Familie 
Von  der  Aducht,  später  den  Namen  von  Muntabur  ^^)  nach  dem  gleich- 
namigen Hause  im  Filzengi-aben.  Die  Familie  von  Hemmenrode  stammte 
von  einem  Winricus  de  Ackera  ab  und  erhielt  den  zweiten  Namen  von 
dem  Hause  Hemmenrode*')  in  der  Salzgasse.  Für  das  12.  Jahrhundert 
ist  freilich  die  Gefahr  der  Täuschung  wesentlich  geringer,  da,  wenigstens 
soweit   die  Schreinskarten    dies    erkennen  lassen,    das   Aufkommen   der 


")  Vgl.  Mitt.  H.  26  S.  115. 

*»)  Vgl.  Hoeniger,  Register  S.  123  und  262. 

^)  Arnold  1.  c.  S.  201  machte  auf  Grund  des  ihm  vorliegenden  mangel- 
haften Materials  die  irrige  Bemerkung,  dass  es  in  Köln  keine  Geschlechter, 
die  sich  nach  anderen  Orten  benannt  hätten,  gegeben  habe. 

")  Schreinsb.  196a  f.  3a.  7a.  24b.  26a.  30b.  Ö9ab.  91  f.  12a. 

»•)  Mitt.  H.  25  S.  360. 

*^  Schreinsb.  362h  f.  8b.  Die  Mitteilung  der  ganzen  Genealogie  würde 
hier  zu  weit  führen. 


326  Fr.  Lau 

Hausnamen  in  der  Hauptsache  erst  dem  Anfang  des  13.  Jahrhunderts 
angehört.  Unter  Berücksichtigung  dieses  Umstandes  darf  für  folgende 
Familien  eine  Herkunft  von  auswärts  angenommen  werden :  Von  Stavem  ^% 
Hoier  (Von  Hoye)"^^),  Von  Erclenz^*^),  (Von  der  Lauben,  Von  Bayen), 
Von  Lintlar- Schallenberg**),  Von  Mainz**),  Schultheiss  von  Aachen*^), 
Von  Ackera  (Von  Hemmenrode)**),  Von  der  Salzgasse  (aus  Neuss) *^), 
Von  Wippervurde  **).  Immerhin  ist  dies  nur  ein  sehr  geringer  Brach- 
teil der  gesammten  Geschlechter.  Bei  den  übrigen,  die  andersartige 
Beinamen  führten,  giebt  die  Überlieferung  keinen  Anhalt  zur  Entschei- 
dung der  Frage.  Der  Name  Overstolz  findet  sich  zwar  auch  unter  den 
Rathsfamilien  von  Soest  *^),  derjenige  der  Schönwetter  unter  denen  von 
Dortmund  und  Arnsberg,  aber  diese  urkundlichen  Zeugnisse  sind  natür- 
lich doppeldeutig  und  darum  nichtssagend.  £s  kann  sich  dort  ebenso- 
wohl um  Abkömmlinge  der  Kölner  Familien  handeln,  wie  andererseits 
z.  B.  die  Overstolzen  aus  Soest  stammen  können.  Andere  von  Köi-per- 
eigenschaften  *®)  oder  Örtlichkeiten  der  Städte  entnommenen  Namen 
können  in  jeder  einzelnen  Stadt  entstanden  sein,  ohne  dass  die  so  be- 
nannten Familien  in  irgend  welchem  verwandtschaftlichen  Zusammen- 
hange zu  stehen  brauchen. 

Diese  Feststellungen  über  die  Herkunft  von  auswärts  geben  natür- 
lich keinen  Anhalt  für  Beurteilung  des  ständischen  Urspnings,  insofern 
als  die   zugezogenen  Familien  ebensowohl   freier  Herkunft  gewesen  sein 


*►«)  Hoeniger  Reg.  S.  261. 

")  Mevissenfestschr.  S.  266. 

•0)  Mitt.  26  S.  111. 

")  Ib.  S.  124. 

")  Schreinsb.  192  f.  12a. 

•»)  Vgl.  oben  S.  324  Anm.  51. 

•*)  Die  Familie  stammt  von  der  Sieg. 

'*)  Stammvater  Hermannus  aurifaber  de  Nussia. 

*•)  Sie  stammte  von  Godecalcus  de  Wippervorde. 

")  Bertoldus  Overstolt,  Zeitschr.  des  Vereins  für  Soest  und  die  Börde 
1883/4  S.  88  (1245  Mai  31).  Seibertz  I  nr.  294  (1257  März  12),  nr.  383  (1278 
April  3).  Gerardus  Sconeweder  consul  (Arnsberg)  nr.  413  (1284  Nov.  11). 
Johannes  Sconeweder,  vergl.  für  Dortmund.  Kübel,  Dortm.  Urkundenb.  I  2. 
Register  S.  721.  In  Arnsberg  wird  auch  1293  Aug.  3  ein  Henricus  Gyr  als 
oppidanus  angeführt  (Seibertz  I  nr.  456). 

^^)  Z.  B.  der  Name  Rufus  (Rotkopf),  der  sich  in  zahlreichen  Städten 
als  Geschlechtsname  findet,  woraus  Roth  von  Schreckenstein  Patriziat  S.  365 
sehr  zu  Unrecht  gemeinschaftlichen  Ursprung  ableitet.  Die  Bezeichnung  kommt 
auch  oft  als  sogenannter  Übername  vor,  z.  B.  Rufus-Hardevust,  Rufos-Birklin. 


Beiträge  zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Köln.  äÖ'? 

können,  wie  die  schon  früher  in  Köln  ansässigen.  Ebensowenig  brauchen 
die  letzteren  als  die  „älteren  Familien"  betrachtet  zn  werden.  Dieses 
Alter  richtet  sich  nicht  allein  nach  der  Dauer  der  Ansässigkeit  in  Köln, 
sondern  datiert  erst  von  dem  Zeitpunkt  an,  wo  die  einzelne  Familie 
denjenigen  Grad  von  Macht  und  Ansehen  erreicht  hat,  der  uns  mit  Fug 
berechtigt,  sie  den  Geschlechtern  zuzuzählen.  Man  könnte  sich  deshalb 
versucht  fühlen,  aufgrund  der  vorher  festgestellten  Kriterien  für  die 
Zugehörigkeit  zum  Patriziat,  eine  Aufzählung  der  Familien  nach  ihrem 
Alter  zu  geben.  Die  schon  betonte  Lückenhaftigkeit  unserer  Über- 
lieferung lässt  jedoch  einen  solchen  Versuch  als  allzu  gewagt  erscheinen. 
Nur  im  allgemeinen  mag  bemerkt  werden,  dass  auch  in  dieser  Hinsicht 
die  Aufstellung  der  KölhofTschen  Chronik  sich  als  willkürliche  Kon- 
struktion erweist.  Z.  B.  sind  die  Raitze,  welche  dieselbe  den  zweiten 
Geschlechtem  zurechnet,  zweifellos  bedeutend  älter,  als  die  ersten  Klasse 
zugerechneten  0 verstolz  von  Effem.  Die  letzteren  traten  erst  nach 
1343*^®)  in  das  Patriziat  ein,  zu  einer  Zeit,  wo  die  Raitze  schon  gegen 
200  Jahre  als  angesehene  Familie  im  städtischen  Leben  gestanden  hatten. 
Die  Stadt  Köln  war  von  altersher  eine  Handelsstadt  und  verdankte 
ihrer  hervorragend  günstigen  merkantilen  Lage  vor  allem  ihre  Macht 
and  ihr  Gedeihen.  Aus  dem  Kaufmannsstande  ist  denn  auch  die  weitaus 
überwiegende  Mehrzahl  der  Geschlechter  entsprossen.  In  erster  Reihe 
stand  für  dieselben  der  Tuch-  und  Weinhandel.  Die  Gewandschneider- 
brüderschaft, welche  die  eigentlichen  Gewandschneider  als  erste  Klasse 
umfasste,  war  zugleich  die  reichste  und  mächtigste  der  Stadt.  Durch 
sie  sind  eine  ganze  Reihe  von  Familien  zu  Reichtum,  Ansehen  und 
politischem  Einfluss  emporgestiegen.  Die  Ahnherren  der  Overstolzen  '*^, 
Schönwetter^*),    Hirzelin'*),    Vom    Hirtz"),    Schwarzen    von    Hirz'*), 


*')  Damals  wurde  das  erste  Mitglied  der  Familie  Schöffe.  Es  handelt 
sich  wahrscheinlich  um  eine  Familie  des  Landadels,  die  erst  nkch  Verschwä- 
gerung mit  den  Overstolz  Namen  und  Wappen  der  letzteren  angenommen  hat. 

»•)  Mitt.  24  S.  71. 

'*)  H.  26  S.  144.  Gerade  bei  dieser  Familie  tritt  es  besonders  deut- 
lich hervor,  wie  vor  allem  der  Gewandschnitt  Reichtum  und  damit  zusammen 
politisches  Ansehen  beförderte.  Nur  die  eine  Linie  der  Schönwetter,  die  der 
Gewandschneiderbrüderschaft  angehörte,  ist  bis  in  das  Patriziat  emporge- 
stiegen, die  übrigen  blieben  sozial  und  politisch  bedeutungslos,  z.  B.  Johannes 
Schoinweder  calciator  (355  f.  83a  1336). 

")  Mitt.  26  S.  110. 

^)  Ib.  113. 

")  Ib. 


328  Fr.  Lau 

gehörten  derselben  an,  und  noch  bis  zum  Ende  des  14.  Jahrhunderts 
finden  sich  Angehörige  der  vornehmsten  Geschlechter  in  ihren  Reihen  '^). 
Die  übrigen  Mitglieder  der  Bruderschaft,  es  handelt  sich  hier  nur 
um  die  eigentlichen  Gewandschneider,  standen  zumeist  ebenfalls  in 
verwandtschaftlichen  Beziehungen  zu  den  Patriziern  selbst.  Sie  bildeten 
vorwiegend  den  Kreis,  aus  dem  das  Patriziat  fortwährend  neuen 
Ersatz  für  ausgestorbene,  verzogene  und  dem  städtischen  Leben  ent- 
fremdete, oder  verarmte  Geschlechter  zog,  ebenso  wie  auch  in  anderen 
Städten  die  Gewandschneider  die  erste  Stelle  nach  den  eigentlichen  Ge- 
schlechtern spielten.  Über  die  Beteiligung  der  Geschlechter  an  dem 
regen  Exporthandel  nach  den  Niederlanden  und  England  geben  die 
überlieferten  Urkunden  nur  einen  sehr  ungenügenden  Aufschluss.  In 
solchen  Handelsbeziehungen  werden  Mitglieder  der  Familien  Quatter- 
mart'^),  Jude'''),  Hirzelin'^;,  Von  der  Aducht'^)  genannt.  Jedenfalls 
war  auch  diese  Bethätigung  des  Handelsberufes  durch  die  Patrizier  eine 
sehr  bedeutende.  Das  durch  diese  und  andere  kaufmännische  Thätig- 
keit  erworbene  Kapital  fand  zunächst  zum  guten  Teile  seinen  Nieder- 
schlag im  liegenden  Grundbesitz*^"),  in  Häusern,  Marktständen,  Yerkaufs- 
hallen  und  Werkstätten,  und  in  Landgütern®^),  Höfen  und  Dörfern  in 
der  Umgegend  der  Stadt  und  auch  in  weiterer  Ferne.  Die  Grosskauf- 
leute wurden  so  auch  zu  Grossgrundbesitzern.  Hierin  lag  eine  An- 
reizung  zu  veränderter  Lebensweise,  die  in  ihren  weiteren  Folgen  noch 
betrachtet  werden  soll.  Neben  diesen  in  Grundbesitz  angelegten  Kapital 
bildete  sich  in  rasch  steigendem  Masse  ®*)  ein  flüssiges,  das  den  reicheren 
Geschlechtem  den  Übergang  zum  reinen  Geldgeschäft,  zum  Banquierge- 
schäft  im  modernen  Sinne  gestattete.  Die  deutschen  und  englischen 
Könige,  weltliche  und  geistliche  Fürsten,  endlich  auch  die  Stadt  Köln 
selbst,  waren  die  Kreise,  welche  in  ihren  finanziellen  Nöten  die  Hülfe 
der  Geschlechter  suchten  und  erhielten. 


")  Vgl.  Quellen  I  S.  340. 

^•)  Mitt.  26  S.  134. 

")  Vgl.  Hans  Urk.  HI  S.  283  Anm.  6. 

")  Mitt.  26  S.  110. 

7»)  Beilage  Reg.  D.  Nr.  12. 

*°)  Nähere  Mitteilungen  hierüber  sind  überflüssig,  da  sich  erst  nach 
der  Lösung  der  topographischen  Preisaufgahe  der  Mevissenstiftung  hierüber 
ein  zusammenfassendes  Bild  geben  lassen  wird. 

8»)  Vgl.  Regesten  C. 

^«)  Vgl.  Regesten  A  und  D. 


Beiträge  zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Köln.  329 

Von  den  jetzt  als  Handwerk  bezeichneten  Berufsarten  wurde  nur 
das  Goldscbmiedehandwerk  von  einzelnen  Geschlechtem  betrieben,  woraus 
sich  das  hohe  Ansehen  ergiebt,  das  diese  Beschäftigung  im  Mittelalter 
genoss.  Immerhin  gehörten  diese  Goldschmiede  aber  nicht  den  ange- 
sehensten Linien  des  Patriziats  an. 

Neben  diesen  dem  kaufmännischen  Berufe  ergebenen  Familien 
finden  sich  im  12.  Jahrhundert  einzelne,  wie  besonders  die  Raitze, 
Mommersloch,  Vom  Neumarkt,  die  schon  damals  grösseren  Grundbesitz 
besassen.  Man  wird  daraus  aber  nicht  die  Berechtigung  entnehmen 
dürfen,  dieselben  als  ackerbautreibende  Familien  in  Gegensatz  zu  den 
übrigen  zu  stellen.  Wenn  ein  Gegensatz  ^^)  früher  zwischen  Ackerbau 
und  Handel  bestanden  haben  sollte,  so  ist  er  im  wesentlichen  in  dieser 
Zeit  schon  überbrückt. 

Schon  oben  wurde  kurz  berührt,  dass  die  wachsende  Ausdehnung 
ihres  Vermögens  und  das  Bedürfnis,  das  erworbene  Kapital  möglichst 
sicher  und  nutzbringend  anzulegen,  die  früheren  Kaufleute  nach  und 
nach  zu  Grossgrundbesitzem  umschuf.  Diese  Entwicklung,  die  sich  oft 
wohl  unbeabsichtigt  vollzog,  insofern  als  die  Erwerbung  von  Ländereien 
nur  die  Folge  des  Geldverkehrs  mit  den  Fürsten  und  Adel  war  und 
die  Grundstücke  als  Pfänder  für  nicht  geleistete  Geldzahlungen  in  den 
Besitz  der  Geschlechter  gelangt  sein  mögen,  bahnte  den  Übergang  zu 
anderen  Lebensformen  an.  Indem  sie  die  Geschlechter  zu  Gutsnach- 
barn des  Adels  machte,  legte  sie  in  immer  steigendem  Masse  den  Grund 
zu  dem  Streben,  sich  dem  letzteren  auch  äusserlich  gleichzustellen.  Die 
Entwicklung  der  Stände  war  noch  nicht  so  weit  vorgeschritten,  um 
diesen  Wunsch  nicht  erklärlich  und  durchführbar  erscheinen  zu  lassen. 
Noch  gab  es  keinen  eigentlichen  Adelsstand,  und  die  Erwerbung  der 
Ritterwürde  hob  den  einzelnen  Bürger  auf  die  gleiche  Stufe  mit  allen 
übrigen  Rittern,  ohne  doch  für  dessen  Nachkommen  einen  höheren  Rang 
von  vornherein  zu  begründen.  Die  Erwerbung  dieser  Würde  wurde 
den  Kaufleuten  deshalb  um  so  leichter,  da  die  allgemeine  germanische 
"Wehrpflicht  sich  in  den  Städtemauern  in  hohem  Grade  erhalten  und 
die  Unsicherheit  der  Strassen  gerade  dem  Kaufmann  die  Waffenfüh- 
rung zu  einer  fast  unabweisbaren  Notwendigkeit  gemacht  hatte.  Dazu 
kam  als  äussere  Veranlassung  auch  besonders  die  Veranstaltung  der 
Kreuzzüge,    die   für  sonst   ruhige  Elemente   den  Anlass  zu  gesteigerter 


•')  Um  so  weniger,  da  sich  z.  B.  Angehörige  der  Familie  Mommers- 
loch später  anch  dem  Handel  zuwandten.     Mitt.  26  S.  131.  137. 


330  I^T,  Lau 

Wehrhaftigkeit  boten.  An  dieser  Bewegung  haben  auch  die  Kölner 
Eaufleute  im  bedeutenden  Masse  teilgenommen.  Um  diese  Zeit  findet 
sich  denn  auch  der  erste  bekannte  Ritter  aus  den  Geschlechtem,  der 
Ritter  Gerhard  vor  dem  Hofe,  der  auf  der  Kreuzfahrt  sein  frühes  Ende 
fand.  Die  zunächst  nach  ihm  genannten  Ritter  sind  die  Ritter  Heinrich 
von  Zudendorp  ®*)  und  Goswin  Minnevuz  ®'^),  denen  endlich  als  besonders 
leuchtendes  Beispiel  dieser  kaufmännischen  Ritter,  Gerhard  Scherfgin*^, 
der  Held  des  Turniers  und  der  Schlachten,  wie  ihn  Gottfried  Hagen 
schildert,  folgte.  Immerhin  sind  dies  nur  noch  vereinzelte  Fälle,  die 
besonders  reiche  und  her\'orragende  Mitglieder  der  Geschlechter  be- 
treffen. Es  scheint,  da  gerade  die  Darstellung  Hagens  die  Übung  der 
Geschlechter  im  Reiterkampf  ausser  Zweifel  stellt  und  beweist,  dass  bei 
vielen  derselben,  die  äusseren  Grundlagen  zur  Erwerbung  der  Ritter- 
würde vollauf  vorhanden  waren,  diese  Würde  noch  nicht  allgemein  er- 
strebt worden  zu  sein.  Dies  ändert  sich  aber  gegen  das  Ende  des 
13.  Jahrhunderts.  Die  Ritter®^),  welche  um  diese  Zeit  genannt  werden, 
sind  identisch  mit  den  vorher  erwähnten  Grosskaufleut«n,  die  in  den 
finanziellen  Nöten  der  Fürsten  sich  als  stets  bereite  Helfer  erwiesen. 
Die  Rittenvürde  mag  in  manchen  Fällen  der  bereitwillig  gewährte,  weil 
für  den  Erteilenden  leicht  zu  gebende  und  wenig  kostspielige  Entgelt  für 
derartige  Dienste  gewesen  sein.  Im  14.  Jahrhundert  nimmt  dann  die 
Zahl  der  Ritter  des  Kölner  Patriziats  in  einer  Weise  zu,  dass  man 
füglich  behaupten  kann,  die  Sucht  nach  dieser  Auszeichnung  sei  zu 
einer  Art  Mode  geworden.  Dieselbe  begründete  aber  an  und  für  sich 
nicht  das  Abgehen  von  den  früheren  Lebens-  und  Berufsgeschäften,  der 
Ritter  konnte  unbeschadet  seiner  Würde  Kaufmann  bleiben.  So  finden 
sich  denn  unter  der  bereits  früher  erwähnten  Brüderschaft  unter  den 
Gaddemen  ®®)  bis  zum  Ende  der  Geschlechterherrschaft  auch  Ritter,  die 
vielleicht  aber  —  sicher  ist  dies  keineswegs  —  den  Tuchhandel  nur 
im  Grossen  betrieben  oder  durch  Angestellte  treiben  Hessen.  In  dem 
Rittertitel  allein   lag   also   kein  Zwang  zu  ausschliesslich  rittermässiger 


8*)  Annalen  32  S.  14  (1235  März)  Mitglied  des  Schöffenkollegiums  vgl. 
oben  S.  193. 

^*)  Aposteln  Liber  Rubens  f.  21ab  (1225  Mai)  Gozwinas  Mlnnevoz  miles, 
als  Schöffe  genannt  1210  (Kremer  Akad.  Beitr.  Bd.  2  ürk.  p.  69/70  nr.  46). 

")  Vgl.  26  S.  139.  Zur  gleichen  Zeit  wurde  auch  sein  Vetter  Her- 
mann und  dessen  gleichnamiger  Sohn  Ritter. 

")  Vgl.  Beilagen  Reg.  C. 

")  Vgl.  oben  S,  328  Anm.  76. 


beitrage  zur  Verfassungsgesciiicbte  der  Stadt  Köln.  331 

Lebensweise,  aber  es  lag  andererseits  in  demselben,  so  darfen  wir  sagen, 
die  Verlockung  zu  einer  solchen.  Diese  Anreiznng,  verbunden  mit  dem 
Besitze  von  Landgütern  und  der  Verschwägerung  mit  den  landgesessenen 
Familien  bahnte  den  Übergang  zum  Landadel  an.  Auch  diese  Ent- 
wicklung beginnt  schon  im  Anfange  des  13.  Jahrhunderts.  Sie  nimmt 
jedoch  erst  im  14.  Jahrhundert  grössere  Dimensionen  an.  Die  städtischen 
Mauern,  in  denen  ihr  Fehden-^®)  und  Thatendrang  durch  harte  Straf- 
bestimmungen gegen  di^  Fehdereisen  ^^)  gehemmt  war,  wurden  für  die 
Ritter  zu  enge  und  dies  veranlasste  viele  derselben  zum  Austritt  aus 
dem  Bürgerverbande.  So  finden  sich  im  14.  Jahrhundert  mehrere  Mit- 
glieder der  früheren  städtischen  Geschlechter  unter  dem  Jülichschen  **) 
und  Bergischen  Landadel.  Diese  ausgetretenen  Mitglieder  wurden  in 
vielen  Fällen  eine  Quelle  der  Unruhen  und  Belästigungen  für  die  Stadt, 
indem  sie  entweder  vermeintes  oder  wirkliches  Unrecht®')  von  Seiten 
der  Stadt  an  dieser  zu  rächen  trachteten,  oder  ihre  Übergriffe  gegen 
andere  Städte  und  Fürsten  diesen  Veranlassung  oder  Vorwand  boten, 
sich  für  erlittenen  Schaden  an  der  Stadt  oder  ihren  Bürgern  schadlos 
zu  halten.  Die  in  der  Stadt  verbliebenen  Mitglieder  der  Geschlechter, 
denen  der  kaufmännische  Beruf  nicht  mehr  behagte,  fanden  dagegen  in 
dem  Söldnerdienste  ^)  der  Stadt  wenigstens  z.  T.  Gelegenheit,  ihre 
Wehrerfahrung  nützlich  zu  bethätigen. 

Wie  schon  erwähnt,  hielten  sich  die  Geschlechter  bis  tief  in  das 
14.  Jahrhundert  hinein  äusserlich  fern  von  engherzigem  Kastengeist  und 
verschmähten  keineswegs  die  Familienverbindungen  mit  Bürgerfamilien, 
die  nicht  dem  eigentlichen  Patriziat  angehörten.  Im  Laufe  der  Zeit 
hatte  sich  unter  dem  Patriziat  ein  weiterer  Kreis  von  Familien  ge- 
bildet, die  auch  an  Reichtum  und  Besitz  den  Geschlechtem  nicht  mehr 

••)  Als  erste  Familien,  die  in  den  Landadel  übertraten,  sind  besonders 
die  oben  erwähnten  Minnevuz,  von  Zudendorp  und  vielleicht  Unmasse  zu  nennen. 

»«)  Stein  I  S.  5  §  7. 

")  Ib.  S.  8  §  12. 

"«)  Quellen  IV  nr.  668  (1372  Ende)  Hilger  vom  Stave  Untersasse  des 
Herzogs  von  Jülich  Qu.  IV  nr.  435  (1365  April  4)  R.  Gerart  Rotstock,  Ge- 
schworener für  den  Herzog  von  Brabant,  Herr  zu  Birtringen  (Lac.  III  794 
S.  701). 

»«)  Vgl.  Urk.  nr.  2348  (1362  März  12).  Datierte  Briefeing.  Nr.  48 
Verwicklung  mit  Flandern  wegen  des  R.  Hilger  vom  Stave.  Bekannt  sind 
die  langwierige  Streitigkeiten  mit  dem  R.  Emund.  Birklin  und  besonders  dem 
R.  Joh.  Scherfgin. 

•♦)  Erstes  Beispiel  Quellen  IV  nr.  102  (1321  Okt.  7)  Emundus  imd 
Hilgerus  Birklin,  Johannes  und  Gobelinus  de  Rore. 

W«ttd.  Zalteohr.  f.  GMeb.  «.  Konat.     XIV,  rv.  25 


332  Fr.  Lau 

wesentlich  nachstanden.  Es  ist  natürlich  schwer  und  würde  eine  unge- 
mein genaue  Kenntnis  der  Einzelheiten  erfordern,  die  Gründe,  welche 
die  Geschlechter  in  jedem  Falle  veranlassten,  eine  Verschwägerung  mit 
diesen  Familien  einzugehen,  zu  erkennen.  Im  allgemeinen  aber  scheint 
es  wesentlich  nur  der  Reichtum  gewesen  sein,  der  hier,  wie  auch  sonst 
so  oft,  als  ausgleichender  Faktor  der  Standesunterschiede  gewirkt  hat. 
Mit  auswärtigen  Bürgerfamilien  und  Geschlechtem  wurden  dagegen, 
soweit  dies  nachweisbar,  nur  selten  Familienverbindungen  eingegangen, 
so  sehr  auch  die  weitreichenden  Handelsverbindungen  der  Kölner  und 
ihr  dadurch  bedingter  persönlicher  Verkehr  und  Aufenthalt  in  vielen 
anderen  Städten  dies  von  vornherein  wahrscheinlich  erscheinen  lassen 
könnte.  Die  ermittelten  Fälle  beschränken  sich  zumeist  auf  Ebe- 
schliessungen  mit  Bewohnern  der  benachbarten  Städte  Neuss  ^%  Bonn  ^% 
Dortmund^')  und  Aachen*®),  bekannt  ist  mir  femer  nur  ein  Fall,  der 
Utrecht ^^)  und  ein  anderer,  der  das  weitentlegene  Brunn'®")  in  Mähren 
betriflFt.  Weit  zahlreicher  sind  dagegen,  wie  schon  erwähnt,  die  Ehe- 
verbindungen mit  dem  benachbarten  hohen  und  niederen  Adel.  Die 
ersten  betreffen,  wie  wohl  von  vomherein  klar  sein  dürfte,  nur  die 
reichsten  und  mäcJitigsten  Familien  unter  den  Geschlechtern,  sie  be- 
scliränken  sich  überdies  auf  einen  verhältnismässig  geringen  Zeitraum  *°'} 
das  Ende  des  13.  Jahrhunderts  und  den  Anfang  des  14.  Jahrhunderts. 


'^)  So  waren  die  zwei  Brüder  Hermann  und  Nikolaus  de  Eoithiisen 
ans  Neuss  mit  zwei  Kleingedank  verheiratet  (Mitt.  25  S.  373).  Henricas  de 
Flore  aus  Neuss  mit  Gertrudis  de  Santkalen  (316  f.  7b  1283). 

**)  D.  Johannes  dictus  der  Darre  de  Bunna  h.  Gertnidis  Birklin 
^34(>  f.  U>8a  i:W6). 

•»)  Der  Schöffe  Gobelinus  [Gir?]  h.  Gertrudis,  lilia  Henrici  dirti  Pape 
linnrensis  de  Tremonia  ^3621  f.  8a  1300). 

*«)  Symon  de  Aqiüsgrani  h.  Durechen  Saphir  (209  f.  IIa  v.  1233). 

*')  Johannes  van  der  Warden  in  Utrecht  h.  Sophia  Ton  der  liintgasse 
(Mitt,  H.  26  S.  123^. 

^^)  Fahne  S.  135:  BUtza  Haidevnst  h.  Constantin  in  Brunn. 

**M  Die  ermittelbaren  Fälle  betreffen  die  folgende  Geschlechter:  Hel- 
poricus  Oveline  h.  Gozwina  de  Milendonc  ^Lac.  ir  S.  378  Anm.  3).  Uildegems 
do  Stossa  h,  Hadewigis  de  Wickerode,  zwei  Tochter  der  beiden  Theodericns 
oomos  de  Moerse,  resp.  Harpemas  de  Lovenberg.  Guderadis  de  Stessa  h. 
llonriius  de  Schinna  Edelherr.  (Tgl.  Hayn  Ann.  48  S.  124  ff.  und  Mitt.  25 
S.  37 IV  Uildegems  Ilenricus  i^Birclin)  R.  h.  Irmegardis  de  Gryphenstein 
(Mitt,  25  S.  :)65\  Johannes  de  Xnwenare  R.  Edelherr  h.  Bonetta  Jude 
(ib.  2l>  S.  118V  t^rardtts  de  Landescrone  K  Blanzeflors  Baitze  (ib.  S.  138). 
Womcnis  de  Horr^o  R.  h.  Aleydis  de  Sduana  (ib.  S.  147). 


beitrage  zur  VerfassiUügsgeSchichte  der  Stadt  Köln.  3B3 

Nacli  1325  begegnet,  soweit  bekannt,  nur  ein  ^°*)  Fall  dieser  Art  mehr. 
Dagegen  nehmen  um  diese  Zeit  die  Familienverbindungen  mit  dem 
niederen  Landadel  noch  keineswegs  ab,  sondern  bewegen  sich  eher  in 
einer  aufsteigenden  Linie.  Hierbei  sind  manche  Familien  *®*)  sogar 
mehrmals  in  aufeinanderfolgenden  Generationen  in  Yerschwägerung  mit  • 
den  Geschlechtern  getreten.  Bei  manchen  derselben  haben  sich  diese 
Familienbande  sogar  so  stark  erwiesen  *®*),  dass  sie  den  Übertritt  vom 
Lande  zur  Stadt  und  endlich  auch  das  Eintreten  in  die  höheren 
städtischen  Ämter  zur  Folge  hatten.  Immerhin  sind  solche  Vorkomm- 
nisse nur.  vereinzelt  und  vor  allem  nicht  von  Dauer  gewesen,  sodass  sie 
auf  die  Zusammensetzung  des  Patriziats  als  Gesamtheit  von  keinem 
wesentlichen  Einfluss  waren.  Über  die  Beweggründe,  welche  dieser 
Annäherung  des  Landadels  wenigstens  öfters  zu  Grunde  lagen,  lässt  z.  B. 
das  im  Anhang  mitgeteilte  Testament  des  reichen  Ritters  und  Kauf- 
herrn Hilger  Heynrich  Birklin  kaum  einen  Zweifel  ^^'^).  Die  Verbindung 
mit  den  reichen  Töchtern  der  Geschlechter  konnte  den  Edelleuten  nur 
Vorteile  bringen.  Jedenfalls  wtlrde  es  unrichtig  sein,  in  diesen  Ver- 
schwägerungen mit  dem  Landadel  einen  Beweis  für  die  unbedingte  An- 
erkennung der  Ebenbürtigkeit  der  Geschlechter  von  selten  des  ersteren 
zu  sehen.  Umgekehrt  aber  stellen  diese  Vorkommnisse  vollkommen 
klar,  dass  auf  seiten  der  Geschlechter  auch  hierbei  das  Bestreben 
vorlag,  durch  diese  kostspieligen  Verbindungen  sich  nach  und  nach  die 
Gleichberechtigung  mit  dem  Landadel  zu  erringen. 

Die  vorstehenden  Ausführungen  mögen  genügen.  Ein  Versuch, 
eine  in  alle  Einzelheiten  gehende  Kulturgeschichte  des  Kölner  Patriziats 
zu  geben,  würde  nur  dann  gerechtfertigt  sein,  wenn  dasselbe  sich  in 
seinen  Lebensgewohnheiten  und  Sitten  wesentlich  von  demjenigen  der 
übrigen  Städte  unterschiede,  er  würde  überdies  an  der  Lückenhaftigkeit 


**')  Rutgeras  Raitze  R.  h.  Irmengardis  de  Frenze  (Fahne  1.  c.  S.  348). 

^^^)  Besonders  häufig  die  Familien  von  Galen,  Schilling  von  Rile  und 
von  Bomheim. 

*^)  Z.  B.  bei  der  Familie  von  Brempt,  von  der  Theodericus  de  Brempt 
R.,  Gemahl  einer  Birklin,  1297  zu  den  verdienten  Amtleuten  der  Richerzeche 
gehörte,  (Quellen  III  nr.  441)  und  die  bis  in  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts 
den  nach  ihr  benannten  Hof  gleichen  Namens  bei  St.  Severin  bewohnte. 
Ein  weiteres  Beispiel  ist  Johannes  Vogt  von  Merheim,  Ratsherr  und  Mitglied 
der  Greifenpartei,  dessen  Familie  schon  früher  mit  denen  Vom  Spiegel  in 
Verwandtschaft  getreten  war. 

"*)  Vgl.  Reg.  A.  nr.  16. 

25* 


334  Pr.  Lau 

der  Überlieferung  ^®')  mehr  oder  weniger  scheitern  mü3sen.  Die  politische 
Geschichte  der  Kölner  Geschlechter  müsste  sich  vollends  zu  einer  Ver- 
fassungsgeschichte der  Stadt  erweitem,  so  sehr  sind  dieselben  mit  jeder 
Phase  der  letzteren  verwachsen.  Man  mag  über  die  Berechtigung  der 
Bildung  des  Patriziats  streiten,  mag  es  selbst  als  einen  Widersprach 
gegen  die  der  deutschen  Stadtverfassung  zugrunde  liegenden  Anschauungen 
bezeichnen,  jedenfalls  zeigt  die  Thatsache,  dass  es  in  der  überwiegenden 
Mehrzahl  der  deutschen  Stadt«  zu  der  Ausbildung  eines  Patriziats  ge- 
kommen ist,  die  in  den  Zeitverhaltnissen  begründete  Notwendigkeit 
desselben.  Den  Geschlechtem  war  es  vergönnt,  unterstützt  durch  die 
Gunst  der  Verhältnisse,  die  Grösse  Kölns  zu  begründen  und  seine  Ver- 
fassung auszubauen  und  ihre  Nachfolger  in  der  Herrschaft  der  Stadt 
haben  noch  lange  aus  dem  von  ihnen  in  dieser  Hinsicht  hinterlassenen 
Erbe  reichen  Nutzen  ziehen  können. 


100)  Vielleicht  wäre  in  dieser  Hinsicht  den  im  Düsseldorfer  Staats- 
archiv aufbewahrten  Testamenten  von  Krdner  Bürgern  noch  mancher  interes- 
sante einzelne  Zug  zu  entnehmen. 


A.   Urkunden  nnd  Regesten  Aber  das  Yermfigen  der  KSlner  6e- 
scblechter,  insbesondere  den  Besitz  an  flfissigem  Kapital. 

1)  c.  1231.    Guderadis,  Wittwe  des  Hartroann  Gir,  erhält  durch  rberpin- 

kunft  mit  ihren  Kindern  freie  Verfiigimg  über  50  Mr.  Zinsen  ans 
Häusern  zu  frommen  Stiftungen,  sie  soll  3  Söhnen  und  Töchtern  je 
300  Mr.  mobilia  auszahlen  (362  K.  2  (217)  f.  2b). 

2)  1232.    Heinrich,  Sohn  Heinrich  von  Erwethe  erbt  die  Hälfte  von  1800  Mr. 

mobilia  (Quellen  H  nr.  132  =  362  K.  2  f.  10h). 

3)  (•.  1232.    Typoldus  de  Novo  Foro  giebt  seiner  Frau  Godela  150  Mr.  de 

suis  mobilibus.  Bei  kinderloser  Ehe  soll  sie  100  Mr.  als  Wittum  erhalten, 
(ik  f.  IIa). 

4)  1236.    Gerardus  de  Vinea  (Elisabeth)  geben  ihrer  Tochter  Sophia  (Pele- 

grimus  [Niger])  als  Mitgift  7  Mr.  Zins  und  100  Mr.  mobilia,  von  denen 
50  Mr.  in  Grundbesitz  anzulegen  sind  (362  K.  2  f.  21b). 

1)  Diese  und  die  nachfolgenden  Begestenreihen  sind  ein  Versuch,  die  gedruckte 
und  die,  besonders  in  den  Schreinsbflohern  vorliegende,  bisher  ungedrucke  ITberliefemDg 
nach  bestimmten  Oesichtspnnkten  zu  ordnen.  Sie  sollen  die  Übersichtlichkeit  erleichtero 
und  zugleich  die  eigentliche  Abhandlung  von  der  Notwendigkeit  der  AnfOhrnng  vieler 
Kinjselheiten  als  Belege  entbinden. 

Nach  Kruse,  Kftlnische  Geldgeschichte  S.  119  betrftgt  der  Metall  wert  der  Kfilner 
Mark  nach  heutigem  Gelde  im  13.  Jahrhundert  4S,66  Mr.,  1298—1300:  18,76  Mr,  1301-4: 
16,27  Mr^  1308—22:  15,60  Mr.,  1386:  12,06  Mr.,  1840:  6,64  Mr.,  1842:  6,68  M.,  1847:  6,68  Mr.. 
13f>7-64:  5,29  Mr.,  1370—78:  3,15  Mr.,  1390-98:  2,84  Mr.  Der  Kanfwert  des  Geldes  ist  (ib. 
8.  118)  von  1200—50  6— 7mal,  von  1250-1400  ca  4mal  so  hoch  als  der  heutige.  100  Kölner 
Mark  entsprechen  also  um  1230  einem  heutigen  YermAgen  von  ca.  2619«  Mr. 


Beiträge  zur  Yerfassungsgeschichte  der  Stadt  Köln.  335 

5)  c.  1238.    Aleydis,  Tochter  des  Richolfus  Hirzelin,  erhält  von  ihren  Eltern 

125  Mr.  mobilia   und   18  Sol.  Zins   als  Mitgift  bei   ihrer  Heirat  mit 
Uenricus  Rufas  (362  K.  2  f.  18a). 

6)  c.  1238.    Cristina  [de  Lintgassen]  giebt  ihrem  Gemahl  Adolfus  de  Foresto 

100  Mr.  mobilia  und  einen  Hausanteil  (362  K.  2  f.  18a). 

7)  1242.    Godescalcus  de  Wippervurde  (Richmodis)    geben  zwei  Töchtern 

je  200  Mr.  mobilia  und  6  Mr.  Zins  als  Mitgift  (362  K.  2  (217)  f.  6a). 

8)  1243 — 46.   Gerardus  Quattermart  (Ekigilradis)  geben  ihrer  Tochter  Gertrudis 

(Wemerus  [Overstolz])  80  Mr.  mobilia  und  1  Hausanteil  (196b  f.  2la). 

9)  1278  August.    Theodericus  de  Lintgassen  hat  seiner  zweiten  Frau  Cristina 

100  Mr.  und  6  Mr.  Zins  Mitgift  versprochen  (362c  f.  8a). 

10)  1279  März.    Hermannus  Niger  de  Santkulen  giebt  seinem  Sohne  100  Mr. 

mobilia  und  8  Mr.  Zins,  der  Vater  der  Braut,  Theodericus  de  Cervo, 
seiner  Tochter  ebensoviel  (362  K.  2  f.  37a). 

11)  1280.    Der  Ritter  Gerhard  Scherfgin    giebt   seiner   Tochter   Guderadis 

(Otto  Balg)  290  Mr.  als  Mitgift,  davon  140  Mr.  baar  und  15  Mr.  Haus- 
zins =  150  Mr.  (Quellen  HI  nr.  198). 

12)  1285  Dez.  24.    Heinrich,  Edelherr  von  Schinna,  setzt  seiner  Braut  Gude- 

radis von  der  Stessen  sein  Schloss   als  Entgelt   für  die  empfangene 
Mitgift  von  1000  Mr.  aus  (Lac.  H  nr.  813  =  Quellen  III  nr.  262). 

13)  1286  August.    Godefridus  Rotstoc  (Cristina)  geben  ihrer  Tochter  Agnes 

(Theodericus  Gir)  150  Mr.  in  parata  pecunia  und  4  Mr.  Zins  (Quellen 
HI  nr.  266). 

14)  1292  Juni  18.    Ritter  Johannes  de  Hersele  und  Frau  Katharina,  Tochter 

des  verstorbenen  Ritters  Daniel  Jude,  bescheinigen  den  Empfang  der 
ihnen  von  diesem  vermachten  500  Mr.  (362  K.  1  f.  IIa). 

15)  1294  Okt.  22.    Die  Frau  des  Rudolfus  de  Honore  erhält  von  ihrem  Manne 

300  Mr.  Mitgift  (75  f.  24b). 

16)  1300  Jan.  20.    Testament  des  Ritters  Hildeger  Heynrich  Birklin. 

Item  notum  sit,  quod  bone  memorie  dominus  Hildegerus  Heynrich 
dictus  Birklin  miles  in  testamento  suo  sie  disposuit  et  ordinavit, 
quod  domina  Blitza,  relicta  sua,  in  omni  hereditate,  quam  simul 
habebant,  sita  tam  infira  Coloniam,  quam  extra  usufructum  suum, 
quamdiu  vixerit,  optinebit  et  quod^)  proprietas  tocius  hereditatis 
predicte  Hildegero  Birklin  filio  suo,  militi,  cedet  et  permanebit 
hereditarie  et  pleno  iure,  cum  tali  condicione,  si  dictus  Hildegerus 
cum  Blitza,  matre  sua,  non  posset  equaminiter  et  bono  modo  de 
factis  suis  concordare,  extunc  ipsa  Blitza  optinebit  hereditatem 
sitam  infira  Coloniam,  prout  ad  eos  spectat,  cum  terra  ortulana 
cum  vinea  iacentibus  extra  muros  civitatis  Coloniensis  ad  dies  vite 
sue,  que  post  obitum  eins  ipsi  Hildigero,  filio  suo,  cedet  et  de\ .  I- 
vetur,  et  ipse  Hildegerus  hereditatem  sitam  extra  Coloniam  optinebit. 

Item  ordinavit  et  disposuit  idem  Hildegerus  Heynrich,  quod  Blitza 
predicta  sit  domina  onmium  bonorum  suorum  mobilium  et  quod  de 
hiis  uni  puerorum  suorum  magis  et  alteri  minus  dare  poterit  pro 


8)  Hs.  ttberflÜBsig  que. 


336  Fr.  Lau 

sue  libito  voluntatis  et  quod  ipsa  Blitza  babeat  potestatem  dandi 
centum  et  quinquaginta  marcas  pro  salute  anime  sue,  ubi  sibi  \ide- 
bitur  expedire.  Actum  anno  domini  m  cc  nonagesimo  nono.  In 
vigilia  sancte  Agnetis  virginis. 

Item  notum  sit,  quod  dominus  Hildegerus  Heynrieb  predictus 
ordinavit  et  disposuit,  quod  solutis  debitis  suis  et  bonis  apud  .  . 
dominos  .  .  magnates  terrarum  et  alias  existentibus  ipsa  Blitza  det 
et  deliberet  Henrico  de  Vorste,  militi,  genero  suo,  et  Hadewigi, 
uxori  sue,  filie  eins,  trecentas  marcas  coloniensis  pagamenti  tunc 
currentis  ad  maritandam  Blitzam,  iiliam  eorum,  nepotem  suam  cum 
eisdem  et  quod  domina  Blitza  dimittat  eos  quitos  de  debitis,  quc 
ultra  eas  ipsis  tenebantur.  Sed  si  dicta  Blitza  ülia  decesscrit  ante 
maritacionem,  quod  absit,  extunc  ipsa  domina  Blitza  dabit  eisdem 
Henrico  et  Hadewigi  predictis  trecentas  marcas  in  utilitatem  alio- 
rum  .  .  liberorum  suorum  convertendas. 

Data(!)  pagamentum  fuit  anno  domini  nonagesimo  octavo  feria 
quinta  post  festum  beati  Mathie  apostoli  (1299  Febr.  26). 

Item  notum  sit,  quod  dominus  Hildegerus  Heynrich  ordinavit  et 
disposuit,  quod  solucione  facta  debitorum  suorum  domine  Blitze 
predicte  ipsa  remittat  Wemero  de  Rode  militi,  genero  suo,  et  Lore, 
uxori  sue,  filie  eins,  ducentas  marcas  et  insuper  omnia  debita,  que 
tenentur,  dimittat  eis  quita.  Actum  anno  et  die  predictis  (362/  f.  6b). 
17)  1302  Aug.  3.    Testament  des  Bürgers  Eberbard -Anselmi '). 

Item  notum  sit,  quod  Everardus,  filius  quondam  Anselmi  reeepit 
et  elegit  executores  suos  Johannem  et  Everardum,  filios  suos,  ad 
solvendum  omnia  debita  sua  de  bonis  suis  in  parato.  Item  donavit 
et  remisit  quadringentas  marcas  dandas  pro  salute  anime  sue  de 
bonis  suis  in  parato.  Item  trecentas  marcas  deputavit  per  ipsos 
Johannem  et  Everardum  pro  iniuria  sua  dari  de  bonis  suis  in  parato 
cum  cccc  marcis  predictis,  sicut  est  expressum.  Item  de  bonis  suis, 
que  supersunt,  donavit  Cristine,  filie  sue,  et  Gobelino  Hardevust, 
marito  suo,  trecentas  marcas  et  liberis  eorum  quinquaginta  marcas. 
Item  dedit  Johanni  et  Everardo,  filiis  suis  predictis  %  videlicet  cuilibet 
ipsorum  cum  uxore  sua  quadringentas  et  quinquaginta  marcas.  Item  ^) 
donavit  precipue  eidem  Johanni  et  Everardo  et  uxoribns  eorum 
domum  suam,  quam  inhabitavit  .  . ,  tali  condicione,  quod  dabuot 
duabus  .  .  sororibus  eorum,  monialibus,  quamdiu  vixerint  sex  mar- 
carum  redditus  annuatim  de  eadem.  Item  donavit  .  .  duabus  monia- 
libus predictis  de  alia  hereditate  sua  sex  marcarum  redditus;  quamdiu 
vixerint  annuatim.  Item  dedit  Petro,  Yogolono  et  Thilmanno,  tiliis 
suis,  cuilibet  eorum  quingentas  marcas.  Item  Gobelinus  Hardevust, 
Johannes  et  Everardus  supradicti   verdient  hereditatem  prius  eis 


3)  Er  wird  1293  Nov.  11  (Ann.  88  p.  36-38)  als  Meister  der  Gewandschneiderbnidet- 
schaft  genannt.  Die  Familie  stand  schon  seit  langer  Zelt  in  fortlaufenden  Familienbe- 
ziebnngen  zu  den  Ueschlechtern. 

4)  H.s  et  oxoribus  eoram  gestr. 

5)  Der  Sat«  donavit- eadem  gestr. 


Beiträge  zur  Verl'assungsgeschichte  der  Stadt  Köln.  337 

datam  et  dividere  debent  hereditatem,  quam  relinquit,  cum  Petro, 
Yogolone  et  Thilmanno  supradictis.  £t  siquid  de  bonis  suis  superest, 
hoc  eciam  divident  et  si  defectus  fuerit,  hoc  quilibet  eorum  pro- 
porcionaliter  sustinebit.  Et  hec  post  obitum  suum  fecit').  Salva 
sibi  potestate,  si  voluerit,  quod  potent  hec  mutare. 

Datum  anno  domini  m  ccc  secundo,  feria  sexta  post  Petri  ad 
vincula  (ib.  f.  17b). 

18)  1304.    Aleydis  Quattermart  erhält  von  ihren  Eltern  bei  ihrer  Heirat  mit 

Hildegerus  Rufus  de  Stessa  eine  Mitgift  von  1000  Mr.  und  65  Mr.  Zins 
(Hayn:  Annalen  48  S.  127). 

19)  1313  Juli  20.    Emelricus  Longus  vermacht  seinen  Testamentsvollstreckern 

1000  Mr.  de  bonis  suis  mobilibus  für  milde  Stiftungen  (362m  f.  28b).. 

20)  1318  Nov.  9.    Bruno   de   Lintlar   giebt  seiner   Frau  Aleydis   1200  Mr. 

mobilia  als  Mitgift  (362n  f.  18b). 

21)  1319  Nov.  16.    Gerardus  de  Lintlar  ebenso  seiner  Frau  Hadewigis  800  Mr. 

und  24  Mr.  Zins  (362n  f.  2ob). 

22)  1320  März  19.     Ritter  Hildegerus   de   Stessa   übergiebt  der   St.    Köln 

5000  Mr.  als  Rentkapital  (ürk.  nr.  981). 

23)  1323  Dez.  2.    Durginis,   domina  de  Naso,   giebt  ihrer  Tochter  Dureginis 

(Daniel  Jude)  die  Hälfte  des  Hofes  Dedinroyde  bei  der  Eigelsteinpforte 
für  die  versprochene  Mitgift  von  300  Mr.  pag.  und  12  Mr.  Zins  (152  f.  7a). 

24)  1324  Nov.  16.    Hermannus  [Gryn]  de  Antiqua  ürsa  vermacht  einer  Tochter 

300  Mr.  und  10  maldra  multri  in  molandinis  Reni,  einem  Sohne  500  Mr. 
(3620  f.  21a). 

25)  1345  Sept.  1.   Theodericus  de  Schiderich  giebt  sein  Haus  „Schiderich"  seiner 

Frau  Bela  als  Sicherheit  für  ihre  Mitgift  von  1000  Mr.  pag.  (225  f.  51a). 

26)  1345  Okt  8.    Lora,  Wittwe  des  dominus  Gerardus  de  Lyntlayr,  vermacht 

ihrem  Sohne  Heydenricus  600  Mr.  baar  und  1  Mr.  Zins  (366  f.  26b). 

27)  1346.    dominus  Godeschalcus  Overstoilz   apud  Ripam   vermacht  seinem 

Sohne  Johannes  500  Mr.  (356  f.  31a). 

28)  1346  Okt.  9.    Ritter  Ludolf,  Vogt  von  Bomheim,  bescheinigt  den  Empfang 

von  2000  Mr.  als  Mitgift  seiner  5^au  Lora,  Tochter  des  Hermannus 
[Hirmelin]  de  Hunone.    (Quellen  IV  nr.  289). 

29)  1352  Mai  18.    Die  Wittwe  domina  Floretta  de  Cornu  giebt  ihrem  Sohne, 

dem  Ritter  Rutgerus  de  Cornu  bei  seiner  Heirat  1000  Mr.,  davon 
600  Mr.  baar  und  statt  400  Mr.  39  Mr.  11  Sol.  Hauszins,  die  zwei 
Schwestern  desselben,  Nonnen,  als  Leibzucht  dienen  sollen  (347  f.  103a). 

30)  1370  Nov.  28.    Ritter  Hertwich  von  Winningen  quittiert  Johannes  Hirzelin 

über  2200  Mr.  als  Eiindteil  seiner  Schwiegertochter  Aleid  vom  Home, 
Tochter  des  verstorbenen  Ritters  Franko  (ürk.  nr.  2656). 

31)  1378  Januar  12.    Dem  Roilkinus  de  Honore  wird  die  Hälfte  von  50  Mr. 

puri  argenti  und  die  Hälfte  von  3000  Mr.  pag.  als  Vermächtnis  seines 
Grossvaters,  des  Ritters  und  Schöffen  Wemerus  de  Speculo  ausbezahlt 
(347  f.  49a). 


6)  Dieser  wunderliche  Sata  ist  unter  der  Zeile  nachgetragen  und  durch  Einweisungs- 
stricbe  an  diese  Stelle  verwiesen. 


338  Fr.  Lau 

B.   Begesten  betr.  das  VermSgen,  besonders  den  Kapitalbesitz 
der  Biehtpatrizischen  Bfirger. 

1)  1311  Juni  19.     Gerardus   de  Polenen   vermacht   seinen  Testamentsvoll- 

streckern 1050  Mr.  (362m  f.  13b). 

2)  1325  Dez.  13.     Druda,   Wittwe  des  Bäckers  Johannes  de  Brandinburch, 

bestimmt  500  Mr.  zu  milden  Stiftungen  (362o  f.  32a). 

3)  1326   März   1.     magister   Johannes,   faber   de   Lewenberg  apud  Altam 

Portam,  vermacht  der  Domfabrik  200  Mr.  (362o  f.  37b). 

4)  1327  April  24.    magister  Petrus  de  Bruche  vermacht  seinem  Sohne  Petrus 

400  Mr.  de  bonis  suis  promptioribus  (362r  f.  4Db). 

5)  1327  Juni  26.    Druda,  Tochter  des  Wilhelmus  Ilardrait,  erhält  mit  ihrem 

Manne  RoiUdnus  de  Duncwalde  150  Mr.  und  verzichtet  auf  die  übrige 
Erbschaft  (362o  f.  56a). 

6)  1331  Dez.  20.    Vertrag  zwischen  Johannes  Kellinbach  und  Frau.     Die 

letztere  darf,  wenn  sie  überlebt,  700  Mr.  für  Seelenheilsstiftungcn  ver- 
wenden. 300  Mr.  erhält  der  Sohn,  Kanonikus  in  Knechtsteden 
(355  f.  40b). 

7)  1332  Mai  22.    Ludewigus  de  Caliga  und  Frau.    Vertrag.    Heiratsgut  der 

Frau  400  kl.  Gl.,  das  des  Mannes  400  Mr.  pag,  (355  f.  4ob). 

8)  1332  Dez.  20.    Bruno   de  Eylze   und  Frau.     Vertrag.     Sie  behält  als 

Letztlebende  325  Mr.  (355  f.  51b). 

9)  1336  Juni  14.    Johannes  vanme  Raitputze  (Greta)  vermachen  ihren  zwei 

Söhnen  1800  Mr.  (355  f.  86b). 

10)  1341  Mai  12.     Gerardus  Cornegil  vermacht  1000  Mr.  und  2  mansiones 

(325  f.  32b.  49a). 

11)  1344  März  13.    Vertrag  zwischen  Johannes  de  Santkulen   pellifex  und 

Frau.  Der  Überlebende  darf  200  Mr.  für  fromme  Stiftungen  verwenden 
(356  f.  18a). 

12)  1347  März  2.    Nesa,  Wittwe  des  Mathias  Scheyven,  vermacht  ihrer  Tochter 

Nesa  3000  Mr.  pag. '),  ein  Haus  mit  Hausrat,  omnia  vasselamenta  sua 
argentea,  einer  anderen  verheirateten  Tochter  600  Mr.,  ihr  übriges 
Vermögen  ihrem  Sohne  Paulus  Scheyven  (356  f.  32a). 

13)  1347  März  16.  Vertrag  zwischen  Johannes  de  Kuyninxdorp  pistor  und  Frau- 

Dieselbe  darf,  wenn  sie  ihn  überlebt  über  400  Mr.  verfugen  (ib.  f.  32b). 

14)  1350  Nov.  6.    Gerardus  Ylias  camifex  giebt  seiner  Frau  1000  Mr.,  ein 

Haus  und  drei  macella  (ib.  f.  49a). 

15)  1360  Aug.  28.    Lufredus  van  der  Daunen  aurifaber  giebt  3  Kindern  erster 

Ehe  1200  Mr.,  seiner  zweiten  Frau  1000  Mr.  (ib.  f.  72a). 

16)  1360  Sept.  15.     Zelis  de   Orsoyen   vermacht  Leo   Ottinus   (Lombarde) 

700  Mr.  und  28  Mr.  Zins  (209  f.  95a). 

17)  1367  April  2.    Vertrag  zwischen  Henricus  Eempe  und  Frau.     Dieselbe 

soll,  wenn  sie  ihn  in  kinderloser  Ehe  überlebt,  den  Verwandten  Sites 
Mannes  8000  Mr.  auszahlen  (356  f.  88b). 

18)  1370  Juli  27.     Vertrag  zwischen  Johannes   de  Turre  und  Frau.     Bei 

7)  Diese  so  reich  ausgestattete  Tochter  heiratete  später   den  Geschlechter  M»thi*a 
vom  Spiegel  (193  f.  60b  (1362  Mftrs  13).   Mathias  Soh.  war  Qewandsohneider.  (Quellen  1 S*  S89}. 


Beiträge  zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Köln.  339 

Überleben  des  Mannes  hat  derselbe  den  Verwandten  der  Frau  2000  Mr. 
auszukehren  (ib.  f.  92a). 
19)  1378  Febr.  5.  Bela,  Wittwe  des  Roilkinus  de  Nussia,  alias  van  deym 
Busche  vermacht  ihrem  Sohne  700  Mr.,  ihrer  Tochter  Bela  (Jacobus 
de  Seyndorp  aurifaber)  700  Mr.,  ihre  „clenodia  in  anulis,  tutulis  et  aliis 
iocalibus"  und  ihre  vestimenta  bis  zum  Werte  von  700  Mr.  (ib.  f.  100a) '). 

C.   Regesten  betr.  den  Landbesitz  der  Gesehlecbter  ausserhalb 
der  Stadt  KSln  bis  zum  Jahre  1250. 

1)  c.  1150—61.    Hupertus  (Gilla)  kauten   ein  AUod  im  Dorfe  Uönningen 

(Scab.  1  I  2). 

2)  c.  1161 — 70.    Albero,  Comes  de  s.  Cecilia  erhält  Landbesitz  in  demselben 

Dorfe  zum  Pfände  (Scab.  1  II  1). 

3)  c.  1167—72.    Thiedericus  [von  der  Mühlengasse]  (üda)  kaufen  ein  Gut 

in  Merheim  bei  Longerich  (Scab.  1  III  2). 

4)  c.  1167 — 72.    Mechtildis  in  Menbirnisloche,  Frau  Ludwigs,  giebt  ihrem 

Sohne  ein  Gut  in  Merheim  (Scab.  1  III  3). 

5)  c.  1167 — 72.    Ricolfus,  scultetus  Aquensis,  kauft  von  seinem  Onkel,  dem 

Zöllner  Karl,  ein  Gut  (Scab.  1  III  4). 

6)  1211.    Henricus  Flache  und  Söhne  verkaufen  an  Mechtem  Güter  bei 

Geyen,  teils  AUod,  teils  Lehen  (Lac.  II  nr.  36). 

7)  c.  120Ö— 14.    Hermannus,  ülius  Henrici  Razonis  hat  seiner  Frau  einen 

Hof  und  Allod  in  Hönningen  gegeben,  diese  verkauft  (Scab.  2  V  2). 

8)  c.  1205—14.    Mathias  (von  der  Lintgassen)  und  Frau  erhalten  bei  der 

Erbfeilung  einen  Hof  mit  2  Hufen  AUod  in  Freimersdorf,  ausserdem 
45  Morgen  Lehen  (Scab  2  V  13). 

9)  1229  Juli  12.    Henricus,  fitius  GozeUni  (EUsabeth)  übemehmeu  den  Hof 

von  St.  Gereon  in  Merheim  in  Erbpacht  (Joerres:  Urkb.  nr.  90). 

10)  1232.    Johannes  von  der  Lintgassen  giebt  seiner  Frau  100  Mr.  als  Mit- 

gift pro  hereditate  infra  Coloniam  tribuendas.  Diese  erhält  von  ihrer 
Mutter  u.  a.  quartam  partem  unius  mansus  censualis  apud  villam  Linde 
(362  K.  2  f.  9a). 

11)  1234.    Richolfus  0 verstolz  (Elisabeth)  geben  ihrer  Tochter  Sophia  (Bruno 

[Buntebart])  4  Mr.  Zins,  2  Häuser  et  quartam  partem  bonorum  sito- 
rum  in  vüla,  que  dlcitur  Hurte,  que  fuerunt  pinceme,  in  silvis  et 
agris  .  .,  et  molendinum  cum  pratis  (Quellen  II  nr.  148). 

12)  c.  1234.    Bruno  Buntebart  giebt  seiner  Frau  Sophia  ausser  zwei  Häusern 

und  dem  „cubiculum",  in  quo  pater  eiusdem  B.  pannos  suos  vendidit, 
duos  mansos  agri  censualis  iacentes  Rile  (362  E.  2  f.  4a). 

13)  1234.    HeydenricuB  de  Novo  Foro  und  Frau  geben  an  ihren  Sohn  Her- 

mann Hausbesitz  in  der  Stadt.    SimUiter  et  curtim  cum  centum  iuma- 
^  Ubus  et  agri  et  XXX  iumalibus  feodi,  siti  in  Volchoven  et  septimam 
partem  allodii  siti  DoUindorp,  tarn  in  ediüciis,  quam  in  vineis. 


8)  Der  bekannte  Orosskapitalist  Hermann  von  Goch  ist  bei  dieser  Zasammenstellung 
deshalb  nicht  mit  berttcksichtigt,  weil  aber  denselben  eine  Sonderarbeit  von  Seiten  des 
•Herrn  Dr.  Hilar  Schwan  in  Strassburg  an  erwarten  ist. 


340  Fr.  Lau 

14)  1235  März  5.  Gerhard,  Sohn  des  Kämmerers  Otto  (Gertrud,  Tochter  des 
Ritters  Heinrich  von  Zudendorp),  verkaufen  an  dominus  Hildegerus  Rufus 
40  Morgen  ,,in  carapo  Sirsdorp^  (Ann.  48  S.  14). 

lö)  1236  Juli.  Hermannus  Rufus,  Sohn  des  verstorbenen  Hermannus  Rufus 
de  8.  Panthaleone,  besitzt  bona  in  Vrueren  (ürfel),  als  Lehen  von 
Dietkirchen  und  Severin,  vermacht  dieselben  an  Kl.  Benden  (Lac.  II 
nr.  208). 

16)  c.  1237.    Typoldus  de  Novo  Foro  giebt  seinen  drei  Kindern  lö  Häuser 

in  Köln,  Teile  von  2  solchen,  3  Mr.  Zins.  Ausserdem  „Lovenich  unus 
mansus  cum  domo  et  curte**.  Item  XH  iurnales  in  Danswilre.  Item 
in  Wintre  domus  cum  curte  et  vinea,  silvis  et  agris  et  censibus,  denariis 
et  pullis  (362  K.  2  f.  17a). 

17)  c.  1239.    Gertrudis,   Wittwe  des  Ludewicus  Wizlewen,   vermacht  ihrem 

Sohn  „quartam  partem  domus  et  vinearum  sitarum  in  Erpele"  (362 
K.  1  f.  3b). 

18)  1242.    Godescalcus  de  Wippervurde  giebt  einer  Tochter  200  Mr.  mobilia 

und  6  Mr.  Zins  als  Mitgift.  Gerardus,  filius  Petri  Rufi,  setzt  dagegen 
sein  Wohnhaus  in  St.  Laurenz  „*/»  curtis  Loevenich  cum  dimidietate 
sex  mansorum  et  omnium  ad  dictam  curtem  pertinentium  et  dimidie- 
tatem  molendini  apud  Geigene"  (362  K.  2  (217)  f.  6a). 

19)  1248.    Vogelo  de  Porta  Martis  (Gertrudis)  übergeben  ihrem  Sohne  Vogelo 

(Guderadis)  dimidietatem  feodi,  quod  mansgut,  apud  Linde,  nach  ihrem 
Tode  erhält  er  es  ganz  (362  K.  2  27b). 

D.   Regesten  und  Urkunden,   betr.   den  Geschäftsverkehr,   be- 
sonders die  Geldgeschäfte  der  Kölner  Geschlechter  mit  den  welt- 
lichen und  geistlichen  Ffirsten  und  der  Stadt  K81n. 

1)  1174.    Der  Zollmeister  Gerardus  ante  Curiam  leiht  Eb.  Philipp  600  Mr. 

gegen  Verpfändung  des  Zolles  (Lac.  I  nr.  452). 

2)  c.  1180—84.    Eb.  Philipp  verpfändet  den  Zoll   an  den  Zolhneister  Con- 

stantinus  [de  s.  Laurentio,  Münzmeister]  für  350  Mr.  jährlich  bis  zur 
Deckung  einer  Schuld  an  diesen  (Scab.  2  I  4). 

3)  1237.    Herzog  Heinrich  von  Lothringen  und  Brabant  belehnt  den  Her- 

mannus de  Uthe  mit  seinem  Hause  in  Köln,  bis  ihm  der  Herzog  100  Mr. 
angewiesen  hat  (Quellen  II  nr.  168). 

4)  1258  Aug.  1.     Godefridus  Hardevust  und  Frau,   Bruno  Hardevust  und 

Frau  und  die  drei  Söhne  des  Alexander  Judeus  kaufen  von  der  Stadt 
Köln  für  600  Mr.  deren  Besitz  an  Fleischbänken,  Buden  und  Verkaufs- 
ständen (Quellen  H  nr.  386). 

5)  1275  Juli  26.    Daniel  Jude,  Bruno  Hardevust,  Mathias  de  Speculo,  Theo- 

dericus  de  Cervo,  Cuno  und  Franco  de  Comu,  Henricus  Gerardus  uod 
Philippus  Quattermart  leihen  der  St.  Köln  1530  Mr.  (Quellen  HI  nr.  109). 

6)  1276  Okt.  2.    Dieselben,  dazu  Heydenricus  de  Lintlo,  leihen  der  St  Köta 

2704  Mr,  (ib.  nr.  113). 

7)  1275  Dez,  7.    Daniel  Jude,  Bruno  Hardevust,  Mathlas  de  Speculo,  Hen- 

ricus und  Hildegerus  Hardevust,  Henricus   de   Windecken,   Henricus 


Beiträge  zur  Vecfassungsgescbichte  der  Stadt  Köln.  341 

Quattermart,  Cuno  de  Comu,  leihen  der  St.  Köln  die  gleiche  Summe 
(ib.  nr.  118). 

8)  1279  Juni  7.    Daniel  Jude  R.,  Cuno  de  Comu,  Waltelmus  de  Aqueductu 

et  socii,  Gläubiger  Walrams  von  Falkenburg  -  Montjoye  für  1000  Mr. 
(Quellen  III  nr.  187). 

9)  1282.    Graf  Rainald  von  Geldern  schuldet  dem  Kölner  Schöffen  Ritter 

Daniel  Jude  300  Mr.  Sterlinge  (Hans.  Urk.  III  S.  413  Anm.  1). 

10)  1287.    Graf  Adolf  von  Berg  schuldet  dem  Kölner  Henricus  Hildegheer 

2000  Mr.  (Ernst.  Histoire  de  Limbourg  VI  S.  449). 

11)  1289  April  5.    Herzog  Johann  von  Lothringen,   Brabant  und  Limburg, 

und  Gottfried  von  Brabant,  Herr  von  Arschot  und  Virson,  entleihen 
von  Gerardus  Overstolz  früheren  Greven,  R.  Mathias  de  Speculo,  Hen- 
ricus Flacke,  dem  Greven  Franc o  de  Comu  und  Henricus  Hildegherus 
Birclin  500  Mr.  (Qu.  III  nr.  323). 

12)  1297  Aug.  7.    Graf  Guido  von  Flandern,  Markgraf  von  Namur,  schuldet 

dem  Kölner  Ricoard  Manekin  (Mennegin  de  Aqueductu)  1607  Livres 
10  Sous  für  gelieferten  Wein  (Hans.  Urk.  III  nr.  623). 

13)  1298  Aug.   29.      Constantinus   [de   Lysolskirgen]   leiht  König   Albrecht 

1200  Mr.  (Lac.  II  nr.  1004). 

14)  1301  März  20.    Derselbe  zahlt  für  den  Erzbischof  1000  Mr.  aus  (Lac.  II 

nr.  1047). 

15)  1303  Febr.  5.    Erzbischof  Wicbold  verpfändet  demselben  für  eine  Schuld 

von  6000  Mr.  seine  Einkünfte  in  der  St.  Köln  (Mitt.  H.  24  S.  83). 

16)  1321  Juni  27.    Hermannus   Hirzelin   de  Schouwinburch,   Richolphus   de 

Mummersloch,  Wernerus  de  Speculo  und  Gerardus  de  Kusino,  procura- 
tores  creditomm  des  Erzbischofs,  bekennen  von  Hermannus  de  Baculo 
6V3  Libras  3  Sol.  Gross.  Turon.  aus  dem  Bonner  Zoll  empfangen  zu 
haben  (ürk.  nr.  1043a). 

17)  1326  Nov.  22.    N.  s.  quod  Johannes  Overstoltz  de  Porta  elegit  et  accep- 

tavit,  si  illustris  princeps,  dominus  rex  Bohemie,  non  satisfecerit  Til- 
manno  Overstoltz,  fratri  suo,  et  Bele,  eins  uxori,  de  debito,  in  quo 
ipsis  tenetur  infra  festum  purificationis  beate  Marie  virginis,  quod 
extunc  quinquaginta  marcarum  redditus,  sive  usufructus,  quos  dicti 
coniuges  eidem  Johanni  tenentur  solvere,  ipsis  omni  modo  et  forma, 
prout  suprascriptum  est,  libere  cedant  et  solute.  Actum  feria  sexta*), 
que  est  sabbatum  beate  Cecilie.  Anno  domini  m  ccc  XX  sexto.  Die 
genannten  verzichten  auf  diese  Verpfändung.  1327  Febr.  13.  (feria 
sexta  ante  Valentini).    (362o  f.  53b). 

18)  1328  Sept.  17.     Godard  Hardevuste,   here  van   des  Vaidz  -  Almers  -  hus 

Gläubiger  des  Erzbischofs  für  3450  Mr.,  erhält  als  Pfand  dafür  Anteil 
am  Bonner  Zoll  (Quellen  IV  S.  142). 

19)  1329  Juli  27.     Derselbe  ist  im  Pfandbesitz   des  erzbischöflichen  Rhein- 

zolls in  der  Rheingasse  (ib.  S.  164). 

20)  1339  Jan.  29.     R.  Heinrich   Quattermart,  Eberhard  Haxdevust  in   der 


9)   Eine  falsche  Auedracksweise   des  Schreibers,  feria  sexta  bedeutet  bekanntlich 
Freitag. 


342  s,  V     Fr.  Lau 

Rheingasse  und  Christina,  Wittwe  Vetsamdere »),  haben  dem  König 
Eduard  III  von  England  5000  kl.  Florentiner  Goldg.  vorgestreckt 
(Hans,  ürkb.  IIl  nr.  649). 

21)  1341  Mai  5.    Graf  Wilhelm  IV  von   Holland  bezahlt  Heinrich  und  Til- 

mann  vom  Kusin  für  gelieferten  Wein  7öl  Schilde  =  56  ff  6  sol.  6  d., 
desgl.  Juli  20  96  8*  gr.  (ib.  S.  445). 

22)  1342  Sept  30.    Erzbischof  Walram  schliesst  mit  den  Münzerhausgenossen 

Lufard  von  Troyen,  Werner  vom  Spiegel  und  Eberhard  Hardevust 
einen  Vertrag  über  Errichtung  einer  Münzstätte  in  Deutz  auf  Jahres- 
dauer (Kruse,  Münzgeschichte  S.  76). 

23)  1344  Okt.  1.    König  Eduard  III  von  England  dankt  für  Beschirmung  seiner 

Gemahlin  Philippa  und  die  Bewahrung  seiner  (verpfändeten)  Reichs- 
kleinodien durch  die  Kölner  Kaufleute  Johannes  de  Spegel,  iügwin  Gryn, 
Wilhelm  de  Kowolt »»)  und  Genossen  (Hans.  Urk.  II  Anh.  I  nr.  86). 

24)  1345  Aug.  23.     R.  Werner   vom  Spiegel,   Eberhard  Hardevust,   Arnold 

vom  Palast,  Gläubiger  des  Erzbischofs  Walrams  für  36000  Mr.,  von 
denen  sie  19000  Mr.  aus  dem  Bonner  Zoll,  dem  Molter  u.  a.  erhalten 
haben  (Lac.  III  nr.  423). 

25)  1346  Juni  16.    Johannes  Gyr  und  Johannes  Scherfgin  ebenso  für  3000  Mr. 

(ib.  Anm.). 

26)  1347  März  23.    Nobilis  matrona,  domina  Johanna  de  Kessenich,  domina 

de  Hackenbroigh  verpfändet  an  Ilutgerus  Hirzelin  (Sophia)  ihren  Niess- 
brauch  am  Hause  Stotzhem  für  eine  Schuld  von  1000  Mr.  (317  f.  36b). 

27)  1349  Nov.  22.   R.  Johannes  de  Cervo,  R.  Gerardus  de  Rodestoc,  Everardus 

Hardevust  und  Arnoldus  de  Palacio  leihen  dem  Bischof  Engelbert 
von  der  Mark  von  Lüttich  7000  schw.  FI.  (Hans.  ürkb.  III  S.  470 
Anm.  1.  Vgl.  Urk.  nr.  1951a).  Zurückgezahlt  in  drei  Raten  1350 
Jan.  7,  Febr.  4,  Juni  25. 

28)  1358  Juli  24.    Arnoldus   de  Palacio   leiht   dem   Erzbischof  4250  Gold- 

schilde und  erhält  dafür  erzbischöfliche  Einkünfte  in  Deutz  und  Köln 
zum  Pfände  (Lac.  III  nr.  580). 

29)  1364  Febr.  23.    Johannes  Hirzelin  leiht  dem  Erzbischof  9000  Goldschilde 

(ib.  nr.  651). 

30)  1372  Dez.  17.    Schuld  der  Stadt  Köln  an  Johannes  Hirzelin  18580  Mr."). 

31)  1372  Juli  8.     Ritter  Heinrich  Rombliaen  von  Vossem  quittirt  8  genannten 

Kölnern  über  23914  Mr.  8  Sol.  als  Schuld  der  Stadt  an  den  verstor- 
benen Johannes  Hirzelin  (Urk.  nr.  2756). 

32)  1375  Juni  6.    Schuld  der  Stadt  bei  Hedenricus  Hardevust     .    1200  Mr. 

33)  1375  Juli  18,        „        „        „       „    R.  Henricus  Rumlian  von 

Voissem 5400    „ 

34)  1378  Juni  23.        „        „        „       „    Johann  vanme  Grine  Hen- 
rieh  van  deme  Palaiss  et  socii  22000    - 

10)  Der  Name  ist  iweifelloe  corumpiert,  wahrscheinlich  aus  Yetscoldere. 

Jl)  Gemeint  ist  wohl  der  gleichseitige  Schöffe  Wilhelm  Gyr  von  CoTolshoven. 

12)  Diese  und  die  folgenden  Nummern  sind  den  StadtrechnungsbQchem  (Einnahmen) 
entnommen,  mit  Benutaung  der  demnächst  sum  Druck  gelangenden  Bearbeitung  Ton  Herrn 
Dr.  Knipping,  der  mir  die  Binsicht  des  Manuskripts  an  diesem  Zweck  gütigst  geststtate. 
Es  sind  hier  nur  die  grösseren  Posten  von  1000  Mr.  aufwärts  angefahrt 


"I^ooo 


Beiträge  zur  Verfassangsgeschichte  der  Stadt  Köln.  34$ 

35)  1879  März  30.  Schuld  der  Stadt  bei  Wernerus  Panthaleon 

senior 3600  Mr. 

36)  1379  Oct.  5.  «        „       »      n    Johannes  Florin  .    .  30Ö0   „ 

37)  1380  März  28.        „        „      «      „    Wernerus  Panthaleon  3000   „ 

38)  Juli  11.         „        »      »      w    Roilkinus  de  Honore  1360   „ 

39)  Aug.  8.         n        «       n       »    Wernerus  Panthaleon 

senior 4050   „ 

40)  Nov.  28.       „        „      „      „    d.  Johannes   [Harde- 

Yust]  de  Boten      .  8100   „ 

41)  1382  Juli  24.        „        „      „      „    Wernerus  Panthaleon| 

Tilmannus  Huprecht  { 

42)  13a3Febr.l3.        „        ^      ,      „    d.  Henricus    de  Ba- 

colo  et  socii      .    .  1742  „ 

43)  13a3  Juli  15.  „  n  n  »    Johannes  Jude      .    .  1000  „ 

44)  1383  Aug.  26.  „  „  „  „    Gutkin  de  Ulreportzen  2750  „ 

45)  i;384  Jan.  20.  „  „  „  ^    Durgin  Ilardevust      .  a3.33  „     4  Sol. 

46)  1384  April  13.  r  n  n  n    Gobelinus  Walraven .  73.33  „      4    „ 

47)  1385  März  8.  n  «  r  «    d.  Henricus  de  Honore  6666  „      8    „ 

48)  1385  Aug.  2.  „  „  „  „    d,  Johannes  de  Boten  9000  „ 

49)  1386  Febr.  14.  „  „  „  ^    d.  Henricus  de  Honore  6200  „ 

50)  1386  April  11.  «  «  n  »    Hermannus  Hirtzelin  1000  „ 

51)  1386  Juni  27.  „  p  n  n    Cono  Medebruer  .     .  1000  „ 

52)  1386  Juli  4.  »  »  »  «    Johannes  Hirtzelin     | 

Godefridus  de  Schal- i2a33   „     4  Sol. 
lenberg  J 

53)  1387  Jan.  16.        „        „       ^      „    Durgin  Hardevust     .  1600  Fl. 

54)  1387  Juli  17.         „        ^      «      »    Johannes  StoUe    .    .  33aS  Mr.   4    ^ 

55)  1391  Okt.  18.        „        „      „      „    d.  Wernerus  de  Aq[ue- 

ductu 


Everhardus    Harde- 
vuyst  iunior 


3368   „    10 


-o-<«3>-c^ 


Der  Königszug  von  Mainz  nach  Coblenz  am  17.  und 
18.  März  842. 

Von  Dr.  Ed.  Alisfeld  in  Coblenz. 

Meyer  von  Enonau  in  seiner  vortrefflichen  Arbeit  „über  Nithards 
vier  Bücher  Geschichten",  Leipzig  1866,  hat  auch  den  Zug  der  Könige 
nach  Coblenz  im  März  842  höchst  gründlich  und  umsichtig  erörtert. 
Wenn  in  den  nachstehenden  Zeilen  einige  Punkte  einer  nochmaligen 
Prüfung  unterzogen  werden,  so  geschieht  dies  hauptsächlich  deshalb, 
w$U   der    genannte  Gelehrte   die  Ergebnisse   seiner  Forschung   an   den 


344  £d.  Ausseid 

verschiedensten  Stellen  seiner  Arbeit,  Text,  Noten,  Excursen,  niederge- 
lej<t  hat,  der  leicht  übersichtliche  Text  aber  gerade  diejenige  Darstellung 
aufweist,  welche,  auf  irreführenden  Ansichten  einiger  „ortskundigen'' 
Herren  beruhend,  in  einigen  Punkten  für  anfechtbar  gelten  darf. 

Die  Könige  Ludwig  der  Deutsche  und  Karl  der  Kahle  zogen  im 
Februar  842  nach  der  Zusammenkunft  in  Strassburg  mit  ihren  Heeren 
auf  verschiedenen  Wegen  in  die  Gegend  von  Worms  und  Mainz.  In 
Mainz  stiess  Ludwigs  Sohn  Karlmann  mit  Baiern  und  Alamannen  zu 
ilinen.  Am  17.  März  erfolgte  nach  Nithards  Bericht  der  gemeinsamo 
Aufbruch  von  Mainz  in  der  Absicht,  den  Kaiser  Lothar,  welcher  in 
Sinzig  weilte,  mit  möglichster  Geschwindigkeit  anzugreifen  und  zu 
vertreiben. 

Nithard  (III,  7)  berichtet  über  diesen  Zug:  „Ergo  16.  Kai. 
Aprilis  illis  in  partibus  viam  dirigunt,  et  Karolus  quidem  per  Wasagum 
iter  difficile  ingressus,  Lodhuwicus  vero  terra  Renoque  per  Bingam. 
Karlemannus  autem  per  Einrichi  ad  Confluentim  in  crastinum  hora  fere 
diei  sexta  venerunt". 

Die  Annales  Xantenses  melden  zum  Jahre  842  (Mon.  Genn. 
Script.  II,  227):  „Et  postea  aestivo  tempore  Ludewicus  et  Karolus 
predato  pago  Yangionensium  per  angustum  iter  asperum  Gronneorum 
Conüuentes  civitatem  petierunt". 

Prudentius  erzählt  nur,  dass  Ludwig  navali  aparatu,  Carl  equestii 
aparatu  nach  Coblenz  gelangte.  Rudolf  erwähnt  den  Zug,  sagt  aber 
nichts  über  den  eingeschlagenen  Weg. 

Wir  haben  es  demnach  nur  mit  Nithard  und  den  Xantener  An- 
nalen  zu  thun,  hinsichtlich  des  Prudentius  aber  nur  festzustellen,  dass 
er  gleich  Nithard  den  König  Ludwig  den  Wasserweg  benutzen,  den 
König  Karl  auf  dem  Landwege  nach  Ck)blenz  ziehen  lässt.  Auch  die 
Xantener  Annalen  aber  dürfen  wir  bald  bei  Seite  legen,  denn  wir  finden 
sie  höchst  mangelhaft  unterrichtet  und  stossen  in  ihnen  auf  Nachrichten, 
mit  denen  wir  trotz  allen  Nachdenkens,  trotz  vieler  Grübeleien  nicht.«? 
anzufangen  wissen.  Dass  Ludwig  und  Karl  „aestivo  tempore"  ihren 
Kriegszug  unternommen  hätten,  ist  Nithards  durchaus  zuverlässigem  Be- 
richte nach  völliger  Irrtum.  Aber  auch  über  den  Weg,  den  die  Könige 
von  Mainz  aus  genommen,  ist  der  Annalist  nicht  unterrichtet,  wenn  er 
sie  alle,  im  Gegensatz  zu  Nithard,  der  ausdrücklich  drei  Marschlinien 
angiebt,  „per  angustum  iter  aspenim  Gronneorum"  ziehen  lässt.  Un- 
fraglich hatte  der  rasche,  in  ungünstiger  Jahreszeit  erfolgte  Zug  der 
Könige   nach  Coblenz  Aufsehen   erregt,    und   dies  um  so  mehr,    als  er 


Der  Königszug  von  Mainz  nach  Coblenz  am  17.  u.  18.  März  842.       345 

auf  schwierigen  Wegen  za  machen  war.  Das  Letztere  mochte  beson- 
ders von  Karls  Zug  über  den  Hunsrück  gelten  und  auf  diesen  wird  des 
Annalisten  nähere  Marschbezeichnung  wohl  zu  beziehen  sein.  Was  aber 
den  Ausdruck  „Gronneorum"  anbelangt,  so  beruht  er  wohl  unstreitig 
auf  einem  Missverstündnis  des  Schreibers.  Die  alte  Lesart  der  Monu- 
menta  „Groweorum"  hat  Meyer  von  Knonau  in  „Gronneorum**  berich- 
tigt und  damit  glücklich  die  Möglichkeit  beseitigt,  den  Ausdruck  auf 
Cröv  an  der  Mosel  zu  deuten.  Aber  auch  mit  dem  „Gronneorum" 
weiss  Niemand  was  Rechtes  anzufangen.  Meyer  v.  K.  versucht*),  es 
auf  den  Ort  Gronau  im  Nassauischen  Untertaunuskreis  zu  beziehen.  Die 
von  ihm  selbst  dazu  geäusserten  Bedenken,  nämlich  dass  zwischen  der 
Form  Grunowe  und  Gronneorum  doch  ein  beträchtlicher  Unterschied 
sei;  dass  Gronau  erst  mehr  als  3  Jahrhunderte  später  urkundlich  ge- 
nannt werde;  dass  es  auch  etwas  weit  vom  Rhein  landeinwärts  liege, 
wollen  mir  gar  nicht  allzu  schwerwiegend  erscheinen.  Aber  man  wird 
sich  doch  wohl  zu  fragen  haben:  wie  soll  der  Annalist  oder  dessen 
Quelle  dazu  kommen,  den  Namen  eines  jedenfalls  damals  (wie  jetzt) 
ganz  unbedeutenden  Ortes  als  eine  Landschaftsbezeichnung  zu  gebrauchen ; 
wie  sollte  dieser  Name  gerade  in  dem  Gedächtnisse  eines  der  durch- 
ziehenden Eriegsmänner  so  haften  geblieben  sein,  dass  er  weiter  ge- 
meldet und  überliefert  werden  konnte  ?  Das  erscheint  wirklich  undenk- 
bar und  wir  stehen  der  neuen  berichtigten  Schreibung  des  Ausdruckes 
ebenso  ratlos  gegenüber  wie  der  alten.  Nur  glaube  ich,  man  muss  es 
ganz  aufgeben,  einen  Volks-  oder  Ortsnamen  hinter  dem  „Gronneorum" 
zu  vermuten,  wenn  auch  die  uns  überlieferte  Handschrift  der  Annalen 
es  offenbar  so  verstanden  wissen  will.  Vielleicht  Hesse  sich  der  ur- 
sprüngliche, uns  verloren  gegangene  Wortlaut  der  Stelle  mit  Hülfe  des 
Wortes  „gronna"  Sumpf,  „gronnosus"  sumpfig  (vgl.  Du  Gange)  her- 
stellen. Es  ist  kaum  zu  bezweifeln,  dass  der  Weg  über  den  Huns- 
rück nicht  nur  rauh,  sondern  stellenweise  auch  sumpfig  war ;  schon  die 
Jahreszeit,  Mitte  März,  konnte  dies  mit  sich  bringen,  um  so  mehr,  als 
noch  Mitte  Februar  wohl  auch  in  dieser  Gegend  viel  Schnee  gefallen 
(Nithard  IH,  5),   demnächst   aber  wieder  aufgetaut  war^).     Von  einer 


^)  A.  a.  0.  Excurs  VIH,  S.  144. 

')  Dies  ist  daraus  zu  schliessen,  dass  zur  Zeit  der  königlichen  Reiter- 
spiele bei  Worms,  Anfang  März,  offenbar  keine  Winterlandschaft  gewesen 
sein  kann  und  dass  die  Überschreitung  des  Hunsrücks  im  Schnee,  abgesehen 
davon,  dass  sie  nicht  in  der  Zeit  vom  17.  bis  18.  März  mittags  anszufiibren 
gewesen  wäre,  sicher  bei  Nithard  besonders  Erwähnung  gefunden  hätte. 


346  £cL  Aasfeld 

bestimmten  Stelle  der  Strasse,  nämlich  zwischen  Waldesch  und  Coblenz 
ist  es  aber  ausdrücklich  nachgewiesen ').  Und  wie  bedenklich  derartige 
Stellen  einer  eiligen  Reiterschar  sein  mussten,  liegt  auf  der  Hand. 
Übrigens  scheint  der  Ausdruck  „gronna"  im  niederdeutschen  Gebiete 
vielfach  gebräuchlich  gewesen  und  in  Orts-  und  Flurnamen  haften  ge- 
blieben zu  sein*). 

Müssen  wir  so  die  Xantener  Annalen  ebenfalls  für  bedeutungslos 
bei  der  Feststellung  der  näheren  Verhältnisse  des  Kriegszuges  erklären, 
so  bleibt  uns  nur  Nithards  Überlieferung,  an  deren  Hand  wir  den 
Marsch  der  drei  königlichen  Heere  verfolgen  können. 

Zunächst  rauss  für  alle  drei  Heere  geltend  das  Folgende  fest- 
gesetzt werden :  Der  Weg,  den  sie  in  der  Zeit  vom  1 7.  März  MoiTsrens 
bis  zum  18.  März  Mittags  zurücklegten,  bedeutet  für  jedes  von  ihnen 
eine  tüchtige  Marschleistung,  nämlich  66  bis  100  Kilometer.  Die 
Nachtstunden  konnten  kaum  zu  Hülfe  genommen  werden,  denn  auf  den 
16.  März  fiel  der  Neumond.  Da  man  besonders  günstige  Beschaffen- 
heit der  Heerstrassen  entschieden  nicht  annehmen  darf,  waren  die  ge- 
nannten Entfeiiiungen  von  Fussvolk,    selbst  in  geringer  Zahl,   nicht  zu 


>)  Siehe  Bonner  Jahrbücher  XXVI  S.  6  f. 

^)  Du  Gange  sagt:  „A  Gronnis  porro  dicta  aliquot  oppida  yolnnt, 
Groningam  in  Frisia,  Gronaw  in  Agro  Brunwicensi  et  Grunlngam  in  Episco- 
patu  Halberstadensi*'.  Ich  lasse  die  Richtigkeit  dieser  Deutungen  dahinge- 
stellt, möchte  aber  auf  einige  Flurnamen  hinweisen,  die  mir  aufge&llen  sind. 
In  dem  Aufsatze  von  Schmidt,  Rumerstrassen  im  Rheinlande,  Bonner  Jabr- 
hucher  Heft  31,  heisst  es  S.  85  f.:  „Die  Römerstrasse  führte  von  Köln  ab- 
wärts nicht  in  der  Richtung  der  gegenwärtigen  Chaussee,  sondern  näher  an 
dem  Rheine.  Sie  wird  gegenwärtig  die  „alte  Strasse"  oder  wohl  auch  die 
„Grünstrasse"  genannt,  weil  sie  nur  als  Feldweg  benutzt  wird  und  daher  mit 
Gras  bewachsen  ist".  Hierzu  vergleiche  man  S.  111  derselben  Abhandlang: 
„Die  in  dem  Itinerar  des  Antonin  angegebene  Römerstrasse,  welche  von 
Colonia  Trajana  (Xanten)  nach  der  Maas  und  auf  einem  Umwege  nach  Köln 
führte,  hat  der  Verf.  in  der  jetzigen  „Grünstrasse"  wieder  anfgetunden.  Sie 
ist  in  der  Mitte  der  westlichen  Front  des  Lagers  ausgegangen  und  hat  \\m 
den  noch  jetzt  sumpfigen  Heerde-Kamp  herumgeführt".  Bonner  Jahrb.  80 
S.  3  wird  der  „Grönen  Pütz"  im  ürfkthale  nördlich  von  Marmagen  und  Net- 
tersheim  genannt.  In  Heft  68  derselben  Zeitschrift  S.  8  schreibt  Müller  über 
die  grosse  Militärstrasse  von  Trier  nach  Mainz :  „Der  südliche  Arm  zog  sich 
über  das  Grünhaus  an  der  Rnwer,  die  Büdlicher  Brücke  bei  Gräfendhron 
nach  dem  Heidenpütz".  Dass  diese  Beispiele,  die  übrigens  leicht  rermehrt 
werden  könnten,  keinen  *  sicheren  Anhalt  für  die  Deutung  des  „Gronncomm" 
bieten,  weiss  ich  wohl.  Immerhin  könnten  sie  vielleicht  einem  findigen  Teit- 
kritiker  einen  Anhalt  für  eine  neue  Konjektur  bieten. 


her  Königszug  von  Mainz  nach  Coblenz  am  17.  u.  18.  März  842.       34? 

überwinden.  Alle  drei  Heere  können  nur  aus  Eeiterei  bestanden 
haben*).  Auch  die  Reiterei  aber  vermochte  in  so  kurzer  Zeit  nur 
dann  Coblenz  zu  erreichen,  wenn  sie  die  einmal  eingeschlagene  Rich- 
tung beibehalten  konnte  und  nicht  durch  irgend  welche  Verhältnisse 
aufgehalten  oder  gezwungen  wurde,  Umwege  zu  machen*^).  Endlich 
kann  die  Grösse  der  drei  Heere  nicht  bedeutend  gewesen  sein''),  denn 
ansehnlichen  Truppenmassen  war  ein  Geschwindmarsch  von  solcher  Aus- 
dehnung nicht  zuzumuten;  auch  der  mitgeführte  Tross  muss  ganz  ge- 
ring angeschlagen  werden. 

Karls  Zug  bezeichnet  Nithard  „per  Wasagum  iter  difficile".  Nur 
für  diesen  Weg,  den  er  übrigens  wohl  selbst  mitmachte,  betont  er  aus- 
drücklich die  Schwierigkeit,  und  dass  sie  erheblich  war,  ist  gewiss  nicht 
zu  bezweifeln.  Am  frühen  Morgen  des  17.  März  von  Mainz  aufge- 
brochen mochte  das  Heer  Bingerbrück  (31  km)  auf  verhältnismässig 
guter  Strasse  bis  10  Uhr  vormittags  erreicht  haben.  Ob  die  Nahe 
damals  hier  überbrückt  war,  steht  nicht  fest  ®),  jedenfalls  mag  der  Über- 
gang keine  wesentlichen  Hindemisse  gefunden  haben,  wenn  nicht  gerade 
Hochwasser  war,  was  in  unserem  Falle  nicht  anzunehmen  ist,  da  sonst 
auf  dem  Rhein  die  weiter  unten  zu  besprechende  Schifffahrt  nicht  mög- 
lich gewesen  wäre.  Von  Bingerbrück  aus  galt  es  die  Höhe  des  Huns- 
rOcks  zu  ersteigen,  denn  nur  diesen  kann  Nithard  mit  seinem  „per 
Wasagum"  meinen®).     Die  alte  noch  jetzt  überall  erkennbare  Strasse'®) 


5)  Siehe  Waitz,  V.  G.  IV  (2.  Aufl.)  S.  543  ff. ;  Baldamus,  Das  Heer- 
wesen nnter  den  späteren  Karolingern,  S«  60  ff. 

')  Vgl.  u.  a.  Baltzer,  Zur  Geschichte  des  deutschen  Kriegswesens  in 
der  Zeit  von  den  letzten  Karolingern  bis  auf  König  Friedrich  II.    Lpzg.  1877. 

^)  Eine  Vermutung  über  die  Grösse  der  Heere  auszusprechen,  wäre 
gewagt.  Wollte  aber  Jemand  z.  B.  das  ,4ngens'S  das  Nithard  dem  Heere 
Karlmanns  beilegt,  etwa  nach  unseren  Begriffen  deuten,  so  würde  er  sehr 
fehl  gehen.  So  ist  ja  auch  allgemein  jene  Qnellennachricht,  es  seien  in  der 
Schlacht  bei  Fontanetum  auf  Seiten  Lothars  mehr  als  40000  Krieger  ge- 
fallen, als  unsinnig  übertrieben  anerkannt  worden. 

«)  Vgl.  Meyer  v.  K.  a.  a.  0.  Anm.  223,  S.  105. 

")  Siehe  ebenda  Excurs  XI,  S.  149.  Demjenigen,  der  von  Strassburg 
kommend  über  Worms  nach  Mainz  und  Bingen  zog,  blieben  zur  Linken  die 
Vogesen  und  deren  Ausläufer,  Haardt  und  Donnersberg,  stets  sichtbar,  so 
dass  er  leicht  auf  den  Gedanken  kommen  konnte,  mit  dem  gleichen  Namen 
auch  die  nördlich  anschliessenden,  nur  durch  die  Nahe  getrennten  Gebirgs- 
züge des  Hnnsrücks  zu  bezeichnen. 

**)  Vgl.  Bonner  Jahrbücher  31  die  vortreffliche  Arbeit  des  Oberst- 
lieutenants Schmidt  über  die  Rumerstrassen. 

Waitd.  Zeitoohr.  f.  Oesota.  n.  Kamt.     XIV,   IV.  26 


348  Ed.  Ausfeld 

wird  schon  damals  ausdrücklich  als  die  nach  Cohlenz  führende  bezeichnet 
in  einer  Urkunde  des  Kaisers  Ludwig  v.  J.  820**):  strata  qua  pergit 
ad  Confluentium".  Sie  führt  von  Bingerbrück  über  RheinböUen  auf  der 
Höhe  hin  über  Liebshausen,  Kisselbach,  Laudert  rechts,  Maisbom  links 
lassend,  nach  Pfalzfeld.  Bis  hierher  sind  es  von  Bingerbrück  aus  etwa 
38  km.  Schwerlich  so  weit,  wahrscheinlich  nur  bis  Kisselbach  **),  etwa 
30  km,  wird  Karl  mit  seinen  Reitern  noch  am  Abend  des  17.  März 
gelangt  sein.  Für  den  folgenden  Tag  blieben  ihm  dann  noch  etwa 
30  km  zurückzulegen,  darunter  diejenigen  der  höchsten  Strasseneiiiebung 
bei  Maisbom,  520  m  ü.  M.,  also  etwa  446  m  über  dem  Rhein  bei 
Bingen.  Indessen  mochte  diese  Strecke,  da  sie  sich  ohne  irgend  welche 
erhebliche  Steigungen  und  Senkungen  auf  der  Höhe  hält  und  erst  vom 
Kühkopf  bei  Coblenz  aus  rasch  nach  dem  Rheinthale  abfällt,  verhält- 
nismässig rasch  zu  überwinden  gewesen  sein,  soweit  nicht  etwa  sumpfige 
Stellen  den  Marsch  behinderten.  Berührt  wurden  wohl  die  Orte,  bzw. 
die  Gegend  der  heutigen  Orte  Norath,  Leiningen,  Ehr,  üdenhausen, 
Waldesch.  So  konnte  Karl  sehr  gut  um  die  Mittagsstunde  des  18.  März 
in  Coblenz  eintreffen.  Ermüdet  mag  seine  Heeresabteilung  allerdings 
gewesen  sein  **). 

Ludwig  der  Deutsche  zog  Nithards  Berichte  zufolge  „terra  Re- 
noque  per  Bingam".  Meyer  v.  Knonau  ")  fasst  dies  so  auf,  als  wäre 
Ludwig  bis  Bingen  mit  Karl  marschiert,  hätte  sich  hier  von  diesem 
getrennt   und   zu   Schiffe   die   Strecke   bis   Coblenz   zurückgelegt.     Mir 


")  Mittelrh.  ürkb.  I  S.  58  f. 

")  Kisselbach  wird  1006,  Pfalzfeld  893  genannt.  Mittehrh.  Urkunden- 
bnch  I  S.  337  bzw.  194.  Der  Ansicht  Meyers  v.  K.  a.  a.  0.  Note  217,  dass 
der  Hunsrück  um  die  Mitte  des  9.  Jahrh.  wohl  noch  ganz  unbesiedelt  war, 
dürfte  kaum  zuzustimmen,  vielmehr  anzunehmen  sein,  dass  viele  der  beute 
dort  liegenden  Ortschaften  schon  damals  bestanden.  Hierfür  spricht  wohl 
deutlich  die  oben  erwähnte  Urkunde  Kaiser  Ludwigs  für  die  Abtei  Prüm 
vom  Jahre  820,  welche  eine  grosse  Anzahl  Gemarkungsnamen  auf  dem  Hans- 
rück anführt. 

")  Der  Verf.  der  Besprechung  von  Dümmlers  „Ostfränkischem  Reich" 
in  der  Hist.  Zs.  IX  S.  262  ist  sehr  im  Irrtum,  wenn  er  behauptet,  lokale 
Kenntnis  könne  die  Möglichkeit  dieses  Marsches  binnen  so  kurzer  Frist  nicht 
zugeben.  Für  die  etwa  74  km  von  Mainz  bis  Coblenz  rechne  man  am 
17.  März  10,  am  18.  März  5  Marschstunden,  so  kommen  auf  den  km  etwa 
10  Minuten.  Fs  Hessen  sich  aber  längere  Strecken  sehr  wohl  im  Trabe 
machen,  so  dass  fiir  die  übrigen  ein  ganz  gemächlicher  Ritt  angenonunen 
werden  kann. 

**)  A.  a.  0.  S.  40  und  Anm.  225. 


ber  Königszug  von  Mainz  nacli  Coblenz  am  l7.  u.  18.  März  84^.       349 

will  eher  scheinen,  ein  Teil  der  Truppen  Ludwigs  habe  schon  bei 
Mainz  Schiffe  bestiegen  und  sei  von  hier  aus  (an  Bingen  vorüber)  nach 
Coblenz  gefahren,  während  ein  anderer  Teil  den  Landweg  (über  Bingen) 
längs  des  linken  Rheinufers  bis  Coblenz  gewählt  habe.  Oder  aber,  das 
ganze  Heer  Ludwigs  sei  bis  Bingen  marschiert  und  von  hier  aus  teils 
zu  Schiffe,  teils  den  Rhein  entlang  nach  Coblenz  geeilt.  Wenn  Ludwigs 
Heeresmacht  nur  einigermassen  bedeutend  war,  so  dürfte  es  schwer  ge- 
wesen sein,  sie  ganz  auf  Schiffen  unterzubringen,  auch  müsste  das  Ver- 
laden sehr  zeitraubend  gewesen  sein.  Die  etwa  92  km  von  Mainz 
bis  Coblenz  längs  des  Rheines  wären  aber  sowohl  zu  Wasser  wie  zu 
Lande  in  anderthalb  Tagen  sehr  wohl  zurückzulegen.  Denn  auf  den 
Landweg  kamen,  wenn  wir  auf  den  17.  März  10,  auf  den  18.  März 
5  Marschstunden  rechnen,  durchschnittlich  6  km  auf  die  Stunde,  wäh- 
rend die  Schiffe  vermöge  der  Stromgeschwindigkeit  („auf  sich  fahrend", 
wie  der  Terminus  technicus  lautet)  die  Strecke  von  Mainz  bis  Bingen 
etwa  in  4V2,  die  Strecke  von  Bingen  bis  Coblenz  etwa  in  TV«  Stunden 
durchfahren  konnten  *^).  Da  Ludwigs  eine  Heeresabteilung  unserer 
Annahme  nach  den  Rhein  entlang,  ohne  Höhen  übersteigen  zu  müssen 
und  wahrscheinlich  auf  leidlicher  Strasse  marschierte,  die  andere  aber 
auf  Schiffen  nach  Coblenz  gelangte,  so  ist  nicht  zu  bezweifeln,  dass 
beide  in  gutem  Zustande  ihr  Ziel  erreichten,  jedenfalls  in  besserem,  als 
die  Heere  Karls  und  Earlmanns. 

Über  Karlmanns  Zug,  den  Nithard  einfach  „per  Einrichi"  be- 
zeichnet, hat  Meyer  von  Knonau  die  Ansichten  einiger  Ortskundigen 
eingeholt  und  ist  ihnen  gefolgt*^).  Meiner  Meinung  nach  haben  diese 
Uerren  den  freundlichen  Dank  des  Geschichtschreibers  nicht  in  dem 
Masse  verdient,  wie  er  ihnen  gezollt  ward.  Denn  man  darf  sagen,  es 
ist  bei  den  Haaren  herbeigezogen,  wenn  man  Nithards  Worte  so  deutet, 
als  sei  Karlmann  auch  über  Bingen  und  am  linken  Rheinufer  bis  Nieder- 
heimbach marschiert  und  hier  erst  habe  er  den  Rhein  überschritten, 
um  von  der  Wispermündung  (Lorch)  über  Ransel  hinauf  auf  den  Einrieb 
und  durch  diesen  nach  der  Lahn  und  Coblenz  zu  ziehen.  „Per  Einrichi^^ 
kann  und  soll  vielmehr  nur  heissen,  dass  Karlmann  wenig  rheinabwärts 
von  Mainz  über  den  Strom  setzte,  geraden  Weges  vom  rechten  Rhein- 


**)  Für  diesen  Nachweis,  der  allerdings  aufgrund  der  heutigen  Strom- 
verhältnisse aufgestellt  ist,  annähernd  aber  ohne  Zweifel  auch  für  die  ältere 
Zeit  Geltung  haben  wird,  bin  ich  der  Königl.  Rheinstrom  -  Bauverwaltung  in 
Coblenz  zu  Danke  verpflichtet. 

^•)  A.  a.  0.  S.  40  und  Anm.  226.    Auch  Excurs  YIU,  S.  143  t 

26* 


350  £d.  Ausfeld 

ufer  aus  das  Rheingauer  Gebirge  erstieg,  den  Einrich  hier  erreicht* 
und  quer  durch  ihn  hindurch  nach  der  Lahn  oder  nach  dem  Rheine 
bei  Braubach  hinabzog  ^^).  Jede  andere  Auffassung,  und  ganz  besonders 
die  des  Dr.  Rössel  in  Wiesbaden,  lässt  die  Möglichkeit  der  Ausführunp 
des  Marsches  binnen  anderthalb  Tagen  kaum  zu.  Bis  Niederheimbach 
hätte  Karlmann  40  km  zu  durchmessen  gehabt,  er  wäre  hier  also  nicht 
vor  der  Mittagsstunde  des  17.  März  eingetroffen.  Nun  hatte  er  den 
Rheinübergang  zu  bewerkstelligen,  der  bei  dem  erheblichen  Stromge- 
fälle*®) hier  unbedingt  grosse  Schwierigkeiten  machen  musste.  Und 
wenn  Karlmann  nur  500  Reiter  mit  sich  führte,  so  dürfte  ihn  die-se 
Operation  doch  mehrere  Stunden  gekostet  haben,  sei  es  dass  man  Rosse 
und  Reiter  auf  Kähnen  und  Fähren  übersetzte,  sei  es  dass  die  Reiter 
von  Kähnen  aus  die  schwimmenden  Rosse  nachzogen.  Das  letztere 
raschere  Verfahren  hätte  wohl  in  der  noch  kalten  Jahreszeit  für  die 
Gesundheit  der  Pferde,  welche  bereits  40  km  gelaufen  waren,  grosse 
Gefahren  gebracht  und  auch  die  Stromgeschwindigkeit  möchte  wohl  diese 
Art  des  Übergangs  erschwert  haben.  Um  aber  Rosse  und  Reiter  io 
kurzer  Zeit  zu  verladen  und  überzusetzen,  dazu  hätte  es  —  selbst  nur 
die  eben  genannte  Truppenzahl  gerechnet  —  einer  grösseren  Menge 
von  Fahrzeugen  bedurft  *^),  und  wie  diese  mit  einmal  in  Niederheim- 
bach zur  Verfügung  stehen  sollten'®),  ist  nicht  recht  einzusehen.  Nehmen 
wir  aber  auch  an.  Karlmann  hätte  den  Rheinübergang  von  Nieder- 
heimbach nach  Lorch  wirklich  bewerkstelligt  und  es  wären  damit  nnr 
drei  Stunden  zugebracht  worden,  so  hätte  der  Aufbruch  von  Lorch 
nach  den  Höhen  des  Einrich  doch  erst  frühestens  zwischen  3  und  4  Uhr 

")  Meyer  v.  K.  a.  a.  ö.  Anm.  222  S.  104  und  Excurs  VIII,  Anm.  10 
S.  144  hat  diesen  Weg  sehr  wohl  ins  Auge  gefasst  und  ist  nur  durch  die 
Ortskundigen  verleitet  worden,  sich  für  den  anderen  zu  entscheiden. 

")  Der  Rhein  hat  heute  bei  mittlerem  Wasserstande  im  Fahrwasser 
zwischen  Mainz  und  Bingen  eine  Stromgeschwindigkeit  von  etwa  1,1  m  in 
der  Sekunde,  bei  Niederbeimbach  von  1,9  m,  zwischen  Bingen  und  Coblenz 
1,4  m  (gütiger  Nachweis  der  K.  Rheinstrom-Bauverwaltung  in  Coblenz).  Es 
leuchtet  ein,  dass  das  Übersetzen  bei  Niederheimbach  trotz  der  geringeren 
Strombreite  viel  schwieriger  und  gefährlicher  sein  musste  als  in  der  Gegend 
von  Mainz. 

.  *®)  Für  verschiedene  militärtechnische  Belehrung  bin  ich  meinen  Freun- 
den Herrn  Hauptmann  Go lisch  vom  8.  und  Herrn  Premier-Lieutenant  Klotz 
vom  11.  Pionier-Bataillon  lebhaften  Dank  schuldig. 

'^)  Eine  Fähre  mag  daselbst  auch  in  alter  Zeit  wie  später  bcstaDdeo 
haben.     Vgl.  Bodmann,  Rheingauische  Altertümer  S.  587. 


Der  Königszug  von  Mainz  nach  Coblenz  am  17.  a.  18.  März  842.        351 

Nachmittags  beginnen  können,  denn  eine  Ruhepause  musste  für  die 
Truppen,  sei  es  in  Lorch  für  die  zuerst  übergesetzten,  sei  es  in  Nieder- 
heimbach für  die  später  überfahrenden,  eintreten.  Die  fast  400  m 
Steigung  bis  in  die  Gegend  von  Ransel,  die  Rössel  berührt  wissen  will, 
waren  aber  unmöglich  rasch  zu  machen  und  Karlmann  würde  am 
späteren  Nachmittag  des  17.  März  kaum  mehr  als  die  etwa  9  km  bis 
dahin  zurückgelegt  haben.  So  blieben  ihm  für  den  Vormittag  des 
18.  März,  wenn  wir  den  möglichst  kurzen  Weg  über  Nastätten,  Miehlen, 
Braubach,  Niederlahnstein  berechnen,  immer  noch  an  42  km  zu  machen. 
Lassen  wir  Karlmann  aber  gar  mit  Rössel  in  das  Lahnthal  hinab  und 
von  da  nach  Coblenz  ziehen,  so  verlängert  sich  der  Weg  noch  um 
wenigstens  5  km.  Diese  42  bis  47  km  bis  Mittag  zu  bewältigen  und 
während  dieser  Zeit  auch  noch  die  Lahn  und  nochmals  den  Rhein  bei 
Coblenz  zu  überschreiten,  ist  kaum  thunlich.  Jedenfalls  wäre  die 
Leistung  eine  grössere  als  der  Marsch  Karls  über  den  Hunsrück,  der 
etwa  ebensoviele  Kilometer  beträgt,  aber  zwei  Rheinübergänge  vermeidet. 
Verfolgen  wir  Karlmanns  Zug  hingegen  nach  dem  Wortlaute  Nit- 
hards  „per  Einrichi",  so  ergeben  sich  die  nachstehenden  Marschver- 
hältnisse. .  Mit  Fahrzeugen,  die  bei  Mainz  jedenfalls  eher  bereit  lagen,  als 
bei  Niederheimbach,  wurden  am  Morgen  des  17.  März  an  eben  der  Stelle, 
an  welcher  Kaiser  Ludwig  am  7.  Januar  837  den  Rheinübergang  mit 
seinem  Heere  ausgeführt  hatte'*),  nämlich  etwa  Schierstein  oder  Nieder- 


'*)  Vgl.  Simsen,  Jahrb.  des  deut.  Reichs  unter  Ludwig  d.  Frommen,  II, 
S.  196.  Die  Bezeichnung  der  Rheinübergangsstelle  bei  Prudentius:  tribus 
forme  infra  memoratam  urbem  (Mainz)  milibus  deutet  auf  die  Gegend  von 
Schierstein  und  Niederwalluf.  Über  die  Fährenverhältnisse  am  Rhein  macht 
Lamprecht,  Deutsches  Wirtschaftsleben  II  S.  246  einige  Angaben.  Vgl.  auch 
Quetsch,  Geschichte  des  Verkehrswesens  am  Mittelrhein  S.  21  ff.  Wie  hier 
(S.  24)  der  Text  des  Weistums  des  Klosters  Altenmünster  bei  Mainz  a.  d. 
J.  1486  „so  farre  (sollte  heissen  y,ferre^^)  da  her  aber  biss  ghegen  der  Kirchen 
dye  zu  Walluf  im  dorlf  leyt"  auf  die  Fähre  zwischen  Budenheim  und  Walluf 
gedeutet  werden  konnte,  ist  unverständlich.  Eine  Fähre  Walluf  gegenüber 
ist  eingezeichnet  in  einer  handschriftlichen  Karte  des  Rheingaus  v.  J.  1575, 
Original  im  Staatsarchiv  zu  Wiesbaden,  Nachbildung  in  Band  17  der  Annalen 
des  Vereins  f.  Nassauische  Altertumskunde  u.  Geschichtsforschung.  Wichtig 
für  unsere  Frage  erscheint  mir  die  auf  dieser  Karte  etwas  landeinwärts  ein- 
geschriebene Bemerkung:  „do  soll  das  fhar  gestanden  sein",  da  sie  nicht 
allein  den  Schluss  auf  die  Veränderung  des  Strombettes,  sondern  auch  auf 
ein  höheres  Alter  der  Fährgelegenheit  zulässt.  Die  in  der  Nachbildung 
nicht  genau  wiedergegebenen  Worte  hat  mir  das  K.  Staatsarchiv  zu  Wies- 
baden freundlichst  nachgewiesen. 


352  Ed.  Ausfeld 

walluf  gegenüber,  die  Truppen  eingeschifft  und  auf  das  rechte  Rheinofer 
geschafft.  Der  Strom  hat  hier  eine  massige  Breite  und  geringe  Strö- 
mung und  ähnlich  wird  dies  auch  vor  1000  Jahren  gewesen  sein. 
Von  Niederwalluf  aus  führte  die  alte  Rheingauerstrasse  das  Thal  von 
Schlangenbad  links  liegen  lassend  über  die  Höhen  der  „Hohen  Wurzel'' 
nach  Bleidenstatt.  Diese  Strasse  würde,  selbst  wenn  man  sie  in  der 
Gegend  des  heutigen  Ortes  Georgenborn  verlassen  hätte  (am  „Grauen 
Stein"  etwa),  um  nach  Nord- Westen  zu  die  Höhe  über  Wambach  und 
hiermit  die  nachher  zu  bezeichnende  Strasse  zu  gewinnen,  einen  Umweg 
für  die  Richtung  Walluf -Coblenz  bedeutet  haben.  Der  direkte  Weg 
schlug  die  nordwestliche  Richtung  gleich  am  Rhein  oder  von  Eltville 
aus  ein  und  berührte  die  Gegend  von  Neudorf,  Rauenthal,  bzw.  von 
Kiedrich,  um  über  die  „Grüne  Bank"  auf  die  Höhe  und  ziemlich  gerade- 
aus nach  Kemel  zu  führen.  Dieser  Weg  lässt  sich  noch  heute  sehr 
gut  verfolgen.  Er  ermöglicht  ein  bequemes  Ersteigen  des  Gebirges  in 
kürzester  Zeit.  Allerdings  muss  eine  Höhe  von  526  m  (bei  Kemel 
sogar  538  m),  also  eine  Steigung  von  446  m  (bzw.  458  m)  überwun- 
den werden.  Wenn  aber  auch  der  Marsch  zur  Überfahrtstelle  am 
Rhein  (etwa  8  km)  und  die  Überschiffung  nach  Walluf  bis  zum  Mittag 
des  17.  März  dauerte,  so  war  am  Nachmittage  doch  noch  sehr  bequem 
Kemel  (von  Walluf  etwa  11  km),  auch  noch  die  Gegend  von  Gronau, 
Nastätten  und  Miehlen,  im  Ganzen  etwa  32  km  von  Walluf,  zu  er- 
reichen. Denn  die  Strasse  hält  sich,  einmal  auf  der  Höhe  angelangt, 
durchweg  auf  dieser  und  gestattet  ein  rasches  Vordringen.  Es  blieben 
dann,  wenn  wir  den  Weg  über  Braubach**)  berechnen,  für  den  18.  März 
etwa  28  km  bis  Coblenz  zu  machen,  welche  in  der  Zeit  bis  10  Uhr 
leicht  zurückgelegt  sein  konnten,  sodass  auch  der  Übergang  über  den 
Rhein,  für  welchen  bei  Goblenz  wohl  Hülfsmittel  genug  bereit  lagen, 
bis  Mittag  gut  zu  bewerkstelligen  war.  Dieselben  Entfernungen  er- 
geben sich,  wenn  man  Karlmann  von  Kemel  aus  anstatt  über  Miehlen 
— Braubach,   über  Pohl — Singhofen  ins  Lahnthal  bei  Nassau,   von  hier 


'')  Die  alte  Strasse  Miehlen— Marienfels— Braubach,  welche  Kehlbach 
rechts,  Dachsenhausen  links  liegen  lässt  und  dann  durch  den  Braubacher 
Wald  am  „Hilberstiel"  und  den  neuerdings  von  Oberlehrer  Dr.  Bodewig  aus 
Oberlahnstein  aufgedeckten  Hünengräbern  vorbei  führt,  ist  bis  auf  die  Höhe 
über  der  Hartenfels-  und  der  Hammermühle  bei  Braubach  sehr  gut  zn  ve^ 
folgen.  Wie  sie  von  da  den  Abstieg  ins  Rheinthal  genommen,  ist  nicht  recht 
zu  erkennen,  da  durch  Wasserläufe  und  neue  Strassenanlagen  die  alten 
Strassenrcste  zerstört  worden  sind. 


Der  Eönigszug  von  Mainz  nach  Coblenz  am  17.  u.  18.  März  842.       353 

längs  der  Lahn  nach  Ems  und  über  die  Lahnberge  nach  Ehrenbreit- 
stein — Coblenz  ziehen  und  am  ersten  Tage  bis  Pohl,  etwa  34  km  von 
Walluf,  marschieren  l&sst.  ]5^ur  wäre  hier  zu  berücksichtigen,  dass  von 
Ems  aus,  will  man  nicht  den  weiten  Umweg  durchs  Lahnthal  über 
Niederlahnstein  nehmen,  abermals  eine  Höhe  von  etwa  330  m,  d.  h. 
etwa  241  m  über  dem  Lahnthal,  erstiegen  werden  müsste. 

Es  ist  schon  oben  S.  350  Anm.  17  darauf  hingewiesen  worden, 
dass  Meyer  v.  Knonau  die  soeben  geschilderte  Marschrichtung  Karlmanns 
durchaus  nicht  ganz  abgewiesen  hat.  Wir  haben  daher  noch  kurz  auf  die 
in  seiner  Anmerkung  222  angeführten  GegengiUnde  einzugehen.  Er  meint, 
Nithard  würde  neben  dem  Einrichgau  gewiss  auch  den  Gau  Kunigeshundra 
erwähnt  haben,  wenn  Karlmann  diesen  berülirt  hätte.  Dem  ist  entgegen- 
zuhalten, dass  Nithard,  was  Meyer  v.  K.  übrigens  selbst  ausdrücklich 
betont,  ja  dann  auch  den  Rhein-  und  den  Engersgau  hätte  nennen 
müssen,  welche  beide  Karlmann  nicht  umgehen  konnte,  wenn  er  den. 
von  dem  „Kenner  des  Nassauischen  Landes*'  beschriebenen  Weg  ein- 
schlug. Auf  dem  oben  für  Karlmann  in  Anspruch  genommenen  Wege 
über  Walluf  brauchte  nun  aber  der  Gau  Kunigeshundra  gar  nicht  be- 
treten zu  werden,  vielmehr  nur  der  Rheingau,  der  jedoch  bei  Kernel 
(11  km  vom  Rhein)  bereits  verlassen  und  mit  dem  Einrieb  vertauscht 
wurde.  Innerhalb  dieses  Gaus  wurden  dann  die  etwa  36  km  bis  Nieder- 
lahnstein gemacht,  wo  der  Engersgau  für  die  kurze  Strecke  bis  Ehren- 
breitstein  berührt  werden  musste.  Auch  bei  der  Annahme  des  Weges 
Nassau — Ems — Ehrenbreitstein  fallen  25  km  auf  den  Einrieb,  17  km 
auf  den  Engers-,  1 1  km  auf  den  Rheingau.  Dass  Karlmann  allerdings, 
wie  M.  v.  K.  Anm.  222  sehr  hübsch  und  scharfsinnig  ausführt,  den 
Gau  Kunigeshundra  deshalb  nicht  betreten  habe  und  nicht  betreten 
wollte,  weil  dessen  Graf  Hatto  auf  Lothars  Seite  stand,  das  möclite 
doch  anzuzweifeln  sein.  Denn  wer  hätte  ihm  daselbst  Widerstand  be- 
reiten können!  und  eine  im  Durchmarsch  vorgenommene  Plünderung, 
wie  vorher  die  im  Wormsfelde,  hätte  den  Feinden  Lothars  doch  nur 
Freude  und  Vorteil  gewähren  können,  vorausgesetzt,  dass  sie  sich  nicht 
zu  lange  dabei  aufhielten. 

Als  zwar  nicht  überall  neues,  wohl  aber  feststehendes  Ergebnis 
der  vorstehenden  Untersuchung  wäre  kurz  zusammengefasst  etwa  folgen- 
des anzusehen: 

Der  Marsch  von  Mainz  bis  Coblenz  war  auf  allen  drei  von 
Nithard  wirklich  genannten  Wegen  in  anderthalb  Tagen  für  kleinere 
Reiterheere   sehr  wohl   ausführbar.     Nithards  Angaben   über  die  Dauer 


354  ISd.  Ausfeld 

des  Marsches  sind  also  durchaus  nicht  in  Zweifel  zn  ziehen.  Karls 
Weg  über  den  Hnnsrück  muss  als  der  schwierigste  und  längste  ange- 
sehen werden.  Ludwig  scheint  einen  Teil  seiner  Reiter  in  Mainz  oder 
Bingen  eingeschifft,  den  anderen  auf  dem  Landwege  das  linke  Rbein- 
ufer  entlang  nach  Goblcnz  geführt  zu  haben.  Jedenfalls  benutzte  er 
die  Wasserstrasse  und  hatte  vor  den  anderen  Ileerführera  den  Vorteil 
voraus,  seine  Truppen  in  kampffähigem  Zustande  nach  Coblenz  zu 
bringen.  Karlmann  wählte  den  bei  weitem  kürzesten  Weg,  indem  er 
den  Rhein  in  der  Nähe  von  Mainz,  einige  Kilometer  unterhalb  dieser 
Stadt,  etwa  nach  Niederwalluf  zu  überschritt,  den  Rheingau  an  seiner 
östlichen  Grenze  durchquerte,  den  Einrieb  in  der  Gegend  von  Kernel 
erreichte  und  in  diesem  Gau  den  grössten  Teil  des  Marsches,  sei  e^ 
über  Nastätten— Miehlen — Braubach,  sei  es  über  Pohl— Nassau— Ems 
— Ehrenbreitstein,  zurücklegte.  Eine  Unklarheit  in  der  Ausdrucksweise 
bei  Nithard  ist  nur  bezüglich  des  von  Ludwig  genommenen  Weges  zn 
erblicken.  Hingegen  ist  die  Marschangabe  der  Xantener  Annalen  „per 
angustum  iter  asperum  Gronneorum"  nicht  für  die  Bestimmung  der 
Gegend  zu  brauchen;  sie  bestätigt  lediglich  die  Jiuch  von  Nithard  an- 
gedeutete Schwierigkeit  auf  dem  Marsche  der  von  Karl  dem  Kahlen 
geführten  Heeresabteilung. 


-K>- 


Recensionen. 

Die  Kunsidenkmäler  der  Rheinprovinz.    Dritter  Band.  L  If.   Die  Kunst- 
denkmäler der  Stadt  und  des  Kreises  Düsseldorf,  der  Städte  Barmen, 
Elberfeld,  Remscheid  und  der  Kreise  Leunep,  Mettmann  und  So- 
lingen, im  Auftrage  des  Provinzialverbandes  der  Rheinprovinz  heraus- 
gegeben von  Paul  Giemen,   Düsseldorf,   L.   Schwann,    1895.  — 
Angezeigt  von  Prof.  Dr.  Paul  Lehfeldt  in  Berlin. 
Plan  und  Ausführung  des  Werkes  sind  dieselben  wie  in  den  früheren 
Heften  geblieben  ^),  so  dass  der  Leser  mit  gleicher  Freude  die  BeschreibuDgen 
und  Abbildungen  der  in  dem  vorliegenden  südöstlichen  Teil  des  Regierungs- 
bezirkes Düsseldorf  behandelten  Bau-  und  Kunstdenkmäler  aufnehmen  wird. 
Der  Litteratur  wird  teilweise  ganz  Neues,  teilweise  Bekanntes  in  neuem  Licht 
und  Zusammenhang  geboten. 

Römerbauten  und  Römerfunde  treten  hier  gegen  frühere  Hefte  zurück, 
der  Natur  des  Landesgebietes  entsprechend.  In  Bürgel  (Kreis  Solingen)  hat 
sich  ein  ziemlich  bedeutendes  römisches  Kastell  erhalten,   innerhalb  dessen 

1)  Vgl.  Westd.  Ztscbr.  XI  (1892)  S.  76  ff.;  XU  (1S98)  S.  9.  ff.  uad  XIV  (1896)  S.806. 


Recensionen.  .355 

eine  kleine  Barg  im  Mittelalter  gebaut  warde.  Germanische  und  fränkische 
Anlagen  oder  Funde  sind  ebenfalls  hier  nicht  häufig;  bei  Hain  und  Hilden 
(Kreis  Düsseldorf)  befinden  sich  frühmittelalterliche  Erdbefestigungen  grosserer 
Art,  von  denen  die  erstere  der  Wallburg  bei  llünxe  (Kreis  lluhrort)  ähnlich  ist. 

Dagegen  ist  früh  unter  dem  Schutz  der  fränkisclien  Könige  hier  Christen- 
tum und  Kultur  eingedrungen.  Der  hauptsächliche  kirchliche  Ausgangspunkt 
war  die  Klosterschöpfung  des  heiligen  Suitbert  (f  713)  auf  der  Rheininsel 
unterhalb  Düsseldorfs,  dem  seit  Kaiser  Friedrich  1  sogenannten  Kaiserswerth. 
Freilich  ist  die  jetzt  bestehende  Kirche  nicht  der  Ursprungsbau.  Ihr  West- 
teil ist  hochromanisch,  nämlich  das  Langhaus  (die  bedeutendste  romanische 
dreischiffige  Pfeilerbasilika  am  Niederrhein  nächst  der  Maria  im  Capitol- 
Kirche  zu  Köln)  und  das  dreischiffige  Querhaus  sind  um  1020  vollendet,  wie 
Giemen  als  zweifellos  annimmt,  einfach,  mit  Balkendecke.  Der  reichere  Ost- 
teil wurde  im  Übergangsstil  wohl  1264  vollendet,  seine  drei  über  die  Kreuz- 
arme hinaus  verlängerten,  dem  älteren  Kreuzhaus  ungefähr  gleich  weiten,  mit 
Kreuzgewölben  versehenen  Schiffe  sind  in  drei  aussen  gebrochenen  Chören 
geschlossen.  In  interessanter  Weise  sind  die  zwischen  diese  Chorschlüsse  ge- 
stellten Osttürme  unten  im  Innern  in  ihren  Mauern  dadurch  verdeckt,  dass 
zwischen  die  beiden  Aussenmauern  der  beiden  Türme  ein  geknicktes  schmales 
Tonnengewölbe  gespannt  und  davor  nach  der  Kirche  zu  ein  einfacherer, 
nach  Osten  zu  ein  reicherer,  mit  Knospenkapitellen  auf  starken  Dreiviertel- 
säulen ruhender  Bogen  gestellt  wurde.  Eine  kleine  zierliche  Vorhalle  am 
nördlichen  Querarm,  ebenfalls,  wie  die  Kirche  selbst,  bei  Giemen  abgebildet, 
zeigt,  welche  Wirkung  (abgesehen  von  Details,  wie  Kapitellen)  der  Romanismus 
lediglich  durch  die  Vereinigung  von  Rundbogenformen  erreicht.  Im  Übrigen 
ist  die  Kaiserswerther  Kirche,  welche  1243  ihren  Westturm  verlor  und 
besonders  1702  Beschädigungen  erlitt,  in  glänzender  Weise  in  den  Jahren 
1870 — 77  durch  Rincklake  wiederhergestellt  und  mit  zwei  Westtürmen  ver- 
seben worden.  Der  in  der  Kirche  aufbewahrte  kostbare  (durch  guten  Licht- 
druck wiedergegebene)  Reliquienschrein  des  heil.  Siutbert  —  in  Giebelhaus- 
Form,  mit  Kleebogen -Arkaden  —  1264  vollendet,  bildet  den  glänzenden 
Abschluss  der  durch  das  Reliquiengetass  von  Xanten  eröffneten  Reihe  der 
niederrheinischen  Schreine  zu  Aachen,  Deutz,  Köln  und  Siegburg,  in  Aufbau 
und  Ornamentik  noch  ganz  romanisch,  dem  1215  vollendeten  Karlsschrein  zu 
Aachen  gleich,  aber  in  den  Figuren  schon  den  zartesten  und  reinsten  früh- 
gotischen Stil  verratend.  —  Die  Burg,  welche  Friedrich  II  Barbarossa  hier 
an  Stelle  jenes  älteren  (durch  Heinrichs  IV  Entführung  berühmten)  Königs- 
hofes erbaute,  weist  trotz  der  Zerstörung  von  1702  noch  interessante  Reste 
auf,  deren  genaue  Untersuchung  durch  Giemen  dankenswert  ist  (die  Ansichten 
könnten  etwas  charaktervoller  sein).  Ein  spätrömanischer  Privatbau  findet 
sich  in  Kaiserswerth  noch  in  dem  Männerpflegehaus  des  kath.  ICrankenhauses ; 
auch  hier  ist  eine  schmuckvolle  Fensterüberdeckung  durch  Rundbogen-Motive 
gewonnen  (ein  in  der  Mitte  zusammenkommendes  Bogenpaar,  davor  bezw. 
darüber  ein  vorderes  auf  Mittelconsole,  davor  ein  Kleebogen).  Die  feestau- 
rierung  dieses  Hauses  wie  der  Kirche  ist  im  Wesentlichen  dem  hingebenden 
Eifer  des  Pfarrers  Dauzenberg  zu  verdanken. 

Der  hervorragendste  Kirchenbau  des  Übergangsstiles  nördlich  von  Köln 


356  Recensionen. 

(neben   der  Abteikirche   zu  Werden   und   der  Quirinskircbe   zu   Neuss)   die 
1214—36  gebaute  Kirche  des  Damenstiftsklosters  zu  Gerresheim,  eine  schlanke 
kreuzförmige  gewölbte  Pfeilerbasilika  mit  rundem  Chorschluss  und  hohem 
achteckigen  dem  Bonner  verwandten  Vierungsturm.    Die  Scheidebugen  der 
Schiffe  gleichen  deneQ  zu  Werden,   von  den  zu  dreien  angeordneten,   schon 
spitzbogigen  Fenstern  der  Querhausgiebel  zeigt  das  höher  geführte  mittlere 
eigentümlich  drei  Kreisöffnungen  übeinander  (Nachklang  der  altchristlichen 
Baukunst?).     Das  Apsisgewölbe  hat  mit  Rosetten  geschmückte  Rippen.     An 
der  Westseite  und  dem  Südschiffe  rundbogige  Portale  mit  abgetreppten  Ge- 
wänden, Ringen  an  Säulen  und  Bogenwulsten  und  reichen  Kämpfergesimsen. 
Im  Norden  stösst  das  zweistöckige  Kapitelhaus  an  die  Kirche;  von  dem  hier 
sich  anschliessenden  Kreuzgang  (Spitzbögen  auf  gepaarten  Säulen  mit  schönen 
Kapitellen)  ist  nur  die  als  Schuppen  für  Feuerwehrgeräte  dienende  Ostseite, 
auch  sie   nur  trümmerhaft  erhalten;   noch  1891  sind,   um   eine  Feuerleiter 
unterzubringen,  die  Säulen  aus  einem  Bogen  herausgeschlagen  worden.   Grund- 
riss,  Schnitt  und  Aufrisse  vom  verstorbenen  Wiethase  verdeutlichen  den  Text 
ungemein  und  übertreffen  die  Perspektiven  an  Genauigkeit.    Manche  Kunst- 
denkmäler  fesseln  uns  in  der  Gerresheimer  Kirche.    Der  Hoclialtartisch  ist 
spätromanisch   gehalten,   durch   Säulen   mit  Blattkapitellen   geteilt,    in   den 
Feldern  mit  Kleebogen  -  Blenden  auf  Säulchen  belebt.     Der  Sarkophag  des 
heil.  Gericus,  dem  Alfridssarkophag  in  dem  Münster  zu  Essen  entsprechend, 
aus  Sandstein,  ist  ein  Werk  des  14.  Jahrhunderts,  an  den  Seiten  durch  Blend- 
bögen mit  verzierten  Wimpergen  zwischen  Fialen  unterbrochen.    Die  Chor- 
stühle sind  1707  derb  aber  wirkungsvoll  geschnitzt.     Ein  Holzcruzitix  aus 
dem   12.  Jahrhundert  von   schlanken   edlen  Formen  und   charakteristischer 
Kopfneigung  hat  noch  Reste  alter  Bemalung.    Durch  aus'm  Weerth  bekannt 
ist  der  romanische  Reliquienschrein  mit  limousiner  Emails.    Die  vom  Ende 
des  14.  Jahrhunderts  stammende,  reich  verzierte  Monstranz  aus  vergoldetem 
Silber  mit  doppeltem  Strebesystem   zu  den  Seiten  des  aufrecht  stehenden 
Schaucylinders  ist  im  Werke  durch  Lichtdruck  dargestellt;   neben  ihr  die 
zeitlich  und  vielleicht  auch  dem  Meister  nach  nahe  stehende  Monstranz  in 
der  Pfarrkirche  zu  Ratingen.    Die  ratinger  Monstranz,  inschriftlich  von  1394, 
nach  Giemen  die  bedeutendste  des  14.  Jahrhunderts  am  ganzen  Rhein,  ist  im 
Gesamtaufbau  einfacher,  in  der  Detailentwickelung  ungemein  reich,  am  Fuss, 
Cylinder  und  Bekrönung  mit  durchbrochenen  Strebewerken,  Blattwerken  und 
Heiligen-   bezw.  Jünglingsfiguren   verziert.     Die  Kirche   selbst   zu  Ratingen 
ist  der  dritte  der  bedeutenden  Kirchenbauten  des  Kreises  Düsseldorf  aus  dem 
13.  Jahrhundert.  Die  Stiftung  ist  eine  der  ältesten,  wahrscheinlich  von  Kaisers- 
werth  ausgegangen.     Das  dreischiffige,  vor  dem  letzten  Umbau  funQochige 
Langhaus  birgt  in  den  mittleren  Jochen  seiner  Seitenschiffe  zugleich  die  Erd- 
geschosse der  östlichen  Türme,  welche  in  kühner  Weise  unterfangen  und  mit 
ihren  Ecken  aui  Säulen  gesetzt  sind,  um  im  Innern  nicht  zu  stören.   Clemen 
hat  hier  richtig  erkannt,   dass  diese   beiden  Türme   und  die  (früheren)  Um- 
fassungsmauern des  Ostteiles  von  dem  ältesten  romanischen  Bau  (um  1165) 
herrühren.    Später  (nach  1260)  wurde  die  Kirche  nach  Westen  verlängert; 
von  daher  der  mächtige,  riergeschossige  Westturm  mit  seinem  mehrfach  ab- 
gestuften, rundbogigen,  rechteckig  umzogenen  Westportal.    Die  beiden  alten 


Recensionen  357 

Türme  wurden  in  der  gedachten  Weise  unten  geöffnet,  als  im  14.  Jahrhundert 
die  Kirche  zu  einer  einheitlichen  Hallenkirche  umgewandelt  wurde.  1892 
wurde  der  Ostbau  vor  den  beiden  Türmen  abgerissen  und  hier  durch  Wiethase 
ein  geräumiger  Erweiterungsbau  errichtet.  Der  Gnmdriss  bei  Giemen  giebt 
die  Kirche  vor  1891  wieder,  eine  Zeichnung  stellt  die  Südseite  ebenfalls  vor 
dem  Umbau,  doch  nach  dem  1891  erfolgten  Abbruch  einer  dem  östlichen  Joch 
vorgebauten  Annenkapelle  dar. 

Eine  stattliche  romanische  dreischiflige  Pfeilerbasilika  ist  die  Kirche 
zu  Hilden.  An  ihr  ist  die  Gliederung  der  Emporen  bemerkenswert;  nach 
dem  Mittelschiff  zu  öffnen  die  Emporen  sich  mit  je  vier  Doppelbögen,  die  je 
von  einem  gemeinsamen  Kleebogen  überspannt  sind,  die  äussere  Kappe  der 
Kreuzgewölbe  geht  in  jedem  Joch  direkt  in  die  durch  Yierpassfenster  er- 
leuchtete, nischenförmig  ausgerimdete  Aussenmauer  über,  ein  nicht  häufiges 
(aber  schon  im  Münster  zu  Aachen  angewendetes)  Mittel  zur  Entlastung  der 
Aussenmauem. 

Eine  Menge  kleinerer,  dreischiffiger  Kirchen  des  Romanismus  und 
Übergangsstiles  liegt  um  Düsseldorf  herum,  zum  grossen  Teil  von  Kaisers- 
werth  aus  gegründet  und  von  dessen  Kirche  baugeschichtlich  abhängig :  Ben- 
rath;  Bilk  mit  schönen  Knospenkapitellen  der  Dienste  und  dem  schönsten 
Turmbau  des  bergischen  Landes ;  Erkrath,  dessen  Innenwirkung  an  Bedeutung 
die  meisten  Kirchen  dieses  Schemas  überragt  (Autotypie  bei  Giemen);  Ilim- 
melgeist  mit  wirkungsvoller  Gruppierung  und  Emporgipfelung  von  den  drei 
runden  Ost- Apsiden  zum  Ghor-Rechteck  bezw.  Nebenschiff,  weiter  zum  Mittel- 
schiff und  zum  hohen,  mit  schlankem  Achteck -Helm  aufsteigenden  Turm; 
Hubbelrath;  Itter,  das  1862  stark  und  zum  Schaden  restauriert  worden  ist; 
Kalkum;  Mündelheim  mit  sorgfaltig  und  schön  ornamentierten  Kapitellen  im 
Innern  und  fünfgeschossigem  Turm ;  Wittlaer,  mit  ungewöhnlich  breitem  (den 
Ghor  wie  den  Westturm  an  Breite  übertreffendem)  Mittelschiff,  das  durch 
Höhe  und  Helligkeit  imponiert.  In  dem  lenneper,  mettmanner  und  solinger 
Kreis  sind  die  Kirchen  in  Burg,  mit  hübschen  Säulenstellungen  im  Ghor, 
Dussel  (1888  nach  Osten  erweitert),  Monheim  und  Richrath  die  hervor- 
tretendsten.  Den  Typus  der  einschiffigen,  gewölbten  Basilika  giebt  in  geradezu 
normaler  Weise  die  katholische  Kirche  zu  Gruiten  wieder. 

Im  Laufe  des  12.  Jahrhunderts  entwickelte  sich  zugleich  die  Macht 
der  Grafen  von  Berg,  welche  im  folgenden  Jahrhundert  ihre  Herrschaft  gegen- 
über dem  Erzstift  Köln  und  den  andern  Grafengeschlechtern  befestigten  und 
aasbreiteten,  sowie  die  Bedeutung  der  unter  ihrem  Schutze  sich  entwickelnden 
Städte.  Düsseldorf,  seit  1159  erwähnt,  wurde  gleich  nach  dem  Siege  bei 
Worringen  1288  zur  Stadt  erhoben,  Elberfeld  hatte  seit  1176  die  bergischen 
Grafen  zu  Vögten,  seit  der  1.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  zu  unbestrittenen 
Herren  und  wurde  eine  der  Lieblingsresidenzen.  1348  kam  die  Grafschaft 
Berg  an  das  Herrscherhaus  von  Jiilich  und  wurde  mit  ihr  1423  politisch  ver- 
einigt; 1521  kamen  dazu  Reemsberg,  Kleve  und  Mark. 

In  Düsseldorf  wurde  an  Stelle  einer  älteren  Kirche  die  Pfarrkirche 
1206  in  Backstein  mit  Details  und  Verblendungen  von  Haustein  gebaut,  dann 
1370—94  in  Backstein  gotisch  umgebaut  und  erweitert,  nun  als  sehr  breite 
dreiscbiffige  Hallenkirche  mit  um  den  dreiseitigen  Chor  herumgeführten  Seiten- 


358  Becensionen. 

schiffen  und  hohem  Westturm,  im  Innern  wesentlich  schmuckToUer,  als  im 
Äusseren.  Ihr  um  1475  gestiftetes  Sakramentshäuschen  ist  das  glänzendste 
der  Spätgotik  am  Niederrhein,  ein  Fünfseit,  auf  einem  Kempfeiler  und  um- 
stellenden Säulchen,  mit  Uelmbekrünung  und  in  reichster  architektonischer 
Ausbildung  mit  Figuren,  bis  zur  Höhe  von  16  m  aufsteigend.  Das  Pracht- 
Grabmal  des  Herzogs  Wilhelm  V  (f  1592)  ist  in  den  Formen  der  italienischen 
Renaissance  -  Wandgräber  (dreiteilig,  antikes  Triumphbogen-Motiv),  aus  ver- 
schiedenfarbigen Marmorarten  wohl  von  Gilles  de  Riviere  und  Niccolo  Pippi 
von  Arras  gearbeitet,  die  Figuren  virtuos  gemeisselt.  Mit  zu  grosser  Berech- 
nung ist  die  Figur  des  Herzogs  verhältnismässig  schlicht,  sind  dagegen  die 
religiösen  Darstellungen  (jüngstes  Gericht)  mehr  nach  der  Seite  des  Maleiischen 
und  Weichen  hin  behandelt,  die  allegorischen  Gestalten  dramatisch  lebhaft 
gehalten.  Bei  den  Restaurationsarbeiten  im  Innern  kamen  u.  a.  Wandgemälde 
zum  Vorschein,  an  den  Chorschranken  Einzelßguren  von  Heiligen  aus  der 
Frühzeit  des  14.  Jahrhunderts,  einfach  und  zart;  an  der  nördlichen  Chor- 
wand, im  Südschiii  und  neben  der  Sakristeithür  aus  der  2.  Hälfte  des  15- 
Jahrhunderts  Darstellungen  aus  der  Heiligenlegende,  eine  Anbetung  der 
Könige,  und  besonders  ein  (von  Prof.  Lauenstein  restauriertes)  feines  und  be- 
deutendes Gemälde,  Maria  mit  dem  Kind  auf  dem  Schoss  sitzend,  mit  musi- 
zierenden und  lesenden  Engeln  und  dem  knieenden  Stifter  in  echt  altkölnischem 
Stil ;  über  der  Sakristeithür  das  Wandbild  der  heiligen  Kümmemiss  mit  dem 
ausgezogenen  Schuh,  zu  Füssen  den  knieenden  Stifter,  inhaltlich  interessant. 
Im  Kirchenschatz  u.  a.  ein  lebensgrosser  Reliquienkopf  aus  der  2.  Hälfte  des 
12.  Jahrhunderts,  stilisiert,  doch  mit  ausgesprochenen  Bildniszügen;  eine  der 
grössten  und  künstlerisch  bedeutendsten  Monstranzen  aus  der  Zeit  um  1500, 
aus  einer  böhmischen  Kirche  stammend,  von  Gustav  Adolf  an  Herzog  Philipp 
Wilhelm  geschenkt;  der  schöne,  spätgotische,  aus  vergoldetem  Silber  ge- 
triebene Buchdeckel  mit  der  Krönung  Marias,  welcher  auf  der  Düsseldorfer 
Ausstellung  1880  zu  sehen  war. 

Ein  spätgotischer  Kirchenbau  ist  die  Klosterkirche  zu  Beyenburg  von 
1485,  später  zum  Teil  restauriert  (mit  Dachreiter  etc.),  aber  mit  einigen 
alten  guten  Masswerk  •  Fenstern  und  prächtigen  (um  1700  umgeänderten) 
Chorstühlen. 

Grössere  geschnitzte  oder  gemalte  Altarwerke  des  15.  oder  16.  Jahr- 
hunderts sind  in  den  hier  behandelten  Kreisen  seltener,  als  in  denen  der 
früheren  Hefte.  Ein  tüchtiges  Dreiilügelbild  in  der  Art  der  Schule  von 
Barth,  de  Bruyn  befindet  sich  in  der  Kirche  zu  Homberg.  Viel  ist  in  Privat- 
besitz gekommen. 

Von  weltlichen  Gebäuden  des  Mittelalters  enthält  u.  A.  die  Burg  zn 
Angermund  noch  Gebäudeteile  des  13.  Jahrhunderts.  Bedeutende  Schloss- 
Anlagen  finden  sich  in  Burg  an  der  Wupper  (s.  u.),  in  Hückeswagen,  wo  an 
den  Chor  der  Kirche  das  Schloss  im  rechten  Winkel  stösst  und  hier  in  der 
Ecke  ein  Turm  zusammen  mit  einem  anderen  Schlossturm  und  dem  Kirch- 
turm die  sonst  einfache  Gestalt  belebt.  Das  Schloss  des  Herrn  von  Hems- 
berg  in  Rheindorf  (Kreis  Solingen),  aus  Bauten  des  15.  oder  16.  und  18. 
Jahrhunderts  zusammengesetzt,  wirkt  trotz  wenig  schmuckvoUer  Ausbildung 
ebenfalls   malerisch  durch  Gruppierung  der  Teile  und  durch  hohe  Dächer, 


hecensionett.  §59 

sowie  durch  die  Stellung  bei  der  Kirche,  deren  alter  Turm  dahinter  mit 
schlankem  Helm  aufsteigt.  Das  gräflich  Mirbachsche  Schloss  zu  Vorst  ist 
eine  sehr  ausgedehnte  Anlage,  wohl  geeignet,  die  IJefestigungskunst  des  14. 
und  15.  Jahrhunderts  zu  illustrieren. 

Im  16.  Jahrhundert  nahm  das  Herrscherhaus,  trotz  der  unglücklichen 
Umstände  der  Regenten  selbst,  dennoch  Teil  an  dem  Aufschwang  der  Kultur 
und  so  auch  der  Kirnst;  mit  glänzenden  Festen  ging  eine  bedeutende  Ban- 
thättgkeit  Hand  in  Hand.  Düsseldorf  ward  1511  zur  Landeshauptstadt  er- 
hoben und  erblühte  kräftig.  1570  ward  das  stattliche  (1749  erneuerte)  Rathans 
als  ein  dreistöckiger  Backsteinbau  mit  vortretendem  kuppelbekröntem  Trep- 
pentnrm  und  Schweifgiebeln  errichtet.  Umfangreiche  Schlossbauten  entstanden 
überall  im  Lande.  So  das  jetzt  den  Reichsfreiherren  von  Fürstenberg  ge- 
hörige Hugenpoet,  eine  Gruppe  von  zwei  Yorburgen  und  einem  Herrenhaus, 
Bauten  von  1500  und  1648—1696  (an  Stelle  eines  mittelalterlichen);  den 
Hauptschmuck  bilden  mehrere  steinerne  Kamine,  besonders  zwei  von  1577 
und  1578,  die  glänzendsten  Werke  der  rheinisch-westfälischen  Spätrenaissance 
unter  niederländischem  Einfluss.  Dass  sie  ebenso  schön  im  Aufbau  wie  in 
der  Ausfühning  der  Ornamente  und  Figuren  (biblischer  und  klassischer  Reliefs, 
Figuren  des  alten  Testaments  und  der  Allegorie)  sind,  zeigen  ein  schöner 
Lichtdruck  und  eine  Autotypie. 

Ähnliche  Anlage  von  rechtwinklich  um  einen  Hof  gruppierten  Flügel- 
bauten weisen  die  Schlösser  von  Heitorf  und  Kalkum  (um  1500)  im  Kreis 
Düsseldorf,  von  Graven  und  Nesselrode  im  Kreis  Solingen  auf.  Gefällig 
restauriert  ist  das  Schloss  des  Freiherm  von  Landsberg-Velen  in  Landsberg. 

Der  nach  dem  Erbfolgekrieg  1624  erfolgte  Übergang  des  Landes  an 
das  (seit  1615)  katholische  pfalzgräHich  bairische  Herrscherhaus  brachte 
manches  Neue,  Schwierigkeiten  und  Anregungen,  ein  neues  kirchliches  Wesen 
und  einen  im  Laufe  des  Jahrhunderts  immer  mehr  von  Frankreich  bceinflussten 
Fürstenhof. 

Für  die  im  Jahre  1619  nach  Düsseldorf  gekommenen  Jesuiten  wurde 
1622  durch  den  Herzog  Wolfgang  Wilhelm  die  Andreaskirche  begonnen  und 
1629  eingeweiht  (in  gleichem  Jahre  wie  die  Jesuitenkirche  in  Köln),  eines  der 
besten  Beispiele  des  rheinischen  Jesuitenstils,  ein  dreischiffiger  Hallenbau 
mit  zwei  Türmen  am  Ende  des  Langhauses  nach  dem  Chor  hin,  einem  drei- 
seitig geschlossenen  Chor  mit  Schweif kuppel,  an  den  sich  noch  das  aussen 
zwölf-  innen  sechseckige  Mausoleum  mit  Schweif  kuppel,  Aufsatz  und  Kuppelchne 
anschliesst.  (Clemen  schreibt :  nach  Norden,  während  die  Zeichnung  das  Mau- 
soleum in  Axenfortsetzung  der  von  Clemen  als  Westfa(;ade  bezeichneten  und 
demnach  auch  entsprechend  orientierten  Front  angiebt).  Die  ganze  Kirche  ist 
im  Innern  (guter  Lichtdruck  bei  Clemen)  auf  das  Reichste  architektonisch  oma- 
mental und  figürlich  mit  Stuck  verziert  (Vorbereitung  auf  Christum,  Drei- 
faltigkeit, Engel,  Propheten,  Verwandte  Christi,  Evangelisten  und  Heilige, 
schliesslich  Büsten  der  Heiligen  Ignaz  und  Franz  Xaver,  die  auch  nebst 
anderen  Heiligen  in  Holzfiguren  an  den  Wänden  aufgestellt  sind).  Den  Altar 
schmückt  ein  bedeutendes  Gemälde  der  Kreuzigung  aus  der  Schule  von 
Rubens.  Der  Schatz  enthält  eine  grosse  Anzahl  von  Silberarbeiten  des  17. 
und  18.  Jahrhunderts,  zum  Teil  interessante  Beispiele  für  Rococco-Omamentik 


360  Recensionett. 

im  kirchlichen  Dienst,  sowie  kostbare  Paramente,  sowie  eine  schwarze  Men- 
gewandang  mit  gold-  und  silbergestickten  Blumen,  durch  Autotypie  wieder- 
gegeben. 

Die  für  die  1650  nach  Düsseldorf  gekommenen  Franziskaner  gebaute 
Kirche  enthält  in  ihrer  Ausstattung  manches  ältere  hervorragende  Erzeugnis, 
so  ein  bronzenes  Adlerpult  von  1449  aus  der  Abtei  Altenberg,  dem  aachener 
Lesepult  ähnlich.  Die  1680—97  gebaute  Franziskanerkirche  zu  Neviges  lässt 
aussen  ionische  Pilaster  auf  drei  Seiten,  mitteklterliche  StrebepfeUer  auf  der 
vierten  Seite  sehen. 

In  Qräfrath  wurde  die  im  13.  Jahrhundert  gebaute  Klosterkirche  nach 
Brand  im  Jahre  1690  mit  Benutzung  älterer  Teile  neu  aufgeführt,  im  Innern 
in  den  schwungvollsten  Formen  des  malerischen  Barock  ausgestattet,  mit 
Säulen-Altären,  deren  gebogene  und  gebrochene  Architrave  architektonisch 
belebt  erscheinen,  wie  die  plastischen  Werke  zwischen  den  Säulen,  danmter 
im  Mittelaltar  eine  Mariengruppe  in  Wolken -Strahlenkranz,  im  Nordaltar 
eine  Reiterstatue  des  heil.  Georg  mit  dem  Drachen  fast  theatralisch  lebhaft. 
Der  Schatz  birgt  prachtvolle  Werke  des  Mittelalters,  Monstranzen,  Reliquiare 
(eines  in  Kreuzform  von  dem  gleichen  Meister,  wie  die  zu  Gerresheim  und 
Ratingen),  gotische  Reliquientafeln  mit  Yierpass-Yerzierungen,  auch  eine  by- 
zantinische Reliquientafel  des  12.  Jahrhunderts  mit  einer  gemalten  Madonna 
in  verzierter  Umfassung  von  vergoldetem  Silber. 

Das  kriegerische  Wesen  der  Epoche  zeigt  sich  in  Burgenbauten  und 
Stadtbefestigungen.  Das  recht  normale  Beispiel  einer  Wasserburg  vom  Ende 
des  17.  Jahrhunderts  giebt  Schloss  Hardenberg  mit  doppeltem  Graben  und 
vier  Ecktürmen  auf  dem  ummauerten  Zwischenwall.  In  den  grösseren  Stadt- 
befestigungen wurde  das  Fortifikationssystem  zumal  am  Niederrhein  unter 
direktem  niederländischem  Einüuss  zu  einer  Kunst  erhoben.  Ist  es  schon  oft 
nicht  leicht,  ein  grösseres  und  verwickeltes  Bauwerk  mit  seinen  Jahrhunderte 
lang  fortgesetzten  Änderungen,  Hinzuthaten  und  Zerstörungen  dem  Leser 
kurz  und  dabei  deutlich  vor  Augen  zu  führen,  so  gilt  dies  in  noch  höherem 
Masse  von  rein  praktischen  Anlagenl,  wie  Stadtbefestigungen,  deren  allmäh- 
liches Umbilden  zu  den  interessantesten  Aufgaben  des  Kulturhistorikers  ge- 
hört. So  ist  die  periodenweise  Darstellung  des  Stadtbefestigung  von  Düssei- 
dori  doppelt  schätzenswert,  die  Giemen  durch  Wiedergabe  von  Plänen  der 
Zeiten  des  13.,  14.,  17.  und  18.  Jahrhunderts,  in  gleichem  Massstab,  auf  das 
Glücklichste  unterstützen  konnte.  Nicht  ohne  Reiz  ist  auch  die  Stadtbe- 
festigung von  Ratingen  (bes.  16.  und  16.  Jahrb.). 

Im  Jahre  1690  wurde  Jülich-Berg  mit  der  Kurpfalz  vereinigt  und 
Düsseldorf  Hauptstadt.  Glänzende  Projekte,  so  eine  grossartige  Schloss-An- 
lage  am  Rhein,  kamen  aus  Mangel  an  Geldbewilligungen  seitens  der  Stände 
nicht  zur  Ausfuhrung.  Dafür  baute  der  Kurfürst  Johann  Wilhelm  die  alte 
Residenz  aus  (1756  umgestaltet,  1872  abgebaut)  und  führte  im  Lande  zier- 
liche Schlösschen  auf.  Eine  Menge  der  damals  bedeutenden  auswärtigen 
Künstler  wurden  an  den  Hof  gezogen  und  beschäftigt,  Architekten  aus  Italien, 
der  Bildhauer  Gabriel  von  Grupello  und  der  Maler  Adrian  von  der  Werff 
aus  den  Niederlanden;  ausserdem  die  Maler  Johann  Franz  Douven,  Antonio 
Pellegrini,   Domenico  Zanetti  und  Andere.    Damals   entstand  auch  die  be* 


RecensioneA.  361 

rühmte  Düsseldorfer  Gemäldegallerie,  die  1806  zum  Schmerz  der  Stadt  nach 
München  übergeführt  wurde.  Von  Grupello  ist  u.  Ä.  die  Reiterstatue  des 
Kurfürsten  auf  dem  Markt  in  Düsseldorf,  1711  aufgestellt,  im  Stil  der  da- 
maligen imperatorenhaft  gehaltenen  Bildsäulen ;  das  ruhig  ausschreitende  Ross 
gut  und  edel  gebildet,  der  Kurfürst  steif,  weniger  gelungen.  Freilich  passen 
auch  das  runde  Gesicht  und  der  untersetzte  Körper  wenig  zu  der  Haltung 
des  gerüsteten  Feldherm,  der  mit  Allongenperücke  und  Fürstenhut  darge- 
stellt, den  Kommandostab  gebieterisch  hebt.  Wahrscheinlich  auch  von  Gru- 
pello ist  die  stehende  Bronzefigur  desselben  Fürsten,  ebenfalls  in  Rüstung 
mit  Feldhermstab,  im  Gartensaal  des  Jägerhofes  zu  Pempelfort;  Marmor- 
werke von  ihm  sind  die  Büsten  des  Kurfürsten  und  seiner  Gemahlin  Maria  Anna 
im  Treppenhause  der  Kunstakademie,  kleinere  Bronzewerke  eine  Büste  des- 
selben Fürsten,  Figuren  der  Minerva  und  des  Paris  in  der  Landesbibliothek 
zu  Düsseldorf.  Gemälde  von  van  Douwen  kann  man  u.  A.  im  Schlosa  des 
Reichsgrafen  von  Spee  in  Heitorf  kennen  lernen. 

Im  18.  Jahrhundert  wurden  von  den  pfälzischen  Regenten  zunächst 
deren  Stammlande  mehr  berücksichtigt;  unter  Karl  Theodor  aber  nahm  das 
Land  und  besonders  Düsseldorf  in  der  2.  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts 
einen  hohen  Aufschwung.  Der  Bau  von  Lehranstalten  und  nützlichen  Ge- 
bäuden wurde  unternommen,  doch  entstanden  auch  Gebäude,  die  mehr  zum 
Schmuck  dienten.  Das  stattliche  Jägerhaus  in  Pempelfort  wurde  im  Über- 
gangsstil vom  Roccoco  zum  Zopf  nach  französischen  Mustern  ausgeführt. 
In  Benrath  wurde  1755  durch  den  Architekten  Nicol.  de  Pigage,  der  auch 
in  Mannheim  und  Frankfurt  a.  M.  thätig  war,  das  Palais  in  höchst  geschick- 
tem Grundriss  und  in  vornehm  villenartigem  Stil  ausgeführt  und  die  Garten- 
anlage (de  Pigage  ist  auch  der  Schöpfer  der  Schwetzinger  Gärten)  in  wahr- 
haft künstlerischer  Weise  entworfen.  Der  Bildhauer  Baumgärtgen  war  für 
den  Hof  thätig;  eine  von  ihm  in  Marmor  gearbeitete  Statue  des  Kurfürsten 
Johann  Wilhelm  wurde  auf  dem  Schlosshof  zu  Düsseldorf  (an  Stelle  einer 
fortgekommenen  Fontaine  von  Grupello)  aufgestellt,  neuerdings  nach  einem 
Hof  hinter  dem  alten  Galleriegebäude  gebracht. 

Elberfeld  und  das  jülichsche  Bergland  traten  im  16.  und  17.  Jahr- 
hundert an  politischer  Bedeutung  gegen  den  Düsseldorfer  Landesteil  zurück. 
Dafür  gewann  es  an  Selbständigkeit.  Diese  äusserte  sich  in  der  energischen 
Durchführung  der  Reformation,  welche  gerade  hier  später  durch  den  Pietismus 
eine  besondere  Färbung  gewann,  und  in  dem  rapiden  Aufschwung  der  Industrie. 
Giemen  behandelt  die  geschichtliche  Seite  der  Metall-  und  Textil  -  Industrie 
in  seiner  Vorrede  kurz,  doch  interessant. 

Im  Gefolge  hiermit  entwickelte  sich  auch  eine  starke  weltliche  und 
kirchliche  Bauthätigkeit  in  Elberfeld,  Barmen,  Solingen  imd  andern  Orten. 
Die  Häuser  wurden  in  der  alten  Form  des  bergischen  Hauses  in  Fachwerk 
mit  Schiefer-  oder  Schindelverkleidtmg  gebaut,  mit  etwas  schmuckvollerer 
Ausstattung  der  Giebel,  Fenster  und  Thüren.  Sie  sind  freilich  nicht  an- 
nähernd zu  vergleichen  mit  den  reizvollen  imd  malerischen  Bauten  des  Mittel- 
rheins und  der  Mosel  oder  Niedersachsens;  auch  die  von  Giemen  gegebenen 
Abbildungen  aus  Elberfeld,  Solingen  und  anderen  Orten  bekunden  dies. 

Zahlreiche  Kirchen  entstanden,  der  Strenge  des  reformierten  Kultus 


362  fteccnsionet). 

entsprechend  als  einfache  Saalbauten,  nur  in  Zwiebelknppeln  mit  liatcmen- 
Aufsätzen  etwas  lebendiger  gestaltet.  Gute  Beispiele  geben  die  lutherische 
und  die  reformierte  ICirche  zu  Elberfeld,  erstere  1752,  letztere  mit  Benutzung 
einer  romanischen  Apsis  1690  errichtet,  die  Kin^he  zu  Lennep.  Reiz  gewannen 
sie  durch  das  Kunstgewerbe.  Der  Vorhof  der  evangelischen  Kirche  zu  Mett- 
mann schliesst  mit  einem  vorzüglich,  um  1775  geschmiedeten  (durch  Licht- 
druck wiedergegebenen)  Roccoco-Gitter  ab. 

Die  neueste  Zeit  interessiert  uns  inbezug  auf  uffentliche  oder  private 
Sammlungen  wertvoller  Werke  aus  vergangenen  Zeiten  und  durch  Restau- 
rationen älterer  Denkmäler. 

unter  den  Sammlungen  sind  in  Düsseldorf  das  Gewerbemuseum,  das 
historische  Museum  und  die  Landesbibliothek  bekannt;  letztere  von  Clcmen 
sehr  zweckentsprechend  summarisch  und  doch  mit  den  notigen  Angaben  für 
SpezialStudien  behandelt ;  bei  den  Bilderhandschriften  (auch  des  Staatsarchivs) 
ist  zu  unserer  Freude  unbeschadet  des  in  Aussicht  gestellten  Sammelwerkes  auch 
im  vorliegenden  Heft  dfts  Bedeutsamste  hervorgehoben,  um  dessenwillen  ein 
Forscher  nach  Düsseldorf  zu  gehen  hat.  Eine  so  wohlhabende  Stadt  wie 
Düsseldorf  hat  begreiflicher  Weise  auch  hervorragende  Privatsammlungcn, 
besonders  von  Gemälden  und  kunstgewerblichen  Erzeugnissen,  so  die  des 
Herrn  W.  Dahl  an  holländischen  Bildern,  die  des  Herrn  O.  Ranters  an 
römischen  und  germanischen  Funden. 

Die  von  A.  Fahne  zusammengebrachte  Gemäldesammlung  in  dem 
Schlosschen  zu  Gerresheim,  jetzt  Herrn  Pflaum  gehörig,  die  grösste  nieder- 
rheinische  Privatsammlung,  enthält  namentlich  Bilder  des  17.  und  18.  Jahr- 
hunderts, besonders  der  Hofkünstler  des  Kurfürsten  Johann  Wilhelm  (Nieder- 
länder und  Italiener).  Im  Schloss  Hugenpoet  befindet  sich  die  bedeutende, 
früher  auf  Haus  Borbeck  bewahrte  Sammlung  niederländischer  und  nieder- 
rheinischer  Gemälde  (Schule  des  Meisters  des  Todes  der  Maria). 

Von  bedeutender  Restaurationsthätigkeit  weiss  das  Schloss  Burg  (Kreis 
Lennep)  uns  Gutes  zu  lierichten.  Im  12.  Jahrhundert  von  den  Grafen  von 
Berg  gegründet,  im  13.  ausgebaut,  in  der  2.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  und 
im  16.  Jahrhundert  in  einzelnen  Teilen  (Palas,  Thorhaus  etc.)  umgebaut,  in 
den  Kriegen  des  17.  Jahrhunderts  mehrfach  beschädigt,  1648  ziemlich  zer- 
stört, nach  1707  wieder  bewohnbar  gemacht  für  bergische  Amtleute,  1807 
preussischer  Staatsbesitz  geworden,  für  Fabriken  und  noch  untergeordnetere 
Zwecke  vermietet,  1849  weiter  demoliert,  um  Holz  und  Eisen  für  einen 
Bau  in  Elberfeld  zu  gewinnen,  kurz  in  der  traurigsten  Weise  misshandclt, 
wurde  es  1887  durch  das  bergische  Volk  dem  völligen  Untergang  entrissen. 
Auf  Anregung  des  Herrn  J.  Schumacher  wurde  ein  Verein  gegründet,  der 
dank  der  kräftigen  Unterstützung  hochverdienter  Männer  bis  1894  aus  frei- 
willigen Beiträgen  130000  Mark  zusammenbrachte.  Nach  Plänen  des  Archi- 
tekten Fischer  in  Barmen  wurden  unter  genauer  Berücksichtigung  der  vor- 
handenen Reste  1890  der  Thorbau,  in  den  folgenden  Jahren  der  Palas  und 
der  Kapcllenbau  und  die  übrigen  Gebäude  hergestellt,  um  nun  für  Erholnng» 
Feste  und  Sammlungen  heimischer  Kunst-  und  Industrie  -  Erzengnisse  alter 
und  neuer  Zeit  zu  dienen.  Ein  wahrlich  grosses  und  schönes  Unternehmen! 
Abbildungen   bei  Clemen   geben  die  Grossartigkeit  des  Bnrgkomplexes,  den 


ttecensionett. 


363 


kunstgescilichtlichen  Wert  der  alten  Teile  und  die  geschickte  Ausführung 
der  Wiederherstellung  wieder,  und  so  sehen  wir  hier  am  praktischen  Bei- 
spiele, wie  die  Bestrebungen,  die  vaterländische  Eunstpflege  durch  Rede  und 
Schrift  zu  heben,  auf  gunstigen  Boden  fallend,  allseitig  Nutzen  stiften.  Der 
Weiterbau  am  Alten  giebt  auch  im  geistigen  Sinn  kräftige  Gnmdlagen  und 
Stützen  zu  neuen  Entwickelungen  und  Fortschritten.  Und  darum  sei  auch 
die  zur  Erkenntnis  dieser  Güter  beitragende  Denkml^er- Aufzeichnung  ferner- 
hin allen  Wohlgesinnten  empfohlen. 


WMtd.  Zeitschr.  f.  Gesch   u.  iCiinst    XI V,    IV. 


27 


Moseographie  über  das  Jahr  1894. 


1.  Schweiz,  Westdeutschland  und  Holland. 

Redigiert  von  Dr.  H.  Lehner. 


Schiveiz. 

Q     Basel,  Hittoritcbet  Museum  I  S.  518, 

II,  iv-vni. 

Am  21.  April  1894  wurde  das  Mu- 
seum in  dem  neuen  Raum,  der  Bar- 
fQsserkirche,  eingeweiht. 

An  Altertümern  wurden  erworben: 
1)  Griechisch:  Vase  mit  Henkel  und 
Trinkgefäss  aus  Thon,    aus  Ägypten. 

2)  Komisch:  Grabmonument  aus 
Angst,  Inschriftstein  aus  Äugst,  2  Thon- 
lämpchen,  eine  Schüssel  aus  Bronze, 
gef.  bei  Martigny,  eine  Goldmünze  des 
Munatius  Plauens  und  drei  andere 
römische  Münzen. 

3)  Alamannisch:  Ein  Grab,  aus- 
gegraben bei  Brombach  im  Wiesenthal. 

4)  Aus  dem  13.  bis  19.  Jahrb.: 
Grosse  Mengen  von  Waffen,  Thon-  und 
Glaswaren,  Hausgerät,  Kostümen,  Mö- 
beln, Gemälden,  Kupferstichen,  Metall- 
arbeiten ,  Textilgegenständen ,  Holz- 
plastik, Spielen,  Skulpturen  aus  Stein, 
Elfenbein  etc.,  Massen  und  Gewichten, 
Schlosserarbeiten,  Staats-  und  Zunft- 
altertümern, kirchlichen  Altertümern, 
Münzen  und  Medaillen,  Glasgemälden, 
Architekturteilen,  Büchern  u.  Modellen. 

(Nach  dem  Jahresbericht  des  Ver- 
eins für  das  historische  Museum  und 
für  Erhaltung  Baslerischer  Altertümer 
Jahrgang  1894.) 


HohenzoUern. 

Sigmaringen,  FOrstl.  Hohenzollenitches  H6a 
Museum  I S.  256,  VI-VHI,  X,  Xll,  XIII. 
Hauptsächlicher  Zuwachs  seit  1SU4. 

A.  Skulptur:  Diptychon  mit  vier- 
zehn Scenen  aus  der  Leidensgeschichte 
Christi.  Hochrelief.  Elfenbein.  Jede 
der  beiden  Tafeln  ist  in  drei  horizon- 
tale, oben  von  gotischen  Dreipässen 
abgeschlossene  Streifen  geteilt,  welche 
ohne  weitere  ornamentale  Trennung 
je  zwei  resp.  drei  Passionsscenen  ent- 
halten. Die  Darstellungen  be^inneo 
links  unten  und  gehen  über  beide  Tafeln 
in  folgender  Reihenfolge  fort:  Judas 
empfängt  den  Verräterlohn.  — •  Der 
Judaskuss.  —  Petrus  und  der  Knecht 
des  Malchus.  —  Christus  wird  vor 
Pilatus  geführt.  —  Christi  Verspot- 
tung.  —   Judas  am  Baume  hängend. 

—  Geisselung  Christi.  —  Pilatus  wäscht 
sich  die  Hände.  —  Die  Kreuztragun^. 

