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Full text of "Wille und Macht 4.1936, Teil 1 (ab Heft 2)"

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Uber dieses Buch 


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UNIVERSITY 


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CALIFORNIE 


L. C. MISSION 
EUROPEAN BUYING PROJEC 


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Wille-Macht 


Sübreuousan dev nationalſosialiſtiſchen Jugend 


HERAUSGEBER: BALDUR VON SCHIRACH 


Sabesans 1936 
Subalisoevseiehuis 


Haupiſchriftleiter: Günter Kaufmann, Neichsjugendführung, Berlin NW 40, 
Rronpringenafer 10 — Verlag: Zentralverlag der NED Ap., Münden 2 NO 


11 


Große Auffdge 


Anacker, Heinrich: Wachſein ift alles 

v. Arnim, Prof. Dr. Achim: Die entmilitariſierte Zone 8 
Backhaus, Karlheinz: Die Hanfe und ihre Wirtſchaftsformen 
— Hat das deutſche Dorf eine N nötig? 


ne Prof. Dr. Alfred: Zum „Mythus des ane Jahrhunderts“ e 


Jahn, der pees der hen. eibeserziehung 
Bährens, E Der Kampf um die Macht in Belgien 
Barth, Dr. J.: Reichsberufswettkampf und Jugend — Stachanom 
Bodhoff, Dr.: Repräfentation! . : 
Bornhagen, K. Vë Großgrundbeſitz oder Bauernbetrieb? 
Brockmeier, Wolfram: Die Seele der deutſchen Landſchaft 
Buch, Walter: Der zweite Kriegsartifel E alten SEN 
Bürckner, Trude: Vom Weg des BDM. 

Calließ, Dr. Heinz: Der chemiſche Krie 
Eckert, Dr. Gerd: Film auf ſchiefer B : 
Edding, Friedrich: Schlagwort iberaliamus f 
Euringer, Richard: Grundzüge der deutſchen Haltung . 
E. K.: Die geiftige Situation unferer Zeit 
Ganzer, Dr. Karl Richard: „Ich lerne mich beherrſchen“ 
Geier, Dr. Erwin: Der Strafvollzug an Jugendlichen 
Groß, Dr. Walter: Der Totalitätsanſpruch der jungen Generation 
Grothe, H.: Schickſal und Treue (Über Joſepha e eee 
Gutjahr, Herbert: Freie Stadt Danzig? 
— Para anrapbenmäbige Politik. 
Haacke, Wilmont: Plauderei um das Militär der anderen 
Hagen, Hugo: Jeſuitiſcher Bolſchewismus : 
Halbe, Georg: Bon der Vollmacht, des Diiren 
1 Hans: „Er geit u uns“ 

shhh Friebrich eimat . 

Humbold, Hans: Der Südoſten im europäiſchen Schachfpiel 
— Die Staatsidee des Japantjmen ii ; 
— 10 85 uuf Schutz 
Hüttig, Dr. Werner: Schrifttum zur Raffenfrage 
— Der Feind ſchreibt mit f 
Johſt, Hanns: Nation und Dichtung ; 
Kaufmann, Günter: Der König und wir e 
— Der große Auftrag an Wehrmacht und Wehrpflichti e. 
— Geleitwort zur Herausgeberſchaft Baldur von Schirachs 
— ler, Beek, ge egen die magyariſche Volfstumspolitifé. . . 
Keller, Pr oi fgang: Zum Streit um Rothes Shakeſpeare d 
Keppler, Ernit: Grabbe Ee e 
Keudel, Rudolf: Niet che, ein tz. 
Könitzer, Willi Fr.: Die Staffel . 
— Der cee Dichter C. %. Meye 
Rube, ilhelm: Unſere Hitler⸗Ju Ge 
Kries, v. W.: Zwiſchen Heimat un Ausland 
Krüger, Dr. Gerhard: Feldherr und Staatsmann 


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K., E.: pee wundene Unterwelt l 
Bange, 2 eh 5 iale Kämpfe gegen das Yusfandsbeutichtum 
18 0 Woltmann . . l 
F Sch dé farina: gun! Sabre 93. Arbeit 
Leiſtritz, Dr. Hans Karl: Kampf gegen die Jurisprudenz 
— Entrechtung der Jurisprudenz 
Löffler, Hans: Zölibat und Sittlichkeit in ber Katholischen Rithe 
Menzel, Herybert: Führer und Volk 
— Tag der nationalen Arbeit 
— Der frohe Gott der Völker 
— Sterne über den Hütten . 
Merkel, Dr.: Planwirtidajt . 
v. Meyenn, answerner: Die politiſche Feier a ale 
Mietbrodt, Karl: Urbeiterjugend im Bann des Marrismus : 
Möller, Eberhard Wolfgang: Die Feier des SES 
— Die ipaniige 1 alle b 
en Karl: ,, SE Tod und Teufel“ . 
Münſtermann, Dr. W. Beitanigaulice Gegner Preußens 
Reeke, Dr. eer Bekenntnis zu Nie SC 
— Von der Freiheit eines Nationalſo ls en 
— Die Hauptlehren des deutſchen Verfa ogialiften in * der’ Dariteflung 
— Die Einigung der deutiden Jugend im nationalſozialiſtiſchen Reich. 
ning oi zur Doch Einheitsfront von Bolſchewismus und Ratholigismus? 
mibe Kir e und Judentum A 
Biden's r. H.: ee und Treue im Jugendehrrecht í 
v. Poll, Dr. F.: Nationaler Sozialismus oy ner Tugend . 
Pollal, gaier: SC kämpfen um ihr L l 
Pöhrnhoff, E. K. ehören die elen, 
Prokſch, Rudolf: eo tent, der däniſche in 
v. Bürdel, E.: Die ſpaniſche Feuersbrunſt . 
Rainalter, E. 5.: Schrifttum aus Desen . 
Randolf, Peter: Die 5 der Straße aus dem Kraftwagen. 
Reineder, Herbert: Die Geſundheitsführung der HJ. 
Rojenberg, Alfred: Nationalſozialiſtiſche Erziehung 
— 3 mit alten Werten 
Rüdiger, K. H.: Klarheit über Othmar Spann 
— Kunſt in der V s en 
— Auslefe der Sg 
Siewert, Wulf: Das ittelmeer in der europäilgen Politi 
— „ Oſt politik 
ie Ee am Skagerrak WEE 
Schenke, Wolf: Weimar und Potsdam ’ 
idert, Klaus: Der Jude in den ſozialen Spannungen ber Balter 
irach, Baldur v.: Zum Jahr des Jungvolks ; 
— Uber den ehemaligen Großdeutſchen Bund 


Scorer, Friedrich: Frankreich unter dem 100. Kabinett feiner britten Republit 


Schlünder, Grat: Die körperliche lung im Saunen une 
— Die körperliche edd in der HJ. : 
liter, Walter: Ich rufe die es ber Welt 


midt, Friedrich: Der Kampf gegen das Elend auf Dedienburgs Gütern 


ubert, Leo: Der Kampf der Sudetendeutſchen 
Schumann, Gerhard: Wenn fie dir ſchuldlos. 
Schwitzke, Dr. Heinz: Das Kaiſerbuch von Paul Ernit . 
Steinbömer, Guftav: Zum Streit um Rothes Shakeſpeare ; 
Stellrecht, Hellmut: Das eg: über bie SE sugent 
Tor, E. ar Spiegel eines Lebens 
— Agnes Miegel 
Throta, Thilo von: Charakter und Schönheit 


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v. Tſchammer und de Geleitwort . 14/15 
Utermann, Dr. Kurt . Ratholisismus in ber deutſchen Geſchichte ; 1 
Utermann, Wilhelm: Bei Georg K 5 
— Der Bildhauer Joſeph Thorat. fo a SO a o 10 
— Der 1 Pe. zu neuem ete : 17 
Biererbl, Dr. Karl: Der po CH Katholizismus in der Tſchechoſtowatet 2 
— Sehn u t nad dem ’ 13 
Volker, Hallo: Germaniſches Erbe im deutſchen Beipnahtsbrauhtum . 1 
At wé Sof. Magnus: Zum Streit um oe SEET: 7 
Willprecht, Hellmut: Das Innere Reich 23 
W.: Blick auf Japans Probleme 7 
Jerz Dr. Hans F.: Heute Moor und morgen {rudtbares Se Land. 3 
erkaulen, Heinrich: hid aus einem Dorf . 19 
as Naß alf gal ; d Ofte ichs Ei ta tüicht i 18 
Nationalſozial GA un rre gen a eit 
Idee oder Ideologie 19 
Der Arbeiter in der Landwirtſchaft 19 
Se CR Unruhe in der Welt, Friede im Reich 20 
* Als Schirach den Stubentenbund morte ; 21 
gie Gläubige iſſenſchaft 22 
Außenpolitiſche Notizen | 
Heft Heft 
Garantie für Kownos Politik. 1 T land und ton TE. 
Zur Piyhologie einer europäischen eform, Reaktion ober Sowjet- 
e Go e E : gece r . . . 18 
ohn Pierpont und die den 1 19 
Tarif nach Geſichtsfarbte 4 wiſchen de f i 
Wenn Militärs Politik machen 6 Innerpoiitie Lage in Polen . 19 
Die nächſten fünf Millionen . 6 Bemerkungen zur Romreiſe der oe 20 
Auf se en hegte 5 ent: : Warum denn Abwertung? . 20 
Au en des franzöſiſchen Sparers ntſchieden 21 
GE 79 15 0 Wenden und die Reichs⸗ : Chinesen VC x ig 21 
agswa Immer wieder bie deutsche Gefahr. 21 
Otto den will Landesfürſt · werden 8 i 
muter tn Waiting o e 
uae Sahr 7 er 19 12 polit tik) > 99 
n Jahr ohne den Marſcha 2 . " SS 
Der deutſche Akkord 14/15 Diplomatiſche Reifezeit vee 23 
Neue Manner vor alten Problemen 14/15 „ron Deutſchland und die Welt . 24 
Geſpräche mit pangangen POUR Nach dem Ende der Flottenverträge 
frontminiftern . . von Waſhington und London . 24 


Kleine Beiträge und Randbemerfungen 


Der Herenwahn . 
Dienſtpflicht aller Chriften . 
Ein ſeltſamer „Erntekranz“ 


Zwiſchen den Zeilen 
Ernſteſte Bedenken 


Starhembergs göttliche Weitorbnung 
Handel mit Heiligen ; 
Kultur für 30 Prennet 

Ein Irrtum 


4 


Heft 


am OVN —2—— 


He 
Die Unfruchtbarkeit der ee 


Rohe und Pf Fr 
t und ® 
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Denti SCH Auslandsinſtitut in Wien 
Welchen Nutzen haſt Du? 
Auslandsdeutſche und (Auslands 
öſterreicher ?“ $ l 
Chriſtliche Riiftungspolitit . 


an Phe Pe T 


Heft 

Ohne Kommentar! 5 
Mit Giftgas und Granaten ins Sims 

aun bit . 5 

Wann bit Du nüchtern? 5 

Die Internationale der Greuelhetzer 5 

Der vaterländiſche Abendanzug 5 


e Untergangsſtimmungs⸗ 


Heft 

Was ſagt eg pean bee Sue 
Geſellſchaft 12 
Das eene: iel ..... B 
Geiſtige Gleich chaltung be ee . 18 
| E Deutjótum an den Grene 1115 


Zwischen Schwarz und Weiß . 14/15 


made 5 en a läßlich er Lippoldsburger 
Recht und RA im „Chriſtlichen 14/15 
Ständeſtaa : 5 Dramaturgiice Ranbbemertungen gu 
Immer „Komaniſch“? : 5 den Heidelberger eee - 14/15 
Um Mißverſtändniſſen vorzubeugen 5 Geiſt und Staat — enſätze? . 14/15 
Kleiner een durch ein mert- gu Anekdote und ihre Nutzanwen⸗ 
würdiges ulweſen 6 
Bolſchewismus als Forderung der anni Worte an preußische Ge⸗ 
jungen Nation . | neräle 6 
Das namenloſe Volk ; 7 Red ertigung meines politiſchen 
Niemand will Prieſter werden 7 rhaltens . 16 
Ein Erhörungs rezept 7 De Seidenfadens Mönchsbrevier . 17 
Wenn der Staat fis ZS, ; 7 „Oh du mein heiß Verlangen“. . 17 
Erreichen die de gu Oftern das Grabbe 18 
Ziel der Kla 8 Heinrich Anackers dichteriſces Tage: 
Luthers Ramp chriften gegen das buch wéi: Zeit 18 
Judentum f 9 Kunſtſchaffen im Weſten . . 18 
Die neue Geſellſchaftsordnung 9 Der unfehlbare Pap . . 19 
Shakeſpeare, Carow und Rothe . 9 SE Rabinettsjulti .. 19 
1125 es Ka 20. Jahrhundert “alles auerntum auf dem Ba tan. . 20 
Riges 9 Der Geift im Eril, Entwidlung gum 
cori es ofterreich uf Vorſchuß 9 Schwätzer 20 
9 Theaterkrititen „Katte“ und „Sam 
E 9 let in Wittenberg“) 20 
aur philoſo hiſchen Grundfegung bes Gerüchte um Baldur von Schirach 21 
Nationalſozialis mus 10 1 Bauers jüngſte Irrtümer 21 
Zeil Nachträge . . 10 haſſe alle Deutihen“ . 21 
eilige in allen Lebenslagen . .. 10 N enkunde im Dienſt der Rekatho⸗ 
ee H Ratfe Het un j . . . 10 w, mate 3 ca d eg 22 
erge e Hoffnung . . . . 10 e ufgaben er Re ugen 
Wafers adonnen . ..... . 10 Wehrerziehung 22 
Spe euer in Prag it ah GS || Neue Denkmäler für unfere Toten. 22 
„Gefährliche Zeiten“ 10 Oſterreichs 900 000 Stiefkinder . 23 
Coangeliumsverfiindigung am Hel: Die Drohung des 15. Juli 1937. 23 
dengedenkta . . 10 Um das ëch der Ke önlichkeit 23 
Die gische Union droht! 10 Zum Abbau der klöſter ichen Lehr⸗ 
Wun chbilder der e Sets kräfte 24 
tung“ . 11 Gedanken um Winterſonnenwende 
8 oder Revolver? 11 und Weihnachten 24 
eht es nicht! . 11 ot Lanbwirtigatt im Bierjahres 
Pre end mit viel ſchönen Reben . 12 i . 24 
„Totgepredigte“ Jugend .. 12 Muftkerzieher aus der 53. . . 4 
Theater und Film 
Heft Heft 
Der Anfang zu neuem Theater. . 17 Theater als Katheder (Marie Saar 
über die Ballade zu neuem Drama 22 lotte Corday) . : 
pant und Mannſchaft . . 22 Die Kritik an den 23 jährigen . 24 
tandſchütze Bruggler , . 28 Geſchichte wird lebendig. . . . 24 


Beſprochene Bücher 


Dautert, Eri „Auf Walfang und Robbenjagd m Shain 


aanen, Rar Th.: Jungens am Himmel 
es Svend: Ruf der fernen BEES 
SCH, $ anns: Maske und ern 
er, Dr. Will: Wille und ert . 
3 Hellmuth: nad Lienhard und in Anteil! 
5 Roman: eroifche Jugend f 
urchartz, Prof.: Soldaten 
Meisner, Helmut: ores zum Volk 
Schwab, 8 sther: Menſch ohne Raum 
Eggers, Kurt: Schickſalsbrüder , 
Knocker, Edwin: Juden mit der weißen Welte . 
pol mann, Heinrich: Parteitag der Freiheit 
Meier⸗Benneckenſtein, P.: Dokumente der deutschen Bolitit 
Seignobos, Ch.: Geſchichte Frankreichs 
Trevelyan, ©. M.: Geſchichte Englands . 
Srbik H., Ritter von: Deutſche Heimat 
ailing, Heinar: Weltgeſchichte 
Möller, Albrecht: Wir werden das Volk 
SE Paul: Cin Credo. 

i gedrigotti, Auton, Graf: Tirol bleibt Tirol . 
Gergengenen, Werner: Der Großtyrann und das Gericht 
Heidenſtam, Werner von: Karl XII. und feine Krieger 
5 Strauß Lulu und Tornay: Der Hof am PEME: 

Knittel, John: Via Mala. . i 
Gerhard, Heinz: on 5 der Memel 
Lerſch, Heinrich: Hammerſch Sauer 

iſcher, Erich: Die jun e e haft 8 

len, Wulf: Das Jugendbuch vom Weltkrieg. 
— NS.⸗Monatshefte, Heft 69, Dezember 1935 . 
Alexander, Lucie: Unſer der We eg ' 
Strauß, Eberhard: Kameraden unterm Spaten f 
ESA Bengt: Svar Halling . SÉ 

v. Metzſch, Horſt: Schlummernde Wehrkräfte 3 
de Traz, Chouteau Robert: Franzöſiſches Soldatentum . 
Wanderſcheck, Dr. Hermann: Weltkrieg und Propaganda , 
C bert Prof. Dr. Hans: Politiſche Raumordnung 


ardt, Karl Aug. Das Studium der Wirtſchaftswiſſenſchaft l 


55 Bléie Dr. Joh.: Deutſche d eſchichte in Dokumenten 

Berndt, Alfred J.: Vom Arbeitsplatz zum MG⸗Dreyſe 

Kohl SA Werner: Das deutſche Soldatenlied 

Ro rof. Dr. Hugo: Rojenberg und die Bibel , 

Miller, Alfred: Ee aft im Dienſte der Duntelmanner 

Metzke, Erwine: Geſchichtliche Wirklichkeit 

v. Moltke, Helmuth: Der türkiſch⸗ (ong De Feldzug 1839 

Veltzé, Alois: Die Schlacht bei Adua 1896 . . 

ğrentag, Guftav: Kamp und Beide im Spätmittelalter 
chiller, Friedrich: Guſtav l 

eee Mar: darn orſt ker die preußiſche Heeresteform i 
Wießt, H.: Heer, 5 Luftwaffe 

Ernie Günter: Von Mollwi tz bis Annaberg ; 

de Gaulle, Charles: Frankreichs e 

— NS.⸗Monatshefte im neuen Jahr 

Udet, Ernft: Mein Fliegerlebenn 

Jakobs, Theodor: Die letzte Schlacht 

Kruſe, Hein: Der Gefallene ruft 


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v. Bremen, Carl: Die Schifferwiege 
Ehrenreich, Bernd: Marine⸗SA. 
Crete Herbert A.: Flaggt Droe und Frohſinn 
rote, Freiherr H. H.: Ein Ruf erging . 
— Das Lied der Arbeit, Selbftergeugniife der Sqhafſenden 
Weber, Leopold: Die Be ee deutſch . 
Aders, Egon Friedr. M heater wohin? . 
Rosenberg, Alfred: Geſtaltung der Idee 
Bley, Wulf: Wehrpflicht des Geiſtes 
SEN Robert: Der deutſche Bauer ind jein Dorf in Vergangenheit und Gegen: 
wart 
Wadler, Mar: Der Denter Paul Ern nit 
reund, Nichale: Von Verſailles zur ehrfreiheit 
itter, Paul: Kampf um den Erd raum 
Lieberenz, Paul: Das Ratjel Abeſſinien 8 a 
Int, Artur W.: Militärmacht Sowjetunion ; 
Engel, Dr. Ludwig: Der Sejuitismus eine Staatsfrage € 
irer, Reinhold: Not, Kampf, Ziel der Jugend in ſieben Ländern 
Wüllenweber, Dr.: Altgermaniſche Erziehung. SECH 
Meinberg, Wilhelm: Die Ahnen beutiher Sauernfühter 
Saler däi, Zeitenwende ; 
3 Krieg am Galgenturm . 
wad, Br.: Das Opfer ber Notburga 
30 dé eg Will: Unſter liche Gefolgſchaft 3 
t, Friedrich: Geſtaltete Freizeit 
Langenbucher muth: AEN a Dichtung der Zeit 
Augufting, Waldemar: Dronn Marie 
erkaulen, Heinrich: Blau i bas Meer 
Amann, Hermann: Die Volksgruppen um die beutjihe Geigiäte . 
Weller Caracciola: candi — Sieg — Rekorde! 
Axmann, Artur: Olympia der Ar eit. 
Benmelburg, Werner: Mont Ro 
Wiemer, pork E.: Die ju the 
Senn, a ba Die Freihel des Geiſtes 
e und Staat 
dp Ve ep ae Lt. Colonel: Staatsdienft am Bolt . 
er: Der deutſche Aufbruch SCENE 
3 hard: Soldaten — Kameraden f 
Cie Balter: Die BEE Revolution des Nationalfogialismus j 
aun, Kurt: Die Revolution geht E . 
Schell, A.: Kampf Panzerwa 
Segen, Erwin: Deuter Frontkämp erglaube 
gies egler, Wilhelm: Gerdun . 
chtenberg, Carl Joh.: „aBoltenftein e? 
Beſte, Konrad: Geſine und die Bo elmänner . 
Wehner, Jol. Magnus: Stadt und Feſtu Belgrad 
Menzel, ger bert: Gedichte der Kameradſchaft. 


(O O o O O oO o o o oO o ao a a o ao ao O oao a0 ao a0 oc 90 Q0 o0 Oc G0 GO 00 G0 Q0 G0 Q0 00 G0 N N yN OOG O CD CH 


Gröber, Borromäus: Mit zwei Zentnern durch den Welttrieg . 
SH Marcel: Réformes sociales et t Economiques 3 A woe. vi | 
“Be van: rfüllung und Befreiung . ee gu e ee, oO 
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r. Johannes: Fürſten. Ritterſchaft und Bürgertum von 1100 10 
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X 39. Miller René: Leo XIII. und unſere Zeit e „ 140 
Sitte, Dr. Falk: Raffe und Recht im deutſchen Sohiäulmefen 31410 
Fend Otto: Ein General rettet feine Armee ee Vu 
ner, Heinrich: e der SES beſchichte e 
Siebold, Albert: Die Here. . „ ae L. 


elte, G Paal: ehde um Brandenburg E fe. 
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gamana Ernft Wilhelm: Die Außenpolitik des Faschismus i 

rz. zw ie Adriafrage 3 
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Stegemann, 8 Weltwende 
Steinbömer, Guftan: Dann und Kultur 
Rothader, Gottfried: Das Dorf an der Grenze . 
Wimmer, Robert: Weltanſchauung, 1 und Jag ende un 
Woltmann, uns: Das Raſſenwerk 
Jaenſch, Prof. Walther: Körperform, Solle, Seele und Leibesübungen 
v. cane Dr. Johann: Blut und Raſſe in der Geſetzgebung. 
Srenfie yet Die le vor dem Skagerrak ; 

urm, Exakt: Die Adlerin 
— Adolf Hitler, ein Mann und fein Volk, Sonderausgabe des JB. 
Eberhard, Siegfried: Friedrich der Gro ße ee 
Leiſtritz, Dr. pons Karl: ea ple Bun des Boltsgenoffen : 
Lauduer, Rolf: Cin Leben für den S : : 
Bruns, Marianne: Die Dioskuren Si Olympia A 
Mant, Dr.: Das vierte Siegel 

H Andor: Fünf Jungen ziehen ins Ungarland . 

Feiß 6 Erich: Hermann Löns der Miederdeutidhe . 
Heiz, Friedrich: Die ſüdoſtdeutſche Weg ene 
Strauß, Emil: Der Nackte Mann e 
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Ganzer, K. R., Der 9. November 1923 : 
Strobel, Hans: ane im Jahreslauf : 
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Strauß, Lulu und Torney: Balladen „Erde der We 
Bwin er, Edwin Erich: Das namenloſe Heer . A 
Blun ans Fr.: Die Wiedewitte . ; 
an raf Gottfried: Männer am Brunnen . 

önitzer, Willi Fr.: dei ein 5 in Deutſchland 
Kuron, Victor: Deut} land, ich liebe D 
Krockow, Dr. Martin: Deut chlands Zuſammenbruch und Freiheitskampf 1918/1985 
Sende Wahrhold: Die Vorherrſchaft der EEN ale * 

Semjonow, Dr.: Die Güter der Erde : 
SO er, 2 allas Athene 

riebrich: Weltfreimaurerei, Weltrevolution, Weltrepublit. 

Barthanſen, oachim: Das gelbe Weltreich a 


Druck: Münchner Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn KG., München 


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zrorsander nationalſozialiſtiſchen Zugend 


14 


dem Zuhalt: 


Klarheit über Othmar Spann 
Der Kampf der Sudetendeutschen 


politische Katholizismus in der T schechoslow 


— Über Josefa Berens- Totenohl — Zur Psychologie einer europäischen W 
Zwischen den Zeilen — Ernsteste Bedenken — Vom Biichermerkt. 


Dei? Berlin, den 15. Saunas 19036 Ginselpecis 30 Pfs. 


Subalt 


Der politiſche Katholizismus in der Tſchechoſlowakei . Dr. Karl Viererbl 


Der Kampf der Sudetendeutſ ches Leo Schubert 

Klarheit über Othmar Span Karlheinz Rüdiger 

„Planwirtſchaf tt. Dr. Merkel 
Stabshauptadtetiungsletter 


Schickſal und Treue (Ueber Joſefa GerensTotenohl) . Dein Grothe 


Außenpolitiſche Notizen: 
Zur Pſychologie einer europätfchen Wanze 


Nandbemerkungen: 
Zwiſchen den Zeilen 
Ernſteſte Bedenken 


( 
Vom Büchermarkt ö 
| 
Kunſtdruckbeilage: 

Die Prager deutſche Aniverſität (Foto Weltbild); Siegel der Karls⸗ 


Univerfität Foto (Atlantic); Eine deutſche Dichterin: Joſefa Berens ⸗Totenohl 
(Foto Schmieding) (| 


dahrgang 4 Berlin, 15. Januar 1936 Heft 2 


Or. Karl Viererbl: 


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Der volitijibe Katholizismus in der 
Tichechoſlotwwakei 


Als die Kirchenglocken des hunderttürmigen Prag im vergangenen Sommer den 
erſten geſamtſtaatlichen Katholikentag einläuteten, da bezog auch der politiſche 
Katholizismus der Tſchechoſlowakei eine neue Pofition gegen das „neuheidniſche“ 
Deutſchland. Dieſer kirchlichen Veranſtaltung waren nämlich lange diplomatiſche 
Verhandlungen zwiſchen Prag und dem Vatikan vorausgegangen, um die ſeit zwei 
Jahren abgeriſſenen Fäden wieder zu knüpfen. Seit dem Abbruch der diplomatiſchen 
Beziehungen zwiſchen Prag und Rom im Herbſt 1933 war eine Verlagerung der 
mitteleuropäiſchen Kräfteverhältniſſe eingetreten. Die Poſition, die der politiſche 
Katholizismus in Polen durch das Abkommen zwiſchen Berlin und Warſchau in 
feiner Ringpolitik um Deutſchland verloren hat, war in der Tſchechoſlowakei wieder- 
zugewinnen, um ſo eher, als die Tſchechoſlowakei ja ein ſehr wichtiges Bindeglied 
in dem militäriſchen Bündnisſyſtem Paris Prag — Moskau darſtellt. Der Vatikan 
war daher an einer Bereinigung ſeiner Streitfragen intereſſiert, wie umgekehrt 
Prag und Paris die Verſtärkung ihrer Front durch den politiſchen Katholizismus 
nur wünſchenswert war. Alſo fand man bald einen modus vivendi, der durch den 
Prager Katholikentag gekrönt wurde. And während die Gläubigen mit frommen 
Kirchenliedern im Munde durch die winkeligen Gaſſen des barocken Prag zogen 
und aus den Kirchen die letzten Weihrauchſchwaden der Dankgottesdienſte zogen, da 
wurde zwiſchen dem päpſtlichen Legaten Verdier, der zugleich auch Erzbiſchof von 
Paris ift, und dem tſchechiſchen Außenminiſter die Verhandlungen über den Mb- 
ſchluß eines Konkordates und eines „Beiſtandpaktes“ abgeſchloſſen. Das Konkordat 
brachte Rom die beſchlagnahmten Kirchengüter und eine Reihe anderer ideeller und 
materieller Vorteile. Im „Beiſtandspakt“ aber verſichert, wie das tſchechiſche Blatt 
wpoledni Lift” erklärt, der Vatikan der Tſchechoſlowakei, er werde all feinen Cin- 


2 Viererbl / Der politiſche Katholizismus in der Tſchechoſlowakel 


fluß darauf verwenden, „dem tſchechoſlowakiſchen Staate die Treue und aktive Unter 
ſtützung der katholiſchen Einwohnerſchaft zu ſichern, beſonders, ſofern es ſich un 
die Sudetendeutſchen und die Slowaken dreht .. Kardinal Innitzer (Wien) 
hat angeblich erklärt, daß er jede Aufgabe übernehme, die ihm der Heilige Stuhl 
hinſichtlich eines Druckes auf unſere Deutſchen (d. f. die Sudetendeutſchen) out 
erlegt“. Ferner wird die Anterſtützung des außenpolitiſchen Kurſes Dr. Beneſchs 
zugeſichert — durch den Vatikan einerſeits und die katholiſchen Parteien anderer: 
ſeits. Die Auswirkungen dieſer Abmachungen laſſen ſich auf der ganzen Linie 
feſtſtellen. 

Dem ſudetendeutſchen politiſchen Katholizismus, der durch die chriſtlichſoziale 
Volkspartei repräſentiert wird, fiel vor allem die Aufgabe zu, der „reichsfreund⸗ 
lichen und nationalſozialiſtiſchen Einſtellung des Sudetendeutſchtums entgegen 
zuwirken“. Gleichzeitig wurde fie zur Preisgabe ihrer ſcharſen oppoſitionellen Cin 
ſtellung zur Regierung veranlaßt. Der neue Kurswechſel kommt rein äußerlich ſchon 
im Sturz des bisherigen Parteiobmannes Prof. Dr. Hilgenreiner zum Aus 
druck, den man damit bemäntelte, daß man erklärte, er könne infolge ſeiner Wahl 
zum Rektor der Prager Deutſchen Aniverſität ſein Parteiamt nicht mehr ausüben. 
In Hilgenreiner ſah man keinen Garanten für die Einhaltung des neuen Kurſes. 

Es iſt eine andere Sprache, die das offizielle Parteiorgan des politiſchen 
Katholizismus, die „Deutſche Preſſe“ (Prag), ſpricht, wenn es in ſeiner Ausgabe 
Nr. 235 vom 13. Oktober 1935 in Beſprechung der Nürnberger Geſetze erklärt: 

„In der Tat, der Nürnberger Parteitag hat ſäkulare Bedeutung. Die Auswirkungen 
feiner Beſchlüſſe auf die menſchlichen Freiheiten des deutſchen Volkes find nicht abzuſehen. 
Ein Kulturkampf mit ſolchen Perſpektiven im Herzen Europas erhebt ſich daher zu einem 
europäiſchen Problem, das alle Fragen unſeres heutigen Geſchehens auf das tiefſte berührt. 

Am ſo wichtiger iſt es daher, im Rahmen unſeres ſudetendeutſchen Volkstums klar 
und offen den Ernſt dieſer Fragen zu behandeln. Die Gender des benachbarten Reiches 
laffen keine Gelegenheit vorübergehen, um das Gedankengut des nationalſozialiſtiſchen Neu- 
heidentums dem Sudetendeutſchtum zugänglich zu machen 

Die Sorgloſigkeit, mit der in manchen, auch katholiſchen, Kreiſen die Wirkungen des 
deutſchen Kulturkampfes auf die ſudetendeutſche Bevölkerung beurteilt wird, ift febr ge 
fährlich. Das katholiſche Sudetendeutſchtum muß ſich ganz klar 
feiner beſonderen Aufgabe im Rahmen des Geſamtdeutſchtums 
bewußt fein. Es gilt, eine katholiſche Front aufzurichten, an der 
jeder Verſuch, die neuheidniſchen und nationalſozilaliſtiſchen 
Lehren in das Sudetendeutſchtum zu tragen, ſcheitern muß.“ 

„Das katholiſche Sudetendeutſchtum muß fih ganz klar feiner beſonderen (I) 
Aufgabe im Rahmen des Geſamtdeutſchtums bewußt fein .... Es gilt eine katho⸗ 
liſche Front aufzurichten.“ Das ſind Worte, die wir den einzelnen Volksgruppen 
entſprechend überall im Auslandsdeutſchtum hören können. Die Front gilt 
dem nationalſozialiſtiſchen Deutſchland! And dies um fo mehr, als 
das Sudetendeutſchtum infolge ſeiner nationalen und wirtſchaftlichen Notlage bis 
jetzt auch nicht einen Augenblick Zeit gefunden hat, ſich mit Kirchenfragen zu be⸗ 
ſchäftigen. Die deutſchen Menſchen im Sudetenland haben ſich innerlich mit ihrer 


Viererbl /B Der politiſche Katholizismus in der Tſchechoſlowakei 3 


Kirche auseinandergeſetzt. Heute ſucht der politiſche Katholizismus nach einem Zank⸗ 
apfel, heute iſt er bereit, einen „Kulturkampf“ zu entſachen, um die politiſche und 
geiſtige Einheit des Sudetendeutſchtums zu ſprengen, wie man es in Rom und 
Prag will. Das Sudetendeutſchtum hat in den letzten Jahren ſeine Loyalität zum 
tſchechoſlowakiſchen Staate oft genug unter Beweis geſtellt. Es hat aber auch ebenſo 
ehrlich ſein Bekenntnis zur geſamtdeutſchen Bluts. und Kulturgemeinſchaft abgelegt 
und dieſes Bekenntnis nicht abhängig gemacht von der im deutſchen Kernſtaat herr⸗ 
ſchenden Weltanſchauung oder einer beſtimmten Regierungsform. Daß es von den 
weltanſchaulichen und geiſtespolitiſchen Amwälzungen des Kerndeutſchtums erfaßt 
wurde und ſich in ihm ſelbſt ein Erneuerungsprozeß ſeines politiſchen Denkens voll⸗ 
zog, war nur eine natürliche Erſcheinung. Es hieße die volkliche Einheit und bin⸗ 
dende Kraft von Blut und Sprache überhaupt leugnen, wenn man die Natürlich⸗ 
keit einer geiſtigen Gleichrichtung der fern vom Volksſtaat lebenden Volksteile mit 
dem Volksteil im eigenen Staate beſtritte. Von dieſem weltanſchaulichen Bekennt⸗ 
nis bleibt die ſtaatspolitiſche Verpflichtung der Volksgruppen unberührt. Der 
politiſche Katholizismus, der in Deutſchland geſchlagen ift, ſpielt heute das Be- 
kenntnis zu den Lebensprinzipien der deutſchen völkiſchen Weltanſchauung gegen 
die ſtaatspolitiſche Verpflichtung aus, ſtellt ſie heute in Gegenſatz und bekämpft das 
Bekenntnis zu den Lebensprinzipien des völkiſchen Staates, um ihn ſelbſt zu be⸗ 
kämpfen. Es geht ihm heute gar nicht mehr um das neue Prinzip, 
ſondern um Deutſchland ſchlechthin. Es gibt in der ſudetendeutſchen 
chriſtlichſozialen Partei Kreiſe, die dieſen ſeparatiſtiſchen Kampf nicht billigen. Sie 
find unterlegen. Ihr Führer aber wurde in die Verbannung geſchickt. 

Vor einiger Zeit hat der ehemalige Miniſter Dr. Mayer⸗Harting, der Exponent 
der romhörigen Richtung — übrigens ein Judenſtämmling — ein politiſches Referat 
gehalten, das den bezeichnenden Titel trägt: „Anſer Weg in die Zukunft', 
in dem er ſich mit den Arſachen der Wahlniederlage auseinanderſetzte und gegen 
die ſudetendeutſche Einheitsbewegung Front machte. Er führte u. a. aus: 

„Was ſoll werden? Wir wollen unabhängig und ſelbſtändig bleiben, das hat bereits 
der Reichsparteitag geſagt. Ich möchte ſagen: wir müſſen ſelbſtändig bleiben aus kulturellen, 
ſozialen und nationalen Gründen. Mit dem Sturz des Sentrumsturmes in 
Deutſchland hat auch das Leiden des Katholizismus in Deutſch⸗ 
land begonnen. Die Chriſtlichſoziale Volkspartei iſt auch das Gegengewicht gegen 
die ſoziale Reaktion. Der chriſtliche Sozialismus ift aber auch ein Gegengewicht gegen 
einen marpiſtiſchen Linksblock. Anentbehrlich find wir auch als nationale Partei. Denn 
ruhige Aeberlegung bringt zur Aeberzeugung, daß eine ſudetendeutſche Einheitspartei 
unſerem Volke kein Heil bringen könnte. Daß eine Parteimehrheit bisher keine be⸗ 
merkenswerten Erfolge erringen konnte, bedeutet noch nicht, daß eine Einheitspartei mehr 
Erfolge erringen würde 

Eine geſchloſſene Oppoſition des geſamten Sudetendeutſchtums wäre vielleicht zu 
Beginn des Staates von Nutzen geweſen. Damals hatten wir die Möglichkeit, uns ent⸗ 
weder geſchloſſen auf den Boden des Staates zu ſtellen oder geſchloſſen gegen den Staat. 
Heute aber wäre cine folge geſchloſſene Oppoſition der Sudeten 
deutſchen — nach meinem Gefühle — bedeutungslos vor allem in 


4 Viererbl / Der politiſche Katholizismus in der Tſchechoſlowakei 


den Augen des Auslandes, weil das Ausland leicht zu befriedigen 
wäre durch Beſtellung eines deutſchen Landsmann Miniſters, der 
ſich immer finden würde... 

So follte ſich eine zielbewußte ſudetendeutſche Politik vielmehr die Weisheit eines 
nichtdeutſchen führenden Staatsmannes zunutze machen, der geſagt hat: „Niemand glaubt 
an den dauernden Beſtand der politiſchen Lage von heute in Europa. Darum iſt es gut, 
ſich am Leben zu erhalten, um die Zukunft zu erleben!“ Es mag bei uns manche geben, 
die da glauben, daß der Beſtand dieſes Staates nicht von Dauer ſei. Ich gehöre nicht zu 
dieſen. Aber auch wenn man dieſen Glauben hat, iſt es ein gewagtes Spiel, alles auf 
eine Karte zu ſetzen. Der Sinn der Politik muß ſein: „leben, um zu erleben.“ Dazu brauchen 
wir hierzulande Deutſche in der Regierung. Die SDP (Sudetendeutſche Partei) ift aber 
lange nicht berufen, ſich an einer Regierung zu beteiligen, ja noch mehr: die Sorge, daß 
etwas zugunſten der GOP gebucht werden könnte, veranlaßt die Tſchechen alles zu ver- 
meiden, was den Deutſchen nützen könnte. Man glaubt ihrem Aktivismus heute trotz aller 
Bemühungen nicht auf tſchechiſcher Seite und ſtellt ihn gar nicht in Rechnung. Man 
wertet den Aktivismus der SDP beſtenfalls innenpolitiſch. Heute aber tft das Cnt- 
ſcheidende die Außenpolitik. Die ſtaatliche Außenpolitik kann aber nur eine Friedenspolitik 
ſein. Friedenspolitik aber heißt, alles zu tun, was den Krieg vermeidet. Das heißt 
in tſchechiſcher Sprache: keine Grenzverſchiebung. Jeder beſonnene Menſch weiß freilich: 
ſo wie es iſt, wird es nicht bleiben, wir müſſen vielmehr alle gemeinſam eine Löſung an⸗ 
ſtreben, die alle befriedigt, aber einen Krieg vermeidet. And die Löſung hat vielleicht 
bereits ein Seipel vorgezeichnet, als er ſagte: weder Anſchluß, noch Donaukonföderation, 
ſondern beides: Erhaltung der Selbſtändigkeit Oeſterreichs im Rahmen 
eines polätäiſch und wirtſchaftlichorganiſierten Donauraumes und 
ſeinen Zuſammenſchluß mit Mitteleuropa. 

Das können auch wir akzeptieren. Das bedeutet Selbſtändigkeit des tſchechoſlowakiſchen 
Staates und Kulturgemeinſchaft mit dem ganzen deutſchen Volke. Im Zeichen einer 
ſolchen Außenpolitik finden wir uns mit der tſchechiſchen 
offiziellen Außenpolitik auf einer Linie und dadurch allein wird 
auf beiden Seiten das Vertrauen geſchaffen, das auch eine innenpolitiſche 
Löſung geſtattet. Dieſe iſt nicht ſo ſchwer, wie es ausſchaut. Dazu braucht es nicht mehr 
als die Verwirklichung der in der Verfaſſung bereits gewährleiſteten Gleichberechtigung 
durch die entſprechenden Durchführungsgeſetze. Zum Schluß erklärte der Miniſter: Keine 
Gleichſchaltung, ſondern im Gegenteil Herausarbeitung unſeres 
weltanſchaulichen Standpunktes, der uns religiös als poſitive 
Chriften im Sinne des Katechismus und „Quadragesimo anno“, 
politiſch als überzeugte Demokraten mit dem Programm einer 
friedlichen Löſung der innen- und außenpolitiſchen Probleme, 
ſozial als chriſtliche Sozialiſten vom deutſchen Nationalſozialis 
mus trennt.“ 

Die Linien- und Zielrichtung des politiſchen Katholizismus find in dieſer Rede 
ſcharf herausgearbeitet. Auf ihnen bewegt ſich die praktiſche Politik, die vom 
kleinſten katholiſchen Pfarramt ausgeht. And es konnte daher nicht überraſchen, 
daß in einem Gerichtsverfahren wegen Herſtellung illegalen kommuniſtiſchen Pro- 
pagandamaterials, das zur Verbreitung in Deutſchland beſtimmt war, das Leit— 
meritzer Preſſegericht feſtſtellte, daß ein Großteil der Flugſchriften mit Erlaubnis 


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Viererbl / Der politiſche Katholizismus in der Tſchechoſlowakei 5 


eines katholiſchen Geiſtlichen als Drudereileiters in der driftlid-fogialen Partei- 
druckerei „Anion“ in Teplitz⸗Schönau hergeſtellt worden ift! 

Auf dem Kongreß der deutſchen chriſtlichen Gewerkſchaften in Reichenberg 
verwies Dr. Henfeler vom internationalen Arbeitsamt in Genf, wohin er einſt 
als Vertreter der chriſtlichen Gewerkſchaften des Deutſchen Reiches entſandt wurde 
und der noch heute Beziehungen zu ehemaligen Zentrumskreiſen unterhält, daß die 
deutſchen chriſtlichen Gewerkſchaften in der Tſchechoſlowakei nach der Auflöſung der 
chriſtlichen Gewerkſchaften in Deutſchland eine beſondere Tradition zu wahren haben. 
„Sie wird“, fagte er, „dafür ſorgen müſſen, daß es ſpäter einmal 
möglich ſe in wird, dort fortzufahren, woman vor zwei Jahren 
aufhören mußte.“ 

Noch eindeutiger äußerte fih der Vertreter des internationalen chriſtlichen Ar- 
beiterverbandes, Serraerenz, Amſterdam. Er ſagte: „Einrichtungen der Ge- 
werkſchaften haben keinen Ewigkeitswert. Ewigkeitswert aber hat die Würde des 
Menſchen, des Arbeiters. 

Das Kreuz der Gerechtigkeit und Nächſtenliebe wird ſtehenbleiben, wenn 
andere Kreuze längſt geſchwunden fein werden. Wer wirklich unter 
dem richtigen Kreuze ſteht, läßt ſich — wo er auch ſei — von keiner Tagesſtrömung 
tragen. Anſere Aufgabe iſt es für den einzigen Führer, den es 
auf Erden gibt, zu kämpfen und die Welt zu geſtalten im 
Zeichen des einzigen Kreuzes.“ 


Der Obmann des Verbandes der chriſtlichen Gewerkſchaften in der Tſchecho⸗ 
ſlowakei, der Abgeordnete Schütz, ſagte u. a.: 


„Durch den weiten Siedlungsraum, den Deutſche in Europa bevölkern, geht 
eine revolutionäre Welle, ein Zittern und Beben, das alle Volksglieder erfaßt. 
Was in unſerem Volkskörper vorgeht, ift eben mehr, als ein Rollentauſchen zwiſchen 
politiſchen Parteien. Es iſt ein Ringen um die Grundideen. 

Wir ſind Volk an der Grenze. Darin ſteckt viel Großes, aber auch viel Tragiſches. 
Volk an der Grenze heißt Damm ſein, der von zwei Seiten umbrandet wird; beißt 
Mauer ſein, die von zwei Seiten beſtürmt wird.“ 

Der politiſche Katholizismus iſt in der Tſchechoſlowakei und im edo de e im 
Sudetendeutſchtum an der Arbeit. Eine neue ſeparatiſtiſche Front iſt aufgerollt, 
die der Eingliederung des Sudetendeutſchtums in die reichsfeindliche Angriffs- 
linie gilt. 

Die Klerikalen leiſten der Linken Gefolgſchaft. Seit dem Katholikentage und 
der tiefgreifenden VBeſſerung des Verhältniſſes Prag — Vatikan, haben fie ihre 
politiſche Taktik weſentlich geändert. Die Beziehungen SramekBeneſch find beffer 
geworden. Schwarzrot ſteht ſich augenblicklich näher als ſchwarzgrün, obzwar dieſe 
Farben weltanſchauungsmäßig und traditionell engere Verbindung zueinander hätten. 

Der „ſozialiſtiſche“ Flügel der Regierung, tſchechiſche und deutſche Sozial- 
demofraten, die Kommuniſten und die tſchechiſchen Nationalſozialiſten — die Volks- 
front des Herrn Dimitrow — hat durch die Klerikalen Verſtärkung erhalten. Was 


6 Schubert | Der Kampf der Sudetendeutſchen 


ihn mit den Klerikalen verbindet, iſt die antideutſche Gin, 
ſtellung und Front gegen das nationalſozialiſtiſche Deutſch ⸗ 
land. 

Ein marxiſtiſches Blatt ſchrieb kürzlich: „Wir find etwas allzuſehr daran ge- 
wöhnt, in jeder Organiſation, die nicht feſt mit der alten guten Tradition der 
ſozialiſtiſchen Gewerkſchaftsbewegung zuſammenhängt, etwas Reaktionäres oder au- 
mindeſt etwas Gegenſozialiſtiſches zu ſehen. Vor einigen 30 Jahren iſt das wohl 
ſo geweſen. Die Alten unter uns erinnern ſich noch an den ſchweren Kampf, den 
wir in der Gewerkſchaftspolitik führten.. Im Laufe von Jahrzehnten aber 
haben ſich die Verhältniſſe und auch die Menſchen geändert. Heute ſind z. B. 
die nationalſozialiſtiſchen Gewerkſchaften eine feſte und ſehr ſtarke Einheit der 
ſozialiſtiſchen Gewerkſchaftspolitik. Nach dem Kriege haben ſich auch die Hriftlid- 
ſozialen Gewerkſchaften in ihrer Politik den modernen Richtungen angeglichen 
Wir haben heute keinen Grund nicht auch die chriſtlichſozialen 
Gewerkſchaftsorganiſationen als ein Geftandteil der 
modernen Gewerkſchaftsbewegung in unſerer Republik zu 
betrachten. Vielleicht rümpft über dieſe Behauptung 
mancher die Nafe. Aber mit Anrecht.“ 

Wenn ſich die Marxiſten mit einem alten Gegner und Konkurrenten verſöhnen, 
dann gibt es einen ſtärkeren, den ſie fürchten! 


Leo Schubert: 


Der Kampf der Gudeiendentidern 


Jahrzehnte des politiſchen Kampfes in Oeſterreich brachten weder im Parlament zu 
Wien, noch im böhmiſchen Landtag zu Prag eine allſeits befriedigende Löſung der deutſch⸗ 
tſchechiſchen Streitfragen. Eine Ausnahme ſtellt der Ausgleich in Mähren durch die 
lex Perek dar, der eine Teillöſung brachte und bis in die heutige Zeit inſofern herüber⸗ 
wirkt, als hier das Elternrecht in Schulfragen nicht gilt, d. h. die Eltern find nicht be⸗ 
rechtigt, ihre Kinder nach Wunſch in eine deutſche oder tſchechiſche Volksſchule zu ſchicken, 
ſondern entſcheidend für die Wahl der Schule iſt die Nationalität der Eltern. 

Nach der Errichtung der Tſchechoſlowakei fiel nicht nur das ſchlimme Wort von den 
Rebellen und Koloniſten, ſondern es erfolgte ſoſort eine Scheidung in dem Sinne, daß 
feſtgeſtellt wurde, es gebe nur ein Staatsvolk und dann die Minderheiten. Dieſe Degra- 
dierung kam mehrfach in der Geſetzgebung zum Ausdruck. 

Daß der Wille zur Löſung des deutſch⸗tſchechiſchen Problems nicht vorhanden war 
und nicht vorhanden ift, beweiſt doch die Tatſache, daß auch nur eine Distuffion darüber 
gar nicht ſtattfindet oder nicht beachtet wird, oder aber immer wieder den vergeblichen 
Verſuch von deutſcher Seite aufzeigt, zu einer ernſten Erörterung zu gelangen, der höchſtens 
mit neuen Verdächtigungen beantwortet wird. 

Wir haben ein Jahrzehnt deutſche Beteiligung an den verſchiedenen Regierungen in 
Prag. Es iſt weltbekannt, daß daraus das Sudetendeutſchtum keinen Vorteil hatte. Welchen 


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Schubert | Der Kampf der Sudetendeutſchen 7 


Wert kann aber auch eine derartige Beteiligung haben, wenn fie nicht einmal eine Diskuſſion 
des deutſch⸗tſchechiſchen Problems anftrebt und durchführt, geſchweige denn eine Löfung 
bringt? Es wird ſogar behauptet, daß den deutſchen Parteien gegenüber ein direktes 
Verbot der Aufrollung dieſer unbequemen Frage beſteht und der Verzicht darauf Bedingung 
der Aufnahme in die Regierungslaube iſt. | 

Gewiß erhebt ſich hier und da ungehört und unerhört eine Stimme aus dem tchechiſchen 
Lager, welche um des Staates willen den nationalen Frieden fordert. Zahlreich ſind die 
Ratſchläge tſchechiſcher Zeitungen und Politiker an die deutſchen Mitbürger über das 
Mindeſtmaß von Loyalität. Man kann dieſe Forderung auf eine einfache Formel bringen. 
Wenn tſchechiſche Volksgenoſſen ſich in der gleichen Lage ſo benehmen würden, wie man es 
von den Deutſchen verlangt, würden ſie aus der Volksgemeinſchaft ausgeſchloſſen und als 
nationale Verräter gebrandmarkt werden. 

Sowohl der frühere Außenminiſter Dr. Benes als auch der jetzige Miniſterpräſtdent 
Dr. Hodza haben wiederholt in letzter Zeit zum deutſch⸗tſchechiſchen Problem Stellung 
genommen und eine Zuſammenarbeit beider Nationen für möglich und wünſchenswert er⸗ 
klärt. Vollkommen falſch wäre es, daraus im Auslande und auch in der Tſchechoſlowakei 
Schlüſſe in der Richtung zu ziehen, als ob wir am Vorabend einer Verſtändigung ſtünden. 

Man muß ſich doch darüber klar ſein, daß die Tſchechei nicht deshalb als ſelbſtändiger 
Staat errichtet wurde, um das Selbſtbeſtimmungsrecht der Völker in die Tat umzuſetzen, 
oder aber nur deshalb, um den Sehnſuchtstraum von Maſaryk und Beneš nach einem 
tſchechiſchen Nationalſtaat zu verwirklichen. Neben anderen Gründen ſchon deshalb nicht, 
weil das Selbſtbeſtimmungsrecht der Mehrheit der Bevölkerung des neuen Staates nicht 
zum Ausdruck gekommen iſt und nicht kommen durfte, und auch deshalb nicht, weil die 
Tſchechoſlowakei ja gar kein Nationalſtaat ift, ſondern ein Nationalitätenſtaat, eine ver- 
kleinerte Neuauflage der öſterreichiſch⸗ungariſchen Monarchie. | 

Außenpolitiſch, um mit Maſaryk zu ſprechen, hatte der Staat eine Barriere zu fein, 
auf dem Weg Deutſchlands nach dem Baltan; um im Geiſte Beneš zu ſprechen, ein Vor- 
poſten Frankreichs, eine gegenüber dem Jahre 1914 weitere zuſätzliche Flankenbedrohung 
des Deutſchen Reiches. Innenpolitiſch war feine Aufgabe die Aufſaugung der Slowakei, 
die Niederhaltung von 1 Million Ungarn und 3% Millionen Sudetendeutſchen. Die 
größte Erleichterung für ihn wäre es, wenn das Sudetendeutſchtum die Fiktion eines 
ſudetendeutſchen Stammes und die Schaffung des deutſchſprechenden Tſchechoſlowaken als 
das Ziel feines innerpolitiſchen Ringens auffaffen würde. 

Weil die DNS Ap das Ziel des tſchechiſchen Volkes kannte und in das von 
Vernichtungswillen befeeltem Beſtreben alle Machtmittel des Staates geſtellt wurden 
und werden, konnte ſie ihr innerpolitiſches Wollen nur auf den Kampf um die nationale 
Selbſtverwaltung konzentrieren und konnte dem Exiſtenzwillen des deutſchen Volkes weit 
fichtbar Ausdruck geben durch die den Kampf beherrſchende Loſung nach dem Schutz von 
Schule, Scholle, Arbeitsplatz. 

Es iſt nach wie vor unſer felſenfeſter Glaube, daß von dieſer Sicherung Sein und 
Nichtſein abhängt, und auch die Erkenntnis, daß Vorausſetzung hierfür die Er⸗ 
langung der nationalen Selbſtverwaltung ift. Mit um fo ſtärkerem Glauben und fitt- 
licher Berechtigung muß an dieſer Forderung feſtgehalten werden, als die Selbſtverwaltung 
dem Analphabetenvolk der Karpathoruſſen in der Verfaſſung garantiert und dem Slowaken 
im Pittsburger Abkommen feierlich entſprochen wurde. 

Alle Maßnahmen, alle Geſetze dienen in ihrem Endziel der Schwächung der wirt- 
ſchaftlichen und nationalen Stellung der Deutſchen in der Tſchechei. 


8 Schubert / Der Rampf der Sudetendeutſchen 


Das große ſoziale Hilfswerk der Bodenreform wurde nicht dazu benützt, um dem land- 
hungrigen Volke Grund und Boden zu geben, um den Bodenbeſitz der Gemeinden zum 
Zwecke einer gefunden Wohnungs- und Siedlungspolitik zu mehren, um den Arbeitsmarkt 
zu entlaſten. Sie wurden mißbraucht zur Schaffung eines neuen tſchechiſchen Landadels 
und zu Huer, und Schiebergeſchäften übelſter Art, ſowie zur Tſchechiſierung des deutſchen 
Siedlungsgebietes. Selbſtverſtändlich verloren in dieſem Zuſammenhange zehntauſende 
deutſcher Güterbeamten, Forſtangeſtellten und Waldarbeiter Brot und Arbeit. Es würde 
den Rahmen des Artikels weit überſchreiten, wenn hier all die durch die Boden- und 
Waldreform im deutſchen Gebiet angerichteten Schäden aufgezeigt werden. Es folen 
nur einige Tatſachen die Größe des Verluſtes darlegen. 

Den größten Teil der beſchlagnahmten Wälder behält der Staat für ſich, entgegen 
den ausdrücklichen und klaren Beſtimmungen des Geſetzes, und er motiviert dies vor allem 
mit dem Umftand, daß die Wälder faſt alle längs der Grenze liegen und die Grenz ⸗ 
bevölkerung als nicht verläßlich, wenn nicht als verdächtigt bezeichnet werden muß. Von 
dem in Böhmen, Mähren, Schleſien — den ſogenannten hiſtoriſchen Ländern — beſchlag ⸗ 
nahmten Waldbeſitz liegen über 83 vom Hundert im deutſchen Siedlungsgebiet. 

Bei einer gerechten Durchſührung der Bodenreſorm hätte der im deutſchen Sprachgebiet 
liegende Boden den deutſchen Bewerbern oder Gemeinden zugeteilt werden müſſen. Weil 
nationaler Haß diktierte, konnte der Präſtdent des Bodenamtes ungerügt fagen: „Die 
politiſche Befreiung unſerer Nation kann ohne Befreiung des Bodens nicht durchgeführt 
werden.“ Das Bodenamt arbeitete nicht nach den Weiſungen des Parlaments, ſondern nach 
denen nationaler Schutzvereine und der tſchechiſchen Hetzpreſſe. Es konnte dies um ſo 
eher tun, als es 9 Jahre mit einer Leitung weiter amtierte, die nur auf 3 Jahre gewählt 
war und die keinerlei Legitimation zu ihrer Tätigkeit hatte. Dies geſchah in einem 
zentralen Staatsamt. 

Von 148 neu gebildeten Kolonien liegen nur 6 in Gemeinden mit vorwiegend 
tſchechiſcher Bevölkerung. Daraus iſt wohl am beſten der Zweck zu erſehen, dem die An⸗ 
ſiedlung der tſchechiſchen Legionäre und Rückwanderer diente. 

Beſchlagnahmt wurden über 4 Millionen Hektar, d. ſ. faſt 29 v. H. des geſamten 
Bodens der Tſchechei. Faſt % des beſchlagnahmten Beſitzes in den hiſtoriſchen Ländern 
gehörte deutſchen Beſitzern oder liegt im deutſchen Sprachgebiet. 

Weit ſchlimmer iſt die Aufteilung des beſchlagnahmten Bodens. Obwohl der nationale 
Aufteilungsſchlüſſel niemals veröffentlicht wird und ſelbſt parlamentariſche Anfragen ent- 
weder gar nicht oder nur ausweichend beantwortet werden, iſt die ungeheure Benachteiligung 
der deutſchen Bewerber bekannt. Anter 1671 beteiligten Gemeinden befinden ſich nur 
70 deutſche, und dieſe faſt alle nur mit kleinen Zuteilungen. Das geſamte Ausmaß der 
Waldzuteilung an deutſche Gemeinden erreicht nicht 4000 Hektar, ſomit keine 4 v. H. 
des Anteils der Gemeinden an der Wälderzuteilung. 22 tſchechiſche Gemeinden erhielten 
34 Reftgüter, die deutſchen Gemeinden eines. In gleichem, wenn nicht noch in geringerem 
Ausmaße wurden die privaten deutſchen Bodenbewerber berückſichtigt. Sicher iſt, daß 
der deutſche Bodenbeſitz in den hiſtoriſchen Ländern um faſt 20 Prozent verringert wurde, 
wenn auch zugegeben werden muß, daß die ſogenannten „deurſchen“ Großgrundbeſitzer und 
der Adel durchaus nicht in allen Fällen als vollwertiger Beſitzſtand unſeres Volkes und 
unſerer Heimat zu werten waren. 

Was von der Scholle gilt, gilt auch für die Schule. Hier bedeutet die Sperre von 
vielen Tauſend Schulklaſſen nicht nur eine Verminderung der Ausbildungsmöglichkeiten für 


Schubert / Der Kampf der Sudetendeutſchen 9 


unſere deutſche Jugend, ſie bedeutet auch den Verluſt von tauſenden deutſchen Arbeitsplätzen 
für unſere Lehrerſchaft. l 

Da 4000 Volksſchulklaſſen geſperrt wurden, haben die Deutſchen nur noch 9000 Bolts- 
ſchulklaſſen, während 10 000 tſchechiſche Volksſchulklaſſen neu errichtet wurden. 

Die Schaffung von künſtlichen nationalen Minderheiten im deutſchen Sprachgebiet und 
das Beſtreben, durch Seelenfang möglichſt viel deutſche Kinder abhängiger oder bedürftiger 
Eltern in tſchechiſche Schulen zu zwängen und damit ihrem Volkstum zu entfremden, iſt die 
Arſache, warum heute in jedes kleinſte deutſche Dorf eine Schultrutzburg geſetzt wird. 


Im deutſchen Sprachgebiet gibt es: 
228 tſchechiſche Minderheits⸗Bürgerſchulen mit 1109 Klaſſen, 
1177 tſchechiſche Minderheits⸗Volksſchulen mit 2873 Klaſſen, 
942 tſchechiſche Minderheits⸗Kindergärten. 


Die tſchechiſchen Minderheits⸗Kindergärten beſuchten 2403, 
die tſchechiſchen Minderheits⸗Volksſchulen beſuchten 2758, 
die tſchechiſchen Minderheits⸗Bürgerſchulen beſuchten 3041 


deutſche Kinder. Der Prozentſatz deutſcher Kinder betrug bei den tſchechiſchen Schulen 
7,6 v. H. und bei den Kindergärten gar 10 v. H., während nur 0,5 v. H. tſchechiſche Kinder 
deutſche Schulen beſuchen. 


Hervorzuheben iſt, daß die Zahl der übrigen tſchechiſchen Kindergärten, die nicht 
Minderheitskindergärten find, in Böhmen nur 295 (gegenüber 393 deutſchen), in Mähren- 
Schleſien 363 (gegenüber 238 deutſchen) betrug. Es gab alfo im deutſchen Sprachgebiet fait 
ebenſo viele tſchechiſche Kindergärten als deutſche, und es gab im deutſchen Sprachgebiet 
Böhmens doppelt ſo viel tſchechiſche Minderheitskindergärten als ſonſtige tſchechiſche 
Kindergärten im tſchechiſchen Gebiete. Dieſe Zahlen beweiſen unwiderleglich die Tſchechi⸗ 
ſterungsabſichten und Tſchechiſierungsmethoden der Schulpolitik. 

Bezeichnend iſt es, daß für das Staatsvolk durch den Staat überall im deutſchen 
Gebiet Minderheitsſchulen errichtet werden, während ſonſt unter Minderheiten nur die 
nichttſchechiſchen Völker der Tſchechei gemeint find. Bei den ſogenannten Minderheits⸗ 
ſchulen tragen nicht, wie bei anderen Schulen, die Länder den perſonellen und die Gemeinden 
den ſachlichen Aufwand, ſondern alle Ausgaben trägt der Staat. Die Benachteiligung 
der Deutſchen, die Minderheiten in hunderten tſchechiſcher Gemeinden haben, iſt auch daraus 
zu erſehen, daß fie nur 7 ſtaatliche deutſche Kindergärten, nur 20 deutſche Minderheits- 
volksſchulen mit 59 Klaſſen und nur 6 deutſche Minderheitsbürgerſchulen beſitzen und ihnen 
mindeſtens 90 Bürgerſchulen fehlen. Man vergleiche dieſe Ziffern mit den früher ge⸗ 
nannten Ziffern das tſchechiſche Schulweſen betrefſend. 

Beſonders hart getroffen find jene deutſchen Minderheiten, die durch die Maffen- 
verſetzung deutſcher Staatsangeſtellter ins rein tſchechiſche Sprachgebiet entſtanden find. 
Dieſe abhängigen Menſchen find alle gezwungen, ihre Kinder in tſchechiſche Schulen zu 
ſenden. Kaſchau mit einer Minderheit von 3000 Deutſchen hat keine deutſche Schule und 
nur der Deutſche Kulturverband läßt durch zwei Lehrkräfte Privatunterricht erteilen. 

Auf der anderen Seite läßt ſich vielſach nachweiſen, daß tſchechiſche Prunkſchulbauten 
in kleinen deutſchen Gemeinden errichtet wurden, in welchen ein einziges tſchechiſches Shul- 
tind vorhanden war. Am diefe Schulen auch nur notdürftig zu füllen, mußten erſt finder- 
reiche Lehrer-, Eifenbahner- und Gendarmenfamilien in den Ort verſetzt werden. Es 


10 Schubert / Der Kampf der Sudetendeutſchen 


wurden tſchechiſche Bürgerſchulen mit dem Koſtenaufwand mehrerer Millionen, mit einem 
Faſſungsraum für mehrere hundert Kinder in deutſchen Grenzlandgemeinden mit 200 und 
noch weniger Einwohnern errichtet, nur zu dem Zwecke, um deutſche Kinder in die Schulen 
zu preſſen, um tſchechiſche Minderheiten zu ſtärken und ſehr oſt auch nur zu dem Zwecke, um 
erſt eine tſchechiſche Minderheit in einer rein deutſchen Gemeinde zu ſchaffen. Die un- 
geheure Not gerade im deutſchen Siedlungsgebiet zermürbt die Menſchen und macht nach 
und nach den deutſchen Arbeitsloſen willig, ſeine Kinder in die tſchechiſche Schule zu 
ſenden, wo dieſe nicht nur Lehrmittel frei und Bekleidung aller Art, ſondern auch ein 
warmes Eſſen erhalten, das ſie zu Hauſe ſeit Jahr und Tag entbehren müſſen. 

Der Kampf um den Arbeitsplatz brachte nicht nur durch die Bodenreform und durch die 
Schuldroſſelungen dem Deutſchtum arge Verluſte, ſondern auch alle Geſetze, die jene An 
geſtellten betrafen, die direkt oder indirekt in gewiſſer Abhängigkeit zum Staate fteben 
oder in dieſe gebracht werden. 

Tauſende deutſche Staatsangeſtellte aller Art verließen in den Amſturztagen ihre 
Heimat und gingen nach Deutſchöſterreich. Nach dem Amſturz pochten zehntauſende 
Legionäre und Revolutionäre auf ihre wohlerworbenen Regte und außer den neu ge- 
ſchaffenen Poſten mußten alte frei gemacht werden. 

Es ſetzten jene Aktionen ein, die den Deutſchen zehntauſende Stellungen koſteten. Die 
Armee wurde faſt reſtlos von allen deutſchen Offizieren, Beamten und Anteroffizieren ge⸗ 
ſäubert. In allen anderen Neſſorts wurden ältere Beamte zwangsweiſe penſioniert, viele 
ins rein tſchechiſche Gebiet verſetzt, wobei mancher den frühzeitigen Ruheſtand der Ver- 
ſetzung vorzog. Dann kam das Joch der Sprachenprüfungen, die mehrmals abgelegt werden 
mußten und ſtets weitere Säuberung brachte. Den großen Schub brachte die ſogenannte 
Abbauaktion zum Zwecke der Erſparung, die insbeſondere bei der Bahn Zehntauſenden 
den Verluſt des Arbeitsplatzes brachte. Nicht zuletzt hat auch jede Verſtaatlichungs⸗ 
aktion ſelbſtverſtändlich tauſende Volksgenoſſen brotlos gemacht. 


Mindeſtens 50 000 deutſche Staatsangeſtellte wurden ſeit dem Jahre 1919 abgebaut. 
Die Verſtaatlichung der Polizei bringt neue Verluſte. Die drohende Verſtaatlichung im 
Bergbau bedeutet Tſchechiſierung weiter deutſcher Gebiete. Nicht der Verluſt dieſer 
Arbeitsſtellen allein ſtellt die größte Schädigung dar, ſondern die Erkenntnis, daß dieſe 
Stellen uns dauernd verſchloſſen find, weil eine Aufnahme deutſcher Bewerber faſt aus- 
geſchloſſen iſt. Im Bodenamt z. B. war unter mehreren tauſend Angeſtellten ein Deutſcher. 
Von 300 vor kurzem ernannten Getreidegeſellſchaftsreviſoren ſind 7 deutſche, trotz des 
großen Einfluſſes der deutſch-agrariſchen Genoſſenſchaften. 


Aber nicht nur die Verdrängung des deutſchen Elements aus allen Staatsſtellungen iſt die 
Hauptſorge der ſtaatlichen Verwaltung, ſondern auch das Beſtreben, dem deutſchen Sprach- 
gebiete den Stempel eines gemiſchten Sprachgebietes aufzudrücken. Dieſem Ziele dienen nicht 
nur alle Vorſchriften über die Orts⸗ und Straßenbezeichnungen, Firmenſchilder uſw., ſondern 
vor allem der Erſatz aller deutſchen Angeſtelltenpoſten durch verläßliche ſtaatstreue Elemente, 
die ſogenannten Grenzler. Es iſt ſchon ſo, daß die meiſten deutſchen Orte keine tſchechiſche 
Minderheiten, ja vielfach nicht einen einzigen Tſchechen hätten, wenn man alle Staats- 
angeſtellten abberufen würde. Rein deutſche Gemeinden haben heute nicht einen deutſchen 
Briefträger, Poft- oder Steuerbeamten, Eifenbahner oder Poliziſten. Die deutſche Stadt 
Sternberg hat z. B. nicht weniger als 530 tſchechiſche Staatsangeſtellte und Arbeiter. 

Zu dieſen ſtaatlichen Tſchechiſierungsaktionen kommt auch noch die ungeheure Kriſe 
und die daraus entſpringende Not, die Schuld des Staates liegt in feiner Wirtſchafts⸗ 


—— ————— a 


Schubert / Der Kampf der Sudetendeutſchen 11 


politik, in feiner Innen ⸗ und Außenpolitik und vor allem darin, daß er breitſpurige Er- 
läuterungen über das Weſen der Demokratie durch ſeine Staatsmänner abgeben läßt 
und den Deutſchen Vorträge hält über wahre Loyalität, ſtatt fih aufzuraffen, ein 
Staatsvolk vom Hungertode zu retten. 

Die Urbeitslofigkeit ift wieder auf weit über 700 000 Perſonen geſtiegen. Die heurige 
Verſchlechterung läßt ſich keineswegs mit den üblichen Hinweiſen auf die Saiſonentwicklung 
abtun. Sie iſt weit ärger, als daß ſie mit jahreszeitlichen Einflüſſen erklärt werden 
könnte. Giele Dreiviertelmillion umfaßt nur jene Perſonen, die ſich bei den Vermittlungs- 
ſtellen melden, nicht aber jene Tauſende, die in ihrer Verzweiflung die ewig erfolglofen 
Wege zu den Arbeitsvermittlungsſtellen aufgegeben haben. 

Die Hälfte dieſer Arbeitsloſen lebt im deutſchen Sprachgebiet und bedeutet durch den 
Lohnentgang einen jährlichen Entfall von etwa 2% Milliarden Kronen Volksvermögen. 
Da man bei dem Arbeiter rechnen kann, daß er die Hälfte feines Einkommens für Lebens- 
mittel ausgibt, ſo kann daraus teilweiſe auch die Not des ſudetendeutſchen Bauern erklärt 
werden. 

Faft zwei Drittel der Induſtrie der öſterreichiſch⸗-ungariſchen Monarchie lag in den 
Sudetenländern und hier wiederum mehr als 80 Prozent im deutſchen Siedlungsgebiet. 
Aus dieſer Tatſache allein iſt die ungeheure Not des Sudetendeutſchtums zu erklären, da 
uns als Induſtrievolk die Kriſe weit härter trifft, als das Agrarvolk der Tſchechen. Faſt 
1800 ftillgelegte Induſtriebetriebe und die Schrumpfung des Exportes um 70 v. H. zeigen 
die Kriſe in aller Deutlichkeit auſ, bei der nur die Deutſchen verloren haben. Deutſchland 
müßte 12 000 000 Arbeitsloſe haben, wenn das Verhältnis das gleiche wäre, wie im 
Sudetenland. 

Die ſtaatliche Arbeitsloſenunterſtützung in der Tſchechei wird nach dem Genfer Syſtem 
gezahlt. Iſt ein Arbeitsloſer ausgeſteuert, dann erhält er nur 1 Mark pro Woche, wenn 
er ledig, und 2 Mark pro Woche, wenn er verheiratet iſt. Dieſe Anterſtützung und hier 
und da eine kleine Lebensmittelzulage erhalten die meiſten deutſchen Arbeitsloſen ſeit 
vielen Jahren. Das Elend iſt daher grenzenlos und ein ganzes Volk wird hier dem 
Hungertode einfach preisgegeben. Nur wenige Beiſpiele mögen die Größe der Not auf- 
zeigen. 

Die ſudetendeutſchen Bezirke haben die größten Selbſtmordziffern von Europa, z. B. 
ein Bezirk von 267 Verſtorbenen 44 Selbſtmörder. Der Fürſorgeminiſter berichtet, daß 
Aerzte ſich weigern, Arbeitsloſe zu operieren, da dieſe die Operation nicht mehr aushalten. 
Der Gefundheitsminiſter berichtet, daß die Kriſenauswirkungen auf den Gefundheits- 
zuſtand der Bevölkerung, beſonders der Kinder, in den von der Arbeitsloſigkeit am härteſten 
heimgeſuchten Bezirken geradezu erſchreckend ift. Im Wansdorfer Bezirk z. B. find 
75 Prozent der Kinder unterernährt und haben in der 1. Klaſſe 50 Prozent Kropfkrank - 
heiten. Die tſchechiſche Schriftſtellerin Pujman ſchildert ihre Eindrücke aus dem Reiden- 
berger Gebiet: 

„Die Menſchen find hier unterernährt, von Maſſen⸗Neuraſthenie befallen. Aeberall 
flieht man ausgehungerte vifiondre Geſichter. Ich habe bei einer Verſammlung eine Frau 
geſehen, die plötzlich aufſtand, die Hände zuſammenſchlug, um Hilfe rief, daß zu Hauſe 
ſchon alles irrfinnig ift. Ich habe mich Überzeugt, daß die Not in Nordböhmen ſpezifiſch 
ſchwerer iſt als in Karpathorußland. Arbeitslos ſein iſt dort keine epidemiſche Erſcheinung 
mehr, ſondern ein natürlicher Zuſtand.“ 

Nur zu erklärlich tft es dann, wenn als Folge dieſer Not die Volkskraft ſchwindet 
und Geburten- und Sterblichkeitszifſern eine eindringliche Sprache ſprechen. Gegenüber 


12 Rüdiger / Klarheit über Othmar Spann 


dem Jahre 1925 hatten wir in Deutſchböhmen im Jahre 1934 einen Geburtenrückgang von 
27 v. H. Seit acht Jahren wurden dem Sudetendeutſchtum 84 000 Kinder weniger ge 
boren. Der Geburtenüberſchuß, der im Jahre 1925 noch 21 000 betrug, iſt im Jahre 1934 
auf 7000 geſunken. Wenn es ſo weiter geht, wird im Jahre 1936 die Zahl der Wiegen 
von jenen der Särge übertroffen werden. 

Wir ſehen aus allem, daß die Not des Sudetendeutſchtums ſeine erſte Arſache in dem 
Vernichtungswillen des tſchechiſchen Staatsvolkes hat, dem die Aufgabe geſtellt wurde und 
die es auch übernahm, 3% Millionen Deutſche niederzuhalten. Die Verdrängung vom 
Heimatboden und vom Arbeitsplatz iſt das Hauptmittel in dieſem Vernichtungskampf. Er 
iſt noch nicht am Ende aller ſeiner Bemühungen und Erfolge angelangt. Die Welt⸗ 
wirtſchaftskriſe und die beſondere Kriſe der ſudetendeutſchen Wirtſchaft beſchleunigen den 
Niedergang, weil fie die Widerſtandskraft des Volkes erlahmen laſſen und ſchwächen. 
Tſchechiſierungsbeſtrebungen durch Eindringen in deutſche Induſtrien und Forderung nach 
Einſtellung tſchechiſcher Beamten und Arbeiter bringen auch hier die Fortſetzung des 
Kampfes um den Arbeitsplatz. 

Mehr denn je iſt die Lebensfrage für das Sudetendeutſchtum die Erringung der 
nationalen Selbstverwaltung, denn nur ein Volk mit eigenem Grund und Boden und Ver- 
fügungsrecht über die Arbeitsplätze ſeiner Verwaltung und Wirtſchaft iſt in der Lage, 
ſich zu erhalten und ſeine Miſſion im Rahmen des Geſamtdeutſchtums zu erfüllen. 


Karlheinz Rüdiger: 


Mlarbeit über Dibmae Spann 


Othmar Spanns univerſaliſtiſche Schule verſucht eine andere Färbung der 
nationalſozialiſtiſchen Bewegung zu ſein und glaubt, aus dieſer Behauptung die 
Berechtigung herleiten zu können, den Aniverſalismus auf allen Gebieten dem 
Nationalſozialismus gleichzuſetzen, ja, darüber hinaus ſogar nationalſozialiſtiſche 
Begriffe, die ihr unpaſſend oder fehlgeleitet erſcheinen, zu berichtigen. 

Wir müſſen uns darüber Rechenſchaft ablegen, ob diefe Behauptung für 
uns maßgebend iſt oder ob hier der Verſuch vorliegt, dem Nationalſozialismus 
Fremdes aufzudrängen und ſeine Beſtrebungen auf dieſem Wege von der ihm 
durch den Führer gewieſenen Bahn abzulenken. 


Der Aniverſalismus behauptet, der einzige Aeberwinder des Individualismus 
zu ſein. 

Der Individualismus erhebt in das Zentrum ſeines Denkens, Fühlens und 
Wollens das Ich als abſtrakten Begriff. Das Ich iſt ausſchlaggebender Faktor, 
iſt Selbſtzweck. Seine Förderung und Entfaltung gilt ihm als das ausſchließliche 
Ziel des Erdendaſeins. Das Einzelweſen iſt ſtets Mittelpunkt der Betrachtungen. 
Durch Zuſammenfaſſung einzelner entſteht die Geſellſchaft (das Volkstum), ihr 
oberſtes Glied iſt die Menſchheit. 

Der Aniverſalismus ſetzt das Ich in den Rahmen der Geſellſchaft, Familie. 
Stand und Staat beſtehen nicht aus einzelnen Individuen, zu deren Glückſeligkeit 


Rüdiger / Klarheit über Othmar Spann | 13 


fie geſchaffen find, fondern fie find gleichſam wie Organismen den Zellen, den 
einzelnen übergeordnet und weiſen ihm die Aufgabe zu, fih gliedhaft in fie einzu- 
ordnen. Der Grundgedanke des Aniverſalismus iſt, daß kein einzelner ohne den 
anderen beſtehen kann, daß ſie alle einer Ganzheit verpflichtet ſind. Als oberſte 
Ganzheit erkennt der Aniverſalismus die Menſchheit an. Sie iſt der „gemein- 
ſchaftlich⸗geſchichtliche Gefamtgeiſt, deſſen letzte Gliederungen die einzelnen Menſchen 
darſtellen“. So findet der Aniverſalismus folgende Stufenleiter ſeiner Ganzheiten: 
als oberſtes Prinzip die Menſchheit, die ſich dann weiter aufteilt in Kulturkreiſe, 
Völkerkreiſe, Volkstum, Stammestum, Heimat und Volksglied. Menſchheits. 
bewußtſein geht über Kulturbewußtſein, übervölkiſche Zuſammengehörigkeit über 
Volkstumbewußtſein, dem dann das Stammes, Heimat. und Sippenbewußtſein 
unterſtellt ſind. 

Wenn wir dieſe Stufenordnung näher betrachten und ihr Verhältnis zum 
Individualismus herausſchälen, ſo kommen wir zu der auffälligen Erkenntnis, daß 
in den ausſchlaggebendſten Punkten der Aniverſalismus in den gleichen Fehler 
verfällt, der ſeinem ſcheinbaren Gegner anhaftet. Beide konſtruieren ein Syſtem, 
in das fie zwangsweiſe ihr Weltbild ohne Rückſicht auf die von der Natur ge- 
gebenen Grundlagen bringen. Auffällig ijt dabei, daß der Aniverſalismus, 
wenn auch mit anderen Vorzeichen, die gleichen Rangſtufen wie der Indi⸗ 
vidualismus verwendet. Für den Aniverſalismus iſt die höchſte und wirkſamſte 
Macht die geſamte Menſchheit, deren Ausgliederungsſülle zwar nicht fo offen- 
kundig und groß iſt, wie z. B. die des Volkstums, deren Vorrang vor dem Volks. 
tum aber unbeſtreitbar ijt. Dieſer abſtrakte, fih ins Nichts verflüchtende Begriff 
Menſchheit iſt aber genau ſo uferlos wie der Begriff Menſchheit, mit dem ſich 
der ſchrankenloſe Individualismus tarnt, um eine innere Rechtſertigung für 
ſeine Grenzenloſigkeit zu finden. Während der Individualismus ſeine egoiſtiſchen 
Weltmachtpläne mit dem Begriff. Menſchheit deckt, verſucht der Aniverſalismus 
mit dem Begriff Menſchheit als der Ganzheit, die jedem einzelnen Gliede inne- 
wohnt, eine überpolitiſche Macht in den Sattel zu heben, die nunmehr von ſich aus 
verſuchen fol, die Völker und Raſſen unter ihre geiſtige Herrſchaft zu zwingen. 
Othmar Spann läßt auch gar keinen Zweifel darüber entſtehen, welche Macht für 
ihn hier in Frage kommt. In feinem Werk „Geſellſchaftsphiloſophie“ legt er ein- 
deutig bei der Behandlung religiöſer Fragen feſt, daß 

„die übervölkiſche Kirche vor völkiſcher Kirche“ 


gehe, und daß der Staat als ſolcher geiſtig beſtimmt werde von der 
Religion, und zwar nur „in der vor der Kirche veranſtalteten und geformten 
Religion, denn eine andere Lehre gibt es nicht“. Wenn wir dieſe Gedanken folge- 
richtig und in dem von Spann gegebenen Schema weiterdenken, ſo kommen wir zu 
dem Schluß, daß die Menſchheit als ſolche der Macht mit einer univerſalen Kirche 
unterſtellt werden müſſe. 

Der Aniverſalismus Othmar Spanns entpuppt ſich alſo hier als Theokratie, 

ſo wie ſie die mittelalterlichen Scholaſtiker lehrten. 


14 Rüdiger / Klarheit über Othmar Spann 


Die „geformte Religion“ wird letzten Endes zu der Ganzheit, die in ihrer Ausglie- 
derungsfülle die geſamte Menſchheit erfaßt und fie zu einem pfeudoorganifden 
Gebilde zuſammenrafft. Anter dieſem Blickpunkt erklärt ſich auch die Feſtſtellung 
eines Schülers Spanns, der das völkiſche Leben geiſtig an eine übervölkiſche Welt 
knüpft: „Jeder Menſch iſt an ſein Volkstum gebunden. Trotzdem gehorcht die 
Welt des Geiſtes, Religion, Kunſt, Wiſſenſchaft, Recht und Sittlichkeit über- 
völkiſchen Normen. Der Welt des Geiſtes muß ein Innenleben 
zugeſtanden werden, das beſtimmend in die nationalen Out, 
gaben eingreift.“ Die reiche Ausgliederunggsfülle des Volkstums wird alfo 
auf völlig abſtrakte Kombinationen zurückgeführt. Es iſt nicht zu begreifen, warum 
ſich gerade aus ſolchen Schemen und Gedankenkonſtruktionen eine Volkskultur ge⸗ 
bildet haben foll. 


Spann tötet mit ſeiner Welt des Geiſtes jedes echte volkstümlich gebundene 
Sein, wenn er folgerichtig jene Erkenntnis feſtlegt, daß der Menſchheitsgeiſt das 
Ganze der Ideenwelt ſei. „Ihrer inneren Fülle wird der Menſch durch Erweckung 
der Eingebung in ſich gewahr.“ „Der Menſchheitsgeiſt ift der geſellſchaftlich⸗ 
geſchichtliche Geſamtgeiſt, deſſen letzte Gliederung der ſubjektive Geiſt, der einzelne 
Geiſt darſtellt.“ Dieſe Anſchauungen aber ſtimmen auffällig mit den Erkenntniſſen 
der mittelalterlichen Scholaſtik überein. Darum iſt es auch nicht zu verwundern, 
daß gerade Spann zum geiſtigen Vater des fogenannten „chriſtlichen Stände 
ftaate 3” in Oeſterreich wurde. So febr er fih dagegen auch äußerlich ſträuben mag, 
ſein Denken mußte zu dieſer folgerichtigen Nutzanwendung durch die öſterreichiſchen 
Politiker führen. Seine Schüler verſuchen daher auch, die außerordentlichen poli- 
tiſchen Möglichkeiten der Gedankengänge Othmar Spanns geſchickt im Welt. 
anſchauungskampf auszunutzen. 


Beſonders auf dem Gebiete der Staatstheorie und der Volkswirtſchaftslehre 
verſucht Spann die Geiſter entſchieden zu beeinfluſſen. 


So wie wir das weltanſchauliche Gedankengebäude Spanns ablehnen, ſo 
müſſen wir auch ſeiner Anwendung auf jedem Gebiet des ſtaatlichen, wirtſchaftlichen, 
religiöſen und kulturpolitiſchen Lebens widerſprechen. Spanns Idee des „Stände 
ſtaates“ iſt im Grunde genommen nichts anderes als die Wiedererweckung einer 
mittelalterlichen Ständeordnung. Für den Nationalſozialismus ift 
eine ſolche Rückkehr zum Mittelalter ausgeſchloſſen. Der 
Nationalſozialismus hat es gar nicht nötig, dieſes Syſtem noch einmal aufleben zu 
laſſen und in gewandelter Form von Othmar Spann eingeimpft zu bekommen. 
Der Nationalſozialismus iſt eine einmalige Erſcheinung und wird aus ſich heraus 
eine ſtändiſche Ordnung entwickeln, die feinen weltanſchaulichen Grundlagen ent, 
ſpricht. Die Grundlagen des Nationalſozialismus find verankert in der Schöpfer- 
kraft unſerer Raſſe und unſeres Blutes; der Aniverſalismus dagegen führt zwangs⸗ 
läufig zu einer dogmatiſchen Erſtarrung. Dogmen widerſprechen dem 
Weſen des Nationalſozialismus, da fie das Schöpferiſche 
töten und vernichten. Kein Zwangsſyſtem einer Philoſophie oder ſtaatsrecht⸗ 


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Rüdiger / Klarheit über Othmar Spann 15 


lichen Lehre wird die ſchöpferiſche Geſtaltung des blutgebundenen Volkstums auf- 
halten oder in beſtimmte ſeiner Art nicht entſprechende Bahnen lenken können. Dieſe 
Erkenntnis erſcheint wenigen in ihrer Wirklichkeit und Tiefe aufgegangen zu ſein, 
ſonſt würden ſie es vorziehen, uns endlich mit ihren fruchtloſen Geiſteskonſtruktionen 
in Frieden zu laſſen. 


Eine ſtändiſche Ordnung kann nicht als Ausgliederung des abſoluten Geiſtes 
begriffen werden. Auch darf man nicht verſuchen, mit der Feſtſtellung, daß das Ganze 
vor dem Teil ſei, die geſellſchaftlichen und völkiſchen Wirklichkeiten in ein beſtimmtes 
Schema einzufangen. Die Stände find nicht der Staat, ſie erzeugen auch nicht den Staat. 
Es iſt auch vom Nationalſozialismus aus betrachtet unmöglich, eine hierarchiſch geſtufte 
Ständegeſellſchaft zu bilden, deren Weſen auf der Entfaltung und Ausgliederung 
des objektiven Geiſtes beruht, und bei der der Staat als ſolcher nur ein „Stand 
unter Ständen“ ift, wenn auch ein lenkender und ranghöherer. Staat und Politik 
find nicht identiſch. Der Primat liegt nicht beim Staat, ſondern bei der Politik. 
Der politiſche Wille entſpringt der in der Volksgemeinſchaft verankerten Führerelite. 
Die Partei — oder wie wir auch ſagen — der Orden befiehlt dem Staat und iſt der 
eigentliche Antrieb und die dynamiſche Kraft des geſamten Staatsweſens. Das 
Staatliche muß vom Politiſchen hergeleitet werden. Daher haben die Stände des 
Nationalſozialismus nichts mit den Ständen alter Art zu tun. Schon allein die 
Wirklichkeit der bisher gebildeten Stände beweiſt das. Man vergleiche den Aufbau 
des Reichsnährſtandes, der Reichskulturkammer und der Deutſchen Arbeitsfront 
einmal mit jenen hierarchiſchen Ständen des Mittelalters und man wird den grund- 
legenden Anterſchied klar aufgezeigt finden. Die Stände des Nationalſozialismus 
ähneln am meiſten noch den mittelalterlichen Zünften. Die eigentlichen mittel- 
alterlichen Stände aber, z. B. der Adel, Geiſtlichkeit und Bürgertum, die ja aud 
politiſchen Charakter hatten, find tot und werden trotz Spann nicht wieder auf- 
erſtehen. | 

Noch ein weiterer wefentlider Anterſchied tritt hervor. Eine hierarchiſche 
Ständeordnung geht davon aus, daß immer der nächſthöhere Stand den unter ihm 
befindlichen führt. Auch bei Spann hat der ſogenannte Stand „Staat“ höhere 
Funktionen als andere Stände. Er ſagt: „Der Staat iſt ein Stand; objektiv als 
organiſatoriſches Gebilde, ſubjektiv als ſtaatsgeſtaltender und ſtaatstragender Kreis 
von Menſchen. Er iſt der höchſte Stand, der führende Stand, jener, der den Vorrang 
unter allen Ständen hat.“ In der nationalſozialiſtiſchen Ständeordnung dagegen 
gibt es in dem Verhältnis der Stände zueinander kein Oben und Anten, ſondern die 
Stände befinden ſich auf einer einzigen Ebene, in (bildlich geſprochen) horizontaler 
Lage und werden von der vertikal aufgebauten Führerſchicht durchſetzt. 


Eine hierarchiſche Ständeordnung führt immer wieder auf das politiſche Gebiet, 
denn ſchon allein die verſchiedenartige Wertung der Stände verlangt verſchiedenen 
Anteil an der politiſchen Gewalt. Beim Nationalſozialismus iſt der Stand kein 
Träger der Politik, er iſt auf ſeinem wirtſchaftlichen Gebiet maßgebend, erhält 
aber die politiſchen Befehle von Partei und Staat. 


16 Rüdiger / Klarheit über Othmar Spann 


So ſtehen Spanns univerſaliſtiſche Anſchauungen im Gegenſatz zu den Anſchau⸗ 
ungen des Nationalſozialismus. Es iſt jeder Verſuch abzulehnen, der uns heute 
univerſaliſtiſche Ideen als maßgebend hinſtellt und ſie als den geiſtigen Inhalt 
unſerer Bewegung bezeichnet. 

Spann verfehlt auch auf dem Gebiete der Raſſenfrage die vom National. 
ſozialismus eindeutig herausgeſtellte Haltung. Das führte ſchon ſo weit, daß einer 
ſeiner Schüler es fertig brachte, alles, was der Nationalſozialismus auf dem 
Gebiete der Raffenfrage gelehrt und geleiſtet hat, als falſch hinzuſtellen. Wegen 
eines philoſophiſchen Syſtems werden wir aber nicht das, was wir nun ſchon jahre⸗ 
lang auf das entſchiedenſte verteidigt und verkündet haben, abändern wollen und 
plötzlich beginnen, gerade das Gegenteil zu lehren. Dann würde die Einheit des 
geiſtigen Ringens überhaupt ihr Ende finden. 

Der Aniverſalismus iſt genau ſo ein Kind doktrinärer Zwangsſätze wie alle jene 
philoſophiſchen Syſteme, die. auf Grund eines erdachten Gedankengebäudes ſich 
bemühen, alle Kräfte des politiſchen und wirtſchaftlichen Lebens zur Verwirklichung 
ihres Programmes einzuſetzen. Es zeigt ſich hier immer das gleiche Streben: das 
Verlangen nach Allgemeingültigkeit und Ausſchließlichkeit. Es ift dabei völlig gleich- 
gültig, ob der einzelne Menſch zum Herrn erklärt wird oder ob man uns eine 
abſtrakte Menſchheit als Ganzheit an ſich hinſtellt. Beide haben den gleichen Inhalt, 
gehorchen dem gleichen Phantom, da ſie ſich einer Menſchheitsidee verſchreiben und 
einen Herrſchaftsgedanken über die geſamte Menſchheit konſtruieren, der immer 
den wahren und naturgegebenen Kern der Frageſtellung verfehlen muß. 


Alle geiſtigen Auseinanderſetzungen wurden bisher jenfeits der Nationen geführt, 
nunmehr aber follen fie innerhalb einer nationalſozialiſtiſchen Weltanſchauung durch- 
gerungen werden. Hierin ift ein entſcheidender Wandel und Ambruch im philo- 
ſophiſchen Denken erreicht. Nicht ein univerſaliſtiſch-dogmatiſcher Wert wird zum 
Höchſtwert erhoben, ſondern die nationale Ehre ift Mittel- und Blickpunkt der 
Auseinanderſetzungen. Das Weſen der verſchiedenen Völker und Raffen ſteht im 
Vordergrund der Betrachtungen. Das Volk wird wieder zum Erkennen ſeiner 
eigenen blutsmäßigen Triebkräfte erzogen, die ſein Weſen beſtimmen und es zur 
Achtung der verſchiedenſten Kulturen und Staaten führen. Der Träger aber jeder 
Entwicklung, die Grundlage unſeres Seins überhaupt ift die Raffenfeele. Alfred 
Roſenberg hat die entſcheidende Bedeutung der Raſſenſeele in aller Klarheit erkannt 
und im Gegenſatz zu allen jenen konſtruierten Gedankengebäuden der alten Philo- 
ſophie eine lebensgeſetzliche Gliederung gefunden, deren Grundlage die Raſſenſeele 
iſt, die „dargeſtellt wird im blutgebundenen Volkstum, gekrönt und gleichnishaft 
zuſammengeballt in den großen Perſönlichkeiten, die ſchöpferiſch wirkend einen 
Kulturkreis erzeugen, der wiederum von Raſſe und Raſſenſeele getragen wird. 
Dieſe Ganzheit iſt nicht nur „Geiſt“, ſondern Geiſt und Wille, alſo eine Lebens— 
totalität.“ Das Volkstum wird hier nicht auf eine blutloſe Menſchheitskombination 
zurückgeführt, ſondern in dem blutmäßigen Argrund ſeines Weſens verankert. 
Damit haben wir nun endlich alle naturentfremdeten Geiſteskonſtruktionen und 


Die erste deutsche Universitat 


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Prager Karls-Universitat 


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Eine deutsche Dichterin 


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Berens-Totenohl: Zigeunerin 


Merkel / „Planwirtſchaft“ . 17 


Verſtandesſchemen überwunden und können auf Grund eines neuen lebensvollen 
Zentrums beginnen, unſer Daſein zu geſtalten und ſeinen Wert neu zu formen. 
Aniverſalismus und Volkstumgedanke ſtehen notwendig gegeneinander und alle 
Verſuche, fie zuſammenzufügen, müſſen an der dynamiſchen Kraft, die in dem Volks- 
tum ruht, ſcheitern. 

Es iſt wieder einmal an der Zeit, dieſe Gedankengänge herauszuſtellen, um 
die Grunderkenntniſſe zu wahren, die heute mehr denn je von geſchickten Leuten 
verwiſcht und umgebogen werden. 

Jeder Verſuch, alte philoſophiſche Anschauungen mit den Gedankengängen des 
Nationalſozialismus zu vermiſchen, um aus dieſer Miſchung heraus ein neues 
Gebilde zu ſchaffen, ift von vornherein verfehlt. Die nationalſozialiſtiſche Bewe- 
gung „geiſtig“ zu verarbeiten, eine Syntheſe zwiſchen ihr und dem Aniverſalismus 
zu ſchaffen, dient nur dazu, die klaren Begriffe des Nationalſozialismus zu Fall zu 
bringen. Wer ihn durch geſchickte ſogenannte „geiſtige“ Handhaben von außen her 
umwandeln möchte, verkennt fein ureigenſtes Weſen und ſchaltet fih ſomit automa- 
tiſch aus dem gegebenen Erlebnis aus. Das ſollten ſich viele „große Denker und 
Philoſophen von heute“ zunächſt einmal vor Augen halten, dann würden ſie ſich über 
den Wert oder Anwert ihrer Verſuche von vornherein klar ſein. 


Dr. Merkel: 


„Hlantvoitiſchaft“ 


Der Führer hat in ſeiner Rede am Bückeberg 1935 das Wort ausgeſprochen: 
„Wenn Deutſchland leben will, dann muß es wie ein ordentlicher Bauernhof ſeine 
ganze Wirtſchaft überſichtlich und planmäßig führen und betreiben.“ And bei 
der Machtübernahme hat er das Wort geprägt von zwei Vierjahresplänen, mittels 
deren die Rettung des deutſchen Volkes in Angriff genommen werden ſoll. 

Trotz ſolcher Führerworte taucht zuweilen noch der Begriff der Plan- 
wirtſchaft auf, wenn eine beſtimmte Art nationalſozialiſtiſcher Wirtſchafts⸗ 
geſtaltung in ihrem Wert für das deutſche Volk herabgeſetzt werden ſoll. Vielfach 
wird auch davon geſprochen, daß Planwirtſchaft und Privatinitiative fih gegen- 
ſeitig ausſchlöſſen. Wiederum bezieht man ſich auf Führerworte, die mit Recht den 
Wert der ſchöpferiſchen Leiſtung hervorheben. Man verſucht, die Sache ſo darzu— 
ſtellen, als ob Ordnung und ſchöpferiſche Leiſtung ſich gegenſeitig ausſchlöſſen. Ein 
Loblied auf die „freie Wirtſchaft“ beſchließt alsdann ſolche Darſtellungen. Deshalb 
iſt es notwendig, ſich klare Vorſtellungen über den Begriff Planwirtſchaft zu 
bilden. Denn nur fo kann es gelingen, die Aufgaben und Probleme nationalſozia⸗ 
liſtiſcher Wirtſchaftsgeſtaltung klar zu durchſchauen. 

Das Wort Planwirtſchaft tauchte auf, als von den Bolſchewiſten der induſtrielle 
Aufbau Rußlands mittels der beiden Fünfjahrespläne in die Hand genommen 


18 Merkel / „Planwirtſchaft“ 


wurde. Man verftand nunmehr unter Planwirtſchaft die zentraliſtiſche, bürofra- 
tiſche, mittels eines ungeheuren Staatsapparates nach beſtimmten Plänen durd- 
geführte Staatswirtſchaft. Mit Recht wandte man gegen eine ſolche Wirtſchafts⸗ 
geſtaltung ein, daß hier weder ein ſchöpferiſches Gemeinſchaftsleben noch eine 
ſchöpferiſche Einzelleiſtung gedeihen könne. 


Der Nationalſozialismus iſt an eine planvolle Geſtaltung der Wirtſchaft 
gegangen, um hierdurch die Wirtſchaftskataſtrophe zu beſeitigen, die durch die 
chaotiſche Wirtſchaftsunordnung der Vergangenheit entſtanden war. Damit wandte 
er das Grundgeſetz der planvollen Wirtſchaftsgeſtaltung, wie ſie der Bauer in 
ſeinem Hof, der Handwerker in der Werkſtatt, der Betriebsführer im Betrieb 
anwendet, auf die Geſtaltung der geſamten Wirtſchaft an. Niemand ſagt, daß der 
Bauer Planwirtſchaft treibe, wenn er ſeinen Beſtellungsplan aufſtellt. Niemand 
beanſtandet, daß der Betriebsführer nach klugen, wohl überlegten Plänen den 
techniſchen Erzeugungsvorgang und den kaufmänniſchen Abſatzvorgang geſtaltet. 
Niemand ſpricht davon, daß in Konzernen, Monopolen und Truſten nach beſtimmten 
Plänen die Erzeugung und der Abſatz gelenkt wird. Würde man hier von Plan- 
wirtſchaft ſprechen, ſo käme man im Gegenſatz zur bolſchewiſtiſchen Planwirtſchaft 
zu einer Planwirtſchaft mit kapitaliſtiſcher Färbung. Niemand ſagt, daß die 
Reichsbahn oder die Reichspoſt Planwirtſchaft treibe in bezug auf die Ber- 
kehrsgeſtaltung, die Elektrizitätswerke in bezug auf die Abſatzgeſtaltung des elektri- 
ſchen Stromes, die Syndikate der gewerblichen Wirtſchaft in bezug auf die von 
ihnen kontrollierten Märkte. 

Ein Plan entſteht dann, wenn ein Ziel als erſtrebenswert erkannt wird und 
die Wege gefunden werden, die die Erreichung dieſes Zieles gewährleiſten. Deshalb 
muß überall, wo finnvoll gearbeitet wird, nach Plänen gearbeitet werden, in der 
Politik, im Krieg, in der Wirtſchaft, beim Hausbau, bei der Feldbeſtellung, bei 
der Seefahrt. Deshalb muß jeder anerkennen, daß es weniger auf die Tatſache 
ankommen kann, daß ein Plan vorliegt, als vielmehr darauf, wie dieſer Plan 
beſchaffen iſt. Wird die Volksgemeinſchaft als das höchſte Ziel des ſozialen Lebens 
und Handelns anerkannt, dann werden ſolche Pläne gebilligt werden müſſen, die 
das Wohl der Volksgemeinſchaft höher ſtellen als das Wohl des einzelnen, die der 
Erfüllung geſamtwirtſchaftlicher Aufgaben mehr dienen als der Erzielung einer 
privatwirtſchaftlichen Rentabilität oder eines privaten Profits, die Schädigungen 
der Gemeinſchaft verhindern und die ſtetige, ruhige und geſicherte Entwicklung der 
Geſamtwirtſchaft verbürgen. 

Anter dieſem Geſichtspunkt betrachtet, kann der Mißbrauch von Monopolen 
und wirtſchaftlichen Machtſtellungen, die der Kapitalismus nur zu oft brachte, als 
Ergebnis einer kapitaliſtiſchen Planwirtſchaft ebenſowenig die Billigung des 
Nationalſozialismus finden, wie die Verirrungen der bolſchewiſtiſchen Planwirt- 
ſchaft. Auch iſt bekannt, daß Börſe und Spekulation durchaus ihre „Coups“ nach 
beſtimmten Plänen durchführten. Dieſe Manipulationen beruhten ebenſo auf einer 
„Planwirtſchaft“. 


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Merkel / „Planwirtſchaft'“ 19 


And ſchließlich darf an das bekannte Wort von Walter Rathenau erinnert 
werden, daß 300 Männer das gefamte europäiſch-amerikaniſche Wirtſchaftsleben 
leiten. Iſt dieſes Wort wahr, und Sombart hat in ſeinem Werk „Der moderne 
Kapitalismus“ es glaubhaft dargetan, fo muß man auch eine ſolche Wirtſchafts⸗ 
leitung mit dem Worte „Planwirtſchaft“ bezeichnen. 

Daß eine finnvolle Wirtſchaftsführung in jeder Volkswirtſchaft erforderlich iſt, 
wird heute ernſtlich niemand mehr beſtreiten. Denn Aufgabe der Wirtſchaft iſt es, 
dem Volke zu dienen. Aufgabe der Wirtſchaftsführung iſt es daher, dafür zu 
ſorgen, daß dieſe Dienſtpflicht in der beſtmöglichen Weiſe erfüllt wird. Dieſe 
Aufgabe der Wirtſchaftsführung kann nur durch Sacherfahrung, Charakterſtärke und 
finnvolle Geſtaltung der geſamtwirtſchaftlichen Vorgänge erfüllt werden. Sie wird 
um fo beſſer erfüllt werden, je mehr Mitarbeiter in dieſem Geſtaltungswillen inner- 
halb der jeweils beteiligten Wirtſchaftsgemeinſchaft ſich finden. In der Wirt- 
ſchaftsführung und Wirtſchaftsgefolgſchaft ergeben fih die Anſätze zur Bildung 
wahrer Wirtſchaftsgemeinſchaften, innerhalb deren auch die geſamtwirtſchaftlichen 
Aufgaben berückſichtigt werden, deren Erfüllung auch Hingabe, Opfer und Selbſt⸗ 
beſchränkung verlangt. 

Jeder hält die Wirtſchaftsgeſtaltung der Eiſenbahn, der Reichspoſt fiir felbft- 
verſtändlich, übrigens auch jede andere Geſtaltung auf dieſem Gebiet für unfinnig, 
wiewohl hier von freier Wirtſchaft keine Rede ſein kann. Die Einheitlichkeit der 
geſamten Verkehrsgeſtaltung nach großen ordnenden Geſichtspunkten, die Arbeits- 
gemeinſchaft der geſamten Belegſchaft, die Wirtſchaftsziele, die auf beſtmögliche 
Befriedigung des Verkehrsbedürfniſſes gerichtet ſind und nicht auf höchſtmögliche 
Rentabilität, die Einſatzbereitſchaft des „Eiſenbahners“, feine gewiſſenhafte Pflicht⸗ 
erfüllung zeigen, wie Ordnung und Leiſtung auf das innigſte zuſammengehören. 
Reichsbahn und Reichspoſt zeigen, beide auf ihrem Gebiet, wie gewaltige Wirt- 
ſchaftsgebiete in geordneter Form geſtaltet werden können, wie in der beſtmög⸗ 
lichen Weiſe alle Bedürfniſſe befriedigt werden können, raſch, billig und gut, und 
wie doch der perſönlichen Leiſtung und Einſatzbereitſchaft keine Schranken geſetzt ſind. 

Deshalb hat der Führer in ſeiner Rede vom 8. Dezember 1935 in Nürnberg 
mit Recht die deutſche Eiſenbahn als Muſterbeiſpiel eines ſozialiſtiſchen Unter- 
nehmens geſchildert. Denn ſie verkörpert den Sozialismus der Leiſtung. 
Sie iſt damit ein lebendiges Beiſpiel, wie die Ordnung der Wirtſchaft, die Ordnung 
eines beſtimmten Wirtſchaftsgebietes zum Segen werden kann für die geſamte Wirt⸗ 
ſchaft eines Volkes. 

Nicht als ob die Reichsbahn das Muſterbeiſpiel wäre, nach dem alle Wirt- 
ſchaftskreisläufe geſtaltet werden müßten. Denn bei der Geſtaltung des Verkehrs 
iſt ein Geſamtbetrieb und ſeine Ordnung lebensnotwendig. Ein Gegenbild 
zeigt der Neichsnährſtand. Millionen von Einzelerzeugern find in der Markt- 
ordnung zuſammengefaßt. Durch die Erzeugungsſchlacht werden ſie zu Höchſt⸗ 
leiſtungen aufgerufen. Die beſſere Leiſtung ſichert den beſſeren Preis. Die Martit- 
ordnung verbürgt den ſicheren Abſatz der Erzeugniſſe. Auch in Zeiten der Knapp⸗ 
heit wird der notwendige Lebensbedarf des Volkes befriedigt, wohlgemerkt ohne 


20 Grothe | Schickſal und Treue 


die Preistreibereien, die in ſolchen Fällen das Geſchenk der freien Wirtſchaft 
geweſen wären. Eine Wirtſchaftsführung, die ſich dem Führer und dem deutſchen 
Volk verantwortlich weiß, verſucht planmäßig die Wirtſchaft zu geſtalten, ſo wie 
es ebenſo das Lebensgeſetz des Bauernhofes iſt, überſichtlich und geordnet geführt 
zu werden. 

Das Lebensgeſetz der Ordnung kann angewendet werden 
bei dem größten Anternehmen der Welt, wie es die 
Reichsbahn darſtellt, und beim kleinſten Bauernhof. In 
dieſer Lebensordnung kann jeder Beamte, Angeſtellte und Arbeiter der Reichsbahn 
ſein Höchſtes leiſten, wie es auch umgekehrt der Bauer im Rahmen der Markt⸗ 
ordnung kann. Wie die Reichsbahn ein ſinnvolles Syſtem von Weichen und 
Schranken hat, um Zuſammenſtöße und ſonſtige Schäden zu verhüten, um alſo durch 
Ordnung ein Höchſtmaß von Befriedigung des Verkehrsbedürfniſſes zu erzielen, ſo 
trifft auch die Marktordnung Vorſorge dafür, daß Störungen am Markt, die 
jeweils nur zu Laſten der Volkswirtſchaft gehen, nach Möglichkeit ausgeſchaltet 
werden. | 

Die Planwirtſchaft des Bolſchewismus kennt die Volksgemeinſchaft nicht, kennt 
nicht das Wohl des Volkes, nicht die Leiſtungen des einzelnen und auch nicht ſeine 
Mitarbeit bei der Geſtaltung des Geſamtwerkes. Soweit im Rahmen der kapita⸗ 
liſtiſchen Wirtſchaftsordnung kapitaliſtiſche Planwirtſchaft getrieben wird, ſteht 
dieſer die Rentabilität höher als das Wohl des Volkes, der Profit höher als die 
ſchöpferiſche Leiſtung einzelner, das Machtdiktat höher als die verantwortliche 
Mitarbeit der am Wirtſchaftskreislauf beteiligten Gruppen. 


Reichsbahn wie Marktordnung des Reichsnährſtandes dagegen verwirklichen 
die nationalſozialiſtiſchen Zielſetzungen in der Wirtſchaft: Ordnung, Wohl des 
Volksganzen und der Volkswirtſchaft, Höchſtleiſtungen eines jeden und verant- 
wortliche Mitarbeit am Gelingen der volkswirtſchaftlichen Aufbauarbeit. 


Heinz Grothe: 
Gbidial nnd Treue 


eber Zofefa Bevens-Totenobhl 
(Zu unſerer Bildbeilage) 


Wo die Gleier in die Lenne fließt, wohnt die Dichterin Joſefa Berens ⸗Totenohl. 
Das iſt mitten im Weſtfalenlande, dort, wo ſich Münſterland und Sauerland be- 
rühren. Wenn die Bergbauern gen Tal zogen zum Friedhof, ruhten ſie unterwegs, 
daher Totenohl oder Totental. Eine Eiſenbahn fährt durch das Tal, hält in Gleier- 
brück, dem Wohnort der Dichterin. Hier in Gleierbrück hat Joſefa Berens in der 
Fiſcherei am Totenohl ihr Heim aufgeſchlagen. 

Am ſie herum iſt Ruhe und Einſamkeit, iſt eine herbe Landſchaft. Aus ihr 
wächſt das gemeinſchaftsformende Werk der Dichterin. Dieſe Heimat liebt ſie. Sie 


Grothe / Schickſal und Treue 21 


wurde Lehrerin in Düſſeldorf und trieb dort auch Studien zur Malerei. Fern 
der Heimat, an der Weſer, verſuchte ſie die erſten Arbeiten, um dann doch bald 
in die Heimat zurückzukehren und nun im Totenohl zu raſten. Reiſen nach Spanien, 
Marokko, nach den ſkandinaviſchen Ländern haben den Blick geweitet und vertieft 
und der Malerin zahlreiche Motive beſchert. So lebt ſie in Ruhe und weiſer 
Geduld und wartet auf ihre Stunde, da fih das Wort Lon. 

Mit Dr. Pieper zuſammen ift fie früh im Sauerland für den Nationalfogialis- 
mus eingetreten und hat ſich — nachdem fie in Spanien 1931 furchtbare fom- 
muniſtiſche Greueltaten erlebte — in der NSDAP bald danach organiſieren laffen. 
Seit Jahren lebt und kämpft ſie mit der Hitlerjugend und iſt oft genug weit ge⸗ 
fahren, um mit ihnen zu erleben, unter ihnen zu ſein, hat den Jungen und Mädeln 
vorgeleſen und den Dank einer aufmerkſamen Gefolgſchaft gefunden. Alle dieſe 
Dinge find erft ſpäter bekannt geworden. Friedhelm Kaifer hat uns zuerſt davon 
berichtet. And es iſt ſchön, zu wiſſen, daß ein Dichter wie Euringer und eine Dichterin 
wie Lulu von Strauß und Torney dieſer Frau Joſefa Berens⸗Totenohl den Erfolg 
vorausgeſagt haben, iſt er uns doch heute — rückblickend — Beſtätigung eines echten 
ſchöp feriſchen Menſchendaſeins. 

Ehrlichkeit und ſtilles Menſchentum, verbunden mit einer wunderbaren Gemüts⸗ 
tiefe, zeichnen dieſe Frau aus, die mit ihren beiden bisher vorliegenden Arbeiten 
ſich ein ſo nachhaltiges Echo holen konnte! 


Sofefa Berens iſt es mit ihren beiden Romanen „Der Femhof“ und „Frau 
Magdalene“ gelungen, eine der ſchönſten deutſchen Frauen⸗ und Muttergeſtalten 
zu zeichnen. Hart und unerbittlich, wie die Menſchen dieſer weſtfäliſchen Land- 
ſchaft, iſt das Schickſal, das die Dichterin geſtaltet. Ein echtes Erleben voller Tragik, 
in dem Treue gegen Treue ſteht. Jeder Menſch geht ſeinen Lebensweg, bis er 
von Gott und ſeinem Schickſal abberufen wird. Die Kette der Ahnen aber ſetzt ſich 
fort in den Kindern und Kindeskindern, auf denen freilich die Laſt des Schickſals 
mit aller Schwere liegt. Nicht der Tod iſt die Löfung, ſondern der Glaube an den 
Beginn neuen Lebens. So ſteht am Ende allen Ringens neues Leben. So ſiegt 
die Frau, weil ſie dem Leben, ſeiner Zukunft näher iſt in ihrer tiefen Gläubigkeit. 
Der Mann iſt zwar dem tatſächlichen Leben nahe, aber die Frau trägt die Zukunft 
des Lebens in ſich und gebiert neues Leben. Der Tod wird vom Leben überwunden. 
Das iſt der Sinn des erſten Romans von Joſefa Berens. 

Schickſal ſteht gegen Schickſal. Treue gegen Treue. Wille gegen Wille. Trotz 
gegen Trotz. An einer Stelle heißt es in dieſem Buche „Der Femhof“: „Wir 
können nur da ſtehen oder nicht da ſtehen!“ 

Das find die Wulfsbauern, die weſtfäliſchen Menſchen. 

Der Wulfsbauer iſt der Herr über einen großen, freien Bauernhof (Zeit 
14. Jahrhundert), einen der wenigen noch, der von den Fürſten und anderen Raub- 
ſüchtigen nicht „erobert“ wurde. Der Wulfsbauer kämpft um die Freiheit feines 
Hofes. Er kämpft gegen die eigene Tochter. And da er keinen männlichen Erben 
hat, will er die Tochter unter ſeinen Willen beugen und ihr einen Mann ſuchen, 


22 Grothe / Schickſal und Treue 


wie er ihm dünkt gut zu ſein und rechtſchaffen für den Wulfshof. Da hat nun einer 
die Wulfstochter bei Hochwaſſer unter Lebensgefahr gerettet, und ſie liebt dieſen 
Mann, aber der Vater betrachtet ihn als einen Hergelaufenen. Auch die Tochter 
denkt an die Zukunft des Hofes. Sie iſt von der gleichen Art wie der Vater. Trotz 
gegen Trotz. Wille gegen Wille! Sie liebt den Mann, der ſie rettete, nicht um 
dieſer Tat willen, ſondern weil er innerlich frei und ſtark iſt! Mit einem Wort, 
ein Mann; ein ganzer Kerl, der ſeinen Hof an der Weſer verlaſſen mußte, 
weil er einen anderen erſchlug, als der ihm die Freiheit und Ehre nehmen wollte. 
So ſteht die Wulfstochter zu ihrem Geliebten unerſchütterlich und kämpft gegen den 
Vater. Bis zur Selbſtzerſtörung geht der Kampf. Der Vater liefert den Mann 
der Feme aus und tötet ihn ſelbſt nach dem Spruch des heimlichen Gerichts. Die 
Tat iſt geſühnt. Aber der Tote in ſeiner Ehre gehört der Wulfstochter. „Magdlene 
ftand zu Füßen des Lagers drei Tage, drei Nächte lang, reglos, tränenlos.“ So 
geht die Frau hin durch das Leben und wird den Hof für ihren Sohn zu neuer 
Blüte emporführen. Sie trägt das Leben in ſich und damit die Zukunft. Treue 
am Treue! 


Das iſt ein Buch, ein Geſchehen voller Tragik, wie es uns die neuere deutſche 
Frauendichtung der letzten Jahre nicht ſonſt beſchert hat. And was uns junge 
Menſchen angeht: es iſt ein Buch, aus dem wir den Begriff der Ehre und Treue 
in uns aufnehmen dürfen, dem wir nacheifern wollen. In dieſem Buche ſpricht die 
Stimme des Blutes mit der ganzen Kraft eines Menſchen, der feſt in ſeinem Stamm, 
ſeiner Sippe verwurzelt iſt. 


Vielfach vermutete man eine einmalige Leiſtung der Dichterin. Aber dieſe 
epiſche Ballade vom Schickſal und von der Treue führte notwendigerweiſe zur 
weiteren Geſtaltung, zur Fortſetzung der Lebenskette in dem Roman „Frau 
Magdalene“ (beide Bücher erſcheinen im Diederichs Verlag, Jena, Leinen 
5,40 RM.). Die Wulfstochter iſt durch ihr Schickſal gehärtet worden, iſt zur Frau 
und Mutter geworden, die das Leben zu meiſtern hat. Sie iſt nicht weich und 
duldend, ſondern hart und kämpfend. Deshalb iſt uns dieſe Frauengeſtalt heute 
auch ſehr nahe. Der Vater tötete ihr den Geliebten, von dem ſie das Kind unter 
dem Herzen trug. Lebte und kämpfte ſie einſt um den Geliebten, ſo lebt und 
kämpft ſie jetzt für ihren Sohn Od. So erträgt ſie alles, was im Leben an ſie 
herankommt. Sie ſpendet Troſt, ſtärkt andere Menſchen im Leid, hilft, die ſelbſt 
am eheſten Hilfe, Stärke und Troſt nötig hätte. Magdlene bringt das Kind in 
der Kammer, in der alle Wulfsbauern das Licht der Sonne erblickten, zur Welt. 
In dieſer ſchweren Stunde trifft ſogleich den Vater das Schickſal durch die Geburt 
des Knaben. Der Bauer iſt ein geſchlagener Mann. Die Tochter verwaltet und 
hütet den Hof. Der alte Wulfsbauer ſchweigt und wird ſtumm in ſeinem Trotz. 
Der Bauer ſtirbt vom Gewitter erſchlagen, als die Tochter ihn — aus Furcht vor 
ſeinem Schweigen — um ihrer Schuld willen heimholen will. Zigeuner nutzen 
nebenher das Vorhandenſein eines unehelichen Kindes des Bauern aus, und Magd- 
lene begreift die Schwere und das Furchtbare der Raſſenſchande. Es hieß, der 


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Außenpolitiſche Notizen 23 


Geliebte Magdlenes fei der VBankert! Sie geht dem Gerücht nach, das mit aller 
Häßlichkeit und Niedertracht verbreitet wird, und ſtellt feſt, daß es Lüge iſt. Da 
liebt ſie ihren Sohn um ſo mehr. 

Sofefa Berens ſagt einmal von der Frau Magdlene: „Anders kann fie nicht 
lieben, als über ſich hinaus — oder fie liebt nicht!“ Das iſt das Geſetz der Treue, 
das jedem Schickſal ſtandhält und nicht wankt, wo immer es den Menſchen trifft. 
And würde das Wulfsgeſchlecht unter der Schuld geſtanden haben, Magdalene würde 
ſie auf ſich genommen haben: „Man trägt, was man muß, nicht mehr. Der Klägling 
trägt alles!“ Das iſt charakteriſierend für den Schickſalstrotz dieſer Menſchen, das 
iſt ſtolze freie germaniſche Art der Vorfahren. And hier erwächſt 
ein lebendiges Bild der Vergangenheit, gibt auf ftammes- und landſchaftsgebundener 
Art eine gute und eindringliche Darſtellung vom Lebens. und Schickſalskampf 
deutſcher Menſchen. 

Die beiden Romane tragen eine ausgeprägt germa: 
niſche Haltung. Sie ſind nicht idealiſiert um einer banalen Abſicht willen, 
ſondern ſie ſind organiſch gewachſen — wie die Kette eines Geſchlechts organiſch 
wächſt. Frei und ungebrochen ift der Menſch in feinem Willen, wenn er vor ſich 
ſelbſt frei und untadelig beſtehen kann. Die Treue führt zu tragiſchem Schickſal, 
aber die Fährniſſe werden durch das Leben überwunden. So ift diefes Roman- 
ſchickſal ein lauteres Zeichen echter deutſcher Geſinnung und echten deutſchen Gr, 
lebens, wie es im Weſtfalenlande herrſchte. 

Wir erblicken in dieſer Wulfstochter und Frau Magdalene eine der 
ſchönſten deutſchen Frauengeſtalten deutſcher Dichtung. 
Sie iſt Frau, Mutter und liebende Mitſchweſter zugleich. 

In ihren Werken zeigt ſich Joſefa Berens als Meiſterin echten Menſchentums 
und reine Dichterin, die aus der Vergangenheit ihres Volkes für die Gegenwart 
und Zukunft, namentlich für die deutſche Jugend, bleibende Werte und Werke 
ſchafft. Darum gilt ihr unſer fröhlicher und dankbarer Gruß! 


AUSSENPOLITISCHE ofi pa 


Aus Miocholosie von den Bazillen bis zu den größeren Ob- 

eines cnvepdifiben Wanze jekten von Skorpionsrang zuſammen⸗ 
Ein Amerikaner — welches andere Land genommen. Anter dieſem Angeziefer nimmt 
könnte auch auf den Gedanken einer ſolchen in hygieniſchen Ländern die Wanze eine ge- 
Statiſtik kommen — hat vor kurzem aus⸗ fürchtete Stellung ein, ſie dürfte ein ganz 
gerechnet, daß das Gewicht alles Angeziefers hübſches Sümmchen der Geſamtſumme aus⸗ 
der Welt 300 Milliarden Pfund beträgt, machen. Die Wanze, europäiſchen Arſprungs, 


24 Außenpolitiſche Notizen 


hat verſchiedene Eigenſchaften: zunächſt kann 
ſie einen Menſchen recht erheblich zwacken 
und ihn zu ununterbrochenem Kratzen ver- 
anlaſſen, dann aber iſt ſie ungeheuer zäh 
und aufdringlich, lebt gern geſellig zum 
Zwecke wohlvorbereiteter Generalangriffe, ſie 
verfügt über eine unerfreuliche Ausdünſtung, 
und im übrigen iſt ſie ſeige: denn wenn man 
Licht macht, verſchwindet fie mit be 
wunderungswürdiger Schnelligkeit. 


Eine Reihe von Ländern führen Wappen⸗ 
tiere, die Engländer und die Abeſſinier haben 
ihre Löwen, die Deutſchen ihren Adler und 
die Auſtralier ihr Känguruh. Dieſe Tiere 
haben immer etwas mit dem Volk zu tun: 
entweder ſind die Tiere im Lande heimiſch 
oder das Volk hat den Charakter der 
Wappentiere oder möchte ihn wenigſtens 
haben. Man wäre alſo verſucht, die Wanze 
als Wappentier an der Grenze zwiſchen 
Europa und Rußland, irgendwo in Oft- 
europa, zu ſuchen, beileibe nicht wegen des 
Charakters, ſondern wegen des anderen an- 
geführten Grundes. Denn man kann über- 
zeugt ſein, daß ruſſiſche und litauiſche 
Wanzen ſich ähnliche Stelldicheine geben 
wie die zugehörigen Zweibeiner höchſter 
Gattung. Durch dieſes Bewußtſein verant- 
wortungsvoller, aus beſagter Geſelligkeit 
entſtandener Gemeinſchaft im Rücken geſteift, 
beginnen ſie ihre zähe, ſtechende Tätigkeit. 
Natürlich nicht an den zugehörigen Zwei- 
beinern, denn man ſagt auch den abeſſiniſchen 
Löwen nach, daß ſie nur auf Italiener 
ſchlecht zu ſprechen ſind, ſondern ſie ſtechen 
nach außen jeden, der ſo das zweifelhafte 
Vergnügen hat, an den litauiſchen Grenzen 
zu wohnen, Polen, Letten, Deutſche. Sie 
ſtechen zäh und ſchmerzhaſt, und find die 
weitaus tüchtigſten Wanzen Europas. 

Die Deutſchen waren nach den geſährlichen 
Angriffen des letzten Jahres bereits immun 
geworden, infolgedeſſen hat man die Polen 
als nächſtes Opfer erkoren. Den Deutſchen 
und den Polen iſt der Adler das Wappen⸗ 
tier, Adler freſſen keine Wanzen, ſie ekeln 


ſich bloß davor. Aber auch Adler können 
ungemütlich werden, wenn fie immerzu ge 
ſtochen werden. 


Der Mord an dem polniſchen Innen- 
miniſter Pieracki, ſeinerzeit mit Erſchrecken 
von der Weltpreſſe kommentiert und gerade 
von uns Deutſchen lebhaft bedauert, iſt jetzt 
unterſucht worden. Dabei haben ſich met, 
würdige Dinge herausgeſtellt. Es zogen 
ſich nämlich anſcheinend geheimnisvolle 
Fäden von der mordluſtigen Terroriſten - 
organiſation, deren Zuſammenhänge mit det 
großen ukrainiſchen Minderheit in Polen 
nicht einwandfrei nachgewieſen werden 
konnte, zu den Geldſäcken einer nachbarlichen 
Macht, ſoweit man da von Macht reden 
kann, nämlich zu litauiſchen Staatsbürgern 
litauiſcher Geburt. Das letzte muß erwähnt 
werden, denn die polniſche Minderheit im 
litauiſchen Staat war ſelbſtverſtändlich un- 
beteiligt. 

Mit Recht begann die öffentliche Meinung 
Polens, ihrer ehrlichen Entrüſtung in einer 
Weiſe Luft zu machen, die uns Deutſchen, 
wenn wir dieſelbe Ausdrucksweiſe bezüglich 
des Memelgebietes angewandt hätten, wahr- 
ſcheinlich Sanktionen gekoſtet hätte. Die 
Spannung wuchs ungeheuerlich. Die Wilna⸗ 
frage, nach dem Kriege durch größenwahn⸗ 
ſinnige Machinationen zu einem Anſpruch 
Litauens gemacht, wurde umgekehrt: gedenkt 
der 200 000 polniſchen Menſchen, die von 
originallitauiſchen Wanzen gepieſackt wer: 
den. — Nicht nur wegen des Grabes ſeiner 
Mutter, ſondern aus politiſchem Gefühl für 
die nationalpolniſche Bedeutung Wilnas 
ließ der greiſe Marſchall Pilſudski ſein Herz 
in Wilna beiſetzen. Welche kräftige De- 
monſtration an der litauiſchen Grenze, die 
eigentlich gar keine Grenze iſt! Denn ſie 
iſt tot, kein Zug überquert ſie, keine Straße 
voll Leben. Mißtrauiſch betrachten ſich 
litauiſche und polniſche Grenzer, alle paar 
Meter ſich gegenüberſtehend. Setzen wir 
einmal den Fall, das Deutſche Reich würde 
ſeine Grenzen gegen Litauen ſperren! 


Randbemerkungen 25 


Litauen wäre erledigt, denn die einzige wirt- 
liche Bahn überſchreitet bei Eydtkuhnen von 
Deutſchland her die Grenze. 

Sicher — wir bedauern wohl eine Wieder⸗ 
aufnahme der Spannung an den litauiſchen 
Grenzen, aber niemand wird uns verübeln, 
daß wir die polniſche Entrüſtung über die 
litauiſchen Störungspläne verſtehen. Wie 
war es doch? Die ungeheuerlichen Maß- 
nahmen zur Anterdrückung des Memel- 
deutſchtums führten erſt, nachdem ſie zum 
Himmel ſchrieen, zum Eingreifen der 
Mächte in durchaus gemäßigten Formen. 
Litauen (wie die Wanze, wenn man Licht 
macht) zuckte höflich mit den Schultern: ich 
habe doch gar nichts getan! und erlaubte 
neue Memelwahlen. Die fielen dann auch 
dementſprechend aus, und mit den litauiſchen 
Hoffnungen war es Eſſig. And was kam 
Dann? Wir hatten gehofft, das Memel- 


ztwiſchen den Zeilen 

In der „Wochenſchrift junger Deutſcher“, 
dem „Michael“ ſteht ein ſpaltenlanger 
Leitartikel „Sonntag der Sendung“ über 
die Bedeutung des Weltmiſſionsſonntags. 
Es iſt nicht unſere Aufgabe, dem Verfaſſer 
dieſer Betrachtung einen theologiſchen Streit 
zu liefern, aber einige aufſchlußreiche Grund- 
gedanken ſeien doch zitiert. Da wird u. a. 
geſagt, Gott ſelbſt habe die Menſchen nach 
Art und Abſtammung verſchieden gemacht. 
„Aber er hat alle dieſe Verſchiedenheiten 
nicht eingehen laſſen in das innerſte Weſen 
des Menſchen. Sie umgeben ihn nur wie 
Ornamente, beſtimmen aber nicht ſeine 
letzte Struktur.“ (1!) And weiter: 


gebiet wäre nunmehr in feine Rechtſtellung 
wieder eingeſetzt, aber als erſte Tat nach der 
einzigen Konzeſſion der Wahl und der Cin- 
ſetzung des deutſchen Direktoriums unter- 
band man die Durchführung der memel- 
ländiſchen Gefetze zur Wiederaufhebung 
litauiſcher Willkürakte. Wir erwarten mit 
Intereſſe — man möge ſich in Kowno 
merken, daß dieſes Intereſſe berechtigt und 
ſehr groß iſt — den Ausgang der memel- 
ländiſchen Kreistagswahlen, wir verhehlen 
auch unſer Intereſſe an der Gründung und 
Entwicklung des litauiſchen Weſtmark⸗ 
verbandes keineswegs. Wenn die Wanzen 
dich allzuſehr ſtechen, dann hänge alle Schlaſ⸗ 
müdigkeit an den Nagel und ſuche mit Eifer 
und Geduld nach dem Verbleib des nadt- 
lichen Störenfriedes. Wenn du ihn Haft, über- 
lege dir, in welchen Fällen Gnade vor Recht 
geht, Pole und Deutſcher! Hans Humbold. 


handbemerkung Jen 


„Alle Menſchen haben als Menſchen die 
gleiche Würde vor Gott, alle follen Kin- 
der Gottes werden. — Alſo richtet ſich die 
Verkündigung an alle Menſchen ohne 
Anterſchied von Art und Abſtammung. And 
alle Menſchen — ift es nicht ein gewaltiger 
Troſt? — alle Menſchen find geeignet, 
dieſe Botſchaft aufzunehmen, zu verſtehen, 
zu beſitzen. (Das gilt natürlich vom Men- 
ſchen überhaupt. Es kann einzelne Aus- 
nahmen geben, für die Gott auf andere 
Weiſe ſorgen muß. Aber das rührt 
nicht her von der Verſchieden⸗ 
heit der Seelen, ſondern vom 
Verſagen des Körpers in be, 
ſonderen Fällen — alfo etwa 
Geiſteskrankheit uſw.)“. 


26 Randbemerkungen 


Den letzten Satz muß man zweimal 
leſen! fo, wer ſich nicht zur katholiſch⸗ 
dogmatiſchen Gottesvorſtellung bekennt, der 
ift zum Beiſpiel geiſteskrank! Für dieſes 
Geſtändnis find wir dem „Michael“ ſehr 
dankbar. 

An anderer Stelle heißt es: 

„Freilich iſt die Kirche nicht gebun⸗ 
den, immer und überall, in jedem Augen- 
blick alles zu lehren. Ja, ſie kann ihre 
Lehre ſogar eine Zeit lang ausſetzen — 
etwa, wenn anhaltender Frevel 
ihr ins Geſicht ſchlägt und 
Gottes Gebot bewußt mit 
Füßen tritt — dann kann die 
Kirche ſich abwenden von 
ſolchen Kreiſen, auch wenn es 
ganze Gegenden wären, um die 
Menſchen ſich ſelbſt zu über- 
laſſen, bis die Not der Seelen 
fie zwingt, wieder angu- 
pochen an den Toren zur Wahr- 
heit.“ 

Wir nehmen dieſe bewußte „Drohung“ 
zur Kenntnis. Anſere Leſer mögen ſich 
ſelbſt ihr Urteil über ſolche Art ton- 
feſſionellen Kampfes bilden. 

Im übrigen, zwiſchen den Zeilen eines 
religiöſen Leitartikels finden ſich oft größere 
„Roſinen“ als in einem Hirtenbrief! 

Sti. 


„Eruſteſte Bedenken“ 


„Der Katholik“ Nr. 36 gibt uns ein Lehr⸗ 
beiſpiel beſter Art, wie es der politiſche Katho⸗ 
lizismus nach wie vor meiſterhoft verſteht, 
zwiſchen den Zeilen feiner, auf barm- 
los friſierten Artikel, den Staat anzugreifen, 
ihm ſeine Rechte abzuſprechen oder gar ihn 
zu verdächtigen. Anter der Aeberſchrift: 
„Aeußerungen über das Landjahr im 
Beichtſtuhl“ bringt das obige Blatt eine 
eingehende Darſtellung mit einer noch ein⸗ 
gehenderen Stellungnahme zu der Ver- 
urteilung eines katholiſchen Geiſtlichen durch 


das ſchleſiſche Sondergericht in Gleiwitz 
Beſagter Kaplan wurde auf Grund des 
§2 des Geſetzes zur Abwehr heimtückiſcher 
Angriffe gegen Staat und Partei an Stelle 
einer, an ſich verwirkten Gefängnisſtrafe von 
2 Monaten, zu 500 RM. Geldſtrafe ver 
urteilt, da der Geiſtliche im Beichtſtuhl eine 
Frau fragte, ob ihr Sohn ins Landjaht 
käme, und nachdem die Frau dies bejahte, 
ihr davon abriet mit der Be: 
gründung und Warnung zu“ 
gleich, daß ihr Sohn dann in 
proteſtantiſche Gegenden komme, 
dort wenig Gelegenheit gut 
Erfüllung feiner religidfen 
Pflichten erhalte und darum 
feinen Glauben verlieren würde. 


Der Geiſtliche lehnte in der Gerichts 
verhandlung eine Erklärung des Falles mit 
dem Hinweis auf das Beichtgeheimnis ab, 
ſtellte jedoch feft, daß er ſich ver: 
pflichtet hielte, auch die Land- 
jahrfrage wegen ihrer religi? 
öſen Bedeutung in der Beichte 
zu behandeln. 

Dies alles wird vom „Katholik“ natürlich 
in der notwendigen Breite geſchildert. 

Der Vorſitzende des Sondergerichtes et 
klärte bei der Arteilsbegründung u. a. auch, 
daß, vom Standpunkt des Rechtes, es 


Pflicht jedes Katholiken fel, | 


über eine Beichte und das, was 
darin geſprochen wird, zu reden, 
wenn das Intereſſe des Staates 
es erfordere. 

Gegen dieſe Feſtſtellung des Vorſitzenden 
des Sondergerichts geht nun „Der Katholol” 
in der ihm eigenen raffinierten Art vot. 
Zuerſt, an den Bericht über die Arteils⸗ 
begründung anſchließend, ein langes Pa 
lamer über die Strenge des Beichtgeheim- 
niſſes, über die unbedingte Schweigepflicht 
des Geiſtlichen und ähnliche Fragen mehr. 
Am Schluſſe dieſes Aufſatzes, der eineinhalb 
Spalten lang iſt, aber läßt dann „Der 
Katholik“ nichts mehr an Deutlichkeit zu 
wünſchen übrig. Er ſchreibt: 


Vom Büchermarkt 27 


„Mit Recht iſt daher das Beicht⸗ 
geheimnis auch ſtaatsrechtlich geſchültzt. 
Eine Pflicht jedes Katholiken, über eine 
Beichte und das, was in ihr geſprochen 
wird, zu reden, wenn das Intereſſe des 
Staates es erfordert“ zu ſtatuieren, löſt 
ernſteſte Bedenken aus. 

Der Prieſter, dem durch das Beicht⸗ 
fiegel der Mund geſchloſſen iſt, ſteht 
abſolut wehrlos einem Ankläger, der zu⸗ 
gleich einziger Zeuge ift, gegenüber. Mif- 
verſtändniſſe können leicht vorliegen. Ab- 
ſichtliche Mißdeutungen find nicht aus- 
geſchloſſen. Wie, wenn Denun- 
ziantentum ſich einſchleicht, 
gar in Form von Spitzeln und 
Lockſpitzeln? Es genügt, dieſe Mög- 
lichkeit anzudeuten. Man vertraue dem 
Gewiſſen und der echten nationalen Ge⸗ 
finnung der Kirche und ihrer Diener. 
Dieſes Vertrauen wird ſich zum Beſten 
von Staat und Kirche auswirken.“ 


Was ſich „Der Katholik“ in dem oben 
Geſagten leiſtet, iſt eine ungeheure Difa⸗ 
mierung des nationalſozialiſtiſchen Staates, 
eine Verdächtigung der Gerichte und zudem 
eine verſteckte Anklage gegen den Staat, die 
dieſem vorwirft, mit Spitzeln und Lockſpitzeln 
gegen die Kirche vorzugehen, um dieſe mit 
unlauteren Mitteln zu bekämpſen. 

Eine charakterloſere und zugleich ge- 
meinere Art des verſteckten Angriffes gegen 
den Staat haben wir lange nicht erlebt. 


„Der Katholik“ fühlt ſich außerdem dazu 
berufen, gegen die Ausführun- 
gen eines deutſchen Gerichtes 
„ernſteſte Bedenken“ zu äußern 
und zudem von dem Gewiſſen und der echten 
nationalen Geſinnung der Kirche zu reden. 


Wir ſtellen zur Klärung des 
obigen Falles nur nochmals feſt, 
daß der angeklagte Geiſtliche ſich 
laut eigener Ausſage für ver- 
pflichtet hielt, in der Beichte 
auch über Land jahrfragen zu 
reden. Wir meinen aber, daß dieſe 
Fragen weder mit dem fündebeladenen Ge⸗ 
wiſſen ſeiner Beichtkinder, noch mit den 
ihnen zur Entſühnung aufgetragenen Buß⸗ 
übungen etwas zu tun haben — ſondern 
einzig und allein einen poli- 
tiſchen Mißbrauch des Beicht⸗ 
ſtuhles im Sinne der Notwendig. 
keiten der politiſchen Kirche be, 
deuten. 

Darum erfordert es das Intereſſe des 
Staates febr wohl, daß der deutſche Katholik 
den ſtaatlichen Stellen über dieſe „religi- 
öſen“ Ermahnungen und Geſpräche weiteſt⸗ 
gehend Aufklärung gibt. 

Wir können gleichzeitig der Kirche ver- 
ſichern, daß, wenn ſie ſich ihren eigentlichen 
religiöſen Pflichten allein zuwendet, 
beſtimmt keine Gefahr der abſichtlichen Mih- 
deutung und der „ſchuldloſen“ Anklage gegen 
ihre Geiſtlichen beſteht. Gais mayer. 


Die junge Kameradſchaft. Herausgegeben 
von Erich Fiſcher im Verlag Zeit⸗ 
geſchichte, Berlin. 

e fiir die Jugend gibt es ſchon 
eit vielen Jahren. Die, die bisher auf dem 
fidermartt erſchienen, en aber typi 
bürgerliche Erzeugniſſe. Sie wandten d 

en 


an eine Jugend, die ſich ſelbſt überla 


war, die man beſchäftigen mußte und wollte, 
ohne we eigentlich irgendwelche Aufgaben zu 
geb So griffen ge und Elternhaus 


leich krititios, das mu 
agt werden, zu dieſen Erze 
waren froh, den Jungen oder das Mädel 
für einige Zeit beſchäftigt zu wiſſen. Die 
lafen dann irgendwelche Räuberpiſtolen, er- 


einmal offen ge⸗ 
niſſen und 


28 Vom Vüchermarkt 


fuhren, wie man einen Radivapparat baut 
und ſicher noch allerlei nützliche Dinge. Aber 
das eigentliche Kennzeichen dieſer Bücher 
war, daß ſie (abgeſehen von den par 9 
Neuerungen) zu jeder Zeit hätten erſcheinen 
können — alſo 1850 ebenſogut wie 1920 
oder 1930. Jene Jugend -⸗ Jahrbücher ſtanden 
in keiner Bindung zu der Zeit, in der die 
Jugend heranwuchs. 


Dieſe Jahrbücher erſchienen weiter. Es 
wurden wohl hier und da Gedichte unſerer 
Zeit aufgenommen und Bilder aus dem 
Werden der Bewegung gebracht — man ver- 
öffentlichte Arbeiten aus der Feder national- 


gut Jugend fpraden — wenn fie aud im 
ürgerhaus den „Kindern“ geſchenkt 
wurden. — Man bedenke allein den Her- 


ſtellungsgang eines ſolchen Jahrbuches. Da 
war irgendein Mann beauftragt, ein Jahr- 
buch zu machen. Der ſchrieb dann, ſeinem 
Auftrag entſprechend, an eine Reihe Autoren 
und ſie um Beiträge. Die wurden 
illuſtriert und das Buch war fertig. Bis 
eben der Titel „Jahrbuch für die Jugend“ 
hinzukam, hatte Jugend mit dieſem Buch 
nicht das geringſte zu tun gehabt. Aber ſie 
ſollte es leſen. 


Bei der Betrachtung dieſes neuen Jahr- 
buches der Hitler⸗Jugend „Die junge 
Kameradſchaft“ kommen wir von der Ent- 
ſtehung her zu dem Sinn dieſes Buches. Der 
Herausgeber Erich Fiſcher ſchreibt in ſeinem 
Vorwort: „Kameraden! Die Herausgabe 
der „Jungen Kameradſchaft“ wurde bedingt 
durch die Forderung der Hitler-Jugend, end- 
lich ein Jahrbuch zu beſitzen, welches den 
Stempel jener Jugend trägt, die durch den 
Ambruch einer großen Zeit gegangen iſt. 
Ein Buch, aus dem der Kamerad der Rampf- 
zeit ebenſo g uns fpridt wie der Soldat 
des großen Krieges und der Dichter unſerer 
Zeit. Ein Buch, das frei ſein ſoll von 
falſcher Mentalität und uns fremder Ro- 
mantik, das aber mit harter und doch leiden- 
ſchaftlicher Sprache von unſerem Kampf und 
unſerem Wollen berichtet. Hier ſollen 
Männer a uns ſprechen von der Geſchichte 
unſeres Volkes, vom Soldatentum und von 
den Geſchehniſſen unſerer Zeit, die wahrhaft 
das Recht dazu haben. Alle Beiträge ſollen 
in Haltung und Geſinnung das Wollen der 
neuen deutſchen Jugend zum Ausdruck 
bringen. Möge das Buch am Lagerfeuer 
und im Heimabend ein wahrhafter Kamerad 
ſein! Dies war der Wunſch aller, die 
hieran mitarbeiteten.“ 


Damit find Aufgabe und Inhalt des 
Buches umriſſen. Es iſt ein Buch, das in 
engſter kameradſchaftlicher Zuſammenarbdeit 
junger Menſchen für die große Kamerad 
ſchaft der deutſchen Jugend geſchaffen wurde 
Das bezeugt auch eine ſchmale Leiſte mit 
dieſem Text: „Die Zuſammenſtellung dieſes 
Buches wurde ermöglicht durch die kamerad 
ſchaftliche Mitarbeit von inz Ehring, 
Herbert Reineder, Ferdi Spindel und Wil- 
helm Atermann.“ 

Auch die Namen der Autoren ſagen etwas 
Neues aus. Früher holte man ſich für ein 
Jahrbuch den Namen irgendeines „Pro- 
minenten” heran zum Kundenfang. Hier 
ſtehen die Namen und Arbeiten der beſten 
deutſchen Autoren zahllos nebeneinander. 
Denn das Beſte gerade iſt für die Jugend 
gut u für bürgen Männer wie: 

f f tthel, Werner Beumelburg. 
Wolfram Brockmeier, Hans Baumann, 
ER Dr. Walter Frant, ra hs Euringer, 

einrich Lerſch, Herybert Menzel, Heinz 
Steguweit, inrich Zerkaulen und viele 
andere mehr. 

Es hieße dem Buch nicht gerecht werden, 
wollte man irgendeine Arbeit aus dem On, 
halt beſonders herausſtellen. Es ift alles 
damit geſagt, daß das Jahrbuch die „Junge 
Kameradſchaft“ alles das bringt, was die 
Jugend von einem ſolchen Buch erwartet. 

Dies Buch iſt ein neuerlicher Beitrag der 
Jugend zum geiſtigen Vormarſch der 
Nation. — — 


Das Jugendbuch vom Weltkrieg. Von 
Wulf Bley. Anion Deutſche Verlags- 
geſellſchaft, Stuttgart. 260 Seiten, 35 Ab. 
bildungen, 41 Kartenſkizzen. 

Wulf Bley, Martin Bochow, Fritz Otto 
Sa und Hans Zöberlein haben obi 
Werk als Gemeinſchaftsarbeit der deutſchen 
Jugend geſchenkt. 

Das Buch iſt in Stil und Gliederung gut. 
Es iſt in klarer, knapper, phraſenloſer 
Sprache geſchrieben. Die Bildauswahl iſt 
beſtens gelungen. 

Das Buch erſchöpft ſich nicht allein in der 
Darſtellung der Frontereigniſſe, (een a es 
ſchildert ebenſo auch die politiſchen Ver ; 
hältniſſe in den Kriegsjahren und rundet ſo 
das Bild des Krieges zu einem voll. 
ſtändigen. Pro. 


Anſer der Weg. Von Lucie Alexan 
der. Verlag Hans Wilhelm Rödiger, 
Berlin SW İl. 

Die Zahl der Bücher über den Arbeits- 

dienſt und aus dem Arbeitsdienſt iſt im 

vergangenen Jahr erheblich gewachſen. Wir 


— — 


Vom Büchermarkt 29 


können mit Freude feſtſtellen, daß der Durd- 
ſchnitt gut war. Gegen Jahresende erſchien 
nun noch das Büchlein „Anſer der Weg“ — 
Vom Kampf der Jugend unſerer Tage — 
von Lucie Alexander. Nicht nur deswegen, 
weil dies Buch einen Einblick gibt in den 
weiblichen Arbeitsdienſt, müſſen wir es aus 
der Reihe aller Been ee Bücher heraus- 
nehmen. Dies Buch ift ein ſchöner Beweis 
dafür, daß die Sprache nicht laut ſein muß, 
um eine kämpferiſche Haltung zu vermitteln 
— daß ein Buch ſtill, ja zart, ſein kann und 
doch bis ins letzte packen. Wir danken 
Lucie Alexander dieſes Buch, das aus dem 
Ringen einer jungen Gemeinſchaft heraus 
entſtanden ijt. Es ijt nationalſozialiſtiſch in 
ſeiner Geſamtheit und es iſt ehrlich in der 
Schilderung, wie ſchwer mancher junge 
Menſch in ſich kämpfen muß, ehe er ſeine 
eigene kleine Welt der ſchöneren und 
en einer feften Kameradſchaft deutſcher 

enſchen opfern kann. Dies Buch iſt nicht 
nur für die Jugend ſelbſt beſtimmt, obwohl 
es fie unmittelbar angeht, es geht ebenſo 
jeden deutſchen Menſchen an, der ſich müht, 
die Jugend zu verſtehen, die ſich ihre Welt 
nach neuen Geſetzen zu bauen . 


„Kameraden unterm „ von Eber ⸗ 
hard Strauß. Stalling⸗Verlag, Ol- 

denburg 1935. 

In der von Oberarbeitsführer Müller- 
Brandenburg herausgegebenen Reihe „Ka- 
meraden des Spatens“ iſt dieſer Band der 
zweite. Im ganzen überzeugender als der 
erſte Band, auch völlig anders geſtaltet. 
Hier gibt ein Obertruppführer Bericht 
ſeines Erlebens und läßt alle teilhaftig 
werden der großen und kleinen Sorgen des 
Arbeitsmannes! Es ift eine ſaubere, epr- 
liche Arbeit, die es verlohnt geleſen zu 
werden. — Für die Buchreihe muß ſie frei⸗ 
lich die einzige bleiben, fonft leidet der Wert 
unter den Epigonen, wie überhaupt die Ge- 
fahr der beitsdienſtkonjunkturliteratur 
nicht von der Hand zu weiſen iſt, insbefon- 
dere wenn ſchon Leute mit dem Vorſatz ein⸗ 
treten, einen Roman als ſichtbares Ergeb- 
nis ihrer Arbeit wieder mitzubringen! — 
Strauß Buch gehört in jede Lagerbibliothek 
und auch an die große Schicht der deutſchen 
Leſer. Hier erleben ſie den Arbeitsdienſt 
wie er iſt Gro. 


Bengt Berg: Svar Halling. Der Roman 
eines Einzelnen. Verlag von Dietrich 
Reimer, Berlin. 1935. 

Die ganze Welt kennt Bengt Berg als 


den raſtloſen Reiſenden Su alle Länder, 
als den Tierforſcher und Verfaſſer berr- 
licher Tierbilderbücher. Die enormen Auf⸗ 
lagen beweiſen ſchon äußerlich ſeine Volks⸗ 
tümlichkeit. Indeſſen willen nur die wenig- 
ften um den Dichter Bengt Berg. Der Ber- 
lag Dietrich Reimer hat das Verdienſt, 
Bergs Leſergemeinde nun auch einen Roman 
zugänglich gemacht zu haben, in der dieſe 
ihn als Geſtalter und Kritiker zeitnaheſter 
Probleme kennenlernt. 

Es geht bei dieſem ſozialiſtiſchen Bekennt 
nis Bergs nicht darum, ob das Teſtament 
des Hüttenherrn, der ſein Werk ſeiner 
Belegſchaft vermacht hat, in der Praxis in 
den hier vorgeſchlagenen Wegen durchführ⸗ 
bar iſt. Dieſe Tatſache wollen wir feſtſtellen, 
für den Fall, daß irgendwie intereſſierte 
Kreiſe dieſe ideale ſozialiſtiſche Forderung 
auf das Gebiet betriebs⸗ oder volfswirt- 
ſchaftlicher Diskufſionen abbiegen. Bergs 
männliches Buch bleibt eine berechtigte An- 
lage gegen den Kapitalismus der letzten 
Kriegsjahre, nicht nur für Schweden, fon- 
dern für die ganze Welt. Berg kennt durch 
ebenſo exakte Beobachtung, wie er ſie ſeiner 
Tierwelt angedeihen ließ, die unredlichen 
und unfittliden Methoden der in Geld den- 
kenden Menſchen, für die alles volkhafte 
Leben nur in einem Syſtem von Buchungen 
Berechtigung oder Sinn hat. Wenn der 
Dichter dazu noch einen einzelnen, ſtarken 
Mann gegen einen Wall von Intrigen 
kämpfen und ſein Werk vollenden läßt, dann 
ſpricht er ſo unmittelbar zu uns, daß wir 
gang auf feiten feines Ingenieurs Svar 
Sa ing jteben, der aus der Rechenmaſchine 
der sl Betriebe kommend, das 
Recht des ſchaffenden Menſchen erkannte und 
dafür ſeine Manneskraft einſetzte. W. A. 


Horft von Metzſch: Schlummernde Wehr⸗ 
kräfte. Neue ſoldatiſche Blickfelder. Ber- 
lag Gerhard Stalling, Oldenburg i. O. 
217 S. 

Horſt von Metzſch beſtätigt hier in ſeinem 
hervorragend aufgefaßten und gegliederten 
Buch, das er ſprühend lebendig ſchrieb, die 
nationalſozialiſtiſche Anſchauung der totalen 
Politik vom Blickpunkt des bekannten Mili- 
tärs aus. Das Buch, das fo ziemlich ſämt⸗ 
liche Gebiete des Lebens in feine Betrach- 
tungen mit einbezieht, iſt eigenartig und 
(eg beachtlich. Beſonders aud für uns Junge 
ehr beachtlich. Nur möchten wir den Ber- 
ſaſſer in bezug auf fein Schlußwort zu be- 
denken bitten, daß die Nation nicht aus KA, 
ſondern durch die Partei frei wurde. Pro. 


30 Vom Büchermarkt 


Franzöſiſches Soldatentum. Chouteau / 
Robert de Traa. Mit einem Vor- 
wort von Kurt Heſſe und Walter 
Mind. Ins Deutſche übertragen von 
Walter Mönch. Wilh. Gottl. Korn 
Verlag, Breslau. 

Zwei Abhandlungen über den franzöſiſchen 
Offizier wie er iſt und wie er ſein ſoll. In 
Beziehung geſetzt zu ſeinen Antergebenen, 
erhalten wir ein Bild des franzöſiſchen Sol- 
datentums. In dem Vorwort von Heſſe 
ſehen wir dieſes Soldatentum, verglichen 

mit dem deutſchen, aus der Erfahrung des 

Weltkrieges von einem 1 Offizier 


dargeſtellt. Von der Geſchichte t der 
Wiſſenſchafter Mönch dieſes Bi 4 a gerun- 
det. Ein Buch, das nicht nur Soldaten an; 


geht, ſondern wegen ſeiner aD a 
polltiſchen Deutſchen. 


Weltkrieg und Propaganda. Von Dr. 
Hermann Wanderſcheck. Verlag 
E. S. Mittler & Sohn. Berlin 1936. 


Das 260 Seiten umfaſſende Werk Dr. 
Hermann Wanderſchecks zeigt das Arbeits- 
feld der feindlichen Propaganda im Welt⸗ 
krieg und Vorbereitung der Propaganda- 
aktionen in den 5 In dieſem 
Buch lebt eine ſeltene Aktualität und es 
bringt jedem Leſer die nötige Aufklärung 
über die von unſeren ehemaligen Gegnern 
gegen ung aeführte Waffe der Propaganda. 

ir Led od heute eine Reihe namhafter 
Blücher über den Weltkrieg, aber nur febr 
wenig Literatur, die nam t der Bedeutung 
der Propaganda im Weltkrieg beſchäftigt. 
Mit dem vorliegenden Buch iſt dieſe 
empfindliche Lücke ausgefüllt. Wir empfehlen 
jedem HI-Führer dieſes Werk als ein un- 
entbehrliches Handbuch für die Bu pe 
Aufklärung. 


Politiſche Raumordnung. Von Proſ. Dr. 
Hans Weigmann. Hanſeatiſche Ber- 
lagsanſtalt, Hamburg. 


Prof. Weigmann gibt einen Amriß von 
dem Aufbau, den Aufgaben und der Siel- 
ſetzung der Raumplanung. In der Perſon 
des Verfaſſers, der auch als Wiſſenſchaftler 
i und praktiſch denkt, iſt die Gewähr 
gegeben, daß die Raumordnung nicht wie ſo 
oft zum Schlagwort degradiert wird und zu 
einem Konjunkturbegriff gemacht wird. In 
dieſem Amriß der Raumordnung wird von 
deutſchen Notwendigkeiten geſprochen, die 
der Nationalſozialismus Zug um Zug ver- 
wirklicht. B. 


ihrer Arbeit buchen. 


„Das Studium der Ko ar 
55 von Karl Auguſt Eck⸗ 
Hardt, 1935. — Hanſeatiſche Verlags- 
anhalt, Hamburg. 

Die Schrift enthält die neue Studien- 
ordnung der neuen Wirtſchaftswiſſenſchaften 
und regelt das Studium von Diplomvolks⸗ 
wirten, Diplomkaufleuten und Diplom- 
handelslehrern. Die Studienordnung iſt in 
ihren weſentlichen Zügen zu eeu a Sie 
bringt einen ke und in ge⸗ 
ſchloſſenen Aufbau des 5 urd 
ue Ordnung ift endlid die alte nationa 
ſozialiſtiſche Forderung anerkannt, daß 
Wirtſchaftswiſſenſchaft polit if ch e 
Wiſſenſchaft und nur im Zu. 
ſammenhang mit den anderen 
³ʒ fu denkbar iſt. 
Für diefe Forderung ift am 
ſtärkſten gi N: legten Jahren 
Diedeutf Qugendeingetreten. 
Sie tann $ fo dies Ergebnis als Erfolg 
Das verjöhnt fie in 
gewiſſer Beziehung damit, daß die an ſich 
notwendige Ergänzu der Studienordnung 
durch eine Reform der wirtſchaftswiſſen⸗ 
ſchaftlichen Ausbildung an Haupt und 
Gliedern nicht erfolgt ik Cine folge Aus⸗ 
bildung müßte im Anfang ein ae 
Ausbildungsziel, d. h. die Vorbereitu 
eine beſtimmte Führu eee in Staat 
oder Wirtſchaft mit ſich bringen. Eine SCH 
Swedbeftimmung fehlt heute nod und daher 
weiß der hoffnungsvolle Student meiſtens 
nicht, welchen Beruf er nach dem Studium 
GREET I ſoll. A Go wird ap der Borts- 

irt meiſtens gezwungen, eine poli 

Zwiſchenſchicht darzuſtellen, die 8 

Staat noch in der Wirtſchaft, ſondern vor⸗ 

wiegend in freien Verbänden, in der Preſſe 

oder für andere se flar begrenzte Auf; 
gaben Verwendung fi 


5 Studien 
ordnung, daß wohl beim Stu- 
dium heute Ordnung herrſcht, 
nach dem Studium jedoch nach wie 
vor der Zufall. Beſonders zu betonen 
iſt, daß der Studienplan ebenſo wie die Leit⸗ 
ſätze für das Studium u. E. hundertprozentig 
in Ordnung iſt. 


Jedoch geht es nach unſerem Ermeſſen bei 
einer ſolchen Regelung des Studiums letzten 
Endes nicht um die „Erneuerung eines 
Faches“, wie anik Wiskemann in 
der Schrift zum Ausdruck bringt. Es geht 
uns in dieſen Dingen um die Zuſammen⸗ 
führung der verſchiedenſten wiſſenſchaftlichen 
Fächer für die Geſtaltung der Wirtſchafts⸗ 


= 
8 


*** 


Vom Büchermarkt 31 


o ſation und der Wirtſchaftsführung. 
Nicht das Tach ſteht im Vordergrund, fon- 
dern die politiſche Aufgabe, für die dieſes 
Fach Grundlagen ſchafft. And wir hätten 
doarenſcht, daß das zuerft betont worden 
w 


re. 8 
An dieſe über dem Ganzen d Auf- 
gabe kommt man nicht dadurch heran, daß 
man ſeiner Wiſſenſchaft und ihren einzelnen 
Trägern einen neuen Namen gibt, oder um 
fie herum eine ſtändiſche Gemeinſchaft ton- 
ſtruiert. Wir ſehen folglich keinerlei Grund 
dafür, daß in den Erläuterungen zur 
Studienordnung der Volkswirt mit einem 
Male als „Rechtswahrer“ betitelt wird. Wie 
alle Worte iſt auch dieſes keine weſentliche 
Größe, ſondern mehr oder weniger eine 
Modeerſcheinung. Viel wichtiger als die 
Anpaſſung an juriſtiſche Begriffe ſcheint uns 
das Bemühen, der politiſchen Wiſſenſchaft 
das materielle und ethiſche Recht zu wahren 
für ihre eigenen Ziele. Zuerſt ſchaffen, 
dann wahrnehmen undbewahrenl 
Das iſt ein politiſcher Grundſatz, der alſo 
auch auf die politiſchen Wiſſenſchaſten an- 
gewandt werden kann. Der bisher größte 
deutſche Volkswirt, Friedrich Liſt, würde 
über die Betitelung als „Rechtswahrer“ 
zweifellos gerader haben, denn ihm ſtand 
die „politiſche Oekonomie“ vor 
Augen, und damit war er ein ſchöpſeriſcher 
Revolutionär größten Formats. Er kämpfte, 
das übrige überließ er anderen. And wir 
jungen halten zu Liſt. Bo fi. 


„Deutſche Reichsgeſchichte in Dokumenten, 
Arkunden und Alktenſtücken.“ Heraus- 
gegeben von Dr. Johannes Hohlfeld, 
4 Bände, Vertrieb amtlicher Veröffent- 
lichungen G. m. b. H., Berlin SW 68, 
3. Auflage 1934. 


Der Herausgeber dieſer umfangreichen 
Dokumentenſammlung fpricht im Vorwort 
m 1. Band von dem „Reiz der alten Ur- 
nde“. Daß dieſer Reiz mehr iſt als eine 
Sucht nach irgendeiner Senſation, mehr als 
Drang nach Geheimniſſen, die der einzelne 
zu entdecken hofft und auch mehr als ver- 
ſtaubtes Wühlen in Akten einer Vergangen- 
eit, mag unterſtrichen werden. Denn es 
unte mit dieſen oberflächlichen Argumenten 
allzu leicht die neue Geſchichtsforſchung ab- 
getan werden, die ſich von vielen Bor- 
urteilen, von Einflüſſen und Meinungen 
eines beziehungsloſen Zeitalters loslöſen 
muß und in der Arkunde, im Dokument 
allein den Schlüſſel zur geſchichtsbedeutenden 
Perſönlichkeit findet. Auch dürfte es richtig 
ſein, als ſtärkſtes Erlebnis geſchichtlichen 


Studiums die unmittelbare Wirkung der 
großen Seugniffe der Vergangenheit zu be- 
zeichnen. Ein gefunder Inſtinkt findet mit 
Hilfe dieſer Biftorifchen Dokumente Die 
weſentlichen Richtlinien für eine gefunde 
und klare Geſchichtsbetrachtung, erkennt aber 
auch aus jedem Ereignis die gleichen Geſetze 
des Blutes, die gleihen Geſetze des Han- 
delns, denen Vergangenheit, Gegenwart und 
Zukunft feines Volkes unterworfen find; und 
in ihm lebt ſelbſt Geſchichte. Der 1. Band 
umfaßt die Zeit von 1849 bis 1906, d. h. 
von der Verfaſſung des Deutſchen Reiches 
vom 28. März 1849 bis zur Niederſchrift 
Wilhelms II. über ſeine Anterredung mit 
Eduard VII. in Schloß Friedrichshoſj. Im 
Mittelpunkt des erſten Teiles ſtehen zweifel⸗ 
los die Dokumente, die von Bismarcks 
Kampf um die Einheit des Reiches ſprechen. 
Beſonderes Intereſſe verdient dabei ein 
Brief Ludwig Il. von Bayern an feinen 
Bruder Prinz Otto, der die wahren Ge- 
fühle verrät, die der bayriſche König bei dem 
Angebot an Wilhelm J., die Kaiſerwürde zu 
übernehmen, empfand. Spannend leſen ſich 
die Aufzeichnungen und Reden, die mit dem 
Kulturkampf und den erſten Parteikämpfen 
des Deutſchen Reichstages zuſammenhängen. 
Bismarcks haushohe Aeberlegenheit, feine 
meiſterhafte Logik und fein politiſcher Weit⸗ 
blick ſpricht aus allen Dokumenten, die die 
Außenpolitik des erſten Reiches betreffen. 
Die Epoche von 1906 bis 1926, die der 
2. Band der reichhaltigen Sammlung be- 
handelt, kann man wohl zu den Tiefen- 
punkten deutſcher Geſchichte zählen. Wie 
wenig dabei von Fataliſten dem unabmend- 
baren Schickſal, wieviel andrerſeits unfähigen 
Diplomaten und Politikern zuzuſchreiben iſt, 
das lehrt ein gründliches Studium dieſer 
Bände. Die verhängnisvolle Flottenpolitik 
des Kaiſers England gegenüber, deſſen 
Freundſchaft er erſtrebte und deffen Feind- 
ſchaft er ſich zuzog, iſt durch eine beſonders 
reichhaltige Wiedergabe einſchlägiger Akten 
belegt. Die Rede des Reichskanzlers Bülow, 
in der das Wort von der „Nibelungentreue” 
fiel, ſeine Entlaſſung und die Ernennung 
Bethmann⸗Hollwegs, unſeligen Angedenkens 
füllen nur drei Druckſeiten — aber welche 
verhängnisvolle Sprache ſprechen ſie?! 
Wenige Blätter ſind nur zu wenden, um die 
unwiderlegbaren Dokumente gegen die 
Kriegsſchuld vorzufinden. Dieſe Tage vor 
Kriegsausbruch zeigen die Machtloſigkeit 
einer um den Frieden kämpfenden deutſchen 
Diplomatie. Aber die Lawine rollt, die 
Manöver der franzöſiſchen Diplomatie 
führen nach einer ſorgſamen Vorarbeit im 


32 Vom Büchermarkt 


Zeitraum eines halben Jahrhunderts zur 
ad ap Die Dokumente fprechen eine 
eindringliche Sprache über die Erfahrungs- 
tatſache, daß Macht vor Recht geht. Beth- 
mann ⸗Hollweg hat Muße gehabt, ſolche 
Akten in dieſer Zeit zu ſtudieren und das 
ne was ein Reichskanzler für fein 

t hätte mitbringen müſſen. Die Ope- 
rationspläne find der Sammlung beigegeben 
und die traurigen Reichstagsſitzungen find, 
der Nachwelt ein ewig abſchreckendes Zeug · 
nis, hier erhalten. er Notenwechſel mit 
Lanfing um den Waffenſtillſtand find aus- 
führlich wiedergegeben. Die letzten Tage im 
Großen Hauptquartier und die Flucht des 
Kaiſers find durch Aufzeichnungen der Be⸗ 
teiligten feſtgehalten. Die Dokumente der 
Revolte find verzeichnet. Das einzig erfreu- 
liche Schriftſtück iſt der Wortlaut der wür⸗ 
digen Rede Brockdorff⸗Rantzaus zu einer 
unwürdigen Zeit in Verſailles. Dieſer Band, 
voll von faſt durchweg ſchmachvollen und un⸗ 
glücklichen Dokumenten, ſchließt mit der An⸗ 
trittsrede Streſemanns im Völkerbund 1926. 


Der dritte und vierte Band der Dotu- 
meriam ana ſteht ſelbſtverſtändlich unter 
dem innenpolitiſchen Vorzeichen, da hier 
weſentliche alen alt Dokumente für 
eine e ye nicht reif ſind. Vieles, 
was in dieſen Bänden vorhanden iſt, mag 
in mehreren Jahrzehnten die Bedeutung ver⸗ 
loren haben, die wir ihm in der Gegenwart 
beimeſſen. So kommt es auch, daß der 
dritte Band die nur kurze Zeitſpanne von 
1926 bis 1931 enthält. Sie beginnt mit der 
Rede Adolf Hitlers nach der Wieder- 
aufrichtung der Partei in München am 
27. Februar 1925. Die Sammlung ift an- 
gefüllt von den innenpolitiſchen Kämpfen 
dieſer SE Gegen Ende dieſes Bandes 
ift die Nationalſozialiſtiſche Deutſche Ar- 
beiterpartei mit zahlreichen Dokumenten ver- 
treten. Auch das unſelige Oſthilfegeſetz iſt 
feſtgehalten und Brünings Rundfunkreden, 
deren Hilflofiatcit uns erft heute ins rechte 
Bewußtſein kommt, fehlen unter den Zeug⸗ 
niſſen dieſer Jahre nicht. 

Der vierte Band der Dofumentenfamm- 
lung führt uns mitten hinein in die Ge- 
ſchichte des jungen Reiches. Er reicht von 


der Harzburger Tagung der nationalen Op- 
poſition bis zum „Geſetz über den Neubau 
des Reichs“ vom 30. Januar 1934. In 
dieſem Band tritt das außenpolitiſche Mo- 
ment noch weſentlich ſtärker zurück als im 
vorhergehenden. Es gibt ausführlich die 
Dokumente wieder, die als Wegweiſer durch 
die nationalſozialiſtiſche Revolution führen. 
Es enthält vor allen Dingen die erſten be⸗ 
deutenden Geſetze des Dritten Reiches. 


Man kann dieſe letzten beiden Bände 
eigentlich nicht mit den erſten in eine Reihe 
ſtellen. Die Zuſammenſtellung von Doku- 
menten der jüngſten Zeit iſt der natürlichen 
Gefahr ausgeſetzt, das Weſentliche vom Un: 
weſentlichen nicht ſcheiden zu können. Dieſer 
Gefahr ift auch der Herausgeber der Dotu- 
mente nicht entronnen. So dürften die ver- 
ſchiedenen Aufrufe der einzelnen Parteien, 

eden von Reſſortminiſtern des vergange- 
nen Syſtems in einer ſolchen Dokumenten 
ſammlung, die die großen hiſtoriſchen Ser? 
kreuzungen der deutſchen Geſchichte aufzeich⸗ 
nen foll, ziemlich unweſentlich fein. Au 
vermißt man weſentliche außenpolitiſche Do- 
kumente, die der Oeffentlichkeit bekannt wur: 
den. Dieſe finden wir in einer ausgezeid- 
neten i „Zur Welt: 

olitik der Nachkriegszeit“, die 
m Teubner Verlag, Leipzig, erſchienen ift 
und in der die wichtigſten Dokumente nach 
großen Problemen der europäiſchen Ge⸗ 
ſchichte geordnet find. Vor uns liegen die 
Hefte über „Südoſteuropa und den nahen 
Orient“, „Abrüſtung und Sicherheit“, ſowie 
„Der europäiſche Oſten“. Dieſe Sammlung 
weſentlicher politiſcher Verträge können wit 
jedem, der ſich mit der europäiſchen Politik 
n zum eingehenden Studium emp⸗ 
ehlen. 

Die vorliegende Dokumentenſammlung 
Hohlfelds, die ſich beſonders durch einen ge⸗ 
ſchmackvollen Leinenband auszeichnet, hand⸗ 
lich iſt und durch einen gefälligen Druck aus- 
geſtattet wurde, darf im großen und ganzen 
als ein gelungenes Werk betrachtet werden, 
was Héi in allen Bibliotheken, wiffenfdaft- 
lichen Inſtituten aber auch in mancher Pri- 
vatbücherei eines politiſchen Führers unſerer 
Zeit durchſetzen wird. K. 


Hauptſchriftleiter: Günter Kaufmann (z. 


t. in Urlaub). 


Stellvertreter: Dr. Karl Lapper. Anſchrift: „Wille 


and Macht“, EE Berlin NW 40, Kronprinzenufer 10. Tel. D2 5841. Verlag: Deutſcher Jugend 


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Wille und Macht“ ift zu il 2 durch den Deut 


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Lützowſtr. 66. Tel. B 2 L 
l. Nr. 5. — Druck: Theodor Abb Buchdruckerei 
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Friedrich Wilhelm L 


Amtmann und Diener Gottes auf Erden 


Hans Heyck hat mit ſeinem neuen Noman über Friedrich 
Wilhelm J., den preußiſchen Soldatenkönig, ein großes 
leuchtendes Zeitgemälde geſtaltet, das das Europa des 
18. Jahrhunderts in aller Unmittelbarkeit lebendig werden 
läßt. Von Potsdam und den Kaſernen des Königs, 
vom Hof in Berlin, von Wuſterhauſen und den Herbſt⸗ 
jagden Friedrich Wilhelms ſpannt die feſſelnd aufgebaute 
Handlung ihre Fäden zu den Höfen in Wien, Hannover, 
Stockholm und Paris. Die wilden Abenteuer des nordiſchen 
Krieges und die Intrigen der ſpaniſchen Erbfolge ſpielen 
hinein und geben ihr ſtärkſte dramatiſche Wirkung. 
Warmer Humor und eine wuchtige, kraftvolle Sprache 
verleihen dieſem Buch eine unvergleichliche, dichteriſche 
Kraft und werden ihm immer neue Freunde gewinnen. 


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Zeitgeichichte 


Verlag und Vertriebs⸗Geſellſchaft m. b. H., Berlin W35 


Weld 


übrerorsander nationalſozialiſtiſchen Zugend 


dem Zubalt: 


der Freiheit eines Nationalsozialister. 
„Ich rufe die Jugend der Welt“ 


Repräsentation 


| Spiegel eines Lebens — Zeck | Heute Moor und morgen frachibares Land — Humbold | John ` 
and die 360 — Starhembergs „göttliche Wellordnung — Handel mit Heiligen — Kums - 
30 Pfennige — Ein Irrtum — Vom Büchermarkt 


| 
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— / Ge 3 Berlin, den 1. Sebenat 1036  Ginsgelpeeis 30 Pia. 


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„Ich rufe die Jugend der Welt“ `. Walther Schlüter 
Repräfentation `... Ernſt⸗ Herm une Í 
Wenn fie dir ſchuldloeo s. Gerhard Schuman i 
Von der Freiheit eines Nationalſozialiſten Gottfried : ej 
de CONS AS en tee e A ie E. H. Tor E: b 
Heute Moor und morgen fruchtbares Land. . . . . Dr. Hans F. Set 


Außenpolitiſche Notizen: 
John Pierpont und die 360 


Nandbemerkungen: 
Starhembergs „göttliche Weltordnung“ 
Handel mit Heiligen 
Kultur für 30 Pfennige 
Ein Irrtum 


Vom Büchermarkt 


Kunſtdruckbeilage: a 
Olympiaglocke; Aus der antiken Olympiade: Standbild eines Sieg 
und Kopf eines Siegers; Olympia⸗Plakette 1936 (Fotos Schirner) 


— 
r 


Digitized by Google. f ` 


— — 


Nach 


eerergen dev nationalfosialiftiider Susend 


dahrgang 4 Berlin, 1. Februar 1936 Heft 3 


Walther Schlüter: 


„sth vufe die Sugend der Welt“ 


Dieſer Spruch, den die Olympiaglocke trägt, Hellt ein politiſches Programm 
dar. Er iſt Ausdruck für die Richtung, die die Olympiſchen Spiele 1936 in Berlin 
tragen ſollen. 


Von ausländiſcher Seite iſt Deutſchland oft der Vorwurf gemacht worden, daß 
es kein Lebensgebiet mehr hätte, das nicht „politiſch gemacht“ worden ſei. Auf 
alles hätte der Nationalſozialismus ſeine Hand gelegt. Das ſtimmt allerdings, 
aber es ift für den Nationalſozialismus kein Vorwurf. Es ift klar, daß ein einheit. 
lich ausgerichtetes Volk, das nur einen Willen kennt, nur ein Ziel ſieht, auch alle 
ſeine Lebensgebiete hiernach ausrichten muß. So mußten die Leibesübungen 
notwendig „politiſch“ werden. Aber politiſch heißt: es geht um volkliche Belange! 
Das iſt die Begriffsbeſtimmung, die der Nationalſozialismus allen anderen 
Deutungen des „Politiſchen“ entgegenſetzt. Wie könnten wir ſonſt von „politiſchen 
Soldaten“ ſprechen? Eine vergangene, abgeſchloſſene Zeit hat der „Politik“ erſt 
den Beigeſchmack gegeben. Die Politik äußert ſich nach innen, auf den Staat, als 
Innenpolitik — zum andern nach außen auf den Verkehr mit anderen Völkern 
als Außenpolitik. Politik iſt die Summe der Beziehungen und Arbeiten, die 
dem Staat das Leben ſowohl nach innen als auch nach außen gewährleiſten. Damit 
haben aber auch die Leibesübungen in zweifacher Hinſicht ihre politiſche Bedeutung. 

Als im Jahre 1894 in Paris der franzöſiſche Baron Pierre de Coubertin den 
erſten Olympiſchen Kongreß berief und hier die Olympiſchen Spiele moderner Seit- 
rechnung begründete, da wurde den Spielen der Gedanke mitgegeben: „Das Olym- 
piſche Feuer ſoll alle Kulturſtaaten der Welt erwärmen.“ Mit dieſer Sinngebung 
wurden die Spiele aus dem Rahmen einer rein ſportlichen Veranſtaltung heraus- 
gehoben. Sie erhielten international-politiihe Bedeutung. 


t 


Schlüter / „Ich rufe die Jugend der Welt“ 


Als der Marxismus in Deutſchland wirtſchaftete, wurde immer nur von dem 
„völkerverſöhnenden“ Sport geſprochen. Die Leibesübungen ſollten das anbahnen 
und ſchaffen, wozu ein ohnmächtiger Staat nicht in der Lage war. Da die Baſis 
fehlte, von der aus dieſer Keil hätte vorgetrieben werden können, mußte der Verſuch 
fehlſchlagen. Denn Aufgabe des Sportes kann es niemals ſein, Politik zu machen, 
wohl aber kann er politiſche Beziehungen unterſtützen und ausbauen helfen. 
Was fo erreicht werden kann, ſehen wir an einem berühmten Beiſpiel: 
Nurmi. Das kleine Finnland lebt mit der Welt in Frieden. Außenpolitiſche 
Spannungen beſtehen nicht. Aber innerpolitiſch iſt die Weltkriſe auch an dieſem 
Ländchen nicht vorbeigegangen. Zu ſeiner Stabiliſierung bedurfte es unbedingt 
einer Anleihe. Da freundſchaftliche Beziehungen zu Amerika beſtanden, wurden 
Verhandlungen wegen einer Anleihe von dem Staat geführt. And dann wurde der 
Wunderläufer Nurmi ins Feld geſchickt. Durch ſein Laufen erwarb er ſich die 
Sympathien des amerikaniſchen Publikums und auch der Staatsmänner. Seine 
Geradheit, ſein Wille und ſein Können gaben den letzten Anſtoß: Finnland wurde 
die Anleihe gewährt. Der Stratege der Aſchenbahn holte ſich ſo einen ſeiner 
ſchönſten und größten Siege. So erreicht einmal das Land über den Sport Erfolge, 
die den ſportlichen Rahmen durchaus ſprengen. Aber auch von dem Sport aus 
können Erfahrungen heimgebracht werden, die in der Lage ſind, ſich grundlegend 
verändernd auf Staat und Volk auszuwirken. Zeigen wir es an einem negativen 
Beiſpiel: Als das Völkerringen von 1914 — 1918 feinen traurigen Abſchluß gefunden 
hatte, bemächtigte ſich in Deutſchland der Liberalismus des Sportes. Teilziele 
wurden aufgeſtellt, das „Individuum“ beherrſchte ganz eindeutig das Feld. Das 
Streben nach der Höchſtleiſtung trat in den Vordergrund. Rekordinflation und 
Kanonenkult waren die Hauptdarſteller auf der Bühne der Leibesübungen. Die 
Grundlage, eine Volksgemeinſchaft, fehlte. Sie mitzubauen wäre der Sport in der 
Lage geweſen. Denn als 1920 die Olympiſchen Spiele in Antwerpen geſtartet 
wurden, durfte Deutſchland (und Oeſterreich) nicht teilnehmen. Hier hätte es doch 
den Deutſchen aufgehen müſſen, daß ſich der Sport auf falſchen Wegen befand! 
Denn die deutſchen Wettkämpfer wurden nicht ausgeſchloſſen, weil ihre Leiſtungen 
nicht olympiſches Maß gehabt hätten. Man wollte auch nicht den einzelnen deutſchen 
Wettkämpfer als ſolchen ausſchließen. Nein, es wurde mit dieſer Maßnahme 
Deutſchland getroffen! Wo blieb denn jetzt die Parole des „völkerverſöhnenden“ 
Sportes?! Aber es kam noch ſchlimmer. Als 1924 Frankreich mit der Durch— 
führung der Olympiſchen Spiele in Paris betraut wurde, durften die Deutſchen 
wieder nicht teilnehmen. Die Begründung?! „Frankreich konnte die Garantie 
ſür die Sicherheit der deutſchen Teilnehmer nicht übernehmen“!!! Hätte an dieſen 
Maßnahmen das zerrüttete Deutſchland ſich nicht eine große Lehre zuteil werden 
laffen können? Aber die einzig mögliche Konſequenz, die „politiſch“ geweſen wäre, 
konnte man vor lauter „Politik“, nämlich der Parteien, nicht ziehen! And alles 
Gerede und Getue half ja nichts. Man ging an den Kern der Sache nicht heran. 
Das Grundübel konnte über den Weg der Leibesübungen beim Staate gepackt 


Schlüter / „Ich rufe die Jugend der Welt“ 3 


werden. Daß das durchaus möglich war, kann auch durch ein Beiſpiel aus der 
deutſchen Geſchichte erhärtet werden: Jahn! Er verſuchte über den Weg des 
Turnens, das gar nichts mit dem heutigen einſeitigen Geräteturnen zu tun hat, 
zur Nation, zur Volkswerdung vorzuſtoßen. Die Größe ſeiner Tat kann erſt unſere 
heutige Zeit wieder richtig einſchätzen, die nicht davon zehrt, ſondern ſie zu neuem 
Leben wieder erſtehen läßt. Jahn rief auch die deutſche Jugend auf den Plan. 
In einer Notzeit, als der Staat verſagte und politiſche Einrichtungen nichts 
mehr galten, als ganz Europa unter der korſiſchen Fuchtel Napoleons zuſammen— 
zuckte und ſich duckte, als auf der einen Seite hündiſche Ergebenheit und hände— 
ringendes Bitten ſtand, auf der anderen aber glatte Ohnmacht, da rief Jahn auf. 
Er ſammelte die deutſche Jungmannſchaft und damit den Kern der Nation. Wenn 
er ſie in dem Sinne erzog: Flink wie Windhunde — zäh wie Leder — hart wie 
Kruppſtahl —, wenn er aus ihnen Kerle machte, Soldaten, dann war das ſeine 
politiſche Leiſtung, feine Tat! And was war fein Erfolg? Als die großen deut- 
ſchen Reformer antraten, ein Stein und ein Scharnhorſt, da fanden ſie Kerle vor, 
die Soldaten waren, auch ohne bunten Rock! Denn Soldatentum kann ſich in 
Kleidung ausdrücken, muß aber nicht! Es iſt eben ein charakterlicher Wert, 
die innere Haltung, die immer da iſt, gleich an welcher Stelle ihr Träger 
ſteht oder welche Kleidung er trägt! 


„Ich rufe die Jugend der Welt.“ Wieder iſt Deutſchland im Aufbruch. Anſere 
Lebensgebiete ſind politiſch geworden, unſer Volk iſt politiſch. An erſter Stelle 
unſere Jugend. Sie iſt berufen auszubauen und zu halten, was Männer ſchufen, 
die in Stahlgewittern hart wurden. Sie tritt ein Erbe an, das geboren wurde in 
Blut und Eiſen. Sie bindet den Geiſt, der herüberweht aus den Namen Verdun, 
Somme, Langemarck. Sie trägt die Fahne, die die Leiber deckt von Horſt Weſſel, 
Herbert Norkus, Walter Wagnitz! Die Haltung unſerer Jugend wird beſtimmt 
durch heroiſchen Realismus. Wir haben heute wieder die Bindung zu unſerer 
deutſchen Geſchichte. Damit haben wir aber auch den ſcharfen Trennungsſtrich zur 
Reaktion gezogen. Sie ſchaut immer nach hinten, preiſt das Vergangene, was gut 
war, und verſucht, dieſes wieder herzuſtellen. Ihr fehlt der Aufbauwille, jenes 
Drängen zur Tat. Wir aber, die wir die geſchichtliche Bindung haben, ſehen und 
werten das Geſtern, leben und geſtalten das Heute, arbeiten und glauben für 
morgen. So kann nur geſchichtliche Bindung verjtanden werden und läßt für uns 
auch das Wort gelten, das dem Ardeutſchen, Fauſt, alles galt: „Die Tat iſt alles.“ 
Dieſe geſchichtliche Bindung legt uns die Verpflichtung auf, unſer raſſiſches Erbe 
anzutreten. Das heißt nicht, daß wir uns wieder Bärenfelle umhängen wollen 
und als alte Germanen durch die Weltgeſchichte laufen. Zeit und Amſtände 
ändern ſich, nicht aber die raſſiſche Veranlagung. Die ihr gemäße Haltung bleibt! 
Deshalb gilt für uns noch jenes Fauſtwort, denn wir haben uns zurückgefunden 
und uns zur heldiſchen Lebensauffaſſung als der uns artgemäßen wieder entſchieden. 
Der Kampf galt unſerem Vorfahren alles. In ihm fand er ſeinen höchſten Lebens— 
zweck. Nur nicht den Strohtod ſterben! Die Angſt hiervor iſt uns verſtändlich, 


4 Schlüter „Ich rufe die Jugend der Welt“ 


wenn wir eben die Tat im Mittelpunkt des germaniſchen Lebens ſtehen ſehen. Da 
bedeutet der Strohtod, daß das Leben eben nicht artgemäß gelebt worden ift. Ver- 
ſchwenden kann ſich der nordiſche Mann und lachend ſchaut er dem Tod ins Auge: 
er iſt ihm Erfüllung ſeiner Aufgabe. Der Germane lebt nicht um des Lebens 
willen, ſondern das Leben iſt Schickſal. Wie dieſes auch ſein mag, er kämpft mit ihm, 
aber nicht verbittert und voll Haß, ſondern voller Freude, und der Kampf iſt ihm 
hohe Zeit. Von dieſer Auffaſſung ſchreibt H. F. K. Günther: „Der Held liebt ſein 
Schickſal, am ſtolzeſten dann, wenn es ihn zermalmen will.“ Dieſes Drängen und 
dieſer Wille zur Tat rief auch die deutſche Jugend zu den Fahnen des Führers. 
Sie wird nun immer weiter marfdieren und immer weiter geſtalten. And weil fid 
in der Jungmannſchaft die Kraft des Volkes zuſammenfindet, deshalb ſteht ſie in 
vorderſter Front. Deshalb hat ſie aber auch größte Verpflichtungen. Sie wird 
ihre Ausrichtung in dieſem Jahre bei den Olympiſchen Spielen unter Beweis ſtellen. 


Die Olympiſchen Spiele find als ein Erbe auf uns gekommen. Sie ftammen 
aus Griechenland, dem Land, von dem H. F. K. Günther ſagt: „Dieſes Griechenland 
war eine Großtat der nordiſchen Raffe.” Die Olympiſchen Spiele hatten für 
Griechenland ungeheure nationale Bedeutung. Sie waren aus kultiſcher Handlung 
gewachſen, und die Wettkämpfe in den Leibesübungen ſollten das Feſt für die 
Götter verſchönen. Erft nach und nach erlangten die Wettkämpfe das Ueber- 
gewicht. Sie wurden in ihrer Bedeutung ſo ſtark, daß ſie das griechiſche Volk, das 
ſonſt in Stämmen, in Stadtſtaaten lebte und fih befehdete, einte. Das Waffen- 
tragen war in Olympia verboten. Es wurde ein Feſt des Friedens, ein Feſt der 
Verſöhnung, ein Feſt des Volkes. Die volkliche Einigung, die ſich hier vollzog, 
das Ahnen einer volklichen Zuſammengehörigkeit und Verbundenheit gaben den 
griechiſchen Olympiſchen Spielen ihre politiſche Bedeutung. Dieſer national- 
politiſche Rahmen iſt mit der Wiedererweckung des olympiſchen Gedankens nach 
über 1000jähriger Rube geſprengt worden. And doch werden die gegenwärtigen 
Spiele neben ihrer internationalen Bedeutung auch immer ihre national politiſche 
Bedeutung behalten. Wir Deutſchen ſehen in den Olympiſchen Spielen unſere 
Verpflichtung des Volkstums. Wir werden den Beweis antreten, daß wir ein 
Volk find, das Wort ift und einig. Ein Volk, das eine einzig verſchworene Gemein- 
ſchaft bildet. Von dieſer Ausrichtung müſſen unſere Olympiakämpfer getragen 
ſein. Sie ſind nicht mehr die Könner ihres Faches, ſie ſind nicht die Vertreter 
einer Sportart oder irgendwelcher Farben, fondern fie find deut ſches Volk! 
Nach dieſen Geſichtspunkten iſt ihre Auswahl erfolgt. Wenn bei den Griechen der 
olympiſche Gedanke der Ausdruck der Kraft und der edlen Geſinnung des einzelnen 
und damit auch des Volkes war, wenn der griechiſche Olympiakämpfer den Kampf 
„zum Ruhme feiner Vaterſtadt“ ausfodt, fo ift bei uns heute der olympiſche Ge- 
danke auch wieder der Ausdruck unſerer Kraft, der Ausdruck unſerer Haltung. Denn 
„das Vaterland iſt nicht nur da ſichtbar, gegenwärtig, wo das Volk in Waffen 
auftritt, ſondern auch da, wo die junge wie die ältere Mannſchaft in ſportlichen 
Wettkämpfen ſich übt“ (Baeumler). Wir wollen alſo bei den Olympiſchen Spielen 


eee — 


Bockhoff / Repräfentation 5 


unfere Haltung unter Beweis ſtellen. Die deutſchen Wettkämpfer müſſen ſich deffen 
bewußt fein. Sie follen wiſſen, daß ein einiges, ſtarkes Volk hinter ihnen ſteht. 
Nicht fie Starten, ſondern wir, der Geſamtverband einer Nation! Das ift der 
Hintergrund für die Spiele, das iſt ihre politiſche Bedeutung. Friedrich Ludwig 
Jahn hat einmal geſagt: „Wahrhaft und wehrhaft im Wandel, ehrlich und wehrlich 
im Handel, rein und ringfertig im Nat, tugendhaft tüchtig zur Tat, keuſch und kühn 
in der Kunſt, unbekümmert um Gunſt, hoch lebe das deutſche Jungtum!“ 


Wenn wir es in unſerer nationalſozialiſtiſchen Erziehung erreichen, wieder 
Kerle hinzuſtellen, Soldaten zu erzeugen, Männer wachſen zu laſſen, ſo braucht uns 
um unſeres Volkes Zukunft nicht bange zu ſein. Dieſe Jungmannſchaft ſchicken wir 
in den Kampf, der nichts mit Eiſen und Maſchinen zu tun hat, der aber immer aus- 
gefochten werden muß und auch ſoll für das Verſtehen der Völker und damit für 
den Frieden. Ewig lebendig ſein kann dieſe Haltung und Auffaſſung aber nur 
in der Jugend. Deswegen, Glocke, läute! Rufe ihn wach, den Quell jedes 
Volkes, die Jugend: Rufe die Jugend der Welt! 


Dr. jur. Ernst-Hermann Bockhoff: 


Repräſentation 


Man kann den kulturellen, geiſtigen, moraliſchen und politiſchen Zuſtand eines 
Volkes daran erkennen, welche Werte, Typen, Charaktere als erſtrebenswerte Ideale 
von ihm „repräſentiert“ werden. Der Typus Menſch, der repräſentiert, die 
Ideen, die repräſentiert werden, und die Menſchen, vor denen dieſe Ideen 
repräſentiert werden, kennzeichnen den Geiſt eines Volkes in einer beſtimmten Zeit. 
Der „Repräfentant” einer Idee ift dann immer zugleich derjenige, der das Geſicht 
des betreffenden Volkes prägt und es nach ſeinem Typus politiſch geſtaltet. So 
„repräſentiert“ der Jude feinen Typus. Wo er die politiſchen Ideale eines Volkes 
beftimmt, verjudet das Volk. Der liberale Bürger, der Marxiſt, der Prieſter, der 
völkiſche Führer, fie alle repräſentieren auf ihre Weiſe die ihnen entſprechenden 
Typen, Charaktere und Ideale und geſtalten nach ihnen ihre Gefolgſchaft. Friedrich 
der Große repräſentierte den Soldaten und ſchuf den preußiſchen Soldatenſtaat. 
Wilhelm J. war das Vorbild des pflichtgetreuen, ſauberen, ſparſamen preußiſchen 
Beamten und er ſchuf den vorbildlichen preußiſchen Beamtenſtaat. Wilhelm II. 
war das „perſönliche Vorbild“ ſeiner Zeit. And ſie wurde das perſönliche Abbild 
feiner Perſon. Rathenau, Erzberger, Barmat, Sklarek kennzeichnen den Ideal⸗ 
typus des Weimarer Syſtems. Adolf Hitler endlich ſchuf fih feinen Staat und 
geftaltet ihn „nach feinem Ebenbilde“. Roſenberg nennt die typenbildenden Kräfte, 
die dieſen neuen deutſchen Menſchentypus geſtalten: „Fritziſcher Ehrbegriff, Moltkes 


6 Bochofſ / Repräfentation 


Zuchtmethode, Bismarcks heiliger Wille“, und — ſo könnte man hinzufügen — 
Hitlers ſchöpferiſch intuitive „Kraft. Dieſer Menſchentypus, „geradwinklig an 
Leib und Seele“, repräſentiert das neue Deutſchland. Adolf Hitler repräſentiert 
keine Klaſſe, keine bürgerliche Schicht, keinen göttlichen Herrſchafts⸗ und Autoritäts⸗ 
anſpruch, ſondern zum erſten Male in der deutſchen Geſchichte das ganze deutſche 
Volk. S 


Repräfentieren bedeutet foviel wie „vergegenwärtigen“. Der Repräjentant 
verkörpert, „vergegenwärtigt“ in feiner Perſon eine beſtimmte Idee oder den ge 
ſchloſſenen Willen einer Gefolgſchaft von Menſchen. So repräſentiert der Führer 
immer ſeine Gefolgſchaft, während die Gefolgſchaft wie der Führer zuſammen die 
ſie gemeinſam umſchließende und verpflichtende Idee repräſentieren. Immer jedoch 
ift es das Kennzeichen einer wahren und echten Repräfentation, daß fie ein Hinaus- 
greifen über den engbegrenzten Bereich des einzelnen in den umfaſſenden Bereid 
einer höheren Gemeinſchaft bedeutet. Dort, wo der einzelne nur ſich ſelbſt, ſeine 
private Lebensſphäre, ſeine perſönlichen Intereſſen „repräſentiert“, kann man nicht 
mehr von einer Repräfentation im eigentlichen Sinne ſprechen. Repräſentation ift 
ein durch und durch gemeinſchaftsbezogener, ſozialiſtiſcher Begriff. Er bedeutet 
geiſtige und perſönliche Einſatzbereitſchaft für etwas anderes als das eigene, für 
etwas Perſönliches, Höheres, für einen größeren Pflichtenkreis, dem man ſich widmen 
will. An dieſe Aufgabe geht man mit einer inneren Ehrfurcht, mit Ernſt und Würde 
heran. Denn gerade deshalb, weil man die Werte, die Traditionen, die lebendige 
Subſtanz dieſer höheren Gemeinſchaft als ein von den Ahnen übernommenes Ver— 
mächtnis und daher als eine heilige Verpflichtung für ſich empfindet, will man ſie 
ſchützen, mit ſeiner Perſon „repräſentieren“, d. h. einerſeits dieſe Werte in ſich ſelbſt 
lebendig verkörpern, andererſeits auch die Amwelt nach ihnen geſtalten. Die be— 
rufenen Repräſentanten dieſer Ideen, Werte, Güter und heiligen Aeberzeugungen 
ſprechen daher nur das aus und tun nur das, was alle jene, die ſich der großen 
Gemeinſchaft innerlich verpflichtet fühlen, wünſchen und wollen. Wenn ſie als 
Repräſentanten dieſer Gemeinſchaft auftreten, dann haben fie die ſeeliſche Bereit- 
ſchaft ihrer Gefolgſchaft für ſich. Ihre Autorität entſpricht denn auch immer der 
Intenſität und der lebendigen Wirkſamkeit dieſes ſeeliſchen und ideellen Kontaktes. 
zwiſchen Führung und Gefolgſchaft. Die Tauſende, die dem Führer zujubeln, wenn 
er zu ihnen ſpricht, find wie ein gewaltiges, großes, in freudiger Erregung und 
ſtarken Schlägen pulſierendes Rieſen-Herz. Die Feierlichkeit, der Ernſt und. die 
Würde ſolcher Augenblicke ballt zugleich dieſe frei verſtrömenden Energien zu einer 
ungeheuer diſziplinierten Kraft zuſammen. Dieſe Momente ſind die monumentalſten 
Entfaltungen energiegeladener Kräfteſpannungen, die man ſich denken kann. In 
ſolchen Augenblicken wird die wahre Kraft eines Volkes 
repräſentiert! Hier ſpricht das Volk zu ſich ſelbſt, ſpricht 
es feine Sprache, enthüllt es fein Angeſicht. Wenn der Führer 
Zwieſprache hält mit ſeinem Volk, wenn jeder der Tauſende ſich in ſeinem Herzen 
urſprünglich von ihm angeſprochen fühlt, offenbart ſich die Kraft dieſes ſtarken, alles 


-a m — — 


Bodboff / Reprdfentation 7 


mit ſich reißenden Fluidums, das zwiſchen Führung und Volk befteht. In einem 
Staat, deſſen Führer ſich als die wahren Repräſentanten des Volkes bezeichnen 
können, hat daher auch die Frage der Autorität ihre Problematik verloren. Autorität 
muß nach unſerer Auffaſſung in der lebendigen Wirkſamkeit dieſes ſeeliſchen und 
ideellen Kontaktes zwiſchen Führung und Volk begründet ſein, ſonſt bleibt ſie 
Diktatur. Das Vorhandenſein dieſes inneren Kontaktes muß daher auch ein 
notwendiges Kriterium dafür ſein, ob ein beſtimmtes Syſtem als wahre 
Repräfentation und ob beſtimmte Auffaſſungen von Autorität als natürlich und 
fittlich begründet bezeichnet werden können. 


