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Wille-Macht
Sübreuousan dev nationalſosialiſtiſchen Jugend
HERAUSGEBER: BALDUR VON SCHIRACH
Sabesans 1936
Subalisoevseiehuis
Haupiſchriftleiter: Günter Kaufmann, Neichsjugendführung, Berlin NW 40,
Rronpringenafer 10 — Verlag: Zentralverlag der NED Ap., Münden 2 NO
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Große Auffdge
Anacker, Heinrich: Wachſein ift alles
v. Arnim, Prof. Dr. Achim: Die entmilitariſierte Zone 8
Backhaus, Karlheinz: Die Hanfe und ihre Wirtſchaftsformen
— Hat das deutſche Dorf eine N nötig?
ne Prof. Dr. Alfred: Zum „Mythus des ane Jahrhunderts“ e
Jahn, der pees der hen. eibeserziehung
Bährens, E Der Kampf um die Macht in Belgien
Barth, Dr. J.: Reichsberufswettkampf und Jugend — Stachanom
Bodhoff, Dr.: Repräfentation! . :
Bornhagen, K. Vë Großgrundbeſitz oder Bauernbetrieb?
Brockmeier, Wolfram: Die Seele der deutſchen Landſchaft
Buch, Walter: Der zweite Kriegsartifel E alten SEN
Bürckner, Trude: Vom Weg des BDM.
Calließ, Dr. Heinz: Der chemiſche Krie
Eckert, Dr. Gerd: Film auf ſchiefer B :
Edding, Friedrich: Schlagwort iberaliamus f
Euringer, Richard: Grundzüge der deutſchen Haltung .
E. K.: Die geiftige Situation unferer Zeit
Ganzer, Dr. Karl Richard: „Ich lerne mich beherrſchen“
Geier, Dr. Erwin: Der Strafvollzug an Jugendlichen
Groß, Dr. Walter: Der Totalitätsanſpruch der jungen Generation
Grothe, H.: Schickſal und Treue (Über Joſepha e eee
Gutjahr, Herbert: Freie Stadt Danzig?
— Para anrapbenmäbige Politik.
Haacke, Wilmont: Plauderei um das Militär der anderen
Hagen, Hugo: Jeſuitiſcher Bolſchewismus :
Halbe, Georg: Bon der Vollmacht, des Diiren
1 Hans: „Er geit u uns“
shhh Friebrich eimat .
Humbold, Hans: Der Südoſten im europäiſchen Schachfpiel
— Die Staatsidee des Japantjmen ii ;
— 10 85 uuf Schutz
Hüttig, Dr. Werner: Schrifttum zur Raffenfrage
— Der Feind ſchreibt mit f
Johſt, Hanns: Nation und Dichtung ;
Kaufmann, Günter: Der König und wir e
— Der große Auftrag an Wehrmacht und Wehrpflichti e.
— Geleitwort zur Herausgeberſchaft Baldur von Schirachs
— ler, Beek, ge egen die magyariſche Volfstumspolitifé. . .
Keller, Pr oi fgang: Zum Streit um Rothes Shakeſpeare d
Keppler, Ernit: Grabbe Ee e
Keudel, Rudolf: Niet che, ein tz.
Könitzer, Willi Fr.: Die Staffel .
— Der cee Dichter C. %. Meye
Rube, ilhelm: Unſere Hitler⸗Ju Ge
Kries, v. W.: Zwiſchen Heimat un Ausland
Krüger, Dr. Gerhard: Feldherr und Staatsmann
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K., E.: pee wundene Unterwelt l
Bange, 2 eh 5 iale Kämpfe gegen das Yusfandsbeutichtum
18 0 Woltmann . . l
F Sch dé farina: gun! Sabre 93. Arbeit
Leiſtritz, Dr. Hans Karl: Kampf gegen die Jurisprudenz
— Entrechtung der Jurisprudenz
Löffler, Hans: Zölibat und Sittlichkeit in ber Katholischen Rithe
Menzel, Herybert: Führer und Volk
— Tag der nationalen Arbeit
— Der frohe Gott der Völker
— Sterne über den Hütten .
Merkel, Dr.: Planwirtidajt .
v. Meyenn, answerner: Die politiſche Feier a ale
Mietbrodt, Karl: Urbeiterjugend im Bann des Marrismus :
Möller, Eberhard Wolfgang: Die Feier des SES
— Die ipaniige 1 alle b
en Karl: ,, SE Tod und Teufel“ .
Münſtermann, Dr. W. Beitanigaulice Gegner Preußens
Reeke, Dr. eer Bekenntnis zu Nie SC
— Von der Freiheit eines Nationalſo ls en
— Die Hauptlehren des deutſchen Verfa ogialiften in * der’ Dariteflung
— Die Einigung der deutiden Jugend im nationalſozialiſtiſchen Reich.
ning oi zur Doch Einheitsfront von Bolſchewismus und Ratholigismus?
mibe Kir e und Judentum A
Biden's r. H.: ee und Treue im Jugendehrrecht í
v. Poll, Dr. F.: Nationaler Sozialismus oy ner Tugend .
Pollal, gaier: SC kämpfen um ihr L l
Pöhrnhoff, E. K. ehören die elen,
Prokſch, Rudolf: eo tent, der däniſche in
v. Bürdel, E.: Die ſpaniſche Feuersbrunſt .
Rainalter, E. 5.: Schrifttum aus Desen .
Randolf, Peter: Die 5 der Straße aus dem Kraftwagen.
Reineder, Herbert: Die Geſundheitsführung der HJ.
Rojenberg, Alfred: Nationalſozialiſtiſche Erziehung
— 3 mit alten Werten
Rüdiger, K. H.: Klarheit über Othmar Spann
— Kunſt in der V s en
— Auslefe der Sg
Siewert, Wulf: Das ittelmeer in der europäilgen Politi
— „ Oſt politik
ie Ee am Skagerrak WEE
Schenke, Wolf: Weimar und Potsdam ’
idert, Klaus: Der Jude in den ſozialen Spannungen ber Balter
irach, Baldur v.: Zum Jahr des Jungvolks ;
— Uber den ehemaligen Großdeutſchen Bund
Scorer, Friedrich: Frankreich unter dem 100. Kabinett feiner britten Republit
Schlünder, Grat: Die körperliche lung im Saunen une
— Die körperliche edd in der HJ. :
liter, Walter: Ich rufe die es ber Welt
midt, Friedrich: Der Kampf gegen das Elend auf Dedienburgs Gütern
ubert, Leo: Der Kampf der Sudetendeutſchen
Schumann, Gerhard: Wenn fie dir ſchuldlos.
Schwitzke, Dr. Heinz: Das Kaiſerbuch von Paul Ernit .
Steinbömer, Guftav: Zum Streit um Rothes Shakeſpeare ;
Stellrecht, Hellmut: Das eg: über bie SE sugent
Tor, E. ar Spiegel eines Lebens
— Agnes Miegel
Throta, Thilo von: Charakter und Schönheit
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v. Tſchammer und de Geleitwort . 14/15
Utermann, Dr. Kurt . Ratholisismus in ber deutſchen Geſchichte ; 1
Utermann, Wilhelm: Bei Georg K 5
— Der Bildhauer Joſeph Thorat. fo a SO a o 10
— Der 1 Pe. zu neuem ete : 17
Biererbl, Dr. Karl: Der po CH Katholizismus in der Tſchechoſtowatet 2
— Sehn u t nad dem ’ 13
Volker, Hallo: Germaniſches Erbe im deutſchen Beipnahtsbrauhtum . 1
At wé Sof. Magnus: Zum Streit um oe SEET: 7
Willprecht, Hellmut: Das Innere Reich 23
W.: Blick auf Japans Probleme 7
Jerz Dr. Hans F.: Heute Moor und morgen {rudtbares Se Land. 3
erkaulen, Heinrich: hid aus einem Dorf . 19
as Naß alf gal ; d Ofte ichs Ei ta tüicht i 18
Nationalſozial GA un rre gen a eit
Idee oder Ideologie 19
Der Arbeiter in der Landwirtſchaft 19
Se CR Unruhe in der Welt, Friede im Reich 20
* Als Schirach den Stubentenbund morte ; 21
gie Gläubige iſſenſchaft 22
Außenpolitiſche Notizen |
Heft Heft
Garantie für Kownos Politik. 1 T land und ton TE.
Zur Piyhologie einer europäischen eform, Reaktion ober Sowjet-
e Go e E : gece r . . . 18
ohn Pierpont und die den 1 19
Tarif nach Geſichtsfarbte 4 wiſchen de f i
Wenn Militärs Politik machen 6 Innerpoiitie Lage in Polen . 19
Die nächſten fünf Millionen . 6 Bemerkungen zur Romreiſe der oe 20
Auf se en hegte 5 ent: : Warum denn Abwertung? . 20
Au en des franzöſiſchen Sparers ntſchieden 21
GE 79 15 0 Wenden und die Reichs⸗ : Chinesen VC x ig 21
agswa Immer wieder bie deutsche Gefahr. 21
Otto den will Landesfürſt · werden 8 i
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uae Sahr 7 er 19 12 polit tik) > 99
n Jahr ohne den Marſcha 2 . " SS
Der deutſche Akkord 14/15 Diplomatiſche Reifezeit vee 23
Neue Manner vor alten Problemen 14/15 „ron Deutſchland und die Welt . 24
Geſpräche mit pangangen POUR Nach dem Ende der Flottenverträge
frontminiftern . . von Waſhington und London . 24
Kleine Beiträge und Randbemerfungen
Der Herenwahn .
Dienſtpflicht aller Chriften .
Ein ſeltſamer „Erntekranz“
Zwiſchen den Zeilen
Ernſteſte Bedenken
Starhembergs göttliche Weitorbnung
Handel mit Heiligen ;
Kultur für 30 Prennet
Ein Irrtum
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Heft
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Die Unfruchtbarkeit der ee
Rohe und Pf Fr
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Denti SCH Auslandsinſtitut in Wien
Welchen Nutzen haſt Du?
Auslandsdeutſche und (Auslands
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Chriſtliche Riiftungspolitit .
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Heft
Ohne Kommentar! 5
Mit Giftgas und Granaten ins Sims
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Wann bit Du nüchtern? 5
Die Internationale der Greuelhetzer 5
Der vaterländiſche Abendanzug 5
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Heft
Was ſagt eg pean bee Sue
Geſellſchaft 12
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Geiſtige Gleich chaltung be ee . 18
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Zwischen Schwarz und Weiß . 14/15
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Recht und RA im „Chriſtlichen 14/15
Ständeſtaa : 5 Dramaturgiice Ranbbemertungen gu
Immer „Komaniſch“? : 5 den Heidelberger eee - 14/15
Um Mißverſtändniſſen vorzubeugen 5 Geiſt und Staat — enſätze? . 14/15
Kleiner een durch ein mert- gu Anekdote und ihre Nutzanwen⸗
würdiges ulweſen 6
Bolſchewismus als Forderung der anni Worte an preußische Ge⸗
jungen Nation . | neräle 6
Das namenloſe Volk ; 7 Red ertigung meines politiſchen
Niemand will Prieſter werden 7 rhaltens . 16
Ein Erhörungs rezept 7 De Seidenfadens Mönchsbrevier . 17
Wenn der Staat fis ZS, ; 7 „Oh du mein heiß Verlangen“. . 17
Erreichen die de gu Oftern das Grabbe 18
Ziel der Kla 8 Heinrich Anackers dichteriſces Tage:
Luthers Ramp chriften gegen das buch wéi: Zeit 18
Judentum f 9 Kunſtſchaffen im Weſten . . 18
Die neue Geſellſchaftsordnung 9 Der unfehlbare Pap . . 19
Shakeſpeare, Carow und Rothe . 9 SE Rabinettsjulti .. 19
1125 es Ka 20. Jahrhundert “alles auerntum auf dem Ba tan. . 20
Riges 9 Der Geift im Eril, Entwidlung gum
cori es ofterreich uf Vorſchuß 9 Schwätzer 20
9 Theaterkrititen „Katte“ und „Sam
E 9 let in Wittenberg“) 20
aur philoſo hiſchen Grundfegung bes Gerüchte um Baldur von Schirach 21
Nationalſozialis mus 10 1 Bauers jüngſte Irrtümer 21
Zeil Nachträge . . 10 haſſe alle Deutihen“ . 21
eilige in allen Lebenslagen . .. 10 N enkunde im Dienſt der Rekatho⸗
ee H Ratfe Het un j . . . 10 w, mate 3 ca d eg 22
erge e Hoffnung . . . . 10 e ufgaben er Re ugen
Wafers adonnen . ..... . 10 Wehrerziehung 22
Spe euer in Prag it ah GS || Neue Denkmäler für unfere Toten. 22
„Gefährliche Zeiten“ 10 Oſterreichs 900 000 Stiefkinder . 23
Coangeliumsverfiindigung am Hel: Die Drohung des 15. Juli 1937. 23
dengedenkta . . 10 Um das ëch der Ke önlichkeit 23
Die gische Union droht! 10 Zum Abbau der klöſter ichen Lehr⸗
Wun chbilder der e Sets kräfte 24
tung“ . 11 Gedanken um Winterſonnenwende
8 oder Revolver? 11 und Weihnachten 24
eht es nicht! . 11 ot Lanbwirtigatt im Bierjahres
Pre end mit viel ſchönen Reben . 12 i . 24
„Totgepredigte“ Jugend .. 12 Muftkerzieher aus der 53. . . 4
Theater und Film
Heft Heft
Der Anfang zu neuem Theater. . 17 Theater als Katheder (Marie Saar
über die Ballade zu neuem Drama 22 lotte Corday) . :
pant und Mannſchaft . . 22 Die Kritik an den 23 jährigen . 24
tandſchütze Bruggler , . 28 Geſchichte wird lebendig. . . . 24
Beſprochene Bücher
Dautert, Eri „Auf Walfang und Robbenjagd m Shain
aanen, Rar Th.: Jungens am Himmel
es Svend: Ruf der fernen BEES
SCH, $ anns: Maske und ern
er, Dr. Will: Wille und ert .
3 Hellmuth: nad Lienhard und in Anteil!
5 Roman: eroifche Jugend f
urchartz, Prof.: Soldaten
Meisner, Helmut: ores zum Volk
Schwab, 8 sther: Menſch ohne Raum
Eggers, Kurt: Schickſalsbrüder ,
Knocker, Edwin: Juden mit der weißen Welte .
pol mann, Heinrich: Parteitag der Freiheit
Meier⸗Benneckenſtein, P.: Dokumente der deutschen Bolitit
Seignobos, Ch.: Geſchichte Frankreichs
Trevelyan, ©. M.: Geſchichte Englands .
Srbik H., Ritter von: Deutſche Heimat
ailing, Heinar: Weltgeſchichte
Möller, Albrecht: Wir werden das Volk
SE Paul: Cin Credo.
i gedrigotti, Auton, Graf: Tirol bleibt Tirol .
Gergengenen, Werner: Der Großtyrann und das Gericht
Heidenſtam, Werner von: Karl XII. und feine Krieger
5 Strauß Lulu und Tornay: Der Hof am PEME:
Knittel, John: Via Mala. . i
Gerhard, Heinz: on 5 der Memel
Lerſch, Heinrich: Hammerſch Sauer
iſcher, Erich: Die jun e e haft 8
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— NS.⸗Monatshefte, Heft 69, Dezember 1935 .
Alexander, Lucie: Unſer der We eg '
Strauß, Eberhard: Kameraden unterm Spaten f
ESA Bengt: Svar Halling . SÉ
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de Traz, Chouteau Robert: Franzöſiſches Soldatentum .
Wanderſcheck, Dr. Hermann: Weltkrieg und Propaganda ,
C bert Prof. Dr. Hans: Politiſche Raumordnung
ardt, Karl Aug. Das Studium der Wirtſchaftswiſſenſchaft l
55 Bléie Dr. Joh.: Deutſche d eſchichte in Dokumenten
Berndt, Alfred J.: Vom Arbeitsplatz zum MG⸗Dreyſe
Kohl SA Werner: Das deutſche Soldatenlied
Ro rof. Dr. Hugo: Rojenberg und die Bibel ,
Miller, Alfred: Ee aft im Dienſte der Duntelmanner
Metzke, Erwine: Geſchichtliche Wirklichkeit
v. Moltke, Helmuth: Der türkiſch⸗ (ong De Feldzug 1839
Veltzé, Alois: Die Schlacht bei Adua 1896 . .
ğrentag, Guftav: Kamp und Beide im Spätmittelalter
chiller, Friedrich: Guſtav l
eee Mar: darn orſt ker die preußiſche Heeresteform i
Wießt, H.: Heer, 5 Luftwaffe
Ernie Günter: Von Mollwi tz bis Annaberg ;
de Gaulle, Charles: Frankreichs e
— NS.⸗Monatshefte im neuen Jahr
Udet, Ernft: Mein Fliegerlebenn
Jakobs, Theodor: Die letzte Schlacht
Kruſe, Hein: Der Gefallene ruft
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v. Bremen, Carl: Die Schifferwiege
Ehrenreich, Bernd: Marine⸗SA.
Crete Herbert A.: Flaggt Droe und Frohſinn
rote, Freiherr H. H.: Ein Ruf erging .
— Das Lied der Arbeit, Selbftergeugniife der Sqhafſenden
Weber, Leopold: Die Be ee deutſch .
Aders, Egon Friedr. M heater wohin? .
Rosenberg, Alfred: Geſtaltung der Idee
Bley, Wulf: Wehrpflicht des Geiſtes
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wart
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Wüllenweber, Dr.: Altgermaniſche Erziehung. SECH
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Saler däi, Zeitenwende ;
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t, Friedrich: Geſtaltete Freizeit
Langenbucher muth: AEN a Dichtung der Zeit
Augufting, Waldemar: Dronn Marie
erkaulen, Heinrich: Blau i bas Meer
Amann, Hermann: Die Volksgruppen um die beutjihe Geigiäte .
Weller Caracciola: candi — Sieg — Rekorde!
Axmann, Artur: Olympia der Ar eit.
Benmelburg, Werner: Mont Ro
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Senn, a ba Die Freihel des Geiſtes
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v. cane Dr. Johann: Blut und Raſſe in der Geſetzgebung.
Srenfie yet Die le vor dem Skagerrak ;
urm, Exakt: Die Adlerin
— Adolf Hitler, ein Mann und fein Volk, Sonderausgabe des JB.
Eberhard, Siegfried: Friedrich der Gro ße ee
Leiſtritz, Dr. pons Karl: ea ple Bun des Boltsgenoffen :
Lauduer, Rolf: Cin Leben für den S : :
Bruns, Marianne: Die Dioskuren Si Olympia A
Mant, Dr.: Das vierte Siegel
H Andor: Fünf Jungen ziehen ins Ungarland .
Feiß 6 Erich: Hermann Löns der Miederdeutidhe .
Heiz, Friedrich: Die ſüdoſtdeutſche Weg ene
Strauß, Emil: Der Nackte Mann e
v. Rante, Leopold: Preußiſche Geſchichte
de Coſter, Ch.: Ulenſpiegel und ame Godjat .
Lauterbacher: Die Toten der HI.
Ganzer, K. R., Der 9. November 1923 :
Strobel, Hans: ane im Jahreslauf :
Servers, urt und Walberg, Karl Georg: Pimpfe überall
Strauß, Lulu und Torney: Balladen „Erde der We
Bwin er, Edwin Erich: Das namenloſe Heer . A
Blun ans Fr.: Die Wiedewitte . ;
an raf Gottfried: Männer am Brunnen .
önitzer, Willi Fr.: dei ein 5 in Deutſchland
Kuron, Victor: Deut} land, ich liebe D
Krockow, Dr. Martin: Deut chlands Zuſammenbruch und Freiheitskampf 1918/1985
Sende Wahrhold: Die Vorherrſchaft der EEN ale *
Semjonow, Dr.: Die Güter der Erde :
SO er, 2 allas Athene
riebrich: Weltfreimaurerei, Weltrevolution, Weltrepublit.
Barthanſen, oachim: Das gelbe Weltreich a
Druck: Münchner Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn KG., München
BE
zrorsander nationalſozialiſtiſchen Zugend
14
dem Zuhalt:
Klarheit über Othmar Spann
Der Kampf der Sudetendeutschen
politische Katholizismus in der T schechoslow
— Über Josefa Berens- Totenohl — Zur Psychologie einer europäischen W
Zwischen den Zeilen — Ernsteste Bedenken — Vom Biichermerkt.
Dei? Berlin, den 15. Saunas 19036 Ginselpecis 30 Pfs.
Subalt
Der politiſche Katholizismus in der Tſchechoſlowakei . Dr. Karl Viererbl
Der Kampf der Sudetendeutſ ches Leo Schubert
Klarheit über Othmar Span Karlheinz Rüdiger
„Planwirtſchaf tt. Dr. Merkel
Stabshauptadtetiungsletter
Schickſal und Treue (Ueber Joſefa GerensTotenohl) . Dein Grothe
Außenpolitiſche Notizen:
Zur Pſychologie einer europätfchen Wanze
Nandbemerkungen:
Zwiſchen den Zeilen
Ernſteſte Bedenken
(
Vom Büchermarkt ö
|
Kunſtdruckbeilage:
Die Prager deutſche Aniverſität (Foto Weltbild); Siegel der Karls⸗
Univerfität Foto (Atlantic); Eine deutſche Dichterin: Joſefa Berens ⸗Totenohl
(Foto Schmieding) (|
dahrgang 4 Berlin, 15. Januar 1936 Heft 2
Or. Karl Viererbl:
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Der volitijibe Katholizismus in der
Tichechoſlotwwakei
Als die Kirchenglocken des hunderttürmigen Prag im vergangenen Sommer den
erſten geſamtſtaatlichen Katholikentag einläuteten, da bezog auch der politiſche
Katholizismus der Tſchechoſlowakei eine neue Pofition gegen das „neuheidniſche“
Deutſchland. Dieſer kirchlichen Veranſtaltung waren nämlich lange diplomatiſche
Verhandlungen zwiſchen Prag und dem Vatikan vorausgegangen, um die ſeit zwei
Jahren abgeriſſenen Fäden wieder zu knüpfen. Seit dem Abbruch der diplomatiſchen
Beziehungen zwiſchen Prag und Rom im Herbſt 1933 war eine Verlagerung der
mitteleuropäiſchen Kräfteverhältniſſe eingetreten. Die Poſition, die der politiſche
Katholizismus in Polen durch das Abkommen zwiſchen Berlin und Warſchau in
feiner Ringpolitik um Deutſchland verloren hat, war in der Tſchechoſlowakei wieder-
zugewinnen, um ſo eher, als die Tſchechoſlowakei ja ein ſehr wichtiges Bindeglied
in dem militäriſchen Bündnisſyſtem Paris Prag — Moskau darſtellt. Der Vatikan
war daher an einer Bereinigung ſeiner Streitfragen intereſſiert, wie umgekehrt
Prag und Paris die Verſtärkung ihrer Front durch den politiſchen Katholizismus
nur wünſchenswert war. Alſo fand man bald einen modus vivendi, der durch den
Prager Katholikentag gekrönt wurde. And während die Gläubigen mit frommen
Kirchenliedern im Munde durch die winkeligen Gaſſen des barocken Prag zogen
und aus den Kirchen die letzten Weihrauchſchwaden der Dankgottesdienſte zogen, da
wurde zwiſchen dem päpſtlichen Legaten Verdier, der zugleich auch Erzbiſchof von
Paris ift, und dem tſchechiſchen Außenminiſter die Verhandlungen über den Mb-
ſchluß eines Konkordates und eines „Beiſtandpaktes“ abgeſchloſſen. Das Konkordat
brachte Rom die beſchlagnahmten Kirchengüter und eine Reihe anderer ideeller und
materieller Vorteile. Im „Beiſtandspakt“ aber verſichert, wie das tſchechiſche Blatt
wpoledni Lift” erklärt, der Vatikan der Tſchechoſlowakei, er werde all feinen Cin-
2 Viererbl / Der politiſche Katholizismus in der Tſchechoſlowakel
fluß darauf verwenden, „dem tſchechoſlowakiſchen Staate die Treue und aktive Unter
ſtützung der katholiſchen Einwohnerſchaft zu ſichern, beſonders, ſofern es ſich un
die Sudetendeutſchen und die Slowaken dreht .. Kardinal Innitzer (Wien)
hat angeblich erklärt, daß er jede Aufgabe übernehme, die ihm der Heilige Stuhl
hinſichtlich eines Druckes auf unſere Deutſchen (d. f. die Sudetendeutſchen) out
erlegt“. Ferner wird die Anterſtützung des außenpolitiſchen Kurſes Dr. Beneſchs
zugeſichert — durch den Vatikan einerſeits und die katholiſchen Parteien anderer:
ſeits. Die Auswirkungen dieſer Abmachungen laſſen ſich auf der ganzen Linie
feſtſtellen.
Dem ſudetendeutſchen politiſchen Katholizismus, der durch die chriſtlichſoziale
Volkspartei repräſentiert wird, fiel vor allem die Aufgabe zu, der „reichsfreund⸗
lichen und nationalſozialiſtiſchen Einſtellung des Sudetendeutſchtums entgegen
zuwirken“. Gleichzeitig wurde fie zur Preisgabe ihrer ſcharſen oppoſitionellen Cin
ſtellung zur Regierung veranlaßt. Der neue Kurswechſel kommt rein äußerlich ſchon
im Sturz des bisherigen Parteiobmannes Prof. Dr. Hilgenreiner zum Aus
druck, den man damit bemäntelte, daß man erklärte, er könne infolge ſeiner Wahl
zum Rektor der Prager Deutſchen Aniverſität ſein Parteiamt nicht mehr ausüben.
In Hilgenreiner ſah man keinen Garanten für die Einhaltung des neuen Kurſes.
Es iſt eine andere Sprache, die das offizielle Parteiorgan des politiſchen
Katholizismus, die „Deutſche Preſſe“ (Prag), ſpricht, wenn es in ſeiner Ausgabe
Nr. 235 vom 13. Oktober 1935 in Beſprechung der Nürnberger Geſetze erklärt:
„In der Tat, der Nürnberger Parteitag hat ſäkulare Bedeutung. Die Auswirkungen
feiner Beſchlüſſe auf die menſchlichen Freiheiten des deutſchen Volkes find nicht abzuſehen.
Ein Kulturkampf mit ſolchen Perſpektiven im Herzen Europas erhebt ſich daher zu einem
europäiſchen Problem, das alle Fragen unſeres heutigen Geſchehens auf das tiefſte berührt.