—  Christus  stirbt  am  Kreuze.  —  Die 
Kreuzabnahme.  —  Die  Grablegung.  — 
Christus  erscheint  der  Maria  Magda- 
lena. —  Christus  in  der  Vorhölle.  — 
n.  0,185,  Br.  (geöffnet)  0,195  m.  Fran- 
zösisch, 14.  Jh.  (Aus  der  Sammlung 
Spitzer). 

B.  Metallarbeiten:  1)  Zwei  Pla- 
ketten, die  Jahreszeiten ;  je  zwei  alle- 
gorische   Frauengestalten    in    antiker 


Museographie. 


36& 


Gewandung  mit  den  entsprechenden 
Attributen.  Hochrelief.  Bronze.  H.  je 
0,10,  Br.  0,09  m.  Französisch,  17.  Jh. 
2)  Plakette,  das  Urteil  des  Paris.  Halb- 
relief. Bronze.  Kreisrund,  Dm.  0,057  m. 
Arbeit  des  Giovanni  Fiorentino,  um 
1500.  3)  Plakette,  Jupiter  Ammon, 
Brustbild,  im  Profil  nach  rechts  Flach- 
relief. Bronze.  Oval,  H.  0,037,  Br. 
0,03  m.  Italienisch,  freie  Nachbildung 
der  Antike.  Anfang  des  16.  Jh.  4)  Pla- 
kette, Augustus,  Brustbild,  im  Profil 
nach  rechts.  Flachrelief.  Bronze.  Oval, 
H.  0,047,  Br.  0.032  m.  Italienisch, 
freie  Nachbildung  der  Antike.  Anfang 
des  16.  Jb.  5)  Plakette,  der  ungläu- 
bige Thomas.  Flachrelief.  Bronze. 
II  0,078,  Br.  0,059  m.  Niederländisch, 
16  Jh.  6)  Plakette,  Amor  schlafend 
Halbrelief.  Bronze.  Rund,  Dm.  0,061  m. 
Arbeit  des  Fra  Antonio  da  Brescia, 
um  1500.  7)  Plakette,  Beweinung 
Christi.  Flachrelief.  Bronze.  U.  0,046, 
Br.  0,042  m.  Italienisch,  Mittf^  des 
16.  Jh.  8)  Plakette,  Kreuzigung  Christi. 
Halbrelief.  Bronze.  H.  0,113,  Br. 
0,077  m.  Arbeit  des  Moderno,  um 
1500.  9)  Plakette,  Hercules  den  ne- 
meischen  Löwen  erwürgend.  Halbrelief. 
Bronze.  H.  0,077,  Br.  0,058  m.  Ar- 
beit des  Moderno,  um  1500.  10)  Pla- 
kette, eine  Muse  (Melpomene  ? ),  Frauen- 
gest alt  in  antiker  Gewandung,  mit  leb- 
hafter Handbewegung  nach  links  ge- 
wandt. Halbrelief.  Bronze.  H.  0,0«, 
Br.  0,051  m.  Arbeit  des  Peter  Flötner, 
Nürnberg,  1.  Hälfte  des  16.  Jh. 
11)  Bronzemedaille.  Vs.  Das  Brust- 
bild des  Fürsten  von  Rimini,  Sigismund 
Pandulfus  Malatesta,  im  Harnisch, 
linkshin.  Umschrift:  SIGISMVNDVS  • 
PANDVLFVS  •  MALATESTA  •  PAN  • 
F '  Rs.  Ansicht  des  Kastells  von 
Rimini.  Umschrift:  CASTELLVM  • 
SISMVNDVM  •  ARIMINENSE  •  M  • 
CCCC  •  XLVI.  Dm.  0,084  m.  Arbeit 
des  Matteo  de'  Pasti;  bez.  1446.  12) 
Bronzemedaille.  Vs.  Das  Brustbild  des 
Erzherzogs  Maximilian,  von  der  rech- 
ten Seite,  mit  langem  Lockenhaar, 
ein  Kranzlein  auf  dem  Haupte.  Um- 
schrift: MAXIMILIANVS  •  FR  •  CAES  • 
F  •  DVX  •  AVSTR  •  BVRGVND.  Rs. 
Brustbild  seiner  Gemahlin  Maria  von 
Hurgund,  von  rechts,  das  Haar  in  ei- 
nen Knoten  geschlungen.  In  ihrem 
Rücken  ein  Monogramm  unter  einer 
Krone.  Umschrift:  MARIA  •  KARO  LI  • 


FDVX-  BVRÖVNDIAE- AVSTRIAE- 
BRAB-C-FLAN:  Dm.  0,048  m.  Ar- 
beit des  Giovanni  de  Candida,  um  1477. 

13)  Bronzemedaille.  Vs.  Lorbeerbe- 
kränztes Bildnis  des  Caracalla  als 
Knabe  (freie  Kopie  einer  römischen 
Münze)  Umschrift:  ANTONINVS  • 
PIVS  •  AVGVSTVS.  Rs.  Ein  nackter 
Mann  (der  Künstler?)  sitzt,  die  Hände 
vor  das  Gesicht  haltend,  nach  rechts 
gewandt;  ihm  gegenüber  der  schlum- 
mernde Todesgenius,  auf  einen  Schä- 
del gestützt,  in  der  Linken  eine  Flamme. 
Umschrift:  10  *  SON  •  FINE.  Unten 
MCCCCLXVI.  Dm.  0,09  m.  Arbeit 
des  Yenetianers  Giov.  Boldu,  bez.  1466. 

14)  Bronzemedaille.  Vs.  Das  Brust- 
bild des  Dogen  M.  Anton.  Memmo,  nach 
rechts  gewandt,  im  Dogenornat.  Um- 
schrift: MARCVS  ANTONIVS  MEM- 
MO DVX  VENETIARVM.  Rs.  Brust- 
bild  des  Cardinais  Maphaeus  Barberini, 
nach  rechts  gewandt,  bärtig,  mit  Barett. 
Umschrift:  MAPH  •  S  •  R  •  E  •  P  •  CAR  • 
BARBERIN  '  SIG  •  IVST  •  PRAE  • 
BONO  •  LEG.  Dm.  0,092  m.  Arbeit 
des  G.  Dupr^,  bez.  1612. 

C.  Kleinodien:  1)  Armband  mit 
sieben  hochovalen  in  Gold  gefassten 
Medaillons  von  verschiedener  Grösse, 
welche  in  Pfirsichkern  geschnittene, 
antikisierende  Reliefköpfchen  zeigen. 
L.  0,19,  grösste  H.  0,03  m.  Die 
Fassung  modern;  die  geschnittenen 
Kerne  italienisch,  Anfang  des  16.  Jh. 
2)  R  ng,  Hörn  mit  Messingbeschlag ; 
auf  der  achteckigen  Messingplatte  ein 
Krystalltafelstein.  (Landsknechtsring.) 
Dm.  0,04  m.  Schweiz  oder  Süddeutsch- 
land, Anfang  des  16.  Jh.  3)  Ring, 
schmaler  Goldreif  mit  einem  Smaragd 
in  hohem  Kasten,  dessen  Flächen  mit 
Email  geschmückt  sind.  D.  0,025  m. 
Deutsch,  16.  Jh. 

D.  Thonarbeiten:  1)  Migolika- 
schüssel,  kreisrund,  auf  Ringfnss.  Im 
Spiegel  S.  Johannes  der  Täufer  als 
Kind,  in  kreisrunder  Umrahmung;  als 
Randverzieruog  ein  Fries  von  Füll- 
hörnern und  Palmetten.  Blaumalerei 
mit  Überdekoration  von  metallischen 
Lüsterfarben  (Gelb  und  Rubinrot). 
Dm.  0,23  m.  Gubbio,  bez.  1531.  2) 
Majolikateller,  rundlich,  mit  ausge- 
schweiftem Rande  und  muschelartigen 
Buckelungen,  auf  Ringfuss.  Mit  viel- 
farbiger Bemalung.  Im  Spiegel  ein 
männliches  Brustbild  („OMERE");  da- 

27* 


366 


Museographie. 


ram  ein  breiter  Fries  mit  Feldern, 
welche  durch  Vasen,  Ranken  und 
Masken  ausgefüllt  sind.  Dm.  0,25  m. 
Faenza,  Mitte  des  16.  Jh.  3)  Majo- 
likateller, kreisrund,  Blaumalerei  mit 
metallischem  Lüster.  Im  Spiegel  eine 
nach  links  schreitende  Frauengestalt, 
welche  in  der  Rechten  ein  von  Pfeilen 
durchbohrtes  Herz,  in  der  Linken  eine 
Blume  trägt.  Der  breite  Rand  zeigt 
vier  durch  radiale  Streifen  abgeteilte 
Felder  mit  Schuppenwerk  und  Pal- 
mettcn.  Dm.  0,41  m.  Diruta,  Anfang 
des  16.  Jh.  4)  Schnelle  mit  senkrech- 
tem Henkel  und  Zinndeckel,  Stein- 
zeng,  braun  glasiert.  Auf  der  Brust 
ein  hochovales  Grotteskenrelief  in  der 
Art  des  Etienne  de  Laulne.  H.  0,81  m. 
Raeren,  Arbeit  des  Jan  Emens,  zweite 
Hälfte  des  16.  Jh.        (Grob bei s.) 

Baden. 

37  Konstanz ,   Rosgarten  -  Museum  von  I 

S.  255  durch  alle  folgenden  Jahre. 

Durch  Umordnunffen  der  Sammlun- 
gen im  Neubau  ganz  in  Anspruch  ge- 
nommen, muss  ich  heuer  Schilderungen 
der  neuen  Funde  und  Erwerbungen 
in  unserer  Gegend  unterlassen  und 
mit  nächstfolgendem  Berichte  nach- 
folgen lassen. 

(Ludwig  Leiner.) 

38  Überlingen,  Kulturhistorisches  und  Na- 
turallen-Kabinet  I  S.  256,  IV—YIII,  X, 
XI,  XII,  XIII. 

Im  letzten  Jahre  wurden  für  unsere 
Sammlung  neu  erworben:  an  Pfahl- 
baugegenständen:  Steinbeile  mit 
und  ohne  Handhaben,  durchbohrte 
Steinbeile,  Nephritbeile,  Feuerstein- 
pfeilspitzen, Thongefässe,  Spinnwirtel, 
Thonscherben ,  Geweihhämmer  mit 
Schaftloch,  Äxtchen  und  Nadeln  aus 
Knochen  und  Geweihstücken  etc.  aus 
den  Stationen  Bodman,  Sipplingen, 
Staad  und  Immenstaad,  nebstdem  noch 
Bronzegegenstände  aus  den  Stationen 
Uhldingen  und  Lützelstetten ;  aus  der 
Hallstattperiode  ein  Antennen- 
SchwertgrifF  aus  Bronze,  gefunden  bei 
Überlingen ;  an  altertümlichen  Waffen 
ein  sog.  Schweizer  Morgenstern;  an 
Me  talig  er  äten  ein  altes  Thorschloss, 
ein  Messing-Bügeleisen,  altertümliche 
Hufeisen,  ein  altertümlicher  Sporn,  eine 
Kollektion  „Beschläge  mit  Gravierun- 
gen, das  Überlinger  Stadtwappen  in 
Gusseisen;     an     Steindenkmälern 


eine  gotische  Säule  mit  Meisterzeicheo, 
eine  Säule  mit  Renaissance- Ornament; 
an  Holzschnitzereien:  zwei  Kon- 
solen aus  Eichenholz,  ein  Kruzifix  ans 
Buchsbaumholz,  einige  Statuetten;  an 
Hausgeräten:  eine  Standuhr  mit 
Postament  aus  Salem,  ein  Körbchen 
mit  Brocatstickerei,  eine  Ilandnudcl- 
maschine;  an  Trachten:  eine  Rad- 
haube mit  goldgesticktem  Boden,  eine 
ächte  Überlinger  Goldhanbc,  eine 
Schwarzwälder  Haube  mit  goldgestick- 
tem Boden;  an  Münzen:  eine  mexi- 
kanische Kupfermünze,  eine  nordameri- 
kanische  Silbermünze,  einige  ßraktea- 
ten;  an  Gemälden,  Kupferstichen 
u.  dergl. :  ein  Yotivbild  vom  ehemaligen 
Wallfahrtsorte  Maria -Stein,  2  grosse 
Heiligenbilder  aus  der  Schweiz,  Porträt 
des  Mystikers  Amandus  Suso,  Abbil- 
dung des  ehem.  WaibePschen  Patrizier- 
hauses (in  Öl),  ,.4  Landschaften  der 
Umgegend  von  Überlingen  (Aquarell- 
malerei), 2  Kupferstiche  Claude  Lor- 
rain'scher  Landschaften,  Portrat  eines 
ehem.  Überlinger  Cavalleristcn ,  ein 
Lehrbrief  aus  Rottweil. 

(Lachmann.) 

Villingen,  AltertOmertammlung  I  S.  250,40 
VI,  VHI. 

Angeschafftwurden :  Einzelne  Costa m- 
stücke,  eine  ganze  Trachtenfigur,  ein 
Sopha  und  einige  alte  Sessel,  verschie- 
dene Münzen  und  eine  Sammlung  von 
Weihnachts  -  Figuren  (Krippenbilder), 
Aquarellmalerei  aus  dem  Anfange  des 
18.  Jahrb.  Die  Bibliothek  wurde  er- 
weitert durch  Ankauf  einiger  neuer 
Geschichtswerke. 

(Ferd.  Stock  er) 

Karlsruhe,   Grotsherzogl.  Sammlungen  42 
fOr  Altertums-  und  Völkerkunde  I  S.  257, 
H— XIH. 

Unternehmungen  sind  im  Lauf  des 
Jahres  nicht  vorgenommen  worden. 

Zuwachs  der  Sammlung  ca.  160  Num- 
mern, darunter  ein  romanisches  Fenster- 
gewände mit  2  Bogen,  Tierfiguren  und 
Ornament,  aus  Landstein,  von  der  ehe- 
maligen Burg  Schweinberg  bei  Buchen, 
ein  römischer  Meilenstein  des  Gordia- 
nus  (s.  Korrbl.  1894  XIII,  120)  von 
Sinzheim,  A.  Baden,  romanische  Boden- 
fiiessen  und  andere  Fundstücke  von 
der  Turmberg- Ruine  bei  Dorbach,  eine 
Schnabelkanne  von  Bronze  aus  einem 
Grabhügel  bei  Rastatt  (beim  Bau  der 
strategischen  Bahn  gefimden),  ein  klei- 


MuBeographie. 


367 


ner  jcemalter  Flugelaltar  mit  der  Figur 
des  111.  Sebastian,  18.  Jahrh.,  vou  Liu- 
delbach  bei  Wertheim. 

Eiue  iu  deu  letzten  Jahren  begou- 
neneSammluug  badischer  Trach- 
ten und  Hausgeräte  ist  soweit  ge- 
diehen, dass  so  ziemlich  sämtliche 
Landestrachten  in  Originalen  repräsen- 
tiert sind  Der  Aufstellung  stehen  noch 
räumliche  Schwierigkeiten  entgegen. 

Die  Sammlung  für  Völkerkunde 
(5100  Nummern)  hat  namhaften  Zu- 
wachs aus  Süd- Afrika,  West-Borneo, 
der  Ostküste  von  Sumatra  und  beson- 
ders au3  Deutsch  Neu  Guinea  von  noch 
iu  der  Steinzeit  lebenden  Völkerschaf- 
ten erhalten.  (E.  Wagner.) 

45  Mannheim,  Vereinigte  Sammlungen  des 
Grossh.  Hof-Antiquariums  und  des  Alter- 
tumt-Vereint  1  S.  258,  11— XIII. 

Unternehmungen:  1)  Die  Ausgrabung 
des  Gräberfeldes  am  Atzelberg  bei 
Uvesheim  (A.  Mannheim),  vgl.  Museo- 
graphie  XI,  1,  wurden  im  Okt.  1894 
wieder  aufgenommen  und  zu  Ende  ge- 
führt. Es  ergaben  sich  diesmal  2  vor- 
römische Brandgräber  (mit  den  früheren 
zusammen  6),  davon  1  gestört  (m.  d. 
früh.  zus.  3  gestört);  4  vorrömische 
Bestattungen  (m.  d.  f.  z.  6,  davon  1 
gestört),  römische  Brandgräber  14  (46), 
davon  6  (16)  gestört.  —  Die  vorrömi- 
schen Brandgräber  enthielten  nurThon- 
gefasse  der  jüngeren  Bronzezeit;  die 
vorrömischen  Bestattungen  (La  T^ne- 
Periode)  allerlei  Bronzeschmuck  wie 
Ohrringe,  Armringe,  kleine  Plättchen 
und  Perlen  von  Bronze ;  die  römischen 
Gräber  teilweise  Reste  von  Holzsärgen 
mit  Eisennägeln  und  die  gewöhnlichen 
Beigaben  an  Thongefässen,  darunter 
eine  tadellos  erhaltene  Reliefschüssel 
von  terra  sigillata  mit  dem  Stempel 
|VITlAll.g///|,  ferner  eiserne  Messer, 
Scheeren,  Glasreste  und  einige  Münzen, 
MB.  des  Hadrian  und  M.  Aurel.  — 
Eiue  Gesamtpublikation  der  Ausgra- 
bungen wird  vorbereitet.  —  Eine  Aus- 
srabung  in  Ladenburg,  Gewann  Lust- 
garten, förderte  röm.  Grundmauerreste 
mit  teils  Cementboden,  teils  Thonplat- 
tenbelag,  zu  Tage,  deren  Zusammen- 
hang früher  zerstört  und  nicht  mehr 
nachweisbar  war;  dabei  keine  nennens- 
werten Funde.  —  Die  Fortsetzung  der 
Ausgrabungen  der  Reihengräber  in 
Fendenheim  (vgl.  Museographie  XI) 


musste  wegen  Bebauung  des  Feldes 
verschoben  werden. 

Ztiwaclis:  Römische  Inschrift  aus 
Ladenburg,  gef.  auf  dem  z.  Z.  von 
Gärtner  Kaschuge  gepachteten,  dem 
Schulfonds  Heidelberg  gehörigen  Grund- 
stück in  den  „ Burgäckern **  unweit 
(nördl.)  der  Römerstrasse  nach  Neuen- 
heim: Läufer  von  Sandstein,  2,75  m 
lang,  37  cm  hoch,  23  cm  tief;  auf  der 
einen,  nicht  sehr  sorgfältig  bearbeiteten 
Langseite  T-  FL  •  ifn  »m  •  p  •  in  21  cm 
hohen  ziemlich  nachlässig  gearbeiteten 
Buchstaben  (P  ist  offen).  Dabei  lagen 
noch  zwei  kleinere  inschriftlose  Stein- 
quader. In  dem  Acker,  der  z.  Z.  als 
Baumstück  angelegt  und  deshalb  für 
Grabungen  unzugänglich  ist,  sind  höchst 
wahrscheinlich  bedeutendere  römische 
Gebäudereste  verborgen  —  Ziegel  mit 
Stempeln  der  XIV.  Legion  aus  Hocken- 
heim  (Amt  Schwetzingen),  gefunden 
5  Minuten  südlich  vom  Städtchen  im 
neuen  Kraichbachbett  in  einem  zer- 
störten Bauwerk  von  angebl.  kreisrun- 
dem Grundriss  und  1,5  m  Dm.,  das 
aus  Ziegeln  und  mit  Ziegelstücken 
vermengtem  Mörtel  hergestell  war, 
vielleicht  ein  Töpferofen.  Die  Stempel 
(5  vollständig,  8  in  Bruchstücken  er- 
halten) zeigen  verschiedene  Typen: 
L  XHII,  LEG  XIIII,  L  XHII  G  und 
L  XIIU  G  W  und  sind  nach  G.  Wolff 
in  die  Zeit  von  70—83  p.  Chr.  zu 
setzen.  Ebendort  wurden  beim  Neu- 
bau der  Brücke  in  der  Bahnhofstrasse 
mehrere  alte  Hufeisen  und  im  Pfarr- 
hof eine  ornamentierte  schwarzgraue 
Thonschüssel  aus  der  Merovingerzeit 
gefunden.  —  Eine  römische  Nieder- 
lassung in  unmittelbarer  Nähe  von 
Hockenheim  war  bis  jetzt  noch  nicht 
nachgewiesen,  und  insofern  ist  der 
Fund  auch  für  die  Strasseoforschung 
von  Wichtigkeit.  Die  bedeutenden 
altern  Funde,  über  die  in  den  Bonner 
Jahrbb.  X,  3  berichtet  ist,  lagen  im 
Wiesengrund,  eine  Stunde  westlich 
vom  Ort,  gegen  Speier  zu.  —  Unter 
den  Erwerbungen  aus  dem  Mittelalter 
und  der  neuern  Zeit  sind  zu  nennen: 
Skulpturen  in  Sandstein  aus  Laden- 
burg, ein  schmiedeisemer  Lichtspahn- 
halter  in  Renaissancestil  und  eine  be- 
malte Thonschüssel  von  1758  mit  dem 
Spruch :  „Wan  der  Hass  dete  brennen 
wie  das  Feuer,  so  war  das  Holtz  nit 
halb  so  deuer**.    Unter  den  erworbe- 


368 


Museographie. 


nen  Portraits  ist  eine  Büste  Ludwig 
Haussen  hervorzuheben.  An  das  Re- 
volutionsjahr 1849  erinnern  u.  A.  zwei 
Bilder,  die  Scenen  aus  dem  Gefecht 
bei  Waghäusel,  und  zwei  andere,  die 
den  Übergang  des  badisch-pföl zischen 
Revolutionsheeres  auf  Schweizer  Ge- 
biet (am  11.  Juli  1849)  darstellen. 
Zwei  Fahnen  des  ehemal.  Mannhc  imer 
Bürgermilitärs  wurden  in  der  Samm- 
lung deponiert.  Von  charakteristischen 
alten  hiesigen  Gebäuden,  die  abge- 
brochen werden,  wurden  photogra- 
phische Abbildungen  der  Sammlung 
einverleibt,  auch  wurden  die  anläss- 
lich von  siädtischen  Festlichkeiten 
(z.  B.  Kaiserdenkmal enthüllung)  er- 
schienenen Flugschriften  gesammelt. 
—  Die  Bibliothek  erfuhr  durch  An- 
käufe, Schenkungen  und  Schriften- 
tausch mit  etwa  100  befreundeten 
Vereinen  und  Instituten  zahlreichen 
und  wertvollen  Zuwachs. 

Für  das  Antiquarium  (auf  städtische 
Kosten)  erworben:  1)  Der  Inhalt  zweier 
Gräber  (Arnoaldi- Veli),  gef.  bei  Bo- 
logna. 2)  Bemalte  Terracottafigur, 
sitzendes  Mädchen  mit  Fächer,  aus 
Korinth.  3)  Zwei  archaische  Thonge- 
fasse  und  eine  Bronze  -  Strigilis  aus 
Attika.  4)  Ein  Salbgefäss  aus  Ala- 
baster aus  Korinth.  5)  Ein  Glasbecher 
aus  Kreta.  (Vgl.  den  demnächst  er- 
scheinenden Bericht  im  Archäolog. 
Anzeiger). 

Als  Vereinsgabe  für  1894  ist  der 
von  Professor  Caspari  verfasste  Kata- 
log der  Bibliothek,  für  1895  die  Ab- 
handlung von  Prof.  Mathy:  Studien 
zur  Geschichte  der  bildenden  Künste 
in  Mannheim  im  18.  Jahrb.,  ausge- 
geben worden.  Das  Verzeichnis  der 
Pfälzer  Münzen  und  dasjenige  der 
Siegelsammlung,  beide  mit  IHustratic- 
nen,  wird  1896  erscheinen. 

Die  Neu-Aufstellung  der  vereinigten 
Sammlungen  in  den  erweiterten  Räu- 
men wurde  durch  die  umfassenden 
baulichen  Wiederherstellungen  am 
Grossh.  Schloss  verhindert;  eben  des- 
halb mussten  die  Sammlungen  auch 
während  des  laufenden  Sommers  ge- 
schlossen bleiben. 

(K.  Banmann). 

Mittelrliein. 

50     Darmstadt,  Grotslierzoglicliet  Museum 
I  S.  263,  lU,  V-XIU. 


Zugänge  in  1894 '95  der  archäolo- 
gischen, kunstgewerblichen  und  ethuo 
logischen  Sammlungen.  A.  Archäo- 
logische Sammlung.  1.  Römische 
(griechische  und  ägyptische)  Al- 
tertümer, a)  Ankäufe  und  Fuudc:  1 
bauchiges  Gefäss  von  gebr.  Thou,  Fund- 
ort Dieburg.  2  Münzen,  Mittelbronzen, 
je  eine  des  Vespasian  und  der  älteren 
Faustina,  Fundort  Dieburg.  1  Klein- 
bronze, Avers:  Salonina  Aug.,  Revers: 
Pudicitia,  Fundort  Gemarkung  Büttel- 
boni.  Gewann  Winkelseite,  bekannte 
Römerstätte.  1  Bruchstück  einer  Re- 
liefplatte von  rotem  Sandstein,  dar- 
stellend die  Wocbengottheiten  und  Bil- 
der aus  dem  Tierkreise,  wahrschein- 
lich aus  einem  Mithraeum  stammend, 
Fundort  Dieburg,  Frankfurterstrasse; 
vgl.  Abb  Quartalblätter  des  Histor. 
Vereins  für  das  Grossherzogt.  Hessen, 
neue  Folge,  Bd.  I  Taf.  XIII.  1  Stück 
einer  Juppitersäule,  oberer  Teil  des 
geschuppten  Schaftes  mit  Composit- 
kapitell,  das  je  eine  Büste  in  der 
Mitte  der  4  Seiten  aufweist;  beide 
Enden  des  Steines  schliessen  mit  ge- 
raden Flächen  ab,  in  deren  Mitte  sich 
je  ein  Zapfenloch  befindet;  Gesamt- 
höhe 1,35  m,  Fundort  röm.  Brunnen 
in  der  Gemarkung  Dieburg.  Der 
Schlangenmensch  war  auch  aufgefun- 
den, aber  zerstört  worden.  —  Eine 
sehr  grosse  Anzahl  Gefassscherben  von 
grauem  Thon  und  terra  sigillata,  auf 
einer  der  letzteren  der  Stempel  IV- 
CVNDVS,  2  Haarnadeln  von  Bein,  eine 
Anzahl  eiserner  Werkzeuge  und  Geräte, 
sowie  1  ganzes  Schälchen  von  terra 
sigillata  bilden  die  Ausbeute  einer  im 
Garten  des  Herrn  Kreisstrassenmeisters 
Völker  in  Dieburg  aufgefundeneu  rö- 
mischen Abfallgrube,  vgl.  Quartalblät- 
ter des  Histor.  Ver.  für  das  Grossher- 
zogtum Hessen,  Neue  Folge,  I.  Bd.  S. 
437.  —  Stück  einer  Palmette  von  gebr. 
Thon,  Fundort  Dieburg,  Garten  dessel- 
ben Hrn.  Völker.  —  1  rechteckiges  Plätt- 
chen von  scharf  gebranntem  Thon,  0,222 
—0,10  m  Seitenlänge  und  0,041  m  Dicke, 
an  den  Schmalseiten  profiliert.  Die 
Hälfte  eines  gl  eichen  Plättchens.  1  Dach- 
ziegel, 12  desgleichen,  deren  Falze  weg- 
geschlagen waren;  sie  bildeten  einen 
geschlossenen  Plattenbelag  von  Smal  4 
mit  den  Schmalseiten  an  einander  ge- 
stossenen  Ziegeln  und  waren  in  Mörtel 
verlegt.   Bruchstücke  von  Säulenschäf- 


Museographie. 


369 


ten  and  Basen  ans  rotem  Sandstein; 
die  Schaftstücke  sind  glatt,  die  Basis 
ist  die  attische  mit  einfach  gekehltem 
unterem  Torus.  Ein  kleines  Stück 
eines  Säulen kapitells  mit  Schilfblättern. 

1  Sockelstück  von  rotem  Sandsein,  be- 
stehend aus  Platte  und  Schräge.  Bruch- 
stücke einer  Schale  von  terra  sigillata 
mit  Reliefs :  Bogenschütze  zwischen  je 

2  Giganten;  an  der  Aussenwand  ver- 
tiefter Stempelrest  ACI/////  (Acilius?); 
1  Scheibentibel  von  Bronze,  0,024  m 
Durchmesser,  mit  Email  Verzierung : 
(tI  eich  armiges  Kreuz  mit  ausgerundeten 
Zwickeln,  in  denen  je  1  kleine  Scheibe; 
l  Schlossknopf  von  Bronze,  0,055  m 
laug,  1  Signalpfeife  von  Bronze;  1  Stück 
zerschmolzener  Bronze;  t  eis.  Lanzen- 
spitze, 0,815  m  lanir;  10  eis.  Nägel 
verschiedener  Gestalt  und  Grösse;  1 
eis.  Schnalle;  1  Beschlag  (eis.  Platte, 
0,065  m  lang,  mit  starkem  Nagel);  1 
eis.  Kastengriff  mit  gerilltem  Bügel; 
1  eis.  Einsatz  -  Bohrer,  0,175  m  lang; 
1  Bandeisen ;  1  Schnitzmesser ;  1  Kör- 
per von  gebranntem  Thon,  elliptischem 
Querschnitt  und  mit  centraler  Durch- 
brechung in  der  Richtung  der  kleinsten 
Ausdehnung,  Grösse  0,125—0,087  m;| 
1  desgl.  in  Gestalt  einer  an  beiden ! 
Poleu  stark  abgeplatteten  Kugel  mit' 
centraler  Durchbrechung  der  Höhe 
nach.  Auf  der  oberen  Abschnittfläche 
sind  um  die  Öffnung  herum  in  gleich- 
massigen  Abständen  6  ringförmige  Ver- 
tiefungen angebracht,  erzeugt,  wie  es 
scheint,  mit  einer  cylindrischen  Röhre. 
Höhe  0,07  m,  Breite  0,10  m.  1  Stück 
dickes,  grünes  Glas  (Scheibe),  1  Münze, 
Grossbronze  des  Kaisers  Marc  Aurel. 
Gefunden  zu  Dieburg  auf  dem  Grund- 
stücke des  Herrn  Zimmermeisters  Seih 
an  der  Frankfurter  Strasse  bei  der 
Untersuchung  einer  bis  jetzt  noch  nicht 
aufgeklärten  baulichen  Anlage.  —  Ära 
aus  Sandstein;  Höhe  0,55  m,  Breite 
0,41  m,  Tiefe  0,27  m. 

Auf  der     IN.(H)0-D-D 

G     E     N      1     O       Auf  der 

Uauptliäche : 
V  I  C  I    •   V   •  V 

L-MRtAWvS 

ME    S   S   O   R    "E 

T-  EVFEM  VS 

C   V   P   I   T  V   S 

D    •   D 


(Die  erste  Zeile  hat  kleine  Buchstaben; 
Genio  sehr  gross,  vici  v.  v,  wenig  klei- 
ner als  genio,  von  da  an  alles  gleich- 
massig  gross  und  zwar  wieder  etwas 
kleiner  als  vici  c.  v.  Das  H  der  ersten 
Zeile  fehlt.  Das  F  der  sechsten  Zeile 
wurde  bei  der  liebung  beschädigt). 
Leider  lässt  sich  der  Name  der  Nie- 
derlassung aus  den  Buchstaben  V'Y 
nicht  erkennen.  Der  Name  MarHa- 
linius  scheint  noch  nicht  belegt  zu  sein. 
—  Bruchstück  einer  Reliefplatte. 
Höhe  0,29  m.  Breite  0,325  m,  Dicke 
0,06—0,085  m.  Vom  Relief  sind  er- 
halten :  2  menschliche,  mit  Jagdstiefeln 
bekleidete  Beine,  sowie  Vorder-  und 
Hinterlauf  eines  Tieres:  Diana  mit  dem 
Hirsche.  Von  der  unter  dem  Relief 
befindlichen  vierzeiligen  Inschrift  sind 
die  beiden  letzten  Zeilen  leidlich  er* 
halten,  nur  fehlt  das  Ende  der  vor- 
letzten Zeile: 

L  V  I  N  V  S   AR//// 
TAR»BTVR-E-V 

Herr  Geh.  Rat  Zangemeister  vermutet* 
Silmntis  argentarim  (?)  Biturix  (?) 
ex  voto. —  Bruchstück  einer  Ära, 
am  Sockel  und  Gesims  gleichmässig 
profiliert,  der  Höhe  nach  ungefähr  In 
der  Hälfte  der  Breite  gerissen,  die 
Inschriftfläche  fehlt.  An  den  Seiten 
Reliefdarstellungen,  links  praefericu- 
lum,  rechts  simpidum.  Auf  der  Kopf- 
fläche ein  Zapfenloch.  Fundort  der 
3  Steine:  ein  ri>m.  Brunnen  in  Die- 
burg. Demselben  wurden  weiter  zwei 
grosse  viereckige  Sockelsteine  mit  je 
1  grossen  Zapfenloch  entnommen. 
Früher  fand  man  in  demselben  bereits 
einen  Inschriftstein,  der  zu  einem 
Schweinetrog  geeignet  erschien;  die 
Inschrift  ist  vollständig  ausgetilgt;  fer- 
ner einen  grossen  altarähnlichen  Stein 
mit  gleichem  Sockel  und  Gesims,  ohne 
Schrift  und  Relief,  der  jetzt  als  Grab- 
stein dient,  sowie  Arme  und  Beine  ei- 
ner Statuette,  vielleicht  des  Genius 
vici.  —  1  weitbauchiger  Krug  gedrunge« 
ner  Gestalt,  ohne  Henkel.  Die  Mün- 
dung fehlt  Die  Epidermis  ist  samt 
den  einst  aufgedrückten  Ornamenten, 
deren  Spuren  noch  erkennbar,  und  der 
dunklen  Überfärbung  geschwunden. 
Aus  dem  Rheine  bei  Wernes  ausge- 
baggert. —  1  Mühlstein  von  Basalt- 
lava, am  Rande  mit  Austiefungen  zum 
Zwecke     der    Befestigung    vers^en, 


370 


Moseographie. 


Fundort  Heppenheim  a.  d.  B.  —  1 
Stück  Wandverputz  mit  bunter,  strei- 
figer Bemalung,  gef.  iu  den  Trümmern 
eines  röm.  Gebäudes  an  der  upuen 
Verbindongsstrasse  zwischen  Frank- 
furterstrasse und  „Altstadt"  in  Dieburg. 
—  4  sog.  Thräneukrüge,  1  kl.  Schale, 
1  gr.  Napf,  sämtlich  von  rotgelbem 
Thon,  gef.  auf  einem  römischen  Be- 
gräbnisplatze bei  Anlage  des  neuen 
Friedhofes  zu  Dieburg,  westlich  der 
Chaussee  Dieburg-Gross-Umstadt. 

b)  Geschenke:  Bruchstück  einer 
Schale  von  terra  sigillata  mit  lUlief- 
darstellungen,  je  ein  Hase  und  ein 
Hund  in  kreisförmigen  Medaillons,  da- 
zwischen ein  Bäumchen.  Gef.  in  der 
Fundamentgrube  zu  einem  Neubau  des 
Herrn  Zimmermeisters  Seib,  Flur  YIU, 
östl.  des  alten  Kirchhofs  zu  Dieburg. 
Geschenk  des  Bauherrn ;  vgl.  Quartal- 
blätter, Neue  Folge,  Bd.  1  S.  440.  — 
Ein  Löffel  von  Weissbronze,  dessen 
Stielende  beiderseits  als  jonisches 
Pilasterkapitell  behandelt  ist.  Darunter 
an  der  Rückseite  die  Fabrikmarke  ^H. 
Gef.  bei  Anlage  eines  Neubaus  zu 
Hainstadt  i.  Odw.,  Geschenk  des  Hrn. 
Bürgermeisters  Haas  daselbst.  Dabei 
befanden  sich  Stücke  eines  Gefässes 
von  terra  sigillata.  —  £in  eis.  Messer 
mit  schwerem  Heft  aus  Bronze,  dessen 
Ende  ein  streng  stilisierter  Löwenkopf 
bildet.  Gesamtlänge  0,17  m,  Fundort 
Gross-Umstadt,  Geschenk  des  Herrn 
Friedrich  Winter  daselbst.  —  Beilar- 
tiges Werkzeug  von  Eisen,  gef.  auf 
dem  „Rückenbruch **  zwischen  Heppen- 
heim a.  d.  B.  und  Lorsch.  Geschenk 
des  Herrn  Weinhändlers  Hähnlein  in 
Heppenheim.  —  7  Münzen,  Mittelbron- 
zen, von  denen  nur  zwei,  und  zwar  auf 
Faustina  jun.  und  Marc  Aurel  bestimm- 
bar sind.  Gef.  beim  Bau  der  Neben- 
bahn Weinheim-Fürth  bei  Birkenau. 
Geschenk  des  Herrn  Pfarrers  Strack  zu 
Birkenau.  —  1  Mittelbronze  Vespasians 
mit  PROVIDENT  und  S  •  C  im  Revers, 
gef.  in  Dieburg,  Geschenk  des  Hugo 
Völker,  Sohnes  des  Hrn.  Kreisstrassen- 
meisters  Völker  in  Dieburg.  —  Kupfer- 
münze Trajans,  mittlerer  Grösse,  mit 
Cos.  VI  im  Avers  und  der  Revers- 
legende S  •  P  •  Q  •  R  •  OPTIMO  PRIN- 
CIPI ;  im  Felde  S  •  C.  Darstellung  im 
Revers :  stehender  Mars,  auf  der  Rech- 
ten eine  Victoriola  haltend.  —  1  stark 
verschliffene  Mittelbronze  Marc  Aurels. 


Fundort  der  beiden:  Feldgemarkung 
Dieburg,  „Blutäcker",  östl.  der  Frank- 
furter Strasse.  Geschenk  des  Herrn 
Franz  Weber  I  in  Dieburg.  —  Eine 
Scheibenfibel  von  Bronze  mit  buntem 
Email  in  ringförmiger,  conceutrischer 
Anordnung.  Fundort  wie  die  vorge- 
nannten Münzen,  Geschenk  des  Finders, 
Herrn  Lehramtsassessors  Dr.  Henkel 
in  Darmstadt.  —  Ein  Teller  von  terra 
sigillata  mit  dem  gut  abgedrückten 
Stempel  AXANTICVS  im  Innern  des 
Bodens.  Eine  flache  Schale  von  grauem 
Thon.  Gef.  in  dem  röm.  Gräberfelde 
in  Grosszimmern  bei  Dieburg.  Geschenk 
des  Herrn  Kreisstrassenmeisters  Völker 
in  Dieburg.  —  Eine  Schale  von  grauem, 
schwarz  überförbtem  Thon.  Höbe 
0,045  m,  Bodendurchm.  0,06  m,  Rand- 
durchm.  0,135  m.  Fundort  Büttel born, 
Geschenk  des  Herrn  Georg  Graf  11 
daselbst. 

c)  Zur  Ausstellung  überlassen:  Ein 
flacher  Teller  von  terra  sigillata  mit 
dem  viermal  auf  dem  Boden  abge- 
drückten Stempel  BOLLI.  Gef.  in 
einem  fränk.  Grabe  bei  Weinheim  in 
Rheinhessen.  Übergeben  von  Herrn 
Dr.  Greim  in  Darmstadt 

2.  Germanische  Altertumer. 
L  Praehistorische.  a)  Ankäufe  und 
Funde :  Ein  Grabfund  aus  Klein-Gerau, 
vgl.  Quartalblätter,  Neue  Folge,  Bd.  I 
S.  433  und  Abbildungen  auf  Tafel  13: 
Ein  schlichter  Spiralarmring  (etwas 
mehr  als  3  Gänge)  von  Bronze.  Die 
Enden  verjüngen  sich.  Lichte  Weite 
0,057  m.  Vgl.  Fig.  5  d.  Taf.  Eine 
bogenförmige  ]^adel  von  Bronze  (Fig. 
18),  das  obere  Ende  flachgeschlageu 
und  zur  Hülse  gerollt;  zum  Kopf- 
schmucke gehörig  (Spuren  der  Patina 
an  der  Schädeldecke).  Länge  0/132  m. 
Bruchstücke  einer  gleichen.  Ein  Ohr- 
ring von  Bronze  (Fig.  15)  mit  einer 
der  Länge  nach  durchbohrten  Perle 
von  Bein  als  Anhänger.  Die  Perle  des 
zweiten  Exemplars  (Fig.  16).  Eine 
Perle  von  Bein,  die  Mitte  tritt  scharf- 
kantig vor  (Fig.  17).  Bruchstücke  von 
dünnen  und  kleinen  Bronzeringen.  Ein 
spiralförmiger  Fingerring  von  dünnem 
Bronzedraht  (Fig.  1 3),  die  Spirale  macht 
2  Gänge,  die  Enden  spitz  zulaufend. 
Weite  0,017  m  Teil  eines  zweiten, 
etwas  weiteren  Stückes  (Fig.  14).  Zwei 
Gewandknöpfe  von  Bein  (Fig.  10  u.  11), 
von  der  glatten  Fläche,  der  Rückseite, 


Muaeographie. 


371 


auB  winklig  durchbohrt.  Querschnitt 
kegelförmig.  Durchmesser  0,021  m. 
£ine  Schale  von  gebr.  Thou;  Hohe 
0,075  m,  Randdurchm.  0,155  m,  Boden- 
durch  m.  0,075  m.  Ein  Spinuwirtel  von 
gebr.  Thon  (Fig.  8).  Ein  kl.  kugeliger 
Gegenstand  von  hart  gebr.  Thon  mit 
trichterförmiger  Vertiefung  an  einer 
Seite  (Fig.  9).  —  Bei  Meliorationsar- 
beiten auf  Grundstöcken  der  Gemeinde 
Büttelbom,  Flur  „Westerstädt",  wur- 
den gefunden:  17  Feuersteinmesser; 
1  Bog.  nucleus  (Feuersteinkern)  mit 
einem  Teil  der  „Rinde^;  Bruchstück 
eines  starken  Stcinmeissels ;  desgl.  ei- 
nes Steinbeilchens ;  1  Stück  Reibstein ; 
hemisphärischer  Gegenstand  von  gebr. 
Thon,  Höhe  0,044  m,  Durchm.  der 
Grundfläche  0,068  m ;  Spinnwirtel  von 
gebr.  Thon,  Querschnitt  niedriges  Tra- 
pezy  mit  scharfen  Fingemägeleindrücken 
an  der  schräg  abfallenden  Peripherie ; 
Bruchstücke  grosser  Thongefässe.  — 
1  Steinbeilchen,  gef.  in  der  Gemarkung 
Büttelbom ;  1  desgl.,  gef.  ebendaselbst, 
in  der  Nähe  des  „Ueissfeldes^ ;  1 
durchbohrtes  Steingerät ,  rundlich, 
0,037  m  lang,  gef.  „im  Frohngraben" 
der  Gemarkung  Büttelborn.  —  1  schel- 
lenformiger  Anhänger  von  Bronze,  gef. 
in  der  Gemarkung  Eimsheim  in  Rhein- 
hessen bei  Anlage  des  neuen  Fried- 
hofes. —  2  Steingeräte,  gef.  in  der 
Gemarkung  Bettenhausen  in  Ober- 
hessen. —  1  Messer  von  Bronze,  gef. 
in  einer  Torfgrube  bei  Pfungstadt, 
nahe  der  Bickenbacher  Grenze. 

b)  Geschenke:  Ein  Grabfund  aus 
dem  Distrikt  Rossbacherwald  der  Ober- 
försterei Windhausen,  Kreis  Alsfeld; 
vgl.  Quartalblätter,  Neue  Folge,  Bd.  I 
S.  433  f.  und  Abb.  Taf  13:  Eine 
Bauge  von  Bronze,  schlichtes  Spiral- 
armband von  12  V«  Gängen.  Lichte 
Weite  0,055  m.  Eine  Gewandnadel 
von  Bronze,  sog.  Radnadel  (Fig.  6), 
Länge  0,20  m,  Durchm.  des  Rades 
0,062^0,065  m.  Eine  desgl.,  am  obe- 
ren Ende  als  Doppelspiralscheibe  ge- 
arbeitet, die  sich  aus  dem  Stifte  her- 
aus entwickelt  (Fig.  7);  jetzige  Länge 
0,16  m,  ungefähr  3  cm  der  Spitze 
fehlen.  Quormass  über  den  Spiralen 
0,098  m.  Ein  kl.  Stück  Bronzeblech. 
£in  Feuerstein.  Übergeben  von  der 
Grossherzoglichen  Oberförsterei  Wind- 
haosen.  —  2  Beinringe  von  Bronze,  1 
sog.  Zinnenring  von  34  Zacken,  1  desgl., 


von  dem  nur  kurze  Stümpfe  die  einsti- 
gen Zackenansätze  zeigen;  an  einer 
Stelle  stark  vertragen;  innere  Weite 
0,08—0,095  m.  Gef.  in  einem  Uügel- 
grabe  der  Gemarkung  Messet;  Ge- 
schenk des  Herrn  Dr.  med.  Uorn  in 
Langen.  —  1  Steinbeilchen,  gef.  in 
Büttelbom,  Geschenk  des  Hrn.  Lehrers 
Martin  daselbst.  —  5  Steingeräte,  gef. 
bei  Büttelbom,  Geschenk  des  Herrn 
Jost  Krauss  daselbst.  —  1  Bruchstück 
einer  Steinaxt,  gef  im  Dorfe  Grein, 
Geschenk  des  Herrn  Pfarrers  Schneider 
in  Neckarsteinach  an  die  Sammlung 
des  Historischen  Vereins  für  das  Gross- 
herzogthum  Hessen  (mit  dem  Gross- 
her/oglichen  Museum  vereinigt). 

H.  Fränkische,  a)  Ankäufe:  Ein 
Grabfund  aus  Gross -Umstadt:  2  eis. 
Lanzenspitzen,  1  kleine  Schnalle  von 
Bronze,  1  grosse  Gürtelzunge  von 
Bronze,  6  weitere  Teile  vom  Gürtel- 
besatz, Bronze,  Bruchstück  eines  eis. 
Messers,  1  eis.  Schnalle,  1  desgl.  Bruch- 
stück. —  Gräberfunde  vom  Kirchberg 
bei  Andernach:  1  Gürtelschliesse  von 
Eisen,  zweiteilig,  mit  Tauschierung  in 
Bronze.  Länj^e  0,213  m,  grösste  Breite 
(am  Bügel  der  Schnalle)  0,06  m.  2 
Schnallen  mit  Beschlagstück,  Eisen 
mit  Silbertauschierung.  1  rechteckiges 
Riemenbeschlagstück,  Eisen  mit  Silber- 
tauschiemng.  1  zweiteilige  Gürtel- 
schliesse, Eisen,  Silbertauschierung  und 
-Plattierung.  1  quadratisches  Riemen- 
besatzstück, gleiches  Material  und  Ar- 
beit 1  rechteckiges  silb.  Plättcheu 
in  getriebener  Arbeit.  1  rechteckiger 
Riemenbeschlag  von  Bronze,  die  unte- 
ren Ecken  abgerundet.  1  Gewand- 
oder Haarnadel,  Stift  von  Bronze,  mit 
kugelförmigem  Kopfe  von  vergoldetem 
Silberblech.  1  Bügel  einer  Schnalle 
von  Bronze.  Eine  fünfteilige  Zacken- 
fibel, Silber,  vergoldet,  mit  Verzierun- 
gen in  Kerbschnittmanier.  1  Paar  Ohr- 
ringe von  Bronzedraht  mit  Einhänge- 
schlinge. 1  runde  Ringplatte  von  Silber 
mit  ZelleuKlasarbeit :  6  almandinfarbige 
Glasplättchen  über  einer  gerippten 
Silberfolie.  1  Scheibenfibel  von  Silber, 
belegt  mit  spitzovalen  Kastenfassungen, 
in  der  Mitte  eine  solche  in  Vierpass- 
form, mit  kleinen  Rosettchen  vor  den 
Bögen  des  Vierpasses,  der  Rand  mit 
Filigran  eingefasst.  1  Ohrring  von 
Bronze  mit  würfelförmigem  Anhänger. 
1  Fingerring  von  Bronze  mit  flacher 


372 


Museographie. 


kreisförmiger  Platte.  1  zweiteilige 
Gürtelschliesse  von  Eisen,  die  seitlichen 
Teile  in  langgestreckter  Rechtecksform 
durchbrochen  und  mit  einem  gravier- 
ten Brouzeplättchen  hinterlegt,  Länge 
0,29  m,  grösste  Breite  am  Bügel  der 
Schnalle  0,065  m.  1  Zierbeschlag  von 
Bronze  in  gesägter  Arbeit,  an  der 
Rückseite  ein  Stift  zur  Befestigung. 
1  kleine  flache  Kapsel  von  Silber,  viel- 
leicht eine  Ringplatte,  in  der  Mitte 
eine  kleine  Glasperle,  von  da  Stege 
nach  den  Zwickeln  der  Pässe,  die  vier 
Almandine  eiuschliessen.  1  scheiben- 
förmige Fibel  von  Bronze  mit  gravier- 
ten Kreis-  und  Strichverzierungen.  1 
unkenntliche,  gelochte  kleine  Bronze- 
münze. 1  Fingerring  von  Bronze  mit 
nahezu  kreisförmiger  Platte,  darauf 
graviert  ein  gleicharmiges  Kreuz  mit 
Querbalken  an  den  vier  Enden;  in  den 
Winkeln  je  1  Kreischen.  1  offener 
Armring  von  Bronze,  an  den  verbrei- 
terten  Enden  mit  Strichverzieruugen 
versehen.  1  Paar  Ohrringe  von  Silber- 
draht, je  ein  Ende  als  Schlinge,  das 
andere  hakenförmig  gearbeitet ;  an  die 
Schlingen  anschliessend  Spiralwicke- 
lungen, die  je  an  einer  Stelle  von  ei- 
ner aufgefassten  länglichen  Silberperle 
unterbrochen  sind.  7  Ketten  von  Bern- 
stein-, Glas-  und  Frittperlen.  1  An- 
hänger, einmal  durchbohrte  und  mit 
Strichen  verzierte  Hirschrose.  1  desgl., 
Schneckenhaus  (Venus),  an  der  Spitze 
auf  einen  eis.  Draht  gefasst.  3  Schalen 
und  1  Becher  von  Glas.  1  rundliches 
schwarzes  Steinchen  (Fiussgeschiebe). 
—  Ein  Grabfund  aus  Nieder- B reisig, 
bestehend  aus:  1  röm.  Münze,  Mittel- 
bronze, gelocht ;  1  offener  Armring  von 
Bronze,  1  Paar  silberne  Ohrringe,  1 
glatter  Ring  von  Bronze,  1  silberner 
Fingerring  mit  graviertem  Monogramm, 
1  Reif  Glas-  und  Frittperlen,  1  Kamm 
von  Bein,  2  Schlüssel  von  Bronze,  vgl. 
den  Katalog  des  Lempertz'schen  Anti- 
quariats in  Bonn  für  die  Versteigerung 
vom  27.  und  28.  Nov.  1893,  Grabfund 
Nr.  1  und  Abb.  auf  der  zugehörigen 
Tafel,  Mitte  der  obersten  Reihe.  — 
1  Krug  mit  Henkel  und  Ausguss;  auf 
den  Aussenwandungen  eingedrückte 
Ornamente.    Fundort  Worms. 

b)  Geschenke :  2  Perlen  und  1  Wir- 
tel  von  gebr.  Thon,  deformierte  Eisen- 
geräte, 1  Frauenskelett  und  andere 
Gebeine.    Gefunden  in  Gräbern  an  der 


Hauptstrasse  in  Büttelbom ;  Geschenk 
des  Grundbesitzers.  —  1  eis.  Axt, 
gef.  bei  Büttelborn,  Geschenk  de«  Hm. 
Lehrers  Martin  daselbst. 

B.  Kunstgewerbliche  Samm- 
lung, a)  Ankäufe :  Altarschrein  (Tripty- 
chon)  aus  Nieder-Erleubach,  mit  der 
Jahreszahl  1497,  vgl  Kunstdenkmäler 
im  Gross herzogtum  Hessen,  Kreis  Fried- 
berg, von  Prof  Dr.  Adamy,  S.  1 19  und 
Taf.  XIII.  —  Stück  einer  Ofenkachel, 
männlicher  Kopf  in  halber  Lebens- 
grösse,  aus  Dieburg.  2  eis  Beile,  bei 
Worms    aus    dem   Rheine    gebaggert. 

1  Sidgburger  Henkelbecher  mit  aufge- 
prägtem kreisförmigem  Medaillon  (Blu- 
men- und  Rankenwerk).  —  1  Kollek- 
tion Frankenthaler  Porzellan:  l  Kinder- 
gruppe, bunt  bemalt,  3  tiefe  und  3 
flache  Teller,  1  Teller  mit  durchbroche- 
nem Rande  (Gitterwerk),  1  schalenar- 
tiger Teller,  1  grosse  und  1  kleine 
runde  Platte,  1  grosse  und  1  kleine 
ovale  Platte.  Die  Teller  imd  Platten 
sind  mit  Tier-  und  Landschaftabildern 
reich  bemalt  —  Ein  Skulpturbruch- 
stück von  rotem  Sandstein,  mit  der  Dar- 
stellung eines  kleinen  Engelskopfes. 
Fundort  Dieburg. 

b)  Geschenke:  Zierbeschlag  von 
Bronze,  in  der  Gestalt  eines  Blattes, 
gef.  zuEppstein  im  Taunus,  Geschenk 
des  Herrn  Stations Verwalters  Lang- 
heinz in  Dieburg  —  1  Steinkrug,  Freche- 
ner  Fabrikat,  horizontal  geriefelt.  Ge- 
schenk des  Herrn  Konrad  Wick  I  in 
Dieburg.  Eisernes  Hufeisen,  gef.  in 
der  Gemarkung  Dieburg,  Geschenk  des 
Herrn  Gastwirts  Scherer  in  Dieburg. 
Mehrere  mittelalterliche  Gefasse,  Ge- 
schenk des  Finders,  Herrn  Schmiede- 
meisters Augustin  Gonstantin  Thomas 
zu  Dieburg. 

c)  Zur  Ausstellung  überlassen:  1 
silberner,  vergoldeter  Pokal  getriebe- 
ner Arbeit  mit  dem  Meisterzeichen 
des  Nürnberger  Goldschmiedes  Peut- 
müUer  und  dem  Nürnberger  Bescfaau- 
zeichen  (N),  aus  der  Zeit  um  1610. 
Eigentum  der  Kirchengemeinde  Kirtorf 
im  Kreise  Alsfeld. 

C.  Sammlung  hessischer  Lan- 
desgegenstände.     Hausgeräte: 

2  Kannen,  Bauemmajolika,  mit  den 
Zeichen  HB  und  HF  (letzteres  in  Li- 
gatur) aus  Dieburg.  1  brauner  Stein- 
krug, sog.  Bartmannskrog,  mit  einem 
Henkel;    unter    der   bärtigen   Maske 


Museographie. 


373 


ein  randliches  Medaillon,  darin  ein 
bekrönter  Schild,  enthaltend  3  Sterne 
und  darunter  eine  fünfteilige  Blatt- 
rosette. 1  Taschen  -  Sonnenuhr  aus 
£lfenbein  nebst  Compass  und  Grad- 
einteilung, gefertigt  von  Hans  Ducher 
in  Nürnberg  1565.  3  Kelsterbacher 
Kännchen,  Bauernmajolika,  weiss  mit 
blauem  Dekor,  t  viereckige  Flasche, 
Steingut,  blauer  Grund  mit  Blatt-  und 
Blumendekor  in  Grau.  1  desgl.  mit 
umgekehrter  Anordnung  der  Farben, 
mit  Schraubenverschluss,  in  Steiogut. 
l  grosser  und  1  kleiner  Bartmanns- 
krug mit  Medaillon.  1  kleiner  Stein- 
krug, blau,  grau  und  rotbraun  gefärbt, 
mit  Ziundeckel.  1  horizontal  geriefel- 
ter, bräunlicher  Bierkrug  von  Steingut. 
1  desgl.  mit  Zinndeckel  und  eben- 
solcher Einfassung  am  Fusse ;  auf  dem 
Deckel  eingraviert :  J-H-R  ^  3  Kelster- 
bacher Teller,  Bauemmajolika,  weiss 
mit  buntem  Dekor.  1  Zinnschüssel- 
chen  mit  Deckel,  geperlter  Band,  am 

Bauche  ^,^q^  in  einer  Umrahmung  von 

Blatterzweigen.  1  Zinnschüsselchen 
ohne  Deckel,  darauf  P  *  G  eingraviert, 
mit  Londoner  Stempel.  1  Zinnteller 
mit  3  Füssen,  Greifenklauen.  1  flaches 
Zinnschüsselchen ,  am  Rande  bogen- 
förmig gestaltet,  der  Körper  schräg 
jiebuckelt,  mit  engl.  Marke  von  1810; 
F-B  eingraviert.  1  Zinnteller,  Rand 
siebenmal  ausgebogen  und  geperlt.  1 
Zinnschüssel  mit  zwei  Henkeln,  je  2 
Delphinköpfe,  die  einander  zugewendet 
an  demselben  Fische  schlingen.  1  Leb- 
kuchenform,  darstellend  einen  von  2 
bekrönten  Löwen  gehaltenen  Wappen- 
schild, auf  dem  ein  linksläufig  ge- 
schnittenes D  steht.  1  eis.  Öllampe 
zum  Aufhängen,  mit  Dochträumer.  1 
Leuchter,  Fuss  gewellt,  von  Zinkblech, 
Lichthalter  von  einer  Cylinderspirale 
aus  Eisendraht  gebildet.  1  eis.  Thür- 
klopfer,  gerissener  und  gedrehter  Ring. 
\  Nähkästchen,  Holz  mit  eingeleg- 
ter Arbeit.  1  Znckerhammer,  breite 
Schneide,  mit  gedrehtem  HolzgrifT. 
1  Tabakspfeife,  Kopf  von  Holz  ge- 
schnitzt, mitNeusilberbeschlag.  Idesgl , 
Rohr  mit  Perlmutter  eingelegt.  1  eis. 
Vorhängeschloss.  6  Ofenkacheln,  dar- 
unter 2  Eckstücke,  sämtlich  mit  Relief- 
figuren. 3  Holzformen.  1  Bartmanns- 
krug. 8  Teller,  Bauernmsgolika,  davon 
7   mit    der  Kelsterbacher  Marke   und 


2  mit  Sprüchen.    1  Kelsterbacher  Tasse 
mit   Untersatz.       1    desgl.    Kännchen, 
blau  und  weiss.     1  desgl.  Salzfass,    < 
Kleidungsstücke:   2  Anzüge,  je 

1  für  Hochzeit  und  Kirmess,  Volks- 
tracht von  Pohl-Göns  und  Umgegend. 
Im  Einzelnen :  1  Brautkrone,  8  Tuch- 
röcke, 2  Leibchen,  1  seidene  fahle 
Mutze,  1  schwarzeKnopfmutze,  1  Kragen 
mit  Achselverzierungen,  1  desgl.  ein- 
facher, 2  Schürzen,  2  Hemden,  l  Hals- 
tuch, 2  Paar  Strumpfbänder,  1  Krappeu- 
scbleife,  2  Paar  Schürzeubänder,  1  Paar 
Haubenbänder,  1  Leibgurt,  l  Bandhaube, 

2  Paar  Strümpfe,  2  Paar  Schuhe,  2 
Taschentücher.  —  14  Paare  und  1  ein- 
zelne Schuhschnalle  von  Messing  und 
Neusilber,  l  Leibgurt  von  gelber, 
reich  mit  Gold  durchwirkter  Seide, 
mit  handgenähter  Silberstickerei,  aus 
dem  vorigen  Jahrhundert.  1  Tüllhals- 
tuch, weiss,  mit  Handstickereien.  1 
braunes,  am  Rande  bunt  besticktes 
Tuch.  1  grünes,  gelb  gefüttertes 
Wickelband.  1  Paar  weisse  Atlas- 
schuhe mit  Ledersohlen,  l  blaues  Häub- 
chen mit  weissen  Kreuzstemchen.  1 
bunt  gestickte,  weisse  Atlas  -  Unter- 
haube. 1  weisse  Piqu^haube-  1  Hand- 
tuch mit  blaupr  Stickerei  und  weisser 
Häkelei.  1  Krone,  Goldfiligran  mit 
Perlen,  aus  Kirtorf.  1  Bauernhut, 
Dreimaster.  2  reich  mit  Gold  bestickte 
weisse  Atlashauben,  aus  Wald- Amor- 
bach. 1  Serviette  von  Leinen  mit  ein- 
gestickten biblischen  Darstellungen  und 
Sprüchen. 

D.Münzsammlung,  a)  Ankäufe: 
1  silbervergoldete  Medaille  auf  das 
Turnfest  in  Darmstadt  1893  1  Me- 
daille von  Britannia  auf  das  Jubiläum 
des  Mozartvereins  1893.  1  Conven- 
tionsthaler,  Carl  Theodor  von  der  Pfalz, 
1758.  1  desgl.  Sigismund,  Erzbischof 
von  Salzburg,  17d7.  1  Luthermedaille 
in  Guldengrösse,  1817.  Revers:  Hie 
murus  aheneus.  —  Eine  feste  Burg  ist 
unser  Gott.  —  1  Gedächtnisgulden  auf 
das  I.  badische  Landesschiessen,  Mann- 
heim 28.  Juni  1863.  1  Louisdor,  Wilhelm 
IX.,  Landgraf  von  Hessen,  17  D  F.  87. 
1  kleine  türk.  Silbermönze.  1  5-Soldi, 
Italien,  1812  (Napoleon).  1  hess.  Albus 
1657,  Landgraf  Georg.  1  Hess.-Darmst. 
Kreuzer  1723.  1  desgl.  1862.  1  desgl. 
1869.  1  Spielmarke,  bairisches  2-Mark- 
stück  in  Miniatur.  1  4- Kreuzer,  Bran- 
denburg 1715.    1  Kreuzer  von  Branden- 


374 


Museographie. 


bürg  1747.  1  desgl.  1750.  1  3-Kreu- 
zerstück,  FerdiuaDd  von  Oesterreich 
1642.  2  l-Kreuzerstücke,  Kurpfalz 
1728.  1  Kreuzer,  Bremeu  1776.  1 
Va  Groschen,  Hannover  1858.  2  ver- 
schiedene Nürnberger  Kreuzer  von 
1797.  1  2-Kreuzer8tück,  Fulda  1762. 
1  8 -Kreuzerstück,  Würzburg  1691. 
1  Pfennig,  Braunschweig  1737.  1  Gro- 
schen, Salm,  0.  J.  1  4- Groschenstück 
des  Königs  Sigismund  August  von  Polen, 
1569.  1  2-Sous8täck  der  französischen 
Republik.  Tan  2.  1  Denar  des  röm. 
Kaisers  Claudius,  vgl.  Cohen,  I.  Aufl. 

1  162,  59,  gefunden  im  Distrikt  Sauern- 
grund  der  Gt'markung  Gerauer  Doma- 
nialwald.  (Andere  röm.  Münzen  siehe 
unter  röm.  Altertümer).  —  Ein  Münz- 
fund, der  1892  auf  dem  Acker  der  Frau 
Kaspar  Schneider  Wwe  in  Kestrich, 
Kreis  Alsfeld,   gemacht  worden  war: 

2  gleiche  Thaler  Ludwigs  V,  Land- 
grafru  von  Hessen,  1623;  1  Piaster 
Philipps  H  von  Spanien,  1573;  1  Thaler 
der  Stadt  Frankfurt  ia.  M.,  1621;  1 
desgl.  162^1;  l  Teston  Heinrichs  IV. 
von  Frankreich,  16»)3;  1  V*-Piwter 
Philipps  II  von  Spanien,  1566 ;  1  desgl. 
1567,  lö6(z),  1572,  1625;  1  Schilling 
der  Königin  Elisabeth  von  England, 
0.  J.;  1  Va-Schilling  derselben,  o.  J. 
—  1  kleine  viereckige  „barbarische^ 
Bronzemünze ;  Avers :  Nach  rechts  ge- 
wendeter Kopf  mit  Zackenkrone.  Re- 
vers: Männchen  nach  links  laufend,  am 
Rande  einige  undeutliche  Buchstaben. 

b)  Geschenke :  1  Bronzemedaille  auf 
den  k.  k.  Hauptmann  Erdr.  Heyer 
von  Rosenfeld,  Heraldiker  und  Genea- 
loge. Geschenk  seiner  Grossherzog- 
lichen Hoheit  des  Prinzen  Wilhelm  von 
Hessen.  1  2-Sou8Stück  Ludwigs  XVI 
von  Frankreich,  Tan  4,  1  Bronzeme- 
daille der  Kaufleute  von  Paris  mit  Dar- 
stellung der  Stürme  des  14.  Juli  1790, 
ffeprägt  1792.  Geschenk  des  Herrn 
Kaufmanns  Max  Freund  dahier.  2 
Bronzemedaillen,  Geschäftsmarken  der 
„Uniformen-  u.  Militär-Effekten-Fabrik 
Darmstadf*.  Geschenk  des  Fabrikin- 
habers Herrn  Th.  von  Lynker.  1  Klein- 
bronze des  römischen  Kaisers  Claudius 
Gothicus,  Revers:  Securitas  Aug.,  ge- 
funden bei  Worms,  Geschenk  des  Herrn 
Fr.  Winter  daselbst. 

E.  Sammlung  von  Musikinstru- 
menten. 1  Clarinette,  mit  Silberklap- 
pen und  Elfenbeinbesatz,  in  Etuis. 


F.  Waffensammlung.  a)  Ankäufe: 
1  Radschlossbüchse.  1  Stossdegen, 
Knauf  von  Eisen,  Heft  von  Holz  mit 
Zwingen  von  Bronze.  Gefunden  bei 
Baggerarbeiten  im  Rheine  bei  Worms. 

b)  Geschenke:  4  sog.  Krebse,  Teil- 
stücke von  Rüstungen;  Geschenk  des 
Bandagisttn  Herrn  Zimann  zu  Darm- 
stadt. 1  eis.  Schwert  ohne  Scheide, 
16.  Jahrhundert;  vgl.  Typus  bei  Gimpel 
Taf.  VI  Nr.  3i.  Gefunden  beim  Bau 
der  Nebenbahn  Weinheim-Furth ;  über- 
wiesen vom  Grossherzogl.  Ministerium 
der  Finanzen.  1  eis  Kurzschwert  mit 
Griff  von  Bein.  Länge  0,39  m.  Breite 
der  Klinge  0,04  m  Gefunden  in  Ober- 
Schmitten.  Überwiesen  von  der  Direk- 
tion der  Oberhessischen  Eisenbahnen. 

G.  Ethnologische  Sammlung. 
3  Speerspitzen  und  1  Pfeilspitze  von 
Feuerstein;  Herkunft:  Indianerterri- 
torium in  Nord- Amerika.  Geschenk  des 
Herrn   Dr.  von  Le  Coq  in  Darmstadt 

(L  V.:  Dr.  Henkel). 

Hanau,  Bezirksverein  für  best.  Getcli.52 
und  Landeskunde  I  S.  265,  H— XI,  XIII. 

Erwerbungen :1. Römische  Funde. 
1  Bronzemünze  des  Antoninus  Pius, 
gef.  an  der  ROmerbrücke  bei  Hanau. 
—  1  Bronzemünze  des  Antoninus  Pius, 
3  Legionssti^mpel  (22.  Legion),  3  Tup- 
ferstempel, Scherben  von  verzierten  Si- 
gillataschüsseln  und  Reibschalen,  Scher- 
ben von  Thongefässen  und  eine  durch- 
Inchte  Thonperle,  gefunden  in  Gross- 
Krotzenburg. 

2.  Aus  dem  Mittelalter.  Eine 
kleine  weisse  Steingutvase  und  1  brau- 
ner Steingutkrug  mit  2  Henkeln,  gef. 
beim  Sielbau  in  Hanau. 

3.  Aus  der  Neuzeit.  1  Bruch- 
stück einer  Ofenkachel  aus  dem  16. 
Jahrhundert;  1  grauer  Topf  aus  ge- 
branntem Thon  ohne  Henkel,  gef.  beim 
Sielbau  in  Hanau ;  1  Spinnrad,  aus  dem 
Westerwald  stammend;  1  alte  Gold- 
wage mit  Gewichten ;  1  Satz  Gewichte 
aus  dem  Jahre  1790. 

(Thormählen.) 

Frankfurt  a.  M.,  Hittoritches  MuMumd3 
I  S.  266,  II— VIIL 

Erwerbungen:  Römische  Zeit. 
Henkelglaskanne  aus  Köln.  —  Schwar- 
zes Trinkgefass  mit  BarbotineraDken 
und  Aufschrift :  diligo  te  aus  Köln.  — 
Kleines  kugelförmiges  Gefass  derselben 
Art  mit  Aufschrift:  amo  te.  —  Haar- 
nadel aus  Bein,  deren  kugelförmiger 


Maseographie. 


3?5 


Kopf  mit   fein   verziertem  Goldblech 
überzofiren  ist,  aus  Heddernfaeim. 

Volkerwanderun{?8zeit.  Ans 
Gräbern  bei  Sindlingen :  zwei  in  Eisen 
und  Silber  tauschierte  Scheibenfiebeln, 
eine  Franziska  und  eine  Axt,  Speer- 
spitzen, Skramasax  und  Schildbuckel, 
und  Thongefässe,  die  einen  Übergang 
von  romischen  zu  eigentlich  fränkischen 
Formen  zeigen.  Hervorzuhel)en  sind 
einige  Scherben  mit  roher  Omament- 
bemalung  in  roter  Farbe. 

Mitttelalter  und  Neuzeit. 
Schöne  in  Kupfer  gearbeitete  vergol- 
dete grosse  Monstranz  aus  dem  lö 
Jahrh.  aus  einer  Kirche  in  Trier  stam- 
mend. Eine  in  Kupfer  getriebene, 
durchbrochene ,  versilberte  Kirchen- 
ampel aus  dem  17.  Jahrb.  Zwei  kupfer- 
versilberte Kirchenleuchter  mit  gewun- 
denen Schäften  und  ungewöhnlicher 
Form  mit  schwedischer  Inschrift  von 
1711.  Zwei  messingene  Leuchter  mit 
glockenförmigen  Füssen  aus  dem  17. 
Jahrh.  Zwei  kupfer vergoldete  Abend- 
mahlskännchen.  Porzellanügürchen  aus 
der  Ludwigsburger  Fabrik  des  18. 
Jhdts.,  Flora  darstellend.  Weiss  gla- 
siertes Meissener  Figürchen,  Atalante 
darstellend.  Holzstatuette  des  P.  Fran- 
ziskus de  Hieronymo  18.  Jhdts.  Kinder- 
tigürchen  aus  Teracotta  18.  Jhdts.  Die 
keramische  Abteilung  wurde  durch 
einige  Porzellane,  Fayencen  und  ein 
irdenes  Tintenfass  von  1767  bereichert. 
Auch  die  Sammlung  von  Metall-,  Glas-, 
Elfenbein-,  Holz-  und  Textilarbeiten 
erhielt  einige  wertvolle  Stücke. 

Aus  den  Erwerbungen  der  städti- 
schen Kommission  sind  noch  hervorzu- 
heben :  ein  gotischer  Reliquienbehälter 
ans  der  Mitte  des  15.  Jhdts.  in  Giebel- 
dachform mit  Krönung,  in  Holz  ge- 
arbeitet und  a  tempera  mit  Wappen 
und  Figuren  bemalt.  Gegossener 
Bronzekessel  mit  schön  geschwunge- 
nem und  verziertem  GriiF  aus  dem  14. 
Jahrh.  Grosse  in  Messing  getriebene 
Nürnberger  Schüssel,  aus  dem  14.  Jh. 
Yerschiäene  Möbel  des  16.  und  18. 
Jhdts.  und  dgL  Erwähnt  sei  noch  ein 
Goldschmuck  der  Empirezeit.  Dem 
Museum  geschenkt  wurde  ein  Pracht- 
schlitten aus  dem  Besitze  des  Chur- 
fursten  Carl  Theodor. 

(Nach  dem  achtzehnten  Jahresbe- 
richt des  Vereins  fi'ir  das  historische 
Museum  zu  Frankfurt  a.  M.  von  0. 
Donner  von  Richter). 


Wiesbaden,  Altertumsmuseum  I  S.  267, 56 
II— XIV. 

Vorrömisches.  Bronze  -  Zind ein, 
wahrscheinlich  einem  Leder-  oder  Lin- 
nenpanzer aufgenäht,  aus  einem  Ilall- 
stattgrab  bei  Dettenheim.  Thonsrbale 
und  Schlangenfibel  aus  Niederinj^el- 
heim.  Grauschwarze  Urne  mit  Über- 
resten vom  Auerochs,  ebendaher. 
Kleine  dunkelschwarze  Urne  von  etrus- 
kisrher  Form,  ebendaher.  Eiförmiger 
Klopfstein  aus  Kieselschiefer,  ebenda- 
her. Durchbohrtes  Steinbeil  aus  Kie- 
seischiefer  von  Bechtheim.  Graubraune 
Urne  vom  Lausitzer  Typus  mit  Henkel, 
aus  Ockenheim.  Nrtzbeschwerer  mit 
eingedrückten,  gezackten  Ornamenten. 
Bruchstucke  grösserer,  neolithischcrOe- 
fasse,  Bruchstücke  einer  durch  Finger- 
eindrücke ornamentierten,  gehenkelten 
Tasse,  ein  in  gleicher  Weise  verzier- 
ter Spinnwirtel,  ein  Klopfstein  und 
Knochenreste  aus  Grosswintersbeim. 
Reichverzierte  Urne  der  Bronzezeit 
mit  Thonperlen,  Spinnwirtel  und  Bruch- 
stück eines  SchmelztOpfchens  aus 
Bauchheim.  Eine  mit  Dreiecken  und 
Punkten  verzierte  Urne,  neolithiFch, 
aus  Königsstadt.  Brodzepfanne  mit 
etmskischem  Stiel,  angeblich  aus  Köln. 

Kömisches.  Achat-  und  Thon- 
perlen, kleine  Fibel,  2  kleine  Thon- 
näpfchen,  Pfeilspitze  aus  Eisen.  Was- 
serkrug vom  Kranzplatz.  4  Ziegel  mit 
Stempel  der  XXII  Legion.  Ein  Paar 
römische  goldene  Ohrringe  mit  Steinen 
und  Filigran^  angeblich  aus  Köln. 
Goldene  Gewandnadel  mit  rotweisser 
Kamee,  ebendaher.  Bemalter  Trink- 
becher aus  Guntersblum.  Thonscbäl- 
chen  mit  2  Hängelöchern,  ebendaher. 
Goldenes  Armband  aus  dem  Rhein. 
Thonlämpchen.  Kleine  Thonvase  aus 
der  Goldgasse.  Römisches  Bronzebe- 
steck mit  chirurgischen  Werkzeugen, 
aus  dem  Rhein  gebaggert  bei  Mainz. 
Vogelfigur  mit  Jungen  auf  dem  Rücken 
aus  Thon,  von  Köln. 

Fränkisches.  Bronzenes  Gürtel- 
schloss  und  kleine  geschweifte  Fran- 
cisca  (aus  den  Gemarkungen  Dotz- 
heimerstr.).  Sübemes  Arm-  und  Hals- 
band, gegliedert  mit  Intaglien-  und 
Glasfiusseinsätzen. 

Mittelalterliches.  BronzeStrm- 
pel  zum  Einbrennen  einer  gotischen 
Ornamentik  in  Holz.  Panzerbrecber 
mit  Bronzeknopf  unbekannten  Fun<l- 
orts.    Steingeschirr  ältester  Art,  Topf 


ä76 


Museographie. 


mit  ruudem  Bodeu,  desgl.  hoher  Triuk- 
krug  und  Vase  mit  gefälteltem  Fuss, 
sämtlich  gereifelt,  aus  der  Goldgasse. 
Schwarzgebrannte  Urne  aus  der  Gold- 
Zwei  Eisenschlüssel. 


Modernes.  Porzellan  von  Höchst 
(Knabe  mit  Katze  und  Ilund).  Eisen- 
ring mit  Kamee.  Thürschioss  von 
Patersberg.  GusseiserneOfenplatte  aus 
Emrichshausen.  Steinzengkrug  (Bart- 
mann). Steinzeugkrug  mit  Henkel. 
Steinzeugtopf  für  Topfgewolbe  (gerei- 
felter  Becher).  Siegburger  und  Nas- 
sauer Trinkkrug.  Goldener  Bauern- 
ring von  Herborn.  Grosse  Kollektion 
von  alten  Landestrachten  aus  den  ver- 
schiedensten Kreisen  des  Nassauer 
Landes ,  besonders  charakteristisch 
durch  die  zierlich  gestickten  Kopfbe- 
deckungen der  Frauen  und  Mädchen 
(sogen.  Kommödchen). 

(Nach  dem  Bericht  des  Konservators 
in  den  Annalen  des  Vereins  für  Nas- 
sauische Altertumskunde  und  Ge- 
schichtsforschung, XXVU.  Bd.  1895). 

58  Speyer,  Museum  I  S.  260,  H— XHL 
Erwerbungen:  A.  Vorgeschicht- 
liche Zeit.  Hochaltertümlicher  klei- 
ner Thonbecher,  in  unmittelbarer  Nähe 
des  seinerzeit  bei  Kirchheim  a.  d.  Eck 
gefundenen  sog.  Eismenschen  zutage 
gekommen,  mit  5  durch  Zusammen- 
petzen des  feuchten  Tbons  zwischen 
Zeigefinger  und  Daumen  hervorge- 
brachten Eindrücken,  und  bauchiger, 
durch  senkrechte  Rinnen  oder  Furchen 
verzierter  Becher  aus  schwarzem  Thon, 
gleichfalls  aus  Kirchheim.  —  Wohler- 
haltener, in  der  Mitte  durchbohrter 
Steinhammer  aus  weissgrauem  Mate- 
rial, 15  cm  lang  und  5  cm  breit  und 
hoch,  gefunden  zwischen  Hassloch  und 
Iggelheim.  —  Bronzekelt,  15  cm  lang, 
an  der  Schneide  5  cm  breit,  mit  bei- 
derseits sich  berührenden  Schaftlappen, 
die  wahrscheinlich  vorhanden  gewesene 
Öse  am  hinteren  Ende  abgebrochen, 
im  Rhein  zwischen  Ludwigshafen  und 
Mannheim  ausgebaggert.  —  Zwei  offene, 
mit  gestrichelten  Ornamenten  versehene 
Bronze- Armreife,  mit  12  anderen  auf 
dem  sog.  Heidenacker  an  der  uralten 
Hochstrasse  bei  Langmeil  im  Felde 
ausgepflügt.  —  Kleine  Bronze-Dolch- 
klinge und  Bruchstücke  eines  Hals- 
reifes  und  einer  spindelförmigen  Nadel, 
in  dem  sog.  Römer  grab  zwischen  Gries 


und  Hursboru  gefunden,  wo  schon  früher 
ein  Schwert  und  ein  ca.  40  cm  langer, 
am  Ende  sich  verdickender  Stab  zum 
Vorschein  gekommen  waren.  —  Bronze- 
fibel  von   H,2  cm  Höhe   und   6,9  cm 
Länge ;  in  der  Nadel  steckt  eine  schöne 
Thonperle  der  La  Tene-Zeit :  gelb  mit 
blauweissen  Tupfen.  —  Zu  einer  klei- 
nen, dem  Museum  schenkweise  über- 
lassenen  Privatsammlung  hauptsächlich 
römischer,  in  und  um  Speier  gefunde- 
ner Altertümer  gehören  auch  ein  Stein - 
Werkzeug  aus  schwarzgrauem  Material 
zum  Schaben  oder  Glätten,  eine  schöne, 
6,2   cm   lange   Pfeilspitze   aus   Stein. 
Netzbeschwerer  aus  Thon,  Tbonwirtel 
u.  8.  w.  _-  Die  hauptsächlichste  Be- 
reicherung aber  brachte  die  Erwerbung 
einer  Sammlung  von  Fuudgegenstän- 
den,  meist  prähistorischen,  aus  Grab- 
hügeln der  Gegend  von  Hersebberg. 
Dazu  gehören  13  Beile,   Meissel  oder 
Keile  aus  Stein,  3  GlätUteine  u.  s.  w., 
5  Bronzeringe  in  4  verschiedenen  Arten, 
offen  oder  geschlossen,  verziert  oder 
unverziert,  48  kleine  Ringe,  wovon  ein 
Teil    in    verschiedener    Weise    durch 
Striche,  Kerben,  Knöpfe  u.  s.  w.  ver- 
ziert ist,  6  spiralförmig  gewundene  und 
ebensoviele  wirtelartige  kleine  Bronze- 
ringe,  2  Bronzebarren  (?)   in  Gestalt 
von  offenen  Ringen  und  2  rippenfor- 
mige   Bronzestücke,   2   seltene,    nach 
Art  der  Morgensterne  gezackte  Stock- 
beschläge, 2  Lanzenspitzen,  2  Sicheln, 
ein  Palstab,  eine  im  Erhaltenen  44,5  cm 
lange  Schwerlklinge  und  ein  zu  einem 
Schwerte  ähnlicher  Art,  nicht  aber  zu 
diesem    gehöriger    Griff   von    15    cm 
Länge,  ein  19  cm  langes  Messer,  ein 
als  Zierbeschläg  dienendes  Radkreuz, 
2  Nadeln  von  17,5  und  18,5  cm  Länge, 
jene  durch  Reifelung,  diese  ausserdem 
durch  2  Knöpfe  verziert,  8  Bommeln, 
die  grösste  von  27,   die  kleinste  von 
11  mm  Durchmesser,  ein  griechischer 
Gürtelhaken  von  9  cm  Länge,  wie  sämt- 
liche vorgenannten   Gegenstände   aus 
Bronze,  eine  gallische  Perle,  gelb  mit 
blauweissen  Augen,   und  eine  gleich- 
falls der  La  T^ne-Zeit  angehörige  ring- 
förmige   aus    gelblichem   Glas.      Den 
Schluss  mag  ein  äusserst  rohes  Bronze- 
figurchen   von   6,5   cm   Höhe    bilden, 
das  eine  männliche,  mit  einem  Helme 
bedeckte,   sonst   nackte   Gestalt   dar- 
stellt,  welche,   wie  die  durchbohrten 
Hände  zeigen,  in  der  gesenkten  Rech- 


Maseographiö. 


37? 


teu  und  iu  der  Lalberhobeneu  Linken 
eine  jetzt  verlorene  Lanze  hielt. 

B.  Römische  Zeit.  Aus  der  oben 
erwähnten ,  hauptsächlich  römische 
Funde  enthaltenden  kleinen  Privat- 
sammlung stammen :  ein  schönes  Glas, 
bauchig,  mit  engem  Hals,  aber  weiter 
Mündung  und  breitem  Henkel,  Höhe 
15  cm,  Umfang  37  cm,  eine  weisse 
Terrakotta -Statuette  einer  Fortuna, 
in  der  Linken  ein  F&llhorn,  mit  der 
Rechten  den  Griff  eines  Ruders  hal- 
tend, ein  hübscher  Terra  sigillata- 
Becher,  bauchig,  nach  oben  sich  ver- 
engend, 13  Urnen  von  verschiedener 
Form  und  Grösse,  darunter  eine  grosse 
graue  von  31  cm  Höhe  und  103  cm 
Urnüang,  6  Aschenkröge,  4  Grablämp- 
chen  u.  8.  w  —  Die  andere,  besonders 
prähistorische  Funde  umfassende  Samm- 
lung enthielt  von  Gegenständen  rö- 
mischer Provenienz  u.  a.  einen  Bronze- 
löffel von  17  cm  Länge,  7  kleinere 
Instrumente  wie  Schreibgriffel  u.  dgl. 
aus  Bronze,  6  Fibeln,  wovon  besonders 
interressant  eine  11  cm  lange,  reich 
ornamentierte,  mit  muschelähnlichem 
Kopfe,  eine  viereckige  Bronzeschelle 
und  30  gerippte,  blaugrüne  Perlen  von 
1 — 3  cm  Durchmesser.  —  Ausschliess- 
lich aus  römischen  Funden  bestand 
eine  dritte  käuflich  erworbene  Privat- 
sammlung, aus  der  hervorzuheben  sind : 
12  Gläser,  10  Terra  sigillata-Gefässe, 
11  andere  Thongefösse,  ein  Bronze- 
becken von  4  cm  Höhe  und  26  cm 
Durchmesser  mit  2  schöngeformten, 
massiven  Henkeln,  das  Bronzebeschläg 
einer  kleinen  Kassette,  8  Bronzefibeln 
und  zahlreiche  andere  Gegenstände 
aus  Bronze,  wie  Löffel,  Schlüssel,  Ringe, 
B  schlägstücke  -ii.  s.  w.  —  Von  grösse- 
ren Funden  erwähnen  wir  denjenigen 
verschiedener  Skulpturfragmente  aus 
Rothselberg,  worunter  das  im  Korre- 
spondenzblatt dieser  Zeitschrift  abge- 
bildete Köpfchen  eines  Attis,  femer 
Funde  bei  Hausbauten  in  der  Ludwigs- 
strasse dahier,  die  u.  a.  2  hübsche  Scha- 
len ans  Terra  sigillata  und  eine  9  cm 
lange  Bronzefibel  von  seltener  Form  zu- 
tage förderten,  verschiedene  Funde  von 
Kirchheim  a.  d.  Eck,  namentlich  Terra 
sigillata-Gefässe  von  anderer  als  der 
in  Rheinzabem  und  Umgegend  ge- 
wöhnlichen Form,  also  wohl  aus  Eisen- 
berg stammend,  2  eiserne  Werkzeuge 
von  besonders  guter   Erhaltung   aus 


dem  Torfgebrüche  bei  Laiidstuhl,  näm- 
lich ein  Spitzhammer  von  23  cm  Länge 
nnd  4,7  cm  Höhe  und  ein  Beil  von 
25  cm  Länge  und  5,9  cm  Höhe,  jener 
mit  rundem,  dieses  mit  ovalem  Stiel- 
loch in  der  Mitte.  —  Endlich  mögen 
hier  noch  genannt  werden:  5  Bronze- 
fibeln seltenerer  Form,  2  Bronzesta- 
tuettchen  eines  Mercur  und  einer  For- 
tuna, ein  doppelbenkeliger  Glaspokal 
von  13,5  cm  Höhe  und  9  cm  Weite 
mit  schönprofiliertem  Fusse  und  ge- 
schmückt mit  grossen,  saphirblauen 
Tupfen,  und  eine  beim  Neubau  des 
Konsistoriums  dahier  gefundene,  im 
Erhaltenen  8  cm  lange  und  14  cm 
hohe,  im  Innern  hohle  Thonstatuette 
einer  Epona,  d.  h.  einer  gallisch-ro- 
manischen Göttin  der  Fruchtbarkeit, 
die  auf  einem  Pferde  sitzend  und  einen 
Hasen  im  Schosse  haltend  darge- 
stellt ist. 

C.  Fränkisch -alemannische 
Zeit  Eine  grössere  Anzahl  von  frän- 
kischen Perlen  aus  Glasfluss  nebst  20 
Bemsteinperlen  und  einem  kleinen, 
flachen  Anhängerzierrat.  Von  den 
Bernsteinperlen  sind  namentlich  3  von 
seltener  Grösse,  z.  B.  3  cm  Durch- 
messer, 2,7  cm  Höhe  und  11  cm  Um- 
fang. —  Prachtvolle  Fibel  von  8,3  cm 
Länge  und  4,5  cm  Breite  aus  Silber 
mit  vergoldeten  bandart  gen  Omameo- 
ten  und  8  Almandineinlagen,  in  Epp- 
stein  gefunden.  —  Sternförmige,  durch 
zwei  ineinander  gelegte  Dreiecke  ge- 
bildete Fibel  aus  Bronze  mit  einem 
gestanzten  und  an  den  6  Ecken  mit 
Stiftchen  befestigten  Silberüberzuge, 
aus  einem  Platten  grabe  bei  Sausen- 
heim stammend.  —  Ein  Wurfbeil 
(Francisca)  von  18  cm  Länge,  gefun- 
den in  Dannstadt,  und  ein  Hiebmesser 
(Scramasax)  von  47  cm  Länge  aus 
Walsheim.  —  Wohlerhaltener  mero- 
vingischer  Goldtriens  von  Orleans,  einer- 
seits Kreuz  zwischen  2  Sternen,  da- 
runter eine  kleine  Scheibe,  anderer- 
seits ein  männlicher  Kopf  von  rechts ; 
die  Umschrift  des  Kopfes  lautet  AYRI- 
LIANIS,  wobei  A  und  V  ligiert  sind, 
die  des  Kreuzes  BERTVLFVS. 

D.  Mittelalter  Eisernes  Schwert 
aus  Rodenbach,  68  cm  lang,  wovon 
16  cm  auf  den  Griff  entfallen,  der  aus 
einer  eisernen,  oben  in  eine  Scheibe 
von  5  cm  Durchmesser  endenden  Zunge 
besteht:   die  Scheibe  ist  in  der  Mitte 


ä78 


Museographie. 


durcblüchert  und  ebenso  wie  die  Zunge 
beiderseits  mit  Holz  bekleidet,  das 
durch  zahlreiche  regelmässig  verteilte 
kleine  Bronzestiftchen  und  durch- 
gehende Bronzeröhrchen  festgehalten 
wird.  —  Steinschleuder  oder  Baiester 
aus  Zweibrflcken.  —  Hölzerne  Feld- 
flasche zum  Stellen,  34  cm  hoch,  der 
Durchmesser  des  kreisrunden  Gefässes 
23  cm.  —  In  Speier  gefundene  Blei- 
bulle, einerseits  mit  der  Umschrift: 
J^  PETRVS  CESARIENSIS  ARCHI- 
EPS  (segnender  Bischof),  andererseits: 
PETKVS  BAPTIZAT  CORNELIVM 
(taufender  Apostel).  Petrus,  lateinischer 
Metropolit  von  Caesarea  in  Palästina, 
erscheint  nach  Garns,  Series  episcopor. 
S.  452  im  Jahr  1222;  der  dargestellte 
Vorgang  ist  der  in  der  Apostelge- 
schichte Kap.  10  erzählte.  —  Ovales 
Siegel  von  ca.  1260:  ^  S'  EB'HARDI  * 
CAN  •  SCE  •  T'NITATIS  •  1  •  SPIRA  (in 
einem  Buche  lesender  Geistlicher,  da- 
rüber Halbmond  und  Stern). 

E.  Neuere  Zeit  Eiserne  Ofen- 
platte mit  einer  Darstellung  der  Ge- 
schichte vom  reichen  Manne  und  vom 
armen  Lazarus,  die  Hauptscene  von 
4  Nebenscenen  umgeben.  —  Eiserne 
Schachplatte  aus  dem  alten  herzog- 
lichen Schlosse  zu  Zweibrücken  mit 
dem  die  ganze  Rückseite  einnehmen- 
den gemalten  Wappen  der  in  Bayern 
und  Baden  noch  jetzt  ansässigen  Grafen 
von  Oberndorff.  —  Marzipanform  aus 
dem  16.  Jahrhundert,  30  cm  hoch  und 
15  cm  breit,  Bürger  und  Bürgerin, 
letztere  mit  Rocken  und  Spinnrad,  in 
reicher  Tracht  darstellend.  —  Drei 
Zunftsiegel  von  Bergzabern,  nämlich 
der  Bäcker  und  Müller,  der  Metzger 
und  der  Kühler.  —  Schöne,  52  mm 
grosse  und  58  gr.  schwere  silberne 
Medaille  auf  die  Vermählung  der  Prin- 
zessin Maria  Anna  Augusta,  Tochter 
Friedrich  Michaels  von  Pfalz-Birken- 
feld, mit  Friedrich  August  UI.  von 
Sachsen  1769,  geschnitten  von  Schaefer. 
—  Weisse  Frankenthaler  Porzellan- 
figur, einen  Piqueur  mit  geschultertem 
Gewehr  darstellend.  Desgleichen  eine 
farbige  Gruppe  von  15  cm  Breite  tind 
18  cm  Höhe:  Knabe  der  einen  Bären 
füttert,  und  ein  farbiges  Figürchen 
von  besonders  reizender  Ausführung: 
Schnitterin  als  Personifikation  des 
Sommers,  —  Drei  hübsche  Bleistift- 
zeichnungen,  das  ehemalige  kurpfäl- 


zische Schloss  in  Dirmstein  darstellend, 
von  Fran^ois  Boucher  (1703—1770). 
—  Als  Seltenheit  ersten  Ranges  darf 
gelten :  Architectura,  Lehr-  und  Kunst- 
buch   an  Tag  geben  durch  Jo* 

han  Jacob  Ebelman  von  Speir.  Getruckt 
zu  Collen  durch  Johan  Bussemecher 
im  Jahr  Christi  MDC.  —  Besonders 
reichen  Zuwachs  endlich  brachte  auch 
dieses  Jahr  unserer  Sammlung  älterer 
Speierer  Druck<>,  allerdings  nicht  so- 
wohl an  eigentlichen  Inkunabeln  als 
an  Drucken  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  16.  und  dem  Anfang  des  17.  Jahr- 
hunderts, darunter  6  von  Bernhard 
Albinus  zwischen  1581  und  1596  in 
Speier  gedruckte  Werke,  wozu  noch 
ein  von  demselben  Drucker  auf  dem 
markgräfiich  badischen  Schlosse  Staf- 
fort 1599  gedrucktes  Werk  von  8 
Blättern  und  555  Seiten  in  Quart  sich 
gesellt;  ausserdem  Drucke  von  Smes- 
mann,  David  Albinus,  Johann  Tasch- 
ner, Elias  Kembach  und  als  Beweis 
für  das  bereits  100  Jahre  nach  ihrer 
völligen  Zerstörung  in  der  alten  Reichs- 
stadt wieder  erwachte  geistige  Leben 
Musikdrucke  von  Bossler  um  1780, 
nämlich  G.  J.  Vogler,  Vesperae  cho- 
rales  und,  dem  Papste  Pins  VI  ge- 
widmet, Psalmum  Miserere  etc. 

(Prof.  Dr.  Harster.) 
Worms,   Paulus  -  Museum  I  S.  261,^7 

n-xui. 

Von  August  1894  bis  September  1S95. 

I.  Unternehfmmgen:  a)  Untersuchung 
auf  dem  La  T^ne-Grabfeld  von  Hep- 
penheim a.  d.  W.  (s.  Erwerbungen). 

b)  Ausgrabungen  auf  drei  verschie- 
denen Steilen  des  Tafelackers  der 
Firma  Dörr  und  Reinhart.  Es  worden 
viele  Sigillatascherben  mit  Stempeln 
gefunden.  Besonders  bemerkt  zu  wer- 
den verdient  der  seltene  Töpferstem- 
pel: SoUenbeni.  Femer  wurde  viel 
bemalter  Stuck,  eiserne  Werkzeuge, 
eine  schöne  Schnallenfibel,  ein  Scheu- 
chen und  eine  Schüssel  aus  Bronze 
gefunden. 

c)  Untersuchung  von  Ausgrabungen 
auf  dem  Gebiet  der  Fabrik  von  Yalcken- 
berg.  Es  wurde  ein  wohlerhaltener 
Sarg  gefunden  mit  einem  von  Gjps 
bedeckten  Skelett,  aber  wieder  ebne 
Beigaben. 

d)  Ausgrabung  auf  dem  fränk.  Grab- 
feld von  Dirmstein.  Im  August  1894 
wurden  30  Gräber  untersucht,   davon 


Westd.Zeit3chr.Xiy.  Taf.m 


Westd.Zeitsehr.yjy.  TafXY. 


Westd.Zeit3chr.XIV.  TafXW. 


ina^ 


Vi*t. 


Westd.ZeitschrXIV.  Taf.XW. 


WestdZeUschrXIV. 


Westd.Zeitsckr.XIV.  TafXJX. 


Westd.Zeit3ckrXIV.  Taf.XX. 


yfestd.Zeitachr.yjy.  TafXXl 


f*.f- 


Maseographie. 


3l9 


10  unversehrte,  mit  unbedeatenden  Bei- 
gaben ausgestattete ;  im  Winter  1894/95 
wurden  noch  9  erhalten e,  gering  aus- 
gestattete und  20  zerstörte  Gräber  an- 
getroffen. 

II.  Zuwachs:  a)  An  prähistori- 
schen Altertümern:  l)Steinzeit: 
Mehrere  Feuerst einscbaber  von  dem 
Weinsheimer  Zollhaus. 

2)  Bronzezeit:  Eine  Haarnadel  mit 
nindem,  verziertem  Kopf,  ähnlich  den 
Pfahlbautennadeln,  gef.  in  römischem 
Schutt  (!)  auf  dem  Tafelack  er;  eine 
grosse  Doppelaxt  aus  Rotbronze,  wie 
l>ei  Lindenschmit:  A.  u.  h.  V.  Bd.  I 
H.  I  Taf  3  Nr.  7  und  8  vom  Weins- 
heimer Zollhause;  eine  Urne  mit 
einem  gehenkelten  Beigefässchen  von 
der  chemischen  Fabrik  von  Remy; 
Scherben  aus  Trichtergruben  bei  Pfiff- 
ligheim. 

3)  La  T^ne-Periode:  Inhalt  ei- 
nes Brandgrabes  vom  Grabfelde  bei 
Heppenheim  a.  d.  W.,  bestehend  aus  18 
grösseren  und  kleineren,  zum  grössten 
Teil  erhaltenen,  zum  Teil  vollständig 
zerstörten  Gefässen,  4  Bronzefibeln  vom 
Nauheimer  Typus,  1  grossen  und  3 
kleineren  Eisenfibeln,  einer  Pincette 
ans  Eisen,  einem  Messer  mit  breiter 
Klinge  aus  Eisen,  mehreren  Stückchen 
I^ucherharz,  einer  Spindel  aus  Thon, 
einem  kleinen  Ringe  aus  gelbem  Glase, 
mehreren  Stücken  eines  hohlen  Bronze- 
armringes und  vielen  Tierknochen  als 
R«>8ten  der  Totenmahlzeit;  aus  Baden- 
heim ein  Fund,  bestehend  aus  2  glä- 
sernen Armringen  mit  Yerzienmgen 
aus  andersfarbigem  Glase,  Glasperlen, 
Spindel  aus  Thon,  verschiedenen  kleinen 
Bronzegegenständen  und  Resten  von  2 
Gefässen;  aus  G  und  he  im  eine  grosse 
Bronzefibel  vom  Nauheimer  Typus; 
vom  Grabfeld  bei  Osthofen  (Eisen- 
bahn) ein  schön  profilierter  Krug  und 
ein  Teller,  beide  ohne  Drehscheibe 
gefertigt. 

b)  An  römischen  Altertümern: 
Inhalt  mehrerer  beim  Kasernenneubau 
an  der  Mainzerstrasse  gefundenen 
Gräber,  bestehend  aus  einigen  Gefässen 
und  Scherben.  Eine  von  ihnen  trug 
den  Töpferstempel  Perms-,  eine  röm. 
GuBsform  aus  Thon  und  ein  Horn- 
instrument  von  der  Wormatia- 
strasse;  eine  kleine  Goldmünze  von 
Nero;  Räucherharz  vom  Grabfelde  von 
Achmim  (Ägypten). 


c)  An  fränkischen  Altertümern: 
Inhalt  verschiedener  Gräber  des  Grab- 
feldes von  Wonsheim,  darunter  5 
tanscbierte  Eisenfibeln,  Waffen,  dabei 
eine  Spatha  in  Lederscheide,  welche 
mit  eingepressten  Ornamenten  verziert 
ist,  Gefösse,  Glasbecher,  Porlenschnüre, 
Bronzebeschläge,  eine  Zierscheibe,  eine 
Fibel  und  2  meroving.  Goldmünzen; 
aus  G und  heim:  Perlen,  1  Lanze  und 
1  Schnalle;  von  dem  Pfiffligheimer 
Grabfelde :  Perlen  und  Waffen,  gef.  in 
einigen  Gräbern  nördlich  der  früher 
untersuchten  Gräber.       (Dr.  Koehl.) 

Entiricl'ehmg  der  anderen  Abtei- 
lungen des  Paulus- Museums  seit  Au- 
gust 1894.  Zu  sämtlichen  Abteilungen 
sind  kleinere  Ergänzungen,  aber  keine 
grössere  und  wichtige  Bereicherung 
hinzugekommen.  Nur  die  Bibliothek 
und  die  Sammlung  alter  Porträts  sind 
wesentlich  vermehrt  worden.  Der  Zu- 
wachs der  Bibliothek  beträgt  ungefähr 
25C0  Nummern,  darunter  sind  auch  in 
diesem  Jahre  wieder  mehrere  beson- 
ders seltene  und  wertvolle  Ergänzun- 
gen der  Sammlung  der  Wormser 
Druckschriften  aus  dem  16.  Jahrb.; 
besonders  erwähnen  wollen  wir  von 
denselben :  Eyn  wolgeordent  vnd  nütz- 
lich büchlein,  wie  man  Bergwerck 
suchen  vü  finden  soll,  von  allerley 
Metall,  mit  feinen  figuren,  nach  ge- 
legenheyt  des  gebirgs  artlich  ange- 
zeygt.  Mit  anhangenden  Bercknamen, 
den  anfahrenden  bergleuien  vast  dinst- 
lich.  Am  Ende:  Getruckt  zuWormbs 
bei  Peter  Schöfern,  vn  volendet  am 
fünften  tag  Aprill  M.  D.  XVHI. 

Kunst  und  recht  Alchaui  /  ei  büchlin 
wie  es  dann  die  altenn  /  prakticirt  ha- 
ben noch  nie  mehe/ durch  den  Truck 
auszgan  /  gen  noch  iedermaun  /  zelesen 
worden.  /  Getruckt  zu  Wormbs  durch 
Hans  Meihel  /  zum  Liechtenstein.  Anno 
1529.  — 

Endlich  der  äusserst  seltene  erste 
Druck  des  Buches:  „Der  Frawen 
Rosengarten"  verfasst  von  dem  W^ormscr 
Arzt  Eiicharius  Rösslin  1513. 

(Dr.  Weckerling.) 

Mainz,  Originalsammlung  des  Vereins  69 
zur  Erforschung    der  rhein.  Geschichte 
und  Altertümer  IS.  267,  II-1V,VI-XIII. 

Von  Mitte  JHi)i  bis  Mitte  1895,  l.  Aus- 
grabungen: a,  Aufdeckung  von  Gräbern 
aus  der  sog.  älteren  La  T5ne-Periode. 

Nördlich   von  Hahnheim   in  Rhein- 


Westd.  Zeitaohr.  f.  Qesch.  n.  Kunst.    XIY,    IV. 


380 


Maseograpbie. 


hessen  auf  sanft  ansteigendem  Gelände 
wurden  bei  Feldarbeiten  mehrere  alter- 
tümliche Gegenstände  gefunden;  eine 
hohe  ohne  Scheibe  gefertigte  Urne^ 
eine  grosse  eiserne  Scheere  und  eine 
eiserne  Lanze  mit  dünner,  blattförmi- 
ger Klinge  gelangten  in  den  Besitz 
des  Museums. 

Im  Verlauf  der  vom  Altertumsverein 
unternommenen  sorgfältigen  Unter- 
suchung der  FundsteUe  und  ihrer  Um- 
gebung wurden  nach  und  nach  elf 
Grabstätten  aufgedeckt,  die  der  älte- 
ren La  Tene-Zeit  angehören. 

Neben  einer  Gruppe  von  30  Thon- 
gefässen  verschiedener  Form,  konnten 
eine  Reihe  von  Schmuckgeräten  aus 
Bronze,  Eisen  und  Glas  geborgen  wer- 
den; ausserdem  bot  die  Ausgrabung 
Gelegenheit  zu  einer  interessanten  Be- 
obachtung hinsichtlich  der  Anlage  der 
Gräber,  die,  mit  einer  Ausnahme  sämt- 
lich Leichenbrand  enthielten.  Der  Bo- 
den des  Ackerfeldes  und  dessen  gan- 
zer Umgebung  ist  sandig,  er  besteht 
schon  in  einer  Tiefe  von  Vji  Fuss 
aus  sog.  Schleichsand.  Bei  der  Unter- 
suchung des  Terrains  stiess  man  an 
mehreren  Stellen  schon  nach  zwei 
Spatenstichen  auf  ringförmig  verlau- 
fende 70  cm  breite  Streifen  schwar- 
zer fetter  Erde,  die  sich  deutlich  auf 
dem  dürren  Grunde  abzeichneten. 

Es  war  an  diesen  Stellen  ein  70—80 
cm  tiefer  Graben  ausgehoben  und  dann 
mit  schwarzer  Erde,  die  aus  ziemlicher 
Entfernung  herbeigeholt  werden  musste, 
angefüllt  worden.  Wie  sich  sodann 
ergab,  umschlossen  die  so  gebildeten 
Ringe  Grabstätten,  und  es  zeigte  sich 
die  eigenthümliche  Umgrenzung  als 
allen  hier  aufgedeckten  Gräbern  ge- 
meinsam. 

Die  Grösse  der  Kreise  war  ver- 
schieden; der  kleinste  Durchmesser 
betrug  6  m,  der  grösste  12  m  80  cm. 

Die  11  Gräber  lagen  auf  einem  Raum 
von  etwa  1^2  Morgen  zerstreut,  sie 
zeigten  keine  regelmässige  Gruppie- 
rung; die  Entfernung  zwischen  den 
einzelnen  Ringen  betrug  5—9  m. 

Innerhalb  der  kreisförmigen  Grenzen 
etwa  50  cm  unter  der  jetzigen  Ober- 
fläche des  Ackers  fanden  sich  zahl- 
reiche, zerstreute  Scherben,  doch  auch 
zerdrückte  und  wenig  beschädigte  Ge- 
fässe,  o£fenbar  noch  an  der  Stelle,  wo 
sie  ursprünglich  niedcrgestellt  worden 


waren.  Durchschnittlich  mögen  die 
Grabstätten  6  bis  8  Beigefasse  ent- 
halten haben. 

Die  eigentlichen  Gräber  lagen  1—2 
m  unter  diesen  Gruppen  von  Beige- 
fässen,  sie  stellten  sich  als  Gruben 
dar,  deren  länglich  viereckige  Form 
durch  die  im  Sand  zerstreute  Holz- 
kohle noch  ungefähr  zu  erkennen  war 
Die  Länge  dieser  von'  Nord  nach  Süd 
gerichteten  Gruben  wechselte  zwischen 
1  m  10  cm  und  2  m;  die  Breite  zwi- 
schen 40  cm  und  1,40  m.  Einmal  war 
der  Rand  der  Grube  mit  Steinen  um- 
stellt. In  diesen  Vertiefungen  fand 
sich  die  Asche  der  verbrannten  Kör- 
per in  Gefässen  beigesetzt  oder  aaf 
dem  Boden  ausgeschüttet  vor.  Die  Bei- 
gaben lagen  nicht  zerstreut,  auch  nicht 
in  den  Aschenbehältern,  sondern  auf 
einer  Stelle  vereinigt,  seitwärts  von 
den  verbrannten  Gebeinen. 

Grab  L  Die  aufTaf.  XVI  lio.  1  ab- 
gebildete  schwarze  und  glänzend  po- 
lierte Schüssel  enthielt  die  Asche,  sie 
stand  2  m  tief  und  war  mit  Steinen 
umstellt.  Dabei  lagen  eine  grosse 
eiserne  Fibula  mit  angeheftetem  Fuss, 
die  Reste  einer  zweiten,  sowie  mehrere 
unbestimmbare  Eisenreste.  Über  dem 
Aschengefäss,  nur  50  cm  unter  der 
Ackerfläche  stand  der  grosse  Krag 
Taf.  XV  No.  1,  in  welchem  die  Knochen 
eines  jungen  Ebers  lagen;  seitlich  vom 
Rande  der  Grube  waren  vier  kleine 
Gefässe  aufgestellt,  ein  roher  Topf, 
eine  Schale  aus  naturfarbigem  Tbon 
und  der  kleine  Krug  mit  Becher,  abgab. 
Taf.  XVI  Nr.  2. 

Grab  II  enthielt  die  aufTaf.  XV unter 
No.  2  und  3  und  die  auf  Taf.  XVI  unter 
No.  3,  4,  5,  6  abgebildeten  Thonge- 
fässe  und  Schmuckgeräte  aus  Bronze, 
ausserdem  einen  kleinen  schwarzen 
Krug,  ein  gleichartiges  Gefäss  ans 
natiuiarbigem  Thon  und  die  Bruch- 
stücke eines  rohen  Napfes.  Die  Urne 
Taf.  XV  No.  2  besteht  aus  rötlichem 
Thon,  der  Halsansatz  ist  durch  ein- 
gestochene kommaförmige  Striche  be- 
zeichnet, der  Hals  selbst  ist  schwarz 
und  poliert,  sie  enthielt  die  Asche  und 
stand  95  cm  tief.  Unter  den  Bronze- 
geräten ist  die  grosse  Fibel  No.  3 
wegen  der  in  unserer  Gegend  seltenen 
Form  besonders  bemerkenswert.  Die 
Schlussplatte  des  Fusses  schmückt  eine 
Blume    aus    ehemals  roten  Korallen- 


Museographi^. 


381 


Stückchen,  die  durch  Einkerbungen  ver- 
ziert und  mit  feinen  Bronzenieten  auf 
der  kreisrunden  Platte  befestigt  sind. 
Ebenso  ist  die  Nadelrolle  mit  Korallen- 
stiicken  verziert,  die  auf  gleiche  Art 
angeheftet  sind.  Von  einfacherer  Art 
ist  No.  4.  Der  schmale  Bügel  zeigt  ein 
längliches,  eingraviertes  Feld,  das  mit 
zahlreichen  Kreisen  undGentralpunkten 
gefüllt  ist.  Die  runde  Platte  am  Fuss 
trug  ehemals  eine  Eorallenscheibe. 
No.  6  (Tafel  XVI)  stellt  den  Schluss- 
baken eines  schmalen  Gürtels  dar. 

Grab  III  brachte  die  Scherben  eines 
rohen  Aschenge fässes  und  drei  blaue 
und  gelbe  ringförmige  Glasperlen.  Da- 
bei lagen  noch  eine  eiserne  Pinzette 
und  Bruchstücke  von  zwei  eisernen 
Fibeln  mit  angeheftetem  Fuss.  Die 
Zähne  und  Knochen  eines  kl.  Schweines 
fanden  sich  nebst  den  Scherben  ver- 
schiedener Gefasse  im  oberen  Teil  des 
Grabes.  Die  Vertiefung,  welche  die 
Asche  enthielt,  war  mit  Steinen  um- 
stellt. 

Grab  IV  unterschied  sich  von  den 
übrigen  Grabstätten  indem  es  anschei- 
nend eine  teilweise  Bestattung  ent- 
hielt. Die  Grube  war  1,80  m  lang, 
78  cm  breit  und  1,25  m  tief,  von  Nord 
nach  Süd  gerichtet.  In  ihr  lag  ein 
mit  Steinen  umstellter  und  durch  diese 
zerdrückter  Schädel.  Andere  Knochen- 
reste konnten  nicht  wahrgenommen 
werden,  doch  fanden  sich  bei  dem 
Schädel  Stücke  geschmolzenen  Glases, 
die  auf  Verbrennung  der  übrigen  Kör- 
perteile schliessen  lassen.  In  dem 
Grab  lagen  ausser  unbestimmbaren 
Eisenresten  eine  Thierkopf- Fibel  aus 
Bronze  (Taf.  XVI  No.  7)  und  die  Reste 
eines  zweiten  Exemplars;  ferner  zwei 
Fibeln  von  Bronze  (Tal.  XVI  No.  8),  ein 
Armring  aus  Bronze  mit  kl.  Puffern, 
eine  Perle  aus  blauem  Glas  mit  weissen 
Augen  (Taf.  XVi  No.  9)  und  kleine  Frag- 
mente von  Zierraten  aus  Bronzedraht. 
Von  Gefässen  konnte  nur  die  flaschen- 
förmige  Urne  Taf.  XV  No.  4  gehoben 
werden. 

Grab  V.  Eine  schwarze  krug- 
artige, auf  der  Scheibe  hergestellte 
Urne  und  ein  hoher,  nach  dem  Fuss 
hin  nur  wenig  verjüngter  Topf  von 
roher  Arbeit  enthielten  die  Asche,  in 
dem  schwarzen  Gefäss  fanden  sich 
mehrere  Klümpchen  eines  schwärzlichen 
Harzes,   das   beim   Anbrennen   einen, 


dem  Weihrauch  ähnlichen  Geruch  ver- 
breitete. Neben  den  Gefässen  lagen 
6  Nägel  aus  Eisen,  deren  breite  Köpfe 
mit  Bronzeblech  überzogen  sind.  Diese 
Nägel  lassen  angerostete  Holzteile  er- 
kennen, sie  hatten  zur  Befestigung  des 
eisernen  Buckels  auf  dem  Schilde  ge- 
dient. Da  sie  auf  der  Rückseite 
der  Schildwand  umgeschlagen  worden 
waren,  lässt  es  sich  mit  Sicherheit  be- 
stimmen, dass  dieselbe  2V2  cm  stark 
war. 

Von  Gegenständen  aus  Metall  sind 
ausserdem  nnr  Fragmente  aus  Eisen 
vorhanden,  die  möglicher  Weise  von 
einem  Schwert  herri'ihren  könnten, 
sowie  Bruchstücke  zweier  Bronzefibeln 
mit  angeheftetem  Fuss.  Eine  kleine 
ringförmige  Perle  aus  blauem  Glas  lag 
bei  den  Fibelresten. 

Über  der  Grube  wurden  die  Scher- 
ben eines  fast  cylindrischen  rohen  Ge- 
fässes  und  zwei  kleine  scharf  profi- 
lierte Schalen  aus  naturfarbigem  Thon 
erhoben. 

Grab  VI  enthielt  wahrscheinlich  die 
Asche  von  zwei  Personen  von  Mutter 
und  Kind.  Die  Überreste  waren  in 
einem  krugartigen  schwarzen  mit  der 
Scheibe  gefertigten  Gefäss  und  in  einer 
Schüssel  mit  einwärts  gebogenem  Rande 
geborgen;  bei  der  letzteren  lag  eine 
Bronzefibel  mit  angeheftetem  Fuss 
(Taf.  XVI  No.  10)  und  das  Fragment 
einer  zweiten,  sowie  eine  Kinderklap- 
per aus  Thon.  Über  der  Grube  seit- 
lich standen  noch  zwei  Gefasse  von 
gleicher  Art  wie  die  Aschenbehälter 
und  der  fast  cylindrische  Topf  mit  rei- 
fenartig umlaufenden  Wülsten  (Taf.  XVI 
No.  11),  welcher  auf  der  Scheibe  her- 
gestellt ist. 

In  Grab  VII  war  die  Asche  aut 
den  Boden  geschüttet;  verhältnis- 
mässig reich  zeigte  sich  die  Ausstat- 
tung mit  Schmuckgeräten. 

In  einer  Gruppe  beisammen  lagen 
ein  schön  verzierter  Halsring  (Taf.  XVI 
No.  12),  zwei  Armringe  (Taf.  XVI  No.  13), 
der  Armring  No.  14  und  ein  viertes 
einfaches  Exemplar  mit  ovalen  kleinen 
Puffern:  ferner  eine  Radkreuz  -  Ver- 
zierung (Taf.  XVI  No.  15),  eine  kleine 
Bronzefihel  mit  zurückgebogenem 
freiem  Fuss,  ein  kleiner  geschlossener 
Bronzering  und  das  Schlussstück  eines 
Gürtels. 

28* 


382 


Museographie. 


Über  dem  Grabe  lagen  Gefäss- 
scherben. 

Auch  in  Grab  YIII  war  die  Asche 
anf  den  Boden  geschüttet.  Die  Bei- 
gaben bestanden  aus  einem  hohlen  Hals- 
rin^  aus  Bronze  (Taf.  XVI  No.  16),  einem 
zerbrochenen  hohlen  Bronzearmring, 
ebenda  No.  17  drei  leichten  Bronzearm- 
ringen wie  Taff.  XVI  No.  18  und  einer 
eisernen  Fibel  mit  aufgebogenem  Fuss 
und  Schlussknopf  (Taf.  XVI  No.  19).  Die 
Reste  einer  zweiten  eisernen  Fibel 
konnten  nicht  zusammengefögt  werden. 

Grab  IX.  Die  Asche  war  in  einer 
Schüssel  aus  naturfarbigem  Thon  ge- 
borgen (Taff.  XV  No.  5).  Dabei  lagen 
die  schön  verzierte  Bronzefibel  Taf.  XVI 
No.  20,  eine  zweite  Bronzefibel  wie  das 
Taff.  XVI  No.  8  abgebildete  Exemplar, 
Reste  einer  Bronzekette,  ebenda  No.  21, 
ein  kleines  eisernes  Messer,  ein  Stück 
Feuerstein  und  ein  kegelförmiger  Spinn- 
wirtel  aus  Thon.  Von  den  Beigefässen 
waren  nur  Trümmer  vorhanden. 

Eine  eiserne  Schere,  ein  eisernes 
kleines  Messer,  die  Reste  mehrerer 
eiserner  Fibeln  anscheinend  mit  ange- 
heftetem Fuss  und  geschmolzene  Stücke 
von  blauen  Glasringen  stammen  aus 
Grab  X.  Die  Gefässe  sind  durch 
hohe,  roh  gearbeitete  Thonurnen,  zwei 
auf  der  Scheibe  gefertigte  schlanke 
Urnen  (Taff.  XV  No.  6)  und  eine  kleine 
Thonschale  vertreten. 

Grab  XI  lieferte  den  auf  Taff.  XV 
Nr.  7  abgebildeten  schwarzen  Krug ;  er 
ist  ebenfalls  auf  der  Scheibe  herge- 
stellt. Ausserdem  wurden  zwei  glän- 
zend schwarze  Schalen  mit  stark  ein- 
wärts gebogenen  Rändern,  die  Reste 
von  eisernen  Fibeln  mit  angeheftetem 
Fuss,   eine  eiserne  Zwinge  gefunden. 

Die  Kinnlade  und  einige  Röhren- 
knochen eines  kleinen  Tieres  lagen  in 
einer  der  schwarzen  Schalen. 

Das  auf  Taff.  XV  No.  8  abgebildete 
auf  der  Scheibe  gedrehte  Gef^s  wurde 
in  einem  früher  zerstörten  Grabe  ge- 
funden. 

Die  Art  der  Anlage  dieser  11  Grab- 
stätten lässt  darauf  schliessen,  dass 
dieselben  ehemals  mit  Hügeln  be- 
deckt waren,  welche  durch  den  Acker- 
bau beseitigt  wurden. 

Dass  die,  ursprünglich  wohl  auf  der 
Oberfläche  dos  Bodens,  oder  in  seichten 
Mulden,  aufgestellten  Beigefässe  jetzt 
bis  50  cm  unter  der  Oberfläche  ange- 


troffen wurden,  erklärt  sich  leicht  durch 
die  allgemeine  Erhöhung,  welche  der 
Boden  bei  Einebnung  der  Hügel,  sowie 
durch  die  vom  Pflug  und  vom  Wasser 
aus  dem  höher  liegenden  Teil  des  Ge- 
ländes herabgeführte  Erde  erfahr.  Die 
anf  dem  Fuss  der  Sandhügel  ringförmig 
eingefüllte  schwarze  Erde  sollte  wohl 
einem  Gehege  von  Sträuchem  die  zu 
dauerndem  Wachstum  nötige  Nahrung 
bieten.  In  der  That  lässt  sich  mit 
ziemlicher  Sicherheit  nachweisen,  dass 
in  nachchristlicher  Zeit  noch  der  Ge- 
brauch bestand,  die  Gräber  durch 
Hecken  (Dorngehege)  zu  schützen. 

b.  Aufsuchung  röm.  Brandgrä- 
ber im  Gartenfeld,  Mainz.  Herr 
Bildhauer  Däsem  hatte  im  Jahre  1893 
in  seinem  Garten  in  einer  Tiefe  von 
ca.  3  m  40  cm  eine  Anzahl  rumischer 
Brandgräber  gefunden  und  stellte  sein 
Gebiet  in  dankenswerte  Weise  zur 
Untersuchung  durch  den  Altertnms- 
verein  zur  Verfügung.  Man  fand  aber 
nur  noch  ein  Grab.  Ein  umfangreiches 
Gräberfeld,  dessen  Spuren  an  verschie- 
denen benachbarten  Stellen  bei  Fan- 
damentanlagen  beobachtet  wurden, 
scheint  also  hier  seinen  Abscbluss  ge- 
funden zu  haben.  Das  Grab  enthielt 
eine  kleine  fleckige,  beim  Brand  miss- 
ratene  Aschenurne ;  sie  hat  eine  glatte 
Standfläche  und  einen  im  Querschnitt 
dreieckigen  Rand,  dessen  Aussenseite 
leicht  gewölbt  ist.  Dabei  fanden  sich 
zwei  rote  Thonlämpchen,  eine  kleine 
Glasphiole,  ein  bauchiges  Kruglcin  aus 
weissgelbem  Thon,  ein  grösserer  Krug 
von  gleicher  Farbe,  mit  geripptem 
Henkel  und  mehreren  Klumpen  ge- 
schmolzenen grünlichen  Glases.  Uuter 
diesen  Resten  lag  auch  der  Kopf  und 
Hals  eines  aus  Glas  geformten  Vogels, 
der  wohl  als  Spielzeug  diente. 

An  anderer  Stelle  wurden  unter 
einer  Schichte  Holzkohlen  Bruchstücke 
von  4  oder  5  grösseren  und  kleineren 
Thongef ässen,  eine  zerbrochene  Lampe 
aus  weissgelbem  Thon,  Beinknochen 
einer  Gans  und  mehrere  Rinderzähne 
aufgefunden. 

Die  Lampe  zeigt  das  Reliefbild  ei- 
ner Mänade,  Taff.  XVII  Nr.  1.  Das  in 
rascher  Bewegunar  mit  zurückgeworfe- 
nem Kopf  und  fliegendem  Haar  und 
Gewand  dargestellte  Weib  hält  in  der 
einen  Hand  ein  Messer,  in  der  ande- 
ren ein  Vierteil  von  einem  Reh  oder 


Museograpbie. 


383 


anderem  Wild;  es  scheint  mit  dem 
Fell  des  Tieres  umgürtet  zu  sein.  Auf 
dem  Boden  der  Lampe  ist  erhöht  ein 
T  zu  erkennen. 

Ein  Lämpchen  aus  Thon  und  eine 
Sibermöuze  des  Augustus  wurden  nebst 
Scherben  und  einigen  Nadeln  aus 
Knochen  als  Einzelfunde  eingeliefert. 

c.  Ausgrabung  auf  dem  frän- 
kischen Friedhofe  bei  Uabn- 
heim,  Rheinhessen.  Die  Unter- 
suchung dieses  Friedhofs  war  schon 
im  Jahre  1892  begonnen  worden.  Im 
Spätsommer  des  verflossenen  Jahres 
wurde  sie  fortgesetzt  und  es  wurden 
64  Gräber  aufgedeckt.  Die  Tiefe  der 
Grabstätten  wechselte  zwischen  1  und 
2  m;  die  seichtesten  Gruben  enthiel- 
ten die  einfachsten  Beigaben.  Die 
Lage  der  Leichen  war  wie  gewöhnlich 
von  Westen  nach  Osten  gerichtet. 

28  Gräber  erwiesen  sich  als  bereits 
in  alter  Zeit  beraubt,  die  Knochen  des 
Oberkörpers,  bei  welchen  die  Schatz- 
gräber die  Schmucksachen  hauptsäch- 
lich antreffen  mussten,  waren  meist  aus 
ihrer  Lage  geworfen  und  zerstört. 

In  einigen  dieser  Gräber  wurden  in- 
des noch  einzelne  schöne  Schmuckge- 
räte gefunden,  welche  die  Räuber 
übersehen  hatten. 

So  konnten  aus  Grab  No.  5  der 
goldene  mit  Filigran  verzierte  Anhän- 
ger (Taf.  XX  No.  1)  und  ein  kleiner 
Glasbecher  geborgen  werden,  während 
das  zerstörte  Grab  No.  21  die  schöne 
mit  Granaten  besetzte  Rosettenfibula 
(Taf   XX  No.  2)  geliefert  hat. 

Von  den  noch  unberührt  vorgefun- 
denen 36  Grabstätten  erwiesen  sich 
5  Frauongräber  als  gut,  ja  reich  aus- 
gestattet, die  übrigen  31  zeigten  im 
allgemeinen  nur  einfache  Beigaben,  in 
sechs  Fällen  fehlten  diese  ganz. 

Aus  21  zum  Teil  schon  durchwühl- 
ten Männergräbem  wurden  9  Lanzen, 
1  Spatha,  2  grosse  Waidmesser,  4 
kkinere  Messer  und  9  Pfeile  erhoben, 
eine  verhältnismässig  kleine  Zahl  von 
Waffen. 

Der  eigentliche  Scramasax,  der 
Schild,  das  Beil  kamen  in  diesem  Teil 
des  Friedhofes  nicht  vor. 

Bei  den  12  unberührten  Männer- 
isräbern  wurde  die  Verteilung  der 
Waffen  wie  folgt  festgestellt:  In  drei 
Grabstätten  fand  sich  je  ein  Spiess, 
in  einem  Grab  ein  Langschwert,  ö  an- 


dere Gräber  enthielten  je  ein  grösseres 
Messer  oder  einige  Pfeile.  Nur  bei 
einer  Leiche  waren  zwei  Waffen,  näm- 
lich ein  Waidmesser  und  eine  Lanze 
niedergelegt. 

Auch  in  anderer  Hinsicht  zeigten 
die  Männergräber  einfachere  Ausstat- 
tung als  gewöhnlich;  die  für  fränkische 
Gürtelschnallen  und  eiserne  Beschläge 
so  bezeichnende  Tauschierung  durch 
Silber  oder  Bronze  Hess  sich  auf  kei- 
ner der  erhobenen  Schnallen  und 
Platten  nachweisen;  gläserne  Trink- 
becher wurden  bei  Männerskeletten 
nur  zweimal  angetroffen. 

In  zwei  Fällen  sind  Tierknochen 
neben,  resp.  über  den  menschlichen 
Resten  gefunden  worden.  So  barg  das 
Grab  No.  7  die  Knochen  eines  jungen 
Ebers,  die  über  dem  Skelett  eines 
Mannes  lagen,  und  bei  Grab  No.  22 
fand  man  das  Gerippe  eines  jungen 
Pferdes,  dem  noch  drei  Backenzähne 
fehlen.  Das  Pferd  lag  etwa  60  cm 
von  dem  menschlichen  Skelett  entfernt, 
doch  mit  dem  Kopf  nahe  an  der  lin- 
ken Hand  seines  Herrn,  dessen  Rechte 
den  Speer  hielt.  Eine  Thonurne,  in 
welcher  ein  Glasbecher  geborgen  war, 
stand  zu  Füssen  des  Kriegers. 

Was  die  Frauengräber  betrifft,  so 
zeichneten  sich  einige,  wie  schon  be- 
merkt, durch  wertvolle  Beigaben  aus. 

Das  Grab  No.  1  enthielt  eine  sil- 
berne, vei]goldete  Spangenfibula  (Taf.  XX 
No.  3),  ein  Amulet,  Krystallkugel  in 
Silber  gefasst  (Taf.  XX  No.  4)  und  eine 
Bronzenadel.  Von  anderen  Geräten 
fanden  sich:  Ein  Schabmesser  aus 
Bronze,  ein  grauer  Napf  aus  Thon  mit 
eingestempelten  Verzierungen  und  ein 
Becher  aus  Thon. 

Reicher  noch  war  Grab  12  ausge- 
stattet. Auf  dem  sehr  mürben  Skelett 
lagen  in  der  Gegend  des  Halses  Glas- 
perlen und  eine  Scheibenfibel  aus  ver- 
goldetem Silber,  deren  Oberfläche  ganz 
mit  geschnittenen  in  Zellen  gefassten 
Granaten  bedeckt  ist  (Taf.  XX  No.  5). 
Auf  der  Brust  &nd  sich  die  kleinere 
ebenfalls  mit  Granaten  besetzte  Fibula 
(Taf.  XX  No.  6).  Unterhalb  des  Beckens 
lag  eine  Gürtelschnalle  aus  Bronze. 
Zu  Füssen  des  Skeletts  stand  eine  ganz 
verwitterte  Urne  aus  grauem  Thon. 

Im  Grab  No.  27  wurden  neben  ver- 
schiedenen kleinen  Geräten  mehrere 
schöne  bunte  Glasperlen,  eine  silberne 


384 


Museograpbie. 


Riemenzunge  und  ein  Glasbecher  von 
ungewöhnlicher  Form  (Taf.  XXI  No.  1) 
vorgefunden. 

Das  Skelett  in  Grab  39  trug  eine 
Perlenschnur  am  Hals  und  am  linken 
Handgelenk  eine  einzelne  würfelförmige 
bunte  Glasperle.  Auf  der  Brust  lag 
eine  Scheibenfibula  aus  Bronze  mit 
gestanzter  Zierfläche  und  mit  gelben 
und  blauen  Glasperlen  besetzt  (Taf.  XX 
No.  7).  Ein  Gürtel  mit  eiserner 
Schnalle,  ein  kleines  Eisenmesser  und 
eine  Urne  aus  Thon  vervollständigten 
die  Ausstattung. 

Einen  Glasbecher,  sowie  einen  Spinn- 
wirtel  aus  grünem  Glas  mit  weisser 
wellenförmiger  Verzierung  ergab  das 
Grab  No.  54.  Ein  grosser  Glasbecher 
wurde  einem  halbzerstörten  Grabe  ent- 
nommen. 

Die  erhaltenen  Thougefässe,  im  Gan- 
zen 27,  haben  zum  grossen  Teil  die 
Xapfgestalt  mit  vorstehender  Bauch- 
kante ohne  Henkel;  sie  sind  durch 
Einritzung  wie  auch  durch  den  Stem- 
pel und  das  Töpferrädchen  verziert. 
Becherartige  Thongefässe  sind  nur 
dreimal  vertreten,  zweimal  die  gehen- 
kelte Kanne  mit  Ausgussröhre. 

Ein  Vergleich  dieser  Ergebnisse  mit 
jenen,  welche  die  Untersuchung  des 
unteren  Teils  des  Friedhofs  im  Jahre 
1892  brachte,  zeigt  auffallender  Weise, 
dass  dort  aus  einer  ziemlich  gleichen 
Zahl  unberührter  Gräber  eine  grössere 
und  mannigfaltigere  Gruppe  von  Waffen 
erhoben  wurde.  Der  Schild  sowohl 
wie  die  Spatha  waren  mehrfach  ver- 
treten. Auch  ein  Ango,  wohl  die 
seltenste  fränk.  Waffe,  stammt  aus 
einem  Grab  in  der  Niederung. 

Es  war  auf  Grund  vieler  Erfahrun- 
gen anzunehmen,  dass  die  Sitte,  die 
Verstorbenen  mit  allen  Bedürfnissen 
des  Lebens  auszustatten,  in  dem  höher 
gelegenen  und  älteren  Teil  des  Fried- 
hofes deutlicher  zum  Ausdruck  komme 
als  in  den  niederen  Regionen,  die  im 
allgemeinen  einer  späteren  Zeit  ange- 
hören, in  deren  Verlauf  der  alte  Brauch 
allmählig  schwand  und  zuletzt  mehr 
angedeutet  als  ausgeübt  wurde. 

d.  Bei  Grabung  eines  Kellers  stiess 
Herr  Agent  Kern  in  Sprendlingen, 
Rheinhessen,  auf  fränkische  Grä- 
ber und  machte  in  dankenswerter 
Weise  dem  Altertums  verein  sofort  Mit- 
teilung von  seinem  Funde.    Der  Ver- 


ein übernahm  die  weitere  Untersuchung 
der  Umgebung. 

Das  Fundgebiet  liegt  dicht  bei  dem 
Bahnkörper  und  dem  Stationshaus  von 
Sprendlingen,  bei  deren  Bau  schon 
vor  Jahren  ein  Teil  des  Friedhofs  au- 
geschnitten  worden  war. 

Es  wurden  in  diesem  Jahre  im  Gan- 
zen noch  55  Gräber  aufgefunden,  vou 
denen  46  regelmässig  untersucht  wer- 
den konnten. 

Zehn  Grabstätten  erwiesen  sich  als 
früher  durchwühlt,  davon  waren  vier 
als  Frauen-,  zwei  als  Männergräber  zu 
erkennen;  bei  den  übrigen  war  eine 
Bestimmung  nicht  mehr  möglich,  da 
sie  nur  noch  Scherben  und  gänzlich 
vermoderte  Knochenteile  bargen.  Vou 
den  unberührt  vorgefundenen  Gräbern 
enthielten  13  männliche  und  21  weib- 
liche Skelette,  2  konnten  bestimmt  als 
Kindergräber  erkannt  werden. 

Als  bezeichnend  für  dieses  Grabfeld 
muss  das  häufige  Vorkommen  von 
Leichenbrettem  erwähnt  werden ;  mehr- 
mals schienen  auch  die  Leichen  ganz 
mit  Brettern  umstellt  zu  sein.  Mau 
wird  in  diesen  Fällen  auf  regelrechte 
Särge  schliessen  dürfen,  obgleich  nur 
einmal  eiserne  Nägel  gefunden  wur- 
den, denn  die  Bretter  konnten  ebenso 
gut  mit  hölzernen  Stiften  zusammen- 
gefüst  werden. 

Die  Gruppe  der  erhobenen  Waffeu 
umfasst  14  Lanzen,  drei  Langschwer- 
ter, einen  Scramasax,  18  Waidmesser 
von  40  cm  Länge,  eine  Wurfaxt,  eine 
Streitaxt,  5  Pfeile  und  6  Schildbuckel. 

Von  diesen  Waffen  waren  9  Lanzeu 
und  ein  Schildbuekel  schon  vor  Ein- 
treten der  Beaufsichtigung  gefunden 
worden;  ihre  Zugehörigkeit  zu  be- 
stimmten Gräbern  war  nicht  mehr  fest- 
zustellen. Die  übrigen  32  Waff  n- 
Btücke  verteilen  sich  auf  13  unberührt 
vorgefundene  Männergräber,  von  dencu 
die   meisten   zwei  Waffen   enthielten. 

Die  Messer  bis  zu  20  cm  Länge 
sind  hierbei  nicht  berücksichtigt,  da  sie 
ja  in  Männer-  und  Frauengräberu  vor- 
zukommen pflegen. 

Die  13  Grabstätten  der  Männer 
dürfen  im  allgemeinen  gut  ausgestattet 
genannt  werden,  einige  zeichnen  sirh 
durch  zahlreiche  Beigaben  aus.  So 
das  Grab  No.  18.  Bei  dem  Skelette 
lagen  eine  Spatha,  eine  Wurfaxt,  eine 
Lanze  und  ein  40  cm  langes  Dolch- 


MaseograpjMe. 


385 


messer.  Der  Gürtel  war  mit  einer 
eisernen  Schnalle  geschlossen;  dicht 
an  demselben  fanden  sich  zwei  klei- 
nere Messer.  Zu  Füssen  der  Leiche 
stand  eine  Schüssel  aus  Bronzeblech 
mit  zwei  eisernen  Henkeln  (Taf.  XXI 
No.  2),  welche  ein  Rippenstück  von 
einem  Schwein,  zahlreiche  Eierschalen 
und  einen  gläsernen  Trinkbecher  ent- 
hielt. Das  Grab  war  mit  Brettern 
umstellt;  auf  dem  Boden  fanden  sich 
Holzkohlen  zerstreut. 

Nicht  minder  stattlich  war  die  Aus- 
rüstung des  in  Grab  31  ruhenden 
Kriegers.  Die  Rechte  hielt  den  mit 
der  Spitze  nach  unten  gewendeten 
Speer;  auf  dem  Unterarm  fand  sich 
der  Buckel  des  Schildes;  im  linken 
Arm  lag  das  Laugschwert  und  an  der 
Hand  ein  40  cm  langes  Waidmesscr. 
Feuerstahl  und  Stein  lagen  in  der 
Gegend  der  Hüften,  zu  Füssen  stand 
eine  gehenkelte  Kanne  aus  Thon  mit 
Ausgussröhre. 

Grab  26  enthielt  ein  Langschwert, 
ein  langes  Messer,  einen  Schild,  drei 
Pfeile  und  verschiedenes  Klcingerät, 
eine  Pincette  aus  Bronze,  Feuerstahl 
und  Gürtelteile  aus  Bronze;  zwischen 
den  Kinnladen  des  zerfallenen  Schä- 
dels fand  sich  eine  Bronzemünze,  deren 
Prägung  nicht  mehr  zu  erkennen  war. 
Das  Grab  war  mit  Brettern  umstellt. 

Die  erwähnten  Pfeile  sind  von  ver- 
schiedener Form.  Üer  eine  ist  mit 
Widerhaken  versehen,  der  andere  ist 
einfach  blattförmig,  während  der  dritte, 
abgeb.  Tat.  XXI  No.  3,  eine  besondere 
Form  zeigt,  die  in  den  rheinischen 
Reihengräbern  meines  Wissens  bis  jetzt 
noch  nicht  angetroffen  wurde,  wohl 
aber  aus  dem  Gräberfeld  von  Reichen- 
hall in  Bayern  vorliegt.  Der  Pfeil 
zeigt  drei  Schneiden,  die  von  der  drei- 
kantigen Tülle  auslaufen. 

Wenn  die  21  Frauengräber  sich  auch 
im  allgemeinen  nicht  als  besonders 
reich  ausgestattet  erwiesen,  so  wur- 
den doch  aus  zweien  einzelne  hervor- 
ragend schöne  und  interessante  Fund- 
stücke erhoben. 

Grab  3  enthielt,  neben  den  gewohn- 
ten Beigaben  und  einem  schönen  Glas- 
becher, die  auf  Taf.  XX  No.  8  abgebil- 
dete reichverzierte  viereckige  Fibula. 
Die  Oberfläche  ist  ganz  mit  geschnit- 
tenen Almandinen  und  Glasflüssen  be- 
deckt,  welche  in  Zellen  aus  Bronze- 


blech gefasst,  ein  reiches  und  farbiges 
Muster  bilden.  Die  Mitte  der  Fläche 
nimmt  ein  grosser  ovaler  indischer 
Granat  ein,  um  den  sich  zunächst  6 
kleine  kreisförmige  Zellen  gruppieren. 
Die  zwei  seitlich  stehenden  waren  ur- 
sprünglich mit  Perlen  oder  weissem 
Schmelz  besetzt,  die  vier  anderen 
dienten  zur  Aufnahme  von  Nieten  mit 
vergoldeten  Köpfen,  welche  die  Rück- 
seite der  6  mm  dicken  Fibula  mit  der 
Zierfläche  verbinden  helfen  und  zu- 
gleich die  Platte  mit  der  Nadelrolle 
sowie  den  Nadelhalter  anheften.  Die 
geschnittenen  mit  Goldfolie  unterleg- 
ten Almandintafeln  bilden  gewisser- 
massen  den  dunkeln  Grund,  von  wel- 
chem sich  die  zierlichen,  vergoldeten 
Kanten  der  Zellen,  sowie  die  hellen 
Emaileinlagen  abheben.  Die  kleeblatt- 
förmigen Figuren  vor  den  Ecken  der 
Fibel  sind  hellgrün,  während  die  Ecken 
selbst  mit  blauem  Glas  gefüllt  sind. 

Die  länglich-viereckigen  Zellen  an  den 
vier  Seiten  zeigen  weisse  und  blaue 
Emaileinlagen. 

Zur  Befestigung  der  Zierfläche  die- 
nen neben  den  erwähnten  4  Nieten, 
der  umgebogene  Rand  des  Blechstrei- 
fens, welcher  die  6  mm  hohen  Seiten- 
flächen der  Fibel  bildet,  und  vier 
kleine  durch  die  Ecken  getriebene 
Bronzestifte.  Die  Metallteile  des 
Schmuckstückes  waren  ursprünglich 
stark  vergoldet. 

Viereckige  mit  Zellenschmelz  und 
geschnittenen  Steinen  verzierte  Platten 
sind  bisher  nur  als  Gürtel-  und  Schnal- 
lenbeschläge bekannt  und  auch  als 
solche  von  grosser  Seltenheit. 

Die  Rundfibel  Taf.  XX  No.  9  stammt 
aus  Grab  25 ;  dasselbe  enthielt  ausser- 
dem einen  frei  im  Boden  liegenden 
Glasbecher,  eine  Gürtelschnalle  aus 
Bronze  und  etliche  Eisenreste.  Die 
Leiche  war  anscheinend  in  einem  Sarg 
beerdigt. 

Wie  die  Abbildung  zeigt  hat  die 
Scheibe  in  der  Mitte  eine  buckelartige 
Erhöhung,  welche  mit  einem  runden 
dunkelgelben  Glasplättchen  verziert 
ist.  Von  diesem  gehen  4  Liniengrup- 
pen aus,  welche  die  4  Arme  eines 
Kreuzes  bilden,  die  ihren  Abschluss 
durch  halbkreisförmige  Einlagen  aus 
dunkelgelbem  Glas  finden.  Die  durch 
diese  Einteilung  gebildeten  Felder  sind 
mit  schuppenförmig  übereinander  ge- 


386 


Museographie. 


schobenen  concentrischeu  Kreisen  ge- 
füllt 

Bei  Grab  No.  34  ist  vor  allem  die 
Tftf.  XX  No.  10  abgebildete  Gürtel- 
schnalle aus  stark  vergoldeter  Bronze 
zu  nennen.  Die  Platte  des  Doms  ist 
mit  Granaten  auf  Goldfolie  besetzt. 
Die  Köpfe  der  drei  Nieten,  welche 
die  obere  Platte  mit  der  gleich  grossen 
unteren  verbanden  und  das  dazwischen 
liegende  Leder  des  Gürtels  festhefte- 
ten, sind  mit  geperlten  silbernen  Rin- 
gen eingefasst.  Zu  Grab  34  gehört 
noch  ein  Fingerring  aus  Bronze,  in 
dessen  runder  Zelle  das  Fragment 
eines  Granats  erhalten  ist. 

Die  übrigen  aus  verschiedenen  Män- 
ner- und  i?  rauengräbern  gewonnenen 
Gegenstände  aus  Metall,  wie  Schab- 
messer, Scheren,  Feuerstahl,  Gürtel- 
beschläge etc.,  zeigen  meist  die  ge- 
wohnten, oft  beobachteten  Formen. 
Eine  zierliche,  verzinnte  Gürtelschnalle 
aus  Bronze  und  ein  länglich  vier- 
eckiges, ebenfalls  verzinntes  Gürtel- 
beschläge treten  aus  dieser  Gruppe 
hervor.  Das  letztere  verdient  aus 
dem  Grunde  Beachtung,  weil  die 
Flächendekoration  durch  eine  Art  von 
stilisierten  Pflanzenranken ,  unseren 
Grabfunden  im  Allgemeinen  fremd  ist, 
und  an  die  Verziernogen  gleichartiger 
Gegenstände  aus  Reihengräbern  Un- 
garns (Keszthely)  erinnert. 

Im  Ganzen  sind  8  Becher  aus  Glas 
gefunden,  von  welchen  ö  aus  Frauen- 
gräbern und  drei  aus  Männergräbem 
erhoben  wurden. 

Die  Zahl  der  Thongefässe  beträgt 
39.  Als  seltenere  Formen  sind  zu 
erwähnen  ein  flaschenartiges  Gefäss 
mit  engem  Hals,  zwei  Schüsseln  mit 
nach  innen  verdicktem  Rande  und 
zwei  Henkelkannen  mit  Ausgussrohr. 

Unter  den  in  den  Gräbern  nieder- 
gelegten Speisen  nahmen  die  Hühner- 
eier die  erste  Stelle  ein;  nur  in  ver- 
einzelten Fällen  wurden  auch  Rippen- 
stücke von  jungen  Schweinen  gefunden. 

n.  Vermehrung  der  Sammlungen 
durch  Ankäufe  und  Geschenke,  a.  V  o  r  - 
geschichtliche  Altertümer  aus 
Stein  und  Hörn.  Drei  polierte  Stein- 
äxte und  ein  kleines  Instrument  zum 
Glätten  der  Thongefässe  aus  Gross- 
umstadt  (wahrscheinlich  aus  Grab- 
hügeln der  neolith.  Zeit,  welche  in  der 
Umgegend  dieses  Orts  vorhanden  sind) ; 


je  zwei  Steinäxte  aus  Kronau  bei  Bens- 
heim und  Unterlauterbach ;  je  eine  aas 
Breitendiel  im  bayer.  Odenwald,  und 
aus  Laubenheim  bei  Mainz.  Die  U  tz- 
tere  ist  ein  Geschenk  des  Herrn  Peter 
Koch  in  Mains. 

Zwei  durchbohrte  llammeräxte  aus 
Grossumstait,  und  eine  am  Schaftloch 
abgesprungene  Axt  von  seltener  Form 
aus  Wenigumstadt ;  diese  zeigt  rings- 
um bis  zu  der  nach  unten  verlängerten 
Schneide  viele  der  Länge  nach  ver- 
laufende geschliffene  Flächen. 

Aus  dem  Strombett  des  Rheins  stam- 
men 9  durchbohrte  Hammeräxte,  zum 
Teil  von  besonderer  Grösse  wie  das 
Taf.  XIV  No.  1  abgebildete  fein  geschlif- 
fene Stück  und  zwei  weniger  sorgfäl- 
tig gearbeitete  Exemplare,  welche  Herr 
Oskar  Winterhelt  aus  Miltenberg  dem 
Museum  als  Leihgabe  uberlieas ;  fer- 
ner eine  durchbohrte  Doppelaxt,  ein 
zersplittertes  Stück  der  gleichen  Art 
und  ein  Keulenknopf  (oder  Netzbc- 
schwerer '4  abgeb.  Taf.  XIV  No.  2. 

Einige  dieser  Werkzeuge  und  Waffen 
sind  aus  Basalt,  Diorit,  Thonschiefer 
gefertigt,  die  meisten  aber  besteheu 
aus  Rieselschiefer.  Aus  diesem  Ma- 
terial ist  auch  das  auf  Taf.  XfV  No.  3 
dargestellte  Gerät  gefertigt,  welches 
wahrscheinlich  zum  Glätten  des  Lehm- 
bewurfs der  Hütten  oder  des  Estrichs 
diente 

Von  unbekannter  Bestimmung  ist 
ein  flacher,  am  breiten  Ende  zweimal 
durchbohrter,  spitz  zulaufender  Stein, 
abgeb.  Taf.  XIV  No.  4,  gefunden  im  Rhein. 

Die  Form  im  Allgemeinen  erscheint 
ids  zufällige  Bildung«  der  Stein  zeigt, 
abgesehen  von  der  künstliclien  Durch- 
bohrung und  einer  leichten  Zuspitzung 
am  unteren  Ende,  keine  Spuren  mu 
Bearbeitung  Die  Pfeilspitze  aus  Feuer- 
stein (Taf.  XIV  No.  5)  ist  als  ein  seltenes 
Fundstück  zu  bezeichnen,  sie  stammt 
aus  dem  Wald  bei  Bingen.  Ein  zwei- 
tes, grösseres  Exemplar  mit  ausgebil- 
deten Widerhaken  ist  Geschenk  des 
Herrn  Gymnasiallehrer  Fink ;  der  Fund- 
ort kann  leider  nicht  mehr  festgestellt 
werden. 

Geräte  aus  Feuerstein  und  nament- 
lich Pfeile  wurden  in  unseren  Gegen- 
den nur  in  sehr  geringer  Zahl  gefun- 
den; aus  dem  grossen  neolithischeo 
Gräberfeld  von  Monsheim  sind  nur 
wenige  kleine  Messer  aus  diesem  Ma- 


Maseographie. 


387 


terial  erhoben  worden,  Pfeile  fehlten 
ganz.  Diese  Seltenheit  erklärt  sich 
aus  dem  Fehleu  des  Rohmaterials.  Die 
vorliaudenen  Gegenstände  aus  Feuer- 
stein wurden  von  anderen  Gegenden 
her  als  Tauschware  eingeführt. 

Als  ein  ungewöhnliches  Fundstück 
darf  auch  das  auf  Taf.  XIV  No.  6  abge- 
bildete Beil  aus  Hirschhorn  betrachtet 
werden;  dasselbe  ist  bei  Kostheim, 
3  m  tief  im  Uferschlamm  des  Main 
üt'funden,  an  derselben  Stelle,  wo  im 
vorigen  Jahre  bearbeitete  üirschge- 
weih-Stangen  und  früher  schon  rohe 
Topfscherben  und  Steinbeile  zu  Tag 
gekommen  waren.  Das  Geweih-Stück 
ist  kurz  über  der  Krone  abgeschnitten 
uud  ungefähr  in  der  Mitte  seiner  Länge 
durchlocht  zur  Aufnahme  des  Schaftes. 
Die  Schneide  steht  schief,  da  der  in- 
nere poröse  Teil  des  Geweihs  nicht 
benutzt  werden  konnte;  derselbe  ist 
jetzt  zum  Teil  verwittert 

b.  Altertümer  der  frühen  Me- 
tall z  e  i  t.  Ein  Dolch  aus  Kupfer  19,  l  cm 
Ung,  gefunden  im  Rhein,  mag  den 
Übergang  zu  der  nachstehend  ver- 
zeichneten Gruppe  von  Gegenständen 
vermitteln. 

Der  auf  Taf.  XIV  No.  7  abgebildete 
Dolch  ist  gegossen,  aber  weder  nach- 
gefeilt noch  ciseliert,  er  zeigt  noch  die 
sog.  Gusshaut,  wie  fast  alle  bis  jetzt 
aufgefundenen  Kupferdolche.  Die  Klinge 
hat  nach  oben  einen  schmäleren  An- 
satz gleich  einer  kurzen  Griffangel; 
drei  unregelmässig  geformte  Nietlöcher 
dienten  zur  Befestigung  des  Hörn-  oder 
llolzgriffs;  von  der  Spitze  bis  zu  den 
zwei  seitlichen  Nieten  läuft  eine  platt- 
gedrückte Rippe.  An  Grösse  über- 
trifft der  Dolch  die  mir  bekannten 
gleichartigen  Waffen  aus  den  Pfahl- 
bauten Österreichs  (Attersee  und  Mond- 
see) und  der  Schweiz.  In  der  Alter- 
tumersammlung  zu  Mainz  befindet  sich, 
ausser  diesem  Dolch  nur  noch  ein 
Gegenstand  aus  Kupfer,  es  ist  ein 
schmaler  Meissel,  der  ebenfalls,  als 
Einzelfund,  aus  dem  Rhein  stammt. 

Bronzeschwert  57,8  cm  lang,  gefun- 
den im  Rhein  bei  Mainz,  abgeb.  Taf.  XIV 
No.  8.  Der  obere  Teil  ist  abgebrochen, 
doch  lässt  sich  durch  Vergleich  mit 
vollständ'gen  Funden  gleicher  Art  mit 
Sicherheit  annehmen,  dass  der  abge- 
brochene Teil  oben  abgerundet  war 
und  zwei  oder  drei  Nietlöcher  zur  Be- 


festigung des  jedenfalls  gegossenen 
Griffs  hatte.  Die  schmale  Klinge, 
welche  sich  in  der  unteren  Hälfte  nur 
ganz  allmählich  verjüngt  und  im  obe- 
ren Teil  kaum  merklich  eingezogen 
ist,  hat  einen  rautenförmigen  Quer- 
schnitt. Eine  schwach  vortretende 
wulstige  Mittel rippe  läuft  vom  Griff 
zur  Spitze.  Obgleich  an  Alter  den 
Schwertern  mit  Grifizunge  nachstehend, 
müssen  die  Klingen  d'eser  Art  doch 
den  älteren  Typen  zugezählt  werden.  — 
Spitze  eines  Bronzeschwertes  aus  dem 
Rhein  bei  Mainz.  Das  Bruchstück  ist 
12,^  cm  lang,  der  Querschnitt  rauten- 
förmig. Die  Seitenflächen  sind  durch  vier 
feine  erhabene  Linien,  welche  di  m  Um- 
riss  der  Klinge  folgen,  verziert.  —  Lau- 
zenspitze  aus  Bronze  12  cm  lang  aus  dem 
Rhein  bei  Mainz  (Taf.  XIV  No.  9),  Leih- 
gabe des  Herrn  Oskar  Wiuterhelt ;  aus 
dem  Rhein  bei  Bacharach  eine  Pfeil- 
spitze aus  Bronze  mit  schmaler  Klinge 
und  einem  Dom  am  Ende  der  Tülle 
(Taf.  XIV  No.  10).  Ebendaher  der  Knauf 
einer  Streitkeule  aus  Bronze  (Taf.  XIV 
No.  11).  Um  die  auch  oben  offene 
lö  cm  lange  Bruuzeröhre  stehen  in 
drei  Gruppen  übereinander  je  4  starke 
Zacken;  die  in  der  unteren  und  obe- 
ren Gruppe  sind  dreikantig,  während 
die  mittleren  vier  Ecken  aufweisen. 
Mehrere  der  Zacken  oder  Stacheln 
sind  schon  in  alter  Zeit  abgebrochen. 
Am  unteren  Ende  der  Tülle  ist  ein 
Loch  sichtbar,  durch  welches  der  Niet- 
nagel getrieben  war,  der  den  Holz- 
schaft in  der  Tülle  festhielt.  Ein  15  cm 
langes  Stück  dieses  Stabes  ist  noch 
erhalten. 

Man  hat  die  Stachelknöpfe  mehr- 
fach als  Beschläge  von  Hirten-  uud 
Fuhrmannsstöcken,  als  Mittel  zum  An- 
treiben der  Tiere  erklärt.  Wenn  auch 
kleine  Beschläge  diesem  Zweck  dienen 
konnten,  so  sind  doch  Exemplare  mit 
3  cm  langen  Zacken,  wie  das  hier  ab- 
gebildete, sicher  als  Beschläge  von 
Streit  keulen  zu  betrachten,  deren  spä- 
teste Ent Wickelung  in  dem  mittelalter- 
lichen Morgenstern   zu   erkennen   ist. 

Aus  dem  Rbeinhett  stammt  ferner 
eine  Gruppe  von  11  Axtklingen  aus 
Bronze,  sog.  Kelte,  in  6  verschiedenen 
Typen. 

Kleine  Axtklinge  aus  Bronze  mit  sehr 
flachen  Randleisten  (Taf.  XIV  No.  12). 
Diese  Axt  weicht  von  der  gewohnten 


388 


Museographie. 


Form  ab,  indem  sie  in  der  Mitte  vor- 
springende Kcken  zeigt,  mit  welchen 
die  eigentliche  Klinge  beginnt  und  die 
Randleisten  ihren  Abschluss  finden. 

Das  kreisförmige  Loch  am  oberen 
Ende  hat  der  Kelt  mit  den  häutig  in 
Süddeutschland  und  massenhaft  in 
Italien  gefundenen  Beilen  dieser  Art 
gemeinsam. 

Zwei  Äxte  aus  Bronze  mit  sog.  Ab- 
satzkanten (Taf.  XIV  No.  13) ;  Bronzeaxt 
mit  Schaftlappen  in  der  Mitte  (Taf.  XIY 
No.  14);  5  Bronzeäxte  mit  oberen 
Schaftlappen  und  Öse  (No.  15);  Hohl- 
kelt  mit  länglich  rundem  Schaftloch 
und  Öse  (No.  16),  und  ein  ähnliches 
grösseres  Exemplar,  hohl  bis  zur 
Schneide  (No.  17) 

No.  16  ist  wie  die  Hohlkelte  im  all- 
gemeinen nur  etwa  bis  zum  unteren 
Drittel  hohl  zur  Aufnahme  des  Holz- 
schaftes, die  Schneide  blieb  kräftig 
genug  um  ihren  Zweck  zu  erfüllen; 
das  vollständig  hohl  gegossene  Beil 
aber  ist  eine  sonderbare  Spielerei,  die 
sich  weder  zur  Arbeit  noch  zum  Kampf 
eignete.  Da  der  Kelt  am  Schaftloch 
viel  enger  ist  als  in  der  unteren  Hälfte, 
so  ist  die  Einführung  eines  Holzkernes 
bis  zur  Schneide  zum  Zweck  der  Ver- 
stärkung nicht  denkbar.  Ähnliche  Beile 
sind  aus  Nordfrankreich  bekannt. 

Sichel  aus  Bronze  (Taf.  XiV  No.  18) 
und  zwei  Bronzemesser  (Taf  XIV  No.  19 
und  20);  sie  wurden  aus  dem  Rhein' 
erhoben.  Gleichen  Fundorts  sind  die 
auf  Taf.  XIV  No.  21,  22  und  23  abgebil- 
deten Nadeln  und  zwei  weitere  Exem- 
plare mit  petschaftförmigem  Kopf.  Die 
unter  No.  24  abgebildete  Nadel  stammt 
aus  Eschollbrücken,  Prov.  Starkenburg. 
Offener,  massiver  Armring  aus  Bronze 
mit  gegossener  Verzierung  durch  Fur- 
chengruppen, gefunden  in  Rheinhessen. 
Fragment  eines  Armringes  aus  Bronze, 
gefunden  im  Rhein  bei  Mainz  (Taf.  XV 
No.  9).  Die  Verzierung  ist  teils  im 
Guss,  teils  durch  Gravierung  herge- 
stellt. Vier  Spinnwirtel  aus  Thon  mit 
einfachen  eingeritzten  Verzierungen, 
aus  Kleinhausen,  Prov.  Starkenburg. 
Geschenk  des  Herrn  Kessler,  und  zwei 
gleichartige  Exemplare,  Geschenk  des 
Herrn  Dr.  Nies. 

c.  Der  sog.  Hallstatt- Zeit  ge- 
hört ein  geschlossener ,  schwerer 
Bronzearmring  an,  mit  kräftig  vortre- 
tenden Rippen,  die  in  Gruppen  geord- 


net mit  glatten  Stellen  abwechseln 
(Taf.  XV  No.  17),  Fundort  Wohnbach  bei 
Bürstadt  in  Oberhessen  ^). 

Ein  vollständiger  Grabfund  aus  Nier- 
stein, bestehend  aus  drei  Thongeßlssen 
(Taf.  XV  No.  10,  11,  12),  einem  geschlos- 
senen Halsring  aus  Bronze  (No.  13). 
zwei  Fussringen  (No.  14)  und  zwei 
offenen  Armringen  (No.  15  und  16)  Die 
Urne  No.  10,  welche  die  Knochenreste 
enthielt,  ist  schwarz  und  sorgfaltig 
geglättet,  die  Strichverziernngen  er- 
scheinen matt  auf  dem  glänzenden 
Grunde. 

Zierstück  (Anhänger)  aus  Bronze 
(Taf.  XV  No.  1 8),  aus  Habnheim  in  Rheiu- 
hessen.  Die  um  die  Aussenseite  des 
Halbmondes  gruppierten  Ösen  trugen 
kleine  Klapperbleche  oder  andere 
Hängeverzierungen. 

d.  Aus  der  sog.  La  Tene-Periode 
stammen  eine  Bronzefibel  mit  zurück- 
gebogenem  Fuss  und  Schlussknopf, 
Fundort  Hahnheim,  Rheinh  ,  die  Hälfte 
eines  Halsrings  aus  Bronze  mit  pet- 
schaftförmigem Abschluss,  gefunden 
im  Rhein  bei  Bacharach,  und  das 
Bruchstück  eines  reichverzierten  Bron- 
zehalsringes mit  hohlem  Puffer,  eben- 
daher. Ferner  ein  geschlossener  Arm- 
reif aus  Bronze  mit  dreiteiliger  Ver- 
zierung und  zwei  kleine  Bronzefibeln 
mit  geschlossenem  Fuss,  Etnzelfunde 
aus  Hahnheim  in  Rheinh. 

e.  Römische  Altertümer.  In 
der  Petersstrasse  wurden  bei  Funda- 
mentbauten zahlreiche  Fragmente  einer 
Überlebensgrossen  Statue  aus  Bronze 
aufgefunden,  die  allem  Anschein  nach 
in  Stücke  zerschlagen  worden  war,  um 
das  Material  zu  schmelzen  und  zu  an- 
deren Zwecken  zu  verwenden.  Der 
interessante  Fund  gelanirte  zum  grössten 
Teil  sogleich  in  den  Besitz  des  Mu- 
seums, einzelne  wichtige  Teile  der 
Figur  wurden  nachträchUch  durch  Hm. 
Dr.  Dörr  als  Geschenk  überlassen. 

Es  gelang  bis  jetzt  aus  den  Frag- 
menten verschiedene  Körperteile,  wie 
das  Gesicht,  einzelne  Finger  und 
Partieen  des  Rumpfes  znsammenzo- 
fügen.  Auf  Taf.  XVII  sind  unter  No.  2—6 
einige  Teile  der  Figur  abgebildet 


1)  Binge  dieser  Art  sind  ans  hessischen 
Grabhügeln  in  letzter  Zeit  mehrfach  sa  Tage 
gekommen  sugleich  mit  sog.  Zinnenringen. 
Geschlossenen  Halsringen  nnd  Fassringen 
mit  GusBzapfen,  Bernsteinschmnck  nnd  Ge- 
f&ssen  mit  Graphitbemalnng. 


Museographie. 


389 


Die  Statue  scheint  völlig  nackt  ge- 
wesen zu  seiU)  wenigstens  fand  sich 
unter  den  Bruchstücken  auch  nicht 
der  kleinste  Teil  eines  Gewandes. 
Dieser  Umstand,  sowie  das  bärtige 
Gesicht  und  die  langen,  wie  durch 
Nässe  zusammengeklebten  Haarlocken 
könnten  die  Annahme  rechtfertigen, 
dass  das  Bild  einen  Wassergott  dar- 
stellte. Die  Arbeit  giebt  sich  in  der 
Ausführung  der  einzelnen  Körperteile 
als  eine  gute  und  künstlerische  zu  er- 
kennen. Die  Behandlung  der  Fleisch- 
part ieen,  der  Hände,  Füsse  und  Teile 
des  Rumpfes  ist  breit  und  flächig,  voll 
Sicherheit  und  Verständnis  des  mensch- 
lichen Körpers.  Die  Haarpartieen 
sind  mit  Geschmack  geordnet  und  zum 
grössten  Teil  bis  ins  Einzelne  ausge- 
führt; nur  einige  Locken  zeigen  eine 
abweichende  Behandlung,  wie  z.  B. 
das  Taf.  XVII  No.  4  abgebildete  Stück 
die  feine  Durchbildung  vermissen  lässt, 
welche  bei  No.  3  bewundert  werden 
darf.  Möglich  dass  diese  Partie  von 
der  Ruckseite  der  Figur  stammt,  mög- 
lich auch,  dass  sie  von  einem  anderen 
Bildwerk  herrührt. 

Die  Augen  der  Statue  waren  aus 
Silber  gebildet ;  es  ist  ausgeschmolzen, 
nur  einige  Spuren  desselben  lassen 
sich  noch  an  der  linken  Augenhöhle 
erkennen.  Das  aus  5  Teilen  zuam men- 
gesetzte Fragment  (Taf.  XVII  No.  6) 
stammt  vielleicht  von  einem  Attribut 
her,  welches  für  die  dargestellte  Figur 
bezeichnend  war.  Der  Fund  besteht 
aus  ca  300  grösseren  und  kleineren 
Bruchstücken. 

Bronzegriff  einer  Pfanne,  gefunden 
beim  Kanalbau  in  Kastei  (Taf.  XVII  Nr.  7). 
Der  Griff  ist  der  Länge  nach  gerippt 
und  schliesst  mit  einem  Widderkopf 
ab.  Ein  zweites  gleichartiges  Fund- 
stück zeigt  als  Abschluss  den  Kopf 
eines  Hundes  oder  Wolfs;  Fundort 
Bingen,  abgab.  Taf.  XVII  No.  8. 

Einfacher  Henkel  eines  Bronzekrugs, 
gefunden  in  Mainz.  Reichverzierter 
Henkel  aus  Bronze  von  einem  Krug 
oder  einer  Kanne  (Taf.  XVIII  No.  1).  Am 
oberen  Teil,  beim  Anschluss  des  Hen- 
kels an  den  Gefässrand,  ist  der  schön 
modellierte  Kopf  eines  Greifen  ange- 
bracht, dessen  Augen  aus  Silber  be- 
stehen. Mit  Silber  sind  auch  die  er- 
haben gearbeiteten  Blätter  und  Blüten 
einer  Pflanzenranke  eingelegt,  welche 


am  Bügel  herabläuft  und  denselben  ge- 
schmackvoll ziert.  Den  Anschluss  au 
die  Gefässwand  vermittelt  ein  Medusen- 
haupt. Das  Weisse  der  Augen  ist 
aus  Silber  gebildet,  während  die  Augen- 
sterne wahrscheinlich  durch  dunkele 
Emailmasse  hergestellt  waren.  Auf  der 
Höhe  der  Wangen  sind  Silberstreifeu 
eingesetzt,  wie  um  das  natürliche  Glauz- 
licht  zu  erhöhen;  ebenso  zeigen  die 
kleinen  Flügel  auf  dem  Haupt  und  die 
Schlangenköpfo  gut  verteilte  Silber- 
einlagen. Diese  Arbeit  gehört  wohl 
dem  1.  bis  2.  Jahrhundert  an. 

Leuchterfuss  ?  aus  Bronze,  gefunden 
im  Rhein  (Taf.  XVIII  No.  2).  Das  Fund- 
stück zeigt  in  phantastischer  Verbin- 
dung ein  Greifen-  oder  Löwenbeiu 
und  eine  kleine  geflügelte  weibliche 
Büste,  die  als  Sirene  gedeutet  werden 
könnte.  —  Lampe  aus  Bronze,  gefun- 
den in  Mainz  (Taf.  XVIII  No.3);  über  dem 
Henkel  ist  als  Verzierung  die  Dar- 
stellung eines  macerierteo  Ochsen- 
schädels angebracht.  Ebendaher  ein 
sog.  Lampenhaken  aus  Bronze,  der 
zum  Hervorziehen  des  Dochtes  diente. 
Lampenständer  aus  Eisen,  gefunden 
in  röm.  Sohuttschicht  am  Binger  Thor« 
Mainz.  Dieses  Gerät,  ohne  Griff  13 
cm  lang  und  7  cm  breit,  hat  im  all- 
gemeinen die  Form  einer  Lampe  und 
konnte  vermittelst  der  an  der  flachen 
Griffzunge  befindlichen  Oese  an  einem 
Haken  an  der  Wand  oder  an  beliebiger 
Stelle  befestigt  werden.  —  Schlüssel 
aus  Bronze  für  ein  Drehschlose,  mit 
schönem  durchbrochen  gearbeitetem 
Griff,  gefunden  in  Bingen  (Taf.  XVIII 
No.  4).  Schlüssel  aus  Eisen  mit  Bronze- 
griff, für  ein  Drehschloss,  ebendaher 
(Taf.  XVIII  No.  5).  Die  Verzierung  des 
Griffs  wird  durch  zwei  Delphine  ge- 
bildet, die  zwischen  den  erhobenen 
Schwänzen  eine  Muschel  halten.  Zwei 
eiserne  Schlüssel  zu  sog.  Feder-  oder 
Stechschlössern,  gefunden  in  Mainz; 
diese  Schlösser  dienten  meist  zum 
Vorhängen. 

Aus  Mainz  ferner  ein  eiserner  An- 
kerschlüssel und  zwei  grosse,  21  cm 
lange  Eisenschlüssel  von  Schiebe- 
schlössern Flachzängchen  aus  Bronze 
mit  reich  gegliedertem  Griff  (Taf.  XVIII 
No.  6),  und  Zängchen  aus  Bronze  mit 
Schieber  (Taf.  XVIII  No.  7),  gefunden  4  m 
tief  in  röm.  Schnttschicht  in  Main/.. 
Die   eine  Klaue  der  Zange  ist   keil- 


390 


Maseographie. 


förmig  geformt  und  greift  in  einen 
entsprechenden  Ausschnitt  der  anderen 
ein.  Chirurgisches  Instrument  aus 
Bronze,  Sonde  mit  Eiterlöifel  (Taf.  XVIII 
No.  8),  Mainz,  Kirchplatz. 