` 
* 


Der liberale Bürger hat einen unpolitiſchen, neutralen, privaten und gefell- 
ſchaftlichen Repräſentationsbegriff. Hier wird überhaupt keine umfaſſende lebendige Ge- 
meinſchaft und auch nicht die Idee einer ſolchen repräſentiert. Der einzelne „repräſentiert“ 
ſich ſelbſt, feine geſellſchaftliche Schicht, eine künſtlich auſgeblähte, auf Vorurteilen, Zlu- 
Ronen, vermeintlichen Privilegien, Bildungsdünkel beruhende Schein⸗Welt. Repräfentiert 
wird in exkluſiven Klubs. Zur Repräſentation gehören Frack und Monokel. Alles bewegt 
Déi in der Sphäre des „Privaten“, da überindividuelle Gemeinſchaftsverpflichtungen ge- 
leugnet werden. Politiſch, aktiv, nicht liberal, intolerant zu ſein, gilt als „unvornehm“ 
und „unfein“. Selbſt — oder gerade — dort, wo es fih um öffentliche Angelegenheiten 
handelt, repräſentiert der einzelne nur ſich, ſeine egoiſtiſchen Privatintereſſen, beſtenfalls 
ſeine Exkluſivität. Repräſentiert wird der Schein einer inhaltsloſen, 
veräußerlichten, hohlen, im Grunde entſetzlich primitiven, geiftig 
anſpruchsloſen, total vermaterialiſierten Welt — angeblich eine 
böhere Art Lebensform. Dieſe politiſch neutrale Haltung fand bekanntlich ihren Ausdruck 
im Parlamentarismus. Es iſt dies ein Syſtem, das auf dem Grundſatz der Anerkennung 
der Meinung jedes ſogenannten „Andersdenkenden“ aufgebaut iſt. Es iſt das 
zum Syſtem erhobene Prinzip der Grundſatz- und Standpunkt ⸗ 
loſigkeit. Alle Standpunkte wurden anerkannt. Dieſes Syſtem wurde als ein erſtes 
„Repräſentativſyſtem“ bezeichnet. Das war folgerichtig, da man Repräſentation ja nur 
von der Geſchäfts⸗, Profit. und Bildungsſeite her als Intereſſenvertretung oder ökono— 
miſch beſtimmte geſellſchaftliche Ausſchließlichkeit begriff. Hier gab es nichts, was mit 
Würde repräſentiert werden konnte! Der politiſche Abgeordnete war kein „Repräſentant“ 
des Volkes. Ein Volk eriſtierte nicht. Er war „Vertreter“ einer Inter— 
eſſentengruppe, „Agent“, „Handelsmäkler“. Dieſe Zeit vermochte daher als repräſentativen 
Typus ihres Ideals nur den Intereſſenvertreter herauszuſtellen. Juden waren 
die beſonders geeigneten Vorbilder dieſer Art „Repräſentation“. Solche Typen können 
jedoch niemals ein Volk im wahren Sinne repräſentieren, da ſie ohne jede innere Ehr— 
furcht find! Denn nur dort, wo an etwas geglaubt wird, wo Idealismus und Bageiſte— 
rung möglich ſind, iſt auch wahre Repräſentation möglich. Wie tief das deutſche Volk 
in ſeinem politiſchen Inſtinkt bereits verdorben war, beweiſt vor allem dieſe Tatſache, daß 
man den Parlamentarismus, jene Börje der Handelsagenten, die nur die Aufgabe haben, 
für ihre Stimmſchein⸗Aktionäre möglichſt hohe Dividenden herauszuſchlagen, die bechten 
Chancen abzupaſſen, um den politiſchen Gegner, d. h. den wirtſchaftlichen Konkurrenten, 
übers Ohr zu hauen, als ein Syſtem bezeichnete, das das Weſen und ſogar den Willen 
des Volkes „repräſentierte“. In der Verfaſſung, Art. 21, ſtand ja der ſchöne Satz: „Die 


8 Bodhoff / Repräfentation 


Abgeordneten find Vertreter des ganzen Volkes. Sie find nur ihrem Gewiffen 
unterworfen und an Aufträge nicht gebunden” Alſo waren fie keine 
Intereſſenvertreter, ſondern „Repräfentanten des ganzen Volkes“! Das aber war die 
große Lüge des Parlamentarismus! 


* 


Parlamentariſches Syſtem und Repradfentativfy ftem 
ſchließen ſich grund ſätzlich aus. Nur die richtig verſtandene, auf der 
Einheit von Führung und Gefolgſchaft beruhende, vom Führer uns als Staatsideal 
vorgeſtellte „germaniſche Volksdemokratie“, in der das Wort Volk wieder richtig 
geſtellt und die Gemeinſchaft der Volksgenoſſen verwirklicht wird, kann als echtes 
Repräſentativſyſtem bezeichnet werden. Die Repräſentation gehört 
weſentlich in den Bereich des Politiſchen und nicht in den der 
bürgerlichen Geſellſchaft. Ein grundſätzlich unpolitiſch, nur wirtſchaftlich, 
auf der Organifierung privater Intereſſen allein aufgebauter Staat kann keine 
wahrhafte Nepräſentation entwickeln. Der Liberalismus repräſentierte keine Ideale, 
keine höhere Gemeinſchaft, ſondern ſich ſelbſt, feinen Dünkel, feine betonte Exklu⸗ 
fivität. Für uns aber ift Repräfentation kein Bildungsbegriff. Sie ift überhaupt 
kein wirtſchaftlich, auch kein ziviliſatoriſch beſtimmter, ſondern ein kultureller Begriff. 
Nur Kultur kann man repräſentieren. Ziviliſation kann man 
nicht repräſentieren. Kultur hat man. Ziviliſation macht 
man. Repräſentieren kann man nur das, was man wahrhaft 
ift, was man in ſich hat, nicht das, was man machen kann, oder 
das, was man ſcheinen möchte. Die Veräußerlichung des Re- 
präſentationsbegriffes ift aber gerade ein Beweis dafür, inwieweit uns die Zivil- 
ſation ſchon erobert hatte. Repräſentation ſetzt immer perſonale Würde 
voraus, ſowohl des Repräſentanten wie desjenigen, der repräſentiert wird. Die 
repräſentierte Idee ijt immer etwas Hohes, Ideales, wofür man ſich begeiſtern, auf- 
opfern, ja, für das man ſterben kann! Welcher bürgerliche Spießer wäre bereit, 
für die von ihm repräſentierte Welt auf die Barrikaden zu ſteigen? Welcher parla- 
mentariſche Abgeordnete des liberalen Syſtems wäre bereit, ſich für die von ihm 
„repräſentierten“ wirtſchaftlichen Intereſſentengruppen zu opfern! Das Parlament 
hatte keine Würde vor dem zu repräſentierenden Volke, noch beſaß der Parla- 
mentarismus ſelbſt perſonale Würde. Das war ein ehr- und würdeloſes Syſtem 
von Grund auf. Es gab keine Perſönlichkeit „Volk“, die mit Würde repräſentiert 
werden konnte. . 


Wir kennen nod ein anderes großes „Repräſentativſyſtem“: die katholiſche 
Kirche. Ihre Lehre wie ihre Organiſation beruhen auf einer ganz beſtimmten 
Vorſtellung von dem Weſen der Repräſentation. Bei ihr zeigt ſich zugleich, daß die 
Vorſtellung, die ſich jemand von dem Weſen und den Vorausſetzungen der Autorität 
macht, auch immer entſcheidend ſind für die Auffaſſungen von der Form und dem 
Syſtem, durch das dieſe Autorität repräſentiert wird. Hier wird weder eine natür- 
liche Gemeinſchaft, noch eine natürlich begründete Autorität repräſentiert. Re. 


Bockhoff / Reprdfentation 9 


präfentation ift hier ein auber- und Übernatürlich fundierter Begriff. Man re- 
präſentiert überhaupt keine Menſchen! Der Bourgeois repräſentierte 
den Bürger, der Proletarier den Proleten, der Führer den Gefolgsmann. Der 
Prieſter jedoch repräſentiert keine Gefolgſchaft, nicht die Gläubigen, ſondern ein 
abſtraktes, überirdiſches, übernatürliches Syſtem, jenen Aeberbau, der über die 
Maſſe der „Laien“ geſtülpt iſt. Der Prieſter repräſentiert ſein Prieſtertum, eine 
Autorität, die unvölkiſch und außernatürlich iſt. Ihre Legitimation erhält ſie aus 
der Tranſzendenz, aus einer Welt hinter der Welt. Da man aber nur 
natürliche Ideen und Gemeinſchaften repräſentieren, d. h. „vergegenwärtigen“, 
lebendig verkörpern kann, kann man hier auch nicht von wahrer Repräſentation 
ſprechen. Die Kirche ſelbſt ſpricht konſequenterweiſe daher auch nicht von der 
„Repräſentation“, fondern von der „Vertretung“ Gottes durch den Prieſter. 
„Vertreten“ kann man bekanntlich alles, natürliche und unnatürliche, fittlide und 
unfittliche Prinzipien, ſelbſt das Prinzip der Prinzipienloſigkeit, Aktienrechte in der 
Generalverſammlung ebenſogut wie Verbrecher vor Gericht. Repräſentieren 
kann man das alles nicht! Vertretung iſt etwas Farbloſes, nicht innerlich, 
unperſönlich, ohne Würde. Der Prieſter repräfentiert keine Gefolgſchaft, fondern 
„vertritt“ eine autonome Welt, die von oben her den Gläubigen „mitgeteilt“ wird. 
Zwiſchen „Laien“ und „Prieſter“ beſteht keinerlei wechſelſeitig ſich bedingende 
Legitimität. Wir ſehen hier das grundſätzlich unnatürlich fundierte „Repräfen- 
tationsſyſtem“ der Kirche in ſeiner ganzen Struktur. Im Gegenſatz zur wahren 
Führung haben wir eine typiſche Form der Herrſchaft vor uns! Herr- 
ſchaft iſt im Gegenſatz zur Führung kein germaniſcher, ſondern 
ein römiſcher Begriff und entſtammt ganz dem römiſch⸗ 
etatiſtiſchen Denken. In der Kirche kann man nicht von Führung der 
Gläubigen durch die Prieſter, ſondern nur von Herrſchaft des Prieſters über die 
Gläubigen ſprechen. Es fehlt eben die wechſelſeitige Legitimation von Führung 
und Gefolgſchaft, die Begründung der Autorität ausſchließlich im Vertrauen der 
aus freiem inneren Willen folgenden Gefolgſchaft. Der einzelne ift Herr- 
ſchaftsobjekt, nicht Gefolgſchaftsſubjekt! Die Kirche ift daher 
auch gezwungen, zu unnatürlichen Symbolen zu greifen, um ihr Herrſchaftsverhältnis 
inhaltlich zu kennzeichnen. Das Bild vom „Hirten und der Herde“ erfüllt z. B. 
nicht einmal das primitivſte Erfordernis der phyſiſchen Gleichartigkeit von Führung 
und Geführten. Aus dem gewählten Bilde folgt zwingend, daß die Gläubigen 
gleichſam wie willenlofe Tiere von einem „Menſchen“, d. h. dem Prieſter, ,,ge- 
leitet“ werden. Leiten iſt etwas anderes als Führen. Man ſpricht vom 
„Schafſtall“ und der „Herde“! Eine Vielheit willenloſer Geſchöpfe kann man be- 
kanntlich nicht führen. Ebenſowenig kann man eine in dumpfem Kadavergehorſam 
folgende Maffe ſeeliſcher Krüppel, denen, aller inneren Freiheit beraubt, das Rück. 
grat vollends gebrochen iſt, „repräſentieren“. And eine wahre Gefolgſchaft innerlich 
freier, ſtolzer, ſelbſtbewußter, ſtarker Perſönlichkeiten kann man nicht „beherrſchen“. 
Führung ſetzt die Anerkennung des Eigenwertes der Gefolg⸗ 


10 Bodhoff / Repräfentation 


ſchaft voraus und Repräfentation fegt ebenfo die Aner: 
kennung des Eigenwertes jener voraus, die man reprda: 
ſentiert! Welche Vorſtellungen von „Führung und Gefolgſchaft“ muß man 
haben und wie ſchlecht muß es um ein Führungsverhältnis beſtellt ſein, wenn man zu 
derartigen Symbolen greifen muß, um ſeine Autorität zu rechtfertigen, ja, ſie 
lebendigen Menſchen überhaupt auf „natürliche“ Weiſe begreifbar zu machen! 


* 


Die Auffaſſung von der Aeberlegenheit der Repräſentation der göttlichen 
Autorität durch den Prieſter über die Repräſentation der weltlichen Autorität 
durch den Staatsmann iſt am ſchärfſten und ſtärkſten ausgeſprochen worden in der 
Bulle Anam Sanktam Bonifaz VIII. von 1302. Danach hat die Staatsordnung 
der prieſterlichen Hierarchie dienſtbar zu ſein. Der Prieſter als Repräſentant der 
letzten Autorität, der unfehlbaren Wahrheiten, der Moral ſchlechthin, entſcheidet 
damit zugleich — wenigſtens mittelbar — über den ſittlichen Gehalt und die 
moraliſche Verpflichtung der ſtaatlichen Geſetze. Er kann die Gläubigen, wenn er 
will, im Gewiſſen von dem Gehorſam gegen die ſtaatlichen Geſetze entbinden. 
Denken wir heute z. B. an die Jeſuitenpropaganda im Auslande gegen die Deviſen⸗ 
geſetze ſowie gegen das Steriliſationsgeſetz und die Raſſengeſetzgebung des Dritten 
Reiches mit der Begründung, ſie ſeien „ſittenwidrig“ und widerſprächen der „gött— 
lichen Moralordnung“. Der Prieſter beanſprucht für ſich das Recht, zu urteilen 
über Schuld und Sühne. In ſouveräner Anabhängigkeit ſtellt er ſich über den Re- 
präſentanten der politiſchen Macht. Er folgt den Geſetzen nicht mit innerer 
Bereitſchaft, fondern nur unter formalem Zwang, „unter 
Vorbehalt“, wie er auch nur Staatsbürger „unter Vorbehalt“ iſt. Er iſt ein 
Bürger zweier Welten: feiner Aniverſalkirche und dann erſt des Staates. 
Dieſe Doppelmitgliedſchaft überträgt er analog auf die Gläubigen. Man 
hat hier alſo ſeine eigene Auffaſſung von Staat, Nation, Volk, Geſetz und Moral. 

Ein Neger kann hier z. B. ebenſogut wie ein Indianer Repräſentant der gött— 
lichen Autorität gegenüber deutſchen Menſchen ſein. Ebenſowenig aber, wie ein 
Neger Führer des deutſchen Volkes ſein kann, kann er Gott deutſchen Menſchen 
gegenüber „repräſentieren“. Der wahren Führung liegt immer eine 
raſſe gebundene Autorität zugrunde, während Herrſchaft 
die Form einer grundſätzlich von Blut und Rajffe losgelöſten 
Autorität iſt. 

Nur den wahren völkiſchen Führer kann man daher als Repräfentanten 
bezeichnen. 

Der Führer begründet ſeine Autorität nicht von oben, 
ſondern von unten. Die Autorität wird der Gefolgſchaft nicht als Objekt 
von oben — ganz gleich, ob kraft göttlicher Offenbarung oder königlichen Gottes— 
gnadentums — „mitgeteilt“. Der Führer erhält ſeine Autorität „vom Volke“, vom 
Vertrauen der Gefolgſchaft, nicht aus einem Gottesgnadentum, das die „Unter: 
tanen“ anzuerkennen haben, weil ſich jemand in ſeinem perſönlichen Subjektivismus 


Bodhoff / Repräfentation 11 


einfach als „von Gottes Gnaden“ bezeichnet. Der Volksgenoſſe ift für uns Ge. 
folgſchaftsſubjekt, kein Herrſchaftsobjekt! Anſere Auffaſſung von 
der Autorität wie entſprechend auch unſere Auffaſſung von der Repräſentation iſt 
durch und durch natürlich begründet und feſt und breit im Volke verankert. 


* 


Wir repräſentieren nicht in internen Klubs, ſondern in aller Oeffentlichkeit vor dem 
Angeſicht des Volkes, auf der Straße, in großen Hallen und auf Plätzen. Wo heute re- 
präſentiert wird, wird öffentlich proklamiert. Repräjentation ift Demonſtration, Bekennt⸗ 
nis des Führers zu feinem Volke, der Gefolgſchaft zum Führer, ift Treueſchwur, Gemein- 
ſchaftsverpflichtung und Gemeinſchaftserlebnis zugleich. Wir repräſentieren nicht 
im Frack, ſondern im Braunhemd. Die Repräfentation ift von der privaten 
in die öffentliche, von der unpolitiſchen in die politiſche Sphäre gerückt. Selbſt dort, wo 
die Führer ſcheinbar „intern“ repräſentieren, repräſentieren ſie nicht wie der liberale 
Bürger ſich ſelbſt, einen Stand, eine Klaſſe, ihre Schicht, ihre Exkluſivität, ſondern ihr 
Führertum, die Idee der Gemeinſchaft, das in ſich verkörperte Vertrauen des ganzen 
Volkes. Repräſentation ijt auch keineswegs nur eine Angelegen-⸗ 
heit des Feiertages der Nation, ſondern ebenſoſehr des grauen 
Arbeitstages. Repräſentation bedeutet für uns Verkörperung 
totaler nationalſozialiſtiſcher Haltung. Das gilt für den Führer, wie 
für die Gefolgſchaft. Nicht nur der Führer, ſondern auch die Befolg- 
ſchaft repräſentiert in ihrer Weiſe. In jeder Situation, in jedem Augen- 
blicke repräſentieren wir Deutſchland! Der einzelne wird heute aus feiner privaten Iſo⸗ 
lierung und Vereinzelung herausgehoben und in das Rampenlicht perſönlicher Berant- 
wortung für die Volksgemeinſchaft geſtellt. Wir können die nationalſozia⸗ 
liſtiſche Bewegung mit ihren zahlreichen Gliederungen und 
Organen als eine neue Form der Repräſentation, als ein einzig- 
artiges, gewaltiges Repräſentativſyſtem bezeichnen, das das 
wahre Antlitz und Weſen des deutſchen Volkes zum Ausdruck 
bringt. 

Es iſt daher begreiflich, weshalb ſich der Führer nach der Liquidation des würdeloſen 
parlamentariſchen Syſtems zum erſten Male wieder öffentlich als „Repräſentanten des 
deutſchen Volkes“ bezeichnen konnte und immer wieder bezeichnete, worin ſich ſeine 
Würde ausdrückt, die er perſönlich hat, die er aber auch in dem 
ſelben Maße vor dem Volke, das er repräſentiert, empfindet. Wenn 
er fidh in ſeinen großen innen- und außenpolitiſchen Reden in ſtolzem Selbſtbewußtſein 
als Repräſentanten ſeines Volkes bezeichnet, ſo iſt damit zugleich die große Wandlung 
aufgezeigt, die dieſer Begriff durch den Nationalſozialismus erfahren hat. Adolf Hitler 
ſpricht immer mit dem Gefühl einer inneren Ehrfurcht und tiefen Bewunderung von dem 
deutſchen Volke. Sein Leben und ſein Werk iſt eine einzige Hymne auf das im Grunde 
ſeines Weſens, wie er ſagt, „ſo unerhört anſtändige deutſche Volk“. Er fühlt ſich nur als 
der Beauftragte und Vollſtrecker des wahren Volkswillens und ſieht im Vertrauen des 
Volkes zu ſeiner Führung den alleinigen Legitimationsgrund feiner Autorität. Das 
Volk ſieht ſein beſſeres Selbſt im Führer, und der Führer die 
Ausfüllung, den Sinn ſeines Lebens, die Erfüllung ſeines Ichs 
im Volke. Seine Führeraufgabe ſieht er darin, das abſolute und blinde Vertrauen des 
Volkes zu ihm fih täglich von neuem zu erwerben. Jede Welle der Begeiſterung, die ihm 


12 Bockhoff / Repräfentation 


entgegenſchlägt, ift eine neue Beauftragung des Volkes und eine Beſtätigung feiner Wm, 
rung. Aeberall, wo deutſche Menſchen ein Sieg Heil auf den Führer ausbringen, wo mit 
„Heil Hitler“ gegrüßt wird, wird „abgeſtimmt“ und das Vertrauen zum Führer öffent- 
lich erklärt. Das ift das tägliche, mit immer neuer Bewunderung und Hingabe erfüllte 
„Plebiſzit des deutſchen Volkes“. 


4 


Wenn das Volk in feierlichen Augenblicken fpontan das Deutſchlandlied an- 
ſtimmt, um darin ſeine Anhänglichkeit und Begeiſterung für den Führer ausſtrömen 
zu laffen, dann bezeichnet fih der Führer immer gern als „Repräſentanten“ und 
will damit feiner inneren Freude und ſeinem glücklichen Bewußtſein Ausdruck geben, 
im Beſitze des unbegrenzten Vertrauens feiner ihm reſtlos mit Leib und Seele ver- 
ſchriebenen Gefolgſchaft zu fein. In der Tat: „Hitler ift Deutſchland, wie Deutſch⸗ 
land Hitler iſt!“ 

Kann das Weſen einer wahren Repräſentation klarer 
umriſſen und reiner verkörpert werden, als in dieſem Satz? 
Welche Kraftfülle, welche unbändige Gläubigkeit offenbart der Führer jedesmal, 
wenn er ſpricht von der „repräſentativen Führung einer Nation“! Welche tiefe 
Gläubigkeit, welche Bereitſchaft des Herzens offenbart fih, wenn fih das Volk zu 
ihm bekennt. And welche Kühnheit, welche gewaltigen Erlebniſſe liegen in jenem 
Satze umſchloſſen! Zum erſten Male in der deutſchen Geſchichte kann ein Staats- 
mann mit innerem Recht von ſich behaupten, die lebendige Verkörperung aller Kräfte 
ſeiner Gefolgſchaft, das Gewiſſen der Nation, der wahre Repräſentant des Volkes 
zu ſein! 


Wenn fie dir ſchuloͤlos 


Wenn fie die ſchuloͤlos deine Welt zerſchlagen, 
Erſtarrt dein Jerz. Dumpf mußt du es ertragen. 


Und dunkel heigen aus dic Müdigkeiten 

Wie Träume auf und eine Jehnſucht ſchreit 

Nach blauen Inſeln, nach der Sternenzelt. 
Gramvoll und krank willft du dic ſelbſt entgleiten. 


Es feſſelt did. Du ringſt mit wilden Händen. 
Doch knirſchend greifſt du wieder nach der Axt. 
Jhon planſt und werkſt du wieder und du ſagſt: 
Das Ziel iſt mehr. Ich muß es doch vollenden. 


Und wieder fallen fie Air in die Weichen. 
Das Ziel ift mehr. Du wirft es doch erreichen. 


Gerhard Ichumaun. 


Neeße / Von der Freiheit eines Nationalſozialiſten 13 


Gottfried NeeBe: 


Don der Sreiheit eines Nationalſozialiſten 


Als der Weltkrieg nach vier Jahren eines unerhörten Kampfes verloren war 
und Deutſchland in tiefſte, ſchmachvollſte Knechtſchaft zu verſinken drohte, faßte ein 
unbekannter Mann den Entſchluß, dieſes Land wieder zur Freiheit zu führen. And 
als auf feinen Ruf hin die erſten Kameraden zu ihm kamen, hämmerte er ihnen als 
die eine große Parole des Nationalſozialismus das Wort „Freiheit“ ein. Der 
Makel der deutſchen Sklaverei brannte in ihm und ſeinen Mitkämpfern in einer 
Flamme, die nach Jahren das ganze Volk erfaßte und wandelte. And dann — nach 
einem groß geführten Kampfe um die rechte Freiheit des Volkes — kam einmal 
der Tag, an dem der Führer das Dokument der fremden Fronherrſchaſt zerriß und 
ſo von ſich und ſeinen Kameraden und dem ganzen deutſchen Volke den Makel nahm. 
And als jetzt die Kämpfer der nationalſozialiſtiſchen Idee zur Heerſchau des Jahres 
wieder zuſammenkamen, ſtand über ihnen das Wort „Freiheit“ als ſtolzes 
Mahnmal des Sieges und einer großen Tat. 


Aber es ſtand über ihnen auch als ein Befehl zu künftigem Ziele. Nie haben 
wir Nationalſozialiſten uns zuſammengefunden, um nur Erfolge zu feiern und feſt⸗ 
lich uns an Vergangenes zu erinnern, — immer haben wir in die Zukunft geſehen, 
in kommende Kämpfe, Aufgaben und Gefahren hinein, immer haben wir tief in uns 
die Gewißheit gehabt, daß das Erreichte faſt nichts iſt vor der Größe künftiger Not- 
wendigkeiten. In dieſem Geiſte werden wir uns die Kraft bewahren, die Zukunft 
zu meiſtern, wie wir die Vergangenheit gemeiſtert haben. Die Freiheit des deut- 
ſchen Volkes, das Recht, über ſein Geſchick ſelbſt zu beſtimmen, iſt durch die Tat des 
Führers zurückgewonnen worden. Wollen wir — wir ſelbſt — uns damit be⸗ 
gnügen? Wollen wir es uns leicht machen, indem wir hinter dem Volke, dem großen, 
unfaßlichen Weſen Deutſchland unſere eigene perſönliche Verantwortung verbergen? 
Es iſt nicht ſchwer, gut und klug und begeiſternd von der Ge- 
meinſchaft des Volkes zu ſprechen, aber es mag zu mancher Zeit 
bitter ſchwer ſein, im Alltage alle Pflichten gegen das Volk 
ganz zu erfüllen und in der Gemeinſchaft — fern von leerem 
Worte und Scheine — Anfang und Ende des eigenen Schaffens 
zu ſuchen. Immer eindeutiger und ſchonungsloſer müſſen wir Menſchen der 
neuen Zeit mit der Anſicht in Deutſchland daufräumen, der einzelne Volksgenoſſe 
könne an der Erneuerung des Volkes wirkſam mitarbeiten, ohne ſich um ſeine eigene 
Erneuerung aus der Idee heraus ſtändig zu bemühen. Der menſchliche Wert ent- 
ſcheidet im tiefſten Grunde überall — auch bei fachlicher Leiſtung. Wir wollen uns 
darüber vom Lärm und Bild nicht täuſchen laſſen. Es mag manchmal unmöglich er- 
ſcheinen, die Vielfalt des Geſchehens erkennend zu durchdringen, aber wenn wir nur 
immer ehrlich vor uns ſelbſt find, kommt einmal die Stunde, in der wir es lernen, 
die echte kämpferiſche Tat zu trennen von der geſchickten Taktik ehrgeiziger Macher. 


14 Neeße / Von der Freiheit eines Nationalſozialiſten 


Jede Weltanſchauung erhält Bedeutung in dem Maße, als ſie das Volk auf 
ſeinem oft ſteilen und dunklen Wege zu führen und zu ſchützen vermag. Sie läßt 
die Menſchen ſteigen, wenn ſie in ſich groß und wertvoll iſt, — ſie läßt ſie ſinken, 
wenn ſie aus Abgründen kommt und das Niedrige wachruft. 

Der Liberalismus wollte dem einzelnen Menſchen dienen, wollte ihn befreien 
von ſeiner Bindung an Volk und Gott, um ihn hemmungslos ſeinen eigenen 
Wünſchen und Süchten zu überlaſſen. Aber indem er ihm den Boden unter den 
Füßen und den Himmel zu Häupten zu nehmen ſuchte, lieferte er ihn den ſchlimmſten 
Herren aus: der eigenen Genußſucht und Gier nach Gewinn. Wer die falſche 
Freiheit in ſich ſucht, im engen Kreiſe ſeines perſönlichen Lebens, wird nie den 
Mut haben, die Exiſtenz, das bloße körperliche Daſein in die Breſche zu werfen um 
großer letzter Dinge willen. An der Frage der Freiheit entſcheidet ſich, ob ein 
Volksgenoſſe Perſönlichkeit iſt, die in der Gemeinſchaft Dienſt für die Geſamtheit 
tut, oder Individuum, das nur ſich ſelbſt lebt und in ſeiner eigenen Kleinheit und 
Sinnloſigkeit vergeht. Die wahre Freiheit aber kann nur finden, wer teil hat an 
den tiefen Kräften der Welt. 


Freiheit war ſtets ein gefährliches Wort. Wer böſen Willens iſt, denkt allein 
an die „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ der großen franzöſiſchen Revolution 
und vergißt dabei den Ruf unſerer nationalſozialiſtiſchen Kampfjahre, der Freiheit 
und Brot für Deutſchland forderte. Anſere nationalſozialiſtiſche Freiheit hat mit 
Zügelloſigkeit nicht das mindeſte zu tun, ſie iſt nicht wegzudenken von dem Gedanken 
der Zucht und des Gehorſams und von der tiefen Verpflichtung gegenüber der 
Gemeinſchaft, deren Glieder wir ſind. And Freiheit iſt auch noch heute ein gefähr— 
liches Wort. Wer nur Oberflächliches, Aeußeres darunter ver: 
ſteht und an den alten Idealen derpolitiſchen Rumpelkammer, 
an Preffe-, Berfammlungs- und Vereinigungsfreiheit be: 
harrlich feſthält, wird nie etwas von dem hohen Werte wahr 
hafter innerer Freiheit verſtehen, die wir Nationalfozia- 
liften predigen. Nur Knechte werden fih unfrei fühlen, weil ihnen verboten 
iſt, hemmungslos ihrer eigenen unmaßgeblichen und unzulänglichen Meinung freien 
Lauf zu laſſen, nur Knechte werden über Zwang jammern, wenn ſie einem Befehle, 
der ihnen unverſtändlich iſt, gehorchen müſſen. Sind wir denn frei, wenn wir keine 
Ketten tragen? Nein. Wir ſind erſt dann in Wahrheit frei, wenn wir fern von 
allem Krampfe die Anabhängigkeit und Heiterkeit des Herzens gewonnen haben, die 
uns hinaushebt über Alltag und kleine Laſt und uns den großen Mächten unmittel— 
bar gegenüberſtellt. Alles äußere Geſchehen — Erfolg und Kampf und Nieder— 
lage — iſt nur Abbild unſeres inneren Lebens, ift Auswirkung und Gleichnis. And 
deshalb iſt die äußere Angebundenheit nie und nimmer Bor: 
ausſetzung der inneren Freiheit des Menſchen. 

Nationalſozialiſtiſche Freiheit ift es: freiwillig aus 
innerſter Aeberzeugung heraus Dienſt zu tun, aus den Kräften 
und Fähigkeiten des eigenen Weſens für die Gemeinſchaft alles herauszuholen, die 


Neeße / Von der Freiheit eines Nationalſozialiſten 15 


Idee ſeines Lebens für das Volk zu verwirklichen. Der Nationalſozialismus will 
ja keine Gleichförmigkeit und Eintönigkeit in Deutſchland, er weiß um die Rang- 
ordnung alles Lebendigen, er ſucht die Einheit nicht in der Anterſchiedslofigkeit, 
ſondern in der Zuſammenfaſſung aller — auch der verſchiedenſten — zujammen- 
gehörenden Menſchen und Dinge. Gewalt kann Gegenſätze zerſchlagen, aber nur die 
Kraft vermag die höhere Einheit zu geſtalten, die auch das ſcheinbar Gegenſätzliche 
zuſammenfaßt. Die nationalſozialiſtiſche Idee erhält und ſchafft aus ſolchen Ge- 
danken heraus jene innere Freiheit der einzelnen Perſönlichkeit, die für die großen 
Taten und Werke der Geſchichte von jeher Fundament geweſen iſt. Nicht der iſt 
frei im Sinne unſerer Idee, der tun und laſſen kann, was er will, ſondern der das 
ſchaffen will, was ihm als Auftrag gegeben worden iſt. Frei iſt der Bejahende, 
der als eine untrügliche Gewißheit die eine Aeberzeugung im Herzen trägt, daß 
nur der die Möglichkeit des Sieges hat, der nicht mißmutig und verneinend beiſeite 
ſteht und über Verlorenes und Mißglücktes jammert, ſondern der ſich ſtolz den 
Mächten fügt, die über ihm und in ihm wirkſam ſind. Wir wären Toren, wenn 
wir an eine menſchliche Selbſtherrlichkeit glaubten. Anſer Weg iſt uns vorgezeichnet, 
und wie in einem Kriege die Soldaten auf unbekannten Wegen in unbekanntes 
Land marſchieren, ſo gehen wir den Weg unſeres Lebens voran. Aber wie wir 
ihn gehen — jammernd über Zwang und Laft und zitternd vor künftigen Kämpfen 
oder frei in dem ſtolzen Willen, jedes Schickſal zu bejahen und zu überwinden —, 
das liegt allein bei uns und dafür haben wir uns vor unſerem Volke und vor 
unſerem Gewiſſen zu verantworten. 

So iſt Freiheit nicht Eigentum des einzelnen Menſchen, der ſich von ſeinen 
Pflichten und Bindungen gelöſt hat, ſondern eine Aufgabe deſſen, der um die tiefe 
Gebundenheit alles Menſchlichen weiß und ſich ihr willig fügt. Mag der Menſch 
im kleinſten und ſtrengſten Dienſte ſtehen, in drückender äußerer Abhängigkeit — 
er iſt frei, wenn er ſich innerlich die Freiheit errungen hat. Aber der Weg iſt lang. 
Er führt mühſam von Stufe zu Stufe, und viele Aeberwindungen müſſen gewejen 
ſein, ehe man dem eigenen Geſetze folgen darf, viel Gehorſam und Zucht und Demut 
muß erkämpft werden, ehe man den Strom der Idee ſo in das Flußbett des eigenen 
Lebens geführt hat, daß er nicht weithin die Afer überſchwemmt. 

Was aber iſt das Merkmal der wahrhaften Freiheit? 

Zur Freiheit des Nationalſozialiſten gehört die Verantwortung des Geiſtes. 
Wer nicht redlich iſt in ſich ſelbſt, wer ſich nicht bemüht um Klarheit und um 
unerbittliche Erkenntnis des eigenen Wertes und Weſens, der iſt nicht frei. Die 
Lüge vor dem eigenen Gewiſſen iſt die ſchlimmſte Feſſel, die es gibt, — auch wenn 
man ſie nicht fühlt. Hält ſich doch mancher Knecht für den Herrn ſeines Lebens, 
weil er zu ſtumpf iſt, um den Druck ſeiner Feſſeln zu ſpüren. Der unbedingte Wille 
zur Selbſtehrlichkeit iſt überhaupt das Entſcheidende, um einen Menſchen zum 
Werden zu bringen: wer ſich vor ſich ſelbſt ſein Ideal vorſpielt und ſein eigener 
Götze iſt, verbaut ſich ſelbſt alle Wege zu wahrer Wirkung und echter Bedeutung — 
auch jenen ſteilſten Weg, der vielleicht einmal zur Größe zu führen vermag. And wie 


16 Neeße / Von der Freiheit eines Nationalſozialiſten 


die Redlichkeit vor ſich ſelbſt, ſo gehört auch die Redlichkeit vor den anderen Menſchen 
zu der wahren Freiheit. Wer immer mehr zu ſcheinen ſucht, als er in Wirklichkeit 
ijt, wer mit viel Betriebſamkeit und Lärm feiner Umwelt Eindruck zu machen ſucht, 
wer bei jedem Worte und jedem kleinen Erfolge auf den Nebenmann ſchielt, iſt 
ſchlimmer gebunden als ein Mann, der harten Dienſt willig und unbekümmert er⸗ 
füllt. Es gilt zu lernen, daß wir nicht durch Begeiſterung und Förderung, An- 
erkennung und Bewunderung anderer Menſchen zu dem uns anbefohlenen Ziele 
gelangen. Anſer Glück und unſer Schmerz, unſere Erſchütterung und unſer Wille 
iſt der Stoff, aus dem wir unſer Leben formen und aus dem die Kraft zur Auf⸗ 
gabe erwächſt. Wie könnten wir je ſtolz und weit in die Höhe wuchſen, wenn wir 
nicht zugleich die Wurzeln fo tief in den Boden hineinſchlügen, daß wir zum $r- 
grunde unſer aller Leben gelangen: zum Volke, aus dem wir entſtanden ſind? 


And zur Freiheit des Nationalſozialiſten gehört weiterhin die Anabhängigkeit 
des Herzens. Wer von Lob und Tadel anderer verwirrt, in ſeinem Handeln be⸗ 
einflußt, von feinem Wege abgebracht wird ift nicht frei und brauchte er auch keinem 
Menſchen zu gehorchen. Das Lob von Feinden, die wir achten, und der Tadel von 
Freunden, die zu uns gehören, iſt von Wert. 


Aber der Freie nimmt das Maß nur aus der Idee, die der Führer verkündet, 
und verachtet den Wunſch, andern zu gefallen oder vor ihnen zu glänzen. Wie 
unnötig iſt es doch, ſich vor andern zu zeigen, wo es doch allein gilt, in ſich zu 
wachſen, reifer, härter, tiefer und lebendiger zu werden! Aber nicht nur von 
Menſchen, auch von Dingen müſſen wir uns in dieſem tiefen Sinne löſen. Die 
großen Bindungen, in denen wir leben, ſind höherer Art. Wer an den kleinen 
Bedürfniſſen des Alltages hängt, an Bequemlichkeiten, Gewohnheiten, Genüſſen, — 
wer nicht ſein Leben jeden Tag neu beginnen könnte, wenn es not täte, iſt nicht 
frei. Der Kommuniſt predigt die Beſeitigung und Vernichtung alles perſönlichen 
Beſitzes; der Nationalſozialiſt verlangt die Erhabenheit über alle Güter des äußeren 
Lebens. Es wäre ein Krampf, Askeſe zu fordern, aber es wäre 
eine Anfreiheit, nicht in ihr leben zu können. Auf die Fähig ⸗ 
keit, entbehren zu können, ohne dabei bitter oder ſchwach zu werden, kommt es 
an für jeden Menſchen, der zur Freiheit will. 


And noch etwas gehört zur Anabhängigkeit des Herzens — und es iſt wohl 
das Schwerſte, was unſere Freiheit von uns fordert. Nur wenige ſind hart und 
ehrlich genug, um dieſer Notwendigkeit gewachſen zu ſein. Das Geſetz des eigenen 
Lebens können wir in der Gemeinſchaft und für ſie nur erfüllen, wenn wir uns zu 
bewahren wiſſen und unſere Aufgabe nicht an einen anderen Menſchen hingeben 
— und bände uns auch Großes und Edles in Liebe oder Freundſchaft an ihn. 
Anſere ſchlimmſten Abhängigkeiten und gefährlichſten Feſſeln können gerade in dem 
uns nächſten Menſchen ſein. Wir müſſen auf der Hut vor allem ſein, was uns unſerer 
Aufgabe, unſerem Dienſte entfremden will. And vielleicht muß man vieles und viele 
opfern können, um zur wahrhaften Freiheit zu kommen. 


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Plakette 


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NRNeeße / Von der Freiheit eines Nationalſozialiſten 17 


And ſchließlich gehört zu unſerer Freiheit noch ein Drittes: die Würde des 
Lebens, jene innere Würde, die unabhängig iſt von Rang und Stand. Ehrfurcht 
vor aller echten Größe, vor den unbekannten Mächten, die unſer Leben beſtimmen 
und erfüllen, iſt das oberſte Gebot. Der Spötter und Verächter, der ehrfurchtsloſe 
Menſch hat keine Lebenswürde. Wer auf Berge ſteigt, muß nach oben ſchauen, und 
wer dürfte je glauben, oben zu fein! Solange wir lebendig find, wandern wir 
hinauf, und immer neue Gipfel ſteigen vor uns hoch. Wer nur in ſich und 
ſeinesgleichen das Maß ſucht, mit dem er zu meſſen hat, iſt in ſich ſelbſt verſtrickt 
und tut keinen Schritt zur Höhe hinauf. Der Menſch der vergangenen. Zeit hatte die 
Senſation gegen die Ehrfurcht, die Kenntnis gegen die Offenbarung, den Kitzel gegen 
die Erſchütterung eintauſchen wollen, und die Welt war dabei immer erbärmlicher 
geworden, fie hatte fidh verlaufen in Zwecken ohne Sinn und Feiern ohne Feftlid- 
teit. In der Ehrfurcht erſt gewinnen wir auch den Abſtand zu uns, zu den Menſchen 
und Dingen, der zur Freiheit gehört. Wir miiffen in uns eine Verachtung aller 
billigen Gemeinſamkeiten großziehen, in denen ſich Menſchen in all ihrer inneren 
Anaufgeräumtheit und Anfertigkeit, mit all ihren Gedanken und Träumen und Ge- 
fühlen zuſammenfinden und alle Linien ihres Weſens verwiſchen. Abſtand zu 
halten, ſchweigſam zu ſein in allen innerſten Dingen, die nur Angelegenheiten eines 
einzigen Lebens ſind, ſparſam mit Gefühlen und Beteuerungen: das iſt die große 
Forderung jeder Kameradſchaft. Denn eine Gemeinſchaft ſoll kein Brei ſein, in dem 
alles unterſchiedslos zuſammenfließt, ſondern ein Bau, in dem ſich Kamerad zu 
Kamerad wie Stein zu Stein fügt — „unterſchieden, aber nicht getrennt, verbunden, 
aber nicht verſchmolzen“. 


Zur Lebenswürde gehört noch weſentlich die Haltung hinzu, die nichts Aeußer⸗ 
liches allein iſt, ſondern der Ausdruck dafür, daß ein Menſch zur Einheit in ſich 
gelangt iſt und nicht mehr jedem Wunſche, jeder Begierde, jeder Freude und jedem 
Leide hemmungslos verfällt. Alles Große iſt ſchwer zu bewegen, weil es in ſich ruht. 
Wer ſich nicht beugt und wenn auch alles ſinkt, wer trotz aller Anruhe, allen Lärmes 
und Kampfes ſein Herz im Innerſten freihält von allem unruhvollen Zweifeln 
und Sorgen, iſt vorbeſtimmt zur Freiheit. Man muß ſich auf einiges wenige Große 
din ſammeln und darf Kraft und Zeit nicht verzetteln in hunderterlei wichtig 
ſcheinenden Dingen. Die höchſte Kraft in uns wirkt von allein, ſie bedarf nur der 
Bereitſchaft, des Dienſtes, des ganzen Einſatzes zur rechten Zeit, aber nicht der 
Eilfertigkeit und kleinen Eifrigkeit, die an allem Geſchehen teil zu haben wünſcht. 
Die kleinen Dinge tun, wenn ſie notwendig ſind, und die großen Dinge tun, wenn 
fie notwendig find, — das eine nicht mißachten und das andere nicht erſehnen, fih 
nicht gehen laffen und fih nicht abſeits halten, ſondern auf Poſten fein: das ift 
die Forderung jedes Tages. And dazu muß man ſeines Herzens gewiß ſein, und man 
muß auch ſeiner Aufgabe gewiß ſein in dem guten Glauben, daß ein Leben nicht 
von ungefähr entſteht und vergeht, ſondern einen Platz hat in dem unendlichen Ge⸗ 
ſchehen der Welt. Zur Ruhe wollen wir uns nicht erziehen. Das Leben iſt 
ſtürmiſch — warum ſollten wir es nicht auch ſein? Aber Beherrſchung tut not, 


18 Tor / Spiegel eines Lebens 


Heberlegenheit über unſere Abneigungen und Zuneigungen und die Leidenſchaften 
in uns, damit wir nicht die freie und weite Sicht über unſer Leben verlieren. Es 
iſt nicht möglich, ſeinen Weg zäh und beharrlich zu verfolgen und mit jedermann 
in Frieden zu leben. Keine Aufgabe wird erfüllt, ohne daß andere Anſtoß nehmen, 
ſich zurückgedrängt oder übergangen oder beleidigt fühlen. Der Kampf gehört zum 
Werke, und ohne das kämpferiſche Element kann kein Leben auf die Dauer beſtehen 
und Frucht tragen. Im Streite — auch im häßlichſten und kleinlichſten Streite — 
haben wir die Pflicht, nicht nur nach dem äußeren Siege, ſondern nach der inneren 
Aeberlegenheit. zu ſuchen. In allen perſönlichen Kämpfen iſt nur dem Feigling jedes 
Mittel recht, der ſeine Selbſtachtung verleugnen muß, um der Niederlage zu ſteuern. 
Ein unanſtändiger Sieg kann oft verderblicher ſein als eine anſtändige Niederlage. 
Die Geſchichte kennt davon genügend Beiſpiele. Mögen auch die Mittel des 
Gegners erfolgverſprechend erſcheinen — auf die Dauer ſiegt nur das Echte und 
Lautere, das, was die innere Kraft in ſich trägt, die ein hohes überperſönliches Ziel 
verleiht. Wie oft iſt ſchon die innere Macht an die äußere Stellung in manchem 
guten Streite verraten worden! Gehäſſigkeit macht jeden Mut und jedes Opfer 
klein. Das ift das befte Teil unſerer Freiheit: daß wir uns nicht von einem 
Gegner die Art der Waffen und des Kampfes anbefehlen 
laſſen, daß wir den Gegner zu feiner blankſten, ſchärfſten 
Waffe zwingen. 

In ſolcher Weiſe als Nationalſozialiſt frei zu ſein, vermag nur der Tapfere, 
der ſich von Not und Gefahr nicht dazu verleiten läßt, ſein Geſetz zu verlaſſen und 
die Aufgabe an die eigene Schwäche zu verraten. Es geht im Leben um größere 
Dinge als um das Leben. Verlieren wir über all den Pflichten des Tages nicht 
jene große innere Pflicht aus unſerem Willen: Tapfer zu ſein und frei zu werden! 


E. H. Tor: 
= Gpiegel eines Lebens 
Zum TC. Geburtstags von Emil Straum 


Ganz in der Stille, wie er ſein Leben über bisher gewirkt hat, beging Emil Strauß 
ſeinen 70. Geburtstag am 31. Januar dieſes Jahres. Es geht hier nicht darum, die Reihe 
der üblichen Jubiläumsaufſätze an ſolchem Tage um einen zu vermehren, ſondern es geht 
uns um das Bekenntnis zum Werk eines Dichters, der aus ſeiner Heimat — aus dem 
ſchwäbiſchen Stamme — feine Kunſt zu höchſtem deutſchen Menſchentum entwickelt hat. 
Die Lauterkeit und das hohe ſittliche Ethos dioſes Dichters können einer jungen Generation 
Vorbild ſein und Verpflichtung bedeuten. Man hat nie im gewöhnlichen Alltag von Emil 
Strauß viel vernommen, er lebte zurückgezogen vom Geplänkel literariſcher Klubs oder 
Gruppen, er war fern dem lauten und reklameſüchtigen Treiben vieler ſeiner Generation, 
die in jungen Jahren bereits zu hohen Ehren gekommen waren. So erſcheint er dieſem 
oder jenem vielleicht als ein Abſeitsſtehender. Es ſcheint, als ob er neben der Zeit hergeht. 
Der Schein trügt wie ſo oft im Leben, denn Emil Strauß entwickelt aus dieſem „Nebenher— 
gehen“ jene ſeltſame Gabe, die uns aus der Einſamkeit der Schöpfung aber in ſteter Ver— 
bundenheit mit der Heimat und dem Volkstum, das Weſentliche unſerer Zeit 


Tor / Spiegel eines Lebens | 19 


ſchenkt in ihren Dichtungen, und die Zukunft des deutſchen Menſchen geſtaltet. Hier erfüllt 
der Dichter fern dem literariſchen Großſtadtbetriebe feine tiefſte Pflicht und wächſt zum 
echten Volksſchriftſteller heran. So formt Emil Strauß deutſches Geſchick aus 
der Fülle ſeiner Heimat emporwachſend in edelſtem Menſchentum. Nicht die Dichtung ſtand 
am Anfang ſeines ſchöpferiſchen Werdegangs, ſondern eine Fülle von Lebenserfahrungen, 
denn als er zu ſchreiben begann, war er bereits 32 Jahre alt. Der Weg führt alſo, ent- 
gegen der Auffaſſung der Literaten, vom Leben zur Dichtung. And ſo deutete ſich bereits 
in ſeinem erſten Buch das an, was Langenbucher einmal zuſammenfaſſend die „Verant- 
wortung für die Lebenswerte ſeines Volkes“ genannt hat. 

Weder Materialismus, noch Neuromantik, noch Expreſſionismus, noch „Heimatkunſt⸗ 
bewegung“ hatten ihn berührt. Er bogann feinen Weg als deutſcher Dichter um die Jahr- 
hundertwende, 1899, mit drei Novellen „Menſchenwege“ (wie alle ſeine Werke im 
Verlag Albert Langen / Georg Müller, München, erſchienen), die deutlich ſchon aufzeigen, 
daß im Mittelpunkt des Goſtaltens das Leben, Lebensſchickſale, ſtehen, die das Seeliſche 
im Menſchen ſeinem Schickſale zutreiben. Dieſe Geſinnung findet ſich deutlich abgezeichnet 
in der Novelle „Der Auswanderer“, wo es am Schluß heißt: „Nein, ich möchte es (das 
Leben) nicht ungeſchehen machen. Man muß die Schickſalsſchläge nehmen, wie ſie kommen, 
muß fertig mit ihnen zu werden ſuchen und mutig weitergehen. Wer weiß, was zuletzt 
bleiben wird? Das Leben iſt ein feiner, ſeiner Filter; das Tröpflein Seele, das ſich 
durchdrängt, wird vielleicht ſo klar ſein, daß ſich die roſige Sonne des andern Himmels 
voll Freuden in ihm ſpiegeln mag.“ 

Daß das Leben nicht nur roſig und voller ſchöner Seiten iſt, zeigt Strauß in ſeinem 
erſten größeren Roman „Der Engelwirt“, der Enttäuſchungen über Enttäuſchungen 
in ſich birgt und damit einen Menſchen zur Amkehr bringt und zur Heimat wieder. Der 
Engelwirt bekommt von ſeiner Frau keine Kinder. Alſo zeugt er mit der Magd. Aber 
cs ijt kein Bube, ſondern ein Mädchen! So ift der Spott augen ihn und es kommt zu 
häßlichen Szenen, daß der Mann mit Magd und Kind nach Braſilien auswandert. Aber 
da drüben packt und zauſt ihn das Loben und vergilt ſeine Fehlrechnung. Betrug und Ent: 
tdujdung und bittere Not find feine ſtändigen Begleiter. Die Magd ſtirbt am gelben 
Fieber und der Engelwirt ift allein mit feinem Kind. Da überkommt ihn feine Ber- 
blendung, da erkennt er ſeine Torheit und den Schmerz, den er ſeiner Frau angetan 
hat und kehrt zurück. Die Frau nimmt ihn wieder auf und ſeine Seele wird durch ihre 
Güte geläutert. 

Im Jahre 1902 folgte dann der große Publikumserfolg Emil Strauß mit ſeinem 
Schülerroman „Freund Hein“. Wenn einer der Literaturhiſtoriker der vergangenen 
Zeit den Erfolg dieſes Werkes auf die damals im Schwunge geweſenen Anterhaltungen über 
Schülerſelbſtmorde zurückführt, ſo zeugt das von einer gänzlichen Verkennung des dichteriſchen 
Bemühens von Strauß. Wie hoch ſteht zum Beiſpiel dieſer Schüler Lindner über dem 
Schüler Hanno Buddenbrock (des Thomas Mann), dem doch kein noch ſo menſchenfreund— 
licher Lehrer helfen konnte bei feinen Komplexen. Wir können dieſe Dichtung Emil Strauß’ 
nicht an dem Lebenswillen unſerer Generation meſſen. Das wäre ungerecht. Der Roman 
ijt ſelbſtverſtändlich aus der Zeit feines Entſtehens zu packen, damit ijt aber 
nicht geſagt, daß er modiſchen Einflüſſen erlag. Im Gegenteil, der Dichter zeichnet einen 
jungen Menſchen, der der Muſik ſo ſehr zugetan iſt, daß ſie ſein Leben ausfüllt. Die 
Amwelt, die Mitmenſchen wollten den Schüler zu einem realen und nüchternen Jüngling er— 
ziehen, vor allem das Elternhaus und die Schule. Der Knabe müht ſich aufrichtig ab, 
den Forderungen nachzukommen. Aber es mißlingt, denn die Muſik in ihm iſt ſtärker. Er 


20 Tor / Spiegel eines Lebens 


kann ſich nicht zurechtfinden in der Welt. „Der Satz, daß ſich zwei parallele Linien in der 
Anendlichkeit ſchnitten, war ihm ein Gewiſſenszwang!“ So zerbricht dieſer junge Menſch 
an der Härte ſeiner Amwelt und erſchießt ſich. Das Buch iſt keine Anklage und auch in 
keiner Weiſe eine Verherrlichung der Schwäche! Problem iſt das Shidfal des 
genial veranlagten Kindes, die Vater Sohn⸗ Tragödie. — Möglicher⸗ 
weiſe würde ein Dichter unſerer Zeit dieſes Thema anders geſtalten. Sicher würde er 
ebenfalls einen Menſchen, der ſich nicht behaupten kann, untergehen laſſen, wahrſcheinlich 
würde er aber das Leben ſiegen laſſen, weil dieſe Theſe unſerem Lebenswillen entſpricht. 
Deshalb iſt die Dichtung Emil Strauß aber, um nichts geringer zu bewerten, weil aus ihr 
— im Rahmen feiner Zeit — ein Bekenntnis redet. 


Dichteriſch überzeugend iſt ebenfalls der nächſte Roman „Kreuzungen“. In der 
Welt eines ziemlich lebensfremden Bürgertums rollt das Schickſal von drei Menſchen ab, 
aus denen man gerade auch als junger Menſch lernen kann. Nicht Erfahrungen ſind die 
Hauptſache, ſondern, daß man nach den Erfahrungen dem Leben wieder unſchuldig gegen- 
Aber ſteht. „Leid oder Glück, wenn nur das Herz davon brennt und leuchtet! Wenn es 
aber brennt und leuchtet, hat es zuletzt auch ſeine Freude daran.“ An anderer Stelle heißt 
es: „Es handelt ſich weniger darum, vorurteilslos zu denken, als urteilen zu können; denn 
Vorurteil und Vorurteilsloſigkeit fangen meiſt da an, wo die Arteilsfähigkeit aufhört.“ 
Hier empfindet man die Kritik nicht nur am vorurteilsloſen Denken, ſondern auch die Kritik 
an der Zeit. Man muß ſich trotz aller Widerſtände zur inneren Notwendigkeit durd- 
kämpfen. Das ift eines der Motive der Dichtungen Strauß. Auch in dem nächſten Novellen. 
buche „Hans und Grete“ entwickelt er dieſe Linie, die am ſchickſalhafteſten in der 
Novelle „Der Laufen“ berührt. Wie hier ein junger Menſch von Leichtfertigkeit ge- 
trieben alle Stationen menſchlicher Erſchütterungen durchmachen muß, bis er geläutert iſt 
und ſich wieder findet als ein anderer. das iſt zumindeſt ebenſo klaſſiſch geſtaltet, wie die 
herrliche Novelle der „Schleier“, die allerdings in ſpäteren Jahren entſtand. Dieſe 
kleine Geſchichte von der Lebeng- und Bewährungsprobe des Freiherrn von Tettingen und 
feiner Gattin gehört ſchon heute zu den Dichtungen, von denen wir mit einiger Gewißheit 
ſagen dürſen, daß ſie zu dem ewigen Schatz unſerer Proſa gehören. Schwächer iſt Strauß 
dann in der epiſch unruhigen Geſtaltung eines Heimatthemas auf hiſtoriſcher Grundlage im 
„Nackten Mann“. Dieſer Roman feiner Heimatſtadt Pforzheim iſt nicht fo über- 
zeugend wie andere Werke. Man fühlt, daß das Hiſtoriſche nicht das Dichters ureigent ⸗ 
liches Gebiet iſt. So entwickelt ſich der Stoff auch nicht aus dem Geſchichtlichen, das 
bleibt Hintergrund, ſondern nach vorne treten die menſchlichen Konflikte der drei Helden. 
Auf dieſes Werk folgt die Rahmenerzählung „Der Spiegel“, die den Dichter einen 
Menſchen geſtalten läßt, der in fauſtiſcher Anruhe dahinlebt, bis er endlich Ruhe findet. 


Dazwiſchen und zuvor liegen dann noch drei dramatiſche Arbeiten Emil Strauß. 
Früher ſchon entſtand der Stoff zum „Don Pedro“, der in Spanien ſpielt und die 
„Hochzeit“, deren Handlung in Süddeutſchland gedacht ift. Der Aeberlinger See und 
ſeine Landſchaft ſchauen in das Spiel hinein und geben ihm den Grundakkord. Von größerer 
dramatiſcher Wirkſamkeit iſt das unlängſt bearbeitete, aber leider zu wenig geſpielte Drama 
„Vaterland“. Das Stück iſt ein glühendes Bekenntnis zu Volk und Vaterland. Es 
ſpielt um die Wende des 16. Jahrhunderts ins 17. Jahrhundert auf Korſika. Der Zürft 
Sampiero kämpft mit ſeinen Korſen gegen die Franzoſen. Sein Weib iſt gegen den Krieg 
und möchte den Frieden herbeiführen und kommt dabei auf den unglückſeligen Gedanken, 
ſich zu den feindlichen Genueſen zu ſchlagen, ſo daß ſie auch die Feindin ihres eigenen Gatten 


Tor / Spiegel eines Lebens 21 


wird. Er befreit ſie und nimmt ſie gefangen, weil ſie ihn durch ihren Aebertritt zu den 
Genueſen am Kampfe hindern wollte. Der Fürſt kennt nur fein Vaterland. Sampiero 
rechtfertigt die fittlide Notwendigkeit feines Kampfes um die Freiheit der Korſen vor 
ſeiner Gattin und tötet ſie mit eigener Hand, weil ſie Vaterland und Ehre preisgabl 


An dieſer Dichtung kann man die Wucht und Größe der dichteriſchen Kraft Emil 
Strauß' ermeſſen, der derartig gewaltiges Schickſal bereits 1923 formte und das wir für 
unſere Zeit geradezu als beiſpielhaft und notwendig erachten. — Bleibt nun 
noch die kleine ‚angefangene Geſchichte“ vom „Lorenz Lammerdien“ und Strauß 
umſangreichſtes und bedeutendſtes Werk „Das Rieſenſpielzeug“. Nicht nur, daß 
der Dichter als einer der wenigen Meiſter, die unſere Sprache vorbildlich beherrſchen, ſich 
von dieſer Seite her beſtätigt, vielmehr noch intereſſiert uns hier die Problematik ſeines 
nahezu 1000 Seiten umfaffenden Werkes. Bereits um die Jahrhundertwende hat Strauß 
die Problematik der Zeit erkannt und in der Frage der Bodenſtändigkeit des Menſchen 
beantwortet geſehen, wie er ja auch ſelbſt in Braſilien, am Oberrhein und im Hegau als 
Bauer gelebt hat. Dieſes Erleben hat ihn in ſpäteren Jahren immer wieder beſtürmt und 
nach einer Pauſe von vier bis fünf Jahren zur Bewältigung des im „Rieſenſpielzeug“ durd- 
geführten Themas geführt. 

Der Noman beginnt in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts und ſtellt den Dr. 
Haugh, in welchem ſich der Dichter wohl ſelbſt zeichnete, nach Berlin — nach einer Be⸗ 
gegnung Bismarcks und Moltkes und des alten Kaiſers. 


Sofort läßt Strauß dieſe Ordnung der Welt ins Wanken geraten. Man lebt in einer 
Zeit der inneren Amwälzung. Die Großſtadt und mit ihr aufs engſte verkettet die In⸗ 
duſtrie und Technik werfen die ſozialen Fragen auf. Studenten und junge Dichter, die in 
Berlin hauſen, ſehen voller Verantwortung alle dieſe dunkel anbrechenden Gewalten. And 
ſo nähert ſich dieſe Jugend, die den Trieb „zu ſozialer Ehrlichkeit, im Traum von Recht und 
Freiheit“ beſitzt, ſich der ſozialdemokratiſchen Partei, um aber alsbald zu erkennen, durch 
die Vorherrſchaft der Parteizwecke bedingt und durch „die verbohrte Anduldſamkeit der 
Maſſen“, daß man von dieſer „ausſchließlichſten, unſozialſten aller Parteien“ nur bitter 
enttäuſcht werden kann. „An das Volk, an ein Volk, an Lebensbedingung, Wert und 
Aufgabe eines Volkes ſchien in dieſen Kreiſen niemand zu denken.“ „Es gab ſcheinbar 
nur noch Erwerbsgruppen, die einander die Butter, ja das Brot mißgönnten.“ 


Irgendwo im füdlichen Schwarzwald iſt einer der unverbeſſerlichen Lebensreformer auf 
die Idee gekommen, feine Art Schloßgut einer Arbeitsgemeinſchaft von Bauern, Ata- 
demikern und Arbeitern zur Verfügung zu ſtellen. Wohnung, Kleidung und Nahrung 
bekommt jeder durch die Gemeinſchaft. Löhnung gibt es dagegen nicht. Würde ſich das 
Anterfangen lohnen und gedeihen, ſo ſollte nach 5 Jahren das Gut Gemeinbeſitz werden. 
Zwei Dutzend Mitglieder hat man vorgeſehen, aber ſechs ſind erſt da, wozu man zwei 
unter die Freunde des Dr. Haugh zu rechnen hat. „Gerät der Verſuch und wirkte er 
vorbildlich, fo bilde ſich auf dem Lande ein Netz von arbeitsfreudigen, der nackten Erwerbs- 
gier entzogenen, geiſtig belebten Wirtſchaften, die dem bäuerlichen Leben ſeine Friſche und 
Geregtheit zurückgeben und der verhängnisvollen Anziehungskraſt der Stadt nicht mehr 
das Vorrecht laſſen würden. Haugh wird auch für dieſe Arbeitskameradſchaſt gewonnen. 
Er kehrt dorthin heim, nicht im Leberſchwang der Gefühle, ſondern innerlich ruhig und 
gelaſſen, mit Sicherheit, wie ſie nur ein Menſch haben kann, der von der Verantwortung 
um das Land weiß. Dieſer Haugh gerät nun zwiſchen drei Frauen. Eine Generalstochter, 
eine lockende Frau und die Bauerntochter. And es iſt faſt ſelbſtverſtändlich, daß Haugh 


22 Sed / Heute Moor und morgen fruchtbares Land 


den Weg zur Tochter des Bauern findet und mit ihr das „Rieſenſpielzeug“ planmäßig 
bewirtſchaften wird, um es allen Experimenten zu entreißen. Hand in Hand mit dieſem 
ſchönen weitſchwingenden epiſchen Geſchehen geht die Auseinanderſetzungmit dem 
Materialismus der Jahrhundertwende, mit der allgemeinen Lebens 
unſicherheit, mit dem Judentum und Marxismus. ` 

Mit dieſem Roman ift es Emil Strauß gelungen, aud innerhalb feines Geſamtwerkes, 
ein vollendetes Bild feiner Zeit in genialem Wurfe zu formen. Dieſe Schöpferkraft zeugt 
für eine Vollendung des Menſchlichen im Dichter ſelbſt. Der Roman der Wende einer 
Epoche, des inneren Ambruchs, der eindeutig den Beweis erbringt, daß wir um den 
ewigen Beſtand der deutſchen Dichtung uns nicht zu ängſtigen brauchen, ſolange wit 
imſtande ſind, derartig überzeugende Dichtungen unſer eigen zu nennen. Hier trägt 
der Dichter bereits zu Lebzeiten den Kranz des ewigen Ruhmes. 

So ſteht ein Lebenswerk faſt abgerundet vor uns. In immer wiederkehrendem Kampfe 
hat Emil Strauß fein Werk geſteigert und fih vollendet. Aeber den dichteriſchen Anlaß 
hinaus geht Strauß den Gründen zum Anlaß eines Konfliktes nach und geſtaltet das 
tragiſche Geſchehen. Wenn einmal die große Abrechnung der Dichtung der letzten 4 oder 
5 Jahrzehnte gehalten wird, mag man feſtſtellen, daß Emil Strauß' Werk guten Beſtand 
vor der Ewigkeit hat. 


Dr. Hans F. Zeck: 


Senie Moor 
und morgen feuchtbares Land. 


Ueber das Emsland 


Rieſenhaft zuſammengeballt liegen die Großſtädte des rheiniſch-weſtfäliſchen Jn: 
duſtriebezirkes auf engſtem Raum beieinander. Kaum daß auf der mehrſtündigen 
Eiſenbahnfahrt von Köln bis hinauf nach Dortmund das Häuſermeer einmal abreißt, 
um einem Stückchen Grünland Platz zu machen. Dichter gedrängt, als irgendwo, 
ſitzen hier die Menſchen aufeinander. 1000 und noch mehr werden auf jedem 
Quadratkilometer gezählt, während der Durchſchnitt des übervölkerten Deutſchland 
etwa 150 beträgt. 

Fährt man dann aber von Hamm über Münſter nordwärts auf Emden zu, 
dann findet man in unmittelbarjter Nähe dieſer ſtärkſten Menſchenzufammenballung 
auf deutſchem Boden ein ganz dünn nur beſiedeltes Gebiet: die weiten Moor- und 
Oedlandſtrecken des Emslandes. Im Kreiſe Hümling z. B. kommen knapp 
25 Menſchen auf einen Quadratkilometer. Ein ſtärkerer Gegenſatz iſt kaum denkbar: 
an Rhein und Ruhr Millionen eng zuſammengedrängt, die immer in Gefahr ſind, 
aus der fraftipendenden Verwurzelung im Boden gelöſt zu werden, im Emslande 
weite Landſtrecken, die auf den Menſchen und die Ziviliſation warten. Dort „Volk 
ohne Raum“ — hier „Raum ohne Volk“. 

Noch vor ganz wenig Jahren fab es ſchlimm aus im Emslande. Anfruchtbares 
Hochmoor und Odland, fo weit das Auge reichte. Nur hier und da einmal ein 


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o Bed / Heute Moor und morgen fruchtbares Land 23 


einſamer Siedler. Man konnte dieſen unwirtlichen Landſtrich mit den unwirtlichen 
Gegenden Schwedens vergleichen, ſo öde, ſo einſam und ſo menſchenleer war er. 
Jahrhunderte ſchon laſtete es wie ein Fluch auf dieſer Landſchaft, die allenfalls ein 
Paradies der Füchſe, Haſen und Moorvögel war und wo man Verbrecher im Moor 
verſenkte. Die Bewohner der zum Teil weltabgeſchiedenen Dörfer lebten in 
dürftigſten Verhältniſſen. Nur ganz geringe Erträge ließen ſich trotz ſchwerſter 
Arbeit dem armſeligen Boden abringen. Am zu beſſeren Erträgen zu kommen, 
fehlte es an allem; fehlte es an Kunſtdünger, an Geld, vor allem aber am Maſſen⸗ 
einfag planmäßiger Arbeit. Die Sterblichkeit war immer hoch. Beſonders die 
Tuberkuloſe raffte gar viele dahin. Kein Wunder, da vielzuviele Menſchen in 
ſchlechten Wohnungen hauſten; in Wohnungen, die z. T. buchſtäblich Erdhöhlen 
waren. Ausſicht auf Beſſerung der Lebensverhältniſſe beſtand fo gut wie gar nicht, 
ſo daß jeder, der auch nur einigermaßen eine Möglichkeit ſah, auswanderte. Aeberall 
im Reich trifft man heute die lebensharten, kampfgewöhnten Emsländer, die in 
der Fremde ſich eine neue Heimat geſucht haben. Durch dieſe erzwungene Ab— 
wanderung hat die emsländiſche Bevölkerung viel ihrer beſten und leiſtungsfähigſten 
Menſchen verloren, denn nur das wagemutigſte und wertvollſte Menſchenmaterial 
bringt die Kraft auf, ſich eine neue Heimat zu ſuchen. 

Die Regierung erkannte, daß Durchgreifendes geſchehen mußte, um dem Land 
und feinen Menſchen zu helfen. So kam es zu der großen Hilfsaktion, die augen- 
blicklich im Gange iſt. Entwäſſerungskanäle und tiefe Gräben wurden gezogen, um 
dem Moor ſein Waſſer zu entziehen und trockenes Land zu gewinnen. Wege wurden 
angelegt, um fo manche Ortſchaft, die keinen Anſchluß an eine Neben-, geſchweige 
denn an eine große Durchgangsſtraße hatte, an den Verkehr und damit an Abſatz— 
möglichkeiten anzuſchließen. Voll Hoffnungen auf eine beſſere Zukunft betrachten 
wir die heute noch fo düſter⸗ſchwermütige Landſchaft längs der deutſch-holländiſchen 
Grenze. Wie groß, aber auch wie begründet dieſe Hoffnungsfreude iſt, läßt ſchon 
der flüchtige Blick über die Grenze hinweg ins Holländiſche hinüber erkennen, wo 
fruchtbares Ackerland und blühende Gärten die einſt auch dort ſich hinziehende 
Moorlandſchaft abgelöſt haben. Gerade weil dasſelbe Moor- und Oedland einſt 
beiderſeits der Grenze fih ausdehnte, heute aber Landſchaftsbild und Lebens- 
bedingungen auf holländiſcher und deutſcher Seite ſo grundverſchieden ſind, drängt 
ſich von ſelber die Frage auf, warum iſt das ſo? Die Antwort auf dieſe Frage 
liegt in der verſchiedenen Kraft des Gemeinſchaftslebens diesſeits und jenſeits der 
Grenzen. Die Arſachen der verſchiedenartigen Entwicklung des Gemeinſchaftslebens 
wiederum liegen nicht zuletzt in geopolitiſchen Vorausſetzungen begründet. 

Jahrtauſende hindurch hat der Rhein Sinkſtoffe mit ſich geführt und in ſeinem 
Mündungsgebiet abgelagert. Auch das ruhelos heranbrauſende Meer brachte 
Sinkſtoffe mit und lagerte ſie an der Küſte ab. Aus dieſen Sinkſtoffen von Fluß 
und Meer find die Marſchen zu beiden Seiten der Rheinmündung entſtanden. 
Menſchenkraft hat das Meer zurückgedrängt und aus dem unter Meeresſpiegel 
liegenden Schwemmland ganze Provinzen gerettet. Mit Stolz ſagt heute noch 


24 Zed / Heute Moor und morgen fruchtbares Land 


der Holländer: Gott ſchuf die ganze Welt, Holland aber wir Holländer! Im 
ruheloſen Kampf mit den Elementen iſt der einzelne machtlos. Nur ein ſtraff 
organifiertes Ganzes vermag etwas auszurichten. So zwang die Natur ſelber die 
Menſchen am Meer enger zuſammen, als im deutſchen Binnenlande. An die 
1000 Jahre alt iſt das Koloniſationswerk an der niederländiſchen Küſte und ebenſo 
weit reichen auch die Anfänge eines beſonders kräftigen Gemeinſchaftslebens zurüd. 


Das fränkiſche Miſchreich und auch das erſte Reich der Deutſchen waren Fe ft- 
lands ſtaaten, deren politiſches, kulturelles und wirtſchaftliches Schwergewicht in 
den binnenländiſchen Kerngebieten ruhte. Was da weit an des Reiches 
duferften Grenzen lag, wurde nur wenig beachtet. Schon zur Stauferzeit lag das 
heutige Holland ſo abſeits, daß man dort kaum etwas von der kaiſerlichen Gewalt 
ſpürte. Je weniger ſich das Reid um die niederländiſchen Gebiete kümmerte, deſto 
enger ſchloſſen ſich die Küſtenbewohner unter den örtlichen Grafengeſchlechtern zu 
ſtraffer Einheit auch im politiſchen Sinne zuſammen. Als um 1500 herum die Ent- 
deckung der neuen Seewege nach Amerika und Oſtaſien die überlieferte Weltlage 
völlig umkehrte und den bis dahin kaum beachteten niederländiſchen Küſten mit einem 
Schlage eine ganz große Bedeutung gab, da war hier ein lebenskräftiges und eigen: 
williges Gemeinſchaftsleben und Gemeinſchaftsbewußtſein nicht bloß keimhaft, 
ſondern bereits ſeit Jahrhunderten voll entwickelt vorhanden. Daß es überhaupt 
fo weit kam, ift die Folge der völkiſchen Zerſplitterung und politiſchen Kraftlofigkeit 
des erſten Reiches geweſen. Als dann die Spanier verſuchten, den Niederländern 
die Selbſtändigkeit ihres Gemeinſchaftslebens zu rauben, um ſie in die zentraliſtiſche 
ſpaniſche Politik einzufügen, da kam es zum „Abſall der Niederlande“, die ſich zum 
uralten Gemeinſchaftsleben nun auch den eigenen Staat bauten. 

Das Lebenszentrum der Niederländer hat immer in der fruchtbaren Marid- 
zone am Meer gelegen. Aus Fiſchfang und Aeberſeehandel haben fie großen Reig- 
tum geholt, indeſſen das deutſche Reich und das deutſche Volk in ihrer Zerſplitterung 
ärmer und ärmer wurden. Organiſch find die niederländiſchen Großſtädte ge- 
wachſen. Ring legte ſich um Ring und nirgends iſt jenes plötzliche, treibhausartige 
Wachstum der deutſchen Großſtädte zu beobachten, das nach der politiſchen und 
wirtſchaftlichen Erholung im vorigen Jahrhundert allenthalben in Deutſchland ein- 
ſetzte. . 

Wenn auch das Lebenszentrum der Niederländer in der Marſchzone am Meer 
lag, fo haben fie darum doch das Hinterland nicht vergeſſen. Im Gegenteil; geſtützt 
auf eine einheitliche politiſche Führung, auf ein kraftvolles Gemeinſchaftsbewußtſein 
und nicht zuletzt geſtützt auf den großen Reichtum des ganzen Landes, machten ſie 
fih ſchon ſehr früh an die Aufſchließung der einzigen in jener Zeit bekannten Brenn- 
ſtofflager ihres Landes: der Moore an der deutſch⸗-holländiſchen Grenze. 

Mittelpunkt der Moorkoloniſation war ſchon kurz nach 1600 die holländiſche 
Stadt Groningen geworden. Handelsintereſſen und gute Verdienſtausſichten wurden 
Veranlaſſung zum Abbau der bis zu 8 Meter mächtigen Torfläger des Hodmoores. 
Dank der günſtigen Vorausſetzungen in ihrem Lande konnten die Holländer plan- 


Zed / Heute Moor und morgen fruchtbares Land 25 


mäßig und mit Einſatz ſehr großer Mittel arbeiten. Zunächſt wurde ein Kanalnetz 
zur Entwäſſerung, für die Abfuhr des Torfes und die Anfuhr von Düngemitteln 
geſchaffen. Je mehr Torf abgegraben wurde, deſto mehr kam der feſte Antergrund 
zum Vorſchein. Damit war der Aebergang von der Torfwirtſchaft zur Ackerwirt⸗ 
ſchaft gegeben. Die Torfbauern wurden zu Ackerbauern, und die großen Kapitalien, 
die einft für die Moorkultut aufgewandt waren, warfen nun Zins aus Bauern- 
gitern ab. Groningen war jahrhundertelang Mittelpunkt des holländiſchen Brenn- 
ſtoſffhandels und hat durch feine Abſatzverbindungen bis tief nach Norddeutſchland 
hinein glänzend verdient. Als dann in neueſter Zeit die Stein ⸗ und ſpäterhin auch 
die Braunkohle das Torf mehr und mehr verdrängte, da war auf holländiſcher Seite 
das Moor im weſentlichen abgebaut, und lebenskräftige Bauern ſaßen auf Gütern 
von ausreichender Größe. Holland hat im Hochmoor bäuerliches Siedlungsland ge- 
wonnen und dabei auch noch glänzend verdient. Man ſieht alfo, daß bei weit- 
ſichtiger Wirtſchaftspolitik und großzügigem Einſatz Wunder an Erfolgen auch 
im Moor zu erzielen ſind. 

Die Erfolge der Holländer haben ſchon im 17. Jahrhundert zur Nachahmung auf 
deutſcher Seite gereizt. Deutſche Territorialfürſten ſuchten ſich Anternehmer und 
übertrugen denen die Aufgabe, das Moor in Siedlungsland zu verwandeln. Dieſelbe 
Methode hatte ſich im 13. Jahrhundert, bei der Koloniſation des deutſchen Oſtens, 
glänzend bewährt. Der Mißerfolg lag alſo nicht in der gewählten Methode, ſondern 
in andern Arſachen. So war es in der Tat! Die Anternehmer beſorgten nur den 
Kanalbau und überließen dann alles andere den angeſetzten Kleinpächtern. Dieſe 
beſitzloſen Leute waren aber bei allem Eifer gar nicht in der Lage, Jahre hindurch 
Arbeit und Kapital ohne ſofort greifbaren Erfolg in das Koloniſationswerk hinein- 
zuſtecken. Daß die Siedler zu früh auf eigene Füße geſtellt und ihnen zu wenig 
Hilfe geleiſtet wurde, war der erſte Fehler, der das Koloniſationswerk ungeſund 
hemmte. Weder im Ertrag noch im Abſatz ihres Torfes kamen die Koloniſten gegen 
die Holländer auf. Der zweite Fehler lag darin, daß keineswegs ein planmäßig 
großes Netzwerk von Kanälen gebaut wurde, denn jeder Anternehmer gehörte zu 
einem anderen Landesherrn und jeder verfolgte andere Pläne. Go ift deutſche Klein- 
ſtaaterei zur zweiten Wurzel des ſchließlichen Mißerfolges geworden. Die dritte 
Fehlerquelle lag darin, daß jeder Landesherr bzw. jeder Unternehmer zuviel zins- 
zahlende Pächter anſetzen wollte und ſo die Größe der einzelnen Pachtſtellen von 
vornherein zu klein wurde, um eine Familie ernähren zu können. Am Ende brach 
der erſte Anlauf zur Moorkoloniſation auf der deutſchen Seite zuſammen. 

Angeregt durch feine großen Erfolge im Warthe-, Netze⸗ und Oderbruch, machte 
etwa 100 Jahre ſpäter Friedrich der Große einen zweiten Verſuch. Wieder wurden 
aus übergroßer Rückſicht auf ſteuerliche und ſiskaliſche Intereſſen dieſelben Fehler 
gemacht, ſo daß im Weſen an den troſtloſen Zuſtänden im Emslande nur wenig 
geändert wurde. 

Ein dritter Anlauf wurde nach 1870 gemacht, als Deutſchlands wirtſchaftlicher 
Auſſtieg einſetzte und die Erfindung des künſtlichen Düngers mancherorts einen be: 


26 Sed / Heute Moor und morgen fruchtbares Land 


iheidenen Anbau von Getreide ermöglichte. Aber diefe gutgemeinten Verſuche ver- 
ſackten, weil man ſich nicht zu planmäßigem Einſatz großer Mittel an Kapital und 
Menſchen entſchließen konnte und die Menſchen lieber als Induſtriearbeiter in den 
Dienſt der Weltwirtſchaft Hatt in den Auf- und Ausbau der eigenen innerdeutſchen 
Wirtſchaft geſtellt wurden. Gar bald iſt dann auch die geringe Getreidewirtſchaft 
zugunſten extenſiver Viehwirtſchaft aufgegeben worden, die in Form von Hoch- 
moorkultur auf nicht abgetorftem Moor betrieben wurde. 

Alle früheren Verſuche ſcheiterten, weil ihnen die notwendigen Vorausſetzungen 
zum Gelingen fehlten. Weltwirtſchaftliche Wirtſchaftsorientierung als oberſter 
Grundſatz verhinderte das Aufkommen wirklich tiefen und nachhaltigen Intereſſes an 
der Erſchließung der eigenen Scholle. Weil das letzte Intereſſe fehlte, darum fehlte 
auch der letzte Krafteinſatz ... und dieſer Krafteinſatz muß groß fein und febr 
weitgeſteckten Zielen dienen, ſonſt iſt der Erfolg verſagt. Seit mit dem Siege des 
Nationalſozialismus die Wirtſchaft unter Führung der Politik ſteht und Politik 
auf weiteſte Sicht getrieben werden kann, ſind auch die wichtigſten Vorausſetzungen 
für das gewaltige Werk der Moorerſchließung gegeben. Der Wille der Führung 
will auch den letzten Winkel deutſcher Heimaterde dem Volke nutzbar machen und 
die lebendige Kraft des ganzen Volkes hilft durch den Einſatz im Arbeitsdienſte 
mit, dies Wollen Wirklichkeit werden zu laffen. 


In beträchtlichem Amfange konnten ſchon Moor- und Oedländereien zur Be 
ſiedlung herangezogen werden. Nach der Reichsſiedlungsſtatiſtik 1934 wurden 
zunächſt nicht weniger als 4147 Hektar Land = rd. 16 000 Morgen bereitgeſtellt. 
Aber das iff nur ein Anfang. Der Kampe ⸗Dörpen-Kanal durchquert als Grop: 
ſchiffahrtsweg ein rieſiges, faſt unbewohntes Gebiet, in dem weitere 80 000 Morgen 
der Erſchließung harren. Im Kreiſe Hümling ſind faſt 4000 Morgen in mühſamer, 
dreijähriger Arbeit erſchloſſen worden. Etwa 60 Bauernhöfe ſollen hier erſtehen. 

Aeberall wächſt Leben, überall werden Straßen angelegt und Kanäle gebaut, 
die erbärmlich primitiven Heuerlingskäſten verſchwinden immer mehr und machen 
geſunden Wohnungen Platz. Aus Enge, Dumpfheit und Hoffnungsloſigkeit führt 
ein Weg hinaus auf zukunftsträchtiges Siedlerland. Menſchen, die Jahrhunderte 
hindurch buchſtäblich nicht einmal das Notwendigſte zum Leben hatten, lernen 
Bauer werden auf eigener freier Scholle; andere, die längſt die Hoffnung verloren 
hatten, einmal Bauer auf eigenem Beſitztum zu werden, ſchaffen hier auf Neuland 
And wenn auch noch gar viele Opfer gebracht werden müſſen und gar manch ſchwere 
Arbeit zu leiſten iſt, es iſt wieder Hoffnung ins Emsland eingezogen. Wo Hoffnung 
iſt, da gewinnt alles Arbeiten und Opfern wieder Sinn. And morgen wird dort 
Garten ſein, wo heute noch Moor und Oedland iſt. Die lebendige Kraft des neuen 
Deutſchland holt in wenigen Jahren nach, was die Holländer dank glücklicherer 
Vorausſetzungen vor Jahrhunderten haben vormachen können. 


Nur in der eigenen Kraft ruht das Schicksal jeder Nation. Moltke. 


Außenpolitiſche Notizen 27 


AUSSENPOLITISCHE 


Sob Piespout und die 360 

Es gibt einen durchſchlagenden Beweis 
völkerrechtlich ſauber gehaltener Neutralität, 
einen Beweis, den das Deutſche Reich — 
anerkannt von der Preſſe der ganzen Welt 
— bei der heutigen krieg vorbereitenden Lage 
geliefert hat: der Neutrale hat an keinen 
der beiden Kriegführenden Waffen verkauft, 
und kein Staatsbürger der neutralen Nation 
gibt Geld, um Waffenlicferungen zu finan- 
zieren. Meiſtens aber in der Weltgeſchichte 
hat die Neutralität Anlaß zu Klagen ge- 
geben, berechtigten und unberechtigten. 


Ein bis zwei Jahre des Kriegsglückes 


waren nach 1914 für die deutſchen Truppen 


ins Land gegangen, als die erſten Geſchoſſe 
„Made in USA“ in die deutſchen Reihen 
traſen. Dies war ein offenkundiger Bruch 
vielbeſchriener Neutralität. Jedoch — er 
war gewiſſenhaft und mit einer für 
ASA unbekannten Sorgfältigkeit vorbereitet 
worden. 


Als die Ruffen ſchon Anfang 1915 unter 
einem ſehr fühlbaren Munitionsmangel 
litten, wandten ſie ſich an jenes berüchtigte 
Komitee, das die Waffenlieferungen an 
Rußland zu kontrollieren hatte. Aber die 
Londoner erklärten: Selbſt wenn wir aus⸗ 
reichend Munition hätten, würdet ihr doch 
keine kriegen, denn ſiehe: wir werden auch 
ſehr bald in Schwierigkeiten ſein. 

Da kam nach Moskau der rettende 
Engel in Geſtalt eines kanadiſchen Ober- 


ſten: er ſtellte Waffenlieſerungen aus 
Kanada in Ausſicht. Nachdem die Ruffen, 


Holizen 


nichts Böſes ahnend, zugegriffen hatten, 
ohne das Komitee zu befragen, meldete ſich 
London mit der Mitteilung, der Herr 
Oberſt ſei ein Scharlatan, der weder Geld 
noch Waffen, noch Waffenfabriken an der 
Hand habe. Es hatte ſich nämlich über den 
amerikaniſchen Botſchafter Page, der an- 
ſcheinend deswegen Page hieß, weil er als 
Neutraler doch nur auf der einen „Seite“ 
zu finden war, Herr John Pierpont Morgan 
in das Kriegsgeſchäft eingeſchaltet. Er emp- 
fand den kanadiſchen Verſuch als ſtörend 
und war nun gezwungen, feine dunklen, 
Pläne an das Licht der Oeffentlichkeit zu 
rücken, um den Oberſten auszuſtechen. Seit 
dieſem wenig neutralen Eingriff des Bot- 
ſchafters Page rollten amerikaniſche Waffen, 
Geld und Lebensmittel nach den Fronten 
der Alliierten. John Pierpont ſchacherte und 
ſchacherte, finanzierte die amerikaniſche 
Rüſtungsinduſtrie, gab Kredite nach Europa 
und legte ſein Geld da an, wo er glaubte 
am beſten zurückbezahlt zu werden. Hinter 
ſich hatte er einen unbeſchränkten Krodit 
anderer amerikaniſcher Banken, die das 
gleiche Geſchäft witterten. Was nützten 
deutſche Noten und Altimaten, wenn John 
Pierpont ſchacherte und Gold ſcheffſelte? 
Nichts. Denn er ſchacherte ſo lange, bis 
ASA in den europäiſchen Krieg, und zwar 
eben nur auf der einen Seite, 360 Millionen 
Dollar inveſtiert hatte. Bei 360 Millionen 
inveſtierten Dollars pflegt den Amerikanern 
die Angſt um ihr Geld zu kommen. Die 
Lage der deutſchen Truppen war gut, das 
Geld ſchien wegzuſchwimmen. 


28 Außenpolitiſche Notizen 


So half nur der Eintritt der ASA. in 
den Krieg, auf der Seite, auf der das Geld 
gerettet werden mußte. And es entſchied 
den Krieg zugunſten ſeines Geldes. Als 
zum Sammeln geblaſen wurde, begegnete 
John Pierpont wiederum die Zahl 360. 
Denn 360 000 Soldaten amerikaniſcher Ge⸗ 
burt hatten ihr Leben an der franzöſiſchen 
Front laſſen müſſen. ö 


360 000 000 Dollars zuerſt bis zum Ein- 
tritt in den Krieg, dann 360 000 amerifa- 
niſche Soldaten — das war die Jagdſtrecke 
des John Pierpont Morgan, für die er jetzt 
vor den höchſten amerikaniſchen Gerichten 
die waidmänniſche Verantwortung ragen 
muß. Tauſend Dollar für einen Soldaten! 


Allerdings, John Pierpont, du haſt ja 
außer den „360“, die dich dein Leben lang 
verfolgen werden, während der Zeit der 
amerikaniſchen Beteiligung am Kriege er- 
. reiht, daß Europa den ASA am Schluſſe 
10 Milliarden Dollar ſchuldete, du haſt er- 
reicht, daß das Nationalvermögen der ASA 
in den Kriegsjahren um 80 Prozent ſtieg, 
aber bitte — in der Kriſe iſt alles wieder 
flöten gegangen, und bezahlt haben die 
europäiſchen Brüder auch nicht. Wenn du 
die Soldaten mit den erſten Millionen be- 
zahlt haft, fo bajt du das Schwinden der 
Proſperity, die Verarmung der ASA mit 
den reſtlichen Milliarden bezahlt. Jedoch — 
das Bankhaus Morgan war vorwärts- 
gekommen. 


Allerdings, John Pierpont, du wirſt 
ſtaunen: abgeſehen von deinen Geſchäften, 
die ja ſchließlich für alle Bankhäuſer der 
Welt ſeit alters in dieſer Form, wenn auch 
nicht in dieſem Amfange, üblich geweſen ſind 
— du brauchſt dich nicht zu ſchämen, denn 
du wirft ja nur als Sündenbock in die Wüſte 
geſchickt, nachdem die Sowjetruſſen mit 
ſolcher Schadenfreude die zariſtiſchen Ge- 
heimakten geöffnet haben. 


Die wirkliche Schuld trifft nicht das 
Bankhaus Morgan, ſie trifft jene, die jetzt 
die Schuld auf die Geldmänner abwälzen 
wollen. Sie trifft den Präfidenten Wilſon, 
fie trifft den Botſchafter Page, den Staats- 
ſekretär Lanſing und alle die, die den Geld- 
männern die Geſchäfte geſtattet haben, ja 
gefördert haben. Wer reiſte denn in den 
Staaten herum und predigte von der morali- 
ſchen Verantwortung der Alliierten gegen- 
fiber einem Varbarenvolke? Wer hetzte die 
Preſſe auf? Wer hielt die Neutralität 
gegenüber den Mittelmächten, und wer hielt 
fie gegenüber den Alliierten nicht? Wer be 
ſchwerte ſich dauernd über Schädigungen 
amerikaniſchen Eigentums durch deutſche 
U-Boote, und wer vergaß, daß die Eng- 
länder in den erſten Kriegsjahren amerita- 
niſches Eigentum nicht geſchont hatten? Wer 
verſchickte mit amerikaniſchen Paſſagier⸗ 
ſchiffen Kriegsmaterial und wunderte ſich 
dann, daß deutſche U-Boote das merkten? 
Herr Wilſon, Herr Lanfing, Herr Page und 
Genoſſen! 


Allerdings, Schuld hier und Schuld dort 
ſind verquickt, verfilzt und ineinander auf⸗ 
gegangen. Sie find nicht mehr zu trennen. 
Jeder gab ſein Teil, und jeder nahm es 
zurück. Der eine machte Geld, der andere 
ſäte Haß, beide arbeiteten mit dem be⸗ 
quemen Mittel, es ginge um die Freiheit 
der Welt. Beide verhetzten ein Land, das 
nicht zum kleinſten Teil deutſchen Blutes 
war. Allerdings, wie ſah die Freiheit der 
Welt nach dem amerilaniſchen Siege aus? 
Für den Sieg im Weltkrieg 
zeichnen die AS A als Allein 
verantwortliche. Dieſe Ver- 
antwortung iſt ſchwer zu tragen. 


Hans Humbold. 


— — —— — — 


Randbemerlungen 29 


Giasbemberas 
„ditliche Weltovduuns* 

Es ift Thon feit langem eine weltbekannte 
Tatſache, daß die politiſchen Führer des 
neuen Oeſterreichs über die vatikaniſche 
Leitung beſonders gut mit dem lieben Gott 
„auf Draht“ find. Konnte ſchon ſeinerzeit, 
bei der Verkündung der neuen Verfaſſung 
des „chriſtlichen Ständeſtaates“, Dollfuß 
auf den klaren, im Weihnachtshirtenbrief 
der öſterreichiſchen Biſchöfe vom 21. 12. 1933 
zum Ausdruck gebrachten Willen Gottes ver- 
weiſen, „von dem alle Macht und alles 
Recht ausgeht“ — nicht wie früher, nach 
Artikel 2 der alten Verfaſſung, vom Volke! 
—, fo kehrte dieſer Hinweis ſeitdem in allen 
Reden und Kundgebungen der neuöfter- 
reichiſchen Machthaber unabläſſig wieder. 


Als einer der vertrauteſten Vermittler 
dieſer geheimen Offenbarung des Gottes- 
willens und als leuchtendſtes Blitzlicht 
ſolcher prophetiſcher Erleuchtungen iſt ſchon 
ſeit längerer Zeit ſeine Durchlaucht 
Fürſt Ernſt Rüdiger von Star- 
hemberg hervorgetreten. Aber erft feine 
jüngfte Rede vom 20. 1. 1936, die er vor 
den Amtswaltern der „Vaterländiſchen 
Front“ in Wien hielt, ließ fo richtig er- 
kennen, bis zu welchem Grade von Ber- 
trautheit und Intimität das Verhältnis 
zwiſchen ihm und dem lieben Gott bereits 
gediehen iſt. Da gibt es offenbar keine Ge⸗ 
heimniſſe mehr, alle Karten find aufgedeckt 
und im tiefſten Bruſtton der Heberzeugung 
fann er einer erſtaunt aufhorchenden Mit- 
welt verkünden, daß „ein freies und un⸗ 
abhängiges Oeſterreich ganz im Sinne der 
göttlichen Weltordnung“ liege. 

Zum Gerftdndnis dieſer neuen erlaudtia- 
ſten Offenbarung ift es freilich nötig, ſich 


von jener Idee und Vorſtellung der Volks- 
ſouveränität zu befreien, wonach Gottes 
Wille ſich im Volkeswillen offenbare, welche 
Auffaſſung ſchon der genannte Hirtenbrief 
als „atheiſtiſche Irrlehre und Satanswerk“ 
gekennzeichnet hat. Der Wille Gottes 
offenbart ſich vielmehr, wie derſelbe Hirten- 
brief unfehlbar feſtſtellte, im Willen ſeiner 
heiligen Kirche und der von ihr als ihre 
zuverläſſigen weltlichen Diener erprobten 
chriſtlichkatholiſchen Staatsmänner — wo- 
mit jener Hirtenbrief gleichzeitig Stichwort 
und moraliſche Rechtfertigung der unmittel- 
bar darauf vollzogenen blutigen Nider- 
werfung der Anhänger des Volkswillens⸗ 
grundſatzes in Oeſterreich und der Anbah⸗ 
nung der Habsburger Reftauration ausgab. 

Gemäß dieſer neuen Lehre und Verkün⸗ 
dung „göttlicher Weltordnung“, die uns 
freilich bei einiger Geſchichtserinnerung nicht 
mehr ſo ganz neu anmutet, gilt es dann 
freilich auch die Begriffe und Vorſtellungen 
von Freiheit und Anabhängigkeit zu wan- 
deln. „Frei“ bedeutet demnach nicht, daß 
das Volk frei fein innerpolitiſches Schickſal 
ſelber beſtimmen und entſcheiden kann, fon- 
dern, daß es ſich unbefragt und willenlos 
dem Willen der katholiſchen Kirche und der 
von ihr gutgeheißenen Machthaber unter- 
wirft. „Anabhängig“ bedeutet gleichermaßen 
nicht, daß das Volk nun unabhängig von 
äußeren Einflüſſen durch eine freigewählte 
Regierung über die Richtung feiner Aupen- 
politik beſtimmen kann, ſondern, daß es 
vielmehr in ſchärfſter Abhängigkeit von allen 
daran intereſſierten ſtaatlichen und über- 
ſtaatlichen Mächten des Auslandes durch die 
ihm von dieſen unter dem Zeichen der 
„Nichteinmiſchung“ aufgedrängte Regierung 
einen Weg gezwungen wird, der ſich letzten 
Endes gegen ſeine eigenen Lebensintereſſen 


30 Randbemerkungen 


richtet. Damit an dieſer Auslegung ja kein 
Zweifel ſei, hat Starhemberg in derſelben 
Rede — als Antwort auf die in einem 
Flugblatt der Nationalſoizaliſtiſchen Bce- 
wegung Oeſterreichs neuerdings erhobene 
Forderung nach Neuwahlen — erneut der 
Welt mitgeteilt, daß ſolche Wahlen nach 
dem gleichen und geheimen direkten und all- 
gemeinen Wahlrecht in Oeſterreich „nicht in 
Frage“ kämen. 

Wir erinnern uns da an eine Rede, die 
Starhemberg im Juni 1933 in den Wiener 
3⸗Engel⸗Sälen hielt, worin er als Antwort 
auf dieſelbe Forderung ſich nicht auf die 
göttliche Weltordnung berief, ſondern 
banalerweiſe nur erklärte, Wahlen oder 
Volksabſtimmung kämen nicht in Frage, da 
er ſonſt ſein ganzes Geld umſonſt in die 
Heimwehr „hineingepulvert“ habe .. So- 
mit ſcheint Starhembergs Einblick in die 
göttliche Weltordnung erſt neueren Datums 
zu ſein oder dieſe Ordnung Starhemberg 
erft jetzt als ihr geeignetes Werkzeug cr- 
kannt zu haben. Oder ſollte es ſich hier am 
Ende gar nicht um eine göttliche, ſondern 
um eine menſchliche, nur allzu menſchliche 
Ordnung handeln? Job. 


Handel mit Heiligen 


Wie gut man es in gewiſſen Kreiſen noch 
verſteht, aus religiöſen Geſühlen gläubiger 
Volksgenoſſen ein Geſchäft zu machen, be— 
weiſt ein Rundſchreiben des Verlages der 
Buchgemeinde in Bonn an katholiſche Geiſt— 
liche. Mit ſchamloſer Geſchäftigkeit wird 
das Buch „Helden und Heilige“ von 
Hümmeler empfohlen. Die Ratſchläge, die 
dabei der Verlag den geiſtlichen Würden— 
trägern mit auf den Weg gibt, zeigen zwi— 
ſchen den Zeilen, wie geſchickt nun plötzlich 
die Heiligen aus den Wolken hervorgeholt 
und den erſtaunten Mitmenſchen als Helden 
präſentiert werden ſollen. Es heißt wört— 
lich: „Bitte nehmen Sie Hümmelers 
Heiligen-Legenden mit auf die Kanzel, wie 
mehr als ein Konfrater vor Ihnen es ſchon 
tat, leſen Sie an einem Feſttage vom Tages— 


heiligen vor, erwärmen Sie Ihre gläubigen 
Zuhörer, weiſen Sie ſie auf die Bonner 
Buchgemeinde hin.“ Mit anderen Worten, 
es ſoll für einen beſtimmten Verlag von dir 
Kanzel herab Propaganda gemacht werden. 
Die gläubigen Zuhörer werden ſolange ct: 
wärmt, bis ſie ſchließlich RM. 9,80 auf das 
Konto der Buchgemeinde nach Bonn über: 
weiſen. Fürwahr, eine würdige Verkündi⸗ 
gung deſſen, der ſelbſt mit der Peitſche die 
Händler aus ſeinem Tempel gejagt hat. 
Ratſam wird es übrigens für die Confratres 
nicht ſein, die fage und ſchreibe 15 Konto- 
nummern mitzuverleſen, die am Kopf des 
Rundſchreibens verzeichnet ſind und von 
denen genau 4 aus Städten des 
Reiches ſtammen! Es könnte ſonſt 
ſelbſt der ſorgfältig erwärmte Zuhörer 
hinter die Kuliſſen dieſes unſauberen 
Spieles ſehen. Bemerkenswert mag auch 
die Tendenz des Titels „Helden und 
Heilige“ erſcheinen. Ein Verſuch von innerer 
Hilfloſigkeit, die Fahrtlinie der Zeit ein— 
zuhalten Das Blatt „Schönere Zukunft“ 
in Wien gibt offen der Abſicht Ausdruck, 
in einer Beſprechung des Werkes, in dem 
es anerkennt, daß Hümmeler „die allgemein 
anerkannte (!) Forderung erfüllt, in dem 
er die Heiligen als ſiegreich ringende Men: 
ſchen und nicht als Schemata unerreichbarer 
Vollkommenheit darſtellt“. Eine andere Zeit— 
ſchrift, die — Stimmen der Zeit — in Frei— 
burg ſprechen von „der knappen, ſachlichen 
Schönheit, mit der das In einander 
von Blut und Gnade, von Zeit und 
Aufgabe, von weitherkommenden Wellen 
und heutiger Brandung gezeigt wird“. 
Wirklich ſehr ſeltſame Alchimiſten, die 
geſtern mit Gewalt und heute mit Sirenen— 
tönen eine Miſchung zwiſchen grundſätzlich 
verſchiedenen Elementen herzuſtellen ſich 
unterfangen. Hans Bähr. 
Kultur fie 30 Hfennise 

An den deutſchen Aniverſitäten find H3- 
Arbeitsgemeinſchaften eingerichtet worden 
als Stoßtrupp einer revolutionären Jugend. 


a as = E 


Randbemerkungen 31 


Die Arbeit dieſer Gemeinſchaften wird 
ſchwer fein und ihr Weg voller Wider- 
ſtände. Es iſt darum um ſo bedauerlicher, 
wenn von einer offiziell an der Neuordnung 
ſtudentiſchen Lebens beteiligten Organi- 
ſation ſo peinliche Aktionen vorgenommen 
werden, wie dies in Berlin geſchah. In der 
Aniverfität wurden in hohen Stapeln Flug⸗ 
blätter ausgelegt, in denen u. a. zu leſen iſt: 


„Deutſche Tanzgemeinſchaft an der 
Univerfität. 


Im Rahmen der kulturellen Arbeit des 
NSGD-Studentenbundes wird mit befon- 
derer Anterſtüzung Seiner Magnifizenz 
des Rektors der Iniverfität, Prof. Dr. 
Krüger, über den Studentenring der 
NS-Kulturgemeinde eine Deutſche Tana- 
gemeinſchaft ins Leben gerufen. Die 
Tanzgemeinſchaft fetzt ſich im 

Geiſte des Nationalſozialis⸗ 
mus für eine Neuordnung des 
geſelligen und feſtlichen Le- 
bens des deutſchen Volkes ein. 
Sie kämpſt im beſonderen um die Entwid- 
lung eines neuen deutſchengeſelligen Tanzes. 
Zur Erfüllung dieſer Aufgabe iſt fiir den 
Tanz zweierlei notwendig: Verwurzelung in 
den Kräften der Aeberlieferung und Neu- 
jormung aus dem Geiſte der Gegenwart. 
Die Arbeitsgruppen der Deutſchen Tanz— 
gemeinſchaft tanzen infolgedeſſen neben 
ausgewähltem, überliefertem Tanzgut der 
deutſchen und nordiſchen Völker neue 
gemeinſchaftliche Tänze. Beide Formen, 
die überlieferten und die neuen Tänze, 
werden einer ſtrengen Auswahl nach 
ihrem tänzeriſchen und muſikaliſchen Wert 
unterzogen. Anter Ablehnung unerlaubter 
Verniedlichung, Verjugend— 
lichung und Verweiblichung ſoll 
ihr Tanzſtil es aud dem erwachſe⸗ 
nen und anſpruchs vollen Men 
ſchen erlauben, mitzutun. 

Wir erwarten, daß gerade diejenigen 
Schichten, die den Anſpruch erheben, 
kulturtragend und kulturſchaffend zu wir: 


ken, ſich dieſer Aufgabe zur Verfügung 
ſtellen. Ans helfen nicht allein ſchöne 
Theorien, ſondern praktiſche und verant⸗ 
wortungsbewußte Mitarbeit. Die Stu- 
denten find hierzu in erſter Linie berufen.“ 


Anterzeichnet iſt dieſes Flugblatt vom 
Gaukulturſtellenleiter NSDStB Karl Riebe. 


Das Flugblatt ift eine einzige Geſchmack⸗ 
loſigkeit. „Die Tanzgemeinſchaft ſetzt ſich 
im Geiſte des Nationalſozialismus für eine 
Neuordnung des geſelligen und feſtlichen 
Lebens des deutſchen Volkes ein.“ Zunächſt: 
es ſteht außer Frage, daß ſich im Tanzweſen 
manches noch ändern muß. Aber dieſe Aende⸗ 
rung ergibt ſich ja zwangsläufig aus der 
dem deutſchen Menſchen neu gegebenen Hal- 
tung. — Hier iſt man geſchmacklos genug, 
für eine geringe Sache „den Geiſt des 
Nationalſozialismus“ zu zitieren und meint 
„für eine Neuordnung des geſelligen und 
feſtlichen Lebens“ eintreten zu müſſen unter 
Einſatz hehrſter Begriffe. „Verwurze⸗ 
lung in den Kräften der Aeberlieferung und 
Neuformung aus dem Geiſt der Gegenwart.“ 
Wenn dann noch geſchrieben wird: „Anter 
Ablehnung unerlaubter Verniedlichung, Ver- 
jugendlichung und Verweiblichung ſoll ihr 
Tanzſtil es auch dem erwachſenen und an- 
ſpruchsvollen Menſchen erlauben, mit- 
zutun ...“, können wir nur fagen: niedriger 
hängen! Zugunſten des Verfaſſers dieſes 
Aufrufes wollen wir annehmen, daß er ſich 
nichts dabei gedacht hat. „Verjugend⸗ 
lichung“? Soll der Greiſentanz kommen? 
Tanzſtil für den „anſpruchsvollen Men- 
ſchen“? Wird ein Fakultätstanz propagiert? 

Wir wußten gar nicht, daß die Wkade- 
mifer eine „Schicht“ find, die beſondere 
Anſprüche erheben. Iſt wirklich hier noch 
die Meinung, daß der Student irgendein 
Vorrecht hat, „kulturtragend und kultur— 
ſchaffend zu wirken“?! Wenn das der Fall 
iſt, ſollte man ſich hier erſt einmal „im Geiſte 
des Nationalſozialismus für eine Neuord— 
nung“ dieſer ganz irrigen Meinung ein— 
ſetzen. Da „helſen uns nicht allein ſchöne 


32 Büchermarkt 


Theorien, fondern praktiſche und verant- 
wortungsbewußte Mitarbeit“. 

Der Grundbeitrag für die Tanzgemein ; 
ſchaft beträgt 30 Pfennige pro Jahr. Die 
„Anſprüche“ ſcheinen nach dieſem Betrag 
bemeſſen zu ſein. 

Es bleibt feſtzuſtellen, daß 1936 ſo etwas 
eigentlich nicht mehr vorkommen follte. A tz. 


Ein Surium 

Anter den deutſchen Zeitſchriften friſtet 
ein Mauerblümchen ſein Dafein: „Das 
deutſche Wort.“ Darin wird recht harm- 
und anſpruchslos in Literatur gemacht. 

„Das Deutſche Wort“ erſcheint im Ver- 
lag Hans Bott, Berlin-Tempelhof. Klar, 
daß der Verlag darin auch ſeine Bücher an- 
zeigt. Im Heft 2 (1936) leſen wir dieſe 
Anzeige unter der Sammelüberſchrift 
„Schickſal und Sinn unſerer Zeit“: 


an 58 d Hoöpt ride 
n Hermann er- 
224 Seiten. Karton. 5— RM., 
Leinen 6,50 RM. 
Gedanken und Geſpräche über den 
Sinn der Gemeinſchaft: in der reiz- 
vollen Form einer Reiſeerzählung. 
Ein bedeutſames Gegenwartsbuch 
des ehemal. preußiſchen 
Staatsminiſters. 

Man zweifelt an den fünf Sinnen des 
Verlages. Der Finanzminiſter des No- 
vember- Preußen äußert ſich „über den Sim 
der Gemeinſchaft: in der reizvollen Form 
einer Neiſeerzählung“. Mehr Frechheit und 
Dummheit kann man in zwei Zeilen nicht 
unterbringen. Herr Bott wird geſtatten 
müſſen, zu bezweifeln, daß es ſich hier um 
„ein bedeutſames Gegenwartsbuch“ handelt. 

Aus der Perſpektive dieſer Zeitſchrift mag 
es „Gegenwart“ ſein. Die Ahren mancher 
Seitgenoffen gehen eben um Jahre nach. Atz 


Von 
Kurt 
Kränzlein. Verlagsanſtalt Otto Stol- 
berg G. m. b. H. 

Hier ikt Soldatenzeit in köſtlichem Humor eine 


Vom Arbeitsplatz zum W.-G. Dreyſe. 
Alfred J. Berndt und 


gefange Es wurden nicht acht Wochen mit „mili⸗ 
käriſcher⸗“ Ausbildung verbracht, ſondern Soldatentum 
erlebt! Deshalb lacht uns nicht an tiſche Laune 
entgegen, auch der Ernſt der Sp e und des 
Wo SES m er? po! at = 8 Doze 
Preußen“ geſchilder as Buch we 

Erinnerungen bei denen, die gedient haben. i Hel 
unſerer Jungmannſchaft aber, die dienen wird, wird 
es den Wunſch ſtärken, Soldat zu werden! bo—y. 


Das deutſche Soldatenlied. Von Werner 
Kohlſchmidt. Junker und Dünn⸗ 
haupt-Zerlag, Berlin 1935. 


Hauptſchriftleiter: Günter Kaufmann (z. % tn Urlaub). 
und M a . 10. 


Macht“, e tung, Berlin 
G. m. b. $., 35 5125 Rr, 6, Tel 
tndt, Berlin. — DU IV. B 


Serli Berlin 


Otto 


ie Poſt. Boftbezug v ſertel 
bitte den Bettag in Briefmarken beizulege 
erledigt werden kann. Maſſen 


Der Verfaſſer hat den Verſuch unter 
nommen, eine möglichſt umfaſſende Su- 
ſammenſtellung des deutſchen Soldatenliedes 
vorzunehmen. Das iſt ihm geglückt, Es 
wird die Entwicklung aufgezeigt vom Lands⸗ 
knecht bis zum modernen Soldaten. Die 
Auswahl hätte durch einige Lieder des po- 
litiſchen Soldatentums der Nachkriegszeit 
erfreulich erweitert werden können. 


Ein Hinweis: Am Irrtümern vor⸗ 
zubeugen, bittet uns Kamerad Grothe, barauf 
hinzuweiſen, daß in feinem Aufſatz „Treue 
und Schickſal“ einige Zitate aus einem Auf- 
ſatz Dr. Weſteckers verſehentlich nicht ge 
niigend als ſolche hervorgehoben wurden. 


EE EE SE Karl Tappe Anſchrift: „Wille 
Tel. D 2 5841. Vetlag: Deutſcher Jugend- 
Be rantw. für den Anzeigenteil: Kurt 


8 9006. — 
erlin SI 68. 


.,— Druck: Theodor Abb Buchdruckerei 


A Nr. 

ille und Macht“ tft dk begiehen, bot gen Sugendoetiag oder jede deutſche Bußhanblung ſowie duró 
ar Nachnahmeſendun 

Kä durch den Verlag 


Bei Beſtellung von 1 bis 3 einzelnen Nummern 
zu teuer iſt und dieſe Beſtellung ſonſt nicht 
aut beſonderen Bezugs bedingungen. 


MA =o ame 


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Wë KA ch EA eee A 


ge Va wä CA 


Helden des großen Krieges 


bat Thor Goote auch ſeine beiden neuen Werke gewidmet. 


„.. Anbergleichlicher Franke.“ 


Bild eines deutſchen Soldaten. In Leinen RM. 4,80. 
Mit Geleitworten von Generalmajor Lieth. Thomſen und Major Biſchoff. 


Ein Noman vom Leben, Kämpfen und Sterden des großen Aampffliegerd und Freikorps 
führers Nudolf Berthold aus Anterfranken, der von feinen Kameraden anerkennend „under 
gleichlicher Frauke genannt wurde. Vor dem Kriege war er Leutnant und freiwilliger Jugend ; 
führer, zu Kriegsdeginn an eutſcheidender Stelle als Beobachter tätig, ſpäter gefürchteter 
Bombenflieger und ſchlietzlich einer der erfolgreichſten Jagdflieger des großen Krieges. Viermal 
verwundet, ſechsmal abgeſtürzt, aber tros ſchwerſter körperlicher Leiden Steger in 44 Luft⸗ 
kämpfen. 16 Cuftflege errang er mit einer Hand, den rechten Arm zerſplittert, die Nerven 
perriffen, von unvorſtellbaren Schmerzen gefoltert. Als Freikorpsführer kämpfte er nach dem 
Kriege in Bayern und Baltikum mit feiner „Eiſernen Schar“, dis ihn Marxiſten bet leden- 
digem Leibe gerriffen, als er feine treuen Leute retten wollte. Ein Buch von höchſter Pfliche⸗ 
erfüllung und treuer Kameradſchaft. 


In Trichtern und Wolken 


Herausgegeben von Thor Boote. 2. Auflage. Leinen AM. 4,50. 
Mit Geleitworten von Reidhsminifter General Göring, Generalfeldmarſchall 
v. Mackenſen und Generalleutnant v. Schoch. 


Die Kriegsauffeichnungen eines außergewöhnlichen Soldaten, von dem noch Heute feine Leute 
mit ſeltener Anhänglichkeit ſprechen. Es find meiſt Briefe, die der junge Offizier während des 
Krieges feiner Mutter fried, mit der ihn vorbildliche, liebende Kameradſchaft verband. Er erzählt 
Hier von Vormarſch, Patrouillen, Lagerfeuer, Schügengraben und manchem Sturm als Snfan- 
teriſt, erzählt, wie er verwundet und gasvergiftet wurde und wie ibm ſchließlich fein General 
ſelbſt das Regiment im Parademarſch vorführte, als Ehrung für feine außergewöhnliche 
Leiſtung. Er berichtet, wie es ihm auf der Gitegeridule erging, wie er bei der Feldflieger⸗ 
abteilung gleich zwei Engländer abſchoß, was er in der Jagdſtaffel Boelcke erlebte, in der er mit 
Nichthofen, Boß und Bernert zuſammen kämpfte. Dann folgen atemraubende Luftgefechte des 
jungen Staffelführers, bis die Eintragung des Burſchen das Tagebuch für immer abſchließt. 


Dieſe prächtigen Romane erhalten Sie in jeder Buchhandlung. 
Verlag Georg Weftermann + Braunſchweig 


Munchen 43 2116 
Schriftltg. der N 5 Frauen- 
warte Fach 80 


Hans Heyd 


Sriedrich Wilhelm I. 


Amtmann und Diener Gottes auf Erden 


Hans Geyd hat mit feinem neuen Roman über Friedrich Wilhelm l. 

ein Se leuchtendes Zeitgemälde geftattet, das das Europa des 

18. Jahrhunderts in aller Unmittelbarkeit lebendig werden läßt. 

Von Potsdam und den Kaſernen des Königs, vom Hof in 

Berlin, von Wuſterhauſen und den Herbftſagden Friedrich 

Wilhelms ſpannt die feſſelnd aufgebaute Handlung ihre Fäden 

8 den Höfen in Wien, Hannover, Stockholm und Paris. 6 
ie wilden Abenteuer des nordiſchen Krieges und die Intrigen 

der ſpaniſchen Erbfolge 0 hinein und geben ihr ftarffte 

dramatiſche Wirkung. armer Humor und eine wuchtige, 

kraftvolle Sprache verleihen dieſem Buch eine unverglei liche. 

dichteriſche Kraft und werden ihm immer neue Freunde gewinnen. 


466 Seiten. Pappband RM. 4,50, Ganzleinen RM. 5,50 | 


Eberhard Wolfgang Möller 


Das Schloß in Ungarn 


Roman. 60. Tauſend 


Eberhard Wolfgang Möller, der mit dem nationalen Bud- 
ber 1934/35 ausgezeichnete KC des jungen Deutſchlands, 


at mit ec, Roman „Das Schloß in Ungarn“ wieder ein | 
erk geſchaffen, das ganz am Geiſte der HS ausgerichtet ift. 
Volkstum und ſoldatiſche Haltung find die beiden großen Ge⸗ | 
danken dieſes Buches, deffen ungemein ſpannende Handlung in 
die ungariſche Revolution von 1848 führt, und das aus der 
Gegenüberſtellung des Soldaten und des 55 ſein Volkstum | $ 
kämpfenden Revolutionärs immer neue Höhepunkte ſchafft. ` 
ieſes Buch ift uns allen aus dem Herzen geſchrieben. | 


419 Seiten. Pappband RM. 4,50, Ganzleinen RM. 5,50 


Zeitgeſchichte 


Verl ag und Vertriebs ⸗Geſellſchaft m. b. H., Berlin W35 


— — —— eee .. — . TTT: TTT ]Ü—oſ ! ᷑—112ʃ! —᷑ ee e- AA 


IS, 


Sabvevorgan der nationalſozialiſtiſchen Sugend 


Aus dem Subali: 


Rosenber / Nationalsozialistische Erzie 
Thilo v. Throta | Charakter und Schönheit 
Hanns Johst / Nation und Dich -7 


| Freie Stadt Danzig? — Die Unfruchtbarkeit der bündischen Jugendbewegung — + 
Pflicht — Außenpolitische Notizen — Randbemerkungen — Vom Büchermarb: 


l 


nen Soh 6 Berlin, den 15. Sebenuat 1036.  Eitiselpueis 30 Pia 


Nationalſozialiſtiſche Erziehunnmm ggg Alfred Rofenberg 
Nation und Dichtung ta ee ei Hanns Johſt 
Charakter und Schönheit Thilo v. Throta 
Freie Stadt Danzig? . gg Herbert Gutjahr 
Kleine Beiträge: 

Die Anfruchtbarkeit der bündiſchen Jugendbewegung 

Recht und Pflicht 


Außenpolitiſche Notizen: 
Tarif nach Geſichts farbe 


Randbemerkungen: 
Pflichteifer — Beamtenentlaſſungsgrund! Wo? — In C. S. N. 
„Deutſches Auslandsinſtitut“ in Wien 
Welchen Nutzen haſt du? 


Vom Büchermarkt 


Kunſtdruckbeilage: Das Geſicht des Schauſpielers 
Mathias Wieman (Foto Europa) 
Käthe Gold, Friedrich Kayßler, Angela Salloker (Foto Ufa) 


Aach 


gabrerorsan Sev nationalſosialiſtiſchen Zeen 


dahrgang 4 Berlin, 15. Februar 1936 Heft 4 


Alfred Rosenberg: 


Aatioualſozialiſtiſche Ersiebuus 


Mit Genehmigung von Reidsleiter Rofenberg bringen wir dieſen Aufjat 
als Vorabdruck aus dem in nächſter Zeit im Cher-Verlag erſcheinenden Buche 
„Geſtaltung der Idee“. 

Es gab einmal eine Zeit, da große deutſche Träumer von einer „Erziehung 
des Menſchengeſchlechts“ ſprachen und alle ihre Kräfte dafür einſetzten, 
dem langerſehnten Ziel einer „Humaniſierung der Menſchheit“ erfolgreich zuſtreben 
zu können. Niemand von uns wird diefe große innere Bereitſchaſt und die Kraft 
des Aeberzeugungsmutes, der einſt von Leſſing und Herder ausging, gering ſchätzen, 
verdankt doch Deutſchland ihnen viele ſeiner ſchönſten Antriebe. And doch werden 
wir heute ſagen müſſen, daß, ſo reich die Schätze ſind, die uns die Großen des 
18. Jahrhunderts hinterlaſſen haben, die Gedanken einer Menſchheitserziehung in 
den Händen kleiner Epigonen des 19. Jahrhunderts doch in einen alles verflachenden 
Schematismus und ſchließlich in einen hohlen Internationalismus mündeten. Die 
Erziehung wurde im letzten halben Jahrhundert unbiologiſch und allen inneren 
Geſetzen der Raſſen und Völker entgegen als ein magiſches Zaubermittel hingeſtellt. 
Das Wort, daß man durch Erziehung ſchließlich alles erreichen könne, und daß 
faft nur fie den Charakter des Menſchen, fein Schickſal und fein Handeln beftimme, 
wurde nahezu Zwangsglaubensſatz vieler Geſchlechter und verhinderte immer wieder 
das Aufkommen eines den Seelengeboten und organiſchen Naturgeſetzen ent- 
ſprechenden Denkens. Die herrſchenden, von rein wirtſchaftlichen Intereſſen be⸗ 
ſtimmten Anſchauungen befagten, daß Weltanſchauungen nichts mehr und nichts 
weniger bedeuteten, als die wahlloſe Ausdehnung des Entwicklungsdogmas auf alle 
Gebiete des Lebens. Daraus folgte unausgeſprochen der Glaubensſatz, daß aus einem 
beftimmt gearteten Weſen eine ganz anders geartete Geftalt durch Erziehungs- 
methoden erreicht werden könne. Noch tiefer ausgedrückt, wurde damit geſagt, daß 
aus nichts eine geiſtige und politiſche Geſtalt geboren werden könne. 


2 Rofenberg / Nationalſozialiſtiſche Erziehung 


Dieſe rein abſtrakte Erziehungsphiloſophie war die Parallelerſcheinung, genauer, 
die Vorausſetzung des demokratiſchen politiſchen Gedankens und damit des 
parlamentariſchen Syſtems. Denn auch dieſes demokratiſche Syſtem behauptete, daß 
durch Zuſammenlegung von vielerlei Gedanken ein neuer ſchöpferiſcher Staats - 
gedanke, eine allen Erforderniſſen entſprechende ſtaatsmänniſche Tat geboren werden 
könne, ja, daß dieſes Syſtem die eigentliche höchſte Errungenſchaft des menſchlichen 
Denkens darſtelle. Nun ſagt uns das Leben zwar tauſendfach, daß nie aus Zu⸗ 
ſammenſtampfen vieler Samenkörner eine Geſtalt entſteht, ſondern daß für ewige 
Zeiten nur aus einem, ganz beſtimmt gearteten Samen der Weizen und aus 
einem anders gearteten etwa die Gerſte entſprießt. Aber die Gelehrtenwelt des 
19. Jahrhunderts und die naturentfremdeten Menſchen der Weltſtädte hatten das 
Sehen verlernt, mit der Kraft der Anſchauung aber ſchwand 
auch die Klarheit des Denkens dahin, und es hat einer jahrzehntelang 
ſich vorwärtstaſtenden geiſtigen Revolution bedurft, um ſchließlich, auch nach ſchwerſten 
Erſchütterungen des ſtaatspolitiſchen Lebens, den Sieg über die Gedankenwelt des 
18. und 19. Jahrhunderts zu erringen. 

Heute glauben und wiſſen wir, daß eine Erziehung, die ſich im Ziele ſetzt, 
einen einheitlichen Menſchentypus zu ſchaffen, zu Mißachtung und Vergewaltigung 
ewiger Naturgeſetze führen muß, und daß deshalb auch die fih aufbäumende Natur 
an dieſen Erziehungsmethoden ſich dadurch rächt, daß ſie Völker und Staaten in 
zuckenden Revolten vergehen läßt. Die ſe Erſchütterungen find es dann, die die 
Menſchen zu letzten Entſcheidungen aufrufen, zum Nachweis darüber, ob ſie zu 
ſchwach find, mit dem Leben zu leben und ſomit als Nation und Raſſe untergehen 
müſſen, oder aber, ob ſie die Geſetze dieſes ewigen Lebens anerkennen und mit 
ihnen gemeinſam eine Klärung und Feſtigung der ihnen verliehenen ſeeliſchen Geſtalt 
durchführen wollen. 

Es ift dabei nicht fo, als ob auf irgendwelche geheimnisvolle, „ſchickſals 
mäßige“ Weiſe der Verlauf der Menfchheits- und Erziehungsgeſchichte vorher 
beſtimmt und unabänderlich ſei. Ein Philoſoph in München hat ſich bemüht, mit 
Hilfe einer ſogenannten „Kulturkreislehre“ eine ſolche „Schickſalsmäßigkeit“ zu ton- 
ſtruieren. Aus irgendeinem Grunde — man weiß nicht, wieſo und weshalb — ſenkt 
ſich nach dieſer Auffaſſung ein Kulturkreis aus nebeliger Höhe hernieder auf ein 
Stückchen Erde, und fo find dann der indiſche, der griechiſche, der römiſche Kultur- 
kreis entſtanden. Die Menſchen dieſes Kreiſes ſind anfänglich heldiſch, ſchöpferiſch. 
Die Kultur erſtarrt dann in Ziviliſation, und in Millionenſtädten bricht dieſe 
Ziviliſation und damit das Menſchentum zuſammen, ſei es von innen zermürbt, fet 
es von außen zerſtört. Dieſe rein konſtruktive Lehre einer ins 20. Jahrhundert noch 
wie eine Verſteinerung hereinragenden Größe des 19. Jahrhunderts iſt heute von 
uns allen überwunden und abgeworfen. Wir haben es dabei nicht mit einer 
Morphologie, d. h. mit einer Geſtaltenlehre zu tun, ſondern nur mit einem Experi- 
ment an einem zum Antergang beſtimmten Objekt. Hier haben wir von vornherein 
angegriffen und die ſeeliſch-biologiſchen Gebote des deutſchen Menſchen in den 
Mittelpunkt unſeres Denkens geſtellt. 


Rofenberg / Nationalſozialiſtiſche Erziehung 3 


Der gleiche Herder, der von der Humanität der Menſchheit träumte, hat 
zugleich eines der ſchönſten Worte ausgeſprochen, die am Ausgangspunkte aller deut- 
ſchen Erziehung ſtehen können. Er ſagte: „Es hat jede Nation ihr Zentrum der 
Glückſeligkeit, wie jede Kugel ihren Schwerpunkt.“ Damit iſt in genialſter Weiſe 
die Eigengeſetzlichkeit und Ewigkeit einer echten Volksgeſtalt, heute können wir fagen 
einer Raffenfeele, ausgeſprochen worden, und in dieſem Geifte find wir alle 
Kinder Herders und jener, die in dieſem Sinne nach ihm gewirkt haben: wir 
fühlen beglückt, auch ſtaatlich Geſtalter des deutſchen Schickſals geworden zu ſein 
und nunmehr in einer Zeit leben zu dürfen, wo wir uns nicht mehr anmaßen, die 
ganze Menſchheit zu erziehen, ſondern unſer größtes Glück darin erblicken, 
den deutſchen Menſchen „rechtwinklig an Leib und Seele“ in ſeinen ewigen 
Antrieben kennenzulernen und alle in ihm ſchlummernden Möglichkeiten zu ge⸗ 
ſtaltender Tat zu führen. 

Damit ſchält ſich das Weſentliche deſſen heraus, was die deutſche Erziehung 
leiſten kann, was ſie dann aber auch mit ſtärkſter Eindringlichkeit tun muß. Ich 
habe verſucht, ſeſtzuſtellen, welches „Zentrum der Glückſeligkeit“ eigentlich bei den 
großen, nordiſch beſtimmten Kulturvölkern lebendig geweſen iſt und habe folgendes 
als Ergebnis niedergelegt: 

Nach einer Rückſchau von fernſter Vergangenheit bis auf die jüngſte Gegen- 
wart breitet ſich vor unſerm Blick folgende Vielgeſtaltigkeit nordiſcher Schöpferkraft 
aus: Das ariſche Indien beſchenkte die Welt mit einer Metaphyſik, wie fie 
an Tiefe noch heute nicht erreicht worden iſt; das ariſche Perſien dichtete uns den 
religiöſen Mythos, von deffen Kraft wir alle noch heute zehren; das doriſche 
Hellas erträumte die Schönheit auf dieſer Welt, wie fie in der uns vorliegenden, 
in ſich ruhenden Vollendung nie mehr verwirklicht wurde; das italiſche Rom zeigte 
uns die formale Staatszucht als Beiſpiel, wie eine menſchliche bedrohte Ge⸗ 
ſamtheit ſich geſtalten und wehren muß. And das germaniſche Europa beſchenkte die 
Welt mit dem leuchtendſten Ideal des Menſchentums: mit der Lehre von dem 
Charakterwert als Grundlage aller Gefittung, mit dem Hochgeſang auf die 
höchſten Werte des nordiſchen Weſens, auf die Idee der Gewiſſensfreiheit und der 
Ehre. Am dieſe wurde auf allen Schlachtfeldern, in allen Gelehrtenſtuben ge⸗ 
kämpft, und flegt diefe Idee im kommenden großen Ringen nicht, fo werden das 
Abendland und ſein Blut untergehen, wie Indien und Hellas einſt auf ewig im 
Chaos verſchwanden. 

Mit dieſer Erkenntnis, daß Europa in allen ſeinen Erzeugniſſen ſchöpferiſch 
gemacht worden ift allein vom Charakter, iſt das Thema ſowohl der euro- 
päiſchen Religion als auch der germaniſchen Wiſſenſchaft, aber auch der nordiſchen 
Kunft aufgedeckt. Sich dieſer Tatſache innerlich bewußt zu werden, fie mit der ganzen 
Glut eines heroiſchen Herzens zu erleben, heißt die Vorausſetzung jeglicher Wieder- 
geburt ſchaffen. 

Ich glaube, daß mit dieſen Feſtſtellungen der Kern der Erziehungsaufgaben für 
das deutſche Volk deutlich hervorgetreten iſt. Die deutſche Erziehung wird nicht 
formal-äſthetiſch fein, fie wird nicht eine abſtrakte Vernunftgeſtaltung anftreben, 


4 Roſenberg / Nationalſozialiſtiſche Erziehung 


ſondern ſie wird in erſter Linie eine Erziehung des Charakters darſtellen. 
Damit wird das Erziehungsideal des 18. und 19. Jahrhunderts bewußt und in- 
ſtinktiv beiſeitegeſchoben und angeknüpft an alle großen Geſtalten deutſcher Ver- 
gangenheit und deutſcher Gegenwart. Ein großer Menſch und ſeine Tat erſcheinen 
uns tauſendmal wichtiger und erzieheriſch wirkſamer, als eine ſcheinbar noch ſo kluge, 
vernunftmäßige Theorie. Im Mittelpunkt der deutſchen Erziehung werden deshalb 
die großen Menſchen der deutſchen Erde ſtehen, und nicht danach, ob ſie einem 
humaniſtiſchen oder international-univerſaliſtiſchen Idealbild dienten, zu werten fein, 
ſondern danach, mit welcher Kraft und welchen Charakterwerten ſie dieſes um⸗ 
geſtaltet oder ſich zum deutſchen Menſchen ſchlechtweg bekannt haben. And zu gleicher 
Zeit wird eine deutſche Erziehung zeigen müſſen, wie ſich dieſer Gedanke der Ehre 
immer gepaart hat mit dem Gedanken einer Gewiffens- und Forſchungsfreiheit, wie 
um den Gedanken der Ehre nicht nur gekämpft worden iſt auf den Schlachtfeldern 
Europas und auf dem Gebiet der Politik, ſondern auch in den Gelehrtenſtuben und 
in der Seele aller großen Künſtler. Die Schlacht von Leuthen iſt für uns hier ein 
gleiches Beiſpiel größter Charaktererziehung wie der Fauſt oder eine heroiſche 
Symphonie Beethovens. 

Zu gleicher Zeit findet durch dieſen Gedanken eine echte Rückkehr zur 
Natur in einem ganz anderen Sinne ſtatt, als es die Anhänger des Träumers 
Rouleau oder des chaotiſchen Tolſtoi jemals geahnt hatten. Denn die Rückkehr zur 
Natur, zu ihren Geſetzen und ihren Schönheiten, die wir heute aus der Sehnſucht 
des Weltſtadtmenſchen heraus erleben, iſt nicht eine ſentimentale Verzückung, ſondern 
bedeutet das Neuerleben der deutſchen Landſchaft, der deutſchen Erde und des damit 
verbundenen Weſens, und ebenſo deshalb auch ein tiefes Bejahen des deutſchen 
Bauern als des ſtärkſten Trägers dieſes Schickſals und als des ewigen Er- 
neuerers des deutſchen Blutes, das wieder die Vorausſetzung herſtellt zu kraft⸗ 
voller Verteidigung des deutſchen Bodens. 

Dieſe Rückkehr zur Natur bedeutet aber auch Anerkennung aller Fähigkeiten 
des Leibes, und neben die Erziehung des Charakters ſtellt ſich ſomit die Er- 
ziehung des Körpers. Das Turnen und der Sport ſind nicht dazu da, um große 
Rekorde zu erzielen, ſondern hervorragende Leiſtungen ſollen nur Zeugnis für die 
Kraft des Willens, für die Schlagfertigkeit des Geiſtes und für die Zähigkeit der 
Nerven liefern. Aus dieſem Geſichtspunkt heraus erſtrebt die deutſche Leibes 
erziehung bewußt nicht nur Weltrekorde, ſondern die höchſtmöglichſten Leiſtungen 
geſchloſſener Körperſchaften, nicht einige krankhaft gezüchtete Außenſeiter, ſondern 
eine große Leiſtung des Durchſchnitts. Dieſe Erkenntnis bildet aber gerade die 
Hoffnung, daß eine ſtarke, geſunde, zuſammenwirkende Gemeinſchaft zugleich auch 
die befte Vorausſetzung bietet nicht für unnatürliche Aeberzüchtung, ſondern für ein 
organiſches Hinauswachſen allerſtärkſter Perſönlichkeiten und Leiſtungen. Die 
Erziehung des Leibes iſt die Ergänzung für die Stählung des Charakters, für die 
Feſtigung des Willens beim Anſtreben eines ſich geſetzten Zieles, und ſo vereinen 
fih Seele und Leib zu einer einzigen Leiſtung. Dann kann jene organiſche Ber- 
bundenheit entſtehen, die einmal in einem freien Zeitalter nordiſcher Geſchlechter in 


Rofenberg / Nationalſozialiſtiſche Erziehung 5 


Hellas für kurze Zeit verwirklicht worden war. Das Geheimnis der griechiſchen 
Kultur liegt darin, daß nordiſche Völkerſchaften einſt ſich ein anderes Land unter⸗ 
warfen und, von einem klaren Schönheitsideal getrieben, Leib und Seele einheit ; 
lich geſtalten und erziehen konnten. Deshalb iſt uns das alte Griechenland nicht 
ein Beiſpiel, das uns irgendein fremdes Volk gegeben hat, dem nachzueifern 
eine Schande oder mit nationaler Würde nicht vereinbar ſei, ſondern das antike 
Hellas hat uns nur gezeigt, wie ein nordiſches Volk fidh frei geſtalten konnte, wäh- 
rend anderthalb Jahrtauſende deutſcher Geſchichte bedrückt waren von univerfali- 
ſtiſchen Dogmen und den ihnen entſprechenden militärpolitiſchen Zwangsherrſchaften. 
Deshalb iſt die Wiedergeburt der Antike, die ſich in den heutigen Seelen des neuen 
Deutſchland vollzieht, im tiefen Sinne die Wiedergeburt auch des freien ger- 
maniſchen Menſchen, und die einzige, wirklich große Aufgabe für die national- 
ſozialiſtiſche Bewegung beſteht darin, die Werte des Charakters zu ſtählen, den 
Forſchungstrieb ein dem tiefſten Willen entſprechendes Motiv zu geben, die bio- 
logiſchen Notwendigkeiten des Lebens zu erforſchen und ſich gemeinſchaftlich ein 
Schickſal zu geſtalten, das den Naturgeſetzen des Lebens und den ewigen Forde- 
rungen der deutſchen Raffenfeele entſpricht. Von dieſer einen Erkenntnis aus 
wird die nationalſozialiſtiſche Idee fruchtbringend ausſtrahlen können auf alle Ge- 
biete der Wiſſenſchaft, der Geſchichte und wird — ſo hoffen wir — auch einmal 
jene ſtarke ſeeliſche Spannung erzeugen, aus der artechte bildende Kunſt und Didt- 
kunſt geboren wird. S 


Es ift vielleicht kühn, fic) derartige Ziele zu ſtellen; aber in der Geſchichte der 
Völker haben nur wirklich große Ideen bezaubert, und nur machtvolle Gedanken 
haben den Menſchen in ihren Bann geſchlagen und ſie gezwungen, ihnen zu folgen. 
Wer nicht wagt, ſelbſt Geſchichte zu geſtalten, ſoll die Finger 
von Staatspolitik und Philoſophie laffen. Wer nicht den feften 
Willen hat, Menſchen innerlich zu formen, ſoll nicht das Wort ergreifen, um Seelen⸗ 
geſtalten zu bilden. Wir alle aber fühlen uns, geſtählt durch jahrelange Prüfungen 
und Kämpfe, ſtark genug, um uns ganz in den Dienſt des blutgebundenen Gr, 
neuerungsgedankens zu ſtellen und auf allen Gebieten jene Menſchen bilden zu helfen, 
die, von gleichem Willen getragen, Volkserzieher der Deutſchen werden wollen im 
ſtetigen Bemühen, die leiblichen und geiſtigen Kräfte zu ſtählen, alle Widerſtände 
zu überwinden und ſchließlich das zu ſchaffen, was das Streben vieler Jahrhunderte 
geweſen iſt: einen ſtarken, nach außen geſicherten freien deutſchen Staat als Schirmer 
und Schützer einer großen deutſchen Volkskultur, eines in ſich ruhenden und immer 
wieder lebendigen deutſchen Menſchentums. | 


+ 


Mit dieſen Bekenntniſſen und Erkenntniſſen nimmt die nationalfozialiſtiſche 
Bewegung zweifellos eine große Verantwortung für die Geſtaltung des 
deutſchen Menſchen auf ſich, aber ſie tut es, weil ſie von einem großen Glauben 
an die Sicherheit ihres Inſtinktes getragen wird. And ſo wie der 
politiſche Kampf Geſtalt gewonnen hat, ſo hoffen wir, daß auch der kommende 


6 Rofenberg / Nationalſozialiſtiſche Erziehung 


funkelnde Geiſtes kampf, dem wir entgegengehen, gleichfalls eine weltanſchauliche 
plaſtiſche Formung hervorbringen wird. 

Wir find uns natürlich bewußt, daß das geiſtig⸗ kulturelle Leben durch keinerlei 
Formeln und Zwangsglaubensſätze im einzelnen beſtimmt und geregelt werden 
kann. Die ſchöpferiſche Perſönlichkeit wird immer durch ihre Tat erweiſen, 
was fie richtunggebend zu leiſten vermag. Dieſe Tat aber ift dann aud wirt. 
lich Richtung, und das iſt entſcheidend auch auf dieſem Gebiet unſeres Lebens. 

Richard Wagner hat einmal einen wunderbar weiſen Satz für alle Erzieher 
ausgeſprochen. Er ſagte, was der Menſch in feinem ſchaffenden Leben poſit iv 
wolle, das wiſſe er nicht immer genau, was er aber nicht wolle, das erkenne er 
faſt immer; und wenn er nur alles von fih abſchüttele, was ihm zutiefſt wider- 
ſtrebe, dann werde ihn ſein Inſtinkt zu dem führen, was ſeinem Weſen gemäß ſei. 
Dieſe erzieheriſche Weisheit, die mit den Worten Goethes, was uns das Innere 
ſtöre, dürften wir nicht leiden, zuſammenfällt, wird im einzelnen und allgemeinen 
die Haltung von uns allen bedingen. Wir wollen unſer Arteil nicht durch Formeln 
verengen, aber wir wollen auch nicht den erwachten Inſtinkt nunmehr wieder ver- 
ſchütten und mit einer neuen Kruſte unangebrachter „Großzügigkeit“ umſchließen 
laffen aus Angſt, einzelne „Richtungen“ zu fördern, ſondern wollen nach wie vor 
das eindeutig ablehnen und bekämpfen, wovon wir überzeugt ſind, daß es unſer 
Inneres ſtört. Wir lehnen die ganze Sphäre der politiſchen Gedankenwelt der letzten 
150 Jahre ab, wir empfinden aber auch eine tiefe innere Abneigung gegen die den 
letzten Jahrzehnten entſprechenden verkrampſten Darſtellungen auf dem Gebiete der 
bildenden Kunſt und vieler dem ganzen Lebensrhythmus des Deutſchen wider- 
ſprechenden Konſtruktionen auf dem Gebiete der Muſik. Es iſt hohe Zeit, daß unſer 
Geſchlecht die tiefe Achtung und die große Ehrfurcht vor den Schöpfungen des deut- 
ſchen Genies, ganz gleich aus welchem Jahrhundert, wieder aufbringt und z. B. 
nicht jeden unreifen Ausbruch des Pinfels als eine unerhörte Leiſtung eines 
myſtiſchen Naturwillens hinzuſtellen wagt. 

Ein großer Teil der nationalſozialiſtiſchen Erziehungsarbeit wird alſo in einem 
vorbeugenden Wirken beſtehen, einem ernſten Beſtreben, das Anbiologiſche, 
das dem germaniſchen Willen Widerſtrebende, auszuſcheiden oder an der fremden 
Geſtalt das eigentliche Ich wieder zu vollem ſchöpferiſchen Bewußtſein zu entfalten. 
Auf diefe Weiſe wird die Vorausſetzung dafür geſchaffen, daß die große Perſönlich⸗ 
keit auch den wirklichen Widerhall findet und nicht ein Seher inmitten einer ver⸗ 
ſtändnisloſen Umwelt bleibt. Volk und Perſönlichkeit ſtehen in tiefſter innerer 
Wechſelwirkung, und je inſtinktſicherer eine Nation empfindet, um ſo bereitwilliger 
wird ſie eine Schöpferkraft ihrer Art empfangen und verehren. Dieſe Säuberung 
des Geiſtes und des Inſtinktes, die Anbefan genheit des Blutes mie, 
derherzuſtellen, iſt vielleicht die größte Aufgabe, die die nationalſozialiſtiſche 
Bewegung ſich nun zu ſtellen hat. Ihr zu dienen, fordert ganze Menſchen, fordert 
Mut, fordert gelegentlich auch Anbekümmertheit, wird uns aber auch das be⸗ 
glückende Bewußtſein geben, auf dieſer Erde unſere Pflicht und Schuldigkeit getan 
zu haben. | 


Johſt / Nation und Dichtung 7 


Hanns Johst: 


Ration und Dichtung 


Nation und Dichtung, es ſcheint jeder natürlichen Betrachtung als eine 
organiſche Harmonie, eine vorausſetzungsloſe Zuſammengehörigkeit, es ſcheint ſelbſt · 
verſtändlich zu ſein! 

Ein Nation ohne Dichtung wäre eine ftumme, lautloſe Erſcheinung unter den 
Völkern, eine Erſcheinung, zu der es keine Wege des Herzens geben würde und 
anderſeits iſt eine Dichtung ohne die Gegenſtändlichkeit, die Realität und das Be⸗ 
kenntnis einer Nation unausdenkbar. Die Mutterſprache ift und bleibt das un- 
trügliche Element, das Dichtung und Nation bindet. 7 


Wie kommt es nun, daß das 19. Jahrhundert diefe natürliche und fruchtbare 
Wechſelbeziehung zwiſchen politiſchem Willen und dichteriſcher Sehnſucht unterbrach? 


Die Dichtung glaubte, fie müſſe fic) entpolitifteren, fle müſſe rein geiſtig werden, 
fie müſſe ihre Ideale derartig an Metaphyſik verhaften, daß jede Staatraiſon, jedes 
ſchlichte Nationalgefühl einem ſolchen Idealismus gegenüber nur Bindung und Be⸗ 
grenzung, nur Lähmung und Ballaſt bedeuten könne. Ein grenzenloſes Unabhängig- 
keitsgefühl fürchtete in den Grenzen eines Vaterlandes ſeinen Geſetzen, Ordnungen, 
Pflichten, Verzichten und Opfern zu verkümmern. Das Vaterland galt Provinz 
im Raum der Welt und das Provinzielle verfiel von der Perſpektive der Welt 
her der Satyre. Statt das Vaterland durch grenzenloſe Hingabe zu verklären und 
zur feſten Burg wider alles Fremde und Feindliche zu erhärten, ſtatt alle Ideale 
in der gegebenen Begrenzung zur Vollendung zu zwingen, verneinte man dieſen 
Zwang, ließ diefe fittlide Verpflichtung als überaltet fallen und bekannte ſich zu 
einer geiſtigen Freizügigkeit und einer hemmungsloſen Freiheit. Man proklamierte 
das Weltbürgertum. Man trug Weltſchmerz. Weltgefühle allein lohnten einer 
höheren Kunſtauffaſſung als Aufgabe! Der gute Nachbar und der Patriot wurden 
komiſche Figuren. Das deutſche Gemüt verfiel der Ironie. Weber die naive. 
Einſicht wurde eine internationale Bildung geſtellt. An Stelle 
des gut Bürgerlichen trat das Ziviliſatoriſche und die Humanität. Der Begriff 
des Volkes wurde als überlebt abgegolten und die Menſch⸗ 
heit trat in den Blickpunkt. Die Weltſtädte wurden tonangebend. Die 
Gefühle und Leidenſchaften wurden motoriſiert und wer da irgendwo in irgendeiner 
idylliſchen Heimat etwa noch glaubte, er könne zu Fuß den Parnaß erreichen, der 
wurde von den Ingenieuren dieſer modernſten Dichtung als verſtaubtes Requifit 
einer romantiſchen, verſunkenen Zeit verlacht oder, peinlich berührt von ſolch alt⸗ 
ſränkiſcher Art und Weiſe, überſehen. 

Die Kunſt wurde im Tempo der Technik ſtändig abſtrakter. Der Abſolutismus 
des Geiſtes wurde Ziel. d 


Ich muß hier viele Fremdworte gebrauchen, aber diefe Gremdworte daraftert- 
fieren und bezeichnen ja gerade am treffſicherſten das Programm und den Ausdrucks. 
willen dieſer Epoche. | 


8 Johſt / Nation und Dichtung 


Die Dichtung glaubte Selbſtzweck zu ſein. Volk, Politik, Volksgemeinſchaft 
waren Zweckmäßigkeiten, die als undichteriſche Bodenſtändigkeit mißachtet wurden. 

Das Bodenſtändige galt als klein, eng, niedrig. Es ließ ſich unter dem Schlag⸗ 
wort „Naturalismus“ höchſtens als Milieu literariſch verwerten und führte logiſcher⸗ 
weiſe bei dieſer Auffaſſung zu einem ſozialen Nihilismus. 

Aber jeder Staat machte aus idealer Menſchheit — Staatsbürger; jeder Staat 
engt die Welt in vaterländiſche Heimat ein; jeder Staat beherbergt in ſich Tradition 
und Geſetz! Afo: Nieder mit dem Staat. Es lebe der Nihilismus!!! 

Der Bolſchewismus nahm ſich dieſer europäiſchen literariſchen Gegebenheit ge- 
ſchickt an und galt damit für diefe geiftige Repräſentanz — die wir nur zu gut 
kennen — als Kulturträger. Durch die völlige Entwertung aller bodenſtändigen 
Kräfte wurde die Dichtung ſtändig nervöſer, bis fie geradezu erplofiv im Kliniſchen 
verkam. 

Der Mangel an ruhendem Standpunkt brachte es mit fid, daß Richtungen 
an Stelle von Inhalten traten. So wie im Liberalismus aus Ständen und Zu- 
ſtänden Fortſchritt ohne weiteres, ohne tiefere Begründung höher und höher ein- 
gewertet wurde, bis er ſinnloſer Selbſtzweck war, ebenſo verlor ſich die ruhende 
Würde der Dichtung an Richtungen. 

Dabei galten natürlich auch die Begriffe: Heimat, Vaterland, Nation, da dieſe 
Werte nahelagen, bei der herrſchenden Fernſucht, bei dem internationalen Erdkreis ; 
Nauſch, von vornherein bedeutend weniger, als die törichſten, finnlofeften aber weit- 
hergeholten exotiſchen Tabus. 

Es iſt eine der intereſſanteſten Narrheiten jener kranken, ja perverſen Epoche, 
daß das Exotiſche als primitiv außerhalb der Grenzen des eigenen Vaterlandes 
erſtrebenswert und äſthetiſch, ja paradieſiſch, angefproden wurde, während man den 
gleichen Zuſtand im eigenen Vaterland als ungeiſtig und niveaulos befand. Als 
„fin de siècle“ geſchah das Widerfinnigſte, was man hätte vermuten dürfen: die 
liberalen Staaten verbarrten in ihrer Liberalität und verliehen künſtleriſchen Ele- 
menten ſtaatliche Anterſtützung, die zyniſch und radikal jedes eigenſtaatliche Kultur - 
bewußtſein verneinten. 

Wir alle kennen von der peinlichen Zeit der Verſailler Republik her dieſen 
tragikomiſchen Zuſtand. 

Die ſtaatlichen und ſtädtiſchen Muſeen kauften damals mit den Geldern des 
Volkes Bilder und ſogenannte Kunſtwerke, die bewußt jeden Maßſtab der Natur, 
jedes Gefühl für Natürlichkeit, für die Schönheit der gegebenen Amwelt zerſtörten. 
Die Staatstheater ſpielten Stückwerke, die mit den Inſignien, den Vorausſetzungen 
jedes ſtaatlichen Bewußtſeins Schindluder trieben, und in die Akademien rückten 
Dichter ein, die unſere Mutterſprache, die jede organiſche Sprachgewalt unſeres 
geliebten Deutſch baſtardiſierten. 

Rückblickend vermag die Jugend in Deutſchland über dieſen 
Verfall und Zerfall herzlich zu lachen. Ans Vierzigjährigen 
aber, die wir jahrzehntelang mit dieſer geſchloſſenen Front 


Johſt / Nation und Dichtung 9 


der ganzen Welt im geiſtigen Kampfe lagen, iſt das Lachen 
vergangen, zumal wir auch für die Zukunft die Gefahren 
dieſes richtunggebenden Geiſtes in allen Nationen ſehen. 


Wir wiſſen zu tief, wie febr auch heute noch in unſerem eigenen Volke die Ent- 
fremdung von Dichtung und Nation Schatten wirft. Selbſt heute noch ſteht ein 
großer Teil der deutſchen Geiſtigen auf dem Standpunkt, daß die Dichtung einſeitig 
werde, wenn fie „politiſch“ fei. Dieſer Aberglaube ift ein Erbe jener unglückſeligen 
Zeit, einer Zeit, die ſtändig große Staatspolitik mit kleinlicher Partei-Intereffen- 
Politik verwechſelte. 

Dieſe Art Menſchen haben die Zeichen unſerer Zeit noch nicht poſitiv in ſich ver⸗ 
arbeitet, ſie haben den neuen Staat in ſeiner weltanſchaulichen Miſſion immer noch 
nicht in fih aufgenommen, ſondern ſehen in deſſen naturnotwendigen Totalitäts⸗ 
anſprüchen gerade auf dem Gebiete der Kultur eine Art Vergewaltigung und ſie 
ſlüchten vor ſeiner, alles umfaſſenden Liebeskraft und ſeiner, auf das Ganze ge- 
richteten Leidenſchaft in eine ſogenannte Innerlichkeit. Sie ſtellen ſich, als ob ein 
Staat wie das Dritte Reich in der Innerlichkeit der Deutſchen nichts ſuchen würde, 
nichts zu ſuchen hätte! 

Floh man alfo vor der Machtergreifung des Nationalſozialismus vom Bater- 
ländiſchen, von den Werten des Völkiſchen, vor einer kulturpolitiſchen ſtaatlichen Ver- 
antwortung nach außen, in die Welt und zur Menſchheit, ſo drückt man ſich heute 
vor der Entſcheidung ſeiner charakterellen Perſönlichkeit in einen äſthetiſchen Raum, 
den man mit „Innerlichkeit“ bezeichnet und den man als unpolitiſches Neutralitäts- 
gebiet reſpektiert wünſcht. 

Aber Flucht bleibt Flucht. And jeder Mangel an klarer Stellungnahme, an 
100prozentigen Einſatz, bleibt feinem Weſen nach unfittlid! Wir kulturpolitiſchen 
Vertreter des Nationalſozialismus lehnen eine 90prozentige Beteiligung an der 
Gegenwart mit all ihren Aufgaben und Pflichten ebenſo ab wie die 110prozentigen!! 

Wir fordern gerade auf der ſchwierigen Ebene der Kunſt hundertprozentig den 
ganzen Kerl!!! 

Entweder faßt ſich ein Staat nur als erweiterte Behörde, als bloße Ger, 
waltung auf, dann ift feine Regierungsart eine techniſche Frage, eine bloße meda- 
niſche Funktion; oder aber der Staat ijt Ausdruck einer weltanſchaulichen De- 
monſtration, dann gehört ihm der Staatsbürger, das Volk, dann gehört ihm die 
Geſamtheit der in ſeinen Grenzen lebenden Bevölkerung reſtlos, vorbehaltlos, dann 
verfällt ihm jede Seele. 

Deutſchland iſt keine Nation mehr, die als Summe, als Zahl von ſoundſovielen 
Millionen Menſchen erſchöpft werden kann, ſondern das neue Deutſchland iſt eine 
ſchöpferiſche Syntheſe von Land und Leuten. Schöpferiſche Syntheſe! 

Ich möchte bei dieſem Begriff des Philoſophen Wilhelm Wundt ein wenig 
verharren. 

Schöpferiſche Syntheſe ſagt aus, daß eine Vermählung unter dieſem Zeichen 
keine mathematiſche Addition bedeutet, ſondern daß ein wunderbares, ein letzten 
Endes unerklärliches Drittes hinzukommt, eben das ſchöpferiſche Moment. 


10 Johſt / Nation und Dichtung 


Zwei und zwei iſt vier! Mit dieſer Vorausſetzung arbeitet die demokratiſche 
Politik. 

In der Liebe aber ergibt Eins und Eins: die Familie, deren Zahl beſtimmt 
bleibt vom unerklärlichen Segen, eben der Liebe. 

And genau fo folen im neuen Deutſchland nicht die Millionenziffern der Ein- 
wohner gelten, ſondern die ſchöpferiſche Entſcheidung erbringt die Liebe dieſer 
Millionen zur deutſchen Nation. 

Deutſchland iſt durch den Nationalſozialismus unſagbar mehr geworden als 
eine Demokratie oder irgendein, irgendwie rein politiſch geleitetes Land. Es iſt 
keinem Wechſel ſeines Regiments mehr unterworfen, ſondern 
nur einer Vertiefung, einer ſtetig ſich fteigernden Innig- 
keit, und Innerlichkeit feines Prinzips!!! 

And dieſes Prinzip würde ſich ſelbſt aufgeben, ſeine Sinngebung und Sendung 
verleugnen, wenn es nur machtpolitiſch dächte. Es denkt, es empfindet, es lebt aber 
kraft ſeines kulturpolitiſchen Glaubens, kraft ſeiner Liebe zur deutſchen Kultur! 

Der Nationalſozialismus liebt Deutſchland, und Nationalſozialismus und 
Deutſchland find nicht mehr zwei Verrechnungspoſten, die eine mathematiſche Summe 
ergeben, ſondern ſie ſind Darſtellung des Wunders! Sie ſind ſchöpferiſche Syntheſe, 
fie ergeben die Macht und Aebermacht des Dritten Reiches !! 


Ich will ein Beiſpiel aus der Geſchichte der katholiſchen Kirche vor 
Augen ſtellen, damit meine Worte richtig verſtanden werden: 

Die katholiſche Kirche wurde von Gott her, ſo ſagt ſie, damit betraut, die ganze 
Welt zu chriſtianiſieren. Die Welt war alſo ihre Aufgabe. Welcher Mittel be- 
diente fie fid? 

Sie war zunächſt allein auf das Wort geſtellt. Ihm ſchuf ſie die Kirche, und 
dieſe Kirche ſchuf ſich den Kirchenſtaat. 

Wir dürfen bei der Nervoſität, die heute gerade in Deutſchland zwiſchen Staat 
und Kirche wieder einmal begann, nie vergeſſen, daß hinter der katholiſchen 
Konfeſſion ſich ein eigenſtaatliches Selbſtbewußtſein per, 
birgt, und daß dieſer Staat als weltwirkliche Einrichtung mit 
Geſandten und Briefmarken, jo lange er als Staat eriftiert, 
rein politiſche Energien ausſtrahlen muß. 

Die deutſche Nation denkt nicht daran, der katholiſchen Religion die geringſten 
Vorſchriften machen zu wollen — aber der katholiſche Kirchenſtaat fühlt ſich in ſeinem 
ſtaatspolitiſchen Expanſionsprogramm durch den Totalitätsanſprach des Dritten 
Reiches bedroht. Er fürchtet eben die ſchöpferiſche Liebe des deutſchen Menſchen zu 
ſeinem neuen Staat und er fürchtet, daß der katholiſche Menſch ſeine Liebe nicht 
länger der ſchöpferiſchen Syntheſe von Kirche und Staat im Vatikan leiht, ſondern 
die ſchöpferiſche Liebe voll und ganz ſeinem Deutſchland ſchenkt. 

Der Vatikan weiß aber aus der Geſchichte ſeiner Kirche heraus um das Wunder 
dieſer ſo ſchlichten Syntheſe. Er weiß, daß man fünftauſend mit einem Fiſch 
ſpeiſen kann, wenn man gläubig liebt und liebend glaubt. And daher beanſprucht 
er die Totalität von Liebe und Glauben für ſich allein. 


Johſt / Nation und Dichtung 11 


Mit der gleichen Intenſität fordern wir vom deutſchen Menſchen die Liebe 
zu Deutſchland, zu Deutſchland als politiſche und kulturpolitiſche Exiſtenz. 

Das rein Religiöfe beanſprucht unfer Staat nicht. Das Religiöſe überläßt 
er den chriſtlichen Konfeſſionen. 

An der Hand dieſer Ausführung erſehen wir, wohin religiöfe geiſtesgeſchichtliche 
Sendungen führen können, wenn fie das Seeliſche ihrer anfänglichen Bedeutung 
zu ſtark in das Weltliche verwurzeln laffen. Sie drohen dem Geſetz der Wirklich- 
keit zu verfallen. Sie beginnen politiſch zu denken, ſtatt allein dem Glauben zu leben. 

Der Nationalſozialismus trennt reinlich Phyfik und Metaphufit, er beſcheidet 
dh auf feine politiſche Sendung und erreicht gerade durch diefe feine Begrenzung 
eine ſchlechthin ſchöpferiſche Wirkung, er erreicht ſeine kulturpolitiſche Miſſion. 

Er appelliert nur an die Liebe. And durch ſie und ihre Wunderkraft ſtößt er 
in jenes Geheimnis vor, das wir als nationale Kultur umreißen. 

Kultur iſt nämlich nichts anderes als die Liebe eines 
Volkes zu ſeiner Nation! 

Kultur iſt der Liebesdienſt, der Minnedienſt, der Lobgeſang eines Volkes 
für feine ſtaatliche und nationale Gemeinſchaft!! 

Das ſchöpferiſche Mehr, von dem ich ſprach, das ein weiſes Regiment aus Volk 
und Politik, aus Aufgabe des Individuums und Gabe aller Staatsbürger gewinnt, 
dieſes ſchöpferiſche Plus heißt Kultur! 

Jetzt ſchließt ſich der Ring, der uns Ringende umfaßt. Der nationalſozialiſtſche 
Staat liebt Deutſchland und dieſes Deutſchland muß ihn lieben, damit die Be- 
fruchtung erfolgt, die aus nationalem Selbſtbewußtſein deutſche Dichtung erwirkt. 
Der Totalitätsanſpruch dieſes Staates iſt keine Willkür, 
ſondern die Weisheit ſchlechthin. Gehorſam und Gnade vermählen 
ſich in dieſem Anſpruch, damit die Zeugungskraft gewährleiſtet bleibt. Dieſer 
Totalitätsanſpruch des Führers ift alfo eine ſittliche For- 
derung und keine äußere, machtpolitiſche Tendenz. 

Sehen wir ſo den Anſpruch der Nation auf die kulturelle Leiſtung vom Staat 
her begründet, ſo begegnen wir dem gleichen Anſpruch vom Volke her. 

Das Volk wurde durch die fogenannte Literatur der letzten Jahrzehnte derartig 
dem Weſen des Dichteriſchen entfremdet, daß es jetzt ſeinen Anſpruch nur zu be⸗ 
rechtigt ſtellt. | 

Das Volk, in der ewigen Kindſchaft feines Herzens, hat ein feines und tiefes 
Gefühl für den Ernſt, mit dem die Kunſt ihr Können vor ſeinen klaren Augen meiſtert. 

Es iſt hier kein Wort darüber zu verlieren, daß es einen großen Bedarf an 
Anterhaltung verſchleißt und daß diefe Unterhaltung, die ja von vornherein bloße 
techniſche Fingerfertigkeit verrät, in unſerem Sinne ausgerichtet fein muß, ift ſelbſt⸗ 
verſtändlich. Aber das Volk verknüpft mit der Dichtung einen großen Anſpruch auf 
Haltung! And Haltung als künſtleriſcher Eindruck einer dichteriſchen Geſtaltung kann 
immer nur Ausdruck eines bis in das Innerſte ſauberen Charakters ſein. 


12 Johſt / Nation und Dichtung 


Das Volk erhebt das Spiel der Künſte mit kindlicher Gewiſſenhaftigkeit zum 
Beiſpiel eines großen Gleichniſſes. Es will feine Eigenſchaften dergeſtalt eindring- 
lich und eindeutig gedeutet ſehen in der Bilderſprache der Dichtung, daß es ſich 
bewundern kann, daß fein Ehrgeiz wachgerufen wird, daß fein Drang zur Voll: 
kommenheit Wege gewieſen erhält. 

Der Schriftſteller muß mit ſeiner Schrift den edelſten Inſtinkten ſeines Volkes 
nachſtellen, ſo wie an das Volk der Appell zu richten bleibt, daß es im Schrifttum 
die reinſten Werke erkennt, lieb gewinnt und ſich an deſſen Geſtaltungen bildet. 

Wenn ich im Auslande befragt wurde, wie es um die Gewiſſensfreiheit im 
neuen Deutſchland ſtünde und ob es wahr wäre, daß das Schrifttum einem pro- 
grammatiſchen, politiſchen Zwang unterſtellt ſei, ſo pflegte ich zu antworten, daß 
ich beſchwören könne, es würde im Dritten Reich keine Menſchenſeele daran ge. 
hindert, beſſere Gedichte als Mörike zu ſchreiben, leidenſchaftlichere Szenen als 
Kleiſt und eindringlichere Kapitel als Jean Paul. 

Im Gegenteil leben wir der Aeberzeugung, daß Adolf Hitler und fein National: 
ſozialismus erſt die reinen Bedingungen, die richtigen Vorausſetzungen für die 
Freiheit künſtleriſcher Entfaltung geſchaffen hat. 

„Nicht der Schriftſteller ſchafft aus ſich heraus dieſe Bewegungsfreiheit für 
ſein Weſen, ſondern er beſchreibt beſtenfalls aus ſeheriſcher Sehnſucht ſolche Mög⸗ 
lichkeiten. Die Realität für den Einſatz ſeiner Sätze und Grundſätze, die ſchafft der 
politiſche Soldat, indem er ein Staatsgefüge geſtaltet, in deſſen Schutz der Dichter 
und Sänger Möglichkeiten, Ruhe und Reſonanz findet. Alle großen und unvergäng⸗ 
lichen Kunſtwerke find in dieſem Sinne Auftragskunſt. 

Iſt ein Staat ſeinem Volkstum organiſch angepaßt, dann löſen ſeine Aufträge 
auch eine Hochblüte ſeiner kulturellen Verpflichtungen aus. 

Ein Rückblick auf Kulturen in aller Welt und zu allen Zeiten beſtätigt dieje 
Theſe. | 

Die Kunſt, die pathetiſch erklärte, fie hätte ihren Auftrag allein der Gnade 
zu danken, der Ruf der Berufung ſei perſönlich und unabhängig von jeder Bindung 
an irgendeine Gemeinſchaft, dieſe Kunſt iſt mit dem 19. Jahrhundert abgeſchloſſen. 
Sie gehört dem Muſeum. Wir denken nicht daran, uns in irgendeine literatur- 
hiſtoriſche Diskuſſion über den Wert dieſer oder jener Produktion jener Epoche 
einzulaſſen. Wir über antworten diefe Zeit hochachtungs voll 
den Muſeen. Da können ſie verſtauben oder ſie können auch unſterblich werden! 
Ans ſtört keines von beiden. 

Wir glauben und fordern kraft unjerer Aeberzeugung, kraft des Geſetzes, nach 
dem wir angetreten und zu vollenden gewillt ſind, eine reſtloſe Identität der Gnade 
und des Gehorſams! 

Die Gnade macht es ſich leicht, wenn fie ihre Verantwortung ohne Rückbezüglich⸗ 
keit auf die Eingeburt in die nationale und ſozialiſtiſche Volksgemeinſchaft ſieht. Im 
Gegenteil erfühlen wir das Gewicht der Gnade am ſchwerſten in der Verpflichtung 
beſtätigt, daß diefe Gabe des Schickſals doppelt und dreifach den mit ihr Hus- 
gezeichneten an das Wohl und Wehe der Gemeinſchaft bindet. Diener ſein durch 


Johſt / Nation und Dichtung 13 


ſanatiſchen Gehorſam!! Das iſt die einzige ſittliche Pflicht, der fih der Begnadete 
unterwerfen muß, will er nicht als Literat, Aeſthet oder Bohemien verflachen. 

Kein Dichter der Welt hat das Recht, ſich von dieſem Gehorſam entbunden zu 
fühlen denn dieſes Gefühl wäre ein Hochmut und der Dienſt der Seele der Kunſt 
iſt immer Demut. 

Die größten Werte und Werke der deutſchen Dichtung, ja darüber hinaus alle 
Dichtungen aller Welt atmen Demut aus, leben und leben derartig tief im Sprach- 
raum ihrer Eingeburt, daß ſie nicht ſterben können, daß ſie unſterblich ſind, weil 
fie dem Geſetz, nach dem fie gerufen wurden, die Treue hielten und gehorſam waren. 
Die Tatſache dieſes Geſetzes aber iſt das Ethos der Begrenzung. Es gibt kein 
Herz — auch kein Dichterherz — das in der Welt ſchlüge; jedes wahrhaftige 
Menſchenherz ſchlägt Blut in einem Körper und dieſer Körper heißt nicht nur 
„ich“, ſondern er iſt ein Glied, Mitglied der Körperſchaft, die als Ganzes Volk 
heißt und als Nation einer Staatsform bedarf, wie das Herz der Adern, Lungen 
und des Bruſtkorbs. 

Die wahre, tiefſte Innerlichkeit bleibt Dankbarkeit, bleibt naive Freude darüber, 
daß ſich Herz und Geiſt und Seele geborgen fühlen darf in der heiligen Ordnung 
einer völkiſchen Gemeinſchaft. Der Begriff des Volkes darf nicht veräußerlicht 
werden, darf nicht marxiſtiſch, materialiſtiſch als Zufallshäufung angeſehen werden, 
ſondern will erlebt ſein als innerſte Regung der Schöpfung, als letzter Wille Gottes! 

Bezeichnen wir die Dichtung als Kindſchaft von Gnade und Gehorſam, ſo müſſen 
wir vielleicht auch noch feſtſtellen, daß wir „Dichten“ nicht vom lateiniſchen dictare = 
diktieren hergeleitet wiſſen wollen, mag es philologiſch noch ſo korrekt ſein, ſondern 
daß wir im Dichten das Verdichten der mehr oder weniger unbewußten Lebens- 
gefühle der Nation erfühlen. 

Das Gedicht, die Dichtung ſteht im Auftrag nicht im formal-äfthetiichen, ſondern 
im ſittlichen Auftrag der Volksſeele. Das Volk entſcheidet über Tod oder Un- 
ſterblichkeit. And das Volk lebt, lebt — dieſe Feſtſtellung iſt entſcheidend, denn ſie 
zeigt den Gleichklang von Volk und Staat, von biologiſcher Erbmaſſe und politiſcher 
Exiſtenz auf — das Volk lebt als Auſtragsgeber, als geſtaltete Kraft, als Geſtalt 
im ſtaatlichen Willen, im Staat ſchlechthin. Es gibt kein Leben eines Volkes außer. 
halb ſeines ſtaatlichen Bewußtſeins. Wer ſich gegen den Staat ſtellt, ſtellt ſich in 
Widerſpruch zum lebendigen und lebenſpendenden Volk. 

Die Neunmalklugen, die alte Generation fragt, wieſo es dann zu Revolutionen 
kommt? 

Nevolutionen ſind Entwicklungsphaſen, Entwicklungskriſen im Organismus 
eines Volkes. 

Es find Krankheiten, ja Todesurſachen, wenn fie Volk und Staat aus ihrer 
Statik werfen, ohne ſie zu einer höheren Ordnung wieder vereinigen zu können. 

Sie ſind richtig eingeſetzt, wenn ſie dazu dienen, Spannungen zwiſchen völkiſchen 
Bedürfniſſen und ſtaatlichen Notwendigkeiten aus der Welt zu ſchaffen. 

Die nationalſozialiſtiſche Revolution hat Deutſchland einer neuen Ordnung 
unterſtellt. 


14 Johſt / Nation und Dichtung 


Keiner nationalſozialiſtiſchen Aeberbetonung, keinem Imperialismus iſt dieſe 
Bewegung erlegen und keinem ſozialiſtiſchen Materialismus, keinem Marxismus 
verfallen. 

„Ihre Leidenſchaft erklärt fih ſozialiſtiſch, das heißt radikal der Volksgemein⸗ 
ſchaft ergeben, eben weil ſie das Volk als Genoſſenſchaft empfindet und erlebt 
wiſſen will. 

Sie proklamiert keine ſozialen Theſen, ſondern fie erhebt den Gemeinſchafts⸗ 
gedanken zur höchſten ſittlichen und politiſchen Maxime. Damit find die Aufgaben 
der Kulturpolitik klar und eindeutig umriſſen. 

Wer gegen dieſe Tatſachen der völkiſchen Entſcheidung vom geiſtigen Schrifttum 
her diskutieren zu müſſen glaubt, ſtellt ſich außerhalb dieſer neuen Volksgemeinſchaft. 

Alle aber, die guten Willens ſind und die ihr Herz ausgewogen fühlen von 
der reinen Grundſätzlichkeit des Staates und der Kraft ſeines Volkes, alle dieſe 
Berufenen und Begnadeten führe ich vor das eine Wort und deſſen fanatiſche 
Sprengkraft, vor das Wort: National-Hymne! Das heißt Hymne an die Nation!! 

Worte haben im geiſtigen Raum eines Volkes architektoniſche Bedeutung. Sie 
find Stil und charakteriſieren in ihrem Gebrauch und ihrem Akzent den Charakter 
einer Zeit. 

Wir Deutſchen nehmen einander beim Wort! 

And wir geben einander unſer Wort!! 

Das ſagt Alles! 


Wir nennen einen Menſchen „Heiden“ und wir laſſen ihn damit Kind ſeiner 
Natur, ihrer Einſamkeit und ihrer Vollkommenheit ſein. Oder wir übernehmen 
ein Wort aus der Latinität wie „Form“ und übernehmen deſſen imperialiſtiſchen 
Anſpruch als Aniform. Beſinnen wir uns aber gerade bei dieſem Wort auf ſeinen 
Bruder im deutſchen Sprachgebrauch, ſo ſagen wir Tracht und unſer Wort erhebt 
ſeinen Anſpruch auf Allgemeingültigkeit in dem Wort: Eintracht! Die deutſche 
Sprache iſt ein guter Spiegel unſerer inneren Anſchauung, unſerer Weltanſchauung. 

Wenn wir alſo am Schluß dieſer Ausführung den Jubel und das Programm 
des Wortes „National-Hymne“ ausſprechen, jo binden wir die dichteriſche Leiden: 
ſchaft an die Eintracht des Nationalbewußtſeins und gleichzeitig verpflichten wir 
das Selbſtbewußtſein aller nationalen Kräfte an die Diſziplin im ſeheriſchen Raume 
der Dichtung an ihre Hymne!!! 

Wer nicht zum Lobgeſang fähig iſt — der iſt nicht berufen, die Lebensfreude 
ſeines Volkes zu mehren, und wer ſich dazu nicht berufen fühlt, der hat in den 
heiligen Bezirken einer jungen deutſchen Dichtkunſt nichts zu ſuchen. 

Wir überlaſſen ihn ſeinem Weltſchmerz! 

Wir fordern von der Idealgeſtalt eines deutſchen Dichters im neuen Reich 
keinen Geiſtreichtum, ſondern wir ſehen ihn mitten in der Nation, wie ſeine 
Begeiſterung den Alltag zur Feierſtunde des inneren Erlebniſſes emporreißt! 

Wo ein deutſcher Dichter unſerem Volke ſein Wort gibt, iſt Volk und Staat 
Rhythmus und Klang, Harmonie und Melodie!!! 


v. Throta / Charakter und Schönheit 15 


Thilo v. Throta: 


Charakter und Schönbeit 


Das einfachſte und grundlegendſte äſthetiſche Gefühl des Menſchen iſt zweifellos 
der Schönheits begriff. 

Man kann ſagen, daß das Gefühl für Schönheit den Menſchen als Gattung 
ſchlechthin ein- und angeboren iſt. Die Art des Ideals der menſchlichen Schönheit 
dagegen wird durch den Typ und die Artung der jeweiligen Raffe geformt und 
beſtimmt, die dieſes Ideal aufſtellt. Wenn ein Negerſtamm ſeine Weiber durch ge- 
waltige Tellerlippen ziert, wenn die chineſiſchen Frauen in früherer Zeit ihren Fuß 
verkrüppelten, wenn der Indianer ſich mit Tätowierungen bedeckte, wenn anderer- 
ſeits der nordiſche Menſch in einer möglichſt geringen Veränderung eines wohl- 
gepflegten Körpers fein Ideal fieht, fo ift das alles Ausdruck einer beſtimmten 
raſſiſchen Artung. 

Wenn wir uns nun hier die Aufgabe ſetzen wollen, grundlegende Ausführungen 
über den Begriff vom ſchönen Menſchen zu machen, fo müſſen wir uns über die 
tiefſte und älteſte Vorausſetzung des Schönheitsempfindens an ſich im klaren ſein. 
Dieſe Vorausſetzung iſt zweifellos folgende: 

Die Natur gibt jedem ihrer Geſchöpfe eine beſtimmte Anziehungskraft mit dem 
Zwecke, die Gattung als ſolche zur Fortpflanzung zu bringen. So iſt Schönheit in 
ihrer einfachſten Arform als Reiz, als Anziehungs vermögen eine kluge 
Angel, die die Natur zur Erhaltung der Art auswirft. — 

Das Schönheitsbild von Geſchlechtern, von Stämmen und Völkern richtet ſich 
im allgemeinen nach einem beſtimmten, dem Weſen der jeweiligen Raffe ent- 
ſprechenden Vorbilde. Ganz von ſelbſt bildet ſich dann etwa für das männliche 
Geſchlecht der Begriff eines Typus heraus, der Kraft und Gewandtheit, d. h. einen 
Körperbau, der dem Zweckhaften feiner Raſſe entſpricht, mit der Eigenſchaft ver- 
bindet, die man als Reiz bezeichnen mag. Für die Frau gilt, urſprünglich geſehen, 
das gleiche. Kraft, Ausdauer und Anziehungsvermögen find auch bei ihr die wid- 
tigſten Eigenſchaften, nur iſt im Gegenſatz zum Mann, der auf den Kampf und die 
Beſchützung ausgerichtet iſt, das Weib auf Frieden und Kind bezogen, und während, 
jedenfalls für unfer germaniſches Empfinden, der Akzent beim männlichen Geſchlecht 
auf Kraft und Ausdauer liegt, ruht er beim Weibe auf Reig und Ausdauer, 
weniger auf Kraft. 

Auch müſſen wir als Folgerung aus allen dieſen Erkenntniſſen feſtſtellen: 

Der Schönheitsbegriff des einen Geſchlechts wird urſprünglich überwiegend 
vom anderen beſtimmt. Daraus wieder erkennen wir, daß, von der Natur her 
geſehen, Schönheit und Fruchtbarkeit zuſammengehören, weil eben Schönheit 
nur die höher entwickelte Form der Anziehungskraft und des Reizvollen ift, das 
die Natur den Geſchlechtern beigibt. 

Wie aber ſtellt ſich bei einer höheren Entwicklung der Gattung dieſe Frage dar? 

Kant iſt es geweſen, der Schönheit und Zweckmäßigkeit gleichgeſetzt hat. Eine 
ähnliche Gleichſetzung finden wir auch in vieler Hinſicht in dem Gedanken der Zucht 


16 v. Throta / Charakter und Schönheit 


auf jedem Gebiete. Ein züchteriſches Ideal in weitem Sinne wird immer verſuchen, 
Schönheit und Zwecke zu vereinen. Denn Zweck ohne Reiz ſetzt ſich nicht durch, Reiz 
ohne Zweck iſt jedoch unfruchtbar. 

Es iſt alſo anzunehmen, daß das Schönheitsbild innerhalb einer Raffe in hohem 
Maße von der Zweckhaftigkeit des Menſchen für Kampf, Ausdauer, Hege und 
Fortpflanzung geformt worden ift. Wenn 3. B. die nordiſche Raſſe ihr äußeres 
Schönheitsbild aufſtellt, ſo waren Blondheit und Helläugigkeit zuerſt einmal eine 
Vorausſetzung. Ein hoher Körperwuchs aber beim Mann verhieß Kraft, Schlankheit 
der Geſtalt, Gewandtheit, ein kräftiger, aber doch nicht zu fleiſchiger Wuchs bei der 
Frau Ausdauer und gute Vorausſetzung zur Fruchtbarkeit. So hat die Zweckmäßig⸗ 
keit ſicherlich den Schönheitsbegriff mitgeformt. 

Die feineren Merkmale körperlicher Schönheit entſtammten dann ſchon einer 
Eigenſchaft des Menſchen, die nicht allein materiell zu erklären ift: dem dftbeti- 
ſchen Empfinden an ſich. Ob die Augen groß oder klein, die Naſe kurz oder 
lang iſt — das hat nichts mehr mit Zucht zu tun, ſondern iſt eine Frage der 
Zier und des äſthetiſchen Gefühls. Im Augenblick, wo dieſes Ziermoment auf- 
tritt, beginnt ſchon der Begriff einer mehr entſtofflichten Schönheit: das Schön ⸗ 
heitsideal als ſolches mit ſeinem trotz aller Abſtraktheit ganz offenſicht⸗ 
lichen Einfluß, ſowohl auf das biologiſche wie das künſtleriſche Gebiet. 

Wie das germaniſche Schönheitsideal ausgeſehen hat, brauche ich 
hier an ſich nicht zu ſchildern. Da aber faſt immer vom helleniſchen Schönheitsideal 
geſprochen wird, erſcheint es mir doch notwendig, einmal feſtzuſtellen, daß das 
Germanentum, genau ſo wie jedes andere Volkstum und ſogar in beſonders hohem 
Maße, ſich ein ſehr beſtimmtes äſthetiſches Bild von ſeinem Menſchenideal gemacht 
hat in klarer Erkenntnis der lebensgeſetzlichen Notwendigkeit der Hervorbringung 
edlen Menſchentums. Der edle Menſch beim Germanen war in der Idee immer 
{hon gedacht, wenn auch die Schönheitsverehrung im nördlichen Europa niemals 
ſo weit ging wie in Hellas. Aber doch war der ganz entſchiedene germaniſche 
Standpunkt: : 

Schön ſollte ſich zu ſchön, edel zu edel geſellen, um wieder 
Schöne und Edle zu erzeugen. 

Das Lob der weiblichen Anmut ſcheint uns heute ſelbſtverſtändlich. Weniger 
bekannt iſt, daß der nordiſche Germane, als ſicherlich männlichſter unter den Männern, 
ein ausgeſprochenes männliches Schönheitsideal beſaß, bei dem natür- 
lich die Betonung auf der Kraft lag und auf dem Charakter. Hellas be- 
wunderte auch einen Charakterloſen, wenn er nur ſchön war. Das Edelideal der 
„Kalokagathia“, des Schön und Rechtſchaffenſeins, wurde ſchon früh in Hellas 
zugunſten der Schönheit getrübt. Beim Germanen iſt der Akzent eher umgekehrt 
gelegt. 

Aber wenn wir die Sagas leſen, ſo wird z. B. über den Skalden Egil in der 
gleichnamigen Erzählung bemerkt: „Als er heranwuchs, konnt man leicht beobachten, 
daß er febr häßlich und gleich feinem Vater ſchwarzhaarig werden würde.“ Man 
ſpürt das Bedauern des Saga-Dichters, daß hier ein Mann von außerordentlichem 


Mathias Wieman 


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Friedrich Kayssler 


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Angela Salloker 


v. Throta / TCharakter und Schönheit 17 


Charakter und großer Körperkraft dem Schönheitsideal nicht entſpricht. 
Vom weiſen Njal wird in der Njalſage bemerkt: „Er war von ſchönem Aeußeren, 
jedoch wuchs ihm kein Bart.“ Ueber König Harald, den Hirten, berichten die norwegi⸗ 
ſchen Königsgeſchichten: „König Harald war ein ſchöner und ſtattlicher Mann mit 
gelbem Haar und gelbem Bart. Sein Schnurrbart war lang, die eine Braue höher 
als die andere. Er hatte lange Hände und Füße, war aber doch ſonſt wohlgewachſen. 
5 Ellen lang war feine Geſtalt.“ Wir ſehen hier z. B., daß es für ſchön galt, wohl. 
gegliederte und nicht zu große Hände und Füße zu haben. 

Eine Idealgeſtalt nach damaligem Begriff jedoch iſt Gunnar, von dem der 
Dichter der Njala jagt: „Er war hochgewachſen und ein ftarfer Mann, der befte 
Fechter. Er war ſchön von Ausſehen, von heller Gefihtsfarbe, die Nafe gerade und 
kräftig vorſpringend, blauäugig war er und ſcharfblickend, die Backen rot gefärbt. 
Das Haar war reich, floß ſchön und hatte eine gute Farbe. Ein höfiſches Weſen 
hatte er wie wenige, war tatkräftig in allem, freigebig, in der Freundſchaft wähle⸗ 
riſch, aber treu.“ In der knappen ſchlichten Art des Sagaſtils haben wir hier eine 
Schilderung des germaniſchen Menſchen, wie wir fie uns abgerundeter gar nicht vor- 
ſtellen können. Ebenſo gibt es ſelbſtverſtändlich Schilderungen von Frauenſchönheit 
in den Sagas und Königsgeſchichten des alten Nordens. 


Im Nibelungenliede wird immer wieder die Lichtheit der Kriemhild geprieſen. 
Der Dichter ſchildert ſie folgendermaßen: 


„Da kam die Minnigliche, wie das Morgenrot 
tritt aus trüben Wolken. Da ſchied von ſeiner Not, 
der ſie im Herzen hegte, was lange ſchon geſchehn. 
Er ſah die Minnigliche nun gar herrlich vor ſich ſtehn, 
von ihrem Kleide leuchtete gar mancher edle Stein. 
Ihre roſenrote Farbe gab minniglichen Schein, 
was jemand wünſchen mochte, er mußte doch geſtehn, 
daß er hier auf Erden noch nicht ſo Schönes erſehn. 
Wie der lichte Vollmond vor den Sternen ſchwebt, 
der Schein ſo hell und lauter ſich aus den Wolken hebt, 
ſo glänzte ſie in Wahrheit vor anderen Frauen gut, 
das mochte wohl erhöhen dem edlen Helden den Mut.“ 
Bei Siegfried hebt der Dichter wieder und wieder die große, alles überſtrahlende 
Schönheit hervor, etwa in folgendem Vers: 
„Da fah man den Sieglinden⸗Sohn fo minniglich dort ſtehen, 
als wär' er wär entworfen auf einem Pergamen. 
Von Gutem alles vorhanden. Gern man ihm geſtand, 
daß man nie im Leben ſo ſchönen Helden noch fand.“ 


Anſere männlichſten Zeiten, und als ſolche kann man wohl das Rittertum und 
die germaniſche Frühzeit bezeichnen, haben alfo auch ein männliches Schönheits- 
ideal gehabt, und ohne ein ſolches iſt auch eine Aufartung, ein Edelmenſchentum, gar 
nicht möglich. Denn nur, wenn die edle Frau auch den edlen Mann wählt und um— 


18 v. Throta / Charakter und Schönheit 


gekehrt, kann edler Nachwuchs entſtehen, wobei ich nochmals betonen möchte, daß an 
ſich beim Manne der Akzent auf der Kraft ſowohl des Körpers wie des Geiſtes liegt. 

Das mittelalterliche Germanentum hatte für beide Geſchlechter das Ideal der 
Tucht, überſetzt Zucht. Der Menſch, der diefe Zucht hatte, war ſtark, ſchön, geiſtig 
begabt und von edlem Charakter. Irgendwie muß ja auch das Idealbild eines jeden 
geſunden Volkes dieſe Züge tragen: der vollendetſte Menſch iſt der, 
der körperlich, geiſtig und ſeeliſch gleich vorbildlich iſt. Damit 
ift für unſer Empfinden nun nicht geſagt, daß ein geiſtig und ſeeliſch großer Menſch 
mit einem ungünſtigen Aeußeren kein großer Menſch iſt. Wem würde es einfallen, 
Beethoven wegen ſeines unſchönen Geſichts zu verkleinern? Es iſt auch nicht geſagt, 
daß ein körperlich und ſeeliſch wohlgebildeter Menſch mäßiger Geiſtesartung unſere 
Ablehnung findet. Wie aber ſteht es mit einem ſchönen und begabten Menſchen mit 
niedriger Seele? 

Wenn wir Seele als den Kern des Charakters auffaſſen, ſo kommen 
wir vielleicht zu dem Schluß, daß das Verhältnis zwiſchen Charakter und Schönheit 
eine gar nicht ſo einfache Angelegenheit zu ſein ſcheint. Wir kommen weiterhin zu 
dem Schluß, daß beim Germanen der Charakter durchaus vor der Schönheit 
geht. Egil war ſchwarz und häßlich, aber ein groß gearteter Menſch. Als ſolcher 
achtet und verehrt ihn der Sagadichter. Begabte Menſchen von niedriger Gemiits- 
art trifft die Ablehnung der Saga, etwa mit der Wendung: „Er — oder ſie — 
war ſchön, aber —.“ : 

So kommen wir zu der Folgerung, daß Schönheit ohne Charakter für den ger- 
maniſchen Menſchen nicht von Wert iſt. Grundfalſch wäre es aber und durch die 
angeführten Beiſpiele gewiß hinlänglich widerlegt, wenn man annehmen wollte, das 
Germanentum entbehre des Gefühls für den Wert der Schönheit, und nur der Hellene 
habe dieſes beſeſſen. Vielmehr wäre geraten, anſtatt nur von Hellas zu ſprechen, 
fid) mit dem Schönheitsideal des Germanentums eingehend zu beſchäftigen, deſſen 
Vertreter ja ſchließlich auch noch mitten unter uns leben, und das im ganzen von 
weſentlich herberer Art iſt als das griechiſche. Die kürzeren und weicheren Formen, 
die niedrige Stirn und die geſchwungene Mundpartie des von den Griechen mit 
Vorliebe hingeſtellten Typus entſpricht bei aller Anmut doch nicht dem ſchmalen, 
größeren und herberen germaniſch⸗ nordiſchen Typ mit der hohen, ſchmalen 
Stirn, den ſchmalen Lippen und langen Beinen. 

Nun ergibt fih vielleicht die Frage: Wozu eigentlich dieje äſthetiſchen Cr- 
örterungen über Herkunft und Zweck der Schönheit? And damit kommen wir zu dem 
eigentlich entſcheidenden Teil dieſer Ausführungen, dem Verhältnis des Schönheits- 
begriffs zur Kun ſt und zum Staat. 

Jede Kunſt entſteht aus dem Schönheits- und Ziertrieb des Menſchen, und ihr 
„rein praktiſcher“ Wert läßt ſich einem unerſchütterlich nüchternen Menſchen wohl 
gar nicht ſo leicht beweiſen. Schönheit iſt die Wurzel der Kunſt überhaupt, wenn 
auch nicht ihre ausſchließliche Formerin. Der Schönheitsſinn des Menſchen ſchuf 
Schmuck und Zierde der Tracht; er war es, der ſogar dem Ausdruck der geballteſten 
Kraft — der Waffe — ſeinen Stempel aufprägte. Schönheitsſinn ſchuf Bauform und 


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v. Throta / Charakter und Schönheit 19 


Versmaß, ee ſchuf die Muſik, diefe ſpäteſte und abſtrakteſte unter den 
Künſten. 

Es war eine der abſeitigſten Verirrungen unſerer an Verirrungen ſo reichen 
letzten fünfzig Jahre, daß man glaubte, Kunſt ohne Schönheit ſchaffen zu können. Dieſe 
Auffaſſung bedeutet nichts mehr und nichts minder als eine der folgerichtigſten und 
gefährlichſten Formen des Nihilismus. Denn ſogar die inſtinktloſeſten Zeiten vorher 
hatten doch ehrlich an ein Schönheitsideal geglaubt, ſelbſt wenn es artungs- 
gemäß war wie in der Zeit der Perücken und Reifröcke. Eine ſpätere Ge- 
ſchichtsſchreibung wird neben der Zerſtörung der Familie die 
Z3Zerſtörung des Schönheitsſinnes als eine der e 
Taten des Nihilismus betrachten. 


Führen wir uns einmal vor Augen, welches der Kern der großen Werke der 
Antike, der germaniſchen Mythen und Sagen, des Nibelungenliedes, der Tragödien 
Shakeſpeares war. Wie kommt es, daß bei Shakeſpeare, dem größten „Realiſten“ 
faſt alle Frauengeſtalten anmutig und ſchön find? And bei dem nicht minder herben 
Hebbel ſind Judith, Marianne, Rhodope, Klara, Agnes Bernauer, Kriemhild, 
Brunhild ebenfalls ſchöne Frauengeſtalten. 


In aller nordiſchen Kunſt iſt die Leibesſchönheit eine Vorausſetzung für den 
Helden und die Heldin. Der große vorbildliche Menſch, in dem fih die andern 
irgendwie geſpiegelt ſehen ſollten, oder wollten, war zumeiſt ſchön. Können wir 
uns Triftan, Siegfried oder Parſifal mißgeſtaltet vorſtellen, oder Kriemhild und 
Gudrun häßlich? 

Nur ſpielt hier eins eine entſcheidende Rolle, worauf die Betonung gelegt 
wird; dieſes liegt, wie Alfred Roſenberg feſtgeſtellt hat, in der germaniſchen 
Kunſt auf dem Schönen und Charakteriſtiſchen, d. h. beim Helden Charaktervolle, — 
nicht wie beim Hellenen vor allem auf dem Schönen. Paris und Helena 
hätten niemals Helden und tragende Geſtalten einer Sage werden können. Der 
Hellene verzieh Paris um ſeiner Anmut willen den ehebrecheriſchen Raub, der 
Helena um ihrer übergroßen Schönheit willen die charakterlos geduldete Entführung. 
Dem Germanen wären, trotz aller Schönheit, Paris als ein Verbrecher und Helena 
als ein durchaus verachtungswürdiges Weib erſchienen. Hier ſehen wir, daß doch 
auch das uns ſo ſehr naheſtehende frühe Hellas uns geſinnungsmäßig niemals 
das frühe Germanentum erſetzen kann. Germaniſche Kunſt dient der Verherrlichung 
des Charakters. Der Held aber, die Idealgeſtalt, verdankt ihren Charakter der 
edlen Artung und ſo nimmt germaniſche Kunſt im Grunde doch auch immer zum edlen 
Charakter den edlen äußeren Typ an, auch wenn ihr das gewiſſe Idealiſieren, das 
die Antike liebte, nicht liegt und ſie in echt germaniſcher Weiſe den großen Egil, 
der ſchwarz und häßlich war, ſchwarz und häßlich ſchildert, weil es der Wahrheit 
entſpricht. And dieſer unbedingte Zug zur künſtleriſchen Wahrheit, der übrigens 
nichts, gar nichts mit dem proletarifd-jdhwargmalenden „Naturalismus“ zu tun 
hatte, der der Schilderung des Antermenſchentums diente, hat als „Realismus“ 
der germaniſchen Kunſt von den Sagas bis heute das Gepräge gegeben. 


20 v. Throta / Charakter und Schönheit 


Die Frage vom Verhältnis zwiſchen dem Staat als Willensträger der Volk⸗ 
heit und der Schönheit führt notwendigerweiſe auf das biologiſche Gebiet 
herüber. Wenn wir den Schönheitsbegriff als dem Wunſch der Natur nach Fort- 
pflanzung der Gattung bezeichnen, ſo gelangen wir notwendigerweiſe bei einer 
Höherentwicklung der Begriſſe und auch der ſtammesmäßigen oder volklichen 
Organismen zu dem Gedanken der Vorbildlichkeit, d. h., einige Einzelweſen 
eines Staates bzw. eines Volkes, die jene bewußter erkannten, beſondere Vorzüge 
in beſonders leuchtender Weiſe vereinen, ſolche Geſtalten, die dann ſpäter zu Bor- 
bildern erhoben, Siegfried und Achill, Gudrun und Penelope heißen, formten im 
Laufe der Zeit den heldiſchen Schönheitsbegriff ihrer Völker. 

Der Staat als Zweckinſtrument eines Volkstums muß zur Erhaltung eines 
Volkes folgendes wünſchen und fördern: um ſich dauernd auf der Höhe zu halten, 
bedarf er einer Reihe vorbildlicher heldiſcher Menſchen. Dieſe vorbildlich heldiſchen 
Menſchen können nur von Vorfahren ſtammen, die von edler Artung ſind. Dieſe 
edle Artung wiederum fol vorbildlich für alle anderen fein. Die Vorbildlichkeit 
bedarf aber auch einer augenſcheinlichen Verkörperung: dieſe iſt die Schönheit. 
Es iſt kein Zufall, daß die Tempel von Olympia den Helden ſchön darſtellen und 
daß der mittelalterliche Deutſche den Geſtalten von Bamberg Schönheit verlieh. 
Nach dem zutiefſt im indogermaniſchen nordiſchen Weſen verkörperten Ideal der 
Dreiheit von Geiſt, Leib und Seele muß ja, wie ſchon erwähnt, das Ideal des 
großen Menſchen neben dem inneren Adel des Weſens auch den äußeren Adel 
der Erſcheinung zeigen. 

Vom ſtaatlich⸗politiſchen Standpunkt geſehen muß man daher den Grundſatz 
aufſtellen: 

Ein Schönheitsideal ift eine volkliche und ſtaatliche Not- 
wendigkeit. Damit geht die Anſchauung, die früher unbewußt gepflegt 
worden iſt, ins helle Bewußtſein völkiſcher und ſtaatlicher Erziehung über. Ein 
germaniſcher Staat muß, um die Volksart hochzuhalten, ein 
Schönheitsideal fördern und verlangen. Er muß wiffen, daß das 
reine Nutzmotiv allein nicht genügt. Die Aufſtellung eines geſunden, aber Long, 
weiligen Leiſtungstyps allein reicht nicht aus. Erſt wenn jenes legt. 
lich Anmeßbare, das wir eben Schönheit nennen, mit in die 
Waagſchale geworfen wird, ſetzt ſichein Ideal durch. 