Am ſo wichtiger iſt es daher, im Rahmen unſeres ſudetendeutſchen Volkstums klar
und offen den Ernſt dieſer Fragen zu behandeln. Die Gender des benachbarten Reiches
laffen keine Gelegenheit vorübergehen, um das Gedankengut des nationalſozialiſtiſchen Neu-
heidentums dem Sudetendeutſchtum zugänglich zu machen
Die Sorgloſigkeit, mit der in manchen, auch katholiſchen, Kreiſen die Wirkungen des
deutſchen Kulturkampfes auf die ſudetendeutſche Bevölkerung beurteilt wird, ift febr ge
fährlich. Das katholiſche Sudetendeutſchtum muß ſich ganz klar
feiner beſonderen Aufgabe im Rahmen des Geſamtdeutſchtums
bewußt fein. Es gilt, eine katholiſche Front aufzurichten, an der
jeder Verſuch, die neuheidniſchen und nationalſozilaliſtiſchen
Lehren in das Sudetendeutſchtum zu tragen, ſcheitern muß.“
„Das katholiſche Sudetendeutſchtum muß fih ganz klar feiner beſonderen (I)
Aufgabe im Rahmen des Geſamtdeutſchtums bewußt fein .... Es gilt eine katho⸗
liſche Front aufzurichten.“ Das ſind Worte, die wir den einzelnen Volksgruppen
entſprechend überall im Auslandsdeutſchtum hören können. Die Front gilt
dem nationalſozialiſtiſchen Deutſchland! And dies um fo mehr, als
das Sudetendeutſchtum infolge ſeiner nationalen und wirtſchaftlichen Notlage bis
jetzt auch nicht einen Augenblick Zeit gefunden hat, ſich mit Kirchenfragen zu be⸗
ſchäftigen. Die deutſchen Menſchen im Sudetenland haben ſich innerlich mit ihrer
Viererbl /B Der politiſche Katholizismus in der Tſchechoſlowakei 3
Kirche auseinandergeſetzt. Heute ſucht der politiſche Katholizismus nach einem Zank⸗
apfel, heute iſt er bereit, einen „Kulturkampf“ zu entſachen, um die politiſche und
geiſtige Einheit des Sudetendeutſchtums zu ſprengen, wie man es in Rom und
Prag will. Das Sudetendeutſchtum hat in den letzten Jahren ſeine Loyalität zum
tſchechoſlowakiſchen Staate oft genug unter Beweis geſtellt. Es hat aber auch ebenſo
ehrlich ſein Bekenntnis zur geſamtdeutſchen Bluts. und Kulturgemeinſchaft abgelegt
und dieſes Bekenntnis nicht abhängig gemacht von der im deutſchen Kernſtaat herr⸗
ſchenden Weltanſchauung oder einer beſtimmten Regierungsform. Daß es von den
weltanſchaulichen und geiſtespolitiſchen Amwälzungen des Kerndeutſchtums erfaßt
wurde und ſich in ihm ſelbſt ein Erneuerungsprozeß ſeines politiſchen Denkens voll⸗
zog, war nur eine natürliche Erſcheinung. Es hieße die volkliche Einheit und bin⸗
dende Kraft von Blut und Sprache überhaupt leugnen, wenn man die Natürlich⸗
keit einer geiſtigen Gleichrichtung der fern vom Volksſtaat lebenden Volksteile mit
dem Volksteil im eigenen Staate beſtritte. Von dieſem weltanſchaulichen Bekennt⸗
nis bleibt die ſtaatspolitiſche Verpflichtung der Volksgruppen unberührt. Der
politiſche Katholizismus, der in Deutſchland geſchlagen ift, ſpielt heute das Be-
kenntnis zu den Lebensprinzipien der deutſchen völkiſchen Weltanſchauung gegen
die ſtaatspolitiſche Verpflichtung aus, ſtellt ſie heute in Gegenſatz und bekämpft das
Bekenntnis zu den Lebensprinzipien des völkiſchen Staates, um ihn ſelbſt zu be⸗
kämpfen. Es geht ihm heute gar nicht mehr um das neue Prinzip,
ſondern um Deutſchland ſchlechthin. Es gibt in der ſudetendeutſchen
chriſtlichſozialen Partei Kreiſe, die dieſen ſeparatiſtiſchen Kampf nicht billigen. Sie
find unterlegen. Ihr Führer aber wurde in die Verbannung geſchickt.
Vor einiger Zeit hat der ehemalige Miniſter Dr. Mayer⸗Harting, der Exponent
der romhörigen Richtung — übrigens ein Judenſtämmling — ein politiſches Referat
gehalten, das den bezeichnenden Titel trägt: „Anſer Weg in die Zukunft',
in dem er ſich mit den Arſachen der Wahlniederlage auseinanderſetzte und gegen
die ſudetendeutſche Einheitsbewegung Front machte. Er führte u. a. aus:
„Was ſoll werden? Wir wollen unabhängig und ſelbſtändig bleiben, das hat bereits
der Reichsparteitag geſagt. Ich möchte ſagen: wir müſſen ſelbſtändig bleiben aus kulturellen,
ſozialen und nationalen Gründen. Mit dem Sturz des Sentrumsturmes in
Deutſchland hat auch das Leiden des Katholizismus in Deutſch⸗
land begonnen. Die Chriſtlichſoziale Volkspartei iſt auch das Gegengewicht gegen
die ſoziale Reaktion. Der chriſtliche Sozialismus ift aber auch ein Gegengewicht gegen
einen marpiſtiſchen Linksblock. Anentbehrlich find wir auch als nationale Partei. Denn
ruhige Aeberlegung bringt zur Aeberzeugung, daß eine ſudetendeutſche Einheitspartei
unſerem Volke kein Heil bringen könnte. Daß eine Parteimehrheit bisher keine be⸗
merkenswerten Erfolge erringen konnte, bedeutet noch nicht, daß eine Einheitspartei mehr
Erfolge erringen würde
Eine geſchloſſene Oppoſition des geſamten Sudetendeutſchtums wäre vielleicht zu
Beginn des Staates von Nutzen geweſen. Damals hatten wir die Möglichkeit, uns ent⸗
weder geſchloſſen auf den Boden des Staates zu ſtellen oder geſchloſſen gegen den Staat.
Heute aber wäre cine folge geſchloſſene Oppoſition der Sudeten
deutſchen — nach meinem Gefühle — bedeutungslos vor allem in
4 Viererbl / Der politiſche Katholizismus in der Tſchechoſlowakei
den Augen des Auslandes, weil das Ausland leicht zu befriedigen
wäre durch Beſtellung eines deutſchen Landsmann Miniſters, der
ſich immer finden würde...
So follte ſich eine zielbewußte ſudetendeutſche Politik vielmehr die Weisheit eines
nichtdeutſchen führenden Staatsmannes zunutze machen, der geſagt hat: „Niemand glaubt
an den dauernden Beſtand der politiſchen Lage von heute in Europa. Darum iſt es gut,
ſich am Leben zu erhalten, um die Zukunft zu erleben!“ Es mag bei uns manche geben,
die da glauben, daß der Beſtand dieſes Staates nicht von Dauer ſei. Ich gehöre nicht zu
dieſen. Aber auch wenn man dieſen Glauben hat, iſt es ein gewagtes Spiel, alles auf
eine Karte zu ſetzen. Der Sinn der Politik muß ſein: „leben, um zu erleben.“ Dazu brauchen
wir hierzulande Deutſche in der Regierung. Die SDP (Sudetendeutſche Partei) ift aber
lange nicht berufen, ſich an einer Regierung zu beteiligen, ja noch mehr: die Sorge, daß
etwas zugunſten der GOP gebucht werden könnte, veranlaßt die Tſchechen alles zu ver-
meiden, was den Deutſchen nützen könnte. Man glaubt ihrem Aktivismus heute trotz aller
Bemühungen nicht auf tſchechiſcher Seite und ſtellt ihn gar nicht in Rechnung. Man
wertet den Aktivismus der SDP beſtenfalls innenpolitiſch. Heute aber tft das Cnt-
ſcheidende die Außenpolitik. Die ſtaatliche Außenpolitik kann aber nur eine Friedenspolitik
ſein. Friedenspolitik aber heißt, alles zu tun, was den Krieg vermeidet. Das heißt
in tſchechiſcher Sprache: keine Grenzverſchiebung. Jeder beſonnene Menſch weiß freilich:
ſo wie es iſt, wird es nicht bleiben, wir müſſen vielmehr alle gemeinſam eine Löſung an⸗
ſtreben, die alle befriedigt, aber einen Krieg vermeidet. And die Löſung hat vielleicht
bereits ein Seipel vorgezeichnet, als er ſagte: weder Anſchluß, noch Donaukonföderation,
ſondern beides: Erhaltung der Selbſtändigkeit Oeſterreichs im Rahmen
eines polätäiſch und wirtſchaftlichorganiſierten Donauraumes und
ſeinen Zuſammenſchluß mit Mitteleuropa.
Das können auch wir akzeptieren. Das bedeutet Selbſtändigkeit des tſchechoſlowakiſchen
Staates und Kulturgemeinſchaft mit dem ganzen deutſchen Volke. Im Zeichen einer
ſolchen Außenpolitik finden wir uns mit der tſchechiſchen
offiziellen Außenpolitik auf einer Linie und dadurch allein wird
auf beiden Seiten das Vertrauen geſchaffen, das auch eine innenpolitiſche
Löſung geſtattet. Dieſe iſt nicht ſo ſchwer, wie es ausſchaut. Dazu braucht es nicht mehr
als die Verwirklichung der in der Verfaſſung bereits gewährleiſteten Gleichberechtigung
durch die entſprechenden Durchführungsgeſetze. Zum Schluß erklärte der Miniſter: Keine
Gleichſchaltung, ſondern im Gegenteil Herausarbeitung unſeres
weltanſchaulichen Standpunktes, der uns religiös als poſitive
Chriften im Sinne des Katechismus und „Quadragesimo anno“,
politiſch als überzeugte Demokraten mit dem Programm einer
friedlichen Löſung der innen- und außenpolitiſchen Probleme,
ſozial als chriſtliche Sozialiſten vom deutſchen Nationalſozialis
mus trennt.“
Die Linien- und Zielrichtung des politiſchen Katholizismus find in dieſer Rede
ſcharf herausgearbeitet. Auf ihnen bewegt ſich die praktiſche Politik, die vom
kleinſten katholiſchen Pfarramt ausgeht. And es konnte daher nicht überraſchen,
daß in einem Gerichtsverfahren wegen Herſtellung illegalen kommuniſtiſchen Pro-
pagandamaterials, das zur Verbreitung in Deutſchland beſtimmt war, das Leit—
meritzer Preſſegericht feſtſtellte, daß ein Großteil der Flugſchriften mit Erlaubnis
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Viererbl / Der politiſche Katholizismus in der Tſchechoſlowakei 5
eines katholiſchen Geiſtlichen als Drudereileiters in der driftlid-fogialen Partei-
druckerei „Anion“ in Teplitz⸗Schönau hergeſtellt worden ift!
Auf dem Kongreß der deutſchen chriſtlichen Gewerkſchaften in Reichenberg
verwies Dr. Henfeler vom internationalen Arbeitsamt in Genf, wohin er einſt
als Vertreter der chriſtlichen Gewerkſchaften des Deutſchen Reiches entſandt wurde
und der noch heute Beziehungen zu ehemaligen Zentrumskreiſen unterhält, daß die
deutſchen chriſtlichen Gewerkſchaften in der Tſchechoſlowakei nach der Auflöſung der
chriſtlichen Gewerkſchaften in Deutſchland eine beſondere Tradition zu wahren haben.
„Sie wird“, fagte er, „dafür ſorgen müſſen, daß es ſpäter einmal
möglich ſe in wird, dort fortzufahren, woman vor zwei Jahren
aufhören mußte.“
Noch eindeutiger äußerte fih der Vertreter des internationalen chriſtlichen Ar-
beiterverbandes, Serraerenz, Amſterdam. Er ſagte: „Einrichtungen der Ge-
werkſchaften haben keinen Ewigkeitswert. Ewigkeitswert aber hat die Würde des
Menſchen, des Arbeiters.
Das Kreuz der Gerechtigkeit und Nächſtenliebe wird ſtehenbleiben, wenn
andere Kreuze längſt geſchwunden fein werden. Wer wirklich unter
dem richtigen Kreuze ſteht, läßt ſich — wo er auch ſei — von keiner Tagesſtrömung
tragen. Anſere Aufgabe iſt es für den einzigen Führer, den es
auf Erden gibt, zu kämpfen und die Welt zu geſtalten im
Zeichen des einzigen Kreuzes.“
Der Obmann des Verbandes der chriſtlichen Gewerkſchaften in der Tſchecho⸗
ſlowakei, der Abgeordnete Schütz, ſagte u. a.:
„Durch den weiten Siedlungsraum, den Deutſche in Europa bevölkern, geht
eine revolutionäre Welle, ein Zittern und Beben, das alle Volksglieder erfaßt.
Was in unſerem Volkskörper vorgeht, ift eben mehr, als ein Rollentauſchen zwiſchen
politiſchen Parteien. Es iſt ein Ringen um die Grundideen.
Wir ſind Volk an der Grenze. Darin ſteckt viel Großes, aber auch viel Tragiſches.
Volk an der Grenze heißt Damm ſein, der von zwei Seiten umbrandet wird; beißt
Mauer ſein, die von zwei Seiten beſtürmt wird.“
Der politiſche Katholizismus iſt in der Tſchechoſlowakei und im edo de e im
Sudetendeutſchtum an der Arbeit. Eine neue ſeparatiſtiſche Front iſt aufgerollt,
die der Eingliederung des Sudetendeutſchtums in die reichsfeindliche Angriffs-
linie gilt.
Die Klerikalen leiſten der Linken Gefolgſchaft. Seit dem Katholikentage und
der tiefgreifenden VBeſſerung des Verhältniſſes Prag — Vatikan, haben fie ihre
politiſche Taktik weſentlich geändert. Die Beziehungen SramekBeneſch find beffer
geworden. Schwarzrot ſteht ſich augenblicklich näher als ſchwarzgrün, obzwar dieſe
Farben weltanſchauungsmäßig und traditionell engere Verbindung zueinander hätten.
Der „ſozialiſtiſche“ Flügel der Regierung, tſchechiſche und deutſche Sozial-
demofraten, die Kommuniſten und die tſchechiſchen Nationalſozialiſten — die Volks-
front des Herrn Dimitrow — hat durch die Klerikalen Verſtärkung erhalten. Was
6 Schubert | Der Kampf der Sudetendeutſchen
ihn mit den Klerikalen verbindet, iſt die antideutſche Gin,
ſtellung und Front gegen das nationalſozialiſtiſche Deutſch ⸗
land.
Ein marxiſtiſches Blatt ſchrieb kürzlich: „Wir find etwas allzuſehr daran ge-
wöhnt, in jeder Organiſation, die nicht feſt mit der alten guten Tradition der
ſozialiſtiſchen Gewerkſchaftsbewegung zuſammenhängt, etwas Reaktionäres oder au-
mindeſt etwas Gegenſozialiſtiſches zu ſehen. Vor einigen 30 Jahren iſt das wohl
ſo geweſen. Die Alten unter uns erinnern ſich noch an den ſchweren Kampf, den
wir in der Gewerkſchaftspolitik führten.. Im Laufe von Jahrzehnten aber
haben ſich die Verhältniſſe und auch die Menſchen geändert. Heute ſind z. B.
die nationalſozialiſtiſchen Gewerkſchaften eine feſte und ſehr ſtarke Einheit der
ſozialiſtiſchen Gewerkſchaftspolitik. Nach dem Kriege haben ſich auch die Hriftlid-
ſozialen Gewerkſchaften in ihrer Politik den modernen Richtungen angeglichen
Wir haben heute keinen Grund nicht auch die chriſtlichſozialen
Gewerkſchaftsorganiſationen als ein Geftandteil der
modernen Gewerkſchaftsbewegung in unſerer Republik zu
betrachten. Vielleicht rümpft über dieſe Behauptung
mancher die Nafe. Aber mit Anrecht.“
Wenn ſich die Marxiſten mit einem alten Gegner und Konkurrenten verſöhnen,
dann gibt es einen ſtärkeren, den ſie fürchten!
Leo Schubert:
Der Kampf der Gudeiendentidern
Jahrzehnte des politiſchen Kampfes in Oeſterreich brachten weder im Parlament zu
Wien, noch im böhmiſchen Landtag zu Prag eine allſeits befriedigende Löſung der deutſch⸗
tſchechiſchen Streitfragen. Eine Ausnahme ſtellt der Ausgleich in Mähren durch die
lex Perek dar, der eine Teillöſung brachte und bis in die heutige Zeit inſofern herüber⸗
wirkt, als hier das Elternrecht in Schulfragen nicht gilt, d. h. die Eltern find nicht be⸗
rechtigt, ihre Kinder nach Wunſch in eine deutſche oder tſchechiſche Volksſchule zu ſchicken,
ſondern entſcheidend für die Wahl der Schule iſt die Nationalität der Eltern.
Nach der Errichtung der Tſchechoſlowakei fiel nicht nur das ſchlimme Wort von den
Rebellen und Koloniſten, ſondern es erfolgte ſoſort eine Scheidung in dem Sinne, daß
feſtgeſtellt wurde, es gebe nur ein Staatsvolk und dann die Minderheiten. Dieſe Degra-
dierung kam mehrfach in der Geſetzgebung zum Ausdruck.
Daß der Wille zur Löſung des deutſch⸗tſchechiſchen Problems nicht vorhanden war
und nicht vorhanden ift, beweiſt doch die Tatſache, daß auch nur eine Distuffion darüber
gar nicht ſtattfindet oder nicht beachtet wird, oder aber immer wieder den vergeblichen
Verſuch von deutſcher Seite aufzeigt, zu einer ernſten Erörterung zu gelangen, der höchſtens
mit neuen Verdächtigungen beantwortet wird.
Wir haben ein Jahrzehnt deutſche Beteiligung an den verſchiedenen Regierungen in
Prag. Es iſt weltbekannt, daß daraus das Sudetendeutſchtum keinen Vorteil hatte. Welchen
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Schubert | Der Kampf der Sudetendeutſchen 7
Wert kann aber auch eine derartige Beteiligung haben, wenn fie nicht einmal eine Diskuſſion
des deutſch⸗tſchechiſchen Problems anftrebt und durchführt, geſchweige denn eine Löfung
bringt? Es wird ſogar behauptet, daß den deutſchen Parteien gegenüber ein direktes
Verbot der Aufrollung dieſer unbequemen Frage beſteht und der Verzicht darauf Bedingung
der Aufnahme in die Regierungslaube iſt. |
Gewiß erhebt ſich hier und da ungehört und unerhört eine Stimme aus dem tchechiſchen
Lager, welche um des Staates willen den nationalen Frieden fordert. Zahlreich ſind die
Ratſchläge tſchechiſcher Zeitungen und Politiker an die deutſchen Mitbürger über das
Mindeſtmaß von Loyalität. Man kann dieſe Forderung auf eine einfache Formel bringen.
Wenn tſchechiſche Volksgenoſſen ſich in der gleichen Lage ſo benehmen würden, wie man es
von den Deutſchen verlangt, würden ſie aus der Volksgemeinſchaft ausgeſchloſſen und als
nationale Verräter gebrandmarkt werden.
Sowohl der frühere Außenminiſter Dr. Benes als auch der jetzige Miniſterpräſtdent
Dr. Hodza haben wiederholt in letzter Zeit zum deutſch⸗tſchechiſchen Problem Stellung
genommen und eine Zuſammenarbeit beider Nationen für möglich und wünſchenswert er⸗
klärt. Vollkommen falſch wäre es, daraus im Auslande und auch in der Tſchechoſlowakei
Schlüſſe in der Richtung zu ziehen, als ob wir am Vorabend einer Verſtändigung ſtünden.
Man muß ſich doch darüber klar ſein, daß die Tſchechei nicht deshalb als ſelbſtändiger
Staat errichtet wurde, um das Selbſtbeſtimmungsrecht der Völker in die Tat umzuſetzen,
oder aber nur deshalb, um den Sehnſuchtstraum von Maſaryk und Beneš nach einem
tſchechiſchen Nationalſtaat zu verwirklichen. Neben anderen Gründen ſchon deshalb nicht,
weil das Selbſtbeſtimmungsrecht der Mehrheit der Bevölkerung des neuen Staates nicht
zum Ausdruck gekommen iſt und nicht kommen durfte, und auch deshalb nicht, weil die
Tſchechoſlowakei ja gar kein Nationalſtaat ift, ſondern ein Nationalitätenſtaat, eine ver-
kleinerte Neuauflage der öſterreichiſch⸗ungariſchen Monarchie. |
Außenpolitiſch, um mit Maſaryk zu ſprechen, hatte der Staat eine Barriere zu fein,
auf dem Weg Deutſchlands nach dem Baltan; um im Geiſte Beneš zu ſprechen, ein Vor-
poſten Frankreichs, eine gegenüber dem Jahre 1914 weitere zuſätzliche Flankenbedrohung
des Deutſchen Reiches. Innenpolitiſch war feine Aufgabe die Aufſaugung der Slowakei,
die Niederhaltung von 1 Million Ungarn und 3% Millionen Sudetendeutſchen. Die
größte Erleichterung für ihn wäre es, wenn das Sudetendeutſchtum die Fiktion eines
ſudetendeutſchen Stammes und die Schaffung des deutſchſprechenden Tſchechoſlowaken als
das Ziel feines innerpolitiſchen Ringens auffaffen würde.
Weil die DNS Ap das Ziel des tſchechiſchen Volkes kannte und in das von
Vernichtungswillen befeeltem Beſtreben alle Machtmittel des Staates geſtellt wurden
und werden, konnte ſie ihr innerpolitiſches Wollen nur auf den Kampf um die nationale
Selbſtverwaltung konzentrieren und konnte dem Exiſtenzwillen des deutſchen Volkes weit
fichtbar Ausdruck geben durch die den Kampf beherrſchende Loſung nach dem Schutz von
Schule, Scholle, Arbeitsplatz.
Es iſt nach wie vor unſer felſenfeſter Glaube, daß von dieſer Sicherung Sein und
Nichtſein abhängt, und auch die Erkenntnis, daß Vorausſetzung hierfür die Er⸗
langung der nationalen Selbſtverwaltung ift. Mit um fo ſtärkerem Glauben und fitt-
licher Berechtigung muß an dieſer Forderung feſtgehalten werden, als die Selbſtverwaltung
dem Analphabetenvolk der Karpathoruſſen in der Verfaſſung garantiert und dem Slowaken
im Pittsburger Abkommen feierlich entſprochen wurde.
Alle Maßnahmen, alle Geſetze dienen in ihrem Endziel der Schwächung der wirt-
ſchaftlichen und nationalen Stellung der Deutſchen in der Tſchechei.
8 Schubert / Der Rampf der Sudetendeutſchen
Das große ſoziale Hilfswerk der Bodenreform wurde nicht dazu benützt, um dem land-
hungrigen Volke Grund und Boden zu geben, um den Bodenbeſitz der Gemeinden zum
Zwecke einer gefunden Wohnungs- und Siedlungspolitik zu mehren, um den Arbeitsmarkt
zu entlaſten. Sie wurden mißbraucht zur Schaffung eines neuen tſchechiſchen Landadels
und zu Huer, und Schiebergeſchäften übelſter Art, ſowie zur Tſchechiſierung des deutſchen
Siedlungsgebietes. Selbſtverſtändlich verloren in dieſem Zuſammenhange zehntauſende
deutſcher Güterbeamten, Forſtangeſtellten und Waldarbeiter Brot und Arbeit. Es würde
den Rahmen des Artikels weit überſchreiten, wenn hier all die durch die Boden- und
Waldreform im deutſchen Gebiet angerichteten Schäden aufgezeigt werden. Es folen
nur einige Tatſachen die Größe des Verluſtes darlegen.
Den größten Teil der beſchlagnahmten Wälder behält der Staat für ſich, entgegen
den ausdrücklichen und klaren Beſtimmungen des Geſetzes, und er motiviert dies vor allem
mit dem Umftand, daß die Wälder faſt alle längs der Grenze liegen und die Grenz ⸗
bevölkerung als nicht verläßlich, wenn nicht als verdächtigt bezeichnet werden muß. Von
dem in Böhmen, Mähren, Schleſien — den ſogenannten hiſtoriſchen Ländern — beſchlag ⸗
nahmten Waldbeſitz liegen über 83 vom Hundert im deutſchen Siedlungsgebiet.
Bei einer gerechten Durchſührung der Bodenreſorm hätte der im deutſchen Sprachgebiet
liegende Boden den deutſchen Bewerbern oder Gemeinden zugeteilt werden müſſen. Weil
nationaler Haß diktierte, konnte der Präſtdent des Bodenamtes ungerügt fagen: „Die
politiſche Befreiung unſerer Nation kann ohne Befreiung des Bodens nicht durchgeführt
werden.“ Das Bodenamt arbeitete nicht nach den Weiſungen des Parlaments, ſondern nach
denen nationaler Schutzvereine und der tſchechiſchen Hetzpreſſe. Es konnte dies um ſo
eher tun, als es 9 Jahre mit einer Leitung weiter amtierte, die nur auf 3 Jahre gewählt
war und die keinerlei Legitimation zu ihrer Tätigkeit hatte. Dies geſchah in einem
zentralen Staatsamt.
Von 148 neu gebildeten Kolonien liegen nur 6 in Gemeinden mit vorwiegend
tſchechiſcher Bevölkerung. Daraus iſt wohl am beſten der Zweck zu erſehen, dem die An⸗
ſiedlung der tſchechiſchen Legionäre und Rückwanderer diente.
Beſchlagnahmt wurden über 4 Millionen Hektar, d. ſ. faſt 29 v. H. des geſamten
Bodens der Tſchechei. Faſt % des beſchlagnahmten Beſitzes in den hiſtoriſchen Ländern
gehörte deutſchen Beſitzern oder liegt im deutſchen Sprachgebiet.
Weit ſchlimmer iſt die Aufteilung des beſchlagnahmten Bodens. Obwohl der nationale
Aufteilungsſchlüſſel niemals veröffentlicht wird und ſelbſt parlamentariſche Anfragen ent-
weder gar nicht oder nur ausweichend beantwortet werden, iſt die ungeheure Benachteiligung
der deutſchen Bewerber bekannt. Anter 1671 beteiligten Gemeinden befinden ſich nur
70 deutſche, und dieſe faſt alle nur mit kleinen Zuteilungen. Das geſamte Ausmaß der
Waldzuteilung an deutſche Gemeinden erreicht nicht 4000 Hektar, ſomit keine 4 v. H.
des Anteils der Gemeinden an der Wälderzuteilung. 22 tſchechiſche Gemeinden erhielten
34 Reftgüter, die deutſchen Gemeinden eines. In gleichem, wenn nicht noch in geringerem
Ausmaße wurden die privaten deutſchen Bodenbewerber berückſichtigt. Sicher iſt, daß
der deutſche Bodenbeſitz in den hiſtoriſchen Ländern um faſt 20 Prozent verringert wurde,
wenn auch zugegeben werden muß, daß die ſogenannten „deurſchen“ Großgrundbeſitzer und
der Adel durchaus nicht in allen Fällen als vollwertiger Beſitzſtand unſeres Volkes und
unſerer Heimat zu werten waren.