Schreibfeder  aus  Bronze  (Taf.  XVIII 
No.  9).  Die  Form  der  Spitze  zeigt 
No.  9a.    Fundott  Mainz. 

Gerät  aus  Eisen,  vielleicht  Frag- 
ment eines  Töpferrädcliens.  Das  12  cm 
lauge  dünne  Grilfstängchen  teilt  sich 
am  £nde  gabelförmig.  Die  beiden 
flachen,  leicht  geschwungenen  Zinken 
sind  durch  einen  Nietstift  verbunden, 
welcher  die  Axe  des  Rädchens  gebil- 
det haben  mag.  Das  Gerät  ist  unter 
zahlreichen  Resten  römischer  Töpfer- 
waren am  Peterseck  in  Mainz  4  Meter 
tief  gefunden.  —  Ebendaher  ein  Stylus 
aus  Bronze;  ein  grosses  Exemplar 
stammt  aus  Kastei. 

Von  dem  zur  Tracht  gehörigen  Klein- 
gerät sind  zu  nennen:  Zwei  Haarna- 
deln aus  Bronze  mit  kleinen  löffei- 
förmig gebildeten  Köpfen,  gefunden 
8  m  tief  im  Moorboden,  Bingerstrasse. 
Sechs  Haarnadeln  aus  Bein  vom  Ball- 
platz in  Mainz  und  von  Weisenau. 
Von  letzterem  Fundort  stammt  die 
mit  der  schön  geschnitzten  Büste  einer 
Frau  verzierte  Nadel  (Taf.  XVIII  No.  10), 
sie  ist  glänzend  poliert.  Auf  der  Rück- 
seite des  Kopfes  ist  ein  breiter  Aut- 
steckkamm zu  sehen,  der  den  Haar- 
schmuck in  der  Vorderansicht  wie  eine 
Krone  überragt.  Der  obere  Teil  einer 
anderen  Nadel  ist  als  ausgestreckte 
Hand  gebildet.  —  Goldener  Fingerring 
gefunden  bei  Wörrstadt  in  Rheinhes- 
sen, abgeb.  Taf.  XVIII  No.  11.  Der  Ring 
besteht  aus  zwei  glatten  und  einem 
geperlten  Reif,  die  zusammengelötet 
sind.  Die  Enden  der  beiden  glatten 
Reife  sind  zu  Schlangenköpfen  ausge- 
arbeitet, welche  die  kleine  rautenför- 
mige, mit  Gold  perlen  besetzte  Platte 
umgeben.  Die  4  Ecken  der  Platte 
sind  mit  Rosetten  aus  Goldperlen 
verziert. 

Rautenförmige  Scharuierfibula  aus 
Bronze  mit  blauen  und  gelben  Email- 
einlagen, gefunden  in  Mainz  (Taf.  XVIII 
No.  12). 

Vier  Scheibenfibeln  aus  Bronze  mit 
Spuren  von  Versilberung,  gefunden  bei 
Kreuznach  (Taf.  XVIII  No.  13  und  13a). 
Die  Oberfläche  ist  abgedreht  und  mit 
Gruppen  von  eingeschlagenen  Kreisen 


verziert;  der  Rand  steht  3  mm  über 
der  Fläche.  Die  Rückseite  der  Fibeln 
zeigt  die  Federrolle  mit  Nadel  nnd 
Nadelhalter.  Fibeln  dieser  Art  waren 
bis  jetzt  in  der  Sammlung  nicht  ver- 
treten. 

Drei  Armbrustfibeln  aus  Bronze  mit 
zwiebeiförmigen  Knöpfen  und  einge- 
hängter Nadel,  gefunden  am  Kirch- 
platz  Mainz  zusammen  mit  dem  unter 
No.  8  abgebildeten  Instrument,  resp. 
im  Rhein.  —  Hakenfibnla  aus  Bronze, 
deren  Nadelhalter  als  breite  Platte 
vorspringt,  sefumlen  in  Mainz;  eben- 
daher eine  kleine  Bronzefibel  mit  halb- 
kreisförmiger oberer  Platte,  halbkreis- 
förmigem Bügel  und  kurzem  röhren- 
artigen Nadelhalter.  Hängezierrat  aus 
Bronze,  mit  Resten  von  Versilberung 
und  Niello- Einlagen.  Zwei  mit  Niello 
verzierte  Bronzeknöpfe,  Geschenk  des 
Herrn  P.  Kessler,  Mainz.  Endbeochläge 
aus  Bronze,  von  einem  Gürtelriemen, 
am  oberen  Teil  mit  halbmondförmigen 
Ausschnitten  verziert,  gefunden  in 
Bingen.  Anhänger  aus  Bronze  mit 
dreifachem  Phallus,  Mainz. 

Von  Gegenständen  aus  Metall  sind 
noch  zu  nennen  eine  kleine  eiserne 
Lanze,  eine  Sichel  und  ein  Fleisch- 
haken aus  Eisen. 

Von  den  Fragmenten  aus  verschie- 
denen Stoffen  seien  erwähnt:  Das 
Bruchstück  von  der  Einfassung  eines 
Schildes  aus  Bronze,  und  das  aus 
Knochen  geschnittene  Mundstuck  einer 
Schwertscheide 

Zahlreich  sind  die  Thongefasse  ver- 
treten, unter  welchen  eine  Gruppe  von 
18  Schüsseln,  Tassen,  Näpfen  und 
Tellern  aus  sog.  terra  sigillata  Beach- 
tung verdient. 

Einige  dieser  Gefässe  sind  von  fein- 
ster Art,  namentlich  gilt  dies  für  einen 
kleinen  Napf  mit  senkrechter  Wan- 
dung und  einige  kleine  Schüsseln  mit 
Epheublatt- Verzierung  auf  dem  umge- 
legten Rande.  Drei  Teller  sind  mit 
Fabrikstempeln  versehen.  Von  den 
grösseren  Schüsseln  zeigen  zwei  eine 
reiche  doch  ziemlich  rohe  Verzierung. 
Diese  schönen  GeflUse  wurden  teüs 
durch  Ankauf  erworben,  teils  gelang- 
ten sie  als  Geschenke  der  Herrn  M. 
M.  Mayer,  0.  Strebel  und  L.  Seyler 
in  den  Besitz  des  Museums. 

Verschiedene  Baustellen  in  Mainz 
lieferten  zahlreiche  Reste  von  Gefassen 


Museograpiiie. 


391 


ans  terra  sigillata,  die,  sofern  sie  durch 
Stempel  oder  Verzierung  Interesse 
boten,  der  Sammlung  einverleibt  wur- 
den. Eine  Anzahl  solcher  Stempel 
gelangten  auch  als  Geschenke  der 
Herren  Professor  Dr.  Munier  und  Dr. 
Chr.  Schmidt  in  das  Museum.  Sie  sind 
in  Nr.  5  des  XIV.  Jahrg  des  Korre- 
spondenzblattes veröffenSicht. 

Ausserdem  wurde  eine  Reihe  von 
Thongeftissen  verschiedener  Art  er- 
worben. Eine  Graburne  aus  weiss- 
granem  Thon  mit  glatter  Standfläche 
und  wulstigem  Rande  mit  einem  Kranze 
von  aufgemalten  roten  Kreisen  ver- 
ziert, stammt  aus  Bingen.  Von  glei- 
chem Fundorte  ist  eine  Aschenurne 
mit  grauen  und  schwarzen  Zonen  und 
eingestempeltem  Muster  verziert.  Der 
Boden  hat  einen  Standreif,  der  Rand 
ist  nach  aussen  gewölbt,  zeigt  aber 
eine  scharfe  Kante.  Aus  Bingen  fer- 
ner ein  kleiner  gehenkelter  Krug 
ans  rötlichem  Thon  mit  Ausguss  und 
geripptem  Henkel  und  drei  Näpfchen 
aus  weissgelbem  Thon  von  der  Form 
kleiner  Blumentöpfe.  Kleine  graue 
Urne  mit  glatter  Standfläche  und 
scharfem  Rande,  der  Bauch  ist  durch 
eingeritzte  abwärts  laufende  Linien 
verziert,  gefunden  in  Weisenau. 

Ans  der  Umgegend  von  Mainz  eine 
grosse  schwarze  Aschenurne  mit  grauem 
Fuss;  der  Bauch  des  Gefässes  ist  in 
Zonen  geteilt,  die  mit  gekreuzten 
Strichen  und  gebrochenen  Linien  ver- 
ziert sind  Der  Boden  zeigt  einen 
Standreif,  die  Mündung  ist  wulstig. 
Eiue  schwarze  Aschenurne ;  die  grösste 
Weite  liegt  unterhalb  der  Mitte 
des  Gefässes,  das  einen  glatten  Bo- 
den und  flachen  Rand  hat  und  mit 
Fischgräten  Muster  verziert  ist.  Ein 
rötlicher  Krug,  35  cm  hoch,  mit  ge- 
kehltem Henkel.  Die  drei  Gefässe 
sind  Geschenk  des  Herrn  Baumeister 
Roos.  Schlanker  rötlicher  Thonkrug, 
25  cm  hoch,  mit  flachem  und  breit 
ausgelegtem  Rand  und  gekehltem  Hen- 
kel, gefunden  in  Mainz. 

Von  einem  Grabfund  bei  Spiesheim 
stammen :  Ein  44  cm  hoher  gelblicher 
Thonkrug  mit  Standreif  und  dreifach 
gekehltem  Henkel;  eine  20  cm  hohe, 
35  cm  weite  fast  halbkugelige  Schüssel 
aus  geringem,  grauem  Thon,  mit  leicht 
einwärts  gebogenem  Rand  und  kräftig 
vortretendem  Standreif;  ein  Teller  aus 


gleichem  Material  mit  verwaschenem 
Stempel,  eine  Platte,  und  Reste  einer 
Schüssel  mit  einwärts  gebogenem  Rand 
und  breiter,  umgelegter  Randleiste. 
Zu  diesem  Fund  gehört  noch  der 
eigenartig  gebildete  Fuss  eines  grauen 
Gefässes;  innerhalb  des  1  cm  hohen 
Standreifcs  tritt  der  Gef&ssboden 
trichterförmig  zurück,  während  er 
ausserhalb  des  Reifs  einen  horizonta- 
len Vorsprung  von  2  cm  Breite  bildet. 
Unter  Augenhöhe  stehend,  scheint  das 
Gefäss  frei  zu  schweben,  da  der  eigent- 
liche Stand  verdeckt  wird. 

Ein  doppeltgehenkelter  Weinkrug 
mit  spitzem  Fuss,  aus  rot  gebranntem 
Thon,  85  cm  hoch,  gefunden  in  der 
Schustergasse  6  m  unter  der  Boden- 
fläche. Zwei  grössere  Weinkrüge  von 
ähnlicher  Form,  Geschenk  des  Herrn 
Fabrikanten  Traine,  der  sie  auf  seinem 
Gebiet  im  Gartenfeld  erhob. 

liampe  aus  rötlichem  Thon ,  ge- 
funden in  Mainz;  die  Verzierung  stellt 
eine  Amorette  dar,  die  den  Dreizack 
schwingend  auf  einem  Delphin  reitet. 
Vier  andere  Thonlampen  zeigen  im 
allgemeinen  die  gewöhnlichen  Formen. 
Kinderklapper  aus  Thon  in  Gestalt 
eines  Hundes,  Fundort  Mainz,  Leih- 
gabe des  Herrn  0.  Strebel. 

Verhältnismässig  bedeutend  war  in 
diesem  Jahre  der  Zuwachs  an  römi- 
schen Inschriftsteinen;  es  konnten  13 
Denkmäler  dieser  Art  mit  der  Samm- 
lung vereinigt  werden,  die  fast  alle  als 
Geschenke  übergeben  wurden.  So  über- 
liess  das  Königl.  Gouvernement  drei 
Bausteine  der  ersten  Legion.  Das 
Bruchstück  eines  Bausteines  der  XXH. 
Legion  übergab  Herr  Bauunternehmer 
Hauswald  zugleich  mit  4  Grabschriften 
und  einem  den  aufanischen  Göttinnen 
geweihten  vorzüglich  erhaltenen  Altar. 
Einen  kleinen,  den  Nymphen  geweih- 
ten Altar  schenkte  Herr  Kaufmann 
Otto,  und  das  Fragment  eines  Grab- 
steines Herr  Krimmel  IL  in  Kostheim. 
Drei  zusammengehörige  Teile  eines 
Grabsteins  wurden  ferner  mit  Erlaub- 
nis des  Herrn  Pfarrer  Körner  von 
St.  Stephan  aus  dem  Krenzgang  dieser 
Kirche  in  das  Museum  Überfuhrt.  Ein 
römischer  Grabsarg  mit  Inschrift,  seit- 
her als  Brunnentrog  benutzt,  wurde 
von  der  Gemeinde  Kleinwinternheim, 
gegen  Lieferung  eines  neuen  Wasser- 
behälters, dem  Museum  überlassen. 


392 


Maseographie. 


Der  Wortlaut  dieser  Inschriften  und 
die  nähere  Beschreibung  der  Denk- 
mäler sind  in  den  No.  5  und  9  des 
XIV.  Jahrgangs  des  Korrespondenzbl. 
bereits  veröffentlicht. 

Die  Steinskulpturcn  sind  nur 
durch  zwei  Fundstücke  vermehrt  wor- 
den, die  aber  besondere  Beachtung 
verdienen;  sie  sind  abgeb.  Taf.  XIX 
No.  1  und  2. 

Das  von  einem  Qrabmal  herrührende 
Relief  No.  1  war  in  dem  Turm  der 
Kirche  d.  St.  Emmeran  als  Mauerstein 
verwendet  und  gelangte  durch  Ver- 
mittehmg  des  Herrn  Pfarrers  Wasser- 
mann in  den  Besitz  des  Museums. 

Das  Bildwerk  stellt  ein  Gastmahl 
dar.  Drei  Männer,  auf  einem  Polster 
ruhend,  nehmen  die  Mitte  des  Bildes 
ein.  Zu  beiden  Seiten  sitzt  je  eine 
Frau  auf  einem  Sessel  mit  hoher 
Lehne.  Der  dreifüssige  Tisch  im  Vor- 
dergrund ist  mit  Speisen,  anscheinend 
mit  Backwerk,  besetzt.  Der  Tisch 
sowohl  wie  das  Polster  und  die  Wand 
hinter  den  Figuren  sind  mit  Teppichen 
behangen.  Ähnliche  Scenen  erschei- 
nen bekanntlich  auf  mehreren  Reliefs 
aus  Neumagen  im  Trierer  Museum. 

Der  auf  Taf.  XIX  No.  2  dargestellte 
Teil  eines  Grabmals  in  Gestalt  eines 
Hauses  wurde  in  Kastell  bei  Gelegen- 
heit der  Kanalbauten  in  einer  Tiefe 
von  3,60  m  aufgefunden  und  dem  Mu- 
seum von  der  Bürgermeisterei  in  Kastell 
als  Geschenk  übergeben. 

Das  Haus  ruhte  ehemals  auf  einem 
steinernen  Untersatz,  der  in  einer 
runden  Höhlung  die  Aschenurne  barg, 
und  bildete  so  gleichsam  einen  Vor- 
raum, der  auch  zum  Niederlegen  von 
Opfern  gedient  haben  mag.  Die  thor- 
artige Öffnung  war  durch  eine  Platte 
verschliessbar,  wie  die  Vorrichtungen 
zu  beiden  Seiten  der  Öffnung  beweisen. 
Gleich  hinter  dem  Eingang  nämlich 
befindet  sich  rechts  eine  Vertiefung, 
welche  dazu  diente,  einen  vorstehen- 
den Dollen  der  Verschlussplatte  auf- 
zunehmen ;  links  ist  eine  sog.  Führung 
sichtbar,  in  welcher  der  andere  Dollen 
der  Platte  ruhte  und  beim  Heraus- 
nehmen derselben  zurückgeschoben 
werden  konnte.  Die  Sockel  der  Thor- 
pilaster  springen  nach  dem  Eingang 
hin  vor  und  bildeten  Widerlager  für 
die  Verschlussplatte. 

Das  Haus  ist  67  cm  lang,  eben  so 


breit  und  75  cm  hoch.  An  den  vier 
Ecken  stehen  kräftige  Pfeiler,  die  et- 
was über  die  Wandfläche  vorspringen 
und  mit  schwerfälligem  Blattwerk  de- 
koriert sind.  Das  vordere  Giebelfeld 
füllt  eine  menschliche  Halbfigur,  ans 
deren  Hüften  kräftiges  Rankenwerk 
herauswächst,  das  sie  mit  seitwärts 
gehaltenen  Händen  zu  stützen  scheint ; 
es  sind  die  Spuren  roter  Bemal nng 
noch  erkennbar.  Das  andere  Giebel- 
feld nimmt  ein  dreiteiliges  Akanthus- 
blatt  ein.  Die  drei  Seitenwände  sind  mit 
figürlichen  Reliefbildem  geschmückt. 
Auf  der  einen  Fläche  ist  Herkules  xa 
sehen,  wie  er,  die  Keule  schwingend, 
den  dreiköpfigen  Höllenhund  an  einer 
Kette  nachzieht  Da«  gegenüber  lie- 
gende Bild  zeigt  Kastor  und  Pollnx 
mit  den  Pferden,  während  auf  der 
dritten  Seite  Juno,  Scepter  und  Schale 
haltend,  den  Pfau  zu  Füssen,  darge- 
stellt ist.  Zwei  Vorhänge,  deren  Fal- 
tenwurf einfach  und  geschmackvoll  ge- 
ordnet ist,  schliessen  dies  Bild  nach 
den  Seiten  hin  ab.  Die  Ziegeldecke 
des  ziemlich  steilen  Daches  ist  bis 
ins  Einzelnem  getreu  der  Wirklichkeit 
nachgebildet.  Die  Figuren  sind  leben- 
dig in  der  Bewegung  imd  gut  model- 
liert. Dagegen  rühren  die  PHanzen- 
motive  auf  den  Pilastern  und  Giebel- 
feldern wahrscheinlich  von  einem 
gewöhnlichen  Handwerker  her;  sie 
stehen  in  ihrer  plumpen  Rohheit  in 
einem  auffallenden  und  störenden  Gegen- 
satz zu  den  Figuren. 

f.  Altertümer  aus  fränkischer 
Zeit.  Goldener  Ohring  (Taf.  XX  No. 
11  und  IIa),  gefunden  bei  Koblenz.  An 
den  Reif  ist  eine  mit  gekerbtem  Gold- 
draht und  Goldperlchen  verzierte 
Scheibe  festgelötet,  welche  ehemals 
eine  Einlage  aus  Glas  oder  Edelstein 
enthielt.  Die  Rückseite  der  Zicrplatte 
bedeckt  ein  kunstvolles  Gitterwerk  aus 
feinen  Goldstäbchen '). 


2)  Diese  eigenartige  Form  von  Ohrringen 
ist  in  dem  grossen  Reihengr&berfeld  ron 
Keszthely  in  Ungarn  so  hftufig  gefunden 
worden,  dass  man  sie  alt  einen  speaifisch 
ungarischen  Typus  zu  beceichnen  geneigt 
war.  Da  die  sog.  ^Körbchen-Ohrringe*  aber 
bis  Jetst  in  anderen  ungarischen  Grabfeldem 
eben  so  selten  zn  Tage  kommen  wie  in  sftd- 
dentschen  und  rheinischen  Keihengrftbern, 
durfte  diese  Annahme  wenig  g^erechtfertigt 
sein.  Das  Museum  in  Mains  besitst  Jeta 
awei  silbere  und  drei  goldene  Ohrringe  der 
erwähnten  Art,  die  sämtlich  im  Rheinland 
gefunden  sind. 


Museographie. 


393 


Fingerring  aus  Silber,  mit  blaaem 
Glasfluss  besetzt,  gefunden  bei  Ander- 
nach; Geschenk  des  Herrn  Reiling, 
Mainz.  Die  Zelle,  welche  den  Glas- 
fluss hält,  ist  mit  dreifachem  gekerb- 
tem Silberdraht  umgeben.  Den  An- 
sehluss  der  Platte  an  den  Reif  ver- 
mitteln auf  beiden  Seiten  drei  in  Klee- 
blattform aufgelötete  Silberperlen. 

Zwei  Armringe  aus  Bronze  mit 
kolbig  verdickten  Enden,  aus  einem 
frank.  Grabe  bei  Laubenheim,  resp. 
aus  dem  Rhein  bei  Mainz. 

Schüssel  aus  Bronze  mit  gcpcrltem 
Rande,  abgeb.  Taf.  XXI  No.  4,  gefunden 
bei  Kreuznach,  und  eine  Schüssel  mit 
umgelegtem  glattem  Rande,  aus  Rhein- 
hessen. 

Drei  Thongefässe,  eine  kleine  Schüs- 
sel, ein  Becher  und  eine  Ilenkelkanne 
mit  Ausguss,  gef.  bei  Oppenheim. 

Eine  Schale  mit  umgeschlagenem 
Rande  aus  grünem  Glas,  gefunden  bei 
Bingen.  Ebendaher  ein  Kamm  aus 
Bein  mit  zwei  Reihen  von  Zinken. 
Spatha  mit  Resten  von  Silbertauschie- 
rung  und  Steigbügel  aus  Eisen  mit 
Bronze  tauschiert,  aus  dem  Rhein  bei 
Mainz  (Taf.  XXI  No.  5).  Die  Tauschie- 
rung  bedeckt  die  gewölbte  Aussen- 
seite  des  Bügels,  nur  der  untere  Teil 
ist  ohne  Einlagen.  Während  sich 
dieser  Stegreif  durch  die  Form  wie 
durch  die  Verzierungsweise  als  der 
fränkischen  Zeit  angehörig  zu  erken- 
nen giebt,  erscheint  der  Taf.  XXI  No.  6 
dargestellte  Bügel  in  jeder  Hinsicht 
als  fremdartig.  Derselbe  war  ehemals 
stark  vergoldet,  die  Reste  der  Ver- 
goldung sind  fast  überall  sichtbar. 
Die  eigenartig  geformte  Öse  zum 
Durchziehen  des  Riemens  ist  vorn 
durch  ein  fest  aufgerostetes  kupfernes, 
mit  Gold  plattiertes  Täfelchen  ver- 
deckt, welches  ursprünglich  an  dem 
Riemen  befestigt  war,  worauf  eine 
Niete  am  oberen  Teil  des  Täfelchen 
hinweist. 

Verschiedene  Merkmale  lassen  auf 
eine  Verwandtschaft  des  Fundstücks 
mit  ungarischen  Steigbügeln  schliessen. 
Der  Bügel  wurde  zusammen  mit  zehn 
ebenso  gebildeten  Stücken,  bei  Bingen 
aus  dem  Rhein  gebaggert,  seine  Zeit- 
stellung ist  vorläufig  nicht  anzugeben. 

g.  Gegenstände  aus  dem  Mit- 
telalter und  aus  der  neueren 
Zeit.    Rest  von  dem  Kopfputz  einer 


Frau.  Er  stammt  aus  dem  im  Be- 
richt 1891/92  erwähnten  gruftartigen 
Raum,  welcher  bei  Hahnheim  in  der 
unmittelbaren  Nähe  eines  Brunnens 
aufgedeckt  wurde  und  6  Leichen  ent- 
hielt. Der  Brunnen  war  mit  Scher- 
ben, die  wahrscheinlich  der  späteren 
Karolingerzeit  angehören,  zum  Teil 
gefüllt.  Unter  den  Skeletteilen  fiel 
namentlich  der  ausgesprochene  Kurz- 
schädel einer  Frau  auf,  dessen  Stirn- 
knochen intensiv  grün  gefärbt  waren 
und  einzelne  kleine  festgerostete  Bron- 
zescheibchen  aufwies.  Das  nun  nach- 
träglich in  den  Besitz  des  Museums 
gelangte  Fragment  des  Kopfputzes 
lässt  erkennen,  dass  dieser  aus  feinem 
Geflecht  von  Pflanzenfasern  (Bast?) 
hergestellt  und  mit  kleinen  runden 
Bronzeplättchen  benäht  war,  die  zu- 
gleich mit  Reihen  weisser  Glasperlen 
verschiedene  Muster  bildeten.  Die 
Perlen  erinnern  lebhaft  an  die  aus 
slavischen  Friedhöfen  in  Norddeutsch- 
land erhobenen  gleichartigen  Schmuck- 
geräte. Was  die  Mauern  betrifft,  zwi- 
schen welchen  die  Leichen  gebettet 
waren,  so  ist  wohl  anzunehmen,  dass 
sie  von  einem  zerstörten  Gebäude  und 
nicht  von  einer  eigens  hergestellten 
Gruft  herrühren.  Dafür  spricht  auch 
der  in  der  Nähe  befindliche  Brunnen. 

Zwei  kugelige  Töpfe  von  schwärz- 
licher Farbe  mit  kurzem  dickem  Rand; 
sie  gehören  dem  frühen  Mittelalter, 
vielleicht  spätkarolingischer  Zeit  an; 
gefunden  unter  altem  Mauerwerk  in 
der  Stadt.  Eine  graue  Henkelkanne 
mit  sehr  kurzer  Ausgussröhre,  rohe 
Arbeit.  Der  Boden  hat  einen  Stand- 
reif, der  Rand  ist  gekehlt  zur  Auf- 
nahme eines  Deckels,  der  Henkel  zeigt 
drei  Wulste;  das  Gefass  ist  im  alten 
Schutt  2  m  tief  am  Peterseck  gefun- 
den, es  mag  derselben  Zeit  angehören, 
wie  die  genannten  Kugelgefässe. 

Fünf  vasenartige  Töpfe  aus  hellem 
und  rötlichem  Thon  mit  gerilltem 
Bauch,  glattem  Stand  und  aussen  ge- 
wölbtem Rande,  stammen  aus  dem 
13.  bis  14.  Jahrhundert;  in  Mainz  an 
verschiedenen  Stellen  beim  Fundament- 
graben gefunden. 

Drei  braunglasierte  Henkelkrüge 
verschiedener  Grösse  mit  geripptem 
Bauch  und  gewelltem  Fuss  und  meh- 
rere kleine  Siegburger  Krüglein  mit 
gewelltem  Fuss  und  trichterförmigem 


mi 


MuBeograpbie. 


Hals  (14.  bis  15.  Jahrhundert)  alle  aus 
Mainz.  Der  spätesten  Zeit  1680  ge- 
hört ein  schöner  blau  glasierter  Krug 
an,  der  das  Wappen  des  Kurfürsten 
Anselm  Franz  trägt  mit  der  Umschrift: 
Dcxtcra  domini  exaltavit  me.  Anselm. 
Franc.  D.  Gr.  Eps.  Mog.  E.  I.  R. 

Ein  Trinkbecher  aus  dunkelgrünem 
Glas  von  der  im  vorigen  Bericht  Taf.  VI 
No.  12  abgebildeten  Form,  gefunden 
in  Mainz. 

Ein  Glasbecher,  dessen  Fuss  gleich- 
falls als  Becher  gebildet  ist,  gefunden 
2  m  tief  beim  Kasino  zum  Gutenberg. 

Von  Gegenständen  aus  Metall  sind 
zu  nennen:  Ein  kleiner  dreifüssiger 
Leuchter  aus  Bronze,  mit  Dorn  zum 
Aufstecken  der  Kerze,  gefunden  beim 
Kasino  zum  Gutenberg ;  er  gehört  sei- 
ner Form  nach  dem  14.  bis  15.  Jahr- 
hundert an.  Fragment  eines  gotischen 
Sporns  aus  Silber,  reich  mit  Eichlaub 
verziert,  aus  dem  Rhein  bei  Bacharach 
(Taf.  XXI  No.  7).  Hundert  und  fünfzig 
eiserne  Bolzen,  gefunden  in  einer 
dicken  Schicht  von  Brandschutt  und 
Holzkohle.  Dicht  an  der  auf  der  hin- 
teren Bleiche  gelegenen  Fundstelle 
lief  die  mittelalterliche  Stadtmauer 
vorbei.  Die  Bolzen,  welche  teils  zu 
kleinen  Armbrusten,  teils  zu  sog.  Mauer- 
armbrusten gehörten,  waren  wohl  auf 
dem  hölzernen  Wehrgang  hinter  der 
Stadtmauer  aufbewahrt  und  sind  bei 
einem  Brand  mit  dem  Balkenwerk  her- 
abgestürzt. Es  wurde  eine  weit  grössere 
Zahl  dieser  Geschosse  aufgesammelt, 
viele  wurden  durch  die  Arbeiter  ver- 
schleppt. 

Kleines  Eisenmesser  mit  Beingriff; 
der  Knauf  stellt  einen  mit  hoher  Mütze 
bedeckten  Männerkopt  dar. 

Messergriff  aus  Bronze  mit  ähnlicher 
Bildung  des  Knaufs,  Geschenk  des 
Herrn  Gottschalk,  Mainz. 

Schlüssel  aus  Bronze  mit  schön  ver- 
ziertem, geschnittenem  Griff,  aus  dem 
Rhein  bei  Mainz  (Taf.  XXI  No.  8). 

Pferdegebiss  aus  Eisen  mit  geschnit- 
tenen und  eingehanenen  Verzierungen 
(Taf.  XXI  No.  9).  Die  rosettenförmigen 
Scheiben  zu  beiden  Seiten  des  Mund- 
stücks bestehen  aus  getriebenem  Kupfer 
und  sind  graviert  und  vergoldet.  Auf 
der  Rückseite  der  Scheiben  befinden 
sich  Federn,  vermittelst  welcher  sie 
in  einer  Öse  festgehalten  wurden.  Das 
dem  17.  Jahrb.  angehörige  wohlerhal- 


tene Fundstück  wurde  aus  dem  Rhein 
erhoben.  Zwei  eiserne  Degen  aus  dem 
Anfang  des  18.  Jahrb.,  gefunden  im 
Main  bei  Kostheim,  resp.  im  Rhein 
bei  Nierstein. 

Grosser  eiserner  Radspom  ans  dem 
Anfang  des  18.  Jahrb.,  gefunden  bei 
Bingerbriick,  Geschenk  des  Herrn  Bau- 
meister Roos. 

Demselben  Geber  verdankt  das  Mu- 
seum ein  aus  Silber  getriebenes  fein 
ciseliertes  Bildwerk  in  Medaillenforra, 
Hiob  auf  dem  Aschenhanfen  darstel- 
lend;   es  stammt  aus  dem  18.  Jahrb. 

Aus  der  kleinen  Gruppe  mittelalter- 
licher Skulpturen  ist  eine  gotische 
Madonnentigur  hervorzuheben;  sie  ist 
durch  die,  auch  die  kleinste  Einzelheit 
berücksichtigende  Durchbildung  sehr 
bemerkenswert,  um  so  mehr,  als  das 
Material,  roter  Sandstein,  einer  so 
feinen  Durchbildung  nicht  günstig  ist 
Das  Im  55  cm  hohe  Standbild  stammt 
aus  der  Kirche  des  ehemal.  Karmeliter- 
klosters. 

Bei  dem  raschen  Anwachsen  der 
Sammlung  in  allen  ihren  Abteilungen 
war  die  Beschaffung  neuer  ausreichen- 
der Räumlichkeiten  schon  seit  meh- 
reren Jahren  als  dringend  notwendig 
erkannt  worden.  Dank  der  einsichts- 
vollen Fürsorge  der  städt.  Vertretung 
ist  jetzt  durch  Herstellung  einer  700 
Quadratmeter  grossen  an  das  Museums- 
gebäude anstossenden  Halle,  sowie  durch 
Einrichtung  von  drei  Räumen  im  Erd- 
geschoss  des  Schlosses  diesem  Bedürf- 
nis abgeholfen,  und  es  erscheint  die 
ungestörte  Weiterentwickelung  unserer 
Sammlungen  auf  Jahre  hinaus  gesichert. 
In  der  grossen  Halle  haben  die  rö- 
mischen Skulpturen  und  Inschriften, 
sowie  die  mittelalterlichen  Skulpturen 
Aufstellung  gefunden. 

(L.  Lindenschmit.) 

Mainz,  Rdmlsch-germanitches  Contral-70 
Museum   I  S.  268,   II^IV,    VI-XIII. 

Vom  August  1804  bis  Auguxt  1895. 
Die  Sammlungen  wurden  im  Lauf  dieses 
Jahres  um  600  Gegenstände  vermehrt. 
Die  Gesamtzahl  der  in  5  Sälen  vereinig- 
ten Nachbildungen  aus  Gips  und  Metall 
beläuft  sich  jetzt  auf  14320  Nummern. 

21  Staats-  und  Vereinssammlungen 
sowie  zahlreiche  Privatsaramler  haben 
das  Museum  durch  Zusendung  von 
mehr  als  2(XK)  wichtigen  altcrtiimlichen 
Fundstücken  gefördert. 


Museographie. 


395 


Die  aus  dieser  reichen  Zahl  zur 
Nachbildung  ausgewählten  Altertümer 
waren  alle  geeignet,  verschiedene  in 
den  Sammlungen  des  Museums  be- 
stehende Lucken  anzufüllen,  oder  das 
schon  Vorhandene  in  erwünschter 
Weise  zu  ergänzen. 

Unter  den  für  die  römische  Abtei- 
lung gewonnnnen  Funden  ist  eine 
grosse  Gruppe  von  Gewandnadeln  aus 
Urnenfriedhöfen  Ostpreussens  bemer- 
kenswert. 

Auch  der  gelungenen  Nachbildung 
einer  römischen  Signaltrompete  muss 
als  einer  wichtigen  Bereicherung  der 
Sammlung  römischer  Kriegswaifen  ge- 
dacht werden. 

Die  Nachbildung  ist  durch  die  In- 
strumentenmacher Gebr.  Alexander  in 
Mainz  genau  nach  den  in  Berlin  und 
Mainz  befindlichen  Originalen  aus  Me- 
tall hergestellt  und  dem  Römisch-ger- 
manischen Centralmuseum  als  Geschenk 
übergeben  worden. 

Im  Ganzen  erhielten  die  römischen 
Altertümer  einen  Zuwachs  von  250 
Gegenständen.  Ungefähr  die  gleiche 
Zahl  von  Nachbildungen  wurde  für  die 
Abteilung  der  vorgeschichtlichen  Funde 
gewonnen.  Als  eine  der  interessan- 
testen Gruppen  ist  hier  der  Depot- 
fund von  Kronshagen  in  Schleswig 
zu  nennen,  der  unter  verschiedenem 
Schmuckgerät  aus  Bronze  auch  einige 
jener  reich  verzierten  Hängcschalen 
enthält,  deren  ursprüngliche  Verwen- 
dung ungewiss  und  deren  Herkunft 
bis  jetzt  nicht  aufgeklärt  ist.  Die 
Sammlung  vorgeschichtlicher  Altertü- 
mer in  Hamburg  vertraute  diese  wert- 
vollen Altertümer  dem  Museum  zur 
Nachbildung  an. 

Die  Grabfunde  aus  der  sog.  Völker- 
wanderungszeit wurden  durch  Urnen 
und  Metallgeräte  aus  norddeutschen 
Brandgräbem,  namentlich  auch  durch 
slavische  Altertümer  vermehrt. 

Neben  diesen  in  den  Sammlungen 
des  Museums  bis  dahin  noch  nicht 
vertretenen  Formen  sind  auch  einige 
wertvolle  Grabausstattungen  rheini- 
schen Fundorts  nachgebildet  worden, 
unter  welchen  der  im  Museum  zu 
Worms  aufbewahrte  Grabfund  von 
Wonsheim  in  Rheinhessen  durch  seine 
Bronzegefösse  und  Schmuckgeräte  aus 
Edelmetall  hervorragt. 

(L.  Lindenschmit.) 

Westd.  Z«itaehr.  f.  fleioh.  n.  Knntt.     XIV,   IV. 


Rheinprovinz. 

Kreuznach,    Sammlung  des  ant.-hist.  76 
Vereins  I  S.  268,  V,  VIII,  XI,  XII,  XIII. 

Ältere  Bilder  von  Kreuznach  und 
moderne  Photographieen  von  alten 
Grabsteinen  und  anderen  Monumenten 
aus  Kreuznach  und  Umgegend ;  ältere 
Drucke  aus  Kreuznach ;  eine  Gemeine- 
Ordnung  des  Hofj^erichtes  zu  Kreuz- 
nach mit  notariellen  Einzeichnungen 
von  1593—1764,  und  eine  Stempel- 
ordnung von  Karl  Theodor  1768,  so- 
wie der  Erlass  Friedrich  Wilhelms  IV 
bei  seiner  Thronbesteigung;  ferner: 
anscheinend  praehistorische  Gefäss- 
reste  von  einem  künstlichen  Vertei- 
digungswall und  Graben  an  der  Gans, 
römische  rote  Gefässe  vom  Rotenfels, 
ein  römischer  Handspiegel  aus  einem 
Grab  am  Abhang  desselben,  eine  sehr 
schöne  römische  Wage  von  Bronze  mit 
Gewicht,  römische  und  mittelalterliche 
Messer,  Leitungsröhren  und  Münzen, 
ein  Stück  römisches  Mosaik  mit  Orna- 
menten. (Prof.  0.  Kohl) 

Birkenfeld,  Sammlung  von  AltertQmern  76a 
Im  Gymnasium  (Eigentum  des  „Vereins 
für  Altertumskunde«*)  III,  IV,  X,  XI, 
XIII. 

Zuwachs:     Römische    Gegen- 
__  stände. 

a)Steindenk- 
mäler:  Vonder 
Kirche  zu  I  dar: 


fc>^y^^T\/l)  Kopf  in  ca. 
L  »     ^  J  IVifacber    Le- 


bensgrösse, 
früher    an    der 
Giebelwand  der 
Kirche  einge- 
mauert, wohl 
ein    Überbleib- 
sel einer  römischen  Statue.  2)  Sechs- 
götterstein    aus 
feinem     rötlichem 
Sandstein,  Cylinder 
von  56  cm  Dm.  und 
56  cm   Höhe,   mit 
flach  eingewölbten 
Nischen,  21  cm  br., 
46   cm    h.,    durch 
glatte  Flächen  von 
7  cm    Breite    ge- 
trennt; in  den  Nis- 
chen   (von    rechts 
nach  links):  1.  Vul- 
kan,   2.  Venus,   3. 
Mars  (?     nur     die 

29 


396 


Museogr&phie. 


(m%\ 

r  ff  MF 


Beine  erhalten),  4.  Viktoria,  5.  nackte 
weibliche  Gestalt  (Apollo  ?)  mit  Leier, 
6.  ganz  zerstört.  Der  Stein  war  bei 
der  ursprünglich  romanischen  Kirche 
(t2.  Jahrb.?)  als  Mauerstein  iu  der 
nördlichen  Wand  nahe  dem  Westende 
verwandt  worden.  H)  Bruchstück  eines 
Sandsteinblockes  von  dem  gleichen 
Material  wie  2),  und  mit  der  Inschrift 
MIDD  (der  mittlere  Teil  des  M  reicht 
nicht  bis  unten  auf  die  Linie),  ebenda 
gef.  —  Von  dem  „Allhopp"  (Althof) 
bei  Wolfe rsweiler:  Ein  Sandstein- 
quader mit  Ornament  und  ein  Bruch- 
stück, 62  cm  1.,  28  cm  hoch,  oben  und 
rechts  abgebrochen,  mit  der  Inschrift : 


I  N  s  c; 


—  Von  der  Burg  Birkenfeld:  Rö- 
mische Handmühle  (s.  Korrbl.  der 
Westd.  Ztschr.  1894  Nr.  99).  Vielleicht 
ist  es  dieselbe,   welche  als  Inventar- 


stück der  mittelalterlichen  Burg  auf- 
geführt wird. 

b)  Grabfunde:  Kleine  Aschenkiste 
aus  Sandstein  mit  dachförmigem  Deckel, 
gefunden  zwischen  Wickenrodt  und 
Oberhosenbach  (Geschenk  des  Hm. 
Pfarrer  Dr.  Veeck).  —  Kleine  Ascben- 
kiste  aus  Sandstein  (ohne  Deckel), 
Grabkrüglein  und  Scherben  —  ausser- 
dem ein  Napf  von  sehr  roher  Arbeit 
(vorrömisch)  —  gefunden  bei  Win- 
nenberg,  unweit  Eisenbahnstation 
Sonnenberg,  bei  einem  gesteinten  Sei- 
tensträsschen.  —  Krug  von  hellgelbem 
Thon  ohne  Henkel,  28 Vi  cm  hoch, 
21  grösster  Durchm.,  SVs  HalsöfTnung, 
und  Scherben  —  zusammen  mit  Ge- 
fassen  aus  der  La  T^ne  -  Zeit  und 
roheren  —  ausserdem  1  eiserne  röm. 
Scheere  undeinBartme88er(?),  gefunden 
bei  dem  alten  Wege  von  Heimbach 
nach  Leitzweiler  auf  dem  „Schacher- 
hübel**.  —  Gefösse  von  dem  Begräb- 
nisplatz an  dem  „Rennweg*^  bei  Burg- 
Birkenfeld.  —  Von  Hirstein  (vgl. 
Westd.  Zs.  XI  S.  250)  aus  dem  Garten 
des  Wirtes  Hamm :  Bauchige  Urne  von 
rötlichem  Thon,  13  cm  hoch,  grösster 
Durchm.  16  cm ;  Urne  von  blassrotem 
Thon,  bimformig,  mit  aufgelegten 
dicken  Strichen,  die  in  drei  Reihen 
schräg  gestellt  sind  mit  wechselnder 
Richtung,  17  cm  h.,  grösster  Durchm. 
13  cm.  —  Vom  „Buchwald"  bei  Wall- 
hausen,  nahe  dem  äusseren  Fasse 
des  „ Heidenkopfes  **:  1  eiserner  Meissel 
mit  Tülle  (vgl.  Lindenschmit,  Alter- 
tumer unserer  heidnischen  Vorzeit 
Bd.  I  Heft  12  Taf.  5  Nr.  13)  und  1 
eisernes  Messer  (vgl.  ebenda  Bd.  III 
Heft  3  Taf.  5  Nr.  12). 

c)  Von  der  „Altburg"  bei  Bnn- 
denbach:  Bruchstücke  von  Fachlcbm- 
wänden,  Schlacken  und  1  Gefassbenkel 
von  Bronze,  hohl,  zusammengelegt, 
5^2  cm  lang,  V^  cm  Durchm. 

(Back.) 
SaarbrOcken,  Historischer  Verein  Nr  77 
die  Saargegend. 

1.  Der  Verein  Hess  im  Herbst  1894 
die  Sohle  des  Pillensteins  (monolithes 
Pfeilermal  bei  Rentrisch)  freilegen. 
Die  Untersuchung  ergab,  dass  der 
Stein  nicht,  wie  bisher  angenommen, 
auf  einem  Pflaster,  sondern  auf  einer 
zertrümmerten  Schicht  sogenannter 
Eisengalle,  welche  die  Sand-  und  Kies- 
schichten des  Untergrundes  durchzieht, 


Westd,Zeit3ckr:XIV,  Taf.XX. 


Fiff.  t 


Fig^^ 


^xk 


Fif.^. 


Fiy  5. 


/  :S 


Fiff.8, 


Fi  ff.  //. 


Fi  f.  B. 


Ft'f.S. 


/^fff.  f.      i, 


Fig.iO. 


Fi^.  f2. 


^  *'  2 


Pravinzial'- Museum 
Trier, 


Museographle. 


397 


in    1,50  m  Tiefe   aufsteht.    —    Ohne 
Fundergebnis. 

2.  Aus  dem  Nachlass  des  verstorbe- 
nen Kommerzienrats  Um.  Ed.  Karscher 
gelangte  als  Geschenk  der  Familie 
desselben  in  die  Sammlung  römischer 
und  germanischer  Altertümer  eine 
Epona,  handwerksmässig  ausgeführ- 
tes Bildwerk  aus  grauem  Sandstein, 
0,70  m  hoch,  0,40  m  breit,  am  Fusse 
0,20  m   stark.     Die   Göttin   sitzt  auf 


einem  Sessel  mit  hoher,  oben  abge- 
rundeter Rückenlehne,  die  Hände  auf 
den  Knieen  haltend.  Sie  ist  bekleidet 
mit  enganliegendem  Chiton,  ausserdem 
der  Unterkörper  mit  einem  faltigen 
bis  auf  die  Füsse  reichenden  Gewand. 
Das  Haar  ist  gescheitelt  die  Füsse 
scheineu  bekleidet  zu  sein,  da  Zehen 
nicht  angedeutet  sind ;  im  Schosse  liegt 
ein  Gegenstand  (länglich-rundes  Körb- 
chen?). Am  Sitze  unten  rechts  und 
links  je  ein  aufgezäumtes  Maultier  in 
Relief.  Fundstelle :  Forbacherhof  bei 
Neunkirchen  ? 

3.  Der  Sammlung  aus  dem  Mittel- 
alter und  der  Neuzeit  wurden  zwei 
Nummern  zugeführt. 

(Wullenweber.) 
80     Trier,   Provinzial  -  MMseum  I  S.  269, 
II-XIII. 

Die  Ihilernehmungen  des  Museums 
begannen  gleich  zu  Anfang  des  Etats- 
jahres mit  der  Fortsetzung  der  Unter- 
suchung der  römischen  Stadtbe- 
festignng  von  Trier.  Die  Unter- 
suchung galt  diesmal  zunächst  dem 
nördlichen  und  westlichen  Teile  der 


Stadtmauer.  Es  stellte  sich  heraus, 
dass  die  römische  Stadtmauer  von  der 
porta  nigra  an  nach  Westen  zunächst 
der  mittelalterlichen  Befestigung  als 
Fundament  diente.  Die  Nordmauer 
geht  in  stumpfen  Winkeln  ganz  all- 
mählich in  die  Richtung  der  Westmauer 
über,  welche  nun  etwa  30 — 40  m  vom 
Ufer  der  Mosel  entfernt  dieser  entlang 
läuft  und  bereits  bis  nahe  zur  Mosel- 
brücke festgestellt  werden  konnte.  Die 
Mauerkonstniktion  ist  im  wesentlichen 
dieselbe,  welche  auch  im  Süden  be- 
obachtet wurde:  Füllmauerwerk  aus 
ziemlich  rohen  Bruchsteinen,  nach  den 
beiden  Ansichtsflächen  sauber  mit  gut 
zugerichteten  Kalksteinen  verkleidet. 
Während  aber  im  Süden  und  Osten 
für  die  Füllung  Schieferbruchstein  be- 
nutzt worden  war,  besteht  im  Westen 
die  Füllung  meist  aus  rotem  Sandstein. 
Man  verwendete  eben  das  nächstliegende 
Material :  während  im  Süden  und  Osten 
Schiefer  ansteht,  brauchte  hier  im 
Westen  der  Sandstein  blos  vom  linken 
Moselufer  herübergeholt  zu  werden, 
wo  er  bis  dicht  an  das  Ufer  heran- 
tritt. Wie  auch  bisher  sonst  beobach- 
tet wurde,  setzt  das  aufgehende  Mauer- 
werk gegen  das  Fundament  mit  einer 
schrägen  und  etwas  gewölbten  Dossie- 
rung  ab.  Das  Fundament  hat  auch 
hier  eine  Breite  von  3,60  m.  Neu  ist 
die  Beobachtung,  dass  die  Fugen  der 
Kalksteinverkleidung  mit  einem  roten 
Fugenstrich  ausgezogen  waren.  Ein 
wohlerhaltencs  Stück  der  Kalkstcin- 
verkleidung,  woran  dies  zu  sehen  ist, 
wurde  losgelöst  und  im  Museum  auf- 
bewahrt. Bisher  sind  auf  der  West- 
seite zwei  Stadttürme  entdeckt  worden, 
die  in  der  Grösse  und  Konstruktion 
mit  denen  des  südlichen  Mauerteils 
übereinstimmen.  Die  Entfernung  zwi- 
schen den  beiden  Türmen  beträgt  an- 
nähernd 500  m.  Versuche,  auf  der 
Zwischenstrecke  noch  mehr  Türme 
aufzufinden,  haben  bisher  zu  keinem 
Resultat  geführt.  Möglich,  dass  man 
der  Mosel  entlang  sich  mit  einzelnen 
Wachtürmen  begnügen  zu  können 
glaubte  und  deshalb  die  Turmabstände 
thatsächlich  soviel  grösser  waren,  als 
im  Süden  der  Stadt,  wo  als  normale 
Turmdistanz  90  m  ermittelt  worden 
ist.  Der  eine  der  beiden  Türme  ge- 
währte noch  ein  besonderes  Interesse 
durch  den  Umstand,   dass   er  im  16. 

29* 


398 


Museographie. 


oder  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  zu 
einem  Versenk  für  ein  darüber  errich- 
tetes Gebäude  benutzt  und  infolge 
dessen  mit  einer  Menge  von  Gefässen 
und  Gefässresten  der  damaligen  Zeit 
angefüllt  war.  Die  Scherben  wurden 
sorgfältig  gesucht  und  es  Hessen  sich 
einige  schöne  Stücke  rheinischen  Stein - 
zeugs  wieder  fast  vollständig  zusam- 
mensetzen. Es  besteht  die  Absicht, 
den  Turm  teilweise  zu  erhalten.  Nach- 
dem die  Arbeit  hier  im  Westen  der 
Stadt  soweit  gediehen  ist  und  auch  im 
Osten  noch  einige  bisher  unsichere 
Punkte  festgestellt  wurden,  bleibt  nur 
noch  die  verhältnismässig  kurze  Strecke 
zwischen  Krahnenufer  und  dem  Süd- 
ende des  Vorortes  St.  Barbara  (etwa 

1  km)  zu  untersuchen,  wobei  aller- 
dings eine  Hauptfrage,  nämlich  die 
Verbindung  der  Brücke  mit  der  Stadt- 
mauer, noch  zu  lösen  ist. 

In  den  Sommermonaten  wurde  eine 
zweite,  ebenfalls  von  Erfolg  begleitete 
Untersuchung  bei  Baldringen  auf 
dem  Hochwald  in  der  Nähe  von  Nieder- 
zerf  ausgeführt.  Es  fanden  sich  da- 
selbst Reste  von  mehreren  römischen 
Wohngebäuden,  sowie  eine  noch  ziem- 
lich wohlerhaltene  römische  Badean- 
lage, bestehend  aus  einer  Badestube, 
zwei  heizbaren  Zimmern  und  mehreren 
kleineren  Nebenräumen.  In  der  Nähe 
war  eine  viereckige  römische  Cisteme, 
femer  ein  Steinkistengrab ,  welches 
eine  Bronzeschale  und  zwei  kleine 
Thonkrüge  enthielt.  An  einer  anderen 
Stelle  kam  ein  Münzfund  von  119  Mit- 
telerzen von  Constantius  II,  Magnen- 
tins  und  Decentius  zu  Tage.  Ein  Be- 
richt des  Unterzeichneten  über  diese 
Grabung,  welche  unter  örtlicher  Lei- 
tung des  Museums  -  Assistenten  Herrn 
Ebcrtz  stand,  erschien  im  Korrespon- 
denzblatt der  Westdeutschen  Zeit- 
schrift 1896  Nr.  17. 

Eine  kleine,  mehrtägige  Versuchs- 
.grabung  wurde  im  August  in  der  Nähe 
von  Speicher  auf  der  Eifel  ange- 
stellt. In  dem  sogenannten  Speicherer 
Walde  liegt  eine  Menge  von  Grab- 
hügeln, deren  Untersuchung  im  An- 
schluss  an  die  früheren  Grabungen 
des  Museums  bei  Mehren  und  Hermes- 
keil  angezeigt   erschien.     Es  wurden 

2  Hügel  untersucht,  welche  wohl  meh- 
rere Brandschichten ,  Enocbenreste 
und    einzelne    Scherben    schlechtge- 


brannter vorrömischer  Gefasse  ent- 
hielten, sonst  aber  wenig  ergiebig 
waren.  Der  eine  der  Hügel  war  in- 
teressant durch  einen  vollständigen 
Steinring,  welcher  ihn  an  seinem  Fusse 
umgab,  eine  Erscheinung,  welche  bei 
den  Hügeln  von  Mehren  und  Hermes- 
keil nicht  beobachtet  worden  ist.  Die 
Resultate  der  Ausgrabungen  von  Meh- 
ren und  Hermeskeil  sind  durch  den 
Unterzeichneten  im  Jahresbericht  der 
Gesellschaft  für  nützliche  Forschungen 
zu  Trier  1894  veröffentlicht  worden. 
Dem  Jahresbericht  sind  6  Tafeln  nach 
Zeichnimgen  von  Herrn  Ebertz  beige- 
geben, welche  sämtliche  Funde  von 
Belang  veranschaulichen. 

In  den  Monaten  Januar  und  Febniar 
189Ö  fand  im  Provinzial-Museum  eine 
Ausstellung  alter  und  moderner 
Gemälde  statt  Es  kamen  im  Gan- 
zen 285  Bilder  zur  Ausstellung,  dar- 
unter 74  von  auswärts,  die  übrigen 
aus  hiesigem  und  benachbartem  Pri- 
vatbesitz. Die  reiche  Auswahl  guter 
älterer  Gemälde  von  italienischen,  nie- 
derländischen, spanischen  und  deut- 
schen Meistern  wurde  bei  dieser  Ge- 
legenheit von  Herrn  Dr.  Scheibler  aus 
Bonn  untersucht  und  bestimmt 

Der  Zuwachs  der  Sammlung  betragt 
278  Nummern,  wovon  folgendes  er- 
wähnenswert ist: 

A.  Vorrömische  Abteilung: 
Grabume  und  kleines  Töpfchen  (Taf. 
XXII  Fig.  8  und  10),  gefunden  bei  Ens- 
dorf  (Kreis  Saarlouis),  Geschenk  des 
Herrn  Bloch  in  Saarlouis  (19799  nnd 
19800).  —  Bruchstücke  von  Bronze- 
reifen mit  wechselnder  Torsion,  drei 
glatte,  massive,  geschlossene  Bronze- 
beinringe und  6  Armringe  aus  Bronze 
mit  Strichverzierung,  gefunden  in  Wal- 
lerfangen, Geschenk  des  Herrn  Ge- 
heimrats von  Boch  in  Mettlach  (19863 
—19872.  Vgl.  Jahresbericht  der  Ge- 
sellschaft für  nützliche  Forschungen 
1894  Seite  XV). 

B.Römische  Abteilung.  LStein- 
denkmäler:  Skulpturen:  Zwei  Sand- 
steinreliefs, darstellend  Mercur  im  Sa- 
gum  (19734)  und  einen  schreitenden 
Löwen  (19736),  gefunden  in  Differteo 
(Korrbl.  d.  Wd.  Zs.  XHI,  45).  Kopf 
einer  Minenastatue  aus  Sandstein,  ge- 
funden in  Trier  (19861). 

Inschriften:  Augenarztstcmpel aus 
Thonschiefer,     aus   Kyllhurg   (19733 


Museographie. 


399 


Korrbl  VII,  40).  Grabinschrift  aus  Dif- 
ferten  (19735  Korrbl.  Xlll,  45).  Votiv- 
inscbrift  aus  Trier  (19862  Korrbl. 
XIII,  80). 

II.  Grabfunde,  bestehend  aus  Ur- 
nen, Sigillatagefässen,  Krügen,  Lämp- 
eben  und  Glasgefässen  aus  dem  süd- 
lichen römischen  Grabfeld  von  Trier 
in  St.  Matthias  (19807—19823,  19960 
— 20009^  und  aus  dem  nördlichen  Grab- 
feld im  Maar  (19824—19851,  19893 
—19915,  19950—19959).  Darunter 
bemerkenswert  ein  als  Anhängsel  mit 
Bronzebeschläg  versehener  Eberzahn 
(Taf.  XXIi  Fig.  11)  und  2  Krüge  (Taf.XXII 
Fig.  5  und  7). 

III.  Einzelfunde  von  Kleinal- 
tertümern, a)  aus  Thon:  Sigillata- 
gefässe,  gefunden  in  der  Maximiner- 
strasse  in  Trier  (19750)  und  in  Pal- 
lien (19916,  19945)  (Taf.  XXII  Flg.  9) 
Lampe,  worauf  ein  Viergespann  darge- 
stellt, aus  St.  Mathias  (19753)  (Taf.  XXII 
Fig,  6).  Grössere  Anzahl  farbiger 
Thonperlen  aus  Gräbern  bei  Trier, 
Geschenk  des  Herrn  N.  Besselich 
(19778—19782).  b)  aus  Bronze: 
Zwei  Salbgefasse  von  zierlicher  Form 
zum  Anhängen,  gefunden  in  Trier 
(19731  f.)  (Taf.  XXII  Flg.  1  und  3), 
Scheibenfibel  mit  schön  erhaltenem 
Email,  gef.  bei  Dahlheim  (19874)  (Taf. 
XXIi  Fig.  4).  Silbei^Iattiertes  Bronze- 
gehäng,  wahrscheinlich  von  einem 
Pferdeschmuck,  aus  Kyllburg  (19883) 
(Taf.  XXII  Fig.  2).  Schale  aus  geripp- 
tem Bronzeblech  aus  Baldringen  (19917). 
c)  a  u  8  B 1  e  i :  Wohlerhaltenes  Rohr  mit 
Bronzemundstück  und  Scharnier  für 
einen  Deckel,  gefunden  in  der  obener- 
wähnten Badeanlage  zu  Baldringen 
(19921)  (Taf.  XXII  Flg.  12). 

C.  Mittelalterliche  und  mo- 
derne Abteilung.  Ausser  den  oben 
(Ausgrabung  der  römischen  Stadtmauer 
von  Trier)  erwähnten  Gefässen  aus 
rheinischem  Steinzeug  des  17.  Jahr- 
hunderts ist  zu  erwähnen:  eine  Son- 
nenuhr auf  Schieferplatte  vom  Jahre 
1795,  Geschenk  des  Herrn  Konsul  W. 
Rautenstrauch  in  Trier  (19873). 

Ein  für  die  obenerwähnte  Gemälde- 
ausstellung von  der  hiesigen  Lieb- 
franenkirche  zur  Verfügung  gestelltes 
Bild  der  bolognesischen  Schule  des 
17.  Jahrhunderts,  darstellend  den  heil. 
Sebastian,  wurde  von  der  Kirchenbe- 


hörde   dem  Museum    als   vorläufiges 
Depositum  überwiesen. 

D.  Münzsammlung.  Die  Samm- 
lung römischer  Münzen  wurde 
hauptsächlich  bereichert  durch  eine 
Goldmünze  des  Aulus  Ilirtius  unbe- 
kannten Fundorts  (19856),  sowie  durch 
einen  bei  Baldringen  gemachten  Münz- 
fund von  119  Mittelerzen  des  Constan- 
tius  II,  Magnentius  und  Decentius, 
welche  fast  sämtlich  in  Trier  geprägt 
und  grösstenteils  sehr  gut  erhalten 
sind  (19923—19944),  endüch  durch  24 
römische  Falschmünzstempel,  gefunden 
bei  Trier  (19877).  Für  die  Sammlung 
mittelalterlicher  und  moderner 
Münzen  von  Trier  wurden  ange- 
kauft :  1  Carolinger  Denar,  1  Coblenzer 
Denar  Brunos  von  Lauffen,  1  Albus  von 
Jakob  von  Sierck,  1  einseitiger  Heller 
von  Richard  von  Greiflfenklau,  1  Thaler 
Johann  Hugo's,  1  Vierpfennigstück 
desselben,  1  Medaille  desselben,  1 
Viertelsterbethaler  von  Karl  von 
Lothringen,  1  halbes  Petermännchen 
von  Franz  Georg  von  Schoenborn,  1 
Thaler  von  Johann  Philipp  von  Wal- 
dersdorf,  1  halber  Thaler  von  Clemens 
Wenzeslaus  (19787—19797).  Als  Ge- 
schenk des  Herrn  Schnerb  in  Frank- 
furt erhielt  die  Münzsammlung  die 
Medaille  auf  die  Gründung  von  Saar- 
louis 1683  (19798). 

Der  Besuch  des  Museums  und  der 
römischen  Bäder  von  St.  Barbara  war 
im  vergangenen  Jahre  erfreulicherweise 
sehr  lebhaft. 

In  der  Woche  nach  Pfingsten  wurde 
der  dreitägige  archäologische  Ferien- 
kursus für  Gymnasiallehrer  durch  Herrn 
Professor  Dr.  Hettner  und  den  Unter- 
zeichneten abgehalten. 

(Dr.  Lehner.) 
Bonn,  Provinzialmuseum  I  S.  274,  IV,  83 
V,  XI,  XH,  XIII. 

Ausser  einer  kleinen  Versachsgra- 
bung zu  S  i  n  z  e  n  i  c  h  bei  Zülpich,  welche 
das  Vorhandensein  fränkischer  in  frühe- 
rer Zeit  bereits  beraubter  Gräber  fest- 
stellte, konzentrierte  sich  die  Thätig- 
keit  des  Museums  auf  zwei  grössere 
Unternehmungen.  Die  eine  betraf  die 
Freilegung  einer  Villa  beiBlanken- 
heim  in  der£ifel,  welche  von  Anfang 
Juli  bis  Ende  September  ausgefährt 
wurde.  Es  wurden  die  Fundamente 
von  drei  Gebäuden  ausgegraben,  welche 
auf  der  Mitte  eines  Abhanges  so  an- 


400 


Museographie. 


(j^eordnet  sind,  dass  die  Fruut  des 
Haupti^ebäudes  nach  Osten  liegt,  wäh- 
rend die  beiden  Seiteugebäude  jeuem 
zugekehrt  sind.  Der  Grundriss  des 
Hauptgebäudes  bildet  ein  langes  ge- 
strecktes Rechteck  von  70  m  Länge. 
An  einem  kleinen  6  m  langen  und  5  m 
tiefen  Gebäude  vorbei  gelangt  man 
über  einen  Vorplatz  durch  den  au  der 
Südseite  liegenden  Haupteingang  in 
den  Flur  und  von  ihm  in  das  mit 
Estrichboden  ausgestattete,  12  m  breite 
und  9,60  m  tiefe  Atrium  mit  einer 
quadratischen  Aufmaueruug  in  der 
Mitte,  welche  zeigt,  dass  es  ein  von  den 
vier  Seiten  nach  innen  abfallendes,  zur 
£rmö;2lichung  des  Wasserabflusses  in 
der  Mitte  offenes  Dach  hatte.  Auf 
das  Atrium  mündet  eine  Reihe  von 
Zimmern,  unter  denen  ein  in  der  Süd- 
westecke gelegener  Um  langer  und 
4  m  tiefer  Raum  durch  die  hier  ge- 
fundenen Gefassscherben  und  Speise- 
abfälle  sich  als  Küche  oder  Vorrats- 
kammer kundgiebt  In  seiner  Nord- 
ostecke birgt  er  die  Heizung  für  ein 
mit  ihm  durch  einen  schmalen  Gang 
verbundenes  Gemach,  aus  dem  die 
Wärme  nach  einem  zweiten  grösseren 
übermittelt  wurde.  Während  diese 
Räume  heizbar  sind,  entbehren  alle 
übrigen  Zimmer  dieses  Flügels  der 
Heiz  Vorrichtungen.  Über  die  Bestim- 
mung der  einzelnen  Räume,  die  sämt- 
lich Estrichbödfn  aufweisen,  haben  die 
Funde  bir  jetzt  keine  genügende  Auf- 
klärung geliefert.  Dafür  hat  sich  je- 
doch eine  andere  interessante  Beobach- 
tung ergeben,  nämlich,  dass  dieser 
Flügel  auf  den  Fundamenten  eines 
älteren,  vielleicht  durch  Brand  zer- 
störten, Gebäudes  von  teilweise  ver- 
schiedenem Grundriss  errichtet  ist,  für 
dessen  Rekonstruktion  es  noch  genaue- 
rer Untersuchungen  bedarf.  Den  Mit- 
telpunkt des  Gebäudes  nimmt  eine 
Gruppe  von  vier  Zimmern,  einem 
grösseren  und  drei  kleinereu,  ein, 
welche  auf  beiden  Seiten  von  je  einem 
1,15  m  bezw.  1,40  m  breiten  Gange 
begrenzt  werden.  Auch  in  diesen 
Räumen  finden  sich  Estrichböden,  aber 
keine  Heizvorrichtungen.  Den  inte- 
ressantesten Teil  des  bisher  Aufge- 
deckten bildet  der  westliche  Flügel 
mit  seiner  ausgedehnten  Badeanlage. 
Von  einem  50  m  langen  und  ö  m 
breiten   vor  dem   Gebäude   sich  hin- 


ziehenden Wandelgange  gelangt  min 
in  einen  10  m  langen  und  2,30  m  breiten 
Vorraum,  mit  der  Latrine  in  der  west- 
lichen Ecke,  deren  Inhalt  von  dem 
abfliessenden  Badewasser  ausgespult 
wird  und  durch  einen  Kanal  den  Ab- 
hang binabgeleitet  wurde.  An  den 
Vorraum  stösst  ein  4^3  m  im  Quadrat 
grosses,  mit  90  cm  grossen  roten  Saud- 
steinplatten belegtes  Ankleidezimmer, 
aus  dem  drei  Stufen  in  der  Ecke  iu 
ein  halbkreisförmiges,  1,60  m  tiefes 
Bassin  fiihren.  Es  folgen  hintereinan- 
der die  mit  Hypokausten  und  Heiz- 
röhren in  den  Wänden  ausgestatteten 
3  m  langen  und  2,30  m  breiten  Räume 
für  lauwarme  und  heisse  Bäder  nebst 
der  Heizkammer,  deren  Ofenwölbuug 
noch  deutlich  erkennbar  ist.  Vom 
Wohnhause  durch  einen  ummauerten 
Hof  getrennt  ist  dtis  seitwärts  liegende 
27  m  lange  und  19  m  tiete  Wirtschafts- 
gebäude, dessen  Ausgrabung  jedoch 
ebenso  wenig  wie  die  des  eigentlichen 
Herrenhauses  vollends  zum  Abschluss 
gebracht  ist  Namentlich  zeigen  die 
von  dem  Wandelgange  des  letzteren 
hinablaufenden  Mauerspuren,  dass  das- 
selbe sich  noch  weiter  erstreckt  hat, 
und  lassen  eine  baldige  Fortsetzung 
dsr  Grabungen  überaus  wünschens- 
wert erscheinen.  Unter  den  Fuud- 
stücken  verdienen  ein  Schildbuckel 
und  ein  Spatel  aus  Bronze  (9317  bis 
9323)  mehrere  Pferdegebisse  (9363  his 
9366),  ein  sogenannter  Pferdeschuh 
(9398),  zwei  Viehglocken  und  ein  Rost 
aus  Eisen  (9453—9354,  9450)  beson- 
dere Erwähnung. 

Durch  die  Unterstützung  der  Kom- 
mission für  die  Rheinischen  Provinzial- 
Museen  und  die  Liberalität  des  Pro- 
vinzialausschusses  ist  die  Erhaltung 
der  Gebäudereste,  welche  durch  ihre 
grosse  Ausdehnung  und  durch  den 
guten  Zustand  des  meist  in  Mannes- 
höhe noch  aufstehenden  Mauerwerks 
bemerkenswert  und  für  die  Kenntnis 
derartiger  Anlagen  höchst  lehrreich 
sind,  für  die  Zukunft  gesichert. 

Die  zweite  grössere  Ausgrabung  galt 
der  weiteren  Aufdeckung  des  Rum  er- 
lagers bei  Neuss.  Die  Gelegenheit, 
dass  auf  einem  an  der  Nordostseite 
der  Kölner  Chaussee  gelegenen  Grund- 
stücke ein  Neubau  errichtet  werden 
sollte,  wurde  vom  Museum  dazu  be- 
nutzt,  dort  vom  18.  Juni  bis  7.  Juli 


Museographie. 


401 


Grabungen  zu  veranstalten,  welche 
Reste  von  vier  Gebäuden  zu  Tage  för- 
derten. Zunächst  in  gleicher  Richtung 
mit  Jer  Chaussee  Teile  eines  zum  Teil 
von  ihr  bedeckten  Gebäudes  mit  Räu- 
men von  9  m  Tiefe,  sowie  dahinter 
Fiues  zweiten  parallelen  durch  eine 
Gasse  getrennten  Baues  mit  Zimmern 
von  5  m  Tiefe,  von  denen  das  aufge- 
deckte eine  Breite  von  2,80  m  hat. 
Nordöstlich  davon  kamen  Teile  von 
zwei  weiteren  Bauten  zum  Vorschein. 
Der  sudliche  Teil  von  etwa  Um  Tiefe, 
der  auf  eine  Länge  von  20  m  verfolgt 
werden  konnte,  weist  eine  Anzahl 
grösserer  und  kleinerer  Räume  in  un- 
regelmässiger Anordnung  auf,  in  deren 
einem  ein  interessantes  Stück,  nämlich 
der  Teil  eines  Bronzehelms  mit  der 
Darstellung  eines  springenden,  von 
Blitzen  und  Donnerkeilen  umgebenen 
Löwen  in  getriebener  Arbeit  (9261), 
gefunden  wurde.  In  einer  Entfernung 
von  1,20  m  liegt  der  vierte  ebenfalls 
nur  bis  zu  18  Vi  m  Länge  verfolgte  Bau, 
dessen  Einteilung  ebenso  wie  die  des 
vorher  erwähnten  Gebäudes  erst  durch 
Grabungen  auf  den  benachbarten  Par- 
zellen ermittelt  werden  kann.  An  Einzel- 
funden sind  hier  noch  ein  Griff  mit 
einem  Leopardenkopf  (9262),  eine  Ver- 
zierung in  Gestalt  eines  Hahnes  (9262a) 
sowie  eine  dünne  Scheibe  aus  Bronze, 
auf  der  ein  Adler  eingraviert  ist  (9277), 
hervorzuheben.  Sodann  wurden  vom 
5.  November  v.  J.  bis  3.  März  d.  J. 
auf  dem  das  Prätorium  begrenzenden 
Esserschen  Grundstücke  Grabungen 
unternommen,  für  die  der  Provinzial- 
ausschuss  in  liberalster  Weise  die  Mittel 
zur  Verfügung  gestellt  hat.  Obgleich 
die  Untersuchung,  weil  durch  die  lange 
Frostperiode  dieses  Winters  mehrfach 
unterbrochen,  noch  nicht  zum  Ab- 
schluss  gebracht  werden  konnte,  so  hat 
sie  doch  insofern  wichtige  Resultate 
geliefert,  als  sie  über  die  zwischen 
Prätorium  und  Umfassungsmauer  in 
der  Nähe  der  via  principalis  gelegenen 
Lager  teile  Aufklärung  verschafft  hat. 
Blossgelegt  wurde  die  Umfassungsmauer 
auf  eine  Länge  von  250  m  bis  zur 
Nordostecke  des  Lagers.  Von  den 
zwei  in  ihr  vorge&ndenen  Unter- 
brechungen erwies  sich  die  eine  als 
eine  später  angelegte  brunnenartige 
Grube,  die  andere  als  der  Einschnitt 
für  die  Fundamente  eines  4,40  m  langen 


Turmes  mit  festgestampftem  Lehmbo- 
den im  Innern.  Von  der  Umfassungs- 
mauer 25  m  entfernt  wurden  der  in 
frühereu  Berichten  bereits  mehrfach 
erwähnte,  das  Lager  umgebende  Kanal 
und  4  m  weiter  in  gleicher  Richtung 
mit  ihm  drei  74  m  lange,  durch  5  m 
breite  Gassen  geteilte  zweiteilige  Ka- 
sernen angetroffen,  deren  Vorderflügel 
bei  der  mittleren  24  m,  bei  den  bei- 
den anderen  bloss  12  m  breit  ist,  wäh- 
rend der  Hinterbau  aus  je  zwei  Reihen 
von  12  Räumen  mit  eimer  vorgebauten 
offenen  Halle  besteht.  Vor  diesen  drei 
Kasemements  liegen  nach  der  via  prin- 
cipalis hin  drei  gleich  breite  remisen- 
artige 9  m  tiefe  Gebäude  mit  Aus- 
gängen auf  die  oben  genannte  Strasse. 
Eine  8,20  m  breite  Gasse  trennt  die 
Remisen  und  Kasernen  von  dem  nord- 
westlichen Teile  eines  grossen  nach 
der  Lagermitte  hin  sich  erstreckenden 
Gebäudes,  welches  noch  genauer  unter- 
sucht werden  muss.  Ausser  Fibeln, 
Nadeln  und  Griffen  von  Geräten  aus 
Bronze  kam  ein  kleiner  Bronzestier, 
eine  Hängeverzierung  aus  Silberblech, 
Thonlampen  mit  figürlichen  Darstel- 
lungen, eine  grosse  Anzahl  Skulptur- 
stücke, ein  Votivaltärchen  des  Jupiter 
und  die  Reste  einer  grossen  Bauin- 
schrift mit  14  cm  hohen  Buchstaben 
zum  Vorschein  (9256-9286,  9626  bis 
9698,  9735-9819,  9825—9865). 

Der  Zuwachs  der  Sammlung  beläuft 
sich   im  Ganzen   auf   723  Nummern. 

Vorrömische  Abteilung:  Ein 
sogenanntes  Regenbogenschüsselchen 
(9194),  ein  Hohlkelt  und  zwei  Lappen- 
kelte  (9732,  9237—9238)  und  eine  An- 
zahl zum  Teil  mit  Graphitlinien  ver- 
zierter Thongefässe  der  Hallstattpe- 
riode aus  einem  von  Herrn  Professor 
Löschcke  im  Gemeindewalde  von 
Weiss,  Kreis  Neuwied,  geöffneten  Grab- 
hügel (9699-9710). 

Römische  Abteilung:  Ausser 
mehreren  Grabfunden  aus  Bonn  (9306 
bis  9316,  9455—9457,  9724-9733) 
und  Köln  (9198—9205,  9214—9220, 
9222—9226)  sind  folgende  Gegenstände 
erwähnenswert:  aus  Bronze  die  Ver- 
zierung eines  Gerätes  in  Gestalt  eines 
Löwen  (9316)  und  ein  Messergriff  mit 
Pferdekopf  (9723),  aus  Terra  sigillata 
zwei  reich  verzierte  Schalen  (9212  bis 
9239),  aus  Thon  eine  Lampe  mit  Gla- 
diatorendarstellung (9186),  drei  Becher 


402 


Museographie. 


mit  luschrift  (9193,  9240,  9787),  die 
Figur  einer  sitzendeu  Fortuna  (9520), 
ein  Messer  mit  Grifif  aus  Bein  (9519), 
aus  Stein  der  Torso  eines  bakchiscben 
Genius  (9722),  drei  Matronenaltäre  aus 
Floisdorf  und  Zingsheim  (9521,  9523 
bis  9624),  das  Fragment  einer  Monu- 
mentalinscbrift  aus  der  Zeit  des  Kaisers 
Claudius  aus  Bonn  (9288),  sechs  Grab- 
inschriften aus  Köln  und  Nettersheim 
(9145,  9236,  9291,  9292,  9518.  9522). 

Fränkische  Abteilung:  Grab- 
funde aus  Heddersdorf  bei  Neuwied 
bestehend  in  Waffen,  Gewandnadeln, 
Perlen  und  einer  verzierten  Glasschale 
(9147—9178). 

Mittelalterliche  Abteilung: 
Szepter  der  Äbte  von  Werden  an  der 
Ruhr  in  vergoldetem  Rothkupfer  mit 
Email  Verzierung  (9146).  AJs  Ge- 
schenke wurden  dem  Museum  über- 
wiesen durch  Seine  Excellenz  den 
Herrn  Oberpräsidenten  Geheimrat 
Nasse  die  bei  dem  Ausbau  der  Mosel- 
mündung  ausgebaggerten  römischen 
Altertümer,  bestehend  in  einer  Menge 
von  Toilettegegenständen  aus  Bronze, 
Münzen  und  Steinskulpturen  (9464  bis 
9517,  9526-9624,  9711-9722),  von 
Herrn  Bürgermeister  Wassong  in 
Blankenheim  einige  Eisengeräte  (9450 
bis  9454),  von  Fabrikbesitzer  Lützen- 
kirchen  in  Sinzenich  ein  dort  gefun- 
dener Matronenstein  (9822),  von  Herrn 
Bürgermeister  Sandkuhl  in  Kirsch- 
berg einige  fränkische  Waffen  und 
Thongefässe  (9227—9233),  von  Herrn 
und  Frau  Schlieperin  Elberfeld  drei 
Holzskulpturen,  darstellend  die  Ma- 
donna mit  dem  Kinde,  und  die  Apostel 
Petrus  und  Paulus  aus  dem  14.  und 
15.  Jahrhundert  (9251—9253),  von  den 
Kirchen  vorständen  von  St.  Castor  in 
Coblenz  und  Offenbach  am  Glan  eine 
Anzahl  Architekturstücke  (9616—9625, 
9458—9463).  von  Herrn  Rentner 
Schmithals  hier  ein  frühmittelalter- 
licher Topf  (9255),  und  von  Herrn 
Wasserbau  -  Inspektor  Isphording 
hier  ein  Schwert  aus  dem  13.  Jahr- 
hundert (9183). 

Auf  mehreren  Seminarkonferenzen 
wurden  auch  in  diesem  Jahre  von  dem 
Direktor  Vorträge  gehalten. 

(Klein.) 

(S.  Korrespondenzblatt  des  Gesamt- 
vereins der  deutschen  Geschichts-  und 
Altertumsvereine  1895,  Nr.  8  S.  90  f.) 


Köln,  Museum  Wallraf-Richartz  I S.  271, 85 
IX- XI,  XIII. 

Die  neue  Aufstellung  der  kleinen 
römischen  und  fränkischen  Altertümer 
ist  vollendet  und  seit  September  1894 
eröffnet.  Vgl.  Korrbl.  d.  Westd.  Zs 
XIII,  142.  Die  Neuordnung  der  Steiu- 
altertümer  ist  im  Gange. 

Zugänge  zur  römischen  Abtei- 
lung seit  Sommer  1894.  1.  Funde 
bei  Stadt.  Erdarbeiten.  Weihe- 
inschrift an  Jupiter  Dolichenus  (Ecke 
Elstergasse  und  „An  der  Ruhr").  Vgl. 
Korrbl  XIV,  4t.  Gesimsstück  aas 
Jurakalk  mit  Rest  eines  Waffenfrieses 
(Heumarkt).  Ziegel  einer  Heizuogs- 
anlage  (Ursulaplatz).  Kleinalter- 
tümer, a)  Thon:  Trinkbecher  aus 
Terra  nigra  mit  Barbotineranken  (Rit- 
terstrasse). Sigillataschale  mit  Lotus- 
rand (Richard- Wagnerstrasse).  Lampe 
mit  Taube  und  Ölzweig  (Paulstrasse), 
b)  Bronze :  Beschläge  eines  Kästchens 
(Eulengarten).  Reste  eines  Raucher- 
gefässes  mit  ketten  (Richard- Wagner- 
strasse), c)  Bein :  Haarkamm  mit  gra- 
vierter Kreisverzierunj?  (Elstergasse). 

2.  Erwerbungen  durch  Ankauf 
und  Geschenk.  Grabstein  des M.Val. 
Celerinus  (Richard-Wagnerstr.).  Ver- 
öffentlicht im  Korrbl.  XIV,  41).  Grab- 
stein des  Ti.  Claudius  Halotus  (Aache- 
nerstrasse). Er  befand  sich  bisher  bei 
Prof.  E.  aus'm  Weerth  in  Kessenich 
bei  Bonn.  Nähere  Mitteilungen  über 
das  interessante  Denkmal  folgen  in 
einer  der  nächsten  Nummern  des  Eor- 
respondenzbl.  —  Nachbildung  eines 
Grabfundes  von  der  Ecke  Dreikönigen- 
Strasse  und  „An  der  Eiche",  bestehend 
aus  einem  Langsch  werte  mit  Beingriff, 
einem  kreisrunden  silbernen  Ortbande 
mit  Goldtauschierung  und  Niello,  einer 
Fibel,  Gürtelbeschlägen,  Gefässen  u.  A. 
Das  Original  im  Mainzer  Museum 
Vgl.  Museogr.  d.  Westd.  Z.  XIII  S  294. 
—  Kleinaltertümer,  a)  Thon: 
Wasserbehälter  in  Form  einer  Urne 
(Hochstadenstrasse).  Kugelbecher  aus 
Terra  sigillata  mit  Seetieren  und  Lotus 
in  Barbotine  (Weyerstrasse).  Trink- 
berher  aus  Terra  sigillata  mit  Lotus 
in  Barbotine  und  weiss  aufgemaltem 
Spruche  BIBE  DA.  Trinkbecher  aus 
Terra  nigra  mit  Barbotineranken. 
Lampe  mit  Amor  und  Psyche.  Zwei 
Sigillatateller  mit  den  Stempeln  Gl- 
CARV    und   M^INO.    -    b)   Metall: 


Mnseographie. 


403 


BroDzefigürchen  eines  Leoparden  (Ri- 
chard-Wagnerstr.).  Brouzeschloss  eines 
Kästchens  mit  Schlüssel  und  Beschlä- 
gen. Cy  lind  er  förmiges  Vorhängeschloss 
mit  Bügel,  Bronze.  Eine  Reihe  von 
Gewandnadeln  in  BroDze  und  Silber, 
einzelne  graviert  und  vergoldet,  andere 
mit  NielTo  und  Grubenschmelz.  Be- 
sonders interessant  ist  eine  Kreisfibnla 
mit  Zelleuschmelz ,  deren  Stege  in 
primitiver,  an  irische  Zeichnung  er- 
innernder Weise  das  Brustbild  eines 
christlichen  Heiligen  umschreiben.  Ein 
ähnliches  Stuck  gehört  zum  alten  Be- 
stände der  Sammlungen.  Beides  sind 
Arbeiten  aus  der  Zeit  tiefsten  Ver- 
falles der  Antike  im  5.  Jahrb.  Bronze- 
Löifel  mit  Silbertauschierung.  Eine 
Reihe  von  Haarnadeln  mit  sorgfältig 
gearbeiteten  Köpfen,  teilweise  in  Tier- 
formen, Bronze,  silbertauschiert.  Rund- 
beschlag von  Pferdegeschirr,  mit  durch- 
brochenem peltenartigem  Ornament, 
ähnlich  den  Heddernheimer  Zierschei- 
ben im  Mainzer  Museum.  Etruskischer 
Bronzehenkel  mit  Mascaron.  Silber- 
ner Fingerring  mit  Niccolo-Gemme, 
Helios  (Apostelnmarkt).  Bronzener 
Fingerring  mit  Inschrift  PIA ;  dgl.  mit 
Carneol,  Amor.  —  c)  Glas;  Schwarz- 
grüner  cylindrischer  Becher.  Violett- 
rotes Kännchen  mit  weissem  Henkel 
und  Fäden  (ergänzt).  Braunrotes  Hen- 
kelkäunchen.  Trinkbecher  in  Form 
der  gallisch- römischen  Thonbecher,  aus 
farblosem  Glase.  Grosser  farbloser 
Becher  mit  aufgelegter  Netzverzierung. 
—  d)  Armband  in  Schlangenform 
aus  Gagatgliedern.  Kleiner  Becher, 
Schmuckkette  und  Haarnadeln  aus 
Bernstein.  Brettspiel  aus  Bein,  be- 
stehend aus  24  halbkugeligen  Spiel- 
steinen,  von  welchen  die  Haltte  Spuren 
ro^.er  Färbung  zeigt  und  4  Würfeln, 
welche  in  zwei  kurzen  cylindrischen 
Röhren  geschüttelt  wurden;  dazu  ge- 
hörte ein  Holzkästchen,  dessen  ver- 
moderte Reste  noch  sichtbar  waren, 
mit  Bronzehenkel  und  Schlüssel,  sowie 
ein  konischer  Becher  aus  farblosem 
Glase  (Johanisstrasse). 

Münzfunde.  1381  Grosserze  des 
Magnentius  u.  A.  (Stephanstrasse).  Ein 
grosser  Münzfund,  meist  Kleinbronzen 
constantinischer  Zeit  enthaltend,  wel- 
cher am  30.  April  189.5  an  der  Süd- 
seite von  S.  Maria  im  Capitol  auf  dem 
Marienplatze  gemacht  wurde,  ist  leider 


zum  grossen  Teile  verschleppt  worden. 
Das  Übrige  ist  dem  Berliner  Münz- 
kabinette zur  Untersuchung  übergeben. 
Vgl.  Korrbl.  XIV,  79. 

Germanische  Altertümer.  Pie 
Ausgrabungen  bei  Roesrath  ergaben 
eine  Urne  aus  grauem  Thon  mit  Deckel, 
Knochenreste  und  Trümmer  anderer 
Urnen  der  späteren  La  T^nezeit.  Vgl. 
Korrbl.  XHI,  128. 

Erwerbungen  durch  Ankauf 
und  Geschenk.  Ohrring,  Gold  mit 
Filigrau  Verzierung,  besetzt  mit  Saphiren 
und  Almandinen.  Vorzügliche  west- 
gotische Arbeit  aus  einem  Grabe  bei  Ra- 
venna.  Acht  fränk.  Armringe,  Bronze 
( Flammersheim).  Silbertauschierter 
Riemenbeschlag,  fränkisch  (Merhenich). 
Kugelbecher  aus  farblosem  geripptem 
Glase  und  Kreisfibula  aus  Silber,  mit 
Filigranverzierung  und  Almandinen 
rUrmitz).  Schmuckkette  aus  Perlen 
von  Glas,  Thon,  Amethyst,  Opal,  mit 
Bronze- Anhänger  (Kettig).  Eine  Reihe 
von  Gewandnadeln,  Gürtelbeschlägeu 
und  Schnallen,  teils  mit  Tauschierung, 
fränkisch.  Vogel- Fibula,  zusammen- 
gesetzt aus  Almandinen  in  Kasten- 
fassung, fränkisch. 

Mittelalterliche  Architektur- 
stücke. Tympanon  aus  Kalktein  mit 
Relief:  Mänuliche  Halbfigur  zwischen 
zwei  Unholden,  12.  Jahrb.  (Ecke  der 
Johannis-  und  Jakordenstrasse).  Zwei 
Säulen  mit  Würfelkapitellen,  roter  und 
grauer  Sandstein,  12.  Jahrb.  (Rhein- 
gasse). Sechs  spätgotische  Architektur- 
stücke (von  Ziersäulen),  15.  Jahrh. 
(Siebenbürgen). 

Plastik.      Frauenkopf   in    Wachs 
bossiert,    französisch,    17.   Jahrh.    — 
Bronzierte     Gypsabgüsse    nach    dem 
„Theodorich**  und  ^ Artus**  vom  Grab« 
male   Maximilians    I.    in    Innsbruck, 
Ausserdem  wurden  mehrere  Gypsab 
güsse  nach  der  Antike  erworben,  wel 
che  in  zwei  pompejanisch  ausgestat 
teten  Räumen  des  Museums  aufgestellt 
werden  sollen. 

Gemäldesammlung.  Durch  An- 
kauf kamen  neu  hinzu :  B.  Luini.  Ecce 
homo  (aus  der  Sammlung  Dötsch  in 
London).  Mosler  -  Pallenberg,  Resig- 
nation. Durch  Schenkung:  Hiacynth 
Rigaud,  Bildnis.  M.  Munkacsy,  Der 
Held  des  Dorfes.  (Kisa.) 


404 


Museographie. 


d     Aachen,  Städtisches  Suermondt-Museum 
I.  S.  270,  II-XIII. 

Im  Laufe  des  Jahres  1894  wurden 
die  Bestände  des  Museums  in  folgen- 
der Weise  vermehrt:  7  Studienköpfe 
von  Alfred  Rethel;  GemäUle,  Fernsicht, 
von  Caspar  Scheuren;  18  Stiche  und 
Holzschnitte  nach  Bildern  von  Cor- 
nelius, Genelli,  Veit;  37  Blätter  Stiche, 
Photographieen  nach  Bildern  älterer 
Meister;  9  Photographieen  nach  Bil- 
dern des  Meister  Wilhelm  von  Herle; 
9  Medaillons  in  Stein  gemeisselt,  an- 
geblich Bildnisse  römischer  Kaiser,  und 
5  Pilaster- Kapitale  von  dem  früheren, 
1894  abgetragenen  Josephinischen  In- 
stitut ;  Spitze  von  der  Kuppel  der  1894 
abgetragenen  Taufkapelle  der  Nicolaus- 
kirche in  Gestalt  einer  Mutter  Gottes 
mit  dem  Kinde ;  alte  Uhr  mit  verzier- 
tem Zifferblatt  und  Schlagwerk;  kleine 
Tafel  aus  schwarzem  Stein  mit  arabi- 
scher Schrift,  gefunden  beim  Umbau 
des  Corneliusbades;  Jahrgang  1894 
des  Berliner  Radier- Clubs.  —  An  Ge- 
schenken wurden  dem  Museum  zuge- 
wendet von  den  Herren :  Graf  Stroganaff 
—  2  Ölgemälde,  a)  J.  Artois,  Land- 
schaft mit  Figuren  von  D.  Teniers, 
b)  Bildnis  eines  Herrn,  Schule  Lucas 
Cranach;  Robert  Suermondt  —  Bild- 
nis des  Fürsten  Bismarck,  gemalt  von 
F.  von  Lenbach;  Carl  Suermondt  — 
Gemälde  von  Jan  Leduc,  Lustige  Ge- 
sellschaft; Robert  Hasenclever  —  Ge- 
mälde von  A.  Normann,  Norwegischer 
Fjord ;  J.  B.  J.  Bastln^  —  aus  dessen 
künstlerischem  Nachlass,  Gemälde,  der 
junge  Tobias  kehrt  zu  seinem  Vater 
zurück ;  F.  Billotte  —  Ölgemälde,  Die 
Dichterin  Sappho  sich  ins  Meer  stür- 
zend ;  Professor  Dürre  —  Bildnis  einer 
Äbtissin  aus  dem  Kloster  Wehnau,  un- 
weit Aachen;  Alfred  Coumont  —  Alte 
Ansichten  von  Aachen;  Bildnis  des 
Malers  Caspar  Scheureu,  gemalt  von 
Steffens ;  August  Kampf  —  Bildnis  des 
Malers  Alfred  Rethel,  Photographie; 
Assessor  Reumont  —  Abbildung  des 
röm.  Monumentes  bei  Igel;  18  An- 
sichten alt  kölnischer  Gebäude;  Alexan- 
der von  Swenigorodsko'i  —  Geschichte 
des  Byzantinischen  Zellenschmelzes, 
Prachtwerk  mit  vielen  Holzschnitten 
und  farbigen  Abbildungen,  auf  Kosten 
des  Gebers  hergestellt  in  nur  600  num- 
merierten  Exemplaren  (200  russisch, 
200  deutsch,  200  französisch)  die  im 


Buchhandel  nicht  erschienen  sind; 
Dimitri  Rovinski,  Foeuvre  grav<^  de 
Rembnindt  (1000  Lichtdrucke);  D. 
Rovinski,  Renibrandt  et  des  maitres  qui 
ont  grav^  dans  son  goüt  (478  Licht- 
drucke); Schiffers  —  Silberne  Denk- 
münze mit  dem  Bilde  des  Papstes 
Leo  XIII;  Bürgermeister  £lbing  — 
Medaille,  Gründung  der  Universität 
Wien ;  H.  Steenarts  —  Kleines  Modell 
eines  Totenkopfes,  aus  Silber  getrie- 
ben von  Xav.  Ricci;  Defoumay  — 
Bleiplatte  mit  Inschrift,  gefunden  bei 
Erdarbeiten  eines  Neubaues,  Grund- 
steinplatte des  ehemaligen  Annunciaten- 
klostefs ;  J.  Hermens  —  2  gusseiserne 
Herdplatten;  Gebrüder  Esser  —  Samm- 
lung von  Erzeugnissen  der  Indianer 
u  nd  B  uschneger  aus  h  olländiscb  G  uyaua ; 
Max  Franken  —  2  irdene  Schüsseln, 
bemalt,  mit  der  Jahreszahl  1726. 

(Fritz  Berndt). 

Elberfeld,  Sammlungen  des  Bergitclien  93 
Geschichtsvereins  I S.  274,  II,  VUI.  XIII. 

I  Praebistorische Altertümer. 
Es  wurde  ein  Bruchstück  eines  Topfes 
aus  schwärzlichem  Thon  mit  Strich- 
Ornamenten  aus  den  Pfahlbauten  am 
Züricher  See  überwiesen. 

II.  Römische  Altertümer.  Die 
Sammlungen  wurden  um  etwa  80  rö- 
mische Kupfermünzen,  durchweg  das 
Bildnis  Konstantins  des  Grossen  in 
verschiedenen  Auffassungen  aufweisend, 
vermehrt.  Diese  Münzen  fanden  sich 
nebst  andern  und  einer  Menge  von 
Silbermünzen  in  Monheim  (bei  Düssel- 
dorf) am  Rhcio.  Ferner  gingen  dem 
Verein  Abdrücke  von  verschiedenen 
römischen  Münzen,  gefunden  in  Grimm- 
linghausen bei  Neuss,  zu. 

III.  Mittelalterliche  und  mo- 
derne Gegenstände.  Der  Verein 
erwarb :  a)  Kunstschlosserei :  Eine  vor- 
zügliche Wetterfahne  aus  dem  Ende 
des  vorigen  Jahrhunderts,  verschiedene 
Thürbeschläge ,  Vorhängeschlösser, 
Steigbügel;  b)  verschiedene  gegossene 
Herdplatten  mit  biblischen  Darstel- 
lungen und  einen  alten  kupfernen 
Bierkrug;  c)  eine  Reihe  von  Flachs- 
bereitungsmaschinen, darunter  Spinn- 
rad (von  17ß9)  und  Haspel  mit  guten 
Kerbschnitzarbeiten,  eine  reich  ge- 
schnitzte Truhe  von  1788 ;  d)  mehrere 
Freimaurer  -  Embleme  der  Loge  Her- 
mann zum  Lande  der  Berge  in  Elber- 
feld; e)  einige  Silbermünzen  aus  dem 


Museographie. 


406 


Flandersbacher  Müuzenfund  nebst  ver- 
schiedeueu  auderou  Müuzen  und  Me- 
daillen; t)  eine  Glasgemme  mit  dem 
Wappen  des ausgestorhenenGescblechts 
von  llecbt ;  g)  etwa  60  Porzellauplatten 
aus  Elberield,  mutmasslicb  Delfter 
Fabrikat  aus  dem  Anfange  des  18.  Jahr- 
hunderts. (0.  Schell.) 

94a     Crefeld,  Sammlung  des  Museumsvereint 
II -IX,  XII,  XIII. 

Rumische  Altertümer.  Gegen- 
stände aus  Thou:  Asberg,  westl. 
der  Rumerstrasse  (Kempkes).  Schwar- 
zer Topf  aus  sogen,  terra  nigra,  K  X  6a 
( =  Koeuen ,  Gefässkunde  Taf.  X, 
Fi;;.  6a),  0,175  m  hoch,  grösster  Um- 
fang 0,50.  Kurzer  umgekragter  Hals, 
verletzt.  Asberg,  w.  d.  Römerstrasse 
(Bremmenkamp),  Kleiner  kugelbauchi- 
ger Becher  aus  gelbweissem  Thon, 
xweihenklig,  ein  Henkel  abgebrochen. 
0,010  h  ,  Durchmesser  oben  0,058,  Fuss 
0,035.  In  einem  die  Henkel  verbin- 
denden von  zwei  Kreisen  eingefassten 
Streifen  eine  durch  den  erhaltenen 
Henkel  getrennte  Inschrift,  nach  dem 
Brand  ungeschickt  eingeritzt,  sogen, 
grafiito.  Die  Lesung  und  Deutung  ist 
noch  unsicher.  lYL  (oder  C;  lAS  VIII. 
Das  erste  könnte  die  lateinische  Form 
Tucias  des  griechischen  Namens  TvxuU 
sein.  —  Gellep  (v.  Hellenbroich 
erworbru).  Schwarzglänzender  Trink- 
becher, gebuckelt,  K  XVI 12,  0,072  h., 
Öffnung  oben  0,041.  —  Gellep  (P. 
Gather).  Gelbes  Thonkrüglein,  zwei- 
henklig, K  XV  18,  0,13  m  h.,  Durch- 
messer oben  0,032).  —  Gellep  (P. 
Gathor).  Becher  von  rötlich-gelb  ge- 
backenem  Thon  mit  gestrichelten  Bän- 
dern, K  XVI  6,  0,115  h.,  0,074  Durch- 
messer oben.  —  Bei  Gellep  am  Forst- 
berg zwischen  Lank  und  Nierst.  Stück 
eines  Ziegels  mit  Stempel,  der  rechts 
nicht  ganz  erhalten  ist.  Buchstaben 
fehlen  wohl  nicht. 


CASSIANO 
INCALCARIA 
M  A  X  / 1 M  V  S  F 


(\tiiiiiano  I  in  calcaria  |  Maj'[s]imuü 
ffecit).  Auf  dem  Gute  (oder  in  der 
Ortschaft  Cassianum  an  einem  Kalk- 
ofen. Maximus  hat  (den  Ziegel)  ge- 
macht').   —    Asberg,   Burgfeld. 


1)  Vgl.  Bonner  J»hrb.  XCVI  und  XCVII 
S.  256  ff. 


Grosse  terra  sigillata  Schüssel  K  XIV  4, 
fragmentiert,  0,268  Durchm.,  0,054  h. 
Stempel  OFM3CLIN  —  offficinaj 
Masdini'i  d).    Strichelband  im  Innern. 

—  Scherben  von  terra  sigillata  Ge- 
fä<sen  mit  Reliefschmuck  aus  Pflanzen-, 
Tier-  und  Menschengestalten,  aus  A  s  • 
berg  und  Gellep.  —  Die  folgenden 
Nummern  bilden  die  Sammlung  des 
Herrn  Reindell  und  stammen  alle 
ans  Asberg..  Das  Museum  erwarb 
diese  Sammlung  von  dem  Gasthofsbe- 
sitzer Jansen  in  Ruhrort. 

8  terra  sigillata  Teller:  1)  0,240 
Durchm.,  0,0()0  h ,  Stempel  zerstört, 
Strichelband  im  Innern,  im  Rand  je 
2  Löcher  einander  gegenüber,  unter 
dem  Fuss  eingeritzter  grafiito,  wahr- 
scheinlich Cn(dm)  Valicrim).  2)  0,185 
D.,  0,044  h.,  Stempel  CATVLLVSf 
=  Catuilus  ffecitj,  Vertiefter  Kreis  im 
Innern.  3)  0,165  D.,  0,043  h.,  Stempel 
TARTVSF  =  Tartus  fCecit),  unregel- 
mässigcr  Verzierungskreis.  4)  0,175  D., 
0,048  h.,  IANV\RIVSI  -  lamiarim 
ffecitj.  Vertiefter  Verzierungskreis.  5) 
0,180  D.,  0,045  h.,  Rand  gebrochen, 
Stempel  unleserlich,  PR///S///  Vertief- 
ter Verzierungskreis.  6)  0,175  D., 
0,045  h.,  Stempel  /////  SSA  =  [CVa- 
ci]ssa'^  Vertiefter  Ornamentkreis.  7) 
0,188  D.,  0,050  h.,  Farbe  abgesprun- 
gen, Stempel  unleserlich,  Oruameut- 
kreis,  auf  dem  Ausscnraud  eingeritzt 
eine  funfzinkige  Gabel.  Auf  dem  äusse- 
ren Boden  ein  grafiito,  wahrscheinlich 
MatfernusJ.  8)  0,186  D.,  0,055  h., 
Farbe  fast  ganz  abgesprungen.  Nicht 
gestempelt.  —  3  terra  sigillata  Tassen : 
1)  0,135  D.,  ( ,074  h.,  zusammengeleimt 
aus  5  Stücken,  ungestempelt.  2)  0,078 
D  ,  0,036  h.,  Stempel  im  Innern  /lABI 
[AmubiflisJ'i'l  3)  0,072  D.,  0,035  h. 
Stempel  OF//VSV  —  11  Scherben  von 
terra  sigillata  Gefässen  mit  Relief- 
schmuck. —  Scherbe  einer  sigillata 
Tasse  mit  Epheublätt erschmuck  auf 
dem  weit  überkragten  Rande,  Koenen 
XIV  7.  —  3  Scherben  von  sigillata 
Tellern   mit  Stempeln:    1)  .  .  .  RES 

—  [offficinaj  6^r<?.s.^,  vertiefter  Orna- 
mentkreis 2)  \EBB  VI  K  =  Me9d  ulfnsj 
ffecitj.  3)  OF  SEVERI  =  offficinaj 
Severiy  Strichelband*).  —  4  schwarze 
Trinkbecher:  1)  glänzend,  kelchförmig, 
0,064  D.,  0,095  h.    2)  glänzend,  Koen. 


2)  Das  F  von  of(flcina)  ist  in  dem  O. 


406 


Museograpbie. 


IX  13,  0,095  D.,  0,096  h.,  oberer  Rand 
verletzt.  3)  K.  XYI 13,  ziemlich  dick, 
0,056  D.,  0,135  h.  4)  K.  XVI  13/17, 
braunschwarz,  metallisch  glänzend,  mit 
6  runden  Eindrücken,  gekittet,  0,054 
I).,  0,116  h.  —  4  graue,  rauhwandige, 
urnenförmige,  einhenklige  Gefässe,  K. 
XVII  4:  1)  0,130  h.,  0,095  D.,  Henkel 
abgebrochen.  2)  0,101  h.,  0,085  D., 
Loch  in  der  Wand.  3)  0,094  h.,  0,079 
I).  4)  0,082  h.,  0,065  D.  —  Schlanker 
Becher  mit  6mal  eingebauchter  Wand, 
K.  XVI  9,  dünner  weisser  Thou  mit 
grauschwarzem  Farbüberzug,  oben  ab- 
geblochen.  —  9  Becher  des  Typus  K. 
XII  24,  dünnwandig,  weisser  Thon  mit 
verschiedenem  Farbüberzug,  ausser  bei 
6),  8)  und  9)  mit  Thonkrümchen  rauh 
gepustelt:  1)  braunschwarz,  fragmen- 
tiert, 0,150  h ,  0,135  D.  2)  (etwa  K. 
XII  3)  braun,  0,10  h.,  0,082  I).  3) 
graublau,  0,005  h.,  0,070  D.  4)  schwarz, 
0,073  h.,  0.059  D.  5)  schwarz.  Wand 
verletzt,  0.085  h.,  0,070  D.  6)  braun- 
schwarz, glatt,  0,095  h.,  0,070  D.  7) 
rot,  0,095  h.,  0,068  D.  8)  schwarz, 
glatt,  0,072  h.,  0,055  D.  9)  gelbroter, 
nicht  gefärbter  Thon,  glatt,  schlecht, 
0,054  h.,  0,044  D.  —  2  cylindrische 
Becher  aus  weissem  gefärbtem  Thon, 
ohne  Krümchen  und  Rand,  K.  XVI  5: 
1)  schwärzlich,  0,090  h.,  0,062  D  2) 
orangegelb,  oben  verletzt,  0,090  h., 
0,060  D.  —  4  rauhwandige  Urnen  von 
der  Technik  wie  bei  K.  XVII  1-11: 
1)  grau,  einhenklig,  0,155  h.,  0,110  D. 
'/)  grau  mit  Doppelrand,  0,160  h., 
0,125  D.  3)  schwärzlich  rot  gebrannt, 
0,145  h.,  0,115  D.  4)  grau,  Rand  grad 
aufstehend,  aussen  2  Bänder,  0,116  h., 
0,090  D.  —  3  rauhe,  dickwandige 
Kumpen,  K.  XVII  6:  1)  grau  mit  brei- 
tem horizontal  überstehendem  Rande, 
0,095  h.,  0,183  D.  2)  weissgelb,  0  090 
h.,  0,125  D.  3)  weiss,  0,085  h.,  0,125  D. 

—  Dünnwandige  Urne,  grau,  mit  schwarz 
gefärbten,  aufgedrückten  Schuppen,  K. 
XVII  15,  ohne  Rand,  fragmentiert, 
0,120  D.  ~  Urne,  rauh,  dickwandig, 
schmutzig  weiss,  K.  XVII  2,  Rand 
grad  aufstehend,  0,163  h.,  0,095  D.  — 
Urne,  ebenso,  weissgelb,  0,070  h.,  0,053 
D.  —  Urne,  rötlich  gebacken,  grau- 
weiss,  Schrägrand,  0,090  h.,  0,050  D. 

—  Topf,  rauh,  dickwandig,  rötlich 
gelb,  0,105  h.,  0,095  D.,  schlecht.  — 
Recher,  K.  XVII  26a,  braungelb,  ohne 
Verziwrung,  0,073  h.,  0,066  D.  —  Giess- 


kännchen  mit  Henkel  und  Ausgass, 
K.  XI 10,  weisser  Thon,  oben  schwarz 
gefärbt,  0,094  h.  —  3  tassenartige 
Schalen  aus  dünnem,  weissem,  gefärb- 
tem  Thon   mit  Krümchen   gepustelt: 

1)  schmutzig  rot,   0,050  h.,   0,115  D. 

2)  schwarz,  0,052  h.,  0,090  D.  3)  aussen 
blauschwarz,  innen  bronzefarbig  und 
gepustelt,  0,044  h.,  0,086  D.  —  Vascn- 
törmiges  Gefäss,  K.  XV  29,  weiss, 
Rand  gewellt,  0,063  h.,  0,123  D.  — 
8  Teller  (1,  2  K.  XV  13,  3  —  7  K. 
XVII  7)  nur  1  gestempelt,  3—7  rauh, 
dickwandig:  1)  blauschwarz  gefärbter 
weisser  Thon,  Stempel  unleserlich, 
0,040  h.,  0,180  D.  2)  rot,  Rand  ver- 
letzt, 0,027  h,  0,137  D.  3)  grau, 
0,050  h.,  0,195  D.  4)  schmutzig  weiss, 
0,042  h.,  0,167  D.  5)  schmutzig  gelb- 
weiss,  0,045  h.,  0,167  D.  6)  schmutzig 
weiss,  0,037  h ,  0,135  D.  7)  rotlich 
gebacken,  0,04  J  h.,  0,152  D.  8)  mit 
überstehendem  Flachrand,  grau,  ver- 
letzt, 0,050  h.,  0,164  D.  —  3  Kumpen 
mit  Ausguss,  weisser  dicker  Thon,  K. 
XV 10:  1)0,086/0,240.    2)0,088/0,169. 

3)  0,055/0,155.  —  12  Henkelkrüge  aus 
weissem  glattem  Thon,  K  XI  25/26 
und  K.  XV  15:1)  gekittet,  oben  etwas 
verletzt,  0,194  h.  2)  rötlich  gebacken, 
Henkel  gekittet,  0,205  h.  3)  Rand  au- 
gekittet, 0,186  h.  4)  rot  gebacken, 
0,192  h.  5)  0,168  h.  6)  zweihenklig, 
0,156  h.  7)  Rand  etwas  verletzt, 
0,230  h.  8)  0,223  h.  9)  0,206  h.  10) 
nicht  ganz  glatt,  Hals  verletzt,  0,204  h. 
11)  0,188  h.  12)  0,180  h.  —  Hals 
einer  grossen  Amphora,  rot  gebacken, 
0,101  D.  —  Hals  eines  Gefösses  mit 
2  Ausgüssen,  K.  XV  24,  rötlichgran, 
Ansatz  eines  Henkels  an  dem  grösse- 
ren Ausguss.  —  Drei  thöneme  Deckel. 

—  Henkelkrüglein  mit  Ausguss  K.  XV 
20,  zwei  vertiefte  Kreise  vom  Henkel- 
ansatz ausgehend,  0,108  h.  —  Spitz- 
kegelförmiger  Bauch  einer  Amphora 
ohne  Hals,  mit  schraubenförmig  um- 
laufenden Ringen,  rot,  0,485  lang.  — 
7  grosse  rauhwandige  Urnen  des  Typus 
K.  XU  3,  XVII  l :  1)  schwarzblau, 
0,240  h.,  0,146  D.  2)  graublau,  0,262  h., 
0,160  D.  3)  grau,  geborsten,  0,288  h., 
0,180  D.  4)  gelb,  Q,287  h.,  0,170  D. 
5)  hellgrau,  0,230  h.,  0,160  D.  6)  grau, 
mit  Knochen  und  Erde  gefallt,  0,206  h., 
0, 125  D.    7)  hellgrau,  0,208  h.,  0,140  D. 

—  11  Thonlampen,  K.  XVHI  28,  K. 
XVni  30,   K.  XVHI  32:    1)  fragmen- 


Moseographio. 


40? 


tiert,  dunner  gelber  Thon,  Reste  schwar- 
zer Färbang,  in  der  Mitte  eine  flott 
gezeichnete,  nackte  weibliche  Figar, 
die  einen  Topf  gegen  den  Leib  drückt, 
0,066  D.  2)  weisser,  gelb-rötlich  ge- 
färbter Thon,  Stempel  auf  dem  Boden 
unleserlich,  0,095  1.,  0,055  D.    3)  rot, 

Griff  verletzt,  Stempel  ^^^'^^^  =  For- 

tis  ffedtj,  0,091 1.,  0,049  D.  4)  weisser, 
braun  gefärbter  Thon,  0,075 1.,  0,045  D. 
5)  rot  geftrbt,  Stempel  wie  3),  0,0»<2  1., 
0,041  D.  6)  grau-schwärzlich  gebrannt, 
0,093  1.,  0,048  D.  7)  weiss,  Reste  rot- 
brauner und  schwärzlicher  Farbe,  0,089 
1.,  0,047  D.  8)  weiss,  Reste  grauer 
Farbe,  0,071  1.,  0,038  D.  9;  weiss, 
0,070  ].,  0,040  D.  10}  weisslicb,  Reste 
roter  Farbe,  Griff  zerstört,  schlecht, 
0.067  1.,  0,044  D.  11)  weisser  rotbraun 
gpförbter  Thon,  0,063  1.  —  Kinder- 
rassel, schwarzer  thönerner  Hahn, 
0,095  1. 

Gegenstände  ans  Glas:  Zwei- 
henkliges grünes  Glastöpfchcn,  0,050  h. 

—  Hellgrünes  Salbenfläschchen,  0,082 
h.  —  Desgl.  gekittet,  0,053  h.  —  2 
Scherben,  grün  und  bläulich. 

Ring  aus  Gagat  mit  Buckeln, 
0,017  D. 

Gegenstände  a.  Bronze:  Schelle, 
ohne  Klöpfel,  grün  patiniert,  0,091  h. 

—  Desgl.,  unten  verletzt,  jetzt  0,082  h. 

—  Armring,  0,092  D,  inwendig  ver- 
letzt. —  Spange,  etwas  verletzt,  0,062 1. 

—  Anhängsel.  —  Durchlöchertes,  mün- 
zenartiges Scheibchen,  blaugrün,  0,011 
D.  —  Halbrunder  Griff  mit  zwei  An- 
hängseln, ffrün,  0,058  1.  —  Knopfar- 
tige Beschläge,  a)  gerundet,  b)  flach. 

—  Stück  einer  Kette,  0,080  1.,  6  Dop- 
pelglieder. —  Knöpfchen,  flache  und 
runde  Platte  (0,012  D)  mit  gehörntem 
Hirsch  zwischen  einem  kleinen  und 
einem  grossen  Baum.  Öse  auf  der 
Rückseite.   —   Gewandnadel,  0,050  1. 

—  Plättchen,  links  durchlöchert,  rechts 
Nagelspur,  0,047  1.  —  Haarnadel  mit 
gedrechseltem  Griff,  0,0901.,  gekrümrat. 

—  Rest   einer  Nadel,  grün,  0,047  1. 

—  2  unbestimmbare  Mittelerze,  2  kleine 
schwarze  Ringe. 

Gegenstände  aus  Eisen:  Haar- 
nadel, 0,065 1.,  daran  Hand  mit  Daumen 
luod  Zeigefinger  einen  Apfel  haltend, 
um  die  Handwurzel  ein  Ring.  —  Stark 
verrostete  Lanzenspitze,   Spitze  abge- 


brochen, 0,105  1.  —  Stark  verrosteter 
Haken,  0,145  1. 

Drei  durchlöcherte  Thonperlen.  — 
Thonscherben  und  Eisenteile. 

Zugleich  mit  der  beschriebenen 
Sammlung  Reindell  wurde  von  dem 
Herrn  Jansen  in  Ruhrort  ein  Sigil- 
latatopf  und  eine  Glasschale  er- 
worben, die  in  den  Bonn.  Jahrb.  XCVI 
und  XGVII  Taf.  X  abgebildet  sind. 
Der  Topf  gehört  einer  Gattung  von 
cylindrischen  Gefässen  der  ersten 
Kaiserzeit  an,  die  nur  in  wenigen 
Exemplaren  erhalten  ist.  Die  Fabrik- 
marke steht  umgekehrt  auf  der  Aussen- 
seite  MASCLVS  F  =  Maaclus  ffecitj, 
0,120  h.,  0,146  D.  Die  hellgrüne  mit 
Buckeln  versehene  Glasschale  zeichnet 
sich  auch  durch  Seltenheit  und  gute 
Erhaltung  aus.  Beide  Stücke  wurden 
in  Asberg  westlich  der  Römerstrasse 
von  Hochjarts  gefunden.  Zugleich  ist 
die  schöne  blaue  Glasschale  abgebildet, 
die  bei  den  vom  Museumsverein  1885 
veranstalteten  Ausgrabungen  in  Asberg 
gefunden  wurde. 

Asberg,  östlich  der  Römerstrasse, 
hinter  Gathraanns  Garten  gef.  Dez. 
1894,  Silberdenar  ans  dem  Jahr  81 
V.  Chr.  R.  Zweigespann,  darunter 
[L.  C  ]  MEMIES.  L.  F.  GAL  =  Lfu- 
ciua)  Cfanis)  Memies  (=  MeinmiiJ 
L(uci)  f(ili)  Gal(eria).  Diese  beiden 
Memmier  aus  der  tribus  Galeria  haben 
nach  Mommsen  im  J.  81  v.  Chr.  auf 
Geheiss  der  gegen  Sertorius  in  Spanien 
kämpfenden  Feldherren  Münzen  ge- 
schlagen.   A.  Saturnuskopf. 

Asberg,  westlich  der  Römerstrasse, 
„am  Brügges*'  1894  Nov.  gefunden: 
Stücke  eines  Spiegels  aus  Weissmetall 
mit  Bronzegriff. 

(Nach  dem  Bericht  des  Crefelder 
Museumsvereins.) 

HoUSLuCL 

Nymwegen,  Museum  I  S.  275,  H— IX,  97 
XI,  XII,  XIII. 

Römische  Altertümer.  l)Aus 
Stein:  Läufer  einer  Handmühle,  Dm. 
39  cm,  gef.  in  der  Langen  Burchstrasse. 

2}  Aus  Thon:  Graburne  aus  gelb- 
grauem rauhem  Thon  mit  Deckel,  Höhe 
(ohne  den  Deckel)  24  cm,  Umf.  76  cm, 
gef.  in  der  Waal  bei  Krayenhoff.  — 
Gefässchen  mit  kleinem  Fuss,  von  rotem 
Thon  mit  Graphit  geschwärzt,  20  cm 
hoch,  Umf.  38  cm,  gpf.  auf  dem  Hu» 


408 


Museographie. 


nerberg.  —  dto.,  h.  19  cm,  Umf.  36 
cm,  gef.  ebenda.  —  dto.  aus  rohem 
bellgraaem  Thon,  85  mm  b.,  165  mm 
Umf.,  gef.  ebda.  —  Unterteil  einer  Am- 
phora, zuletzt  verwahrt  in  der  Kapelle 
auf  Valkhof.  ~  Krug  von  Pfeifenthon 
mit  einem  Henkel,  b.  29  cm,  Umfg. 
60  cm,  gef.  in  der  Waal  bei  Krayen- 
hoff.  —  dto.,  h.  23  cm,  Umfg.  63  cm, 
gef.  auf  dem  Hunerberg.  —  Krug  aus 
feinem  roten  Thon  mit  einem  Henkel, 
h.  24  cm,  Umfg.  675  mm,  gef.  ebda. 

—  Krug  aus  grobem  rohem  Thon,  auf 
kleinem  Fuss,  mit  einem  Henkel,  h. 
215  mm,  Umfg.  46  cm,  gef.  ebda.  — 
Scliü88el  aus  grobem,  grau-gelblichem 
Thon,  h.  7  cm,  Dm.  14  cm,  gef.  ebda. 

—  Näpfchen  von  rohem  Thon,  ver- 
letzt, h.  45  mm,  Umfg.  27  cm,  gef. 
ebda.  —  Topf  aus  rohem  blassrotem 
Thon  mit  einem  Henkel,  h.  13  cm, 
Umfg.  44  cm,  gef.  ebda  —-  Schüssel 
von  blassrotem  Thon,  zerbrochen,  b. 
6  cm,  Dm  22  cm,  gef.  ebda.  —  dto., 
h.  ö  cm,  Dm,  19  cm,  gef.  ebda.  — 
Eine  Reib-  oder  Opferscbale  aus  weissem 
Thon.  h.  1C5  mm,  Dm.  29  cm,  gef.  in 
der  Waal.  —  L&mpchen  aus  dunkel- 
rotem Thon  mit  drei  Ösen  zum  Auf- 
hängen, und  Stempel  Fortis,  unbe- 
kannten Fundorts. 

.S)  Aus  terra  sigillata:  Vase  mit 
kleinem  Fuss,  verziert  mit  £pheuran- 
ken,  h.  155  mm,  Umfg.  33  cm,  gef. 
auf  dem  Hunerberg.  —  Schüsselchen 
mit  Stempel  8ENICI0,  h.  6  cm,  Dm. 
14  cm,  gef.  ebda  ~  dto.  aus  terra 
nigra  mit  undeutlichem  Stempel,  b.  6 
cm.  Dm.  12  cm,  gef.  ebda.  —  dto.  mit 
Stempel  AoB,  b.  6  cm,  Dm.  125  mm, 
gef.  ebda.  —  dto.  mit  undeutlichem 
Stempel,  h.  5  cm,  Dm.  95  mm,  gef. 
ebda.  —  dto.  mit  Stempel  XAVEF  (?) 
h.  55  mm.  Dm.  85  mm,  gef.  ebda.  — 
Schüssel  mit  Stempel  OFAQVIA,  h. 
4  cm.  Dm.  17  cm,  gef.  ebda.  —  dto., 
h.  75  mm,  Dm.  25  cm,  gef.  ebda.  — 
dto.  mit  Stempel  CRESII  (?),  h.  4  cm, 
Dm.  17  cm,  gef.  ebda.  —  dto.  mit 
Stempel  CANICO,  h.  15  mm.  Dm.  17 
cm,  gef.  ebda.  —  dto.  aus  terra  nigra 
mit  Stempel  CARISSO  |  RItVSCIA  in 
zwei  Zeilen,  h.  2  cm.  Dm.  16  cm, 
gef.  ebda. 

4)  Aus  Glas:  Ovales  Gefässchen 
mit  zwei  Henkeln  aus  griinem  Glas,  in 
der  Form  einer  Amphora,  eine  Wein- 
traube darstellend,  mit  abgebrochenem 


Füsschen,  j.  h.  11  cm,  Umfg.  16  cm, 
gef.  auf  dem  Hunerberg.  —  Kugel- 
rundes Riechfl&chchen  von  grünem 
Glas,  h.  45  mm,  Umfg.  105  mm,  mit 
aufgeschmolzenen  Fischchen  von  Glas- 
paste, gef.  ebda.  —  Schüsselchen  ans 
mattenartig  durcheinander  geflochte- 
nem gn'inem,  blauem  und  gelbem  Glas, 
auf  der  Oberseite  mit  einem  Flecht- 
werk aus  verschiedenartig  gefärbtem 
Glas  und  einem  violetten  Rand,  um- 
wickelt mit  einem  weissen  Faden,  h. 
19  mm.  Dm.  9  cm,  gef.  ebda.  —  Blane 
gerippte  Koralle  aus  Paste,  gef.  ebda. 

5)  Aus  Metall:  Kettchen  aus  ge- 
drehtem Kupferdraht  in  zwei  Stücken, 
zusammen  40  cm  lang,  gef.  auf  dem 
Hunerberg.  —  Stäbchen  aus  gedreh- 
tem Kupferdraht  mit  schöner  Patina, 
gef.  bei  Winseling.  —  Vier  Kibe!n  ver- 
schiedener Grösse,  gef.  ebda.  —  Sil- 
berne Fibel,  die  Nadel  abgebrochen, 
4  cm  lang,  gef.  ebda.  —  Unbekannter 
Gegenstand,  bestehend  aus  zwei  über- 
einander gesetzten  halbkugelförmigen 
Näpfchen,  in  der  Form  eines  doppel- 
ten Becherchen,  h.  53  mm,  Umfg.  jedes 
Näpfens  12  cm,  gef.  ebda.  *-  Fragment 
einer  Verzierung  in  Form  eines  runden 
Schildchens,  gef.  ebda.  —  Ein  weib- 
liches Bildchen,  Verzierung  irgend  ei- 
nes Gegenstandes,  gef.  ebda.  —  Hen- 
kelchen von  einem  Kästchen,  gef.  elnla. 
—  Lämpchen  mit  zwei  Schnauzen  und 
einer  dreieckigen  schrägaufstehenden 
Handhabe,  worunter  ein  Henkel,  h.  lö 
mm,  lang  65  mm,  gef.  ebda.  —  Ovales 
Schellchen  mit  festem  Ring,  der  Klöp- 
pel abgebrochen,  b.  11  cm,  Umf/;.  16 
cm,  gef.  ebda.  —  Zwei  Sonden  mit 
Knopf  und  Löflfelchen,  lang  10  cm  und 
13  cm,  gef.  ebda.  —  Helm  mit  Piinkt- 
verzierung,  der  Helmkamm  abgebro- 
chen, 20  cm  h.,  71  cm  Umfg.,  gef.  in 
der  Waal  zu  Pannerden  bei  Nymwegen. 

6)  Münzen:  Consular -  Denare  der 
gens  Antonia,  Caesia,  Carisia,  Come  ia, 
Julia,  gef.  auf  dem  Hunerberg  za 
Berf^endal  und  bei  Nymwegen  Kaiser- 
münzen: Octavian:  Coh.  I  209  ßer- 
gendal.  —  Claudius:  Coh.  I  80  Nym- 
wegen. —  Vespasian:  Coh.  I  36, 
60,  151,  192,  196;  VII  36;  I  296, 
sämtlich  Bergendal;  247  Variante; 
378  Nymwegen.  —  Damitianiis: 
Coh.  I  17,  79  Bergendal.  Denar  geschl. 
88?  Av. :  Brustbild  mit  Lorbeer  n.  r. 
Imp.  Caes.  Domit.  Aug.  Germ.  P-  M. 


Museographie. 


409 


Tr.  P.  VIII.  Rv.:  Pallas  1.  auf  Schiff 
stehend,  in  der  r.  Hand  Wurfspiess, 
in  der  1.  Schild,  r.  von  ihr  Eule. 
Imp.  XIX,  Cos.  Xllir,  Cens.  P.  P.  P., 
j?ef.  in  d.  Wester-Meerwyck.  Femer 
Coh.  I  209  Nymwegen,  Coh.  I  248 
Bergendal.  -— Nerva:  Coh.  I  28  Ber- 
gendal.  —  Traianus:  Coh  H  9,  35, 
45,  47,  104,  113,  129;  VII  11;  II  168 
Bergendal.  —  Hadriauus:  Coh.  II 
317,  340,  477,  509  Bergendal.  —  An- 
toninus  Pius:  Denar.  Av. :  Brust- 
hild  mit  Lorbeerkranz  nach  r.   Anto- 

ninus  Aug.  Pius  P.  P Rv. :  Die 

Ewigkeit  1.  stehend,  in  der  r.  Hand 
Globus,  in  der  Linken  umgekehrter 
Speer,  Bergendal.  Ferner:  Coh.  II  47, 
148,  32t,  .355  Bergendal.  —  Fanstina 
senior:  Coh.  II  90  Bergendal.  — - 
Marcus  Aurelius:  Coh.  II  260 
(Avers)  und  261  (Revers)  Nym wegen. 

—  Fanstina  iunior:  Coh.  II  35 
Bergendal.  —  Lucius  Verus:  Coh. 
III  80  (Avers)  und  76  (Rev.);  III  SS) 
Bergendal.  —  Septimius  Severus: 
Coh.  III  203,  218,  257,  264,  328,  331, 
.^76,  400  Bergendal.  —  Caracalla: 
Coh.  III  362  Bergendal.  —  Plautilla: 
Coh.  HI  18  Bergendal.  —  Geta:  Coh. 

III  85  Bergendal;  103  Nym  wegen.  — 
Elagabalus:  Coh.  HI  58  (Var.),  74 
81  (var.  Stern  im  Feld),  91,  96,  1(^5, 
12t,  144  Bergendal.  —  Alexander 
Severus:  Coh.  IV  4,  .35,  49,  66,  78, 
92,  116,  118,  163,  165,  174,  197  Ber- 
gendal. —  Maximinus  I:  Coh.  IV 
4B  Bergendal.  —  Philippus  I:  Coh. 

IV  6  (Avers)  und  9  (Revers)  Bergen- 
dal. —  Volusianus:  Coh.  IV  13 
K«Tgendal.  —  ValerianusI:  Coh.  IV 
45,  161  (ohne  F  zwischen  P  und  Aug.) 
Rrgendal.  Gallienus:  Coh.  IV  686 
Bergendal.  —  Salonina:  Coh.  IV  35 
Bergendal.  —  Salonin us:  Coh.  IV  52 
Bergendal.  —  Valerianus  II:  Coh. 

IV  1  Bergendal.  —  Postumus:  Coh. 

V  40  Bergendal;  93  Nymwegen;  100. 
114  Bergendal.  —  Probus:  Coh.  V 
315  Bergendal.  —  Constantinus  I 
Coh.  VI  136  am  Bergendalschen  Weg. 

—  Constantinus  II:  Coh.  VI  2;2, 
gef.  am  Bergendalschen  Weg.  —  Ma- 
gnentius:  Coh.  VI  43  Nymwegen. 

(Nach  dem :  Verslag  der  Commissie 
ter  Verzekering  eener  gocde  bewaring 
van  Gedenkstukken  van  Geschiedenis 
en  Kunst  te  Nymegen  over  het  jaar 
1894.) 


Leiden.  Reichsmuteum  I  S.  266,  II 99 
—VIII. 

Ausser  einer  Anzahl  Persischer,  In- 
discher ,  Ägyptischer ,  Griechischer, 
Italischer  Altertümer  erwarb  das  Mu- 
seum folgende 

Altertümer  aus  Deutschland: 

Vorgeschichtliches:  Fünf  La  Tfene- 
Armringe  aus  Bronze  mit  verdickten 
Enden,  gef.  in  einem  Grab  an  der 
Nahe,  gekauft  bei  einer  öffentlichen 
Versteigerung  in  Bonn  1893.  Grösster 
Durchmesser  6  cm. 

Römisches,  gef.  am  Hunenberg  bei 
Cleve  und  Calcar.  Gold:  Gegen- 
stand jn  Form  eines  Glöckchens  mit 
einer  Öse  fiir  den  Klöppel  und  einer 
zum  Befestigen.   Dm.  2,1  cm.,  h.  1,5  cm. 

Gripsabgiisse  von  Gemmen,  die 
ebenda  gefunden  von  dem  Kgl.  Münzen- . 
und  Gemmen-Kabinet  in  s'Gravenhage 
angekauft  wurden.  Mars,  sitzend  nach 
1.,  in  der  R.  eine  Victoria.  —  Satyr,  in 
tanzender  Stellung,  in  der  L.  Thyrsus. 
in  der  R.  Becher.  —  Venus,  auf 
einem  Stuhl  sitzend,  darunter  laufen- 
der Panther.  —  Victoria  nach  r.  auf 
einen  Pfeiler  gelehnt.  —  Venus  und 
Amor  einander  gegenüber  sitzend.  — 
Neptunsbüste.  —  Mars  stehend,  mit 
Speer  und  Schild,  nach  1.  —  Amor 
und  Psyche  in  Gestalt  eines  Schmet- 
terlings. —  Jüngling,  sitzend,  mit 
Zweigen  in  der  Hand.  —  Reiter, 
eine  Schlange  mit  dem  Speer  be- 
kämpfend. —  Büste  eines  Jünglings; 
nach  r.  —  Stier.  —  Zwei  Tau  beben. 

Römische  Altertümer-  aus  der  Gegend 
von  Andernach,  bei  derselben  Auk- 
tion gekauft.  Glas:  Schüsselchen  mit 
Deckel,  h.  5,  Dm.  6,5  cm.  —  Schüssel- 
chen, die  Wand  mit  Falten,  h.  6,  Dm. 
10,5  cm.  —  Becher  mit  Füsschen,  h.  12, 
Dm.  6  cm.  —  Becherchen  mit  glattem 
Boden,  h.  11  cm.  —  Kugelförmiges 
Fläschchen  mit  trichterförmigem  Hals, 
h.  16  cm.  —  Langes  Riechflächchen, 
an  der  Öffnung  beschädigt. 

Fränkische  Altertümer,  von  den  Aus- 
grabungen zu  Nieder-Breisig  bei 
Andernach  stammend.  Aus  derselben 
Auktion.  Gold:  Scheibenfibula  mit 
Filigran  Verzierung,  besetzt  mit  elf 
roten,  blauen  und  grünen  Steinen, 
(cloisonnc^),  die  Nadel  an  der  Rück- 
seite stark  gerostet.  Dm.  4,4  cm.  — 
Silber:  P'ingerring  mit  platter  Scheibe, 
mit  Perlrand  verziert.     Ein  Teil  der 


4io 


Museographte. 


Scheibe  abgebrochen.  Auf  der  Fläche 
ist  ein  Schwan  oder  irgend  ein  phan- 
tastisches Tier  eingraviert.   Dm.  25  cm. 

—  Glaspaste  undBernstein:  Kette 
von  23  Korallen  in  verschiedenen  Far- 
ben. In  der  Mitte  eine  eiförmige  Bern- 
steinkoralle.  —  Bronze:  Armringel- 
chcn.   Dm.  7,2  cm.   Schnalle,  1.  4,5  cm 

—  Bein:  Kamm  mit  2  Reihen  Zähnen, 
1.  18  cm.  —  Glas:  Becherchen  oder 
Schüsselchen.  Dm.  11,  h.  6,5  cm.  — 
Thon:  Kännchen  mit  einem  Ohr  und 
Schnabel,  h.  12  cm.  Diese  8  Gegen- 
stände stammen  aus  einem  Frauengrab. 

Bronze:  Fibula  in  Schildform,  die 
Nadel  abgebrochen,  die  Oberfläche  mit 
Kreis  Verzierung.  —  Glaspaste:  Grosse 
Halskette,  bestehend  ans  34  roten  und 
gelben  Korallen.  Ungefähr  in  der  Mitte 
eine  grössere  cylinderfurmige  Koralle. 

—  Kleine  Armkette,  bestehend  aus  15 
Korallen  und  einem  Amethyst.  — 
Bronze:  Schnalle  mit  Zunge,  1. 5,5  cm. 

—  Riemenbeschlag  dazu  gehörig.  — 
— -  Thon:  Kännchen  mit  Ilenkel  und 
Schnabel,  h.  12  cm.  Diese  6  Gegen- 
stände stammen  aus  einem  Grab. 

Glaspaste:  Halskette  von  44  Ko- 
rallen und  einer  mittelsten  Koralle  aus 
braunem  und  gelbem  Mosaikglas.  — 
Bronze:  Kreuzfibula  mit  eiserner 
Feder  und  Nadel,  br.  2,8  cm.  — 
Schnalle  mit  Zunge,  1.  6  cm.  —  Haar- 
nadel mit  Verzierung  am  oberen  Ende, 
1.  12  cm.  Thon:  Spinnsteinchen  mit 
spitzem  Bauch,   durchbohrt,   h.  3  cm. 

—  Kruglein  mit  enger  Öffnung,  am 
Bauch  mit  aus  Punkten  gebildeten 
Kreisen  verziert,  h.  20  cm.  Diese  6 
Gegenstände  stammen  aus  einem  Grab. 

Glaspaste:  Halskette  von  31  Ko- 
rallen mit  einer  Schlusskoralle  aus 
Bernstein.  —  Bronze:  Runde  Fibula, 
k  jour  gearbeitet,  auf  der  Oberfläche 
mit  einem  Kreuz  verziert,  Dm.  3  cm, 
Schnalle  mit  Zunge,  1.  8  cm.  Ring, 
Dm.  3,5  cm.  —  Thon:  Schwarzes 
Töpfchen  mit  spitzem  Bauch,  h.  8  cm. 

—  Diese  5  Gegenstände  stammen  aus 
einem  Grab. 

Glaspaste:  Halskette  aus  27  Ko- 
rallen. —  Bronze:  Scheibenfibula  mit 
Perl  Verzierung.  Schnalle,  7,5  cm  1. 
Ringelchen,  Dm.  2,2  cm.  —  Bein: 
Bruchstück  eines  Kammes,  1.  13,5  cm. 

—  Thon:  Gefässchen  mit  hohem  Hals 
und  spitzem  Bauch,  um  Hals  und  Bauch 
mit  Eindrücken  verziert,  h.  17  cm.  — 


Diese  6  Gegenstände  stammen  aus 
einem  Grab. 

Glaspaste  und  Bernstein:  Hals- 
kette aus  27  Korallen.  —  Bronze: 
Fibula,  die  Nadel  verrostet,  br.  4  cm. 
—  Glaspaste:  Vier  Korallen  von  ei- 
nem Armband.  —  Thon:  Schwarzes 
Spinnsteinchen,  Dm.  3,3  cm.  Rotes 
Töpfchen  mit  spitzem  Bauch,  h.  14,5 
cm.  —  Diese  5  Gegenstände  stammen 
aus  einem  Grab. 

Eisen:  Schwert,  spata,  mit  Knanf, 
Reste  von  Holz  und  Leder  der  Scheide, 
der  Bronzebeschlag  der  Scheide  noch 
vorhanden,  l  94  cm.  Langmesser,  srra- 
masax,  mit  der  daran  festgerosteten 
Scheide;  die  Verzierung  der  Scheide, 
bestehend  aus  kupfernen  Buckeln  und 
fünf  kreisförmigen  Knöpfen,  noch  vor- 
handen, 1.  58,5  cm.  Ebensolcher  Scra- 
masax,  die  Verzierung  der  Scheide, 
bestehend  aus  2  bronzenen  Bändern 
am  oberen  Ende  und  5  kupfernen 
Scheibchen,  1.  62  cm.  Ebensolcher 
Scramasax,  die  Verzierung  der  Scheide 
besteht  aus  4  kupfernen  Scheibchen 
und  einer  Reihe  Nägelchen,  1.  51,5  cm. 
Ebensolcher  Scramasax,  das  Leder  der 
Scheide  noch  zum  Teil  erhalten  und 
von  der  Verzierung  drei  Knöpfchen, 
1.  45,5  cm.  Eingelegte  Schnalle  mit 
Zunge,  1.  10  cm.  Zwei  Schnallen,  die 
Zungen  abgebrochen,  1.  7  cm.  Drei  Be- 
schlagstücke von  Riemen,  l.  6,5 — 5  cm. 

Altertümer  aus  den  Niederlan- 
den: 

Friesland y  Terp  zu  Glinstra- 
State  bei  Dronrijp:  Beinkamm,  die 
Zähne  abgebrochen,  1.  13  cm.  Rest 
eines  beinernen  Messerheftes,  1.  8,5  cm. 
Haarnadel  aus  Bein,  an  beiden  Enden 
spitzig,  1.  13,5  cm.  Spiel-  oder  Spinn- 
scheibchen,  auf  der  Oberseite  mit  Li- 
nien- und  Kreuzverzierung,  Dm.  5  cm. 
Koralle  aus  Paste,  woran  das  Email 
abgebrochen  ist,  Dm.  3  cm.  Scherbe 
eines  bläulichen  Thongefasses,  l.  15  cm. 

Terp  bei  Winsum.  Aus  Thon: 
Spinnsteinchen,  roh,  durchbohrt,  Dm. 
4  cm.  Kegelförmiges  Töpfchen  (Hälfte 
einer  eiförmigen  Kinderklapper),  Dm. 
4,2  cm.  Cylinderförmiges  Töpfcbcn, 
roh.  Dm.  7  cm.  Scheibenförmiges 
Näpfchen,  in  der  Mitte  des  Bodens  ein 
Löchelchen,  Dm.  14  cm.  Kegelförmiges 
Siebchen,  im  Boden  drei  Löcher,  Dm. 
4,4  cm.      Scheibe   mit    Loch  in  der 


Museograpliie. 


411 


Mitte,  für  Schiff-   oder  Fischgeräthe, 
Dm.  10  cm. 

Aus  Friesland  ohne  nähere  Fund- 
angabe :  Staniolabdruck  eines  goldenen 
Solidus.  At.:  Eaiserbuste  nach  r.  mit 
Umschrift  Gl VIIT.  Rv. :  Stehende  Fi- 
gur im  Panzer,  in  der  R.  ein  Kreuz, 
und  in  der  L.  eine  Fahne,  Umschrift : 
CNVNIITHIVIIIV.  Auf  dem  Abschnitt 
IAH.  Vielleicht  eine  nordische  Nach- 
bildung einer  Münze  von  Justinus 
(518 — 527,  cf.  Revue  beige  de  numis- 
matique  1894). 

Drenthe,  Buinen :  Meissel  aus  Diorit, 
1.  16  cm,  br.  an  der  Schneide  7  cm, 
br.  an  der  Spitze  5  cm. 

Gelderlandy  Nymwegen:  Korallen, 
gef.  in  der  Waa),  7  blaue  gerippte  und 
eine  schwarze  glatte  aus  Qlas.  10  blau 
emaillierte  gerippte  ans  Thon,  eine 
violett  mit  gelben  und  weissen  Punk- 
ten, eine  violette  mit  .S  weissen  Punk- 
ten, eine  milch  weisse  mit  blauen 
Punkten,  eine  gelbe,  eine  grüne,  eine 
hellblaue,  eine  dunkelblaue  in  Form 
eines  Ringelchcns,  sämtlich  aus  Glas. 

Bronze:  Zwei  Fibeln  mit  Bügel  und 
Nadel,  br.  4,2  und  4,ö  cm.  Fünf  Fibel- 
bugel  ohne  Nadel,  br.  6—4,6  cm. 

Gips:  Abguss  der  Platte  eines  bron- 
zenen Siegelringes,  darstellend  einen 
Mann  zu  Pferd,  Dm.  1,8  cm.  Abgusft 
eines  in  einen  Goldring  gefassten  Tür- 
kis, darstellend  eine  gnostische  Figur, 
eine  Zusammenstellung  von  Mensch, 
Skorpion  und  Hahn,  br.  0,7  cm.  Die 
beiden  Originale  wurden  zu  Nymwegen 
gefunden. 

Umgegend  von  Nymwegen:  Urne  aus 
hellrotem  Thon,  h.  19,  Öffnungsweite 
14,5  cm.  Darin  Riechfläschchen  aus 
Glas,  h.  11  cm.  Schüssel  aus  dunkel- 
grau gefärbtem  Thon  mit  Bodenstem- 
pel OIMI,  Dm.  19,5  cm.  Schüssel  aus 
weissem  Thon,  braun  gefärbt,  Dm. 
18,5  cm.  Schüssel  aus  terra  sigillata 
mit  anfistehendem  Rand  und  dem  Stem« 
pel  OF  MART,  Dm.  17  cm.  Dto.  mit 
Stempel  OF  MAIO,  Dm.  17  cm.  Dto. 
mit  Stempel  CRISPINI,  Dm.  17  cm. 
Schüssel  aus  terra  sigillata  mit  nieder- 
gebogenem Rand  mit  Epheuranken, 
Dm.  16  cm.  Dto.,  Dm.  13  cm.  Drei 
halbkugelförmige  Sigillatanäpfchen  mit 
unlesbaren  Stempeln,  Dm.  19,5—8,5, 
h.  6,4  .em.  Schüsselchen  aus  terra 
sigillata  mit  aufstehendem  geripptem 
Rand  und  Stempel  OF  BAS,  Dm.  12, 


h.  5,5  cm.  Dto.  mit  unlesbarem  Stem- 
el.  Dm.  7,5,  h.  3,5  cm.  Sämtliche 
iigillaten  gef.  auf  dem  Hunerberg  bei 
Nymwegen.  Bruchstück  eines  Bronze- 
topfes, am  Boden  wiederhergestellt 
mit  Kupferblech  und  Nägeln.  Stück 
des  Bauches  abgebrochen,  ursprüng- 
lich mit  Henkelringen  versehen,  Dm. 
16  cm,  gef.  in  der  Waal.  Bronzenes 
Messerheft,  in  einen  Pantherkopf  en- 
digend, die  Klinge  abgebrochen,  1. 
6  cm.  Speerspitze  aus  Bronze,  Gallo- 
Belgisch,  vollständig  erhalten,  am  Un- 
terrande zwei  Löchelchen  zur  Befesti- 
gung am  Schaft,  1.  16  cm.  Meisselchen 
aus  Kiesel,  an  allen  Kanten  glatt  ge- 
schliffen, I.  9,5,  br.  an  der  Schneide 
4,3  cm,  gef.  zuGroesbeekbei  Nymwegen. 

Utrecht,  Vechten:  Holztonne,  ver- 
mutlich römisches  Weinfass.  Auf  der 
Daube,  worin  das  Spundloch  ist,  sind 
eingebrannt  die  Buchstaben  CGMI, 
h.  1,50,  Dm.  des  Bauchs  1,20  m,  Dm. 
oben  1  m.  Verschiedene  Planken  einer 
Wasserleitung.  Bruchstück  von  einem 
Schiff,  herstammend  aus  der  Ausgra- 
bung der  Utrechter  Genossenschaft  von 
Künsten  und  Wissenschaften  1^3.  Gips- 
abguss  von  einem  Amulett,  verfei^igt 
aus  einer  Scheibe  einer  Hirschhom- 
krone.  Auf  der  Oberfläche  in  erha- 
bener Arbeit  ein  Phallus.  Um  den 
Phallus  drei  ganz  durchgebohrte  kreis- 
förmige Löcher  zur  Befestigung.  Dm. 
5  cm.  Bei  den  genannten  Ausgrabun- 
gen im  Jahre  1894  gefunden. 

Nordhoüand,  Haarlemmenneerpol- 
der:  Stuck-Beton  von  der  Römerstrasse 
durch  den  Wcringerwald. 

Texel :  Gipsabguss  von  einem  deichsei- 
förmigen (?)  Stein,  am  Oberende  ein 
Anfang  von  Durchbohrung,  nach  einigen 
diente  er  als  Senkblei,  1.  22,5  cm. 

ZuidhoUand,  Alfen:  Zwei  eiförtnige 
Schleuderkugeln  aus  Thon,  1.  13— 
12,5  cm,  wahrscheinlich  römisch. 

Katicijk  a.  Zee:  Grosserz  des  Ha- 
drian  v.  J.  119  (cf.  Cohen  No.  1416). 

Delftsche  Fähre  (im  Bach  bei  der- 
selben): Denar  des  Augustus  v.  J.  2 
V.  Chr.  (cf.  Cohen  No.  223). 

Limburg:  Kleines  Töpfchen  oder 
Schüsselchen  aus  braunem  Thon  (ger- 
manisch), h.  3,  Dm.  oben  7,5,  unten 
2,5  cm.  Scherbe  eines  Tellers  oder 
einer  flachen  Schüssel  aus  hellrotem 
Thon.  Der  aufstehende  Rand  verziert 
mit    zwei    unter    einander   gesetzten 


Westd.  Zeitaohr.  f.  Gaseh.  «.  Kunst.    XIV,   IV. 


30 


412 


Museographie. 


Reihen  von  eingedrückten  Dreieckchen, 
zwischen  zwei  eingekratzten  horizon- 
talen Linien.  Germanisch.  Dm.  10  cm. 
Scherbe  einer  Urne  mit  etwas  umge- 
bogenem Rand  aus  braunem  Thon. 
Etwas  unter  dem  Rand  eine  ringsum- 
gehende Verzierung  von  Kreisen,  worin 
ein  kleines  Kreischen,  bestehend  aus 
eingedrückten  Punkten.  Fränkisch. 
Dm.  6,5  cm. 

(Nach  gedrucktem  Bericht  des  Rij'kB 
Museum  van  Oudheden  te  Leiden). 
97a     Drenthe,  Altertumsmuteum  XII  S.  404, 
XIII. 

A.  Thonwaren.  Gemeinde  Borger: 
Grosse  Urne  aus  hellbraunem  Thon 
mit  weitem  Bauch  und  engem  Hals, 
oben  etwas  beschädigt,  h.  0,33  m,  gef. 
zu  Ees. 

Gemeinde  Vries:  Grosse  Urne  aus 
hellrotem  Thon,  oben  beschädigt,  mit 
einem  Henkel  und  etwas  verengtem 
Hals,  26  cm  h.,  gef.  beim  Zeierveen. 

B.  Meissel,  Beile,  Pfeil-  und 
Speerspitzen,  Messer  unddergl. 
Gemeinde  Borger:  Gebrochenes  Stein- 
beil, halb  durchbohrt,  gef.  in  der  Heide 
unterhalb  Borger. 


Gemeinde  Emmen :  Feuersteinmeisself 
0,11  m  lang,  0,05  m  br.,  gef.  zwischen 
Emmen  und  Westenesch.  —  dtc,  1. 
0,116,  br.  0,05  m,  gef.  im  Heidewald 
von  Angelsloo.  —  dto.,  1.  0,15ö,  br. 
0,075  m,  gef.  in  Emmerbrinkmaden. 

Gemeinde  Odoom:  Steinmeissel,  1. 
0,175,  br.  0,07  m,  gef.  im  Odoornerzand. 

Gemeinde  Schoonebeek:  Ein  Hohl- 
kelt  aus  Bronze  mit  Öse,  1.  0,12,  br. 
0,04  m.  Bronzeklinge  von  einem  Dolch 
oder  Messer,  1.  0,185  m.  Hohle  Lan- 
zenspitze aus  Bronze,  1.  0,13  m,  gef. 
bei  Schoonebeek  zusammen  mit  drei 
anderen  Gegenständen,  die  im  Reichs- 
museum zu  Leiden  aufbewahrt  wurden. 

Gemeinde  Westerhork:  Feuerstein- 
meissel,  1.  0,095,  br.  0,05  m,  gef.  zo 
Orvelte  im  Weideland. 

C.  Verschiedenes.  Haarflechte  in 
einem  Torfstück  festhaftend,  gef.  im 
Torfmoor. 

Von  dem  Katalog  des  Museums  ist 
Abteilung  Vc  (Karten,  ZeicbDUDgen, 
Photographieen  etc.)  erschienen. 

(Nach  dem  „Verslag  van  de  Com- 
missie  van  Bestuur  van  het  Museum 
van  Oudheden  in  Drenthe  van  de  ge- 
deputeerde  Staten  over  1894) 


2.  Decouvertes  d'antiquites  en  Belgique. 

Par  H.  SchnemaBS. 


Je  puls  ddbuter  cette  fois  par  un 
vöritable  article  relatif  ä  la  „Musdo- 
graphie".  Les  diffdrentes  productions 
d'une  socidtö  archöologique  dtablie  ä 
Charleroy,  ne  m'dtaient  plus  arrivdes 
depuis  quelques  anndes,  et  j'en  avais 
pris  mon  parti,  ne  considärant  pas 
comme  bien  sdrieux  des  travaux  archdo- 
logiques  oü  Von  parle  de  „une  camde**, 
oü  Ton  confond  Tardillon  d'une  fibule 
avec  sa  coque,  etc.,  etc. 

Mais  j'ai  ddcouvert,  par  pur  hasard, 
quc  cette  publication  avait  continud 
et  mSme  qu'elle  avait  publik  un  Guide 
du  visiteur  (dans  le  musde  de  ladite 
socidtd),  qui  reprdsente  assez  bien 
la  Synthese  des  trouvailles  d'antiquitds 
faites  dans  Tarrondissement. 

On  y  trouve  m61des  quelques  ddcou- 
vertes  d'antiquitds  faites  ailleurs  que 
dans  le  Hainaut.  Je  les  enumöre 
d'abord : 


Nismes,  pr^s  de  Couvin  (Namur). 
Epingle  ä  chevenx  fsans  doute  franke). 

Luxembourg.  Quatre  scramasax, 
trouvds  dans  cette  province. 

Statte-lez-Huy  (Lifege).  Petite  ume 
fundraire  franke. 

FloreiFe  (Namur).  Collier  de  perles 
en  jais,  lames  de  couteau  et  poin^on 
en  fer;  fusaiole  de  terre  cuitc;  objets 
trouvds  dans  une  grotte. 

Somzde  (Namur).    Tombe  romaine. 

Castfllon  (ibid.).    Poteries  diverses: 

Slateaux,  umes,  jatte  conique  en  terrc 
ite  samienne,  ä  la  marque  comprim 
(Schuermans,  Sigles  figulins,  n<»  15ö7 
et  8.). 

Morialmd  (ibid.).  Bean  et  grand 
vase  en  terre  dite  samienne,  arec 
reliefs,  prdsentant  altemativement  im 
guerrier  appuyd  sur  sa  lance  et  ime 
brauche  avec  feuilles. 
Oret  (ibid.).    Cimeti^re :   boucle  en 


Museographie. 


413 


fer  broDze  et  fragments  de  vases  en 
terra  „samienne". 

Silenrieax  (ibid.).  Plateau  en  terre 
noire,  fragments  de  poterie,  dont  im 
vase  ddform^  avant  la  cuisson. 

Villers-deux  Eglises  (ibid.).  Grains 
de  Collier  en  päte  vitreuse. 

Thy-le-Baudhuin  (ibid.).  Beconstruc- 
tion  d^une  niche  de  cave  (de  celles 
que,  la  bas,  on  appelle  loges  de 
columbarium  .  .  .). 

Le  musde  de  Gharleroy  poss^de 
aoBsi  quelques  antiquitäs  provenant  de 
Bavay,  Lille,  etc. 

(Les  objets  post^rieurs  k  l'^poque 
franke  sont  omis  ici.) 

Epoque  ant^-romaine  (en  fai- 
sant  abstraction  des  objets  de  pierre 
eclatde  que  je  n^glige  d^sormais) : 

Arquennes,  poteries  qui  provien- 
draient  d'un  four  ä  poterie  „prähisto- 
rique". 

La  Buissiere :  une  monnaie  gauloise 
en  bronze. 

Elouges:  semences  de  bl^  d'origine 
gauloise,  conserv^es  dans  un  silo  et 
brülees ;  tessons  de  poterie  trouv^s  avec 
le  grain. 

Floreffe  (grotte).  Lame  en  os,  por- 
tant  des  crans  ou  divisions,  objet 
d'usage  inconnu. 

Gougnies  (oppidum  gaulois).  Pote- 
rie a  pinc^es  sous  le  pied,  et  autre 
omc^e  de  dessins  b.  la  sanguine. 

Grignart  (oppidum  gaulois).  Dis- 
ques  en  os  et  come  de  cerf,  ddcords 
ä  l'aide  du  tour  et  cisel^s,  ayant  pro- 
bablement  servi  de  pieces  de  jeu;  d6 
a  jouer  en  os,  quelques  objets  en  fer, 
quelques  poteries,  petite  pierre  ä  ai- 
guiser. 

Viesville:  Deux  lames  en  os,  por- 
tant  des  omements  gravis;  une  de 
ces  lames  a  et6  fixde  par  des  clous; 
tubes  en  os  toum^,  quelques-uns  por- 
tent  des  lignes  circulaires,  et  d'autres 
des  trous  percds  sur  les  cöt^s  ^),  usage 
inconnu  (gaulois?). 

Des  piöces  de  cuivre  ou  de  potin, 
au  revers  du  cheval  en  course  ou 
du  „rameau  de  foudre**  ont  6t6  trou- 
y^es  ä  Gourdinnes  (Namur),  Fraire 
(ib.),  Peissant  (Hainaut^,  Tby-le-Bau- 
huin  (ib.),  Gourcelles  (ib.),  ives-Go- 
mez^e  (ib.),  Presles  (ib.),  Aiseau  (ib.\ 
Grignard  (ib.),  Hantes  -  Wih^ries  (ib.), 

1)  n  8*agit  sang  donte  de  charnidreB,  comme 
on  en  a  retrouvö  4  Pomp^i. 


Grandreng  (ib.),  Fontaine-Valmont  (ib.), 
Solre-sur-Sambre  (ib.),  Saint-Remy-lez- 
Chimay  (ib.),  La  Buissiere  (ib.).  Les 
pieces  de  ce  type  qu'on  a  attribuäes 
aux  Gorduni  de  G<^sar,  sont  tout  k 
fait  speciales,  dit-on,  k  FEntre-Sambre 
et  Meuse;  on  les  a  toutefois  attri- 
bu^es  k  tous  les  clients  des  Nerviens, 
et  mSme  k  la  Nerrie  en  gdnäral. 

Epoque  r omaine.  La  Classifica- 
tion citäe  ci-dessus  contient,  pour  la- 
dite  äpoque,  les  pieces  de  fouille  que 
voici : 

Aiseau  (villa).  Grande  vari^tä  de 
poteries:  amphore,  vase  en  terre  dite 
samienne,  omd  d'enroulements  et  de 
feuillages,  vase  rose  k  boutons,  bords 
de  „töle",  marquds  victor,  vitdlis,  wif, 
tniles,  carreaux  et  conduits  d'hypo- 
causte,  mortier  et  plätras  coloriäs  des 
murs.  Verre :  vases  en  verre  blanc  et 
noir,  Plaques  de  rev^tement  des  murs. 
Bronze:  miroir,  fibule,  bracelets  en 
fils  enroul^s.  Fer:  herminette  de 
charpentier,  outils,  ferrures  de  bäti- 
ment  ou  de  meuble.  Marbre  syänite: 
tablette  k  ^crire;  m^dailles  de  Domi- 
tien,  Hadrien  et  Antonin. 

Arquennes.  Silex  tailläs.  Poteries 
diverses,  entre  autres  fragment  en  terre 
dite  samienne,  marqud  montani,  pote- 
rie blanche  ä  couverte  noire,  avec 
sigets  de  chasse  *,  bord  de  „tMe^,  id. : 
brariatvs  sigle  signald  tout  le  long  de 
la  route  de  Bavay  k  Cologne,  par 
Tongres  (Schuermans,  hob  867  et  868) ; 
peson  de  filet;  tuyau  de  pipe  (?)  en 
terre  rouge,  conduits  d'eau,  caJreau 
d'hypocauste  et  tuiles,  une  avec  les 
marque  C  *  V  '  S ;  partie  de  soucoupe 
en  verre  noir ;  fer :  outils,  clous,  stylet 
(avec  incrustation  de  cuivre);  bronze: 
couteau  avec  manche,  en  bronze  toumä, 
clef,  sonnette,  couperet,  bout  de  poig- 
näe,  couteau  de  poche;  boutons  de 
plusieurs  modeles;  partie  de  meule; 
chaton  de  bague  en  cristal  taUlä.  Md- 
dailles  d' Antonin  et  Constantin. 

Bouffioulx,  fragment  de  magonnerie 
en  arSte  de  poisson,  provenant  du  chä- 
teau  de  Montchevreuil. 

Boussu-lez- Walcourt  (villa).  Tuyau 
d'aqueduc,  form^  de  deux  cintres  ac- 
col^s,  en  terre  cuite;  tuiles  plates 
avec  la  marque  traycpsb  (c'est  la 
marque  travgpaby  signaläe  dans  la  pro- 
vince  de  Namur);  carreaux  et  tuyaux 
d'hypocauste ;  töle  avec  le  sigle  friccof; 


414 


Museographie. 


recoastruction  du  sudatormm  d'unbain; 
fragments  de  verre  grav^,  d'ardoises, 
de  marbre,  de  plätrages,  de  rev§te- 
ments  de  muraille  (en  verre);  d^bris 
de  colonne:  füt,  base,  chapiteaux;  in- 
struments  en  fer:  pitons,  crampons, 
fer  de  bSche,  anse,  etc. 

La  Buissi^re  (cimeti^re).  Urne,  pla- 
teau,  partie  de  jatte,  en  terre  samienne. 

Gharleroy  (cimetiere  du  Spignat). 
Urqes  en  terre  rose  et  grise ;  plateaux, 
id.  et  rouge;  fragments  de  tuiles; 
intaille  sur  pierre  fine  qui  formait  le 
chaton  d'une  bague;  deux  m^dailles 
de  bronze. 

Gharleroy  (cimetiere  de  Bosquetville). 
Plateau  en  terre  blanche  ä  couverte 
noire,  fragments  id.  en  terre  noire. 

Ghätelet.  Mors  de  bride  trouv^ 
parmi  des  „crayats  de  Sarrazins^ ;  frag- 
mepts  de  vases  ornes  en  terre  dite 
samienne  et  autres,  ramassds  dans  la 
Sambre,  avec  beaucoup  de  d^bris  an- 
tiques  de  toutes  sortes. 

Gourcelles  (cimetiere).  Poteries : 
vases,  umes,  cruches,  jattes,  couvercles, 
vase  ä  parfnm,  lampe,  plateau,  petit 
„vase  ä  boutons^. 

Estinnes.  Garreau  d'hypocauste ; 
outils  en  fer  employ^s  dans  les  mines. 

Farciennes.  Plateau  en  terre  sa- 
mienne avec  la  marque  mivvio ;  tuyaux 
de  conduite  d'eau. 

Fontaine-Valmont  (villa).  Glefs  en 
bronze  (dont  une  double,  port^e  au 
doigt);  tuvau  de  pipe  (?)  antique,  in* 
strument  de  Chirurgie,  clous  et  petite 
rondelle  en  fer,  deux  m^dailles  de 
Hadrien  et  Antonin,  tombe  en  tranches 
de  marbre  rouge  et  gris;  ume  de 
marbre  blanc. 

Gerpinnes  (villa).  Poteries  nom- 
breuses  dont  plusieurs  en  terre  dite 
samienne,  avec  feuillages,  comparti- 
ments  ä  seines  et  personnages ;  une  des 
demi^res  a  un  bord  rabattu  de  Qm  05 
avec  omements  en  feuilles  de  lotus  et 
oiseaux ;  tuiles  avec  la  marque  T  *  R  * 
P'S.  Verre:  fragments  de  vases  de 
toutes  formes,  plaques  de  revötement, 
carreaux  d'hypocauste.  Fer :  deux  crd- 
mailleres,  pointe  de  lance,  fourche, 
houlette,  anse,  tenailles,  ciseaux,  clef, 
rasoir,  ^pingle  ä  cheveux ;  fibule  octo- 
gone  en  bronze  emaill^,  fourchette, 
breche  de  manteau ;  pi^estal  en  pierre, 
pierre  taill^e  de  soupirail  de  cave; 
reconstitution  de  toiture  d'hypocauste ; 


plätras  coloriäs,  partie  inferieure  d'une 
^tatue  et  petite  colonne  en  pierre 
blanche,  menle  ä  bras. 

Gimn^e  et  Virelles.  Objets  trouves 
dans  des  „crahiats  de  Sarrazins*": 
fragments  de  vases  de  terre  samiemie, 
bord  de  dolium ;  pelles,  serpe  et  aatres 
Instruments,  tuy^res  de  foumeau. 

Gosselies  (villa).  Perle  de  toilette 
en  päte  de  verre,  avec  entrelacs  rouges 
et  blancs,  poids  en  plomb;  poteries: 
bord  de  vase  samien  avec  anse  en 
forme  de  raban,  h  moiti^  pli^e,  frag- 
ments de  dolium  et  de  tuile.  Mon- 
naie  de  Faustina  la  jeune. 

Gougnies,  dans  Poppidum  gaulois 
occupä  depuls:  bract^tes  en  or  et 
argent,  bague  en  bronze  avec  intaille 
de  calc^doine. 

Hantes-Wih^ries  (villa).  Plätras  de- 
coräs  de  diverses  couleurs;  poids  en 
marbre;  poteries,  en  terre  dite  sa- 
mienne, id.  rose,  noire  ou  grise ;  frag- 
ments de  vases  de  verre ;  couteau  avec 
manche  en  ivoire;  trois  faucilles  et 
autres  Instruments  en  fer,  bodon  en 
cuivre;  bulle  en  bronze. 

Lambusart  Gruches  et  plateau  en 
terre  dite  samienne,  fers  de  mule  et 
ardoises  fort  dpaisses. 

Landelies.  Fragments  de  conduits 
d'hypocauste. 

Leers-Fosteau.  Ume  cin^raire  en 
plomb;  trois  fibules  en  bronze. 

Liberchies.  Poteries  samiennes,  cou- 
teau dans  sa  gafne;  bronze:  pentare, 
bouton  ä  deux  tenons,  miroir,  spatale, 
passoire  et  poelon,  bout  de  poiga^; 
fragment  de  jais,  mortier,  clefs  dont 
une  k  poign^e  de  bronze. 

Lobbes.  Grains  de  coUier  en  päte 
vitreuse. 

Lompret.  Tresor,  trouve  au  Camp- 
des-Vaulx,  de  mddailles  en  potin,  de 
H^liogabale  ä  Postume:  on  y  remarque 
52  revers  diff^rents  de  Gordien  III. 

La  Louvi^re  (cimetiere).  Grande 
ume  cin^raire,  trois  umes  plus  petites, 
dont  une  fort  elegante,  plateau  en 
terre  grise,  bord  de  tMe. 

Macquenoise,  au  Fort  Mattot:  tom- 
bes  creuses  avec  couvercle,  en  pierre; 
coUection  de  meules  en  arkose  (pierre 
de  la  localitä). 

Marchienne  -  au  •  Pont  (cimetiere). 
Grande  ume  cindraire  en  gr^s,  pote- 
ries diverses,  dont  des  vases  dite  sa- 
miens  avec  marques:  albvgi  (Ure  a/6cci) 


Museographie. 


415 


et  kicini  (riciniif),  flacons  en  verre, 
etui  en  os,  mädailles  de  Iladrien  et  de 
Lucille. 

Marcinelle  (tumulus).  Col  d'un  grand 
vase  en  verre  verdätre.  Manche  d^in- 
strument  en  jais.  D^bris  d'un  cofiret 
fun^raire,  dont  le  bois  est  conservä 
par  le  vert-de-gris,  plaques  de  recon- 
vrement  en  bronze,  anneaux,  lampe  en 
bronze  avec  cbafnes  de  Suspension. 

Monceau-sur-Sambre.  Fragments  de 
vases  en  terre  samienne  et  autres; 
dont  an  col  de  doli  um  ä  Systeme 
curieux  de  couvercle;  plaques  de  verre ; 
outils  et  Instruments  en  fer.  Bronze: 
iibule  a  deux  tenons,  poignee  d'une 
clef,  broche  de  porte-manteau  (sie)  de 
meme  m^tal ;  instrument  dit  plomb  de 
charpentier,  en  fer;  meule  ä  bras; 
dpingle  (ä  cheveux)  en  come ;  mädaille 
d'Alexandre-Severe. 

.  Montigny-sur-Sambre  (villa).  Pote- 
ries  de  toute  nature  depuis  le  dolium 
iusqu'aox  petites  jattes  de  terre  dite 
samienne;  carreaux  et  conduits  d'hv- 
pocauste;  fragments  de  plaques  de 
verre,  Instruments  en  fer. 

Morlanwelz  (villa).  Outil  en  fer  en 
forme  de  hone,  petits  fragments  de 
bronze,  pendeloque  en  cristal  taille; 
fragments  de  tuf  et  pierres  moulur^es, 
d^bris  de  piliers  et  de  tubes  d'hypo- 
causte,  conduites  d'ean,  fragments  de 
vases  dont  plateaux  en  terre  samienne ; 
carreau  avec  le  sigle  .  .  SS. 

Obaix  (cimeti^re).  Bord  de  t^le  rose 
avec  le  sigle  VHRA  (comp.  VHHRA 
de  la  province  de  Li^ge  et  du  Lim- 
bonrg,  Schuermans,  no  5685),  ume  ci- 
neraire,  plateau  avec  couvercle,  id.  en 
terre  dite  samienne,  marqude  locirni 
(comp.  Schuermans:  logirni,  no  3010 
et  s.);  deux  fibules  en  bronze,  omäes 
d'une  ligne  de  grenetis;  monnaie  de 
Trajan. 

Presles  (cimeti^re).  Poterie:  umes 
grandes  et  petites  de  differentes  terres 
et  formes,  entre  autres  cruche  k  une 
anse  en  terre  rose,  plateau  profond 
en  terre  grise  fine.  Vases  en  terre 
blanche,  ä  couverte  noire,  avec  scgets 
de  chasse,  jatte  et  plateaux  en  terre 
dite  samienne,  plateaux  et  couvercles 
en  terre  giise.  Verre:  petite  ume 
Bph^rique  en  verre  jaune,  nacon  carre 
en  verre  verdätre.  Bronze :  fibules  de 
diff^rents  modales,  dont  une  ronde 
^maill^e;   ^pingle  ^maillde  en  forme 


de  roue  dont  Taxe  forme  l'aiguille. 
Meule  k  bras  en  lave  du  Rhin.  Me- 
daille de  Marc-Aurele,  et  une  autre 
soud^e  ä  un  „crahiat  de  Sarrazin". 

Ransart  Perle  ou  fusa'iole  en  terre 
blanche,  pierre  k  aiguiser.  poteries 
diverses. 

Saint  -  Remy  •  lez  -  Chimay  (villa). 
Bronze :  belle  iibule  en  bronze  emaille, 
avec  bouton  saillant  au  centre,  ä  com- 
partiments  rouges,  blancs  et  bleus, 
bouton  a  deux  tenons  en  bronze,  fond 
de  sonnette,  anneaux  et  t^te  de  broche 
de  porte-manteau  (?).  Fer:  couteau 
et  rasoir,  deux  fers  d'epieu,  verrou 
de  porte,  sonnettes  pour  bestiaux. 
Poteries:  goulot  de  cruche  en  terre 
rose,  fragments  de  poterie  samienne, 
tuiles  plates  et  courbes,  mortier  ro- 
main,  tuyaux  d'hypocauste.  Monnaies 
de  Neron,  Commode,  Faustina,  Cris- 
pina,  etc. 

Str(^e-lez-Beaumont  (cimetiöre).  Po- 
terie: nombreux  vases  cinäraires  et 
autres  de  toute  nature,  sp^cialement, 
jattes  en  terre  samienne,  dont  une 
bilob^e,  cruche  en  terre  blanche  avec 
omements  sur  la  pause,  id.  k  goulot 
trilob^  reconvert  d'un  enduit  dor^,  id. 
brun  orn^  d'^cailles,  vases  de  luxe, 
en  terre  grise  et  rouge,  dont  an  om^ 
d'anses  ä  anneaux  mobiles,  vase  en 
terre  rose  avec  d^pression  des  quatre 
cöt^s,  objets  en  terre  grise  orn^s  de 
tetes  d'animaux,  ayant  peut-Stre  servi 
k  un  jeu;  carreaux  d'hypocauste  k  la 
marque  ISFP  ||  ATIL  (signal^e  k  Wau- 
drez :  I S  F  P  h  A  T I F :  Schuermans, 
no  270) ;  carreaux  ayant  entour^  un  d6- 
pöt  säpulcral ;  lampes  de  formes  diverses. 
Verre :  fiacon  k  long  goulot,  plateaux, 
fioles  dites  lacrymatoires,  pat^re,  fioles, 
urnules,  parties  de  deux  vases  en  forme 
de  pinte,  bombäes,  ornäes  de  filets  de 
verre  en  spirale  serr^e,  vases  en  forme 
de  cygne,  colliers  en  perles.  Bronze : 
clous,  anneaux  et  autres  gamitures  de 
coffrets,  fibules,  cisel^es  et  dmaillees 
ou  etamäes,  ^pingles  k  cheveux,  stylets, 
miroirs  dont  un  avec  galne,  couteaux 
avec  manche,  spatules,  bofte  ä  par- 
fums.  Fer:  anneaux  de  tonnelets, 
hache  en  fer  (votive?);  silex  taill^s 
d(;poses  dans  les  tombes;  amulette  en 
ambre  faux;  bague  en  ambre  sculpt^, 
bague  avec  am^thiste  grav^e,  intaille 
sur  agate ;  reconstmction  d'une  tombe 
en  moellons  de  tuf;  64  monnaies  de- 


416 


Museographie. 


puis  Neron  jusqu'ä  Marc-Aurele  et 
Faustine. 