Die Dinge des ftaatliden Lebens bedürfen der Verklärung. Die große 
Verklärerin des Daſeins aber iſt die Kunſt. Aufgabe der Kunſt 
wird es ſein, das für den Staat raſſiſch notwendige Schönheitsideal aufzuſtellen. 
Daß dieſes im germaniſchen Deutſchland nur dem germanifd-nordijden Menſchentyp 
entſprechen kann, ift ſelbſtverſtändlich und nicht einmal neu, wenn wir an die Ueber: 
lieferungen früherer Jahrhunderte denken. Der Verherrlichung des ſchönen deut: 
ſchen nordiſchen Menſchen muß die Kunſt dienen — nicht eng und ausſchließlich — 
aber da wo es Grundlegendes und Ideales zu geſtalten gibt. Durch den Sport iſt 
ja übrigens heute der Kunſt Gelegenheit genug gegeben, ſich mit den Geſetzen edler 
Leiblichkeit zu beſchäftigen. 


v. Throta / TTCharakter und Schönheit 21 


Zwei Kunſtarten haben hier die größte Aufgabe, weil ſie beide auf das Auge 
eingeſtellt find: Auf der einen Seite die Bildende Kunſt und auf der anderen 
Seite Theater und Film. | 

Kein Menſch wird die Forderung aujjtellen, daß die ganze Bildende Kun it 
nur der Verherrlichung rein nordiſcher Geſtalten gewidmet fein fol. Wir find eben 
keine Griechen, die einen ſtarren Kanon aufftellen, — unfer Kunſtkanon muß 
unſicht bar, in jedem bildenden Künſtler leben und muß ſich dann äußern, daß 
dieſer wohl ein Porträt allein nach dem Geſetz der Wahrheit ſchafft, ebenſo eine 
Landſchaft. Wenn es aber gilt, die deutſche Mutter, den deutſchen Soldaten dar- 
zuſtellen, kurz, wo es des Ideals vor allem bedarf und der Vorbildlichkeit, 
da geſtaltet der deutſche Maler den nordiſchen Menſchen in 
ſeiner Kraft, in ſeiner Schönheit und keinen anderen! 

Hier möchte ich von vornherein den Einwänden entgegentreten, die vielleicht 
gemacht werden könnten: daß die Aufſtellung eines raſſiſchen Schönheitsideals ver- 
letzen könne. Es iſt unrichtig, anzunehmen, ein beſtimmtes äußeres Ideal müſſe 
alle die verletzen, die ihm nicht entſprechen und alle die übermütig machen, die ihm 
gleichen. Kein Menſch von guter innerer Haltung empfindet fo, nur ein Zer- 
kreuzter. Wir werden in allen Schichten unſeres Volkes, in allen 
Landſchaften Menſchen finden, die dieſem Ideal entſprechen 
und außerdemwerten wir als Deutſche und Germanen nach dem 
Charakter und wiſſen febr wohl, daß eine goldhaarige Hülle 
einen harten Kern enthalten kann, ein unfdeinbares 
Aeußeres aber die herrlichſte Geſinnung. 

Die Aufſtellung dieſes germaniſchen Schönheitsideals 
wird noch eine andere Folge haben: 

Ein ganzes Volk, an dem jeder am nordiſchen Blut teil 
hat, wird ſich in Haltung und Gebärde dieſem Typus anzu- 
gleichen verſuchen. Ein ganzes Volk wird fo einem Edel 
menſchentum zuſtreben und wird da, wo es dieſes Eder. 
menſchentum verwirklicht findet, freudig und ohne Neid. 
gefühl dieſes als ſein beſtes Eigentum anerkennen, ſchützen 
und preiſen. 

And hier ſetzt auch die große Erziehungsarbeit von Theater und Film ein. 
Hier iſt der Punkt, wo etwa das Theater wirklich zur moraliſchen Anſtalt im 
Sinne Schillers werden kann. 

Wenn das Theater und der Film an den Darſteller idealer Rollen auch die 
Anforderung eines edlen Aeußeren ſtellen, wenn Kriemhild wieder blond und be— 
herrſcht, Macbeth hoch gewachſen und kraftvoll iſt, wenn die Filmlieblinge nicht 
ausſehen wie Eliſabeth Bergner und ähnliche Geſtalten, ſondern in geſunder Weiſe 
unſerem nordiſchen Schönheitsideal entſprechen, ſo iſt damit die Möglichkeit einer 
raſſiſchen Einflußnahme gegeben, die vom Staat gar nicht hoch genug gewertet werden kann. 

Aber wohl gemerkt: Für den Germanen iſt Schönheit nichts ohne Charakter 
und ebenſo nichts ohne Geſundheit und Fruchtbarkeit. Erft Dann, wenn der 


22 Gutjabr / Freie Stadt Danzig? 


geſunde kämpferiſche Mann und die kraftvolle mütterliche 
Frau, beide in ihrer edelſten Form, zum hellbewußten Ideal 
unſeres Volkes geworden find, kann die Frage der Aufartung 
und damit die Frage der Weitererhaltung und Unvergäng- 
lichkeit unſeres deutſchen Volkes mit einem Ja beantwortet 
werden. 


Herbert Gutjahr: 
Sveie Giadi Dansis? 


Auf feiner letzten Sitzung im Januar dieſes Jahres hatte fih der Gëtter, 
bundsrat in Genf wieder einmal mit Danziger Fragen zu beſchäftigen. Arquelle 
dieſer dauernden Anruhe, dieſer ſtändig neu auftretenden Schwierigkeiten im Nord- 
often des deutſchen Volksgebietes find die Beſtimmungen des Verſailler Diktates, 
die Deutſchland 1919 von den Siegermächten aufgezwungen wurden und die die 
Eigenſtaatlichkeit Danzigs zur Folge hatten. In den Artikeln 100 bis 103 des 
Verſailler Diktates heißt es: 

„Deutſchland verzichtet zugunsten der alliierten und affogiierten Hauptmächte auf alle 
Rechte und Anſprüche auf das Gebiet innerhalb folgender Grenzen. .. (Gebiet der heutigen 
Freien Stadt Danzig). Die alliierten und aſſoziierten Mächte verpflichten ſich, die Stadt 
Danzig nebſt dem obenbezeichneten Gebiet zur Freien Stadt zu erklären. Sie wird unter 
den Schutz des Völkerbundes geſtellt .. Die Verfaſſung der Freien Stadt Danzig wird 
im Einvernehmen mit einem Oberkommiſſar des Völkerbundes von ordnungsgemäß ernannten 
Vertretern der Freien Stadt ausgearbeitet. Sie wird unter die VBürgſchaft des Völker ⸗ 
bundes geſtellt.“ 

Auf Grund der hierin ausgeſprochenen Garantie der Danziger Verfaſſung durch 
den Völkerbund hält dieſer ſich zu unmittelbaren Eingriffen in das innerſtaatliche 
Danziger Leben für berechtigt. 


Die „Vereinigten Danziger Oppositionsparteien“ 


Während in vergangenen Jahren Verfaſſungsſchwierigkeiten der ae Stadt, 
die zur Behandlung vor dem Völkerbundsrat kamen, ſtets das zwiſchenſtaatliche Ver- 
hältnis zwiſchen Danzig und Polen zum Gegenſtand hatten, iſt dies ſeit einiger Zeit 
anders. Wenn früher der Völkerbundsrat des öfteren Aebergriffe Polens gegen- 
über der Freien Stadt Danzig zurückzuweiſen und damit Danzig in ſeinem inter- 
nationalen Rechtsbeſtand zu ſchützen hatte, jo find derartige Fälle feit der national- 
ſozialiſtiſchen Machtübernahme in Danzig und ſeit der durch die Politik des Führers 
herbeigeführten Verſtändigung zwiſchen dem Deutſchen Reid) und Polen nicht mehr 
vorgekommen. Jetzt verſucht eine kleine, rückſtändige und ſich der innerpolitiſchen 
Ausſichtsloſigkeit ihrer Arbeit bewußte Oppoſitionsgruppe, ſich in ihrem politiſchen 
Todeskampf an den Völkerbund in Genf zu klammern. — 

Mit der Behauptung, die Danziger Verfaſſung fei verletzt, wandten fih die 
jogenannten Danziger Vereinigten Oppoſitionsparteien im 


Gutjahr / Freie Stadt Danzig? 23 


letzten Jahr wiederholt an den Völkerbund und verlangten den Eingriff Deler 
Genfer Inſtanz in die innerdanziger Verwaltung und Rechtspflege. Kommuniſten, 
Sozialdemokraten, Zentrum und Deutſchnationale, jene Parteien, die vor ihrer 
allgemeinen Auflöſung im Reih immer wieder betonten, nichts miteinander gemein 
zu haben, die ſich aber trotz aller „weltanſchaulichen Gegenſätze“ gerade auch in 
Preußen immer wieder zu neuen Koalitionsbildungen zuſammenfanden, jene Partei- 
refte verſuchen jetzt unter dem ſchamhaft gewählten Namen „Vereinigte Danziger 
Oppoſitionsparteien“ in volksverräteriſcher Weiſe das Wirken der nationalſozia⸗ 
liſtiſchen Regierung dadurch zu ſabotieren, daß ſie jede Verwaltungsmaßnahme des 
Danziger Senats und jeden Arteilsſpruch des Danziger Obergerichts von einiger 
Bedeutung dem Völkerbund zur „Nachprüfung der Verfaſſungsmäßigkeit“ unter- 
breiten. Ob es ſich dabei um die Gültigkeit der letzten Volksratswahl oder um das 
Verbot klaſſenkämpferiſcher, kommuniſtiſcher Verbände, um die im Intereſſe der 
inneren Befriedigung Danzigs geſetzlich feſtgelegte Einengung der ſogenannten Preffe- 
freiheit oder um die polizeiliche Auflöſung verbotener Verſammlungen, um die Ent⸗ 
laſſung ſozialdemokratiſcher Beamten durch die nationalſozialiſtiſche Regierung oder 
um Maßnahmen zur wirkſameren ſtrafrechtlichen Bekämpfung von Verbrechern 
handelt, alle dieſe Fälle dienen der Danziger Oppoſition dazu, unter Behauptung 
einer Verletzung der jedem Danziger Staatsbürger in der Verfaſſung garantierten 
„Rechte“ fih an den Völkerbund zu wenden. Hierdurch entſteht im Laufe der Jahre 
ſtimmungsmäßig in Genf ein Bild von Danziger Verhältniſſen, wie es aus dem 
jetzt von dem Hohen Kommiſſar dem Völkerbundsrat erſtatteten Bericht über die 
Lage in Danzig ſpricht. Jener „Vereinigten Oppofition“ iſt daran gelegen, durch 
ſtändiges Anrufen des Völkerbundes langſam den Eindruck einer durch die national- 
ſozialiſtiſche Regierung verſchuldeten allgemeinen Rechtsunſicherheit und Mn- 
zufriedenheit in Danzig zu erwecken. 


Das Verhalten der Danziger Oppositionsparteien — Volksverrat! 


Während vor dem Jahre 1933 ſämtliche deutſchen Parteien in Danzig es als 
unter ihrer nationalen Würde liegend anſahen, interne Gegenſätzlichkeiten dem 
Völkerbund oder dem Ständigen Internationalen Gerichtshof im Haag zur Ent— 
ſcheidung zu unterbreiten, haben heute Deutſchnationale, chriſtliches Zentrum und 
deren marxiſtiſcher Anhang ſich zur gemeinſamen Bekämpfung des National: 
ſozialismus in Danzig zuſammengefunden. Hierbei gelten ihnen alle 
Mittel als durch den med geheiligt und erlaubt. Nachdem feit 
der nationalſozialiſtiſchen Machtübernahme im Reich eine Beruhigung der auhen- 
politiſchen Lage Danzigs gegenüber Polen eingetreten ift, nachdem jenen Partei- 
ſplittern im Reich jede weitere Betätigungsmöglichkeit genommen wurde, treiben fie 
in Danzig als „Vereinigte Oppofition“ nationalen Verrat an der deutſchen Sache, 
indem ſie den internationalen Völkerbund zum Richter über Maßnahmen der 
nationalſozialiſtiſchen Danziger Regierung anrufen. Deutſche klagen Deutſche vor 
der Genfer Inſtanz an. And dabei ſitzt auf der Anklagebank nicht nur das national: 
ſozialiſtiſche Danzig, ſondern mittelbar wird der Kampf gegen das national: 


24 Gutjahr / Freie Stadt Danzig? 


ſozialiſtiſche Deutſche Reich, gegen den Nationalſozialismus überhaupt geführt, der 
hier vor einem internationalen Gremium einer Kritik, einer „unabhängigen“ Be- 
urteilung unterzogen werden ſoll. And ſo hatte der Danziger Senatspräfident in 
Genf nicht nur Danzig zu vertreten, ſondern das ganze nationalſozialiſtiſche Deutſche 
Reich. Die Worte aber, die im Völkerbundsrat auf der Richter 
jeite fielen, waren nicht Aeußerungen von Politikern, die 
in den ſchwierigen Danziger Spezialfragen Sachkenntnis 
hatten, ſondern es waren Argumente, die von den Juriſten 
der Danziger Oppoſitionsparteien, den jüdiſchen Rechts 
anwälten Kamnitzer und Kurowski, dem Völkerbundsrat in 
ihrem Haß gegen die NSDAP unterbreitet worden waren. 


Die Haltung des Völkerbundsrats 


Mit einem Eifer, der einer wichtigeren Sache wert geweſen wäre, hat der 
Völkerbundsrat den ihm unterbreiteten „außerordentlich ernſten Fall 
Danzig“ behandelt. Mit einer offenſichtlich demonſtrativen Ausführlichkeit hat 
man die Verpflichtungen des Völkerbundes erörtert, die ſich aus ſeiner Garantie 
der Danziger Verfaſſung bei der behaupteten „ernſten Lage der politiſchen Minder⸗ 
heit“ ergäben. Scheinheilig hat man den Völkerbund zu einem entſchiedenen Bor- 
gehen im Intereſſe uneigennütziger Rechtswahrung und idealer e ver · 
anlaſſen wollen. 


Wenn man die wahren Sorgen der Welt ſich vor Augen führt und ſich ver⸗ 
gegenwärtigt, welche Einbuße an Autorität der Völkerbund durch 
fein ftändiges Verſagen und feine mangelnde Einſatzbereit⸗ 
ſchaft in lebenswichtigen Situationen bereits erlitten hat, 
ſo kann man ſich des peinlichen Eindrucks nicht erwehren, daß hier künſtlich ein 
„ernſter Streitfall“ geſchaffen werden ſollte, um durch deſſen Handhabung in be⸗ 
wußter Selbſtgefälligkeit den Verſuch einer Feſtigung des geſchwundenen Anſehens 
der Genfer Inſtitution zu machen. Dabei konnte man gleichzeitig andere viel ge⸗ 
wichtigere Dinge, die man nicht zu löſen vermochte, im Hintergrunde verſchwinden 
laſſen. 

Wie wenig Sinn der Völkerbund für echte völkerrechtliche Fragen auf⸗ 
gebracht hat, beweiſt bereits die für unſere Begriffe unmögliche Tatſache, daß man 
es für angebracht hielt, ausgerechnet den ſowjetruſſiſchen Außenkommiſſar Litwinow 
„objektiv“ zu den Beſchwerdepunkten gegen die n Danziger 
Regierung Stellung nehmen zu laſſen. 


Der Sinn der Verfassungsgarantie des Völkerbundes 


Die Danziger Verfaſſung wurde von gewählten Vertretern der Freien Stadt 
ausgearbeitet und nach einigen Aenderungen vom Völkerbund 1920 gutgeheißen. 
Sie hatte zum Vorbild die Weimarer Verfaſſung vom Auguft 1919 und trug deut: 
lich deren liberaliſtiſchen Charakter. Die Verfaſſung wurde unter die Garantie 
des Völkerbundes geſtellt. Dieſe Garantie ſollte in erſter Linie außenpolitiſch 


Gutjahr / Freie Stadt Danzig? 25 


den freien Beſtand Danzigs gewährleiſten und dem neugeſchaffenen Gemeinweſen 
eine ungeſtörte ſelbſtändige Entwicklung ermöglichen. Völkerrecht lich ſtand der 
Völkerbund als Schiedsrichterinſtanz über Danzig bei Streitigkeiten mit Polen und 
garantierte die freie Entwicklung Danzigs im Rahmen der Verfaſſung. Daß die 
Freie Stadt als rein deutſches Staatsweſen weitgehend von der politiſchen Ent- 
wicklung der Verhältniſſe im deutſchen Mutterland abhängig fein würde, war ſelbſt 
verſtändlich, ja, daß die Lebensfähigkeit Danzigs durch ſeine Anlehnung an das 
Deutſche Reid) überhaupt erſt möglich fein würde, hätte jedem Einſichtigen fofort 
verſtändlich ſein müſſen. Es konnte deshalb nicht Sinn der Garantie der Danziger 
Verfaſſung durch den Völkerbund ſein, dieſe naturgegebene und naturnotwendige 
Anlehnung zweier deutſcher Staatsweſen aneinander künſtlich zu verhindern. Recht 
und Pflicht des Völkerbundes war es, die getreue Einhaltung der Beſtimmungen 
des Danziger Statutes zu überwachen; Recht und Pflicht Danzigs als eines nach 
dem Statut demokratiſch⸗parlamentariſch aufgebauten Gemeinweſens war es, die 
innere Ordnung und organiſche Entwicklung im Rahmen der Verfaſſung und nach 
dem Willen der Bevölkerung zu gewährleiſten. War die abfolute Mehr ⸗ 
heit des Danziger Volkes national ſo zialiſtiſch, fo wurde die 
Freie Stadt eben nationalſozialiſtiſch regiert. Das ift fo in 
jedem Staat der Welt mit demokratiſcher Verfaſſung. Das 
Danziger Volk aber hatte ſich im Frühjahr 1935 mit über- 
wältigender Mehrheit zum Nationalſozialismus befannt. 


Daß Parteigruppen, die auf Grund einer Wahl von der Regierungsbildung 
ausgeſchloſſen bleiben, mit der parlamentariſch gebildeten legalen Regierung unzu⸗ 
frieden find, kommt in jedem Parteienſtaat vor und iſt deshalb kein Zeichen dafür, 
daß die Verfaſſung dieſes Staates verletzt wäre. Wie kann überhaupt eine demo⸗ 
kratiſche Verfaſſung von einer Regierung verletzt werden, hinter der 65 Prozent der 
Geſamtbevölkerung ſtehen? 


Wer stellt Verfassungsverletzungen fest ? 


Aeberdies, ſelbſt wenn Verfaſſungsverletzungen in Danzig vorgekommen wären, 
ſo wäre rechtlich noch immer nicht der Völkerbund in der Lage, das nachzuprüfen. 
Danzig als Gemeinweſen mit eigenem Behördenaufbau und eigenen Gerichten iſt 
allein dazu berufen, ev. Verfaſſungsverletzungen durch Danziger Behörden —- 
Verwaltungsſtellen oder Gerichte — feſtzuſtellen. Wenn das höchſte Danziger 
Gericht, das Obergericht, ein Geſetz für mit der Verfaſſung vereinbar erklärt, oder 
als Wahlprüfungsgericht die Gültigkeit der letzten Volkstagswahl feſtſtellt, fo find 
Geſetz und Wahl eben nicht verfaſſungswidrig. Eine völkerrechtliche Inſtitution, 
der Völkerbund, kann ſich dann nicht in innerdanziger Verhältniſſe einmiſchen und 
als neue unabhängige und in der Verfaſſung nicht vorgeſehene Inſtanz eine Prüfung 
der Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Danziger Statut vornehmen. Deshalb 
hat ja Danzig eine eigene Verfaſſung erhalten, die von der Bevölkerung beſtimmt 
nicht gewünſcht wurde, um ſich ſelbſt zu regieren und ſein eigenes künftiges Schickſal 


26 Gutjahr / Freie Stadt Danzig? 


ſelbſt zu beſtimmen. Wenn ein Staat durch feine Gerichte und in letzter Inſtanz 
durch das höchſte Gericht in einem geregelten Prozeßverfahren Recht ſpricht, ſo iſt 
das Arteil eben Recht. Keiner der Privatbeteiligten hat die Möglichkeit, wenn das 
Urteil nicht nah feinen Wünſchen ausgefallen ift, zu behaupten, es läge eine Regts- 
verletzung, geſchweige denn eine Verfaſſungsverletzung vor. Hierüber entſcheidet 
nicht der einzelne; ſondern was Recht ift, was verfaſſungsmäßig ift, beſtimmt allein 
der Staat. Jede andere Auffaſſung iſt unvereinbar mit dem Anſehen und der 
Autorität eines oberſten ftaatliden Gerichts. i 


Wozu gibt man einem felbftändigen Gemeinweſen eine Verfaffung, wenn es 
ſich nachher nicht frei und ſelbſtändig nach dieſer regieren ſoll? 


„Verfassungs verletzungen“ und Danziger staatliches Recht 


Wenn die Danziger „Vereinigten Oppofitionsparteien” dem Senat aber ſchon 
eine Verfaſſungsverletzung vorwerfen, die ſie ſich ſcheuen, einem unabhängigen 
Gericht zur Nachprüfung zu unterbreiten, warum nutzen ſie nicht die in der Ver⸗ 
faffung, auf die fle ſich ſonſt berufen, ſelbſt hierfür vorgeſehenen Möglichkeiten aus? 
Das Statut der Freien Stadt Danzig beſtimmt, daß Wahlberechtigte, die ſich in ihren 
verfaſſungsmäßigen Rechten beſchnitten fühlen, direkt an das Volk appellieren und 
einen Volksentſcheid hierüber herbeiführen. 20 Prozent der Volkstagsabgeordneten 
können ferner nach Art. 19, Abſ. II der Danziger Verfaſſung die Einſetzung eines 
parlamentariſchen Anterſuchungsausſchuſſes fordern, wenn fie Zweifel an der Lauter- 
keit des Senats oder einzelner ſeiner Mitglieder haben. Daß die Danziger Oppo- 
fition keine dieſer Möglichkeiten ihres Vorgehens gewählt hat, beweiſt bereits, daß 
ihr in Wahrheit ſelbſt der Glaube an die behauptete Verfaſſungsverletzung fehlt. 
Sonſt hätte fie den Appell an die letzte Inſtanz in jeder demokratiſchen Verfaffung, 
das Volk, nicht zu fürchten brauchen. Es kam der Oppoſition nicht auf eine „ver- 
faſſungsmäßige“ Verwaltung Danzigs an, wie ſie vorgab, ihr Kampf galt der 
nationalſozialiſtiſchen Regierung der Freien Stadt. In ihrem Haß erſchien ihr 
jeder Bundesgenoſſe, der ſich bot, eben recht. | 


Die Einwirkungsmöglichkeiten des Völkerbundes auf die Freie Stadt | 

Man ſchrieb zu Beginn der letzten Völkerbundsratsverſammlung in der Welt- 
preſſe davon, der Völkerbund werde nach dem Bericht des engliſchen Außenminiſters 
Eden über die Verhältniſſe in Danzig ſofort und unmittelbar Neuwahlen in Danzig 
anordnen. Selbſt wenn der Völkerbundsrat unter Verletzung der aufgezeigten 
Kompetenzſchranken zu einer Feſtſtellung der Verfaſſungswidrigkeit gewiſſer Maf- 
nahmen des Danziger Senats, die die Billigung des Danziger Obergerichts ge⸗ 
funden hatten, gekommen wäre, fo hätte er doch in keinem Falle ein direktes Ein- 
griffs⸗ und Anordnungsrecht gehabt. Der Völkerbund hätte auch Danzig 
gegenüber nicht anders vorgehen können, als ſonſt ſtaatlich 
ſelbſtändigen Gemeinweſen gegenüber. Er hätte der Danziger Re- 
gierung gegenüber „Anregungen“ oder „Empfehlungen“ äußern können. Der Senat 
wäre nach pflichtgemäßer Prüfung jedoch in der Annahme oder Ablehnung dieſer 


Kleine Beiträge . 27 


Natſchläge völlig frei geweſen. Ein Recht zu Befehlen oder unmittelbaren 
Eingriffen in die innerdanziger Verwaltung oder Nechtſprechung ſtand dem Völker⸗ 
bund jedoch in keinem Falle zu. 


Die „Pflichten“ des Völkerbundes gegenüber Danzig 

Aufgabe des Völkerbundes iſt nach der Präambel der Völkerbundsſatzung, der 
„Förderung der Zuſammenarbeit unter den Nationen und der Gewährleiſtung von 
Frieden und Sicherheit unter ihnen“ zu dienen. Dieſer Aufgabe kann der Völker⸗ 
bund Danzig gegenüber nur gerecht werden, wenn er dieſes deutſche Land ſeiner 
eigenen, organiſchen, deutſchen Entwicklung überläßt, wenn er den häufig und ein- 
deutig geäußerten Willen der Mehrheit des Volkes reſpektiert und das Schickſal 
der Freien Stadt nicht durch Fünftlich-überfpiste Auslegung der „Garantiepflicht“ 
an das Schickſal der Genfer Inſtitution ſelbſt feſſelt. Sonſt dient er nicht dem 
Frieden und der Ruhe Danzigs, ſondern dem Anfrieden und der Anruhe. 


Der Danziger Senatspräſident Greifer hat dieſem Gedanken bei feiner Rück⸗ 
kehr aus Genf einem Preſſevertreter gegenüber, der ihm nach der Ausſicht einer 
ev. Neuwahl in Danzig fragte, Ausdruck gegeben: 

„Wenn die Nationalſozialiſten in Danzig als kleinliche Parlamentarier 
dächten, würden fie in der durch die Genfer Einmiſchung geſchaffenen Situation 
eine ausſichtsvolle Möglichkeit ſehen, mit bei der Danziger Bevölkerung an- 
klingenden Parolen in einen Wahlkampf zu ziehen. Es würden dann weniger 
innenpolitiſche Wahlen ſein, da das Schwergewicht bei Wahlen, die durch die 
Genfer Inſtanz veranlaßt find, völlig nach außen verſchoben werden 
würde. Es würde ſich alſo weniger um eine Auseinanderſetzung zwiſchen den 
Parteien unter innenpolitiſchen Parolen handeln, ſondern die 
Danziger Bevölkerung würde zwangsläufig das Gefühl haben, für oder gegen 
den Völkerbund abzuſtimmen. Da die Danziger Bürger niemals einen 
Hehl daraus gemacht haben, daß ſie ſich als gegen ihren Willen vom 
Reich abgetrennte Deutſche fühlen, würde ein Wahlkampf mit dieſer 
Frontſtellung erhebliche Folgerungen grundſätzlicher Art nach ſich ziehen.“ 


Hleine Beiträg 


m | 


Die Usufeuhibavtett 
dess bünbifihen Susendbewenuns 
Im neueſten Heft der „Internationalen 
Zeitſchrift für Erziehung“ begründet Alfred 
Baeumler in einem Auſſatz über „Die 
@rengen der formalen Bil- 


dung“, weswegen die Jugendbewegung 
niemals die Einleitung der nationalfogia- 
liſtiſchen Revolution ſein konnte. Sie hat 
das Bildungsſyſtem der „Vorläufigkeit“, das 
unſere Schulen beherrschte, indem es jeder 
Entſcheidung aus dem Wege ging und die 


28 Kleine Beiträge 


formale Bildung an die Stelle ſetzte, nicht 
überwunden, weil ſie nicht in die politiſche 
Wirklichkeit vorſtieß und nur zu ſich ſelbſt, 
nicht zu Deutſchland aufgebrochen war. 


„Aus dem Erlebnis der Relativität ent- 
ſtand in jugendlichen Herzen die Sehnſucht 
nach Abſolutheit. Gegen die Schule der 
methodiſch geleiteten Vorläufigkeit wandte 
ſich die Jugendbewegung. Es iſt eine 
für die Beurteilung der gegenwärtigen 
Lage entſcheidende Frage, ob dieſe Be⸗ 
wegung mit ihrem Proteſt gegen die Be⸗ 
trachtung des Jugendalters als eines Alters 
des bloßen Reiferwerdens die geiſtige Welt 
und die Pädagogik der Schule, gegen die ſie 
ſich wandte, wirklich überwunden hat. Wäre 
dies der Fall, dann müßte das neue Deutid- 
land und ſeine Erziehungswiſſenſchaft bei 
der Jugendbewegung anknüpfen können, es 
wäre ſchon etwas vorgegeben, auf dem weiter 
gebaut werden könnte. Aber es muß bereits 
befremden, daß von dieſer in ihrem Kerne 
fo „pädagogiſchen“ Bewegung innerhalb der 
Theorie kein ernſthafter Vorſtoß gemacht 
worden ift. Einige Univerfitätslehrer 
(Spranger, Nohl. Die Schriftleitung), die 
von Diltheys Erlebnisbegriff ausgingen, 
glaubten für einen Augenblick das neue Beit- 
alter zuſammen mit der Jugendbewegung in 
Theorie und Praxis heraufführen zu 
können. Allein das Bündnis im „Erleben“ 
erwies ſich als inhaltlos und verfliegend. Es 
lam nicht zur Aeberwindung des Syſtems, 
auf das die Schule mit dem Prinzip der 
Vorläufigkeit gebaut war. Der Formalis- 
mus wurde ſtets nur im täglichen Frontal- 
angriff geſchlagen, aber niemals überwunden. 
Ein „ordinärer Sieg“ (d. h. ohne ſtrategiſche 
Folgen. Die Schriftleitung) folgte dem 
anderen, die Schule ſelbſt aber und die 
Lebensform, der fie diente, blieben unan- 
getaſtet. Die Führer dieſer Jugend (Blüher, 
Wyneken) pochten auf das „Leben“ gegen 
Form und Begriff und merkten nicht, daß es 
nicht darauf ankam, ordinäre Siege gegen 
Form und Begriff zu erfechten, ſondern 


eine neue Welt mit Formen und 
Begriffen zu ſchaffen. Sie ver- 
mochten der deutſchen Jugend das Gelbft- 
gefühl des Jugendalters wieder zu geben, 
aber dieſes Selbſtgefühl wucherte im leeren 
Raum und entartete in Sentimentalität. In 
die politiſche Wirklichkeit ſtieß die Bewegung 
nicht vor, das Jugendreich glaubte ſich 
über diefe Tages wirklichkeit und ihre Kämpfe 
erhaben. So blieb es bei der Deklamation: 
Jugend als Zuſtand eigener Art und eigenen 
Rechts — die Aufgabe aber, an der dieſe 
Jugend hätte wachſen und ſtark werden 
können, wurde nicht geſtellt. Der Begriff 
„Jugend“ beſtimmt eben nicht einen geiſtig · 
politiſchen Horizont, ſondern nur einen 
natürlichen. Die Eintragung dieſes natür- 
lichen Horizonts in die politiſch⸗geſchicheliche 
Sphäre mußte einen Scheinhorizont er- 
zeugen, für den das Wort Jugendreich der 
betreffende Ausdruck war. Die Jugend 
war zu ſich ſelbſt, nicht zu 
Deutſchland aufgebrochen. Der 
Zauberbann des Anpolitiſchen, der über der 
Bewegung von ihren Arſprüngen her lag, 
konnte nicht mehr durchbrochen werden, und 
der ſtarke Anſtoß, der von der Jugend — 
Frontgeneration — kam und ſich ins⸗ 
beſondere im Leben der Hochſchule fühlbar 
machte, verwandelte die bündiſche Bewegung 
nicht in eine politiſche. Es kam wohl 
an manchen Stellen zu einer Po- 
litiſierung, aber nirgends zu 
einem urſprünglich⸗politiſchen 
Einſatz. 


Als die urſprünglich⸗politiſche Bewegung 
Adolf Hitlers um die Macht in Deutſchland 
kämpfte, zeigte das Verhalten der Bünde 
klar, daß der Aufbruch der Jugend im Ho- 
rizont der zeitloſen „Jugend“, nicht im 
Horizont der geſchichtlich⸗politiſchen Lage er- 
folgt war. So kam es ans Licht, daß 
die Jugendbewegung nicht die 
Einleitung der nationalfogia- 
liſtiſchen Revolution war, fon- 
dern das Ende eines ſterbenden 


Kleine Beiträge 29 


Zeitalters, die letzte Emanzi 
pations bewegung der liberalen 
Epoche. Hieraus wird verſtändlich, daß 
dieſe Bewegung auch in der pädagogiſchen 
Theorie unfruchtbar bleiben mußte. Sie war 
nur Gegenbewegung, nur Antitheſe, ſie ſtellte 
dem Prinzip der Vorläufigkeit das Prinzip 
der Nichtvorläufigkeit entgegen, aber fie ver- 
mochte nicht zu zeigen, wie die Schule aus- 
ſehen müſſe, die nicht mehr auf das Prinzip 
der Vorläufigkeit gebaut iſt.“ 


Recht und HiHi 


Nicht nur die Idee muß propagiert und 
in die Herzen der Volksgenoſſen eingemeißelt 
werden; die lebendige, aus den Notwendig · 
keiten des Lebens erwachſene Tat muß zu⸗ 
ſammen mit allen Handlungen, die in die 
Zukunft weiſen, die Richtigkeit der welt- 
anſchaulichen Grundſätze dokumentieren. 
Worte allein gelten nun einmal nicht auf 
dieſer Welt, es kommt auch auf die Tat an 
und auf die materielle Subſtanz, die den 
Volksgenoſſen das Leben nicht nur er- 
möglicht, ſondern auch lebenswert 
macht. Die entſcheidende Bedeutung diefer 
Tatſache hat der RNeichspreſſechef der 
NSDAP, Dr. Dietrich, in feiner Rede 
über das Wirtſchaftsdenken im Dritten 
Reich eindeutig herausgeſtellt. Er führte 
aus, daß der Gemeinſchaftsgedanke ſowohl 
dem Betriebsführer als auch dem Gefola- 
ſchaftsmitglied etwas beſonderes bedeuten 
müſſe. Man könne nicht immer nur ſagen, 
daß jeder Volksgenoſſe an ſeiner Stelle dazu 
da ſei, in der Volksgemeinſchaft ſeine Pflicht 
zu erfüllen. Solche Reden könnten 
auf die Dauer niemanden über- 
zeugen. Die Weltgeſchichte laufe 
von der Pflicht und der Selbit- 
loſigkeit allein nicht weiter. 
Jeder Menſch lebe und arbeite, um glücklich 
zu werden. Auch der einfachſte Arbeiter will 
vorwärtskommen im Leben, ſeine ſoziale 
Stellung verbeſſern. Die Hoffnung auf das 


perſönliche Fortkommen für ſich und ſeine 
Kinder und der Glaube an die Möglichkeit, 


es zu erreichen, läßt viele Volksgenoſſen ihre 


ſchwere Arbeit leichter empfinden. Reichs- 
preſſechef Dr. Dietrich wies dann mit Recht 
darauf hin, daß das Gerede von der 
ſelbſtloſen Pflichterfüllung 
manchmal von recht weltfremden 
Moraliſten und ebenſo oft. von 
unſozialen Kapitalelementen 
in die Welt geſetzt werde, die 
auf die Einfältigkeit ihrer Mit- 
menſchen ſpekulierten. Der Natio- 
nalſozialismus aber will etwas ganz anderes. 
Die arbeitenden Volksgenoſſen müſſen be⸗ 
greifen, daß man dem eigenen Intereſſe am 
beſten dient, wenn man das Wohl der Ge- 
meinſchaft an die Spitze ſeiner eigenen 
Wünſche ſtellt. Nur wenn man ſeine Pflicht 
gegenüber der Gemeinſchaft tut, werden die 
Grundlagen geſchaffen, auf denen ein eigenes 
perſönliches Glück ſich aufbauen kann. Es iſt 
ſelbſtverſtändlich, daß diefe Auffaſſung vom 
Glück nicht das geringſte mit ſchrankenloſem 
Egoismus zu tun hat. Aeber allem ſteht das 
Gebot der Volksgemeinſchaft. Ein jeder muß 
erkennen, daß nur im Rahmen eines ge⸗ 
funden und geordneten Bolts- und Staats- 
lebens eine ſoziale Höherentwicklung des 
Einzellebens möglich ift. Es ift alfo felbit- 
verſtändlich, daß manchmal die Intereſſen 
der Volksgemeinſchaft eine Beſchränkung der 
Wünſche des einzelnen verlangen. Im letzten 
Grunde jedoch werden dadurch erft die Bor- 
ausſetzungen geſchaffen, durch die der ein- 
zelne eine beſſere Ausgeſtaltung feines Da- 
ſeins erreichen kann. Die nationalſozialiſtiſche 
Auffaſſung vom glücklichen Daſein des Men⸗ 
ſchen hat alſo nichts mit dem Gedanken einer 
unbeſchränkten Glückſeligkeit und auch nichts 
mit irgendwelcher Humanitätsduſelei zu tun. 
Aus dem Gedanken der Volksgemeinſchaft 
ergibt ſich vielmehr, daß das Leben des ein- 
zelnen Volksgenoſſen nur im Rahmen einer 
gerechten Abwägung von Rechten und 
Pflichten gegenüber elt und Staat fig 
geſtalten kann. Rh. B. 


30 Außenpolitiſche Notizen 


Tavsif naw Gelichisfarbe 

Die Verwaltung der peruaniſchen Staats- 
eiſenbahnen überrafht uns mit einer Neue- 
rung, die auf den erſten Blick beſtechend 
wirkt. And zwar werden in Zukunft alle 
Reiſenden, die Héi durch nichtweiße Gefidts- 
farbe auszeichnen, zum halben Preiſe be- 
fördert, mit der Begründung, es handele ſich 
bei allen Farbigen um die ſozial ſchlechteſt 
geſtellten Schichten der Bevölkerung. So- 
weit ſchön — die Berechtigungsfrage muß 
man ſchließlich dem ſtatiſtiſchen Wirtichafts- 
amt Perus üÜberlaſſen. Gewiſſe Kompli- 
kationen und Folgerungen laſſen ſich jedoch 
von hier beurteilen: unſeres Wiſſens müßten 
die immerhin auch farbigen Chineſen, Be- 
figer großer Handelshäuſer und Suder- 
plantagen, Banken und Neſtaurants, aus- 
genommen werden, ſonſt paſſiert es, daß 
Gelbe wegen ihrer nichtweißen Hautfarbe 
auch in der erſten Klaſſe nur den halben 
Preis bezahlen. Man wird alſo notgedrun- 
gen die Tarifierung der Farbigen ſo vor⸗ 
nehmen müſſen, daß die Gelben nach weißen 
Tarifen berechnet werden. Andererſeits — 
das Los vieler europäiſcher Einwanderer iſt 
ſchwer, ihnen geht es zumindeſt die erſten 
Jahre ſehr ſchlecht: aber es iſt ſchon recht, 
daß fie mehr bezahlen müſſen: weiße Haut- 
farbe verpflichtet eben in der ganzen Welt. 
Bloß eben, daß fie in Peru anders ver- 
pflichtet, als etwa in Südafrika, wo ſelbſt 
in den engſten Straßenbahnen Durbans und 
anderer Städte zwar die Preiſe nicht ver- 
ſchieden find, aber geſonderte Abteile für 
Weiße und Schwarze beſtehen. Die Inder 
haben es febr übelgenommen, daß fle auch 
in dem farbigen Abteil fahren müſſen. Auch 
in den Staaten gibt es noch Strecken, auf 


denen ſelbſt die großen Fernzüge einen ge- 


ſonderten Pullmanwagen für bemittelte 
Neger haben. Aeberall in der Welt wehrt 
man ſich alſo bei den Bahnverwaltungen 
nur gegen die reichen Farbigen und trennt 
ſie von den Weißen. Denn in die unteren 
Klaſſen ſteigt dort der Weiße doch nicht 
ein — oder nur, wenn er halfcast iſt. 
Alſo hat ſich die peruaniſche Cifenbabn 
wirklich ein Verdienſt erworben. Bloß — 
man fragt ſich, warum reiſen denn eigentlich 
die minderbemittelten Braunen und Noten 
foviel? Man hört doch, fie führten ein fehr 
beſcheidenes Leben, was wollen ſie dann auf 
der Eiſenbahn? Der ſchlechtgeſtellte euro- 
päiſche Einwanderer muß jedenfalls viel 
mehr reifen, um Arbeit und Brot zu er 
halten. Alſo kann die peruaniſche Bahn mur 
zwei Gründe für ihre Maßnahme haben: 
entweder will fie dadurch die Braunen be, 
wegen, mehr zu reiſen; oder man erwirbt 


ſich einen guten Ruf, ohne dafür viel Geld 


auszugeben, denn der Ausfall dürfte ſehr 
gering fein. Im übrigen verfügt Peru über 
etwa 3500 Kilometer Eiſenbahnen, iſt aber 
noch etwas größer als Südafrika, das 
20 000 Kilometer Eiſenbahnen befährt! 


Die letzte Frage: wollen denn alle Brau- | 


nen und Roten nun nur den halben Preis 
zahlen? Es geht das oft beſtätigte Gerücht, 
daß der Verbrauch an weißem Puder für 
die Damenwelt Südamerikas deswegen ſo 
ungeheuer hoch ift, weil auch die Nichtganz ⸗ 
weißen gerne Weiße ſein möchten. Müſſen 
nun in Peru ſolche Ungernfarbige — ſehr 
viele an Zahl — vor dem ſcharfkontrollie 
renden Schaffner die Strümpfe ausziehen, 
um die wahrſcheinlich ungepuderten, alſo 
farbechten Beine vorzuzeigen? 
Hans Humbold. 


AUSSENPOLITISCHE ofi 774 


Randbemerkungen 31 


Hfliehieifes — 
Boamtenentlafiunstavend 
Wo? — In C. S. R. 

Der Vorwände zur Deutſchenverfolgung 
in der Tſchechoſlowakei und anderwärts 
gibt es bekanntlich viele. Dennoch aber iſt 
es der „Nar. Střed“, dem Organ der 
tſchechiſchen Gewerbepartei gelungen, einen 
neuen und höchſt originellen Grund dafür 
zu finden. Das Blatt ſchreibt: „Der Um- 
ſtand, daß die Leiter der meiſten Steuer- 
behörden Deutſche find, iſt ſchon aus 
nationalen Gründen bedenklich. Aeberdies 
ift ein Deutſcher in feinem Pflichteifer be, 
reit, jeden Erlaß, ſelbſt den abſurdeſten, zu 
erfüllen. Daraus könnte man bei der gegen- 
wärtigen ſtrengen Steuerpraxis ſchließen, 
daß die Deutſchen abfihtlih zu Vorſtänden 
der Steuerverwaltung erwählt werden. Die 
Partei wird deshalb beim Finanzminiſter 
und auch bei der parlamentariſchen Spar- 
und Rontrollfommiffion intervenieren. — 
Wie die intervenierten Stellen auf dieſen 
ſeltſamen Schritt reagieren werden, iſt jedem 
Kenner der Verhältniſſe in C. S. R. un- 
weifelhaft. 

Pflichteifer als Entlaſſungsgrund für 
Staatsbeamte. — Fürwahr, es wähne keiner, 
daß er ſchon ausgelernt habe! Job. 
„Deuiſdbes Auslanbsiuftitt” 

in Bien 

Es mutet wie ein Witz an, aber es ijt 
dennoch fo: Blättermeldungen zufolge plant 
man in Wien die Errichtung eines eigenen 
„Inſtituts für das Auslandsdeutſchtum“ nach 
Stuttgarter Muſter! Wie angegeben wird, ob. 
liegen die Vorbereitungsarbeiten einem öfter- 
reichiſchen Verband für deutſche Volkskraft“. 


Wie reimt ſich aber nun ein Inſtitut, 
welches das Deutſchtum der ganzen Welt 


andbemerkurs 


als völkiſche Einheit betrachten fol und da- 
nach auch ſeine Tätigkeit einrichtet, mit dem 
„öſterreichiſchen Menſchen“ zuſammen, der 
doch dieſen Zuſammenhang des Deutſchtums 
in aller Welt leugnet? And wie iſt ferner 
ein „Verband für deutſche Volkskraft“ mit 
einer Politik in Einklang zu bringen, die 
dieſem Ziel zuwiderläuft und alles tut, um 
das „Deutſche“ als Begriff aus dem 
Leben Oeſterreichs zu verbannen, ja ſogar 
bemüht ift, das Wörtchen „deutſch“ auch aus 
dem. Sprachſchatz des chriſtlichen Stände⸗ 
ftaates zu verdrängen? 


Welchen Nutzen bafi du? 

„Ehrenwache“ — das ſcheint auf den erſten 
Blick eine ſoldatiſche, wenn nicht gar hel- 
diſche Angelegenheit zu ſein. Vermutlich 
haben das die Gründer dieſer „Vereinigung 
eifriger Seelen“ auch vortäuſchen wollen, 
um den „jungen Leuten“ entgegenzukommen, 
die offenbar nur für irgendetwas Be⸗ 
geifterndes zu haben find. Aber die Wer- 
bung für die hoffentlich nur in geheimer 
geiſtiger Dimenſion eriftierende Ehrenwache 
ſcheint mit Begeiſterung allein keinen rechten 
Erfolg gehabt zu haben. Sie läßt alfo Flug- 
blätter verteilen, u. a. mit der fetten Schlag · 
zeile: „Welchen Nutzen haſt du?“ 

Na alfo! Ehrenwache als vernünftiges 
Geſchäft auf Gegenſeitigkeit. Für die Ehre 
allein kann man ſich nichts kaufen, geſchweige 
denn in den Himmel kommen. So aber, 
„nimmſt du zu an Tugenden, und viele Ber- 
dienſte werden dein ewiger Reichtum ſein“. 
Das ganze „dient dem Zwecke der Geelen- 
rettung“, heißt „Ehren wache Mari- 
ens“, iſt ſtreng katholiſch, und der Eintritt 
koſtet nur eine Reichsmark. Wer mehr gibt, 
bekommt „ein Bildchen“. Poſtſcheckkont⸗ 
München 3965. hy. 


32 Vom Büchermarkt 


Noſenberg und die Bibel. Zum Streit um 
den thus des 20. Jahrhunderts“. 
Bon Prof Dr. Hugo Koch. 1 

Th. Fritſch jun., Leipzig C 1. 1. N 
Die Aufgabe dieſer kurzen Schrift be⸗ 
eht darin, mit eindeutiger und durch um⸗ 
aſſendes Material ausgezeichneten Beweis 
Ben die Angriffe gegen den „Mythus“ 
gs abzuwehren und auf rein wiffen- 

Ca er Grundlage in fadlidem Ton 


ie umſtrittenen Fragen zu klären. Scho⸗ 
nungslos werden alle jene = nierten 
Methoden der fogenannten enſchaft · 


ier“ des politiſchen Kathollsts mins auf- 
Se die pase a etan find, die wahren 
rkenntniſſe 3 telen und durch ver- 
logene Darſtellungen entkräften. Koch 
gibt in dieſem Buche eindeutig wiffenfdaft- 
iche Belege für die Ananfechtbarkeit und 
Lauterkeit der Behauptungen des e 


en im Dienfte der Dunkelmänner. 
Abrechnung mit den Verſaſſern und 
Sistermännen der „Studien zum My- 
thus des 20. Jahrhunderts”. Von Alfred 
Miller. Verlag Theodor Fritid jun., 
Leipzig C1. 1. R 


An zahlreichen „ in der Kirchen ⸗ 
und Dogmengeſchichte beweiſt Miller die 
SE „Ansulängtigteit jener Män- 
ner, Die in glaubten, die 
wiffenſchaftliche en epre E Neoſenbengs in den 
Schmutz zu ziehen. Es wird dee, mit 
welcher borgetdufdten „Wiſſenſchaftlichkeit“ 
man Entſcheidungen und Aeußerungen nn- 
fehlbarer Päpſte zu allen Zeiten be ae 
hat. Mit großer Sachlichkeit ift hier 
Netz von Verwirrungen und Verſtr h 
entfaltet worden, das die ſogenannten 
„wiſſenſchaftlichen Dunkelmänner“ dem aut- 
gläubigen Laien übergeworfen hatten. Man 
kommt mit Recht zu der Aeberzeugung, daß 


u KEE alleg an e ift, als das 
Sud 3 Streben 
> Aufri ae = Gegenteil eher der 
Verſuch mit rrigen Beweiſen einmal er- 
kannte Wahrheiten auszulöſchen, um die 
Auswirkungen unangenehmer Erkenntniſſe 
zu verhindern. In gerade einer der Wiffen- 
ſchaft ohnſprechenden Form wurde in den 
udien“ über jede hrheitsliebe und 
Ehrlichkeit hinweggeſchritten, nur aus dem 
Verlangen heraus, Erkenntniſſe im Keime 
zu erſticken, die vielleicht angetan fein tonn- 
ten, beſtimmte ſogenannte unerſchütterliche 
Machtbereiche des politiſchen Katholizismus 
8 vernichten. Es iſt ein beſonders großes 
erdienſt Millers, die Methoden dieſer 
dunklen Wiſfenſchaftler einmal klar her · 
ausgeſtellt zu haben und zu zeigen, wie 
gerade beate vA e: tholiſchen Theologen ver- 
ſuchen, aus i irchengebundenheit Ber, 
aus ihre Wifi enſchaft als allein maßgeblich 
und richtig hinzuſtellen und jede andere 
außerhalb ihres Denkungskreiſes auf- 
tauchende Meinung zu verdammen und aus- 
zurotten. — Ri — 


Gef bands Wirklichkeit. Von Erwin 


egte. Verlag von J. C. B. Mohr 
(Giebed), Tübingen 1935. 

Diefe etwas erweitert gedruckte Kölner Antritts- 
vorleſung will aus der Bee de der überlieferten und 
„an? on. geſchichtsphiloſophiſchen Arbeit vier 

ben, die zum W der ge: 
ER Wine Siet bringen , eg 1. als 
S e der bs eit aia k des 

bens; 2 Das 6 Geh ern 
nattonal- 


roatettt 3 NEEN Se erhalte es 
von Natur (sRa te kommt der Ger: 
faſſer miht a e pais WE und Forderun⸗ 


gen hinaus. „Gelſtes als Geſchichte “ 
ringt es De 8 118 als zu einigen Warnungen, ja 
die Rale nicht zu vergeſſen Sonſt he erscht das 


sc Bemühen vor, die Tradition nicht zu ver: 
aſſen 

Für eine deutſche Philoſophie der Geſchichte aber 
find Entſcheidungen nötig, nicht Korrekturen an der 
Tradition. E. L. 


„ Ginter Kaufmann in Urlaub). 1 85 Karl Lapper. wil 
m Macht“, b po Berlin D 7 Ber u“ 5 10. D 2 5841. Verlag: EE e Jugend. 
verlag G. m. Lin Berli 81 3819 0 Tel, — . für den Anze NC SE 
Wine und’ ‘staat dr jj LEE Sexe EYS 0 b 

e t n en gen verlag oder jede deu uchhandlung [owie dur 
die ſtbezug vie Pa den, 105 gen a Bei Beſtellung von 1 win 8 emelnek wie bur 


uzügl 
bitte den Betas in Briefmarken kaka na Nacht 


erledigt werden kann. Maſſen p durch den Verlag 


H 
neenbung zu 1 it und diese dingungen ſonſt nicht 


„den g ganzen Nitus, 
den Kult und das voͤlkiſche Brauchtum 


ch Me nu zu rer e nur ein Leben ſitilicher Länternung 
tennen und dulden wollte 


„Endlich tft der große di = Roman SH Hermann den Cherusler dal Der Dichter 
fellt mit dewunderswerter Kraft und mit PLN Kenntnis die germaniſche Welt 
der ebmifdhen bermacht entgeaen, er cent viel Weſentliches und Weſenba es aus 
der Frübgeſchichte unſerer Vorfahren 
„Man ſpürt hier Sleidniffe und Sinnbilder, man legt das Buch 5 Herzens 

te und mag vorläufig zu keinem anderen greifen. as Bd dful des erften 
Gen ſchwingt lange in uns nach, läuternd, Färtend und Definnung fordernd.“ 


dt Heinz Beobachter / Über de 
%% ũ . RE eaa er den großen früb 


Der eefe Deutſche 


von Profeſſor Hjalmar Kutzleb 


Ò Das Werk ift für RM. 5,50 in Leinen gebunden in jeder Buchhandlung 
zu haben. Verlangen Sie die koſtenloſen Leſeproben. 


we Georg Weftermann / Braunſchweig / Berlin W 35 
„ — 


Eberhard Wolfgang Möller 


Das Schloß in Ungarn 


Roman. 60. Tauſend. 


Eberhard Wolfgang Möller, der mit dem nationalen Bud- 
preis 1934/35 ausgezeichnete Dichter des jungen Deutſchlands 
bat mit ſeinem Roman „Das Schloß in Ungarn“ wieder ein 
Werk geſchaffen, das ganz am Geiſte der HJ ausgerichtet iſt. 
Volkstum und ſoldatiſche Haltung find die beiden großen Ge- 
danken dieſes Buches, deſſen ungemein ſpannende Handlung in 
die ungariſche Revolution von 1848 führt, und das aus der 
Gegenüberſtellung des Soldaten und des für ſein Volkstum 
kämpfenden Revolutionärd immer neue Höhepunkte ſchafft. 
Dieſes Buch iſt uns allen aus dem Herzen geſchrieben. 


419 Seiten. Pappband RM. 4,50, Ganzleinen RM. 5,50. 
— ...... T —.—i— 


Zeitgeſchichte 


Verlag und Vertriebs⸗Geſellſchaft m. b. H., Berlin W 35 


Munchen 43 2116 
Schriftltg. der N 8 Frauen- 
warte Fach 80 


Bücher für die Sugend 
des neuen Deutſchlands 


Audi uud Oedunnus / Grundlagen einer national- 
N Ethik. Von Georg Aſadel. 2. Auflage. Kartoniert 

M. 1,50. / Die Forderungen, die das Buch in klarer, abſolut 
allgemeinverſtändlicher Formulierung und ſauberer, gepflegter 
Sprache erhebt, find die fundamentalen Forderungen L 
fozialiftifher Haltung. Reths-Gugend-Preffedtent 


SGefolatebakt / Der germaniſche Bampfbunb. Bon 
Dar Wagenführ. Mit (lr. Abb. Kartoniert . 1,80; Leinen 
RM. 2,80. / Der Verfaſſer pelot das Gefeg des germaniſchen 
Kampfbundes an Hand von islaͤndiſchen und frühgermaniſchen 
Heldengedichten, Geſchichten und Sagen in einer netten Auswahl. 
Jeder Junge wird darin begeiſtert leſen. Stuttgarter NS. Kurter 


aus Geſchichte des Kationalſosialismeus 
Von Walter Frank. 3. Auflage. Kart. RM. 1.—. / Wir e 
daß jeder Führer der jungen Garde, daß jeder geiſtig und politiſch 
wache Deutſche diefe großen Güter einer neuen Geſchichts⸗ 
betrachtung ch aufnimmt; denn Frank weilt, die Vergangenheit 
deutend, den in die Zukunft. Wille und Macht 


Dibtuns der jungen Mannschaft / Betrag. 
tungen zur deutſchen Dichtung der Gegenwart. Von Hellmuth 
Langenbucher. Kart. RM. 2,—. / Mit einem friſchen Ton, mit 
leidenſchaftlicher Hingabe an die deutſche Dichtung der Gegenwart 

at Langenbucher einen Aeberblick über junge Dichter wie Heinrich 

nader, Eberhard Wolfgang Möller, Gerhard Schumann, Val dur 
von Schirach, Hans Schwarz u. a. gegeben. tr Landeszeitung 


Dieteich Cari / Leben eines deutſchen Dichters. Von 
Ridhard Euringer. Kartoniert RM. 1,—. / Beſonders plaſtiſch 
tritt uns in dieſer ſchönen kleinen, mit dem Dichterbild geſchmückten 
Schrift Eckart als einer jener Revolutionäre entgegen, die ernft 
machten und den Kampf aufnahmen mit allen Gliederungen des 
öffentlichen Lebens ihrer Zeit. Wir heißen dieſe Schrift deshalb 
willkommen. Voͤltiſcher Deodacheer 


Durch alle Buchhandlungen zu beziehen 


Hauſeamiſche Devlassanfialt Hambuvs 


Wacht 


Mbrerorgan der nationalſozialiſtiſchen Zugend 


| 
us dem Subalt: 


BE Möller / Die Feier des ſahrhun. 


Humbold / Der Südosten im europäischen Schachspie, 
E / Grundzüge der deutschen Hal. 

Lange | Ludwig Woltmann — Hüttig / Schrifttum zur Rassenfrage — W. U. I Bei Georg 
| Kleine Beiträge — Randbemerkungen — Vom Büchermarkt 


Halbmomatsſchriſt / Seft 5 Berlin, den 1. Mats 1936 Einzelpreis 30 Pia. 


Die Feier des Sabrhunderts. . . . . 2 22... Eberhard Wolfgang Möller 
Grundzüge der deutſchen Haltung Richard Euringer 

Ludwig Woltmanuauaunungzgz/ . ee eee Ernft Lange 

Schrifttum zur Raffenfrage . . 2 . 2. Dr. Werner Hüttig 

Bei Georg Kolbe . . ee W. A. 

Der Südoſten im europäiſchen Schachſpiel . . . Hans Humbold 

Kleine Beiträge: 


Auslandsdeutſche und „Auslandsöſterreicher“ . . Fritz Bauer 
Randbemerkungen 
Vom Büchermarkt 


Kunſtdruckbeilage: Georg Kolbe. — Selbſtbildnis; Studie; Stralſunder 
Ehrenmal; Mädel. (Alle Aufnahmen: Schwartzkopf, Berlin-Spandau.) 


———— — —— — — — Se, ës 


acht 


GRD vevorsan dev nationalfosialiftiiden Susend 


dahrgang 4 Berlin, 1. Marz 1936 Heft 5 


Eberhard Wolfgang Möller: 


Die Seier des Sabsbhundevts 


Laßt uns die Zeichen verſteh'n, 
wenn auf den Bergen der Welt 
aus dem Gewölke der Tau 
fruchtbar herniederfällt. 


Seht die Erwachenden an; 

ſeht ſie mit Lichtern gekrönt. 
Hört den Erwecker, den Sturm, 
der aus den Tälern ſtöhnt. 


Hört und erhebt euern Mund, 
um diefe Stunde zu weih'n; 
jeiert die Ankunft der Zeit 
voller Geſang und Schalmei'n. 


Heller ſei euer Mut 

als alles frühere Licht 
und der Sturm werde ſtill 
vor eurer Zuverſicht. 


Möller | Die Geter des Jahrhunderts 


Denn nicht von ungefähr beginnt, was jetzt beginnt; 
es hat die Ahr des Himmels angeſchlagen 

und den Entſchloſſ'nen ſcheidet von dem Zagen 

der Spruch, dem kein Lebendiger entrinnt. 


Zu ſeinesgleichen wird ein jeder zugeſellt, 
ja ſelbſt die Toten ruft er zur Parade, 
und zu den Toten wirft er ohne Gnade, 
was nicht von innen ſeine Kraft erhält. 


Der Troß der Zeit zertritt es mit den Hufen, 
und was von Steinen kommt, das wird zu Stein. 
Was aber fruchtbar iſt, das iſt berufen 


Im Zuge derer, die da ſind, zu ſein; 
und über abertauſend hohe Stufen 
geht es zum Ruhme des Jahrhunderts ein. 


O du Jahrhundert, welches uns geboren! 
O brüderliches Jahr, das uns empfängt. 

Es klopft das Angeheure an den Toren 
mit einem Finger, der die Riegel ſprengt. 


Der Zukunft feierliche Abgeſandte 

entrollen das geheime Pergament, 

und noch der Zweifler hebt das abgewandte 
vergrämte Haupt, auf dem die Schande brennt. 


So ſteht beiſammen, was das Anglück trennte, 
und hört die Botſchaft, die zum Herzen greift, 
indeſſen aus dem Sturm der Elemente 

die hohe Blume der Verſöhnung reift. 


Die mir das Tägliche kennen, 
kennen das Ewige nicht; 

ihre Seelen verbrennen, 

aber ſie leuchten nicht. 


Die nur das Tägliche meinen, 
haben Gott nie gekannt; 

was ſie bauen aus Steinen, 
bauen ſie auf den Sand. 


Die nur dem Täglichen dienen, 
ſind ohne Ziel und Stern; 
nah iſt die Mühe ihnen, 

doch die Erfüllung fern. 


Möller / Die Feier des Jahrhunderts 


Herr, laß am jüngſten Tage uns beſtehen, 
wenn noch der ärmſte Hirt ſein Lämmchen bringt; 
es werden viele Werke untergehen, 

o gib, daß uns das unſere gelingt. 


Du, der du weißt, daß zwiſchen dem Verſprechen 
und dem Erfüllen ſich das Leben müht, 

du liebſt den Frommen, doch du zürnſt dem Frechen, 
der unaufrichtig dir ins Auge ſieht. 


Wer aber ſchafft, der iſt bereit zu geben, ° 
der Eitle nur verfpricht, was er nicht hält; 

das Große wird fidh einſt mit uns erheben, 

indes das Anzulängliche zerfällt. 


Wir leſen die Müden, die Einſamen auf, 
wir ſammeln die Brüder zum Bunde; 
das Leben nimmt ſeinen geheiligten Lauf, 
uns aber verpflichtet die Stunde. 


Was wir dem Glauben zu bauen bereit, 
das ſteht noch in Tagen der Kinder; 
den Suchenden preiſet die flüchtige Zeit, 
doch die Ewigkeit rühmet den Finder. 


And heller und feſter erſteht die Geſtalt, 
vor welcher die Väter erblaßten; 

die ewig Verzagten nur fühlen ſich alt, 
wo die Jungen, die Helden nicht raſten. 


Wie ſchenk ich dir, du herrliches Jahrhundert, 
den Zehnten nur von dem, was du mir gibſt. 

Wie faß ich deine Hand, wenn ich verwundert 
noch jede Stunde weiß, daß du mich liebſt. 


Wie greif ich dich und wie begreif ich deine 
Freigebigkeit, die keinen noch vergißt; 

wenn du nicht nur der eine Mund, nicht eine 
Hand, ſondern viele tauſend Hände biſt. 


Ach, laß mich dieſe tauſend Hände faſſen 
und jeder ſchenken, was du mir geſchenkt. 
Schenken iſt mehr als ſich beſchenken laſſen 
und ſelig der, der für die andern denkt. 


4 Euringer / Grundzüge der deutſchen Haltung 


Richard Euringer: 


Grundzüge der deutſchen Haltung 


Seit jenem 30. Januar hat die Nation wieder Haltung angenommen. Vordem, 
wenn wir unſere Schau deutſchen Weſens anmeldeten, geſchah es in Form von 
Forderungen. Heute ſind wir wieder ſo weit, daß wir am lebenden Beiſpiel des 
Volkes ſeine Art ableſen können, ſeine Art und ſeine Weiſe. Da prägt ſich als 
erſter Grundzug ein jene unerſchrockene Ehrfurcht, die den Kampf des Führers fenn- 
zeichnet. Sie ift zum Merkmal der Partei, und fo zum Merkmal des Volkes ge- 
worden. Furchtlos in Ehrfurcht ift der Führer, furchtlos in Ehrfurcht ijt 
die Partei, furchtlos in Ehrfurcht iſt das Volk. 


Vergleicht man andere Revolutionen mit der deutſchen Revolution, fo mag die 
Anerſchrockenheit ihr gemeinſames Kennzeichen ſein; über ihre Furchtloſigkeit aber 
zeichnet die deutſche Revolution jene furchtloſe Ehrfurcht aus, die nicht zerſtört, 
ſondern verwandelt. Ein Beiſpiel wie das des Tages von Potsdam ſteht ſichtlich 
ohne Beiſpiel da. Die Revolution, im erſten Anlauf, ballt ihre ganze ſymboliſche 
Kraft zu einem Akt an der Stätte zuſammen, die hiſtoriſch heilig iſt! And dies 
bedeutet nicht Reaktion, ſondern bedeutet Revolution, die verſchüttete Geſchichte 
ſchöpferiſch wieder in ihr Recht ſetzt. Gewordene Formen werden geachtet, das 
geſchichtliche Weſen aber ſpringt erlöſt als friſcher Kraftquell. And es ift nicht Ge- 
ſchicklichkeit, Diplomatie und Politeſſe, die ſo die Geſchichte erobert als Grundlage 
für weiteren Aufbau, ſondern es ift wahrhaftig Ehrfurcht, Scheu vor dem ewig wir- 
kenden Weſen, das eines Volkes Mitgift ausmacht. Es gab eine Zeit in dieſen 
Jahren, da erhofften gewiſſe Kreiſe vom „Konſervativen“ der Revolution die Hand- 
habe für eine Reaktion. Sie ſehen ſich heute endgültig enttäuſcht. Die deutſche Er- 
neuerung konſerviert nicht, ſie balſamiert nicht und ſtopft nicht aus, ſie entzieht im 
Gegenteil den ewig Geſtrigen auch die Geſchichte und ihr Vermächtnis, die Tradition. 
Sie bemächtigt ſich, und zwar in Ehrfurcht, der Vermächtniſſe der Geſchichte und voll- 
ſtreckt fie in die Zukunft. Ob es dabei ſich um Reichsreformen oder um den Wieder- 
aufbau eines deutſchen Reichsheeres handelt: Nie wird Neues konſtruiert, gufammen- 
gebaſtelt und »gekleiſtert, ſondern das Bleibende aus Geweſenem hebt ſich jung aus 
der Verweſung. Aus der geſamten Aufbauarbeit ſpricht dieſer Zug, ob es ſich um 
Eigenſchaften eines Stammes, um ſeine Trachten oder ſeine Bräuche dreht. Von 
der Wiederergreifung des Reichsſchwerts bis zur Judengeſetzgebung tritt das Ber- 
mächtnis der Geſchichte plötzlich in das klare Licht einer beiſpielloſen Kühnheit, die 
alles andere als romantiſch, aber voll von Ehrfurcht iſt. Romantiſch wäre der Verſuch 
tote Formen neu zu beleben, alfo ein Wiederbelebungsverſuch an Geweſenem. Beit- 
gemäß kühn iſt der Erweis, daß etwas Ewiges im Volke lebt, das geſchichtliche 
Formen geformt hat, ohne darin abzuſterben. Furchtlos bemächtigt ſich die Partei 
dieſes lebendigen, ewigen Kraftſtroms, ſelbſt ihre Form hervorzutreiben, aber in 
Ehrfurcht vergißt ſie nicht das Gewordene zu ehren, in dem einſt dieſe Kraft gelebt 
hat, wenn auch vielleicht nur als Teil der Kraft, die ein Volk unſterblich macht. 


Euringer / Grundzüge der deutſchen Haltung 5 


Immer wieder Wellen wir feft, daß dieſer Zug der deutſchen Haltung miß⸗ 
verftanden wird von jenen, die Deutſchlands Verwandlung von außen her ſehen. 
Es ſcheint ihnen dieſe Revolution einmal unwahrſcheinlich milde, ſo verſtrickt in 
das Geweſene, daß ſie ihrer Wucht mißtrauen. Dann wieder ſcheint ſie ihnen rüde, 
traditionslos und brutal, wie die phantaſtiſchſte Konſtruktion. Sie faſſen nicht, daß 
die Ehrfurcht kühn ſein kann bis zu dem Grade, da ſie auf Vorbilder verzichtet, 
wenn ſie das Arbild eines Traums der Nation vor Augen rückt. And ſie faſſen nicht, 
daß die Kühnheit ſo beſtimmt ſein kann von Ehrfurcht, daß ſie Ewiges verehrt, auch 
noch in erſtorbenen Formen. Das Kulturprogramm der Partei wie die Kultur- 
politik des Reiches wird dem ein Rätſel bleiben müſſen, der den Einklang hier 
nicht wahrnimmt. Die Hitzköpfe, die nicht einſehen können, warum die Partei, die 
doch die Macht hat, nicht einfach das Hiſtoriſche austilgt, ſcheinen taub für dieſen 
Einklang, wie die anderen, denen graut vor der „Willkür“ der Erneuerung. Sie 
meinen Neuerungen zu ſehen, und ſie ſollten doch das Geſetz ſehen, nach dem aus 
„Altem“ „Neues“ wird. 

Das Volk als ganzes aber ahnt etwas von dem, was da vorgeht. Es iſt er- 
griffen vom Beiſpiel des Führers, der ſich nicht ſcheut, auf Jahrzehnte, ja auf 
Jahrhunderte hinaus ſeine Schau zum Geſetz zu machen, und der doch nie fein will- 
kürliches Wollen, ſondern das Lebensgeſetz vollſtreckt. Es iſt ergriffen von 
der Güte, mit der er ehrt, was er ſchonen kann, wie von der 
rückſichtsloſen Härte, mit der er richtet, was ſich quer legt. And 
dieſe Haltung übertrug ſich durch die Partei auf die breiten Maſſen. Sie verſtehen, 
was geſchieht, auch wenn ſie es anders erwartet hätten oder keinen Ausweg fänden. 
Am Tag, da das Hakenkreuz im Banner endgültig über Deutſchland aufging, machten 
gewiſſe Temperamente ſich ſchon bereit, die Bismarckflagge ſchmählich in den Staub 
zu ziehen. Da verkündete der Führer die Farben des Reiches: Schwarz⸗Weiß⸗Not. 
Das Volk aber griff ſich an die Stirne und ſagte ſich: „Wahrhaſtig, ſo iſt es: entweiht 
hat euch, ihr deutſchen Farben, die Revolte von Verbrechern. Neu geweiht im 
Staatsſymbol hat euch der Retter der Revolution.“ 

Dies eine Beiſpiel ſpricht für viele. 

Als zweiten Grundzug der deutſchen Haltung nennen wir den einer Liebe 
zum Volke, die unerbittlich und ſchonungslos ift. Sie ergänzt 
den Zug der Ehrfurcht. Nie hat die Führung ſich geſcheut, dem eigenen Volke wehe 
zu tun. Schon zur Zeit des Kampfes um die Macht hieß die einzige Verheißung: 
Ihr ſollt opfern! Ich fordere von euch! Ihr müßt ſterben, wenn es nottut! Ihr 
werdet von Haus und Hof verjagt! Ihr wandert in Kerker und Gefängnis! Ich 
werfe euch dem Terror entgegen, waffenlos, den Mördermaſſen! Der Kampf wird 
dauern, vielleicht noch Jahre! And dann fordere ich neue Opfer! And dann hebt 
der Kampf erſt an! And dann wird uns die Welt verfehmen, und dann werden 
wir neue Not, neue Qual und Mühſal tragen und ertragen müſſen, und das Ziel 
wird weiter rücken, über eure Opfer weg, über Geſchlechterreihen hinweg, in eine 
harte Zukunft hinein, die immer härter werden wird, je mehr mein Wille die Nation 
formt! 


6 Euringer / Grundzüge der deutſchen Haltung 


And ſo iſt es denn gekommen. Eine müd verſpielte Jugend, die ſchon bereit 
ſchien unterzugehen, riß ein beiſpielloſer Griff an die Partei, an den Staat heran, 
und ſtellte ſie knieblößig auf zwei Beine. Wie viel ängſtliche Sorgenmütter, redliche 
Eltern und Erzieher haben damals den Kopf geſchüttelt, über den „Frevel“, die 
Geſundheit junger Menſchen ſo dem Wetter auszuſetzen! Noch heute ſtaunen wir 
immer wieder, mit welcher Selbſtverſtändlichkeit die Jugend die ſpartaniſche Zucht 
ihrer Lager und Märſche hinnimmt; nein, nicht hinnimmt, ſondern ſtolz iſt auf ihre 
Haltung. 

So ging es mit dem Arbeitsdienſt. Angejault, wo nicht angefault von Jazz- 
muſik und Halbweltallüren ſchien der Großſtadtjüngling verdammt, Schieber zu 
werden und Flaneur, Zierbengel und Eckenſteher. Da nahm ſich ſeiner eine Fauſt 
an, nicht der zärtliche Fürſorgefinger, der immer nur den „rechten Weg“ weiſt, 
ſondern die Fauſt, die eiſern zupackt. Das Ergebnis beſtaunen wir Jahr für Jahr 
auf dem Reichsparteitag; rieſige Mannſchaften junger Männer, geſchunden von 
Froſt, gehärtet von Sonne, in einer Selbſtverſtändlichkeit ſchlichten Dienſtes, ſtummen 
Gehorſams und unbändiger Lebensluſt. 

So geht es mit der Volksarmee, ſo mit den Scharen junger Flieger. An 
Stelle des Wohlfahrts- und Fürſorgegeduſels, der die Aus- 
leſe verkehrte, immer das Minderwertige päppelnd, trat 
die Liebe einer Führung, die den züchtigt, den ſie auslieſt. Ja, 
dieſer Zug der deutſchen Haltung iſt ſo weit Allgemeingut geworden, daß wir die 
Schonungsloſigkeit dieſer Liebe kaum noch fühlen. Wir alle ſchämen uns Tag für 
Tag unſerer Lauheit, unſerer Flauheit; jede Gliederung der Partei weiß ſich nicht 
genug zu tun, ſelbſt ſich Opfer abzufordern, eh die Führung mahnen müßte. Würde 
heute kein Winterhilfswerk, würde kein Parteitag befohlen, kein Appell, kein Arbeits- 
dienſt, der einzelne Gau, der einzelne Kreis, die Ortsgruppe, die Frauenſchaften, die 
Werkgemeinſchaft, die letzte Gefolgſchaft trüge ſelbſt ihr Opfer an. Was heute 
an ſelbſtverſtändlichem Dienſt, an ſelbſtverſtändlicher 
Kameradſchaft, an ſelbſtverſtändlichem Gehorſam in Deutſch⸗ 
landtagtäglich das Volkſichabtrotzt, zeugt von einer Weſens⸗ 
vet wandlung, wie wir ſie kaum nocherhofften. Es ift ein Gemein- 
platz für uns geworden, daß die Züchtigung des Liebſten eine Tat der Liebe ſein 
kann, und die Schonung eines Volksfeindes cin Verrat ſogar am Feinde. 

Ein dritter Zug ergänzt dieſen zweiten: der der mannſchaftlichen 
Haltung. Den Ideologen des Proletarismus ſchwebte eine Maſſe Menſch vor, 
die Maſſe Menſchenmaterial, kopflos millionenköpfig, willenlos fanatiſiert. Den 
Schönrednern des Liberalismus ſchwebt noch heute das Sammelſurium der Einzel- 
gänger vor, deren jeder feinen Weg geht, kreuz und quer durch Intereſſen, „Welt. 
anſchauungen“ und Nöte jedes anderen Einzelgängers. Die deutſche Haltung aber 
lehrt, daß ein drittes möglich wurde. Der Mann iſt wieder Schultermann und iſt 
Vordermann geworden, und die Tuchfühlung im Geiſte läßt uns und verläßt uns 
nicht mehr, ob wir auch durch Wüſten wandern. Das Mädel weiß wieder, daß es 
nichts iſt ohne den Jungen, der damit aufwächſt, daß es nur ein Glied der Kette im 


Euringer / Grundzüge der deutſchen Haltung 7 


Beſtan de der Nation if. Was wir die Frontkameradſchaft nannten, das Wiſſen 
um Den Anſchlußmann, das Wiſſen um die Kompagnie, um die Front, um Freund 
und Feind, ift zum Wiſſen des Volkes geworden. Es hat uns erlöſt aus der 
Einſcrrtkeit unſerer abgründigſten Zweifel, aus der Arbeitsloſigkeit, die das Symptom 
des Wahnfinns war, als fei der Nebenmenſch nicht Mitmenſch, nicht Schultermann 
und WMolksgenoſſe. Es gab dem Kampf auf „verlorenem Poſten“ tröſtlich einen neuen 
Sin nm, und ſtünde unſere Generation, und ſtünde dies ganze umdrohte Deutſchland 
ſelbe r auf „verlorenem Doften“: wieder find wir eingerammt, eingereiht in unſere 
Zeit, Fennvoll Ausdruck unſeres Schickſals. 
And dieſen Zug der deutſchen Haltung ergänzt ein vierter und damit letzter, 
wo wir in großen Zügen zeichnen: der Zug der Einfalt in der Vielfalt. 
Deutſchland iſt nicht uniformiert. Die Leute, die ſo troſtlos meinten, dies dritte 
Reich der braunen Hemden werde zuletzt doch ein Kollektiv ſein, haben ſich bekehren 
müfſen. Wie die Natur aus einem Strahl den ganzen Farbenfächer aufſchlägt, 
ſo hat ſchon äußerlich die Partei eine Fülle und Vielfalt von Farben und Formen 
aus einer einzigen Grundform entfaltet, aus der einzigen SA eine unerſchöpfliche 
Vielfalt von Formen und Aniformen erwieſen, wie ſie die Demokratie nie kannte. 
Nie find die eigenſtämmigen und die eigenſtändiſchen Züge des größeren Deutſchland 
ſo augenfällig, ſo farbenfroh und lebensfreudig zutage und ans Licht gekommen wie 
nun, da die Führung der Nation die Einfalt ihrer Vielfalt nachwies. Die ſprich⸗ 
wörtlich gewordene Schlichtheit der Perſon des Führers ſelbſt iſt nichts anderes als 
ſolche Einfalt. Das ganze Volk aber hat begriffen, ob in Wiſſenſchaft und Technik, 
ob in Kunſt und Politik, daß es niemals darum gehen kann, Einfaches zu komplizieren, 
ſondern das Vielfältigſte aus der Einfalt zu erfaſſen. Wenn heute tauſende von 
Men ſchen, nach Stand und Herkommen verſchieden, nach Beſitz und nach Beruf, ja 
nach Art und Artung ungleich, weitverſtreut im ganzen Reich, einmütig zufammen- 
wirken, was auch jeder tu und treibe, ſo deshalb, weil dies vielfältige Weſen wieder 
einfã tig geworden, elementar, nicht primitiv, Menſch geworden in der Volkheit. 
Die Sinfalt in all der Vielfalt ift es, die es zum erſten Mal ermöglicht, von dem 
deut ſctyen Volk zu ſprechen, das Jahrhunderte erſehnt, und daß nun ſo körperlich, fo 
gerafft und doch ſo frei, ſo unbändig und gebändigt greifbar mitten in der Welt 
ſteht, frurchtlos in Ehrfurcht, von einer ſchonungsloſen Liebe zu ſich ſelbſt und ſeinem 
Ich, einfältig vielfalt, Sinn und Sinnbild einer Sendung. 


Laß den Schwächling angstvoll zagen, 

Wer um Hohes kämpft, muß wagen, 

Leben gilt es oder Tod! 

Laß die Wogen donnernd branden, 

Nur bleib immer, magst du landen, 

Oder scheitern, selbst Pilot. Gneisenau. 


8 Lange / Ludwig Woltmann 


Ernst Lange: 


AZudwig Woltmann 
1. 


Die Verdienſte des faſt vergeſſenen Forſchers Ludwig Woltmann, den ein allzu 
früher Tod mitten aus einer ungewöhnlich reichen und fruchtbaren Tätigkeit riß, 
find noch in keiner Weiſe gewürdigt. Die Werke über Raffenfragen nennen ihn wohl 
meiſt flüchtig, zitieren einige ſeiner Bücher, ohne indeſſen die geſchichtliche Bedeutung 
Woltmanns zu erörtern. Seine Bücher fird ſehr felten geworden und fein Name 
droht der Vergeſſenheit zu verfallen. 

Seiner fih heute zu erinnern ift um jo mehr Pflicht, als ja Woltmanns For- 
derungen nunmehr Wirklichkeit geworden find. Denn einer Geſetzgebung, die zur 
Grundlage die Sorge um Beſtand von Volk und Raffe hat und einer Geſchichts⸗ 
betrachtung, die die Bindung des Menſchen an die Natur in ihren Amkreis nicht nur 
einbezieht, ſondern zur Grundfrage geſchichtlichen Denkens überhaupt erhebt, war 
Woltmanns Forſchertätigkeit gewidmet. 

Er war 1871 in Solingen geboren. In ſeiner Jugend war er der Sozialdemo— 
kratie zugehörig. Nach dem Studium der Medizin und Philoſophie ließ er ſich 
als Arzt nieder und widmete fih vorerſt der Philoſophie in der Abſicht, die Darwin- 
ide Lehre zu benützen, um in die marxiſtiſch-ſozialiſtiſche Gedankenwelt die Lehre 
von der Naturgebundenheit des Menſchen einzubauen. Auf dem Parteitag der 
Sozialdemokratie zu Hannover 1899 ſprach er als Delegierter gegen Bebel, und als 
er in die Debatte rief, man müſſe die Tüchtigſten und Beſten an die Spitze ſtellen, 
war dies ohne Zweifel ein Durchbruch feines weſentlich von Darwin fibernommenen 
biologiſch-entwicklungsgeſchichtlichen Denkens, die Geſchehniſſe der Geſchichte von der 
Natur her zu ſehen. 

Schon 1898 ſpricht er in ſeinem Buche „Die Darwinſche Theorie und der 
Sozialismus“ den Gedanken aus, daß es „im Völkerkampf eine Ausleſe in bezug 
auf Macht und Herrſchaft“ gebe. Die Gobineauſche Naſſentheorie, die alle menſch⸗ 
lichen Kulturſchöpfungen auf den Einfluß germaniſcher Völker zurückführe, habe 
„viel Wahrſcheinlichkeit für ſich“, wenn fie auch die Amweltfaktoren allzu ſehr ver- 
nachläſſige. 

Die bald einſetzende endgültige Wendung zur Raſſenfrage war für Woltmann 
um ſo leichter, als von Beginn an die Anthropologie der Ausgangspunkt ſeines 
geſamten Denkens war. Sein ſtetes Intereſſe hatte dem ganzen Menſchen gegolten, 
dem Menſchen, wie er in den natürlichen und geſchichtlichen Bindungen ſteht. Er 
löfte alle parte ipolitiſchen Bindungen, entſagte der politiſchen Agitation und gab 
ſich reſtlos mit ſeltenem Eifer ſeinen neuen Aufgaben hin. 1902 gründete er die 
Zeitſchrift „Politiſch-⸗Anthropologiſche Revue“, die bis 1920 erſchien und heute ein 
wertvolles Archiv für die Geſchichte des raſſiſchen Denkens darſtellt. Vom Inhalt der 
Jahrgänge dieſer Zeitſchrift geht es beinahe geradlinig über in die modernen Gr, 
örterungen über Ausleſe, Aufartung und raſſiſche Geſetzgebung. 


Lange / Ludwig Woltmann 9 


2. 

Die geſchichtliche Stellung Woltmanns kann (vereinfacht, aber durchaus richtig) 
als die eines Mittlers zwiſchen den Darwin⸗Häckelſchen und den Gobineau- 
Chamberlainſchen Lehren bezeichnet werden. Darwin hatte in feiner Abſtammungs⸗ 
lehre den Menſchen als aus der natürlichen Entwicklungsreihe der Lebeweſen hervor- 
gehend aufgewieſen. Häckel trat als erſter deutſcher Forſcher für die Lehre Darwins 
ein, führte ſie fort, und durch die Aufſtellung des „biogenetiſchen Grundgeſetzes“ 
ſicherte er den Sieg der Lehre. (Das biogenetiſche Grundgeſetz beſagt, daß jedes 
Lebeweſen einſchließlich des Menſchen die Entwicklung ſeines Stammes durch alle 
Stufen des Stammes im Laufe der Keimesentwicklung dieſes Lebeweſens in ver- 
kürzter Zeit wiederholt.) Beide Forſcher gelten heute unumſtritten als die Väter 
des modernen biologiſchen Denkens, auf ihnen hat die Naſſenforſchung aufgebaut, und 
ihren wahren Sieg feiern die großen Forſcher erſt heute, da ein ganzes Reich ſeine 
oberſten Grundſätze nach den Ergebniſſen der biologiſchen Forſchung auszurichten be- 
gonnen hat. 

An dieſer Lehre orientiert, geht Woltmann an die Forſchung. Bezeichnend für 
die Folgerichtigkeit ſeines Denkens und ſeinen Sinn für die Wirklichkeit der Geſchichte 
iſt ſeine Kritik an Gobineau und Chamberlain. 

Es bedürfe keines Wortes der Widerlegung, daß der Satz Gobineaus „Im 
Fortſchritt oder Stillſtand find die Völker unabhängig von den Stätten, die fie 
bewohnen“, „in dieſer Faſſung entſchieden falſch“ fei. „Boden, Klima, Fauna, 
Flora, die Nachbarſchaft anderer Völker, ſind wichtige äußere Bedingungen für die 
ökonomiſche und intellektuelle Entwicklung der Raſſen. Innerhalb hiſtoriſcher 
Zeit vermögen materielle Arſachen die natürlichen Raffenanlagen in keiner Weiſe 
weſentlich zu ändern, aber für die Entfaltung diefer Begabungen find fie 
unumgänglich nötig.“ 

Der von Woltmann hochgeſchätzte Chamberlain wird — hier mit Recht — mit 
folgenden Worten berichtigt: „Da nach Chamberlains Theorie jeder tüchtige Kerl 
in der Welt ein Germane iſt, ſo zieht er willkürlich den Begriff des Germanen 
bedeutend weiter, als die hiſtoriſchen Nachrichten und die anthropologiſchen Unter- 
ſuchungen geſtatten. So verflüchtigt ſich ſchließlich die „Plaſtizität' der Naſſe bis 
zu jener nebelhaften Vorſtellung, wo der Autor ſeinen Lehrer Darwin und die ganze 
Naturwiſſenſchaft vergißt: Gewig liegt das Germanentum im Gemüte, wer ſich als 
Germane bewährt, iſt, ſtamme er her, wo er wolle, Germane; hier wie überall thront 
die Macht der Idee.“ Wo bleibt da die — Raſſe?“ 

Woltmann, der die Lehre von der überragenden Kulturbedeutung des ger- 
maniſchen Menſchen durchaus anerkennt, fritifiert Chamberlain jo, weil er mit dem 
Naſſenbegriff völlig ernſt macht. Er duldet keinen Rückzug auf „die Idee“, „das 
Gemüt“ u. a. m., wo der Menſch der Beſtimmung ſeiner raſſiſchen Zugehörigkeit 
völlig entzogen iſt. 

3. 

Woltmanns fruchtbarſter Gedanke war die Konzeption einer „Politiſchen 

Anthropologie“. Das Buch, das dieſen Titel trägt, iſt ein großartiger, 


10 Lange / Ludwig Woltmann 


weitgreifender Verſuch, mit den Mitteln der zeitgenöſſiſchen Raffenlehre und vor 
allem mit dem Darwinſchen Gedanken des Kampfes ums Daſein, die Erſcheinungen 
der geſchichtlichen Welt von den „organiſchen Erzeugern und Trägern“ der Geſchichte 
her zu betrachten. Recht und Sitte, Che und Beruf, Stand und Staat werden 
einer Betrachtung von den natürlichen Bindungen des Menſchen her unterworfen. 


Gegen die bisherige Geſchichtsſchreibung macht Woltmann den zum Teil noch 
heute nötigen Einwand: Statt von der „biologiſchen Geſchichte der Menſchenraſſen“ 
auszugehen, „machte man bisher faſt allein die Entwicklung der politiſchen Cin- 
richtungen und Ideen in einſeitigſter Weiſe zum Gegenſtand hiſtoriſcher Unter- 
ſuchungen, während man darüber die realen Menſchen ſelbſt, die leibhaftigen Naſſen, 
Familien und Individuen als organiſche Erzeuger und Träger der politiſchen und 
geiſtigen Geſchichte gänzlich vergaß.“ 

Es ſchränkt die Großartigkeit dieſes Buches, das uns als Hauptwerk hinter- 
laſſen iſt, in keiner Weiſe ein, daß es nicht einheitlich durchgeführt iſt, viele Fragen 
offen läßt und ſich allzuſehr an die Darwinſche Lehre hält. Der Grund für dieſe 
ſtarke Anlehnung an Darwin mag darin liegen, daß das Buch geſchrieben wurde 
aus Anlaß eines von Friedrich Krupp geſtifteten Preisausſchreibens über den Ein⸗ 
fluß der Abſtammungslehre auf die innerpolitiſche Entwicklung und Geſetzgebung 
der Völker. 


Woltmann geht davon aus, daß es eine „genetiſche Analogie zwiſchen Organig- 
mus und Geſellſchaft“ gebe, daß alfo die Entwicklung der menſchlich⸗geſchichtlichen 
Welt, d. h. der Familie, der Stände und Staaten uſw. die gleiche ſei, wie die der 
natürlichen Organismen. Doch iſt die Ineinsſetzung von Natur und Geſchichte bei 
ihm keineswegs fo umfaſſend, wie bei vielen feiner Zeitgenoſſen (3. B. Schäffle l). 
Woltmann iſt ſich des Anterſchiedes des Menſchen und ſeiner geſchichtlichen Bindungen 
von dem Bereich der Natur ſehr bewußt. Aber was Organismus und Geſellſchaft 
gleichmäßig zukommt, ift das allgemeine Prinzip der Or ganiſation. „Man 
kann die Geſellſchaft nicht direkt einen Organismus nennen, ſondern nur dahin 
phyſiologiſch kennzeichnen, daß fie eine Organiſation beſitzt“, d. h. daß in ihr Aeber⸗ 
ordnung, Abſtufung, Arbeitsteilung uſw. anzutreffen ift. Aber die „phyſiologiſche 
Grundlage des ſozialen Lebens ... ift nichts anderes als die "Kale" So ift auch 
die biologiſche Differenzierung in Raffen der urſprüngliche Ausgangspunkt für die 
Arbeitsteilung und Standes und Berufsgliederung. Herrſchaft und Knechtſchaft 
beruhen urſprünglich auf Naſſengegenſätzlichkeiten. 


Von der Schwierigkeit des obengenannten Organiſationsbegriffes können wir 
in unſerem Rahmen abſehen. Ans heutigen iſt der Grundgedanke von Bedeutung, 
daß die Vorausſetzung des ſozialen Lebens, des Daſeins von Staaten, die Voraus- 
ſetzung der Geſchichte überhaupt, in der Natur liegt, in den raſſiſchen Bindungen 
und Anterſchieden der Menſchen als Träger der Geſchichte. Aus dieſer Erkenntnis 
ſolgt, daß man den Sinn der Geſchichte, die Erklärung geſchichtlicher Vorgänge nicht 
zuerſt in der Amwelt, in den Wirtſchaftsweiſen der Menſchen u. a. m. zu ſuchen hat, 


Lange / Ludwig Woltmann 11 


ſondern in den verſchiedenen Raffen, deren Kampf gegeneinander den Grund der 
Weltgeſchichte abgibt. 

Die „Politiſche Anthropologie“ hat alſo die urſächlichen Zuſammenhänge zwiſchen 
den raſſiſch⸗anthropologiſchen und den geſchichtlich-⸗politiſchen Tatſachen aufzudecken 
und zu erörtern. 

4. 

Im Zuge dieſer Erkenntniſſe kam Woltmann zu ſeinen Forſchungen über den 
Einfluß des germaniſchen Elements in der Italieniſchen Renaiſſance und in der 
Geſchichte Frankreichs. Er ſtellte ſich die Aufgabe, an hunderten von italieniſchen, 
franzöſiſchen und ſpaniſchen Genies die raſſiſche Herkunft nachzuweiſen. Er bediente 
ſich dazu einer Methode der Feſtſtellung der phyſiſchen Typen der Genies und teilte 
diefe den Raffen zu, die bei der raſſiſchen Zuſammenſetzung der Länder in Betracht 
kommen. 


Dieſe Methode der „anthropologiſchen Genealogie“ führte Woltmann meiſt an 
Porträts durch. Er konnte den Nachweis führen, daß die in Frankreich ein⸗ 
gewanderten Germanen die mittelalterliche Kultur Frankreichs ſchufen und auch 
ſpäterhin ein überragender Teil großer Geſtalten der franzöſiſchen Geſchichte 
Familien germaniſcher Herkunft entſtammen. 

Mannigfache geſchichtliche Ereigniſſe, u. a. die Eheloſigkeit des Prieſterſtandes, 
der ſich in früher Zeit vornehmlich aus Edlen germaniſcher Abkunft zuſammenſetzte, 
verminderten das germaniſche Element derart, daß es dem Ausſterben zuneigt. 

Den gleichen Nachweis führte Woltmann hinſichtlich der frühen italieniſchen 
Geſchichte, vornehmlich der Italieniſchen Nenaiſſance. 

Wenngleich, wie Hans F. K. Günther bemerkt, Woltmann einige brünette 
Köpfe für germaniſch oder teilweiſe germaniſch hielt (zu Woltmanns Zeit war die 
„Dinariſche Naſſe“ noch nicht bekannt), ift der kulturgeſchichtliche und auch wiffen- 
ſchaftliche Wert dieſer Werke allgemein anerkannt und unumſtritten, leider aber noch 
zu wenig gewürdigt. 


Im Frühjahr 1907 verlor die deutſche und abendländiſche Raſſenforſchung mit 
Woltmann einen ihrer kühnſten und hoffnungsvollſten Bahnbrecher. Beim Baden im 
ſüdlichen Meer ertrank er. Er war nach Italien gefahren, um neues Material zu 
einer notwendig gewordenen Neuauflage feines Renaiffance- Wertes zu fammeln. 
Ein tragiſches Schickſal ließ ſeine weiteren Pläne unausgeführt. Die Freunde konnten 
ihm nicht einmal den Grabhügel ſchmücken, das Meer behielt den Forſcher. 

Zahlreiche Forſcher des In⸗ und Auslandes zollten Woltmann, ungeachtet ab- 
weichender oder gegenteiliger Standpunkte, ungeteilte Anerkennung ſeiner großen 
Bedeutung. 

And wir heutige verſtehen Chamberlain, der nicht in allen Fragen mit 
Woltmann zuſammenzugehen vermochte, als er in einem Briefe ſchrieb: „Ludwig 
Woltmanns Tod habe auch ich als den Verluſt eines im buchſtäblichen Sinne 
Anerſetzlichen empfunden.“ 


12 Hüttig | Schriſttum zur Raffenfrage 


Dr. Werner Hüttig: 


Schritten zur Naſſenfrage 


Seit der Erfindung der Buchdruckerkunſt iſt das Schrifttum ein machtvoller 
Faktor im weltanſchaulichen Ringen und politiſchen Kampf geworden. Das ge 
ſprochene Wort in Kundgebungen und Verſammlungen, an Heimabenden und in 
Schulungskurſen iſt der Pflug, der die Kruſte aufbricht und Herz und Verſtand 
aufnahmebereit macht für die Saat des Geiſtes. Das Wort des Redners erzielt 
meiſt nur Wirkungen des Augenblicks, die den Willen zum Einſatz und den Entſchuß 
zum Handeln ſtärken. Am aber mit Erfolg Taten vollbringen zu können, muß mit 
dem Willen auch das Wiſſen verbunden ſein. Tatwillen ohne Wiſſen führt zur 
Schwarmgeiſterei, Wiſſen ohne Willen zur Tat, aber zum wandelnden Konverſations⸗ 
lexikon. Das ſei als ein Wort der Verſtändigung vorausgeſchickt, wenn jetzt verſucht 
werden ſoll, die verſchiedenen Erſcheinungsformen des nach Tauſenden von Büchern 
und Broſchüren zählenden Schrifttums zur Raffenfrage unter die Lupe zu nehmen. 

Mit dem ſiegreichen Durchbruch des Nationalſozialismus zur politiſchen Macht 
war der Naſſengedanke zur Grundlage der politiſchen Willensbildung des neuen 
Deutſchlands geworden, wie es der Führer in „Mein Kampf“ klar und für jeden, 
ohne fachliche Vorkenntniſſe, verſtändlich dargeſtellt hat. Eine Revolution wird aber 
dann erſt auf die Dauer erfolgreich ſein, wenn es ihr gelingt, auch das Weltbild 
der überwundenen politiſchen Syſteme — mögen ſie auch 2000 Jahre und älter ſein — 
durch eine eigene revolutionäre Weltanſchauung zu beſeitigen. Aus den Erkenntniſſen 
der Erb- und Raſſenforſchung iſt uns dieſe neue Weltanſchauung erwachſen, die uns 
wieder die Geſetze des Lebens, die Stimme des Blutes und den Wert der Rafie 
verſtehen gelehrt hat. Sie bildet den Maßſtab, nach dem wir Geſchichte, Geſittung 
und Politik in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft werten. Aus dem raſſiſchen 
Weltbild wird der Mythus des nächſten Jahrtauſends wachſen, wie Roſen berg 
es in ſeinem Werk mit ſeheriſcher Klarheit aufzeigt. Den meiſten Menſchen unſerer 
Tage fehlen aber die Vorausſetzungen für ein vorurteilsloſes Eindringen in die 
Gedankengänge z. B. einer raſſiſchen Geſchichtsbetrachtung. Das iſt auch gar nicht 
verwunderlich, denn irgendwo haften uns allen noch Reſte des alten liberalen und 
umweltsgläubigen Weltbildes von geſtern an, deſſen Auswirkungen wir immer noch 
auf allen Gebieten unſeres täglichen Lebens, in Schule, Beruf, Rechtspflege, gefell- 
ſchaftlichen Formen beobachten können. Wir müſſen unſer Volk überhaupt erſt zu 
raſſiſchem Denken erziehen. Weg und Ziel dieſer Arbeit zeigt uns der Leiter des 
Raſſenpolitiſchen Amtes, Dr. Walter Groß, in feiner grundlegenden Schrift 
„Raſſenpolitiſche Erziehung“. Es kommt dabei nicht ſo ſehr auf die 
Vermittlung wiſſenſchaftlicher Einzeltatſachen an, es ſoll auch keine „Bildung“ im 
liberaliſtiſchen Sinne daraus werden. Wir wollen durch Vermittlung weniger 
allgemeingültiger Grunderkenntniſſe erreichen, daß in unſerem Volke eine biologiſch 
begründete Haltung zu den Dingen der Erde entſteht. Wir müſſen wieder erkennen, 
daß der Menſch mit hineingeſtellt iſt in das unendliche Reich der Natur, und daß die 
Geſetze, die der Schöpfer dem Leben dieſer Frage gab, auch für ihr höchſtentwickeltes 


Hüttig | Schrifttum zur Raffenfrage 13. 


Weſen, den Menſchen, eine zwangsläufige Grundlage befigen. Kenntniſſe und Tat- 
ſachen find nur inſoweit zu verbreiten, als fie zur Erreichung dieſes Zieles beitragen. 
Für diejenigen aber, die als Schulungsredner oder als Schriftſteller auf dem Gebiet 
der raſſenpolitiſchen Aufklärungsarbeit tätig fein wollen, ift ein tieferes Eindringen 
in das Gebiet fachlichen Wiſſens unbedingt notwendig. Wir müſſen hierbei nämlich 
mit aller Schärfe Schulung und Propaganda trennen. Die Propaganda wendet 
ſich immer an einen nach Einſtellung und geiſtiger Leiſtungsfähigkeit uneinheitlichen 
Perſonenkreis, deſſen Aufmerkſamkeit man erſt künſtlich erwecken muß. Sie kann 
im beſten Galle den Anſtoß zur Beſchäftigung mit der Raffenfrage geben und für 
eine kurze Zeit den erfaßten Menſchenkreis innerlich mitreißen. Neben dem Vortrag 
hat hierbei die Broſchüre und die Flugſchrift eine erhöhte Bedeutung, dienen beide 
doch zugleich dazu, den Wunſch nach einem tieferen Eindringen hervorzurufen. Hier 
befigen wir heute ſchon eine Anzahl guter Schriften, die von jedem Jungen auch 
ohne große Vorbildung geleſen und verſtanden werden können. Aus der Schriften. 
reihe des Raſſenpolitiſchen Amtes find hierfür beſonders zu empfehlen: Groß: 
1. Raſſe, 2. Heilig iff das Blut, A NS-. Raſſenpolitik; dann 
Schulz und Frercks: Warum Arierparagraph? Mit viel Freude 
wird jeder zu der kleinen Schrift „Der Sieg des Lebens“ von Staemmler 
greifen, die eine Anzahl Kurzgeſchichten zur Raſſenfrage enthält. In Hilgers 
Jugendbücherei, die jetzt von der NS-RNulturgemeinde herausgegeben wird, find eben- 
falls eine Anzahl von Heften erſchienen, die ſich zur Propaganda eignen. Es ſeien 
hier genannt: Heſch: Der raſſiſche Aufbau des deutſchen Volkes; 
Waßmannsdorf: Die Sippe; Hüttig: Dein Erbgut ein Heili- 
ges Lehen; Geyer: Raſſenpflege. 


Die Schulungsarbeit fegt dagegen immer eine gewiſſe Einheitlichkeit der Teil- 
nehmer voraus — entweder nach dem Beruf oder nach einer beſonderen Aufgabe, 
3. B. bei der Führerſchaft einer Gliederung der Partei. Sie darf den Lernwillen 
und die Einſatzbereitſchaft der Zuhörer in Rechnung ſtellen. In der Schulung muß 
deshalb mehr gegeben werden, als in der reinen Propaganda. Trotzdem iſt auch 
hier nicht die Anhäufung reinen Wiſſensſtoffes das Ziel der Arbeit, ſondern die 
innere Amſtellung des Menſchen, die Feſtigung ſeines Weltbildes. Die Schulung ſoll 
den einzelnen befähigen, auf praktiſchbevölkerungspolitiſchem Gebiet wieder zu einem 
natürlichen, dem Wachstum des Volkes dienenden Verhalten zurückzufinden und welt- 
anſchaulich die Reſte marxiſtiſch⸗liberaler und konfeſſionell⸗dogmatiſcher Einſtellung 
zu überwinden. Er muß imſtande ſein, das Leben in der Gemeinſchaft ſeines 
Volkes auch tief innerlich als den erſten heiligen Auftrag des Schöpfers zu emp— 
finden und den Willen haben, dieſem Auftrag gemäß ſein Tun und Laſſen einzu— 
richten. Deshalb muß der einzelne das Ziel klar ſehen, und wenn er irgendwo eine 
kleine Gemeinſchaft zu führen hat, auch die großen Meilenſteine am Wege zum Ziel 
kennen. Dazu können uns ſchon gute Aeberſichtsdarſtellungen helfen. Eine gute 
erbbiologiſche Aeberſicht gibt H. W. Siemens in feinem Buch: „Vererbungslehre, 
Raſſenhygiene und Bevölkerungspolitik“. Eine klare und temperamentvolle Aus- 


14 W. A. / Bei Georg Kolbe 


einanderſetzung mit den Milieutheoretikern und Amweltsfanatikern enthält die leicht 
faßliche und klare Schriſt von G. Franke: „Vererbung und Naſſe“. Die immer 
noch bedrohliche bevölkerungspolitiſche Lage unſeres Volkes, aber auch den als Ber- 
trauensbeweis für das Werk Wolf Hitlers zu wertenden Anſatz zur Beſſerung 
ſchildert Burgdörfers: „Bevölkerungsentwicklung im Dritten Reich“. Den 
raſſiſchen Aufbau des deutſchen Volkes und die Tatſache, daß nordiſches Erbe in 
allen deutſchen Stämmen lebendig ift, lehrt uns Günthers: „RNaſſenkunde des 
deutſchen Volkes“. Für eine Familienforſchung nach erbbiologiſchen Geſichtspunkten 
gibt J. Graf in feiner „Familienkunde und Naſſenbiologie“ wertvolle Anweiſungen. 
Es ließe ſich noch eine Anzahl preiswerter und guter Schriften anführen. Da wir 
aber auf dem Standpunkt ſtehen, daß für unſere kommende Generation zur Schulung 
und weltanſchaulichen Durchbildung das Beſte gerade gut genug iſt, habe ich nur 
die wirklichen Spitzenleiſtungen genannt. Neben der wiſſenſchaftlichen Genauigkeit 
müffen wir gerade von dieſen Büchern verlangen, daß ihre Verfaſſer den Mut haben, 
auch die politiſchen und weltanſchaulichen Folgerungen aus ihren wiſſenſchaftlichen 
Erkenntniſſen zu ziehen. Der Maßſtab muß aber ſchon deshalb beſonders ſtreng 
ſein, weil wir mit jedem Wort und mit jeder Zeile über die raſſenpolitiſchen Dinge 
an die Grundlagen der nationalſozialiſtiſchen Gedankenwelt rühren. Jede fehlerhafte 
oder übertriebene Darſtellung ift ein Angriff dagegen, jede Übereilte Tat ein Fehl⸗ 
ſchlag. Wir arbeiten für lange Zeiträume und dürfen dabei niemals vergeſſen, 
wenn 1000 Jahre hindurch in unſerem Volke die Werte der Raffe mißachtet wurden, 
wir mindeſtens eine Geſchlechterfolge brauchen, um das grundlegend zu ändern. Der 
Tatwille der jungen Generation und die Erfahrung der alten Kämpfer an der welt- 
anſchaulichen Front werden das Werk vollbringen für Deutſchland. 


W. U.: 


Bei Georg Kolbe 


Brief an einen Kameraden 


Lieber H. M. l 

Vor wenigen Tagen erſt ſprachen wir über die in unſerer Zeit werdende 
bildende Kunſt. Wir ſahen Aufnahmen und Werke vieler Künſtler und waren 
einer Meinung: von den vielen ſpricht Georg Kolbe mit am eindringlichſten zu uns, 
und Du glaubteſt, daß er gar den Lebensjahren nach noch nahe bei uns ſei. Der 
jugendlichen Kraft ſeines Werkes nach iſt dieſe Meinung berechtigt. Als wir uns 
unterrichteten, waren wir überraſcht, daß Kolbe ſchon 1877 in Waldheim i. Sa. 
geboren wurde. Es war einmal mehr ein Beweis, daß „Alter“ als Wertung der 
Anſchauung und der Haltung eines Menſchen, geſchweige denn ſeiner Arbeitskraft, 
keine Sache der am Kalendarium aufgezählten Lebensjahre iſt. 

Was ich Dir nun ſchreibe, wird Dich mit Neid erfüllen: ich habe Profeſſor Kolbe 
in ſeinem Atelier beſuchen können und mit ihm über ſeine Arbeit und manges andere 
ſprechen dürfen, von dem ich Dir nun berichten will. 


W. A. / Bei Georg Kolbe 15 


Ich meine, es war ein Anding der Kunſtauffaſſung vergangener Jahre, daß zu 
a Werken irgendeines Künſtlers ganze Wegweiſer gefdrieben werden mußten. 

Ser A Du, daß ſolche Kunſt Berechtigung hat, zu der der Beſchauer erft eine 

[tung braucht? Von Wertung und Betrachtung eines Werkes kann viel gejagt 
= geſchrieben werden für die Menſchen, die ſchon die Werke im Erlebnis begriffen 
haben. Das Erlebnis des Kunſtwerkes aber iſt ein Zwieſprache zwiſchen Schöpfer 
und Betrachter. In ſeinem Werk iſt der Schöpfer unperſönlich und zugleich bis ins 
Letzte perſönlich geworden. Hinter dem Werk tritt der Mann als Perſon zurück; 
das Werk iſt Teil ſeiner Perſönlichkeit. Der Schöpfer gibt im Werk einen Teil 
von ſich her und wird doch in ihm erſt ganz er ſelbſt. 


Die Werke Kolbes ſind klar und geſund. Du kannſt Dir denken, wie ſehr es mich 
gefreut hat zu ſehen, daß Statur und Sinne des Mannes mit ihnen eine wunderbare 
Einheit find. Anſere Auffaſſung, das Leben total zu begreifen, d. h. das Amfaſſende, 
das Ganze zu ſehen, findet ſich immer wieder, auch bei dieſer Gelegenheit, herrlich 
beftätigt. — Kolbe, ein Mann von mittlerer Größe, gefundem ſtarken Geſicht, ſchuf 
ein gefundes Werk. Du erinnerft Dich: wir ſprachen von einigen Künſtlern, deren 
Werke uns nicht anſprachen, weil ſie unklar, unſtet und ohne die zum Schaffen 
gehörige große Konzeption waren. Wir ſahen dieſe Künſtler ſelbſt oder Aufnahmen 
von ihnen und ſtellten feſt, daß ihnen jene körperliche Geſundheit und Stärke fehlte, 
die ſie ihrem Werk geben wollten. Ich glaube, hier finden wir wieder die Be⸗ 
ſtätigung, daß es ohne den urſächlichen Zuſammenhang von Schöpfer und Werk nicht 
zu der großen Schöpfung kommt. Vom geſunden Künſtler allein kommt das geſunde 
Werk. Die künſtleriſche Eingebung, der hervorragende Geiſt müſſen ſich im Schöpfer 
ganz großer Werke zum geſunden Körper finden. 


And noch ein zweites, vielleicht ſehr Aeußerliches, fiel mir auf, als ich das 
Atelier von Profeſſor Kolbe betrat: dieſe Klarheit, Weite und Ruhe des Raumes. 
Vor den mattgrauen Wänden ſtehen in übermenſchlicher Größe Standbilder, die noch 
auf die letzte Bearbeitung durch die Hand des Künſtlers warten. Jedes Werk iſt 
verſchieden vom anderen, trotzdem iſt alles Klarheit, Ruhe und Einheit. Jedes 
einzelne Bildwerk ſcheint Teil einer Gruppe, eines einzigen großen Werkes zu ſein — 
eine ſchöpſeriſche Vielgeſtaltigkeit, die ihre Einheit im Schöpfer ſindet. 


Es mag banal klingen, aber glaube mir: jeder Gegenſtand, zweckbeſtimmt in 
dieſem Arbeitsraum, iſt Zeugnis der Kraft und Klarheit der Perſönlichkeit. 


Wir ſprachen oft davon und waren gleicher Meinung, daß große Kulturwerte 
und werke nicht ausſchließlich, aber doch ſehr oft durch gegenſätzliche Meinungen und 
Auffaſſungen geſchaffen werden. Das eigenwillige Werk, neue Wege gehend, muß 
vielleicht fogar in den Streit der Meinungen geraten, muß verſchiedene Stellung- 
nahmen anregen, damit aus dieſem Suchen und Mühen ein Neues geboren wird. 
Wo die Perſönlichkeit des Schöpfers aus geſundem Quell ſchafft, wird auch das 
Werk über manchen Irrweg ſein Ziel finden. Ohne dieſes immerwährende Suchen 
würde ein Zuſtand unſchöpferiſcher Ruhe entſtehen. 


16 W. A. Bei Georg Kolbe 


An keinem der Lebenden läßt ſich beſſer beweiſen, daß der große Künſtler wohl 
in die Zeit ſich einordnen läßt, nicht aber in die Entwicklungslinie, die der unt, 
hiſtoriker aufzeigen zu können glaubt. Kolbe hat wohl die handwerklichen Ai 
keiten der Zeit und der Künſtler übernommen, die vor feinem Schaffensbeginn Tagen. 
Aber man kann nicht jagen, daß er bei dieſer Schule oder jener Kunſtſtrömung an- 
knüpft. Sein Werk iſt ſo ſtark Ausſtrahlung der Perſönlichkeit, daß man ſagen muß: 
das iſt Kolbe. 


Ich habe das, was mir aus Kolbes Werk erreichbar war, nochmal von ſeinen 
Anfängen an überprüft. Tue das auch noch einmal und Du wirſt ebenſo überzeugt, 
daß der Weg bis heute gerade iſt. Das muß auch der Widerſacher zugeben. 


Das große Werk zwingt zur Entſcheidung. Da kann man nur Feuer oder 
Waſſer wählen. Das Einſtehen zu einem ſolchen Arteil muß ebenſo kompromißlos 
ſein wie das Bekennen des Schöpfers zu ſeinem Werk. Dann find die Fronten 
bald klar. 


Ich meine — das iſt meine Stellungnahme —, vor der Reinheit und Aufrichtig⸗ 
keit des Kolbeſchen Werkes kann es nun nur eine Kapitulation der ablehnenden 
Meinung geben. Als ich durch das Atelier ging, ſtarke, große Männer und ſchmale 
Frauen ſah, da fiel mir ein Satz ein, den mir einmal Heinz St. ſchrieb: Die heutige 
Jugend weiß wieder einen ſehr feinen Anterſchied zwiſchen Geſchlecht und Sexus zu 
machen! Ja, ich glaube, das iſt es, was uns auch den Weg zu Kolbe finden läßt. 
Die Nacktheit ſeiner Figuren atmet Reinheit. In dieſer Reinheit der Geſinnung 
treffen wir uns mit dem Werk des Künſtlers. 

Glaubſt Du nicht, daß es Menſchen gibt, die ihre Ablehnung Kolbes — un- 
bewußt womöglich — daher finden, weil ſeine Geſtalten nackt ſind?! Lies einmal 
nach, was Rudolf G. Binding darüber in ſeinem Buch über Georg Kolbe ſagt. 
Weil Du das Buch nicht dort haſt, will ich Dir die Sätze aufſchreiben: 

„Die Geſtalten dieſer Welt ſind nackt. Wie ſollte das Inbild nicht nackt ſein? 
Nur ſelten ziehen Genien, zieht eine im Tod Entſchlafene ein Tuch — mehr eine 
Gewandung als ein Gewand — um ihr Weſen. Denn die Nacktheit dieſer Welt 
beruht auf keiner Entkleidung. Nacktheit iſt das wahre heilige Gewand dieſer 
Geſtalten. Die eigene Form iſt auch ihr eigenes Recht. Die Geſtalten dieſer 
Welt gehen nackt aus der Hand ihres Schöpfers hervor wie die Geſtalten der 
Natur. Gewand, Tuch, Kleidungsſtück ſind ihr tote, formloſe Dinge. — Nacktheit 
iſt nicht nur Befreiung des Leibes von Zutat, Beiwerk und Nebenſache, ſondern 
Anbetung der Form ſelbſt, Gebot höchſter Form, Anbetung der Wahrheit.“ 


Wenn die Nacktheit Kolbeſcher Geſtalten wirklich der Grund mancher Ablehnung 
iſt, müſſen wir ſagen, daß die Brille des Kleinbürgers vor ſolcher Kunſt immer be— 
ſchlagen wird. Wie dumm manchmal die Abſagen begründet ſind, ſiehſt Du, wenn ich 
Dir fage, daß ein (gewiß kluger) Mann das herrlich kriegeriſche und aufrecht männ- 
liche Stralſunder Kriegerdenkmal (ich lege Dir eine Aufnahme davon bei) ablehnte, mit 
der Begründung: die Soldaten feien doch nicht nackt in den Krieg marſchiert!! 


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Ehrenmal Stralsund 1935 (Teilaufnahme) 


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Madel (1934) 


Humbold / Der Südoften im europdifhen Schachſpiel 17 


Zu dieſem erſten Merkmal, daß uns zu Kolbe führt — die Reinheit —, kommt 
ein zweites: die Kraft ſeiner Geſtalten. Erinnere Dich an ſeinen „Torſo Dionyſos“, 
den „Emporſteigenden“ oder den „Gottesſtreiter“. Dieſe Geſtalten ſind ſo ſtark, ſo 
geſund, fo herriſch und kriegeriſch — ja, ich möchte fagen, wenn Du mich recht ver- 
ſtehſt, ſoſoldatiſch, daß wir uns angeſprochen fühlen, weil in dieſem Stein Teile 
unſeres Weſens mitverkörpert ſind. Wir würden mit einem ſolchen Bekennen bei den 
Gegnern Kolbes gar Erſtaunen wachmachen. Allein, meinſt Du nicht, daß ein ſolcher 
Hinweis auf das unkomplizierte Weſen des Werkes nötig iſt? 

Wir ſprachen über eine Reihe brennender Zeitfragen. Um dieſe Epiſtel bald 
zu beenden, nur das Wichtigſte: Profeſſor Kolbe lachte über die dauernde Fragerei 
an allen Ecken, wird dies kommen, wird das kommen, wird es im Nachwuchs gute 
Plaſtiker und Bildhauer geben? Bei ſolchen Fragen müßte man die Gegenfrage 
ſtellen: Warum ſollte es ſie nicht geben?! Profeſſor Kolbe meint, daß 
der junge Bildhauer und Plaſtiker eine viel gründlichere Ausbildung erfahren müſſe. 
Dieſer Künſtler müſſe auch Lehrling und Geſelle ſein und mit einer Prüfung 
„Meiſter“ werden, damit wenigſtens etwa eine Garantie oder Ausleſe da ſei. Ob 
nun der Künſtler groß würde oder der Mittelmäßigkeit zugehöre, das müſſe ſich am 
Werk entſcheiden. (Er ſagte von ſich, daß er in allen Schulen immer zum Mittelmaß 
gezählt habe, während Schüler, auf die man als Hoffnung verwies, ſpäter verſagt 
hätten. Es gäbe gerade in der Kunſt oft „frühe Blüten“, die in der Zeit der Reife 
nichts mehr bedeuteten.) Jedenfalls werde ſich die Perſönlichkeit, der Mann, der 
etwas wolle und das, was er wolle, auszudrücken verſtehe, ſeinen Weg machen. 

Damit laß mich nun ſchließen. Dir zur Freude lege ich noch 4 Photos dieſem 
Briefe bei: Kolbes „Selbſtbildnis“, „Das Mädel“, eine Studie und eine Teil— 
aufnahme von dem Stralſunder Kriegerdenkmal, von dem ich eben ſchrieb. 

Ich möchte wünſchen, daß manches, was in unſerem letzten Geſpräch unbe— 
antwortet blieb, mit dieſem Brief klarer geworden iſt. 


Hans Humbold: 


Der Gũdoſten im envopätichen Schachspiel 


Einige Glanzleiſtungen politiſcher Akrobatik haben in Erinnerung gerufen, daß die 
aroße Politik der Welt ſich jeweils im kleinen in den politiſchen Verſchiebungen und 
Kombinationen des europäiſchen Südoſtraumes widerſpiegelt, daß ſich hinter dem hellen 
Klang der kleinen Kaliber ſchwach bewehrter Staaten die dumpf dröhnenden Schiffsgeſchütze 
der Großen der Welt verbergen. 

Wenn die weſteuropäiſchen Großmächte ſeit vielen Jahrzehnten mit bangen Blicken 
auf die luſtige Prügelei in Südoſteuropa ſahen, daß es der „Wetterwinkel Europas“ ſei, 
in dem ſich das Schickſal auch der Großſtaaten entſcheide, ſo beruhte dieſe Tatſache zunächſt 
auf der eigenen Schuld der Großen, daß ſie nämlich die eindeutige Zweiteilung dieſes 
Südoftraumes in einen europäiſch-habsburgiſch⸗deutſchen und aſiatiſch⸗türkiſchen Herrſchafts⸗ 
anſpruch ſelbſt vernichteten, um erſt den einen, dann den anderen der beiden aus dem 


18 Humbold / Der Südoften im eur opäiſchen Schachſpiel 


Schachſpiel der Mächte auszuſchalten. Dann aber auch waren dieſe elegiſchen Betrachtungen 
über den „Wetterwinkel“ müßig: denn nicht weil auf dem Balkan oder an der Donau 
etwas kleines und häßliches geſchah, geriet Europa in Streit. Sondern umgekehrt, weil 
nämlich in Europa meiſt ohnehin ſchon der Streit vor dem Ausbruch ſtand. Nur, daß 
eben die kleinen Kaliber eure in Stellung gebracht werden konnten und naturgemäß 
eher ſchoſſen. 

Die Sieger des Welttrieges wunderten ſich über die Folgen der Zerſchlagung 
Oeſterreich⸗Angarns und würden am liebſten alle neu angeſtrichenen Grenzpfähle wieder 
herausziehen. Zwar nicht, um den alten Zuſtand eines morſchen Vielvölkerſtaates unter 
der Aegide einer habsburgiſchen Degeneration wieder herzuſtellen, doch aber, um die 
Einheit eines Raumes zur Geltung zu bringen, deſſen geographiſche Grundlinien zu groß- 
räumiger Betrachtungsweiſe verleiten. Denn Klima, Tieflandverteilung, Gebirgs- 
umgrenzung, Flußſyſtem, wirtſchaftsgeographiſche Ausstattung und verkehrspolitiſche Durch- 
dringung zeichnen den Raum ab, der in dieſem Zuſammenhang mit Südoſteuropa umriſſen 
fein fol: den inneren Bereich der Donauländer, nämlich die Staaten Ungarn, Südflawien, 
Rumänien und Bulgarien. Gewiſſermaßen als Randſtaaten paffen die Tſchechoſlowakei, 
Oeſterreich, Albanien und Griechenland weder geographiſch noch kulturell⸗wirtſchaftlich 
in dieſes Syſtem. Oeſterreich und die Tccechoflowakei haben ihre Hauptfunktion in der 
Vermittlung zwiſchen Mittel- und Siwofteuropa, Auffaffung und Leben dieſer Staaten 
unterſcheidet ſich grundlegend vom Südoſten und bezieht diefe Staaten in den engeren 
Kreis Mitteleuropas ein. 


Griechenland iſt weſentlich ebenſo mittelmeeriſch ausgerichtete Macht wie das kleine 
Albanien, das im Einflußgebiet des mittelmeeriſchen Italien liegt. Jedoch der Kernraum 
des Südoſtens ift wirtſchaftlich und kulturell gleich ausgerichtet oder zumindeſt in feinen 
Grundzügen ähnlich geſtaltet — er würde, zum Großraum ausgebildet, dem Südoſten 
Europas das ftabile Geſicht geben, das Mitteleuropa und andere einfidtige Großmächte von 
ihm verlangen. Woher ſonſt auch die vielen Pläne weſteuropäiſcher Staatsmänner, den 
Donauraum wenigſtens wirtſchaftlich zu vereinigen! Nur durch die harmoniſche Ab. 
ſtimmung dieſes ſüdöſtlichen Kernraumes kann die aufgebauſchte und Blaſen treibende 
europäiſche Aeberbewertung jener kleinen Südoſtſtaaten fompenfiert werden, die in fo gar 
keinem Verhältnis zum wirklichen politiſchen Bündnis oder wirtſchaftlichen Nutzwert jedes 
einzelnen dieſer Staaten ſteht. 

Dieſe politiſche Bedeutung des Südoſtens ift logiſch nach der Zerſtückelung Oeſterreich⸗ 
Angarns erſtanden. Der Südoſten wurde inſofern zur Mitte Europas, mindeſtens der 
europäiſchen Politik, als ſich in ſeinem Raume alle politiſchen Ausdehnungsbeſtrebungen 
aller europäiſchen Großmächte trafen, denen die Kleinſtaaten des Südoſtens wertvolle 
militäriſche, politiſche, wirtſchaftliche oder kulturelle Beute zu ſein ſchienen. Aber man 
hatte ja auch rein räumlich ein „Zwiſcheneuropa“ im wahrſten Sinne des Wortes ge- 
ſchaffen, an deſſen Grenzen drei von den fünf Großmächten Europas ſtanden. Für die 
Kompenſation der zerſtörenden Kraft dieſes politiſchen Drehpunktes durch die Herſtellung 
einer politiſchen Raumeinheit im Südoſten war es aber nach dem Weltkrieg zu ſpät, 
als bereits alle europäiſchen Siegermächte ihre Wunſchträume in dieſem Raum in 
Realitäten umgeſetzt hatten. 


So iſt der einzige und bleibende Erfolg der Zerſtückelung Südoſteuropas die wachſende 
Anſicherheit Europas ſelbſt, der Mangel an Selbſtvertrauen und die Luſt an kleinen 
Zauberkunſtſtücken, die vielleicht einen Preſtigegewinn, ſicher aber keinen Nutzen erzielen. 


Humbold / Der Südoſten im europdifhen Schachſpiel 19 


Man kombiniert König, Dame und Bauer auf dem Schachbrett Südoſteuropas mit 
dem einzigen politiſchen Endzweck, die Macht fernzuhalten, die eine Einigung des Gefamt- 
raumes zum Nutzen Geſamteuropas herbeiführen könnte: Deutſchland! Wenn außer dem 
Deutſchen Reich noch irgendeine Macht einen — wenigſtens nach eigener Meinung — 
begründeten Anſpruch, und auch dieſen nur wirtſchaftlicher Art, auf Teile des Südoſtraumes 
erheben könnte, ſo wäre es Italien. So iſt es nicht weiter verwunderlich, daß die ge⸗ 
heimnisvollen Konferenzen tſchechiſcher, öſterreichiſcher, rumäniſcher, füdſlawiſcher und 
bulgariſcher Staatsleute Anfang Februar in Paris mit dem Ziele geſührt wurde und 
weiterhin werden, das Deutſche Reich und Italien von der Vollendung des Donaupaktes 
auszuſchließen, deſſen Garantien Rußland übernehmen ſoll. 

Dieſer Plan, von Frankreich zu Zwecken der Sicherung ausgehend, beabſichtigt nichts 
als die Aufrechterhaltung des auf ehrgeizige Politiker abgeſtellten Bündnisſyſtems. Es 
handelt ſich um die Herſtellung des Etappenweges von Paris nach Moskau, deſſen 
Schwierigkeiten aber weiterhin dem Einzelkampf der Mächte um die Südoſtſtaaten freie 
Hand laffen werden. Denn mit einer wirklichen Einigung, die gar nicht einmal politiſch 
oder wirtſchaftlich, ſondern nur gedanklich in Erſcheinung tritt, ift der deſtruktive, benutz ⸗ 
bare Einfluß Südoſteuropas für die europäiſche Politik paralyſiert. Der von weſtlichen 
Staatsleuten zur Vollendung gebrachte Plan eines europäiſchen Bündnisſyſtems auf Grund 
des jeweils Sicherheit erheiſchenden europäiſchen Gleichgewichtes würde eine grundlegende 
Amſtellung durch eine einheitliche Willensbildung im Südoſtraum im engeren Sinne er- 
fahren. Denn die Weſtmächte würden wieder auf ihre eigene Kraft geſtellt werden. 
Aus den kleinen und mittleren Staaten, die ihnen bisher die Kaſtanien aus dem Feuer 
holten, würde ein Großraum entſtanden ſein, mit dem ſich nicht ſo leichtſertig handeln ließe. 

Wenn ſelbſtbewußte und auch eitle Politiker der ſüdoſteuropäiſchen Staaten vor die 
Frage der willensmäßigen Konföderation geſtellt werden, ſo können ſie, auch wenn ſie 
ihre perſönlichen Bindungen an dieſes oder jenes Bündnisſyſtem außer Acht laſſen, eine 
Reihe von Argumenten anführen, die die Cingelftaaten zu einer Trennung zu berechtigen 
ſcheinen und auch, wie man nach dem Kriege geſehen hat, zu einer Trennung geführt haben. 


Zunächſt find von vornherein jene Staaten aus dem Knäuel herauszuwirren, die mit 
dem Hauptteil ihrer Politik an andere Räume gebunden find. Die Tcchechoflowakei 
rechnet auf Grund einer völlig ausgeglichenen agro-induftriellen Wirtſchaft zu der Gruppe 
der hochgezüchteten europäiſchen Staaten ebenſo wie Oeſterreich. Oeſterreich aber führt 
außerdem eine Reihe von Bindungen ins Feld, die ſeine ſüdoſteuropäiſche Bedeutung ver- 
ringern. Griechenland gehört faſt gänzlich zum mittelmeeriſchen Kraftfeld und ſcheidet ebenſo 
wie die Türkei aus dem Problem politiſcher und wirtſchaftlicher Raumeinheit des Süd⸗ 
oſtens aus. Das alles find die Randftaaten des großen Donaukomplexes, deſſen engerer 
Bereich ſich alfo in ungariſchen, ſüdſlawiſchen, rumäniſchen und bulgariſchen Boden teilt. 


Dieſe vier verbleibenden, kontinentalen, eigenſtändigen und wirtſchaftlich gleich auf- 
gebauten Staaten werden nun in der Geſamtheit von einer Vielfalt raſſiſch und volklich 
unterſchiedlicher Völker bewohnt, die — nach Anſicht der Politiker dieſer Staaten — von 
vornherein eine Trennung und Gegnerſchaft auf allen Gebieten des Lebens erfordern. 
Genau beſehen jedoch beweiſen ſchon die Verzahnungen der Staatsgrenzen, der Prozentſatz 
der Minderheitsklagen vor dem Völkerbund aus dem Südoſtraum, die Autonomie- 
beſtrebungen kleinerer Volksgruppen ohne direkte nachbarliche Raſſenbindung wie der 
Makedonier Nachteil und Vorteil des Gemiſches. Faſt jedes Nationalvolk dieſer Staaten 
hat Angehörige auf dem Territorium feiner Nachbarn fitzen, ſchützt fie teils irredentiſtiſch, 


20 Humbold / Der Südoften im eur opäiſchen Schachſpiel 


teils mit der notwendigen Rückſicht auf die Territorialrechte des Nachbarſtaates. Ueber 
all dieſe Volksgruppenmiſchung hinweg verteilen ſich als einzige Vertreter europäiſcher 
Grofwölker in allen Saaten die Siedlungen der Deutſchen. Nach dem Selbſtbeſtimmungs⸗ 
recht der Völker — genau ausgeführt — müßte eine Trennung in eine Anzahl von nationalen 
Einzelſtaaten eintreten, deren Amgrenzung auch den gewiegteſten Volks und Raſſenkundlern 
zu einer Siſiphusarbeit würde. Immerhin liegt die Teilung des Donauraumes in dieſe 
vier Staaten im Vorwiegen der vier größeren Volksgruppen der Ungarn, Südflawen, 
Rumänen und Bulgaren begründet. 

Auch wenn man die völkiſch⸗ nationale Trennung als berechtigt anerkennt, jo werfen 
doch die politiſchen und wirtſchaftlichen Gründe ein ſchwereres Gewicht in die andere Waag. 
ſchale der Vereinheitlichung des Syſtems. Die ſchwerwiegendſten Beobachtungen werden 
von den Wirtſchaftlern der Donauſtaaten angeſtellt. Wiederum ſcheiden Oeſterreich und 
die Tſchechoſlowakei aus der Frageſtellung aus, denn beide verfügen über eine recht aus⸗ 
geglichene Wirtſchaft, die neben einem durchgearbeiteten Agrarſyſtem auch ſehr erhebliche 
induſtrielle Werte ſchafft. Dagegen wächſt mit der zu Tal gehenden Donau der Einfluß 
des Agrariſchen. Zuſammengefaßt ſind alle reſtlichen Donauſtaaten vorwiegend agrariſch, 
wenn ſich auch aus den Rohſtoffen Südſlawiens und Rumäniens eine Nohſtoffinduſtrie ent- 
wickelt hat, die aber mangels eines ausgebildeten Arbeiterſtammes eine erfolgreiche Fertig- 
wareninduſtrie nicht aufbauen kann. Bis auf lange Zeit werden die weſteuropäiſchen 
Induſtrieſtaaten eine wirkliche Konkurrenz nationaler Induſtrien im Südoſtraum nicht 
verſpüren. 

Das Wirtſchaftsproblem des geſamten Südoſtraumes iſt alſo ausſchließlich ein Abſatz⸗ 
problem. Obgleich bereits jetzt gewiſſe Wandlungen ſpürbar ſind, liefern die Donauſtaaten 
ihren Agrarüberſchuß immer noch in gegenſeitiger Konkurrenz, drücken ſich dadurch ſelbſt 
die Preiſe und bleiben auf den Agrarüberſchüſſen ſitzen, die aus Transportgründen oder 
Qualitätsgründen die Konkurrenz nicht aushalten. 

So wäre vielleicht das Wirtſchaftsproblem der Donauſtaaten durch eine Abſatzgenoſſen— 
ſchaft, d. h. eine Reſtriktion auf beſtimmten Agrargebieten und eine Aufteilung nach vorher 
angelegtem Plan, gewiſſermaßen ein Sammelkonto aller Donauſtaaten, gelöſt. Eine Wer- 
hinderung dieſer wirtſchaftlichen Einigung iſt aber durch die Frage des Wohin gegeben. 
Denn durch großſpurige Anſchaffungen und Inveſtitionen nach dem Kriege bei der Gründung 
der Einzelſtaaten iſt die Finanzwirtſchaſt der Staaten in Schwierigkeiten geraten, aus 
denen man nicht mehr ohne weiteres herauskann. Die finanziellen Verpflichtungen verbinden 
die Donauſtaaten, ihren Induſtriebedarf aus den Gläubigerländern, alſo weſentlich Weſt— 
europa, zu decken. Andererſeits aber läßt ſich dorthin der Agrarüberſchuß überhaupt nicht 
abſetzen. Denn Frankreich deckt ſeinen Agrarbedarf ſelbſt, und England bezieht aus ſeinen 
Kolonien. Somit vergrößern ſich für die Donauſtaaten die Schulden, und das Getreide 
verfault. Der einzige europäiſche Großſtaat, der ſowohl die notwendigen Induſtrie— 
produkte in den Donauraum liefern, als auch den Agrarüberſchuß zu weſentlichen Teilen 
aufnehmen kann, wäre Deutſchland. And obgleich ein engeres Wirtſchaftsverhältnis mit 
dem Deutſchen Reich mit der Gefahr ſofortiger Kündigung aller weſteuropäiſchen Kredite 
im Südoſtraum verbunden iſt, haben ſich die Handelsziffern zwiſchen dem Deutſchen Reich 
und den Donauſtaaten in den allerletzten Jahren grundlegend zuungunſten Weſteuropas 
verſchoben. Denn das Hemd iſt näher als der Rock, und verkaufte Agrarprodukte ſind 
beffer als ſowieſo nur unter Konkurs rückzahlbare Kredite. Dem kommt die Tendenz 
der Weltwirtſchaft entgegen, auf die primitiven Wege des Tauſchverkehrs zurückzukehren; 


Humbold / Der Südoſten im eur opäiſchen Schachſpiel 21 


bares Geld geht nicht mehr über die Grenzen, weil in faft allen Staaten die Wirtſchaft 
nach dem Verſager der großen Kriſe ſeit 1929 der Politik unterſtellt wurde. 


Das Scheitern des erſten erheblichen politiſchen Einigungsverſuches, des Tardieuplanes, 
ließ die Großmächte die Politik der Bündnisſyſteme und der Intrigen als Keil gegen die 
wirtſchaftlichen Gemeinſchaftsbeſtrebungen aufrechterhalten. Die Machtſphären zirkelten 
ſich raſch ab. Die Tſchechoſlowakei und Rumänien erlagen gänzlich dem franzöſiſchen 
Einfluß, erſtens aus Prinzip, zweitens aus Verſchuldung. Italien ſetzte ſich zunächſt in 
Angarn feſt, das durch die italieniſche Freundſchaft eine Stärkung der zurecht geſtellten 
Neviſions forderungen des Trianoner Friodens erhoffte, ſchloß dann aber auch Oeſterreich 
in den Kreis feiner Großmachtpolitik ein, um durch Stützung größenwahnſinniger Wieder- 
einſetzungspläne der Habsburger das notwendige Glacis gegen den gefürchteten deutſchen 
Nachbarn zu haben. Verwandtſchaftliche Beziehungen zu Bulgarien vervollſtändigen den 
Sperrkreis der italieniſchen Störungsfeuer, die aber — und das muß geſagt werden — cin 
umfangreicheres und gültigeres Ziel verfolgen: dieſes Ziel ijt zunächſt die Befriedigung der 
Adria, in der Italien berechtigte Vormachtsanſprüche hat, ſolange Südſlawien auf den 
maritimen Ausbau verzichtet. Weiterhin verlangt Italien aus dem Südoſten einen Anteil 
an der wirtſchaftlichen Nutznießung, die es inſtand ſetzt, auch ohne Ausgänge aus dem 
Mittelmeer die Ernährungsgrundlage zu ſichern. Die Weigerung einiger Südoſtſtaaten, 
an den Sanktionen in vollem Amfang teilzunehmen, beweiſt den Erfolg dieſer Werbungs- 
arbeit. Wenn jedoch Italien über dieſe wirtſchaſtlichen Pläne hinaus in das Feld der 
Kulturpolitik, ja der Einigungspolitik unter italieniſcher Vorherrſchaft hinübergreift, ſo 
ſtößt es hier auf traditionelle und zukünftige Rechte des erſtarkten Deutſchtums, das 
jeinen alten Einfluß ohne Ehrgeiz für ſich ſelbſt weiterhin im Südoſtraum einzuſetzen 
gedenkt. 


In der Spannung zwiſchen Bulgarien und Griechenland während des Venizelos. 
Aufſtandes zeigte fih bereits im kleinen die wachſende Spannung der großen Mittelmeer- 
rivalen England und Italien. Denn Griechenland ijt nicht erft feit der erneuten Thron- 
beſteigung Georgs ein treuer engliſcher Parteigänger. Ein wirklich ausbrechender Mittel- 
meerkonflikt würde auch die bulgariſch⸗griechiſche Grenze neu aufflammen laſſen, ohne das 
makedoniſche Problem zu einer allſeits befriedigenden Löſung führen zu können. Neben 
Frankreich, Italien und England ift durch das ruſſiſch⸗franzöſiſche Bündnis auch Rußland 
wieder ein Faktor im Südoſten geworden. Während die traditionelle, rein durch außen 
politiſche Fragen begründete Gemeinſchaft der Türken und Ruſſen ins Wanken gerät, wird 
die tote Grenze Rußlands zu Rumänien und der Tſchechoſlowakei lebendig. Mit un- 
geahnter Zärtlichkeit haben ſich Prag und Bukareſt nach der franzöſiſch-ruſſiſchen Ver- 
ſtändigung den Sowjets in die Arme geworfen. Zwar hatte Rumänien bereits wieder 
Abſchwenkungsverſuche unternommen, auch war der flowakiſche Volksteil der Tſchechoſlowakei 
keineswegs von der Anlage ruffijder Flugplätze begeiſtert, trotzdem aber zeigte die Ent- 
wicklung in Paris, daß die alten franzoſentreuen Politiker — mit König Carol und 
Tituleſcu an der Spitze — nunmehr auch die ruſſenfreundliche Politik Frankreichs mit- 
zumachen gedenken. Es iſt aber nicht unwahrſcheinlich, daß ein Teil des franzöſiſchen 
Anhangs ſehr bald keine Luſt mehr bezeigen wird, die franzöſiſche Sicherheitspolitik gegen 
eine Großmacht mitzumachen, die im ganzen nur in Ruhe gelaſſen werden will und Hinfidt- 
lich Südoſteuropas viel mehr zu geben vermag, als Frankreich zum Ausgleich feiner tiber- 
ſpannten politiſchen Forderungen dort anbietet. Polen und Jugoſlawien haben fih aus dem 
franzöftſchen Syſtem bereits entfernt — mit Erfolg. Denn beide verfügen über eine febr 


22 Humbold / Der Südoſten im europdifhden Schachſpiel 


ſelbſtändige Stellung in der europäiſchen Politik. Der jugoſlawiſche Königsmord hat de- 
wieſen, daß Jugoflawien äußerſt vorfidtig zwiſchen den Mächten jonglieren dann. So 
ſteht Jugoſlawien allein als einziger politiſch abſolut ſouveräner Staat zwiſchen den 
europäiſchen Vaſallen im Südoſtraum. Ihm wird alſo auch in der nächſten Zeit die 
ausgleichende Aufgabe zufallen. Denn Jugoſlawiens politiſche Richtung ift der Donau- 
raum. And ſolange Jugoflawien feine Adriaküſte nicht aktivieren will, ift das Adria⸗ 
problem kein ſo welterſchütterndes Problem, wie es Schreibtiſchſtrategen hinſtellen wollen. 
Sicher würde der Streit um die Adria ausbrechen, wenn an der Gegenküſte Italiens, in 
Dalmatien und Albanien, ſeefahrende Völker ſäßen, aber Jugoflawien ift ſich feines 
kontinentalen Charakters bewußt und tauſcht nicht für maritime Ehrgeize die dauernde 
Spannung an einer an fih bisher recht ruhigen Rüdenfeite, die die Küſte für die Belgrader 
Politik darſtellt. Sicher ſteht dem die Spannung im kroatiſchen und floweniſchen Gebiet 
entgegen, in den italieniſche Werbung bereits zu Erfolgen führte. Das ſind aber Fragen, 
die den füdſlawiſchen Staat in feinem Kern berühren, während das Adriaproblem erft 
dann für Belgrad zur Gefahr wird, wenn die italieniſchen Ambitionen — von der albaniſchen 
Kolonie ausgehend — auch territorial auf dalmatiniſche Küſtenſtreifen ausdehnen. 

Der Mord von Serajewo, von Marſeille, die dynaſtiſchen und monarchiſtiſchen 
Streitigkeiten in Budapeſt, Bukareſt, Sofia und Athen, die Balkankriege ſeit der 
griechiſchen Befreiung, die makedoniſche, die jüdiſche, die kroatiſche Frage, die Minderheiten ; 
beſchwerden der Angarn, Polen, Bulgaren — alles dies brodelt aus dem ſüdöſtlichen 
Waſſerkeſſel über den Rand. Die Flamme unter dieſem Keſſel niederbrennen zu laſſen, 
daß das Waſſer nicht mehr kocht und fiberlduft, ift die Aufgabe, die der ehrlich am 
Schickſal des Südoſtraumes intereſſierten Macht zufällt: Deutſchland! Das Intereſſe der 
anderen am Südoſten iſt eigennützig, es entfällt, ſobald die Benutzbarkeit der Einzelſtaaten 
für die europäiſche Ausbalanzierung entfällt! Jedoch Deutſchland wünſcht das zu geben, 
was es fordert — es droht nicht, es ſucht keine „Sicherheit“, es will nur dadurch, daß 
es dem Südoſten hilft, ein Leben in Ordnung und Ruhe wiederherzuſtellen, fein eigenes 
ſchweres Los erleichtern, ohne daß der Partner davon einen Schaden hat. 

Die Deutſchen ſind keine Fremden im Südoſten, ſie ſind dort heimiſch, wohnen rings 
verſtreut zwiſchen allen Völkern der Donautäler bis an die Küſten des Schwarzen Meeres. 
Seit tauſend Jahren zehren die Völker des Südoſtens von deutſchem Kulturgut, haben ſich 
ihr Leben, ihren Staat nach den Deutſchen eingerichtet, ohne dabei ihre berechtigte Eigen⸗ 
ſtändigkeit aufzugeben. And wenn die Deutſchen im Südoſten, Vorkämpfer europäiſcher 
Kultur und Künder europäiſcher Lebensweisheiten, auch ſtolz auf ihr Werk find und feinen 
Ausbau durch die erwachenden Völker des Südoſtens mit Eifer verfolgen, ſo ſtellen ſie 
doch aus ihrer Pioniertätigkeit keine Forderungen, ſie beſcheiden ſich mit den Wohnplätzen, 
die ihnen zwiſchen den Völkern von alters her zur Verfügung ſtehen, ſie arbeiten mit 
am Aufbau der Staaten und an der Ausgeſtaltung ſüdoſteuropäiſcher Gerechtigkeit gegenüber 
Leib und Leben aller Staatsbürger. Sie ſehen ihre Pflicht darin, als Sauerteig zu wirken, 
der einen ſchönen, großen und ſelbſtbewußten Naum Europas zur Höhe treibt, und als 
Mahner an das gemeinſame Schickſal eines engverknüpften Raumes die Einigkeit zu 
fordern. Viele Jahrhunderte vermochten dem Bewußtſein ihrer Herkunft nichts anzuhaben, 
Verdächtigungen und Verfolgungen durch kurzſichtige Tagespolitiker der Wirtsſtaaten 
entheben ſie nicht ihrer Aufgabe. Sie vermitteln zwiſchen der deutſchen Gelehrſamkeit, der 
deutſchen Technik, der deutſchen Kunſt und dem Wiſſensdurſt der ſüdoſteuropäiſchen Völker. 
Der Siidoften ift ihnen und damit allen Deutſchen nicht ein Erperimentierraum, ſondern 
iſt in das gleiche Schickſal geſtellt. 7 


Kleine Beiträge 23 


Hinter dieſen deutſchen Pionieren des Südoſtens ſteht das Reich, nicht mit feinen 
Machtmitteln, aber mit feiner geiſtigen und ſchöpferiſchen Kraft. Traditionelle Freund- 
ſchaften nicht erſt aus Weltkriegszeiten verbinden das Reich mit Angarn und Bulgarien. 
Mit der gleichen Freundſchaft ſtehen wir feit wenigen Jahren zum jugoſlawiſchen Staat. 
Der Erfüllung der deutſchen Aufgabe im Südoſtraum mag zur Zeit noch die unſichere 
Haltung Deutſch⸗Oeſterreichs entgegenarbeiten, aber die natürliche Mittlerſtellung Oeſter⸗ 
reichs bei ihrer Erfüllung iſt dadurch nicht aufgehoben. Sie ſteht wach, nur überdeckt und 
zurückgedrängt von einer eigenartigen Tagespolitik, die niemals zu einer Befriedigung des 
Südoftraumes führen kann. 

Wenn in dieſer Zeit in Paris das Schickſal des Südoſtens zur Verhandlung ſteht, ſo 
ändert das nichts an der Tatſache, daß Deutſchland gewillt iſt, aus dem Einſatz ſeiner 
vollen Kräfte aus eigenem heraus die Garantie für die Sicherheit des Südoſtraumes er- 
wachſen zu Zaiten, daß einzig ein ehrlicher Makler ſüdoſteuropäiſcher Anſprüche an die 
Befriedigung Europas den zerriſſenſten Großraum unſeres Erdteils auf ſeine natürliche 
Einheit zurückführen kann. 


Heine Heitrage 


Auslandssdentide Auslandsöſterreicher auseinanderzureißen. 
und „Auslaudsöſterseicher“ Auf der Plattform des poli- 
Wenn wir heute unſeren Blick auf die tiſchen Katholizismus verſucht 


deutſchen Volksgruppen Europas richten, ſo 
ſehen wir dort vielfach Beſtrebungen, die 
darauf abzielen, die deutſchen Volksgruppen 
zu zerreißen und das Werden der Volks. 
gemeinſchaft in den deutſchen Volksgruppen 
unmöglich zu machen. 


Aus der vergangenen Zeit ſind teilweiſe 
noch die verſchiedenſten Gruppen und 
Grüppchen vorhanden, die heute faſt aus- 
ſchließlich reaktionär eingeſtellt find, die noch 
immer nicht erkennen wollen, daß die Zeit 
der eigenen kleinen Intereſſentenpolitik end- 
gültig vorüber iſt. Alle dieſe Beſtrebungen 
aber find unbedeutend im Vergleich zu der 
neuen Gefahr, die unſeren Volksgruppen 
draußen heute droht. 


Von Oeſterreich aus ſind Beſtrebungen im 
Gange, die darauf abzielen, die deutſchen 
Volksgruppen in Auslandsdeutſche und 


man von Wien aus diejenigen Volks- 
gruppen, die katholiſcher Konfeſſion find, von 
ihrer Geſamtausrichtung auf das große 
Deutſchland abzubringen und ſie auf das 
kleine Oeſterreich zu lenken. Man benitzt 
dabei die Lügen, die uns von der Auslands- 
preffe ber zur Genüge bekannt find, und ver- 
wendet andererſeits auch die Schlagworte, 
die heute immer und immer wieder in 
Oeſterreich der Bevölkerung vorgeſetzt wer- 
den. Nicht nur wird behauptet, der 
Nationalſozialismus ſei ketzeriſch, ſtehe vor 
dem Zuſammenbruch uſw., ſondern man ver⸗ 
ſteigt ſich ſogar ſo weit, daß man ganz offen 
erklärt, die Miſſion Oeſterreichs ſei es, die 
deutſche Kultur im 20. Jahr- 
hundert hochzuhalten und damit 
Träger des Deutſchtums ſchlecht⸗ 
bin zu werden. Ja, einer der be- 
kannteſten Männer der derzeitigen Bundes- 


24 Kleine Beiträge 


regierung erklärte fogar in offizieller Ber- 
ſammlung: „Es wird der Tag kommen, wo 
von Wien aus gegen Berlin marſchiert und 
in Berlin die Fahne des wahren Deutſch ; 
tums aufgezogen werden wird.“ 


Es war uns immer klar, daß dieſe Ge- 
dankengänge zwar aus der öſterreichiſchen 
Bundesregierung heraus entſtanden ſind, daß 
ſie aber niemals in einer derartig offenen 
Weiſe verkündet werden könnten, wenn da⸗ 
hinter nicht machtvolle Inſpiratoren ſtänden, 
die ihre wahre Freude daran haben, in das 
deutſche Volk wieder einen Keil hinein- 
zutreiben. 


Wir wollen jetzt nicht darüber fpreden, 
inwieweit dieſe Mächte auch im Reich ver⸗ 
ſuchen, die Volksgemeinſchaft zu unter- 
graben, ſondern nur einige Beiſpiele an- 
führen, wie man in den Volksgruppen daran 
geht. Es iſt verſtändlich, daß dieſe Be⸗ 
ſtrebungen von Oeſterreich aus ſich in erſter 
Linie auf die Volksgruppen im Siidoften er- 
ſtrecken. 


Zuerſt verſuchte man in Südtirol 
Fuß zu faſſen, indem man ſich an die dortige 
deutſche Geiſtlichkeit wandte. Es muß aber 
hier jeftgeftellt werden, daß diefe Verſuche 
von Wien aus bisher auch in der Geift- 
lichkeit keine Erſolge hatten und daß 
einige Geiſtliche ihre ganz eindeutige Mb- 
lehnung den ſeparatiſtiſchen Plänen Wiens 
kundtaten. 


In Jugoſlawien bemüht man fid 
heute, in die dortige Volksgruppenführung 
einzudringen. Wenn man auch nicht die 
Hoffnung hat, die heutigen Volksgruppen⸗ 
führer zu gewinnen, ſo wird man immer und 
immer wieder daran gehen, einige Unter- 
führer für die Wiener Pläne zu gewinnen 
und gegebenenfalls in Jugoſlawien mit 
dieſen gewonnenen Anterführern eine Politik 
im Sinne Oeſterreichs in der deutſchen 
Volksgruppe zu machen. 


Aehnliche Beſtrebungen wie in Jugo- 
ſlawien finden wir auch in Angarn, und 


zwar vor allem im weſtlichen Angarn an der 
Grenze Oeſterreichs, wo es bereits auch fat- 
ſächlich gelungen ift, einige Leute der Bolts- 
gruppe aus der geſamtdeutſchen Front 
herauszubrechen und ſie nach Wien zu 
orientieren. Es würde hier zu weit gehen, 
wollte man auch die ähnlichen Beſtrebungen 
in der Tſchechoſlowakei auf⸗ 
zeigen. Erwähnt ſei nur noch, daß heute 
vom Zentrum in Danzig aus auf derſelben 
Linie gearbeitet wird, wie von Oeſterreich 
aus. Es iſt uns auch bekannt, daß zwiſchen 
tiefen beiden Beſtrebungen eine enge Bu- 
ſammenarbeit beſteht, und das gibt uns wie⸗ 
der den Beweis, daß dieſes Auseinander- 
reißen in „Auslandsöſterreicher“ und „Aus⸗ 
landsdeutſche“ von internationalen 
politiſchen Machtfaktoren vor⸗ 
wärts getrieben wird. 


Alles in allem betrachtet, muß feftgeftellr 
werden, daß dieſe Beſtrebungen bis heute 
noch keinen tatſächlichen poſitiven Erfolg auf- 
zuweiſen haben. Weder die gemeinſten 
Lügen über Deutſchland noch Verſprechungen 
und Geld waren bis heute imſtande, die 
deutſchen Volksgruppen zu entzweien. Wir 
wiſſen, daß man auch weiterhin bemüht ſein 
wird, die dunklen Ziele zu erreichen und 
überall daran gehen wird, Leute zu kaufen. 
Der kämpfende Teil und die aktivſten unſerer 
Volksgruppen werden aber niemals ſich von 
dem Wege, den fie heute achen, abbringen 
laſſen. Wir im Reich werden alles tun, 
um dieſe Mächte endgültig in unſerem Volk 
auszuſchalten, die heute von Oeſterreich aus 
wieder ein zweites Deutſchland aufrichten 
wollen. Es darf dann auch nicht wunder- 
nehmen, daß wir kompromißlos alle Be- 
ſtrebungen, die die Volksgemeinſchaft an- 
taſten wollen und letzten Endes dasſelbe ſind, 
wie der in den Volksgruppen gepredigte 
Separatismus, mit allen uns zur Verfügung 
ſtehenden Mitteln niederringen werden. 
Wenn wir das im Reich tun, erfüllen wir 
unſere Pflicht gegenüber unſeren ausland- 
deutſchen Kameraden. 

Fritz Bauer. 


Randbemerkungen 25 


fatius Anfang Januar d. J. verſammelten 


In einer Verſammlung des oberſten 
Kirchenrats der engliſchen Hochkirche wurde 
feſtgeſtellt, daß alle Hoffnungen auf Ab- 
rüſtung geſcheitert ſeien. Nunmehr ent- 
ſchloſſen ſich die Kirchenväter, das Steuer 
herumzuwerfen und eingedenk ihrer nationa- 
len Verantwortung für die Aufrüſtung im 
Angeſicht der waffenſtarrenden Welt ein- 
zutreten. „Die engliſche Kirche begrüßt 
daher das Verſprechen des Miniſterpräſi⸗ 
denten, die Streitkräfte auf die erforderliche 
Höhe zu bringen und fordert ihn dringend 
auf, die notwendigen Geſetzesmaßnahmen 
fofort einzubringen.“ 

Das iſt offen und recht und billig. Ferner 
iſt das auch nicht die erſte Kirche, die die 
Waffen ſegnet! Auch in Italien haben in 
der letzten Zeit Geiſtliche die Waffen, ja 
ſogar Tanks, geſegnet, wie das „Schwarze 
Korps“ nachwies. Zwar wollten dies fatho- 
liſche Amtsſtellen in Deutſchland nicht wahr 
haben, bis das „Schwarze Korps“ die für 
die Waffenſegnung einſchlägigen Durch- 
führungsverordnungen kanoniſcher (wir tön- 
nen nichts dafür, aber das Wort ift wirt- 
lich zweideutig!) Beſtimmungen zum Mb- 
druck brachte. Der Geiſtliche hat neben dem 
Soldaten zu ſtehen, wenn es um das Vater- 
land geht — gleichgültig, ob man Proteſtant 
oder Katholik iſt. Die Kanonen find wid- 
tiger als die Kanoniker. Andere ſegnen die 
Waffen und fordern die Aufrüftung Wie 
ſtellt fih die deutſche Geiſtlichkeit dazu, nad- 
dem wir unſere Waffenehre wiedergewonnen 
baben? H. H. 


Doue RKRommentav! 
Wie wir dem ,Ratholit” entnehmen, 
haben die „am Grabe des heiligen Boni- 


deutſchen Biſchöfe“ einen Hirtenbrief über 
die Ehe herausgegeben. Wir enthalten uns 
jeglichen Arteils und drucken nur einige uns 
wichtig erſcheinende Stellen nach. 


Ueber die Bedeutung der katholiſchen Ju- 
gendverbände heißt es: 


„In dem erhabenen Erziehungswerk der 
Kirche zu fittlider Feſtigkeit und damit der 
Vorbereitung einer geſunden Ehe nehmen 
die katholiſchen Jugendvereine für die beiden 
heranwachſenden Geſchlechter einen Chren- 
platz ein. Wer einmal in deren ſtille Arbeit 
hineingeſchaut, von der Bedeutung ihrer 
ſtetigen Anleitung zum ſakramentalen Leben 
einen Hauch verſpürt, die Kraft des Marien: 
und Aloyſiusideals kennengelernt hat, kann 
die volkserzieheriſche und 
volkserhaltende, ja geradezu 
eugeniſche Bedeutung dieſer 
Vereine gar nicht genug ein- 
ſchätzen.“ ' 

Zur Frage der Miſchehen nimmt der 
Hirtenbrief u. a. folgende Stellung ein: 


„Wir bitten und mahnen daher unſere 
liebe Jugend, doch ja keine Bekanntſchaften 
anzuknüpfen, die zur gemiſchten Ehe führen 
würden. Die erſte Frage bei jeder 
ernſten Annäherung muß die 
nach der Religion fein Bei Reli- 
gionsverſchiedenheit oder religiöſer Gleidh- 
gültigteit folte von einer Fortſetzung der 
Beziehungen ſofort abgeſehen werden.“ 

Wir hielten es für notwendig, diefe Aus- 
züge kommentarlos wiederzugeben und glau⸗ 
ben damit unſerer journaliſtiſchen Berant- 
wortung als Führerorgan der Hitlerjugend 
Genüge getan zu haben. 


26 Randbemerfungen 


Mit Gifisa’s und Granaten 
ins insmselecish 

Daß Abeſſinien dem „Chriſtentum treu“ 
blieb, ſeine Kirche aber von der katholiſchen 
verſchieden und der alepandriniſch⸗chriſtlichen 
gleicht, läßt den ultraſchwarzen „Tiroler 
Volksboten“ nicht ſchlafen, und fo fegt er 
ſeinen Leſern einen langen Artikel über die 
„Religion in Abeſſtnien“ vor, wehklagt, daß 
im Lande des Negus die „altteſtamentliche 
Politik des Auge um Auge, Zahn um Zahn“ 
noch im Schwange ſei und meint dann mit 
frommem Augenaufſchlag: „Da iſt es 
doch an der Zeit, daß mit Gol- 
daten, Granaten, Bomben und 
Gas das echte Chriſtentum ein- 
geführt wird.“ 

Welcher „Tuifel“ hat bloß die Schrift⸗ 
leitung des „Tiroler Volksboten“ geritten, 
ihren Leſern die wahren Ziele der ecclesia 
militans derartig Hüllenlos aufzuzeigen. Die 
Herren pflegen doch ſonſt nicht mit offenen 
Karten zu ſpielen. Wir danken jedenfalls 
für die Aufklärung und wünſchen alles Gute 
zu dieſer Himmelreiſe mit Giftgas und 
Granaten! Sti. 


Wane bist dn niiebieen? 

In der neueſten Nummer (März, S. 84) 
vom „Sendboten des göttlichen Herzens“ 
werden endlich ſchwerſte Gewiſſensbiſſe von 
uns genommen. Wann biſt du nüchtern? 
Nach den Vorſchriften der römiſchen Kirche 
dann, wenn du (vor dem Empfang der Kom- 
munion) von Mitternacht ab nicht das ge- 
ringſte an Speiſe oder Trank zu dir ge- 
nommen haft. Das tft aber äußerſt fompli- 
ziert, wie du gleich ſehen wirſt. Der liebe 
Gott ſcheint nämlich genau darüber zu 
wachen, ob du etwa eine Schneeflocke zum 
Frühſtück genießt .... 

Die Kirche ijt febr viel großzügiger, als 
ihr manchmal vorgeworfen wird. Nicht nur, 
daß dir das Atmen erlaubt iſt, nein —, du 
darfſt fogar deinen Speichel þin- 
unterſchlucke n. Du darfſt! Vor fo viel 


Freiheit bleibt dir der Speichel weg! Ferner 
darſſt du Geld verſpeiſen —, du ftaunft und 
willſt es ſchriftlich haben? Bitte! 

„Es tft ſelbſtverſtändlich erlaubt, den 
Speichel, Blut aus dem Zahnfleiſch oder 
der Zunge, aber auch Speiſereſte, die awi- 
ſchen den Zähnen verblieben waren, beruhigt 
hinunterzuſchlucken. (Glückliche Menſchen, ihr 
mit den vielen hohlen Zähnen!) Gleicherweiſe 
wird die Nüchternheit nicht verletzt, wenn die 
Dinge, die verſchluckt wurden, völlig un⸗ 
verdaulich waren, wie z. B. Geld oder Me⸗ 
tallſtücke, Holz, ganz ſaubere Steinobſtkerne. 
Es macht ferner nichts aus, wenn jemand 
auf dem Wege zur heiligen Kommunion 
Regentropfen, Schneeflöckchen unabſichtlich (!) 
eingeſogen hat, wenn er vorher Speiſe und 
Trank mit der Zunge verkoſtet hat, aber 
ohne fie hinunterzuſchlucken, fie wieder aug- 
ſpuckte, auch wenn etwas mit dem Speichel 
vermengt im Munde zurückbleibt und in den 
Magen gelangt, wenn er den Mund ſpült 
und etwas von der Flüſſigkeit ſich mit dem 
Speichel vermiſcht. Deswegen braucht nie⸗ 
mand mehr als einmal das in den Mund 
genommene Waſſer auszuſpucken, aus 
Furcht, noch nicht alles entfernt zu haben.“ 

Es ſcheint in der Tat ſo, als ob die 
Verinnerlichung der römiſchen Kirche 
Fortſchritte mache. h y. 


Wer regelmäßig die deutſchfeindliche Aus- 
landspreſſe verfolgt, wird immer wieder feſt 
ſtellen können, daß beſtimmte Hetzmeldungen 
ſchlagartig durch ſämtliche Blätter laufen. 
Mag die Nachricht nod fo dumm fein, [hoy 
auf den erſten Blick als plumpe Fälſchung 
erkennbar, ihre Abnehmer findet ſie doch, ja 
ſelbſt Zeitungen, denen man ein gewiſſes 
Niveau nicht abſprechen darf, ſcheuen ſich 
nicht, den Anſinn nachzudrucken, wenn auch 
gelegentlich umgearbeitet oder mit Angabe 
der Herkunft verſehen (um den Schein der 
„Objektivität“ zu wahren oder die Berant- 


Randbemerkungen 27 


wortung abzuwälzen). Ein kleines Beiſpiel 
ſoll dies belegen. 


Wenige Tage nach der Mordtat des Juden 
Frankfurter in Davos veröffentlichte „Der 
Wiener Tag“ (eines der berüchtigten 
Tſchechenblätter in Wien, das auch den 
Schluß der Olympiſchen Winterſpiele in 
Garmiſch zum Anlaß nahm, das deutſche 
Organiſationskomitee zu beſchimpfen) eine 
kurze Notiz. In ihr wird auf einen in 
Schwer in erſchienenen Tagesbefehl der SA 
hingewieſen, aus dem hervorgehe, daß der 
ermordete Landesleiter der NSDAP 
Schweiz, Guſtloff, „aktiver Obergruppen- 
führer der Standarte 89“ geweſen ſei. Der 
reichsdeutſche Lefer merkt natürlich fofort 
den Anfinn der Meldung, denn eine Stan⸗ 
darte unterſteht bekanntlich einem Stan- 
dartenführer und nicht einem „aktiven Ober- 
gruppenführer“. Nun wäre man geneigt, 
dieſen „Schönheitsfehler“ zu überſehen, 
wenn nicht das. genannte Blatt weiterhin 
behauptete, Guſtloff habe jener Standarte 89 
angehört, die für die Ermordung 
des Bundeskanzlers Dr. Doll- 
fuß, des Profeſſors Leſſing und 
des Ingenieurs Formis in der 
Tſchechoſlowakei verantwortlich 
fei. Sie trage die Bezeichnung 
„Z. b. V.“ (Zur beſonderen Ver ⸗ 
wendung) und ſetze ſich aus 
ſchließlich aus Leuten gufam- 
men, die im Ausland mit der 
Durchführung von Terrorakten 
und hochverräteriſchen Anfgla- 
gen eingeſetzt würden. 


Da bleibt einem doch wirklich die Luft 
weg! Aus der Tatſache, daß Guſtloff Trupp- 
führer in der Standarte 89, Schwerin, war 
und nach ſeiner Aeberſiedlung in die 
Schweiz „z. b. V.“ geſtellt wurde, erfindet 
das Wiener Blatt eine ſagenhafte Terror- 
ſtandarte, die im Auslande ſich betätigt. 
Plumper konnten die Herren Galizier in den 
Redaktionsſtuben des „Wiener Tag“ die 
Wahrheit nicht verdrehen. Aber der tiefere 


Sinn dieſer von A bis 3 erfundenen Ligen- 
meldung ift ja der, die SA bei den aus- 
ländiſchen Leſern als Mordbeſtien zu ver⸗ 
dächtigen, und die Tat des Juden David 
Frankfurter zu rechtfertigen. Denn wenn 
ſich die SA aus lauter Terroriſten zuſam⸗ 
menſetzt, dann geſchah es im Auftrage einer 
höheren Gerechtigkeit, daß Frankfurter den 
Anführer dieſer Banditen umlegte, um die 
Menſchheit von ſolchen Individuen zu be- 
freien. So und nicht anders will die Notiz 
des Wiener Blattes ausgelegt werden. 


Wir wunderten uns nun gar nicht, die 
gleiche Notiz, teilweiſe mit mehr oder weni- 
ger entrüſteten Kommentaren verſehen, in 
den verſchiedenſten Zeitungen des Aus- 
landes wiederzufinden. Beſonders der 
ſchweizeriſchen Preſſe war ſie Waſſer auf 
die fröhlich klappernde Mühle. Natürlich 
durfte da auch die „Baſler National- Det, 
tung“, die allerdings jede weitere Bemer- 
kung ſchamhaft vermeidet, nicht fehlen. Ge- 
rade an dieſem Blatt läßt ſich die Sufam- 
menarbeit der internationalen Giſtköche 
wunderſchön beobachten. Ihrer Schriftleitung 
wäre es ein leichtes geweſen, aus einer 
beſſeren Kenntnis der reichsdeutſchen Ber- 
hältniſſe heraus, die aufreizend dumme 
Meldung richtigzuſtellen. 


Vor Jahren lief in Deutſchland ein Film 
des jüdiſchen Sängers Joſeph Schmidt, 
deſſen Hauptſchlager „Ein Lied geht um die 
Welt“ ſelbſt den älteſten Witwen ein 
Tränenbächlein entlockte. In Abwandlung 
ſagen wir „Eine Lüge geht um die Welt“ 
und kennzeichnen fo am beſten die plan- 
mäßige Verleumdungsarbeit der deutſch⸗ 
feindlichen Greuelhetzer, mögen ſie nun in 
Wien, Baſel oder New Dorf die Redal- 
tionsſtuben bevölkern. Sti. 


Des vatesldudifde AbendYansus! 

In der „Wiener Sonn- und Montags- 
Zeitung“ war folgende kleine neckiſche Notiz 
zu leſen: 


25 | Randbemerkungen 


„Große Anerkennung findet die Firma 
L. Lein, Wien 1, Kärtner Straße 27, die 
einen neuen öſterreichiſchen Abendanzug 
bringt. Es ijt ein Dinerjackett aus ſchwarz⸗ 
grauem Stoff mit grünen Aufſchlägen und 
grüner Frackweſte. Dieſer öſterreichiſche 
(vaterländiſche) Abendanzug iſt geſetzlich ge⸗ 
ſchützt.“ 

Na, nun wird wohl hoffentlich die „An⸗ 
abhängigkeit“ Oeſterreichs für alle Ewigkeit 
geſichert fein! Es lebe der „geſetzlich ge- 


ſchützte“ vaterländiſche Abendanzug! 
Avauaeſiſcbe 


SUestevganas stimmen d ,,“.̊ 

Schon von jeher haben die Propheten der 
allcinfeligmadenden, ſtarren Dogmenteligi- 
onen allen An- und Andersgläubigen nicht 
nur für das Jenſeits die Hölle heiß gemacht, 
ſondern He haben ihnen auch für das Dies- 
ſeits Pech und Schwefel und ein Ende mit 
Schrecken in Ausſicht geſtellt. Am dieſen 
ihren Antergangsverkündungen mehr Nach- 
druck zu verleihen, ſind ſie meiſt ſelbſt als 
Untergang über die Betreffenden berein- 
gebrochen wie etwa das Chriſtentum über 
die Sachſen, der Islam über die „Giaurs“, 
das Papſttum über die verſchiedenen Reger- 
bewegungen uſw. 

Das alles iſt nicht neu und zu bekannt, als 
daß es hier einer beſonderen Erwähnung 
und Behandlung würdig wäre. Was aber 
gegenwärtig auffällt, iſt die in der letzten 
Zeit immer häufiger gewordene Erſcheinung, 
daß auch von evangeliſcher Seite 
her dem deutſchen Volke immer ſchlechtere 
Zukunftsprognoſen geſtellt werden für den 
Fall, daß es von ſeinem ewigen, ſeeliſchen 
Ringen und Suchen nicht endlich abläßt und 
im „Glauben ſeiner Väter“ erſtarrt und be⸗ 
harrt. So hören wir etwa den bekannten 
Pfarrer Niemöller von der Kanzel 
unken oder den Paſtor Kruſe, daß das 
Dritte Reich untergehen werde, 
wenn ſich der Nationalfozia- 
lis mus mit dem Mythos von 


Roſenberg verbünde, oder wir 
hören den Pfarrer Kroneberg in 
ſeiner Predigt vor dem Reichskriegerbund 
in Wernigerode laut Bericht feines „Sonn ; 
tagsgruß“ vom 26. 1. 1936 unter der ſich 
ſtändig wiederholenden dreifachen Schreck⸗ 
ſteigerung „O Land, Land, Land, 
höre des Herrn Wort!“ ſeinen glau- 
bigen Schäflein folgenden ſchrecklichen Aus- 
blick projizieren: 

„Nut eins fehlt ihm (dem deutſchen Volke) noch. 
und das iſt das allerwichtigſte, denn davon hängt die 
Zukunft ab — die Befinnung auf den 
alten Gott. Man will durchaus nicht gottles fein. 
Man hat den Geiſt der Gottloſigkeit als ein gefähr- 
liches Gift für die Volksseele erkannt. Aber man hat 
in den weiteſten Kreiſen unſeres Volkes keine 
Ehrfurcht mehr vor dem Gott unſeret 
Väter, vor dem Vater unſeres Herrn Jeſus 
Chriftus. Man will einen anderen 
Gott, als den, von dem die Bibel 
redet. Man will nichts mehr hören von Demut 
und Buße, von Sünde und Gnade. Der nordiſche 
Menſch ſei von Hauſe aus rein. Das ihm eigene 
„atiſche Urgefühl“ kenne keinen Sündenſchmutz und 
keine Gewiſſensangſt, es verlange nicht nach Gnade, 
ſondern nach Freude, nach heldiſcher Gefinnung und 
tapferer Tat. Das Chriftentum habe dem deutſchen 
Volke dieſes Urgefühl geraubt und müſſe darum als 
unartgemäß bekämpft und ausgerottet werden. So 
ſprechen heute Tauſende, und in der Jugend 
hallen dieſe Schlagworte wider. 

Will ſich denn das deutſche Volk aufs 
neue zugrunderichten? O Land, Land, 
höre des Herrn Wort! Wie deutlich hat 
doch Gott durch die Geſchichte des zweiten Reiches 
zu uns geſprochen! Wie verheißungsvoll war doch 
der Anfang dieſes Reiches dort im Gpiegelfaal zu 
Berfailles, und wie ſchmachvoll war 49 Jahre [pater 
das Ende im felben Spiegelſaal! Warum if denn 
das zweite Reich fo ſchnell zuſammen⸗ 
gebrochen? Weil ſich das deut ſche 
Volk praktiſch für eine Religion des 
Diesfeits entſchieden hatte. Wollen wir 
den Fehler von einſt noch einmal machen? Dann wäre 
allerdings auch die Zukunft des Dritten 
Reiches in Frage geſtellt.“ 


Man braucht nun nicht gerade zu den 
ängſtlichen Gemütern zu zählen, um zu er- 
kennen, daß eine derartige Unter- 
gangsſtimmungsmache, von fol- 
cher Stelle dauernd und un 
gehindert dem Volke vorgetra- 
gen, ſich wie eine ſchwere Ge 


Randbemerkungen 29 


fährdung des wiedererlangten 
ſeeliſchen Gleichgewichts und 
überhaupt der neuen deutſchen 
Seelen haltung, des neuen 
Mutes und der neuen Suver- 
ſicht des deutſchen Volkes in 
ſeine Zukunft auswirken muß. 
Wenn die Urheber und Träger dieſer Stim- 
mungsmache den verheißenen Antergang 
wohl auch nicht ſelber werden herbeiführen 
wollen, wie die eingangs genannten Vor⸗ 
bilder, fo kann ſich in gewiſſen Hifto- 
riſchen und politiſchen Situa- 
tionen eine ſolche Propaganda 
doch auch recht verhängnis voll, 
ja unter Amſtänden ſogar noch 
viel verhängnis voller erwei- 
ſen als ein direkter Angriff. 
Wir erblicken daher in dieſer Art von „Seel 
forge” wohl mehr evangeliſcher als pro- 
teſtantiſcher „Gottesmänner“ eine Ge- 
fährdung und bewußte oder un. 
bewußte Sabotage des Aufbau- 
werkes unſeres Führers und des 
Nationalſozialis mus. 

Zur Sache ſelbſt wäre noch zu ſagen, daß 
es wohl überheblich und einigermaßen an- 
maßend erſcheint, den irdiſchen Erfolg einer 
Nation als von der ſtarren Gläubigkeit an 
die durch die jeweiligen Paſtoren vertre⸗ 
tenen überirdiſchen Götter abhängig zu er- 
klären. Es fet uns erlaubt, in aller Be- 
ſcheidenheit daran zu erinnern, daß andere 
Nationen, wie etwa die Japaner, weltpoli- 
tiſch von Erfolg zu Erfolg eilen, ohne daß 
ſie vom „Gott unſerer Väter“ der Krone⸗ 
berg, Kruſe und Genoſſen je etwas erfahren 
haben. Job. 


Rewi und Seits im 
„Sbeiiliden Ständeſtaat“ 
Die unrühmlich bekannte Wiener ,,2Ar- 

beiter⸗Zeitung“ hat bekanntlich nach der 
Februar ⸗Revolte 1934 ihren Erſcheinungsort 
von Wien nach Brünn verlegt und erſcheint 
dort unter Duldung der tſchechiſchen Be- 


immerhin intereſſant. 


hörden als „Organ der öſterreichiſchen So- 

zialiſten“. Im Hinblick darauf, daß die neu- 

öſterreichiſchen Politiker geradezu krampfhaft 
darüber wachen, daß von keiner Seite eine 

„Einmiſchung in die inneröſterreichiſchen An- 

gelegenheiten“ erfolgt, iſt dieſe Tatſache 

Aeber die Hinter- 

gründe der „Weihnachtsamneſtie“ in Oefter- 

reich bringt die „Arbeiter⸗Zeitung“ u. a. 

folgende Enthüllungen, die wert find, feft- 

gehalten zu werden: 

„Es haben fih im Laufe des letzten 
Jahres Perſönlichkeiten des Auslandes 
nach Oeſterreich begeben, um die politiſchen 
Zuſtände dort zu ſtudieren. Da erſchienen 
zunächſt die Genoſſen Jeanne Vandervelde 
und Louis de Vroudére aus Brüſſel; im 
Dezember kamen die engliſchen Genoſſen 
und Abgeordneten Grenſell, Parker und 
Jones nach Wien. Am 18. Dezember ver- 
öffentlichte die „Liga für Menſchenrechte“ 
das Ergebnis der Vanderveldeſchen Anter 
ſuchung, in der über die Behandlung der 
politiſchen Gefangenen geſagt wird, ſie ſei 
hinſichtlich der Hygiene und Menſchlichkeit 
hinter dem Mindeſtniveau zurück, zu deſſen 
Einhaltung ſich Oeſterreich im September 
1934 gegenüber dem Völkerbund verpflichtet 
habe. In den Polizeigefängniſſen und Kon. 
zentrationslagern ſeien die Gefangenen der 
vollkommenen Willkür ausgeliefert. Was 
die Rechtsgarantien von Oeſterreich be⸗ 
treffen, ſo ſei die Anabhängigkeit der 
Richter nicht mehr geſichert. Der politiſche 
Angeklagte werde von ſeinem politiſchen 
Gegner gerichtet. Für dasſelbe Vergehen 


würden nacheinander drei Strafen ver- 


hängt. 

Noch intereſſanter iſt eine Kundgebung 
franzöſiſcher Intellektueller an die öſter⸗ 
reichiſche Regierung. Unter den Unter- 
zeichnern der Kundgebung finden wir den 
ehemaligen Miniſter Pierre Cot, den 
Vizepräſidenten der radikalſozialiſtiſchen 
Partei, Delbos, den Vizepräſidenten des 
auswärtigen Ausſchuſſes der Kammer, 
Longuet, ferner den ehemaligen Miniiter- 
präſidenten Steg uſw. Sie ſtellen dem 
neuöſterreichiſchen Syſtem folgendes 
Zeugnis aus: 

„Die franzöſiſche öffentliche Meinung 
ſehe mit wachſender Beunruhigung die 
Grauſamkeit, mit der Gericht und Polizei 
in Oeſterreich die Anhänger der anti: 
faſchiſtiſchen Parteien behandeln. All das 
ſtehe in ſchreiendem Widerſpruch zu den 
Erklärungen, die der Bundeskanzler 


30 Randbemerkungen 


Schuſchnigg während ſeines Aufenthaltes 
in Paris gegeben habe. Die Anterzeichner 
erwarten, daß die öſterreichiſche Regierung 
volle Amneſtie gewähre für alle einge⸗ 
kerkerten Schutzbündler, für alle ver⸗ 
urteilten Antifaſchiſten und für alle jene, 
die ohne gerichtliches Urteil in den Polizei; 
gefängniſſen und Konzentrationslagern be⸗ 
halten werden, und daß ſie alle im Gange 
befindlichen politiſchen Prozeſſe gegen die 
Antifaſchiſten einſtelle.“ 


So die „Arbeiter ⸗Zeitung“. 

Dieſe Angriffe gegen das neuöſterreichiſche 
Regierungsſyſtem ſtammen von Leuten, 
denen man keine Freundſchaft für den 
Nationalſozialismus nachſagen kann. Sie 
betonen das auch, indem ſie Gerechtigkeit 
nur für eine Seite fordern, obwohl die Ger, 
gehen der öſterreichiſchen Nationalſozialiſten 
und die über ſie verhängten Strafen die⸗ 
ſelben find wie die, für die ſich hier Fran- 
zoſen, Engländer und andere internationale 
Kreiſe einſetzen. Bezeichnend aber iſt, daß 
die öſterreichiſche Regierung gegen dieſe „Ein⸗ 
miſchung in inneröſterreichiſche Verhältniſſe“ 
mit keinem Wort proteſtiert, ſondern ſich 
ihren Forderungen ſofort unterworfen hat. 
Das Ergebnis war die Weihnachtsamneſtie 
für die Sozialdemokraten. 


Angeſichts ſolcher Tatſachen weiß man in 
Zukunft, was man von den Cinmifdunas- 
komplexen des Wiener Ballhausplatzes zu 
halten haben wird. Wenn Franzoſen, Eng- 
länder und andere Angehörige fremder 
Völker das Recht haben, auf die unwürdigen 
Zuſtände im „chriſtlichen Ständeſtaat“ zu 
verweiſen und im Namen der Menſchlichkeit 
Abhilſe fordern, um wieviel mehr ſteht dieſes 
Recht der deutſchen Oeffentlichkeit zu, da 
es ſich doch immerhin bei den Gemarterten 
um Volksgenoſſen handelt. 


Eine Welt, welche Solidarität zwiſchen 
Marriften, Freimaurern und Liberaliſten an- 
erkennt, wird die Solidarität zwiſchen 
Menſchen des gleichen Blutes und des 
gleichen Volkstums nicht beſtreiten können. 


Ramphold Gorenz. 


Smmes now „Nomaniſch“? 
In der neueſten Nummer (462) der 
„Mitropazeitung“ in einem Auſſatz „Ber⸗ 
liner Vergnügungsſtätten in der Rarnevals- 
zeit“ leſen wir folgenden Satz: 
Pre A A 5 KE 


„Nomaniſche Kaffee“ an der Gedächtniskir 


wohl der frühere Typ des „Kaffee Za E bei 
uns im Wusfterben 2 


Wir halten es für notwendig, eine ver- 
ehrliche „Mitropa“ Schriftleitung darauf 
hinzuweiſen, daß fie mit ſolcher Fremden ; 
werbung dem neuen Deutſchland einen ſehr 
ſchlechten Dienſt erweiſt. Bei der ſchon im 
Titel angedeuteten Weltaufgeſchloſſenheit der 
„Mitropa-Zeitung“ müßte es fid auch dort 
herumgeſprochen haben, daß jene Zeiten end- 
gültig vorüber find, in denen man das „Ro- 
maniſche Kaffee“ in der Reichshauptſtadt als 
Sehenswürdigkeit zu bezeichnen pflegte. Wer 
jene Charakterköpfe verfloſſenen deutſchen 
„Geiſteslebens“ ſehen will, deren Stamm 
tiſche im „Nomaniſchen“ ſtanden, der muß 
ſchon nach Baſel, Prag oder Paris fahren! 

Liebe Mitropa, überprüfen Sie Wre 
Speiſekarte Berliner Sehenswürdigkeiten, 
ſonſt verderben ſich unſere Gäſte den Magen! 

H. W. N. 


Um Mivesfiändniffen 
vovsnbenges: 

Am allen Mißverſtändniſſen vorzubeugen! 

Wir brachten in Heft 3 eine Kritik an 
einem Flugblatt zur Gründung einer „Deut: 
ſchen Tanzgemeinſchaft an der Aniverſität 
Berlin“. 

Dieſe Kritik veranlaßte einige fogenannte 
„bürgerliche“ Blätter Stellung gegen den 
Volks. und Gemeinfdhaftstang zu nehmen, 
indem fie Teile aus unſeren Beitrag ab. 
druckten und durch entſprechende eigene 
Randbemerkungen verſahen. 

Dieſer Amſtand veranlaßt uns ausdrück⸗ 
lich zu erklären, daß mit dieſer Kritik die 
grundſätzliche Frage einer Erneuerung des 
deutſchen Tanzweſens und die Arbeit des 
NS-Studentenrings nicht berührt wurde. 


P ao 25 


11— ege sem —— sean — we 


Vom Büchermarkt 31 


Wir bejahen die Schaffung eines deutſchen 
Volks⸗ und Gemeinſchaftstanzſtiles und 
glauben, daß zur Ausgeſtaltung der Feſte 
und Feiern der Volksgemeinſchaft die 
Schaffung einer unſerer Art entſprechenden 
Tanzform unbedingt erforderlich iſt und wir 
bejahen (das nur für die „bürgerliche“ 
Preſſe) die Kulturarbeit des NS⸗ Studenten 


bundes an den Hochſchulen. Wenn wir in 


der erwähnten Kritik uns einige abträgliche 
Bemerkungen erlaubten, ſo taten wir das 


nur zur Klarſtellung der Begriffe, die uns 
auf Grund dieſes ungeſchidt abgeſaßten 
Flugblattes erforderlich erſchienen. 

Wir haben den Leiter der Deutſchen Tanz. 
gemeinſchaft, Reichsfachſtellenleiter der NS. 
Kulturgemeinde Alfred Müller ⸗ Hennig, der 
als verdienſtvoller Vorkämpfer für eine art- 
gemäße Tanzform gilt, gebeten, in einer der 
nächſten Nummern von „Wille und Macht“ 
einen grundſätzlichen Beitrag zu dieſem 
Thema zu lieſern. 


Soldatiſche Literatur 
ce Jude u Bücherei, Band 4 


n E 
Berlin Ce 


Die cherei hat gi ch zur A 
ſtellt, ae kriege oder mi BC d 
1 915 durch e bon ante Darſtellun⸗ 
Lienen zu machen. 

Ht 9 ienen: 

R. irek A g 5 Stet 
rkiſch⸗Aegy e Feldzug er 
gibt Woltte der mit noch einigen preußi⸗ 

ſchen zieren als Reorganiſator der tür- 

kiſchen Armee abkommandiert war, einen 

Bericht über das, was er vorſand und was 

er mit feinen Kameraden während dieſes 

Kommandos arbeitete. Eine beſſere Dar⸗ 

ſtellung der Zuſtände und des . es 

werden wir wohl kaum erhalten. 

ee find die beiden beigefügten Sorten, 

fie infol a = Bergftrid- Zeichnung 

sr einen blick noch einen genauen 
eE d Goen 

Alois Belhé: Die Schlacht 
bei o bua 1896. Das Ereignis das Ver- 
anlaſſung zu der augenblicklichen Augeinander- 
ſetzung ſinien—Italien gab, iſt rein 
ſtrategiſch⸗taktiſch dargeſtellt, fo daß wir 
einen genaueſten Einblick gewinnen. Es iſt 
heute von beſonderem Intereſſe, da man eine 
gewiſſe Aehnlichkeit in den Kampfhandl ungen 
von 1896 und heute feſtſtellen kann! ie 
ee. Karte ift nicht zu gebrauchen. 

Guſtav Freytag: Kampf und 
Fehde im Spätmittelalter. 


8 vierter Band 


Die Arbeit iſt das er De eſchicht · 
lichen Vorarbeiten des SC Soman. 
ſchriftſtellers Fre eytag. le ung einen 
guten Einblick in die ſozialen Verhältniſſe 
des ausgehenden Mittelalters. Die Le⸗ 
bendigkeit und Gründlichkeit der Darſtellung 
machen die Abhandlung leſenswert. 
met 7: Friedrich Schiller: Guftav 

ol 

Die Abhandlung iſt aus Schillers Arbeit 
Se? A tätsprofeſſor entſtanden. Sie 

dnig ganz in dem 


| t ben f chen K 
biet Glanze feiner Tat für Deutſch⸗ 


land. Wenn Schiller Guſtav Adolf mehr 
Licht als es in . vorhanden 
war, ſo iſt die Darſtellung 181 ein meifter- 
haftes Werk unferes großen Dichters. 

Band 8: Max Lehmann: 5 
und die preußische Heeresreform. 

Eine ſehr gute Abhandlung, die uns den 
Kampf des großen Soldaten und mili⸗ 
täriſchen Erneuerers des preußiſchen Heeres 
mit der Reaktion zeigt. Das Buch gibt 
manchen Aufſchluß über die Kräfte, 
hinter Kuliſſen arbeiten. Damit hat = 
mehr als nur geſchichtsbildenden Wert! 


Heer, Kriegsmarine, Luftwaffe. Von Haupt- 
mann H. Wießt. Gerhard Stalling, 
Verlagsbuchhandlung Oldenburg ⸗Berlin. 
Nach der Verkündung der allgemeinen 

Wehrp SEH erſchien zu dieſer Frage eine 

ſtarke Literatur, die heute ſchon längſt iber- 

holt iſt. Auch das vorliegende Buch, das 


32 Vom Büchermarkt ; 


eine a ER der Geſetze, Ber- 
ordnung Organiſation des 
Heese e und vieles 
andere bringt, läuft ere Gefahr. 


Von Mollwitz bis Annaberg. Zuſammen⸗ 
geſtellt von Günther Schwantes. W. 
G. Korn Verlag, Breslau. 

Das Buch führt uns, wie aud fein Unter- 
titel ſagt, über die Schlachtfelder Schleſiens. 
Da es von Offizieren der Wehrmacht ge- 
ſchrieben iſt, iſt das Hauptgewicht auf 
taktiſch ſtrategiſche Darſtellungen der 
Schlachten von Friedrich dem Großen bis 
zu den Poleneinfällen gelegt. Da die Ab- 
handlungen durchweg flüſſig geſchrieben ſind, 
wird das Buch ſicher auch ſeinen Freun es- 
kreis in nicht militäriſchen Kreiſen finden. 


* 


Frankreichs Stoßarmee. Charles de 
Gaulle. Das ee — die Qü- 
jung von morgen. Deutſch von Galli ⸗ 
cus. Ludwig Voggenreiter Verlag, 
Potsdam. 

Zweifellos ſchießt der Verfaſſer in ſeiner 
* der franzöſiſchen Lage und der 
deutſchen Verhältniſſe weit über das Ziel 
hinaus. Das Buch iſt in glänzendem Stil 
mit einer Leidenſchaftlichkeit geſchrieben, die 
uns zwingt, unſere ruhige Aeberlegung zum 
Abwägen des Tatſächlichen entgegenzuſetzen. 

Walther Schlüter. 


Die „Nationalſozialiſtiſchen Monatshefte“ 
im neuen Jahr. 


Die Aufgabe der „Nationalſozialiſtiſchen Monats⸗ 
hefte“, gru rundſätzliche Beiträge zu den dringlichſten 
Fragen er e Auseinanderſetzung zu 
bringen, wird mit den erſten beiden Heften des neuen 
delt erhlt mit größter Gewiſſenhaftigkeit und Klar⸗ 

it er 

Die erſte Folge des neuen Jahres beginnt mit 
einem grundſätzlichen Beitra Reidsleiten Alfred 
Rofenberg über „die Aufgaben eines national⸗ 
EE Außenpolitikers“. 
Rede, gehalten vor der ausländiſchen Diplomatie und 
1 zeigt die Haltung des Nationalſozialismus 
zu den Problemen der Weltpolitik. Es wird zum 


"wird zum erften Mal die wertvolle Let 


Diefer Beitrag, eine- 


dem die 1 Staaten unterworfen find, als 
en Faktoren außenpolitiſcher Haltung Heraus- 


eſtellt 
ge Grundgedanken Barth n folgerichtig die 
Dentſclens n, as. heutige rational: 
Ga, Deutſchland der Aer e ae und 


2 ng zu beſchuldigen und es tn den 
Me n und Prinzipien feiner feln = 
Bolſchewismus und feiner Staatsführung ae 
zuſtellen. Verſuchte der Staatsgedanke des e? 
alters die Völker einer Konfeſſion le aa 
machen, ſetzte der Varot die He t von e 
als Wertmaßſtab für Völker an D vi SE notional: 
ſoztaliſtiſche Staatsgedante und 
Fürſten genau fo viel wert as rafter: 


werte eines Bolfes verteidigen SE d e a: Kräfte 
eines Volkstums verkörpern. Der Gedanke des 
Nationalſozialismus, daß das Bauerntum der Träger 
des Staates fein e, die unverfiegbare Quelle, aus 
der pas Volkstum ch immer wieder aufs Neue er⸗ 
Seile igt den unüberbrückbaren Gegenſatz zum 
olſchewismus, der gerade das Bauerntum in feiner 
dſtruktur = Bowie Ven trachtet. Diefe grund: 
ſätzlichen Ausführungen über den mationalſozialiſtiſchen 
Staatsgedanken = en ergänzt duth Beiträge, die 
ſich mit den Kampfmethoden des politiſchen Katholizis⸗ 
mus beſchäftigen. 

Das 2. Heft (Februar) des neuen Jahres bringt 
Darſtellungen des Lebenswerkes einer Reihe führender 
Männer. Es wird des ſchweren Kampfes des Nobel» 
preistrigers und nationalſozialiſtiſchen Wiſſenſchaftler⸗ 
Philipp Lenard gegen die jüdiſche Phyſik des Juden 
und Emigranten Einſtein ge rofeſſor J. Stark. 
heute Prafident der Fe Keier en cami en Reichs⸗ 
anſtalt und der deutſchen Forſchu emeinſchaft, ſtand 
damals als eingiger an der Seite Lenards. Er ver: 
ſteht in dieſem Artikel in anigoulidet Weife das 
Leben dieſes Mannes darzuſtellen, der im Mai 192; 
einen Aufruf von Adolf Hitler und feiner Mit: 
kämpfer, die vom Münchener Volksgerichtshof ver⸗ 
urteilt waren, an die deutſche Studentenſchaft erließ. 

Als zweiter Mann wird EE Ludwig von 
Marwitz von Dr. Walther Kayfer andelt. Hier 
ng Ludwig 
v. Marwitz', des „Bauernführers aus Zeit der 
Freiheitskr ege“, gewürdigt. Von der bisherigen Ge⸗ 
dere und Sain iſt noch nie die Stellung eines Stein. 


Marwi gegen das Judentum, gegen den 
da der Sdt und ben be n Gert: 
ſcha Ge ruch der römiſchen Kirche als wicht s pos 


litiſches Leiimolir gezeigt worden. Noch nie iſt zum 
Ausdruck gebracht worden, in welch ſcharfem Ge 5 
er mit Stein, zu rdenberg und Humboldt die 
11 eiſtige und wirtſchaftliche Vorherrſchaft ho Juden 
eutihland eigentlich verſchuldeten, ſich mit dem 
politiſchen Katholizismus verbündet en "und der grei: 
maurerei Tür und Tor öffneten, 
Karl Rihard Ganger beweiſt durch feinen Artikel 
„Von Bülow bis Hitler“ erneut ſeine Grundgedanken. 
daß Männer verſchiedener Erbqualität verſchieden Ge: 
ſchichte machen. Darüber hinaus zeig: der Artikel die 
geſchickte Arbeit der überſtaatlichen Mächte, gegen die 
wir uns nur wehren können, wenn wir uns auf uns 


erſten Mal die aa bt eines Außenpolitilers auf ſelbſt und unſere Kraft befinnen. Kennzeichen der 
das Gebiet der jeeliihen Verſchiedenheiten der Weimarer Republik: Am Begin ſteht Rathenau 
einzelnen Völker und ihrer Entwicklungsſtufe gelenkt, (Jude). am Ende Brüning in der tie 
und es werden die Geſetze des politiſchen Raumes, Streſemann (Freimaurer). — Rü — 

Hauptſchriftleiter: Günter Kaufmann no 3 in Urlaub). Stellvertreter: Dr. Karl Lapper. Anſchrift: „Wille 
und Macht“, rer E E n SCH K 10. Tel. D 2 5841. Verlag: Deutſcher Jugend- 

verlag ©. m Berlin W 81 35 Lav Tel, B 2 Lützow 9006. — Verantw. für den Anz ko Mie Kurt 
Otto Rot. Bein, — Net . Rr. 5. — Druck: Theodor Abb Buchdruckerei riin SW 68. 


Zeg pg und Macht“ ift un Sara ben Deut 
Voftbezug vie ertelf RM. 1, 

bitte den Betrag in Briefmarken beizule . 

erledigt werden kann. Maſſen 


in Sugendoeriag oder jede deutſche Buchhandlung jowie durch 


Bei Beſtellung von 1 bis 8 einzelnen Nummern 


a Se 5 99 zu teuer ift und diefe Beſtellung fonk nicht 
zug durch den Verlag laut beſonderen Bezugsbedingungen, 


Speevtamp und Jagojaube 


Anſchauliche und ſeſſelnde Erzählungen aus der Vorſeuerzeit, der 
Eiszeit, der Wikinger und Kupferzeit laffen die hohe Kultur 
l unſerer germaniſchen Vorväter lebendig erfteben. 


Ein Buch, das beſonders für die deutſche Jugend beſtimmt iſt. 
Derlaa Geoss Weſtermaun / Braunſchweis 


Hitler 
in feinen Bergen 


96 Seiten Amfang / 90 Abbildungen 
Herausgegeben von | 


Heinrich Hoffmann 
Reichsbildberichterſtatter der NSDAP 
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Mit dieſem Buch hat Heinrich Hoffmann, der ſtändige Begleiter 
des Führers, ſeine bekannten Werke über Adolf Hitler durch 
einen Band ergänzt, der den Führer in der Einſamkeit und 
Majeſtät ſeiner geliebten Berge zeigt. Wieder gibt dieſes Buch 
eine Fülle ſchönſter Bilddokumente. Denn hier, in dem einfachen 
Landhaus auf dem Oberſalzberg, im Zuſammenſein mit den 
Kampfgefährten ſchwerer Tage, bei Wanderungen und Fahrten 
durch die Verge, im Geſpräch mit den Bauern und Sennen der 
Nachbaralmen, den Holzknechten und Flößern der Wildwaſſer, 
in der gläubigen Liebe dieſer geraden und aufrichtigen Menſchen 
der Berge: hier iſt der Führer ganz zu Hauſe. So reden dieſe 
Bilder eine ergreifende Sprache. Sie zeigen den größten 
Deutſchen in ſeiner ganzen ſchlichten und gütigen Menſchlichkeit 
und werden daher in jedem deutſchen Herzen Widerhall finden als 
eine erneute Bekräftigung des Bewußtſeins: denn er iſt unfer! 