Was von der Scholle gilt, gilt auch für die Schule. Hier bedeutet die Sperre von
vielen Tauſend Schulklaſſen nicht nur eine Verminderung der Ausbildungsmöglichkeiten für
Schubert / Der Kampf der Sudetendeutſchen 9
unſere deutſche Jugend, ſie bedeutet auch den Verluſt von tauſenden deutſchen Arbeitsplätzen
für unſere Lehrerſchaft. l
Da 4000 Volksſchulklaſſen geſperrt wurden, haben die Deutſchen nur noch 9000 Bolts-
ſchulklaſſen, während 10 000 tſchechiſche Volksſchulklaſſen neu errichtet wurden.
Die Schaffung von künſtlichen nationalen Minderheiten im deutſchen Sprachgebiet und
das Beſtreben, durch Seelenfang möglichſt viel deutſche Kinder abhängiger oder bedürftiger
Eltern in tſchechiſche Schulen zu zwängen und damit ihrem Volkstum zu entfremden, iſt die
Arſache, warum heute in jedes kleinſte deutſche Dorf eine Schultrutzburg geſetzt wird.
Im deutſchen Sprachgebiet gibt es:
228 tſchechiſche Minderheits⸗Bürgerſchulen mit 1109 Klaſſen,
1177 tſchechiſche Minderheits⸗Volksſchulen mit 2873 Klaſſen,
942 tſchechiſche Minderheits⸗Kindergärten.
Die tſchechiſchen Minderheits⸗Kindergärten beſuchten 2403,
die tſchechiſchen Minderheits⸗Volksſchulen beſuchten 2758,
die tſchechiſchen Minderheits⸗Bürgerſchulen beſuchten 3041
deutſche Kinder. Der Prozentſatz deutſcher Kinder betrug bei den tſchechiſchen Schulen
7,6 v. H. und bei den Kindergärten gar 10 v. H., während nur 0,5 v. H. tſchechiſche Kinder
deutſche Schulen beſuchen.
Hervorzuheben iſt, daß die Zahl der übrigen tſchechiſchen Kindergärten, die nicht
Minderheitskindergärten find, in Böhmen nur 295 (gegenüber 393 deutſchen), in Mähren-
Schleſien 363 (gegenüber 238 deutſchen) betrug. Es gab alfo im deutſchen Sprachgebiet fait
ebenſo viele tſchechiſche Kindergärten als deutſche, und es gab im deutſchen Sprachgebiet
Böhmens doppelt ſo viel tſchechiſche Minderheitskindergärten als ſonſtige tſchechiſche
Kindergärten im tſchechiſchen Gebiete. Dieſe Zahlen beweiſen unwiderleglich die Tſchechi⸗
ſterungsabſichten und Tſchechiſierungsmethoden der Schulpolitik.
Bezeichnend iſt es, daß für das Staatsvolk durch den Staat überall im deutſchen
Gebiet Minderheitsſchulen errichtet werden, während ſonſt unter Minderheiten nur die
nichttſchechiſchen Völker der Tſchechei gemeint find. Bei den ſogenannten Minderheits⸗
ſchulen tragen nicht, wie bei anderen Schulen, die Länder den perſonellen und die Gemeinden
den ſachlichen Aufwand, ſondern alle Ausgaben trägt der Staat. Die Benachteiligung
der Deutſchen, die Minderheiten in hunderten tſchechiſcher Gemeinden haben, iſt auch daraus
zu erſehen, daß fie nur 7 ſtaatliche deutſche Kindergärten, nur 20 deutſche Minderheits-
volksſchulen mit 59 Klaſſen und nur 6 deutſche Minderheitsbürgerſchulen beſitzen und ihnen
mindeſtens 90 Bürgerſchulen fehlen. Man vergleiche dieſe Ziffern mit den früher ge⸗
nannten Ziffern das tſchechiſche Schulweſen betrefſend.
Beſonders hart getroffen find jene deutſchen Minderheiten, die durch die Maffen-
verſetzung deutſcher Staatsangeſtellter ins rein tſchechiſche Sprachgebiet entſtanden find.
Dieſe abhängigen Menſchen find alle gezwungen, ihre Kinder in tſchechiſche Schulen zu
ſenden. Kaſchau mit einer Minderheit von 3000 Deutſchen hat keine deutſche Schule und
nur der Deutſche Kulturverband läßt durch zwei Lehrkräfte Privatunterricht erteilen.
Auf der anderen Seite läßt ſich vielſach nachweiſen, daß tſchechiſche Prunkſchulbauten
in kleinen deutſchen Gemeinden errichtet wurden, in welchen ein einziges tſchechiſches Shul-
tind vorhanden war. Am diefe Schulen auch nur notdürftig zu füllen, mußten erſt finder-
reiche Lehrer-, Eifenbahner- und Gendarmenfamilien in den Ort verſetzt werden. Es
10 Schubert / Der Kampf der Sudetendeutſchen
wurden tſchechiſche Bürgerſchulen mit dem Koſtenaufwand mehrerer Millionen, mit einem
Faſſungsraum für mehrere hundert Kinder in deutſchen Grenzlandgemeinden mit 200 und
noch weniger Einwohnern errichtet, nur zu dem Zwecke, um deutſche Kinder in die Schulen
zu preſſen, um tſchechiſche Minderheiten zu ſtärken und ſehr oſt auch nur zu dem Zwecke, um
erſt eine tſchechiſche Minderheit in einer rein deutſchen Gemeinde zu ſchaffen. Die un-
geheure Not gerade im deutſchen Siedlungsgebiet zermürbt die Menſchen und macht nach
und nach den deutſchen Arbeitsloſen willig, ſeine Kinder in die tſchechiſche Schule zu
ſenden, wo dieſe nicht nur Lehrmittel frei und Bekleidung aller Art, ſondern auch ein
warmes Eſſen erhalten, das ſie zu Hauſe ſeit Jahr und Tag entbehren müſſen.
Der Kampf um den Arbeitsplatz brachte nicht nur durch die Bodenreform und durch die
Schuldroſſelungen dem Deutſchtum arge Verluſte, ſondern auch alle Geſetze, die jene An
geſtellten betrafen, die direkt oder indirekt in gewiſſer Abhängigkeit zum Staate fteben
oder in dieſe gebracht werden.
Tauſende deutſche Staatsangeſtellte aller Art verließen in den Amſturztagen ihre
Heimat und gingen nach Deutſchöſterreich. Nach dem Amſturz pochten zehntauſende
Legionäre und Revolutionäre auf ihre wohlerworbenen Regte und außer den neu ge-
ſchaffenen Poſten mußten alte frei gemacht werden.
Es ſetzten jene Aktionen ein, die den Deutſchen zehntauſende Stellungen koſteten. Die
Armee wurde faſt reſtlos von allen deutſchen Offizieren, Beamten und Anteroffizieren ge⸗
ſäubert. In allen anderen Neſſorts wurden ältere Beamte zwangsweiſe penſioniert, viele
ins rein tſchechiſche Gebiet verſetzt, wobei mancher den frühzeitigen Ruheſtand der Ver-
ſetzung vorzog. Dann kam das Joch der Sprachenprüfungen, die mehrmals abgelegt werden
mußten und ſtets weitere Säuberung brachte. Den großen Schub brachte die ſogenannte
Abbauaktion zum Zwecke der Erſparung, die insbeſondere bei der Bahn Zehntauſenden
den Verluſt des Arbeitsplatzes brachte. Nicht zuletzt hat auch jede Verſtaatlichungs⸗
aktion ſelbſtverſtändlich tauſende Volksgenoſſen brotlos gemacht.
Mindeſtens 50 000 deutſche Staatsangeſtellte wurden ſeit dem Jahre 1919 abgebaut.
Die Verſtaatlichung der Polizei bringt neue Verluſte. Die drohende Verſtaatlichung im
Bergbau bedeutet Tſchechiſierung weiter deutſcher Gebiete. Nicht der Verluſt dieſer
Arbeitsſtellen allein ſtellt die größte Schädigung dar, ſondern die Erkenntnis, daß dieſe
Stellen uns dauernd verſchloſſen find, weil eine Aufnahme deutſcher Bewerber faſt aus-
geſchloſſen iſt. Im Bodenamt z. B. war unter mehreren tauſend Angeſtellten ein Deutſcher.
Von 300 vor kurzem ernannten Getreidegeſellſchaftsreviſoren ſind 7 deutſche, trotz des
großen Einfluſſes der deutſch-agrariſchen Genoſſenſchaften.
Aber nicht nur die Verdrängung des deutſchen Elements aus allen Staatsſtellungen iſt die
Hauptſorge der ſtaatlichen Verwaltung, ſondern auch das Beſtreben, dem deutſchen Sprach-
gebiete den Stempel eines gemiſchten Sprachgebietes aufzudrücken. Dieſem Ziele dienen nicht
nur alle Vorſchriften über die Orts⸗ und Straßenbezeichnungen, Firmenſchilder uſw., ſondern
vor allem der Erſatz aller deutſchen Angeſtelltenpoſten durch verläßliche ſtaatstreue Elemente,
die ſogenannten Grenzler. Es iſt ſchon ſo, daß die meiſten deutſchen Orte keine tſchechiſche
Minderheiten, ja vielfach nicht einen einzigen Tſchechen hätten, wenn man alle Staats-
angeſtellten abberufen würde. Rein deutſche Gemeinden haben heute nicht einen deutſchen
Briefträger, Poft- oder Steuerbeamten, Eifenbahner oder Poliziſten. Die deutſche Stadt
Sternberg hat z. B. nicht weniger als 530 tſchechiſche Staatsangeſtellte und Arbeiter.
Zu dieſen ſtaatlichen Tſchechiſierungsaktionen kommt auch noch die ungeheure Kriſe
und die daraus entſpringende Not, die Schuld des Staates liegt in feiner Wirtſchafts⸗
—— ————— a
Schubert / Der Kampf der Sudetendeutſchen 11
politik, in feiner Innen ⸗ und Außenpolitik und vor allem darin, daß er breitſpurige Er-
läuterungen über das Weſen der Demokratie durch ſeine Staatsmänner abgeben läßt
und den Deutſchen Vorträge hält über wahre Loyalität, ſtatt fih aufzuraffen, ein
Staatsvolk vom Hungertode zu retten.
Die Urbeitslofigkeit ift wieder auf weit über 700 000 Perſonen geſtiegen. Die heurige
Verſchlechterung läßt ſich keineswegs mit den üblichen Hinweiſen auf die Saiſonentwicklung
abtun. Sie iſt weit ärger, als daß ſie mit jahreszeitlichen Einflüſſen erklärt werden
könnte. Giele Dreiviertelmillion umfaßt nur jene Perſonen, die ſich bei den Vermittlungs-
ſtellen melden, nicht aber jene Tauſende, die in ihrer Verzweiflung die ewig erfolglofen
Wege zu den Arbeitsvermittlungsſtellen aufgegeben haben.
Die Hälfte dieſer Arbeitsloſen lebt im deutſchen Sprachgebiet und bedeutet durch den
Lohnentgang einen jährlichen Entfall von etwa 2% Milliarden Kronen Volksvermögen.
Da man bei dem Arbeiter rechnen kann, daß er die Hälfte feines Einkommens für Lebens-
mittel ausgibt, ſo kann daraus teilweiſe auch die Not des ſudetendeutſchen Bauern erklärt
werden.
Faft zwei Drittel der Induſtrie der öſterreichiſch⸗-ungariſchen Monarchie lag in den
Sudetenländern und hier wiederum mehr als 80 Prozent im deutſchen Siedlungsgebiet.
Aus dieſer Tatſache allein iſt die ungeheure Not des Sudetendeutſchtums zu erklären, da
uns als Induſtrievolk die Kriſe weit härter trifft, als das Agrarvolk der Tſchechen. Faſt
1800 ftillgelegte Induſtriebetriebe und die Schrumpfung des Exportes um 70 v. H. zeigen
die Kriſe in aller Deutlichkeit auſ, bei der nur die Deutſchen verloren haben. Deutſchland
müßte 12 000 000 Arbeitsloſe haben, wenn das Verhältnis das gleiche wäre, wie im
Sudetenland.
Die ſtaatliche Arbeitsloſenunterſtützung in der Tſchechei wird nach dem Genfer Syſtem
gezahlt. Iſt ein Arbeitsloſer ausgeſteuert, dann erhält er nur 1 Mark pro Woche, wenn
er ledig, und 2 Mark pro Woche, wenn er verheiratet iſt. Dieſe Anterſtützung und hier
und da eine kleine Lebensmittelzulage erhalten die meiſten deutſchen Arbeitsloſen ſeit
vielen Jahren. Das Elend iſt daher grenzenlos und ein ganzes Volk wird hier dem
Hungertode einfach preisgegeben. Nur wenige Beiſpiele mögen die Größe der Not auf-
zeigen.
Die ſudetendeutſchen Bezirke haben die größten Selbſtmordziffern von Europa, z. B.
ein Bezirk von 267 Verſtorbenen 44 Selbſtmörder. Der Fürſorgeminiſter berichtet, daß
Aerzte ſich weigern, Arbeitsloſe zu operieren, da dieſe die Operation nicht mehr aushalten.
Der Gefundheitsminiſter berichtet, daß die Kriſenauswirkungen auf den Gefundheits-
zuſtand der Bevölkerung, beſonders der Kinder, in den von der Arbeitsloſigkeit am härteſten
heimgeſuchten Bezirken geradezu erſchreckend ift. Im Wansdorfer Bezirk z. B. find
75 Prozent der Kinder unterernährt und haben in der 1. Klaſſe 50 Prozent Kropfkrank -
heiten. Die tſchechiſche Schriftſtellerin Pujman ſchildert ihre Eindrücke aus dem Reiden-
berger Gebiet:
„Die Menſchen find hier unterernährt, von Maſſen⸗Neuraſthenie befallen. Aeberall
flieht man ausgehungerte vifiondre Geſichter. Ich habe bei einer Verſammlung eine Frau
geſehen, die plötzlich aufſtand, die Hände zuſammenſchlug, um Hilfe rief, daß zu Hauſe
ſchon alles irrfinnig ift. Ich habe mich Überzeugt, daß die Not in Nordböhmen ſpezifiſch
ſchwerer iſt als in Karpathorußland. Arbeitslos ſein iſt dort keine epidemiſche Erſcheinung
mehr, ſondern ein natürlicher Zuſtand.“
Nur zu erklärlich tft es dann, wenn als Folge dieſer Not die Volkskraft ſchwindet
und Geburten- und Sterblichkeitszifſern eine eindringliche Sprache ſprechen. Gegenüber
12 Rüdiger / Klarheit über Othmar Spann
dem Jahre 1925 hatten wir in Deutſchböhmen im Jahre 1934 einen Geburtenrückgang von
27 v. H. Seit acht Jahren wurden dem Sudetendeutſchtum 84 000 Kinder weniger ge
boren. Der Geburtenüberſchuß, der im Jahre 1925 noch 21 000 betrug, iſt im Jahre 1934
auf 7000 geſunken. Wenn es ſo weiter geht, wird im Jahre 1936 die Zahl der Wiegen
von jenen der Särge übertroffen werden.
Wir ſehen aus allem, daß die Not des Sudetendeutſchtums ſeine erſte Arſache in dem
Vernichtungswillen des tſchechiſchen Staatsvolkes hat, dem die Aufgabe geſtellt wurde und
die es auch übernahm, 3% Millionen Deutſche niederzuhalten. Die Verdrängung vom
Heimatboden und vom Arbeitsplatz iſt das Hauptmittel in dieſem Vernichtungskampf. Er
iſt noch nicht am Ende aller ſeiner Bemühungen und Erfolge angelangt. Die Welt⸗
wirtſchaftskriſe und die beſondere Kriſe der ſudetendeutſchen Wirtſchaft beſchleunigen den
Niedergang, weil fie die Widerſtandskraft des Volkes erlahmen laſſen und ſchwächen.
Tſchechiſierungsbeſtrebungen durch Eindringen in deutſche Induſtrien und Forderung nach
Einſtellung tſchechiſcher Beamten und Arbeiter bringen auch hier die Fortſetzung des
Kampfes um den Arbeitsplatz.
Mehr denn je iſt die Lebensfrage für das Sudetendeutſchtum die Erringung der
nationalen Selbstverwaltung, denn nur ein Volk mit eigenem Grund und Boden und Ver-
fügungsrecht über die Arbeitsplätze ſeiner Verwaltung und Wirtſchaft iſt in der Lage,
ſich zu erhalten und ſeine Miſſion im Rahmen des Geſamtdeutſchtums zu erfüllen.
Karlheinz Rüdiger:
Mlarbeit über Dibmae Spann
Othmar Spanns univerſaliſtiſche Schule verſucht eine andere Färbung der
nationalſozialiſtiſchen Bewegung zu ſein und glaubt, aus dieſer Behauptung die
Berechtigung herleiten zu können, den Aniverſalismus auf allen Gebieten dem
Nationalſozialismus gleichzuſetzen, ja, darüber hinaus ſogar nationalſozialiſtiſche
Begriffe, die ihr unpaſſend oder fehlgeleitet erſcheinen, zu berichtigen.
Wir müſſen uns darüber Rechenſchaft ablegen, ob diefe Behauptung für
uns maßgebend iſt oder ob hier der Verſuch vorliegt, dem Nationalſozialismus
Fremdes aufzudrängen und ſeine Beſtrebungen auf dieſem Wege von der ihm
durch den Führer gewieſenen Bahn abzulenken.
Der Aniverſalismus behauptet, der einzige Aeberwinder des Individualismus
zu ſein.
Der Individualismus erhebt in das Zentrum ſeines Denkens, Fühlens und
Wollens das Ich als abſtrakten Begriff. Das Ich iſt ausſchlaggebender Faktor,
iſt Selbſtzweck. Seine Förderung und Entfaltung gilt ihm als das ausſchließliche
Ziel des Erdendaſeins. Das Einzelweſen iſt ſtets Mittelpunkt der Betrachtungen.
Durch Zuſammenfaſſung einzelner entſteht die Geſellſchaft (das Volkstum), ihr
oberſtes Glied iſt die Menſchheit.
Der Aniverſalismus ſetzt das Ich in den Rahmen der Geſellſchaft, Familie.
Stand und Staat beſtehen nicht aus einzelnen Individuen, zu deren Glückſeligkeit
Rüdiger / Klarheit über Othmar Spann | 13
fie geſchaffen find, fondern fie find gleichſam wie Organismen den Zellen, den
einzelnen übergeordnet und weiſen ihm die Aufgabe zu, fih gliedhaft in fie einzu-
ordnen. Der Grundgedanke des Aniverſalismus iſt, daß kein einzelner ohne den
anderen beſtehen kann, daß ſie alle einer Ganzheit verpflichtet ſind. Als oberſte
Ganzheit erkennt der Aniverſalismus die Menſchheit an. Sie iſt der „gemein-
ſchaftlich⸗geſchichtliche Gefamtgeiſt, deſſen letzte Gliederungen die einzelnen Menſchen
darſtellen“. So findet der Aniverſalismus folgende Stufenleiter ſeiner Ganzheiten:
als oberſtes Prinzip die Menſchheit, die ſich dann weiter aufteilt in Kulturkreiſe,
Völkerkreiſe, Volkstum, Stammestum, Heimat und Volksglied. Menſchheits.
bewußtſein geht über Kulturbewußtſein, übervölkiſche Zuſammengehörigkeit über
Volkstumbewußtſein, dem dann das Stammes, Heimat. und Sippenbewußtſein
unterſtellt ſind.
Wenn wir dieſe Stufenordnung näher betrachten und ihr Verhältnis zum
Individualismus herausſchälen, ſo kommen wir zu der auffälligen Erkenntnis, daß
in den ausſchlaggebendſten Punkten der Aniverſalismus in den gleichen Fehler
verfällt, der ſeinem ſcheinbaren Gegner anhaftet. Beide konſtruieren ein Syſtem,
in das fie zwangsweiſe ihr Weltbild ohne Rückſicht auf die von der Natur ge-
gebenen Grundlagen bringen. Auffällig ijt dabei, daß der Aniverſalismus,
wenn auch mit anderen Vorzeichen, die gleichen Rangſtufen wie der Indi⸗
vidualismus verwendet. Für den Aniverſalismus iſt die höchſte und wirkſamſte
Macht die geſamte Menſchheit, deren Ausgliederungsſülle zwar nicht fo offen-
kundig und groß iſt, wie z. B. die des Volkstums, deren Vorrang vor dem Volks.
tum aber unbeſtreitbar ijt. Dieſer abſtrakte, fih ins Nichts verflüchtende Begriff
Menſchheit iſt aber genau ſo uferlos wie der Begriff Menſchheit, mit dem ſich
der ſchrankenloſe Individualismus tarnt, um eine innere Rechtſertigung für
ſeine Grenzenloſigkeit zu finden. Während der Individualismus ſeine egoiſtiſchen
Weltmachtpläne mit dem Begriff. Menſchheit deckt, verſucht der Aniverſalismus
mit dem Begriff Menſchheit als der Ganzheit, die jedem einzelnen Gliede inne-
wohnt, eine überpolitiſche Macht in den Sattel zu heben, die nunmehr von ſich aus
verſuchen fol, die Völker und Raſſen unter ihre geiſtige Herrſchaft zu zwingen.
Othmar Spann läßt auch gar keinen Zweifel darüber entſtehen, welche Macht für
ihn hier in Frage kommt. In feinem Werk „Geſellſchaftsphiloſophie“ legt er ein-
deutig bei der Behandlung religiöſer Fragen feſt, daß
„die übervölkiſche Kirche vor völkiſcher Kirche“
gehe, und daß der Staat als ſolcher geiſtig beſtimmt werde von der
Religion, und zwar nur „in der vor der Kirche veranſtalteten und geformten
Religion, denn eine andere Lehre gibt es nicht“. Wenn wir dieſe Gedanken folge-
richtig und in dem von Spann gegebenen Schema weiterdenken, ſo kommen wir zu
dem Schluß, daß die Menſchheit als ſolche der Macht mit einer univerſalen Kirche
unterſtellt werden müſſe.
Der Aniverſalismus Othmar Spanns entpuppt ſich alſo hier als Theokratie,
ſo wie ſie die mittelalterlichen Scholaſtiker lehrten.
14 Rüdiger / Klarheit über Othmar Spann
Die „geformte Religion“ wird letzten Endes zu der Ganzheit, die in ihrer Ausglie-
derungsfülle die geſamte Menſchheit erfaßt und fie zu einem pfeudoorganifden
Gebilde zuſammenrafft. Anter dieſem Blickpunkt erklärt ſich auch die Feſtſtellung
eines Schülers Spanns, der das völkiſche Leben geiſtig an eine übervölkiſche Welt
knüpft: „Jeder Menſch iſt an ſein Volkstum gebunden. Trotzdem gehorcht die
Welt des Geiſtes, Religion, Kunſt, Wiſſenſchaft, Recht und Sittlichkeit über-
völkiſchen Normen. Der Welt des Geiſtes muß ein Innenleben
zugeſtanden werden, das beſtimmend in die nationalen Out,
gaben eingreift.“ Die reiche Ausgliederunggsfülle des Volkstums wird alfo
auf völlig abſtrakte Kombinationen zurückgeführt. Es iſt nicht zu begreifen, warum
ſich gerade aus ſolchen Schemen und Gedankenkonſtruktionen eine Volkskultur ge⸗
bildet haben foll.
Spann tötet mit ſeiner Welt des Geiſtes jedes echte volkstümlich gebundene
Sein, wenn er folgerichtig jene Erkenntnis feſtlegt, daß der Menſchheitsgeiſt das
Ganze der Ideenwelt ſei. „Ihrer inneren Fülle wird der Menſch durch Erweckung
der Eingebung in ſich gewahr.“ „Der Menſchheitsgeiſt ift der geſellſchaftlich⸗
geſchichtliche Geſamtgeiſt, deſſen letzte Gliederung der ſubjektive Geiſt, der einzelne
Geiſt darſtellt.“ Dieſe Anſchauungen aber ſtimmen auffällig mit den Erkenntniſſen
der mittelalterlichen Scholaſtik überein. Darum iſt es auch nicht zu verwundern,
daß gerade Spann zum geiſtigen Vater des fogenannten „chriſtlichen Stände
ftaate 3” in Oeſterreich wurde. So febr er fih dagegen auch äußerlich ſträuben mag,
ſein Denken mußte zu dieſer folgerichtigen Nutzanwendung durch die öſterreichiſchen
Politiker führen. Seine Schüler verſuchen daher auch, die außerordentlichen poli-
tiſchen Möglichkeiten der Gedankengänge Othmar Spanns geſchickt im Welt.
anſchauungskampf auszunutzen.
Beſonders auf dem Gebiete der Staatstheorie und der Volkswirtſchaftslehre
verſucht Spann die Geiſter entſchieden zu beeinfluſſen.
So wie wir das weltanſchauliche Gedankengebäude Spanns ablehnen, ſo
müſſen wir auch ſeiner Anwendung auf jedem Gebiet des ſtaatlichen, wirtſchaftlichen,
religiöſen und kulturpolitiſchen Lebens widerſprechen. Spanns Idee des „Stände
ſtaates“ iſt im Grunde genommen nichts anderes als die Wiedererweckung einer
mittelalterlichen Ständeordnung. Für den Nationalſozialismus ift
eine ſolche Rückkehr zum Mittelalter ausgeſchloſſen. Der
Nationalſozialismus hat es gar nicht nötig, dieſes Syſtem noch einmal aufleben zu
laſſen und in gewandelter Form von Othmar Spann eingeimpft zu bekommen.
Der Nationalſozialismus iſt eine einmalige Erſcheinung und wird aus ſich heraus
eine ſtändiſche Ordnung entwickeln, die feinen weltanſchaulichen Grundlagen ent,
ſpricht. Die Grundlagen des Nationalſozialismus find verankert in der Schöpfer-
kraft unſerer Raſſe und unſeres Blutes; der Aniverſalismus dagegen führt zwangs⸗
läufig zu einer dogmatiſchen Erſtarrung. Dogmen widerſprechen dem
Weſen des Nationalſozialismus, da fie das Schöpferiſche
töten und vernichten. Kein Zwangsſyſtem einer Philoſophie oder ſtaatsrecht⸗
we eme ee Sg" été wm: "re: . eee —
Rüdiger / Klarheit über Othmar Spann 15
lichen Lehre wird die ſchöpferiſche Geſtaltung des blutgebundenen Volkstums auf-
halten oder in beſtimmte ſeiner Art nicht entſprechende Bahnen lenken können. Dieſe
Erkenntnis erſcheint wenigen in ihrer Wirklichkeit und Tiefe aufgegangen zu ſein,
ſonſt würden ſie es vorziehen, uns endlich mit ihren fruchtloſen Geiſteskonſtruktionen
in Frieden zu laſſen.
Eine ſtändiſche Ordnung kann nicht als Ausgliederung des abſoluten Geiſtes
begriffen werden. Auch darf man nicht verſuchen, mit der Feſtſtellung, daß das Ganze
vor dem Teil ſei, die geſellſchaftlichen und völkiſchen Wirklichkeiten in ein beſtimmtes
Schema einzufangen. Die Stände find nicht der Staat, ſie erzeugen auch nicht den Staat.