Thirimont  [villa).  Fragments  de  co- 
lonnes  et  sculptures  en  pierre  blanche, 
carreaux  de  pile  d'hypocauste,  ronds 
et  carres,  avec  le  sigle  l,  c.  s.  (ega- 
lement  signal^  sur  des  tuiles  ä  Anthie, 
Ann.  SOG.  arch^ol.  Namur,  X,  p.  138) ; 
bords  de  grands  vases  et  autres  pote- 
ries  diverses;  parties  de  plätras  colo- 
rid;  Instruments  en  fer  et  en  plomb. 

Thuillies  (villa).  Monnaies  de  Do- 
mitien,  Antonin,  Gordien  IIl,  Philippe 
pere,  Otacilla,  Gallien,  crochets  et 
oeillets  en  fer,  avec  clef,  lames  de 
couteau,  pointes  de  javelot  et  de  fleche, 
ciseaux  de  menuisier,  grillage  en  fer, 
poteries  de  tout  genre,  carreaux  d'by- 
pocauste  aux  marques  L  -  C  *  V  et 
T  •  R  •  P  •  S  (comparer  les  irps,  irpois 
de  la  province  deNamur),  tuiles,  tuyaux, 
plätrages,  disques  en  os ;  fragments  de 
colonne :  füt,  base  et  chapiteaux ;  meme 
une  colonne  complete.  (Voir  Gerpin- 
nes  supra,  pour  la  marque  T  *  R  -  P  *  S). 

Vergnies.  Dt^bris  de  vases  romains 
en  terre  dite  samienne  et  autres. 

Virelles  (voir  Gimnde). 

Epoque  franke.  Toujours  d'apr^s 
la  Classification   citäe   de  Charleroy: 

Acoz  (cimctiere).  Scramasax,  lance 
ä  crochet  (angon  V),  boucles  et  contre- 
plaques  de  ceinturon  en  bronze. 

Boussu  -  lez  -  Walcourt  (cimeti^re). 
Poterie:  vases  funt^raires,  plateaux, 
fusalole.  Verre:  petit  vase  jaune  k 
cötes,  Colliers  en  perles  vitreuses  et 
en  ambro.  Bronze:  style,  mddailles 
portdes  en  collier,  boucles  d'oreille. 
Fer:  anneaux,  boucles  de  ceinturon, 
poinyon,  lames  de  couteau,  pointes  de 
lance  et  de  fläche,  scramasax,  dpde  de 
commandement,  plaque,  contre-plaque 
en  acier  damasquind. 

La  Buissiere  (cimetiäre).  Vases 
fundraires  et  flacon  en  terre  noire; 
collier  en  päte  vitreuse.  Bronze :  cachet, 
boucle  et  contre-plaque  ätamde.  Fer : 
haches,  pointes  de  lance,  scramasax, 
lames  de  couteau,  boucles  avec  contre- 
plaque  en  acier  damasquind  d'argent. 

Elouges.  Semences  de  seigle,  fro- 
ment,  vesces,  trouvees  dans  une  hutte 
souterraine  de  l'äpoque  franke. 

Fontaine-Valmont,  au  Hombois  (ci^ 
metiäre).  Vases  de  terre grise.  Bronze: 
rivets.  Fer :  clous  de  cercueil,  boucles 
damasquindes  et  autres,  lames  de  cou- 


teaux,  scramasax,  fers  de  lance,  bri- 
quet  en  acier. 

Hantes-Wiheries  (cimetiere).  Pote- 
rie :  vases  fundraires,  flacons,  plateaux 
en  terte  rouge.  Verre :  coupes  a  boirc 
Sans  pied,  en  verre  blanc,  en  verre 
jaune  (celles-ci  ä  cötes  saillantes), 
perles  en  päte  vitreuse  et  ambre,  bra- 
celets  en  perles  dmaüldes.  Bronze: 
clefs,  boutons  de  formes  varides,  boucles, 
terminaisons  de  laniöres  et  passants 
de  ceinturon,  ornements  de  ceinture, 
styles,  dpingles  ä  cheveux,  anneaux, 
aiguilles,  boucles  d'oreille,  fibules,  dont 
deux  avec  incrustation  de  plaques  de 
verre,  passants  de  ceinturon,  bagues. 
Fer:  briquets  en  acier,  plaques  et 
contre-plaques  de  ceinturon  en  acier 
damasquind ;  ciseaux ;  pointes  de  fleche 
et  de  lance,  umbo,  lames  de  couteaux, 
boucles,  francisques,  scramasax,  epees 
de  commandement,  clef;  peignes  en 
OS  dont  deux  avec  gatne  omde;  toute 
une  tombe  franke  restitude. 

Macquenoise,  h  la  Forge  -  Philippe 
(cimetiere).  Vase  cindraire  en  terre 
noire ;  boucle  en  bronze  dtamd ;  plaque 
de  ceinturon  en  bronze  cisele,  couteau 
en  acier;  francisque. 

Marcinelle  (cimetiere).  Vases  fune- 
raires  et  terre  grise  et  noire;  deux 
boucles  avec  contre-plaque  de  ceintu- 
ron en  acier  damasquine  d'argent, 
plaque  id.  en  bronze  plaque  dVgent 
avec  grenats  incrustds;  bracelet  en 
bronze;  scramasax,  lance. 

Montignies  -  Saint  -  Christophe  (cime- 
tiere): vase  en  terre  grise.  Bronze: 
rivets,  bouton  double,  boucle.  Fer: 
hache  d'arme,  petit  scramasax. 

Solre  -  sur  -  Sambre.    Un  scramasax. 

Strde  (cimetiere).  Vases  fundraire«, 
plateau  en  terre  rouge,  fusaioles. 
Verre:  plateau,  couvercle  et  goulot; 
perle  en  ambre.  Bronze:  plaque,  con- 
tre-plaque etamde,  anneaux  et  terminai- 
son  de  laniere  ciseles,  dpingle  ä  cheveux. 
Fer :  couteaux  dont  un  avec  sa  gatne, 
francisques,  boucles  de  ceinturon,  clef, 
dquerres  de  cercueil,  pointes  de  lance, 
scramasax,  dpde  de  commandement 
ployde  sur  elle-mSme. 

Thuillies,  k  la  Houzee  (cimetiere). 
Perles  vitreuses.  Bronze:  contre-pla- 
ques ciseldes,  anneau,  bague,  bracelets 
terminaison  de  laniäre.  Fer:  boucles 
damasquindes,  pointes  de  flache  et  de 


Museographie. 


41? 


lance,  lames  de  couteau,  francisques, 
scramasax,  bouterolle  de  lance. 

—  Encore  deux  mots  de  „Museogra- 
phie"  proprement  dite. 

Aa  musSe  de  Namur,  on  a  efiectuä  un 
ing^nieux  classement  des  fibules  (Ann. 
de  la  Soc.  arcb^ol.  de  Namur,  XIX, 
p.  326;  Congräs  arch^'ol.  de  Liöge, 
en  1890,  p.  237). 

Au  m^me  mus^e,  on  a  op^re  la 
classement  des  bagues  d^couvertes  dans 
la  province  de  Namur,  en  des  cime- 
ti^res  franks: 

Y«  si^cle.  Bague  en  argent,  om^e 
d'nne  intaille  antique,  trouväe  avec 
une  autre  intaille.    Eprave. 

Deux  id.  en  or  dont  l'une  avec  simili- 
intaille  en  p2Lte  de  verre.    Suarl^e. 

Trois  id.  en  or,  une,  avec  cbaton 
en  päte  de  verre  unie,  une  autre  avec 
un  quartz  sur  paillon  violet,  la  troi- 
sifeme  avec  verroterie  bleue;  deux 
bagues  en  argent  avaient  ^t^  trou- 
y^es  dans  la  m^me  s^pulture  que 
celle-ci.    Spontin. 

Six  id.;  deux  en  or,  avec  disques 
en  päte  de  verre,  Fune  bleue,  Tautre- 
verte;  quatre  en  argent,  dont  deux 
avec  cbaton  1^  en  am^thiste,  2^  en 
verre  rouge;  la  troisi^me  cisel^e,  la 
demi^re  sans  omement.    Samson. 

VI«  si^cle.  Id.  bronze,  grav^e.  Bel- 
vaux-Resteigne. 

Id.  de  bronze;  cbaton  reprdsentant 
un  dragon.    Revogne. 

Trois  id.  en  bronze,  avec  dessins  sur 
le  cbaton,  dont  une  croix.  Wancennes. 

Cinq  id.  en  bronze,  avec  dessins: 
1"  une  croix,  2^  trois  cjous,  S^  mono- 
gramme :  S,  4®  id.  lu :  aillay  5^  id.  lu : 
^{(gnum)  basine.  Francbimont. 

Id.  en  argent,  avec  monogramme, 
lu:  8{igaum) basine.  Belvaux-Resteigne. 

Deux  id.  en  bronze,  1^  inscription 
lu:  a.  e.  c.  e  ou  a.  m.  c.  m,  2®  un 
omement  k  palmettes.    Florennes. 

Id.  en  bronze,  avec  inscription  lue: 
airinsus  «i(gnavi).    Pondrome. 

Id.  en  bronze,  avec  inscription  lue: 
boholo.    Revogne. 

Id.  en  bronze,  avec  inscription :  S  *  A. 
Saint-G^rard. 

Id.  en  bronze,  h  double  cbaton ;  sur 
chaque  face,  une  croix  patt^e.  Bel- 
vaux-Resteigne. 

—  Vient  aussi  de  parattre  le  „Ca- 
talogue  des  pi^ces  principalcs  du  Musde 
de  la  soci^te  arcb^ologique  de  Nivel- 


les^,  par  M.  Edgar  de  Prelle  de  la 
Nieppe,  membre  de  la  commission  de 
Mns^e  royal  d'antiquitäs  de  Bruxelles. 
Ce  catalogue  fort  bien  fait  mentionne 
quelques  trouvailles  interessantes  (je 
n^glige  ce  qu'on  appelle  Tage  de  la 
pierre  simplement  ^clat^e): 

Hache  en  pierre  polie,  trouv^e  dans 
le  parc  du  chäteau  de  Braine-le- 
Ghäteau  (Brabant). 

Celt  ä  douille,  en  bronze,  trouv^  en 
1892,  dans  le  bois  de  Thy,  pr^s  de 
Genappe  (Brabant). 

De  nombreux  tessons  des  vases  di- 
vers en  poterie  samienne ;  des  disques 
ayant  servi  ä  joner  du  palet,  trouv^s 
au  bois  de  la  Garenne,  sous  Arquennes 
(Hainaut). 

Des  tessons  de  poterie  belgo-romaine, 
des  ossements  et  des  objets  de  fer, 
une  moulure  de  salle  de  bain,  trouv^s 
dans  les  fouilles  de  la  villa  belgo- 
romaine  d' Arquennes. 

Des  tessons  provenant  des  stations 
romaines  de  Libercbies  et  de  Yiesville 
(Hainaut). 

Diff^rents  fragments  de  mat^riaux 
de  construction  provenant  de  la  villa 
belgo-romaine  de  Ciarisse  (Nivelles, 
Brabant),  dont  un  avec  traces  de  pein- 
ture  murale. 

Fragment  de  vase  et  nombreux 
cubes,  provenant  d'une  mosalque  de 
la  villa  romaine  de  Ways  (Brabant). 
.  Une  fram^e  et  un  scramasax  pro- 
venant du  cimeti^re  frank  de  Com- 
breuille  (Ecaussines,  Hainaut). 

Quatre  crucbes  de  forme  romaine 
trouv^es  dans  le  puits  dit  de  Sainte- 
Gertrude,  en  la  crypte  de  la  coll^giale 
de  Nivelles. 

—  Je  me  bomerai,  sauf  k  y  revenir 
Fan  prochain,  avec  plus  de  d^tails,  s'il 
y  a  lieu,  ä  indiquer  quelques  ddcou- 
vertes  d'antiquit^s  romaines  faites  en 
Belgique : 

Intaille,  en  comaline,  reprdsentant 
une  t^te  quadruple.  Trouv3e  aux  en- 
virons  de  Tirlemont  (Brabant)  et  prd- 
sentde  en  vente  au  musde  d'antiquitds, 
qui  a  acquis  deux  statuettes  de  Mercure, 
Pune  de  travail  romain,  Tautre  sortant 
des  mains  d'un  artiste  du  pays,  comme 
la  Fortuna  du  musde  de  Namur,  et 
certaines  des  statuettes  de  la  „fon- 
taine  d^Angleur"  (M.  Cumont,  profes- 
seur  k  Funiversitd  de  Gand,  sans  con- 
tester  Femploi  de  plusieurs  des  objets 


418 


Moseographie. 


d'Angleur,  k  orner  une  fontaine,  croit 
que  les  autres  ont  servi  ä  un  temple 
de  Mithra). 

Autre  intaille,  en  sardoine,  repr^* 
sentant  la  ddesse  Fortuna,  tenant  une 
come  d'abondance  et  un  gouvernail. 
Trouväe  dans  des  substructions  belgo- 
romaines,  ä  Jupille  (Li^ge),  avec  des 
monnaies  jusqu^ä  Mflücimien. 

Monnaies  romaines,  poteries,  lampe 
de  bronze,  trouv^es  ä  Berg,  pr^s  de 
Tongres  (Limbourg),  par  M.  Huybrigts, 
conducteur  des  ponts  et  chauss^es  et 
collectionneur  d'antiquit^s. 

Ant^fixes  en  terre  cuite,  ä  omements; 
un  portant  rinscription  .  .  .  einv8\\ 
,  .  spüliva,  Trouvd  ä  Sirault  (Hainaut), 
par  M.  Haubourdin,   de  Stambruges. 

Poteries  k  sigles.  Patelles:  secvndini 

—  tarvi  —  .  ,  ,  f,  m  —  sanatvs  f 

—  gatvs  —  minias  (?)  —  prvbcvs. 
Pat^res :  aetem . .  (r^tr.)  —  agisilivs  — 
birinicof  —  bovdv . .  i  —  CO  . .  KAS  (?) 

ir^tr.)  —  regeni  •  m  —  vitalis  fecit  — 
Jords  de  ,,t61es"  fr  ,  .  ,  —  n  .  .  vha 
rpoint  dans  le  V)  —  .  .  \CV/c  — 
Poteries  samiennes,  dans  les  omements 
extärieurs:  ctnnamt  (rätr.)  —  ad  .  .  . 
Tuüe  .  .  QVA  (A  et  V,  retrogrades?). 
Tout  cela,  parmi  les  objets  qu'on  ex- 
hume  commundment  des  substructions 
belgo-romaines.  Trouv<^  k  Vervoz,  par 
M.  Gh.  Comhaire  qui,  dans  une  s^pul- 
ture  voisine,  a  ddcouvert  de  tr^s  beaux 
verres,  imitantTagate,  d^pos^s  au  mus^e 
d'antiquit^s  de  Bruxelles. 

Cippe  canncie  ayant  servi  d'autel, 
trouv^  sous  une  chapelle  k  Vieuxvillc 
(Liöge).  Renseigncment  de  M.  Lobest, 
membre  de  la  commission  des  monu- 
ments. 


Deux  steles  en  marbre  blanc,  en- 
castre  dans  du  marbre  noir  (est-ce 
bien  \k  du  travail  romain  ?),  ont,  dit-on, 
^t6  trouvdes  en  dc^montant  le  banc 
d'oeuvre  de  T^glise  de  Wervicq  et 
appartiendraient,  croit-on,  k  un  ancien 
temple  de  Mars  de  Tantique  Yiro- 
viacum. 

Que  je  n^oublie  pas  de  dire  an  mot 
d'un  travail  fort  interessant  de  M. 
Favocat  Jottrand,  au  sujet  d'ateliers 
pour  la  confection  de  meules  k  l'aide 
de  pierres  du  pays,  ddcouverts  par  lai 
dans  le  Luxembourg. 

L'auteur  y  parle  de  diffdrents  gise- 
ments  d'arkose  exploitds  pour  meules, 
du  temps  des  Romains,  k  Salm-Chätea» 
(entre  Liemeux,  prov.  Li^ge,  et  Viel- 
salm,  prov.  de  Luxembourg)  ä  Ottr^ 
et  Fraiture  (Bihain,  prov.  de  Laxem- 
bourg),  k  Burtonville  (Vielsalm),  ä 
Docbamps,  Odeigne,  Malemprd  (toiites 
localites  luxembourgeoises),  enfin  i 
Macquenoise  (Hainaut,  voir  supra);  i 
propos  de  ce  demier  gisement  M.  Jot- 
trand rappeile  un  mot  du  professeur 
Gosselet,  dans  son  memoire  sar  FAr- 
denne : 

„Le  prätendu  camp  de  G^sar,  ä 
Macquenoise  etait  an  chantier  oü  les 
Romains  exploitaient  et  travaillaient 
Farkose.  On  y  voit  une  foule  de  trous 
remplis  de  meules,  dont  quelques  lues 
sont  entiäres,  mais  dont  la  pliipart 
sont  brisdes  ou  en  cours  de  travail. 
Les  antiquaircs  y  trouvent  une  mioe 
indpuisable  de  monnaies,  de  statuettes 
et  d'autrcs  objets  de  r^poque. 

NB.  Le  pays  de  Treves  a  eu  aem- 
blable  extraction  de  meules,  au  Hobl- 
lay  (Berdorf,  Gr.  D.  Luxembourg). 


--;.^C-<- 


Berichtigungen. 


1.  S.  263  vorletzte  Zeile  des  Textes  1.  'Aachener  Magistrat'. 

2.  S.  308  Z.  19  von  oben  1.  'Werden'  statt  'Essen'. 


der 

Westdeutschen  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst 

zugleich 

Ovf^wik  der  historisch-antiqaarisehen  Vereine  zu  Birkeufeld,  Düsseldorf,  Frank- 

fart  a.  M.,  Karlsruhe,  Mainz,  Mannheim,  Metz,  Neuss,  Friini,  Speyer,  Strassbur^, 

Trier,  Worms,  sowie  des  antliro|)olo^iKchen  Vereins  zu  Stuttgart. 

ß  e  (11  g  i  e  r  t 

von 

Prof.  F.  Hettner  Dr.  J.  Hansen 

Museums-Director  in  Trier.  Archivar    der    Stadt    Köln. 

Jahrgang  XIV. 


TRIER. 

Yerlag  der  Fr.  Lintz 'sehen  Bachhandlnog. 
1895. 


rm.  u>TZ^^Bi  «r«  ■;>»!*  ckmei  in  TSism. 


Inhalt. 

(Die  Citate  gehen  auf  die  Xummern  des  Korrespondenzblattes.    Die  mit  *  ver- 
sehenen Nummern  beziehen  sich  auf  das  Limcsblatt.) 


Wissfntchaftliche  Miscellanea. 

Borch,  L.  V.,  Freie  Eigenleute  der 
Grundherrschaft  55. 

—  Ergänzung  und  Berichtigung  zu 
1K94  Nr.  10  und  11  104. 

Keussen,  Eine  Kölner  Steinurkunde 
aus  dem  12.  Jhdt.  103. 

Koebl,  Eine  neue  Deutung  der  sog. 
Jupiter-Gigantensäulen  53. 

Körb  er,  Mainzer  römische  Inschrif- 
ten 44. 

Lau,  F.,  Die  erzbischöflichen  Beamten 
in  der  Stadt  Köln  während  des  12. 
Jahrhunderts  II.  54. 

—  Ein  Verzeichnis  der  Kölner  Richer- 
zeche  (9.  Aug.  1389—9.  Aug.  1391) 
zugleich  ein  Beitrag  zur  Ergänzung 
des  „Neuen  Buches"  117. 

Lehn  er,  IL,  Zu  dem  neuen  Monnus- 
mosaik  in  Trier  102. 

Mau^,  H.  C.y  Nochmals  die  hasti- 
feri  64, 

Kiese,  A.,  Zur  Provinzialgescliichte 
des  rumischen  Germaniens  65. 

Schumacher,  K.,  Gewandnadeln  mit 
Fabrikmarke  6. 

W.,  Aufschwörung  des  Herzogs  Franz 
von  Braunschweig  -  GifThom  (1508 
—1546)  für  das  Kölner  Domka- 
pitel 16. 

Praehisiorische  Altertimer. 

Grabhügel  der  Fruh-La  T^nezeit  bei 
Götzingen  105*,  der  jüngeren  Bron- 
zezeit bei  Osterburken  105*,  in  der 
Pfalz  109. 

Höhle  „Heidenofen''  bei  Niederbrom- 
bach 8. 

Neolithische  Steingeräte  Pfalz  75. 

Wall  und  Scherben  bei  Imsing  114*, 
123*. 

RSmische  AltertOmer. 

Bauten. 
Absteinung    an    der   inneren   Linie 

in  Baden  122*,  bei  Fiegenstall  107*. 
Anbauten  am  Kastell  in  Cannstatt 

112*. 
Badeanlage  Baldringen  17. 
Basilika  Aachen  3. 


Begleithüp:el  an  der  inneren  Linie 
in  Baden  122*. 

Brücke  ül»er  den  Neckar  bei  Cann- 
statt 112*. 

Bürgerliche  Niederlassung  beim 
Kastell  Zugmantel  116*. 

canabae  (Lehmbaracken)  bei  ('ann- 
statt  112* 

Cisterne  Baldrin^en  17. 

Durchfahrt  am  Limes  bei  Gundel^- 
halm  106*. 

Einbau  im  Kastell  Cannstatt  112*. 

Erdwohnungen  im  Kastell  Zugman- 
tel 116*. 

Gebäude  der  HO.  Legion  Köln  41. 

Gehöft  bei  Marienhof  bei  Büdesheim 
108*. 

Gräbchen  in  Baden  105*,  an  der 
Mümlinglinie  105*,  am  Schambach - 
thal  114*,  unter  der  via  principalis 
des  Kastells  bei  Hesselbach   120*. 

Grenzsträsslein  am  Limes  Müm- 
linglinie 105*. 

Kanal  Köln  2. 

Kastelle:  Arzbacli-Aujjst  115*,  Bök- 
kingen  110*,  Burgstall  bei  Gunzen- 
hauscn  (Zwischenk.)  106*,  Cannstatt 
112*,  Hainhaus  bei  Würzberg  121*, 
Hesselbach  120* ,  Langendiebach 
(Zwischenk.)  104*,  Okarben  Km*, 
Osterburken  105*,  Uinschbeim  (Zwi- 
schenk.) 105*,  Theilenhofen  113*, 
Zugmantel  116*. 

Keller  Baldringen  17. 

Kolonnenweg  Neckarburken- 
Schlossau  122*. 

Limes  äussere  Linie  Baden  105*, 
Ellingen-Kaldorf  107*,  Grauer  Berg- 
Kemel  116*,  Neckar  -  Mümlinglinie 
105*,  Rinschheim  -  Hönehaus  105*, 
Schambachthal-Donau  114*. 

Mithraeum  Saarburg  i.  L.  108. 

Mosaikböden:  in  Münster  b.  B.  78, 
in  Trier  68,  102. 

Pfahl,  mit  Steinen  verkeilt,  im  Felch- 
bachthal  107*. 

Pfahl  reihe  am  Limes  Ellingen-Kal- 
dorf 107*,  am  Limes  im  Odenwald 
118*. 

Pfeiler  im  Limes  Ellingen-Kaldorf 
107*. 


Porta  decumanaamKaBtcllTlioilon-  1 
hofen  113*. 

Quadratischer   liau    in  Aachen  3. 

Schanze  bei  Irnsing  a.  1).  128*. 

Strasse  hinter  dem  Limes  bei  Gun- 
aenhausen  106*,  Pforzheira-Solitudc 
111*. 

Tempel  des  Juppiter  Dolichenus 
Köln  41. 

Türme:  am  Limes  Kllingen-Kaldorf 
107*,  bei  GundelsUalm  106*,  an  der 
Mümlinglinie  105*. 

Verpfähliing  an  der  Oden waldli nie 
118*. 

Versteinung  in  Baden  105*. 

Villen:  bei  Baldringen  17,  im  Son- 
derteich bei  Tiefenhach  105*,  beim 
Stockbronnerhof  bei  Neckarburkcn 
105*. 

Wachttürme  nördlich  von  Neckar- 
burken 105*. 

Weg  bei  Winnenberg  110. 

Wohngebäude  zw.  Bachenau  und 
Ober-Griesheim  105*. 

Skulptur-  Uiul  Architckturreste. 

Grabsteine:  Gastmahlscenen  Mainz 
44,  Köln  41. 

Götter figuren:  Epona  (oder  rei- 
tende Matrone)  Cannstatt  112*.  Gi- 
ganteiireiter  Schierstein  53.  Mer- 
currelief  Grosskrotzenburg  117*. 
Mithrasrelief  Saarburg  i.  L.  108. 
Nantosuelta  Saarburg  i.  L.  108.  Sol, 
Kolossalbüste,  Saarburg  i.  L.  108. 
Sucellus  Saarburg  i.  L.  108. 

Verschiedenes:  Composita- Kapitell 
Mainz  40.  Gewandfigur,  sitzend, 
Cannstadt  102*.  Mauerdeckel  von 
Hainhaus  b.  Würzberg  121*.  Säule 
Speicher  46.  Skulpturreste  aus  der 
Pfalz  66.  Zinnendeckel  Böckingen 
110*. 

Inschriften. 

Aufschriften:  auf  Brenneisen  Ba- 
den 105*,  auf  Gewandnadeln  6,  Zug- 
mantel 116*.  Graffiti  Mainz  40,  Zug- 
mantel 116*,  auf  Krug  Trier  9,  auf 
Mosaik  Trier  68,  102,  auf  Terra- 
cotta  Baden  105*.  Töpferstempel 
Baden  105*,  Mainz  40,  Zugmantcl 
116*,  auf  Ziegeln  Langendiebach  104*, 
Okarben  109*,  Zugmantel  116*.  Zie- 
gelstempel  Grosskrotzenburg    117*. 

Bauinschriften:  Bonn  80,  Mainz 
40,  44. 

Grabinschriften  von  Civilper- 
sonen:  Bonn  80,  Mainz  40,  Spei 
eher  46,  Trier  69. 


Grabinschriften  von  Militär- 
personen: Mainz  40,  77,  Köln  41. 

Votivinschriften:  an  die  Aufaniae 
und  Tutcia  loci  Mainz  40,  an  Jup- 
piter Grosskrotzenburg  117*,  Köln 
(Dolichenus)  41,  an  Matronen  Bonn 
80,  Köln  1,  an  Mercur  Grosskrotzen- 
burg 117*,  an  Mithras  Saarburg  i.  L. 
108,  au  Nantosuelta  Saarburg  i.  L. 
108,  an  die  Nymphen  Mainz  40,  an 
Sucellus  und  Nantosuelta  Saarbur« 
i.  L.  108,  an  die  Tutelaloci  Mainz  40 

In  sc  h  r i  f t f ragm  en te :  Grosskrotzen- 
burg 117*,  Höhebuckel  119*. 


C  e  n  t  u  r  i  a  e :  Claudi  Secundi  Mainz  77. 
L.  Flavi  Piidentis  Mainz  44.  C.  Porci 
Valentis  Mainz  44.  M.  Sili  Januari 
Mainz  44. 

Cohortes:  IUI  Vindelicorum  Gross- 
krotzenlMirg  117*. 

Legioncs:  I  adiut  Mainz  44,  VIII 
Okarben  109*,  X  g.  p.  f.  Köb  41, 
XIV  Okar!>en  109*  XXI  Okarl»en 
109*,  XXII  pr.  p.  f.  Langendiebach 
104*,  Mainz  40.  77,  Okarben  109*. 
Zugmantel  116*,  XXX  v.  v.  p.  f. 
Köln  41.  Transrhenana  Aachen  3. 
Ulpia  Victrix  Aachen  3. 

Numeri:   Catthar.  Zugmantel  IIB*. 

Notabilia  variu. 
Andangus  40.  Astigi  41.  Aufaniae  40. 
Bemal ung  eines  Reliefs  117*  lienc- 
ticiarius  consularis  40.  Catthar.  116*. 
Gamuxpcrus  40.  hastiferi  41,  64. 
Modestiniana  69.  Nantosuelta  W. 
Niedergermanische  Statthalter  41. 
Papiria  (tribus  von  Astigi)  41.  Su- 
cellus 108.  Trever  69.  Tutela  loci 
40.     Udravarinehae  1. 

Römische  Graber. 
Begräbnisstätte  bei  Winnenberg  HO. 
Gräber  bei  Cannstatt  112*.  Kisten- 
gräber bei  Baldringen  17,  bei  Win- 
nenberg 110.  Sarkophag  aus  Klein- 
Winternheim  44.  Ürnengrab  Gusen- 
bürg  67. 

RömuscJ^e  Kleinaltertümer. 

Glas:  Fensterglas  Baldringen  17, 
Glasreste  Zugmantel  116*. 

Holz:  Pfähle  Limes  Ellingen-Kaldorf 
107*,  im  Odenwald  118*. 

Metall,  Bronze:  Beschlag  Gunzen- 
hauscn  106*,  Zugmantel  116*.  Ge- 
wandnadeln 6,  Gusenburg  67,  Limes 
Ellingen  -  Kaidorf  107*,  Zngniantel 
116*.  Griffe  Zugmantel  116*.  Pferd- 


chen  Okarbcn  109*.  Schale  Bald- 
ringen 17.  Täf eichen  mit  Inschrift 
Grosskrotzenburg  117*. 

Eisen:  Beschläge  Zugmantel  116*. 
Brenneisen  Uinschheim  105*.  Dop- 
haken Zugmantel  116*.  Haken  Gun- 
zcnhausen  106*.  Handwerkszeug  Zug- 
mantel 116*.  Lanzenspitzen  Bald- 
ringen 17,  Zugmantel  116*.  Nägel 
Ziigmantel  116*.  Rasiermesser  Zug- 
mantel 116*. 

Silber:    Ilirschbein  Zugmantel  116*. 

Weissmetall:  Gewandnadel  mit  In- 
schrift Zugmantel  116*. 

Terracotta:  Figur  mit  Fabrikanten- 
inschrift Baden  105*. 

Thon:  Amphorenbruchstücke  Cann- 
statt  112*,  Zugmantel  116*.  Becher 
Cannstatt  112*.  Gefältelte  schwarze 
Geiasse  Zugmantel  116*.  Grabgctasse 
Baldringcn  17,  Gusenburg  67,  Win- 
nenberg  110.  Krug  mit  Aufschrift 
Trier  9.  Krug  Zugmantel  116*. 
Reiter  aus  Pfeifenthon  Zugmantel 
116*.  Schwarze  und  graue  Gefässe 
Okarben  109*.  i^igillata  Cannstatt 
112*,  Okarben  109*,  Zugmantel  116*. 

Fränkische  AltertOmer. 

Gräber  in  Frankfurt  a.  M.  45. 


Bronzemunzen  des  3.  und  4.  Jahrh. 
Pfalz  66,  Saarburg  i.  L.  108.  Münz- 
funde Baldringen  17,  111,  Köln  79. 
Clodius  Albinus  Zugmantel  116*. 
Divus  Augustus  Okarben  109*.  Con- 
stantinus  Köln  79.  Constantinus  jun. 
Köln  79.  Constantius  II  Baldringen 
17,  111,  Köln  79.  Crispus  Köln  79. 
Decentius  Baldringen  17, 111.  Fausta 
Köln  79.  Faustina  Zugmantel  116*. 
Gcta  Zugmantel  116*.  Helena  Köln 
79.  Licinius  Köln  79.  Licinius  iun. 
Köln  79.  Magnentius  Baldringen  17, 
111.  Maxen tius  Köln  79.  Nero  bis 
Traian  Okarben  109*.  Septimius 
Severus  Zugmantel  116*.  Severus 
Alexander  Okarben  109*,  Traianus 
Zugmantel  116*.  Urbs  Constanti- 
nopolis  Köln  79.  ürbs  Roma  Köln  79. 

Fundorte. 

Aachen  3.  Arzbach- Äugst  115*.  Ba- 
den 105*,  122*.  Baldringen  17,  111. 
Böckingen  110*.  Cannstatt  112*. 
Drachenfels  bei  Dürkheim  75.  El- 
lingen 107*.  Frankfurt  a.  M.  45. 
Grosskrotzenburg  117*.  Gunzen- 
hausen  106*.    Gusenburg  67.    Hain- 


haus bei  Würzberg  121*.  Ileidenburg 
bei  Kreimbach  66.  Irnsing  a.  I). 
114*,  123*.  Kaidorf  107*.  Kernel 
116*.  Köln  1,  2,  41,  79,  103. 
Langendiebacli  104*.  Lindeiskopf 
(Pfalz)  76.  Mainz  40,  44,  47.  Ma- 
rienhof (bei  Büdesheim)  l(y8*.  Mittel- 
franken  107*.  Munster  (bei  Bingen) 
78.  Niederbrombach  8.  Obermoschel 
(Pfalz)  109.  Odenwald  118*,  119*, 
120*.  Pfalz  109.  Pforzheim  111*. 
Saarburg  i.  L.  108.  Speicher  46. 
Thcilenhofen  113*.  Trier  9,  68,  69, 
102.    Winnenberg  (Birkenfeld)  110. 

Litteratur. 

Altmann  W.  u.  E.  Bernheim,  Aus- 
gewählte Urkunden  zur  Erläuterung 
der  Verfassungsgeschichte  Deutsch- 
lands im  Mittelalter  61. 

Andreac,  E.  C.  A.,  Geschichte  der 
Jagd  im  Taunus  12. 

Becker,  J.,  Die  Landvögte  des  Elsass 
und  ihre  Wirksamkeit  innerhalb 
eines  Jahrh.  (von  1308—1408)   20. 

Beiträge  zur  Geschichte  vornehmlich 
Kölns  und  der  Rheinlande  48. 

Below,  G.  V.,  Landtagsakten  von 
Jülich-Berg  1400—1610    57. 

Bernheim.  E.,  s.  Altmann. 

Bianchetti,  E.,  I  sepolcreti  di  Or- 
navasso  70. 

Bijdragen  cn  Mededeelingen  van 
het  historiscli  genootschap  te  Ut- 
recht 16.  Bd.  85. 

Böhmer,  H.,  Willigis  von  Mainz  50. 

Bonnardot,  F.,  s.  Wolfram. 

Bonner  Jahrbücher  96.  und  97. 
Heft    80. 

Brüll,  W.,  Chronik  der  Stadt  Düren  97. 

Giemen,  P.,  Die  Kunstdenkmäler  der 
Städte  Barmen,  Elberfeld  etc.   29. 

Cumont,  F.,  Textes  et  monuments 
fiffurcs  relatifs  aux  mysteres  de 
Mithra  15. 

Decker,  A.,  Die  Hildeboldsche  Ma- 
nuskriptensammlung des  Kölner 
Doms  95. 

De  Jonge,  W.  F.,  De Mercurius Gallo- 
Belgicus  (1592—1625)    62. 

Dopsch,  A.,  s.  Frhr.  von  Schwind. 

Ehren berg,  Hamburg  und  England 
im  Zeitalter  der  Königin  Elisa- 
beth 114. 

Finot,  S.,  Inventaire  sommaire  des 
archives  departementales,  departe- 
ment  du  Nord  8.  Bd.  86. 

Franz,  Ostfriesland  und  die  Nieder- 
lande zur  Zeit  der  Regentschaft 
Albas  (1568—1573)    113. 


Fundberichte  aus  Schwaben  Jahr- 
gang II    42. 

Gothein,  E.,  Bilder  aus  der  Kultur- 
geschichte der  Pfalz  nach  dem 
dreissigjährigen  Kriege  11. 

—  Ignatius  von  Loyola  und  die  Gegen- 
reformation 101. 

Ileyd.  W.,  Bibliographie  der  Würt- 
tembergischen Geschichte  22. 

Iloeniger,  Kölner  Schreinsurkun- 
den 28. 

Jansen,  M.,  Die  Hersogsgewalt  der 
Erzbischöfe  von  Köln  in  Westfa- 
len 88. 

Kaufmann,  Die  Entstehung  der  Stadt 
Mühlhausen  und  ihre  Entwickelung 
zur  Reichsstadt  21. 

Keutgen,  F.,  Untersuchungen  über 
den  Ursprung  der  deutschen  Stadt- 
verfassung 49. 

Kisa,  A.,  Die  Externsteine  81. 

Knipschaar,  K.,  Kurfürst  Philipp 
Christoph  von  Trier  und  seine  Be- 
ziehungen zu  Frankreich  58. 

Kohler  S.  und  E.  Liesegang,  Über 
Eutäusseriing  u.  zukünftigen  Rechts- 
erwerb 51. 

Kondakow,  N.,  Geschichte  und  Denk- 
mäler des  byzantischen  Zellen- 
Emails  4. 

Krilmer,  F.  L.,  Lettres  de  Pierre  de 
Grot  60. 

Küch,  F.,  Düsseldorfer  Schöffensie- 
gel 59. 

Küntzel,  G.,  Über  die  Verwaltung 
des  Mass-  und  Gewichtswesens  in 
Deutschland  während  des  Mittel- 
alters 32. 

Lehner,  H.,  Vorgeschichtliche  Grab- 
hügel in  der  Eifel  und  im  Hoch- 
wald 26. 

Levy,  L.  und  H.  Luckenbach,  Das 
forum  Romanum  der  Kaiserzeit  81. 

Liesegang,  E.,  s.  Kohler. 

Lindenschmit,  L.,  Die  Altertümer 
unserer  heidnischen  Vorzeit  24. 

Luckenbach,  H.,  s.  Levy. 

Ludwig,  Th.,  Die  Konstanzer  Ge- 
schichtsschreibung bis  zum  18.  Jahr- 
hundert 19. 

Maag,  R.,  Das  Habsburgische  Urbar  18. 

Maassen,  G.  H.  Gh.,  Geschichte  der 
Pfarreien  des  Dekanats  Bonn  13. 

Mallinckrodt,G.,  Dortmunder  Rats- 
linie seit  dem  Jahre  1500    99. 

M  e  h  1  i  s ,  C. ,  Der  Drachenfels  bei  Dürk- 
heim  a.  d.  H.  93. 

Moldenhauer,  Fr.,  Geschichte  des 
höheren  Schulwesens  der  Rhein- 
provinz unter  preuss.  Regierung  96. 


Muller,  S.,  Rechtsboek  van  den  Dom 

van  Utrecht  89. 
Norrenberg,  P.,   Die  hl.  Irmgardis 

von  Süchteln  27. 
Oorkondenboek   van  Groningen  en 

en  Drenthe  52. 
Pirenne,  H.,  L'origine  des  constitu- 

tiones  urbaines  au  moyen-äge  1(X). 
Redlich,  ().,  Eine  Wiener  Briefsamm- 

lung  5. 

Reh  nie,  Das  Lübecker  Ober -Stadi- 
buch 115. 

Ritter,  F.,  Katalog  der  StadtbihHo- 
thek  in  Köln  14. 

Schäfer,  D.,  Württembergische  Ge- 
schichtsquellen 23. 

Schäfer,  K.,  Die  älteste  Bauperiode 
des  Münsters  zu  Freiburg  LB.  71. 

Scheins,  M.,  Urkundliclie  Beiträge 
zur  Geschiclite  der  Stadt  Münster- 
eifel  und  ilirer  Umgebung  1.  Bd. 
2.  Hälfte    90. 

S  c  h  r  0  e  d e  r ,  R.,  Fränkische  Rechte  ^7. 

Schulteis,  K.,  Geschichtlicher  Atlas 
der  Rheinprovinz  57. 

Schwind,  Frhr.  v.  und  A.  Dopscli, 
i  Ausgewählte  Urkunden  zur  Ver- 
'  fassungsgeschichte  der  deutsch- 
I  österreichischen  Erblande  im  Mit- 
I       telalter  94. 

j  Stein,  W.,  Akten  zur  Geschichte  der 

'       Verfassung    und    Verwaltung   der 

Stadt  Köln  im  14.  u.  15.  Jahrb.  57. 

IStüve,  C,  Iburger  Klosterannalen  DK 

V  0  g  t ,  G. ,  Bischof  Bertram  von  Metz  116. 

Weiland,  L.,  Fragment  einer  nieder- 
rheinischen  Papst-  und  Kaiserchro- 
nik aus  dem  Anfang  des  14.  Jahr- 
hunderts   30. 

Westdeutsche  Zeitschrift  XIV. 
Bd.    112. 

Wintterlin,  A.,  Württembergische 
Künstler  in  Lebensbildern  10. 

Wolfram,  G.  und  F.  Bonnardot, 
Les  voeux  de  l'epcrvier  84. 

Württembergisches  Urkunden- 
buch  6.  Bd.    43. 

Mittelalterliche  und  spätere  Gegenständ«. 

Bauten  in  Aaclien  3.  Byzantinischer 
Zellenschmelz  4.  Fingelgemälde  der 
westfälischen  Schule  im  Dom  zu 
Köln  47.  Gefass  (Karolingisch)  Cann- 
statt  112*,  Lindeiskopf  in  der  Pfak 
76.  Pfalz  (Karolingische)  in  Nvm- 
wegen  34.  Steinurkunde  aus  dem 
12.  Jahrhundert  in  Köln  103.  Ver- 
zeichnis der  Kölner  Richerzeehe  117. 


Varia. 

Grundsätze,  welche  bei  der  Herausgabe 
von  Aktenstücken  zur  neueren  Ge- 
schichte zu  befolgen  sind  83. 

Gelehrte  Gesellschaften  und  Vereine. 

Badische  historische  Kommission  7. 
Historische  Kommission  bei  der  kgl. 
bayrischen  Akademie  der  Wissen- 
schaften 72.  Frankfurter  Historiker- 
tag 83.  Gesamtverein  der  deutschen 
Geschichts-  und  Altertums  vereine 
82.  Konferenzen  von  Vertretern 
landesgeschichtlich  cl*  Publikationsin- 
stitute 56.  Monumenta  Germaniae 
historica  63.  Gesellschaft  für  rhei- 
nische Geschichtskunde  35,  57. 

Berichterstatter  und  Mitarbeiter. 

Anthes  118*,  119*.  Back  8,  110. 
Borch,  V.  55, 104.  Braun  71.  Eidam 
106*,  113*.  Eilers  36.  Fink  114*. 
fl.  13.  Hettner  16,  46.  Jacobi  116*. 
Kapff  112*.  Kelleter  3.  18,  31,  59, 
«9.  Kcuffer  10.  Keussen  as,  51, 
103.  Kg.  88.  Kisa  1,  2,  41.  Kn. 
27,  29.  Knipping  5,  14,  30,  32, 50, 52. 
Kochl  53.  Körber  40,  44,  77.  Kof- 
ier 108*,  120*,  121*.  Kohl  107*. 
Lachenmaier  111*.  Lau  54,  62.  100, 
117.  Lehner  9,  17,  24,  26,  67,  68, 
69,  80,  81,  93,  102,  111.    Maud  64. 


Mehlis  75,  76,  109.  Metüer  110*. 
n.  58,  97,  98,  99,  113, 114,  115, 116. 
P.  34.  Riese  45,  65.  Schumacher 
6,  70,  105*,  122*.  Soldan  118*. 
Stedtfeld79.  W.  12,  46,  25,  Weber 
4.  Wendling  108.  Winkelmann  43. 
WolflF  104*,  109*,  117*.  Zange- 
meister 123*. 

Vereintnachrichten 

unter  Bedaktion  der  Vereinsvorstftnde. 

Birkenfeld  36,  91.  Vorträge  von  Back 
und  Kadern  ach  er  36.  General- 
versammlung 91.  Back:  Vereins- 
bericht 91,  Altburg  91.  Werner: 
Idarer  Kirche  91. 

Frawit/iiW  a.  3f.  37,  105,  106,  v.  Na- 
thusius-Neinstedt:  Über  Ver- 
sammlung in  Konstanz  105.  Jung 
und  Wolff:  Nikolaikirche  106. 

Prüm  38,  92,  107.  Vorträge  von 
Asbach,  Hertkens,  Rader- 
macher, Schrader  38.  Gene- 
ralversammlung 92.  Asbach: 
Münzen  92,  hortulus  animae  107. 
Donsbach:  Römische  Altertümer 
zu  Breitfeld  107.  H  e  b  1  e  r :  Kloster 
Himmerode  92.  Radermacher: 
Ortsnamen  92. 

Trier  73,  74,  118.  Hauptversammlung 
118.  L  c  h  n  e  r :  Muscumsbericht  1 18. 
Müller:  Mithraeum  von  Schwarz- 
erden 118. 


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VoirSflilMlit  ■.  RSrntoclM  Z«tt 

r«digi«rt  Ton 

f f«f .  Hcttnar  o.  Dr.  Lehiitr, 

Trl«r. 


Iimtlalttr  mtf  I 

r«diglart  Ton 

▲rohlTM  Dr.  Hftnttn, 

KMn. 


der 


Westdeutschen  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst, 

n^leieh  Orghu  der  historiBeh-antiqnarisehen  Vereine  zn  Birkenfeld,  Diweldorf,  Frank- 
furt a.  IL,  Karlsrnhe,  Maine,  Mannheim,  Mets,  NenM,  Prüm,  Speyer,  Strassbnrf;, 
Trier,  Worns,  gowie  des  anthropologischen  Vereins  ni  Stnttgart. 


JanuaT  n.  Febr.    Jahrgang  XIY,  Nr.  1  u.  2. 


1895 


Dm  KorrMpond«iuibl»tt  tnohaiat  in  «Intr  Auflag«  Ton  44MM>  Bx«mplAr«n.    InMrato  4  86  Pfg.  Ar  dl« 

g«sp«lt«n«  Z«U«  w«rd«ii  tob  der  y«rl«gth«ndliiiig  und  «ll«n  In««r»t«a-Biu«*a«  aiig«aoiiim«n,  B«ilag«& 

nach  U«b«r«iiikimtt.  ~  Dl«  Z«it«cbrin  «nob«lnt  Tl«rt«]JihTllch,  dM  Korr««poiid«ii«bUtt  monatUoh.  -~ 

Abo]m«m«ntaprei«  15  Mark  für  di«  Z«it«chrlft  mit  Korr««pond«iublatt|  für  l«tBt«r«i  allain  5  ICark. 

1^  Beiirftg«  für  dl«  ▼orrOmlsoh«  und  rOmlsoh«  AbtoUnng  «lud  an  Dr.  L«hn«r  (Trier,  ProTinBlaliiiiu«iun>, 
far  MitUlaltor  und  K«aB«lt  an  Dr.  HaiMtn  (KOln,  BtodtarchlT)  an  •«nd«n. 


Neue  Funde. 

1.  KQIn.  [Matronensiein.]  In  der  Maseo- 
graphie  der  Westd.  Ztschr.  1894  p.  314 
habe  ich  unter  „Museum  Wallraf-Richartz^ 
die  Inschrift  eines  neu  aufgefundenen  Ma- 
tronensteines ohne  Einhaltung  der  Zeilen- 
verteilung des  Originales  angeführt.  Sie 
soll  lauten: 

M  A   T  R  o    1^   sj 

VDRAVARINlj 

his-ivLa  PRISC 
F'ALLVA'V-S«L'm|| 

Der  Endbuchstabe  der  zweiten  Zeile 
steht  hart  an  der  Kante  des  Steines,  die 
etwas  bestossen  ist.  Gleichwohl  lassen  die 
längeren  Apices  annehmen,  dass  hier  an- 
statt des  I  ein  E  gemeint  war,  zu  dessen 
Ausführung  der  Raum  nicht  mehr  reichte. 
Der  Beiname  der  Göttinnen  hatte  demnach 
die  übliche  Endung  -EHAE.  Kisa. 

Z      Köln.     [Der  Kanal   in  der  Budengatse.] 

Der  jetzige  Besitzer  des  Gasthauses  „zum 
Römer^  hat  durch  Anlage  einer  elektri- 
schen Beleuchtung  und  Verbesserung  des 
Zuganges  aufs  neue  die  Aufmerksamkeit 
auf  den  bereits  seit  1830  bekannten  be- 
deutsamen Überrest  römischer  Tiefbau- 
kunst gelenkt;  es  erscheint  daher  ange- 
zeigt, die  früheren  Mitteilungen  über  den- 
selben einer  Prüfung  zu  unterziehen.  Die 
von  Schwörbel  und  Mertz  im  Bonn.  Jahrb. 
86  und  90  gegebenen,  auf  Aufnahmen  des 
Tiefbauamtes  beruhenden  Messungen  sind 


richtig,  irrtümlich  jedoch  die  Ansicht,  dass 
die  Tuffsteine  zum  Teile  Spuren  Ton  frühe- 
rer anderweitiger  Verwendung  zeigen.  Die 
horizontal  am  Fusse  der  Wölbung  einge- 
hauene und  später  mit  kleinen  Tuffsteinen 
ausgestopfte  Rinne,  auf  die  sich  Schwörbel 
beruft,  ist  nämlich  ganz  modernen  Ur- 
sprunges, erst  in  den  letzten  Jahren  zu 
Beleuchtungszwecken  angelegt  und  nachher, 
als  sie  sich  überflüssig  erwies,  wieder  aus- 
gefüllt worden.  Die  sonst  recht  eingehende 
Beschreibang  des  „Römerganges^  durch 
Mertz  lässt  ein  wesentliches  Moment  ver- 
missen. Er  übersieht,  dass  sich  in  ihm  zwei 
Teile  von  verschiedener  Höhe  absondern, 
ein  kürzerer  und  höherer  nach  0.,  ein 
längerer  und  niedrigerer  nach  W.,  von 
welchen  der  erstere  zugleich  älter  und 
solider  gebaut  ersscheint  als  seine  Fort- 
setzung. In  der  Wölbung  ist  der  Ansatz 
der  beiden  Teile  unvermittelt.  Hier  hat 
früher,  als  der  Kanal  noch  zu  Bierkellem 
benutzt  wurde,  ein  Durchbruch  stattge- 
funden, der  jetzt  durch  Ziegel  vermauert 
ist  und  wahrscheinlich  durch  einen  senk- 
recht aufsteigenden  Schacht  veranlasst  wor- 
den war,  der  in  das  frühere  westliche  Ende 
des  älteren  Teiles  einmündete.  Im  jünge- 
ren Teile  sind  noch  zwei  solcher  Schachte 
erhalten,  sonst  scheint  die  Wölbung  überall 
die  alte  und  nirgends  durchbrochen  zu 
sein.  Seh.  und  M.  berichten  dagegen  von 
„mehreren  viereckigen  Licht-  und  Luft- 
Bchachten   in  regelmässigen  Zwischen räu- 


—    3    — 

men^.  Der  grössere  der  beiden  Schachte 
ist  bei  einer  Breite  von  ca.  80  cm  im 
Quadrat  bis  zur  Höhe  Ton  3,20  m  aus 
Tuffsteinquadem  aufgemauert,  an  die  sich 
dann  bis  unter  das  Strassenpflaster  eine 
moderne  Ziegelmauerung  schliesst.  Die 
Sohle  des  Kanales  liegt  an  dieser  Stelle 
ca.  9,40  m  unter  dem  jetzigen  Pflaster,  die 
Höhe  desselben  bis  zum  Scheitel  der  Ka- 
nalwölbung beträgt  2,40  m,  so  dass  also 
die  obere  Öffnung  des  Schachtes  noch 
3,80  m  unter  dem  jetzigen  Strassenpflaster 
bleibt.  Das  Terrain  hat  in  diesem  Stadt- 
teil seit  der  Römerzeit  eine  Erhöhung  Yon 
2  m  erfahren,  wenigstens  gilt  dies  nach 
▼.  Veit,  Das  römische  Köln,  für  die  Hoch- 
strasse. Es  ist  anzunehmen,  dass  der 
Schacht  ursprünglich  höher  war  und  bis 
an  die  Erdoberfläche  reichte ;  bei  späteren 
Strassenarbeiten  könnte  der  obere  Tuff- 
steinrand zerstört  worden  sein.  Während 
sich  in  diesem  Schachte  ein  Mann  frei  be- 
wegen kann,  ist  der  zweite  weiter  nach 
Westen  gelegene  sehr  eng,  im  Tuffmauer- 
werke bloss  1,70  m  hoch  und  offenbar 
zu  einem  anderen  Zwecke  bestimmt.  Luft- 
und  Lichtschachte  waren  ursprünglich 
weder  der  eine  noch  der  andere,  ihre  Be- 
stimmung wird  vielmehr  dann  klar,  wenn 
man  den  Bau  nicht  als  eine  fortifikatorische 
Anlage,  sondern  ähnlich  wie  frühere  Be- 
obachter als  einen  Teil  der  römischen 
Kanalisation  betrachtet,  als  einen  grossen, 
nach  dem  Rheine  führenden  Abflusskanal. 
Diese  Auffassung  wird  durch  gute  Gründe 
unterstützt.  Vor  allem  durch  die  Form 
der  Wölbung  und  der  Seitenmauern,  die 
teilweise  nach  oben  auseinandergehen,  die 
Verhältnisse  von  Höhe  und  Breite  und 
namentlich  durch  das  Gefälle.  Es  ist  nicht 
ganz  gleichmässig,  im  westlichen  Teile 
grösser,  im  östlichen  geringer,  im  Ganzen 
wie  1:130;  für  einen  Wehrgang  wäre  es 
zu  stark,  für  einen  Kanal  ist  es  jedoch 
ganz  normal.  (Im  Eifelkanal  beträgt  das 
Gefälle  durchschnittlich  1 :  245,  das  Maxi- 
mum 1 :  11,  das  Minimum  1 :  7500.  Vgl. 
Maassen,  Ann.  des  bist.  V.  f.  d.  Nieder- 
rhein 37,  74).  Man  hört  hie  und  da  den 
Einwand,  dass  die  Ausführung  der  Wan- 
dungen in  Tuff  anstatt  des  sonst  üblichen 
wasserdichten  Betons  für  einen  Kanal  un- 


—    4    — 

geeignet  sei.  Dabei  überschätzt  man  aber 
die  Porosität  des  Tuffisteins  und  übersieht 
die  ungewöhnliche  Dicke  der  Wandung 
von  1,12  m,  welche  einen  Betonbelag  über- 
flüssig erscheinen  Hess.  Dagegen  ist  die 
Sohle  des  Ganges,  welche  von  grossen, 
40  cm  dicken  Tnffplatten  gebildet  vird^ 
durch  eine  Unterlage  von  Beton  wasser- 
dicht gemacht,  ein  Umstand,  der  Mertz 
entgangen  ist.  Die  Tuffplatten  des  Bodens 
weisen  zahlreiche  rechteckige  Ausschnitte 
in  ihrer  ganzen  Dicke  auf,  die  erst  in 
neuerer  Zeit  zugeplattet  wurden.  M.  weist 
ihnen  die  Aufgabe  zu,  „das  vom  Rheine 
her  eindringende  Wasser  rasch  verschlin- 
gen zu  lassen '^  und  so  den  Gang  trocken 
zu  halten.  Es  ist  auffallend,  wie  ein  Bau- 
meister auf  eine  so  gesuchte  Erklärung 
verfallen  kann,  während  ihm  die  Praxis 
noch  heutzutage  eine  viel  einfachere  zur 
Verfügung  stellt.  Die  wasserdichte  Beton- 
schichte müsste  das  Verschlingen  des 
Wassers  vereitelt  und  anstatt  den  Gang 
zu  trocknen  in  ihm  vielmehr  zahlreiche 
40  cm  tiefe  Wasserreservoirs  geschaffen 
haben.  Ich  ersuche  Herrn  M.  und  aUe 
sonstigen  Anhänger  der  Wehrgang-Theorie 
im  Geiste  die  römischen  Soldaten  zu  be- 
gleiten, die  im  Dunkel  diesen  Gang  auf- 
und  abpatrouillierten.  Die  meines  Wissens 
von  ihm  zuerst  hervorgehobenen  Aus- 
schnitte in  der  Sohle  sind  vielmehr  spre- 
chende Zeugen  gegen  die  RicJitigkeit  sei- 
ner Erklärung.  Noch  heute  werden  in 
Abflusskanälen  Vertiefungen  angebracht, 
in  welchen  sich  der  gröbere  Unrat  sammeh, 
damit  durch  ihn  nicht  Störungen  im  Abflüsse 
hervorgebracht  werden.  Sie  sind  keine  mo- 
derne Erfindung.  Die  Ausschnitte  in  den 
Platten  der  Sohle  haben  denselben  Zwecke 
es  sind  sog.  Schlammbehälter.  Sie  konnten, 
wenn  der  Zufluss  zum  Kanäle  zeitweilig 
unterbrochen  wurde,  wie  bei  unseren  mo- 
dernen Kanälen  leicht  gereinigt  werden. 
Den  Zugang  zu  ihnen  ermöglichte  der 
grosse  quadratische  Schacht,  während  der 
kleinere  und  niedrigere  im  Vereine  mit 
dem  dritten,  jetzt  zerstörten  Schachte  die 
Abflusswässer  des  darüb  erliegenden  Kanal- 
netzes auffing.  Seh.  und  M.  erklären, 
es  fänden  sich  keine  Spuren  bewegten 
Wassers  in  dem  Gange.    Zugleich  wisen 


—    5    — 

Beide   zu  berichten,   dass  der  Gang   bei 
seiner  Entdeckung  1830  bis  an  den  Schlass 
des  Gewölbes  mit  Lett,  Flusssand,  Eies 
und  Bauschutt  angefüllt  war.     Es   muss 
also  doch  fliessendes  Wasser  eingedrungen 
sein,   besser  gesagt  Flusswasser,   welches 
Flusssand  und  Kies  absetzte.    Doch  dies 
sei  nur  nebenbei  bemerkt,  denn  damit  allein 
ist  zwar  eine  Verbindung  des  Ganges  mit 
dem   Rheine,    bez.    dem   Wallgraben   er- 
wiesen, aber  nicht  zugleich  auch  die  Be- 
nützung als  Abflusskanal.    Der  Mangel  an 
Sinterbildung  würde  nichts  beweisen.   Die 
Reinigung  des  Eanales  nach  seiner  Ent- 
deckung wird  eine  so  gründliche  gewesen 
sein  müssen,  dass  auch  die  Wandung  nicht 
intakt  bleiben  konnte.    Die  an  der  Wöl- 
bung an  yielen  Stellen  auftretende  Sinterbil- 
dung ist  erst  nach  der  Reinigung  des  Ea- 
nales i.  J.  1830  durch  Sickerwasser  hervor- 
gerufen und  kommt  hier  nicht  in  Betracht. 
Bedeutendere  Ablagerungen  davon  an  der 
Sohle,    wie    etwa  im   oberen  Laufe   des 
Eifelkanales,    können   hier  nicht  stattge- 
funden haben;   einerseits  sind  hiezu  die 
Dimensionen  des  Eanales  zu  gross,  ande- 
rerseits hat  das  Wasser  des  Eanales  in 
seinem  unteren  Laufe  nur  geringen  Ealkge- 
halt,  welcher  überdies  durch  die  Filtrierung 
in  der  Piscina  am  Weyerthor,  durch  die  Ver- 
teilang  in  kleine  Kanäle,  namentlich  aber 
durch  die  Benützung  des  Wassers  auf  ein 
Minimum  reduziert  werden  musste.    Selbst 
in  den  Bleirohren  der  Wasserleitung  unter 
dem   Dom,   die  nur   75  mm  Dm.   haben, 
fand   sich   nur   geringe   Sinterablagerung. 
—  Ein  weiterer  Beweis  für  die  Richtigkeit 
der  Ansicht,   dass  der  Bau  keine  verein- 
zelte  militärische  Anlage,   sondern  einen 
Teil    des  römischen  Kanalisationssystems 
darstelle,   ergiebt  der  Vergleich  desselben 
mit    dem  1862   unter   dem  Hause  Hoch- 
strasse Nr.  43  zum  Vorschein  gekomme- 
nen   Kanäle.     Derselbe  hat  fast   gleiche 
Dimensionen  und  Tiefe  und  verläuft  parallel 
mit  dem  Kanal  der  Budengasse  in  direkter 
Richtung  von  0.  nach  W.  durch  das  Ero- 
nengässchen  gegen  den  Rhein.  Vom  Westen 
der  Stadt  her  führt  zu  ihm  in  Fortsetzung 
derselben  Richtung  die  Hürther  Wasser- 
leitnng  über  den  Neumarkt  und  die  Gäci- 
lienstrasse.    Nebenkanäle  kamen  von  den 


—    6    — 

vier  Winden  und  der  Stemengasse  her. 
Für  den  Kanal  der  Budengasse  ist  bisher 
noch  kein  gleichartiger,  das  römische  Köln 
in  seiner  nördlichen  Hälfte  durchsetzender 
Zufluss  festgestellt,  wohl  aber  werden  die 
Wasserleitungen  der  Herzogstrasse  und  des 
Domes  mit  ihm  in  Verbindung  zu  bringen 
sein.  Die  demnächst  zu  erwartende  Neu- 
bearbeitung der  Topographie  des  römischen 
Kölns  wird  darüber  wohl  die  wünschens- 
werte Aufklärung  bringen.  Aber  schon 
heute  können  wir  sagen,  dass  die  beiden, 
von  der  jetzigen  Hochstrasse  ab  parallel 
von  0.  nach  W.  nach  dem  Rhein  leiten- 
den grossen  Eanäle  des  Kronengässchens 
und  der  Budengasse  die  Hauptabflüsse  für 
das  verzweigte  Netz  der  römischen  Kana- 
lisation bildeten.  Ob  der  Kanal  der  Buden- 
gasse mit  seiner  jüngeren  Verlängerung 
unter  der  Hochstrasse  sein  westliches  Ende 
erreicht  hat,  ist  noch  nicht  festgestellt, 
aber  wahrscheinlich.  Wenigstens  sollen 
die  Nachgrabungen,  die  1831  in  westlicher 
Richtung  48  Fuss  weit  fortgesetzt  wurden, 
resultatlos  geblieben  sein.  Dagegen  ist 
seine  Fortsetzung  nach  dem  Rheine  zu 
bis  an  die  Ecke  Bürgergasse-Altermarkt, 
also  bis  in  unmittelbare  Nähe  der  römischen 
Stadtmauer  erwiesen,  seine  Verbindung 
mit  dem  Strome  bez.  den  Wallgraben  durch 
den  bei  seiner  Aufdeckung  1830  massen- 
haft vorgefundenen  Flusssand. 

Der  einzige  positive  Beweis,  den  man 
für  die  Erklärung  des  Bauwerkes  als 
Wehrgang  versucht  hat,  die  quadratischen 
Öffnungen  der  Sohle,  ist  verfehlt.  Die  üb- 
rigen Beweise  sind  negativer  Natur  und 
gleichfalls  haltlos.  Die  Erklärung  ist  mit 
allem,  was  wir  über  römisches  Befestigungs- 
wesen wissen,  unvereinbar  und  vielleicht 
durch  gewisse  romantische  Vorstellungen 
von  geheimen  unterirdischen  Gängen  be- 
einflusst,  die  zwar  für  das  Mittelalter 
passen,  aber  der  Antike  fremd  sind.  Hoffent- 
lich kehrt  man  nun  allgemein  zu  der  frühe- 
ren richtigen,  wenn  auch  vielleicht  weniger 
poetischen  Anschauung  zurück.       Kisa. 

Vorkaroiingltche  Bauten  zu  Aachen.    Auf  3^ 
dem   alten  Katschhofe   zu  Aachen,    dem 
jetzigen  Chorusplatze  (zwischen  der  Krö- 
nungskirche und  dem  Rathanse  gelegen) 
sind  unlängst  die  Überreste  zweier  älterer 


—    7    — 


—    8    — 


Bauanlagen  aufgedeckt  worden.  Sie  be- 
stehen in  umfangreichen  auf  derselben 
Stelle  Torfindlichen  Grundmauerungen, 
welche  zwei  verschiedene  Zeitabschnitte 
der  römischen  Niederlassung  in  Aachen 
bezeugen  ^). 

Nach  den  vorgefundenen  Stempeln  der 
Legio  Ulpia  Victrix*;  zu  urteilen,  ist  die 
ältere  tiefer  gelegene  Fundamentierung 
dem  2.  Jahrhundert  angehürig,  die  zweite 
dagegen  ist  als  Rest*  einer  alten  Basilika 
anzusehen  und,  weil  viel  höher  gelegen, 
füglich  noch  dem  4.  Jahrh.  unsrer  Zeit- 
rechnung zuzuschreiben. 

Anscheinend  umschlossen  die  älteren 
Grundmauern  ein  grosses  Quadrat,  dessen 
Ecken  nach  den  vier  Himmelsrichtungen 
lagen.  Mit  Sicherheit  ist  die  Richtung 
zweier  Seiten  dieses  Quadrates  zu  bestim- 
men; für  die  dritte  Seite  Nord -Ost  ist 
eine  Andeutung  in  früheren  Funden  vor- 
handen. Gegenwärtig  liegen  West-  und 
Nordecke  des  Vierecks  aul  dem  Chorus- 
platze selbst  2 — 3  Meter  unter  dem 
Strassenniveau,  die  Ostecke  muss  sehr  ge- 
litten haben,  wenn  nicht  vollständig  zer- 
stört worden  sein,  bei  der  vor  beiläufig  2 
Dezennien  erfolgten  Errichtung  von  Neu- 
bauten auf  der  unteren  östlichen  Seite  des 
Platzes;  die  Südecke  ist  durch  den  nörd- 
lichen Anbau  des  Münsters  bedeckt  und 
unzugänglich  gemacht  worden.  In  der  zur 
Zeit  freigelegten  Westecke  befindet  sich 
ein  mächtiges  Hypokaustum,  welches  nach 
aussen  durch  zwei  parallel  stehende  Mauer- 
winkel abgeschlossen  wird.  Im  innersten 
dieser  Winkel  zeigt  ein  in  gerader  Linie 
verlaufender  Absatz  die  Höhe  der  Sus- 
pensura  des  Hypokaustum  bezw.  die  Tiefe 
des  über  der  Heizanlage  befindlich  gewe- 
senen Pavimentes  an.  Welche  Bestimmung 
die  ältere  Anlage  in  ihrer  Gesamtheit  hatte, 
ist  zweifelhaft.  Genaue  Grabungen  können 
da  am  ersten  zu  festen  Thatsachen  führen. 
Es  scheint  nicht,  dass  man  Thermenreste 
vor  sich  hat,  obschon  Teile  römischer 
Bäder  in  der  Nähe  nachgewiesen  sind. 


1)  Herr  Architekt  Th.  CoBsmann  jr.  in  Aachen 
hat  sehr  gute  photographiBche  Aufnahmen  einzel- 
ner Phasen  der  Ausgrabungen  hergestellt. 

2)  Gefl.  Mitteilung  des  Herrn  R.  Pick,  Stadt- 
arohivar«  in  Aachen. 


Als  man  zu  Anfang  der  80er  Jahre  die 
an  der  Ost-  und  Südseite  des  Chomsplatzes 
stehenden  alten  Häuser  entfernte,  stiess 
man  auf  Reste  von  Römermauerwerk  nnd 
fand  Ziegel  der  legio  transrhenaoa  *).  Unter 
anderm  kamen  dabei  auch  eigentümliche 
Rundpfeüer  aus  römischen  Formziegeln 
bestehend  zu  Tage,  von  denen  einer  glück- 
licherweise in  situ  erhalten  geblieben  ist 
Etwas  zurechtgestutzt,  jedoch  immer  noch 
nicht  mit  einem  schützenden  Gitter  ver- 
sehen, steht  dieser  Pfeiler  heute  aaf  dem 
neuen  zwischen  Krämerstrasse  und  Choros- 
platz  angelegten  Durchgang.  Ehemals  aber 
gehörte  diese  nun  vereinzelt  dastehende 
Säule  zu  jener  zweiten,  jüngeren  Bauaalage 
aus  der  Römerzeit,  zu  der  bereits  genann- 
ten Basilika. 

Die  Basilika  selbst  liegt  mit  ihrer  Sohle 
bedeutend  höher  als  die  Um&ssungsmaaem 
der  älteren  Viereckanlage.  Ihre  mit  Aus- 
nahme der  Südmauer  rings  erhaltenen 
Aussenmauem  stellen  das  herkömmliche 
Rechteck  mit  apsidenförmigem  Abschluss 
vor ;  auifallenderweise  ist  die  Basilika  nickt 
orientiert,  sondern  steht  mit  der  Apas 
nach  Norden,  diagonal  zum  älteren  Vier- 
eck gerichtet,  gleichsam  als  ob  die  Aussen- 
mauem des  letzteren  als  Schutz  und  Wehr 
für  die  jüngere  Anlage  hätten  dienen 
müssen.  Man  darf  in  dieser  Basilika  viel- 
leicht die  älteste  Kirche  Aachens  erblicken 
und  aus  ihrer  Ausdehnung  auf  eine  surke 
Bevölkerung  des  Ortes  in  den  letzten  Tagen 
der  Römerherrschaft  am  Rhein  schliesseiL 
Soweit  die  westliche  Aussenmauer  erhal- 
ten ist,  bildet  sie  mit  der  Apsis  zusammen 
24  Meter  laufendes  Mauerwerk.  Die  lichte 
Breite  zwischen  der  westlichen  und  öst-  j 
liehen  Abschlussmauer  des  Langhauses  be- 
trägt 13,25  Meter. 

Der  oben  bezeichnete  Randpfeiler  steht  i 
nun  innerhalb  der  beiden  Aussenmauem, 
und  zwar  etwa  3,35  Meter  von  der  öst-  j 
liehen  entfernt.  Die  Visierlinie,  welche 
durch  die  Westkante  der  Pfeilerbasis  ge- 
legt, parallel  den  Aussenmauem,  nach  dem 
nördlichen  Abschluss  der  Basilika  gerich- 
tet wird,  trifft  ungefähr  die  Westkante 
des    Portalabschlusses    der   Apsis;   somit 

8)  Vgl.  Zeitschr.  des  Aachener  GeichichtsTer* 
eins  YU  S.  159. 


—    9    — 


—    10 


ist  der  Pfeiler  als  Teil  des  innern  Stützen- 
systems der  Basilika  selbst  anzusehen  und 
zwar  als  einer  der  unteren  Pfeiler  der 
östlichen  Beihe.  Übrigens  sollen  in  ent- 
sprechenden Zwischenräumen  auf  derselben 
Linie  auch  noch  Reste  der  anderen  Ost- 
pfeiler nachzuweisen  sein. 

Die  Fundamente  der  Basilika  zeigen 
allerwärts,  soweit  dieselben  bisher  freige- 
legt wurden,  besondere  Vorsieh tsmassre- 
geln,  die  auf  Festigkeit  und  Widerstands- 
fähigkeit des  Ganzen  berechnet  sind.  Wenn 
zum  Beispiel  die  westliche  Langhausmauer 
einen  ungemein  starken  treppenartig  an- 
steigenden Mauerfuss  hat,  so  muss  die  Er- 
klärung fiir  diese  Thatsache  in  dem  schlech- 
ten Baugrund  und  der  grossen  Wasser- 
haltigkeit des  Bodens  gesucht  werden. 
Dieselbe  Erklärung  kann  man  auch  gelten 
lassen  gegenüber  der  Eigentümlichkeit, 
dass  die  Apsis  durch  ein  nach  aussen  vor- 
gelagertes im  Rechteck  angelegtes  massives 
Mauerwerk  eingekapselt  ist;  wenn  man 
nicht  annehmen  will,  dass  hierbei  auch  mit 
dem  Gewulbdruck  der  Apsis  selbst  ge- 
rechnet worden  ist.  Auf  der  Westseite 
der  Apsis  befinden  sich  noch  zwei  je 
1,80  m  lange  und  0,90  m  breite  recht- 
eckige, gemauerte  Behälter,  deren  Bestim- 
mung vorläufig  unaufgeklärt  bleiben  muss. 

Es  ist  nicht  ohne  Wichtigkeit,  sich 
darüber  Rechenschaft  zu  geben,  ob  die 
Basilika  noch  in  karolingischer  Zeit  er- 
halten gewesen  ist,  oder  ob  sie  bereits 
zerstört  war.  Ich  neige  zu  der  Annahme, 
dass  sie  in  der  Earolingerzeit  noch  einen 
Annexbau  zum  Oktogon  gebildet  hat.  Sie 
scheint  damals  unmittelbar  an  das  Okto- 
gon gestossen  zu  haben.  Später  befand 
sich  noch  immer  eine  geweihte  Stätte  hier : 
die  h.  Geistkapelle. 

Allerdings  ist  dann  in  gotischer  Zeit 
zwischen  Oktogon  und  Basilika  die  Earls- 
kapelle  eingeschoben  worden  und  zwar  so, 
dass  die  vier  abschliessenden  Eckstreben 
dieser  Kapelle  auf  die  Fundamentmauem 
der  Basilika  aufgesetzt  worden  sind.  Die 
beiden  einander  zunächst  stehenden  Stre- 
ben kamen  dabei  auf  den  beiden  Funda- 
mentmauem der  westlichen  und  östlichen 
Pfeilerreihe  zu  ruhen,  während  die  zwei 
korrespondierenden  anderen  Aussenstreben 


der  Karlskapelle  auf  den  beiden  Mauern 
des  Langhauses  der  Basilika  aufgeführt 
worden  sind.  Dass  dieses  Zufall  sei,  ist 
nicht  wohl  anzunehmen,  selbst  mit  Berück- 
sichtigung des  UmStandes,  dass  die  Bau- 
leute des  Mittelalters  bereis  vorhandene 
Fundamente  für  die  an  derselben  Stelle 
nötig  werdenden  Neubauten  zu  verwenden 
pflegten. 

Die  hier  sich  bietenden  Thatsachen 
sind  nun  von  einem  Standpunkte  zu  wür- 
digen, von  dem  aus  bei  unbefangener  Er- 
fassung derselben  eine  Fundamentalfrage 
in  der  Geschichte  der  Aachener  Krönungs- 
kirche sich  endgültig  beantworten  lassen 
wird;  ich  meine  die  Frage  nach  dem  Ort 
der  Bestattung  Karls  des  Gr. 

Das  Karlsgrab  ist  ausserhalb  des  Ok- 
togons  und  zwar  auf  der  Nordseite  des- 
selben zu  suchen.  Die  bisher  stattgehabten 
Untersuchungeu  und  Grabungen  haben  auch 
keine  Spur  einer  Andeutung  dafür  gelie- 
fert, dass  die  Gruft  im  Innern  des  Okto- 
gons  oder,  was  das  Abgeschmackteste  ist, 
in  einer  Wand  der  kleinen  karolingischen 
Chornische  habe  sein  können.  Zudem  war 
es  bekanntlich  durch  eine  eigene  Verfügung 
Karls  generell  untersagt,  Laien  in  den 
Kirchen  zu  begraben.  Allerdings  ist  zu 
berücksichtigen,  dass  für  Karl  selbst  in 
der  ihm  persönlich  zugehörenden  Pfalz- 
kapelle eine  Ausnahme  von  diesem  für 
das  Land  erlassene  Gesetz  gemacht  wer- 
den konnte.'  Stellte  Karl  sich  aber  unter 
die  Sitte  seiner  Zeit,  oder  richtiger,  thaten 
dies  diejenigen,  welche  ihn  zur  Gruft 
brachten,  so  muss  diese  Beisetzung  in 
einer  Krypta  oder  in  einem  Anbau  ge- 
schehen sein.  Nun  g!ebt  es  aber  zu  Aachen 
keine  Krypta  im  Oktogon,  noch  hat  es 
eine  solche  gegeben.  Grabungen  im  Innern 
des  Oktogons  lassen  schon  bei  geringer 
Tiefe  Thermalwasser  hervorsprudeln,  und 
ist  daher  seit  je  die  Anlage  einer  Gruft 
oder  Krypta  unmöglich  gewesen.  Aus 
vorstehenden  Gründen  ist  mithin  das  Grab 
Karls  in  einem  Anbau  zu  suchen,  der  so 
mit  der  Kapelle  verbunden  war,  dass  Ein- 
hart noch  immer  Recht  bebalten  kann, 
wenn  er  von  einer  Bestattung  in  der  Kirche 
redet.   Ein  anderer  Schriftsteller  *)  erzählt, 

.4)  Der  Yf.  der  Chronicon  Moissiacensa. 


11  — 


—    12    — 


dass  Karl  in  seniore  ecclesia  bestattet 
worden  ist.  Ich  beziehe  dies  senior  durch- 
aas  nicht  auf  die  jetzt  zu  Tage  getretene 
alte  Basilika  *),  bin  aber  gleichwohl  aus 
anderen  Gründen  der  Ansicht,  dass  die 
Karlsgruft  sich  thatsächlich  in  derselben 
befunden  hat. 

Erstens  ist  die  gotische  Earlskapelle 
im  Südende  der  alten  römischen  Basilika 
errichtet.  Die  Karlskapelle  ist  nach  der 
Heiligsprechung  Karls  erbaut  worden.  All- 
zukühn ist  nun  die  Behauptung  nicht,  dass 
die  Kapelle  des  Heiligen  Karl  über  sein 
Grab  gewölbt  worden  ist,  erstens  aus  der 
allgemein  menschlichen  Rücksicht,  um 
eben  diese  Stelle  zu  ehren,  und  dann  hatte 
ja  auch  das  Mittelalter  noch  Kenntnis  von 
dem  uralten  christlichen  Brauche,  die  Al- 
täre der  Heiligen  über  den  Gräbern  der 
Heiligen  aufzuführen.  Thatsächlich  trägt 
heute  noch  ein  weit  ausladender,  auffal- 
lend grosser  Rundbogen,  der  zur  gotischen 
Architektur  der  Kapelle  selbst  schlecht 
stimmt,  gerade  denjenigen  Teil,  auf  wel- 
chem die  Altarmensa  des  Karlsaltars  steht. 

Nach  der  Überlieferung  ist  der  Sohn 
des  Longobardenkönigs  Desiderius  „zu  den 
Füssen"  Karls  bestattet  worden.  Die  oben 
erwähnten  Grabungen  haben  wirklich  den 
Sarg  des  unglücklichen  Königssohncs  zu 
Tage  gefördert  in  der  Nähe  des  ehemaligen 
Altars  der  h.  Corona.  Der  Coronaaltar 
stand  aber  wieder  in  unmittelbarer  Nähe 
der  gotischen  Karlskapelle  und  der  alten 
Basilika. 

Einen  ferneren  Hinweis  auf  die  wirk- 
liche Lage  der  Karlsgruft  liefert  eine  Hand- 
zeichnung*) im  Codex  263  Biblioth.  reg. 
Christ,  in  der  Vatikanischen  Bibliothek. 
Das  in  romanischer  Form  gehaltene  Grab- 
mal, eine  Steintumba  mit  entsprechender 
Aufschrift,  steht  auswärts  auf  der  Nord- 
seite des  Oktogons,  d.  b.  an  der  hier  be- 
sprochenen Stelle  der  Kapelle  und  der 
Basilika.  Diese  bereits  lange  bekannte 
Zeichnung   gewinnt   heute   an   Bedeutung, 

5)  Wie  man  versucht  sein  könnte.  Senior 
eccleBia  ist  wohl  —-  Mntterkirche,  Kathedrale,  vgl. 
Ducange,  Glossarium  a.  v.  Ecclesia. 

6)  Herr  Stadtbibliothekar  Dr.  Fromm  in  Aachen 
hat  18  BUtter  der  diese  Zeichnung  enthaltenden 
Handschrift  in  Born  photographisch  nachbilden 
lassen. 


zumal  die  zwar  flüchtige  aber  architekto- 
nisch genaue  Skizze  verrät,  dass  ihr  Zeich- 
ner den  Karolingerbau  in  Lage  und  Äusse- 
rem kannte,  auch  also  von  Einzelheiten 
und  Merkwürdigkeiten  unterrichtet  sein 
konnte. 

War  aber  der  Zeichner  dieses  Bild- 
chens ein  Mitglied  des  Aachener  Stifts- 
klerus, so  musste  er  das  Grab  Karls 
kennen.  Zweifellos  nämlich  hat  Karl  auch 
vor  seiner  Heiligsprechung  zu  Aachen 
eine  kirchliche  Ehrung  genossen;  wie  für 
alle  Stifter  und  Wohlthäter  geistlicher 
Anstalten  hat  man  auch  für  Karl,  den  Er- 
bauer der  Aachener  Pfalzkapelle,  wenig- 
stens einmal  im  Jahre  eine  Memorie  ge- 
feiert. Dies  war  eine  besonders  feierliche 
Art  des  Anniversars,  verbunden  mit  Besuch 
und  Einsegnung  des  Grabes,  auf  welchem 
brennende  Kerzen  standen.  Natürlich  ist 
die  für  Karl  gehaltene  Memorie  oder  com- 
mendatio  ad  sepulcrum  durch  die  Kano- 
nisation  des  grossen  Kaisers  in  Wegfall 
gekommen. 

Mit  Rücksicht  auf  die  in  regelmässiger 
Wiederkehr  am  Ort  der  Bestattung  zu 
feiernden  Memorlen  ist  in  den  älteren  Xe- 
krologien  häuüg  angegeben,  wo  die  ein- 
zelnen Mitglieder  eines  Stifts  oder  die 
Freunde  und  Wohlthäter  desselben  zur 
Erde  bestattet  sind.  Auch  das  älteste 
Nekrolog  des  Aachener  Stifts  kennt  diesen 
Gebrauch,  da  es  al)er  nach  der  bereits  er- 
folgten Heiligsprechung  Karls  angelegt  ist 
und  die  kirchliche  Feier  des  Todestage? 
sich  auf  den  Karlsschrein  als  Mittelpunkt 
derselben  übertrug,  ist  das  Grab  selbst 
nach  und  nach  in  Vergessenheit  geraten. 
Das  Nekrolog  spricht  nur  noch  von  dem 
feretrum  s.  Caroli,  unter  welchem  Otto  III 
ruht. 

So  viel  der  Kürze  halber  an  dieser 
Stelle;  die  in  Gang  befindlichen  Unter- 
suchungen über  Alter,  Zweck  und  Bedeu- 
tung der  hier  besprochenen  Baareste 
mögen  auch  den  hier  mitangeregten  Neben- 
fragen ihre  Beachtung  schenken. 
Köln.  Dr.  H.  Kelleter 


—    13    — 

Chronik. 

4.  Geschichte  und  Denkmller  des  byzantlschen  Zelten- 
Effltiis  auf  Kosten  des  rnss.  Wirkl.  SUats- 
rats  A.  Ton^wenigorodskol'  herausge- 
geben Yon  N.  KondakOW,  Professor  an  der 
UniversiUt  Petersburg  und  Conseryator  an 
der  kaiserl.  Eremitage. 

Der  glückliche  Besitzer  einer  unter 
den  Privatsammlungen  wohl  einzig  da- 
stehenden Sammlung  von  Denkmälern  des 
so  seltenen  und  kostbaren  byzantinischen 
Zellen-Emails,  der  russ.  Wirkl.  Staatsrat 
A.  Yon  Swenigorodsko'l,  hat,  getrieben  von 
dem  schönen  Wunsche,  seine  Schätze  auch 
anderen  zugänglich  zu  machen,  mit  gross- 
artiger Freigebigkeit  die  Mittel  dargebo- 
ten, um  eine  Veröffentlichung  derselben  in 
mustergültigen  farbigen  Reproduktionen  zu 
ermöglichen,  und  hat  zugleich  die  Bear- 
beitung des  begleitenden  Textes  in  die 
Hände  eines  Mannes  gelegt,  dessen  wissen- 
schaftlicher Ruf  schon  von  vornherein  für 
den  Wert  des  Werkes  bürgt.  Dafür  hat 
sich  aber  der  Mäcen  auch  vorbehalten,  das 
in  je  200  russischen,  deutschen  und  fran- 
zösischen nummerierten  Exemplaren  her- 
gestellte Werk,  das  dem  vor  kurzem  ver- 
storbenen Selbstherrscher  aller  Reussen 
gewidmet  ist,  nur  geschenkweise  in  die 
Hände  weniger  Bevorzugten  gelangen  zu 
lassen.  Um  so  mehr  bedarf  diese  für  die 
kunstgescbichtliche  Forschung  äusserst 
wichtige  Publikation  einer  eingehenden 
Würdigung. 

An  dieser  Stelle,  wo  es  gilt,  den  rein 
wissenschaftlichen  Wert  des  Werkes  zu 
beleuchten  und  auf  die  Hauptergebnisse 
der  darin  niedergelegten  Forschungen  auf- 
merksam zu  machen,  kann  auf  seine  sonstige 
geradezu  verschwenderische  Ausstattung 
nicht  näher  eingegangen  werden.  Es  ge- 
nüge der  Hinweis,  dass  dieselbe,  durchweg 
in  byzantinisch  -  russischem  Stil  und  Ge- 
schmack gehalten,  das  Buch  zu  einem 
ebenso  vornehmen  wie  einzigartigen  Pracht- 
werke gestaltet. 

A.  von  Swenigorodskoi,  dessen  Portrait, 
von  der  Meisterhand  des  über  der  unvoll- 
endeten Arbeit  gestorbenen  Pariser  Stechers 
Oaillard  radiert,  dem  Werke  vorgesetzt 
ist,  erzählt  in  der  Vorrede  selber  die  Ge- 
fichichte  seiner  Email-Sammlung  und  dann 


—    14    — 

die  Geschichte  seines  Buches,  das  durch 
vereinigte  deutsche  und  russische  Kräfte 
zu  Stande  gekommen  ist.  Ursprünglich 
war  die  Bearbeitung  des  wissenschaftlichen 
Textes  dem  Kaplan  Johannes  Schulz  in 
Aachen  übertragen,  der  im  Jahre  1884  als 
Vorarbeit  eine  Schrift  veröffentlichte :  „Die 
byzantin.  Zellen  -  Emails  der  Sammlung 
Swenigorodskoi"  (Aachen,  R.  Barth).  Ver- 
schiedene Erwägungen  veranlassten  den 
Mäcen,  die  definitive  Ausarbeitung  in  die 
Hände  eines  russischen  Gelehrten  zu  legen, 
und  in  der  That  muss  die  Wahl  des  als 
Forscher  auf  byzantin.  Gebiete  längst  rühm- 
lichst bekannten  Kondakow  (bekannt  na- 
mentlich durch  seine,  auch  in  französischer 
Übersetzung  mit  Einleitung  von  Anton 
Springer  erschienene  „Geschichte  der  byz. 
Kunst",  Paris  1886)  als  sehr  glücklich  be- 
zeichnet werden.  Die  unvollendet  geblie- 
bene Bearbeitung  des  Johannes  Schulz, 
der  unterdessen  im  Jahre  1889  verstorben 
ist,  Hess  Swenigorodskoi  in  300  numerier- 
ten Exemplaren  im  Druck  erscheinen :  „Der 
byzant.  Zellen  -  Schmelz  von  Joh.  Schulz, 
Pfarrer  (Frankfurt  a.  M.  bei  Aug.  Oster- 
rieth,  1890,  mit  22  Tfln).  Dies  die  Vor- 
geschichte der  Publikation,  für  welche  nun 
Kondakow  im  Auftrage  des  Mäcen  ausge- 
dehnte Reisen  durch  ganz  Europa  unter- 
nahm. Das  Ergebnis  derselben  ist  denn 
auch  ein  so  hervorragendes  geworden,  dass 
man  das  jetzt  vorliegende,  mit  der  Jahres- 
zahl 1892  versehene  Werk  als  Zusammen- 
fassung und  vorläufigen  Abschluss  der  Lit- 
teratur  über  das  byzantin.  Zellen -Email 
bezeichnen  darf.  Denn  nur  der  kleinere 
Teil  (Kapitel  HI  und  IV,  S.  269—388)  ist 
der  Beschreibung  der  byzantinischen  und 
russisch-byz.  Emails  der  Sammlung  Sweni- 
gorodskoi gewidmet,  die  übrigen  267  Sei- 
ten enthalten  eine  technische  Einleitung 
in  die  Geschichte  des  Zellen-Emails  (Kap.  I, 
S.  1—107)  und  eine  Übersicht  und  Be- 
schreibung aller  überhaupt  erhaltenen  Denk- 
mäler dieser  Gattung  (Kap.  JI,  S.  108— 
267),  die  durch  ihre  Vollständigkeit  und 
Genauigkeit  allein  schon  das  Buch  zu  ei- 
nem unentbehrlichen  Hülfsmittel  für  alle 
auf  diesem  und  den  angrenzenden  Gebie- 
ten Arbeitenden  macht.  Aber  dieses  nicht 
allein,   K.   hat  den   durch   die  Veröffent- 


—    15    — 

lichang  der  Swenigorodskoi'schen  Samm- 
lung ihm  gebotenen  Anlass  benutzt,  um 
eine  geradezu  staunenswerte  Fülle  kunst- 
geschichtlichen, kulturgeschichtlichen  und 
allgemeinen  Wissens  in  die  Abhandlung 
zu  verarbeiten,  so  dass  dieselbe  über  den 
Rahmen  einer  blossen  Geschichte  des  by- 
zantinischen Zellenschmelzes  weit  hinaus- 
geht und  eine  ganze  Reihe  Fragen  über 
die  Quellen  der  byzantin.  Kunst,  über  die 
Zusammenhänge  zwischen  der  römischen 
und  griechischen  Kultur  mit  dem  Orient 
einerseits  und  mit  den  Barbarenvölkem 
Nordeuropas  andererseits,  über  die  Rück- 
wirkung der  innerasiatis(!hen  Länder  auf 
den  Occident,  über  die  Übertragung  und 
Vererbung  von  Stilformen  und  technischen 
Fertigkeiten  von  Land  zu  Land,  von  Volk 
zu  Volk,  von  den  Uranfängen  menschlicher 
Kultur  an  bis  tief  ins  Mittelalter  hinein, 
nicht  nur  in  ganz  neuer  Beleuchtung  er- 
scheinen, sondern  zum  Teil  der  endgültigen 
Lösung  bedeutend  näher  gebracht  oder 
ganz  zugeführt  werden.  Ja  viele  für  eine 
künftige  Kulturgeschichte  der  asiatischen 
und  europäischen  Völker  geradezu  grund- 
legende Fragen  werden  hier  zum  ersten 
Male  aufgeworfen  und  mit  einer  von  Seite 
zu  Seite  mehr  in  Erstaunen  setzenden 
Kenntnis  der  Denkmäler  und  hervorragen- 
der Kenntnis  der  Litteratur  behandelt. 
Überall  ein  Zurückgehen  auf  die  Denk- 
mäler selbst,  denen  immer  in  erster  Linie 
das  Wort  erteilt  wird.  Die  Ausstattung 
des  Werkes  mit  28  vortrefflichen  farbigen 
Abbildungstafeln,  Meisterwerken  aus  der 
chromolithographischen  Anstalt  von  Aug. 
Osterrieth  in  Frankfurt  a.  M.,  und  113 
Holzschnitten  im  Text,  die  zum  grössten 
Teile  von  den  Originalen  selbst  oder  nach 
eigens  hierfür  neu  hergestellten  photo- 
grapbischen  Aufnahmen  angefertigt  worden 
sind  und  in  jeder  Beziehung  mustergültig 
genannt  werden  müssen,  kommen  hierbei 
der  Abhandlung  in  hervorragender  Weise 
zu  Hülfe.  Man  kann  angesichts  dieser 
Ausstattung  des  Werkes  nur  bedauern, 
dass  die  Mäcene  auf  Erden  so  dünn  gesät 
sind,  die  durch  freigebige  Hand  das  Zu- 
standekommen solcher  Publikationen  und 
eine  solche  Bearbeitung  des  wissenschaft- 
lichen Materiales  ermöglichen.     Wie  viel 


—    16    — 

schneller  und  sicherer  würde  die  Forschong^ 
fortschreiten  können,  wenn  ihr  auf  allen 
Gebieten  eine  solche  Förderung  zu  Teil 
würde  (und  welche  Befriedigung  für  die 
betreffenden  Gönner  selbst  müsste  daraas 
erwachsen !). 

Das  oben  Gesagte  wird  erklären,  warum 
es  kaum  möglich  ist,  in  dem  Rahmen  dieses 
Referates  den  überaus  reichen  und  viel- 
seitigen Inhalt  einigermassen  erschöpfend 
hier  vorzuführen. 

Ist  es  schon  von  vornherein,  ausge- 
schlossen, auf  alle  die  angeregten  kul- 
turgeschichtlichen Fragen  einzugehen,  so 
macht  die  Zusammenstellung  auch  nur 
der  wichtigsten  gesichert  erscheinenden 
Resultate  grosse  Schwierigkeiten.  Denn 
so  angenehm  leserlich  auch  das  Meiste 
geschrieben  ist,  eine  Zusammenfassung  des 
Inhaltes  am  Ende  des  Werkes  oder  der 
einzelnen  Kapitel  und  Abschnitte  existiert 
nicht.  Nicht  einmal  die  als  Titel  bezeich- 
nete  Geschichte  des  byzantinischen  Zellen- 
Emails  ist  zusammenfassend  behandelt, 
man  muss  sich  die  einzelnen  Glieder  der 
Kette  überallher  zusammensuchen.  Die 
wichtigsten  Thatsachen  und  Thesen  sind 
in  Form  aphoristischer  Bemerkungen  durch 
die  ganze  Abhandlung  verstreut,  die  wert- 
vollsten Erklärungen  und  interessantesten 
Exkurse  mitten  in  Beschreibungen  irgend 
eines  Denkmales  oder  einer  Technik  ver- 
steckt. Dieser  Mangel  wird  allerdings 
einigermassen  aufgehoben  durch  die  ganz 
vorzüglichen  Register  am  Schlüsse.  Dies 
empfindet  man  namentlich  dankbar  inbezof 
auf  die  ikonographischen  Erklärungen,  die 
gelegentlich  im  Texte  verstreut  dem  Bache 
einen  besonderen  Wert  verleihen.  Denn 
K.  lässt  keinen  selteneren  ikonographischen 
Ausdruck  vorübergehen,  ohne  ihn  er- 
schöpfend zu  erklären,  aber  er  thut  dies 
durchaus  nicht  etwa  immer  beim  ersten 
Vorkommen  des  betr.  Ausdruckes.  [Auf- 
merksam gemacht  sei  hier  besonders  auf 
die  höchst  interessanten  Ausfuhrungen  über 
den  Christustypus  (S.  276  fg.),  in  denen  zu 
den  de  Rossi'schen  Darlegungen  ganz  neue 
Gesichtspunkte  beigebracht  werden,  die 
Erklärung  der  „Deesis«  (S.  272  fg.),  die 
Ausgestaltung  der  Kreuzigung,  speziell  auf 
byzantin.  Enkolpien  (S.  175  fg.,   181  fg.), 


—    17    — 


—    18 


die  Hagia  Sophia  (S.  189),  der  Vogel  Sirin 
und  die  Sirenen  (S.  362  fg.)].  Ebenso  wert- 
ToU  sind  die  sonstigen  allenthalben  einge- 
flochtenen Exkurse.  So  giebt  z.  B.  die 
Verzierung  des  Halsschmuckes  mit  Email 
dem  Verf.  Veranlassung  (S.  82  fg),  aus- 
fuhrliche und  zum  Teil  ganz  neue  Erklä- 
rungen der  byzantin.  „Maniaken^  und  des 
barbarischen  Halsschmuckes  zu  geben  (prin- 
zipiell wichtig  die  Zurückfdhrung  des 
Schmuckes  auf  religiöse  Vorstellungen!); 
der  Besprechung  der  emaillierten  Buchein- 
bände wird  eine  Geschichte  des  liturgi- 
schen Einbandes  überhaupt  vorangeschickt 
(S.  184  fg.),  welche  für  die  jetzt  im  Mit- 
telpunkte unserer  mittelalterlichen  For- 
schungen stehende  „byzantinische  Frage** 
sehr  wichtige  Thatsarhen  beibringt;  der 
Bearbeitung  emaillierter  Kronen  dient  die 
Entwickelungsgescliichte  des  Diadems  von 
Diocletian  an  bis  zur  verschiedenartigen 
Ausgestaltung  desselben  am  ostrumischen 
Hofe  zur  Grundlage  (S.  230  fg.),  eine  Dar- 
stellung Petri  mit  dem  Hirtenstabe  ver- 
anlasst eine  Skizze  der  Entwicklung  des 
kirchlichen  Kreuzstabes  (S.  289),  die  Bil- 
der des  hl.  Georg  und  Demetrius  eine  aus- 
führliche Schilderung  der  Mäntel  der  byz. 
Hofchargen  (S.  299  fg),  die  Besprechung 
des  byzantin.  Ornaments  eine  höchst  an- 
schauliche farbenreiche  Schilderung  des 
glänzenden  Hoflebens  und  der  kirchlichen 
Prozessionen  in  der  Blütezeit  des  oströ- 
mischen Reiches  (S.  314  fg.).  Und  da  ge- 
rade in  solchen  gelegentlichen  Ausführun- 
gen der  gelehrte  Verfasser  oft  sein  Bestes 
giebt,  so  ist  man  eben  genötigt,  den  388 
Seiten  starken  Text  aufmerksam  Zeile  für 
Zeile  durchzustudieren.  Man  wird  sich  da- 
für reichlich  belohnt  sehen.  Aber  aus 
diesem  bunten  und  äusserst  lehrreichen 
Mosaik  ein  Bild  in  klaren  abgeschlossenen 
Zügen  sich  zu  gestalten,  wird  dem  Ein- 
zelnen erst  nach  mehrmaliger  Durcharbei- 
tung gelingen.  Wir  wollen  versuchen,  an 
der  Hand  einer  gedrängten  Inhaltsangabe 
die  Hauptzüge  festzulegen. 

Im  1.  Kapitel,  der  „technischen  Ein- 
leitung in  die  Geschichte  des  Zellen- 
Emails*',  werden  zunächst  eine  Reihe  tech- 
nischer Ausdrücke  erklärt.  „Email  in  allen 
seinen  Arten  und  zu  allen  Zeiten  ist  aus- 


schiesslich  ein  Schmelz,  d.  h.  eine  farbig» 
Masse,  die  in  flüssigem  Zustande  auf  die^ 
Oberfläche  eines  Gegenstandes  aufgetrageuh 
wird  und  darauf  trocknet**.  Die  bisher 
meist  beliebte  Einteilung  in  Zellen-Emails 
(Emaux  cloisonn^s)  und  Gruben  -  Emails. 
(Em.  champlevds)  ist  nicht  strikte  aufrecht 
zu  erhalten.  (Vgl.  dazu  den  Schlusssatz). 
„Der  Zellenschmelz,  welcher  uns  heute  als 
besonderer  kunsthistorischer  Typus  oder- 
sozusagen  als  Stil  erscheint,  ist  als  tech- 
nisches Gewerbe  blos  ein  dekorativer 
Kunstgriff  der  Goldschmiedekunst.  In  der 
Bezeichnung  „Zellen-Email**  liegt  auch  die- 
Erklärung  seines  Wesens:  Zellen,  durch 
aufgelötete  hochkant  gestellte  Metallstege 
gebildet,  stellen  die  Konturen  der  Zeich- 
nung her  und  werden  mit  Glasfluss  ge- 
füllt** (S.  3).  Es  folgt  nun  eine  Unter- 
suchung über  das  hohe  Alter  der  Email- 
Technik,  über  die  Bedeutung  des  Wortes- 
„Elektrum**  in  verschiedenen  Zeiten  und 
Ländern,  über  das  Vorkommen  der  Email- 
Arbeiten  bei  den  Egyptt>rn,  Phoenikern,. 
Assyrem,  Griechen,  Etruskern  und  ihre 
Verbreitung  „bis  zu  den  entlegensten  Ge- 
bieten der  antiken  Welt**  (S.  16),  dana 
über  das  Email  in  der  Kunst  der  euro- 
päischen Barbarenvölker  zu  römischer  Zeit 
(bis  zum  4.  Jahrh.  n.  Chr.  unter  weströ- 
mischem Einfluss,  vom  4.-6.  Jahrh.  „sich 
dem  aus  dem  Orient  kommenden  neuen. 
Geschmack**  unterordnend  (S.  24),  über- 
einstimmend mit  de  Linas'  Forschungen^ 
über  die  Gesch.  des  Emails).  Mit  gross- 
artiger Beherrschung  des  Stoffes  werdea 
die  erhaltenen  Denkmäler  nach  den  ver- 
schiedenen europäischen  Ländern  bespro- 
chen, wobei  K.  (S.  31)  zu  dem  Schlusse- 
kommt,  dass  die  Funde  in  Russland  das. 
Vorhandensein  „einer  frühen  völlig  selb- 
ständigen orientalisch  -  slavischen  Kultur*^ 
beweisen,  und  dass  diese  Funde  „unsere 
Ansichten  über  Entstehung,  Entwicklung 
und  Bedeutung  der  wichtigsten  Typen  der 
barbarischen  Kunst  Europas  von  Grund 
aus  modifizieren*^.  Mit  der  bisherigea 
Litteratur  setzt  sich  der  Verf.  gewissen- 
haft auseinander,  was  namentlich  bei  den 
Gegenständen  doppelt  wertvoll  ist,  über 
die  schon  viel  geschrieben  worden  ist,  sa 
z.  B.   betr.   den   „Schatz   des   Attila**   ia 


—    19    — 

TVien,  den  berühmten  Fund  von  Kagi 
Szent  Miklös,  den  K.  für  „Tafel-  und 
kirchliches  Gerät  barbarischer  Führer  eines 
zum  Christentum  bekehrten  Stammes,  her- 
gestellt in  byzantinischen  Grenzgebieten^ 
halten  möchte. 

Die  europäischen  Funde  leijten  den 
Verf.  hierauf  nach  Asien  zurück,  der  Hei- 
mat der  europäischen  Kunst.  Mit  grossem 
Scharfsinn  werden  —  im  Anschluss  an  die 
Emailfunde  aus  den  kaukasischen  Nekro- 
polen  von  Koban  und  Kamunta  —  die 
Eulturströmungen  festgestellt,  welche  sich 
in  der  Südostecke  Europas  kreuzten,  eine 
südliche,  aus  Indien  und  Persien  über 
Egypten  und  Eleinasien  nach  Byzanz,  und 
eine  nördliche  aus  Centralasien  über  Süd- 
russland nach  den  Donauländern  sich  be- 
wegend. Die  vorderasiatischen  Länder 
spielen  nur  eine  sekundäre  RoUp,  was  er 
(S.  40)  in  die  Worte  fasst:  „Zwar  wird 
beständig  die  Rolle  Syriens  und  Vorder- 
4isiens  in  der  Geschiebte  der  neuen  christ- 
lichen Kunst  betont,  doch  berichten  uns 
die  Denkmäler,  von  wenigen  Ausnahmen 
abgesehen,  darüber  nur  sehr  wenig.  Von 
4er  Feststellung  der  Rolle  dieser  Länder 
....  hängt  aber  der  Erfolg  der  neuen 
Methode,  welche  bei  der  Erforschung  des 
orientalischen  Ursprungs  der  europäischen 
Kunst  befolgt  wird,  wesentlich  ab.**  Die 
Untersuchung  des  Ornaments  leitet  ihn  nach 
Persien  und  Centralasien,  hier  ist  die  Hei- 
mat des  europäischen  Emails.  Grund- 
legend fi'ir  die  Bedeutung  Persiens  als 
„Ausgangspunkt  der  orientalischen  Kunst 
zu  Beginn  des  Mittelalters*'  ist  die  Unter- 
suchung über  die  parthische  Kulturepoche 
(331  V.  Chr.-.-22ö  n.  Chr.)  mit  ihrer  leb- 
haften Entwicklung  der  decorativen  Klein- 
künste und  der  daraus  hervorgehenden 
Neubelebung  der  orientalischen  Kunst  bei 
den  centralasiatischen  Barbarenstämmen. 
Was  nun  speziell  den  Zellenschmelz  an- 
langt, so  bietet  die  persische  Kunst  die 
geeignetsten  Typen,  um  die  Hauptetappen 
seiner  Entwicklung  zu  erkennen,  da  sie  die 
Zellenschmclz-Tecbnik  in  der  Sassaniden- 
Epoche  entwickelt  hat.  Von  Persien  aus 
verbreitet  sich  dieselbe  sowohl  nach  Indien, 
dessen  Email-Technik  noch  heute  den  per- 
sischen Charakter  bewahrt,  wie  nach  China 


—    20    — 

und  Japan,  andererseits  nach  Byzanz,  ja 
durch  Perser  im  Dienste  der  Araber  bis 
nach  Spanien  und  Frankreich.  Daneben 
entwickelt  sich,  ebenfalls  in  Persien,  dem 
Lande,  in  welchem  die  interessanteste 
Verschmelzung  griechisch-römischer  uod 
orientalischer  Kunstelemente  sich  voll- 
zieht, die  Entwicklung  des  „transluciden'* 
(durchscheinenden,  Edelsteine  imitierenden) 
Emails  statt,  dessen  jeweilige  Bevorzugung 
gegenüber  dem  Zellen- Email  „für  die  Klas- 
sifizierung des  orientalischen,  byzantin.  und 
mittclalterl.  Emails  allein  massgebend  ist- 
Nachdem  wir  so  die  Quellen  des  byzanti- 
nischen Emails  kennen  gelernt  haben  kehrt 
der  Verf.  nach  Byzanz  selbst  zurück  und 
nun  erst  wird  uns  die  Technik  des  byz. 
Zellen  -  Emails  im  Einzelnen  mitgeteilt 
(S.  91  fg.).  Dieselbe  hier  wiederzugeben 
fehlt  der  Raum.  „  Der  eigentliche  Wert  der 
byz.  Emails  besteht  in  der  ausserordent- 
lich harmonischen  Farbengebung  und  in 
der  geradezu  idealen  Reinheit  der  Tinten.*- 
Neben  diesem  speziellen  Werte  ist  die 
byz.  Zellenschmelz  -  Technik  aber  darum 
noch  von  besonderer  Wichtigkeit,  weil  sie 
den  Gang  der  byz.  Kunst  im  allgemeinen 
beeiijflusst,  wie  längst  bekannt.  K.  warnt 
aber  vor  Überschätzung  dieses  Emflusses 
und  sucht  denselben  genau  zu  begrenzen 
(S    108). 

Das  2.  Kapitel  beginnt  mit  einer 
lebensvollen  Schilderung  der  Galafeste  am 
kaiserlichen  Hofe  zu  Byzanz,  bei  welchen 
die  kostbaren  Zellen  -  Emails  eine  bedea- 
tende  (decorative)  Rolle  spielten.  Es  folgt 
eine  Übersicht  der  Länder,  in  welchen 
derartige  Denkmäler  zahlreicher  erhalten 
sind.  Dabei  wird  unser  Interesse  vorwiegend 
auf  Georgien  gelenkt,  in  dessen  Kirchen 
und  Klöstern  noch  eine  Fülle  prächtigster 
byzantin.  Zellenschmelze  erhalten  sind,  die 
dort  aber  dem  sicheren  Untergange  ent- 
gegengehen. Was  die  nun  folgende  Auf- 
zählung und  Beschreibung  aller  dem  Verf 
zugänglich  geweseneu  Denkmäler  anbelangt, 
die  sich  übrigens  vom  Hochaltar  von  S.  Am- 
brogio  in  Mailand  über  Heiligenbilder, 
Kreuze,  Buchdeckel,  Reliquiarien,  Kelche 
und  Patenen,  Kronen  und  Insignien  hin- 
weg bis  herab  zu  den  Fibeln,  Agraffen, 
Anhängseln  und  Fingerringen  erstreckt,  so 


—  ei- 
lst dieselbe  vor  allem  wertvoll  durch  die 
kritische  DetaiMIntersuchaog  jedes  wich- 
tigeren Stückes,  was  vielfach  neae  Datierung 
zur  Folge  hat,  oftmals  auch  eine  Zurück- 
fübrung  der  Überschätzung  einiger  Denk- 
mäler auf  das  ihnen  nach  derEntwick- 
luDgsgeschichte  gebührende  Maass.  So 
wird,  um  nur  einige  Beispiele  anzufüh- 
ren, die  vielbewunderte  Pala  d'oro  in 
S.  Marco  zu  Venedig  vor  unsern  Augeh 
in  ein  ans  Emails  des  10. — 14.  Jahrhs.  — 
nicht  einmal  sonderlich  geschickt  —  zu- 
sammengesetztes Machwerk  zerlegt,  das 
Lotharkreuz  in  Aachen  aus  dem  9.  ins 
11. — 12.  Jahrh.  verwiesen,  die  Sagenreiche 
^eiserne**  Kunigskrone  der  Langobarden  im 
Domschatz  zu  Monza  als  eine  Votivkrone 
roher  lombardischer  Arbeit  des  9. — 10. 
Jahrhs.  erklärt,  die  ungarische  Stefanskrone 
in  Pest  als  italienische  Arbeit,  durchsetzt 
mit  einigen  echt  byzantin.  Teilen  erwiesen, 
die  sog.  Krone  Karls  d.  Gr.  in  Wien,  die 
ehemalige  deutsche  Kaiserkrone  (überein- 
stimmend mit  Franz  Bock)  als  abend- 
ländische Arbeit  des  11.— 12.  Jahrhs  er- 
klärt. Überhaupt  gewinnen  wir  aus  diesen 
Untersuchungen  die  sehr  bemerkenswerte 
Thatsache,  dass  selten  ein  grösseres  Email- 
werk aus  Einem  Gusse  entstand,  sondern 
dass  man  die  zufällig  vorhandenen  Zellen- 
schmelze immer  wieder  verwandte,  neue 
gelegentlich  hinzukaufte,  zerstörte  auf  eigene 
Faust  zu  ersetzen  bestrebt  war,  und  dies 
nicht  nur  im  Abendlaudc,  sondern  auch  im 
Osten.  Denn  die  Blütezeit  der  Zellen- 
schmelztechnik  in  Byzanz  dauerte  nicht 
lange,  nur  von  der  2  Hälfte  des  9.  bis 
zur  Mitte  des  11.  Jahrh.  n.  Chr.,  dann 
tritt  bereits  der  Verfall  ein,  beschleunigt 
durch  die  dekorative  Richtung  der  byz. 
Kunst  im  11.  Jahrh.  und  ihren  immer 
handwerksmässiger  werdenden  Charakter, 
namentlich  auch  im  Mosaik.  („Nicht  die 
Schwierigkeiten  und  Feinheiten  verschie- 
dener Kunstzweige  ertöteten  die  byz.  Kunst, 
sondern  vielmehi'  die  handwerksmässige 
Nachlässigkeit  des  dekorativen  Zwecken 
dienenden  Kunstgewerbes  beschworen  den 
Verfall  herauf«.  S.  210).  Der  Zufall  spielt 
also  bei  der  Zusammensetzung  von  Schmelz- 
werken eine  grosse  Rolle.  (Die  Emails 
auf  cim.  57  der  Münchener  Bibliothek  — 


Gebetbuch  Heinrichs  II.  —  die  Fragmente 
eine  Votivkrone).  Gerade  dieser  Abschnitt 
ist  besonders  reich  an  wichtigen  Beobach- 
tungen zur  Geschichte  der  byz.  Kunst  und 
an  geistreichen  Schlaglichtem  auf  das  Ver- 
hältnis dieser  zur  westeuropäischen  Kunst, 
von  denen  selbst  diejenigen,  welche  schon 
früher  in  K.'s  „Geschichte  der  byz.  Kunst" 
ausgesprochen  sind,  doch  in  diesem  Zu- 
sammenhange vielfach  ganz  neu  wirken. 
Nur  mit  Rücksicht  auf  den  Raum  müssen 
wir  es  uns  versagen,  dieselben  hier  anzu- 
führen, als  Probe  sei  nur  das  auf  S.  266 
Gesagte  wiedergegeben: 

„Die  abendländische  Kunst  folgte  wohl 
der  von  Byzanz  eingeschlagenen  dekora- 
tiven Richtung,  aber  ohne  die  byz.  Tech- 
nik zu  erreichen.  Das  erklärt  auch,  warum 
sie  byz.  Emails  nicht  besonders  wert- 
schätzte und  zum  Grubenschmelz  über- 
ging, der  den  abendländischen  Meistern 
einen  weiten  Spielraum  für  malerische 
Sujets  bot.  Die  ersten  westlichen  Gruben- 
schmelze  stehen  zu  dem  byz.  Email  in 
demselben  Verhältnifi,  wie  z.  B.  die  früh-  • 
italienische  Heiligenmalerei  des  12. — 13. 
Jahrhs.  zu  den  byz.  Originalen  oder  die 
Bilder  des  Hortus  deliciarum  der  Uerrad 
von  Landsperg  zu  griech.  Miniaturen  des 
10.  Jahrhs.  Der  Grubenschmelz  mag  eigen- 
artig und  originell  sein,  dennoch  sind  seine 
ersten  Erzeugnisse  unbestreitbare  Nach- 
ahmungen byzantinischer  Zellen  -  Emails, 
deren  beliebte  Zeichnung  sie  entlehnten 
und  deren  Farbenpracht  sie  zu  erreichen 
strebten.  Statt,  wie  bisher  üblich,  zu 
trennen,  was  in  der  Geschichte  zusammen- 
gehört, empfiehlt  es  sich,  den  Übergang 
von  einer  Email  -  Gattung  zur  anderen  an 
den  Denkmälern  nachzuweisen  und  den 
Entwicklungsgang  der  mittelalterlichen 
Kunst  Europas  auf  diese  Weise  historisch 
wiederherzustellen**. 

An  dieser  Stelle  sei  unser  Bedauern 
darüber  ausgedrückt,  dass  Kondakow  nir- 
gends näher  auf  die  Entwicklung  des  deut- 
schen spezieil  rheinischen  Emails  eingeht, 
obgleich  dazu  oft  genug  Gelegenheit  ge- 
boten war,  so  namentlich  bei  Besprechung 
der  westdeutschen  Kirchenschätze.  Selbst 
da,  wo  er  von  der  Verpflanzung  der  Email- 
Technik   aus   Byzanz    nach   dem  Westen 


23    — 


—    24    — 


handelt,  begnügt  er  sich,  die  Yermutang 
Labarte'8,  die  Technik  s^i  durch  die  von 
Desiderius  von  Montecassino  im  Jahre 
1086  aus  Byzanz  berufenen  Goldschmiede 
übertragen  worden,  als  glaubwürdig  zu 
bestätigen  (S.  96)  während  er  der  zahl- 
reichen Beziehungen  Deutschlands  zum 
Osten  Europas,  namentlich  in  der  Zeit  der 
Ottoneo,  und  der  oft  besprochenen  Schätze 
der  Kaiserin  Theopbanu,  die  immerbin 
wertvolle  Vorbilder  abgaben,  mit  keinem 
Worte  gedenkt.  Man  gewinnt  beim  Durch- 
arbeiten des  Werkes  die  Überzeugung, 
dass  E.  auch  mit  der  Geschichte  und  Ent- 
wickeln ng  des  deutschen  Emails  durchaus 
vertraut  ist,  das  beweisen  die  feinen  Ver- 
gleiche, die  er  (S.  47)  zwischen  kaukasi- 
schem und  rheinischem  Email  zieht  und 
die  Erörterungen  über  den  mutmasslichen 
Anfang  der  rheinischen  Technik  auf  S.  124, 
sowie  eine  ganze  Reihe  interessanter  Streif- 
lichter, die  gelegentlich  nach  dem  Rhein- 
lande geworfen  werden,  aber  eben  darum 
ist  es  doppelt  zu  bedauern,  dass  der  Be- 
sitzer so  umfassender  Kenntnisse  sie  nicht 
dazu  verwertet  hat,  seine  ganze  Unter- 
suchung mehr  in  den  Zusammenhang  mit 
der  westeuropäischen  Kultur  zu  rücken, 
die  nun  doch  einmal  den  Vorzug  bean- 
spruchen darf,  dass  ihr  Gebiet  bereits  viel 
gründlicher  durchforscht  ist  und  eine  dem- 
entsprechend grössere  und  bekanntere 
Litteratur  gezeitigt  hat. 

Das  3.  und  4.  Kapitel  bieten  neben 
der  Beschreibung  der  Swenigorodsko'i'schen 
Sammlung  die  gleiche  Fülle  feinsinniger 
Bemerkungen  und  wertvoller  Exkurse.  Der 
lehrreichste  Abschnitt  darin,  vielleicht  der 
wertvollste  des  ganzen  Werkes,  ist  die 
Einleitung  zur  Beschreibung  der  byzantin. 
Ornamentreste.  Hier  ist  auch  der  einzige 
Ort,  wo  sich  der  Verf.  zu  bestimmt  for- 
mulierten, knapp  zusammengefassten  Thesen 
herbeilässt  (S.  312  fg.),  man  hat  das  be- 
stimmte Gefühl,  dass  er  hier,  wo  er  sozu- 
sagen ganz  neuschöpferisch  erscheint,  seine 
ganze  Kraft  einsetzt  und  darum  auch  con- 
centrierter  spricht,  nicht  aber  sein  Bestes 
gleichsam  versteckt.  Wo  K.  auf  die  russi- 
schen Nachahmungen  des  byz.  Zellen- 
schmelzes zu  sprechen  kommt,  wird  mit 
allem  Nachdruck  betont,    dass   Russland 


der  direkte  Erbe  der  byzantin.  Kultur  sei,, 
und  dass  es  schon  deshalb  die  Hauptanf- 
gäbe  der  russ.  Wissenschaft  sei,  „den 
historischen  Übergang  der  verschiedenen 
Gewerbe  und  Industrieen  aus  dem  Orient 
und  aus  Byzanz  nach  Russland  and  in  die 
Südslavischen  Länder  klarzustellen**,  da 
jene  Länder  „weit  früher  als  man  an- 
nimmt, das  historische  Erbe  zu  verarbei- 
ten begannen*',  da  ferner  „die  rassischen 
Altertümer  ein  Überaus  reiches  Material 
für  derartige  Untersuchungen  bieten*',  denen 
es  beschieden  sei,  „in  den  wichtigsten 
Fragen  über  mittelalterliche  Kunst  in  den 
Mittelpunkt  der  Betrachtung  gerückt  zu 
werden'',  und  dass  auch  der  westenropäi- 
sehen  Forschung  nur  auf  diesem  Wege  mög- 
lich sei,  „den  Anfängen  der  Volkskunst 
in  Italien  und  Deutschland  auf  die  Spar 
zu  kommen"« 
Stuttgart'  Degerloch. 

Dr.  Paul  Weber. 

Eine  Wiener  Brleftammluns  snr  Getchiehte  deiS. 
denUchen  Beichei  und  der  OBt«rreichiKhcn 
Länder  in  der  «weiten  HUfte  des  IS.  Jahr- 
handerta.  Nach  den  Abschriften  von  A. 
Starker  herausgegeben  von  O.  Bedlich 
Wien  1894.  (Mitteilungen  aus  dem  Vatika- 
nischen Archive  II.  Band). 

Eine  falsche  Inventarisierung  (als  Varia 
Germaniae  saec.  XVI)  hat  die  Handschrift 
dieser  in  der  Vatikanischen  Bibliothek  be- 
findlichen, für  die  Geschichte  König  EUi- 
dolfs  I  überaus  wichtigen  Briefsammlung 
den  Augen  der  Forscher  entzogen,  bis  sie 
unlängst  von  Dr.  A.  Starzer  an  das  Tages- 
licht gebracht  worden  ist  Die  Sammlmig 
ist  um  die  Wende  des  13.  Jahrhunderts 
in  Wien  zu  Kanzleizwecken  angelegt  wor- 
den und  enthält  neben  der  Summa  de$ 
Johannes  von  Bologna  und  einem  aus  der 
Kanzlei  König  Rudolfs  stammenden,  schon 
bekannten  Briefformularbuch  nicht  weniger 
als  289  völlig  neue  Briefe  aus  der  Zeit 
der  beiden  ersten  Habsburger,  die  uns  in 
überraschender  Weise  erkennen  lassen, 
welch  ausgedehnter  brieflicher  Verkehr 
schon  in  jener  Zeit  bestanden  hat,  and 
wieviel  davon  verloren  gegangen  sein  mnss. 
Die  Briefe,  wichtig  sowohl  für  die  politische 
als  auch  für  Wirtschafts-  und  Sittenge- 
schichte, behandeln  vornehmlich  die  Er- 
eignisse und  Zustände  in  den  Südostmar- 


—    26    — 


ken  des  Reiches,  berühren  aber  auch  nicht 
selten  rheinische  Verhältnisse.  Sie  haben 
in  0.  Redlich,  dem  Neubearbeiter  von 
Böhmens  Kaiserregesten  von  1273—1313, 
den  berufenen  Herausgeber  gefunden,  der 
sich  seiner  für  ihn  besonders  dankbaren 
Aufgabe  mit  der  eindringendsten  Sorgfalt 
unterzogen  hat.  Knipping. 


Miscelianea. 

€.  Gewandnadeln  mit  Fabrikmarke.  Unter 
vorstehender  Überschrift  hat  H.  Dressel 
in  dem  letzten  Hefte  der  Bonn.  Jahrb. 
(Heft  XCV)  S.  81  f.  drei  neue  mit  Fabrik- 
stempeln versehene  Fibeln  rheinischer  Her- 
kunft veröffentlicht,  wozu  hier  einige 
Nachträge  gegeben  seien. 

„Mit  Fabrikmarke  versehene  Gewand- 
nadeln gehören  zu  den  Seltenheiten.  Aus 
Italien  sind  mir  nicht  mehr  als  3  solcher 
Fabrikstempel  bekannt^);  nicht  viel  zahl- 
reicher kommen  sie  in  den  nichtklassischen 
Ländern  vor*)." 

Sind  diese  Fabrikmarken  auf  Fibeln 
thatsächlich  nicht  gerade  häufig,  so  bilden 
sie  doch  nicht  eine  so  grosse  Seltenheit, 
wie  es  nach  obigen  Worten  Dresseis  schei- 
nen möchte.  An  ihrem  Unbekanntsein 
tragen  die  Zersplitterung  der  einschlägigen 
Litteratur  sowie  Nichtbeachtung  in  den 
Museen  eine  Hauptschuld. 

Für  Frankreich  hat  R.  Mowat  (Mar- 
ques de  bronziers  sur  objets  antiques 
trouv^s  ou  apport^s  en  France,  Vienne 
1884,  vgl.  bull,  epigr.  de  la  Gaule  HI 
(1883)  S.  261  f.,  IV  (1884)  S.  31  f.,  S.  115  f.) 
fast  2  Dutzend  verschiedene  solche  Fa- 
brikmarken zusammengestellt,  und  auch  für 
Deutschland  und  die  benachbarten  Länder 
liegt  bereits  eine  ziemliche  Anzahl  vor. 
Gerade  für  die  3  mit  dem  Stempel  OON 
versehenen,  von  Dressel  publizierten  Stücke 
lassen  sich  3  weitere  Belege  erbringen  und 
zwar  gleichfaUs  auf  „Schnallenfibeln '^.  Es 
sind  2  Exemplare  aus  Fels  in  Luxem- 
burg (vgl.  Korrbl.  d.  Westd.  Ztschr.  VII 
S.  23)  und  Lindenschmit  A.  h.  V.  II.  12 


1)  CIL.  X  8072,   17  und  22,   bull.  d.  Inst.  1881 
S.  42,  (iarrucci  sylloge  n.  2271. 

2)  CIL.  ni  3219,  Buppl.  12031,  18-20.  22.  XII 
56Ö8,  16--17.  19. 


T.  HL  1  (Mus.  Darmstadt),  wo  offenbar 
auch  CON  zu  lesen  ist.  Incl.  der  2  Trie- 
rer Exemplare  (Bonn.  Jahrb.  XCV  S.  83 
Anm.  1)  liegen  also  von  diesem  einen 
Stempel  bereits  8  Beispiele  vor.  Für  die 
andere  Fibel  T.  II.  7  ist  Mowat  n.  34»»  zu 
vergleichen  (Boduos). 

Die  Hauptbedeutung  dieser  Fibeln  liegt 
in  ihren  chronologischen  und  kulturge- 
schichtlichen Aufschlüssen.  Wie  weite  Ver- 
breitung diese  Schmuckgeräte  durch  den 
Handel  erfuhren,  mögen  einige  Beispiele 
erweisen. 

1.  Der  Stempel  Atrectos.  Unter  Nr.  31 
ist  von  Mowat  der  Stempel  ATRIICTOS 
auf  einer  Chamierfibel  des  Mus.  St.  Ger- 
main erwähnt  (vgl.  auch  Tischler  b.  Meyer 
Gurina  S.  30).  Offenbar  die  gleiche  Fibel 
mit  gleichem  Stempel  kam  bei  Windisch 
in  der  Schweiz  zu  Tage  (vgl.  Katalog  d. 
Sammlungen  d.  ant.  Ges.  in  Zürich  II  S.  96 
n.  914^,  hier  ATRIXTO  gelesen). 

2.  Äucissa.  Es  sind  mir  6  Exemplare 
bekannt :  1)  gefunden  in  Marzabotto  (Etru- 
rien) :  Gozzadini,  d.  un  ant.  necrop.  a  März, 
pl.  17  Fig.  17  (p.  31,  54),  Montelius,  Antiq. 
Tidskrift  VI  S.  187  Fig.  190,  Meyer,  Gurina 
S.  30,  Furtwängler,  Olympia  IV  Bronzen 
S.  183  Anm.  1.  2)  CIL.  X  8072,  22  in 
Neapel.  3)  Friederichs,  Kl.  Kunst  S.  100 
n.  263,  Furtwängler  a.  o.:  in  Berlin,  aus 
Gerhards  Nachlass.  4)  Mowat  2,  marq.  d. 
bronz.  n.  32:  St.  Germain.  5)  CIL.  III 
suppl.  12031, 18 :  gef.  in  Croatien.  6)  Westd. 
Zeitschr.  EI  S.  186  (Museum  Trier)  vgl. 
Holder,  Alt-keltischer  Sprachschatz  unter 
Aucissa. 

3.  Nertomarus.  1)  Mus.  Wiesbaden: 
CIRh.  add.  1376,  Nass.  Annalen  XII  T.  II 
n.  24  (S.  222),  v.  Cohausen,  Führer  S.  73, 
2)  Gef.  in  Windisch  vgl.  Ulrich,  Katalog 
d.  Sammlungen  d.  ant.  Ges.  in  Zürich  II 
S.  95  f.  Carton  913».  3)  Mowat  n.  53 :  gef. 
in  Vertault  (Cöta  d'Or). 

Ich  denke,  diese  Beispiele  genügen. 

Für  die  Frage  nach  der  zeitlichen 
Stellung  dieser  mit  Fabrikstempeln  ver- 
sehenen Fibeln  giebt  die  Form  derselben 
die  besten  Anhaltspunkte. 

Die  ältesten  sind  zweifelsohne  die  von 
Mowat  unter  n.  50  und  52  verzeichneten^ 
welche    noch    den    Mittel -La    Tenetypus 


—    27    — 

zeigen,  aber  einer  ziemlich  vorgeschritten 
nen  Entwicklung  desselben  angehören.  Es 
folgen  dann  richtige  Spät -La  Tenefibeln, 
am  zahlreichsten  aber  sind  die  zu  Beginn 
des  1.  Jahrh.  n.  Chr.  sich  daraus  ent- 
wickelnden Formen  sowie  die  frühen  Char- 
nierfibeln  vertreten.  Auch  die  von  Dressel 
„SchnallenfibeP  (sonst  auch  Scheiben-, 
Distel-  und  Militärfibel)  genannte  Form 
gehört  der  1.  Hälfte  des  1.  Jahrh.  n.  Chr. 
an,  wie  Dressel  richtig  gegen  Linden- 
schmit  etc.  annimmt^).  Von  allen  mit 
Stempeln  versehenen  Fibeln,  soweit  sie 
mir  im  Original  od.  durch  Abbildung  be- 
kannt sind,  reicht  keine  über  den  Anfang 
des  2.  Jahrh.  hinaus. 

Das  zeitliche  Auftreten  der  Fibelstempel 
liefert  also  eine  vollständige  Parallele  zu 
demjenigen  der  Töpferstempel  sowohl  auf 
der  schwarzen  gallischen  als  der  sog.  terra- 
sigillata-Ware.  Auch  hier  erscheint  gerade 
in  der  gallisch-römischen  Übergangsperiode 
und  im  1.  Jahrh.  des  Kaiserreichs  die  Ab- 
stempelung am  häufigsten. 

Und  eine  zweite  Parallele :  Wie  in  der 
Keramik  der  frühen  Kaiserzeit  sich  deut- 
lich einheimisch  -  gallische  (oder  germa- 
nische), andererseits  römische  Formen, 
Teckniken  und  Verzierungsweisen  unter- 
scheiden lassen,  so  genau  bei  den  Fibeln, 
wofür  die  so  zahlreich  auftretenden  gal- 
lischen Namen  eine  Bestätigung  geben. 

Wenn  auch  nicht  mehr  zu  der  uns  be- 
schäftigenden Frage  gehörig,  sei  doch  zum 
Schlüsse  eine  weitere  interessante  Über- 
einstimmung der  Töpfereien  und  Fibeln 
erwähnt,  die  weniger  bekannt  ist.  Wie 
auf  Trinkbechern,  Krügen  etc.  von  der 
Mitte  des  3.  Jahrh.  an  mannigfache  auf- 
gemalte Inschriften  erscheinen,  so  begeg- 
nen uns  auch  auf  Fibeln  dieser  Zeit  zahl- 
reiche Anreden  wie  VIVAS,  VTERE  FE- 
LIX etc.  (vgl.  Mowat,  Mdm.  d.  1.  Soc.  d. 
antiq.  d.  France  1888  S.  19  f.). 

Mögen  diese  Zeilen  dazu  beitragen, 
diesem  namentlich  auch  für  die  Chronologie 
der  römischen  Bauten  und  Kulturschichten 


S)  Am  besten  seigen  dies  einige  .Orabfande 
Ton  Martigny  vgl.  Anceiger  f.  sohweis.  Altert. 
189S  n.  2,  iro  ich  die  Entstehung  dieser  Fibelform 
kurs  angedeutet  habe. 


SO  wichtigen  Geräte  in  den  Museen  mehr 
Aufmerksamkeit  zu  verschaffen. 
Karlsruhe,  Januar  1895. 

Karl  Schumacher. 


Badische  historische  Kommission.  7. 

Vgl.  Korrbl.  XIII  Nr.  1. 

Die  dreizehnte  Plenarsitzung  der  ba- 
dischen  historischen  Kommission  vurde 
am  19.  und  20.  Oktober  1894  in  Karls- 
ruhe abgehalten. 

Seit  der  letzten  Plenarsitzung  (im  Ok- 
tober 1893)  sind  nachstehende  Veröffent- 
lichungen im  Buchhandel  erschienen: 

Fester,  B.,  Regesten  der  Markgrafen 
von  Baden  und  Hachberg.    I.  Bd.  4.  und 

5.  Lieferung.    Innsbruck,  Wagner. 
Koch,  A.,   und  Wille,  J.,   Regesten 

der  Pfalzgrafen  am  Rhein.     1.  Band  5.  und 

6.  Lieferung  (Schluss).  Innsbruck,  Wagner« 

Cartellieri,  A.,  Regesten  zur  Ge- 
schichte der  Bischöfe  von  Konstanz.  II.  Bd. 
1.  Lieferung.    Innsbruck,  Wagner. 

Krieger,  A.,  Topographisches  Wör- 
terbuch des  Grossherzogtums  Baden.  Zweite 
Abteilung.    Heidelberg,  Winter. 

Kindler  von  Knobloch,  J.,  Ober- 
badisches  Geschlechterbuch.  1.  Lieferung. 
Heidelberg,  Winter. 

Badische  Nei^ahrsblätter.  Viertes  Blatt 
1894.  Baumann,  F.  L.,  Die  Territorien 
des  Seekreises  1800.  Karlsruhe,  Braun. 
Zeitschrift  für  die  Geschichte  des  Ober- 
rheins, Neue  Folge,  IX.  Bd.,  nebst  des 
Mitteilungen  der  Badischen  historischeD 
Kommission  Nr.  16.  Karlsruhe,  J.  Biele- 
felds Verlag. 

Über  die  einzelnen  wissenschaftlichen 
Unternehmungen  wurden  Berichte  erstattet 
und  Beschlüsse  gefasst,  die  in  nachstehen- 
der Übersicht  zusammengestellt  sind: 

1.  MtUdaUerliche  Queüen-,  insbetondere 
Begestenwerke.  Die  Schlussliefenmg  des 
ersten  Bandes  der  Regesten  für  die 
Geschichte  der  Bischöfe  von  Kon- 
stanz, welche  das  von  Dr.  Müller  (jetzt 
in  Leipzig)  bearbeitete  Register  enthält, 
befindet  sich  unter  der  Presse,  der  Satz 
ist  bis  zum  Buchstaben  M  vorgeschritten« 
so  dass  die  Lieferung  jedenfalls  zu  Beginn 
des  Jahres  1895  ausgegeben  werden  kann. 
Von  den  durch  Dr.  Fester  in  München 


—    29    — 


—    30    — 


bearbeiteten  Regesten  der  Markgrafen 
von  Baden  und  Hachberg  werden  im 
nächsten  Jahre  zwei,  von  dem  durch  Dr. 
Cartellieri  bearbeiteten  zweiten  Bande 
der  Konstanzer  Regesten  wird  eine 
Lieferung  zur  Veröffentlichung  gelangen. 
Flur  die  beiden  Bearbeiter  wird  der  Be- 
such einiger  auswärtigen  Archive  nötig 
werden.  Da  Professor  Dr.  Schulte  sich 
infolge  seiner  Berufung  an  die  Universität 
Freiburg  veranlasst  sieht,  die  Oberleitung 
der  Konstanzer  Regesten,  deren  Bearbeiter 
Dr.  Cartellieri  als  etatsmässiger  wis- 
senschaftlicher Hilfsarbeiter  am  Grossh. 
General-Landesarchiv  seinen  Wohnsitz  in 
Karlsruhe  hat,  abzugeben,  hat  diese  Archiv- 
direktor Dr.  V.  Weech  wieder  übernom- 
men. —  Infolge  der  Ernennung  des  Dr. 
Albert  zum  Stadtarchivar  in  Freiburg 
ging  die  von  diesem  begonnene  Bearbei- 
tung des  Registers  zum  dritten  Bande  des 
Codex  diplomaticus  Salemitanus  an  Dr. 
Isenhart  über,  welcher  dieselbe  in  der 
nächsten  Zeit  zum  Abschluss  bringen  wird. 

—  Für  die  Bearbeitung  des  Stadtrechtes 
von  Überlingen  ist  es.  dem  Archivrat  Dr. 
B  a  u  m  a  n  n  gelungen,  in  Professor  Dr.  Georg 
Cohn  in  Zürich  einen  Bearbeiter  zu  ge- 
winnen. Die  Bearbeitung  der  Stadtrechte 
von  Wertheim  und  Wimpfen  und  ihrer 
Töchterorte  hat  Geh.  Hofrat  Professor  Dr. 
Schröder  übernommen,  und  es  steht  das 
Erscheinen  von  drei  Heften  dieser  Publi- 
kation für  das  Jahr  1895  in  Aussicht.  Den 
mit  der  Vorbereitung  zur  Herausgabe  der 
Stadtrechte  und  Weistümer  des 
Oberrheins  beschäftigten  Mitgliedern  der 
Kommission:  Baumann,  Schröder,  Schulte 
und  Wiegand,  hat  sich  nun  noch  ein 
fünftes  Mitglied,  Archivrat  Dr.  Krieger, 
angeschlossen,  der  in  erster  Reihe  die  in 
den  Sammlungen  des  General-Landesar- 
chivs verwahrten  Stücke  verzeichnen  wird. 

—  Professor  Dr.  Schulte  hat  von  der 
archivaüschen  Reise,  die  er  zur  Sammlung 
von  Urkunden  und  Aktenstücken  zur 
Geschichte  des  Handelsverkehrs 
der  oberitalienischen  Städte  mit 
den  Städten  des  Oberrheins  im  Mit- 
telalter nach  Mailand  und  Öenua  unter- 
nommen, eine  überaus  reiche  Ausbeute 
mitgebracht.    Eine  zweite  Reise,   die  ihn 


auch  noch  in  andere  Städte  Oberitaliens^ 
führen  wird,  ist  für  das  nächste  Jahr  in 
Aussicht  genommen.  Die  Frage,  ob  sofort 
mit  der  Publikation  eines  ersten  Heftes 
von  Beiträgen  zur  Geschichte  dieses  Han- 
delsverkehres begonnen  werden  oder  die- 
selbe erst  nach  Absolvierung  der  zweiten 
italienischen  Reise  in  Angriff  genommen 
werden  soll,  ist  näherer  Erwägung  anheim- 
gestellt. 

2.  QueUenpMikationen  zur  neueren  Ge- 
schichte. Das  Manuskript  des  vierten 
Bandes  der  Politischen  Korrespon- 
denz Karl  Friedrichs  von  Baden  ist 
druckfertig  und  es  kann  nach  Mitteilung 
des  Herausgebers,  Archivrats  Dr.  Obser, 
der  Druck  alsbald  beginnen,  so  dass  in 
der  ersten  Hälfte  des  Jahres  1895  der 
Ausgabe  des  Bandes,  welcher  die  Zeit  von 
Februer  1801  bis  April  1804  umfassen 
wird,  entgegengesehen  werden  darf.  —  Im 
Stift  St.  Paul  im  Lavantthal  hat  Archiv- 
direktor Dr.  V.  Weech  während  eines 
mehrwöchentlichen  Aufenthaltes  die  um- 
fangreiche  Korrespondenz  des  Fürst- 
abtes Martin  Gerbert  von  St.  Bla- 
sien  durchgearbeitet.  Durch  das  sehr 
dankenswerte  Entgegenkommen  des  dor- 
tigen Hofmeisteramtes,  welchem  das  Stifts- 
archiv untersteht,  wird  es  möglich,  dass 
die  Korrespondenzbände  dem  General- 
Landesarchiv  zu  Karlsruhe  zur  Benutzung 
durch  den  Herausgeber  übersandt  werden. 
Zur  Bearbeitung  wird  von  diesem  mit  Zu- 
stimmung der  Kommission  Dr.  Hauck 
herangezogen.  —  Auch  die  Bearbeitung  der 
Berichte  der  päpstlichen  Nuntien  in 
Wien  und  Paris  aus  der  Zeit  vor  dem 
Ausbruch  des  orleanischen  Krieges^ 
welche  Archivdirektor  v.  Weech  aufgrund 
seiner  im  Frülgahr  1893  unternommenen 
Durchsicht  der  betreffenden  Bände  der 
Nuntiaturen  von  Wien  und  Paris  im  Vati- 
kanischen Archiv  zu  Rom  abschreiben  liess,. 
soll  so  gefördert  werden,  dass  das  druck- 
fertige Manuskript  der  nächsten  Plenar- 
sitzung vorgelegt  werden  kann. 

3.  Bearbeitungen.  Von  dem  Topo- 
graphischen Wörterbuch  des  Gross- 
herzogtums Baden,  bearbeitet  von 
Archivrat  Dr.  Krieger,  befindet  sich  die 
dritte   Lieferung   unter    der   Presse,    die 


—    31    — 

vierte  wird  im  Laufe  des  Jahres  1895  zum 
Abschluss  gebracht  werden.  —  Professor 
Dr.  Gothein  stellt  die  Yollendung  des 
zweiten  Bandes  der  Wirtschaftsgeschichte 
des  Schwarzwaldes  und  der  angrenzenden 
Oaue  im  Laufe  des  nächsten  Jahres  in 
Aussicht.  —  Die  zweite  Lieferung  des  von 
Oberstlieutenant  a.  D.  Eindler  v.  Knob- 
loch, Mitglied  des  Königl.  preussischen 
Heroldsamtes,  bearbeiteten  Oberbadi- 
tichen  Geschlechterbuches  ist 
«inter  der  Presse,  Lieferung  3  und  4 
werden  im  Jahre  1895  erscheinen.  Die 
Zeichnung  der  Wappen  ist  seit  September 
dieses  Jahres  dem  Hof  wappenmal  er  Hein- 
xich  Nahde  in  Berlin  übertragen.  —  Die 
Yorbereitungen  für  die  Herausgabe  der 
"Siegel  und  Wappen  der  badischen 
Gemeinden  haben  durch  einen  Wechsel 
in  der  Person  des  Zeichners  eine  Verzöge- 
rung erlitten;  der  Eintritt  eines  neuen 
Zeichners,  Fr.  Held  dahier,  lässt  erwar- 
ten, dass  die  Arbeit  jetzt  so  rasch  geför- 
dert werden  kann,  um  die  nächste  Plenar- 
sitzung in  den  Stand  zu  setzen,  den  Be- 
f;inn  der  Veröffentlichung  zu  genehmigen. 

—  Dr.  A.  Rössger  verspricht,  die  ihm 
übertragene  Studie  über  die  Herkunft 
der  romanischen  Einwanderung  in 
Baden  in  den  Jahren  1685  ff.,  an  deren 
Abschluss  er  verhindert  war,  nun  bestimmt 
im  Laufe  des  Jahres  1895  zu  vollenden. 

—  Die  Einreichung  einer  statistischen  Ar- 
beit über  die  Bevölkerung  der  Stadt 
Heidelberg  im  16.  Jahrhundert,  für 
welche  ein  Druckzuschuss  seitens  der  Kom- 
mission erbeten  wurde,  hat  den  Professor 
Dr.  Bücher  zu  eihem  Antrag  veranlasst, 
welcher  eine  namhafte  Erweiterung  des 
"Gebietes  und  der  Zeit,  auf  welche  sich 
eine  von  der  Kommission  unter  ihre  Ver- 
•öffentlichungen  aufzunehmende  statistische 
Ausarbeitung  erstrecken  soll,  in's  Auge 
fasst.  Dieselbe  wird  voraussichtlich  der 
nächsten  Plenarsitzung  vorgelegt  werden. 
•  4.  Periodtsche  PublikaUonen.  Von  der 
Zeitschrift  für  die  Geschichte  des 
Oberrheins,  Neue  Folge,  red.  von  Prof. 
Dr.  A.  Schulte  in  Freiburg  i.  B.,  befindet 
sich  das  erste  Heft  des  zehnten  Bandes 
unter  der  Presse.  Diesem  Bande  soll  ein 
den  Inhalt    der    ersten   zehn  Bände   der 


—    32     — 

Neuen  Folge  nachweisendes  Register 
beigegeben  werden.  —  In  den  Mitteilun- 
gen der  Badischen  historischen 
Kommission,  von  denen  bis  jetzt  16 
Nummern  vorliegen,  werden  auch  fortan 
die  von  unsem  Pflegern  verfassten  Ver- 
zeichnisse der  von  ihnen  geordneten  Ar- 
chive der  Gemeinden  (1284),  Pfarreien  (777 
—  539  katholische,  238  evangelische  — ), 
Grundherren  (25)  u.  s.  f.  veröffentlicht  wer- 
den. Mit  der  Ordnung  und  Verzeichnung 
der  noch  nicht  besuchten  Archive  (darun- 
ter 326  von  Gemeinden,  341  von  Pfarreien, 
28  von  Grundherren)  werden  die  47  Pfle- 
ger '  unter  Leitung  der  Bezirkspfleger: 
Archivrat  Bau  mann,  Professoren  Maa- 
rer, Dr.  Roder  und  Dr.  Wille,  fort- 
fahren. —  Das  Neujahrsblatt  für  1895, 
welches  die  Zustande  in  der  Kurpfalz  nach 
dem  30jährigen  Krieg  behandelt,  verfasst 
von  Professor  Dr.  Gothein  in  Bonn,  wird 
in  Bälde  der  Druckerei  übergeben  werden. 
Für  das  Jahr  1896  hat  die  Bearbeitung  des 
Xeujahrsblattes  Privatdozent  Dr.  Fester 
in  München  übernommen.  Als  Thema  bat 
er  die  Geschichte  des  Markgrafen  Bern- 
hard I.  von  Baden  gewählt 

Ausserdem  wurde  nebst  Erledigong  der 
geschäftlichen  Angelegenheiten  beschlossen, 
die  Konferenzen  von  Vertretern  der 
landesgeschichtlichen  Publika- 
tionsinstitute, welche  häufig  in  Ver- 
bindung mit  den  deutschen  Historikertagen 
stattfinden  sollen,  zu  beschicken. 


Soeben  erschien  und  steht  gratis  zu 
Diensten : 

Antiquariats -Catalog  No.  59. 

]>er  Rheinlande 

Oescliiclite  ond  Sage, 

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Bonn.  Franz  Teubner. 


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Prof.  HottMr  u.  Dr.  Lobner, 

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MIttolalttr  ond  Ntnzolt 

redigiert  yoa 

Arohirar  Dr.  HtnMil, 

KMik 


der 


Westdeutschen  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst, 

cmgleieb  Or^s  der  historiseb-antiquariselieii  Yereine  zu  Birkenfeld,  Düsseldorf,  Frank- 
furt a.  M.,  Karlsrnlie,  Mainz,  Mannheim,  Metz,  Nenss,  Prfim,  Speyer,  Strassbnrg, 
Trier,  Worms,  sowie  des  anthropologischen  Vereins  zn  Stuttgart 

♦ 

Mirz  Jahrgang  XIY,  Nr.  3.  1895. 

Dae  Korreapondensblatt  ereoheint  in  einer  Auflage  Ton  4000  Exemplaren.    Inserate  4  S6  Pfg.  für  die 

gespaltene  Zeile  werden  Ton  der  Verlagshandlnng  ond  allen  Inseraten-Bareans  angenommen,  Beilagen 

naeh  XJebereinknnft.  —  Die  Zeiteohrift  erscheint  Tlerteljftlurlich,   das  Korrespondenablatt  monatlioh.  — 

Abonnementepreis  16  Mark  fftr  die  Zeitschrift  mit  Korrespondensblatt,  für  letsteres  allein  6  Hark. 

m^  Beitr&ge  ffir  die  TorrOmische  und  rOmische  Abteilnng  sind  an  Dr.  Lohner  (Trier,  ProTinsialmnsenm), 
fftr  Mittelalter  ond  Nenxeit  an  Dr.  Htnoon  (Köln,  Stodtarchiv)  in  senden. 


Neue  Funde. 

Der    „Heidenofen"    bei    Niederbrombacli 

(Fiirstentam  Birkenfeld)  Zwischen  Nieder- 
brombach und  dem  Fischerhof  senkt  sich, 
in  der  Nähe  der  Römerstrasse  Castel- 
Brombach  beginnend,  das  Thal  des  kleinen 
Bärenbacbs  in  die  Hochfläche  ein;  in 
einem  von  Norden  her  einmündenden  Seiten- 
tbälchen,  das  die  Grenze  zwischen  dem 
„Duppelbäsch"  und  dem  ebenfalls  bewal- 
deten „Duppelberg'*  bildet,  befindet  sich 
der  sogenannte  „Heidenofen''  (däre-Uwe), 
der  von  jeher  die  Phantasie  der  Anwohner 
lebhaft  beschäftigt  hat.  So  lag  es,  zumal 
bei  der  Bedeutsamlieit  so  vieler  mit  » Hei- 
den'' zusammengesetzten  Ortsnamen,  nahe, 
dass  der  Birkenfelder  Verein  für  Alter- 
tumskunde den  Platz  einer  Untersuchung 
unterzog,  welche  im  Sept.  1893  unter  An- 
wohnung nicht  weniger  Yereinsgenossen 
vorgenommen  wurde. 

Mit  dem  erwähnten  Namen  bezeichnet 
man  eine  Höhle  in  einer  ungefähr  11  m 
langen  und  4  m  hohen  Felswand,  welche 
sich  da,  wo  die  oben  ganz  enge  Thal- 
schlucht sich  etwas  weiter  öffnet,  über 
einer  Terrasse  an  der  Westseite  erhebt. 
Der  Name  „Ofen"  ist  allerdings  insofern 
bezeichnend',  als  die  Form  der  Höhle 
grosse  Ähnlichkeit  mit  einem  Backofen 
hat.  Während  sie  beim  Eingang  nur  70  cm 
hoch  ist,  erhebt  sich  ihre  Decke  im  hin- 
teren Teile  mit  ziemlich  regelmässiger 
Wölbung    bis    zu    1,47  m;    der   ziemlich 


ebene,  vorn  etwas  ansteigende,  hinten  ein 
wenig  eingesenkte  Boden  bildet  ein  Huf- 
eisen von  8,20  m  Länge  und  2,60  m  Breite 
am  Eingang,  während  die  grösste  Breite, 
gerade  unter  der  1  m  vom  hinteren  Ende 
entfernten  höchsten  Wölbung,  3  m  beträgt. 
Inwieweit  die  so  gestaltete  Höhle  auf  na- 
türlicher Bildung  beruht  oder  von  Men- 
schenhand hergestellt  ist,  muss  fachmän- 
nischer Beurteilung  anheimgegeben  werden. 
Für  menschliche  Anlage  scheint  die  vor 
ihr  befindliche,  ungefähr  ^'2  m  tiefer  lie- 
gende, 4  m  breite  Terrasse  zu  sprechen, 
deren  jetzige  Unebenheit  grossenteils  we- 
nigstens von  herabgefallenen  Felsstücken 
und  Erdmassen  herrührt,  die  bei  der  Unter- 
suchung nur  zu  einem  kleinen  Teil  abge- 
hoben wurden.  Das  den  Boden  der  Höhle 
vorne  bedeckende  Erdreich  wurde  ganz 
ausgeräumt,  aber  beachtenswerte  Funde, 
wie  man  sie  gerade  im  Inneren  der  Höhle 
für  möglich  gehalten  hatte,  nicht  gemacht. 
Doch  ist  es  nach  der  Beschaffenheit 
der  Höhle  und  des  Vorplatzes  nicht  un- 
wahrscheinlich, dass  sich  da  in  dem  war- 
men, nach  Süden  geöffneten  Thälchen  in 
vorgeschichtlicher  Zeit  eine  menschliche 
Ansiedelung  befunden  hat,  von  der,  als 
der  Name  „Heidenofen''  aufkam,  noch 
deutliche  Spuren  oder  Überreste  vorhan- 
den gewesen  sein  mögen.  Ohne  solche 
würde  man  den  Platz  wohl  nicht  zu  den 
„Heiden"  in  Beziehung  gesetzt  haben.  Ob 
eine    völlige    Abräumung    des   Vorplatzes 


—    3B    — 

bestimmtere  Ergebnisse  liefern  würde,  ist 
sehr  zweifelhaft, 
fiirkenfeld.  Back. 

9.       Trier.   [Mmitcher  Krug  mit  Aufschrift]. 

In  einem  Skelettgrab  des  nördlichen  Grä- 
berfeldes von  Trier  (im  Maar)  fand  sich 
vor  kurzem  ein  kleiner  zierlicher  Henkel- 
krug von  16  cm  Höhe.  Er  ist  braunrot 
gefärbt  mit  unregelmässigen  dunkleren 
Flecken  und  Streifen,  gehört  also  zu  der 
Sorte  der  sogenannten  gellammten  Thon- 
ware.  Die  Form  veranschaulicht  die  bei- 
gegebene Abbildung,  aus  welcher  auch  die 


merkwürdige  Vexiervorrichtung  im  Innern 
des  Kruges  ersichtlich  ist.  Diese  bewirkt, 
dass  das  Gefäss  durch  die  Mündung  zwar 
gefüllt,  aber  nicht  geleert  werden  kann; 
dies  letztere  geschieht  vielmehr  durch  ein 
Loch  in  dem  hohlen  Henkel.  Auf  dem 
Bauch  stehen  in  auffallend  sorgföltigen 
Buchstaben,  welche  entschieden  von  dem 
mehr  cursiven  Charakter  ähnlicher  Gefäss- 
aufschriften  abweichen,  en  barbotine  auf- 
gemalt die  Worte:  vinuni  vires.  Schluss 
und  Anfang  der  Inschrift  sind  von  einander 
durch  eine  Art  Interpunktion  getrennt. 
Die  Aufschrift  kommt  meines  Wissens  sonst 
in  dieser  Zusammensetzung  nicht  vor. 
Wohl  findet  sich  vi  man  allein  und  ebenso 
vires  allein  auf  Trinkbechern  aufgemalt  ^). 
Wenn  man  nicht  annehmen  will,  dass  die 
Zusammenstellung  der  Wörter  ganz  will- 
kürlich und  sinnlos  sei,  was  bei  dieser  Art 
Gefässaufschriften  immerhin  nicht  das  Ge- 

1)  Vgl.  J.  Klein:  Kleinere  inschriftl.  Denk- 
mäler des  Bonner  Provincialmasenms ,  Bonner 
Jahrbficber  LXXSLYU,  1889,  S.  72,  Nr.  41,  92  und 
86  nnd  Maxe-Werly :  vases  ä  inscriptions  bachiques 
in  den  m^moires  des  antiqnaires  de  France  1888 
S.  372  f.  unter  Kr.  135  nnd  138. 


—    36    — 

wohnliche  ist,  so  wird  man  wohl  den  Aus- 
fkll  eines  Verbums  annehmen  müssen  <'etwa 
vinum  vires  det  oder  augeat  o.  dgl.  i.  Die 
Aufschriften  dieser  Trinkgefässe  «ithaUen 
ja  grossenteils  eine  AufFordemng  an  den 
Wirt  oder  den  Trinker  oder  einen  Grass 
oder  Segenswunsch  (vgl.  die  enähnte 
Zusammenstellung  in  den  m^meires  d^ 
antiquaires),  haben  also  meist  imperatiTi- 
sehen  oder  optativischen  Charakter,  so 
dass  in  solchen  Trinkspruchen  das  Yerbimi 
wohl  als  selbsverständlich  ausgelassen  wer- 
den konnte.  So  findet  sich  z.  B.  die  Auf- 
schrift vinum  tibi  dvUcis  (sie!)*),  wo  jeden- 
falls esto  zu  ergänzen  ist.  —  Der  Krag 
wird  der  Form  nach  um  das  Jahr  3vJ0  iq 
datieren  sein. 
Trier.  Dr.  H.  Lehn  er. 


Chronik. 

WQrtttmiMrfiMlit  KDnttlar  in  LtbtiitbHdini  von  Dr  ^ 

Aug.  Wette rlin.  Deutsche  Yerlagua- 
Btalt.  Stuttgart,  Leipiig,  Berlin,  Wien.  1S95 
8.  Vni  und  498  SS.,  22  Bildnisse. 

Das  Buch  ist  eine  Zusammenstellang  1 
von  Beiträgen  Wetterlins  zu  der  Allgemei-  ' 
nen  deutschen  Biographie  und  von  Vor- 
trägen, welche  er  bei  verschiedenen  Ge-  1 
legenheiten  gehalten  hat.  Die  Anordnung 
ist  chronologisch.  Der  Inhalt  bietet  eise 
Auswahl,  kein  Lexikon,  der  Württemberg!-  1 
sehen  Künstler.  Um  so  stolzer  köoneo 
die  Bewohner  des  kleinen  Königreiches 
auf  den  stattlichen  Ahnensaal  ihres  Geistes- 
adels hinblicken,  welchen  W.'s  Buch  dar- 
stellt. Dasselbe  ist  in  gevrissem  Sinne  eine 
Fortsetzung  der  Forschungen  Heidelolfe 
auf  dem  Gebiete  der  schwäbischen  Kanst. 
Haben  jene  die  mittelalterlichen  Herror- 
bringungen  derselben  im  Auge,  so  beginnt 
W.  mit  der  Renaissance  und  verfolgt  seine 
Künstlerreihe  bis  in  unsere  Tage.  Das 
Ganze  ist  der  Natur  seiner  Anlage  nach 
nicht  organisch  gegliedert.  Jedes  Lebensbild 
bildet  ein  in  sich  abgeschlossenes  Ganze. 
Infolge  dessen  sind  selbstverständlich  ^Vi^ 
derholungen  unvermeidlich,  namentlich  im 
historischen  und  biographischen  Hinter- 
grunde der  einzelnen  Lebensschilderungen; 
doch  wirken  dieselben  weniger  ermüdend. 


2)  Memoires   des   »ntiquaires   a.  a.  O.  S.  37^ 
Nr.  137. 


—    37    — 

ak  etwa  die  stehen  gebliebene  Dekoration 
beim  Scenenwechsel  des  Theaters,  da  die- 
selben Dinge  doch  immer  in  anderer  Form 
wiedeiigegeben  werden.  Dieser  Umstand 
bat  übrigens  nicht  Gewicht  genug,  um  den 
l^uusch  zu  erwecken,  die  markig  gezeich- 
neten  Umrisse  der  im  Buche  dargestellten 
Einzelleben  mehr  ineinander  verfliessen  zu 
sehen.  Mit  dem  Scharfblick  des  Porträt- 
malers erfasst  W.  den  Hauptinhalt  jedes 
Künstlerlebens  und  fasst  ihn  meist  motto- 
artig am  Eingang  desselben  in  kurz  be- 
zeichnende Worte.  Doch  ist  der  Haupt- 
reiz des  wirklich  fesselnden  Buches  in 
seinem  Gegenstände  selbst  gelegen  und 
W.'s  unbestreitbares  Verdienst  ist  es,  den- 
selben in  Sehweite  gerückt  zu  haben.  Die 
Renaissance  hat  hier  nur  einen  Vertreter. 
Das  Interesse,  das  dem  Buche  innewohnt, 
gipfelt  in  der  Zeit  des  Herzogs  Karl  und 
seiner  unmittelbaren  Nachfolger,  nament- 
lich in  den  Schülern  der  Karlsschule,  den 
Mitschülern  Schillers,  welche  im  Unter- 
schiede von  ihm  nicht  im  Widerstreit 
gegen  den  schier  allmächtigen  Willen  des 
Landesherrn,  sondern  unter  der  Sonne 
seiner  Gunst  gediehen  sind.  Den  stärksten 
Gegensatz  zu  Schiller  bietet  hierin  J.  G. 
Müller,  welchen  der  Landesherr  wider 
seinen  Willen,  doch  mit  dem  besten  Er- 
folge in  die  Laufbahn  des  Kupferstechers 
gelenkt  hat.  Müller  Vater  und  Sohn,  die 
Meister  der  h.  Cäcilia  und  des  noch  heute 
gefeierten  Johannes  auf  Patmos,  sind  zwei 
wohlthuende  Erscheinungen,  welche  den 
seltenen  Fall  darbieten,  wo  der  Sohn  im 
friedlichen  Wettstreit  mit  dem  Vater  den 
letzteren  in  seiner  eigenen  Kraft  übertrifft. 
Überwiegen  die  Maler  und  Kupfer- 
stecher an  Zahl,  so  nehmen  die  Bildhauer 
an  Bedeutung  den  grussten  Teil  des  In- 
teresses für  sich  in  Anspruch.  Im  Brenn- 
punkte desselben  stehen  Schaffauer  und 
Dannecker.  Namentlich  letzterer  hat  zum 
Durchbriiche  der  klassischen  Richtung  in 
Deutschland  ein  Erkleckliches  beigetragen 
und  erscheint  Männern  wie  Canova,  Thor- 
waldsen  und  Rauch  ebenbürtig.  Die  Parallel- 
leben der  beiden  aus  sehr  niederem  Stande 
hervorgegangenen  Männer,  welche  beide 
die  sich  ablösenden  Ideale  des  Pariser 
klassischen    Zopfes,    sowie    der    echten 


—    38    — 

Klassicität  wiederspiegeln,  sind  sehr  lebens- 
voll gezeichnet.  In  ihnen,  wie  in  noch 
manchen  andren  verkörpert  sich  eine  be- 
deutsame Zeitströmung  in  einer  Weise,  die 
ihre  Bedeutung  weit  über  die  Grenzen 
ihres  Landes  ausdehnt.  Ähnliches  lässt 
sich  von  dem  an  erster  Stelle  behandelten 
Baumeister  H.  Schickard  sagen,  dessen 
offener  allumfassender  Blick  samt  der  Ge- 
wohnheit das  Durchlebte  und  Durchdachte 
in  Collectaneen  niederzulegen,  welche  glück- 
licherweise erhalten  sind,  an  Leonardo  da 
Vinci  und  seinen  Codice  atlantico  erinnert. 
Auch  an  dramatischer  Gestaltung  des  Le- 
bensganges ist  in  W.'s  Buche  kein  Mangel. 
Am  meisten  wird  die  menschliche  Teil- 
nahme hier  durch  die  Schicksale  des  be- 
gabten Malers  Gangloff  erweckt.  Alles 
was  Württemberg  Schönes  und  Grosses 
that,  i'ommt  in  dem  einen  oder  andren 
dieser  Leben  zur  Geltung,  von  den  Büsten 
Schillers  und  Uhlands  bis  zu  den  arabi- 
schen Pferden  des  königlichen  Gestütes. 
Freilich  zeigt  sich  die  grösste  Begabung 
und  regste  Bethätigung  des  Küostlergeistes 
in  der  Zeit  der  engen  landesherrlichen 
Begrenzung.  Doch  hat  die  Revolution  hier 
keinen  jähen  Bruch  mit  der  Vergangenheit 
gebracht,  so  dass  ein  guter  Stamm  von 
Künstlern  sich  hinüberrettete  in  eine  Zeit, 
wo  das  kleine  Königreich  in  ein  grösseres 
Ganze  mit  freierem  Gesichtskreise  schliess- 
lich aufgehen  sollte.  Jedenfalls  hat  W. 
bewiesen,  dass  sein  an  Künstlern  jeder 
Gattung  sehr  fruchtbares  Vaterland,  „in 
lebendigstem  Zusammenhange  mit  allen 
grossen  Strömungen  und  Wandlungen  der 
deutschen,  um  nicht  zu  sagen,  der  euro- 
päischen Kunstentwicklung,  zumal  im  18. 
und  1^.  Jahrhundert"  gestanden  hat.  Eine 
grosse  und  schöne  Aufgabe  hat  er  in  wür- 
diger Weise  mit  wissenschaftlicher  Gründ- 
lichkeit und  künstlerisch  selbständigem 
Urteile  gelöst. 
Trier.  Ken  ff  er. 

Ebsrh.  Gothefn,   Bilder   aus   der   Kulturgeschichte  \\^ 
der  Pfalz  nach  dem  dreissigj&hrigen  Kriege. 
(Badische   Neujahrsblätter,    hrsg.    voa   der 
Badischen  Historischen  Kommission,  Nr.  5). 
Karlsruhe  1895. 

Die  Badische  Historische  Kommission, 
die  seit  dem  J.  1887  die  historische  Fach- 
litteratur   durch    eine    grosse   Zahl   von 


Quellenpublikationen  und  darstellenden 
Werken  in  verdienstvollster  Weise  be- 
reichert hat,  sucht  seit  dem  J.  1891  da- 
neben auch  durch  Yerüffentlicbungen,  „die 
in  gemeinverständlicher  Sprache  verfasst 
sind,  an  die  weitesten  Kreise  unseres  Vol- 
kes, insbesondere  auch  an  unsere  heran- 
wachsende Jugend  sich  wenden,  unter 
diesen  die  Kunde  der  Vergangenheit  unse- 
rer Heimat  verbreiten,  dadurch  die  Liebe 
zur  vaterländischen  Geschichte  und  damit 
auch  die  Vaterlandsliebe  selbst  wecken 
und  nähren",  dem  Berufe  der  Geschichte, 
durch  Verbindung  der  Wissenschaft  mit 
dem  Leben  wohlthätig  auch  ausserhalb  der 
Fachkreise  zu  wirken,  gerecht  zu  werden. 
Die  Neujahrsblätter  dienen  dieser  Absicht, 
und  es  verdient  alle  Anerkennung,  dass 
so  bewährte  Kräfte,  wie  K.  Bissinger,  F. 
von  Weech,  B.  Erdmannsdörflfer ,  F.  L. 
Baumann,  Eb.  Gothein,  die  Verfasser  der 
bisher  erschienenen  Nummern^),  sich  in 
den  Dienst  dieser  Aufgabe  gestellt  haben. 
In  dem  vorliegenden  Heft  schildert  Go- 
thein die  Schicksale  der  Pfalz  in  den  vier- 
zig Friedensjahren  zwischen  dem  West- 
fälischen Frieden  und  den  französischen 
Raubkriegen,  also  in  den  Jahren,  in  denen 
das  Land  unter  dem  Regiment  des  begab- 
ten Kurförsten  Karl  Ludwig  seine  im 
dreissigjährigen  Krieg  aufs  äusserste  zer- 
rütteten Kräfte  so  auffallend  schnell  wie- 
der zu  sammeln  verstand .  Unter  der  Lei- 
tung eines  der  verständigsten  Fürsten 
seinei;  Zeit,  der  seine  durch  den  langen 
Krieg  in  die  Zustände  der  Naturalwirt- 
schaft, zurück  versetzten  Unterthanen  zu 
wirtschaftlicher  Selbständigkeit  methodisch 
zu  erziehen  trachtete,  hob  sich  das  Land 
auf  eine  die  meisten  deutschen  Territorien 
überragende  Stufe.  In  der  geistvollen  und 
formvollendeten  Weise,  die  seine  Ausfüh- 
rungen immer  auszeichnet,  führt  G.  einige 
besonders  prägnante  Momente  aus  dieser 
Entwicklimg  näher  aus :  vor  allem  die  nach 
niederländischen  Vorbildern  erfolgte  Grün- 

1)  Ihre  Titel  seien  hier  kurs  satammenge stellt: 
1.  K.  Bissinger,-  Bilder  aus  der  Urgeschichte 
des  Badischen  Landes,  1891:  2.  F.  von  Weech. 
Badische  Truppen  in  Spanien  1819—1813,  1892; 
3.  B.  Erdmann sdörf  er,  Das  badische  Oberland 
im  J.  1785,  1893;  F.  L.  Baum  an  n.  Die  Terri- 
torien des  Seekreises,  im  J.  1800,  1894. 


—    40    — 

düng  der  Handelsstadt  Mannheim,  die  be« 
sonders  mit  hugenottischen  Emwanderem 
bevölkert  wurde,  und  die  allgemeine  För- 
derung des  städtischen  Lebens,  daneben 
die  Bemühungen  zur  Verbessemng  des 
Münzwesens,  die  Gewährung  der  Frei- 
zügigkeit im  Lande  selbst  und  mit  den 
Nachbarterritorien,  die  Erleichterung  der 
Frohnden,  die  Sorge  für  den  Wald,  die 
Hebung  der  Bodenkultur  (Getreide-,  Wein-. 
Hanf-,  Flachs-,  Öl-  und  Tabakbau).  An 
diese  inhaltreichen  Ausfahrungen  schliesst 
sich  ein  Überblick  über  die  Haltung  der 
Beamten  und  der  Geistlichkeit,  welche 
diesen  Reformen  des  Bürger-  und  Bauern- 
stands misstrauisch  gegenüberstanden,  aber 
trotz  allen  polizeilichen  und  puritanischen 
Eifers  gegen  die  mit  der  Hebung  des  Wohl- 
stands sich  wieder  einstellende  fröhliche 
Lebenslust  der,  Pfalzer  nichts  auszorichtei 
vermochten. 

Die  QMChleht«  dar  Jftfd  Im  Taunus,  mit  besonderer  12. 
Berücksichtigung  4««  Rotwiidbestande»,  ge- 
widmet ftllen  waidgerechten  Jägern  der  Ver- 
gangenheit, Gegenwart  und  Zukunft  vnn 
IBdgar  Conrad  Arthur  Andreae.  Frank- 
furt a.  M.  1894.    493  8. 