In Steifdeckel mit farbigem Schutzumſchlag RM. 2,85 


Zeitgeſchichte 


Verlag und Vertriebs Geſellſchaft m. b. H., Berlin W 35 


„ungen A 
Hauptarchiv d. HSL. 
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Erich Fiſcher 


Die junge Kameradschaft 


400 Seiten, 173 Abbildungen, in Ganzleinen RM. 5,50 


Dieſes neue Jahrbuch der deutſchen Jugend. herausgegeben von 
Erich Fiſcher, Amtsleiter Preſſe und Propaganda in ber Reihs- 
jugendführung, wird dem Jungen ein wirklicher Kamerad und 
Helſer ſein. Es will ihn das ganze Jahr hindurch begleiten und 
wird ihm daher nicht nur Wiſſen und Anterhaltung, ſondern auch 
praktiſche und nützliche Dinge aus allen Gebieten des Lebens ver 
mitteln. Neben ſpannenden und intereſſanten Erlebniſſen aus aller 
Welt, zu Waſſer, zu Lande und in der Luft, wie fie den Jungen 
von jeher begeiſtert haben, berichtet dieſes Buch deshalb auch über 
Geſchichte und Politik, vom Wehrgedanken und vom Soldatentum, 
aus Technik und Naturwiffenfdaft, von Film und Kunſt, über 
Sport und Spiel, von Fahrt und Lager, über Baſteln und Bauen, 
und ſchließlich über die HJ und ihre vielfältigen Aufgaben im 
Leben der Nation, kurz über alle Dinge, die ein echter, rechter Junge 
heute wiſſen möchte. Karl Haushoſer, Werner Beumelburg, 
Walter Frank, Richard Euringer, Heinrich Lerſch, Eberhard 
Wolfgang Möller, Herybert Menzel und andere haben fic für dieſes e 
Jahrbuch, das nach Inhalt und Ausſtattung gleich vorbildlich und | | 
klarer Ausdruck der neuen Beit ift, als Mitarbeiter zur Verfügung he 
geftellt. Mit feiner reichen, forgfdltig zufammengeſtellten Bebilde⸗ 

rung gehört es zu den bevorzugten Jahrbüchern unſerer Jungen. 


Zeitgeſchichte 


Verlag und Vertriebs⸗Geſellſchaft m. b. H., Berlin W35 


— —— . . —— . EEN — — — ` = 


Nach Gebrauch zurück an. 


Hauptarchiv der NSD A? 
Abt. Jugendbawacis 


Cum 


Jührerorgan der nationalſozialiſtiſchen Zugend 


Aus dem Subali: 
Paragraphenmäßige Politik 


Frankreichs Ostpolitik 
Angst um Sicherheit 
— 


l Faheer und Volk — Nainaller / Schrifttum aus Oesterreich — Tor / Agnes Miegel - 
Politik machen — Kleiner Querschnitt durch ein merkwürdiges Schulsystem — Vom Bı 


Salbmonatsibvift / Sek 6 Berlin, den 18. Mars 1036 Ginselpycis 30 fa. 


Subalt 


Führer und Volk Herybert Menzel 
Paragraphenmäßige Politik Herbert Guthjahr 
Frankreichs Oſtpolit ill Wulf Siewert 
Angſt um Sicherhheiiii hk Berg 

Schrifttum aus Oeſterreihch e Erwin H. Rainalter 
Agnes Miegel hae ea e ee E. H. Tor 


Außenpolitiſche Notizen: 
Wenn Militärs Politik machen 
Die nächſten fünf Millionen 


Randbemerkungen 
Kleiner Querſchnitt durch ein merkwürdiges Schulweſen 


Vom Büchermarkt 


Kuuſtdruckbeilage: Zum Aufſatz „Schrifttum aus Oeſterreich“ 
Kartenzeichnung: Boſſeck 


IS, 


FAO vevovsan Deu nattonaliosialifiiichen Susen® 


Jahrgang 4 Berlin, 15. März 1936 Heft 6 


Führer und Volk 


Von Herybert Menzel 


Dich denkt der Schmied im Feuer ſeiner Eſſen, 
Dich denkt der Säemann und ſtreut fromm die Saat. 
Dein Beiſpiel ſteht uns allen unermeſſen, 

Wir tun ein Kleines nur, du ſchaffſt den Staat. 


Der Gärtner denkt dich, der die Bäume bindet, 
Der Bergmann, der nach Erz und Kohlen ſchlägt. 
Wie jeder ſo für dich ſein Gleichnis findet, 

Biſt du der Einſame, der alles wägt. 


Bisweilen nachts erklingt es von Motoren 
Hoch über uns, du, Führer, ohne Rub. 
Dein Antlitz ahnen wir an uns verloren, 
Vom Fenſter der Kabine ſinnt's uns zu. 


2 EE means ees Politik 


Herbert Guthjahr: 


Pavasvapbenmapbise Polite 


Im Mai 1934 tagte in Paris unter dem Vorſitz des damaligen Rektors der 
Sorbonne die Conférence sur la Sécurité. Dieſe Konferenz wurde von zwei fran- 
zöſiſchen wiſſenſchaftlichen Organiſationen veranſtaltet, ſie hatte zum Zweck die 
wiſſenſchaſtliche Behandlung des „Problems“ der franzöſiſchen Sicherheit und ſollte 
auf wiſſenſchaftlicher Baſis eine Begründung des franzöfiſchen Standpunkts in der 
Sicherheitsfrage liefern. Herriot betonte in feiner Begrüßungsrede an die Ron- 
ferenzteilnehmer u. a.: „Wir Politiker beſuchen dieſe Konferenz, um uns von der 
Wiſſenſchaft Rat zu holen für das ſchwierige Problem der franzöſiſchen Sicherheit. 
Man kann als Geſetz der modernen geiſtigen Entwicklung feſtſtellen, daß die Politik 
ſich in immer wachſendem Amfange den Geſetzen der Wiſſenſchaft unterwirft.“ 

Wie Herriot hier die abſtrakte Wiſſenſchaft als die abſolut höchſte Autorität in 
jedem liberalen Staatsgefüge zur Begründung, Fundierung und Rechtfertigung 
ſeines amtlichen franzöſiſchen Standpunkts in der Sicherheitsfrage zitiert hat, ſo hat 
fih Briand als offizieller Vertreter der franzöſiſchen Außenpolitik ſeinerzeit in zahl - 
loſen Fällen auf das „Recht“ berufen, wenn es galt, über Forderungen, die 
Deutſchland als Mitgliedsſtaat des Völkerbundes bei dieſem anmeldete, zu ent⸗ 
ſcheiden. Es intereſſierte die Genfer Politiker nicht, ob Anſprüche, die geltend 
gemacht wurden, ſachlich und inhaltlich aus der moraliſchen Not eines entehrten 
und entwaffneten Volkes gerechtfertigt waren, ſie beriefen ſich auf das „Recht“, 
das allein den Frieden zu erhalten in der Lage ſei. 

So hat auch heute nach den umfaſſenden praktiſchen Vorſchlägen des Führers 
vom 7. März 1936 zur wirklichen Befriedung Europas die franzöſiſche Politik nichts 
weiter gewußt, als die Flucht in die Paragraphen des ſogen. Rechts anzutreten. 
Man hat den deutſchen Vorſchlägen ein ſtures „unannehmbar“ entgegengeſetzt und 
dann „rechtlich“ nachzuweiſen verſucht, aus welchen Gründen man nicht einmal in 
eine Aeberprüfung der zukunftsweiſenden Pläne einzutreten verpflichtet wäre. 
Iſt das Recht? 

Dieſe Einſtellung Frankreichs ift die konſequente Fortſetzung der Politik, die 
mit dem Kriegsende begann. Sie ift gekennzeichnet durch die Methode der Gier, 
rechtlichung“ politiſcher Zuſammenhänge. Man will nicht die lebendige Entwicklung 
ſehen, die in einem Volk vor ſich geht, und die infolgedeſſen die internationale Lage 
beeinflußt. Man trägt gegebenen Zuſtänden des Weltgeſchehens nicht klar und 
eindeutig Rechnung, ſondern verbirgt ſich hinter einer Kuliſſe, die man „Recht“ 
nennt. Wenn dieſe Politik nicht unehrlich iſt, ſo wird ſie zumindeſt ohne richtige 
Kenntnis und Einſchätzung der wirklichen Kräfte völkiſcher und ſtaatlicher Entwid- 
lung gemacht. 

So fragt man heute in Frankreich wiederum nur, in welche Vertragsbeſtim- 
mungen, in welche Artikel irgendeines Abkommens oder irgendwelcher Satzungen 
ſich das „Vorgehen“ Deutſchlands einordnen laſſe. Man ſucht nicht die Löſung in 
einer endgültigen Befriedung Europas, ſondern ſieht nur ein Problem der 


—— — . — 


Guthjahr / Paragraphenmäßige Politik 3 


formalen Rechtspflege auftauchen, das feine möglichſt ſchnelle Erledigung durch 
automatiſche Anwendung einmal ſeſtgelegter poſitiver Normen zu finden hat. So 
ſpricht man in formal juriſtiſchem Begriffsdenken von einfeitiger Auflöſung ein- 
gegangener Vertragsbindungen durch Deutſchland, von Artikel 4 des Locarnover- 
trages, Artikel 16 der Völkerbundsſatzung, von der Zurückziehung der deutſchen 
Truppen aus ihren Friedensgarniſonen im remilitariſierten Rheinland als Voraus- 
ſetzung für jedes Verhandeln, ja man droht ſogar mit Sanktionen, man ſpricht von 
dem Verfahren, nach dem ſie zur Anwendung gebracht werden können, anſtatt 
ernſthaft über die Subſtanz einer dauerhaften Friedensſicherung nachzudenken. 
Einige ganz Kluge weiſen fogar darauf hin, daß man ja nur den Ständigen Inter- 
nationalen Gerichtshof anzurufen brauchte, um zu erfahren, wer „Recht“ habe. 
Dieſer internationale unabhängige Gerichtshof würde auf Anfordern des Völker. 
bundsrats ein juriſtiſches Gutachten abgeben, und dann ſtände ein für allemal 
objektiv feſt, ob Deutſchland den Locarnovertrag gebrochen hat oder ob er zuvor 
durch den Abſchluß des franzöſiſch⸗ſowjetruſſiſchen Beiſtandpaktes durch Frankreich 
außer Kraft geſetzt worden iſt. Auf dieſe Weiſe fei von einem berufenen unab- 
hängigen Gremium nachgeprüft und feſtgeſtellt, was in vorliegendem Falle wirklich 
„Recht“ ſei. — And es fehlt nicht an ausländiſchen Preſſeſtimmen, die dieſes Ver⸗ 
ſahren empfehlen und es in Gang zu bringen verſuchen. 


Der status quo und das Recht. 

Deutſchland kann ſich auf ein ſolches Verfahren nicht einlaſſen. Es entſpricht 
nicht politiſchem Wirklichkeitsdenken, die jetzt aufgerollten Fragen einem juſtiz⸗ 
förmigen Prozeßverfahren mit ſogen. unabhängigen Richtern zu unterbreiten. Ein 
ſolches Verfahren muß in feiner ganzen abſtrakten Losgelöſtheit zur Verur- 
teilung der einen oder anderen Partei führen. Das trägt nicht dazu bei, eine 
beſſere, friedliche Zukunft zu bauen, ſondern entſpricht dem Denken der Vergangen- 
heit. So hat der Führer vor der Saarabſtimmung in politiſchem Weitblick Frant- 
reich das Angebot unterbreitet, in direkter Verhandlung über die deutſche Zukunft 
des Saargebiets eine Beſtimmung zu treffen. Er wollte damit dem franzöſiſchen 
Nachbarn die Empfindung einer durch das Abſtimmungsergebnis hervorgerufenen 
politiſchen Niederlage erſparen. Man ſah auf der Gegenſeite jedoch in der Frage 
der Saarabſtimmung eine rein mechaniſche Additionsaufgabe, wollte ohne Verſtänd⸗ 
nis für das deutſche Angebot allein die toten Zahlen über das Schickſal des Saar- 
gebiets entſcheiden laſſen und lehnte deshalb das deutſche Angebot ab. 

So verſucht man auch heute in der Situation vom 7. März wieder, das 
lebendige Element einer echten Verſtändigung auszuſchalten und an ſeine Stelle 
die tote Norm zu ſetzen. „Das „Recht“ exiſtiert in einmal feſtgelegten Artikeln und 
Paragraphen, man muß es nur auf den gegebenen Tatbeſtand zur Anwendung 
bringen.“ 

Der status quo und das Recht. 

Man macht ſich die Löſung von zwiſchenſtaatlichen Schwierigkeiten ſehr leicht, 

wenn man, wie es geſchehen iſt, zum Ausgangspunkt alles „rechtlichen“ Denkens 


4 Guthjahr / Paragraphbenmäßige Politik 


einfach ein zufälliges Datum, den 28. Juni 1919, nimmt und erklärt, von nun ab 
fol nur noch das „Recht“ herrſchen, jede Gewalt ift ausgeſchloſſen. Dann wird 
nicht mehr die Frage geſtellt, ob der beſtehende Zuſtand für ein Volk politiſch und 
moraliſch erträglich ift, dann ift der status quo einfach „Recht“. Dann ift der Befitzer 
ſtets im „Recht“ und jedes Volk, das ſein einfachſtes, natürlichſtes Lebensrecht 
fordert, iſt Störer der geſchaffenen „Ordnung“, iſt Angreifer, Friedensſtörer, Feind. 
Die ſatten Beſitzer haben nichts zu tun, als in einem „rechtsförmigen“ Verfahren 
fich gegenſeitig ihren Befitzſtand zu ſchützen. Sie brauchen hierbei nur das pofitive 
„Recht“ zu ſchützen, dann kann ſich die Entſcheidung niemals gegen ſie ſelbſt richten. 
Durch ein möglichſt formales Prozeßverfahren erreicht man dann faſt den Ideal 
zuſtand allgemeiner „Rechts“ förmigkeit. Jedenfalls führt man eine völlig „legale“ 
Außenpolitik, man erhält ſtets den „Frieden“. — Der Völkerbund wurde aus dem 
Idealinſtrument eines wirklichen Staatenbundes, wie er Wilſon vielleicht 1919 vor- 
geſchwebt hat, zu einer Sanktionsmaſchinerie zum Zwecke der Aufrechterhaltung des 
status quo. Jedes Volk, das ſein gerechtes und natürliches Lebensrecht fordert, 
verfällt der mechaniſch konſtruierten und prozeßförmig wirkenden Apparatur zur 
Erhaltung des gegenwärtigen Zuſtandes. Aus dieſem Völkerbund trat das Deutſche 
Reich im Oktober 1933 aus, weil Deutſchland nach den jahrelang gemachten Erfah- 
rungen innerhalb der Genfer Organiſation ſein gutes Recht nicht finden konnte. 
Aus eigener Kraft neu erſtanden, iſt das Reich als Staat, der ſich ſelbſt die 
Gleichberechtigung genommen hat, wieder bereit, in einem neuen Bund der Völker, 
deffen Satzung äußerlich und innerlich von dem Diktat von Verſailles losgelöſt ift, an 
der Zukunft Europas mitzuarbeiten. 


Deutſchland und der Haager Gerichtshof. 

Als das Deutſche Reich und Oeſterreich im Jahre 1931 aus gemeinſamer wirt- 
ſchaftlicher Notlage einen Vertragsentwurf zur Beſeitigung ihrer Sollgrengen und 
damit praktiſch eine Zollunion zwiſchen beiden Staaten vereinbarten, als ſie jeden 
europäiſchen Staat unter den gleichen Bedingungen in dieſes Vertragsſyſtem auf- 
zunehmen ſich bereit erklärten, da ſah Frankreich in dieſer Gelegenheit nicht etwa den 
erſten natürlichen Anfang einer wirtſchaftlichen Befriedung Europas, ſondern ver- 
anlaßte den Völkerbund, ein juſtizförmiges Verfahren vor dem Internationalen 
Gerichtshof im Haag durchzuführen. Es behauptete, es beſtänden aus „recht- 
lichen“ Gründen Bedenken gegen die geplante Zollunion. Es wurde ein Gutachten 
über die Frage eingeholt, ob der geplante Vertrag nicht die juriſtiſch in einem 
Protokoll feſtgelegte und garantierte Anabhängigkeit Oeſterreichs verletzte. Der 
Gerichtshof im Haag ſtellte dann mit 8:7 Stimmen feſt, daß „rechtliche“ Bedenken 


Wenn heute die angeblichen Sicherheitsgarantien des Locarnovertrages, auf die 
Frankreich ſeine Außenpolitik geſtützt hat, in ſich zuſammengefallen ſind, ſo iſt das 
in erſter Linie die politiſche Schuld der weſtlichen Großmächte und insbeſondere die 
Folge der Politik Briands, deren Geiſt bis zum heutigen Tage in Frankreich herrſcht. 

(„Wieczor Warſzawſki“, Warſchau) 


Guthjahr / Paragraphenmadfige Politit 5 


den Abſchluß des Zollunionvertrages zwischen Deutſchland und Oeſterreich nicht 
zuließen. Hierbei gab die Stimme des kubaniſchen Richters den Ausſchlag. Im 
Namen des „Rechts“ kam die Zollunion nicht zuſtande. 

And als im vergangenen Jahre die Danziger Regierung einige Strafgeſetze 
den veränderten Strafbeſtimmungen im Deutſchen Reiche anpaſſen wollte, da wurden 
„rechtliche“ Bedenken laut, ob diefe internen Danziger Vorgänge mit dem Wortlaut 
eines Paragraphen vereinbar wären, der die Garantie des Völkerbundes über die 
Danziger Verfaſſung beſtimmte. Der Gerichtshof im Haag verneinte dieſe Frage 
der Vereinbarkeit und zwang Danzig dadurch im Namen des „Rechts“, die er- 
laffenen Vorſchriften wieder außer Kraft zu ſetzen. 

So find in der Vergangenheit ſyſtematiſch wirtſchaftliche und politiſche Not- 
wendigkeiten des deutſchen Volkes zu fimplen „Rechtsfragen“ degradiert und damit 
ihres eigentlichen lebendigen Inhalts beraubt worden. Dabei haben weder der 
Völkerbund noch der Ständige Internationale Gerichtshof im Haag jemals eine 
juriſtiſche Entſcheidung getroffen, die gegen wirkliche wichtige politiſche Intereſſen 
einer weſtlichen Großmacht verſtoßen hätte. Niemand kam ernſthaft auf den Ge⸗ 
danken der Verhängung von Sanktionen gegen Frankreich, als die Franzoſen mitten 
im Frieden 1923 das Ruhrgebiet beſetzten. Niemand kam auf den Gedanken, den 
Völkerbund zur Anrufung des Haager Gerichtshofs zu veranlaffen, als Deutſch⸗ 
land ſofort nach Bekanntwerden des franzöſiſchen Beiſtandspaktes mit Sowjet- 
rußland vor der Ratifizierung dieſes Paktes durch die franzöſiſche Kammer auf 
ſeine rechtliche Anvereinbarkeit mit dem Locarnopakt offiziell hinwies. | 


Deutſchland bringt den Ausweg! 

And dennoch hat der Führer am 7. März die deutſche Bereitwilligkeit erklärt, 
nach Wegfall der Hauptgründe für den Austritt des Reichs aus dem Völkerbund, 
im Rahmen dieſer Organiſation an der Erhaltung eines europäiſchen gerechten 
Friedens mitzuarbeiten. Wir Deutſche haben an der innervölkiſchen Rechtsentwick⸗ 
lung in den letzten Jahren, an der deutſchen Rechtserneuerung gelernt, daß „Recht“ 
an fih nichts abſtrakt Gültiges ift, daß das Recht dem Volke und der Volksgemein⸗ 
ſchaft zu dienen hat. Wir wiſſen deshalb, daß es auch zwiſchenſtaatlich gilt, ein 
neues wahres Recht zu ſchaffen, das von den Lebensgrundlagen jedes Volkes aug- 
geht und der Erhaltung der Exiſtenz jedes Volkes dient. Deshalb haben wir die 
zwiſchenſtaatlichen Beziehungen wiederaufzubauen auf einer neuen, haltbaren 
Rechtsgrundlage, die auf der Anerkennung des Lebensrechts jedes Volkes beruht. 
Hieran wollen wir ohne veraltete Vorurteile, ohne überkommene „Rechts“ begriffe 
arbeiten. Der Führer hat begonnen, indem er vor zwei Jahren mit Polen eine 
aufrichtige Verſtändigung ſuchte und fand. Der Führer hat ſeine Bereitwilligkeit 
ausgeſprochen, das Gerede von der Erbfeindſchaft zwiſchen Deutſchland und ſeinem 
franzöſiſchen Nachbarn zu beenden und einen ſtändigen Nichtangriffspakt mit 
Frankreich abzuſchließen. Nur auf Grund wirklicher Verſtändigung iſt die Her- 
ſtellung des Rechts möglich. Nicht ein poſitiviſtiſches Formal, recht“, ſondern ein 
wirkliches Lebensrecht der Völker gilt es zu ſchaffen. Nur aus echter Rechtsſubſtanz 


6 Siewert / Frankreichs Oſtpolitit 


kann ein wahrer Frieden entſtehen. Der Welt nützt auf die Dauer nicht ein pagi- 
fiſtiſches Syſtem, das imperialiſtiſcher Machtpolitik und der Erhaltung des status quo 
dient, die Welt will wirklichen Frieden. Dieſer Frieden wird aber nicht durch ein 
normativiſtiſches Paragraphen „recht“ geſchaffen. Ein wirklicher Frieden ift die 
Grundlage für ein neues politifh-moralifhes Völkerrecht. 

In der amtlichen deutſchen Regierungserklärung vom 12. März 1936 heißt es 
als Ziel der deutſchen Außenpolitik: „Was die deutſche Regierung anſtrebt, iſt nicht 
der Abſchluß von Verträgen, die, weil für ein ehrliebendes und anftan- 
diges Volk mit moraliſchen Belaſtungen verknüpft, äußerlich 
und innerlich doch wieder unglaubhaft blieben, ſondern die Herſtellung einer wirt- 
lichen und tatſächlichen Befriedung Europas für das nächſte Vierteljahrhundert. 
And zwar einer Befriedung, die in ſich den Charakter einer unbedingten 
europäiſchen Rechtsordnung befitzt, die fidh aufbaut auf den freien Ent- 
ſchlüſſen gleichberechtigter Völker und Staaten. Nur was unter ſolchen Voraus- 
ſetzungen dann unterzeichnet wird, kann infolge feiner Webereinftim- 
mung mit den Ehrbegriffen der Nationen auch mit Ehren gehalten 
werden und wird, ſoweit es fi um Deutſchland handelt, genau fo ehrenhaft einge ; 


halten werden.“ 


Wolf Siewert: 


Svanbveiths Oſtpolitik 


Die Großftaaten unſerer Epoche find wie Retfende, die, miteinander 
unbekannt, der Zufall in einem Wagen vereinigt: fle beobachten Déi gegen- 
jens und wenn der eine die Hand zur Taſche führt, macht der andere foon 
einen Revolver zurecht, um für den erſten bereit zu ſein. 


KS Otto von VBismard. 
Seit Jahrhunderten bemüht ſich Frankreich, ſeinen öſtlichen Nachbarn zu 
ſchwächen, um fein eigenes Aebergewicht über Europa zu fidern. Es benutzte zur 
Durchführung dieſer traditionellen Politik mit Vorliebe zwei Hilfsmittel: einmal 
die innere Spaltung des deutſchen Volkes, zum andern die Einkreiſung des Deutſchen 
Reiches mit den Staaten Oſteuropas. Die Spekulation auf die deutſche Aneinigkeit 


Wenn in Deutſchland das Gefühl der Behandlung als zweitrangiges Volk durch 
Wiederherſtellung ſeiner vollen Rechte beſeitigt worden iſt, ſo iſt das allein ſchon 
ein weſentlicher Beitrag zum Frieden, insbeſondere, wenn dies durch einen Ab- 
rüſtungspakt begleitet wird. (Sir Oswald Mosley) 


iſt heute zum erſten Male in der neueren Geſchichte fehlgeſchlagen. Die deutſche Ein- 
heit iſt da! So bleibt nur noch die Einkreiſung, die auf Grund der geographiſchen 


Lage Deutſchlands leider immer möglich ſein wird. 


Siewert / Frankreichs Oſtpolitik 7 


Wie klar fis die Franzoſen über ihre eigene Politik find, zeigen deutlich die 
nachfolgenden Sätze aus dem Buche „Frankreichs Stoßarmee“ von Oberſtleutnant 
Charles de Gaulle, einem führenden franzöſiſchen Offizier: „Jahrhunderte 
hindurch gelang es unſern Regierenden, die Gefahren im Often durch die Ober, 
lieferte Politik der Spaltung unſerer Nachbarn zu dämmen. Mochte Frankreich ſeine 
Waffen gebrauchen, um die Grenzen weiter hinauszuſchieben, und ſich dabei auf Erb- 
anſprüche, auf das Recht des Stärkeren, auf die beanſpruchte Schutzherrſchaft über 
die anderen oder auf die Freiheit berufen, mochte es ſich in Lothringen, am Rhein 
oder in den Niederlanden eine Gefolgſchaft aus Gefühl oder Intereſſe halten, mochte 
es das germaniſche Aebel der Stammesbildung, des Abſchließens gegen die anderen 
und des Partikularismus für ſeine Zwecke ausnutzen oder hinter dem Rücken der 
Deutſchen Bündniſſe zur Erhaltung des „Gleichgewichts“ abſchließen, jedenfalls 
konnte Frankreich bis heute verhindern, daß Deutſchland mit ganzer Wucht auf ihm 
laſtete. Aber dieſes klaſſiſche Spiel, bei dem wir durch Verbindung von Stärke und 
Lift den Furor teutonicus in Schach halten konnten, iſt dahin. Es gibt jetzt keine 
proteſtantiſchen Fürſten mehr, wie ſie Karl V. trotzten, keinen Soliman mehr, den 
man auf Wien loslaſſen könnte, keinen Guſtaf Adolf, um Richelieu zu Hilfe zu 
kommen, keinen käuflichen Fürſtbiſchof, keine Allianzen mit deutſchen Rebellen, keinen 
Rheinbund, keine Rivalität zwiſchen Habsburg und Hohenzollern und keine geheimen 
Wünſche des Hauſes Wittelsbach mehr. Die deutſche Einheit ift plötzlich da!“ 


So ſpricht ein offener Franzoſe, der aus beſtimmten Gründen natürlich die 
Stärke Deutſchlands übertreibt, um deſto lauter nach Sicherheit rufen zu können. 
Aber die Kenntnis der franzöſiſchen Oſtpolitik bei de Gaulle iſt doch ſehr intereſſant 
und aufſchlußreich. 


Zu allen Zeiten erleichterte die zentrale Lage Deutſchlands im Herzen Europas 
die Einkreiſungspolitik. Waren es früher die Türken, die Schweden, die aufſtändi⸗ 
iden Ungarn, die Polen, fo waren es ſpäter im großen Stil die Ruſſen. Bismarck 
bat unter der Vorſtellung des drohenden Zweifrontenkrieges, dem „Alpdruck der 
Koalitionen“, ſchwer gelitten. Mit größter Energie und Geſchicklichkeit wußte er 
die beginnende Feindſchaft Europas gegen das neue Deutſche Reich in andere Bahnen 
zu lenken. Zum letzten Male gelang ihm die erſehnte Rückendeckung bei Rußland 
durch den Abſchluß des berühmten Rückverſicherungs vertrages vom 
18. Juni 1887. Aber nicht lange dauerte dieſe Periode. Frankreich leitete ſeine 
traditionelle Einkreiſungspolitik gegen Deutſchland ein, indem es ſich dem zariſtiſchen 
Rußland, deſſen autokratiſche Regierungsform der ſeinen doch ſo weſensfremd war, 
näherte. 1891 kam es bereits zu einer „entente cordiale“, die 1892 durch eine Militär. 
konvention erweitert wurde, die 1894 in Kraft trat. Die wichtigſten Beſtimmungen 
dieſes Geheimvertrages lauteten: „Rußland wird Deutſchland mit allen feinen per, 
fügbaren Kräften angreifen, wenn Deutſchland oder Italien mit deutſcher Unter- 
ſtützung Frankreich angreift, und ebenſo handelt Frankreich, wenn Deutſchland oder 
Oeſterreich⸗Angarn mit deutſcher Anterſtützung Rußland angreift. Falls der Drei- 
bund oder eine feiner Mächte mobil zu machen beginnt, werden Rußland und Frant. 


Siewert / Frankreichs Oſtpolitik 


— 


Das franzöſiſch⸗ſowjetruſſiſch 


` 


es 


f MANIEN 
. 2 
SS? 


tſchechiſche Paktſyſtem und feine mögliche luftſtrategiſche Auswirkung 


Siewert | Frankreichs Oſt politik 9 


reich ohne beſondere vorherige Verſtändigung ſofort ihre geſamten Streitkräfte mobil- 
machen. Dabei werden die beiderſeitigen Armeen mit aller Schnelligkeit ſo vorgehen, 
daß Deutſchland ſowohl nach Often wie nach Weſten zu kämpfen hat.“ Die General- 
ſtabschefs vereinbarten, in Friedenszeiten miteinander in Fühlung zu bleiben. Ebenſo 
verpflichteten fih Frankreich und Rußland, keinen Separatfrieden zu ſchließen. 

Als Folge des damaligen Vertrages Toten franzöſiſche Anleihen nach Rup- 
land und bezahlten deffen Rüftungen und ſtrategiſche Eiſenbahnen. Ruffifdhe Rubel 
rollten dagegen in Paris und bezahlten die franzöſiſche Preſſe! Der Weltkrieg 
bewies die ausgezeichnete Arbeit des verhängnisvollen Militärbündniſſes. Wier, 
dings brachen die Zaren an der Berührung mit dem Liberalismus Frankreichs zu ; 
ſammen. Die bolſchewiſtiſche Revolution ſchien vorerſt eine tiefe Kluft zwiſchen 
Afien und Weſteuropa aufzureißen. Sowjetrußland ſchied für einige Jahre aus der 
europäiſchen Politik aus. Man legte einen „cordon sanitaire” um die Sowjetunion, 
damit fie nicht andere Völker anſteckte | 


Frankreich betrieb feine Oſtpolitik nunmehr mit neuen Partnern. Jetzt waren 
es das neuerſtandene Polen und die kleinen Ententeſtaaten, die Deutſchland im 
Often abriegelten. Wieder begann das alte Spiel. Frankreich gab Nüſtungsanleihen 
an ſeine Bundesgenoſſen, die ihm dafür ihre Gefolgſchaft liehen. 

Allmählich befreundete man ſich aber in Paris mit dem Gedanken, auch Sowjet⸗ 
rußland in das Syſtem einzubeziehen, das angeblich zur Friedensſicherung Mittel- 
europas dienen ſollte. Herriot reiſte mehrmals nach Moskau, um ſich von der 
„völligen Harmloſigkeit“ der Bolſchewiſten zu überzeugen. Barthou knüpfte die 
Fäden weiter, ohne daß es ihm allerdings gelang, Polen von den Vorteilen des 
Oſtpakts zu überzeugen. Polen war der erſte Staat im Oſten, der die Konſequenzen 
aus der franzöſiſchen Sowjetpolitik zog und ſich dem Deutſchen Reich näherte, denn 
Polen fürchtet mit Recht, daß ein Durchmarſch ruſſiſcher Sowjetarmeen durch fein 
Gebiet fataftrophale Folgen haben müſſe. Die Abkehr Polens von der franzöfiſchen 
Oſtpolitik beſtärkte Frankreich nur noch mehr in ſeinem Vorhaben. Es unterſchrieb 
endgültig den Sowjetpakt, deſſen Spitze allein gegen Deutſchland gerichtet iſt, und 
erweiterte ihn noch durch einen gleichlaufenden Anterſtützungsvertrag zwiſchen 
Sowjetrußland und der Tſchechoſlowakei. Wieder, wie vor dem Kriege, fließt fran- 
zöſiſches Gold nach Rußland, laufen die Rüſtungsaufträge, und bald werden ſicher 
die Rubel in Paris rollen 

Die geographiſche Tatſache, daß weder Deutſchland und Rußland noch die 
Tſchechoſlowakei und Rußland gemeinſame Grenzen haben, veranlaßte Frankreich, 
Rumänien in das Syſtem einzubeziehen, um eine breite Verbindung zwiſchen Sowjet- 
rußland und der Tſchechoſlowakei zu ſchaffen. Solange nämlich Polen die Ueber- 
fliegung ſeines Staatsgebietes durch ruſſiſche Flugzeuge verbietet, müſſen dieſe den 
Amweg über Rumänien machen, deſſen Außenminiſter Tituleſcu bereit zu fein ſcheint, 
trotz erheblicher innerer Widerſtände, den Sowjetpakt zu unterſchreiben. 

An der geographiſchen Situation kann man ſchon ableſen, wie künſtlich das ganze 
Paktſyſtem iſt. Polen und Litauen liegen wie Raumpuffer zwiſchen Deutſchland 


10 Siewert / Frankreichs Oftpolitif 


und Rußland und könnten fo trennend und beruhigend wirken. Er ſt Frankreich 
ſchafft künſtlich eine ſtrategiſche Brücke zum Often. Frant- 
reich ladet eine ſchwere Verantwortung damit auf ſich, daß 
es dem welt revolutionären Rußland eine ausſchlaggebende 
militäriſche Rolle in Mitteleuropa zuweiſt. Im Konfliktsfall 
können jetzt ſowjetruſſiſche Bombenflugzeuge auf vorbereiteten tſchechiſchen Flug- 
plätzen zwiſchenlanden und ihre Kreiſe über dem Innern Deutſchlands, Oeſterreichs 
und Angarns ziehen! Nach ungariſchen Blättermeldungen werden ſchon für die 
ruſſiſchen Fliegertruppen Landeplätze in der Tſchechoſlowakei angelegt. Die militäri 
ſchen Vorbereitungen beweiſen, daß der Pakt nicht defenſiver Natur ſein kann. Er 
iſt ein Militärbündnis, das nur zu ſehr an dasjenige der Vorkriegszeit erinnert. 
Der Pakt ift ein Bruch mit dem Geiſt von Locarno und des Völkerbundes. Er be- 
deutet eine ſchwere Bedrohung und Belaſtung der europäiſchen Politik. Frankreich 
macht ſich damit mehr und mehr von dem Willen Moskaus abhängig. Die Vor- 
kriegsentwicklung ſollte ein warnendes Beiſpiel ſein! 


Die größte Gefahr des Paktes für Deutſchland liegt darin, daß Frankreich und 
Sowjetrußland ohne Befragen des Völkerbundes von ſich aus den Angreifer be⸗ 
ſtimmen wollen. Damit wird praktiſch die Entſcheidung über Krieg oder Frieden 
in Mitteleuropa der roten Regierung in Moskau übergeben, ein Zuſtand, der 
unabſehbare Folgen nach ſich ziehen kann. Der Sowjetpakt bedeutet, wie der Führer 
in feiner großen Reichstagsrede vom 7. März ſagte, „eine Rieſenmobiliſation des 
Oſtens gegen Mitteleuropa“. Frankreich hat den Vertrag nicht mit einem be- 
liebigen Nationalſtaat Europas abgeſchloſſen, ſondern mit einer unkontrollierbaren 
revolutionären Macht. Der Führer ſagte weiter in ſeiner Rede: „Polen wird Polen 
bleiben und Frankreich Frankreich. So wjetrußland aber ift der ſtaat 
lich organiſierte Exponent einer revolutionären Welt- 
anſchauung. Seine Staatsauffaſſung iſt das Glaubensbekenntnis zur Welt- 
revolution. Es iſt nicht feſtſtellbar, ob nicht morgen oder übermorgen auch in Frank⸗ 
reich dieſe Weltanſchauung erfolgreich ſein wird, ſollte aber dieſer Fall eintreten — 
und als deutſcher Staatsmann muß ich auch damit rechnen —, dann iſt es ſicher, 
daß dieſer neue bolſchewiſtiſche Staat eine Sektion der bolſchewiſtiſchen Internatio: 
nale ſein würde, das heißt, die Entſcheidung über Angriff oder Nichtangriff wird 
dann nicht von zwei verſchiedenen Staaten nach deren objektivem eigenen Ermeſſen 
getroffen, ſondern von einer Stelle aus direktiv erteilt. Dieſe Stelle aber würde 
im Falle dieſer Entwicklung nicht mehr Paris, ſondern Moskau ſein. 


Sowenig Deutſchland in der Lage iſt, ſchon aus rein territorialen Gründen 
Rußland anzugreifen, ſo ſehr wäre Rußland jederzeit in der Lage, über den Amweg 
ſeiner vorgeſchobenen Poſitionen einen Konflikt mit Deutſchland herbeizuführen. Die 


Feſtſtellung des Angreifers wäre dann, weil unabhängig von der Beſtimmung des 


VBölkerbunds rats, wohl von vornherein gewiß. Die Behauptung, oder der Ein- 
wand, daß Frankreich und Rußland nichts tun würden, was fie eventuellen Gant- 
tionen ausſetzen würde — und zwar von ſeiten Englands oder Italiens —, iſt 


* „ * Angft um Sicherheit M 
belanglos, weil es nicht zu ermeſſen ift, welcher Art wirkſame Sanktionen gegen eine 
ſo überwältigende weltanſchaulich und militäriſch einige Konſtruktion überhaupt 
ſein könnten.“ 

Lange genug hat Deutſchland vor dieſer Entwicklung gewarnt. Niemals werden 
wir die Angſtpſychoſe verſtehen, die Frankreich zu dieſem gefährlichen Experiment 
trieb. Nach wie vor iſt Deutſchland jederzeit zu einer Verſtändigung bereit, wie 
fie der Führer wiederholt und leidenſchaftlich angeſtrebt hat. Die franzöſiſche Sicher · 
heit wäre weit beffer garantiert, wenn Frankreich die von Deutſchland fo oft Din, 
geſtreckte Verſöhnungshand ergriffen hätte, anſtatt nach Moskau zu laufen. Europa 
würde aufatmen, wenn Deutſchland und Frankreich miteinander ruhig verhandelten. 


Es ift nie zu ſpät, Fehler zu erkennen oder zu beſeitigen. 
Wenn Europa wieder aufgebaut werden ſoll, dann muß es geſchehen auf der Grund⸗ 
lage des Vertrauens und der gegenſeitigen Achtung, nicht aber unter dem Druck 
von drohenden Militärbündniſſen. Die politiſche und moraliſche Gleich ⸗ 
berechtigung Deutſchlands ift eine ſelbſtverſtändliche Vor- 
ausſetzung für die Herſtellung einer eur opäiſchen Goli. 
baritdt! 


Ana um Sicherheit 


„Angſt“ und „Sicherheit“ find zwei Gefühlszuſtände, für die wir jungen 
Menſchen im heutigen Deutſchland nur ſehr wenig Verſtändnis aufbringen können. 
Das Schickſal der Jahre 1914 bis 1933 hat, zumindeſt der jüngeren Generation 
bei uns, das Gefühl der Angſt gründlich abgewöhnt, und den Zuſtand einer abſoluten 
Sicherheit haben wir in jener Zeit überhaupt nicht kennenlernen können. Angſt zu 
haben, war ein Luxus, den ſich niemand leiſten konnte. Nach Sicherheit zu ſtreben, 
blieb jenen Wenigen vorbehalten, die nicht merken wollten, daß erſt Welten zu⸗ 
ſammenbrechen mußten, ehe eine Neuordnung, eine in allen Bezirken des Lebens 
neue Ordnung entſtehen konnte. Dieſe Tatſache darf uns aber nicht daran 
hindern, nüchtern feſtzuſtellen, daß in der Völkerpſychologie der Nachkriegszeit das 
Gefühl der Angſt keine geringe Rolle geſpielt hat und daß das Bedürfnis nach 
„Sicherheit“ Triebkraft großer diplomatiſcher Aktionen war. 

„Angſt um Sicherheit“ iſt es letztendlich auch am 8. März geweſen, was den 
franzöſiſchen Minifterprdfidenten Sarraut zu der bedauerlich ſcharfen Formulierung 
ſeiner Rundfunkrede veranlaßt haben dürfte; und womit ſonſt ließen ſich die erſten 
Empörungsſchreie der Pariſer Preſſe über den Einzug deutſcher Truppen in deutſches 
Land erklären? 

Noch dürfen wir nicht „böſen Willen“ als Leitmotiv der gegenwärtigen europdi- 
ſchen Diplomatie anſehen. Noch können wir aber auch keine andere Triebkraft ſür die 
im Gange befindlichen außenpolitiſchen Aktionen Frankreichs erkennen. And fo er- 


12 + „ * Angftum Sicherheit 


ſcheint es uns notwendige Pflicht, wollen wir der gegenwärtigen Lage gerecht werden, 
einmal grundſätzlich das Problem der „Angſt um Sicherheit“ zu behandeln. 

Ausgangspunkt faſt aller diplomatiſchen Kriſen in Europa iſt das Verſailler 
Friedensdiktat. Als eine Konſtruktion des Haſſes konnte es niemals das erzielen, 
was es erzielen wollte: den Frieden Europas. Wer einſichtig genug war, zuzugeben, 
daß eine dauernde Diffamierung Deutſchlands unmöglich ſei, löſte ſich immer mehr, 
zumindeſt von jenen Punkten des Vertrages, die Deutſchlands Forderung nach 
Gleichberechtigung entgegenſtanden. 

Das Verſailler Friedensdiktat enthielt aber nicht nur zahlreiche Punkte, die 
Deutſchlands Ehre aufs tiefſte verletzen mußten, ſondern es enthielt vor allem eben- 
ſoviele Vorſchriften, die es Deutſchland unmöglich machen ſollten, eine Revifion des 
Vertrages auch nur anzuſtreben. Ein unfinniger Zuſtand ſollte auf dieſe Weiſe zu 
einer unabänderlichen neuen Ordnung Europas werden. Das Unfinnige dieſes Zu- 
ftandes wurde der Welt ziemlich bald klar. Selbſt die Diktatmächte konnten ſich 
dieſer Erkenntnis nicht verſchließen. Das Feilſchen um „Reviſionen“ begann, mußte 
auch von Frankreich mitgemacht werden, ſollten nicht neue Kataſtrophen über Europa 
hereinbrechen. 

Hier beginnt die Tragik. Die Erkenntnis, daß der durch Verſailles geſchaffene 
Zuſtand unſinnig ſei, ſührte die mächtigen europäiſchen Nationen zu einer zaghaften 
Bereitſchaft, gewiſſe „Korrekturen“ an dieſem Zuſtand vorzunehmen, nicht aber 
zu dem Entſchluß, mit konſtruktiven, neuen Ideen eine 
Ordnung in Europa zu ſchaffen, die von Beſtand hätte ſein 
können. Den Grund dafür feſtzuſtellen, erübrigt ſich ſchon deshalb, weil es an 
den entſcheidenden Stellen bei den Siegermächten einfach an ſolchen konſtruktiven, 
neuen Ideen mangelte. 


Zwangsläuſig mußte Deutſchland von fih aus Wege ſuchen, dieſen Zuſtand zu 
beenden. Immer mehr wurde Deutſchland gezwungen, konſtruktive Ideen zu finden 
und der Welt vorzuſchlagen. Viele dieſer Ideen wurden vom deutſchen Parla- 
mentarismus ſelbſt zerredet. Diejenigen aber, die in das politiſche Kräfteſpiel ein- 
geſchaltet wurden, konnten erſtaunlich leicht mit Schachzügen alter Diplomatenfunft 
matt geſetzt werden. Es blieb bei dem Feilſchen um „Revifionen”, um „Zu- 


Ich habe die Rede des Führers gehört und ſehe nunmehr das Volk dieſer Stadt 
in freudiger Erregung über die zurückgewonnene Freiheit, ein Volk, das friedlich 
ijt und in Rube feinem Beruf nachgehen will, ein Volk, das aus ſeinem chriſtlichen 
Glauben heraus nichts ſehnſüchtiger verlangt als den Frieden und die Harmonie, 
den ſchönen Zuſammenklang der Herzen unter den Volksgenoſſen — und über die 
Reichsgrenzen hinaus. Man wünſcht hier den Zuſammenklang aus ungeftörtem. 
Glauben chriſtlicher Liebe und jener edlen Zucht, die von jeher als koſtbares An- 
gebinde deutſchen Weſens gegolten hat. Dieſe Bevölkerung iſt friedliebend, ſo wie 
das ganze Volk. (Biſchof Dr. Spohr, Mainz) 


„ * Angftum Sicherheit 13 
geſtändniſſe“. Es blieb bei einem Verkennen der Kriſe, in die Europa hinein- 
ſchlidderte. 

Wer wurde von einer ſolchen Kriſe am meiſten betroffen? — Deutſchland! Mit 
abſoluter Folgerichtigkeit mußten die Menſchen in Deutſchland zuerſt zu der Er⸗ 
kenntnis kommen, daß die alten Methoden des Weiterwurſtelns liquidiert werden 
müſſen. Adolf Hitler mußte die Macht ergreiſen, als der einzige Mann, der, im 
Befitze des Vertrauens des ganzen deutſchen Volkes, bereit war, einen Ausweg aus 
dieſer für ganz Europa verzweifelten Lage zu finden. 

Die Machtübernahme des Nationalſozialismus in Deutſchland hätte 1933 
eigentlich ein Aufatmen der Erleichterung für ganz Europa zur Folge haben miiffen. 
Das „ungewiſſe Deutſchland“ war verſchwunden. Ein Partner trat in die politiſche 
Arena, der wußte, was er wollte und der dies auch offen ausſprach. Die engliſche 
Politik, mit ihrem Sinn für Realitäten, erkannte dies ſofort. Polen zögerte nicht, 
die dargebotene Freundſchaftshand zu ergreifen. And noch eine Reihe anderer 
Staaten begriffen die Bedeutung eines nationalſozialiſtiſchen Deutſchlands für 
Europa. 


4ind Srankreich? 


Selten wurde einem Volke unter derartigen Vorausſetzungen herzlicher die 
Hand der Freundſchaft dargeboten, wie es der Führer in all ſeinen außenpolitiſchen 
Erklärungen tat. Niemals wurden einer Nation ſo zahlreiche poſitive, ſehr konkrete 
Vorſchläge für eine Verſtändigung unterbreitet. And niemals wurden ſchließlich 
ſolche Vorſchläge mit ähnlichem, ſehr ernſt zu nehmenden Gewicht immer wieder 
wiederholt. 

Nicht eine einzige poſitive Antwort eines in Frankreich regierenden Staats- 
mannes iſt darauf gegeben worden. Im Gegenteil: die denkbar negativſte Erwiderung 
erfolgte: das franzöſiſch⸗ſowjetruſſiſche Militärabkommen wurde abgeſchloſſen. Wie 
iſt etwas Derartiges überhaupt möglich? Mit dieſer Frage ſind wir wieder bei 
Frankreichs Angſt um ſeine Sicherheit angelangt. 

Dieſe „Angſt um Sicherheit“ wollen wir aber nicht ſo einfach als Schlagwort 
hinnehmen. Einer ſolchen Naivität wollen wir uns nicht ſchuldig machen. Was 
ſich hinter dem Gefühlszuſtand, den wir mit dieſen Worten umreißen, in Frankreich 
verbirgt, iſt außerordentlich kompliziert. Es lebt in ihm jene jahrhunderte alte 
Rivalität, die der europäiſchen Geſchichte bisher ihren Stempel aufgedrückt hat. Der 
„tauſendjährige Kampf Frankreichs um den Rhein“ iſt ein Moment, das wir nicht 
unterſchätzen dürfen. And ſelbſt wenn verantwortungsbewußte Publiziſten, wie 
De Jouvenel ſchreiben: „Es iſt zwecklos, über die Vergangenheit zu reden“, ſo wird 
der franzöſiſche Generalſtabschef ſich doch nur ungern von den Argumenten trennen, 
die zu der Errichtung des gigantiſchen Feſtungsgürtels an der deutſchen Grenze ge⸗ 
führt haben. 

Das biologiſche Problem Frankreichs, ſein Geburtenrückgang, dürfte in einer 
pſychologiſchen Wirkung auch eine Rolle ſpielen. Wirtſchaftlich ift Frankreich heute 


14 ' Angſt um Sicherheit 
gewiß ſtärker als irgendwer ſonſt. And doch ſtürzen Kabinette über dem Schrei der 
Maſſen: „La crise! — La crise!“ Der Parlamentarismus zwingt die Regierenden 
zu Konzeſſionen und Rückſichtnahmen, mehr als in irgendeinem anderen Land. Die 
Entſchlußkraft des Einzelnen wird dadurch geſchwächt. Wir ſehen Anſicherheits⸗ 
faktoren, wo wir ſie gar nicht mehr gewohnt ſind zu ſuchen. 

Zwiſchen den Generationen herrſchen große Spannung. Das Land wird von 
alten Menſchen regiert. Als franzöſiſcher Anterrichtsminiſter ſchrieb vor kurzem 
de Monzie darüber, daß „die Baſtille der Greiſenherrſchaft faſt uneinnehmbar ſei“. 
Anzufriedenheit der Jugend, Auflehnung iſt die Folge. Auch die Schüſſe vom 
6. Februar 1934 auf der Place de la Concorde dürfen nicht vergeſſen fein. 

Anſicherheit im Innern ſtärkt ſelten das Sicherheitsgefühl für eine Außenpolitik, 
die den Mut haben ſoll, neue Wege zu gehen. And ſo wird gezögert und gezögert, 
bis Deutſchland, aus eiſernem Zwang heraus Tatſachen ſchafft, die zwar felbft in 
Frankreich als unvermeidlich angeſehen wurden, die man aber doch ſo gerne noch 
etwas hinausgeſchoben hätte. 

Vielleicht fühlen auch die Routiniers der alten Diplomatie, wie ihnen die 
geſchichtliche Entwicklung Europas die Zügel aus den Händen nimmt, wie die alte 
Kabinettspolitik nicht mehr ausreicht, die ſchickſalhaften Probleme von Blut und 
Boden zu fen. Wir wiſſen dies nicht. Aber wir wiſſen eines: daß fih die „Be⸗ 
mühungen den Frieden Europas zu wahren“, wie ſie ſeit 1918 von den franzöfiſchen 
Regierungen betrieben werden, von uns nur als „Angſt um Sicherheit“ aufgefaßt 
werden können. 

Verſuche ohne Ergebnis. 

Dieſe Bemühungen um „Sicherheit“ (oder wie die franzöſiſche Lesart lautet: 
um den Frieden Europas) haben aber bisher ſtets die merkwürdigſten Ergebniſſe 
erlebt. Sie find entweder reſultatlos verlaufen oder haben höchſt bedenkliche Rejultate 
gezeitigt. Wir brauchen nicht die einzelnen Stationen des franzöſiſchen Liebes- 
werbens um andere europäiſche und aſiatiſche Mächte aufzuzählen, um klar zu er- 
kennen, welch fragwürdigen Wert Frankreich dabei eingehandelt hat. 

Wir müſſen aber eines feſtſtellen, daß die Entwicklung der Sicherheitsfrage, wie 
ſie von Frankreich immer wieder geſtellt wurde, dieſe Sicherheitsfrage als ſolche 
immer wieder ad absurdum geführt hat. 

Idealiſtiſch wollte ſchon Wilſon das Sicherheitsproblem durch eine allgemeine 
Abrüſtung löſen. Der Verſuch mißlang kläglich, weil alle gut gerüſteten Staaten den 
Einwand erhoben, ſie müßten über ihre nationale Sicherheit ſelbſt wachen. Dann 
verſuchte Frankreich das Problem der allgemeinen Sicherheit mit dem ſeiner eigenen 
Sicherheit zu verbinden. Es bemühte fih, die Koalition des Weltkrieges Frankreich — 
England — A. S. A. in Form eines Defenſivbündniſſes gegen Deutſchland neu zu 


Wenn die Sanktionen gegen Italien Frankreich an den Rand des Krieges ge: 
führt haben, ſo kann man überzeugt ſein, daß die Sanktionen gegenüber Deutſchland 
unbedingt zum Kriege führen werden. („Ami du Peuple“, Paris) 


* , * Ungft um Sicherheit 15 


ſchmieden. Dies gelang nicht. Darauf benützte Frankreich im Weſentlichen den 
Völkerbund zur Löſung ſeiner eigenen Sicherheitsfrage, in dem es durch ihn gegen 
alle Angreifer und Vertragsbrecher mit Sanktionen vorgehen laſſen konnte. Als 
ſich bald ſchließlich auch dieſe „Sicherheit“ als fragwürdig erwies, begann jene 
Paktomanie, die ihre Krönung in dem ſowjetruſſiſch⸗franzöſiſchen Bündnis fand, 
das ſchließlich den deutſchen Schritt vom 7. März 1936 auslöſte. 

Die Geiſteshaltung, die Frankreich zu dieſer Jagd nach Sicherheit veranlaßt, iſt 
demnach keineswegs erſt nach der Machtübernahme durch den 
Nationalſozialismuss entftanden. 1921, fo verrät uns das frangdfifde 
Gelbbuch von 1924, ſollte bereits ein Defenſivbündnis gegen Deutſchland geſchaffen 
werden. 

„An dieſer Entwicklung ſind nicht wir ſchuld, denn es lag nicht in unſerer 
Kraft oder in unſerem Vermögen, nach dem furchtbaren Zuſammenbruch und in der 
Zeit der Demütigung und wehrloſen Mißhandlung der Welt Ideen zu geben oder 
gar Geſetze des Lebens vorzuſchreiben. Das taten die mächtigen Regierenden dieſer 
Erde. Deutſchland aber gehörte mehr als 15 Jahre nur zu den Regierten.“ (Adolf 
Hitler in ſeiner Rede vom 7. März 1936.) 


Appell an Frankreich — Appell an die Vernunft! 

Wir wollen keineswegs die pſychologiſchen Schwierigkeiten gering ſchätzen, die 
einer deutſch⸗franzöſiſchen Verſtändigung bei den verantwortlichen franzöſiſchen Po- 
litikern entgegenſtehen. Doch glauben wir: gelänge es erft einmal, in ganz Frant- 
reich die „Angſt um ſeine Sicherheit“ durch ein pofitives Gefühl zu erſetzen, wäre 
ein entſcheidender Schritt für den Frieden Europas getan. 

Gibt es hierfür bereits Anſatzpunkte? 

Sicher. Einer der ſtärkſten Triebkräfte des franzöſiſchen Sicherheitsbedürfniſſes 
ift zweifellos ein ehrlicher Wunſch nach Frieden. Das franzöſiſche Volk ift des 
Kriegsführens müde. Die Jugend in Frankreich will insbeſondere von einen Krieg 
mit Deutſchland nichts mehr wiſſen. Am dieſem Friedensbedürfnis Rechnung zu 


Das Ja der Kirche 


Tief ergriffen von dem Ernſt der Stunde und von der feſten Entſchloſſenheit 
des aus ſeiner Verantwortung vor Gott handelnden Führers ſteht die deutſche 
evangeliſche Kirche freudig bis zum letzten Einſatz für des deutſchen Volkes Ehre 
und Leben bereit. (Generalſuperintendent D. Zöllner an den Führer) 


In der denkwürdigen Stunde, da die Wehrmacht des Reiches wiederum als 
Hüterin des Friedens und der Ordnung in das deutſche Rheinland ihren Einzug 
hält, begrüße ich die berufenen Waffenträger unſeres Volkes mit ergriffener Seele 
und eingedenk des erhebenden Beiſpiels opferbereiter Vaterlandsliebe, ernſter 
Manneszucht und aufrechter Gottesfurcht, das unſer Heer von jeher der Welt 
gegeben hat. (Erzbiſchof Kardinal Schulte, Köln) 


16 t , * Angftum Sicherheit 


tragen, ift die Diplomatie den Weg gegangen, den wir als „Verſuche ohne Ergebnis“ 
bezeichnen mußten. Gelänge es, den Franzoſen ganz deutlich vor Augen zu führen, 
daß in der Gegenwart ein Frieden gegen Deutſchland ein Anding ſei, gegen jedwede 
Vernunft ſpricht, und gelänge es, die diplomatiſchen Bemühungen der letzten 
15 Jahre, die Frankreich im Nachhängen einer Vorkriegsideologie unternommen hat, 
ad absurdum zu führen, dann könnte es vielleicht mit jene „pſychologiſche Vor 
bereitung“ ſein, von der der Führer in ſeiner letzten Rede wieder ſprach. 

Einen ſolchen Verſuch zu unternehmen, iſt nicht ſchwer. Schwerer ſchon iſt es, 
ihn in Frankreich ſelbſt diskutieren zu laſſen. (And da Frankreich bisher ſich noch 
niemanden gewählt hat, den es, mit feinem ganzen Vertrauen ausgeſtattet, die Auf- 
gabe übergeben könnte, mit dem Führer direkt zu ſprechen, find ſolche Allgemein ⸗ 
diskuſſionen noch unvermeidlich.) Aber auch dies kann vielleicht durch die Fort- 
führung der bereits angebahnten Geſpräche der Jugend, der Frontkämpfer, der 
jungen Diplomaten in immer ſtärkeren Maße ermöglicht werden. 

Ein noch wenig gebrauchtes Argument für dieſe Diskuſſion wäre die einfache 
Frage, ob Frankreich ſich nicht darüber klar iſt, daß Verſuche, ein Volk nieder- 
zuhalten im europäiſchen Raum bisher noch ſtets kläglich geſcheitert find, daß Deutſch⸗ 
land, wenn es irgendwem gelänge, ſeine Menſchen zur Verzweiflung zu treiben, 
zwangsläufig dem Bolſchewismus zum Opfer fallen müßte, womit fih aber wahr⸗ 
ſcheinlich die Sowjetpolitik nach altbewährtem Muſter um 180 Grad drehen und 
gegen Frankreich richten dürfte. Moskaus Arm am Rhein ift aber wohl eine 
Vorſtellung, bei der ſich einem Franzoſen kaum noch Angſt um Sicherheit auf⸗ 
drängen wird, ſondern ſich ſeiner eher eine regelrechte Panik bemächtigen dürfte. 

Will Frankreich dieſe Gefahr heraufbeſchwören? 

Wir können es nicht glauben, und wir wollen es auch nicht glauben. Wir 
hörten nicht nur die ſcharfe Rundfunkrede Sarrauts, ſondern wir hörten auch eine 
beträchtliche Anzahl franzöſiſcher Stimmen, die mit dieſer Rundfunfrede keineswegs 
einverſtanden waren und fie ganz offen kritiſieren. Das Herz des franzöſiſchen 
Volkes wird ſchließlich zu entſcheiden haben. And wir glauben warten zu können, 
bis ſich die Gefühlsregungen dieſes Herzens bis in die Hirne der verantwortlichen 
franzöſiſchen Politiker fortgepflanzt haben. 

Nur mit einem ſoll man uns nicht mehr kommen, mit Sätzen, wie ſie in der 
franzöſiſchen Kammer in der Regierungserklärung vom 10. März gefallen find. 
Daß man mit Deutſchland nicht verhandeln könne, weil es die Welt vor voll- 
zogene Tatſachen ſtellt. Man hat wahrhaftig lange Zeit gehabt, Deutſchlands 
Gleichberechtigung, die ihm zugeſichert war, wieder herzuſtellen. Man hat eg ver- 
abſäumt. And man ſoll jetzt nicht ſagen: daran iſt die Entſchloſſenheit des Reiches 


ſchuld. 


. L——:ͤĩn...ñ᷑m ...... I nn id Eee ——8——.ñʃ—?:P:— 


Ich bin dankbar, ſagen zu können, daß kein Grund für die Annahme beſteht, 
daß die gegenwärtige deutſche Aktion eine Drohung mit Feindſeligkeiten in fi 
ſchließt. (Außenminiſter Eden) 


7 


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herAlnehvon Piechtenftem. 


Ritter Ulrich von Liechtenstein 


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Inſer ? derer ſcherden möſſe ich ge 
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L ut ven benomẽ ham die vñ. 
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ch ſtönd mir nemnt (patwan TE 
e do hort ich einen pret vil wol finge’ 


z | in Rvrenbses wife: alos der men mn, J 
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o tünt ich nennt (pate v dmem bete 

vo getoꝛſte ich dich frõwe nr wey weken: 
gehaſſe/ gor den dinẽ lib. io en was — 

Pc ene ober wilde fo pch de wib. € 


Mmaa nd as E ahaa anima, oa 


Verse aus der Heidelberger Liederhandschrift (14. Jahrhundert) 


EE EE, — ͤ̃——ññ—— CERS 
— ———— ———.— a — — .ñ——— —̃̃ rn 
— ———— a e 


von wv vanr Lmbe Lach D manent 
man. ver Kunıch vrıebs ovch div mare 
vor liebe e: lachen began. 

ID wol mich miner vrevoen fprach vo 


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N, | Emembir. hi brongen mine mage vil 
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|| noch frivnde nach frivnden rvm: 


manigen nivven febilr. von halfperge 
d we fwe nemen wele golr. her ge 


venche miner leide vnd voil im immer 
: K en holt: 


4 at Bi B Srgonden chomen in Cceln 
aer. vo gevrieſh ez von Berneder 
WI. Are Hiloebranr. er fagrex finem 
— ber ez was im barre lem er bar 
2 


in wol enpfahen vi rirter chwme vrr 
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mem | 
Gu der {nelle hiex bringen dw 
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march. do rew mir Diereriche vil ma 


nich degen flarch.ba er fi grvzen 
wolde zu 21n an daz ver. da herens vf 
gebvnden wl manich herlich gadr. 
oh von Trvnege verriet rmen 
fach. av den finen herren gezogenlich 
er fprach. nv (vir ir Indle Techen von 
den ſedeln ſtan . vnd ger im bin enge- 
di ꝛvch da w enr enyfah 

orr dem her em geſindt daz ut 
mr wol berbant: ez ſim vil {nelle 
degene von Amelvnge lant. o fire ver 
von Berne vi ine vil hobgemvr: ir 
felt iz mbr ver ſmahen fwaz man 

1 Dendle gervr: 
d o unden von ven roffen daz was 
michel rehr. nchen Diereriche man 
ich rrer vnd kocht. fi gengen av ven 
geſten da man vi beide van. fh gevz 


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Strophen aus dem Urtext des Nibelungenliedes (13.Jahrhundert) 


Herr Walther von der Vogelweide (12.Jahrhundert) 


Rainalter / Schrifttum aus Oeſterreich 17 


Mut zur Entſchloſſenheit 


Die Entſchloſſenheit und die Offenheit des Führers haben Deutſchland beifpiel- 
loſe Erfolge gebracht. Es würde vielleicht auch für Frankreich von nicht minderer 
Bedeutung ſein, wenn es ſich ebenſo bereit finden würde, wie ſich Adolf Hitler bereit 
fand, offen, mutig und entſchloſſen die neuen europäiſchen Gegebenheiten des 
XX. Jahrhundert zu erkennen und die in ihnen ruhende Gefahr beim richtigen Namen 
zu nennen. 

Allerdings müßte das, was wir „Angſt um Sicherheit“ nannten, dann durch 
Mut zur Entſchloſſenheit, durch Mut zu neuen Ideen abgelöft werden. Es iſt nun 
an Frankreich, die Frage ſich ſelbſt zu ſtellen und uns die Antwort zu geben. 

Wir warten darauf. 

In dieſem Zuſammenhang ſcheint uns eine kurze Meldung aus Frankreich auper- 
ordent lich bedeutſam. Sie ſtammt vom 9. März und wirft, beſſer als es viele Worte 
können, ſchlagartig ein Licht auf all das, was auch wir feſtſtellen konnten. Dieſe 
Meldung lautet: 

„Der ehemalige Minifterpräfident André Tardieu hat fic, wie er den Wählern 
des Gebietes von Belfort in einem Schreiben mitteilt, entſchloſſen, auf feinen Parla- 
mentsſitz zu verzichten. Er wollte nicht mehr Abgeordneter ſein, ſchreibt er, weil er 
glaube, daß das politiſche Syſtem Frankreichs weder vom Volke geduldet noch durch 
parlamentariſche Mittel verbeſſert werden könne. Er habe ſeit vier Jahren verſucht, 
dieſes Regime durch parlamentariſche Mittel zu verbeſſern, es ſei jedoch unmöglich 
geweſen. 

Zum Schluß ſpricht Tardieu die Hoffnung aus, daß ſein freiwilliger Verzicht auf 
eine politiſche Laufbahn die Aufmerkſamkeit des franzöſiſchen Volkes auf den Ernft 
der Aebelſtände lenken möge.“ 

Tardieu aber ift nicht ein rbeliebiger Abgeordneter, der auf feinen Parlaments- 
fig verzichtet, ſondern einer der wenigen Männer in Frankreich, die ein außerordent ; 
lich gutes Empfinden für Kriſen und damit im Zuſammenhang ſtehende Wandlungen 
haben. W. 


Erwin H. Rainalter: 


Sheiftium aus Deſterreich 
VBolbsdeutſche Dichtung 


Es gibt ein öſterreichiſches Schrifttum, ſeit man im großen Deutſchland ſingen 
und jagen lernte. Als einer der phantaſievollſten, beweglichſten, muſiſcheſten Stämme 
des deutſchen Volkes haben die Oeſterreicher zu allen Zeiten danach geſtrebt, ihre 
Eigenart in künſtleriſcher Formung auszuprägen. Dabei haben He fi) niemals zu 
einer kosmopolitiſchen Art bekannt, wie fie auf dem Boden der alten öſterreichiſch⸗ 


18 Rainalter | Schrifttum aus Oeſterreich 


ch Zoch meine valken mete danne em 


tar do ich in geꝛamete als ich in wolte 
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Strophen des Kürenbergers 


— — 


ungariſchen Monarchie wohl hätte entſtehen können. Sie lebten zwar in innigſter 
politiſcher und wirtſchaftlicher Verbindung mit Magyaren, mit Tſchechen, mit Polen, 
mit Südſlawen, mit Italienern; jowie es aber kulturelles Wirken galt, waren und 
blieben ſie deutſch, alle fremden Einflüſſe fielen ab. Gewiß kann man ſagen, daß 
fie ſogar den allerbeſten Deutſchen zuzuzählen waren, weil ein Volkstum immer dort 
am kräftigſten gedeiht, am reinſten ſich bewahrt, wo es mit jedem neuen Tage 
kämpfend erobert und behauptet werden muß. Die Deutſchen haben ihre beſten 
Söhne ſtets an der Grenze gehabt. 


Daß, als das deutſche Volk ſich zu künſtleriſcher Betätigung pero in Oeſter⸗ 
reich ſogleich ein reicher und üppiger Liederfrühling einſetzte, iſt durch die Landſchaft 
bedingt. Oeſterreich iſt das ſüdlichſte Deutſchland. Dort geht die Luft ſchon weicher, 
ſie bringt über die Alpen den Duft wärmerer Zonen herüber. An der Schnittfläche 
von Straßen gelegen, die Europas Weſten und Oſten, Norden und Süden verbinden, 
war es immer ein Mittler im kulturellen Austauſch der Nationen. Darum hat 
ſpäterhin auf öſterreichiſchem Boden das Barock fo ſehr geblüht, daß es ein architek⸗ 
toniſches Wunder wie die Stadt Salzburg ſchaffen konnte. Hier geſchah Einmaliges: 
fremde Bauſtile wurden deutſchem Geiſte und Weſen ſo völlig einverleibt, daß ſie 
ihren Gehalt ganz veränderten und ſich organiſch der deutſcheſten Landſchaft ein- 
fügten. Dabei erwies das öſterreichiſche Deutſchtum eine Kraft im Anterwerfen, im 
Aufſaugen, im Amgeſtalten, die es ſpäterhin noch oftmals bewährte. Es gehört, 
wenn man will, auf dieſes Blatt, daß Künſtler aus dem deutſchen Norden — und 


Rainalter / Schrifttum aus Oeſterreich 19 


bezeichnenderweiſe waren dies Muſiker — erft an der Donau, inmitten eines Deutſch⸗ 
tums, das weich und kämpferiſch zugleich war, ihre Eigenart ganz zu entwickeln ver- 
mochten: der Rheinländer Beethoven und der Hamburger Brahms wurden vol- 
kommene Wiener und bereicherten aus dem deutſchen Süden den großen künſtleriſchen 
Schatz ihres Volkes und der Welt. Der Dithmarſche Hebbel reiht ſich ihnen mit 
gleichem Schickſal an. 

In den Anfängen der deutſchen Dichtung — dies wurde ſchon geſagt — blühte 
in Oeſtereich eine junge Lyrik auf. Sie war geboren aus den milderen Linien einer 
üppigen Landſchaft, aus der Liedſeligkeit eines Stammes, der in dieſer Landſchaft 
ſeine Erfüllung fand. Hier konnte der Steiermärker Herr Alrich von Lichtenſtein 
ſeinen ſüßen Frauendienſt feiern; hier konnte der Tiroler Oswald von Wolkenſtein 
fingen. Der von Kürenberg, der von der Donau, aus der Gegend von Linz ſtammte, 
tat es ihm gleich. Aber dieſe beiden bewieſen ſchon eine tatkräftige deutſche Art 
darin, daß ſie nicht nur ſangen, ſondern auch zu kämpfen wußten, und zumal der 
Wolkenſteiner führte ein bewegtes Leben, in dem immer wieder Krieg und Fehde 
über den Geſang die Oberhand gewannen. Sie alle überſtrahlte an Ruhm, an 
reinem Dichtertum, an Innigkeit des Gefühls und Inbrunſt des Wortes der größte 
Sänger aus ritterlicher Zeit, Herr Walther von der Vogelweide, deſſen Heimat wohl 
auf dem Vogelweidhof bei Bozen zu ſuchen iſt und der in öſterreichiſche Landſchaft, 
in öſterreichiſchen Minnedienſt, in öſterreichiſches höfiſches Leben ganz und gar hinein- 
wuchs: „Zu Oeſterreich lernte ich ſingen und ſagen!“ Alle Kräfte des Landes ver- 
einten ſich, um in ihm eine einmalige große Offenbarung künſtleriſcher Höhe, 
kultureller Reife, ſchöpferiſchen Reichtums zu geben. 


Es iſt ſymboliſch für die Stellung Oeſterreichs im deutſchen Raum, daß die 
Nibelungen auf ihrem Zuge in die Fremde, in König Etzels Land, ihren Weg die 
Donau entlang nehmen mußten: ſie ſtellte die Verbindung her zwiſchen der deutſchen 
Heimat und der Ferne, fie war Ausfallstor und Mittlerin zugleich. Ermißt man, 
wenn man ſich dieſe völkerpolitiſche Situation Oeſterreichs vergegenwärtigt, wie ftarf 
ein Stamm in ſeinem deutſchen Kern ſein mußte, um ſich gegen alle Einflüſſe, die 
auf ihn eindrangen, zu behaupten? Oeſterreich ſchöpfte ſeine Kraft wohl aus der 
unmittelbaren Berührung mit dem Boden. Es iſt ein Bauernland, und der Bauer 
iſt der treueſte Bewahrer und Anwalt des Erbes von ehedem. Die Städte ſpielten 
in Oeſterreich gegenüber der volkreichen und gefunden Provinz ſtets nur eine Rolle 
zweiten Ranges, und bis in die jüngſte Zeit konnte man beobachten, daß immer dann, 
wenn die öſterreichiſche Kultur durch die Großſtadt geſchädigt zu werden drohte, das 
Land eingriff und ſeine Söhne vorſchickte, damit ſie neue Befruchtung brächten. 


Als im frühen Mittelalter das religiöſe Myſterienſpiel, um deſſen Erneuerung 
man ſich heute ſo ſehr bemüht, aufblühte, da ſammelte ſich auch in ihm die ganze 
ſinnenfrohe Geſtaltungskraft eines bäueriſchen Stammes. Dieſe Kunſt kam ja ganz 
unmittelbar aus dem Volke, und das Volk ließ nun in die geſpielte Szene alles ein⸗ 
ſtrömen, was es an froher Gläubigkeit und an erdverbundenem Brauch mitbrachte. 
Der Rahmen war ſtets aus der vertrauten Landſchaft und aus dem Alltag geholt, 


20 Rainalter / Schrifttum aus Defterreid 


alles Myſtiſche löfte fih in eine herzhafte Diesſeitigkeit. Das Religiöſe wurde un- 
mittelbarſter Spiegel des Volkes ſelbſt, und heute noch find uns in alten Hand- 
ſchriften, etwa in dem wunderfamen Halleiner Krippenſpiel, dieſe rührend naiven, 
foftbar urſprünglichen Ofſenbarungen ſchöpferiſchen Volkstums zugänglich. 


Den unmittelbaren Zuſammenhang mit den geſtaltenden Kräften des Bauern- 
tums verlor die Dichtung erſt im Barock. Was der Baukunſt gelang, gelang dem 
Schrifttum nicht: es vermochte ausländiſche Einflüſſe nicht ganz aufzuſaugen und 
zu Eigenem umzuformen. So wurde das Barockdrama und das Jeſuitendrama zur 
großen Allegorie, zur abſtrakten Schau geiſtiger Horizonte. Dennoch darf man nicht 
verkennen, daß der Klerus, der ſich hier dem Volke entfremdete, auch Geſtalten 
hervorbrachte, die fih ihrer Volksnähe und Volksverbundenheit als koſtbaren Be- 
ſitzes bewußt blieben. Hier muß der Pater Abraham a Santa Clara aufgezeigt 
werden, der während der Türken⸗ und Peſtzeit zu den Wienern ſprach und feine 
Predigten zu Kunſtwerken formte, voll einer zupackenden, geſunden, blutſtrotzenden 
Sprache, voll finnlider Bildgewalt, voll eines wilden Humors. 


Schon das Myſterienſpiel hatte oftmals den Geſang nicht entbehren können, 
um aus der Zweiheit der Künſte vertiefte Wirkungskraft zu gewinnen. Daß in 
einem Stamme, deſſen Landſchaft ſelbſt voll Muſik war, das Muſikaliſche ſich immer 
ſtärker regen, immer größeren Einfluß auch auf das Wort gewinnen mußte, iſt 
klar. Wie ſpäterhin die größten Lyriker des Tones, Schubert und Hugo Wolf, aus 
Oeſterreich aufwuchſen, fo kam von hier auch der Mann, der dem Drama, der Shau- 
bühne die ſtärkſten Impulſe brachte, indem er eine Kunſt, die doktrinär geworden 
und in Formeln erſtarrt war, muſikaliſch löſte und ihr eine Freiheit zurückgab, die 
ſie zum ſchöpferiſchen Aufbau eines nationalen Theaters verwenden konnte. Dieſer 
Mann war Mozart. Lange vor Wagner ſchuf er, obendrein mit Textbüchern, die 
nicht feinem eigenen Geſtaltungswillen entſprangen, das deutſche Mufikdrama, in 
dem zwei Künſte ganz zu einer neuen Gattung verſchmolzen. Nichts könnte deutlicher 
für ſein Ingenium ſprechen als die Tatſache, daß ſeine Muſik ſtark genug war, aus 
den oft unzulänglichen Dichtungen, die ihm vorlagen, Funken zu ſchlagen und fie 
ganz der großartigen Geſamtwirkung untertan zu machen. Die Befruchtung, die er 
brachte, erſtreckte fih nicht nur auf das deutſche Opernſchaffen ſpäterer Zeiten, fon: 
dern auf das Drama ſchlechthin. In Oeſterreich zumal wich das Muſikaliſche von 
der Schaubühne hinfort auch dann nicht mehr, wenn es ſich nicht mehr unmittelbar 
auswirkte. Wer näher hinhorcht, wird etwa wahrnehmen, daß auf dem öſterreichi⸗ 
ſchen Theater im geſprochenen Wort ſtets ein leiſes Singen geweckt wurde. Das 
konnte ſeine Gefahren haben, weil dadurch bisweilen lyriſche Dramen entſtanden, 
die keiner der beiden Gattungen vollkommen genügten. Aber andererſeits verdanken 
wir doch dieſer Muſikalität der Sprache und der Viſion eine Erſcheinung wie Grill. 
parzer, dem man nur dann ganz gerecht werden kann, wenn man ihn aus feiner 
Stammeseigenart heraus begreift. Alles, was am Oeſterreicher fruchtbar iſt, ver- 
einigte ſich in ihm zu einer Perſönlichkeit von repräſentativem Ausmaß. Der mufi- 
kaliſche Arſprung ſeines Weſens wird durchaus deutlich in jenen Dramen, deren 


Rainalter / Schrifttum aus Oeſterreich 21 


nder der Inden an der baby da vnfer alor 


bette 148 da mvqent 11° 


noch vinden 


ve: gebrochen btoömen ST gya vor dem wabe 
meinem tal · tandar ada Tehone Ang d 
h kan gegangen zu ver wei do wag teęnl - 
min vi bonen- da warrruchenpfangen 
here vrowe; daß ich bru Div emor me Bufter“ 
nich wol tuf enfbunt andeamai feher wie 


ror mun sale Der mir 


o het er semacer alſd rich von blõmen ame 
berre (at des irt noch v laclyt aninuecliche - 
bamer emen an das Ribo far · biden ron er thot 
nig mart. tararaidii erben. wa mires he? 

as er bi nit dageleꝙ · wiſſd es ie · berla- 
men ny nee spe. ſd ſthiaurpt ich mich wegs er 
mit mir pPlege nie mer memen beumd es ant 
Daat Man or vil ich / vñ am claines vogellin · tun 
daramui das mag wol getr owe fin. 


Ein Lied Walthers von der Vogelweide. Aus der ſogenannten Weingartener Handſchrift 
(14. Jahrhundert) in der Königlichen Oeffentlichen Bibliothek zu Stuttgart. 


Unter der Linde 
= SE rubten jüngſt i 
wo wir en jün u wein, 
rdet ihr finden a 
far uns bei 
5 Gras und Blümelein. 
dem Wald in einem Tal 
— tandaradei — 
lieblich fang die Nachtigall. 
Ich kam n 
net ae, a bite der Zeit 
0 mein Liebſter vor der Zeit. 
Da ward ich empfangen 
als hehre Fraue: 
unvergeblie Seligkeit! 
Sab d mir Su Taufendweis 
ſeht! mein Mund, wie rot und heiß. 


Da wut er machen 
ein Blume e 

ach ſo prähtig Hir uns zwei. 
Genug wohl zu laden 

ein jeder hätte, 

führt? thn dort der Weg vorbei: 
an den Rojen er wohl mag 


radei — 

merlen, wo das Haupt mir lag. 

Dak wir da lagen, 

wü es einer — 

verbüt’ es Gott! — fo ſchämt' ich mich. 
Was wir da pflagen, 

fetner, feiner 


erfahre das als er und id, 
und ein kleines Vögelein 


— tandaradei — 
das wird treu verſchwiegen fein. 


klaſſiſches Gewand fo ganz anderen Faltenwurf hat, als etwa Goethes „Iphigenie“, 
ſomit alſo in „Sappho“ und in „Des Meeres und der Liebe Wellen“. Hier iſt alles 
weicher, zärtlicher, auch die letzte Tragik iſt noch abgebogen in eine ſtille Melancholie, 
die der ſchickſalhaften Kraßheit entbehrt. Ob diefe Schöpfungen darum dem wahr- 


22 | Rainalter / Schrifttum aus Oeſterreich 


haft klaſſiſchen Ideal fernbleiben? Wer möchte das mit letzter Sicherheit entſcheiden? 
Im übrigen hat man, angeſichts der „Sappho“, dem Dichter den Vorwurf gemacht, 
fein Werk wäre nicht eigentlich griechiſch in feiner Haltung. Er ſchrieb dazu: „Einige 
meinten, das Stück ſei nicht griechiſch genug, was mir ſehr recht war, da ich nicht 
für Griechen, ſondern für Deutſche ſchrieb.“ In dieſem Satz liegt ein Programm, 
das wir in ſeinem ganzen Werk erkennen wollen, weil es das ſouveräne Recht des 
Dichters formuliert, Fremdes ſtets ſeiner eigenen Stammeseigenart untertan zu 
machen. Grillparzer hat das zeitlebens befolgt: auch die alten Spanier ſetzte er 
ganz in den Geiſt um, der die deutſche Schaubühne zu beherrſchen hat. Er, der ſich 
als ſo guter Oeſterreicher fühlte, war zugleich einer der beſten und wertvollſten 
Deutſchen. In dieſer Zweiheit liegt ſein ewiger Wert: man kann in die völkiſche 
Geſamtheit nur hineinwachſen, wenn man ganz feſt und tiefverwurzelt auf dem 
Boden der unmittelbaren Heimat ſteht. 


Als Grillparzer wirkte, ſtand das Wiener Theater in einer hohen Blüte. Das 
Burgtheater war zur erſten nationalen Bühne Deutſchlands geworden. Aber auch 
in den Wiener Vorſtädten regten ſich vielfache Kräfte, die ein neues dramatiſches 
Ideal ſchufen. Was im deutſchen Norden die Neuberin erfolglos verſucht hatte: die 
Derbheit der Harlekinade in eine volkhafte Kunſt überzuführen, das gelang den 
Wiener Schauſpielern und Dichtern. Auch hier hatte die kraſſe Poſſe geherrſcht, die 
den Publikumsinſtinkten ganz und gar entgegenkam. Männer wie Ferdinand Rai- 
mund und Johann Neſtroy brachten es zuwege, dieſen Schutt wegzuräumen und 
Neues aufzubauen. Sie gingen von der Vorausſetzung aus, daß man dem Volke 
feine Freude an naiver Schauluſt laſſen müſſe. Auch dem Humor zollten fie fein 
Recht in weitgehendem Maße. So ſchufen fie denn ihre Stücke, die alle Aus- 
ſtattungskünſte entfalteten und die immer um große Komikerrollen gruppiert waren. 
Dieſe Rollen ſchrieben ſie ſich ſelber auf den Leib, denn beide waren ſie Schauſpieler. 
Indem ſie beſtrebt waren, dem Publikum zu genügen, wußten ſie doch zugleich, daß 
in dieſer namenloſen Menge beſſere Inſtinkte walteten, als es die Stückeſchreiber 
vor ihnen wahrhaben wollten. Wenn ſie ſich alſo dem Volke unterwarfen, ließen 
ſie zugleich das Volk auf ihre künſtleriſche Geſtaltung einen Einfluß gewinnen, der 
ſo weit ging, daß man hier zum erſtenmal von einer wahrhaft volkhaften Kunſt 
ſprechen kann. Werke wie Raimunds „Verſchwender“ und Neſtroys „Lumpazi⸗ 
vagabundus“ gehören zu den ewigen Wunderwerken einer naiv-finnliden, bluthaften 
Dichtung, die nicht veralten und ſterben kann. 


Sie haben einen großen Nachfahren gefunden in Ludwig Anzengruber, dem 
Schöpfer des vollgültigen Bauernſtücks, der allerdings ſchon zweckhafter als fie war 
und ſcharfe Kritik zu üben vermochte. And nun begann es fih überall in Oefter- 
reich zu regen, alle Landſchaften traten in den Wettbewerb, um zum Aufbau einer 
öſterreichiſchen Kunſt beizutragen, die ſich ihres Arſprungs aus dem Volke bewußt 
blieb. Der Böhmerwald fand ſeinen herrlichen Schilderer in Adalbert Stifter, den 
man ſpät als einen der ganz großen Proſaiſten erkannt hat. In der Steiermark ent- 
faltete Peter Roſegger, der Waldbauernbub, ſein echtes, zwingendes, elementares 


Rainalter / Schriſttum aus Oeſterreich 23 


Erzählertum. In Wien formte Marie von Ebner ⸗Eſchenbach, die adelige Frau mit 
dem gütigen Herzen und dem regen ſozialen Gewiſſen, ihre ſchönen Romane und 
Novellen, die immer von den Bedrückten und Anſcheinbaren ſprachen; und Ferdinand 
von Saar gab uns ſeine „Novellen aus Oeſterreich“, die in ihrer Bedeutung heute 
noch nicht ganz erkannt find, und die eine farbige, geſtaltenreiche Kulturgeſchichte des 
alten Oeſterreich bilden. Dieſe Epik hat bis auf den heutigen Tag kräftige Könner 
hervorgebracht: Rudolf Hans Bartſch ließ in feinen früheſten, beſten Büchern die 
Landſchaft Steiermarks muſikaliſch aufklingen, Friedrich von Gagern ſchuf feine groß- 
zügigen Romane, in denen es ihm um die Erkundung völkiſcher Gebundenheit ging, 
zwei Frauen, Enrica von Handel⸗Mazzetti und Paula Grogger, erwiefen faſt männ- 
liche Wucht, wenn fie Schickſale aus der Geſchichte der Heimat beſchworen, und zwei 
Sudetendeutſche, die ganz in den öſterreichiſchen Kreis eingewachſen find, Karl Hans 
Strobl und Robert Hohlbaum, wurden zu nationalen Rufern voll Sehnſucht und 
Begeiſterung. 


Der Blutſtrom, der aus der Muſik des Landes kam, befruchtete die Lyrik des 
öſterreichiſchen Stammes ſeit Schuberts Tagen in einem reichen Maße. Im größten 
öſterreichiſchen Lyriker, in Nikolaus Lenau, erwies das Deutſchtum ſeine ſieghafte 
Gewalt: denn dieſer Mann ſtammte aus Angarn, auf einer Puſzta war er geboren, 
dennoch war ſein Herz und ſein Wort deutſch vom erſten Augenblick an. Er brachte 
aus ſeiner Geburtsheimat die Melancholie der Geigen mit, die dort über die Heide 
klingen. Am ſeine Dichtung dehnen ſich weite Horizonte, fremdartige Geſtalten be⸗ 
leben ſie. Aber mit ſeiner Weichheit, mit ſeiner Wehmut, die ihn früh in den 
Wahnſinn trieb und ihm fo ein Hölderlin ⸗Schickſal bereitete, hat er die deutſche 
Dichtung um einen neuen Klang bereichert. Ein Mann. der aus dem Süden der 
alten Monarchie kam und ein Adeliger war gleich ihm, war aus härterem Holz, 
aber von geringerem Dichtertum: Anaſtaſius Grün, der Graf Auerſperg, der in 
ſeinem ſtrahlend zukunftsgläubigen Pſeudonym ſchon feine ganze fieghafte Per- 
ſönlichkeit ausſprach. Er war ein Kämpfer, der mit ſeinen Freiheitsideen gegen die 
Mauern ſeiner Zeit anrannte, und er war ein vortrefflicher Deutſcher, obgleich er 
aus flawifder Amgebung ſtammte. Er bildete, als Zeitgenoſſe, das Gegenſtück zu 
Lenau, und dieſe beiden Männer vereint ſind das Sinnbild einer öſterreichiſchen 
Epoche, in der deutſches Weſen ſo werbekräftig war, daß es befruchtend weit in den 
gewaltigen Raum des alten Staates wirkte. 


Die lyriſche Tradition, die mit dieſen Männern begann, lebt heute noch mit 
unverminderter Kraft. Das Kämpfertum Anaſtaſius Grüns blieb wirkſam in der 
Lyrik der Tiroler Hermann Gilm und Adolf Pichler, auch eines prachtvollen Tirolers 
aus unmittelbarſter Gegenwart, Arthur von Wallpachs. Die Beſinnlichkeit Lenaus 
mag man erkennen in der herrlichen Lyrik Max Mells, der in ſeiner ganzen 
Bedeutung noch nicht nach Gebühr gewürdigt ift, Rihard Billingers, der den 
bäueriſchen Alltag, dem er ſelbſt entſtammt, mit dem Stvahlenfranz feines Dichter 
tums umwob, und Joſef Weinhebers, einer ganz urſprünglichen Begabung, die vom 
Volkslied bis zur ſtrengen Form der Ode ein weites Regiſter beherrſcht. Mell 


24 Tor / Agnes Miegel 


und Billinger find auch Dramatiker von Rang, vor allem Max Mell, der, traditions- 
verbunden, in ſeinem „Apoſtelſpiel“ und in dem „Spiel von den deutſchen Ahnen“ 
die alten mittelalterlichen Myſterien wieder erweckte. Auch Karl Schönherr, der uns 
holzſchnittartige Dramen von packender Wucht gab („Glaube und Heimat“, „Erde”), 
ging auf den Arſprung tiroliſcher Bühnenkunſt zurück, indem er aus alter Ueber- 
lieferung eine Paſfſion formte. Franz Kranewitter, ihm oft ebenbürtig in der 
knappen Prägung ſeines Werkes, ſchöpfte aus der heroiſchen Geſchichte ſeines Landes, 
indem er einen „Andre Hofer“ ſchrieb und ſolcherart in engſten Wettbewerb mit 
Schönherr trat, der die Heldenzeit des Jahres 1809 in feinen Schauſpielen „Voll 
in Not“ und „Der Judas von Tirol“ beſchwor. 

Sind wir am Ende? Wir find es nicht. Denn dieſer dürftige Querſchnitt durch 
öſterreichiſches Schrifttum mußte ſich auf Wichtigſtes beſchränken. Er mußte ſich 
eine Knappheit auferlegen, die dem polyphonen Reichtum des öſterreichiſchen Kunſt⸗ 
ſchaffens nicht immer gerecht zu werden vermochte. Man müßte noch einen farben⸗ 
glühenden, in nationaler Begeiſterung brennenden großdeutſchen Seher wie Nobert 
Hamerling nennen; man müßte Ferdinand Kürnberger erwähnen, der Auſſätze von 
ſchärfſter Eindringlichkeit zu ſchreiben vermochte; man müßte den in Wien heimiſch 
gewordenen Schwaben Ludwig Speidel rühmen, der ein Deutſch von muſtergültiger 
Lauterkeit beherrſchte. Aber wozu ſo viele Namen, ſo viele Geſtalten? Sie alle, 
in ihrer Vielfalt und Buntheit, würden nur immer wieder beweiſen, was des Be⸗ 
weiſes nicht mehr bedarf: daß der öſterreichiſche Stamm von einem ungeahnten Reid- 
tum der Melodie ift und daß er mit reinſter, aus dem Volke quellender Geftaltungs- 
kraft begnadet wurde. Die öſterreichiſchen Dichter erfüllten ſich in den Grenzen, 
die Stamm und unmittelbare Heimat ihnen gezogen hatten. And wuchſen, wie 
Bäume, die ihre Wurzeln tief in die Erde ſenken, um mit ihren Kronen den Himmel 
zu grüßen, aus ihrer öſterreichiſchen Art in ein großes Deutſchtum hinein, deſſen 
Schatz an Schönem ſie demütig vermehrt haben. 


\ 


Agnes Miegel 


„Liebe Frau Agnes Miegel! 

Zu Ihrem Geburtstage ſpreche ich Ihnen, zugleich im Namen der 
ganzen deutſchen Jugend, meine herzlichſten Glückwünſche aus. Ihr 
dichteriſches Werk gehört zu den ſchönſten Offenbarungen der deutſchen 
Seele. Die Jugend hat von ihm Beſitz ergriffen und wird es in die 
Zukunft tragen. In dieſer Gewißheit grüße ich Sie in herzlicher Ber- 
ehrung und Dankbarkeit. Heil Hitler! 

Ihr Baldur von Schirach.“ 


Es gibt neben Agnes Miegel zur Zeit nur noch zwei bedeutende Balladen- 
dichter großen Formates. Das ift einmal Börries von Münchhauſen, deffen Did- 


H. E. Tor: 


Tor | Agnes Miegel ° 25 


tungen aber in ihrer bewußten Standesabgeſchiedenheit der Jugend nur wenig nod 
zu ſagen haben, und das iſt das andere Mal Lulu von Strauß und Torney, die 
mit ihren Balladen gleichberechtigt neben Agnes Miegel fteht. — Münchhauſen und 
einige andere pflegten vor der Jahrhundertwende von Göttingen aus die deutſche 
Ballade und erweckten ſie zu neuem Leben. Das iſt ihr Verdienſt. And dafür ſprechen 
ſchließlich auch die hohen Auflagen der Balladenbücher des Dichters Münchhauſen. 
Aber für unſere Zeit, uns jungen Menſchen, ſind die Balladen einer Agnes Miegel, 
einer Lulu von Strauß und Torney näher, weil fie fi) allgemein menſchlichen Themen 
der Gegenwart zuwenden und deshalb aus ganz naheliegenden Gründen tiefer be⸗ 
rühren. 3 


Agnes Miegel ift gebürtige Oſtpreußin. Ihrer Heimat lebt fie, für fie und aus 
ihr ſchafft ſie ihre Dichtungen. And ſo iſt ſie in ihrem Werk lebendiger Beweis 
dafür, daß es auch über geographiſche Hürden hinweg einen inneren Zuſammenklang 
von Oſtpreußen zum Reich gibt. Mehr denn je. Agnes Miegel dient vorbildlich 
ihrer deutſchen Sendung. Erſt jüngſt ſchrieb ſie einmal: „Nie hat die Art unſeres 
Stammes, unſeres Landvolks ſich wahrer und klarer offenbart wie in dem Lied 
„von den zwei Spielchen“. Man muß es einmal richtig „belauſcht“ haben — am 
Zaun des herbſtbunt blühenden Bauerngartens, wenn drinnen im Haus ber Web- 
ſtuhl klappt, oder auf dem Wieſenweg am Juniabend, wenn drüben auf der Bank 
unterm Holunderbuſch die Mädchen fingen —, um zu willen, wie es bewegt, wenn 
der Freier ſich zwiſchen den beiden Freundinnen für die ſelbſtlos Liebende, die 
Arme entſcheidet. Nicht ohne Bedenken — denn wir find arm, und unſer Leben 
iſt hart. Aber aus der Erkenntnis des Lebenstüchtigen, ohne Gefühlsſeligkeit Gemüt⸗ 
vollen: „Wir beide find noch jung und ſtark, nährn uns vor unſre Händen!“ Dies 
iſt, geſteigert bis zu fortreißender, aber immer gebändigter Leidenſchaft, die einen 
vermuten läßt, daß es nicht nur das Hochzeitskarmen eines Freundes war — der 
Grundton des unvergleichlichen Liedes „Annke von Tharau“, das wir Oſtpreußen 
niemals anders als in ſeiner urſprünglichen plattdeutſchen Form fingen ſollten. Ob 
es Dach war, ob ein anderer aus ſeinem Kreis — für uns und für ihn iſt das 
nicht mehr ſo wichtig. Für den Memeler, unſern Magiſter, ſpricht die Innigkeit, 
die an ſein „Lob der Freundſchaft“ erinnert. Aber wer, der ſich mit dieſem Leid 
glücklich preiſt, ein getreues Herz zu willen, denkt dabei an Simon Dach? Ebenſo⸗ 
wenig wie bei Annke von Tharau, wenn er beim Singen eigne Liebe in die unver- 
gänglichen Verſe legt, die wuchtig wie uralter Stabreim klingen.“ 


So lebt dieſe Dichterin in ihrer oſtpreußiſchen Heimat, eine Frau, die in ihrer 
vorbildlichen Lebenseinheit allen Deutſchen — gleichgültig ob jung 
oder alt — etwas zu ſagen, etwas zu ſchenken hat mit ihren Werken. Von ſich 
bekannte fie einmal in einem kleinen Band „Kinderland“: „Wenn es jemand an der 
Wiege nicht vorgeſungen wurde, daß er unter die Dichter gehen würde, dann war 
ich es. Meine Vorfahren von Vaters Seite, die alle brave Kaufleute und preußiſche 
Beamte geweſen find, und die von Mutters Seite, tüchtige Landwirte aus der 


26 j Tor / Agnes Miegel 


Niederung, hätten ſich im Sarg gedreht, wenn ſie geahnt hätten, daß die Letzte, die 
ihre Reihe ſchloß ... fo etwas vorhätte.“ 


And an anderer Stelle beſchrieb fie gelegentlich das Werden ihrer erſten Ballade. 
Nach einem Hochzeitsfeſt auf dem Lande kam ſie heim und fand eine Zeitung vor, 
in der von einem entſetzlichen Bazarbrand in Paris berichtet wurde, dem die Herzogin 
von Alencon zum Opfer fiel, weil fie für die Rettung ihr anvertrauter junger Mäd- 
chen ſorgte. — Mit einem Male verflog die Hochzeitsſtimmung. Das junge Mädchen 
erinnerte ſich des eigenen Erlebens, mit eigenen Augen geſehener Brandkataſtrophen, 
und „ſchrieb und ſchrieb, in Verſen, deren Klang und Art ihr ganz fern von den 
eigenen Gedanken erſchienen ...“. Viſionen überfielen fie kurz vor dem Einſchlafen. 
Sollte es eine Ballade ſein? 


Im Leben der Dichterin gab es keine romantiſchen Begebenheiten oder gewaltige 
Ereigniſſe äußerer Art, die fie erſchütterten. Ihr Lebensweg weitete ſich 
langſam und ſtetig. 

Anfänglich find ihre Dichtungen dem Sagenſtoff der Heimat entnommen. Sie 
machen überhaupt den größten Teil des balladenhaften Stoffes aus. Sie find ein- 
fach gehalten, ſowohl in der Wortwahl als auch im Tonfall. Freilich, das wiſſen 
wir, das Einfache iſt zugleich auch das Schwerſte und das Größte. Bereits 1916 
erhielt ſie — inmitten des großen Krieges — für die „Spiele“ den Kleiſtpreis, und 
acht Jahre darauf verlieh ihr die Aniverſität Königsberg den Dr. h. c. 1933 berief 
man ſie in die Dichterakademie. 


Sie wächſt mit ihren Dichtungen, oder beſſer, ihre Arbeiten wachſen mit ihr. 
So in leidenſchaftlichen erſten Strophen, die die Landſchaft, die Natur beſingen oder 
mit Vorliebe um das Jenſeits kreiſen (Der Band „Gedichte“, 1901). Ihre Balladen 
gehen, wie wir ſchon ſagten, ins Hiſtoriſche oder ins Mythiſche. Sie ſtellen den 
Menſchen gern in ein unerklärliches Verhältnis zu den Kräften des Daſeins. Man 
ſpürt das Ergriffenſein und kann es doch nicht ſo recht beſtimmen. Das geht von 
der „Schönen Agnete“ und der „Mär vom Ritter Manuel“ zur „Marie Antoinette“, 
zu den Kaufmannsballaden, zu der eindringlichen Kriegsballade „1915“, zu den 
„Frauen von Nidden“ bis in die unmittelbare Gegenwart etwa zum „Jahrestag 
der Abſtimmung“. ö 


Freilich wäre es nun falſch, Agnes Miegel wegen ihrer ausgeſprochenen 
Balladenbegabung nur zu einer Balladendichterin zu ſtempeln. Das würde eine 
Verengung ihres weltweiten Sinnens bedeuten und ihr Angerechtigkeit 
widerfahren laffen. Gett ſteht, daß fie in ihren beſten Balladen Börries von Münd- 
hauſen wie auch Lulu von Strauß und Torney übertrifft, aber Agnes Miegel hat 
neben den Balladen auch eine Reihe von außerordentlich eindrucksſtarken Erzäh⸗ 
lungen geſchrieben. 


Tor / Agnes Miegel 27 


Wer Agnes Miegel als Balladendichterin und Lyrikerin kennenlernen will, 
wird gut tun, die „Geſammelten Gedichte“ und den Band „Herbſt⸗ 
gefang” zu lejen. Darin findet er in wunderbarer Einheit all das, was die Did- 
terin im Laufe der Jahre an Schönem uns beſchert hat. 

In der Profa find von Agnes Miegel weiten Kreiſen die Bände „Kinder 
land“, „Geſchichten aus Alt Preußen“ und „Gang in die 
Dämmerung” (alle bei Eugen Diederichs, Jena, erſchienen) bekannt geworden. 
Ihre Erzählkunſt führt uns durch zwei Jahrtauſende deutſchen Teilſchickſals: Die 
oſtrömiſche Kaiſerzeit, die Ordensherrſchaft, das Jahrhundert des Soldatenkönigs 
und das Napoleons. In dieſer Proſa bricht immer wieder eine elementare 
männliche Kraft durch, wie man ſie in der Dichtung eigentlich nur in Oſtpreußen 
findet, eine Kraft, die in jedem Falle ein Bekenntnis und hohes Lied auf die an- 
geſtammte Erde iſt. 


Erzählungen wie die „Fahrt der ſieben Ordensbrüder“ oder „Der 
Vater“ oder „Die Jungfrau“, um nur einige zu nennen, find unver- 
gängliches Gut der deutſchen Dichtung der Gegenwart. — Ein 
paar kleine Spiele „Die Schlacht von Rudau“ und ein „Weihnachts 
ſpiel“ geſellen ſich noch hinzu. 

Man macht der deutſchen Jugend des öfteren den Vorwurf, daß ſie ſich zu wenig 
der deutſchen Dichtung, und zwar ihrer älteren Vertreter, erinnere, und — um es 
deutlich zu ſagen — an Ehrfurcht fehlen laſſe. Wir dürfen an dieſer Stelle, den 
ewig Beſſerwiſſenden und Anfriedenſäenden nur eins ins lückenhafte Gedächtnis 
zurückrufen, daß hier an dieſem Platze in letzter Zeit drei der größten deutſchen 
Dichter ehrend erwähnt wurden. Daß noch dazu zwei von dieſen erwähnten Dichtern 
Frauen waren, ſpricht wohl auch für die Erkenntnis, daß die Jugend bereit iſt, das 
(arg von der Tagespreſſe überſehene) Schaffen der Frauendichtung anzuerkennen 
und zu pflegen. Wenn wir uns hier die Namen der behandelten Dichter zurück- 
rufen: Emil Strauß, Ina Seidel, Joſefa Berens⸗Totenohl, und nun Agnes Miegel, 
ſo wird auch der eingefleiſchteſte Verneiner zugeben müſſen, daß hier eine Pflege 
der älteren Dichtung in den Reihen der Jugend übernommen wird, die nicht zu 
übergehen iſt. Schließlich ſollen ja doch wohl auch die heranwachſenden jungen 
Menſchen die Bücher der älteren Autoren leſen! Wir lehnen alfo derartige Anter⸗ 
ſtellungen ab, da wir wiſſen, daß die deutſche Jugend zu ihren Dichtern wieder ſteht. 


Agnes Miegels Dichtung bedeutet Ruhe und Weite und Geborgen- 
beit, iſt Mütterlichkeit. And dieſes Dichtertum der Hingabe 
an die Arelemente des Fraulichen wiffen wir jungen Men. 
ſchen wohl zu ehren und bekennen uns dankbar zu ihnen 
gleichermaßen, wie zu ihrer Schöpferin: Agnes Miegel. 


28 Außenpolitiſche Notizen 


/ $ 
 AUSSENPOLITISCHE ofi p 


Wenn Mibides Nonne maen 
dann geſchieht es, daß fie in altbewährter 
Ehrlichkeit die Gedanken aus ſprechen, die 
die zuſtändige Regierung nur zu denken 
pflegt. 

Im allgemeinen ift ja die frangdfifhe Re- 
gierung febr vorſichtig geweſen, Bé fofort 
und kategoriſch über den Friedensplan des 
Führers zu äußern. Denn das erſte Wort 
„unannehmbar“ iſt ja nicht ſehr ſtark, das 
. find wir ja ſowieſo gewohnt. 

Anders das „Echo de Paris“, das Blatt, 


in dem Déi der franzöſiſche Generalſtab zu · 
ſammen mit der Rüſtungsinduſtrie über po⸗ 


litiſche Fragen ausläßt. Daß der ſehr 


ernſtgemeinte deutſche Vorſchlag der 
beiderſeitigen Entmilitar iſierung abgelehnt 
wird, war zu erwarten. Wir können 
ja aber ſchließlich nichts dafür, daß die 
Rüftungsinduftrie an den Beſeſtigungen der 
Maginot- und anderer Linien fo viel Geld 
verdient hat. Aber, aber: was ſteht denn 
da? Wenn Deutſchland etwa wieder in den 
Völkerbund eintritt, dann entfällt für die 
franzöſiſche Regierung ein Mittel der anti- 
deutſchen Koalition. Wörtlich! 


Erſt lockt man uns mit Sirenentönen, 
welches Paradies doch der Völkerbund ſei, 
und dann will man uns gar nicht haben, 
weil der Völkerbund ja extra zum Zwecke 
gegneriſcher Koalierung eingerichtet iſt. 
Solche Offenheit hatten wir in unſeren 
kühnſten Träumen nicht erwartet. Leider 
ſtimmt die Feſtſtellung nicht. Denn es ſind 
ſchon genug Mitglieder aus dieſer Ein- 
kreiſung ausgeſprungen, und im übrigen wird 
man in London nicht fehr erbaut ſein, zu 
einem franzöſiſchen Koalitionsſyſtem gehören 
zu ſollen. H. H. 


Die nächften fünf nenen 

Aus dem fernen Often hat uns eine über- 
raſchende Nachricht erreicht, die von größerer 
Wichtigkeit auch für Europa fein bann, als 
der Zeitungszeilenleſer vermutet: daß die 
chinefiſche Zentralregierung beſchloſſen bat, 
die allgemeine Wehrpflicht mit zweijähriger 
Dienſtzeit für China einzuführen. 

Bevor man die möglichen politiſchen Zu- 
fammenhänge zu erkennen ſich bemüht, faßt 
man ſich an den Kopf ob der auftauchenden 
Fragen mehr oder weniger techniſcher Art. 
Damals, als das Deutſche Reich die Dienft- 
pflicht einſührte, ſchrie die Welt auf, weil 
einige hunderttauſend Mann mehr als aus- 
gebildete Soldaten auf der Welt leben 
würden. Bei der chineſiſchen Erklärung hat 
ſich niemand groß erregt, obgleich nach Adam 
Rieſe die chineſtſche Regierung dadurch in- 
ſtandgeſetzt wird, ſünf Millionen Mann 
unter den Waffen zu halten. 

Aber — Adam Rieſe irrt ſich hier erheb- 
lich: denn zur Zeit tft völlig unbekannt, wie- 
weit eigentlich der wirkliche Herrſchafts⸗ 
bereich der chineſiſchen Zentralregierung 
geht, welche Provinzen auf Nanking hören, 
welche auf ihre eigenen Gouverneure, welche 
auf Räuberhäuptlinge, welche auf die 
Sowjets, welche auf die Japaner, welche auf 
den Kaiſer Pu-ji ufw. Nach dem ſozialen 
und politiſchen Stand, nach der Wirtſchafts. 
verfaſſung des Reiches der Mitte iſt eine 
genaue Durchführung der allgemeinen Wehr 
pflicht, wie fie in Deutſchland am Schnürchen 
geklappt hat, ſo gut wie unmöglich. Im 
Deutſchen Reich haben wir nämlich ein Ein⸗ 
wohnermeldeamt, in China dagegen ſoll es 
ſogar Chineſen geben, die nicht alle Ein- 
wohner ihrer Millionenſtädte aus dem Kopf 
beim Namen kennen. 


Randbemerkungen 29 


Selbſt wenn die Ausrüſtungen da find, wer 
garantiert denn der chineſiſchen Zentral- 
regierung, daß die Ausrüſtungen auch wirt- 
lich in die Hände der „Bezirkskommandos“ 
kommen? Nach früheren Erfahrungen iſt doch 
anzunehmen, daß etwa 50 Prozent mindeſtens 
ſchon auf dem Wege verloren gehen und in 
unveränderter Form bei auffſtändiſchen 
Truppen, Kommuniſten, Näuberbanden uſw. 
wieder auftauchen! 

Im weſtlichen China gibt es Sowjet- 
republiken, von denen keine Voͤlkerbunds⸗ 
ſtatiſtik etwas weiß: Szetſchwan, Schanſi 
u. a. Zwar damit nicht noch andere Pro- 
vinzen ähnlich wie die im Norden auf den 
Gedanken kommen, ſich zu ſeparieren, hat die 
Nankingregierung einen Feldzug gegen die 
chineſiſchen Sowjets eingeleitet, der auch nach 
neuerlichen Meldungen aus Nanking 
wenigſtens in Schanſi zu Erfolgen geführt 
haben ſoll. Aber ſo im übrigen? Mit 
welcher Begründung find denn die Nord- 
provinzen abgeſprungen? Weil ſie nicht mit 


Kleinen Quesſchuitt dusw ein 

seeviwiediges Schultweien 

In Wien erſcheint eine Zeitſchriſt „Schule 
und Beruf“, die ein durchaus reizvolles 
Bild von dem vermittelt, was ein öſter⸗ 
reichiſcher Schüler über ſich ergehen laſſen 
muß. Allerlei wird auf wenigen Seiten dar⸗ 
geboten. Mit einer Ehrung zu „Horazens 
2000. Geburtstage“ fängt die Nr. VII / an, 
und zwar in einer widerwärtigen Pauler- 
manier, die zwiſchen ſich und den ſo un⸗ 
zureichenden Schülern mit dem Rohrſtock 
einen Trennungsſtrich zieht. Denn den 
Schülern „gebrechen notwendigerweiſe Reife 


den ſowjetiſchen Neigungen der Nankinger 
zuſammenarbeiten wollten, weil ihnen dort 
zu wenig Widerſtand gegen ruſſiſche Einflüſſe 
zu ſein ſchien 

Nun, wenn Nanking eine recht proble- 
matiſche Wehrpflicht einführt, wer hat etwas 
davon? Die Chineſen ſelbſt? Nur Schulden. 
Die Japaner? Einen neuen Gegner. 


Wer alfo wirklich? Die Sowjets, ſelbſt 
wenn die Nankingregierung erklärt, daß ſie 
weiterhin gegen kommuniſtiſche Cinfliffe 
vorgehen will. Denn entweder bezahlen die 
Ruffen die Ausrüſtung oder die ruſſtſchen 
Chineſen holen ſich diefe von anderen be- 
zahlten Sachen auf dem Wege zu den Be⸗ 
ſtimmungsorten. Eins ſo gut wie das andere! 
In jedem Falle gewinnt die Schlagkraft der 
ſowjetiſchen Weſtprovinzen, die ſicher nicht 
verfäumen werden, als erſte ihre Wehr ⸗ 
pflichtzahlen in Nanking für die fofortige 
UAusritftung anzumelden! 


Hans Humbold. 


Nandbemerltungen 


und Verſtändnis“ (wörtlich !). „Goethe hat 
feinen Fauſt beſtimmt nicht für fiebzehn- 
jährige Jungen geſchrieben, und die Namen 
zahlreicher Dichter und Denker der letzten 
hundert Jahre bleiben der grünen (1) Jugend 
ohne Schuld des Lehrers oder der Schüler 
leerer Schall.“ O ihr grünen, dämlichen 
Lauſebengel! Goethe ſchrieb bekanntlich für 
Studienräte . 


Aebrigens: „Horaz war zuvörderſt ein un- 
beugſamer, aufrechter Charakter von echt 
römiſchem Zuſchnitt.“ (Merkſt du die zarte 
außenpolitiſche Liebelei?) 


30 Randbemerkungen 


Nächſte Seite: Theater der Jugend. Es 
will „das Verſtändnis der Jugend für die 
äſchetiſchen Werte der Kunſt und Literatur 
durch die Veranſtaltung von erhebenden oder 
im beten Sinne unterhaltenden Theater- 
vorſtellungen wecken“. Auch das riecht ſo 
gräßlich nach 1898... 


Wer noch genauer wiſſen will, was Libe⸗ 
ralismus iſt, der leſe den Beginn eines 
anderen Aufſatzes: „Erziehung hat als Ziel 
Formung der Perſönlichkeit nach Maßgabe 
der individuellen Anlage jedes einzelnen 
Zöglings innerhalb der ihn umgebenden 
Kultur.“ Formung der Perſönlichkeit — 
aber mit welchen Mitteln, und hier fragen 
wir: mit welchem Ziel? Maßgebend iſt die 
individuelle Anlage —, alſo nicht die Ge- 
meinſchaſt? And „umgebende“ Kultur? Ein 
nach Wien verſchlagener Neger wird alſo 
zum — Deutſchen erzogen? 


Blättern wir etwas weiter, ſo finden wir 
einen ſchönen Vortrag von Staatsſekretär 
Dr. Pernter, der uns das Erziehungs⸗ 
ziel ausführlicher mitteilt. „Idee und klare 
Richtung“ werden von ihm verlangt, aber 
beides muß zwangsläufig dürftig ausfallen. 
„Die einheitliche Idee heißt Oeſterreich, und 
die eindeutige Richtung heißt der neue Lepr- 
plan (1) mit der Forderung nach religiös. 
fittlider, nach vaterlandstreuer, volkstreuer 
und gemeinſchaſtsbewußter Erziehung. Nie 
werden wir von dem Grundſatz abgehen, daß 
in der öſterreichiſchen Schule nur wahrhaft 
öſterreichiſch denkende Schüler herangebildet 
werden können.“ (Die wahrhaft deutſch 
denkenden Schüler haben Analphabeten zu 
bleiben. Es iſt nur ein Anglück, daß es ſo 
koloſſal ſchwierig ijt, „öſterreichiſch“ zu den- 
ken. Die Schulen werden wohl bald leer⸗ 
fteben müſſen.) 

„Ich glaube, alle Eltern können es nur be- 
grüßen, daß nunmehr auch die Schule in 
Erziehungsfragen eine poſitive Haltung (??) 
einnimmt. An die Stelle einer vielfach farb- 
loſen, möglichſt neutralen Anterrichtseinſtel⸗ 


lung der früheren Zeit, welche die Verüh⸗ 
rung weltanſchaulicher Fragen ängſtlichſt 
vermied, tritt nun die poſitive Forderung 
der neuen Lehrpläne, welche beſagt, ‚Daß es 
Aufgabe der Schule tft, die ſittlichen, geiſti 
gen und körperlichen Kräfte der ihr anver- 
trauten Jugend zu entwickeln und die jungen 
Menſchen zu fittlid-religisfem, vaterländi 
fhem und ſozialvolkstreuem Fühlen, Den- 
ken und Handeln zu erziehen.“ 


Hoffentlich find die jungen Menſchen dabei 
nicht gar fo artig und folafam. ... 


Aber der eigentliche Knall erfolgt erſt in 


einem Aufruf an die Eltern, der die Un, 


ſicherheit und Verbohrtheit dieſer 
Schulmänner in ein deutliches Licht rückt. 
Der Aufruf lautet ſo: 


„An alle Eltern! 


Auf Grund eines Miniſterialerlaſſes (!) 
haben alle Mittelſchüler innerhalb und 
außerhalb der Schule das Schülerabgeichen 
zu tragen. Die Eltern werden nun auf- 
merkſam gemacht, daß das Tragen des 
Schülerabzeichens zum vaterländiſchen Ver · 
halten der Schüler gehört und daß die Nicht ⸗ 
beachtung dieſer Vorſchrift bei Anſuchen um 
Schulgeldbefreiung (Geld oder Gefinnung!) 
und auch ſonſt bei Beurteilung des Ber- 
haltens des Schülers zu beachten ift und 
Folgen nach ſich ziehen könnte. (Ahal) Mit 
Rückſicht auf die weitreichenden und gc- 
gebenenfalls ſchwerwiegenden Folgen der 
Nichtbeachtung dieſer Vorſchrift werden die 
Eltern aufgefordert, auf die Einhaltung 
dieſer Vorſchrift bei ihren Kindern zu 
dringen.“ 

„Vaterländiſches Verhalten“, — ſchöön! 
Paßt aber vortrefflich zum Verhalten ſelbſt: 
man trägt ein Abzeichen. Weil es miniſte⸗ 
riell verordnet iſt. Die Begeiſterung in 
Oeſterreich muß geradezu rauſchhaft ſein. 

Aber typiſch — damit es auch die Kurz- 
ſichtigen unter uns begreifen —: jene ſagen 
„Verhalten“, wir ſagen „Haltung“. hy. 


Vom Büchermarkt 31 


Mein Sliegerleben, Von Ernſt Ud et. Ver- 
lag Allſtein. 1935. 
Es iſt eins jener Bücher, die den Wert 
unſeres deutſchen Schrifttums ausmachen. 
Das Buch erbringt den Beweis, daß die 
Ct e nach Form und Inhalt, Stoff und 
til, immer nur dann auftau fann, wenn 
der Verfaſſer ſelbſt nicht iſt, was er ſchreibt. 
Dieſes Buch, von einem Soldaten ge- 
ſchrieben, zeigt das Leben eines Soldaten. 
Wir gebrauchen dieſes einfache Wort, weil 
es tionalſozialiſten alles tagt. An⸗ 
knüpfend an unſere raſſiſche Auffaſſung 
wäre das Buch beſſer mit dem Titel zu be⸗ 
legen: ein Heldenleben. Was uns aus dem 
Buch entgegenleuchtet de der Begriff, den 
der rer uns Deutſchen wieder tar- 
gema t und eingehämmert bat: Kampf, 
T Das Buch zeigt den Soldaten Adet 
auch im Siwilleben und in der Ausübung 
von Berufspflichten. Wir wünſchen es 
nicht nur in die Hände unſerer Jungen. 


% 


Die letzte Schlacht. Von Theodor Jakobs. 
Hanſeatiſche ee Hamburg. 
Wir haben in den Büchern Beumelburgs, 

Schauweckers u. a. die Geſchichte der Weft- 

front erlebt. Jakobs zeigt uns den Abſchluß 

dieſes Frontk es. Wir erleben nicht nur 
ein verzweifeltes Ringen und Kämpfen, fon- 
dern auch das Annütze dieſes Tuns empfin- 
den wir. And doch hat Jakobs mit der 
ganzen Kraft eines wirklichen Dichters eine 

Darſtellung gegeben, die uns zwar nackt die 

Pflichterfüllung dieſer Frontkämpfer zeigt, 

uns aber ihr ſoldatiſches Muß unausweich⸗ 

bar ſehen läßt. Das Buch gehört in die 
erſte Reihe der Weltkriegsliteratur. 


* 


Der Gefallene ruft. Von Hein Kruſe. 
za) Verlagsanſtalt Stuttgart — 
Berlin 1935 


Ein Roman, der die Liebe und Treue 
zur heimtlichen Scholle verkündet; in Sprache 
und Perſonengeſtaltung lebensecht, herb und 
wahr. Darum wird man dieſes Werk Hein 
Kruſes mit innerer Anteilnahme leſen. Nicht 
unſeren Beifall finden kann jedoch die Per- 
fonifigterung alles Schlechten und Verwerf- 
lichen mit dem Teufel; iſt es notwendig, 


dem Teufelskult in der modernen Literatur 
Denkmäler zu ſetzen? R 


Die Schifferwiege. Niederdeutſcher Heimat- 
und Seefahrerroman. Von Carl von 


Bremen. Verlag Franz Cher. 1935. 

Der Roman zeigt uns mehr als die Ge- 
ſchichte einer Familie. Wir ſehen, wie ein 
Niederſachſe in eine en ft bin- 
5 und fein Schickſal das des Dorfes 
wird. Bei dieſer Verbindung und der Er- 
weiterung der Geſchichte einer Familie, 
der eines Dorfes iſt iſt es dem Berfaſſer 
nicht immer gelungen, den flüſſigen Stil 
durchzuhalten. Wertvoll bleibt das Buch 
aber, weil es einen Aufriß aus deutſcher 
Geſchichte gibt und aus dem Kampf eines 
Stammes deutſches Schickſal erſtehen läßt. 


* 


Marine-SA, Das Bud einer Hanſeatiſche 
Von Bernd Ehrenreich. nſeatiſche 


Der berth gibt Hamburg. 

Der Verfaſſer gibt uns eine Schilderung 
des Kampfes um die Macht im roten Ham- 
burg. er die Verhältniſſe des „Tores 


der Welt“ aus der Kampfzeit her kennt, 
wird manches Erlebnis wiederfinden, das 
ihm das Buch lieb macht. Sonſt iſt es ein 
Dokument der Bewegung auf dem Wege 
zum Kampf um die Macht im Staat. Treu 
dem Geſchehen ſpricht das Buch von Kampf 
und Tod, zeugt aber auch von all dem 
fanatiſchen Glauben und Willen zum Sieg. 
Im Intereſſe des politiſchen Kämpfertums 
iſt ihm ein großer Leſerkreis zu n 
* — 

Flaggt Freude und Frohſinn. Eine Gomm, 
lung heiterer Kurzgeſchichten, von Herbert 
Frenzel. Verlag Junge Generation, 
Berlin 1935. 
Verſchiedene bekannte Schriftſteller, dar- 
unter Lerſch, Strobl, Steguweit, haben zu 
dieſem Büchlein beigeſteuert, das eine gute 
Zuſammenſtellung von Kurzgeſchichten ift. 


Ein Ruf erging. Von Hans Henning Frei- 
herr Grote. Deutſche Verlags ⸗Anſtalt 
Stuttgart. 335 Seiten. 

„Der Roman Albert Leo Schlageters“ — 
wie Grote ſein Buch nennt — iſt es noch 


32 Vom Büchermarkt 


ch Gegnerſchaft er 
en aft, 

A, em den Roman abrundend 
durchzugeſtalten, alſo nicht zu einer bear- 
beiteten Chronik werden zu laffen. Andrer⸗ 
ſeits fehlt aus dieſem Grunde eine 1 die 
Länge des Nomans notwendige geſpannte 
Straffheit, fehlt das Tempo, das ebenſo zum 
Dichteriſchen gehört wie die Deutung. Wir 
bejahen den Roman, aber nur einſtweilen, 
als Erſatz. | by 


Das Lied der Arbeit. Selbſterzeugniſſe der 
Saal enden. Leopold Klotz Verlag, Gotha. 
2 ten. 
Arbeitsdichtung der Gegenwart, und weit 

mehr als das, mehr als irgendeine Gedichts ⸗ 

ſammlung lyriſcher Außenſeiter: ſondern ein 
großes Zeugnis vom Reichtum deutſchen 

Weſens, dem die Arbeit nicht Fluch, ſondern 

Glück if. Ein Hg-Führer follte den Band 

ur Hand haben, nicht zuletzt, weil er zur 

Feiergeſtaltung wertvollen Stoff . 

y 


e 


Die Odyſſee deutſch. Von Leopold Weber. 
Georg D. W. Callwey und N. OMen- 
bourg Verlag. 370 Seiten. 


Wir kennen Leopold Weber als Ver⸗ 
mittler der Edda und unſerer Heldenfagen. 
Am ſo vertrauensvoller nehmen wir dieſen 
Band entgegen, weil wir wiſſen, daß hier 
kein ftarrer Philol ſchreibt, der unſerem 
Erleben fern ſteht, ſondern ein Dichter, der 
aus Werten unſerer Art ſchöpft. Man hat 
der Aeberſetzung von wiſſenſchaftlicher Seite 
aus Vorwürfe gemacht, ja, man hat gerade 
disch Wi 85 wie als ede bia bes 

iſche der Dee als gefährdet hingeſtellt. 
Wir können das im einzelnen nicht nach⸗ 
prüfen, halten dieſe Vorwürfe aber für un⸗ 
gerecht und nehmen das Buch als ein herr⸗ 
liches Geſchenk entgegen, das — gerade weil 
es von einem Dichter dargeboten wird — 
endlich die Odyſſee aus den Schulſtuben þin- 
aus tragen folte. by 


Theater wohin . $. Pen Ton, Ro 
und Kehlkopf. Von n Friedr. 
Aders. Verlag Muth, Stuttgart. 
Dieſes in Art und Anlage rein fachliche 

und daher auch nur Fachkreiſe wirklich inter- 

eſſierende Buch über notwendige e 

maßnahmen und Erneuerungen auf dem Ge- 

biete der Sprech- und Geſangskultur im 

deutſchen Theater würde eine über fachliche 

Kreiſe hinausgehende Erörterung überflüſſig 

machen, wenn der Verfaſſer nicht Je Aus. 

führungen mit einem Wuſt an Phraſen von 

Heroismus und Kulturkämpferverbrämung 

umgäbe. Was dabei herauskommt, ſei an 

einem kleinen Beiſpiel erörtert, zu dem 
jeglicher Kommentar ſich erübrigt. Herr 

Aders ſchreibt u. a. über das Ausſehen einer 

Brünhilde im heutigen deutſchen Theater: 

Die Dame müßte alſo ſo ausſehen: 

„Eine nordiſche Pallas⸗Athene, nicht Hift- 
jteifer und fefter als irgendeines der uns 
täglich in Sportphotos ag Md gezeigten 
deutſchen Mädels, mit biegſamen, edel- 
ſäulenhaftem Leib und federnden, ſchwuͤngi · 
gen Bewegungen, ſtürzt mit der Natur- 
gewalt einer gefällten jungen Eiche ſchreckens⸗ 
voll und aufgelöſt zu Boden ... Den zier- 
lichen Kopf mit zuckender Wildheit empor- 
geworfen, ſchreckensvoll geweitete Augen 
unter anmutig. majeſtötiſch geſchwungenen 
Brauen; das goldrote Haar flammt in 
kurzen Locken ſtürmiſch vom Hinterkopf 
Knapp und ſachlich ift die kämpſeriſche Auf- 
machung, gleich weit entfernt von allego- 
riſchem Ornamentplunder wie von dürrem 
Naturalismus: Metalliſch verſchnürte oder 
geſchiente Sandalen (die ruhig ſtilifiert Ache 
Abſätze haben dürfen, da das kriegeriſche 
Element ja doch eben Sinnbild iſt), nackte 
Füße, nackte Anterſchenkel, nackte Oberſchen ⸗ 
kel, über die, febr knapp, in ſtreng aeord- 
neten Faltenbündeln die Andeutung eines 
Rodes fällt, der in dieſer Kürze jungfräulich 
unſchuldig⸗ unbekümmert und finnbildlich- 
ſoldatiſch wirkt. Die Brünne iſt ein glattes, 
glanzmetalliſches Mieder, ſtilvoll im Sitz 
und im Schnitt, aber gänzlich unfofett.” 

Die „jungfräulich unbekümmerte“ Geiftes- 
verwirrung des Verfaſſers dürfte ,,finnbild- 
licher“ nicht mehr gekennzeichnet werden 
können. K. Z. 


Hauptſchriftleiter: Günter Kaufmann (3. 3t. in Urlaub). 
und W 40, Kronprinzenufer 10. Tel. D2 5841. Verlag: Deutſcher Yugend- 


Macht“, Reichsjugendführung, Berlin 


Bi m. b. 9., Berlin W 35, Lützowſtr. 66, Tel. B 
35: 18 100 Pl. Nr. 5. — Druck: Theodor Abb Buchdruckerei, 
„Wille und Macht“ ift zu beziehen durch den Deutſchen Jugendverlag oder jede deutſche Buchhandlung ſowie durch 
. RM. 1.80 zuzügl. Beſtellgeld. Bei Beſtellung von 1 bis 8 


Otto Arndt, Berlin, — D.A. IV. 8}. 35 


die Poſt. Poſtbezug viertel 


Stellvertreter: Dr. Karl Lapper. Anſchrift: „Wille 


Lützow 9006. — Verantw. für den E Kurt 


erlin SW 68. 


einzelnen Rummern 


bitte den Betrag in Briefmarfen beizulegen, da Nachnahmeſendung zu teuer iſt und diefe Beſtellung ſonſt nicht 
erledigt werden kann. Maſſenbezug durch den Verlag laut beſonderen Bezugsbedingungen, 


Karl Rihard Ganzer 


| Vom Ringen Hitlers 
um das Reich 


1924 — 1933 


Diefes neue Buch des bekannten jungen Hiſtorikers be- 
richtet auf der Grundlage bisher unbekannten Quellen- 
materials über die geſchichtliche Entwicklung des letzten 
Jahrzehnts. Gleichwohl iſt Ganzers Buch aber keine 
bloße Parteigeſchichte. Die Entwicklung der Bewegung 
wird dargeſtellt in ſtetem Bezug zum Zeitgeſchehen, 
ſeinen außenpolitiſchen Einwirkungen und ſeinen inner⸗ 
ſtaatlichen Begebenheiten. Aber immer bleibt das 
Werk auf den Führer abgeſtellt. Der unbekannte 
Soldat des großen Krieges iſt das Gewiſſen der Nation 
geworden, das mahnend, warnend, unbeirrbar in immer 
mehr deutſchen Menſchen ſchlägt. So wird die Ge⸗ 
ſchichte ſeiner Idee zu einer Geſchichte Deutſchlands. 
Daher gehört Ganzers feſſelnd und lebendig aufgebautes 
Buch zu den Standardwerken jedes politiſchen Menſchen, 
und vor allem in die Hände der deutſchen Jugend. 


160 Seiten / on Pappband RM 1,50 


— CeCe eS u m io 


München 43 2116 
schriftleitung der N S 
Frauenwarte - Fach 80 


Deutithe Saat 
in fremder Erde 


Herausgegeben von 


Dr. Karl Bömer 


Preſſechef des Außenpolitiſchen Amtes der NSDAP 
280 Seiten Text und 80 Seiten Abbildungen 


Dieſes mit rund 240 vielfach ganz unbekannten Abbildungen im Text 
und auf Tafeln verſehene, ſehr anſchaul iche und vielſeitige Werk hat 
ſich das Ziel geſetzt, an einer Reihe beſonders eindrucksvoller Bei- 
ſpiele den tiefgreiſenden Einfluß aufzuzeigen, den der deutſche Genius 
auf die Welt ausübte und noch ausübt. Dabei liegt dieſem Buch 
und feinen Mitarbeitern aber nichts ferner als die einfeitige Ver- 
herrlichung deutſcher Leiſtungen. Denn gerade aus der tiefen Liebe 
zum eigenen Volkstum, die dieſes Werk beſeelt, erwächſt ja auch, wie 
der Herausgeber, Preſſechef des Außenpolitiſchen Amtes der 
NSDAP, im Vorwort ausführt, die Achtung vor fremder Eigenart 
und Größe. Daher find die bier geſammelten 20 Beiträge, deren 
Verfaſſer in Fachkreiſen beſtens bekannt und im öffentlichen Leben 
bereits vielfach hervorgetreten ſind, getragen von einem um ſo mehr 
berechtigten Stolz auf das, was deutſcher Fleiß und deutſche 
Schaffenskraft in aller Welt geleiſtet haben. So durchzieht biede 
Buch, das die geiſtige Leiſtung unſeres Volkes in Induſtrie, Technik, 
Verkehr, Flugweſen uſw. ebenfo würdigt wie in Philoſophie, Schrift. 
tum. Muff, bildender Kunſt, Geſchichte und Heerweſen der eine 
große Gedanke, nach innen und außen gleichermaßen wirkſam zu 
ſein. Nach innen, um aus dem Wiſſen um das eigene Volkstum 
und um die Kraft feiner Söhne zu unabläſſig neuer Saat zu ſpornen, 
nach außen, um im Jahr des deutſchen Olympia für Achtung und 
Verſtaͤndnis zu werben. 


Pappband RM. 4.50 7 Ganzleinen RM. 5,50 


Jeitgeſchichte Verlag / Berlin W AN 


Nach Gebrauch rumie 
Hauplanchiv der. NS! 
Abt, froen Lewes ; 


acht 


Abvevorsat der nationalſozialiſtiſchen Sugend 


— D—— A— — — 


us Dem Subali: 
aldur v. Schirach zum ‚Jahr des Jungvolr 


Zum Streit um Rothes Shakespeare 
Evans London | Deulsch- englische Zusammenar 


ZE 
Men — Sleinbimer, Keller, Wehner / Zum Streit um Rothes Shakespeare — W. I 
bat Probleme — ee ca tena 
bemerkungen — Vom Büchermarkt 


` 


ume Berlin, den 1. Apvil 1036  Ginselpucls 30 Hie. 


Jubalt 


Der Neichsjugendführer zum „Jahr des Jungvolks“ 
Die körperliche Schulung im Deutſchen Jungvolk . . Ernft Schlünder 


Die Geſundheitsführung der Hitlerjugend. H. Reineder 
Guftav Steinbömer 
Zum Streit um Rothes Shakeſpearre Prof. Wolfg. Keller 
Joſ. Magnus Wehner 
Deutſch⸗engliſche Zuſammen arbeitet T. P. Conwell-Evans 
Blick auf Japans Problem W. 
Die Staatsidee des japaniſchen Reiches Hans Humbold 


Kleine Beiträge: 
Bolſchewismus als Forderung der jungen Nation? Siegfried Faßbender 


Nandbemerkungen: 
| Das namenlofe Volk 
Niemand will Prieſter werden 
Ein Erhörungs⸗Nezept 
Wenn der Staat ſich anmaßt 


Vom Büchermarkt 


Kunſtdruckbeilage: Aus neuen Shalefpeare- Aufführungen (Fotos: Scherl) 
Kartenzeichnung: Boſſeck 


Wite-t]] ach 


vevovsat der nationalfosialiftiiden 


dahrgang 4 Berlin, 1. April 1936 Heft 7 


Der Reichsjugendführer 
zum „Jahr des Jungvolks“ 


Wir richten unſern Aufruf an die Jüngſten, denn auch die 
Zehnjährigen ſind Träger der großen deutſchen Pflicht. 

Wenn alle Jugend dies zutiefſt erfaßt, wenn ſie als gläubige 
Gemeinde des Führers ehrfürchtig und tapfer ihre Fahnen in die 
Zukunft trägt, wird das Vermächtnis der 21 zum inbrünſtigen 
Bekenntnis von Millionen werden. 


a 2222 


2 Schlünder Die körperliche Schulung im Deutſchen Jungvolk 
Ernst Schlünder, Amtsleiter in der NF: 


Die körperliche Schulung im Deutſchen 
ZJungvolk 


Wohl kein Volk der Erde hat ſo tief und echt um die en feiner Leibes- 
übungen gerungen wie das deutſche Volk. Der Nationalſozialismus hat in die Biel- 
ſeitigkeit der Auffaſſungen Klarheit gebracht: Die Entwicklung und das Ringen 
um die Geſtaltung hat heute einen gewiſſen Abſchluß erreicht. 

In der Haltung zu den Leibesübungen, in der Zielſetzung jeder körperlichen 
Betätigung offenbaren fih uns Weſen und Charakter von Volkstum und Naſſe. 
In den Zeiten der Vergangenheit, in denen das deutſche Leben ſich mächtig und 
ſtark entwickelte, wuchs auch die Bedeutung der Leibesübungen innerhalb des deut- 
ſchen Volkslebens; ebenſo finfen diefe zur Bedeutungslofigkeit herab in den Zeiten, 
da Zwieſpalt und innere Zerriſſenheit jedes Wachstum und jede Entwicklung des 
Deutſchtums im Keime erſtickten. 


Es iſt nicht Aufgabe dieſer Arbeit, den Weg der Leibesübungen in der deutſchen 
Geſchichte zu zeigen. Wir wiſſen, wie in der deutſchen Frühzeit die Leibesübungen 
bedeutungsvoll in Zuſammenklang mit Dichtung und Religion im Mittelpunkt 
völkiſchen Lebens ſtanden, wie in der Zeit, wo eine volksfremde, asketiſche 
Prieſteranſchauung die heldiſch⸗ſoldatiſche Weltanſchauung verdrängte, auch die 
Leibesübungen zerfielen. Immer wenn der deutſche Menſch ſich erhob, um für 
eine klare Geſtaltung ſeines Weſens zu ringen, iſt dieſe Erhebung begleitet von 
einem Erwachen und einer Beſinnung deutſcher Leibesübungen. Als in den Tagen 
der preußiſch⸗deutſchen Erhebung gegen Napoleon die Sehnſucht nach einem ſtarken, 
einigen Reich im deutſchen Lande erwachte und immer mächtiger wurde, erlebten 
wir, wie Friedrich Ludwig Jahn einer kommenden deutſchen Leibeserziehung 
Richtung und Ziel gab. Als aber Engſtirnigkeit und Partikularismus die beſten 
Deutſchen in die Gefängniſſe ſchickte und heißes, ehrliches Wollen abdroſſelte, erlebten 
wir wiederum einen Niedergang deutſcher Leibesübungen. Den Tiefpunkt aber ſahen 
wir, als in den Zeiten größter deutſcher Not die Leibesübungen zur Senſation und 
Profitgier herabgewürdigt wurden. 


Heute hat der Nationalſozialismus die Leibesübungen da hingeſtellt, wo fle 
hingehören: in die politiſche Erziehung der deutſchen Jugend. 

Form und Inhalt unſerer Erziehung wird letzten Endes von zwei großen 
Faktoren beſtimmt. Einmal ſind es das Leben, die Nation, die Gemeinſchaft, die 
ihre Forderungen an jeden jungen Deutſchen ſtellen — zum anderen iſt es der Junge 
ſelbſt, der ſein Leben leben will, ſein Leben, das man nicht in konſtruierte Formen 
oder Geſetze zwängen kann, ſondern das in ſeiner Welt und in ſeinen Begriffen 
verlaufen muß. 

Nur ſcheinbar ſtehen oft dieſe beiden Faktoren im Gegenſatz zueinander, ja oft 
wird geradezu ein künſtlicher Gegenſatz erzeugt. Beide vereinen ſich in der Forderung: 
die kraftvolle Perſönlichkeit. Der Nationalſozialismus iſt eine Weltanſchauung 


Sälünder / Die körperliche Schulung im Deutſchen Jungvolk 3 


der Kraft. Träger dieſer Weltanſchauung können nur kraftvolle Perſönlichkeiten 
fein. — Der Junge aber will Perſönlichkeit werden, alles in ihm drängt zur Er- 
probung ſeiner Stärke und zur Entwicklung ſeiner Kräfte. Das ſoll Grundſatz 
unſerer Erziehung ſein, das Stürmen und Drängen des Jungen in richtige Bahnen 
und zum richtigen Ziel zu leiten. Dieſes Erleben wird beim Jungen immer mehr 
im Körperlichen liegen. Es ift dieſer ungeſtüme, wunderbare Trieb zum Toben und 
Tollen, zum Spielen und Raufen, der in jedem echten, jungen Menſchen lebt. Wir 
verfallen nicht in den Fehler einer früheren Erziehergeneration, die dieſem oft 
ungeſtümen Ausbruch jugendlichen Lebens und jugendlicher Kraft verſtändnislos 
gegenüberſtand und in ihm nur Verſtöße gegen die Difgiplin und die Autorität fab. 
Wir werten dieſe Zeichen als Ausdruck geſundeſten und echteſten Lebens; wir freuen 
uns dieſer Kräfte, ſind ſie uns doch Beweis der Lebenskraft unſeres Volkes. 


Der Nation und dem Volk gegenüber hat jeder Junge die Verpflichtung, ſich 
geſund und ſtark zu erhalten. Geſund, um als Glied einer unendlichen Kette das 
Erbe der Ahnen weiterzugeben an die Kommenden; ſtark, um jeden Angriff gegen 
die Nation abzuwehren — um ſeinem Volk den höchſten Dienſt des Mannes, den 
Waffendienſt, leiſten zu können. 

Im „Jahr des Deutſchen Jungvolks“ ſollen alle Jungen im Alter von 10 bis 
14 Jahren im Jungvolk erfaßt werden. Damit wird in Zukunft jeder Junge durch 
die Grundſchule der Leibesübungen gehen. Das Jahr 1936 wird uns zum erſten 
Male jahrgangsmäßig zuſammengeſtellte Einheiten unſerer jüngſten Kameraden 
bringen. Nach einigen Jahren wird der jahrgangsweiſe Auſbau des Jungvolks be⸗ 
endet fein, ſpäter ebenſo der der Hitlerjugend. Wenn fih dieſer Aufbau auch 
nicht nach den ſtrengen Formen der Schule entwickeln wird, werden wir doch in Zu- 
kunft im Aufbau der Schulung den verſchiedenſten Altersſtufen Rechnung tragen 
wriiffen. 

Sn ftetiger Steigerung und Erweiterung der Aufgaben wird jeder Zunge an der 
allgemeinen Grundſchulung teilnehmen. Dieſe Grundſchulung iſt vielfeitig aufgebaut 
und umfaßt die grundlegenden Uebungen der Leichtathletik, des Schwimmens und 
Turnens; im Boren und Freiringen den Kampf Mann gegen Mann, die Anfänge 
der Geländeausbildung und beſonders alle Arten von Tummel- und Rauf-, Ball. 
und Kampfſpielen. Gerade der Spielgedanke wird in der Geſamtausbildung im 
Vordergrund ſtehen. Körperliche Schulung iſt kein ſtarres Ausbilden, kein Einhalten 
eines ſtrengen Schemas, ſondern Erlebnis, an dem jeder Junge beteiligt iſt und 
bei dem jeder freudig und froh innerlich mitgeht. 

Wir müſſen an dieſer Stelle betonen: 


Jede einſeitige Spezialiſierung in dieſer oder jener 
Sportart, ſeies Fußball, Hockey oder Rudern ufw., lehnen 
wir für die im jungvolkpflichtigen Alter ſtehenden Jungen 
ab. Anſere Forderung iſt die allgemeine Grundſchulung 
aller Jungen. Jede Spezialiſierung im nn Alter 
würde ſich nur ſchädlich auswirken. 


4 SäHlünder / Die körperliche Schulung im Deutſchen Jungvolk 


Genau ſo verſtändnislos ſtehen wir heute der Richtung der Leibesübungen 
gegenüber, die ihre ganze Arbeit auf eine rhythmiſche Gymnaſtik aufbauen will, die 
nach unſerer Anſicht zur Weichheit führt. 

In den drei Jahren, da nun die große Maſſe der deutſchen Jugend in unſeren 
Reihen ſteht, hat ſich der von uns eingeſchlagene Weg als richtig erwieſen. Welche 
Erweiterungen er erfahren wird, werden wir aus dem folgenden erſehen. 


Aufbau der körperlichen Schulung im Deutſchen Jungvolk. 

1. Pimpfenprobe: Jeder Junge, der in Zukunft in das Jungvoll eintritt, 
hat im Laufe einer 2— monatigen Probezeit feine Pimpfenprobe abzulegen. In 
dieſer Probe werden von ihm neben der Teilnahme an einer Fahrt, verbunden mit 
weltanſchaulicher Ausrichtung, grundlegende Aebungen der Leichtathletik in ihren 
einfachſten Formen, 60-m-Lauf, Schlagballweitwurf und Weitſprung gefordert. 

2. Der 10jährige: Neben der Schulung zur Pimpfenprobe beginnt der 
Junge mit den Anfangsübungen im Schwimmen, Bodenturnen, Bal- und Tummel- 
ſpielen. Durch dieſe kleine Auswahl einiger grundlegender Aebungen wird die 
Vorausſetzung für eine weitere Steigerung und Erweiterung des Hebungs- 
programmes geſchaffen. 

3. Der 11. und 12 jährige: In dieſem Alter beginnt für den Sungvolk- 
jungen die Schulung für das Leiſtungsabzeichen des Jungvolks. Eine vielſeitige 
Schulung in den leichtathletiſchen Aebungen, Schwimmen, Fahrt und Lager und Luft- 
gewehrſchießen iſt damit verbunden. Mit der Verleihung des Abzeichens iſt die 
Ablegung einer einfachen weltanſchaulichen Prüfung verbunden. 

Das Stoffgebiet der körperlichen Schulung wird in dieſer Altersſtufe erweitert 
durch Freiringen, Hindernisturnen, Rauf- und Kampfſpiele und durch Luftgewehr- 
ſchießen. Ebenſo beginnen wir mit kleinen Geländeſpielen und einfachſten Ordnungs- 
übungen. Für die geländeſportliche Ausbildung des Jungvolks kommt eine Einzel- 
ausbildung noch nicht in Frage. 

4. Der 13. und 14 jährige: In dieſen Jahren wird in erſter Linie die 
Abnahme des Leiſtungsabzeichens erfolgen. Die in den Jahren vorher begonnene 
Schulung wird hier organiſch fortgeſetzt und geſteigert. 

In dieſer Altersſtufe erfährt die körperliche Schulung noch weſentliche Er- 
weiterungen. Im Geldndefport werden 

Kartenkunde, 

Zurechtfinden im Gelände, 

Tarnen, 

Meldeweſen, 

Geländeausnutzung 
in das Programm aufgenommen. Die Dienſtanweiſung für das Jungvolk wird ſo 
lauten, daß dieſe Grundlagen aller geländeſportlichen Arbeit trotzdem nicht in 
einer Einzelausbildung erfolgen, ſondern in der aufgelockerten Form des Aebungs⸗ 
ſpieles. Es iſt dies das Geländeſpiel, bei dem mit einer einfachen Aufgabenſtellung 


Retneder / Die Geſundheitsführung der Hitlerjugend 5 


eine Schulung auf dieſem oder jenem Gebiet verbunden iſt. In den Leibesübungen 
erfährt das bisherige Programm des Jungvolks eine grundſätzliche Erweiterung 
durch das Boxen. Der 13. und 14jährige wird in die Anfänge der Boxſchule em- 
geführt und wird nach gründlicher Vorbereitung bereits kleine, kurze Kämpfe burg, 
führen können. GC 

5. Die Jungvolk Waffe: Nach langen Verſuchen werden wir in dieſem 
Jahr eine einheitliche Jungvolk⸗ Waffe einführen, den Bambusſpeer. Cs tft ein 
Wurfſpeer, der mit einer ausreichenden Kopfpolſterung verſehen iſt. Die Verſuche, 
die in den verſchiedenſten Gebieten des Reiches durchgeführt wurden, haben überall 
eine ungeheure Begeiſterung ausgelöſt. Die bisherigen Geländeſpiele litten zum 
größten Teil an einem Mangel: eine Entſcheidung fand in einem Spiel ſelten ſtatt. 
Alle gut gemeinten Verſuche, wie „Stabkampf“, „Lebensfäden“ uſw., mußten fümmer- 
liche Verſuche bleiben. Es war ſelbſtverſtändlich, daß das Intereſſe der Jungen an 
den Spielen, die ohne Entſcheidung ja eigentlich gar keine Spiele waren, nachließ. 
Durch den Speer wird in Zukunft jeder Junge in der Lage ſein, aktiv in das Ge⸗ 
ſchehen des Spieles entſcheidend einzugreifen. Darauf kommt es an, daß ein Junge 
lernt, im Gelände richtig zu handeln. 

Es iſt eine große und umfangreiche Aufgabe, die zum Teil angepackt iſt, aber zum 
größten Teil noch vor uns liegt. Der Jungvolkführer, der diefe Erziehung durch- 
führt und leitet, ſteht vor der ſchweren Aufgabe, dieſe Ziele ſo zu verwirklichen, 
daß der Dienft jedem Jungen zu einem inneren Erlebnis wird. Das Ziel ift 
geſteckt, die Richtlinien find gegeben. Aber noch etwas kommt hinzu, das uns Ridt- 
ſchnur zu unſerer geſamten Arbeit fein fol. Jeder, Führer und Junge, muß mit 
innerer Freude und Begeiſterung dieſe gemeinſame Arbeit leiſten. 

Die Schulung darf nicht zur Form erſtarren, der Führer darf kein Ausbilder 
werden, der nur ein Programm durchführt. Mit der Leiſtung aber ſoll 
der Stolz wachſen, mit dem Stolz das Selbſtvertrauen. Dann 
erfüllen wir die Forderung des Führers, der allen, die in der Erziehungsarbeit der 
deutſchen Jugend ſtehen, dieſes wunderbare Wort gab: „Mit dieſem Selbß 
vertrauen, in Bewußtſein ſeiner körperlichen Kraft und 
ſeiner Gewandtheit, ſoll jeder Junge den Glauben an die fo, 
beſiegbarkeit ſeines ganzen Volkes gewinnen.“ 


H. Reinecker: 


Die Geſundheitsfüheung der Hitlevingend 


Ein aufmerkſamer ausländiſcher Beobachter, der vor der Machtübernahme 
Deutſchland beſucht hatte und nun vor kurzer Zeit ſeinen Beſuch wiederholte, 
rechnet das Erlebnis mit der nationalſozialiſtiſchen Jugend zu ſeinen ſtärkſten Cin- 
drücken. Er ſagte: „Vor der Machtübernahme erſchien mir Deutſchland wie ein Land 
ohne Jugend. Ich ſah die jungen Menſchen bedrückt, ſcheu und unluſtig an den 


6 Reineder / Die Gefundheitsführung ber Hitlerjugend 


Straßeneden ſtehen. Nun kenne ich Deutſchland nicht mehr wieder. Endlos find die 
Kolonnen der Jugend, die da begeiſtert marſchiert, ein Arbild der Freude und 
Zukunftshoffnung. Ich ſah ſie in ihren Lagern, geſund und braungebrannt, beim 
Kraftmarſch über Land 


In allen Ländern und zu allen Zeiten kennt man den Typ des Gaffen- und 
Straßenjungen als eine ſtändige Erſcheinungsform. Was fih aber in Deutſchland nach 
dem Kriegsende zeigte, ging weit über dieſes durchſchnittliche Maß hinaus: eine ganze 
Jugend verkam auf der Straße. Die Ziffern der Verwahrloſung, der Jugend ⸗Straf - 
fälle ſprechen eine deutliche Sprache dieſes Verfalls. Die Schulärzte ſtellten Unter- 
ernährung feft, mangelnde Pflege und eine erſchreckende Neigung zur Verwahr⸗ 
loſung. Als ſchlimmerer Faktor zeigte ſich darüber hinaus Arbeitsunluſt, Schwer- 
fälligkeit, geiſtige Trägheit und ſeeliſche Leere. Die Gerichtsurteile bekunden den 
hohen Prozentſatz jugendlichen Verbrechertums. Hier im Forum der Gerichtshöfe 
zeigte ſich die Not der Jugend am brutalſten, und die Vielfalt der krankhaften 
Neigungen und bedenklichen Irrwege waren eine geradezu erſchütternde Anklage 
dieſer Zeit. So zeigte ſich das Angeſunde nicht nur im körperlichen Verfall, ſondern 
vor allem auch in der Haltung der Jugend dem Leben gegenüber. Was bei den 
Schülern und Beamtenſöhnen der Kitt einer loſen Familienorganiſation noch ge- 
halten hat, das war bei den Arbeiterſöhnen längſt nicht mehr vorhanden. Es wäre 
nur eine Frage der Zeit geweſen, wann die Welle des Verfalls, der Zerfetzung 
und Zerſtörung die letzten Formen geſprengt hätte. | 


Wenn der Reichsjugendführer in feiner Neujahrsbotſchaft jagen konnte, daß 
die deutſche Jugend von heute ein fröhlicheres Geſicht trage, dann nicht zum ge- 
ringſten Teil, weil ſie geſünder geworden iſt. Geſünder nicht nur als äußerlicher 
körperlicher Zuſtand, ſondern im Beſitz innerer, ſtarker, natürlicher Kräfte, im körper ⸗ 
lichen Widerſtandsvermögen und in der geſunden Lebensanſchauung wie auch im Ge⸗ 
fühl für eine natürliche Bewertung aller Vorgänge. Damit hat fih der Geſundheits⸗ 
begriff entſcheidend gewandelt. In umweht nicht mehr Krankenhausluft oder die 
Troſtloſigkeit der Erziehungsanſtalten. Das alte ſelbſtverſtändliche Ausleſeprinzip 
der Natur kommt wieder zur Geltung. Es iſt die alte Formel: Nur das, was 
ſtark iſt, wird ſich bewähren, das Schwache wird immer durch das Stärkere vernichtet. 
Deshalb ſagt ſich die deutſche Jugend heute los von der alten Vorſtellung, die in 
der Geſundheitsführung nur eine aus karitativem Mitleid wahrgenommene Pflege 
alles Schwachen und Kranken ſah. Wir bekennen uns vielmehr heute zu einer 
ſpartaniſchen Geſundheitsführung, die nicht zuerſt das Kranke in die Pflege einer 
praktiſchen und aktiven Geſundheitsführung nimmt, ſondern von vornherein zum 
Zweck des Lebens die natürliche Stärkung des Körpers macht und damit einen 
Verfall körperlicher und geiſtiger Kräfte, die Krankheit alſo, verhütet. 

Aber gerade dieſes Ziel des künftigen Geſundheitsbegriffes hat bei vielen Eltern 
auf Mißtrauen geſtoßen. Es kommen da Vorſtellungen auf, daß ein 
übermäßiger Dienſt die Jungen körperlich zu ſehr be⸗ 
anſpruche, daß nicht eine Abhärtung erreicht, ſondern viel 


NReineder / Die Geſundheitsführung der Hitlerjugend 7 


mehr im Gegenteil ihre organiſche Entwicklung ungünſtig 
beeinflußt werde. Die nationalſozialiſtiſche Jugendführung hat Vorſorge 
getroffen, daß in Zukunft nicht nur eine übermäßige körperliche Beanſpruchung der 
Jungen und eine Schädigung ihrer Geſundheit vermieden wird, ſondern daß 
darüber hinaus der Dienſt ſich den geſundheitlichen Erforderniſſen eines jeden 
Jungen anpaßt und ſomit zu einer Heilwirkung für jeden einzelnen wird. Damit 
iſt der Grund gelegt zu einer völlig veränderten Auffaſſung von Krankheit und Arzt. 
Es wird die Folge einer ganz natürlichen Entwicklung ſein, einen Arzttyp zu ſchaffen, 
der den Jungen nicht unperſönlich, ſozuſagen als „Fall“ behandelt. Er wird ſeinen 
Beruf mehr als Berufung auffaſſen und wiſſen, daß er ein verantwortungsvolles 
Amt als geſundheitlicher Betreuer der Jugend wahrzunehmen hat. 


Vor einem Jahre ſchon hatten Hitlerjugend und Jungvolk einen ſehr wefent- 
lichen bahnbrechenden Schritt in bisher unbetretenes Gebiet unternommen und ihre 
Neihenunterſuchungen eingerichtet. Dieſe Reihenunterfuhungen ſtießen eine Beit- 
lang in der Oeffentlichkeit auf Anverſtändnis und Unkenntnis. In den Reihenunter- 
fuhungen wurden die Jungen nicht der „Reihe nach behandelt“, ſondern unter eine 
periodiſche Betreuung geſtellt. Jeder Arzt der nationalſozialiſtiſchen Jugendbewe⸗ 
gung wurde einem beſtimmten Bezirk zugewieſen, und es gehörte zu ſeinen Pflichten, 
durch gewiſſe Zeitläufte hindurch ſorgfältig den Jungen zu beobachten, das Wachs. 
tum zu kontrollieren, gewiſſe Entwicklungsvorgänge zu meſſen und darüber hinaus 
Schäden auszugleichen. Ueber diefe Reihenunterſuchungen hinaus ift nunmehr eine 
umfangreiche Organiſation geſchaffen worden, die dieſe geſundheitliche 
Betreuung zu einer feſten Einrichtung machen wird. 


Der Arzt, der jeder nationalſozialiſtiſchen Jugendformation zugeteilt wird, iſt 
mit großen Befugniſſen ausgeftattet und als ſtän diger Berater den For- 
mationsführern beigegeben. Jeder Dienſt, der aus dem Rahmen des 
Normalen herausfällt, wird ſorgſam mit ihm beſprochen, nach allen Richtungen hin 
überprüft und erft, wenn der Arzt feine Erlaubnis gibt, wird der Dienſt tatſäch⸗ 
lich durchgeführt. Von befonderer Bedeutung war dieſe Maßnahme bei den 
Sommerlagern. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß dieſe zwei Wochen, die jeder 
Junge im Sommerlager verlebte, die ihn herausnahmen aus der natürlichen und 
gewohnten Amgebung des Berufes, der Familie, der Arbeit, vor veränderte und 
neue Situationen ſtellte. Die Eindrücke, die körperlichen Anſtrengungen, die geſamte 
Lebensweiſe waren hier völlig verändert. Der Arzt ſah hierin ſelbſtverſtändlich ein 
großes Feld von vielſeitigen verantwortlichen Aufgaben. In den vergangenen drei 
Jahren find dieſe Lager durch ärztliche Beratung geſichert geweſen. Jedem Lager 
waren nicht nur Aerzte, ſondern auch Feldſchere und im Sanitätsweſen ausgebildete 
Helfer zugeteilt, die alle vorkommenden kleineren Verletzungen und Krankheiten 
ſelbſtändig behandeln konnten. Der Einfluß des Arztes ging aber noch weiter. Er 
bekümmerte ſich um das Eſſen und beſprach mit den Führern und Proviantmeiſtern 
den genauen Verpflegungsplan. Die Erlaubnis zu Gepäckmärſchen oder ſonſtigen 


8 Reineder / Die Geſundheitsführung der Hitlerjugend 


außergewöhnlichen Anſtrengungen innerhalb des Dienſtbetriebes wird nur dann 
gegeben, wenn ſämtliche Vorkehrungen getroffen find, die einen reibungsloſen Ver- 
lauf dieſer Aebungen garantieren. Es gibt keinen beſſeren Beweis für den Erfolg 
einer fo in jeder Kleinigkeit durchorganiſierten und geſicherten geſundheitlichen Be- 
treuungsarbeit als die ärztlich regiſtrierte geſundheitliche Er ⸗ 
holung nach Beendigung eines jeden Sommerlagers. 


Aber nicht nur hier ſieht der Arzt das Feld ſeiner Betätigung. Eine be⸗ 
ginnende umfangreiche Neuorganiſierung des geſamten deutſchen Aerzteweſens wird 
alich bei der nationalſozialiſtiſchen Jugend die fo begonnene erfolgreiche ärztliche 
Betreuung weiter ausbauen und verſtärken. Man iſt in den leitenden Stellen der 
Neichsleitung der Partei wie auch den zuſtändigen Behörden des Staates ſich deſſen 
bewußt, daß die Arbeit an der Geſundheit des Volkes für die Zukunft die be- 
deutendſte Rolle ſpielt. Es fegt ſich heute immer mehr die Anſicht durch, daß man 
nicht erſt dann mit den Hilfsmitteln, Kenntniſſen und Erfahrungen des Arztes ein⸗ 
ſetzen muß, wenn es ſich um den ſichtbaren Krankheitsfall handelt, ſondern daß die 
Hauptaufgabe des neuen Arztes darin beſteht, die vorhandene geſundheitliche Kraft 
zu fordern und fie von vornherein vor Schädigungen zu bewahren. Der Arzt fiebt 
feine Stellung heute nicht mehr als „Poſition“, ſondern in erfter Linie als verant- 
wortliche Aufgabe. 


In Zukunft wird jeder deutſche Menſch von ſeinen erſten Lebensjahren an dis 
zu feinem Tode geſundheitlich beobachtet. Man beginnt dabei bei der national- 
ſozialiſtiſchen Jugend, die als organifierte Form am erften die Möglichkeit bietet, 
dieſen Plan mit allen Konſequenzen durchzuführen. Jedem Jungbann des Deutſchen 
Jungvolks wird ein Arzt und ein ärztlicher Mitarbeiterſtamm zugewieſen. Jeder 
Junge, der einer nationalſozialiſtiſchen Jugendorganiſa⸗ 
tion angehört, wird in Zukunft neben feinen Ausweis- 
papieren einen ebenſo wichtigen Geſundheitspaß mit ſich 
tragen. Bei feinem Eintritt in das Jungvolk bekommt er ein Geſundheits⸗ 
ſt amm buch, das ihn in jeder Phaſe feines Lebens begleitet, das je nach der Ver- 
änderung ſeines Alters wie auch ſeiner Lebensumgebung von Arzt zu Arzt geht, 
das ihn begleitet und in feinen vielerlei Eintragungen, Meſſungen und Beob⸗ 
achtungen, die regelmäßig gemacht werden, ein wahres Spiegelbild ſeiner vor- 
handenen Kraft if. Der Arzt unter ſucht jeden Jungen auf be: 
ſtimmte körperliche Fähigkeiten, und wo er Abweichungen 
vom normalen Zuſtand feſtſtellt, ſucht er durch eine ent- 
ſprechende Behandlung eine Aenderung zum günſtigen zu 
erreichen. Bemerkenswert jedoch iſt, daß nach den neueren Erfahrungen dieſe 
Tätigkeit des Arztes ihren beſonderen Wert gerade im Entwicklunsalter 
des Jungen zeigt. Es beſteht in dieſer Altersſtufe noch die Möglichkeit, durch 
eine zweckgerichtete Entwicklung Schäden auszugleichen, die ſich in fpdteren Jahren 
nur febr ſchwer bekämpfen laffen. Wichtig ift fernerhin, daß man davon abſieht, 


Neineder / Die Geſundheits führung der Hitlerjugend 9 


bei den Jungen mit Hilfe von Arzneien, Präparaten ufw. eine Beſſerung zu er- 
ſtreben, ſondern daß die meiſten Schäden als Entwicklungsſchwächen durch eine 
mäßige körperliche Anſtrengung und Ausbildung zu beheben verſucht werden. Der 
Dienſt im Jungvolk, der ehemals für manche Eltern eine 
Quelle großer Beſorgnis war, wird nun zu einem fegens- 
reichen Heilmittel, dem die Eltern ihr völliges Vertrauen 
ſchenken können. Stellt z. B. ein Arzt bei einem Jungen eine weiche Wirbel- 
ſäule feft, fo wird er dem Jungen ſowie auch dem Formationsführer vorſchlagen, 
den Schwimmunterricht beſonders intenfiv durchzuführen. Oder hat irgendein Junge 
eine ſchwache Lunge, ſo darf er auf keinen Fall zu Hundertmeterläufen herangezogen 
werden, die in einer kurzen Zeit übermäßig große Anforderungen an ihn ſtellen. 
Dagegen wird der Formationsführer wiſſen, daß 3000 und 5000 Meter zu laufen 
für dieſen Jungen wichtig ift, der jo über eine langſame Kräftigung des betreffen- 
den Körperteiles und Organes zu einem leiſtungsfähigen und ganz geſunden Jungen 
werden kann. 


Der Einfluß des Arztes geht noch über dieſe Kleinarbeit bei den Formationen 
hinaus. Beabſichtigt irdgendeine Formation, eine Fahrt in ein fremdes Gebiet, 
in eine veränderte Landſchaft, in der andere klimatiſche Bedingungen herrſchen, zu 
veranſtalten, Treffen oder Lager ſtattfinden zu laſſen, ſo wird ſich der betreffende 
Formationsarzt genau unterrichten, ob er vom ärztlichen Standpunkt aus feine Bu- 
ftimmung geben kann. Es iſt ſchon vorgekommen, daß Tagungen plötzlich ausfallen 
mußten, weil in dem betreffenden Gebiet eine anſteckende Krankheit, etwa ſpinale 
Kinderlähmung, graſſierte und auf Einſpruch des Arztes ſämtliche Veranſtal⸗ 
tungen aufgegeben werden mußten. Der Arzt wird auf dieſe Weiſe in 
ein ganz beſonderes Verhältnis zu der Jugend kommen. Er 
iſt nicht der „Doktor“, ſondern mit ihnen als ihr Kamerad zuſammen in Lagern 
und auf Fahrt. Seine geſundheitliche Betreuung iſt eine faſt unmerkliche, aber 
ſtetige. So kommen die Jungen ſelbſt zu einem ganz anderen Begriff und zu einer 
ganz anderen Vorſtellung und zu einer ganz anderen Bewertung der Geſundheit. 
Die Geſundheitsführung obliegt nicht mehr allein den Aerzten, ſondern jeder ein⸗ 
zelne Formationsführer wird aus ſeinem Verantwortungsgefühl für die ihm an⸗ 
vertrauten Jungen heraus zu einer beſonderen Verantwortung vor der Geſundheit 
kommen. Die Jungen ſelbſt werden dem Segen einer ſolchen praktiſchen Arbeit nicht 
gleichgültig gegenüberſtehen. 


Der Arzt flieht in dem Jungen ſelbſt feinen wichtigſten Helfer. Sie leiten die 
Ausbildung der Formationsführer als Feldſchere. In den einzelnen Gebieten 
werden jungbannweiſe beſondere Lehrgänge durchgeführt, die eine Anterweiſung in 
der „erſten Hilfe“ bei Anglücksfällen und Verletzungen geben und mit einer Prü⸗ 
fung zum Feldſcher abſchließen. Weit wichtiger ift bei dieſen Lehrgängen 
die Ausbildung im allgemeinen Geſundheitsdienſt. Es wird beſonderer Wert darauf 
gelegt, das Intereſſe und Gefühl für die Geſundheitsführung zu erwecken. Deshalb 


10 Reineder / Die Geſundheitsführung der Hitlerjugend 


umfaßt der Lehrplan außer „erfter Hilfe“ allgemein gehaltene Vorträge über 
Geſundheitsführung, Hygiene, Infektionskrankheiten, biologiſche Fragen uſw. Die 
Abende werden in Form einer wirklichen Arbeitsgemeinſchaft durchgeführt. Dieſe 
Lehrgänge, die in allen größeren Städten durchgeführt worden find, zeigten ſchon 
nach wenigen Stunden, daß die Arbeitsgemeinſchaft, die Freundſchaft zwiſchen Arzt 
und Führer ſo zu werden verſpricht, daß ſich der Arzt auch über Dinge mit den 
Jungen unterhalten könne, über die ſie ſich ſonſt nur mit Gleichaltrigen und mit 
Freunden ausſprechen. 

Ganz beſondere Berückſichtigung findet die ärztliche Betreuung in dieſem Jahre, 
da zum erſten Male ein ganzer Jahrgang möglichſt geſchloſſen aufgenommen werden 
fol. Der ſo in dieſem Jahre begonnene jahrgangsweiſe Auf- 
bau der nationalſozialiſtiſchen Jugend hat im Gefolge eine 
ebenſo totale, ſtetige und gleichmäßige Betreuung, die in 
ihrer organiſatoriſchen Form feſt begründet iſt. Es werden in 
dieſem Jahre keine Jungen aufgenommen, die nicht in ihrer geſundheitlichen Ver- 
faſſung und körperlichen Konſtitution die völlige Gewähr dafür bieten, daß der 
Dienſt des Jungvolks von ihnen reſtlos ausgeführt werden kann. Zum anderen wird 
ſie den Eltern die Beruhigung und die Gewißheit geben, daß ihr Junge nach 
ärztlichem Befund die Dienſtanforderungen zu ertragen imſtande iſt. 
Während der Probedienſtzeit wird jeder neueintretende Junge ärztlich auf ſeine 
Eignung unterſucht. Der Junge wird nur dann endgültig aufgenommen, wenn das 
Tauglichkeitszeugnis des zuſtändigen Arztes vorliegt. Die Anterſuchung erfolgt 
fiber die Jugenddienſtſtelle beim Amt für Volksgeſundheit, die von HF-Sruppen- 
ärzten in Perſonalunion verwaltet werden. Es ſind dies bei den politiſchen Gauen: 


a) die Jugendbeauftragten beim Gauamt für Volksgeſundheit (Gebietsärzte); 
bei den politiſchen Kreiſen: 


b) die Jugendbeauftragten bei den Kreisämtern für Volksgeſundheit (Bannärzte). 


Verantwortlich für die ordnungsgemäße Durchführung aller Anterſuchungen 
find die Jugendbeauftragten beim Gauamt für Volksgeſundheit, die einen Sonder- 
beauftragten für Jungvolkfragen, Dienſtbezeichnung: „Jungvolkbeauftragter“, mit 
der Durchführung der Arbeit betrauen können. 


Die Organiſation des Aerzteweſens der nationalſozialiſtiſchen Jugend iſt bis 
ins kleinſte vorgenommen und bietet ſo die Gewähr für eine Geſundheitsführung, 
die ſich ſchon in naher Zukunft als ſegensreich erweiſen wird. Das traurige Bild 
der letztvergangenen Jahre wird dann endgültig der Vergangenheit angehören, und 
in der harten Dienſt⸗ und Pflichtauffaſſung der nationalſozialiſtiſchen Jugend wird 
eine körperlich geſunde Jugend die Aufgaben beſſer zu erfüllen wiſſen, als die 
Jugend der Nachkriegsjahre. 


Steinbömer / Zum Streit um Rothes Shakeſpeare 11 


Gustav Steinbömer: 


Zum Streit um Rothes Ghakefpeare 


Bei der Frage, ob die Notheſche Shakeſpeare⸗Aeberſetzung den Anſpruch er- 
heben darf, die Schlegel ⸗Tieckſche Aebertragung zu erſetzen, wird man von einer 
grundſätzlichen Feſtſtellung ausgehen müſſen. Die Schlegel⸗Tieckſche Aeberſetzung ift 
keine Einheit. Auguſt Wilhelm Schlegel hat in den Jahren 1797 bis 1810 
17 Dramen Shakeſpeares überſetzt. Dann wollte Tieck die Arbeit fortführen. Tieck 
ſelbſt hat aber kein einziges Stück überſetzt, ſondern die Arbeit übernahmen ſeine 
Tochter Dorothea, die 6 Stücke ſelbſtändig übertrug, und der Freund des Tieckſchen 
Haufes, Graf Baudiſſin, der 13 Stücke überſetzte, z. T. unter der Mitwirkung 
Dorotheas. Tiecks Anteil beſchränkte ſich darauf, bei den abendlichen Vorleſungen 
des Vollendeten, Verbeſſerungen und Vorſchläge zu machen. Baudiſſin war fo groß- 
zügig, Tieck den Namen zu überlaſſen — übrigens auch das Honorar —, dafür iſt er 
dann auch von der Nachwelt gebührend vergeſſen worden. Zwiſchen der Schlegelſchen 
Aeberſetzung und der von Baudiſſin oder Dorothea Tieck beſteht ein grundſätzlicher 
Wertunterſchied. 

Schlegels Aebertragung iſt das dichteriſche Ergebnis eines großartigen Er- 
eigniſſes: der Begegnung der deutſchen Sprache mit dem Geiſte Shakeſpeares in 
einer Zeit, die durch Herder und Goethe die Welt Shakeſpeares wie einen neuen 
geiſtigen Erdteil entdeckt hatte. Schlegel hat aus dieſem Arerlebnis ſeiner Zeit die 
Einverleibung Shakeſpeares in die deutſche Sprache vollbracht. Seine Aeberſetzung 
ift daher eine dichteriſche Schöpfung, die faſt den gleichen ſprachlichen Schutzanſpruch 
hat wie die deutſche Dichtung eines deutſchen Dramatikers. Ein ſolches Eingehen 
fremdſprachlicher Dichtung in die eigene Dichtung ift ein einmaliger und unwiderhol⸗ 
barer Vorgang. Die Schlegelſche Aebertragung kann daher als Ganzes überhaupt 
nicht erſetzt, ſondern nur im einzelnen verbeſſert und dramaturgiſch überarbeitet 
werden. Anders liegen die Verhältniſſe bei den ſehr begabten Aeberſetzungen von 
Baudiſſin und Dorothea Tieck. Sie ſtammen nicht mehr aus dem dichteriſchen Ent- 
deckererlebnis der Schlegelzeit, ſondern aus dem reichen ſpätromantiſchen Sprach- 
empfinden der nächſten Generation. Gegen ihre Erſetzung wird daher nicht jener 
grundſätzliche Einwand erhoben werden dürfen. 

Rothe überſieht nun jenen Vorgang der dichteriſchen Eindeutſchung Shake⸗ 
fpeares und geht von feinem ſehr reichen und gründlichen philologiſchen Willen 
um den hiſtoriſchen Shakeſpeare aus. Da liegt ſein Grundirrtum. Denn mit der 
unbeſtrittenen Tatſache, daß wir einen „reinen“ Shakeſpeare, eine unverſtümmelte 
Arform der Shakeſpearſchen Werke nicht beſitzen, daß wir als beſtes nur eine Foli- 
ausgabe haben, die 7 Jahre nach dem Tode des Dichters mit hineingearbeiteten 
Negiebüchern und Raubdruden von zwei Schauſpielerkollegen herausgegeben iſt, ift 
eine Neuſchöpfung noch nicht gerechtfertigt. Es handelt ſich nicht um einen „Kampf 
um Shakeſpeare“, den überlaſſen wir den Angliſten, ſondern es handelt ſich um die 
konkrete Frage, ob die Notheſche Aeberſetzung die Schlegelſche Neuſchöpfung, die aus 
einem Arerlebnis, und die Tieckſche Aebertragung, die aus einem Bildungserlebnis 


12 Steinbömer / Zum Streit um Rothes Shalefpeare 


ſtammt, erjegen darf und fann. Rothe wirft der Schlegel Tieckſchen Aeberſetzung 
die „Romantifierung” Shakeſpeares vor. Selbſtverſtändlich hat Schlegel aus den 
frühromantiſchen, haben Dorothea Tieck und Baudiſſin aus den ſpätromantiſchen 
Vorausſetzungen und Vorſtellungen ihrer Zeit überſetzt. Eine „Entromantiflerung” 

Shakeſpeares iſt eine bedeutſame Aufgabe für unſere Bühnen. Daß Dramaturgie 
und Spielleitung ſie mit der Schlegelſchen Aeberſetzung zeitgemäß löſen können, haben 
die vergegenwärtigten und völlig „unromantiſchen“ Aufführungen des Hamlet und 
Lear im Berliner Staatstheater glänzend erwieſen. Rothe glaubt aber, daß dieſe 
Gegenwartsaufgabe von der Sprache her, d. h. durch eine völlige Neuüberſetzung in 
ein heutiges Deutſch gelöſt werden muß und kann. Er nimmt daher für ſeinen 
Shakeſpeare die leichtere Spielbarkeit, die größere Zeitnähe, das unmittelbarere, 
breitere Verſtändnis des Volkes in Anſpruch. Wir wollen in ganz wenigen Bei- 
ſpielen die Schlegelſche, die Baudiſſinſche und Dorothea Tieckſche Aeberſetzung der 
Notheſchen gegenüberſtellen. 


J. Aus „Romeo und Julia“, dem erſten von Schlegel übertragenen 
Drama (1797): 
Bei Schlegel beginnt das Drama wie bei Shakeſpeare mit einem Wortſpiel: 
wir wollen nichts in die Taſche ſtecken“. „Freilich nicht, ſonſt wären wir 
Taſchenſpieler.“ „ . . . Ich werde den Koller kriegen und vom Leder ziehen.“ 
„Nein Freund, Deinen Lederkoller mußt Du beileibe nicht ausziehen.“ 
Rothe: „ . . . mich kann niemand mehr vors Schienbein treten.” (ohne 
folgendes Wortſpiel). 
Schlegel: „Der Narben lacht, wer Wunden nie gefühlt.“ 
Rothe: „Wer über Not ſcherzt, kennt die Sorge nicht.“ 
Schlegel: „So einzige Lieb aus einzigem Haß entbrannt ... ich fühle mich 
getrieben, den ärgſten Feind aufs zärtlichſte zu lieben.“ 
Rothe: „Drum Kind, Steht in der Bibel aufgeſchrieben, daß wir die Bbdfen 
Feinde herzlich lieben.“ 
Schlegel: „. .. Sonſt färbte Mädchenröte meine Wangen.“ 
Rothe: Weil fonft ein Mädchen febr erröten müßte.” 
II. Aus Sturm’ , einer reifen Aebertragung Schlegels (1798). 
Schlegel: „Nichts an ihm, das fol verfallen, 
Das nicht wandelt Meereshut 
In ein reich und ſeltnes Gut.“ 
(Es ſind die ſchönen Verſe, die — engliſch natürlich — auf dem Grabſtein 
des Dichters Shelley bei der Ceſtius⸗ Pyramide in Rom ſtehen.) ö 
Rothe: „Denn nichts geht verloren. 
Das unabläſſig ſchaffende Meer 
verwandelt 
veredelt 
alle Dinge, 
und fie werden koſtbar und felten.” 


Steinbömer / Zum Streit um Rothes ShHalefpeare 13 


Schlegel: „. . . Wir find folder Stoff 
Wie der zu Träumen, und dies kleine Leben 
Amfaßt ein Schlaf!“ 


Rothe: Fehlt! 


III. Aus „Maß für Maß“, überſetzt von Baudiſſin (1831). 


Baudiffin: „Mein Amt zerfiele ja in wahres Nichts, 
Straft ich die Schuld, wie das Geſetz begehrt, 
And ließe frei den Täter.“ 


Rothe: „Würde mein Amt nicht null und nichtig fein, 
wenn ſogar das, was im Geſetzbuch ſtehet, 
ohne ernſte Folgen übertreten würde.“ 


Baudiſſin: „Was in des Feldherrn Mund ein zornig Wort, 
Wird beim Soldaten Gottesläſterung.“ 


Rothe: „Die Gottesläſterung des Grenadiers 
iſt Mut und Leidenſchaft im Mund des Feldherrn.“ 


IV. Aus „Wintermärchen', überſetzt von Dorothea Tieck (1832). 


Tieck: „Du biſt vor Alter ſtumpfen Sinns; wo nicht 
| Ein Tor ſchon von Geburt.“ | 


Rothe: „Entweder hat das Alter dich zerrüttet, 
oder du biſt von Haus aus ſtumpf.“ 


Tieck: „Verdammt des Königs heillos blinder Wahnfinn.“ 


Rothe: „Die plumpe Wut des Königs, verhetzt und ziellos, 
ſoll der Teufel holen.“ 


Tieck: „Wär ich der irre Geiſt, ich käme dann 
And hieß Euch ſchaun in jener Aug' und fragte. 
Ob Ihr um dieſen matten Blick ſie wähltet; 
Dann kreiſcht' ich auf, das Euer Ohr zerriſſe, 
And ſchiede mit dem Wort: Gedenke mein.“ 


Rothe: Fehlt! 


Selbſt dieſe wenigen kurzen Stichproben laſſen vielleicht ſchon erkennen, daß 
die Rotheſche Aebertragung eine Entzauberung und Cntpoetifierung der einſt 
dichteriſch eingedeutſchten ſhakeſpeareſchen Sprache ift. Die Vergegenwärtigung Shake 
ſpeares durch Rothe beſteht in der Amſetzung einer dichteriſchen Sprache in eine 
glatte und gängige Großſtadtſprache. In dieſer wird der plaſtiſche Bildreichtum 
der Shakeſpearſchen Sprache verflacht und banalifiert und werden tiefe metapho⸗ 
riſche Stellen als „romantiſch“ oft einfach fortgelaſſen. Ebenſo fällt das Wortſpiel. 
Wortwitze werden durch Schnoddrigkeiten erſetzt, rhetoriſch eingekleidete Derbheiten 


14 Keller / Zum Streit um Rothes Shakeſpeare 


zu unverhüllten Eindeutigkeiten vergröbert. So wandelt dieſe Aeberſetzung vielfach 
auch Geiſt und Haltung der Shakeſpearſchen Welt, verbürgerlicht und entpolitiftert 
fle. Die Rotbeihe Aeberſetzung ift weniger eine Schöpfung aus dem Sprachgeiſt 
des Volkes als ein Werk aus der Sprachübung der Maſſe. 


Prof. Wolfgang Keller, Münster i. W., Herausgb. d. Shakespeare Jahrbuchs: 


Seit Ludwig Tieck in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit ſeiner 
Tochter Dorothea und dem Grafen Wolf Baudiſſin als Mitarbeitern Schlegels 
vorzeitig abgebrochene Aeberſetzung der Shakeſpeareſchen Dramen, die dem Werk des 
britiſchen Dichters eine klaſſiſche deutſche Form gegeben hatten, fortgeſetzt und 
vollendet hatte, hat es immer einen Kampf um Shakeſpeare in Deutſchland gegeben. 
Es iſt das Recht der Jugend, ihre eigenen Wege zu ſuchen und die Werke ihrer 
Vorgänger, die ſie als unvollkommen empfindet, in ihrem Sinne beſſer zu geſtalten. 
Die Geſchichte muß entſcheiden, ob dieſe Verſuche der Jugend eine tatſächliche 
Beſſerung erzielt haben. Im Kampf um Shakeſpeare hat bis jetzt die Geſchichte zu- 
gunſten von Schlegel und Tieck entſchieden. Aber dieſe Entſcheidung muß nicht end- 
gültig ſein. 

Wenn Hans Rothe neuerdings mit dem Anſpruch auftritt, uns nicht nur 
Beſſeres zu bieten als Schlegel⸗Tieck, ſondern teilweiſe auch Beſſeres als Shake⸗ 
ſpeare, ſo liegt darin an ſich noch kein Mangel an Ehrfurcht vor dem größten 
dramatiſchen Genius der Neuzeit. Sein Standpunkt, daß nicht alles, was in einem 
Shakeſpeareſchen Drama ſteht, von Shakeſpeare fein müſſe, iff auch dann an- 
zuerkennen, wenn er, einer falſchen philoſophiſchen Führung folgend, fih eine über- 
triebene Vorſtellung von der mangelhaften Aeberlieferung von Shakeſpeares Text 
macht. Aber doch iſt in dieſem Punkt für ihn höchſte Vorſicht geboten. Shakeſpeares 
Dramen ſind uns in einer Ausgabe überliefert, die, wenn ſie auch erſt 7 Jahre nach 
des Dichters Tode fertig wurde, doch als die offizielle Ausgabe ſeines Theaters 
und ſeiner perſönlichen engſten Freunde bezeichnet werden kann. Selbſt wenn mit 
Hilfe moderner Methoden der Schallanalyſe fi einzelne Stellen in dieſer Aus- 
gabe als unſhakeſpeariſch erweiſen, haben ſie doch, wenn nicht die Sanktion von 
Shakeſpeare ſelbſt, ſo doch die ſeiner Mitſpieler gefunden; und ſo, wie wir ſie 
haben, ſind, von kleinen Fehlern abgeſehen, die Dramen über Shakeſpeares Bühne 
gegangen. Es iſt nicht mehr als billig, daß wir als Publikum den Anſpruch er- 
heben dürfen, ſie in derfelben Geſtalt, in unſere Sprache übergeführt, zu ſehen. 

Eine andere Frage iſt die, ob die Aeberſetzung Schlegels und Tiecks unſeren 
Anſprüchen genügt. Hier hat das Arteil der Geſchichte eindeutig für Schlegel ge- 
ſprochen, nicht eindeutig für ſeine Mitarbeiter. Es wird deshalb nie an Verſuchen 
fehlen, die Tieckſchen Aeberſetzungen abzuändern oder neu zu geſtalten. Das Arteil 
der Zuſchauer wird verſchieden ausfallen zu verſchiedenen Seiten. Man fol dieſem 
Arteil nicht vorgreifen. 

Ein drittes Problem, das in dieſer Form eigentlich erſt von Rothe aufgegriffen 
wurde, iſt die Bearbeitung Shakeſpeareſcher Luſtſpiele für den modernen Geſchmack. 


—— — — — — —— — — — gin 


Keller | Zum Streit um Rothes Shakeſpeare 15 


Nothe geht hierin ganz radikal vor. Er dichtet ſelbſtändig neue Szenen und führt 
ſelbſtgeſchaffene Charaktere ein. Die Erfahrung hat gezeigt, daß er damit ſehr großen 
Beifall bei den deutſchen Zuſchauern, auch bei ſolchen, auf deren Arteil wir hören 
dürfen, gefunden hat. Ich glaube, daß hier der Erfolg für unſere Zeit inſofern 
Rothe rechtfertigt, als er den an ſich vielfach zeitgebundenen Shakeſpeareſchen Humor 
in einen der großen Maſſe ſeiner Zuſchauer leichter verſtändlichen Witz umgeſtaltet, 
wobei ihm eine glückliche Hand nicht abzuſprechen iſt. Aber auch hier ſollte das 
Publikum nicht einſeitig nur mit den Moderniſierungen Rothes abgeſpeiſt werden. 
Neben dieſen werden gerade bedeutende Talente unter den Schauſpielern und 
Theaterleitern lieber die Feinheiten von Shakeſpeares eigener Kunſt wiedergeben. 


Der Kampf um Shakeſpeare ift keine Schande für unfer künſtleriſches Emp- 
finden. Anſere Jugend ſoll kämpferiſch ſein. Warum ſoll ſie den Kampf um Shake⸗ 
ſpeare deshalb ſcheuen? Wenn Rothes Verſuche nicht von Dauer find, dann können 
ſie doch ſeiner eigenen Generation etwas nicht Wertloſes geboten haben. Aber die 
Jugend ſoll auch wiſſen, daß, wie auch die Geſchichte ſich entſcheidet, das Wahre, 
das Gute, das Große ſich gegen alle Hinderniſſe immer durchgeſetzt hat. 


Den größten dramatischen Dichter der nordischen Rasse seit den Griechen, einen 
Weltschöpfer, aus dessen Tiefe Jahrhunderte der Kunst Nahrung, Leben und Form 
gewannen, in der Bummelsprache des Asphalts, in der Bedientensprache bürgerlicher 
Alltäglichkeit reden zu lassen, ist in meinen Augen eine Gotteslästerung. Wollte 
man aus den Götterliedern der Edda Songs für das Kabarett, aus den Gesängen 
des Nibelungenliedes liberale Romankapitel schneiden, so würde sich ein wachsendes 
Volk einmütig dagegen wehren, das an der Arbeit ist, sich auf seinem unendlichen 
Wege Denkmäler seiner Größe zu errichten. Rothes Versuch, Shakespeare zu ver- 
menschlichen, ist ein Angriff auf den Tiefenglanz der übermenschlichen Mächte, der 
nationalmoralisch auf derselben Stufe steht wie Freuds psychoanalytische Zersetzung 
unserer Daseinswurzel, wie Emil Ludwigs feuilletonistische Zerkleinerung unserer 
erhabenen Geschichte, wie Hamlet im Frack. Es gibt keinen Miniaturdom; zur Ent- 
fesselung eines großen architektonischen Rhythmus gehört schwingende Masse, mit 
Gang und Tat shakespearischer Helden ist das heldische Pathos unlöslich verbunden. 
Kant durfte die Musik noch für einen Hazard, für ein Gesellschaftsspiel halten. Seit 
Schopenhauer und Nietzsche aber wissen wir um die tiefe, tragisch-heroische Lebens- 
macht dieser Kunst. Weil wir der wachsenden Größe unseres Volkes verschworen 
. sind, lehnen wir Rothes Versuch, den Dämon Shakespeare zu entgenialisieren und 
seine Gestalten, die aus dem Mythos kommen, den bürgerlichen Massen über den 
nackten Verstand hinweg mundgerecht zu machen, entschieden ab. Wir bekennen uns 
zum „holden Wahnsinn“ seiner Sprache, wie sie Schlegel-Tieck für uns Deutsche nach- 
gebildet haben und empfangen den ungeheuren Zug seiner Schöpfungen nicht nur 
mit dem Verstande, sondern mit dem Herzen, und das heißt: mit dem ganzen, un- 
geteilten Menschen, von dem der Verstand nur eine kleine, meistens öde und schul- 
meisterliche Provinz ist. Josef Magnus Wehner. 


16 Gonwell-Evans / Deut[G-englifGe Sufammenarbeit 


T. P. Conwell-Evans, London: 


Dentich-ensliiche Zuſammenauben 


Diese Zeilen stellt uns ein Engländer als Aeußerung zum 
geschichtlichen 7. März zur Verfügung. 


Die großen Ereigniſſe des letzten Monats, nämlich die Befreiung des Rhein- 
landes von den letzten Feſſeln des Verſailler Vertrages, zeigen, was eigentlich die 
Rolle Englands in den deutih-englifhen Beziehungen ift. Die gewaltige Aufregung, 
die Verwirrung, die auf dem Feſtlande Europas hervorgebracht wurde, hätte leicht 
zu Feindſeligkeiten geführt, wenn England nicht ſeinen beruhigenden Einfluß ein- 
geſetzt hätte. Mit einem Wort, es iſt die Pflicht Englands, Vermittler zu ſein, der 
endlich Deutſchland und Frankreich zur Verſöhnung bringen wird. ; 

Dieſer Pflicht ift ſich England feit dem großen Kriege bewußt geweſen, aber 
in den Nachkriegsjahren hat es ſich nicht damit immer mit gleichem ſtarken Willen 
beſchäftigt. Neuerdings hat der Minifterpräfident Baldwin wieder das Ziel völlig 
anerkannt, als er es im Unterhaus zum Ausdruck brachte. Eine nötige Vor ⸗ 
ausſetzung des Friedens in Europa, ſagte er, iſt eine feſte 
ſtän dige Freundſchaft zwiſchen England, Deutſchland und 
Frankreich. 


Seit dem Kriege hat England verſucht, die Teilung Europas in zwei auf⸗ 
gerüſtete Lager zu verhindern. Man hat durch die Erfahrung des großen Krieges 
1914/1918 eingeſehen, daß dieſe Politik der „Gleichgewichte“ nicht mehr dem Frieden 
dienen könnte. Heute Frankreich zu unterſtützen gegen Deutſch ⸗ 
land und morgen Deutſchland gegen Frankreich, das iſt keine 
Löſung. 

Der Reichskanzler Adolf Hitler hat in feiner Rede vom 7. März die Bereit- 
willigkeit Deutſchlands, in den Völkerbund einzutreten, angekündigt. Dieſer Vor- 
ſchlag hat das engliſche Volk ſehr gefreut, da es feſt überzeugt iſt, daß durch einen 
richtigen Völkerbund, darin jedes Mitglied gleichberechtigt iſt, 
man allein den Frieden auf die Dauer bewahren kann. 


In England iſt der Glauben an die Prinzipien des Völkerbundes tief im Herzen 
des Volkes eingewurzelt. Man gibt zu, daß bisher feit 1919 der Völkerbund zie m⸗ 
lich einſeitig geweſen ift; geboren in den Zuſtänden des Krieges, ift er big- 
her feinen idealen Zwecken nicht gewachſen geweſen. Aber wenn ein Deutſch⸗ 
land, das feine Gleichheit und Wehrhoheit erreicht hat, 
wieder Mitglied wird, verliert der Völkerbund die Eigen ⸗ 
ſchaften einer Geſellſchaft von Siegerſtaaten, die feine 
Entwicklung verhindert haben. Erſt jetzt, wenn Deutſchland wieder 
dabei iſt, kann dieſe Inſtitution ein richtiges Zuſammenleben der Völker fördern 
und die zwiſchenſtaatlichen Beziehungen erleichtern. 


Aus neuen Shakespeare-Auffuhrungen 


„Die lustigen Weiber von Windsor“: Heinrich George als Falstaff 


„König Lear“: Bernhard Minetti als Edmund, Paul Hartmann als Edgar 


„Wintermärchen“: Theodor Loos als Konig Leontes, Lil Dagover als Konigin 


Hamlet“: Gustaf Gründgens in der Titelrolle 


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Conwell-⸗Evans / Deutſch⸗engliſche Zuſammenarbeit 17 


In der Vorkriegszeit waren die zwiſchenſtaatlichen Beziehungen im Zuſtand 
einer Anarchie. Jeder Staat hatte das Redt, gegen feinen Nachbarn Krieg zu 
führen. Daher iſt der leidenſchaftliche Verſuch zu erklären, Bündniſſe zu ſchaffen 
gegen einen beſtimmten Gegner, den künftigen Feind. Jeder Staat rüſtet ſich ſo 
ſtark wie möglich auf. Die Nervoſität und die Furcht wurden immer größer durch 
das Wettrüſten. Die militäriſchen Vorbereitungen in jedem Lande waren un⸗ 
geheuer. Käme eine Kriſe, wäre fie ſchwer zu überwinden geweſen, da die General- 
ſtäbe in jedem Lande ſofort ihre techniſchen Vorbereitungen zu prüfen anſingen. 
Aeberall fürchtete man ein ſchnelles, überraſchendes Eingreifen von der Seite des 
Feindes, jedes Land ſtand in einem ſolchen Augenblick vor der Gefahr einer Mobil- 
machung des feindlichen Nachbarn. Und in dieſem Augenblick bleibt 
die politiſche Streitfrage, die die Kriſe hervorgebracht hat, 
nicht mehr im Vordergrunde. Eine Mobilmachung, wenn auch 
defenſive, kann die Welt in Flammen ſetzen. 


In dieſer Art iſt letzten Endes der große Krieg von 1914 ausgebrochen, 
und kein Staat war daran ſchuldig. 


Schuld daran iſt die Anarchie des zwiſchenſtaatlichen Lebens geweſen. — 


Durch ſeine Friedensvorſchläge vom 7. März hat Adolf Hitler den Völkern 
Europas die Möglichkeit gegeben, dieſen alten ſchlechten Syſtemen ein Ende zu 
machen. Die Mitglieder des Völkerbundes haben kein Recht, zum Krieg zu ſchreiten; 
ſie müſſen eine Streitfrage dem Vermittlungsverfahren des Völkerbundes vorlegen. 
And wenn nach einer Friſt von 9 Monaten es dem Völkerbund nicht gelungen 
iſt, die ſtreitenden Mächte zu verſöhnen, iſt es erſt dieſen Mächten nicht verboten, 
ihre Streitfrage unter gewiſſen Amſtänden durch Gewalt zu löſen. Aber der Nat 
bat immer das Redt, Maßnahmen zu treffen, um den Krieg zu verhindern oder 
um den Feindſeligkeiten ſofort ein Ende zu machen. Durch dieſe Inſtitution ver⸗ 
hindert man alſo, daß eine politiſche Kriſe zwiſchen den Mächten ſich ſofort in eine 
viel gefährlichere militäriſche Kriſe umwandelt. Das Rififo von gegenſeitigen Mobil- 
machungen in einem gewiſſen Augenblick ift. dadurch vermindert. Das neueſte Zei, 
ſpiel ſteht vor unſern Augen. Die politiſche Kriſe iſt durch die Wiederbeſetzung 
des Rheinlandes hervorgebracht worden; gemäß dem Locarnovertrag mußten aber 
die Mächte die Frage vor den Völkerbund bringen und die Löſung durch fried- 
liche Mittel zu erreichen verſuchen. Wenn dieſe rechtlichen Verpflichtungen nicht 
vorhanden wären, wäre die Kriſe ganz anders verlaufen. Durch dieſe Inſtitution 
konnte England ſofort ſeine Kraft einſetzen als friedlicher Vermittler zwiſchen Frank⸗ 
reich und Deutſchland. | 

Wenn nun ein ſtarkes Deutſchland als ſtändiges Mitglied des Rates feinen 
Platz mit England und anderen großen Mächten nimmt, kann der Völkerbund erſt 
ganz poſitive Aufgaben durchzuſetzen anfangen, und zwar gerechte Anſprüche auf 
Revifion erfüllen. Es iſt viel wichtiger, Arſachen eines künftigen 
Krieges zu beſeitigen, als Maßnahmen zu treſſen gegen 


18 W. / Blid auf Japans Probleme 


einen verzweifelten Angreifer, der unter Ungerechtigkeit 
leidet. Wenn der Völkerbund dieſer dynamiſchen Aufgabe gleich gewachſen ift, 
wenn er ein wirkliches Inſtrument der Umwandlung wird, kann man erft Hoff ⸗ 
nung auf die Zukunft haben. 

Das engliſche Volk freute ſich ſehr über das große Angebot Adolf Hitlers, der 
dieſe Entwicklung ermöglichen will. Für England wird der Eintritt Deutſchlands 
in den Völkerbund von großer Bedeutung ſein. Die große Linie der Außenpolitik 
Englands iſt durch die Zuſtimmung der feds unabhängigen Regierungen des bri- 
tiſchen Weltreichs (British commonwealth of Nations, Großbritannien, Kanada, 
Auſtralien, Neu Seeland, Afrika, Irland) beſtimmt. Dieſe Dominions, 
weit verſtreut in den verſchiedenen Kontinenten der Erde, 
lehnen jede Bündnispolitik ab. Bündnispolitik verlangt von einer 
Macht, daß fie im gegebenen Falle fofort zum Kriege ſchreiten wird, um dem Bünd⸗ 
nisgenoſſen Hilfe zu leiſten. Die verſchiedenen Lebensintereſſen der Dominions, die 
zum Teil durch ihre geographiſche Lage beſtimmt ſind, verlangen ein allgemeineres 
Syſtem der Sicherheit als ein Bündnisſyſtem, das nur zum Beiſpiel den Bedürf- 
niſſen des europäiſchen Kontinents dient. Mit anderen Worten, die Dominions 
können nur die allgemeinen Verpflichtungen der Völkerbundsſatzung annehmen, dieſe 
find Aufgaben von Vermittlung zwiſchen Staaten, die allgemeine Pflicht, Kriegen 
vorzubeugen uſw. 