Es iſt auch vom Nationalſozialismus aus betrachtet unmöglich, eine hierarchiſch geſtufte
Ständegeſellſchaft zu bilden, deren Weſen auf der Entfaltung und Ausgliederung
des objektiven Geiſtes beruht, und bei der der Staat als ſolcher nur ein „Stand
unter Ständen“ ift, wenn auch ein lenkender und ranghöherer. Staat und Politik
find nicht identiſch. Der Primat liegt nicht beim Staat, ſondern bei der Politik.
Der politiſche Wille entſpringt der in der Volksgemeinſchaft verankerten Führerelite.
Die Partei — oder wie wir auch ſagen — der Orden befiehlt dem Staat und iſt der
eigentliche Antrieb und die dynamiſche Kraft des geſamten Staatsweſens. Das
Staatliche muß vom Politiſchen hergeleitet werden. Daher haben die Stände des
Nationalſozialismus nichts mit den Ständen alter Art zu tun. Schon allein die
Wirklichkeit der bisher gebildeten Stände beweiſt das. Man vergleiche den Aufbau
des Reichsnährſtandes, der Reichskulturkammer und der Deutſchen Arbeitsfront
einmal mit jenen hierarchiſchen Ständen des Mittelalters und man wird den grund-
legenden Anterſchied klar aufgezeigt finden. Die Stände des Nationalſozialismus
ähneln am meiſten noch den mittelalterlichen Zünften. Die eigentlichen mittel-
alterlichen Stände aber, z. B. der Adel, Geiſtlichkeit und Bürgertum, die ja aud
politiſchen Charakter hatten, find tot und werden trotz Spann nicht wieder auf-
erſtehen. |
Noch ein weiterer wefentlider Anterſchied tritt hervor. Eine hierarchiſche
Ständeordnung geht davon aus, daß immer der nächſthöhere Stand den unter ihm
befindlichen führt. Auch bei Spann hat der ſogenannte Stand „Staat“ höhere
Funktionen als andere Stände. Er ſagt: „Der Staat iſt ein Stand; objektiv als
organiſatoriſches Gebilde, ſubjektiv als ſtaatsgeſtaltender und ſtaatstragender Kreis
von Menſchen. Er iſt der höchſte Stand, der führende Stand, jener, der den Vorrang
unter allen Ständen hat.“ In der nationalſozialiſtiſchen Ständeordnung dagegen
gibt es in dem Verhältnis der Stände zueinander kein Oben und Anten, ſondern die
Stände befinden ſich auf einer einzigen Ebene, in (bildlich geſprochen) horizontaler
Lage und werden von der vertikal aufgebauten Führerſchicht durchſetzt.
Eine hierarchiſche Ständeordnung führt immer wieder auf das politiſche Gebiet,
denn ſchon allein die verſchiedenartige Wertung der Stände verlangt verſchiedenen
Anteil an der politiſchen Gewalt. Beim Nationalſozialismus iſt der Stand kein
Träger der Politik, er iſt auf ſeinem wirtſchaftlichen Gebiet maßgebend, erhält
aber die politiſchen Befehle von Partei und Staat.
16 Rüdiger / Klarheit über Othmar Spann
So ſtehen Spanns univerſaliſtiſche Anſchauungen im Gegenſatz zu den Anſchau⸗
ungen des Nationalſozialismus. Es iſt jeder Verſuch abzulehnen, der uns heute
univerſaliſtiſche Ideen als maßgebend hinſtellt und ſie als den geiſtigen Inhalt
unſerer Bewegung bezeichnet.
Spann verfehlt auch auf dem Gebiete der Raſſenfrage die vom National.
ſozialismus eindeutig herausgeſtellte Haltung. Das führte ſchon ſo weit, daß einer
ſeiner Schüler es fertig brachte, alles, was der Nationalſozialismus auf dem
Gebiete der Raffenfrage gelehrt und geleiſtet hat, als falſch hinzuſtellen. Wegen
eines philoſophiſchen Syſtems werden wir aber nicht das, was wir nun ſchon jahre⸗
lang auf das entſchiedenſte verteidigt und verkündet haben, abändern wollen und
plötzlich beginnen, gerade das Gegenteil zu lehren. Dann würde die Einheit des
geiſtigen Ringens überhaupt ihr Ende finden.
Der Aniverſalismus iſt genau ſo ein Kind doktrinärer Zwangsſätze wie alle jene
philoſophiſchen Syſteme, die. auf Grund eines erdachten Gedankengebäudes ſich
bemühen, alle Kräfte des politiſchen und wirtſchaftlichen Lebens zur Verwirklichung
ihres Programmes einzuſetzen. Es zeigt ſich hier immer das gleiche Streben: das
Verlangen nach Allgemeingültigkeit und Ausſchließlichkeit. Es ift dabei völlig gleich-
gültig, ob der einzelne Menſch zum Herrn erklärt wird oder ob man uns eine
abſtrakte Menſchheit als Ganzheit an ſich hinſtellt. Beide haben den gleichen Inhalt,
gehorchen dem gleichen Phantom, da ſie ſich einer Menſchheitsidee verſchreiben und
einen Herrſchaftsgedanken über die geſamte Menſchheit konſtruieren, der immer
den wahren und naturgegebenen Kern der Frageſtellung verfehlen muß.
Alle geiſtigen Auseinanderſetzungen wurden bisher jenfeits der Nationen geführt,
nunmehr aber follen fie innerhalb einer nationalſozialiſtiſchen Weltanſchauung durch-
gerungen werden. Hierin ift ein entſcheidender Wandel und Ambruch im philo-
ſophiſchen Denken erreicht. Nicht ein univerſaliſtiſch-dogmatiſcher Wert wird zum
Höchſtwert erhoben, ſondern die nationale Ehre ift Mittel- und Blickpunkt der
Auseinanderſetzungen. Das Weſen der verſchiedenen Völker und Raffen ſteht im
Vordergrund der Betrachtungen. Das Volk wird wieder zum Erkennen ſeiner
eigenen blutsmäßigen Triebkräfte erzogen, die ſein Weſen beſtimmen und es zur
Achtung der verſchiedenſten Kulturen und Staaten führen. Der Träger aber jeder
Entwicklung, die Grundlage unſeres Seins überhaupt ift die Raffenfeele. Alfred
Roſenberg hat die entſcheidende Bedeutung der Raſſenſeele in aller Klarheit erkannt
und im Gegenſatz zu allen jenen konſtruierten Gedankengebäuden der alten Philo-
ſophie eine lebensgeſetzliche Gliederung gefunden, deren Grundlage die Raſſenſeele
iſt, die „dargeſtellt wird im blutgebundenen Volkstum, gekrönt und gleichnishaft
zuſammengeballt in den großen Perſönlichkeiten, die ſchöpferiſch wirkend einen
Kulturkreis erzeugen, der wiederum von Raſſe und Raſſenſeele getragen wird.
Dieſe Ganzheit iſt nicht nur „Geiſt“, ſondern Geiſt und Wille, alſo eine Lebens—
totalität.“ Das Volkstum wird hier nicht auf eine blutloſe Menſchheitskombination
zurückgeführt, ſondern in dem blutmäßigen Argrund ſeines Weſens verankert.
Damit haben wir nun endlich alle naturentfremdeten Geiſteskonſtruktionen und
Die erste deutsche Universitat
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Prager Karls-Universitat
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Berens-Totenohl: Zigeunerin
Merkel / „Planwirtſchaft“ . 17
Verſtandesſchemen überwunden und können auf Grund eines neuen lebensvollen
Zentrums beginnen, unſer Daſein zu geſtalten und ſeinen Wert neu zu formen.
Aniverſalismus und Volkstumgedanke ſtehen notwendig gegeneinander und alle
Verſuche, fie zuſammenzufügen, müſſen an der dynamiſchen Kraft, die in dem Volks-
tum ruht, ſcheitern.
Es iſt wieder einmal an der Zeit, dieſe Gedankengänge herauszuſtellen, um
die Grunderkenntniſſe zu wahren, die heute mehr denn je von geſchickten Leuten
verwiſcht und umgebogen werden.
Jeder Verſuch, alte philoſophiſche Anschauungen mit den Gedankengängen des
Nationalſozialismus zu vermiſchen, um aus dieſer Miſchung heraus ein neues
Gebilde zu ſchaffen, ift von vornherein verfehlt. Die nationalſozialiſtiſche Bewe-
gung „geiſtig“ zu verarbeiten, eine Syntheſe zwiſchen ihr und dem Aniverſalismus
zu ſchaffen, dient nur dazu, die klaren Begriffe des Nationalſozialismus zu Fall zu
bringen. Wer ihn durch geſchickte ſogenannte „geiſtige“ Handhaben von außen her
umwandeln möchte, verkennt fein ureigenſtes Weſen und ſchaltet fih ſomit automa-
tiſch aus dem gegebenen Erlebnis aus. Das ſollten ſich viele „große Denker und
Philoſophen von heute“ zunächſt einmal vor Augen halten, dann würden ſie ſich über
den Wert oder Anwert ihrer Verſuche von vornherein klar ſein.
Dr. Merkel:
„Hlantvoitiſchaft“
Der Führer hat in ſeiner Rede am Bückeberg 1935 das Wort ausgeſprochen:
„Wenn Deutſchland leben will, dann muß es wie ein ordentlicher Bauernhof ſeine
ganze Wirtſchaft überſichtlich und planmäßig führen und betreiben.“ And bei
der Machtübernahme hat er das Wort geprägt von zwei Vierjahresplänen, mittels
deren die Rettung des deutſchen Volkes in Angriff genommen werden ſoll.
Trotz ſolcher Führerworte taucht zuweilen noch der Begriff der Plan-
wirtſchaft auf, wenn eine beſtimmte Art nationalſozialiſtiſcher Wirtſchafts⸗
geſtaltung in ihrem Wert für das deutſche Volk herabgeſetzt werden ſoll. Vielfach
wird auch davon geſprochen, daß Planwirtſchaft und Privatinitiative fih gegen-
ſeitig ausſchlöſſen. Wiederum bezieht man ſich auf Führerworte, die mit Recht den
Wert der ſchöpferiſchen Leiſtung hervorheben. Man verſucht, die Sache ſo darzu—
ſtellen, als ob Ordnung und ſchöpferiſche Leiſtung ſich gegenſeitig ausſchlöſſen. Ein
Loblied auf die „freie Wirtſchaft“ beſchließt alsdann ſolche Darſtellungen. Deshalb
iſt es notwendig, ſich klare Vorſtellungen über den Begriff Planwirtſchaft zu
bilden. Denn nur fo kann es gelingen, die Aufgaben und Probleme nationalſozia⸗
liſtiſcher Wirtſchaftsgeſtaltung klar zu durchſchauen.
Das Wort Planwirtſchaft tauchte auf, als von den Bolſchewiſten der induſtrielle
Aufbau Rußlands mittels der beiden Fünfjahrespläne in die Hand genommen
18 Merkel / „Planwirtſchaft“
wurde. Man verftand nunmehr unter Planwirtſchaft die zentraliſtiſche, bürofra-
tiſche, mittels eines ungeheuren Staatsapparates nach beſtimmten Plänen durd-
geführte Staatswirtſchaft. Mit Recht wandte man gegen eine ſolche Wirtſchafts⸗
geſtaltung ein, daß hier weder ein ſchöpferiſches Gemeinſchaftsleben noch eine
ſchöpferiſche Einzelleiſtung gedeihen könne.
Der Nationalſozialismus iſt an eine planvolle Geſtaltung der Wirtſchaft
gegangen, um hierdurch die Wirtſchaftskataſtrophe zu beſeitigen, die durch die
chaotiſche Wirtſchaftsunordnung der Vergangenheit entſtanden war. Damit wandte
er das Grundgeſetz der planvollen Wirtſchaftsgeſtaltung, wie ſie der Bauer in
ſeinem Hof, der Handwerker in der Werkſtatt, der Betriebsführer im Betrieb
anwendet, auf die Geſtaltung der geſamten Wirtſchaft an. Niemand ſagt, daß der
Bauer Planwirtſchaft treibe, wenn er ſeinen Beſtellungsplan aufſtellt. Niemand
beanſtandet, daß der Betriebsführer nach klugen, wohl überlegten Plänen den
techniſchen Erzeugungsvorgang und den kaufmänniſchen Abſatzvorgang geſtaltet.
Niemand ſpricht davon, daß in Konzernen, Monopolen und Truſten nach beſtimmten
Plänen die Erzeugung und der Abſatz gelenkt wird. Würde man hier von Plan-
wirtſchaft ſprechen, ſo käme man im Gegenſatz zur bolſchewiſtiſchen Planwirtſchaft
zu einer Planwirtſchaft mit kapitaliſtiſcher Färbung. Niemand ſagt, daß die
Reichsbahn oder die Reichspoſt Planwirtſchaft treibe in bezug auf die Ber-
kehrsgeſtaltung, die Elektrizitätswerke in bezug auf die Abſatzgeſtaltung des elektri-
ſchen Stromes, die Syndikate der gewerblichen Wirtſchaft in bezug auf die von
ihnen kontrollierten Märkte.
Ein Plan entſteht dann, wenn ein Ziel als erſtrebenswert erkannt wird und
die Wege gefunden werden, die die Erreichung dieſes Zieles gewährleiſten. Deshalb
muß überall, wo finnvoll gearbeitet wird, nach Plänen gearbeitet werden, in der
Politik, im Krieg, in der Wirtſchaft, beim Hausbau, bei der Feldbeſtellung, bei
der Seefahrt. Deshalb muß jeder anerkennen, daß es weniger auf die Tatſache
ankommen kann, daß ein Plan vorliegt, als vielmehr darauf, wie dieſer Plan
beſchaffen iſt. Wird die Volksgemeinſchaft als das höchſte Ziel des ſozialen Lebens
und Handelns anerkannt, dann werden ſolche Pläne gebilligt werden müſſen, die
das Wohl der Volksgemeinſchaft höher ſtellen als das Wohl des einzelnen, die der
Erfüllung geſamtwirtſchaftlicher Aufgaben mehr dienen als der Erzielung einer
privatwirtſchaftlichen Rentabilität oder eines privaten Profits, die Schädigungen
der Gemeinſchaft verhindern und die ſtetige, ruhige und geſicherte Entwicklung der
Geſamtwirtſchaft verbürgen.
Anter dieſem Geſichtspunkt betrachtet, kann der Mißbrauch von Monopolen
und wirtſchaftlichen Machtſtellungen, die der Kapitalismus nur zu oft brachte, als
Ergebnis einer kapitaliſtiſchen Planwirtſchaft ebenſowenig die Billigung des
Nationalſozialismus finden, wie die Verirrungen der bolſchewiſtiſchen Planwirt-
ſchaft. Auch iſt bekannt, daß Börſe und Spekulation durchaus ihre „Coups“ nach
beſtimmten Plänen durchführten. Dieſe Manipulationen beruhten ebenſo auf einer
„Planwirtſchaft“.
-r m —
11
414 —
Merkel / „Planwirtſchaft'“ 19
And ſchließlich darf an das bekannte Wort von Walter Rathenau erinnert
werden, daß 300 Männer das gefamte europäiſch-amerikaniſche Wirtſchaftsleben
leiten. Iſt dieſes Wort wahr, und Sombart hat in ſeinem Werk „Der moderne
Kapitalismus“ es glaubhaft dargetan, fo muß man auch eine ſolche Wirtſchafts⸗
leitung mit dem Worte „Planwirtſchaft“ bezeichnen.
Daß eine finnvolle Wirtſchaftsführung in jeder Volkswirtſchaft erforderlich iſt,
wird heute ernſtlich niemand mehr beſtreiten. Denn Aufgabe der Wirtſchaft iſt es,
dem Volke zu dienen. Aufgabe der Wirtſchaftsführung iſt es daher, dafür zu
ſorgen, daß dieſe Dienſtpflicht in der beſtmöglichen Weiſe erfüllt wird. Dieſe
Aufgabe der Wirtſchaftsführung kann nur durch Sacherfahrung, Charakterſtärke und
finnvolle Geſtaltung der geſamtwirtſchaftlichen Vorgänge erfüllt werden. Sie wird
um fo beſſer erfüllt werden, je mehr Mitarbeiter in dieſem Geſtaltungswillen inner-
halb der jeweils beteiligten Wirtſchaftsgemeinſchaft ſich finden. In der Wirt-
ſchaftsführung und Wirtſchaftsgefolgſchaft ergeben fih die Anſätze zur Bildung
wahrer Wirtſchaftsgemeinſchaften, innerhalb deren auch die geſamtwirtſchaftlichen
Aufgaben berückſichtigt werden, deren Erfüllung auch Hingabe, Opfer und Selbſt⸗
beſchränkung verlangt.
Jeder hält die Wirtſchaftsgeſtaltung der Eiſenbahn, der Reichspoſt fiir felbft-
verſtändlich, übrigens auch jede andere Geſtaltung auf dieſem Gebiet für unfinnig,
wiewohl hier von freier Wirtſchaft keine Rede ſein kann. Die Einheitlichkeit der
geſamten Verkehrsgeſtaltung nach großen ordnenden Geſichtspunkten, die Arbeits-
gemeinſchaft der geſamten Belegſchaft, die Wirtſchaftsziele, die auf beſtmögliche
Befriedigung des Verkehrsbedürfniſſes gerichtet ſind und nicht auf höchſtmögliche
Rentabilität, die Einſatzbereitſchaft des „Eiſenbahners“, feine gewiſſenhafte Pflicht⸗
erfüllung zeigen, wie Ordnung und Leiſtung auf das innigſte zuſammengehören.
Reichsbahn und Reichspoſt zeigen, beide auf ihrem Gebiet, wie gewaltige Wirt-
ſchaftsgebiete in geordneter Form geſtaltet werden können, wie in der beſtmög⸗
lichen Weiſe alle Bedürfniſſe befriedigt werden können, raſch, billig und gut, und
wie doch der perſönlichen Leiſtung und Einſatzbereitſchaft keine Schranken geſetzt ſind.
Deshalb hat der Führer in ſeiner Rede vom 8. Dezember 1935 in Nürnberg
mit Recht die deutſche Eiſenbahn als Muſterbeiſpiel eines ſozialiſtiſchen Unter-
nehmens geſchildert. Denn ſie verkörpert den Sozialismus der Leiſtung.
Sie iſt damit ein lebendiges Beiſpiel, wie die Ordnung der Wirtſchaft, die Ordnung
eines beſtimmten Wirtſchaftsgebietes zum Segen werden kann für die geſamte Wirt⸗
ſchaft eines Volkes.
Nicht als ob die Reichsbahn das Muſterbeiſpiel wäre, nach dem alle Wirt-
ſchaftskreisläufe geſtaltet werden müßten. Denn bei der Geſtaltung des Verkehrs
iſt ein Geſamtbetrieb und ſeine Ordnung lebensnotwendig. Ein Gegenbild
zeigt der Neichsnährſtand. Millionen von Einzelerzeugern find in der Markt-
ordnung zuſammengefaßt. Durch die Erzeugungsſchlacht werden ſie zu Höchſt⸗
leiſtungen aufgerufen. Die beſſere Leiſtung ſichert den beſſeren Preis. Die Martit-
ordnung verbürgt den ſicheren Abſatz der Erzeugniſſe. Auch in Zeiten der Knapp⸗
heit wird der notwendige Lebensbedarf des Volkes befriedigt, wohlgemerkt ohne
20 Grothe | Schickſal und Treue
die Preistreibereien, die in ſolchen Fällen das Geſchenk der freien Wirtſchaft
geweſen wären. Eine Wirtſchaftsführung, die ſich dem Führer und dem deutſchen
Volk verantwortlich weiß, verſucht planmäßig die Wirtſchaft zu geſtalten, ſo wie
es ebenſo das Lebensgeſetz des Bauernhofes iſt, überſichtlich und geordnet geführt
zu werden.
Das Lebensgeſetz der Ordnung kann angewendet werden
bei dem größten Anternehmen der Welt, wie es die
Reichsbahn darſtellt, und beim kleinſten Bauernhof. In
dieſer Lebensordnung kann jeder Beamte, Angeſtellte und Arbeiter der Reichsbahn
ſein Höchſtes leiſten, wie es auch umgekehrt der Bauer im Rahmen der Markt⸗
ordnung kann. Wie die Reichsbahn ein ſinnvolles Syſtem von Weichen und
Schranken hat, um Zuſammenſtöße und ſonſtige Schäden zu verhüten, um alſo durch
Ordnung ein Höchſtmaß von Befriedigung des Verkehrsbedürfniſſes zu erzielen, ſo
trifft auch die Marktordnung Vorſorge dafür, daß Störungen am Markt, die
jeweils nur zu Laſten der Volkswirtſchaft gehen, nach Möglichkeit ausgeſchaltet
werden. |
Die Planwirtſchaft des Bolſchewismus kennt die Volksgemeinſchaft nicht, kennt
nicht das Wohl des Volkes, nicht die Leiſtungen des einzelnen und auch nicht ſeine
Mitarbeit bei der Geſtaltung des Geſamtwerkes. Soweit im Rahmen der kapita⸗
liſtiſchen Wirtſchaftsordnung kapitaliſtiſche Planwirtſchaft getrieben wird, ſteht
dieſer die Rentabilität höher als das Wohl des Volkes, der Profit höher als die
ſchöpferiſche Leiſtung einzelner, das Machtdiktat höher als die verantwortliche
Mitarbeit der am Wirtſchaftskreislauf beteiligten Gruppen.
Reichsbahn wie Marktordnung des Reichsnährſtandes dagegen verwirklichen
die nationalſozialiſtiſchen Zielſetzungen in der Wirtſchaft: Ordnung, Wohl des
Volksganzen und der Volkswirtſchaft, Höchſtleiſtungen eines jeden und verant-
wortliche Mitarbeit am Gelingen der volkswirtſchaftlichen Aufbauarbeit.
Heinz Grothe:
Gbidial nnd Treue
eber Zofefa Bevens-Totenobhl
(Zu unſerer Bildbeilage)
Wo die Gleier in die Lenne fließt, wohnt die Dichterin Joſefa Berens ⸗Totenohl.
Das iſt mitten im Weſtfalenlande, dort, wo ſich Münſterland und Sauerland be-
rühren. Wenn die Bergbauern gen Tal zogen zum Friedhof, ruhten ſie unterwegs,
daher Totenohl oder Totental. Eine Eiſenbahn fährt durch das Tal, hält in Gleier-
brück, dem Wohnort der Dichterin. Hier in Gleierbrück hat Joſefa Berens in der
Fiſcherei am Totenohl ihr Heim aufgeſchlagen.
Am ſie herum iſt Ruhe und Einſamkeit, iſt eine herbe Landſchaft. Aus ihr
wächſt das gemeinſchaftsformende Werk der Dichterin. Dieſe Heimat liebt ſie. Sie
Grothe / Schickſal und Treue 21
wurde Lehrerin in Düſſeldorf und trieb dort auch Studien zur Malerei. Fern
der Heimat, an der Weſer, verſuchte ſie die erſten Arbeiten, um dann doch bald
in die Heimat zurückzukehren und nun im Totenohl zu raſten. Reiſen nach Spanien,
Marokko, nach den ſkandinaviſchen Ländern haben den Blick geweitet und vertieft
und der Malerin zahlreiche Motive beſchert. So lebt ſie in Ruhe und weiſer
Geduld und wartet auf ihre Stunde, da fih das Wort Lon.
Mit Dr. Pieper zuſammen ift fie früh im Sauerland für den Nationalfogialis-
mus eingetreten und hat ſich — nachdem fie in Spanien 1931 furchtbare fom-
muniſtiſche Greueltaten erlebte — in der NSDAP bald danach organiſieren laffen.
Seit Jahren lebt und kämpft ſie mit der Hitlerjugend und iſt oft genug weit ge⸗
fahren, um mit ihnen zu erleben, unter ihnen zu ſein, hat den Jungen und Mädeln
vorgeleſen und den Dank einer aufmerkſamen Gefolgſchaft gefunden. Alle dieſe
Dinge find erft ſpäter bekannt geworden. Friedhelm Kaifer hat uns zuerſt davon
berichtet. And es iſt ſchön, zu wiſſen, daß ein Dichter wie Euringer und eine Dichterin
wie Lulu von Strauß und Torney dieſer Frau Joſefa Berens⸗Totenohl den Erfolg
vorausgeſagt haben, iſt er uns doch heute — rückblickend — Beſtätigung eines echten
ſchöp feriſchen Menſchendaſeins.
Ehrlichkeit und ſtilles Menſchentum, verbunden mit einer wunderbaren Gemüts⸗
tiefe, zeichnen dieſe Frau aus, die mit ihren beiden bisher vorliegenden Arbeiten
ſich ein ſo nachhaltiges Echo holen konnte!
Sofefa Berens iſt es mit ihren beiden Romanen „Der Femhof“ und „Frau
Magdalene“ gelungen, eine der ſchönſten deutſchen Frauen⸗ und Muttergeſtalten
zu zeichnen. Hart und unerbittlich, wie die Menſchen dieſer weſtfäliſchen Land-
ſchaft, iſt das Schickſal, das die Dichterin geſtaltet. Ein echtes Erleben voller Tragik,
in dem Treue gegen Treue ſteht. Jeder Menſch geht ſeinen Lebensweg, bis er
von Gott und ſeinem Schickſal abberufen wird. Die Kette der Ahnen aber ſetzt ſich
fort in den Kindern und Kindeskindern, auf denen freilich die Laſt des Schickſals
mit aller Schwere liegt. Nicht der Tod iſt die Löfung, ſondern der Glaube an den
Beginn neuen Lebens. So ſteht am Ende allen Ringens neues Leben. So ſiegt
die Frau, weil ſie dem Leben, ſeiner Zukunft näher iſt in ihrer tiefen Gläubigkeit.
Der Mann iſt zwar dem tatſächlichen Leben nahe, aber die Frau trägt die Zukunft
des Lebens in ſich und gebiert neues Leben. Der Tod wird vom Leben überwunden.
Das iſt der Sinn des erſten Romans von Joſefa Berens.
Schickſal ſteht gegen Schickſal. Treue gegen Treue. Wille gegen Wille. Trotz
gegen Trotz. An einer Stelle heißt es in dieſem Buche „Der Femhof“: „Wir
können nur da ſtehen oder nicht da ſtehen!“
Das find die Wulfsbauern, die weſtfäliſchen Menſchen.