Soweit  das  hübsch  ausgestattete  Buch 
für  den  Jäger  und  Forstmann  geschrieben 
ist,  entzieht  sich  dasselbe  unserer  Beur- 
teilung. Neben  dem  will  Verf.  die  Ge- 
schieht« der  Jagd  im  Taiunus  geben,  zeigt 
aber  schon  in  den  einleitenden  Wortea^ 
welche  Grenzen  er  für  seine  Aufgabe  ge- 
zogen hat.  Das  Buch  ist  mehr  eine  Ge- 
schichte der  Jagd  in  der  näheren  Umge- 
bung von  Frankfurt,  der  sudlichen  Ab- 
hänge des  Taunus  und  namentlich  von 
Homburg,  als  des  gesamten  Taunusgebiets. 
Weniger  berücksichtigt  ist  der  mittlere 
und  westliche  Teil  des  Taunus;  hier  lagea 
die  grossen  Jagdgebiete  der  Erzbiscbüfe 
von  MainZf  der  Grafen  von  Katzenelnbogea 
und  Nassau.  Freilich  sind  hier  aus  der 
vorhandenen  Litteratur  nur  wenige  Nach- 
richten zu  sammeln ;  zur  Gewinnung  de» 
wohl  nicht  unerheblichen  Materials  wären 
umfassende  archivalische  Studien  erforder- 
lich gewesen,  an  welchen  Verf.  vorbeige- 
gangen ist.  Vereinzeltes  ist  dem  Frank- 
furter Stadtarchiv  entnommen;  eimnai^ 
S.  169,  werden  alte  Akten  eines  gräflich 
Solms'schen  Archivs    angeführt,    welches. 


—    41 


42 


-wird  nicht  gesa^.  Die  Darstellung  geht 
bis  in  die  ältere  germanische  Zeit  und  die 
römische  Periode  zurück.  Schon  hier,  auf 
den  ersten  Seiten  des  Buches,  zeigt  Verf. 
eine  unglückselige  Neigung  zu  etymologi- 
schen Spielereien,  die  im  Verlaufe  der  Dar- 
stellung noch  manche  witde  Blume  sprossen 
lässt.  Hier  beigegebene  Verzeichnisse  rö- 
mischer und  germanischer  Befestigungsan- 
lagen und  Bauwerke  sind  ungenau  und 
unvollstäadig ,  waren  überdies  fiir  den 
Zweck  des  Buches  wolil  entbehrlich.  Gre- 
scbichtliche  Irrtümer  und  Versehen  begeg- 
nen uns  überdies  hier.  Weitere  Abschnitte, 
die  Jagd  in  neuerer  Zeit,  besonders  die 
der  Herzoge  von  Nassau  und  der  Land- 
grafen von  Hessen  -  Homburg,  sind  an- 
sprechender und  bieten  dem  Leser  manches 
Interessante;  Verf.,  selbst  Frankfurter,  be- 
spricht hier  manches  nach  seiner  persön- 
lichen Kenntnis  und  Erfahrung.  Die 
S.  156-376  folgende  Beschreibung  der 
einzelnen  Reviere  verleiht  dem  Buche, 
welches  der  erste  Versuch  auf  diesem  Ge- 
biete ist,  Wert ;  hier  hat  Verf.  viele  schätz- 
bare Nachrichten  gesammelt  und  zusam- 
mengetragen. Vielfach  störend  ist  jedoch 
die  Anordnung  des  Teiles;  statt  der  ein- 
gehaltenen alphabetischen  Ordnung  der 
einzelnen  Ortschaften  und  Reviere  würde 
die  geographische  Folge  —  vielleicht  un- 
ter Zugrundelef^ung  der  grösseren  Forst- 
bezirke —  die  Übersicht  erleichtert  haben. 
Weit  mehr  wie  in  den  übrigen  Teilen  des 
Buches  treffen  wir  die  schon  berührten 
etymologischen  Versuche  des  Verf.  Auch 
in  einem  für  ein  grösseres  Publikum  ge- 
schriebenen Buche  haben  derartige  Ver- 
suche des  Dilettantismus  doch  keinen  Platz 
mehr.  Auch  geschichtliche  Verstösse  sind 
nicht  selten.  Wir  notieren  hier:  S.  184 
werden  Cronbefger  Wald  und  Cronberger 
Mark  identifiziert,  obwohl  vorher  S.  54 
bessere  Nachrichten  gegeben  sind.  S.  191: 
die  Identität  von  Dorfsatzhausen  und  Burg- 
satzhauseu  ist  doch  sehr  fraglich.  S.  195 
soll  der  Name  Eppenheim  von  einem 
Grafen  Eppenstein,  der  hier  von  Eppstein 
und  Münden  besass,  oder  von  Epe  Trau- 
benkirsche herrühren!  S.  196  ist  unrich- 
tig, dass  der  Ort  Eppstein  zuerst  983  ge- 
nannt wird,  sowie  dass  aus  dem  dortigen 


Edelgeschlechte  fünf  Erzbischöfe  hervor- 
gingen. S.  200  wird  der  Ortsname  Esch- 
born erklärt  vom  Kohlenbrennen  '  aua 
Eschenholz ^  da  hörnen  =  brennen;  die- 
dieser  Erklärung  boigegebenen  Erläute- 
rungen [Vergleichung  der  Ritter  mit  Köh- 
lern] sind  anscheinend  scherzhaft  gemeint,, 
gehören  aber  nicht  zur  Sache.  S.  202 1 
dass  Falkenstein  auch  Rumberg  hiess,  ist 
nicht  richtig.  S.  244  befriedigt  die  An- 
gabe, dass  Homburg  von  „einem  der  Epp- 
steiner*'  erbaut  sein  soll,  doch  wenig. 
S,  249:  Kalkheim  hiess  nicht  Kadelkang,. 
sondern  Kadelkamp.  S.  2dl  hat  ein  Her- 
mannsweg bei  Wörsdorf  wohl  wenig  mit 
dem  Cherusker  Hermann  zu  thun.  S.  253- 
sind  die  älteren  Nachrichten  über  Köoig- 
stein  recht  ungenau ;  ausserdem  wurde  di& 
Festung  Königstein  nicht  erst  1800,  sondern 
bereits  1796  von  den  Franzosen  in  di& 
Luft  gesprengt;  Versehen  dieser  Art  sind 
Nachlässigkeiten.  Die  Sage,  dass  der 
Frankenkönig  Chlodwig  49ß  bei  Frankfurt 
und  im  Taunus  alltäglich  mit  seinen  Reisi- 
gen, vielen  Pferden  und  Hunden,  mit  dem 
Jagdspies  gejagt  und  hierbei  Königstein 
entdeckt  habe,  beruht  doch  wohl  auf 
müssiger  Erfindung.  Mehrfach  wird  die 
Erklärung  von  „ Hühnerpfad **  als  ein  für 
den  Hühnerhandel  bestimmter  Weg  ange- 
führt, wie  S.  259,  298,  ähnlich  auch  S.  25^ 
eine  Deutung  für  „Hühnerkopf".  Ebenso 
sonderbar  S.  268  die  Deutung  von  „Keller- 
berg,  der  entweder  mit  dem  Keller-Amt- 
mann oder  einem  wirklichen  Keller  m, 
Verbindung  gebracht  wird.  S.  269  sind 
die  beiden  getrennt  genannten  Mammols- 
hain  und  Mamolsheim  wohl  dieselben. 
S.  297  soll  Morien,  Obermörlen  aus  Mole- 
Mühle  entstanden  sein.  Dass  S.  300  VolU 
marzhausfn  das  heutige  Merzhausen  sein 
soll,  ist  zweifelhaft.  S.  309  werden  die. 
Wolfskehläcker  von  Wölfen  abgeleitet,  wes- 
halb nicht  von  einem  Besitzer  von  Wolfs- 
kehl?  S.  383  lässt  Verf.  das  „alte  Geschlecht 
der  Nühring  im  Aufauge  des  Mittelalter» 
auf  dem  Eppenstein  residieren  und  voa 
ihm  die  Cronberger  und  Falkensteiner  ab- 
stammen*', meines  Wissens  hat  dies  bisher 
Niemand  im  Ernste  behauptet!  S.  353  soll 
eine  Flur  „Altarhecke''  ihren  Namen  da- 
her haben,  dass  dort  ein  Altar  gestanden  t 


—    43    — 

Desgleichen  einen  Flur  Schliok  vom 
^chlingenstellen!  S.  358,  ebenso  S.  83  und 
öfter:  Herzog  Wilhelm  von  Nassau  hatte 
das  Prädikat  „Hoheit**  nicht.  8.366:  Die 
Bezirksstrasse  Wiesbaden  -  Limburg  heisst 
nicht  „Platterstrasse**,  sondern  bis  zur 
Platte  „Platterchaussee**.  S.  870  soll  Wild- 
sachsen den  Namen  von  vielem  Wilde  haben, 
was  schwerlich  jemand  glauben  wird.  — 
Diese  Sammlung  Hesse  sich  noch  vermehren; 
ebenso  könnten  Beispiele  von  nicht  kor- 
rekter Schreibung  der  Personen-  und  Orts- 
namen beigefügt  werden.  Druckfehler  wie 
Nassau-Jastein  statt  Idstein  S.  54  waren 
zu  vermeiden.  Beigefügt  sind  Auszüge  aus 
Weistümern,  meist  aus  Grimm;  ein  Ab- 
druck des  Märkergedings  von  Oberursel 
1653,  die  auf  der  Vorlage  dieses  Abdrucks 
befindliche  Anlage-Signatur  „Lit.  G.**  war 
bei  dieser  Wiederholung  entbehrlich ;  einige 
Nassauische  Verordnungen  und  endlich 
eine  Forstkarte  des  Taunus.  W. 

13.  G.  H.  Ch.  Maatttn,  Geschichte  der  Pfarreien  dee 
Dekanats  Bonn.  Erster  Teil,  Stadt  Bonn. 
Köln  1894,  Bachern. 

Der  Schwerpunkt  dieses  neuen  Bandes 
der  kölnischen  Pfarreiengeschichte  liegt  in 
den  mit  anerkennenswertem  Fleiss  zusam- 
mengestellten lokalgeschichtlichen  Mittei- 
lungen; die  Benutzung  der  unbekannten 
Materialien  der  einschlägigen  Pfarrarchive 
ist  dem  Buch  in  dieser  Hinsicht  besonders 
zugute  gekommen.  Zu  bedauern  ist  nur, 
ilass  der  Verfasser  der  Versuchung  erlegen 
ist,  auch  Dinge  von  allgemeinerer  Bedeu- 
tung, Fragen  aus  der  kirchlichen  Verfas- 
sungsgeschichte, aus  der  Geschichte  der 
Reformation  und  Gegenreformation  im  Erz- 
stift Köln  u.  s.  w.  in  einer  Art  von  Ein- 
leitung ausführlich  zu  behandeln.  Was  er 
über  diese  Dinge  vorbringt,  ist  lediglich 
ein  Auszug  aus  der  älteren,  z.  T.  der  ver- 
alteten Litteratur,  und  es  kommt  noch 
'  hinzu,  dass  die  wirklich  entscheidenden 
Werke  dem  Vf.  gänzlich  unbekannt  geblie- 
hen sind.  Wenn  er  über  die  Entwicklung 
des  Archidiakonats  handelt,  so  fehlt  ihm 
nicht  nur  die  Kenntnis  der  kirchenrecht- 
lichen Werke  von  Hinschius  und  Phillips, 
sondern  selbst  das  bekannte  die  Grund- 
fragen eingehend  erörternde  Werk  von 
Mooren,  Das  Dortmunder  Archidiakonat, 
hat  bisher  seinen  Weg  zum  Vf.  noch  nicht 


—    44    — 

gefunden.    Der  Abschnitt:  Verhältnis  von 
Propst  und  Kapitel   (es  handelt  sich  um 
das  Cassius-  und  Florentiusstift  in  Bonn) 
begnügt  sich  mit  einer  knappen  Erörterung 
von  Verhältnissen  des  18.  Jahrb.,  während 
bekanntlich  die  kirchenrechtlich  so  wichtige 
Auseinandersetzung  zwischen  Propst  und 
Kapitel  in  den  deutschen  Stiftern  einige 
Jahrhunderte  früher,   im  wesentlichen  in 
das  12.  und  18.  Jahrhundert,  fällt    Bei  der 
Schilderung  der  Reformation  und  Gegen- 
reformation  im  Erzstift  Köln   zeigt  sich, 
dass  Werke    wie   Varrentrapp,    Hermann 
von  Wied    oder   Lossen,    Der   Kölnische 
Krieg   (um  nur   diese   zu  erwähnen)  dem 
Autor  gänzlich  unbekannt  sind.     Und  wa» 
soll  man  z.  B.  zu  dem  „Delphin  von  Ve- 
nedig" (S.  58)  sagen,  der  Johann  Gropper^ 
Schriften  „mit  scharfer  Censur  verfolgte*  r 
Es  handelt  sich  um  den  bekannten  Bischof 
Pharos,   spätem   Cardinal  Zacharias  Del- 
finus,  der  Groppers  Lehren  von  der  Recht- 
fertigung u.  s.  w.  als  haeretisch  verdammt 
wissen    wollte*).       Diese    kleine    Auslese 
möge  genügen.    Es  ist  ja  gewisa  für  einen 
isoliert  lebenden  Autor  schwer,  die  neueo 
Erscheinungen  der  Litteratur  zu  Verfolges 
und  in  allen  Punkten  auf  der  Höhe  der 
Forschung  zu  bleiben,  aber  die  Erkenntnis 
dieser  Schwierigkeit  sollte  m.  E.  die  betr. 
Vf.  auoh  veranlassen,  bei  der  Bearbeitung 
ihres  Stoffes  in  dem  Rahmen  zu  bleiben, 
der  ihnen  durch   die  Macht  der  Verhält- 
nisse angewiesen  ist,  d.  i.  in  diesem  Fall 
der  rein  lokalhistorische.    Innerhalb  dieses 
Rahmens  ist  es  ihnen  durch  die  Benutzung 
von  sonst  unzugänglichem  handschriftlichem 
Material    möglich,    der   Forschung  neue 
Thatsachen  zur  Verfügung  zu  stellen  und 
dadurch  ihren  Arbeiten  einen  dauernden 
Wert  zu  verschaffen;   die  beliebten  allge- 
meinen Erörterungen   ohne   die  erforder- 
liche Sach-  und  Litteraturkenntnis  sind  da- 
gegen nur  imstande,  den  Wert  ihrer  Werke 
empfindlich  zu  beeinträchtigen.  H. 


1)  Vgl.  Brieger  in  Ersch  nntl  Graben  Kacvd»- 
pftdie  I,  92  S  232.  Die  betr.  AusfUbmngen  (1«< 
Cardinals  Delfinus  liegen  im  Vatikanischen  Archiv. 
Nnns.  di  Germania  toL  84  vor  (vgl.  dasn  Schvarz 
im  Hist.  Jahrb.  der  GArretgesellschaft  ^11,  5^ 
der  ebd.  S.  598  ff.  Groppers  Selbstverteidigung  »  - 
druckt).  Groppers  Enchiridion  von  1538  kam  ^f- 
kanntlich  später  auf  den  Index. 


45    — 


—    46 


14.  Katalog  der  StadIbibliotiMk  In  KDIn.  Abteilang  Rh. 
Geschichte  und  Landeakonde  der  Rheinpro- 
vins.  I.  Band  bearbeitet  Ton  Dr.  Frans 
Ritter.  Köln  1891.  (VerOffentlicbnngen 
der  Stadtbibliothek  In  KAln  herausgegeben 
von  Dr.  Adolf  Keyaser,  Stadtbiblio- 
thekar.   5.  und  6.  Heft). 

Die     Kheinische     Geschichtsforschung 
wird  es  dankbar  begrüssen,  dass  sich,  nach- 
dem die  ursprunglich  beabsichtigte  Her- 
ausgabe  einer  Rheinischen   Gesamtbiblio- 
graphie an  äusseren  Schwierigkeiten  ge- 
scheitert ist,  die  Verwaltung  der  Kölner 
Stadtbibliothek  dazu  entschlossen  hat,  den 
Katalog  ihrer  Rheinischen  Abteilung,  d.  i. 
der  relativ  vollständigsten  unter  den  be- 
stehenden   Sammlungen   von    Rheinischer 
Litteratur,  an  die  Öffentlichkeit  zu  geben. 
Der  vorliegende  erste  Band  behandelt  in 
dem  ersten  Abschnitt  die  Litteraturüber- 
sichten,  Bibliographien  und  Sammelbände, 
in   dem   zweiten   die  Naturgeschichte,  in 
dem   dritten    die   Geographie    und   allge- 
meine  Statistik  und  in   dem   bei  weitem 
umfangreichsten  vierten  die  Landes-,  Orts- 
und Kirchengeschichte  der  Rheinprovinz, 
während    Kultur-,    Kunst-,    Litteraturge- 
schichte,  Genealogie  und  andere  Unterab- 
teilungen der  Sammlung  dem  zweiten  Bande 
vorbehalten  sind.     Die  systematische  An- 
ordnung des  Katalogs,   über  die  ein  aus- 
führliches    Inhaltsverzeichnis    Aufschluss 
giebt,  ist  übersichtlich  und  praktisch,  die 
bei  der  Bearbeitung  massgebenden  Grund- 
sätze entsprechen  allen  Forderungen  der 
modernen  Bibliographie,   die  Bearbeitung 
selbst  ist  mit  grösstem  Fleiss  und  aner- 
kennenswerter Sorgfalt  durchgeführt.    Zu 
bedauern  bleibt,  dass  das  für  den  zweiten 
Band  in  Aussicht  gestellte,  dem  Benutzer 
fast  unentbehrliche  Autorenregister  nicht 
schon  diesem  hinzugegeben  ist.  Als  Mangel 
wird  ferner  das  Fehlen  sowohl  der  Hin- 
weise   auf  Werke,    die   zwar   Rheinische 
Geschichte  behandeln,  aber  in  einer  ande- 
ren Abteilung  der  Bibliothek  ihre  Aufstel- 
lung  und  deshalb   in   diesem  Verzeichnis 
keine  Aufnahme  gefunden  haben,  als  auch 
der  Hinweise    von    einem  Abschnitt    des 
Katalogs  auf  den  anderen  empfunden  wer- 
den.    So  sucht  man  z.  B.  vergebens  eine 
kurze  Verweisung  auf  eine  Anzahl  von  Quel- 
lenwerken zur  Rheinischen  Geschichte,  die 


in  grösseren  Sammlungen  erschienen  sind 
und  infolge  davon  in  der  Bibliothek  an 
anderer  Stelle  untergebracht  sind,  und  man 
vermisst  auf  S.  198  im  Abschnitt  „Ortsge- 
schichte'' unter  den  Quellen  zur  Geschichte- 
der  Stadt  Köln  den  Hinweis  auf  die  schoa 
S.  51  im  Abschnitt  „Landesgeschichte*' 
angeführten  Chroniken  der  Stadt  Köln. 
Doch  diese  Ausstellungen  verschlagen  nicht 
viel  gegenüber  der  mannigfachen  Förde- 
rung, die  der  Forscher  aus  der  schöneni 
Publikation  als  einem  schon  oft  entbehr- 
ten Hülfsmittel  zur  Orientierung  in  der 
ungemein  reichen  Rheinischen  Litteratur 
gewinnen  wird.  Knipping. 

Franz  Cumont,  Textea  et  monumenta  fignr^a  rela-  15^ 
tifa  aux  myatörea   de  Mlthra,   publica  avec 
nne  introdnction  critique.  Bruxellea,  Lamer- 
tin,  1894.    40.    Faac.  I  u.  II,  280  p. 

Wegen  der  grossen  Verbreitung,  die  der 
Mithraskult  in  den  germanischen  Provinzen 
gehabt  hat,  wird  man  bei  den  rheinischen 
Altertumsforschern  ein  weitgehendes  Inter- 
esse für  die  Publikation  Cumont's  voraus-^ 
setzen  dürfen.  —  Lajard's  Werk  gleichen 
Inhalts  hat  wegen  seines  hohen  Preises, 
nur  in  grössere  Bibliotheken  den  Weg  ge- 
funden; 1847  erschienen,  bietet  es  heute 
für  die  Mithrasstudien  nur  eine  sehr  un- 
vollkommene Unterlage,  da  in  den  nahezu 
50  Jahren  seit  seinem  Erscheinen  eine- 
grosse  Anzahl  und  zwar  hervorragend 
wichtiger  Monumente  zum  Vorschein  ge- 
kommen sind;  es  leidet  überdies  an  viel- 
fach sehr  ungenügenden  Abbildungen. 

Eine  neue  Sammlung  und  namentlich 
eine  neue  Durchforschung  des  gesamten  Ma- 
terials war  deshalb  eines  der  dringendsten 
wissenschaftlichen  Bedürfnisse.  Niemand 
war  hierfür  geeigneter  als  Cumont,  von 
dem  schon  seit  mehreren  Jahren  die  nütz- 
lichsten und  lehrreichsten  Arbeiten  über 
den  Mithraskult  erschienen  sind. 

Gumont's  Werk  ist  auf  breitester  Grund- 
lage angelegt,  es  soll  umfassen  1)  die  auf 
Mithras  bezüglichen  Partieen  der  alten 
Schriftsteller,  sowohl  der  orientalischen 
wie  der  griechischen  und  römischen,-  2)  die 
Inschriften,  3)  die  Skulpturen,  4)  eine  aus- 
fuhrliche Behandlung  der  mithrischen  Re- 
ligion. —  Es  ist  auf  vier  Lieferungen  be- 
rechnet, von  denen  zwei  schon  erschienea 


—    47    — 

"Sind  und  die  beiden  übrigen  noch  im  Laufe 
dieses  Jahres  ausgegeben  werden  sollen. 
Die  erste  Lieferung  enthält  die  Texte  und 
Inschriften,  die  zweite  die  Monumente  des 
Orients,  Roms,  Italiens  und  Moesiens;  die 
dritte  Lieferung  wird  die  übrigen  Monu- 
mente, die  vierte  die  Zusammenfassung 
bieten.  Der  Preis  ist  im  Hinblick  auf 
die  zahlreichen  Abbildungen  —  sie  sind 
auf  gegen  400  veranschlagt  —  ein  sehr 
massiger;  die  erste  Lieferung  kostet  10, 
die  zweite  12,50  Francs.  Eine  ausführ- 
liche Besprechung  werden  wir  nach  Voll- 
endung des  Werkes  bringen.  Hr. 


Miscellanea. 

16.  Auftfchu'örung  des  Herzogs  Franz  von 
ßraiinschweig '  Giffhorn  CIo08—1546J  für 
das  Kölner  Domkapitel 
Graf  Johann  zu  Holstein-Schaumburg, 
Herr  zu  Gemen,  Graf  Philipp  der  ältere 
zu  Waldeck,  Graf  Philipp  zu  Solms-Mün- 
zenberg  und  Elelherr  Simon  zur  Lippe 
beurkunden  1520  Mai  28  (Montag  nach 
Pfingsten)  für  das  Domkapitel  zu  Köln  die 
Abstammung  der  Mutter  des  Probanden,  der 
Herzogin  Margarethe  von  Sachsen,  dahin, 
dass  H(>rzog  Kranz  „sone  ist  des  durch- 
luchtigen  hoichgebornen  furstinne  frauwe 
Margareten  ^)  geboren  aus  dem  churfurst- 
lichen  hause  zu  Saxssen,  herzoginne  zu 
Srunswig  und  Luneborch,  und  derselbigen 
frauwen  Margreten  vater  was  genant  Ernest 
hertzog  zu  Saxen,  des  heiligen  Römischen 
Teichs  ertzmarschalls  und  Churfurst,  landt- 
graif  in  Dornigen  und  Marggraf  zu  Meyssen 
und  desselbigen  hertzog  Ernesten  muter 
war  ein  gebom  Ertzhertzoginne  von  Oster- 
reich genannt  frauw  Margareta'),  keyser 
Friderichs  eheliche  swester,  hertzoginne  zu 
"Saussen,  Landgraeffin  in  Doringen  und 
Marggraffinne  zu  Meissen.  Auch  ist  des 
obgenannten  hertzogen  Franciscus  muter 
gewest  eyn  geporn  hertzogin  von  Bayern 
genant  frauw  Elisabet '),  hertzog  Albrechts 

1)  Herzogin  Margaretha  von  Sachsen,  1470  — 
1528,  T.  des  Kurfttrsten  Ernst,  1441—1486. 

2)  Ersherzogin  Margaretha,  1416—1486,  Ge- 
mahlin des  Kurfttrsten  Friedrich  II  von  Sachsen 
1412—1464. 

3)  Elisabetha  von  Bayern  1442—1484,  T.  des 
Herzogs  Albrecht  III  von  Bayern  1401 — 1460  nnd 


—    48    — 

von  Ober-  und  Nieder-Ba}'em  dochter, 
hertzoginne  zu  Saxssen,  landtgrafQnne  in 
Doringen  und  marggraffin  zu  Meyssen  und 
der  mutter  wes  eyn  gebom  hertzoginne  za 
Brunswig  genant  frauw  Anna,  hertzogin  in 
Ober-  und  Nider- Bayern.  Also  sint  die 
vier  anchen  von  obgemelten  hertzogen 
Franciscus  matter  wegen  Ton  den  vorge- 
nenten  stemmen  mit  nahemen  Saxssen, 
Osterrich,  Beyeren  und  Brunswigk,  so  das 
die  selbigen  egenanten  alle  darchienchtige 
hoichgeborne  fursten,  furstinnen,  hertzogen 
und  hertzoginnen  georen  sint,  die  auch 
allewege  zu  rechter  ehe  gesessen  haben 
und  auch  die  stemme  sither  menschen 
gedenken  und  lenger  durchluchtige  hoich- 
gebornne  fursten  genannt,  gedacht,  gehal- 
ten und  gewest  sint  und  auch  noch  se^iu 
wir  auch  nicht  anders  wissen  noch  gebort 
haben  und  schreiben  das  bey  unseren 
eheren  und  eyden,  die  wir  allen  unsern 
hem  gethan  haben,  etc 

Original  mit  Siegeln  der  Aussteller, 
vermutlich  aus  dem  Nachlasse  der  lf>38 
mit  dem  Fürsten  Georg  Ludwig  zu  Nassau- 
Dillenburg  vermählten  Herzogin  Anna 
Auguste  von  Braunschweig- Wolfenbuttel 
in  das  Dillenburger  Archiv  gelangt.  Die 
in  Frage  stehende  Präbende  des  Kuloer 
Domkapitels  kann  dieselbe  sein,  welche 
später  der  letztgenannten  Herzogin  Gross- 
vater, der  1528  geborene  Herzog  Jnlm 
von  Braunschweig- Wolfenbuttel,  besass. 
W. 

der  Herzogin  Anna  von  Braunschvreig.  Grabes- 
hagen,  f  1474,  T.  des  Heraogs  Erich,  t  1127- 

y erlag  der  Fr.  Lintz'echen  Buchhandlung  in  Trier: 

Richard  von  Greiffenclii  zi  Villratbs 

Erzbischoff  und  Kurfarst  von  Trier  1511— 1S31. 

Ein  Beitrag  zur  Specialgeschichte  der  RheinlandB 
von 

Dp.  Jül.  Wegeier. 

Mit  einer  Tafel.    Preis  A  1.50. 


Lahneck  und  Oberlahnstein. 

Bin  Beltraff  «ur  SpestalffesohlohU  der 
Rheinland« 

von  Dr.  Jul.  Wtgeler. 
Preis  80  Pfg. 

Hierzu  als  Beilage:  LimeaUatt  Nr.  14. 


Dmok  n.  Verlag  der  Fr.  Linti'iohM  Baohbandlaa«  in  Triar 


Vairemltclit  u.  RSmlscha  Z«U 

redigiert  ron 
Prof.  H«ttn«r  u.  Dr.  Lehn«r, 


Mittelaltar  und  Naozelt 

redigiert  yon 

Archivar  Dr.  Hanten, 

Kttln. 


der 


Westdeutschen  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst, 

lugleicli  Organ  der  historiseh-antiquarischen  Vereine  zn  Birkenfeld,  Dttsseldorf,  Frank- 
furt a.  M.,  Karlsmhe,  Mainz,  Nannlieini,   Metz,  Nenss,  Prfim,  Speyer,  Strassbnrg, 
Trier,  Worms,  sowie  des  antliropologischen  Vereins  zn  Stuttgart. 

♦ 


April 


Jahrgang  XIV,  Nr.  4. 


1895. 


DtkB  Korreepondensblatt  arsoheint  in  einer  Auflage  ron  4000,Bxemplaren.    Ineerate  k  26  Pfg.  für  dl« 

gespaltene  Zeile  werden  Ton  der  Yerlagtliandlnng  und  allen  Ingeraten-Bareani  angenommen,  Beilagen 

naoh  Uebereinknnft.  —  Die  Zeltiohrift  enoheint  riertelj&hrlioh,   dae  Körretpondensblatt  monatlioh.  — 

Abonnementepreie  16  Mark  fflr  die  Zeitsohrift  mit  Korreipondenablatt,  fflr  letaterea  allein  5  Mark. 

Pl^  Beitrftge  für  die  ▼orrOmisohe  and  rOmisohe  Abteilang  eind  an  Dr.  Lahner  (Trier,  Proviniialmuteom), 
fttr  Mittelalter  und  Neuseit  an  Dr.  Hanaen  (Köln,  BtadtarohiT)  in  senden. 


Neue  Funde. 

17.  Baldringen  (bei  Niederzerf,  Hochwald). 
[Mmische  Funde].  Auf  Anregung  von  Hrn. 
Prof.  Maijan,  der  in  seinen  „Beiträgen* zur 
Kunde  rlieiniscber  Ortsnamen"  S.  12  if.  die 
Identität  des  vielbesprochenen  viciis  Am- 
bitarvius  (Sueton,  Callgnla  cap.  8)  mit 
dem  heutigen  Dorfe  Hentem  bei  Nieder- 
zerf  mit  sprachlichen  Gründen  zu  beweisen 
sucht,  wurden  vom  Provinzialmuseum  zu 
Trier  im  vergangenen  Sommer  Nachgra- 
bungen an  verschiedenen  Stellen  in  der 
Umgebung  des  bei  Hentem  gelegenen 
Fiecken  Baldringen  vorgenommen.  Spuren 
und  Reste  römischer  Ansiedlungen  hatten 
sich  schon  früher  in  der  Gegend  mehrfach 
gefunden. .  Schon  F.  W.  Schmidt  in  seiner 
Arbeit  über  die  Römerstrassen  etc.  der 
iUieinlande  (Bonner  Jahrb.  XXXI  1861 
S..211)  weist  auf  eine  bei  Niederzerf  vor- 
beifuhrende Strasse  von  Trier,  über  den 
Hochwald  hin.  F.  Ritter  teilt  in  seinem 
Aufsatz  „Zerf  die  Geburtsstätte  der  Dru- 
silla  und  Livilla«  (B.  J.  XXXY  1863  S.  10  f ) 
mit,  dass  zehn  Minuten  von  Zerf  nach 
Baldringen  zu  eine  römische  Villa  oder 
!MilitärhaItestelle  vermutet  werde,  weil  man 
an  der  Stelle  einen  Brunnen  fand,  der  von 
den  nahe  liegenden  Hügeln  mit  bleiernen 
Röhren  dahin  geleitet  war.  Von  der  Rö- 
merstrasse führte  ein  gepflasterter  Weg 
zu  dem  Brunnen,  rechts  und  links  von 
demselben  standen  Gebäude,  unter  den 
Trümmern   fand    man    Bruchstücke    von 


Säulen,  Urnen  etc. ;  auch  Heizanlagen  und 
Bassins,  die  auf  eine  Badeanlage  schliessen 
Hessen,  werden  erwähnt.  An  diese  That- 
sachen  knüpft  Ritter  den  etwas  raschen 
Schluss,  dass  damit  die  Villa  des  vicus 
Ambitarvius  gefunden  sei,  in  welcher 
Agrippina  ihre  beiden  Töchter  Drusilla 
und  Livilla  geboren  habe.  Ich  gehe  auf 
diese  jeder  positiven  Stütze  entbehrende 
Vermutung  jetzt  nicht  weiter  ein  und  er- 
wähne die  früher  gemachten  Funde  nur 
zum  Bew'eis,  -dass  eine  systematische  Un- 
tersuchung der  Stelle  durchaus  berechtigt 
ercbeinen  durfte.  Durch  Umfragen  bei 
den  Ortseinwobnem  wurden  denn  auch 
bald  mehrere  Stellen  ermittelt,  an  welchen 
Spuren  alten  Mauerwerks,  Scherben  u.  dgl. 
beim  Bestellen  der  Felder  gefunden  waren. 

An  vier  solcher  Stellen  in  der  Nähe 
von  Baldringen  waren  die  Ausgrabungen, 
welche  unter  örtlicher  Leitung  des  Museums- 
assistenten Herrn  Ebertz  sowie  grössten- 
teils in  Anwesenheit  des  Hrn.  Prof.  Marjan 
vorgenommen  wurden,  von  Erfolg  begleitet. 

Von  dem  auf  der  Höhe  gelegenen  Orte 
Bai  dringen  zieht  sich  ein  Hang  massig 
steil  gegen  Hentem  nach  NO.-  und  sanft 
abfallend  gegen  Niederzerf  nach  SO.  hinab, 
und  bietet  jene  örtlichen  Vorzüge,  welche 
für  unsere  römischen  ländlichen  Ansied- 
lungen erfahrungsgemäss  mit  Vorliebe  be- 
nutzt wurden.  Wirklich  fanden  sich  denn 
auch  alsbald  Reste  von  mehreren  römi- 
schen Gebäuden,  von  denen  ein  Complez, 


—      Ol       — 


—    52     — 


wenigstens    soweit  möglich,    genau  unter- 
sucht wurde. 

Es  handelt  sich,  wie  aus  dem  beigege- 
benen Planchen  hervorgeht,  um  eine 
Badeanlage  und  einige  anstossende 
Käume. 


verwendet  war.  Die  nördliche  Abschluss- 
mauer des  Raumes  D  war  bei  a  auf  eine 
Strecke  von  1,55  m  ausgebrochen.  An  der 
Stelle  lagen  nach  Angabe  des  Besitzers 
zwei  Sandsteinquader  in  der  Weise,  wie 
sie  auf  der  Zeichnung  durch   Punktienmg 


Die  letzteren,  um  mit  diesen  zu  be- 
ginnen, charakterisieren  sich  als  gewöhn- 
liche Wohnräume,  die  nicht  eben  sehr 
sorgfältig  gebauten  Mauern  tragen  an  den 
Aussenseiten  einen  Verputz,  wie  es  auch 
sonst  üblich  ist,  ein  besonderes  Inter- 
esse beansprucht  höchstens  der  Raum  C, 
da  er  einen  Keller  mit  ziemlich  wohler- 
haltener Lücke  enthält.  Das  Gesims  dieses 
Kellerfensters  steigt  schräg  an  (siehe  den 
Durchschnitt  f— g)   und  verengt  sich  nach 


oben.  Der  Boden  des  Kellers,  aus  ge 
stampftem  Lehm  bestehend,  liegt 
1,20  m  unter  dem  röm.  Niveau 
an  dieser  Seite  des  Gebäudes. 
Die  Mauern  sind  mit  Mörtel  ohne 
Ziegelzusatz  gebaut,  während  bei 
den  Fundamentmauern  der  Räume 
A,  B,  D  nur  Erde  als  Bindemittel 


angedeutet  ist.  Die  Quader  waren  noch 
vorhanden,  sie  sind  1,40  m  lang  und  25  cm 
breit,  ihre  ursprüngliche  Lage  konnte  aber 
nur  noch  ungefähr  bestimmt  werden,  ihr 
Zweck  ist  unklar. 

Die  Beschreibung  des  anstossenden 
Badehauses  beginnt  am  zweckmässigsteo 
mit  dem  Raum  L,  dem  Heizraum.  Aas 
ihm  führte  ein  Heizkanal  M  zunächst  in 
einen  grösseren  heizbaren  Raum  J.  Der  Heiz- 
kanal zeigte  einen  Bodenbelag  von  hochkant 
gestellten  Ziegelplatten.  Die  Wände  be- 
standen aus  zwei  mächtigen  sehr  exakt  be- 
hauenen  und  an  den  inneren  Ansiclitsdächen 
gesägten  Grünsteinquadern,  oben  war  der 
Kanal  mit  treppenartig  überkragenden 
Ziegelplatten  überdeckt,  wie  die  Rekon- 
struktion in  dem  Durchschnitt  d — e  zeigt. 
Spuren  dieser  Überdeckung  hatten  sich 
noch  erhalten.    Im  übrigen  war  derlleiz- 


/;  /SO 


—    53    — 


—    54    — 


kanal    von    zwei   massiven  Mauerblöcken 
eingefasst.    Der  Boden  des  Raumes  J  war 
mit  Ziegelplatten  belegt.    Von  den  ehe- 
mals darauf  stehenden  Hypokaustenpfeilem 
var   freilich  jede  Spur  verschwunden,  in- 
dessen fanden  sich  noch  genügende  Reste  der 
Heizanlage,  nämlich  Wandkästchen,  welche 
noch    in    der   nordwestlichen    Ecke    des 
Raumes    an   ihrem  Platze    standen.     An 
diesen  Raum  J  stiess  ein  kleiner  Raum  H 
an,    durch   ein   schmales   Mäuerchen  von 
jenem  getrennt.    Er  war  unheizbar,   sein 
Boden  bestand  aus  einer  dicken  Packlage 
von    grossen   Steinen   und   lag,    wie   der 
Durchschnitt  b— c  zeigt,  höher  als  der  Zie- 
gelplattenboden des  Raumes  J.    Da  die- 
ser  ursprünglich  zur  Aufnahme  der  Hy- 
pokaustenpfeiler  diente,  worüber  erst  der 
eigentliche  Fussboden  kam,   so  ist  anzu- 
nehmen, dass  letzterer  auf  gleichem  Niveau 
lag  wie  der  Boden  im  Raum  H,  dass  auch 
das   trennende,   gegen   den   Raum   J   mit 
Ziegelplatten  verschalte  Mäuerchen  nicht 
über   den  Boden    emporragte,    und    dass 
also   die   Räume  J  und   H   ein  Zimmer 
bildeten,   dessen    Boden   zum   Teil   nicht 
von    der  Heizung    erwärmt   wurde,    eine 
auch  anderwärts  beobachtete  Erscheinung. 
Man    wird    nach    andern   Beispielen    den 
Raum  J  +  H  wohl   als  Tepidarium  an- 
sprechen dürfen.  —  Heizbar  war  auch  der 
direkt  nördlich  anstossende  Raum  E.   Von 
Hypokausten   war    zwar   nichts    zu    ent- 
decken, der  Boden  hatte  überhaupt  keinen 
künstlichen   Belag    mehr.     Aber    an   der 
Südwand   fanden  sich  noch  zum  Teil  in 
doppelter  Stellung  übereinander  Heizkäst- 
chen angebracht.    Auch  der  Raum  E  be- 
zog seine  Feuerung  aus  dem  Raum  L  und 
zwar    jedenfalls    durch    einen    ähnlichen 
Heizkanal  wie  M.     Dieser  zweite  Eanal 
-war  zwar  samt  einem  Teil  der  Abschluss- 
mauer gegen  Raum  L  zerstört,   aber  am 
Eopfende  des  einen  Mauerklotzes  bei  h 
sass  eine  Ziegelplatte  und  daneben  bei  i 
ein  Sandsteinquader,  welche  deutliche  Spu- 
ren der  Heizung  an  dieser  Stelle  sind. 

Die  Südostecke  des  ganzen  Badege- 
bäudes nahm  die  Badestube  G  ein,  welche, 
wie  dies  häufig  bei  solchen  Villen  der 
Fall  ist,  noch  am  besten  erhalten  war. 
Von  auffallend  starken  Mauern  (die  öst- 


liche ist  fast  1  m  stark)  wenigstens  an  drei 
Seiten  umgeben,  an  der  vierten  (Nord-) 
Seite  durch  die  schmalere  Mauer  der 
Räume  E  und  F  abgegrenzt,  bildete  der 
Baderaum  ein  Rechteck  von  2,55  m  Länge 
und  1,55  m  Breite  im  Lichten.  Interes- 
sant ist  zunächst  der  Aufbau  des  ganzen. 
Wie  der  Durchschnitt  b— c  zeigt,  liegt  zu 
Unterst  eine  einfache  sehr  regelmässig  ge- 
steckte Packlage  von  grossen  Steinen, 
welche  augenscheinlich  als  ebene  Boden- 
fiäche  gedacht  war,  darüber  wieder  eine 
Packlage  von  60  cm  Höhe,  die  aber  ganz 
regellos  hineingeworfen  war,  worüber  dann 
erst  der  gleich  zu  beschreibende  Boden 
des  Bades  kommt.  Die  Nordwestecke  des 
Raumes  wird,  wie  aus  der  Abbildung 
ersichtlich  ist,  ausgefüllt  durch  das  auf 
die  Packlage  aufgesetzte  Fundament  einer 
Treppe,  mittelst  welcher  man  in  das  Bad 
hineinstieg.  Da  nun  sowohl  die  Wandun- 
gen dieses  Treppenfundaments  als  auch 
die  Wände  des  mit  der  Packlage  ausge- 
füllten Raumes  Wandestrich  zeigen,  so 
ist  es  klar,  dass  man  nicht  von  vornherein 
beabsichtigt  hat,  den  Raum  mit  der  Pack- 
lage auszufüllen.  Man  wird  wohl  ursprüng- 
lich hier  eine  Hypokaustanlage  beabsich- 
tigt haben,  die  aus  irgend  einem  Grund 
nicht  zur  Ausführung  kam  oder,  wenn  sie 
ausgeführt  war,  bei  einem  späteren  Umbau 
beseitigt  wurde.  Der  eigentliche  Boden 
des  Bades  besteht  zunächst  aus  einer  12 
bis  17  cm  dicken  Estrichschicht,  welche 
mit  wenig  Ziegelstückchen  durchsetzt  ist. 
Darüber  war  eine  Ziegelplattenlage,  auf 
welcher  nun  der  eigentliche  Bodenestrich, 
dem  viele  kleine  Ziegelbrocken  beigemengt 
sind,  ruht.  Dementsprechend  sind  die 
Wände  des  Bades  so  hergestellt,  dass  die 
Mauer  zunächst  mit  Ziegelplatten  verklei- 
det ist,  darauf  folgt  eine  Schicht  Wand- 
estrich, wieder  Ziegelplatten  und  nochmals 
Wandestrich.  Die  Fugen  der  Wände  gegen 
den  Boden  und  gegen  einander  sind  mit 
dem  bekannten  Estrichwulst  oder  Viertel- 
rundstab von  10  cm  Breite  ausgefüllt,  der 
für  römische  Wasserbauten  charakteristisch 
ist.  Der  Estrich  ist  überall  mehr  oder 
weniger  mit  Ziegelbröckchen  durchsetzt. 
Von  der  Treppe,  deren  Fundament  schon 
erwähnt  ist,   waren  vier  in  Haustein  ge- 


—     oo     — 

mauerte  Stufen  erhalten.  Die  Hausteine 
waren  mit  Ziegelplatten  belegt  und  ver- 
kleidet, welche  ihrerseits  nach  aussen 
wieder  eine  Betonschicht  mit  viel  Ziegel- 
beimischung zeigen,  so  dass  also  der  ganze 
Innenraum  des  Bades  mit  dieser  wasser- 
dichten Betonverkleidung  versehen  war. 
Die  unterste  nur  teilweise  erhaltene  Trep- 
penstufe enthielt  eine  Öffnung,  durch 
welche  das  verbrauchte  Wasser  mittelst 
eines  Bleirohres  in  den  Raum  F  abfloss. 
Das  schräg  abwärts  durch  die  Mauer  ge- 
führte Bleirohr  ist  noch  grösstenteils  sehr 
gut  erhalten.  An  der  obern  Mündung  hat 
es  einen  sehr  sorgfältig  hergestellten  Ein- 
satz aus  Bronze  mit  einem  Scharnier  für 
einen  nicht  mehr  vorhandenen  Deckel.  In 
dieses  Rohr,  welches  fast  1  m  lang  ist 
und  7  cm  Weite  hat,  war  oben  ein  dün- 
neres schlecht  gearbeitetes  Stück  Blei- 
rohr eingesteckt,  welches  über  das  Niveau 
des  Badbodens  ein  ziemliches  Stück  em- 
porragte. Seine  Bedeutung  ist  nicht  er- 
sichtlich. 

Der  Raum  F,  welcher  das  Wasser  aus 
dem  Bad  zunächst  aufzunehmen  bestimmt 
war,  charakterisiert  sich  auch  sonst  als 
Abfallraum.  Er  hatte  bei  einer  Grund- 
fläche von  1,81 : 0,82  m  in  seiner  heutigen 
Erhaltung  noch  eine  Tiefe  von  1,70  m,  sein 
Boden  bestand  aus  Lehm.  In  dem  Raum 
lagen  Scherben  einer  gewöhnlichen  grau- 
gelben Urne  und  eines  rohen  Henkelkru- 
ges, der  obere  Teil  eines  hohen  schlanken 
schwarzen  Bechers,  einzelne  feinere  Terrani- 
grascherben,  zwei  Stücke  Fensterglas,  ein 
Lanzeneisen  und  ein  anderer  Eisenrest, 
Holzkohlen  und  grosse  Tierknochen.  Die 
Wände  des  Raumes  waren  mit  Ziegel- 
platten verkleidet.  Am  Fuss  der  östlichen 
Längsmauer  dieses  Raumes  (bei  d)  ist  ein 
Durchlass,  durch  welchen  das  Wasser  aus 
dem  Raum  F  in  den  Raum  E  abfliessen 
konnte.  Leider  war  es  nicht  möglich, 
diesen  Raum  E  genauer  zu  untersuchen, 
da  der  Besitzer  des  Grundstücks  sich  nicht 
dazu  verstand,  einen  auf  jener  Stelle 
stehenden  grossen  Apfelbaum  zu  opfern. 
Es  ist  indessen,  wie  der  Augenschein  lehrt, 
nicht  anders  möglich,  als  dass  das  Wasser 
mit  den  aus  Raum  F  stammenden  ander- 
weitigen Abfallen  entweder  in  den  grossen 


—    56    — 

Raum  D  oder  in  den  nördlich  davon  ge> 
legenen  Hofraum  geflossen  ist 

Damit  erhalten  wir  die  richtige  Beur- 
teilung des  Verhältnisses  zwischen  dem 
Bad  und  den  Räumen  A,  B,  C,  D.  Es 
ist  nämlich  undenkbar,  dass  man  das  Ab- 
wasser eines  Bades  und  seiner  Neben- 
bauten in  die  Räume  des  Hauses  leitet. 
Hierzu  kommt,  dass,  wie  die  Zeichnung 
lehrt,  das  Bad  gar  nicht  im  rechten  Win- 
kel zu  den  andern  Räumen  steht.  Die 
südliche  Abschlussmauer  des  Raumes  D 
war  an  der  Stelle  k  vollkommen  zerstört 
und  eine  Fortsetzung  derselben  über  k 
hinaus  nicht  mehr  zu  entdecken.  Die 
Stelle  m  an  der  nördlichen  Abschlussmaoer 
des  Raumes  D  konnte  leider  wegen  des 
oben  erwähnten  Baumes  nicht  untersucht 
werden,  aber  die  erwähnten  Umstände 
geben  die  Gewissheit,  dass  die  Räume  A, 
B,  C,  D  Reste  eines  älteren  Gebäudes 
sind,  das  bereits  abgerissen  war,  als  man 
das  Bad  erbaute.  Dieses  steht  jedenfalls 
durch  die  Mauer  n— o  mit  einer  anderen 
Villa  in  Verbindung,  deren  Lage  weiter 
nördlich  oder  nordwestlich  zu  suchen  ist,, 
die  aber  wegen  moderner  Bauten  nicht 
untersucht  werden  kann.  Das  Bad  I&g 
also  dem  Terrain  nach  nicht  oberhalb, 
sondern  unterhalb  der  Villa,  zu  der  es 
gehört,  wie  es,  worauf  mich  Prof.  Heiiner 
aufmerksam  macht,  auch  sonst  üblich  ist 

Wir  haben  es  also  mit  Teilen  zweier 
verschiedener  Gebäude  zu  thun.  Der  To- 
terschied  der  Erbauungszeit  ist  aber  jeden- 
falls unbedeutend,  denn  nach  den  aller- 
dings spärlichen  Funden  (meist  Scherben) 
zu  urteilen,  gehören  beide  Gebäude  etwa  der 
2.  Hälfte  des  3.  Jahrhunderts  an. 

In  etwas  frühere  Zeit  weist  ein  Grab- 
fund, welcher  etwa  100  Schritt  weiter 
südöstlich,  gegen  Niederzerf  zu,  gemacht 
worden  ist.  Er  besteht  aus  einer  roh  be- 
hauenen  Steinkiste  mit  Deckel,  in  welcher 
ausser  Knochen  zwei  kleine  gewöhnliche 
Henkelkrüge  aus  Thon  und  eine  zierliche 
gerippte  Bronzeschale,  die  aber  schlecht 
erhalten  ist,  lagen.  Neben  der  Kiste  stand 
eine  gewöhnliche  Urne  aus  Thon. 

Ebenfalls  in  der  Nähe  der  beschriebe- 
nen Gebäudereste  fand  sich  eine  Tier- 
eckige  gemauerte  Cisterne  mit  Einfassung 


—    57     — 

aus  grossen  Sandsteinquadern,  die  die  Ge- 
stalt TOD  abgerandeten  Mauerabdeckangen 
hatten.  Die  lichte  Weite  der  Cisterne  be- 
trug 1,70 : 1  m. 

Ein  sehr  glücklicher  Fund  wurde  bei 
Untersuchung  einiger  römischer  Mauer- 
reste gemacht,  welche  etwas  mehr  nach 
SO  (nach  Niederzerf  zu)  lagen.  Es  fand 
sich  daselbst  zwischen  einigen  grösseren 
Hausteinen  ein  Münz f und  von  119  Mittel- 
erzen des  Constantius  II,  Magnentius  und 
Decentius,  welche  grösstenteils  in  Trier 
geprägt  sind.  Ich  gedenke  an  anderer 
Stelle  demnächst  auf  diesen  Fund  zurück- 
zukommen. 

Trier.  Dr.  H.  Lehn  er. 


Chronik. 

J8.  Das  Habsburglsche  Urbar.  Herausfiregeben  von  Dr. 
RtidolfMaag  in  Glarug.  Band  I.  Das 
eigentliche  Urbar  über  die  Einkünfte  und 
Bechte.  Basel  1894.  Verlag  von  Adolf 
Geering  (vormals  Felix  Schneider). 

Das  Habsburgische  Urbar  ist  als  14. 
Band  der  Quellen  zur  Schweizer  Geschichte 
erschienen.  Die  Vorarbeiten  dazu  sind  von 
P.  Schweizer  gemacht  worden,  welcher 
gleichfalls  die  Anleitung  zur  Edition  ge- 
geben hat. 

Im  Gegensatz  zu  der  von  Pfeiffer  nach 
«inera  alten  Kopialbuch  (von  1330?)  be- 
sorgten früheren  Ausgabe  sind  für  die  Her- 
stellung eines  richtigeren  Textes  die  Ori- 
ginalrotuli, soweit  sie  ausfindig  gemacht 
worden  sind,  zur  Benutzung  gekommen. 
Aus  demselben  Grunde  sind  deswegen  auch 
die  Ämter  nach  der  ursprünglichen  Reihen- 
folge geordnet  worden.  Der  neue  Text 
ist  von  einer  zweifachen  Reihe  von  Noten 
i)egleitet,  deren  erstere  mit  alphabetischer 
Folge  sich  auf  die  textkritischen  Erläute- 
rungen bezieht.  Die  zweite  numraerierte 
Reihe  von  Anmerkungen  liefert  zahlreiche 
historische  und  topographische  Nachrich- 
ten, die  zusammen  mit  dem  Inhalt  des 
Urtextes  das  Habsburgische  Urbar  zu  ei- 
ner Geschichtsquelle  ersten  Ranges  erhe- 
ben. In  gedrängter  Fülle  finden  sich  hier 
Nachrichten  über  Eigengut,  Lehen,  Bevöl- 
kerungsverhältnisse, Rechtsprechung,  Kir- 
chenpatronat,  Zinsbarkeit  und  gräfliche 
und  vogteiliche  Rechte.    Der  zweite  Band, 


—    58    — 

welcher  das  neu  entdeckte  Material  ent- 
halten soll,  wird  eine  zum  ersten  Band  ge- 
hörige Karte  bringen,  auf  der  das  Vor- 
kommen und  der  Umfang  der  vorbezeich- 
neten Herrschaftsrechte  auch  graphisch 
zur  Darstellung  gelangen  wird. 
Köln.  H.  Kelleter. 

Auf  die  eingehende  Untersuchung,  wel- 19- 
che  Theodor  Ludwig  in  seinem  Buche: 
Dia  Konstanzer  Geschichtschreibung  bis  zum 
18.  Jahrhundert,  Strassburg,  Trübner,  1894 
der  historiographischen  Thätigkeit  im  Bis-  » 
tum  Konstanz  gewidmet  hat,  sei  hier  we- 
nigstens kurz  verwiesen. 

J.  Becker,   Die   Landvögte    des   Elsass   und    ihre  20. 
Wirksamkeit  innerhalb  eines  Jahrhunderts, 
von  130S— U08,  Strassburg,  Hfiller,  Hermann 
und  Cie.    1894. 

Personalverzeichnis  der  Landvögte  und 
Unterlandvögte ;  Regesten  einer  Anzahl  un- 
bekannter Kaiserurkunden  des  14.  Jahr- 
hunderts. 

Kaufmann,  Die  Entstehung  der  Stadt  Mühlhausen  21. 
und  ihre  Entwicklung  zur  Beichsstadt  (Pro- 
gramm Mtthlhausen,  1891). 

Vgl.  Zs.  für  die  Geschichte  des  Ober- 
rheins IX,  S.  31  ff. 
Bibliographie  der  WQrttemberglscben  Getehlehte.  Im  22. 

Auftrag  der  Württembergischen  Kommission 
für  Landesgeschichte  bearbeitet  von  Wil- 
helm Heyd.  Erster  Band.  Stuttgart,  W. 
Kohlhammer,  1895. 

In  Nr.  14  dieses  Jahrgangs  wurde  dar- 
auf hingewiesen,  dass  die  Ausarbeitung 
einer  Bibliographie  der  rheinischen  Ge- 
schichte leider  vorläufig  nicht  hat  durch- 
geführt werden  können.  In  dem  oben  be- 
zeichneten Werk  liegt  eine  musterhafte 
Lösung  dieser  Aufgabe  für  das  Königreich 
Württemberg  in  ihrem  ersten  Teil  vor. 
Auf  Einzelheiten  kann  an  dieser  Stelle 
nicht  eingegangen  werden.  Es  wäre  dringend 
zu  wünschen,  dass  dieses  ausgezeichnete 
Beispiel  in  anderen  Teilen  des  Reiches 
Nachfolger  fände.  Die  Württembergische 
Bibliographie  ist  als  Nachschlagebuch  nicht 
bloss  für  Gelehrte,  sondern  auch  für  wei- 
tere Kreise  bestimmt;  selbständig  erschie- 
nene Werke  und  die  Aufsätze  in  Zeit- 
schriften und  Sammelwerken  sind  in  glei- 
chem Masse  berücksichtigt,  auch  wichtigere 
Artikel  aus  der  Tagespresse  haben  Auf- 
nahme gefunden.  Über  die  Zweckmässig- 
keit der  Berücksichtigung  von  handschrift- 


59    — 


—    60 


liebem   ungedrucktem  Material  an  dieser 
Stelle  kann  man  anderer  Meinung  sein,  als 
der   verdiente    Bearbeiter    dieser   Biblio- 
graphie,    da  Vollständigkeit  nacb   dieser 
Kichtang  docb  unmöglich  zu  erzielen  ist; 
ein  von  der  Bibliographie  getrennter  Weg- 
weiser durch  die  württembergischen  Archi- 
valien, der  nach  anderen  Gesichtspunkten 
eingerichtet  ist,  dürfte  doch  wohl  bessere 
Dienste  leisten,  als  das  hier  eingeschlagene 
Verfahren.    Hoffentlich  lässt  der  Schluss- 
band nicht  lange  auf  sich  warten. 
23.WflrttemberoltGlM  Qetohichtiquellen.     Im  Auftrag 
der  Württemberg!  Bchen  Kommission  für  Lan- 
desgesehichte  herausgegeben  von  Dietrich 
Schäfer.      Zweiter    Band.      Stuttgart,    W. 
Kohlbammer,  1895. 

Der  zweite  Band  der  Württembergischen 
Geschichtsquellen,  der  dem  ersten  (vgl. 
Eorrbl.  1894  Nr.  82)  nach  Jahresfrist  ge- 
folgt ist,  ist  ein  weiteres  erfreuliches  Zeug- 
nis für  den  Eifer,  mit  dem  die  junge  Kom- 
mission an  die  Lösung  ihrer  Aufgaben 
herangetreten  ist.  Er  zerfällt  in  zwei 
Gruppen :  die  erste,  bearbeitet  von  Gustav 
Bossert,  stellt  Württembergisches  aus  dem 
Codex  Laureshamensis,  den  Traditiones 
Fnidenses  und  aus  Weissenburger  Quellen 
zusammen ;  die  zweite,  bearbeitet  von  Eugen 
Schneider  und  Kurt  Käser,  veröffentlicht 
Württembergisches  aus  römischen  Archi- 
ven. Die  erste  Gruppe,  in  der  der  Besitz 
der  Klöster  Lorsch,  Fulda  und  Weissen- 
burg  im  Württembergischen  nach  den  be- 
kannten, z.  T.  schon  früher,  wenn  auch 
mangelhaft,  herausgegebenen  Codices  zu- 
sammengefasst  ist,  ist  mit  trefflichen  Ein- 
leitungen und  Registern,  sowie  mit  einer 
Karte  versehen.  Bosserts  Ausführungen 
erwecken  aufs  Neue  den  Wunsch  nach 
einer  den  wissenschaftlichen  Anforderungen 
genügenden  Gesamtedition  der  betr.  Quellen, 
die  seit  dem  vorigen  Jahrhundert  mehr- 
fach vergeblich  versucht  worden  ist.  Für 
eine  solche  liegt  in  dieser  Teiledition,  die 
für  die  ältere  württembergische  Geschichte 
grundlegend  ist,  eine  ausgezeichnete  Vor- 
arbeit vor.  —  Der  zweite  Teil  enthält 
Quellenmaterial  aus  späterer  Zeit,  und 
zwar  in  zwei  Abteilungen,  einmal  Auszüge 
aus  den  vatikanischen  Bullenregistern  von 
1316—1378,  dann  weiter  Auszüge  aus  den 
Bechnungsbüchem  der  apostolischen  Kam- 


mer für  das  Gebiet  des  heutigen  König- 
reichs Württemberg  aus  den  Jahren  13% 
bis  1534.  Aus  den  Vorbemerkungen  zur 
ersten  dieser  Abteilungen  sind  die  Anga- 
ben über  das  Verhältnis  der  avignonesi- 
schen  Papierregister  zu  den  Pergament- 
registern von  allgemeinerm  Interesse.  Nor 
die  wichtigsten  Stücke  sind  abgedmckt^ 
das  meiste  ist  in  der  Form  kurzer  Regesten 
wiedergegeben  worden  (309  Nommem).  Za 
bedauern  ist,  dass  der  Vergleich  mit  den 
Supplikenregistern  nur  für  eine  kurze  Zeit 
hat  durchgeführt  werden  können.  Auch 
die  Vorbemerkung  zur  zweiten  Abteilang 
enthält  einige  wertvolle  Berichtigungen  zq 
den  bisherigen  Untersuchungen  über  die 
päpstlichen  Cameralregister.  Die  3()5  Num- 
mern dieser  Abteilung  sind  deutsche  Aas- 
züge. Der  Inhalt  dieser  beiden  Abteilun- 
gen ist  ebenfalls  durch  ein  sorgfaltiges 
Register  erschlossen. 

Dl«  AlttrtQmtr  unserer  heidnischen  Vorzelt,  sufazD-2i. 
mengestellt  and  heranegegeben  von  dem 
BOmitch  -  germaniscben  Centralmnaenm  in 
in  Mains  durch  dessen  Konservator  L.  Lin- 
denschmit  Sohn.  IV.  Band.  IX.  H«fs. 
Mainz  1895,    Verlag  von  V.  v.  Zabem 

Nach  längerer  Pause  ist  wieder  ein 
Heft  der  schönen  Publikation  des  Central- 
museums  zu  Mainz  erschienen,  welches  aaf 
6  Tafeln  (Taf.  49—54  des  IV.  Bandes 
eine  Beihe  wichtiger  prähistorischer,  rö- 
mischer und  fränkisch-allamanischer  Fund- 
gegenstände  in  mustergültiger  Weise  ver- 
öffentlicht. Auf  Taf.  49  sind  Waffen  aus 
Eisen  mit  Goldeinlagen  aus  prähistorischen 
Gräbern  in  Oberbayern,  Schlesien  und  Posen 
zusammengestellt,  ein  Schwert  mit  Scheide, 
eine  Speerspitze  und  eine  Hamnieraxt  — 
Taf  60  enthält,  ebenso  wie  Taf.  40  in 
farbigen  Reproduktionen,  bemalte  Gefasse 
aus  Schlesischen  Urnenfriedhöfen.  Die  ohne 
Töpferscheibe  aus  feinem  Thon  sehr  regel- 
mässig geformten  Gefasse  erhielten  nach 
L.  Ansicht  durch  Eintauchen  in  einen  Brei 
aus  geschlemmtem  und  gefärbtem  Thon 
einen  Überzug,  der  sorgfaltig  und  oft 
glänzend  poliert  wurde.  Als  Farbstofle 
werden  Ocker,  Rötel,  Russ  und  Kreide, 
für  die  Wahl  des  Materials  und  die 
Formgebung  und  teilweise  auch  der  (meist 
geometrischen)  Dekoration  wird  südlicher 
Einfiuss    angenommen.       Als    Ursprungs- 


—    61    — 

zeit  ist  nach  Massgabe  der  mitgefundenen 
Metallgegenstande  die  jüngere  Hallstätter 
Periode  zu  bezeichnen. 

Taf.  51  bringt  drei  Gürtelhaken  aus 
Bronze  und  Eisen  von  besonderer  Form. 
Gemeinsam  ist  allen  die  allgemeine  Gestalt 
eines  tlachen  Bogens.  Gefunden  sind  sie 
in  der  Provinz  Starkenburg,  in  Oberbayem 
(bei  Traunstein)  und  bei  Leimbach  (nahe 
Salzongen). 

Die  westdeutsche  Forschung  interessie- 
ren speziell  die  beiden  folgende  Tafeln. 
Taf.  52  stellt  drei  römische  Dolche  aus 
Eisen  dar.  Sehr  stattliche  Stücke  sind 
Nr.  1,  Dolch  mit  Scheide,  gef.  im  Rhein 
bei  Köln  (Mus.  Wiesbaden),  und  Nr.  2 
Dolchscheide,  gef.  bei  Rösebeck,  West- 
falen (Mus.  Nürnberg).  Die  beiden  Schei- 
den sind  durch  Emaillierung  und  Tauschie- 
rung  reich  verziert,  welche  in  der  sauberen 
farbigen  Wiedergabe  trefflich  zur  Geltung 
kommen.  Nr.  3  ist  eine  bei  Mainz  im  Rhein 
gef.  Dolchklinge  aus  Eisen  mit  einer  in 
der  Mitte  der  Klinge  ausgesägten  Zunge, 
deren  Bedeutung  noch  nicht  aufgeklärt  ist. 

Den  Reihengräberfunden  sind  die  bei- 
den letzten  Tafeln  gewidmet.  Taf.  53  ent- 
hält Armringe,  Zierbeschläge  und  Gürtel- 
schnallen von  zum  Teil  bemerkenswerter 
Verzierung  aus  Reihengräbem  bei  Schier- 
stein, bei  Andernach,  bei  Bonn,  bei  Traun- 
stein und  bei  Dillingen  im  bayer.  Schwaben. 

Auf  Taf.  54  endlich  sind  zwei  Kämme 
aus  Bein  mit  Scheide  abgebildet,  welche 
aus  dem  Reihengräberfeld  von  Schretz- 
heim  unweit  Dillingen  im  bayer.  Schwaben 
stammen.  II.  L. 

25.  Einen  archäologischen  Fund  von 
von  Bedeutung  glaubte  man  kürzlich  unter 
alten  Akten  im  Rathause  zu  Saarbrücken 
gemacht  zu  haben.  Dort  wurde,  wie  die 
Saarbrücker  Zeitung  vom  3.  Januar  1895 
berichtete,  ein  „vollständiger  Stammbaum 
der  Forsten  von  Nassau  vom  Grafen  Hein- 
rich 1190"  an  aufgefunden.  Die  weitere 
Angabe,  dass  der  Idsteiner  Archivar  J.  G. 
Hagelgans  der  Verfertiger  dieses  Stamm- 
baumes sei,  genügte,  wie  alsbald  in  der 
Coblenzer  Zeitung  und  dem  Rheinischen 
Kurier  bemerkt  wurde,  zur  Aufklärung 
des  Sachverhalts.  Die  aufgefundene  Stamm- 
tafel ist  ein  weiteres  Exemplar  der  bisher 


—    62    — 

in  zwei,  im  Staatsarchive  zu  Wiesbaden 
und  im  Rathause  zu  Idstein  befindlichen, 
Exemplaren  bekannten,  von  J.  G.  Hagel- 
gans für  sein  1753  erschienenes  Buch 
„Nassauische  Geschlechtstafel  des  Wal- 
ramischen Stammes**  angefertigten  Stamm- 
tafel, deren  Abdruck  nebst  Siegel-  und 
Wappenzeicbnungen  dem  vielbenutzten 
Buche  beigefügt  ist.  Von  irgendwelcher 
Bedeutung  des  Saarbrückener  Fundes  kann 
demnach  keine  Rede  sein.  W. 

Jahretberloht  dar  GetalltchtH  fOr  nOtillche  Fortcliun-26. 
gan  zu  Triar  von  1882  bis  1893,  Trier,  Linta 
1894,  79  Seiten,  40,  6  Tafeln.    Preis  2  Mark. 

Auf  S.  1  bis  8  wird  unter  Vereins- 
nachrichten eine  Übersicht  über  die 
wichtigsten  Beschlüsse  der  Gesellschaft  in 
ihren  Jahresversammlungen  sowie  eine 
Liste  der  Vereinsmitglieder  und  der  Ver- 
eine, mit  denen  der  Verein  in  Tauschver- 
kehr steht,  gegeben.  Dann  folgt  auf 
XXV  +  36  Seiten  eine  Publikation:  „Vor- 
geschichtliche  Grabhügel  in  der 
Eifel  und  im  Hochwald^  von  Dr.  H. 
Lehn  er.  Die  Einleitung  beginnt  mit  der 
Beschreibung  der  Örtlichkeit  der  beiden 
Ausgrabungen,  welchen  die  Veröffentlichung 
gilt.  Die  eine  fand  in  den  Jahren  1887 
und  1888  in  der  Eifel  und  zwar  haupt- 
sächlich in  der  Gegend  von  Mehren  (Kreis 
Daun)  statt,  die  andere,  in  den  Jahren 
1892  und  lb93  ausgeführt,  hatte  Gräber- 
felder des  Hochwaldes,  fast  ausschliesslich 
in  der  Gegend  von  Hermeskeil,  zum 
Gegenstand.  In  mehreren  Abschnitten 
werden  die  beiden  Gruppen  in  Bezug  auf 
Bestattungsweise,  Form,  Technik  und 
Verzierung  der  Thonge fasse  und  der 
Metallgegenstände,  welche  sich  in 
den  Gräbern  fanden,  untersucht  und  mit 
einander  verglichen.  So  wird  unter  an- 
derem das  Resultat  gewonnen,  dass  im 
Grossen  und  Ganzen  die  Gräber  der  Eifel- 
gruppe  der  älteren  Eisenzeit  angehören, 
während  bei  der  Hochwaldgruppe  vorzugs- 
weise die  jüngere  Eisenzeit  vertreten  ist. 
In  einem  Abschnitt  „Import  und  frem- 
der Einfluss'^  wird  das  Verhältnis  der 
einheimischen  vorrömischen  Kultur  zu  der 
der  klassischen  Länder,  soweit  es  für  die 
behandelten  Fundstücke  in  Frage  kommt, 
berührt,    und    in    einem    letzten    Kapitel 


—    63    — 

werden  die  römischen  Nachbestat- 
tungen  in  einzelnen  vorrömischen  Grab- 
hügeln, sowie  derEinfluss  der  einhei- 
mischen Yorrömischen  Keramik  anf 
die  provinzialrömische  behandelt.  — 
Es  folgt  sodann  die  genaue  Beschreibung 
aller  untersuchten  Hügel  und  der  in  ihnen 
gefundenen  Begräbnisse.  Beigegeben  sind 
sechs  photolithographische  Tafeln  nach 
Zeichnungen  des  Museumsassistenten  Herrn 
Ebertz.  Sie  enthalten  die  Abbildung 
sämtlicher  Thongefässe,  sämtlicher  Bronze- 
funde, soweit  es  sich  nicht  um  ganz 
identische  Stücke  handelt,  sowie  der  wich- 
tigsten Eisengeräte  und  sonstigen  Funde. 
Der  Preis  des  Jahresberichts  beträgt 
2  Mark,  ihren  Mitgliedern  stellt  die  Ge- 
sellschaft den  Bericht  zu  1  Mark  zur 
Verfügung. 


27.  NorrMberg,  P.,   Die   hl.   Irmgardis   von    Süchteln. 

(Aus  der  rheinischen  Geschichte  XIX).  Bonn, 
Haustein,  1891. 

Das  Verdienst  der  kleinen  Schrift  liegt 
hauptsächlich  in  der  eingehenden  Unter- 
suchung über  die  Abstammung  der  hl. 
Irmgardis,  welche  N.  dem  Hause  Luxem- 
burg mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  zu- 
weist. Von  Interesse  sind  namentlich  auch 
die  Ergebnisse  des  Verf.  über  Herkunft 
und  Verwandtschaft  einer  Reihe  von  rhei- 
nischen Dvnastenfamilien.  Über  die  Irm- 
gardiskapelle  auf  dem  Süchteiner  Heiligen- 
berge waren  nur  dürftige  Nachrichten  zu 
ermitteln.  Anhangsweise  sind  die  lateinische 
Vita  und  die  deutsche  Legende  v.  J.  1523 
abgedruckt.  Der  Verf.  (f  1894  Mai  29) 
hat  die  Drucklegung  des  Werkebens  nicht 
mehr  erlebt;  eine  ungenannte  Freundes- 
hand hat  sein  Bild  und  einen  kurzen  Le- 
bensabriss  voraufgeschickt.  Kn. 

28.  Von  den  Publikationen  der  Gesellschaft 
fOr  Rheinische  Geschichtsforschung  sind  neuer- 
dings zwei  ältere  Werke  abgeschlossen 
worden. 

Von  den  Kölner  Schreinsurkunden 
des  12.  Jhdts.,  (Bonn,  Ed.  Weber),  welche 
Prof.  Hoeniger  in  Berlin  bearbeitet  hat, 
ist  der  Schlussband  (H,  2)  erschienen;  er 
enthält  die  ältesten  Bürgerlisten,  die  Gilde- 
liste, andere  Namenlisten  der  ältesten  Zeit, 
sowie  die  ausführlichen  Register  über  das 
ganze  Werk,  wozu  Herr  Prof.  J.  Franck 


—    64    — 

in  Bonn   eine  Erklärung   der   deutschen 
Wörter  beigesteuert  hat. 

Das  in  Lieferungen  erschienene  nach- 
gelassene Werk  von  J.  J.  Merlo,  Köl- 
nische Künstler  in  alter  und  neuer 
Zeit  (Düsseldorf,  Schwann)  liegt  nunmehr 
auch  vollendet  vor.  Die  Bearbeitung  der 
anonymen  Meister  der  Kölner  Malerachnle, 
welche  den  Schluss  bildet,  rührt  von  dem 
Herausgeber,  Dr.  Ed.  Firmenich -Bichartz 
in  Bonn,  her.  Ein  chronologisches  Ver- 
zeichnis der  Künstler  bis  1600,  nach  den 
Kunstgattungen  geordnet,  erhöht  die  Brauch- 
barkeit des  Buches. 

Von  der  neuen  gross  angelegten  Ge- 
schichte der  Kölner  Malerschule, 
welche  Direktor  Aldenhoven  in  Köln 
und  Dr.  Ludw.  Scheibler  in  Bonn  her- 
ausgeben, ist  die  1.  Lieferung  erschienen. 
32  schöne  Tafeln  in  Folioformat,  von  dem 
Verleger,  der  Lichtdruckanstalt  von  Joh. 
Nöhring  in  Lübeck,  mit  rühmlicher  Sorg- 
falt hergestellt,  weisen  auf  den  reichen 
Gewinn  hin,  den  die  kunstgeschichtliche 
Forschung  aus  dem  vollendeten  Unterneh- 
men zieben  wird.  Das  ganze  Werk  wird 
ca.  100  Tafeln  in  Lichtdruck  und  einen 
Band  Text  umfassen. 

Giemen,    Paul,    Die    Kunstdenkm&ler    der   St&dte29. 
Barmen,    Elberfeld ,    Bemseheid    and    der 
Kreise  Lennep,  Mettmann,  Solingen.  D&sael- 
dorf  1894. 

Das  neueste  Heft  der  verdienstvollen 
rheinischen  Denkmälerstatistik  umfasst 
nicht  weniger  als  6  Kreise,  3  Stadt-  und 
3  Landkreise.  Die  verhältnismässige  Dürf- 
tigkeit der  kirchlichen  Überlieferung  er- 
klärt sich  in  der  Hauptsache  aus  dem 
Umstände,  dass  das  behandelte  Gebiet, 
das  Wupperthal  und  sein  bergisches  Hin- 
terland, schon  frühzeitig  die  protestantische 
Lehre  annahm,  welche  gerade  in  ihrer 
reformierten  Ausprägung  jede  künstlerische 
Ausgestaltung  der  Gotteshäuser  in  Bso 
und  Schmuck  verpönte.  Daher  liegt  der 
Hauptnachdruck  in  diesem  Hefte  auf  den 
Leistungen  der  bürgerlichen  Baukunst,  den 
hübschen  Privathäusem  des  17.  und  18. 
Jahrb.,  sowie  namentlich  den  zahlreichen 
Schlössern,  welche  die  bergischen  Hügel 
krönen.  Im  Vordergrunde  des  Interesses 
steht   die  interessante  Baugeschichte  des 


—    65    — 

bergischen  Stammschlosses  Burg  an   der 
Wupper.  Kn. 

SO.  In  den  Nachrichten  der  E.  Gesellschaft 
der  Wissenschaften  zu  Guttingen,  philo- 
logisch-historische  Klasse  1894  Nr.  4  ver- 
öffentlicht L,  Weiland  das  Fragment  einer 
fliederrlieinitclien  Papst-  und  Kaiserclironiic 
aus  dem  Anfang  des  K.  Jaliriiunderts,  das 
unter  „den  zahlreichen  Pergamentfetzen 
des  diplomatischen  Apparats"  der  Universi- 
tät Göttingen  aufgefunden  worden  ist.  Wie 
Weiland  nachweist,  ist  die  Chronik  zwischen 
1303  und  1308  am  Niederrhein  entstanden. 
Der  Wert  des  uns  erhaltenen  Bruchstücks, 
das  die  Jahre  1293—1303  umfasst,  also 
von  einem  Zeitgenossen  herrührt,  beruht 
auf  einzelnen  Nachrichten  territorialge- 
schichtlichen Inhalts,  so  der  Charakteri- 
sierung des  Erzbischofs  Wikbold  von  Köln 
als  eines  Simonisten  —  sollte  übrigens  die 
Darstellung  der  Geldpolitik  Wikbolds  und 
ihrer  Älisserfolge  nicht  auf  eine  wenn  auch 
nur  indirekte  Verwandtschaft  mit  der 
Martini  Continuatio  Coloniensis  (ed.  Waitz, 
Chronica  regia  S.  363)  hindeuten?  —  der 
Schilderung  des  holländischen  Erbfolge- 
krieges, sowie  besonders  auf  der  zum 
ersten  Mal  von  deutscher  Seite  gebrach- 
ten Nachricht,  dass  König  Albrecht,  um 
das  Reich  in  ein  Erbreich  zu  verwandeln, 
die  Abtretung  des  linken  RheiDufers  an 
Frankreich  beabsichtigt  haben  solle. 

Knipping. 

n.  In  Heft  94  der  Bonner  Jahrbücher  be- 
spricht A.  Kisa  die  schwierigen  Fragen, 
welche  „die  Externsteine**  mit  ihren 
seltsamen  Denkmälern  und  Grotten  dem 
Besucher  und  Forscher  stellen.  Der  Verf. 
erbringt  in  dem  ersten,  ikonographischen 
Teil  seines  Aufsatzes  den  Nachweis,  dass 
sowohl  hinsichtlich  des  Stiles  wie  nach 
üom  symbolischen  Ausdruck  der  einzelnen 
Figuren  und  Formen  das  Felsenrelief  der 
Kreuzabnahme  in  die  Periode  der  byzan- 
tinisch-romanischen Kunstentwicklung  in 
Deutschland  gehört.  Den  unteren  Teil  des 
Reliefs  erkennt  Kisa  mit  Bestimmtheit  als 
die  Darstellung  des  von  dem  dreiköpfigen 
Beelzebub  (Basilisk)  umschlungen  gehalte- 
nen ersten  Menschenpaares. 

Im  historisch-topographischen  Teil  wird 
wahrscheinlich    gemacht,    dass    reisende 


—    66    — 

Laienbrüder  nach  1093,  nach  der  Erwer- 
bung der  Extemsteine  seitens  des  kunst- 
liebenden Klosters  Abdinghoif,  die  Umge- 
staltung der  Grotten  für  Zwecke  des  christ- 
lichen Gottesdienstes  vorgenommen  und 
das  berühmte  Relief  in  den  Felsen  einge- 
hauen haben.  Die  bei  der  Thüröffnung 
des  Einganges  befindliche  Inschrift  setzt 
die  Weihe  der  Kapelle  ins  Jahr  1115. 
Diese  Inschrift  und  ihr  Schicksal  findet 
eine  sehr  eingehende  Besprechung.  Die 
über  der  Thür  befindliche  grosse  Vogel- 
gestalt ist  als  Adler  und  damit  als  Symbol 
der  Auferstehung  zu  fassen.  Weiter  wer- 
den die  Einzelheiten,  der  Zweck  und  die 
Beschaffenheit  der  Grottenräume  und  die 
darin  vorkommenden  Merkwürdigkeiten, 
vermeintliche  Runenzeichen,  die  Petrusfigur, 
das  Weih  Wasserbecken  besprochen  und  in 
scharfer  jedoch  ungezwungener  Erklärung 
der  Reihe  nach  vorgeführt.  Ein  Vergleich 
mit  der  Quirinuskapelle  zu  Luxemburg 
zeigt  dann  schliesslich,  dass  die  Extem- 
steine und  das  christliche  Heiligtum  zu 
Luxemburg  ursprünglich  Kultusstätten  des 
germanischen  Heidentums  gewesen  sind. 
Von  einem  auf  den  Höhen  der  Extem- 
steine geübten  Mithraskult,  dessen  deut- 
liche Spuren  andere  Forscher  dort  zu 
finden  glaubten,  vermag  Kisa  so  gut  wie 
gar  nichts  zu  entdecken. 

Die  ungemein  fleissigen  und  vielseitigen 
Untersuchungen  Kisas  könnte  man  zu  weit- 
gehend und  zu  fem  hergenommen  finden, 
wenn  es  sich  nicht  darum  handelte,  einen 
Schwall  von  erklärenden  Redensarten  zu 
widerlegen,  der  aus  den  vielen  über  die 
Externsteine  schriftlich  und  mündlich  um- 
hergetragenen Deutungen  und  Behauptun- 
gen hervorbricht.  Kisa  hat  eine  ab- 
schliessende Arbeit  geliefert;  das  Rätsel 
der  Extemsteine  ist  gelöst. 
Köln.  H.  Kelleter. 

G.  KQntz«!,  Über  die  Verwaltung  des  Mass-  und 32 
Gewichts we sen ■  i n  D e u t sc h lan d 
w&hrend  des  Mittelalters.  Leipzig  1894. 
(Staats-  und  sozialwissenschaftliche  For- 
schungen, herausgeg.  von  G.  Schmoller. 
Xin.  L.  2.  Heft). 

Der  Verfasser  ergreift  in  der  Schmoller- 
V.  Belowschen  Kontroverse  über  mittel- 
alterliches Mass-  und  Gewichtswesen  das 
Wort  und  gelangt,   indem   er   die  Frage 


—    67    — 

auf  einer  breiteren  Grundlage  als  Schmoller 
untersucht,  im  wesentlichen  zu  denselben 
Ergebnissen  wie  dieser,  nämlich  dass  die 
Ordnung  von  Mass  und  Gewicht  im  deut- 
schen Mittelalter  nicht  Sache  der  Gemeinde, 
sondern  der  öffentlichen  Gewalt  gewesen 
sei.  V.  Below  hat  (Litterar.  Centralblatt 
1894  Nr.  50  Sp.  1797)  die  Ergebnisse  der 
Arbeit  in  ihren  Hauptpunkten  angenommen. 

Knipping. 

33.  Das  DUrener  Stadtarchiv.  Mit  Freuden 
ist  es  zu  begrüssen,  dass  die  Stadt  Düren 
sich  entschlossen  hat,  ihr  Archiv  durch 
einen  Fachmann  ordnen  zu  lassen  und  so 
der  Benutzung  zugänglich  zu  machen.  Am 
18.  Dez.  1894  haben  auf  Anregung  des 
Herrn  Bürgermeisters  Klotz  die  Stadtver- 
ordneten einstimmig  den  Beschluss  gefasst 
und  Herrn  Gymnasiallehrer  Dr.  August 
Schoop  die  Ordnung  der  Bestände  über- 
tragen. Infolge  der  Verwüstung  der  Stadt 
im  Jahre  1543  ist  wenig  älteres  Material 
Dürener  Provenienz  im  Stadtarchiv  erhal- 
ten. Die  mittelalterlichen  Urkunden  — 
unter  ihnen  das  in  den  „Kaiserurkunden 
in  Abbildungen"  Lieferung  IV  Tafel  2  ab- 
gebildete Originaldiplom  Karls  III  v.  J.  887 
—  sowie  eine  Reihe  von  wichtigen  Inkuna- 
beln sind  durch  den  Eifer  des  f  Herrn  Ober- 
bürgermeisters Werners  für  das  Stadt- 
archiv angekauft  worden,  ebenso  Samm- 
lungen aus  dem  Nachlass  des  f  Bonner 
Professors  Floss.  Ausser  diesen  fremd- 
artigen Bestandteilen  sind  sehr  zahlreiche 
städtische  Akten  seit  dem  16.  Jahrb.  vor- 
handen, die  allerdings  der  ordnenden  Hand 
sehr  bedürftig  sind.  Noch  möge  hervor- 
gehoben werden,  dass  das  Archiv  in  einem 
schönen,  hellen  und  feuersicheren  Saale 
des  Rathauses  untergebracht  ist.  Mögen 
die  Beispiele  Dürens  und  Duisburgs,  das 
auch  vor  kurzem  Schritte  in  dieser  Rich- 
tung gethan  hat,  vielfache  Nacheiferung 
wecken.  Keussen. 

34.  Karolingische  Pfalz  In  Nymwegen.  In 
Nimwegen  haben  auf  Anregung  und  unter 
Leitung  des  deutschen  Archäologen  Dr. 
Konrad  Plath  Ausgrabungen  auf  dem  Valk- 
hof,  der  Stätte  des  von  Karl  dem  Grossen 
gegründeten  deutschen  Kaiserpalastes  statt- 
gefunden, die  besonders  über  die  ursprüng- 
liche Gestalt  der  Kapelle  Karls  des  Grossen 


—    68    — 

überraschende  Ergebnisse  geliefert  haben. 
Der  bisher  durch  Erhöhung  des  Fassbo- 
dens und  eingreifende  Umbauten  verän- 
derte und  verunstaltete  Bau  hat  sich  durch 
diese  Entdeckungen  als  ein  Werk  von 
auffallender  Schönheit  entbullt.  Die  Stadt 
Nimwegen  hat  alsbald  beschlossen,  soweit 
thunlich,  die  ursprüngliche  Schönheit  der 
der  karolingischen  Kapelle  wieder  zur  Gel- 
tung zu  bringen,  deren  Herstellung  ein 
dauerndes  Denkmal  der  auf  Kosten  der 
Stadt  erfolgten  Ausgrabung  sein  wird. 

Dr.  Plath  gedenkt  ein  mit  zahlreichea 
Photographieen  ausgestattetes  Prachtwerk 
über  den  Valkhof  herauszugeben. 
Nymwegen.  P. 


Geseilschaft  fUr  Rheinische  Ge-35. 
Schichtskunde. 

Vgl.  Korrbl.  1894  Nr.  34. 
Seit  der  dreizehnten  Jahresversammlung 
gelangten  zur  Ausgabe: 

1.  Kölner  Schreinsurkunden  des 
12.  Jahrhunderts,  Quellen  zur  Recbts- 
und  Wirtschaftsgeschichte  der  Stadt  Köln, 
herausgegeben  von  Robert  Hoeniger. 
Bd.  II,  2,  Bonn,  Weber,  1894.  Mit  einer 
Erklärung  der  deutschen  W^orter  von  Prof. 
Dr.  J.  Franck  und  einer  photolithogra- 
phischen Beilage. 

Somit  liegt  jetzt  die  I.  Publikation  der 
Gesellschaft,  begonnen  1884,  abgeschlos- 
sen vor. 

2.  Kölnische  Künstler  in  alter  und 
neuer  Zeit.  Johann  Jacob  Merlos 
neu  bearbeitete  und  erweiterte  Nachrich- 
ten von  dem  Leben  und  den  Werken 
Kölnischer  Künstler,  herausgegeben  Ton 
Dr.  Eduard  Firmenich-Richartz  un- 
ter Mitwirkung  von  Dr.  Hermann  Keus- 
sen. Mit  zahlreichen  bildlichen  Beilagen. 
Düsseldorf,  L.  Schwann,  1894.  95.  Liefe- 
rung 7-30. 

Auch  die  IX.  Publikation  ist  hiermit 
zum  Abschlüsse  gelangt. 

3.  Geschichtlicher  Atlas  der 
Rheinprovinz,  im  Auftrage  des  Pro- 
vinzial  Verbandes  herausgegeben.  Bonn, 
Behrendt,  1894.    (XIL  Publikation): 

1)  Karte  der  Rheinprovinz   anter  fran- 


—    70    — 


zösischer  Herrschaft  im  Jahre  1813,  be- 
arbeitet von  Konstantin  Schulteis. 
2)   Karte  der  politischen  und  administra- 
tiven Einteilung  der  heutigen  Rhein- 
provinz im  Jahre  1789,  7  Blätter,  be- 
arbeitet von  Dr.  Wilh.  Fabricius. 
4.  Geschichte  der  Kölner  Maler- 
schule.    100  Lichtdrucktafeln  mit  erklä- 
rendem Text,  herausgegeben  von  Ludvrig 
S  c  h  e  i  b  1  e  r    und   Carl  Aldenhoven. 
1.  Lieferung,  32  Tafeln.    Lübeck,  Johann 
Nühring,  1894.     (XIII.  Publikation). 

Auch  im  verflossenen  Jahre  konnten 
die  Arbeiten  an  den  Rheinischen  Weis- 
tümero  keine  Förderung  erfahren,  da 
kein  geeigneter  Mitarbeiter  sich  fand.  Doch 
steht  in  Folge  der  Änderung  des  Editions- 
Planes  ein  Fortschritt  in  der  Publikation 
demnächst  zu  erwarten. 

Da  Herr  Stadtarchivar  Richard  Pick 
in  Aachen  noch  mit  der  Durchsicht  des 
völlig  ungeordneten  Aktenmaterials  im 
Aachener  Stadtarchiv,  welche  der  Neu- 
herausgabe der  Stadtrechnungen  unbedingt 
vorhergehen  muss,  voll  und  ganz  beschäf- 
tigt ist,  wird  er  sich  erst  vom  April  an, 
dann  aber  voraussichtlich  ungestört,  mit 
der  Edition  befassen  können.  Mit  der 
Drucklegung  der  Rechnungen,  die  mit  dem 
Urkunden  -  Anhang  wohl  2  Bände,  insge- 
samt 60  Bogen,  8^  umfassen  werden,  wird 
seiner  Berechnung  nach  erst  im  Jahre 
1896  begonnen  werden  können. 

Über  die  Ausgabe  der  Rheinischen 
urbare  berichtet  der  Leiter  dieser  Publi- 
kation, Prof.  Dr.  Lamp recht  in  Leipzig: 
Die  Arbeiten  an  den  rheinischen 
Urbaren,  zur  Herstellung  einer  kritischen 
Ausgabe  dieses  wichtigen,  aber  auch  un- 
gemein ausgedehnten  Quellenkoniplexes, 
sind  im  verflossenen  Jahre  rüstig  fortge- 
schritten. Herr  Dr.  Hill  ig  er  in  Leipzig, 
der  seine  Arbeit  den  Urbaren  der  in  der 
Stadt  Köln  ansässigen  Grundherrschaften 
gewidmet  hat,  ist  bis  zum  1.  Oktober  1894 
hieran  mit  seiner  ganzen  Kraft,  seitdem, 
nach  seinem  Übertritt  in  den  sächsischen 
Bibliotheksdienst,  wenigstens  täglich  einige 
Stunden  thätig  gewesen.  Die  Edition  ist 
jetzt  soweit  gefördert,  dass  grosse  Massen 
der  auf  S.  Aposteln,  S.  Severin,  S.  Ursula 
und  S.  Cäcilien  bezüglichen  Akten  schon 


abgeschlossen  vorliegen;  druckreif  ist  da» 
Material  von  S.  Pantaleon,  das  sich  nament* 
lieh  durch  eine  sehr  eingehende  und  eigen* 
artige  Überlieferung  für  die  späteren  Jahr- 
hunderte wie  durch  ein  grosses,  noch  un- 
gedrucktes Urbar  aus  der  Stauferzeit  aus- 
zeichnet. Dies  Material  hofft  Herr  Dr. 
Hilliger  binnen  etwa  acht  Wochen  al» 
einen  ersten  Band  der  Kölner  Urbarialien 
zur  Prüfung  vorlegen  zu  können.  Den 
Aachener  Urbarialien,  vor  allem  denen  des^ 
Krönungsstiftes,  hatt  Herr  Dr.  Kellet  er 
in  Köln  seine  Arbeit  gewidmet.  Die  Durch- 
sicht des  Stoffes  ist  fast  vollendet;  ein 
erster  Band  der  Ausgabe  wird  binnen  kur- 
zem zur  Durchsicht  für  den  Druck  präsen- 
tiert werden  können.  HerrDr.  Kötzschke^ 
in  Leipzig  ist  seit  April  1894  mit  der 
Werdener,  besonders  reichen  Überlieferung 
beschäftigt.  Der  grössere  Teil  der  Editions- 
arbeit ist  an  ihr  schon  gethan;  es  wird 
im  wesentlichen  unr  noch  einer  persön- 
lichen Umschau  des  Bearbeiters  an  Ort 
und  Stelle,  sowie  im  Düsseldorfer  Staats- 
archiv bedürfen,  um  auch  hier  zu  einem 
Abschlüsse  zu  gelangen.  Den  Xantener 
Urbaren  gilt  die  Arbeit  des  Herru  Dr. 
Tille  in  Leipzig,  der  seit  Januar  dieses- 
Jahres  an  Stelle  von  Herrn  Dr.  Hilliger 
als  ordentlicher  Mitarbeiter  an  dem  Unter- 
nehmen eingetreten  ist.  Er  hat  sich,  da 
bisher  das  Registrum  reddituum  aus  dem 
ersten  Viertel  des  14.  Jahrhunderts  aua 
dem  Arcbief  des  hoogen  Raads  van  Adel 
im  Haag  noch  nicht  zu  erlangen  gewesen,, 
mit  den  späteren  Stücken  des  14.  und 
15.  Jahrhunderts  beschäftigt.  Zur  Vorbe- 
reitung der  Urbareditionen  für  die  Grund- 
herrschaften des  platten  Landes  am  Nieder- 
rhein ist  nach  wie  vor  Herr  Dr.  Bahr  dt 
in  Göttingen  thätig. 

Von  den  unter  Leitung  des  Herrn  Ge- 
heimrats Prof.  Dr.  Ritter  stehenden  Aus- 
gabe der  Jülich- Bergischen  Lan  d- 
tagsakten  I.  Abteilung  ist  der  im  vorigen 
Jahresbericht  in  Aussicht  gestellte  erste 
Band  nunmehr  fertig  gedruckt;  seine  Ver- 
sendung erfolgt  in  den  nächsten  Tagen.  In 
der  Einleitung  behandelt  er  die  Geschichte 
der  landständischen  Verfassung  und  der 
Landtage  von  1400—1538,  im  Text  bietet 
er  die  Akten  der  Jüiich-Bergischen  Land« 


71 


72 


tage  von  1538—1562.  Bei  Sammlung  und 
Erläuterung  der  Schriftstücke  ist  der  Her- 
ausgeber, Herr  Prof.  v.  Below  in  Münster 
i.  W.,  bestrebt  gewesen,  die  in  den  Land- 
tagsverhandlungen hervortretenden  rechts- 
und  verwaltungsgeschichtlichen  Fragen 
möglichst  erschöpfend  und  umfassend  auf- 
zuhellen. Durch  die  Rücksicht  auf  den 
ihm  zugemessenen  Raum  sah  er  sich  dabei 
genötigt,  einzelne  Gegenstände  in  beson- 
deren Abhandlungen  oder  kleineren  Akten- 
mitteilungen zu  behandeln,  welche  der 
Hauptpublikation  teils  vorausgeschickt  sind, 
teils  noch  nachfolgen  werden.  —  Den 
zweiten  Band  gedenkt  Prof.  v.  Below  ohne 
Unterbrechung  in  Angriff  zu  nehmen. 

Die.  Bearbeitung  der  Jülich-Bergi- 
^chen  Landtagsakten,  H.  Reihe,  ist 
durch  Herrn  Dr.  Küch  in  Düsseldorf  un- 
ter Leitung  des  Herrn  Geh.  Archivrat  Dr. 
Harless  eifrig  gefördert  worden.  Von  dem 
in  Düsseldorf  beruhenden  Quellenmaterial 
sind  die  landständischen  Protokolle  und 
teilweise  auch  die  gleichzeitigen  politischen 
Akten  bis  zum  Beginn  des  Jahres  1642 
«xcerpiert,  beziehungsweise  durchgesehen 
worden.  Die  Vollendung  der  Publikation 
ist  für  den  Sommer  1898  in  Aussicht  ge- 
nommen. 

Der  n.  Band  der  älteren  Matrikeln 
der  Universität  Köln  ist  von  dem  Her- 
ausgeber, Herrn  Dr.  Herm.  Keussen  in 
Köln,  im  Betriebsjahre  erheblich  gefördert 
worden.  Die  Abschrift  liegt  nunmehr  bis 
2um  Schlussjahre  1559  vollständig  und  mit 
den  Vorlagen,  den  im  Kölner  Historischen 
Stadtarchiv  beruhenden  Matrikelbänden  III 
und  IV,  sorgfältig  verglichen  vor.  Das 
alphabetische  Hauptregister  ist  nebenher 
fertig  gestellt  worden  und  bedarf  nur  mehr 
der  eindringlichen  Durchordnung.  Die  für 
die  Bearbeitung  und  Erläuterung  notwendige 
Arbeit  glaubt  der  Herausgeber  bis  zum 
Jahre  1898  leisten  zu  können. 

Die  Herausgabe  der  erzbischöflich- 
kölnischen  Regesten  geht,  wenigstens 
in  den  beiden  ersten  Abteilungen,  ihrem 
«baldigen  Abschluss  entgegen.  In  der  ersten 
Abteilung  wurden  von  Herrn  Professor 
Menzel  weitere  kritische  Punkte  unter- 
sucht, so  namentlich  die  Frage,  in  wieweit 
die  Kaiserurkunden,  in  denen  Erzbischöfe 


von  Köln  als  Intervenienten  genannt  wer- 
den, für  das  Itinerar  der  Erzbischöfe  ver- 
wertet werden  können,  dann  über  die  Stel- 
lung der  Erzbischöfe  als  Erzkanzler  des 
Reiches  für  Italien  und  als  Bibliothekare 
und  Erzkanzler  des  apostolischen  Stuhles, 
über  Pallienverleihungen ,  über  Kirchen- 
bauten und  Kirchenweihen  u.  s.  w.  Die 
Durcharbeitung  der  zahlreichen  bis  jetzt 
erschienenen  Bände  der  Jahrbücher  des 
fränkischen  und  des  deutschen  Reiches 
brachte  eine  reiche  Ausbeute  an  chroni- 
kalischen und  urkundlichen  Nachrichten. 
In  dem  zu  Halle  befindlichen  Kartular  des 
S.  Cassius-  und  Florentiusstiftes  in  Bonn 
fanden  sich  die  ältesten,  handschriftlich 
bis  jetzt  bekannten,  erzbischöflich -kölni- 
schen Urkunden,  die  des  Electen  Lntber- 
tus  vom  J.  842  und  des  Bischofs  Günther 
vom  J.  854. 

In  der  zweiten  Abteilung  (1099—1304) 
setzte  Herr  Dr.  Richard  Knipping  die 
Bearbeitung  des  urkundlichen  und  chroni- 
kalischen Materials  mit  gutem  Erfolge  fort. 
Ansehnliche  Ausbeute  an  bisher  ungedrnck- 
ten  Urkunden  gewährten  die  Kopiare  der 
geistlichen  Stifter  im  Stadtarchive  von  Köln, 
das  Stadtarchiv  in  Rheinberg  und  das 
Kirchenarchiv  von  S.  Severin  in  Köln. 

Für  die  dritte  Abteilung  (1304—1414» 
war  Herr  Dr.  Moriz  Müller  in  Bonn 
thätig.  Die  Sammlung  des  gedruckten  ur- 
kundlichen Materials  wurde  fortgesetzt, 
mit  den  Aufzeichnungen  aus  darstellenden 
Quellen  wurde  begonnen.  Für  den  ange- 
gebenen Zeitraum  sind  bereits  über  4000 
Regestenzettel  zusammengebracht. 

Mit  Rücksicht  auf  die  baldige  Vollen- 
dung des  ersten  Regestenbandes,  der  die 
drei  Abteilungen  bis  1414  enthalten  soll, 
wurde  die  Bearbeitung  der  späteren  Par- 
tieen  einstweilen  zurückgestellt. 

Für  die  älteren  rheinischen  Ur- 
kunden ergab  der  in  Halle  befindliche 
schon  von  Perlbach  benutzte  und  teil- 
weise veröffentlichte  Traditionscodex  des 
S.  Cassius-  und  Florentiusstiftes  in  Bonn 
eine  reiche  Ausbeute.  Die  Traditionen  be- 
ginnen schon  im  7.  Jahrhundert  imd  sind 
für  die  Geschichte  Bonns,  des  Bonngaaes 
und  der  benachbarten  Gaue  von  grosser 
Wichtigkeit.    Im  Staatsarchiv  zu  Dussel- 


—    73    — 


—    74    — 


dorf  wurden  die  Urkunden  von  Werden, 
Essen,  Cornelimünster  und  andern  nieder- 
deutschen Klöstern  und  Stiftern  bearbei- 
tet, im  Stadtarchiv^  zu  Frankfurt  a.  M.  die 
aus  S.  Maximin  stammenden  Kaiserurkun- 
den des  9.  und  10.  Jahrhunderts.  In  der 
Stadtbibliothek  zu  Trier  wurde  die  Durch- 
sicht der  Handschriften  fortgesetzt  und 
wenigstens  für  die  älteste  Zeit  zum  Ab- 
schluss  gebracht.  Das  Material  bis  zum 
J.  800  (mit  Ausnahme  zweier  Urkunden 
aus  den  Jahren  707  und  765)  ist  nun  voll- 
ständig gesammelt  und  gesichtet  und  wird 
im  Laufe  dieses  Jahres  vorgelegt  werden 
können. 

Die  Ausgabe  der  Zunfturkunden  der 
Stadt  Köln  hat  auch  im  verflossenen 
Jahre  nicht  gefördert  werden  können,  weil 
ein  Leiter  für  dieses  Unternehmen  fehlte. 

Dagegen  ist  die  Drucklegung  des  II.  Ban- 
des der  Akten  zur  Geschichte  der 
Verfassung  und  Verwaltung  der 
Stadt  Köln  im  14.  und  15.  Jahrhun- 
dert durch  Herrn  Dr.  Walt  her  Stein 
in  Giessen  energisch  betrieben  worden. 
Der  Druck  des  Textes  ist  beendet.  Die 
ausgedehnten  Personen*,  Orts-  und  Sach- 
register befinden  sich  in  der  Druckerei; 
ein  eingehendes  chronologisches  Inhalts- 
verzeichnis zu  beiden  Bänden  wird  eben 
zusammengestellt.  Bald  nach  Ostern  wird 
die  Publikation,  durch  Register  und  In- 
haltsverzeichnis der  Forschung  bequem  zu- 
gänglich, abgeschlossen  vorliegen. 

Über  den  Geschichtlichen  Atlas 
der  Kheinprovinz  berichtet  Herr  Geh.- 
Rat  Nissen: 

Die  von  Herrn  Schult  eis  entworfene 
Karte  des  Jahres  1818,  welche  die  Anfänge 
der  preussischen  Verwaltung  veranschau- 
lichen soll,  befindet  sich  im  Stich  und 
wird  in  einigen  Monaten  zur  Ausgabe  ge- 
langen. Das  gleiche  gilt  von  dem  Text, 
der  in  einem  Umfange  von  etwa  12  Bogen 
die  Karten  von  1813  und  1818  erläutert: 
davon  ist  ein  Drittel  bereits  gedruckt,  der 
Rest  kann  rasch  gefördert  werden.  Grössere 
Schwierigkeiten  bietet  der  Textband,  den 
Dr.  Fabricius  der  Spezialkarte  von  1789 
beigeben  wird.  Doch  besteht  auch  hier 
die  Hoffnung,  dass  der  Band  im  Laufe  des 
Jahres    erscheinen  kann.      Daneben   sind 


die  Vorarbeiten  für  die  Fortführung  de» 
Atlas  in  Angriff  genommen,  über  die  näherer 
Bericht  für  das  kommende  Jahr  vorbehal- 
ten bleibt. 

Akten  der  Jülich  -  Clevischen 
Politik  Kurbrandenburgs  (1610  bis 
1640).  Der  Leiter  des  Unternehmens,. 
Herr  Geh -Rat  Ritter,  ergänzte  im  abge- 
laufenen Jahr  die  früher  in  den  Archivea 
von  Berlin  und  Dresden  aufgenommeneu 
Akten  Verzeichnisse  durch  entsprechende 
Durchsicht  der  Aktenbestände  des  Münste- 
rer und  des  Marburger  Archivs  und  durch. 
Fortsetzung  der  Durchsicht  der  Düssel- 
dorfer Akten.  Von  Herrn  Dr.  Löwe  wur- 
den gleichzeitig  aus  dem  Berliner  Archiv 
diejenigen  Akten  (Berichte  und  Instruktio- 
nen, reichhaltige  Diarien  und  Protokolle),, 
welche  sich  auf  die  inneren  Verhältnisse 
der  Lande  von  1610 — 14  beziehen,  im 
wesentlichen  vollständig  durchgearbeitet. 
Seine  nächste  Aufgabe  wird  es  sein,  die 
gleiche  Arbeit  mit  den  Düsseldorfer  Aktea 
vorzunehmen.  Berücksichtigt  müssen  auch 
noch  die  kirchlichen  Archive  werden,  da 
es  erforderlich  zu  sein  scheint,  der  Aus- 
einandersetzung der  drei  Bekenntnisse  über 
die  jedem  einzelnen  zufallenden  Kirchen 
und  Gemeinden  möglichst  eingehend  zu 
folgen. 

Die  Sammlung  und  Verarbeitung  der 
Materialien  für  die  von  Stadtarchivar  Dr. 
Hansen  übernommene  Publikation  der 
Quellen  zur  ältesten  Geschichte  des 
Jesuitenordens  in  den  Rheinlanden 
(1543—1582)  ist  nahezu  beendet.  Das 
Manuskript  wird  in  einigen  Monaten  fertig 
gestellt  sein.  Eine  besondere  Vorarbeit, 
eine  Untersuchung  über  die  erste  Nieder- 
lassung des  Jesuitenordens  in  Köln  (154.^ 
— 1545),  wird  getrennt  von  der  Akten- 
publikation noch  im  laufenden  Frühjahre 
an  anderer  Stelle  veröffentlicht  werden. 

Herr  Dr.  Voullidme  berichtet  über 
den  Fortgang  seiner  Arbeit  über  den  Buch- 
druck Kölns  im  15.  Jahrhundert: 

Ich  habe  zunächst  die  Neubearbeitung 
der  schon  von  Ennon  in  seinem  Katalog 
verzeichneten  Drucke  zu  Ende  geführt, 
sodann  die  in  meine  Arbeit  gehörenden 
Bücher  der  Abteilungen  A  D  (Alte  Drucke, 
Mv.   (Mevissen'sche  Sammlung)    und   den 


—    75 


—    76    — 


^rössten  Teil  von  GB  (Gymn.-Bibl.)  der 
Kölner  Stadtbibliothek  durchsucht  und  das 
reiche,  Knnen  unbekannte,  Material  be- 
arbeitet. 

Im  Juni  weilte  ich  12  Tage  in  Trier, 
um  die  Schätze  der  Stadtbibliothek  kennen 
ZM  lernen.  Einen  grossen  Teil  des  Gefunde- 
nen —  etwa  65  Drucke  —  habe  ich  gleich 
an  Ort  und  Stelle  katalogisiert,  einen  an- 
deren kann  ich  in  Bonn  bearbeiten,  da  er 
durch  das  dankenswerte  Entgegenkommen 
■der  Bibliothekverwaltung  nach  und  nach 
4er  hiesigen  Königlichen  Universitätsbiblio- 
thek übersandt  wird.  Um  die  noch  nicht 
erledigten  Abteilungen  der  dortigen  Incu- 
nabelsammlung  zu  prüfen,  gedenke  ich  im 
kommenden  Frühjahr  eine  zweite  etwa 
14tägige  Reise  nach  Trier  zu  unternehmen. 

Nebenbei  wurden  einige  Drucke  aus 
•der  Berliner  Bibliothek  von  mir  aufgenom- 
men, und  vollständig  die  Kölner  Drucke 
der  Bonner  Universitäts  -  Bibliothek  für 
•meine  Zwecke  verarbeitet,  so  dass  die  Ge- 
samtzahl der  mir  jetzt  bekannten  und  ka- 
talogisierten Incunabeln  Kölnischen  Ur- 
isprungs  625  beträgt. 

Von  der  Geschichte  der  Kölner 
Malerschule,  herausgegeben  von  Lud- 
wig Scheibler  und  Carl  Aldenhoven, 
wird  die  zweite  Lieferung  gegen  Ende 
dieses  Jahres  erscheinen.  Der  zugehörige 
Text  wird  nach  Abschluss  des  ganzen 
Werkes  veröffentlicht  werden. 

Für  die  von  Herrn  Prof.  Dr.  Gothein 
übernommene  Herausgabe  von  Urkunden 
und  Akten  zur  Geschichte  des  Han- 
dels und  der  Industrie  in  Rheinland 
und  Westfalen  sind  die  Vorarbeiten  be- 
gonnen worden.  Die  Bestände  des  Frank- 
furter und  des  Strassburger  Stadtarchivs 
sind  durchgesehen;  die  Durcharbeitung  der 
Materialien  des  Kölner  Stadtarchivs  ist  in 
Angriff  genommen  worden. 

Denhncüerstatistik  der  Bheinpiwitus:.  Die 
Kommission  hat  sich  im  Oktober  1894 
durch  die  Zuwahl  des  Herrn  Geheimen 
Baurats  und  Regierungsrats  Cuno  in  Cob- 
lenz  ergänzt. 

Im  November  1894  ist  das  zweite  Heft 
des  dritten  Bandes  erschienen,  das  die 
Beschreibungen  der  Denkmäler  der  Städte 


Barmen,  Elberfeld,  Remscheid  und  der 
Kreise  Lenuep,  Mettmann,  Solin^^n  ent- 
hält. Da  es  möglich  war,  die  genannten 
Städte  und  Kreise  in  einem  Heft  von 
massigem  Umfange  zu  behandeln,  so  kön- 
nen die  Kunstdenkmäler  des  Regierungs- 
bezirks Dusseldorf  mit  dem  dritten  Bande 
des  Werkes  ihres  Abschluss  finden,  indem 
die  Kreise  Neuss,  Krefeld,  Gladbach  und 
Grevenbroich  diesem  Bande  nocU  zuge- 
wiesen werden.  Der  Text  des  dritteo 
Heftes  des  dritten  Bandes,  das  dem  Kreist 
Neuss  gewidmet  ist,  konnte  infolge  der 
dem  Bearbeiter  Herrn  Dr.  Paul  Giemen 
in  seiner  Eigenschaft  als  Provinzial- Kon- 
servator erwachsenen  Arbeitslast  erst  im 
Anfange  des  laufenden  Jahres  abgeschlossen 
werden,  ist  aber  gegenwärtig  bereits  unter 
der  Presse.  Die  übrigen  Hefte  des  dritten 
Bandes  werden  auch  noch  im  Laufe  des 
Jahres  1895  erscheinen. 

Die  als  Vorlagen  der  Illustration  dienen- 
den Zeichnungen  sind  für  die  Kreise  Bcru- 
heim,  Euskirchen,  Rheinbach,  Bonn  und 
Köln  (Land),  die  nunmehr  den  vierten, 
wie  für  den  Siegkreis,  die  Kreise  Mülheim 
am  Rhein,  Wipperfürth,  Gummersbach  und 
Waldbroel,  die  nunmehr  den  fünften  Band 
ausmachen  werden,  fast  völlig  fertig  ge- 
stellt. Die  Bereisung  der  Kreise  Berg- 
heim und  Köln  (Land)  wird  Herr  Dr. 
Giemen  schon  im  Sommer  dieses  Jahres 
vornehmen. 

In  der  Stadt  Köln  sind  bereits  einzelne 
Aufnahmen  gemacht  worden. 

Die  zahlreichen  zeichnerischen  Vorlagen 
und  sonstigen  Aufnahmen,  die  für  die 
Illustration  der  bisher  erschienenen  Bände 
und  Hefte  beschafft  worden  sind,  sind 
unter  Zustimmung  der  Provinzialvenraltnng 
als  Grundstock  für  die  Bildung  eines  Denk- 
mälerarchivs verwendet  worden,  das  durch 
Anschaffung  weiterer  Nachbildungen  aas 
einem  dem  Provinzial- Konservator  beson- 
ders zur  Verfügung  gestellten  Fonds  stetig 
vermehrt  werden  soll,  bereits  über  20» K) 
Blätter  umfasst  und  vorläufig  in  den  Boo- 
men des  Bonner  Provinzial-Museums  unter- 
gebracht ist. 

Auch  in  diesem  Jahre  ist  der  berdt- 
willigen  Hülfeleistung  der  vielen  für  du 


—    77    — 

TJatemebmen  in  Anspruch  genommenen 
Behörden  und  Privatpersonen  mit  aufrich- 
tigem Danke  zu  gedenken. 


Yereinsnachrichten 

unter  Redaction  der  Vereinsvorstände. 
5.  Birkenfeld,  Verhandlungen  der  Gene- 
ral Versammlung  des  Vereins  für 
Altertumskunde  imFurstentumBir- 
kenfeld  im  Kasinosaale  am  18.  Juli  1894. 
Anwesend  26  Mitglieder  und  1  Gast.  Nach- 
dem das  Protokoll  der  vorjährigen  General- 
versammlung verlesen  und  genehmigt  war, 
erstattete  der  Vorsitzende  Bericht  über  das 
abgelaufene  Vereinsjahr  1893/94.  Die  Zahl 
der  Mitglieder  betrug  zu  Anfang  desselben 
115,  einschliesslich  4  Ehrenmitglieder.  Im 
Laufe  des  Jahres  schieden  2  Mitglieder 
aus  (t  Karl  Andres  in  Kirn,  verzogen  Amts- 
hauptmann Bödeker);  da  13  neue  Mitglieder 
eintraten,  so  zählt  der  Verein  jetzt  126  Mit- 
glieder. —  Vom  Landtag  ist  dem  Verein 
ein  jährlicher  Staat szuschuss  von  300  Mark, 
zunächst  auf  3  Jahre,  bewilligt. 

DieThätigkeit  des  Vereins  konnte, 
da  für  den  Druck  der  Festschrift  mit  ihren 
Abbildungen  ein  grosser  Teil  der  verfüg- 
baren Gelder  verbraucht  werden  musste, 
nur  eine  beschränkte  sein.  Von  den  ins 
Auge  gefassten  Aufgrabungen  auf  der 
„Altburg" ,  bei  Kirnsulzbach  und  beim 
^Heidenofen"  konnte  nur  die  letztere 
ausgeführt  werden  (vgl.  den  Bericht  im 
Korrbl.  1895  Nr.  8). 

Gefunden  wurden:  am  Rennweg  auf 
dem  Gräberfelde  beim  Kiesgraben  röm. 
Gefässschcrbeo,  auf  der  „Festung"  bei 
Kirschweiler  ein  Werkbeil,  1  Thonleuchter 
(beide  röm.)  und  Scherben  sehr  hart  ge- 
brannten Thons.  Über  Funde,  die  beim 
Abbruch  des  Schiffes  der  Idarer  Kirche 
gemacht  wurden,  berichteten  Idarer  Mit- 
glieder, die  auch  ein  Stück  (einen  antiken 
Kopf)  der  Versammlung  vorlegten. 

Kassenbestand.  Die  Solleinnahme 
beträgt  einschliesslich  des  Staatszuschusses 
631  Mark,  die  Ausgaben  ca.  570  Mark, 
so  dass  ein  Überschuss  von  60  Mark  bleibt. 

Beschlüsse.  Die  Höhe  des  Beitrags 
bleibt  dieselbe  wie  für  das  vorige  Jahr 


—    78    — 

(M.  2,50),  dem  Germanischen  Museum 
werden  wieder  6  Mark  bewilligt ;  für  einen 
etwaigen  Delegierten  zur  Versammlung  des 
Gesamt  Vereins  in  Eisenach,  die  Anfang 
September  stattfinden  wird,  werden  3  Mark 
bewilligt.  Für  den  Fall,  dass  eine  Fort- 
setzung der  „Römischen  Spuren''  etc.  als 
Programmbeilage  des  Gymnasiums  er- 
scheint, wird  der  Verein  auf  seine  Kosten 
für  sich  die  erforderliche  Anzahl  von 
Exemplaren  abziehen  lassen. 

Als  Aufgaben  für  die  Thätigkeit 
des  Vereins  im  nächsten  Jahre  wurden 
bezeichnet  1)  eine  Aufgrabung  zwischen 
Wolfersweiler  und  dem  Buchwald  an  einer 
Stelle,  wo  schon  Steine  mit  Skulpturen 
zum  Vorschein  gekommen  sind,  und  2) 
Fortsetzung  der  Aufgrabung  auf  der  Alt- 
burg bei  Bundenbach. 

Vorträge  hielten:  1)  Herr  Dr.  Rade- 
macher über  den  römischen  Limes,  2)  der 
Vorsitzende,  Herr  Gymnasialdirektor  Back 
über   die  „Ringmauer**    bei  Kirnsulzbach. 

E  i  1  e  r  s. 

Frankfurt  a.  M.  Verein  für  Geschichte  37. 
und  Altertumskunde.  Die  wissen- 
schaftlichen Sitzungen  dieses  Winters  wur- 
den fast  gänzlich  von  einem  Cyclus  von 
Vorträgen  über  die  Frankfurter 
Geschichte  in  Anspruch  genommen. 
Dieser  aus  12  Vorträgen  bestehende  Cyclus 
sollte  den  Mitgliedern  ein  möglichst  voll- 
ständiges, dem  derzeitigen  Stande  der  For- 
schung entsprechendes  Bild  der  Urgeschichte 
der  Umgebung  der  Stadt  und  ihrer  ge- 
schichtlichen Entwickelung  in  den  elf  Jahr- 
hunderten von  der  ersten  Erwähnung  der 
Stadt  unter  Karl  dem  Grossen  794  bis 
zum  Ausgange  der  freistädtischen  Zeit  1866 
geben;  jeder  Vortrag  behandelte  als  ein 
selbständiges  Ganzes  einen  bestimmten,  in 
sich  geschlossenen  Abschnitt  der  städti- 
schen Geschichte ;  die  Vortragenden  (Herren 
Dr.  H.  von  Nathusius,  Dr.  K.  Th.  Kuthe, 
Prof.  Dr.  G.  Wolff,  Dr.  0.  Heuer,  Dr.  R. 
Jung,  Pfarrer  Dr.  H.  Dechent,  0.  Donner- 
V.  Richter,  Dr.  H.  Traut,  Dr.  H.  Pall- 
mann,  Dr.  J.  Kracauer)  waren  so  gewählt, 
dass  jeder  Herr  auf  dem  ihm  eigenen 
Forschungsgebiete  zu  Worte  kam. 


—    79    — 

38.  PrUm,  Gesellschaft  für  Altertums- 
kunde. Am  Schlüsse  des  vergangenen 
Jahres  zählte  die  „Gesellschaft  für  Alter- 
tumskunde zu  Prüm"  79  Mitglieder  (ein- 
schliesslich der  auswärtigen),  von  denen 
50  das  Korrespondenzblatt  bezogen.  Den 
Vorstand  bildeten  die  Herren:  Direktor 
Dr.  Asbach,  I.  Vorsitzender;  Landrat 
Dombois,  II.  Vorsitzender;  Seminardirektor 
Dr.  Schäfer,  I.  Schriftführer;  Oberlehrer 
Dr.  Lemmer,  IL  Schriftführer;  Rent- 
meister Marx,  Kassenwart ;  Konviktsdirektor 
Schweizer,  Kreisbaumeister  Schrader  und 
Dr.  med.  Leutz,  Beisitzer. 

Seit  dem  Beginne  des  letzten  Geschäfts- 
jahres des  nunmehr  alle  3  Monate  tagen- 
den Vereins  (1.  April  1894)  wurden  in  3 
Sitzungen  folgende  Vorträge  gehalten.  Es 
redeten  1)  am  8.  Mai  Herr  Kreisbaumeister 
Schrader  über  die  römischen  Baudenkmäler 
des  15.  bis  19.  Jahrb.,  unter  Benutzung 
von  Prof.  H.  Strack's  photographischen 
Originalaufnahmen.  (Verlag  von  Wasmuth, 
Berlin  1891).  2)  am  27.  Juli  Herr  Direk- 
tor Dr.  Asbach  über  die  sogenannte  „Schule 
von  Athen''  in  den  Stanzen  des  Vatikans. 
3)  am  25.  September  Herr  Dr.  Rader- 
macher über  die  Ausgrabungen  in  Blan- 
kenheim. 

Neben  den  Vorträgen  dienten  beson- 
ders auch  kleinere  Mitteilungen  und  Be- 
antwortung von  Fragen  aus  den  verschie- 
denen Gebieten  der  Geschichte  und  Alter- 
tumswissenschaft sowie  die  Besprechung 
von  Antiquitäten  und  neuen  Fundstücken 
aus  der  Umgebung  von  Prüm  zur  Bele- 
bung der  Sitzungen. 

In  der  März-Sitzung  1895  hielt  Herr 
Oberpfarrer  Hortkens  aus  Cronenburg  (Kr. 
Schieiden)  einen  Vortrag  über  „die  kirch- 
lichen Kunstschätze  des  Kyllthals'',  in 
welchen  er  sich  besonders  über  die  am 
.  Ende  des  15.  Jahrhs.  gebaute  Kirche  in 
Cronenburg  mit  ihren  früher  tibertünchten 
und  überklebten,  jetzt  aber  wieder  er- 
neuerten prächtigen  Gemälden  verbreitete. 

Vorgelegt  wurde  der  Versammlung  ein 
Exemplar  der  Kosmographie  des  Sebastian 
Münster,  sowie  ein  österreichischer  Gold- 
dukat  aus  dem  15.  Jahrb.,  angeblich  ge- 
funden in  einem  Maulwurfshaufen  zu  Nie- 
dermehlen (Kr.  Prüm). 


—    80    — 

Berioliticriiiisr-  39. 

In  Nr.  10  dieses  Jahrganges  muss  es 
in  der  Überschrift  heissen:  Württem- 
bergische Künstler  etc.  von  Dr.  Aug. 
W in tt erlin  (nicht  Wetterlin).  In  der- 
selben Besprechung  Sp.  37  Zeile  10  von 
unten  lies  Scheffauer  statt  Schaffauer. 

Verlag  der  Fr.  Llntz'schen  Buchhandlung  in  Trier: 

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Mit  einer  Tafel.    Preis  Jü  IJM. 


Anleititiig 

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Lesen,  Ergänzen  und  Datieren  röm.  InMn 

mit  besonderer   Bertleksichtigang   der  Kaiseneit 
und  der  Bheinlande 

von  C.  Bone. 

Mit  einer  lithograph.  Tafel.    Pr«is  geb.  A  1,S0. 


Druck  n.  Verlag  der  Fx.  Linta  'ichen  Buehbandlimg  in  Tri«r 


VorröinltelM  u.  Römlsclie  Ztlt 

redigiert  Ton 
Prof.  H«ttn«r  n.  Dr. 
Trtor. 


Mittelalttr  vnd 

redigiert  ^ 
ArohiTftr  Dr. 
K5ln. 


der 


Westdeutschen  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst, 

svgleich  Organ  der  Mstorigeh-antiqnariseheH  Vereine  sn  Birkenfeld,  Dttsselderf,  Frank« 

fort  a.  M.,  Karlsrnke,  Mainz,  Mannkeim,  Meli,  Nenss,  Prftm,  Speyer,  Strassborg, 

Trier,  Worms,  sowie  des  antkropolo^scken  Vereins  sn  Stuttgart. 


Hai 


Jahrgani^  XIY,  Nr.  5. 


1895. 


Das  Korreepondensblfttt  erMshelnt  Ib  einer  Anfluge  Ton  4000  Exemplaren.    Inserate  4  26  Pfg.  für  die 

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fV^  Beitr&ge  fOr  die  TorrOmische  und  römische  Abteilung  lind  an  Dr.  LahMr  (Trier,  ProTineialmaeeam), 
fQr  Mittelalter  und  Kenieit  an  Dr.  HanMn  (Köln,  Stadtarohiv)  an  senden. 


Neue  Funde. 

10.  Mainz.  Ein  kleines  den  Nymphen  ge- 
weihtes Altärchen  wurde  im  vorigen  Herbste 
bei  Neubauten  an  der  Bingerstrasse  auf- 
gefunden und  vor  kurzem  von  dem  Besitzer, 
Herrn  Getreidehändler  Otto,  dem  Museum 
geschenkt.  Das  Material  ist,  wie  mir  Herr 
Prof.  Zangemeister  mitteilte,  eine  Art  leicht 
zu  bearbeitender,  an  der  Luft  erhärtender 
Kalkstein,  den  die  Italiener  Palombino 
nennen  und  woraus  u.  a.  die  bekannte 
tabula  lliaca  des  Capitolinischen  Museums 
in  Rom  gefertigt  ist.  Sein  nächstes  Vor- 
kommen ist  bei  Maastricht,  wo  er  nach- 
weislich schon  zur  Zeit  der  Bömer  ge- 
brochen wurde.  Der  Altar  ist  29  cm  h., 
18  br.  und  15  dick;  unten  und  auf  der 
rechten  Seite  ist  er  etwas  verletzt.  Die 
Inschrift  zeigt  Spuren  roter  Farbe;  sie 
heisst 

Q_-  A  T  I  L  I  V  S  • 
N  YMPIS«  V-  «• 
Q.  Atilius  nymp(h)i8  v(otum)  [s(olviiJ]. 

(Von  dem  abgebrochenen  S  am  Ende 
der  zweiten  Zeile  ist  noch  ein  kleiner  Rest 
sichtbar).  Aus  dem  Fehlen  des  Cognomens 
ist  zu  schliessen,  dass  der  Altar  aus  der 
Zeit  vor  Claudius  stammt.  Unter  der  In- 
schrift, ziemlich  in  der  Mitte  des  Altär- 
chens, ist  eine  Rose  angebracht. 

In  der  zweiten  Hälfte  April  wurden 
am  Petersplatz  folgende  6  Stück  aufge- 
funden und  eingeliefert  und  zwar  Nr.  1 — 3 
am  18.,  4—7  am  30.  April. 


1)  Bruchstück,  das  wohl  zu  einer  Bau- 
urkunde gehörte,  aus  Kalkstein,  59  cm  h., 
67  cm  br.  und  16  cm  dick.  Die  Buchsta- 
ben und  Ziffern  sind  15  cm  h.  Es  ist 
links  und  unten  abgebrochen;  die  Rand- 
leiste ist  nur  rechts  sichtbar. 

xxTT! 

P  F  I 
[Legio]  XXII[pr(imigenia)]p(ia)  ((iddisj, 

2)  Altar  von  trefflicher  Erhaltung  aus 
Sandstein,  75  cm  h.,  44  br.,  24  dick.  Die 
Vorderseite  »mit  der  Inschrift  ist  ganz  un- 
verletzt.   Sie  lautet: 

1  DEAB-AVFAN 

ET-TVTELAE -LOCI 
PROS ALVTE-ET«  IN 
COLMITATE'SVA 
5       S  V  O   R  V   M  (^«    O   M 
NIVM-L-MAIÖRI 
VSCOGITATVS-BF 
COS'VOT'SOL-L-L-M 
IDIBVS    •    IVLIS 
10       GENTlANO»ET 
BASSO    •    COS 
DeabfmJ  Anfanfiahus)  et  Tutelae  loci  pro 
Salute  et  incolftijmitate  siia  suorumqCueJ 
omni  um  L.  Maiorius  Cogitatus  hCeneJffi- 
ciariusj    cofnjsfularisj ,    vot(um)    solfvitj 
IfaetusJ   IfibensJ   mCerito),     IdibtiS    lulis, 
Gentiano  et  Basso  cofnJsCulibusJ.    (15.  Juli 
211  n.  Chr.). 

Die  Buchstaben  sind  sehr  regelmässig 
eingehauen.    Das  F  am  Ende  von  Zeile  7 


ist  durchstrichen,  wie  meist  bei  der  Ab* 
kürzung  für  beneficiarius.  Der  Stein  ist, 
abgesehen  von  der  genauen  Datierung,  auch 
durch  die  Gottheiten  merkwürdig,  denen 
er  gewidmet  ist.  Die  Aufaniae,  die  hier 
„deae^  genannt  werden,  gehören  bekannt- 
lich zu  jenen  gallischen  Matronen,  deren 
Verehrung  am  Khein  hauptsächlich  in  Nie- 
dergermanien verbreitet  gewesen  zu  sein 
scheint.  In  Mainz  befand  sich  seither  nur 
ein  Stein,  der  inschriftlich  dem  „Juppiter 
und  den  Müttern''  geweiht  war;  vielleicht 
sind  (nach  Ihm,  B.  J.  83  S.  87)  noch  zwei 
andere  hierher  zu  rechnen,  welche  den 
Schutzgöttem  der  Kreuzwege  geweiht  sind. 
Übrigens  sind  die  Verzierungen  des  Altars 
ganz  ähnlich  denjenigen  an  vier  anderen 
unseres  Museums  (Nr.  38,  73,  12  und  33 
des  Becker'schen  Katalogs),  die  aus  den 
Jahren  198,  204,  208  und  210  stammen; 
offenbar  gingen  dieselben  sämtlich  aus 
einer  Werkstätte  hervor. 

3)  Quadratische  Grabplatte  aus  Kalk- 
stein, 58  cm  h.  und  br.,  11  cm  dick;  die 
Buchstaben  sind  5^2  cm  h.,  das  0  der 
2.  Zeile  nur  3.    Die  Inschrift  lautet: 

D  M 

GAMVXPSR.O 
A   N   D   A  N   G   I 
T    I    T    V    S 
F   I    L   I  V   S 
F AC • C VR 
BfisJ    M(anihns)    Gamuxpero,    Andangi 
CfilioJ^   Titas  fiUus  facfiendurnj   cur(avii). 
Also  Vater  und  Grossvater  haben  noch 
barbarische,  der  Enkel  bereits  einen  rö- 
mischen Namen. 

4)  Bruchstück  eines  Grabsteins 
aus  Kalkstein.  Der  untere  Teil  ist  abge- 
schlagen. Jetzige  Höhe  1  m,  Br.  68  cm, 
Dicke  34  cm.  In  dem  an  der  Spitze  be- 
schädigten Giebel  ist  eine  Rose  ange- 
bracht. Die  oberen  vier  Zeilen  der  In- 
schrift haben  eine  besondere  Umrahmung 
von  39  cm  Höhe  und  49  cm  Breite  im 
Lichten.  Die  untere  Querleiste  ruht  auf 
zwei  Säulen,  deren  Schäfte  den  zweiten 
Teil  der  Inschrift,  der  jetzt  noch  27  cm 
hoch  ist,  einrahmten.  Von  den  Buchsta- 
ben sihd  die  grösseren  9  cm,  die  kleineren 
4 — 5  cm  hoch;  die  Punkte   zwischen  den 


—    84    — 

3  letzten  Buchstaben  der  vierten  Zeile 
Bind  herzförmig,  die  übrigen,  soweit  sicht- 
bar, dreieckig. 

Tt  R  R  A  N  I  A 
T-L-SvADvL^A 
ANXXvVRBA" A 

ANXX»H*S*S 


5.   LVCIlIVS'Hi 
I  A  R  lo«  SoRoR  I 


Turrania,  TfitiJ  IfibertaJ,  ASuadulla  '/*- 
fnorumj  XX  F,  Urbana  an(norumj  X\, 
hficj  sfifaej  sfuntj.  Lu4nlius  IIi[f]ario  -n- 
rori[bus?] 

In  der  Mitte  der  3.  Zeile  ist  der  Stein 
etwas  verletzt,  doch  ist  die  Lesung  wohl 
sicher.  Das  erste  I  der  5.  Zeile  ragt  über 
die  anderen  Buchstaben  etwas  hinaus.  Am 
Anfang  der  6.  Zeile  stand  wohl  ein  L. 
dessen  Querhaste  unter  das  kleinere  A 
griff,  also  L\ 

5)  Bruchstück  eines  Grabsteines 
aus  Kalkstein.  Höhe  68  cm  (an  der  vor- 
dem Fläche  nur  58),  Br.  70  cm,  Dicke 
50  cm.  Die  Buchstaben  sind  7—8  cm 
hoch.  An  den  Seiten  befinden  sich  Rand- 
leisten.   Der  Oberteil  fehlt. 


G    A   I  V  L  V   s 
V   I    R   V   N    O,^ 


Die  Bnchktaben  der  «in- 
seinen  Zeilen  sind  an^- 
f&hr  gleich  hoch,  aber 
die  der  swci  ersten  ain'i 
breiter  nnd  stehen  weiter 
auBeinander. 


MIL«  LEG-XX_^ 
PR-  AN  •  LV'STP 
XXX-H-S-E-H-F-C« 

.  .  .  Gaiulus  Viruno,  milfesj  leg^ionl^) 
XX[/7]  prfimigemaej  anCnorinnJ  L\\ 
8t[i]pCe7idiorum)  XXX,  hficJ  sfitusy  t  M^, 
hferesj  ffaciendumj  cfuravitj. 

An  der  rechten  Seite  ist  der  Stein 
etwas  verletzt,  ohne  dass  die  Lesung  da- 
durch beeinträchtigt  würde.  Das  hiesige 
Museum  besitzt  schon  zwei  Grabsteine  von 
Soldaten  (der  vierten  und  der  rierzelmten 
Legion),  welche  aus  Virunum  (Zollfeld  li**i 
Klagenfurt  in  Kärnten)  gebürtig  waren. 

6)  Bruchstück  aus  Kalkstein,  Huh{^ 
35  cm,  Br.  32,  Dicke  10;  Buchstabenhohe 

—  -  —      9  cm.    Oben  Randleiste,  an 

T  CS  M  A       den  3  anderen  Seiten  al»?e- 

) 


,D  CS  T  F/ 


brochen,  doch  ist  die  linke 
Hälfte   der    unteren  Seite 
regelmässig  und  glatt  behauen,  wahrscbein- 


—    85 


—    86    — 


lieh  bei  späterer  Verwendung;  vielleicht 
erstreckte  sich  die  Inschrift  über  mehrere 
Steine.  Unter  der  zweiten  Zeile  ist  noch 
eine  wagrechte  Linie  sichtbar,  wie  sie  über 
Zahlen  zu  stehen  pflegt. 

7)  Grosses  komposites  Säulen-Eapitäl 
aus  rotem  Sandstein,  reich  mit  Akanthos- 
blättern  u.  s.  w.  verziert,  ist  aber  leider 
stark  beschädigt,  hoch  52  cm,  ähnlich  etwa 
Hettner,  Trierer  Steindenkmale  542. 

Tupferstempel  und  Graffiti  auf 
Sigillata-Waren.  Hr.  Stadtverordneter 
M.  M.  Mayer  schenkte  einen  an  der 
Schulstrasse  gefundenen  Teller  mit  dem 
unverständlichen  Stempel  mai  •  iaava  ;  Hr. 
Baumeister  0.  Strebel  einen  solchen  mit 
NASS  •  OF  und  zwei  Bodenstücke  mit 
.  .  .  ORINI  und  CELERON  (Geleris  officina^J ; 
ein  Teller  aus  Bingen  zeigt  OF  vitali, 
auf  seiner  Rückseite  ist  eingekratzt  FABAti 
(Fahatii)\  auf  einem  solchen,  der  von  dem 
römischen  Friedhof  im  Gartenfeld  stammt, 
liest  man  OF  bilica  (L  und  I  sind  fast 
zu  einem  eckigen  U  zusammengezogen, 
mit  dem  A  scheint  noch  ein  T  verbunden 
zu  sein.  Eine  reiche  Ausbeute  von  ge- 
stempelten Bodenstücken  lieferten  die  zahl- 
reichen Bauten  im  Innern  oder  in  der 
Kähe  der  Stadt.  In  Amöneburg  wurden 
gefunden  die  Stempel  Cirrvs  fec  und 
AMANDVS  FE,  an  der  Schusterstrasse:  of 

MOW,     DIVAC  (V),     GALICA   .   .   .    .  ,      CORY 


(=  Carvus'?),  eine  Bodenhälfte  zeigt  auf 
der  Innenseite  den  Rest  eines  Stempels: 
.  .  .  vs  FE  und  auf  der  Aussenseite  den 
eines  Graffitos:  .  .  .  acri;  ebendaher, 
von  der  Stelle  des  früheren  Gutenberg- 
Casinos  stammt  OF  BASS,  der  Besitzer  des 
Tellers  hatte  einst  sein  Eigentumsrecht  durch 
ein  eingekratztes  Kreuz  gewahrt.  —  Am 
Brand  beim  Bau  des  Postgebäudes :  CERI  ALIS 
F,  Geschenk  des  Herrn  Dr.  Chr.  Schmidt; 
im  Altmünsterweiher :  FLORit . . .  {FlorinusT) ; 
AVG  .  STAUS  FE  {Aug[ii\8talis  fecit) ;  vom 
Kästrich :  ^FCvroi  {Verecundus  fecit?)',  von 
unbekannter  Herkunft :  O  F  M  o  NT  •  c  i ; 
PRIMITIVS  F;  . .  NTVGNATV  (Cintugnatus?) ; 
erste  Zeile  mir  nicht  ver- 
ständlich ,  nachher  wohl 
Fortis  fecit.  Die  letzten 
sieben  Stempel  nebst  drei 
undeutlichen  sind  Geschenke 
des  Herrn  Prof.  Dr.  Munier.  OF  a.bni  {of 
Albani),  OF  caran,  mllvs  f  (Melus  fecit  ?), 
ABVR  und  OF  VITA,  sämmtlich  auf  der 
Baustelle  am  Petersplatz  gefunden.  Femer 
an  der  Ringstrasse :  recinvs  fecit  (rück- 
läufig und  vertieft);  an  der  Bilhildisstrasse : 
VFN  .  .  .;  an  der  unteren  Kaiserstrasse: 
siiviiR  .  .  .  und  /iiRiNVS  (Abdrücke  des 
nämlichen  Stempels:  Severinus).  Endlich 
ein  Thonlämpchen  mit  evcari. 
Mainz.  Kurber. 


41.  Ktfln.  [Neueinschriften.]  I.  Yotivtafel 
an  Juppiter  Dolichenus.  Am  1.  Mai 
d.  J.  wurde  beim  Kanalbau  an  der  Ecke 
der  Elstergasse  und  der  „Ruhr"  eine  Platte 
aus  Jurakalk  gefunden,  welche  folgende 
Inschrift  enthält: 


Lesung  nicht  beeinträchtigt.  Die  gegen- 
wärtige Breite  der  Platte  beträgt  1  m, 
die  Höhe  0,54,  die  Dicke  0,12.  Die  schö- 
nen und  sorgfältig  behandelten  Buchstaben 
haben  in  der  ersten  Zeile  4^1  cm  Höhe, 
in  der  zweiten  bis  sechsten  ca.  4,   in  der 

lO-JW-DOL  l  CHENO'PR  O^  *alute  impp.caeaa. 
M-AV  RELLI  •  ANTONINI-  Plt-As^  ug.  et  p.  sepl,  getae 
Pit-AVG  •  ET'IVLIAE-AVG  VSTAEJ  matru  augg.  et  etulr. 
LLVCCEIVS  •  MARTINYS-LEGnO^i«  augg.  pr.pr.  prov. 
GERMANIA  E-INFER  •  TEM  ///v  plum  vetuttate  col 
LABSVM  •  a'-SOLO»RESTITVIT-C  urantt  [l.  vaUrio] 
PRISCO-)-LEG«XXX«V»V«P-F-GEn|  ticmo    et    haeto    eoea. 

letzten  SVa  cm.  Für  die  Ergänzung  der 
Inschrift  war  besonders  der  Schluss  der 
letzten  Zeile  wichtig.  Dr.  Siebourg  ver- 
mutete hier  mit  Recht  die  Consulnamen. 
Da  die  Zeit  Caracallas  zweifellos  war,  er> 


Sie  ist  vom  Rahmenwerke  einer  Tafel  ein- 
gefasst,  deren  linke  grosse  Ansa  erhalten 
ist;  rechts  ist  der  Stein  abgebrochen  und 
mit  ihm  das  Ende  der  Zeilen,  durch  die 
Mitte    geht    ein   Bruch,    der  jedoch    die 


—    87    — 

gab  sich  leicht  der  Schluss  Geniiano  et 
Basso  COS.  (211  n.  Chr.).  Die  Worte  „et 
castr.^  in  der  3.  und  y^vetustate^  in  der 
5.  Zeile  füge  ich  auf  Vorschlag  Mommsens 
ein,  welcher  die  Güte  hatte,  meine  Lesung 
zu  prüfen.  Die  Ergänzung  des  Praenomen 
und  Gentile  des  Centurio  ist  nur  beispiels- 
weise. Die  Inschrift  nennt  uns  einen  bis- 
her unbekannten  Statthalter  Mederger- 
maniens,  der  mit  Qu.  Aiacius  Modestus 
Cjrescentianus,  dem  Legaten  der  oberen 
Provinz,  gleichzeitig  war.  Die  30.  Legiojn 
fuhrt  hier  bereits  die  Titel  p,  f.,  welche  bis- 
her nur  auf  fünf  Inschriften  bemerkt  sind, 
deren  älteste  (Bramb.  151)  vom  J.  223 
stammt.  Nach  Schillings  Vermutung  (Leip- 
ziger Studien  15,  1)  sind  sie  ihr  bereits 
von  Septimius  Severus  i.  J.  193  verliehen ; 
diese  erfährt  durch  unsere  Inschrift  wei- 
tere Begründung.  Die  Verehrung  des  Jup- 
piter  Dolichenus  nahm  in  den  Zeiten  des 
Septimius  Severus  nnd  der  Domna  grossen 
Aufschwung,  namentlich  im  Heere.  Ein 
Angehöriger  der  30.  Legion  stiftet  auch 
den  zu  Xanten  gefundenen  Votivstein  des 
Gottes  (Hettner,  de  Jove  D.  40,  40). 

Unsere  Inschrifttafel,  welche  ursprüng- 
lich über  dem  Eingange  des  Tempels  in  die 
Wand  eingefügt  war,  wurde  3  m  tief,  mit 
der  Schriftseite  auf  einer  Mauer  liegend 
gefunden,  die  von  0.  nach  W.  lief  und  an 
der  genannten  Strassenecke  im  rechten 
Winkel  mit  einer  anderen  zusammenstieas. 
Beide  bestanden  aus  Grauwacke  mit  Ziegel- 
durchschuss,  zwischen  ihnen  befand  sich 
ein  Stück  eines  Betonbodens.  Vermutlich 
hängen  diese  Baureste  mit  dem  Gebäude- 
complexe  zusammen,  auf  welchen  man  1888 
beim  Bau  des  neuen  Justizgebäudes  auf 
dem  nahen  Apellhofplatze  gestossen  war. 
Leider  unterblieb  damals  eine  systematische 
Nachgrabung  und  sogar  auch  eine  Aufnahme 
des  Grundrisses;  nach  dem  Berichte  J. 
Kleines  (Bonner  Jahrb.  87,  213)  bestand  das 
Mauerwerk  hier  aus  Grauwacke,  Thon- 
schiefer  und  Tuffstein  mit  Ziegeldurch- 
schuss,  ausserdem  wurden  Reste  von  Be- 
tonboden, Wandmalereien  und  kleineren 
Wasserleitungsröhren  aufgefunden.  Viele 
Ziegel  hatten  den  Stempel  der  30.  Legion, 
welche  von  ihrer  Errichtung  nach  dem  2. 
Dakerkriege  Trajans  ab  (v.  Domaszewsky^ 


Die  Religion  des  rum.  Heeres,  Wd.  Ztschr. 
XIV  S.  24)  in  Niedergermanien  ganiiso- 
nierte,  wonach  man  sie  als  Erbauer  betrach- 
ten kann.  Die  Technik  des  Mauerwerkes 
lässt  dabei  frühestens  auf  das  3.  Jahrh. 
schliessen.  Für  die  am  Ende  der  Elstergasse 
zu  Tage  getretenen  Bauten  ergiebt  sich  aus 
der  Benützung  der  Dolichenusinschrift  als 
Baustein,  dass  sie  erst  zu  einer  Zeit  entstan- 
den sind,  als  der  unter  Caracalla  wieder- 
hergestellte Tempel  abermals  zerfallen  war. 
Eine  Verschleppung  der  Votivinschrift  aas 
grösserer  Entfemimg  ist  nicht  anzunehmen, 
vielmehr  weisen  andere  in  unmittelbarster 
Nähe  des  jetzigen  Justizgebäudes  gemachte 
Funde  auf  diesen  Ort  hin.  Es  stand  hier  ein 
Heiligtum  der  Juno  Virtutis,  des  weiblichen 
Genius  der  kriegerischen  Tapferkeit  (viel- 
leicht eine  Schmeichelei  für  Julia  Domna) 
und  das  des  Genius  hastiferum.  Der  Vo- 
tivstein jener  wurde  1888,  ein  Statuenbasis 
mit  den  Resten  der  Figur,  zwei  Füssen 
und  einer  Stütze,  mit  der  Aufschrift  ,,Gema 
hastiferum*'  1893  daselbst  gefunden.  Die 
bisher  in  Castel  bei  Mainz  und  in  Vienne 
konstatierte  Körperschaft  dieses  Namens 
bestand  demnach  auch  in  Köln.  In  den 
Inschriften  jener  beiden  Orte  hat  er  die 
Form  hastiferi,  während  er  hier  hastiferes 
lautet.  Aus  der  zwischen  Mommsen  und 
Maud  über  das  Wesen  der  hastiferi  ge- 
führten Kontroverse  geht  mit  Sicherheit 
hervor,  dass  sie  eine  Munizipalgarde  bil- 
deten, welche  sich  aus  den  speertragenden, 
im  Dienste  der  Civitas  stehenden  Hirten 
zusammensetzte.  Auch  die  Umgebung  von 
Köln  bestand  wie  die  von  Mainz,  grössten- 
teils aus  Weideland,  welches  der  Bürger- 
schaft gehörte  und  mit  dem  Viehstande 
dem  Schutze  und  der  Pflege  der  pastores 
anvertraut  war.  Durch  die  Entdeckung 
eines  Genius  hastiferum  ist  Maues  An- 
sicht, dass  sie  eine  sakrale  Bürgerschaft 
gebildet  hätten,  die  zum  Dienst-e  der  orgi- 
astisch  verehrten  Bellona  bestimmt  var, 
völlig  unhaltbar  geworden.  Neben  diesen 
beiden  Heiligtümern  militärischen  Charak- 
ters wird  auch  der  Tempel  des  Soldaten- 
gottes Dolichenus  seinen  Platz  gehabt  ha- 
ben. Damit  gewinnt  die  Vermutung  grosse 
Wahrscheinlichkeit,  dass  die  ausgedehnten 
Bauanlagen  der  30.  Legion  (denen  nach 


—    89    — 

Ziegelfunden  solche  der  22.  imm.  voran- 
gegangen waren)  zum  Praetorium  gehörten. 
IL  Grabstein  eines  Veteranen  der 
legio  X  gemina  und  seiner  Gattin. 


MMLCELERINVS 
PAPIRlA-ASTtGE 
aVISAGWPPlNE 
VETEMEGXGPF 
VIVOSFECITSIBI 
ETMARCL4EPBD 

CVLAEVXOW 


Er  ist  Anfang  Mai  in  der  Richard-Wagner- 
strasse heim  Neubau  des  Herrn  V.  Wohl- 
fahrter gefunden,  besteht  aus  Jurakalk, 
ist  0.96  m  breit,  ca.  2  m  lang  und  0,28 
dick.  Die  sehr  gute  Schrift  hat  in  der 
ersten  Zeile  8  cm,  in  der  zweiten  7\''i,  in 
der  dritten  bis  sechsten  7,  in  der  letzten 
6  cm  Höhe.  Merkwürdig  ist  die  doppelte 
Ileimatangabe.  Mommsen  schreibt  mir 
darüber:  „Der  Mann  ist  aus  der  Colonie 
Astigi  in  Baetica,  deren  Tribus  Papiria 
auch  anderweitig  bekannt  ist  (Kubitschek, 
de  Rom.  trib.   origine  p.  135)   aber  dann 


—    90    — 

civis  Agrippinensis  geworden.  Solcher 
Heimatwechsel  ist  nicht  ohne  Beispiel,, 
aber  begegnet  sehr  selten."  (Vgl.  Momm- 
sen, Staatsrecht  IP,  1081,  a.  4).  Daa 
Relief,  welches  den  Verstorbenen  und 
seine  Gattin  mit  einem  jungen  Skla- 
ven beim  Male  zeigt,  ist  eine  tüch- 
tige Arbeit  und  erhebt  sich  weit 
über  die  gewöhnlichen  handwerks- 
mässigen  Erzeugnisse  dieser  Art,  na- 
mentlich in  der  Behandlung  des 
Haares  und  des  Faltenwurfes.  Die 
stark  vorspringenden  Köpfe  sind  sehr 
beschädigt,  die  rechte  Hand  des 
Liegenden,  die  wohl  einen  Becher 
hielt,  ist  abgebrochen,  ebenso  der 
völlig  frei  aus  der  Fläche  ragende 
rechte  Unterarm  der  Frau,  die  dem 
Gatten  eine  Frucht  aus  dem  Körbchen 
auf  ihrem  Schosse  gereicht  haben 
mag.  Die  Form  der  Nische  und  die 
Haltung  des  Sklaven  mit  im  Schosse 
gekreuzten  Händen  ist  die  übliche. 
Nicht  der  heroisierte  Tote  war  hier 
mit  seiner  Gattin  im  Genüsse  der 
von  den  Hinterbliebenen  gespendeten 
Opfer  dargestellt,  sondern  „das  Lebea 
als  Gastmal",  eine  Auffassung,  welche 
häufig  auch  in  Grabinschriften  wie- 
derkehrt und  eine  abgeschwächte 
Form  der  sog.  Grabschrift  Sardana- 
pals  darstellt.  (Vgl.  E.  Maass,  Orpheus 
p.  209  f.).  Urlichs,  der  sonst  die  Be- 
zeichnung dieser  Reliefs  als  „Toten^ 
male"  zurückweist,  hält  doch  die 
Nische  für  das  Grab  und  die  Haltung 
des  Sklaven  für  eine  Geberde  der 
Trauer.  Jene  ist  jedoch,  wie  der 
vom  oberen  Rande  herabreichende 
Zapfen  und  die  manchmal  über  die  ganze 
Wölbung  durchgehenden  Rippen  beweisen, 
nichts  weiter  als  eine  der  Pilgermuschel 
entlehnte  architektonische  Form,  die  sich 
auch  bei  anderen  Darstellungen  in  Hoch- 
relief, wie  Matronensteinen,  Nischen  für 
Thonfigürchen  u.  a.  findet.  Die  Hal- 
tung des  Sklaven  ist  die  eines,  der  Be- 
fehle des  Herrn  harrenden  Unbeschäf- 
tigten. Den  Namen  lagona  für  die  grosse 
cylindrische  Henkelkanne  neben  dem  Tisch- 
chen hat  bereits  Urlichs  verworfen.  In 
Thon  findet  sich  das  Gefäss  äusserst  selten,. 


—    91 


—    92    — 


dafür  desto  häufiger  aus  grünem  Glase. 
Es  ist  die  am  Rhein  bis  in  die  späteste 
Kaiserzeit  übliche  Form  der  ßlaskannen, 
für  welche  uns  bisher  die  Bezeichnung 
fehlt.  Ihre  Dimensionen  erscheinen  auf 
den  Grabmälern  manchmal  etwas  übertrie- 
ben. Der  grosse  Lehnsessel,  in  welchem 
die  Frau  sitzt,  ist  nicht  eine  gallisch- bar- 
barische Form,  wie  Conrady  (Westd. 
Zeitschr.  IX.  180)  meint,  sondern  aus  dem 
Orient,  wahrscheinlich  Ägypten  entlehnt 
und  in  der  Eaiserzeit  sehr  gebräuchlich.  Er 
tindet  sich  fast  überall  auf  römischen  Grab- 
reliefs, welche  Mahlzeiten  mit  Teilnahme 
von  Frauen  darstellen,  auch  in  Italien, 
während  auf  den  gleichartigen  griechischen 
•die  Frau  entweder  auf  dem  Lager  oder 
auf  einem  vierbeiniger  Stuhle  ohne  Lehne 
sitzt.  Ursprünglich  bestand  er  aus  Flecht- 
werk, ein  solches  ist  auch  auf  dem  alexan- 
drinischen  Affenglase  des  Museums  Wall- 
raf-Richartz,  auf  einem  italischen  Grab- 
relief des  Berliner  Museums  (Katalog 
No.  8.38),  sowie  auf  den  grossen  Stein- 
Fesseln  imitiert,  welche  neben  dem  Sarko- 
phage im  Rümergrabe  zu  Weiden  stehen. 
Auf  unserem  Relief  ist  der  Sessel  offenbar 
aus  Holz  gedacht,  im  Gegensatze  zu  dem 
sehr  deutlich  ausgeprägten  Flechtwerke 
•des  vor  ihm  stehenden  Korbes  mit  Rüben. 
Während  hier  die  Pfosten  ziemlich  deut- 
lich angegeben  sind,  ist  der  Sessel  auf  dem 
Relief  eines  Grabsteines  mit  ganz  ähn- 
licher Darstellung  im  Kölner  Museum 
(Katalog  IT,  183)  vollkommen  glatt.  Der 
Wortlaut  seiner  Inschrift  klingt  an  die  neu- 
gefundene an:  I).  M.  lul.  Maternus  vet. 
€.f.  leg.  I.  Min.  vicus.  sihi.  et.  Marie.  Mar- 
<'eUitiae.  conii(ji.  dulcittsime.  castissimae. 
^fßitae.  f.  —  Der  Tisch  hat  anstatt  der 
geschwungenen,  in  Löwenfüsse  endigenden 
Beine  ganz  gerade  und  ist  mit  einem  ge- 
franzten  Tuche  bedeckt.  Die  Sitte  der 
Tischtücher  wird  von  Domitian  ab  herr- 
schend, doch  behielten  die  Steinmetzen 
den  unverhüllten  Tisch  auf  Grabreliefs 
länger  bei,  da  sie  nach  hergebrachter 
Schablone  arbeiteten.  Bei  der  Massenher- 
stellung der  Grabsteine  ist  es  auch  sehr 
leicht  denkbar,  dass  der  eine  oder  andere 
erst  Jahrzehnte  nach  Vollendung  des  Re- 
liefs einen  Käufer   und  Verwendung  fand. 


Darnach  ist  es  auch  nicht  weiter  auffal- 
lend, dass  die  Frauen,  sowohl  aut  dem 
Grabsteine  des  Celerinus,  wie  auf  dem 
späteren  des  Matemus  eine  Haartracht 
zeigen,  welche  zur  Zeit  der  Julia  Titi 
(vgl.  die  Münze  bei  Cohen  I.  385,  IH 
Mode  war,  später  aber  den  Hängefrisurec 
wich.  Der  Grabstein  des  Celerinus  kann 
wegen  der  Legionsbeinamen  p.  f.  nicht  vor 
89  entstanden  sein,  wahrscheinlich  geh«trt 
er  der  Zeit  Traians  an,  der  die  Legion 
nach  Pannonien  versetzte.  An  den  oberen 
Ecken  des  Grabsteines  waren  zwei  Löwen- 
figuren in  der  üblichen,  wie  zum  Spninsr 
gerüsteten  Stellung,  angebracht,  dazwiscbec 
ruhte  entweder  ein  giebelartiger  Aufsatz 
oder  eine  dritte  Figur,  ein  Todesgenius, 
eine  Harpye.  Ungewöhnlich  ist  die  Ver- 
zierung der  Schmalseiten,  eine  Palme,  die 
von  einer  Schlange  umwunden  ist.  Auf 
griechischen  Grabreliefs  ringelt  sich  die 
Schlange  oft  neben  dem  Tische  empor, 
auf  einem  Relief  des  Berliner  Museum^ 
schlingt  sie  sich  um  den  auf  dem  Speise- 
lager ruhenden  Verstorbenen  und  wird 
von  dessen  Gattin  anscheinend  gekost 
(Katalog  Nr.  829).  Auf  Reliefs,  die  den 
heroisierten  Toten  zu  Pferde  zeigen,  steht 
die  von  der  Schlange  umringelte  Palme  in 
einer  Ecke,  vor  ihr  der  Opferaltar.  Manch- 
mal umschlingt  sie  diesen.  In  allen  Fällen 
ist  hier  in  Schlangenform  der  Genius  des 
Hauses,  bez.  des  Verstorbenen  dargestellt. 
Auch  in  Italien  blieb  lange  nachdem 
offiziell  für  die  Darstellung  des  Genius 
die  menschliche  Gestalt  adoptiert  war.  im 
Volke  das  Bild  der  Schlange  das  gewöhn- 
liche für  die  Genien.  In  Häusern,  wo 
Mann  und  Frau  in  glücklicher  Ehe  lebten, 
wurden  zwei  Genien  angenommen,  die  sirh 
manchmal  durch  das  Erscheinen  zweier  J| 
Schlangen  am  Ehebette,  einer  männlichen 
und  einer  weiblichen,  offenbarten  i  Preller, 
Mythol.  87).  Nachdem  die  Anbringung 
der  Schlange  auf  dem  Relief  des  Mahles 
selbst  ausser  Übung  gekommen  war,  boten 
die  beiden  Schmalseiten  dem  Bildhauer 
Gelegenheit  durch  symmetrische  VerdojH 
pelung  das  glückliche  Ehelcben  der  Ver- 
storbenen zu  symbolisieren. 
Köln.  A.  Kisa. 


—    93    — 

Chronik. 

42.       Von   den   Fundberichten    aus   Schwaben 

ist  kürzlich  Jahrgang  II  (1894),  47  S.  er- 
schienen. Er  enthält  eine  Fundchronik 
fi'ir  Württemberg  und  Baden,  ferner: 
Bürger,  Zusammenstellung  alter  und 
neuer  Fundorte  aus  dem  östlichen  Teile 
des  Oberamts  Ulm;  Kurtz,  Die  Grab- 
funde von  Pfahlheim;  W.  Xestle,  Funde 
antiker  Münzen  im  Königr.  Württemberg 
II  Nachtrag;  Steimle,  Ein  röm.  Eelief 
vom  Kastell  Schierenhof  bei  Schwabisch- 
Gmünd  (Nymphe,  ähnlich  der  in  den 
Trierer  Steindenkm.  Nr.  108  abgebildeten) ; 
Sixt,  Das  Fellbacher  Mithrasrelief  des 
Stuttgarter  Lapidariums,  mit  Abb. 

43  .WQrttemberglfChes  Urkundenbueh.  Herausgegeben 
von  dem  königlichen  Staatsarchiv  in  Stutt- 
gart. Sechster  Band.  Stuttgart,  Karl  Aue. 
1894.    Vin  und  680  S.  gr.  4». 

Es  will  etwas  heissen,  dass  der  Bear- 
beiter des  Württembergischen  Urkunden- 
buchs,  Hr.  Geh.  Archivrat  Dr.  v.  Stalin, 
dem  im  J.  1889  erschienenen  fünften  Bande, 
den  ich  im  Korrespondenzblatt  der  West- 
deutschen Zeitschrift  1890  Nr.  1  be- 
sprochen habe,  schon  nach  fünf  Jahren 
einen  weiteren  Band  folgen  lassen  konnte, 
der  das  Werk  bis  zum  Ende  des  Jahres 
1268  fuhrt,  mit  dem  das  alte  schwäbische 
Herzogtum  erlischt.  Da  in  dem  Vorworte 
des  Herausgebers  nichts  darüber  gesagt 
ist,  dass  das  Werk  damit  abgeschlossen 
sei,  darf  man  wohl  hoffen,  dass  seine  aus- 
gezeichnete Arbeitskraft  auch  ferner  Ge- 
legenheit haben  wird,  sich  an  ihm  zu  be- 
tätigen, wenn  auch  die  Anlage  der  Fort- 
setzung sich  wegen  der  mit  jedem  Jahrzehnt 
wachsenden  Masse  der  Urkunden  etwas 
anders  gestalten  dürfte.  Aber  immerhin 
war  mit  jenem  für  Schwaben  wichtigen 
Jahre  ein  Abschnitt  erreicht,  bei  dem  es 
sich  empfahl,  nun  auch  rückwärts  zu  den 
früheren  Bänden  nachzutragen,  was  erst 
neuerdings  erreichbar  geworden  ist.  Irre 
ich  nun  nicht,  so  werden  gerade  diese 
Nachträge,  auf  die  ich  die  Benutzer  der 
früheren  Bände  noch  ausdrücklich  auf- 
merksam machen  möchte,  dem  Heraus- 
geber besondere  Mühe  verursacht  haben. 
Handelte  es  sich  doch  darum,  eine  grosse 
Menge  neuerer  Urkunden  Veröffentlichungen 


—    94    — 

sorgfältig  daraufhin  durchzugehen,  ob  in 
ihnen  etwas  auf.  Württemberg  Bezügliches 
enthalten  ist.  Aber  diese  Arbeit  trägt 
auch  ihren  Lohn  in  sich,  insofern  nun  der 
Württembergische  Geschichtsforscher,  wenn 
er  auch  nicht  in  der  Lage  ist,  eine  grössere 
Bibliothek  benützen  zu  können,  doch  mit 
ziemlicher  Sicherheit  darauf  rechnen  kann, 
in  Bezug  auf  das  Urkunden-Material  alles 
Einschlagende  in  dem  Urkundenbuche  bei- 
sammen zu  haben,  so  dass  der  Landesge- 
schichte durch  dasselbe  eine  unzweifelhafte 
Forderung  zu  Teil  wird. 

Auf  die  Anlage  des  sechsten  Bandes 
einzugehen,  die  ganz  dieselbe  ist  wie  die 
des  fünften,  wäre  überflüssig,  da  bei  Ge- 
legenheit des  letzteren  schon  das  nötige 
gesagt  ist,  und  so  begnüge  ich  mich,  noch- 
mals die  Hoffnung  auszusprechen,  dass  der 
vorliegende  Band  nicht  der  letzte  des 
Württembergischen  Urkundenbuchs  sein 
möge.  Die  Erschliessung  des  vatikanischen 
Archivs  sollte  für  die  Regierung  Württem- 
bergs überdies  ein  Antrieb  sein,  auch 
dessen  Schätze  aus  der  Zeit  nach  1268 
für  die  Landesgeschichte  so  rasch  als 
möglich  nutzbar  zu  machen,  weil  die  Be- 
fürchtung nicht  ausgeschlossen  ist,  dass 
seine  Zugänglichkeit  über  kurz  oder  lang 
auch  wieder  eingeschränkt  werden  könnte. 
Heidelberg.  E.  Winkel  mann. 


Miscellanea. 

Mainz.  A)  Im  Januar  dieses  Jahres  44. 
wurden  mit  gütiger  Erlaubnis  des  Herrn 
Gouverneurs  v.  Holleben  die  drei  Legions- 
bausteine in  das  Museum  verbracht,  welche 
seither  am  Eingang  der  hiesigen  Citadelle 
eingemauert  waren.  Dieselben  sind  zwar 
bereits  veröffentlicht  (z.  B.  bei  Brambach 
unter  Nr.  1102—1104),  aber,  wie  sich  jetzt, 
wo  eine  genauere  Untersuchung  möglich 
ist,  ergiebt,  bis  auf  einen  einzigen,  den 
ersten,  ungenau  und  unrichtig.  Sie  sind 
sämtlich  aus  Kalkstein  und  gehören  zu 
den  grüssten,  die  wir  besitzen. 

1)  (Br.  1102).  50  cm  h.,  116  cm  br.; 
die  Buchstaben  der  beiden  ersten  Zeilen 
sind  5  cm,  die  der  letzten  3  cm  hoch. 
Das  Centurienzeichen  reicht  über  die  zweite 
und  dritte  Zeile. 


—    95    — 

LEC-T'ADIVT 
.  L  •  F  L  A  V  I  •  F  V 
'  DENTIS 

Le(ffio)    prima   adiuifrixj,    fceuturiaj    L. 
Fla  vi  pHfientis. 

2)  (Br.  1103).  47  cm  h.,  91  cm  br. 
Die  Buchstaben  der  beiden  ersten  Zeilen 
flind  (5  cm  hoch,  die  der  letzten  etwas 
kleiner. 

LEG  «TAD 

>M    •    S   I    L   I 

I  A  N  V  A  RI 

Legfio)  prima  adfiatrijcj,  fcenturiaj  31.  aSHi 
•Januar  i. 

(Der  schräge  Strich,  der  von  dem  M 
der  2.  Zeile  nach  dem  S  heraufgeht  und 
die  früheren  Herausgeber  zur  Lesung  IVN 
veranlasste,  ist  offenbar  ein  Fehler  des 
Steines;  die  Worte  SILI  lANVARI  sind 
ganz  deutlich). 

3)  (Br.  1104).  49  cm  h.,  98,5  cm  br.; 
Buchstabenböhe  der  beiden  ersten  Zeilen 
6^1%  cm,  der  letzten  4*/«  cm. 

LEG'T ADI 

)c«roR.ci 

VALENTIS 
Legfio)  prima    adi(utrix),     fcenturiaj    C. 
Vorci   Vaf cutis, 

(Das  P  der  2.  Zeile  ist  offen,  also  P; 
vor  dem  V  der  3.  Zeile  ist  ein  Fehler  im 
Stein,  der  zur  falschen  Lesung  I VVENALIS 
Veranlassung  gab). 

B)  Durch  Beschluss  des  Geraeinderates 
von  Klein-Winternheim  ist  es  dem  Vereine 
zur  Erforsch,  d.  rhein.  Gesch.  und  Alter- 
tümer erlaubt  worden,  den  Steinsarg  mit 
der  Inschrift  Ma reell i niae Marcellafe]  u.  s.  w. 
(Bramb.  924)  gegen  einen  inschriftlosen 
einzutauschen.  Dieser  ausserordentlich 
grosse  Sarg  wurde  im  Mai  1847  in  der  i 
Niihe  des  Dorfes  aufgefunden  und  seither 
als  Brunneutrog  benützt.  Die  Schrift  ist  I 
in  den  rauh  gelassenen  Sandstein  sehr 
flach  eingehauen  und  darum  jetzt  —  wie 
schon  vor  4tS  Jahren,  siehe  Mainzer  Zeit- 
solirift  I  498  —  schwer  lesbar.  Es  wird 
der  siebente  rom.  Steinsarg  mit  Inschrift 
sein,  der  seit  lSv^7,  wo  Keller  den  zweiten 
^'achti-asr  7\\n\  Becker'schen  Katalog  ver- 


—    96    — 

üffentlichte,    in    das    Museum    gebracht 
wurde. 

C)  Unter  freundlicher  Vermittelung  des 
Herrn  Pfarrers  Wassermann  wurde  dem 
Verein  gestattet,  ein  seit  langem,  aber  nur 
in  sehr  engem  Kreise,  bekanntes  Rehef 
aus  dem  Emraeranskirchturm  auszubrechen, 
wo  es  im  Innern  hoch  oben  unter  dem 
Glockenstuhle  eingemauert  war.  Dasselbe 
besteht  aus  Sandstein,  ist  92  cm  L,  58  br, 
20  dick  und  bildete  offenbar  den  oberen 
Teil  eines  Grabmals.  Dargestellt  ist  eine 
Gesellschaft  von  ner  Männern  und  einer 
Frau,  die  bei  einem  Gastmahl  beisammen- 
sitzen.  Körber. 

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der 


Westdeutschen  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst, 

mgleiek  Organ  der  historisch-antiqiiariseheii  YereiBe  zu  Birkenfeld,  Düsseldorf,  Fraik« 

fnri  A.  M.,  Karlsmlie,  Mainz,  Mannheim,   Metz,  Nensg,  Prfim,  Speyer,  Strassknrg, 

Trier,  Worms,  sowie  des  anthropologisclien  Vereins  in  Stntt|;art. 

♦ 


Jani 


Jahrgang  XIV,  Nr.  6. 


1895. 


Umm  KorrMpondsnsbUtt  onoheint  in  «inar  AoÜAge  Ton  4O0O  Exemplaren.    Inierate  4  S5  Pfg.  flu  die 

gMIiAlteae  Zeile  werden  ron  der  Verlftgehandlnng  und  allen  Inaeraten-Bureans  angenommen,  BeiUgea 

naoh  Uebereinkuafl.  —  Die  Zeiteobrift  enobelnt  rierteljfthrlioh,  dae  Korreepondensblatt  monatlloh.  -^ 

Abonnementepreii  15  Mark  fttr  die  ZeiUcbrift  mit  Korreipondensblatt,  fllr  leteteree  allein  5  Mark. 

P^*  Beitrüge  fOr  die  vorrOmische  nud  römische  Abteilung  sind  au  Dr.  Lehner  (Trier,  ProTiniialmneenm), 
fttr  Mittelalter  und  Nenieit  an  Dr.  Hinten  (Köln,  SUdtarchiT)  in  senden. 


Neue  Funde. 