Die enge Mitarbeit Deutſchlands mit England und den Mitgliedern des bri- 
tiſchen Weltreiches iſt deswegen am beſten innerhalb des Völkerbundes zu erreichen. 

Einer der größten Schöpfer des britiſchen Weltreiches war Cecil Rhodes, und 
fein Ideal war enge Zuſammenarbeit zwiſchen Deutſchland und dem britiſchen Welt 
reich. Das Flottenabkommen zwiſchen Deutſchland und England ſtellt zwar zunächſt 
eine Rüſtungsbeſchränkung dar, aber es ift auch etwas mehr, es ift eine Art von 
Verſtändigung, die ihren Einfluß auf jedem Gebiet ſpürbar machen wird. Wir 
ſtehen vor der Tür einer großen Entwicklung der deutſch⸗ 
engliſchen Beziehungen, die innerhalb und außerhalb des 
Völkerbundes eine geſunde Wirkung haben werden. Dadurch 
wird der Weltfrieden ſeine feſte Anterſtützung bekommen 


Blick auf Sapan? Heobleme 


Die Betrachter Japans, die in dem Land nur Geiſhas und Kirſchenblüten 
ſahen, ſind ausgeſtorben. Sie wurden von den Schreckgeſpenſtmalern der „gelben 
Gefahr“ abgelöſt. And auch dieſe verſchwinden immer mehr: man beginnt allenthalben 
zu erkennen, daß man nur mit geradezu reſtloſer Nüchternheit dem Aufftieg, wie 
der geſamten Problematik des Inſelvolks gerecht werden kann. 

Japans Aufſtieg liegt klar vor aller Augen. Aber gibt es denn im Land der 
aufgehenden Sonne überhaupt Probleme? Merkwürdigerweiſe begegnet man in 


W. / Blid auf Japans Probleme 19 


Der Welt dieſem Fragezeichen immer wieder. Man begegnet ihm, obwohl fid in den 
letzten Jahren die Zahl der politiſchen Attentate (was nicht gerade auf beſondere Su- 
friedenheit der Attentäter und ihrer Hintermänner ſchließen läßt) gewaltig geſteigert 
bat; obwohl die Zahl der Streiks der rechtloſen und unorganiſierten Arbeiterſchaft 
von 50 im Jahre 1914 auf 2456 im Jahre 1931 angeftiegen iſt und noch weiter an- 
ſteigt; obwohl das Land über 2 000 000 Arbeitsloſe hat und in ſeinem Haushaltsplan 
keinen Poſten für Arbeitsloſenfürſorge aufweiſen kann; obwohl ſchließlich das Elend 
der japaniſchen Bauern (und 49 v. H. aller Japaner leben vom Ackerbau) ſeit die 
Reispreiſe am Weltmarkt fo ungeheuer fielen, feit die Seidenraupenzucht durch Her- 
Stellung der Kunſtſeide überflüſſig wurde, zu großen Hungerdemonſtrationen ge- 
führt hat. 

Die Welt intereſſierte an Japan vorwiegend und manchmal beinahe ausſchließ⸗ 
lich feine zweifache Ausdehnung: die militäriſchen Eroberungen und die Aufwärts⸗ 
entwicklung ſeiner Wirtſchaft. Beides mußte die Welt als ernſte Gefahr empfinden. 
Die Ausdehnung des japaniſchen Machtbereiches auf das rieſige Gebiet des von ihm 
geſchaffenen Staates Mandſchukuo genau ſo wie die Vermehrung der japaniſchen 
VBaumwollſpindeln von 2,5 Mill. im Jahre 1914 auf 9,1 Mill. im Jahre 1934 (einer 
Seit, in der die Zahl der in England laufenden Spindeln gleich geblieben iſt), 
genau fo wie die 12-Pfennig-Glühlampe und das 500. Mark-⸗Auto: dies alles ift 
natürlich ſichtbarer, als die Arſachen, die zu dem Vordringen in China, zur Ver- 
mehrung der Baumwollproduktion, zur Erzeugung der billigſten Waren der Welt 
geführt haben. Aber die Arſachen zu kennen iſt wichtiger. 


Wie alles kam 


Mit dem Jahre 1853 beginnen Japans Probleme, deren verſchiedenſten Folgen 
wir kurz geſtreift haben. In dieſem denkwürdigen Jahr erzwangen zwei amerikaniſche 
Kriegsſchiffe die Oeffnung japaniſcher Häfen. Das Inſelreich hatte ſich bis dahin 
vollkommen von der Außenwelt abgeſchloſſen. Es geſtattete keinem Fremden, ſich im 
Lande niederzulaſſen, und es erlaubte ebenſowenig einem Japaner auszuwandern. 
Künſtlich wurde die Bevölkerungszahl über 120 Jahre auf etwa 26 Millionen 
Menſchen beſchränkt. Die gewaltigen wirtſchaſtlichen, kulturellen und politiſchen 
Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts waren an ihm ſpurlos vorübergegangen. 
Japan befand ſich in jeder Beziehung in einem mittelalterlichen Zuſtand. 1853 aber 
erkannte es dies, bei dem Anblick amerikaniſcher Kanonenrohre, zum erſten Mal ſelbſt. 

Gleichzeitig erkannten die Japaner, und dies iſt in der Geſchichte der Er- 
oberungen der weißen Raſſe einzig daſtehend, ihre Anterlegenheit, und fie faßten 
den Entſchluß, den Fremden nicht feindlich entgegenzutreten, ſondern ſie ins Land 
zu ziehen, um von ihnen all das zu lernen, was ihnen ihre Aeberlegenheit ſicherte. 
Bereits 1855 werden Schulen gegründet zur Erlernung fremder Sprachen. Japaner 
verlaſſen ihr Land, um Europa und Amerika kennenzulernen. And dreizehn Jahre 
fpäter werden bereits genaue Pläne für den Aufbau eines Weltreiches in Japan 
entworfen und in Angriff genommen. 


20 W. / Blid auf Japans Probleme 


Bewundernswert der Scharfblick, mit dem bereits damals Japan die Kraft- 
quellen der fremden Länder erkannte: Militärmacht und Wirtſchaftsmacht. Nicht 
minder erſtaunlich die raſche Erkenntnis, daß auch die Bevölkerungszahl in dem nun 
beginnenden Kampf eine entſcheidende Rolle ſpielen wird und Geburtenbeſchraänkung 
ein Wahnſinn ſei. Aber am bewundernswerteſten bleibt doch, daß die Japaner 
auch ſehr raſch die Fehler in Europas und Amerikas politiſchen Syſtemen entdeckten, 
das Verhängnis innerpolitiſchen Streites und außenpolitiſcher Gegnerſchaft, daß 
ſie die Einheit der Nation niemals gefährdet ſehen wollten und in der unantaſtbaren, 
gottgleichen Geſtalt des Kaiſers ſich einen Faktor ſchufen, der über Allem ſtehend, 
die Einheit aller großen Entſcheidungen gewährleiſten konnte. 

Anter dieſen Vorausſetzungen begann jene Entwicklung, die die Welt heute 
fo maßlos verblüfft. 


Der Aufbau der zwei Mächte: Militär und Wirtschaft 


Fangen wir mit der Wirtſchaft an. Ihrem Aufbau kamen all die mühſam er⸗ 
rungenen Erfahrungen der großen Induſtrieländer der Welt zu Nutze. Anbelaſtet, 
d. h. ohne nennenswerte Schulden, konnten die Schätze eines ganzen Volkes derart 
inveſtiert werden, daß fie einen größtmöglichen Nutzen verſprachen. Mobilifieren 
konnte von heute auf morgen dieſe Schätze aber nur der Staat. Er tat es auch. 
Er ſorgte gleichzeitig für einen planvollen Einſatz, wodurch unfinnige Konkurrenz 
von vornherein vermieden werden konnte. 

Als ſchließlich der Wirtſchaftsapparat für eine ſtaatliche Verwaltung zu groß 
wurde, ließ man es zu, daß er langſam in Privathände überging. Privatinitiative 
und perſönlicher Ehrgeiz wurden für das wirtſchaftliche Aufbauwerk eingeſpannt. 
Aber auch hierbei lernten die Japaner raſch, durch die Fehler der europäiſchen Rauf- 
leute, daß ein ſchrankenloſer Individualismus im Wirtſchaftsleben, daß eine interne 
Konkurrenz die Kräfte ſchwächt, und ſo überließ man einigen wenigen Familien, die 
etwas von der Wirtſchaft verſtanden, den Aufbau der japaniſchen Wirtſchaftsmacht. 
Dieſe wenigen Familien ſchloſſen wieder unter ſich Bündniſſe und teilten friedlich 
ihre Machtgebiete. 

Der große Vorteil dieſer Entwicklung war für Japan: die Erlangung eines 
faſt reibungslos, weil planmäßig arbeitenden Induſtrie⸗ und Bankapparates. Der 
Nachteil, der dafür in Kauf genommen wurde, war: die Zuſammenballung von 
Macht, Luxus und Reichtum in den Händen einiger Weniger. Beides blieb den 
Japanern ſtets bewußt. Sie nahmen das Nachteilige, je mehr ſie deſſen Gefahren 
überſahen, immer ungerner in Kauf. And eines der brennendſten Probleme des 
Inſelreiches ift: hier Abhilfe zu ſchaffen. 

Am meiſten hat unter der wirtſchaftlichen Entwicklung der Bauernſtand gelitten. 
Ihm wurden direkt durch Steuern oder indirekt durch die Finanzpolitik der On, 
duftrie und der Banken die Bezahlung des Wirtſchaftsaufbaues abgepreßt. Auf 
ihn nahm man keine Rüdfiht als man Kunſtſeideninduſtrien ſchuf, um die unwirt⸗ 
ſchaftlich gewordene echte Seide und damit die Seidenraupenzucht abzuwürgen. Ihn 


W. / Blid auf Japans Probleme 21 


traf die Einfuhr von billigem Neis aus dem nahen China. Er mußte bei einem 
Jahreseinkommen von 3000 Den — 874 Den Steuern zahlen, während bei dem 
gleichen Einkommen ein Geſchäftsmann oder Anternehmer nur 366 Yen bezahlte. 

Auch der Arbeiter bezahlte den Wirtſchaftsaufbau mit. Er erhielt geringe Löhne. 
Aber den Arbeiter brauchte man, und ſo ließ man ihn wenigſtens nicht hungern. 
Der Bauernſtand aber hungerte tatſächlich. Oft verdarb ihm das Wetter die 
Ernte, oft aber auch wurden Ernten weggepfändet. And ſtehen nicht im Norden 
des Landes als grauenvolle Mahnmale die nackten, rindeloſen Bäume? In ihrer 
Not haben die Bauern die Baumrinden verzehrt. 


Aus dem japaniſchen Bauerntum rekrutiert ſich aber zu 80 v. H. das japaniſche 
Militär. Das heißt, nicht nur die einfachen Soldaten, ſondern auch die Offiziere. 
Faft jeder Leutnant, Hauptmann, oder auch General ift irgendwie durch Familien- 
bande mit einem dieſer hungernden Bauern verbunden. 


Das Militär iſt der zweite große Machtfaktor des Landes. Seine Zucht, 
ſeine Moral, ſein Ethos und ſein Heroismus ſind bekannt. Die Ehre der Armee 
und die Ehre des Landes ſind für jeden japaniſchen Soldaten das Höchſte. Kein 
einziger zögert, ſein Leben für dieſe Ehre, ohne zu fragen, zu opſern. Der alte 
Geiſt der japaniſchen Kriegerkaſte, der Samurai, lebt in ihm fort. And es iſt 
wieder für japaniſche Klugheit bezeichnend, daß man trotz aller demokratiſchen Un- 
wandlungen, Armee und Marine niemals den Beſchlüſſen eines Parlamentes unter- 
flellte, ſondern nur einem Mann: — dem Kaifer. 

Das Militär glaubte nicht, daß man allein durch die Ausdehnung der Wirtſchaft 
die Not der Bevölkerung beſeitigen kann, daß man der Konkurrenz der Welt 
allein mit ihr begegnen dürfe. Japans Militär verweiſt auf die Bevölkerungs- 
zunahme von 30 Millionen Menſchen im Verlauf von 50 Jahren. Es verweiſt 
darauf, daß die Anbaufähigkeit des Bodens von 17 v. H. nicht geſteigert werden 
kann. Es verlangt Raum. Es verlangt Rohftoffquellen, um das Land gegen 
jedweden Angriff verteidigen zu können. And dieſer Gegenſatz in der Anſchauung 
über die Expanſtonsmethoden, dieſer Gegenſatz zu den Wirtſchaftsführern, hat zur 
Folge, daß es wiederum das Militär iſt, daß die Finger auf die Wunde des 
japaniſchen Wirtſchaftsſpſtems legt und entſchloſſen ift, diefe Wunde zu beſeitigen. 


Spannungen, aber niemals Zwiespalt in der Nation 


Daraus entſtehen Spannungen. Sie haben ſich in der letzten Zeit etwas häufiger 
entladen. Eine Reihe von Exponenten der Wirtſchaft wurden ermordet. Das 
japaniſche Volk konnte in dieſen Handlungen kein Verbrechen ſehen, da ſie zum „Beſten 
des Vaterlandes“ und aus rein uneigennützigen Motiven begangen worden waren. 
Die meiſten e wurden freigeſprochen, nur wenige erhielten minimale 
Strafen. 

Es waren manchmal ſogar regelrechte Revolten, an europäiſchen Maßſtäben 
gemeſſen. Aber Revolutionen konnten es nie werden: denn vor der unantaftbaren 


22 W. / Blid auf Japans Probleme 


Geſtalt des Kaiſers und vor ſeiner Entſcheidung mußten auch jene Militärs Halt 
machen, die gerne radikaler vorgangen wären. Die Spannungen innerhalb der 
japaniſchen Nation, die auf Grund verſchiedener ſozialer Anſchauungen, die infolge 
verſchiedener Meinungen über die Methode der Expanſion entſtanden waren, konnten 
auf diefe Weiſe niemals einen Zwieſpalt entſcheidender Art in die Nation tragen. 


Der Kaiſer wacht über die Einigkeit. Er trifſt die letzten Entſcheidungen. Er 
beſtimmt die Miniſter. Beraten von den älteſten und weiſeſten Staatsmännern, 
leitet er, ohne ſehr viel direkt einzugreifen, das Tempo der Entwicklung Japans. 


So lehrt uns ein Blick auf Japans Probleme, daß ſelbſt der größte Widerſtreit, 
die heftigſten Auseinanderſetzungen, das ſchwerſte Ringen um Macht und Einfluß 
zwar möglich ſind, aber auch ES abgeftellt werden können, wenn es für den Staat 
notwendig iſt. 

Man kann ſogar noch weiter gehen und ſagen, daß von dem geſamten japaniſchen 
Volk jeder bereit iſt, jede, auch noch ſo ſchwere Bürde auf ſich zu nehmen, wenn es 
der Kaifer verlangt. Gewiß: die japaniſchen Kapitaliſten werden nicht lächelnd ihre 
erworbenen Millionen⸗Vermögen an die Armen verteilen, und die notleidenden 
Bauern werden nicht freudigen Herzens hungern, aber ſowohl die einen als auch die 
anderen werden ſich jeder Entſchließung des Kaiſers ohne zu murren, ohne Wider- 
rede beugen. N 


Die Erziehung der Nation 


Die ganze Erziehung der Nation ift auf das Gebot dieſes oberſten Gehorſams 
abgeſtellt. Dies geht ſo weit, daß zum Beiſpiel bei dem Brand eines Schulhauſes 
der Schulleiter oder die Lehrer moraliſch verpflichtet ſind, das Bild des Kaiſers 
aus dem brennenden Haus zu retten, ſelbſt wenn ſie wiſſen, daß ſie dabei umkommen 
werden. Anternehmen fie aber nicht den Verſuch, das Bild zu retten, dann find fle 
unehrenhaft geworden und müſſen Harakiri begehen, ſich ſelbſt entleiben. 


Wie tief eingewurzelt die Achtung und Verehrung für den Kaiſer in Japan ift, 
beweiſt folgender Vorfall. Ein Bauarbeiter mußte auf eine Telegraphenſtange 
ſteigen. Der kaiſerliche Zug fuhr vorbei. Der Arbeiter befand ſich alſo an einer 
Stelle, von der aus er auf den Kaiſer „herabſehen“ hätte können. Er hat Harakiri 
gemacht, denn unverzeihlich ſchien es ihm, ſich über den Kaiſer zu „erheben“. 


Wenn wir dieſe extreme Form des Handels vielleicht auch kaum verſtehen, ſo 
erſehen wir doch aus ihr, welch gewaltige Kraft ein Volk aus einer ſolchen Erziehung 
erwachſen iſt. And wir erleben an einem uns zwar fernliegenden, aber die Welt 
allenthalben doch febr ſtark bewegenden Beiſpiel, mit welch ſchwierigen Problemen 
ein Volk fertig werden kann, wenn es geeint iſt und ſeine inneren Spannungen nur 
dann nach außen trägt, wenn es ſein Kaiſer für richtig hält. 


Humbolo / Die Stastsidee des japaniſchen Net Hes 23 


Hans Humbold: 


Die Staatsidee des javaniſchen Reiches 


Izanagi und Izanami ftanden eines Tages auf der Himmelsbrüde, die von Wolken 
getragen wurde, und freuten ſich über die Weite des Meeres, das in der Tiefe brauſte. 
Jzanagi ließ die Spitze feines mit herrlichen Steinen verzierten Speeres die Waſſer teilen. 
Als er ihn erhob, fielen Tropfen, die das Meer trafen: aus ihnen entſtanden acht Inſeln 
des japaniſchen Reiches. Izanagi erzeugte beim Waſchen am Meere aus feinem linken 
Auge feine Tochter Amateraſu, die Sonnengöttin, die ihren Enkel Ninigi mit drei Zeichen 
ſeiner göttlichen Macht, einem Spiegel, einem Schwert und einem köſtlichen Kleinod, auf 
die Erde ſchickte, damit er fie von Japan aus beherrſche. Sein Nachſahr ift Jimmu, der 
erſte Mikado, auf den ſich alle japaniſchen Kaiſer zurückführen. 


In feinem Kaiſer verehrt das. japaniſche Volk einen unpersönlichen Gott, in dem ſich 
das ganze japaniſche Reich und feine uralte Kraft verkörpere. Die Geſchloſſenheit des 
japaniſchen Volkes findet in der Göttlichkeit des Mikado ihren finnfälligiten Ausdruck. 
Nicht, daß der Mikado ſich um die Sorgen und Freuden ſeines Volkes kümmerte oder 
kümmern dürfte, daß er als Herrſcher der Nation aufträte — das iſt der von ihm ein- 
geſetzten Regierung des Staates überlaſſen, die in jahrhundertealter Erfahrung und mit 
inſtinktſicherem Gefühl für die Berufung neuer Kräfte das japaniſche Volk zu einem feft- 
geeinten Statsvolk ſchmiedete, das in Zeiten nationaler Not und nationaler Erhebung 
mit allen Faſern ſeines Herzens und Leibes die meerverbundenen Heimatinſeln ſchüͤtzt und 
ſeinen Wohnraum erweitert. Das japaniſche Volk erkannte, daß das Schickſal alle ſeine 
Stämme und Familien zu Tod und Leben feft miteinander verknüpfte, und baute fo feine 
tiefveranferte Staatskultur auf, die die perſönliche Freiheit, Kunſt und Wiſſenſchaft, Ge- 
werbe und Handel im Intereſſe des ganzen dem Staate unterordnete. „Die Univerfität 
bat die Aufgabe, Theorie und Praxis der Wiſſenſchaften, die für den Staat förder⸗ 
lich find, zu lehren und ihre gründliche Crforfdung zu betreiben“, ift der Art. 1 des 
japaniſchen Aniverſitätsſtatuts von 1918, ein Grundſatz, der dem faſch verſtandenen Objet- 
tivitätsdrang europäiſcher Aniverſitäten diametral gegenüberſteht. 


Sobald ein Gelehrter aus wiſſenſchaftlichem Eifer gegen den Grundſatz verftößt, 
frevelt er gegen den Staat — im beſonderen, wenn er ſich an verſaſſungsrechtliche Fragen 
wagt, die die legendäre Kraft der japaniſchen Staatsidee verändern könnte. So iſt jeder 
Verſuch, europäiſche Staatstheorien nach Japan zu tragen, geſcheitert, inſtinktiv richtet 
ſich die Volksmeinung gegen jeden Neuerer, der mit wiſſenſchaftlichen Theſen die Raifer- 
idee angreift. In breiteften Schichten geht das Volk mit der Politik der Regierung mit, 
ſchwenkt mit der Regierung von einem Tag zum andern vom Abwarten zur Tat. Japaner 
können nur deshalb fo lange warten, wo der Europäer längſt wie ein nervöſes Pferd 
einen Fehlſtart gemacht hätte, weil ſie die Weisheit der Staatsführung zunächſt einmal 
a priori anerkennen, und weil die Einmütigkeit der Preſſe keine vorſchnellen Entſchlüͤſſe 
erzwingt. Gefolgstreue dem Staat und dem einzelnen ift das Kennzeichen der vielen 
Männerbünde in Japan, wo der Mann allein das Leben des Volkes beſtimmt, während 
die Frau an das Haus gebunden oder an die Teeſtube gefeſſelt tft, die längſt ihrer Ro- 
mantik und Harmloſigkeit entkleidet wurde, nachdem die Miffionen den Teeraum als 
Freudenhaus deklariert hatten. 


24 Hunbold / Die Staatsidee des ja paniſchen Reiches 


Der greiſe Staatsmann, der ſein Leben in den Dienſt des Staates und des Mikado 
geſtellt hat (Nogi 1912), wie der junge Student, deſſen Leben noch vor ihm liegt, folgen 
dem Kaiſer in den Tod, der eine aus Dienſttreue, der andere aus Begeiſterung. 

Vor allem iſt der Selbſtmord die gebräuchliche Form, um gegen falſche Zielſetzungen 
der Politik zu proteſtieren, wie es der Leutnant Ohara 1891 und der Marineattaché in 
Moskau 1931 zum Beiſpiel taten. Noch heute geben in Japan jährlich 15 000 Menſchen 
ihr Leben freiwillig auf, nicht mehr oder nur noch felten durch Harakiri mit dem den 
Unterleib aufihligenden Langmeſſer, aber meiſt aus denſelben Gründen, die fon vor 
tauſend Jahren Tauſende von Japanern Selbſtmord verüben ließen: Treue zum Herrn 
und zum Volk. 

Die japaniſche Volksſeele tft ein fefter Begriff, beffen faſt berechenbare Exiſtenz nicht 
zu leugnen tft und deren Pflege keine Regierung vernachläſſigen darf. Sie bildet eine 
Einheit mit dem Erdraum und handelt oft inſtinktſicherer als eine verſagende Regierung, 
wenn ſie aus einer myſtiſchen Eingebung heraus diefem und jenem unſcheinbaren Volks⸗ 
genoſſen einen brodelnden Gedanken zu einer die Volksunzufriedenheit erlöſenden Tat 
werden läßt. Die feſte Verbundenheit der Inſelraſſe verlangt ein ſcharfes nationales Auf- 
treten der Regierenden. Verſagen fie, fo werden fie hinweggeräumt, von Studenten, von 
Offizieren, von Bauern, wie es gerade kommt: Okubo, Snouyé, Okuma, Ito, Hara, 
Hamaguchi, Inukai war die letzte Reihe der politiſchen Morde, die in Japan als ein 
vom ganzen Volke getragenes Mittel der Aeußerung der Volksmeinung zu gelten haben. 
Obgleich Inukai der rechtsgerichteten Seyukaipartei angehörte, fiel er 1932 der Gegner- 
ſchaft der Militarien, die von Araki geführt werden, zum Opfer, da er nach deren Mei⸗ 
nung in den Fragen der Mandſchureipolitik zu langſam vorging. Sein Tod hatte ein 
Kabinett der nationalen Konzentration zur Folge, das den mandſchuriſchen Krieg dann 
wahrlich ſchnell genug zu einem für Japan glücklichen Ende führte. 

Als aber auch weitere Kabinette verſuchten, den Einfluß der aktiviſtiſchen Offiziere 
aus der Staatsführung auszuſchalten, entwickelte ſich jene Oppofition im Heer und in 
der Marine, die 1936 zum Ausbruch kam. Das ganze Kabinett wurde hinweggefegt, wenn 
auch die Sleberlebenden des Putſches wiederum mit der Leitung und der Weiterarbeit 
beauftragt wurden. Ausſchlaggebend bei dieſem letzten Putſch aber war, daß der Regie- 
rung eine deutliche Warnung gegeben wurde, daß das japaniſche Volk ein ſtarkes Ein- 
treten für die aſtatiſchen Ziele Japans verlangt, daß man im Volke die außenpol itiſchen 
Konſequenzen des Vorgehens in der Mandſchurei und des ſowjetiſchen Einbruchs in 
China klar erkannt hat. Es iſt japaniſche Staatsſitte, nach einem gelungenen Attentat die 
Zügel der Regierung nicht direkt dem Attentäter in die Hand zu drücken, aber einige Ber- 
treter der Oppoſition in die Regierung zu berufen. Araki bleibt weiter im Hintergrunde 
ſtehen, aber die Berufung Terauchis bürgt für den Sieg des aktiviſtiſchen Gedankens im 
Kabinett. 


Die weitaus wichtigſte Zahl aus dem japaniſchen Bereich iſt die Ziffer der Volksdichte 
für das vollwertige Kulturland des Reichskernes, alfo der Hauptinſeln: gegen 970 auf 
einen Quadratkilometer! Das iſt eine Zahl, die zum Beiſpiel in Deutſchland für größere 
Gebietsteile undenkbar iſt. Von Tokio bis Nagaſaki zieht ſich die Achſe des größten Be⸗ 
völkerungsdruckes des japaniſchen Reiches, deſſen Volk hier keinen Raum mehr findet. 
Eng reihen ſich elende Hütten der Arbeiter an einfache Bauernhäuſer der karg lebenden 
Landbevölkerung, Mietskaſernen der Großſtädte an prunkvolle Paläſte der Banken und 
Handelsgeſellſchaften. Von dieſer Achſe aus, deren Bevölkerungsdruck das Nationalgefühl 


Humbold / Die Staatsidee des japaniſchen Reiches 25 


BONIN ID 


RK 


| ZEICHENERKLARUNG: 
Lë -Seefestungen %-Flugbasis w-Werften u.Rüstungs- Industrie 


Die Entwicklung der japanischen Reichsbildung vom Kernraum zum Grofraum 


26 Humbold / Die Staatsidee des japaniſchen Reiches 


ſelbſt der Aermſten nicht zu befeitigen vermochte, vollzog ſich der unaufhaltſame Vormarſch 
des japaniſchen Volkes und der japaniſchen Politik nach dem Feſtlande Afiens und der 
Inſelwelt des Pazifiſchen Ozeans. 


Stellte die Inlandſee, deren Waſſer die drei Hauptinſeln Hondo, Kiuſhu und Shßikoku 
gleichermaßen beſpülen, das eigentliche Kerngebiet des japaniſchen Staates des Mittel- 
alters mit den Städten Oſaka, Kobe, Kyoto, Kure und Hiroſhima dar, ſo wurde doch 
Tokio -⸗Dokohama im erſten Kolonialgebiet bald das politiſche und geiſtige Zentrum des 
Staates. Der Blick wandte ſich nach Norden auf die Küſten der Japanſee: Stück ſür Stück 
wurde dem Stammreich einverleibt und um 1000 war das Reich auf die drei großen 
Inſeln ausgedehnt. Eine lange Periode der Abſchließung begann, die Grenzen blieben 
durch Jahrhunderte die Küſten der Japanſee und des Pazifiſchen Ozeans. Erſt die 
„Oeffnung“ Japans erweiterte das Reichsſtammland durch bald folgende Neuwerbungen: 
Hodaido im Norden 1876, Niukiu- und Vonininſeln im Süden 1876. Die Abſchließung 
und verträumte Angeſtörtheit Japans war mit dem ſteigenden Volksdruck einer aktiveren 
Außenpolitik gewichen. Die erſten Außenbeſitzungen folonialer Art kamen hinzu: Gormofa 
1895, Sachalin 1905, Korea 1910. War früher das Japaniſche Meer Grenze geweſen, 
jo war es jetzt von japaniſchem Beſitz und Beſitzrecht feft umſchloſſen und wurde zum 
„mare nostrum“. Die Wehrgrundlagen verſchoben ſich, da nunmehr nur noch die Dur- 
läſſe zur Japanſee geſperrt werden mußten, während die Fragen der Küſtenverteidigung 
entfielen. Die Bedeutung von Heer und Flotte wuchſen, da es verſtärkt den Anſpruch 
Japans auf See und auf dem Kontinent zu verteidigen galt. Das Heer dient dem 
Angriff, aber die Flotte ſchützt das eherne Geſetz der Abſchließung des japaniſchen 
Kernraumes. | 


Der Japaner fiedelt nur foweit nach Norden, wie Bambus wachſen kann, da er 
ſonſt kein Baumaterial hat, das genügende Sicherheit gegen die Vulkane bietet, deren 
Gehaben ſein Leben von der Geburt bis zum Tode beſtimmt. 1600 Erdbeben jährlich 
haben den Japaner unempfindlich gemacht gegen die Eingriffe der Natur, haben ihm 
aber auch die innere Zähigkeit gegeben, ſein Leben mit ein paar Körnern Reis und 
gebratenem Fleiſch zu friſten. Mit der Entſtehung des Proletariats fteigen die Gediirf- 
niſſe; der Kaufmann, früher die mißachtetſte Klaſſe des ſozialen Gefüges, als der Staats- 
ſozialismus früherer Zeiten ihm nur die Rolle der Verteilung zuſprach, wurde zum ein- 
flußreichen Mittelpunkt. Der Staatsſozialismus konnte ſich nicht erfolgreich durchſetzen, 
da ihm nicht ausreichende Rohftoffquellen zur Verfügung ſtanden. Das ift aber auch einer 
der Hauptgründe der japaniſchen Aktivität der letzten Jahre: der Wunſch nach der 
Erſchließung neuer, einem induſtrialiſierten Staat angepaßten Rohſtoffgebiete. 


Wenn früher der japaniſche Staat auf der Pflege der Familie aufgebaut war, die 
Stände gleichmäßig betreute, fo gewann nach der „Oeffnung“ der Liberalismus die Ober- 
hand — und zwar in feiner verheerendſten Form, der raſchen Auflöfung des Familien- 
begriffes in den ſchnell wachſenden Städten, der Individualiſierung des früher ganzſtaatlich 
denkenden Japaners. Mit den äußeren Zeichen weſtlicher Denkmethoden, der Groß- 
induſtrie, dem Parteiſtaat, geriet das Ständeſyſtem in die Abgründe des Klaſſenkampfes, 
der ſich nur dank des bewährten japaniſchen Beharrungs vermögens nicht in die anardifti- 
ſchen Bahnen des europdifdhen Beiſpiels verlor. Obgleich nämlich die Heiden Haupt- 
parteien, die konſervative Seyukai und die liberale Minſeito, als Vertreterinnen in 
jedem Falle großkapitaliſtiſcher Inſtitutionen die gequälten unteren Stände nicht betreuten, 


— ee ̃ A — — 


Kleine Beiträge. 27 


konnten doch die internationalen Partien, die III. und IV. Internationale nicht an Boden 
gewinnen. 

Daß ſich jeder Sozialismus umgehend in einen nationalen Sozialismus verwandelte, 
dafür ſorgten mit voller Machtbefugnis Heer und Flotte, die ſelbſt die alten Gedanken 
des Staatsſozialismus zu erneuern ſuchten und in den Bauern und Arbeitern erwünſchte 
Bundesgenoſſen fanden. Wunſch und Wille der Soldaten ſind in Japan immer wieder 
ausfdlaggebend geweſen. In ihren Händen liegt mit der Vertretung der unteren Stände 
das Schickſal des weitaus größten Volksteiles, das Schickſal des Geſamtvolkes überhaupt. 
Anangetaſtet ruht über dem heiß ausgefodtenen Kampf, die alten, erfolgreichen Ideen der 
Staatsführung der Nation zu erhalten, die Kaiſeridee mit ihrer einigenden Kraft der 
Jahrtauſende, eng verknüpft mit Religion und Kultur, losgelöſt aber aus dem tages poli- 


tiſchen Syftem und in die Sphäre des Anbetungswürdigen erhoben. 


Hleine / 


Bolibewisund ali 
Goudernng den inugen Ration? 

Der junge Hiftorifer der Bewegung 
Walter Grant hat mehr als einmal die 
beiden Feinde im geiftigen Ringen des 
Nationalſozialismus klar herausgeſtellt: Die 
Griechlein und Spartakus. Beiden Typen 
bat die Garde des Führers den Kampf an- 
geſagt — Stolz und ganzes Bemühen der 
deutſchen Jugend iſt, ſich zur Garde des 
Führers zählen zu dürfen. Wer ſich unter- 
fängt, im Namen dieſer jungen Generation 
zu reden oder zu ſchreiben, muß ſich daher 
der Verpflichtung gegenuber der Arbeit des 
Führers bewußt fein. 

Wir verwahren uns daher aufs ſchärfſte 
dagegen, daß bolſchewiſtiſche Ideen der 
Oeffentlichkeit als Fordernug der jungen 
Generation vorgelegt werden. 

Erich Nöth, Cifenad, gibt im eigenen 
Verlag eine Reihe heraus mit dem Titel 
„Schriften der jungen Nation“. Heute liegt 
uns aus dieſer Reihe eine Schrift von 


Werner Kreitz vor „Kapitalismus, 


perſönliche 


heitrage 


Sozialismus, Planwirtſchaft'. 
Dieſe Schrift gehört ganz dem, was Wal- 
ter Frank als Spartakus bezeichnet und be- 
kämpft. Dutzende von Stellen beweiſen die 
bolſchewiſtiſche Einſtellung des Verfaſſers. 

Kreitz will die Wege aufzeichnen, auf 
denen der Kapitalismus überwunden werden 
kann. Er lehnt alle ſtändiſchen Verſuche ab 
und erklärt ſtatt deſſen kategoriſch: „An 
Stelle der planloſen, kapitaliſtiſchen Martit- 
wirtſchaft tritt die nationale Planwirtſchaft, 
die allein auch einem deutſchen Sozialismus 
angemeſſen ift, und ohne die von Goatalis- 
mus gar nicht einmal geſprochen werden 
kann“ (S. 15). Was Kreitz unter dieſer 
Planwirtſchaft verſteht, wird klar, wenn er 
es wenige Zeilen fpäter ablehnt, den deut- 
ſchen Menſchen durch die Schaffung von 
Eigentum kriſenfeſt zu machen. Immer 
wieder hat der Führer betont, daß der 
Nationalſozialsmus das Pri- 
vateigentum achtet und auf die 
Initiative des 
wirtſchaftenden deutſchen Men- 
ſchen baut. 


28 Kleine Beiträge 


And immer wieder ift darauf hingewieſen 
worden, daß der Nationalſozialismus im 
Gegenſatz zum Marxismus die beſtehende 
Ungleichheit im Beſitz nicht durch die Ent⸗ 
eignung der Befigenden beſeitigen will, fon- 
dern durch Schaffung von Eigentum für die 
Volksgenoſſen, die bisher vom Beſitz aus- 
geſchloſſen waren. 

In klarem Gegenſatz zu Punkt 16 des 
Parteiprogrammes: „Wir fordern die 
Schaffung eines gefunden Mittelſtandes —“ 
heißt es bei Kreitz (S. 15): „Der Verſuch, 
die mittelſtändiſchen Polſter zu erneuern, die 
der Kapitalismus in ſeiner Entwicklung 
aufgebraucht hat, bedeutet die Stabiliſierung 
eines Schwebezuſtandes — — — Ein ſolcher 
Verſuch aber iſt zugleich auch eine glatte 
Kapitulation vor den Aufgaben, die unſerer 
Generation geſtellt ſind.“ And auf Seite 22 
heißt es weiter: „Die Staats planung, 
die jede „private“ Sphäre ausſchaltet, iſt das 
Prinzip, das der Wirtſchaft als eines Mit- 
tels zur ſtaatlichen Rüſtung angemeſſen ift. 
Die Staatsplanwirtſchaft iſt die⸗ 
jenige Form der Wirtſchaſt, die den Rapi- 
talismus zu überwinden imſtande ift.“ 

Die Grundlage für die Auffaſſung iſt in 
der Aeberſchätzung des Staates zu finden. 
Für Kreitz iſt der Staat die ratio absoluta. 
Er ſtellt den Staat über das Volk. „Der 
deutſche Menſch findet erſt im Staatlichen 
feine wahre Aufgabe. In der Hin wen⸗ 
dung zum Staatlichen erhebt er ſich 
ſchöpferiſch über das vorwiegend Negative 
der Raffe und des Volkes“ (S. 20), deshalb 
ift „die Gemeinſchaft, von der her die Plan- 
wirtſchaft des deutſchen Sozialismus geord- 
net werden muß, die des deutſchen Staates 
. . . die Erhaltung und Sicherung eines 
höheren Gemeinſchaftsweſens, nämlich des 
Staates, iſt der Bedarfsbefriedigung des 
Individuums genau ſo gut wie der des 
„Volkes“ übergeordnet“ (S. 17). 

Statt einer Entgegnung wollen wir einen 
Satz aus der Schlußrede des Führers vom 
Reichsparteitag der Freiheit daneben ſtellen: 


„Der Ausgangspunkt der nationalſozialiſti⸗ 
ſchen Lehre liegt nicht im Staat, ſondern im 
Volk!“ Es klingt demgegenüber an öſtlichen 
Deſpotismus an, wenn es bei Kreitz heißt: 
„Staat im modernen Sinne iſt auch gar 
nichts zu Eroberndes, iſt nicht etwas, das 
man für ſeine Zwecke, und ſeien es die des 
Volkes, ausnutzen könnte“ (S. 24). Bei 
Kreitz geht nichts über den Staat. Was 
dieſer Staat aber eigentlich iſt, erfährt man 
nicht. Man kann den Worten von Kreitz 
lediglich entnehmen, daß er ein Machtinſtru⸗ 
ment jener Menſchen iſt, „die fähig find, 
Staat zu ſtiften, und für die die Hin⸗ 
wendung zum Staatlichen das Hddfte 
„Beruſsethos“ bedeutet“ (S. 24). Vor dieſen 
Menſchen, die die Verwurzelung des deut- 
ſchen Menſchen auf deutſcher Scholle als 
Ausdruck „des Notſtandes und hervorgerufen 
durch das Streben nach individueller 
Exiſtenzſicherung“ (S. 21) ablehnen und den 
Staat zum alleinigen Arbeitgeber machen 
wollen, möge uns der Himmel verſchonen. 

Dieſe Stellen mögen genügen, um die un- 
haltbare Auffaſſung von Kreitz darzulegen. 

Bedenklicher noch als diefe Schrift, deren 
Forderung die junge Generation ſich in 
keinem Punkt zu eigen macht, iſt jedoch die 
Tatſache, daß die Einleitung, die den Aug- 
führungen von Kreitz vorausgeht, vermuten 
läßt, daß die ganze Reihe der „Schriften 
der jungen Nation“ beſtimmt ift, diefe bol- 
ſchewiſtiſche Auffaſſung in die Oeffentlichkeit 
zu tragen. Denn auch dort (S. 6) wird das 
Privateigentum als Ding bezeichnet, „das 
allein dem Kapitalismus eigen iſt“. 


Die junge Nation, die in den Reihen 
Adolf Hitlers ſteht, verwahrt fih dagegen, 
daß in ihrem Namen bolſchewiſtiſche An- 
ſchauungen vertreten werden. Erich Röth 
aber möge verſichert ſein, daß wir nach dieſer 
Probe auch die anderen Hefte ſeiner Reihe 
unter die Lupe nehmen werden. 

Siegfried Faßbender. 


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Randbhemerfunger | 29 


Das namenlofe Vole 


Ich melde hierdurch meine Teilnahme an 
einem Preisausſchreiben an, das von ver- 
ſchiedenen prominenten Schriftleitungen und 
anderen Stellen in den ASA vor kurzem 
ausgeſchrieben wurde. Danach wird ein 
Name geſucht, ein Name für ein ganzes 
Golf! Denn die Amerikaner wollen keine 
Amerikaner mehr ſein, das iſt ihnen zu un⸗ 
perſönlich. Im Ernſt — fie haben ja recht, 
denn es iſt nicht ſchön, daß die Neger in 
Haiti und die Feuerländer Areinwohner, 
die Eskimos und die Chineſen in Peru mit 
gleichem Recht den gleichen Namen tragen. 
Wir in Europa haben uns ja daran ge⸗ 
wöhnt, unter Amerikaner faſt immer die Cin- 
wohner der ASA zu verſtehen und haben 
alſo aus einer Erdteilbezeichnung einen 
Volksnamen gemacht. 


Aber, wie geſagt, die Amerikaner wollen 
das ändern. Verſchiedene Namen als Er- 
ſatz ſind ſchon genannt worden, die noch nicht 
den rechten Widerhall gefunden haben. Sie 
Rnd ja auch nicht begeiſternd: Aſaner, 
Aſaſten, Aſarier (fehe Brodſky, alfo doch 
recht unangebracht!) uſw. 


Ich hätte da ein paar Vorſchläge, die 
vielleicht in Erwägung gezogen werden 
können. Sollte ich einen Preis bekommen, 
ſo bitte ich, ihn an den Anterſtützungs fond 
für Arbeitsloſe abzuführen. 


Mit Aſa iſt nicht viel zu machen, man 
kommt da ſonſt auf merkwürdige Analogien: 
Vandalen — Aſandalen, Mahdiſten — Zo, 
diſten, Aſalpeter, Sardinien — Aſardinen. 

Aber das iſt alles nichts: man muß mehr 


auf die Eigenſchaften eingehen. Wie wäre 
es mit Dollariſten, Proſperiſten, oder „Die 


andbemerkungen 


blauen Adler“? Vielleicht Morganaten? 
Oder mit Bezug auf den beliebteſten Kör- 
perteil die Ellboger: Oder ganz ſchlicht die 
Geldſäcke ? H. H. 


Niemand will Heieſten wenden 


Der Erzbiſchof von Wien, Kardinal 
Initzer, beklagt ſich in feinem Faftenhirten- 
brief über den Mangel des Zuſtroms an 
Prieſterſtudenten: 


„Die Erhabenheit prieſterlicher Würde 
gibt jedem, den die Kirche zu den heiligen 
Weihen zugelaſſen hat, jene geſellſchaftliche 
Stellung, die ihm für alle Menſchen, ob 
hoch oder nieder, Prieſter und Gnaden- 
ſpender ſein läßt. So ſind auch die Prieſter 
unſerer Diözeſe aus den verſchiedenſten 
Kreiſen des Volkes hervorgegangen. Mit 
Bedauern muß ich da allerdings feſtſtellen, 
daß in den letzten Jahren der Zuſtrom 
an Prieſterſtudenten aus der 
bäuerlichen Bevölkerung [ehr abge- 
nommen hat. Bisher waren die geſunden 
Familien der Landbevölkerung der ergie⸗ 
bigſte Nährboden für Prieſterberufe. Möge 
die angeführte Tatſache nicht ein Zeichen 
dafür ſein, daß viele bäuerliche Familien 
ihre tiefe Gläubigkeit und ihre Treue zu 
Gott verloren haben“ 


Mit dem letzteren Verdacht könnten 
Eminenz ſich vielleicht irren. Die Schuld 
liegt wahrſcheinlich nicht auf ſeiten der Ge⸗ 
meinde, ſondern auf ſeiten der Kirche. Be⸗ 
ſonders in Oeſterreich, — denn der junge 
Oeſterreicher, der in einen Klerus eintritt, 
der ſich in fo vorbildlicher Weiſe der poli- 
tiſchen Geſchicke feiner Heimat annimmt — 
wirklich: der Oeſterreicher hat es nicht 
beſſer verdient hy. 


30 Nandbemerfungen 


Gin Gebdennges-Resevt 

Eine Unmenge kleiner, bewußt unſchein⸗ 
barer Blatter werden von der rdmifden 
Kirche zur Erziehung und Beeinfluſſung in 
den Familien benutzt. Man kennt die 
Blätter felten, da fle unter Ausſchluß der 
wachſamen Oeffentlichkeit erſcheinen. Aber 
wenn man mal eins in die Finger kriegt, 
dann fträuben ſich ſämtliche Haare. 

Da gibt es z. B. ein für dieſe Methode 
der Kirche typiſches Blatt mit dem faſzinie⸗ 
renden Titel „Seraphiſcher Kinderfreund“. 
Eine kindliche Zeitſchrift „für Rinder- 
freunde“, wie es im Titel heißt. (Alſo Gott 
fet Dank nicht für unſere Pimpfel) Wir 
leſen in der letzten Nummer (März 1936) 
A B. eine rührende Geſchichte, unter der 
Rubrik „Zum Nachdenken“, mit der eber- 
ſchrift „Warum ihr Gebet immer erhört 
wurde“. Mit Necht ſind wir neugierig auf 
dies Rezept. So fängt es an: 

„Eine brave, ältere Jungfrau in einem 
Marktflecken Bayerns ſtand im Rufe, Er- 
hörung all ihrer Bitten beim lieben Gott zu 
finden.“ Man fragt fie nun nach dem „Ge⸗ 
heimnis des alt regelmäßigen Erfolges”, — 
und wir erfahren, wie billig man den lieben 
Gott beeinfluſſen kann: „do ut des“, ich 
biete mit meinen Mitteln etwas, alſo haſt 
du als Gott mich zu erhören. Was die 
brave Jungfrau als Gegenleiſtung bietet, iſt 
natürlich aller Ehren wert — fle opfert (1) 
dem lieben Gott eine Freude und tut „ſeinen 
Lieblingen“, den Kindern und Kranken, 
Gutes —, aber daß fie Gutes tut mit einem 
Swede, nämlich dem, Lohn zu erhalten, 
iſt ſo typiſch katholiſch, daß man ſich nicht 
darüber wundern darf. Sie ſagt: „Ich habe 
gegeben, alſo werde ich auch erhalten.“ 

Wir fagen: „Deutſch fein heißt, eine 
Sache um ihrer ſelbſt willen tun.“ hy. 


Wenn des Staat fic anmai. .. 
Dem Grundgedanken der Gemeinfdafts- 


ſchule, den fonfeffioncllen Gegenſatz durch 
das Bewußtſein der gemeinſamen Volks- 


angehörigkeit zu überbrücken, ftellt die rdmi- 
[he Kirche die verſchiedenſten Einwände ent- 
gegen, — aus allzu deutlichen Gründen. 
Eine Blütenleſe dieſer Einwände erinnert 
uns an den Wortſchatz der mittel ⸗ 
alterlichen Päpfte Wir leſen z. B. 
in der Schrift Nr. 17 der „Katholiſchen 
Volksſchriſten zu Tages fragen“ folgende Be- 
hauptung: Die Familie hat in er fter Linie 
„das Recht auf die Schule“, denn „die Schule 
iſt in gewiſſem Sinne eine Hilfsanſtalt der 
Familie“. Zweitens hat die Kirche das 
Recht auf die Schule und „es ift ein lächer ⸗ 
liches Unterfangen, wenn der Staat ſich an- 
maht” über die Schule zu entſcheiden, denn 
der Staat hat erſt „in dritter Linie“, alſo 
nach Familie und Kirche ein Recht auf die 
Schule. 

„Die Mutter der Schule ift die katholiſche 
Kirche“ (Kirchenblatt Mühlheim Styrum, 
20. 10. 1935), d. h. „in Angelegenheiten der 
Erziehung katholiſcher Kinder muß erſt der 
Staat die von der Kirche erhobenen For- 
derungen annehmen, weil nicht er ſelbſt einen 
Lehrauftrag von Chriſti erhalten hat, fon- 
dern die Kirche. Die Kirche kann niemals 
zugeben, daß die durch die Taufe einverleib- 
ten Kinder gegen den Willen der Eltern in 
Zwangsſchulen der Irrlehre oder dem An⸗ 
glauben verfallen.. Wenn die Schule 
kein Gotteshaus tft, fo ift fle eine Hölle.“ 
(Kirchenblatt Aachen, 4. 8. 1935.) 

Raffiniert werden diefe Argumente dann, 
wenn man die chriſtliche Elternſchaft nicht 
mehr mit kirchlichen, ſondern mit poli- 
tiſchen Idealen dazu drängen will, 
ihre Kinder einer einfeitig kirchlich beftimm- 
ten Erziehung auszuliefern. So ſchrieb z. B. 
das katholiſche Kirchenblatt Berlins: „Die 
Bekenntnisſchule iſt die Schule echter Liebe 
zu Heimat, Volk und Vaterland“ und „well 
die deutſchen Katholiſchen ſich in ihrer 
Hingabe an Volk und Vater ⸗ 
land von niemanden übertreffen laſſen, 
darum wollen fle auf die katholiſche Be- 
kenntnisſchule nicht verzichten“. Eine Ober, 


a Vücher markt 31 


deugende Logik: mit Einrichtungen, die Cin- 
heit und Beſtand des Volkes gefährden und 
vorhandene Gegenſätze verſchärfen, will man 
die Liebe zum Vaterland beweiſen. 

Wenn auch das nicht hilft, werden die 
von jeher beliebten kirchlichen Druckmittel 
herangezogen, z. B. fagt man: „Katholische 
Eltern, die ihre Kinder einer nichtkatholiſchen 
Schule zuführen und ſomit die katholiſche 
Erziehung ihrer Kinder unmöglich machen, 
ſchließen ſich aus der Gemeinſchaft aus und 
verfallen der kirchlichen Strafe“ 
(Kirchenblatt Berlin, 12. 1. 1936). Ein 
ebenfalls geradezu mittelalterlicher Ge- 
wiſſensdruck ſpricht auch aus einer anderen 
Drohung: „And jetzt hat das Wort der 
einzelne, deſſen Kind vor der Frage ſteht: 
Bekenntnisſchule oder nicht? Welches 
die rechte Antwort ſei, wird er 
einmal beftimmt wiffen Wenn 
man die Sterbekerzen anzün⸗ 
det!“ (Hervorgehoben im Originaltext.) 


Mit ſo verzweifelten Mitteln muß ſich 
die Kirche wehren und dennoch vergeblich. 
Denn das deutſche Volk iſt wacher geworden 
und hat fein Urteil ſchon gefproden. 


Das Deutſche Nachrichtenbüro meldete: 


„Am Sonntag haben die Schuleinſchrei⸗ 
bungen ſtattgefunden, die zugleich eine Ent ⸗ 
ſcheidung der Elternſchaft über die Frage 
der Bekenntnisſchule oder Gemeinſchafts⸗ 
ſchule darſtellen. Von 55 200 Kindern, die 
im kommenden Schuljahr die Münchener 
Volksſchule beſuchen, wurden 35 954 für die 
Gemeinſchaftsſchule angemeldet, alſo 65,11 
Prozent, während noch im Vorjahre für 
die Gemeinſchaftsſchulen nur 34,55 Prozent 
Kinder angemeldet worden waren. Für die 
Bekenntnisſchulen wurden 19 266 Kinder an- 
gemeldet, das find 34,89 Prozent, im Vor- 
jahr waren es 65,45 Prozent.“ 

Denn: „erſtens“ hat das Volk ein Recht 
auf die Schule. hy. 


Geſtaltung der Idee. (Blut und Ehre, 
II. Band). Von Alfred Roſenberg. 
Reden und Aufſätze von 1933—1935. Her- 
ausgegeben von ilo von 1 de 
Sentralverlag der NSDAP, Franz Eher 
Nachf., München. - 

Als der Führer Ende Januar 1934 Reihs- 
leiter Alfred Noſenberg zu feinem Beauf⸗ 
tragten für die Aeberwachung der geſamten 
geiſtigen und weltanſchaulichen Schulung 
und Erziehung ernannte, begann für die Ge- 
ſchichte der NSDAP ein neuer grund- 
legender Abſchnitt. Denn nach Erringung 
der äußeren politiſchen Macht war es nun- 
mehr notwendig, die geiſtigen Kräfte des 
e nach innen zu sea 
und die nationalſozialiſtiſche Weltanſchauung 
im Volke zu verwurzeln. Die Stärke Rofen- 


bergs liegt in ſeiner aufbauenden 


SEI 
riſchen Kraft. er Haltung Alfred e 
bergs verdanken wir die Aufdeckung getarnter 
Beſtrebungen ehemaliger Gegner, die unter 
dem Mäntelchen fog. „geiſtiger Auseinander- 
ſetzungen“ verſuchten, ihre volkszerſetzende 
Tätigkeit fortzuſetzen. Aus feinen Reden 
und Aufſätzen erkennen wir immer wieder 
und wieder die Größe des Kampfes unſerer 
Zeit. Wir wiſſen, daß nur eine eindeutige 
Grundhaltung die Feſtigung des national- 
ſozialiſtiſchen Gedankengutes bringen und 
ſomit den reſtloſen Sieg unſerer Welt- 
anſchauung gewährleiſten kann. Daß wir 
heute ſchon in der Lage find, auf die meiſten 
an uns herantretenden Fragen entſcheidende 
Antworten zu geben, verdanken wir jener 
kompromißloſen Haltung Alfred Nofenbergs, 


32 Büchermarkt 


der auf allen Gebieten der Ben Aug- 
einanderſetzung den Nationalſozialismus 
gegen jede irgendwie aufkommende Pfeudo- 
EE entſchieden abzugrenzen ver- 


and.. 
Gein neues Buch „Geſtaltung der Idee“, 
das die Aufſätze und Reden aus den Jahren 
1933—1935 enthält, wird ſomit wieder zu 
einem Kräftepol im geiſtigen Ringen unſerer 
Zeit, das uns mit Recht dazu führen fant, 
den Mut zu haben „wir ſelbſt zu fein und 
das Handeln nicht von Geſichtspunkten ferner 
Jahrhunderte aus, ſondern von den Not- 
wendigkeiten unſerer Zeit aus Ai be- 
ſtimmen.“ — ERD — 


Wehrpflicht des Geiſtes. G und Gee 
rufung des Soldaten. Von Wulf Bley. 
Verlag F. Bruckmann A.-G., München. 
Wulf Bley verſteht es, ein kräftiges 

Wort mit allen Feinden Deutſchlands 

reden. Soldatentum iſt für ihn die deutſche 

Haltung ſchlechthin, die alle diefe Feinde 

kennt und überwindet. Leider läßt ſich Bley 

des öfteren von feiner literariſchen Mer ver- 
leiten, über Höhen und Tiefen des deutſchen 

Lebens und der deutſchen Geſchichte binw 

zu eilen und ein Wort zuviel zu ſagen. Auf 

Seite 53 iſt ein Irrtum zu berichtigen: das 

Bees E SC etz, das f one d 5 
r n Preußen feſtlegte, ſtamm 
nicht aus dem Jahre dek fondern vom Gep- 
tember 1814; es fällt pag auch nicht unter 
die eu Wilhelms IV., der 
nicht als „Idealmonarch jedes bürgerlichen 

Menſchen“ zu bezeichnen iſt. 


Der deutſche Bauer und ſein Dorf in Ver⸗ 
gangen eit und Gegenwart. Won Robert 
tele. Alexander Duncker Verlag, 
Wel 2. Ek dies 160 
ele kennen gew n dies ne 
Büchlein des wackeren und verdienten Ro- 
bert Mielke. Es ſollten alle kennen und 
beſitzen! Was dieſe Schrift auf knappem 
Raum uns bietet, unterſtützt durch ſchöne 
Bildtafeln, Zeichnungen, Grundriſſe und ein 
Sachverzeichnis, iſt vorbildlich. Die ei Ee 
Dorfformen, die Geſchichte des deutſchen 


— 


Bauerntums, das Bauernhaus, die Dorf- 
kirche, Gemeindebauten, die bäuerliche 
Arbeit, Sitte und Brauchtum und Adolf 
Hitlers Bauernpolitik — alles finden wir in 
klarer, ſorgfältiger Sprache, die kein Wort 
zuviel und keins zu wenig lagt, anſchauli 
und zuverläſſig, in beſtem Geiſte dar t 
und erläutert. 


Der Denker Paul Ernft. Ein Weltbild in 
Sprüchen aus ſeinen Werken. Geſammelt 
von Mar Wachler. LangenMüller, 
Münden 1936. Geb. 180 RM 


5 

men ſchrieb. Er hatte für derartige Spiegel- 
fechtereien keinen Sinn. Wir Wi 

daß er auf dem Gebiete der tung, der 
Kultur einer der Wegbereiter geweſen if, 
und wir achten und pflegen ſein Werk, weil 
wir darin die volkserhaltenden Krä 
immer ſtärker verſpüren. Dazu bedurfte 
es dieſer Schrift kaum, die nur An- 
regung ſein kann. And das auch unauläng- 
lich. Den Herausgeber ehrt der Wille, dem 
Werk des Dichters y dienen. Und fo wird 
dieſes Buch namentlich überall dort von be- 
ſonderem Nutzen fein, wo kulturkritiſch gear- 
beitet wird, alfo in Schriftleitungen. — Alle 
diejenigen aber, die zum rk des Dichters 
vorſtoßen wollen, und das miiffen alle Deut- 
ſchen einmal tun, alle dieſe m. ollten 
das vorliegende Buch nicht als Ein ⸗ 
führung zum Werk benutzen, ſon dern 
als Abſchluß. Wer Paul Ernſt, den 
Dichter, kennen lernen will, der leſe ſeine 
Romane, feine Dichtungen und die Georg, 
tiſchen Schriften, denn dort erlebt er malei 
die tiefen Zuſammenhänge des Weltbildes 
des größten deutſchen Dichters, den uns die 
letzten Jahrzehnte beſcherten, dort erlebt er 
deutſche Dichtung, die der vorliegende Band 
in ſeiner Auswahl nur ſchwer widerſpiegeln 
kann und der außerdem auch auf den Denker 
fpeaialifiert ift. „Je höher einer ſteht, deſto 
mehr verſchweigt er.“ Dieſes Wort Paul 
Ernſt, das auch in der vorliegenden Samm⸗ 
lung enthalten iſt, ſoll uns verpflichtend ſein. 

H. G. 


Hau NEE Günter Kaufmann (z. 3t. in Urlaub). Schriftleitung: Dr. Karl Lapper, Stellvertreter, und 
Wilde m Utermann. 


w eah „Wille und Macht“, Reichsjugendführung, Berlin NW 
Verlag: Deutſcher Jugendverlag G. m. b. H., Berlin W 35 

Verantw. für den Anzeigenteil: Kurt Otto Arndt, Berlin. — D.⸗A. I. Bi. 38: ; 
Wille und Macht“ tft zu beziehen durch den Deutſchen Iugendverlag 


Tel. D 2 5841. 
Theodor Abb Buchdruckerei, Berlin SW 68. 


oder jede N Buchhandlung ſowie durch die Poft. Poſtbezug viertelj. RM. 1,80 zuzügl. 


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: 16 488. — Pl. Nr. 5. — Druck: 


Beſtellgeld. Bei 


Beſte von 1 bis 3 einzelnen Nummern bitte den Betrag in Briefmarken beizulegen, da Nachnahmeſendung 
zn teuer ik und dieje Beſtellung ſonſt nicht ee Dita kann. Maſſenbezug durch den Verlag laut befonderen 
ezugsbedingungen. 


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Die Buchsemeinſchaſt unſerer Zeit 


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ye rauch zurud. ı 
die PRI Cer NSC: 


pAbvevorgan der nationalſozialiſtiſchen Zugend 


us dem Subalt: 
| Großgrundbesitz oder Bauernbetrieb. 


| Erreichen die Dichter zu Ostern das Ziel der Klasse 
Jie Wiedergeburt der Straße aus dem Kraftux 


Einheitsfront von Bolschewismus und Katholizismus — Münster / „Ritter, Tod und Tei 
Í Soend Fleuron, der dänische Lions — Genosse Lihoinow hetrte tn London -- Otto 
„Landesfürsi" werden — Auflenpolitische Notizen — Vom Büchermarki 


SE Gentian Maee 4 Cassal 42s ee, ben hla 


Subalt 


Großgrundbeſitz oder Bauernbetrieb? . . . ..... Karlheinz Bornhagen 


Doch Einheitsfront von Bolſchewismus und 
Katholizismuan?dddssss s n 


Die Wiedergeburt der Straße aus dem Kraftwagen. . Peter Randolf 


„Ritter, Tod und Teufel. Karl Münſter 
(aur Bildbeilage) 
Svend Fleuron, der däniſche Lind . . . . . 2.2... Rudolf Prolkſch 


Erreichen die Dichter zu Oſtern das Ziel der Klaſſe? . Dr. Heinz Schwitzke 


Außenpolitiſche Notizen: 
Genoſſe Litwinow hetzte in London 
Auf Koſten des franzöſiſchen Sparers 
Ottochen will „Landes fürſt“ werden 


Vom Büchermarkt 


Kunſtdruckbeilage: Albrecht Dürer (Fotos: Scherl ⸗Archiv) 


= = eet e a ie — — ͤ — maen, 


1 — — 


acht 


Sühreroesan der nationalſosialiſtiſchen Sugend 


Jahrgang 4 Berlin, 15. April 1936 Heft 8 


Karlheinz Bornhagen: 


Gvrovornudbetis oder Bauernbetrieb? 


Die Frage, ob dem Großgrundbeſitz oder dem Bauernbetriebe die größere 
Leiſtungsfähigkeit im Hinblick auf die Sicherung der deutſchen Nahrungsfreiheit 
zuzuſprechen ſei, iſt in den vergangenen Wochen und Monaten des öfteren in der 
Oeffentlichkeit behandelt worden. Dieſe von ganz beſtimmter und intereſſierter Seite 
in der Oeffentlichkeit zur Diskuſſion geſtellten Fragen könnten an ſich belanglos 
fein, da in dem Kampf der deutſchen Landwirtſchaft um die Steigerung der Er. 
zeugung ſelbſtverſtändlich jeder nach ſeinen möglichen Kräften mitarbeiten muß, gleich 
ob im Klein-, Mittel- oder Großbetrieb, um das vom Führer geftedte Ziel er- 
reichen zu helfen. Nun hat aber vor einigen Tagen ein bekanntes Berliner Blatt 
in einem Aufſatz „Der Gutshof“ Aeußerungen getan, die auf die klare weltanſchau⸗ 
liche Haltung der Landjugend anſpielten und die uns darum zwingen, zu oben- 
genanntem Thema doch einmal Stellung zu nehmen. Das Berliner Blatt ſchrieb: 
„ . . . wenn auch gelegentlich kräftige Reminiſzenzen aus der Zeit der Bauern- 
kriege im bäuerlichen Jungvolk laut werden („Gnade dir Gott, du Ritterſchaft, wenn 
der Bauer aufſteht im Lande ...), fo darf daraus noch keineswegs gefolgert 
werden, daß nun etwa auf dem Wege der Siedlung ein Generalangriff gegen den 
Großbetrieb eingeleitet werden ſolle.“ 

Daß von einem Generalangriff gegen den Großbetrieb keine Rede ſein kann, 
dürfte ſich aus den Notwendigkeiten der Erzeugungsſchlacht naturnotwendig er- 
geben. Doch muß hier einmal mit aller Deutlichkeit feſtgeſtellt werden, daß der 
nationalſozialiſtiſche Staat klar und eindeutig betont hat, welche landwirtſchaftlichen 
Betriebsgrößen er für Deutſchland als wünſchenswerteſte anſieht. In der Ein- 
leitung zum Reichserbhofgeſetz heißt es nämlich: „Die Reichsregierung will unter 
Sicherung alter deutſcher Erbſitte das Bauerntum als Blutquelle des deutſchen 


2 Bornhagen / Großgrundbeſitz oder Bauernbetrieb? 


Volkes erhalten. Es fol auf eine geſunde Verteilung der landwirtſchaftlichen Befitz⸗ 
größen hingewirkt werden, da eine große Anzahl lebensfähiger kleiner und mitt- 
lerer Bauernhöfe, möglichſt gleichmäßig über das ganze Land verteilt, die beſte 
Gewähr für die Geſunderhaltung von Volk und Staat bildet.“ Die dieſen Grund- 
ſätzen entſprechenden landwirtſchaftlichen Betriebe ſind als Erbhöfe bezeichnet worden, 
und im § 2 des Reichserbhofgeſetzes iſt beſtimmt, daß ein Erbhof mindeſtens die 
Größe einer Ackernahrung haben muß. Als Ackernahrung iſt diejenige Menge 
Landes anzuſehen, welche notwendig iſt, um eine Familie unabhängig vom Markt 
und der allgemeinen Wirtſchaftslage zu ernähren und zu bekleiden, ſowie den Wirt. 
ſchaftsablauf des Erbhofes zu erhalten. Daß diefen Grundſätzen der landwirtſchaft⸗ 
liche Großbetrieb nicht entſpricht, braucht wohl des näheren nicht erläutert zu 
werden. Trotzdem würde gegen die Exiſtenz der wirklich leiſtungsfähigen Teile des 
Großgrundbeſitzes nichts einzuwenden ſein, wenn nicht immer wieder verſucht würde, 
den Beſtand des Großgrundbeſitzes als eine unerläßliche Vorausſetzung für die 
Weiterentwicklung des nationalſozialiſtiſchen Volksſtaates darzuſtellen, und wenn 
nicht von beſtimmten Kreiſen des Großgrundbeſitzes immer wieder gefordert würde, 
dem Großgrundbeſitz auf Grund feiner angeblich beſonderen Leiſtungen doch irgend- 
welche beſonderen öffentlichen Funktionen zuzugeſtehen. 


Nachdem Rechtsanwalt Dr. von Rohr dieſe Forderungen in der von ihm 
herausgegebenen Schrift „Großgrundbeſitz im Ambruch der Zeit“ aufgeſtellt hatte, 
erſchien es ihm wohl als dringend notwendig, auch die Bodenſtändigkeit des Adels 
im beſonderen ausdrücklich zu beweiſen. Er verſuchte das mit einer Schrift, die unter 
dem Titel „Bodenſtändiger Adel“ erſchien und in der er verſucht, die Verwurzelung 
des deutſchen Adels mit ſeinem Grund und Boden nachzuweiſen. 


Wie liegen aber nun die Dinge in Wirklichkeit? Aus welchen geſchichtlichen Tat- 
ſachen und Entwicklungen heraus entſtand der Großgrundbeſitz? Anſere germaniſchen 
Vorfahren haben eine ſtarre Verteilung des Bodens nicht gekannt. Einzeleigentum 
am Grund und Boden gab es nicht, vielmehr gehörte der Hof mit ſeinem Grund 
und Boden der ganzen Sippe. Dieſe uralte germaniſche Bodenrechtsordnung blieb 
beſtehen, bis mit dem Siege der fränkiſchen Macht römiſche Bodenrechtsordnungen 
in Deutſchland eingeführt wurden. Damals drang zum erſtenmal der Grundſatz der 
Freiteilbarkeit des Bodens in die deutſchen Rechtsverhältniſſe ein. Die Entwick- 
lung der Bodenbeſitzverhältniſſe in den Jahrhunderten um die Wende des 1. Jahr- 
tauſends zeigt immer deutlicher, daß die Großgrundherrſchaften ſich nicht allein aus 
wirtſchaftlichen, ſondern auch aus politiſchen Gründen immer mehr ausdehnten, weil 
man erkannt hatte, daß Bodenbeſitz gleichzeitg auch Machtbeſitz bedeutet. Zwar 
kämpfte dann das deutſche Bauerntum in den Jahrhunderten der Bauernkriege noch 
einmal verzweifelt um das alte Recht, es ift aber für dieſen Aufbruch des Bauern- 
tums verhängnisvoll geworden, daß er in eine Zeit fiel, da die Reichsgewalt aer, 
brach und die Territorialfürſten immer mächtiger wurden. Mit dem Siege dieſer 
kleinen und kleinſten Fürſten wurde das Schickſal des Bauerntums und das des 
mittelalterlichen Kaiſerreichs endgültig beſiegelt. Die Zeit drangvollſter bäuerlicher 


Bornhagen / Großgrundbeſitz oder Bauernbetrieb? 3 


Abhängigkeit begann. Aus dem freien Bauern, der das Waffenrecht beſaß und 
ſogar das Recht der Blutrache und Fehde, wurde allmählich der Hörige, der auf 
Gedeih und Verderb dem Machtſpruch des Grundherrn unterworfen war. Nachdem 
im 15. und 16. Jahrhundert die unbeſchränkte polizeiliche Verfügungsgewalt der 
Gutsherren über die Bauern ihres Bezirkes fih durchgeſetzt hatte, begann ſchließ⸗ 
lich im 17. Jahrhundert in größerem Amfange das Bauernlegen, das ſchließlich 
zu Ende des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts zum umfaſſenden Bauern- 
legen führte, das teilweiſe mit der völligen Vernichtung ganzer Bauerndörfer 
endete. Dafür ein Beiſpiel aus Mecklenburg: Im Jahre 1755 waren dort 4472 ritter- 
ſchaftliche Bauern- und Koſſätenſtellen vorhanden, die bis zum Jahre 1800 um 
nicht weniger als 2704 Stellen verringert wurden. Im Jahre 1850 waren ſchließ⸗ 
lich nur noch 1390 Stellen vorhanden. In Oſtholſtein find nach ſorgfältigſter Be- 
rechnung im Verlaufe von 2 Jahrhunderten nicht weniger als 197 ganze Bauern- 
dörfer durch das Bauernlegen vom Erdboden verſchwunden. Anwahr iſt es, wenn 
Herr von Platen in dem Buch über den Großgrundbeſitz die Schuld an dieſer 
Entwicklung allein den damals beſtehenden Geſetzen und den politiſchen Verſäum⸗ 
niſſen der betreffenden Regierungen zuſchiebt. Im Gegenteil, gerade in den Ländern, 
wo der Landadel feine ſtändiſchen Rechte gegenüber der abſolutiſtiſchen Staats- 
entwicklung weitgehend behauptete, wie z. B. in Mecklenburg, hat das Bauernlegen 
beſonders unerträgliche Ausmaße angenommen. And auf der anderen Seite ſind 
es ſchließlich preußiſche Könige geweſen, die — gegen den Widerſtand von ſeiten 
des Großgrundbefitzes — für eine ſoziale Beſſerung des Bauernſtandes tätig waren. 

Wert und Bedeutung des Bauerntums hat dann, wie ſelten jemand vor ihm, 
der Reichsfreiherr vom Stein erkannt, der mit feinem umfaſſenden Agrarreformwerk 
dem Bauerntum eine neue Eriftenz- und Lebensgrundlage ſchaffen wollte. Er konnte 
ſein Werk nicht zu Ende führen, und ſeine Nachfolger hatten nichts Eiligeres zu 
tun, als ſeine Grundſätze zu verwäſſern und ins Gegenteil umzukehren. Im Gegen- 
jag zur Steinſchen Auffaſſung wurde der Grund und Boden dem beweglichen 
Kapital gleichgeſtellt und damit die Möglichkeit eines Bauernlegens größten Stils 
geſchaffen. Die Auswirkung der Verfälſchung des Steinſchen Agrarreformwerkes 
durch Hardenberg und Genoſſen find kataſtrophal. Nach dem Kommentar zum Reihs- 
ſiedlungsgeſetz von Wenzel-Ponfid ergibt fih, daß im Laufe des 19. Jahrhunderts 
rund 4 320 000 Morgen Bauernlandes an den Großgrundbefitz übergegangen find. 
Die genaue Zahl der gelegten Bauernbetriebe iſt nicht bekannt. Wenn man aber 
entſprechend der heutigen Siedlungsgröße eine Betriebsgröße von 60 Morgen an- 
nimmt, ſo entſpricht der vom Bauernland an den Großbetrieb übergegangenen Fläche 
eine Zahl von etwa 50 000 bis 60 000 bäuerlichen Betrieben, wobei aber die Fläche 
nicht berückfichtigt ijt, die durch das Verſailler Diktat im Often verloren gegangen ift. 

Dieſe Entwicklung der Grundbeſitzverhältniſſe mußte zwangsläufig zu einer 
ſozialpolitiſchen Verſchiebung innerhalb der Bevölkerung führen. Nach den Unter- 
ſuchungen von Dr. Nobert Stein entwickelte ſich, um in dieſem Zuſammenhange 
nur ein Beiſpiel zu zeigen, die oſtpreußiſche Landbevölkerung in jener Zeit ſo, daß 


4 Vornhagen / Großgrundbeſitz oder Bauernbetrieb? 


die Zahl der ſelbſtändigen Bauern immer ſtärker zurückging und die der abhängigen 
Arbeitskräfte immer mehr zunahm. Hatte der Anteil der Bauern im Jahre 1804 
noch 38 v. H. betragen, fo im Jahre 1867 nur noch 25 v. H. Im gleichen Zeit- 
raum wuchs die Zahl der beſitzloſen oſtpreußiſchen Landarbeiter von 55 000 auf 
140 000, d. h. von 29 v. H. auf 41 v. H. 

Giele Zahlen über die Entwicklung zum Großgrundbeſitz bedürfen keines Kom- 
mentars. Der Gewaltanmaßung der Grundherren gegenüber ſetzte ſich zwar der 
Bauer verzweifelt zur Wehr, aber es gab in dem damaligen Deutſchland der Klein- 
ſtaaterei keine Stelle, an der er hätte recht bekommen können. And ſo wurde ein 
großer und wertvoller Teil des deutſchen Bauerntums vernichtet, jenes Volksteiles 
alfo, der in der deutſchen Geſchichte immer noch der entſcheidende Träger der Bluts⸗ 
kraft des Volkes geweſen iſt. 

Wenn von den Anwälten des Großgrundbeſitzes nun noch die Behauptungen 
aufgeſtellt werden, daß der Adel, der Großgrundbeſitz mehr noch als das Bauern- 
tum dem Boden verhaftet fei, fo folen die nachfolgenden Angaben diefe Feſtſtellung 
doch einmal ins rechte Licht rücken. Dr. von Rohr hat in der Schrift über den 
„bodenſtändigen Adel“ Ermittlungen veröffentlicht, nach denen ſeit dem Jahre 1800 
im ganzen Reiche 2650 Güter ununterbrochen im Beſitz adliger Familien ſich ver- 
erbt haben. Warum dieſe Zahl die beſondere Bodenſtändigkeit des Adels beweiſen 
ſoll, iſt nicht recht erſichtlich, denn im Jahre 1855 gab es allein in Preußen 
16 433 Rittergüter, die 11015 Beſitzern gehörten. Davon waren jedoch nur rund 
30 v. H. adlig, während über 60 v. H. dem Bürgerſtande angehörten. Der Vergleich 
dieſer Zahlen dürfte wohl eindeutig beweiſen, in welch ungeheurem Maße gerade 
im Großgrundbeſitz Beſitzverſchiebungen ſtattgefunden haben. Man muß dabei be- 
denken, daß Bürgerliche im 19. Jahrhundert überhaupt nicht ein Rittergut erwerben 
konnten. In der Tat zeigt ſich, daß die kapitaliſtiſche Mobiliſierung des Grund 
und Bodens im 20. Jahrhundert gerade beim adligen Großgrundbeſitz ſich Ober, 
raſchend ſtark bemerkbar macht. In den Jahren von 1835 bis 1864 entfielen in den 
damaligen preußiſchen Provinzen von 100 verkauften oder vererbten Rittergütern auf 


Provinz Vererbungen Verkäuſe 
Kurmark . 45 55 
Neumark 29 71 
Oſtpreußen 30 70 
Pommern 36 64 
Poſen 39 61 
Schleſien 28 72 
Sachſen 45 55 
Weſtfalen . 76 24 


Aus dieſen Zahlen ergibt ſich, daß in dieſem Zeitraum von nur 30 Jahren die 
Zahl der freiwilligen Verkäufe im Verhältnis zur Zahl der Rittergüter in der Kur— 
mark 80 v. H. betrug, in der Neumark 133 v. H., in Oſtpreußen 137 v. H., in 
Pommern 128 v. H., in Poſen 117 v. H., in Schleſien ſogar 155 v. H., in Sachſen 


Bornhagen / Großgrundbeſitz oder Vauernbetried? 5 


89 v. H., während ſie in Weſtfalen am geringſten war, nur 24 v. H. Dieſe Tatſachen 
mußten gegenüber den Forderungen geroer Großgrundbeſitzerkreiſe einmal klar 
herausgeſtellt werden! 


Es gibt nun gewiſſe Kreiſe der Großgrundbeſitzer, die ſelbſt erkannt haben, daß 
eine Rechtfertigung des Großgrundbeſitzes aus ſeiner geſchichtlichen Entwicklung 
heraus nicht ſtichhaltig iſt, und darum verſuchen ſie nun, die Notwendigkeit des Be⸗ 
ſtehens des Großgrundbeſitzes auf Grund ſeiner wirtſchaftlichen Leiſtungsfähigkeit zu 
beweiſen. Wie aber ſteht es mit dieſer Frage? Eingehende Anterſuchungen von 
Dr. Fenſch, deren Ergebniſſe ebenfalls in dem Buch „Der Bauer im Ambruch der 
Zeit“ (Reichsnährſtandsverlag) veröffentlicht worden find, haben ergeben, daß die Klein- 
betriebe 49 v. H., die Mittelbetriebe 30 v. H. und die Großbetriebe 21 v. H. des geſam⸗ 
ten Marktes mit landwirtſchaftlichen Erzeugniſſen verſorgen. Die Großbetriebe waren 
mit 21 v. H. an der Marktverſorgung, dabei mit 21,1 v. H. an der landwirtſchaft⸗ 
lichen Nutzfläche beteiligt. Sie brachten demnach 0,1 v. H. weniger landwirt- 
ſchaftliche Erzeugniſſe an den Markt, als ihrer landwirtſchaftlichen Nutzfläche 
eigentlich entſprochen hätte. Aus dieſen Berechnungen ergibt ſich alſo, daß 
die verſchiedenen Betriebsgrößen im allgemeinen ein gleiches 
Verhältnis im Hinblick auf die Marktverſorgung unter Berückſichtgung ihrer land- 
wirtſchaftlichen Nutzfläche aufwieſen. Ganz eindeutig zeigt ſich jedenfalls, daß von 
einer Aeberlegenheit der Großgrundbetriebe bei der Verſorgung des deutſchen 
Marktes keine Rede ſein kann. Anterſuchungen über die Leiſtungsfähigkeit der 
Neubauernwirtſchaften haben ergeben, daß die Ernteerträge der Neubauern Durch, 
weg höher waren, als die Erträge der Großbetriebe auf der gleichen Fläche vor 
der Beſiedlung. Bei eingehenden Anterſuchungen über die Leiſtungsfähigkeit von 
5000 Neubauernwirtſchaften in Pommern, die von Prof. Seraphim, Roftod, an- 
geſtellt wurden, ergab ſich eine Ertragszunahme bei Weizen um 3,1 v. H., bei Roggen 
um 4,2 v. H., bei Gerſte um 5,7 v. H., bei Hafer um 3,6 v. H. und bei Kartoffeln 
fogar um 7,7 v. H. Noch wichtiger ift in Anbetracht der augenblicklichen Lage der 
Ernährungswirtſchaft die Tatſache, daß der Viehſtapel — abgeſehen von Pferden — 
durch die bäuerliche Siedlung eine ganz erhebliche Erhöhung erfahren hat. Jedenfalls 
iſt durch dieſe Tatſachen unumſtößlich bewieſen, daß — allerdings nach einer kurzen 
Aebergangsfriſt — die Neubauernwirtſchaften den deutſchen Boden mindeſtens genau 
fo intenfiv bearbeiten und ausnutzen wie der Großbetrieb. 


Jedoch iſt mit der Feſtſtellung der wirtſchaftlichen Bedeutung der Großgrund— 
betriebe und der bäuerlichen Betriebe die zu Anfang dieſes Aufſatzes geſtellte Frage 
noch nicht beantwortet. Von mindeſtens ebenſo entſcheidender Bedeutung ſind die 
bevölkerungspolitiſchen und in der Nachfolge damit die wehrpolitiſchen Fragen, 
die im Rahmen einer Diskuſſion über Wert oder Anwert des Großgrundbeſitzes be— 
antwortet werden müſſen. Nach den Anterſuchungen des Statiſtiſchen Reichsamtes 
iſt bisher durch die Neubildung deutſchen Bauerntums die Bevölkerungsdichte auf 
der beſiedelten Fläche erheblich geſtiegen. Was aber kann es Wertvolleres geben, 
als eine möglichſt große Zahl geſunder deutſcher Menſchen auf wirtſchaftlich geſicherter 


6 S * Doch Einheitsfront von Volſchewismus und Katholizismus? 


£ 


Grundlage mit dem deutſchen Boden zu verbinden. All diefe Fragen gilt es zu 
berückſichtigen, wenn man nach einer Antwort ſucht, die der Bedeutung des Groß⸗ 
grundbeſitzes und der bäuerlichen Wirtſchaften entſpricht. Der Nationalſozialismus 
hat es wahrlich nicht nötig, Vergangenes hervorzuzerren, um damit ſeine Gegner 
zu Boden zu ringen. Wenn aber gewiſſe Kreiſe, die nationalſozialiſtiſchem Denken 
einfach nicht zu folgen vermögen, Forderungen an den Staat erheben, die den Ge- 
ſetzen der völkiſchen Weiterentwicklung widerſprechen, dann allerdings ift es not- 
wendig, eine deutliche Antwort zu geben. And wenn am Anfang dieſes Aufſatzes 
von den Aeußerungen eines Berliner Tageblattes die Rede war, die an die Land- 
jugend gerichtet waren, ſo können wir dazu nur eines ſagen: Die „kräftigen 
Reminiſzenzen aus der Zeit der Bauernkriege, die gelegentlich im bäuerlichen Jung- 
volk laut werden“, hatten ſchon ihre Berechtigung. Aus dem geſunden Naturgefühl 
der Jugend heraus hat ſich dieſe Jugend dem alten Recht verſchworen, das trotz 
aller Anterdrückung durch die Jahrhunderte hindurch im Volke lebendig geblieben iſt. 
Die Jugend weiß, daß der nationalſozialiſtiſche Staat alles einſetzt, um ihr Arbeits- 
und Aufſtiegsmöglichkeiten zu ſchaffen. And wenn bei dieſer Arbeit ein dem Volke 
geſchehenes Anrecht wieder gutgemacht werden kann, dann gibt es auch nicht einen 
ſtichhaltigen Grund, der die Staatsführung von dieſem Wollen abhalten könnte. 
Nichts aber iſt für die geſunde Weiterentwicklung Deutſchlands entſcheidender, als 
ein zahlreiches, lebensſtarkes Bauerntum. Seine Stärkung und Mehrung iſt darum 
ein dringendes Gebot unſerer Zeit! 


Dow Einheitsfront von Bolſchewis uns 
und Katholizismus? 


Kardinal Faulhaber hatte es in einer Münchener Predigt Anfang Februar 
für gut befunden, den Vorwurf, daß der Vatikan beſtrebt ſei, mit Moskau in ein 
verträgliches Verhältnis zu kommen, ja unter Amſtänden auf ein Konkordat mit dem 
bolſchewiſtiſchen Staat hinzuarbeiten, für den „Gipfel journaliſtiſcher Erfindung“ zu 
erklären. Der Zufall wollte es, daß gerade am gleichen Sonntag — am 9. Februar 
— an dem er die fragliche Predigt hielt, in der klerikalen „Deutſchen Preſſe“ in Prag 
ein Artikel erſchien, in dem an einzelnen Beiſpielen verſucht wurde darzulegen, daß 
Moskau auf dem beſten Weg „nach dem Weſten Europas zurück 
zu den Regionen des abendländiſchen Kulturkreiſes“ fei, und 
daß dieſer Weg „ſicherlich zutiefſt feinen Ausgangspunkt in den außerordentlichen 
Veränderungen“ habe, „die ſich in der geiſtigen Grundhaltung des ruſſiſchen Volkes, 
beſonders in den letzten zwei Jahren vollzogen“. Das iſt die Methode, freilich etwas 
allzu deutlich ausgeplaudert, mit der man dem ahnungsloſen katholiſchen Volk eine 
Zuſammenarbeit des Vatikans, oder mindeſtens doch führender katholiſcher Kreiſe 
mit dem Volſchewismus verſtändlich und ſchmackhaft zu machen ſucht. 


„ Doch Einheitsfront von Volſchewismus und Katholizismus? 7 


Es nimmt uns nicht wunder, daß dem deutſchen Klerus dergleichen Verlaut⸗ 
barungen außerordentlich peinlich ſind. And mit einem Hinweis, daß man ſich nicht 
in der Lage ſähe, „alle Vorwürfe, die hier und dort gegen die Kirche“ erhoben 
würden, zu widerlegen, kann man eine derart aufſchlußreiche Bekundung wahrhaftig 
nicht aus der Welt ſchaffen. Man wird es in Zukunft noch weniger können, denn 
inzwiſchen hat ſich noch eine andere führende klerikale Zeitſchrift in 
nicht mehr zuüberbietender Deutlichkeitübereine Zuſammen⸗ 
arbeit mit dem Bolſchewis mus ausgeſprochen, und zwar die þin- 
länglich auch in Deutſchland bekannte Wochenſchrift „Der Chriſtliche Ständeſtaat“, 
Wien, in ſeiner Nummer vom 23. Februar. In Paris oder richtiger, wie es in dem 
fraglichen „Communiqué“ heißt, „im Auslande“ hatte Anfang Februar unter Aug- 
ſchluß der Oeffentlichkeit eine Tagung von „über hundert Vertretern des freiheitlichen 
deutſchen Bürgertums und der deutſchen Arbeiterſchaft aller Richtungen“ ſtatt⸗ 
gefunden. Auf dieſer Tagung wurde eine gemeinſame Erklärung beſchloſſen, die 
ſich der „Chriſtliche Ständeſtaat“ nicht ſcheut, in feinen Spalten ungekürzt zum Ab⸗ 
druck zu bringen. In dieſer Erklärung werden „die einzelnen Parteien und Gruppen“ 
aufgerufen, „ohne Aufgabe ihrer programmatiſchen Ziele“ ſich zuſammenzufinden und 
für beſtimmte Forderungen zu kämpfen. Unter dieſen Forderungen 
findet ſich eine, die bei folchen Anläſſen neuerdings nie zu 
fehlen pflegt und käme ſie auch von rein kommuniſtiſcher Seite: 
die Forderung nach Freiheit des Glaubens und der Reli- 
gionsausübung. Ueber deren Mangel an ſachlicher Berechtigung brauchen 
wir uns nicht auszulaſſen, doch bietet ſie dem Ständeſtaat den willkommenen Anlaß 
zu dem ausführlichen und aufſchlußreichen Kommentar. Wir müſſen uns begnügen, 
nur die wichtigſten Sätze dieſes Artikels zu zitieren. Es heißt dort: 

„Nicht eine Verwiſchung der Gegenſätze kann daher der Sinn der Einheitsfront, um 
die es heute geht, ſein, ſondern ein Zueinanderſinden über dieſe Gegenſätze hinweg zur 
Verteidigung ihrer Fundamente. In dieſer Verteidigung kann heute alles zuſammenſtehen, 
was zur Freiheit und Würde der menſchlichen Perſon und des Redtsftaates ſteht. Wenn 
alſo auf dieſer Ebene eine Einheitsfront möglich iſt — ſo verſchieden die einzelne Richtung, 
Konſequenz und Sinn dieſer Grundgegebenheiten interpretieren mögen —, ſo erhebt ſich doch 
die Frage, ob ſie gerade wegen der Grundſätzlichkeit der Dinge, um die es dabei geht, auch 
finnvoll und politiſch wirkſam fein könnte, ob auf Grund dieſer Vorausſetzungen ein politiſch 
verbindliches, einfagfähiges Programm zu erreichen iſt.“ 

Auf dieſe Frage, ſo meint Nikolaus Dohrn, der Autor des Artikels, wird heute 
noch keine Antwort zu geben ſein, doch müſſe man immerhin den Verſuch wagen. Die 
Problematik, die in einer ſolchen Zuſammenarbeit verſchiedenſter Gruppen liegt, ent- 
geht auch Herrn Dohrn nicht. Er weiß ſehr wohl, daß mindeſtens die Möglichkeit 
nicht ausgeſchloſſen iſt, daß der Freund von heute zum Feind von morgen werden 
kann, und daß die eine Gruppe vielleicht nur den „Handlanger für die ſehr ſpeziellen, 
hinter einem ſolchen allgemein gefaßten Programm verborgenen Ziele einer Gruppe 
ſpielt, die allein nicht ſtark genug iſt, die Macht zu erobern, die aber gar nicht daran 
denkt, ihre totalitären Ziele in Wahrheit aufzugeben“. Daß eine ſolche Gefahr 


8 „ * Doch Cinheitsfront von Volſchewismus und Katholizismus? 


beſonders von den kommuniſtiſchen Verbündeten droht, weiß auch Nikolaus Dohrn. 
Allein, hier kommt dann der Pferdefuß zum Vorſchein. Er ſchreibt: 

„Wenn nicht ein gründlicher Wandel glaubhaft gemacht werden kann, der zeigt, daß 
die totalitären Ziele von geſtern unter dem Eindruck der Erfahrungen von heute ehrlich 
aufgegeben find — von vielen ehemals kommuniſtiſchen Gruppen in 
Deutſchland wird das verſichert —, fo wird wohl keine der rechts vom Kommunis- 
mus ſtehenden Gruppen, am wenigſten wohl die Sozialdemokratie, gewillt ſein, eine Einheits⸗ 
front mit einer Richtung einzugehen, die nur auf ihre Vernichtung ausgeht, ſobald ſie 
wieder die Macht dazu hat.“ 


„Von vielen ehemals kommuniſtiſchen Gruppen in Deutſch⸗ 
land wird das verſichert“, das iſt die Form, mit der man es den katholiſchen 
Seelen verſtändlich machen will, daß ein Zuſammengehen mit dem 
Bolſchewismus heute gar nicht mehr ſo gefährlich ſei, es iſt 
die Form, Illuſionen zu verbreiten, von denen man ganz genau weiß, daß es 
eben nur Illuſionen find, mit denen man das Volk täuſcht. So wird denn auf die 
gleiche Weiſe der unumſchränkte Herrſchaftsanſpruch des Bolſchewismus, die bolſche⸗ 
wiſtiſche Diktatur nicht allzu hoch veranſchlagt, indem man ſchreibt, daß es ſich wohl 
denken ließe, 

„daß viele orthodoxe Kommuniſten von geſtern hinſichtlich mancher weltanſchaulichen 
und politiſchen Vorausſetzungen ihrer Doktrin durch den nationalſozialiſtiſchen „An 
ſchauungsunterricht in Diktatur““ ſkeptiſcher geworden find...“ 

Auch auf dem Gebiete der Kulturpolitik iſt „die Hoffnung nicht vermeſſen, daß auch viele 
unſerer Gegner von geſtern über die Zweckmäßigkeit des Kampfes, den ſie auf dieſen Ge⸗ 
bieten führten, heute anderer Meinung geworden find. Ueber alles andere läßt fic reden, 
alles andere kann Gegenſtand freier, offener Auseinanderſetzung in einem beſonderen Deutſch⸗ 
land von morgen werden.“ 


Wir haben keinen Grund, dieſen Optimiſten ihren Glauben zu nehmen. Ans 
kam es nur darauf an, an einem neuen Beiſpiel zu zeigen, wie weit bereits ideologiſch 
die viel und heftig geleugnete Zuſammenarbeit von Vatikan und Moskau gediehen 
iſt. Wir ſind in der Lage, auch aus den „Wiener Politiſchen Blättern“, deren 
Herausgeber der Wiener Vizebürgermeiſter und Spann⸗Schüler Ernſt Karl Winter 
ift, eine Stelle zu zitieren, die ſich durchaus auf der gleichen Ebene bewegt. Anläß- 
lich der Beſprechung eines Rußlandbuches heißt es dort (Nr. 1 vom 19. Januar 1936) 
in einer Gegenüberſtellung von Nationalſozialismus und Bolſchewismus: 

„Ethos und Logos des Bolſchewismus und Sozialismus mögen falſch und verrannt 
ſein, ſie ſind immerhin rein und daher heilbar und entwicklungsfähig. Der Wille und 
das Denken des Nationalſozialismus hingegen find vergiftet an der Wurzel. Der National- 
ſozialismus, der vom lieben Gott und von der keuſchen Ehe redet, iſt ſchlimmer als der 
Bolſchewismus, den eine reine, wenn auch verkehrte Idee dazu antreibt, Gott auf verfehlten 
Wegen zu ſuchen. Der Volſchewismus kommt aus den Tiefen eines naturhaften, bar- 
bariſchen Volkes, das auf Umwegen einem europäiſchen Kulturziel zuſtrebt. Der National- 
ſozialismus iſt die geiſtige Erkrankung der herrſchenden Schichten eines alten Kulturvolkes, 
die nach menſchlichem Ermeſſen in den Krallen dieſer Krankheit unheilbar verloren find.” 


Randolf / Die Wiedergeburt der Straße aus dem Kraftwagen 9 


Sum Schluß ſei ſchließlich noch einer der letzten Abſätze aus dem oben ge- 
würdigten Artikel des „Chriſtlichen Ständeſtaats“ wiedergegeben. Er verrät in 
wenigen Zeilen das Ziel des politiſchen Katholizismus oder mit den Worten des 
„Ständeſtaates“ „den Preis, um den der einſatzbereite deutſche Katholizismus heute 
zu haben iſt“: | 

„Er (der deutſche Katholizismus) weiß heute, daß die territorialen Poſitionen das 
Rückgrat ſeiner Kraft ſind, er wird ſie nicht ein zweites Mal leichtfertig preisgeben. Die 
„Mainlinie“ hat für ihn alle, aber auch alle Schrecken verloren. And das öſterreichiſche 
Beiſpiel hat ihm ſeine Kraft, an der die Generation vorher verzagt hat, neu bewieſen. 
Märtyrer find die Beweiſe dieſer Kraft. And Blut verpflichtet. Das Uebel muß end- 
gültig liquidiert werden. Wir find es Europa und dem Deutſchtum () 
ſchuldig, immer wieder zu betonen, daß die Geſundung Deutſch⸗ 
lands die Zertrümmerung Preußens und das Rückgängigmachen 
der Irrwege des deutſchen Zentralismus erfordert.“ 


Wir danken für die Aufklärung. 


Peter Randolf: 


Die Wiedergeburt der Straße 
aus dem Krafiwagen 


Mit der Machtübernahme durch den Nationalſozialismus iſt das deutſche Straßen⸗ 
weſen in einen bemerkenswerten Abſchnitt ſeiner Geſchichte getreten. Nur wenige Monate 
nach der Machtübernahme kündigte der Führer in feiner Rede am 1. Mai auf dem Tempel- 
hofer Felde eine grundlegende Neugeſtaltung des deutſchen Straßenweſens an und ſprach 
fiber dieſes Rieſenprogramm, das nicht kommenden Generationen zur Löſung vorbehalten 
bleibe, ſondern im Rahmen der Arbeitsbeſchaffungsmaßnahmen der Regierung ſofort in 
Angriff genommen würde. Dieſes Straßenbauprogramm umfaßt zwei gewaltige Aufgaben- 
gebiete: einmal die völlige Neugeſtaltung unſeres augenblicklichen Straßennetzes, auf dem 
der Kraftverkehr alleiniges Daſeinsrecht genießt, den Bau der Reichsautobahnen. 


Der 100. Geburtstag der deutſchen Eiſenbahn fiel gleichzeitig mit dem erſten Ge⸗ 
burtstag der deutſchen Kraftwagenſtraße zuſammen und das Jahr 1935 wird künftighin 
als einer der bedeutendſten Markſteine in der deutſchen Verkehrsgeſchichte angeſehen 
werden müſſen. Der Wandel im deutſchen Kraſtverkehrsweſen, der vor einem Jahr- 
hundert mit der Geburtsſtunde der Eiſenbahn zuſammenfiel, vollzieht ſich heute von neuem: 
mit dem Aufkommen eines neuen Verkehrsmittels, des Kraftwagens, erfährt die deutſche 
Verkehrswirtſchaft einen neuen Wandel. Seit mehr als einem Jahrzehnt hatte ſich dieſer 
Wandel angebahnt, aber erſt nach der Machtübernahme durch den Nationalſozialismus 
wurden auf die Initiative des Führers hin, der das deutſche Straßenweſen und damit ſeine 
Mängel von feinen Kraftwagenfahrten her aus eigenſter Anſchauung kannte, diejenigen 
Maßnahmen ergriffen, die dem Kraftwagen ein neuzeitliches Straßennetz, auf dem er ſich 
voll und ganz entwickeln kann, für die Zukunft ermöglichen. 


10 Randolf / Die Wiedergeburt der Straße aus dem Kraftwagen 


Der Bau der Reichsautobahnen 


Es find am 23. September 1935 gerade zwei Jahre her geweſen, daß der Führer mit 
feinem Spaten die Bauarbeiten an der erſten Reichsautobahnſtrecke bei Frankfurt eröffnete. 
Anfang Oktober 1935 waren die erſten 100 Kilometer Reichsautobahnen für den Kraft- 
verkehr freigegeben. Täglich wurde in den letzten Monaten 1 Kilometer Reichsautobahn 
fertig und im nächſten Jahre werden es bereits über 1000 Kilometer Reichsautobahnen 
fein, die dem Kraftfahrer zur Verfügung ſtehen. Es find erſtaunliche Zahlen, die der 
Generalinſpektor Dr. Todt auf dem letzten Parteitag in Nürnberg der Oeffentlichkeit 
bekannt gab. In ſtiller und zäher Arbeit ift das zweite Baujahr der Reichsautobahnen 
vergangen. Die Zahl der Arbeiter hat ſich mehr als verdoppelt: auf den Bauſtellen ſtehen 
heute direkt beſchäftigt 120000 Mann. Weitere 150 000 Mann arbeiten indirekt 
für die Reichsautobahnen in den Steinbrüchen und Brückenbauanſtalten, in den Werkſtätten 
der Baumaſchineninduſtrie und in den Lieferwerken der Bauſtoffinduſtrie. Planmäßig, 
wie vom erſten Tage an vorgeſehen, haben ſeit Beginn des zweiten Baujahres über 
1 Million Volksgenoſſen durch den Bau der Straßen Adolf Hitlers Arbeit und Verdienſt 
gefunden. Weitere 170000 Mann arbeiten beim Ausbau der Reichs- und Landſtraßen. 
Der deutſche Straßenbau beſchäftigte im Herbſt 1935 insgeſamt rund 450 000 Volksgenoſſen. 
Mit annähernd 2000 Kilometer ift über 4 des Geſamtnetzes der Reichsautobahnen im Bau. 

Wer heute, fei es im Norden oder Süden, im Often oder Weſten des deutſchen Bater- 
landes, die großen Bauſtellen der zügigen Linien der Reichsautobahnen beſichtigt, wird des 
ſchnellen Fortſchrittes, mit dem die Straßen Adolf Hitlers ihrer Vollendung entgegengehen, 
alsbald gewahr werden. Feldlaboratorien auf jeder Bauſtelle arbeiten, wie es Dr. Todt 
kennzeichnete, mit einer ſonſt nur in chemiſchen Fabriken üblichen Genauigkeit, um Kies, 
Sand, Waſſer und Zement ſo abzuwiegen und zuſammenzuſetzen, daß der Beton die Dichte 
und Feſtigkeit der beſten Naturgeſteine erhält. Tiefe Moorſümpfe, die der Straßenbauer 
früherer Zeiten hilflos, aber auch unfähig umgehen mußte, werden bezwungen, teils mit 
Geräten, teils durch Sprengungen von einem Amfang, wie ſie im Weltkriege noch nicht 
bekannt waren. Kühne Brückenbauten aus Stahl, Stein oder Eiſenbeton unterbrechen die 
Erddämme. Auf den Zentimeter genau treffen die über 100 Meter gerüſtfrei montierten 
Eiſenkonſtruktionen der Stahlbrücken auf die Auflageſtellen am entgegengeſetzten Pfeiler. 
An anderer Stelle arbeitet die Belegſchaft 20 Meter unter dem Waſſerſpiegel bei 2 Atmo- 
ſphären Aeberdruck im trockenen Senkkaſten. Eiſenbetonbögen von über 100 Meter Spann- 
weite verlangen eine Gerüſtarbeit der Zimmerleute, die nur dann dem ſpäteren Druck des 
flüſſigen Betons gewachſen ift, wenn jeder einzelne Hammerſchlag richtig geſeſſen hat. 
70 große Brückenbauwerke mit einer Geſamtlänge von 13 Kilometer find zur Zeit im Bau. 
Seber die deutſchen Ströme und Flüſſe, über die Täler der deutſchen Mittelgebirge und 
die tief eingeſchnittenen Mulden der bayriſchen Voralpenlandſchaft ſpannen ſich die kühnſten 
Bauwerke. In früherer Zeit hätte ein einziges dieſer 70 Bauwerke genügt, um als Wunder 
der Technik beſtaunt zu werden. 

An Stelle der zu neuer Arbeit abgezogenen Arbeiter bevölkern nunmehr die Kraftfahrer 
die erſten freigegebenen Reichsautobahnſtrecken. Der Verkehr auf den beiden ſeit mehreren 
Monaten befahrenen Reichsautobahnſtrecken bei Frankfurt und München geht weit über 
das hinaus, was für den Anfang überhaupt erwartet wurde. In Frankfurt iſt etwa die 
Hälfte des Verkehrs der bisher beſtehenden Straßenverbindung zwiſchen Frankfurt und 
Darmſtadt auf die Autobahn abgewandert. Ueber die bei München eröffnete Teilſtrecke 
der Linie München — Landesgrenze find an Werktagen rund 2500 und an Sonntagen rund 
6000 Fahrzeuge gefahren. 


Randolf / Die Wiedergeburt der Straße aus dem Kraftwagen 11 


Beſonders bemerkenswert find die von Generalinſpektor Dr. Todt angeführten Zahlen, 
die ſich auf die Betriebskoſtenerſparniſſe auf der Autobahn beziehen. Gegenüber den big- 
herigen Straßen betragen die Betriebskoſtenerſparniſſe auf der Autobahn 30 Prozent an 
Betriebsſtoff, 50 bis 80 Prozent an Reifen und 25 Prozent an den laufenden Reparaturen. 
Der Zeitgewinn ift hierbei nicht in Rechnung geſtellt, er bringt aber dem Laſtwagen durch 
die Ausnutzung der gewonnenen Zeit eine um 20 Prozent vermehrte Ladefähigkeit. So 
werden die Reichsautobahnen nicht nur einen großen kulturellen und verkehrspolitiſchen, 
fondern auch einen ſehr hohen materiellen Wert beſitzen. Die deutſche Volkswirtſchaft gibt 
jährlich 6 bis 8 Milliarden Mark für Transportzwecke aus. Trotz aller Erfolge der Technik 
ift es in den letzten 20 Jahren nicht gelungen, die einzelnen Sätze der Transportkoſten 
zu verringern. Es ift die große wirtſchaftliche Aufgabe der RNeichsautobahnen und der 
Motoriſierung des Verkehrsweſens, bei richtigem Einſatz der techniſchen Hilfsmittel und 
bei individueller Verkehrsbedienung die Geſamttransportkoſten für die deutſche Wirtſchaft 
zu verbilligen. 

Die Deutſche Alpenſtraße 


Neben dem Rieſemwerk der Neichsautobahnen und dem Ausbau des bisherigen deutſchen 
Straßennetzes, das heute erft ſtellemweife von den Mängeln für einen neuzeitlichen Kraft- 
verkehr befreit werden konnte, iſt es beſonders ein Werk, dem der Führer ſein ganz 
beſonderes Augenmerk widmet: dem Bau der Deutſchen Alpenſtraße. Der Gedanke des 
Baues einer durch die Alpen auf deutſchem Gebiete verlaufenden Straße von Lindau am 
Bodenſee bis nach Berchtesgaden tauchte im Jahre 1932 zum erften Male innerhalb eines 
bayriſchen Verkehrsverbandes auf. Dieſe Straße wurde damals „Queralpenſtraße“ ge- 
nannt und erhielt vom Führer ſelbſt ſpäter die einzig richtige Bezeichnung „Deutſche 
Alpenſtraße“. Die „Deutſche Alpenſtraße“ wird künftighin die Hauptader für den Fremden- 
verkehr bilden und die wunderbaren Naturſchönheiten innerhalb dieſes meiſtbefuchteſten 
deutſchen Fremdenverkehrsgebietes dem Kraftfahrer erſchließen. 

Die „Deutſche Alpenftraße“ wird von Lindau bis nach Berchtesgaden eine Geſamt⸗ 
länge von 480 Kilometer aufweifen. Bei der Traſſierung dieſer Alpenſtraße waren vor 
allem die Geſichtspunkte maßgebend, daß die Straße einen für Kraftfahrzeuge leicht fahr. 
baren, zuſammenhängenden Straßenzug von Lindau bis Berchtesgaden bilden, weiterhin auf 
deutſchem Gebiete verlaufen und als Fremdenverkehrsftraße die wichtigſten Sommer und 
Winterſportorte Fer bayriſchen Alpen verbinden fole. Wichtig war dabei, daß fie land- 
ſchaftlich möglichſt reizvoll und auch als Paßſtraße in größere Höhen geführt wurde. Bei 
der Ausarbeitung der Entwürfe wurde durchaus großzügig verfahren. Größere Bauwerke 
— insgeſamt weiſt die Deutſche Alpenſtraße nach ihrer Fertigſtellung 105 Brückenbauwerke, 
15 Tunnel und 10 Viadukte auf — waren beſonders dort gerechtfertigt, wo ſich die Führung 
der Linie an verkehrstechniſch ſchwierigen Punkten dadurch erleichtern ließ. Die Deutſche 
Alpenſtraße fol ſpäterhin nicht nur die Schönheiten der Alpenwelt erſchließen, ſondern auch 
ſelbſt durch zweckmäßige Linienführung, durch prächtige maſſive Bauwerke und gute Cin- 
paſſung in die Natur ſchön und grandios wirken. Im letzten Jahre iſt der Ausbau der 
Alpenſtraße, die teilweiſe heute ſchon beſtehende Straßen benutzt, beſonders an zwei Stellen 
ausgebaut worden, im Often im Mauthäuslgebiet auf der Strecke Inzell - Mauthäusl 
Hinterſee und im Welten auf der Strecke Oberſtaufen — Weiler. 

Die normale Breite der Deutſchen Alpenſtraße iſt im allgemeinen mit 9 Meter feft- 
gelegt worden, doch wird beim Ausbau der Straße nicht nach feſten Grundſätzen verfahren, 
ſo daß bei ſchwierigen Bauſtrecken bis auf 6,5 Meter heruntergegangen werden kann. Bei 
Amvendung von febr kleinen Krümmungshalbmeſſern tritt eine Fahrbahnverbreiterung bis 


12 Randolf / Die Wiedergeburt der Straße aus dem Kraftwagen 


zu 11 Meter ein. Als Normalmaße für Steigungen und Gefälle find 5 bis 6 Prozent 
feſtgeſetzt worden, wobei Ausnahmen bis zu 10 Prozent in den eigentlichen Hochgebirgs⸗ 
ſtrecken zugelaſſen werden. Der endgültige Verlauf der Deutfchen Alpenſtraße auf ihrem 
Zuge von Lindau bis nach Berchtesgaden iſt durch folgende Orte feſtgelegt: Lindau 
Scheidegg — Weiler — Oberſtaufen — Hochgrat — Oberſtdorf — Sonthofen — Hindelang 
— Wertach — Neſſelwang — Füſſen — Hochplatte — Linderhof — Oberau — Garmiſch⸗ 
Partenkirchen — Wallgau — Urfeld — Jachenau — Lenggries — Hirſchbergſattel — Wies- 
fee — Rottach — Fürſtalpe — Spitzingſattel — Rotwand — Mieſing — Bayriſchzell — 
Tatzelwurm — Branneburg — Nußdorf — Törwang — Niederaſchau — Kampenwand — 
Schleching — Anterwöſſen — Reit i. W. — Ruhpolding — Inzell — Mauthäuſl — Unter- 
jettenbach — Hinterfee — Ramsau — Berchtesgaden — Königsſee. Als Hochgebirgsſtrecken 
müſſen von der Alpenſtraße folgende Höhen überſchritten werden: beim Hochgrat zwiſchen 
Oberſtaufen und Oberſtdorf 1600 Meter, bei der Hochplatte zwiſchen Füſſen und Linderhof 
1541 Meter, bei der Rotwand zwiſchen Spitzingſee und Bayriſchzell 1735 Meter und bei 
der Kampenwand zwiſchen Aſchau und Anterwöſſen 1470 Meter. 

Die Fertigſtellung der Deutſchen Alpenſtraße wird noch mehrere Jahre in Anſpruch 
nehmen, vor allem der Ausbau der reinen Hochgebirgsſtrecken, die beträchtliche Baukoſten 
verurſachen. Die Deutſche Alpenſtraße als Geſamtbauwerk kann heute als geſichert an⸗ 
geſehen werden und fie wird ſicherlich infolge ihres großzügigen Ausbaus als Gebirgs- 
ſtraße, die bald in tieſe Alpentäler hineinführt, bald wieder die hochalpine Welt erklimmt 
und dabei einzigartige Ausblicke auf das bayriſche Alpenvorland geſtattet, eine internationale 
Bedeutung erlangen. 

Der Rügen damm 


Der Deutſchen Alpenſtraße als Kunſtſtraße ſteht im Norden unſeres deutſchen Vater- 
landes ein nicht minder bedeutungsvolles Straßenbauwerk gegenüber: der Rügendamm. 
Im Spätſommer des Jahres 1936 werden bereits die erſten Kraftfahrzeuge und Eiſenbahn⸗ 
züge „durch die Oſtſee“ fahren können. Die Stadt Stralſund ſelbſt iſt von der Oſtſee feit 
Jahrhunderten zu einer Gefangenen des Meeres gemacht. Nach der Landſeite beſtehen nur 
ſchmale Verbindungswege zu dieſer Stadt, deren inſelartige Lage einſt die bedeutende Stärke 
als mächtiges Glied der Hanſeſtädte ausmachte. Trutzig und verwegen ſchwingen ſich dort 
oben im Norden Türme und Kuppeln über die Altſtadt hinaus und geben weithin Kunde 
von der Jahrhunderte alten Geſchichte dieſer Stadt. 

Den beiten Geſamtüberblick nicht nur über das bunte und abwechſlungsreiche Häufer- 
gewirr der Stralſunder Altſtadt, ſondern auch über den Rügendamm in ſeiner Geſamtlänge 
genießt man von der faſt hundert Meter-Plattform der Stralſunder Marienkirche. Deut- 
lich hebt ſich die Linienführung in der Ferne ab. Von dem parallel zur Oſtſee liegenden 
Hauptbahnhof Stralſunds biegt der Rügendamm in kühnem Bogen nad Norden zum 
Strelaſund ab und benutzt bei der Aeberquerung des Strelaſundes die Inſel Dänholm. Die 
Geſamtlänge des Dammes beträgt etwas über zweieinhalb Kilometer. Beiderſeitig der 
Inſel Dänholm wird er über zwei Brückenbauwerke geführt, die rund 700 Meter Gefamt- 
länge aufweiſen. Der Rügendamm endet in unmittelbarer Nähe der Anlegeſtelle Altefähr, 
der Anlegeſtelle für die Eiſenbahnfährverbindung Stralſund Rügen. Auf der Stralſunder 
Seite liegt die Anlegeſtelle einige hundert Meter weſtlich des Rügendammes. 

Die Geſchichte des Rügendammes reicht bis in das vorige Jahrhundert zurück. Der 
Wunſch nach einer feſten Eiſenbahn⸗ und Straßenverbindung iſt begreiflich, wenn man in 
Betracht zieht, daß die heutige Fähreinrichtung einen Zeitverluſt von mehr als dreiviertel 
Stunden bedingt. Die erſten Projekte, die nach den Forderungen der Schiffahrt eine Hoch- 


Randolf / Die Wiedergeburt der Straße aus dem Kraftwagen 13 


brücke von mindeſtens 30 Meter lichter Durchfahrtshöhe vorſahen, mußten in der Folge- 
zeit ihrer Anwirtſchaftlichkeit wegen wieder verworfen werden. Schließlich find auch alle 
Ingenieurbauten eine Funktion des Geldbeutels und demjenigen Projekt wird der Vorzug 
zu geben ſein, das ſich am wirtſchaftlichſten geſtaltet. So auch hier beim Rügendamm. 

Die Frage, ob Hochbrücke, Tunnel oder Damm wurde eingehend vom techniſchen wie 
vom wirtſchaftlichen Standpunkt aus unterſucht. Gegen die Hochbrücke ſprachen vor allem 
die hohen Koſten. Eine Antertunnelung des Strelaſundes würde noch höhere Koſten 
verurſachen, wenn man in Betracht zieht, daß die Tunnelſohle infolge der ungünſtigen 
Antergrundverhältniſſe ungefähr 35 Meter unter dem Waſſerſpiegel des Strelaſundes liegen 
müßte. Am wirtſchaftlichſten geſtaltete ſich die Anlage eines Dammes, der allerdings für 
die Schiffahrt einige Einſchränkungen mit ſich brachte. Der Weitſichtigkeit der Deutſchen 
Reichsbahn, die das Projekt des Rügendammes in Gemeinſchaft mit den zuſtändigen Be- 
börden ausführt, iſt es zu verdanken, daß der neue Damm nicht nur als Eiſenbahndamm 
gebaut wird, fondern neben der Gleisanlage auch eine Straße von 6 Meter Breite und einen 
Fußweg von zweieinhalb Meter Breite erhalten wird. Der Ausbau des Rügendammes 
zu einer zweigleiſigen Bahnanlage hat ſich als notwendig herausgeſtellt, da ſchon eine 
eingleiſige Bahnlinie bedeutend leiſtungsfähiger als der Fährbetrieb iſt. 

Der Rügendamm, der ſich öſtlich Stralſunds in kühnem Bogen um die Stadt ſchwingt, 
überquert von Süden her, bevor er die Inſel Dänholm erreicht, zuerſt den kleineren Teil 
des Strelaſundes, den ſogenannten Ziegelgraben. Den Schiffahrtsintereſſen ift im Ziegel- 
graben in der Weiſe Rechnung getragen, daß die Ziegelgrabenbrücke neben zwei Flut- 
öffnungen eine Klappbrücke aufweiſt und dadurch eine Durchfahrt für größere Schiffe er- 
möglicht wird. Recht ſchwierig geſtaltete ſich die Herſtellung der Brückenfundamente wegen 
der ſchlechten Antergrundverhältniſſe. Die Pfahlgründung — Stahlrohre mit eingefülltem 
Beton — reicht tief in den Boden hinab. Nur auf dieſe Weiſe ließ ſich eine unbedingt 
ſichere Fundamentierung erreichen. 

Im Anſchluß an die Ziegelgrabenbrücke benutzt der Riigendamm die Inſel Dänholm. 
Die Inſel hat ihren Namen von einer Belagerung der Stadt Stralſund durch die Dänen 
im Jahre 1429. Der Rügendamm verläuft auf der Inſel für eine Strecke im Einſchnitt 
und überſchreitet danach den über einen Kilometer breiten Strelaſund. Die 
Erdmaſſen für den Rügendamm konnten infolge des moraſtigen Antergrundes nicht 
unmittelbar geſchüttet werden. Erſt mußten die Schlickmaſſen oft in mehreren Metern 
Stärke unter Waſſer beſeitigt werden. Wie ein großer hölzerner Lauſſteg ſchiebt ſich der 
noch nicht zu voller Höhe geſchüttete Erddamm in den Strelaſund. Zehn Oeffnungen 
wird die Brücke im Strelaſund bei einer Geſamtlänge von mehreren hundert Metern er— 
halten. Während die Ziegelgrabenbrücke eine große Klappöffnung aufweiſen wird, wird 
der Brückenbau über den Strelaſund ſtarr durchgeführt. Der Hauptſchiffahrtsweg wird 
künftighin durch den Ziegelgraben führen, und nur der Schleppſchiffahrt wird durch den 
Strelaſund eine Durchfahrtsmöglichkeit unter den acht Meter über Waſſer liegenden 
Brückenöfſnungen geboten fein. Weit hinaus in den Strelaſund ſchieben ſich Dämme und 
Spundwände. Sie bilden den Abſchluß für waſſerdurchſetzte Erdmaſſen, die von großen 
Spülbaggern herbeigeſchafft wurden. Auch Stralſunds Hafen erfährt eine weſentliche 
Neugeſtaltung. Ein langer Molenbau wird fertiggeſtellt, der dem Haſen einen ſicheren 
Schutz gegen den Strelaſund gewähren wird. 

Symboliſch, gleichſam wie monumentale Zeugen des großen Ambruches, werden die 
Bauwerke der Reichsautobahnen, der Deutſchen Alpenſtraße, des Rügendammes als Aufbau. 
werke in Zukunft hervorragen. Aeberall im Deutſchen Reich wird an dieſen Rieſenbau— 


14 Müünſter / „Ritter, Tod und Teufel“ 


werken mit Fleiß und Hingabe gearbeitet, an dieſen Bauwerken, die in ihrem Ganzen 
weit mehr find als Arbeitsbeſchaffungsmaßnahmen. Der volle Segen und die volle 
Niltzlichkeit dieſer großen Bauvorhaben für unfer deutſches Volk wird aber erft nach ihrer 
Fertigſtellung voll und ganz in Erſcheinung treten. 


arl Münster: 
1 „Ritter, Tod und Teufel“ 


Der Ritter reitet in den Morgen. 


Die Nacht, die Dämonen weckt und ſie über die dunklen Wege ſcheucht, fällt auch 
manchmal in die Herzen der Menſchen, um die große Anruhe zu wecken, die in jedem 
ſchläft. Dann ſtehen die großen Fragen in uns auf, die Fragen nach Weg und Ziel 
und Sinn —, und die Fragen ſind auf einmal keine bloßen Fragen mehr, ſondern 
Nöte, Forderungen und Entſcheidungen. And nur wenn Nacht in uns iſt, wenn die 
Verlaſſenheit ihre ſchmerzenden Worte zu uns ſpricht, wenn wir der Zukunft gegen- 
überſtehen, als wären wir eben erſt geboren, fürchterlich fremd, hilflos und allein 
— nur dann werden die großen Schlachten in uns ausgekämpft, die ausgekämpft 
werden müſſen, wenn wir weiter wollen, in die Höhe, in die Ferne, zu unſerer Be- 
ſtimmung und unſerer Sendung, zu unſerem Werke. And wie nichts Großes in der 
Welt entſteht ohne Qual, wie kein neues Leben wird, ohne daß ein Menih furcht 
bar ſtöhnt, jo iſt es auch in uns. Was wäre eine Seele wert, die nur Blumen trägt, 
niedliche bunte Blumen, ſorgſam umzäunt und mild umweht von Frühling, von 
Frohſinn und Glück? Schlachtfelder müſſen unſere Seelen ſein, wo Gott und Teufel 
kämpfen, wo Wunden aufbrechen und Waffen klirren, wo Not iſt, Niederlage, 
Schmerz und Tod und Sieg. Wer niemals am Verzweifeln war, wer niemals ſich 
über den Abgrund neigte, den letzten Tröſter der Menſchen, wer niemals an der 
Grenze ſtand, im Aeußerſten, im Allerletzten —, wie will der je den Sieg in ſtarke 
Hände und ein demütiges gewiſſes Herz nehmen? 

Wohl dem, der nach durchwachter, durchrittener Nacht zu ſolchem Denken ge- 
langt! Wohl dem, der ſolche Erkenntnis aus dem Kampfe trägt! Wohl dem, der 
es vermag, ſtolz zu ſein und demütig zugleich. Wenn der Morgen durch Laub und 
Schlucht bricht, wenn die große, geliebte Sonne die Welt wieder bunt macht und 
das Herz hell, dann ſoll ſie die tapferen Kämpfer ſtark und gewiß finden, bereit zu 
neuen Taten, zu denen das Schickſal ruft. 


Der Ritter reitet in den Morgen. 


Er reitet einem Tage zu, der ungewiß und weit vor ihm liegt, und von deſſen 
Abend er nichts weiß. Lichter ſpielen durch die Bäume, ein Wind fährt von weither 
durch ihre Blätter und läßt ſie erzittern. Er denkt an die Nacht, die hinter ihm 
liegt, er denkt an Mühſal und Gefahr, an Schuld und Not vergangenen Kampfes. 
So ſpricht er zu ſich in der großen Einſamkeit: So reite ich denn meinem fremden 
Schickſal zu, das irgendwo an meinen Wegen wartet. Mein Herz iſt ſchwer von 
dem Wiſſen um alles Elend und alle Süße der Welt, und meine Hand, die den 


Miniter / „Ritter, Tod und Teufel“ 15 


Speer hält, zittert noch manchmal leiſe, wenn die Erinnerung längſt verſunkener 
glückvoller Nächte fie überweht. Wie weit iſt doch alles, was meinem Leben einſt 
Sinn gab und einzigen Wert. Wo find die Frauen, die blonden, zarten, mit den 
tiefen blauen Muttergottesaugen, und die anderen mit den roten Lippen und 
bebenden Händen? Wo find die Blumen, die Kinder —, wo iſt alles das, was mich 
lachen ließ und mir Licht in die Seele brachte? Wo ſind die Freunde, die Gefährten 
toller und tiefer Stunden? Wie fremd bin ich meiner Jugend geworden. Wie über- 
mächtig hat meine Aufgabe in mir alles verdrängt, was keinen Raum in mir mehr 
haben darf! — Mein Hund Gehorſam und mein Pferd Kraft ſind die einzigen 
Weggenoſſen, aber wenn ich zu ihnen ſprechen will, verſtehen ſie mich nicht. And ich 
liebe ſie doch, weil ich ohne ſie meinen Weg nicht vollenden kann und weil ſie mit 
mir meinem Werke dienen. Vielleicht reiten auf anderen Wegen unbekannte Rame- 
raden in gleichem Dienſte zu gleichem Ziele. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß 
ich weiter muß ohne Glück und Raft. Wie gern möchte ich meinen Kopf in hohes 
Gras und ſommerliches Surren betten, wie gern möchte ich einer warmen Frauen- 
ſtimme zuhören und fröhlich ſein! Es iſt mir anders beſtimmt, und ich beuge mich 
willig der großen Stimme, die mich zum Kampfe ruft. And faſt vergaß ich ſchon, 
daß auch meine Seele einſt zärtliche Träume träumte, daß mein Herz mich zu Heiter- 
keit und Stille, zu Genügſamkeit und Liebe verführen wollte, daß auch ich einſt ſelig 
und erſchüttert war, wenn ein hellauf blühender Baum vor blauem Horizonte ſtand oder 
eine Frau mit dunkel gewordenen Augen und ſehnſüchtigem Munde zu mir ſich neigte. 


Aber das Schicksal rief. And nun halte ich immer und immer feſt an meiner 
großen Hoffnung wie an meinem Speer, und das Schwert Glaube weicht nicht von 
meiner Seite. Ich brauche ja Schwert und Speer wie mein tägliches Brot, und 
nicht nur dann, wenn die Genoſſen meiner ſtillſten Stunden wieder neben mir auf- 
tauchen. Da ift der Zweifel⸗Tod, der hält mir das Stundenglas vor und redet zu 
mir: Was kämpfſt du denn, was reiteſt du endloſe Wege, wenn der Himmel ſo grau 
iſt und das Herz ſo ſchwer? Weißt du denn nicht, daß die Erfüllung des Lebens 
nie im Kampfe liegt, ſondern in der Schönheit? Denkſt du denn nicht daran, daß 
du niemals froh werden kannſt —, fei der Erfolg auch nod fo groß? Haft du ver- 
geſſen, wie glücklich du warſt, früher, als du dich noch nicht auf den Weg gemacht 
hatteſt, als die Mädchen dir noch lächelten und die Freunde dir winkten, als der 
bunte Rauſch der Feſte feine Schleier um dich warf? Denkſt du nie mehr daran? 
Wir Menſchen ſind alle ſo arm und eng, unſer Geiſt begreift nichts von der Weite 
des Lebens, und unſere Seele faßt nicht eine Spur vom Weſen der Dinge. Was 
hilft es, zu ſuchen, zu fragen, zu kämpfen? Was hilft es, auf unbekannten Wegen 
in die Fremde zu reiten? Was hilft es, in Haß und Hader zu ſtehen? Was hilft 
es, ein Ziel zu haben, eine Aufgabe, ein Werk, wenn du nicht glücklich biſt? — 
And da ift auch der Gier⸗Teufel, der manchmal in meinem Rücken hockt und mir 
die Ruhe des Herzens rauben will, die ich mir mühſam errang; und er ſpricht zu mir: 

Die Jahre vergehen, immer wieder legt die erſte Wärme des Frühlings zarte 
Blumenſchleier über die Erde, die noch müde iſt, immer wieder läßt der Sommer 


16 Münfter / „Ritter, Tod und Teufel“ 


feine Reife und Wärme wie eine Gnade über die Welt gehen, immer wieder bricht 
der Herbſt die Fülle und das Glück der früchtevollen Bäume in dunklem Sturm und 
kältebringendem Nebel, und immer wieder verſöhnt der Winter die Elemente, die 
ſich bekämpften, und die Farben des Jahres, die gegeneinanderdrängten, mit leiſem 
Flockenfall. Ja, die Jahre vergehen, und du biſt immer noch unterwegs und viel- 
leicht immer noch am Anfange deiner Fahrt. Laß ab von dieſem Wege, der ohne 
Sinn und ohne Ende iſt, bald iſt dein Leben um, und ſiehe: keine Sekunde iſt dir 
gegeben, um ſie unnütz zu vertun, um ſie an allzuferne Dinge zu verſchwenden, weil 
jede einmalig iſt und eine Koſtbarkeit! Du willſt nicht umkehren? So reite nur, 
du armſeliger Träumer, reite Schritt für Schritt und klappe das Viſier hoch, weil 
du keinen Gegner haſt! Ich denke, du willſt auf den höchſten Berg! Ich denke, du 
willſt zum weiteſten Ziele! Ich denke, du willſt zur größten Burg! Warum preſchſt 
du nicht dein Pferd Kraft, daß es blutet und ſchäumt? Warum biſt du nicht immer 
und immer und immer zum Kampfe bereit? Warum haſt du nicht immer und 
immer und immer Gegner? Warum nimmſt du dir Zeit, wenn du weißt, daß dein 
Weg ſo weit iſt —, daß er über die Erde führt und vielleicht auch in die Hölle! 
Du darfſt nicht in dir ruhen! Du darfſt nicht ſtillen Gedanken nachhängen! Du 
darfſt keinerlei Gewißheit in dir haben, wenn du ein Lebendiger bleiben willſt! 

Der Ritter reitet in den Morgen. 

And er weiß tief in ſich: Ich reite meinen Weg, und Tod und Teufel fechten 
iſt nicht mehr willig und oC mie ſonſt, manchmal zittert die Sand, die den 
Speer Hoffnung hält, und das Schwert Glaube reibt mir die Seite wund —, ich 
aber reite meinen Weg, von dem ich nicht weiß, wohin er mich führt. Wir Menſchen 
ſtehen ja alle unter dem großen Vielleicht —, ob wir uns in Abenteuer ſtürzen 
und Gefahr oder ob wir daheim hinter dem Ofen bleiben. Es dauert lange, ehe 
man Irrlichter, die über Sümpfe wehen, von Sternen unterſcheidet, die in der 
Anendlichkeit eines Himmels lächeln. Wer nach jedem Lichte greift, kommt vom 
Wege ab und verſinkt im Sumpfe des Herdenglücks. Wer Zucht nicht und Demut 
ſich erringt, dem bleibt der große Glaube nicht treu, und die Glut ſeines Wollens 
brennt ihn zu Schlacke. Wer nicht den Kampf im großen und im kleinen zu 
kämpfen gewillt iſt, kommt nie zum Werke. And wer nicht in der Gnade iſt, mag 
zugrunde gehen. Ich weiß nicht, ob ich in der Gnade bin. Eins aber weiß ich: 
daß irgendwo und irgendwann mein Werk auf mich wartet. Ihm reite ich entgegen 
— Jahre und Jahre. Ich weiß nicht, ob es groß iſt oder klein, aber ich will 
bereit fein zum Größten und Schwerſten und Bitterſten, zum Strahlendſten 
und Allerletzten. Ich will der großen Stimme in mir würdig ſein, die mich zu 
meinem Werke ruft. Ich will das Bild der fernen, hoben, lichten Burg, mein Ziel, 
nie aus den Augen und aus der Seele verlieren. Ich will nur eine Bitte kennen 
und nur ein Gebet: 


Schickſal, gib mir ein tapferes Herz! 
Der Ritter reitet in den Morgen. 


Albrecht Durer 


Ritter, Tod und Teufel 


Selbstbildnis des Vierzehnjahrigen 


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Drei Landsknechte 


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Prokſch / Svend Fleuron, der däniſche Löns 17 


Rudolf Proksch: 


Govend Sleuron, der dänische Löus 


Thyra Jakſtein⸗Dohrenburg hat das Verdienſt, uns das Werk des Dänen Svend 
Fleuron ins Deutſche überſetzt zu haben. 


Svend Fleuron iſt einer jener weſentlichen Dichter des Nordens, deſſen Werk 
noch unter der großen Gebundenheit unſeres Anfangs ſteht. 

Die däniſche Inſel Möen iſt des Dichters engſte Heimat. Dort wurde er am 
4. Januar 1874 als Sohn eines Rittergutsbeſitzers geboren. 

Der Strand, die See, die Wälder und all das mannigfaltige tieriſche Leben 
wurde ihm erſtes Erlebnis. Das Meer ſelbſt mag daran in ſeiner überwältigenden 
Größe nicht geringen Anteil haben. 

Aber ebenſo unendlich und überwältigend im Eindruck waren die Wälder. Rätfel- 
haft in ihren Geheimniſſen, und doch wieder voll Leben, voll Werden, Sein und Ver- 
gehen. Wie das Meer ſind ihm auch ſie Gleichnis von Leben, Wandlung und Ewigkeit. 

So wachſen dieſe Erlebniſſe der Kindheit in ſeine Werke hinein. Dieſe Werke 
aber ſind uns lebendige Zeugniſſe germaniſcher Lebensſchau 
und muten uns zugleich an wie eine erſte, große Offenbarung der Gottheit. Ver. 
hältnismäßig früh verläßt der Dichter die engere Heimat. Ein völlig anderer Lebens- 
abſchnitt beginnt. Er geht in die Stadt, wird Soldat und Offizier. Aeber jene Zeit 
ſchrieb er ſelber: 

„And ich verließ den Wald und das flache Land, das ich ſo innig liebte, und ging 
in die Stadt mit ihren Steinmauern und Pflaſterſteinen. Ich lebte da wie der 
Hund in der Koppel 

Lange Jahre hält ihn die Stadt. 1896 wird Fleuron Premierleutnant, 1911 
Hauptmann. Die Jagd bleibt ihm in den Soldatenjahren die einzige Brücke zu der 
Erlebnisatmoſphäre ſeiner Jugendjahre. 

Was er ehedem fraglos in fih aufnahm, wird ihm nun Bewußtheit und Gr, 
kenntnis. Das Tier bleibt ihm nicht mehr nur Erſcheinung — er erkennt das 
Weſen des Tieres. 

So reift in ihm die Kraft zur Geſtaltung von Tier und Landſchaft und, was 
ſeinem Schaffen die beſondere Note gibt, die Kraft zur Geſtaltung des Verhältniſſes 
von Tier und Menſch. 

Im Jahre 1921 nimmt Svend Fleuron ſeinen Abſchied. 

Sein Leben gehört nun ſeiner Berufung: Dichter der Wälder, der 
Tiere, Dichter des großen, harten, nordiſchen Lebens und 
Verkünder der Einheit von Menſch und Tier, Verkünder der 
großen Gemeinſamkeitalles Lebendigen im nordiſchen Lebens 
raum. 

Nun iſt ſein ferneres Leben das eines Jägers und Dichters. Nur weil er in der 
Natur wach und erkenntnisbereit lebt, kann er auch in ſeinen Werken aus der Natur 


18 Prokſch / Svend Fleuron, der däniſche Löns 


heraus über fie ſchreiben. So find ſeine Bücher echt und wahr und reif genug, um dem 
Leſer Erlebnis zu werden und ihm, da er artgemäß iſt, wieder ein Stück eigenes 
Selbſt zurückgeben. | 


Geine Bucher 


Eines feiner reifſten Werke ift zweifellos das Buch: „Sigurd Torleifſons Pferde“. 
Es ſetzt dem wahrlich heroiſchen Leben des isländiſchen Pferdes ein verdientes Denkmal 
und es gibt zugleich ein Zeugnis über das Verhältnis von Pferd und Menſch, geſtaltet 
in einer hervorragenden Sprache die große Kameradſchaft von Bauer und Pferd, wie 
ſie wohl Island allein noch und am ſtärkſten kennt. 

Fleuron ſchreibt da an einer Stelle dieſes Buches: 

„Er war ein großer Tierfreund und hatte viele Pferde. Er konnte ſich im übrigen 
ein Geſtüt wohl leiſten — ſo beſaß er außer den notwendigen Arbeitstieren mehrere andere, 
die noch nie benutzt waren oder einen Stall betreten hatten. 

Er hielt auch freilich ſeine Pferde in Ehren! Sie verſchafften ihm nicht allein eine 
jährliche Einnahme, indem er einige von ſeinen überzähligen Fohlen verkaufte, er wußte 
auch genau, wie innig ſein ganzes Wohlbefinden und Leben mit dem der Pferde verbunden 
war. Ohne Pferd kam er in ſeinem Lande nicht von der Stelle. Der kürzeſte Pfad 
konnte ſich in einen unſeligen Amweg verwandeln, wenn man ſich nicht auf den Rüden ſeines 
vierbeinigen Helfers ſetzte. Ein Stück Moor, ein brauſender Bergbach, eine Kette von Lava ; 
blöcken reichten hin, um ihm, falls er zu Fuß war, den Weg zu verſperren. Ohne Pferd 
keine Reifen, kein Ausblick, keine Erlebniſſe — und des Lebens auf Island dann nicht wert.“ 

„Torleif umgab denn auch ſeine Flyga mit ganzer Innigkeit und allem Verſtändnis, 
das jeden Bewohner der alten Sageninſel mit ſeinem Reitpferd verbindet.“ 

Noch ſtärker faſt vermögen die nachſtehenden Worte die Bedeutung des Pferdes 
und das Vertrauen der Isländer zum Pferde auszudrücken: 

„Eine Reife nannte man jede Fahrt zu Pferde, und die Gattin küßte ihren Gemahl 
zärtlich ein jedes Mal, wenn er von dannen ritt. Man hegte keinen Zweifel, wohl zurück 
zukehren — und doch: es wußte niemand, was geſchehen konnte. Es waren die Pferde⸗ 
hufe, auf die man ſich ganz verlaſſen ſollte!“ 

Pferd und Mann ſinddortobeneine Einheit. Davon ſpricht Svend 
Fleuron in wenigen Worten, und doch ſcheinen uns dieſe wenigen Worte eine der 
tiefſten Wahrheiten unſerer germaniſchen Lebensauffaſſung zu verkünden, da er ſchreibt: 

„Skulis ganze Lebensfreude war mit ſeinen Pferden verknüpft, und ließ er ſich einmal 
über dieſe aus, ſo bemächtigte ſich ſeiner eine unaufhaltſame Redſeligkeit. Er hielt das 
Pferd für das ſchönſte Geſchöpf nächſt der Frau — und nannte es „das Tier des Mannes 
vor allen anderen“! Ohne Pferde fühlte er ſich einſam und von der Umgebung abgeſchloſſen, 
er fab nichts, hörte nichts ...“ 

Ein Denkmal des innigen Verhältniſſes von Bauer und Pferd iſt dies Buch. 
Zugleich aber auch eine ungeheuer packende Schilderung des Landes — ein gewaltiges 
Bild Islands — der heimlichen Sehnſucht aller irgendwie dem Norden verbundenen 
Menſchen. 

Einige treffende, ſtark und bildhaft wirkende Stellen über Island vermögen hier 
ſeine Geſtaltungskraft nur anzudeuten: 


Prokſch / Svend Fleuron, der däniſche Löns 19 


„Ein Land in Stein — und doch bebaut von Männern, die gleich kleinen Königen 
auf ihren Höfen figen. Mit einer Ellbogenfreiheit um ſich her wie um die Sagazeit. Ein 
kurzes Stück Automobilſtraße hier und da, nur eines Fadens Länge im Verhältnis zu den 
Tauſenden von Kilometern, die ein Reitweg mißt. Sonſt keine Landſtraße und keine Eijen- 
bahn, der hier zu reiſen gedenkt, reiſt auf alte Herrenweiſe, hoch zu Roß. And dabei 
geht es hinab über Sümpfe und hinauf über Berge, durch Heide und Flüſſe — jeder 
Tag birgt ein Erlebnis der Arzeit in ſich.“ 

„Island iſt das Land des Ernſtes — und um die Winterszeit erreicht der Ernſt ſeinen 
Höhepunkt. 

Von den Gipfeln des Schneebergs, wo er überſommert hat, kommt der Winter ge- 
ſchritten, um Alt und Jung zu ſtählen und die Brut zu prüfen; nur die Nachkommenſchaft, 
aus Erde und Sonne erſchaffen, die ſeiner erdrückenden Amarmung ſtandzuhalten vermag, 
ſoll des langen Lebens teilhaftig werden.“ 


Wie fein er die Stimmungen dieſes nordiſchen Eislandes zu ſchildern vermag, 
möge der nachfolgende Auszug beweiſen: 

„Das Tagen ſchritt ſchnell voran — und niemals erſtand Bildaberg in ſo behutſam ab⸗ 
geſtimmten Farben, wie wenn die Morgenſonne es mit ihren erſten Strahlen ſegnete, dazu 
waren die arafigen Lehnen von zarteſt feinem Grün geſtreift, die Felshänge glänzten im 
wärmſten Violett, goldene Flecken wurden aus den Heidemooren gezaubert, fogar die 
Dampfſäule einer kochenden Quelle dicht daneben ſetzte ſich eine Glorie von Licht als Krone 
aufs Haupt. 

Auf der ſonnenloſen Seite kämpft lange Zeit das Lavabraun mit Felsſchwarz; aber 
mehr und mehr gewinnen klare, gelbliche Farbtöne die Oberhand, während die Wolkenketten 
des Horizonts weißverbrämt aus dem Dämmer treten. Die Eishauben der Schneeberge 
beginnen zu glitzern und zu ſchimmern, blendende Strahlenflimmer ſchießen in ſpiegelnden 
Tropfen und unter wahren Lidterplofionen von den ewigen Schneefeldern der Zinnen auf. 

Dann taſtete auch der Hof ſich aus dem Halbſchlummer der hellen Nacht in den Tag 
hinein, der erſte Feldhalm fing das Sonnenlicht ein und ergrünte in Regenbogenfarben, der 
Roßfelſen entſchleierte ſeinen Buckel, ſeine Gergheide betupfte ſich und der Himmel er- 
glänzte in einem kalten, hellblauen Schein.“ 


Ebenſo ſtark und bedeutſam wie eigenartig iſt auch der Roman „Die Färſe vom 
Odinhof“. Hier iſt die Geburt eines Kalbes, ſein Schickſal, ſein Weg zur berühmteſten 
Kuh Dänemarks und nicht minder das Verhältnis der jeweiligen Beſitzer zu dieſer 
Kuh meiſterhaft geſchildert. 


In dieſem Werk Fleurons können wir den Bauern als den 
großen Gehilfen Gottes erkennen, der das Leben pflegt, hegt und 
ſchützt — um des Lebens Ewigkeit und Vollendung. 


Der germaniſche Bauer hat im Tier das Leben in ſeinem Geſetz erkannt, und hat 
aus dieſer Erkenntnis der inneren Bedingtheit des Tieres dieſes gezüchtet. 


Die Zucht des Lebens war ſeit Anbeginn die Aufgabe der nordiſchen Raſſe — 
und wie ehedem der germaniſche Bauer ſich ſelber unter dieſes Geſetz geſtellt, ſo 
hat er — ebenfalls ſeit Anbeginn — das Tier, das er ſich als Haustier gezähmt, 
gezüchtet in der Erkenntnis ſeiner, d. h. des Tieres Artbedingtheit. 


20 Prolſch / Svend Fleuron, der däniſche Löns 


Seine Naturſchilderungen ſind voll Lebendigkeit und voll Farbe. Eingeſtreut 
in feine Tiergeſchichten, Rahmen und Hintergrund zu dieſen, wirken fie wie Perlen in 
unſerem Schrifttum und find Zeugen einer feinen und empfindſamen Seele. Da leſen 
wir in „Strix“ — der Geſchichte eines Ahus — über die blühende Heide: 


„Die bisher ſo eintönige Fläche der braunen Heide zaubert jetzt auf einmal die ſieben 
Farben des Regenbogens vor Augen — und ſo gewaltſam iſt die Blüte, daß gleichſam 
ein Nebel von Violett von allen Hügeln und Schluchtenrändern aufſteigt. Die Heidel- 
beere wird ſchwarz, die Preißelbeere wird einmacherot und die Blaubeere tiefblau wie 
ein Nachthimmel. Auf den kahlen Stellen des Renntiermoſes ſtreckt der Bärlapp feine 
weißlich⸗gelben Staubfäden in die Höhe, und rings umher on den Ufern des ſeichten Moors 
ſchimmert es roſtrot von rundbldttrigem Sonnentau 


Oder er ſchildert die Nacht, wie ſie vom Wald aus das Land erobert: 


„Die Nacht nimmt den Wald in Beſitz, entreißt ihn dem Licht, das in der Ferne 
entweicht; ſie hüllt die Millionen von Blättern in ihre ſchwarze, eintönige Finſternis. And 
nun ſchleicht ſie ſich über den Waldraum, tritt aus, wie es von dem Wild des Waldes 
heißt — tritt aus, an Hecken und Gräben entlang, ſchiebt ſich vor über Aecker und Wieſen, 
wo der Widerſchein des Sonnenunterganges noch liegt und als letzte Rückzugsſtellung 
Wachdienſt tut. 

And ſo umfängt ſie das Grundſtück jedes Bauern, die Felder jedes Kirchſpiels, die 
Aecker jedes Gutes; ſie erobert das ganze Land zurück von dem Licht und gibt es ihrem 
großen Finſterniskind, der Eule.“ 


So belauſcht er Tier und Pflanze, erlebt Tag und Jahr, Sonne und Nacht und 
ſchildert all dies ſchlicht, lebendig, meiſterhaft. 


* 


Da wir hier nur auf einige Werke des Dichters hinwieſen, haben wir damit kein 
Werturteil gegen die nichtgenannten Werke ausgeſprochen. 


Weſentlich und von überragender Bedeutung ſind für uns 
die beidenerſtgenannten Romane. Seine weiteren, ſehr zahlreichen Tier- 
romane und Erzählungen find gleich wertvoll und eigenartig. Dieſe beiden erft- 
genannten Werke aber bezeugen uns Svend Fleuron als den Mittler zur Erkenntnis 
des germaniſchen Weſens, als den Mittler zur Erkenntnis der nordiſchen Art. Er 
iff einer der bedeutſamſten im Kreiſe der nordiſchen Dichter, 
und wir können ihn mit guter Berechtigung aus den obig on: 
geführten Gründen neben Knut Hamſun und Gunnar Gunnars. 
jon nennen. 


Denn ſein Werk iſt — gleich dem Werk dieſer — ein Pfeiler mit an der großen 
Brücke zur Gemeinſchaft der germaniſchen Völker. 
(Alle Werke erfHicnen im Eugen⸗Diederichs⸗Verlag, Jena.) 


Kleine Beiträge 21 


Seuvcithen die Dichtern zu Oſteen 
Das Riel See Klaſſe? 


Herr Dr. Hermann Pongs, Profeſſor an 
der Techniſchen Hochſchule in Stuttgart, hat 
es für notwendig gehalten, im „Inneren 
Reich“ einen Aufſatz über die Lyrik der Zeit 
loszulaſſen. Er meint darin unter anderem, 
daß Gerhard Schumann wirklich ein 
Dichter der Jugend ſei, aber als ſolcher ein 
typiſcher Vertreter des Bürgertums; daß 
Eberhard Wolfgang Möller in der Tat 
Erſchütterndes gedichtet habe, aber leider 
ſtamme das Beſte gerade von George und 
Otto Braun; daß Wolfram Brockmeier 
Vorzüge beſäße, vielfach aber im Stil des 
Juden Liſſauer ſchreibe. And ſolche Aeuße⸗ 
rungen laſſen zweifellos aufhorchen. 

: Aber zur Entſchuldigung des Herrn 
Pongs ſei doch gleich hinzugefügt, daß er 
damit offenſichtlich unter keinen Amſtänden 
böſes Blut machen will. Wie ſoll er auch? 
Er beſchäftigt ſich ja mit dieſen Dingen 
lediglich aus wiſſenſchaftlichem Intereſſe. 
Freilich hält er die Wiſſenſchaft noch immer 
für eine Angelegenheit der vorurteilsfreien 
Zergliederung in Einerſeits und Anderer- 
ſeits. Wir müſſen das ſchon deshalb an- 
nehmen, weil wir ſonſt die in jenem Aufſatz 
angewandte Methode lediglich für einen 
Charakterſehler des Herrn Pongs halten 
müßten. And Herr Pongs verrät doch an 
anderen Stellen ſeiner Veröffentlichung ſo 
gutmütige und liebenswürdige Weſenszüge! 
Er beweiſt doch eine ſo rührende Sorge um 
unſere Dichter! Ja, er verrät ihnen ganz 
uneigennützig den Weg, den fie nach Bor- 
ſchrift der deutſchen Hochſchulwiſſenſchaft 
gehen müſſen, wenn ſie zu Oſtern verſetzt 
werden ſollen. Gebt acht! ruft er. „Gefahren 


leine beiträge 


überall!“ 
fährlich! 

Ja, hochzuverehrender Herr Profeſſor! 
(Wenn es erlaubt iſt, Ihren Geiſt hier ein- 
mal perſönlich aus dem beſſeren wiſſenſchaft ; 
lichen Jenſeits zu zitieren, in das er zweifel⸗ 
los gehört.) So ſind Sie, und ſo müſſen 
Sie ſein, nach dem Geſetz, nach dem Sie 
Ihre Profeſſur angetreten. Werden Sie 
uns aber erlauben, Sie hiermit höflichſt da- 
von in Kenntnis zu ſetzen, daß ſich die Ge⸗ 
ſetze inzwiſchen etwas geändert haben. 
Natürlich, Sie ſcheinen nicht viel von dieſer 
Aenderung zu halten. Wenigſtens nicht für 
die Dichtung. „Wohl kommt der Ambruch der 
Werte im Neuen Deutſchland dem cnt- 
gegen, vermag bis tief ins Anbewußte hinab 
die alten Grundmächte des Volkstums zu 
beleben und zu kräftigen.“ Haben Sie recht 
verbindlichen Dank für dieſen Satz liebens⸗ 
würdiger Anerkennung! Aber leider fahren 
Sie ja fort: „Dennoch. ...“ 

„Gefahren überall!“ ſchreiben Sie. Hupen 
ijt leider laut Polizeiverordnung für Ber- 
lin und Amgebung nur unter den ſtrengſten 
Einſchränkungen geſtattet. „Woher ſollte der 
Arbeiter das politiſche Urbid nehmen ...?“ 
Freilich, freilich, Profeſſor Pongs, wir ver- 
ſtehen ſchon! O ja, Sie ſind ein „Arbild“, 
wenn Sie auch aus etwas „vernebelten 
Gründen“ zu ſtammen ſcheinen. Natürlich 
ſteigen die Arbilder, wie Sie am Schluſſe 
Ihres Aufſatzes ganz richtig ſagen, immer 
nur aus vernebelten Gründen auf. Aber 
warum meinen Sie denn, daß es nicht mög- 
lich fein ſollte, fih ſelbſt zu „erlöſen zur voll- 
erfüllten Exiſtenz?“ Deshalb brauchen Sie 
noch lange keine „Götter heranzubefehlen“. 
Freilich, vollerfüllte Exiſtenzen dürfen 
weder hupen, noch überhaupt Auto fahren, 


O Gott, wie iſt das Leben ge⸗ 


22 | Kleine Beiträge 


vor allen Dingen wegen der „Bildungs- 
bilder“, die ihnen die Sicht undeutlich zu 
machen pflegen. Es könnte ja auch ein ſolcher 
unter dieſen Amſtänden „das Gefühl er- 
löſend einſchwingen laffen” und den „Kos- 
mos gleichſam zudecken“ mit ſeinem Wagen. 
And das wäre bedauerlich, weil die „hier 
gemachten Erfahrungen“ (wie Sie in Ihrem 
unnachahmlichen Stilgefühl ſchreiben) doch 
fehr unangenehm ſein könnten. 


Sie ſehen, Herr Profeſſor, wir haben uns 
in Ihre Terminologie ausgezeichnet cin- 
gelebt. Das iſt auch keine Schwierigkeit, 
weil Ihre Sprache nicht minder blumen- 
reich iſt, als Ihre Denkart. Wir möchten 
bloß wiſſen, was für ein Komplex Ihnen 
in die ſalſche Kehle geriet? Denn ganz mit 
rechten Dingen kann die Sache doch eigent- 
lich nicht zugehen. 

Noch einmal: zugegeben, daß Ihr Aufſatz 
wirklich gut gemeint iſt. Aber dann iſt das 
doch auch keine Entſchuldigung für Ihre 
mangelhaften Klaſſenleiſtungen. Oder halten 
Sie diejenige Literaturwiſſenſchaft wirklich 
für ſo wichtig, die ihre Hauptaufgabe darin 
ſieht, lebenden, toten, halbtoten und ſchein⸗ 
toten Dichtern ein Etikett entſprechend ihrer 
wiſſenſchaftlichen Klaſſifizierung auf den 
Popo zu kleben? Sehen Sie, Sie inter- 
eſſieren ſich bei Möller, Brockmeier und 
Schumann lediglich für die Frage, ob ſie 
der „Geiſtdichtung“ dem „Vierten Stand“ 
oder der „Sachlichkeit“ zuzurechnen ſind. 
Wie wäre es denn, wenn wir Sie deshalb 
für höchſt unſachlich halten würden, zumal 
wir den Vierten Stand, ebenfo wie die drei 
anderen, nicht mehr kennen? Wir inter⸗ 
eſſieren uns im Gegenſatz zu Ihnen wefent- 
lich mehr für die Dichtung der Dichter. 
And ſo kommt es, daß wir uns für Sie gar 
nicht intereſſieren würden, wenn Sie nicht 
fo verteufelt geiſtreich zu fein ſchienen. And 
da gelangen wir zu dem Schluß, daß Sie 
zwar, wie viele Oberlehrer und Profeſſoren, 
gar zu gern einmal „dem Ani verſum 
fauſtiſch begegnet ſein“ möchten. Ans aber 


ſicherlich nicht: denn wir find gefährlicher 
als das Univerfum, wie Sie an dieſen 
Zeilen ſehen. Aeberhaupt: Rette ſich, wer 
kann! „Gefahren überall!“ 

Ihre ganzen Theorien und Etikette, ein: 
ſchließlich des völlig unabſehbaren Begriffs 
„Geiſtdichtung“ und der anderen Formulie- 
rungen, die Bürgertum, Arbeitertum und 
ſoldatiſche Haltung betreffen, ſcheinen uns 
der reinſte und haarſträubendſte Anſinn zu 
ſein. And das liegt vermutlich weniger an 
uns als an Ihnen. Deshalb würde es ſich 
vielleicht empfehlen, künftighin auch mit 
Ihren übrigen Arteilen vorſichtiger zu ſein. 

Was ift das überhaupt für eine meré- 
würdige Sache? And wie kommen Sie denn 
zu dieſen Arteilen? Sie glauben, unter dem 
Deckmäntelchen der Wiſſenſchaft. Aber was 
iff denn an Ihren Urteilen objektiw und 
wiſſenſchaftlich? Wir können nichts daran 
entdecken. Im Gegenteil, alle Ihre Begriffe 
find eine fo unkontrollierbare Philoſopha ; 
ſterei und haben ſo wenig den Boden der 
Realität unter den Füßen, daß man ſich gar 
nichts Anwiſſenſchaftlicheres denken kann. 
Etwa, wenn Sie „Mythos“ und „Mytho. 
logie“ unterſcheiden und Möllers Gedichte 
mythologiſch nennen. Man könnte mit eben- 
ſoviel Recht den anderen Begriff für dieſe 
Gedichte in Anſpruch nehmen. And wenn 
man dazu nicht beſſere Beweiſe als Sie 
brächte, wäre man damit ebenſo unwiſſen · 
ſchaftlich. 

Es iſt höchſte Zeit, daß dieſe ganze Art 
der Literaturwiſſenſchaft, die Sie vertreten, 
endlich einmal ein wenig vorſichtiger und 
beſcheidener wird. Auf jeden Fall ſollte 
ſie ſich bemühen, den Fleiß, den ſie auf die 
ſinnloſe Zerſtückelung unſerer Dichtungen 
verwendet, erſt einmal auf den Nachweis 
ihrer eigenen Aufgabe und Berechtigung zu 
richten. Denn dieſe Berechtigung iſt nicht 
jo ſelbſtverſtändlich, wie es Ihrem Anſpruch 
erſcheint. And auf jeden Fall iſt ſie nicht 
damit einfach vorhanden, daß Sie ſich als 
die den Dichtern vorgeſetzte Inſtanz fühler 


Außenpolitiſche Notizen 23 


und ihnen ununterbrochen auf die Finger 
Hopfen, weil fie nicht Ihren unverſtändlichen 
Theorien entſprechen. 

And noch eins, Herr Profeſſor: Sie ſchei⸗ 
nen, wenigſtens mit Möller und mit Brod- 
meier, nicht einverſtanden. Aber warum 
ſagen Sie uns denn das nicht ganz offen? 
Warum machen Sie aus Ihrem Herzen eine 
Mördergrube? Sehen Sie, wir z. B. find 
doch wenigſtens inſofern anſtändige Men- 
ſchen, als wir eindeutig ablehnen, wo wir 
jemanden nicht leiden können, und eindeutig 
zuſtimmen, wo uns jemand ſympathiſch ift. 
And wenn Ihnen dazu der Mut fehlt, hätten 
Sie doch noch die allerbeſte Möglichkeit ge- 
habt, überhaupt zu ſchweigen. Worüber wir 


Genoſſe Litwinow beite in 
London 

Als die Weſtmächte trotz aller Warnungen 
Sowjetrußland in den Völkerbund aufnah⸗ 
men, ſchrieb der ungariſche Politiker Graf 
Bethlen mit Recht, man hätte das „Troja⸗ 
niſche Pferd“ nun endgültig in die Mauern 
gezogen. Anüberſehbar können die Folgen 
dieſes unüberlegten Schrittes ſein. Herr 
Litwinow wurde ſogar hoffähig, er mar- 
ſchierte als der perſonifizierte Treppenwitz 
der Weltgeſchichte frech im Trauergefolge 
des verſtorbenen engliſchen Königs Georg, 
des Königs, der den abſcheulichen Tod des 
ruffiſchen Zaren nie verwunden hatte! 
Frankreich ſpürt ſchon die Folgen in ſeiner 
Innenpolitik, die es mit feiner Sowjet⸗ 
politik herausgefordert hatte. Aber wie 
lange mag es dauern, bis man dort eben- 
falls erkennt, welchen Wolf im Schafpelz 
man ſich zum Freund erwählt hat? 


uns unſererſeits beſtimmt nicht aufgeregt 
hätten. 

Ach, möchten Sie es doch rundheraus 
ſagen, daß Sie etwas gegen unſere Dichter 
haben! Das würde dann zwar auch nur 
gegen Sie ſprechen und die Dichter nicht 
beläſtigen, die nicht für Sie geſchrieben 
haben. Aber es wäre doch noch ein klein 
wenig ſympathiſcher geweſen. 

Nun indeſſen zwingen Sie uns, rund- 
heraus zu ſagen, daß zwar einerſeits Ihrem 
„Sprachgrund die frei quellende Fülle“ fehlt, 
daß wir aber andererſeits bei Ihrer gänz- 
lich liberaliſtiſchen Methode, Dichtungen zu 
zerpflücken, auch nicht einſehen, woher Sie 
Ihre Daſeinsberechtigung ableiten wollen. 

Dr. Heinz Schwitzke. 


Allmählich ſcheint ſelbſt in der Schweiz zu 
dämmern, was der Bolſchewismus für 
Europa bedeutet. Das „Berner Tagblatt“ 
vom 18. März ſchreibt z. B. unter der Aeber⸗ 
ſchrift „Flandins Freund Litwinow“ unter 
anderm: „Mit größter Entrüſtung haben die 
ruſſiſchen Delegierten in Genf den Völker 
bundspakt verteidigt, als Italien ihn ver- 
letzte, jetzt ſpielen ſich in London die Send- 
boten Moskaus erneut als Hüter des Rechts 
auf, um den Pariſer Freunden den ge- 
wünſchten Gefallen zu erweiſen, ſo wie man 
früher die engliſchen Sympathien nicht ver- 
ſcherzen wollte. Das Betrübliche bei der 
ganzen Geſchichte iſt nur die Tatſache, daß 
immer wieder Gimpel auf den Leim kriechen 
und die Worte der Genoffen Litwinow und 
Konſorten als bare Münze nehmen, die wirt- 
lich glauben, daß die „proletariſche Demo- 
kratie“ in Rußland mehr als ein ſchönes 
Wort für die gutgläubigen Ausländer ſei, 
die vergeſſen, daß die Sowjets den Gedanken 


24 Außenpolitiſche Notizen 


der kommuniſtiſchen Weltrevolution aud 
heute propagieren, wenn auch mit andern 
Mitteln als früher: heute ſpielen ſie ſich 
als Freunde der Demokratie und Feinde des 
Faſchismus auf, gründen Linksgruppen wie 
die „Volksfront“ in Frankreich und Spanien, 
um langſam, aber wirkungsvoll getarnt, zu 
wühlen.“ Wie man ſieht, hat das Schweizer 
Blatt die Sowjetpolitik klar durchſchaut 
und, was noch wichtiger iſt, es ſcheut ſich 
nicht, das offen auszusprechen. 

Der Genoſſe Litwinow aber verteidigte 
vor dem Völkerbund in London die fran⸗ 
zöſiſchen Forderungen voll und ganz und 
bemühte ſich eifrig, Mißtrauen und Argwohn 
gegen die Deutſche Regierung zu ſäen. Er 
behauptete z. B., daß der Vorſchlag Deutfd- 
lands, mit jedem Staat Nichtangriffspakte 
abzuſchließen, nur den Zweck habe, ſich den 
Rücken zu decken für einen Angriff nach 
anderer Richtung. Ein ſolches Syſtem könne 
nur die Sicherheit des Angreifers, nicht aber 
jene der „friedliebenden Staaten“ erhöhen. 
Es kommt aber noch ſchöner. Ueber die 
Rückkehr Deutſchlands in den Völkerbund 
ſagte er wörtlich folgendes: „Wir werden 
uns zu der Rückkehr Deutſchlands in 
unſern Kreis () beglückwünſchen, wenn 
wir die Aeberzeugung erhalten, daß das 
Reich die elementaren Grundſätze anerkannt 
hat, auf die ſich der Völkerbund ſtützt. In 
dieſem Augenblick haben wir jedoch zu friſche 
Erinnerungen an die einſeitigen Verletzun⸗ 
gen durch Deutſchland von internationalen 
Verpflichtungen und an deſſen Weigerungen, 
ſich dem in den internationalen Verträgen 
vorgeſehenen Beilegungsmethoden zu unter- 
ziehen.“ 

Das wagt ein Mann zu ſagen, der als 
ein Exponent der bolſchewiſtiſchen Welt- 
revolution zumindeſt indirekt an den Un- 
ruhen und Gewalttätigkeiten beteiligt iſt, 
die die Welt erſchüttern! Wer ſteckt in 
Spanien die Kirchen in Brand? Wer wühlt 
in Süd: und Mittelamerika? Wer unter- 
höhlt den chineſiſchen Staat? Seit Jahren 
verſorgen Sowjetagenten die Roten Armeen 


in China mit Waffen und Munition, ſo daß 
das Rieſenreich nicht zur Ruhe kommen 
kann. Sowohl in Zentralaſien als auch im 
Fernen Often ſtehen die Ruffen genau fo 
als Eroberer wie die andern Kolonial- 
mächte. Niemand im Fernen Oſten hat die 
Koſaken gerufen! Aber Sowjetrußland be- 
ſchränkt ſich nicht auf ſein eigenes rieſiges 
Kolonialgebiet im Fernen Oſten, es greift 
über feine Grenzen hinaus, um ſich Teil- 
gebiete feiner Nachbarn anzugliedern. Der 
Angriff in dieſen Gebieten gilt vor allen 
Dingen (nachdem die Mandſchurei an Japan 
verloren ging) der äußeren Mongolei und 
Tannutuwa, fowie Singkiang (Chineſiſch⸗ 
Oſtturkeſtan). Das iſt weit mehr als Japan 
bisher an chineſiſchen Gebieten eroberte. 
Sowjetrußland ift alfo der letzte, der ſich 
darüber aufregen dürfte. „Die Sowjet⸗ 
bünde ſitzen alſo mit dem ſo herb angepran⸗ 
gerten „Imperialismus“ auf einer Stange. 
Wozu dann der Lärm oder „cant“?“, ſchreibt 
Karl Haushofer in ſeinem indopazifiſchen 
Bericht in der Zeitſchrift für Geopolitik, 
Januar 1936. Nach den letzten Berichten 
ſtoßen zu den 30 bolſchewiſtiſchen Beratern, 
die ſchon in der Provinz Singkiang an- 
weſend find, noch weitere 30 Berater, um an 
dem Aufbau der Sowjetverwaltung und an 
der Organiſation der Roten Armee in Ging, 
fang teilzunehmen. Die Sowjetagenten 
arbeiten vornehmlich mit dem Argument, daß 
die Bolſchewiſierung in den Weſtmächten 
große Fortſchritte gemacht habe und daß 
dieſe Regierungen China gegen feinen Erb- 
feind Japan unterſtützen würden. Ein be 
liebtes Propagandamittel fol auch die Ver- 
breitung von Lichtbildern ſein, die die Di⸗ 
plomaten der Woſtmächte in freundſchaft⸗ 
lichen Geſprächen mit Sowjetgrößen zeigen! 
Ob ſich das Herr Flandin hat träumen 
laffen, daß mit feinem Bild in China Pro- 
paganda getrieben wird? Aber das ſcheint 
die Freundſchaft zu Litwinow keineswegs 
zu trüben. Genoſſe Litwinow treibt einſt⸗ 
weilen weiter hohe Politik. 


Außenpolitiſche Notizen 25 


Auf Rofen des fnausöſiſchen 
Spates ! 

Bekanntlich hat die franzöſiſche Republik 
vor dem Krieg dem zariſtiſchen Rußland ſehr 
viel Geld geliehen in Form von Anleihen, 
die von dem kleinen franzöfiſchen Sparer und 
Rentner gegeben wurden. Der Franzoſe iſt 
ja im allgemeinen als ein ſparſamer Mann 
bekannt, dem nichts höher gilt, als ein ge- 
fiderter Lebensabend, deſſen Einkünfte aus 
den Zinſen der vielen Anleihen beſtehen, die 
er im Ausland möglichſt fider untergebracht 
wiſſen will. Die Vorkriegsanleihen an Rup- 
land wurden zum größten Teil in die 
ruſſiſche Rüftungsinduftrie und in den Bau 
ſtrategiſcher Bahnen geſteckt, die dem Auf- 
marſch gegen Deutſchland dienten. So diente 
das Geld in idealer Weiſe gleich einem 
doppelten Zweck: einem wirtſchaftlichen und 
einem militärpolitiſchen. 

Nac der bolſchewiſtiſchen Revolution wei- 

gerten ſich die neuen Machthaber in Moskau 
hartnäckig, die Schulden aus zariſtiſcher Zeit 
anzuerkennen und zurückzuzahlen. Der fran- 
ide Sparer hat damit Milliardenverlufte 
erlitten. Doch mit der Wiederanknüpfung 
der Beziehungen zwiſchen Frankreich und 
Sowjetrußland regte ſich eine neue Hoff- 
nung der franzöſiſchen Anleihebeſitzer nach 
Rückzahlung ihrer Vermögen. Es handelt 
ſich dabei um geradezu ungeheure Summen. 
Die Organiſationen der geprellten franzöſi⸗ 
ſchen Sparer haben jetzt eine kleine Bu- 
ſammenſtellung der Beträge veröffentlicht, 
die nach ihrer Ermittlung der franzöſiſche 
Rentner an Rußland verloren hat. 


Danach beziffern ſich die Staatsanleihen, 
die Rußland vor dem Kriege in Frankreich 
aufgelegt hat, auf 11 202 Millionen Gold- 
franken oder rund 56 Milliarden Papier- 
franken. 
meindeanleihen 535 Millionen Goldfranken 
oder 2675 Millionen Papierfranken, an An- 
leihen privater ruſſiſcher Gefellſchaften 2500 
Millionen Goldfranken oder 12 500 Mil- 
lionen Papierfranken. Die feit 1918 ge- 


Dazu kommen an ruſſiſchen Ge⸗ 


ſchuldeten Zinſen und Amortiſationen be⸗ 
laufen ſich auf 7786 Millionen Gold oder 
38 930 Millionen Papierfranken. Zu dieſen 
22 023 Millionen Gold. oder 110 115 Mil- 
lionen Papierfranken kommen noch für von 
den Sowjets beſchlagnahmte Güter, Beſitz⸗ 
titel, Ausbeutungsrechte uſw. 7000 Millionen 
Gold- oder 35 Milliarden Papierfranken, 
und ſchließlich für niemals zurückerſtattete 
Vorſchüſſe der Bank von Frankreich an den 
ruſſiſchen Staatsſchatz 5930 Gold. oder 29 000 
Millionen Papierfranken, ſo daß die Schluß⸗ 
ſumme nach der Aufſtellung der franzöſiſchen 
Sparerorganiſationen faft 35 000 Millionen 
Goldfranken oder runde 175 000 Millionen 
Papierfranken ausmacht. Man kann ſich 
denken, daß bei den Verhandlungen über den 
franzöſiſch⸗ſowjetruſſiſchen Hilfspakt das 
Argument der fehlenden Regelung der Vor- 
kriegsſchulden Rußlands immer wieder 
hervortrat. Die geſchädigten kleinen Sparer 
haben nicht vergeſſen, wohin politifd-mili- 
täriſche Bündniſſe mit Regierungen führen 
können, deren Staatsanſchauung die Grund- 
lagen der anderen Welt leugnet. Aber es 
iſt bezeichnend, daß es der franzöſiſchen 
Oeffentlichkeit nicht gelungen ift, bei Ab- 
ſchluß des Sowjetpaktes eine Anerkennung 
der ruſſiſchen Vorkriegsſchulden durchzu- 
drücken. Die Kommuniſten denken nicht 
daran, dieſe Schulden anzuerkennen. 

In dem offiziellen Kominternorgan 
„Rundſchau“ (Bafet) macht der Kommuniſt 
Gabriel Péri (Paris) fogar eine 
Gegenrechnung auf. Er ſchreibt unter anderm 
folgendes: 

„Das Argument der Schulden iſt nicht 
ſtichhaltig, am wenigſten vom Standpunkt 
des Völkerrechts. In der Tat haben die ver- 
bündeten Mächte, im beſonderen Frankreich, 
in den Jahren 1919—1921 Truppen in das 
Gebiet der Sowjetunion geſandt, und dieſe 
Truppen haben unmittelbare Rriegshand- 
lungen begangen. Man muß unter anderem 
an die Erſchießungen in Odeſſa, die von den 
Franzoſen, und an jene von Batu erinnern, 
die von den Briten verübt worden find. 


26 Außenpolitiſche Notizen 


Frankreich hat Kriegsſchiffe Rußlands be- 
ſchlagnahmt, was gleichfalls eine Kriegs- 
handlung bildet. — Im Verlauf dieſes 
Krieges find Verwüſtungen verübt worden, 
deren Wert ſich auf Dutzende Milliarden 
Goldrubel belaufen. Schließlich find die ver- 
bündeten Mächte beſiegt und aus dem Ge⸗ 
biet der Sowjetunion verdrängt worden. 
Auf Grund dieſes Kriegszuſtandes war die 
Sowjetunion berechtigt, die Vermögens- 
zuſtände der verbündeten Mächte, ſowohl 
Frankreichs wie auch anderer, gleich vom 
Beginn der Feindſeligkeiten an zu beſchlag⸗ 
nahmen. Mehr noch, ſie war berechtigt, von 
den Eindringlingen Entſchädigungen zu ver⸗ 
langen, um die Kriegsſchäden zu decken, mit 
dem gleich Recht, mit dem Frankreich von 
Deutſchland Reparationen verlangt hat. 
Rechtlich ſchuldet die Sowjet- 
union Frankreich nichts, und 


ſicherlich iſt Frankreich der Schuld ⸗ 


ner, und eben deshalb beeilt ſich Frant- 
reichs Regierung durchaus nicht, darüber 
Verhandlungen anzuknüpfen.“ 

Wenn man das lieſt, dann muß man an- 
nehmen, daß die Franzoſen noch froh ſein 
können, wenn die Ruſſen den Spieß nicht 
umdrehen und von Frankreich „Repara. 
tionen“ verlangen! Vielleicht will die fran- 
zöſiſche Regierung tatſächlich aus dieſem 
Grunde eine Abrechnung der Schulden ver- 
meiden. Aber fraglos geht dieſe Politik auf 
Koſten des kleinen ſranzöſiſchen Sparers, und 
man kann ſich denken, daß dieſer der neuen 
Sowjetpolitik Frankreichs mit größtem 
Mißtrauen gegenüberfteht. Schon hört man 
von neuen Anleihewünſchen der Sowjet- 
ruſſen in Paris. Aber der franzöſiſche 
Sparer wird ſich heute wohl auf Grund 
ſeiner früheren Erfahrungen hüten, noch ein⸗ 
mal fein Geld in ein derartig unfontrollier- 
bares politiſches Geſchäft zu ſtecken. Wenn 
es alſo der kleine Rentner nicht tut, wird 
es wohl die franzöſiſche Regierung ſelbſt 
tun müſſen, und zwar ebenſalls mit Steuer- 
geldern des franzöſiſchen Volkes — alſo doch 
auf Koſten des franzöſiſchen Sparers ?!! 


kaſten ſitzt, 


Die Lauſitzen Wenden und Die 

Reichsiacswabi 

Sachliche und unsachliche Stimmen zam 
Wahlergebnis 

Der „Bentov”, das Organ des tſchechiſchen 
Miniſterpräſidenten, ſchreibt in feiner Aus- 
gabe vom 1. April folgendes: „Im Laufiser 
Bautzen wurden bei der Abſtimmung am 
Sonntag (gemeint iſt die Reichstagswahl) 
faſt 500 Stimmen gegen das herrſchende 
Regime abgegeben. Dieſe Zahl oppofitio- 
neller Stimmen hat die amtlichen Stellen 
überraſcht. .. Nach zahlreichen offiziellen 
Erklärungen, daß eine Lauſitzer Frage in 
Deutſchland nicht beſtehe, hat das Ergebnis 
der Abſtimmung vom Sonntag in der Laufitz 
begreiflicherweiſe enttäuſcht, daher kann da⸗ 
mit gerechnet werden, daß das Vorgehen 
gegen die Wenden nun varſchärft wird und 
in der Richtung geführt wird, die letzten 
Refte der wendiſchen Minderheit zu Ober, 
tünchen und zu liquidieren.“ 

Hierzu ſei folgendes feſtgeſtellt: In der 
Stadt Bautzen wurden bei der Reichstags - 
wahl 27 322 Stimmen für die Liſte und da- 
mit für den Führer und 494 Stimmen gegen 
die Liſte abgegeben, alſo 181 v. H. Nein 
ſtimmen. Dies ift der Reichsdurchſchnitt. 
Hieraus aber eine „wendiſche Frage“ zu fon 
ſtruieren und die Behauptung aufzuſtellen, 
daß nunmehr ein ſcharfes Vorgehen gegen 
die „Lauſitzer Minderheit“ bevorſtünde, ift 
gelinde geſagt, mehr als kühn. Ganz ab- 
geſehen davon, daß das neue Deutſchland 
das wendiſche Volkstum als ſolches bejaht 
und pflegt, ſollte gerade ein Blatt der 
tſchechoſlowakiſchen Regierung mit der- 
artigen Behauptungen ſehr vorſichtig ſein, 
da man leicht geneigt ſein würde, das alte 
Sprichwort zu zitieren: Wer ſelbſt im Glas- 
werfe auf andere nicht mit 
Steinen. 

Im Gegenſatz zur Aeußerung des „Ven ⸗ 
kov“ iſt ein Artikel des tſchechiſchen natio- 
naliſtiſchen „Poledni Liſt“ vom 1. April 
intereſſant, der ſich obenfalls mit der Reihs- 
tagswahl befaßt und in dem es u. a. heißt: 


Außenpolitiſche Notizen 27 


„Es ift ein verantwortungsloſer Leichtſinn, 
die Bedeutung der Abſtimmung herab- 
zuſetzen. Anſere Linksblätter ſchreiben ſchon 
ſeit Jahr und Tag, daß Deutſchland aus- 
einanderfällt, ſchreiben von Demonftra- 
tionen, von Hunger und Aufruhr, ſie kannten 
die Deutſchen nicht und kennen ſie auch 
heute nicht. All dies find Märchen und Er- 
findungen. Seit dem Hitlerregime gab es 
in Deutſchland vier Abſtimmungen. Erſt⸗ 
malig bekam Hitler 21 Millionen, das zweite 
Mal (Austritt aus dem Völkerbund) 40 
Millionen, das dritte Mal 38 Millionen 
und das vierte Mal 45 Millionen Stimmen. 
Hieraus kann man keinen Abfall ableiten. 
Ebenfalls belehrend iſt der Vergleich der 
Gegenſtimmen: 3% Millionen, 4 Millionen 
und heute nur 500 Tauſend. Ihr könnt von 
den abgegebenen Stimmen abzählen ſoviel 
ihr wollt, ſchreibt von Terror, der tatſäch⸗ 
lich geherrſcht haben ſoll —, die Tatſache, 
daß 45 Millionen Wähler ihre Stimmen 
zum Zeichen der Aebereinſtimmung mit der 
Politik des Führers für ihn abgegeben 
haben, kann nur ein Narr unterſchätzen.“ 
Wir haben dieſer objektiven Stimme 
nichts hinzuzufügen. do. 


Ottocben will „Zaudestäuft” ` 
werden 


Seine Meinung über die Tschechoslowakei 
und den Anschluß 

Der Parifer „Exelſior“ veröffentlicht eine 
Anterredung des franzöſiſchen monardifti- 
ſchen Schriftſtellers Herzog Levis Mirepoix 
mit Otto von Habsburg während deffen An- 
weſenheit in Paris, wo er angeblich zahl- 
reiche Beſprechungen mit verſchiedenen 
Politikern hatte. 

Otto von Habsburg ſprach diesmal aus- 
führlich über die Tſchechoſlowakei. „Es ift 
natürlich,“ ſo ſagte er, „daß ich große Sym⸗ 
pathien zur Tſchechoſlowakei habe. Mein 
Vater liebte dieſes Land ſehr. Sobald er 
konnte, hatte er den Ländern der Wenzels. 
trone ihr nationales Statut angeboten. Der 


Krieg und die Revolution verhinderten aber, 
daß dieſe ſeine Geſte Früchte trug.“ 

Ueber den Anſchluß äußerte ſich Otto fol- 
gendermaßen: „Ich bin überzeugt, daß der 
Anſchluß ebenſo für die Tſchechoſlowakei wie 
für Angarn eine Gefahr wäre.“ Zum Schluß 
ſagte er, daß ſich die Donauſtaaten trotz 
ihrer verſchiedenen Regierungsformen zu⸗ 
ſammenſchließen miiffen. 

Ottos Sekretär, Baron Wiesner, der be- 
kannte öſterreichiſche Legitimiſtenführer, 
fagte dem franzöſiſchen Schriftſteller, daß für 
Otto von Habsburg, wenn er in Oeſterreich 
regieren werde, wahrſcheinlich der Titel 
„Landesfürſt“ gewählt werde, obwohl Otto 
ſelbſtverſtändlich den vollen Anſpruch auf 
den Kaiſertitel hätte. 

Es wird langſam zur Gewohnheit, daß 
Otto von Habsburg ⸗Bourbon bei allen mög- 
lichen und unmöglichen Gelegenheiten ſich 
zum Ehrenbürger ernennen läßt oder mehr 
oder weniger glückliche Interviews gewährt. 
Was er in dieſem Falle ſagte, iſt beſonders 
ergötzlich. Wenn Otto feſtſtellt, daß ſein 
Vater „die Tſchechoſlowakei ſehr geliebt 
habe“, ſo iſt demgegenüber zu ſagen, daß 
während der Regierungszeit ſeines Vaters 
dieſer Staat noch gar nicht beſtanden hat. 
Das Angebot des „nationalen Statuts“ für 
die Länder der Wenzelskrone, das Otto 
ſelbſt als eine „Geſte“ bezeichnet, hat im 
Gegenſatz zur Behauptung Ottos ſehr wohl 
Früchte getragen: die den Habsburgern nicht 
gerade freundlichen Tschechen haben diefe 
„Geſte“ in ihrem Sinne aufgefaßt und ſich 
einen Staat gegründet, der heute das Flug- 
zeugmutterſchiff der Sowjetunion darſtellt 
und durch deſſen Abſchluß eines Bündniſſes 
mit der UDSSR dem Weltbolſchewismus 
die Tür nach Mitteleuropa geöffnet wurde. 
Derartige Erkenntniſſe ſcheinen allerdings 
dem Gehirn eines Habsburgers nicht zu⸗ 
gänglich zu ſein. Dafür aber zerbricht man 
ſich in Steenokerzel den Kopf, was für einen 
Titel Otto als Herrſcher von Oeſterreich 
tragen werde. 

Er ijt es aber noch nicht. zo. 


28 Vom Büchermarkt 


Von Verſailles zur Wehrfreiheit. Die 
Wiedererſtehung Deutſchlands als Grop- 
macht. Eine Geſchichte des Kampfes um 
Abrüſtung und Gleichberechtigung im 
Jahre 1934/1935 in Dokumenten. Be⸗ 
arbeitet von Michael Freund. Eſſener 
Verlagsanſtalt, Eſſen. 

Im rechten Augenblick erſcheint ſoeben der 
vorliegende Quellenband, der den diplo- 
matiſchen Kampf des Führers um die 
deutſche Wehrfreiheit und Gleichberechtigung 
in den Jahren 1934/1935 an Hand der welt- 
politiſchen Dokumente darſtellt. Zwei Do- 
kumente, die der Bearbeiter mit Recht vor- 
anſtellt, kennzeichnen die zurückgelegte Weg- 
ſtrecke: Die Beſtimmung des Verfailler Ver- 
trages, daß das deutſche Heer „nur für die 
Erhaltung der Ordnung innerhalb des deut- 
ſchen Gebietes und zur Grenzpolizei beſtimmt 
iſt“ und das Wort des Führers vom 
16. März 1935, „daß die Wahrung der Ehre 
und Sicherheit des deutſchen Reiches von 
jetzt ab wieder der eigenen Kraft der deut- 
ſchen Nation anvertraut iſt.“ Dazwiſchen 
liegen das Ende der Abrüſtungsbemühungen, 
die Ablehnung aller deutſchen Vorſchläge, die 
Wirrniſſe der Patte und die Durchfetzung 
des deutſchen Lebensrechtes. Im Spiegel der 
deutſchen und fremden Dokumente ziehen die 
Etappen der Jahre 1934/1935 noch einmal 
vor unſerm Auge vorüber und dokumentariſch 
beſtätigt ſich, daß allein des Führers Kampf 
für die deutſche Ehre und Gleichberechtigung 
durch den Wald der Illuſionen, der Pakte 
und Verſtändnisloſigkeiten die Lichtung qe- 
ſchlagen hat. Er iſt allein den wahren Weg 
der Geſchichte gegangen, gegen den die „dem 
Kult des Rechts und der Religion des Ge— 
ſetzes“ verfallene franzöſiſche Regierung ver— 
geblich prozeſſiert. Ebenſo eindringlich 
zeigen die Dokumente, in welchem Ausmaß 
der deutſche Kampf um die Wehrhoheit zum 
Hauptinhalt der europäiſchen Politik ge— 
worden iſt. Er hat den Kampf um ein 
neues Europa eingeleitet, deſſen Höhepunkt 
wir heute zuſtreben. Der vorliegende Band 
iſt ein Sonderdruck aus einem demnächſt er— 
ſcheinenden weltpolitiſchen Quellenwerk, daß 
den manniafachen ausländiſchen Dotu- 
mentenſammlungen ein deutſches Werk 
gegenüberſtellen will. Es will das welt— 
politiſche Geſchehen durch ſorgfältigen Ab— 


druck aller weſentlichen Dokumente und durch 
erläuternde Zwiſchenterte veranſchaulichen. 
Eine Aeberſicht aller Dokumente mit ſorg⸗ 
ſamer Angabe der Druckorte fol die wifjen- 


ſchaftliche Brauchbarkeit ſichern. Es wird 
ſich erſt nach Erſcheinen des geſamten Werkes 
beurteilen laſſen, ob es gelungen iſt, das 
notwendige und wertvolle nat ionalpolitiſche 
Rüſtzeug zu ſchaffen, das hier in Ausſicht 
geſtellt iſt. Die Auswahl der Dokumente 
im Sonderdruck iſt ausgezeichnet. Der 
Zwiſchentert ließe ſich im Hinblick auf das 
hohe Ziel vielfach noch klarer und verſtänd⸗ 
licher faffen (ſiehe Seite 54, 73) und könnte 
auf manche überflüſſige Fremdworte ver- 
zichten. Die Bezugnahmen auf das kommende 
große Werk wirken ſich ſehr 1 a 

r. K. A. 


„Kampf um den Erdraum“. Von Paul 
Ritter. Verlag Philipp Reclam jun, 
Leipzig. 

Eine feſſelnde Schilderung der Entwicklung 
der deutſchen Kolonien, deren mühevolle und 
opferreiche Aufbauarbeit, hineingeſtellt in 
das große ſeit Jahrtauſenden tobende 
Ringen um den Raum der Erde. 

Ausgehend von der Koloniſation der 
Pboenizier, Römer, Araber, Mongolen und 
Normannen kommt der Verfaſſer in Leben, 
diger Sprache auf die im Mittelalter und in 
der frühen Neuzeit beginnende Koloniſatton 
der Portugieſen und Spanier zu ſprechen. 
Kolonialreiche, in denen wahrlich „die Sonne 
nicht untergeht“, erſtanden und mußten 
wiederum anderen nachſtürmenden Völkern 
Platz machen. Einer eingehenden Würdi⸗ 
gung find die kolonialen Erfolge der Nieder- 
länder und beſonders der Engländer unter- 
zogen, bis zu den kolonialen Anſprüchen 
anderer Völker, die inzwiſchen zu einer 
übereuropäiſchen Bedeutung und Macht ſich 
emporzuringen wußten. Den treibenden und 
hemmenden Kräften der kaiſerlichen deutſchen 
Kolonialpolitik widmet Paul Ritter aug- 
führlichen Raum. Er räumt gründlich mit 
der böswilligen Legende auf, daß das deut- 
ſche Volk Kolonien nicht zu organiſieren 
oder auszuwerten verſtünde. Mit den 
kolonialen Wünſchen und Zielſetzungen 
Rußlands und Japans geht der Verfaſſer 
über zum Kampf um die Kolonien im Welt. 


Vom Büchermarkt , 29 


krieg und beſchließt fein 350 Seiten ſtarkes 
Buch mit dade Shen Betrachtungen über 
die deutſchen 

herrſchaft. 

Obwohl das Werk nicht den Anſpruch 
einer lückenloſen Darſtellung und Würdi⸗ 
gung der kolonialen Probleme aller Völker 
und deren Kampf um den Erdraum erhebt 
— dies iſt bei dem ungeheuren geſchichtlichen 
Stoff und der Größe der einzelnen Ee 
bleme in einem handlichen Buch praktiſ 
nicht möglich —, wünſchen wir dieſem Bu 
einen breiten Leſerkreis! Dr. L. 


lonien unter der Fremd- 


Das Rätfel Abeſſinien. Paul Liebe- 
renz. Reimar Hobbing Verlag, Berlin. 


Es handelt ſich hier nicht um ein aus dem 
Boden 900 enes Konjunkturbuch, das im 
Augenblick, wo der italieniſch⸗abeſſiniſche 
Streit auch zu einer europäifchen Sdidfals- 

age zu werden droht, einen beachtlichen Mb- 
atz erhofft, ſondern um eine Reifefdilde- 
tung, die der Verfaſſer nach längerem 
Aufenthalt in Abeſſinien vor dem Ausbruch 
des genannten Konfliktes niedergelegt hat. 
Inſofern ift die Reiſebeſchreibung wertvoll, 
als ſie unbeeinſlußt von dem politiſchen Ge⸗ 
ſchehen der letzten Wochen unbefangen Aus- 
druck eines Reiſenden wiedergibt. Eine ſolche 
Darſtellung feſſelt uns in den heutigen Tagen 
mit Recht, wenn der Verfaſſer von dem 
abeſſiniſchen Soldaten erzählt, daß fie zwar 
im Exerzieren reichlich ſteife und ungeſchickte 
Burſchen ſeien, wie die Tiere nutzen ſie jede 
kleinſte Deckung aus, gehen blitzſchnell und 
unhörbar an den Feind heran und kämpfen 
raſch und erbarmungslos, um nach dem 
Aeberfall genau ſo ſchnell und unauffindbar 
im grauen Buſch unterzutauchen. In der 
Trockenzeit muß die Waſſerarmut für Curo- 
pder, welche der Waſſerſtellen unkundig find, 
furchtbar fein. Die nomadiſierenden Go- 
malis kennen jedoch jeden Winkel ihrer 
Heimat und verfügen über ein dem Europäer 
rätſelhaftes Signalſyſtem. Lieberenz be⸗ 
zeichnet Abeſſinien als das Land un, 
begrenzter Möglichkeiten, das reich an Gold 
und Erzen iff und in dem man auch Pe- 
troleumvorkommen vermutet. Bewohner und 
Struktur des Bodens wehren ſich acaen- 
wärtig noch gegen die Erſchließung dieſer 
Schätze. Phantaſtiſch mutet es an, wenn 
Lieberenz von den goldenen Tellern berichtet, 
von denen er als Gaſt des Kaiſers aefpeilt 
hat. Ein lebendiger Bilderteil illuſtriert 
die fliſſige Schilderung der Stretfatiac durch 
Abeſſinien. Vielleicht wäre in Anbetracht 
der fünaſten Ereianiſſe eine eingehendere Be- 
handlung der Sitten und Gebräuche Aethi⸗ 


opiens intereſſanter geweſen, als die aller- 
dings feſſelnde Schilderung der reichen 
abeffiniſchen Tierwelt. 


Militärmacht Sowjetunion. Von Artur W. 
Juſt. Wilh. Gott Korn Verlag. 100 S. 


Das Buch abzulehnen, weil es zu objektiv 
geſchrieben ſei, geht nicht an. on einer 
Studie, beſſer: einer Reportage, die uns 
orientieren will, zumal über mili- 
täriſche Zuſammenhänge, erwarten wir kein 
weltanſchauliches Plädoyer. by. 


Dr. Ludwig Engel: Der Jeſuitismus eine 
Staatsfrage. endorff⸗Verlag GmbH., 
München. 14 S. 


Die Schrift zeigt uns die Geſchichte des 
Jeſuitenordens, zeigt feine innere Struktur, 
ſeine Geſetze und ihre, im Sinne des Ordens 
— logiſche Begründung. Es zeigt uns ferner 
feine wietſchaftliche, alſo weltliche acht 
und Größe — und ſeine beſondere Einflu 
nahme und Anteilnahme an dem deutſchen 
Schickſal. Das Büchlein erhält ſeine be⸗ 
ſondere Beachtlichkeit aber dadurch, daß es 
die peli lid bereits feſtſtehende Staats- 
1 0 ichkeit des Jeſuitenordens auch für 

ie heutige Zeit beweiſt. Pro. 


„Not, Kampf, Ziel der Jugend in ſieben 
Ländern.“ 


Reinhold Schairer beſchäftigt ſich in einer 
Schrift dieſes Titels aus dem Gogietäts- 
verlag, Frankfurt, mit der Jugend in ſieben 
Ländern, aber er vergißt dabei die deutſche. 
Er iſt in Schweden, Norwegen, Dänemark, 
England, Italien, Frankreich und in der 
Schweiz geweſen, um ſich über den Stand 
der Jugendentwicklung, beſonders zur Frage 
der Arbeitsloſigkeit zu unterrichten und um 
alle Maßnahmen zu ſtudieren, die die 
Jugend dort von ſich aus verſucht, um dem 
Schickſal der Proletariſierung zu entgehen. 
Das alles leſen wir gern, aber es fehlt 
dieſem Buch der Standort neuen Geiſtes, 
von dem aus ein ſolches Werk größere Be- 
deutung erlangen könnte. Damit ſoll nichts 
gegen eine Beſchäftigung mit der Jugend 
in den verſchiedenſten Ländern geſagt ſein. 
Wie fruchtbar eine ſolche Anterſuchung ſein 
kann, beweiſt der Bericht über die Nends- 
burger internationale Arbeitsdienſttagung, 
den die deutſche Studentenſchaft in einer 
Schrift zuſammengefaßt herausgegeben hat: 
„Der ſtudentiſche Arbeitsdienſt in der Welt“ 
(Hanſeatiſche Verlagsanſtalt, Hamburg). 
Eine ſolche Schrift ijt ein Maßſtab dafür, 
wieweit die Jugend in der ganzen Welt 
den Angeiſt des 19. Jahrhunderts über- 


30 Vom Büchermarkt 


wunden hat, weil darin ein feſter Grund 
für die Erörterung aller Fragen gegeben iſt. 

Schairers Schrift fehlt eine ſolche Grund- 
lage. And das iſt gerade das AL earna 
fie hätte fie febr gut haben können. 
Schairer ſehr viel von den arbeitſuchenden 
und ſich ihre Freizeit mit ſelbſtgewählten 
Aufgaben erfüllenden Jungen anderer Län- 
der ſpricht, fo hätte er auch den Reihs- 
berufswettkampf der deutſchen Jugend mit- 
behandeln müſſen. Wenn wir nach dem 
Grunde fragen, weshalb der Verfaſſer es 
nicht tat, ſo wohl deshalb, weil ihm dieſes 
Gemeinſchaftswerk im großen nicht zuſagt 
und weil er keinen Sinn hat für eine große 
Planung dieſer Art. 

In dieſer Schrift macht ſich außerdem ein 
Anterſchied in der Auffaſſung von der Ju- 
gend bemerkbar, der auch andernorts häufig 
genug noch zu finden iſt und der klar er- 
kannt werden muß. Der Nationalfozialis- 
mus ſieht in der Jugend des Volkes die 
junge Mannſchaft, die ſich gemäß dieſer Be- 
ſtimmung in erſter Linie zu Männern nach 
dem Bilde des Kriegers und zu Frauen 
nach dem Bilde der Mütter zu formen hat. 
Daher gibt er möglichſt vielen Jungen früh⸗ 
zeitig Verantwortung in ihren Organifa- 
tionen. Die Vertreter der vergangenen Zeit 
ſahen in der Jugend zuerſt die junge Gene⸗ 
ration, in der die neuen Möglichkeiten der 
Entwicklung und des Fortſchritts enthalten 
find. Daher wurde die Jugend früher eine 
Angelegenheit der Problematik über vin), 
tige wirtſchaftliche, ſittliche und ſonſtige 
Fragen, wobei aber nie ein die Jungen 
verpflichtendes Ziel aufgezeigt wurde. Es 
blieb bei den Fragen um die Jugend. So 
iſt es auch bei Schairer. Die Wirkung des 
Buches wird reaktionär ſein, weil es eben 
die Frage der jungen Generation wieder 
aufwerfen hilft. Wie Schairer ſeiner Zeit 
bei der Einführung des freiwilligen Wert- 
halbjahres für die Abiturienten eine mög- 
lichſt abwechſelungsreiche Ausbildung in den 
Fabriken, bei den Bauern und in Sdu- 
lungslagern forderte und die Forderungen 
der Studentenſchaft, in dem freiwilligen 
Werkhalbjahr eine vorwärtstreibende Maß- 
nahme für die allgemeine Arbeitsdienſtpflicht 
zu geſtalten, nicht in ihrer Bodeutung er- 
kannte, ſo trifft er auch hier in ſeiner Schrift 
nicht das Weſentliche der Jugendfrage, um 
das es in der Zukunft gehen wird. H. R. 


Dr. Fritz Wüllenweber: Altgermaniſche Er⸗ 
ziehung. Dargeſtellt auf Grund der 
Islandſagas und anderer Quellen zum 
Frühgermanentum. Hanſeatiſche Verlags- 
anſtalt, Hamburg. 1935. Preis 6,60 RM. 


Dr. Fritz Wüllenweber hat den dankens⸗ 
werten Verſuch unternommen, auf Grund 
der Islandſagas eines der Gebiete des 
Lebens unſerer Vorfahren den Leſern zu 
erſchließen: nämlich die Erziehung und das 

en der Jugend der frühgerman Soe 
e 


A 

Zeit. naleid) das vorli 

(170 Seiten) für ſich nicht in Ech? neb- 
men kann, das erwähnte Gebiet erſchö 

und abſchließend zu behandeln, ſo K 
außer jeden Eiere einen bod zu 
den Beitrag fiir Das umfangreide und Heute 
noch nicht reſtlos aufgeſchloſſene Feld der 
Erforſchung des Lebens unſerer Ahnen dar. 
Die Erziehungsarbeit der Gegenwart wird 
manches richtungweiſende orbild dem 
Werk Dr. Wüllenwebers entnehmen können 
und ihm dafür Dank wiſſen. Dr. L. 