Der Wulfsbauer iſt der Herr über einen großen, freien Bauernhof (Zeit
14. Jahrhundert), einen der wenigen noch, der von den Fürſten und anderen Raub-
ſüchtigen nicht „erobert“ wurde. Der Wulfsbauer kämpft um die Freiheit feines
Hofes. Er kämpft gegen die eigene Tochter. And da er keinen männlichen Erben
hat, will er die Tochter unter ſeinen Willen beugen und ihr einen Mann ſuchen,
22 Grothe / Schickſal und Treue
wie er ihm dünkt gut zu ſein und rechtſchaffen für den Wulfshof. Da hat nun einer
die Wulfstochter bei Hochwaſſer unter Lebensgefahr gerettet, und ſie liebt dieſen
Mann, aber der Vater betrachtet ihn als einen Hergelaufenen. Auch die Tochter
denkt an die Zukunft des Hofes. Sie iſt von der gleichen Art wie der Vater. Trotz
gegen Trotz. Wille gegen Wille! Sie liebt den Mann, der ſie rettete, nicht um
dieſer Tat willen, ſondern weil er innerlich frei und ſtark iſt! Mit einem Wort,
ein Mann; ein ganzer Kerl, der ſeinen Hof an der Weſer verlaſſen mußte,
weil er einen anderen erſchlug, als der ihm die Freiheit und Ehre nehmen wollte.
So ſteht die Wulfstochter zu ihrem Geliebten unerſchütterlich und kämpft gegen den
Vater. Bis zur Selbſtzerſtörung geht der Kampf. Der Vater liefert den Mann
der Feme aus und tötet ihn ſelbſt nach dem Spruch des heimlichen Gerichts. Die
Tat iſt geſühnt. Aber der Tote in ſeiner Ehre gehört der Wulfstochter. „Magdlene
ftand zu Füßen des Lagers drei Tage, drei Nächte lang, reglos, tränenlos.“ So
geht die Frau hin durch das Leben und wird den Hof für ihren Sohn zu neuer
Blüte emporführen. Sie trägt das Leben in ſich und damit die Zukunft. Treue
am Treue!
Das iſt ein Buch, ein Geſchehen voller Tragik, wie es uns die neuere deutſche
Frauendichtung der letzten Jahre nicht ſonſt beſchert hat. And was uns junge
Menſchen angeht: es iſt ein Buch, aus dem wir den Begriff der Ehre und Treue
in uns aufnehmen dürfen, dem wir nacheifern wollen. In dieſem Buche ſpricht die
Stimme des Blutes mit der ganzen Kraft eines Menſchen, der feſt in ſeinem Stamm,
ſeiner Sippe verwurzelt iſt.
Vielfach vermutete man eine einmalige Leiſtung der Dichterin. Aber dieſe
epiſche Ballade vom Schickſal und von der Treue führte notwendigerweiſe zur
weiteren Geſtaltung, zur Fortſetzung der Lebenskette in dem Roman „Frau
Magdalene“ (beide Bücher erſcheinen im Diederichs Verlag, Jena, Leinen
5,40 RM.). Die Wulfstochter iſt durch ihr Schickſal gehärtet worden, iſt zur Frau
und Mutter geworden, die das Leben zu meiſtern hat. Sie iſt nicht weich und
duldend, ſondern hart und kämpfend. Deshalb iſt uns dieſe Frauengeſtalt heute
auch ſehr nahe. Der Vater tötete ihr den Geliebten, von dem ſie das Kind unter
dem Herzen trug. Lebte und kämpfte ſie einſt um den Geliebten, ſo lebt und
kämpft ſie jetzt für ihren Sohn Od. So erträgt ſie alles, was im Leben an ſie
herankommt. Sie ſpendet Troſt, ſtärkt andere Menſchen im Leid, hilft, die ſelbſt
am eheſten Hilfe, Stärke und Troſt nötig hätte. Magdlene bringt das Kind in
der Kammer, in der alle Wulfsbauern das Licht der Sonne erblickten, zur Welt.
In dieſer ſchweren Stunde trifft ſogleich den Vater das Schickſal durch die Geburt
des Knaben. Der Bauer iſt ein geſchlagener Mann. Die Tochter verwaltet und
hütet den Hof. Der alte Wulfsbauer ſchweigt und wird ſtumm in ſeinem Trotz.
Der Bauer ſtirbt vom Gewitter erſchlagen, als die Tochter ihn — aus Furcht vor
ſeinem Schweigen — um ihrer Schuld willen heimholen will. Zigeuner nutzen
nebenher das Vorhandenſein eines unehelichen Kindes des Bauern aus, und Magd-
lene begreift die Schwere und das Furchtbare der Raſſenſchande. Es hieß, der
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Außenpolitiſche Notizen 23
Geliebte Magdlenes fei der VBankert! Sie geht dem Gerücht nach, das mit aller
Häßlichkeit und Niedertracht verbreitet wird, und ſtellt feſt, daß es Lüge iſt. Da
liebt ſie ihren Sohn um ſo mehr.
Sofefa Berens ſagt einmal von der Frau Magdlene: „Anders kann fie nicht
lieben, als über ſich hinaus — oder fie liebt nicht!“ Das iſt das Geſetz der Treue,
das jedem Schickſal ſtandhält und nicht wankt, wo immer es den Menſchen trifft.
And würde das Wulfsgeſchlecht unter der Schuld geſtanden haben, Magdalene würde
ſie auf ſich genommen haben: „Man trägt, was man muß, nicht mehr. Der Klägling
trägt alles!“ Das iſt charakteriſierend für den Schickſalstrotz dieſer Menſchen, das
iſt ſtolze freie germaniſche Art der Vorfahren. And hier erwächſt
ein lebendiges Bild der Vergangenheit, gibt auf ftammes- und landſchaftsgebundener
Art eine gute und eindringliche Darſtellung vom Lebens. und Schickſalskampf
deutſcher Menſchen.
Die beiden Romane tragen eine ausgeprägt germa:
niſche Haltung. Sie ſind nicht idealiſiert um einer banalen Abſicht willen,
ſondern ſie ſind organiſch gewachſen — wie die Kette eines Geſchlechts organiſch
wächſt. Frei und ungebrochen ift der Menſch in feinem Willen, wenn er vor ſich
ſelbſt frei und untadelig beſtehen kann. Die Treue führt zu tragiſchem Schickſal,
aber die Fährniſſe werden durch das Leben überwunden. So ift diefes Roman-
ſchickſal ein lauteres Zeichen echter deutſcher Geſinnung und echten deutſchen Gr,
lebens, wie es im Weſtfalenlande herrſchte.
Wir erblicken in dieſer Wulfstochter und Frau Magdalene eine der
ſchönſten deutſchen Frauengeſtalten deutſcher Dichtung.
Sie iſt Frau, Mutter und liebende Mitſchweſter zugleich.
In ihren Werken zeigt ſich Joſefa Berens als Meiſterin echten Menſchentums
und reine Dichterin, die aus der Vergangenheit ihres Volkes für die Gegenwart
und Zukunft, namentlich für die deutſche Jugend, bleibende Werte und Werke
ſchafft. Darum gilt ihr unſer fröhlicher und dankbarer Gruß!
AUSSENPOLITISCHE ofi pa
Aus Miocholosie von den Bazillen bis zu den größeren Ob-
eines cnvepdifiben Wanze jekten von Skorpionsrang zuſammen⸗
Ein Amerikaner — welches andere Land genommen. Anter dieſem Angeziefer nimmt
könnte auch auf den Gedanken einer ſolchen in hygieniſchen Ländern die Wanze eine ge-
Statiſtik kommen — hat vor kurzem aus⸗ fürchtete Stellung ein, ſie dürfte ein ganz
gerechnet, daß das Gewicht alles Angeziefers hübſches Sümmchen der Geſamtſumme aus⸗
der Welt 300 Milliarden Pfund beträgt, machen. Die Wanze, europäiſchen Arſprungs,
24 Außenpolitiſche Notizen
hat verſchiedene Eigenſchaften: zunächſt kann
ſie einen Menſchen recht erheblich zwacken
und ihn zu ununterbrochenem Kratzen ver-
anlaſſen, dann aber iſt ſie ungeheuer zäh
und aufdringlich, lebt gern geſellig zum
Zwecke wohlvorbereiteter Generalangriffe, ſie
verfügt über eine unerfreuliche Ausdünſtung,
und im übrigen iſt ſie ſeige: denn wenn man
Licht macht, verſchwindet fie mit be
wunderungswürdiger Schnelligkeit.
Eine Reihe von Ländern führen Wappen⸗
tiere, die Engländer und die Abeſſinier haben
ihre Löwen, die Deutſchen ihren Adler und
die Auſtralier ihr Känguruh. Dieſe Tiere
haben immer etwas mit dem Volk zu tun:
entweder ſind die Tiere im Lande heimiſch
oder das Volk hat den Charakter der
Wappentiere oder möchte ihn wenigſtens
haben. Man wäre alſo verſucht, die Wanze
als Wappentier an der Grenze zwiſchen
Europa und Rußland, irgendwo in Oft-
europa, zu ſuchen, beileibe nicht wegen des
Charakters, ſondern wegen des anderen an-
geführten Grundes. Denn man kann über-
zeugt ſein, daß ruſſiſche und litauiſche
Wanzen ſich ähnliche Stelldicheine geben
wie die zugehörigen Zweibeiner höchſter
Gattung. Durch dieſes Bewußtſein verant-
wortungsvoller, aus beſagter Geſelligkeit
entſtandener Gemeinſchaft im Rücken geſteift,
beginnen ſie ihre zähe, ſtechende Tätigkeit.
Natürlich nicht an den zugehörigen Zwei-
beinern, denn man ſagt auch den abeſſiniſchen
Löwen nach, daß ſie nur auf Italiener
ſchlecht zu ſprechen ſind, ſondern ſie ſtechen
nach außen jeden, der ſo das zweifelhafte
Vergnügen hat, an den litauiſchen Grenzen
zu wohnen, Polen, Letten, Deutſche. Sie
ſtechen zäh und ſchmerzhaſt, und find die
weitaus tüchtigſten Wanzen Europas.
Die Deutſchen waren nach den geſährlichen
Angriffen des letzten Jahres bereits immun
geworden, infolgedeſſen hat man die Polen
als nächſtes Opfer erkoren. Den Deutſchen
und den Polen iſt der Adler das Wappen⸗
tier, Adler freſſen keine Wanzen, ſie ekeln
ſich bloß davor. Aber auch Adler können
ungemütlich werden, wenn fie immerzu ge
ſtochen werden.
Der Mord an dem polniſchen Innen-
miniſter Pieracki, ſeinerzeit mit Erſchrecken
von der Weltpreſſe kommentiert und gerade
von uns Deutſchen lebhaft bedauert, iſt jetzt
unterſucht worden. Dabei haben ſich met,
würdige Dinge herausgeſtellt. Es zogen
ſich nämlich anſcheinend geheimnisvolle
Fäden von der mordluſtigen Terroriſten -
organiſation, deren Zuſammenhänge mit det
großen ukrainiſchen Minderheit in Polen
nicht einwandfrei nachgewieſen werden
konnte, zu den Geldſäcken einer nachbarlichen
Macht, ſoweit man da von Macht reden
kann, nämlich zu litauiſchen Staatsbürgern
litauiſcher Geburt. Das letzte muß erwähnt
werden, denn die polniſche Minderheit im
litauiſchen Staat war ſelbſtverſtändlich un-
beteiligt.
Mit Recht begann die öffentliche Meinung
Polens, ihrer ehrlichen Entrüſtung in einer
Weiſe Luft zu machen, die uns Deutſchen,
wenn wir dieſelbe Ausdrucksweiſe bezüglich
des Memelgebietes angewandt hätten, wahr-
ſcheinlich Sanktionen gekoſtet hätte. Die
Spannung wuchs ungeheuerlich. Die Wilna⸗
frage, nach dem Kriege durch größenwahn⸗
ſinnige Machinationen zu einem Anſpruch
Litauens gemacht, wurde umgekehrt: gedenkt
der 200 000 polniſchen Menſchen, die von
originallitauiſchen Wanzen gepieſackt wer:
den. — Nicht nur wegen des Grabes ſeiner
Mutter, ſondern aus politiſchem Gefühl für
die nationalpolniſche Bedeutung Wilnas
ließ der greiſe Marſchall Pilſudski ſein Herz
in Wilna beiſetzen. Welche kräftige De-
monſtration an der litauiſchen Grenze, die
eigentlich gar keine Grenze iſt! Denn ſie
iſt tot, kein Zug überquert ſie, keine Straße
voll Leben. Mißtrauiſch betrachten ſich
litauiſche und polniſche Grenzer, alle paar
Meter ſich gegenüberſtehend. Setzen wir
einmal den Fall, das Deutſche Reich würde
ſeine Grenzen gegen Litauen ſperren!
Randbemerkungen 25
Litauen wäre erledigt, denn die einzige wirt-
liche Bahn überſchreitet bei Eydtkuhnen von
Deutſchland her die Grenze.
Sicher — wir bedauern wohl eine Wieder⸗
aufnahme der Spannung an den litauiſchen
Grenzen, aber niemand wird uns verübeln,
daß wir die polniſche Entrüſtung über die
litauiſchen Störungspläne verſtehen. Wie
war es doch? Die ungeheuerlichen Maß-
nahmen zur Anterdrückung des Memel-
deutſchtums führten erſt, nachdem ſie zum
Himmel ſchrieen, zum Eingreifen der
Mächte in durchaus gemäßigten Formen.
Litauen (wie die Wanze, wenn man Licht
macht) zuckte höflich mit den Schultern: ich
habe doch gar nichts getan! und erlaubte
neue Memelwahlen. Die fielen dann auch
dementſprechend aus, und mit den litauiſchen
Hoffnungen war es Eſſig. And was kam
Dann? Wir hatten gehofft, das Memel-
ztwiſchen den Zeilen
In der „Wochenſchrift junger Deutſcher“,
dem „Michael“ ſteht ein ſpaltenlanger
Leitartikel „Sonntag der Sendung“ über
die Bedeutung des Weltmiſſionsſonntags.
Es iſt nicht unſere Aufgabe, dem Verfaſſer
dieſer Betrachtung einen theologiſchen Streit
zu liefern, aber einige aufſchlußreiche Grund-
gedanken ſeien doch zitiert. Da wird u. a.
geſagt, Gott ſelbſt habe die Menſchen nach
Art und Abſtammung verſchieden gemacht.
„Aber er hat alle dieſe Verſchiedenheiten
nicht eingehen laſſen in das innerſte Weſen
des Menſchen. Sie umgeben ihn nur wie
Ornamente, beſtimmen aber nicht ſeine
letzte Struktur.“ (1!) And weiter:
gebiet wäre nunmehr in feine Rechtſtellung
wieder eingeſetzt, aber als erſte Tat nach der
einzigen Konzeſſion der Wahl und der Cin-
ſetzung des deutſchen Direktoriums unter-
band man die Durchführung der memel-
ländiſchen Gefetze zur Wiederaufhebung
litauiſcher Willkürakte. Wir erwarten mit
Intereſſe — man möge ſich in Kowno
merken, daß dieſes Intereſſe berechtigt und
ſehr groß iſt — den Ausgang der memel-
ländiſchen Kreistagswahlen, wir verhehlen
auch unſer Intereſſe an der Gründung und
Entwicklung des litauiſchen Weſtmark⸗
verbandes keineswegs. Wenn die Wanzen
dich allzuſehr ſtechen, dann hänge alle Schlaſ⸗
müdigkeit an den Nagel und ſuche mit Eifer
und Geduld nach dem Verbleib des nadt-
lichen Störenfriedes. Wenn du ihn Haft, über-
lege dir, in welchen Fällen Gnade vor Recht
geht, Pole und Deutſcher! Hans Humbold.
handbemerkung Jen
„Alle Menſchen haben als Menſchen die
gleiche Würde vor Gott, alle follen Kin-
der Gottes werden. — Alſo richtet ſich die
Verkündigung an alle Menſchen ohne
Anterſchied von Art und Abſtammung. And
alle Menſchen — ift es nicht ein gewaltiger
Troſt? — alle Menſchen find geeignet,
dieſe Botſchaft aufzunehmen, zu verſtehen,
zu beſitzen. (Das gilt natürlich vom Men-
ſchen überhaupt. Es kann einzelne Aus-
nahmen geben, für die Gott auf andere
Weiſe ſorgen muß. Aber das rührt
nicht her von der Verſchieden⸗
heit der Seelen, ſondern vom
Verſagen des Körpers in be,
ſonderen Fällen — alfo etwa
Geiſteskrankheit uſw.)“.
26 Randbemerkungen
Den letzten Satz muß man zweimal
leſen! fo, wer ſich nicht zur katholiſch⸗
dogmatiſchen Gottesvorſtellung bekennt, der
ift zum Beiſpiel geiſteskrank! Für dieſes
Geſtändnis find wir dem „Michael“ ſehr
dankbar.
An anderer Stelle heißt es:
„Freilich iſt die Kirche nicht gebun⸗
den, immer und überall, in jedem Augen-
blick alles zu lehren. Ja, ſie kann ihre
Lehre ſogar eine Zeit lang ausſetzen —
etwa, wenn anhaltender Frevel
ihr ins Geſicht ſchlägt und
Gottes Gebot bewußt mit
Füßen tritt — dann kann die
Kirche ſich abwenden von
ſolchen Kreiſen, auch wenn es
ganze Gegenden wären, um die
Menſchen ſich ſelbſt zu über-
laſſen, bis die Not der Seelen
fie zwingt, wieder angu-
pochen an den Toren zur Wahr-
heit.“
Wir nehmen dieſe bewußte „Drohung“
zur Kenntnis. Anſere Leſer mögen ſich
ſelbſt ihr Urteil über ſolche Art ton-
feſſionellen Kampfes bilden.
Im übrigen, zwiſchen den Zeilen eines
religiöſen Leitartikels finden ſich oft größere
„Roſinen“ als in einem Hirtenbrief!
Sti.
„Eruſteſte Bedenken“
„Der Katholik“ Nr. 36 gibt uns ein Lehr⸗
beiſpiel beſter Art, wie es der politiſche Katho⸗
lizismus nach wie vor meiſterhoft verſteht,
zwiſchen den Zeilen feiner, auf barm-
los friſierten Artikel, den Staat anzugreifen,
ihm ſeine Rechte abzuſprechen oder gar ihn
zu verdächtigen. Anter der Aeberſchrift:
„Aeußerungen über das Landjahr im
Beichtſtuhl“ bringt das obige Blatt eine
eingehende Darſtellung mit einer noch ein⸗
gehenderen Stellungnahme zu der Ver-
urteilung eines katholiſchen Geiſtlichen durch
das ſchleſiſche Sondergericht in Gleiwitz
Beſagter Kaplan wurde auf Grund des
§2 des Geſetzes zur Abwehr heimtückiſcher
Angriffe gegen Staat und Partei an Stelle
einer, an ſich verwirkten Gefängnisſtrafe von
2 Monaten, zu 500 RM. Geldſtrafe ver
urteilt, da der Geiſtliche im Beichtſtuhl eine
Frau fragte, ob ihr Sohn ins Landjaht
käme, und nachdem die Frau dies bejahte,
ihr davon abriet mit der Be:
gründung und Warnung zu“
gleich, daß ihr Sohn dann in
proteſtantiſche Gegenden komme,
dort wenig Gelegenheit gut
Erfüllung feiner religidfen
Pflichten erhalte und darum
feinen Glauben verlieren würde.
Der Geiſtliche lehnte in der Gerichts
verhandlung eine Erklärung des Falles mit
dem Hinweis auf das Beichtgeheimnis ab,
ſtellte jedoch feft, daß er ſich ver:
pflichtet hielte, auch die Land-
jahrfrage wegen ihrer religi?
öſen Bedeutung in der Beichte
zu behandeln.
Dies alles wird vom „Katholik“ natürlich
in der notwendigen Breite geſchildert.
Der Vorſitzende des Sondergerichtes et
klärte bei der Arteilsbegründung u. a. auch,
daß, vom Standpunkt des Rechtes, es
Pflicht jedes Katholiken fel, |
über eine Beichte und das, was
darin geſprochen wird, zu reden,
wenn das Intereſſe des Staates
es erfordere.
Gegen dieſe Feſtſtellung des Vorſitzenden
des Sondergerichts geht nun „Der Katholol”
in der ihm eigenen raffinierten Art vot.
Zuerſt, an den Bericht über die Arteils⸗
begründung anſchließend, ein langes Pa
lamer über die Strenge des Beichtgeheim-
niſſes, über die unbedingte Schweigepflicht
des Geiſtlichen und ähnliche Fragen mehr.
Am Schluſſe dieſes Aufſatzes, der eineinhalb
Spalten lang iſt, aber läßt dann „Der
Katholik“ nichts mehr an Deutlichkeit zu
wünſchen übrig. Er ſchreibt:
Vom Büchermarkt 27
„Mit Recht iſt daher das Beicht⸗
geheimnis auch ſtaatsrechtlich geſchültzt.
Eine Pflicht jedes Katholiken, über eine
Beichte und das, was in ihr geſprochen
wird, zu reden, wenn das Intereſſe des
Staates es erfordert“ zu ſtatuieren, löſt
ernſteſte Bedenken aus.
Der Prieſter, dem durch das Beicht⸗
fiegel der Mund geſchloſſen iſt, ſteht
abſolut wehrlos einem Ankläger, der zu⸗
gleich einziger Zeuge ift, gegenüber. Mif-
verſtändniſſe können leicht vorliegen. Ab-
ſichtliche Mißdeutungen find nicht aus-
geſchloſſen. Wie, wenn Denun-
ziantentum ſich einſchleicht,
gar in Form von Spitzeln und
Lockſpitzeln? Es genügt, dieſe Mög-
lichkeit anzudeuten. Man vertraue dem
Gewiſſen und der echten nationalen Ge⸗
finnung der Kirche und ihrer Diener.
Dieſes Vertrauen wird ſich zum Beſten
von Staat und Kirche auswirken.“
Was ſich „Der Katholik“ in dem oben
Geſagten leiſtet, iſt eine ungeheure Difa⸗
mierung des nationalſozialiſtiſchen Staates,
eine Verdächtigung der Gerichte und zudem
eine verſteckte Anklage gegen den Staat, die
dieſem vorwirft, mit Spitzeln und Lockſpitzeln
gegen die Kirche vorzugehen, um dieſe mit
unlauteren Mitteln zu bekämpſen.
Eine charakterloſere und zugleich ge-
meinere Art des verſteckten Angriffes gegen
den Staat haben wir lange nicht erlebt.
„Der Katholik“ fühlt ſich außerdem dazu
berufen, gegen die Ausführun-
gen eines deutſchen Gerichtes
„ernſteſte Bedenken“ zu äußern
und zudem von dem Gewiſſen und der echten
nationalen Geſinnung der Kirche zu reden.
Wir ſtellen zur Klärung des
obigen Falles nur nochmals feſt,
daß der angeklagte Geiſtliche ſich
laut eigener Ausſage für ver-
pflichtet hielt, in der Beichte
auch über Land jahrfragen zu
reden. Wir meinen aber, daß dieſe
Fragen weder mit dem fündebeladenen Ge⸗
wiſſen ſeiner Beichtkinder, noch mit den
ihnen zur Entſühnung aufgetragenen Buß⸗
übungen etwas zu tun haben — ſondern
einzig und allein einen poli-
tiſchen Mißbrauch des Beicht⸗
ſtuhles im Sinne der Notwendig.
keiten der politiſchen Kirche be,
deuten.
Darum erfordert es das Intereſſe des
Staates febr wohl, daß der deutſche Katholik
den ſtaatlichen Stellen über dieſe „religi-
öſen“ Ermahnungen und Geſpräche weiteſt⸗
gehend Aufklärung gibt.
Wir können gleichzeitig der Kirche ver-
ſichern, daß, wenn ſie ſich ihren eigentlichen
religiöſen Pflichten allein zuwendet,
beſtimmt keine Gefahr der abſichtlichen Mih-
deutung und der „ſchuldloſen“ Anklage gegen
ihre Geiſtlichen beſteht. Gais mayer.
Die junge Kameradſchaft. Herausgegeben
von Erich Fiſcher im Verlag Zeit⸗
geſchichte, Berlin.
e fiir die Jugend gibt es ſchon
eit vielen Jahren. Die, die bisher auf dem
fidermartt erſchienen, en aber typi
bürgerliche Erzeugniſſe. Sie wandten d
en
an eine Jugend, die ſich ſelbſt überla
war, die man beſchäftigen mußte und wollte,
ohne we eigentlich irgendwelche Aufgaben zu
geb So griffen ge und Elternhaus
leich krititios, das mu
agt werden, zu dieſen Erze
waren froh, den Jungen oder das Mädel
für einige Zeit beſchäftigt zu wiſſen. Die
lafen dann irgendwelche Räuberpiſtolen, er-
einmal offen ge⸗
niſſen und
28 Vom Vüchermarkt
fuhren, wie man einen Radivapparat baut
und ſicher noch allerlei nützliche Dinge. Aber
das eigentliche Kennzeichen dieſer Bücher
war, daß ſie (abgeſehen von den par 9
Neuerungen) zu jeder Zeit hätten erſcheinen
können — alſo 1850 ebenſogut wie 1920
oder 1930. Jene Jugend -⸗ Jahrbücher ſtanden
in keiner Bindung zu der Zeit, in der die
Jugend heranwuchs.
Dieſe Jahrbücher erſchienen weiter. Es
wurden wohl hier und da Gedichte unſerer
Zeit aufgenommen und Bilder aus dem
Werden der Bewegung gebracht — man ver-
öffentlichte Arbeiten aus der Feder national-
gut Jugend fpraden — wenn fie aud im
ürgerhaus den „Kindern“ geſchenkt
wurden. — Man bedenke allein den Her-
ſtellungsgang eines ſolchen Jahrbuches. Da
war irgendein Mann beauftragt, ein Jahr-
buch zu machen. Der ſchrieb dann, ſeinem
Auftrag entſprechend, an eine Reihe Autoren
und ſie um Beiträge. Die wurden
illuſtriert und das Buch war fertig. Bis
eben der Titel „Jahrbuch für die Jugend“
hinzukam, hatte Jugend mit dieſem Buch
nicht das geringſte zu tun gehabt. Aber ſie
ſollte es leſen.
Bei der Betrachtung dieſes neuen Jahr-
buches der Hitler⸗Jugend „Die junge
Kameradſchaft“ kommen wir von der Ent-
ſtehung her zu dem Sinn dieſes Buches. Der
Herausgeber Erich Fiſcher ſchreibt in ſeinem
Vorwort: „Kameraden! Die Herausgabe
der „Jungen Kameradſchaft“ wurde bedingt
durch die Forderung der Hitler-Jugend, end-
lich ein Jahrbuch zu beſitzen, welches den
Stempel jener Jugend trägt, die durch den
Ambruch einer großen Zeit gegangen iſt.