1^5.  Frankfurt  a.  M.  Im  Mai  d.  J.  wurden 
bei  der  Ausschachtung  des  Fundamentes 
für  einen  Neubau  vor  der  Südseite  der 
Markthalle  fränkische  Gräber  entdeckt. 
Als  die  Nachricht  davon  einlief,  waren  die 
Gräber  schon  beseitigt  und  viele  Knochen 
vernichtet,  dagegen  wurden  folgende  Ge- 
genstände durch  Schenkung  von  Seiten  des 
Bauherrn,  Herrn  Heinr.  Hahn,  dem  städti- 
schen historischen  Museum  übergeben : 
3  Töpfe  von  grauem  Thon,  davon  zwei 
mit  Linien  und  einer  mit  Punkten  ver- 
ziert (letzterer  sehr  ähnlich  dem  bei  Koenen, 
Gefässkunde,  Taf.  20,  3  abgebildeten  Stück 
and  auch  die  zwei  andern  der  Form  nach 
ihm  ähnlich),  ferner  2  Gürtelriemenznngen, 
1  Schahschnalle  und  2  Zungen  von  Schuh- 
riemen, zwei  Gürtelblecbe  mit  Verzierung 
in  Ereuzesform,  ein  (sehr  zerbrochenes) 
feines  kleines  Glas,  eine  Anzahl  von  far- 
bigen Thonperlen  und  zwei  eiserne  Lanzen- 
spitzen.  Endlich  fand  sich  ein  am  unteren 
Ende  abgebrochenes  Trinkgefass  mit  star- 
ker brauner  Glasur  und  8  Mundstücken 
(letztere  wie  bei  Koenen,  Taf.  21,  10  und 
12  angebracht)  und  oben  einem  Traghen- 
kel, welches  aber  nur  zufällig  an  die  Stelle 
geriet  und  sicher  einer  späteren  mittel- 
alterlichen Zeit  angehört,  während  alles 
andere  unbestreitbar  Gräbern  der  mero- 
vingischen  Zeit  entstammt.  Zu  den  ver- 
schiedenen Funden,  welche  in  den  letzten 
Jahren  anter  dem  Boden  des  alten  Frank- 


furt gemacht  wurden  und  welche  uns  u.  a. 
das  von  der  14.  Legion  auf  dem  Domhügel 
errichtete  Kastell  kennen  lehrten,  kommt 
nun  dieser  fränkische  Fund  als  eine  hoch- 
willkommene Ergänzung  und  als  ein  Binde- 
glied zwischen  der  römischen  und  der  seit 
794  bezeugten  karolingischen  Niederlassung. 
Sehr  wichtig  ist  der  Fundort.  Die  Funde 
wurden  gemacht  in  der  genauen  nördlichen 
Fortsetzung  der  westlichen  und  der  öst- 
lichen Seite  der  Steingasse,  einer  von  Sü- 
den nach  Norden  streichenden  Verbindung 
zwischen  Schnur-  und  Töngesgasse,  welche 
nach  Süden  gerade  auf  den  Dom  zu  gerich- 
tet ist.  Schon  längst  hatte  mich  diese 
Gasse  deshalb  interessiert,  weil  sie  schon 
im  J.  1350,  also  lange  vor  der  ersten 
Pflasterung  von  Strassen  in  Frankfurt  (1399) 
via  lapidea  genannt  wird  ')  und  hatte  mich 
dieser  Umstand  vermuten  lassen,  dass  wir 
in  ihr  eine  römische  Landstrasse  zu 
suchen  haben,  welche  von  der  porta  prin- 
cipalis  sinistra  des  Römercastells  aus 
nach  Norden  zu  der  Nied  hinführte. 
Diese  meine  Vermutung  hat  durch  die 
an  den  Seiton  dieser  Strasse  nun  gefun- 
denen Frankengräber  die  erwünschteste  Be- 
stätigung gefunden.  Andere  Frankengrä- 
ber haben  sich  schon  vor  Jahrzehnten  bei 
Anlage  des  Main-Neckar-  und  des  Taunas- 
Bahnhofes,  vermutlich  an  der  von  Westen 


1)  Battonn,  Ortl.  Beschreibung  von  Frankfurt, 
beransgeg.  von  L.  Enler,  II  231.  'Steynengasie' 
nennt   sie  bald   darauf  Baldemar  von  Petterweil. 


^    99    — 


—    100    — 


her  dem  Kömercastell  zalaufenden  rum. 
Landstrasse  gefunden.  —  Eine  andere  via 
lapidea  wird  gleichfalls  13cO  vor  dem 
Affenthor  in  Sachsenhausen  genannt^),  und 
soweit  sich  der  Lauf  dieser  längst  ver- 
schwundenen Strasse  noch  feststellen  lässt, 
lief  sie  einerseits  nach  Südosten  und  hatte 
zu  ihrer  Fortsetzung  den  noch  bestehen- 
den f^Hühnerweg^,  dessen  Namen  auf  Hünen 
und  Altertum  hinweist,  anderseits  nach 
Nordwesten  und  traf  da  in  ihrer  ideellen 
Fortsetzung  über  den  Main  auch  wieder 
auf  den  Domhügel  I  Ob  auch  der  von 
Westen  nach  Osten  laufende  Steinweg  im 
westlichen  Stadtteil  seinen  Namen  via 
lapidea  (zuerst  1341)')  von  seinem  römi- 
schen Pflaster  führt,  will  ich,  obgleich  sich 
kein  anderer  Grund  denken  lässt,  jetzt 
dahin  gestellt  sein  lassen;  denn  um  zur 
Römerstadt  zu  fähren,  müsste  sich  seine 
Fortsetzung  erst  etwas  südlich  biegen, 
wozu  sie  vielleicht  durch  sumpfige  Strecken, 
die  den  geraden  Weg  von  SO.  nach  NW. 
hinderten,  genötigt  war.  Jedenfalls  dürfen 
wir  eine  Römerstrasse,  die  von  dem  Castell 
nach  Norden  laufende,  nunmehr  als  nach 
Möglichkeit  sicher  gestellt  ansehen. 
4.  Juni  1895.  Alex.  Riese. 

46.  Speicher  i.  Eifel.  Beim  Abbruch  der 
alten  Kirche  wurden  unter  dem  ehemaligen 
Fussboden  mehrere  römische  Steinmonu- 
mente gefunden :  1)  Block  aus  rotem  Sand- 
stein, 58  cm  h.,  91  cm  br.,  75  cm  tief  Auf 
der  Vorderseite  folgende  Inschrift: 

D  M 

L-AI^SATIO-TITO-a-- 
SECVN  DIE*  C  ARATE 
CONIVGI'fEREDES 
ef    Wft»  P  T-  r 

Die  unterste  Zeile  ist  zum  grössten 
Teil  abgeschlagen,  vermutlich  stand  hier 
nur  et  sibi  fec(erunt).  Das  D  und  M  sind 
mit  Bogen  umrahmt,  ähnlich  wie  bei  dem 
Westd.  Korrbl.  IX  Nr.  57  abgebildeten 
Stein.  Auf  der  linken  Seite  eine  halb- 
kreisförmig eingerahmte  Flache.  —  Nach- 
träglich ist  der  Block  im  Innern  roh  aus- 


2)  Battonn   a.   a.  O.  VII  21.     'üf   dem    Stein- 
wege' nennt  sie  Baldemar  Ton  Petterweil. 

3)  Battonn  a.  a.  O.  VI  287. 


gehöhlt  und  zur  Hälfte  eines  Sarges  tcr- 
wendet  worden. 

2)  Roter  Sandstein,  80  cm  br.,  an  den 
Rändern  mit  asiatischen  Schilden  geziert. 

3)  Der  untere  .Teil  einer  Sandstein- 
säule, 70  cm  h.,  42  im  Durchm,  mit  einer 
Basis  (72  Dm.),  ähnlich  wie  Trierer  Stein- 
denkmäler  505.  Hettner. 


Chronik. 

Der  Kölner  Dom  hat  dieser  Tage  einen  47. 
neuen  Schmuck  erhalten  in  einem  alten 
Flügelgemälde,  welches  früher  den 
Hochaltar  der  alten  Pfarrkirche  zu  Haldcro 
am  Niederrhein  bekrönte  und,  durch  einen 
modernen  Altar- Aufsatz  verdrängt,  in  dieser 
Kirche  keine  angemessene  Stelle  mehr 
finden  konnte.  Inbezug  auf  die  Innen- 
seiten verhältnismässig  gut  erhalten,  aaf 
den  Aussenflügeln  indes  erheblich  abge- 
blättert, war  das  Gemälde  der  Gefahr  wei- 
terer Beschädigung  derart  ausgesetzt,  dass 
seine  Entfernung  aus  der  Kirche  ratsam, 
ja  notwendig  erschien.  Nachdem  die  wei- 
tere Gefahr  der  Entführung  in  ein  weit 
entlegenes  grosses  Museum  glücklich  über- 
wunden war,  wurde  es  zunächst  für  das 
hiesige  erzbischöfliche  Diözesan  -  Museum 
bestimmt,  bald  aber  von  dem  Domkapitel 
übernommen,  welches  es  dem  Maler  Batzem 
zur  Herstellung  übergab.  Letztere  ist  nnn 
mit  der  grössten  Sorgfalt  und  Geschick- 
lichkeit ausgeführt,  so  dass  das  Bild  seine 
ursprüngliche  Schönheit  vollständig  wieder- 
gewonnen hat.  Es  ist  aus  der  westfäli- 
schen (Soester)  Malerschule  kurz  vor 
Schluss  des  15.  Jahrhunderts  hervor^ 
gangen  als  eines  der  allerbesten  Erzeog- 
nisse  derselben.  Der  hinter  dem  ihm  sehr 
verwandten  sogen.  Liesborner  Meister  kaom 
zurückstehende  Maler  ist  zwar,  wie  alle 
Künstler  seiner  Zeit  und  Gegend,  dem 
Namen  nach  leider  noch  nicht  bekannt, 
wohl  aber  inbezug  auf  seine  Leistimgen, 
von  denen  mehrere  im  Museum  zu  Münster 
und  Berlin  Aufnahme  gefunden  haben. 
Eine  genaue  Beschreibung  des  Bildes, 
seiner  zahlreichen,  sehr  fignrenreichen 
Darstellungen  aus  dem  Leben  und  Leiden 
des  Heilandes  und  eines  Heiligen  befindet 
sich  in  den  Kunstdenkmälem  des  Kreises 


-^    101    - 

Rees,  Seite  63  und  64,  von  der  Hand  des 
Provinzial-Konservators  Dr.  Giemen.  Um 
das  aufgeklappte,  im  Verhältnis  zur  Höhe 
(1,42  m)  sehr  breite  (4,80  m)  Triptichon 
als  Altaranfsatz  wieder  verwenden  zu  kön- 
nen, bedurfte  es  einer  Predella,  von  der 
sich  glücklicherweise  noch  ein  vorzügliches 
Exemplar  in  dem  Nachlasse  des  Stadt- 
pfarrers Münzenberger  in  Frankfurt  vor- 
fand. Es  wurde  aus  dieser  Sammlung, 
aus  welcher  der  Dom  bereits  seine  herr- 
liche grosse  Ursula- Gruppe  und  so  manche 
andere  Kirche  mittelalterliche  Altäre  oder 
Holzfiguren  bis  in  die  jüngste  Zeit  (durch 
Yermittelung  des  Herrn  Justizrats  Dr. 
Fusser  in  Frankfurt)  erhalten  hat,  erwor- 
ben, ebenfalls  wiederhergestellt  und  bildet 
jetzt,  die  Vision  und  Huldigung  der  h. 
Gottesmutter  durch  Propheten  und  Sibyllen 
darstellend,  mit  dem  Flügel  -  Aufsätze  ein 
harmonisches  Ganzes,  obwohl  es,  in  Flan- 
dern etwa  im  dritten  Jahrzehnt  des  16. 
Jahrhunderts  entstanden,  um  einige  Jahr- 
zehnte jünger  ist,  als  dieser.  So  hat  denn 
der  Kölner  Dom,  dessen  Ausstattung  mit 
hervorragenden  alten  wie  neuen  Kunst- 
gegenst&nden  —  mögen  sie  in  Gem&lden 
oder  Figuren,  liturgischen  Gefässen  oder 
Paramenten  bestehen  —  dem  Domkapitel 
sehr  am  Herzen  liegt,  für  die  Zier  seiner 
vielfach  noch  so  nackten  und  kahlen 
Mauern  wiederum  ein  Kunstwerk  erhalten, 
welches  die  ihm  angewiesene  Stelle  im 
rechten  Kreuzschiff  neben  dem  mächtigen 
St.  Agilolphus-Altar  (von  1520)  in  beschei- 
dener aber  durchaus  würdiger  Weise  aus- 
füllt, die  Serie  der  mittelalterlichen  FJügel- 
Altäre:  Clara- Altar  (Schluss  14.  Jahrb.), 
Dombild  (Mitte  15.  Jahrb.),  flämischer  St. 
Georgs-  und  de  Bruyn'schen  Kreuzigungs- 
Altar  (1548),  vortrefflich  ergänzend. 

(Köln.  Volkszeitung  Nr.  384). 
43^  Zum  achtzigsten  Geburtstag  des  als 
Förderer  der  Studien  über  die  Geschichte 
des  Rheinlands  hochverdienten  Geheimrats 
Dr.  von  Mevissen  in  Köln  hat  das  Archiv 
der  Stadt  Köln  eine  Sammlung  von  'Bei* 
tragen  zur  Geschichte  vornehmlich  K0lnt  und 
der  Rheinlande*  (Köln,  Verlag  der  M.  Du 
Mont-Scliaubcrg'achen  Buchhandlung,  1895) 
herausgegeben.  Sie  enthält  folgende  Ab- 
handlnngon:  1.  K.  Lamprecht,  Die  Herr- 


--    102    — 

lichkeit  Erpel.  Ein  wIrtschafts-,  social- 
und  verfassungsgeschichtliches  Paradigma. 
2.  W.  Stein,  Deutsche  Stadtschreiber  im 
Mittelalter.  3.  H.  D  i  e  m  a  r ,  Johann  Vrunt 
von   Köln  als   Protonotar   (1442  —  1448). 

4.  F.  Lau,  Das  Schöffenkollegium  des 
Hochgerichts  zu  Köln  bis  zum  J.  1396  >). 

5.  R.  Knipping,  Ein  mittelalterlicher 
Jahreshaushalt    der    Stadt    Köln    (1379). 

6.  J.  Hansen,  Die  erste  Niederlassung 
der  Jesuiten  in  Köln  1542—1547.  Zugleich 
ein  Beitrag  zur  Kritik  der  Litteratur  des 
Ordens.  7.  H.  Keussen,  Kaspar  Ulen- 
berg  in  Köln  als  Erzieher  der  badiscfaen 
Markgrafen  Wilhelm  und  Hermann  1600 
bis  1606.  8.  H.  Kelleter,  Zur  Geschichte 
des  Kölner  Stadtpfarrsystems  im  Mittel- 
alter. 9.  T.  Geering,  Über  städtische 
Wirtschaftsbilanzen.  10.  R.  Hoeniger, 
Die  älteste  Urkunde  der  Kölner  Richer- 
zeche.  11.  R.  Banck,  Die  Bevölkerungs- 
zahl der  Stadt  Köln  in  der  zweiten  Hälfte 
des  16.  Jahrhunderts.  12.  H.  Loersch, 
Rheinische  Weistümer  und  verwandte  Ur- 
kunden im  Kölner  Stadtarchiv.  13.  E. 
Gothein,  Rheinische  Zollkongresse  und 
Handelsprojekte  am  Ende  des  17.  Jahr- 
hunderts. 

F.  Ktutgen,   Untersnchongen  Aber  den  Ur8pmng49^ 
der    dentschen    StadtverfASsang.      Leipsig, 
Dttncker  A  Humblot,  1896. 

Unter  den  neueren  Erscheinungen  aus 
der  reichen  Litteratur  über  die  Stadtver- 
fassung im  Mittelalter  verdient  dieses  Werk 
besondere  Beachtung.  Der  Verfasser  be- 
schränkt sich  darauf,  eine  Reihe  von  strei- 
tigen Fragen  einer  genauen  Untersuchung 
zu  unterziehen,  indem  er  von  der  zutreffen- 
den Erwägung  ausgeht,  dass  der  Zeitpunkt 
für  eine  umfassende  —  neue  —  Darstel- 
lung der  ganzen  Stadtverfassung  noch  nicht 
gekommen  sei.  Diese  Eigenart  des  Buches 
briogt  es  nun  freilich  mit  sich,  dass  das- 
selbe nur  für  den  bestimmt  ist,  der  mit 
den  zahlreichen  Arbeiten  über  den  gleichen 
Punkt  und  die  schwebenden  Streitfragen 
genau  unterrichtet  ist.  Für  einen  solchen 
wird  das  Buch    infolge  der   selbständigen 

1)  Dieaer  Aufsats,  welcher  den  ersten  Teil 
einer  grAsseron  Untersuchung  «nr  Kölner  Ver- 
fassungsgeschlchte  bildet,  ist  mit  geringen  Modi- 
fikationen auch  im  Heft  II  des  Jahrgangs  1895  der 
Westdeutschen  Zeitschrift  erschienen. 


—    103    — 

Haltung,  die  der  Verfasser  zu  den  beiden 
hauptsächlichsten  Theorien  iiber  diese 
Frage  einnimmt,  seiner  ruhigen,  der  Effekt- 
hascherei fernstehenden  Darstellung  und 
Untersuchungsmethode  ein  erhebliches  In- 
teresse darbieten,  auch  da,  wo  er  viel- 
leicht nicht  allen  EinzelausfQhrungen  un- 
bedingt zu  folgen  vermag. 

50.H«lnrfCh  Bfthmer,  Willigis  yon  Mains.  Ein 
Beitrag  zur  Geschichte  des  deutschen  Reichs 
und  der  deutschen  Kirche  in  der  sächsischen 
Kaiserzeit.  (Leipziger  Studien  heransgeg. 
von  K.  Lamprecht  und  E.  Marcks,  3.  Heft). 
Leipzig,  1895. 

Die  bedeutende  Gestalt  des  Mainzer 
Erzbischofs,  der,  von  niederer  sagenum- 
wobener Herkunft,  sich  in  jungen  Jahren 
auf  den  ersten  Bischofssitz  des  deutschen 
Reiches  schwang,  drei  deutschen  Herrschern 
als  Ratgeber  diente  und  eine  lange  Zeit 
auf  den  Gang  ihrer  inneren  und  äusseren 
Politik  entscheidenden  Einfluss  ausübte, 
hat  nach  den  beiden  unzulänglichen  und 
veralteten  Versuchen  dazu  (von  Ossenbeck 
und  Euler)  nunmehr  in  dieser  aus  der 
Schule  Wilhelm  Arndts  hervorgegangenen 
und  seinem  Andenken  gewidmeten  Arbeit 
eine  eingehende  Würdipjung  erfahren.  Man 
begegnet  in  der  Darstellung,  die  sich  in 
manchen  Partieen  zur  Reichsgeschichte 
erweitert,  selbständiger  und  oft  neuer  Auf- 
fassung, wenn  auch  die  Richtigkeit  einzel- 
ner Annahmen,  zu  denen  der  Verfasser 
bei  der  dürftigen  Überlieferung  über  die 
Wirksamkeit  eines  Mannes  oft  seine  Zu- 
flucht nehmen  muss,  der  nicht  wie  ßernward 
von  Hildesheim  einen  zeitgenössischen  Ge- 
schichtsschreiber gefunden  hat,  auf  Zweifel 
stossen  wird.  In  einem  besonderen  Ab- 
schnitt behandelt  er  die  Thätigkeit  des 
Willigis  als  Grundherr  und  Bischof  in  sei- 
ner Diözese,  und  zwar  als  typisch  für  einen 
ottonischen  Reichsbischof.  Die  Arbeit  ver- 
diente eine  ausführlichere  Besprechung, 
doch  gestattet  hier  der  Raum  nur  diese 
kurze  Anzeige.  Knipping. 

51.  Im  Archiv  für  bürgerliches  Recht  X 
(1895),  S.  59—103,  veröffentlichen  J.  Kohler 
und  E.  Liesegang  einen  Aufsatz  über  Eut- 
äusserung  und  zukünftigen  Rechtserwerb 
mit  besonderer  Rücksicht  auf  ein  im  Jahre 
1352  von  Kölner  Kanonikern  erstattetes 
Gutachten.      Es  handelte  sich   bei   dem 


—    104    — 

Gutachten  um  die  Frage,  ob  die  von  der 
Stadt  Wesel  mit  Berufung  auf  ihre  Grüo- 
dungsurkunde  v.J.  1241  beanspruchte  Be- 
freiung von  allen  Klevischen  Zöllen  auch 
den  erst  nachträglich  durch  den  Elever 
Grafen  als  Pfand  erworbenen  Reichszoll 
in  dem  Wesel  gegenüberliegenden  Orte 
Büderich  einschliesse.  Das  für  die  Ge- 
schichte der  Reception  des  römischen 
Rechts  wichtige  Gutachten  kommt  auf 
Grund  romanistischer  Erwägungen  sn  einer 
für  Wesel  ungünstigen  Entscheidung.  Zoo 
besseren  Verständnis  des  Zollstreites  hit 
L.  die  Entwicklung  der  städtischen  Zoll- 
befreiungen in  der  Grafschaft  Kleve  kurz 
skizziert.  Als  Obmann  der  Gutachten  wird 
ein  Godefridus  de  s.  Cuniberto  canonicos 
et  officialis  Coloniensis  genannt,  was  zwei- 
fellos als  Gottfried  von  S.  Kunibert,  Offi- 
zial  und  Domherr  zu  Köln,  zu  deuten  ist, 
nicht,  wie  die  Verff.  annehmen,  als  Kan. 
an  S.  Kunibert.  Auf  Gottfrieds  Kanonikat 
am  Dom  weist  auch  die  Lage  seiner  Woh- 
nung apud  ecclesiam  CoL  (Ennen,  Qaellen 
IV  S.  375)  hin.  Er  war  demnach  Kölner 
und  ist  nicht  identisch  mit  den  von 
den  Verfassern  aus  den  Bologneser  Proto- 
kollen angeführten  Trägern  des  Namens 
Gottfried.  Kenssen. 

Oorkondtnboek  van  Groningen  en  Drenthe  bewerkt  Sl 
door  P.  J.  Block,   J.  A.   Feith,  S.  GraUna. 
J.  Reitam»   en   C.  P.  L.   Rüthers.    L   u.  U. 
Aflevertng.    Groningen  1895. 

Die  vorliegenden  zwei  Liefenm^eo 
dieses  ürkundenwcrkes  für  die  beiden 
nordöstlichen  Landschaften  Hollands  rei- 
chen bis  zum  Jahre  1334.  Bisher  nnge- 
d ruckt  sind  von  den  839  aufgenommenen 
Stücken  nur  70,  die  übrigen  finden  sich 
bereits  in  den  bekannten  ürkundenhäohem 
von  Sloet,  van  den  Bergh,  Friedländer, 
Muller  u.  a.  Bei  der  Mehrzahl  der  letz- 
teren hat  man  sich  jedoch  nicht  mit  dem 
blossen  Wiederabdruck  begnügt,  sondern 
ist  auf  die  ursprüngliche  Vorlage  znruck- 
gegangen.  Eine  über  die  Methode  der 
Bearbeitung  und  die  Arbeitsteilung  nnter- 
richtende  Einleitung  fehlt  bislang. 

Knipping. 


-     105    — 

Miscellanea. 

53.  Eine  neue  Deutung  der  sog.  Juppiter- 
Giganfentäulen.  Ein  Moment  ist  bei  der 
Beurteilung  der  Gruppe  des  Reiters  mit 
dem  Giganten  trotz  der  sehr  umfangreichen 
Litteratur  bisher  ausser  Acht  gelassen 
worden,  welches  meiner  Meinung  nach 
die  bis  jetzt  von  den  meisten  Gelehrten 
vertretene  Auffassung  eines  Kampfes  zwi- 
schen Reiter  und  Schlangenmensch  aus- 
schliesst.  Florschütz  hat  bei  der  Beschrei- 
bung der  im  Museum  von  Wiesbaden  be- 
findlichen „Gigantensäule  von  Schierstein", 
dieses  Moment  wohl  erkannt  und  kurz 
erwähnt,  jedoch  unterlassen,  die  nahe 
liegende  Folgerung  zu  ziehen,  ebenso 
Wagner  in:  „Neptun  im  Gigantenkampf 
auf  römischen  Monumenten",  Wd.  Zs.  I, 
welcher  es  bei  vier  Gruppen  nur  eben 
erwähnt  hat. 

Das  Moment,  welches  mir  so  bedeu- 
tungsvoll erscheint,  besteht  darin,  das s 
bei  den  allermeisten  Denkmälern 
dieser  Art  und  besonders  bei  der 
Schiersteiner  Säule  der  Bildhauer 
absichtlich  die  Gruppe  vorn  weit 
über  die  Plinthe  und  damit  über 
den  Abakus  des  Säulenkapitäls  hat 
hervorragen  lassen. 

Florschütz  sagt  a.  a.  0.  S.  5:  „Die 
wenigsten  der  uns  bekannten  Gruppen  sind 
steil  und  centricrt  aufgebaut,  die  Mehr- 
zahl von  ihnen  zeigt  ein  weites  Vor- 
ragen des  Gigantenkörpers  und 
wohl  auch  des  Pferdes  über  den  Vor- 
derrand des  Abakus  des  Kapitals,  zu  wel- 
chem die  Ausdehnung  der  Plinthe  der 
Gruppe  in  direktem  Verhältnis  steht.  Durch 
diese  Anordnung  gewannen  die  Gigan- 
tensäulen ein  höchst  eigentümliches 
Aussehen,  das  ihnen  geradezu  als 
typisch     zuerkannt    werden    muss". 

Wagner  a.  a.  0.  sagt  von  der  zweiten 
Pforzheimer  Gruppe :  „Dass  der  Köri)er 
des  Ungetüms  vorn  über  sie  (die Plinthe) 
hinaushängt,  was  eigentümlich  be- 
lebend wirkt".  (Die  erste  Gruppe  von 
Pforzheim  zeigt  aber  ebenfalls  diese 
Erscheinung,  nur  nicht  in  so  ausge- 
prägtem Maasse).  Von  der  Ladenburger 
Gruppe  sagt  er:   „Dass  der  Leib  des  Un- 


—    106    — 

getüms  stark  niedergestreckt  und 
nach  vorwärts  geneigt  erscheint". 
Ganz  ebenso  soll  sich  nach  ihm  die 
Gruppe  von  Diedenkopf  verhalten.  Fer- 
ner bei  der  Gruppe  von  Selz  sei  „das 
Ungetüm  stark  nach  vorn  geneigt". 
Es  war  mir  diese  eigentümliche  An- 
ordnung der  Gruppe  längst  bei  einer  gan- 
zen Reihe  von  Exemplaren  aufgefallen*). 
Es  schien  mir  unzweifelhaft,  dass  dadurch 
ein  Kampf  zwischen  Reiter  und  Schlangen- 
mensch ausgeschlossen  sein  müsse,  ja  dass 
geradezu  der  Künstler  das  Nichtvorhanden- 
sein eines  Kampfes,  dagegen  eine  Hülfe- 
leistung, eine  Bundesgenossenschaft  zwi- 
schen Reiter  und  Schlangenmensch  aus- 
drücken wollte.  Da  geschah  die  Auffindung 
und  Wiederaufrichtung  der  Säule  von  Schier- 
stein, eines  Denkmals,  welches  wegen  seiner 
vorzüglichen  Erhaltung,  wie  kein  anderes 
dieser  Gattung,  den  Gesamteindruck,  wie 
er  ehemals  dem  antiken  Beschauer  ge- 
wohnt war,  wiederzugeben  und  auf  uns 
wirken  zu  lassen  geeignet  ist.  Es  ist  das 
dadurch  möglich  geworden,  dass  man  nach 
der  nötigen  Ergänzung  der  fehlenden  Teile 
die  Gruppe  genau  wieder  auf  den  ur- 
sprünglichen Standplatz  des  Säulenkapitäls 
gesetzt  hat,  was  sich  noch  bei  keiner  an- 
deren Gruppe  erreichen  Hess.  Nächst  der 
Schiersteiner  ist  die  Ueddernheimer  Säule 
die  am  besten  erhaltene,  auch  bei  ihr  ist  das 
Hervorragen  der  Gruppe  über  die  Plinthe 
sehr  in  die  Augen  fallend,  jedoch  ist  die 
Gruj)pe  nicht  richtig  auf  das  Kapital  auf- 
gesetzt *).    Wir  knüpfen  die  folgenden  Aus- 


1)  Auch  bei  der  unserem  Museum  vor  mehre- 
ren Jahren  zugegangenen,  später  zu  beschreiben- 
den Ciruppe  von  Jeckenbach  (mit  dazu  gehöri- 
gem Sechtsgötterstein  als  Zwischensockel)  lässt 
sich,  wenn  auch  wegen  der  starken  Zerstörung 
nur  schwer,  diese  eigentümliche  Anordnung  er- 
kennen. 

2)  Unbegreiflicher  Weise  echeint  diese  fehler- 
hafte Stellung  jedoch  ganz  mit  Absicht  angeord- 
net worden  zu  sein,  denn  auch  auf  der  Zeichuung 
(Donner  von  Richter:  „Heddernheimer  Ausgrabun- 
geu'')  ragt  die  Gruppe  hinten  (!)  über  das  Kapital 
hervor,  während  sie  vorn  zurück  tritt  (!).  Es  geht 
dies  aus  einer  Bemerkung  des  Autors  hervor,  a.  a. 
O.  S.  4,  Anmerkung  1:  „Die  starke  Hervor- 
ragung des  Giganten  über  die  Kapitälflilohe 
bestimmte  den  ZeiohnerzurVerchiebung 
der  Plinthe  (I !)).  Mir  ist  jedoch  diese«  Hervor- 
ragen sympa  tisch.** 


—    107    — 

fuhrungen  deshalb  hauptsächlich  an  das 
Schiersteiner  Denkmal,  weil  die  Gruppe 
nie  allein  für  sich  betrachtet  sein  will, 
sondern  stets  in  Verbindung  mit  der  Säule ; 
erst  durch  ihre  richtige  Aufstellung  auf 
derselben  erhält  sie  ihr  eigenartiges  Gepräge. 


Wir  sehen,  dass  der  Körper  des  Schlan- 
genmenschen vom  Kopf  bis  zum  Nabel 
über  Plinthe  und  Kapital  hinaus  ragt,  dass 
ebenso  der  grusste  Teil  des  Pferdes  und 
mit  ihm  des  Reiters  bereits  ausserhalb  der 
Säule  in  der  freien  Luft  sich  befindet. 
Man  bekommt  dadurch  den  Eindruck,  und 
derselbe  ist  ganz  sicher  vom  Künstler  be- 
absichtigt, dass  die  ganze  Gruppe  sich 
durch  die  Luft  fortbewegt,  ja  sie 
scheint  sich  bereits  ganz  von  der  Säule 
losgelöst  zu  haben  und  frei  im  Baume  da- 
hin zu  eilen.  Der  Gedanke  des  Reitens 
durch  die  Luft  konnte  meines  Erach- 
tens  in  Stein  nicht  besser  zum  Ausdruck 
gelangen,  als  es  hier  geschehen  ist.  Wäh- 
rend der  Reiter  die  Lüfte  durcheilt,  wird 
er  dabei  vom  Schlangenmenschen,  welcher 
sich  zur  Fortbewegung  durch  die  Luft  seiner 
Schlangenbeine  bedient,  unterstützt,  von 
ihm  gleichsam  getragen,  als  wenn  er  auf 
einer  Wolke  dahin  ritte.  Der  Schlangen- 
mensch konnte  ihn  um  so  eher  dabei  un- 
terstützen, was  ja  auch  meist  durch  das 
Tragen  der  Hufe  mit  den  Händen  und  mit 
den  Keulen  ausgedrückt  ist,  weil  er  durch 
seine  Schlangenbeine  sich  rascher  fortzu- 
bewegen vermochte,  als  das  Pferd  *).  Beide, 

8)  „Im  Altertam  glaubte  man,  die  Schlangen 
könnten  eine  fast  unglaubliche  Schnelligkeit  ent- 


—     108     — 

Beiter  und  Schlangenmensch,  sehen  ge- 
rade aus  in  die  Ferne,  dem  nicht  dar- 
gestellten Feinde  entgegen.  Der  Schlangen- 
mensch hält  in  Erwartung  des  bevor- 
stehenden Kampfes  seine  beiden  Keulen 
in  Bereitschaft;  er  schultert  sie  förmlich. 
Deshalb  „liegen  die  beiden  Arme  bis  zum 
Ellenbogengelenk  eng  an  dem  Brust- 
kasten an",  wie  schon  Florschätz  er- 
wähnt, welcher  jedoch  diese  eigentümliche 
Haltung  weiter  nicht  zu  ergründen  gesucht 
hat.  In  diese  Lage  kann  er  aber  durch 
einen  vorhergegangenen  Kampf  mit  dem 
Beiter  nicht  gebracht  worden  sein,  da$ 
ist  unmöglich !  So  kann  er,  selbst  wenn  er 
sich  tapfer  gewehrt  haben  sollte,  nicht 
hingefallen  sein,  dass  er  der  Länge  nach 
auf  dem  Bauche  liegend,  die  beiden 
Keulen  fest  an  die  Schultern  presst 
Wenn  er  überwunden  und  überritten  wor- 
den wäre,  dann  rousste  er  eben  auf  dem 
Kampfplatze,  dem  Säulenkapitäl,  zurück- 
bleiben, hätte  aber  nicht  in  vorwärte- 
schnellender  Bewegung  über  den  Rand  der 
Säule  weg,  in  die  freie  Luft  hinausragend 
dargestellt  werden  können,  wie  es  hier 
geschehen  ist.  Auch  musste  er  in  mög- 
lichst zusammengekauerter  Gestalt  auf  dem 
Bücken  liegend  und  sich  wehrend  zur  Dar- 
stellung gelangen,  wie  wir  es  auf  den 
rheinischen  Beitergrabsteinen  zu  sehen 
gewohnt  sind.  Dass  Haug  („Die  Viergüt- 
tcrsteine",  Westd.  Zeitschr.  X,  IV  S.  332- 
die  Lage  des  bei  Lehne  und  bei  Linden- 
schmit:  Bd.  I  H.  XI  T.  6  Nr.  2  abgebil- 
deten Barbaren  mit  dem  Schlangenmenschen 
vergleicht,  ist  meines  Erachtens  unzutref- 
fend. Dass  dort  der  Barbar  einmal  in  zu- 
sammengekauerter Gestalt  auf  den  Knieen 
liegend  dargestellt  ist,  während  er  sonst 
immer  auf  dem  Bücken  zu  liegen  pflegt, 
fällt  nicht  so  sehr  ins  Gewicht.  Immer- 
hin ist  die  Lage  doch  eine  wesentlich  an- 
dere, wie  die  des  Schlangenmenschen;  und 
dann  ist  der  Gedanke  des  Kämpfens  und  sich 
Wehrens  dadurch  deutlich  zum  Ausdruck 
gebracht,  dass  der  Barbar  die  Waffe  mit 
der  Spitze  nach  oben  gerichtet  in 


wickeln,  wenn  es  ihnen  beliebe,  ohne  eine  Hfilf^ 
durch  Hände  oder  FUsse,  sondern  lediglich  durch 
ihre  geistige  Willenskraft. '*  Schatte:  ,Die  ScbUn^'e 
in  ihrer  Beziehung  zum  Menschen*. 


—    109    — 

der  Hand  hält,  eine  Darstellung,  wie  sie 
nicht  beim  Schlangenmenschen  vorkommt; 
liier  ist  im  Gegenteil  (wie  bei  der  Mainzer 
Gruppe)  in  Erwartung  des  bevorstehenden 
Kampfes  der  Dolch  mit  der  Spitze  nach 
unten  gerichtet. 

Weder  bei  der  Schiersteiner,  noch  bei 
irgend  einer  anderen  Gruppe,  sieht  der 
Reiter  nach  unten,  der  Schlangen- 
mensch ebensowenig  nach  oben, 
Leide  sehen  immer  direkt  nach  vor- 
wärts auf  einen  Funkt  hin.  Die  Schlangen 
femer  beissen  nie,  sind  nie,  wie  bei  den 
Darstellungen  der  Gigantomachie,  das  Maul 
weit  öffnend,  züngelnd  oder  fauchend  dar- 
gestellt, ebensowenig  wie  sie  mit  ihren 
Lieibem  den  augeblichen  Feind  zu  um- 
schlingen suchen;  es  müsste  dann  doch 
bei  einer  der  vielen  Gruppen  wenigstens 
die  Darstellung  zu  finden  sein,  dass  die 
Schlangenleiber  sich  um  die  Pferdebeine 
ringeln,  um  sie  an  der  Fortbewegung  zu 
hindern,  was  doch  gewiss  nicht  schwer 
darzustellen  gewesen  wäre.  Der  Schlan- 
genmensch liegt  auch  nie  auf  dem 
Rücken,  denn  dann  müsste  er  stets  mit 
dem  Gesicht  nach  oben  blicken,  was  aber 
nicht  vorkommt.  Bei  den  zwei  Exempla- 
ren von  Heddernheim  und  Mainz  ist  dieses 
» Aufdemrückenliegen  nur  scheinbar  und 
durch  eine  ungeschickte  Verdrehung  des 
Körpers  zu  Stande  gekommen,  denn  selbst 
bei  dieser  unnatürlichen  Verdrehung,  bei 
welcher  eigentlich  der  Schlangenmensch 
nach  oben  sehen  müsste,  sieht  sein  Ge- 
sicht nach  vorn;  das  beabsichtigte 
der  Bildhauer  immer  in  erster  Linie. 
Gerade  der  Umstand,  dass  der  Schlangen- 
mensch nie  mit  dem  Kopf  nach  dem  hin- 
teren Teile  des  Pferdes  liegt  oder  quer 
unter  das  Pferd  zm  Hegen  kommt,  sondern 
stets  in  der  Richtung  des  dahinspringen- 
den  Pferdes  gelagert  ist  mit  dem  Gesicht 
nach  vom,  lässt  erkennen,  dass  von  einem 
Kampfe  oder  Übcrrittcnsein  nicht  die  Rede 
sein  kann,  es  müsste  dann  doch,  wie  auf 
den  Ileitergrabsteinen,  bald  die  eine,  bald 
die  andei*c  Lage  vorkommen.  Wir  sehen 
daraus,  dass  der  Schlangenmensch,  ent- 
gegen der  Ansicht  Haug's  (a.  a.  0.  S.  330), 
doch  nach  einem  feststehenden  Typus  dar- 
gestellt wurde.     Dass  ferner  der  Reiter 


—    110    — 

gar  nicht  mit  seiner  Waffe,  als  welche  bis 
jetzt  meist  die  Lanze  angesehen  wurde, 
den  Schlangenmenschen  treffen  kann,  hat 
auch  Wagner  in  seiner  soeben  erschiene- 
nen Abhandlimg:  Westd.  Zeitschr.  XIII, 
IV  S.  329—340,  nachgewiesen.  Florschütz 
fühlte  das  auch  schon,  da  er  seinem  Jup- 
piter  die  Lanze  mit  der  Spitze  nach  oben 
in  die  Hand  gab,  weil  sie  nämlich  nach 
unten  gerichtet,  neben  dem  Giganten  vor- 
bei gehen  müsste.  Doch  ist  hierauf  nicht 
so  viel  Gewicht  zu  legen,  weil  auch  auf 
den  rheinischen  Reitergrabsteinen  der  Eques 
nicht  nach  dem  unter  dem  Pferd  liegenden 
Germanen  sticht,  was  er  auch  gar  nicht 
könnte,  ohne  sich  stark  vomüberzubeugen. 
Er  richtet  die  Lanze  vielmehr  nach  den 
ihm  neu  entgegentretenden  Feinden.  Dass 
der  reitende  Gott  aber  nicht  daran  denkt 
seine  Waffe  gegen  den  Schlangenmenschen 
zu  kehren,  geht  aus  dem  Diedenkopfer 
Denkmal  hervor,  dem  einzigen  in  Deutsch- 
land gefundenen,  welches  die  Waffe  des 
Gottes  erkennen  lässt.  Es  hält  hier  der 
Gott  bei  herabhängendem  rechten 
Arm*)  die  mit  der  Spitze  leicht  nach  ab- 
wärts geneigte  Lanze  wagrecht  in  der 
Hand,  eine  Haltung,  wie  sie  nicht  bei 
einem  schon  bestehenden,  sondern  nur  bei 
einem  noch  zu  erwartenden  Kampfe  mög- 
-lich  ist.  Das  Denkmal  ist  auch  noch  in 
anderer  Hinsicht  von  Wichtigkeit.  Der 
Schlangenmensch,  welcher  nur  wenig  über 
die  Plinthe  vorragt,  trägt  hier  mit  beiden 
Händen  die  Hufe  und  ausserdem  noch  mit 
seinen  in  die  Höhe  gezogenen  Schultern 
den  Leib  des  Pferdes.  Es  ist  damit  seine 
Beihülfe  ganz  unzweideutig  zum  A.usdruck 
gebracht.  Wie  ganz  anders  die  Darstel- 
lung auf  den  Reitergrabsteinen,  wo  der 
auf  dem  Rücken  liegende  Germane  sich 
meist  mit  dem  nach  oben  gehaltenen 
Schilde  noch  zu  decken  sucht.  Aber  auch 
die  Bewegung   des  Pferdes    ist    bei    den 


4)  Unter  den  französischen  Fanden  soll  sich 
noch  ein  Exemplar  finden  mit  gleicher  Arm- 
haltung  und  ebenfalls  mit  der  Lanse.  Dass 
dieser  Typus  nicht  vereinselt  sein  kann,  ist  Ja 
bei  dem  Fehlen  eines  Kampfes  zwischen  Better 
und  Schlangenmensch  auch  leicht  einausehen. 
Wie  viele  der  schon  bekannten  Exemplare  mit 
fehlenden  Armen  mögen  demselben  Typus  ange- 
hört haben! 


—  111 


-    112    — 


rheinischen  Grabsteinen  eine  ganz  andere 
wie  bei  unseren  Denkmälern.  Dasselbe 
setzt  dort  im  Sprung  über  den  unterlie- 
liegenden  Gegner  weg;  hier  bei  unserer 
Gruppe  ist  dagegen  das  Pferd  nicht  dar- 
gestellt im  Sprung  nach  oben  über  einen 
Feind  wegsetzend,  sondern  angetrieben  zum 
strengsten  Galopp,  gleichsam  vcntre  ä  terre. 
strebt  es  die  grösstmögliche  Schnelligkeit 
in  der  Bewegung  nach  vorn  zu  entwickeln, 
es  sucht  so  rasch  wie  möglich  an  den  Feind 
zu  kommen.  Diese  Art  der  Bewegung 
des  Pferdes  ist  den  lleitergrabsteinen 
völlig  fremd. 

Die  ganze  Gruppe  gewinnt  durch  die 
Wiedergabe  dieser  raschen  Bewegung  eine 
ganz  bedeutende  Lebendigkeit,  welche  das 
charakteristische  Gepräge  dieser  Gruppen, 
besonders  des  Schiersteiner  Exemplares 
bildet.  Um  diese  zu  erzielen  hatte  der 
Künstler  mit  ganz  bedeutenden  technischen 
Schwierigkeiten  zu  kämpfen,  welche  wohl 
nicht  jeder  handwerksmässige  Bildhauer  zu 
überwinden  im  Stande  war.  Das  weite 
Vorragen  der  Gruppe  über  die  Säule  er- 
forderte ein  genaues  und  geschicktes  Ab- 
wägen des  Schwerpunktes,  um  erstere  nicht 
vornüberstürzen  zu  lassen.  Wir  sehen 
deutlich,  wie  bei  dem  Schiersteiner  Exem- 
plar der  Künstler  das  ermöglicht  hat. 
£r  schuf  ein  Gegengewicht  in  dem  in 
schwerem  Bausch  nach  hinten  flatternden 
Mantel  und  dadurch,  dass  er  im  hinteren 
Teil  der  Gruppe  die  Glieder  nicht  frei 
aus  dem  Stein  herausarbeitete,  sondern 
eine  möglichst  grosse  Masse  des  Steines 
stehen  zu  lassen  bestrebt  war.  So  ist  der 
hintere  Teil  des  Schlangenmenschen  nur 
als  Relief  behandelt,  indem  zwischen  ihm 
und  dem  Pferde,  sowie  zwischen  Hinter- 
beinen und  Schwanz  des  Pferdes  die  ganze 
Masse  des  Steines  stehen  geblieben  ist. 
Das  letztere  Moment  hat  zwar  Florschütz 
erwähnt,  jedoch  scheint  ihm  der  eigent- 
liche Grund  dafür  entgangen  zu  sein. 

Wenn  nun  nicht  alle  Gruppen  von  gleicher 
Lebendigkeit  der  Darstellung  sind,  wie  die 
der  Schiersteiner  Säule,  einzelne  auch 
wenig  oder  gar  nicht  über  Plinthe  und 
Kapital  vorzuragen  scheinen,  so  ist  zu 
bemerken,  dass  der  Gesamteindruck  der 
Gruppe,  wenn  sie  in  ihrer  richtigen  Stel- 


lung auf  der  Säule  gedacht  wird,  dn 
anderer  sein  muss,  als  wenn  sie  auf  dem 
Boden  eines  Museums  stehend  zwischen 
anderen  Steindenkmälern  zur  Betrachtung 
kommt.  Und  dann  wurde  schon  bemerkt, 
dass  wohl  nicht  allen  Bildhauern  die  Fer- 
tigkeit innewohnte,  der  technischen  Schwie- 
rigkeiten bei  der  Aufstellung  der  Gmiiiie 
in  gleicher  Weise  Herr  zu  werden,  wie 
bei  der  Gruppe  von  Schierstein.  Ist  aber 
das  Vorragen  über  die  Plinthe  bei  einigen 
Gruppen  weniger  auffallend,  so  stimmen 
sie  doch  in  allen  anderen  angegebenen 
Merkmalen  mit  der  Gruppe  von  Schier- 
stein überein:  Überall  ist  von  einen 
Kampfe  Nichts  zu  bemerken;  über- 
all das  Vorwärtsschauen  des  Rei- 
ters und  des  Schlangenmenschen; 
überall  das  Getragen-  und  Unter- 
stütztwerden des  Ersten  seitensdes 
Letzteren. 

Es  ist  sehr  zu  verwundem,  dass  diese 
Verhältnisse  nicht  schon  gleich  bei  der 
Auffindung  der  ersten  derartigen  Denk- 
mäler erkannt  und  richtig  gedeutet  worden 
sind,  allein,  nachdem  einmal  dem  Schlan- 
genmenschen der  Name  „Gigant^  beige- 
gelegt worden  war,  blieb  der  Gedanke  des 
Kärapfens  unzertrennlich  mit  ihm  verbun- 
den. Selbst  die  merkwürdige  Thatsachei 
dass  bei  vielen  Gruppen  „weibliche  Gi- 
gant en"*  (!)  —  wie  auch  bei  der  Gruppe 
von  Schierstein,  wo  das  Geschlecht  durch 
die  weibliche  Form  der  Brüste  und  die 
Bildung  des  Gesässes  deutlich  gekennzeich- 
net ist  —  oder  männliche  und  weibliche 
zusammen  vorkommen,  konnte  hieran  Nichts 
ändern.  Der  falsche  Weg  war  einmal  be- 
schritten und  das  Dogma  vom  „Giganten* 
wurde  erst  durch  Ilettners  Abhandlung: 
„Juppitersäulen"  (Westd.  Zeitschr.  IV 
S.  365)  ins  Wanken  geuracht. 

Möglich,  dass  der  künstlerische  Typus 
für  den  Schlangenmenschen  dem  griechi- 
schen Giganten  entlehnt  ist,  aber  im  Übri- 
gen bildete  die  Gigantomachie  das  Vorbild 
nicht,  da  in  unserer  Gruppe  ein  Kampf 
nicht  dargestellt  ist.  Warum  soll  denn 
auch  nicht  angenommen  werden  können, 
dass  es  in  der  gallo-germanischen  Mytho- 
logie Götter  oder  Halbgötter  mit  Schlangen- 
fussen  gegeben  habe?! 


—    113    — 


—    114    - 


In  neuerer  Zeit  ist  man  bestrebt,  da 
man  sich  dieser  Gegensätze  doch  einiger- 
massen  bewusst  zu  werden  anfängt,  trotz- 
dem aber  von  der  vermeintlichen  Giganto- 
machie.  nicht  loskommen  kann,  die  Auf- 
fassung zu  verfechten:  ein  eigentlicher 
Kampf  zwischen  dem  Reiter  und  dem 
Schlangenmenschen  sei  nicht  zur  Darstel- 
lung gebracht  worden,  der  Kampf  sei  viel- 
mehr gerade  zu  Ende  (sie!),  der  Gigant 
bereits  bezwungen  und  jetzt  bestrebt  dem 
im  Triumpf  über  ihn  wegsetzenden  Reiter 
zu  helfen.  Wenn  aber  einmal  angenommen 
wird,  in  dem  Reiter  sei  der  gigantenbe- 
zwingende Juppiter  dargestellt  worden, 
dann  musste  unbedingt  die  letzte  Phase 
des  voraufgehenden  Kampfes  noch  aus  der 
Situation  erkennbar  sein,  es  musste  Kampf 
und  Gegenwehr  deutlich  zum  Ausdruck 
gebracht  werden.  Ihr  Fehlen  kann  nicht 
allein  auf  Rechnung  geringen  künstlerischen 
Könnens  gesetzt  werden,  denn  Beides  fehlt 
eben  thatsächlich  bei  allen  Gruppen. 

Wenn  dagen  der  jetzt  bezwungene 
„Gigant**,  wie  Wagner  a.  a.  0.  meint,  dem 
Juppiter  „dienstbar**  sein  soll,  gegen  wen 
richtet  sich  dann  seine  durch  das  Tragen 
bewiesene  Beihülfe  und  gegen  wen  kehrt 
er  seine  Waffen,  Keulen  oder  Dolch  an- 
ders, als  gegen  einen  gemeinsamen  Feind  V 

Wie  will  man  ferner  das  häufige  Er- 
scheinen der  „weiblichen  Giganten"  er- 
klären, da  doch  solche  dem  klassischen 
Altertume  unbekannt  waren  V  Dasselbe 
kannte  nur  Giganten  als  „Söhne"  der 
Erdgöttin. 

Wir  glauben  hingegen  das  Auftreten 
von  Schlangenmenschen  weiblichen  Ge- 
schlechtes mit  unserer  Ansicht  von  der 
Bedeutung  der  Gruppe  sehr  gut  in  Ein- 
klang bringen  zu  können.  Doch  davon 
später;  vorerst  genügt  für  uns  das  Eine: 
Ein  Kampf  zwischen  Reiter  und 
Schlangenmensch  besteht  nicht  und 
hat  nicht  bestanden,  ein  solcher 
kann  durch  kein  einziges  Exemplar 
dieser  Denkmälergruppe  bewiesen 
werden.  Damit  fällt  die  Annahme:  Jup- 
piter sei  als  Gigantenbezwinger  dargestellt 
und  zugleich  die  weitere  Annahme:  Die 
Gruppe  sei  eine  Allegorie  des  Sieges  der 
Römer  über  die  Germanen.    Wir  pflichten 


vielmehr  vollkommen  der  von  Hettner  aus- 
gesprochenen Ansicht  bei:  In  dem  Reiter 
sei  Juppiter,  wahrscheinlich  als  höchste 
gallische  oder  germanische  Gottheit,  in 
dem  Schlangenmenschen  eine  niedere  Gott- 
heit dargestellt,  welche  dem  Juppiter  als 
Bundesgenosse  beistehe  gegen  einen  ge- 
meinsamen, nicht  zur  Darstellung  gelang- 
ten Feind. 

Dass  eine  derartige  Verquickung  der 
römischen  mit  den  gallisch-germanischen 
Gottheiten  vorkommt,  ist  bekannt ;  oft  er- 
scheinen ja  auch  auf  den  Yiergöttcraltären 
anstatt  der  römischen  gallisch-germanische 
Gottheiten,  oder  römische  Götter  mit  kel- 
tischer Kleidung*).  Dass  aber  auch  der 
reitende  Juppiter  selbst  wieder  durch  den 
einheimischen  Gott  ersetzt  werden  kann, 
dafür  dürfen  wir  wohl  als  Beweis  die  eine 
Ehranger  Gruppe  anführen.  Hang  und 
Wagner  meinen  zwar,  die  Darstellung 
des  Ehranger  Reiters  falle  als  Ausnahme 
nicht  besonders  ins  Gewicht.  Unter  den 
wenigen  bis  jetzt  gefundenen  Exemplaren 
mit  erhaltenen  Köpfen  bildet  der  Ehranger 
Juppiter  allerdings  eine  Ausnahme.  Aber 
ist  er  deshalb  weniger  wichtig  ?  Ich  glaube 
gerade  aus  diesem  Grunde  muss  ihm,  als 
bisher  einzigem  Vertreter  eines  bestimm- 
ten Tyi)U8,  eine  ganz  besondere  Bedeutung 
beigelegt  werden.  Denn  nicht  in  unbe- 
deutenden Einzelheiten,  sondern  in  allen 
Hauptpunkten  weicht  er  von  den  üblichen 
Juppitcrdarstellungen  ab.  So  trägt  er 
keinen  Bart,  hat  jugendliche  Gesichtszüge, 
eine  eigentümliche  (germanische)  Ilaar- 
traclit,  einfache  Kleidung,  es  fehlt  der  bei 
Juppiter  sonst  immer  vorkommende  flat- 
ternde Mantel,  ausserdem  ist  der  Sattel 
von  einer  sonst  nie  beobachteten  Form. 
Hettner  (Trierer  Steindenkmäler  S.  23) 
sieht  deshalb  in  dieser  Darstellung  den 
sichersten  Beweis  gegen  die  Auffassung 
dieser  Figur  als  Kaiser  oder  römischer 
Juppiter.  Von  diesem  Juppiter  gilt  aber 
dasselbe  wie  von  dem  der  Diedenkopfer 
Gruppe:  wie  viele  reitende  Juppiterdar- 
stellungen  mit  fehlendem  Oberkörper  kön- 
nen dem  Ehranger  Typus  angehört  haben ! 

6)  So  der  Gott  mit  dem  Schiftgel,  Juppiter  mit 
dem  Bade  (gewöhnlich  mit  drei  geschweiften 
Speichen,  Triquetrum),  Merkur  mit  dem  Sagum, 
Silvan  und  Apollo  in  keltischer  Tracht  und  Andere. 


—    115    — 


116 


Dass  ferner  dieser  Juppiter  gerade  in 
der  Nähe  von  Trier,  dem  Zentrum  rö- 
mischen Lebens  diesseits  der  Alpen  auf- 
gefunden worden  ist,  verleiht  ihm  unseres 
Erachtens  eine  um  so  höhere  Wichtigkeit 
und  widerlegt  die  Ansicht  derer,  welche 
gleich  an  eine  unkünstlerische  oder  bar- 
barische Leistung  glauben  denken  zu 
müssen,  wenn  ein  Mal  eine  von  dem  ge- 
wöhnlichen Typus  abweichende  Darstellung 
zum  Vorschein  kommt. 

Aber  auch  in  einer  anderen  Beziehung 
ist  der  Khranger  Juppiter  von  Interesse. 
Wie  Hettner  beweist,  kann  das  Attribut, 
welches  er  in  der  Hand  hielt,  keine  Lanze 
gewesen  sein,  weil  die  geschlossene  Faust 
noch  einen  abgebrochenen  Stiel  aus  Stein 
umfasst,  und  die  Lanze  in  dieser  Haltung 
unmöglich  aus  Stein  bestanden  haben  kann. 
Dagegen  kann  das  Attribut  ganz  gut  ein 
Hammer  oder  Blitzstrahl  gewesen  sein. 
Wagner  kommt,  ohne  das  Ehranger  Bei- 
spiel zu  erwähnen,  aus  anderen,  schon  an- 
gegebenen Gründen,  zu  dem  gleichen 
Schlüsse;  er  denkt  nur  an  einen  Blitz- 
strahl, weil  bei  Juppiter  ein  Hammer  als 
Attribut  nicht  anzunehmen  sei.  Wir  sagen 
dagegen,  ein  Juppiter,  der  zu  Pferde 
sitzt,  weicht  dadurch  schon  so  bedeutend 
von  der  hergebrachten  und  üblichen  Dar- 
stellung ab,  dass  er  auch  ganz  gut  ein  an- 
deres als  das  gewohnte  Attribut  getragen 
haben  kann.  Aber  könnte  nicht  der  ein- 
heimische Gott  des  Ehranger  Denkmals 
den  Hammer  geführt  haben? 

Was  nun  zum  Schlüsse  die  Bedeutung 
dieser  merkwürdigen  Denkmäler  betrifft, 
so  haben  bisher  Alle,  welche  über  diesel- 
ben schrieben,  auch  versucht  sie  zu  er- 
klären. Es  sei  deshalb  auch  mir  verstat- 
tet, die  Ansicht,  welche  sich  seit  einer 
Reihe  von  Jahren  beim  Studium  der  ein- 
zelnen Grui)pen  mir  aufgedrängt  hat,  hier 
mitzuteilen.  Dass  ich  mich  nicht  cnt- 
schliesscn  kann  der  historischen  Erklärung 
beizustimmen,  geht  aus  dem  bisher  Ge- 
sagten zur  Genüge  hervor ;  es  bleibt  somit 
nur  die  mythologische  Deutung  übrig. 

Da  glaube  ich  nun,  weil  die  Darstel- 
lung der  Gruppe  eine  absolut  unrömische 
ist  und  wir  deshalb  zu  der  Annahme  ge- 
zwungen  sind,   in   Juppiter   sei   der   ihm 


substituierte  höchste  einheimische  Gott 
dargestellt  worden,  dass  wir  in  dem  Reiter 
den  Gott  Donar  oder  Thor  zu  erkennen 
haben,  den  Blitz-  oder  Donnergott, 
der  auf  seinem  Rosse  (!)  durch  die  Lüfte 
daherfährt  und  seinen  Blitz  gegen  die 
Feinde  (die  Riesen)  schleudert,  ihnen  da- 
mit das  Haupt  zerschmetternd.  Ob  er  mm 
mit  dem  Blitzstrahl  selbst  bewaffnet  er- 
scheint oder  mit  einer  ihn  symbolisierenden 
Fernwaffe,  wie  Lanze,  Hammer,  Wurfbeil 
oder  Bogen  und  Pfeil  ist  gleichbedeutend. 
Wir  wissen,  dass  gerade  Thor  auf  Säulen 
verehrt  wurde  („Thorssäulen*^),  wie  ja  auct 
angenommen  wird,  dass  die  sogenannt« 
von  Karl  dem  Grossen  zerstörte  Irmin- 
säule  eine  solche  Thorssäule  gewesen  sei. 
Die  Widmung  1 .  0  .  M .  kann  nicht  gegen 
diese  Ansicht  sprechen,  weil  ja  der  ein- 
heimische Gott  völlig  identifiziert  worde 
mit  dem  römischen  Juppiter  und  umge- 
kehrt. Wie  hätte  man  auch  sonst  den 
römischen  Juppiter  auf  dem  Pferde  sitzend 
darstellen  können?  Auffallend  bleibt  e$ 
allerdings,  dass  Donar  reitend  dargestellt 
sein  soll,  der  immer  fahrend  gedacht  wird, 
während  Wodan  der  eigentlich  reitende 
Gott  ist.  Da  nun  auch  Wodan  als  Ge- 
wittergott bezeichnet  wird,  so  könnte  auch 
er  gemeint  sein,  doch  steht  dem  wieder 
entgegen:  Die  Verehrung  des  Gottes  auf 
Säulen  und  die  Thatsache,  dass  Wodan 
immer  mit  Mercur  identifiziert  wurde.  Abrr 
hierüber  mögen  nun  die  Germanisten  die 
Entscheidung  treffen. 

In  dem  Schlangenmenschen  sehe  ich 
einen  Windgott  („Windelbc*  oder  ^Ge- 
witterelbe"),  dessen  Schlangenfüsse  die 
Geschwindigkeit  des  Sturmwindes  andeuten 
sollen.  So  reitet  der  Donnergott  gleich- 
sam auf  einer  vom  Sturmwind  getragenen 
Gewitterwolke  daher,  seinen  Blitz  gegen 
die  Feinde  schleudernd.  Bei  diesem  Kampf 
unterstützt  ihn  der  Windgott  nicht  allein 
durch  Tragen  seines  Bosses,  sondern  er 
hilft  ihm  zugleich  beim  Zusammenstoss  mit 
dem  Feinde,  indem  er  mit  den  Keulen  die 
Feinde  hinwegfegt  oder  mit  seinem  Messer 
sie  durchbohrt. 

Weil  nun  beinahe  ebenso  häufig  weib- 
liche wie  männliche  Schlangenmenschen 
auftreten,  manchmal  auch  beide  zusammen, 


—    117 


118    — 


so  dürfen  wir  wohl  annehmen,  dass  es  in 
der  gallo-germanischen  Mythologie  männ- 
liche und  weibliche  Windgötter  gegeben 
habe.  Dass  dieses  höchst  wahrscheinlich 
der  Fall  war,  dafür  scheint  ein  noch  heut- 
zutage gebräuchliches  Wort,  gleichsam  als 
Anklang  an  jene  mythologische  Vorstel- 
lung zu  sprechen.  Es  ist  dies  das  Wort 
„Windsbraut"  =  Braut  des  Windes.  („Die 
Windin**)*).  Die  Wolkengötter  waren 
übrigens  in  der  germanischen  Mythologie 
als  weibliche  Wesen  gedacht,  „Wolken- 
elbinnen**,  „Sturmwolkenfrau"  (E.H.Meyer: 
Germanische  Mythologie). 

Da  nun,  wie  ich  annehme,  diesem  höchsten 
Gotte  die  Säulen  geweiht  sind,  so  er- 
blicke ich  in  ihnen  Votivsteine^),  welche 
anlässlich  der  Errettung  von  Haus, 
Hof  und  Feld  aus  Blitz-  und  Gewit- 
tergefahr errichtet  worden  sind. 
Deshalb  auch  die  ungemeine  Häufigkeit 
dieser  Gruppen,  das  Aufluden  von  zwei, 
drei  und  mehr  Exemplaren  in  einer  Nie- 
derlassung, die  Errichtung  auf  eigenem 
Grund  und  Boden  und  die  häufige  Wieder- 
herstellung derselben  nach  Zerstörungen, 
weil  durch  sie  Haus  und  Plerd  für  be- 
schützt gehalten  wurde. 

6)  So  nahe  es  vielleicht  auf  den  ersten  Blick 
läge,  das  Wort  Windsbraut  mit  „brausen**  oder 
„brauen"  in  Verbindung  zu  bringen,  so  steht  dieser 
Deutung  die  Autorität  Grimmas,  Simrock's,  Wei- 
gand's,  Klnge's,  Lexer's  und  Meyer's  entgegen. 
Diesen  ssufolge  findet  sich  das  Wort  in  der  alt- 
hochdeutschen Form  wintsprüt,  windisbrüt,  win- 
tesprüt,  und  in  der  mittelhochdeutschen  windes- 
brüt  und  bedeutet :  Braut  des  Windes.  Dem  Aus- 
druck liegt,  wie  man  annimmt,  eine  —  des  Weiteren 
nicht  aufgeklärte  —  mythologische  Vorstellung 
Bugrunde. 

7)  Möglich,  dass  die  Vorbilder  dieser  Stein- 
säulen aus  Holz  gefertigte,  eben  diesem  höchsten 
einheimischen  Gott  geweihte  Säulen  gewesen  sind. 
Diese  Sitte  mag  dann  die  romanisierte  Bevölke- 
rung beibehalten  haben,  nur  dass  sie  die  Säulen 
aus  unvergänglicherem  Material  errichtete  und 
zugleich  das  Unrömische  der  Darstellung  dadurch 
mit  ihrem  Gefühl  in  Einklang  zu  bringen  suchte, 
da»8  sie  die  tLbrigen  Teile  der  Denkmäler  mit 
ihren  Göttern  belebte.  Minder  Vermögende  haben 
sich  vielleicht  damit  begnügt  zur  Beschwörung 
des  Donnergottes  den  von  ihm  durch  den  Blitz- 
strahl zur  Erde  geschleuderten  Hammer  (Donner- 
keil) unter  das  Dach  zu  verstecken,  um  die  Blitz- 
gefahr von  ihm  abzuwenden,  eine  Sitte,  wie  sie 
zu  allen  Zeiten  geübt  wurde  und  noch  heutzutage, 
auch  in  unserer  Gegend  manchmal  vorzukommen 
pflegt. 


Auch  das  Auftreten  der  Wochengötter 
auf  dem  Zwischensockel  und  der  vier 
Tages-  oder  Jahreszeiten  am  Kapital,  wel- 
ches sonst  schwer  zu  erklären  wäre,  lässt 
sich  mit  unserer  Deutung:  Juppiter  sei 
als  Blitz-  und  Donnergott  dargestellt,  gut 
vereinen.  Schon  Hettner :  „Die  römischen 
Steindenkmäler  des  Prov.  -  Museums  zu 
Trier'*,  sagt  S.  22:  „Diese  (die  eben  an- 
geführten Darstellungen)  lehren  vielmehr, 
dass  der  Hauptgott  des  Denkmals  als 
Gott  des  Himmels,  nicht  als  einer  des 
Sieges  gefeiert  werden  soll". 

Eine  Stütze  meiner  Ansicht  über  diese 
Denkmäler  dürfte  in  einer  mir  zufällig 
erst  jetzt  zu  Gesicht  gekommenen  Notiz 
von  Hettner  (Wd.  Korrbl.  VI  Nr.  159)  zu 
finden  sein.  Er  macht  darin  aufmerksam, 
dass  auf  einem  im  Aschaffenburger  Museum 
befindlichen,  dem  Juppiter  von  einem  Cen- 
turio  der  22.  Legion  geweihten  Inschrift- 
stein sich  die  Darstellung  eines  Denkmales 
fände,  welches  ganz  genau  unseren  Juppiter- 
säulen  entspräche.  Die  untere  Hälfte  be- 
stände zweifellos  aus  einem  Altar  in  der 
Form  der  Viergötteraltäre,  dann  käme  die 
Säule  mit  sich  nach  oben  verjüngendem 
Schafte  und  kleinem  Kapital.  Auf  der 
Spitze  derselben  der  Blitz  des  Jup- 
piter in  der  allbekannten  Darstellung. 
Hettner  sagt  zum  Scbluss:  „Wir  haben 
also  hier,  durch  den  Blitz  als  eine  Dedi- 
kation  an  Juppiter  sicher  bezeichnet,  einen 
Aufbau  vor  uns,  der  genau  der  Rekon- 
struktion der  Juppitersäulen  entspricht, 
wie  sie  Westd.  Zeitschr.  IV  S.  369  gege- 
ben worden  ist".  Brarabach  bezeichnet 
die  Darstellung  geradezu  als  „fulmen- 
columna". 

Wenn  nun,  wie  die  Darstellung  be- 
weist, diese  Art  Denkmäler  dazu  diente, 
den  Blitz  des  Juppiter  zu  tragen,  liegt  da 
nicht  der  Gedanke  nahe,  dass  dann  auch 
der  diese  Denkmäler  sonst  krönende  rei- 
tende Juppiter  als  Attribut  eben  diesen 
Blitz  oder  eine  ihn  andeutende  Waffe  ge- 
fiihrt  habe,  und  dass  man  ihn,  hier  wie 
dort,  als  Blitz gott  hat  verehren  wollen ? 
Waren  dann,  frage  ich,  nicht  auch  unsere 
Denkmäler  „Blitzsäulen"? 

Nach  Fertigstellung  vorstehender  Arbeit 
erlange  ich  durch  die  freundliche  Mittei- 


-    119    — 

lung  des  Herrn  Dr.  Ilammeran  in  Frank- 
furt Kenntnis  von  zwei  durch  Clermont- 
Ganneau  in  Syrien  und  Ägypten  gefunde- 
nen „Gigantensäuien'*.  Auf  der  ersten 
soll  der  Gott  Pfeil  und  Bogen,  auf  der 
zweiten  die  Lanze  fuhren. 

Diese  Funde  dürften  eher  meine  An- 
sicht von  der  Bedeutung  dieser  Denkmäler 
bestätigen,  wie  die  der  früheren  Erklärer. 
Denn  jetzt  wird  man  doch  wohl  kaum 
noch  an  der  Auffassung  festhalten  können, 
diese  Säulen  seien  Siegesdenkmäler  über 
die  Germania  devicta.  Oder  wird  man 
jetzt  annehmen  wollen,  die  neugefundenen 
Säulen  seien  zur  Erinnerung  an  die  Syria 
devicta  und  Aegyptus  devicta  errichtet 
worden  ? !  Auch  dann  noch,  wenn,  wie  es 
scheint,  hier  ebensowenig  von  einem  Kampf 
zwischen  Reiter  und  Schlangenmensch 
zu  bemerken  ist,  wie  bei  unseren  Gruppen? 
Schon  der  Umstand,das8  der  Gott  Pfeil  und 
Bogen  führt,  lässt  kaum  an  einen  Kampf 
zwischen  Reiter  und  Schlangenmensch  den- 
ken. Doch  Näheres  werden  wir  wohl  noch 
aus  den  Publikationen  erwarten  dürfen. 

Die  Ansicht  Ilammeran's,  welche  er 
schon  bei  der  Auffindung  der  Heddern- 
heimer  Säule  ausgesprochen  hatte  (Korrbl. 
IV,  3),  dass  in  dem  reitenden  Juppiter  der 
orientalische  Zeus  Sabazios  zu  erkennen 
wäre,  haben  schon  Ilettner  und  Ilaug  zu 
widerlegen  gesucht.  In  der  Auffindung 
zweier  Denkmäler  im  Orient  selbst  scheint 
nun  Ilammeran  eine  Bestätigung  seiner  da- 
maligen Ansicht  zu  erblicken,  wie  aus  einem 
in  den  „Frankfurter  Nachrichten**  Nr.  9 
vom  11.  Januar  d.  J.  erschienenen  Aufsatz 
hervorgeht.  Er  hält  dort  an  dem  „semi- 
tischen** Charakter  der  Gruppe,  „von 
dem  Niemand  etwas  bisher  habe  wissen 
wollen",  fest.  Er  sagt  ferner:  „Kein  Mensch 
wollte  glauben,  dass  unser  Juppiter-Typus 
aus  dem  gallisch  -  germanischen  Kreise 
heraustreten  könne." 

Dass  dies  wirklich  geschehen,  scheint 
mir  aber  auch  jetzt  noch  nicht  bewiesen 
zu  sein.  Das  Auffinden  von  zwei  derartigen 
Denkmälern  im  Orient  spricht  noch  nicht 
für  den  semitischen  Ursprung  derselben, 
weit  eher  für  den  gallo-germanischen  Ur- 
sprung die  Gruppe  von  Ehrang,  was  wir 
weiter  vom  ausgeführt  haben.    Ilammeran 


—    120    — 

meint:  „vielleicht  wird  den  Hammer  des 
Sabazios  eine  spätere  Gelegenheit  zeigen.'' 
Aber,  wenn  auch  der  Hammer  einmal  er- 
scheinen sollte,  so  wäre  damit  für  den 
Sabazios  noch  nichts  Sicheres  bewiesen. 
Hettner  verlangt  für  diesen  asiatische 
Kleidung  und  dann  vor  Allem  den  Ham- 
mer, welcher  sich  aber  selbst  bei  den  jetzt 
im  Orient  entdeckten  Denkmälern  nicht 
gefunden  hat.  Unter  den  vier  bisher  ge- 
fundenen Gruppen,  welche  den  Gott  mit 
der  Waffe  zeigen,  erscheint  drei  Mal  die 
Lanze  und  ein  Mal  Bogen  und  Pfeil. 

Meiner  Meinung  nach  müssen  wir,  un 
die  Bedeutung  des  Gottes  zu  erklären,  die 
Denkmäler  in  Betracht  ziehen,  welche  emen 
Gott  in  ähnlichen  Darstellungen  zeigen 
wie  auf  unseren  Gruppen.  Es  sind  dies 
die  Viergötteraltäre,  auf  welchen  Juppiter 
stehend,  mit  dem  sog.  Schlangenmänn- 
ehen  zur  Seite,  abgebildet  ist  und  die 
französischen  Terracotten  mit  demselben 
Motiv.  Denn  es  scheint  mir  ganz  unzwei- 
felhaft, dass  diese  Darstellungen  demselben 
Ideenkreise  angehören  wie  die  Gruppen 
der  sog.  Gigantensäulen. 

Dass  dieses  der  Fall,  geht  aus  dem  Um- 
stände hervor,  dass  der  Gott  auch  hier  mit 
dem  Schlangenmenschen  vergesellschaftet 
ist,  dass  er  ferner  das  dem  Juppiter  eigene 
Bart-  und  Haupthaar  trägt  und  dass  er 
mit  denselben  Stiefeln  bekleidet  ist  wie 
der  reitende  Juppiter.  Auch  dasselbe  At- 
tribut scheint  er  zu  fi'iliren,  denn  meist  ist 
es  ein  länglicher,  einer  Lanze  ähnlicher 
Gegenstand,  welchen  er  mit  der  Rechten 
hält.  Auf  dem  Rottweiler  Altar  ist  die 
Hand  zur  Aufnahme  dieses  Attributes  ge- 
radeso durchbohrt,  wie  bei  vielen  reiten- 
den Juppiterdarstellungen. 

Aber  auch  ein  anderes,  bei  den  zuletzt- 
genannten bisher  noch  nicht  beobachtetes 
Attribut  führt  er  manchmal :  das  Rad.  Die 
herabhängende  linke  Hand  ruht  stets  auf 
dem  Kopfe  des  schlangenfüssigen  Wesens, 
welches  meist  für  weiblich  angesehen  wird. 

Dieser  Gott  mit  dem  Rade  erscheint 
aber  auch  ohne  Schlangenmännchen  aof 
mehreren  französischen  und  zwei  im  Speye- 
rer Museum  befindlichen  Yiergötteraltären. 
Er  hält  hier  das  Rad  in  der  linken  Hand, 
in  der  rechten  dagegen  eine  Lanze  oder 


ein  Szepter.  Der  Gott  mit  dem  Rade 
wird  nun  durch  die  Bronze  von  Landouzy- 
la-Ville  inschriftlich  als  Juppiter  be- 
zeichnet. Man  betrachtet  diesen  Gott  all- 
gemein als  den  gallischen  Juppiter. 
Hettner,  ^ Steindenkmäler"  S.  30  sagt:  „Der 
celtische  Ursprung  des  Gottes  folgt 
aus  dem  Yerbreitungsbezirk,  sein  Name 
war  vielleicht  Taranis,  das  von  ihm  ge- 
tragene Rad  ist  vermutlich  das  Symbol 
der  Sonne**. 

Meines  Erachtens  nun  ist  diese  grosse 
Ähnlichkeit  zwischen  dem  stehenden  und 
dem  reitenden  Juppiter  ein  hinreichender 
Beweis  ftir  die  Annahme,  dass  wir  auch 
für  den  letzteren  den  Ursprung  in  der 
gallo  -  germanischen  Mythologie  und  nicht 
in  einem  orientalischen  Cult  zu  suchen 
haben. 

Für  die  beiden  im  Orient  gefundenen 
Gruppen  aber  dürfte  eher  anzunehmen 
sein,  dass  ihre  Errichtung  gallisch-germa- 
nischen Ansiedlem  zuzuschreiben  sei,  als 
dass  sie  den  Urtypus  dieser  bei  uns  so 
ausserordentlich  verbreiteten  Denkmäler- 
gattung dargestellt  hätten.  Wahrscheinlich 
haben  germanische  Bewohner  der  dortigen 
Gegenden  ihrem  einheimischen  Gotte  aus 
dem  gleichen  Grunde  Votivsäulen  errichtet, 
wie   ihre  Stammesbrüder  im  Mutterlande. 

Während  der  reitende  Juppiter  als  der 
durch  die  Lüfte  reitende  Blitz-  und  Don- 
nergott zu  betrachten  ist,  wird  man  sich 
den  stehenden  Juppiter  mit  dem  Szepter 
als  den  höchsten  Gott,  den  Lenker  des 
Weltalls,  den  mit  dem  Rade  als  den  Son- 
nengott zu  denken  haben,  gleichviel,  ob 
er  nun  mit,  oder  ohne  Schlangenmensch 
dargestellt  worden  ist. 

Worms.  Dr.  Koehl. 

54^  Die  erzbiscbSflichen  Beamten  in  der  Stadt 
K0ln  wälirend  des  zwölften  Jahrhunderts  II. 
Darch  andere  Arbeiten  war  ich  leider  bis 
jetzt  verhindert,  die  Fortsetzung  meiner 
Entgegnung  ^)  auf  die  von  Herrn  Dr.  Varges 
meiner  Dissertation  gewidmete  Kritik  er- 
scheinen zu  lassen.  Hatte  ich  im  ersten 
Teile  mich  auf  die  Zurückweisung  der  Ein- 
wurfe desselben  gegen  meine  Auffassung 
des    Stadtvogtes    nnd    des    Untervogtes') 

1)  Tgl.  Korrbl.  1894  Sp.  236  ff. 

2)  Zu  di«8em  Funkte   sei  mir  noch  folgender 


beschränkt,  so  erübrigt  jetzt  noch  die  Er- 
örterung unserer  entgegengesetzten  An- 
schauungen über  den  Charakter  des  Burg- 
grafen- und  Untergrafen- Amtes.  „Obwohl 
die  Quellen  klar  zeigen,  dass  der  Burggraf 
ursprünglich  köuiglicher  Beamter  ist,  der 
unter  Königsbann  dingt  und  den  Vorsitz 
im  Grafending  führt,  macht  Lau  denselben 
zum  erzbischüflichen  Beamten.''  Dieser 
mir  von  Varges  gemachte  Vorwurf  schiesst 
weit  über  das  Ziel  hinaus.  Dass  ich  den 
Burggrafen  für  einen  ursprünglich  könig- 
lichen Beamten  erhalten  habe,  erhellt  doch 
schon  aus  meiner  weiterhin  von  Varges 
berührten  Ableitung  desselben  von  dem 
Grafen  des  Kölngaus.  Der  springende 
Punkt  ist  nur  der,  ob  man  den  Grafen 
noch  im  12.  Jahrhundert  als  königlichen 
oder  als  erzbischüflichen  Beamten  betrachten 
darf.  Zur  Rechtfertigung  meiner  Ansicht 
hatte  ich  darauf  hingewiesen,  (S.  7),  dass 
die  Worte  des  gefälschten  Schiedes  „quod 
una  nobiscum  bannum  iudicii  ab  imperio 
tenef,  eben  weil  sie  einer  nachweislich 
gefälschten  Urkunde  entstammen,  nur  mit 
Vorbehalt  anzunehmen  seien,  dass  die 
Wahrscheinlichkeit  einer  Interpolation  oder 
Veränderung  der  älteren  Vorlage  bei  die- 
sen Worten  ganz  besonders  nahe  liege,  dass 
ferner  bei  der  Verpfändung  der  Burggraf- 
schaft 1198  (S.  11)  >)  die  Übertragung 
durch  den  Erzbischof,  ohne  Mitwirkung 
des  Königs  geschehen  sei,  woraus  sich 
schlagend  ergiebt,  dass  wenigstens  in  den 
Augen  des  Erzbischofs  und  des  Burggrafen 
schon  damals  das  Burggrafenamt  als  ein 
erzbischöfliches  Lehen  galt,  eine  Anschau- 
ung, die  im  13.  Jahrhundert  bekanntlich  *) 
zu  noch  schärferem  Ausdruck  gelangt.  Es 
liegen  nun  zwei  Möglichkeiten  vor.  Ent- 
weder ist  der  Burggraf,  sicherlich  früher 
ein  königlicher  Beamter,  stets  ein  solcher 
rechtlich  geblieben  und  nur  allmählich  in 


Nachtrag  geBtattet.  Varges  betont,  dass  anch  in 
Bremen  nnd  Hildesheim  der  Untervogt,  wie  in 
Köln,  ein  commnnaler  Beamter  gewesen  sei. 
Er  selbst  aber  erklärt  noch  1893  (Zeitschrift  des 
historischen  Vereins  fQr  Niedersachsen  S.  86ö) 
denselben  Beamten  —  horribile  dictu  —  fQr  einen 
erabischO  fliehen. 

3)  Jetist   besser   Höniger    Schreinskarten   n* 
Scab.  2  m  5. 

4)  Lac.  n  nr.  727  (1279  Aug.  16). 


—    12.1    — 

AbbäDgigkeit  von  dem  Erzbischof  geraten, 
und  die  1198  sich  geltend  machende  An- 
schauung ist  als  Endglied  einer  solchen 
Entwicklung  zu  betrachten,  oder  dem  Erz- 
bischof ist  einmal  von  selten  des  Königs 
die  volle  Gerichtshoheit  übertragen  worden 
und  damit  mit  einem  Schlage  der  Burggraf 
ein  erzbischöflicber  Beamter  geworden, 
wenn  er  auch  seinen  früheren  Bann  und  seine 
Funktionen  beibehielt.  Beide  Entwick- 
lungen sind  gleich  glaubhaft,  beweisen 
lässt  sich  schlechtweg  keine  von  beiden. 
Aus  diesem  Grunde  habe  ich  auch  in  mei- 
ner Dissertation,  wo  ich  mich  der  letzte- 
ren anschloss,  die  Möglichkeit  der  ersteren 
(S.  11  Z.  8)  ausdrücklich  zugegeben.  Da- 
ran glaube  ich  auch  Yarges  gegenüber 
festhalten  zu  können,  dass  der  Burggraf 
im  12.  Jahrhundert  persönlich  und  amtlich 
in  Abhängigkeit  vom  Erzbischof  stand, 
resp.  geraten  war,  und  dass  aus  diesem 
Grunde  die  Zurechnung  desselben  zu  den 
erzbischöflichen  Beamten  für  diese  Zeit 
sich  rechtfertigen  lässt.  Yarges  fährt  fort : 
„Der  Burggraf,  prefectus  urbis,  der  doch 
ursprünglich  nichts  weiter  ist,  als  der 
Kommandant  der  Festung  Köln,  dem  erst 
nach  Exemption  der  Stadt  Köln  vom  Gau 
der  Yorsitz  im  öffentlichen  Stadtgericht 
übertragen  ist,  ist  nach  Lau  ein  Graf  des 
Kölngaus  oder  ein  Teilgraf  desselben.** 
Diese  Behauptung,  und  namentlich  die 
unumstössliche  Bestimmtheit,  mit  der  die- 
selbe ausgesprochen  ist,  macht  einen  et- 
was komischen  Eindruck.  Ich  kann  den 
Beweis  für  seine  Ansicht  ruhig  Yarges 
überlassen,  er  wird  ihn  nicht  führen  können. 
Jedenfalls  hat  er  sich  in  seinem  Übereifer 
nicht  die  Frage  vorgelegt,  weshalb  nicht 
ebensowohl  dem  Grafen  des  Kölngaus 
nachträglich  die  Geschäfte  des  „Stadtkom- 
mandanten** übertragen  sein  können.  Ich 
halte  auch  hier  vollkommen  an  meiner 
Ansicht*)  fest.  Auch  meine  Erörterungen 
über  den  Untergrafen  haben  Yarges'  Bei- 
fall nicht  gefunden :  Er  wirft  mir  vor,  dass 
ich  eine  durchaus  glaubhafte  Ansicht  He- 
gels ")  nicht  angenommen,  sondern  an 
deren   Stelle   nur   eine   „sonderbare**  Er- 


5)  Die  ja  auch  Hchon  ähnlich  von  Ilegel  (Cbron. 
XII  S.  XXIII)  auRfiresprochen  ist. 

6)  Chron.  XIV  S.  XXXIX. 


—    124    — 

klärung  für  das  gleichzeitige  Yorkommeo 
mehrerer  Bürger  mit  dem  Beinamen  Comes 
in  den  Zeugenreihen  gegeben  habe.  Ich 
hatte  behauptet  (S.  30):  Es  gab  in  der 
Altstadt  Köln  während  des  zwölften  Jahr- 
hunderts nur  einen  Untergrafen.  Wenn 
mehrere  Bürger  mit  der  Bezeichnung  Comes 
unter  den  Schöffen  vorkommen,  so  ist  dies 
dadurch  zu  erklären,  dass  das  Grevenamt 
kein  lebenslängliches  war,  die  früheren 
Träger  dieses  Amtes  aber  den  Beinamea 
Comes  als  ehrende  Auszeichnung  fortiuhr- 
ten.  Diese  Erklärung  ist  nicht  „sonder- 
bar**, ganz  dasselbe  lässt  sich  auch  für 
das  13.  ^  und  14.  Jahrhundert  voUkommea 
genau  nachweisen.  Die  gleiche  Sicher- 
heit lässt  sich  freilich  im  12.  Jahrhundert 
nicht  erreichen,  und  nicht  bei  allen  ge- 
nannten^) Untergrafen  der  Yorgang  sich 
beweisen.  Indessen  haben  zwei  mir  seit- 
dem bekannt  gewordene  Urkunden*)  mei- 
nen Ansetzungen  nicht  widersprochen, 
sondern  dieselben  bestätigt.  Für  das 
Yorhandensein  von  mehreren  Untergrafen- 
bezirken in  der  Altstadt  findet  sich  in  den 
Schreinskarten  und  -büchem  nicht  der  ge- 
ringste Anhalt,  und  es  liegt  absolut  keine 
Nötigung  vor,  aus  dem  gleichzeitigen  Yor- 
kommen  mehrerer  Männer  mit  dem  Zu- 
namen Comes  auf  solche  zu  scbliessen. 

Ich  kann  demnach  von  allen  Ausstel- 
lungen, die  Yarges  an  meiner  Schrift  za 
machen  hat,  nur  denjenigen,  betr.  das 
Burggrafenamt,  eine  gewisse  snbjeküve 
Geltung  zusprechen,  insofern  die  von  ihm 
aufgestellten  Ansichten  ebenso  möglich 
sind,  wie  die  von  mir  vertretenen.  In 
allen  anderen  Punkten   muss   ich   seinen 


7)  Als  Beispiel  sei  hier  nur  genannt:  lf73 
Oci.  2  (Qu.  ni  nr.  HS):  Gerardns  Overstols  qoon- 
d  a  m  vicecomes,  Schrein sb.  178  f.  £4a  1290  März 
Gerardus  Comes,  Bchreinsb.  121  f.  43b  (12S6  !>»£■ 
12)  Gerardus  dictus  Overstols  Comes.  Bei  d^in 
Geschlecht  von  der  Kornpforte  wurde  Greve  »cg^r 
Familienname. 

8)  Bei  dreien  habe  ich  den  Nachweis  gvffibrt 
(S.  40). 

9)  Hoeniger,  Mevissen  -  Festschrift  8.  27^  c. 
1131—38.  Weselo  advooatus.  Sigewinns  ronii^». 
Franquinet:  Vrouwekerk  te  Maastricht  nr.  5  li&^ 
in  presentia  comitis  Alberonis  et  advocati  Heri- 
manni.  Ich  hatte  (S.  7u)  die  Amtsseit  des  Greven 
Sigewin  auf  c.  1126—36,  die  des  Albero  (S.  71)  aaf 
c.  1156  bis  1166  berechnet.  Beide  genannten  l'r- 
knnden  passen  dazu. 


—    1Ö5    — 

Angriffen  jegliche  Berechtigung  abstreiten. 
Seine  Behauptungen  sind  trotz  der  selbst- 
bewussten  Form,  in  der  sie  vorgetragen 
sind,  noch  vollkommen  unerwiesen  und 
unerweisbar. 

Köln.  Dr.  Fr,  Lau. 

5.  Freie  Eigenleute  der  Grundherrschaft 
habe  ich  aus  dem  Iloyaer  Urkundenbuch 
Abt.  I,  Heft  I,  S.  22,  vom  Jahre  1291,  im 
deutschen  Adels -Blatte  1894,  S.  986  f. 
nachgewiesen  und  zugleich  angedeutet,  dass 
sich  "die  noch  auffallendere  Bezeichnung 
„edle  Eigenleute**  findet. 

Nach  J.  G.  Estor  commentarii  de  mi- 
nisterialibus ,  S.  419  Urkunden  nämlich 
die  Vettern  Konrad  und  Konrad,  Herren 
von  Weinsberg,  im  Jahre  1287,  dass  sie 
vom  Abt  Marquardt  in  Fulda  die  Erlaub- 
nis erhalten  haben,  dass  die  ehelichen 
Töchter  Uta  und  Agnes  eines  nicht  ge- 
nannten Bruder  des  Edlen  Engelhard  von 
Neideck  (fratris  Engelhardi  nobilis  de 
Nidecke),  eigne  Ministerialinnen  des 
Klosters,  mit  (weinsbergischen)  Dienstman- 
nen oder  edlen  Eigenleuten  (ministeria- 
les  seu  nobiles  homines  proprii)  und  deren 
Söhnen  sich  verheiraten  dürfen;  mit  der 
Bedingung,  dass  die  Kinder  beiderlei  Ge- 
schlechtes dem  Abt  und  ihnen  (sui  et 
nostri  equaliter  sint  communes)  gemein- 
schaftlich gehören. 

Die  Herren  v.  Weinsberg  selbst  ge- 
hören einem  Dlenstmannengeschlechte  an, 
wie  z.  B.  ein  Conrad  v.  Weinsberg  (bei 
C.  V.  Stalin,  Wirtb.  Geschichte,  Bd.  II, 
S.  595,  Anmerk.  2)  ausdrücklich  1231  mi- 
nisterialis  Heinrici,  Romanorum  Regis  ge- 
nannt wird.  Im  Wirtembergischen  Urkun- 
denbuch Bd.  V,  S.  10  findet  sich  aber 
1253  schon  die  Bezeichnung  „herre  v.  Wins- 
perc"  während  S.  70  nur  von  fratribus 
de  Winczberg  die  Rede  ist.  Das  Ministerial- 
verhältnis  war  also  unsicher  geworden,  und 
mit  Recht  sagt  J.  Ficker  (die  Reichshof- 
beamten der  staufischen  Zeit) :  dass  dieser 
Stand  bei  mächtigeren  Familien  schon  mit 
Ende  des  13.  Jahrhunderts  verschwand. 
Auch  Glieder  der  Familie  Borcb,  die  ihm 
trotz  höherer  Abstammuüg  einige  Zeit  an- 
gehört, heissen  in  Riedels  Codex  dipl. 
Brandb.  Bd.  Xa,  S.  452  in  Magdeburg  am 
1.  Juli  1285  Herren.    Die  von  R  Schröder 


—    126    -- 

vor  einigen  Jahren  in  der  Zeitschrift  für 
Rechtsgeschichte  (der  Savigny-Stiftung)  in 
einem  Aufsatz  über  den  Sachsenspiegel 
aufgestellte  Behauptung  (auf  welche  er  in 
seinem  Lehrbuch  2.  Aufl.  S.  548  ff.  ver- 
weist) :  dass  im  12.  Jahrhundert  die  freien 
Herren  fast  alle  (!)  in  den  Stand  der 
Dienstmannen  getreten  seien,  „aber  diesem 
erst  seit  Ende  des  13.  Jahrhunderts 
recht  eigentlich  angehört  hätten'^,  ist 
daher  leider  sowenig  richtig,  als  die  an- 
dere (S.  42i) :  dass  es  in  Mecklenburg  und 
Pommern  Dienstmannen  gegeben  habe. 
Auch  die  an  der  ersten  Stelle  seines  Lehr- 
buches für  Rechtsgeschichte  versuchte  Be- 
weisführung, dass  der  Sachsenspiegel  des- 
halb erst  nach  1215  abgefasst  sein  könne, 
weil  der  Verfasser  um  diese  Zeit  in  den 
Stand  der  Dienstmannen  getreten  und 
diesen  zu  heben  suche,  ist  höchst  ge- 
wagt^), denn  0.  v.  Zallinger,  auf  den  er 
sich  stützt,  weiss  in  seinem  Werke  (S.  219) 
nichts  weiter  dafür  anzugeben,  als  dass 
Eike  V.  Repkow  1218  unter  sonst  bekann- 
ten Personen  dieser  Klasse  als  Zeuge  stehe. 
Schon  H.  Schuster  hatte  (in  den  Mittei- 
lungen des  Instituts  für  österreichische  Ge- 
schichtsforschung Bd.  lll)  S.  396,  Nr.  2 
diese  Folgerung  des  Standes  für  eine 
juristische  Unmöglichkeit  erklärt,  und  ich  will 
hinzufügen :  war  Graf  Bertfaold  v.  Eschen- 
lohe, den  Herzog  Ludwig  von  Bayern  (mon. 
boica  Bd.  VHl,  S.  188)  im  Jahre  1258 
hinter  bekannten  Dienstmannen  nennt, 
auch  ein  solcher?  Oder  ist  der  Herzog 
V.  Spoleto  ein  Dienstmann  geworden,  weil 
ihn  (nach  Böhmer's  Reg.  imperii)  König 
Friedrich  am  21.  September  1220  in  der 
Zeugenreihe  hinter  den  Reichstruchsess 
V.  Bolanden  und  den  Marschall  v.  Justingen 
stellt  ?  Oder  hatte  der  Herzog  v.  Kärnthen 
den  Reichsfürstenstand  verloren,  weil  er 
(cod.  dipl.  Moraviae  II,  S.  279)  im  Jahre 


1)  Nach  aeinom  Landrecht  III,  10,  54  g  1,  80 
§  2,  81  §  1  erhalten  ja  freigelassene  Dicnstuiannen 
nur  freier  Land  sagten  Recht,  tind  für  ReichB- 
ministcrialen  wird  Freiheit  gefordert,  wenn  sie 
Schöffen  werden  wollen:  und  das  war  doch  ge- 
wiB8  keine  licvorxugung  der  Dicnstraannen 
seitens  des  Verfassers.  Neben  solchen  (irttnden 
fUr  die  Kntstehungszpit  des  Rechsbiiches  darf  ich 
vielleicht  auch  auf  die  nieinigen  (Zeitschr.  für 
Staatswissenschaft  1800,  S.  888  AT.)  verweisen. 


-    12?    - 

1234  hinter  dem  Grafen  v.  Huternwarth 
Zeuge  ist? 

Mit  Recht  weist  aber  H.  Gengier  (Bei- 
träge IV,  S.  69)  darauf  hin,  dass  es  z.  B. 
im  Würzburgischen  zwei  Klassen  von  Mi- 
nisterialen gab,  die  ersteren,  namentlich 
Inhaber  der  Ilofamter  mit  freiem  Dienst, 
„ab  omni  jugo  servili  absoluti'',  die  ge- 
ringeren dagegen  eigen-  und  grundhörig 
„proprietatis  jure  perpetno  ab  episcopo 
possessio,  und  ähnlich  verhielt  es  sich 
wohl  in  der  Weinsberger  Urkunde  mit 
den  Töchtern  des  Edelherrn  v.  Neideck, 
der  eine  niederere  Ministerialin  von  Fulda 
geheiratet  haben  muss;  denn  die  Kinder 
folgten,  wie  Kaiser  Friedrich  (mon.  boica 
Bd.  29>,  S.  325)  im  Jahre  1 156  ttbcr  die 
hörige  Tochter  des  Marschall  v.  Pappen- 
heim und  den  Würzb.  Dienstmann  Bodo  ur- 
kundet,  „der  Mutter  nach  Gewohnheits- 
recht*'. Merkwürdig  ist  hier  nur,  dass  die 
Kinder  in  Fulda  und  Woinsbcrg  einen  dop- 
pelten Herrn  erhalten  und  nicht,  wie  oben 
1156,  geteilt  werden  sollten,  wenn  man  doch 
nicht  nach  Gewohnheit  handeln  wollte. 

Schwierig  aber  ist  die  Erklärung  der 
hinter  den  Dienstmannen  genannten  „ed- 
len Fiigenleute^,  wenn  man  in  den  Worten 
ministeriales  seu  nobiles  homines  proprii 
nicht  eine  einfache  Erklärung  der  Dienst- 
mannen finden  will.  Es  kann  sich  aber 
auch  um  einen  anderen  Stand  handeln, 
denn  ich  habe  an  obiger  Stelle  des  deut- 
schen Adelsblattes  nicht  nur  freie  Eigen- 
leute, „wie  auch  Adelige  mit  Frohn- 
diensf*  nachgewiesen,  sondern  ich  kenne 
auch  Beispiele  aus  H.  Genglers  Beiträgen 
(IV,  S.  47),  in  denen  seu  so  viel  als 
„oder  —  und"  bedeutet:  viribus  seu  aliis 
qnibuscumque  modis  ad  rcquircndum  illnd 
seu  defendendum  omni  modo  etc.  Sehr 
leicht  wären  die  edlen  Eigenleute  zu  er- 
klären, wenn  man  einfache  Freie  darunter 
verstehen  wollte,  die  nicht,  wie  die  Dienst- 
mannen hauptsächlich,  Kriegsdienst  zu  Ross 
leisteten,  sondern  auf  herrschaftlichem  Eigen 
sassen  und  dies  (wie  im  Ilabsburg-  öster- 
reichischen Urbarbuch,  hrsg.  von  Dr.  Pfeiffer 
S.  243)  bebauten.  In  diesem  Falle  wäre 
ihre  Stellung  hinter  den  Dienstmannen 
bedeutungslos,  denn  schon  in  einer  Straf- 
bestimmung Kaiser  Heinrich  IV  von  1085 


-    128    — 

heisst  es  bei  J.  Ficker  (vom  Reichsfursten- 
stand  I,  S.  65):  Freie  oder  Ministerialen 
zahlen  zwei  Pfund.  Allerdings  werden 
Gemeinfreie  nur  in  Ostsachsen  auch  no- 
biles genannt,  allein  in  der  Kanzlei  der 
Herren  v.  Weinsberg  konnte  ein  solcher 
Fehler  wohl  vorkommen. 

Sodann  wäre  es  doch  auch  möglicb, 
dass  die  edlen  Eigenleute  solche  verarmte 
Adelige  waren,  wie  ich  am  obigen  Ort 
aus  der  Zeitschrift  des  Harzvereins  1^93, 
S.  123,  noch  im  17.  Jahrhundert,  in  Thü- 
ringen  als  „Frohnhäusler*"   nachgewiesea. 

Die  Urkunde  der  Herren  v.  Weinsberg, 
welche  in  der  Zeitschrift  des  historiscbefi 
Vereins  für  Wirtembergisch  -  Franken 
(Bd.  VII,  Heft  3,  S.  500)  mit  der  Jahreszahl 
1284  und  auch  sonst  etwas  abweichend  mit- 
geteilt wird,  ist  aber  dort  nicht  ausreichend 
erklärt,  obgleich  die  ministeriales  aeu 
nobiles  homines  proprii  nicht  fehlen.  Dass 
freie  Herren  solche  auch  im  Süden  des 
Reiches  haben  konnten,  wird  von  R.  Schrö- 
der (nach  V.  Zallinger)  in  seinem  LfChr- 
buch  (S.  429)  gänzlich  geleugnet  Weitere 
Stellen  dieses  Werkes  hatte  ich  bereits 
im  Oktoberheft  1894  des  juristischen  Lit- 
teraturblattes  die  Ehre  zu  besprechen. 
Homburg  v.  d.  Höhe. 

Freiherr  L.  v.  Borcb. 


Verlag  dar  Fr.  LIntz'tchen  BnchhAadlang  in  Tri«r: 

Lahneck  und  Oberlahnstein. 

Ein  Beltraar   xux  8pezlalflr«>ohielit«   d«r 
BhelBlande 

▼on  Dr.  Jul.  W«gel«r. 
Preis  80  Pfg. 


RichaN  vii  Creiffeiehi  n  Vallralbs 

Erzbischof  und  KurfDrtt  von  Trier  1511—1531. 

Ein  Beitrag  znr  Sperialgeschichte  der  Rheinlaade 
▼on 

Dr.  JhI.  We^eler. 

Mit  einer  Tafel.    Preia  M.  iJbO, 


Anleitung 

snm 

Lesen,  Ergänzen  id  Datieren  rooi.  Insdirifteii 

mit  besonderer  Berttekaiohtignng   der   Kaiseneit 
nnd  der  Rheinlande 

von  c.  Bone. 

Mit  einer  lithograph.  TafaL    Preit  fib.  JL  130^ 


Dmok  Q.  YerlAff  dav  Fr.  Linto  »lohaii  BnohbMidliiag  Ja  Trltr 


VMT^mltelM  IL  RSmltdM  2«lt 

redigiert  Ton 
Prof.  Htttmr  n.  Dr. 
Tri«. 


Mtttüftlttr  md 

fl«digl«rl  \ 
ArobiTM  Dr. 
KOIn. 


der 


Westdeutschen  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst, 

sasleieh  Organ  der  hiBtoriseli-aBtiqiuuriselien  Vereine  n  Birkenfeld,  Dftsseldorf,  Frank- 

fnrt  a.  IL,  Karlsrnke,  Naini,  Nannheini,  Mets,  Nenn,  Prim,  Speyer,  Strawkari;, 

Trier,  Womt,  gewie  des  anthropologiseken  Vereins  sn  Stnttsart 


Jali 


Jahrgang  XIV,  Nr.  7. 


1895. 


Das  Korr«tpond«nsblatt  ertoheint  in  «insr  Auflage  Ton  4000  ExamplAren.    Inserat«  4  S6  Pfg.  für  die 

gespaltene  Zeile  werden  ron  der  Verlagshandlnng  nnd  allen  Inseraten-Bnreans  angenommen,  Bellagen 

nach  Uebereinknnft.  —  Die  Zeitschrift  erscheint  rlerteljfthrlioh,  das  Korrespondensblatt  monatlich.  — 

Abonnementspreis  15  Mark  für  die  ZelUohrift  mit  Korrespondensblatt,  für  letsteres  allein  6  Mark. 

P^^  Beiträge  fflr  die  TorrOmisohe  nnd  römische  Abteilnng  sind  an  Dr.  Lthntr  (Trier,  ProTinsialmusenm), 
fOr  Mittelalter  nnd  Nenseit  an  Dr.  HanMn  (Köln,  StadtarohlT)  sn  senden. 


Chronik. 

»6.  Die  bisherige  Entwickelung  der  Konferen- 
zen von  Vertretern  landesgescliiclitliclier  Pu- 
biilcatiottsinstitute ').  Auf  der  zweiten  Yer- 
sammlnng  Deatscher  Historiker  zu  Leipzig 
im  J.  1894  wurde  in  der  dritten  Sitzung 
über  den  Stand  und  die  Bedeutung  der 
landesgeschichtlichen  Studien,  insbesondere 
über  die  Arbeitsgebiete  der  landesgeschicht- 
lichen Publikationsgesellschaften  beraten  '). 
Nach  eingehenden  Ausführungen  der  Herren 
Prof.  Dr.  von  Zwiedineck-Südenhorst  (Graz), 
Geheimrat  Dr.  von  Weech,  Direktor  des 
badischen  Generallandesarchivs  (Karls- 
ruhe), Stadtarchivar  Dr.  Hansen  (Köln), 
Prof.  Dr.  Markgraf  (Breslau),  Prof.  Dr. 
Pnitz  (Königsberg),  Archivrat  Dr.  Jacobs 
(Wernigerode)  über  Lage  und  Charakter 
der  entsprechenden  Institute  in  Steiermark, 
Baden,  der  Rheinprovinz,  Schlesien,Preu8sen 
und  der  Provinz  Sachsen  wurde  folgender 
Antrag  des  Prof.  Lamprecht  von  der  Ver- 
sammlung einstimmig  angenommen:  Die 
Versammlung  erklärt  es  als  dringend  er- 

1)  Bei  der  groisen  Bedeutung,  welche  diese 
Konferenxen  voraugsichtlich  in  Zukunft  fttr  die 
Veröffentlichung  der  Quellen  auch  der  westdeut- 
schen Geschichte  gewinnen  werden,  wird  es  fUr 
die  Leser  dieses  Blattes  von  Interesse  sein,  den 
bisherigen  Gang  der  Verhandlungen  kennen  su 
lernen.  Die  nächste  Konferens  wird  im  Herbst 
1896  staUfinden. 

8)  Bericht  über  die  sweite  Versammlung  deut- 
scher Historiker,  29.  Milrs  bis  1.  April  1894,  su 
Leipzig;  Leipsig,  Dnnoker  A  Hnmblot  1894,  S.  19 
bis  29. 


wünscht,  dass  im  Zusammenhang  mit  den 
künftigen  Historikertagen  Konferenzen  von 
Vertretern  der  landesgeschichtlichen  Publi- 
kationsinstitute zur  Beratung  gemeinsamer 
Angelegenheiten  stattfinden. 

In  Ausfuhrung  dieses  Beschlusses  lud 
der  Vorsitzende  des  geschäftsführenden 
Ausschusses  der  Historikerversammlung 
die  Vertreter  einer  Anzahl  von  Publika- 
tionsinstituten  zu  einer  freien  gemeinsamen 
Besprechung  auf  die  nächste  Tagung  nach 
Frankfurt  ein.  Dieser  Aufforderung  sind 
fast  alle  Eingeladenen  gefolgt.  In  den 
Konferenzen,  die  am  Mittwoch  den  17.  April 
und  am  Freitag  den  19.  April  1895  statt- 
fanden, waren  ausser  dem  Vorsitzenden 
zugegen : 

Oberlehrer  Dr.  Dobenecker-Jena  (Ver- 
ein für  thüringische  Geschichte  und  Alter- 
tumskunde); Prof.  Dr.  Finke-Münster  i.  W. 
(Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde 
Westfalens);  Prof.  Dr.  Grössler -Eisleben 
(Histor.  Kommission  der  Provinz  Sachsen); 
Archivrat  Dr.  Grotefend- Schwerin  (Kom- 
mission für  Herausgabe  des  mecklenburgi- 
schen ürkundenbuches) ;  Stadtarchivar  Dr. 
Hansen-Köln  (Gesellschaft  für  rheinische 
Geschichtskunde) ;  Stadtarchivar  Dr.  Jung- 
Frankfurt  a.  M.  (Verein  für  Geschichte 
und  Altertumskunde  Frankfurts);  Prof. 
Dr.  Köcher-Hannover  (Historischer  Verein 
für  Niedersachsen) ;  Prof.  Dr.  Pirenne-Gent 
(Commission  royale  d'histoire,  Brüssel); 
Prof.  Dr,  Prutz- Königsberg  i.  P.   (Verein 


—     131     — 

für  Geschichte  von  Ost-  und  Westpreussen) ; 
Geh.  Archivrat  Dr  von  Stalin  -  Stuttgart 
(Württembergische  Kommission  für  Landes- 
geschichte); Archivar  Dr.  Warschauer- 
Posen  (Historische  Gesellschaft  für  die 
Provinz  Posen);  Prof.  Dr.  Weber -Prag 
(Verein  für  die  Geschichte  der  Deutschen 
in  Böhmen);  Prof.  Dr.  Wolff -  Frankfurt 
a.  M.  (Verein  für  hessische  Geschichte  und 
Landeskunde);  Prof.  Dr.  von  Zwiedineck- 
Südenhorst-Graz  (Historische  Landes-Kom- 
mission  für  Steiermark);  Oberlehrer  Dr. 
Wehrmann  (Gesellschaft  für  Pommersche 
Geschichte  und  Altertumskunde);  k.  und 
k.  Generalmtgor  von  Wetzer- Wien  (k.  und 
k.  Kriegsarchiv). 

Zur  Konferenz  angemeldet,  aber  durch 
äussere  Gründe  am  Erscheinen  verhindert 
waren: 

Prof.  Dr.  Meyer  von  Kronau  -  Zürich 
(Allgemeine  Geschichtsforschende  Gesell- 
schaft der  Schweiz);  Prof.  Dr.  Schäfer- 
Tübingen  (Württembergische  Kommission 
für  Landesgeschichte);  Prof.  Dr.  Schulte- 
Freiburg  i.  B.  (Badische  historische  Kom- 
mission). 

Schriftlich  zustimmend  zur  Konferenz 
hatten  sich  geäussert: 

Verein  für  Geschichte  und  Altertum 
Schlesiens  zu  Breslau ;  Verein  für  Geschichte 
und  Landeskundig  zu  Osnabrück ;  Historisch 
genootschap  zu  Utrecht;  Esthländische 
litterärische  Gesellschaft  zu  Reval. 
Einladungen  waren  im  ganzen  25  ergangen. 
Zu  Beginn  der  Konferenzen  wurde  zu- 
nächst Prof.  Lamprecht  zum  Leiter  der 
Verhandlungen  gewählt.  Derselbe  führte 
darauf  über  die  Ziele  der  Konferenzen 
etwa  folgendes  aus:  Die  politische  Ge- 
schichtsforschung, wie  sie  lange  Zeit  vor- 
nehmlich allein  im  Mittelpunkt  der  ge- 
schichtswissenschaftlichen Bestrebungen 
stand,  ist  naturgemäss  vor  allem  der  Un- 
tersuchung und  Herausgabe  der  Quellen 
für  das  centrale  Geschichtsleben  unseres 
Volkes  nahe  getreten ;  sie  hat  dafür  grosse 
Einrichtungen,  wie  die  Centraldirektion 
der  Monumenta  Germaniae  historica,  ent- 
wickelt. Daneben  aber  ist  schon  in  der 
Blütezeit  der  specifisch  politischen  Ge- 
schichtsforschung eine  autonome  Thätig- 
keit  landschaftlich  oder  sogar  örtlich  be- 


—    132    — 

grenzter  Vereine  getreten,  die  sich,  nebeü 
der  Publikation  geschichtlicher  Forschnn- 
gen  in  Zeitschriften,  vielfach  auch  der 
Veröffentlichung  grösserer  Qaellenmasseo 
zur  Geschichte  ihres  Gebietes  annahm. 
Die  Bewegung  in  dieser  Richtung,  wie  sie 
zunächst  von  den  Geschichtsvereinen  aos- 
gittg,  ist  in  den  wichtigsten  Gebieten  der 
nationalen  Entwickelung  seit  einigen  Jahr- 
zehnten gesteigert  worden  darch  Errich- 
tung besonderer  Kommissionen  oder  Gf- 
Seilschaften,  die  sich  ausschliesslich  der 
Publikation  regional  begrenzten  Qnelleo- 
stoffes  widmen.  Dieser  Quellenstoff  dient 
nun  vornehmlich  der  Erforschung  der  regio- 
nalen Verfassungs-,  Rechts-  und  Wirt- 
schaftsentwickelung, sowie  der  Entwicke- 
lung der  Kunst,  Litteratnr  und  Wissen- 
schaft, kurz  er  ist  im  weitesten  Sinne  des 
Wortes  kulturgeschichtlichen  Charakten. 
Als  solcher  aber  muss  er,  soweit  dies  mit 
der  Freiheit  der  einzelnen  Publikatiooen 
verträglich  ist,  überall  in  allseitig  vergleich- 
barer Form  herausgegeben  werden;  denn 
erst  seine  möglichst  weit  entwickelte  Ver- 
gleichbarkeit sichert  die  Gewinnung  von 
Ergebnissen  zur  allgemeinen  Geschichte 
der  Nation  und  macht  dadurch  die  einzel- 
nen Veröffentlichungen  vollends  brauchbar. 
Hierin  beruht  vornehmlich  die  Notwendig- 
keit, der  Autonomie  der  lebhaft  vorwärts 
schreitenden  regionalen  und  lokklen  Pabli- 
kationsthätigkeit  eine  gemeinsame  centrale 
Verständigung  über  gewisse  Richtungen 
dieser  Thätigkeit  zur  Seite  zu  stellen.  Die 
Arbeitsteilung  auf  diesem  Gebiete  muss, 
wie  überall  bei  arbeitsteiligem  Fortschritt, 
durch  eine  gemeinsame  Arbeitsoi^ganisation 
erst  wahrhaft  fruchtbar  gemacht  werden. 
Diesem  Zwecke  sollen  nun  die  freien  Kon- 
ferenzen von  Vertretern  deutscher  Pabli- 
kationsinstitute  in  erster  Linie  dienen.  Sie 
werden  aber  auch  sonst  dazu  beitragen, 
gegenseitige  Verständigung  über  Abgren- 
zung gewisser  Materien,  gegenseitigen  Aus- 
tausch von  Erfahrungen  bei  dem  Verlai^ 
und  Vertrieb  von  Publikationen,  überhaupt 
gewinnreiche  gegenseitige  Aussprache  über 
Zwecke  und  Ziele  regionaler  und  lokaler 
Quellenveröffentlichung  herbeizuführen. 

Neben  den  Zielen  der  Konferenz  be- 
rührte der  Vorsitzende  dann  auch  deren 


—    133    — 

künftige  finanzielle  Sicherung    und  Aus- 
stattung. 

Die  Teilnehmer  der  Konferenz  erklär- 
ten sich  darauf  in  lebhafter  Debatte  mit 
den  vom  Vorsitzenden  aufgestellten  Zielen 
im  allgemeinen  einverstanden.^  Das  Ergeb- 
nis der  Erörterungen  war  der  Beschluss, 
die  Konferenz  als  dauernde  Einrichtung 
zu  begründen: 

„Die  in  der  Konferenz  vom  17.  April 
1895  zu  Frankfurt  a.  M.  versammel- 
ten Vertreter  landesgeschichtHcher 
Pnblikations  -  Institute  erklären  es 
einstimmig  für  wünschenswert,  dass 
jährlich  Zusammenkünfte  von  Vertre- 
tern solcher  Institute  zur  Forderung 
ihrer  gemeinsamen  Interessen  statt- 
finden". 

Im  weiteren  Verlaufe  der  Verhandlun- 
gen wurden  dann  für  die  nächste  Beratung 
folgende  Gegenstände  ins  Auge  gefasst: 

1)  Feststellung  der  Bedingungen,  unter 
denen  zur  gegenseitigen  Vergleichung  ge- 
eignete Ausgaben  von  Weistümem  und 
Ertragsregistern  am  besten  hergestellt  wer- 
den können. 

2)  Erörterung  der  Verhältnisse,  insbe- 
sondere der  Massstäbe,  unter  deren  Be- 
rücksichtigung vergleichbare  Bearbeitungen 
und  Ausgaben  von  Flurkarten,  Grundkar- 
ten (im  Sinne  Thudichums)  und  Karten 
zur  politischen  Geschichte  möglich  sind, 
sowie  Erörterungen  über  die  Kosten  sol- 
cher Kartenwerke,  wie  die  zu  deren  Her- 
stellung verwendbaren  mechanischen  Re- 
produktionsarten. 

3)  Zusammenstellung  des  Materials  an 
mittelalterlichen  Stadtbüchern,  das  inner- 
halb der  deutschen  Gebiete  vorhanden  ist. 

4)  Znsammenstellung  des  Materials  an 
Officialatsakten  wie  verwandten  Quellen  zur 
Geschichte  des  religiösen  und  kirchlichen 
Lebens  im  ausgehenden  Mittelalter,  das 
innerhalb  der  deutschen  Gebiete  vorhan- 
den ist. 

5)  Beratung  über  die  Frage,  inwiefern 
sich  ein  gemeinsames  Vorgehen  der  Pnbli- 
kationsinstitnte  für  die  Bearbeitung  ver- 
waltungsgeschicbtlicher  Fragen  als  empfeh- 
lenswert denken  lässt. 

6)  Beratung  über  die  Frage,  inwiefern 
sich   die  Herausgabe  nach  heutiger  Ver- 


—    134    — 

waltungseinteilung  abgegrenzter  Urkunden- 
bücher  empfiehlt,  oder  in  wiefern  vielmehr 
Urkundenbücher  vorzuziehen  seien,  die  den 
überlieferten  Stoff  eines  bestimmten  In- 
stitutes, eines  Klosters,  Stiftes,  einer  städti- 
schen Verwaltung  u.  s.  w.  wiedergeben. 

7)  Auf  einen  Antrag  von  Herrn  Dr. 
Steinhausen  in  Jena:  Znsammenstellung 
der  wichtigsten  specifisch  kulturgeschicht- 
lichen Quellen,  deren  Edition  durch  die 
einzelnen  Institute  wünschenswert  erschei- 
nen könnte. 

8)  Sachliche  und  finanzielle  Vorberei- 
tung einer  Ergänzung  der  Walther-Koner- 
schen  Repertorien  von  1850  bis  zur  Gegen- 
wart. 

Zur  Vorbereitung  der  künftigen  Bera- 
tung wurden  für  jeden  einzelnen  der  auf- 
gezählten Gegenstände  Referenten  bestimmt, 
bzw.  soweit  dieselben  der  Konferenz  nicht 
angehörten,  in  Aussicht  genommen. 

Neuerdings  sind  die  nachfolgenden  Pu-  57. 
blikationen  der  Gesellschaft  fOr  Rheinisch« 
Qeschlchtskunde  erschienen : 

Akten  zur  Geschichte  der  Verfassung 
und  Verwaltung  der  Stadt  Köln  im  14. 
und  15.  Jahrhundert,  bearbeitet  von  Dr. 
Walther  Stein.  Band  IL  Mit  Registern 
zu  beiden  Bänden.  Bonn,  Herrn.  Behrendt, 
1895.  Mit  diesem  Bande,  der  die  beson- 
ders interessanten  städtischen  Verwaltungs- 
akten des  ausgehenden  Mittelalters  ent- 
hält, schliesst  die  X.  Publikation  ab.  Sehr 
dankenswert  sind  die  reichhaltigen  Register : 
eine  Konkordanz  der  bereits  in  den 
„Quellen  zur  Geschichte  der  Stadt  Köln^ 
gedruckten  Stücke,  ein  Orts-  und  Personen-, 
ein  Sachregister,  sowie  eine  chronologische 
Übersicht  über  beide  Bände.  Durch  diese 
Register  wird  der  schöne  Stoff  der  Publi- 
kation der  wissenschaftlichen  Forschung 
in  der  bequemsten  Weise  nutzbar  gemacht. 
In  einem  der  nächsten  Hefte  der  Westd. 
Zs.  werden  wir  näher  auf  dieses  Werk 
eingehen. 

Von  der  XI.  Publikation:  Landtagsak- 
ten von  Jülich -Berg  1400—1610,  heraus- 
gegeben von  Georg  von  Below,  liegt 
nunmehr  der  1.  Band,  der  die  Zeit  von 
1400—1562  nmfasst,  vor.  Die  eigentlichen 
Landtagsakten  beginnen  erst  mit  dem  Jahre 
1538.    Eine  umfangreiche  Einleitung  giebt 


—    136    — 

eine  Darstellung  der  &Itereü  Landtags  Ver- 
fassung bis  1538.  Von  besonderer  Wich- 
tigkeit sind  in  dieser  die  Kapitel  über  die 
Organisation  und  die  Kompetenz  des  Land- 
tags. Das  Erscheinen  des  IL  (Schlnss-) 
Bandes  ist  für  1898  zn  erwarten. 

Von  dem  grossen  Geschichtlichen  Atlas 
der  Rheinprovinz  (XIL  Publikation)  ist 
die  Karte  der  preussischen  Yerwaltungs- 
organisation  im  Jahre  1818  nunmehr  er- 
schienen und  gleichzeitig  der  Erläuterungs- 
band zu  den  Karten  von  1813  und  1818, 
beide  bearbeitet  von  Konstantin  Schul- 
teis.  Von  dem  zur  Zeit  in  Bearbeitung 
befindlichen  Teil  des  Unternehmens  steht 
jetzt  nur  noch  aus  die  Übersichtskarte 
des  Jahres  1789  und  der  entsprechende 
Erläuterungsband,  welche  Dr.  Fabricius 
noch  in  diesem  Jahre  herausgeben  zu 
können  hofft. 

58.  Die  Marburger  Dissertation  von  Karl 
Kniptchaar,  Kurfürst  Philipp  Christoph  von 
Trier  und  seine  Beziehungen  zu  Frank- 
reich (Marburg  1895)  schildert  eine  der 
traurigsten  Episoden  der  Rheinischen  Ge- 
schichte, die  Verwüstung  des  Trierischen 
Landes  durch  die  vom  Kurfürsten  herbei- 
gerufenen Franzosen  und  Schweden  und 
.  durch  deren  Gegner  die  Spanier.  Nicht 
einmal  durch  den  Westfälischen  Frieden 
kamen  die  Lande  zur  Ruhe,  da  der  Kur- 
fürst lange  sich  gegen  die  Anerkennung 
desselben  sträubte.  Von  besonderem  In- 
teresse ist  das  glücklicher  Weise  vereitelte 
französische  Projekt,  den  Kardinal  Richelieu 
dem  alten  Erzbischof  als  Koadjutor  zur 
Seite  zu  steifen,  und  die  Gefangennahme 
Philipp  Christophs  durch  die  Spanier.      n. 

59^  Im  9.  Band  der  Jahrbücher  des  DOtsel- 
dorfer  Qetchlchttvereins  bespricht  F.  Küch 
die  Düsseldorfer  Schöffensiegel,  welche 
allgemein  als  bürgerliche  Siegel  eingeführt 
wurden,  nachdem  sie  einmal  als  Ersatz 
für  das  grosse  Stadtsiegel  aufgekommen 
waren.  Sie  entnahmen'  ihre  Form  der- 
jenigen der  Siegel  des  niederen  Adels, 
wobei  sie  das  adlige  Wappenbild  mit  der 
bürgerlichen  Hausmarke  vertauschten.  Der- 
selbe Verf.  betrachtet  in  dem  folgenden 
Aufsatz  die  Einrichtungen  des  Fähramtes 
und  der  Werftanlage  zu  Düsseldorf  in 
ihren  günstigen  Rückwirkungen  auf  Han- 


-    13Ä    -^ 

de],  Verkehr  und  Finanzen  der  Stadt. 
Nicht  so  vorteilhaft  erwies  sich  nach 
diesen  Richtungen  die  Anlage  der  Zoll- 
stätte. *Die  mitgeteilte  Lebensmitteltaxe 
von  1610  ist  von  Belang  für  die  Geschichte 
der  Preise.  0.  Redlich  schildert  in  einer 
fleissigen  Studie  das  angestrengte  Bemühen 
des  Königs  von  Frankreich,  Ludwig  XII, 
um  das  Zustandekommen  eines  guten  Ein- 
Vernehmens  zwischen  Geldern  auf  der  ei- 
nen und  Jülich  und  Cleve  auf  der  anderen 
Seite  (um  1500).  Diese  Art  Friedens- 
politik, welche  die  Franzosen  seit  Ende 
des  15.  Jahrb.  Deutschlands  Fürsten  gegen- 
über noch  oft  angewendet  haben,  war 
durch  den  Stand  der  Mailänder  Angelegen- 
heiten und  die  drohende  Haltung  des 
Königs  Maximilian  vorgeschrieben;  Lud- 
wig XII  kam  aber  nicht  zu  kurz  dabei. 
Der  V.  Below'sche  Aufsatz,  der  Streit  des 
Herzogs  Johann  von  Jülich-Berg  mit  dem 
Erbmarschall  Engelbert  Hurdt,  bebandelt 
eine  Art  häuslichen  Zwistes  und  entnimmt 
sein  Hauptmaterial  den  Jülich  -  bergiscben 
Landtagsakten  im  Soester  Stadtarchiv.  Ge- 
naue topographische  Kenntnisse  der  zur 
Sprache  kommenden  Gemarkungen  zeigt 
F.  Schmitz  in  den  von  ihm  erläuterten 
Oberdollendorfer  Weistümem.  Noch  ein- 
gehender legt  A.  Koernicke  die  hofrecht- 
lichen und  kirchlichen  Verhältnisse  in  der 
Huntschaft  Lintorp  dar.  H.  Forst  handelt 
über  die  Aufhebung  des  Neusser  Regnlier- 
herrenklosters  i.  J.  1623;  eine  eigentüm-  I 
liehe  Thätigkeit  haben  Erzbischof  Ferdi- 
nand und  die  Bruderschaft  vom  h.  Kreuz 
in  dieser  Sache  bewiesen. 

Aus  der  Menge  der  im  vorbezeichneten  I 
Bande  gelieferten  Aufsätze  herausgegriffen, 
versprechen  schon  die  kurz  hier  angege- 
benen Arbeiten  den  Freunden  der  west- 
deutschen Geschichte  erneute  und  anregende 
Belehrung.  Alle  Darstellungen  sind  von  den 
zugehörigen  Akten  und  Urkunden  begleitet 
Köln.  H.  Kelleter. 

In  den  Werken   uitgegeven  doorSO.  | 
het  Historisch  genootschap  HI  Nr.  5 
veröffentlicht  F.  L.  Krämer  die  Letlres 
de  Pierre  de  Groot^  ambasttadeur  des  pro-      1 
vinces-unies,   ä  Abraham  de  Wicque-      ' 
fort,    resident  des   ducs  de  Brunswick, 
1668-1674  (Haag,  Martinus  Nghoff,  1894). 


—    137    — 


—    138    — 


Diese  Briefe  des  niederländischen  Staats- 
manns fähren  auis  lebendigste  in  die  be- 
wegte Periode  aas  der  Vergangenheit  der 
Generalstaaten  nach  dem  Aachener'Frieden 
ein,  welche  in  dem  Sturze  der  Gebrüder 
de  Witt  im  J.  1672  ihren  Wendepunkt 
hatte.  De  Groot  lebte  von  1673  ab  eine 
Zeitlang  im  Exil  in  den  Städten  Aachen 
und  Köln;  seine  Briefe  enthalten  manche 
interessante  Mitteilungen  über  diesen  rhei- 
nischen Aufenthalt,  namentlich  über  das 
Leben  in  Köln. 

51.  Die  Ausgewählten  Urkunden  zur  Erläute- 
rong  der  Yerfassungsgeschichte  Deutschlands 
im  Mittelalter,  herausgegeben  von  Wilhelm 
Altmann  und  Ernst  Beirnheim  sind  in 
zweiter  Auflage  (Berlin  1895,  R.  Gaert- 
ners  Verlagsbuchhandlung,  Herm.  Hey- 
felder, 6  M.)  erschienen.  Die  erste  Auf- 
lage dieser  für  Juristen  und  Historiker 
bestimmten  Sammlung  der  für  die  Ver- 
faseungsgeschichte  Deutschlands  im  Mittel- 
alter wichtigsten  Urkunden  hat  bei  ihrem 
Erscheinen  im  J.  1891  den  lebhaften  Bei- 
fall der  Fachkreise  gefunden  und  sich  seit- 
her nach  der  Richtung,  nach  welcher  sie 
besonders  zu  wirken  geeignet  ist,  als  Grund- 
lage für  verfassuDgsgeschichtliche  Übungen 
in  Seminarien  und  zur  Vorbereitung  für 
die  Geschichtslehrer  an  höheren  Schulen, 
gut  bewährt.  Der  Inhalt  der  2.  Auflage 
deckt  sich  fast  ganz  mit  der  ersten,  und 
so  genügt  es,  an  dieser  Stelle  kurz  auf 
die  Gruppen  zu  verweisen,  aus  denen  sich 
die  mitgeteilten  Urkunden  zusammensetzen: 
I.  Staatsgewalt  und  Reichsverfassung  im 
allgemeinen  (616—1424);  IL  Reich  und 
Kirche  (824—1448);  III.  Ständische  Ver- 
hältnisse (996— 141Ö);  IV.  Heerwesen 
(805  -1427) ;  V.  Gerichtswesen  (490—1495) ; 
VI.  Territorien  (636—1473)  und  Städte 
(861—1445).  Die  Sammlung  eignet  sich 
besonders  auch  für  Lokalhistoriker,  denen 
keine  grössere  öffentliche  Bibliothek  zu 
Gebote  steht;  namentlich  die  Sammlung 
wichtiger  Stadtrechte,  welche  der  letzte 
Teil  enthält,  bietet  ihnen  grosse  Erleich- 
terung bei  ihren  Arbeiten. 

52.  ^  M«rcarittt  fiallo-B«lgiciit  1692-1626.     Eene  bi. 

bliographisch-historitohe  stxidie  door  Mr.  W. 
F.  De  Jonge.    (HMg  1884). 

Unter  diesem  Titel  behandelt  De  Jonge 


in  den  „Bydragen  voor  Vaderlandsche  Ge- 
schiedenis  en  Oudheidkunde  III.  Reihe  Bdi 
VIII"  die  verschiedenen  Teile  des  Mercurius 
Gallo-Belgicus  von  D.  M.  Jansonius  Docco- 
mensis,  und  die  Fortsetzungen,  die  dieses 
Werk  durch  P.  A.  Jansonius,  Gaspar  (Ens) 
Lorchanus  und  Gotard  Arthus  gefunden  hat. 
Die  interessante  Abhandlung  bietet  eine  ge- 
naue bibliographische  Beschreibung  der  ein- 
zelnen Teile  uud  eine  eingehende  Charakte- 
ristik ihres  Inhaltes  und  der  politischen 
und  religiösen  Parteistellung  der  Verfasser. 
Aus  dem  reichhaltigen  Inhalt  möge  hier 
einiges  herausgehoben  werden.  Gegenüber 
der  von  Lossen  (Sybels  Hist.  Zeitschr.  1884 
Bd.  41  S.  124)  vertretenen  Ansicht,  dass 
D.  M.  Jansonius  Doccomensis,  der  Ver- 
fasser des  Mercurius  Gallo-Belgicus,  und 
Michael  van  Isselt  zwei  verschiedene  Per- 
sonen gewesen  seien,  bringt  De  Jonge 
(S.  73  ff.)  eine  Reihe  von  Argumenten  bei, 
durch  welche  die  Identität  dieser  beiden 
Schriftsteller  als  gesichert  erscheinen  darf. 
Ausschlaggebend  in  dieser  Hinsicht  ist  be- 
sonders der  Umstand,  dass  der  Verfasser 
des  Mercurius  die  Widmung  des  dritten 
Teiles  mit  den  Worten  schliesst  „Reveren- 
dae  Dominationi  tuae  deditissimus  Michael  J. 
ab.  J.**  und  sich  mit  der  Bemerkung :  „qui- 
bus  nunc  tertium  tomum,  ecce,  addimus" 
ausdrücklich  als  Verfasser  der  beiden 
ersten  Teile  bekennt.  Zu  den  von  De 
Jonge  geltend  gemachten  Gründen  hat 
neuerdings  J.  H.  Uofman  (Bijdragen  1895 
B.  IX  Lief.  I  S.  41—43)  noch  einige  hinzu- 
gefügt, die  das  Resultat  der  Forschungen 
De  Jooges  bestätigen.  Der  eigentliche 
Mercurius  hat  eine  dreifache  Fortsetzung 
gefunden.  Die  erste  in  Köln  bei  Gerhard 
Grevenbruch  (S.  91)  erschienene  stammt 
von  dem  eifrig  katholisch  gesinnten  Schrift- 
steller P.  A.  Jansonius  her,  dem  Verfasser 
einer  im  gleichen  Sinne  gehaltenen  Schrift: 
„Mundus  furiosus",  dessen  Persönlichkeit  im 
übrigen  noch  nicht  genügend  klar  gestellt 
werden  konnte  (S.  92).  Nur  der  zweite 
(Tunfte)  Teil  dieser  Reihe  hat  den,  auch 
sonst  als  Musikschriftsteller  (S.  94)  be- 
kannten, Joannes  Baptista  Besardus  Ve- 
sontinus  zum  Verfasser.  Eine  zweite  gleich- 
zeitige, ebenfalls  in  Köln  bei  Wilhelm  Lützen- 
kirchen,  herausgegebene  Fortsetzung  hat 


—    139    — 

der  Vielschreiber  Gaspar  Eds  Lorchanas 
Vur-  oder  Wurtembergensis  (S.  114  ff), 
Verfasser  der  Mauritiados,  geliefert  Sind 
diese  zwei  Fortsetzungen  wesentlich  im 
Sinne  des  eigentlichen  Mercurius  und  seines 
Verfassers,  und  demgemäss  im  katholischen 
Sinne,  gehalten,  so  bietet  die  dritte,  im 
Verlage  von  Sigismund  Latomus  in  Frank- 
furt a.  M.  (S.  122  ff.)  erschienene,  aus  der 
Feder  des  Danzigers  Gotard  Arthus  ein 
Gegenstück  dazu  durch  die  sehr  einseitige 
Betonung  des  protestantischen  Parteistand- 
punkti  s  (S.  126  ff.).  Dieses  Werk  des  Arthus, 
das  in  seiner  Form  an  die  Frankfurter 
Messrelationen  sich  anschliesst,  ist,  worauf 
auch  hier  besonders  hingewiesen  sein 
möge,  zu  unterscheiden  (S.  124  ff.)  von 
dem  Mercurius  Gallo- Belgiens  Sleidauo 
succenturiatus  desselben  Schriftstellers, 
der  sich  als  eine  direkte  Fortsetzung  des 
bekannten  Werkes  Sleidans  „De  statu  re- 
ligionis  et  rei  publicae  Carolo  V  Cosare''  dar- 
stellt. Nach  dem  Tode  Arthus'  wurde  sein 
Werk  (S.  148)  durch  Michael  Caspar  Lun- 
dorp,  Georg  Beatus,  Johannes  Philippus 
Abeleus  (Abelinus),  Johannes  Georg  Schle- 
derus,  Johannes  David  Reinmann  fort- 
gesetzt 

In  einer  Beilage  (S.  149  ff.)  giebt 
De  Jonge  eine  Beschreibung  der  Karten, 
Ansichten  und  sonstigen  Bilder,  die  sich 
in  dem  Mercurius  des  Arthus  finden,  eine 
andere  Beilage  (S.  169)  ermöglicht  einen 
raschen  Überblick  über  die  einzelnen  Teile 
der  ganzen  Folge  und  die  De  Jonge  be- 
kannt gewordenen  Neuauflagen,  aus  denen 
die  ausserordentliche  Beliebtheit,  deren 
sich  diese  Veröffentlichungen  bei  dem  zeit- 
genössischen Leserpublikum  erfreuten,  be- 
sonders deutlich  hervorgeht. 
Köln.  Dr.  Fr.  Lau. 


ea.Monumenta  Germaniae  historica. 

Vgl.  Korrbl.  XIU,  56. 
21.  Plenarversammlung,  4.  bis  6.  April 
1895.     Im  Laufe  des  Jahres  1894/95  er- 
schienen  in   der  Abteilung  Auetores  anti- 
quissimi : 
1.  Chronica  minora  saec.  IV.  V.  VI.  VII 
ed.  Th.  Mommsen  II,  2  (=  A.  a. 
XI,  2); 


—    140    — 

2.  Chronica  minora  saec.  IV.  V.  VL  vn 
ed.  Th.  Mommsen,  III,  1  (=  A.  a. 
XIII,  1); 

in  der  Abteilung  Leges: 

3.  Leges  Visigothorum  aniiquiores  ed. 
Zeumer; 

4.  Hincmarus  de  ordine  pakUii  ed. 
Krause; 

in  der  Abteilung  Episiolae: 

5.  Epistolae  saeculi  XIII  e  regestis  pon- 
tificum  Romanorum  selectae  ed.  R  o  d  e  n  - 
berg  III; 

6.  Epistolarum  iom,  II  p.  II  Gregorii 
papae  Registrum  L.  X — XIV  ed.  L. 
Uartmann; 

7.  Epistolarum  iom,  IV  aevi  Karolini 
t.  II  ed.  £.  Dummler; 

8.  von  dem  Neuen  Archiv  der  Gesellschaft 
Band  XX,  heransg.  von  Bresslau. 
Unter    der  Presse   befinden  sich   ein 

Folioband,  6  Quartbände. 

In  der  Sammlung  der  Äuctores  anfi- 
quissimi  sind  nach  Gildas  und  Nennios 
demnächst  die  Chroniken  Beda's,  die  mehr 
litterarischen  als  wirklichen  Quellenweit 
besitzen,  als  Fortsetzung  des  3.  Chroniken- 
bandes  zu  erwarten.  Ausführliche  Register 
für  diese  3  Bände,  welche  vermutlich  als 
die  letzten  dieser  Abteilung  zu  betrachten 
sind,  werden  nachfolgen. 

In  der  Reihe  der  Scriptores  hat  im 
October  der  Druck  des  3.  Bandes  der  SS. 
rerum  Merovingicarum  begonnen  und  ist 
so  eifrig  gefördert  worden,  dass  wir  Oberes 
Jahr  seine  Vollendung  gewärtigen  dürfen. 
Er  enthält  bis  jetzt  wesentlich  noch  vor- 
merowingische  Heiligenleben,  deren  ge- 
schichtlicher Unwert  von  dem  Heraasgeber 
Dr.  Krusch  in  den  Einleitungen  klar  dar- 
gelegt wird. 

Der  dritte  abschliessende  Band  der 
Schriften  zum  Investiturstreit  ist  insoweit 
vorbereitet,  dass  der  Druck  in  diesen  Ta- 
gen beginnen  kann.  Der  30.  (und  letzte) 
Folioband,  welcher  wegen  der  sehr  schwie- 
rigen, auch  die  spätere  Thüringer  Ge- 
schichtschreibun^  umfassenden,  Vorunter- 
suchungen über  die  darin  aufzunehmenden 
Erfurter  und  R^mhardsbninner  Chroniken 
längere  Zeit  hat  ruhen  müssen,  wird  gegen- 
wärtig weiter  gedruckt,  um  vielleicht  sei- 
nes grosseren  Umfanges  wegen  in  2  Half- 


—    141    — 


—    142    — 


ten  ausgegeben  zn  werden.  Jedenfalls 
wird  daneben  im  nächsten  Winter  der 
Druck  des  31.  Bandes  mit  den  von  Hol- 
der-Egger  und  zum  Teil  von  Simons- 
feld bearbeiteten  italienischen  Chroniken 
des  13.  Jahrhunderts  anfangen,  fär  welche 
eine  Reise  des  Herausgebers  nach  Wien 
im  Februar  und  März  einige  Ergänzungen 
des  Materials  lieferte. 

Von  den  Handausgaben  werden  die 
Annales  Ehihardi  und  Laurissenses  maior. 
von  Hrn.  Dr.  Kurze  im  Mai  unter  die 
Presse  kommen  uud  voraussichtlich  noch 
in  diesem  Jahre  erscheinen  Eine  Ausgabe 
der  Erfurter  Gc Schichtsquellen  des  12.— 
14.  Jahrhunderts  beabsichtigt  Hr.  Hol d er- 
Egge r  sodann  folgen  zu  lassen.  Durch 
einzelne  Nachweisungen  machten  sich  die 
RH.  Dr.  Simousfeld  in  München  und 
Prof.  Wenck  in  Marburg  um  diese  Ab- 
teilung verdient. 

In  dem  1.  Bande  der  Deutschen  Chro- 
nikeu  hat  der  Druck  des  von  Herrn  Dr. 
Kraus  in  Wien  bearbeiteten  Bruchstückes 
der  Silvesterlegende  begounen.  An  dem 
weiter  zur  Ergänzung  der  Kaiserchronik 
bestimmten  Annoliede  arbeitet  Hr.  Prof. 
Rödiger.  Der  Druck  von  EnikeTs 
Fürstenbuch,  für  welches  wir  der  GefUllig- 
keit  des  Hrn.  Dr.  Priebsch  eine  Ver- 
gleichung  der  Gheltenhamer  Handschrift 
verdanken,  soll  im  Mai  wieder  aufgenom- 
men werden.  Für  den  6.,  den  österreichi- 
schen und  bayerischen  Chroniken  gewid- 
meten, Band  hat  Hr.  Prof.  Seemüller 
in  Innsbruck  im  vergangenen  Sommer  auf 
der  Münchener,  Wiener,  Klosterneuburger 
und  anderen  benachbarten  Bibliotheken 
Handschriften  benutzt  und  ist  sodann  in 
den  Osterferien  zu  demselben  Zweck  nach 
London  gereist,  wo  sich  u.  a.  für  die 
Chronik  Hagen 's  eine  Handschrift  mit 
eigentümlichen  Zusätzen  gefunden  hat. 
Diese  Vorstudien  werden  auch  weiterhin 
noch  fortgesetzt  und  durch  eine  weitere 
Reise  nach  Linz,  Zwettl,  Schlierbach  und 
Klosterneuburg  vervollständigt  werden 
müssen.  Die  Arbeiten  an  der  Sammlung 
der  politischen  Sprüche  und  Lieder  in 
deutscher  Sprache  nehmen  unter  Leitung 
des  Hrn.  Prof.  Röthe  in  Göttingen  ihren 
Fortgang. 


In  der  Abteilung  Leges  ist  der  2.  Band 
der  CapittUaria  regmn  Francorum  samt 
den  Anhängen  fertig  gedruckt,  das  umfang- 
reiche Register  für  beide  Bände  und  die 
Einleitung  sollen  demnächst  der  Presse 
übergeben  werden.  Der  Herausgeber,  Ur. 
Dr.  Krause,  ist  zur  Zeit  damit  beschäf- 
tigt, die  Handschriften  des  Bcnedictus  Le- 
vita  in  Rom  für  den  3.  Band  zu  vergleichen. 
Für  die  grosse  Ausgabe  der  Leges  Visi- 
goüiarum  hat  Hr.  Prof.  Zeumer  im  März 
die  schon  länger  geplante  Reise  nach  Paris 
ausgeführt,  für  die  abermalige  Bearbeitung 
der  einst  von  Merkel  herausgegebenen 
Lex  Baitcariarum  steht  die  Gewinnung 
einer  neuen  Kraft  in  Aussicht. 

Der  Druck  des  2.  Bandes  der  Con- 
stitutiones  imperatorum  war  bis  zu  51.  Bo- 
gen fortgeschritten,  als  er  durch  den  Tod 
des  Professors  Weiland  jähliogs  unter- 
brochen wurde.  Da  derselbe  das  Manu- 
skript jedoch  zum  grössteu  Teile  druck- 
fertig hinterlassen  hatte,  so  kann  trotz 
dieses  schmerzlichen  Verlustes  die  Vollen- 
dung fortschreiten,  indem  sein  Mitarbeiter 
Dr.  Schwalm  bei  der  Drucklegung  durch 
Hrn.  Prof.  Scheffer  -  Boichorst  und 
Hrn.  Dr.  Seh  aus  unterstützt  wird.  Für 
den  3.  Band  bis  auf  Heinrich  VII.  (1313) 
und  zum  Teil  auch  für  den  3.,  die  dem 
Dr.  Schwalm  bereits  früher  übertragen 
worden,  hat  dieser  auf  zwei  Reisen,  einer 
nach  den  Niederlanden  und  Nordfrank- 
reich, der  anderen  nach  Italien,  ein  reiches 
Material  gesammelt,  so  dass  nur  eine 
kleinere  Nachlese  übrig  bleiben  wird. 

Die  Urkundeu  Kaiser  Heinrich's  II  (und 
des  Königs  Arduin),  welche  den  Abschluss 
des  sächsischen  Kaiserhauses  bilden  sollen, 
sind  durch  Hm.  Prof.  Bresslau  und  sei- 
neu Mitarbeiter  Dr.  Bloch,  dem  sich 
seit  kurzem  Dr.  Martin  Meyer  als  wei- 
terer Ilülfsarbeiter  zugesellt  hat,  so  weit 
gefördert  worden,  dass  der  Druck,  eine 
Zeit  lang  durch  Mangel  entsprechender 
Typen  gehemmt,  nunmehr  begonnen  hat 
und  ununterbrochen  fortlaufen  kann.  Einige 
italienische,  französische  und  mitteldeutsche 
Archive  lieferten  dafür  noch  wertvolle 
Nachträge.  Einzelne  inhaltlich  mit  den 
Kaiserurkunden  eng  zusammenhängende 
Privaturkunden  werden  gelegentlich  einge- 


-    143    — 

reiht  werden.  B'ür  kritische  Erörterungen 
bot  das  Neue  Archiv  eine  Stätte. 

Für  die  Karolingerurkunden  unternahm 
Ur.  Prof.  Mühlbacher  im  September  eine 
Reise  nach  der  Schweiz  und  dem  Rhein, 
um  mehrere  nicht  versandte  Stücke  an 
Ort  und  Stelle  nachzuprüfen.  Sein  Mit- 
arbeiter Dr.  Dopsch  hielt  sich  vom  De- 
zember 1893  bis  Oktober  1894  in  Paris 
auf,  wo  er  besonders  die  grossen  Cartulare 
der  ehemaligen  geistlichen  Stiftuageu  plau- 
mässig  durchzunehmen  hatte.  Die  Archive 
der  Departements,  für  welche  die  Zeit 
nicht  mehr  reichte,  blieben  einer  späteren 
Reise  vorbehalten.  Zunächst  hat  sich  in 
der  2.  Hälfte  des  März  Hr.  Dr.  Dopsch 
nach  Italien  begeben,  um  in  einem  länge- 
ren Aufenthalte  so  viel  wie  möglich  zu  er- 
ledigen. Einzelne  Proben  seiner  neuen 
Funde  werden  vorläufig  in  den  Mitteilun- 
gen des  österreichischen  Institutes  in  Wien 
veröffentlicht.  Die  Regesten  der  italieni- 
schen Karolinger,  von  Hrn.  Prof.  Mühl- 
bacher hergestellt,  sollen  der  Ausgabe 
der  Urkunden  selbst  vorangehen. 

Da  diese  von  Böhmer  einst  begründe- 
ten Regesten  als  eines  der  unentbehr- 
lichsten Hülfsmittel  für  die  Biplomaia  in 
unvermindertem  Werte  fortbestehen,  so 
wurden  für  die  staufische  Fortsetzung  der- 
selben Hrn.  Dr.  Schaus  als  Mitarbeiter 
des  Prof.  Scheffer -Boichorst  Mittel 
zu  einer  Forschungsreise  bewilligt. 

In  der  Abteilung  Epistolae  erschien 
der  schon  im  Yoijahre  durch  Hrn.  Prof. 
Rodenberg  in  Kiel  fast  vollendete  3.  ab- 
schliessende Band  der  päpstlichen  Regesten 
des  13.  Jahrhunderts.  Hr.  Dr.  Hartmann 
in  Wien  beendigte  den  Druck  des  Textes 
des  Registrum  Gregorii  nebst  einigen  An- 
hängen. Die  Register,  für  welche  Hr. 
W  e  n  g  e  r  in  Wien  die  Vorarbeiten  gemacht 
hat,  und  die  Einleitung  werden  noch  einige 
Monate  erfordern.  Der  4.  Band  der 
Epistolae,  welcher  ausser  Alchvin  nur  noch 
mit  einigen  Ausnahmen  die  Briefe  aus  der 
Zeit  Karls  des  Grossen,  sowie  die  des 
Dungal  und  Claudius  aufnehmen  konnte, 
liegt  mit  den  von  Hrn.  Dr.  Hampe  ange- 
fertigten Registern  vollendet  vor.  Auch 
der  ö.  Band,  welcher  in  die  2.  Hälfte  des 
9.  Jahrhunderts  hineinreichen  wird,  be- 


—    144    — 

findet  sich  schon  an  vielen  Pankten,  na- 
mentlich durch  Hrn.  Dr.  Hampe,  in  Vor- 
bereitung. Zur  Benutziug  der  von  aller 
Versendung  ausgeschlossenen  englischen 
Handschriften  soll  derselbe  im  Sommer 
auf  mehrere  Monate  nach  England  gehen 
und  gleichzeitig  dort  für  andere  Abteilun- 
gen nach  Kräften  arbeiten. 

In  der  Abteilung  Antiquitat^:^  steht  das 
Register  zum  2.  Bande  der  XecrtAogia 
Germaniae  noch  immer  aus.  Der  Druck 
des  3.  Bandes  der  Foetae  aeci  Cnroiim 
ist  im  Januar  wieder  aufgenommen  wor- 
den: mit  ihm  gedenkt  Hr.  Dr.  Traube, 
durch  andere  Aufgaben  in  Anspruch  ge- 
nommen, seine  Thätigkeit  fiir  die  Moit, 
Germ,  zu  beenden.  Für  den  4  Band, 
welcher  mit  dem  Reste  der  karolingiscben 
Zeit  auch  einen  Teil  der  ottonischen  zu 
verbinden  gestattet,  ist  Dr.  vonWinter- 
feld  als  Mitarbeiter  eingetreten. 

Für  das  Neue  Archiv,  dessen  20.  Band 
mit  einem  umfassenden  Register  von  Hm. 
Dr.  Meyer  schliesst,  wird  der  21.  Band 
insofern  eine  neue  Reihe  eröffnen,  als  es, 
von  nun  an  50  Bogen  stark,  besser  denn 
bisher  als  Werkstätte  unserer  Arbeiten 
allen  vielseitigen  Bedürfnissen  gerecht  wer- 
den kann.  Der  Preis  wird  dementsprechend 
von  12  auf  15  Mark  erhöht  werden. 


Misceilanea. 

Nochmals  die  hattifferi.  In  Nr.  5.  d.  J.,€4. 
nr.  41,  S.  88,  kommt  Herr  A.  Kisa  anf 
das  Wesen  der  hastiferi  zu  sprechen  und 
behauptet,  aus  der  zwischen  Mommsen  imd 
mir  geführten  Kontroverse  über  die  hasäfeii 
sive  pastores  consistentes  kastello  Mattia- 
corum  gehe  mit  Sicherheit  hervor,  dass 
die  Vereinigung  der  hastiferum  eine  Muni- 
zipalgarde  bildeten,  welche  sich  aus  den 
speertragenden,  im  Dienste  der  civitas 
stehenden  Hirten  zusammensetzte.  Des 
Weiteren  bemerkt  er,  „durch  die  Ent- 
deckung eines  Genius  hasüferum"^  sei  meine 
Ansicht  völlig  unhaltbar  geworden,  dass 
sie  eine  sacrale  „Bürgerschaft"  —  ich 
hatte  nur  von  sacralem  CoUegium  ge- 
sprochen —  gebildet  hätten,  die  den  Dienst 
der  orgiastisch  verehrten  Bellona  pflegten. 
Der  Herr  Verfasser  scheint  mit  dem  rö- 


—    146    — 

mischen  Collegialwesen  weniger  vertraut 
zu  sein,  andernfalls  wäre  er  in  seinen  Be- 
hauptoBgen  weniger  zuversichtlich  gewesen. 
Um  von  Wunderlichkeiten  wie  der  Annahme 
der  Namensform  hastiferes  für  die  Kölner 
bastiferi  ganz  zu  geschweigen,  ist  fiir  den 
in  das  Collegialwesen  etwas  näher  Einge- 
weihten das  Argument  der  Entdeckung 
eines  Genius  hastiferum,  welche  meine  Auf- 
fassung von  den  hastiferi  völlig  unhaltbar 
machen  soll,  geradezu  .absurd.  Denn  alle 
Collegien,  auch  die  Berufs-  und  Hand- 
werkervereinigungen, pflegten  —  mehr 
oder  minder  ausgesprochen  -—  gewisse 
sacrale  Beziehungen,  und  sehr  häufig  ist 
für  alle  Arten  von  GoUegien  neben  ande- 
ren Culten  auch  gerade  die  Verehrung  des 
Genius  des  Collegs  bezeugt.  Ich  verweise 
auf  die  Beispiele,  die  bereits  in  meinen 
„Vereinen  der  fabri,  centonarii  und  dend- 
rophori^  p.  31  ff.  zusammengestellt  sind 
und  auf  die  Ausführungen  über  den  Gultus 
des  Genius  und  die  Sammlung  für  sämt- 
liche Gorporationen,  welche  J.  P.  W  a  1 1  z  i  n  g 
in  seinem  soeben  erschienenen  preisge- 
krönten Werke  „Etüde  historique  sur 
les  corporations  professionnelles  chez  les 
Romains,  Tome  I,  Louvain  1895",  p.  208  ff. 
giebt.  Unter  den  zahlreichen  Beispielen 
findet  sich  —  bereits  früher  entdeckt  — 
auch  der  Genius  der  hastiferi  von  Vienna 
(CIL.  XII,  1814),  ebenso  der  Genius  der 
dendrophori  aus  Rusicade  und  Patavium 
(CIL.  Vin,  7956  und  V,  2794),  welche  — 
wie  bekannt  —  als  sacrales  Golleg  den 
Cultus  der  Magna  Mater  als  ihrer  beson- 
deren Patronin  betrieben.  Das  Bekannt- 
werden eines  Genius  hastiferum  bildet  also 
nicht  das  mindeste  Hindernis,  auch  für  die 
Kölner  hastiferi  eine  religiöse  causa  anzu- 
nehmen, bezw.  auch  diese  Kölner  Corpo- 
ration von  Hirten  als  Diener  der  Bellona 
aufzufassen.  Wie  aber  gar  aus  dieser 
Kölner  Votivinschrift  gefolgert  werden  soll, 
dass  die  Casteler  hastiferi,  um  die  es  sich 
bei  der  Controverse  handelte  und  deren 
Verehrung  der  Virtus  Bellona  ausdrücklich 
bezeugt  ist  (Brambach  1336),  keine  sacrale 
Corporation  gebildet  hätten,  ist  völlig  uner- 
findlich. Ja,  die  Notiz  des  Verf.,  dass  in 
der  Nähe  des  Fundorts  des  Steines  der 
Kölner  hastiferi   ein  Votivstein  der  Juno 


—    146    — 

Virtutis  --  soll  wohl  heissen  Virtus  — 
gefunden  worden  sei  ^),  weist  vielleicht  ge- 
rade auf  Beziehungen  auch  der  Kölner 
hastiferi  zu  der  Göttin  Bellona  hin,  die 
nach  dem  Zeugnis  des  Lactantius')  auch 
den  Namen  Virtus  führt.  Eine  Juno  Vir- 
tus ist  zwar  sonst  nicht  bekannt,  allein 
auch  die  Juno  Sospita  und  die  Juno  Curitis 
oder  Quiritis  ist  mit  der  Lanze  bewaflfhet, 
hält  bezw.  zielend  den  Wurfspiess')  wie 
Bellona,  die  speerführende  Patronin  der 
hastiferi;  der  Kölner  Votivinschrift  könnte 
also  vielleicht  eine  synkretistische  Vorstel- 
lung zugrunde  liegen.  Doch  enthalte  ich 
mich  hierüber  eines  definitiven  Urteils,  zu- 
mal da  mir  die  Inschrift  selbst  nur  durch 
die  Erwähnung  bei  Kisa  bekannt  ist. 

Was  die  zuerst  angeführte  Behauptung 
Kisas  betrifft,  wonach  jetzt  „mit  Sicher- 
heit^ feststände,  dass  die  hastiferi  eine 
Municipalgarde  bildeten,  so  lasse  ich  die 
auf  die  Casteler  Inschrift  bezüglichen 
Schlussworte  Emil  Hübners  aus  dessen  . 
Aufsatz  „Neueste  Studien  über  den  röm. 
Grenzwall  in  Deutschland^  (Bonn.  Jahrb. 
Bd.  88,  1889,  p.  44)  folgen:  „Die  ffirten 
und  Dorfbewohner könnten  immer- 
hin als  Lokalmiliz  einen  Teil  der  Besatzung 
gebildet  haben,  wie  Mommsen  annimmt. 
Allein  auch  mir  scheint  der  sacrale  Charak- 
ter des  Collegs  wegen  der  ßovTioXoi  der 
orgiastischen  Gülte  Kleinasiens,  auf  welche 
0.  Crusius  passend  hingewiesen  hat,  mit 
Maud  wahrscheinlicher^. 
Frankfurt  a.  M.  H.  C.  Maud. 

Zur  Provinzialgetchicbte  det  rdmitchen  65. 
Germanient.  Die  Ansicht,  dass  es  die  Zeit 
des  Kaisers  Hadrian  gewesen  sei,  bis  zu 
welchen  die  beiden  Gerroaniae  keine  Pro- 
vinzen gebildet,  sondern  unter  den  Heeres- 
legaten gestanden  hätten,  die  in  diesem 
Teile  der  Belgica  die  Befugnisse  der 
kaiserlichen    Statthalter   ausübten,    findet 


1)  Es  ist  mir  nicht  gelangen,  den  Wortlaut 
dieser  Inschrift  au  erfahren,  Jedenfalls  ist  sie 
nicht  in  dem  Korrbl.  mitgeteilt  worden. 

2)  Inst.  I,  21,  16:  Virtutis,  quam  eandem  Bel- 
lonam  vocant.  Vgl.  CIL.  V,  6607  aus  Novaria: 
Virtuti  Belloi&ae  und  Brambach  1386  aus  Gastel: 
Virtuti  Bellone.  —  Bellona  Angusta  neben  YiztUB 
Augusta  in  Africa  h&ufiger:  CIL.  Vm,  6621 ;  7957  j 
7958;  8456;  10628. 

3)  Vgl.  Pauly,  B.-E.  IV,  p.  572  f. 


—    147 


—    148    — 


sich  anch^)  in  Marquardt's  Handbuch  der 
römischen  Staatsverwaltung  V  275  ausge- 
sprochen und  ist  von  da  aus  allgemein 
herrschend  geworden  oder  geblieben,  wie 
sie  denn  noch  ganz  kürzlich  von  A.  Schulten 
im  Hermes  (29,  482)  unter  Berufung  auf 
Marquardt  ohne  weiteres  als  sicher  accep- 
tiert  worden  ist.  Es  wird  deshalb  nicht 
uuzweckmässig  sein,  eine  andere  Ansicht, 
welche  ich  in  meinen  Forschungen  zur 
Geschichte  der  Rheinlande  in  der  Bömer- 
zeit  (Lpz.  1889  S.  23)  und  schon  vorher 
Asbach  in  der  Westd.  Ztschr.  HI  11,  571 
u.  ö.  ausgesprochen,  aber  beide  noch  nicht 
begründet  haben,  hier  zu  wiederholen  und 
durch  eine  wie  ich  hoffe  sichere  Beweis- 
führung als  die  richtige  zu  erweisen. 

Unter  Augustus  bestand  das  kaiserliche 
Gallien,  die  in  drei  Provinzen  geteilte 
Gallia  comata,  aus  64  civitates  (Tac.  ann. 
III  44)  und  dazu  dem  Militärgebiete  Ger* 
mania,  d.  h.  dem  Gebiete  der  die  Germa- 
nen bekämpfenden  und  besiegenden  Le- 
gionen, dessen  Grenze  im  Osten  vor  der 
Teutoburger  Niederlage  theoretisch  bis  zur 
Elbe  reichte,  von  9  n.  Chr.  an  aber  pro- 
visorisch und  seit  17  definitiv  an  den  Rhein 
zurückgezogen  wurde').  In  diesem  Ge- 
biete verblieben  unter  einer  Zweiheit  von 
Befehlshabern  die  acht  Legionen,  commune 
in  Germanos  Gallosque  siibsidium  (Tac. 
ann.  IV  5),  und  es  bestand  darin  keine 
civitas  im  römischen  Sinne  ausser  etwa 
der  civitas  übiorum,  die  51  eine  Golonie 
wurde  (die  einst  von  Munatius  Plauens  in 
Raurica  gestiftete  Golonie,  vgl.  CIL.  X 
6087,  gehörte  damals  der  Belgica,  aber 
nicht  dem  Militärbezirke  an  nach  Pli- 
nius  IV  106,  einer  auf  einem  Bericht  aus 
augusteischer  Zeit  beruhenden  Stelle). 
Noch  Ptolemäus  stellt,  hierin  im  ganzen 
einer  alten  Quelle  folgend,  die  Germaniae 
selbst  coordiniert  neben  die  civitates  der 


1)  YgL  auch  Hflbner  (Bonn.  Jahrb.  63,  41), 
Hirschfdld  (Gomment.  philol.  in  honorem  Th, 
Mommseni  p.  498  ff )  nnd  andere. 

8)  So  wird  sich  der  Name  Germania  für  ein 
kleines  Gebiet,  das  kanm  snm  eigeotlichen  Ger- 
manenlande gehörte,  am  einfachsten  erklären 
laeaen  (Tgl.  auch  Mommsen  B.  G.  Y  107  f.);  die 
BeibehaltoBg  des  Namens  nach  17  wurde  durch 
den  Umstand,  dass  Ubier,  Yangionen  u.  s.  w. 
selbst  germanischen  Stammes  waren,  nicht  herbei- 
geftthrt,  sondern  nur  erleichtert. 


Treveri,  Tungri,  Lingones,  Helretii  n.  a. 
als  Teile  der  Belgischen  Provinz*):  eine 
Stelle,  in  der  ich  (Korrbl.  der  Westd  Z. 

XII  78)  aus  der  Auswahl  der  innerhalb 
seiner  Germaniae  genannten  Stämme  und 
Städte  die  Begrenzung  der  beiden  Ger- 
manien, unter  der  Voraussetzung,  daas  der 
Militärbezirk  und  die  späteren  Provinzen 
dieselben  Gebiete  mit  Ausnahme  des  oon 
heerlosen  helvetischen  umfassten  (s.  u.),  er- 
mittelt zu  haben  glaube.  —  Als  im  An£uig 
der  Regierung  des  Claudius  einige  dieser 
Legionen  (II.  XIV.  XX)  Germania  ver- 
liessen  um  in  Britannien  zu  kämpfen,  er- 
hielt, beiläufig  gesagt,  die  zweite  Legion 
in  Strassburg  zuerst  vielleicht  die  dritte 
oder  die  zwölfte,  die  eine  alte  aber  etwas 
zweifelhafte  Inschrift  (CIL.  II  3273)  Ger- 
(manica)  nennt,  zum  Ersatz ;  diese  aber  als 
sie  58  in  den  Orient  abzog   (Tac.  ann. 

XIII  35,  38,  XV  6),  erhielt  in  Strassburg 
keine  Nachfolgerin,  sondern  es  schien  ge- 
nügend an  diesen  wenig  exponierten  Ort 
Teile  der  vierten  Legion  aus  Mainz  zu 
verlegen  (vgl.  deren  im  Index  von  Bram- 
bach  nicht  aufgenommenen  Stempel  da- 
selbst in  CIRh.  1894).  An  Stelle  der  vier- 
zehnten aber,  die  auch  nach  Britannien 
ging,  kamen  nach  Mainz  Teile  der  Ugio 
XXII  Ct/renaica  aus  Ägypten.  So  heisst 
nämlich  die  seit  Claudius  selten  'Deio- 
tariana'  genannte,  öfter  jedoch  jedes  Epi- 
thetons entbehrende  Legion  auf  einer 
Inschrift  aus  der  Zeit  des  Tiberius  (CIL. 
X  4862),  und  denselben  Namen,  so  scheint 
mir,  führt  sie  auf  den  ältesten  Stempeb 
der  Rheinlande.  Es  sind  dies  die  neuer- 
dings (1894)  in  Flörsheim  gefundenen 
Stempel  LXXII  CV  (C  und  V  sind  oben 
verbunden),  denen  sich  ein  ganz  gleichar- 
tiger 1890  in  Worms  gefundener  LXXII  CV 
sowie  ein  Mainzer  Stempel  (bei  Becker, 
Catal.  304,  12  als  LEG  XXII  CV  wiederge- 
geben) anschliessen.     Auch  die  Stempel, 

8)  Vgl.  Tac.  hist.  I  8  prociaMe  etrmamiria  aar- 
ciUktu  (kUliarum  einiiaUa  58  Trwtri  mc  Lmgamea  .  . 
eioitaU»  .  .  Mbemi»  Ufiowwm  mitomtur  .  .  Iitttr  p*- 
gano9  eorruptior  mOet.  57  principe»  coUmiarum  n» 
eattroruMi.  59  eiviUu  LiMgonuwt,  aber  Baltnonam  gem. 
lY  70  IMUomatrici  eiväas.  79  Jkmffrontm  eimaa*. 
I  67  ff.  fiWtwKt  gtma,  aber  aneh  ctmtau.  —  Ton  den 
BataTern  IV  56  angewendet  ist  civfco«  des  Zv- 
eammenhang  nach  rielmehr  der  Ausdruck  ihrer 
Selbet&ndigkeit. 


—    149    — 

welche  als  LEG  XXII  N  oder  IV  ediert 
wurden,  sind  nach  G.  Wolffs  wahrschein- 
licher Yermotung  als  CV  aufzufassen^). 
Ebenso  der  Coblenzer  Stempel  LEG - 
XXIIC///7  und  wohl  der  Bopparder  LEG ' 
IIXXC  ^),  sowie  der  nicht  mehr  vorhandene 
*titalus  lapideus'  aus  Mainz  LEG  *  XXll  * 
€  •  V  •  «).  Für  den  CIRh.  1537  f  2  ver- 
zeichneten Wiesbadener  Stempel  LEG 
XXII  C  •  V  hat  schon  Wolff  (V  als  rich- 
tige Lesung  erkannt^).  Als  Erklärung 
dieser  Abkürzung  schlug  schon  Lersch 
Claudia,  dann  Brambach  Claudia  Victrix 
Yor,  was  wenigstens  jedenfalls  weit  besser 
ist  als  Beckers  (hhors  Quinta,  Aber  dass 
der  kaiserliche  Name  Claudia,  wenn  ein- 
mal der  Legion  verliehen,  ihr  bald  wieder 
entzogen  worden  sein  sollte,  ist  im  höchsten 
Grade  unwahrscheinlich,  und  doch  führt 
sie  ihn  später  niemals.  Und  ferner:  auf 
allen  beglaubigten  Stücken  ist  CV  in  einem 
Zuge  und  ohne  Zwischenpunkt  CV  geschrie- 
ben, so  dass  beides  auch  zu  einem  Worte 
gehören  wird ;  und  dazu  sind  die  betreffen- 
den Stempel  in  grossen  Zügen  geräumig 
und  sehr  sorgfältig  hergestellt,  so  dass  an 
ein  nur  irrtümliches  Weglassen  des  tren- 
nenden Punktes  nicht  zu  denken  ist.  Wäh- 
rend sich  zwar  auch  an  GVstos,  GVratrix 
u.  a.  denken  liesse,  schlage  ich  als  Er- 
gänzung vor :  Legio  XXII  CVrenaica"). 
Ist  dies  richtig,  so  gehören  die  Stempel  der 
Anfangszeit  des  Aufenthaltes  der  Truppe  im 
Rheinland,  d.  h.  den  ersten  Jahren  des 
Kaisers  Claudius  an  und  erzählen  uns,  dass 
die  22.  Legion  nicht  schon  in  Ägypten  in 
zwei  Legionen  geteilt  wurde,  sondern  dass 
anfangs  lediglich  Abteilungen  der  einheit- 

4)  Bei  Brambftoh  GIBb.  1S77  g  81:  1SS7  f  3; 
auch  1999  c  S.  —  Vgl,  O.  Wolff,  NasB.  Annalen 
1895  S.  49  f. 

5)  CIBh.  707;  718. 

6)  Ebenda  1084. 

7)  Der  'Bronsestreifen'  des  Bonner  MnBeums 
mit  C '  YB  (r=  CIBh.  197ft)  ist  nach  Hettners  An- 
gabe in  seinem  BCataloge  des  dortigen  Maeeums 
(Nr.  197)  eine  Fttlsohnng. 

8)  Der  Ersata  des  griechischen  T  dnrch  V, 
in  früherer  Zeit  bekanntlich  sehr  hftoflg,  ist  auch 
der  Zeit  des  Angastas  nicht  fremd  (CIL.  XII  8936 
Nutmphis  n.  ö.  und  in  offlcieller  Urknnde  YI  701 
nnd  708  Aegufto)  und  ist  hier  bei  einer  eben  ans 
dem  griechischen  Orient  kommenden  Truppe  wohl 
ans  dem  Streben  sich  im  Abendlande  sa  latini- 
sieren an  erkl&ren. 


—    160    — 

liehen  ägyptischen  Legion  an  den  Bhein 
kamen.  Allerdings  kann  es  dott  nicht 
lange  gedauert  haben,  so  wurde  aus  diesen 
Abteilungen  eine  selbständige  neue  Legion 
formiert  und  ebenso  wie  die  XV.,  die 
gleichzeitig  als  Ersatz  der  XX.  nach  Ger- 
manien kam,  als  primigenia  bezeichnet. 
Unsere  Stempel  gehören  somit  zu  den 
allerältesten  des  Rheinlandes*),  ja  es  ist 
vielleicht  nicht  unmöglich,  dass  sie  ein 
Zeugnis  dafür  ablegen,  dass  gerade  durch 
diese  Legion  die  Anwendung  der  Legions- 
stempel aus  Ägypten  an  den  Rhein  ver- 
pflanzt worden  sei.  Über  diesen  Punkt 
sind  weitere  Nachforschungen  sehr  wün- 
schenswert. Ob  der  'veteranus  ex  leg, 
XXII  VT'  auf  einer  verlorenen  Inschrift 
bei  Br.  270  auf  falscher  Lesart  beruht,  die 
vielmehr  auf  XXII  GVR  hinweist,  lässt 
sich  natürlich  nicht  mehr  entscheiden. 