Die Ahnen deutſcher Bauernführer, Band 2. 
Wilh. Meinberg, Reichsnährſtandsverlag. 
Die Aufgabe der Schrift ift, einen mög. 

lichſt geſchloſſenen Kreis der Ahnenſchaft der 

nationalſozialiſtiſchen Bauernführer ber, 
zuſtellen. Dadurch erfahren wir etwas über 
die Art und den Wert, den unzählige deutſche 

Bauerngeſchlechter neben ihnen aufweiſen 

und die durch ſie repräſentiert werden. Die 

Genealogie ſolcher alten Ce e e 

ift deshalb wichtig, weil aus ihr oft 

Schickſal und die Geſchichte der Landſchaft 

ſch a zu erleben ijt. Wir lernen daraus 

den erdegang des Bauerntums einer 

Landſchaft und erkennen beiſpielhaft feine 

biologiſche Bedeutung. 

Es geht alſo nicht darum, möglichſt viele 
Prominenzen in der Ahnenreihe zu ent- 
decken, ſondern es wird durch die Verſolgung 
der Blutſtröme in die Vergangenheit be- 
wieſen, daß die Kraft eines Geſchlechtes 
und ſeine ſtete Verbindung mit der Scholle 
den Nachfahren heute zur außerordentlichen 
Leiſtung und zum Führertum befähigt. Dies 
geht aus der Ahnenreihe von il 
Meinberg, dem mit der Hitlerjugend be- 
ſonders verbundenen Bauernſührer, deutlich 
hervor. Sie ſpricht eine beredte Sprache, und 
wir ſtellen z. B. feft, daß keiner der Ahnen 
dieſes Bauernführers aus der Stadt getom. 
men ift oder in die Stadt abgewandert ift. 
And ſie seigt weiter, daß in dieſen alten 
bauerlichen Familien die Perſon hinter dem 
Werk zurückgetreten ift. Der Hof und feine 
Erhaltung war wichtiger als der Name des 
Geſchlechts. Dies iſt die Idee des Bauern 
— heute wie vor Jahrhunderten. And dies 
iſt eck der Grund, warum man aus der 
Ahnenkunde mehr leſen kann als die (Ge, 
ſchichte einer einzelnen Familie. Sie zeigt, 
wie der Verfaſſer ſchreibt, Regeln und Zei- 


Vom Büchermarkt 31 


ſpiele einer Lebensart, die der unſrigen als 
Richtſchnur dienen kann. 
Das Blut eines ſolchen Bauerngeſchlechts 


Ee fid in Wilhelm Meinberg zu einer 


önlichkeit. Das tft nicht Zufall, ſondern 
eine biologiſche Zwangs e In der 
vorliegenden Schrift wird ein Wort von 
Hans Johſt wiedergegeben, das auch denen 
alles faat, die nicht das Glück hatten, WiL- 
elm Meinberg als Nationalſozialiſten und 
uern zu erleben: „Ein Kerl erſtürmt das 
Rednerpult. Einer vom Geſchlecht der 
ſchwarzen Hänſe. Das Wort „radikal“ als 
urzelwort jedes Revolutionadrs bekommt 
durch ihn Stil und Charakter. Dieſer Man 
it Bauer, das heißt: Sämann.“ H. B. 


Müller⸗Schnick, Zeitenwende; G. Basner, 
Krieg am Galgenturm, Br. Nowack, Das 
Opfer der Notburga. Im Theaterverlag 
A. Langen / G. Müller (Volksſpieldienſt). 
Drei Spiele, die allerlei an Können vor⸗ 

ausſetzen und bei denen man beſorgt iſt, daß 

eine unzureichende Aufführung das dichte⸗ 
riſch Geſtaltete zerſtören möchte. Das gilt 
vor allem von dem erftgenannten „Chorſpfel“ 
von Müller-Schnid, das eine Spielleitung 
aa Erfahrung in Sprech. und Tanzchor 
nicht verſuchen 18 Mit ſehr viel mehr 

Bühnenblut, mit Schmiß und Witz hat 

Basner fein abendfüllendes Spiel „von Ban- 

diten und Spießbürgern“ geſchrieben, eine 

Moritat, bei der man am liebſten ſchon 

während des Leſens die prachtvollen Spiel- 

a eaat ausnützen möchte. — „Das 

er der Notburga“ iſt eine Amarbeitung 
des Spieles „Der Bauer“, das an die männ- 
liche Hauptrolle Ka Anforderungen ftellt. 

Ein kurzes Spiel, mit wenigen Kräften. Bei 

einer dem Stück gerecht werdenden Auf- 

- feng wird es von erſchütternder Wirkung 
ein: der Bauer, den der Dreißigjährige 

Krieg zum Verzweiſeln bringt und ſeine 

a die ihn wieder zu feinen Acker guriid- 
: by. 


Sprechchorwerk „Anſterbliche Gefolgſchaft“. 
Von Willi rep 3 ES 


Das Sprechchorwerk „Anſterbliche Gefolg- 
ſchaft“ von Willi 3 das im November 
1935 vom Deutſchen Kurzwellenſender ge; 


allad 
ſpruch — Der Toten Bericht und Aufruf — 


Fähnrich und Trommler — Fahnengebet — 
Anſterbliche Gefolgſchaft — jene untrennbare 
Verbindung 90 den Anſterblichen und 
den Lebenden zum Ausdruck. 

Als Sprechchorwerk ſtellt die Arbeit große 
Anforderungen, da faft die ganze Arbeit nur 
auf den Sprechchor aufgebaut ijt. —Ro— 


Geſtaltete Freizeit. Feſte und Feiern deut- 
ſcher Art. Von Friedrich Arndt. 
Hanſeatiſche Verlagsanſtalt, Hamburg. 
Dieſes Buch wendet ſich vornehmlich an 

Vereine. Es hat ſich die Aufgabe geſtellt, 

dieſen ein Ratgeber und Wegweiſer bei der 

Geſtaltung von Freizeitfeiern und -feften zu 

ſein. Eine ſolche Aufgabe verpflichtet be⸗ 

ſonders, denn nirgendwo wurde bisher bei 

Feiern und Feſten mehr Kitſch purgatory 

als bei Veranſtaltungen folder Vereine. 

Hier iſt das Buch zu begrüßen, weil es 
ganz energiſch Stellung nimmt gegen dieſe 
Art der bisherigen Freizeitgeſtaltung. Das 
Buch gibt aber nicht nur eine Kritik, nein, 
dort, wo es dieſe Zuſtände energiſch und mit 
allem Nachdruck ablehnt, geſchieht es, um an 
einer Gegenüberſtellung mit einer guten 
Teierſolge zu zeigen, wie ſolche Feiern zu 
einem Gemeinſchaftserlebnis werden, wenn 
an Stelle des Kitſches wirklich wertvolles 
geboten wird. Das Buch beſchreibt ſowohl 
Weſen und Inhalt wie auch die Organi- 
fation der Freizeit. Dabei wird heraus- 
geſtellt, daß die Organiſation, wie ſo oft 
falſch geſehen, nicht Selbſtzweck iſt, ſondern 
einzig und allein Mitte 1 — Zweck galt 
darſ, um — in dieſem Fall — den Inhalt 
der Feierſtunde durchzuführen und durd- 
zuſetzen. 

Wo das Buch an vielen Beiſpielen neue 
gangbare Wege der Freizeitgeſtaltung für 
Vereine zeigt, iſt es zu begrüßen und mae 
insbeſondere den Vereinen, die bisher fa 
ausſchließlich viel Zeit und Kraft zur Ver⸗ 
mittlung allergrößten Kitſches verbrauchten, 
empfohlen werden. 


Volkhafte Dichtung der Zeit. Von Dr. 
Hellmut Langenbucher. 2. er 
weiterte Auflage (5.—7. Tauſend). Junker 
und Dünnhaupt Verlag Berlin 1935. 


Gegenüber der erſten Auflage ſind eine 
Reihe von Dichtern neu aufgenommen und 
ausführlich behandelt worden: Auguſt Hin- 
richs, Johannes Linke, Hans Hermann Wil. 
helm, Ludwig Tügel, Johanna Wolff, Mar- 
garete Schieſtel⸗Bentlage, Jofefa Behrens- 
Totenohl u. v. a. Ausführlicher behandelt 
wurden: Gorch Fock, Walter Flex, Hermann 
Eris Buſſe, Wilhelm von Scholz, Hans 


32 Vom Büchermarkt 


riedrich Blunck, Joſef Ponten, Heinrich 

ohnrey, Carl Hauptmann, Peter Dörfler 
uff. Wer die jungen und jüngſten Autoren 
licht muß zu der anderen Schrift des 
gie chen Autors greifen: ,,Nationalfogia- 
iſtiſche Dichtung“. 

Langenbucher verſteht es ausgezeichnet, 
auf Grund gnana ſachlicher Kenntnis die 
Darſtellung lebendig zu geſtalten, ſo daß ſie 
allen Neues bietet. Hier ſchreibt einer von 
den Männern, die wiſſen, um welche oe 
es heute in der Dichtung geht und die felbft 
poſitiv mitarbeitend eingreifen und das 
kulturelle Leben aufbauen helfen. So be- 
trachtet, * die Neuauflage von Bedeutſam⸗ 


keit und ſollte nicht nur von Intereſſierten 
und Pädagogen geleſen werden, ſondern in 
alle Kreiſe dringen. Gro. 


Dronning Marie. Von Waldemar 
Auguſtiny. Verlag Korn, Breslau. 
Preis 5 RM. 

Auguſtiny hat in ſeinem Noman, der im 
Schleswig der achtundvierziger SCC fpielt, 
die nicht leichte Frage und Entſcheidung: 
Pflicht und Neigung aufgegriffen. Wenn 
man fagen kann, daß er f 
anſtändigen Mitteln löſte, iſt das ſchon ein 
bedeutendes Lob. Auguſtinys Roman ver- 
mittelt dazu ein dichtes Bild dieſer Zeit, des 
ſchleswig⸗holſteiniſchen Freiheitskampfes und 
ſagt wieder das uralte Geheimnis aller 
Kriege aus: nicht allein die Zahl der Men- 
ſchen iſt entſcheidend. Es kommt auf den 
Geiſt an, in dem die Streitenden in die 
Schlacht ziehen. Der Krieger, der ſeine 
Heimat und ſein Volk liebt, wird immer 
ein Vielfaches der Söldner aufwiegen, die 
fih um Lohn ſchlagen. 

Wir begrüßen dieſes Buch, das ein 
humorig-ernſtes Gemälde eines Abſchnittes 

unſerer Volksgeſchichte iſt. —n. 


Blau ift das Meer. Von Heinrich 3er 
kaulen. Verlag Quelle & Meyer, 
Leipzig. 

Zerkaulen hat diefe Erzählung auf An- 
regung des Oberbefehlshabers der Kriegs- 
marine, Admiral Raeder, geſchrieben. 
Motive und Stimmungen aus dem eignen 
Erleben nehmend, aus ſeinen Fahrten mit 
der Kriegsmarine, zeichnet der Dichter ein 
echtes, ſchlichtes Bild zweier Jungen, die als 


e recht und mit 


jüngſte Rekruten der wiedererſtandenen 
Marine dienen. Dies je keine der üblichen 
Seegeſchichten; es iſt in der ſprachlichen und 
bildlichen Formung eine dichteriſche Er- 
zählung. In der E Bindung von 
bäuerlicher Seßhaf Sc und echt deutſchem 
Drang in fremde Welten läßt Zerkaulen 
zwei Jungen Heimat und weite See erleben. 


Die Volksgruppen und das deutſche Ge⸗ 
ſchichtsbewußtſein. Von Hermann All- 
mann. Verlag Grenze und Ausland. 
Hermann Allmann verſucht in dieſer Bro- 

ſchüre von der intellektuellen Seite aus unſer 

neues Geſchichtsbewußtſein in unſer Voll 
hineinzutragen. Gewiß find die entwickelten 

Gedanken keineswegs unaktuell, eer? febr 

ut ausgebaut, aber leider viel zu hoch, um 

n dieer Form unſerem Volk übermlttelt 

werden zu können. 

Eine geſamtdeutſche Geſchichtsauffaſſ 
wird ſich nur dann durchſetzen, wenn au 
N Arbeiter und Bauern davon erfaßt 
werden. 


Von 


Rennen — Sieg — Reforde! 
Anion 


a a delat, © 
eutſche Verlagsgeſe t, Stuttgart. 
An bi Erlebniſſen ſchildert Rudolf 
Caracciola die Entwicklung, den Aufitieg und 
die alltäglichen Sorgen und Nöte eines 
Wutorennfabrers. Er vertritt die cht, 
daß die jetzigen Rekorde bei einer Ee 
beflerung von Maſchine und Material 2 
weſentlich geſteigert werden können. Au 
er bezeichnet als die Hauptſorge des Renn- 
fahrers von heute die Frage der Haltbarkeit 
der Reifen. 


Paul Ernſt: Das i Albert 

Langen - Georg Müller ünchen. 

Ver Verlag angen- Müller hat die ver: 
dienſtvolle und lobenswerte Aufgabe über- 
nommen, das gewaltige Werk ul Ernſts 
„Das Kaiſerbuch“ in einer ſchönen drei⸗ 
bändigen Ausgabe herauszubringen. Der 
erſte Band — Die Sachſenkaiſer — und 
ſoeben auch der zweite — Die Franken 
kaiſer — liegen ſchon vor. Wir wollen das 
Erſcheinen des dritten Bandes — Die 
Schwabenkaiſer — abwarten, um dann das 
Geſamtwerk in einem umfaſſenden Aufſatz 
darzuſtellen und zu würdigen. 


Hauptſchriftleiter: Günter Kaufmann (z. Zt. in Urlaub). 


Wilhelm Utermann. Anſchrift: „Wille und Macht“, 


Tel. D2 5841. 


Reihsjugendführung, Berlin 
Verlag: Deutſcher Jugendverlag G. m. b. H., 
Verantw. für den Anzeigenteil: Kurt Otto Arndt, Berlin. — D.⸗A. I. Vj. 36: 15 433. 


Schriftleitung: Dr. Karl Lapper, Stellvertreter, und 
NW 40, Kronprinzenufer 10. 
Berlin W 35, Lützowſtr. 66, Tel. B 2 Lützow WER 
. — Drud: 


— Pl. Nr, 
Theodor Abb Buchdruckerei, Berlin SW 68. „Wille und Macht“ ift zu beziehen durch den Deutſchen RES 


oder jede deutſche Buchhandlung ſowie durch die Poft. 


Poſtbezug viertel. RM. 1,80 zuzügl. Beſtellgeld. Be 


Beſtellung von 1 bis 3 einzelnen Nummern bitte den Betrag in Briefmarken beizulegen, da Nachnahmeſendung 


zu teuer iſt und dieſe Beſtellung ſonſt nicht erledigt werden kann. 


Maſſenbezug durch den Verlag laut beſonderen 


Bezugsbedingungen. 


a F. Hoffstätter, Bonn 
l Emall-Abzeichen, Medaliien für 


le haven Immer Hunger. 
Mir haben immer Durf?, 
Was andre Leute eſſen, 
A Das ift uns wirklich wurft, 
| Bac Erbswurft in dem Reffel, 
Die fchmeckt und die gibt Kraft, 
die letzten Kilometer, 
Die find dann fehnell gefchafft! 


17. W 
IB: T Auimärso 

n Plaketten Gedenkfelern usw. 

$ Fernruf 2110, Postfach 88 

Vertragslieferant der RZM. Nr. 18 


Left und verbreitet 


„Wille und Macht!“ 


Deulſche Saat in feemder Erde 


Herausgegeben von 


Dr. Karl Bömer 


Preſſechef des Außenpolitiſchen Amtes der NSDAP 
280 Seiten Text und 80 Seiten Abbildungen 


Dieſes mit rund 240 vielſach ganz unbekannten Abbildungen im Sep ` 
und auf Tafeln verfebene, febr anſchaul iche und vielſeitige Werk hat 
Roi das Ziel geſetzt, an einer Reihe beſonders eindrucksvoller Bei - 
ſpiele den tiefgreifenden Einfluß aufzuzeigen den der deutſche Genius 
auf die Welt ausübte und noch ausübt. Dabei liegt dieſem Bud 
und ſeinen Mitarbeitern aber nichts ferner als die einſeitige Ver⸗ 
berrlichung deutſcher Leiſtungen. Denn gerade aus der tiefen Liebe 
oun eigenen Volkstum, die dieſes Wert 

er 


roße Gedanke. nach innen und außen gleichermaßen wirkſam zu 

ein. Nach innen, um aus dem Wiſſen um das eigene Volkstum 

und um die Kraft feiner Söhne zu unablaffia neuer Saat zu ſpornen, 

nach außen, um im Jahr des deutſchen Olympia für Achtung und 
Verſtändnis zu werben. 


Pappband RM. 4.50 Ganzleinen RM. 5,50 
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und Frauen ſehen im Buch das wirkſamſte Mittel, die national- 
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Name: 


Nach Gebrauch zurück an: 
Häuptarchiv der NSDAP 
Abt. Jugendbewegung i 


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4 

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| 


DiNTgrht 


| 
lübrerorgan der nationalſozialiſtiſchen Zugend 


ius dem Subali: 


E Grog: Lolalildtsanspruch der jungen Gene 


| Nationaler Sozialismus und Schwedens Jugend 
/ Nietzsche — ein Nihilist? 
l Tag der nationalen Arbeit — E K. ¢ Verschwundene Unterwelt — Unruhen in F 


Kampfschtiften gegen das Judentum — Die neue Gesellschaftsordnung — Shakespeare, 
Rothe — Was es im 20. Jahrhundert alles noch gibt — Vom Büchermarkt 


Salbmonatöfcbeift / Sefi o Berlin, den 1. Mai 1936 Ginselpeci8 30 Pfs. 


Tag der nationalen Arbeit Herybert Menzel 

Der Totalitätsanſpruch der jungen Generation . . Dr. Walter Groß 
Leiter des e 
Amtes der RSDAP 

Nietzſche — ein Nihiliſttꝰ 2. ať Rudolf Keudel 

Verſchwundene Unterwelt E. K. 

Nationaler Sozialismus und Schwedens Jugend. . Or. F. von Poll 


Außenpolitiſche Notizen: 
Unruhen in Paläftina 


Reine Beiträge: 
Luthers Kampfſchriften gegen das Judentum 
Die neue Geſellſchaftsordnung 


Nandbemerkungen: 
Shakeſpeare, Carow und Rothe 
Was es im 20. Jahrhundert alles noch gibt 
Gaudeamus . . . oder die zerſchmetterte Nachtigall 


Vom Büchermarkt 


Kunſtdruckbeilage: Geſunde Menſchen (Fotos Erich Retzlaff, Düſſeldorf) 


IST, 


gũb rerorsau der nationalſozialiſtiſchen Jugend 


Jahrgang 4 Berlin, 1. Mai 1936 Heft 9 


HERYBERT MENZEL: 


Tag der nationalen Arbeit 


= Marschlied ` S e E 


Ein Volk brach et ein Volk ward frei 

Und zieht auf neuen Bahnen. 

Wir tragen in den grünen Mai 

Die ſieggewohnten Fahnen. 

Kamerad an meiner Seite, 

Kamerad im gleichen Schritt, 

Sieh, das ganze Deutſchland heute 
Jubelt und zieht mit! 


Ans ruft ein Licht, uns ruft ein Glanz 
Den Urmſten zu umſonnen. 

Der Maibaum unſers Vaterlands 
Zu blühen hat begonnen. 


Menzel | Tag der nationalen Arbeit 


Kamerad aus den Fabriken, 
Kamerad, du hinterm Pflug, 
Ans verklangen Weltmuſiken, 
Deutſchland iſt genug! 


Wir ſind ein Volk, wir ſind das Blut, 
Das blüht in ſeinen Fahnen. 

Wir zieh'n mit neuem Lied und Mut, 
Weil wir die Siege ahnen. 

Kamerad, du mir im Leben, 

Kamerad, du mir im Tod, 

Wie wir uns der Fahne geben, 
Glüht ſie auf und loht! 

In der Stunde der Fahnen 

Hörten wir, Führer dein Wort. 
Immer wird es uns mahnen, 

Alle tragen wir's fort. 

In den Motoren erklingt es, 

In den Fabriken, im Feld, 

Flugzeug und Lerche ſingt es: 
Deutſchland du unſere Welt. 


Wie wir hier ſteh'n in Kolonnen, 
Stolzeſtes Arbeiterheer, 
Haben den Sieg wir gewonnen, 


Keiner nimmt ihn uns mehr. 
Muff von Georg Blumenſaat 


Groh / Der Totalitätsanſpruch der jungen Generation 3 


Dr. Walter Groß: 


Der Zotalitätganipench der jungen 
Generation 


Jede große neue Idee in der Geſchichte ift der Gefahr der Mißdeutung und 
des Mißverſtändniſſes ausgeſetzt. And nicht das falſche Bild, das der Gegner ſich 
macht, iſt die große Gefahr, ſondern die ſtellt immer das gutgläubige Mißverſtehen 
in den Kreiſen der Anhänger ſelber dar. 

Auch der Nationalſozialismus iſt dieſer Gefahr ausgeſetzt geweſen. Die neue 
Idee ſtieß auf viele Menſchen, und jeder machte fih ihr Bild nach feinem eigenen 
Weſen zurecht. So kommt es, daß wir auf manchem Gebiet, das nicht gerade fidt- 
bar der politiſchen Formung und Führung unterworfen iſt, widerſprechende Auf- 
faſſung von der Auswirkung der nationalſozialiſtiſchen Idee antreffen. 

Die Bewegung hat gegenüber einem Zeitalter der Schwäche, der Weichlichkeit, 
der Feigheit die ſelbſtverſtändlichen Tugenden einer harten ſoldatiſchen Haltung 
wieder geweckt. Sie hat den Deutſchen, Mann wie Frau, wieder zu einem Bdeal- 
bild ſeiner ſelbſt zurückgeführt, das unſerer großen völkiſchen Vergangenheit gerecht 
wird und die Grundlagen der Zukunft ſichert. Sie hat uns aus der Welt defa- 
denter Furcht vor der Wirklichkeit wieder mit wachen Augen vor die harten Dinge 
des Lebens geſtellt und uns zur Furchtloſigkeit erzogen. 

Dieſer Grundton einer harten und heldenhaften Männlichkeit klingt durch alles 
Geſchehen unſerer Tage, und da er das Weſen des Menſchen in ſeinem Innerſten 
berührt, da wir ihn ſelbſt als Kernſtück unſerer weltanſchaulichen Haltung und Aus- 
richtung empfinden, unſere Weltanſchauung aber alle Gebiete des Lebens durch- 
dringt und durchdringen ſoll, muß zwangsläufig eine Auswirkung des neuen Geiſtes 
der jungen Nation auf allen Gebieten erwartet werden. 

And hier iſt die Stelle, da im engen Gehirn kleiner Menſchen ein tragiſches 
Mißverſtändnis anhebt. Weil ihnen die heldiſche Haltung im letzten Grunde ewig 
unverſtanden bleibt und weil ſie in der Dumpfheit ihres eigenen Seins keinen 
Naum für eine wahre und wirkliche Weltanſchauung überhaupt haben, deshalb 
klammern ſie ſich, gleichgeſchaltete Bürger, an die Oberfläche der Dinge und den 
bloßen Schall der Worte. Sie haben etwas von einer heroiſchen Weltanſchauung 
gehört, von einem Zeitgeiſt, der anders und härter fei als eine verträumte Ver- 
gangenheit; nun machen ſie ſich eifrig und ſchnaufend daran, dieſe Neuforderung 
pflichtſchuldigſt in Geſinnung zu überſetzen. Soldatiſche Haltung: das 
ſcheint ihnen etwas zu ſein, was man mit den Schaftſtiefeln 
anzieht, und der Schaftſtiefel wird ihnen zum ſtolz getrage- 
nen Bekenntnis ihrer zeitgemäßen Einſtellung. Geiſt und 
geiſtige Fragen ſind ihnen verdächtig; ſie wiſſen nicht, ob 
ſich ſolche Dinge für die Gegenwart denn auch noch ſchicken. 
Kunſt ſchätzen und preiſen ſie; aber ſie muß „heroiſch“ ſein, 
und deshalb ſcheint es ihnen ein tiefinneres Zeitbedürf- 


4 | Groß / Der Totalitätsanſpruch der jungen Generation 


nis, daß der Maler, will er nicht rückſtändig ſein, nackte 
Jünglinge mit blutroten Hakenkreuzfahnen malt, daß der 
Dichter von Fahnen, Kampf und Tod reimt (für den Fall, daß 
ihm die Reime ausgehen, ſind es freie Rhythmen), und in der 
Muſik erſcheint es ihnen erforderlich, an die Stelle ver- 
weichlichender Streichmuſik mehr Blech und Pauken 
zu ſetzen. So etwa malt ſich im Hirn manches Zeitgenoſſen die national- 
ſozialiſtiſche Forderung an unſere Kultur. Es hilft nichts, daß von maßgebender 
Stelle immer wieder der Unfug einer ſolchen engſtirnigen und engherzigen Auf- 
faſſung zurückgewieſen wird; in der ehrlichen Aeberzeugung von der Wichtigkeit 
ſeiner Miſſion trabt der Spießer durch die Lande und verkündet auf ſeine Weiſe 
die Grundforderungen nationalſozialiſtiſcher Kulturpolitik. 


And da iſt es denn an der Zeit, daß die Träger der nationalſozialiſtiſchen Idee, 
daß die junge Nation ſelbſt dieſen engen und fälſchenden Mißdeutungen gegenüber 
ſich laut und energiſch zu Wort meldet. Wir haben den Durchbruch der neuen Zeit 
an uns ſelber erfahren, wir haben ihn an uns und in uns ſelber vollzogen, und 
unter Freuden und Schmerzen find wir fo feſt der neuen Welt, unſerer Welt, ver- 
wachſen, daß wir ſie nicht ungeſtraft verfälſchen und mißdeuten laſſen. 


Jawohl, der Geiſt unſerer Zeit iſt ein harter und männlicher geworden. 
Aber das heißt nicht, daß wir die unendliche Weite des Er- 


lebens und Schaffens des deutſchen Menſchen darum 


einengen laſſen. Haltung und inneres Geſicht geben uns als Menſchen 
Geſetz und Form. Nicht mehr uferlos, ſich ſelbſt aufgebend, zerfließend ſteht 
der deutſche Menſch vor der Welt, ſondern gebändigt, ſeiner ſelbſt bewußt, im 
Wollen und Fühlen begrenzt auf das, was ſeiner Art gemäß iſt. Aber dann reicht 
ſein Blick in die Anendlichkeit der Welt vor ihm hinaus: Weltanſchauung haben, 
das heißt nicht die Augen verſchließen vor den Gegebenheiten des Seins, das heißt 
vielmehr, ſie weit auftun, mit dem Blick alles umgreifen, was ſich ihm bietet, um 
dann freilich die unendliche Vielheit des Geſchauten an der eigenen inneren Haltung 
zur Einheit und Harmonie zu formen. 


Weit und überweit iſt aber die Erlebnisfähigkeit der deutſchen Seele. Vom 
beglückenden Gefühl des Antertauchens in der Gemeinſchaft der Nation reicht ſie 
bis zum ſchaurigen Erlebnis der tiefſten Einſamkeit; glückliche Heiterkeit iſt ihr 
vertraut wie der Blick in die tiefſten Abgründe der Tragik in Welt und Leben. 
Das Reich geheimnisvoll dämmernder Myſtik iſt ihr zugänglich genau wie die harte 
und nüchterne Welt formender und ſiegender Technik. Die Härte des Krieges, die 
Freude des Kampfes, die Luſt an Einſatz und Gefahr gehören ihr ebenſo wie Weh⸗ 
mut und Träumerei in der Frühlingsnacht. Und auf der Erde mit all ihrem taujend- 
fältigen, bluthaften Leben iſt ſie genau ſo heimiſch wie im Reiche der ewigen Sterne. 


So groß und ſo weit iſt die Welt, in der das Leben des Deutſchen, in der 
die Seele unſeres Volkes lebt und wirken will. Nichts, was Menſchen berührt, 
liegt außerhalb unſerer Aufgabe, und wenn das Wort Weltanſchauung nicht Lüge 


— me am 


Groß / Der Totalitätsanſpruch der jungen Generation 5 


ſein ſoll, dann dürfen wir uns die Weite des Blicks und die Größe deſſen, das 
wir geſtalten wollen, nicht ſelber kleinlich begrenzen. 


Aber freilich, das könnte manchen Mächten ſo paſſen! Das wäre ihnen ſchon 
eine angenehme und vorteilhafte Art der Arbeitsteilung: „Ihr nehmt das Reich 
der Politik, des Militärs, der ſtaatlichen Ordnung, und darin darf ſich dann euer 
totaler Anſpruch unbekümmert auswirken; auf das andere verzichtet ihr, das er⸗ 
klärt ihr für euch ſelbſt für unzeitgemäß, und ſoweit Kultur und Seele der Nation 
darauf nicht verzichten kann (fie kann es nicht, weil wir Deutſche find!), forgen 
wir für die notwendige Befriedigung. Euch die Fanfaren, und uns die Orgel, 
euch die ſtaatliche Gewalt, uns Seele und Geiſt, euch die Zeit, uns aber alles, 
was an die Ewigkeit rührt!“ 


O ja, ſo könnte es ihnen paſſen! Aber ſie überſchätzen unſere Beſcheidenheit. 
Der Nationalſozialismus teilt feinen Anſpruch nicht, nicht mit Gegnern und nicht 
mit gleichgeſchalteten Biedermännern. Er hat dem deutſchen Menſchen eine neue 
innere Haltung gegeben. Haltung hat nur dann geſchichtlich Wert, wenn ſie zur 
Geſtaltung führt; und was wir geſtalten wollen, das iſt freilich die ganze Welt 
mit all ihren Höhen und Tiefen, mit dem Größten und Kleinſten in ihr, mit dem 
Zeitlichen und Ewigen, und alles das ſoll ſeine Form aus unſerem Geiſte und 
unſerer Haltung finden. 


Deshalb kennen wir keine Grenzen des Stoffs und des Themas für unfere 
Aufbauarbeit in der deutſchen Kultur. Keine Frage, die Menſchenherzen bewegt, 
liegt außerhalb unſeres Auftrages. Was nur je aus Welt und Geſchichte, aus 
Himmel und Erde, von Gott oder von Menſchen an uns herantreten kann: Auf 
alles ſuchen und finden wir Antwort aus dem Reichtum unſerer Geſtaltungskraft 
und unſerer Erlebnisfülle, mag es das Größte oder das Kleinſte fein; und iſt unfere 
Haltung echt, dann wird auf den verſchiedenſten Gebieten und am verſchiedenſten 
Stoff ihr innerer Gleichklang ſich tauſendmal herrlicher bewähren, als die äußere 
Gleichſchaltung des engherzigen Spießers das je vermag. 

Mit ſolchem Stolz und ſolchem unbeſcheidenen Anſpruch tritt das junge Deutſch⸗ 
land vor die Zeit: vor nichts wollen wir die Augen ſchließen, nichts wegſchieben, 
nichts unſer für unwert halten. Der Ganzheitsanſpruch des Nationalſozialismus 
ſoll in unſerer Arbeit ſichtbar und lebendig werden. Eine Welt liegt vor uns, und 
wir wollen ſie geſtalten. Ein unendlicher innerer Reichtum eines großen Volkes 
iſt uns anvertraut, und wir wollen ihn pflegen und mehren. And die Größe unſerer 
Kraft ſoll in der Größe unſeres Werkes lebendig und ſichtbar werden. 


Man muß die Menschen wieder als Menschen erziehen, den Jünglingen die Welt 
weit und unendlich frei zeigen, sie nicht sogleich auf einen Zweck hinweisen, der 
das Leben und den noch nicht entwickelten Verstand des Lebens einengt. So 
werden starke und stolz gestaltete Gemüter hervorgehen ... .; so werden die Enkel 
tapferer zum Herrschen und geduldiger zum Gehorsam werden. 


Ernst Moritz Arndt. 


6 Keudel | Nietzſche — cin Nihiliſt? 


Rudolf Keudel: 


Niesiche — ein KNibiliſt? 


Das Werk Nietzſches beſitzt erft heute eine Gültigkeit, die die Zeit Rietzſches 
ſelbſt, die Zeit des ſatten Bürgertums nicht ſehen konnte. Erſt wir, die wir den 
Nihilismus, dieſen „unheimlichſten aller Gäſte“, am eigenen Leibe geſpürt haben. 
die wir den politiſchen, feeliſchen und phyſiſchen Zuſammenbruch erlebt haben, ver- 
mögen die Gefahr zu erkennen, die für Nietzſche bereits volle Gegenwart beſaß. 
Wir find daher zum Anwalt ſeines Werkes berufen. Wir müſſen unerbittlich darüber 
wachen, daß das Werk nicht von falſchem Licht entſtellt wird. Eine Nietzſche⸗Deutung. 
wie fie z. B. Fritz Dehn in feinem Aufſatz „Rilke und Nietzſche“ gibt, kann darum 
nicht unwiderſprochen bleiben („Dichtung und Volkstum“, 1936, J). 

Der Verſuch dieſer Nietzſche⸗Deutung reiht ſich den vielen unzulänglichen Ber- 
ſuchen an, Nietzſche vom Boden des Chriſtentums aus ein beſtimmtes Geſicht zu 
geben — mit dem Ergebnis, daß von Nietzſche auch rein gar nichts übrig bleibt 
oder nur ſoviel, als es Dehns Standpunkt wahrhaben möchte. Dehn würde ſich 
gewiß gegen den Vorwurf verwahren, Nietzſche nicht ernſt genommen zu haben. 
Nietzſche iſt ihm ein „exiſtentieller Denker“, dem es um letzte Entſcheidungen geht. 
Aber was bedeutet es eigentlich, wenn Dehn von „exiſtentieller Entſcheidung oder 
von exiſtentieller Haltung“ Nietzſches ſpricht? Gleich in den erſten Zeilen ſeines 
Aufſatzes zeichnet er die Grundauffaſſung feines Nietzſche-Bildes: „Man kann 
Nietzſches Tragödie mit einem Wort ſo charakteriſieren, daß er auf der Flucht vor 
der Wirklichkeit geſtürzt fei, ja daß er in den Wahnſinn geflüchtet fei, um ſich felbft 
durchſetzen zu können gegen jene Wirklichkeit, die der Tyrann in ihm nicht gelten 
laſſen wollte.“ 

Der Verſuch, eine „Tragödie Nietzſches“ zu konſtruieren, iſt ſo alt, wie die 
Nietzſche⸗Deutung überhaupt. Wem die Welt Nietzſches zu hoch, zu gewaltig, zu 
unerreichbar und zu fremd war, der fab wenigſtens, wie nun auch Dehn in Nietzſche, 
„die Tragödie eines heimlichen Chriſten“, dem das Chriſtentum die „tödliche Wunde 
beigebracht hat“. Das mag ſolange hingehen, als dieſe ſubjektive Anſicht nicht mit 
dem Anſpruch auftritt, Nietzſches Werk zu erfaſſen. Iſt dies aber der Fall, fo ift 
es unſere Pflicht, ſolchen „Nietzſche-⸗Deutungen“ ein gebieteriſches Halt entgegen 
zu ſetzen. 

Derſelbe Nietzſche, der der bürgerlich ⸗kapitaliſtiſch-chriſtlichen, demokratiſchen Zeit 
wie kein anderer den Kampf angeſagt, iſt bei Dehn auf der „Flucht vor der Wirk. 
lichkeit“). Bleibt feine Beziehung zur Wirklichkeit nur die der Flucht, fo hat er 
nach Dehn zur Wahrheit überhaupt keine Beziehung mehr. Es gehe ihm weniger 
um Wahrheit als um Wirklichkeit. Wenn Nietzſche aber ablehne, es mit der Wahr- 
heit zu tun zu haben, ſo habe es die Wahrheit jedenfalls mit ihm zu tun, folgert 
Dehn. Mit welcher Anmaßung wird hier von der Wahrheit geſprochen, die Dehn 
ſcheinbar für ſich gepachtet hat, die ihm aus heiterem Himmel zu Hilfe kommt und 
die ihn die ſchwerwiegendſten unzutreffenden Behauptungen über Nietzſches Stellung 


Keudel | Nietzſche — ein NiHilife ? 7 


zur Wahrheit fagen läßt! Was erfahren wir hier fiber Dehns eigenen Wahrheits⸗ 
begriff, mit der er hier richtet? Für ihn iſt die Wahrheit das Schickſal in der 
„Tragödie Nietzſche“, vor der er vergebens flieht und an der er zerbricht. Aber 
vor welcher Wahrheit flieht denn Nietzſche? Für ſein immerwährendes Ringen um 
Wahrheit, für ſeine kämpferiſche Auseinanderſetzung mit der ganzen abendländiſchen 
Philoſophie, zeigt Dehn kein Verſtändnis. Nietzſches Auflöſung des platoniſch⸗ 
chriſtlich⸗idealiſtiſchen Wahrheitsbegriffes und ſeine Neubegründung aus ſeiner 
heraklitiſchen Schau der Wirklichkeit werden nicht einmal der Erwähnung für wert⸗ 
gehalten. Derſelbe Nietzſche, der im „Willen zur Macht“ vom Irrtum als einer 
Feigheit geſprochen hat, dem ein „Pathos der Erkenntnis“ (Baeumler) eigen iſt, 
derſelbe iſt bei Dehn auf der Flucht vor der Wahrheit. Vermag es uns danach zu 
verwundern, wenn uns Dehn nun auf Grund vollſtändig verkannter Nietzſcheſtellen 
(3. B. Wille zur Macht 55) den Nihilismus Nietzſches zeigen will? Den Streiter, 
den Fechter Nietzſche, den Alfred Baeumler uns in ſeinem Nietzſche⸗Buch gezeigt 
hat, ſcheint er nicht zu kennen: Nietzſche den Angreifer, den Aktiviſten, der immer 
den Gegner im Auge hat, den er bekämpfen will, der ſeine Mittel nach dem 
Gegner auswählt, den Nietzſche, der Vordergründe um ſich ſchafft und doch mit 
traumwandleriſcher Sicherheit ſeinem eigenen Geſetze folgt. Auch Dehn ſpricht von 
„Masken“ Nietzſches, aber wird man Nietzſche auch nur im entfernteſten gerecht, 
wenn man ihm unterſchiebt, ſeine Masken nur allzuoft vergeſſen zu haben, ſo daß ſie 
ihm vom bloßen Kampfmittel — daher ihre bunten, vielfältigen widerſprechendſten 
Farben — zum Kampfziel, zum Endzweck, zu ſeiner Wahrheit geworden ſei? Damit iſt 
allerdings der Willkür Tür und Tor geöffnet und den widerſprechendſten Behauptun⸗ 
gen von vornherein Exiſtenzberechtigung zuerkannt. Nur ſo kann Dehn von Nietzſche 
behaupten, daß er Nihiliſt geweſen ſei. Aber der Nietzſche, der den Nihilismus 
bis aufs Meſſer bekämpft, bleibt von ſolcher Oberflächenbetrachtung unberührt. 
Auch die Welt der Bilder und Viſionen des Dichters Nietzſche bleibt Dehn ver- 
ſchloſſen. Dort, wo Nietzſche die Gewißheit ſeines Lebens in echt dichteriſcher Schau 
im Symbol der Flamme erfaßt, ſieht Dehn eine durch das Ich hervorgerufene 
„Kriſis aller Wirklichkeit“: 


Ja ich weiß, woher ich ſtamme, 
ungeſättigt gleich der Flamme 
glühe und verzehr ich mich. 
Licht wird alles, was ich faſſe, 
Kohle alles, was ich laſſe, 
Flamme bin ich ficherlich. 


Das Angeſättigtſein der Flamme, das Glühen und Sichverzehren, Symbole 
echten Mannestums, echten Kämpfertums, in denen ſich uns das Leben als Aufgabe 
offenbart, wird bei Dehn zu einer „Anerſättlichkeit des Geiſtes wie des Herzens“, die 
die Wirklichkeit zu Aſche verbrennt. 


In ſeinem Aufſatz tut Dehn den Geiſt des 19. Jahrhunderts überlegen ab, aber 
mit feiner pſychologiſchen Betrachtungsart ift er ſelbſt ihm zum Opfer gefallen, 


8 E. K. / Verſchwundene Unterwelt 


Pſychologiſches Verſtehen mag für manche Aeußerung Nietzſches eine notwendige 
Vorausſetzung fein, das Geſamtwerk Nietzſches aber von irgendeinem pſycholsgiſchen 
Problem aus deuten, heißt ſich mutwillig ſämtliche Wege zum Werke Nietzſches 
verſperren. Solche pſychologiſchen Meiſterkunſtſtückchen, von denen aus feine Inter- 
pretation inſpiriert iſt, ſind: „Der Tyrann in ihm“, der „Heimliche Chriſt“, ſeine 
„Glücksbetäubung“, ſein „Machtrauſch“, ſeine „Anerſättlichkeit“, ſeine „Heimlichen 
Sklavenketten“, die ihn an Gott binden, ſein „Haß gegen das Chriſtentum“ und viele 
andere. Nietzſches Schau wird gedeutet aus höchſt ungewiſſen und vieldeutigen 
pſychologiſchen Vorausſetzungen. Nach Dehn geht es ihm nicht um die ewige 
Ordnung, ſondern um ein willkürliches, nur pſychologiſch begründetes Setzen. 
„Nietzſche findet ſich einen Ausweg“, „er ſchafft ſich ſeine Ewigkeit“; das find 
Formulierungen, die zeigen, wohin Dehn auf Grund ſeiner Vorausſetzungen kommen 
muß. Nietzſche wird nicht geſehen als Deuter des Lebens und der Wirklichkeit, 
ſeine großartige Sicht löſt Dehn in ein ſubjektives Problem auf und glaubt damit 
es gefaßt zu haben. Was bleibt bei Dehn ſchließlich nach all der pſychologiſchen Zer⸗ 
ſetzung übrig: Eine „Dialektik der Genialität“, der das „Nichts im Nacken hockt“, 
und ein zwar anerkanntes, aber doch wohl vergebliches „unerhörtes Heldentum der 
Seele“. Der große Deuter der Wirklichkeit aber wird zu einem beklagenswerten 
pſychologiſchen Einzelfall. 

Es ſei zum Schluß geſtattet, dem Ergebnis Dehns das Arteil Alfred Baeumlers 
entgegenzuhalten, deffen Nietzſche⸗Buch (Reclam 1931) ſchon erwähnt wurde. Dehn: 
„Die Bewegungen Nietzſches find die Bewegungen eines Fliehenden, dem das 
Nichts auf den Ferſen iſt, der darum das Nichts verkündigen muß, um mit dem 
Nichts das Nichts zu Überſchreien.“ Baeumler: „Nietzſche hat den Nihilismus auf 
dem Grunde der modernen Kultur, er hat das Chaos der modernen Seele ſchonungs⸗ 
los entlarvt, er hat aber auch ein neues Bild der Welt und des Menſchen in reiner 
Größe aufgerichtet.“ 


E. K.: 


Herſchwundene Antertvelt 


Die Kriminalität eines Landes ift nicht nur ein Barometer der wirtſchaftlichen 
Not, der geiſtigen Verwirrung, ſondern auch biologiſcher Entartung. Sie bedeutet 
als Keimzelle ſchädlicher und gefährlicher Bakterien eine ſtändige Beunruhigung der 
Gemeinſchaft. Ihr mit allen zur Verfügung ſtehenden Mitteln zu begegnen, iſt eine 
unerbittliche Notwendigkeit jeder Staatsführung, die das Wohl des Volkes höher 
bewertet, als rührſelige Mitleidsgefühle gegenüber einzelner, degenerierter Typen. 

In einem nationalſozialiſtiſchen Staate, mit feinem ſtark ausgeprägten Ehr- und 
Pflichtgefühl, kommt zu der Erkenntnis obenerwähnter Tatſachen noch das Wiſſen 
hinzu, daß derartige Keimzellen gefährlicher Bakterien nur mit radikalen Methoden 
entfernt werden können. And ſo heißt es bereits im Parteiprogramm der NSDAP 


Punkt 18: 


E. K. / Verſchwundene Unterwelt 9 


„Wir fordern den rückſichtsloſen Kampf gegen diejenigen, die durch ihre 
Tätigkeit das Gemeinintereſſe ſchädigen. Gemeine Volksverbrecher, Wucherer, 
Schieber vim. find mit dem Tode zu beftrafen, ohne Rüdfihtnahme auf Kon- 
feſſion und Naſſe.“ 

Dieſer Punkt iſt eine Kampfanſage an die Anterwelt, in welcher Geſtalt, in 
welchem Kleid ſie auch immer einherſchreiten mag. Er war vor allen Dingen eine 
Kampfanſage an die Methoden, mit denen die Syſtemzeit der Kriminalität begegnete. 
Heute, nachdem drei Jahre des, auf dieſer Weltanſchauung ruhenden, ftaatliden 
Kampfes vorüber find, können wir bereits eine Bilanz ziehen und ſehen, welche Er⸗ 
folge dieſer Kampf gehabt hat. | 


Das Bild vor der Machtübernahme 


Wenn der Generalleutnant der Landespolizei Kurt Daluege, der Mann, der 
an entſcheidender Stelle den Kampf gegen das Verbrechertum im Jahre 1933 auf- 
nehmen mußte, wenn dieſer Mann in ſeinem ſoeben erſchienenen Buch“) die Zeit vor 
der Machtübernahme als „Blütezeit des Verbrechertums“ in einer Kapitelüberſchrift 
bezeichnet, dann können wir uns bereits eine Vorſtellung von dem Zuſtand machen, 
der am 30. Januar 1933 vorgefunden wurde. 

Was uns die Statiſtik verrät, ift einfach grauenerregend. Die Zahl der Gier, 
brechen iſt in Berlin, in Preußen, wie im ganzen Reich in einem noch nie dageweſenen 
Maße angeſchwollen. Wir führen einige Beiſpiele aus Berlin an: 


Einfache Diebſtähle wurden zur Anzeige gebracht: 
1926. . 32452 Fälle 


1929. 40 325 „ 
1932. 52231 „ 


Einbruchsdiebſtähle wurden zur Anzeige gebracht: 
1926. . 18673 Galle 


1929. . 24 829 „ 
1932. 36 724 „ 


Raub und Erpreſſung wurden zur Anzeige gebracht: 
1926. . 328 Fälle 
1929. . 415 „ 
1932. . . 760 „ 


In der Reichshauptſtadt war es doch tatſächlich fo, daß gewiſſe Gegenden nicht 
nur einen „ſchlechten Ruf“ hatten, ſondern nach der Dämmerung von vielen Menſchen 
ſorgfältig gemieden wurden. Nur zu deutlich lebt in unſerer Erinnerung die „Münz⸗ 
ſtraße“ beim Alexanderplatz, jene Straße, in deren Amkreis die Ringvereine ihre 
Stammlokale hatten, in der die Bauernfängerei hochentwickelt war, in welcher der 


) Kurt Daluege: Nationalſozialiſtiſcher Kampf gegen das Verbrechertum (Zentral- 
verlag der NSDAP, Franz Eher Nachf., München 1936). 


10 E. K. / Verſchwundene Unterwelt 


berüchtigte Schneider⸗Hans, der Matroſen⸗Willi und mancher andere Meſſerheld 
ſein Anweſen trieb. 

Ein gewiſſer Prozentſatz der Kriminalität war damals gewiß durch die immer 
drückender auf dem Volke laſtende wirtſchaftliche Not bedingt. Die Arbeitsloſigkeit 
ſchwächt ſicherlich bei dem Einen oder dem Anderen, wenn ſie jahrelang andauert, die 
moraliſche Widerſtandskraft gegen verbrecheriſche Verlockungen. Aber die Haupt- 
ſchuld an dieſer „Blütezeit“ kann nicht auf ſie abgewälzt werden. Die Erfahrungen 
des Kriminaliſten und wiſſenſchaftliche Anterſuchungen haben ergeben, daß wir die 
Hauptſchuld bei dem Bazillenherd des Berufsverbrechertums zu ſuchen haben. 

Der Berufsverbrecher iſt eine der verabſcheuungswürdigſten Erſcheinungen unter 
den Menſchen. „Dieſe bewußt aſozialen Elemente, die fih ſelbſt mit Stolz zur Ber- 
brecherwelt zählen, die ehrliche Arbeit als Dummheit bezeichnen, ſtellen nicht nur für 
den Ort, in dem fle anſäſſig find, ſondern für ganz Deutſchland eine ſtändige und er- 
hebliche Gefahr dar. Da fie faſt nur vom Erlös aus Straftaten leben und ent, 
ſprechend ihrer leichtfertigen und großtueriſchen Charakterveranlagung keineswegs 
ſparſam leben, ſuchen ſie fortgeſetzt nach Möglichkeiten zur Begehung von Straftaten“ 
ſchreibt Generalleutnant Daluege und kennzeichnet damit den Menſchentyp. 

Dieſe Berufsverbrecher wurden nun in der Syſtemzeit keineswegs mit unerbitt- 
licher Folgerichtigkeit bekämpft, ausgerottet, nicht einmal mit rückſichtsloſer Härte 
niedergehalten. Im Gegenteil, es fanden ſich Literaten (hier bemerkenswerterweiſe 
faſt ausſchließlich Juden), die dieſen Menſchentyp in Aufſätzen, Romanen, Bio- 
graphien, ja fogar Theaterſtücken verherrlichten! 

Alle Vorſtellungen von geſunder Volksmoral waren ins Wanken geraten. 
And zu all dem kam noch hinzu, daß bis in maßgebliche Kreiſe der Politik und der 
Wirtſchaft eine jüdiſche Korruption eindrang, die durch die Namen von: Sklarz — 
Barmat — Kutisker — Katzenellenbogen und den des Polizeivizepräfidenten Bern- 
hard Weiß hinreichend beleuchtet erſcheint. 


Der Kampf und ſeine Methode 


Für die breite Oeffentlichkeit kaum ſichtbar, aber in feinen Auswirkungen auber- 
ordentlich bedeulſam, begann ſofort nach der Machtübernahme die Ausarbeitung eines 
Großkampfplanes gegen die Anterwelt und bald darauf der Großkampf ſelbſt. 

Das Datum, das dieſen Kampf einleitet, iſt der 13. November 1933, der Tag, 
an dem Miniſterpräſident Göring einen Erlaß unterzeichnet, der die „polizei 
liche Vorbeugungshaft für Berufs verbrecher“ einführte. 

Giele Vorbeugungshaft gab endlich der Polizei die Möglichkeit, Berufs- 
verbrecher daran zu hindern, neue Straftaten auszuführen. Das Strafgeſetzbuch in 
Deutſchland beſaß nämlich die Lücke, daß ein Verbrecher nur dann beſtraft werden 
durfte, wenn er bereits eine ſtrafbare Handlung begangen hat. D. h., wurde ſein 
verbrecheriſcher Wille zu einem Mord oder Raub offenbar, traf man ihn etwa bei 
der Vorbereitung einer Tat an, dann konnte man ihn vielleicht wegen Hausfriedens- 
bruch oder etwas ähnlichem anklagen, nicht aber wegen des geplanten Raubes, da 
dieſer ja noch nicht „ausgeführt“ war. 


E. K. | Verfhwundene Unterwelt 11 


Welches Gelidter ſich zum Beiſpiel im Lager Eſterwege im Kreis Hannover 
zuſammenfand, beweiſen die Zahlen, die Daluege auch in Em Bud, das jeder- 
mann leſen muß, anführt. 

476 Gerufsverbredher waren Ende 1935 dort untergebracht. Dieſe 476 Mann 
hatten an Vorſtrafen zuſammen 2329 Jahre Zuchthaus und 2492 Jahre Gefängnis! 

Planmäßig wurde bald darauf das Berufsverbrechertum von der Polizei über- 
wacht. Eine Reihe von Maßnahmen wurde geſchaffen, Menſchen, die als aſoziale 
Elemente bekannt waren, ſtändig im Auge zu behalten, jo daß ihnen immer mehr 
die Möglichkeit genommen wurde, überhaupt an das Erſinnen einer verbrecheriſchen 
Handlung zu denken. Daraus iſt erſichtlich, daß der Nationalſozialismus die 
Kriminalität an ihren Wurzeln anpackt und auszurotten verſucht, zum Anterſchied 
von früher, als man nur ihre äußeren Erscheinungen bekämpfte und dies mit butter- 
weicher „Milde“. 

Hand in Hand mit dieſem „Kampf dem Berufsverbrecher“ geht die Erziehung 
der Nation zu neuen Lebenszielen und einem neuen Lebensinhalt. Die wirtichaft- 
liche Not des Einzelnen wird durch das gewaltige Arbeitsbeſchaffungsprogramm, 
dem Kampf der Arbeitsloſigkeit gemildert und zum Verſchwinden gebracht. Eine 
wichtige Gefahrenquelle für ein Neuaufleben der Kriminalität iſt damit verſtopft. 


Was erreicht wurde 


Drei Jahre iſt für einen Geſundungsprozeß von ſo ungeheuerem Ausmaß eine 
verdammt kurze Zeit. And trotzdem iſt die Bilanz, die bereits heute gezogen werden 
kann, ſo günſtig, wie ſie wahrſcheinlich von nur wenigen erwartet werden konnte. 

Die Statiſtik der letzten vier Jahre über die Kriminalität von Groß Berlin 
fieht wie nachſtehend aus: 


Kriminalfälle 1932 1933 1934 1935 
Mord aus Gewinnfſuc t 7 6 3 2 
Totſchlag 8 9 7 6 4 
Raub und räuberiſche Grpreffung, . 9 540 399 135 132 
Verſuche zu Raub und Erpreſſung 220 153 20 28 
Diebftahl (einfacher und Ban. .. 88955 66241 49653 48757 
Schwerer Diebſtahl ; .. « . 36724 26 524 16464 15476 


Das bedeutet ein Sinken ge Kriminalitätskurve von gang außerordentlichem 
Maße. Wir glauben, daß kein anderes Land der Welt in dieſer Zeit einen ähn- 
lichen Erfolg verzeichnen kann. 

And gehen wir heute durch die Münzſtraße, die einſt ein Schrecken war: weder 
ungetarnt noch getarnt begegnen wir den Ringvereinen. Sie find aufgelöſt, ja fie 
haben ſich ſogar teilweiſe ſelbſt aufgelöſt. Wir werden nicht mehr von Bauern⸗ 
fängern angeſprochen, denn dieſem Gewerbe ift einfach der moraliſche Boden ent- 
zogen, in einem Staat, in dem jeder von feiner Arbeit lebt und nicht auf „Gelegen- 


heitsgeſchäfte“ ſich einzulaſſen braucht. And Meſſerhelden gibt es erſt recht nicht 
mehr. 


12 Poll / Nationaler Sozialismus und Schwedens Jugend 


Ganz aus Deutſchland verſchwunden iſt jene Klaſſe der von Land zu Land 
reiſenden internationalen Betrüger und Hochſtapler. Bei ihnen hat es ih am 
raſcheſten herumgeſprochen, daß bei uns kein Nährboden mehr für ſie iſt. 


Der Kriminaliſt und der Poliziſt, fie arbeiten mit Aufopferung und Gelbftlofig- 
keit für das Wohl des Volkes, für die Gemeinſchaft. Jeder einzelne Volksgenoſſe 
dankt es ihnen. Er kann dieſen Dank am ſichtbarſten dadurch Ausdruck verleihen, 
daß er ſich ſtets und in allen nur erdenklichen Lagen vertrauensvoll an die Polizei 
wendet. Sie wird ihm ſtets helfen. 


Dr. F. v. Poll: 


Nationaler Gosialismns nnd Schwedens 
Jugend 


Wir bringen nachfolgend einen Bericht über die Lage der ſchwediſchen Jugend und über 
eine Bewegung, deren Gründer Lindholm geweſen ift. Es ift ſelbſtoerſtändlich, daß die Be 
nugung des Begriffes „nationaler Sozialismus“ nicht inhaltliche Gleichheit mit unferem 
Nationalſozialismus bedeuten fou. 

Die Innen- und Außenpolitik ift in den letzten Monaten in Schweden mehr in Be- 
wegung geraten, als man es bei den ruhigen, faſt idylliſchen politiſchen Zuſtänden dieſes 
Landes gewohnt war. So iſt auch im Ausland beachtet worden, daß ausgerechnet die 
ſozialdemokratiſche Regierung eine überraſchende Schwenkung ihrer Haltung zum nationalen 
Nüſtungsproblem vollzogen hat. Bisher gehörte die Politik der Abrüſtung bis zur pral- 
tiſchen Entwaffnung zu dem eifernen ideologiſchen Beſtand der ſchwediſchen Gogialdemo- 
kraten. Jetzt iff man plötzlich der Meinung, daß z. B. die ſchwediſche Flotte erheblich 
verſtärkt werden muß. Die Sozialdemokraten ſuchen dieſen „nationaliſtiſchen Exzeß“ ihrer 
Regierung mit der „Bedrohung des Oſtſeeraumes“ durch eine deutſche Flottenhegemonie 
zu begründen. Die gleiche Regierung iſt ſchon einmal von den traditionellen 
Wirtſchaftsvorſtellungen ihrer ſozialdemokratiſchen Freunde völlig abgewichen, als fie 
nämlich eine umfaſſende Preisſtützungspolitik in der Landwirtſchaft einführte. 


Ein wendiger Opportunismus ſcheint für das Verhalten auch der Parteien 
in Schweden oft typiſch zu fein. Natürlich nennt man das dann „Real politik“, genau 
ſo wie einſt bei uns im Spiel der Parteiauguren. Trotzdem iſt die Stimmung des Volkes 
noch recht weit entfernt von einer deutlichen Abneigung gegen das Parteiweſen überhaupt. 
Das mag man daraus erklären, daß der Schwede bisher nie hart und unmittelbar darauf 
geſtoßen wurde, ſich mit den Grundproblemen der nationalen Politik intenſiv zu 
befaſſen. Denn dieſes Land hat ſeit 120 Jahren keinen Krieg, ſeit Jahrhunderten keinen 
feindlichen Einfall erlebt. Schweden kennt auch nicht die Not eines Volkes ohne Raum: 
ſechs Millionen Menſchen — 1% Millionen mehr als Berlin — wohnen auf einem faft 
ſo großen Flächenumſang wie Deutſchland! Wirtſchaftlich ſichert immer noch mittleres 
und kleineres Vermögen das Leben des einzelnen, und an dieſer Tatſache hat auch der 
Kreugerkrach, der große Sparerkreiſe hart traf, nichts Entſcheidendes geändert. Selbſt die 
Abwertung der ſchwediſchen Krone iſt verhältnismäßig reibungslos abgelaufen; ſie hat das 
Preisniveau des Landes kaum geändert, aber manche handelspolitiſchen Vorteile eröffnet. 


Poll / Nationaler Sozialismus und Schwedens Jugend 13 


So kann man ſich kaum wundern, daß der Durchſchnittsſchwede auch heute noch geradezu 
Rot darauf ift, „zu 99 Prozent Privatmann“ zu fein. Bei allem Verger über einzelne 
Parteigruppen oder politiſche Ereigniſſe ift er weit davon entfernt, Politik als ein Grund- 
problem des geſellſchaftlichen Zuſammenlebens überhaupt aufzuſaſſen. And mit einer 
Miſchung von ſpöttiſcher Steps und ſelbſtgefälligem Optimismus pflegt er dem Spiel 
der Gewalten und Parteien zuzuſehen, um ab und an (wenn die Obrigkeit dazu aufruft) 
ſich in der Rolle eines Richters mit dem Stimmzettel zu gefallen. 


Noch iſt die Sozialdemokratie die ſtärkſte Partei des Parlaments. Sie hat 
fi recht gemäßigte — im Gegenſatz zu ihren halbkommuniſtiſchen norwegiſchen Genoffen —, 
durchaus bürgerliche innerpolitiſche Formen angewöhnt. Ein beachtliches Gegengewicht 
auf der Rechten bilden die Konſervativen und der Bauernverband; aber ihnen fehlt 
eine einheitliche politiſche, fogiale und kulturelle Programmatik und damit die entſcheidende 
Ungriffs- und Sammlungskraft. Der Liberalismus ift als Parteiform ſchwach ver- 
treten und ſcheint wenig Ausſicht auf politiſche Führung zu beſitzen. Aber nach Lebensart 
und Gewohnheiten findet man in Schweden überall liberale Neigungen, die wohl mit 
dem fort im Volkscharakter verwurzelten Individualismus zuſammenhängen mögen. 

Der außenſtehende Betrachter — und nur in dieſer beſcheidenen Rolle follen unſere 
Bemerkungen verſtanden werden — erhält den Geſamteindruck eines recht ſtarken Be- 
harrungs vermögens der gegenwärtigen Zuſtände in Schweden. Aber ſchon melden 
ſich ernſte Probleme, ja politiſche und völkiſche Gefahren, deren Löſung auf lange Sicht 
auch einen Bruch mit den bisherigen Durchſchnittsanſchauungen des Schweden über die 
Bedeutung des Politifden und die herrſchenden politiſchen Methoden erfordern werden. 


Bei dieſen recht feſtgefahrenen Verhältniſſen ziehen nun die nationalſozialiſtiſchen 
ſchwediſchen Gruppen immer ſtärker die Aufmerkſamkeit der Oeffentlichkeit auf ſich. Der 
ſchwediſche Nationalſozialismus ift jung und noch nicht einheitlich geführt. Als aftivfte 
Gruppe kann wohl die von Olov Lindholm geführte ſchwediſche National- 
ſozialiſtiſche Arbeiterpartei (NSAP) gelten. Das Programm dieſer 
Gruppe zeigt ſtarke Berührungspunkte mit dem nationalen Sozialismus anderer Nationen. 
So werden die Geſundung und Kräftigung der Naſſe, Stärkung der von einem Stände 
parlament unterſtützten Staatsmacht, Kontrolle des Außenhandels, Kampf gegen Kapital- 
herrſchaft und Brechung der kapitaliſtiſchen Zinspolitik als Hauptziele herausgeſtellt. Kern⸗ 
punkt des ſchwediſchen Nationalſozialismus iſt die Forderung nach dem Recht auf 
Arbeit und nach gemeinſamer Organiſation von Anternehmern und Arbeitern, alſo der 
Aufhebung der Klaſſenkampffronten. Im Vordergrunde des Kampfes der NSA ſteht 
die Brechung des jüdiſchen Einfluſſes auf allen kulturellen, wirtſchaftlichen und 
ſtaatlichen Gebieten. Tatſächlich hat ſich nach ſchwediſchen Zeitungsmeldungen die Zahl 
der Juden dort ſeit dem Kriege verdreifacht; allein in den letzten zwei Jahren find etwa 
1000 jüdiſche Emigranten aus Deutſchland eingewandert! In jüdiſchen Händen find in 
Schweden die wichtigſten Poſitionen der Wirtſchaſts⸗ und Kulturlenkung, beſonders der 
Preſſe und des Rundfunks (der Großverleger Bonnier !). 


Das Parteiprogramm der NSAP bekennt ſich zu einer ſchwediſchen Volkskirche 
auf lutheriſcher Grundlage als „autoritärer Trägerin und Beſchützerin der pofitiv Grift- 
lichen Lebensanſchauung“. Es fordert zugleich nordiſche Ehrauffaſſung, reine Sittenbegriffe 
ſowie Freiheit für alle Lehren, die nicht dem germaniſchen Sittlichkeitsgeſühl widerſtreiten 
oder den geiftigen Aufbau des Volkes hindern. Religiöſe Werte folen das Rückgrat des 
moraliſchen Bewußtſeins im Volke werden. Im gleichen Programmpunkt verlangt die 


14 Poll / Nationaler Sozialismus und Schwedens Jugend 


NSAP die Amſtellung aller Sitten ⸗ und Kulturgüter des ſchwediſchen Volkes im nordiſchen 
Geiſte und der Schulpolitik auf beſſere Pflege des Naſſegedankens und vor allem der 
Charaktererziehung. 

Lindholm ſucht offenbar den nationalen Sozialismus feiner Gruppe gegenüber Grund- 
fagen und Methoden aller anderen Parteien möglihft ſcharf herauszuarbeiten. Er muß 
dabei natürlich zu einer ſehr weitgreifenden politiſchen Programmatik kommen und findet 
dafür bei der mittleren und älteren Generation weniger Verſtändnis als bei der Jugend. 
Es ift bezeichnend, daß die Lindholmgruppe bereits über eine durchgebildete Jugendorgani⸗ 
ſation „Nordiſk Ungdom” (Nordiſche Jugend) verfügt. Dieſen Jugend- 
gruppen hat er beſondere Leitſätze gegeben, die die Grundzüge des Parteiprogramms fo 
faſſen, daß aus ihnen unmittelbar die Aufgabe des nationalſozialrſtiſchen Jungſchweden im 
Kampf für die Bewegung deutlich wird. Die durchaus revolutionäre Ziel- 
ſetzung kommt im Jugendprogramm deutlich zum Ausdruck. Es heißt im Inſtruktions- 
buche der Nordiſk Ungdom: „Wir find von Natur aus revolutionär gegen alle Formen, 
die die von Gott beſtimmte Entwicklung unſeres Volkes hemmen und erſticken; wir ver- 
achten die bürgerliche Feigheit, weil nur rückſichtsloſer Kampf zur Freiheit führt. Wir 
wollen keinen Putſch, ſondern eine Revolution des Denkens im Volke durch unſeren 
Mut, unſeren Glauben und durch unſere Opferkraft herbeiführen.“ 


In den Leitſätzen der Jugendorganiſation fehlt übrigens eine beſondere Erwähnung 
der Aufgaben einer evangeliſch⸗lutheriſchen Volkskirche, wie wir fie im Parteiprogramm 
felbft finden. Der Jugend wird Kameradſchaft, Naturverbundenheit, Selbſtdiſziplin, Liebe 
zum Land und zur Arbeit aller Volksgenoſſen neben der Pflege nordiſcher Sitten und 
nordiſchen Geiſtesgutes zur beſonderen Aufgabe und Pflicht gemacht. 

Der „Geiſt des Verſchworenſeins“ fol im Denken des nationalſozialiſtiſchen Jung- 
ſchweden beſonders verankert werden. Anbedingte Kameradſchaft ift der oberſte Grundſatz 
der Nordift Angdom und zugleich der entſcheidende Begriff bei der Bildung ihrer Grund- 
einheit des „Lag“. Der Lag ift eine Schar von 6—8 Jungen, die unter Veriidfidtigung 
auf zuſammengehöriges Alter, Schul⸗ und Arbeitskameradſchaft und Wohnnähe gebildet 
wird. Den Kameraden des Lag wird die Aufgabe gemeinſamer Arbeit und Opfer, gegen- 
ſeitiger Kameradſchaft und Verteidigung gegeben. Der Geiſt des Lag — ſo heißt es im 
Inſtruktionsbuche — ſoll der gleiche ſein wie der der Blutsbrüderſchaft der nordiſchen 
Vorfahren, in der mehr für den Kameraden gekämpft wurde als für ſich ſelbſt, und die Treue 
dem andern nicht nur im Leben, ſondern auch im Tode gehalten wurde. Gerade durch 
dieſen „Geiſt des Lag“ will wohl Lindholm die charakteriſtiſche Haltung ſeiner 
Jungmannſchaßft, ihren Zuſammenhalt, ihre Kampfform und die Art ihrer Welt- 
auffaſſung beſtimmen laſſen. 

Auf dem Lag, der ſich noch in Vortrupps (förtrupp) von 2—5 Jungen gliedern kann, 
baut ſich die weitere Organiſation in Kameradſchaften (3 Lag), Anſtorm (3 Kamerad 
(haften), Freiwehr (frivärn) (108 Jungen), Oberſturm (uppſtorm) (324 Jungen), Jung; 
brigaden (ungbrigad) (972 Jungen) und Gebietsgefolgſchaften (landsfylking) (1944 Jungen) 
auf. Nach dem Inſtruktionsbuche folen 7 Gebietsgeſolgſchaften, für jeden Parteidiſtrikt 
eine, gebildet werden. Bisher ift aber der Jugendaufbau noch nicht fo weit. Man kann 
die Mitgliedszahl der Nordiſk Angdom auf etwa 5000 Mann, alſo ungefähr der Stärke 
von 3 Gebietsgefolgſchaften ſchätzen. Außerdem find in der Nordiſk Ungdom noch Madel ⸗ 
gruppen vorgeſehen. Die Führung der ganzen Jugendorganiſation hat der Leiter der NSA P, 
Lindholm, ſelbſt übernommen; ſein Stabsleiter und Stellvertreter iſt Arne Clementſon. 


Poll / Nationaler Sozialismus und Schwedens Jugend 15 


Die Anhängerſchaft der Jugend zu Lindholm und zu ähnlichen nationalſozia⸗ 
liſtiſchen Gruppen geht zahlenmäßig natürlich über die in der Nordiſk Angdom zuſammen⸗ 
geſchloſſenen Formationen hinaus. Die junge Generation neigt dem Gedankengut der Be⸗ 
wegung ſchon zum Teil aus reinem Aeberdruß über die Phraſen des Materialismus aller 
Schattierungen, die man ihnen ſeit Jahren in der Schule, in der Werkſtatt und im Studium 
vorkaut, zu. In der Studentenſchaft findet man aktive kleine Kampfgruppen, aber 
bei dem ſtarken Individualismus, der das ſchwediſche Studentenleben kennzeichnet, iſt dort 
der Vormarſch der Idee langſamer und zweifelhafter. Sicherlich hemmt hier auch die 
Serfplitterung der verſchiedenen Gruppen des Nationalſozialismus (Lindholm, Eckſtröm, 
Graf Nofen uſw.), die ſich zum Teil unfreundlich behandeln. Dazu wirkt die Schärfe der 
Kampfparolen und methoden, beſonders der Lindholmgruppe, ungewohnt und vielfach „ver⸗ 
ſtimmend“. Auffallend iſt dagegen die Stärke der Anhängerſchaft und die Aktivität für 
den Nationalſozialismus unter den Jungen zwiſchen 14 und 18 Jahren. Hier 
kann oſt — beſonders in den Schulen — von einem Vorherrſchen nationalſozialiſtiſcher 
Anſchauungen geſprochen werden, ſoweit das politiſche Intereſſe geweckt wurde. Auch die 
Werbung unter der Jungarbeiterſchaft ſcheint, trotz aller gewerkſchaſtlichen Mb- 
wehr, in der letzten Zeit recht erfolgreich geweſen zu ſein. Schon entwickelt ſich ein ſtändiger 
Kleinkrieg zwiſchen den nationalſozialiſtiſchen und den marxiſtiſchen Jugendgruppen. Die 
Nervofitdt der Marxiſten wird verſtändlich, wenn man erfährt, daß ſich Lindholms An⸗ 
hangerſchaft immer mehr auch aus Arbeiterkreiſen der Großſtädte und Induſtriegebiete 
rekrutiert (neben Göteborg, dem Sitz der Bewegung, Nordſchweden und Stockholm). — Die 
Lindholmbewegung hat auch ſchon manche Erfahrungen in der Auflöſung von Kampf⸗ 
formationen, in Aniformverboten und politiſchen Prozeſſen. Der Zuſammenhalt und 
Fanatismus der nationalſozialiſtiſchen Gruppen ſcheint aber trotzdem — und vielleicht 
dadurch — auch in Schweden eher zu wachſen. Die Fronten klären ſich, das Für und 
Wider wird in die öffentliche Diskuſſion und damit in die Maſſen getragen. And die 
Geſchloſſenheit und Leidenſchaft einer verfolgten Gruppe verfehlt faſt nie ihre Anziehungs⸗ 
kraft, beſonders auf die Jugend eines Volkes. 

Solche, doch in Einzelaktionen beharrende Kampfmethoden der Bürokratie und 
gegneriſcher Parteigruppen find wenigſtens bisher kaum allzu wirkungsvoll geweſen; 
vielleicht haben ſie ſogar dazu beigetragen, den breiten Wall politiſcher Gleichgültigkeit 
ein wenig abzutragen, mit dem ſo viele Schweden die ſorgſam gehüteten Bereiche ihres 
Privatlebens fo febr umgeben, daß es uns Deutſche manchmal faſt wie ein „Privat- 
mannskomplex“ anmutet. Man darf eben nie die tiefen Anterſchiede zwiſchen den 
Lebensformen und geſchichtlich begründeten Vorſtellungen vergeſſen, die nun einmal 
zwiſchen Deutſchen und Schweden beſtehen. Deshalb müſſen auch Ziele und Kampfformen 
ſchwediſcher Nationalfozialiſten wie jeder politiſchen Gruppe idh auf ganz andere Gegeben- 
heiten einſtellen wie in Deutſchland. Bei uns hatten die Sturafluten des nationalen Un- 
glücks in zwanzig Jahren dem einzelnen oft einen harten Unterricht über die Zuſammen⸗ 
hänge zwiſchen öffentlichem und perſönlichem Wohl erteilt. 

Aber auch unter der zufriedenen Oberfläche Schwedens melden ſich drohende Fragen. 
Sie werden von den nationalſozialiſtiſchen Gruppen als ſtarke Kampfparolen in die Maſſen 
getragen. Verhärtete Klaſſenfronten, zum Teil unerträgliche Angerechtigkeit der 
Entlohnung verſchiedener Wirtſchaftsleiſtungen mit allen ihren Folgen des Zudranges 
zu der einen, der übermäßigen Abwanderung zu der anderen Beſchäftigungsſorm, find 
heute ſchon höchſt akute Probleme. Nicht minder bedenklich iſt die ſtarke Abwanderung 
in die Städte, gefördert durch eine materialiſtiſche Kulturpropaganda. Eine Gefahr 


16 Poll / Nationaler Sozialismus und Schwedens Jugend 


für den Beſtand dieſes hochkultivierten und begabten Volkes bildet der fortſchreitende 
Geburtenrückgang. In einigen hundert Jahren wird bei gleicher Entwicklung das 
dünnbefiedelte Schweden entvölkert ſein. Vielleicht erklärt ſich mit aus dieſer Tatſache die 
geradezu erſtaunliche Intereſſeloſigkeit, die man in Schweden aud ſolchen außen ⸗ 
politiſchen Problemen entgegenbringt, die es unmittelbar berühren. So findet 
der Kampf der ſtarken ſchwediſchen Minderheit in Finnland um ihre kulturelle, völkiſche 
und ſtaatsbürgerliche Gleichberechtigung wenig Widerhall, ja er wird teilweiſe als eine 
peinliche, die „guten Beziehungen“ zu Finnland ſtörende Angelegenheit betrachtet. 
Schweden ſcheint ſich noch weiter von den Anſtrengungen ſeines heroiſchen Zeitalters 


von Guftav Adolph bis Carl XII. ausruhen zu wollen. „Toleranz“ ift nicht mehr nur der 


Ausdruck edler Achtung vor der Eigenart des einzelnen, ſondern auch ein gefährliches 
Schutzwort für jede Bequemlichkeit, jeden ziviliſierten Materialismus der Oberſchichten 
und — für jede marxiſtiſche Kulturpropaganda. Rußland ift nicht weit. Der Kommunis⸗ 
mus klopft mit harten Fäuſten an die Tore der Fabriken, Villen und Gehöfte. Nirgends 
eigentlich, mit Ausnahme der jungen nationalſozialiſtiſchen Bewegung in Schweden, findet 
er wirklich entſchloſſenen, kampfbereiten Widerſtand; nirgends findet man zugleich 
einen leidenſchaftlicheren Willen, den Zerſetzungsformen des Klaſſenkampfes von oben und 
von unten die Idee der Volksgemeinſchaft in der Geſtalt klaſſenüberwindender Kamerad⸗ 
ſchaft entgegenzuſetzen und für ſie Jugend und Arbeiterſchaft — bisher die leichteſte Beute 
des Marxismus — zu gewinnen und zu erziehen. 


Noch aber iſt der Weg der ſchwediſchen nationalſozialiſtiſchen Bewegung weit und 
ungewiß. Ihr Schickſal liegt bei der Führung; durch ſtraffe Zuſammenfaſſung aller Splitter- 
gruppen wäre für ſich manches gewonnen, aber noch lange nicht alles. Vorausſagen find 
hier um ſo ſchwieriger, als man ſich vor abwegigen Analogieſchlüſſen hüten muß, die ſich 
natürlich dem oberflächlichen Betrachter leicht aufdrängen. Was bei uns, aus der Tragödie 
eines Sechzigmillionenvolkes im Herzen Europas zur geſchichtlichen Wende aufwuchs, dieſes 
deutſche Werk Adolf Hitlers, kann nie das Schema für billige, unkritiſche Kopien und 
Vergleiche werden. Die große Auseinanderſetzung mit den verbündeten Traditions- 
kompagnien der franzöſiſchen und der ruſſiſchen Revolution wird auch Schweden nicht er- 
ſpart bleiben (denn das iſt ein wirklich „internationales Problem“), aber ihre Art und 
ihr Ausmaß find in jeder Nation verſchieden. Vielleicht wird dieſer Kampf in Schweden 
in feinen äußeren Formen weniger hart fein, als es bei uns möglich war, — dieſes Volk, 
in dem der Diebſtahl faſt unbekannt iſt, hegt eine tiefe Abneigung vor jeder Form des 
Angriffs auf Leben und Eigentum des anderen, es hält auch zäh an den gewohnten Cine 
richtungen und Regeln feines politiſchen Lebens und feinen Autoritäten feft. Die Aeber⸗ 
windung des marxiſtiſchen und liberalen Materialismus kann Déi daher dort unter Um- 
ſtänden mehr im Bereich der weltanſchaulichen, ſozialen und kulturellen Erneuerung mit 
weitgreifenden politiſchen Auswirkungen vollziehen, als primär im Wege politifcher 
Machtergreifung. 


Wie immer die Zukunft unſerer nordiſchen Nachbarn ſein mag, die Jugend, die ſich 
unter dem Banner der blauen Fahne mit dem gelben Hakenkreuz anſchickt, eine Kerntruppe 
für die Erneuerung ihres Vaterlandes zu werden, ſtellt in den Mittelpunkt der Selbſt⸗ 
erziehung in ihren Organiſationen die beſten Eigenſchaften kämpferiſcher Gemeinſchaften: 
Treue, Kameradſchaft, Beharrlichkeit, Mut und Geduld. Ihr Weg iſt weit und ungewiß; 
aber der Marſch hat begonnen — und dieſe entſcheidende Tatſache müſſen wir mit auf⸗ 
merkſamer Teilnahme beachten. 


Gesunde Menschen 


Außenpolitiſche Notizen 17 


— 
AUSSENPOLITISCHE / of On 


Ausuben in Dalditina 

Seitdem England mit der Balfour-Defla- 
tation den Juden in Paläſtina eine 
nationale Heimftätte verſprochen hat, exiſtiert 
das Problem des arabiſch⸗jüdiſchen Gegen- 
ſatzes in Paläſtina. An dieſer Frage find 
nunmehr drei Parteien intereſſiert: 1. die 
Araber, die die Mehrheit bilden, 2. die 
Engländer, die Paläſtina als ſtrategiſche 
Landbrücke nach Indien benutzen und 3. die 
Juden, die in der zioniſtiſchen Bewegung 
dort ihre hiſtoriſche Heimſtätte ſuchen. In 
der letzten Zeit haben ſich die Verhältniſſe 
weiterhin zugeſpitzt. Der engliſche Gouver- 
neur von Paläſtina will darangehen, eine 
Beteiligung der Bevölkerung an der Ver- 
waltung in Geſtalt eines halbparlamenta⸗ 
riſchen Syſtems durchzuführen. Es entſpricht 
durchaus der zahlenmäßigen Verteilung der 
Bevölkerungsgruppen, daß in dieſer Körper 
ſchaft die Araber zahlenmäßig ſtärker ver⸗ 
treten wären als die Juden, denn die 


Araber find nun einmal der anſäſſige und 


ſtärkere Bevölkerungsanteil, die Juden da⸗ 
gegen neue Einwanderer. Anläßlich der von 
der engliſchen Regierung geplanten Maß⸗ 
nahmen erhob ſich ein Sturm in der geſamten 
Zioniſtenpreſſe über dieſe angebliche „Ge⸗ 
fährdung der jüdiſchen Nation“. Man ver⸗ 
ſuchte die britiſche Oeffentlichkeit in dieſer 
jüdiſchen Angelegenheit zu mobiliſieren, ob- 
wohl man weiß, daß es ſich hier um ein 
britiſches Reichsintereſſe handelt. England 
gerät hier in einen ſchwierigen Konflikt. Es 
muß mit Rückſicht auf die indiſchen Mo- 
hammedaner die Wünſche der Araber un⸗ 
bedingt berückſichtigen, andererſeits aber 
feine Verſprechungen gegenüber dem Juden- 
tum aufrechterhalten. Dieſer Konflikt wird 


haben! 


in den angelſächſiſchen Ländern ein inter- 
eſſanter Prüfſtein für die nationale Su- 
verläſſigkeit des Judentums gegenüber 
ſeinem Gaſtvolk ſein. Man kann uns nicht 
verübeln, daß wir mit einer gewiſſen 
Spannung dieſem Konflikt zuſehen, bei dem 
andere Leute in der Lage find, Erſahrungen 
zu ſammeln, die wir ſchon früher gemacht 
Kein Wunder, daß die weſtliche 
Preſſe über dieſe Dinge ſo ſchweigſam iſt. 
Wenn auch die Engländer aus dem jüdiſch⸗ 
arabiſchen Streit immer ihre politiſche und 
moraliſche Rechtfertigung zur militäriſchen 
Beherrſchung Paläſtinas ziehen werden und 
ziehen können, fo beanſprucht dieſes Problem 
dennoch keine geringe Aufmerkſamkeit und 
keine kleinen Machtmittel. Bei den letzten 


Anruhen mußten felbſt aus dem an ſich ſchon 


bedrohten Aegypten Truppen herangeholt 
werden, um Paläſtina zu beruhigen. Die 
Forderungen der Araber, die ſich immer 
beffer organiſieren, lauten heute: 1. Verbot 
des Landerwerbs durch Juden, 2. Einſtellung 


der jüdiſchen Einwanderung. Wie wird fid 


England aus dieſer Lage herausziehen? 


Die Rückwirkungen dieſer Auseinander- 
ſetzungen ſind in der ganzen arabiſchen Welt 
zu fühlen. Bemerkenswert iſt die Denk⸗ 
ſchrift des Emirs von Trans jordanien an 
das engliſche Auswärtige Amt, die verſteckt, 
aber vernehmbar mit einer völligen Um- 
ſtellung der arabiſchen Politik droht, wenn 
in Paläſtina weiterhin dauernd gegen die 
Intereſſen der Araber gehandelt wird. 
Transjordanien tft als ſtrategiſches Durd- 
gangsgebiet der großen Moſſulölle itung 
ſowie als Bartiere gegen Saudiſch⸗Arabien 
für England unentbehrlich und es kann es 


18 Kleine Beiträge 


ſich nicht leiſten, Transjordanien in die 
Arme Ibn Sauds zu treiben. Auch muß 
England, wie oben ſchon geſagt, Rückſicht 
auf ſeine übrige mohammedaniſche Be⸗ 
völkerung in ſeinem Weltreich nehmen. Be⸗ 
kanntlich warnte der britiſche Vizekönig von 


Indien, das einige Millionen Mohamme- 


daner beherbergt, dringend vor einer Vier, 


leine. 


Autbeud Rampfidvifterr gesen ` 


das Zudentum 


Luther hat einen kraftvollen Kampf gegen 
das Judentum geführt. In theologiſchen 
Abhandlungen, in ſeinen Tiſchreden und in 
beſonderen Kampfſchriften hat er derb gue 
gegriffen und Keulenſchläge ausgeteilt. Es 
iſt ſehr ſtille geweſen um dieſen Kampf und 
wenig geſchehen, ihn im Bewußtſein des 
deutſchen Volkes wach zu halten. Das iſt 
nun anders geworden, und Luthers Rampf- 
ſchriſten gegen das Judentum, find zum Teil 
im Auszug, zum Teil vollftändig, in einer 
handlichen Ausgabe neu herausgebracht. 
(Luthers Kampfſchriften gegen das Juden- 
tum, herausgegeben von Dr. Walther 
Linden, bei Klinkhardt & Biermann, Berlin 
1936.) 

Am die Wende des 15. und 16. Jahr- 
hunderts hatte ſich der Kampf gegen die 
Juden aus religiöſen und wirtichaftlichen 
Gründen, hinter denen der raſſiſche Gegenſatz 
ſichtbar wurde, ſehr verſchärft und mander- 
orts zu ihrer Austreibung geführt. Wilhelm 
Grau hat uns in ſeiner Darſtellung des 
Endes der Regensburger Judengemeinde 
1450 bis 1519 ein lebendiges Bild dieſer 
Kämpfe gezeichnet. In den Tagen Luthers 
trat beſonders eine ſehr lebhafte religiöſe 
Propaganda der Juden hinzu, die die chriſt⸗ 


neitrage 


letzung der arabiſchen Intereſſen im 
Vorderen Orient. 

Die franzöſiſchen Methoden im Mandat 
Syrien ſind auch nicht dazu angetan, die 
politiſche Spannung im Vorderen Orient zu 
mindern. Es ſcheint, daß hier an den fern 
des Mittelmeers ein weiterer Anruheherd 
im Entſtehen begriffen iſt. Wulf Siewert 


liche Lehre angriff, die Dreieinigkeit als 
Vielgötterei ſchmähte und keineswegs er- 
folglos blieb. 


Luther hat von vornherein gegen die 
Juden Stellung bezogen und jüdiſche Ber- 
drehungskunſt und jüdiſche Verdorbenheit 
aufs ſchärfſte gebrandmarkt. Es iſt nicht ſo, 
wie man es auch hier von jüdiſcher und 
liberaler Seite darzuſtellen verſucht hat, daß 
Luther auf Grund der berüchtigten „perſön⸗ 
lichen Erfahrungen“, ſprich „ſubjektiver 
Vorurteile“, zu ſeinem Kampf gegen die 
Juden geführt worden fei. Zeitweilig, in 
der Hochſtimmung der erſten Neformations- 
jahre, hat er an eine künftige Bekehrung 
großen Stiles unter den Juden geglaubt 
und Milde befürwortet. Dann aber hat 
er, aus tieferer Einſicht in das jidifde 
Weſen und namentlich unter dem Eindruck 
der ſortgeſetzten jüdiſchen Angriffe gegen 
das Chriſtentum das Geſamtproblem des 
Judentums in Deutſchland aufgerollt und 
1543 in der Schrift „Von den Jüden und 
ihren Lügen“ zu vernichtendem Schlage aug- 
geholt. Er ruft zu ſchonungslofen Map- 
regeln gegen das jüdiſche Treiben auf und 
fordert das Verbot des jüdiſchen Kultus, 
die Serftdrung der Synagogen, das Ver- 
bot des Wuchers und ſchließlich die Aug- 
treibung. Hier heißt es: „Ein ſolches ver- 


Kleine Beiträge 19 


zweifeltes, durchböſetes, durchgiftetes, Durd- 
teufeltes Ding iſts um die Juden, die dieſe 
1400 Jahre lang unſere Plage, Peſtilenz 
und alles Anglück geweſen find und noch 
ſind.“ „So rauben ſie und ſaugen uns aus, 
liegen uns auf dem Halſe, die faulen 
Schelme und müßigen Wänſte, ſaufen, 
freſſen, haben gute Tage in unſerem Hauſe, 
fluchen zum Lohne unſerem Herrn Chriſtus, 
Kirchen, Fürſten und uns allen, drohen und 
wünſchen uns ohn Anterlaß den Tod und 
alles Anglück.“ „Wollen aber die Herren 
fie nicht zwingen noch ſolchem ihrem teuf- 
liſchen Mutwillen ſteuern, ſo möge man ſie, 
wie geſagt, zum Lande austreiben und ihnen 
fagen, daß fie in ihre Lande und Güter gen 
Jeruſalem hinziehen und daſelbſt Lügen, 
Fluchen, Laftern, Speien, Morden, Rauben, 
Wuchern, Spotten und alle ſolche läſterliche 
Greuel treiben, wie ſie bei uns tun, und 
uns unſere Herrſchaft, Land, Leib und Gut 
laſſen, ferner unſeren Herrn Meſſias, 
Glaube und Kirche unbeſchwert und un- 
befudelt von ihren teufliſchen Tyranneien 
und Bosheiten“ (S. 207 f.). Hart läßt er 
die wohlmeinenden „Herrſchaften“ und die 
„barmherzigen Heiligen“ abfahren: „Denn 
ich ſehe wohl und habs oft erfahren, wie 
gar barmherzig die verkehrte Welt iſt, wo 
ſie billigerweiſe ſcharf ſein ſollte und 
wiederum ſcharf, wo ſie barmherzig ſein 
folte... Afo werden fle vielleicht jetzt 
auch barmherzig ſein wollen über die 
Juden, die blutdürſtigen Feinde unſeres 
chriſtlichen und Menſchennamens, um damit 
den Himmel zu verdienen. Aber daß die 
Juden mit all den genannten teufliſchen 
Greueln uns arme Chriſten fangen, plagen, 
martern und alles Herzeleid antun, das ſoll 
man ertragen und iſt chriſtlich wohlgetan, 
vor allem, wenn Geld da iſt, das ſie uns 
geſtohlen und geraubt haben“ (S. 209). 
Luther gehört mit feinen Kampfſſchriften 
in die Geſchichte der deutſchen Auseinander- 
ſetzung mit dem Judentum hinein. Das 
folte man auch von theologiſcher Seite an- 
erkennen, ſtatt mit Lutherſchen Stellen 


Nadelſtiche gegen die Naſſenanſchauung des 
Nationalſozialismus zu führen (fo W. 
Gabriel, Von den Silden, Göttingen 1936). 
Dabei iſt nicht zu überſehen, daß Luthers 
Kampf gegen die Juden auf chriſtlicher 
rel igidſer Grundlage ſteht und ſich dadurch 
von unſerm raſſiſchen Denken unterſcheidet. 
So tief und allſeitig Luther in die Er- 
kenntnis des jüdiſchen Weſens eingedrungen 
iſt, das jüdiſche Paraſitentum iſt für ihn 
gemäß der chriſtlich⸗mittelalterlichen An- 
ſchauung doch nur die Golge deſſen, daß die 
Juden den Meſſias abgelehnt haben und 
darum unter dem Zorn Gottes ſtehen. Die 
blutsmäßige raſſiſche Seite ſieht er nicht. 
„Das Wort oder die Berufung, welche die 
Geburt nichts achtet, ſcheidet hier die Sachen 
alle.“ „Denn wir ſind in gleicher Weiſe 
wie He in der heiligen Väter Landen ge- 
wefen, und es iſt hier kein Anterſchied der 
Geburt oder des Fleiſches halber, wie das 
alle Vernunft ſagen muß“ (S. 105 f.). Die 
Bekehrung bleibt für Luther, ſo auch in der 
letzten Predigt feines Lebens, die der „Ver · 
mahnung wider die Juden“ gewidmet iſt, 
entſcheidender Geſichtspunkt. Es iſt aus 
dieſen Gründen unverſtändlich, wie Dr. W. 
Linden in der Einleitung zu der Neu- 
ausgabe Luthers Kampfſchriften als „noch 
heute vollauf gültiges völkiſch rel igiöſes Be- 
kenntnis“ darſtellen kann. Die Einleitung 
iſt völlig verzeichnet und ohne jeden echten 
Maßſtab. Nur ſo vermag ſie auch eine 
„abendländiſch-chriſtliche“ Front zu ton- 
ſtruieren, ohne zu bemerken, daß dies nicht 
unſere Begriffe find. K. A. 


Die neue Geſellſchaſtsordunns 

Der Nationalſozialismus als Ausdruck 
des deutſchen Lebensgeſetzes der Gegenwart 
und der Zukunft begründet als natürliche 
und zwangsläufige Folge ſeiner revo⸗ 
luttondren Parolen — Volksgemeinſchaft! 
Adel der Arbeit! — auch eine neue Gefell- 
ſchaftsordnung. 

Der Nationalſozialismus hat im recht 
eigentlichen Sinne den Menſchen wider- 


20 Kleine Beiträge 


entdeckt. Darum intereffiert uns gar nicht 
die äußere Hülle eines Menſchen, ob er nun 
einen Frack oder einen rußigen Arbeitskittel 
oder einen weißen Laboratoriumskittel 
trägt, darum intereſſiert uns auch gar nicht, 
was nun einer nach Nang und Stand dar⸗ 
ſtellt, ſondern uns isterefflert erſtens und 
zweitens und drittens nur das eine: was 
für ein Kerl einer iſt! Alles andere kommt 
erft viel, viel fpäter. 

Wir wollen wieder ganz ſchlicht und ein- 
ſach in unſerem Denken werden, ganz be- 
ſcheiden und ohne Anſprüche auf Grund von 
Umftänden, zu denen wir nichts können —, 
etwa, daß des einen Vater Befiter eines 
dicken Scheckheftes ift oder der des anderen 
Inhaber eines Profeſſorentitels oder eines 
klangvollen Namens. 


So meinen wir denn mit der neuen Gefell- 
ſchaftsordnung: Jeder tut ſeine Pflicht auf 
dem Platze, auf den er geſtellt iſt. Ob das 
nun die Fabrikhalle ift oder das Direktions⸗ 
büro, iſt gleichgültig. Jeder tut ſeine Pflicht 
als ein guter Deutſcher, als ein Kamerad 
unter Kameraden und die Arbeitsehre iſt 
allen gleich. 

Kurz und bündig: Die neue Gefellfdafts- 
ordnung ift die nationalſozialiſtiſche Volks. 
gemeinſchaft! 

Jeder muß fid feinen Platz in der Volts- 
gemeinſchaft durch ſeine Haltung und 
Leiſtung erwerben, und wer ſich außerhalb 
der Volksgemeinſchaft ſtellt, der hat keinen 
Platz in der nationalſozialiſtiſchen Gefell- 
ſchaftsordnung! 

Es müſſen noch viele alte Vorurteile über- 
wunden werden, um die neue Geſellſchafts⸗ 
ordnung in der Wirklichkeit unſeres völ⸗ 
kiſchen Lebens gültig zu machen! 


Vor allem muß „die Geſellſchaft“ über- 
wunden werden, jener ſeltſame Verein, in 
dem ſich diejenigen bewegen, die nichts dazu 
können, daß ſie dazu gehören, und die, eben 
weil fie nichts dazu können, fid um fo 
dümmer und ſturer für die Auserwählten 
halten! 


Deutſchland ift kein bürgerlicher Klaſſen⸗ 
ſtaat mehr und es iſt kein Raum mehr für 
ein vaterlandsloſes Proletariat wie für eine 
„Geſellſchaft“, die aus Verdienſten, die 
viele Generationen zurückliegen, oder aus 
materiellem Zepp, der vielleicht fogar gegen 
die fittliden Geſetze des Gemeinwohles er⸗ 
worben ift, beſondere Vorrechte herleitet 
und für fid in Anſpruch nimmt. 

Wir erkennen ſolche Vorrechte nicht mehr 
on! | x 
Wir kennen keinen Geldadel, wir kennen 
keinen Namensadel, wir kennen nur den 
Adel der Arbeit! And der ift nicht ab- 
hängig von Geld, Beſitz oder der Art des 
Bildungsganges des einzelnen, ſondern iſt 
abhängig nur von dem Maße der Pflicht ⸗ 
erfüllung und des Einſatzes für dieſe Ge- 
meinſchaft und von der Geſinnung, in der 
einer ſeine Arbeit verrichtet! 

Es gab ein Proletariat in Deutſchland — 
leider! Das war der Teil der Hand- 
arbeiterſchaft, der in ſeiner Verelendung und 
in feiner ſeeliſchen und materiellen Lebens- 
not ſeine Hoffnungen auf eine nebelbafte 
internationale Verbrüderung aller Prole- 
tarier ſetzte und fo fein Volk verleugnete. 
Aber auch ein Teil der „Geſellſchaft“, eine 
wurzel⸗ und haltloſe Schicht, verlor ſich 
ebenfalls in internationalen Gedanken - 
gängen, löfte ſich aus der Schickſalsgemein⸗ 
ſchaft des Volkes. Aber ſie tat es nicht aus 
der tiefen Lebensnot des verelendeten Ar- 
beiters, ſondern aus ſnobiſtiſcher Aeberheb⸗ 
lichkeit, aus müder Blaſiertheit, aus 
Koketterie mit dem Nihilismus, aus (her, 
geiſtiger Auflöſung! 

Wenn wir die einen Proletarier nannten, 
ſo können wir mit gutem Recht für dieſe 
anderen den Begriff „Klubfeſſel⸗Proletarier“ 
prägen! 

Wir haben in den Elendsvierteln der 
großen Städte die erſchütternde Troſtloſig⸗ 
keit und Verzweiflung von Menſchen ge⸗ 
ſehen, die zu müde und zu verzweifelt ſelbſt 
zum Haß waren! Gewiß, dieſe Proletarier 
hatten ihr Volk verloren. Darum kaͤmpften 


Randbemerkungen u 21 


wir ja gerade, daß aud dieſen Menſchen, 
die doch auch Volksgenoſſen waren, in einem 
glücklicheren Deutſchland ein bißchen Sonne 
ſcheinen möge und fle aus ihrem grauen 
Elend erlöſe. Aber man kann unſchwer er- 
meſſen, welche ingrimmige Wut in uns 
kochte, wenn wir, dieſe Elendsbilder noch vor 
Augen, die anderen, die „Klubſeſſel⸗Prole⸗ 
tarier“ bei einem Kännchen Mokka und aus- 
ländiſchen Zigaretten ihr Volk und Vater- 
land tauſendfach nicht nur verraten, ſondern 
beſpucken und auf widerliche Weiſe be⸗ 
ſchmutzen ſahen! 

Gewiß, ſolche Erſcheinungen darf man 
nicht verallgemeinern, aber dieſe Erſcheinun⸗ 
gen waren typiſche Erſcheinungen ihrer Zeit. 
And fie wuchſen auf dem Boden der „Geſell⸗ 
ſchaft“). Wir kennen auch bieden beſonderen 
Ton, in dem man hier und da heute noch 
ſich darüber unterhält, ob ein ehemaliger 
Gefreiter wohl jemals lernen könne, wie ein 
„gebildeter Menſch“ mit Meſſer und Gabel 
zu eſſen, oder ob es wohl wahr fet, daß als 
Befähigungsnachweis für einen S A- Führer 
von der Standarte aufwärts eine mindeſtens 
dreimonatige Gefängnisſtrafe wegen Not- 
zucht oder Anterſchlagung verlangt werde! 

Zum Teufel mit der „Geſellſchaft“ —, um 
der Volksgemeinſchaft, um der national- 
ſozialiſtiſchen Geſellſchaftsordnung willen! 

Wir mißgönnen ganz gewiß niemanden 
feinen Grad, denn gute Kleidung und über- 
haupt eine verfeinerte Lebenskultur find, 


Sbhatefveave, Cavow und Rotbe 

Man ſollte es nicht für möglich halten, 
aber der durch die Neuüberſetzung Hans 
Rothes hervorgerufenen Diskuſſion um 
Shakeſpeare find immer noch neue, und zwar 
diesmal reicht heitere und alle Analytiker 


wenn einer es ſich leiſten kann und es nicht 


auf Koſten anderer geht, gewiß kein Ver- 


brechen gegen den Geiſt der Volksgemein⸗ 
ſchaft. Aber was wir uns verbitten, tft 
dieſes: daß etwa der Frackträger den Ar- 
beitsmann in ſeinem blauen Feiertagsanzug, 
der mühſam genug zuſammengeſpart iſt, für 
den Vertreter einer minderwertigen Gattung 
Menſch anfiedt! 

Man kann auch in der nationalſozia⸗ 
liſtiſchen Volksgemeinſchaft mit Anſtand 
feinen Frack tragen. Mit demſelben An- 
ſtand, mit dem auch der Arbeitsmann aus 
der Fabrik ſeinen blauen Feiertagsanzug 
trägt. 

„Geſellſchaft“ in dem Sinne einer ſich nach 
beſonderen Geſetzen und Vorbedingungen be- 
wußt abſondernden und abſchließenden Ober- 
ſchicht tft Rafte, ift Klaſſe! And der An- 
ſpruch auf Sonderrechte und Sonder- 
bewertung der Frackträger, überhaupt die 
Tatſache des Beſtehens einer ſich hochmuͤtig 
und dünkelhaft abſchließenden Volksſchicht 
bedeutet auch nur eine beſondere Form von 
Klaſſenkampf! 

Haben die alten Rabauken etwa zähe und 
verbiſſen gegen brutalſten Terror den 
Klaſſenkampf auf der Straße niedergerun- 
gen, damit er in den Salons der ,,Gefell- 
ſchaft“ in anderem Gewande weiterlebt? 

Rabauken, feid wachſam! 


Aus: Kurt Maßmann: Die Revolution 
geht weiter. Verlag F. Hirt, Breslau. 


andbemerkungen 


und Förderer des Theaters beluſtigende 
Seiten abzugewinnen. Vor allem, weil der 
Aeberſetzer Rothe, der ſich in feinem „Kampf 
um Shakeſpeare“ hartnäckig bemühte, feine 
Aeberſetzungen gegen alle Vorwürſe liberaler 
Geiſtreichelei und kabarettiſtiſcher Effekt⸗ 


22 Randbemerkungen 


haſcherei zu verteidigen, nun nochmals das 
Wort ergriffen hat und der in dieſem Streit 
zu erwartenden Entſcheidung zumindeſt in 
der Richtung des beurteilungsmäßigen Aus- 
gangspunktes überraſchend zu Hilfe ge- 
kommen tft. In die fachlichen Auseinander- 
ſetzungen um Shakeſpeare, Schlegel ⸗Tieck und 
Rothe tritt ein fünfter: der ehrenwerte 
Berliner Volkskomiker Erich Carow! 

Es klingt ja unwahrſcheinlich, denn was 
ſollte ausgerechnet Erich Carow vom Wein- 
bergsweg und feine ausgezeichnete Lad- und 
Tränenbühne mit Shakeſpeare zu tun haben? 
Angeheuerlich viel! Wieviel — das kann 
jeder in der Nummer 91 der „Danziger 
Neueſten Nachrichten“ vom 19. April dieſes 
Jahres nachleſen, wo Hans Rothe feine 
herzerfriſchenden Eindrücke über einen Beſuch 
dieſes Berliner Volkstheaters in einer 
Skizze „Shakeſpeare auf dem anderen Afer“ 
niedergeſchrieben hat. Es Mi nichts da- 
gegen einzuwenden, daß Rothe auch einmal 
für den Carow jenſeits der Themſe, den 
neueſten Shakeſpeare Kronzeugen, das 
literariſche Szepter ſchwingt! Aber in 
Rothes Schilderung ftedt weit mehr — und 
fie tft wohl unendlich aufſchlußreicher für 
feine perſönliche Stellungnahme zum Pro- 
blem des eliſabethaniſchen Theaters und 
Shakeſpeares, als alle hundert Seiten ſeiner 
Broſchüre. Dort kommt Rothe nämlich zu 
einer geradezu verblüffenden Erkenntnis und 
Selbſtverteidigung: „Wer wiſſen will, für 
welche Art von Publikum Shakeſpeare ge- 
ſchrieben hat, muß in Carows Lachbühne 
gehen. Wer wiſſen will, auf welche Wirkun⸗ 
gen Shakeſpeares Stücke zugeſchnitten find, 
muß dort ſeine Studien treiben. Ja, ſelbſt 
die jüngſthin aufgetauchte Streitfrage, wer 
Shakeſpeave richtig überſetzt hat, läßt fid 
auf angenehme und müheloſe Weiſe in 
Carows Lachbühne löſen.“ 

Anzweideutig ſteht Rothe mit bieden 
Aeußerungen auf demſelben Afer wie in 
ſeiner Kampfſchrift und Shakeſpeare auf dem 
anderen. Das will heißen, daß Rothe einer- 
ſeits nicht erwartet, daß Carows Theater 


Werte von Shakeſpeareſchem Format per- 
vorbringt, andererſeits aber der Meinung 
iſt, daß es doch wohl noch ein Theater mitten 
unter uns gibt, das von der literariſchen 
Bevormundung ebenſo unabhängig iſt wie 
von den Analytikern und Förderern des 
Theaters. Noch unmißverſtändlicher formu- 
liert Rothe dieſe anfechtbare Tendenz, wenn 


er im gleichen Atem ſchreibt: „Wenn es aber 


irgendwo bei uns die Vorausſetzungen für 
eine unkontrollierte, ungegängelte — alſo 
organiſche Entwicklung der dramatiſchen 
Rutt gibt, dann bei Carow.“ 

Rothe ſchaltet alſo Carow mit in die 
Diskuſſion ein, weil er der Aeberzeugung iſt, 
daß die eliſabethaniſchen Theaterdichter die 
gelehrten Nenaiſſancepoeten verlacht hätten 
und Shakeſpeare für feine Zeit bloß bühnen- 
wirkſam fein wollte und ſonſt nichts. Er 
führt jetzt alſo, nach den Namen engliſcher 
und amerikaniſcher Philoſophen, Carow als 
letzte Stütze und Triumph feiner Hypotheſe 
an, daß Shakeſpeare als Autor ein bloßer 
Tagelöhner ſeines von ungebildeten Leuten 
beſuchten Theaters geweſen fei, die ſich um 
ſeine Texte nicht bekümmert hätten und für 
die er fo „verſtändlich“ dichten mußte. 
Rothes irrige Anſchauungen erklimmen in 
dieſem Carow - Parallelismus den Gipfel- 
punkt der hiſtoriſchen An wirklichkeit. Rie- 
mand wird auf die Idee verfallen, eine Auf- 
führung von Hamlet oder Macbeth oder 
König Lear oder der Königsdramen in 
Carows Lachbühne zu veranſtalten, nur weil 
es ſich hier auf fo angenehme und mühelofe 
Weiſe nachprüfen ließe, wer Shakeſpeare 
richtig überſetzt hat. Rothe meint im Grunde 
auch etwas ganz anderes: er ſieht in Carow 
den Matadoren einer großen, echten Volts- 
kunſt, beliebt wie jener eliſabethaniſche Dra- 
matifer und Schauſpieler, der wie ein ge- 
ſchickter Handwerksmeiſter für jeden Ge- 
ſchmack das Richtige vorrätig hielt. Dieſe 
gleichfalls irrige Auffaſſung haben an 
anderer Stelle namhafte deutſche Angliſten 
bereits unter Hinweis auf Marlowe, den 
großen Dichter und Aeberſetzer aus dem 


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Nandbemerkungen 23 


Lateiniſchen, Chapman, den gewaltigen 
Homer ⸗Aeberſetzer, Greene, den Nachahmer 
der italieniſchen Novelliſten, und Ben Jon- 
ſon, den gelehrteſten Dichter Englands, ſämt⸗ 
lich Zeitgenoſſen Shakeſpeares, klargeſtellt. 
Man kann nicht Carow gegen Schlegel und 
Tieck ausſpielen. And man kann nicht die 
organiſche Entwicklung der dramatiſchen 
Kunſt aus einer ungegingelten, unton- 
trollierten Volkskomik herleiten. And vor 
allem ſollte man nicht von literariſcher Be⸗ 
vormundung in einem Augenblick reden, wo 
wirkliche Analytiker und Förderer des 
Theaters Héi bemühen, eine Streitfrage 
ernſthaft und verantwortungsbewußt zu 
jen. W. 


Was ef im 20. Sabebundert 
alles noch gibt 

Im Jahre 1934 erſchien in einem Frei- 
burger Verlag von Sr. M. Angelina Hodel: 
„Körperlehre und Geſundheitspflege auf 
teligidfer Grundlage“. Dieſes Buch. ge- 
ſchrieben von einer überzeugt katholiſchen 
Autorin, wird im Märzheft der katholiſchen 
Zeitſchrift „Hochland“ einer eingehenden 
Kritik unterzogen, die in vielen Punkten 
überaus lehrreich ift. Wir bringen deshalb 
einige längere Auszüge. In der Be- 
ſprechung von Dr. Joſephine Mayer heißt 
es u. a.: 


in di 8 dargelegt den, 
wie goe dE Sen er erschaffen ene 


wie er durch die H, ein Glied der Kirche, des 
myſtiſchen bee OR Séi m. durch die Ber» 
einigung des Leibe mit dem Leib des 


Menſchen in der „„ Se ganze Menſch Immer 
Hriftusähnliher wird. Sind das nicht Vorausſetzun⸗ 
en, die eine gründliche Pflege und Betreuung dieſes 


ottesgeſchenkes, „Leib“ geradezu gebieteriſch fordern? 
Sott In aud) den Leib des Men chen geheiligt dur 
Er ſcha enſch hat m 


fung und Kaen aber der 
dieſen geheiligten Leib ent⸗ 
iligt durch die Sünde: nitimur in vetitum semper 
SE negata. Dieſe vom Glauben 1 Tat⸗ 
bee 5 wieder en Grundlage für die Ausübung 
örperpflege: fie fegt Grenzen! Daß diefe 
Grenzen abgeftedt und die'e Forderungen klar und 
deutlich erhoben würden, das 1 ich alſo von 
Biefem Buch. Was aber fand ich 


Die meift am Ende SC Abſchnittes tofe 
angefügten oder anderwärts ganz willkür⸗ 
lich eingeſtreuten Belehrungen oder Forde- 
rungen religtdfen Inhalts aber — manchmal 
nur recht billige Redensarten — können 


von einem zu ſtrafſem Denken erzogenen 
Menſchen kaum als religiöſe Grundlage 
gewertet werden. Dabei find fie zum Teil 
ſolcher Art, daß ich mehrmals während der 
Lektüre des Buches nach vorne geblättert 
habe, um mich zu Überzeugen, ob es tat- 
ſächlich im Jahre 1934 gedruckt 
fet! Denn es zeugt von einer 
erfhredenden Weltfremdheit 
und Ankenntnis des modernen 
Lebens, wenn man glaubt, 
Frauen und Mädchen den Beſuch 
des Familienbades grund ſätz 
lich verbieten, ihnen Gang und 
Haltung, ja den Blick auf der 
Straße in kleinlicher Weiſe 
vorſchreiben zu können; es iff 
geradezu naiv, zu verlangen, 
ein junges Mädchen ſolle ſein 
Fahrrad nur aus praktiſchen 
Gründen, als notwendiges Ver- 
kehrsmittel benützen, es möge 
auf dem Eiſe nur glatt und 
ruhig“ auf und ab fahren, ohne 
Kreisbogen und Buchſtaben⸗ 
ſchneiden. Nein, ſo kommt man der 
Jugend von heute nicht mehr nahe. Sie 
verſteht eine ſolche Haltung einfach nicht 
mehr. 

Von innen heraus müſſen wir unſere 
jungen Mädchen bilden und erziehen, ſo daß 
ihnen die Sittſamkeit zur Gewohnheit wird. 
Wenn unſere Perſönlichkeit in weltoffener 
und zugleich echt liturgiſcher Frömmigkeit 
gegründet iſt, brauchen wir keine frommen 
Redensarten, um unſern Töchtern eine 
chriſtliche, aber auch von der Zeit gebieteriſch 
geforderte natürliche Anſchauung vom Leib, 
feinen Rechten und deren Grenzen als nn- 
verlierbares Eigentum mit ins Leben zu 
geben. 

Gewiß find die ſittlichen Gefahren far 
die junge Frauenwelt von heute bedeutend 
größer als noch vor zwanzig Jahren (1), 
aber gerade deshalb kann man ihnen nicht 
mehr mit Methoden begegnen, die vielleicht 
noch vor 1900 wirkſam geweſen wären. 


24 | Randbemerkungen 


Geradezu unbegreiflich iſt die 
Art, wie die Abſtammungs und 
Vererbungslehre behandelt 
wird. Jene Deſzendenztheorien, die, wie 
jeder gebildete Chriſt weiß, mit der Lehre 
der Bibel von der Erſchafſung der Welt 
wohl vereinbar find, werden mit einer 
kühnen Geſte abgetan: Wir halten uns 
an die Heilige Schrift . und 
die katholiſche Wiſſenſchaft 
(S. 211) (1). Wenn das fo einfach ift, wozu 
ſtudieren dann unſere jungen Geiſtlichen auch 
Biologie, wozu hören He ſemeſterlang Bor- 
träge über dieſe Forſchungsgebiete? Nicht 
minder ſchlecht durchdacht, oberflächlich und 
mangelhaft geordnet ſind die Ausführungen 


fiber die Vererbung. Was ſoll ein Satz wie 


dieſer heißen: Es ift zur Genüge er- 


forſcht und nachgewieſen, daß 
ſich jede Anlage auf jede 
wachſende Zelle vererbt‘ Sollte 


die Verfaſſerin — es iſt ja kaum möglich — 
noch nie etwas von den Mendelſchen Ge⸗ 
ſetzen gehört haben, nach denen ſich nicht 
‚jede Anlage auf jede Zelle“ vererbt? Der 
Begriff Vererbung iſt ganz un⸗ 
klar, ja zum Teil geradezu 
falſch angewendet. Man braucht 
nicht Mediziner zu ſein, um heutzutage zu 
wiſſen, daß Inſektionskrankheiten niemals 
vererbt im eigentlichen Sinne“ (S. 201) 
ſind, auch wenn das Kind mit ihnen auf 
die Welt kommt, wie z. B. mit der 
Syphilis! Das ift Anſteckung im Mutter- 
leib oder bei der Geburt. Das Wort 
Erbmaſſe, das in der modernen Ver- 
erbungsforſchung eine fo große Rolle ſpielt, 
ja ohne das man nicht mehr auskommen 
kann, wenn man von Vererbung reden will, 
wird im ganzen Buch überhaupt 
nicht erwähnt! So ſchmerzlich es iſt, 
wir mußten der Verfaſſerin alle diefe Vor- 
würfe machen — und wir könnten noch mehr 
hinzufügen — um der Sache willen; die 
chriſtliche Aufgabe iſt zu gefährdet, als daß 
wir ſie durch ſolche Ahnungsloſigkeit auch 


noch der Lächerlichkeit ausgeſetzt fein laffen 
dürfen, indem wir ein ſolches Buch ohne 
Widerſpruch hinnähmen. Die Verfaſſerin 
hatte offenfichtlich die befte Abſicht, allein 
mit dieſer allein iſt es nicht getan, zumal in 
auch praktiſch ſo wichtigen Fragen.“ 

Wir laſſen am beſten eine ſolche Kritik 
einer katholiſchen Zeitſchrift an einem 
katholiſchen Buch für ſich ſelbſt ſprechen. 

Ja, ja, was es im 20. Jahrhundert noch 
alles gibt. (1!) 

Im übrigen, was würden wohl die fatho- 
liſchen Kirchenblätter dazu ſagen, hatten wir 
diefe Beſprechung geſchrieben? ?? 


Sheifiiches Deſterreich auf 
„Borſcbus“ ! 

Der Wiener Kardinal Innitzer hat bei 
einer Kundgebung katholiſcher Männer in 
Sien, Hernals eine Rede gehalten, in der — 
laut „Schönerer Zukunft“ — u. a. folgende 
Sätze fielen: ö 

„Wenn Oeſterreich chriſtlich ſein und 
bleiben will, muß ſich das Volk entſcheiden, 
ob es am Reiche Gottes mitbauen will. Seit 
Bundeskanzler Dollfuß die Parole von der 
Verchriſtlichung Oeſterreichs ausgegeben hat, 
ſprechen wir von einem chriſtlichen 
Oeſterreich. Man hätte viel- 
leicht mit dieſer Bezeichnung 
etwas warten und zuerſt 
eine Aebergangs bezeichnung 
ſchaffen follen. Jetzt hat man 
gewiſſermaßen einen Vorſchuß 
gegeben, aber die Zahlungen 
werden nicht ganz eingehalten. 
And ſo kommt es, daß man die 
Kirche und ihre Vertreter für 
das verantwortlich macht, was 
im chriſtlichen Staate Oefter- 
reich noch nicht in Ordnung ift. Ich 
muß als Vertreter der Kirche bei 
aller gebotenen Geduld doch die 
Forderung erheben, daß mit der 
Einlöſung des Verſprechens 
mehr Ernſt gemacht wird.“ 


Randbemerkungen 25 


Kardinal Innitzer braucht ſich nicht zu 
wundern, daß nach dem mit fo vielen chriſt⸗ 
lichen Worten ausgegebenen „Vorſchuß“ die 
„Zahlungen“ fpdrlid eingehen. Das kommt 
von der Verquickung von Religion und 
Politik, möchte man meinen. Verzeihung, 
da iſt Herr Innitzer anderer Anſchauung. 
Laut „Schönerer Zukunft“ erklärte er kürz⸗ 
lich bei einer Wiener Männerkundgebung: 

„Anſere Gegner wünſchen, daß wir in 
Kirche und Sakriſtei verbleiben und ihnen 
das Feld überlaſſen. Wenn wir dieſem 
Wunſche nicht nachkommen, klagen ſie über 
ppolitiſchen Katholizismus!“ .. . Es iſt eine 
Verleumdung, wenn man ſagt, daß ich mich 
An alles hineinmiſche '. Was vollends die 
Einmiſchung in die Politik betrifft, ſo 
möchte ich ſagen: Ich miſche mich in 
Politikoder in Maßnahmen des 
Staates oder der Gemeinde 
prinzipiell nicht ein, ich werde, 
Gott ſei Dank, auch nicht gefragt. 
Freilich, das Recht, in geſellſchaftlichen Din- 
gen, ſoweit fie die Religion und die Ratho- 
liken betreffen, etwas zu ſagen, wird man 
uns nicht nehmen.“ 

Es fehlt nur noch, daß der Herr Kardinal 
bei der nächſten Männerkundgebung erklärt, 
et wiſſe überhaupt nicht, was Politik iſt. 
Immerhin, das eine weiß er, daß im chriſt⸗ 
lichen Staate Oeſterreich manches nicht in 
Ordnung iſt, und daß die „Zahlungen“ ad 
maiorem ecclesiae Oloriam nicht in der ge- 
wünſchten Weiſe einlaufen. Sonſt brauchte 
er ja nicht die ſtille Sakriftei mit dem 
Rednerpult der Männerkundgebungen zu 
vertauſchen. Ja, ja, es iſt ein Kreuz mit 
dem vorſchnell ausgeteilten „chriſtlichen Vor⸗ 
ihug“! Gti. 


Ra alfo? 

Unter der Aeberſchrift: „Was Freude 
macht. Das Vorbild“ veröffentlicht „Das 
Evangeliſche Deutſchland, Kirchliche Rund- 
ſchau für das Geſamtgebiet der Deutſchen 
Evangeliſchen Kirche“ in der Nummer 12 
vom 22. März 1936 folgende Notiz: 


„Was ein gutes Vorbild wirken kann, 
zeigt folgende Zuſchrift an uns: „Ein 
22jqähriges Mädchen aus einer ſtadt⸗ 
hannoverſchen Kirchengemeinde war einem 
Lager zugeteilt, das ſich in den oberen 
Räumen eines alten Schloſſes befindet. 
Darunter liegt die Kirche, in der ſonntäglich 
evangeliſch⸗lutheriſcher Gottesdienſt gehalten 
wird. Am zweiten Sonntag erbat ſie ſich 
Arlaub zum Gottesdienſt und erhielt ihn. 
Von den meiſt dienſtälteren Kameradinnen 
wurde ſie deswegen von oben bis unten 
angeftaunt’. Die Neuhinzugekommene erbat 
ſich gleich auch im voraus für alle Sonntage 
Urlaub zum Gottesdienſt. Eine ganze Reihe - 
der anderen haben nun auch den Mut ge⸗ 
funden. .. — Es liegt alfo nicht 
an der Leitung, die berechtigten 
Wünſchen gern nachkommt, als 
vielmehr an dem Mangel an Mut 
bei den Jugendlichen, den er- 
forderlichen Urlaub zum Gottes- 
dienſtbeſuch zu erbitten.“ 


Hoffentlich wird dieſe Meldung von all 
den ſtreitbaren Kanzelrednern geleſen, die 
ſich nicht genug über die „Intoleranz“ der 
heutigen Jugendführung erhitzen können. 

Sti. 


Gaudeamus... 
oder 
Die zerſchmetterte Nachtigall 


„Wenn der Himmel einfällt, ſchlägt er 
manchen Spatzen tot. Auch wohl eine lieder- 
reiche Nachtigall. Als der hundertjährige 
Himmel des ſtudentiſchen Verbindungslebens 
einfiel, ſchlug er das Kommersbuch 
tot...“ 


So hebt in der „Deutſchen Su- 
kunft“ der auch in den Reihen der Jugend 
nicht unbekannte Dichter Börries von 
Münchhauſen einen wehmutsvollen 
Abgeſang an. 

In längeren, immerhin intereſſanten 
Unterfudungen über Herkunft und Cnt- 
ſtehung der nach Hunderten zählenden 


26 Randbemerkungen 


Kommerslieder, kommt dann der Verfaſſer 
zu dem Endergebnis, daß das nun im 
Sterben liegende Kommersbuch die beſte 
deutſche Gedichtſammlung und 
neben dem kirchlichen Geſangbuch die 
Quelle des Hausgeſanges ſchlecht⸗ 
hin geweſen ſei. 


„Ja, das Kommersbuch fand die hehrſten 
Töne der großen Begeiſterung für Volk 
und Vaterland, für Freundſchaft, Ehre und 
Treue, und wir wollen alle gemeinfam nach 
Hitlers und Goebbels Worten hoffen, daß 
auch dem Dritten Reiche Dichter gleichen 
Wertes entſtehen mögen.“ — 


„Wir wollen hoffen. Klingt das 
nicht ein wenig reſigniert und glaubenslos, 
faſt fo, als ob es durchaus denkbar und möge- 
lich wäre, daß dem Dritten Reiche die Did- 
ter, welche in ſo reichem Maße dem Zweiten 
erwachſen waren, verſagt bleiben könnten?! 


Offenbar hat bis heute der Freiherr und 


Dichter von Münchhauſen keine Dichtung 
unſerer Zeit für würdig befinden können, 
um ſie als gleichberechtigt neben die „hehren“ 
Vaterlandslieder des Kommersbuches zu 
ſtellen. Sollen wir über dieſe Feſtſtellung 
traurig ſein und uns nach ſtärkendem Trunk 
aus der Quelle des Hausgeſanges mit zer⸗ 
knirſchter Seele ans Werk begeben, um 
Dichtungen „gleichen Wertes“ entſtehen zu 
laſſen? 
Nein, wir denken nicht daran! 


Denn das eine möchten wir, in aller ge⸗ 
bührenden Beſcheidenheit zwar, aber dennoch 
mit der Deutlichkeit der Jugend von vorn- 
herein jedermann fagen, der heute wehmuts⸗ 
vollen Herzens der liederreichen Nachtigall 
nachſeufzt: Gaudeamus ... 


Freuen wir uns, daß das Kommersbuch 
tot iſt! — 


Das klingt zwar roh, tft aber ehrlich ge- 
meint! 


Wir kennen nur einen Wertmaßſtab: Gut 
iſt, was dem Volke nützt, ſchlecht iſt, was 


ihm ſchadet! An dieſem Ridtwort gemeffen, 
verblaßt die Bedeutung der Kommerslieder 
ins Weſenloſe. 


Sagt uns doch ein Lied aus dieſem Buch 
ſeuchtfröhlicher Studenten, das uns im 
heißen politiſchen Kampf um Deutſchland 
innerlich beſchwingt und mitgeriſſen hätte! 


Nicht die patriotiſchen Lieder des Rom- 
mersbuches ſind mit uns marſchiert und 
halfen uns die Straßen erobern. Wir 
ſangen Kampflieder, die damals noch in 
keiner Gedichtſammlung zu finden waren, 
Lieder, die plötzlich erſtanden und von allen 
Kameraden unſerer Gemeinſchaft geſungen 
wurden, auch wenn Inhalt und Versmaß 
nicht allen künſtleriſchen (1) Anforderungen 
gerecht wurden. 


Das iſt der Anterſchied: Während wir um 
die Straßen ſtritten oder in tobender Gaal- 
ſchlacht ſtanden, ſaßen irgendwo in Kiub- 
häuſern ſalamanderreibende Studenten und 
ſangen aus bierheiſeren Kehlen die ſo⸗ 
genannten Vaterlandslieder ihres Rommers- 
buches. 

Dieſe Lieder waren patriotiſch, unfere 
aber waren revolutionär! Das Kommers⸗ 
buch enthielt die Lieder einer nach "Zeng 
und Stand gegliederten Schicht, unſere 
Lieder aber waren Gemeingut einer gläu- 
bigen, werdenden Volksgemeinſchaft. 


And darum iſt die Frage müßig, ob auch 
dem Dritten Reiche Dichter „gleichen 
Wertes“ erwachſen werden. 


Wer mit ſolchen Maßen mißt, hat die 
neue Wertung unſerer Zeit nicht verſtanden. 


Der Himmel des ſtudentiſchen Verbin⸗ 
dungslebens ift eingeſtürzt: — Gaudeamus! 


Darunter liegt zerſchmettert die lieder · 
reiche Nachtigall — Gaudeamus! 

Das Kommersbuch ift tot — Gaudeamus! 

Doch es lebt das Lied der jungen deutſchen 
Gemeinſchaft! 


Freuen wir uns! Obldigs. 


Vom Büchermarkt 27 


5 
eichs 
mann. 
Hahn. 
Berlin. 
Der Berufswettk der deutſchen Zu- 
end dÄ nicht nur in Deutſchland zu einem 
Begrif geworden. Die ganze Welt hat auf⸗ 
gehorcht, als die Jugend in einen Bezirk 
des politiſchen Lebens trat, Forderung und 
Beweis anmeldete, für den im allgemeinen 
„Stellen“ und Behörden zuſtändig waren. 
Der Wille, ein Wert wie den Verufswett⸗ 
kampf ſelbſt zu geſtalten und zu tragen, war 
letztes und höchſtes Zeugnis einer Jugend, 
die ihre politiſch verpflichtete Arbeit erkannt 
t 


Mit ſeinem Buch „Olympia der Arbeit“ 
gibt der Geſtalter des Reichsberufswett⸗ 
kampfes, Obergebietsführer Artur Axmann, 
der deutſchen er dal ein Werk in die 


der Arbeit, Arbeit 
s wettkampf. Von 


ugend im 
ttur Ax ⸗ 

ildbericht von Georg L. Hahn⸗ 
Verlag Junker und Bünnhaupt, 


nd, dem jeder entnehmen kann, was eine 
end, die ihre politiſche Aufgabe erkannt, 
auf einem Teilgebiet a Geſamtarbeit zu 
leiſten imſtande iſt. 3 Axmann faqat, ift 
ein Ergebnis aus unermüdlichem Wirken in 
der Praxis erarbeitet und in programma- 
tiſchen Sätzen als Meinung der ganzen 
en zuſammengefaßt. — Georg L. n- 
n, der Photograph des Reichsberufs⸗ 
wettlampfes, hat den poe Teil des 
Buches geſtellt mit einer Auswahl der beiten 
Bilder aus der Fülle feines Materials. So 
verbindet fih das gültige Wort aufs leben- 
digſte mit den E Aufnahmen, 
die an den promy Ais tten gemacht wur- 
den. Man wird dem Buch in einem Gefamt- 
urteil am eheſten gerecht, wenn man ſagt: es 
Hört ins Haus jedes Deutſchen, der die 
gend liebt und ihre verantwortungs- 
bereite und eigenwillige Wege gehende Mr- 
bewundert. 


Mont Noval. Ein Bu 
und vom irdiſchen Reich. Von Werner 
Beumelburg. erlag Gerhard 
Stalling, Oldenburg i. O./Zerlin. Ganz- 
leinen 550 RM. 

Die Diskufſion der Reidsideologen um 

Möller van den Bruck, um Friedrich 

Hielſcher, aus dem katholiſchen und pro- 


vom himmliſchen 


teſtantiſchen Lager ift 
ebenſo achtlos wie verwirrend geweſen. 
Eben von der Tatſache ausgehend, daß mit 
dem „Reich“ dem Deutſchen Sch 
etwas Wunderbarem und der 
Vollendung verbunden find, wurde oft aus 
ehrlichem Bemühen und Bekennen zuſehends 
gegenſtandsloſes Gerede, aus der Ausſprache 
wurde Predigt. Das „Reich“ wurde auf 
einer Ebene zur Diskuſſion geſtellt, in der 
es ſeinen deutſchen Sinn verlor, in der 
aus dem Willen nach Geſtaltung Glaube an 
etwas nie Erreichbares wurde. Das „Reich“ 
als ein Begriff, der in der Welt politif 

Wirklichkeiten exiſtiert, wurde mit religiöſen 
Vorſtellungen verbunden, die zuletzt das 
„Reich“ ſelbſt nicht mehr als etwas durch 
menſchlichen Willen und Kraft Erreichbares 
erſcheinen ließ. Das „Reich“ wurde nur 
Gnade und Sendung, etwas, das eher durch 
Gebet als durch männlichen Einſatz verwirk⸗ 


licht würde. 
In diefe Distuffion greift Werner 
Beumelburg ein und fest ihr mit feinem 


„Mont Royal“ wenigſtens im Bezirk der 
Bellitriſtik ein Ende. Der Soldat, der im 
Krieg mit lene Leib die Grenzen deckte, 
oe en Sinn des „Reiches“ von feinem 

nfang und bis zu feiner letzten Deutung 
erlebt. Das „Reich“, das ift das einzige 
große Deutſchland — das find das ; 
der Staat und die Nation in ihrem zeitlich 
unbegrenzten Beſtand, in ihrer völ- 
tid en Ewigkeit. 

Beumelburg führt uns in das Heilige 
Römiſche Reid Deutſcher Nation des 
Jahres 1683. Kurfürſten, Geiſtlichkeit und 
Reichsſtände ſtehen nach Vorteil und Ge⸗ 
fallen für. und gegeneinander. Seine aller- 
chriſtlichſte Majeſtät vertrat als ein SE 
Die Farce deffen, was das Deutſche Reig 
ein konnte. Der Sonnenkönig Ludwig ; 

ürte mit Fleiß die Aneinigkeit der Deut- 

en, womit er ſcheinbar die Methode der 
franzöſiſchen Rheinpolitik ſeſtlegte. Als 
durch Frankreichs diplomatiſches Geſchick die 
Türken Deutſchland von Südoſten be- 
SNE rückten Ludwigs Truppen an den 
Rhein vor bis Koblenz, Köln, Bonn und 
Trier. Die deutſchen Kurfürſten wurden e 
über kleinliche Intereſſen nicht einig, jo da 


28 Vom Büchermarkt 


es zu dem von dem Brandenburger ge⸗ 
planten Angriff nicht kam. Der „Friede“ 
von Rijswijf läßt alle Hoffnung auf Be- 
endigung des franzöſiſchen Raubens am 
Rhein wieder begraben. | | 


In einem großen zu projiziert 
Beumelburg Frankreichs „Hiſtoriſche Rhein- 
politik“, die in einem weitgeſpannten Bogen 
bis in unſere Zeit reicht. In der packenden 
Sprache Werner Beumelburgs wird ſo der 
Anfang einer Politik unſeres weſtlichen 
Gw ins Gedächtnis nun und 
durch Auswertung von hiſtoriſchen Zelt, 
dokumenten verlebendigt. 

In diefe Zeit des Verfalls des „Reiches“ 
und der Inbeſitznahme der Rheinlande durch 
Frankreich ſtellt Beumelburg die heldiſche 
Geſtalt des Knaben Jörg, been Elternhaus 
dem Berg Mont Royal gegenüber liegt, am 
Eingang zum Moſeltal. Den Berg bauten 


im Frondienſt Frankreichs deutſche Männer 


zur Feſtung aus. 

Jörg verläßt ſein Elternhaus, irrt durch 
das Land, kommt in den Heeresdienſt, nimmt 
an der Verteidigung Wiens gegen die 
Türken teil und iſt zuletzt im Heer des 
Brandenburgers. An der heimatlichen 
Grenze hat der Knabe die nnd eines 
ohnmächtigen „Reiches“ erlebt. den 
Fahrten durch die deutſchen Gaue ſpürte 
er, was das Reich iſt, und wurde ſich klar, 
daß für die Einheit dieſes deutſchen Reiches 
eopfert und geſtritten werden mußte. Sein 

nges Leben, das eines gepeitſchten, un⸗ 
bekannten Knaben, ſtellte er immer wieder 
in den Dienſt feines deutſchen Reiches, von 
Scha Ba 5 Se wipe 1 

e u erz nahm er a , um 
ſeines Glaubens an dies irdiſche deutſche 
Reich wegen. Seiner Zeit voraus die 
Dinge ahnend, ftarb er, ohne der Zeit ſelbſt 
genutzt zu haben. 

Wir Jungen danken Werner Beumelburg, 
der uns mit ſeinen Dichtungen vom Krieg 
deſſen gültiges Erleben zuſprach, auch ſein 
neues Buch, das uns 9 und 
lebendige Geſchichte ſchenkt. „A. 


Die junge Reihe 


Die eben in den erſten ſieben Schriften 
erſcheinende Buchfolge „Die junge 
Reihe“, herausgegeben von Horſt 
E. Wiemer (Alb. Langen⸗Georg Müller- 
Verlag), erfüllt eine bisherige Lücke in 
unſerem Schrifttum und verdient allergrößte 
Beachtung. Auch gerade deshalb, weil durch 
das Maſſenangebot von Schriftenreihen die 
Gefahr beſteht, daß dieſe guten und vor allen 


Dingen notwendigen Schriften, die einer 
un in einer zuſammenhängenden 
Folge bedürfen, überſehen und minder be⸗ 
achtet werden könnten. 

Es handelt Déi bei been Schriften um 
ſolche, die alle Vorausſetzungen für den Ge⸗ 
brauch in Gruppen, Mannſchaften und Ge⸗ 
meinſchaften erfüllen und die All. 8 auch 
Bücher für den Einzelnen find. Alle Schriften 
eignen ſich einmal für den Dienſt in den 
Mannſchaften, alſo zum Vorleſen oder als 
Material für Fahnen. und Morgenſprüche 
oder zur Ausgeſtaltung von Heimabenden. 
Sie eignen ſich ferner zu Geſchenken der 
einzelnen Jungen und Mädel an andere 
Kameraden. Erſtens inhaltlich, dann ent⸗ 
ſprechend der äußeren Aufmachung und zu⸗ 
letzt auch hinſichtlich des Preiſes (ein Bänd- 
chen koſtet 50 Pfg.). 

Da iſt zunächſt ein Tagesſpruchbuch, zu⸗ 
ſammengeſtellt von H. femer und 
W. Stiehler: „Ich dien“. Es ift die 
Schrift in der Reihe, die am ſtärkſten nur 
Eé den Dienſt gedacht ift, indem für jeden 

g des Jahres ein kurzer Spruch eines 
Großen unſeres Volkes genannt wird. — 
„Sie werden auferſtehn“ heißt das 
zweite Bändchen: „Ein Gedenken für die 
Gefallenen“. Hier wird beſonders auf die 
Kriegsbriefe verwiefen. Ferner find alle be⸗ 
deutenden Dichter der „ mit 
wirklich Auserleſenem darin vertreten. — 
In dem folgenden e 
der Zeitenwende“, „Eine mmlung 
aus deutſcher Dichtung ſeit Nietzſche“, finde 
ich die Gedichte SEN Georges auf den 
erſten Seiten als zu febr reprdſentativ ete 
A. Es entſteht dabei leicht der Ein- 
druck, als ſollte George in beſonderer Be⸗ 
tonung als der Ahnherr des Nationalfozia- 
lismus und der Erneuerung bezeichnet 
werden. Das iſt dieſem guten kulturellen 
Anternehmen ebenſowenig nützlich, wie es 
ſachlich auch, gerade hinfichtlich des Grades 
der Betonung, nicht unbedingt richtig iſt. 
Im übrigen ſind die wichtigſten Dichter von 
damals bis zur unmittelbaren Gegenwart 
mit wirklich guten Gedichten vertreten. — 
Zwei Proſabücher mit kurzen Erzählungen 
wenden ſich an die weibliche Jugend: „Von 
tapſeren Frauen“ und „Die 
Bäuerin“. Im erſteren ſind in ſich ge⸗ 
ſchloſſene Auszüge aus den Werken über 
bedeutende Frauen enthalten, im anderen 
Geſchichten und Erzählungen von J. Gott. 
helf, L. Thoma, M. Zierer Steinmüller, 
Lena Chriſt und Hans Grimm. 

Wolf Juſtin Hartmann hat drei kleine 
Kriegserzählungen in einem der Bändchen 


E 


Vom Büchermarkt | 29 


vereinigt, „Der FE e be- 
titelt. Es find drei friſche Erzählungen, die 
zum Alleinlefen und Vorleſen gleicherweiſe 
Kto ſind. Sehr fein iſt ebenfalls Paul 

lverdes Spiel „Das Winter- 
lager“. 

Zu der Reihe im ganzen iſt noch zu be- 
merken, daß der Ton, auf den ſie abgeſtimmt 
ift, ihr die Bedeutung gibt. Der Heraus- 
geber achtet ſehr richtig einmal auf Schlicht 
heit und Einfachheit in Stil und Sprache, 
womit er zur Beſinnung und Beſinnlichkeit 
erzieht; ferner auf dichteriſche Vollendung 
im Einfachen. H. R. 


Die Freiheit des Geiſtes. Von Hans 
Alfred Grunsky. Hanſeatiſche Ber- 
eono; Hamburg. 32 Geiten. Kart. 


Die als dritte Veröffentlichung des 
Neichsinſtituts für Geſchichte des neuen 
Deutſchlands erſchienene Schrift gibt die 
Rede wieder, die Hans Alfred Grunsky am 
6. November 1935 anläßlich der Aebernahme 
eines 54 has ehrſtuhles an der 
Aniverſität München hielt. Schlicht in den 
Worten und zwingend in der Argumentation 
legt Grunsky das Problem der Freiheit des 
Geiſtes dar, wie es nur ein National- 
ſozialiſt, der ehrfürchtig vor der Geſchichte 
und handelnd in der Gegenwart ſteht, ſehen 
kann. Was iſt die Freiheit des Geiſtes? 
Grunsky legt es überzeugend dar: das 
Stehen auf dem eigenen Boden. Der Frei- 

eiſt, der den Boden unter den Füßen ver⸗ 
oren hat, der „gleichſam trunken gewordene 
Gei und der in mittelalterliche Ver- 
ſtri en gefeſſelte Geiſt find die Gegner, 
zwiſchen denen ſich die Freiheit des Geiſtes 
zu behaupten hat. Gegen beide mußte der 
deutſche Geiſt einen Zweifronten⸗Krieg 
führen. Erſt durch die Heraufkunft des 
Nationalſozialismus iſt in dieſer Situation 
eine Wendu eingetreten, der deutſche 
Geiſt befindet ſich auf dem Wege zu feiner 
Freiheit. i 


Die weiteren philoſophiſchen Ausführun- 
en Grunskys beantworten auch einige 
ragen, deren Bedeutung vornehmlich für 
weite Kreiſe der heutigen Hochſchul jugend 
(ſoweit fle überhaupt teil hat an den Cr- 
gniſſen der Gegenwart) erheblich iſt: 
Grunsty wech das Erleben in feine 
Schranken. ber andererſeits vermag er 
ohne Erleben keine Erkenntnis ſehen. 
Wenn heute oft das Erleben als 
einzige Inſtanz, die uns in ein 
Verhältnis zur Wirklichkeit 


ſetzt, hingeſtellt wurde u 
außer dem Erleben nichts Ge 
tung hatte, ſo iſt hier von b 
tufener Seite dieſe Schwä 
merei mit erfreulicher Klarhe 
als gefährlicher Trugſchluß ge- 
kennzeichnet worden. 

Der inhaltlich wertvollen Schrift iſt die 
größte Verbreitung pu wünſchen. Beſonders 
aber gehört fie in die Reihen unſerer Stu- 
denten, wo fie manche „Trugſchlüſſe“ und 
vermeintliche Folgerungen, die falſch und 
wiſſenſchaftsfeindlich find, zu zerſtören im- 
ſtande ſein wird. E. L. 


Seele und Staat. Von Hans Alfred 
Grunsky. Junker und Diinnbaupt- 
Verlag, Zerlin. 

Hans Alfred Grunsky legt eine beacht⸗ 
liche Schrift vor mit dem Antertitel: „Die 
eatin iſchen Grundlagen des national- 
ozialiſti rial Sieges fiber den bürgerlichen 
und bolſchewiſtiſchen Menſchen“. 

Nicht, wie man vielleicht auf Grund des 
Buchtitels vermuten könnte, als Gegenſätze, 
ihr Verhältnis abwägend und beſtimmend, 
behandelt Grunsky Seele und Staat, fon- 
dern er entnimmt der Platoniſchen Typen- 
lehre die Entſprechung von Seele 
und Staat: einer Seelenverfaſſung ent- 
ſpricht ſtets eine Staatsverfaſſung, wie um⸗ 
gekehrt ein Staat nicht bejaht und geſtützt 
werden kann von enſchen, deren Seele 
ie denfelben „Staat“ in ſich beſchloſſen 


Das Ganze der Seele ſieht Grunsky in 
vier Pole ausgeſpannt, die in dynamiſcher 
Rhythmik, ihrer raſſiſchen Beſtimmung ge- 
mäß, das beſtimmte ſeeliſche Leben aug- 
machen. Hinſichtlich ihrer grundverſchiedenen 
Rhythmik treten nordiſche und mongoliſche 
Seele als entſcheidende und ſchlechthin un- 
überbrückbare Gegenſätze auseinander. Do 
ſcheint hierbei die Gefahr einer Pſychologi⸗ 
ſierung von Vorgängen geſchichtlicher Art 
— trotz der Verſicherung Grunskys im Vor⸗ 
wort — nicht ganz gebannt zu ſein. 

Das Verhältnis der einzelnen Seelenpole 
zueinander wie das zu den Erſcheinungen 
der menſchlich⸗geſchichtlichen Welt verſteht 
Grunsky anſchaulich 5 zu machen. 
Auch ſonſt zeichnet ſich das Buch aus durch 
ſtrengen Gedankenaufbau, hinter der man 
eine ſtarke Perſönlichkeit am Werke ver- 
ſpürt. Der Angriffscharakter weiter 
Strecken der Grunskyſchen Gedanken ver- 
leiht dem Buche einen politiſchen Rang. 

E. L. 


30 Vom Büchermarkt 


Lt Colonel de La Nocque: Staatsdienſt 
am Volk (Service Public). Verlag für 
Kultur und Wiſſenſchaft, Berlin. 


Eine aus dem Franzöſiſchen übertragene 
Veröffentlichung des Führers der Feuer⸗ 
kreuzbewegung. De La Rocque, tm Welt- 
kriege franzöſiſcher Frontoffizier, hat in 
dieſem Buche die Gedanken niedergelegt, die 
die Feuerkreuzbewegung tragen. Es find die 
Gedankengänge feiner ge aber fein 
politiſches „Programm“. Der Werfaffer 
lehnt es aud ab, ſeine Bewegung als poli- 
tiſche Partei zu ſehen. Im Gegenteil, ſie 
ſteht im ſchärfſten Gegenſatz zu den Par- 
teien, die ſich heute in Frankreich um die 
Regierungsmacht ſtreiten. Die Bewegung 
richtet ſich vielmehr gegen alle zerſetzenden 
Kräfte, die das ſranzöſiſche Volk zum Mb- 
grund treiben, und will alle die aufbauenden 
Faktoren des geſamten Volkes wachrufen, 
die den Wiederaufſtieg gewährleiſten. Dazu 
find in erſter Linie die Frontkämpfer be- 
rufen und die Generation, die das Erbe 
der Toten der Front anzutreten gewillt iſt! 
Von dieſer Ausrichtung wird die Bewegung 
getragen. Damit muß ſie notwendig an die 
meiſten beſtehenden Einrichtungen und Map- 
nahmen des heutigen Frankreich Kritik 
üben. De La Rocque tut das auch in einer 
felten offenen und ſcharfen Weiſe. Daß fie 
ſich auf alle Gebiete erſtreckt, iſt bei der 
Grundſätzlichkeit des Ambruchwillens felbft- 
verſtändlich. Da die Geburtsſtunde der Ge⸗ 
dankengänge im Ringen an der Front liegt, 
nd fie dem heutigen Deutſchland pet ane nid 
remd. Zwar find ganz E de 115 
weſentliche Anterſchiede La en unferer 
Ausrichtung und der de ocques vor- 
handen, vieles Heft er auch in der Be- 
urteilung der deutſchen Verhältniſſe gna- 
a ſſchon man A area: al 

on fiegre ur rt u n der 
ubrigen Welt bald anerkannt, lehnt er 
ſtrikte ab. Aber wir ſehen bei de La ocque 
doch viele Amſätze, die eine deutfd- fran- 
KZ Verſtändigung endlich möglich er- 
cheinen laſſen. („Muß man ſich alſo mit 
den Deutſchen ausſprechen? Ja, tauſendmal 
jal“) — Das Buch zeigt uns die ne 
eines Aufbruchs, der fih im franzöſiſchen 
Volke vorbereitet. Es gewährt uns aus- 
gezeichneten Einblick in die Verhältniſſe 
Aces weſtlichen Nachbarn, mit denen uns 
u befaſſen nur dienlich ſein kann. Werdende 
Cl arine, at immer nur auf 
gute Kenntnis. Das Buch de La Nocques 
wünſchen wir in viele Hände 


Waltyer Gehl: Der deutſche antun, — 
bis 1935 Hirts Deutſche 

Gruppe II, Band 9. 

Eine verdienſtvolle Darſtellung, die r 
knapp und kurz tft, dabei aber alle en 
lichen Ereigniſſe heraushebt. Gehl, belannt 
durch feine eren Veröffentlichungen, 
eigt hier lebens voll den Aufbruch des deut- 
chen ä =. Buch wird durch zahil- 
reiche Karten und vor allem 
durch zahlre ch Bildmaterial jar anf 
lich. Für die Jugend ift es in der 
deckung der Schäden ſowohl, als in der 
zeichnung der pofitiven Kräfte des lebenden 
Deutſchlands unbedingt wichtig. 


Gerhard Pallmann: Soldaten — Kame⸗ 
raden. Liederbuch für Wehrmacht und 
a Hanſeatiſche rlagsanſtalt, Ham- 

rg. 
Auch mit dieſem neuen Liederbuch hat 

5 wieder eine „ Aus- 

etroffen. Cine act here 

Sen ieder SE die uns frobe Stunden 

geben wird. ir wünſchen dem Buch, daß 

es der Begleiter jeder ſoldatiſch ausgerich ; 
teten Truppe wird. 


Walter Joſt: Die wehrpolitiſche Re 
volution des Nationalſozialismus. Han- 
ſeatiſche Verlagsanſtalt, Hamburg. 


Eine kurze Abhandlung, die eine Wertung 
der nationalſozialiſtiſchen Revolution vom 
militäriſchen Standpunkt aus vornimmt. 
Sie ift ſlüſſig geſchrieben und holt trotz der 
Kürze das SBejenttiche heraus. Aber das 
ſtimmt wohl nicht: „. .. die ſoldatiſche Er- 

chung .. iſt allein Sa der Wehr 
macht“. Denn der Nat onalfoata- 
lismus erzieht den Typ des deutſchen 
Menſchen Ni das ift: der ſoldatiſche 
Menſch! Die rziehungsaufgabe der 
Wehrmacht iſt alſo der e ung 
eingeordnet! Wie es of auch der 
= er in den folgenden Ausführungen 

emeine Ausführungen ftellt man er 
voran, da fie nach einer Präziſierung leicht 
als Entſchuldigung erſcheinen können. 


Kurt Maßmann: Die Revolution ot 
weiter. Verlag Ferdinand Hirt, Bres 
Faft möchte man glauben, fein Buch Pr 


lefen, fondern ed mit einem Kameraden 
aus der Rampf Onn atl Den man 
nach Jahren eer Bat Können 
wir von dem Buche Beſſeres oe als: 
Du DUR unſer Kamerad! 


Vom Büchermarkt 31 


A. von Schell: Kampf gegen Panzerwagen. 
Verlagsbuchhandlung Gerhard Stalling, 
Oldenburg i. O. — Berlin. 


Der Verfaſſer iſt ſich der Schwierigkeit 
ſeiner Aufgabe voll bewußt. Aber es ſoll ja 
auch nicht etwas Endgültiges oder Ab- 
eſchloſſenes gegeben werden. Sehr beacht⸗ 
ich find aber die Klarheit der Gedanken 
und die Verſuche, die Probleme zu löſen. 
Sweifellos wird das Buch nicht nur für die 
Wehrmacht Bedeutung haben. Jeder 
Deutſche wird es gern zu feiner Unter- 
richtung leſen. : 


Deutſcher Frontkämpferglaube. Von Erwin 
Langner. Verlag Ferdinand Hirt, 
Breslau, 1935. 


Es ſteht feſt, daß dieſe Abhandlung nur 
von einem Frontkämpfer geſchrieben ſein 
kann. Aber wir werfen die Frage auf: Iſt 
der an der Front begonnene Weg nicht ver- 
laſſen worden und in das alte Gleis von 
vorher zurückgekehrt? Ans ift dieſes Gott- 
erlebnis auch aus einem Kampf hart auf 
hart bekannt! Aber deshalb werden wir 
auch immer das geſchilderte Chriftus- und 
Kreuzerlebnis eben aus unſerem Erkennen 
und Erleben ablehnen! Hinzu kommen noch 
einige begriffliche Anrichtigkeiten. Aeber⸗ 
haupt iſt das Buch ein Gemiſch von Echtem 
und Aeberkleiſtertem. Der Einband ift eine 
Geſchmackloſigkeit! 


Verdun. Von Dr. Wilhelm Ziegler. 
Hanſeatiſche Verlagsanſtalt, Hamburg. 


Ein Mitkämpfer hat hier eine Meifter- 
darſtellung geſchaffen! Sie geht weit über 
den Rahmen eines kriegsgeſchichtlichen als 
auch literariſchen Werkes hinaus. Wir ſind 
dankbar, dieſes Werk zu beſitzen, und reihen 
es gerne unſerer Literatur über den Welt- 
krieg als eines der beſten a ein! 

o—y. 


„Wolkenſtein“ oder „Die ganze Welt“. Ein 
Roman von Carl Johann Leuchten 
berg. Verlag R. A. Höger, Verlin und 
Leipzig, 1936. 


Carl Johann Leuchtenberg, ein junger 
talentvoller Schriftſteller aus Südtirol, 
hat ſich mit dem vorliegenden Werk in 
die vorderſte Reihe der deutſchen hiſtoriſchen 
Erzähler geſtellt. Darüber hinaus ae 
Leuchtenberg einen für unfere Lefer fider 
ſehr bemerkenswerten Verſuch unternommen, 
die Lebensgeſchichte des Tiroler Ritters 


Oswalt von Wolkenſtein, wiedergegeben in 
mehreren Hauptſtücken auf Grund „von ver- 
ſtreuten Papieren und Skripten“, in mo 
derner Sprache mit mittelhochdeutſchem 
Satz- und Wortbau zu geſtalten. Dieſer 
Verſuch ift reſtlos geglückt. Mag man bei 
Beginn des Leſens die Furcht hegen, ei: 
der deutſchen Sprache der Jetztzeit dur 
den mittelhochdeutſchen Satz. und Wortbau 
Gewalt angetan wird, ſo ſchwinden dieſe 
Bedenken mit jeder Seite, die wir nad- 
einander geradezu „verſchlingen“. 


Ritter Oswalt von Wolkenſtein zog als 
Troßbub in die Welt hinaus, ſang und focht 
in den verſchiedenſten Ländern bis gum 
Schwarzen Meer und zog nach 23jdbriger 
Abweſenheit aus ſeiner rauhen bergigen 
Heimat nach vielen Irrfahrten wieder nach 
Tirol zurück. Dieſe 23 Jahre eines wahr- 
haft großen Lebens erfahren und erleben wir 
dank der Geſtaltungskraft des Verfaſſers, 
und vor unſeren Augen offenbart ſich eine 
einzige große Schau hiſtoriſcher Perſonen 
und Ereigniſſe des Mittelalters. Der 
Sänger und Ritter Oswalt von Wolken⸗ 
ſtein erſteht in Leuchtenbergs Werk in aller 
Anmittel barkeit. Dr. L. 


Gefine und die Voftelmdnner. Roman von 
Konrad Beſte. Hanſeatiſche Verlags- 
anſtalt, Hamburg. 1936. 


Konrad Beſte, der Dichter des „heidniſchen 
Dorfes“, legt einen neuen Roman vor, der 
wiederum in der Heide ſpielt und die Welt 
der Heidbauern, ihre Amwelt mit genauer 
Sachkenntnis und in dichteriſcher Durg- 
dringung zeichnet. — Goftelmann muß feinen 
Sohn, wie alle anderen Väter, in den großen 
Krieg hinausziehen laſſen. Der Sohn gerät 
in Gefangenſchaft und kehrt ſehr fpdt über 
den Amweg Schweiz nach Deutſchland 
zurück. Der alte Boſtelmann iſt indeſſen 
einſam und verlaſſen auf ſeinem Hofe. In 
der nächſten Stadt lebt Frau Ingeborg 
Rofe, Ww., die es auf geſchickte Weile ver- 
ſteht, ſich in das Herz des alten Heidbauern 
einzuſchleichen. Dagegen ſteht Geſine, die 
Tochter Chriſtian Lampens, der vor dem 
Feinde den Heldentod ſtirbt, ſo wie er es 
ſich gewünſcht hat: „Sterben müſſen wir 
alle — es kommt nur darauf an, wie wir 
ſterben ... es ift die ganze Hauptſache im 
Leben, daß wir richtig ſterben.“ Dieſe Ge- 
fine fühlt in Frau Rofe die Widerſacherin, 
die fie vom Boſtelhofe verdrängt. A ift 
von Jugend an mit dem jungen Karſten 
VBoſtelmann zuſammen, er ift ihr väterlicher 
Freund und teilt fein Leid mit ihr, wie ſie 


32 Vom Büchermarkt 


ihre kindlichen Freuden mit ihm teilt. So 
eht die Zeit weiter. Geſine wird ein hübſches 
anaes Mädel, fie wird erwachfen und als 
Karſten aus der ee e ft zurückkehrt, 
wird fie fein Weib und Frau Ingeborg 
Rofe, der Drototgp aller erbj E eriſchen 
Witwen, das böſe Gewiſſen itwen, 
muß den 1 verlaſſen. — Konrad 
Beſte hat es in dieſem ſchönen Roman ver- 
ſtanden, noch mehr als im „heidniſchen Dorf“, 
die tieſen Zuſammenhänge und Weſenheiten 
aus den Menſchen und der Landſchaft au 
entwickeln. Vielleicht müſſen wir uns a 
erft durch ſchweren GE hindurchringen, 
e wir zu dieſer Fülle und gek inneren 
eife gelangen. Kein Zweifel, bier 
iff Konrad Beſte eine Dichtung 
gelungen, die bleiben wird. 


H. G. 


Stadt und Feſtung Velgerad. Roman von 
Joſef Magnus Wehner. Hanfe- 
atiſche Verlagsanſtalt, Hamburg. 1936. 


Joſef Magnus Wehner knüpft an ſeinen 
Kriegsroman „Sieben vor Verdun“ an oder 
tte er läßt dieſes Epos zeitlich voraus- 
gehen und ſchreibt eine ie: raählung 
vom ſerbiſchen Feldzug der im Welt np 
mit Deutſchland verbundenen Nationen. Es 
iſt im Anfang der Anſatz zur aie bide Durd- 
dringung des Stoffes gemadt, aber Wehner 
verläßt dann diefe Zeichnung, vielleicht aus 
der Erkenntnis, daß dieſe Linie, die ihm 
unbewußt vorgeſchwebt aben mag, fo 
nicht einzufangen ift. st ſchildert in 
drei großen Et n den ſerbiſchen Fed- 
zug und entwickelt in klarer Zeichnung Men- 
ſchen und Landſchaft und Sinn des Krieges. 
Wie hier die Sachenmacht, die Materie 
„Krieg“ ins Anheimliche emporwächſt und 
dichteriſch erfaßt wird, das iſt das echte 
Werk eines großen ſchöpferiſchen 
Geſtalters, der durch dieſes Erleben bine 
durchgegangen tt. Dah Wehner im Verlaufe 
der Handlung einige ganz hervorragende, faft 
an die große Legende ſtoßende Themen ge; 


en, ſei noch 5 erwähnt; unver 


eßlich die Loge ende, ja e, vom Turm 
acid Die Bege hne große orausſagen zu 
treffen, kann man doch annehmen, daß der 


Erfolg dieſes neuen Buches dem der „Sieben 
vor Verdun“ nicht nachſtehen wird! H. G. 


Mit zwei Sentnera durch den Weltkrieg. 
Von Karl Borromäus Gröber. 
1 Verlagsanſtalt Stuttgart-Berlin 


= lh tung, d aufkieg, als wir den Titel 
laſen, u. leider. Wenn man eller 
dings den a dc di erlebt hat, daun SE man 
zum Schluß ki reibe n 10 Kéi KA ac. 
er in el angen Itir 
Der Ausdruck N er 105 Weller wee. 2 
ohne Seen | ir R 
elt zieg” Immer noch fo, wie thn 
eumelburg 
ildert i ing 
ten elle lease ap u iR 
meiſten Nen 
melon elem langen ar, de bis nicht are 


Herybert Menzel: Gedichte der Kamerad⸗ 
ſchaft. Hanſeatiſche Verlagsanſtalt. 


Menzel, der bereits auf ein ftattliches 
Werk verweiſen kann, hat nun einen neuen 
Gedichtband erſcheinen laffen. „Im Marſch 
tritt der SA“ de der letzte — „Gedichte 
der Kameradſcha gaf heißt der neue. Damit 
tft der Weg gezeichnet, den der Dichter geht, 
um die hehrſten T ee: an Ge 
weaung in feinen Gedic 
dieſen Gedichten der SRameradfcaft ver ere 
jedes Lob. Gerecht werden kann ihnen nur 
ein ebenſo ſchlichtes Bekenntnis zu ihnen, 
wie fie ſelbſt das einfachſte und darum ſchöͤn⸗ 
ſtes Bekennen zum fiegenden Geift der un⸗ 
wandelbaren Kameradſchaft find. Sie find 
Beweis dafür, daß nur der wirkliche Dichter 
das ausſagen kann und darf, was uns zu- 
tiefſt berührt. 

Wir danken Herybert Menzel für feine „Ge⸗ 
dichte der Kameradſchaft“. Dieſe Gedichte 
werden, aus einer großen Zeit geboren, mit 
in die Goller Dichtung unſeres neugewor- 
denen Volkes eingehen. A. 


Hauptſchriftleiter: Günter Kaufmann (z. Zt. in Urlaub). 


Wilhelm Utermann. 
Tel. D 2 5841. 


Anſchrift: 


Schriftleitung: Dr. Karl Lapper, Stellvertreter, und 


„Wille und Macht“, Reichsjugendführung, Berlin NW 40, Kronprinzenufer 10. 
Verlag: Deutſcher Jugendverlag G. m. b. H., Berlin W 35, Lützowſtr. 66, Tel. B 2 Lützen 9086. — 


Verantw. für den Anzeigenteil: Kurt Otto Arndt, Berlin. — D.A. I. Vj. 36: 15 433, Auflage dieſes Heftes 

18 000. — Pl. Nr. 5. — Druck: Theodor Abb Buchdruckerei, Berlin SW 68. „Wille und Macht“ ik zu beziehen 

durch den Deutſchen Jugendverlag oder jede deutſche Buchhandlung ſowie durch die Pok. Poſtbezug vierteli. 

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beizulegen, da Nachnahmeſendung zu teuer iſt und diefe Beſtellung ſonſt nicht erledigt werden kann. Naſſen⸗ 
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„Wille und Macht!” 


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Vertragsileferant der RZM. Nr. 15 


Mitte Mai erſcheint: 


Hans Chriſtoph Kaergel 


liner unter Millionen 


Roman 


Hans Chriſtoph Kaergel ſchrieb mit dieſem Amerifa-Roman fein 
erlebnisſtärkſtes Buch. Vor dem Hintergrund der Wolkenkratzer 
New Yorks, inmitten einer pauſenlos abrollenden, meiſterhaft ge 
führten Handlung, die alle Höhen und Tiefen des Erlebens durch- 
läuft, eingehüllt in die Erzählung einer Liebe, die zu den innigſten 
und zarteſten unſerer Dichtung gehört, entwickelt ſich um Martin Windeck, 
den in den Kriſenjahren der Syftemzeit abgebauten Bankbeamten 
aus Waldenburg, ein deutſches Schickſal, wie es Tauſenden und 
aber Tauſenden widerfuhr. Zwar ſchlägt ſich Windeck drüben leidlich 
durchs Leben: heute Tiſchler, morgen Totengräber, dann Stalljunge 
und Milchkutſcher, zwar gibt ihm die Fremde, was ihm die alte Heimat 
für immer zu verweigern ſchien: Arbeit und Leben. Aber er wird 
nicht glücklich dabei. Denn erſt jetzt, erſt hier im fremden Land, im 
Strom der Weltſtadt fühlt er, wie tief er Deutſchland liebt und daß 
er ſich nie von ihm löſen kann, um Amerikaner zu werden. Auto- 
biographiſche Züge ſind dieſem Schickſal mannigſach verflochten. So 
gewinnt dieſes neue Werk des bekannten ſchleſiſchen Erzählers eine 
beſondere Bedeutung als das Lebensbekenntnis eines Mannes, den 
Grenze und Ausland feinem Volkstum gutiefft verwurzeln ließ. 


Pappband RM. 360 7 Ganzleinen RM. 4,80 


Zeitgeſchichte 


Verlag und Vertriebs ⸗Geſellſchaft m. b. H., Berlin W 35 


München 43 2118 
partei Zentral Arch. 
Briennerstr. 


Der KS 


DNN 


Braume Buch-Nin 
Die Buchgemeinſchaft unſerer Zeit 


Die im Braunen Buch -Ning zuſammengeſchloſſenen Männer 
und Frauen ſehen im Buch das wirffamfte Mittel, die national - 
ſozialiſtiſche Weltanſchauung zu vertiefen und das wiedergewonnen 
deutſche Lebensgefühl zu ſtärken. 


Der Braune Buch⸗Ning bringt grundſätzlich nur Erſtveröffent⸗ 
lichungen, alſo keine Nachdrucke und keine Neuauflagen bereits 
erſchienener Werke, und unterſcheidet ſich dadurch von allen 
anderen deutſchen Buchgemeinſchaften. 


Der Braune Buch Ning zählt Sehntaufende deutſcher Volks- 
genoſſen aller Stände und Berufe zu ſeinen Mitgliedern. 


Der Braune Buch ⸗Ning liefert für den geringen Monatsbeitrag 
von nur 1,15 RM. jährlich 4 umfangreiche, wertvolle Bücher 
ſowie 24 Hefte der reich bebilderten Zeitſchrift „Der Braune 
Reiter”. 


Der Braune Buch-Ning nimmt zu jeder Zeit neue Mitglieder 
auf. Ein Eintrittsgeld wird nicht erhoben. 


Auch Ihr Buchhändler beſorgt Ihre Anmeldung. 


An den Braunen Buch⸗Ning 
Berlin W 35, Lützowſtraße 66 


Ich bitte um koſtenloſe und unverbindliche Zuſendung von Druckſchriſten. 
Beruf 

Ort und Tag: 
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Nach Gebrauch zurig —— 
Hauptatchiv der NSC AN 
Abt. Jugendbewegung 


eilt 


führeroesan der nationalſosialiſtiichen Zugend 


Ans dem Subai: 


| Gauleiter Kube / Unsere Hitler- Jug: 


Vor 20 Jahren: Die Seeschlacht am Skagerrak 


Reichsberufsweitkampf und Jugend-Stacha 


| Der Bildhauer Joseph Thorak — Zur philosophischen Grundlinie des Nationalsoz: 
’ Zwölf Nachträge — Heilige für alle Lebenslagen — Die „ germanische Union“ ı 


Balpmonatsicheitt Sen 16 Berlin, den 15. Mai 1026 @hiselbuels 30 Me. 


Unfere Hitlerjugend . . > > t Wilhelm Kube 


Gauleiter der Kurmark 


Reichsberufswettkampf und Jugend⸗Stachanow . . . Dr. 3. Barth | 
Vor 20 Jahren: Die Seeſchlacht am Skagerrak . . Wulf Siewert 
Der Bildhauer Joſeph Thorae .. . Wilhelm Utermann 


Keine Beiträge: 
Zur philoſophiſchen Grundlegung des Nationalſozialismus 


Außenpolitiſche Notizen: 
Zwölf Nachträge 


Heilige für alle Lebenslagen 
Die „germaniſche Union“ droht 


Nandbemerkungen: 
Vom Büchermarkt 
| 


Kunſtdruckbeilage: 4 Plaſtiten des an Joſeph Thorat 
(Foto: Heinrich Hoffmann) 
1 Wachsmuth 


Dil nacht 


SHH vevorsan der nationalſosialiſtiſchen Sugend 


Jahrgang 4 Berlin, 15. Mai 1986 Heft 10 


Wilhelm Kube: f 


Mufeve Sitlerinsend 


Der Empfang der beften Reidsfieger und Reidsfiegerinnen im Berufswett⸗ 
kampf der arbeitenden deutſchen Jugend am 1. Mai durch den Führer zeigt der Welt 
die hohe Bedeutung, die der nationalſozialiſtiſche Staat ſeiner Jugend zuerkennt. 
Jugend ijt Sehnſucht, Mannesalter ift Erfüllung im Menſchenleben. Der beiten 
deutſchen Jugend Sehnſucht war immer wieder des Vaterlandes Freiheit und un- 
anfechtbare Ehre. Es iſt das ſtolze Vorrecht der Jugend, ſich bedenkenlos und 
bedingungslos für ihre Ideale zu opfern. Auch der Mann geht in den Tod: aufrecht 
und gefaßt. Jugend ſtirbt wie bei Langemarck, ſtirbt wie Horſt Weſſel, wie Herbert 
Norkus. Nie wurde unferes Volkes Freiheit ohne den Einſatz der Jugend ge- 
wonnen. Die Freiheitskriege gegen den großen Korſen ſind das beſte Beiſpiel 
hierfür. Gegen zögernde Fürſten ſetzte der Jugend ſtolzer Wille ſich durch. Sieg 
oder Tod! Das war ihre Loſung, die ſie unwiderſtehlich nach vorne riß. Sie ſiegte 
und ſtarb in gleicher aufrechter Haltung. Dabei iſt es das Recht der Jugend zu 
leben und darin ihrem Volke Erfüllung zu bringen. Pflicht der Führung eines 
Volkes und ſeines Staates iſt es, dieſes Lebensrecht der Jugend zu wahren. Von 
dieſer Erkenntnis wahrer Führerpflicht iſt Adolf Hitlers Leben erfüllt. 

Zum erſten Male in der Geſchichte unſeres Volkes nennt ſich die geſamte Jugend 
nach dem Führer der Nation: Hitlerjugend. Das iſt Aufbruch, Verheißung, Ver- 
pflichtung und Erfüllung. 

Es gehört zum Weſen unſeres ſozialiſtiſchen Staates, daß wir nur eine 
arbeitende Jugend kennen. Hier ſteht der junge Induſtriearbeiter neben dem 
Schüler und neben dem Studenten. Hier kämpft der Jungbauer neben dem jungen 
Künſtler, der Jungkaufmann neben Lehrling und Geſellen. And die weibliche Jugend 
des deutſchen Volkes folgt ohne Anterſchied des Berufes dem gleichen Banner. 

Ebenbürtig ſtanden unſere deutſchen Mädchen auch jetzt im Reichsberufswett⸗ 
kampf neben der Jungmannſchaft unſerer Nation, wie ſie mit ihr in dem großen 
Bunde der Hitlerjugend in froher Jugend. und Lebensgeſtaltung ſtehen und wie 


2 - Kube /B Unfere Hitlerjugend 


fie mit ihr fih die Hochziele des Kampfes ſetzen. Denn Leben ift Kampf, ift Ringen 
um Vollendung. Das deutſche Volk kann auf feine Jugend ſtolz fein. Es fann fi 
vor allen Völkern der Welt ſeiner friſchen Jugend freuen. 

Werdet wie Adolf Hitler! Das iſt das Lebensgeſetz aller kommenden 
jungen Generationen unſeres Volkes. And unſere Jugend hat Adolf Hitlers hohes 
und großes Wollen begriffen. 

Anſere Jugend fol wie der Mai unferer Heimat fein: herb, friſch, kräftig, Wort 
und ſtolz und auch wieder lind, anmutig und zart. So iſt der deutſche Mai ein 
rechtes Abbild unſerer Jugend. Fülle und Reife bringt der Sommer, Vollendung 
der Herbſt, Sterben der Winter. Stolzer Adel aber ſoll immer in unſeren 
Seelen ſein. 

Durch Adolf Hitler wurden wir uns unſeres deutſchen Weſens richtig bewußt, 
durch den Führer kamen wir zur Erkenntnis unſerer Art. Nun ſollen wir dieſer 
Erkenntnis in der Ordnung unſeres Volkes Ausdruck geben, und unſeres Volksſtaates 
Geſetze ſollen unſeres inneren Weſens Prägung künden. 

Deutſchbewußte Jugend wächſt in dieſen Jahren und Jahrzehnten heran. Adolf 
Hitler hat den Grundſatz verkündet, daß Jugend nur von Jugend geführt 
werden kann. Damit hat der Führer das Grundgeſetz der Hitlerjugend auf⸗ 
geſtellt. In die inneren Angelegenheiten der Hitlerjugend 
hat ſich nach dem Willen des Führers niemand einzumiſchen. 
Denn da die geſamte Führung aller Gliederungen der 
Hitlerjugend eindeutig nationalſozialiſtiſch iſt, kann 
niemand behaupten, er habe gewiſſermaßen die „Er- 
ziehung“ der Hitlerjugend zu überwachen, da die Jugend 
dieſer Aufſicht benötige. Die Hitlerjugend iſt das grundlegende und 
richtungweiſende kameradſchaftliche Erlebnis des jungen deutſchen Menſchen. Wer 
ſich von ihm ausſchließt oder wer von ihm wegen Verſagens ausgeſchloſſen wird, 
ſtellt ſich außerhalb der Gemeinſchaft der Nation. Hier errichten wir die erſten 
uneinnehmbaren Siegfriedsſtellungen gegen Hochmut, Klaſſenhaß und Standesdünkel, 
gegen Aeberheblichkeit und Minderwertigkeit. — In die Hitlerjugend ge- 
hört die Tochter des Miniſters ebenſo hinein wie die 
Fabrikarbeiterin. In ihr marſchiert der Sohn des Kum 
pels neben den Söhnen des Generals, des Bauern, des 
hohen Beamten und des Kaufherrn. 

Daneben haben Schule, Arbeitsdienſt und Armee ihre großen Erziehungs⸗ 
aufgaben an der deutſchen Jugend. Wie bei einer guten Maſchine greift 
ein Rad in das andere. Harmonie und gleicher Rhythmus ſind die unentbehrlichen 
Grundgeſetze. Keine dieſer Einrichtungen des nationalſozialiſtiſchen Dritten Reiches 
ſteht im Gegenſatz zu den anderen. Denn der gleiche Geiſt beherrſcht ſie alle. Keine 
iſt Selbſtzweck, alle dienen dem gleichen Ziele: Deutſchlands Glück, Größe und Glanz. 
Das Preußen Friedrich Wilhelms des Erſten und Friedrichs des Großen beſaß 
eine harte Größe, die in dem leuchtenden Glanze von Potsdam ausſtrahlte. Das 
Deutſchland unſerer Jugend bevorzugte den Glanz auf Koſten feiner inneren Größe. 


Kube | Anſere Hitlerjugend 3 


Diefe Größe fam erft im Auguft 1914 durch die unzerſtörbare innere Anſtändigkeit 
unſeres Volkes der Welt wieder zum Bewußtſein. Die Republik von Weimar 
hatte weder Glanz noch Größe. Sie hatte nur Not und Nacht, Anehre und Schande. 

Vor der Machtübernahme machte jeder in Deutſchland, was er wollte. Im 
Deutſchland Adolf Hitlers tut jeder, was ihm das deutſche Lebensgeſetz, der National. 
ſozialismus, vorſchreibt. So ſoll auch die Schule nicht mehr der Tummelplatz 
hemmungsloſer Weltbeglücker und eitler Tyrannen und Narren, fondern ein edles 
Werkzeug des nationalſozialiſtiſchen Deutſchlands ſein. Natürlich haben wir im erſten 
Jahrzehnt und vielleicht noch darüber hinaus mit manchen Hemmungen aus dem 
liberaliſtiſchen Zeitalter zu rechnen. Aber damit werden wir fertig werden, wie 
wir unter Adolf Hitlers Führung bisher noch mit allen Widerſtänden fertig ge⸗ 
worden find. Es iſt geradezu lächerlich, zu glauben, irgendein reaktionärer oder 
liberaliſtiſcher „Pädagoge“ könnte den Siegesmarſch des Nationalſozialismus auf- 
halten. Das kommt gar nicht in Frage! „And durch unſere Fäuſte fällt, wer ſich uns 
entgegenſtellt!“ Die Fäuſte ſind wir: die Alte Garde und die jungen Kämpfer. Wir 
haben bisher immer noch Deutſchlands und des Führers Sache ſelbſt vertreten. 

Die ſo notwendige Neugeſtaltung des deutſchen Schulweſens in Stoff und 
Lehrplan im nationalſozialiſtiſchen Geiſte iſt im Anmarſch. Hier iſt weiſe Vor⸗ 
bereitung, tieſgründige Aeberlegung beſonders vonnöten. Denn für uns iſt die 
Schule kein Experimentierſtück, wie fie es in den Jahrzehnten vor der Machtüber⸗ 
nahme zu ihrem Schaden geweſen iſt. Die Schulerziehung eines Volkes muß mit 
der Weltanſchauung, die ſeinen Staat ſchuf, in engſtem Einvernehmen ſtehen. Grund- 
lage des nationalſozialiſtiſchen Deutſchlands iſt der Nationalſozialismus allein und 
ausſchließlich; daher iſt der Nationalſozialismus auch allein und ausſchließlich 
Grundlage der ſchuliſchen Erziehung der geſamten deutſchen Jugend. Das 
nationalſozialiſtiſche Deutſchland kann fih von keine r Seite in diefe Schulerziehung 
hineinreden laſſen. Es iſt auch nicht in der Lage, bei der Löſung dieſer Aufgabe 
irgendwelche Bevormundung, Kontrolle oder Aufſicht zu geſtatten oder zu ertragen, 
am allerwenigſten von ſeiten politifierender kirchlicher Richtungen. 

Die Hitlerjugend ſteht nach der Machtübernahme nicht im Gegenſatz zur national- 
ſozialiſtiſchen Schule, wohlgemerkt zur nationalſozialiſtiſchen Schule. 
Aber die Schule iſt für uns ebenſowenig Selbſtzweck wie irgendeine andere ſtaatliche 
Einrichtung. Die deutſche Jugend iſt nicht der Schule wegen da, ſondern die Schule 
iſt der deutſchen Jugend wegen da. 

Genau ſo iſt das Verhältnis zwiſchen Jugend und Wirtſchaft. Auch darin 
unterſcheidet ſich der nationalſozialiſtiſche Staat von den früheren ſtaatlichen Er⸗ 
ſcheinungsformen, daß er die Wirtſchaft dazu erzogen hat, in der lernenden Jung- 
arbeiterſchaft wertvollſtes Volksgut zu ſehen und nicht wohlfeile Arbeitskräfte zur 
Ausnutzung der jungen, im Wachstum befindlichen Kräfte zugunſten geſteigerter 
Erträgniſſe und Dividenden. — Den Mancheſterliberalismus und 
das ſogenannte Scharfmachertum lehnen wir rückſichtslos 
ab. Aus unſerer Jugend ſoll kein verkümmertes und verelendetes Proletariertum 
werden, ſondern ein ſtolzes und aufrechtes, freies und hochgemutes deutſches Arbeiter- 


4 . Kube / Unfere Hitlerjugend 


tum! Aufrechte, ftolge und trogige Menſchen braucht das natjonalſozialiſtiſche 
Deutſchland in ſeinem Arbeitertum. Frohe Mütter und freudige Väter ſollen freie, 
frohe und freudige Kinder haben. Hier find die Deutſche Arbeits 
front und der Reichsnährſtand der ſtarke Schirmherr 
der ſchaffenden deutſchen Jugend. Selbſtverſtändlich iſt es, daß 
die deutſche Jugend in Schule und Arbeit das Beſte leiſten ſoll; denn unſer Volk 
fol für immer das befte Volk der Erde an Tatkraft und Tüchtigkeit fein! Daß fich 
die deutſche Jugend feit der Machtübernahme in einem unaufhaltſamen Veredelungs⸗ 
prozeß befindet, zeigen von Jahr zu Jahr mehr die Ergebniſſe der Reichs 
berufswettkämpfe. And die Leiſtungen unſerer Beſten, der Reichsſieger 
von heute, ſollen Durchſchnittsleiſtungen der kommenden Jahrgänge werden. Hoch 
ſetzen wir das Ziel unſerer Jugend, weil hochgemut unſer Planen, Leiſten und Wollen 
it! — Dabei lehnen wir das einpeitſchende Stachanow⸗ 
unweſen des verbrecheriſchen und abgrunddummen Borl. 
ſchewismus ab. Es hat mit deutſcher Art nichts gemein. Freude am 
eigenen Erfolg, Stolz auf die eigene Ceiftung folen unſerer Jugend 
lachende Herzen erfüllen. So ſchaffen wir das deutſche Volk der ewigen Zukunft 
bewußt und planvoll. Der Geſelle muß mehr können als der Lehrling und der 
Meiſter muß den Geſellen übertreffen. Lernen ſoll die deutſche Jugend, 
eiſern lernen. Aber den Geſang der Maſchinen ſoll der Geſang derer über⸗ 
tönen, die Herren der Maſchinen durch Wiſſen und Können geworden find. Das ift 
deutſcher Sozialismus der Tat. Wir wollen Herren ſein, nicht 
Sklaven; Herren auch im Werkgewande. 

Arbeitsdienſt und Wehrmacht vollenden das Erziehungswerk und den Aus- 
reifungsprozeß des deutſchen Mannes. Das deutſche Heer macht den jungen Mann, 
der ſein Werkzeug beherrſcht, der ſein Wiſſen feſtigte, zum Meiſter der Waffe, ohne 
die es freie Männer und freie Nationen nie gegeben hat und nie geben wird. Adolf 
Hitler gab ſeinem Volke im Wehrdienſt das Beſte, was er ihm geben konnte. Der 
durch Hitlerjugend, Reichsarbeitsdienſt und Wehrpflicht geſtählte Körper und 
geſchulte Geiſt prägt den Typ des deutſchen Menſchen. So gibt die deutſche Nation 
ihren Söhnen die Waffen und Werkzeuge, um das Leben zu meiſtern. 

And die jungen Deutſchen, die ſo unter den Geſetzen des nationalſozialiſtiſchen 
Reiches heranwachſen, werden von ihren Kindern nicht weniger verlangen, als von 
ihnen verlangt worden ift. Denn fie- haben den Segen der Härte unſerer Welt- 
anſchauung erkannt, und ſie wiſſen, daß nur harte Völker den von Gott geſetzten 
Preis der Freiheit erringen, bewahren und behaupten. 

Aber auch das Führerkorps des kommenden Deutſchlands iſt uns dadurch geſichert. 
Mit Recht verlangt die Partei vom Führernachwuchs die Ableiſtung des Dienſtes 
in Hitlerjugend, Arbeitsdienſt und Armee. Damit das Githrerforps des ewigen 
Deutſchlands aber auch immer volksverbunden bleibe, muß es auch immer mit der 
Arbeit des Volkes verbunden ſein. „Im Volke geboren, erſtand uns der Führer!“ 
Volk fordert Arbeit, Leiſtung, Pflicht und Dienen. And aus Dienen, Pflicht, 
Leiſtung und Arbeit wachſen Freude und Lebensbejahung. 


Barth | Reigsberufswettlampf und Gugend-Stadanow 5 


Dr. J. Barth: 


Neichsberufswertkampf und 
Jugend GStachauoto 


Mitte 1935 wurde aus der Sowjetunion gemeldet, daß ein Werkarbeiter des 
Donezgebietes, Stachanow, mit einem Preßlufthammer in einer 6-Gtunden- 
ſchicht 102 Tonnen Kohlen gefördert habe. Gleichzeitig vernahm man von 
einer Propagandawelle durch die ganze Sowjetunion, die den Namen 
Stachanow zum Begriff, feine einmalige Rekordleiſtung zur 
allgemeinen Norm erheben wollte. Mitte November 1935 fand dann in 
Moskau bereits der erſte Stachan ow Kongreß ftatt, auf dem man von einem 
Arbeiter namens Stepanenkow hörte, der ſogar 552 Tonnen in derſelben Zeit 
geſchafft haben ſoll, von einer Baumwollweberin, die es fertig gebracht habe, 
100 Webſtühle gleichzeitig zu bedienen, wo ſelbſt die Japaner, bisher die unerreichten 
Meiſter auf dem Gebiete äußerſter Arbeitsausnützung, es nur auf 30 bis 40 Web- 
ſtühle bringen, und von zahlreichen anderen ähnlichen Rekordleiſtungen auch in vielen 
anderen Zweigen der Produktion. 

Kurz nach dem Auftauchen der erſten derartigen Meldungen und gleichzeitig 
mit den Berichten über den Stachanow⸗Kongreß erſchienen dann in den Sowjet- 
blättern auch andere, unſcheinbar aufgemachte und gleichſam in die Ecke geſtellte 
Nachrichten, aus denen hervorging, daß etwa in einem Schacht des Bergwerkes 
Tſcherenchowo ein Hauer erſchoſſen aufgefunden wurde, in einem Großbetrieb 
in Gorki einem Arbeiter 60 Meſſerſtiche verſetzt wurden, in Stalino ein Steiger 
ermordet wurde, wobei als einzige Erklärung ſtets angegeben war, daß es ſich um 
einen führenden Stachanow⸗ Mann handelte, der einem Mord: 
anſchlag zum Opfer gefallen ſei. Kurz darauf wieder vernahm man 
Reden höchſter Sowjetfunktionäre mit drohenden Ausfällen gegen die „Sabo ; 
teure“ der großen Stachanow Idee und Bewegung und 
ſchärfſte Gerichtsurteile gegen ſolche „Saboteure“ vor den 
Sowjetgerichten, woraus man mit einigem Scharfſinn ſchließen kann, daß erſtens 
die Stahanow- Methode zumindeſt von einem Teil der ruffi- 
ſchen Arbeiterſchaft als Einpeitſcher- und Antreiberſyſtem 
ohnegleichen empfunden und bis zu Mord und Totſchlag gehaßt wird, und 
daß zweitens alle die, die aus irgendeinem Grunde nicht mitmachen oder mitkommen 
können, als „Saboteure“ verſchrien und — es gibt bekanntlich in Sowjetrußland 
nichts Gefährlicheres, denn als ſolcher verfemt zu werden! — auf dieſe Weiſe unter 
einen furchtbaren Druck des Sowjetſyſtems geſetzt werden. 

Ohne hier weiter auf die Frage des Wahrheitsgehaltes der gemeldeten 
Stachanow. Rekorde näher einzugehen — erfahrene Bergleute der Ruhr und Ober- 
ſchleſiens erklärten die gemeldeten Schichtenerfolgsziffern von 102 bzw. gar 
552 Tonnen Kohle als aufgelegten Schwindel, da ſie in derſelben Zeit an der Ruhr 
ſelbſt bei ſchärfſter Anſpannung nur 1,5 bis 7 Tonnen, in Oberſchleſien 6 bis 


6 Barth | Reichsberufswettkampf und Gugend-Stadhanow 


15 Tonnen fördern könnten und die behauptete Tagesleiſtung Stepanenkos nicht 
weniger als 25 Güterwagen betrage! —, wollen wir hier nur feſthalten, daß hier im 
Prinzip Einzelleiſtungen einzelner beſonders hochwertiger und ausgeruhter Arbeits- 
kräfte, unter beſonders günſtigen Amſtänden erzielt, als unbedingt zu erreichende 
und auf die Dauer zu haltende Norm für die Geſamtheit aufgeſtellt und mit dem 
lebensbedrohenden Druckmittel der Verfemung als Saboteur erzwungen werden 
ſollen. 


Es ift ohne weiteres klar, daß ein ſolches Antreiber und Schinderſyſtem auf 
die geſamte übrige Arbeiterſchaft von den verheerendſten Folgen begleitet ſein muß, 
die wieder eine Verzweiflungsſtimmung erzeugen müſſen, die durch die eingangs 
erwähnten Straftaten in ihrem Grade beleuchtet wird. Am wieviel furchtbarer aber 
müſſen dieſe Folgen ſich auf Körper und Geiſt der Jungarbeiter auswirken, falls das 
Stachanow⸗Syſtem tatſächlich auch auf fle übertragen werden follte! Dies ift auch 
wirklich geſchehen und ſchon ſeit längerer Zeit wird in der ganzen 
Sowjetunion mit der üblichen äußeren Großzügigkeit ein 
„Stachanow der Jugend“ propagiert und aufgezogen! In der 
Moskauer „Deutſchen Sentralgcitung’ Nr. 81 vom 8. 4. 1936 Tefen wir hierüber: 
„Was die führenden Arbeiter tun, ſoll auch Gemeingut der geſamten Arbeiterjugend 
werden, und der Komſomol ſtellt ſich die Aufgabe, die Jugend an Hand der Vorbilder 
der ſozialiſtiſchen Arbeit zu belehren.“ — Es werden auch bereits Beiſpiele von 
Leiſtungen der Jugend⸗Stachanow- Bewegung mitgeteilt. So 
hat etwa der Junggenoſſe Pa ftu dow in der Schuhfabrik in Odeſſa in 7 Stunden 
an der Zwickmaſchine 3280 Paar Schuhe bearbeitet und damit einen neuen Welt- 
rekord aufgeſtellt; in der Marxſtätter Motorenfabrik „Kommuniſt“ haben die 
Komſomolzen Henning, Rößner und Beilmann bei Arbeit in Gasmasken 
ihre Schichtnorm zu 301 und 240 Prozent erfüllt, der Jungarbeiter Pa b ft fogar 
zu 660 Prozent; die Komſomolzen Machnowſki und Mudriek in der Kollektiv⸗ 
wirtſchaft „Molodoj Gorniak“, Rajon Teofipol, beſäten je 13 Hektar am Tage und 
erſüllten damit ihre Norm zu 270 Prozent uſw. („Za Induſtrialiſacziju“, Nr. 87 v. 
11. April 1936.) 


Es ift nun vielleicht nichts fo lehrreich als die nackte Gegenüber- 
ſtellung dieſer „Leiſtungen“ mit Aufgaben des Reichsberufswettkampfes. 
Etwa mit denen der drei Reichsſieger der Gruppe Nährſtand, die zum Führer 
kommen durften. Marianne Heing mußte Bruteier ausſuchen und verfaufs- 
fertig packen, 2 Zentner Kartoffel einſacken und nach den Vorſchriften der Markt⸗ 
ordnung verpacken und endlich ein Kinderkleid nähen. Gleichrangig daneben ſtanden 
die Aufgaben der ſportlichen und weltanſchaulichen Leiſtungsprüfung, von denen 
beſonders das Thema des Aufſatzes „Die Aufgaben der Bäuerin in der Erzeugungs— 
ſchlacht“ bezeichnend iſt. Otto Linſenmaier mußte eine Weinbergſpritze aus- 
einandernehmen und möglichſt ſchnell einen Schaden beheben, außerdem Reden- 
aufgaben machen und einen Aufſatz ausarbeiten über das Thema „Was die Arbeit 


Barth | Reihsberufswettfampf und Jugend- Stachano w 7 


des Winzers erſchwert“. Hans Buſch aus der Fachgruppe Törſter mußte ein 
Gebiet zur Durchforſtung freigeben, den Feſtgehalt eines ſtehenden Baumes mit 
Höhenmeſſer und Schieblehre berechnen, 5 Schuß ſtehend freihändig ſchießen. 


Der Gegenſatz, der bei dieſem Vergleich als erſter in die 
Augen ſpringt, iff der zwiſchen reiner Quantitäts und wohl 
abgewogener Qualitätsarbeit. Für Stachanow und Jugend ⸗Stachanow 
ſcheint das hypnotiſierte Hinſtarren auf die möglichſt große Rekordzahl charakteriſtiſch, 
wobei die Qualität der Arbeit im allgemeinen kaum einer Beachtung gewürdigt wird. 
(Beſtätigung hierfür find auch die neuen beweglichen Klagen der Sowjetblätter über 
das kataſtrophale Aeberhandnehmen von Bruch- und Aus ſchußwaren!l˖) Der 
deutſche Reichsberufswettkampf ſieht im Gegenſatz dazu ſeinen Ehrgeiz darin, 
ſaubere Qualitätsarbeit an Stelle der Maſſenarbeit zu ſetzen. 
Dies in der Blickrichtung des Arbeitsobjektes. In jener des Jungarbeiters aber 
nimmt der RBWe fein Maß und fein Ziel nicht von unter zufällig beſonders 
günſtigen Amſtänden durch ausgeruhte Akrobaten, Virtuoſen und Athleten erzielten 
Spitzenleiſtungen, nicht von einem im Grunde antiſozialen beruflichen Spezialiſten⸗ 
und Strebertum, ſondern vom guten Durchſchnitt, deffen Fähigkeits⸗ und Leiſtungs⸗ 
ſteigerung er zum Inhalt ſeiner Aufgabe und zum Ethos ſeines Gemeinſchaftswillens 
erhebt. Dies kommt allein auch ſchon in der Form der beiden Wettbewerbe klar 
zum Ausdruck. Dort forcierte Stückarbeit nach kraſſeſten individualiſtiſchen Gefichts- 
punkten und ſchärfſten kapitaliſtiſchen Methoden, nach vorgeleiſteten Rekorden, hier 
nicht vorgeſetzte Erfolgsziffern, ſondern geſtellte Aufgaben, 
deren Löſungsmöglichkeit für die Wettbewerbsteilnehmer im großen Durchſchnitt 
gegeben iſt, ſo daß der Kampf viel weniger um die zahlenmäßige Erfolgshöhe, als 
um die innere Güte der Ausführung des Erzeugniſſes oder der Beſorgung geführt 
wird. Durch den Reichsberufs wettkampf wird daher auch nie- 
mand zu Tode geſchunden und zu Verzweiflungsakten ge- 
trieben. Jeder kann mitkommen, und keiner, der nicht mitmacht oder dem es nicht 
gelingt, in die Reihe der Sieger aufzurücken, braucht darob zu befürchten, als 
„Saboteur“ vor der Gemeinſchaft bloßgeſtellt, in die Verbannung geſchickt oder dem 
Scharfrichter übergeben zu werden. Aeberhaupt ift dem RBW das Mittel des 
Terrors völlig fremd, da er ja nicht, wie Stachanow, von außerjugendlichen Ele- 
menten in die deutſche Jugend hineingetragen und ihr aufgedrängt wurde, ſondern 
aus ihr ſelber hervorgegangen iſt als eine, wie ſein Schöpfer und Organiſator, 
Obergebietsführer Axmann, wiederholt erklärt hat, freiwillige, von ſportlichen 
Gedanken getragene Aktion. 


Im Jugend ⸗Stachanow wird neueſtens das Streben ſichtbar, fih nicht nur mit 
der unvorbereiteten und einſeitigen Zufallsſpitzenleiſtung einzelner zufriedenzugeben, 
ſondern auch zu einer allſeitig entwickelten beruflichen, weltanſchaulichen und körper— 
lichen Schulung und Erziehung vorzudringen, wie es im Programm des 
letzten Komſomolzenkongreſſes wenigſtens ſo ſchön zu leſen ſteht. 


8 Siewert / Die Seeſchlacht am Skagerrak 


Selbſt dann aber, wenn dieſes Programm vom Papier in die Wirklichkeit über⸗ 
fiedelt und das Ergebnis dem deutſchen Vorbild einer umfaſſenden Berufsprüfung, 
Berufsausbildung und Hebung des Geſamtleiſtungsniveaus der nachwachſenden 
Generation nahekommen ſollte, verbleibt immer noch der alte grundſätzliche Gegenſatz 
zum RBWR aus der Entſtehungsgeſchichte: 

Der Gegenſatz von individuellem NRekordwahn, primitiver Quantitätsvergötzung 

und gewaltſamer Einpeitſchung von oben gegenüber dem Geſamtleiſtungsprinzip 

einer wahrhaft ſozialiſtiſchen Zuſammenarbeit zum hohen Durchſchnitt und 

gediegener Qualitätsgefinnung einer von der Jugend ſelbſt geſchaffenen und 
getragenen Altion. 

Im Letzten eine Gegenüberſtellung, die wieder einmal die Oberflächlichkeit und 
Aeußerlichkeit jüdiſch⸗marxiſtiſchen Geiſtes und das Streben nach Innerlichkeit und 
Tiefe deutſchen Geiſtes offenbar werden läßt. 


Wulf Siewert: 
Dov 26 Sabsen: 


Die Geeſchlacht am Gkagerral 
am 31. Mai 1916 


Wenn wir heute den Blick zurückwenden zu der Zeit, als die größte Seeſchlacht 
der Weltgeſchichte geſchlagen wurde, dann tun wir es nicht aus bitteren Gefühlen, 
ſondern um uns klar zu werden über das ungeheure Geſchehen, deſſen Zeuge wir oder 
unſere Väter waren. Denn es iſt wichtig, daß das Wiſſen um die Bedingungen der 
Seemacht in der deutſchen Jugend nicht verloren geht in einer Zeit zwangsläufiger 
Konzentrierung auf kontinentale innereuropäiſche Probleme. 


Wie es zur Schlacht kam — 


Im Laufe der erſten Kriegsjahre war die ſeeſtrategiſche Lage in der Nordſee 
immer ungünſtiger für Deutſchland geworden. Die engliſche Schlachtflotte übte von 
ihrem hoch im Norden gelegenen Stützpunkt Scapa Flow eine wirkſame Fernblockade 
aus, die den deutſchen Seehandel mit den Weltmeeren völlig erdroſſelte. Infolge der 
beiderſeitigen Zurückhaltung war es bislang zu keiner Entſcheidungsſchlacht zur See 
gekommen. Die deutſche Regierung wollte eine Schlacht nur unter günſtigſten Bedin 
gungen annehmen laſſen und die Flotte möglichſt unbeſchädigt bis zum Frieden in 
der Hand behalten. Bei dieſer Auffaſſung konnte eine günſtige Wendung der Lage 
nicht eintreten. Im Januar 1916 übernahm Admiral Scheer an Stelle des ſchwer er⸗ 
krankten Admirals von Pohl das Kommando der deutſchen Hochſeeflotte. Womiral 
Scheer ſetzte es durch, daß ihm die politiſche Leitung für ſeine militäriſchen Ent- 
ſchlüſſe die nötige Handlungsfreiheit ließ. Er wollte möglichſt nur mit Teilen der 
britiſchen Schlachtflotte zuſammentreffen, aber er ſcheute auch nicht den Kampf mit 


Siewert / Die Seeſchlacht am Skagerrak 9 


der geſamten, an Zahl hoch überlegenen Grand Fleet. Am den Feind zur Schlacht zu 
ſtellen, entſchloß man ſich, mit der ganzen Flotte zum Skagerrak vorzuſtoßen und dort 
die feindliche Handelsſchiffahrt zu ſtören. 