Ein Buch, aus dem der Kamerad der Rampf-
zeit ebenſo g uns fpridt wie der Soldat
des großen Krieges und der Dichter unſerer
Zeit. Ein Buch, das frei ſein ſoll von
falſcher Mentalität und uns fremder Ro-
mantik, das aber mit harter und doch leiden-
ſchaftlicher Sprache von unſerem Kampf und
unſerem Wollen berichtet. Hier ſollen
Männer a uns ſprechen von der Geſchichte
unſeres Volkes, vom Soldatentum und von
den Geſchehniſſen unſerer Zeit, die wahrhaft
das Recht dazu haben. Alle Beiträge ſollen
in Haltung und Geſinnung das Wollen der
neuen deutſchen Jugend zum Ausdruck
bringen. Möge das Buch am Lagerfeuer
und im Heimabend ein wahrhafter Kamerad
ſein! Dies war der Wunſch aller, die
hieran mitarbeiteten.“
Damit find Aufgabe und Inhalt des
Buches umriſſen. Es iſt ein Buch, das in
engſter kameradſchaftlicher Zuſammenarbdeit
junger Menſchen für die große Kamerad
ſchaft der deutſchen Jugend geſchaffen wurde
Das bezeugt auch eine ſchmale Leiſte mit
dieſem Text: „Die Zuſammenſtellung dieſes
Buches wurde ermöglicht durch die kamerad
ſchaftliche Mitarbeit von inz Ehring,
Herbert Reineder, Ferdi Spindel und Wil-
helm Atermann.“
Auch die Namen der Autoren ſagen etwas
Neues aus. Früher holte man ſich für ein
Jahrbuch den Namen irgendeines „Pro-
minenten” heran zum Kundenfang. Hier
ſtehen die Namen und Arbeiten der beſten
deutſchen Autoren zahllos nebeneinander.
Denn das Beſte gerade iſt für die Jugend
gut u für bürgen Männer wie:
f f tthel, Werner Beumelburg.
Wolfram Brockmeier, Hans Baumann,
ER Dr. Walter Frant, ra hs Euringer,
einrich Lerſch, Herybert Menzel, Heinz
Steguweit, inrich Zerkaulen und viele
andere mehr.
Es hieße dem Buch nicht gerecht werden,
wollte man irgendeine Arbeit aus dem On,
halt beſonders herausſtellen. Es ift alles
damit geſagt, daß das Jahrbuch die „Junge
Kameradſchaft“ alles das bringt, was die
Jugend von einem ſolchen Buch erwartet.
Dies Buch iſt ein neuerlicher Beitrag der
Jugend zum geiſtigen Vormarſch der
Nation. — —
Das Jugendbuch vom Weltkrieg. Von
Wulf Bley. Anion Deutſche Verlags-
geſellſchaft, Stuttgart. 260 Seiten, 35 Ab.
bildungen, 41 Kartenſkizzen.
Wulf Bley, Martin Bochow, Fritz Otto
Sa und Hans Zöberlein haben obi
Werk als Gemeinſchaftsarbeit der deutſchen
Jugend geſchenkt.
Das Buch iſt in Stil und Gliederung gut.
Es iſt in klarer, knapper, phraſenloſer
Sprache geſchrieben. Die Bildauswahl iſt
beſtens gelungen.
Das Buch erſchöpft ſich nicht allein in der
Darſtellung der Frontereigniſſe, (een a es
ſchildert ebenſo auch die politiſchen Ver ;
hältniſſe in den Kriegsjahren und rundet ſo
das Bild des Krieges zu einem voll.
ſtändigen. Pro.
Anſer der Weg. Von Lucie Alexan
der. Verlag Hans Wilhelm Rödiger,
Berlin SW İl.
Die Zahl der Bücher über den Arbeits-
dienſt und aus dem Arbeitsdienſt iſt im
vergangenen Jahr erheblich gewachſen. Wir
— —
Vom Büchermarkt 29
können mit Freude feſtſtellen, daß der Durd-
ſchnitt gut war. Gegen Jahresende erſchien
nun noch das Büchlein „Anſer der Weg“ —
Vom Kampf der Jugend unſerer Tage —
von Lucie Alexander. Nicht nur deswegen,
weil dies Buch einen Einblick gibt in den
weiblichen Arbeitsdienſt, müſſen wir es aus
der Reihe aller Been ee Bücher heraus-
nehmen. Dies Buch ift ein ſchöner Beweis
dafür, daß die Sprache nicht laut ſein muß,
um eine kämpferiſche Haltung zu vermitteln
— daß ein Buch ſtill, ja zart, ſein kann und
doch bis ins letzte packen. Wir danken
Lucie Alexander dieſes Buch, das aus dem
Ringen einer jungen Gemeinſchaft heraus
entſtanden ijt. Es ijt nationalſozialiſtiſch in
ſeiner Geſamtheit und es iſt ehrlich in der
Schilderung, wie ſchwer mancher junge
Menſch in ſich kämpfen muß, ehe er ſeine
eigene kleine Welt der ſchöneren und
en einer feften Kameradſchaft deutſcher
enſchen opfern kann. Dies Buch iſt nicht
nur für die Jugend ſelbſt beſtimmt, obwohl
es fie unmittelbar angeht, es geht ebenſo
jeden deutſchen Menſchen an, der ſich müht,
die Jugend zu verſtehen, die ſich ihre Welt
nach neuen Geſetzen zu bauen .
„Kameraden unterm „ von Eber ⸗
hard Strauß. Stalling⸗Verlag, Ol-
denburg 1935.
In der von Oberarbeitsführer Müller-
Brandenburg herausgegebenen Reihe „Ka-
meraden des Spatens“ iſt dieſer Band der
zweite. Im ganzen überzeugender als der
erſte Band, auch völlig anders geſtaltet.
Hier gibt ein Obertruppführer Bericht
ſeines Erlebens und läßt alle teilhaftig
werden der großen und kleinen Sorgen des
Arbeitsmannes! Es ift eine ſaubere, epr-
liche Arbeit, die es verlohnt geleſen zu
werden. — Für die Buchreihe muß ſie frei⸗
lich die einzige bleiben, fonft leidet der Wert
unter den Epigonen, wie überhaupt die Ge-
fahr der beitsdienſtkonjunkturliteratur
nicht von der Hand zu weiſen iſt, insbefon-
dere wenn ſchon Leute mit dem Vorſatz ein⸗
treten, einen Roman als ſichtbares Ergeb-
nis ihrer Arbeit wieder mitzubringen! —
Strauß Buch gehört in jede Lagerbibliothek
und auch an die große Schicht der deutſchen
Leſer. Hier erleben ſie den Arbeitsdienſt
wie er iſt Gro.
Bengt Berg: Svar Halling. Der Roman
eines Einzelnen. Verlag von Dietrich
Reimer, Berlin. 1935.
Die ganze Welt kennt Bengt Berg als
den raſtloſen Reiſenden Su alle Länder,
als den Tierforſcher und Verfaſſer berr-
licher Tierbilderbücher. Die enormen Auf⸗
lagen beweiſen ſchon äußerlich ſeine Volks⸗
tümlichkeit. Indeſſen willen nur die wenig-
ften um den Dichter Bengt Berg. Der Ber-
lag Dietrich Reimer hat das Verdienſt,
Bergs Leſergemeinde nun auch einen Roman
zugänglich gemacht zu haben, in der dieſe
ihn als Geſtalter und Kritiker zeitnaheſter
Probleme kennenlernt.
Es geht bei dieſem ſozialiſtiſchen Bekennt
nis Bergs nicht darum, ob das Teſtament
des Hüttenherrn, der ſein Werk ſeiner
Belegſchaft vermacht hat, in der Praxis in
den hier vorgeſchlagenen Wegen durchführ⸗
bar iſt. Dieſe Tatſache wollen wir feſtſtellen,
für den Fall, daß irgendwie intereſſierte
Kreiſe dieſe ideale ſozialiſtiſche Forderung
auf das Gebiet betriebs⸗ oder volfswirt-
ſchaftlicher Diskufſionen abbiegen. Bergs
männliches Buch bleibt eine berechtigte An-
lage gegen den Kapitalismus der letzten
Kriegsjahre, nicht nur für Schweden, fon-
dern für die ganze Welt. Berg kennt durch
ebenſo exakte Beobachtung, wie er ſie ſeiner
Tierwelt angedeihen ließ, die unredlichen
und unfittliden Methoden der in Geld den-
kenden Menſchen, für die alles volkhafte
Leben nur in einem Syſtem von Buchungen
Berechtigung oder Sinn hat. Wenn der
Dichter dazu noch einen einzelnen, ſtarken
Mann gegen einen Wall von Intrigen
kämpfen und ſein Werk vollenden läßt, dann
ſpricht er ſo unmittelbar zu uns, daß wir
gang auf feiten feines Ingenieurs Svar
Sa ing jteben, der aus der Rechenmaſchine
der sl Betriebe kommend, das
Recht des ſchaffenden Menſchen erkannte und
dafür ſeine Manneskraft einſetzte. W. A.
Horft von Metzſch: Schlummernde Wehr⸗
kräfte. Neue ſoldatiſche Blickfelder. Ber-
lag Gerhard Stalling, Oldenburg i. O.
217 S.
Horſt von Metzſch beſtätigt hier in ſeinem
hervorragend aufgefaßten und gegliederten
Buch, das er ſprühend lebendig ſchrieb, die
nationalſozialiſtiſche Anſchauung der totalen
Politik vom Blickpunkt des bekannten Mili-
tärs aus. Das Buch, das fo ziemlich ſämt⸗
liche Gebiete des Lebens in feine Betrach-
tungen mit einbezieht, iſt eigenartig und
(eg beachtlich. Beſonders aud für uns Junge
ehr beachtlich. Nur möchten wir den Ber-
ſaſſer in bezug auf fein Schlußwort zu be-
denken bitten, daß die Nation nicht aus KA,
ſondern durch die Partei frei wurde. Pro.
30 Vom Büchermarkt
Franzöſiſches Soldatentum. Chouteau /
Robert de Traa. Mit einem Vor-
wort von Kurt Heſſe und Walter
Mind. Ins Deutſche übertragen von
Walter Mönch. Wilh. Gottl. Korn
Verlag, Breslau.
Zwei Abhandlungen über den franzöſiſchen
Offizier wie er iſt und wie er ſein ſoll. In
Beziehung geſetzt zu ſeinen Antergebenen,
erhalten wir ein Bild des franzöſiſchen Sol-
datentums. In dem Vorwort von Heſſe
ſehen wir dieſes Soldatentum, verglichen
mit dem deutſchen, aus der Erfahrung des
Weltkrieges von einem 1 Offizier
dargeſtellt. Von der Geſchichte t der
Wiſſenſchafter Mönch dieſes Bi 4 a gerun-
det. Ein Buch, das nicht nur Soldaten an;
geht, ſondern wegen ſeiner aD a
polltiſchen Deutſchen.
Weltkrieg und Propaganda. Von Dr.
Hermann Wanderſcheck. Verlag
E. S. Mittler & Sohn. Berlin 1936.
Das 260 Seiten umfaſſende Werk Dr.
Hermann Wanderſchecks zeigt das Arbeits-
feld der feindlichen Propaganda im Welt⸗
krieg und Vorbereitung der Propaganda-
aktionen in den 5 In dieſem
Buch lebt eine ſeltene Aktualität und es
bringt jedem Leſer die nötige Aufklärung
über die von unſeren ehemaligen Gegnern
gegen ung aeführte Waffe der Propaganda.
ir Led od heute eine Reihe namhafter
Blücher über den Weltkrieg, aber nur febr
wenig Literatur, die nam t der Bedeutung
der Propaganda im Weltkrieg beſchäftigt.
Mit dem vorliegenden Buch iſt dieſe
empfindliche Lücke ausgefüllt. Wir empfehlen
jedem HI-Führer dieſes Werk als ein un-
entbehrliches Handbuch für die Bu pe
Aufklärung.
Politiſche Raumordnung. Von Proſ. Dr.
Hans Weigmann. Hanſeatiſche Ber-
lagsanſtalt, Hamburg.
Prof. Weigmann gibt einen Amriß von
dem Aufbau, den Aufgaben und der Siel-
ſetzung der Raumplanung. In der Perſon
des Verfaſſers, der auch als Wiſſenſchaftler
i und praktiſch denkt, iſt die Gewähr
gegeben, daß die Raumordnung nicht wie ſo
oft zum Schlagwort degradiert wird und zu
einem Konjunkturbegriff gemacht wird. In
dieſem Amriß der Raumordnung wird von
deutſchen Notwendigkeiten geſprochen, die
der Nationalſozialismus Zug um Zug ver-
wirklicht. B.
ihrer Arbeit buchen.
„Das Studium der Ko ar
55 von Karl Auguſt Eck⸗
Hardt, 1935. — Hanſeatiſche Verlags-
anhalt, Hamburg.
Die Schrift enthält die neue Studien-
ordnung der neuen Wirtſchaftswiſſenſchaften
und regelt das Studium von Diplomvolks⸗
wirten, Diplomkaufleuten und Diplom-
handelslehrern. Die Studienordnung iſt in
ihren weſentlichen Zügen zu eeu a Sie
bringt einen ke und in ge⸗
ſchloſſenen Aufbau des 5 urd
ue Ordnung ift endlid die alte nationa
ſozialiſtiſche Forderung anerkannt, daß
Wirtſchaftswiſſenſchaft polit if ch e
Wiſſenſchaft und nur im Zu.
ſammenhang mit den anderen
³ʒ fu denkbar iſt.
Für diefe Forderung ift am
ſtärkſten gi N: legten Jahren
Diedeutf Qugendeingetreten.
Sie tann $ fo dies Ergebnis als Erfolg
Das verjöhnt fie in
gewiſſer Beziehung damit, daß die an ſich
notwendige Ergänzu der Studienordnung
durch eine Reform der wirtſchaftswiſſen⸗
ſchaftlichen Ausbildung an Haupt und
Gliedern nicht erfolgt ik Cine folge Aus⸗
bildung müßte im Anfang ein ae
Ausbildungsziel, d. h. die Vorbereitu
eine beſtimmte Führu eee in Staat
oder Wirtſchaft mit ſich bringen. Eine SCH
Swedbeftimmung fehlt heute nod und daher
weiß der hoffnungsvolle Student meiſtens
nicht, welchen Beruf er nach dem Studium
GREET I ſoll. A Go wird ap der Borts-
irt meiſtens gezwungen, eine poli
Zwiſchenſchicht darzuſtellen, die 8
Staat noch in der Wirtſchaft, ſondern vor⸗
wiegend in freien Verbänden, in der Preſſe
oder für andere se flar begrenzte Auf;
gaben Verwendung fi
5 Studien
ordnung, daß wohl beim Stu-
dium heute Ordnung herrſcht,
nach dem Studium jedoch nach wie
vor der Zufall. Beſonders zu betonen
iſt, daß der Studienplan ebenſo wie die Leit⸗
ſätze für das Studium u. E. hundertprozentig
in Ordnung iſt.
Jedoch geht es nach unſerem Ermeſſen bei
einer ſolchen Regelung des Studiums letzten
Endes nicht um die „Erneuerung eines
Faches“, wie anik Wiskemann in
der Schrift zum Ausdruck bringt. Es geht
uns in dieſen Dingen um die Zuſammen⸗
führung der verſchiedenſten wiſſenſchaftlichen
Fächer für die Geſtaltung der Wirtſchafts⸗
=
8
***
Vom Büchermarkt 31
o ſation und der Wirtſchaftsführung.
Nicht das Tach ſteht im Vordergrund, fon-
dern die politiſche Aufgabe, für die dieſes
Fach Grundlagen ſchafft. And wir hätten
doarenſcht, daß das zuerft betont worden
w
re. 8
An dieſe über dem Ganzen d Auf-
gabe kommt man nicht dadurch heran, daß
man ſeiner Wiſſenſchaft und ihren einzelnen
Trägern einen neuen Namen gibt, oder um
fie herum eine ſtändiſche Gemeinſchaft ton-
ſtruiert. Wir ſehen folglich keinerlei Grund
dafür, daß in den Erläuterungen zur
Studienordnung der Volkswirt mit einem
Male als „Rechtswahrer“ betitelt wird. Wie
alle Worte iſt auch dieſes keine weſentliche
Größe, ſondern mehr oder weniger eine
Modeerſcheinung. Viel wichtiger als die
Anpaſſung an juriſtiſche Begriffe ſcheint uns
das Bemühen, der politiſchen Wiſſenſchaft
das materielle und ethiſche Recht zu wahren
für ihre eigenen Ziele. Zuerſt ſchaffen,
dann wahrnehmen undbewahrenl
Das iſt ein politiſcher Grundſatz, der alſo
auch auf die politiſchen Wiſſenſchaſten an-
gewandt werden kann. Der bisher größte
deutſche Volkswirt, Friedrich Liſt, würde
über die Betitelung als „Rechtswahrer“
zweifellos gerader haben, denn ihm ſtand
die „politiſche Oekonomie“ vor
Augen, und damit war er ein ſchöpſeriſcher
Revolutionär größten Formats. Er kämpfte,
das übrige überließ er anderen. And wir
jungen halten zu Liſt. Bo fi.
„Deutſche Reichsgeſchichte in Dokumenten,
Arkunden und Alktenſtücken.“ Heraus-
gegeben von Dr. Johannes Hohlfeld,
4 Bände, Vertrieb amtlicher Veröffent-
lichungen G. m. b. H., Berlin SW 68,
3. Auflage 1934.
Der Herausgeber dieſer umfangreichen
Dokumentenſammlung fpricht im Vorwort
m 1. Band von dem „Reiz der alten Ur-
nde“. Daß dieſer Reiz mehr iſt als eine
Sucht nach irgendeiner Senſation, mehr als
Drang nach Geheimniſſen, die der einzelne
zu entdecken hofft und auch mehr als ver-
ſtaubtes Wühlen in Akten einer Vergangen-
eit, mag unterſtrichen werden. Denn es
unte mit dieſen oberflächlichen Argumenten
allzu leicht die neue Geſchichtsforſchung ab-
getan werden, die ſich von vielen Bor-
urteilen, von Einflüſſen und Meinungen
eines beziehungsloſen Zeitalters loslöſen
muß und in der Arkunde, im Dokument
allein den Schlüſſel zur geſchichtsbedeutenden
Perſönlichkeit findet. Auch dürfte es richtig
ſein, als ſtärkſtes Erlebnis geſchichtlichen
Studiums die unmittelbare Wirkung der
großen Seugniffe der Vergangenheit zu be-
zeichnen. Ein gefunder Inſtinkt findet mit
Hilfe dieſer Biftorifchen Dokumente Die
weſentlichen Richtlinien für eine gefunde
und klare Geſchichtsbetrachtung, erkennt aber
auch aus jedem Ereignis die gleichen Geſetze
des Blutes, die gleihen Geſetze des Han-
delns, denen Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft feines Volkes unterworfen find; und
in ihm lebt ſelbſt Geſchichte. Der 1. Band
umfaßt die Zeit von 1849 bis 1906, d. h.
von der Verfaſſung des Deutſchen Reiches
vom 28. März 1849 bis zur Niederſchrift
Wilhelms II. über ſeine Anterredung mit
Eduard VII. in Schloß Friedrichshoſj. Im
Mittelpunkt des erſten Teiles ſtehen zweifel⸗
los die Dokumente, die von Bismarcks
Kampf um die Einheit des Reiches ſprechen.
Beſonderes Intereſſe verdient dabei ein
Brief Ludwig Il. von Bayern an feinen
Bruder Prinz Otto, der die wahren Ge-
fühle verrät, die der bayriſche König bei dem
Angebot an Wilhelm J., die Kaiſerwürde zu
übernehmen, empfand. Spannend leſen ſich
die Aufzeichnungen und Reden, die mit dem
Kulturkampf und den erſten Parteikämpfen
des Deutſchen Reichstages zuſammenhängen.
Bismarcks haushohe Aeberlegenheit, feine
meiſterhafte Logik und fein politiſcher Weit⸗
blick ſpricht aus allen Dokumenten, die die
Außenpolitik des erſten Reiches betreffen.
Die Epoche von 1906 bis 1926, die der
2. Band der reichhaltigen Sammlung be-
handelt, kann man wohl zu den Tiefen-
punkten deutſcher Geſchichte zählen. Wie
wenig dabei von Fataliſten dem unabmend-
baren Schickſal, wieviel andrerſeits unfähigen
Diplomaten und Politikern zuzuſchreiben iſt,
das lehrt ein gründliches Studium dieſer
Bände. Die verhängnisvolle Flottenpolitik
des Kaiſers England gegenüber, deſſen
Freundſchaft er erſtrebte und deffen Feind-
ſchaft er ſich zuzog, iſt durch eine beſonders
reichhaltige Wiedergabe einſchlägiger Akten
belegt. Die Rede des Reichskanzlers Bülow,
in der das Wort von der „Nibelungentreue”
fiel, ſeine Entlaſſung und die Ernennung
Bethmann⸗Hollwegs, unſeligen Angedenkens
füllen nur drei Druckſeiten — aber welche
verhängnisvolle Sprache ſprechen ſie?!
Wenige Blätter ſind nur zu wenden, um die
unwiderlegbaren Dokumente gegen die
Kriegsſchuld vorzufinden. Dieſe Tage vor
Kriegsausbruch zeigen die Machtloſigkeit
einer um den Frieden kämpfenden deutſchen
Diplomatie. Aber die Lawine rollt, die
Manöver der franzöſiſchen Diplomatie
führen nach einer ſorgſamen Vorarbeit im
32 Vom Büchermarkt
Zeitraum eines halben Jahrhunderts zur
ad ap Die Dokumente fprechen eine
eindringliche Sprache über die Erfahrungs-
tatſache, daß Macht vor Recht geht. Beth-
mann ⸗Hollweg hat Muße gehabt, ſolche
Akten in dieſer Zeit zu ſtudieren und das
ne was ein Reichskanzler für fein
t hätte mitbringen müſſen. Die Ope-
rationspläne find der Sammlung beigegeben
und die traurigen Reichstagsſitzungen find,
der Nachwelt ein ewig abſchreckendes Zeug ·
nis, hier erhalten. er Notenwechſel mit
Lanfing um den Waffenſtillſtand find aus-
führlich wiedergegeben. Die letzten Tage im
Großen Hauptquartier und die Flucht des
Kaiſers find durch Aufzeichnungen der Be⸗
teiligten feſtgehalten. Die Dokumente der
Revolte find verzeichnet. Das einzig erfreu-
liche Schriftſtück iſt der Wortlaut der wür⸗
digen Rede Brockdorff⸗Rantzaus zu einer
unwürdigen Zeit in Verſailles. Dieſer Band,
voll von faſt durchweg ſchmachvollen und un⸗
glücklichen Dokumenten, ſchließt mit der An⸗
trittsrede Streſemanns im Völkerbund 1926.
Der dritte und vierte Band der Dotu-
meriam ana ſteht ſelbſtverſtändlich unter
dem innenpolitiſchen Vorzeichen, da hier
weſentliche alen alt Dokumente für
eine e ye nicht reif ſind. Vieles,
was in dieſen Bänden vorhanden iſt, mag
in mehreren Jahrzehnten die Bedeutung ver⸗
loren haben, die wir ihm in der Gegenwart
beimeſſen. So kommt es auch, daß der
dritte Band die nur kurze Zeitſpanne von
1926 bis 1931 enthält. Sie beginnt mit der
Rede Adolf Hitlers nach der Wieder-
aufrichtung der Partei in München am
27. Februar 1925. Die Sammlung ift an-
gefüllt von den innenpolitiſchen Kämpfen
dieſer SE Gegen Ende dieſes Bandes
ift die Nationalſozialiſtiſche Deutſche Ar-
beiterpartei mit zahlreichen Dokumenten ver-
treten. Auch das unſelige Oſthilfegeſetz iſt
feſtgehalten und Brünings Rundfunkreden,
deren Hilflofiatcit uns erft heute ins rechte
Bewußtſein kommt, fehlen unter den Zeug⸗
niſſen dieſer Jahre nicht.
Der vierte Band der Dofumentenfamm-
lung führt uns mitten hinein in die Ge-
ſchichte des jungen Reiches. Er reicht von
der Harzburger Tagung der nationalen Op-
poſition bis zum „Geſetz über den Neubau
des Reichs“ vom 30. Januar 1934. In
dieſem Band tritt das außenpolitiſche Mo-
ment noch weſentlich ſtärker zurück als im
vorhergehenden. Es gibt ausführlich die
Dokumente wieder, die als Wegweiſer durch
die nationalſozialiſtiſche Revolution führen.
Es enthält vor allen Dingen die erſten be⸗
deutenden Geſetze des Dritten Reiches.
Man kann dieſe letzten beiden Bände
eigentlich nicht mit den erſten in eine Reihe
ſtellen. Die Zuſammenſtellung von Doku-
menten der jüngſten Zeit iſt der natürlichen
Gefahr ausgeſetzt, das Weſentliche vom Un:
weſentlichen nicht ſcheiden zu können. Dieſer
Gefahr ift auch der Herausgeber der Dotu-
mente nicht entronnen. So dürften die ver-
ſchiedenen Aufrufe der einzelnen Parteien,
eden von Reſſortminiſtern des vergange-
nen Syſtems in einer ſolchen Dokumenten
ſammlung, die die großen hiſtoriſchen Ser?
kreuzungen der deutſchen Geſchichte aufzeich⸗
nen foll, ziemlich unweſentlich fein. Au
vermißt man weſentliche außenpolitiſche Do-
kumente, die der Oeffentlichkeit bekannt wur:
den. Dieſe finden wir in einer ausgezeid-
neten i „Zur Welt:
olitik der Nachkriegszeit“, die
m Teubner Verlag, Leipzig, erſchienen ift
und in der die wichtigſten Dokumente nach
großen Problemen der europäiſchen Ge⸗
ſchichte geordnet find. Vor uns liegen die
Hefte über „Südoſteuropa und den nahen
Orient“, „Abrüſtung und Sicherheit“, ſowie
„Der europäiſche Oſten“. Dieſe Sammlung
weſentlicher politiſcher Verträge können wit
jedem, der ſich mit der europäiſchen Politik
n zum eingehenden Studium emp⸗
ehlen.
Die vorliegende Dokumentenſammlung
Hohlfelds, die ſich beſonders durch einen ge⸗
ſchmackvollen Leinenband auszeichnet, hand⸗
lich iſt und durch einen gefälligen Druck aus-
geſtattet wurde, darf im großen und ganzen
als ein gelungenes Werk betrachtet werden,
was Héi in allen Bibliotheken, wiffenfdaft-
lichen Inſtituten aber auch in mancher Pri-
vatbücherei eines politiſchen Führers unſerer
Zeit durchſetzen wird. K.
Hauptſchriftleiter: Günter Kaufmann (z.
t. in Urlaub).
Stellvertreter: Dr. Karl Lapper. Anſchrift: „Wille
and Macht“, EE Berlin NW 40, Kronprinzenufer 10. Tel. D2 5841. Verlag: Deutſcher Jugend
verlag G. m. b. H., Berlin W
Otto Arndt, Berlin. — D.A. IV. Bi. 35: 18 100. de
Wille und Macht“ ift zu il 2 durch den Deut
bitte den Betrag in Briefmarken beizulegen,
erledigt werden kann. Maſſen
Lützowſtr. 66. Tel. B 2 L
l. Nr. 5. — Druck: Theodor Abb Buchdruckerei
chen Jugendverlag oder jede deutſche Buchhandlung ſowie durch
. Poſtbezug viertelj. RM. 1,80 augügl. Beſtellgeld.
a Nachnahmeſendun
zug durch den Verlag
ützow 9006. — Verantw. für den Anzeigenteil: Kurt
erlin SW 68.