Doch  dies  beiläufig.  Der  Militärbezirk 
Germania  stand,  wie  gesagt,  unter  zwei 
kaiserlichen  Legaten,  deren  jeder  mehrere 
Legionen  befehligte.  Doch  nicht  so,  als 
sei  er  auf  seine  Hälfte  eingeschränkt,  oder 
als  sei  er  in  ihr  völlig  unabhängig  gewesen. 
Folgende  Momente,  die  für  diese  meine 
Ansicht  sprechen,  sind  meines  Wissens 
noch  nicht  gehörig  beachtet  worden.  Im 
J.  21  forderte  jeder  der  beiden  Legaten  für 
sich  das  Commando  der  gegen  die  galli- 
schen Rebellen  geschickten  rheinischen  Le- 
gionen ^®).  Und  was  wichtiger  ist :  als  im 
J.  28  L.  Apronius,  der  Legat  der  nieder- 
rheinischen Legionen,  von  dem  Abfall  der 
Friesen  vernahm,  ^vexiUa  legionum  e  su- 
periore  promneia  ,  ,  acciüit,  ac  simül 
utrunique  exercitum  .  .  Frisiis  intiüit^^^). 
Als  dann  im  J.  58  Germanen  das  nieder- 
rheinische Gebiet  bedrohten,  schrieb  der 
dortige  Legat  Avitus  'ad  Curtüium  Manciam 
superiori^  exercitus  kgatum,  ut  Bhenum 
transgressus  arma  a  tergo  ostenderef,  und 
'ipse  legiones  in  agrum  Tencterum  in- 
duxit'^^).  War  einst  unter  dem  obersten 
Befehl  des  Germanicus  C.  Silius,  der  14 
bis  21   das   obere  Heer  befehligte,   doch 

9)  Tgl.  G.  WoUr,  Die  rOm.  Ziegeleien  Ton  Nied 
8.  339. 

10)  Vgl.  des  Vf.  Bheinisches  Germanien  in  d. 
antiken  Litt.  IV  76.    Vgl.  auch  IV  73. 

11)  Ebenda  IV  80. 

12)  Ebenda  IV  189. 


—    161    — 


—    152    — 


im  J.  16  auch  am  Niederrhein  beschäftigt 
worden  ^*),  so  konnte  also  jetzt  im  Falle 
der  Zweckmässigkeit  oder  der  Not  jeder 
der  zwei  Legaten  selbst  seinem  Kollegen 
die  nötigen  Auifträge  erteilen,  und  dieser 
war  verpflichtet,  ihm  zum  Schutze  der 
Grenze  willfährig  beizustehen.  Denn  dieser 
Grenzschutz,  die  cura  ripae,  war  eben  die 
Aufgabe  der  rheinischen  Legionen,  und 
treffend  drückt  sich  Tacitus  nach  der  Schild- 
erhebung des  Vitellius  durch  die  nieder- 
rheinischen Legionen  dahin  aus,  dass  ^cura 
ripae  Hordeonio  Flacco  permissa,  d.  h. 
dass  dieser  das  Commando  der  Reste  nicht 
nur  seiner  ober-,  sondern  auch  der  nieder- 
rheinischen ")  Legionen  erhielt.  Und  'Inter- 
fecto  Hordeonio  .  .  Tutor  ripae  Rheni  a 
Viteüio  praefectus'^^^),  eine  Stelle,  die 
man  bis  jetzt  noch  nicht  dahin  richtig 
auffasst,  dass  Tutor  der  kaiserliche  Legat 
des  ganzen  rheinischen  Heeres,  soweit  es 
überhaupt  am  Rhein  zurückgeblieben  war, 
wurde  und  somit  der  Liste  der  Heeres- 
legaten einzureihen  ist.  Es  war  also  keine 
absolute  Trennung  der  beiden  Heeresteile 
vorhanden. 

Fragen  wir  nun,  wann  die  völlige  Tren- 
nung eintrat,  so  sind  wir  in  der  glücklichen 
Lage  eine  officielle  Formel  zur  Antwort 
verwerten  zu  können,  die  meines  Wissens 
bisher  von  keinem  Forscher,  der  diese 
Frage  streifte,  in  diesem  Sinne  verwertet 
wurde.  Nirgends,  soviel  ich  weiss,  wurde 
noch  auf  einen  Unterschied  hingewiesen, 
der  die  früheren  und  die  späteren  ober- 
germanischen  Militärdiplome  von  einander 
trennt  ^^i>).  Wir  besitzen  deren  bekanntlich 
jetzt  f&nf,  welche  den  Jahren  74,  82,  90, 
116,  134^*)  angehören.  In  den  beiden 
ersten   wird   einigen  Alen   und  Gohorten, 


18)  Ebenda  IV  4.  4S.  74  f. 

14)  Rh.  G.  V  41. 

14a)  Ebenda  Y,  79,  vgl.  noch  besonders  V  88 
und  98. 

14b)  Kachträglich  sehe  ich,  dass  E.  Bitterling 
Wd.  Zs.  XII,  119  A.  bereits  den  Unterschied  der 
Diplome  von  82  und  90  kurs  erwähnt  und  die 
'Möglichkeit'  einer  solchen'Erklämng  'nicht  rund- 
weg abgeleugnet'  hat,  ohne  Jedoch  darauf  n&her 
einzugehen. 

16)  Clli.  in  SuppL  p.  1960  ff.  —  Die  drei  ersten 
sind  am  bequemsten  sugAnglich  bei  Dessau  Inscr. 
latinae  selectae  I  1998,  1996,  1996,  das  vierte  bei 
Brambach  CIBh.  1618,  das  letate  im  Limesbl.  8.  69. 


'quae  appeüantur  (folgen  die  Namen)  et 
sunt  in  Germania  sub'  (folgt  der  Name 
des  Befehlshabers  der  obei^ermaiiiscben 
Truppen)  das  Büi^rrecht  und  C4»abiiun 
verliehen,  dagegen  in  denen  von  90,  116 
und  134  heisst  es  'et  sunt  m  Germania 
superiore  sub  .  .'  Diesen  Unterschied 
in  einer  streng  officiell  formulierten  Ur- 
kunde für  Zufall  oder  Nachlässigkeit  zu 
erklären  oder  auch  fiir  die  älteren  Diplome 
zu  statuieren  'potuit  determinatio  omitti, 
cum  legati  nomen  sufficeret*  ^'»)  (warum 
nur  in  den  älteren?),  wäre  unznläKig; 
dazu  kommt,  dass  der  für  das  J.  90  ge- 
nannte Legat,  der  bekannte  Jurist  Javole- 
nus  Priscus,  auch  in  einer  Inschrift  (CIL 
III  2864)  ausdrücklich  legatus  eonsularis 
proüinciae  Germaniae  superioris  heisst, 
eine  Inschrift,  in  der  man  zwar  dem  streD- 
gen  Wortlaut  seine  Bedeutung  abstreiteo 
wollte,  die  dieselbe  aber  durch  diese  Be- 
ziehung zu  dem  betr.  Militärdiplom  sicher- 
lich behauptet,  zumal  da  sie  zuerst  die 
später  übliche  Bezeichnung  so  genau  und 
ausdrücklich  bietet  Wie  nun  ?  Wenn  noch 
82  nur  Germania,  90  aber  Germania  supe- 
rior  bestand,  deutet  dies  etwa  lediglich  auf 
die  Teilung  einer  Provinz  hin,  so  etwa,  wie 
wenn  wir  noch  im  Diplom  von  82  nur  Moesia 
(CIL.  III  p.  1960),  in  dem  von  99  aber 
Moesia  inferior  (ib.  III  p.  863)  lesen,  die 
Teüung  Moesiens  in  zwei  Provinzen  ge- 
meint ist  ?  Dann  hätte  eben  Germania  vor- 
her eine  Provinz  sein  müssen;  und  dass 
es  dies  nicht  war,  ist  doch  seit  Fechter*s 
und  Mommsen's  Untersuchungen  sicherge- 
stellt. Der  Unterschied  zwischen  beiden 
Zeiten  muss  ein  anderer  sein.  Welcher  es 
war,  dafür  möge  folgender  Überblick  über 
die  inschriftlichen  Zeugnisse  sprechen.  Zu- 
nächst über  die  dem  J.  90  vorausliegenden. 
Unter  Claudius  oder  Gaius  war  TL 
Plautius  Silvanus  'kgatfusj  legfumisj  V  in 
Germania  (CIL.  XIV  3608)  undM.  Helvios 
Geminus  'tribfunusj  müüfumj  legfwnif) 
XVI  Germaniae  (ib.  in  6074).  Seit  dem 
J.  50  war  Sex.  Sammius  Severus  'cfenturio) 
legfionisj  primfaej  GermanicfaeJ'  (ib.  Xtt 
2234).  Hier  ist  Germanieae  nichts  anden 
als  bei  den  vorherigen  Inschriften  m  Ger- 
mania oder  Germaniae  \  es  bedeutet  ledig-, 

15a)  CIL.  m  SuppL  p.  1961. 


^    153    — 

lieh  „in  Germanien  befindlich '^^  ist  aber 
kein  der  Legion  yerliehener  Titel.  Denn, 
am  dies  hier  nebenher  zu  bemerken,  wenn 
man  jetzt  oft  von  'legio  I  Germanica  spricht, 
8o  beruht  dies  einzig  auf  obiger  Inschrift, 
der  aber  viele  mit  der  einfachen  Benen- 
nung 'legio  T  entgegenstehen :  man  wende 
also  zur  Unterscheidung  von  anderen  ersten 
Legionen  etwa  den  Ausdruck  an  „die  alte 
legio  I**,  nicht  aber  „legio  I  Germanica**. 
Ganz  in  demselben  Sinn  wird  die  fünfte 
und  die  sechzehnte  Legion  Gallica  ^')  ge- 
nannt, d.  h.  „in  Gallien  befindlich**.  Später 
noch  kommt  die  XXII  primigenia  Ger- 
manica und  XXX  Ulpia  victrix  Germanica 
vor  (ib.  XIV  4178i>);  vielleicht  (s.  oben) 
auch  XII  GermCanicaJ.  Endlich  finden  wir 
im  selben  Sinne  in  einer  Mainzer  Grab- 
schrift  die  singulare  Bezeichnung  legio  II 
Pannanica^''):  es  ist  damit  die  in  Pan- 
nonien  gamisonierende  legio  II  Adiutrix 
gemeint.  Ob  auch  jene  Cyrenaica  ursprüng- 
lich einmal  in  Gyrene  stand,  ist  nicht  be- 
kannt, jedenfalls  hat  ihr  Name  später  nicht 
diese  Bedeutung. 

Um  nun  zur  Aufzählung  der  Inschriften 
von  vor  90  zurückzjikehren,  so  erwähne 
ich  zunächst  die  auch  wohl  noch  früher 
Zeit  angehörige  des  M.  Stlaccius  Coranus, 
eines  ^praeffectusj  cohfortisj  V  Bracar, 
Augustanorum  in  Germania*  (ib.  VI  3539) ; 
sodann  heisst  es  aus  der  Zeit  vor  70  (denn 
die  betr.  Legionen  bestanden  nicht  länger), 
wahrscheinlich  aber  von  viel  früher,  von 
L.  Aelius  und  seinem  Bruder  F.  Aelius 
'militavit  Jegione  XVI  in  Germania    (ib. 


-^    154    — 

VI  3560).  So  war  auch  C.  Vibius  Publi- 
lianus  Hribuntis  militum  [bijs,  legCionisJ 
IUI  Macedonicae  et  legionfisj  XXI  Ra- 
pacis  in  Germania;  aus  demselben  Grunde, 
da  die  vierte  Legion  nicht  länger  bestand, 
vor  70  (ib.  XIV  3548).  Und  endlich  der 
bekannte  C.  Dillins  Vocula  war,  und  zwar, 
wie  wir  aus  Tacitus  wissen,  im  Jahre  69 
^legfattMj  in  Germania  legfianisj  XXII 
primigeniae  (ib.  VI  1402).  Wie  wir  sehen, 
heisst  der  Bezirk  selbst  damals  überall 
lediglich  Germania,  Ausserdem  finden  wir 
in  L.  Duvius  Avitus  im  J.  58  einen  legCa- 
ius)  pro  prfaetorej  exercitfusj  Germ,  in- 
ferCiorisJ  (CIL.  XII  1354)  Wollte  man 
hier  Germaniae  inferioris  ergänzen,  wie 
daselbst  im  Index  p.  921  geschieht,  so 
würde  man  nach  Form  und  Inhalt  mit 
allen  angeführten  Inschriften  in  Wider- 
spruch stehen.  Vielmehr  muss  gelesen  wer- 
den exercitus  Germanici  inferi4)rt8,  wie 
die  Inschrift  von  Larioz  aus  Vespasians 
Zeit  (CIL.  Xn  113)  ergiebt,  nach  welcher 
Cn.  Pinarius  Clemens  als  'leg(aiu8j  eins 
pro  prfaetorej  exercitus  Germanici  sup- 
erioris*  74  die  Grenzen  der  Viennenser 
festlegte.  Auch  die  so  häufigen  Stempel 
mit  EX  GER  INF  werden  demnach  nicht, 
wie  Brambach  thut,  mit  Exercitus  Ger- 
maniae inferioris,  sondern  —  wenigstens 
soweit  sie  der  Zeit  vor  90  angehören  — 
mit  Sicherheit  mit  Exercitus  Germanicus 
inferior  aufzulösen  sein.  Und  ebensowenig 
steht  Germania  superior  auf  einer  anderen 
Inschrift  desselben  Legaten,  welche  (CIL. 
XI  5271)  bei  Dessau  997  so  ergänzt  ist: 


Cn.  Pinarius  L.  f.  Pap.  Coilneiius  Clemens 

legat.  pro  pr.  exercitus  qu[t  est  in  Germania  sup.,  cur,  aedium 

sacrarum  locorumq.  publ[icorum 

triumphalibus  omament[i8 ob  res 

in  Germa[m'a  prospere  gestas 


Hier  ist  das  ergänzte  Wort  sup.  zu  streichen 
und  darf  nur  gelesen  werden  exercitus  qui 
est  in  Germania,  wie  es  in  dem  Militär- 
diplom von  74  von  demselben  Legaten 
heisst:  *et  sunt  in  Germania  sub  Cn. 
Pinario    Comelio   demente'.     Er  war  ja 


16)  Die   fOnfte    CIL.   ni  293,    294 ;    die    tecb- 
sehnte  VI  2785,  X  1711. 

17)  Bonn.  Jahrb.  78,  139 


zunächst  för  die  Truppen  des  oberen  Ge- 
bietes da,  den  exercittis  Germanicus  superior, 
den  auch  die  stadtrömische  Inschrift  CIL. 
VI  3556  mit  den  Worten  'centuriones  de 
exerdtu  Germanico  superiore  nennt;  aber 
den  Oberbefehl  teilte  er  (s.  oben)  mit 
seinem  niederrheinischen  CoUegen;  sie 
beide  standen  'tn  Germania*.  Tacitus,  der 
durch  seine  ungenaue,  anachronistische 
Anwendung    der    Ausdrücke    (prfmneiaj 


—    156    — 

Germania  mperior  und  inferior  *')  diese 
Untersuchung  in  früheren  Zeiten  so  sehr 
verwirrt  hat,  wendet  doch  einmal  eine 
ausserordentlich  zutreffende  Bezeichnung 
an;  er  sagt  nftmlich  zum  J.  58:  In  Ger- 
mania .  .  Paulinwt  Pompeius  et  L,  Vetwt 
ea  tempestate  exercitui  praeerant  ^%  Also 
ein  Land  und  im  Notfall  ein  Heer,  aber 
zwei  Fahrer  und  in  gewöhnlichen  Zeiten 
zwei  Einzelheere  '^).  —  Bald  nach  81  war 
ein  M.  Yalerius  Propinquus  'praeffectusj 
cohorßisj  secund(ae)  ÄsturfumJ  in  Ger- 
mfania'J  (CIL.  II  4251)  und  wahrschein- 
lich kurz  vor  88  ein  P.  Licinius  'praefec- 
tu8  cohortis  VII  Raetorum  equitatae  in 
Germania"  (CIL.  II  3237).  Ausserdem 
finden  wir  (ib.  II  3271)  bald  nach  dem 
Tode  des  Divus  Titus  einen  *praefectus 
fisci  Germaniae*.  Dann  aber  erscheint 
zum  erstenmaledie  andere  Bezeichnung : 
im  J.  90  war,  wie  erwähnt,  Javolenus 
Priscus  bereits  legaius  conmlariü  provindat 
Germaniae  mperioris. 

Von  da  an  herrscht  nun  die  Bezeich- 
nung Germania  superior  und  inferior  vor. 
Zunächst  in  den  Diplomen  von  90,  116, 
134.  Unter  Tri^an  finden  wir  in  L.  Flavius 
Gaetitlicus  einen  p9taef(ectus)  coh(ortis)  II 
equitat(ae)  HispCanorumJ  Germ(aniae)  su- 
pferiorisj  (CIL.  III  607)  und  in  den  letzten 
Jahren  seiner  Regierung  (die  Inschrift 
nennt  ihn  noch  nicht  Divus)  einen  leg(aiu8) 
leg(ionis)  I  Mftnerviae)  pCiae)  ffidelisj  in 
GermfaniaJ  infer(iare)  (CIL.  III  Suppl. 
6819).  Von  Hadrian  an  wird  die  Zahl  der 
betr.  Inschriften  sehr  gross,  eine  nähere 
Angabe  der  einzelnen  ist  hier  aber  un- 
nötig'^). Dass  sich  daneben  vereinzelt 
auch  später  die  blosse  Angabe  Germania 
findet,  kommt  gegenüber  der  überwältigen- 
den Mehrzahl  der  Zeugnisse  nicht  weiter 

18)  Rh.  Oerm.  IV  81.  116.  ISS.  Doch  wendet 
er  Mich  die  richtigen  AnsdrQcke  RMTcüHi  mperior 
und  in/krior  an:  IV  4.  13.  14.  189  n.  0. 

19)  Bh.  Germ.  IV  186. 

90)  TacitTiB  und  andere  Autoren  reden  deshalb 
bald  yon  einem  germanischen  Heere  (Rh.  Qerm. 
IV  1,  3,  28,  69,  136  u.  0.),  bald  von  Bweien  (ebd. 
4,  11,  13,  14,  114,  138,  139  u   0.). 

21)  Vgl.  B.  B.  für  Hadrians  Zeit  CIL.  V  877, 
Vin  6706,  in  8738;  fUr  spftter  IH  4459,  67&8,  4279; 
VI  3890,  8514,  1685a;  VII  868,  412,  481,  693;  Vm 
9060,  9881,  9798;  XI  709;  XU  8181;  XIV  8610 
(wiohiig)  und  viele  andere. 


—    156    — 

in  Betracht.  Denn  es  gehören  dahin  zu- 
nächst aus  der  weiten  Feme  Griechenlands 
und  Kleinasiens,  welche  die  üngenanigkeit 
entschuldigt,  vmerixdg  rijg  rV^fiarurg  M. 
Appius  (Atilius)  Bradua  in  Kiedergerma- 
nien  (Korrbl.  XI  109,  Westd.  Ztscbr.  XIII 
36)  und  Calpnmius  Proclns,  rjyffinp  Upthoi 
«  *A^fivug  h  Ffiffiavia  um  160  (Clgraec. 
III  4011),  denen  übrigens  wiedemm  fol- 
gende genauere  Angabe  gegenQberstefat: 
Ti.  Severus  nQBcßtvTtis  avTon^äropog  *Ap 
tetvslvav  Evotßovg  F^fiaviaq  xriq  «ani, 
Germaniae  inferioris,  um  143  (Clgraec.  UI 
4033).  Dass  ferner  Jemand  mit  der  sechsten 
Legion  einfach  'er  Germania  in  Briianniam 
iransiV  (CIL.  VI  1549),  nicht  ex  Germania 
inferiore,  dass  in  Versen  nur  Germama 
steht  (Vni  Suppl.  12128),  dass  expeditiooes 
nur  Germaniae  (ClRh.  1800)  oder  Ger- 
mnnicae  heissen,  endlich  auch  dass  (im 
Gegensatz  zu  dem  auf  den  Stempeln  oft 
genannten  exercitus  Germanicus  inferior. 
die  Rheinflotte  ihren  Gesamtnamen  claam 
Germanica  p,  /*.  allezeit  beibehielt:  dies 
alles  ist  nicht  als  widerlegende  Ausnahme 
anzusehen.  Eine  einzige  wirkliche  Aos- 
nahme,  deren  Ungenauigkeit  kaum  durch 
den  Gegensatz  zu  dem  vorhergehenden 
*praefecio  .  .  in  Africa  zu  entschuldigen 
ist,  bietet  CIL.  VI  3538  Tito  Staberio 
Secundo  .  .  'tribuno  militum  leg,  VII  ge- 
minae  felicis  in  Germania'.  Denn  diese 
Legion  muss  wohl  einmal,  und  zwar  erst 
im  zweiten  Jahrb.,  ganz  oder  teilweise  aas 
ihrer  spanischen  Garnison  fiir  kurze  Zeit 
nach  Obergermanien  gekommen  sein,  viel- 
leicht zur  Verstärkung  für  von  dort  in 
einen  Krieg  abcommandierte  Vexillationen: 
vgl.  CIL.  X  5829  .  .  .  a  divo  Traiano  .  . 
praepositus  vexiUationibus  milliaris  trihus 
expeditione  Brittannica  leg.  VII  gemin. 
VIII  Aug.  XXII  primig:  ^% 

Vor  dem  J.  90  gab  es  also,  dies  ist  das 
fest  zu  formulierende  Resultat  unserer 
Übersicht,  nur  eine  Germania^  in  der  ein 
exercitus  Germanicus  als  superior  und  ih- 
ferior  unter  zwei  zu  gegenseitiger  Hülfe 
verbundenen  Heereslegaten  standen,  da- 
gegen gab  es  keine  Germania  superior 
und  keine  Germania  inferior.    Auch  ist 

88)  Vgl.  noch  GIBh.  896.  1077  und  Bitttrltog 
Wettd.  Z.  Xn  840;  dereelbe  ebehdA  XII  117. 


-    157    — 

jene  Orermania  keine  Provinz,  sondern  der 
Heeresbezirk  der  gallischen  Pro\inzen.  Sie 
steht  unter  militärischer  Botmässigkeit ; 
nur  die  colonia  Agrippinensium  ist  davon 
soweit  ausgenommen,  dass  seit  ihrer  Grün- 
dung die  zwei  dortigen  Legionen  nach 
Bonna  und  Novaesium  verlegt  wurden, 
ohne  dass  doch  die  militärische  Besetzung 
später  aufgehört  hätte  (Korrbl.  XIV  S.  88  f.). 
Über  die  colonia  Raurica  s.  oben.  Die 
übrigen  Bewohner  aber  waren  lediglich 
stipendiarii  (gentes  sagt  Plinius  IV  106), 
unterworfene  Peregrinen.  —  Dies  änderte 
sich  seit  der  Errichtung  der  Provinzen. 
Trajan  gründete  wenigstens  zwei  cimtates 
Ulpiae  daselbst,  die  eine  deren  Hauptort 
Lopodunum  wurde"),  die  spätere  'ciritas 
Llpia  S  N  **) ;  die  andere  die  civitas  Ulpia 
Traiana  (später  im  Itinerarium  Antonini 
und  auf  der  Peutinger*schen  Tafel  colonia 
Traiana  genannt)  bei  dem  alten  Vetera. 
Ein  Veteran  der  22.  Legion  aus  deren  nie- 
derrheinischer Zeit  (70  bis  in  Trajans  Zeit) 
—  denn  er  blieb  in  Vetera  —  heisst  nun 
schon  c  i  V  i  s  Traianenm.  Mehrere  Baetasii, 
die  seit  104  unter  den  equites  singulares 
in  Rom  dienten  und  daselbst  einen  Grad 
des  Bürgerrechts  erhielten,  wurden  gleich- 
falls als  Veteranen  Traianenaes,  Diesen 
Traianenses  Baetafiii*^)  entspricht  aus  dem- 
selben Beitercorps  ein  cives  Trihocus 
Clfaudia)  Ära,  der  aus  der  civitas  der 
Triboci  im  Elsass  stammte  und  bei  seiner 
Entlassung  128  sogar  Bürger  der  kölni- 

23)  Urbe»  trams  JU«Miai  in  Germania  reparavit 
lautet  der  angeschickt  ansgedrttckte  Bericht  des 
Entropias  (Rhein.  Herrn.  YIl  6). 

94)  Znletst  erörtert  Zangemeister,  N.  Heidelb. 
Jahrb.  HI  S.  8.  —  BeiUuflg  bemerke  ich,  dass  in 
Speier  ein  Meilenstein  ans  dem  J.  859  die  Stadt 
als  [C]OIj(onia)  N(emetam)  beaeichnet,  wfthrend 
anf  den  Tier  sp&teren  G  NEM  oder  C  K 
steht.  Da  nnn  auf  den  rheinischen  Meilensteinen 
colonia  stets,  um  es  von  dem  geringeren  civitas  sn 
unterscheiden,  mindestens  mit  COL  ansgeschrie- 
ben  wird,  wie  die  Kölner  und  Trierer  Meilen- 
steine beweisen,  so  schliesse  ich,  dass  die  civitas 
yemetum,  der  schon  304  als  Bfirger  ein  Legions- 
centurio  mit  tria  nomina  und  Tribusangabe 
angehörte  (s.  bei  Dessau  458),  swar  den  Rang 
einer  colonia  in  der  Zeit  des  rheinischen  Kaisers 
Postnmus  im  J.  259  hatte,  ihn  aber  bei  der  Neu- 
ordnung des  Reiches,  also  wohl  durch  Aurelian, 
Terlor-,  und  dass  deshalb  die  Meilensteine  Ton 
281—817  nur  C{ivUas\  nicht  GOL((mM)  bieten. 

8&)  Bonn.  Jahrb.  88,  106. 


--     158     -^ 

sehen  colonia  CL  Ära  wurde  *').  Wenigstens 
angeführt  sei  noch  das  Cognomen  eineiB 
eques  singularis  Vangio^^).  So  wurden 
bürgerliche  Gemeinden,  wohl  latinischen 
Rechtes,  in  den  Militärbezirken  geschaffen. 
Denn  dass  cives  hier  nicht  nur  wie  domo 
die  Heimat,  sondern  eine  Rechtsstellung 
bezeichnet,  macht  schon  das  Fehlen  von 
cive8  Batavi  u.  s.  w.  in  der  älteren  Zeit 
wahrscheinlich,  womit  auch  die  Taciteischen 
Bezeichnungen  (s.  oben  Sp.  148  Anm.  3) 
bestens  stimmen. 

Die  Umwandlung  des  einen  Heeresbe- 
zirkes Germania  in  die  zwei  Provinzen 
mag  vielleicht,  wie  Asbach  und  ich  früher 
a.  a.  0.  bemerkten,  mit  der  Erweiterung 
des  Reiches  in  Folge  des  grossen  Chatten- 
kriegs  im  Jahre  83 — 84  zusammenhängen. 
Doch  ist  auch  möglich,  dass  sie  Erwägun- 
gen entstammt,  zu  denen  der  Aufstand  des 
obergermanischen  Heereslegaten  L.  Anto- 
nius Saturninus  88  geführt  hatte.  Bis  jetzt 
waren,  wie  oben  ausgeführt,  die  beiden 
Legaten  und  Heere  nicht  ohne  Verbindung 
mit  einander  gewesen,  und  ausserdem  ge- 
hörte ihr  Bezirk  zu  der  Oesamtprovinz 
der  tres  Galliae,  speziell  zu  Belgica,  und 
konnte  dort  eingreifen  zu  Gunsten  der 
dortigen  Römischen  Gewalt,  wie  im  J.  21 
an  der  Loire,  bei  den  Sequanem  und 
Aeduern'^),  oder  wohl  auch  so,  dass  er 
den  Statthaltern  daselbst  unangenehm 
wurde,  wie  es  ö8  n.  Chr.  L.  Antistius 
Yetus  beabsichtigte  *').  Diese  Möglich- 
keit sollte  vielleicht  nach  den  Erfahrun- 
gen des  Jahres  88  aufhören.  Tiberius 
hatte  im  J.  17  das  Prinzip  befolgt,  die 
Gewalten  sich  gegenseitig  in  Schranken 
halten  zu  lassen;  Domitian  suchte  sie 
von  nun  an  eher  durch  Vereinzelung  zu 
schwächen,  indem  er  eine  Rivalität  zweier 
getrennte)^  Provinzen  schuf.  Ebenso  wie 
er  —  mit  Rücksicht  auf  Mainz  —  'gemi- 
nari  legionum  castra  prohibuif*%  wollte 


86)  Bonn.  Jahrb.  88,  110.  Br  wird  wohl  108 
eingetreten  sein.  —  Ein  anderer,  ans  unbestimm- 
ter Zeit,  war  cives  Nemcnsis,  beseugt  also  fttrs 
8.  oder  8.  Jahrhundert  die  civitas  der  Nemeter. 
Bonn.  Jahrb.  83,  111. 

27)  Bonn.  Jahrb.  88,  110. 

88)  Rh.  Qerm.  lY  78  ff. 

89)  Ebenda  lY  186. 
80)  Bh.  Oerm.  YI  40. 


-    159    - 

er  in  dieseiii  Falle  zwischen  den  Heeren 
jede  Verbindung  abbrechen.  Doch  welche 
von  beiden  Ursachen  auch  die  richtige 
sein  mag  (hoffentlich  giebt  noch  einmal 
ein  Militärdiplom  aus  den  Zwischenjahren 
die  sichere  Entscheidung) :  jedenfalls  rich- 
tete Domitian  zwischen  82  und  90  die 
beiden  Provinzen  ein,  die  dem  Lande  und 
seiner  Gultur  bald  zum  Segen  werden 
sollten.  Damals  wurde  Mainz  von  der  I. 
und  XIV.  und  das  Legionslager  bei  Res- 
selstadt  am  Main'*)  -—  so  denke  ich  — 
von  der  XXI.  Legion,  die  es  erst  wenige 
Jahre  vorher  '*)  errichtet  haben  wird,  fried- 
lich geräumt,  und  nur  die  XIII.  kam  nach 
Mainz  "),  aber  auch  sie  nur  für  kurze  Zeit, 
um  bald  an  die  Donau  abzuziehen  und 
der  XXII.  Legion,  die  von  an  in  Mainz 
blieb,  Platz  zu  machen,  da  diese  Yetera 
ihrerseits  der  von  Trajan  geschaffenen 
Legio  XXX  ülpia  zu  übergeben  hatte.  — 
Die  Begrenzung  der  zwei  Provinzen  end- 
lich habe  ich  wie  oben  gesagt  Korrbl.  XII 
78  aus  Ptolemäus  dahin  zu  bestimmen  ge- 
sucht, dass  wie  der  Germania  inferior  die 
Bataver  und  die  Gebiete  von  Yetera,  Köln, 
Bonn  und  die  ihrer  Legionen,  so  der  Ger- 
mania superior  ausser  Mainz  die  Gebiete 
der  Yangionen,  Nemeter,  Triboker  und 
Rauriker'*)  und  die  ihrer  Legionen  zuge- 

81)  VgL  G.  Wolff,  Das  röm.  Lager  su  Kessel- 
Stadt  (Hanau  1890).  Wolff  vergleicht  8.  58  f.  dessen 
Grosse  (875  m  im  Quadrat)  mit  der  des  Bonner 
oattmm  and  ist  jetzt,  nach  mündlicher  Mitteilung, 
geneigt  auch  das  Kesselstadter  Lager  fttr  ein  Le- 
gionslager SU  halten.  —  Etwas  anders  wttrde  sich 
die  Verteilung  gestolten,  wenn  Bitterling  Westd. 
Ztachr.  XH  117  Becht  h&tte,  indem  er  di«  I  Adin- 
trix  damals  fttr  kurse  Zeit  wiederkehren  Usst, 
was  wir  aher  trota  CIBh.  1663  und  der  von  ihm 
angesogenen  Stempel  bes  weif  ein  müssen.  B.  glaubt, 
dass  in  Mains  damals  die  XIY.  und  XXI.  Legion 
lagen:  ich  kann  dies  ron  der  XXI.  nicht  glauben, 
d»  sie  dort  so  wenige  Stempel  surQckgelassen  hat. 
Anderseits  ist  sie  in  Friedberg  (Hammeran,  Ur- 
gesch.  V.  Frankf.  S.  52)  und  Langenhain  (Limesbl. 
8.  88)  und  sahireich  in  Okarben  durch  Stempel 
yertreten,  was  auf  ihre  Verwendung  an  der  älteren 
Ostgrense  vom  Mainknie  bei  Kesselstadt  bis  eum 
Ostende  des  Taunus  schliessen  Iftsst. 

82)  Vgl.  G.  Wolff  a.  a.  O.  S.  841. 

88)  Vgl.  die  Mainser  Stempel  LEG  ■  JCHI  ■  G 
oder  LEG  •  XIH  •  G  •  P  •  F  (letstere  natürlich  nicht 
vor  88)  bei  Brambach  1877d,  durch  welche  die  An- 
sicht, die  Legion  habe  auch  nach  7'>  stets  an  der 
der  Donau  gestanden,  modiflsiert  wird. 

84)  Nur  in  letsterem  Namen  ist  ein   Unter- 


—     160     — 

hörten.  Hatte  ich  dort  aus  der  ajntliehen 
Thätigkeit  eines  Soldaten  der  22.  Legion 
in  Salodurum  im  Helvetierlande  die  Mos:- 
lichkeit  noch  offen  gelassen,  dass  auch  die 
Helvetier  einen  Teil  von  Genn.  snp.  bil- 
deten, so  muss  ich  dies  wenigstens  für  die 
Zeit,  seit  Helvetien  keine  Legion  mehr 
hatte  (seit  Trajan),  jetzt  zurücknehmen. 
Denn  wir  finden  aktive  Soldaten  zu  civüen 
Dienstleistungen  in  ganz  anderen  Provinzen 
mehrfach  verwendet;  ist  doch  ein  aktiver 
Soldat  der  XXX.  Legion  excurtus  procnjratff 
ris  provinciae  Lugudunefisis  (Dessau  2389), 
einer  der  XXII.  a  curis  in  Genf  (CIL.  XII 
5878),  ein  anderer  adiutor  ebenda  (CIL. 
XII  2604:  Sielleicht  officü  comiculano- 
rum'),  ein  dritter  war  unter  Severus 
Alexander  in  St.  Maurice,  also  im  Gebiet 
der  Alpes  Poeninae,  da  er  dem  Genios 
stationis  dort  eine  Votivinschrift  setzt,  bei 
dem  Grenzzoll  verwendet  (CIL.  XII  144 1; 
und  so  kann  auch  jener  Soldat  in  Salo- 
durum ausserhalb  seiner  Provinz  —  neh- 
men wir  an:  auf  Ersuchen  des  Statt- 
halters der  Belgica,  der  das  Amt  von 
einem  tüchtigen  Soldaten  versehen  wissen 
wollte  —  beschäftigt  worden  sein,  und 
Helvetien  gehörte  der  Germania  superior 
nicht  an. 

Möge  man  also,  wenn  man  die  Zeiten 
bis  vor  90  n.  Chr.  behandelt,  in  Zukunft 
nicht  mehr  von  Germania  superior  und 
inferior,  sondern  nur  von  dem  Heeres- 
bezirk Germania  sprechen,  dessen  erer- 
citus  Germanicus  von  zwei  Ijegaten  als 
exercitU8  Germanicus  superior  und  inferior 
befehligt  wurde. 
Frankfurt  a.  M.  A.  Riese. 


schied  swischen  Ptolem&ns  and  Plinios  IT  lOS, 
dm  der  letstere  die  B«iiriker  nicht  antar  den  Gtr- 
wumiOfe  gatte»  aafslLhit.  Am  natarliehsten  werden 
wir  annehmen,  data  dieselben  mit  ihrer  Colonie 
bei  Gmndnnff  der  Provins  Ober^rmanien  der 
Belgica  entnommen  nnd  jener  nenen  ProTins  ein* 
verleibt  wurden. 


Verlag  der  Fr.  Llntz'schen  Bachhandlang  in  Trier: 

Urkundliclie  Geschichte  der  Hhtei  lettluh 

von 

Dr.  J.  C.  Lager. 

Mit  8  Tafsln.    Preis  S  A 


Drvok  «.  Vaila«  dm  Vr.  Iiiata  'sohaa  Bnohhandlimif  In  THtr 


Vorrtailtelw  u.  Mmlscht  Ztit 

radlglsrt  Toa 

Prot.  Ntttner  n.  Dr.  Lehn«, 

Trier. 


Mlttelilter  und  Neuzeit 

redigiert  ron 

Arohlrar  Dr.  Haneen, 

KBIn. 


der 


Westdeutschen  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst, 

ngleieh  Organ  der  historisch-antiqiiariseheii  Vereine  cn  Birkenfeld,  Dfisseldorf,  Frank- 
furt a.  IL,  Karlsrnke,  Mainz,  Mannheim,  Metz,  Nen88,  Prftni,  Speyer,  Strassbnrg, 
Trier,  Wormg,  sowie  des  anthropolo^selien  Vereins  zn  Stuttgart 


Anglist 


Jahrgang  XIV,  Nr.  8. 


1895. 


Das  KorrMpondensbUtt  ersohsint  in  «iner  Anflftge  Ton  4O0O  Bzemplaren.    Interate  4  86  Pfg.  für  die 

gaapaltana  Zelle  werden  von  der  Verlugebandlung  und  »llen  Interaten-Bureeut  engenommen,  Beilegen 

naoh  Ueberelnknnfl.  —  Die  Zeitechrift  erecheint  Tierte^ftbrllob,  dM  Korrespondensblatt  monetlloh.  — 

Abonnementapreie  16  Hark  fttr  die  Zeitechrift  mit  KorreepondensbUtt|  fttr  leteteree  elleln  6  Merk. 

IT ■     ■- ■  ■  ■ 

P^*  Beitrftge  far  die  vorrOmisohe  und  römische  Abteilung  sind  an  Dr.  Lehner  (Trier,  Proyinsialmnienm), 
fttr  Mittelalter  und  Kenieit  an  Dr.  Heneen  (Köln,  SUdtarohir)  lu  senden. 


Neue  Funde. 

66.  Aus  der  Pfalz,  5.  Juni.  Im  Auftrage  des 
Kreismuseums  besuchte  Prof.  Dr.  Mehlis 
am  Samstag  25.  und  Sonntag  26.  Mai  die 
„Heidenburg"  bei  Kreimbach,  sowie  eine 
rumische  Fundst&tte  bei  Rothselberg,  west- 
lich der  „Heidenburg''.  Geradezu  über- 
raschend ist  die  Anzahl  der  hier  neuer- 
dings zutage  gekommenen  Fundstücke  aus 
der  Rumerzeit,  und  zwar  aus  dem  2.  bis 
4.  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung.  Trotz 
ungünstiger  Witterung  glückte  es  ge- 
nanntem Forscher  an  zwanzig  römische 
Denkmäler,  meist  Fragmente,  festzustellen 
und  aufzunehmen.  Darunter  befinden  sich 
mehrfach  Inschriftsteine,  über  welche  ge- 
nauerer Bericht  folgen  wird.  Von  den  Reliefs 
ist  besonders  der  Rumpf  eines  Eros  oder 
einer  Viktoria  von  34  cm  Höhe  erwähnens- 
werth,  Architekturstücke,  worunter  ein  mit 
Balkenanf&ngem  geziertes  Eckgesims  von 
besonderer  Formvollendung  Erwähnung 
verdient,  scheinen  allen  Indicien  nach  zu 
Grabdenkmälern  zu  gehören.  Ein  Relief- 
fragment stellt  den  rechten  Arm  eines 
Mannes  dar,  der  einen  Geldbeutel  fest- 
hält. Ferner  sind  drei  Steinkisten  be- 
merkenswert. —  Von  diesen  Fundstücken 
wurden  drei  der  besterhaltenen  für  den 
Transport  nach  Speier  bestimmt;  die  an- 
deren sollen  das  Material  für  ein  zweites, 
am  Marienbrunnen  zu  errichtendes  La- 
pidarium  bildet.    —    Nachgrabungen   an 


der  Südseite  der  Umwallung  ergaben  er- 
neute Funde  an  Kleinsachen  der  römisclien 
Kaiserzeit  Ausser  ca.  25  Bronzemünzen 
des  3.  und  4.  Jahrhunderts  verdienen 
folgende  Gegenstände  Erwähnung:  Eiserner 
Klingelgriff,  eiserne  Lanzenspitze,  mehrere 
kunstreiche  Beschläge  für  Etageren  aus 
Eisen;  aus  Bronze:  Beschläge,  Armreif 
mit  Wellenornament,  ältere  gallische  Fibel- 
form; aus  Blei:  Wirtel  und  Gewicht;  aus 
Glas  und  Frit:  Perlen  und  Ringstein. 
Nach  der  Pfälzer  Presse. 
Gusenburg  (bei  Hermeskeil.)  Im  Juni  67. 
d.  J.  wurde  auf  Gusenburger  Bann  etwa 
172  km  von  der  Stelle,  wo  im  Jahre  1891 
durch  das  Trierer  Provinzialmuseum  eine 
Tempelanlage  ausgegraben  worden  ist 
(Korrbl.  1892  Nr.  23)  im  Distrikt  Wetzert 
12  Minuten  vom  Südostausgang  von  Gusen- 
burg, etwa  400  m  nördlich  des  Schnitt- 
punktes der  Wege  Gusenburg-Bierfeld  und 
Hermeskeil -Sitzerath  20  Schritt  westlich 
von  letzterem  im  Feld  ein  römischesBe- 
gräbnis  gefunden.  Dasselbe  besteht  aus 
einer  Urne,  welche  ausser  den  Knochen 
zwei  Fibeln  ans  Bronze  enthielt.  Um  die 
Urne  lagen  noch  Scherben  von  anderen 
Gefässen,  darunter  zwei  Böden  von  Sigil- 
latagefässen  ohne  Stempel.  Die  Urne  hat 
dieselbe  Form  und  Grösse  wie  diejenige, 
welche  sich  in  einem  der  La  Tönehügel 
bei  Ilermcskcil,  welche  im  Jahre  1892 
ausgegraben  wurden,   als   Behälter   einer 


—    163    — 

römischen  Xachbestattung  fand^)  und  sie 
besteht  auch  aus  demselben  Material  wie 
jene,  nämlich  aus  gelbgrauem  Thon.  Die 
Henkel  waren  abgebrochen.  Die  beiden 
Fibeln  waren  radförmig  wie  die  Westd. 
Zeitschrift  XII  Taf.  VI,  Fig.  3  abge- 
bildete. Die  breiten  Felgen  der  Räd- 
chen waren  auf  der  Vorderseite  mit  bun- 
tem Email  ausgefüllt,  welches  aber  durch 
Einwirkung  von  Feuer  (die  Fibeln  waren 
zweifellos  im  Leichenbrand)  fast  ganz  zer- 
stört ist.  Es  lassen  sich  aber  noch  Spuren 
blauer,  gelber,  weisser,  roter  und  grüner 
Farbe  erkennen.  Die  Form  der  Urne,  in 
den  römischen  Gräbern  bei  Trier  nicht 
üblich,  scheint  nach  dem  Gesagten  bei  den 
römischen  Gräbern  des  Hochwaldes  öfter 
vorzukommen. 
Trier.  Dr.  H.  Lehn  er. 

^^'  Trier.  [RSmitcher  Motaikboden.]  Nach- 
dem der  Grund  und  Boden,  auf  welchem 
das  Provinzialmuseum  steht,  uns  bereits 
im  Jahre  1884  mit  dem  schönen  Musen- 
mosaik des  Monnus  beschenkt  hat  (vgl. 
Hettner,  Wd.  Ztschr.  X,  S.  248  if.,  wo 
auch  die  übrige  Litteratur  zu  finden  ist) 
fanden  sich  zu  unserer  Überraschung  in 
diesen  Tagen  wenige  Meter  hinter  dem 
Museum  bei  Anlage  einer  Wasserleitung 
liedeutende  Reste  eines  zweiten  mit  Bildern 
und  Inschriften  ausgestatteten  Mosaikbo- 
dens. Indem  ich  mir  alle  genaueren  Mit- 
teilungen auf  eine  in  Bälde  erscheinende 
Publikation  erspare,  soll  hier  nur  eine 
kurze  Beschreibung  der  Darstellung  folgen. 
Um  ein  quadratisches  Mittelfeld,  welches 
die  Darstellung  eines  weiblichen  Brust- 
bildes mit  Flügeln  am  Kopf,  wahrschein- 
lich einer  Medusa,  enthält,  gruppieren 
sich  vier  Achtecke,  deren  jedes  einen 
siegreichen  Wagenlenker  auf  seinem  vier- 
spännigen Rennwagen  darstellt.  Die  reich- 
bekleideten Wagenlenker  halten  ausser  der 
Peitsche  je  einen  Kranz  und  einen  Palm- 
zweig in  den  Händen.  Jedem  Wagenlen- 
ker ist  ferner  sein  Name  beigeschrieben: 

EVPREPES,    SVPERS-ES,      FORTVNro^uj»;    und 

PHILI///0//////.    Es  hat  sich  im  Schutt  noch 
ein  einzelnes  S  gefunden,  welches  nur  zu 

1)  Siehe  Jahresbericht  der  Gesellschaft  fflr 
nntaliche  Forschungen  ea  Trier  189i  Taf.  m, 
Fig.  8,  sowie  S.  XXIII    und  14. 


—    164    — 

dem  letzten  Namen  gehören  kann,  so  dass 
man  vielleicht  Phäinos  wird  ergänzen  dürfen. 
Der  Stil,  die  Technik,  die  Komposition 
und  die  Freude  an  Beischriften,  sowie  der 
Umstand,  dass  das  Mosaik  augenscheinlich 
zu  demselben  Gebäude  gehört,  wie  das 
friiher  gefundene,  weisen  mit  Bestimmtheit 
darauf  hin,  dass  der  Boden  ebenfalls  dem 
Monnus  zuzuschreiben  ist.  Der  Boden 
wird  gegenwärtig  im  Museum  zusammen- 
gesetzt. 
Trier.  Dr.  H.  Lehner. 

Trier.  [RSmitche  Intchriftreste.]    Bei  den  (9. 

gegenwärtig  stattfindenden  Restaurations- 
arbeiten am  hiesigen  Dome  fand  sich  am 
südlichen  Haupttnrm  an  der  Westfa^ade 
in  Höhe  des  Dachstuhles  des  Hauptschifis 
eine  Inschrift  eingemauert,  welche,  da 
die  Stelle  bisher  absolut  unzugänglich 
war,  noch  nicht  beachtet  worden  ist.  Von 
Herrn  Stadtbibliothekar  Dr.  Keuffer,  der  zu- 
erst davon  Kunde  bekam,  benachrichtig, 
nahm  ich  sofort  einen  Abklatsch  von  der 
Inschrift.  Der  Block  aus  grauem  Pfalzeler 
Sandstein  ist  79  cm  breit,  an  der  höchsten 
Stelle  noch  26  cm  hoch  und  36  cm  dick. 
Die  Inschrift  lautet: 


in  O  u'ia  SIINIANA  •  TAS; 

'gillvs«trever-fc 


I 


ModesHniana(e)  Tas  \  gtüus  Trecer  f(acien- 
dum)  c(uravä). 

Bnchstabenhöhe  5^3—6  cm. 

Der  Name  Modestiniana  ist  mir  sonst 
nicht  bekannt.  £iner  Modestiana  begeg- 
nen wir  bei  Brambach  ClRh.  1(X£1 
Häufiger  ist  der  Name  Tasgillus,  der  hier 
als  Trierer  erscheint  Ein  C'ottius  Tas- 
gillus findet  sich  im  CIKh.  1772,  eine 
Acceptia  Tasgilla  bei  Hettner,  Steindenk- 
mäler 197.  Modestiniana  wird  man  als  kel- 
tischen Dativ  fassen  dürfen,  vgl.  Hettner 
a.  a.  0.  191,  wo  weitere  Beispiele  ange- 
geben sind.  Trever  ist  die  richtige  Xomi- 
nativform,  wie  viele  andere  Inschriften  be- 
weisen, vgl.  CIL.  III  4391,  4499,  5797, 
VII  36,  288.  Der  Block  ist  wahrschcinUch 
der  Rest  des  Deckels  einer  Aschenkiste, 
doch  lässt  sich  dies  bei  seinem  Zustand 
nicht  ganz  genau  sagen.  —  Der  Abklatsch 


-    165    — 

war  gerade  fertig,  als  Herr  Assistent  Ebertz, 
der  mich  bei  Anfertigung  desselben  unter- 
stützte, an  demselben  Turm,  etwa  6  m 
über  unserem  Standort,  einen  zweiten  eben- 
falls zweizeiligen  Inschriftrest  entdeckte. 
Da  das  Anbringen  einer  so  langen  Leiter 
auf  dem  ohnedies  schon  schwankenden  Ge- 
rüst zu  gefährlich  gewesen  wäre  und  über- 
dies im  nächsten  Jahre,  wie  ich  höre,  die 
Gerüste  noch  weiter  hinaufgeführt  werden 
sollen,  so  begnügten  wir  uns  vorläufig  mit 
dem  Versuch,  die  Inschrift  aus  der  Ent- 
fernung zu  entziffern,  was  allerdings  durch 
den  Umstand,  dass  die  Inschrift  ebenso 
wie  die  erste  umgekehrt  eingemauert  ist, 
sehr  erschwert  wurde.  Das  Material  ist 
dasselbe  wie  das  des  ersten  Steines,  doch 
sind  die  Buchstaben  etwas  grösser,  wir 
glaubten  folgendes  zu  lesen: 


; 


1  >  c  o  N  I  V  G  I   ; 

2  NOTAFPACI 

Der  untere  Rand  ist  erhalten,  die  üb- 
rigen scheinen  sämtlich  abgebrochen. 

Sicher  ist  Zeile  1  comugi  und  am  Ende 
von  Zeile  2  fad,  was  wohl  wieder  zu 
fiici[endum  curavü]  ergänzt  werden  darf, 
unsicher  dagegen  ist  die  Lesung  des  ersten 
Teiles  der  2.  Zeile,  von  dem  nur  das  N 
und  das  A  genau  erkennbar  waren.  Trotz 
dieser  Unsicherheit  der  Lesung  wollte  ich 
hier  wenigstens  auf  die  Inschrift  aufmerk- 
sam machen,  und  verspare  mir  genauere 
Angabe  auf  günstigere  Gelegenheit. 
Trier.  Dr.  IL  Lehn  er. 


Chronik. 

70.  Der  neuste  Band  der  Atti  della  Societa 
di  Archeologia  e  belle  arti  per  la  provincia 
di  Torino  (Band  VI)  bringt  eine  ausführ- 
liche Arbeit  von  E.  Bianchetti  „I  tepol- 
creti  di  Ornavasso''  mit  310  Seiten  Text, 
2  Lageplänen  und  24  vortreffliche  Licht- 
drucktafeln ^).  Es  ist  dies  eine  sehr  ver- 
dienstliche Arbeit,  welche  auch  für  die 
Archäologie  diesseits  der  Alpen  von  grosser 
Wichtigkeit  erscheint. 

Omavasso  ist  eine  kleine  Gemeinde 
an  der  Ausmündung  des  Thaies  von  Os- 

1)  Da  der  Verfasser  während  der  Dmcklegang 
starb,  hat  H.  Ferrero  einen  kleinen  Teil  des 
Textes  bearbeitet. 


—    166    — 

sola  in  der  Nähe  des  Lago  Maggiore,  wo 
von  Bianchetti  zwei  verschiedene,  ziemlich 
gleich  grosse  Friedhöfe  im  ganzen  mit  830 
Gräbern  ausgegraben  wurden,  deren  Be- 
schreibung Grab  fiir  Grab  vorgelegt  wird. 
Die  Gräber  enthalten  z.  T.  sehr  reichliche 
Beigaben,  vor  allem  auch  an  Münzen.  In 
dem  einen  Grabfelde  (S.  Bemardo)  wurden 
192  Stück  gefunden,  welche  mit  dem  Jahre 
234  V.  Chr.  beginnen  und  mit  dem  Jahre  88 
v.  Chr.  endigen.  Die  Münzen  des  zweiten 
Friedhofes  (Persona),  139  an  Zahl,  setzen 
mit  dem  Jahre  89  v.  Chr.  ein  und  hören 
80  n.  Chr.  auf,  so  dass  also  ein  ununter- 
brochener Zeitraum  von  314  Jahren  um- 
fasst  wird.  Wenn  auch  den  Toten  beige- 
gebene Münzen  keineswegs  unbedingte 
Gleichzeitigkeit  des  betreffenden  Grabes 
beweisen,  sondern  häufig  etwas  älterer 
Zeit  als  das  Grab  selbst  angehören,  so 
kommt  dies  bei  der  grossen  Anzahl  der 
Gräber  und  Münzen  doch  weniger  in  Be- 
tracht. Deutlich  lassen  sich  die  älteren 
Gräbergrnppen  unterscheiden,  um  welche 
herum  das  Totenfeld  sich  allmählich  bis 
in  jüngere  Zeit  erweitert. 

Diese  selten  glücklichen  Anhaltspunkte 
sind  natürlich  von  grösster  Wichtigkeit 
vor  allem  für  chronologische  Fragen  und 
für  uns  von  besonderer  Bedeutung,  da  die 
hier  begrabene  Bevölkerung  eine  einhei- 
mische ist  und  sich  im  Zustand  der  La 
Täne-Kultur  befindet,  wie  sie  ganz  gleich- 
artig auch  nördlich  der  Alpen  auftritt. 

Seit  Tischlers  u.  a.  Erkenntnis  der 
einzelnen  Stadien  dieser  La  T^ne-Kultur, 
wonach  bekanntlich  eine  Früh-,  Mittel- 
nnd  Spät-La  T^ne- Periode  unterschieden 
wird,  hat  sich  zwar  das  Verbreitungsge- 
biet dieser  Kultur  namhaft  erweitert  und 
gelegentlich  auch  lokale  Eigenart  feststellen 
lassen,  aber  die  Frage  der  Chronologie 
der  einzelnen  bisher  mehr  schematisch 
auseinander  gehaltenen  Entwicklungspe- 
rioden hat  keine  wesentlichen  Fortschritte 
gemacht.  Gerade  in  dieser  Hinsicht  geben 
unsere  Gräber  ein  schätzenswertes  Material. 

Obwohl  die  ältesten  Gräber  noch  aus 
dem  3.  Jahrh.  v.  Chr.  stammen,  finden 
sich  in  ihnen  nur  noch  ganz  wenige  Typen 
der  Früh -La  T^nekultur.  Beispielsweise 
erscheinen  nur  3  Fibeln  dieser  Periode, 


—    167    — 

wovon  die  eine  sogar  aus  einer  ziemlich 
späten  Gräbergruppe  herrührt.  Die  Haupt- 
masse der  Grabbeigaben,  wenigstens  von 
S.  Bemardo,  gehört  vielmehr  der  Mittel- 
La  T^ne-Periode  an.  Es  sind  zahlreiche 
eiserne  Schwerter,  Lanzen,  Beile,  Messer, 
Fibeln  und  Ringe  von  Bronze  und  Sil- 
ber etc.  etc.  Besonders  bemerkenswert 
ist  noch  (neben  den  vielen  Thongefässen) 
eine  stattliche  Beihe  von  Bronzegefässen 
und  Bronzegeräten  sowie  eine  Anzahl  sil- 
berner Becher. 

Die  Spät-La  T^neformen  treten  unge- 
fähr mit  Beginn  des  letzten  Jahrb.  v.  Chr. 
auf,  zeigen  aber  zunächst  noch  vielfache 
Anklänge  an  die  vorangegangene  Gestal- 
tung. Neben  ihnen  gehen  aber  noch  lange 
die  Typen  der  Mittel-La  Töneperiode  her, 
wenn  sie  auch  gar  häufig  in  Kleinigkeiten 
den  Geist  der  neuen  Zeit  verraten. 

Das  Gräberfeld  von  Persona  bringt 
namentlich  ein  reiches  Material  an  Formen 
der  gallo-römischen  Keramik. 

In  den  älteren  Gräbern  findet  sich  nur 
Bestattung  der  Toten,  in  den  jüngeren 
auch  Verbrennung,  und  zwar  öfters  direkte 
Verbrennung  im  Grabe  selbst. 

Zu  bedauern  ist  nur,  dass  auf  den 
Tafeln  die  Funde  der  beiden  Friedliöfe 
nicht  genügend  getrennt  sind,  wiewohl 
durch  das  von  Ferrero  verfertigte  Register 
und  Verzeichnis  der  Abbildungen  eine 
rasche  Orientierung  ermöglicht  ist. 
Karlsruhe,  Juli  1895. 

Karl  Schumacher. 

71.  Dr.KarlSchlftr,  Die  älteste  Bauperiode  des  Münsters 
EU  Freibnrg  i.  B.  Heidelberger  Dissertation 
1894.    Freibarg  i.  B.,  Lorenz  a.  Waetsel. 

Über  das  Freiburger  Münster  existiert 
eine  verhältnismässig  geringe  Litteratur, 
denn  mit  Schreibers  archivalischen  Studien 
und  Adlers  geistvollen,  leider  zu  sehr  die. 
Hypothese  bevorzugenden,  Untersuchungen 
ist  dieselbe  wohl  erschöpft;  die  übrigen 
Arbeiten  über  das  Münster  fussen  auf 
diesen  beiden  Vorgängern  und  kolportier- 
ten deren  Irrtümer  weiter.  So  war  es 
dankenswert,  die  älteste  Bauperiode  mit 
den  Hülfsmitteln  moderner  Stilkritik  aufs 
Neue  zu  revidieren.  Berichten  wir  kurz, 
wie  sich  das  Bild  jetzt  darbietet. 

Die  ursprüngliche  Kirche  war  in  ihrer 


—    168    — 

Gesamtanlage  eine  von  Ost  nach  West 
orientierte  kreuzförmige  Basilika :  ein  drei- 
schiffiges  Langhaus  in  gebundenem  Wölb- 
system,  ein  Querschiff  aus  drei  ungefähr 
quadratischen  Gewölbejochen  und  ein  be- 
scheidener polygonal  abschliessender  Chor; 
ein  östliches  Turmpaar  in  den  Winkeh 
zwischen  den  QuerschifTHügeln  und  dem 
Chor.  Ausserdem  war  eine  Krypta  vor- 
handen, wie  jetzt  noch  verschiedene  Stufen 
vom  Langhaus  zum  Chorboden  beweisen. 
Die  Türme  trugen  im  Erdgeschosse  Ka- 
pellen, denen  wohl  östlich  kleine  halbrunde 
Apsiden  vorgelegt  waren,  wie  die  ganze 
verhältnismässig  reiche  dekorative  Ausstat- 
tung (Arkadenstellung  mit  Zwergsäolen, 
Thierfries  etc.)  beweist  Die  Altäre  in 
diesen  Kapellen  waren  nach  Schäfer  der 
hl.  Maria  Magdalena  und  dem  hl.  Nikolaus 
geweiht.  Die  beiden  Osttürme  (später 
gotisch  weitergeführt)  dienten,  wie  Verf. 
aus  der  Analogie  der  verwandten,  bes. 
oberelsässischen  Bauten  (Basel,  Gebweiler, 
Schlettstadt)  wahrscheinlich  macht,  als 
ästhetisches  Gegengewicht  zu  der  projek- 
tierten zweitürmigen  Westfront.  Die  über 
der  Vierung  durch  schalenförmig  abge- 
schrägte Zwickelbogen  vermittelte  acht- 
eckige Kuppel  sollte  einen  Vierungsturm 
tragen,  dessen  Untergeschoss  im  Dachbo- 
den noch  vorhanden  ist.  Als  Glockenturm 
hat  dieser  Vierungsturm  nie  bestanden, 
wie  Adler  annimmt.  Das  Langhaus  kam 
in  seiner  ursprünglichen  Gestalt  nicht  weit 
zur  Durchfuhrung.  Die  hereinbrechende 
Gotik  setzte  ihr  ein  Ziel;  dabei  unterblie- 
ben auch  die  über  den  Seitenschiffen  pro- 
jektierten Emporen  mit  nach  innen  sich 
öffnender  Triforienstellung.  Zur  chrono- 
logischen Fixierung  dieser  romanischen 
Teile  kam  Schäfer  auf  den  glücklichen 
Gedanken,  in  weitgehendem  Maasse  die 
verwandten  Baudenkmäler  des  Oberrheins, 
in  erster  Linie  das  Baseler  Münster  in 
seiner  Gestalt  nach  dem  Erdbeben  von 
1185,  zum  Vergleiche  heranzuziehen,  und 
gerade  mit  letzterem  Bauwerke  ei^ebt 
sich  in  der  That  eine  grosse  Ähnlichkeit: 
gleichartig  geradezu  sind  die  beiden  An- 
lagen der  Osttürme  über  den  Nebenkapel- 
len. Auch  die  Zierformen  und  die  Plastik 
sind  beiden  Bauten  eng  verwandt,  soweit 


—    169    — 


—    170    — 


sich  natürlich  ein  Vergleich  ziehen  lässt 
zwischen  der  einfachen  Freiburger  Pfarr- 
kirche und  dem  reichen  Baseler  Bischofs- 
münster. Der  nach  Schäfer  fälschlich  als 
burgundisch  bezeichnete  Stil  der  Gallus- 
pforte,  den  er  richtiger  den  „spätromani- 
schen Skulptur -Stil^  nennt,  findet  seine 
Analogie  in  den  Freiburger  Bilderfriesen, 
die  wohl  beide  der  Alexandersage  ent- 
nommen sind^). 

Enge  Beziehungen  zwischen  Basel  und 
Freiburg  sind  urkundlich  nachzuweisen  und 
von  Schäfer  nachgewiesen.  Da  nun  der 
Baseler  Bau  aus  einem  Gusse  gearbeitet 
erscheint,  so  kann  man  seine  Bauzeit  auf 
ca.  12Ü0  fixieren  und  hat  damit  zugleich 
einen  Anhalt  für  die  Zeit  des  Freiburger 
Baues.  Ja,  derselbe  kann  nach  Schäfer 
unmöglich  jünger  sein  als  der  118Ö  be- 
gonnene Baseler  Bau,  da  die  in  Freiburg 
am  Querschiif  noch  kaum  hervortretenden 
Strebepfeiler  in  Basel  schon  die  Stärke 
von  kräftig  profilierten  und  weit  hinaus- 
geschobenen Mauermassen  angenommen. 
Nun  lässt  sich  meines  Erachtens  bei  dem 
oben  erwähnten  Unterschied  zwischen  Pfarr- 
kirche und  Bischofsmünster  ein  längeres 
konservatives  Festhalten  in  Freiburg  gut 
erklären,  und  es  kann  eine  Verschiebung 
von  einigen  Jahrzehnten  nach  rückwärts, 
lediglich  auf  Grund  der  Baseler  Analogie, 
nicht  so  fest  behauptet  werden.  Allerdings 
lassen  wieder  andere  Analogieen  mit  Strass- 
burg,  Pfaifenheim  und  Gebweiler  ziemlich 
wahrscheinlich  auf  die  letzten  Jahrzehnte 
des  12.  Jahrhunderts  schliessen,  zumal  da 
Schäfer  noch  historische  Belege  anführt. 

Weiterhin  behandelt  Schäfer  den  früh- 
gotischen Bau,  dessen  entwickeltes  Strebe- 
system, sowie  die  so  oft  aufgeworfene  und 
geradezu  zum  Prinzip  gewordene  Behaup- 
tung vom  französischen  Urspnmg  der 
ganzen  rheinischen  Gotik.  Er  weist  diese 
Theorie  ganz  entschieden  und  wie  ich  nach 
meiner  Anschauung  dieser  Bauten  behaup- 
ten kann,  mit  vollem  Rechte  zurück.  Es 
lassen  sich  vielmehr  in  unserer  rheinischen 


1)  Vielleicht  kftnn  ich  »n  dieser  Stelle  die 
ühnliche  Bahnen  betretende  soeben  erschienene 
Straesbnrger  Dissertation  von  Polacsek,  sowie 
Toeges  nenes  Buch  mit  der  oberrheinischen 
Plastik  der  romanischen  Zeit  in  Verbindung  setzen. 


Gotik  zwei  Erscheinungen  konstatieren, 
die  nebeneinander  hergehen,  auf  der  einen 
Seite  die  organische  Weiter-  und  Umbil- 
dung der  romanischen  Formen  —  und  das 
ist  die  Hauptströmung  —  auf  der  anderen 
Seite  eine  direkte  Übertragung  der  fran- 
zösischen Gotik,  die  man  als  Unterströ- 
mung bezeichnen  kann.  Aus  einer  An- 
merkung (3.  33)  glaube  ich  schliessen  zu 
dürfen,  dass  Schäfer  die  Absicht  hat,  von 
diesem  Gesichtsqunkte  aus  die  ober- 
rheinische Gotik  neu  zu  untersuchen. 
HoiTen  wir,  dass  es  seine  Absicht  ist,  denn 
hier  dürften  sehr  interessante  Resultate 
zu  erwarten  sein. 

Zwei  beigefügte  Zeichnungen  des  Ver- 
fassers veranschaulichen  instruktiv  den 
Grundriss,  sowie  eine  Rekonstruktion  des 
romanischen  Baues  und  die  Anfänge  der 
Gotik. 
Nürnberg.  Edmund  Braun. 


Historische  Kommission       72. 

bei  der  kgl.  bay.  Akademie  der  Wissenschaften. 
Vgl.  XIII  Nr.  94. 

München  im  Juni  1895.  Die  36.  Ple- 
narversammlung  hat  in  der  Pfingstwoche 
am  7.  und  8.  Juni  stattgefunden. 

Seit  der  letzten  Plenarversammlung, 
Mai  1894,  sind  folgende  Publikationen 
durch  die  Kommission  erfolgt: 

1.  Allgemeine  deutsche  Biographie.  Bd. 

XXXVII,  Lieferung  2  und  3.    Bd. 

XXXVIII.  Bd.  XXXIX,  Lieferung 
1.  2.  3. 

2.  Chroniken  ■  der  deutschen  Städte. 
Bd.  XXIII:  Bd.  IV  der  Chroniken 
der  Stadt  Augsburg. 

3.  Briefe  und  Akten  zur  Geschichte 
des  dreissigjährigen  Krieges.  Bd.  VI. 

Die  Hanserecesse  werden  mit  dem 
nächsten,  dem  8.,  Band  abschliessen.  Der- 
selbe ist  so  weit  vorbereitet,  dass  der 
Herausgeber,  Dr.  K  o  p  p  m  a  n  n ,  im  August 
den  Druck  zu  beginnen  hofft. 

Die  Chroniken  der  deutschen 
Städte,  unter  der  Leitung  des  Geheimen 
Rats  von  Hegel,  sind  bis  zum  24.  Band 
fortgeschritten,  dem  dritten  und  letzten  in 
der  Reihe  der  niederrheinischen  und  west- 
fälischen Städtechroniken.    Derselbe  ist  im 


—    171    — 


—    172    — 


Druck  begriffen.  Er  wird  Auszüge  aus 
den  Stadtbüchern  von  Soest  und  die  von 
dem  Priester  Johann  von  Wassenberg  ver- 
fasste  Chronik  von  Duisburg  in  den  Jahren 
1474 — 1517  enthalten,  beides  von  Archivar 
II gen  in  Münster  bearbeitet,  welcher  auch 
eine  Geschichte  der  Verfassung  von  Soest 
hinzufügen  wird. 

Die  Jahrbücher  des  deutschen 
Reichs  unter  Otto  II.  und  Otto  III.  hofft 
Dr.  Uhlirz  im  Laufe  des  Jahres  1896 
druckfertig  zu  stellen.  Die  Arbeit  fiir  die 
Jahrbücher  unter  Heinrich  IV.  und  Hein- 
rich V.  hat  Professor  Meyer  von  Kno- 
nau  unterbrechen  müssen,  um  Zeit  für 
die  Biographie  Georgs  von  Wyss  und  die 
Herausgabe  von  dessen  Werk  über  die 
Geschichtschreibung  der  Schweiz  zu  ge- 
winnen. Es  wird  sich  jetzt  wieder  dem 
dritten  Band  seiner  Jahrbücher  zuwenden. 
Dr.  Simonsfeld  arbeitet  fortdauernd  für 
die  Jahrbücher  unter  Friedrich  I.  Die 
Arbeit  für  die  Jahrbücher  unter  Fried- 
rich II.  liegt  in  den  Händen  des  Gehei- 
men Hofrats  Winkelmann. 

Von  der  Geschichte  der  Wissen- 
schaften in  Deutschland  sind  noch 
im  Rückstand  die  Geschichte  der  Geologie 
vom  Geheimen  Rat  vonZittel,  die  Ge- 
schichte der  Physik  von  Professor  Karsten 
nnd  die  von  Professor  Landsberg  über- 
nommen#  Vollendung  von  Stintzings  Ge- 
schichte der  Rechtswissenschaft.  Gehei- 
mer Rat  von  Zittel  hofft  der  nächsten 
Plenarversammlung  einen  grossen  Teil  des 
Manuskripts  seines  Werkes  vorlegen  zu 
können.  Professor  Landsberg  ist  bis 
zum  Ende  des  18.  Jahrhunderts  vorge- 
rückt und  wird  diese  fertige  Hälfte  seines 
Buches  demnächst  veröffentlichen. 

Die  Allgemeine  deutsche  Bio- 
graphie, unter  der  Leitung  des  Frei- 
herm  von  Liliencron  und  des  Gehei- 
men Rats  Wegele,  hat  in  diesem  Jahre 
nicht  bloss  die  im  vorigen  Jahre  gebliebene 
Lücke  ausgefüllt  durch  die  Vollendung  des 
37.  Bandes,  sondern  auch  zwei  weitere 
Bände  geliefert.  Die  Lieferungen  4  und 
5  des  39.  Bandes  werden  demnächst  aus- 
gegeben werden. 

Die  Arbeiten  für  die  Reichstags- 
akten der  älteren  Serie,   unter  Lei- 


tung des  Professors  Quidde,  gelten  noch 
immer  fast  ausschliesslich  dem  10.  and 
11.  Band,  deren  erster  die  Jahre  1432— 
1433  Mai  nebst  einem  Rückgriff  um  der 
Romzugsfrage  willen  auf  die  Jahre  142H 
— 1431  bringen  soll,  der  andere  bis  1437 
reichen  wird.  Dr.  Herre  soll  den  lü., 
Dr.  Beckmann  den  11.  Band  herausgebea. 

Die   Fertigstellung    des    Manuskriptes 
der  beiden  Bände  ist  durch  die  im  vorigen 
Jahre  angekündigten  grossen  Reisen  nach 
England,   Frankreich   und  Italien   länger 
als  zu  vermuten  war,  unterbrochen  wordeiL 
Es  wurden  in  England  das  Public  record 
Office,  das  Brittische  Museum,  die  Biblio- 
theken Oxfords,  in  Paris  das  Nationalar- 
chiv,  die  Nationalbibliothek  und  mehrere 
der   kleineren    Bibliotheken,    weiter   das 
Burgundische  Archiv  zu  Dijon,   dann  die 
Archive  zu  Turin,   Mailand,   Florenz  be- 
sucht, auch  ein  Abstecher  nach  Rom  ge- 
macht.    Besonders  fruchtbar  erwies  sich 
die  Forschung  zu  Paris,  wo  unter  anderm 
der  Nachlass  Peter  Brunets,   des  Notars 
des  Baseler  Concils,  femer  die  Korrespon- 
denzen der  Gastiliamschen  Condlsgesandten 
in  den  Jahren  1435—1439  benutzt  wurden. 
Auch  zu  Dijon  und  in  Italien  wurde  wert- 
volles  und  unentbehrliches   Material  ge- 
funden, unter  anderem  die  Akten  betref- 
fend die  Beziehungen  zwischen  Kaiser  Sig- 
mund und  Herzog  Philipp  von  Burgund, 
die  Berichte  der  Mailändischen   und  Sa- 
voyischen  Gesandten  vom  kaiserlichen  Hof 
und  vom  Concil,  Instruktionen  für  päpst- 
liche   und    Concilsgesandte    an    Sigmund 
u.  dgl.     Mit   diesen  Reisen,   zu   welchen 
noch    ein    Ausflug    des    Dr.    Beckmann 
nach  Oehringen  und  Nördlingen  hinzutritt, 
wurde  das  Jahr  1894  zu  Ende  gebracht. 
Das  folgende  Halbjahr  wurde  durch  das 
Material,  welches  Paris  und  Douai,  ausser- 
dem Frankfurt,  Strassburg,  Basel,  Colmar 
und  andere  deutsche  Städte  nach  München 
einlieferten,  grossenteils  in  Anspruch  ge- 
nommen.   Und  auch  jetzt  noch  bedarf  es 
zur  Vollendung  der  Materialiensammlung 
einer  Reise  nach  Venedig,  wo  Dr.  Beck- 
mann der  Ausbeutung  des  Staatsarchifs 
und   der  Marknsbibliothek    einen   Monat 
widmen  will. 

Durch    diese   ausserordentlichen    und 


-    173    - 

zeitraubenden  Bemühungen  ist  zunächst 
die  Fertigstellung  des  10.  Bandes  aufge- 
halten worden,  zumal  da  Dr.  Herre  die 
einleitende  Abteilung  des  Bandes,  die  Vor- 
geschichte des  Romzuges  mit  den  einwir- 
kenden italienischen  Verhältnissen  zum 
Teil  erst  aus  den  Ergebnissen  dieser  Reise 
herzustellen  vermag.  Dr.  Beckmann 
hofft,  alsbald  nach  der  Rückkehr  aus  Ve- 
nedig, das  Manuskript  abschliessen  und 
dann,  Ende  des  Jahres,  mit  dem  Druck 
des  11.  Bandes  beginnen  zu  können;  der 
10.  Band  dagegen  wird  erst  im  nächsten 
Jahr  zum  Druck  gelangen.  Für  weitere 
zwei  Bände,  welche  die  Regierungszeit 
Kaiser  Albrechts  IL  behandeln  sollen,  ist 
das  Material  fast  vollständig  gesammelt, 
und  kaum  minder  günstig  ist  die  Lage 
bezüglich  der  ersten  Jahre  Friedrichs  III. 

Die  Reichstagsakten  der  jünge- 
ren Serie,  die  von  Dr.  Wrede  heraus- 
gegeben werden,  stehen  am  zweiten  Band, 
der  im  Druck  begriffen  ist.  Bereits  ge- 
druckt ist  die  von  Dr.  Bernays  verfasste 
Einleitung,  die  in  drei  Kapiteln  die  deut- 
schen Verhältnisse  von  der  Wahl  bis  zur 
Ankunft  des  Kaisers  im  Reich,  die  aus- 
wärtigen Beziehungen  und  die  Krönung 
behandelt.  Ferner  sind  gedruckt  die  bei- 
den ersten  Abschnitte  der  Akten  des 
Wormser  Reichstags,  nämlich  die  Berufung 
und  Eröffiiung  des  Tages  und  die  Akten 
über  Errichtung  des  Regiments.  Es  sollen 
folgen:  3)  Verhandlungen  über  Frieden 
und  Recht  (Landfriede,  Kammergericht 
und  Polizei),  4)  Romzughülfe,  5)  Verhand- 
lungen über  Schweiz  und  Frankreich,  6) 
Anschläge,  7)  Religionssache,  8)  Beschwer- 
den gegen  Rom,  9)  Abschied,  Angelegen- 
heiten einzelner  Stände,  11)  Korrespon- 
denzen. Daneben  wird  successiv  das  Re- 
gister ausgearbeitet.  Eine  über  Erwarten 
lange  Zeit  hat  die  Bearbeitung  der  Reli- 
gionssachen erfordert;  besonders  mühsam 
und  zeitraubend  war  die  genaue  Verglei- 
chung  der  in  den  gleichzeitigen  Flug- 
schriften enthaltenen  Berichte  über  Luthers 
Aufenthalt  in  Worms.  Demnächst  soll  der 
dritte  Band  in  Angriff  genommen  werden. 

Die  ältere  Pfälzische  Abteilung 
der  Witteisbacher  Korresponden- 
zen   wird    ihren    Abschluss    im    dritten 


-    174    — 

Band  der  Briefe  des  Pfalzgraten  Johann 
Casimir  finden,  dessen  Druck,  wie  der 
Herausgeber  Professor  von  Bezold  als 
sicher  annimmt,  im  Jahr  1896  beginnen 
wird.  Unterdessen  wird  die  Ausbeutung 
der  Münchener  und  anderer  deutscher 
Archive  zu  Ende  geführt  und  dem  Ko- 
penhagener sowie  eventuell  dem  Archiv 
des  auswärtigen  Ministeriums  in  Paris  ein 
längerer  Besuch  abgestattet  werden. 

Für  die  ältere  Bayerische  Abtei- 
lung der  Witteisbacher  Korrespon- 
denzen, unter  Leitung  des  Professors 
Lossen,  sind  Dr.  Brandi  und  Dr.  Götz 
thätig.  Der  erstere  ist  mit  der  Druck- 
legung des  vierten  Bandes  der  Druffel- 
schen  Beiträge  zur  Reichsgeschichte  be- 
schäftigt. Es  sind  bis  jetzt  28  Bogen  ge- 
druckt. Durch  die  Absicht,  den  reichen 
Stoff  auf  50  Bogen  zusammen  zu  drängen, 
wird  die  Arbeit  erschwert  und  verzögert. 
Doch  steht  die  Beendigung  des  Drucks 
und  damit  der  Abschluss  der  genannten 
Unternehmung  gegen  Ende  des  Jahres  1895 
zu  erwarten.  Unmittelbar  darnach  können 
die  Akten  des  Landsberger  Bundes,  die 
Dr.  Götz  bearbeitet  und  in  einem  Band  zu- 
sammengestellt, in  Druck  gegeben  werden. 
Dr.  Götz  hat  die  Sammlung  des  Materials 
teils  in  München,  teils  'in  einem  sechs- 
wöchigen Aufenthalt  in  Wien  und  in  zwei 
kürzeren  Reisen  nach  Innsbruck  und  Augs- 
burg fortgesetzt,  und  wird  nach  Durchar- 
beitung der  in  Bamberg,  Dresden,  Mar- 
burg erbetenen  Archivalien  und  nochma- 
ligem kurzen  Aufenthalt  in  Wien  diese 
Arbeit  abschliessen. 

Die  jüngere  Bayerisch-Pfälzische 
Abteilung  der  Witteisbacher  Kor- 
respondenzen, die  Briefe  und  Akten 
zur  Geschichte  des  dreissigjährigen 
Kriegs,  die  unter  der  Leitung  des  Pro- 
fessors Stieve  steht,  wird  drei  Bände, 
den  6.,  7.  und  8.,  welche  die  Zeit  von 
1608  bis  1610  behandeln,  ausschliesslich 
der  langjährigen  Arbeit  des  Professors 
Stieve  selbst  verdanken.  Der  sechste 
Band  ist  ausgegeben  worden.  Krankheit 
verhinderte  den  Herausgeber,  sofort  die 
Drucklegung  des  siebenten  Bandes  zu  be- 
ginnen, aber  er  hofft  im  Sommer  1896 
denselben  erscheinen  lassen  zu  können. 


-    175    - 

SeiDen  Mitarbeitern,  Dr.  Chroiist  und 
Dr.  Mayr-Deisinger,  sind,  dem  einen 
die  Jahre  1611 — 1618,  dem  andern  die 
Jahre  1618—1620  angewiesen.  Dr.  Chroust 
hat  seine  Thätigkeit  zuletzt,  um  den  neun- 
ten Band  zum  Abschluss  zu  bringen,  auf 
die  Akte  vom  Januar  1611  bis  zur  Wahl 
des  Kaisers  Mathias  im  Juni  1612  concen- 
triert.  Er  hat  die  Ausbeutung  der  Mün- 
chener  Archive  in  dem  bezeichneten  Um- 
fang fast  beendet;  femer  einen  Teil  der 
Schlobittner  Archivalien,  welche  Herr  Graf 
Richard  zu  Dohna-Schlobitten,  mit  gleichem 
Entgegenkommen  wie  sein  verstorbener 
Herr  Vater,  nach  München  übersenden 
liess,  und  den  Briefwechsel  des  Hof- 
meisters Friedrich  V.  von  der  Pfalz, 
Hans  Meinhards  von  Schönburg,  welche 
Herr  Graf  Hannibal  von  Degenfeld- 
Schönburg  aus  dem  Archiv  des  Schlosses 
Hohen-Eybach  nach  München  zu  senden 
die  Güte  hatte,  bearbeitet.  Dieser  Brief- 
wechsel enthält  unter  anderm  Aufschlüsse 
über  die  Beziehungen  der  deutschen  Pro- 
testanten zu  Kaiser  Mathias  während  des 
österreichischen  Hausstreites.  Ausserdem 
hat  Dr.  Chroust  gegen  vier  Monate  in 
Wien  auf  Bearbeitung  der  österreichischen 
Akten  in  beiden  Kanzleien,  sowohl  Kaiser 
Rudolfs  U.  als  des  Mathias,  sowie  der 
Kurmainzer  Papiere  verwandt,  wird  aber 
nochmals  nach  Wien  zurückkehren  müssen, 
um  diese  Arbeit  zu  vollenden.  Der  Zu- 
tritt zu  dem  Archiv  des  deutschen  Ritter- 
Ordens,  den  er,  um  Zeit  zu  gewinnen,  auch 
für  die  Abendstunden  seines  Wiener  Auf- 
enthalts erbat  und  durch  die  Gunst  Seiner 
Excellenz  des  Herrn  Ratsgebietigers  Grafen 
Pöttinek  zu  Pettenegg  erhielt,  fiihrte  leider 
nicht  zur  Auffindung  der  auch  anderwärts 
längst  vergeblich  gesuchten  Akten  des  da- 
maligen Deutschmeisters  Erzherzogs  Maxi- 
milian, in  Sachen  der  Nachfolge  Kaiser 
Rudolfs  U. 

Dr.  Mayr-Deisinger  war  mit  der 
Durcharbeitung  der  aus  Schlobitten  und 
aus  Dresden  eingelieferten  Akten  für  die 
ihm  zugewiesenen  Jahre  beschäftigt.  Die 
Schlobitter  Papiere  enthielten  vor  allem 
wertvolle  Berichte  der  Brüder  Achaz  und 
Christoph  von  Dohna  über  die  Beziehungen 
der  Kurpfalz   zu    den   Böhmen,  zu   Kur- 


—    176    — 

Sachsen,  zu  England.  Daneben  fand  sich 
in  ihnen  ein  Protokoll  des  Heilbronner 
ünionstags  vom  Mai  1619.  Die  Dres- 
dener Akten,  obwohl  von  Karl  August 
Müller  in  seinen  Fünf  Büchern  vom  Böh> 
mischen  Krieg  bereits  ausgiebig  verweitet 
gewähren  eine  ausserordentlich  reiche 
Ausbeute  mit  überraschenden  Ergebnissen, 
vornehmlich  durch  die  vortrefflichen  Be- 
richte des  damaligen  sächsischen  Agenten 
in  Prag,  Friedrich  Lebzelters.  Dr.  Mayr 
wird  ihre  Bearbeitung  im  nächsten  Jahre 
fortsetzen,  dann  zu  den  Berliner  Aktes 
übergehen. 

Professor  Stieve  will  den  Archiren 
von  Zerbst,  Darmstadt,  Ulm  und  anderen, 
die  von  beiden  Mitarbeitern  bald  in  An- 
griff genommen  werden  sollen,  denmächst 
einen  vorbereitenden  Besuch  widmen. 


Vereinsnachrichten 

unter  Redaction  der  Yereinsvorstände. 

Trier.  Gesellschaft  für  nützliche73. 
Forschungen.  Sitzung  am  11.  De- 
zember 1894.  Es  wird  beschlossen  für 
eine  im  Jahre  1895  im  Provinzialmuseam 
zu  veranstaltende  Gemäldeausstellung  einen 
Beitrag  von  300  Mark  zu  bewilligen. 

Sitzung  am  12.  Augast  1895.  Der74. 
nach  Arnsberg  versetzte  üerr  Regienmgs- 
rat  Michaelis  wird  zum  Ehrenmitglied,  der 
Herr  Regierangs-  und  Forstrat  Witzell 
zum  ordentlichen  Mitglied  gewählt.  Es 
wird  beschlossen,  die  diesjährige  Haupt- 
versammlung am  Montag  den  23.  Sep- 
tember, IVji  Uhr,  im  Provinzialmuseum 
abzuhalten.  Vortrage  übernehmen  Herr 
Bürgermeister  Müller  aus  Echtemacher- 
brück  über  das  Mithraeum  in  Sehwan- 
erden  und  Herr  Dr.  Lehner  über  die 
Unternehmungen  und  Erwerbungen  des 
Provinzialmuseums  im. verflossenen  Jahre. 
Ein  gemeinsames  Mittagsmahl  wird  die 
Zusammenkunft  beschliessen. 

Verlag  der  Fr.  Llntz'eohen  Bnohhandlnng  in  Trier: 

Urkundliche  fieschichte  der  Abtei  letüicli 

von 

Dr.  J.  C.  Lager. 

Mit  8  Tmfeln.    Preis  6  A 


Druck  Q.  VerUg  der  Fr.  Lints'sohen  Baobbandinng  in  Trier. 


VorrlmisGiM  n.  RömltelM  Z«lt 

radigiert  Ton 
^rof.  HtttMr  n.  Dr.  I 
Trtor. 


Mlttoiatttr  «nd  NMitlt 

redigiert  ron 

ArohiTM  Dr.  Hinten, 

KOIn. 


Westdeutschen  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst, 

ngleiek  Organ  der  historiMh-aBtiqnarüeheii  Vereine  in  Birkenfeld,  Dlisseldorf,  Frank* 

fnrt  a.  H.,  Karlsrnke,  Maine,  liannkeim,  Metz,  Nenss,  Prttm,  Speyer,  Strassbnrg, 

Trier,  Worms,  sowie  des  antkropolo^seken  Vereins  in  Stnttgart 


Sept.  &  Okt. 


Jahrgang:  XIV,  Nr.  9  &  10. 


1895. 


Dm  KorreapondenabUtt  ereoheint  in  einer  Auflage  ron  4000  Exemplaren.    Inserate  h  S6  Pfg.  fttr  die 

geepaltene  ZeUe  werden  ron  der  Terlagehandlang  und  allen  Inseraten-Boreaae  angenommen,  Beilagen 

aaeh  Uebereinknnft.  —  Die  Zeiteohrift  ereoheint  Tiertelj&hrllch,  daa  Korreipondeneblatt  monafUoh.  — 

Abonnementepreie  16  Mark  Ar  die  Zeiteohrift  mit  Korreepondensblatt,  für  letateree  allein  6  Mark. 

P^^  Beitrftga  fOr  die  rorrOmische  und  rOmische  Abteilung  sind  an  Dr.  Lehner  (Trier,  ProTinsialmosenm), 
fOr  Mittelalter  und  Nenxeit  an  Dr.  Hinten  (EOln,  Stadtarohiv)  su  senden. 


Neue  Funde. 

^5.  Aus  der  Pfalz.  Zur  Terminologie 
der  neolithischen  Steingeräte. 
1.  Fund  (vgl.  Zeichnung  a).  Dass  die 
Umgegend  des  sagenbe rühmten  „Drachen- 
fels*'  im  Limburg-Dürkheimer  Walde  be- 
reits in  neolithischer  Zeit  bewohnt  und 
zum  mindesten  bekannt  war,  beweist  der 
abermalige  Befund  einer  steinzeitlichen 
Waife.    Derselbe  fand  sich  zwischen  Wei- 


denthal und  dem  Drachenfels  am  sogen. 
^Ilasenstein"  unter  dem  Stumpfe  einer 
alten  Buche  und  zwar  vor  etwa  4  Wochen. 
Das  Steinbeil  ist  schwarz,  besteht  aus  Ba- 
salt oder  sonst  einem  feinkörnigen  Eruptiv- 
gestein ^)  und  hat  eine  Länge  von  9  cm 
Sebnenbreite.  Die  untere  Fläche  ist  im 
Bogen  geschliffen,  eine  Eigentümlichkeit, 
die  sich  im  W.  nur  bei  mittelrheini- 
schen Wurf  heilen  vorfind  et.  Einige  ähn- 
liche Wurfbeile  befinden  sich  im  Museum 
zu  Dürkheim  und  zwar  aus  der  Vorder- 
pfalz. —  Obiges  Beil  ist  zwar  etwas  ver- 
letzt, doch  lässt  sich  die  Konstruktion 
noch  genau  feststellen. 

2.  Fund  (vgl.  Zeichnung  b).    Ein  in- 
teressantes Pendant  zu  dem  vom  Drachen- 


1)  Die  Bestimmung  der  Gesteinsarten 
bietet  Schwierigkelten,  wenn  man  die  Objekte 
nicht  Torletzen  besw.  serstOren  will.  D.  Y. 


fels  herrührenden  Wurf  heil  aus  der 
Steinzeit  bildet  ein  jungst  im  Elmst einer 
Staatswalde  gefundener  wohlerhaltener 
„Donnerkeil".      Derselbe    besteht    wahr- 


scheinlich aus  Diabasporphyr  oder  einem 
ähnlichen  Eruptivgestein.  Er  hat  eine 
Länge  von  10  cm.  und  eine  Schneiden- 
breite von  4,5  cm.  Hier  sind  nicht  die 
Schmalseiten  gewölbt  wie  bei  obigem 
Wurf  heil,  sondern  die  obere  Breitseite  ist 
in  Wölbung  sauber  geschliffen,  während 
die  untere  bis  auf  die  1,5  cm  lange  Schneide 
in  ganz  horizontaler  Linie  verläuft. 
Der  Querschnitt  des  Beiles  bildet  demnach 
ein  flaches  Kreissegment  von  2  cm  Durch- 
messer. SolcheBeile wurden  nach  Ver- 
gleichung  mit  anderen  Exemplaren  als 
kleine  Bodenhacken  zur  Au&churfung 
des  Humus  gebraucht  und  beweisen,  dass 
schon  vor  etwa  drei  Jahrtausenden  im  Elm- 
steiner  Thale  Ackerbau  betrieben 
ward. 

3.  Fund  (vgl.  Zeichnung  c).  Ein  drit- 
tes bemerkenswertes  Steinbeil  fand  sich 


jüngst  zu  Meckenheim.    Dasselbe  besteh 
wahrscheinlich  aus  Kieselschiefer  und  zeigt^ 
glänzend  schwarze  Färbung.    Seine  Länge 


—    179    — 

beträgt  9  cm,  seine  Schoeidenbreite  4,5  cm, 
seine  Scbneidenlänge  3,6  cm.  Unter-  and 
Oberseite  bilden  im  idealen  Schnitte  einen 
Rhombus  mit  je  zwei  längeren  und  je  zwei 
kürzeren  Seiten,  die  nebeneinander  liegen. 
Die  beiden  Seitenflächen  stellen  ein  flach 
gewölbtes,  gleichschenkliges  Dreieck  dar, 
dessen  höchste  Linie  vom  Rande  der 
Schneide  gebildet  wird.  Das  Artefakt  stellt 
ein  ausgesprochenes  Beil,  keinen  Keil 
dar.  Letzterer  könnte  nicht  so  anschwel- 
len, wie  das  vorliegende  Werkzeug.  Das 
Beil  wirkte  genau  in  derselben  Richtung 
wie  ein  eisernes,  von  oben  nach  unten, 
und  scheidet  sich  hierin  scharf  von  der 
Hackenform.  Die  Fläche  der  Schneide  ist 
fein  abpoliert,  die  übrige  Fläche  ist  rauh 
behauen.  Das  Steinbeil  ist  ausgezeichnet 
erhalten.  —  Die  drei  mit  Stiel  und  Band 
versehenen  Werkzeuge  der  pfälzischen  Ur- 
zeit, Wurf  heil,  Bodenhacke,  Arbeitsbeil, 
werden  eine  ganz  besondere,  instruktive 
Zierde  jedes  pfalzischen  Museums  bilden. 
Der  y.  hat  an  diesen  drei  einfachen, 
aus  der  jüngsten  Fundserie  genommenen 
Beispielen  gezeigt,  wie  erschwerend  es 
ist,  und  wie  aufklärend  es  wirkt,  die 
Unterschiede  bei  ähnlichen  Artefakten 
der  neolithischen  Steinz eit  festzustellen 
und  festzuhalten.  —  Äusserlich  sehen 
sich  die  drei  obigen  schwarzen,  vordem 
8 — 10  cm  langen  Steinartefakte  recht  ähn- 
lich; faktisch  aber  hat  jedes  seine  tech- 
nischen Besonderheiten,  seinen  speziellen 
Zweck.  Diesen  letzteren  erkennt  man 
aber  nur  bei  genauerem  Studium  des  Ver- 
hältnisses zwischen  den  einzelnen  Schliff'- 
flächen  und  der  Art  der  Schneide,  der  Wirk- 
samkeit der  letzteren,  des  Gesamtbaues 
des  Gerätes !  —  Genaueres  hat  über  diese 
Differenzierungen  d.  V.  veröffentlicht  in 
seinem  Vortrage  (PoUichia):  „Hacke  und 
Beil  am  Mittelrhein  zur  Steinzeit*',  Dürk- 
heim  1889. 
Neustadt  a.  d.  H. 

Dr.  C.  Mehlis. 
7e.  Aus  der  Pfalz,  im  Aug.  Der  Lindels- 
kopf.  Im  obersten  Sorbachgebiet  im 
pfälzischen  Wasgau  liegt  hier  am  Fuss- 
pfade,  der  von  Petersbächel  nach  Ludwigs- 
winkel führt,  und  zwar  zur  Linken  ein 
bisher  unbekannter,  angefangener  Burgbau. 


—    180    — 

Im  Volksmunde  heisst  der  136  bayer. 
Ruten  =  397,1  m  hohe  Kegel  Lindeiskopf, 
während  er  auf  der  bayer.  Generalstabs- 
karte den  Namen  Ruin -Berg  fuhrt.  Anf 
dem  Plateau  zieht  von  WSW.  nach  0X0. 
ein  ca.  100  m  langer  und  3 — 5  m  breiter, 
nach  allen  Seiten  steil  abfallender  Fels- 
grat, in  dessen  erstem  Drittel  (von  Osten 
her)  eine  halb  natürliche,  halb  künstliebe 
Felßtreppe  nach  oben  fuhrt.  Zur  Rechten 
ist  eine  20  cm  tiefe  Nische  nach  einzelnen 
Hiebflächen  zu  schliessen,  künstlich  einge- 
hauen. Sonst  ist  von  Menschenhand  nor 
eine  Cisteme  (übrig  bezw.)  vorhanden,  die 
sich  auf  der  Nordseite  des  Felsgrates, 
10  m  von  seinem  Rande  entfernt,  vorfindet. 
Der  3Vi  cm  im  Durchmesser  haltende 
Cylinder  derselben  ist  in  den  festen  I>ls 
regelmässig  und  mit  vieler  Mühe  einge- 
trieben und  zwar  an  der  Südseite  etwa 
4  m,  an  der  Nordseite  1*/«  m  tief.  —  Cber 
diese  angefangene  Burg  meldet  dem  Forscher 
weder  Urkunde  noch  Sage  etwas.  —  Sie 
steht  nicht  im  Zusammenbange  mit  an- 
deren Kastellen,  welche  das  obere  Sor- 
(=  Sauer)bach-Gebiet  gegen  Lothringen  ab- 
schlössen und  so  die  Rheinebene  gegen 
Einbrüche  von  Westen  her  verteidigt  haben. 
Möglich  dennoch,  dass  dieser  begonnene, 
aber  nicht  vollendete  Burgbau  dem  IL 
bis  12.  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnong 
angehört.  —  Der  Bergkegel  ist  z.  Z.  mit 
Eichen,  Buchen  und  Kiefern  bedeckt  froher 
war  er  wohl  mit  Linden,  wie  der  Käme 
besagt,  bestanden.  Dr.  C.  Mehlis. 

Mainz.  [Rtfmische  Grabsteine.]  1]  Schon  77. 
vor  längerer  Zeit  wurde  ich  durch  den 
jetzt  verstorbenen  Herrn  Direktor  J.  Keller 
und  vor  kurzem  auch  von  Herrn  Prof. 
Zangemeister  auf  einen  Stein  aufmerksam 
gemacht,  der  als  Teil  des  Fundamentes 
unter  einem  mehrere  Meter  hohen  Wege- 
kreuz an  der  die  beiden  Kastelle  Hof  heim 
und  Kastei  schnurgerade  verbindenden  rö- 
mischen Strasse  liege.  Sichtbar  war  aller- 
dings nur  der  Giebel  mit  einer  Umrahmung 
nebst  einem  Teile  des  Buchstabens  D,  im- 
merhin genug,  um  die  Hoffnung,  dass  die 
unter  dem  Sockel  liegende  Inschrift  we- 
nigstens in  ihren  Hauptteilen  erhalten  sei, 
zu  rechtfertigen.  Nachdem  der  Besitzer, 
Herr  Krimmel  II  in  Kostheim,  unter  bil- 


—    181    — 

ligen  Bedingungen  die  Erlaubnis  gegeben, 
wurde  der  Stein  am  1.  Juli  herausgenom- 
men und  in  das  Museum  verbracht.  Er 
ist  90  cm  h.  (ohne  Giebel  65),  95  cm  br. 
und  32  cm  dick;  die  Buchstabenhöhe  ist 
5  cm.  Der  Giebel  hat  ausser  den  Rand- 
leisten nur  eine  kreisrunde  Verzierung 
unter  der  Spitze.  Die  Inschrift  ist  durch 
eingehauene  Dollenlöcher,  sowie  durch  Ab- 
splitterung leider  arg  beschädigt  und  am 
Ende  unvollständig.    Sie  lautet: 


1. 

D                                /////// 

«^/////"  »IINIODECIMO 

////  -SERARIOLBG  XXII  P  P  F 

A   N    O   R   V   M   XXXVII  ST  l>E 

5.     NIORVMXVIII«EGIN 

■l////slyV//////////////////////////hQ.VES 

ANT////////////////////////////XC.A 

Zeile  1  ist  M  abgesplittert;  Zeile  2 
können  vor  INIO  zwei  L  gestanden  haben, 
da  die  Querhasten  der  vorhandenen  L  und 
E  sehr  kurz  sind;  Zeile  3  ist  vor  S  noch 
die  untere  Querhasta  eines  E  sichtbar; 
Zeile  4  ist  I  und  P  verbunden;  Zeile  5 
igt  die  zweite  Querhasta  des  N  unsicher, 
der  obere  Teil  des  R  dagegen  deutlich; 
Zeile  6  das  erste  R  kaum  noch  erkennbar, 
Yom  ersten  E  der  Wörter  EQYES  nur 
die  untere  H&lfte  erhalten,  die  ganze  Mitte 
der  Zeile,  ebenso  wie  die  der  folgenden 
Yollständig  abgesplittert;  in  dieser  findet 
sich  nach  dem  ersten  A  ein  Punkt,  der 
wohl  nur  eine  Verletzung  des  Steines  ist ; 
das  T  ist  nicht  ganz  sicher,  dem  G  ging 
ein  X  voraus. 

DCia)  [MfanihusJ]  \\  a  [Pull?]imo  De- 
cimo  II  tesCsJerario  legCionis)  XXII  pfri- 
migeniae)  pfiaej  fCidelisJ  \\  an{hJorum 
XXXVII  stipe  II  nCdJiarum  XVIII  Be- 

gin  II  ins equea 

Statt  PVLL1NI0  kann  es  natürlich  auch 
anders  geheissen  haben,  z.  B.  IVLLINIO; 
das  D  in  stipendiorum  scheint  durch  ein 
Versehen  des  Steinmetzen  ausgelassen  zu 
sein.  Der  Schluss  ist  für  mich  rätselhaft ; 
Zangemeister  vermutet :  [e]x  cfitsiodej  afr- 
marum). 

2)  Stein  aus  der  Stephanskirche,  wo 
er  einen  Teil  des  Bodenbelages  des  Kreuz- 
ganges bildete.      Seine   Entdeckung    ver- 


—    182    — 

danken  wir  dem  Scharfblick  des  Herrn 
Oscar  Winterhelt,  Baumeister  aus  Milten- 
berg und  dem  Eifer  des  Herrn  Peter 
Kessler  ans  Mainz.  Herr  Pfarrer  Kömer 
überliess  den  Stein  am  10.  Juli  dem  Mu- 
seum in  zuvorkommendster  Weise  als  Ge- 
schenk. Leider  ist  derselbe  arg  beschä- 
digt. Zunächst  ist  der  Giebel  nur  teil- 
weise erhalten,  vor  allem  aber  sind  die  drei 
obersten  Zeilen  mit  grosser  Gründlichkeit 
ausgemeisselt ;  nur  in  der  ersten  sind  noch 
Reste  von  Buchstaben  sichtbar ;  sodann  ist 
der  Grabstein  in  vier  Stücke  zerhauen, 
von  welchen  nur  drei  aufzufinden  waren. 
An  den  Spaltungskanten  ist  jedesmal  etwa 
der  Raum  einer  Zeile  verloren  gegangen. 
Die  Bruchstücke  sind  17  cm  dick  und 
haben  folgende  Grösse:  a)  43  h.,  34  cm 
br. ;  b)  70  cm  h.,  36  cm  br. ;  c)  52  cm  h., 
35  cm  br.    Die  Inschrift  lautet: 

1.   'iiiiiMiiiiiiiiMi  \iMiiimiim\ 


lllllllllilllllllllilllll 

1 


'/////7///7//////////////, 


IHllllll 

C  V    N  D    I     I 
I  •III«  H-S-E| 

'rr  C    V    V    T    it    X 


b) 


I  D     C    I   A   V 

H  E  R  E  D  E  S 
c^     D  I  C   •   S  I  T 

I 

i! 


Von  der  ersten  Zeile  sind  mit  einiger 
Sicherheit  nur  die  Buchstaben  A  und  R 
erkennbar.  Zeile  4  ist  ein  Punkt  hinter 
3  nicht  sichtbar;  der  dritte  Buchstabe 
kann  ein  L  gewesen  sein;  von  dem  E  ist 
die  senkrechte  Hasta  nicht  mehr  vorhan- 
den. Zeüe  5  im  Anfang  der  zweiten 
Hälfte  noch  Rest  eines  T  erhalten.  Zeile  6 
Reste  der  Buchstoben  ECEElVI. 

....  cCenturia)  ClaufdiJ  [SJecutidi  [an- 

(narum) stjifpendiorumj  III  hficj 

sfitiisj  eßtj,  heredes  [fece(runtj  et  vi(ator) 
diefatj,  sit  [tibi  terra  levis]. 
Das  Ergänzung  der  sechsten  Zeile  beruht 
auf  einer  Vermutung  Zangemeisters. 

Körber. 
MUnster  bei  Bingen.   [Römischer  iNotailc-  78. 
futsboden.]  In  Münster  b.  B.  ist  der  Mosaik-  . 
fussboden  eines  Zimmers,  welches  eine 
Grösse  von  über  9  m  im  Quadrat  hatte, 


183 


—    184 


gefunden  worden.  Aufgedeckt  wurden  zu- 
erst Quadrate  von  67  cm  im  Geviert  aus 
schwarzen  und  weissen  Steinen.  In  diesen 
kehrt  an  zweiter  Stelle  regelmässig  ein 
doppelter  schwarzer  Ring  und  in  demselben 
ein  schwarzer  Stern  wieder.  Die  übrigen 
Quadrate  zeigen  verschiedene  Muster,  in- 
dem teils  Quadrate  von  grösserer  und 
kleinerer  Form,  6,  9,  49,  teils  Sterne  mit 
gebogenen  Linien,  10,  und  entsprechende 
Vierecke  in  schwarz  und  weiss  abwechseln. 
Dann  wurden  aber  auch  kleine  Felder  mit 
geschwungenen  Linien  und  in  verschiede- 
nen Farben  gefunden,  und  beim  Weiter- 
graben, welches  unter  Aufsicht  eines  Vor- 
standsmitgliedes des  Antiquarisch  -  histori- 
schen Vereins  stattfand,  zeigte  sich  schliess- 
lich ein  Mosaikrundstück  ersten  Ran- 
ges, nämlich  in  einem  Kreise  von  180  cm 
der  Sonnengott,  umgeben  von  den  12  Bil- 
dern des  Sonnenkreises.  Auf  einem  Wagen 
steht  der  unbekleidete  Sonnengott,  um- 
flattert von  einem  schmalen,  .langen  Tuche, 
das  Haupt  von  elf  Strahlen  umgeben;  in 
der  rechten  und  linken  Hand  hält  er  die 
Zügel  von  je  zwei  Rossen.  Vom  Wagen 
ist  das  schwarz-rote  Vorderteil  mit  weissem 
Rande  sichtbar;  davor  in  gelber  Farbe 
die  Deichsel,  vorn  auf  rotem  Pflock  eine 
dünnere  Querstange,  das  nach  antiker  Sitte 
über  die  Pferde  gehende  Joch.  Die  weissen 
Rosse  —  die  Schatten  und  Conturen  sind 
bläulich  und  schwarz  eingesetzt  —  erheben 
sich  auf  ihren  Hinterbeinen,  je  zwei  nach 
rechts  und  je  zwei  nach  links,  indem  ihre 
mächtigen  Schweife  bis  auf  den  Boden 
reichen  und  ihre  Vorderbeine  hoch  in  die 
Höhe  gehoben  sind ;  der  Quergurt  und  die 
Zügel  sind  mit  etwas  anderen  Farben  deut- 
lich angegeben;  die  mutig  erhobenen  Köpfe 
sind  ganz  vorzüglich  dargestellt.  Es  ist 
der  Augenblick,  in  welchem  die  Ro^se  des 
Sonnengottes,  sowie  das  Thor  des  Him- 
mels geöffnet  ist,  hervorstürmen,  um  der 
Welt  das  Licht  des  Tages  zu  bringen. 
Dieses  vollständig  erhaltene  Mittelfeld  ist 
umgeben  von  einem  roten  Streifen  und 
einem  29  cm  breiten  weissen  Band,  dessen 
Rand  durch  einen  schwarzen,  einen  weissen 
.  und  wieder  einen  schwarzen  Streifen  ge- 
bildet ist.  Das  breite  Band  enthält  in  den 
12  einzelnen  durch  rote  Streifen  getrennten 


weissen  Feldern  von  unten  nach  rechts 
den  Steinbock,  die  Jungfrau,  die  2  Fische, 
den  Widder,  den  Stier  und  die  Zwillinge, 
nach  links  ein  zerstörtes  Stück,  dann  den 
Skorpion,  teilweise  zerstört,  den  Wasser- 
mann, den  Schützen,  teilweise  gestört,  und 
wieder  zwei  zerstörte  Stücke.  Die  Jung- 
frau hält  einen  Zweig  in  der  linken  Hand, 
ebenso  der  Wassermann,  der  Schute  scheint 
in  der  linken  Hand  seinen  Bogen  nach 
oben  zu  halten  und  in  der  rechten  Hand 
einen  Pfeil;  die  Farben  sind  b^onders 
lebhaft  bei  den  Fischen  und  dem  Skorpion. 
Von  den  4  Zwickeln,  welche  bei  der  Ein- 
fügung eines  Kreises  in  einen  quadratisch 
eingeteilten  Boden  sich  ergeben,  ist  leider 
nur  einer,  und  auch  dieser  nicht  vollstäQ- 
dig  erhalten.  Aus  der  Ecke  nach  dem 
Kreisbogen  zu  steht  auf  Blumengewinde 
ein  Krug  mit  gefälliger  Form,  zu  dem  von 
rechts  und  links  ein  Fisch  heranschwimmt. 
Der  Halbmesser  des  Kreises  ist  so  gross, 
wie  die  Länge  von  2  Ornamentquadrateo, 
und  auf  der  einen  Seite  sind  5  Quadrate 
in  einer  Linie  neben  einander  gefhnden 
worden,  so  dass  danach  das  Mindestmass 
des  Zimmers  sich  ergiebt  An  Reichhal- 
tigkeit steht  dies  Münsterer  Mosaik  dem 
Kreuznacher  weit  nach,  da  das  erstere 
nur  1  grosses  und  12  kleinere  Felder  mit 
lebenden  Wesen,  das  letztere  9  grosse 
und  4  mittelgrosse  Felder  mit  lebenden 
Wesen  und  zwar  mit  mehr  als  jenes  ent- 
hält; aber  die  Schönheit  der  Ausführung 
ist  gleich,  die  Pferde  des  Münsterer  Mosaiks 
sind  vorzüglich  dargestellt.  Der  Besitzer 
der  Münsterer  Villa  neigte  mit  seinem 
Geschmack  zu  freundlicheren  Bildern  als 
der  der  Kreuznacher  Villa. 

(Kreuzn.  Generalanzeiger  vom  6.  Sep- 
tember 1895.) 

K0tn.  [Massenfund  römischer  MBnzen.]7S. 
An  der  Nordseite  des  Marienplatzes,  neben 
dem  jetzt  abgebrochenen  Eckhause  Nr.  11, 
da  wo  früher  der  gepflasterte  Weg  zu  dem 
Pfarrhause  von  St.  Maria  im  Kapitol  et- 
was berganstieg,  hat  man  am  29.  März 
und  1.  April  d.  J.  beim  Ausschachten 
einen  bedeutenden  Fund  römischer  Münzen 
gemacht.  Dieselben  waren  teils  in  mdi- 
reren  grossen  Amphoren  mit  spitzem  Fass, 
teils  in  einem  Fasse  verpackt,  von  welch' 


—    185    — 

letzterem  sich  noch  vermoderte  Stücke, 
sowie  die  Reifen  vorfanden.  Die  MQnzen 
waren  durch  Oxydierong  zu  grösseren 
Klumpen  zusammengeballt  und  zwar  zeigen 
die  in  dem  Fasse  grüne,  die  in  den  Am- 
phoren blaue  Oxydation.  Auf  mehreren 
der  letzteren  sieht  man  noch  deutliche 
Spuren  von  Verzinnung.  —  Da  ein  grosser 
Teil  des  Fundes  gleich  zerstreut  wurde  — 
die  Arbeiter  haben  Hände  und  Körbe  voll 
an  Vorübergehende  sowie  an  schnell  her- 
beieilende Händler  gegen  geringe  Vergü- 
tung abgegeben  —  so  ist  es  schwer,  die 
Menge  der  Münzen  zu  bestimmen.  Nach 
der  zuverlässigsten  Schätzung  soll  der  ganze 
Fund  mit  der  Verpackung  ein  Gewicht  von 
etwa  1000  Ko.  gehabt  haben,  woraus  man  auf 
eine  Zahl  von  150—200  000  Stück  schliessen 
kann.  Während  der  grössere  Teil  des 
Fundes  an  das  Königliche  Münzkabinet 
nach  Berlin  gesandt  wurde,  fand  hier  eine 
Untersuchung  mehrerer  Stichproben  — 
sowohl  von  den  grün  wie  den  blau  oxy- 
dierten, im  Ganzen  einiger  Tausend  Stück 
—  statt,  welche  folgendes  Resultat  er- 
gaben, woraus  hervorgeht,  dass  wir  es 
hauptsächlich  mit  Münzen  der  Constanti- 
nischen  Zeit  zu  thun  haben: 
Mittelbronzen. 

1.  A. :  Imp.  Maxentius  p.  f.  Aug.  Kopf 
mit  Lorbeerkranz  nach  rechts.  R. :  Con- 
serv.  urb.  suae.  Tempel  mit  4  Säulen,  im 
Inneren  Roma  und  Victoria. 

2.  A. :  Imp.  C.  Constantinus  p.  f.  Aug. 
EopfmitLorbeerkr.  nach  rechts.  R. :  Prin- 
cipi  iuventutis.  Der  Kaiser  stehend  in 
jeder  Hand  eine  Standarte  haltend. 

Kleinbronzen. 

3.  A. :  Fl.  Helena  Augusta.  Kopf  nach 
rechts.  R.:  Securitas  reipublicae.  Frau 
mit  Ähre  nach  links,  unten  PTR  oder  SIS. 

4.  A. :  Helena  n.  f.  Büste  nach  rechts. 
B.:  Stern  in  einem  Kranze.     Coh.  14. 

5.  A.:  Imp.  Licinius  Aug.  Kopf  mit 
Lorbeerkr.  nach  rechts.  R. :  D.  n.  Licini 
Augusti,  im  Kranze  vot.  xx  unten  SA  und 
SANT. 

6.  A. :  Imp.  Licinius  p.  f.  Aug.  R. :  Genio 
pop.  Rom.  Genius  mit  Schale  und  Füll- 
horn.    Coh.  49. 

7.  A. :  Imp.  Val.  Licin.  Licinius  p.  f. 
Aug.    Kopf  mit  Lorbeerkranz  nach  rechts. 


—    186    — 

R. :  lovi  conservatori.  Jupiter  eine  Victoria 
haltend. 

8.  A. :  Licinius  iun.  nob.  c.  Kopf  mit 
Lorbeerkr.  u.  Kürass  nach  rechts.  R. :  Vict. 
laetae  princ.  per.  2  Victorien  einen  Schild 
mit  vot.  p.  r.  haltend,  darunter  ein  Säulen- 
stumpf mit  S. 

9.  A.:  Constantinus  Aug.  Kopf  mit 
Helm  oder  Lorbeerkranz  nach  rechts. 
R.:  Beata  tranquillitas.  Altar  mit  der 
Aufschrift:  vot  x  oder  xx,  unten  CR* 
PLG  oder  PTR. 

10.  A.:  Constantinus  Max.  Aug.  Kopf 
mit  Diadem  nach  rechts.  R. :  Constantiniana 
Dafne.  Victoria  auf  einem  Säulenstumpf 
sitzend,  vor  ihr  eine  Trophäe  und  der 
Buchst.  A,  zu  ihren  Füssen  ein  Gefangener, 
unten  CONS. 

11.  A.:  Constantinus  Aug.  Kopf  mit 
Lorbeerkr.  nach  rechts.  R.:  D.  n.  Con- 
stantini  Max.  Aug.  vot  xx  im  Kranze,  unten 
STR  PA,  PTR,  PL  oder  SMRB. 

12.  A. :  Constantinus  Aug.  Kopf  mit 
Lorbeerkr.  nach  rechts.  R.;  D.  n.  Con-» 
stantini  Max.  Aug.,  im  Kranze:  vot.  xx. 
Coh.  123. 

13.  A.:  Constantinus  Max.  Aug.  Kopf 
mit  Lorbeerkr.  nach  rechts.  R.:  Gloria 
exercitus.  2  Feldzeichen  und  eine  Ähre 
zwischen  2  Soldaten,  unten  P.  CONST. 

14.  A.:  Constantinus  Aug.  Kopf  mit 
Lorbeerkr.  nach  rechts.  R.:  Providentiae 
Augg.  Lagerthor  mit  2  oder  4  Türmchen 
und  1  Stern,  unten  SAR,  SIS,  STR  oder 
STRE. 

15.  A.:  Constantinus  Aug.  Kopf  mit 
Lorbeerkr.  nach  rechts.  R.:  Sarmatia 
devicta.  Victoria  nach  rechts,  zu  ihren 
Füssen  ein  Gefangener,  unten  PLG  V,  PLG"^, 
STRM  oder  STR^. 

16.  A.:  Imp.  Constantinus  p.  f.  Aug. 
Kopf  mit  Lorbeerkr.  nach  rechts.  R. :  Soli 
invicto  comiti.  Sol  stehend,  unten  STR 
oder  TT. 

17.  A.:  Imp.  Constantinus  A.  Kopf  mit 
Helm  und  Kürass  nach  rechts  oder  links. 
R.:  Victoriae  laetae  princ.  perp.  2  Vic- 
torien halten  einen  Schild  mit  der  Auf- 
schrift vot.  p.  r. 

18.  A.:  Constantinus  Aug.  Kopf  mit 
Lorbeerkr.  oder  Perlenschur  nach  rechts. 


—    187    — 

E.:  Yirtus  Augg.     Lagerthor  mit  2  oder 
4  Türmchen  und  1  Stern,  unten  ARLS. 

19.  A.:  Constantinus  Aug.  Büste  mit 
Helm  und  Eürass  oder  Kopf  mit  Lorbeerkr. 
R.:  Yirtus  exercit.  Fahne  mit  yot.  xz,  am 
Fusse  der  Stange  2  Gefangene,  rechts  C.  N., 
unten  PLO,  PTR  oder  TT. 

20.  Urbs  Roma.  Coh.  17.  In  Varian- 
ten :  Über  der  Wölfin  2  Sterne  oder  Sterne 
mit  Kranz  y  einfachem  oder  dreiteiligem 
Palmzweige  dazwischen. 

21.  Urbs  Constantinopolis,  Coh.  21,  mit 
und  ohne  Monogramm  Christi. 

22.  A.:  Flav.  Max.  Fausta  Aug.  R.:  Sa- 
lus reipublicae.  Fausta  stehend  mit  2 
Kindern  in  den  Armen.    Coh.  6. 

23.  A.:  Flav.  Max.  FausU  Aug.  Kopf 
nach  rechts.  R.:  Spes  reipublicae.  Spes 
stehend  mit  2  Kindern  an  der  Brust. 

24.  A. :  Faasta  n.  f.  Büste  nach  rechts. 
R.:  Stern  in  einem  Kranze.    Coh.  23. 

25.  A.:  Fi.  lul.  Crispus  nob.Caes.  Kopf 
mit  Lorbeerkr.  nach  rechts.  R. :  Alamannia 
devicta.  Victoria  nach  rechts  schreitend. 
Coh.  1. 

26.  A. :  Crispus  nob.  Caes.  (oder  nobil  C.) 
Kopf  mit  Lorbeerkr.  oder  Helm  und  Kürass 
nach  rechts  oder  links.  R  :  Beata  tran- 
quillitas.  Altar  mit  der  Aufschrift:  votis 
XX,  rechts  und  links  davon  häufig  die  Buch- 
staben C.  und  R.,  unten  P.  LG  oder  P.  LON. 

27.  A. :  lul.  Crispus  nob.  Caes.  Büste 
mit  Lorbeerkr.,  Kürass,  Schild  und  Lanze 
Bach  links.  R. :  Beata  tranquilliUs.  Altar 
mit:  votis  xx,  unten  P.  TR. 

28.  A. :  Crispus  nob.  Caes.,  lulius  Cris- 
pus nob.  C  oder  lul.  Crispus  nob.  Caes. 
Kopf  mit  Lorbeerkr.  nach  rechts  oder  links. 
R. :  Caesarum  nostrorum  im  Kranze  vot. 
V  oder  x,  unten  SIS,  ST,  PLC. 

29.  A. :  Crispus  nob.  Caes.  Kopf  mit 
Lorbeerkr.  nach  rechts  oder:  Fl.  lul.  Cris- 
pus nob.  Caes.  Kopf  mit  Lorbeerkr.  und 
paludamentum  nach  links.  R.:  Providen- 
tiae  Caess.  Lagerthor  mit  2  Türmchen 
und  1  Stern,  unten  P.  TR. 

30  A. :  Crispus  nob.  Caes.  Büste  mit 
Helm  und  Kürass  nach  rechts.  R.:  Vir- 
tus  exercit.  Trophäe  mit  2  Gefangenen, 
unten  P.  TR. 

31.  A.:  Crispus  nob.  Caes.  Kopf  mit 
Helm  und  Kürass  nach  rechts  oder:  D. 


—    188    — 

n.  Crispus  nob.  Caes.    Kopf  mit  Lorbeerkr. 
nach  rechts. 

32.  A.:  Fl.  lul.  Crispus  nob.  Caes. 
Kopf  mit  Lorbeerkr.  nach  rechts.  R.: 
Victoriae  laetae  princ.  perp.  2  Victorien 
halten  einen  Schild  mit  der  Aufschrift: 
vot.  p.  r. 

33.  R. :  Virtus  exercit  Fahne  mit  der 
Aufschrift:  vot.  xx,  am  Fusse  der  Stange 
2  Gefangene,  unten:  PLC,  P.  LON  oder 
STR. 

34.  A.:  Constantinus  iun.  nob.  Caes. 
Kopf  mit  Lorbeerkr.  nach  rechts.  R: 
Alamannia  devicta.  Victoria  mit  Trophäe 
nach  rechts,  zu  ihren  Füssen  ein  Gefan- 
gener, unten  SIRM. 

35.  A.:  Constantinus  iun.  n.  C,  nob. 
Caes.  oder  nob.  C.  Kopf  mit  Lorbeer- 
kranz nach  rechts  oder  mit  Helm  und 
Kürass  nach  links.  R. :  Beata  tranquillitas. 
Altar  mit  der  Aufschrift :  votis  xx,  zu  bei- 
den Seiten:  CR,  unten:  P.  LC,  P.  LON 
oder  P.  TR. 

36.  A. :  Constantinus  iun.  nob.  C.  Baste 
mit  Lorbeerkr.  und  Kürass  nach  links,  auf 
der  Hand  die  Victoria.  R. :  Wie  bei  der 
vorigen. 

37.  A. :  Constantinus  iun.  n.  C  Kopf 
mit  Zackenkrone  und  paludamentum  nach 
links.    R.:  Wie  bei  der  vorigen. 

38.  A. :  Constantinus  iun.  nob.  C.  Baste 
mit  Lorbeerkr.,  Prachtmantel  und  Scepter 
nach  rechts.    R. :  Wie  bei  der  vorigen. 

39.  A. :  Constantinus  iun.  nob.  C.  Büste 
mit  Lorbeerkr.  nach  rechts.  R. :  Gloria 
exercitus.  2  Feldzeichen  zwischen  2  Sol- 
daten.    Coh.  122. 

40.  A. :  Constantinus  iun.  nob.  C.  Kopf 
mit  Lorbeerkr.  nach  rechts  oder  links. 
R. :  Caesarum  nostrorum,  im  Kranze  TOtx, 
unten  PTR. 

41.  A. :  Constantinus  iun.  nob.  C.  Büste 
mit  Lorbeerkr.  und  paludamentum  nach 
rechts  oder  links.  R. :  Providentiae  Cacss. 
Lagerthor  mit  2  Türmchen  und  1  Stern, 
unten :  STR,  R.  T.,  P.  LC,  PTR  oder  ARLO. 

42.  A. :  Fi.  lul.  Constantinus  nob.  C. 
Büste  mit  Lorbeerkr.  und  paludamentum 
nach  links.    R. :  Wie  bei  der  vorigen. 

43.  A. :  Constantinus  iun.  nob.  C.  Kopf 
mit  Lorbeerkr.  nach   links.     R.:   Virtoa 


—    189    — 


—    190    — 


Caess.     Lagerthor  mit  4  Türmchen  und 
1  Stern,  unten  P.  CONST.  oder  ARLS. 

44.  A. :  Constantinus  iun.  nob.  C.  Büste 
mit  Lorbeerkr.  nach  rechts.  R. :  Yirtus 
€ae88.  Der  Kaiser  nach  rechts  galoppie- 
rend.   Coh.  240. 

45.  A.:  Constantinus  iun.  n.  G.  Büste 
mit  Zackenkrone  nach  links.  R.:  VIrtus 
exercit.  Trophäe  mit  zwei  Gefangenen. 
Coh.  262. 

46.  A. :  Constantinus  iun.  nob.  C.  Büste 
mit  Lorbeerkr.  und  Kürass  nach  rechts. 
R.:  Yot.  V.  mult.  x.  Caess.  TSB  in  4  Reihen, 
von  einem  Lorbeerkr.  eingefasst.  Coh.  273. 

47.  A.:  Constantius  iun.  n.  Kopf  mit 
Lorbeerkr.  nach  rechts.  R. :  Gloria  exer- 
citus.  2  Feldzeichen  und  ein  Kranz  zwi- 
schen 2  Soldaten,  unten:  P.  CONST. 

48.  A. :  Constantius  nob.  Caes.  Kopf 
mit  Diadem  und  paludamentum  nach  rechts 
oder  links.  R.  :  Provideniiae  Caess.  Lager- 
thor mit  2  Türmchen  und  1  Stern,  unten 
STR. 

49.  A. :  D.  n.  Constantius  nob.  C.  Kopf 
mit  Lorbeerkranz  nach  rechts.  R. :  Yir- 
tus exercit.  Fahne  mit  der  Aufschrift 
TOt.  XX,  am  Fusse  der  Stange  2  Gefangene, 
zu  beiden  Seiten  A  und  S,  unten  PTR 
oder  PLC. 

50.  A. :  Constatnis  (für  -  Constantius) 
!N.  HO,  Kopf  mit  Diadem,  von  welchem 
nach  dem  Hinterkopfe  zu  eine  Art  Schleier 
herabhängt,  nach  rechs.  R. :  P  (oder  Y), 
K  (A  oder  Y)  . .  SHIT  . .  TC  (oder  S)  ON. 
Lagerthor  mit  2  Türmchen  und  1  Stern, 
unten:  NSN. 

Da  die  Münzen  die  verschiedendsten 
Prägeorte  zeigen:  Rom,  Constantinopel, 
Alexandria,  Sirmium,  Siscia,  Trier,  Arles, 
Lyon  und  London,  so  ist  der  Gedanke 
■ausgeschlossen,  dass  dieselben  einer  Köl- 
nischen Münze  entstammen,  sondern  sie 
sind  durch  den  Yerkehr  aus  allen  Pro- 
vinzen des  römischen  Weltreiches  —  Italien, 
Ägypten,  Pannonien,  Gallien,  Britannien  — 
hier  zusammengekommen  und  haben  wahr- 
scheinlich den  Bestand  einer  öiFeutlichen 
Kasse  gebildet.  C.  Stedtfeld. 


Chronik. 

Das  eben  erschienene  Doppelheft  der  80. 
Bonner  JahrbOcher  (Heft  XCYI  und  XCYII) 
enthält  zunächst  die  Rektoratsrede  von 
Nissen:  Rheinland  in  römischer  Zeit.  — 
£8  folgt  dann:  H.  Dragendorff:  Terra 
sigillata,  ein  Beitrag  zur  Geschichte  der 
griechischen  und  römischen  Keramik ;  eine 
für  die  westdeutsche  Altertumsforschung 
sehr  willkommene  Arbeit,  auf  welche  an 
dieser  Stelle  noch  näher  eingegangen  wer- 
den soll.  —  Unter  dem  Titel:  Kleinere 
Mitteilungen  aus  dem  Provinzialmuseum 
zu  Bonn  veröffentlicht  J.  Klein  eine  Reihe 
Ton  Inschriften.  Hervorgehoben  seien  zwei 
Matronensteine  aus  Zingsheim:  MfatronisJ 
Fachinehifs]  .  .  Flaviiis  Com[m]muni8  et 

GCaiusJ und  Matroniß  Fachineihis 

.  .  Crispinius  [,  .  .  .Jms  pro  se  [et  suis 
vCotumJ  sColvitJ  IfubensJ  mferitoj],  femer 
mehrere  Grabmonumente  aus  Köln:  DCW 
MfanibusJ  lulfiaj  Prisfcja  viva  [sjibi 
[fecit]  und  [DfisJ]  Mfanibtis)  Aurelio 
Äristaeneto  vetferanoj  legfionisj  primae 
MfinerviaeJ  [AJurelius  A[ris]tide  [s  m]i- 
\le']8  legfionisj  primae  MfinerviaeJ  hfene- 
ffieiariitsj  cofnjsfularisj  patr\i].  Zwei 
weitere  sind  bereits  von  Kisa  in  der 
Westd.  Ztschr.  XHI  Sp.  312  fg.  veröffent- 
licht worden.  Endlich  ein  Inschriftrest 
aus  Bonn,  der  zu  einem  grösseren  Monu- 
ment gehört  haben  muss.  Er  befindet  sich 
auf  einem  schweren  Trachytblock  und 
lautet ! 


Der  obere  Rand  ist  erhalten,  die  Buch- 
stabenhöhe in  der  ersten  Zeile  ist  9^«  cm, 
in  der  zweiten  9  cm.   Klein  ergänzt  [Clau]- 

dius  Ca[esar p'\ontiffexJ    m[aximiis 

pfaterj]  pfatriaej  co[fnJsfulJ].    Man 

hat  die  Wahl  zwischen  den  Kaisem  Clau- 
dius und  Nero.  Klein  vermutet  nicht  ohne 
Wahrscheinlichkeit,  dass  der  erstere  ge- 
meint und  dass  die  Inschrift  infolge  seines 
Aufenthaltes  in  Gallien  im  Jahre  43  ge- 
setzt ist.  Da  die  Inschrift  in  unmittel- 
barer Nähe  von  Mauerresten  gefunden 
worden  ist,  so  dürfte  es  sich  nach  Kl. 
Annahme  um  eine  Bauinschrift  handeln. 


—    191    — 

Nissen  vermatet  einen  Zasammenhang  der 
Inschrift  mit  der  Gründung  des  Bonner 
Lagers  (Colonia  Aprippinensis  S.  161). 

Weiter  enthält  das  Heft  folgende  Auf- 
sätze: 

Düntzer:  Domitian  in  Frontins  Stra- 
tegemata;  Nordhoff  u.  Westhoff:  Rö- 
mische Strassen,  Landwehren  und  Erd- 
werke in  Westfalen;  0.  Dahm:  Das 
Pilum  ;Siebourg:  Beiträge  zur  Altertums- 
kunde des  Niederrheins  (Weihestein  aus 
Nieukerk,  Kreis  Geldern;  Ziegelstempel 
aus  der  Nähe  von  Gellep;  Thonbecher  mit 
Graffito  aus  Asberg;  neue  Fabrikanten- 
stempel ausAsberg;  unedierte  Terrasigil- 
lata-Näpfe  und  Glasschalen  aus  Asberg 
und  Xanten);  Th.  Mommsen:  Die  Inter- 
polationen des  gromatischen  Corpus;  F. 
W.  E.  Roth:  Die  Freiherrlich  von  Zwier- 
lein'sche  Sammlung  von  Glasmalereien  zu 
Geisenheim  a.  Rh.;  Nordhoff:  Meister 
Eisenhut.  Es  folgen  dann  Litteraturbe- 
sprechungen  und  Miscellen.  H.  L. 

81.  L.  Lttvy  nnd  H.  Lucktnbach:  Das  forum  Romtnum  der 
Kaiterzelt.  München  und  Leipzig,  Olden- 
bourg,  1895.   4«.   1  Mk. 

Veranlasst  durch  einen  im  vorigen  Jahr 
auf  der  Versammlung  des  badischen  Ver- 
eins akademisch  gebildeter  Lehrer  in  Hei- 
delberg gehaltenen  Vortrag,  verzichtet  das 
Werkchen  auf  selbständige  Forschung  und 
will  lediglich  den  Zwecken  des  Gymnasial- 
unterrichts dienen.  Der  Text  zerfällt  in 
drei  Hauptabteilungen,  indem  zunächst  ein 
geschichtlicher  Überblick  über  die  Ent- 
wicklung des  römischen  forum  und  comi- 
tium  während  der  Republik,  sowie  der 
fora  der  Eaiserzeit  gegeben  wird.  Hieran 
schliesst  sich  der  Hauptabschnitt:  Das 
forum  Romanum  der  Eaiserzeit  mit  ge- 
nauerer Beschreibung  des  Platzes  sowie 
der  denselben  umgebenden  Gebäude  und 
der  benachbarten  Örtlichkeiten.  In  einem 
kurzen  Schlusskapitel  wird  der  jetzige 
Zustand  des  forums  beschrieben.  Sehr 
hübsch  und  zweckdienlich  sind  die  beige- 
gebenen Illustrationen,  namentlich  die 
Nebeneinanderstellung  von  rekonstruierter 
Ansicht  und  Grundriss  (Fig.  3  und  Fig.  4), 
sowie  die  Ansicht  des  forum  in  seinem 
heutigen  Zustande  von  der  Gegend  des  Titus- 
bogens  her«  Die  Anschaffung  des  Heftes  für 


—    192    — 

Schul-  und  Vortragszwecke  ist  bei  seiner 
Billigkeit  wohl  zu  empfehlen.         H.  L. 

Die  diesjährige  Generalversammlung  des  82. 
Gesammtvereint  der  deutschen  Geschidits-  uM 
Altertumtvereine  fand  vom  15.  bis  18.  Sep- 
tember in  Konstanz  statt. 

Grundsätze,  welche  bei  der  Herausgabe  83. 
von  Aktenstttcken  zur  neueren  Geschichte  zu 
befolgen  sind.  Für  die  Herausgabe  mittel- 
alterlicher Texte  sind  bekanntlich  schon 
vor  längerer  Zeit  von  verschiedenen  Sei- 
ten ^)  Regeln  aufgestellt  worden,  die,  wenn 
sie  auch  nicht  in  allen  Einzelheiten  allge- 
mein angenommen  worden  sind,  doch  zwei- 
fellos die  gute  Wirkung  gehabt  haben, 
dass  in  einer  Reihe  von  einschlägigen 
Fragen  eine  Einigung  erzielt  wurde,  und 
dass  an  Stelle  der  früheren  individuellen 
Willkür  gewisse  Normen  für  unsere  Quel- 
leneditionen allgemein  massgebend  ge- 
worden sind.  Solche  Regeln  auch  für 
Quellenpublikationen  zur  neuen  Geschiebte 
aufzustellen,  ist  bisher  nicht  versucht  wor- 
den; das  Verlangen  danach  ist  aber  um 
so  erklärlicher,  je  schneller  die  Zahl  dieser 
Publikationen  in  den  letzten  Jahren  an- 
wächst. Professor  Felix  Stieve  in 
München  hat  sich  die  dankenswerte  Auf- 
gabe gestellt,  diesem  Bedürfnis  zu  ent- 
sprechen. Er  hat  Grundsätze,  welche  bei 
der  Herausgabe  von  Aktenstücken  zur 
neuem  Geschichte  zu  befolgen  sind,  aas- 
gearbeitet, diese  Grundsätze  auf  dem  Leip- 
ziger Historikertag  1894  zur  Diskussion 
gestellt  und  dieselben  nach  nochmaliger 
Revision  und  unter  Berücksichtigung  von 
Verbesserungen  und  Ergänzungen,  die  ihm 
von  anderen  Fachmännern  empfohlen  wur- 
den, dem  Frankfurter  Historikertag  1895 
zur  Begutachtung  vorgelegt.  Die  Ver- 
sammlung hat  die  Gnmdsätze  in  der  Form, 
wie  sie  hier  folgen,  nach  längerer  Bera- 
tung gutgeheissen,  und  so  ist  dringend  zu 
wünschen,  dass  es  gelingen  wird,  auf  dieser 
Grundlage  auch  für  die  Veröffentlichung 
der  Quellen  für  neuere  Geschichte  eine 
allgemeine  Einigung  zu  erzielen. 

1)  Es  genügt  der  Hinweis  auf  Weis  «ick«  rs 
Vorbemerkungen  zum  1.  Band  der  Beichitageakten. 
auf  K.  Menzels  tind  Th.  Lindners  Grund- 
sätze fflr  die  Herausgabe  der  Publikationen  der 
Gesellschaft  fOr  Bheinische  Geschichtskonde  becw. 
per  historsiche  Kommission  für  die  Provinz  Sachsen. 


193 


—    194 


Leitende  Gesichtspunkte:  1.  Eine 
Einigung  der  deutschen  Gelehrten  in  der 
angedeuteten  Kichtung  ist  äusserst  wün- 
schenswert, kann  jedoch  weder  auf  dem 
Wege  eines  einheitlichen,  streng  durchge- 
büdeten  Systems,  noch  in  einer  jedes  Be* 
denken  ausschliessenden  und  jeden  Ein- 
zelnen völlig  hefriedigenden  Weise,  sondern 
nur  nach  Massgabe  von  Zweckmässigkeit 
und  Erfahrung,  sowie  durch  Aufopferung 
persönlicher  Liebhabereien,  Gewohnheiten 
und  Meinungen  erreicht  werden;  2.  wem 
die  Begabung  zum  Heransgeben  von  Akten 
fehlt,  dem  können  auch  die  besten  Regeln 
nicht  helfen ;  auf  solche  Unberufene  ist  daher 
bei  der  Aufstellung  der  Regeln  nicht  Rück- 
sicht zu  nehmen;  3.  ebensowenig  können 
für  diese  die  Interessen  der  Sprachforschung 
und  der  Sprachgeschichte  massgebend  sein, 
da  beide  Wissenszweige  in  zahlreichen 
Drucken  und  leicht  zugänglichen  Hand- 
schriften genügende  Quellen  für  ihre  Zwecke 
besitzen,  durch  buchstäblich  getreue  Wie- 
dergabe der  Briefe  hervorragender  Per- 
sönlichkeiten immerhin  beträchtliche  Be- 
reicherung empfangen  und  durch  den  ge- 
nauen Abdruck  der  anderen,  höchstens  in 
Einzelheiten  durch  die  Mundart  beein- 
flussten  Schriftstücke  weit  weniger  Vorteil 
gewännen,  als  für  den  eigentlichen  Zweck 
der  Veröffentlichung  Nachteil  erwüchse; 
4.  dem  masslosen  Anwachsen  der  Akten- 
veröffentlichungen ist  zu  steuern ;  5.  Akten- 
veröffentlichungen sollen  dem  Benutzer 
eigenes  Zurückgehen  auf  die  Vorlagen  er- 
sparen; B.  dem  Herausgeber  und  dem 
Leser  ist  ihre  Arbeit  möglichst  zu  erleich- 
tern; 7.  zur  Erzielung  einheitlichen  Ver- 
fahrens bei  den  Veröffentlichungen  sind 
möglichst  einfache  Regeln  aufzustellen; 
8.  diese  sollen  sich  möglichst  an  die  für 
Herausgabe  mittelalterlicher  Quellen  gel- 
tenden Grundsätze  anschliessen. 

L  Aktenveröffentlichungen  zur 
neueren  Geschichte  und  zwar  der  politi- 
schen sowohl  wie  der  Wirtschafts-  und 
Verwaltungsgeschichte  sind  nur  da  am 
Platze,  wo  es  sich  um  Angelegenheiten 
oder  Persönlichkeiten  von  hervorragender 
Bedeutung  handelt,  und  zu  deren  Wür- 
digung allseitige  Kenntnis  des  Quellenstoffes 
erforderlich  ist.    Andernfalls  genügen  ent- 


weder Darstellungen,  denen  Aktenstücke 
als  Beilagen,  wichtigere  Quellenstellen  und 
die  erforderlichen  Nachweise  als  Anmer^ 
kungen,  sowie  Nebenergebnisse  der  Akten- 
forschung als  Anhänge  beigefügt  werden« 
können,  oder  Bearbeitungen,  welche 
die  wichtigen  Aktenstücke  im  Wortlaute,, 
den  übrigen  Stoff  aber  in  verbindendem 
Texte  und  Anmerkungen  mitteilen. 

H.  Die  Aktenveröffentlichnngea 
haben  nur  die  ihrem  ganzen  Wortlaute 
nach  wichtigen  Aktenstücke  in  solchem» 
mitzuteilen;  in  der  Regel  genügen  Aus- 
züge, welchen  besonders  belangreiche 
Stellen  wortgetreu  einzufügen  sind. 

HI.  Die  Auszüge  sollen  nicht  nur  die 
in  einem  Aktenstücke  behandelnden  Gegen- 
stände aufzählen  oder  in  Kürze  bezeichnen,, 
sondern  dasselbe  seinem  ganzen,  für  die 
Veröffentlichung  zu  berücksichtigenden') 
Inhalte  nach  und  soviel  wie  möglich  auch 
seiner  Färbung  nach  wiederzugeben  suchen,, 
damit  für  den  Benutzer  ein  Zurückgehen 
auf  die  Vorlage  unnötig  wird. 

IV.  Bei  Auszügen  von  Briefen,  In- 
struktionen u.  dgl.  ist  die  direkte  Rede- 
weise der  Vorlage  (Wir  teilen  dir  mit 
u.  s.  w.  Unser  Gesandter  soll  S.  L,  mel- 
den u.  8.  w.)  beizubehalten'). 


2)  Es  Ist  der  Wunsch  geftuasert  worden,  diese- 
Einschrftnkung  fallen  la  lassen;  dadurch  würde 
jedoch  dem  die  Akten  fOr  einen  bestimmten  Zweck 
bearbeitenden  Herausgeber  und  seiner  Veröffent- 
lichung eine  viel  zu  grosse  Last  auferlegt  wer-> 
den,  da  Instruktionen,  Gesandtschafteberichte  und 
Zeitungsberichte  oft  eine  Menge  der  verschieden- 
artigsten Gegenstftnde  behandeln. 

3)  Diese  Forderung  hat  ebensoviel  Zustim- 
mung wie  Widerspruch  erweckt.  Letzterer  mag 
oft  ans  der  Liebe  cum  Hergebrachten  ohne  vor- 
g&ngigen  Versuch  mit  dem  Neuen  erwachsen.  Ich 
gebe  indes  au,  dass  sich  auch  bei  Aussagen  in 
indirekter  Sede  Zweideutigkeit  in  ausgedehntem 
Masse  vermeiden  läset,  wenn  man  den  Briefschrei- 
ber stets  mit  er  und  alle  anderen  Personen  mit 
ihren  Namen  oder  deren  Anfangsbuchstaben  be- 
zeichnet und  den  nicht  auf  den  Verfasser  bezüg- 
lichen Fürwörtern  erläuternde  Zusätze  beigiebt. 
Sehr  gross  bleibt  jedoch  die  Gefahr,  dass  dem 
Herausgeber,  welcher  die  Akten  vor  sich  hat,  ein 
Auszug  unzweideutig  erscheint,  der  dem  Leser 
doch  Irrtum  frei  lässt;  sehr  häufig  wird  ferner 
ein  solches  Verfahren  einen  äusserst  schleppenden 
Satzbau  verursachen,  und  wo  mehrere  Personen 
an  mehrere  schreiben,  wird  es  einen  entsetzlichen 
Stil  erzeugen ;  immer  aber  wird  es  für  den  Leser 


—    195    — 

y.  Der  Herausgeber  soll  womöglich 
•den  gesamten  auf  seinen  Gegenstand  be- 
:züglicben  Stoff  zu  sammeln  und  zu  ver- 
werten trachten;  unter  allen  Umständen 
■aber  hat  er  die  Akten,  deren  Bearbeitung 
er  unternimmt,  für  seinen  Gegenstand  er- 
schöpfend auszubeuten. 

VI.  Er  soll  die  gesamte  einschlägige 
Litteratur  heranzuziehen   bemüht  sein. 

VII.  In  wortgetreu  mitzuteilenden  Akten- 
stücken und  Stellen  ist  die  I  n  t  e  r  p  u  n  k  t  i  o  n 
sinngemäss  zu  gestalten.  Um  bei  sehr  langen 
und  verwickelten  Satzbauten  Verständnis 
und  Überblick  zu  erleichtem,  sind  folgende 
Massnahmen  anzuwenden:  1.  lange,  ein- 
4inder  gleichgeordnete  Nebensätze  werden 
durch  Strichpunkte  von  einander  getrennt ; 
2.  ein  sehr  langer  Vordersatz  wird  von 
seinem  Nachsatz  durch  einen  Doppelpunkt 
geschieden;  3.  die  Bindewörter  und  Zeit^ 
Wörter,  welche  den  Satzbau  beherrschen, 
werden  durch  gesperrten  Druck  hervorge- 
hoben; 4.  Einschaltungen,  welche  den  Satz- 
^au  stören  oder  grossen  Umfang  besitzen, 
werden  durch  je  einen  Gedankenstrich  vor 
tind  hinter  ihnen  gekennzeichnet. 

VIII.  Absätze  können  ohne  weiteres 
2ur  Raumersparung  oder  zur  Wahrung 
•des  Zusammenhanges  weggelassen,  bezw. 
-dem  Sinne  gemäss  angebracht  werden.  Bei 
-sehr  ausgedehnten  Stücken  empfiehlt  sich 
die  Einteilung  in  Absichnitte  und  die  Be- 
jseichnnng  dieser  durch  arabische  Ziffern, 
welche  in  eckige  Klammern  [o]  einge- 
schlossen sind. 

ermQdend  sein,  eine  Reihe  tolctaer  S&tse  oder  gar 
AoBzttge  hintereinander  sn  lesen.  Bei  Anwendung 
•direkter  Bede  dagegen  fallen  nicht  nur  diese 
Missstände  fort,  sondern  der  Ansang  kann  kUrser 
und  nnbedingrt  werden;  er  kann  mit  Leichtigkeit 
Feinheiten  der  Vorlage  wiedergeben,  er  kann 
mtkhelos  au  wörtlicher  Anführung  auch  nur  we- 
niger Worte  übergehen,  und  er  kann  ohne  weite- 
res EU  erkennen  geben,  ob  der  Briefsuhreiber  mit 
ich  oder  wir  spricht  und  den  Empfänger  mit  Du, 
Er,  Ihr,  Sie  oder  einem  Titel  anredet,  was  in  der 
Regel  yon  Belang  ist  und  durch  Vermerke  wie 
Hand-  oder  Kansleischreiben  nicht  genOgend  klar 
gelegt  wird.  Den  Einwurf,  dass  es  schwierig  sei, 
Auszug  und  wörtliche  Anführung  zu  untersohei- 
■den,  halte  ich  nicht  für  begründet;  vom  16.  Jahr- 
hundert an  bis  über  die  Mitte  des  18.  hinaus 
machen  Sprache  und  Schreibweise  eine  Verwechs- 
lung unmöglich,  und  auch  bei  Jüngeren  Stücken 
•dürften  Anführungszeichen  genügenden  Schnta 
'bieten. 


—    196    — 

IX.  Zweifellose  Schreibfehler  sind 
ohne  Bemerkung  zu  beseitigen;  in  der 
Vorlage  erfolg[te  Änderungen  sind  nur 
dann,  wenn  sie  ihres  Inhaltes  oder  ihres 
Urhebers  wegen  Bedeutung  besitzen,  zu 
berücksichtigen;  im  Text  ist  dabei  stets 
die  endgültige  Fassung  anzugeben. 

X.  Lücken   der  Vorlage   sind  durch 

gebrochene   Linien ,   Anslassnn- 

geo  des  Herausgebers  durch  Punkte 

zu  bezeichnen,  und  ist  dabei  die  Grösse 
der  Lücke  oder  Auslassung  durch  grössere 
oder  geringere  Menge  der  betreffenden 
Zeichen  anzudeuten.  Die  herkömmlichen 
Curialien  (gnädigst,  unterthänigst  u.dgl.) 
können,  wenn  sie  nicht  aus  besonderen 
Gründen  beachtenswert  erscheinen,  ohne 
Bemerkung  wegfallen,  und  bedeutungslose 
Tautologieen  (z.  B.  Wir  melden  und  be- 
richten) dürfen  stillschweigend  halbiert 
werden. 

XI.  Abkürzungen  der  Vorlagen, 
deren  Bedeutung  keinem  Zweifel  unter- 
liegt, sind  ohne  Vermerk  aufzulösen;  Er- 
gänzungen anderer  Abkürzungen  sind  durch 
[]  deutlich  zu  machen. 

XII.  Einschaltungen,  welche  die 
Vorlage  selbst  in  Klammern  giebt^),  sind 
durch  runde  Klammern  (),  Einschaltungen 
des  Herausgebers  und  Stellen,  zu  welchen 
eine  redaktionelle  Bemerkung  [dass  sie  ?on 
anderer  Hand  beigefugt,  nachträglich  ge- 
strichen, abgeändert  u.  s.  w.  seien]  nötig 
ist,  durch  eckige  Klammern  [  ]  zu  bezeich- 
nen. Unsichere  Lesungen  sind  durch 
ein  eingeklammertes  Fragezeichen  [?],  be- 
fremdliche, aber  gesicherte  Ausdrücke 
durch  ein  eingeklammertes  Ansrufungs- 
zeichen  [!]  bemerkbar  zu  machen. 

Xni.  In  Ziffern  oder  Zeichen  ge- 
schrieben gewesene  Stellen  der  Vorlagen 
können  durch  kursiven  Druck  gekennzeich* 
net  werden ;  doch  genügt  es  in  der  Regel, 
der  Angabe  des  Fundortes  u.  s.  w.  den 
Vermerk :  in,  bezw.  mit  Ziffern  beizufügen. 

XIV.  Die  gebräuchlichen  Anrede-  und 
Schlussformeln  sind  nur  in  Kürze  an- 
zudeuten, falls  nicht  besondere  Umstände 
ihre  Mitteilung  empfehlen. 

4)  Über  andere  Einschaltungen  der  Vorlag« 
vgl.  Sats  VII  unter  4. 


—    197    — 

XY.  Orosse  Anfangsbuchstaben 
werden  bei  wörtlicher  Wiedergabe  ange- 
wendet beim  Beginn  eines  Satzes,  bei  Eigen- 
namen, bei  Siglen  für  Anrede-  und  Titel- 
formen (E.  Dt,  V.  M«  u.  8.  w.  aber  E.  fl. 
Dt,  y.  Mt^  imp.)  und  in  Briefen  bei  den 
auf  den  Angeredeten  bezüglichen  Fürwör- 
tern. Bei  von  Eigennamen  abgeleiteten 
Eigenschaftswörtern  dürfte  auch  im  Deut- 
schen die  Minuskel  vorzuziehen  sein. 

XVI.  Abkürzungen  sind  im  Druck 
nur  für  die  Anredeformeln  regelmässig  zu 
verwenden,  im  übrigen  aber  womöglich 
ganz  zu  vermeiden  und  jedenfalls  auf  Titel 
und  auf  Wörter,  welche  überhaupt  oder 
in  der  betreffenden  Veröffentlichung  sehr 
häufig  vorkommen,  zu  beschränken. 

XVII.  Für  deutsche  Aktenstücke 
insbesondere  gelten  folgende  Regeln:  a)  Bei 
eigenhändigen  Briefen  hervorragender  Per- 
sönlichkeiten kann  die  Schreibweise 
der  Vorlagen  mit  Ausnahme  der  Anwen- 
dung grosser  Anfangsbuchstaben,  wofür 
auch  hier  Satz  XV  gilt,  beibehalten  wer- 
den. Im  übrigen  wird  sie  in  folgender 
Weise  vereinfacht:  Es  wird  nichts  zuge- 
setzt, und  es  wird  an  den  Helllautem  nichts 
geändert,  ausser  dass  auf  die  mundartliche 
Aussprache  bezügliche  Zeichen  bei  letzte- 
ren weggelassen  werden;  jede  unserer 
Schreibweise  nicht  entsprechende  Häufung 
von  Mitlautern  wird  jener  soviel  wie  mög- 
licli  durch  Weglassung  von  Mitlautern  ge- 
nähert; wo  V  oder  w  für  u  stehen,  wird 
dieses  gesetzt  und  umgekehrt;  für  j  tritt 
ausser  in  Eigennamen  und  Wörtern  griechi- 
schen Ursprungs  immer  i  ein ;  Eigennamen 
werden  stets  der  Vorlage  gemäss  geschrie- 
ben, wenn  nicht  eine  bestimmte  Schreib- 
weise zweifellos  gesichert  ist;  Wortver- 
bindungen, welche  unserer  heutigen  Schreib- 
weise nicht  entsprechen,  sind  aufzulösen, 
dagegen  getrennte  Wörter,  welche  bei  uns 
als  zusammengesetztes  Wort  erscheinen, 
zu  verbinden,  b)  Die  Siglen  für  Titel 
und  Anreden  werden  in  der  Weise  ge- 
bildet, dass  von  dem  dazu  gehörenden 
Fürwort  der  erste,  vom  Titel  selbst  der 
«rste  und  letzte  Buchstabe  gesetzt  werden. 
(E.  Mt  I.  Dt).  Ausnahmen  bilden  E.  W. 
für  E.  Würde  und  Würden  und  E.  L. 
für  E.  Lieb   und  Liebden.     Bei   Titeln, 


—    198    — 

welche  den  gleichen  Anfangsbuchstaben 
besitzen,  wird  die  Regel  für  den  höchsten 
angewendet,  für  die  anderen  aber  ausser 
dem  ersten  und  letzten  Buchstaben  noch 
der  zweite  und  nötigenfalls  auch  der  dritte 
oder,  wenn  dieser  mit  dem  zweiten  gleich - 
lautet,  der  vierte  Mitlauter  des  Wortes 
gesetzt.  (Ht  =  Heiligkeit,  Hht  =  Hoheit, 
Hrft  =  Herrlichkeit,  Hrscht  =  Herrschaft, 
Hochmögt«n  =  Hochmögenheiten).  c)  Für 
die  Bildung  anderer  Siglen  und  für  Ab- 
kürzungen gelten  folgende  Regeln:  Bei 
Wörtern,  welche  mitHelllautern  oder  einem 
Mitlauter  beginnen,  wird  der  erste  Buch- 
stabe gesetzt;  bei  Wörtern,  welche  mit 
zwei  Mitlautem  anheben,  verwendet  man 
beide ;  pf,  seh  und  st  gelten  dabei  als  ein 
einziger  Buchstabe.  Drohen  Verwechs- 
lungen, so  wird  die  Regel  auf  das  einsil- 
bige oder,  wenn  ein  solches  nicht  in  Frage 
kommt,  auf  das  am  häufigsten  abgekürzt 
zu  gebrauchende  Wort  (also  vor  allem  die 
Titel)  angewendet,  bei  den  anderen  aber 
der  Anfangsbuchstabe  der  zweiten  Silbe 
herangezogen  oder,  wo  dieser  ein  Hell- 
lauter ist,  oder  seine  Verwendung  Ver- 
wechslung nahelegen  würde,  der  Schluss- 
bachstabe des  Wortes,  oder,  wenn  dieser 
ein  Helllauter  ist  oder  Verwechslung  ver- 
ursachen könnte,  der  zweite  Buchstabe  des 
Wortes  benutzt  (H.  =  Herr,  Hz.  =  Her- 
zog, Kn.  =  Knecht,  Kg.  =  König,  Ks.  =- 
Kaiser,  Ki.  =  Kirche,  Ba.  =  Bauer,  Bü. 
=  Bürger).  Erscheint  zur  Verhütung  von 
Missverständnissen  eine  grössere  Zahl  von 
Buchstaben  erforderlich,  so  ist  vor  allem 
der  Schlussmitlauter  des  Wortes  zuzu- 
ziehen. (Kzl.  =  Kanzel;  davon  abgelei- 
tet :  Kzler.  =  Kanzler,  Kzlei.  =  Kanzlei). 
Bei  zusammengesetzten  Wörtern  und  Wör- 
tern, welche  zusammen  einen  Begriff  bil- 
den, werden  die  vorstehenden  Regeln  auf 
jedes  Glied  der  Verbindung  angewendet, 
und  zwar,  wo  es  sich  um  getrennt  auf- 
tretende Wörter  handelt,  immer,  bei  ver- 
bundenen aber,  falls  Verwechslung  droht, 
unter  Benützung  grosser  Anfangsbuchsta- 
ben für  jeden  Teil  der  Abkürzung,  (ut.  = 
unterthänig,  Kf.  =  Kurfürst,  Rf.  =  Reichs- 
fürst, Rlfr.  =  Religionsfriede,  Eh.  =  Erz- 
bischof,  Ehz.  =  Erzherzog,  KG.  =  Kam- 
mergericht, RHR.  =  Reichshofrat,  AG.  = 


199    — 


200 


Augsburger  Gonfession).  Genügt  dies  nicht, 
so  ist  die  erste  Silbe  des  zusammengesetz- 
ten Wortes  auszuschreiben.  (Abschr.  = 
Abschrift,  Aufschr.  =  Aufschrift,  Beil.  = 
Beilage).  Fest  eingebürgerte  Abkürzungen 
wie  Cpt.  —  Concept,  Cgm.  =  Codex  ger- 
manicus  Mouacensis  können  trotz  diesen 
Regeln  beibehalten  werden,  d)  Verdop- 
pelung eines  Buchstabens  in  den 
Siglen  und  Abkürzungen  bedeutet  die  Mehr- 
zahl, und  zwar  ist  bei  Siglen  der  Anfangs- 
buchstabe des  Titels  (E.  DD«),  bei  Ab- 
kürzungen dagegen,  falls  diese  nicht  nur 
aus  einem  Buchstaben  bestehen,  der  letzte 
derselben  (Ff.  —  Fürsten,  Hzz.  =  Her- 
zoge) zu  verdoppeln ;  bei  zusammengesetz- 
ten Wörtern  trifft  die  Verdoppelung  nur 
den  in  die  Mehrzahl  zu  setzenden  Teil. 
(Kff.  =:  Kurfürsten).  Geschlechts-  und 
Steigerungsendungen  sind  den  Ab- 
kürzungen anzuhängen  (Kgin  =  Königin, 
agnster  =  allergn&digster),  ebenso  die  F  a  11  - 
endungen,  welche  indes  als  solche  durch 
Vorsetzung  eines  Apostrophs  zu  kennzeich- 
nen sind.  (Ks's  =  Kaisers),  e)  In  deutsche 
Aktenstücke  eingestreute  und  nicht  in  den 
Endungen  germanisierte  Wörter  sind  ge- 
mäss den  für  Fremdsprachen  geltenden 
Regeln  zu  behandeln,  also  mit  Minuskeln 
zu  beginnen,  in  der  Schreibweise  nach  der 
Vorlage  zu  richten  u.  s.  w. 

XVIII.  In  lateinischen  Akten- 
stücken ist,  abgesehen  von  den  allge- 
mein gültigen  Regeln,  a)  die  Schreib- 
weise nur  insoweit  zu  ändern,  als  u,  wo 
es  für  V  steht,  in  dieses  umgetauscht 
wird  und  umgekehrt  und  für  ij  stets  ii 
gesetzt  wird,  b)  Zur  Bildung  von  Siglen 
für  Anrede-  und  Titelformeln  verwendet 
man  ausser  dem  Anfangsbuchstaben  des 
Fürwortes  im  Nominativ  den  ersten  Buch- 
staben des  Titels.  Falls  Verwechslungen 
drohen,  wird  die  Regel  auf  den  höchsten 
Titel  angewandt,  für  die  übrigen  aber  die 
erste  Silbe  benützt  (S.  =  Sanctitas,  Ser. 
-=  Serenitas).  Eine  Ausnahme  bildet  D. 
«=  Dominatio  und  Dil.  =  Dilectio.  Die 
Fallendungen  werden  dem  Titelsigel  ange- 
hängt und  zwar  über  der  Zeile  stehend. 
(Mti  =  Majestati,  Am  =  Altitudini).  Mit 
dem  Titel  verbundene  Eigenschaftswörter 
werden  im  Positiv  auf  die  erste  Silbe  und 


den  Anfangsbuchstaben  der  zweiten  ge- 
kürzt; der  Superlativ  wird  durch  über  der 
Zeile  stehende  Beifügung  der  Endung  ge- 
kennzeichnet (ill,  illmn*,  caes.  reg.);  sancto» 
und  sacer  können,  da  eine  Verwechslung^ 
ausgeschlossen  ist,  beide  mit  s.  gegeboi 
werden,  c)  Für  Abkürzungen  gelten 
die  bei  Veröffentlichungen  mittelalterlicher 
Stücke  eingebürgerten  Regeln. 

XIX.  Aktenstücke  in  neueren, 
fremden  Sprachen  sind  a)  in  der 
Schreibweise,  abgesehen  von  den  durch 
die  allgemeinen  Regeln  bedingten  Ände- 
rungen, genau  nach  der  Vorlage  wieder- 
zugeben und  für  y  ist,  wo  dies  dem  jetzigen 
Sprachgebrauch  entspricht,  i  zu  setzen; 
b)  die  Sigel  für  Titel  und  Anredeformen 
werden  wie  im  Deutschen  gebildet,  indes 
ist,  wenn  der  Titel  mit  einem  HelUauter 
endet,  auch  der  vorletzte  Buchstabe  bei- 
zuziehen (Md,  M**).  Beigefugte  Eigen- 
schaftswörter werden  wie  im  Lateinischen 
behandelt,  c)  Abkürzungen  sind  ausser 
in  einigen,  den  fremden  Vorlagen  selbst 
gewöhnlichen  Fällen  (lesd.  =  lesdüs,  d. 
=  detto  oder  dicho  u.  s.  w.)  zu  vermei- 
den, d)  Accente  sind  mindestens  insoweit, 
als  es  für  leichteres  Verständnis  wünschens- 
wert ist,  gemäss  dem  heutigen  Gebrauch 
der  Sprache  zu  setzen. 

XX.  Alle  Aktenveröff'entlichungen  sind 
in  lateinischen  Lettern  zu  drucken^). 
Für  15  ist  fs  anzuwenden. 

XXI.  Als  Format  ist  Oktav  zu  wählen. 

XXII.  In  der  Mitte  des  oberen  Randes 
jeder  Seite  ist  die  Jahreszahl,  in  dem  der 
Seitenzahl  entgegengesetzten  Längsrande 
neben  der  ersten  Zeile  des  Textes  oder, 
wo  mehrere  Stücke  auf  derselben  Seite^ 
stehen,  neben  der  ersten  Zeile  jedes  Ak- 
tenstückes die  Nummer,  im  anderen  Längs- 
rande aber  neben  der  ersten  Zeile  des 
Stückes  Tag  und  Monat  der  Abfassung 
anzugeben.  Andere  Randbemerkungen,  z.  B. 
kurze  Inhaltsangaben,  können  den  hier  zu- 
letztbezeichneten angeschlossen  werden. 

XXIII.  Die  Daten  sind  vom  Jahre  158:^ 
an  in  den  Randnoten  nach  dem  neuen 
Kalender  anzugeben;  ist  das  Aktenstück 
nach  dem  alten  Kalender  datiert,  so  wird 

5)  Dies  empfiehlt  sich  vor  allem  wegen  der 
ao  Überaus  hftafig  ein  gestreuten  Fremdwörter. 


—    201    — 


•das  alte  und  neue  Datum  in  Bruchform 
ausgedrückt  (^^/ss).  Am  Schlüsse  des  Ak- 
tenstückes wird  die  Datierung  gemäss  der 
Vorlage  gegeben,  wobei  Actum  mit  A., 
Datum  mit  D.,  Signatum  mit  S.  gekürzt 
und  alle  entbehrlichen  Zutbaten  ausser 
Ort,  Tag,  Monat  und  Jahreszahl  wegge- 
lassen werden  können. 

XXIV.  Jedem  Aktenstücke  ist  ausser 
der  fortlaufenden  Nummer  als  Ü  b  e  r  s  c  h  r  i  f  t 
eine  kurze  Angabe  vorauszusetzen,  welche 
hei  Briefen  den  Absender  und  £mpfänger, 
bei  anderen  Aktenstücken  deren  Art,  Aus- 
steller, Empfänger  und  Bestimmung  [z.  B. 
Instruktion  des  Kaisers  für  N.  N.  zum 
Keichstage]  oder,  wo  nicht  alle  diese  An- 
gaben möglich  sind,  wenigstens  den  Be- 
treff bezeichnet. 

XXV.  Die  Adresse  (ausser  in  der 
Überschrift)  mitzuteilen,  ist,  wenn  nicht 
besondere  Umstände  wie  Titelstreitigkeiten 
u.  dgl.  vorliegen,  unnötig.  Von  anderen 
Hückvermerken  sind  nur  die  sachlich 
wichtigen,  namentlich  aber  die  Abgangs- 
und Einlieferungsvermerke  [abgeg.  und 
eingel.]  mitzuteilen. 

XXVI.  Der  Inhalt  der  Aktenstücke 
ist  durch  kurze  Angaben  an  ihrem  Kopfe 
oder  durch  gesperrten  Druck  bezeichnen- 
der Wörter  in  ihnen  leicht  ersichtlich  zu 
machen.  Bei  sehr  ausgedehnten  Stücken 
empfehlen  sich  beide  Wege  vereint,  sowie 
kurze  Inhaltsangaben  am  Bande  bei  den 
[gemäss  Satz  VIII  gebildeten]  Abschnitten. 

XXVII.  Hinter')  jedem  Aktenstücke 
ist  der  Fundort  anzugeben  und  zwar  mit 
genauer  Wiedergabe  der  Signatur,  welche 
der  betreffende  Band  oder  das  Bündel  im 
Archiv  oder  in  der  Bibliothek  trägt,  und 
mit  Bezeichnug  der  Seite,  auf  welcher  dort 
das  mitgeteilte  Stück  beginnt.  Weiter  ist 
anzugeben,  ob  ein  Entwurf  [Entw.]  oder 
eine  Urschrift  [Crschr.[  oder  eine  Ab- 

6)  Die  in  diesem  Satze  besprochenen  Angaben 
gleich  am  Kopfe  des  Aktenstückes  anzubringen, 
hat  manche  Torteile-,  es  wird  jedoch  da  nicht 
möglich  sein,  wo  eine  umständlichere  Entstehungs- 
geschichte eines  Stückes  mit  Hinweis  auf  zahl- 
reiche, mit  Seite  und  Zeile  zu  bezeichnende 
Stellen  desselben  zu  geben  ist;  auch  wird  die 
Übersichtlichkeit  beeinträchtigt,  wenn  der  Über- 
schrift und  der  Inhaltsangabe  noch  mehrer«  Zeilen 
anderen  Betreffs  folgen. 


Schrift  [Abschr.]  vorliegt  und  ob  die  Ur- 
schrift in  der  Kanzlei  ausgefertigt  und 
vom  Briefsteller  nur  unterzeichnet  [ausg. 
ürschr.]  oder  von  letzterem  selbst  ge- 
schrieben [eigh.  ürschr.]  ist.  Besitzt  man 
die  Urschrift,  so  wird  natürlich  diese  der 
Veröffentlichung  zu  Grunde  gelegt  und  ist 
es  unnötig  Abschriften  zu  verzeichnen, 
falls  nicht  deren  Vorhandensein  in  dieser 
oder  jener  Sammlung  von  Bedeutung  ist. 
Entwiirfe  sind  stets  auch  neben  der  Ur- 
schrift zu  verzeichnen,  mit  dieser  zu  ver- 
gleichen und,  wo  es  angeht,  in  ihrer 
Entstehung  zu  verfolgen;  auch  ist  ihr 
Verfasser  oder  Bearbeiter  womöglich  an- 
zugeben. Zur  Unterzeichnung  vorgelegte 
Reinschriften  des  Entwurfs,  welche  dann 
noch  vom  Fürsten  selbst  oder  einer  lei- 
tenden Persönlichkeit  durchgeait>eitet  sind, 
bezeichnet  man  als  Reinentwurf  [Rein- 
entw.]  und  behandelt  sie  wie  die  Entwürfe 
selbst.  Liegt  die  Urschrift  nicht  vor,  so 
sind  Entwürfe  und  Reinentwürfe  mit  etwa 
vorhandenen  Abschriften  zu  vergleichen, 
um.  die  endgiltige  Fassung  festzustellen. 
Liegen  nur  Abschriften  vor,  so  sind  diese, 
falls  nicht  besondere  Umstände  obwalten, 
lediglich  zum  Zwecke  der  Herstellung  eines 
guten  Textes  zu  vergleichen  und  in  diesem 
lediglich  die  guten  oder  im  Zweifelfalle 
die  gleichwertigen  Lesarten  aufzunehmen, 
die  schlechten  aber  überhaupt  nicht  zu 
berücksichtigen.  —  Die  Angabe  der  hier 
bezeichneten  Vermerke  hat  in  der  Weise 
zu  geschehen,  dass  zuerst  der  Fundort, 
dann  die  Art  des  Stückes,  dann  der  Ver- 
fasser und  schliesslich  Nebenvermerke  wie : 
mit  Ziffern,  beschädigt  u.  dgl.  eingetragen 
werden.  Liegen  mehrere  Fassungen  vor, 
so  fuhrt  man  zuerst  die  Urschrift,  dann 
die  Entwürfe  und  Reinentwürfe  ihrem  Ent- 
stehungsalter gemäss  und  schliesslich  die 
Abschriften  ihrem  Werte  nach  auf,  wobei, 
falls  nicht  der  Fundort  aller  Stücke  der- 
selbe ist,  vor  jedem  von  ihnen  dieser  zu 
bezeichnen  ist. 

XXVIII.  Anmerkungen  sind  nicht  an 
den  Schluss,  sondern  unter  die  betreffende 
Seite  des  Aktenstückes  zu  setzen  und  ge- 
mäss ihrer  Reihenfolge  auf  dieser,  nicht 
aber  mit  für  das  ganze  Stück  durchlau- 
fenden Nummern  zu  bezeichnen. 