Aber auch auf engliſcher Seite war der Wunſch nach einer Offenſive zur See 
lebhafter geworden. Durch die Beſchießung von Loweſtoft war die öffentliche Mei- 
nung in England derartig erregt, daß fie von der Flotte eine Aktion forderte. On, 
miral Jellicoe plante für den 2. Juni einen Vorſtoß der engliſchen Seeſtreitkräfte in 
das Skagerrak bis zu den Belten, um die deutſche Flotte zum Auslaufen zu veran⸗ 
laffen. Man fieht, wie fih die Operationspläne beider Flottenführer überkreuzten. 


Der Aufmarsch 


Am 31. Mai lief die deutſche Hochſeeflotte um 2 Ahr morgens aus Jade und 
Weber aus. Die Marſchformation war jo gewählt, daß die deutſchen Aufklärungs- 
ſchiffe unter Vizeadmiral von 
Hipper mit den Schlachtkreuzern 7 
und einigen leichten Geeftreit- Zu 1 
kräften als Aufklärungsgruppe 
einige Seemeilen vor dem Gros RER 


der Linienſchiffe des Flottenchefs 
Admiral Scheer herfuhren. Die 
deutſche Hochſeeflotte ſetzte ſich 
alfo zuſammen aus den 5 moder- 
nen Schlachtkreuzern Hippers, 15 
modernen Großkampflinienſchiffen 
und 7 älteren Linienſchiffen, um- 
geben von einer Anzahl Kleiner 
Kreuzer und 62 Torpedobooten. 
Die Geſamtſtärke der Beſatzung 
betrug etwa 45 000 Mann. 

Durch eine geſchickte Täuſchung 
der Funkfignale, die die FI-Sta- 
tion der Wilhelmshavener Mole 


vornahm, konnte der Eindruck er, 


wedt werden, als ob das Flotten- 
flaggſchiff „Friedrich der Große“ 
mit den Linienſchiſffſen noch im 
Hafen lägen, ſo daß die Eng⸗ 
länder glaubten, nur mit Teilen 
der Hochſeeflotte in Berührung 
zu kommen. 

Während alſo die engliſche 
Flotte bereits mit den Vorberei- 


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Der Aufmarſch der feindlichen Flotten am Skagerrak 
Gi 31. Mai 1916. S 


10 Siewert / Die Seeſchlacht am Skagerrak 


tungen für ihre Anternehmung beſchäftigt war, „wurde der engliſchen Admiralität 
am 30. Mai, um 6 Ahr nachmittags, bekannt, daß alle Verbände der deutſchen Hod- 
ſeeflotte ein offenbar beſonders wichtiges, ganz geheimes Operationsfignal erhalten 
hätten. Dies konnte zwar nicht näher gedeutet werden, ließ aber keinen Zweifel 
mehr, daß größere Begegnungen unmittelbar bevorſtanden“. Am ſelben Tage, um 
6 Ahr 40 Minuten nachmittags, erging bereits von der britiſchen Admiralität der 
Befehl an die Admirale Jellicoe und Beatty, ihre Streitkräfte 100 Seemeilen öſtlich 
von Aberdeen zu konzentrieren. Auch diesmal hatte alſo die engliſche Admiralität, 
wie fo oft, rechtzeitig über ihr ausgedehntes und ausgezeichnet arbeitendes Spionage 
netz Nachrichten über die deutſchen Flottenbewegungen erhalten. Kein Zweifel, man 
wollte diesmal auf beiden Seiten zur Schlacht kommen. 

Der britiſche Aufmarſch vollzog ſich in einer ähnlichen Einteilung, in zwei 
Gruppen, wie der deutſche. Bereits um 11 Ahr 30 Minuten nachts des 30. Mai ver⸗ 
ließen die Verbände der Grand Fleet in 3 Kolonnen ihre Stützpunkte. Von Scapa 
Flow aus marſchierte Admiral Jellicoe mit 16 Großkampflinienſchifſen, 3 Schlacht ⸗ 
kreuzern und einigen leichten Seeſtreitkräften, von Cromarty aus Admiral Serram 
mit 8 Großkampfſchiffen und den dazugehörigen leichten Kräften, und ſchließlich von 
Nofyth aus Admiral Beatty mit 6 Schlachtkreuzern, dem ſchnellen fünften Schlacht 
geſchwader mit den 4 ſtärkſten Linienſchiffen und andern Aufklärungsſtreitkräften. 
Admiral Beatty hatte, ähnlich wie Hipper, den Auftrag, die Aufklärung durchzuführen 
und fuhr deshalb einen ſüdlicheren Kurs als die Schlachtflotte. 

Die Geſamtſtärke der Beſatzung betrug auf der engliſchen Flotte etwa 
60 000 Mann. Sowohl an Größe wie auch an Zahl und Kaliber war die engliſche 
Flotte der deutſchen hoch überlegen. Jellicoe verfügte am 31. Mai über 37 Grof- 
kampfſchiffe, Scheer nur über 20. Die Kaliberſtärken waren auf engliſcher Seite 
durchweg größer. Dort ſtanden 344 ſchwere Geſchütze mit 38,1 Zentimeter, 34,3 Benti- 
meter und 30,5 Zentimeter 244 ſchweren Geſchützen mit 30,5 Zentimeter und 28 Benti- 
meter der deutſchen Flotte gegenüber. U-Boote waren unmittelbar an der Schlacht 
nicht beteiligt. 


Das Gefecht der Schlachtkreuzer 


Die erſte Gefechtsberührung der beiderſeitigen leichten Seeſtreitkräfte entſtand 
um 3 Ahr nachmittags durch einen an ſich unweſentlichen Vorgang. Der kleine 
Kreuzer „Elbing“ unterſuchte einen däniſchen Frachtdampfer, der gleichzeitig von 
engliſchen Kreuzern geſichtet worden war. Aus dem hieraus entſtehenden Gefecht 
entwickelte ſich allmählich das Treffen der Schlachtkreuzer. Angefähr um 4 Ahr 
20 Minuten nachmittags kamen ſich die beiden Schlachtkreuzergruppen in Sicht. Auf 
allen deutſchen und engliſchen Schiffen wurde ſofort „Klar Schiff zum Gefecht“ an- 
geſchlagen und mit fieberhafter Spannung der Befehl zum Feuereröſfnen erwartet. 

Beide Schlachtkreuzerverbände raſten mit hoher Fahrt nach Südoſten, da Hipper 
den erfolgreichen Verſuch unternahm, ſeinen Gegner auf die deutſchen Linienſchiffe zu 
ziehen. Der Abſtand verringerte ſich allmählich, ſo daß um 4 Ahr 48 Minuten auf 


Siewert / Die Seeſchlacht am Skagerrak 11 


dem Flaggſchiff des Admiral von Hipper, „Lützow“, endlich das erlöſende Signal 
„Feuer eröffnen! Feuerverteilung von links!“ hochgehen konnte. „Lützow“ eröffnete 
auf eine Entfernung von 154 hm (15,4 km) das Feuer mit ſeiner ſchweren Artillerie. 
Ein ohrenbetäubendes Krachen begann. Alle 7 Sekunden feuerten die Schlachtkreuzer 
eine Salve, dicker Pulverqualm ballte ſich über den Schiffen zuſammen, haushohe 
Rauchwolken der Einſchläge hüllten Kommandotürme und Artillerieleitſtände ein. 
Eine halbe Minute nach dem Eröffnen des deutſchen Feuers begann auch die britiſche 
Linie zu feuern. Das britiſche Feuer war zunächſt langſam und unfider wegen der 
ungünſtigen Sichtigkeitsverhältniſſe, während das deutſche Feuer von Anſang an 
gute Wirkung erzielte, da ſich die britiſchen Schiffe gut vom hellen Horizont abhoben. 
Anſere Aufſchläge verurſachten Waſſerſäulen, die etwa 80—100 Meter hoch waren. 
Das amtliche Werk des Marinearchivs ſagt darüber folgendes: 


„Die 1. Artillerieoffiziere der deutſchen Schlachtkreuzer, die Korvettenkapitäne 
Paſchen, von Haſe, Kapitänleutnants Foerſter, Schirmacher und Korvettenkapitän 
Mahrholz, erzielten ſchon bald nach dem Einſchießen eine entſchiedene Feuerüber⸗ 
legenheit über ihre Gegner. Binnen 1—2 Minuten verſchwanden die britiſchen 
Schlachtkreuzer bereits vollftändig in den gewaltigen Waſſerſäulen der rings um fie 
einſchlagenden und krepierenden deutſchen Granaten. Schon nach den erſten Salven 
werden um 4 Ahr 51 Minuten „Lion“ und „Princeß Royal“ je zweimal, „Tiger“ 
viermal getroffen.“ 

Die Artillerieſchlacht erreichte jetzt ihren Höhepunkt. Am 5 Ahr 3 Minuten er- 
eignete ſich auf dem britiſchen Schlachtkreuzer „Indefatigable“, der unter dem Feuer 
der „Von der Tann“ lag, eine ungeheure Exploſion, worauf das Schiff ſofort über 
das Achterſchiff zu finden begann. Mit 57 Offizieren und 960 Mann ging dieſer 
große und gewaltige Schlachtkreuzer in die Tiefe. Bei der unerhörten Konzentration 
auf die Gefechtstätigkeit wurde der Antergang der „Indefatigable“ von den andern 
Schiffen kaum bemerkt. 


Während Admiral von Hipper von 5 Ahr an, um dem Gegner an der Klinge zu 
bleiben, mit erhöhter Fahrt an den Feind heranſteuerte, fand dieſer eine unerwartete 
Anterſtützung. Das 5. britiſche Schlachtgeſchwader unter dem Konteradmiral Evan 
Thomas, das die neueſten und fdnellften Linienſchiffe der britiſchen Flotte enthielt, 
eröffnete aus feinen überlegenen 38-Sentimeter-Gefdiigen das Feuer auf die deut- 
ſchen Schiffe. Bald find die deutſchen Schlußſchiffe einem wahren Trommelfeuer 
ſchwerſter Artillerie ausgeſetzt. Der deutſche Schlachtkreuzer „Moltke“ wird ſchwer 
getroffen. Die Entfernungen zwiſchen den kämpfenden Verbänden nehmen ſchnell ab. 
Die Feuertätigkeit ſteigert fih auf beiden Seiten zu einer unerhörten Intenſität. 
Etwa um 5 Ahr 26 Minuten ereignete fih die zweite Kataſtrophe. Das 28 000 Ton- 
nen große engliſche Schlachtſchiff „Queen Mary“, das unter dem Feuer von „Seyd⸗ 
litz“ und „Derfflinger“ lag, flog mit der geſamten Beſatzung in die Luft. Nur eine 
700 Meter hohe Rauchſäule zeigte die Stelle an, wo fie gefahren war. „Alles, was 
von „Queen Mary“ übrigblieb, war eine rieſige, wie eine Pinie ſich nach oben erwei⸗ 
ternde Rauchwolke, welche noch lange am Himmel ſtand und den Schlußſchiffen der 


12 Siewert / Die Seeſchlacht am Skagerrak 


britiſchen Linie eine Zeitlang jede Musfiht auf die deutſchen Schlachtkreuzer ver- 
wehrte. Mit äußerlicher Kraft mußten „Tiger“ und „New Zealand“ Anſchluß an 
„Lion“ und „Princeß Royal“ ſuchen, um die Lücke zu ſchließen.“ 


Wie kam es, daß in kurzer Zeit zwei ſo große engliſche Schlachtkreuzer vernichtet 
wurden? Nach britiſchem Arteil find dieſe Totalverluſte ſämtlich durch Artillerie⸗ 
treffer in die ſchweren 
Türme entſtanden. Die 
Geſchütztürme und Gei, 
tenpanzer der britiſchen 

Schiffe waren tatſächlich 
JELLICOE ſchwächer gepanzert als 
die gleichartigen deut: 
ſchen Schiffe. Das Got, 
ſcheidende war aber die 
ſchlechte Aufbewahrung 
der Munition auf briti- 
ſcher Seite. Während 
die deutſchen Kartuſchen 
aus gezogenen Meifing- 
hülſen beſtanden, war 
die engliſche Kartuſch⸗ 
hülſe nur aus ſtarkem 
Seidenſtoff und nur am 
Boden aus Meſſing. 
Bei Treffern entzünde⸗ 
ten ſich die engliſchen 
Kartuſchen und erzeug- 
ten einen ſo ungeheuren 
SCHEER Drud, dah er genügte, 
ein ganzes Schiff aus 
einanderzuſprengen. 
Während der Kampf 
der 5 deutſchen Schlacht 


Das Gefecht der Schlachtkreuzer um 5 Ahr 43 nachmittags. kreuzer mit den übrig- 
Admiral Beatty ſchwenkt auf Nordkurs, Hipper folgt. gebliebenen 4 engliſchen 


Die beiden Kreuze bezeichnen die Anter N von Schlachtkreuzern und den 
„Indefatigable“ und „Queen 4 ſchnellen Linienſchiffen 

des Admirals Evan Tho- 

mas auf Südkurs weitertobt, werden im Süden plötzlich Rauchwolken ſicht⸗ 
bar, die das unter Admiral Scheer herankommende deutſche Gros bezeichnen. Jetzt 
wußte Beatty, daß er ſich der ganzen deutſchen Hochſeeflotte gegenüber befand und 
gab dementſprechend um 5 Ahr 43 Minuten das Signal zur Kehrtſchwenkung ſeines 


EVAN nomas A y gie" HIPPER 


A BEATTY 


Siewert | Die Seeſchlacht am Skagerrak 13 


geſamten Verbandes nach Norden, um Fühlung mit der eigenen Flotte zu ſuchen. 
Ein Vorſtoß der beiderſeitigen Torpedobootsverbände verdeckte die Kehrtwendung. 
Mit hoher Fahrt dampfte Beatty, gefolgt von Evan Thomas, nach Norden, während 
Hipper verſuchte, Fühlung mit dem Gegner zu halten. 


Bei der nun einſetzenden Jagd nach Norden gelang es Beatty mit feinen ſchnel⸗ 
leren Schiffen, ſich dem Feuer Hippers, der ſich vor die Schiffe Scheers geſetzt hatte, 
zu entziehen und die deutſche Gefechtslinie allmählich nach Nordoſten herumzudrücken. 
Dieſe Wendung wurde ſpäter von großer Bedeutung, denn ſie leitete das ſpätere 
Amfaſſungsmanöver Jellicoes ein. Etwa um 6 Ahr 30 Minuten wurde die Entfer- 
nung fo groß, daß das Feuer der Großkampfſchiffe eingeſtellt werden mußte. Damit 
war der erſte Gefechtsabſchnitt der Skagerrakſchlacht beendet. 


Das bisherige Ergebnis des Gefechts zwiſchen den Schlachtkreuzern war für die 
deutſche Seite überaus günſtig. Zwei britiſche Schlachtkreuzer. „Indefatigable“ und 
„Queen Mary“ waren geſunken, während die meiſten deutſchen Schiffe, wenn auch 
beſchädigt, ſo doch voll gefechtsfähig geblieben. Auf allen deutſchen Schiffen wurde 
man des eindringenden Waſſers Herr. Mit ſtolzer Siegesfreude fab man der wei- 
teren Entwicklung entgegen. 


Die Linienschiffe grelfen ein 

Die engliſche Schlachtſlotte unter Admiral Sellicoe ftand um 6 Ahr 30 Minuten 
in ſechs Diviſionskolonnen nebeneinander nördlich von Beatty. Jellicoe entſchließt 
ſich, auf den öſtlichen Flügel ſeiner Gefechtslinien zu entwickeln und beginnt aus dieſer 
von Anfang an günſtigen Poſition heraus die Spitze der deutſchen Gefechtslinien 
nördlich zu umfaſſen. Während die drei engliſchen älteren Panzerkreuzer „Defence“, 
„Warrior“ und „Black Prince“ teilweiſe vernichtet, teilweiſe in Brand geſchoſſen 
werden, gelingt es den ſchnelleren engliſchen Schiffen, die deutſche Spitze zu umfaſſen. 
Es ift das ein Manöver, das die Engländer „crossing the T” nennen und das deshalb 
ſo gefährlich iſt, weil es erlaubt, die ganze Breitſeite einer Gefechtslinie auf die 
Spitzenſchiffe des Gegners zu vereinigen. In dem nun einſetzenden Kampf der eigent⸗ 
lichen Schlachtfronten, begannen ſich die Sichtigkeitsverhältniſſe immer mehr zu ver⸗ 
ſchlechtern. Der Pulverqualm und der Schornſteinrauch der mit äußerſter Kraft 
fahrenden Flotte legte ſich auf die Waſſerfläche und ſteigerten die Dieſigkeit, ſo daß 
die Beobachtungsmöglichkeiten beſonders für die deutſchen Schiffe immer ſchwerer 
wurden. Trotzdem gelang es, das 28 000 Tonnen große Linienſchiff „Warſpite“ des 
Admiral Evan Thomas, der ſich an den Schluß der britiſchen Linie angehängt hatte, 
derartig zu zerſtören, daß es die Gefechtslinie endgültig verlaſſen mußte. 


Etwa um 7 Ahr 30 Minuten ereignete ſich auf engliſcher Seite wieder eine Rata- 
ſtrophe. Der Schlachtkreuzer „Invincible“, das Flaggſchiff des Konteradmirals 
Hood, fliegt in einer gewaltigen Crplofion in die Luft, ſeinen Admiral mit ſich 
nehmend. Auf „Derfflinger“ wird in das Telephon gerufen: „Anſer Gegner iſt in 
die Luft geflogen!“ And mitten im Gebrüll der Schlacht ſchallt donnerähnlich ein 


14 Siewert / Die Seeſchlacht am Skagerrak 


„Hurra“ durchs Schiff, das aus allen Telephonen wieder herausſchallt. Die „Invi⸗ 
cible” war das Schiff, das bei den Falklandinſeln das Geſchwader des Grafen Spee 
vernichtet hatte! Es war der dritte Schlachtkreuzer, den England binnen weniger 
Stunden verlor. | 


Scheers Gefechtskehrtwendung 


Die Amfaſſungsbewegung der ſchnelleren und viel längeren britiſchen Gefedhts- 
linie war inzwiſchen fo drohend geworden, daß die vorne ſtehenden deutſchen Schlacht. 
kreuzer immer mehr nach Süden abdrehen mußten. Am die deutſche Spitze, die unter 
dem furchtbaren Feuer 
der britiſchen Linien- 
ſchiffe lag, zu entlaſten, 
griff Scheer zu einem 
Manöver, das er ſelber 

JELLICOE ausgedacht und einerer- 

| ziert hatte. Am 7 Ahr 
e oa 33 Minuten gab Scheer 
das Signal: „Gefechts. 

_WARSPITE x x wendung nach Steuer. 
WIESBADEN INVINCIBLE N bord bis zur Herſtellung 

- Ën der Kielwaſſerlinie in 


G entgegengeſetzter Rich⸗ 
5 HIPPER J -|| BEATTY tung!” Das bedeutete, 


daß die mit Perfonen- 
zuggeſchwindigkeit durch 
die See raſenden mädh- 
tigen Schlachtſchiffe nun 
ſchiſfsweiſe innerhalb der 
Die Stellung der Flotten um 7 Ahr 33 abends. Admiral Kiellinie auf Gegenkurs 


Scheer entzieht ſich der Amfaſſung durch feine berühmte Ge- gehen mußten! Dieſes 


fechtskehrtwendung. Schlachtkreuzer „Lützow“ verläßt die in vollendeter Form 
G tslinie. Die K bezeichnen die engli Schiffs- ; 
DES H Ges e englischen SARS durchgeführte Manöver 


war den Engländern 
völlig unbekannt und wurde von ihnen für undurchführbar gehalten. Es zeigt die 
taktiſche Aeberlegenheit der deutſchen Flotte, daß ſie dieſes Manöver reibungslos 
durchführen konnte. 


Auf engliſcher Seite war die Kehrtwendung nicht erkannt worden. Jellicoe 
nutzte daher auch dieſe Situation nicht aus. Inzwiſchen lag das Feuer der engliſchen 
Linie auf dem völlig bewegungsunfähigen kleinen Kreuzer „Wiesbaden“, der bald 
als brennendes Wrack liegenblieb. Mit der Beſatzung fiel auch der an Bord als 
Matroſe dienende Dichter Gorch Fock. 


EVAN THOMAS 


LOTZOW 


Siewert | Die Seeſchlacht am Skagerrak 15 


Als Admiral Scheer ſich durch ſeine Gefechtskehrtwendung entlaſtet hatte und 
die Freiheit des Handelns zurückgewonnen hatte, beſchloß er, noch einmal einen 
Vorſtoß zu machen. Am 7 Ahr 55 Min. erging das Signal zur zweiten Gefechts. 
kehr twendung, die die geſamte deutſche Flotte auf öſtlichen Kurs gegen den Feind 
herumwarf. Nur das Flaggſchiff des Admirals von Hipper, die „Lützow“, konnte 
ſich dem Angriff nicht mehr anſchließen, ſondern mußte brennend die Linie verlaſſen. 
Hipper war gezwungen, mitten im Gefecht auf ein anderes Schiff umzuſteigen. Am 
8 Ahr 13 Min. wehte auf Scheers Flaggſchiff das hiſtoriſch gewordene Signal: 
„Schlachtkreuzer ran an den Feind, Bé voll einſetzen!“ Mit voller Maſchinenkraft 
ſtürzten ſich die übrig- 
gebliebenen Schlachtkreu⸗ 
ui Vf. DEFENCE 

, „Moltke“ und „Von 
der Tann“ auf die Spitze + INVINCIBLE 
des Gegners, der zu big, + 
fem Zeitpunkt faft quer 
vor der deutſchen Linie 
lag. Die deutſchen Schlacht · JELLICOE 
kreuzer gerieten bei ihrem 
Angriff in ſchwerſtes Feu- 
er und wurden oft getrof- 
fen, doch entſtanden glüd- 
licherweiſe keine ſolchen 
Kataſtrophen wie auf eng- 
liſcher Seite. Gleichzeitig 
ſtießen die deutſchen Tor- 
pedobootsflottillen gegen 
die feindliche Schlachtlinie 
vor und zwangen dieſe, 


Die Stellung der Flotten um 8 Ahr 30 abends. Jellicoe 
um fi) vor den anlaufen- dreht nach Oſten ab, die Fühlung geht bald darauf verloren. 
den Torpedos zu ſchützen, Ende der Tagesſchlacht. 


nach Oſten abzudrehen. 

Als die deutſchen Torpedos die britiſchen Schiffe erreichten, geriet die engliſche 
Gefechtslinie durch die vielen erforderlichen Ausweichemanöver in Anordnung, was 
die Artilleriewirkung ſtark beeinträchtigte. 


Da jetzt die Sichtigkeitsverhältniſſe für die deutſche Linie immer ungünſtiger 
wurde — die deutſchen Schiffe hoben ſich gegen den Horizont klar ab, während die 
engliſchen im Abenddunſt nicht mehr zu erkennen waren —, beſchloß Scheer um 
8 Ahr 16 Min., die Linienſchiffe vom Feind zu löſen mit einer dritten Gefechts 
kehrtwendung. Bald darauf trat eine Beruhigung des Feuers ein, das ſchließlich in 
der beginnenden Dunkelheit gegen 8 Ahr 40 Min. völlig verſtummte. Von dieſem 
Zeitpunkt an hatten ſich die beiden Schlachtflotten aus den Augen verloren, um ſich 


16 Siewert / Die Seeſchlacht am Skagerrak 


nicht mehr zu finden. Es kam gegen Abend nur noch zu kurzer Gefechtsberührung, 
ohne eine Entſcheidung zu erzielen. 


Rückmarsch und Nachtgefecht 


Als fih die Gegner endgültig voneinander gelöſt hatten, erwogen fie beide den 
Gedanken an eine Fortſetzung des Kampfes in der Nacht oder am nächſten Tage. 
Nach eigenem Eingeſtändnis verwarf Sellicoe ſofort den Gedanken eines Nacht. 
kampfes, da er die überlegene Ausrüſtung und Ausbildung der deutſchen Flotte für 
Nachtgefechte fürchtete. Er hielt die deutſche Torpedo. und Scheinwerferbewaffnung 
für durchweg beſſer als die engliſche und wollte daher ein Zuſammentreffen während 
der Nacht vermeiden. Er ließ ſeine Zerſtörerflottillen deswegen hinter ſeiner Flotte 
ohne offenſive Aufgaben hermarſchieren. Scheer dagegen wollte auf Grund der 
hervorragenden deutſchen Torpedoausbildung einen Angriff ſeiner Flottillen auf die 
engliſchen Schiffe ermöglichen und gab dementſprechende Befehle. Eine Verkettung 
unglücklicher Zufälle wollte aber, daß genau das Gegenteil eintrat. Die deutſchen 
Torpedoboote fanden in der Dunkelheit die völlig abgeblendet fahrende engliſche 
Flotte nicht, dagegen fuhr die deutſche Flotte zufällig in die britiſchen Kreuzer und 
Zerſtörer hinein, die bei ihrer eigenen Linie Anſchluß ſuchten. Bei dem fih dabei 
entwickelnden Nachtgefecht ging das alte Linienſchiff „Pommern“ infolge Torpedo- 
treffers unter, während zahlreiche britiſche Zerſtörer vernichtet wurden und wie 
ſchaurige Fackeln brennend in der Nacht liegen blieben. Als Admiral Scheer am 
nächſten Morgen bei Horns Riff eine neue Schlacht erwartete, war kein Gegner zu 
ſehen. Jellicoe hatte den Nückmarſch angetreten. 


Elndruck und Folgen der Schlacht 


Die Nachrichten der Seeſchlacht wurden in Deutſchland mit berechtigtem Sieges ⸗ 
jubel aufgenommen. War es doch das erſte Mal, daß die junge Kaiſerliche Marine 
ihren Wert und ihre Schlagfertigkeit gegenüber einem faſt doppelt ſtärkeren Gegner 
bewieſen hatte. Der Beweis für die Qualität von Schiff und Beſatzung war ein- 
deutig erbracht worden. Die Tirpitzſchen Schiffskonſtruktionen hatten ſich glänzend 
bewährt. Die Schiffsverluſte der Engländer waren mit 117 000 Tonnen beinahe 
doppelt fo groß wie die deutſchen mit nur 60 000 Tonnen. Während drei der 
modernſten engliſchen Schlachtkreuzer in Sekunden explodierten, zeigten die deutſchen 
Schiffe im ſchwerſten Feuer ihre große Widerſtandskraft. Noch höher aber war der 
moraliſche Erfolg der Schlacht einzuſetzen, der die ſchwer ringende deutſche Land- 
front mit neuer Zuverſicht erfüllte. 

Dagegen war der Eindruck in London geradezu niederſchmetternd. Bis zum 
3. Juni wurden die Einzelheiten von der engliſchen Admiralität geheim gehalten, was 
die öffentliche Meinung mit noch größerer Anruhe erfüllte. Man ſprach ſogar von 
einem engliſchen „Sedan“. Die Angriffe gegen die engliſchen Flottenführer haben 
fih bis in die Nachkriegsjahre hinein fortgeſetzt. Der Nimbus der Anbeſiegbarkeit 
war vor dem Skagerrak zerronnen. 1924 ſchrieb Lord Sydenham: „In der langen 


Joseph Thorak 


Der Fuhrer 


Mussolini 


Ataturk 


Hindenburg 


Utermann/ Der Bildhauer Jofeph Thorak 17 


und glorreichen Geſchichte der britiſchen Marine iſt nichts verzeichnet, was ſich mit 
dieſer Tragödie auch nur einigermaßen vergleichen ließe.“ 


Strategiſch geſehen muß man allerdings die Schlacht „unentſchieden“ beurteilen, 
denn es iſt kein Gegner entſcheidend geſchlagen worden. An der ſtrategiſchen Lage 
in der Nordſee änderte ſich leider nichts. Die engliſche Flotte hielt ſich allerdings 
von da an noch mehr zurück und mußte ihren Plan einer Anterſtützung Rußlands 
durch die Oſtſee endgültig fallen laſſen. Das traurige Ende des Krieges für 
Deutſchland konnte die Seeſchlacht leider nicht wenden 


Ein tragiſcher Konflikt hatte Deutſche und Engländer zu einem heroiſchen und 
furchtbaren Kampfe zuſammengeführt, von dem der Führer ſagte, daß er der einzige 
war und hoffentlich bleiben würde. Wohl keine deutſche Regierung hat bisher ſo viel 
für die Verhinderung eines derartigen Konfliktes getan, wie die nationalſozialiſtiſche. 
Durch das deutſch⸗engliſche Flottenabkommen 1935 find die beiderſeitigen Sntereffen- 
ſphären Englands und Deutſchlands ſo klar und eindeutig abgegrenzt worden, daß 
nach menſchlichem Ermeſſen jeder Grund zu einer Spannung beſeitigt iſt. Wir 
wollen dazu beitragen, daß die beiden Völker über das Erlebnis vom Skagerrak 
hinweg zu einer ſegensreichen Verſtändigung finden. 


Wilhelm Utermann: 


Der Bildhauer Sofevh Thorat 


Während der Reichstagung des Kulturamtes der HI nahm der Reihsjugend- 
führer das Wort zu einer Rede über praktiſche Fragen der künſtleriſchen Geſtaltung. 
Das, was er zur bildenden Kunſt, insbeſondere zur Plaſtik ſagte, wird bis ins Letzte 
durch das Werk von Joſeph Thorak erhärtet. 

Baldur von Schirach ſagte, daß für ihn die Plaſtik das Ergebnis eines 
Raumes fei. In dem Maße, wie fih die bildende Kunſt vom Raum, von der Arhi- 
tektur alfo, entfernt habe — in dem Maße, wie fie fih dem Standpunkt lart — pour 
Part verſchrieben habe, hätte fie fih ſelbſt aufgegeben. Bildende Kunſt fei immer an 
den Naum gebunden. Der erſte bildende Künſtler ſei jener Mann geweſen, der 
irgendwelche Tierformen an die Wand einer Höhle gezeichnet und verſucht habe, 
dieſe in Lehm nachzubilden. Damit ſei der richtige Weg der bildenden Kunſt 
begonnen geweſen. | 

Go fei, führte der Reichsjugendführer aus, eine Wiederbelebung der bildenden 
Kunſt, der Plaſtik, ſeiner Auffaſſung nach nur von der Architektur her möglich. — 
Dieſe Feſtſtellung findet ihre gültige Beſtätigung z. B. in der Ausgeſtaltung der 
Parteibauten in München, in der Anlage der olympiſchen Stadien in Berlin und 
an den monumentalen Nürnberger Parteitaganlagen. Es war finnlos, wie das 
wilhelminiſche Reich Kunſt „unterbrachte“. Plätze und Bauten, denen eine durch 
die Hohlheit der Zeit verkrampfte Architektur kein eigenes, weſentliches Geſicht zu 
geben vermochte, wurden mit Plaſtiken in zahlenmäßigem Reichtum bedacht. In 


18 Utermann/ Der Bildhauer Jofeph Thorat 


Marmor erſtarrte Alleen berichten davon. Go ift die Forderung des Reihs- 
jugendführers nach Einheit von Raum und bildender Kunſt wirklich die erſte Voraus⸗ 
ſetzung für eine wiedererſtandene bildende Kunſt, die nicht nur auch da ift — ſondern 
die da ſein muß. 

Organiſch an diefe erſte ſetzte der Reichsjugendführer die zweite Forderung. 
Der Baumeiſter muß in einer genialen Konzeption den Raum empfinden als eine 
große Einheit, die aus vielen kleinen Einheiten beſteht. In ſeiner Intuition, in dem 
Erlebnis des Raumes, den er bauen will, muß er die Aufgaben ſehen, die er in 
Durchführung ſeines Auftrages all den andern geben will, die mit Diener find an 
dem gemeinſamen Werk. 

Von dem Scheidewege an gerechnet, da die Kunſt nur für eine 
Minderheit da war, ſagte Baldur von Schirach, fei fie dem Volk per- 
loren geweſen. Die nationalſozialiſtiſche Auffaſſung von aller Kunſt iſt dieſer 
Satz: „Für mich iſt das eben ein Antergang, wenn ſich die Kunſt ausſchließt aus dem 
großen Empfinden des Volkes. Für mich iſt das das Ende des Künſtlers in dem 
Augenblick, in dem er erkennen muß, daß er nur für eine ganz kleine intellektuelle 
Schicht arbeite — für eine Schicht ſchafft, die ſein Werk nur auf Grund ihrer um⸗ 
faſſenden kunſthiſtoriſchen Bildung verſtehen kann. — Es iſt notwendig, daß auch der 
Künſtler wieder demütig wird und daß der Künſtler überhaupt als unerläßliche Vor⸗ 
ausſetzung für ſein künſtleriſches Schaffen die Tatſache ſeiner eigenen handwerklichen 
Leiſtung anfieht.” 

Wenn der Reichsjugendführer auf die handwerklichen Vorausſetzungen des bil- 
denden Künſtlers hindeutet, weiſt er damit der neuen Kunſt ihren deutſchen Weg, 
den ſie gegangen iſt, als ſie ſich zu ihrer Hochzeit emporarbeitete. Wir erleben eine 
Blütezeit der Künſte, wenn diefe vom Volk begriffen werden. Mit folder Wand- 
lung find dann die Virtuoſen erledigt, die „nur rein techniſch ihre Kunſt leicht be- 
herrſchen und die ihre Mitwelt einer kunſtfeindlichen Handlung anklagen, weil dieſe 
Mitwelt ihre Erzeugniſſe nicht annehmen will“. 

Handwerk als Vorausſetzung und Grundlage der Kunſt iſt etwas anderes, als 
das zur Manier gewordene Kunſthandwerk, das als eine Modeerſcheinung mit 
induſtrieller Serienherſtellung die Städte beherrſcht. — 

Für all das, was wir hier den grundlegenden Ausführungen des Reichsjugend⸗ 
führers entnahmen, iſt uns der Bildhauer Joſeph Thorak, deſſen geniales Werk wir 
bewundern, ein Mann, der mit ſeinem Schaffen die Tatſächlichkeit unſerer Meinung 
bezeugt. 

Joſeph Thorak wurde am 7. Februar 1889 in Salzburg geboren. (Er iſt heute 
deutſcher Reichsbürger.) Sein Vater war Töpfer. Dadurch kam der Künſtler ſchon 
früh mit dem Material in Berührung, das ſpäter feine in der Welt bekannten Werke 
darſtellen ſollte. Von den primitivſten Anfängen an lernte er den Ton verarbeiten, 
ihm Form und Seele geben. Während die Geſellen in der väterlichen Werkſtatt 
Modelle aus den Formen quetſchten, hatte er ſie ſelbſt ſchon mit der Hand ſchöner 
hergeſtellt. — Nach dem Schulbeſuch und abgeſchloſſener Lehrzeit in Innsbruck ging 
er nach dem alten Handwerksbrauch „auf die Walze“. Die Wanderſchaft brachte 


Utermann/ Der Bildhauer Joſeph Thorat 19 


Thorak nad Ungarn, Serbien, Kroatien, Bulgarien und in die Türkei. — Als Hafner, 
als Kunſttöpfer, hat er unterwegs gewerkt. Profeſſor Thorat jagt, daß durch vieles 
Sehen und Bewundern der Welt ſein Drang zur Kunſt, zum Mitgeſtalten, immer 
größer und größer geworden iſt. Zuletzt gab es für ihn nur noch den Wunſch: eine 
Akademie zu beſuchen. 

Thorak machte Vorſtudien, er arbeitete, wie es nur einer kann, in dem der 
„göttliche Funke“ iſt. Er beſtand die Aufnahmeprüfung in die Akademie der Künſtler 
in Wien. Vier Jahre ſtudierte er dort und ſiedelte dann nach Berlin über. Er 
wurde Meiſterſchüler der Kunſtakademie. In Wien war Hanack, in Berlin Manzel 
ſein Lehrer. 

Das, was der Reichsjugendführer an handwerklichem Können für den bildenden 
Künſtler als Vorausſetzung fordert, hat Thorak in ſeinem Vaterhaus gelernt und in 
der Lehrzeit. Während der Wanderjahre hat er ſich vervollkommnet und ſich zutiefſt 
zu dem Anvergängliches ſchaffenden Künſtler durchgerungen. Aus der Art der Aus- 
bildung und der Auffaſſung ergibt ſich auch das harte Arteil Thoraks gegen jene 
Bildhauer, die eine Plaſtik in einem kleinen Modell ſchaffen und die dies dann maſchi⸗ 
nell vergrößern laſſen. Pfuſcher, ſagt er, ſeien das. 

Mit jedem neuen Werk mehrte Thorak den Ruhm ſeines Namens. Thorak und 
ein deutſcher Architekt beteiligten ſich an einem Wettbewerb, der zur Schaffung des 
Nationaldenkmals der Türkei in Ankara ausgeſchrieben war. Die beiden deutſchen 
Künſtler erhielten den Auftrag. And die Art der Geſtaltung dieſes monumentalen 
Denkmals, das Jahre des Schaffens braucht, ift ein Beweis für die Forderung Bal- 
dur von Schirachs, daß die bildende Kunſt (die Plaſtik) an den Raum gebunden iſt 
und mit der großen Konzeption des Baumeiſters zuſammen wirken muß. Wir laſſen 
Thorak ſprechen, dem die türkiſche Regierung durch Atatürk den Auftrag zur 
Schaffung dieſes Denkmals gab. Der Auftrag habe in ſich, ſo ſagt er, die Aufgabe 
enthalten, das Porträt Atatürks zu geſtalten. Dies ſollte im Denkmal mit verwandt 
werden. Dieſe Plaſtik des Kemal ſei alſo nicht Selbſtzweck, ſondern nur eine 
Studie, die aus dem Zuſammenhang mit der Idee des Monu- 
ments entſtanden und mit ihr unlöslich verbunden fei. Die Löſung der ge- 
waltigen Aufgabe mit der Darſtellung Atatürks fei, das könne er ohne Aeber⸗ 
treibung ſagen, abgeſehen von einigen Naturſtudien, ihm gegeben durch die Taten 
Kemals, die er bewundern konnte. — Das Kulturdenkmal, das Thorak in Zu- 
fammenarbeit mit Profeſſor Holzmeiſter, dem Erbauer des Düſſeldorfer Schlageter⸗ 
Forums ſchafft, iſt ein 14 Meter langer und 8 Meter hoher Block, der wie ein 
Keil aus dem Boden aufragt. Hohe, mächtige Geſtalten, die die Seitenflächen 
tragen, folgen dem Kemal. An der Front iſt in einer Größe von 7 Metern Atatürk 
eingemeißelt mit weit ausholender, ſtürmender Bewegung, die die Geſtalten, die 
folgen, fdeinbar aus dem Felsblock freimachen will. Vier Krieger find an den 
Seiten dargeſtellt, die den Schwur, die Treue, die Verbrüderung und die Macht 
fymbolifieren. — Dieſe Standbilder hat Profeſſor Thorak in Deutſchland geſchaffen. 
Ja, ſagte er, ich bin eben Deutſcher, und ich muß halt meine Arbeiten in Deutſch⸗ 
land ſchaffen. 


20 Atermann / Der Bildhauer Jofeph Thorat 


Als ich Thorak traf, war er eben vom Oberſalzberg zurückgekommen, 
wo er 5 Tage Gaſt des Führers war. Thorak hat den Auftrag bekommen, für das 
olympiſche Stadion die große Führerbüſte zu ſchaffen. Der Künſtler ſagte, daß große 
Menſchen zwar auf den erſten Blick faſzinieren, doch gerade fie ſeien erſt in forg- 
fältiger Beobachtung voll zu erfaſſen. Nach dem einmaligen und erſten Eindruck ſei 
ihr Bild nicht zu ſchaffen. Die gültige Kompoſition entſtünde erſt, wenn man ſie bei 
ihrer Arbeit und im Leben, in hundert kleinen Geſten erlebt und beobachtet habe. 
Die höchſte Wahrheit ſei auch das Gebot der Kunſt. Immer wieder iſt Thorak bei 
allen möglichen Gelegenheiten hingegangen, um den Führer zu ſehen. Im Berliner 
Sportpalaſt ſah er ihn. Das ſtundenlange Warten auf den Führer in der überfüllten 
Halle, die Stimmung unter den Menſchen, der Jubel und die Begeiſterung, das ſei 
die rechte Vorbereitung geweſen, das Fluidum des Führers ganz zu erfaſſen. Da 
hat der Künſtler, eingekeilt zwiſchen die jubelnden Menſchen ſeinen Skizzenblock ge- 
nommen und den Führer gezeichnet. Später fab er ihn in Leipzig bei der Grundſtein⸗ 
legung des Rihard-Wagner- Denkmals. Ein anderes Mal beobachtete er ihn in der 
Oper. Zuletzt durfte er dann mit Adolf Hitler ſprechen, tagelang in feiner Am⸗ 
gebung fein, dabei fein bei einer Beſichtigung der Reichsautobahnen. Thorat zeigte 
mir eine Aufnahme, über die er glücklich iſt. Der Führer trat mit ihm auf den Balkon 
von Haus Wachenfels und ſagte, als ihm die Jungen und Mädel zujubeln: „Da, 
ſehen Sie, Thorak. Das muß ich jeden Tag ſehen, dann bin ich glücklich“. 

Der Künſtler und Menſch leuchtet von Glück und Begeiſterung, wenn er vom 
Führer ſpricht. Noch nie habe ein Herrſcher einem Volk und deſſen Künſtlern ſolche 
Ziele gewieſen, wie der Führer. Das Erleben, das in dem Künſtler ſein mußte zur 
Schaffung des Führerbildes war da, und ein Standbild iſt entſtanden, von dem wir 
alle, die wir das Erlebnis vom Führer in uns tragen, ſagen können: das iſt Adolf 
Hitler, wie wir ihn ſehen und lieben. Ein ſolches Arteil iſt Anerkennung in dieſem 
Fall mehr als ſonſt irgendwann für den Künſtler. Denn es ift ja nicht ein x⸗beliebiges 
Porträt, von dem wir nur „Aehnlichkeiten“ feſtſtellen können. Den Führer kennen 
wir — jeden Zug ſeines Geſichtes haben wir nicht nur mit dem Auge aufgenommen. 
Sein Geſicht, ob es lacht oder ernſt iſt, ob es droht oder ob es gütig iſt, haben wir 
als ein mahnendes Bild des deutſchen Menſchen ſchlechthin aufgenommen; es iſt über 
die Beobachtung in unſer ganzes Fühlen und in unſer Herz eingegangen. — Wenn 
wir dann ſagen von Thoraks Werk: das iſt der Führer! weil es alles in ſich birgt, 
was wir im Führer ſehen, dann gibt es kein ſchöneres Lob für den Künſtler. 


Thorak porträtierte viele Staatsmänner: Hindenburg, den Duce, Pilſudski und 
Atatürk. Er hat mit der Darſtellung der Staatsmänner auch fremder Nationen 
die Geltung der deutſchen Kunſt in der Welt vermehrt und ihren Namen in die 
Völker gebracht. 

Wir Jungen freuen uns, daß nun große Standbilder Thoraks an hervorragender 
Stelle in Deutſchland in kommenden Jahren und ſchon bei der Ausgeſtaltung des 
Olympiageländes Aufſtellung finden. Wir verehren in ſeinem Werk einen koſtbaren 
Teil zeitgenöſſiſcher deutſcher Kunſt. 


——— — ——— mme, 


Kleine Beiträge 21 


Rus »bilefonbifdden Geund- 
leauns des Rationalfosialiseusd 

Der Nationalſozialismus trat ſeine po- 
litiſche Herrſchaft an, ohne eine philoſophiſche 
Syſtematik feiner weltanſchaulichen Grund- 
begriffe. Dieſe Grundbegriffe waren dem 
Leben und der Geſchichte entnommen und 
jedermann gingen fie an. Sehr im Gegen- 
jag zum Marxismus war der National- 
ſozialismus in keiner Weiſe darauf an- 
gewieſen, das, was er wollte, aus umftänd- 
licher Dialektik zu rechtfertigen und die Ve- 
rechtigung ſeines Handelns beſtimmten 
theoretiſchen Einſichten zu entnehmen. Es 
kam auf die Erringung der Macht an und 
auf den Aufbau einer Geſellſchaftsordnung, 
die Beſtand und Wiederaufſtieg des deut- 
ſchen Volkes gewährleiſtete. Eine Philo- 
ſophie, die dieſer Ordnung entſprechen konnte, 
war nicht notwendig und ein Mangel wurde 
in dieſer Hinſicht kaum empfunden. Hegels 
tiefe Einſicht, daß die Philoſophie erft dann 
ihr Wort ergreift, wenn eine Geſtalt reif 


geworden iſt, findet auch an der Geſchichte 


des Nationalſozialismus ſeine volle Be⸗ 
ſtätigung. 


Demgegenüber ift das Bemühen beſtehen · 


der philoſophiſcher Schulen, die in Tra- 
ditionen und Lehren feſtgefügt find, Dot, 
nungslos, wenn ſie glauben, eilfertig die 
vom Nationalſozialismus aufgeworfenen 
Frageſtellungen in ihre Syſtematik zu 
preſſen. Die Verſuche etwa der univerfa- 
liſtiſchen Schule Othmar Spanns, den 


Heine heiträge 


— — — 


Raffenbegriff in ihr idealiſtiſch-ſcholaſtiſches 
Weltbild einzufügen, müſſen entweder das 
univerſaliſtiſche Syſtem ſprengen oder den 
Raffenbegriff um feinen eigentlichen Sinn 
bringen. Letzteres iſt denn auch der Fall. 


Das bedeutet indeſſen nicht, daß eine 
nationalſozialiſtiſche Philoſophie abſeits 
jeder Tradition der Philoſophiegeſchichte zu 
gehen habe. Vielmehr gilt es, den be⸗ 
ſtimmten deutſchen Weg in der abendlän⸗ 
diſchen Philoſophiegeſchichte aufzuzeigen, wo 
die Anknüpfungspunkte für eine künftige 
philoſophiſche Arbeit liegen. 


Jetzt hat Hermann Schwarz, Pro- 
feſſor im Ruheſtand, in einer kleinen Schrift“) 
eine „philoſophiſche Grundlegung des 
Nationalſozialismus“ unternommen. 


Schwarz will „Verſtändnis fiir die meta- 
phyſiſche Tiefe des völkiſchen Erlebens ver- 
mitteln“. Völlig der Myſtik zugekehrt, 
zeichnet er das Bild der des Ewigkeits⸗ 
erlebniſſes innegewordenen, im Erleben von 
den Bindungen der Natur losgelöſten Seele. 
Demzufolge ſpricht er von einer „Philoſophie 
des völkiſchen Erlebens“. Wo echtes Ein- 
heitserleben iſt, da iſt auch Ewigkeitserleben. 
Wird Ehre, Liebe, Wahrheit, Schönheit er- 
lebt, ſo wird Ewigkeit erlebt. Kennzeichnend 
an dieſer „Philoſophie des völkiſchen Gr, 
lebens“ ift alfo der Zug, in allen Geelen, 


beziehungen Ewigkeit aufleuchten zu ſehen. 


*) Hermann Schwarz, Natter BC hiſchen 
Grundlegung des ozialismus“, 
Junker und Dünnhaupt Verlag, Berlin. 


22 Kleine Beiträge 
! 


Das zeitlich⸗geſchichtliche und vergänglich⸗ 
natürliche Sein tritt völlig in den Hinter- 
grund. Nur die unendliche Ewigkeitsfülle 
der in ſich ſchwingenden Seele, von Raum 
und Zeit entbunden, wird in ihren ver- 
ſchiedenen Geſtaltungen betrachtet. 

Es erhebt ſich die Frage, inwieweit hier 
von Philoſophie itberbaupt und von 
nationalſozialiſtiſcher Philoſophie beſonders 
die Rede iſt. Denn Philoſophie und Myſtik 
find nicht eins. In beſtimmten Tiefen mögen 
ihre Anliegen gleich ſein, ihre Ausſagen über 
den Gegenſtand aber unterſcheiden fie wefent- 
lich. Der philoſophiſche Satz oder Begriff 
muß ſich an der Wirklichkeit meſſen laſſen, er 
muß in Widerſpruch mit anderen Begriffen, 
die ſich auf die Wirklichkeit beziehen, geraten 
können. Die Erlebniſſe des Myſtikers aber 
ſind außerhalb dieſer Sphäre des Wider⸗ 
ſpruchs. Fühlen und Erleben des unend- 
lichen Gehalts iſt jeden Widerſpruchs ent- 
hoben. Aeber das Erlebnis kann man nicht 
ſtreiten und ſeine Gültigkeit ſteht außer 
Frage. Das Erlebnis ruht in ſich und iſt 
für den einzelnen, der es erlebt hat, un⸗ 
umſtößliche Gewißheit. Wenn nun über Er⸗ 
lebniſſe gehandelt wird und ihre gegen- 
ſeitigen Beziehungen dargelegt werden — 
ſoweit fih ſolches darlegen läßt —, fo tft das 
keine Philoſophie, da ja Erlebniſſe außerhalb 
des Erlebenden keine Fragen und Probleme 
ſein können. 


Das Ewige, das Schwarz ſchildert, iſt 
nicht das der überdauernden Werte, der 
Kulturgüter und Geſittungsordnungen. Auch 
nicht der gleichſam unter aller Zeit fließende 
Blutſtrom, der ewig iſt und an dem alle ver⸗ 
gänglichen Weſen der Blutsgemeinſchaft teil- 
haben und der durch dieſe Teilhabe erſt be⸗ 
ſteht. Sondern das Ewige bei Schwarz iſt 
das Fühlen des gemeinſamen Blutes, das 
in den Einzelnen, in „räumlicher Ber- 
ſtreuung“ fließt. Afo ein ſubjektiver 3u- 


ſtand, der durch das Ewigkeitserlebnis 
myſtiſchen Charakter hat. 


Das Natürlich⸗ Allgemeine des 
Blutes wird bei Schwarz zu einem Er ⸗ 
lebnis⸗ Allgemeinen, das das erſtere 
zwar vorausſetzt, dann aber weit hinter fid 
läßt. (Kein Zweifel übrigens, daß von dieſem 
Erlebnis ⸗Allgemeinen nur ein Schritt ift zum 
Geiſtig Allgemeinen des philoſophiſchen 
Idealismus!) 


Philoſophiſch indeſſen beginnt der 
Nationalſozialismus bei dem Natürlich 
Allgemeinen und geht von da zu den wirt- 
lichen Erſcheinungen der geſchichtlichen Welt, 
in ſtetem Zuſammenhang mit dem erſteren. 
Die Raffe, das heißt aber die natürlichen 
Bindungen werden vorausgeſetzt. Die Natur 
kann philoſophiſch nicht, weil in ihr Ber- 
gänglichkeit und Gebundenheit herrſcht, durch 
Ewigkeitserlebniſſe relativiert werden, wenn 
der Naffenbegriff feinen Sinn behalten foll. 
Die Vergänglichkeit in der Natur betrifft 
ja nur das einzelne Individuum, das Ganze 
erhält ſich. And die Gebundenheit in der 
Natur iſt eine Tatſache, deren ungeheure Be⸗ 
deutung für die Geſchichte der Menſchheit 
gerade der Nationalſozialismus in den 
Vordergrund ſtellt. Damit ernſt zu machen 
bedeutet ja die Revolution, die durch den 
Naſſenbegriff heraufgeführt wurde und gegen 
die ſich die idealiſtiſche Philoſophie ſo 
ſträubt. 


Die Schwarzſche Schrift kann ſomit nicht 
eine philoſophiſche Grundlegung des 
Nationalſozialismus genannt werden. Sie 
gibt eine myſtiſche Schau in die Tiefen der 
erlebenden Seele, nicht aber eine philo- 
ſophiſche Behandlung nationalſozialiſtiſcher 
Grundſätze und Probleme, deren welt⸗ 
geſchichtliche Bedeutung die Schwarzſche 
Schrift nicht ahnen läßt. E. L. 


Außenpolitiſche Notizen 23 


AUSSENPOLITISCHE ofi 7771 


Zwölf ene 


Auch bas Glückskleeblatt am Seitenſteuer 
des Doppeldeckers hat Herrn Drouillet nichts 
genützt: er war franzöſtſcher Flugberater des 
Negus, der ſich die Zeit bis zur Niederlage 
in Abeſſinien damit vertrieb, ſeine eigenen 
Landsleute in ſeiner Heimat naszuführen, 
obgleich ſein Brotgeber dringend nach ihm 
verlangte. Nachdem er für teuere Maria- 
Thereſientaler ein Flugzeug für Addis Abeba 
in ASA erftanden hatte und dieſes nun nach 
glücklicher Aeberfahrt in Frankreich zum 
Fluge nach Abeſſinien fertigmachen wollte, 
haben es die Franzoſen vorſichtshalber be⸗ 
ſchlagnahmt, da die abeſſiniſche Kataſtrophe 
nahte und man die Italiener nicht nod un- 
nötig verärgern wollte. Jedoch — Monſieur 
Drouillet erwirkte die Starterlaubnis zu 
einem Probeflug, von dem er natürlich zum 
Aerger der franzöſiſchen Luftpolizei nicht 
wieder zurückkehrte. Was man ihm als 
Kriegführenden auf eigene Fauſt auch nicht 
weiter übelnehmen kann. Sei es nun, daß 
der Schickſalsgott in dieſem Falle mehr 
römiſch⸗ katholiſch als abeſſiniſch⸗koptiſch 
war, oder ſei es, daß ſich Drouillet recht⸗ 
zeitig der Vorſichtsmaßnahmen feiner eigent- 
lichen Heimatregierung angeſichts der nahen- 
den abeſſiniſchen Niederlage entſann, oder 
ſei es, daß Drouillet die ehrenvolle Ge⸗ 
fangenſchaft einem unrühmlichen Tode durch 
Abſchuß vorzog —, jedenfalls mußte das 
gute, neue Flugzeug auf dem Fluge nach 
Oſtafrika notlanden, und das ausgerechnet 
auf dem italieniſchen Flughafen Montecelio. 
Der biedere Etappenkommandant wird nicht 
ſchlechte Augen gemacht haben, als er mitten 
im friedlichen Europa ein abeſſiniſches Flug- 
zeug erobern konnte. 


II. 

Italieniſche Blätter meldeten am 20. April, 
der Negus habe Abeſſinien im Flugzeug 
Richtung Britiſcher Sudan verlaſſen. Am 
30. April erklärte der Negus in Addis Abeba, 
daß er Abeſſinien bis zum letzten Bluts⸗ 
tropfen verteidigen werde. Am 1. Mai 
wurden in Addis Abeba erneut die Kriegs- 
trommeln gerührt. Am 2. Mai ſetzte ſich 
der Negus ſamt Familie und einſchließlich 
30 () abeſſiniſcher Würdenträger auf die 
Gott ſei Dank noch nicht eroberte Eiſenbahn 
und erreichte unter dem ſtürmiſchen Jubel 
der zufällig dort anweſenden italieniſchen 
Journaliſten den franzöſiſchen Hafen Didi- 
buti ohne Zwiſchenfall. Allerdings ſollen die 
abeffiniihen Würdenträger einige eifrige 
italieniſche Bildberichterſtatter, die ſich dieſen 
Fang nicht entgehen laſſen wollten, ver- 
prügelt haben. Die beiden italieniſchen Ge⸗ 
ſandtſchaftsbeamten, die der Negus nach 
langer Haft aus Addis Abeba nach Oſchibuti 
ausgewieſen hatte, werden nicht ſchlechte 
Augen gemacht haben, als der Negus ein- 
ſchließlich 30 abeſſiniſcher Würdenträger 
nachgereiſt kam. 

III. 

Der Negus hatte angeordnet, daß der im 
Stich gelaſſene Kaiſerpalaſt als Abſchieds⸗ 
geſchenk für ſein Volk offen bleiben ſollte. 
Dementſprechend wurde er mit großer Ge⸗ 
ſchwindigkeit von allen, die rechtzeitig davon 
erfuhren, um feine bewegliche Habe er- 
leichtert. Wir wollen nicht hoffen, daß der 
Negus gewußt hat, daß aus dieſer freiwilli⸗ 
gen Schenkung die tollſten Plündereien in 
Addis Abeba entſtehen würden. Jedenfalls 
wird die Frau des Schneiders Gallagalla 
nicht ſchlechte Augen gemacht haben, als ihr 
Ehemann mit dem kaiſerlichen Bett angerückt 


24 Außenpolitiſche Notizen 


kam, um es in ihrem dürftigen Schlafgemach 
aufzubauen. 


Anterdeſſen war der Er-Negus auf His 
Majeſtys Ship „Enterpriſe“, das mit dieſem 
Wageſtück einen Beweis für die Ridtig- 
keit ſeines Namens ablegte, weitergereiſt — 
auf Grund einer für den Negus troſtreichen 
Vereinbarung der franzöſiſchen und eng⸗ 
liſchen Sanktionshelfer. Aeber Suez nach 
Haifa und von dort nach Jeruſalem, wo ja 
zu feiner weiteren Aebung auch Aufſtände 
ſind. Beſondere Feierlichkeiten zu ſeinem 
Empfang waren nicht vorgeſehen, vielmehr 
befand ſich der britiſche Oberkommiſſar auf 
einer Inſpektionsreiſe, weil er ſich nicht im 
klaren war, ob der Negus mit „Seine 
Majeſtät“ angeredet wird oder nicht. Jeden- 
falls wird der König Salomo nicht ſchlechte 
Augen gemacht haben, als fein Enkel ein- 
ſchließlich 30 abeſſiniſcher Würdenträger 
nunmehr zwangsmäßig am eigentlichen Sitze 
ſeiner Dynaſtie eintraf. 


V. 

Ein heroiſches Zwiſchenſpiel: der abeſſi⸗ 
niſche Gegner von Graziani an der Ogaden- 
front, Ras Naſibu, hielt ſich mit unerhörter 
Tapferkeit gegen den übermächtigen Feind, 
unterſtützt durch die kluge Taktik und Diſzi⸗ 
plinerhaltung ſeines militäriſchen Adjutanten 
Wehib Paſcha. Die Schlacht von Saſſabaneh 
gehört zweifellos zu den heroiſchen Taten 
des abeſſiniſchen Widerſtandes. Es muß für 
Ras Naſibu ein niederſchmetterndes Gefühl 
geweſen ſein, als er erfuhr, daß alle anderen 
Armeen zuſammengebrochen waren. Er wird 
nicht ſchlechte Augen gemacht haben, als er 
als 31. Würdenträger in en beim 
Negus eintraf. 

VI. 

In Addis Abeba war nach der Sache mit 
den kaiſerlichen Betten der Teufel los. Die 
Geſandtſchaften funkten um Hilfe gegen plün- 
dernde Räuberbanden und ſtellten ihre vor- 
ſorglich beſchafften Maſchinengewehre im 
Garten auf. Techniſcher Verſager ausgered- 
net bei den Amerikanern: um die wenig ent- 


fernte engliſche Geſandtſchaft von der ſchlim ⸗ 
men Lage zu unterrichten, mußte man erft 
nach Waſhington, von da nach London, von 
da zurück nach Addis Abeba funken. Es foll 
aber gut geklappt haben. Im übrigen ſahen 
ſich die Sanktionsgeſandtſchaften gezwungen, 
das anmarſchierende italieniſche Heer um 
größtmögliche Eile zu bitten — Treppen- 
witz der Weltgeſchichte! Anterdeſſen be- 
herrſchten die britiſchen Geſandtſchaftswachen 
entſchieden die Situation, ſie waren ja auch 
die einzige Macht in der niedergebrannten 
Hauptſtadt (auf dieſe Weiſe waren die Eng- 
länder wenigſtens doch zwei Tage im heiß 
erſehnten Beſitz der abeſſiniſchen Metro- 
pole !). Marſchall Badoglio wird bei feinem 
Einzug nicht ſchlechte Augen gemacht haben, 
als ausgerechnet die engliſche Wache ihn 
als erſte Truppe mit „Präſentiert das Ge- 
wehr!“ begrüßte. 
VII. 

Wieſo eigentlich noch Geſandtſchaften, 
fragte man in Rom. And der engliſche Ge⸗ 
ſandte wird ebenfalls nicht ſchlechte Augen 
gemacht haben, als ihm Badoglio erklärte, 
zunächſt könnten die Geſandten ja noch da- 
bleiben, obgleich eigentlich gar keine Regie- 
rung in Abeſſinien mehr beftände, bei der 
ſie beglaubigt ſeien. 


VIII. 

Muſſolini teilte Ward Price am 4. Mai 
mit: „Wir werden nicht die Tür gegen wirt- 
ſchaſtliche Anternehmungen freundlich ge⸗ 
ſinnter Staaten (in Abeſſinien) ſchließen.“ 


Sogar der abgebrühte Ward Price wird ſich 


dem allgemeinen „Augenmachen“ nicht ent⸗ 
zogen haben, als Muſſolini hinzufügte, daß 
England und Frankreich ſelbſtverſtändlich in 
dieſem Zuſammenhange wie auch immer zu 
den freundlich geſinnten Staaten zu rechnen 
ſeien! 

IX. 

Das ſteht in gewiſſem Widerſpruch dazu, 
daß auch der Verwaltungsrat der Gran- 
zöſiſch-abeſſiniſchen Eiſenbahngeſellſchaft ge- 
zwungen wurde, nicht ſchlechte Augen zu 


Randbemerkungen 25 


machen, als man nämlich erfuhr, daß die 
Italiener die Eiſenbahnanlagen kurzerhand 
beſetzt haben. Zunächſt beruhigt man ſich 
aber in Paris ſelbſt dadurch, daß man dieſe 
Beſetzung für eine militäriſche Notwendig- 
keit von kurzer Dauer hält. Iſt es ja auch, 
bloß die Dauer iſt zweifelhaft. 


X. 

Auch die Engländer find drangekommen. 
Der britiſche Kommiſſar für das ägyptiſche 
Waſſerbauweſen wird feinen Ingenieur- 
kollegen nicht darin nachgeſtanden haben, 
nicht ſchlechte Augen zu machen, als die 
Italiener mitteilten, daß ſelbſwerſtändlich 
italieniſche Ingenieure gerne den bewußten 
Staudamm am Danaſee bauen würden 
und im übrigen der Tanaſee als Baſis eines 
Flugbootgeſchwaders ſehr geeignet ſei. 

XI. 

Und zum Schluß haben auch die parla- 
mentariſchen Sanktionsfreunde Mr. Anthony 
Edens nicht ſchlechte Augen gemacht, als er 


Sellige fie alle Lebens lasen 


Das „Zwei⸗Groſchenblatt, Wochenflug⸗ 
ſchrift für Recht und Wahrheit“, brachte vor 
einiger Zeit Berichte über „Gebetserhörun⸗ 
gen“. Die Tatſachen ſprechen eine ſo ein⸗ 
dringliche Sprache, daß jeder Zuſatz von uns 
nur die Wirkung abſchwächen könnte. Das 
„Zwei-Groſchenblatt“, das — wie wir aus 
dem Schlußſatz ſeiner Schriftleitung leſen — 
bei den Heiligen abonniert iſt, hat das 
Wort: 


„Eine Frau Doktor aus Ling: Ich 
möchte Sie bitten, in Ihrem Blatte auf 
die große Hilfe des ſeligen Bruders Klaus 
von Flüeli hinzuweiſen. Er ift ein wunder- 


+ 


rand bemerkun 


im Unterhaus die ſenſationelle Erklärung 
abgab: „Es hätte nur eine Sühnemaßnahme 
von zugkräftiger Wirkung gegeben: die 
Schließung des Suezkanals für Italien. 
Aber das würde unvermeidlich zum Kriege 
geführt haben.“ Nun bitte ich, warum denn 
überhaupt Sanktionen, wenn man einerſeits 
keinen Krieg wollte, es aber andererſeits 
ohne Krieg nie gegangen wire. Etwa alle 
Sanktionen nur, damit, wie die fpanifche 
Regierung erklärte, die Sardinenfiſcher 
brotlos würden? 
XII. | 

Go die Meinen Leute im Völkerbund und 
auch die, die nicht im Völkerbund ſitzen, die 
haben nicht nur nicht ſchlechte Augen ge⸗ 
macht, nein, die haben den Mund vor Stau- 
nen weit aufgeſperrt, was ſo alles unter der 
Obhut des Völkerbundes in einem halben 
Jahre paffieren kann. Machen Sie den 
Mund ruhig wieder zu, meine Herren —, 
wer weiß, ob Sie nicht das nächſte Mal 
dran ſind! Hans Hum bold. 


barer Helfer und Beſchützer, beſonders bei 
Kindern. Meinen Kleinſten habe ich ganz 
unter ſeinen Schutz geſtellt und er hat mir 
ſchon oft in Krankheitsfällen raſch ge⸗ 
holfen. Bitte, machen Sie auf ihn auf⸗ 
merkſam, ich möchte, daß dieſer Selige viel 
angerufen wird! 

Eine andere Frau berichtet aus Vorarl- 
berg: ‚Mein Sohn tat ſich ſchwer im 
Latein und konnte ſchon zweimal nach 
einer Novene zum Pariſer Gnaden: 
kind Guido von Fontfalland 
wieder ganz gut in die nächſte 
Klaſſe auffteigen.‘ 

Eine Niederöſterreicherin ſchreibt: „Vor 
Weihnachten war ich der Verzweiflung 


26 Randbemerkungen 


nahe. Wo nehme ich Brot für meine 
Kinder her? Noch dazu eine kalte Stube, 
kein Verdienſt und keine Anterſtützung. Der 
ganzen Sorgen Laſt obliegt ja faſt immer 
der Frau und Mutter. Wie habe ich dieſe 
Weihnachtsfeiertage gefürchtet! Manche 
Leſerin wird ſagen: Vom Beten kann ich 
nicht leben, und wenn ich nichts habe, wofür 
ſoll ich danken? Wie oben erwähnt, keine 
Arbeit und keine Anterſtützung. Der Ver- 
zweiflung nahe, keine Schuhe, daß ich in 
die Kirche gehen könnte, um zu beten und 
zu bitten. Da ſchloß ich meine Augen und 
war mit meinen Gedanken in der Kirche 
und das Bild des hl. Judas 
Thaddäus ſchwebte mir vor den 
Augen. Jch kniete im Geiſte dabei, um 
zu beten um Verdienſt und Brot. Ich 
kniete nicht lange und es pochte an die 
Tür. Ich wollte nicht gleich öffnen, denn 
ich hatte geweint. Aber es war ein Bote, 
der für den Mann Verdienſt brachte, wenn 


auch nur für ein paar Tage, aber wir wer⸗ 


den die Feiertage Brot und eine warme 
Stube haben. Am zweiten Tag bekam ich 
ein kleines Lebensmittelpaket und von 
einer Dame, ungenannt, 5 Schilling und 
noch dazu die Winterhilfe mit Kohle, 
Fleiſch und Lebensmitteln. Wir hatten 
ein kleines Bäumchen und darunter ein 
Kripperl; meine Kinder und wir hatten 
ſröhliche, geſegnete heilige Weihnachten. 
Daher bitte ich mit aufgehobenen Händen 
und mit Tränen in den Augen alle, die in 
Not find: Betet zum hl. Judas 
Thaddäus und ihr werdet 
Hilfe erfahren. 


Bei dieſem Anlaß feien alle Gebets 
erhörungen eingeſchloſſen, die der Schrift- 
leitung mitgeteilt werden. And allen 
Heiligen, auf deren Fürſprache unſeren 
Leſern geholfen wurde, ſei öffentlich 
der Dank ausgeſprochen, da im 
einzelnen alle dieſe Dankſagungen in 
unſerem kleinen Blättchen nicht veröffent- 
licht werden können.“ 


Geld ſtes Rättel | 
In Konnersreuth wurde Jubiläum ge- 
feiert. Zu dieſem 10-Zahres-Tag erſchien im 
„Konnersreuther Sonntagsblatt — Sendbote 
der barmherzigen Liebe Gottes, Woden- 
ſchrift für die Katholiſche Familie, zugleich 
Nachrichtenblatt über die Vorgänge in 
Konnersreuth“ ein Leitartikel. Da war 
ſchwarz auf weiß zu leſen: 
„Zehn Jahre Konnersreuth! 
Was bedeutet das in der göttlichen Heils- 
ordnung für die Menſchheit, für die Gläu⸗ 
bigen und Angläubigen? Viel, viel mehr, 
als was wir Menſchen uns mit unſeren 
Gehirnen erſinnen können, mehr als das 
wir hoffen dürfen. Der Himmel iſt auf 
die Erde hernieder gekommen. 
Konnersreuth ein ſtändiges 
Weihnachten! In der Seeleder 
Thereſe Neumann hat der Hei- 
land eine aus erwählte Krippe 
gefunden. In myſtiſcher Weiſe lebt 
Chriſtus in dieſer Seele und aus dieſem 
Leben des göttlichen Sohnes lebt Thereſe 
Neumann. Konnersreuth iſt 
ein ſtändiger Karfreitag und 
ein ftdndiger Oftermorgen.... 
Konnersreuth ift heiliges 
Pfingſtfeſt.. . So leuchtet über 
Konnersreuth die heiligſte 
Dreifaltigkeit, die Sonne der 
Seelen, das Licht der Gr, 
leuchtung.“ 

Ja, wenn Oſtern und Pfingſten auf einen 
Tag fallen ... dies Rätſel ift in Konners⸗ 
reuth gelöſt. Da iſt auch ſtändig Weih⸗ 
nachten. Atz 


Verse bliche Hoffunns 

Nach einem Bericht der „Reichspoſt“ be- 
gann der Jeſuitenpater Georg Bichlmair 
einen kürzlich in Wien gehaltenen Vortrag 
„Der Chriſt und der Jude“ mit dieſem Satz: 
„Hunderttauſende öſterreichiſcher Katholiken 
erwarten von ſeiten der katholiſchen Aktion 
ein klärendes Wort in der Judenfrage, an 


Randbemerkungen 27 


dem ſie ſich in der Praxis orientieren 
könnten.“ Sirenenklänge! Seit vielen Jahren 
haben wir uns bemüht, von den katholiſchen 
Kirchenfürſten eine letzte und klare und 
gültige Erklärung zur Frage „Chriſt und 
Jude“ zu bekommen. Die Antwort würde 
aber eine Stellungnahme zur Raſſenfrage 
überhaupt bringen müſſen. Vor dieſer letzten 
Entſcheidung iſt man immer wieder wie eine 
Katze um den heißen Brei herumgeſchlichen. 
Wir verſtehen Herrn Bichlmairs und der 
„Reichspoſt“ Wünſche und wir freuen uns, 
wenn die hoffnungsvollen Frageſteller dank 
ihrer guten Beziehungen einmal aus dem zu⸗ 
ſtändigen Referat im Vatikan eine jedem 
Menſchen verſtändliche klare Antwort auf 
eine alte Frage erlangen können. Atz 


Battles - Madonnen! 

„Der neue engliſche Rieſendampfer „Queen 
Mary‘, der im Mai feine Jungfernfahrt 
fiber den Atlantiſchen Ozean antreten wird, 
beigt zwei Altäre an Bord. Der Haupt- 
altar, der der Madonna des Atlanti: 
ſchen Ozeans geweiht iſt, befindet ſich 
im Hauptgeſellſchaſtsraum auf dem Prome- 
nadendeck. Der zweite Altar ſteht in der 
Bibliothek und ift der Madonna der Großen 
Schiffe geweiht“, ſo berichtet ſtolz „Der 
Katholik“. Hoffentlich ergeben ſich keine 
Komplikationen, wenn die, Queen Mary‘ mal 
in anderen Gewäſſern eingeſetzt wird. Im 
übrigen hoffen wir, daß die Madonna 
des Atlantiſchen Ozeans nicht an 
den Tangos Anſtoß nimmt, die im Haupt- 
geſellſchaftsraum ſicherlich abends 
getanzt werden. 


Speustener in Hras 

In einer Sitzung des Prager Minifter- 
rates wurde beſchloſſen, die Selbſtverwal⸗ 
tung der Hochſchulen bei der Berufung von 
neuen Profeſſoren dadurch einzuſchränken, 
daß die Regierung in Zukunft dieſe Ernen- 
nung durchführt, ohne die Vorſchläge des 
akademiſchen Senats wie bisher zu berüd- 


ſichtigen. Die „Prager Preſſe“, das deutſch⸗ 
geſchriebene Organ der Regierung, ſchreibt 
dazu, daß in Zukunft Lehrſtühle nur noch 
durch Profeſſoren beſetzt werden, die der 
Idee der Tſchechoſlowakei ent- 
ſprechen, d. h. durch Emigranten, die dem im 
Reich herrſchenden Syſtem feindlich gegen- 
überſtehen. — Ob man genügend gelehrte 
Emigranten findet? 


„Sefäbeſiche Reiten” 

Eine Studentin ſchickt uns zur Kenntnis- 
nahme die Einladung der evangeliſchen Stu- 
dentinnenvifarin von Berlin. Es fol ein 
Wochenendtreffen ſtattfinden, wobei man 
übrigens in einer Anſtalt die Pflege von 
Taubſtummblinden beſichtigen will. (Das 
ſtärkt die Seelen.) Der Leitſpruch des 
Treffens iſt eigenartig, ein Liedervers, der 
folgendermaßen beginnt: 


„Es tut Gott nicht gereuen, 

Was er vorlängſt gedeut't, 

Seine Kirche zu erneuen 

In dieſer gefährlich' Zeit.“ 

Wir haben es nur ſo nebenbei geleſen, als 
ein Beiſpiel für viele. Ob es Methode iſt? 


wGvangelinmvestindignus am 
Seldengedentias~ 

Unter dieſer Ueberfdrift fühlte ſich „Das 
Deutſche Pfarrerblatt“ (Nr. 8/1936), ein 
Organ der Bekenntniskirche, be 
müßigt, zum Heldengedenktag nad- 
ſtehende Ausführungen zu bringen: 

„Die kirchliche Feier am Heldengedenktag 
muß wirkliche Evangeliumsverkündigung 
ſein. Das heißt zunächſt: Sie hat nicht die 
Aufgabe, das menſchliche Helden. 
tum mit einer religidjen Weihe 
zu verſehen. Es iſt nicht evangeliumsgemäß, 
durch die chriſtliche Predigt einfach alle im 
Kriege Gefallenen wegen dieſer Tatſache in 
den Himmel verſetzen zu wollen. Das mag 
heidniſcher Glaube ſein, chriſtlich iſt das 
nicht. Man hüte ſich deshalb davor, Worte 


28 Randbemertungen 


wie das in unzählig vielen Feldpredigten 
mißbrauchte: „Niemand hat größere Liebe 
denn die, daß er ſein Leben läßt ſür ſeine 
Freunde“ (Joh. 15, 13) ohne weiteres auf 
die im Kriege Gefallenen anzuwenden. Man 
wiederhole auch nicht im chriſtlichen Gottes- 
dienſt die weit verbreitete Aeberzeugung, 
daß es ſüß und ehrenvoll ift, in der Few- 
ſchlacht zu fallen. In der chriſtlichen Ver⸗ 
kündigung geht es nie um die Ehre 
von Menſchen, Sondern allein um 
Gottes Ehre und die Begnadigung des buf- 
fertigen Sünders. Man zerſchlage alſo mit 
einer durch religiöſe Worte geſchmückten 
weltlichen Lobrede auf Tapferkeit und 
Opfermut am Heldengedenktag nicht, was 
bisher durch wahrhafte Evangeliumsverkün⸗ 
digung in der Gemeinde mühſam aufge⸗ 
baut ift.“ 

Wir fragen: Kann durch eine „Lobrede 
auf Tapferkeit und Opfermut“ überhaupt 
etwas „zerſchlagen“ werden? Doch nur 
(ſollte man logiſcherweiſe annehmen) der 
Wille zu Feigheit und Drüdebergerei. Auf- 
rechte Männer ſind wohl unbeliebt? hy 


Die ,sesmanifide Union“ 
deobt: 

In einer jüdiſch orientierten Zeitſchrift 
für kanadiſche Lehrer und Lehrerinnen, die 
den Namen „Dent's Teachers Aid“ trägt, 
wird ein langer Aufſatz darüber veröffent⸗ 
licht, wie der Lehrer im Geograpbhieunter- 
richt das Thema „Deutſchland“ behandeln 
foll. | 

In einem Abſchnitt „Intereſſante Tatſachen 
von Deutſchland“ wird den Deutſchen unter 
Punkt 4 nachgeſagt, ſie hätten wenig für 
Sport übrig und ihr ganzes Vergnügen be- 
ſtehe in Arbeit (das letztere wundert dieſe 
Freunde offenſichtlich ſehr). „Die Frauen 
müßten die ſchwerſten Handarbeiten verrid- 
ten und kümmerten ſich wenig 
um Hausarbeit.“ Unter Punkt 5 
marſchiert die „Dicke Berta“ des Welt— 
krieges auf. 


Ein anderer Abſchnitt behandelt „Das 
Werk Hitlers“ und iſt von A bis 3 cine 
ebenſo verworrene wie lächerliche Propa- 
gandalüge, wie ih ſchon aus dem Satz er- 
gibt: „Sein (Hitlers) hohes Amt iſt das 
Geſchenk des deutſchen Stahltruſts, der von 


Thyſſen beherrſcht wird, welcher durch eine 


ſorgfältig vorbereitete Verſchwörung die 
Herrſchaft Deutſchlands erobert hat.“ Gelbft- 
verſtändlich werden im Zuſammenhang 
damit alte Märchen aufgewärmt, wie wir 
ſie ſchon viele Male in der kommuniſtiſchen 
und der übrigen deutſchfeindlichen Aus- 
landspreſſe geleſen haben. Den Schulfin- 
dern fol erzählt werden, es fei das Ziel 
der von den Thyſſen kontrollierten Regie- 
rung, die deutſche Herrſchaft über 
alle germaniſchen Völker aus- 
zudehnen. 

Nur dieſe eine Stelle, die ſich mit 
Reichsminiſter Göring befaßt, fei wieder ⸗ 
gegeben: „Göring ift es, der 20 000 Flug- 
zeuge in einem Jahr bereitſtellen wird, um 
Europa durch Giftgaſe zu vernichten; denn 
die Deutſchen find bedeutende Chemiker.“ 
(Der alte Dreh: Die Zeitſchrift wandelt 
auf den Spuren derer, die während des 
Krieges und noch vor Eintritt Amerikas in 
den Weltkrieg behaupteten, Deutſchland 
wolle mit ſeinen Aſpirinpillen, die 
es in ASA verkaufe, das amerikaniſche 
Volk vergiften.) Es heißt dann weiter: 
„Im Bunde mit dem deutſchen Stahltruſt 
ſteht das große chemiſche Werk in Leuna, 
ein Erzeugnis des neuen Deutſchland, wo 
gewiſſe Anilinfarben aus Teernebenproduk⸗ 
ten, Stickſtoff aus der Luft ſowie KRunft- 
feide, Benzin aus Kohle und ſtarke Spreng- 
ſtoffe hergeſtellt werden.“ 


„Wie baut Hitler das Land auf? Die 
Löhne ſind um die Hälfte beſchnitten und 
die Preiſe für Bedarfsartikel verdoppelt 
worden. Eine Million junger Männer find 
in Notſtandslagern, von denen ſie an die 
Großgrundbeſitzer ausgeliehen werden; 
ſie werden ohne jede Entlohnung 


Vom Büchermarkt 29 


bei öffentlichen Arbeiten beſchäftigt und mili- 
täriſch ausgebildet. Drei Millionen Ar- 
beiter ſind arbeitslos und als die „Hunger⸗ 
armee“ bekannt, während die anderen Arbei⸗ 
ter auf halbe Arbeitszeit und daher auf 
halben Lohn geſetzt find. Die Frauen 
werden aus der Induſtrie herausgezogen 
und für Haus- und Familienpflichten be- 
ſtimmt.“ (Die armen Frauen!) 

„Folgende Länder will Deutſchland in 
die von ihm geplante germaniſche 
Anion einbeziehen: Norwegen, Schweden, 
Dänemark, Holland, Elfaß⸗Lothringen, 
Oeſterreich, die Tſchechoſlowakei, Zugo- 
flawien, die Schweiz und die Akraine.“ 


Neben dieſen Vorſchlägen zur Geſtaltung 
eine Geographieſtunde für Kinder in Ka⸗ 
nada iſt noch eine Karte geſtellt, die aus 
dem antideutſchen Buche „Hitler über 
Europa“ ſtammt und die den Plan der 
Gründung eines neuen germaniſchen Reiches 
darſtellen ſoll. Die Karte entſpringt fom- 
plettem Verfolgungswahn, denn ſie bezieht 
in dieſes neue germaniſche Reid auch noch 
Finnland, Belgien, die anderen Oſtſee⸗ 
ſtaaten, Ungarn, Bulgarien und Rumänien 
ein. 

Wir bedauern die Schüler, denen dieſe 
Lügen eingetrichtert werden. Wir möchten 
nur wiſſen, ob die Lehrer dieſen haarſträu⸗ 
benden Miſt wirklich glauben. hy 


Réformes sociales et économiques, L’Edition 
Universelle, S. A. Bruxelles, Nouvelle 
Allemagne. Von Marcel Laloire. 

Dieſes in franzöſiſcher Sprache in Brüſſel 
erſchienene Buch über das neue Deutſchland 
und ſeine 1 und 8 Neu- 

SE verſucht 
Denic e 9 See evolution zu⸗ 

en dn en, einen Aeberblick über die ge⸗ 
pee eiten und den Aufbau des 

Dritten Reiches zu geben, fo wie es der Ver- 

[oien des Buches nach zw Se national- 

ozialiſtiſcher Regieru ſieht. In ob- 

jektiver Schau deſchrelbt er die wefent- 
lichſten e und Probleme: Wir 
finden z. B. Kapitel über „Le sens de la 
revolution“, „La Charte du travail“ (das 

Geſetz zur 123, 1 der nationalen Arbeit 

vom Mai 1 933), Front du travail“, 

E E 15 chömage“ (Arbeits: 

teit), „La politique de la natalité“, (Ge 
Terungspolitify, „Capitalisme ou socia- 
lome, armi la jeunesse allemande“ 

(Sinter Der deutſchen Jugend) uſw. 


ebnis der in 


Wir glauben mit dem Verfaſſer, ‚DaB pine 
Verſuch einer Sn eee événe- 
ments d’Allemagne et de Vhitlérisme“ 
angetan ift, den Teil des Auslandes, der 
noch immer dem neuen Deutſchland ver- 
ſtändnislos und mit vorgefaßter Meinung 
BE, 2 zu einer gerechten und leiden⸗ 
e Beurteilung zu führen, denn 

Vhitlérisme est un fait, ‘at 11 n'est plus 
possible d'ignorer“. Wha. 


Hans Saubherr: Erfüllung und Sie 
Der Kampf um die Durchführu 
Tilſiter Frledens 1807/1808. Hanſeatiſche 
Verlagsanſtalt Hamburg. 


Als die Franzoſen im Jahre 1929 wider- 
rechtlich das Ruhrgebiet beſetzten, verſuchte 
ein franzöſiſcher iftorifer die fadenſcheinige 
Rechtsgrundlage der Sanktionspolitik durch 
den Nachweis zu verbeſſern, daß Preußen- 
Deutſchland ja ſchon nach dem Frieden von 
Tilſit aufs beſte verſtanden habe, ih allen 
berechtigten Forderungen Frankreichs zu ent- 
ziehen. Nun, der Hinweis war nicht ſchlecht, 


30 Vom Büchermarkt 


wenn er auch keineswegs ſo gemeint war: 
denn jene Zeit der deutſchen SE 
nach 1806 zeugte aufs ſtärkſte gegen Frant- 
reich. Die zunächſt ungenannte, dann 
phantaſtiſch hohe Kontributionsſumme, die 
zu Erpreſſungen jeder Art ausgenutzt wurde, 
eine Ausbeutungspolitik, der gegenüber jede 
preußiſche Bemühung immer nur zu neuen 
unerfüllbaren Forderungen führte — es 
war geno fo wie bei der Reparations- 
politik nach 1919. In welchem Maße und 
unter welchem Druck die preußiſchen Staats- 
männer dem franzöfiſchen chtwillen 
gegenüberſtanden, a erft jetzt in vollem 
Amfange die vorliegende Arbeit, die aus 
den preußiſchen Akten jener Jahre EA 
Sie ift ſehr gewandt, an einigen Stellen gar 
ein wenig glatt E Obwohl fe 
mur einen chnitt behandelt, entwirft fie 
ein ſehr lebendiges Geſamtbild der Demüti⸗ 
gung und Gegenwehr, in deſſen Mittelpunkt 
der verzweifelte Kampf des Freiherrn 
vom Stein ſteht. Die große Bedeutung der 
inneren Erneuerung für den Freiheitskam 

wird ebenſo klar en wie der hohe 
Anteil der Finanzpolitik; auch darin iſt uns 
jene Epoche nicht fremd. K. A. 


Das Buch vom deutſchen Volkstum. Weſen 
— Lebensraum — Schickſal. Heraus- 
gegeben von Paul Gauß, mit 136 Karten 
und über 1000 Bildern. Verlag F. A. 
Brockhaus, Leipzig 1935. Pr.: 20,— RM. 
Zum erſtenmal iſt in dieſem Werke der 

Verſuch gemacht, vom Volkstumsgedanken, 

der nicht das Staatsweſen, ſondern das 

Blut zur Grundlage nimmt, einen um- 

faſſenden Aeberblick über das geſamte Volk 

der Deutſchen, ſeinen Lebensraum, ſeine 

Leiſtungen und ſeine Geſchichte zu geben. 

Das Vorhaben ift im ganzen geglückt. Zahl- 

reiche gute Beiträge, deren Verfaſſer aus 

der Volkstumsarbeit bekannt find, bieten 
reichliche Belehrung über die Verbreitung 
des Deutſchtums in aller Welt und an 
unſeren Grenzen, über den raſſiſchen Beſtand 
des deutſchen Volkes und ſeine Erhaltung, 
über die deutſchen Stämme und Land- 
ſchaften, über die deutſche Geſchichte, Kultur 
und Kunſt, über das deutſche Wirtſchaſts. 
und Rechtsleben. Eine Fülle hervorragen- 
der Karten, ausgezeichnete Bilder und 

Aeberſichten hilft entſcheidend mit, ein wirt- 

liches Geſamtbild vom deutſchen Volkstum 

entſtehen zu laſſen. Wer ein ſolches Ge- 
ſamtwerk beſitzen möchte, dem ſei dieſes 

Buch vom Volkstum empfohlen. Für die 

Voltsgenoſſen außerhalb des Reiches wird 

es von beſonderer Bedeutung ſein. 


\ 


Einige Züge des Werkes machen eine 
kritiſche Bemerkung notwendig. Die Kon⸗ 
feſſionen werden von beſonderen fonfefft- 
onellen „Vertretern“ behandelt, das iſt ein 
itberlebtes Syſtem und in dieſem Falle ganz 
beſonders erflüſſig. Die Aufſätze über 
konkrete Gegenſtände ſind beſſer ausgefallen 
als diejenigen, die weiter in das geiſtige 
Leben EN. Go ift der Beitrag über 
die Geſchichte (Keyſer) einſeitig raum- 
Ka ausgerichtet und unzureichend. 
Er ſtrömt keine erzieheriſche Kraft aus, das 
wäre aber gerade an dieſer Stelle notwen- 
dig geweſen. Auch iſt nicht deed 
warum die Klöſter und Kirchen in der Gier, 
gangenheit, zumal fie ſchon im vorderen Teil 
des Werkes behandelt find, mehr Raum be⸗ 
anſpruchen, als Reformation und Gegen- 
reformation. Auch die Darſtellung der Kunſt 
und geiſtigen Kultur (Benz) ſtößt trotz 
mancher Schönheit nicht durch und bleibt 
an den Toren Stehen (f. auch die Kultur- 
philoſophie und Aeberſichtstafel S. 105). 
Es rächt ſich ſehr, daß die Tätigkeit des 
Nationalſozialismus nicht in einer zweck⸗ 
entſprechenden Form zu geſchloſſener Dar- 
ſtellung gebracht worden ijt. Das Verſäum⸗ 
nis wiegt um ſo ſchwerer, als die in dem 
e bevorzugte Volkslehre 
von M. H. Boehm, Freyer und Shmidt- 
Rohr ſich ja keineswegs mit der national- 
ſozialiſtiſchen Auffaſſung deckt. An Einzel. 
heiten: es weckt falſche Vorſtellungen, wenn 
eine „Steinkohlenzeche bei Soeſt in Weft- 
falen“ (S. 118) abgebildet wird und das 
Sauerland ganz unter die Rheinlande pe 
reiht wird (©. 220). K. 


Johannes Bühler: Fürſten, Ritterſchaft und 
Bürgertum von 1100 bis um ? 
Deutſche one Bd. II. Verlag 
de Gruyter, Berlin und Leipzig. 
Johannes Bühler iſt es auch im zweiten 

Band ſeiner deutſchen Geſchichte, der das 

deutſche Hoch- und Spätmittelalter umfaßt, 

gelungen, den gewaltigen Stoff zu meiſtern. 

Das will viel tee denn es wird nicht 

nur die politiſche Geſchichte dargeboten, 

ſondern der volle Inhalt dieſer reichen und 
ſtolzen Jahrhunderte, die geſamten Rultur- 
leiſtungen und die wiſſenſchaftliche und ver- 
faſſungsgeſchichtliche eee werden 
dargeſtellt. Aus reicher Kenntnis iſt ein 
ſolides Werk entſtanden; wiſſenſchaftliche 

Nachweiſe erhöhen ſeinen Wert. Jedoch ſind 

einige Einſchränkungen nötig. Es fehlt der 

Schwung, der die Höhepunkte der Geſchichte 

zum Erlebnis macht, und es treten Hem- 


Vom Büchermarkt 31 


u auf, die die neuen Geſichtspunkte 
inien, o an die die Geſchichte des deut- 
ſchen Mittelalters nicht mehr zu ſchreiben iſt, 
unausgefprochen laſſen. So ift der größte 
nen. ai en en und “DPriefter- 
Anſatz richtig, politiſch ge- 
ee und Die polite zedeutu der 
romaniſchen clüniazenſiſchen Revo EE 
wird gut herausgearbeitet, aber die Dur 
führung läßt dann alles wieder N D e 
Welfen liebt Bühler nicht und wird ihnen 
daher nicht gerecht, obwohl er mit Recht 
Verzerrungen befeitigt. Bei der allgemeinen 
SE und rkeit der Darſtellung 
geringe ſclechte Begriffe wie der 
Tuwa alismus“ der deutſchen Kaiſer, 
„bo poses Z wi der abgegriffene Aug- 


Bun ch“ um fo mehr a Mit 
Disen € e 


en iff das We in ehr 
klarer Sufammenfaffung eine brauchbare 
Arbeitsgrundlage. K. A. 


Alfred von Pawlitowfli-Cholewa: Heer und 
Völkerſchickſal. Betrachtung der Welt- 
geſchichte vom Standpunkt des Soldaten. 
Verlag R. Oldenbourg, München und 
Berlin, 1936. 


Ein alter Soldat hat die zutreffende ublſchen 
ſtellung gemadt, daß in den früher Git 
Geſchichtswerken das Heerweſen und CH 
Kriegskünſte er fo st find, wie es 
der fachkundige Soldat bei der gewaltigen 
Bedeutung der Heere für die Völkergeſchichte 
wiinfden muß. Er hat den Wunſch gehabt, 
dieſe Lücke in dem vorliegenden Band aus- 
zufüllen, aber leider iſt ihm die Erfüllung 
. geblieben. Denn der Verfaſſer hat 
a in EES 3 mühevoller Arbeit 


aller Zeiten und 

Bolter ie gufammengetragen, aber 
es ift ihm nicht gelungen, dieſen Stoff unter 
die höheren Gefichtspunkte zu bringen, die 
allein dem hohen Gegenſtande „Heer und 
Völkerſchickſal“ angemeſſen geweſen wären. 
Die tieferen Begiehungen zwiſchen Heeres- 
bee er und Volkstum, zwiſchen Heer 
Zverfaſſung werden ni 3 berührt. 

Statt deffen wird von dem mit t über- 
lebten Standpunkt der all einen ildung 
Stoffliches ohne inneres Band aneinander- 
ereiht und allenfall 3 mit Dem Hinweis ver- 
dre wie vieles eigentlich ſchon einmal 
dageweſen iſt. Aber ſelbſt im Stofflichen 
bleiben ſowohl im Literaturnachweis wie in 
der Darſtellung berechtigte Wünſche un⸗ 
erfüllt, und wo der Verfaſſer in die all⸗ 
gemeine Geſchichte übergreift, zeigt er keine 
glückliche Hand. Der neue ſtarke Sinn für 


die Geſchichte von Heer und Volksdienſt 
findet in dem Buch leider keine . 
gung. 


René Fülöp- Miller: Leo XIII. und unfere 
Zeit. Mächte der Kirche — Gewalten der 
Welt. Rauſcher Verlag, Zürich u. Leipzig. 


Wir kennen René Fülöp- Millers be- 

GA 5 Sie hat ſich nicht nur um 
„Führer, Schwärmer und 

Re ellen“ Ta t, ſondern bereits aud 
„Macht und G eimnis der Jeſuiten“ ge⸗ 
putes And wer es mag, kann ſich bei bee 
ektüre der neuen Sch verluſtieren, bis 

zu welchem Grade mit Gewandtheit und 
ilfe vatikaniſche Seele: und 

Polit olitik einläßlich gemacht werden können. 


Wir möchten ein anderes Wort dazu 
ae Wohl gemerkt: nicht Leo XIII. und 
eine Zeit lautet der Titel des Bu . 
ſondern „Leo XIII. und unſere Zeit“. 
ſollen glauben daß Leos Verſuch, „die Ge. 
walten der Wel mit Hilfe der erneuten 


ſchlaue — 


T fet heute dringend einer Neu⸗ 
lage wert. Hier irrt ein Literat. Leo 
9 ört in ſeine Zeit, und unſere Zeit 
ehört ung. So werden . Millers 


. Sirenenklänge zur „Katzenmufik“. 


a und Pi im pene Hochſchul⸗ 

Falk Ruttke. 

He t 1 Ke Ed tenreihe „Recht und 

Rechtswahrer, 1 zum Raffe- 
gedanken“, 24 Seiten 


Der an legt pier eine im Februar 
1935 an der Univerfitdt Berlin gehaltene 
N tel ad bi der Oeffentlichkeit vor. Er 
betont, daß die politiſche Forderung nach 
einem artgemäßen deutſchen Recht neben 
ihrer Auswirkung auf ra an Ge- 
5 70 beſonders von dem künftigen ju 
e bereits bei EN V 
tsfindung des täglichen Lebens Heri 
licht werden muß. ie deutſche Hochſchule 
muß Geier? zum artgemäßen Rechtsdenken 
erziehen eſonders an rechtsgeſchichtlichen 
Betrachtungen iſt dem Studenten die 
raſſiſche Bedingtheit des Rechts zu zeigen. 
„Nur über den Weg eines artgemäßen 
Rechtswahrernachwuchſes werden wir die 
Vorausſetzungen m: eine deutſche Rechts- 
geſtaltung ſchaffen H. Gu. 


32 Vom Büchermarkt 


Ein General rettet ſeine Armee. Mackenſens 
5 zur Heimat. Von Ott o 
80 chſig Teig 6 Gerhard Stalling, 

erf 


Endlid pe Buch ae unſeren letzten 
Feldmarſchall aus dem Weltkriege. Der 
lichen dpf ister den BAN ber Aen 

en ung u er bedingu 
lojen Treue, der den Heerführer Mackenſen 
in den vielleicht ſchwerſten Tagen ſeines 
Lebens beſeelte. Mackenſen führte nach dem 
Zuſammenbruch der Habsburger Monarchie 
feine ſiegreiche in Rumänien ſtehende Armee 
durch die verſchneiten Karpathen und durch 
das von inneren Wirren fiebernde Angarn. 
Anter EA ee wird Mackenſen von 
der Revolutionsregierung nach Budapeſt ge- 
2 Wie 1 de einem Schloß in der Nähe Der 

eshauptitadt interniert. Der 
1 relat Gos | daß feine Bataillone 
laien über Oeſterreich und die en 
ſlowakei verlaffen dürfen. Später bemächti⸗ 
gen ſich die Franzoſen des deutſchen Feld- 
marſchalls und ſeiner Stabsoffiziere, und ſie 
internieren Mackenſen in Saloniki. Nach 
Monaten ſeeliſch unerträglicher Internie⸗ 
rung darf ckenſen die Reife in die Hei- 
mat antreten. Somit betrat Generalfeld- 
marſchall von Mackenſen als Führer ſeiner 
Armee zuletzt den Heimatboden und rettete 
durch ſeine unerſchrockene Haltung gegen: 
itber den feindlichen Mächten durch da 
Opfer ſeiner perſönlichen une eine 
deutſche Armee. 8 


Schickſalsſtunden der deutſchen 5 te. 
Von Heinrich Bauer. Hanſeatiſche 
Verlagsanſtalt, Hamburg. 


Mit vollendeter Ne terſchaft des Stils wie 
des Stoffes zeichnet Bauer in dieſem Buch 
die ſchwerſten Schi 11 E der deutſchen Ge⸗ 
orate: Durch bieles Buch zieht fih wie ein roter 

aden der Kampf zwiſchen Deutſchtum und Rom, 
n Kampf zwiſchen ee n und Cäſaren, 

ſchen Kalſern und eld wae Lem chen der Stimme 
es deutſchen Blutes und der ebenſo artfremden wie 
lebensfernen Doktrin 

Jeder HI: Führet ſollte dieſes Buch zur Hand 
nehmen, um aus ihm zu ſchöpfen, wenn er jetne 
erſte und wichtigſte Aufgabe erfüllt: Die deutſche 
Jugend in der Geſchichte ihres Volkes A eg, 
Diele Geſchichtsbilder geben neuen Kampfwillen für 
dieſe Generation und kommende WEE 


„Die Deren: Hiſtoriſcher Roman von Albert 
Liebold. ug Wilhelm Grunow 
G. m. b. H., Leipzig. 

In dieſem oman wird die deutſche den 

7. r 

ig. Auf der einen Seite 
kampf ſchen den Patriziern und den 

Zünften, auf der anderen Seite ehrgeiziges 

und hemmungsloſes Streben der Zoo 


im Ra egen neue Ideen GE neue 

ag * e Een e ren eine Bee 
u n gezeichnete ng. e 
Sprache, gute Wahl des Wortes taffen uns 


das Buch, in deſſen Mittelpunkt das Leben 


einer „Hexe“ ſteht, mit Dank an den Gier, 
ſaſſer aus der Hand legen. Dr. L. 


Fehde um Brandenburg. — Die Geſchi 
eines Rebellen. Von Fritz Helke. 
Anion — Deutſche N S 
Stuttgart-Berlin-Leipzig. 


Fritz Helke hat fig a pe neuen 
Roman feinem breiten Leſerkreis vorgeftellt. 
Helles Stärke liegt zweifellos in der Dar- 
swertung geſchichtlichen 

nd wir 5 mit der Feſt⸗ 
zuviel, daß ein Kapitel 

cher a ichte durch das neue 


preußif deutſ 
. beſonders 


Werk Helkes EE 
vertraut gemadt wi 


Zwei 5 Dietrich von 
Quitzow, letzter freier Ritter der Mark, > 
Friedrich von Hohenzollern, Burghauptman 
zu Nürnberg und E der gelle. 
Könige, ringen um die H Branden- 
burgs. Der 1 Sieg riedrichs von 
Hohenzollern wird en ſſcheidend f für die Ge⸗ 
2 eine. ja für die Geſchichte 

ee nds. Dies ift in knappen Umriffen 
das ema des von Helke mit geradezu 
rel Darſtellungskunſt gezeichneten 

Stoffes 

Daß gerade ein Ange öriger der Hitler- 
jugend dieſe Perſönlichkeiten im Ringen um 
Brandenburg in das Licht eingehender Be⸗ 
trachtung ſtellt, wird jeden unſerer Leſer und 
vor allem unſerer Kameraden mit 5 
erfüllen. . Q. 


Hauptſchriftleiter: Günter Kaufmann (z. Zt. in Urlaub). 


Säriftlettung: Dr. Karl mare’ Stellvertreter, und 


Wilhelm Utermann. Anſchrift: „Wille und Macht“, Reichsjugendführung, Berlin RW ronpt ingenufer 10. 
Tel. D2 5841. Verlag: Deutſcher Jugendverlag G. m. b. H., . Li veel pe? Tel. B28 ow 9006. — 
Berantw. für un Anzeigenteil: Kurt Otto Arndt, Berlin. — D.⸗A. Vj. 36 , Aufla age dieſes Heftes 


18 000. — Pl. 


Nr. 5. — Druck: Theodor Abb Buchdruckerei, Berlin S8 65 „Wille SS 
durch den Deutſchen Jugendverlag oder jede deutſche Buchhandlung jowie duch die Poft. 


viertel 
Boktbezug Hadden L 


AM. 1,80 zuzügl. Beſtellgeld. Bei Beſtellung von 1 bis 3 einzelnen Nummern bitie den eres in Brie 


betgulegen, da Nachnahmeſendung zu teuer ift und diefe Beſtellung ſonſt nicht erledigt werden 


kann. Kalen: 


bezug durch den Verlag laut bejonderen Bezugsdedingungen. 


F. Hoffstätter, Bonn 
Emall-Abzeichen, Medaillen für 


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norrox ertragalisferant der ECK Nr. 


Bouillon nimmt jeder mit! 


Left und verbreitet 
„Wille und Macht!“ 


Soeben erſchien: 


Hans Chriſtoph Kaergel 


Einer unter Millionen 


Roman 


Hans Chriſtoph Kaergel ſchrieb mit dieſem Amerika Roman fein 
erlebnisſtärkſtes Buch. Vor dem Hintergrund der Wolkenkratzer 
New Yorks, inmitten einer pauſenlos abrollenden, meiſterhaft ge- 


führten adde die alle Höhen und Tiefen des Erlebens durd- 
n 


läuft, eingehüllt in die Erzählung einer Liebe, die zu den innigſten 
und zarteſten unſerer Dichtung gehört, entwickelt ſich um Martin Windeck, 
den in den Kriſenjahren der Syſtemzeit abgebauten Bankbeamten 
aus Waldenburg, ein deutſches Schickſal, wie es Tauſenden und 
aber Tauſenden widerfuhr. Zwar ſchlägt ſich Windeck drüben leidlich 
durchs Leben: heute Tiſchler, morgen Totengräber, dann Stalljunge 
und Milchkutſcher, zwar gibt ihm die Fremde, was ihm die alte Heimat 
für immer zu verweigern ſchien: Arbeit und Leben. Aber er wird 
nicht glücklich dabei. Denn erſt jetzt, erſt hier im fremden Land, im 
Strom der Weltſtadt it er, wie tief er Deutſchland liebt und daß 
er ſich nie von ihm löſen kann, um Amerikaner zu werden. Auto- 
biographiſche Züge find dieſem hehe mannigfach verflochten. So 
Nen dieſes neue Werk des bekannten ſchleflſchen Erzählers eine 
efondese Bedeutung als das Lebensbekenntnis eines Mannes, den 
Grenze und Ausland ſeinem Volkstum zutiefſt verwurzeln ließ. 


Pappband R M. 360 7 Ganzleinen RM. 4,80 


Zeitgeſchichte 


Verlag und Vertriebs ⸗Geſellſchaft m. b. H., Berlin W 35 


Braune Buch- Nin 


Die Buchgenteinſchaſt uuſ enen Zeit 


Munchen 47 2116 
Schriftleitung der N 8 
Frauenwar te — Fach 80 


Der ae 


Die im Braunen Buh -Ring zuſammengeſchloſſenen Männer 
und Frauen ſehen im Buch das wirkſamſte Mittel, die national- 
ſozialiſtiſche Weltanſchauung zu vertiefen und das wiedergewonnen 
deutſche Lebensgefühl zu ſtärken. | 
Der Braune Buch⸗Ning bringt grundſätzlich nur Erſtveröffent⸗ | 
lichungen. alfo keine Nachdrucke und keine Neuauflagen bereits 
erſchienener Werke, und unterſcheidet ſich dadurch von allen $ 
anderen deutſchen VBuchgemeinſchaften. | 


Der Braune Buch Ning zählt Zehntauſende deutſcher Bolts- 
genoſſen aller Stände und Berufe zu ſeinen Mitgliedern. 

Der Braune Buch Ning liefert für den geringen Monatsbeitrag 
von nur 1,15 RM. jährlich 4 umfangreiche, wertvolle Bucher 
ſowie 24 Hefte der reich bebilderten Zeitſchrift „Der Braune | 
Reiter“. | 


Der Braune Buch⸗Ning nimmt zu jeder Zeit neue Mitglieder 
auf. Ein Eintrittsgeld wird nicht erhoben. | 


Auch Ihr Buchhandler beforgt Ihre Anmeldung. 


An den Braunen Buch ⸗Ning 
Berlin W 35, Lützowſtraße 66 


Ich bitte um koſtenloſe und unverbindliche Zuſendung von Druckſchriften. 
Name:: 333 2 ⁵⁵⁵⁵ é Er 
Beruf 

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Hauptarchiv dur N SDAT 
Abt. Jugendbewegun 


Nach Gebrauch zurtick a 


Zell 


Sübrerorgan dev nationalſozialiſtiſchen Sugend 


Ans dem BSubaelt: 
| Hans Hinkel / „Er gehört zu un 
e / Haupilehren des deutschen Verfassungsrechts in graphischer Da 


| Geier / Der Strafvollzug an Jugendlichen 


Í Kunst in der Voiksgemeinschafi — Schwitzke / Das Kaiserbuch von Pau 
| Frankreich unier dem 100. Kabinett seiner dritien Republik — Keudel | Wun 
Zeitung — Siewert | Das Ende Lord Kitcheners — . U. Aauarelle (zur Kansld 


Halbmonatsfbsift / Heft 11 Berlin, den 1. Juni 1036 Ginselpeeis 30 Die 


Subalt 


Die Hauptlehren des deutſchen Verfaſſungsrechts in 


graphiſcher DarſtellunnnRnnggggggg. Dr. Gottfried Neeße 
„Er gehört zu uns Hans Hinkel 
Reids kulturwalter 
Kunſt in der Volksgemeinſchafft 22. . Karlheinz Rüdiger 
Das Kaiſerbuch von Paul Ernte Dr. Heinz Schwitz ke 
Der Strafvollzug an Jugendlicheeees Dr. Erwin Geier 


Frankreich uuter dem 100. Kabinett ſeiner dritten Republik Friedr. Schorer, Paris 


Kleine Beiträge: | 
Wunſchbilder der „Frankfurter Zeitung” . . . . Rudolf Keudel 


Außenpolitiſche Notizen: 


Das Ende Lord Kitchenernsnss. Wulf Siewert 
Randbemerkungen: 

„Bibel oder Revolver?) ß by. 

So geht es nichheteteeet. Sti. 
Kunſtdruckbeilage: 

Aquarelle (Zu unferer Kunſtdruckbeilage ). . W. A. 


Aquarelle (Fotos: Scherl; Originalaufnahmen für „Wille und Macht“) 


Zeichnungen zum Neeße⸗Aufſatz: Boſſeck 


UU Sit, 


FAH vevovrsan der nationalfosialiftifdWen Jugend 


Jahrgang 4 _ Berlin, 1. Juni 1936 Heft 11 


Gottfried Neeße: 


Die Hauptlehren 
des deuiſchen Oerfaſſungsrechts 
in graphiſcher Darſtellung 


Die Worte ſind im Laufe der Jahrhunderte immer vieldeutiger geworden. Vor 
allem in der wiſſenſchaftlichen Erörterung hat die Fragwürdigkeit der Begriffe, der 
Mangel einer eindeutigen Ausdrucksmöglichkeit mehr Zerſplitterung verurſacht, als 
die Aneinheitlichkeit geiſtigen Wollens und geiſtiger Haltung. 


Aus dieſem Grundgedanken heraus entſtand der Plan, die großen Lehren unſeres 
gegenwärtigen Verfaſſungsrechtes, die fih mit dem Aufbau des Reiches befaſſen, 
ze ichneriſch darzuſtellen. Dabei wird nicht verkannt, daß eine ſolche Darſtellung nur 
die organiſatoriſch⸗techniſche Problematik, nicht aber die innerſte wiſſenſchaftliche Be- 
deutung einer Lehre aufzeigen kann. Außerdem: eine Verdeutlichung wird immer 
eine Vergröberung, eine Verfinnbildlichung meiſt eine Verſimpelung fein. In letzter 
Folgerichtigkeit iſt nur ein rational ausgeklügeltes Verfaſſungsſchema, nicht aber 
eine organiſch wachſende Verfaſſungswirklichkeit darzuſtellen. Trotzdem lohnt die 
Mühe ſolcher Betrachtung. 


In welchem Amfange der Verſuch, die Hauptlehren des deutſchen Verfaffungs- 
rechtes graphiſch darzuſtellen, Klärung und Förderung der wiſſenſchaftlichen Aus- 
einanderſetzung bedeutet, wird ſich in der Zukunft zu erweiſen haben. An uns iſt es, 
kein Mittel, keine Möglichkeit außer acht zu laſſen, die zur Klarheit beizutragen und 
nationalſozialiſtiſche Scheinſiege in der A unmöglich zu machen oder doch 
wenigſtens zu erſchweren vermag. 


2 Neeße / Die Hauptlehren des deutſchen Verfaſſungsrechts in graphiſcher Darſtellung 


l. „Staat“ als Drelgllederung der politischen Einheit 
Die Lehre Carl Schmitts ; 
1. a) Das Einheitsgefüge des politifhen Gemeinweſens (mit -= 
umrandet) wird gewöhnlich als „Staat“ bezeichnet. „Staat“ als Bezeichnung des 
Einheitsgefüges iſt hier im weiteren Sinne zu verſtehen. 


b) Dieſes Einheitsgefüge iſt in drei „Ordnungsreihen“ gegliedert, in Staat, 
Bewegung, Volk (S, B, V), die unterſchieden, aber nicht getrennt, verbunden, aber 
nicht verſchmolzen ſind. „Staat“ als Bezeichnung der einen Ordnungsreihe iſt hier 
im engeren Sinne zu verſtehen. 


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2. Die drei Ordnungsreihen find verſchieden geartet. Staat und Bewegung 
ſind die beiden politiſchen Faktoren des Gemeinweſens (ſtarke Amrandung). Der 
Staat, beſtehend aus Behörden- und Wehreinrichtungen (W, B), ijt die politiſch⸗— 
ſtatiſche Macht, das Element der Stetigkeit (waagerechte Strichelung), die Bewegung, 
beſtehend aus der NSDAP, ihren Gliederungen und angeſchloſſenen Verbänden, iſt 
die politiſch-⸗dynamiſche Macht, das Element der Lebendigkeit und ſtändigen Erneue- 
rung (horizontale Wellenlinien). Das Volk ijt die unpolitiſche Macht (ſchwache Am- 
randung), der in Schutz und Schatten der politiſchen Mächte wachſende Bereich der 
ſtändiſchen und gemeindlichen Selbſtverwaltung (StS, Gem SV). 

3. Die Einheit wird gewährleiſtet: 

a) durch den Führer, der in Artgleichheit mit ſeiner Gefolgſchaft unmittelbar 
über Staat und Bewegung und Volk hoheitliche Gewalt ausübt ( >); 


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Abbildung zu I 


Neeße / Die Hauptlehren des deutſchen Verfaſſungsrechts in graphiſcher Darſtellung 3 


b) durch die nationalſozialiſtiſche Bewegung, die ideell Staat und Volk trägt und 
damit die beiden anderen Ordnungsreihen mit ihrem Weſen durchdringt; organi— 
ſatoriſch Staat und Volk zu einer Einheit bindet durch ihre Mittlerſtellung (B iſt 
zwiſchen S und V gezeichnet); die großen Zukunftsaufgaben weiſt und die Richtlinien 
angibt, nach denen Staat und Volk zu arbeiten haben (B ift größer als S und W; 
die den Führer (F) aus ſich heraus entftehen läßt und mit ihm in nächſter Ber- 
bindung ſteht; 

c) durch ein weitverzweigtes Syſtem von Perſonalunionen (CI): 


Bip. (1): Stellvertreter des Führers zugleich Reichsminiſter ohne Geſchäfts— 
bereich; 


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Abbildung zu II 


Zip. (2): Reichsernährungsminiſter, Reichgleiter der NSDAP, außerdem zu- 
gleich Reichsbauernführer; 

Bip. (3): Reichsorganiſationsleiter der NSDAP, zugleich Reichsleiter 
der DA; 

Bip. (4): Reichsſtatthalter, zugleich Gauleiter der NSDAP uſw. 

Vgl. dazu Carl Schmitt: „Staat, Bewegung, Volk“. Hamburg 1934. 


Il. Der deutsche Führerstaat 

Die Lehre Koellreutters 
1. Das deutſche Gemeinweſen wird am beſten mit dem Worte „Deutſcher 
Führerſtaat“ bezeichnet (ſtark umrandet). Er faßt in fih das Volk (V), feine Spitze 
bildet der Führer (F). „Staat“ iſt Bezeichnung des ganzen Gemeinweſens, nicht 
eines Teiles. 


4 Neeße | Die Hauptlehren des deutſchen Verfaſſungsrechts in graphiſcher Darſtellung 


2. a) Der Führer bedient ſich dreier Mittel zur Durchſetzung ſeines Willens. 
Die drei Mittel der politiſchen Führung ſind: die NS Partei (P), das Beamtentum 
(B), die Wehrmacht (W). 

b) Das Volk iſt der Argrund des Gemeinweſens. Der Führer iſt mit ihm 
weſensgleich (gleiche Art der Strichelung), jedoch faßt er Weſen und Wert des Volkes 
in ſtärkſter Zuſammenballung in ſich: er verkörpert als einzelner Menſch das ganze 
Volk (verſchiedene Stärke der Strichelung). 

c) Die drei Mittel der Führung find Träger der öffentlichen Verwaltung. 
Sie ſind in der Art unterſchieden, aber einheitlich wirkt in ihnen der Wille des 
Führers und die nationalſozialiſtiſche Idee. Sie ſind keine eigenſtändigen Weſen, 
ſondern Werkzeuge in der Hand des Führers. (P, B, W find zum größten Teil 
ohne Strichelung.) 


3. a) Eine für die Einheit des deutſchen Führerſtaates beſonders wichtige 
Stellung nimmt die Reichsregierung ein (RR), die unmittelbar unter dem Führer 
ſteht und die Elemente der Partei (Zip. Stv. des Führers als Reichsmin. ohne 
Geſch Ber.; Reichsführer des BNS als Reichsmin. ohne Gelder. uſw.), des 
Beamtentums (Reichsinnenmin.; Reichsfinanzmin. uſw.), der Wehrmacht (Reichs 
kriegsmin.; Reichsluftfahrtmin.) in ſich faßt. 

b) Der Einheit dient weiterhin die völkiſche Führerſchicht, die ſich heute erſt 
einmal in Partei, Beamtentum, Wehrmacht gebildet hat (FS) und in ſich wieder 
durch vielfältige Perſonalunionen verbunden iſt (PU). Das Schwergewicht der 
Führerſchicht als einer politiſchen Elite liegt in der Partei. 


4. Alle herrſcherliche Gewalt geht vom Führer aus, in dem ſich das Volk ver- 
körpert. Er übt ſie unmittelbar aus (ſtarke Pfeillinien) oder läßt ſie durch Männer 
ſeines Vertrauens ausüben (ſchwache Pfeillinien), die aber ihre Macht erſt aus 
der des Führers ableiten. 


Vgl. dazu Koellreutter „Deutſches Verfaſſungsrecht“, 2. Aufl. 1936. 


lll. Die deutsche Volksgemeinschaft 
Die Lehre Höhns 

1. Die deutſche Volksgemeinſchaft umfaßt den Bereich des Volkes (die Grenzen 
find mit O kenntlich gemacht), den Bereich der Bewegung (die Grenzen find mit A 
kenntlich gemacht), den Bereich des Führers (mit + kenntlich gemacht). Dieſe drei 
Bereiche gehen vollſtändig ineinander über. Die jeweiligen inneren Abgrenzungen 
Seige soe )ſind höchſtens organiſatoriſcher Natur. 

2. Bewegung und Volk ſind echte Gemeinſchaften. Der Führer (F) iſt die Spitze 
der Bewegung und des Volkes. 

a) Führer, Bewegung und Volk ſind einheitlich geartet (gleiche Strichelung!. 
Damit entfällt der Begriff des Antertanen. 

b) Führer, Bewegung und Volk ſind Erſcheinungen der wirklichen Welt. Damit 
entfällt eine bloße gedankliche Vorſtellung wie der Begriff der „juriſtiſchen Perſon“. 


Neeße / Die Hauptlepren des deutſchen Verfaſſungsrechts in graphiſcher Darſtellung 5 


3. Von der Gemeinſchaft unterſchieden iſt der Staat (ſtark umrandet). Der Staat 
iſt keine ſelbſtändige Größe (in der Zeichnung dargeſtellt ohne Strichelung) und 
völlig umgeben von dem Volke. Die Reichsregierung (mit RR bezeichnetes Rechteck) 
gehört allein dem ſtaatlichen Bereiche an. Ein Reichsminiſter, der nicht zugleich 
in der Bewegung führend iſt, iſt nur Leiter eines bürokratiſchen Reſſorts. 

4. Zwei verſchiedene Formen der Herrſchaft werden im Führer zur Einheit 
gebracht. Er befiehlt dem Apparate Staat ( ——> ) und er führt die Ge- 
meinſchaften, Bewegung und Volk ( ------- >). In dem Staate wird nur befohlen, 
in der Bewegung (dem Volke ebenfalls) wird nur geführt. 


Vgl. dazu Höhn: „Die Wandlung im ſtaatsrechtlichen Denken“, Hamburg 1934. 


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Abbildung zu III 


iV. Der Bewegungsstaat 
Die Lehre Hubers 


1. Die politiſche Verfaſſung (die ſtarke Amrandung) faßt in fih das Volk — 
hier Volk im weiteren Sinne „politiſches Volk“ (das ſtark Amrandete), die Volks 
gemeinſchaft. 

2. Die vier weſentlichen Verſaſſungseinrichtungen find: 

a) Die Führung, die das geſamte Gemeinweſen zu betreuen und zu lenken hat 
(der mit ſtarker Strichelung verſehene Teil). Zu unterſcheiden iſt der Führer (F) 
und die Führerſchicht (FS). 

b) Die Bewegung (B), die den politiſchen Willen des Volkes ausſtrahlt (die 
Herrſchaftsordnung hat die gleiche Strichelung, wie die Bewegung). Sie ſteht 


6 Neeße / Die Hauptlehren des deutſchen Verfaſſungsrechts in graphiſcher Darftellung 


mitten in der Volksgemeinſchaft. Sie iſt eine Grundeinrichtung der Verfaſſung, 
unterſteht daher nicht der Aufſicht eines ſtaatlichen Organs. Das Recht der Bewegung 
iſt eigenes Recht. Da ſie dem geſamten Gemeinweſen das ihm eigentümliche 
Gepräge gibt, heißt das „in Form gebrachte“ Volk „Bewegungsſtaat“. 

c) Die Herrſchaftsordnung (HO) umfaßt alle hoheitlichen Kräfte, die im Gemein- 
weſen wirken und Staatsaufgaben erfüllen. Sie ift in ſich gegliedert in Wehr⸗ 
ordnung (WO), Rechtspflege (RP) und Verwaltungsapparat (VA). 

d) Die Volksordnung (VO) — „Volk“ hier im engeren Sinne „ſtändiſch geord- 
netes Volk“ — iſt der Argrund, auf dem alle anderen Erſcheinungsformen innerhalb 
der großen gegliederten Volksgemeinſchaft beruhen. Sie umfaßt das nicht hoheitlich 


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Abbildung zu IV 


geformte Volk (die Strichelung fehlt). Dieſe Volksordnung gliedert fih in Familie 
(Fam), Kulturſtand (KSt), Wirtſchaftsſtand (WSt) und Gemeinde (Gem). 

3. Die notwendige „Einheit von Partei und Staat“ (hier B und HO) wird 
nicht durch gegenſeitige Aeberwachungs oder Befehlsrechte, ſondern durch andere 
Mittel hergeſtellt, deren wichtigſtes techniſches Mittel das Syſtem der Perfonal- 
und Realunion iſt (Klammern zwiſchen B und HO). 


Vgl. dazu Huber: „Weſen und Inhalt der politiſchen Verfaſſung“, Hamburg 1935. 


V. Das Gemeinwesen „Deutsches Reich“ 
Als eine weitere Deutung erſcheint: 


1. Das Volkstum iſt der Argrund, aus dem das Volk und damit auch das 
geſamte deutſche Gemeinweſen wächſt. 


Meee / Die Hauptlehren des deutſchen Verſaſſungsrechts in graphiſcher Darftellung 7 


Partei (P) und Staat (S) find die beiden Lebensformen des Volkes, die beiden 
hoheitlichen Organiſationsformen im deutſchen Gemeinweſen. Die Partei umfaßt die 
NSDAP mit all ihren Gliederungen und angeſchloſſenen Verbänden (und die ſtän⸗ 
diſche „Selbſtverwaltung“), der Staat umfaßt die Behörden- und Wehreinrich⸗ 
tungen (und die gemeindliche „Selbſtverwaltung“). „Staat“ iſt heute nur mehr ein 
Teilbegriff, er dient nicht mehr zur Bezeichnung des geſamten Gemeinweſens. 

2. Das Volk iſt vorhanden als „Selbſtzweck“, wie der Führer ſagt. Es hat 
daher keine feſten ſachlichen Aufgaben. Die Partei gibt die großen Grundſätze an, 
nach denen der Staat zu arbeiten hat, da ſie die Trägerin der Idee iſt, die auch im 


Staate wirkt (gleiche Art, verſchiedene Stärke der Strichelung bei P und S). Der 
Staat iſt frei innerhalb dieſer Grundſätze. 


Trotz ihrer Verſchiedenheit bilden fle im — —  —— — e.s = 
höheren Sinne eine Einheit: fie find eines, N 
aber nicht dasſelbe: d 

a) in ihnen wirkt die gleiche Weltanſchauungz ` 

b) fie dienen beide dem Führer bei ber Füh⸗ \ 
rung des Volkes; 

c) fie wachſen beide aus dem Volke unmittel- 


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3. Die organifatorifhe Aebereinſtimmung w ` 


von Partei und Staat wird außerdem gewähr- ; 
leiſtet durch 


a) den „Alten⸗Kämpfer⸗Grundſatz“; 


c) einzelne Anordnungen des Führers. 

4. Der Führer (F) ift die unmittelbare Ber- 
körperung des deutſchen Volkstums. Er voll⸗ 
ſtreckt in bewußter Tat den unbewußten Willen 
des Volkes (ſtarker Pfeil), indem er ihn an 
Partei und Staat weitergibt (ſchwache Pfeile). 
5. Das Gemeinweſen „Deutſches Reich“ (— — — —) umfaßt das deutſche Volk 
nicht ganz (Auslandsdeutſchtum!) Die Einheit von Volk und Staat wird von der 
NSDAP verwirklicht. Dieſe Einheit von Volk und Staat wird als „Nation“ 
bezeichnet. Dieſes deutſche Wort Nation (vollendete Aebereinſtimmung von Volk 


und Staat) iſt zu unterſcheiden von dem romaniſchen Worte nation (Identität von 
Volk und Staat). 


Wer nicht auf seinen Staat mit begeistertem Stolz schauen kann, dessen Seele 


entbehrt eine der höchsten Empfindungen des Mannes. Treitschke. 


8 Hinkel / Er gehört zu uns 


Hans Hinkel: | 
„Er sehört zu uns“ 


„Die deutſchen Künſtler grüßen in Adolf Hitler den Patron und 
Schutzherrn ihres Schaffens. Er hält ſeine Hand über allem, was am 
Weſen einer echten deutſchen Kunſt und Kultur tätig iſt. Die deutſchen 
Künſtler fühlen ſich ſtolz und glücklich in dem Gefühl: er gehört zu 
uns!“ (Der Präſident der Reichskulturkammer Dr. Goebbels am 
15. November 1935 in der Berliner Philharmonie.) 


Der nationalſozialiſtiſche Staat übernahm am 30. Januar 1933 ein ins bolſche⸗ 
wiſtiſche Chaos nahezu reſtlos verſinkendes Kunſt- und kulturelles Leben. Feigheit 
und Verlumpung, Entfremdung und Zerſetzung, Mangel an Charakter und Haltung, 
Verneinung aller Naturgeſetze des Blutes, liberaliſtiſche Inſtinktloſigkeit und 
marxiſtiſcher Verrat — das alles warnende Tatſachen! Man ſchrieb und redete, 
jammerte und greinte, zeterte und tobte über die allgemeine Kunſtkriſe Man 
baſtelte und theoretiſierte, und man glaubte durch Mehrheitsbeſchlüſſe, papierne 
Proteſte oder lebensſremde „Arzneien“ am ſchier unheilbar kranken Körper unſeres 
kulturellen Lebens helfen zu können, oder man ſteckte wie der Vogel Strauß den 
Kopf in den Sand und ließ ſich von den ſchlechteſten Rummelkonfektionären über 
die Kataſtrophe hinwegtäuſchen! — 

Heute nach knapp 3 Jahren praktiſcher Kulturpolitik im nationalſozialiſtiſchen 
Staat können wir als Ergebnis der großen geleiſteten Arbeit das Folgende feft- 
ſlellen: 

Die kulturſchaffenden deutſchen Menſchen ſtehen wieder mitten in ihrem Volk, 
das Volk ſteht in nationalſozialiſtiſcher Kameradſchaft und Opferbereitſchaft um ſie. 
Wie kein Staat zuvor hat das nationalſozialiſtiſche Regime unter Adolf Hitlers 
Führung ideell und materiell das geſamte Runft- und Kulturleben gereinigt, neu 
aufgebaut und zur Arbeit für die Zukunft geſund und lebensfähig gemacht. 


Während im Winter vor der nationalſozialiſtiſchen Machtübernahme in der 
47⸗Millionen⸗Stadt Berlin kaum * Dutzend Theater ihren Spielbetrieb aufrecht 
erhalten konnte — und auch dieſe Betriebe waren innerlich krank und ſtanden vor 
dem Bankrott — wird heute in Berlin, wie im Reid, in jeder Großſtadt, wie 
faſt überall auf dem flachen Lande qualitativ und quantitativ in bisher nie erlebter 
Weiſe dem Theater gedient. Ueber die Hälfte der 1933 erwerbsloſen Bühnen- 
tätigen ſtehen wieder im lebendigen Betrieb des deutſchen Theaters. Rieſige 
nationalſozialiſtiſche Organiſationen wie die NS⸗Gemeinſchaft „Kraft durch Freude“, 
die NS-Kulturgemeinde uſw. haben den deutſchen Theatern Millionen neuer, bisher 
theaterfremder Beſuchermaſſen zugeführt. Eine ganze Anzahl von Theatern wurde 
neu eröffnet, und bereits bei der Jahrestagung der Reichskulturkammer am 
15. November 1935 konnte Reichsminiſter Dr. Goebbels öffentlich feſtſtellen, daß 
zur Zeit in Deutſchland — nie zuvor konnte Erfreulicheres geſagt werden! — 
181 ſtehende Theater, 26 Wanderbühnen, 21 Gaſtſpielunternehmen und 81 reiſende 
Kleinbühnen in Tätigkeit ſeien und daß ſich die Theaterzuſchüſſe des Reiches allein 
im vergangenen Etatjahr auf 12 Millionen RM. beliefen. Die Schaffung 


Hinkel / Er gehört zu uns 9 


einer Theaterakademie iſt in der Planung fertig, das Nach⸗ 
weisweſen entſprechend umgeſtaltet und die Altersverſorgung der Fachſchaft Bühne 
auf eine neue Grundlage geführt. In Berlin und München und vielen anderen 
Städten ſpielen die „Theater des Volkes“, dem Nachwuchs wird alle mögliche 
Anterſtützung zuteil, Reichsfeſtſpiele und Reichstheaterwochen bilden alljährlich 
große wegweiſende Fanfaren der neuen deutſchen Theaterbewegung. 


Das Gebiet der Artiſtik, alfo der künſtleriſch tätigen Menſchen im Varieté, 
Kabarett und ähnlichen Anterhaltungsſtätten, wurde grundlegend neu geſtaltet. 
Eine einzige Organiſation, die Reichsfachſchaft Artiſtik, unter nationalſozialiſtiſch 
bewährter Führung — Kämpfer von der Feldherrnhalle leiten dieſe Gruppe — 
hat einen ungeheuren Aufſchwung genommen. Allein in der Reichshauptſtadt ſorgt 
eine eigene Arbeitsbeſchaffungsſtelle für die jeweils engagementsloſen Künſtler. In 
drei Jahren wurden durch dieſe Arbeitsbeſchaffungsſtelle 216 642 RM. Gagen aus- 
gezahlt. Rund 950 000 Zuſchauer haben in den vergangenen drei Jahren dieſe 
allwöchentlich ſtattfindenden Sonderveranſtaltungen der Arbeitsbeſchaffungsſtelle 
beſucht; der Geſamtumſatz beträgt über 1 Million. Zoten und Perverſitäten ſind 
von den deutſchen Kleinſtadtbühnen verſchwunden, und ein vernünftiger Prozent- 
ſatz ausländiſcher Künſtler arbeitet gern und erfolgreich in Deutſchland. Die 
Reichsfachſchaft Artiſtik genießt international größtes Anſehen. Ihre Mitglieder 
wiſſen, daß nur in Deutſchland eine derartige einzigartige Organſation beſteht. 

Für die bildenden Künſte hat der nationalſozialiſtiſche Staat wie kein Regime 
zuvor alles eingeſetzt. Die Reichskammer der bildenden Künſte hat für Arbeits- 
beſchaffung bei der Planung von Siedlungen jedweder Art, bei Wohnungsbauten 
und den großen Bauten der Wehrmacht Vorbildliches geleiſtet. Allein im Jahre 
1935 wurden 64 Wettbewerbe auf dem Gebiete der Baukunſt und zahlreiche Wett- 
bewerbe allein für die Gartengeſtalter ausgeſchrieben. Amfangreiche Einzelaufträge 
wurden erteilt und eine große Anzahl von Bildern und Plaſtiken aus Reihs- 
mitteln angekauft. Ueber 1000 Künſtler konnten allein in dieſem Jahr die Gewäh⸗ 
tung von 2- bis Zwöchigen koſtenfreien Erholungsreiſen wahrnehmen. Eine Alters- 
und Hinterbliebenenverſorgung iſt im Aufbau begriffen. Eines aber vor allem: 
der künſtleriſche Wille des nationalſozialiſtiſchen Staates, ſeines Führers, offenbart 
ſich aller Welt ſichtbar in den gigantiſchen Bauten am königlichen Platz in München 
und bei der Neugeſtaltung des deutſchen Städtebildes. Da ſind unendlich viele 
große Werke — man ſehe ſich nur in der Reichshauptſtadt um! — mitten in der 
Arbeit. Dadaismus und Kopismus und all die übrigen Ismen gehören der 
traurigen Vergangenheit an. Ein neuer deutſcher Geſtaltungswille hat ſich Bahn 
gebrochen. Das nationalſozialiſtiſche Reich Adolf Hitlers gibt heute ſchon der 
Zukunft in feinen Bau- und Denkmälern Kunde von der geſtaltenden Hand der 
künſtleriſchen Perſönlichkeit ſeines Führers. 

Das Preſſe- und Schrifttumsweſen ift geſäubert. Preſſekammer, Schriftleiter⸗ 
geſetz uſw. haben den deutſchen Preſſemann als vollgültigen Kulturſchaffenden in die 
Front der Reichskulturkammer eingereiht. Max Amann, der Präfident der Reichs. 
preſſekammer, einer der erſten Getreuen des Führers, hat hier ſich unendliches Ver. 


10 Hinkel / Er gehört zu uns 


dienſt erworben, und wenn der Präfident der Reichskulturkammer Dr. Goebbels 
bereits Ende des vergangenen Jahres Kunde tun konnte, daß die Geſamtdruck⸗ 
auflage der deutſchen Zeitungen von 18,7 Millionen im erſten Quartal 1934 auf 
über 19 Millionen im erſten Quartal 1935 geſtiegen iſt, dann illuſtrierten dieſe 
Zahlen die bahnbrechende Arbeit auf dem Gebiet des deutſchen Preſſeweſens. Heute 
dienen die Zeitung und ihre kulturſchaffenden Schriftleiter der deutſchen Nation und 
ihrer Zukunft. 

Das deutſche Muſikleben hat in den vergangenen Jahren nach einem völligen 
Zerfall in der Syſtemzeit einen ungeheuren Aufſchwung genommen. Eine plan- 
mäßige Arbeit für die Hausmuſik, die Volksmuſik, die Schulmuſik, für die Werke 
der zeitgenöſſiſchen Komponiſten und die Geſtaltung von Bach-, Händel, Schütz ⸗ 
und Beethoven⸗Feiern haben die Welt aufhorchen laffen. Daneben hat die Reihs- 
muſikkammer zahlloſe Stipendien an mittelloſe Muſikſtudierende vermittelt, dem 
Nachwuchs alle Aufmerkſamkeit und Hilfe geſchenkt, und die Verbindungsarbeit mit 
dem Auslande wurde erfolgreich durchgeführt. Die infolge der geſamten Kultur- 
kriſe im Novemberſtaat und noch dazu durch die Mechaniſierung der Muſik einge⸗ 
tretene Arbeitsloſigkeit wurde mit allen Mitteln bekämpft und erfolgreich ver- 
ringert. Allein im Jahre 1935 konnte der Präſident der Reichskulturkammer 


Dr. Goebbels für Förderungszwecke der deutſchen Muſik über 600 000 RM. zur 


Verfügung ſtellen. 

Der deutſche Rundfunk — das ganze Volk nimmt heute teil an ſeiner Arbeit und 
feinen Leiſtungen — hat ein neues Geſicht bekommen. Alles Zerſtörende und Ber- 
ſetzende wurde ausgeſchaltet, der rieſige techniſche Apparat in den Dienſt des 
Volkes geſtellt und die Hörerzahl wuchs feit der nationalſozialiſtiſchen Macht- 
übernahme von 4,2 Millionen auf rund 7 Millionen. Gigantiſche Rundfunfaus- 
ſtellungen mit allein 1888000 Beſuchern im Jahre 1935 beweiſen die Volkstüm⸗ 
lichkeit. Der Volksempfänger wurde geſchaffen und faſt jährlich um 1 Million 
vermehrt. Ebenſo hat der Arbeitsfrontempfänger dem Rundfunk die Betriebe 
geöffnet. | 

Das Schrifttum, heute unter der Führung unferes alten verdienten Kameraden 
Hanns Johſt, wurde geſäubert und auf ein geſundes Fundament geſtellt. Männer 
wie Hans Friedrich Blunck, Menzel, Brockmeyer, Nierentz, Böhme, Bade uſw. haben 
dem Volke neue große Werke geſchenkt. Die alljährlichen Staatspreisträger — 
Richard Euringer, Eberhard Wolfgang Möller und Gerhard Schumann haben uns 
bleibende Werke gegeben, und fanden — ſo wie die mit dem ſtaatlichen Filmpreis 
ausgezeichneten Filmſchaffenden! — die dementſprechende Würdigung und Aner- 
kennung. Das Filmweſen ſelbſt aber wurde in jeder Richtung neu geordnet und 
dem nationalſozialiſtiſchen Wollen angeglichen. Von Jahr zu Jahr wurde das künſt⸗ 
leriſche Niveau gehoben, Leni Riefenſtahl ſchuf unvergeßliche Filmwerke von den 
hiſtoriſchen Stunden in Nürnberg, der filmkünſtleriſche Nachwuchs wurde erfolg- 
reich gepflegt, der Kulturfilm ſichergeſtellt, der Ausgleich der Filmberufsgruppen 
herbeigeführt. Daneben wurden die Theatereintrittspreiſe neu geregelt, das Verbot 
des Zwei-Schlager- Programms eingeführt und das Filmtheaterparkweſen ftabili- 


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Rüdiger / Kunſt in der Volksgemeinſchaft 11 


fiert. Anlautere und undeutſche Elemente find heute aus dem deutſchen Filmleben 
ausgeſchaltet und die wirtſchaftlichen Grundlagen geſichert. Der filmiſche Geſchmack 
der breiteſten Volkskreiſe wurde mehr und mehr geldutert, der Inſtinkt geſchärft. 

Nach der Klärung der erſten zwei Jahre des nationalſozialiſtiſchen Staates und 
den großen Aufräumungsarbeiten konnte der Präfident der Reichskulturkammer, fo 
wie es bereits in dem Reichskulturkammergeſetz am 22. September 1933 vom Reichs. 
kabinett beſchloſſen wurde, am 15. November des vergangenen Jahres den Reihs- 
kulturſenat berufen. Hervorragende, um Volk und Kultur verdiente Perſönlich⸗ 
keiten wurden zu ſeinen Mitgliedern ernannt. Des Führers getreuer Mitarbeiter, 
Dr. Goebbels, krönte damit die Arbeit der von ihm geſchaffenen großen Körper ⸗ 
ſchaft und gab allem künſtleriſchen Wachstum und allem Kulturſchaffen den Weg 
offen in eine glückliche, verheißungsvolle Zukunft. 

Nur in groben Amriſſen kann man die kulturellen Leiſtungen des national- 
ſozialiſtiſchen Staates und der nationalſozialiſtiſchen Bewegung unter Wolf Hitlers 
Führung an dieſer Stelle aufzeichnen. Erſt ſpätere Generationen werden dieſe 
Leiſtungen in ihrer Größe und Grundſätzlichkeit voll zu würdigen wiſſen. Daß aber 
das nationalſozialiſtiſche Regime auf der ſo entſcheidenden Ebene des kulturellen 
Lebens all das vollbringen und beginnen konnte, das wurde nur durch die uns 
immer wieder beglückende Tatſache ermöglicht, daß wir in unſerem Führer nicht nur 
den Schöpfer unſerer großen deutſchen Freiheitsbewegung, nicht nur den größten 
europäiſchen Staatsmann, nicht nur den Retter und Befreier unſeres Volkes und 
nicht nur den Herzog aller Deutſchen erlebten, ſondern auch den erſten Künſtler 
unſerer Nation. Sein Genius gibt allen für das ewige Deutſchland kulturſchaffenden 
Volksgenoſſen den größten Impuls des Herzens und alle nur erdenkliche 


Schaffensfreude. 


Karlheinz Rudiger: 


dont in der Holbsgemeimſchaft 


Die Auffaſſung des Nationalſozialismus über die Bedeutung der Kunſt im Rahmen 
der Volksgemeinſchaft ift oft herausgeſtellt worden. Die Vorausſetzungen und richtung. 
weiſenden Grundſätze, die bei der Förderung und Beurteilung von Kunſtwerken gelten, 
werden eine neue Kunſtgeſinnung ſchaffen, die nicht in abſtrakten Maßſtäben wertet, ſondern 
danach fragt, ob die Geſtaltungskraft des Künſtlers erfüllt ift von den Kräften feiner 
Raſſe und feines Blutes, ob, feine Leiſtung in der Lage ift, dem kulturellen Wollen unferer 
Zeit Ausdruck zu verleihen und ob er dem Bedürfnis der deutſchen Seele nach Vorbild 
und Richtmaß gerecht wird. 

Doch iſt, wie auf jedem anderen Gebiet, das in dem heutigen geiſtigen Ringen neu 
geformt wird, ſo auch auf dem Gebiete der Kunſt immer wieder feſtzuſtellen, daß eindeutig 
erkannte Grundgedanken durch falſche Auslegungen verzerrt werden, die den Anſchauungen 
des Nationalſozialismus nicht entſprechen, ja häufig ihnen entgegengeſetzt find. Auf dieſe 
Weiſe verſuchen Menſchen einer uns fremden Geiſtesrichtung ſich wieder erneut in den 
Vordergrund zu ſtellen und ſich den Anſchein einer gewiſſen Aktualität zu geben, der ihnen 
nicht zuſteht und den wir entſchieden ablehnen müſſen. Dieſe Verſuche, nationalſozialiſtiſche 


12 Rüdiger / Kunſt in der Volksgemeinſchaft 


Begriffe mit fremden Gedanken zu verſchmelzen, find nur geeignet, Anklarheit und Ver- 
wirrung anzuſtiften und können ſogar ſo weit führen, daß grundſätzliche Erkenntniſſe des 
Nationalſozialismus nicht nur angezweifelt, ſondern ſogar für falſch erklärt werden. Mit 
dieſen Methoden glaubt man ſich auf dem Amwege über das Gebiet des kulturellen 
Schaffens eindeutig verlorene Stellungen des politiſchen Lebens wieder zurückzuerobern 
und ſich ſomit entſcheidend in den geiſtigen Amgeſtaltungsprozeß einzuſchalten. 

In der letzten Zeit wird oft verſucht, dem Begriff „Kunſtbolſchewismus“ eine neue 
Auslegung zu geben. Man bezeichnet es als „reaktionär“ und den wirklichen Forderungen 
des Tages nicht entſprechend, wenn durch eine zu häufige und unkontrollierbare Anwen- 
dung des Begriffes „Kunſtbolſchewismus“ künſtleriſche Beſtrebungen abgetan werden, deren 
Ringen um Ausdruck doch zumindeſt anerkannt werden müſſe. Wir können begreifen, daß 
eine ganze Reihe jener Künſtler aus vergangener „ruhmreicher“ Epoche, getrieben von 
ihrem ſchlechten Gewiſſen, ſich gern von dieſer belaſtenden Bezeichnung befreien möchten, 
um auf Amwegen wieder die Berechtigung zu erhalten, in dem deutſchen Kunſtleben eine 
maßgebliche Rolle zu ſpielen. Wir müſſen aber hierzu feſtſtellen, daß dieſe unangenehme 
und hinderlich empfundene Begriffsſeſtlegung zu Recht beſteht, denn es gibt keine ab- 
gegrenzten Gebiete des Politiſchen und des Kulturellen, da jede ſchöpferiſche Leiſtung eines 
Menſchen zu allen Zeiten zugleich eine höchſte politiſche Leiſtung war. Wenn wir auf dem 
politiſchen Gebiet unter dem Begriff „Bolſchewismus“ eine ganz beſtimmte volkszerſetzende 
Anſchauung abgrenzen und bekämpfen, fo glauben wir, daß man die gleiche Anſchauung 
im kulturellen Leben, die ſich z. B. als Atonalismus in der Muſik, als Dadaismus, Futu- 
rismus in der bildenden Kunſt uſw. zerſetzend bemerkbar macht, genau fo velämpfen und 
beim rechten Namen nenn. n muß. 

Ans geht es nicht darum, Kunſtepochen abzugrenzen und ihre jeweiligen Stilfragen 
zu erörtern, ſondern jener zerſetzenden Scheinkunſt von geſtern, deren Kräfte ſich hin und 
wieder eifrig rühren, eine echte Kunſt als Ausdruck unſeres Geſtaltungswillens entgegen 
zuſtellen. Das gemeinſeme Charakteriſtikum jener Zeit des künſtleriſchen Verfalls war 
die Abkehr von einer allen Menſchen einer beſtimmten Raſſe gemeinſamen Anſchauung 
von Natur und Welt. Impreſſionismus, Expreſſionismus und alle anderen Ismen haben 
in ihren letzten Auswirkungen die Kunſt vom Boden einer normalen Naturanſchauung und 
charakterlichen Sauberkeit entfernt. Arn deutlichſten erkennen wir das bei der Darſtellung 
des Menſchen. Häßlichkeit, Annatürlichkeit und das Mißgebildete ſind Inhalt jener Kunſt, 
Lebensunluſt und Lebensverneinung ihre Tendenz. Dieſer Auffaſſung ſtellen wir die 
Lebensfreude und Lebensbejahung gegenüber und die Erweckung eines neuen Schönheits- 
ideals, das den raſſiſchen Werten unſeres Volkes entſpricht. Nicht aus Gründen einer 
abſtrakten und individualiſtiſchen Aeſthetik, die oft in eine haltungs⸗ und maßſtabloſe 
Aeberbewertung ausartete, gehen wir heute an die Frage der Kunſt heran, ſondern aus 
dem Verlangen, die Lebensgebundenheit eines Kunſtwerkes in feiner Beziehung und Gtel- 
lung zur Volksgemeinſchaft zu unterſuchen. Die einſtmals entdeckten allgemeinen Geſetze 
der Kunſt, äſthetiſche Stimmungen und verſchwommene Anſchauungen zur Begründung einer 
die geſamte Menſchheit umfaſſenden Kunſtmeinung gingen faft immer an der einen Tat- 
ſache vorbei, daß jedes Kunſtſchaffen an ein raſſiſches Schönheitsideal gebunden iſt und 
an einen ſeeliſchen Höchſtwert, der dieſes Schönheitsideal trägt. Man wollte nicht erkennen, 
daß Kunſtwerke auf Grund verſchiedener Raſſen zu begreifen feien und einen dieſen Naſſen 
entſprechenden ſeeliſchen Inhalt ausdrücken, ſomit zu Kennzeichen einer beſtimmten einzigen 
und artgebundenen Kultur werden. Wir wenden uns bewußt von einer übergeiſtigen 
Kunſtbetrachtung ab und verſuchen nunmehr, eine neue poſitive lebensgeſetzliche Kunft- 
anſchauung zu entwickeln. Das deutſche Volk hat ſich trotz mancher Vermiſchung eine vom 


Rüdiger / Kunſt in der Volksgemeinſchaſt 13 


nordiſchen Geiſt getragene Kultur als richtungweiſend durch alle Wirrniffe ſeiner Ge- 
ſchichte bewahrt. Heute wird dieſe Kultur wieder in den Vordergrund des Lebenswillens 
der Nation geſtellt und von allen Schlacken und Anſauberkeiten befreit Nach den Zeiten 
des Verfalls ſoll der deutſche Menſch wieder von neuem zu den Schätzen der deutſchen 
Seele geführt werden und aus ihnen Kraft und Stärke fiir, den Alltagskampf ge- 
winnen. Dies iſt eine der großen Aufgaben, die es zu erfüllen gilt. So geſehen gehört die 
Beſchäftigung mit der Kunſt mitten hinein in die Erziehung einer Generation; denn 
dann hat fie nicht nur die Aufgabe, künſtleriſche Regungen zu wecken, ſondern ſoll jeden 
emporreißen und innerlich erfaſſen, auch wenn ihm die Natur die Fähigkeit verſagt hat, 
ſeeliſche Regungen künſtleriſch auszudrücken. Eine ſolche Kunſtbetrachtung führt zu den 
Ewigkeitswerten des Lebens und geſtaltet aus dem Ringen unſerer Zeit ein religiöſes 
Bekenntnis. Wenn unſer Kunſtſchaffen ſich dieſer großen Idee unterordnet, wird es wieder, 
wie ſchon fo oft in der deutſchen Geſchichte, Ausdruck tiefſter Empfindungen unſerer Bolte- 
ſeele ſein. 

Es handelt ſich alſo gar nicht darum, zu unterſuchen, ob dieſes oder jenes Kunſtwerk 
in kunſtphiloſophiſcher oder kunſtäſthetiſcher Hinſicht den geſtellten Anforderungen gerecht 
wird, ſondern lediglich um die Feſtſtellung, ob das vom Künſtler geſchaffene Werk mit 
unſerem Empfinden im Einklang ſteht oder ihm entgegengeſetzt ift. Der Nationalfosialis- 
mus iſt die Grundlage, von der aus alle Werte unſeres Lebens neu zur Debatte geſtellt 
werden und der fiber die Anerkennung oder Ablehnung einer ſchöpferiſchen Leiſtung ent⸗ 
ſcheidet, weil er nicht nur die Aufgabe hat, Gegenwärtiges zu ſormen, ſondern auch die 
Verpflichtung übernommen hat, beſtimmend für die Zukunft unſeres Volkes zu ſein. 

So wird jede Kunſtbetrachtung und künſtleriſche Leiſtung zu einer Frage der Haltung 
und des Charakters. Die Entſcheidung aber über den Wert einer kunſtteriſchen Aeußerung 
hängt davon ab, an welche ſeeliſchen Kräfte ein! Weltanſchauung ſich richtet. Wenn fie 
an die Furcht des Menſchen appelliert, feine Seelenangſt und nöte ſteigert, ihm Höllen- 
qualen prophezeit und das Leben als ein copes fündiges fleiſchliches Etwas darſtellt, 
wird fie ein ausgeprägtes Minderwertigkeitsbewußtſein im Menſchen ſchaffen und Demut 
und Selbſterniedrigung als erſtrebenswerte Tugenden lehren. Wenn fie aber im Gegen- 
ſatz dazu den Stolz und das Ehrbewußtſein einer Raffe und eines Volkes aufruft, wird 
fie Selbſtachtung und Stärke erziehen. Das Ringen um diefe beiden Wertſetzungen geht 
durch die ganze deutſche Geſchichte und hat zu allen Zeiten den deutſchen Menſchen zu 
größten Kraftanſtrengungen und Kämpfen geführt. Sklaviſche Selbſterniedrigung war das 
Ergebnis der Züchtung des Minderwertigkeitsbewußtſeins, heldiſche Geſinnung folgte aus 
der Erziehung zu Ehre und Stolz. Der Gang der Geſchichte hat bewieſen, daß letzten 
Endes immer wieder die heldiſche Geſinnung ſich durchgeſetzt hat. Wir können auf die 
Erhaltung unſeres völkiſchen Charakterwertes nicht verzichten, weil wir in ihm die Wurzel 
der deutſchen Wiedergeburt und Vorausſetzung jeder völkiſchen Erneuerung ſehen. Gerade 
auf dem Gebiete der Kunſt bietet ſich eine weitgehende Möglichkeit, heldiſche Geſinnung 
durch große ſchöpferiſche Leiſtungen in vorbildlicher Weiſe zu geſtalten und höchſte ſeeliſche 
Tatkraft mit immer neuen Mitteln in immer neuen Formen zu verkörpern. Mit dieſer 
Ausrichtung zeigen wir aid gleichzeitig den Weg, den echtes künſtleriſches Schaffen gehen 
muß, ſoll es wirklich der Volksgemeinſchaft dienen, um ſomit ſichtbarer Ausdruck einer 
inneren Verbundenheit des Volkes zu werden. Die volksbil dende Funktion 
der Kunſt, die nichts mit ſtilkritiſchen Richtungsproblemen zu 
tun hat, ſondern kraftvoll, klar und ſelbſtverſtändlich dem Leben 
verſchworen iſt und darauf ausgeht, die ewig gültigen Geſetze 


14 Schwitzke / Das Kaiſerbuch von Paul Ernft 


des Lebens zu ergründen und anklingen zu laſſen, haben jeder 
künſtleriſchen Betätigung den großen Auftrag vor der Geſchichte 
gegeben. 

Ans iſt der griechiſche Menſch ſehr verwandt. Auch für ihn iſt das nordiſche Schön⸗ 
heitsideal maßgebend. Wenn wir aber die griechiſche Kunſt richtig werten wollen, müſſen 
wir von unſerem Charakterbegriff als Maßſtab für künſtleriſches Schaffen abſehen und nur 
die Leibesſchönheit als ausſchlaggebenden Faktor in den Mittelpunkt der Betrachtungen 
ſtellen. Das griechiſche Schönheitsideal entſpricht einer beharrenden Seelenverſaſſung, die 
Dë z. B. in der Plaſtik ausdrückt, die dem Willen unterworfen wurde, jedes Bewegliche 
in Rube, in Cbenmaß, ſomit in klarſter Reinheit darzuſtellen. Die nordiſche Schönheit 
als Form des Körpers in höchſter Vollendung zu zeigen, tft der Auftrag der griechiſchen 
Kunſt. Am die Schönheit als Formung der Seele aber ringt der abendländiſche Menſch 
und kommt ſomit zu einem von dynamiſchen Kräften getragenen Schaffen, das Ruhe nur 
als Aebergangsform von Bewegung zu Bewegung kennt, die zutiefſt empfundenen Kunſt⸗ 
werke mit innerer Stoßkraft durchſetzt und über fic erhebt. Die Form an ſich ift kein 
Problem mehr, den Stoff zu meiſtern, gilt als ſelbſtverſtändlich, aber aus dieſem Stoff 
den neuen Inhalt zu formen, in ihn die tiefſten ſeeliſchen Regungen zu legen und durch 
ihn die geiſtige Haltung und das Ringen feiner Zeit zum Ausdruck zu bringen, ift Höchfte 
Aufgabe des künſtleriſchen Willens. 

Wenn wir dieſe Gedankengänge auf die geiſtigen Kämpfe unſerer Zeit beziehen, ſo 
müſſen wir als Grundforderung feſtſtellen, daß jedes künſtleriſche Schaffen nur von der 
kulturellen Geſamtidee unſerer Weltanſchauung gewertet werden kann und nur aus ihr 
ihre letzte ſittliche Berechtigung erhält. Es iſt unfinnig, eine künſtleriſche Erneuerung auf 
rein äußerliche Maßnahmen zu begründen, die ſich allein auf das techniſche Sehen und 
Können bezieht. Notwendig iſt, dem Menſchen unſerer Zeit wieder eine innere Schau⸗ 
kraft anzuerziehen, die dem einzelnen die Bedingtheit und Höchſtwerte ſeines Ichs zeigt, 
getragen von der ihn befruchtenden und erfüllenden Gemeinſchaft. Es geht heute darum, 
den Anſpruch eines künſtleriſchen Auftrags aus den Grundkräften unſeres Volkes Her- 
zuleiten und denjenigen ſchöpferiſchen Menſchen zu fördern, der bereit iſt, dieſen Auftrag 
zu erfüllen. 


Heinz Schwitzke: 


Das Kaiſerbuch von Haul Ernst 


Das Kaiſerbuch von Paul Ernſt iſt im Zuſammenhang unſerer heutigen 
Buchproduktion ſchon rein äußerlich eine ſehr auffällige Erſcheinung. Wenn man 
in den letzten Jahrzehnten den Begriff „Dichter“ ausgeſprochen hat, dann hat die 
große Menge der Menſchen zuerſt dabei an einen Mann gedacht, der ſeine Haupt- 
aufgabe darin ſieht, Romane zu verfaſſen. Vor 50 Jahren, zur Hochblüte des 
Naturalismus, hat man fih vielleicht nebenher noch an die Familien und Gefell- 
ſchaftsſtücke erinnert; und noch ein wenig früher, in der Geibel-Seit, auch an eine 
gewiſſe Stimmungslyrik. Aber immer hat es ſich dabei um Bücher gehandelt, die 
der einzelne zu ſeiner Erbauung und Anterhaltung ſich vornahm; niemals um 
Beiträge zu einem Gemeinſchaftserleben durch die Dichtung. Ja, beſtimmte Formen 
der Dichtung, die vielleicht ſogar im Mittelpunkt des ganzen Komplexes „Dichtung“ 


Schwitzke / Das Kaiſerbuch von Paul Ernft 15 


überhaupt ſtehen, hat man ganz vergeſſen und unberückfichtigt gelaſſen. Das kommt 
natürlich daher, daß die Vorſtellung von dem, was Dichtung ſei, ſich immerwährend 
ändert, ebenſo wie auch die Menſchen ſelbſt ſich ändern. In einer bedeutenden Zeit 
wird dieſe Vorſtellung ſehr anſpruchsvoll ſein; und in einer Zeit, in der das Volk 
ſeine Würde und ſeine Aufgabe vergißt, wird ſie nicht viel mehr umfaſſen, als das 
Gebiet der oberflächlichſten mehr oder minder geiſtreichen Anterhaltung. And man 
kann nicht verkennen, daß die Hauptzeit der Nomanproduktion an dieſer wenig groß- 
artigen Auffaſſung von der Aufgabe der Dichtung krankte. 

Nun nehmen wir das Kaiſerbuch von Paul Ernſt in die Hand. Es ſind drei 
ſchön ausgeſtattete Bände, die im Verlag Albert Langen / Georg 
Müller, München, erſchienen find. Der erſte Band befaßt ſich mit der Ge⸗ 
ſchichte der Sachſenkaiſer, der zweite bringt die Geſchichte der Frankenkaiſer und der 
dritte ſoll die der Schwabenkaiſer darſtellen. Jeder Band enthält gut 700 Seiten, das 
ſind zuſammen alſo weit über 2000 Seiten, und auf allen, von der erſten bis zur 
letzten, ſtehen Verſe und Reime, Berfe und Reime viele Zehntauſende. 


Was ift das nun alfo innerhalb unſerer Roman- und Buchproduktion über- 
haupt für eine merkwürdige Erſcheinung? And wie können wir ſie einordnen? 


In der erſten ſechsbändigen Ausgabe des Kaiſerbuches, die in einer kleinen 
Auflage von den Freunden Paul Ernſts vor ungefähr zehn Jahren gedruckt worden 
iſt, ſteht ein Aufſatz über das Epos, den der Verlag in der Neuausgabe weggelaſſen 
hat. Er hat jetzt ſeinen beſſeren Platz unter den theoretiſchen Schriften Paul Ernſts, 
in der ausgezeichneten Ausgabe des „Credo“, die Karl⸗Auguſt Kutzbach im gleichen 
Verlag herausgegeben hat. In dieſem Aufſatz erzählt Paul Ernſt, daß man es in 
Italien ſelbſt in kleinbäuerlichen und kleinbürgerlichen Häuſern noch heute erleben 
kann, wie die ganze Familie ſich zur Feier eines Feſtes verſammelt, und wie dann 
der Hausvater Dantes „Göttliche Komödie“ vom Bücherbord nimmt und allen 
daraus vorlieſt. And wir wiſſen ja, daß ein ſolcher Vorgang nicht nur in Italien 
möglich war, ſondern daß auch die Griechen ſich in ihrer großen Zeit um die Epen 
Homers verfammelten, und daß der Inhalt der Odyſſee und der Ilias den gemein- 
ſamen Kulturhorizont und damit den gemeinſamen ſittlichen und religiöſen Willen 
einer ganzen Nation beſtimmte. Man kann ſogar ſagen, daß dieſe großen Epen die 
Völker geradezu zu einer einheitlichen Nation gemacht haben, ſelbſt wenn ſie dieſe 
Einheitlichkeit politiſch nicht erreichten. And daran erkennt man erſt die große Be⸗ 
deutung des dichteriſchen Erlebens, wenn es fähig iſt, das Erleben eines ganzen 
Volkes zu werden. 

Nun iſt es offenbar, daß wir in Deutſchland ein ſolches Epos nicht befitzen, 
um das ſich die Nation gemeinſam zuſammenfinden könnte. Zwar haben wir 
ja Epen, — und Goethe und andere große Dichter haben ſich in der Spätzeit der 
Dichtung in dieſer Form auch bei uns verſucht. Aber im Grunde iſt doch der 
Anterſchied zwiſchen dem „Reinecke Fuchs“ und „Hermann und Dorothea“ einer- 
ſeits und dem italieniſchen und griechiſchen National-Cpos andererſeits auf den erſten 
Blick klar. Was Goethe und was die Spätdichtung in Deutſchland geſchaffen 
haben, das geht nicht weit über die beſchauliche, bürgerliche Idylle hinaus. And 


16 Schwitzke / Das Kaiſerbuch von Paul Ernſt 


wenn man hier etwa an die großen Epen der Vorzeit erinnert, an die „Edda“ 
und an das ,,Nibelungen-Lied”, fo muß man zwar feſtſtellen, daß diefe Dinge ſehr 
weit und tief in unſer nationales Bewußtſein eingegangen ſind, und daß ſie unſer 
Volk auch in einer ſehr bedeutenden Weiſe geiſtig und ſittlich geſtaltet haben. Aber 
das „Nibelungen-Lied“ iſt den meiſten bei uns doch mehr aus Nacherzählungen 
bekannt; denn im mittelhochdeutſchen Artext können es nur die wenigſten leſen. 
And wenn fih keine Sleberfegung und keine Nachdichtung eigentlich durchgeſetzt hat, 
ſo oſt ſie auch verſucht worden ſind, ſo beweiſt das eben klar, daß leider auch das 
Nibelungen-Epos nicht das Buch fein kann, das die Aufgabe auch heute noch erfüllt, 
die ein ſolches Epos erfüllen müßte. And bei der „Edda“ nun gar, die doch nur als 
ein Torſo, als eine, wenn auch überwältigend großartige Ruine auf uns gekommen 
iſt, iſt die Sache noch viel ſchwieriger. Wenn auch die Vorſtellungswelt, die dieſes 
gewaltige Werk enthält, uns heute wieder wie kaum jemals zuvor beeindruckt, ſo 
iſt doch eines klar, daß die „Edda“ erſt eigentlich neu gedichtet, neu geordnet und 
neu geformt werden müßte, ſoll ſie wirklich wieder ein Volksbuch werden. 


Alfo wir Deutſchen find bis heute leider nicht im Beſitz eines ſolchen National- 
Epos. Aber das, was Paul Ernſt mit dem Kaiſerbuch vorhatte, war, uns ein 
ſolches Epos doch endlich wieder zu ſchenken. Nun kann natürlich heute noch niemand 
vorausſagen, ob es dieſe Aufgabe, die der Dichter ihm geſtellt hat, erfüllen wird. 
Eine ſolche Vorausſage wäre mehr, als man von der Arteilsfähigkeit eines Menſchen 
verlangen könnte. Das muß das Buch ſelbſt erweiſen. Aber eines iſt doch ſchon 
jetzt ganz klar, allein durch die Aufgabe, die Paul Ernſt ſich geſetzt hat, — er 
hat damit einen radikalen Bruch vollzogen zwiſchen ſeiner Dichtung, zwiſchen der 
neuen Dichtung, die wirklich aus dem Erlebnis der Gemeinſchaft kommt, und der 
bürgerlichen Idylle und der romanhaften, nur unterhaltenden Literatur. And allein 
dieſe Tatſache, die Tatſache, daß er der Dichtung wieder eine ſo gewaltige natürliche 
Aufgabe gegeben hat, allein der Anſpruch, den er damit ſtellt, bedeutet ohne Zweifel 
den Anbruch einer neuen Kulturepoche, die ſich von der alten genau ſo radikal 
unterſcheidet, wie die neue politiſche Epoche des Nationalſozialismus von der vor- 
hergehenden. And allein die Tatſache, daß ein Dichter unſerer Tage ſich an dieſe 
Pläne gewagt hat, muß ihn in unſeren Augen zu einem großen revolutionären 
Manne machen und ſein Werk zu einer großen revolutionären Sache. 

Wenn man das klarſtellt, erſcheint es nicht mehr verwunderlich, daß Paul 
Ernſts Dichtungen zu ſeinen Lebzeiten nur eine fehr kleine Gemeinde fanden, und 
daß er von der Kritik im ganzen ſtändig verſchwiegen und ſogar abgelehnt worden 
ift. Er verlangt von ſeinen Leſern, daß ſie an ſein Werk nicht die Modemaßſtäbe 
eines Tages journalismus anlegen, ſondern daß fie es meſſen mit den Maßen, mit 
denen die höchſte Dichtung durch die Jahrtauſende hindurch gemeſſen werden muß. 
Er ſelbſt ſtellt in ſeinem Kaiſerbuch Menſchen hin, die die Größe ſolcher Maßſtäbe 
vertragen, und die nur zu begreifen find, wenn man fie nicht als pſpchologiſch⸗ 
bürgerliche Charaktergemälde verſteht. Darum hat er ſich zum Gegenſtand ſeiner 
Darſtellung die deutſchen Kaiſer des Mittelalters auserſehen. Sie erreichen dieſe 
mythiſche Monumentalität; aber nicht etwa als abſtrakte blutleere und denkmal⸗ 


Aquarelle 


Erich Heckel: Dahlien 


Ernst Hansen: Hof am Teich 


g9unq - uue wapo A su} 


F. Winckler: Boote am Strand 


Schwitzke / Das Kaiſerbuch von Paul Ern ft 17 


hafte Figuren, ſondern dadurch, daß ſie Ausdruck eines mächtigen Willens, einer 
reinen und klaren Natur und einer tiefen Menſchlichkeit und Volklichkeit ſind, mit 
‘einem Wort: Führernaturen, die einen Weltplan von rieſigen Ausmaßen auj- 
geſtellt haben, für den ſie lebten und deſſen erſte Diener, Herolde und Kämpfer ſie 
waren. Es war der Weltplan, der zuerſt aus ein paar ungefügten Stammesver⸗ 
bänden und Bauern in Deutſchland die Idee des Reiches hat wachſen laſſen. 
And die Gadjen-, Franken. und Schwabenkaiſer haben diefe Idee gegenüber einer 
Welt von Feinden, der ſie oft ganz allein entgegentraten, bis in ihre letzten Konſe⸗ 
quenzen durchgekämpft und durchgeſtanden und ſind niemals dabei zur Ruhe und 
ganz zur Vollendung gekommen. Aber jo ſchreibt Paul Ernſt, „nur wenn die not- 
wendigen Kämpfe wirklich ausgekämpft werden, werden die Menſchen frei; ſie ſind 
um ſo freier, je mehr notwendige Kämpfe ſie ehrlich auskämpfen; und jeder Verſuch, 
ſolche Kämpfe zu verhüten, erzeugt ſittliche Verderbnis“. 

Die großen Führernaturen des deutſchen Mittelalters ſind keinem not⸗ 
wendigen Kampfe aus dem Wege gegangen, wenn ihnen auch in der Auf- 
richtung ihres Reiches noch nicht die letzte und endgültige Ausprägung des 
politiſchen Formwillens ihres Volkes gelungen ift. Wir wiſſen, daß fie ſchließ⸗ 
lich ihren großen Weltplan nicht für alle Zeit durchſetzen konnten, und daß 
dieſes gewaltige Reich wieder auseinanderfiel; ja, daß gerade wir Deutſchen viel 
länger haben warten müſſen, endlich das verwirklicht zu ſehen, was die anderen 
längſt beſaßen. Aber ſo ſagt Paul Ernſt 1921, „wir müſſen nicht Schuld und Fehler 
ſuchen wollen, wie die Menſchen ja ſo leicht tun“. Wer Geſchichte verſtehen will, der 
ſoll nicht ſchulmeiſtern und ſich einbilden, daß er in ſeiner Studierſtube es beffer 
gemacht hätte als der König auf ſeinem Thron. Wir haben in jenen Jahrhunderten 
eine Reihe großer Männer gehabt, wie fie ſelten ein Volk hatte; dieſe Jahrhunderte 
ſtellen ein natürliches geſchichtliches Geſchehen dar, das ſelten ſo klar und ruhig 
ablief, ſelten ſo bedeutende und edle Männer zu Trägern hatte. Wir wollen 
die philiſterhafte Wiſſenſchaftlichkeit unſerer Zeit ver- 
geffen, die nicht werten will und doch immer Spießer maß 
ſläbe anlegt: wir wollen den urbildlichen geſchichtlichen 
Verlauf zu verſtehen ſuchen, uns in die großen und reichen 
Geſtalten der Kaiſer hineinleben und ſtolz darauf ſein, daß wir 
der Welt ihre Bilder ſchenken durften — als ein Verſprechen für künftige Zeiten. 
And gerade die Tatſache, daß in jenen großen hiſtoriſchen Vorgängen ein „Ver- 
ſprechen für künftige Zeiten“ liegt, hat Paul Ernſt veranlaßt, ſeinem Volk dieſes 
Spiegelbild ſeiner ſelbſt vorzuhalten; gerade das iſt es, was dieſes Epos zu dem 
Nationaleigentum des Volkes machen ſoll, wie wir zuerſt ſagten. 

And darin liegt der eigentliche Sinn des Kaiſerbuchs: Nicht zu erzählen von 
einer Epoche der Erfüllung der Träume, ſondern von einer Zeit, die zwar Erfüllung 
mit allen Faſern ihres Herzens erſehnt hat, aber fie nicht erreichte, und die deshalb 
eine heilige Verpflichtung und ein heiliges Vermächtnis für uns hinterließ. Vielen 
Völkern iſt lange vor uns mühelos in den Schoß gefallen, was unſere Väter mühſelig, 
aber vergeblich zu erkämpfen ſuchten. Dieſe Völker ſind aber auch viel eher in 


18 Geier / Der Straſvollzug an Jugendlichen 


Gefahr gekommen, fatt und alt zu werden auf ihrem unbeſtrittenen Beſitz. Wir find 
ein junges Volk, und Paul Ernſt ſprach in ſeinem Vorwort zum Kaiſerbuch im 
Jahre 1921 immer wieder prophetiſch davon, daß die Erfüllung nun auch für uns ſich 
bald nähern werde. „Anſere Zeit“, ſagt er, „war noch nicht, ſie wird erſt noch 
kommen.“ 


Erwin Geier: 


Der Strafvollzugs an Susendlichen 


Das ſtaatliche Hoheitsrecht, zu ſtrafen, tritt in der Androhung der Strafe, in 
der Verhängung der Strafe und im Strafvollzug in Erſcheinung. Allen drei Er- 
ſcheinungsformen muß der gleiche Sinn unterlegt und die gleiche Zweckrichtung ge- 
geben werden. Angedrohte Strafe, erkannte Strafe und Vollzug der erkannten 
Strafe müſſen ihrem Weſen nach gleich ſein. 

Die Darſtellung des Strafvollzugs hat ſich infolgedeſſen am Weſen, Sinn und 
Zweck der Strafe zu orientieren. Die Strafe dient dem Schutze und der 
Sicherung des Volkes. Mit der Strafe antwortet der Staat als der Hüter des 
Rechtsfriedens auf das ſtrafwürdige Verhalten des Rechtsbrechers. Vergeltung 
als Zufügung eines Hebels für ſchuldhafte Tat, Sühne des Täters für den durch 
ſeine Straftat begangenen Treubruch an der Volksgemeinſchaft: das iſt der Sinn 
der Strafe. Dabei ift zu beachten, daß Vergeltung und Sühne nur zwei ver- 
ſchiedene Beſtimmungen für denſelben Begriff ſind, einmal vom Standpunkt des 
Staates und einmal vom Standpunkt des Verbrechers aus geſehen. 


Aber nicht nur Vergeltung, ſondern auch Abſchreckung iſt Zweck der Strafe. 
Sie fol den Täter von der Begehung neuer Straftaten abhalten (Spezial ⸗Prä⸗ 
vention) und gleichzeitig die Volksgenoſſen, die zu Rechtsverletzungen neigen, auf 
die Folgen eines Bruches des Rechtsfriedens hinweiſen (General-⸗ Prävention). 
Ferner fol die Strafe den Gutgeſinnten als ſeeliſche Stütze zu weiterem pflicht. 
treuen Verhalten dienen. Einer beſonderen Betrachtung bedarf jedoch die Frage, 
inwieweit im Strafvollzug Erziehungsmotive Berückſichtigung finden können. Von 
vornherein darf darauf hingewieſen werden, daß febr viele Rechtsbrecher keine Er. 
ziehung brauchen, z. B. Täter im Affekt, aus Fahrläſſigkeit uſw., daß wiederum 
andere keine Erziehung wollen, wie z. B. die Berufsverbrecher. 

Geſchichtlich geſehen beruht das Vordringen des Erziehungsgedankens in den 
letzten eineinhalb Jahrzehnten auf der naturwiſſenſchaftlichen Verbrechenserforſchung, 
deren Lehren am beiten durch den Namen Lombroſo gekennzeichnet wird. Im Gier, 
brechen ſah man nicht allein eine juriſtiſche, ſondern daneben auch eine biologiſche und 
ſoziologiſche Erſcheinung. Das Verbrechen galt als ein Produkt von Anlage und 
Amwelt des Täters. Nicht er, ſondern die Natur und die Mangelhaftigkeit der 
Geſellſchaftsordnung waren für ſeine Tat verantwortlich. Damit verſchob ſich das 
Schwergewicht von der Tat auf den Täter. Weder Vergeltung noch Abſchreckung, 


— . — ale — p- ee a. eis: Ate ] 2 


Geier / Der Strafvollzug an Jugendlichen 19 


ſondern Verbrechensbekämpfung durch Erziehung erſchien als Aufgabe des Straf- 
rechts. Wenn dieſe Idee aber richtig geweſen wäre, hätten die Bemühungen um 
die Erziehung und Beſſerung der Gefangenen Erfolge fihtbar werden laſſen müſſen. 
Das Bild, das uns aus der Reichskriminalſtatiſtik entgegentritt, ift aber alles andere 
als ein Beleg für den Erfolg des Strafvollzuges der Vergangenheit. 

Anſere Tabelle enthält die Zahlen der jugendlichen Verurteilten und des An- 
teils der Vorbeſtraften daran für die Jahre 1925/31. Deutlich erkennen wir hier 
die im allgemeinen ſteigende Tendenz. 


Jahre Insgeſamt verurteilte Jugendliche Vorbeſtraft 
1925 24 771 2 989 
1926 24 066 2 357 
1927 24 119 2 178 
1928 27 104 2 684 
1929 25 678 2 788 
1980 26 409 2 996 
1981 22 844 2 639 
1932 21 529 2 886 
1933 15 958 2 106 


Man überſah jedoch, daß nur die wenigſten Gefangenen die Strafe als ver- 
diente Maßnahme hinnahmen und während des Vollzuges durch Selbſtbeſtimmung 
den feſten Vorſatz faßten, ſich künftig ſtraffrei zu verhalten. Das konnten ſie auch 
gar nicht, weil es ihnen an der Einſicht in perſönliche Schuld, an der Notwendig- 
keit der eigenen Verantwortung mangelte. Gerade den jugendlichen Kriminellen 
fehlte dieſes Bewußtſein, ihre Tat zu ſühnen. Sie ſahen in der Strafe vielmehr 
ein neues Anrecht, das ihnen der Staat aufbürdete. And ihre Auffaſſung fand in 
der Art des Strafvollzuges ihre Beſtätigung. Denn der Strafvollzug war ſo 
angenehm geſtaltet, daß der Jugendliche durch ihn nicht ſelten im Vergleich zu ſeinen 
häuslichen Verhältniſſen beſſere materielle Daſeinsbedingungen erhielt. Hieraus 
mußte er zwangsläufig feine perſönliche Verantwortungslofigkeit folgern und immer 
mehr an die Schuld des Staates glauben. 


Dieſer Entwicklung gebot der Nationalſozialismus Einhalt, indem er nicht 
mehr die Einzelperſonen in den Mittelpunkt des Denkens ſtellte, ſondern die Nation, 
das Volk. Der Strafvollzug ſollte zu einer wirkſamen Waffe werden im Kampf 
gegen Schädlinge der Gemeinſchaft. Denn der Verbrecher iſt kein ſchlecht erzogenes 
Kind, das man ohne weiteres mit einer pädagogiſchen Erziehung beſſern kann. 
Wir müffen uns vor Augen halten, daß bei ihm alle bisherigen Verſuche der Ein- 
wirkung durch Elternhaus, Hitler-Jugend, Schule und Kirche, durch Geſetz und Recht 
nichts gefruchtet haben. Während im § 48 der Vollzugsgrundſätze von 1923 entſprechend 
der Milieu ⸗Theorie Erziehung und Beſſerung des Gefangenen als die Aufgabe des 
Strafvollzugs galt, ſtellt die neue Faſſung nunmehr den Gedanken der Sühne und 
den der Abſchreckung in den Vordergrund, ohne allerdings für die Erziehbaren den 


20 Geier / Der Strafvollzug an Jugendlichen 


Erziehungsgedanken zu verwerfen. Es heißt dort: „Durch die Verbüßung der 
Freiheitsſtrafe fol der Gefangene das begangene Anrecht ſühnen. Die Freiheits- 
entziehung iff fo zu geftalten, daß fie für die Gefangenen ein ſchlimmes Mebel ift 
und auch bei denen, die einer inneren Erziehung nicht zugänglich find, nachhaltige 
Hemmungen gegenüber der Verſuchung, neue ſtrafbare Handlungen zu begehen, 
erzeugt.“ 


Sinn des Strafvollguges iſt alſo die gerechte Vergeltung des Rechtsbruches. 
Zugleich foll der Strafvollzug, von dem warnenden Einfluß auf Dritte abgeſehen, 
den Gefangenen von der Begehung weiterer Straftaten abhalten. Dabei ſoll das 
Straſübel nicht nur der Abſchreckung dienen, ſondern zu einem Mittel ſtaatlicher 
Erziehung geſtaltet werden. 

Wir haben uns nunmehr die Frage vorzulegen, ob und inwieweit der Vollzug 
der Freiheitsſtrafe gegen Jugendliche ſeinem Weſen und ſeinem Inhalt nach 
anders zu geſtalten iſt als der Strafvollzug gegen Erwachſene. Dieſe Frage iſt 
grundſätzlich zu verneinen, weil heute jeder einzelne für fein Tun die alleinige Ber: 
antwortung trägt und ſie nicht auf ſeine Amwelt abwälzen kann. Gerade unſere 
Jugend wird heute dazu erzogen, daß ſie fähig und imſtande iſt, Verantwortung 
zu tragen. Denn auch in der Hitler-Jugend gilt der fundamentale Grundſatz: 
Autorität jedes Führers nach unten, Verantwortlichkeit nach oben. Dieſes Bewußt⸗ 
ſein der Verantwortlichkeit wird bedingt durch die Selbſtführung und Selbſt⸗ 
erziehung der Jugend, es wird gefördert durch den Kameradſchaftsgeiſt und durch 
die Diſziplin. 

Bei dem Strafvollzug an jungen Gefangenen iſt daher von der Erwägung 
auszugehen, daß der junge Rechtsbrecher, dem das Gericht eine Freiheitsſtrafe 
zuerkannt hat, die vollzogen werden ſoll, büßen und das begangene Anrecht ſühnen 
muß, ebenſo wie der erwachſene Verbrecher, daß ihm aber ſeiner Zukunft wegen 
eine beſondere erzieheriſche Aufmerkſamkeit während der Bußezeit zuzuwenden iſt. 
Als Mittel der Erziehung werden dieſelben wie im Erwachſenenſtrafrecht bereit- 
auftellen fein, man wird fie aber der Verwendung im Jugendſtrafvollzug anzupaſſen 
haben. Auch wird man verwaltungstechniſche Einrichtungen treffen, die der Eigen- 
art des Jugendlichen, ſeiner Bildſamkeit und Strafempfindlichkeit Rechnung tragen. 


Auf den erſten Blick mag dieſer Gedanke vielleicht befremdend wirken, da wir 
gewohnt ſind, dem Jugendlichen im allgemeinen eine Sonderbehandlung zuteil 
werden zu laſſen. Wir müſſen uns aber vergegenwärtigen, daß nur ein geringer 
Prozentſatz der ſtraffällig gewordenen Jugendlichen mit den Gefängniſſen in 
Berührung kommt. Denn ſolange eine Beſſerung durch Erziehungsmaßnahmen 
erzielt werden kann, wird der Richter auf die Verhängung von Freiheitsſtrafen, 
zumindeſtens von ihrer Vollſtreckung abſehen. In ganz Preußen befanden ſich 
1931/32 im Tagesdurchſchnitt 200,52 männliche und 0,76 weibliche 14 bis 18 Jahre 
alte Jugendliche im Gefängnis, 1932/33 waren es 185,65 männliche und 0,83 weib- 
liche. Die Geſamtzahl der jetzt in den Anſtalten der Juſtizverwaltung des Reiches 
einfigenden jugendlichen Gefangenen dürfte etwa 300 bis 400 betragen. Auch in 


Schorer / Frankreich unter dem 100. Kabinett feiner dritten Nepublik 21 


Zukunft wird kaum eine beachtliche Aenderung eintreten, da im Jahre 1932, dem 
Jahre der größten Arbeitslofigkeit, dei einer 11,1 Prozent geſtiegenen allgemeinen 
Kriminalitätsziffer die Zahl der ſtraffällig gewordenen Jugendlichen ſich um 
5,8 Prozent ſenkte. 


Der äußere Rahmen des Jugendſtrafvollzuges iſt damit gekennzeichnet. Es 
bleibt übrig, über den Vollzugsinhalt das für den jugendlichen Gefangenen We- 
ſentliche aufzuzeigen. Das iſt die Erziehung zum Staat, zur Achtung vor ſeinen 
Geſetzen. Der Jugendliche muß erkennen, warum auf die Straftat das Strafübel 
folgen muß. Die Begrifſe Familie und Heimat, Blut und Boden, Treue und | 
Ehre ſollen ihm näher gebracht werden, damit er das Verwerfliche ſeiner Tat ein⸗ 
ſieht, die Laſten und Entbehrungen anerkennt und von innen heraus den Entſchluß 
faßt, künftig durch vorbildliches Verhalten die Achtung feiner Kameraden wieder- 
zugewinnen. Durch Beſchäftigung vornehmlich in Lehrwerkſtätten fol der Jugend- 
liche einem Beruf zugeſührt werden, damit er ſpäter durch ehrliche Arbeit ſein Brot 
verdienen kann, und damit er erkennt, daß Arbeit Dienſt am Volke iſt. 


Irgendwelche Methoden der Erziehung laſſen ſich geſetzlich im einzelnen nicht 
feftlegen. Sie find zeitgebunden und erhalten ihre Prägung durch das Erziehungs- 
ziel, das ſich aus der Staatsauffaſſung ergibt. In Form und Inhalt vorbildlich 
ſagt hierzu die preußiſche Dienſt⸗ und Vollzugsordnung: 


„Ziel der Erziehung muß ſein der pflichttreue, ordentliche, charakterlich ſaubere 
Menſch und der ſich in den Staat bewußt einordnende Volksgenoſſe. 


Die ſeeliſche Bildſamkeit junger Menſchen muß für den Lehrer Anſporn ſein, 
den jungen Gefangenen echte und tragende Lebenswerte zu vermitteln und fie für 
Volk und Staat zu gewinnen.“ 


Friedrich Schorer, Paris: 


Srankreich unter dem 100. Kabinett 
feiner dritten Nepublie 


Der außerordentliche Wahlſieg der Front populaire hat mit der Vernichtung der 
Mittelgruppen des Parlaments und der Radikaliſierung der Linken das normale Bild des 
Parlaments über den Haufen geworfen. Seit Inſtallierung der dritten Republik haben 
die Rechts- und Linksgruppen nie eine erhebliche Veränderung erfahren. Das neue Cr- 
gebnis iſt geeignet, Bewegung in das politiſche Bewußtſein Frankreichs zu bringen. 


Zwei ſymboliſche Ereigniſſe leiteten die neue Epoche ein. Der Januar brachte das 
100. Kabinett der A Republik zus Ruder; ein Kabinett, das charakteriſiert wurde durch die 
Teilnahme von zwei „Konſulariſchen“ Familien der Republik, dem Miniſterpräſidenten 
Sarraut und dem Außenminiſter Flandin. Es war alſo ein durchaus dem Geiſt der 
dritten Republik entſprechendes Kabinett. Es war nach der Ausbootung Lavals aus- 


22 Schorer / Frankreich unter dem 100. Kabinett feiner dritten Republit 


drücklich auf eine englandfreundliche Politik feſtgelegt, eine Tatſache, die ihm zumindeſtens 

bei der Rechten weitgehend Antipathie eintrug. Man macht ſich im allgemeinen keinen 
Begriff von dem ſchon beinahe anglophoben Geiſt weiteſter Kreiſe Frankreichs, der im 
Herbſt ſo weit ging, daß ein weitverbreitetes Blatt anläßlich des Höhepunktes der 
Spannung mit England in einigen großen Artikeln ernſtlich die Frage ſtellen konnte: 
„Faut-il reduire Angleterre en esclavage?“ (Muß England in Sklaverei geführt werden?). 


Anter dieſer magiſchen Zahl, der Nummer Hundert der Kabinette der dritten 
Republik, ereignen fih zwei Dinge, die ebenſo ſymbolkräftigen Wert haben, wie dieſe 
Zahl ſelber. Zuerſt der Tod Jacques Bainvilles, Mitglied der Akademie, einer der beften 
Köpfe des geiſtigen Frankreichs und führendes Mitglied der Action francatfe. Mit ihm 
verlor die Action francaiſe, die wichtigſte geiſtige Gegenbewegung zur dritten Republik, 
einen ihrer glänzendſten Vertreter, wohl den beſten Mann, den ſie neben Charles Maurras 
aufzuweiſen hatte, und Maurras ift heute Thon alt. Man muß Jacques Bainwille gelefen 
haben, wenn man Frankreich etwas tiefer verſtehen will. Ein Meiſterwerk allein feine 
„Hiſtoire de la France“. Die ganze akademiſche Jugend der Kriegs- und Nachkriegsjahre 
iſt durch die Schule der Action francaiſe gegangen, und der Degen der Akademie wurde 
Bainville von der Studentenſchaft geſchenkt, die eine Summe innerhalb meee Mitglieder 
geſammelt hatte. 

Wenn die Action francaiſe auch heute zu einer gewiſſen Sterilität verurteilt iſt, iſt 
ſie doch in der Zeit nach 1900 eine der lebendigſten Kräfte Frankreichs geweſen. Sie und 
in erſter Linie Bainville find es geweſen, die eine gewiſſe Revifion der Geſchichtsauffaſſung 
eingeleitet und vorwärtsgetrieben haben. Die franzöfiſche Geſchichte fängt für die Franzoſen 
nun nicht mehr erft bei der franzöſiſchen Revolution an, fondern die große Tradition Frant- 
reichs liegt bei den Königen, die Frankreich geſchaffen haben, nicht bei der Revolution, 
die nicht imftande war, eine neue Staatskonſtruktion auszuführen. Hierin, dies eindring- 
lich gezeigt zu haben, liegt das hiſtoriſche Verdienſt der Action francaiſe. 

Das andere, ebenſo ſymbolkräftige Ereignis ift das Verbot der Action francaiſe unter 
demſelben Miniſterium. Bei dem feierlichen Leichenbegängnis Bainvilles wurde der Wagen 
Leon Blums, des Führers der ſozialiſtiſchen Partei, der am Zuge vorbeifahren wollte, 
von Camelots du roy angehalten und Blum erheblich verprügelt. Das hatte das Verdot 
der Action francaiſe und die Anklage und Verurteilung des greifen Maurras wegen Auf- 
reizung zum Mord zur Folge. Mit dieſem Tode und dieſem Verbot geht eine Epoche 
der Republik zu Ende. 

Je länger man in Frankreich lebt und feine Geſchichte ſtudiert, wird einem die Tat- 
ſache bewußt, daß Frankreich ſeine Republik inſtalliert hat in das Haus, das ihm die 
Könige gebaut haben, und daß dieſe Republik ſich wie ein Kleinbürger in einem großen 
und ſchönen Palais inſtalliert hat, wie der Schriftſteller Giraudoux neulich einmal ſchrieb. 
Die Revolution hinterließ mehr oder weniger ein Vakuum, das auszufüllen Napoleon alle 
Kräfte einſetzte. Nach ihm ift alles Reſtauration und Kompromiß. Reftaurationen jakobini⸗ 
ſcher und Reſtaurationen monarchiſcher Prägung oder wie die dritte Republik eine Aus- 
balancierung beider Elemente. Nicht nur in der Innenpolitik, nein, auch in der Außen⸗ 
politik finden wir immer wieder die Tendenzen dieſer beiden politiſchen Konzeptionen Frant- 
reichs wieder. Der Weltkrieg und fein franzöſiſcher Meiſter Clemenceau zeigen die Züge 
der jakobiniſchen Revolutionskriege, und der Chauvinismus ift eine jakobiniſche An- 
gelegenheit. Wir dürfen nicht vergeſſen, daß die eigentlichen Jakobiner um die Sabr- 
hundertwende gegen Kolonialpolitik waren, um die Kräfte nicht vom Weſten ablenken 
zu laſſen. 


Schorer / Frankreich unter dem 100. Kabinett feiner dritten Nepublik 23 


Aber auch die Action francaiſe und weite von ihr mittelbar beeinflußte Kreiſe haben 
der Gefahr einer Vermiſchung ihrer ropaliſtiſchen Aufaſſung mit der jakobiniſchen nicht 
entgehen können. Die Entſtehung der Action francaiſe ift ſchon typiſch für dieſen Ver- 
miſchungsprozeß. Denn ſie wurde in der Zeit des Boulangismus geboren und hat von 
dieſer Zeit her auch den jakobiniſchen Chauvinismus übernommen, der feinen Haupt- 
ſtempel von dem finnlojen Mißtrauen und Haß gegen Deutſchland erhalten hat. 


Damit gepaart iſt dieſe im Grunde völlig falſche Konzeption der Latinität als dem 
urſprünglichen und reinen Weſenszug Frankreichs, die den doch weſentlichen germaniſchen 
Anteil an der franzöfiſchen Staatsentwicklung und dem franzöſiſchen Charakter abſolut 
bagatellifiert und verwirft. Daraus ergibt ſich auch die manchmal ein mitleidiges Lächeln 
abfordernde Unfähigkeit, ein neues Verhältnis zu dem einigen und großen Block Deutſch⸗ 
land zu finden. Die Politik der Action francaiſe beſteht darin, den amtlichen franzöfiichen 
Politikern ſeit der Revolution vorzuwerfen, den Zuſtand des Deutſchland von 1648, das 
durch die weſtfäliſchen Verträge zu einer „Poussière d'états“, zu einem Sandhaufen 
von Staaten umgewandelt wurde, entweder nicht aufrechterhalten oder nicht wieder er⸗ 
neuert zu haben. Je mehr ſich die franzöſiſche Jugend freimacht von den Schatten des 
alten Jakobinertums und ſich abſchließt von der alten Geſellſchaft, die noch aufwuchs unter 
dem Schatten von 1870, mußte auch der Einfluß der Action francaiſe finfen; und er ift 
auch tatſächlich ſeit zwei Jahren ganz erheblich zurückgegangen. 

Doch auch die von Jacques Bainville fo gut analyſierte dritte Republik geht einer 
heftigen Kriſe entgegen. Es wird oft vergeffen, daß dieje Republik von den Ropyaliſten 
als proviſoriſche Verfaſſung konſtruiert wurde und daß die fiebenjährige Periode des 
Dräfidenten der Republik als fiebenjährige Statthalterſchaft für den nach ſieben Jahren 
zu erwartenden König gedacht war. Die Tatſache, daß ſie von Monarchiſten geſchaffen 
wurde, iſt wohl auch der weſentlichſte Grund dafür, daß ſie eine nunmehr ſchon 65jährige 
Dauer aufzuweiſen hat. Das ſcheint paradox, iſt aber doch richtig; denn alle ſie ſtabili⸗ 
fierenden und konſervierenden Elemente find gegen den Willen der eigentlichen jakobini⸗ 
ſchen Elemente eingeführt worden. Aber dieſe Tatſache wird wohl auch beſtimmend für 
das Schickſal dieſer Republik ſein. Ihr Schickſal iſt eng verknüpft mit dem der geiſtigen 
Nachfahren ihrer Schöpfer, der RNoyaliſten orleaniſtiſcher Obſervanz, der Action francaife. 


Wir ſehen im allgemeinen, wenn wir das Regierungsſyſtem jenſeits der Grenze be⸗ 
trachten, nur ein aufgeregtes Parlament, alle Augenblicke wechſelnde Kabinette, und wun⸗ 
dern uns dann immer darüber, daß ſich das Syſtem ſo gut hält; wir kennen aber nicht 
die ſtabiliſierenden Faktoren. Da die verfafjunggebende Nationalverſammlung nicht der 
Forderung auf Wiedereinführung der weißen Bourbonenfahne, infolge ihrer orleaniſtiſch⸗ 
liberalen Haltung nachgeben wollte, und der Graf v. Chambord, der kein Kompromiß mit 
der Revolution ſchließen wollte, daraufhin verzichtete, wurde eine republikaniſche Ver⸗ 
faffung geſchaffen, in der jakobiniſch⸗radikale Elemente mit konſervativen und monarchiſchen 
ausbalanciert wurden. Die Deputiertenkammer wurde durch den Senat in der Waage 
gehalten. Der Senat ſtellt praktiſch eine Vertretung der Gemeinden mit dem Aebergewicht 
der Provinz über Paris dar und wird durch die Tatſache, daß immer jeweils nur ein 
Drittel der Senatoren ergänzt wird, zu einem beharrenden und konſervierenden Element. 
Seine nach dem Staatsſtreichverſuch des erſten Präſidenten nur noch theoretiſche Macht 
wird nach Refornworſchlägen immer wieder als des Ausbaus für nötig befunden und 
ſchließt für einen energiſchen Präſidenten noch immer allerhand Möglichkeiten in ſich. 

Neben dieſen konſervativen Elementen gibt es aber noch gewiſſe ftabilifierende Cle- 
mente in dem Parlament ſelber. Die Kabinette haben ihre beſondere Form der Stabilität, 


24 Schorer / Frankreich unter dem 100. Kabinett feiner dritten Nepublik 


die ganz verſchieden von der engliſchen iſt. Während in England bei politiſchen Kriſen 
immer nur einige Miniſter ausgewechſelt werden, aber das Kabinett im ganzen bleibt, 
wechſelt in Frankreich bei einer parlamentariſchen Kriſe das ganze Kabinett, aber mit 
Erſtaunen bemerken wir, daß immer wieder dieſelben Miniſter auftauchen. Ein Wechſel 
der „Equipes“ findet nur bei ganz entſcheidenden Wendungen ſtatt. Damit erklärt ſich 
auch die für uns jo merkwürdige Tatſache, daß keine allzu beträchtlichen Richtungswechſel 
trotz allen parlamentariſchen Spiels vorkommen. 


Als letztes die Republik vor allzu heftigen Erſchütterungen bewahrendes Ereignis 
kommt hinzu die ſolide Struktur der franzöſiſchen Geſellſchaft, wenngleich fie infolge der 
letzten Zeit der Kriſe ſchon ſtärker angenagt iſt, als man gemeinhin annimmt, ferner die 
ſo feſtgefügte Familie, die Tatſache der weiten Verbreitung kleiner Vermögen und der 
ſtarke Sparſinn. 

Auf dieſe Zähigkeit der Inſtitutionen der Republik und die in ſozialer und wirt⸗ 
ſchaftlicher Beziehung fo traditionelle Haltung des franzöſiſchen Kleinbürger und Klein- 
bauerntums hat ſich auch die Propaganda der extremen Gruppen eingeſtellt. „Für ein 
freies und glückliches Frankreich“ war die Wahlparole der Kommuniſten. Sie haben ſich 
in friedliche traditionelle Revolutionäre verwandelt, hiſſen die Trikolore, treten für den 
Schutz der Familie ein, bringen Hochrufe auf die republikaniſche Armee aus und laſſen 
jogar einen ihrer Führer, Vaillant-Couturter, als Reſerveoffizier photographiert auf der 
erſten Seite der „Humanité“ erſcheinen. Daneben befinnen fie fih auf die franzöſiſche Tra- 
dition und ſchmücken ihre Wahlplakate mit dem Bilde des Ariſtokraten Mirabeau, als 
dem Vorkämpfer kommuniſtiſcher Ideale in der Nationalverfammlung. Aber auf der, 
anderen Seite lehnen es auch die Feuerkreuzler ängſtlich ab, Faſchiſten zu ſein, und nennen 
ſich „ſoziale Bewegung“. Aber immerhin hat es der Kommunismus mit einer gefährlichen 
Geſchicklichkeit verſtanden, ſich im Herzen des franzöſiſchen Kleinbürgers und Kleinbauern 
einzuniſten. i 


Was fagen die Jungen? Sie konſtruieren, diskutieren und fuden Neues. Es gibt 
eine unendliche Menge von oft winzigen kleinen Gruppen, die etwas Neues zu finden 
ſuchen, es gibt die verſchiedenen konfeſſionell geſchiedenen Boy⸗ſcouts⸗Gruppen, es gibt die 
Jeuneſſes patriotes mit einem ſehr vernünftigen Programm und verhältnismäßig großer 
Reichweite, es gibt die Volontaires nationaur unter de la Roque, dann die beiden 
ſtark faſchiſtiſch orientierten Gruppen der Solidarité francaiſe und die der GFranciften, 
die beſonders im Elſaß febr ſtark ift. Aber es gibt unter all dieſen keine Führerperſönlich 
keit von genügendem Format, die Jugend wirklich ſammeln könnte. 