Bei Beſtellung von 1 bis 3 einzelnen Nummern
zu teuer iſt und dieſe Beſtellung ſonſt nicht
aut beſonderen Bezugsbedingungen.
Die deutſchen Romane
von Meurer Saunſen
geben lebendige Bilder aus deutſcher Sage und Geſchichte
Daß Buch Treue
Nibelungen ⸗Roman / 139. Tauſend
Daß Buch Liebe
Gudrun- Roman / 107. Tauſend
Das Buch Leidenschaft
Amelungen- Roman / 79. Tauſend
Heinnich der Lowe
Roman / 56. Tauſend
Nobert der Teufel
Kreuzzugs Roman / 205. Tauſend
Geier um MM
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Deutſchritter Roman / 110. Tauſend
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jeden Band in allen Buchhandlungen. Verlangen
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Hans Heyck
Friedrich Wilhelm L
Amtmann und Diener Gottes auf Erden
Hans Heyck hat mit ſeinem neuen Noman über Friedrich
Wilhelm J., den preußiſchen Soldatenkönig, ein großes
leuchtendes Zeitgemälde geſtaltet, das das Europa des
18. Jahrhunderts in aller Unmittelbarkeit lebendig werden
läßt. Von Potsdam und den Kaſernen des Königs,
vom Hof in Berlin, von Wuſterhauſen und den Herbſt⸗
jagden Friedrich Wilhelms ſpannt die feſſelnd aufgebaute
Handlung ihre Fäden zu den Höfen in Wien, Hannover,
Stockholm und Paris. Die wilden Abenteuer des nordiſchen
Krieges und die Intrigen der ſpaniſchen Erbfolge ſpielen
hinein und geben ihr ſtärkſte dramatiſche Wirkung.
Warmer Humor und eine wuchtige, kraftvolle Sprache
verleihen dieſem Buch eine unvergleichliche, dichteriſche
Kraft und werden ihm immer neue Freunde gewinnen.
466 Seiten. Pappband RM. 4,50, Ganzleinen RM. 5,50.
Zeitgeichichte
Verlag und Vertriebs⸗Geſellſchaft m. b. H., Berlin W35
Weld
übrerorsander nationalſozialiſtiſchen Zugend
dem Zubalt:
der Freiheit eines Nationalsozialister.
„Ich rufe die Jugend der Welt“
Repräsentation
| Spiegel eines Lebens — Zeck | Heute Moor und morgen frachibares Land — Humbold | John `
and die 360 — Starhembergs „göttliche Wellordnung — Handel mit Heiligen — Kums -
30 Pfennige — Ein Irrtum — Vom Büchermarkt
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— / Ge 3 Berlin, den 1. Sebenat 1036 Ginsgelpeeis 30 Pia.
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„Ich rufe die Jugend der Welt“ `. Walther Schlüter
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Von der Freiheit eines Nationalſozialiſten Gottfried : ej
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Heute Moor und morgen fruchtbares Land. . . . . Dr. Hans F. Set
Außenpolitiſche Notizen:
John Pierpont und die 360
Nandbemerkungen:
Starhembergs „göttliche Weltordnung“
Handel mit Heiligen
Kultur für 30 Pfennige
Ein Irrtum
Vom Büchermarkt
Kunſtdruckbeilage: a
Olympiaglocke; Aus der antiken Olympiade: Standbild eines Sieg
und Kopf eines Siegers; Olympia⸗Plakette 1936 (Fotos Schirner)
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Nach
eerergen dev nationalfosialiftiider Susend
dahrgang 4 Berlin, 1. Februar 1936 Heft 3
Walther Schlüter:
„sth vufe die Sugend der Welt“
Dieſer Spruch, den die Olympiaglocke trägt, Hellt ein politiſches Programm
dar. Er iſt Ausdruck für die Richtung, die die Olympiſchen Spiele 1936 in Berlin
tragen ſollen.
Von ausländiſcher Seite iſt Deutſchland oft der Vorwurf gemacht worden, daß
es kein Lebensgebiet mehr hätte, das nicht „politiſch gemacht“ worden ſei. Auf
alles hätte der Nationalſozialismus ſeine Hand gelegt. Das ſtimmt allerdings,
aber es ift für den Nationalſozialismus kein Vorwurf. Es ift klar, daß ein einheit.
lich ausgerichtetes Volk, das nur einen Willen kennt, nur ein Ziel ſieht, auch alle
ſeine Lebensgebiete hiernach ausrichten muß. So mußten die Leibesübungen
notwendig „politiſch“ werden. Aber politiſch heißt: es geht um volkliche Belange!
Das iſt die Begriffsbeſtimmung, die der Nationalſozialismus allen anderen
Deutungen des „Politiſchen“ entgegenſetzt. Wie könnten wir ſonſt von „politiſchen
Soldaten“ ſprechen? Eine vergangene, abgeſchloſſene Zeit hat der „Politik“ erſt
den Beigeſchmack gegeben. Die Politik äußert ſich nach innen, auf den Staat, als
Innenpolitik — zum andern nach außen auf den Verkehr mit anderen Völkern
als Außenpolitik. Politik iſt die Summe der Beziehungen und Arbeiten, die
dem Staat das Leben ſowohl nach innen als auch nach außen gewährleiſten. Damit
haben aber auch die Leibesübungen in zweifacher Hinſicht ihre politiſche Bedeutung.
Als im Jahre 1894 in Paris der franzöſiſche Baron Pierre de Coubertin den
erſten Olympiſchen Kongreß berief und hier die Olympiſchen Spiele moderner Seit-
rechnung begründete, da wurde den Spielen der Gedanke mitgegeben: „Das Olym-
piſche Feuer ſoll alle Kulturſtaaten der Welt erwärmen.“ Mit dieſer Sinngebung
wurden die Spiele aus dem Rahmen einer rein ſportlichen Veranſtaltung heraus-
gehoben. Sie erhielten international-politiihe Bedeutung.
t
Schlüter / „Ich rufe die Jugend der Welt“
Als der Marxismus in Deutſchland wirtſchaftete, wurde immer nur von dem
„völkerverſöhnenden“ Sport geſprochen. Die Leibesübungen ſollten das anbahnen
und ſchaffen, wozu ein ohnmächtiger Staat nicht in der Lage war. Da die Baſis
fehlte, von der aus dieſer Keil hätte vorgetrieben werden können, mußte der Verſuch
fehlſchlagen. Denn Aufgabe des Sportes kann es niemals ſein, Politik zu machen,
wohl aber kann er politiſche Beziehungen unterſtützen und ausbauen helfen.
Was fo erreicht werden kann, ſehen wir an einem berühmten Beiſpiel:
Nurmi. Das kleine Finnland lebt mit der Welt in Frieden. Außenpolitiſche
Spannungen beſtehen nicht. Aber innerpolitiſch iſt die Weltkriſe auch an dieſem
Ländchen nicht vorbeigegangen. Zu ſeiner Stabiliſierung bedurfte es unbedingt
einer Anleihe. Da freundſchaftliche Beziehungen zu Amerika beſtanden, wurden
Verhandlungen wegen einer Anleihe von dem Staat geführt. And dann wurde der
Wunderläufer Nurmi ins Feld geſchickt. Durch ſein Laufen erwarb er ſich die
Sympathien des amerikaniſchen Publikums und auch der Staatsmänner. Seine
Geradheit, ſein Wille und ſein Können gaben den letzten Anſtoß: Finnland wurde
die Anleihe gewährt. Der Stratege der Aſchenbahn holte ſich ſo einen ſeiner
ſchönſten und größten Siege. So erreicht einmal das Land über den Sport Erfolge,
die den ſportlichen Rahmen durchaus ſprengen. Aber auch von dem Sport aus
können Erfahrungen heimgebracht werden, die in der Lage ſind, ſich grundlegend
verändernd auf Staat und Volk auszuwirken. Zeigen wir es an einem negativen
Beiſpiel: Als das Völkerringen von 1914 — 1918 feinen traurigen Abſchluß gefunden
hatte, bemächtigte ſich in Deutſchland der Liberalismus des Sportes. Teilziele
wurden aufgeſtellt, das „Individuum“ beherrſchte ganz eindeutig das Feld. Das
Streben nach der Höchſtleiſtung trat in den Vordergrund. Rekordinflation und
Kanonenkult waren die Hauptdarſteller auf der Bühne der Leibesübungen. Die
Grundlage, eine Volksgemeinſchaft, fehlte. Sie mitzubauen wäre der Sport in der
Lage geweſen. Denn als 1920 die Olympiſchen Spiele in Antwerpen geſtartet
wurden, durfte Deutſchland (und Oeſterreich) nicht teilnehmen. Hier hätte es doch
den Deutſchen aufgehen müſſen, daß ſich der Sport auf falſchen Wegen befand!
Denn die deutſchen Wettkämpfer wurden nicht ausgeſchloſſen, weil ihre Leiſtungen
nicht olympiſches Maß gehabt hätten. Man wollte auch nicht den einzelnen deutſchen
Wettkämpfer als ſolchen ausſchließen. Nein, es wurde mit dieſer Maßnahme
Deutſchland getroffen! Wo blieb denn jetzt die Parole des „völkerverſöhnenden“
Sportes?! Aber es kam noch ſchlimmer. Als 1924 Frankreich mit der Durch—
führung der Olympiſchen Spiele in Paris betraut wurde, durften die Deutſchen
wieder nicht teilnehmen. Die Begründung?! „Frankreich konnte die Garantie
ſür die Sicherheit der deutſchen Teilnehmer nicht übernehmen“!!! Hätte an dieſen
Maßnahmen das zerrüttete Deutſchland ſich nicht eine große Lehre zuteil werden
laffen können? Aber die einzig mögliche Konſequenz, die „politiſch“ geweſen wäre,
konnte man vor lauter „Politik“, nämlich der Parteien, nicht ziehen! And alles
Gerede und Getue half ja nichts. Man ging an den Kern der Sache nicht heran.
Das Grundübel konnte über den Weg der Leibesübungen beim Staate gepackt
Schlüter / „Ich rufe die Jugend der Welt“ 3
werden. Daß das durchaus möglich war, kann auch durch ein Beiſpiel aus der
deutſchen Geſchichte erhärtet werden: Jahn! Er verſuchte über den Weg des
Turnens, das gar nichts mit dem heutigen einſeitigen Geräteturnen zu tun hat,
zur Nation, zur Volkswerdung vorzuſtoßen. Die Größe ſeiner Tat kann erſt unſere
heutige Zeit wieder richtig einſchätzen, die nicht davon zehrt, ſondern ſie zu neuem
Leben wieder erſtehen läßt. Jahn rief auch die deutſche Jugend auf den Plan.
In einer Notzeit, als der Staat verſagte und politiſche Einrichtungen nichts
mehr galten, als ganz Europa unter der korſiſchen Fuchtel Napoleons zuſammen—
zuckte und ſich duckte, als auf der einen Seite hündiſche Ergebenheit und hände—
ringendes Bitten ſtand, auf der anderen aber glatte Ohnmacht, da rief Jahn auf.
Er ſammelte die deutſche Jungmannſchaft und damit den Kern der Nation. Wenn
er ſie in dem Sinne erzog: Flink wie Windhunde — zäh wie Leder — hart wie
Kruppſtahl —, wenn er aus ihnen Kerle machte, Soldaten, dann war das ſeine
politiſche Leiſtung, feine Tat! And was war fein Erfolg? Als die großen deut-
ſchen Reformer antraten, ein Stein und ein Scharnhorſt, da fanden ſie Kerle vor,
die Soldaten waren, auch ohne bunten Rock! Denn Soldatentum kann ſich in
Kleidung ausdrücken, muß aber nicht! Es iſt eben ein charakterlicher Wert,
die innere Haltung, die immer da iſt, gleich an welcher Stelle ihr Träger
ſteht oder welche Kleidung er trägt!
„Ich rufe die Jugend der Welt.“ Wieder iſt Deutſchland im Aufbruch. Anſere
Lebensgebiete ſind politiſch geworden, unſer Volk iſt politiſch. An erſter Stelle
unſere Jugend. Sie iſt berufen auszubauen und zu halten, was Männer ſchufen,
die in Stahlgewittern hart wurden. Sie tritt ein Erbe an, das geboren wurde in
Blut und Eiſen. Sie bindet den Geiſt, der herüberweht aus den Namen Verdun,
Somme, Langemarck. Sie trägt die Fahne, die die Leiber deckt von Horſt Weſſel,
Herbert Norkus, Walter Wagnitz! Die Haltung unſerer Jugend wird beſtimmt
durch heroiſchen Realismus. Wir haben heute wieder die Bindung zu unſerer
deutſchen Geſchichte. Damit haben wir aber auch den ſcharfen Trennungsſtrich zur
Reaktion gezogen. Sie ſchaut immer nach hinten, preiſt das Vergangene, was gut
war, und verſucht, dieſes wieder herzuſtellen. Ihr fehlt der Aufbauwille, jenes
Drängen zur Tat. Wir aber, die wir die geſchichtliche Bindung haben, ſehen und
werten das Geſtern, leben und geſtalten das Heute, arbeiten und glauben für
morgen. So kann nur geſchichtliche Bindung verjtanden werden und läßt für uns
auch das Wort gelten, das dem Ardeutſchen, Fauſt, alles galt: „Die Tat iſt alles.“
Dieſe geſchichtliche Bindung legt uns die Verpflichtung auf, unſer raſſiſches Erbe
anzutreten. Das heißt nicht, daß wir uns wieder Bärenfelle umhängen wollen
und als alte Germanen durch die Weltgeſchichte laufen. Zeit und Amſtände
ändern ſich, nicht aber die raſſiſche Veranlagung. Die ihr gemäße Haltung bleibt!
Deshalb gilt für uns noch jenes Fauſtwort, denn wir haben uns zurückgefunden
und uns zur heldiſchen Lebensauffaſſung als der uns artgemäßen wieder entſchieden.
Der Kampf galt unſerem Vorfahren alles. In ihm fand er ſeinen höchſten Lebens—
zweck. Nur nicht den Strohtod ſterben! Die Angſt hiervor iſt uns verſtändlich,
4 Schlüter „Ich rufe die Jugend der Welt“
wenn wir eben die Tat im Mittelpunkt des germaniſchen Lebens ſtehen ſehen. Da
bedeutet der Strohtod, daß das Leben eben nicht artgemäß gelebt worden ift. Ver-
ſchwenden kann ſich der nordiſche Mann und lachend ſchaut er dem Tod ins Auge:
er iſt ihm Erfüllung ſeiner Aufgabe. Der Germane lebt nicht um des Lebens
willen, ſondern das Leben iſt Schickſal. Wie dieſes auch ſein mag, er kämpft mit ihm,
aber nicht verbittert und voll Haß, ſondern voller Freude, und der Kampf iſt ihm
hohe Zeit. Von dieſer Auffaſſung ſchreibt H. F. K. Günther: „Der Held liebt ſein
Schickſal, am ſtolzeſten dann, wenn es ihn zermalmen will.“ Dieſes Drängen und
dieſer Wille zur Tat rief auch die deutſche Jugend zu den Fahnen des Führers.
Sie wird nun immer weiter marfdieren und immer weiter geſtalten. And weil fid
in der Jungmannſchaft die Kraft des Volkes zuſammenfindet, deshalb ſteht ſie in
vorderſter Front. Deshalb hat ſie aber auch größte Verpflichtungen. Sie wird
ihre Ausrichtung in dieſem Jahre bei den Olympiſchen Spielen unter Beweis ſtellen.
Die Olympiſchen Spiele find als ein Erbe auf uns gekommen. Sie ftammen
aus Griechenland, dem Land, von dem H. F. K. Günther ſagt: „Dieſes Griechenland
war eine Großtat der nordiſchen Raffe.” Die Olympiſchen Spiele hatten für
Griechenland ungeheure nationale Bedeutung. Sie waren aus kultiſcher Handlung
gewachſen, und die Wettkämpfe in den Leibesübungen ſollten das Feſt für die
Götter verſchönen. Erft nach und nach erlangten die Wettkämpfe das Ueber-
gewicht. Sie wurden in ihrer Bedeutung ſo ſtark, daß ſie das griechiſche Volk, das
ſonſt in Stämmen, in Stadtſtaaten lebte und fih befehdete, einte. Das Waffen-
tragen war in Olympia verboten. Es wurde ein Feſt des Friedens, ein Feſt der
Verſöhnung, ein Feſt des Volkes. Die volkliche Einigung, die ſich hier vollzog,
das Ahnen einer volklichen Zuſammengehörigkeit und Verbundenheit gaben den
griechiſchen Olympiſchen Spielen ihre politiſche Bedeutung. Dieſer national-
politiſche Rahmen iſt mit der Wiedererweckung des olympiſchen Gedankens nach
über 1000jähriger Rube geſprengt worden. And doch werden die gegenwärtigen
Spiele neben ihrer internationalen Bedeutung auch immer ihre national politiſche
Bedeutung behalten. Wir Deutſchen ſehen in den Olympiſchen Spielen unſere
Verpflichtung des Volkstums. Wir werden den Beweis antreten, daß wir ein
Volk find, das Wort ift und einig. Ein Volk, das eine einzig verſchworene Gemein-
ſchaft bildet. Von dieſer Ausrichtung müſſen unſere Olympiakämpfer getragen
ſein. Sie ſind nicht mehr die Könner ihres Faches, ſie ſind nicht die Vertreter
einer Sportart oder irgendwelcher Farben, fondern fie find deut ſches Volk!
Nach dieſen Geſichtspunkten iſt ihre Auswahl erfolgt. Wenn bei den Griechen der
olympiſche Gedanke der Ausdruck der Kraft und der edlen Geſinnung des einzelnen
und damit auch des Volkes war, wenn der griechiſche Olympiakämpfer den Kampf
„zum Ruhme feiner Vaterſtadt“ ausfodt, fo ift bei uns heute der olympiſche Ge-
danke auch wieder der Ausdruck unſerer Kraft, der Ausdruck unſerer Haltung. Denn
„das Vaterland iſt nicht nur da ſichtbar, gegenwärtig, wo das Volk in Waffen
auftritt, ſondern auch da, wo die junge wie die ältere Mannſchaft in ſportlichen
Wettkämpfen ſich übt“ (Baeumler). Wir wollen alſo bei den Olympiſchen Spielen
eee —
Bockhoff / Repräfentation 5
unfere Haltung unter Beweis ſtellen. Die deutſchen Wettkämpfer müſſen ſich deffen
bewußt fein. Sie follen wiſſen, daß ein einiges, ſtarkes Volk hinter ihnen ſteht.
Nicht fie Starten, ſondern wir, der Geſamtverband einer Nation! Das ift der
Hintergrund für die Spiele, das iſt ihre politiſche Bedeutung. Friedrich Ludwig
Jahn hat einmal geſagt: „Wahrhaft und wehrhaft im Wandel, ehrlich und wehrlich
im Handel, rein und ringfertig im Nat, tugendhaft tüchtig zur Tat, keuſch und kühn
in der Kunſt, unbekümmert um Gunſt, hoch lebe das deutſche Jungtum!“
Wenn wir es in unſerer nationalſozialiſtiſchen Erziehung erreichen, wieder
Kerle hinzuſtellen, Soldaten zu erzeugen, Männer wachſen zu laſſen, ſo braucht uns
um unſeres Volkes Zukunft nicht bange zu ſein. Dieſe Jungmannſchaft ſchicken wir
in den Kampf, der nichts mit Eiſen und Maſchinen zu tun hat, der aber immer aus-
gefochten werden muß und auch ſoll für das Verſtehen der Völker und damit für
den Frieden. Ewig lebendig ſein kann dieſe Haltung und Auffaſſung aber nur
in der Jugend. Deswegen, Glocke, läute! Rufe ihn wach, den Quell jedes
Volkes, die Jugend: Rufe die Jugend der Welt!
Dr. jur. Ernst-Hermann Bockhoff:
Repräſentation
Man kann den kulturellen, geiſtigen, moraliſchen und politiſchen Zuſtand eines
Volkes daran erkennen, welche Werte, Typen, Charaktere als erſtrebenswerte Ideale
von ihm „repräſentiert“ werden. Der Typus Menſch, der repräſentiert, die
Ideen, die repräſentiert werden, und die Menſchen, vor denen dieſe Ideen
repräſentiert werden, kennzeichnen den Geiſt eines Volkes in einer beſtimmten Zeit.
Der „Repräfentant” einer Idee ift dann immer zugleich derjenige, der das Geſicht
des betreffenden Volkes prägt und es nach ſeinem Typus politiſch geſtaltet. So
„repräſentiert“ der Jude feinen Typus. Wo er die politiſchen Ideale eines Volkes
beftimmt, verjudet das Volk. Der liberale Bürger, der Marxiſt, der Prieſter, der
völkiſche Führer, fie alle repräſentieren auf ihre Weiſe die ihnen entſprechenden
Typen, Charaktere und Ideale und geſtalten nach ihnen ihre Gefolgſchaft. Friedrich
der Große repräſentierte den Soldaten und ſchuf den preußiſchen Soldatenſtaat.
Wilhelm J. war das Vorbild des pflichtgetreuen, ſauberen, ſparſamen preußiſchen
Beamten und er ſchuf den vorbildlichen preußiſchen Beamtenſtaat. Wilhelm II.
war das „perſönliche Vorbild“ ſeiner Zeit. And ſie wurde das perſönliche Abbild
feiner Perſon. Rathenau, Erzberger, Barmat, Sklarek kennzeichnen den Ideal⸗
typus des Weimarer Syſtems. Adolf Hitler endlich ſchuf fih feinen Staat und
geftaltet ihn „nach feinem Ebenbilde“. Roſenberg nennt die typenbildenden Kräfte,
die dieſen neuen deutſchen Menſchentypus geſtalten: „Fritziſcher Ehrbegriff, Moltkes
6 Bochofſ / Repräfentation
Zuchtmethode, Bismarcks heiliger Wille“, und — ſo könnte man hinzufügen —
Hitlers ſchöpferiſch intuitive „Kraft. Dieſer Menſchentypus, „geradwinklig an
Leib und Seele“, repräſentiert das neue Deutſchland. Adolf Hitler repräſentiert
keine Klaſſe, keine bürgerliche Schicht, keinen göttlichen Herrſchafts⸗ und Autoritäts⸗
anſpruch, ſondern zum erſten Male in der deutſchen Geſchichte das ganze deutſche
Volk. S
Repräfentieren bedeutet foviel wie „vergegenwärtigen“. Der Repräjentant
verkörpert, „vergegenwärtigt“ in feiner Perſon eine beſtimmte Idee oder den ge
ſchloſſenen Willen einer Gefolgſchaft von Menſchen. So repräſentiert der Führer
immer ſeine Gefolgſchaft, während die Gefolgſchaft wie der Führer zuſammen die
ſie gemeinſam umſchließende und verpflichtende Idee repräſentieren. Immer jedoch
ift es das Kennzeichen einer wahren und echten Repräfentation, daß fie ein Hinaus-
greifen über den engbegrenzten Bereich des einzelnen in den umfaſſenden Bereid
einer höheren Gemeinſchaft bedeutet. Dort, wo der einzelne nur ſich ſelbſt, ſeine
private Lebensſphäre, ſeine perſönlichen Intereſſen „repräſentiert“, kann man nicht
mehr von einer Repräfentation im eigentlichen Sinne ſprechen. Repräſentation ift
ein durch und durch gemeinſchaftsbezogener, ſozialiſtiſcher Begriff. Er bedeutet
geiſtige und perſönliche Einſatzbereitſchaft für etwas anderes als das eigene, für
etwas Perſönliches, Höheres, für einen größeren Pflichtenkreis, dem man ſich widmen
will. An dieſe Aufgabe geht man mit einer inneren Ehrfurcht, mit Ernſt und Würde
heran. Denn gerade deshalb, weil man die Werte, die Traditionen, die lebendige
Subſtanz dieſer höheren Gemeinſchaft als ein von den Ahnen übernommenes Ver—
mächtnis und daher als eine heilige Verpflichtung für ſich empfindet, will man ſie
ſchützen, mit ſeiner Perſon „repräſentieren“, d. h. einerſeits dieſe Werte in ſich ſelbſt
lebendig verkörpern, andererſeits auch die Amwelt nach ihnen geſtalten. Die be—
rufenen Repräſentanten dieſer Ideen, Werte, Güter und heiligen Aeberzeugungen
ſprechen daher nur das aus und tun nur das, was alle jene, die ſich der großen
Gemeinſchaft innerlich verpflichtet fühlen, wünſchen und wollen. Wenn ſie als
Repräſentanten dieſer Gemeinſchaft auftreten, dann haben fie die ſeeliſche Bereit-
ſchaft ihrer Gefolgſchaft für ſich. Ihre Autorität entſpricht denn auch immer der
Intenſität und der lebendigen Wirkſamkeit dieſes ſeeliſchen und ideellen Kontaktes.
zwiſchen Führung und Gefolgſchaft. Die Tauſende, die dem Führer zujubeln, wenn
er zu ihnen ſpricht, find wie ein gewaltiges, großes, in freudiger Erregung und
ſtarken Schlägen pulſierendes Rieſen-Herz. Die Feierlichkeit, der Ernſt und. die
Würde ſolcher Augenblicke ballt zugleich dieſe frei verſtrömenden Energien zu einer
ungeheuer diſziplinierten Kraft zuſammen. Dieſe Momente ſind die monumentalſten
Entfaltungen energiegeladener Kräfteſpannungen, die man ſich denken kann. In
ſolchen Augenblicken wird die wahre Kraft eines Volkes
repräſentiert! Hier ſpricht das Volk zu ſich ſelbſt, ſpricht
es feine Sprache, enthüllt es fein Angeſicht. Wenn der Führer
Zwieſprache hält mit ſeinem Volk, wenn jeder der Tauſende ſich in ſeinem Herzen
urſprünglich von ihm angeſprochen fühlt, offenbart ſich die Kraft dieſes ſtarken, alles
-a m — —
Bodboff / Reprdfentation 7
mit ſich reißenden Fluidums, das zwiſchen Führung und Volk befteht. In einem
Staat, deſſen Führer ſich als die wahren Repräſentanten des Volkes bezeichnen
können, hat daher auch die Frage der Autorität ihre Problematik verloren. Autorität
muß nach unſerer Auffaſſung in der lebendigen Wirkſamkeit dieſes ſeeliſchen und
ideellen Kontaktes zwiſchen Führung und Volk begründet ſein, ſonſt bleibt ſie
Diktatur. Das Vorhandenſein dieſes inneren Kontaktes muß daher auch ein
notwendiges Kriterium dafür ſein, ob ein beſtimmtes Syſtem als wahre
Repräfentation und ob beſtimmte Auffaſſungen von Autorität als natürlich und
fittlich begründet bezeichnet werden können.