—    203    — 

XXIX.  Jede  Aktensammlung  ist  der 
Zeitfolge  nach  zu  ordnen,  es  sei  denn, 
dass  sich  wie  z.  6.  bei  Yerwaltungsakten 
bestimmte,  einander  gar  nicht  berührende 
Gruppen  bilden  lassen.  In  letzterem  Falle 
ist  ein  chronologisches  Verzeichnis 
der  mitgeteilten  Akten  beizugeben;  im 
ersteren  kann,  wo  es  nötig  erscheint,  ein 
sachlich  geordnetesYerzeichnis  den 
etwa  entstehenden  üblen  Folgen  der  zeit- 
gemässen  Anordnung  abhelfen. 

Unerlässlich  ist  ein  genaues  alphabe- 
tisches Personen-  und  Sachregister, 
und  zwar  ist  ein  solches  bei  mehrbändigen 
Werken  jedem  Bande  gleich  bei  der  Ver- 
öffentlichung beizugeben.  Ein  Ortsre- 
gister wird,  soweit  es  nicht  mit  dem 
Sachregister  zusammenfällt,  in  der  Regel 
entbehrlich  sein. 

84,  Kaiser  Heinrichs  VII.  Romfahrt  behandelt 
ein  in  einem  Metzer  Codex  vorhandenes, 
von  G.  Wolfram  und  F.  Bonnardot 
soeben  im  6.  Bande  des  Jahrbuchs  für 
Lothringische  Geschichtskunde  mit  sorg- 
fältiger Einleitung  und  Anmerkungen 
herausgegebenes  französisches  Gedicht  m. 
d.  T.  Les  voeux  de  Töpervier.  Der  Vf. 
des  Gedichts  nennt  sich  nicht ;  die  Heraus- 
geber mächen  wahrscheinlich,  dass  der 
von  Heinrich  VH.  mehrfach  zu  politischen 
Sendungen  verwandte  Metzer  Domherr 
Simon  de  Marville  dasselbe  auf  Grund 
eines  von  einem  Teilnehmer  an  der  Rom- 
fahrt ihm  mitgeteilten  Berichtes  ausgear- 
beitet hat.  Inhaltlich  nähert  sich  diese 
neue  Quelle  am  meisten  der  Erzählung 
Johanns  von  Winterthur;  sie  ist  reich  an 
lebendigen  Momenten;  auch  poetisch  ist 
sie  eine  anerkennenswerte  Leistung. 

35,  Der  XVI.  Band  der  BIJdragen  en  Mode- 
deel Ingen  van  het  historisch  gonoottchap  to 
Utrecht  ('S  Gravenhage  1896)  enthält  ausser 
Beiträgen  von  Fruin,  Joosting  und  Eemkamp 
einen  Abdruck  der  Rechnungen  der  Stadt 
Hattem  in  Gelderland  von  1460—1487. 
Der  Herausgeber  derselben,  F.  A.  Hoefer, 
hat  leider  von  einer  Bearbeitung  abge- 
sehen und  teilt  auch  nur  die  Rechnung 
des  ersten  Jahres  ungekürzt  mit,  während 
er  sich  bei  den  folgenden  mit  Auszügen 
begnügt 


—    204    — 

Mit  dem  VHI.   Bande    des   InvaslairoSe. 
sommairo  dot  archivot  d^partomanttlM,  di- 
partomont  du  Nord,  r<dlg4  par  Jales  Finot 

(Lille  189Ö)  wird  die  im  IV.  Bande  be- 
gonnene Inventarisierung  des  Rechnungs- 
wesens der  französischen  Niederlande  ab- 
geschlossen. Er  fuhrt  die  Übersicht  über 
die  Rechnungen  der  Hofhaltung  der  Her- 
zöge von  Burgund,  die  eine  Fülle  von  Stoff 
für  die  Wirtschafte-,  Kultur-  und  Sitten- 
geschichte des  15.  und  16.  Jahrhunderts 
in  sich  bergen,  weiter  und  behandelt  fer- 
ner la  recette  de  l'artillerie,  la  tresorerie 
des  guerres,  la  recette  du  droit  d'entree 
sur  les  aluns,  des  comptes  divers. 

Die  Badische  historische  Kommission  87. 
hat  eine  kritische  Ausgabe  der  Stadtrechte 
und  WoiitUmer  dos  Oborrhoins  in  ihren 
Editionsplan  aufgenommen.  Der  erste 
Band  derselben  ist  nunmehr  erschienen 
und  enthält  in  einer  mustergültigen  Bear- 
beitung durch  Rieh.  Schroeder,  Fränkische 
Rechte  und  zwar  die  Stadtrechte  voo 
Wertheim,  Freudenberg,  Neubrunn  und 
des  Oberhofes  Wimpfen  mit  seinen  Tochter- 
rechten. 

M.  Janttn,  Die  Htrzogsotwalt  d«r  EnMtdiOfe  lOiiQg. 
KOIn  In  WMltal«ll.  Manchen,  Lttnebarg,  I89S. 

Der  Verfasser  weist  nach,  dass  die 
Erzbischöfe  von  Köln  gegenüber  dem  er- 
starkenden Territorialherrentum  es  nicht 
vermocht  haben,  in  dem  ihnen  1180 
übertragenen  südwestfälischen  Herzogtum 
ihre  herzoglichen  Rechte  zur  Geltung  zu 
bringen,  dass  diese  Herzogsgewalt  alter 
Art  vielmehr  im  13.  Jahrhundert  abstarb. 
Im  14.  Jahrhundert  erwuchs  jedoch  aus 
der  der  Kölnischen  Kirche  verliehenen 
Landfriedenshauptmannschaft  eine  Herzogs- 
gewalt neuer  Art,  und  da  sich  die  erstere 
über  ganz  Westfalen  erstreckte,  so  ent- 
stand allmählich  die  Vorstellung,  dass  auch 
das  Kölnische  Herzogtum  dies  ganze  Ge- 
biet umfasse.  Als  Landfriedenshauptleuta 
beanspruchten  die  Erzbischöfe  von  Köln 
die  Oberaufsicht  über  die  Vemgerichte  und 
erhielten  im  J.  1382  dazu  noch  das  Recht 
verliehen,  in  ihrem  Herzogtum,  d.  i.  ganz 
Westfalen,  die  Freigrafen  mit  dem  Ge- 
richtsbann zu  belehnen.  Am  Ende  des 
Mittelalters  beschränkte  sich  die  Herzogs- 
gewalt  der  Erzbischöfe  ausserhalb  ihres 


—    205    — 

westfälischen  Territoriums  fast  ganz  auf 
die  Hoheit  über  die  Veme.  Kg. 

39.  In  der  Sammlung  der  Oude  Vader- 
landsche  RechtsbronnenveröfTent licht 
S.  Maller  Fz.  das  den  holländischen  Ge- 
lehrten schon  seit  langer  Zeit  bekannte 
Rechtsboek  van  den  Dom  van  Utrecht  door 
M'  Hugo  Wstinc.  Wegen  ihres  umfang- 
reichen Materials  ist  diese  Sammlung  wich- 
tig für  Jeden,  der  sich  mit  der  stiftischen 
Verfassung  und  Verwaltung  vertraut  zu 
machen  gedenkt.  Muller,  der  auf  diesem 
Gebiet  als  Autorität  gilt,  be7.eichnet  das 
Wstincsche  Rechtsbuch  als  eine  in  ihrer 
Art  einzig  dastehende  Übersicht  der  Zu- 
stände in  den  so  wenig  gekannten  und  doch 
so  merkwürdigen  mittelalterlichen  Kapiteln. 
In  der  Einleitung  zu  seiner  nach  Auf- 
findung einer  Abschrift  in  der  Chelten- 
hamer  Handschriftensammlung  wesentlich 
erleichterten  Edition  giebt  Muller  eine 
Biographie  Wstincs,  der  1342  seine  Rechts- 
sammlung in  der  Absicht  zusammengestellt 
hat,  um  den  aus  Unkenntnis  der  Verord- 
nungen und  Gewohnheiten  in  den  Stiftern 
sich  erhebenden  Streitigkeiten  durch  Be- 
kanntmachung der  Statuten  und  Gewohn- 
heiten möglichst  ein  Ende  zu  machen.  Es 
war  dies  für  Utrecht  um  so  nötiger,  als 
der  bisher  daselbst  in  Gebrauch  gewesene 
liber  camer e  aus  der  Zeit  der  Natural- 
wirtschaft nicht  mehr  in  die  Zustände  des 
14.  Jahrh.  passte.  Eine  äusserliche  Ver- 
anlassung zur  Sammlung  der  stiftischen 
rechtsbronnen  mag  auch  die  1340  erfolgte 
Confiscierung  des  Utrechter  wetboeks  ge- 
boten haben.  Jedoch  zeigt  Wstinc's  Ar- 
beit nicht  dieselbe  klare  Anordnung  und 
Einteilung,  welche  das  Utrechter  Stadtbuch 
aufweist.  Wstinc  unterscheidet  hauptsäch- 
lich statuta  und  consuetudines,  ordnet  aber 
den  ersteren  auch  wirkliche  privilegia 
unter.  Man  findet  sich  aber  leicht  in 
dem  mit  genauen  Rubriken  und  Überschrif- 
ten für  die  einzelnen  Abschnitte  versehe- 
nen Buche  zurecht  und  kann  bequem  das 
sachlich  verwandte  Material  zusammen- 
finden. Über  die  Reichhaltigkeit  des  letz- 
teren selbst  kann  nur  ein  aufmerksames 
Durchlesen  der  stellenweise  sehr  bestimmt 
und  klar  gefassten  Artikel  selbst  belehren, 
wozu  durch  die  von  Muller  geschriebene 


—    206    — 

Einleitung   die  beste  Anweisung  gegeben 
wird.  H.  Kelleter. 

Von  dem  in  Jahrgang  XIII  Nr.  6  des  90. 
Korrbl.  besprochenen  1.  Band  der  Urkund- 
lichen Beitrage  zur  Getcliichte  der  Stadt 
MDnstereifel  und  itirer  Umgebung  herausge- 
geben von  Dr.  Martin  Scheins  ist  nunmehr 
die  2.  Hälfte  erschienen.  Dieselbe  enthält 
die  Ratsprotokolle  von  1660—1687  und 
ein  ausgiebiges  Register. 


Vereinsnachrichten 

unter  Redaction  der  Vereinsvorstände. 

Biricenfeid.  Verein  für  Altertums- 9K 
künde  im  Fürstentum.  Am  17.  Juli 
d.  J.  fand  im  Hotel  Stark  zu  Oberstein  die 
diesjährige  Generalversammlung  des 
„Vereins  für  Altertumskunde"  statt.  Zu. 
derselben  waren  über  30  Mitglieder  und 
Gäste  erschienen.  Um  halb  4  Uhr  eröffnete 
der  Vereinsvorsitzende,  Herr  Gymnasial- 
direktor Back- Birkenfeld,  die  Verhand- 
lungen mit  einer  Begrüssung  der  Versamm- 
lung und  erstattete  alsdann  den  Jahresbe- 
richt. Nach  demselben  betrug  die  Mitglieder- 
zahl im  Jahre  1893  119,  stieg  im  folgenden 
Jahre  auf  126  und  ist  jetzt  auf  136  ange- 
wachsen. Der  Kassenbericht  weist  eine  Ein- 
nahme von  ca.  660  Mark  und  eine  Ausgabe 
von  ca.  600  Mark  auf,  so  dass  ein  Überschuss 
von  ca.  60  Mark  verblieben  ist.  Weiter  gab 
der  Herr  Vorsitzende  einen  Überblick  über 
die  im  abgelaufenen  Vereinsjahr  vorgenom- 
menen Arbeiten:  die  Aufgrabungen  bei 
Wolfersweiler  im  Distrikt  „Allhopp",  auf 
dem  Hommerich  bei  Bahnhof  Birkenfeld- 
Neubrücke  und  auf  der  „Altburg"  bei  Bun- 
denbach, femer  die  Untersuchungen  bei 
Winnenberg,  zwischen  Heimbach  und  Leitz- 
weiler,  auf  dem  „Heiligenhübel'^  bei  Gollen- 
berg  in  der  Nähe  des  untergegangenen 
Ortes  Höhweiler  und  an  den  Kirchen  zu 
Birkenfeld,  Idar  und  Niederbrombach.  Die 
Sammlung  des  Vereins  hat  wiederum  eine^ 
ansehnliche  Vermehrung  erfahren  durch 
zum  Teil  sehr  wertvolle  Funde  an  den 
eben  genannten  und  anderen  Orten. 

Der  Verein  steht  mit  über  100  auswär- 
tigen Altertums-  und  historischen  Vereinen 
im  Schriftenaustausch;  die  Vereinsbiblio- 
thek hat  auch  sonst  einen  ansehnlichen 
Zuwachs  erhalten. 


—    207    — 

Dem  Germanischen  Museum  in  Nürn- 
Ijerg  wurde  wieder  ein  Beitrag  von  6  Mark 
bewilligt  und  der  bisherige  Jahresbeitrag 
der  Mitglieder  von  Mark  2,50  beibehalten. 

Herr  Pfarrer  Werner -Idar  machte 
sodann  an  der  Hand  einer  Zeichnung  in- 
teressante Mitteilungen  über  die  im  vori- 
gen Jahre  umgebaute  Idarer  Kirche. 
Dieselbe  sei  wahrscheinlich  im  12.  Jahrh. 
in  kleinem  Umfange  erbaut,  dann  im  Jahre 
1751  restauriert  und  vergrössert  und  im 
Jahre  1894  nochmals  erweitert  worden. 
Aus  dem  Vortrage  des  Herrn  Eedners 
ging  hervor,  dass  das  Kirchspiel  Idar  früher 
einen  viel  grösseren  Umfang  hatte,  als 
heute;  Idarer  Pfarrer  predigten  in  Ober- 
«tein,  Siesbach  und  Kempfeld.  Bei  dem 
Umbau  sind  verschiedene  römische  Funde 
gemacht  worden,  so  mehrere  eingemauert 
gewesene  Skulptursteine,  darunter  ein 
Sechsgötterstein,  welche  sich  sämt- 
lich in  der  Sammlung  zu  Birkenfeld  be- 
finden. Die  Annahme,  dass  die  Funde 
•etwa  von  der  „Heidenh^ck"  über  Idar  her- 
rührten, bezeichnete  der  Redner  als  un- 
wahrscheinlich ;  vielmehr  Hessen  diese  und 
andere  im  Orte  Idar  gemachte  römische 
Funde  erkennen,  dass  dieser  Ort  bereits 
in  römischer  Zeit  eine  gewisse  Bedeutung 
gehabt  habe.  Der  Vorsitzende  dankte 
Herrn  Pfarrer  Werner  für  seinen  mit 
Beifall  aufgenommenen  Vortrag  und  be- 
merkte noch,  dass  wahrscheinlich  auch  vor 
1751  schon  eine  Restauration  der  Idarer 
Kirche,  und  zwar  im  gotischen  Stile,  statt- 
gefunden habe. 

Er  berichtete  dann  über  die  im  vorigen 
Herbste  vorgenommene  lltägige  Aufgra- 
bung auf  der  „Altburg"  bei  Bundenbach 
und  ihre  wichtigsten  Ergebnisse.  Ein  um- 
fassender Bericht  soll  nächstens  veröffent- 
licht werden.  Auch  dieser  Vortrag,  der 
durch  eine  übersichtliche  Zeichnung  unter- 
stützt und  veranschaulicht  wurde,  fand  leb- 
haften Beifall. 

Es  wurde  beschlossen,  die  Aufgrabungen 
auf  der  Altburg  in  diesem  Herbste  fortzu- 
setzen, femer  eine  besondere  Schrift  über  die 
Geschichte  der  Kirchen  von  Idar,  Birkenfeld 
und  Niederbrombach  zu  veröffentlichen. 
^2.  PrDm.  Gesellschaft  für  Altertums- 
kunde.   In  der  am  5.  Juli  abgehaltenen 


—    208    — 

Generalversammlung  legte  der  Vorsitzende 
Herr  Direktor  Asbach  vier  aus  dem  Nach- 
lasse des  in  Hamburg  im  Nov.  vorigen' 
Jahres  verstorbenen  Prof.  C.  Hamann  her- 
rührende wertvolle  Münzen  vor:  1)  Den 
ältesten  Typus  von  Paestum  in  Unteritalien. 
Der  Avers  zeigt  Poseidon  mit  einem  von 
beiden  Schultern  herabhängenden  Gewand 
im  Begriff  mit  dem  Dreizack  zu  stossen. 
Daneben  steht  (rückläufig)  Mon  (Poseidon). 
Die  Rückseite  zeigt  dieselbe  Darstellung 
incus,  jedoch  mit  besonderem  Stempel 
hergestellt,  da  angestellte  Versuche  ge- 
zeigt haben,  dass  die  beiden  Darstellungen 
nicht  genau  gleich  sind.  Es  kommt  das 
bei  unteritalischen  Münzen  häufiger  vor 
(z.  B.  bei  Sybaris)  und  es  ist  offenbar  ein 
Übergang  vom  alten  quadrah^m  incusuw 
zu  zweiseitiger  Darstellung.  2)  Einen  De- 
nar eines  Herzogs  von  der  Bretagne, 
Conan  III.,  der  1112—1148  regiert  hat. 
Die  Vorderseite  zeigt  in  der  Umschrift 
CONANVS  (mit  liegendem  S)  sein  Mono- 
gramm ivs,  die  Rückseite  ein  Kreuz  und 
die  Umschrift  ClwCitasJ  redonis  (Rmn&l, 
Bezeichnung  der  Prägstätte.  3)  Einen 
schlesischen  Brakteaten  einseitiger  Prägang 
unbestimmten  Fundorts.  4)  Einen  sog. 
Wendenpfennig  von  der  untern  Elbe,  viel- 
leicht aus  der  Hamburger  Gegend.  Über 
diese  barbarischen  Nachprägungen  deut- 
scher oder  auch  französischer  Denare  ist 
noch  wenig  bekannt.  Sie  begegnen  meist 
in  den  sog.  Hacksilberfunden  des  Ostens 
und  sind  dann  meist  zerkleinert,  was  die 
genaue  Beschreibung  sehr  erschwert. 

In  derselben  Sitzung  sprach  Herr  Dr. 
Radermacher  über  die  Ortsnamen  auf 
„scheid''  und  „mal^  im  Anschluss  an  die 
diesjährige  Beilage  zu  dem  Jahresberichte 
des  Gymnasiums  zu  Neuwied,  und  Herr 
Hebler,  Lehrer  am  Gymnasium  zu  Prüm 
über  die  Geschichte  des  Klosters  Himmerode. 

Geschichte  der  Mark  Thalfang 

bezw.   des   eh«ma1igezi  wUd-  und  rlielxi,gr&f- 
llohen  Amtes  Tronecken,  Ton  der  Bi^merxeit 

bis  cur  Neuceit,  unter  Benutzung   des  vrild-  und 

rheingräflichen  Haus-Archivs.  Staats-  und  Kirchen* 

Archive,  herausgegeben  von 

B.   Ohr.  Fröhlich,  Pfarrer. 

Selbstverlag.    Preis  1,50  Mk.    Geringer  Vorrat 

nur  noch  vorhanden. 

Hierzu  alt  Beilage:  Ume«bl«tt  Nr.  16. 


Druck  u.  Verlag  der  Fr.  Linta^scheiL  Bnchhandiang  in  Trier. 


V0fr«iiilteh«ii.ft5initch«2«lt 

redigiert  von 

Prof.  Htttner  u.  Dr.  Lehnw, 

Tritr. 


Mlttoralttr  und  NMztIt 

redigiert  Toa 

ArohiTftr  Dr.  HanMn, 

Köln. 


der 


Westdeutschen  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst, 

n^leich  Organ  der  historisch-antiqnarisehen  Vereine  zn  Birkenfeld,  Düsseldorf,  Frank« 

fnrt  a.  M.,   Rarlsrahe,  Mainz,  Mannheim,   Metz,  Neoss,  Prnm,  Speyer,  Strassbnr;^, 

Trier,  Worms,  sowie  des  anthropolo/^ischen  Vereins  zn  Stattgart 

♦ 


November. 


Jahrgang:  XIY,  Nr.  11. 


1895. 


Dae  Korrespondensblatt  ertoheint  in  einer  Aoflftge  von  4O0O  Exemplaren.  Inserate  4  25  Pfg.  fttr  die 
gespaltene  Zeile  werden  ron  der  Verlagihandlnng  und  allen  Inieraten-Boreans  angenommen,  Beilagen 
naoh  Uebereinknnft.  —  Die  ZeiUohrift  ertoheint  rlerteljfthrlloh,  da«  Korreipondeniblatt  monatlloh.  — 

Abonnementtpreii  15  Mark  für  die  ZeiUobrift  mit  Korreipondeniblatt,  fAr  letiteres  allein  5  Hark. 
—  '  -  -'-^  '•-  ■— 

P^  Beiträge  fttr  die  yorrOmiiohe  and  rOmische  Abteilang  sind  an  Dr.  Ltthner  (Trier,  ProTlnsialmaiemm), 
für  Mittelalter  and  Nenieit  an  Dr.  HanSM  (EOln,  Stodtarohiv)  la  lenden. 


Chronik. 

93.  C.  M^hiis:  Der  DrachenfolB  bei  Darkheim 
a.  d.  IL  Beitrag  znr  pfälsischen  Landes- 
kunde, I.  Abt,  mit  einem  topograpbischen 
Plan  des  Drachenfels   Neustadt  a.  d.  H.  1894. 

Verf.  giebt  in  einem  ersten  Kapitel  eine 
topographische  Beschreibung  des  pfälzischen 
Drachenfels  unter  gleichzeitiger  Berück- 
sichtigung der  geologischen  Verhältnisse. 
Im  zweiten  Kapitel  folgt  eine  sorgfältige 
Zusammenstellung  der  bisher  auf  dem 
Drachenfels  gemachten  Altertumsfunde  von 
Belang.  Ausser  einigen  neolithischen  Stein- 
beilen wurden  römische  Gefäss-  und  Kisen- 
reste  gefunden,  die  mit  den  auf  der  Hei- 
denburg bei  Kreimbach  gefundenen  gleich- 
zeitig dem  4.  Jahrh.  angehören,  und  ein 
Mittelerz  des  Magnentius  (Victoriao  dd. 
nn.  Augg.  et  Caess.),  das  ebenfalls  auf  der 
Heidenburg  häufig  vorkommt.  Dann  folgt 
eine  genaue  Beschreibung  des  das  Drachen- 
fei splateau  umfassenden  Trockenwalles  und 
des  nordwestlich  vorgelagerten  Vorwerkes. 
Die  Anlage  wird,  wohl  mit  Recht,  als  vor- 
römisch bezeichnet,  aber  wegen  der  oben 
erwähnten  Funde  wird  angenommen,  dass 
die  Römer  um  die  Wende  des  3.  Jhdts. 
den  Punkt  für  ihre  militärischen  Zwecke 
benutzt  haben.  Für  die  Ansicht  des  Ver- 
fassers scheint  eine  im  Südosten  des 
Plateaus  aufgefundene  Mörtelmauer  zu 
sprechen.  Verf.  sucht  dann  die  Anlage 
mit  den  Vorschriften  des  Vegetius  in  Ein- 
klang zu  bringen.   Das  dritte  Kapitel  rückt 


den  „  Drachenfels ^  in  Zusammenhang  mit 
andern  benachbarten  Befestigungen  durch 
Feststellung  der  Strassenzüge,  Warten  und 
dergl ,  welche  in  der  Umgegend  nachge- 
wiesen worden  sind.  Wenn  Verf.  endlich 
in  dem  Schlusskapitel  auf  „Besetzung  und 
Kommando  **  näher  eingeht,  so  verhehlt  er 
sich  selbst  nicht,  dass  er  damit  ein  wenig 
sicheres  Terrain  betritt.  Indessen  muss 
auch  von  diesem  Kapitel  anerkannt  werden, 
dass  mit  Umsicht  die  Momente  gesammelt 
sind,  welche  zur  Aufhellung  der  militä- 
rischen Verbältnisse  jener  Gegend  im  4.  Jh. 
zu  dienen  vermögen.  H.  L. 

Von  ähnlichen  Erwägungen  geleitet,  94, 
wie  Altmann  und  Bernheim,  die  Heraus- 
geber der  ^Ausgewählten  Urkunden  zur 
Erläuterung  der  Verfassungsgeschichte 
Deutschlands  im  Mittelalter',  deren  2.  Auf- 
lage in  Nr.  61  dieses  Blattes  angezeigt 
wurde,  haben  Ernst  Frhr.  von  Schwind  und 
Atphons  Dopsch  eine  reiche  Sammlung  'Aus- 
gewählte Urkunden  zur  Verfassungs- 
geschichte der  Deutsch-österrei- 
chischen Erblande  im  Mittelalter' 
(Innsbruck,  Wagner,  1895)  mit  Unter- 
stützung des  k.  k.  Ministeriums  für  Kultus 
und  Unterricht  veröffentlicht.  Auch  diese 
Sammlung  soll  in  erster  Linie  Unterrichts- 
zwecken in  Kollegien  und  Seminarien  die- 
nen; sie  wendet  sich  aber  daneben  auch 
an  weitere  Kreise,  und  ihr  reicher,  alle 
Teile  des  Staats-  und  Verwaltungsrechts 
berücksichtigender  Inhalt  wird  zweifellos 


-    SU    - 

auch  in  ihnen  gern  und  mit  Nutzen  zu 
Rat  gezogen  werden.  Wie  es  sich  bei 
einer  derartigen  Sammlung  von  selbst  ver- 
steht, handelt  es  sich  um  eine  Auswahl 
von  typischen  Beispielen ;  die  Herausgeber 
sind  bei  der  Feststellung  der  Texte  und 
ihrer  Datierung  fast  durchweg  auf  die 
handschriftlichen  Vorlagen  zurückgegan- 
gen und  haben  den  Abdrücken  reichliche 
Litteraturnachweise  und  einen  kritischen 
Apparat  beigefügt.  Eine  Anzahl  von  Ur- 
kunden ist  hier  überhaupt  zum  ersten  Mal 
gedruckt.  Dass  die  Sammlung  nicht  bloss 
für  Deutsch- Österreich  von  Bedeutung  ist, 
sondern  jedem  Forscher  auf  dem  Gebiet 
deutscher  Verfassungsgeschichte  ein  will- 
kommnes  Hülfsmittel  bietet,  bedarf  danach 
keines  besonderen  Hinweises.  Der  reiche 
Inhalt  ist  durch  ein  vortreffliches  Register 
erschlossen.  Im  Gegensatz  zu  Altmann- 
Bernheim  haben  die  Herausgeber  —  darin 
dem  Beispiel  der  Urkunden  zur  Geschichte 
des  deutschen  Frivatrechts  herausgeg.  von 
Loersch  -  Schroeder  -  Reifferscheid  (1874) 
folgend  —  die  Urkunden  selbst  lediglich 
chronologisch  geordnet  (231  Nummern  aus 
den  JJ.  1027—1499),  am  Schlüsse  aber 
eine  sorgfältige  und  sehr  detaillierte  syste- 
matische Übersicht  über  die  einzelnen 
Zweige  von  Verfassung  und  Verwaltung 
hinzugefügt,  welche  einen  viel  schnellern 
und  eingehendem  Überblick  über  die  in 
den  Urkunden  berührten  Rechtsverhältnisse 
bietet,  als  die  Anordnung  des  Stoffes  nach 
realen  Gesichtspunkten  zu  schaffen  vermag. 

95.  In  der  Festschrift,  welche  seitens  der 
höheren  Lehranstalten  Kölns  der  43.  Ver- 
sammlung Deutscher  Philologen 
und  Schulmänner  (die  Versammlung 
fand  vom  24. — 27.  September  d.  J.  in  Köln 
statt)  dargeboten  worden  ist  (Bonn,  C.  Georgi, 
1895)  befindet  sich  eine  Abhandlung  von 
A.  Decker  über  die  Hildeboldsche  Manu- 
skriptensammlung des  Kölner  Doms.  Von 
besonderem  Interesse  sind  die  Angaben 
aus  dem  seither  verschollenen,  dem  Jahr 
833  entstammenden  Katalog  der  von  P. 
Leo  HI  an  Karl  den  Grossen  geschenkten 
Handschriften. 

96.  Ebenfalls  als  Festgabe  zu  der  genann- 
ten Versammlung  ist  erschienen:  Fr.  Mol- 
denhauer,    Geschichte    des    höheren 


Schulwesens  der  Rheinprovin, 
unter  preussischer  Regierung  (Kola 
P.  Neubner,  1895). 

BrUII,  Wilh.,  Chronik  der  Sudt  Dürei 
(Düren  1895)  will  gemäss  dem  Vorwort  in 
wesentlichen  nur  eine  zusamniengedrängü 
Sichtung  und  Neubearbeitung  der  seltei 
gewordenen  Materialiensammlung  von  Boan 
Rumpel  und  Fischbach  geben  and  nur  al! 
erster  Versuch  einer  Disposition  über  dk 
Dürener  Geschichte  gelten.  Mehr  wird  msi 
in  dem  Büchlein  auch  nicht  finden.  £f 
ist  nur  eine  geordnete  Notizensammlonf 
in  der  wichtige  und  unbedeutende  Ge- 
schehnisse völlig  gleich  behandelt  werdeiL 
Die  ersten  Kapitel  über  die  ältere  Ge- 
schichte Dürens  hätte  der  Vf.  besser  weg- 
gelassen. Da  die  wenigen  Erwähnungen 
Dürens  in  alter  Zeit  nicht  zu  einer  Ge- 
schichte der  Stadt  hinreichen,  so  ge- 
stattet sich  der  Vf.  weitläufige  Abschwei- 
fungen, teilt  z.  B.  S.  11  den  Inhalt  eines 
langen  in  Düren  erlassenen  Kapitulars  mit, 
welches  auf  Düren  auch  nicht  den  min- 
desten Bezui;  hat,  entlehnt  S.  12  aus  Bin- 
terim,  Konziliengeschichte  einen  längeren 
Abschnitt  allgemeinsten  Inhalts.  Er  hat 
sogar  einen  besonderen  Abschnitt,  in  dem 
er  Düren  als  „freie  Reichsstadt"*  behandelt 
und  lässt  S.  14  die  Stadt  schon  zur  Zeit 
des  Vertrags-  von  Verdun  als  solche  in 
Ansehen  stehen.  Die  Stadt  besass  keine 
eigene  Münze,  sondern  nur  eine  jülichsche 
Münzstätte,  wie  Werminghoff,  Verpfändun- 
gen S.  133  nachweist.  Beigegeben  ist  ausser 
12  Holzschnitten  die  Nachbildung  eines 
Stadtplans  aus  dem  17.  Jahrb.  n. 

Den  III.  Band  der  Osnabrücker  Ge- 
schichtsquellcn  bilden  die  Iburger  Kloster- 
annalen  des  Abtes  Maunis  Rost,  herausge- 
geben von  C.  Stüve  (Osnabrück  1895). 
Das  Kloster  selbst  steht  im  Mittelpunkte 
der  Darstellung,  namentlich  Erwerb  und 
Besitzstand  von  Grund  und  Boden.  Das 
Agrarwesen  im  Hochstift  Osnabrück  im 
16.  und  17.  Jahrhundert  wird  durch  diese 
Annalen  trefflich  erläutert,  weniger  die 
politischen  Vorgänge  jener  Zeit  Der  Heraus- 
geber hat  dem  lateinischen  Text  eine 
deutsche  Übersetzung  gegenübergestellt 
und  sich  dergestalt  einen  weiteren  Leser- 
kreis gesichert.    Zahlreiche  Anmerkungeo 


—    213    — 

geben  die  urkundlichen  Belege  und  sonsti- 
ges Erläuterungsmaterial.  Eingehende  Re- 
gesten sind  hinzugefügt.  n. 
19.  In  Heft  VI  der  Beiträge  zur  Geschichte 
Dortmunds  und  der  Grafschaft  Mark  (Dort- 
mund 1895)  veröffentlicht  G.  Mallinckrodt 
die  Dortmunder  Ratslinie  seit  dem  Jahre 
1500,  nachdem  Rubel  in  Heft  II/III  213  ff. 
die  ältere  Ratsliste  zum  Abdruck  gebracht 
hatte.  In  einer  knapp  gehaltenen  Einlei- 
tung werden  die  Ergebnisse  der  neueren 
Forschuugcn  über  die  Dortmunder  Rats- 
verfassung klar  zusammengefasst.  Drei 
lehrreiche  Tafeln  veranschaulichen  den 
Einfluss  der  herrschenden  Familien  im 
Rate,  absolut  und  nach  Jahrhunderten, 
sowie  auf  die  Besetzung  der  beiden  Bür- 
germeisterstellen, an  denen  während  mehr 
als  5  Jahrhunderten  nur  33  Familien  be- 
teiligt waren.  Den  Schluss  der  verdienst- 
lichen Veröffentlichung  bildet  ein  sorgfäl- 
tiges alphabetisches  Personenverzeichnis 
der  gesamten  Ratsliste,  das  bei  Forschun- 
gen über  Dortmunder  Geschichte  mit  Nutzen 
zu  Rate  gezogen  werden  dürfte.           n. 

00,  H.  Pirenn«:  L'origine  des  constitutions  urbaines 
au  moyen-äge.  (Extrait  de  la  Revue  histo- 
rique  Tome  LVII  ann6e  1895). 

Mit  dieser  Studio  macht  der  Verfasser, 
der  schon  durch  frühere  Arbeiten  auf  dem 
Gebiete  der  städtischen  Verfassuugsge- 
schichte  vorteilhaft  bekannt  ist,  einen  Ver- 
such, auch  seinerseits  zur  Klärung  der 
vielumstrittenen  Frage  des  Ursprungs  der 
Stadtverfassung  beizutragen.  Er  legt  im 
Gegensatz  zu  vielen  derartigen  Arbeiten, 
die  vor  allem  die  rechtshistorische  Seite 
dieser  Entwicklung  berücksichtigen,  den 
Haupt nachd ruck  auf  die  wirtschaftsge- 
schichtlichen Verhältnisse,  die  für  das 
Aufkommen  und  die  Blüto  der  Städte  von 
grosser  Wichtigkeit  gewesen  sind.  Die 
Studie  ist  anregend  geschrieben  und  klar 
disponiert,  sie  bringt  in  dankenswerter 
Weise  manche  interessante  Einzelheiten 
aus  der  Entwicklung  der  französischen 
und  belgischen  Städte  ^).  Indessen  wird 
man    doch    nicht    übersehen   dürfen,    dass 

1)  Der  Verfasser  beriicksichtigfc  daneben  auch 
in  fast  gleichem  Masse  die  deutschen  Städte.  Es 
ist  übrigens  ein  Irrtnm,  wenn  er  den  Weinzapf 
und  Verkauf  in  Köln  für  ein  Sonderrecht  der 
Patrizier  erklärt  (S.  29). 


-    214    — 

der  Verfasser  der  bei  dem  von  ihm  ge- 
wählten Gesichtspunkt  allerdings  sehr 
naheliegenden  Gefahr  zu  grosser  Verall- 
gemeinerung  von  einzelnen  Vorkommnissen 
und  Nachrichten  nicht  ganz  entgangen  ist, 
und  gewisse  Bedenken  gegen  die  von  ihm 
angenommene  Entwicklungsreihe  nicht 
unterdrücken  können.  Diese  Bemerkung 
soll  kein  Vorwurf  gegen  den  Verfasser 
sein ;  ist  es  doch  nur  zu  bekannt  und  wohl 
auch  durch  alle  bisherigen  diesem  Gebiete 
angehörenden  Arbeiten  erwiesen,  dass  es 
ausgeschlossen  ist,  auf  Grund  unserer  so 
lückenhaften  Überlieferung  eine  durchaus 
einwandsfreie  Darstellung  der  schwierigen 
Frage  zu  geben.  Jedenfalls  verdient  die 
Studie  als  Ganzes  betrachtet  in  vollem 
Masse  Beachtung  und  Interesse  auch  in 
weiteren  Kreisen. 
Köln.  Dr.  Fr.  Lau. 

Das  kürzlich  erschienene  Werk  von  101. 
Eberhard  Gotheln,  Ignaiius  von  Loyola  und 
die  Gegenreformation  (Halle,  Max  Niemeyer, 
1895)  verdient  auch  an  dieser  Stelle  be- 
sondere Erwähnung,  weil  es  einerseits  zum 
ersten  Male  die  in  Köln  erhalteneu,  bis  in 
die  älteste  Zeit  des  Jesuitenordens  hinauf- 
reichenden Korrespondenzen  des  Kölner 
Kollegiums  zur  Beurteilung  der  in  der 
Gesellschaft  Jesu  zum  Ausdruck  kommen- 
den Tendenzen  verwertet,  andererseits  auf 
Grund  eben  dieses  reichen  Quellenmaterials, 
wenn  auch  nur  in  grossen  Umrissen,  die 
erste  Entwicklung  der  eigenartigen  Ordens- 
niederlassungen in  Köln  und  Löwen  zur 
Darstellung  bringt  (vgl.  besonders  S.  738  ff.). 

Miscellanea. 

Zu   dem   neuen  Monnusmosaik   in  Trier.  102. 

Die  Zusammensetzung  des  Mosaikbodens, 
über  dessen  Auffindung  in  Nr.  68  dieses 
Blattes  bereits  kurz  berichtet  war,  ist  nun- 
mehr beendet  und  hat,  verbunden  mit  einer 
sorgfältigen  Reinigung  der  Reste  die  Rich- 
tigstellung einiger  irrtümlicher  Beobach- 
tungen zum  Resultat  gehabt,  welche  in 
der  ersten  vorläufigen  Notiz  ausgesprochen 
worden  waren.  Zunächst  hat  sich  durch 
Reinigung  des  quadratischen  Mittelfeldes, 
welches  durch  Brand  etwas  gelitten  hatte, 
ergeben,  dass  die  Flügel  des  weiblichen 
Brustbildes  nicht  vom  Kopfe,  sondern  vom 


—    215    — 

Kücken  ausgehen  und  über  den  Schultern 
80  steil  aufwSrts  gerichtet  sind,  dass  man 
noch  jetzt  bei  flüchtiger  Betrachtung  leicht 
getäuscht  werden  kann.  Der  jugendliche 
leicht  nach  der  rechten  Seite  gewendete 
Kopf  ist  ausserdem  bekränzt.  So  kann 
jetzt  über  die  richtige  Deutung  kein  Zwei- 
fel mehr  herrschen:  es  ist  Victoria  darge- 
stellt, und  das  Erscheinen  ihres  Bildes  in- 
mitten von  vier  siegreichen  Viergespannen 
erklärt  sich  von  selbst. 

Auch  die  Lesung  des  vierten  nicht 
vollständig  erhaltenen  Wagenlenkemamens 
hat  eine  Berichtigung  erfahren,  die  sich 
erst  durch  die  vollständige  Zusammen- 
setzung ergeben  konnte.  Erhalten  ist 
THIL'////^///////  Vor  dem  t  kann  nichts 
mehr  gestanden  haben,  denn  da  erscheinen 
sofort  die  Reste  der  Palme  des  Wagenlen- 
kers. Dagegen  ist  vor  dem  S,  welches  im 
Schutt  gefunden  ist,  noch  die  die  zweite 
Hasta  eines  V  erhalten,  die  ich  zuerst  fßr 
ein  Stück  des  Bildrandes  gehalten  hatte. 
Es  ist  nun  möglich  gewesen,  die  beiden 
Buchstaben  VS  wieder  genau  an  ihre  ur- 
sprüngliche Stelle  einzusetzen,  wodurch 
sich  folgendes  ergiebt:  thil'/Z/'^/Z/vs. 
Der  fünfte  Buchstabe  kann  wohl  nur 
ein  I  sein,  jedenfalls  ist  E  oder  ein  an- 
derer Buchstabe,  bei  dem  an  die  senk- 
rechte Hasta  oben  eine  Qaerhasta  ansetzt, 
ausgeschlossen,  da  die  Stelle  dicht  rechts 
neben  dem  Buchstabenrest  noch  erhalten 
war  und  sicher  keine  Inschriftspur  ent- 
hielt. Dagegen  ist  zwischen  diesem  fünften 
Buchstaben  und  dem  nächsten  Rest,  der 
sicher  von  einem  0  herrührt,  noch  Raum 
für  einen  schmalen  Buchstaben,  ebenso 
zwischen  dem  0  und  dem  VS,  welches 
sicher  den  Schluss  der  Inschrift  bildete. 
Danach  erhält  man  für  die  Ergänzung 
folgende  Möglichkeit :  Phili  •  o  •  us  • 

Da  wir  es  sicher  mit  der  lateinischen 
Form  eines  griechischen  Sklavennamens  zu 
thun  haben,  dachte  ich  erst  an  Philidonus 
=  ^iXrjdovog,  Auf  einen  zweifellos  bessern 
Weg  führt  der  Gedanke  des  hiesigen  Ober- 
lehrers Prof.  van  Hoifs,  Philidolus  (^dfi- 
daXog)  oder  Philiconus  {^dtUovog)  zu  er- 
gänzen, da  hier  die  bedenkliche  Annahme 
eines  Itacismus  nicht  vorliegt.  Bedenken 
gegen  alle  diese  Namen  flösst  ja  freilich 


—    216    — 

der  Umstand  ein,  dass  meines  Wissens 
weder  bei  Griechen  noch  Römern  eines 
der  angeführten  Worte  als  Name  nach- 
gewiesen ist.  Es  bleibt  ja  auch  immer 
noch  die  Möglichkeit,  anzunehmen,  dass 
zwischen  dem  I  und  0  kein  Bachstabe 
mehr  gestanden  hat  und  dass  es  sich  etwa 
um  Philiolus,  das  Deminutiv  von  Pfailios 
gehandelt  hat  Philios  ist  ein  nicht  oo- 
gebräuchlicher  griechischer  Name  und  die 
Namensbildung  mittelst  der  Deminativ- 
endung  -olus  ist  zu  häufig,  als  dass  es  be- 
sonderer Nachweise  dafür  bedürfte. 
Trier.  Dr.  Lehner. 

Eine  Kölner  Steinurkunde  aus  den  12.  labr- 101 
hundert.  In  seinem  Werke  über  die  christ- 
lichen Inschriften  der  Rheinlande  II  i 
S.  282,  283  teilt  F.  X.  Kraus  unter  nr.  612 
eine  Gedenktafel  mit,  welche  schon  vor 
ihm  von  Gelenius  ^)  und  von  Hüpsch  *),  von 
beiden  gleich  mangelhaft,  veröffentlicht 
worden  war.  Die  Vorlage  Gelens  hat  sich 
nunmehr  im  historischen  Archiv  der  Stadt 
Köln  wiedergefunden  und  ermöglicht  eine 
treue  Wiedergabe  der  interessanten  In- 
schrift, welche  Kraus  mit  geringem  Er- 
folge^) zu  emendieren  versucht  hat,  ohne 
eine  geschichtliche  Erläuterung  zu  geben. 
Die  Inschrift  ist  auf  einer  Holztafel 
enthalten,  welcher  von  einer  Hand  des 
16.  Jahrhunderts  die  Überschrift  gegeben 
worden  ist: 

Dit  is  deß  antiquitetischen  memorials 
aigentliche  abschriffc,  welches  neben  dem 
Eigelsteinsthurn  vflf  dem  gangk  in  einer  stei- 
nen tafel  alsolchr  gstalt  ausgehawen  worden. 
Darunter  steht  die  Inschrift;  ihre  Auf- 
zeichnung fällt  somit  in  das  16.  Jahrhundert; 
sie  hat  aber  in  den  Buchstabenformen  und 
Ligaturen,  in  den  Abkürzungen  und  ebenso 
in  den  Namen  durchaus  den  Charakter  der 
Vorlage,  die  (wie  unten  ausgeführt  ist) 
dem  12.  Jahrhundert  angehört,  bewahrt. 
Die  erste  und  letzte  Zeile,  sowie  von  der 
vorletzten  Zeile  der  Wortteil  Künra  sind 
in  Goldlettern  ausgeführt: 


1)  De  admiranda  sacra  et  civili  matrnitndiB« 
Coloniae  p.  635,  läsat  die  Erwähnung  des  Dom- 
propstes  am  Scblasse  fort 

2)  Epigrammatographie  II  S.  14  n.  83. 

8)  Nur  wenige  seiner  Emendationen  werden 
durch  unsere  Vorlage  best&Ugt 


-^    217    — 


—    218    — 


ims^sässs^siäm^^^ 


THiDEföCHBROTGER)iyDECHN 

I  IHEKsi  V^  \I^L^RT1  ITI  EDO.HPi  <-> 

JMO-LABRE^  nti^ELÄTBEl^NE 

LTLEF.WlLLEILSö^iLLEGELD  IMACt 
BALm^BO-iVGVCT  WEZTLßASte 

EU^CEZ^liNEVH^TWiEkiyPLFGE  ^ 
lEüNRiDNGRlCFACrA  SSV'RI^NlvA 


Nomina  civium  de  Woritic 
Thiderich  m  Rotger  Ludechin 
II  Heriman  Wolaert  i   Tiedo  Hei 
mo  Lambreth  Frithelant  Bertier  C 
ortlicf  Willer  Willegeld  Durant 
Baldo  Wolbero  lugurt  Wezzel  Basilius  En 
gelric  Ezzelin  Everhart  Wizelin  Ludolf  Ge 
zelin  Boing,    Hec  facta  sunt  sub  Künra 
do  rege  et  Ärnoldo  archiepiscopo  et  Anwldo  *)  preposito. 


Um  Überschrift  und  Inschrift  zieht  sich 
ein  Band- Ornament,  zwischen  diesem  und 
der  Inschrift  sind  auf  der  linken  Seite  noch 
zwei  weitere  Ornamentstreifen  angebracht, 
welche  gemäss  der  freundlichst  übermit- 
telten und  von  mir  geteilten  Ansicht  des 
Provinzialkonservators  Dr.  Giemen  nur  Zu- 
thaten  des  Kopisten  sind^).  Das  mittlere 
Band  erinnert  in  der  Linienführung  ganz 
entfernt  an  romanische  Rankenfriese;  die 
Spiralen  wiederholen  aber  doch  nur  das 
Motiv  des  inneren  Ornamentes.  Herr 
Dr.  Giemen  kennt  keine  romanische  In- 
schrifttafel, die  überhaupt  einen  seitlichen 
ornamentierten    Streifen    aufwiese.      Die 


4)  Vorlage:  JR!nG 

5)  Anch  Herr  DomkapituUr  Schnfltgen  in  KOln 
teilt  diese  Ansicht. 


Ranke  ist  in  Stein  auch  gar  nicht  auszu- 
führen. Ebenso  ist  der  Schluss  der  ersten 
Zeile  durch  einen  einfachen  Schreiber- 
schnörkel ausgefüllt,  welcher  den  durch 
das  Ausrücken  des  N  nach  links  entstan- 
denen freien  Raum  verdeckt. 

£s  ist  nicht  mit  Sicherheit  festzustellen, 
ob  HQpsch  die  originale  Steininschrift  ge- 
kannt hat ;  denn  die  von  ihm  dem  Abdrucke 
beigefügte  Bemerkung  'in  muro  civitatis 
apud  portam  Eigelstein  lapis  in  long.  SVa 
et  in  lat.  2  pedes'  kann  auch  aus  der 
Überschrift  der  Holztafel  stammen.  Seine 
Massangaben  enthalten  unzweifelhaft  einen 
groben  Fehler;  denn  die  Tafel  hat,  den 
Rahmen  abgerechnet,  eine  Breite  von  46^« 
cm,  die  Inschrift  von  36'/«  cm,  und  eine 
Länge  von  35 Vs)  bezw.  29  cm;  die  Breite 


—    219    — 

überwiegt  also  in  etwa  die  Länge,  wäh- 
rend nach  Hiipsch  die  Tafel  beinahe  dop- 
pelt so  lang  wie  breit  sein  würde.  Auch 
abgesehen  davon  sind  die  Angaben  von 
Ilüpsch  sehr  zu  bezweifeln,  da  die  Grösse 
der  Buchstaben  auf  der  Holztafel  die  ge- 
naue Wiedergabe  der  Steininschrift  in  der 
Nachbildung  sehr  wahrscheinlich  macht. 
Die  Inschrift  selbst  erscheint  als  Schluss 
einer  Urkunde,  deren  ersten  Teil  wir  nicht 
kennen.  Die  letzton  Zeilen  mit  der  Da- 
tierung tragen  einen  völlig  urkundlichen 
Charakter.  Das  formelhafte  hec  facta  sunt 
setzt  eine  Handlung  voraus,  welche  in  der 
Inschrift  nicht  angegeben  wird,  und  die 
wir  aus  einer  gleich  zu  erwähnenden 
Bestätigungsurkunde  ergänzen  müssen. 
Grössere  Steinurkunden  aus  dem  Mittel- 
alter sind  allerdings  an  und  für  sich  eine 
Seltenheit^),  besonders  aber  in  hiesiger 
Gegend.  Doch  ist  gerade  für  Köln  ein 
zweites  Beispiel  bekannt:  das  auf  zwei 
Steiutafeln  ausgehauene  Judenprivileg  Erz- 
bischof Engelberts  vom  Jahre  1266,  welches 
jetzt  in  der  Schatzkammer  des  Domes  ein- 
gemauert ist  ^).  Nach  Analogie  dieses  aus 
2  Tafeln  bestehenden  Privilegs  wird  die 
als  verloren  anzusehende  erste  Tafel  die 
eigentliche  Urkunde  enthalten  haben.  Ihrem 
Inhalte  entsprechend  werden  die  Steine 
entweder  am  alten  Dom  oder  an  der  Dom- 
propstei  angebracht  gewesen  sein  und  sind 
später  bei  der  Niederlegung  oder  beim 
Brande  der  Gebäude  verwahrlost  worden. 
Die  Mauer  am  Eigelsteinthor,  an  welcher 
der  Stein  im  16.  Jahrhundert  eingemauert 
war,  ist  erst  im  Laufe  des  13.  Jahrhun- 
derts gebaut  worden^),  so  dass  die  Ver- 
wendung von  Steinen  des  alten  1248  ab- 
gebrannten Domes  für  den  Mauerbau  sehr 
möglich  erscheint.  Als  im  16.  Jahrhun- 
dert das  geschichtliche  Interesse  in  Köln 
erwachte,  hat  man  den  eigenartigen  Stein 
bemerkt*)  und  durch  eine  genaue  Nach- 
bildung auf  einer  Ilolztafel  seinen  Inhalt 
überliefert.  Schon  zu  Gelens  Zeit  hing 
die  Tafel   im  Rathause,   von  wo   aus   sie 

6)  Wattonbach,    Das  Schriftweson   des  Mittel- 
altora  8.  36  37. 

7)  Ennen  und  Kckertz,  Quellen  zur  Geschichte 
der  Stadt  Köln  2  nr.  40);  vkI.  Wattenbach  a.  a.  O. 

8)  Vgl.  Ennen,  Ooschichte  der  Stadt  Köln  U  655. 

9)  Man  könnte    an  Broelman   denken,    dessen 
antiquarische  Interessen  bekannt  sind. 


—    220    - 

später  ins  Archiv  gewandert  nnd  dort 
lange  unbeachtet  geblieben  ist. 

Die  Urkunde  ist  von  Hüpsch  ca.  1137, 
jedenfalls  nach  dem  Anfangsjahre  der  Re- 
gierung des  Erzbischofs,  von  Kraus  1137 
bis  1139  gesetzt  worden,  weil  er  durch 
einen  unbegreiflichen  Irrtum  den  König 
Konrad  III  1139  Juni  4  sterben  lässt 
Thatsächlich  ist  die  Zeitgrenze  etwas  wei- 
ter zu  ziehen ;  die  Urkunde  fällt  zwischen 
den  18.  März  1138,  den  Tag  der  Krönnng 
König  Konrads,  und  den  3.  April  1151,  deo 
Sterbetag  Erzbiscbof  Arnolds  I.  Damit 
stimmtdleNennungdesDompropstes  Arnold, 
der  von  1127—1150*^)  nachzuweisen  ist 

Von  den  26  Namen  der  Inschrift  sind 
bezeichnender  Weise  24  deutschen,  nur  2, 
Jugurt  und  Basilius,  fremden  Ursprangs. 
Die  Lesung  Jugurt  ^^)  steht  unbedingt  fest; 
zudem  ist  auch  sein  gleichzeitiges  Vor- 
kommen in  Köln  als  Name  eines  Mi- 
nisterialen von  St.  Severin  unzweifelhaft 
bezeugt  ^^).  Von  den  deutschen  Namen 
bereitet  nur  Cottlief  Schwierigkeiten,  da 
eine  solche  Namensform  anderweit  nicht 
nachzuweisen  ist,  während  Ortlief  und 
Vortlief")  häufig  vorkommende  Kölner 
Namen  des  12.  Jahrhunderts  sind;  das  An- 
fangs-C  an  den  Schluss  von  Berner  her- 
überzuziehen, geht  nicht  an.  Frithelant '^). 
ist  ein  auch  sonst  bekannter  Worringer 
Name ;  Wolaert  entspricht  dem  anderwärts 
bezeugten  Wolarat^*).  Alle  übrigen  Na- 
men sformen  finden  sich  in  gleicher  Schreib- 
weise in  Förstemanns  altdeutschem  Namen- 
buche ^^)  oder  in  den  Schreinsurkunden  ^'} ; 

10)  In  zahlreichen  Urkunden  in  Iiacomblets 
Urkundenbuüh  I. 

11)  Kraus  hftlt  den  Namen  durchaus  für  falsch 
und  will  ihn  durch  Ingerot  ersetsen. 

12)  Hoeniger,  Schrein^urkunden  Sev.  1  V  3. 
1  X  ß,  II  256^;  dazu  in  der  Crrossbürgerliete  112, 
IG  8ub  II  GS. 

13)  Ein  Fortliuus  presbiter  ist  Zeuge  in  einer 
wenig  epätercn  Urkunde   für  Worringen  1170. 

14)  Förstemann,  Altdeutsches  Namenbuch  I 
kennt  ihn  nicht 

Ih)  Förtftemann  I  ep.  1335. 

16)  Thiderich  pp.  1189,  Rotger  sp.  737,  Lndechin 
sp.  8')H,  Heriman  ep.  6I7,  Tiedo  sp.  1160,  Ileimu 
8p.  589,  T^ambreth  sp.  832,  Berner  »p.  i33,  Wil- 
ler 8p.  1809,  Durant  sp.  356,  Baldo  sp.  203,  W«!- 
bero  »p.  1334,  Wezzel  Bp.  1273,  Engelric  »p.  »^ 
Ezzelin  »p.  19i,  Everhart  sp.  364,  Wi«elin  »p.  1^^S, 
Ludolf  Etp.  G96,  Boing  sp.  713. 

17)  (lezclin  z.  13.  in  dor  Groesbürgvclist«: 
Hoeniger,  bcUreinaurkunden  II  2,  S.  88. 


—    221    -* 

Willegeld,  das  Försteroann  nicht  kennt, 
kommt  auch  in  den  Schreinsarkunden  von 
Niederich  vor.  An  Tiedo  erinnert  noch 
das  Dorf  Thenhoven  (früher  Tiedenhoven) 
bei  Worringen. 

Der  Inschrift  liegt  zugrunde  der  Erwerb 
der  Vogtei  Worringen  vom  Kölner  Erz- 
bischofe  Arnold  I  durch  den  Dompropst 
Arnold,  den  nachmaligen  Erzbischof  Ar- 
nold II,  welche  aus  einer  Bestätigungs- 
urkunde König  Friedrichs  I  vom  14.  Juni 
1153  bekannt  ist^^).  Die  in  der  Inschrift 
genannten  Personen,  welche  als  cives  de 
ArVorinc  bezeichnet  werden,  sinxi  offenbar 
die  Yogteipflichtigen.  Die  Bezeichnung 
cives  für  Dorfbewohner  hat  nichts  auf- 
fallendes, sie  ist  auch  für  Westfalen  nach- 
zuweisen **).  Jener  Ankauf  der  Worringer 
Yogtei  war,  wie  in  der  Bestätigungsurkunde 
ausdrücklich  bemerkt  wird,  vom  Dompropst 
aus  dem  Grunde  gethätigt  worden,  weil 
er  „ein  mildthätiges  Auge  auf  die  bedrück- 
ten und  in  die  äusserste  Armut  gebrach- 
ten Einwohner  von  Worriogen  geworfen 
hatte,  welche  durch  die  Unterdrückung 
der  Vögte  in  eine  bemitleidenswerte  und 
unsägliche  Dürftigkeit  geraten  waren". 
Seine  gute  Absicht  wurde  aber  nicht  er- 
reicht Auch  unter  der  Vogtei  der  Kölner 
Dompröpste  besserte  sich  die  Lage  der 
Zinspflichtigen  nicht.  Im  Jahre  1170  wa- 
ren sehr  viele  von  ihnen  geflohen  und  da- 
durch ein  grosser  Ausfall  an  Zinsen  und 
Leistungen  für  das  Domkapiiel  entstanden, 
wodurch  vor  allem  der  Dompropst  und 
der  Meier  betroffen  wurden.  Damals  setzte 
Erzbischof  Philipp  mit  dem  Domkapitel 
die  Leistungen  der  zu  hart  gedrückten 
Hofeshörigen  in  Worringen  fest*®).  Man 
hoffte  durch  Einsetzung  von  12'*)  Ge- 
schworenen, welche  die  Einkünfte  zusam- 


18)  Lacomblet,  Urkundenbnch  1  nr.  376,  S. 
250/260. 

19)  Seibertz,  Urkundenbnch  zur  Landes-  und 
Rechtsgeschichte  des  Herzogtums  Westfalen  I 
nr.  291  8.  262  werden  1255  cives  ville  Roabike  ge- 
nannt; 1215  cives  ville  Drankhosen  (Finkes  KoUek- 
tancen  far  das  Supplement  des  Westfäl.  Urkun- 
denbuchs:  Freundlicher  Hinweis  von  Archivar 
llgen  in  Münster). 

20)  Ennen,  Quellen  1  nr.  79  S.  562/5G3. 

21)  Ennen  druckt  14  Kameu  ab;  Wizelo  ist 
aber  irrig  doppelt  gesetzt;  die  durch  diesen  Na- 
men getrennten  Oezeman  und  Melesac  sind  als 
eine  Ferion  aufzufassen. 


-    222    — 

menbringen  und  dabei  auf  das  Vermögen 
eines  jeden  Pflichtigen  achten  sollten,  eine 
Erleichterung  der  Lasten  zu  bewirken. 
Unter  diesen  12  Geschworenen  finden  sich 
4  Namen,  welche  auch  in  der  Inschrift 
vorkommen*');  unter  den  7  Schöffen  in 
Worringen,  welche  am  Schlüsse  der  Ur- 
kunde genannt  werden,  3,  welche  mit  ihr 
übereinstimmen**).  Eeussen. 

22)  Herman    (zweimal),    Wizelo,    Fridelandt, 
Theodericus. 

28)  Fridelant,  Theodericus,  Wolbero. 


Ergänzung  und  Berichtigung. 

In  Nr.  10  und  11  (1894)  dieses  Blattes  104. 
habe  ich  den  St.  Wilhelmsschild  in  das 
Rheinland  und  die  Gesellschaft  vom  Ein- 
horn nach  Franken  gelegt.  Der  erstere 
wurde  nach  Frhr.  Roth  v.  Schreckenstein 
(Ritt  er  würde  und  Ritterstand  S.  605)  am 
21.  Dezember  1380  „allerdings  zunächst 
nur  auf  drei  Jahre"  zu  Geislingen  in 
Schwaben  gestiftet :  allein  es  Hess  sich 
mit  Sicherheit  nicht  feststellen,  in  wel- 
chem Land  dieses  Bündnis  seit  jener  Zeit 
fortbestand.  Ebenso  fehlt  es  an  sicheren 
Nachrichten  über  die  Gesellschaft  vom 
Einhorn.  Nach  Roth  (S.  666,  Nr.  1)  ent- 
stand sie,  w^ie  Andreas  von  Regensburg 
berichtet,  im  Jahre  1428  und  nach  dem 
Anzeiger  des  Germ.  Museum  1882,  Spalte 
297  f^.  wurde  sie  in  Bayern  am  30.  August 
1466  durch  erneuerte  Verschreibung  fort- 
gesetzt; bei  Roth  (S.  649)  ist  jedoch  1480 
auch  von  einer  fränkischen  Gesellschaft 
des  Einhorn  die  Rede.  Aber  weder  bei 
Roth  noch  im  Anzeiger  findet  sich  der 
von  mir  erwähnte  Brief  Kaiser  Siegis- 
munds  (Buchner  VI,  S.  280)  an  die  Reichs- 
stände, in  welchem  er  am  28.  April  1434 
den  St.  Georg-  und  Wilhelmsschild  und 
die  Gesellschaft  vom  Einhorn  nennt  ^). 
Da  nun  der  Kaiser  (nach  Buchner  VI, 
280)  am  25.  Februar  1434  auch  den  ober- 
bayerischen Ritterbund  bestätigte,  so  wäre 
es  doch  sehr  auffallend,   dass  er  diesem 

1)  Da  Roth  (S.  605-606)  vom  St.  Georgsschlld 
in  Schwaben  auch  das  Folgende  nicht  bringt,  will 
ich  mir  zu  bemerken  erlauben,  dass  nach  Pf  äff, 
Geschichte  von  Wirtemberg  II,  6  untfr  24,  e.  B.  als 
Nachkommen  der  Grafen  Konrad  und  Eberhard 
von  Landau,  die  den  Grafontitol  bu  Anfang  des 
15,  Jahrh.  abgelegt  hatten,  genannt  werden:  W.  . 
Heinrich  und  Jacob,  Bundesglieder  der  Bitterge- 
««lUchaft  vom  St.  Georgenschild. 


nicht  auch  am  28.  April  1434  die  Achter- 
klärung Ludwigs  V.  Ingolstadt  angezeigt 
hätte,  „wenn  er  dies  an  andere  als  Reichs- 
unmittelbare  thun  wollte*' ,  und  daraus 
folgere  ich,  dass  zu  den  letzteren  damals 
auch  die  Mitglieder  des  Einhorn  gehören 
mussten,  die  dann  aber  wohl  nur  Franken 
sein  konnten.  Freiherr  L.  v.  Borch: 


Vereinsnachrichten 

unter  Redaction  der  Yereinsvorstände. 

106.  Frankfurt  a.  M.  Verein  für  Geschichte 
und  Altertumskunde.  Die  wissen- 
schaftlichen Sitzungen  wurden  am  17.  Okto- 
ber wieder  aufgenommen.  Herr  Dr.  ▼.  Na- 
thusius-Neinstedt,  welcher  den  Verein 
auf  der  Mitte  September  in  Konstanz 
stattgefundenen  Generalversamm- 
lung des  Gesammtvereins  der  deut- 
schen Geschichtsvereine  vertreten 
hatte,  erstattete  über  diesen  Tag  und  die 
dortigen  Verhandlungen  näheren  Bericht; 
er  besprach  insbesondere  die  Thudichum- 
schen  Grundkarten,  weil  der  Verein  für 
Ausarbeitung  und  Druck  der  Sektionen 
Frankfurt  und  Darmstadt  einen  beträcht- 
lichen Zuschuss  geleistet  hatte.  Über  die 
Konstanzer  Verhandlungen  bringen  die  im 
.,Korrespondenzblatte**  des  Gesammtvereins 
abgedruckten  Protokolle  nähere  Nach- 
richten. 

106.  In  der  zweiten  Sitzung  am  31.  Oktober 
sprachen  die  Herren  Stadtarchivar  Dr.  R. 
Jung  und  Stadtbauinspektor  C.  Wolff 
über  die  St.  Nicolai-Kirche,  von  der 
erster  er  einen  Überblick  über  ihre  wechsel- 
volle Geschichte,  letzterer  eine  eingehende 
Baubeschreibung  gab.  Beide  Herren  leg- 
ten ihren  Ausfuhrungen  die  Darstellung 
zugrunde,  welche  sie  für  das  demnächst 
erscheinende  Werk:  „Die  Baudenk- 
mäler in  Frankfurt  a.  M."  ausgearbei- 
tet hatten.  Dieses  von  dem  Architekten- 
und  Ingenieur- Verein  und  von  dem  Verein 
für  Geschichte  und  Altertumskunde  ge- 
meinschaftlich herausgegebene,  von  den 
beiden  genannten  Herren  bearbeitete  Werk 
soll  endlich  die  erste  zusammenfassende 
Darstellung  der  durch  ihre  Geschichte  und 
ihren  Kunstwert  hervorragenden  Bauten 
der  alten  Reichsstadt  bis  etwa  1820,  dem 
Ende  des  sogen.  Empire  -  Stiles,   bringen, 


über  welche  insgesamt  bis  jetzt  nur  kurze 
Aufzählungen  ohne  oder  mit  nicht  ge- 
nügenden Abbildungen  vorliegen.  Die  Un- 
terstützung mit  stadtischen  und  privaten 
Mitteln  ermöglicht  den  Vereinen,  das  Werk 
reichlich  mit  Abbildungen  und  Tafeln  aos- 
zustatten;  die  erste  Mitte  November  er- 
scheinende Lieferung,  welche  die  sechs 
ältesten  Kirchen  ausser  dem  Dom  behan- 
delt, zählt  nicht  weniger  als  21  Tafela 
und  142  Textabbildungen.  Das  Werk  wird 
in  fünf  Lieferungen  (1.  und  2.  Kaltushan- 
ten,  3.  Bauten  zu  öfifentlichen  Zwecken 
nebst  Brunnen  und  Denkmälern,  4.  Privat- 
bauten, 6.  allgemeine  bauliche  Entwicke- 
lung  n.  a.)  im  Kommissionsverlag  von  K 
Th.  Völcker  erscheinen  und  spätestens 
1899  vollendet  vorliegen;  der  Preis  dee 
ganzen  Buches  ist  auf  Mk.  30,  der  der 
Lieferung  auf  Mk.  6  festgesetzt;  die  Mit- 
glieder beider  herausgebenden  Vereise 
sowie  des  Verbandes  der  deutschen  Archi- 
tekten-Vereine erfreuen  sich  einer  Preis- 
ermässigung von  25  Vo. 

PrQm,  Gesellschaft  für  Altertums- 
kunde. In  der  am  11.  Oktober  abgehal- 
tenen Sitzung  legte  der  Vorsitzende  Direktor 
Asbach  ausser  einem  gedruckten  „hortulo« 
animae**  von  1516,  mit  dem  ein  hand- 
schriftliches lateinisches  Brevier  zusam- 
mengebunden ist,  ein  geschriebenes  nie- 
derdeutsches Gebetbuch  aas  dem  14 
Jahrhundert  und  Blätter  aus  einem  anden 
ebenfalls  niederdeutschen  Gebet  buch  vor 
die  durch  die  prachtvolle  Ausführung  ihrei 
Initialen  von  grossem  Interesse  waren 
Herr  Gymnasiallehrer  Donsbach  berichtete 
über  die  von  ihm  besichtigten  römischer 
Altertümer  zu  Breitfeld  (St.  Vith),  wo- 
selbst Herr  Apotheker  Schütz  aus  St.  Vitl 
das  Hypokaustum  eines  villaähnlichen  Ge- 
bäudes aufgedeckt  hat.  Eine  Fortsetzung 
der  begonnenen  Ausgrabungen  dürfte  eii 
lohnendes  Ergebnis  haben. 


Geschichte  der  Mark  Thaifang 

beew.    des    ehvmaHgen  "wUd-  tUld  ThBingnl- 

liehen  Amtes  Troneckon,  von  der  Bömarseil 

bis  zur  Neuzeit,   unter  Benutcung    dci  wild-  und 

rheingr&llichen  Haua-ArchivA,  Staats-  und  KlrcheD* 

Archive,  herausgegeben  von 

S2.   Chr.  Fröhlich,  Pfarrer. 

Selbstverlag.    Preis  i,M)  Mk.    Oerinffar  Vomi 

nur  noch  vorhanden. 


Drook  n.  Verlag  der  Fr.  Lintz 'sehen  Bachhandlang  in  Trier. 


Vorrlmlfdi«  u.  Rlhnltebt  Z«tt 

redigiert  ron 
Prof.  Hettner  a.  Dr. 
Trier. 


MItttlaltar  und  NmcsH 

T«digiert  TOa 

Arohivar  Dr.  Hantofi« 

Kttln. 


der 


Westdeutschen  Zeitschrift  fUr  Geschichte  und  Kunst, 

m^leieh  Organ  der  historisch-antiquarisehen  Vereine  zn  Birkenfeld,  Dflsseidorf,  Frank- 
furt a.  M.,  Karlsrnhe,  Mainz,  Mannheim,  Metz,  Neuss,  Prflm,  Speyer,  Strassbnri;, 
Trier,  Worms,  sowie  des  anthropologischen  Vereins  zn  Stuttgart. 

♦ 

Dezember.  Jahrgang  XIV,  Nr.  12.  1895. 

Om  KoTTMpondensblatt  •noheint  in  einer  Aufiftge  von  4000  Bzempluren.    Inserate  k  Sö  Pfg.  fQr  die 

geipaltene  Zeile  werden  von  der  Verlagthandlnng  nnd  allen  Inseraten-Bnreaae  angenommen,  Beilagen 

nach  Uebereinknnfl.  —  Die  Zeitiohrift  enoheint  Tlerteljfthrlioh,  das  Korrespondenablatt  monatlidh.  -^ 

Abonnementepreie  15  Hark  f&r  die  Zeiteohrift  mit  Korreipondeniblatt,  fttr  letiteree  allein  5  Hark. 


Beltrftge  fflr  die  vorrOmische  und  römische  Abteilung  sind  an  Dr.  Lehnor  (Trier,  Provinsialmneenm), 
f&r  Mittelalter  nnd  Nenseit  an  Dr.  Hansen  (Köln,  StadtarohiT)  in  senden. 


Neue  Funde. 

)8.       Saarburg  in  Lothr.  [Mithratum.]    Am  Ab- 

hanj^  des  Rebenbergs  auf  dem  rechten 
Saarufer  wurde  im  Laufe  dieses  Sommers 
(Mai-September)  gelegentlich  der  Erdarbei- 
ten für  militärische  Bauten  ein  Mithras- 
h  eil  ig  tum  aufgedeckt.  Die  Ausgrabung 
desselben  wurde  von  Herrn  Garnisonbau- 
Inspektor  v.  Fisenne  mit  ausserordentlicher 
Umsicht  und  Sachkenntnis  geleitet,  so  dass 
nicht  nur  die  ursprüngliche  Anlage  des  Ge- 
bäudes klar  erkannt  werden  konnte,  son- 
dern es  auch  ermöglicht  wurde,  die  zahl- 
reich vorgefundenen  Skulpturüberreste  trotz 
des  stark  verstümmelten  Zustandes,  in  dem 
sie  sich  befanden,  zu  einem  übersichtlichen 
Ganzen  zu  ordnen.  Da  der  Fund  zu  den 
bedeutendsten  gehört,  die  auf  dem  Gebiete 
der  Mithraeen  überhaupt  gemacht  sind, 
scheint  es  geboten,  den  Lesern  d.  Bl. 
eine  gedrängte  Übersicht  der  Hauptergeb- 
nisse vorzufuhren,  ohne  damit  der  ausfiihr- 
lichen  Publikation  vorgreifen  zu  wollen, 
die  Herr  von  Fisenne  im  Jahrbuch  des 
Vereins  für  lothr.  Gesch.  u.  Altert,  geben 
wird.  Durch  die  Liebenswürdigkeit  des 
genannten  Herren  ist  es  mir  verstattet  ge- 
wesen, die  bis  jetzt  fertiggestellten  Teile 
seiner  Arbeit  für  diesen  Bericht  zu  be- 
nutzen, wofür  ich  auch  hier  meinen  besten 
Dank  ausspreche.  Für  die  Begründung 
der  Einzelheiten  verweise  ich  auf  seine  in 
Bälde  erscheinende  Veröffentlichung* 
Die  Trümmerscbichten,   bestehend  aus 


Kalkstein,  Sandstein,  römischen  Dach- 
ziegeln, lagen  in  geringer  Tiefe  unmittel- 
bar unter  dem  Mutterboden.  Der  schwere 
Lehmboden  setzte  der  Ausgrabungsarbeit 
ausserordentliche  Schwierigkeiten  entgegen, 
die  aber  durch  ein  sinnreiches  Ausspü- 
lungsverfahren beseitigt  wurden.  Die  noch 
über  0,50  m  starken  Mauerreste  aus  Kalk- 
stein, welche  der  fortschreitenden  Baurr-, 
beit  wegen  nach  genauer  Aufnahme  wie- 
der zugeschüttet  wurden,  gehören  einer 
einfachen  Cella  (ohne  den  sonst  häufig 
vorkommenden  Pronaos)  von  5,48  :  6,20  m 
im  Lichten  an.  Sie  ist  annähernd  nach 
Norden  orientiert  und  durch  zwei  etwa 
4,80  m  lange  Brüstungsmauern  zu  einem 
dreischiffigen  Raum  gestaltet,  derart,  dass 
ein  der  Thüre  zunächst  befindlicher  Vor- 
platz von  1,40  m  Tiefe  und  zwei  längs- 
seitige Podien  von  1,35  bzw.  1,38  m  Breite 
etwa  auf  gleicher  Höhe  mit  dem  Aussen- 
niveau  auf  der  nördlichen  (d.  h.  der  Thal-) 
Seite  liegen,  während  der  mittlere  Raum 
bis  zu  0,70  m  vertieft  ist ;  er  scheint  durch 
3  Stufen  mit  dem  Vorplatz  verbunden  ge- 
wesen zu  sein.  Die  Höhe  der  Seitenmauern 
lässt  sich  nach  dem  Hauptbildwerk  auf 
2,90,  die  Firsthöhe  auf  4,20  m  annähernd 
berechnen.  Der  Fussboden  bestand  aus 
Lehmestrich  von  etwa  15  cm  Stärke,  die 
Bedieckung  aus  Dachziegeln. 

Überaus  reich  sind  die  Funde  an  Skulp- 
turen ans  grauem,  bzw.  rotem  Vogesen- 
sandstcin.    Da  dieselben,  wie  schon  ange- 


227    — 


—    228 


deutet,  einer  sehr  gründlichen  Zerstörung 
anheimgefallen  waren,  gelang  es  erst  nach 
mühevoller  Arbeit,  aus  den  vielen  Hun- 
derten von  Bruchstücken  ein  Bild  des  ur- 
sprünglichen Znstandes  zu  gewinnen.  Im 
Vordergrund  des  Interesses  steht,  wie  bei 
allen  Mithraen,  ein  grosses  Votivrelief, 
das  dem  Eingang  gegenüber  in  der  Südwand 
eingemauert  war.  Den  Mittelpunkt  bildet, 
wie  üblich,  die  Darstellung  des  stiertuten- 
den  Mithras  in  sehr  hohem  Relief  (1,75  m 
breit,  1,70  m  hoch;  Vertiefung  bis  zu 
50  cm).  Bechts  und  links  davon  zwei 
Pilaster  von  ebenfalls  1,70  m  Höhe  und 
einer  Breite  von  22  cm ;  sie  enthalten  je 
5  Beliefdarstellungen  übereinander.  Ober- 
halb ein  Figurenfries  von  0,50  m  Höhe 
und  etwa  2,10  m  Breite  (~  der  Breite  des 
Hauptreliefs  mit  den  Seitenleisten).  Dar- 
über ein  nach  vorne  ausladender  Sims  mit 
reichem  Blattomament  (0,20  m  hoch),  dem 
ein  gleich  hohes  Fussgesims  mit  Blatt- 
schmuck und  Eierstab  entspricht.  Den 
Abschluss  nach  unten  bildet,  genau  in  der 
Höhe  der  beiden  Podien  liegend,  ein  Band 
mit  darunter  befindlicher  Hohlkehle.  Das- 
selbe trägt  in  schöner  grosser  Schrift  die 
einzeilige  Weihinschrift,  die  trotz  starker 
Verstümmelung  sich  mit  Sicherheit  wieder- 
herstellen liess: 

IN  •  H  •  D  •  D  •  DEO  •  INVICTO  • 
MARCELEVS  •  MARIANVS  •  D  •  S  •  POSVIT 

Als  oberer  Abschluss  war  über  dem 
Altarbild  die  Kolossalbüste  eines  jugend- 
lichen Mannes  aufgestellt  (70  cm  hoch), 
in  deren  reichem  Lockenschmuck  sieben 
Strahlen  aus  Metall  angebracht  waren 
(wie  sich  aus  den  vorhandenen  Löchern 
ergiebt);  also  wahrscheinlich  eine  Dar- 
stellung des  Sol. 

Das  Hauptrelief  enthält  die  typische 
Darstellung  des  stiertötenden  Mithras  (der 
Kopf  des  Gottes  ist  zerschlagen)  mit  dem 
üblichen  Beiwerk.  Dazu  gehört  der  blut- 
leckende Hund,  der  Skorpion,  der  von  oben 
herbeifliegende  Rabe;  die  zwei  Fackel- 
träger zur  Rechten  und  Linken,  in  kleiner 
Figur  auf  erhöhtem  Standort;  femer  die 
bekannte  Gruppe  Löwe,  Vase,  Schlange 
(letztere  stark  zertri'imm«rt)  unter  dem 
licib  des  Stieres ;  endlich  links  und  rechts 
am   oberen   Relicfrande    der    aufgehende 


Sol  auf  seinem  Viergespann,  die  nieder- 
gehende Luna  mit  Zweigespann.  Zu  dieser 
sehr  häufig  wiederkehrenden  Teilen  der 
Darstellung  gesellen  sich  als  etwas  Unge* 
wohnlicheres  vier  grosse  Köpfe  in  den 
Ecken  der  Tafel,  von  denen  die  beiden 
unteren  (ein  bartloser  und  ein  bärtieer 
sich  durch  Flügel  am  Kopfe  deutlich  al? 
Winde  ausweisen,  sodass  auch  die  beidca 
oberen  (unterhalb  von  Sol  und;  lama.  ei- 
ner bärtig,  der  andere  bartlos),  als  Wim- 
gütter  zu  betrachten  sein  werden,  obwill 
sich  die  Flügel  bei  ihnen  nicht  mehr  kon- 
statieren lassen.  Vier  (bzw.  zwei)  Wind- 
götter kommen  auch  in  andern  Mithraeeti 
vor,  z.  B.  in  Heddemheim,  aber  nicht  wio 
hier,  innerhalb  der  Hauptdarstellung.  l>ie 
zehn  kleinen  Seitenreliefs  enthalten  (ähn- 
lich wie  in  Osterburken)  die  Mithraslegend«^. 
und  zwar  zeigen  die  zwei  unteren  auf  U'i- 
den  Seiten  Mithras  in  Verbindung  mit  Sc>I 
Links  (von  oben  nach  unten) :  1.  unkennt- 
lich, 2.  Felsgeburt  des  M.,  3.  M.  auf  Felsen 
gelagert,  4.  M.  im  Kampfe  mit  Sol,  5.  M. 
dem  Sol  begegnend.  Rechts:  1.  M.  den 
Stier  ereilend,  2.  M.  den  toten  Stier 
schleppend,  3.  schreitender  Löwe  vor  ei- 
ner Cypresse,  4.  Versöhnung  des  M.  und 
Sol,  5.  M.  und  Sol  beim  Schmaus.  Alle 
diese  Darstellungen  sind  auch  anderveittc 
vorhanden,  mit  Ausnahme  des  vor  dem 
Baume  stehenden  Löwen. 

Der  obere  Fries  bietet  nur  am  linken 
und  rechten  Ende  mithraeische  Darstel- 
lungen; hier  sind  zwei  Mithraadiener  ic 
eiligem  Lauf  begriffen,  einer  mit  gesenk- 
ter, der  andere  mit  gehobener  Fackel,  m 
Hintergrund  ein  Gebäude  (wahrscheinlif- 
Mithraeum) ;  dort  die  bekannte  Szene :  M 
schiesst  einen  Pfeil  nach  dem  Himmel  ab . 
vor  ihm  kniet  ein  flehender  Mann,  eir 
zweiter  schaut  abgewandt  um  den  Veh- 
vorsprung  nach  dem  Himmel  zu.  Dieser. 
d.  h.  der  römische  Götterhimmel,  nimmt 
die  Mitte  des  Reliefs  ein  und  bildet  künst- 
lerisch den  Glanzpunkt  des  ganzen  Denk- 
mals. Zur  Rechten  des  sitzenden  Jupiter 
stehen  Mercur  und  Vulkan,  im  HintergrunJ 
zwischen  diesen  erscheint  ein  weiblicher 
und  ein  männlicher  Oberleib;  zur  I^inker 
Herkules,  Neptun  mit  aufgestütztem  Fiis- 
Bacchus  in  der  lässigen  Haltung  des  hir- 


—    230    - 


berinischen  Faims;  ans  seinem  Ruhesitz 
Ist  eine  riesige  Traube  entsprossen,  fast 
50  gross  wie  die  Schulterhöhe  der  rechts 
iavon  befindlichen  Fackelträger. 

Von  den  übrigen  Bildwerken  stehen  in 
näherer  Beziehung  zum  llauptdcnkmal  zwei 
Rehefs  von  annähernd  1  m  Höhe,  die  ver- 
mutlich zu  beiden  Seiten  desselben  an  der 
>üdwand  angebracht  waren.  Dargestellt 
»nd  wiederum  die  beiden  Fackelträger 
mit  erhobener  und  gesenkter  Fackel.  Der 
>orkel  der  einen  Tafel  trägt  eine  undeut- 
lich gewordene  Inschrift,  in  der,  wie  es 
scheint,  wieder  ein  Marceh(i)Hs  Marianus 
lenannt  wird.  —  In  nächste  Nähe  des  Kult- 
liilds  gehören  ferner  zwei  Altäre  mit  eigen- 
artigen Kapitellen,  ohne  Relief  und  In- 
schriften. Zwei  weitere  Altäre  von  ähn- 
licher Form,  die  wahrscheinlich  aut  den 
l^odicn  an  der  Wand  standen,  sind  mit 
llcliefs  und  Inschriften  versehen.  Auf  dem 
einen  ist  eine  stehende  weibliche  Figur 
larirestellt,  die  oberflächlich  eingeritzte 
Inschrift  nennt  als  Stifter  einen  M.  Tig- 
mtarius  (?).  Der  andere  ist  vorzüglich  er- 
halten, zeigt  eine  männliche  und  eine 
wrihlichc  Gottheit  (letztere  geflügelt)  mit 
verschiedenen  Attributen;  im  Felde  da- 
runter, in  ganz  flachem  Relief  einen  grossen 
Haben ;  oberhalb  der  Götterbilder  die  vor- 
ÄUijlich  erhaltene  Inschrift: 


DEO  •  SVCELLO- 
NANTOSVELTE- 
BELLAVSVS  MAS 
SEFILIVS-V-S-L-JW 


Ausser  einer  Reihe  fragmentarisch  er- 
haltener Weihreliefs,  Inschriften  u.  s.  w. 
l>leil>t  noch  eine  grosse  Vase  aus  Sand- 
stein zu  erwähnen,  die  im  Kultus  die  ge- 
heiligte Felsquelle  des  Mithras  vertrat. 

Im  Heiligtum,  bzw.  in  nächster  Nähe 
sind  nicht  weniger  als  276  Münzen  gefun- 
den worden,  die  in  dieser  Reichhaltigkeit  bei 
der  Untersuchung  durch  Hm.  Prof.  Wich- 
tnann  in  Metz  sehr  wichtige  Ergebnisse 
fiir  die  Datierung  des  Mithraeums  liefer- 
ten. Es  sind  sämtlich  Kupfermünzen,  und 
zwar  der  Mehrzahl  nach  Kleinerze.  Die 
IIau]>tmasse  gehört  dem  dritten  und  na- 
mentlich dem  vierten  Jahrhundert  (bis 
einschliesslich  Theodosius)  an. 


An  Metall  sind  sonst  nur  einige  geringe 
Reste  von  Schmucksachen  gefunden  worden. 
Auch  die  Funde  an  Thon-  und  Glasscherben 
sind  unbedeutend. 

Von  grossem  Interesse  ist  dagegen  ein 
männliches  Skelett,  welches  mit  gefessel- 
ten Handgelenken  unter  den  umgestürzten 
Blöcken  des  Hauptreliefs  lag ;  offenbar  das 
Opfer  derselben  Hände,  die  das  Heiligtum 
selbst  zerstörten. 

Die  f  unde  sind  seit  September  in  der 
hiesigen  Markthalle  untergebracht,  wo  die 
Zusammensetzung  jetzt  soweit  vorgeschrit- 
ten ist,  dass  sie  in  Bälde  nach  Metz  trans- 
portiert werden  können,  wo  sie  als  Reichs- 
eigentum  in   der  Sammlung   fles  Vereins 
für  lothr.  Gesch.  und  Altertumskunde  Platz 
finden  werden.     Die  Münzen  sind  durch 
Verfügung  der  zuständigen  Behörden  an 
die  Königlichen  Museen   in  Berlin   ü1>er- 
wiesen  worden. 
Saarburg  i.  L.       Dr.  E.  Wendung. 
Aus  der  Pfalz,  im  Dez.    [GrabhOgelffunde.]  109. 
Von  Obermosch el  ca.  '/*  Stunden  nach 
Norden  zieht  sich  auf  der  Wasserscheide 
zwischen  Alsenz    und  Nahe    die.  „Hoch- 
strasse** hin.    Hart  an  derselben  und  zwar 
südlich    erstreckt    sich     der     „Bauwald" 
von    Obermoschel.      In   demselben   liegen 
drei  Tumuli.     Der   erste   östliche,   misst 
24 :  25  m   Durchm.    bei   2   m   Höhe,    der 
zweite  westliche  hat  etwa  dieselben  Dimen- 
sionen, der  dritte  südliche  auf  12  m.  Durchm. 
ca.  1  m  Höhe.   —   Im   Lauf  des   letzten 
Oktobers  wurde  der  1.  und  3.  von  Pfarrer 
Christ  zu  Obermoschel  mit  Unterstützung 
von   Seiten    des   Berichterstatters   ausge- 
graben. —  Der  erste  war  schon  1878  von 
unberufener  Seite  „ angeschnitten*'  worden ; 
damals  fand  sich  ein  Armreif  aus  Bronze, 
der  in  die  Häode  von  Regierungsrat  Ulmer 
in  Speier  gelangte.    Man  musste  deshalb 
notgedrungen  hier  auf  die  Cohausen'sche 
Methode   Verzicht  leisten   und    sich   mit 
tiefen  Einschnitten  begnügen.  Unter  einem 
zusammengestürzten  Gewölbe,  das  aus  ein- 
gekeilten Findlingen  (Porphyrite !)  bestand, 
fand  sich  in  des  Ref.  Gegenwart  so  ziem- 
lich  in   der  Mitte  des  Hügels  und  zwar 
in  1  m   Tiefe    eine  grosse,    schalenartige 
Urne.    Sie  war  an   der  Aussenseite  glän- 
zend rot  (Mennig-   oder  Ockerfärbung!), 


—    231    — 

ebenso  an  der  Innenseite ;  der  Kern  schwarz. 
Durchm.  etwa  =  45  cm,  Höhe  =  15  cm. 
Das  Ornament  entbehrte  sie.   Sparen  kal- 
cinierter  Knochen   fanden   sich.      Vorher 
waren  in  1,60  m  Tiefe  nach  NW.  zu  fol- 
gende   Gegenstände     gefanden     worden: 
1)  ein  11  cm  langer,  an  der  Angel  2,5  cm 
breiter,     weidenblattförmiger    Bronze- 
dolch mit  scharfem  Mittelgrat,  kurzer, 
spitzer  Angel   and  4  Nietlöchern  (1  Niet- 
nagel ist  noch   erhalten).     Über  analoge 
Funde  vgl.  v.  Tröltsch :  „Fundstatistik  der 
vorrömischen  Metallzeit"  S.  52—53.  2)  Eine 
19  cm  lange  Gewandnadel ')  aus  Bronze, 
Kopf   eiförmig;    nach    einer    Einsenkung 
folgt  eine  zweite,  ellipsoidisch  gestaltete 
Anschwellung.    Verzierung  parallele  Kreis- 
linien.   Auch  diese  Form  ist  in  Süddeutsch- 
land häufig;  vgl.  V.  Tröltsch  a.  a.  0.   S. 
38—39.  •  3)  Die  Hälfte  eines  glatten  Arm- 
reifes  aus  Bronze   von  5,5  cm  Durchm.; 
Dicke    des    cylindrischen    Bronzedrahtes 
3—4  mm.    4)  2  schwarze  Feuersteinsplitter 
von  2,3    und  4  cm  Länge    auf  1,8   und 
3  cm  Breite.     5)  Ein  8  cm  langes,   1  cm 
dickes  'Stück   cylindrischen  Eisens,   her- 
rührend  von   einem   späteren  Armreif  (?), 
Rest  einer  römischen  Nachbestattung  (?). 
Der   zweite,    südlich    gelegene    Hügel 
wurde   auf  den  Rat  des  Ref.    nach   Co- 
hausen'scher  Methode   vollständig  ausge- 
gegraben.    Hier  fanden  sich  nur  Spuren 
eines  Bronzereifes.    In  der  Mitte  dagegen 
stiesB  man  in  Va  ™  Tiefe  auf  ein  Urnen- 
lager; dasselbe  bestand  aus  5  Stück,  von 
denen   zwei  ziemlich  erhalten   sind.    Die 
Urnen  standen  auf  dem  gewachsenen  Bo- 
den,   von    Feldsteinen    leicht    geschützt. 
Sämtliche    Urnen   waren    von    annähernd 
gleicher  Grösse:  Höhe  =  34  cm,  unterer 
Durchm.   =   10  cm,    oberer   Durchm.  = 
18  cm.     Von  den  5  Urnen  sind  4  rot  be- 
malt, 1  ist  schwarz.    Von  jenen  zeigt  die 
besterhaltene    folgende    Ornamentik    auf. 
Drei  parallel  laufende  Doppellinien  teilen 
das  Gefäss  in  4  Zonen:   die  oberste  zeigt 
eine  Linie  von  Doppelkreisen  mit  Central- 
punkt ;  die  zweite  zwei  aus  kleinen  Tupfen 
bestehende  Parallel linien ;  die  dritte  Dop- 
pelkreise, die  mit  je  2  senkrechten  Doppel- 

1)  Nicht  Haarnadel,   wie  man  bisher  vielfach 
unrichtig  angenommen  hat. 


—    232     — 

linien  abwechseln;   die  vierte  zwei,  alter- 
nierend stehende  Reihen  von  Doppelkreise 
mit  Centralpunkt.  —  Die  zweite  verzierte 
Urne  ist  schwarz ;  sie  ist  verziert  mit  fort- 
laufenden Zickzacklinien,    die  in  den  wei- 
chen Thon  eingeschnitten  sind.  Die  Fnrfber 
sind  mit  einer  weissen  Paste  ausgelegt  - 
Vgl.  die  in  Ornamentik  and  Technik  tm- 
logen  keramischen   Funde    von   Albsbeii 
a.  d.  Eis  und  des  V.'s  „Studien  z.  ältest»; 
Geschichte  der  Rheinlande''  7.  Abt  S.  K 
Auch  mit  diesen  Gefassen  waren  Bronj^i 
der  jüngeren  Bronzezeit,   besonders  zie 
Miniaturdolche,    vergesellschaftet.    —  li. 
den   Urnen    lagen   nach   Pfarrer    Christ 
Mitteilung   Asche    und    Knochenteile.  - 
Ausserdem  fanden  sich  im  südlichen  Hufe 
Feuersteinsplitter  und  zwei  Bernsteinperlc 
Der  Bernstein  ist  glänzend   rot.    —  Wr 
.  haben  hier  in  Steinpackung  Leichenbrin. 
und  Bronzen,  sowie  Gefässe  der  jäofc- 
ren  Bronzezeit,  die   in   der  Pfalz  bL«- 
her  nur  vom  Rande  des  Hartgebirges  ns- 
von  der  Rheinebene  ziemlich  gut  vertretet 
war.     Die  Grabhügelfunde  von  Ascfaba.* 
Potzbach,  Nanzdiezweiler,  Massweiler  n.  s  f 
gehören  der  älteren  Bronzezelt  an. 
Dr.  C.  Mehlis. 
Römische  Begrabnisstafte  und   rSfliiscber 
Nebenweg    bei    WInnenberg    im    Ffirsteotn 
Birkenfeld.    Von  dem  nördlich  von  Sonnes- 
berg auf  der  Hochfläche  gelegenen  Dör- 
eben   Winnenberg  zieht   sich    ostwärts 
eine  Schlucht  zur  Nahe   hinab,    die   de! 
Namen  „Teufelsgraben«   führt.    An  dcrr 
Nordseite  erhebt  sich  der  Wald  „Römer, 
durch  den  der  von  Niederbrombach   b: 
„ Hochkastell "  vorüber  kommende  ,  Römer- 
weg"   zur    Nahe   oberhalb    Hammersteis 
geht.    Seltsamerweise  wird  auf  der  amt- 
lichen Flurkarte  der  Flurweg,  der  ans  dem 
Dorfe  an  dessen  Nordseite  vorüber  in  die 
Nähe  des  Waldes  „Römer**  gebt,  al>er  rm 
diesem  endigt,   ebenfalls  „Römerweg**  ffe- 
nannt;  und  seine  Führung  in  geraden  Li- 
nien mit  zweimaliger  Brechung  in  scharfei 
Winkeln   würde   allerdings    zu    römischer 
Anlage  passen.    Zu  diesen  beiden  Wcgtn 
kommt   nun   ein   dritter,   der  zwar  nirht 
diesen  Namen  führt,   aber  durch  ändert* 
Umstände  eine  besondere  Aufmerksamkeit 
in  Anspruch  nimmt. 


—    233    — 

£r  geht  dicht  bei  der  Ostseite  von 
^Vinuenberg  jn  gerader  Liuie  nach  Süden, 
^"endet  sich  dann  mit  einer  dem  Zuge  der 
Höhe  entsprechenden  Biegung  nach  Osten 
uud  geht  so  über  die  höchste  FJäche  des 
l^ergrückens,  der  sich  an  der  Südseite  des 
,,Teufel8grabeus'^  zur  Nahe  hinzieht,  an- 
längs  über  Feld,  dann  durch  den  „Hof- 
niaiiuswald'%  und  zwar  in  auffällig  gerader, 
langer  Linie,  die  vor  dem  genannten  Walde 
bei  der  „Sandkaul^*  eine  ganz  schwache 
Brechung  hat.  Dabei  zeigt  dieser  Weg 
eiue  dichte  Steinung  mit  meist  ungefähr 
faustdicken  Steinen  an  der  jetzigen  Ober- 
Hache.  Die  Hauten  von  ähnlichen  Steinen, 
^' eiche  im  Walde  in  der  Gegend  der 
,,Liehmkau^*  an  der  Seite  des  Weges  liegen, 
scheinen  von  Stellen,  wo  diese  Steinung 
zerstört  war,  zusammengebracht  zu  sein. 
Au  einer  Stelle  aber,  an  welcher  diese 
obere  Steiuschicht  fehlt,  tritt  eine  geschlos- 
sene untere  Schicht  von  schweren  Steinen 
(ein  PÜaster)  zu  tage.  Die  Breite  des 
Steiukörpers  des  Weges,  dessen  ursprüng- 
liche Decke  längst  abgenützt  zu  sein  scheint, 
beträgt  etwa  2^J2  m.  Die  Steinung  ist 
uicht  mehr  zu  erkennen  jenseits  der  er- 
wähnten, an  die  Südseite  des  Weges  an- 
stossenden  „Lehmkaur^;  und  dass  die 
sorgfaltige  Weganlage  wirklich  in  dieser 
Gegend  endigte,  dafür  spricht  auch  der 
Umstand,  dass  die  bis  dahin  so  scharf  ge- 
zogene gerade  Linie  ebenfalls  gleich  hinter 
der  Lehmkaul  aufhört  und  von  da  ab  die 
ganze  Gestalt  des  Weges,  der  nachher  mit 
Windungen  an  der  sehr  steilen  Bergwand 
bei  der  Nahe  hinabgeht,  die  eines  gewöhn- 
lichen Waldweges  ist. 

Der  kurze  und  schmale,  aber  mit  ver- 
hältnismässig grossem  Aufwand  angelegte 
Kuustweg  war  bisher  nicht  beachtet  wor- 
den, bis  in  seiner  Nähe  an  der  südlichen 
Seite  des  Bergrückens,  bei  einem  vor  der 
„Sandkaul**  sich  abzweigenden  Flurwege, 
in  dem  Flurbezirk  „Schachensrech"  ein 
rumisches  Gräberfeld  von  nicht  eben  grosser 
Ausdehnung,  wie  es  scheint,  entdeckt  wurde. 
Es  fand  sich  nämlich  da  im  Oktober  1894 
beim  KartofFelgraben  nahe  der  Oberfläche 
eine  Aschenkiste  aus  hellgelbem  Sandstein, 
43  cm  1.,  35  cm  br.,  22  cm  h.,  von  ziem- 
lich regelmässiger  Form,  aber  rauh  gear- 
beitet,  deren   Deckel   längst   darch   den 


—    234    — 

Pflug  abgeschoben  zu  sein  scheint.  Da- 
neben stand  ein  römisches,  einhenkliges 
Grabkrüglein  von  gelblichem  Thon,  19  cm 
hoch,  ,18  cm  weit,  und  ein  flacher  Napf 
von  grobem  Thon  und  plumper  Form,  ohne 
Drehscl^eibe  gearbeitet  und  mit  einem 
Buckel  an  einer  Stelle,  der  offenbar  weder 
zur  Verzierung,  noch  zu  einem  praktischen 
Zwecke  gedient  hat.  Ausserdem  fanden 
sich  in  einiger  Entferniwg  auf  der  Ober- 
fläche des  frisch  umgearbeiteten  Ackers 
Scherben  einer  römischen  Urne  von  blau- 
grauem Thon  und  feiner  Form.  Eine 
weitere  Nachgrabung  hat  nicht  stattgefun- 
den. Das  grobe  Gefäss  wird  wohl  nicht 
zu  der  Annahme  berechtigen,  dass  der 
Begräbnisplatz  auch  schon  in  vorrömischer 
Zeit  benützt  worden  ist ;  vielmehr  wird  eine 
solche  Mischung  von  gröberen  Thonge- 
schirren  mit  römischen,  wie  sie  auch  sonst, 
z.  B.  auf  dem  Urnenfriedhof  bei  Burg- 
Birkenfeld  und  dem  unterhalb  Kirn  be- 
gegnet, so  zu  erklären  sein,  dass  in  rö- 
mischer Zeit  neben  römischen  Gefässen 
auch  noch  Erzeugnisse  einer  einheimischen, 
roheren  Töpferei  für  den  gewöhnlichen 
Gebrauch  verwandt  wurden. 

Die  römische  Begräbnisstätte  und  der 
gesteinte  Flurweg  lassen  mit  Sicherheit 
auf  eine  in  der  Nähe  befindliche  römische 
Ansiedlung  schliessen,  wohl  eine  Meierei, 
auf  welche  der  „Winneberger  Hof*,  des- 
sen Wohnhaus  und  ehemalige  Schäferei 
noch  stehen,  zurückgehen  dürfte.  Der 
Hof,  der  jetzt  zum  Dörfchen  geworden  ist, 
hat  eine  sehr  günstige,  zugleich  freie  und 
nach  Norden  geschützte  Lage  in  der  Nähe 
eines  guten  Brunnens.  In  geringer  Ent- 
fernung westlich  von  Winnenberg  geht  die 
alte,  nach  römischer  Weise  angelegte 
Höhenstrasse  von  Alienbach  nach  Frauen- 
berg vorüber,  bei  deren  Kreuzung  mit  dem 
grösseren  „Römerweg"  im  nordwestlichen 
Winkel  der  Flurbezirk  „auf  dem  Hoch- 
kastell" liegt.  Der  römische  Begräbnisplatz 
und  das  Seitensträsschen  liefern  einen  neuen 
Beweis  dafür,  dass  das  Gebirgsland  bei  der 
oberen  Nahe  in  viel  ausgedehnterem  Masse 
römischer  Kultur  erschlossen  war,  als  der 
bis  vor  kurzem  herrschenden  Meinung 
entspricht. 

Birkenfeld,  F.  Back. 


—    235     - 

111.        Baldringen  (bei  Niederzcrf,  Hochwald). 
[Rtfmischer  MOnzfund.]    Wie  ich  schon  in 
meinem  Berichte  in  Nr.  17  dieses  Blattes 
am  Schlüsse  kurz  angedeutet  habe,  ist  bei 
den  Ausgrabungen  des  Trierer  Prounzial- 
museums   bei  Baldringen   ein  Münz f und 
von  119  Mittelerzen   zwischen  einigen 
Hausteinen   gemacht  worden.     Dia  Fund- 
umstände, namentlich  das  Fehlen  von  Resten 
eines  Gefässes  oder  sonstigen  Behältnisses, 
die    geringe  Anzahl,    sowie   der  gänzliche 
Mangel  an  Münzen  von  Edelmetall  sprechen 
dafür,  dass  es  sich  um  einen  zufallig  ver- 
lorenen Betrag,  nicht  um  einen  vergrabe- 
nen  Münzschatz   handelt,     Von   den  119 
Münzen   gehören   36   dem  Magnentius,    5 
dem  Decentius,   die  übrigen  78  dem  Con- 
stantius  II   an.      Ich   hielt   mit   der  Ver- 
öffentlichung dieses  Fundes  absichtlich  zu- 
rück, in  der  Hoffnung,  durch  eine  genauere 
Behandlung  desselben  im  Zusammenhang 
mit  den  übrigen  Münzen  der  betreffenden 
Kaiser  und  Usurpatoren  die   von  Hettner 
im  VI.  und  VII.  Bande  der  Westdeutschen 
Zeitschrift  (S.  1 19  ff.  bz.  S.  1 17  ff'.)  aufgestellte 
Chronologie  ein  Stück  weit  fortführen  zu 
können.     Es  scheint  mir  aber  nun  bei  dem 
gegenwärtigen  Stand  unserer  Kenntnis  der 
Münzen  dieser  Zeit  noch  nicht   möglich, 
sichere  Resultate  zu  gewinnen,  weshalb  ich 
mich  entschloss,  den  Fund  der  öffentlichen 
Kenntnis  nicht  länger  zu  entziehen. 

Sämtliche  Stücke,  die  dem  Magnentius 
und  Decentius  gehören,  tragen  die  Hevers- 
legende  Sahis  1)1)  nn  Aug  et  Caes,  wäh- 
rend die  sämtlichen  Stücke  des  Con- 
stantius  II  die  liegende  Salus  Aug.  nostri 
zeigen.  Die  Reversdarstellung  sämtlicher 
Münzen  ist  das  Monogramm  Christi  zwi- 
schen A  und  (X).  Die  Averse  des  Magnen- 
tius zeigen  die  Büste  im  Paludament  nacli 
rechts  ohne  Schmuck  und  die  Umschrift: 
1).  n.  Magnentius  p.  f.  Aug.,  die  des  De- 
centius eine  ebensolche  Darstellung  mit 
der  Umschrift :  D.  n.  Decentius  fort.  Caes. 
Die  Constantiusaverse  zeigen  die  Kaiser- 
büste im  Paludament  nach  rechts,  teils  mit 
Perlschnur,  teils  mit  Diadem  und  D.  n. 
(hnstantius  p.  f.  Aug. 

In  der  folgenden  Tabelle  bedeutet  P 
=  Perlschnur,  D  =  Diadem.  Nach  den 
Münzzeichen  verteilen  sich  die  Münzen 
folgendermassen : 


Magn. 

236     - 
Dec. 

Const. 

"tKF 

18 

1 

-- 

2  (V) 

"Trs" 

« ! 

1 

1 

1  d'; 

TRP 

5 

— 

— 

TRS- 

2 

2 

— 

TRP// 

— 

1 

— 

"trF 

19 
(15  P  und  41» 

JW* 

— 

1«     i 

(9  P  und  1  U 

TRP* 

— 

— 

1  (P,. 

1 

"trs^ 

— 

— 

17  (P 

TR//// 

— 

1  (D. 

Un-       1      „ 
bestimmt ' 

1 

26  (P< 

Dazu  kommen  noch  zwei  Stücke,  n 
lieh  eines  des  Constantius  II  mit  I' 
schnür,  worauf  unter  dem  Monoirr.4 
Christi  ein  liegendes  A  (<j)  erscheint, 
augenscheinlich  verprägtes  Stück,  und  ♦- 
des  Magnentius  mit  umgekehrtem  ^ 
im  Namen  und  dem  Revers  gALVg  D(  '* 
AVG  ET  CAES,  einem  ven^rägten  M 

gramm  und  dem  Prägevermerk         ' 

Sichere   Schlüsse    wird    man    au«; 
Zusammensetzung  des  Fundes    bei   s- : 
geringen  Menge  nicht  ziehen  können.  .• 
das    grosse   Vorwiegen    von '  Constan' 
münzen   mit  dem  zweifellos  auf  eine  - 
tere   Emission  hindeutenden  Zeichen 
Sternes   und    das  gänzliche  Fehlen  di« 
Zeichens  auf  den  Stücken  des  Magnei. 
und   Decentius    dürfte    darauf   binde)  * 
dass   der  Salusrevers   ganz   am  End»- 
Tage  der  beiden  Usurpatoren  geprh'jt 
unter  Constantius  Alleinherrschaft  für 
nächste  Zeit  noch  beibehalten  wurde.    I 


—    237     — 

Münzfund  wird  also  wohl  im  Jahre  354 
verloren  gegangen  sein.  Die  Stellung  des 
JSternes  über,  neben  oder  unter  dem  Ab- 
schnittstrich bei  den  betreffenden  Münzen 
des  Constantius  deutet  wohl  nur  auf  Ver- 
schiedenheit der  gebrauchten  Stempel, 
nicht  auf  verschiedene  Emissionen  hin, 
docli  glaubte  ich  auch  diese  Abweichungen 
angeben  zu  sollen. 
Trier.  Dr.  Lehn  er. 


Chronik. 

Von  den  Vierteljahrsheften  des  XIV.  Jahr- 
ganges der  Westdeutschen  Zeitschrift  ent- 
hält lieft  1  einen  Aufsatz  von  A.  v.  Do- 
maszewski:   Die  Religion  des  römischen 

Heeres,  mit  5  Tafeln. Heft  2:  Chr. 

L.  Thomas:  Die  Bingmauem  auf  dem 
Goldgruben-  und  Dalbesberge  in  der  hohen 
Mark  im  Taunus  (hierzu  Taf.  VI);  Ja- 
cobi:  Grenzmarkierungen  am  Limes.  Er- 
gebnisse der  im  Jahre  1894  im  Taunus 
erfolgten  Untersuchungen  (hierzu  Taf.  VII 
-XIII);  F.  Lau:  Beiträge  zur  Verfassungs- 
geschichte der  Stadt  Köln;  J.  Hansen: 
Komische  Nuntiaturberichte  als  Quellen 
zur  Geschichte  des  Kölnischen  Krieges 
(1576—1584);  H.  De tmer:  Zur  Geschichte 
der  Münsterschen  Dombibliothek.  —  Heft  3 : 
R  Gothein:  Zur  Geschichte  der  Bhein- 
^chiifahrt;  J.  Müller:  Der  Konflikt  Kaiser 
Rudolfs  II  mit  den  deutschen  Beichsstädten ; 
U.  v.  II  eine  mann:  Ein  zeitgenössisches 
[.Gedicht  von  Franz  von  Sickingen;  P.  Leh- 
"cldt:  Anzeige  der  „Kunstdenkmäler  der 
Iheinprovinz"  v.  P.  Giemen  II.  Bd.  1.  2.  3. 
—  Heft  4:  F.  Lau:  Beiträge  zur  Ver- 
hssungsgeschichte  der  Stadt  Köln ;  E.  Aus- 
cldt:  Der  Königszug  von  Mainz  nach 
'oblenz  am  17.  u.  18.  März  842;  P.  Leh- 
eldt:  Anzeige  der  „Kunstdenkmäler  der 
theinprovinz"  von  P.  Giemen  III  Bd.  1.  2. 
luseographie  über  das  Jahr  1894. 

anz,  Ostfriesland  und  die  Niederlande  zur  Zeit 
der  Begentschaft  Alba's  1567  bis  167S.  Emden 
1895.  (Sonderabdrack  ans  d.  Jahrb.  d.  Ge- 
sell sohaft  fflr  bildende  Kunst  und  vaterlän- 
dische Altertümer  au  Emden). 

Das  Buch  enthält  die  Schilderung  einer 
e wagten  Zeit.  Die  Geschichte  der  Graf- 
;haft  Ostfriesland  in  den  Tagen  Albas 
iigt   das  Streben  der  Regierung,  neutral 


—    238    — 

zu  bleiben  unter  den  wilden  Kriegsstürmen, 
welche  die  benachbarten  Niederlande  durch- 
tobton.  Es  war  daher  der  Gegenzug  der 
spanischen  Politik  dalün  gerichtet,  diesen 
Zuduchtsort  den  Wassergeusen  abzuschnei- 
den, indem  sie  unter  dem  Beistande  des 
Reiches  die  ostfriesischen  Grafen  in  den 
Krieg  mit  den  Feinden  Spaniens  hinein- 
zwang.  Das  Aufkommen  und  Erstarken 
der  Wassergeusen  steht  im  Vordergrund 
des  Interesses ;  das  schwankende  Verhalten 
Oraniens  und  der  europäischen  Gross- 
mächte zu  diesen  wilden  Seeräubern  wird 
klargelegt.  Der  Verf.  legt  eine  ausgebrei- 
tete Kenntnis  der  Quellen  an  den  Tag  und 
hat  es  verstanden,  aus  ihnen  ein  lebendiges 
Bild  der  Personen  und  der  Geschehnisse 
zu  gewinnen.  n. 

Ekrenberg»    Hamburg    und   England   im   Zeitalter  114. 
der  Königin  Elisabeth.    Jena  1896. 

Das  mit  grossem  Verständnis  imd  vielem 
Fleisse  gearbeitete  Werk  bildet  einen  sehr 
wertvollen  Beitrag  zur  Handelsgeschichte 
des  16.  Jhdts.  Es  erweist,  wie  dem  plan- 
mässig  vordringenden  Wettbewerb  der  eng- 
lischen Merchant  Adventurers  der  deutsche, 
spez.  der  hansische  Handel  erliegen  musste. 
Die  Geschichte  der  englischen  Handels- 
niederlassung in  Hamburg  (und  Stade) 
wird  eingehend  klargelegt,  namentlich  der 
Handelsbetrieb,  der  durch  interessante 
statistische  Beilagen  erläutert  wird.  Von 
Interesse  ist  namentlich  auch  die  Charak- 
teristik, welche  E.  von  dem  Hansesyndikus 
Dr.  Heinrich  Suderman  entwirft.         n. 

Rehme,   Das  Labecker  Ober-Stadtbuch.    Ein  Bei-   115. 
trag  aur  Geschichte  der  Böchtsquellen  und 
des    Liegenschaftsrechts.      Mit    einem    Ur- 
kundenbuohe.    Hannover  1895. 

R.  erörtert  vom  juristischen  Stand- 
punkte aus  das  Grundbuchwesen  Lübecks 
systematisch  und  in  erschöpfender  Weise. 
Eine  entsprechende  Bearbeitung  des  Kölner 
Schreinswesens,  aus  dem  bisher  nur  Gob- 
bers  die  Erbleihe  herausgegriffen  hat,  wäre 
sehr  erwünscht.  Trotz  der  vielen  Ana- 
logieen,  welche  die  Kölner  Entwicklung 
zeigt,  weist  der  Verf.  (S»  103)  eine  Ein- 
wirkung des  Kölner  100  Jahre  früher  ein- 
setzenden Grundbuchwesens  auf  die  Lü- 
becker Einrichtung,  die  von  anderer  Seite 
behauptet  worden  war,  aus  inneren  Grün- 
den zurück.  n. 


116.  In  dem  V.  Jahrbuche  der  Gesellschaft 
für  Lothringische  Geschichte  und  Alter- 
tumskunde (Metz  1893)  berührt  Glnther 
Voigt  in  einem  Aufsatze  über  Bischof 
Bertram  von  Metz  S.  84  -die  Einrichtung 
der  Schreinspraxis  in  Metz,  welche  durch 
den  genannten  Bischof  i.  J.  1197  bestätigt 
wurde;  weil  Bertram  früher  I&ngere  Zeit 
als  Kanonikus  an  St.  Gereon  in  Köln  ge- 
lebt hatte,  schreibt  V.  ihm  das  Verdienst 
der  Einführung  des  Schreinswesens*  in^Metz 
zu.  In  der  That  sind  die  äussereu  Grund- 
züge  des  Instituts  dieselben  wie  in  Köln: 
Gliederung  nach  Pfarrbezirken,  Aufbewah- 
rung der  Schreine  in  den  Pfarrkirchen 
unter  der  Obhut  *fder  Amans,  welche  den 
Kölner  Amtleuten  entsprec*>?n.  n. 

Miscelianea. 

117.  Ein  Verzeiclinit  der  KOIner  Richerzeche  (9.  Au- 
gust 1389—9.  August   1391),   zugleicli    ein 

Beitrag  zur  Ergänzung  des  'Neuen  Buclies*. 

Dit  synt  die  heyrren,  de  yrre  ampt 

verdient»)  haint. 

1)  Her  E verhart  Hardevuyst  der 
alde^) IUI 

2)  Her  Everhart  vam  Huntgyne ')       X 

3)  Her  Heinrich  Hardevuyst  rit- 
ter») IUI 

4)  Her  Heinrich  vain  Stavei»)    .       V^) 

5)  Her  Costin  van  Lyskirchen  zo 
Mirwilre*) XII 

6)  Her  Hilger  van  der  Stessen  b)       b)  c) 

7)  Her  Heinrich  van  Cuesin  der 

aide Vld) 

8)  HerCostynupdemHeumarte*)    XII 

9)  Her  Herman  Scherfgin«)  .    .        I 

10)  Her  Johann  van  Troyen  ^)    .  VIII 

11)  Her  Remholt  Scherfgin«)  V 

a)  andeatlioh.  —  b)  Name  und  Zahl  durch- 
btrichen.  —  c)  Zahl  unleserlich.  —  d)  Zahl  un- 
deutlich, vielleicht  YII. 

1)  Abgegangener  Bürgermeiater  1372  Aug.  18 
(Mittwüchs-Bentk.  Ausgb.  71). 

2)  Bürgermeister  1373  Jan.  10  (i^uellen  V  nr.  8). 

3)  Ebenso  1874  Mai  8  ((Quellen  V  nr.  53). 

4)  p:bento  1375  März  31  (Urk.  nr.  2908). 

5)  Ebenso  1378  April  28  (Mittw.-R.  1.  c). 

6)  Abgegangener  Bürgermeister  13711  Oct.  26 
(1.  c). 

7)  Bürgermeister  1379  Aug.  13  ((Quellen  V 
nr.  230). 

8)  Ebenisu  1380  April  1  (ürk.  nr.  3308). 


e)  ohne  Zahl.  —  f)  Zahlen  aneradiert.* —  g)  d^t 
Name  Heinrich  ausradiert.  —  h)  Alle  mit  einru 
Sterne  bexeiohneten  Namen  sind  in  der  Hs.  darch- 
strichen.    —    i)  Verbessert  aus  n»yn*. 


9)  Bexeiohnet  als  olim  magister  civium  1394 
Juli  9  (QueUen  VI  nr.  169). 

10)  Bargermeister:  1388  Des.  4  (QaeUen  V 
nr.  288). 

11)  Ebenso. 

!2)  Bürgermeister  1383  Nov.  16  (Urk.  nr.  357i» 

13)  Bezeichnet  als  olim  magister  civium  IS94 
Juli  9  (Quellen  VI  nr.  159). 

14)  Bürgermeister  1390  Sept.  5  (Bat  BriefeioK 
nr.  248)  vergl.  ib.  nr.  186  (1887  Oct.  13). 

15)  Bürgermeister  13HS  Oct  10  (Urk.  nr.  3566 •. 

16)  Ebenso  1389  Märe  1  (Urk.  nr   407g). 

17)  Dietrich  vom  Home,  Abt  von  lir.  St.  Mar 
tin,  starb  12.  Dexember  1397  (Kessel.  Antiquiut'» 
Mon.  St.  Mariini  S.  149) 


—    240    — 

12)  Her  Werner  van  der  Aducht »)    Vü 

13)  Her  Pliilips  Scherfgin  ...       V 

14)  Her  Everhart  Hardevu^'st  der  i 
junge  »<>) III         ' 

15)  Her  Lufart  van  Schiderich  b)  ")  IIU  *>       | 

16)  Her  Johan  vam  Home*»)  .     .  II (V^^ 

17)  Her  Mathys  van  Spiegel ")   .  * 

18)  Her  Johan  Oy verstoütz b)  Uh. 

19)  Her  Heinrich  Har[devu]y8t  **>       11 

20)  Her  Johan  van  Eiferen     .     .  ^ 

21)  Her  Goehel  van  der  Eren  ^ 

22)  Her  Goedart  Gyrb)      .     .     .      f>.'j. 

23)  [f.  Ib]  Her  Johan  Birckelin  b)  i*)       I 

24)  Her  Johan  Scherfgin ")    .     .  ' 

25)  Her  Heinrich  vam  Cuesin  der 
junge I 

26)  Her»)  Lodowich  Juede*«)  I 

27)  Her  Koelkin  van  der  Eren   .         I 

[f.  2a]  Dit  synt  die  un verdiende  ainpte. 

1)  Herr  Johan  Schertgin  der  Kartuser  *  b 

2)  .  Benyngna  vam  Huntgyn,   nunne  zr> 
Seyne. 

3)  Elsa  Schoynweiders,  nunne  zo  Ander- 
nach. 

4)  Maria  Quattermartz,  nunne  zu  Wier*. 
ö)  .  Stina,  Heinrich  Jueden  doichter. 
6)  .  Heinrich  Kost. 

.7)  .  .  Gertruydt  Segelmarie*. 

8)  Johan  Fust*. 

9)  .  Johanna  vam  Spiegel. 

10)  .  Richmoit  yr  i)  suster,  nunne  zo  seni 
Agathen. 

11)  .  Bela  yre  suster  van  Aichge. 

12)  .  Blytza  yre  suster.  | 

13)  .  Her  Diederich,  abt  zo  sent  Mertin  ^' 


^    241    — 

14)  .  Aleit  vam  Home,  nunne  zo  Wier*. 

15)  .  Beatrix,   vre  suster,  nunne  zo  sent 
Mauriclas. 

16)  .  Elisabeth,  Costin  Greven  wyff. 

17)  Aleit,  yre  suster  zo  Lanquaden*. 

1 8)  Elisabeth  vam  Jueden,  nunne  zo  sent 
Gertruyt*. 

19)  .  Nesa  vanme  Jueden»'),   yre  suster. 

20)  .  Mathys  onder  der  burgerhuys  "). 

21)  .  Johan  Wyroich,  syn  neyve"). 

22)  .  Goiswin  van  Birckestorp. 
28)  Johan  Keiner*. 

24)  .  Benyngna   vam   Cuesyn,   nunne   zo 
Wier. 

XXIill. 

25)  .  .  [f.  2b]  Johan  vam  Heuberge*. 

26)  .  Mathys  vam  Home. 

27)  Druda  Overstoiltz,  nunne  zo  Wier. 

28)  .  Yda,  yre  suster,  nunne  zo  Meichteren. 

29)  Vrauwe  Loppa  vam  Stave*. 

30)  .  Vrauwe  Greta  Gijrs. 

31)  .  Paza,  Sander  Jueden  wyif. 

32)  .  Catherina,    yre    suster,    nunne    zo 
Burbach. 

33)  .  Her  Aylff  vam  Hirzezo  sent  Severyne. 

34)  .  Cirstiaem  Eympgin*»). 

35)  .  Ailka,  syn  wyff. 

36)  .  Aylff  van  Urbach*. 

37)  .  Johan  Vetschoilder "). 

38)  .  Reynart  Quentin"). 

39)  Vrauwe  Bela  vam  Cuesyn*. 

40)  .  Her  Tielman  yre  sftn. 

41)  .  Everhart  van  Poilheim*. 

42)  .  Bichmoit  Oyverstoiltz. 

43)  .  Greta  van  Wippervurde. 

44)  .  Her  Tielman  van  Troyen. 

45)  Her  Johan  van  Gymnich*. 

46)  .  Everhart  Walrave*"). 

47)  .  Conradus  der  Apteker*. 

48)  Johan  Groitenroide  *. 


k)  vanme  Jueden  über  der  Zeile. 


18)  Mathias  aubtus  domum  civium  wird    1375 
Sept.  26  genannt  (Mittw.-Rentlc.  1    c.)- 

19)  =?  Johann   Wyrich   von   Hirt«velt  (Urk. 
ur.  5515). 

20)  Christian  Eyiugijn,  Amtmann,  1S88  Jan.  15 
(Urk.  nr   3938)   und   1391  Juni  18   (Urk.  nr.  5268). 

21)  Johann  Vetacholder,  Amtmann,  1378  Sept  23 
(Urk.  nr.  318  5). 

22)  Reinhard  (^uentin,  Amtmann,  1390  Nov.  6 
(Urk.  nr.  4315). 

23)  Ein  Everhart  Walrave  wird  1391  April  23 
(Urk.  nr.  4351)  aU  städtischer  Söldner  erwähnt. 


—    242    — 

49)  Mathys*  und 

50}  .  Johan,  syne  soene. 

XXVI. 
51)  .  [f.  3a]  Philips  van  der  Dannen. 
.52)  .  Johan,  syn  sftn. 

53)  .  Bernart,  syn  sun. 

54)  .  Nesa,  syne  doichter. 

55)  .  d. ')  Peter  Plock. 

56)  Vrauwe  Bela  van  der  Landtzkronen. 

57)  Fj-a,  yre  doichter,  nunne  zo  Meichteren. 

58)  .  Wilhelm  van  Briseke. 

59)  .  Druda  Brubachs. 

60)  .  Bela  van  Mommersloch,  nunne  zo 
Wier. 

61)  .  Johan  van  Caster. 

62)  Bruyn  Vloegel*. 

63)  Richolif  van  Franckenvort. 

64)  .  Micheel  Francke"). 

65)  .  Micheel  |  ^^^^^^ 

66)  .  Styna      /    ^ 

67)  .  Winrich  van  Ouxheim. 

68)  .  Heinrich,  syn  sun. 

69)  Wolff  van  Glesch*. 

70)  Alflf,  Bruwer  van  Roide. 

71)  .  Engilbrecht  van  der  Dftven. 

72)  .  Johan  van  Romftnde. 

73)  .  Johan  van  Aichge,   Paulynen  man. 

74)  .  Goebel  van  der  Dutten*. 

XXIIII. 

75)  .  [f.  3b]  Guetgin  vam  Jueden. 

76)  .  .  Claes  Empgin*. 

77)  .  Werner  Panthaleoin. 

78)  .  Gerard  van  der  Hoisen  der  junge. 

79)  .  Everhart  Dais. 

80)  .  Gerart,  syn  sftn. 

81)  .  Goebel  vam  Raede. 

82)  .  Herman  van  der  Arken. 

83)  .  Herman,  syn  sftn. 

84)  .  .  Cono  van  Mauwenheim*. 

85)  Steffaen  Mftysgin*. 

86)  .  Diederich  van  Guilge. 

87)  .  Tielman  Buntwoerter. 

88)  .  Tiele,  syn  sftn. 

89)  .  Heydenrich  Oyverstoiltz. 
m)  .  Goedart>an  Elmpt"). 


1)    Vor    dem    Namen  steht    ein    d- ähnliches 
Zeichen,  vielleicht  als  dominus  aufBulösen. 


24)  Ein  Michael  Franke   kommt  1391  Febr.  4 
(Urk.  nr.  4889)  vor. 

25)  Ein  Godart  von  Elropt  wird  als  städtischer 
Söldner  1376  Sept  9  (Urk.  nr.  8009)  genannt 


243 


244    — 


91) 

92) 
93) 
94) 
95) 
96) 
97) 
98) 
99) 

100) 

101) 
102) 
103) 
104) 
lOo) 
10«) 

107) 
108) 
109) 
110) 
111) 

112) 

113) 
114) 
115) 
116) 

117) 
118) 
119) 
120) 
121) 
122) 


123) 

124) 
125) 
126) 
127) 
128) 
129) 


.  Nesa  vam  Ilirze,  nunne  zo  Mech- 

teren  *. 

.  Heinrich  van  sent  Mertyne. 

.'Johan  van  der  Roisen. 

.  Benyngna  van  der  Po,  nunne  zo  Wier« 

.  Vrauwe  Metza  van  der  l*o. 

Fia^.yre  juniFer. 

Her  Johan,  yr  sün*. 

Johan,  AmbrosiÜms  sün. 

:  Johan  Birckelin. 

XXV. 
.  [i\  4a]  Grete  Birckelyns,   nftnne  zo 
Burbach. 

.  Peter  van  Tiedenhoyven*. 
Lambrecht  van  Triebt*. 
.  Johan  van  Düren. 
.  Johan,  syn  sün. 
.  Heinrich  Appelman. 
.  Peter,  syn  sün. 

XXX. 
Johannes  Keppeler*. 
.  Hilla,  syn  wyff. 
.  Rembolt,  yre  sün. 
.  Druda,  Herman  Jueden  doichter. 
Fia,  heren  Werners  doichter  van  der 
Aducht*. 

.  Elisabeth,  yre  suster,  nunne  zo  sent 
Mauricis*. 

.  .  Johanne,  yre  suster*. 
.  .  Catheryne,  yre  suster*. 
.  Druda,  yre  suster*. 
.  Stina"»)  van  der  Eren,   nunne  zo 
sent  Aghaten*. 

.  Hermann)  van  Huchelhoven*. 
.  Johan,  syn  broider. 
.  Drude,  syn  suster. 
.  Herman  van  Heymbach. 
.  Herman,  syn  sun. 
.  Meister  Symon  van  den  Vrauwen- 
broederen. 

XXXIII. 
[f.  4b]  .  Heinrich  Fincke. 
.  Gerart  Foegel  van  Wesel. 
.  Costyn  Panthaleoen*. 
.  Conrait  Moelensteyn*. 
.  Werner  van  Vrisingen. 
.  Servaes. 
.  Costyn  Panthaleoyn  der  junge  *•). 


m)  „Stina"  über  der  Zeile  für  gestr.  Catherine. 
—  n)  ebenso  für  gestr.  Arnold. 

26)  Costyn  Pantaleon    der  j.,   Amtmann   (1385 
Mai  80  <Urk.  8666  OB.). 


130)  .  Johan  Wychman. 

131)  .  Heinrich  Wichman"). 

132)  .  Johan  van  der  Duven. 

133)  .  Johan  van  Hürde. 

134)  .  Alke  van  Dorpmunde. 

135)  .  Zelis  van  Orsoyen"). 

136)  .  Johan  van  Kleberg. 

137)  .  Peter  van  Walde. 

138)  .  Catheryna,  syn  suster*. 

139)  .  Johan  der  goiltsmyt  vam  Iloene'*!. 

140)  .  Jacob  van  Ryngberg'®). 

141)  .  Coynrait  van  Randenroide. 

142)  .  Johan,  syn  sun. 

143)  Coynrait  van  dem  Buchel*. 

144)  .  Gerart  van  Odendorp. 

145)  .  Her  Johan  Scherfgin*. 

XXIH. 

146)  [f.  5a]  .  Her  Gerart  Scherfgin. 

147)  .  Peter  Schelbume. 

148)  .  Diederich  von  Odendar. 

149)  Herman  Zeuwelgin. 

150)  .  Mannus  van  Hemcrshem *,**). 

151)  .  HerJobanBlomenroitzosentMertixi 
152;  .  Blytze  van  Schallenberg. 

153)  .  Blitza  Overstoiltz  zo  den  Wyssen- 
vrauwen. 

154)  .  Ida,  yre  suster. 

155)  .  Sypgin  van  der  Wyden. 

156)  .  Goebel  van  Lynghe. 

157)  .  Heinrich  van  Hesen. 

158)  .  Cirstiaen  Vlaes"). 

159)  Ida,  Ecene  toelners  wyf*. 

160)  .  Jacob  van  Seendorp. 

161)  .  Franke  Losschart. 

162)  .  Goebel  van  Eppendorj). 

163)  .  Werner  van  Haue. 

XXX. 

164)  Arnolt  van  Bunne  Cruder*. 

165)  .  Gerart  vam  Sterren. 

166)  .  Druda  vam  Jueden    by  sent   I*an- 
thaleoyn. 

167)  .  Johan  van  Andernach'*). 


27)  Ein  Heinrich  Wychman  wird  in  Gelder 
Bchftften  1S8S  Des.  9  (Urk.  nr.  3579)  nnd  15bS 
Mai  5  (Urk.  nr.  8978)  genannt. 

28)  Genannt  1380  Oct.  29  (Schreinsb.  3&6). 

29)  -=?  Joh.  vom  Hoyre  alias  von  Malbeim, 
Goldschmied,  1882  Mai  5  (Urk.  nr.  8158),  13S4 
Nov.  8  (Urk   nr.  8687). 

30)  Amtmann  1395  Jan.  16  (Urk.  nr.  5401). 

31)  Nach  dem  Namen  wohl  Kweifelloa  ein  Jud« 
82)  Christian   Vlaess    grandeie    1880   Des.   23 

(Quellen  V  nr.  252)  eine  Handelsgeeellachaft. 

33)  Goldschmied  1396  Nov.  10  (Quellen  VI 
nr.  284). 


-"    245    — 


—    246    — 


des  vurs.  Conra- 
dus  kiadere. 


168)  .  Conradus  van  Keyserswerde '*) 
1«9)  [f.  obj  .  Johan 

170)  .  Conradus 

171)  .  Pauwelc 

172)  .  Lyse 

173)  .  Stine 

174)  .  .  .  Vraiiwe  Bela  vani  Iluntgyne  II. 

175)  .  Elisabet,  ire  douhter*. 
17«)  .  Blyza,  ire  doichter. 

177)  .  Matbys  van  Komünde. 

178)  .  Jobans  doichter  van  Reyven,  nunne 
zo  Maityren, 

177)  .  Matbys  Paffe. 

178)  .  Ailka  van  £menroide. 

181)  .  Matbys  van  Koyveren. 

182)  .  Joban  Scboerre  in  der  Juedengassen. 
188)  .  Joban  vam  Homo  zo  sent  Mauricius. 

184)  .  Joban  Oeverbercb. 

185)  .  Bruyn,  H(enricbs)?  Slicbters  sun. 

186)  .  Iladewicb  vam  Hörne. 

187)  .  Styne  Gysen*. 

188)  .  llenyricb,  Coyn  medebruwers  sun*. 

189)  .  Joban  van  Oyverroide. 

190)  .  Elisabet  vam  Jueden. 

191)  .  Vrauwe  Wilbelraa  Hardvuyst. 

XXIIH. 

192)  (f.  6a) .  Elisabet  van  der  Eren,  nunne 
zom  Doenwalde. 

193)  .  Blyze  Hardevuyst,   nunne   zo  sent 
Gertruyt. 

194)  .  Fia,  yre  suster. 

195)  .  Jobanne,  yre  suster. 

196)  .  Goebel  Cannfts. 

197)  .  .  .  Vrauwe  Bela  van  Efferen*. 

198)  .  .  .  Bela,  beren  Jobans  doicbter  van 
Efferen. 

199)  .  Aleit  vjan  Wescboyven. 

200)  .  .  Heinrieb  van  Mer*. 

201)  .  Johan  van  Stummel. 

202)  .  Johans  wyff  van  Stummel. 

203)  .  Joban,  syn  sftn. 

204)  .  Meister  Arnolt  Franke'*). 

205)  .  Gerwin  van  Brieckelvelde  der  junge. 

206)  .  Bela,  syn  suster. 

207)  .  Joban  van  Hachenberg. 

208)  .  Stina  van  Wippervurde. 

209)  .  Melis  van  Bernsburne. 

210)  .  Ailka  van  Stralen. 


34)  Genunnt  1S90  Juni  14  (Urk.  nr.  4251). 

35)  Stadtsteinratts  (lapicida  civitatis)  genannt 
n.  a.  Sohreinsb.  2  f.  83a  (1878  Dez.  18)  and  1388 
Mira  16  (Schreinsb.  26  f.  3a). 


21t)  .  Abel  van  der  Linden. 

212)  .  Wynricb  van  Ouxhem  der  junge. 

213)  .  Dru(Ja,  Goebel  Cannus  wyff. 

214)  .  Stina,  yre  nyecbte. 

XXIII. 

215)  [f.  6b]  .  Herman  Pyne  ymme  kraem- 
huys  **). 

216)  .  Elsa,  syn  wyff. 

217)  .  Johan  van  Segen. 

218)  .  Tiel,  Synartz  sftn  van  Nuwerburg*. 

219)  Joban,  Bruyns  sun  van  Aiche. 

220)  .  Vrauwe  Hadewicb  van  Lisenkircben. 

221)  .  Irmegart,  yre  suster. 

222)  .  Vrauwe  Greta  vam  Kuesyn. 

223)  .  Bela,  yre  doicbter. 

224)  .  d  Engilrait  Oyverstoiltz. 

225)  .  Coene  martmeisters  '^). 

226)  .  Johan  Scbeylart. 

227)  .  Kuysgin  Viaedenbecker*. 

228)  .  Heinrich  van  Stralen. 
22^^)  .  Joban,  syn  sun. 

230)  .  Bela,  syne  doicbter. 

231)  .  Coinraii  van  Arnsberg  der  junge*. 

232)  Bruyn  van  Lanck*. 

233)  .  Fia,  Heinrich  Slicbteren  doicbter. 

234)  Vrauwe  Druda  van  der  Aducht*. 

235)  .  Bela,  yre  doicbter  zo  sent  Maxi- 
minen*. 

236)  .  Werner,  yre  sun. 

237)  .  Stina,  yre  suster*. 

XXHI. 

238)  [f.  7a]  .  Rutger  Busch. 

239)  .  Metza  vam  Eyehorne. 

240)  .  Heinrich  Slicbter. 

241)  .  Hadewicb  vam  Stave  zo  sent  Mau- 
ricius. 

242)  Johan  Rost*. 

243)  .  Wilhelm  van  der  Hagen. 

244)  .  Hilger,  Johan  Hirtzelyns  sun»). 

245)  .  Johan,  syn  broiderp). 

246)  .  Johan  van  Stotzheym  der  aide. 

247)  .  Johan,  synen  sftn<i). 

248)  .  dominus  Theodericus  Eyfler  de  Kai- 
kar, vicarius  in  Capitolio,  dedit  sibi 
dominus  Godefridus  Gyr  scabinus. 


o)  Mit  diesem  Namen  beginnen  die  Nach- 
träge. —  p)  Hinter  244/245  am  Rande:  dedit  do- 
minus FiVerhai*das  Hardevust  senior.  —  q)  Ebenso 
hinter  246/247:  dedit  dominus  Godefridus  Gyr 
ex  parte  domini  Johannis  Oyverstoiia. 


36)  Städtischer  Beamter  im  Kramhaus. 
S7)  Ebenfalls  städtischer  Beamter. 


247    — 


—    248 


249)  Item  domina  Bela,   relicta  qaondam 
domjni  Johannis  de  Cornu. 

250)  Item  Ileytgino  Swynde  up  der  Hysen  '). 
Das  Original  des  vorstehenden  Ver- 
zeichnisses ist  ein  Papierheft  in  kl.  4^, 
das  im  ganzen  aus  16  Seiten  besteht,  von 
denen  f.  7b  und  f.  8ab  leer  geblieben, 
während  die  übrigen  mit  je  einer  Reihe 
untereinanderstehender  Namen  beschrieben 
sind.  Auf  f.  la  und  f.  Ib  stehen  die  Na- 
men der  verdienten  Herren,  es  folgen  dann 
von  f.  2a — 7a  die  Namen  der  unverdienten 
Ämter.  Der  jetzige  Zustand  der  Hs.,  von 
der  f.  la  durch  Nässe  etwas  beschädigt 
ist,  so  dass  die  Namen  z.  T.  erst  durch 
Anwendung  von  Reagenzmitteln  lesbar  ge- 
macht werden  konnten,  zeigt,  dass  die- 
selbe längere  Zeit  hindurch  im  Gebrauch 
gewesen  ist.  Es  sind  Streichungen  und 
und  Rasuren  in  der  ursprünglichen  Nieder- 
schrift vorgenommen,  eine  grosse  Anzahl 
von  Namen  mit  Eanzleivermerken  in  Ge- 
stalt von  Punkten'*)  vor  denselben  ver- 
sehen worden.  Die  Liste  ist  bis  nr.  243 
der  unverdienten  Amtleute  in  einem  Zuge 
und  von  einer  Hand  geschrieben,  die  letz- 
ten Namen  (244 — 250)  sind  Nachträge  an- 
derer Hand  und,  soweit  erkennbar,  in  3 
Absätzen  eingetragen. 

Das  Verzeichnis  ist  früher,  wie  eine 
auf  demselben  befindliche  Bleistiftnotiz  be- 
zeugt, als  eine  Liste  der  Schöffenbruder- 
scbaft  bestimmt  worden.  Ein  solcher  Irr- 
tum ist  bei  flüchtiger  Betrachtung  wohl 
erklärlich  und  es  lassen  sich  in  der  That 
eine  ganze  Anzahl  der  verdienten  Herren 
als  Schöffen»')  nachweisen.  Bei  näherer 
Überlegung  wird  es  jedoch  einem  jeden, 
der  mit  den  Verfassungskämpfen  der  letz- 
ten Jahrzehnte   vor   dem  Sturze   der  Ge- 


r)  vor  nr.  849^950  am  Bande :  ex  obitu  dumini 
Johannis  de  Gorna. 


38)  Die  Deutung  derselben  wird  noch  su  be- 
sprechen sein.  Neben  den  Punkten  finden  sich 
noch  in  mehreren  Fällen  mehrere  Namen  durch 
EU  einem  Punkt  susammenlanfende  Linien  ver- 
bunden, die  im  Drucke  nicht  zum  Ausdruck  eu 
bringen  waren,  es  sind  ausnahmslos  unter  einan- 
der verwandte  Personen  (e.  B.  nr.  48—50,  56  und 
57,  64-66). 

39)  Nach  einer  von  Alfter  in  Abschrift  (Bd.  20 
S.  263  ff)  überlieferten  Schöffenurkunde  waren 
1391  von  den  genannten  Herren  folgende  Schöffen: 
1,  2,  3,  5,  7,  8,   9,  11,    12,    13,  14,  16,  18,  20,  22,  25. 


Schlechterherrschaft  nur  einigermassen  ver- 
traut ist,  auffallen,  da«8  in  der  Reihe 
der  verdienten  Herren  neben  den  erwähn- 
ten Schöffen  auch  die  erbittersten  Feinde 
der  Schöffenpartei,  die  bekannten  Greifen- 
fiihrer  Hilger  von  der  Stessen,  Lafard 
von  Schiderich  und  Heinrich  vom  Stave 
aufgeführt  werden.  Wir  sind  über  die 
Persönlichkeiten  dieser  Parteihäupter  und 
ihren  Lebensgang  so  genau  unterrichtet, 
um  behaupten  zu  können,  dass  dieselben 
niemals  Schöffen,  d.  h.  Mitglieder  des 
Kollegiums,  dessen  Bekämpfung  ihre  Le- 
bensaufgabe bildete,  gewesen  sind.  Eben- 
sowenig gehörten  z.  B.  Johann  von  Troyen 
und  Ludwig  Jude,  trotzdem  sie  seihst  An- 
hänger der  Freunde  waren,  dem  Schöffen- 
kollegium jemals  an. 

Aus  diesem  Grunde  ist  die  Deutung 
der  Liste  als  Schöffenbruderschaft  von 
vornherein  unmöglich.  Andererseits  lassen 
die  Namen  der  verdienten  Herren,  die  aus- 
nahmslos den  höchsten  Kreisen  der  Kölner 
Geschlechter  angehören,  ferner  die  grosse 
Anzahl  der  Inhaber  von  unverdienten 
Ämtern  nur  den  Schluss  zu,  dass  es  sich 
um  eine  im  hohen  Ansehen  stehende  und 
über  grosse  Mittel  verfügende  Kölner  Ge- 
nossenschaft handelt.  Es  ist  nur  eine 
solche  bekannt,  auf  welche  diese  beiden 
Voraussetzungen  in  vollem  Masse  zutreffen, 
die  vielerörterte  und  vielerklärte  Kölner 
llicherzeche.  Die  reichhaltige  gleichzeitige 
Überlieferung  erhebt  diese  Annahme  zur 
Gewissheit.  Von  den  27  verdienten  Herren 
sind  16  mit  Bestimmtheit  als  Bürgermeister 
nachweisbar,  also  in  dem  Amte,  dessen 
Bekleidung  die  notwendige  Voraussetzung 
für  den  Eintritt  in  die  Stellung  eines  ver- 
dienten Amtmannes  der  Richerzeche  war. 
Es  ergiebt  sich  sogar,  dass  das  Dienst- 
alter der  Herren,  d.  h.  die  zeitliche  Reihen- 
folge, in  welcher  dieselben  ihr  Amt  ver- 
dient haben,  in  der  Liste  festgehalten 
ist*®).      Bedauerlicher   Weise    lässt   sich 

40)  Vgl.  Nr.  5—11.  Zwei  scheinbare  Ausnah- 
men sind  folgende:  1390  Sept.  5  (vgl.  Anm.  U) 
sagte  Salentin  vonlsenburg  der  Stadt  seine  Bürger- 
schaft wegen  des  ihm  durch  den  Bargermeister 
Johann  Birklin  zugefttgten  Unrechts  auf.  Bs  ist 
nun  nicht  notwendig,  dass  der  Anlass  su  dieser 
Aufsage  auch  in  das  Jahr  1390  fällt,  eine  Umlichs 
Aufsage  hatte  Salentin,  allerdings  ohne  spesielle 


—    Ä49    — 

grade  die  Amtszeit  des  letzten  verdienten 
Herrn,  Roilkin  van  der  Eren,  nicht  ermit- 
teln. Die  Nennung  eines  Rolandus  de  Ho- 
nore  als  Bürgermeister  im  Jahre  1394  ist 
für  unsem  Zweck  belanglos,  da  seit  dem 
9.  August  1391  die  Richerzeche  aufgehoben 
und  das  Bürgermeisteramt  ein  Ratsamt  ge- 
worden war.  Der  vorletzte  Amtmann  der 
Reihe,  Ludwig  Jude,  war  am  1.  März  1389 
Bürgermeister,  sein  Amtsjahr  lief  also  vom 
9.  August  (St.  Laurenz  Abend)  1388  bis 
9.  August  1389.  *  Erst  an  dem  letzteren 
Tage  wurde  er  nach  Ablauf  seines  Dienstes 
verdienter  Amtmann  der  Richerzeche.  Da- 
durch ist  als  Terminus  a  quo  unserer  Liste 
der  9*  August  1389  gegeben.  Der  Termi- 
nus ad  quem  ergiebt  sich  daraus,  dass. 
wie  eben  erwähnt,  am  9.  August  1391  die 
Richerzeche  aufgehört  hat,  zu  existieren. 
Danach  lässt  sich  die  Niederschrift  unseres 
Verzeichnisses  auf  die  Zeit  von  1389  Aug.  9 
bis  1391  Aug.  9  begrenzen. 

Als  äusserer  Zweck  der  Aufzeichnung 
ergiebt  sich  zunächst  die  Aufnahme  des 
gesamten  Bestandes  der  Richerzeche  an 
Inhabern  der  verdienten  und  unverdienten 
Ämter.  Eine  solche  Aufrechnung  wird 
in  den  Statuten*^)  der  Richerzeche  all- 
jährlich vor  der  Neuwahl  der  Bürgermeister 
vorgeschrieben,  eine  Massnahme,  die  da- 

Angabe  des  Grandes,  schon  im  Jahre  1887  Oct.  18 
an  die  Stadt  gerichtet  Es  mag  deshalb  die  An- 
nahme gestattet  sein,  dass  beide  Aufsagen  ans 
demselben  Grunde  erfolgt  sind.  Jedenfalls  dürfte 
Salentin  schwerlich  darüber  genau  unterrichtet 
gewesen  sein,  ob  der  Urheber  des  ihm  zuge- 
fügten Unrechts  zur  Zeit  seines  Briefes  wirklich 
noch  Bürgermeister  war.  Doshalb  ist  aus  dem 
Briefe  wohl  nur  zu  schliessen,  dass  Johann  B. 
überhaupt  vorher  Bürgermeister  gewesen  war,  da- 
gegen nicht  das  Jahr  seiner  Amtsführung.  Ferner 
wird  Johann  Scherfgin  nur  ca.  1888  Oct.  10  als 
Bürgermeister  genannt,  wtthrend  er  nach  unserer 
Liste  diese  Stellung  erst  ca.  1387/88  bekleidet 
haben  könnte.  Vielleicht  handelt  es  sich  in  bei- 
den Fällen  um  zwei  v-erschiedene  Personen  dieses 
Namens.  Übrigens  giebt  das  (Quellen  I  S.  147) 
veröffentlichte  Bürgermeisterverzeichnis,  das  z.  T. 
nachweisbar  fehlerhaft  ist,  z.  T.  aber  erkennbar  auf 
jetzt  verlorene  Urkunden  zurückgeht  als  Bürger- 
meister für  1887  in  der  That  die  Namen  Johannes 
Scherfgin  und  Franko  Scherfgin.  Der  letztere 
ist,  am  8.  September  1888  kurz  nach  Ablauf  seines 
Amtsjahres  gestorben  (Merlo,  Annal.  45  S.  29),  vgl. 
ausserdem  Schreinsb.  nr.  385  f.  125b  (1387)  mit  ib. 
f.  140a  (1394). 

41)  Stein  I  nr.  44  g  27. 


-    260    - 

durch  notwendig  wurde,  dass  die  Zahl  der 
unverdienten  Ämter  genau  begrenzt  war 
(361)**).  Auch  unser  Verzeichnis  könnte 
eine  solche  Aufrechnung  Tur  das  Jahr  1389 
oder  1390  sein.  Dahk  einer  äusserst  günsti- 
gen Verkettung  unserer  Überlieferung  ist 
es  jedoch  möglich,  den  Zweck,  welcter 
der  Aufzeichnung  unserer  Liste  zugrunde 
gelegen  hat,  mit  unbedingter  Genauigkeit 
zu  bestimmen.  Das  „Neue  Buch^  berich- 
tet nämlich  folgendes**):  Einmal**)  habe 
der  Rat  bemerkt,  „dat  die  gemeinde  und 
bürgere  sere  verschat  und  verhaven  wurden 
an  dembrode  und  an  mangen  Sachen,  die 
die  burgermeistere  und  richerzechde  do 
hanticrden".  Er  habe  dieselben  darauf 
aufgefordert,  „dat  si  die  schetzunge  und 
genoss  affdeden  umb  des  gemeinen  beste 
willen"  und  auf  ihre  Weigerung  unter  dem 
Hinweise,  dass  es  ihr  altes  Recht  wäre, 
„ind  hed  si  ouch  vil  gecostef^,  sich  dazu 
herbeigelassen,  diese  Berechtigung  durch 
eine  Leibzucht  von  100  Mr.  fiir  jeden  ver- 
dienten Amtmann  abzulösen.  Zwar  habe 
es  sich  später  herausgestellt,  dass  diese 
abgetretenen  Gerechtsame  viel  zu  hoch 
bezahlt,  dass  sie  „niet  jairs  wert  enwas 
30  Mr.'',  aber  die  Amtleute  hätten  sowohl 
die  Herausgabe  ihrer  Rentbriefe,  wie  auch 
die  angebotene  Wiedereinsetzung  in  ihre 
alten  Rechte  abgeschlagen.  Und  dies  alles 
sei  wie  gewöhnlich  zum  Schaden  der  Ge- 
meinde geschehen. 

Es  sind  uns  nun  verschiedene  Urkun- 
den, resp.  Quittungen  erhalten,  die  mit  der 
erwähnten  finanziellen  Transaktion  im  Zu- 
sammenhang stehen.  1397  März  13  (ürk. 
nr.  5959)  quittiert  der  Schöffe  Ritter  Con- 
stantin  von  Lyskirchen  über  432 '/a  Mr. 
pag.  versessener  Leibzucht  und  von  12  un- 
verdienten Ämtern**).  Deutlicher  wird 
die  Zusammensetzung  seiner  Bezüge  durch 

48)  ib.  i  12. 

48)  Chron.  Bd.  XI  S.  286. 

44)  Ouch  CO  einer  xideo. 

45)  as  van  veir  termynen,  der  zweyn  termyne 
erscheyner  assnmpcio  Ind  zwein  pnriflcacio  van 
den  neysten  sweyn  iaren  vnr1eder(!),  de  mir  ge- 
brechen, as  van  dem  brieif  mir  sprechende  van 
der  Richerzechde  mit  den  zw^fF  unverdeynten 
ampten  ind  van  zweyn  termynen,  de  mir  ge- 
brechen van  dem  breiff,  de  mir  iars  hundert  marck 
spricht,  de  mir  sent  Johansdach  ind  np  den  Kirsch- 
dacb  eraohenen. 


—    251    -- 

eine  zweite  Quittung  desselben  Jahres 
(Sept.  10  Urk.  nr.  6064).  Er  quittiert 
darin  über  1)  12»/«  Mr.,  2)  50  Mr.  und  3) 
über  80  Mr.,  wovon  30  Mr.  als  von  Ricfaer- 
zechenbriefen  herrührend  und  50  Mr.  als 
Leibzucht  bezeichnet  werden  ^<').  Es  er- 
gtebt  sich  daraus  in  Verbindung  mit  den 
Angaben  der  ersten  Quittung  von  12  kley- 
neu  ampten,  dass  Constantin  erstens  100  Mr. 
als  Leibzucht,  zweitens  60  Mr.  jährlich 
für  12  kleine  Ämter  der  Richerzeche  be- 
zog. Die  erste  Summe  stimmt  mit  der 
Darstellung  des  Neuen  Buches  überein,  die 
.  letztere  Sonderabfindung  ist  dort  nicht  er- 
wähnt. In  unserer  Liste  findet  sich  nun 
hinter  dem  Namen  eines  jeden  verdienten 
Amtmannes  eine  lateinische  Ziffer,  die  zum 
Teil  gestrichen,  zum  Teil  durch  Rasur 
getilgt  ist.  Hinter  dem  Namen  Costyn 
up  dem  Hcumarte,  der  mit  dem  genannten 
Constantin  von  Lyskirchen  identisch  ist, 
steht  die  Ziffer  XI 1,  die  der  Zahl  der  in 
der  ersten  Quittung  genannten  12  kleinen 
Ämter  entspricht.  Ebenso  quittierte  der 
Ritter  Goddert,  Herr  zu  Drachenfels,  am 
5.  Sept.  1403  (ürk.  Copiar  Nr.  2  f.  20b) 
als  Erbe  des  verstorbenen  Schöffen  Philipp 
Scherfgin  über  450  Gl.  „as  van  100  marken 
van  dem  ampte  ind  herlicheit  der  Rycher- 
zech  ind  van  5  kleynen  ampten".  Die  Zahl  5 
stimmt  auch  hier  mit  der  in  unserem  Ver- 
zeichnis angegebenen.  Endlich  stellte  am 
22.  Oktober  1395  der  Ritter  und  Schöffe 
Johannes  von  Efferen  der  Stadt  eine  Be- 
scheinigung über  165  Mr.  von  3  Terminen 
von  der  Richerzeche  aus  (Urk.  nr.  5598)  *''). 
Unsere  aus  den  vorstehenden  Ausführun- 
gen gewonnene  Kenntnis  gestattet  auch 
hier  die  genaue  Zerlegung  dieser  Summe 
in  3mal  50  Mr.  und  3mal  5  Mr.,  so  dass 
der  genannte  demnach  neben  seinem  ver- 

46)  yan  wilchen  eechtzig  marken  myr  die  stad 
van  ('olne  ind  bürgere  vurs.  geldent,  as  van  eyme 
brieve,  genant  Rychertxechsbrieve  .  . ,  driseich  mr 
coUzsch  pag  ind  die  andere  vunftaig  mr  as  van 
mynre  lyfts achte  renten. 

47)  über  165  Mr,  „die  mir  gebuerent  van  ander- 
halven  jair,  a>  van  dryn  termynen,  die  «nu  ko 
nnser  vrauwen  missen  assumpcio  nyest  leden  er- 
schienen ind  umb  waren,  as  van  mynre  renten 
weigen,  die  ich  van  des  amptss  weigen  van  der 
rycherzechde  an  yn  nnd  yrre  stat  geldende  hain". 
Seinen  .Streit  van  „diesen  vnrs.  Sachen*'  stellt  er 
geriohtlicher  Entscheidung  anheiui. 


dienten  Amte  ein  unverdientes  Amt  in  der 
Hand  gehabt  haben  muss.  Die  Zahl  in 
der  Liste  nach  seinem  Namen  ist  zwar 
ausradiert,  aber  es  lässt  sich  doch  noch 
erkennen,  dass  an  der  Stelle  T  oder  |I  ge- 
standen haben  muss.  Die  ausgeführte  Ver- 
knüpfung unserer  Nachrichten  gestattet 
uns  folgende  sichere  Schlüsse. 

1)  Das  vorstehende  Verzeichnis  steht 
im  Zusammenhange  mit  der  im  Neuen 
Buche  gemeldeten  Ablösung  der  Rechte 
der  Richerzeche.  Es  ist  zu  dem  Zwecki- 
angelegt,  um  der  städtischen  Verwaltun«; 
zur  Kontrole  über  den  damaligen  Bestand 
der  Richerzeche  zu  dienen.  Es  hat  dann 
weiter  diesem  Zwecke  gedient.  Die  Namen 
der  verstorbenen  Herren  *8),  nach  deren 
Tode  ihre  Leibzucht  selbstverständlich  er- 
losch, sind  nachträglich  gestrichen,  der 
gleichen  Tilgung  sind  auch  die  Namen 
derjenigen  verfallen,  die  sich  bereit  tindcn 
Hessen,  ihre  Ansprüche  gegen  eine  Pau- 
schalsumme abzutreten  ^^). 

2)  Das  im  Neuen  Buch  erwähnte  Er- 
eignis fällt  ebenso  wie  unsere  Liste  in  die 
Zeit  vom  9.  August  1389—9.  August  1391. 

3)  Ausser  ihrer  Leibzucht  von  1(X)  M. 
wurden  die  verdienten  Herren  auch  für  die 
in  ihrer  Hand   befindlichen  unverdienten 
Ämter  mit  einer  jährlichen  Rente  von  je 
5  M.  für  jedes  unverdiente  Amt  abgefun- 
den.   Der  demokratische  Rat  hat  die  von 
seinem  Amtsvorgänger  übemommmene  Ver- 
pflichtungen auch  seinerseits  als  rechtsver- 
bindlich anerkannt  und  die  Zahlungen  fort- 
gesetzt.   Nur  über  einen  Punkt  gebricht 
es  an  der  nötigen  Klarheit,   nämlich  da- 
rüber, ob  auch  sämtliche  Inhaber  der  un- 
verdienten  Ämter,   die   damals   vergeben 
waren,  ebenfalls  mit  je  5  Mr.  jährlich  ab- 
gefunden worden  sind.    Das  äussere  Bild 
unserer  Liste  spricht  für  diese  Annahme. 

4S)  So  die  Namen:  Hilger  von  der  Stessen. 
Heinrich  vom  Stave,  Lafard  von  Schiderich. 

49)  Die  Ansprüche  des  Bitters  nnd  Schr»ffen 
Johann  von  Effem  warden  1897  April  4  (Urk. 
nr.  5978)  abgelöst  nnd  swar  qiit  2C0  Gl  Vgl.  Rechn. 
Bd.  14  f.  7b:  Nos  exposnimus  domino  Johanni 
de  Efferen  200  flor  ren.  vnr  synen  brieve  van 
dem  ampte.  Vgl.  ib.  Item  expositum  post  pre- 
dictam  compntacionem  fratri  Johanni  Scherfgin 
carmelite  pro  nnam  litteram  (I)  quam  habuit  a  civi- 
tate  de  ofBcio  Rioherzeoht  800  fl.  ren.  et  civiUä 
habet  litteram  e  converso. 


—  2öa  — 

Vor  den  einzelnen  Namen  finden  sich,  wie 
sclion  früher  erwähnt,   ein  oder  mehrere 
lenkte..    Die  Annahme,  dass  dieselben  die 
Zahl  der  in  der  einzehien  Hand  vereinigten 
unverdienten  Ämter  bezeichnen   könnten, 
-wird    dadurch    unmöglich   gemacht,    dass 
schon  der  Schreiber  der  Liste  selbst  die 
Summe  der  auf  den  einzelnen  Seiten  ver- 
zeichneten Ämter  gezogen  hat  und  diese 
letztere  mit  derjenigen  der  verzeichneten 
Namen  übereinstimmt.    Es  liegt  wenigstens 
nahe,  diese  Zeichen  als  Zahlungsvermerke 
aufzufassen,   so  dass  etwa  ein  Punkt  der 
Erhebung  eines  Termins  entspräche.    Auch 
die   in  der  Liste  befindlichen  zahlreichen 
Streichungen   von  Namen   sind  wohl   nur 
dadurch  zu  erklären,   dass  dieselbe  auch 
in  diesem  ihrem  letzten  Teile  als  Kontrole- 
liste   gedient  hat.     Die   Stadtrechnungen 
(Ausgaben),    die    allein    einen    unbedingt 
sicheren    Scliluss    für    die    Berechtigung 
dieser   Annahme    abgeben    könnten,    sind 
bekanntlich  für  diese  Zeit  nicht  erhalten. 
Wäre  die   obengeäusserte  Vermutung  zu- 
treffend,  so   hätte   die   im   Neuen  Buche 
erzählte  Ablösung  die  Stadtkasse  jährlich 
mit   4505   Mr.   Rente*®)   belastet,    denen 
andererseits  ausgleichend  die  Erträgnisse 
der  abgelösten  Rechte,  die  das  Neue  Buch, 
hierin  wohl  absichtlich  zu  niedrig  greifend, 
als  kaum   '/lo  der  genannten  Summe  an- 
giebt,  gegenüberstanden.    Jedenfalls  giebt 
die   angeführte  Summe   einen   ungefähren 
Begriff  von  der  Höhe  der  Einkünfte,  die  der 
Richerzeche  auch  damals  noch,  wo  sie  be- 
reits den  grössten  Teil  ihrer  Rechte  und  Ein- 
nahmequellen eingebüsst  hatte,  zustanden. 
Der  Hauptwert  unseres  Verzeichnisses 
liegt  darin,  dass  sie  als  einziges  Zeugnis 
dieser  Art   uns   die  Richerzeche   als  Ge- 
samtheit  überschauen   lässt.     In  den  In- 
habern  der  unverdienten  Ämter  tritt  uns 
ein  buntes  Gemisch  von  verschiedenartigen 
Personen*^)  entgegen.    Wittwen,   Töchter 


60)  27X100+6X361  Mr. 

51)  E»  Bind  im  Ganzen  158  männliche  nnd 
92  weibliehe  Personen.  Von  den  ersteren  sind 
146  Laien,  13  geistlichen  Standes,  von  den  letz- 
teren 62  weltlich  und  26  geistlich.  Die  letzte  Zahl 
dQrfte  in  Wirklichkeit  grAsser  sein,  da  es  auf- 
fallend ist,  dass  keine  Beghinen  in  dem  Verzeich- 
nisse vorkommen  und  die  unverheiratet  gebliebe- 
nen Bürgertnchter  znroeist  Beghinen  wurden. 


-    254    - 

und  sonstige  Angehörige  der  Geschlechter, 
ihr  Gesinde,  städtische  Beamte  und  Söld- 
ner, Kaufleute  und  Handwerker,  Laien  und 
Geistliche,  Christen  und  Juden,  sie  alle 
haben  Anteil  an  den  Erträgnissen  des 
Amtes.  Die  Richerzeche  ist  zu  einem 
grossartigen  Pfründensystem,  zu  einer  Yer- 
sorgungs-  und  Pensionsanstalt  geworden. 
Auf  das  letzte  Wort  „geworden"  ist  he« 
sonderes  Gewicht  zu  legen,  denn,  das  muss 
zum  Schluss  betont  werden,  um  Missdeu- 
tungen dieser  Veröffentlichung  auszn- 
schliessen,  dieser  Zustand  der  Richerzeche 
kurz  vor  ihrer  definitiven  Auflösung  lässt 
keinen  bindenden  Rückschi uss  auf  ihre  Zu- 
sammensetzung und  Eigenart  zur  Zeit  ihrer 
Entstehung  zu.  Ganz  in  dem  gleichen 
Sinne  wie  die  Richerzecl\e  hat  sich  auch 
die  Schöffenbruderschaft  zu  einer  Ver- 
sorgungs-  und  Pfründenanstalt  umgebildet, 
nur  dass  hier,  wo  nicht  so  reiche  Geld- 
quellen zur  Verfügung  standen,  die  Zahl 
der  Pfründen  naturgemäss  eine  geringere 
war.  Der  praktische  Handelsgeist  der 
Kölner  Bürger  hat  es  verstanden,  auch 
die  Institute  deiner  Verfassung  seinem  Er- 
werbsgeiste dienstbar  zu  machen. 
Köln.  Dr.  Friedrich  Lau. 


Vereinsnachrichten 

unter  Redaction  der  Vereinsvorstände. 

Trier,  Gesellschaft  für  nützliche  118. 
Forschungen.  Die  diesjährige  Haupt- 
versammlung der  Gesellschaft  fand  am 
23.  Sept.  im  Provinzialmuseum  unter  Vor- 
sitz des  Herrn  Oberbürgermeisters  Geh. 
Reg. -Rat  de  Nys  statt.  Herr  Bürger- 
meister Müller  von  Echtemacherbrück 
sprach  über  das  Mithraeum  von 
Schwarzerden: 

Die  Feldmark  des  im  Kreise  St.  Wen- 
del gelegenen  Dorfes  Schwarzerden  ist 
seit  langer  Zeit  als  Fundort  römischer 
Altertümer  bekannt.  Zahlreiche  Münzen, 
von  denen  viele  noch  in  die  Zeit  des 
Freistaates  hinaufreichen,  während  die 
letzten  Prägungen  der  Constantine  zeigen, 
Götterbilder  und  Weiheinschriften  stammen 
aus  dieser  an  einer  von  Metz  nach  Main;; 
führenden  Strasse  gelegenen  Niederlassung. 
Eine  ganz  bosondere  Wichtigkeit  hat  das 


—    255    — 

Mithrasrelief,  welches  dicht  hei  dem  Dorfe 
auf  einem  Sandsteinfelsen  ansgemeisselt  ist. 
Das  Denkmal  besitzt  ein  um  so  höheres 
Interesse,  weil  uns  nicht  nur  das  Bild  des 
Stiert uters  erhalten  ist,  sondern  eine  Reihe 
von  rings  um  das  Bild  angebrachter  Bin- 
derlücher  auch  den  Aufbau  des  Spelänras 
erkennen  lassen.  Die  Mithrasgrottc  zerfiel, 
wie  diese  Löcher  beweisen,  in  eine  erhöht 
liegende  Abschlussnische  mit  gewölbter 
Decke  —  zu  diesem  Allerheiligsten  stieg 
man  auf  einer  Treppe  empor  —  urfd  in 
den  grossen,  auf  beiden  Seiten  von  Podien 
umgebenen  Tempelraum.  Aaf  der  linken 
Seite  schloss  sich  an  diese  Qrotte  ein  An- 
l)au  an,  der  wahrscheinlich  als  Sakristei 
diente,  in  welcher  das  heilige  Feuer  brannte. 
Das  ganze  von  Norden  nach  Süden  ge- 
richtete Gebäude  wurde  von  einem  Platten- 
dache in  Giebelform  bedeckt.  Wahrschein- 
lich war  die  Tempelanlage  von  einer  Ab- 
zweigung des  dicht  am  Denkmale  vorbei- 
fliessenden  Pfeffelbaches  durchströmt. 

Das  Relief  zeigt  uns  die  fast  typiscli 
wiederkehrende  Stiertötung  durch  Mithras. 
Als  begleitende  Figuren  erscheinen  die 
beiden  Fackelträger,  indessen  Hund  und 
Skorpion  bei  der  Stierbändigung  ihithelfend 
auftreten.  Der  Stier  ist  als  in  voller 
Flucht  begriffen  aufgefasst,  der  Gott  tötet 
ihn  abgewandten  Antlitzes,  indem  er  sein 
Haupt  halb  rückwärts  richtet.  Ausserhalb 
des  diese  Mittelscene  abschliessenden  Rund- 
bogens sind  die  Büsten  der  Sonnen-  und 
Mondgottheit,  sowie  die  Köpfe  zweier 
Windgötter  angebracht 

Zur  Erklärung  der  Thatsache,  dass 
Mithras  auf  unserem  wie  auch  auf  zahl- 
reichen anderen  Steinen  sein  Gesicht  von 
der  Tötimg  abwendet  imd  dem  Sonnengott 
zudreht,  glaubt  Redner  im  Gegensatze  zu 
den  bisherigen  Annahmen,  namentlich  im 
Hinblicke  auf  jene  bei  fast  allen  reichem 
Mithrasdenkmälem  wiederkehrenden  Ne- 
bendarstellungen, welche  übereinstimmend 
einen  Streit  und  eine  darauf  folgende  Ver- 
söhnung zwischen  Sol  und  Mithras  zeigen, 
unterstellen  zu  sollen,  dass  Mithras  den 
heiligen  Stier  in  höherem  Auftrage  aus 
dem  Gewahrsame  des  Sonnengottes  ent- 
führt und  getödet  hat,  um  die  Erdfrucht- 
barkeit zu  wecken.    Diese  Mythe  von  ei- 


nem die  Sonnenrinder  stehlenden  ^h 
kehre  bei  den  Indem,  Griechen^und  Ita 
wieder.  Überhaupt  sei  es'angebracLt 
Mythen  der  arischen  und  semiti*.] 
Völker  zum  Verständnisse  der  Miti( 
reliefs  vergleichungs weise  heran znzifi 
Der  beste  Beweis  hierfür  sei  jene 
zur  Anschauung  gebrachte  Nebenscenf 
der  Mithras  einen  Pfeil  gegen  einen  FeJ 
abschiesse,  während  ein  Mann  hilfefleb] 
zu  ihm  aufschaue.  Die  Deutung  di^ 
bisher  unerklärten  Darstellung  ergebe  ^ 
nur  aus  einer  Vergleichung  des^Zollfeli 
Denkmales  mit  den  Mythenlehren  der  in 
europäischen  Völker.  Dort  entströme  nä 
lieh  dem  von  Mithras  Pfeil  getroffei 
Felsen  ein  Wasserstrahl,  den  der  Beul 
ter  des  Gottes  mit  den  hohlen  Iländ 
auffange.  Was  die  Griechen  von  ihn 
Dionysos  und  die  Hebräer  von  Moses  ( 
zählt,  nämlich,  dass  sie  einen  Quec  kbrn 
nen  aus  ödem  Sande  zu  zaubern  vermo 
hätten,  dies  Wunder  hätten  offen!)ar  am 
die  Eranier  ihrem  Mithras  beigelegt. 

Den  Schluss  des  Vortrages  bildete  eii 
Darstellung  des  Mithraskultes  selbst. 

Darauf  hielt  Herr  Dr.  L ebner  ©ine 
Vortrag  über  die  letztjährigen  Tinternel 
mnngen  und  Erwerbungen  des  Provinzir 
museums  zu  Trier.  Das  Wesentliche  ent 
hält  der  im  4.  Heft  der  Westd.  Zeitschr 
erschienene  museographische  Bericht. 

IP*  Nur  wenige  Exemplare  noch  im  luindel !  ^ 

Baden  unter  rfimisehir  Herrscbal 

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