Kleine Studiengruppen, jede mit einer Zeitſchrift, arbeiten ſchon ſeit zwei und drei 
Jahren an einer Reviſion der Werte und einer neuen nationalen und ſozialen Programm- 
ſetzung aus der franzöſiſchen Tradition heraus. Es find das vor allem „Homme nouveau“, 
„Eſprit“ und „Ordre nouveau“, von denen „Homme nouveau“ noch über den größten 
Realismus verfügt. Im allgemeinen werden dieſe kleinen Intellektuellengruppen aber weit 
in ihrer Wirkſamkeit überſchätzt. Es ſind noch bedeutender bewußt katholiſche Gruppen, 
wie die, die ſich in der „Conférence Olivain“ trifft. Die beiden größeren Verſuche, das 
politiſche Leben auf eine neue Baſis zu ſtellen, der Verſuch der Neoſozialiſten mit einem 
amarxiſtiſchen, nationalen und ſozialiſtiſchen Programm und die Verſuche der Rampf: 
verbände, ſind geſcheitert. Aber geblieben find Gefühle und neue Gedanken, die fortwirken 
werden. Wenn der Verſuch einer Regierung der Volksfront mißglücken wird, werden 
alle Fragen noch einmal aufgeworfen und die dritte Republik einer ſchweren Prüfung 
unterzogen. 


Kleine Beiträge 25 


Bnufihbildes der „Sraulſustes 
Zeitung” 


Die „Frankfurter Zeitung“ wendet fid in 
einem Artikel „Geſchichte und Wunſchbild?“ 
(14. 5. 1936, Nr. 251—252) gegen meinen 
Nietzſche⸗-Artikel, der im Heft 9 dieſer 
Zeitſchrift erſchienen ift. F. K., der Ber- 
faſſer dieſer Entgegnung, macht mir darin 
den Vorwurf, die Geſchichte, die hiſto⸗ 
riſche Tradition zu negieren, fid vor ihr 
herumzudrücken und ſie durch „Mythenbilder 
von Gnaden der eigenen Wünſche“ zu cr- 
ſetzen. Mein Artikel iſt ihm ein beſonders 
typiſches Beiſpiel einer „Neigung, die Viel- 
ſchichtigkeit hiſtoriſcher Geſtaltung zu ver- 
leugnen, zugunſten vereinfachter Bilder von 
ihnen, in die nur das aufgenommen wird, 
vas den wirklichen oder vermeintlichen 
Wünſchbarkeiten der Gegenwart entſpricht 
oder zu entſprechen ſcheint.“ 

In der Entgegnung F. K.s wird mein 
Artikel durch ihm unterſtellte Abfichten in 
ein vollſtändig falſches Bild geſetzt. Ich 
babe mich gegen eine Nietzſche⸗ Interpretation 
gewandt, die auf Grund eines methodiſch 
falſchen Anſatzpunktes das Werk Nietzſches 
zerſetzen muß. Wer weiß, wie Nietzſche von 
Anbeginn ſeines Philoſophierens um die 
Bewältigung der Wirklichkeit gerungen hat 
— ſchon in der „Geburt der Tragödie“ wird 
ſie mit dem Begriffe des Dionyſiſchen ge⸗ 
ſaßt —, der ſteht der Auflöſung des Wirt- 
lichkeitsbildes ins Private bei Dehn 
ſaſſungslos gegenüber. Vom Sein, vom 
Leben. von der Wirklichkeit, vom Werk her, 
ift uns auch der Menſch Nietzſche als ein 
ſubjektives Problem aufgegeben. Dehn da- 
gegen verſucht aus einer pfſychologiſchen 
Einzelperſpektive zum Werke Nietzſches zu 
kommen. Seine ganze Deutung kennt von 
Nietzſche nur den „Haß gegen das Chriften- 


Kleine Heitrage 


tum“, der ihm in allen möglichen Variatio- 
nen, am abſurdeſten in ſeiner angeblichen 
„Flucht vor der Wirklichkeit“, wieder 
erſcheint. | 

Dieſe Art pſychologiſcher Methode als 
Ausgangspunkt habe ich abgelehnt, pſycho ; 
logiſches Verſtehen aber habe ich nicht — 
wie F. K. behauptet — verboten, vielmehr 
von ihm als einer „notwendigen 
Vorausſetzung“ geſprochen. Die 
Nietzſche⸗Forſchung ift heute bereits über 
das 19. Jahrhundert hinaus. Wer heute 
beweiſen will, daß uns Nietzſche kein onto- 
logiſches Problem, ſondern ein pjydologi- 
ſches iſt, daß alſo ſeine Schau der Wirt- 
lichkeit nicht tief, echt, wahr, objektiv, fon- 
dern aus irgendwelchen pſpychologiſchen 
Gründen verzerrt iſt, daß Nietzſche nicht die 
Wirklichkeit deutet, ſondern ſich feinen „Aus: 
weg aus der Wirklichkeit“ ſchafft, verdient 
der wiſſenſchaftlichen Lächer⸗ 
lichkeit preisgegeben zu werden. 
Nietzſches Werk iſt mehr als die Konſequenz 
dieſer Methode. Es iſt mehr als ein viel⸗ 
leicht typiſcher Einzelfall, der für die Zeit 
der Auflöſung des Bürgertums gewiſſes 
zeithiſtoriſches Intereſſe beanſpruchen kann. 
Sein Werk hat brennend aktuelle Gültigkeit. 

Ich habe in meinem Artikel die Konſe⸗ 
quenzen gezeigt, die fih aus den pſycholo⸗ 
sifhen Vorausſetzungen einer ſolchen 
Nietzſche⸗Deutung zwangsläufig ergeben. 
Es ging überhaupt nur um die Voraus- 
ſetzungen des Nietzſche⸗Bildes, die bei Dehn 
gröblich verletzt ſind. In ſolcher Selbſtbe⸗ 
ſcheidung tut man auch heute noch (1) der 
Nietzſche⸗ Interpretation keinen ſchlechten 
Dienſt, kann Héi doch dann erft eine frucht; 
bare Auseinanderſetzung ergeben, wenn wir 
nicht aneinander vorbeireden, ſondern in den 
Vorausſetzungen einig ſind. Was von 


26 Außenpolitiſche Notizen 


Nietzſche ſelbſt, von ſeinem Kampf gegen 
Demokratismus, Chriſtentum und Bürger⸗ 
tum geſagt wurde, kann und will nicht 
den 9 einer Nietzſche⸗ Deutung er- 
heben. Wenn F. K. mir ein ganzes 
Nietzſche⸗Bild unterzuſchieben verſucht und 
darauf feine mir vorgeworfene Wunſch⸗ 
bildkonſtruktion aufbaut, fo iſt das ein be- 
dauerlicher und für F. K. peinlicher Irrtum, 
der wohl hätte vermieden werden können. 
Der Streiter, Fechter, Angreifer und Ati- 
viſt Nietzſche, auf den F. K. mein angebliches 
Nietzſche⸗Bild reduziert, gehört zwar zu den 
Hauptzügen eines jeden Nietzſche⸗Bildes — 
iſt auch noch nicht wie F. K. meint zum 
Kliſchee geworden —, wurde von mir aber 
nicht im Zuſammenhang eines Nietzſche⸗ 
Bildes entwickelt, ſondern aus feiner Fed- 
terpofition verſtanden, die feinen Ausſagen 
nicht, die Gültigkeit feſtſtehender Prinzipien, 
ſondern eine ihrem Zweck und Ziel ange⸗ 
paßte Wandlungsfähigkeit verleiht. Das 
ganze Kartenhaus der Entgegnung und Er- 
mahnungen, bricht — ſo ſchön letztere an 
ſich find — bei näherer Betrachtung Halt- 
los in ſich zuſammen. 

Wenn man ſich aufrichtig und ehrlich mit 
jemandem auseinanderſetzt, kann man das 


/ ® 
AUSSENPOLITISCHE 4 ofi 


Das Ende Load Ritbeness 

England ſtand nod unter dem DdDeprimte- 
renden Eindruck der Seeſchlacht am Stager- 
rak, als es ein neuer Schickſalsſchlag traf. 
Am 5. Juni 1916 war der berühmte Lord 
Kitchener an Bord des Panzerkreuzers 
„Hampibire”, der ihn auf nördlichem Kurs 
nach Rußland bringen follte, auf rätfel- 
hafte Weiſe weſtlich der Orkney ⸗Inſeln 
untergegangen. Die Londoner Zeitungen 
erſchienen am nächſten Tage mit einem 
breiten Trauerrand, als ſie dem Land den 


auch für ſich verlangen. „Jene Manier“, die 
F. K. anwendet, iſt zwar unſachlich, damit 
belanglos, auf jeden Fall aber bedauerlich. 
Wenn ich eine Nietzſche⸗Interpretation an- 
greife und die Gründe aufzeige, die zu 
einer vollſtändigen Verzerrung Nietzſches 
führen, kann man mir nicht ein ſchematiſches, 
vereinfachendes Nietzſche⸗Bild vorwerfen, 
weil ich ein ſolches gar nicht entwickelt habe. 


Aufgeworfen war die Frage — was F. K. 
vollſtändig verkannt hat —, wie man zu 
Nietzſche in ein richtiges Verhältnis kommt, 
eine Frage, die gerade bei dem vielſchichti⸗ 
gen und vieldeutigen Werke Nietzſches eine 
notwendige Vorausſetzung iſt. Das nega- 
tive Beiſpiel Dehns konnte dazu als tY- 
piſches Beiſpiel, wie es nicht 
geht, dienen. Anſtatt mir Wunſchbilder zu 
unterſchieben, ſollte F. K. lieber meinen Auf- 
ſatz aufmerkſam leſen. Die deutſche 
Jugend weiß ferner auch ohne fold väter- 
liche Ermahnungen, daß ſie ſich mit der 
ganzen Geſchichte und nicht mit Wunſch⸗ 
bildern von ihr auseinanderzuſetzen hat. 
F. K. tut wie ein Apoſtel der Sachlichkeit 
und — trifft genau daneben. 


Rudolf Keudel. 


—— ee — 


Verluſt Kitcheners mitteilten, der dem Ver- 
luſt einer Schlacht gleichkam. Gehörte doch 
Lord Kitchener zu den ſtärkſten aber auch 
eigenartigſten Perſönlichkeiten auf ſeiten der 
damaligen Entente, deſſen Verdienſte um 
England kaum hoch genug eingeſchätzt werden 
können. 

Wer war Kitchener? Als dritter Sohn 
eines Dragoneroberſten in Irland geboren, 
machten ſich bei dem jungen Horatio Herbert 
Kitchener frühzeitig ungewöhnliche Anlagen 
für Mathematik, Mechanik und Phyfik Ge 


Außenpolitiſche Notizen 27 


merkbar. Trotz feiner Erziehung im Ka⸗ 
dettenkorps behielt er immer eine ausge- 
ſprochene Zurückhaltung ſeinen Mitmenſchen 
gegenüber und eine bis zur Schroffheit ge- 
ſteigerte Eigenwilligkeit. Sein Eintritt in 
das königliche Ingenieurkorps 1871 ſollte 
für den weiteren Verlauf feines Dienſtes 
von ausſchlaggebender Bedeutung werden. 
Er nahm bald darauf an einer Expedition 


teil, die einen Vermeſſungsauftrag in Pa- 


läſtina durchführte, der nicht nur geſchicht⸗ 
liche und archäologiſche Intereſſen, ſondern 
auch gewiſſe politiſche Ziele verfolgte, die 
erſt ſpäter offenbar wurden und zu deren 
Durchführung man eine gute Karte brauchte. 
So begann 1874 der junge Pionier im 
nahen Often außerhalb der Exerzierplätze 
und Kriegsſchulen ſeiner Heimat ſeine felt- 
ſame Laufbahn, die ihm eine gründliche 
Kenntnis nahöſtlicher Landſchaft, ihrer Raffen, 
Sprachen und Mentalität vermittelte. 
Bei ſeiner Vermeſſungsarbeit erhielt er, in 
fteter Berührung mit Arabern und Türken, 
einen tiefen Einblick in die Lebensgewohn- 
heiten der Orientalen, die ihm ſpäter von ſo 
großem Nutzen wurde. Die Jahre, die Kit- 
chener in verſchiedenen Stellungen im öſt⸗ 
lichen Mittelmeer und im Vorderen Orient 
zubrachte, waren Lehrjahre für einen Mann, 
der dazu auserwählt war, ſpäter in dem 
weltumſpannendem Getriebe des Britiſchen 
Weltreiches eine führende Rolle zu ſpielen. 
Hier legte Kitchener den Grund zu ſeiner 
ſtrategiſchen und militärpolitiſchen Schulung 
im Dienſte des Weltreichs. 


Kitchener im Sudan 


Die erſte ſchwere Aufgabe, die Kitchener 
an leitender Stelle durchzuführen hatte, 
wartete auf ihn in Aegypten. Im Jahre 
1882 hatte England Aegypten okkupiert und 
verſuchte nun zuſammen mit ägyptiſchen 
Truppen den Sudan zu erobern, in dem der 
ſogenannte Mahdi (ein mohammedaniſcher 
Prophet) ſeit 1881 ſein Weſen trieb. Der 
britiſche General Gordon war von dem 
Mahdi mit feinen Arabern in Khartum ein- 


geſchloſſen und belagert worden. Es gelang 
den Engländern nicht trotz ſchneidiger und 
abenteuerlicher Verſuche Kitcheners, Erſatz 
zu bringen. 1884 fand Gordon den Tod 
und der geſamte Sudan mußte von den 
Engländern auf 12 Jahre geräumt und den 
Derwiſchen überlaſſen werden. Eine Welle 
von Wut und Empörung ging durch Eng⸗ 
land und die Welt, um ſo mehr als die 
Entſchlußunfähigkeit von Downingſtreet eine 
gewiſſe Mitſchuld hatte. 

1888 wurde Kitchener Generaladjutant in 
Kairo und endlich im April 1892 Oberkom⸗ 
mandierender der engliſchen Truppen (Gig, 
dar) in Aegypten. 

Jetzt konnte Kitchener an die Wiedererobe⸗ 
rung des Sudans herangehen. Lange und 
ſorgfältig waren die Vorbereitungsarbeiten. 
4 Jahre dauerten die techniſchen Vorbereitun- 
gen, die vor allem darin beſtanden, daß er die 
nötigen Eiſenbahnen baute, die ſeine 
Etappenſtraßen ſicherten. Als er im März 
1896 nach gründlicher Vorbereitung in den 
Sudan vorſtieß, hatten gerade die Italiener 
unter General Baratieri ihre vernichtende 
Niederlage von Adua (1. März 1896) er- 
litten, die den Engländern die Möglichkeit 
gab, ihren Vormarſch mit einer Entlaſtung 
der Italiener zu rechtfertigen. Bei Om- 
durman brachte Kitchener dem Mahdi eine 
vernichtende Niederlage bei, die den ganzen 
Sudan von den Derwiſchen ſäuberte und ihn 
den Engländern öffnete. 

Faſt gleichzeitig mit den Briten waren 
die Franzoſen vom Kongo aus in den GSu- 
dan vorgerückt. Am 10. Juli 1898 erreichte 
Hauptmann Marchand mit wenigen Got, 
daten Faſchoda, wo er auf die Eng⸗ 
länder traf. Ein Konflikt der beiden Groß⸗ 
mächte ſchien bevorzuſtehen. Kitchener ſtand 
plötzlich im Mittelpunkt einer weltpolitiſchen 
Entſcheidung. Eine falſche Handlung konnte 
unabſehbare Folgen heraufbeſchwören. Aber 
der Eroberer des Sudans behielt die 
Nerven Kitchener ließ Marchand mit 
allen militäriſchen Ehren abrücken. Frant- 
reich wich vor der überlegenen Macht Eng⸗ 
lands zurück! 


0 


28 Außenpolitiſche Notizen 


Es iſt heute überaus reizvoll im Zeichen 
der italieniſchen Abeſſinienpolitik die An- 
ſichten nachzuleſen, die Kitchener einmal über 
die politiſche Rolle des Sudans äußerte: 
„Niemals werden wir dulden, daß ſich im 
Nilbecken eine andere europäiſche Macht 
feſtſetzt. Niemals werden wir zugeben, daß 
ein Keil getrieben wird zwiſchen die Süd- 
grenze des Sudans und die Nordgrenze 
unſerer zentralafrikaniſchen Kolonien. Nie- 
mals werden wir geſtatten, daß europäiſche 
Mächte allein, in politiſchen Gruppen oder 
im Bunde mit afrikantſchen Nationen das 
Nilbecken zum Gegenſtand politiſcher Rom- 
binationen machen, die den Lebensintereſſen 
Aegyptens zuwiderlaufen. Damit iſt unſer 
Aufgabenkreis klar umriſſen. Wer ſich aus 
welchen Gründen immer am Nil zu ſchaffen 
macht, iſt unſer Feind und muß ſich von 
vornherein darüber klar ſein, daß er den 
Kampf gegen alle Machtmittel des Britiſchen 
Imperiums aufzunehmen hat.“ (Ruppert - 
Reding: „Ein Journaliſt erzählt“.) 

Nicht lange war der „Sirdar“ faft unbe- 
ſchränkter Generalgouverneur im neuerober- 
ten Sudan, als die Not des Weltreichs ihn 
im Dezember 1899 vor eine neue ſchwere 
Aufgabe ſtellte. Der Burenkrieg, den Eng- 
land gegen die Niederdeutſchen, holländiſchen 
Buren, führte, drohte zu einer ernſtlichen 
Schlappe zu werden. Man hatte ſich den 
Krieg in London leichter vorgeſtellt. Nun 
wurde Lord Roberts zum Oberkomman⸗ 
dierenden, Kitchener zum Chef des Stabes 
ernannt. In einem ſtändigen Papierkrieg 
mit dem Kriegsamt in London gelang es 
ihm endlich, genügend Truppen zu verſam— 
meln und eine geordnete Kriegsgliederung 
durchzuführen. Erſt mit großer Aebermacht 
an Truppen gelang es, die heldenhaft kämp— 
fenden Buren zur Aebergabe zu zwingen. 
Kitchener, der aus ſeinem rauhen, aber ebr- 
lichen Soldatentum heraus eine gewiſſe 
Sympathie für die Buren hegte, kämpfte 
mit der ganzen Härte und Zähigkeit ſeines 
Charakters um einen verſöhnenden Frieden. 
Mit unbeirrbarer Geduld und einer gewiſſen 
Achtung für den tapferen Feind, der endlich 


am 28. Mai 1902 die Waffen ſtreckte, Dbe- 
reitete er den Frieden vor, der am 31. Mai 
endgültig geſchloſſen wurde. Das Verhal- 
ten der Buren im Weltkrieg bewies, daß die 
Wunden vernarbt waren. 

Von 1902—1909 war General Kitchener 
Oberkommandierender der anglo-indijden 
Armee, Commander in Chief (C. J. C.) in 
Indien, wo er die eigentliche indiſche Heeres- 
reform durchzuführen hatte und die mili- 
täriſche Sicherung der ſtets bedrohten Nord- 
weſtgrenze gegen Afabancn und Ruffen 
organiſieren mußte. Die Organiſations- 
arbeit, die er hier in Indien in harter 
Arbeit durchführte, ſchaffte die militäriſchen 
Grundlagen zur Beherrſchung und Verteidi ; 
gung Indiens, des wertvollſten Beſtand⸗ 
teils des Britiſchen Weltreichs, aber auch 
zu der militäriſchen Leiſtung, die indiſche 
Truppenteile im Weltkrieg auf andern 
Kriegsſchauplätzen zeigten. In feinem da⸗ 
maligen Hauptquartier Fort William bei 
Kalkutta empfing er 1908 den deutſchen 
Generalſtabsoffizier Karl Haushofer, den 
jetzigen Präfidenten der Deutſchen Mta- 
demie, der über das damals geführte Ge⸗ 
ſpräch über die Möglichkeit eines deutfd- 
engliſchen Krieges in feiner Kitchener ⸗Bio⸗ 
graphie (Verlag Colemann, Lübech) folgen- 
des mitteilt: „Ich bin ein Feind dieſes 
Krieges“, ſagte Kitchener, „nicht aus 
Deutſchfreundlichkeit; ich kann die Deutſchen 
nicht leiden, die Amweſenden ausgenom- 
men“, fügte er mit malitiöſem Lächeln þin- 
zu. „Aber ich kenne Eure Stärke — der 
Krieg wird lange dauern, zwei, drei Jahre 
vielleicht, nicht Monate, wie die Leute 
glauben, die bei uns von der ruſſiſchen 
Dampfwalze reden. Ihr ſeid militäriſch 
vielleicht überhaupt nicht, höchſtens wirt- 
ſchaftlich oder durch Euren Reichstag zu be⸗ 
ſiegen; zuletzt wird Herr bleiben, weſſen So- 
zialdemokratie am längſten die Flinte auf 
dem Buckel behält. — And wenn der Krieg 
endet, werden wir ihn für die Amerikaner 
und Japaner geführt und beide unſere Stel 
lung im Pazifik verloren haben, wir die 
erſte und ihr die zweite; und wir werden 


Außenpolitiſche Notizen 29 


mühſam die dritte behaupten. Aber ich ſehe 
weder bei Euch noch bei uns einen Mann 
auf der Kommandobrücke, der die beiden 
kursſchwankenden Schiffe im entſcheidenden 
oder dümmſten Moment auseinanderhalten 
könnte.“ 

Dieſe Aeußerungen zeigen deutlich Kit⸗ 
cheners weltpolitiſchen Weitblick und ſeine 
Vorausſicht kommender Kataſtrophen, die er 
freilich nicht verhindern konnte. Die Nach⸗ 
kriegsentwicklung hat ihm, wie wir heute 
überſehen können, ſowohl im Hinblick auf 
den Verluſt der deutſchen Stellung und der 
engliſchen Machteinbuße im Pazifik, als auch 
im Hinblick auf die japaniſche Großmacht⸗ 
ftellung Redt gegeben. Die ſtrategiſche Lage 
im Pazifiſchen Ozean ſtudierte Kitchener 
noch eingehend auf ſeiner Weltreiſe, die er 
im Anſchluß an ſeinen indiſchen Aufenthalt 
unternahm. In einer febr ernſten Dent- 
ſchrift wies er die völlig ungenügende Ver- 
teidigungsfähigkeit Auſtraliens und Neu- 
ſeelands gegenuber einem japaniſchen Angriff 
nach, ein Problem, das für die Zukunft noch 
beſonders ſchwerwiegend erſcheint. Bis zum 
Juli 1914 war er Generalkonſul in Aegyp - 
ten, eine Stellung, die ihm mehr Macht gab, 
als der bloße Titel zu ſagen ſchien. 


Weltkrieg 


Der Ausbruch des Weltkrieges ſtellte ihn 
vor die wichtigſte Aufgabe ſeiner Laufbahn. 
Am 6. Auguſt 1914 wurde er in das eng- 
liſche Kriegsamt berufen, deffen mangel- 
hafte Einrichtungen ihm die größten Schwie 
rigkeiten bereiteten. Ein Generalſtab fehlte 
damals völlig. Von Anfang an ſtand Kit- 
chener auf dem Standpunkt, daß der Krieg 
lange Jahre in Anſpruch nehmen und nicht 
in wenigen Monaten beendet ſein würde, 
wie es die Optimiſten in England, auch die 
Generale Wilſon und French glaubten. So 
ſah er auch dementſprechend ſeine Hauptauf- 
gabe darin, die Heine engliſche Berufsarmee 
von 7 Diviſionen auf eine Volksarmee von 
mindeſtens 70 Diviſionen mit rund 1 Mil. 
lion zweihunderttauſend Mann zu ver- 


mehren. Seine Abſicht traf bei den meiſlen 
auf Anglauben und Ablehnung. In den 
ſchweren Auguſttagen 1914, als die 6 eng- 
liſchen Expeditionsdiviſionen in Frankreich 
bei Mons und Le Chateau nahezu aufge- 
rieben und vernichtet wurden, mußte er dieſe 
dezimierten Kräfte erſt wieder ſammeln und 
reorganiſieren. Kitchener war der eiferne 
Mann, der die ungeheure Organifations- 
arbeit durchführte. Seine Feinde haben 
ihm wohl zu Anrecht verſchiodene Nieder- 
lagen zugerechnet, ſo z. B. die für England 
kataſtrophale Offenſive gegen die Darda 
nellen, die nicht weniger als 400 000 Mann 
feffelte und 125000 Mann Verluſte verur- 
ſachte. Der eigentliche Arheber dieſes un- 
glückſeligen Planes war der Ziviliſt Winſton 
Curchill, während ſich Kitchener inſtinktiv 
dagegen wendete, ſich aber nicht durchſetzen 
konnte. Das Gallipoliunternehmen ſchei⸗ 
terte dann im Januar 1916 mit dem völligen 
Rückzug der Engländer, den Kitchener als 
undankbare Aufgabe einleitete. Trotz aller 
Fehler, die Kitchener gemacht haben mag, 
wird er immer in der Geſchichte Englands 
als die treibende Kraft und der Organifa- 
tor der Millionenarmee weiterleben, die er 
buchſtäblich aus dem Boden ſtampfte. In 
der Tat ſtanden Anfang 1916 1% Millionen 
Briten in Frankreich! 

Aber die ſchwächſte Stelle der Entente war 
Rußland, das damals fdon vor dem Zu- 
ſammenbruch ſtand. Kitchener ſollte als 
Gaft des Zaren die Lage in Rußland erfun- 
den und mit ſeinem Namen und ſeiner 
Energie in die Breſche ſpringen. Dabei 
ereilte ihn ſein Schickſal. Am das Ende 
Lord Kitcheners haben ſich viele Gerüchte 
und Legenden geſponnen. Wir wiſſen heute, 
wie ſich die Kataſtrophe zugetragen hat. In 
den Tagen der Skagerrakſchlacht hatte A 75 
unter Kapitänleutnant Kurt Beitzen weit- 
lich der Orkneys Minen gelegt, auf die auch 
ein engliſches Bewachungsfahrzeug auflieſ. 
Dieſe Meldung iſt aber in dem fieberhaften 
Funkverkehr der Skagerraktage unterge- 
ſchnitten, ſo daß Admiral Jellicoe, der für 
die Sicherheit Kitcheners verantwortlich 


30 Randbemerkungen 


war, das Fahrwaſſer für frei hielt. Am 
5. Juni ſchiffte ſich Lord Kitchener auf dem 
Panzerkreuzer „Hampſhire“ ein, der ihn um 
Norwegen herum nach Archangelſk bringen 
ſollte. In dem wütenden Nordoſtſturm 
mußten die beiden begleitenden Zerſtörer 
umkehren, da ſie in dem hohen Seegang den 
Anſchluß an den Kreuzer nicht halten fonn- 
ten. Am 7.40 Ahr abends lief die „Hamp⸗ 
ſhire“ auf eine Mine und begann ſofort zu 
ſinken. Kitchener ſtand mit einer Gruppe 
von Offizieren ruhig an Deck. Das letzte, 
was die wenigen Aeberlebenden hörten, war 
der Ruf des Kommandanten: „Platz für 
Lord Kitchener!“ Aber es war zu ſpät, die 
Rettungsboote wurden von der See in 
Stücke geſchlagen. Nur wenige Seemeilen 


von einer wilden und felſigen Küſte entfernt, 
ſank der Kreuzer mit Kitchener in die Tiefe. 
Erſt zwei Stunden ſpäter liefen Torpedo- 
bootszerſtörer aus, um nach Ueberlebenden 
zu ſuchen. 

Lord Kitchener iii fein Leben gelaffen, 
als er feinem Vaterland einen von ihm 
ſelbſt nicht optimiſtiſch beurteilten Dienſt er- 
weiſen wollte. Sein Verluſt übte in Eng⸗ 
land eine niederſchmetternde Wirkung aus. 
Eine der populärſten und energiſchſten Per- 
ſönlichkeiten Englands, in der ſich die Ge- 
ſchichte und Politik des Britiſchen Impe⸗ 
riums ganz beſonders deutlich widerſpie⸗ 
gelte, war dahingegangen. England hatte 
mit ihm ſeinen größten Soldaten verloren! 

Wulf Siewert. 


„Bibel odes Revolver?“ 

In der vom „Evang. Reichsverband weib- 
licher Jugend“ (den es alfo gibt!) heraus- 
gegebenen Monatsſchrift „Jugendweg“ hat 
ſich eine Ausſprache um den Film „Frifen- 
not“ entſponnen, die ſchlaglichtartig die 
Schwierigkeiten und auch die noch beſtehende 
Anſicherheit der chriſtlich⸗kirchlichen Einftel- 
lung zur „deutſch-völkiſchen“ aufzeigt. Es 
werden in Heft 5 vom 15. Mai 1936 Ant- 
worten aus dem Leſerkreis veröffentlicht, 
die z. B. zu folgender Frage Stellung 
nehmen: „Iſt man einer Obrigkeit, die offen- 
ſichtlich bösartig und nichtchriſtlich iſt, 
Gehorſam ſchuldig?“ Eine der Ant- 
worten lautet folgendermaßen: „Eine klare 
Antwort gibt uns die Bibel ſelbſt: „Jeder⸗ 
mann ſei untertan der Obrigkeit, welche Ge⸗ 
walt über ihn hat. Denn es iſt keine Obrig⸗ 
keit ohne von Gott“ (Römer 13, 1). Es iſt 
nur gut, daß Gott hier nicht uns die Ent⸗ 
ſcheidung überläßt, welche Obrigkeit von 
ihm fei und welche nicht, denn unſere Beur- 
teilung wäre ja doch nie objektiv.“ Eine 


andere Antwort lautet: „Dieſe Frage be ; 
ſchäftigte uns Theologieſtudenten ſehr. And 
wir konnten von nirgendsher zu einem glat- 
ten „Nein“ kommen 

Auf die zweite Frage: „Wer iſt mein 
Nächſter?“ wird u. a. folgende Antwort ver- 
öffentlicht: „Ich kann auch nur Jagen: Wag ⸗ 
ner (der zögernde Gemeindeſchulze, dargeſtellt 
von Kayßler. Schriftltg.), Wagner hat recht. 
Seine Blutsgenoſſen und ſeine Feinde ſind 
fein Nächſter, und zwar: Seine Bluts⸗ 
genoffen muß er als feine Nächſten ſchützen; 
er müßte die Feinde abwehren. Aber ſeine 
Feinde ſind feine Nächſten in 
dem Augenblick, wo er auf ſie 
ſchießen will. Er hat recht.“ 

Noch übertroffen wird dieſe Antwort 
durch folgende geradezu heroiſche Lebensauf- 
faſſung: „Wir ſollen handeln, aber nicht, 
wie Niegebüll meint, im Glauben an 
unfere Kraft, ſondern im Vertrauen 
auf Gott. Dann wird er auch das Wunder 
des Gelingens tun.“ Auf die Frage: „Muß 
ich als Chriſt meinem Feind verzeihen, aud 


. ——— ⏑˖§˖«VW,̃7§7§1ßÜ⅛̃7ĩ˙5¹5i0d —̃ — 


W. A. / Aquarelle 31 


wenn es gegen meine und meines Volkes 
Ehre geht?“ werden verſchiedenartige Ant- 
worten erteilt, von denen keine wagt, mit 
einem „Ja, ja“ oder „Nein, nein“ zu ent- 
ſcheiden. Durchſchnittsformulierung iſt etwa 
folgende: „Als Chrift muß ich meinen Fein- 
den verzeihen, auch wenn es gegen 
meine oder meines Volkes 
Ehre geht. Aber um der Ordnung und 
meiner Volksgenoſſen willen — nie aber 
aus Haß und Wut — und in der vollen 
Verantwortung vor Gott, daß ich eigentlich 
() damit eine Sünde tue, bin ich in einem 
ſolchen Fall gezwungen, mich zu wehren 
und, wenn es nötig iſt, meine Feinde zu 
töten.“ 

Die letzte Frage lautet: „Gibt es nur das 
eine GEntweder-Oder, wie der Film es 
zeigt: Bibel oder Revolver?” Ein ſchwie⸗ 
riger Fall, denn: „Vom chriſtlichen Stand- 
punkt aus müßte Wagner nach der Bibel 
handeln. — Als echter Deutſcher dürfte er 
nur die Waffe ſehen; denn Auge um Auge, 
Zahn um Zahn! und: Wie du mir, ſo ich 
dir! —“ Aber: „Meiner Meinung nach 
wäre ein Zwiſchending zwiſchen dieſem 
Entweder-Oder ein Ausweichen, und man 
fiele dadurch mit unter den Fluch der Lauen, 
die weder kalt noch warm find.” Ein Dritter 
macht es wie Alexander ſeinerzeit mit dem 
gordiſchen Knoten: „Nicht Bibel oder Re- 
volver, ſondern Bibel und Revolver analog 
dem Wort: Bete und arbeite.“ 


Die Ausſpracheleiterin iſt offenſichtlich 
etwas verzweifelt: „Wie ijt es mög 


lich, daß fie zu fo entgegenge- 
ſetzten Reſultaten gekommen 
ſind?“ 


Ja, wie iſt's möglich dann... .? | hy 


Go sebi es nicht! 

Die Zeitſchrift „Germanien“, deren uner- 
müdlichen Kampf um die Aufhellung der 
germaniſchen Vorgeſchichte wir voll bejahen 
und anerkennen, beſprach in ihrem Aprilheft 
das Buch des Jenaer Profeſſors Erich 
Maſchke „Der deutſche Ordensitaat”. Am 
Schluß dieſer Beſprechung heißt es: 

„Man vermißt ein Wort über die 
Miſſionsmethoden des Ordens und muß 
bedauern, daß folgender Ge- 
ſichts punkt völlig fehlt: Der 
Orden kämpfte gegen die Heid- 
niſchen Preußen und Litauer, 
d. h. gegen die letzten heidniſchen 
Indogermanen Europas!“ 

Wir halten dieſe Bemerkung zumindeſt für 
unklug, weil fie zu Mißdeutungen und bög- 
willigen Auslegungen Anlaß geben kann. 
Mag man zu den Miſſionsmethoden ſtehen 
wie man will, aber es geht nicht an, 
hiſtoriſche Tatſachen bloß vom Geſichts⸗ 
winkel unſerer heutigen religiöſen Ausein- 
anderſetzungen zu betrachten und den letzten 
„heidniſchen“ Indogermanen eine Träne 
nachzuweinen. Gewiſſe Stellen in Kowno 
uſw. pflegen nämlich aus ſolchen Aeußerun⸗ 
gen ſehr ſchnell Propagandamaterial für 
ihren „Anſpruch“ auf Oſtpreußen zu ent- 
leihen. Sti. 


Aauarelle 
| Län unferee ARuuftdendtbeilase) 

Wir beobachten feit geraumer Zeit eine ſorgfältige, langſame Entwicklung 
des Aquarells. Aus dem deutſchen Kunſtleben ſind die Stildiktatoren entfernt 
worden und die Cliquen, die in der Kunſt ein Geſchäft ſahen und ſie zum beſſeren 
Abſatz den Geſetzen einer Mode unterwarfen, ſind verſchwunden. Kunſt wird nicht 
mehr gemacht. Sie wird wieder aus dem geſunden Gefühl des Künſtlers, der 
ſelbſt ganz im Volke ſteht. Heute kann man wieder beſondere Erſcheinungen des 
Kunſtſchaffens beobachten, ohne damit men gu fördern oder in einen Den 
tumsprozeß einzugreifen. 


32 W. A. / Aquarelle 


In der Galerie Ferdinand Möller fahen wir eine Frühjahrs- 
Aquarellausſtellung, die eine Reihe ſchöner Arbeiten zeigte. Die vier Aufnahmen 
unſerer Kunſtdruckbeilage ſind dieſer Ausſtellung entnommen. Wir haben vier in 
Motiv und Technik entgegengeſetzte Aquarelle ausgewählt. Erich Heckels 
„Dahlien“ bringen eine Farbkompoſition, die ſo nur dem Aquarell möglich iſt. Die 
leichte Anlage der Schatten, das zarte Auslaufen der Blüten in gelb und blau 
geben dem Bilde die Leichtigkeit, die das Motiv bedingt. Die Wahl des Hinter- 
grundes mit einigen kantigen Balken ſtellt dieſe Farben und das Sonnenlicht in 
den Alltag. Dadurch kommt ein herber Zug hinein, der verhütet, daß dies Aquarell 
ſüßlich-ſentimentales Stilleben wird. — Ernſt Hanſen, der 1906 in Honnef 
am Rhein geboren wurde und Schüler der Handwerkerſchule in Bielefeld war, 
zeigt in einer Reihe von Aquarellen eine äußerſt intereſſante und eigenwillige 
Technik. Eines der charakteriſtiſchſten iſt das von uns abgebildete „Hof am Teich“. 
Die Umriffe des Sees, des Hofes, der Bäume und die Anlage des Himmels treten 
aus dem feinſinnigen Zuſammenwirken der Farben in kaum ſpürbaren Linien hervor. 
Das Ganze ſcheint wie auf einen Schleier gemalt. Anſere Schwarz Weiß Repro 
duktion überbetont dieſe Linienführung, aber ſie gibt doch einen Eindruck vom 
Können dieſes jungen Malers, und es iſt erſichtlich, daß auch ein Thema wie dies 
„Hof am Teich“ außerhalb der von Kitſchiers heraufgeführten Konjunktur ſolcher 
Motive doch mit künſtleriſchem Geſicht dargeſtellt werden kann. Eine Mahnung 
an Hanſen darf nicht verſchwiegen werden: er muß ſich hüten, daß feine Technik, 
die jetzt Eigenwilligkeit und perſönliche Note ift, zur Manier wird. — Der 1904 
in Eſſen / Ruhr geborene Hans Weidemann iſt bereits bekannt. Wir zeigen 
ſein Aquarell „Kühe“, von dem das gleiche gilt, was wir eben ſagten. Er beweiſt, 
daß die Eindruckskraft einer Landſchaft nicht abſolut mit dem Fleiß naturaliſtiſcher 
Darſtellung erzwungen werden muß. Die Anmut und Schwere einer abendlichen 
Landſchaft ſpricht aus ſeiner Arbeit, die in einer anſprechenden Blautönung ge⸗ 
halten ift. — Der Dresdener F. Winckler begegnet uns mit feinem Bild „Boote 
am Strand“. E3 ift auch ein Zeugnis für die vielſeitigen Möglichkeiten des Aqua- 
rells. Der gelbe Sand und die abgeriſſenen Schatten geben einen grotesken Ein⸗ 
druck. Eine ſolche Studie wirkt durch ihre ſparſame, aber kräftige Farbanlage. Mit 
wenigen Strichen ſind die Boote angedeutet, auf die die Sonne knallt. In einem 
ſolchen Bilde ift die Heiterkeit der Stimmung eingefangen, die fih in exakterer Aus- 
führung nicht erhalten würde. 

Die Namen einiger anderer Künſtler wollen wir hier nur nennen, ohne daß 
wir zu jedem Werk Ja ſagen können. Aber wir wollen ihr Schaffen verfolgen: 


Benkert, Birnſtengel, Hagemann, Kluth, Schreiber. W. A. 
In Heft 7 it im Aufſatz von Faßbender „Bolſche Is Forde de Nation?“ ei 
tum richtig e Au 9 25 heizen alk er — ters er 


Hauptſchriftleiter: Günter Kaufmann (z. 3t. in Urlaub). Schriftleitung: Dr. Karl Lapper, Stellvertreter, und 


Wilhelm Utermann. Anſchrift: „Wille und Macht“, Keichsjugend führung, Berlin NW Kronpringenufer 10. 


Tel. D 2 5841. Verlag: Deutſcher Jugendverlag G. m. d. H., Berlin W 35, Liigowftr. 66, Tel. B 2 L 9006. — 

Verantw. für den Anzeigenteil: Kurt Otto Arndt, Berlin. — D.A. I. Bj. 96: 15 4%,- An eſes Heftes 

18 000. — Pl. Rr. 5. — Druck: Theodor Abb Buchdruckerei, Berlin SW 68. „Wille und t” z beziehen 

durch den Deutſchen Jugendverlag oder fede deutſche Buchhandlung [owie durch die Gef, zug viertel i. 

RM. 1,80 zuzügl. Beſtellgeld. Bei Beſtellung von 1 bis 3 einzelnen Nummern bitte den rag in ed 

beigulegen, da Nachnahmeſendung zu teuer ift und diefe lung ſonſt nicht erledigt werden kann. f 
bezug durch den Verlag laut beſonderen Bezugsbedingungen. 


— — —..— — —— ee. age, 


F. Hoffstatter, Bonn 
Email-Abzeichen, M 


Left und verbreitet 


„Wille und Macht!“ 


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Fernruf 2110, Postfach 85 
Vertragslieferant der RZM. Nr. 15 


Soeben erſchien: 


Hans Chriſtoph Kaergel 


Einer unter Millionen 


Hans Chriſtoph Kaergel ſchrieb mit dieſem Amerika Roman fein 
i erlebnisſtärkſtes Buch. Vor dem Hintergrund der Wolkenkratzer 
| New Port, inmitten einer pauſenlos abrollenden, meiſterhaft ge- 
| führten Handlung, die alle Höhen und Tiefen des Erlebens durch⸗ 
S läuft, eingehüllt in die Erzählung einer Liebe, die zu den innigſten 
und zarteſten unſerer Dichtung gehört, entwickelt ſich um Martin Windeck, 
E den in den Kriſenjahren der Gyftemgeit abgebauten Bankbeamten 
1 aus Waldenburg, ein deutſches Schickſal, wie es Tauſenden und 
aber Tauſenden widerfuhr. Zwar ſchlägt ſich Windeck drüben leidlich 
durchs Leben: heute Tiſchler, morgen Totengräber, dann Stalljunge 
| und Milchkutſcher, zwar gibt ihm die Fremde, was ihm die alte Heimat 
für immer zu verweigern ſchien: Arbeit und Leben. Aber er wird 
nicht glücklich dabei. Denn erft jetzt, erft hier im fremden Land, im 
Strom der Weltſtadt fühlt er, wie tief er Deutſchland liebt und daß 
er ſich nie von ihm löſen kann, um Amerikaner zu werden. Auto- 
T biographiſche Züge find dieſem Schickſal mannigfad verflochten. So 
` gewinnt dieſes neue Werk des bekannten ſchleſiſchen Erzählers eine 
| befondere Bedeutung als das Lebensbekenntnis eines Mannes, den 
Grenze und Ausland feinem Volkstum zutiefft verwurzeln ließ. 


Pappband RM. 360 7 Ganzleinen RM. 4,80 


Zeitgeſchichte 
Verlag und Vertriebs⸗Geſellſchaft m. b. H., Berlin W 35 


München 43 2116 
Par- i Zentral Archiv 


Die Auchsemeiuitbaſt unſeres Zeit 


Die im Braunen Buch Ning zuſammengeſchloſſenen Männer 
und Frauen ſehen im Buch das wirkſamſte Mittel, die national- 
ſozialiſtiſche Weltanſchauung zu vertiefen und das wiedergewonnen 
deutſche Lebensgefühl zu ſtärken. 
Der Braune Buch⸗Ning bringt grundſätzlich nur Erſtveröffent⸗ 
lichungen, alfo keine Nachdrucke und keine Neuauflagen bereits 
erſchlenener Werke, und unterſcheidet ſich dadurch von allen 
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Der Braune Buch Ring zählt Sehntauſende deutſcher Volts- 
| | genoffen aller Stände und Berufe zu feinen Mitgliedern. 
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8 von wur 1,15 RM. jährlich 4 umfangreiche, wertvolle Bäder 
{owie 24 Hefte der reich bebilderten Zeitſchrift „Der Braune 
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Nach Gebrauch rurüc A 
Hauptarchiv der NSDAP 
Abt. Jugendbewegu 


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Mbvevorsan der nationalſozialiſtiſchen Susend 


bf dem Subali: 


Auslese der Bewegung 
Römische Kirche und Judentum 


auf Schulz — Ein Jahr ohne den Marschall -— Ein neues Mitglied in Genf — Billige 
ten Preisen — Pıreisend mit viel schönen Reden —- „Totgepredigte Jugend“ — 
bemerkungen -~ Nexe Bücher — Bildbeilage: Dos neue Heidelberg 


ſchriſt / Gef 12 Neslin, den 15. Zuni 1936 Ginselveeis 30 Nfa. 


Subali 


Abrechnung mit alten Werten. `, `... Alfred Rofenberg | 
Auslefe der Bewegung `, ggg Karlheinz Rüdiger 
Römiſche Kirche und Judentum b ee ae eae Horſt Pabel 

Recht auf Schuhnn- h Hans Humbold 


Außenpolitiſche Notizen: 
Ein Jahr ohne den Marſch all.. R. Gutmann, Warſchau 


Randbemerkungen: 

Preiſend mit viel ſchönen Reden 

„Totgepredigte Jugend“ 

Was ſagt der Präfident der Goethe ⸗Geſellſchaft? 
Neue Bücher 


Das neue Heidelberg... g Hans Bähr 


Bildbeilage: 
Das neue Heidelberg (Fotos: H. Loffen (2); M. Kögel; N. Foßhag) 


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SHH vevovrsatn dev uationalſozialiſtiſchen Susen®d 


Jahrgang 4 Berlin, 15. Juni 1936 Heft 12 


Alfred Rosenberg: 


Abrechunus mit alten Werten 


Viele Folgerungen, die man im Leben und Denken unferer Tage zu ziehen ge- 
zwungen iſt, ſind ſelbſt manchen alten Kämpfern noch gar nicht klar geworden. Viele 
haben zwar unmittelbar gegen die jüdiſche Korruption und gegen das landeg- 
verräteriſche Denken und Handeln des Marxismus ſich empört, haben es abgelehnt, 
eine fonfeffionelle Zentrumspolitik zu ſtützen, aber nicht alle haben begriffen, daß dieſe 
politiſchen Machtgebilde ja nicht für ſich beſtanden, ſondern daß ſie alle nur Ausdruck 
ganz beſtimmter weltanſchaulicher Haltungen waren. Nicht alle 
haben begriffen, daß wir geradezu unter einem Wuſt von Aeberlieferungsſchichten 
lebten, daß jedes Jahrhundert eine neue geiſtige Schule und Tradition ſchuf, und 
daß alle diefe Syſteme um die Seele eines jeden einzelnen von uns rangen. Schließ⸗ 
lich haben ſich aus dieſen geiſtigen Syſtemen die politiſchen Gruppen gebildet, die 
das deutſche Volk zu zerreißen drohten. 

Nach Niederwerfung der politiſchen Gebilde entſtand daher die klare Not— 
wendigkeit, die Hintergründe dieſer politiſchen Gebilde von innen heraus zu prüfen, 
— nicht zu zerſtören, weil man Weltanſchauungen nicht zerſtören 
kann, ſon dern ihre Werte zu befeitigen und die anderen, deut- 
ſchen Werte an ihre Stelle zu ſetzen. 


Das iſt der große Kampf, in dem wir augenblicklich ſtehen. Die Rangordnung 
der Werte hat ſich entſcheidend verſchoben. Wenn der höchſte Wert der Demokratie 
Gewinn, der höchſte Wert des Marxismus die Klaſſe, wenn der höchſte Wert 
des Zentrums die Konfeſſion war, fo iſt heute eine entſcheidende Wendung ein- 


getreten: denn der höchſte Wert des neuen nationalſozialiſtiſchen Reiches iſt die 
nationale Ehre. 


H 


2 Rofenberg / Abrechnung mit alten Werten 


Das iſt eine alte Idee, die einſt mit der Einzelperſon verbunden war, 
mit der Sippe, mit einem Stamm, die aber nicht ihre naturgegebene Fortentwicklung 
fand, ſondern deren Fortentwicklung durch dynaſtiſche und kirchliche Syſteme unter- 
brochen wurde. Dieſe Idee hat aber jetzt im neuen Reiche des 20. Jahrhunderts 
ihre Vollendung in der Verkündigung dieſes neuen Höchſtwertes gefunden. Von 
ihm aus hatte bisher im Ernſte noch keine Staatsregierung das Volk gebildet 
und den Staat aufgebaut. 


Die Anerkennung dieſes einzigen Höchſtwertes nun führt auf allen Gebieten des 
Lebens zu neuen Wertungen, zu neuen Folgerungen und auch zu neuen entſcheidenden 
Ablehnungen gegenüber vielen Dingen der Vergangenheit. Somit ſtirbt mit 
unſerer Zeit nicht nur die liberale Epoche, nicht nur die 
marxiſtiſche Lehre, ſondernesſtirbtmit unſerer Zeit auch das 
Mittelalter endlich ab. Das iſt eine entſcheidende Wendung für jeden 
einzelnen von uns, und dieſe Wendung wird auf allen Gebieten, auf dem Gebiete 
der Kultur ebenſo wie auf dem Gebiete der Wirtſchaft und der Politik, ihre Folgen 
haben müſſen. l 

Es ift ein großes Schickſal, in das wir mitten bineingeftellt worden find; wir 
haben dieſes Schickſal zu bejahen und zu verſuchen es zu geſtalten. Nach alter 
germaniſcher Auffaſſung erblicken wir im Schickſal nicht ein 
Fatum, das irgendwo unabänderlich von oben kommt, ſondern 
wir erblicken hierin ein Zuſammenwirken von dem, was von 
außen an uns herantritt und von dem, was wir innerlich dazu 
zu ſagen haben. Dieſe germaniſche Auffaſſung vom Schickſal nicht als einer 
nur zwangsläufigen, urſächlichen Verbundenheit, ſondern als Ergebnis verſchiedener 
Kräfte, an dem der Menſch mit beteiligt ift, hat ihre Verkörperung in der national- 
ſozialiſtiſchen Bewegung gefunden. Ob einer das eine Mal ſiegt, oder ob er manchmal 
unterliegt, das iff nicht entſcheidend. Entſcheidend iſtimmer die Art, wie 
ein Siegoder eine Niederlage empfunden und aufgefaßt wird. 
Ein glänzender Sieg hat oft zu moraliſchen Zuſammenbrüchen geführt, und eine 
Niederlage hat oft verſchüttete innere Kräfte wieder lebendig gemacht. So iſt auch 
heute aus der Not des deutſchen Volkes und nicht aus einem unmittelbaren glänzen- 
den Siege die größte Wiedergeburt gekommen. 1871 ſiegte Deutſchland. Es begann 
eine Zeit des großen Blühens, und doch hatte das deutſche Volk nach dieſem Sieg 
irgendwie Schaden in ſeinem Inneren erlitten. Wir blicken heute auf jene Menſchen 
zurück, die damals vergeblich vor der Verflachung des öffentlichen und perſönlichen 
Lebens warnten, als auf die Propheten unſerer Zeit und unſeres Lebensgefühls. 
Wir wiſſen, wie ein Lagarde dieſe ganze damalige Welt ändern, von innen refor- 
mieren wollte, wir wiſſen, wie ein Nietzſche die ganze falſche Kultur jener Jahrzehnte 
geißelte und ſchließlich innerlich daran zerbrach. Wir wiſſen um manchen anderen, 
der in dieſen Jahrzehnten als einſamer Menſch gekämpft hatte, ohne daß man ihn 
hörte. Das, was fih im November 1918 vollzog, war eigentlich 


Rofenberg / Abrechnung mit alten Werten 3 


keine militäriſche Niederlage, ſondern war ein politiſches 
weltanſchauliches Verſagen jener Menſchen, die das deutſche 
Volkpolitiſch und weltanſchaulich zu führen hatten. 


Noch eine andere Niederlage haben wir zu verzeichnen. Der November 
1923 war ein Verſuch, nach der Macht im Staate zu greifen, der mißlang. Aber 
aus dieſer Niederlage iſt eine ungeheure moraliſche Er- 
bebung des deutſchen Volkes gekommen. Ein hartes Schickſal zwang 
uns damals in eine andere Lage, und der Charakter der Bewegung machte aus 
dieſer Niederdrückung das größte Volkserziehungswerk, das das deutſche Volk 
jemals geſehen hat. 


Heute, nach den unmittelbaren politiſchen Kämpſen, fordert das Schickſal nun- 
mehr von uns die Durchführung einer großen inneren Erziehung des deutſchen 
Menſchen. Dieſe innere Erziehungsarbeit verlangt zugleich innere Härte. Sie 
fordert, daß jeder Nationalſozialiſt imftande fein muß, diefe Härte gegenüber fidh 
ſelbſt, ſeiner Vergangenheit und ihren alten Aeberlieferungen aufzubringen; denn 
nur wer Großes will, wird auch einmal Großes geſtalten 
können. Wenn manche Menſchen uns heute ſagen: ihr könnt doch nicht viele gute 
Traditionen rauben, ohne uns ſchon eine feſte Form ſchenken zu können, müſſen 
wir fagen, das hätten wir uns ſchon 1919 überlegen müſſen. Wenn wir uns das 
geſagt hätten, dann hätte niemand überhaupt den Mut zum Anfang aufgebracht. 
Was wir heute von jenen fordern, die wieder an der Spitze der Geſtaltungsarbeit 
ſtehen, ift, da ß fieden Mut haben, ihre ganze Sache, wenn nötig, 
auf Nichts zu ftellen. 


Aus der ſchwerſten Niederlage iſt die größte Wiedergeburt gekommen, ſo wie es 
ein alter Myſtiker ſagt: es ſind die tiefſten Brunnen, welche die höchſten Waſſer 
tragen. Man kann die großen Probleme unſerer Zeit niemals dialektiſch löſen, 
ſondern nur durch die Kraft der Aeberzeugung und durch den Mut derer, die dieſe 
Aeberzeugung verteidigen. Wir ſtehen auf dem Standpunkt, daß die innere Härte 
auch die Loſung für die kommende Epoche der NSDAP. darſtellt. Wir waren 
kompromißlos und eben dieſer innere kompromißloſe Ge- 
dankengehalthatuns ſchließlich den politiſchen Sieg gebracht. 
Wir bekennen uns deshalb als unerbittliche Gegner jener, 
die diefe nationalſozialiſtiſche Wiedergeburt verfälſchen, 
zerreden oder ſie inſtinktlos preisgeben wollen Man kann 
nicht bewußt polit iſch nationalſozialiſtiſch ſein, kulturpolitiſch aber den 
Kulturkommunismus fördern. Die Einheit der nationalſozialiſtiſchen Idee auf allen 
Gebieten ift die Vorausſetzung für die künftige Geftaltung unſerer weltanſchaulichen 
Erziehungsarbeit und zugleich Vorausſetzung dafür, daß die nationalſozialiſtiſche 
Revolution nicht eine vorübergehende Epoche, ſondern wirklich eine neue Grundlage 
des deutſchen Lebens iſt. 


4 Rüdiger / Auslefe der Bewegung 


Karlheinz Rüdiger: 


Anslefe der Betveguns 


Als die nationalſozialiſtiſche Bewegung in die Geſchichte eintrat, ſtand ſie als winzige 
Gruppe einer überragenden Mehrheit gegenüber, deren Anſchauungen ſoeben mit Hilfe 
einer ſogenannten „Revolution“ begonnen hatten, die Geſchicke des deutſchen Volkes zu be- 
ſtimmen. Es gehörte damals eine eindeutige Haltung und ein klarer Blick dazu, ſich 
entſchloſſen gegen diefe volkszerrüttende marxiſtiſch⸗liberaliſtiſche Mehrheit zu ſtellen. 

Daher ſchloſſen ſich der nationalſozialiſtiſchen Bewegung nur Menſchen an, die ganz 
beſtimmte Charakterwerte ihr Eigen nannten. Ausſchlaggebend für den politiſchen Einſatz 
waren nicht nur ſelbſtloſer Opferwille und Mut des einzelnen, ſondern jener unerſchütter⸗ 
liche Glaube an die Reinheit, Wahrhaftigkeit und Ewigkeit der ee, die Erkenntnis, daß 
die nationalſozialiſtiſche Bewegung die ewig geltenden Werte unſeres Volkes vor dem 
Antergang zu bewahren einzig und allein in der Lage ſei, und über das Schickſal des 
einzelnen hinaus dauernd das Schickſal des geſamten Volkes ſichere. Dieſem unerſchütter⸗ 
lichen Glauben entſprang die geſtaltende Kraft für die Gegenwart und der eindeutige Blick 
für die Fragen der Zukunft. | 

Jeder große Gedanke in der Weltgeſchichte hat feine Wurzeln zunächſt in dem Herzen 
eines einzelnen oder weniger Menſchen, die ihn inſtinktiv und kühn vertreten, und aus ihm 
zu den drängenden Fragen ihrer Zeit die rechte Antwort zu geben wiſſen. 

Dieſe Antwort auf die Schickſalsfragen eines Volkes iſt von vielen verſucht worden, 
aber noch nie ſo abſolut und allumfaſſend richtig gegeben worden, wie durch das Wirken 
und Kämpfen Adolf Hitlers. Die nationalſozialiſtiſche Idee, einſt in ſeinem Herzen ent- 
ſtanden, wurde Geſtalt in einer mächtigen volksaufrüttelnden Bewegung, die ſich durch den 
Einſatzwillen einer unbedingten Gefolgſchaft von Jahr zu Jahr immer mehr Raum im 
deutſchen Volk eroberte, bis ſie Eigentum des geſamten Volkes wurde. 

Der Kampf um die Erhaltung und Bewahrung der Wee währt ſolange, folange die 
nationalſozialiſtiſche Bewegung beſteht und wird auch weiterhin andauern müſſen, da er 
immer wieder aufs neue von jedem einzelnen ſiegreich durchfochten werden muß. 


Dieſes Ringen fordert ein tatbereites Geſchlecht. Auf der Einheit von Idee und Tat 
ruht die geſchichtliche Aufgabe der nationalſozialiſtiſchen Bewegung. Die großen Werke 
unſerer Zeit können nur gelingen durch den dauernden Einſatz einer überzeugungsſtarken 
Kämpferſchar, die kompromißlos die einmal erkannten Grundgeſetze verteidigt und als be ; 
ſtändigen Wert dem Volksganzen einverleibt. Dieſer Einſatz erzieht zu einer beſtimmten 
Lebenshaltung und einem beſtimmten Lebensziel, die niemals in einem ſtarren Dogmatismus 
vergehen werden, ſondern durch die ſteten neuen Forderungen den deutſchen Menſchen zu 
immer größeren Kraftanſtrengungen führen. Das Ringen um die Einheit der Idee formt die 
Perſönlichkeit, nicht eine Perſönlichkeit, die im Ich den Ausdruck ihres ganzen Erdendaſeins 
ſieht und von der Ichſucht beherrſcht ihrer eigenen Leiſtung einen Wert zuſpricht, der ſie 
zu leicht verleitet ſich über das Gemeinſame emporzuheben, ſondern jene Perſönlichkeit, die 
ihre Kraft in der Gemeinſchaft erprobt, ihre Aufgabe aus der Gemeinſchaft erhält und ſomit 
als Glied des Volkes um ſeine Erhaltung und Förderung kämpft. 

Dieſe Lebenshaltung fordert tägliche Opfer und große Prüfungen, an deren Erfüllung 
aber der Wert eines jeden zu meſſen iſt. 

Es iſt klar, daß ein an ſich anerkennenswertes Bekenntnis zum Nationalſozialismus noch 
nicht den Kämpfer ausmacht, den wir fordern müſſen; ſondern wer ſich dieſer Bewegung 


Rüdiger / Ausleſe der Bewegung 5 


verſchreibt, muß in ſeiner ganzen Lebenshaltung, ſeinen Lebensſtil, in der Art, wie er ſeine 
Feſte und Feiern begeht, wie er fein Tagewerk vollbringt, den Geſetzen der national- 
ſozialiſtiſchen Idee Ausdruck verleihen, und aus der Kraft jener großen Gemeinſchaft, die 
die Geſamtheit der Raffe, der Geſchichte und des heimatlichen Bodens umſchließt, feinen 
Lebenswillen herleiten. Wenn wir die Geſchichte des deutſchen Volkes betrachten, ſo 
müſſen wir feſtſtellen, daß es bisher noch nie gelungen war, dieſe Stileinheit als Lebeng- 
haltung des deutſchen Volkes zu erreichen; denn das deutſche Volk war noch nie ein in 
ſich geſchloſſenes einheitliches Ganzes. Zwar brannte in vielen Herzen die Sehnſucht nach 
dieſer Ganzheit, dem „ewigen deutſchen Reich“. Die tiefften und echteſten deutſchen Menſchen 
haben in den verſchiedenſten Epochen deutſcher Geſchichte dieſer Sehnſucht Ausdruck ver- 
liehen; aber ſie blieb nur in wenigen Herzen und entzündete nicht die Geſamtheit des 
Volkes. Das Volksbewußtſein, das viele andere Völker ſchon längſt als ihre ſicherſte 
und grundlegendſte Kraft als höchſten unveräußerlichen Beſitz ihr Eigen nannten, fehlte dem 
Deutſchen. Er war in Stände und Klaſſen zerſpalten und Teil kämpfte gegen Teil. Erſt 
durch den Sieg des Nationalſozialismus iſt jene Sehnſucht des deutſchen Menſchen in Er- 
füllung gegangen. Das „Reich“ war und ift die Schickſalsfrage der Deutſchen. Sie fonnte erft 
gelöſt werden, als ſich Millionen zu der Antwort bekannten, die ihr der Führer gab. 


So wächſt aus der Wechſelbeziehung zwiſchen Perſönlichkeit und Volksgemeinſchaft 
der deutſche Menſch, deſſen Lebenshaltung nunmehr eine einmalige bewußt ausgerichtete 
Form hat, getragen von der unſterblichen Seele des Volkes und von den ewigen Charakter- 
werten nordiſchen Weſens. 

Dieſe Beſinnung des Deutſchen auf ſich ſelbſt und der entſchloſſene Wille, ſein Schickſal 
mit eigenen Kräften zu meiſtern und unerbittlich um die Erhaltung ſeiner Charakterwerte 
zu kämpfen, macht die Geſchloſſenheit der nationalſozialiſtiſchen Weltanſchauung aus und 
gibt ihren künftigen Aufgaben eine klare und eindeutige Richtung. Dieſe Richtung zu be- 
wahren und jede Verfälſchung kompromißlos zu beſeitigen, fordert den höchſten Einſatz einer 
Kämpferſchicht, deren Leiſtung nicht beſtimmt wird durch Parolen und große Programme, 
ſondern aus denſelben Quellen kommt, aus denen die nationalſozialiſtiſche Bewegung 
entſtanden iſt. 


Die nationalſozialiſtiſchen Kundgebungen der Kampfzeit unterſchieden ſich bald von 
den Verſammlungen der gegneriſchen Parteien durch ihren mitreißenden Schwung und ihre 
Ausgeſtaltung, die tief das ſeeliſche Erlebnis des einzelnen beeinflußten und geformt 
wurden durch den Geiſt jener Kämpfer, die Tag für Tag um die Herzen des Volksgenoſſen 
tangen, keine Gefahr ſcheuten und ſich bedingungslos den fordernden Aufgaben der Idee 
hingaben. Wenn auch äußerlich noch die Verſammlungsform der alten Parteien gewahrt 
blieb, mit Vorſtandstiſch und Verſammlungsleiterglocke, jo trat dies alles zurück hinter 
das Erlebnis eines großen gemeinſchaftlichen Willensbekenntniſſes, das zu einer das Innerſte 
aufwühlenden Feierſtunde wurde und einen Kundgebungsſtil entwickelte, der nicht am grünen 
Tiſch aus propagandiſtiſchen Gründen entſtand, ſondern ſich impulſiv aus dem Leben der 
Bewegung entwickelte. So wurden das gemeinſam geſungene Kampflied, der Fahnen- 
einmarſch, die geſchloſſene Haltung der Formationen zu einem typenbildenden Faktor, der 
die lebendige Kraft der Bewegung ſteigerte und jeden, auch den bewußten Gegner, durch 
ſeine Form packte. 


Die von der nationalſozialiſtiſchen Bewegung herausgeſtellten Grundwerte garantieren 
in dem dauernden wechſelvollen, von Sieg zu Niederlage eilenden politiſchen Kampf eine 
entſcheidende Ausleſe von Menſchen, die ſich, je länger der Kampf dauerte, deſto ſtärker aug- 


5 Rüdiger / Ausleſe der Bewegung 


wirkte und zu einer geſchloſſenen einſatzbereiten Gefolgſchaft führte. Jede große Bewegung 
in der Geſchichte formt einen beftimmten Menſchentyp, der ein getreues Abbild ihrer Werte 
ijt. In der Rampfzeit erkannten fih die Parteigenoſſen ſchon am äußeren Auftreten, am 
Blick und an der Haltung. Nicht das Abzeichen war der Ausweis zur Zugehörigkeit, 
ſondern das Auftreten und der Einſatz. l 

Der politiſche Kampf um die Macht war eine einmalige und vielleicht in dieſem Aus- 
maß noch nie dageweſene Ausleſeerſcheinung im deutſchen Volk, die eine Führerſchicht 
herausſtellte, die inſtinktiv und ſelbſtverſtändlich jenen Typ „deutſcher Menſch“ vorlebte, der 
die Sehnſucht fo vieler Jahrhunderte deutrſchen Ningens in der Geſchichte war. Dieſer Typ 
ift, wie Roſenberg im „Mythus“ ſchreibt, keine ſchematiſche Erſcheinung, ſondern „die geit- 
gebundene plaſtiſche Form eines ewigen raſſiſch-ſeeliſchen Gehalts, ein Lebensgebot, kein 
mechaniſches Geſetz“. „Das Erleben des Typus aber, das ijt die Geburt der Erkenntnis des 
Mythus unferer ganzen Geſchichte: die Geburt der nordiſchen Raſſenſeele und das inner- 
liche Anerkennen ihrer Höchſtwerte als des Leitſterns unſeres geſamten Daſeins.“ 

So entſtand eine Gemeinſchaft von Menſchen, die der Jee des Führers ihre ganze 
Lebenskraft weihte und als Lebensinhalt und -ziel den Einſatz für die Geſtaltung der 
deutſchen Volksſeele fab. ` 

Das Ringen um die politiſche Macht iſt abgeſchloſſen, das Ringen um die geiſtige 
Macht hat nunmehr begonnen. 

Wir alle wiſſen, daß der politiſche Sieg nur die Grundlage und der Ausgangspunkt 
des nationalſozialiſtiſchen Kampfes um die Seele des deutſchen Menſchen iſt, und daß noch 
viel zu ſchaffen iſt, ehe jeder deutſche Menſch innerlich von der Geſtaltungskraft des 
Nationalſozialismus jo erfaßt ijt, daß er als Glied der Volksgemeinſchaft den Willen zum 
Einſatz und zum Opfer für das ewige Beſtehen ſeines Volkes aufbringt. Dieſer Kampf 
um die Durchſetzung der Werte der nationalſozialiſtiſchen Weltanſchauung fordert ein ge- 
ſchloſſenes Führerkorps, das in ſeiner inneren Ausrichtung in der Lage iſt, ſich erfolgreich 
durchzuſetzen. Im Verlauf der Geſchichte ſind dem deutſchen Volk Männer erwachſen, deren 
vorwärtstragende Geſtaltungskraft das Antlitz ihres Zeitalters formte und aus derem 
Willen ſich eine Gofolgſchaft von Führern bildete, die die Aufrichtung einer ſtarken volts- 
bewußten Macht ermöglichte. So iſt der Staat Friedrichs des Großen entſtanden und 
ſein Offizierkorps als Inſtrument der Verteidigung dieſes einzigartigen Führerſtaates, ſo 
entſtand ehemals der preußiſche Ritterorden, gebildet durch den Willen eines einzelnen, 
getragen von der Kraft eines durch dieſen Willen geſormten Führerkorps. Ein ſolches 
Führerkorps, die verſchworene Ausleſe der Beſten, entſtanden in den harten Stunden 
unerbittlichen Kampfes, iſt auch heute entſtanden und gibt dem Führer die Möglichkeit, 
den Aufbau des nationalſozialiſtiſchen Staates durchzuſetzen. Es hat ſich aber in der 
Geſchichte gezeigt, daß eine große Führergeſtalt, die die Sehnſucht eines ganzen Volkes 
zur Geſtalt werden läßt, nicht alle Jahrzehnte und nicht einmal alle Jahrhunderte erſcheint. 
So drängt ſich für uns die Frage auf, was geſchehen ſoll, wenn der kraftvolle Körper 
eines genialen Führers nicht mehr die Geſchicke des Volkes beſtimmt. Hierauf hat 
Alfred Roſenberg in feiner denkwürdigen Nede in der Marienburg eine Antwort gefunden, 
die geradezu zum Ausgangspunkt der geſamten weiteren Arbeit der Bewegung und richtung— 
weiſend für die zukünftige Geſtaltung unſeres Führerkorps geworden ift. Alfred Roſenberg 
fand, daß die Lebensform unſeres Volkes nicht mehr gebunden fein kann an papiererne 
Verfaſſungen und gehaltloſe Paragraphen, ſondern erfüllt fcin muß von einem lebendigen 
Verhältnis des Führers zu ſeiner Gefolgſchaft. 


Ridiger/ Auslefe der Bewegung 7 


„Nicht eine unperſönliche Beamtenhierarchie, nicht ein in unnahbaren Fernen ſchwebender, ih als Gott 
fühlender Cäſar verwirklichte fih als Staatsgedanken der germaniſchen Menſchen, fondem das perfonlide Bers 
hältnis zwiſchen Lehnsherr und Vaſallen wurde das wichtigſte Element der Lebensgeſtaltung.“ „Ueberall, wo 
dieſes Verhältnis lebendig war, überall, wo ein perſönlicher Eid und ein Pflichtverhältnis beftand, war 
Deutſchland ſtark, wo aber eine abftrafte Theorie zu herrſchen begann, war Deutſchland innerlich zermürbt.“ 

Dieſes Treueverhältnis zwiſchen Herzog und Mannſchaft iſt das tragende Element 
geweſen, das einen Friedrich den Großen mit feinen Offizieren verband, das im Welt- 
krieg den deutſchen Soldaten zu übermenſchlichen Opfern führte, als zwei Feldherrn⸗ 
perſönlichkeiten ihm als die lebendigen Verteidiger ſeiner heiligſten Güter erſchienen. Der 
deutſche Frontſoldat kämpfte nicht um den Beſtand der Monarchie, auch nicht um die Ver- 
teidigung eines abſtrakten Beamtenſtaates, ſondern das Geheimnis der Erfolge des deutſchen 
Heeres lag in dem Mythus der deutſchen Seele verborgen, die damals um ihre Gelbit- 
erhaltung kämpfte und in den Geſtalten dieſer beiden Feldherren den Ausdruck ihres eigenen 
Ichs ſah. Die Wioderentdeckung des alten Herzogsgedankens als die Lebensform unſeres 
Volkes führt folgerichtig zu der Erkenntnis, daß für die Zeit, in der einem Volke von dem 
Schickſal eine große Führerperſönlichkeit verwehrt wird, eine Lebensform geſchaffen werden 
muß, die eine dauerhafte Brücke zwiſchen einem Eroßen und dem in unſichtbarer Ferne 
vielleicht heraufſteigenden anderen großen Führer ſchlagen ſoll. 

„Es ift eine Staatstypik herauszubilden, die die Fortdauer des einmal von einem ſtaatspolitiſchen Genie 
geſchaffenen Zuſtandes in einer dem deutſchen Weſen entſprechenden Form ſichert und auch dann noch den 
geſammelten Widerſtandswillen verkörpert, wenn nicht ein Herzog allergrößten Formats das Reich führt. Hier 
tritt als Fortführung und Ergänzung zum Herzogsgedanken das Prinzip des Ritterordens.“ „Und wenn wir 
im Prinzip des germaniſchen Herzogs und ſeiner Gefolgſchaft das immer wiederkehrende Phänomen einer großen 
Geſtalt der deutſchen Geſchichte bewundern, wenn wir im Ordenspringip, im Senatsprinzip, das feftcite Gefüge 
für die Dauerhaftigkeit eines Staatsweſens erkennen, ſo müſſen wir für das 20. Jahrhundert die Schlußfolge⸗ 
rungen daraus ziehen, daß dieſe Form getragen werden muß von einer Weltanſchauung, die Abſchied nimmt 
von der blutleeren Asteke und zurückfindet zu dem Grundſatz, daß die politiſchen Führer des nationalſozialiſti⸗ 
ſchen Ordens und damit auch des Deutſchen Reiches für ewig gebunden werden an den Boden und getragen 
werden durch das Blut ihres Volkstums, daß ſomit immer wieder neue Geſchlechter entſtehen und von Jugend 
an eingefügt werden in die Verbände der nationalſozialiſtiſchen Bewegung, damit Inſtinkt, geſtaltender, ziel⸗ 
ſtrebiger Wille, vernunftgemäße Grundſätze auch ihre Darſtellung in lebendigen Perſönlichkeiten, in einer 
möglichſt großen Führer⸗ und Unterführerſchicht des deutſchen Volkes finden.“ 

Hiermit wurde zum erſten Male aus der Geſchichte und Tradition des deutſchen Volkes 
eine Lebensform herausgeſtellt, in die der deutſche Menſch auch heute wieder im Begriffe 
iſt hineinzuwachſen. 

Die nationalſozialiſtiſche Bewegung hat im Ringen um die Macht aus der Geſamtheit 
des Volkes einen beſonderen Kern von Menſchen ausgewählt, die ſich aus dem Kampi- 
erlebnis heraus zu politiſchen Führern entwickelten und wird dieſes Prinzip der Ausleſe 
nunmehr, nachdem dieſes typenbildende Kampferlebnis nicht mehr den einzelnen formt und 
charakterlich ſchult, durch die Bildung eines nationalſozialiſtiſchen Ordens erneut zur 
Geltung bringen und damit die Möglichkeit ſchafſen, eine verſchworene Gemeinſchaft von 
Führern herauszuſtellen, die für alle Zeiten in der Lage ſein wird, die Goſchicke des deutſchen 
Volkes im nationalſo zialiſtiſchen Geiſte zu leiten. Damit wird zum erſten Male in der Ge— 
ſchichte des deutſchen Volkes verſucht, den Beſtand der geiſtigen Kraft eines großen Führers 
lebendig über alle Zeiten hinweg in den Herzen der deutſchen Menſchen zu verwurzeln. 
Wenn es gelingt, dieſe dauernde Führerſchicht ſicherzuſtellen, wird die nationalſozialiſtiſche 
Bewegung nicht nur eine Erſcheinung einer beſtimmten Epoche der deutſchen Goſchichte ſein, 
ſondern den Ausdruck des deutſchen Weſens für alle kommenden Zeiten beſtimmen. 

Dieſen Gedanken eines nationalſo zialiſtiſchen Ordens hat der Führer auf dem Parteitag 
der Freiheit als maßgeblich für die Weiterentwicklung der Bewegung anerkannt, wenn er 


8 Rüdiger / Ausleſe der Bewegung 


in feiner Schlußrede über die Arbeit der Partei feſtlegte, daß ihre innere Organiſation zur 
Herſtellung einer ſtabilen ſich ſelbſt forterhaltenden ewigen Zelle der nationalſozialiſtiſchen 
Lehre aufgebaut werden muß, die die Erziehung des geſamten Volkes im Sinne der Ge- 
danken dieſer Lehre durchführt und zur Führung des Staates die Geeigneteſten der in dieſem 
Sinne Erzogenen zur Verfügung ſtellt. 

In großzügigſter Weiſe und getragen von dem Willen dieſer geradezu lebenswichtigen 
und für den Beſtand der Bewegung und ſomit des deutſchen Volkes ausſchlaggebenden 
Idee Geſtaltung zu verleihen, ging der Reichsorganiſationsleiter der NSDAP, Pg. Dr. 
Ley, in aller Stille daran, praktiſche Möglichkeiten zu ſchaffen, die die Bildung dieſes 
Ordens verantwortungsbewußter Männer förderten, und ſchuf drei große Stätten der 
Willensbewegung, in denen durch die Werte der deutſchen Seele und des deutſchen Geiſtes 
eine verſchworene Gemeinſchaft von Männern erzogen wird, die die Grundlage dieſes 
künftigen Ordens der NSDAP bilden fol. 

Die Ordensburgen in Vogelſang, Cröſſinſee und Sonthofen ſind die ſteinernen Zeugen 
des Ewigkeitswillens unſeres Volkes. Durch ihre Errichtung wurde ein neuer Abſchnitt 
der Entwicklung der Bewegung eingeleitet, der richtungweiſend die zukünftige Geſtaltung 
und Erlebnisform der nationalſozialiſtiſchen Kampfgemeinſchaft beſtimmen wird. Das 
Examen beſtimmte die Führerausleſe im Deutſchland der Vor- und Nachkriegszeit. Für 
jede höhere Laufbahn waren Zeugniſſe vorgeſchrieben, die beigebracht werden mußten, 
wollte man im Leben vorwärtskommen. Durch dieſe Examensmethode erzog man ſich wohl 
tüchtige Könner in ihrem Spezialfach, aber keine Führerperſönlichkeiten. Die Prinzipien 
der Ausleſe, die für die Ordensburgen maßgeblich ſind, weichen grundſätzlich von dieſen 
Anſchauungen ab und ſtellen die charakterliche Haltung des einzelnen, ſeine raſſiſchen Werte 
und ſeine Pflichterfüllung im Dienſte der Volksgemeinſchaft in den Mittelpunkt. Nur 
derjenige wird in die Ordensburgen aufgenommen, der aus dem Leben der Hitlerjugend 
kommend durch die Schule des Arbeitsdienſtes und der Wehrmacht gegangen iſt und ſich 
durch freiwillige Arbeiten im Dienfte der Bewegung bewährt hat. Es iſt ſelbſtverſtändlich, 
daß derjenige, der dieſe Forderungen erfüllt und ſich nun freiwillig zur Dienſtleiſtung in 
den Ordensburgen gemeldet hat, körperlich und erblich geſund iſt und ſeinen Ahnennachweis 
eindeutig und klar beibringen kann. Dieſe Punkte allein ſind maßgebend für die Auswahl. 
Der Anwärter wird keiner Prüfung unterzogen. Er ſoll auch keinen Lebenslauf ſchreiben. 
Ausſchlaggebend iſt allein, ob er ein ganzer Kerl ift, der Bereitſchaſt, Opfermut und Einſatz⸗ 
willen für ſein Volk beſitzt. Dieſe Prinzipien ſind die gleichen, die in der Kampfzeit die 
Bewegung groß gemacht haben und die, ſomit einmal als richtig erkannt, nunmehr für 
immer gelten ſollen. 

Das Leben auf den Ordensburgen iſt hart. Es fordert Tag für Tag neue Bewährung 
des einzelnen. Tag für Tag muß er fein ganzes Können und fein ganzes Ich in die Waag- 
ſchale werfen. 

Auf den Ordensburgen wird keine Weltanſchauung „gelehrt“. Das kann man nicht. 
Wer nicht von ihrer Richtigkeit innerlich überzeugt iſt und ſie inſtinktſicher zu leben vermag, 
wird nie zu einem Nationalſozialiſten werden und hat auch nichts auf den Ordensburgen 
zu ſuchen. Hier geht es darum, die weltanſchaulichen Erkenntniſſe zu vertiefen und ihre 
Quellen wiſſenſchaftlich zu unterbauen. Den Ordensburgangehörigen werden die beſten 
Könner auf allen wiſſenſchaftlichen Gebieten, z. B. der Raſſenkunde, der Vorgeſchichte, Ge- 
ſchichte uſw., das geiſtige Rüſtzeug vermitteln, das ihre haltungsmäßige Einſtellung noch 
vertieft und erweitert und fie in die Lage ſetzt, auf Fragen der Zeit eine entſprechende Ant- 
wort zu finden und gegneriſche Anfeindungen mit den Waffen des Geiſtes abzuwehren. Die 


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Rüdiger / Ausleſe der Bewegung 9 


Hauptlehrer in den Schulen find alſo äußerſt ausgewählte Männer, die nicht nur über ein 
reiches Wiſſen auf ihrem Lehrgebiet verfügen, ſondern darüber hinaus auch weltanſchaulich 
in allen Fragen unantaſtbar find. Außer den Hauptlehrern und ihren Mitarbeitern, die 
als Kameradſchaftsführer in kleinen Arbeitsgemeinſchaſten den Wiſſensſtoff mit den Ordens- 
burgangehörigen auswerten und vertiefen, werden zahlreiche Gaſtlehrer beſonders über 
kulturelle Dinge Vorträge halten, werden regelmäßige Theaterbeſuche und künſtleriſche Ber- 
anſtaltungen das kulturelle Leben der Ordensburgen ausbauen und geſtalten. 

Neben dieſer wiſſenſchaftlichen Schulung, deren Lehrerſchaft durch Reichsleiter Rofen- 
berg ausgewählt wird, werden die charakterlichen Werte des Mannes und ſein körperliches 
Können überprüft. Nur ganze Kerle ſollen auf den Burgen ſein, ſagte Dr. Ley, Kerle, 
die bereit ſind, ihr Mannestum, ihren Mut, ihre Entſchloſſenheit und Kühnheit zu jeder 
Zeit unter Beweis zu ſtellen. Denn ein Führer, der als Vorbild ſpäter im Volk wirken 
ſoll, ſoll nicht nur ein großes Wiſſen haben, ſondern muß auch ein ſelbſtbewußtes Auftreten 
beſitzen und als Kämpfer bereit fein, ih in allen Lagen durchzuſetzen. Dieſes Kämpfertum 
durch dauerndes Bewähren zu ſtärken, iff eine der Hauptaufgaben der Ordensburgen. 
Darum ſteht die körperliche Ertüchtigung im Mittelpunkt der Erziehung. Alle Sportarten 
werden durchgeführt. Darüber hinaus feſtigen Mutproben den Willen des einzelnen und er- 
ziehen ihn zu einem harten, ſelbſtbeherrſchten Menſchen. Durch die Mutproben wird nicht 
feſtgeſtellt, ob einer körperlich in der Lage iſt, z. B. vorſchriftsmäßig zu turnen, ſondern 
wie er eine an ihn geſtellte Aufgabe anpackt; ob er mit Elan über das Pferd ſpringt, ohne 
dabei zu bedenken, daß er hinſtürzen könnte, ob er mit Entſchloſſenheit vom 8-Meter- 
Sprungbrett, ohne jemals hierzu trainiert zu haben, ins Waſſer ſpringt, ob er einen Fall- 
ſchirmabſprung wagt, ſtets ſtehen Selbſtüberwindung und Entſchloſſenheit als tragende 
Werte der Mutprobe im Mittelpunkt. So wird jede Hemmung und jedes Minderwertig⸗ 
keitsbewußtſein ausgemerzt. Wer dieſen Anforderungen gerecht wird, wird auch in allen 
übrigen Lagen des Lebens ſein Leiſtungsbewußtſein unter Beweis ſtellen können und ſomit 
jede an ihn herantretende Anforderung erfüllen. 

Die Männer der Ordensburgen werden zu einem ſicheren geſellſchaftlichen Auftreten er- 
zogen, um auch auf dieſem Gebiete in der Lage zu ſein, von keiner Hemmung berührt, ſich 
durchzuſetzen. So werden hier Menſchen geformt, die auf allen Gebieten und in allen Dingen 
vorbildlich ſein können und die geiſtig und körperlich geſchult eine wirkliche Ausleſe des 
Volkes darſtellen. Ihre große Aufgabe, an der Entwicklung des Volkes tätig zu fein 
und die politiſche Führung und Schulung der Volksgenoſſen durchzuführen, verlangt, daß ſie 
einſatzbereit dieſem Orden auf Gedeih und Verderben verbunden und ſeinen Geſetzen un- 
bedingt gehorſam ſind. Auf den Gehorſam bauten ſich alle großen Männerbünde auf. Er 
iſt das Rückgrat jeder weltbedeutenden Bewegung. Wer dieſen Gehorſam verletzt, wer die 
Kameradſchaft verrät und den Treueid bricht, muß bedingungslos aus dieſem Orden aus- 
geſtoßen werden. So wie der einzelne Mann durch ſeine Zugehörigkeit zum Orden alle 
Möglichkeiten hat, zu einem verantwortlichen und tatkräftigen Führer heranzuwachſen, ſo 
ſoll er auch in Acht und Gann getan werden, wenn er ſeine Geſetze bricht. 

Während der Ordensburgzeit wird durch die Leiſtungen des Anwiirters entſchieden, 
für welche Dienſtſtellung er ſich eignet, ob er ſpäter als Hoheitsträger die Geſchicke einer 
Ortsgruppe oder eines Kreiſes leitet oder als Stabsleiter die Aufgaben des Hoheitsträgers 
unterftüßt. In Zukunft wird kein politiſcher Leiter in Deutſchland eingeſetzt werden, 
der nicht durch die Schule der Ordensburgen gegangen iſt. 

So bildet ſich fortgeſetzt eine Führerſchicht heran, die in der Lage iſt, den an ſie 
herantretenden verantwortlichen Aufgaben gerecht zu werden. 


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10 Pabel / Römiſche Kirche und Judentum 


Neben dieſer Ausleſearbeit für die politiſche Leitung geht die Führerausleſe der 
Formationen der HJ, SS, SA uſw. Sie alle dienen dieſem großen Ziel: eine verſchworene 
Gemeinſchaft auszuleſen und einen Orden vorzubereiten, deſſen lebensgebundenen Kräfte 
organiſch die Entwicklung des Volkes zu immer neuem Einſatz um ſeinen Beſtand auf dieſer 
Erde und für ſeine Aufgabe in dieſer Welt zu führen, und ſomit endlich den Traum aller 
großen Deutſchen erfüllen: die Durchſetzung des ewigen Deutſchen Reiches germaniſcher 
Nation. 


Horst Pabel: 


Nömiſche Kirche und Judentum 


Die Stellung der römiſchen Kirche zur Judenfrage iſt, nachdem ſie erſt 1918 
durch die Herausgabe des neuen kanoniſchen Kirchenrechtes eindeutig feſtgelegt war, 
im Laufe der letzten anderthalb Jahrzehnte, beſonders aber nach der für das Deutſche 
Reich erfolgten Löſung der Judenfrage durch den Nationalſozialismus, einer bedeut⸗ 
jamen Wandlung unterworfen. Das Ergebnis dieſer Entwicklung ijt zunächſt auper- 
ordentlich zwieſpältig, indem auf der einen Seite beſonders in den Nachfolge⸗ 
ſtaaten, und hier wieder beſonders im heutigen Oeſterreich, die Judenfrage von 
Monat zu Monat mehr an aktueller Dringlichkeit gewinnt, und dadurch die 
römiſche Kirche ſich, allerdings mehr zu ihrem Leidweſen und gegen ihren Willen, 
gezwungen ſieht, überhaupt das Beſtehen einer Judenfrage 
anzuerkennen und einer Löſung entgegenzuarbeiten. Auf der 
anderen Seite, namentlich in den katholiſchen Emigrantenzeitungen, zeigt ſich die 
Judenfrage fo ſtark mit dem leidenſchaftlich bekämpften und verfemten National: 
ſozialismus verbunden, daß man ſchon auf Grund der antinationalſozialiſtiſchen Ein- 
ſtellung heraus entweder eine Judenfrage überhaupt als nicht vorhanden ablehnt 
oder ſie in einer dem Judentum ſehr wohlwollenden Weiſe zu löſen trachtet. 

Auf jeden Fall aber zeigt ſich, daß die Judenfrage der römiſchen Kirche heute 
denkbar ungelegen kommt. War ihr Verhältnis zum Judentum während des Mittel- 
alters bis in die Neuzeit hinein im weſentlichen beſtimmt durch die Vorſtellung, daß 
es das jüdiſche Volk war, das Chriſtus ans Kreuz geſchlagen hatte, ſo dringt in der 
neueren Zeit immer mehr die andere Anſchauung von der Auserwähltheit des 
jüdiſchen Volkes durch, dem ja auch Chriſtus entſtammte. Demgemäß hatte ſich auch 
im 19. Jahrhundert das Verhältnis Roms zugunſten des Judentums grundlegend 
gewandelt. 

Man wird nicht ohne Recht darauf hinweiſen, daß dieſer Stellungswechſel im 
weſentlichen auf religiöſen Gründen beruhte, doch läßt ſich demgegenüber geltend 
machen, daß zur Zeit der Abfaſſung des alten Codex die raſſiſche Frage mit der 
religiöſen eng verknüpft war, daß eine Trennung gar nicht nötig war. And 
zweitens — und dieſer Grund iſt noch wichtiger —, wenn es wirklich nur religiöſe 
Gründe geweſen find, die die Abfaſſung der Beſtimmungen im alten Codex veran- 
laßten, dann hätten fie ja auch heute noch ihre Gültigkeit. Aber erſtaunlicherweiſe 


* 


Pabel / Römiſche Kirche und Judentum 11 


fehlen im neuen Coder ſämtliche Abſchnitte, die das Judentum betrafen, jo vodftandia, 
daß nicht einmal mehr das Wort Jude in ihm vorkommt. 
Damit war aber lediglich auch kirchenrechtlich ein Schlußſtrich unter eine Entwicklung 
geſetzt, die parallel mit der Eingliederung des Juden in die völkiſchen Staats und 
Volksverbände ſeit der franzöſiſchen Revolution gegangen war. Rom hatte 
mit dem Judentum ſeinen Frieden geſchloſſen. Bis zu welchen 
Auswirkungen das ging, haben wir in Deutſchland ſelbſt genug an zahlloſen VGei- 
ſpielen, insbeſondere der Zentrumspolitik, erleben können. Die Stellung, die dem- 
zufolge der deutſche Klerus zur deutſchen Raſſegeſetzgebung einnimmt, ift naturgemäß 
äußerſt gewunden, und man iſt auch hier gezwungen, um ein unverfälſchtes Bild von 
der römiſchen Einſtellung zur Judenfrage und RNaſſenkunde zu erhalten, außerdeutſche 
Quellen heranzuziehen. 

Es nimmt nicht wunder, wenn „Der Deutſche Weg“ auch in dieſen 
Fragen ſich in einen unverſöhnlichen Gegenſatz zur Politik des Dritten Reiches 
ſtellt und deren Maßnahmen mit wüſtem Schimpfgeſchrei begleitet. Nicht anders 
verhält ſich „Der chriſtliche Ständeſtaat“, der ſich auch des öfteren ver— 
anlaßt geſehen hat, ſich mit der Judenfrage zu beſchäftigen, und zwar in einer Form, 
die durchaus die Tradition aus dem 19. Jahrhundert fortſetzte. Am nur zwei Bei⸗ 
ſpiele aus jüngſter Zeit anzuführen: In ſeiner Nummer vom 2. Februar 1936 bringt 
der Ständeſtaat einen längeren Bericht des Vorwortes „Judenhaß von heute“, das 
der „berühmte und verdienſtvolle Begründer und Leiter der paneuropäiſchen Bewe— 
gung, R. N. Coudenhove-Kalergi“, anläßlich einer Neuauflage zu dem Buch feines 
Vaters über das „Weſen des Antiſemitismus“ geſchrieben hat. Wir brauchen auf 
dieſes Vorwort nicht einzugehen, ſtellen nur feft, daß in ihm Coudenhove⸗Kalergie 
nach der Meinung des Ständeſtaates „in meiſterhafter Weiſe die der national- 
ſozialiſtiſchen Ideologie zugrunde liegenden Inſtinkte und Reſſentiments aufge- 
deckt“ habe. 

In der Nummer vom 16. Februar bringt der Ständeſtaat neuerlich unter dem 
Titel „Judentum, Deutſchtum und Chriſtentum“ einen „Beitrag zum Problem des 
Antiſemitismus“ aus der Feder ſeines ſtändigen Mitarbeiters Dr. Erwin 
Reisner. — Ans intereſſieren hier nur die auf die Beziehung von Judentum und 
Chriſtentum Bezug nehmenden Stellen. So heißt es gleich zu Anfang nach der 
kurzen Wiedergabe einer Anekdote Friedrichs d. Gr.: 

„Von den vielen Gnadenerweiſen, die der Schöpfer dieſer abgefallenen Welt hat zuteil 
werden laſſen, ſteht ſicher nicht an letzter Stelle die Epiſtenz des jüdiſchen Volkes, das uns 
immer wieder an die große Heilstatſache des Fleiſch gewordenen Wortes gemahnt; und 
jo darf man wohl ohne Hebertreibung behaupten, daß die Art, wie ſich ein Chrift dem 
Juden und dem Problem des Judentums gegenüber verhält, mit einen Maßſtab für ſeine 
Chriſtlichkeit abgibt.“ 

Wie ſich nun Dr. Reisner das Verhältnis des Chriſten zum Juden vorſtellt, 
erhellt u. a. die folgende Stelle: 

„Keinesfalls dürfen wir als wahrhaft gläubige Chriſten den Juden darüber im 
Zweifel laſſen, daß wir uns für die durch Gnade der Wahrheit Teilhaftigen, ihn aber für 


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12 Pabel / Römiſche Kirche und Judentum 


den Angläubigen halten. So ergibt ſich von ſelbſt eine gewiſſe Diſtanz, die 
aber gerade nicht die Diſtanz zwiſchen Feinden oder auch nur 
Fremden ift, ſondern eher jene zwiſchen zwei Brüdern, von 
denen der eine in die Irre geht und der andere ihn vom rechten 
Weg her liebend zu ſich zurückruft.“ 

And wenn Reisner an einer anderen Stelle geſchrieben hatte, daß „uns freilich 
eine Anbiederung an den Juden verboten“ ſei, ſo iſt doch ſein ganzer Artikel nichts 
anderes, als eben eine zudem nur ſchlecht verhüllte Anbiederung und ein Werben 
um den Juden, das ſehr dem Werben um einen Bundesgenoſſen ähnelt. Man ver⸗ 
gleiche hierzu ſtatt vieler nur dieſe eine Belegſtelle: 

„Wen der Vater liebt, den können wir, wenn wir uns feine 
Kinder nennen, nicht verachten und verfolgen. Vielleicht iſt der Jude 
der verlorene Sohn, der zwar ſein Erbteil verſchleudert hat, am Ende aber doch in das 
Haus des Vaters zurückkehrt und dort mit Freuden aufgenommen wird.“ Ganz ähnlich 
hieß es in einer der letzten Nummern des „Chriſtlichen Ständeſtaates“ (Nr. 17 v. 26. 4. 
1936), die nicht weniger als 4 Auſſätze zur Judenfrage enthielt. Im Leitartikel „Falſche 
Antitheſen“ ſchreibt Prof. Dr. Dietrich Hildebrand: „Die Zugehörigkeit zum jüdiſchen 
Volk, die leibliche Sohnſchaft Abrahams als ſolche bleibt ein Vorzug und muß uns, 
wenn die Gemeinſchaft mit Chriſtus hergeſtellt iſt, mit beſonderer Ehrfurcht und Freude 
erfüllen.“ 

Den Höhepunkt in den Auseinanderſetzungen über die Judenfrage ſcheint uns 
auf der ſtreng römiſchen Seite ein im vergangenen Jahr in dem katholiſchen Bita- 
Nova- Verlag in Luzern erſchienenes Buch darzuſtellen, das unter dem vielver- 
ſprechenden Titel „Die Gefährdung des Chriſtentums durch Raſſenwahn und Juden⸗ 
verfolgung“ eine Reihe von Beiträgen veröffentlicht, zu deren Autoren u. a. 
Dr. Deſider Balthaſar, der Biſchof von Debreczen, Aniverſitätsprofeſſor 
Em. Radl in Prag, Dr. Aloiſius Scheiwiler, Biſchof von St. Gallen, 
und die Konvertitin Sigrid Andſet gehören. Die Grundmelodie des ganzen 
Buches, namentlich aber des Beitrages des Biſchofs von St. Gallen, läßt ſich am 
beſten mit einem Zitat aus dem ſchon oben herangezogenen Artikel von Dr. E. 
Reisner im „Chriſtlichen Ständeſtaat“ charakteriſieren, wo es heißt, daß der „Jude 
von uns als ſozuſagen ungetauftes Glied derſelben Kirche 
zu betrachten ſei, der wir angehören.“ 

Eine ſo enge Verflechtung von jüdiſcher und chriſtlicher Frage läßt ſich durch 
eine ganze Reihe von Beiſpielen aus dem angeführten Buch belegen. Wir beſchrän⸗ 
ken uns darauf, nur einige anzuführen und müſſen auch davon Abſtand nehmen, die 
zu ſolchen Schlußfolgerungen ſührenden Gedankengänge zu zitieren. In dem erſten 
Beitrag des Buches, der einen Abdruck aus der Schrift „Das Judentum und die 
Chriſtenfrage“ von Wladimir Solowjow darſtellt, heißt es u. a.: 

„Denn die Fülle des Chriſtentums ſchließt auch das Judentum in ſich ein, und die 
Fülle des Judentums iſt das Chriſtentum.“ (S. 8). „Demnach iſt 
die Judenfrage die Chriſtenfrage.“ (S. 9). „Seine des Judentums) Leiden, 
feine Prüfungen find Gegenſtand des brüderlichen Mitleids der ganzen beſonnenen drift 
lichen Welt. Das Judentum wird im Bewußtſein feines hiſtoriſchen Verdienſtes, im 


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Pabel / Römiſche Kirche und Judentum 13 


Stolz auf feine Berufung, im hohen Gedanken feiner Miſſion ſtets die Kräfte der Wider- 
geburt finden, ja die Angriffe, die es von außen treffen, werden nicht einmal dem geiſtig⸗ 
ſittlichen Gehalte ſeiner Weltanſchauung oder ſeiner praktiſchen Bedeutung Abbruch tun 
können.“ (Aus dem Beitrag des Biſchofs von Debreczen „Chriſtentum, Raſſenwahn, 
Judenverfolgung“, S. 20.) 

Aeber dergleichen immerhin nur ſchriftſtelleriſche Bekundung reichen weit hinaus 
zwei Inſtitutionen der römiſchen Kirche, deren Hauptaufgabe es iſt bzw. war, den 
engen Zuſammenhang von Judentum und Chriſtentum auf das nachdrücklichſte zu 
betonen und unter der Judenſchaft eine verſtärkte Miſſion zu entfalten. 

Es handelt ſich zunächſt um die im März 1926 in Rom mit kirchlicher Unter- 
ſtützung gegründete „Geſellſchaft der Freunde Israels“, über deren Ziele ſich der 
vom Papſt ſelbſt beſtellte Generalſekretär, Monſignore von Aſſeldonk, einem Ver- 
treter der Jüdiſchen Telegraphen⸗Agentur in Zürich gegenüber wie folgt äußerte: 

„Durch Predigten, Vorträge, Zeitungsartikel und Konferenzen ſoll die katholiſche 
Welt daran erinnert werden, daß unfer gemeinſamer Gott, Vater 
das Volk Israel unwiderruflich auserwählt hat, was auch durch 
Chriftus und feine Jünger beſtätigt worden ift. Daraus folgt, daß der Antifemi- 
tis mus der Gotteslehre direkt widerſpricht.“ 

Die Wirkſamkeit dieſer Geſellſchaft führte zu einem ſich immer ſtärker geltend 
machenden Einfluß des Judentums innerhalb der katholiſchen Kirche, dem dieſe 
ſchließlich nur noch mit einer Auflöſung der „Geſellſchaft der Freunde Israels“ 
begegnen konnte. Während in dem Auflöſungsdekret vom 25. März 1928 die Be- 
gründung in ſehr vorſichtiger Formulierung gegeben wird, ſpricht ein am 19. Mai 
desſelben Jahres in der „Civilta Cattolica“ erſchienener Artikel eine ungleich 
deutlichere Sprache. 

„Die jüdiſche Gefahr bedroht die ganze Welt durch verderb- 
liche jüdiſche Einflüſſe oder verabſcheuenswerte Einmiſchungen, 
beſonders bei den chriſtlichen Völkern und noch mehr bei den katholiſchen und lateiniſchen, 
wo die Blindheit des alten Liberalismus die Juden ſtark begünſtigt hat, während ſie die 
Katholiken und vor allem die Orden verſolgten. Die Gefahr wird von Tag 
zu Tag größer .. .“ 

Des weiteren wird in dem Artikel auf die ſtarke Vorherrſchaft des Judentums 
im Bolſchewismus und in der Freimaurerei, auf die jüdiſche Hegemonie in Wirt- 
ſchaft und Induſtrie, auf die „diktatoriale Aebermacht“ in der Hochfinanz hinge— 
wieſen. Man ſollte meinen, daß eine ſolche uns heute noch überraſchende Klar— 
ſichtigkeit in der jüdiſchen Frage die römiſche Kirche bewogen hätte, ihre im neuen 
kanoniſchen Recht niedergelegte Einſtellung zum Judentum einer weitgehenden Revi- 
dierung zu unterziehen. Das geſchah aber keinesfalls. Das Zwiſchenſpiel mit der 
„Geſellſchaft der Freunde Israels“ blieb nur Zwiſchenſpiel und Epiſode. Nichts 
beweiſt dies beffer als die, allerdings unter beſonderer Berückſichtigung der öfter- 
reichiſchen Verhältniſſe, im Jahre 1934 erfolgte Gründung des Paulus- 
Werkes durch den Fürſterzbiſchof Waitz, deffen Ziel ausgeſprochen juden- 
miſfionariſcher Art ift. Das Veröffentlichungsorgan, im Auftrage des Paulus- 
Werkes von Johannes Oeſterreicher herausgegeben und geleitet, iſt die „Erfüllung“. 


14 Pabel / Römiſche Kirche und Judentum 


Ueber ihre Aufgabe und damit auch die des Paulus- Werkes gab fie in ihrer erſten 
Nummer Januar / Februar 1935 wie folgt Auskunft: 

„Ihr (der „Erfüllung“) Ziel iſt, die religiöſe Schau des jüdiſchen Seins Juden und 
Chriften zu vermitteln. So ift fie berufen, Mauern niederzulegen, die Men. 
ſchen durch Anwiſſenheit und Zwietracht, durch Irrtum und 
Schuld voreinander aufgerichtet haben. Sie wird dadurch dem Frieden 
dienen — und nichts iſt heute notwendiger als dieſes — aber nicht einem falſchen, ſondern 
dem wahren Frieden, der aus der Wahrheit kommt, die von Gott ift.” 

Es wäre unſchwer, dieſen Beiſpielen noch eine zahlloſe Menge weiterer hinzu— 
zufügen, insbeſondere gerade aus der Zeitſchrift „Erfüllung“. Aber es kommt uns 
nicht auf Vollſtändigkeit, die bei dieſer heute immer mehr diskutierten Frage an ſich 
kaum möglich wäre, ſondern nur darauf an, an einigen ſehr prägnanten Beiſpielen 
die Richtung zu zeigen, in der ſich heute die römiſche Kirche bei der Behandlung 
der Judenfrage bewegt. And wenn wir im folgenden noch eine Reihe katholiſcher 
Publiziſten und andere öffentlich bekannte Vertreter aus dem katholiſchen Lager zu 
Wort kommen laffen, die eine von der oben ſkizzierten weſentlich abweichende Be- 
handlung der Judenfrage erkennen laſſen, ſo erinnern wir an den ſchon gemachten 
Hinweis, daß die Judenfrage als wirkliches Judenproblem heute der katholiſchen 
Kirche höchſt unwillkommen ift. Dies hat jedoch nicht verhindern können, daß bejon- 
ders in Oeſterreich, aber auch in anderen ausgeſprochen katholiſchen Ländern (die uns 
hier allein intereſſieren), der Antiſemitismus ſtändig im Wachſen iſt. Daß das 
nicht nur eine Annahme bösartiger Gegner iſt, beweiſt in unzweideutiger Weiſe die 
Häufigkeit, mit der heute in der öſterreichiſchen Oeffentlichkeit das Judenproblem be— 
handelt wird. And der Jeſuitenpater Georg Bichlmair begann feinen kürzlich in 
Wien gehaltenen Vortrag „Der Chriſt und der Jude“ laut Bericht der „Reichspoſt“ 
vom 19. März 1936 mit dem aufſchlußreichen Satz: 

„Hunderttauſende öſterreichiſche Katholiken erwarten von ſeiten der Katholiſchen Aktion 
ein klärendes Wort in der Judenfrage, an dem ſie ſich in der Praxis orientieren könnten.“ 

Welche Wirkungen die Judenmiſſionierung des Paulus Werkes gezeitigt hat, 
läßt ſich aus einem Vortrag über die Judenfrage entnehmen, den der Miniſter a. D. 
Dr. Czermak Anfang Februar in Salzburg gehalten hat. Er gab im Verlaufe 
ſeiner Ausführungen eine Inhaltsangabe eines ihm von einem jüdiſchen Schriftſteller 
zugeſandten Briefes wieder, in dem der Jude feſtſtellte, daß er in der Taufe aller 
Juden die einzige Möglichkeit zur Beendigung des Kampfes gegen das Judentum 
ſähe. Gegen dieſe Methode der Scheintaufe zur Verhinderung des Antiſemitismus 
wandte ſich Dr. Czermak in ſcharfen Worten: „Ich bekenne mich daher als 
ausgeſprochener Gegner der Taufe als Vorbeugungsmittel 
gegen den Judenhaß, als ausgeſprochener Gegner der Scheintaufe zur Be— 
ſeitigung des Judenproblems“. Auch der Staatsſekretär Kunſchak verlangte in 
letzter Zeit des öfteren in kategoriſcher Weiſe eine radikale Löſung der Judenfrage. 
Auf deren Gefahren wies auch — um noch eine außeröſterreichiſche Stimme zu 
zitieren — der Primas von Polen, der Kardinal Hlond, in feinem dies- 
jährigen Faſtenhirtenbrief hin, in dem er in bezug auf die Juden ſagte, daß ſie 


Pabel / Römiſche Kirche und Judentum | 15 


„die katholiſche Kirche bekämpfen, die Wurzel des Freidenkertums und die Vorhut 
der Gottloſenbewegung, des Bolſchewismus und des Amſturzes bilden“. 

Daß der Kardinal trotzdem vor dem Antiſemitismus warnt, nimmt uns nicht 
weiter wunder, denn einmal würde es der verſöhnungsbereiten Haltung der römiſchen 
Kirche widerſprechen, zum andern aber liegt es daran, daß ſich die römiſche Kirche 
bis heute noch nicht hat entſchließen können, die Judenfrage als Raffenfrage anzu- 
ſehen und überhaupt der Raffenfrage die Bedeutung beizumeſſen, die fie tatſächlich 
beſitzt. Sie ijt allerdings viel zu klug, um deren Vorhandenſein noch länger in 
Abrede ſtellen zu wollen und fie zeigt ſich auch bereit, fie bis zu einem viel weiter- 
gehenden Maße, als es bislang üblich war, anzuerkennen, auch in Oeſterreich, doch 
muß ſie, will ſie ſich nicht ſelbſt den Boden unter den Füßen wegziehen, immer noch 
den Vorrang des Geiſtes, der Gnade, der Taufe vor den Mächten des Blutes, der 
Erde ufw. behaupten. Daran krankt denn auch die Behandlung der Judenfrage, 
die ausgeſprochen oder unausgeſprochen noch immer für ein religiöſes Problem 
gehalten wird. Dafür liefert ein ſehr gutes Beiſpiel das ſchon 1918 von dem 
Staatsſekretär Kunſchak entworfene und nach Revidierung einiger Punkte von 
Prälat Seipel ausdrücklich gutgeheißene, aber nie in Kraft getretene „Geſetz 
über die Rechtsverhältniſſe der jüdiſchen Nation“. Nach dieſem ſollten — wir 
zitieren im folgenden nach der „Schöneren Zukunft“, Nr. 22 vom 1. März 1936 — 
als Angehörige der jüdiſchen Nation angeſehen werden: 

a) alle Mitglieder der israelitiſchen Religionsgeſellſchaft als Bekenner der National- 
religion ihres Volkes; 

b) alle jene, die ſich, ohne der israelitiſchen Religionsgeſellſchaft anzugehören, dennoch 
zur jüdiſchen Nation gehörig erklären, ſowie deren minderjährige Kinder, inſolange 
diefe Erklärung nicht unter gleichzeitigem Bekenntnis zu einer anderen Nation wider- 
rufen wird. 

Da aber der Anteil der Juden an beſtimmten öffentlichen Berufen „in jenem 
Zahlenverhältnis“ ſtehen ſoll, „das den nationalen Bevölkerungszifſern im betreffen- 
den Lande der Republik Oeſterreichs entſpricht“, kann man vorausſehen, daß ſich kein 
Jude ohne Not zur jüdiſchen Nation bekennen wird. Es bleibt alfo praktiſch bei 
dem religiöſen als unterſcheidendem Merkmal. 

Ein beſonders eindrucksvolles Beiſpiel für die ſchwierige Lage, in der ſich die 
römiſche Kirche durch die Juden- und Raſſenfrage befindet, ift der ſchon oben kurz 
erwähnte Vortrag des Paters Bichlmair S. J., der in Wien geradezu ſenſationell 
gewirkt hat. In der Tagespreſſe rief er ein allſeitiges Echo hervor, das aber 
keineswegs einſtimmig oder auch nur einmütig geweſen ift. Auch die der Juden- 
frage gewidmete Nummer des „Chriſtlichen Ständeſtaates“ vom 26. April iſt noch 
eine Folgeerſcheinung des Vortrages des Jeſuitenpaters Bichlmair, deffen Aus- 
führungen übrigens ſchon am 29. März vom „Ständeſtaat“ als „vom fatho- 
liſchen wie vom vaterländiſchen Standpunkt aus gleich be- 
dauerlich“ bezeichnet wurden. 

In ihm offenbart ſich in unverkennbarer Weiſe der Zwieſpalt, der durch den 
Verſuch beſtimmt wird, die Judenfrage in ein harmoniſches Verhältnis zum römiſchen 


7 


16 Pabel / Römiſche Kirche und Judentum 


Chriſtentum zu bringen. Auf der einen Seite ſtellt fh Bichlmair auf den Stand- 
punkt, daß die nationalſozialiſtiſchen Judengeſetze in Deutſchland abzulehnen ſeien, 
„weil fie auf einer wiſſenſchaftlich und ethiſch unhaltbaren Raſſentheorie batteren", 
auf der anderen aber muß er zugeben, daß „bei aller Amſtrittenheit des Begriffes 
Raſſe doch über alle wiſſenſchaftlichen Bedenken hinweg, „es fo etwas wie 
Raſſe gibt und daß die Juden einer anderen Raſſe angehören 
als das deutſche Volk“. Oder: „Durch den Empfang der Taufe wird der 
einzelne Jude ſeinem charakterologiſchen Sein nach nicht plötzlich umgewandelt; es 
bedarf anſtrengender Arbeit und längerer Zeit zur Behebung der aus feinem Volks- 
charakter ſtammenden Schwächen“ (21). Dagegen einige Sätze weiter: „Pauſchal⸗ 
verdächtigungen, daß der Jude eben Jude bleibe, oder daß die Taufe gar keine um- 
wandelnden Wirkungen zeitige, find unchriſtlich und entſprechen in dieſer Allgemein- 
heit in keiner Weiſe den Tatſachen.“ 

Intereſſant ſind in dieſem Vortrag noch die Bemerkungen, in denen Bichlmair 
ſagt, daß keine Zurückhaltung in der Beurteilung des religiöſen Gewiſſens einzelner 
Juden blind zu machen braucht „gegenüber den gefährlichen, weil nur 
zu leicht anftedenden und zerſetzenden volkscharakterolo⸗ 
giſchen Auswirkungen der religiöſen Apoſtaſie und der 
geiſtigen Heimatloſigkeit des jüdiſchen Volkes“ und ſchließlich 
das bemerkenswerte Zugeſtändnis, daß die Verurteilung der Miſchehen zwiſchen 
Juden und Chriſten durch die katholiſche Kirche „gewiß zunächſt aus religiöſen 
Gründen“ erfolgt, daß „aber die Kirche als wiſſende Mutter auch 
beſtimmte Gefahren aus dem Volkscharakter eines jüdiſchen 
Ehepartners aufſteigen ſieht“. 

Zu Eingang feiner Ausführungen hatte Bichlmair ausdrücklich darauf Din, 
gewieſen, daß es weder im Auftrage des Wiener Erzbiſchofs noch feines Ordens. 
oberen ſpreche. Das aber ſtünde zu ſehr im Widerſpruch zu den ſonſtigen Prin- 
zipien gerade des Jeſuitenordens, daß man viel eher das Gegenteil anzunehmen 
geneigt iſt. Man iſt verſucht zu glauben, daß die römiſche Kirche mit der Rede 
Bichlmairs eine Art Verſuchsballon hat loslaſſen wollen, um die öffentliche Reaktion 
feſtſtellen zu können. Denn ſicher iſt, daß früher oder ſpäter auch die römiſche 
Kirche gezwungen ſein wird in der Frage der Raſſeforſchung und damit denn auch 
in der Judenfrage der Wiſſenſchaft ihren Tribut zu zollen. 


Pfaffen, die sich drängen zwischen Ihnen will ich Wahrheit nennen: 
Gott und Menschheit, sie zu trennen, Gott und Volk gehört zusammen, 
Die hier fälschen und dort fischen, Heut und alle Tage, Amen! 

Peter Rosegger. 


Das neue Heidelberg 


Ehrenfriedhof 


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Heiligen Berg 


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Festspiele im Schloßhof / Szene aus „Götz von Berlichingen” 


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Ehrenmal der Studentenschaft 


Humbold / Recht auf Schutz? 17 


Hans Humbold: 


Rewi auf Schutz? 


Die Exiſtenzberechtigung des Völkerbundes gründet ſich auf folgende Teile der Satzung, 
die zu wiederholen wir uns wegen ihres ſenſationellen Inhalts verpflichtet fühlen: 

„§S 8, 1: Die Bundesmitglieder bekennen fih zu dem Grundſatz, daß die Aufrecht⸗ 
erhaltung des Friedens eine Herabſetzung der nationalen Rüſtungen auf das Mindeſtmaß 
erfordert, das mit der nationalen Sicherheit und mit der Erzwingung internationaler 
Verpflichtungen durch gemeinſchaftliches Vorgehen vereinbar iſt. 


§ 10: Die Bundesmitglieder verpflichten fih, die Anverſehrtheit des Gebietes und die 
beſtehende politiſche Anabhängigkeit aller Bundesmitglieder zu achten und gegen jeden 
äußeren Angriff zu wahren. 

§ 11, 1: Ausdrücklich wird hiermit feſtgeſtellt, daß jeder Krieg und jede Bedrohung 
mit Krieg, mag davon unmittelbar ein Bundesmitglied betroffen werden oder nicht, eine 
Angelegenheit des ganzen Bundes ift und daß dieſer die zum wirkſamen Schutz des Völker- 
friedens geeigneten Maßnahmen zu ergreifen hat. 

§ 16, 1: Schreitet ein Bundesmitglied entgegen den in den Artikeln 12, 13 und 15 über- 
nommenen Verpflichtungen (nämlich, Streitfälle zwiſchen Bundesmitgliedern der ſchieds⸗ 
richterlichen Entſcheidung des Bundes vorzulegen und ſich dieſer Entſcheidung zu fügen) 
zum Kriege, ſo wird es ohne weiteres ſo angeſehen, als hätte es eine Kriegshandlung gegen 
alle anderen Bundes mitglieder begangen. Dieſe verpflichten fih, unverzüglich alle Handels- 
und Finanzbeziehungen zu ihm abzubrechen, uſw. 

§ 16, 2: In dieſem Galle ift der Rat verpflichtet, den verſchiedenen beteiligten Re- 
gierungen vorzuſchlagen, mit welchen Land-, See- und Luftſtreitkräften jedes Bundesmitglied 
für ſein Teil zu der bewaffneten Macht beizutragen hat, die den Bundesverpflichtungen 
Achtung zu verſchaffen beſtimmt iſt.“ 

- Unter Weltgeſchichte verſteht man im Grunde nichts als die chronologiſche Sammlung 
jener Konflikte zwiſchen zwei Großmächten, von denen die eine im Aufſtieg, die andere im 
Abſtieg begriffen war: ob es ſich nun dabei um Aegypten —Aſſyrien, Perfien— Griechenland, 
Karthago Rom, Deutſchland— Italien, Frankreich —Deutſchland, England — Spanien, 
Oeſterreich— Türkei, Rußland — Japan oder ſonſtwen handelte. Erſt die aufgeklärte Menſch⸗ 
lichkeit des 19. Jahrhunderts brachte die Erfahrung zutage, daß nicht der ehrliche Streit 
zwiſchen zwei Partnern die Weltgeſchichte beſchleunigt, ſondern die Koalition vieler Starker 
gegen einen Starken erſt dieſen einen endgültig aus dem Spiel auszuſchalten vermag. Man 
erhob damit die Feigheit, die im Leben der einzelnen Menſchen als verabſcheuungswürdig 
gilt, im Leben der Völker zum gernbenutzten ethiſchen Prinzip. 

Dieſes neue internationale ethiſche Syſtem der Koalition der Großmächte löſte mit 
dem Weltkrieg ein anderes früher geltendes moraliſches Recht des Beſchütztwerdens ab, 
das die Kleinen von den Großen fordern konnten. 

Es war dabei im Leben der Völker gleichgültig, ob die Aebernahme der Schutz— 
verpflichtung durch die Großen eigennützigen oder uneigennützigen Motiven entſprang: 
die Geſchichte kennt beide Fälle in vielfacher Variation. Entſtehung und politiſche 
Stabilität der kleinen Staaten beruhte im weſentlichen auf einer geographiſchen Zwiſchen— 
ſtellung zwiſchen zwei Großmächten, von denen keine der anderen die Eroberung des 
Zwiſchengebietes gönnte. Oder es entſtanden Gruppen von kleineren Staaten durch Muj- 
teilung größerer Reiche, wie etwa des ſpaniſchen Kolonialreiches in Südamerika oder 


18 Humbold Recht auf Schutz? 


der Habsburger Monarchie. Alle dieſe kleineren Staaten ſuchten ſich im Schatten der großen 
weltpolitiſchen Auseinanderſetzungen ein Zipfelchen Neutralitätsanerkennung. Dieſe 
Neutralität war einfach dadurch gewährleiſtet, daß die Kleinen als Staaten ohne großes 
Wehrpotentiel mit der Eiferſucht der Großmächte rechnen konnten. Wohl wurden ſie hier 
und dort — oft durch eigene Schuld — in die Auseinanderſetzungen der Großen hinein- 
gezogen oder maßten ſich zu ihrem eigenen Schaden Großmachtkomplexe an. Im allgemeinen 
galt aber die Neutralität dieſer kleineren Staaten als integrierender Beſtandteil des welt- 
politiſchen Gleichgewichts. 

Dieſe freundliche und beſchauliche Situation der Kleinſtaaten änderte ſich mit einem 
Schlage, als mit dem Weltkrieg zum erſten Male Koalitionen größten Ausmaßes ins Leben 
gerufen wurden, denen fih verſchiedene bisher neutrale Staaten als Folge unvorſichtig gc- 
führter Außenpolitik und in der Hoffnung auf reiche Beute nicht entzogen. Damit war 
durch die Teilnahme von Staaten wie Griechenland, Portugal, Belgien, den Valfanjtaaten 
und einigen Südamerikanern das alte Neutralitätsſyſtem der Kleineren im Schatten der 
Großen durchbrochen. Weiterhin konnten die durch den Krieg entſtehenden Klein- und 
Mittelſtaaten ſchon auf Grund ihrer Entſtehung nach politiſchen Grundſätzen kein Recht 
auf Neutralität geltend machen: Polen und die Nachfolgeſtaaten. Dieſe Tatſache der 
Parteinahme wirkte fih aber leider auch auf jene Staaten aus, die ihrem Neutralitätsgrund⸗ 
ja durch den Krieg treugeblicben waren. Teils erlagen fie der alliierten Propaganda, 
wie die Schweiz und Dänemark, teils veränderten die günſtigen Möglichkeiten der Kriegs- 
gewinne ihr politiſches Geſicht (Holland, Norwegen). 

Das Recht auf Schutz hatten die Kleinen durch dieſe Haltung ebenſo verloren wie das 
Recht auf ſtrikte Beachtung der Neutralität. Am ſo größer war das Aufatmen, als die 
Wilſonſche Idee des Bundes aller Völker an Boden gewann; denn nur durch die Schutz- 
grundlagen des Völkerbundes konnten die kleinen Staaten aus ihrer mißlichen Lage befreit 
werden. So kam es, daß die Idee des Völkerbundes überhaupt erſt dadurch realiſiert werden 
konnte, daß die kleineren Staaten mit gutem Willen und großer Hoffnung in den Zu— 
ſammenſchluß einwilligten. | 

Die Vorteile des Völkerbundes ſchienen klar zutage zu liegen: unter der Führung der 
Großmächte kehrten die Kleineren wieder in das ungefährliche und beſchauliche Leben der 
Vorkriegszeit zurück. Sie brauchten ſich nicht mehr um ihre Exiſtenz zu ſorgen, die allein 
durch ihre Mitgliedſchaft beim Völkerbund garantiert erſchien. Im übrigen kitzelte es ihre 
Eitelkeit, daß ihnen auch im Rat gelogentlich Sitz und Stimme gegeben wurde, daß ihre 
Meinung richten durfte im Namen der Weltgerechtigkeit, auch wenn es ſich um die 
Belange größter Staaten handelte. 

Daß gerade in dieſer Stimmberechtigung eine gewaltige Verantwortung lag, mußten 
‚fie bald erkennen. Denn ſobald ehrgeizige Politiker der kleinen Völkerbundsmitglieder 
entſcheidend bei weltpolitiſchen Entſchlüſſen mitwirkten, fiel der Haß des Verurteilten auf 
den neutralen Staat zurück, der dieſen richtenden Politiker abgeordnet hatte. Die An- 
kläger ſelbſt blieben im Hintergrund. Der Erfolg der voreiligen Völkerbundsbereitwillig⸗ 
keit war alſo verblüffend: die Kleinen wurden der Reihe nach von den Großen vorgeſchoben, 
um die Suppe auszulöffeln. 

Trotzdem hoffte man immer noch, daß der Schutz des Völkerbundes ausreichen würde, 
obgleich die Vereinigten Staaten überhaupt nicht mitmachten, Deutſchland und die anderen 
Zentralmächte trotz anderer Zuſicherung ausgeſchaltet blieben und die Abrüſtungsklauſeln 
der Völkerbundsſatzung nicht wahrgenommen wurden. Langſam ſtellte man feft, daß man 
doch den alten alliierten Mächten wieder auf den Leim gegangen war, daß man ſich trotz 


Humbold / Necht auf Schutz? 19 


aller verkündeten Friedensprinzipien doch wieder in der Reibungszone zwiſchen den Grop- 
mächten befand. Verdächtige Erſcheinungen belebten dieſe zunächſt nicht ganz ernſt ge⸗ 
nommenen und immer noch von Hoffnung getragenen Befürchtungen: zum Mißerfolg der 
Abrüſtungskonferenzen geſellten ſich die erſten großen Verſager des Völkerbundes, nämlich 
der Austritt Japans auf Grund der Mandſchureientſcheidung des Völkerbundes und die 
Energieloſigkeit bei der Beilegung des Chaco-Konfliftes, der nach jahrelangem Waffen. 
gang doch durch die nächſtbeteiligten Staaten ſelbſt geſchlichtet werden mußte. Die erſten 
Wioderaustritte, teilweiſe nur für kurze Zeit, waren längſt erfolgt: Spanien, Braſilien, 
Coſta Rica, Mexiko, Japan, Deutſches Reich. Die Vereinigten Staaten, Aegypten und die 
arabiſchen Staaten waren nie Mitglied geworden. Nach Rußlands Eintritt waren nur 
noch vier von den ſieben Großmächten Mitglieder. Jede Hoffnung auf Anerkennung des 
Neutralitätsprinzips gegenüber den Kleinen war damit illuſoriſch geworden. 


Nachdem man nun erkannt hatte, daß der Völkerbund nicht hielt, was er verſprach, be- 
gannen ſich die Kleinen ernſtlich zu ſorgen. Soweit ſie Kinder des Weltkrieges waren, 
beſannen ſie ſich auf ihre Taufpaten und rutſchten immer enger in das Netz einzelner 
Großmächte: der franzöſiſche Sicherheitsblock, der italieniſche Freundſchaftsblock entſtand. 
Mit Rußland wurde der Bock als Gärtner des franzöſiſchen Sicherheitsfricdhofs eingeſetzt. 


Der Reſt der kleinen Staaten war völlig kopflos geworden. In dieſen durch ge- 
ſchickte Politik vielleicht noch zu verzögernden Stimmungswechſel über den Nutzen des 
Völkerbundes brach das abeſſiniſche Debaole, ein Krieg zwiſchen zwei Bundesmitgliedern, 
nach der „Weltmeinung“ von Italien grundlos vom Zaune gebrochen und nur imperia- 
liſtiſchen Zielen dienend! So, ſagten die Kleinen, ſetzt haben wir eine Gelegenheit zu 
zeigen, was der Völkerbund alles kann; jetzt werden wir beweiſen, daß ein Verſtoß 
gogen die gottgewollte Friedensordnung dem Friedensſtörer den Hals bricht! England 
ſchürte das Feuer und Frankreich fürchtete um ſeine Vormachtſtellung im Völkerbund: 
die Sanktionen wurden beſchloſſen — und nicht ſo durchgeführt, wie es ſich die Kleinen 
unter großen eigenen Opfern vorgeſtellt hatten. Italien gewann feinen Kriog, ein faktiſch 
gar nicht mehr exiſtierendes Abeſſinien behielt ſeine Stimme im Völkerbund! 


Die kleinen Staaten hatten nun eingeſehen, daß fie fcit dem Weltkrieg vom Regen 
in die Traufe gekommen waren: der heilig garantierte Schutz des Völkerbundes war 
einfach nicht vorhanden! Man war gezwungen, nach einem Rettungsweg zu ſuchen. Einige 
waren ihn ſchon gegangen, der Reſt folgte nun nach: man ſuchte neue Zuſammenſchlüſſe. 
Während bisher die Einzelmitgliedſchaft im Bund zu genügen ſchien, jeder fein Recht 
ſelbſt zu vertreten ſuchte, ſchuf man ſich nun Zwiſcheninſtanzen, die das ganze Gleich- 
berechtigungsſyſtem des Bundes über den Haufen warfen. Denn dieſe Gruppenzuſammen⸗ 
ſchlüſſe trugen — realpolitiſch geſehen — Großmachtscharakter, eine Selbſtſchutzerfindung 
der kleinen Staaten. 

Die Großmächte müſſen nun mit der geſchloſſenen Meinung einiger, zum Teil ſich 
überſchneidender Gruppen rechnen, die nicht mehr als Einzelmitglieder zu mißbrauchen 
find: zur Kleinen Entente (CS, Jugoſlawien, Rumänien) geſellten ſich der Baltan- 
bund (Sugoflawien, Rumänien, Griechenland, Türkei), der baltiſche Block (Eſtland, Lettland, 
Litauen), der ſkandinaviſche Block (Schweden, Dänemark, Norwogen), der iraniſche Block 
(Türkei, Iran, Afghaniſtan), die pro-italieniſche Intereſſengemeinſchaft (Oeſterreich, Ungarn), 
die pro⸗franzöſiſche (CSR, Rumänien, Jugoſlawien, Polen), die Dominienfront (ge- 
führt von Südafrika) und der lateinamerikaniſche Bund (geführt von Chile, Kolumbien 
und Ekuador). 


20 Humbold / Recht auf Schutz? 


Welche Kopfloſigkeit im ganzen genommen fih aber der kleinen und mittleren Staaten 
bemächtigt hat, geht aus einer kurzen Zuſammenſtellung von Aeußerungen und Ereigniſſen 
zwiſchen dem 1. und 20. Mai hervor, die nach Tagen geordnet iſt: 

Eine Amfrage der „Nya Dagligt Allehanda“, Stockholm, ergibt bei 26000 Ant⸗ 
worten 95 Prozent für Austritt aus dem Völkerbund. Südafrika verbindet mit einem 
Aufrüſtungsprogramm den Grundſatz des Rechtes der Handlungsfreiheit. Der norwegiſche 
Außenminiſter macht eine Erkundigungsreiſe durch alle oſteuropäiſchen Hauptſtädte. 
Kolumbien beklagt ſich bei Noofevelt über den Völkerbund. Chile erklärt iH völkerbunds⸗ 
müde. Eſtland ſchiebt Frankreich die Schuld an dem Verſager zu. Oeſterreich führt aus 
Selbſtſchutzgründen die Dienſtpflicht ein. Dänemark beſtreitet die Nützlichkeit des Völker 
bundes für die kleinen Mächte. Schweden erklärt ſich völkerbundsmüde. Südafrika 
iſt gegen die Aufhebung der Sanktionen. Der Balkanbund tritt in Belgrad zuſammen. 
Die Kleine Entente tritt in Belgrad zuſammen. Die baltiſche Konferenz tritt in Reval 
zuſammen. Jugoſlawien veröffentlicht feine Wirtſchaftszahlen der Sanktionszeit und er- 
klärt, daß ein Ausgleich nur mit dem Nichtmitglied Deutſchland eingeleitet werden 
konnte. Elf Staaten find gegen Aufhebung der Sanktionen. Der Negus erklärt in 
Jeruſalem, daß er nach wie vor an die Wirkungsmöglichkeit der Völkerbundsſatzung 
glaube. Die Dardanellenkonferenz wird für Ende Juni beſchloſſen. Die Schweiz ver⸗ 
öffentlicht ein Auſrüſtungsprogramm. Chile und Ekuador find für Aufhebung der 
Sanktionen. Südafrika erklärt ſich völkerbundsmüde. Jugoſlawien iſt für Aufhebung 
der Sanktionen. Norwegen iſt für Aufhebung der Sanktionen. Im ungariſchen Parlament 
wird von der Regierungsbank gerufen: Deutſchlands Fliegerſtaffeln mögen Angarn 
ſchützen! „Politis“ verlangt von Frankreich einen Reformentwurf für den Böler- 
bund in vier Wochen. Schweden berät Aufrüſtungsmaßnahmen. Guatemala tritt aus dem 
Völkerbund aus. 

Soweit die Ereigniſſe eines knappen Monats bei den kleinen Staaten. Von dieſen 
feien zwei herausgegriffen: Der Präſident Kolumbiens ſchrieb an Rooſevelt: „. .. in den 
verſchiedenen Räten und Verſammlungen der Welt, in denen wir vertreten ſind, in denen 
wir aber leider nur eine untergeordnete Rolle ſpielen gegenüber den Abmachungn zwiſchen 
den europäiſchen Großmächten. Dieſe machen ſich zwar unſere Neigung zu einem Rechte 
des Friedens zunutze, ſie erſuchen uns um unſere tatkräftige Mitarbeit, um den Frieden zu 
ſichern, und werfen zu dieſem Zweck unſer Gewicht mit in die Waagſchale ihrer Politik, 
fragen uns aber nicht nach unſeren Wünſchen, wenn ſie glauben, einmal davon abſehen zu 
können, weil es ſich gerade um Entſcheidungen handelt, bei denen ihnen eine Einmiſchung 
wie die unſrige bedeutungslos erſcheint oder fogar ihren großen politiſchen Plänen wider- 
ſprechen könnte.“ 

Dieſe Aeußerung umreißt klar das Problem der kleinen Staaten, fie findet ihre Er- 
gänzung in der Erklärung des Südafrikaners Bailey: „Wenn wir fühlen, daß der 
Völkerbund nicht weiterhin fähig iſt, uns gegen Kriege zu ſichern, ſo müſſen wir unſere 
Freunde wählen, ohne allzuſehr beeinflußt zu ſein durch das, was in der geſchichtlichen 
Vergangenheit geweſen iſt, und durch die Bündniſſe, die im Weltkrieg beſtanden haben.“ 

Alle dieſe Ereigniſſe ließen die merkwürdigſte Konferenz zuſammentreten, die der 
Völkerbund je geſehen hat, die ſogar dem Gedanken des Bundes einfach durch ihren Titel 
ſchlagend widerſpricht und als Mahnzeichen der Geſchicke der kleinen Staaten durch die 
nächſten Jahre geiſtern wird: die Konferenz der „Neutralen“, zu der Schweden, Norwegen, 
Dänemark, Finnland, Holland, Spanien und die Schweiz ihre Außenminiſter oder Völker 
bundsminiſter entſandten. „Politiken“ veröffentlichte das Verhandlungsthema: Die Frage, 


Außenpolitiſche Notizen 21 


ob es mit einem größeren Rififo verbunden fei, Mitglied des Völkerbundes zu bleiben 
oder außerhalb des Völkerbundes zu ſtehen! 

Somit ſind die kleinen Staaten wieder bei ihrem Ausgangspunkt nach dem Welt⸗ 
kriege — nur um eine Erfahrung reicher — angelangt. Sie ſehen erneut, daß ihr Schutz 
in keiner Form garantiert wird, daß fie ihre Rechte nur ſchützen können, wenn fie regional- 
kollektiv als Gruppengroßmacht ihren Lebensraum verteidigen können. Sie ſehen aber auch 
heute ſchon, daß ſie dieſe Zwiſcheninſtanz der Gruppe zur politiſchen Stellungnahme ver⸗ 
pflichtet, daß die Gruppe viel eher in das Koalitionsſyſtem eingereiht wird als der Cingel- 
ftaat, ob fie will oder nicht. Die Zeiten des Mauerblümchens find für alle Staaten vorüber, 
denn die Mauern find eingeſtürzt, und der ruſſiſche Wind pfeift über die wehrlos gewordenen 
Pflanzen hin. Starke Wurzeln und Stacheln und Dornen müſſen ihnen wadfen. 


/ ® 
AUSSENPOLITISCHE f ofi en 


Gin Sabe obne den Marſchall 
Nach dem Tode des Marſchalls fühlte 
Polen eine Leere, die ihm erſt im ganzen 
Amfange bewußt machte, welch ungeheure 
Autorität der Marſchall beſeſſen hatte. 
Dieſe Leere hatte aber nicht nur eine 
geſchichtlich⸗theoretiſche, ſondern eine enorm 
praktiſche Bedeutung. Denn während bis⸗ 
her jede Regierung, ja jede Maßnahme 
einer Regierung mit der Autorität und 
faktiſchen Macht des Marſchalls gedeckt war, 
ergab ſich nun die Frage nach dem Wer und 
Wie der Regierung. Zwar war durch die 
neue Verfaſſung, die kurz vor dem Tode 
des Marſchalls rechtskräftig geworden war, 
die Stellung des Staatspräſidenten außer- 
ordentlich verſtärkt worden. Jedoch iſt der 
Staatspräfident im Sinne der neuen Ber- 
faſſung nicht regierendes, ſondern bei allem 
Einfluß mehr ſchiedsrichterliches Organ. 
Es entſtand nun ein Kampf zwiſchen der 
ſogenannten „Oberſtengruppe“, wie man die 
engſten politiſchen Mitarbeiter des Mar- 
ſchalls nannte, und denjenigen Pilſudskiſten, 
die eine mehr demokratiſche Richtung ver- 
traten. Der Kampf vollzog fih in den ver- 
ſchiedenſten Formen und wurde namentlich 


von einer heftigen Auseinanderſetzung über 
ideologiſche Fragen begleitet. Er endete mit 
dem Siege der Koſcialkowſki - Gruppe, und 
mußte mit ihrem Siege enden, da die 
Oberſten nach dem Tode des Marſchalls nicht 
nur keine ſie deckende Autorität mehr hinter 
ſich hatten, ſondern ebenſo, bedingt durch das 
Syſtem ihrer Regierungsweiſe, keinerlei 
Kontakt mit dem Volke beſaßen. Zudem 
hatte die Regierung Slawek ihre eigentliche 
Aufgabe, die Reform der Verfaſſung, erfüllt. 

Die neue Regierung Koſcialkowſki-Kwiat⸗ 
kowſki fete ſich hauptſächlich wirtſchaftliche 
Ziele: die Balancierung des immer mehr 
ins Defizit abrutſchenden Staatshaushalts, 
die Bekämpfung der Arbeitsloſigkeit ſowohl 
durch ſtaatliche Aufträge als auch durch An- 
kurbelung der privaten Wirtſchaft. Jedes 
wirtſchaftliche Aufbauprogramm verlangt 
vor allem Vertrauen und Mitarbeit des 
Volkes, und ſo lautete auch die politiſche 
Parole der Regierung: „Zuſammenarbeit 
mit dem Volke“. 

In der Tat iſt es der fleißigen und über⸗ 
aus zähen Arbeit der Regierung Kojcial- 
kowſkis und Kwiatkowſkis gelungen, die 
wirtſchaftliche Lage erheblich zu beſſern. 


22 . Außenpolitiſche Notizen 


Nicht nur der Staatshaushalt kam in Ord- 
nung, ſondern die Induſtrieproduktion be 
gann zu ſteigen, die Arbeitsloſigkeit ging 
zurück, und ſelbſt in der Landwirtſchaft 
zeigten ſich Symptome der Beſſerung. Die 
politiſche Parole der Zuſammenarbeit mit 
dem Volke und die ſich aus ihr ergebende 
Freiheit für die Organe der öffentlichen 
Meinungsbildung hatte jedoch andere Er⸗ 
gebniſſe, als man ſie ſich erhofft hatte. In⸗ 
dem ſich auf der Grundlage der Mitarbeit 
jeder berufen fühlte, ſeine Meinung zu 
äußern, war zunächſt die Bahn frei für 
jegliche Preſſetätigkeit, die dann außer einer 
ſtändigen Diskuſſion über ideologiſche oder 
wirtſchaftliche Fragen ſich auch auf allerlei 
Gerüchte und Vermutungen erſtreckte und 
ſchließlich eine chaotiſche Stimmung herbei. 
führte. Parallel damit lief ein Vertrauens- 
ſchwund in den Zloty, der eine Flucht in die 
Sachwerte zur Folge hatte und ganz außer- 
ordentliche Goldverluſte der Bank Polfki 
mit ſich brachte. Das Vertrauen in eine 
ſtetige und feſte Regierung war jedenfalls 
geſchwunden. 


War es nun Zufall oder Abſicht, daß 
gerade an dem Tage, an dem die Trauer 
der Armee für ihren verſtorbenen Marſchall 
ihr äußerliches Ende fand, der zweite Kabi— 
nettswechſel nach dem Tode des Marſchalls 
vorgenommen wurde? Der neue Premier- 
minijter, Slawoj⸗Skladkowſki, ift nämlich ein 
Experiment der Armee, oder, genauer geſagt, 
ihres Generalinſpekteurs Rydz⸗Smigly. 


Die Armee, die bis zum Abſchluß der 
Trauer den Dingen wenigſtens äußerlich 
mit einer gewiſſen Reſerve gegenübergeſtan— 
den hatte, konnte an ſich der Wirtſchafts⸗ 
arbeit des Kabinetts Koſcialkowſki nur pofi- 
tiv gegenüberſtehen. Zweifellos iſt es auch 
falſch, wenn man wieder irgendwelche Gegen- 
füge zwiſchen der Koſcialkowſki-Gruppe und 
dem neuen Kabinett herausfinden will (das 
ſich ja übrigens perſonell von dem alten gar 
nicht fo bedeutend unterſcheidet). Das Pro- 
blem lag ja gerade nicht auf wirtſchaftlichem, 


ſondern auf politiſchem Gebiet. Es zeigte 
ſich auch hier erneut, daß nicht die Wirt- 
ſchaft, ſondern die Politik das Primat hat. 


Das politiſche Vertrauen zu ſchaffen, war 
jedoch eine Aufgabe, die Koſcialkowſki gar 
nicht zu löſen imſtande ſein konnte. Hinter 
ihm ſtand keine fühlbare Macht. Aus dieſem 
Grunde hat ſich der Staatspräſident den 
Argumenten Nyda - Smiglys nicht ver- 
ſchloſſen, der damit in den Gang der Dinge 
eingriff, und, man muß fagen, in letzter 
Stunde eingriff. 

Daß das neue Kabinett ein Kabinett 
Nydz⸗Smiglys ijt, braucht man nicht aus 
dieſen oder jenen Vorgängen zu ſchließen, 
ſondern das ift mehr als einmal von maf: 
gebender Stelle offen ausgefprochen worden. 
So ſagte der neue Miniſterpräſident gerade 
heraus, daß er auf Befehl des General- 
inſpekteurs handle und auf Patrouille ge- 
ſchickt ſei. Nicht minder deutlich war Ryd; 
Smigly in ſeiner Rede an die Legionärc. 
Er wünſche nicht, daß die Politik in die 
Armee hineingetragen würde, denn „wenn 
ſchon politiſiert werden muß, dann werde 
ich politiſieren“. 

Wenn man nach dem Programm der neuen 
Regierung fragt, ſo läßt ſich im weſentlichen 
mit einem Wort antworten: Aufrüſtung. 
Seitdem der Verſager des „kollektiven 
Sicherheitsſyſtems“ und des Völkerbundes 
in allen entſcheidenden Fragen offenkundig 
geworden iſt, hat Polen daraus die einfache 
politiſche Konſequenz gezogen, Wege zu 
gehen, die es ſich mehr auf die eigene Kraft 
ſtützen, denn auf fremde Hilfe angewieſen ſein 
laſſen. Darum hat nicht nur die polniſche 
Außenpolitik neue konſtruktive Wege geſucht, 
ſondern Polen bemüht ſich vor allem, die 
innere Kraft des Landes zu ſtärken. Des⸗ 
halb darf man, wenn als das Programm 
der Regierung die Aufrüſtung bezeichnet 
wird, nicht ſo ſehr nur an die rein materielle 
Aufrüſtung denken. In dieſer Richtung war 
die Rede Rydz⸗Smiglys außerordentlich 
bezeichnend. Er rief den Legionären ſeine 


Außenpolitiſche Notizen 23 


Parole der nationalen Einigung, nämlich 
die Parole der Landesverteidigung, zu, eine 
Parole, die übrigens auch den National- 
demokraten aus ſeiner prinzipiellen Oppofi- 
tion herausholen ſollte. Als er hierbei auf 
die Nachbarſtaaten Polens verwies, bemerkte 
er ausdrücklich, daß es ihm dabei nicht ſo 
ſehr auf die Statiſtik ihrer Aufrüſtung an- 
komme, als vielmehr auf die in dieſen 
Staaten vor ſich gehende „Organiſation des 
menſchlichen Willens“. 


So bedeutet Aufrüſtung in viel höherem 
Maße moraliſche Aufrüſtung, Erfaſſung 
möglichſt breiter Volksmaſſen für die Idee 
der Landesverteidigung, die die Diskuſſionen 
der Preſſe über die Ideologie des neuen 
Polen überflüſſig gemacht hat. Es bedeutet 
weiterhin, das insbeſondere nach den Reden 
des neuen Premiers zu ſchließen, Erfaſſung 
des Bauern. Wirtſchaftlich dürfte ſich an 
dem Kurs, den die vorherige Regierung cin- 
geſchlagen hat, nichts ändern, wie ja auch 
rein äußerlich der Finanzminiſter Kwiat⸗ 
kowſki auf feinem Poſten verblieben iſt. 


Natürlich hat es nicht an Leuten gefehlt, 
die außenpolitiſch über kurz oder lang eine 
Rückkehr zu der alten Frankreichpolitik vor- 
ausſagen wollten. Aeberhaupt pflegt es, und 
das beſonders in Polen, eine Begleiterſchei— 
nung jedes Regierungswechſels zu ſein, daß 
einzelne Leute nun eine völlige Aenderung 
des Kurſes vorausſagen. 


Abgeſehen von der Frage, wie weit rein 
realpolitiſch eine Amkehr zu dem alten 
Frankreichkurs möglich iſt, hat Oberſt Beck 
gerade ſeit den Londoner Verhandlungen 
ſeine internationale und damit auch ſeine 
nationale Poſition ſo geſtärkt, daß man von 
der letzten diplomatiſchen Epoche geradezu 
als von einer Rechtfertigung Becks ſprechen 
konnte. Es wäre Anſinn, anzunehmen, daß 
bei dieſer Sachlage Beck ſelbſt dann zurück- 
gezogen würde, wenn wirklich in dieſer oder 
jener Frage eine Meinungsverſchiedenheit 
beſtünde. Das würde die polniſche Poſition 


mit Maria⸗Thereſientalern, die 


gerade gegenüber den Mächten, auf die es 
dabei ankommen ſoll, nur ſchwächen können. 

Beck ſelbſt hat aber in feinem Frühjahrs- 
expoſé die Grundſätze ſeiner Politik klar 
umſchrieben. Dabei ſprach er die bedeuten⸗ 
den Worte, daß Polen zwar ein armes Land 
ſei, aber für keine Menge Goldes zu kaufen 
ſei. Wir ſind der Aeberzeugung, daß dieſe 
Worte, von einem Mitarbeiter des Mar- 
ſchalls geſprochen, nicht nur theorctifd- 
ideologiſche, ſondern praktiſche Bedeutung 
haben, zweifellos auch bezüglich den Ge- 
rüchten über eine mögliche franzöſiſche An- 
leihe mit politiſchen Bedingungen gelten, 
wie ſie es überhaupt ſind, die die Wandlung 
Polens ſeit der Epoche Pilſudſkis am beſten 
kennzeichnen. 

R. Gutmann, Waridau. 


Gin neues Mitglied ix Genf? 
Wir find in der Lage, in- diefer Zeit 
wachſender Austrittsdrohungen der Genfer 
Vereinigung für Rednerſchulung ein neues 
zahlendes Mitglied zu günſtigen Gedingun- 
gen zu offerieren. Die Bedingungen ſind 
ungefähr dieſelben wie die, unter denen 
Abefſinien weiterhin Mitglied des Völker— 
bundes iſt, nur daß — im Gegenſatz zu 
Abeſſinien — das neue Mitglied aus einer 
Privatſchatulle zu zahlen gewillt ift. Aller- 
dings iſt ja auch möglich, daß der Negus 
ſeine weitere mehr oder weniger perſönliche 
Mitgliedſchaft aus feiner Privatſchatulle 
(wir erinnern an die namhaften Silberkiſten 
aus 
Abeſſinien mit auswanderten!) beſtreitet und 
die Reden in Genf mit Silberkiſten bezahlt. 


Alſo da es ſchon ſo ein Mitglied gibt, was 
die Satzung des Völkerbundes formalredt- 
lich ungeheuer bereichert hat, können wir ja 
auch das neue Mitglied nominieren: Aſtoria. 
Das iſt ein Staat in Südamerika, und kein 
Hotel und auch keine Inſel, die etwa der 
jagenbajten Lady Aſtor gehört, nein, ein 
Staat, mit Geſandtſchaft und allen Ordens 
verleihungsmöglichkeiten, die dazu gehören. 


24 Außenpolitiſche Notizen 


Wer wundert ſich da und kramt in ſeinen 
Geographieſtunden - Erinnerungen? Wer 
wälzt hier das neueſte Lexikon? Er wird 
den Staat doch nicht finden, ſo neu iſt er. 
Aber er hat ſeine Geſandtſchaft in London, 
die großartige Empfänge veranſtaltet, zu 
denen bekannte engliſche Perſönlichkeiten ge⸗ 
laden und erſchienen waren. Dieſe Geſandt⸗ 
ſchaft hat auch Orden verliehen, große und 
kleine, ganz nach Verdienſt um den Staat 
Aſtoria, der auf keiner Landkarte ift. 

Es ſtellte ſich heraus, daß der Staat aus 
einigen gut bemittelten jungen Süd- 
amerikanern beſtand, die ſich ihre Londoner 
Geſandtſchaft mit dem pompöſen Namen 
etwas koſten ließen. Die Nollen des Ge— 
ſandten und Ihrer Exzellenz ſpielten mit 
Charme, Großzügigkeit und Gewiſſenhaftig⸗ 
keit zwei Schauſpieler, die dann allerdings 
wenig geſandtenhaft auskratzten, als ihnen 
der Boden unter den Füßen zu heiß wurde. 
Verknacken hätte man ſie aber doch nicht 
können. Denn die Ausnutzung der Leidt- 
gläubigkeit der Mitmenſchen iſt nicht ſtraſ⸗ 
bar. Wo blieben ſonſt die Werbefachleute? 

Immerhin, das ſcheint nur in England 
möglich. Aber ich glaube, ich glaube — dieſes 
Aſtoria hat auch in Genf eine Vertretung 
und einen Sitz in der Vollverſammlung 
neben Abeſſinien. Staaten kommen und 
Staaten vergehen 


Abasver 

Die Araber in Paläſtina find mit Recht 
erboſt. Ein Judenſchiff nach dem andern trifft 
ein, ein Jude nach dem andern nimmt der 
arabiſchen Mehrheit die Arbeitsplätze fort. 
Großartige Neubauten wachſen in den 
Siedlungsſtätten der Juden. 

Erſt haben die Araber gemurrt, dann 
haben ſie geſtreikt, und dann haben ſie ge— 
ſchoſſen, und zwar auf Juden. Die britiſche 
Mandatsregierung, die die Juden nach der 
Balfour-Deklaration der Jüdiſchen Heim- 
Hätte von 1917 geholt hatte, jab ſich ge 
zwungen, die lieben Juden gegen die Araber 


zu verteidigen — ein undankbares Geſchäft, 
das eine Menge Truppentransporte koſtete 
und noch koſtet. 

Die Araber ſchießen mit Vorliebe auf 
jüdiſche Autobuſſe. Faſt bei jeder Tour war 
zum Schluß eine Leiche dabei. So auch ein- 
mal eine mit ſchwerer Augenverletzung. Das 
eine war ausgelaufen, daran waren die 
Araber ſchuld. Jedoch, das ſtimmte nicht. 
Zwei Juden konnten ſich nicht handelseinig 
werden, ſie redeten mit Mund, Händen und 
Füßen. And kurz vor dem Abſchluß bei 
einer beſonders „treffend“ vorgebrachten Er- 
widerung blieb der ſprechende Finger des 
einen in dem Auge des andern hängen. Da⸗ 
für konnten alfo eigentlich die Araber wirt- 
lich nichts. | 

Vielleicht aber war der mit dem Finger 
einer von den jüdiſchen Dunkelmännern, die 
in Paläſtina zur Zeit gemeinſame Sache mit 
den Arabern machen: die dritte Partei, oder 
wenn man die Engländer mitzählt, die 
vierte. Sie hat ihren Kommandoſitz in 
Moskau. Ob Jud, ob Araber, iſt dieſer 
Partei gleich. Sie fiſchen im Trüben, grund- 
ſätzlich. Wenn die Juden und die Araber 
ſich in Paläſtina prügeln — nun gut, das 
ſind nationale Streitigkeiten, ſo lange bis 
der eine wieder verſchwunden iſt. Aber daß 
Juden Juden beſchießen, das iſt neu, das iſt 
einmalig, da gehört ein Sonderbericht 
erſtatter hin. l 

Nun haben fih die Engländer ihre Haus- 
juden hochgepäppelt, weil ſie ihnen beſſer 
paſſen als die Araber, und nun erleben ſie 
den Dank auf krummen Wegen. Ganz wie 
es bei uns war! l 

Bci uns mußten fie wandern, ob fic nun 
aus Paläftina auch wieder angſtvoll ver: 
ſchwinden? Keiner will ſie haben, durchaus 
verſtändlich. 


Es liegt cine Krome 
Eine Krone hat auf dem Zolltiſch in 
Aegypten gelegen, eine richtige Krone und 
dazu das nötige Beiwerk für einen Herrſcher. 


Außenpolitiſche Notizen 25 


Im Dienſt ergraute Sollbeamte konnten ſich 
nicht erinnern, jemals einen Zollverdächtigen 
beim Kronenſchmuggel ertappt zu haben. 
Aber zweiſellos — eine Königskrone. 


Woher? Wohin? Wie kommen ſie dazu? 
Die Krone war aus Gold mit den üblichen 
Edelſteinverzierungen, fie war wertvoll, fie 
war gut geputzt. War fie neu? Der Zoll- 
beamte kratzte ſich den Hinterkopf — neue 
Krone, für wen? Doch jetzt hatte ers: die 
gehörte dem Negus und war geklaut. Hätte 
der gute Mann etwas von Kronen ver- 
ftanden, fo hätte er geſehen, daß es eine 
Königskrone wat, — und der Negus war ja 
ſchließlich Kaiſer. 

Der kronenſchmuggelnde Italiener wurde 
vor die höhere Inſtanz gebracht, wo ſich 
herausſtellte, daß es doch eine neue Krone 
war — ſehr neu, man möchte ſagen — noch 
warm. Nämlich jene Krone, die ſich Vize⸗ 
könig Badoglio demnächſt neben den Lorbeer 
der Schlachten auf das Haupt ſetzen wird. 
Mit vielen Entſchuldigungen haben die 
Aegypter den kronentransportierenden Sta- 
liener wieder entlaſſen und von dem häßlichen 
Verdacht reingewaſchen. 


Man ſoll eben ſeine Krone immer bei ſich 
tragen. So iſt es doch ſehr proſaiſch — 
Kronen im Koffer! Sie wäre doch ein 
italieniſches Kriegsſchifl wert geweſfen, 
wenigſtens einen kleinen Kreuzer. Kreuzer 
und Krone ſtammen doch aus derſelben 
Münzſorte. And viele Kreuzer machen auch 
in Italien eine Krone — wie man geſehen 


hat! 
Billige Bücher zu berabgeſetzten 
| Hreiſen 


Wir wollen gar nicht beſtreiten, daß es 
in Litauen einige Menſchen gibt, die 
litauiſche Bücher leſen, und daß die 
litauiſchen Verleger ſich alle Mühe geben, 
dieſen Kunden eine ordentliche Produktion 
vorzuſetzen. 

Aber daß die litauiſchen Verleger mehr 
wollen, nämlich behaupten, das litauiſche 


Buch „dem Volke zu geben“, das erregt 
Zweifel bezüglich des Erfolges. Sie haben 
etwas läuten hören von Deutſcher Buch⸗ 
woche, von erfolgreichen Gemeinſchafts⸗ 
werbungen aller Buchhändler, und fie den- 
ken, was die Deutſchen geſchafft haben, das 
könnten ſie natürlich auch. Sie künden alſo 
eine „großzügige Gemeinſchaftsaktion“ an, 
wie der „Baltiſche Beobachter“ in Memel, 
eines der arroganteſten Blätter der Welt, 
leider in deutſcher Sprache, aber anderer 
Gefinnung, mitteilt. 


Aber ſie zäumen das Pferd vom Schwanze 
auf. Sie machen das Buch wertlos, indem 
ſie während der Werbezeit ſeinen Preis auf 
ein Viertel ermäßigen. Wir würden das 
Verramſchen nennen! Sollte das vielleicht 
der Sinn fein? Sollte die großzügige Ge- 
meinſchaftsaktion den Zweck haben, mangels 
Kunden unverkäufliche Verlagsprodukte 
ſchnellſtens an den Mann zu bringen? Ich 
möchte mal den litauiſchen Kleinbauern 
ſehen, ſoweit er nicht kürzlich verhaftet iſt, 
der ſich Bücher kauft, wo er fie im allgemei- 
nen doch nicht leſen kann. Wenn die tüchtigen 
Landleute ihre Kreiszeitung abends hinter 
fih gebracht haben, dann ift das fchon aller, 
hand Hochachtung für die litauiſche Volks 
ſchulbehörde wert. Aber Bücher leſen? 


Wenn man den Kundenkreis wenigſtens 
auf die Bauern im Memelgebiet erweitern 
könnte, denn die können leſen. Bloß leider 
nicht litauiſch. Das werden ſie auch nie 
lernen. 


Sollte etwa der neue Erlaß des litauiſchen 
Memelgouverneurs über die notwendigen 
litauiſchen Sprachprüfungen der Beamten 
des Memelgebietes, die meiſtens Deutſche 
find, mit der „großzügigen Gemeinſchafts⸗ 
aktion“ zuſammenhängen? 


„Das Buch dem Volke“? Das wird in 
Litauen verdammt ſchwierig werden. Wo- 
anders iſt das nicht nötig — da hat das 
Buch ſchon lange das Volk und das Volk 
das Buch. Hans Humbold. 


26 Randbemerkungen 


Dreitend mit viel Ichönten Redes 


ihrer Bücher Wert und Zahl, ſaß die Ver— 
einigung zur Verteidigung der deutſchen 


Schriftſteller in Paris beiſammen. Dieſe 
Vereinigung ſitzt überhaupt nur in Paris 
und verteidigt von dort die deutſchen Schrift; 
ſteller, indem ſie aus der Not eine Tugend 
macht. Denn Bebe, leider können die emi- 
grierten Schreiber nur deutſch. Wenn es 
doch wenigſtens eine urheberrechtlich geſchützte 
Emigrantenſprache gäbe, dann wären ſie aller 
Sorgen ledig und keine Emigranten mehr. 
Aber ſo, ausgerechnet deutſch. Als Heinrich 
Mann mit dem leider ach ſo deutſchen Namen 
vor einiger Zeit in Barcelona bei einem 
Kongreß in ſchlechtem Franzöſiſch eine fulmi- 
nante Rede gegen die deutſche Verhandlungs- 
ſprache hielt, meuterten die Anweſenden — 
denn ſiehe, ſie konnten nur deutſch. 

Nun aber zur Sache. Die obengenannte 
Vereinigung hat beſchloſſen, einen Heinrich 
Heine (franzöſiſch: Henri-Heine)- Preis zu 
ſtiften, der jodes Jahr an einen emigrierten 
Schriftſteller deutſcher Zunge oder — man 
ſtaune — an einen Schriftſteller verliehen 
werden fol, der in Deutſchland wohnt, aber 
keineswegs mit dem „régime hitlérien“ ein- 
verſtanden iſt. 

Jetzt ſind wir aber geſpannt. Denn unter 
ſich werden ja die Emigranten den Preis 
nicht verteilen, das würde nur eine Ter- 
ſchiebung des Taſchengeldes bedeuten. Nein, 
ich glaube, die Herren machen den zweiten 
Teil ihrer Ankündigung wahr und ſchicken 
das Geld nach Deutſchland zu Nutz und 
Frommen unſerer Deviſenverwaltung, die 
franzöſiſche Franks mit gutem Recht nimmt, 
wo ſie ſie kriegen kann. 


Nun weiß ich bloß nicht, wer die Vor- 
ausſetzungen in Deutſchland erfüllt, denn das 
wäre ein ganz verfluchtes Dangergeſchenk. 
Wenn die Leute pietätvoll und rückſichtsvoll 
find, dann ſchicken fie es ohne nähere Be- 
zeichnung an das letzte Konzentrationslager 
der Anverbeſſerlichen. Da gibt es vielleicht 
noch einen der geſuchten Schriftſteller. Mer- 
dings viel Freude wird dieſer an dem Preis 
auch nicht haben, denn verjuchheien kann er 
das unverhoffte Geſchenk nicht. 


Wenn nun aber, sacre nom de Dieu, die 
braune Kuh die Leute in Paris kratzt und ſie 
den Preis an eine in Deutſchland unbeläſtigt 
umherlaufende Perſönlichkeit ſchicken, welche 
Perſpektiven! Ich ſchätze, der Prix Henri- 
Heine wirkt ſich ausgezeichnet für uns aus, 
denn der .... (beinahe hätte ich was ge- 
jagt!) und die andern werden nun auch ſchnell 
endgültig anſtändig werden. 


Jedem ſeinen eignen Preis. Sie machen 
eben nun ſelber einen, weil ſie von hier keine 
Preiſe mehr zu erwarten haben. Im Gegen- 
teil! Aber: welch vortreffliche Regie! Es 
wird verkündet, daß der Preis jährlich am 
Jahrestage des unvergeßlichen Brandes ver- 
teilt werden ſoll, den deutſche Studenten in 
gerechtem Zorn an den Bücherſchmarren eines 
vergangenen Jahrhunderts entfachten. Wie 
ſinnig! Vielleicht iſt der Preis gedacht, um 
die verbrannten Autoren zu entſchädigen. 
Alſo muß man für das deutſche Devijen- 
aufkommen fürchten, daß der Preis nur 
einige Sous betragen wird (bisher hat nie- 
mand etwas über die Höhe verlauten laffen, 
wer weiß?), denn mehr, meine Herren, war 
der Plunder, der in Flammen aufging, be- 
ſtimmt nicht wert! H. H. 


Ranobemerfungen 27 


wtotigepeedigte Sugend” 

Ein „Landesjugendwart“, Dr. Manfred 
Müller aus Korntal bei Stuttgart, ſchreibt 
in der proteſtantiſch orientierten Zwei— 
monatsſchrift „Die Furche“ einen für uns 
als HZJ.-Führer aufſchlußreichen Artikel 
über „Chriſtus und die junge Generation“. 
Ein zweifellos berechtigter Peſſimismus 
ſpricht ſchon aus einer einleitenden Aeuße— 
rung: „Müſſen wir nicht einfach feſtſtellen, 
daß die weit überwiegende Mehrzahl der 
Jugendlichen von der Frage nach Chriſtus 
überhaupt nicht berührt iſt? Wer von uns 
kann heute noch den Traum vom 
chriſtlichen Deutſchland träumen? 
Man braucht nur unvoreingenommen eine 
Statiſtik über den Beſuch von Gottesdienſt 
und Gemeindebibolſtunde, nach Altersarup- 
pen geordnet, aufzuſtellen und dann noch alle 
irgendwie kommandierte Jugend, wie 
Konfirmanden⸗ und Chriſtenlehrpflichtige, 
abzuziehen, um zu ſehen, was für einen ver- 
ſchwindenden Prozentſatz darin die 14. bis 
25jährigen ausmachen! And wenn man dann 
gar noch dieſes Häuflein vergleicht mit der 
Geſamtjugend des Orts, dann wird einem 
die Wirklichkeit vollends erſchreckend deut- 
lich. Wie oft kann ein HZ.-Führer mit 
Recht ſagen, er habe gefragt, wer zum 
Gottesdienſt wolle, aber niemand habe ſich 
gemeldet. Gewiß muß man berückſichtigen, 
daß der junge Menſch nicht fromm erſcheinen 
will. (Warum wohl . . .?) And doch zeigt 
auch diefe Tatſache, wie gering das kirch— 
liche Intereſſe der Jugend iſt.“ 

Müller ſucht für dieſen Zuſtand die Ur- 
ſachen, d. h. die Entſchuldigungen; wie ſehr 
ausweichend und bequem er ſich das macht, 
zeigt ein Argument, mit dem er behauptet, 
„daß unſere Jugend heute weithin einfach 
keine Zeit (ö) bat, ſich mit religiöſen Fra- 
gen zu beſchäftigen. Ihr Beruf, ihre Tätig- 
keit in HJ. und BD M., die ganze Anruhe 
unſerer Zeit laſſen ihr einfach keine Mög— 
lichkeit, ſich mit den letzten Fragen des 
Menſchenlebens auseinanderzuſetzen. (Sonſt 
wäre wohl die HJ. längſt wirkliche Ge— 


meindejugend geworden??) So lernt ſie 
ſchon ſehr früh, was die Erwachſenen ja 
ſehr gut fertigbringen, jeden Tag für ſich 
zu nehmen. Abends ſinkt man todmüde ins 
Bett, hat man ausnahmsweiſe einmal etwas 
übrige Zeit, ſo kann man nicht ſtillhalten, 
ſondern muß ſich zerſtreuen im Kino, mit 
Kameraden, mit Mädchen. (Ei, eil) Gerade 
die Beſten ſind es, die die Möglichkeit zur 
inneren Sammlung verlieren, und wie viele 
jungen Leute kommen einfach deswegen vom 
Chriſtenglauben ab, weil ſie keine Zeit haben 
für Gott.“ Im Grunde muß man uns alſo 
jede „innere Sammlung“, d. h. jedes wahre 
Erlobnis abſprechen? Alſo geht die HZ. 
ihren Weg oberflächlich, ohne innere Be 
rechtigung? Denn dazu iſt ja „keine Zeit“ 

— Herr Manfred Müller weiß gut 
Boſcheid, um das, was wir uns täglich 
immer neu erkämpfen. 

Doch ſicht er auch andere Schwierigkeiten, 
die z. B. darin beſtänden, daß „der junge 
Menſch oft einfach unſere Verkündigung 
nicht verſteht“. Von den Studierſtuben⸗ 
predigten ſei man enttäuſcht, da der Pfar⸗ 
rer „in einer ganz anderen Sprache“ ſpreche. 
Auch ſonſt müſſe manches verbeſſert werden. 
Es ſei z. B. notwendig, „daß wir endlich 
bei der Jugendarbeit brechen mit der alten 
Form der Vibelſtunde, in der einer redet 
und die Jugend eben zuhört. Ein junger 
Menſch von heute kann, wenn der Vortra— 
gende nicht ganz beſonders feſſelnd reden 
kann, nicht länger als 20 Minuten 
zuhören, dann ſchweifen die Gedanken ab, 
und er verliert den Faden“. Der Landes- 
jugendwart ſcheint bittere Erfahrungen ge— 
macht zu haben. Er muß mit merkwürdigen 
Jungen zuſammengekommen ſein, wenn er 
es für nötig hält, beteuern zu müſſen: „Man 
ſage mir nicht, daß die Jugend nicht zum 
Reden zu bringen wäre. Nach meiner Er— 
fahrung kann man mit einiger Ausdauer 
(!) die Jugend immer zur Mitarbeit gewin— 
nen, nur iſt bei uns die große Gefahr, daß 
wir nicht warten können, bis die Scheu (!) 
überwunden iſt, und daß wir ſelbſt viel zu 


28 Randbemerkungen 


viel reden. Wie oft wird unſere Jugend 
einfach tot gepredigt.“ 

Als Pferdefuß kommt ein Schluß, der uns 
zu äußerſter Wachſamkeit verpflichtet: „Es 
iſt unſere Aufgabe, unſere Jugend in eine 
chriſtliche Gemeinſchaft hineinzuſtellen. 
. . . Auch bei der Jugend gibt es fein 
Chriſtentum ohne Gemeinſchaft. Wer darum 
feine Kinder nur in die völkiſche Jugend- 
gemeinſchaft der HJ. oder des BDM. ſtellt, 
aber glaubt, für ſie auf die chriſtliche Ge- 
meinſchaft verzichten zu können, der möge 
ſich nicht wundern, wenn ſie den Glauben 
verlieren. Daß viele in unſerer Zeit die 
Notwendigkeit der chriſtlichen Gemeinſchaft 
nicht verſtehen, kann uns nie und nimmer 
daran hindern, ſie zu pflegen. Wohl werden 
unſere Gruppen heute weithin klein ſein 
(oh jal), wer aber ſagt, ſeine Zeit ſei zu 
koſtbar, um mit zwei oder drei jungen Leuten 
einen Jugendabend zu halten, ift verantwor- 
tungslos.“ And was muß ſo dringend be⸗ 
ſprochen werden? „Wir find der Jugend 
ein klares Wort zu all den Fragen ihres 
Lebens, die ſie bewegen, ſchuldig. Sie ſoll 
das rechte chriſtliche Verhältnis zum Staat 
und ſeinen Einrichtungen bekommen (Nanu? 
Genügt nicht ein nationalſozialiſtiſches Ver⸗ 
hältnis ?), fie fol ihren Dienſt tun fo treu 
als möglich, fie fol lernen, auch Spott, 3u- 
rückſetzung und vielleicht (1) Verfolgung zu 
leiden, ohne bitter zu werden. Wir werden 
ihr helfen müſſen, in all den ſittlichen Fragen 
(endlich!), die fie bedrücken.“ 


So ſieht Herr Müller zum Schluß, trotz 
feiner verzweifelten Lage, doch einen Gilber- 
ſtreifen. hy 


Was fast der Hvdfider! dev 
Goeibe - Geſellſchaft? 

Es iſt ſchon weithin bekannt, daß das Buch 
von Frau Mathilde Ludendorff über 
Schillers Tod und Beſtattung beträchtlichen 
Staub aufgewirbelt hat. In dieſem Buche 
wird behauptet, daß Goethe bei dem plötz. 
lichen Tod Schillers ſeine Hand im Spiele 


gehabt habe, weil von freimauriſcher Seite 
ſein Tod gefordert wurde. Darüber dürfte 
man ſich jedoch völlig im klaren ſein, 
daß eine ſolche Behauptung lächerlich ift. 
Wir laſſen uns Goethe nicht ſo ohne 
weiteres ſchlecht machen. Darum hat auch 
die Goethe ⸗Geſellſchaft, die ja den Mn- 
ſpruch erhebt, das geiſtige Erbe des Dichters 
zu verwalten, dieſen lächerlichen Vorwürfen 
gegenüber geſchwiegen. Nun aber hat ſie 
es für nötig befunden, dagegen in einer be- 
ſonderen Veröffentlichung aufzutreten, weil 
insbeſondere „in den Formationen der Zu- 
gend und in den Kreiſen, in die ſonſt nur 
Detektiv⸗ und Schundliteratur Eingang 
findet“, dieſe Vorwürfe Widerhall gefunden 
hätten. Mit dieſen Worten begründet der 
Präſident der Goethe⸗Geſellſchaft auf der 
Tagung, die kürzlich in Weimar ftattgefun- 
den hat, die Notwendigkeit der Gegenſchrift. 
Gegen ihre Herausgabe haben wir nichts 
einzuwenden, wohl aber gegen diefe Be- 
gründung. Wir verbitten es uns, in gleichem 
Atem mit den Konſumenten von Schund⸗ 
literatur genannt zu werden. Offenbar hat 
der Herr Präſident keine rechte Vorſtellung 
von der heutigen deutſchen Jugend, die wahr · 
lich beſſeres zu tun hat, als ſich mit ſolchen 
merkwürdigen Streitigkeiten abzugeben. Von 
unſern Jungen und Mädels haben ſicher nur 
wenige dieſe Schrift überhaupt geleſen, ge- 
ſchweige denn ſie zu ihrer Meinung gemacht 
oder ſich zu ihr bekannt. Man ſollte doch 
etwas vorſichtiger fein, ehe man die For- 
mationen der Jugend zu ſeiner eigenen 
Rechtfertigung heranzieht. Dabei ſtellen wir 
uns natürlich durchaus auf den Boden des 
Staatsrats Zieglers, der auf der Tagung 
die nationalſozialiſtiſche Wiſſenſchaft auf- 
gerufen hat, gegen Verleumdungen der 
Großen der deutſchen Nation Stellung zu 
nehmen. Ob freilich die Goethe-Gefellfdaft 
ſelbſt glauben darf aufgerufen zu ſein, in 
deren Mitte ja ſelbſt noch Freimaurer ſind, 
das erſcheint uns äußerſt zweifelhaft. Dieſe 
unpolitiſche Geſellſchaft hat jedenfalls die 
Jugend nicht hinter ſich. W—m 


Neue Bücher 29 


Ale A lic er 


Bücher zur faſchiſtiſchen Politik 

Das Schwergewicht der europäiſchen Poli- 
tik hat feit Verſailles in Mitteleuropa ge- 
legen, das zum Objekt der franzöſiſchen He⸗ 
ganon berabgefunten war. er Völker. 

nd, Locarno und zuletzt Streſa haben den 
nun EA krankhaften Zug der Quai-d’- 
Orſay Strategie an ſich, ſämtliche nur mög- 
lichen Bundesgenoſſen als Garanten der 
franzöftiden Vormacht in Europa einzu- 
ſpannen. Jedes Mittel iſt dazu pis nber 
weſen. Daß dieſe Politik ſelbſt ins en 
geriet, verdanken wir der Außenpolitik des 

ihrers und der inneren Erneuerung, out, 
gerollt hat dieſe Politik Muſſolini, indem 
er ſeinen Lohn für die Handlangerdienſte 
zugunſten Frankreichs durch die Mobil- 
machung gegen Abeſſinien einzulöſen begann. 
Damit iſt die europäiſche Politik vor eine 
völlig neue Situation geſtellt. Ernſt 
Wilhelm Eſchmann hat eine vorzügliche 
Schrift über „Die Außenpolitik des 
Faſchismus“ (Junker u. Dünnhaupt 
Verlag Berlin) veröffentlicht, deren klare 
Sicht durch die in den letzten Monaten voll- 
zogenen Tatſachen nur beſtätigt wird. Cid- 
mann bezeichnet als dëch Biet ber 
faſchiſtiſchen Außenpolitik die Herrſchaft über 
das Mittelmeer“. And ſeine Behauptung 
ift richtig: „Die anderen politiſchen Pro- 
bleme Europas und die der Weltpolitik ſind 
für Italien Randfragen zu dieſer Zentral- 

age.“ Nach faſchiſtiſcher nfiht kann 
Italien infolge ſeiner geographiſchen Si⸗ 
tuation nur Herrſcher des Mittelmeers oder 
fein Gefangener fein. Dabei ift, wie Cid- 
mann erklärt, das Mittelmeer für die aupen- 
politiſche Ideologie Roms keine geographi- 
jhe Beſtimmung, ſondern ein Ausftrah- 
lungszentrum, das es wirtſchaftlich zu de⸗ 
herrſchen und in dem es politiſch und mili- 
täriſch ein Aebergewicht erſtrebt. Hodinter- 
eſſant iſt, was Eſchmann über die italieniſchen 
Ziele in Aegypten, Arabien und Abeſſinien 
ſchreibt. Das Werk von Joſef März „Die 
Adriafrage“ (Kurt Vowinkel Verlag 
Verlin-Grunewald) tft eine glänzende Çr- 
gänzung zu den von Eſchmann nur ſkizzier⸗ 
ten Problemen des „„mare nostro“. Auch 
dieſer Fragenkomplex wirt bis auf weiteres 


in der Rechnung europäiſcher Diplomaten 
offen bleiben. Die Arbeit von Joſef März 
tft wiſſenſchaftlich⸗geopolitiſch orientiert, be- 
handelt Land und Völker der Adria, Kultur 
und Wirtſchaft wie Geſchichte und Staats- 
politik. Die eingehenden Forſchungen, die 
März mit Hilfe von 6 großen Adriafahrten 
durchgeführt hat, laſſen das Buch als das 
gründlichſte und reifſte wiſſenſchaftliche Werk 
über dieſes Problem in der neuen deutſchen 

iteratur erkennen. Der bekannte Geopoli- 
tiker Karl Haushofer ſchickt den Ausführun- 
gen von Joſef ärz eine längere Einlei- 
tung voraus. 


In einer Zeit, wo der Faſchismus die 
europäiſche Politik in Atem hält, wird man 
nicht allein bei den großen machtpolitiſchen 
Faktoren unter den Völkern und Staaten, 
die von dieſer Politik am W berührt 
werden, ſtehen bleiben. Zu einer klaren 
Beurteilung kommt man nur dann, wenn 
man die politiſche Geiſtesgeſchichte dieſer 
Nation kennt und daraus Schlüſſe zu ziehen 
vermag. Ans Deutſchen will der bekannte 
italieniſche Profeſſor Franco Valſecchi, der 
auch eine Zeitlang an der Aniverſität Leipzig 
gewirkt hat, mit ſeinem Buch „Das 
moderne Italien“ (Hanſeatiſche Ber- 
lagsanſtalt Hamburg) die politiſche Cnt- 
wicklung ſeines Vaterlandes ſeit 1900 nahe 
bringen. Valſecchi gehört zweifellos zu den 
an Köpfen der faſchiſtiſchen Wiſſenſchaft. 

eine großen Kapitel „Das neue Zahr- 
hundert“ und „Die Kriſe“ beweiſen, daß er 
nicht nur ein guter Denker iſt, ſondern dazu 
ein ausgezeichnetes Einführu svermigen 
wie einen Blick für das Weſentliche befist. 
Zugegeben ſei auch, daß er das innere 
Weſen der wachſenden faſchiſtiſchen Staats- 
form gut zu erläutern verſteht. In 
vielem berührt er Dinge, die auch die Dy- 
namik des Nationalſozialismus beeinflußt 
haben, aber es läßt ſich auch deutlich der 
imperialiſtiſche Zug des Faſchismus er- 
kennen, der unſerer Weltanſchauung fremd 
ift. So ift diefe Geiftes- und Kultur- 
geſchichte des modernen Italien gerade in 
der Gegenwart ein wertvoller Beitrag zum 
Verſtändnis der europäiſchen Situation. 


30 Neue Bücher 


Hermann Stegemann: „Weltwende“, der 
Kampf um die Zukunft und Deutſchlands 
Geſtaltwandel. Deutſche Verlagsanſtalt, 
Stuttgart / Berlin. 

Der große Schweizer Hiſtoriker hat mit 
dieſem Werk eine großartige Schau der 
Nachkriegspolitik niedergelegt und von dem 
Geſichtspunkt aus, daß nach dem Welt- 
krieg als wahrhaft epochemachendes Ereignis 
nur die nationalſozialiſtiſche Revolution 
und damit Deutſchlands Erneuerung an— 
zuſprechen ift, das europäiſche Kräfſteſpiel 
und Europas politiſche Weltlage beobachtet. 
Er leitet feine Darſtellung mit einer alän- 
zenden Skizzierung der Rolle der einzelnen 
Kontinente ein und kommt von dieſer 
weltpolitiſchen Schau zur Politik Europas. 
Anter dem politiſchen und wirtſchaftlichen 
Druck der Mächte vollzieht ſich der Ge— 
ſtaltwandel Deutſchlands und die Aeber— 
windung von Verſailles. Weil hierin 
Stegemann die große Wende ſieht, ſtellt 
er die inneren und äußeren Vefreiungs- 
kämpfe der Nation ſeit 1918 in den 
Mittelpunkt feines Werkes. Geradezu er- 
ſtaunlich, wie der Schweizer die großen 
Phaſen der deutſchen Nachkriegsgeſchichte 
erfaßt und verarbeitet hat. Mit den Arſachen 
und den Vorausſetzungen einer ſo lig. 
reichen Entwicklung der nationalfozialijti- 
ſchen Bewegung hat der Schweizer Hiito- 
riker ſich eingehend beſchäftigt. Aeber das 
Geheimnis der Führerperſönlichkeit Wolf 
Hitlers vor dem Aufſtieg der Bewegung 
faat er: „Er ſelbſt hat fih nie als Proleta- 
rier gefühlt, auch als Bauarbeiter nicht als 
ſolcher bekannt. Der Klaſſengedanke lag dem 
Anverkaſteten fern, er war von dem Glauben 
an ſein Volk erfüllt, aber noch nicht zum 
Einſatz ſeiner eigenen Perſönlichkeit im 
Kampf für das erahnte völkiſche Ideal ge— 
langt. Er war noch nicht zur höheren Lei— 
ſtung vorgeſtoßen, aber das Verlangen nach 
Geſtaltung wies ihn, da ihm kein anderer 
Wog offenitand, auf die Baukunſt als die 
ſeiner Naturanlage entſprechende Betäti— 
gung hin. Er wollte Baumeiſter werden, 
und ein Baumeiſter iſt er geworden.“ 
Als Ausgangspunkt der Ideenwelt Adolf 
Hitlers erkennt Stegemann das Volk! „Er 
fab in der Volksſormung das die Zukunft 
beſtimmende Prinzip“, während der „Stahl— 
helm“ ſich zum Ziel geſetzt hatte, „die Er— 
neuerung des Reiches vom Staate aus und 
auf den Staat hin zu ſichern.“ Vamerkens— 
wert mag es als das Zeuanis eines Aus— 
länders erſcheinen, wenn Stegemann über 
die innere Wirkſamkeit der Ideen des Füh— 
ters urteilt: „Kein Volk ut von Anfang an 
ſo ganz von ſeinem Geſtaltwandel erfaßt 


worden wie das deutſche, keine Revolution 
iſt ſo von der SH Nation erlebt worden. 
Es war von Anfang an eine kollektiviſtiſche 
Erſcheinung und vorbeſtimmtermaßen eine 
nationale und ſoziale Revolution.“ Mit der 
Machtübernahme durch Adolf Hitler beginnt 
Di die große Wende in der europäiſchen 
Politik zu vollziehen. Es iſt hier kein Raum, 
um die treffliche Deutung Stegemanns aus- 
führlicher zu behandeln — es verdient 
unſerer Meinung nach aber erhöhte Be— 
achtung, wenn dieſer Schweizer, der ſeinen 
klaren hiſtoriſch-politiſchen Blick nicht nur 
in dem vorliegenden, ſondern bereits in 
ſeinen früheren großen Werken bewieſen 
hat, zu dom Schluß kommt, daß dieſe Wende 
eine Rückverlagerung des politiſchen 
Schwergewichts nach Oſten einleitet. So 
ſchließt er fein Werk, das mit einer Deu- 
tung der weltpolitiſchen Lage begann, durch 
eine ſehr gründliche Amreißung aller wid- 
tigen Oft- und Güpdoitprobleme Europas. 
Stegemann predigt keinen Antergang des 
Abendlandes, aber eine Weltwende, die 
durch die nationalſozialiſtiſche Bewe gung 
eingeleitet worden ift. „Alles ijt in Be 
wegung geraten“, und die Zukunſt gehört 
dem Starken. Wir können nicht oft genug 
wiederholen, wie notwendig eine politiſche 
Schau unſerer Zukunftsaufgaben und unſe⸗ 
rer weltpolitiſchen Verantwortlichkeiten iſt. 
Daß es ein Schweizer ijt, der unſere Volks 
ſeele ſo wunderbar erkannt hat, aber auch 
unſere politiſche Zukunftsmiſſion ſieht, ſollte 
uns nur zur verſtärkteren inneren Rüſtung 
für das kommende Europa antreiben. 


G. K. 


Soldatentum und Kultur. Von Guſtav 
Steinbömer. Hanjcatifde Verlags- 
anſtalt, Hamburg. 

Es iſt richtig, wenn der Verfaſſer in der 
Einleitung ſagt, daß erſt nach einem neuen 
Denken über den Staat der Zuſammenhang 
von Kultur und Staat wieder ſichtbar ac: 

worden iſt. And dieſen Zuſammenhang ot, 
gezeigt zu haben mit einer gründlichen Ve: 
herrſchung des geſchichtlichen Materials iſt 
das Verdienſt Steinbömers in ſeiner Schrift. 

Der Liberalismus hatte dafür geſorgt, daß 

das Wiſſen um die goeſchichtliche Tatſache, 

daß alle Kultur das ſtaatliche Sein eines 

Volkes zur n hat, gründlich ver. 
ſchüttet wurde. Die Kultur gegen den Staat 
anszuſpielen iſt eine liberale Grundtheſe. 

Der Liberalismus kannte nur die äußere 
Beziehung zwiſchen Kultur und Staat, in 
der dem Staat die Aufgabe zufällt, die Frei 
heit der Kultur zu ſichern und die äußeren 


Das neue Heidelberg 31 


Mittel zur Verfügung zu ſtellen. Der Staat 
ſelbſt hatte ſich möglichſt überflüſſig zu 
machen und neutral zu ſein, die Kultur aber 
war ſouverän und autonom“, ſagt Stein- 
bömer. Einer der Repräſentanten des 
Staates iſt das Heer, welches mithin nach 
der liberalen Geologie auf der Gegenſeite 
der Kultur ſteht. 

Es erhellt, daß einer Vetrachtung, die die 
herkömmliche Trennung von Kultur und 
Staat bekämpft, einen entſprechend umfaſſen⸗ 
den Kulturbegriff haben muß. Steinbömer 
ſchließt ſich dem von Jacob Burckhard an, 
der indeſſen nicht die Schärfe und Deutlid- 
keit des Kulturbegriffs des jungen Nietzſche 
bat, den Alfred Baeumler in ſeinem 
Nietzſche⸗Büchlein klargelegt hat. 

Steinbömer beſchränkt ſich auf vier 
Epochen der neueren Geſchichte, bei denen er 
den Zuſammenhang von Kultur und Heer 
bloßlegt und typiſiert dabei richtig, indem er 
die Anterſcheidung durchführt: 1. der 
Standestyp des Friderizianismus; 2, der 
Bildungstyp des deutſchen Idealismus; 
3. der Berufstyp des liberalen Zeitalters; 
4. der Soldat im völkiſchen Führerſtaat. 

Bei Beurteilung der geſchicht⸗ 


bömer nicht immer richtig verfahren zu ſein. 
So iſt die Theſe, daß das preußiſche 
Offiaierforps ein „ſäkulariſiertes Ethos 
eines Prieſteradels“ hatte, hiſtoriſch eine 
bloße Konſtruktion, für die wohl zum Teil 
Spengler mit verantwortlich ijt. Dieſes ver- 
dienſtvolle Korps war leider eine volis- 
fremde Standesangelegenheit, die ſich vor 
allem durch Fremdheit gegenüber den im 
Laufe des 19. Jahrhunderts ſich radikal ver- 
ändernden wirtſchaftlichen und geſellſchaft⸗ 
lichen Tatſachen auszeichnete. Die große 
preußiſche Geſchichte verliert wirklich nicht an 
Wert, wenn ihre einzelnen Abſchnitte einmal 
etwas kritiſcher geſehen werden. Dahin ge- 
hört auch die kritikloſe „ der 
reaktionären Rolle der v. Marwitz 
Müller ⸗Gruppe bei den ige ote 
formen durch Steinbömer. 

Solche und wohl auch noch andere Cin- 
ſchränkungen find leider bei den fo verdienſt⸗ 
lichen Erörterungen Steinbömers nicht zu 
vermeiden, was um fo mehr zu bedauern ift, 
als Steinbömers Büchlein ſonſt vor züg⸗ 
lich den Zuſammenhang von Kultur und 
Staat auch einem breiten Loſerkreis zu ver- 


lichen Situation ſcheint uns Stein- mitteln imſtande iſt. E. L. 


Das neue Heidelbers 

Aus 550-Sabefeier dev univer (ita 
In einem Zeitpunkt, da alle Poſitionen des deutſchen Lebens durch den totalen 
Anſpruch der Revolution angegriffen und neu geſtaltet werden, feiert die Aniverſität 
Heidelberg das Jubiläum ihres 550 jährigen Beſtehens. Seit um die Wende des 
18. zum 19. Jahrhundert die Dichter und Maler aus dem ganzen deutſchen Lebens- 
raum nach Heidelberg kamen, um in ihrer Weiſe Bild und Seele der Landſchaft 
in Worten zu prägen und in Farben zu deuten, iſt mit dem Namen dieſer Stadt in 
der ganzen Welt unlöslich der Begriff der Romantik verbunden. Im Zeichen dieſes 
Geiſtes wurden damals in Heidelberg aus der vollen Fülle des Lebens heraus un— 
vergängliche Formungen des innerſten deutſchen Weſens geboren. Allein auf dieſe 
Epoche der Schöpfung folgte ein auflöſendes Menſchentum, das, zum eigenen Ge— 
ſtalten zu ſchwach, einzig in der Abſchrift die Erſcheinungen auszudrücken imſtande 
war. Das Geſchlecht war ohne den geheimnisvollen Erreger, der die wahren Werte 
der Nomantik einſt verurſacht hatte und ſie werden ließ, weil ſie werden mußten. 
Es wußte nicht um den Zuſammenhang der Dinge dieſer Landſchaft, nicht um den, 
der ſie geknüpft hat und damit nicht um den, der ſie wieder zu geben vermag. Es 
muß hier einmal ganz klar die Stellung der Jugend zu der viel beſungenen, damals 


32 Das neue Heidelberg 


entſtandenen Alt⸗Heidelberg⸗ Romantik ausgeſprochen werden. Was wir ablehnen, 
das find die Verflachungen und ungezählten Fälſchungen aus jener Zeit, was wir 
bekämpfen, iſt das Verbrechen, in Himbeerwaſſer und Vollmond den Ausdruck der 
Innerlichkeit unſeres Volkes zu verkünden. Die Anwälte dieſer Ideen der vollendeten 
Zerſetzung werden Zug um Zug verſchwinden mit ihren Niederlagen im politiſchen 
Kampf. Allein indem wir die Fälſchung vernichten, werden wir uns den beſtändigen 
Wert nicht nehmen laſſen. Die betriebſame Romantik iſt im Vergehen und neu 
erſteht die Einſicht für die wahre Empfindung eines Brentano, Hölderlin und Arnim 
genau ſo wie für die Größe ihres Vermächtniſſes, zu deſſen Weitergabe wir uns 
verpflichtet wiſſen. 

Wer heute nach Heidelberg kommt, wird Schritt auf Schritt die Ablöſung des 
Zeitalters der bürgerlichen Sekurität durch den Aufbruch eines heldiſchen Willens 
erblicken. Die gemeinſame Front der kämpfenden jungen Arbeiter und Studenten 
dieſer Stadt hat die Kraft, die Arſachen zu erkennen, die Schwachheit und 
Fälſchung des Gedankens ihrer Landſchaft begründet haben, zugleich aber iſt ſie von 
der Leidenſchaft durchdrungen, die nötig ſein wird, um zu den Werten vorzudringen, 
auf denen ihre wahre Stärke beruht. 


Der Ehrenfriedhof und die Feierſtätte auf dem Heiligenberg, deſſen Göttlichkeit 
ſchon die Germanen verehrten, ſind erhabene Demonſtrationen der Wiedergeburt 
Heidelbergs aus dem Geiſt der nationalſozialiſtiſchen Revolution. Das Schloß, 
das geſtern noch in verſchobener Blickeinſtellung als intereſſante Ruine allein be- 
trachtet wurde, wird heute wieder begriffen als ewiger Zeuge deutſcher Aneinigkeit 
und als Mahner an die Folgen, die noch immer entſtanden ſind, wenn wir ſchwach 
waren. Damit iſt auch das Schloß ſeiner wahren Beſtimmung wieder übergeben, 
die einſt die Wittelsbacher der Pfälzer Linie im Auge hatten, als ſie an den 
Hängen des Königſtuhls einen Wehrbau errichteten. Die Hochſchule Heidelbergs 
aber muß den Ruf vom Heiligen Berg und von der ewigen Wache am Königſtuhl 
aufnehmen und an die Gräber binden den großen neuen Beginn im Kampf um 
die Erneuerung des deutſchen Geiſtes und deutſcher Forſchung. 

Hat die Romantik dadurch ihren Sinn verloren? Nein. Sie hat ihn wieder 
gewonnen. Von der Schuld eines Jahrhunderts gereinigt, ſchickt ſie ſich von einem 
neuen Heidelberg aus an, ihre Beſtimmung zu erfüllen. Hans Bähr. 


Hauptſchriftleiter: Günter Kaufmann (3. 3t. in Urlaub). Schriftleitung: Dr. Karl Lapper, Stellvertreter, un 
Wilhelm Utermann. Anſchrift: „Wille und Macht“, Reichsjugendführung, Berlin . Kronprinzenufer 10. 
Tel. D2 5841. Verlag Deutſcher Jugendverlag G. m. b. H., . Lützowſtr. 06 Tel. eee 
Verantw. für den Anzeigenteil: Kurt Otto Arndt, Berlin. — DA Vİ. 36: 15 433, Pl. Nr. — Druck: 
Theodor Abb Buchdruckerei, Berlin EW 68. „Wille und Macht“ ijt a beziehen durch den Deut ack Ju ic 
verlag oder jede deutſche Buchhandlung ſowie durch die Poft. jo vicrtelj. RM. 1,80 zuzügl. Beſte 

Bei Beitellung von 1 bis 3 einzelnen Nummern bitte den Betrag in Briefmarken beizulegen. da Nachn 
fendung zu teuer iff und dieſe Beſtellung ſonſt nicht erledigt werden kann. Maſſenbezug durch den Verlag 

laut beſonderen Bezugsbedingungen. 


F. Hoffstätter, Bonn 
Emall-Abzeichen, Medaillen für 


\ Wir haben immer iunger. 
(Vic haben immer Durft, 
EN (Vas andre Leute efen, 
| AD Das ift uns wirklich wurft; 
22 ion Erbs wurft in dem Reffel, 
2 Die fchmeckt und die gibt fruſt. 
Die letzten Filometer, 
Die find dann ſchneli gefchafft! 


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Fernruf 2110, Postfach 85 
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„Wille und Macht!” 


Soeben erſchien: 


Hans Chriſtoph Kaergel 


Einer unter Millionen 


Noman 


Hans Chriftoph Kaergel ſchrieb mit dieſem Amerika - Roman fein 

erlebnisſtärkſtes Buch. Vor dem Hintergrund der Wolkenkratzer 

New Dorks, inmitten einer pauſenlos abrollenden, meiſterhaſt ge- | 

hrten Soumo die alle Höhen und Tiefen des Erlebens durd- 
n 


duft, eingehüllt in die Erzählung einer Liebe, die zu den innigſten 
und zarteſten unſerer Dichtung gehört, entwickelt fig um Martin Windeck, 
den in den Kriſenjahren der Syſtemzeit abgebauten Bankbeamten 
aus Waldenburg, ein ig e Schickſal, wie es Tauſenden und 
aber Tauſenden widerfuhr. Zwar ſchlägt ſich Windeck drüben leidlich 
durchs Leben: heute Tiſchler, morgen Totengräber, dann Stalljunge 
und Milchkutſcher, zwar gibt ihm die Fremde, was ihm die alte Heimat 
für immer zu verweigern ſchien: Arbeit und Leben. Aber er wird 
nicht glücklich dabei. Denn erſt jetzt, erſt hier im fremden Land, im 
Strom der Weltſtadt En er, wie tief er Deutſchland liebt und daß 
er ſich nie von ihm löſen kann, um Amerikaner zu werden. Auto- 
biographiſche Züge find dieſem Schickſal mannigſach verflochten. So 
end dieſes neue Werk des bekannten ſchleſiſchen Erzählers eine 
eſondere Bedeutung als das Lebensbekenntnis eines Mannes, den 
Grenze und Ausland ſeinem Volkstum zutiefſt verwurzeln ließ. 


Pappband RM. 360 7 Ganzleinen RM. 4,80 


Zeitgeſchichte 


Verlag und Vertriebs⸗Geſellſchaft m. b. H., Berlin W 35 


Miinchen 43 2116 
Partei Zentral Archiv 


Braune Buw-Ring | 
Die Buchgemeinſchaſt unserer Rett 


| Die im Braunen Buh-Ning zuſammengeſchloſſenen Männer | 
| und Frauen ſehen im Buch das wirkſamſte Mittel, die national- 3 
ſozialiſtiſche Weltanſchauung zu vertiefen und das wiedergewonnene 8 
deutſche Lebensgefühl zu ſtärken. 
| Der Braune Buch-Ning bringt grundſätzlich nur Critverdffent- ` 
lichungen, alfo keine Nachdrucke und keine Neuauflagen bereits | 
erſchienener Werke, und unterſcheidet ſich dadurch von allen | | 
anderen deutſchen Buchgemeinſchaften. 
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Ich bitte um foftenlofe und unverbindliche Sufendung von Druckſchriften. 


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Hauptarchiv der NS 

| Abi, Jugendbewegu ` 

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