`
*
Der liberale Bürger hat einen unpolitiſchen, neutralen, privaten und gefell-
ſchaftlichen Repräſentationsbegriff. Hier wird überhaupt keine umfaſſende lebendige Ge-
meinſchaft und auch nicht die Idee einer ſolchen repräſentiert. Der einzelne „repräſentiert“
ſich ſelbſt, feine geſellſchaftliche Schicht, eine künſtlich auſgeblähte, auf Vorurteilen, Zlu-
Ronen, vermeintlichen Privilegien, Bildungsdünkel beruhende Schein⸗Welt. Repräfentiert
wird in exkluſiven Klubs. Zur Repräſentation gehören Frack und Monokel. Alles bewegt
Déi in der Sphäre des „Privaten“, da überindividuelle Gemeinſchaftsverpflichtungen ge-
leugnet werden. Politiſch, aktiv, nicht liberal, intolerant zu ſein, gilt als „unvornehm“
und „unfein“. Selbſt — oder gerade — dort, wo es fih um öffentliche Angelegenheiten
handelt, repräſentiert der einzelne nur ſich, ſeine egoiſtiſchen Privatintereſſen, beſtenfalls
ſeine Exkluſivität. Repräſentiert wird der Schein einer inhaltsloſen,
veräußerlichten, hohlen, im Grunde entſetzlich primitiven, geiftig
anſpruchsloſen, total vermaterialiſierten Welt — angeblich eine
böhere Art Lebensform. Dieſe politiſch neutrale Haltung fand bekanntlich ihren Ausdruck
im Parlamentarismus. Es iſt dies ein Syſtem, das auf dem Grundſatz der Anerkennung
der Meinung jedes ſogenannten „Andersdenkenden“ aufgebaut iſt. Es iſt das
zum Syſtem erhobene Prinzip der Grundſatz- und Standpunkt ⸗
loſigkeit. Alle Standpunkte wurden anerkannt. Dieſes Syſtem wurde als ein erſtes
„Repräſentativſyſtem“ bezeichnet. Das war folgerichtig, da man Repräſentation ja nur
von der Geſchäfts⸗, Profit. und Bildungsſeite her als Intereſſenvertretung oder ökono—
miſch beſtimmte geſellſchaftliche Ausſchließlichkeit begriff. Hier gab es nichts, was mit
Würde repräſentiert werden konnte! Der politiſche Abgeordnete war kein „Repräſentant“
des Volkes. Ein Volk eriſtierte nicht. Er war „Vertreter“ einer Inter—
eſſentengruppe, „Agent“, „Handelsmäkler“. Dieſe Zeit vermochte daher als repräſentativen
Typus ihres Ideals nur den Intereſſenvertreter herauszuſtellen. Juden waren
die beſonders geeigneten Vorbilder dieſer Art „Repräſentation“. Solche Typen können
jedoch niemals ein Volk im wahren Sinne repräſentieren, da ſie ohne jede innere Ehr—
furcht find! Denn nur dort, wo an etwas geglaubt wird, wo Idealismus und Bageiſte—
rung möglich ſind, iſt auch wahre Repräſentation möglich. Wie tief das deutſche Volk
in ſeinem politiſchen Inſtinkt bereits verdorben war, beweiſt vor allem dieſe Tatſache, daß
man den Parlamentarismus, jene Börje der Handelsagenten, die nur die Aufgabe haben,
für ihre Stimmſchein⸗Aktionäre möglichſt hohe Dividenden herauszuſchlagen, die bechten
Chancen abzupaſſen, um den politiſchen Gegner, d. h. den wirtſchaftlichen Konkurrenten,
übers Ohr zu hauen, als ein Syſtem bezeichnete, das das Weſen und ſogar den Willen
des Volkes „repräſentierte“. In der Verfaſſung, Art. 21, ſtand ja der ſchöne Satz: „Die
8 Bodhoff / Repräfentation
Abgeordneten find Vertreter des ganzen Volkes. Sie find nur ihrem Gewiffen
unterworfen und an Aufträge nicht gebunden” Alſo waren fie keine
Intereſſenvertreter, ſondern „Repräfentanten des ganzen Volkes“! Das aber war die
große Lüge des Parlamentarismus!
*
Parlamentariſches Syſtem und Repradfentativfy ftem
ſchließen ſich grund ſätzlich aus. Nur die richtig verſtandene, auf der
Einheit von Führung und Gefolgſchaft beruhende, vom Führer uns als Staatsideal
vorgeſtellte „germaniſche Volksdemokratie“, in der das Wort Volk wieder richtig
geſtellt und die Gemeinſchaft der Volksgenoſſen verwirklicht wird, kann als echtes
Repräſentativſyſtem bezeichnet werden. Die Repräſentation gehört
weſentlich in den Bereich des Politiſchen und nicht in den der
bürgerlichen Geſellſchaft. Ein grundſätzlich unpolitiſch, nur wirtſchaftlich,
auf der Organifierung privater Intereſſen allein aufgebauter Staat kann keine
wahrhafte Nepräſentation entwickeln. Der Liberalismus repräſentierte keine Ideale,
keine höhere Gemeinſchaft, ſondern ſich ſelbſt, feinen Dünkel, feine betonte Exklu⸗
fivität. Für uns aber ift Repräfentation kein Bildungsbegriff. Sie ift überhaupt
kein wirtſchaftlich, auch kein ziviliſatoriſch beſtimmter, ſondern ein kultureller Begriff.
Nur Kultur kann man repräſentieren. Ziviliſation kann man
nicht repräſentieren. Kultur hat man. Ziviliſation macht
man. Repräſentieren kann man nur das, was man wahrhaft
ift, was man in ſich hat, nicht das, was man machen kann, oder
das, was man ſcheinen möchte. Die Veräußerlichung des Re-
präſentationsbegriffes ift aber gerade ein Beweis dafür, inwieweit uns die Zivil-
ſation ſchon erobert hatte. Repräſentation ſetzt immer perſonale Würde
voraus, ſowohl des Repräſentanten wie desjenigen, der repräſentiert wird. Die
repräſentierte Idee ijt immer etwas Hohes, Ideales, wofür man ſich begeiſtern, auf-
opfern, ja, für das man ſterben kann! Welcher bürgerliche Spießer wäre bereit,
für die von ihm repräſentierte Welt auf die Barrikaden zu ſteigen? Welcher parla-
mentariſche Abgeordnete des liberalen Syſtems wäre bereit, ſich für die von ihm
„repräſentierten“ wirtſchaftlichen Intereſſentengruppen zu opfern! Das Parlament
hatte keine Würde vor dem zu repräſentierenden Volke, noch beſaß der Parla-
mentarismus ſelbſt perſonale Würde. Das war ein ehr- und würdeloſes Syſtem
von Grund auf. Es gab keine Perſönlichkeit „Volk“, die mit Würde repräſentiert
werden konnte. .
Wir kennen nod ein anderes großes „Repräſentativſyſtem“: die katholiſche
Kirche. Ihre Lehre wie ihre Organiſation beruhen auf einer ganz beſtimmten
Vorſtellung von dem Weſen der Repräſentation. Bei ihr zeigt ſich zugleich, daß die
Vorſtellung, die ſich jemand von dem Weſen und den Vorausſetzungen der Autorität
macht, auch immer entſcheidend ſind für die Auffaſſungen von der Form und dem
Syſtem, durch das dieſe Autorität repräſentiert wird. Hier wird weder eine natür-
liche Gemeinſchaft, noch eine natürlich begründete Autorität repräſentiert. Re.
Bockhoff / Reprdfentation 9
präfentation ift hier ein auber- und Übernatürlich fundierter Begriff. Man re-
präſentiert überhaupt keine Menſchen! Der Bourgeois repräſentierte
den Bürger, der Proletarier den Proleten, der Führer den Gefolgsmann. Der
Prieſter jedoch repräſentiert keine Gefolgſchaft, nicht die Gläubigen, ſondern ein
abſtraktes, überirdiſches, übernatürliches Syſtem, jenen Aeberbau, der über die
Maſſe der „Laien“ geſtülpt iſt. Der Prieſter repräſentiert ſein Prieſtertum, eine
Autorität, die unvölkiſch und außernatürlich iſt. Ihre Legitimation erhält ſie aus
der Tranſzendenz, aus einer Welt hinter der Welt. Da man aber nur
natürliche Ideen und Gemeinſchaften repräſentieren, d. h. „vergegenwärtigen“,
lebendig verkörpern kann, kann man hier auch nicht von wahrer Repräſentation
ſprechen. Die Kirche ſelbſt ſpricht konſequenterweiſe daher auch nicht von der
„Repräſentation“, fondern von der „Vertretung“ Gottes durch den Prieſter.
„Vertreten“ kann man bekanntlich alles, natürliche und unnatürliche, fittlide und
unfittliche Prinzipien, ſelbſt das Prinzip der Prinzipienloſigkeit, Aktienrechte in der
Generalverſammlung ebenſogut wie Verbrecher vor Gericht. Repräſentieren
kann man das alles nicht! Vertretung iſt etwas Farbloſes, nicht innerlich,
unperſönlich, ohne Würde. Der Prieſter repräfentiert keine Gefolgſchaft, fondern
„vertritt“ eine autonome Welt, die von oben her den Gläubigen „mitgeteilt“ wird.
Zwiſchen „Laien“ und „Prieſter“ beſteht keinerlei wechſelſeitig ſich bedingende
Legitimität. Wir ſehen hier das grundſätzlich unnatürlich fundierte „Repräfen-
tationsſyſtem“ der Kirche in ſeiner ganzen Struktur. Im Gegenſatz zur wahren
Führung haben wir eine typiſche Form der Herrſchaft vor uns! Herr-
ſchaft iſt im Gegenſatz zur Führung kein germaniſcher, ſondern
ein römiſcher Begriff und entſtammt ganz dem römiſch⸗
etatiſtiſchen Denken. In der Kirche kann man nicht von Führung der
Gläubigen durch die Prieſter, ſondern nur von Herrſchaft des Prieſters über die
Gläubigen ſprechen. Es fehlt eben die wechſelſeitige Legitimation von Führung
und Gefolgſchaft, die Begründung der Autorität ausſchließlich im Vertrauen der
aus freiem inneren Willen folgenden Gefolgſchaft. Der einzelne ift Herr-
ſchaftsobjekt, nicht Gefolgſchaftsſubjekt! Die Kirche ift daher
auch gezwungen, zu unnatürlichen Symbolen zu greifen, um ihr Herrſchaftsverhältnis
inhaltlich zu kennzeichnen. Das Bild vom „Hirten und der Herde“ erfüllt z. B.
nicht einmal das primitivſte Erfordernis der phyſiſchen Gleichartigkeit von Führung
und Geführten. Aus dem gewählten Bilde folgt zwingend, daß die Gläubigen
gleichſam wie willenlofe Tiere von einem „Menſchen“, d. h. dem Prieſter, ,,ge-
leitet“ werden. Leiten iſt etwas anderes als Führen. Man ſpricht vom
„Schafſtall“ und der „Herde“! Eine Vielheit willenloſer Geſchöpfe kann man be-
kanntlich nicht führen. Ebenſowenig kann man eine in dumpfem Kadavergehorſam
folgende Maffe ſeeliſcher Krüppel, denen, aller inneren Freiheit beraubt, das Rück.
grat vollends gebrochen iſt, „repräſentieren“. And eine wahre Gefolgſchaft innerlich
freier, ſtolzer, ſelbſtbewußter, ſtarker Perſönlichkeiten kann man nicht „beherrſchen“.
Führung ſetzt die Anerkennung des Eigenwertes der Gefolg⸗
10 Bodhoff / Repräfentation
ſchaft voraus und Repräfentation fegt ebenfo die Aner:
kennung des Eigenwertes jener voraus, die man reprda:
ſentiert! Welche Vorſtellungen von „Führung und Gefolgſchaft“ muß man
haben und wie ſchlecht muß es um ein Führungsverhältnis beſtellt ſein, wenn man zu
derartigen Symbolen greifen muß, um ſeine Autorität zu rechtfertigen, ja, ſie
lebendigen Menſchen überhaupt auf „natürliche“ Weiſe begreifbar zu machen!
*
Die Auffaſſung von der Aeberlegenheit der Repräſentation der göttlichen
Autorität durch den Prieſter über die Repräſentation der weltlichen Autorität
durch den Staatsmann iſt am ſchärfſten und ſtärkſten ausgeſprochen worden in der
Bulle Anam Sanktam Bonifaz VIII. von 1302. Danach hat die Staatsordnung
der prieſterlichen Hierarchie dienſtbar zu ſein. Der Prieſter als Repräſentant der
letzten Autorität, der unfehlbaren Wahrheiten, der Moral ſchlechthin, entſcheidet
damit zugleich — wenigſtens mittelbar — über den ſittlichen Gehalt und die
moraliſche Verpflichtung der ſtaatlichen Geſetze. Er kann die Gläubigen, wenn er
will, im Gewiſſen von dem Gehorſam gegen die ſtaatlichen Geſetze entbinden.
Denken wir heute z. B. an die Jeſuitenpropaganda im Auslande gegen die Deviſen⸗
geſetze ſowie gegen das Steriliſationsgeſetz und die Raſſengeſetzgebung des Dritten
Reiches mit der Begründung, ſie ſeien „ſittenwidrig“ und widerſprächen der „gött—
lichen Moralordnung“. Der Prieſter beanſprucht für ſich das Recht, zu urteilen
über Schuld und Sühne. In ſouveräner Anabhängigkeit ſtellt er ſich über den Re-
präſentanten der politiſchen Macht. Er folgt den Geſetzen nicht mit innerer
Bereitſchaft, fondern nur unter formalem Zwang, „unter
Vorbehalt“, wie er auch nur Staatsbürger „unter Vorbehalt“ iſt. Er iſt ein
Bürger zweier Welten: feiner Aniverſalkirche und dann erſt des Staates.
Dieſe Doppelmitgliedſchaft überträgt er analog auf die Gläubigen. Man
hat hier alſo ſeine eigene Auffaſſung von Staat, Nation, Volk, Geſetz und Moral.
Ein Neger kann hier z. B. ebenſogut wie ein Indianer Repräſentant der gött—
lichen Autorität gegenüber deutſchen Menſchen ſein. Ebenſowenig aber, wie ein
Neger Führer des deutſchen Volkes ſein kann, kann er Gott deutſchen Menſchen
gegenüber „repräſentieren“. Der wahren Führung liegt immer eine
raſſe gebundene Autorität zugrunde, während Herrſchaft
die Form einer grundſätzlich von Blut und Rajffe losgelöſten
Autorität iſt.
Nur den wahren völkiſchen Führer kann man daher als Repräfentanten
bezeichnen.
Der Führer begründet ſeine Autorität nicht von oben,
ſondern von unten. Die Autorität wird der Gefolgſchaft nicht als Objekt
von oben — ganz gleich, ob kraft göttlicher Offenbarung oder königlichen Gottes—
gnadentums — „mitgeteilt“. Der Führer erhält ſeine Autorität „vom Volke“, vom
Vertrauen der Gefolgſchaft, nicht aus einem Gottesgnadentum, das die „Unter:
tanen“ anzuerkennen haben, weil ſich jemand in ſeinem perſönlichen Subjektivismus
Bodhoff / Repräfentation 11
einfach als „von Gottes Gnaden“ bezeichnet. Der Volksgenoſſe ift für uns Ge.
folgſchaftsſubjekt, kein Herrſchaftsobjekt! Anſere Auffaſſung von
der Autorität wie entſprechend auch unſere Auffaſſung von der Repräſentation iſt
durch und durch natürlich begründet und feſt und breit im Volke verankert.
*
Wir repräſentieren nicht in internen Klubs, ſondern in aller Oeffentlichkeit vor dem
Angeſicht des Volkes, auf der Straße, in großen Hallen und auf Plätzen. Wo heute re-
präſentiert wird, wird öffentlich proklamiert. Repräjentation ift Demonſtration, Bekennt⸗
nis des Führers zu feinem Volke, der Gefolgſchaft zum Führer, ift Treueſchwur, Gemein-
ſchaftsverpflichtung und Gemeinſchaftserlebnis zugleich. Wir repräſentieren nicht
im Frack, ſondern im Braunhemd. Die Repräfentation ift von der privaten
in die öffentliche, von der unpolitiſchen in die politiſche Sphäre gerückt. Selbſt dort, wo
die Führer ſcheinbar „intern“ repräſentieren, repräſentieren ſie nicht wie der liberale
Bürger ſich ſelbſt, einen Stand, eine Klaſſe, ihre Schicht, ihre Exkluſivität, ſondern ihr
Führertum, die Idee der Gemeinſchaft, das in ſich verkörperte Vertrauen des ganzen
Volkes. Repräſentation ijt auch keineswegs nur eine Angelegen-⸗
heit des Feiertages der Nation, ſondern ebenſoſehr des grauen
Arbeitstages. Repräſentation bedeutet für uns Verkörperung
totaler nationalſozialiſtiſcher Haltung. Das gilt für den Führer, wie
für die Gefolgſchaft. Nicht nur der Führer, ſondern auch die Befolg-
ſchaft repräſentiert in ihrer Weiſe. In jeder Situation, in jedem Augen-
blicke repräſentieren wir Deutſchland! Der einzelne wird heute aus feiner privaten Iſo⸗
lierung und Vereinzelung herausgehoben und in das Rampenlicht perſönlicher Berant-
wortung für die Volksgemeinſchaft geſtellt. Wir können die nationalſozia⸗
liſtiſche Bewegung mit ihren zahlreichen Gliederungen und
Organen als eine neue Form der Repräſentation, als ein einzig-
artiges, gewaltiges Repräſentativſyſtem bezeichnen, das das
wahre Antlitz und Weſen des deutſchen Volkes zum Ausdruck
bringt.
Es iſt daher begreiflich, weshalb ſich der Führer nach der Liquidation des würdeloſen
parlamentariſchen Syſtems zum erſten Male wieder öffentlich als „Repräſentanten des
deutſchen Volkes“ bezeichnen konnte und immer wieder bezeichnete, worin ſich ſeine
Würde ausdrückt, die er perſönlich hat, die er aber auch in dem
ſelben Maße vor dem Volke, das er repräſentiert, empfindet. Wenn
er fidh in ſeinen großen innen- und außenpolitiſchen Reden in ſtolzem Selbſtbewußtſein
als Repräſentanten ſeines Volkes bezeichnet, ſo iſt damit zugleich die große Wandlung
aufgezeigt, die dieſer Begriff durch den Nationalſozialismus erfahren hat. Adolf Hitler
ſpricht immer mit dem Gefühl einer inneren Ehrfurcht und tiefen Bewunderung von dem
deutſchen Volke. Sein Leben und ſein Werk iſt eine einzige Hymne auf das im Grunde
ſeines Weſens, wie er ſagt, „ſo unerhört anſtändige deutſche Volk“. Er fühlt ſich nur als
der Beauftragte und Vollſtrecker des wahren Volkswillens und ſieht im Vertrauen des
Volkes zu ſeiner Führung den alleinigen Legitimationsgrund feiner Autorität. Das
Volk ſieht ſein beſſeres Selbſt im Führer, und der Führer die
Ausfüllung, den Sinn ſeines Lebens, die Erfüllung ſeines Ichs
im Volke. Seine Führeraufgabe ſieht er darin, das abſolute und blinde Vertrauen des
Volkes zu ihm fih täglich von neuem zu erwerben. Jede Welle der Begeiſterung, die ihm
12 Bockhoff / Repräfentation
entgegenſchlägt, ift eine neue Beauftragung des Volkes und eine Beſtätigung feiner Wm,
rung. Aeberall, wo deutſche Menſchen ein Sieg Heil auf den Führer ausbringen, wo mit
„Heil Hitler“ gegrüßt wird, wird „abgeſtimmt“ und das Vertrauen zum Führer öffent-
lich erklärt. Das ift das tägliche, mit immer neuer Bewunderung und Hingabe erfüllte
„Plebiſzit des deutſchen Volkes“.
4
Wenn das Volk in feierlichen Augenblicken fpontan das Deutſchlandlied an-
ſtimmt, um darin ſeine Anhänglichkeit und Begeiſterung für den Führer ausſtrömen
zu laffen, dann bezeichnet fih der Führer immer gern als „Repräſentanten“ und
will damit feiner inneren Freude und ſeinem glücklichen Bewußtſein Ausdruck geben,
im Beſitze des unbegrenzten Vertrauens feiner ihm reſtlos mit Leib und Seele ver-
ſchriebenen Gefolgſchaft zu fein. In der Tat: „Hitler ift Deutſchland, wie Deutſch⸗
land Hitler iſt!“
Kann das Weſen einer wahren Repräſentation klarer
umriſſen und reiner verkörpert werden, als in dieſem Satz?
Welche Kraftfülle, welche unbändige Gläubigkeit offenbart der Führer jedesmal,
wenn er ſpricht von der „repräſentativen Führung einer Nation“! Welche tiefe
Gläubigkeit, welche Bereitſchaft des Herzens offenbart fih, wenn fih das Volk zu
ihm bekennt. And welche Kühnheit, welche gewaltigen Erlebniſſe liegen in jenem
Satze umſchloſſen! Zum erſten Male in der deutſchen Geſchichte kann ein Staats-
mann mit innerem Recht von ſich behaupten, die lebendige Verkörperung aller Kräfte
ſeiner Gefolgſchaft, das Gewiſſen der Nation, der wahre Repräſentant des Volkes
zu ſein!
Wenn fie dir ſchuloͤlos
Wenn fie die ſchuloͤlos deine Welt zerſchlagen,
Erſtarrt dein Jerz. Dumpf mußt du es ertragen.
Und dunkel heigen aus dic Müdigkeiten
Wie Träume auf und eine Jehnſucht ſchreit
Nach blauen Inſeln, nach der Sternenzelt.
Gramvoll und krank willft du dic ſelbſt entgleiten.
Es feſſelt did. Du ringſt mit wilden Händen.
Doch knirſchend greifſt du wieder nach der Axt.
Jhon planſt und werkſt du wieder und du ſagſt:
Das Ziel iſt mehr. Ich muß es doch vollenden.
Und wieder fallen fie Air in die Weichen.
Das Ziel ift mehr. Du wirft es doch erreichen.
Gerhard Ichumaun.
Neeße / Von der Freiheit eines Nationalſozialiſten 13
Gottfried NeeBe:
Don der Sreiheit eines Nationalſozialiſten
Als der Weltkrieg nach vier Jahren eines unerhörten Kampfes verloren war
und Deutſchland in tiefſte, ſchmachvollſte Knechtſchaft zu verſinken drohte, faßte ein
unbekannter Mann den Entſchluß, dieſes Land wieder zur Freiheit zu führen. And
als auf feinen Ruf hin die erſten Kameraden zu ihm kamen, hämmerte er ihnen als
die eine große Parole des Nationalſozialismus das Wort „Freiheit“ ein. Der
Makel der deutſchen Sklaverei brannte in ihm und ſeinen Mitkämpfern in einer
Flamme, die nach Jahren das ganze Volk erfaßte und wandelte. And dann — nach
einem groß geführten Kampfe um die rechte Freiheit des Volkes — kam einmal
der Tag, an dem der Führer das Dokument der fremden Fronherrſchaſt zerriß und
ſo von ſich und ſeinen Kameraden und dem ganzen deutſchen Volke den Makel nahm.
And als jetzt die Kämpfer der nationalſozialiſtiſchen Idee zur Heerſchau des Jahres
wieder zuſammenkamen, ſtand über ihnen das Wort „Freiheit“ als ſtolzes
Mahnmal des Sieges und einer großen Tat.
Aber es ſtand über ihnen auch als ein Befehl zu künftigem Ziele. Nie haben
wir Nationalſozialiſten uns zuſammengefunden, um nur Erfolge zu feiern und feſt⸗
lich uns an Vergangenes zu erinnern, — immer haben wir in die Zukunft geſehen,
in kommende Kämpfe, Aufgaben und Gefahren hinein, immer haben wir tief in uns
die Gewißheit gehabt, daß das Erreichte faſt nichts iſt vor der Größe künftiger Not-
wendigkeiten. In dieſem Geiſte werden wir uns die Kraft bewahren, die Zukunft
zu meiſtern, wie wir die Vergangenheit gemeiſtert haben. Die Freiheit des deut-
ſchen Volkes, das Recht, über ſein Geſchick ſelbſt zu beſtimmen, iſt durch die Tat des
Führers zurückgewonnen worden. Wollen wir — wir ſelbſt — uns damit be⸗
gnügen? Wollen wir es uns leicht machen, indem wir hinter dem Volke, dem großen,
unfaßlichen Weſen Deutſchland unſere eigene perſönliche Verantwortung verbergen?
Es iſt nicht ſchwer, gut und klug und begeiſternd von der Ge-
meinſchaft des Volkes zu ſprechen, aber es mag zu mancher Zeit
bitter ſchwer ſein, im Alltage alle Pflichten gegen das Volk
ganz zu erfüllen und in der Gemeinſchaft — fern von leerem
Worte und Scheine — Anfang und Ende des eigenen Schaffens
zu ſuchen. Immer eindeutiger und ſchonungsloſer müſſen wir Menſchen der
neuen Zeit mit der Anſicht in Deutſchland daufräumen, der einzelne Volksgenoſſe
könne an der Erneuerung des Volkes wirkſam mitarbeiten, ohne ſich um ſeine eigene
Erneuerung aus der Idee heraus ſtändig zu bemühen. Der menſchliche Wert ent-
ſcheidet im tiefſten Grunde überall — auch bei fachlicher Leiſtung. Wir wollen uns
darüber vom Lärm und Bild nicht täuſchen laſſen. Es mag manchmal unmöglich er-
ſcheinen, die Vielfalt des Geſchehens erkennend zu durchdringen, aber wenn wir nur
immer ehrlich vor uns ſelbſt find, kommt einmal die Stunde, in der wir es lernen,
die echte kämpferiſche Tat zu trennen von der geſchickten Taktik ehrgeiziger Macher.
14 Neeße / Von der Freiheit eines Nationalſozialiſten
Jede Weltanſchauung erhält Bedeutung in dem Maße, als ſie das Volk auf
ſeinem oft ſteilen und dunklen Wege zu führen und zu ſchützen vermag. Sie läßt
die Menſchen ſteigen, wenn ſie in ſich groß und wertvoll iſt, — ſie läßt ſie ſinken,
wenn ſie aus Abgründen kommt und das Niedrige wachruft.
Der Liberalismus wollte dem einzelnen Menſchen dienen, wollte ihn befreien
von ſeiner Bindung an Volk und Gott, um ihn hemmungslos ſeinen eigenen
Wünſchen und Süchten zu überlaſſen. Aber indem er ihm den Boden unter den
Füßen und den Himmel zu Häupten zu nehmen ſuchte, lieferte er ihn den ſchlimmſten
Herren aus: der eigenen Genußſucht und Gier nach Gewinn. Wer die falſche
Freiheit in ſich ſucht, im engen Kreiſe ſeines perſönlichen Lebens, wird nie den
Mut haben, die Exiſtenz, das bloße körperliche Daſein in die Breſche zu werfen um
großer letzter Dinge willen. An der Frage der Freiheit entſcheidet ſich, ob ein
Volksgenoſſe Perſönlichkeit iſt, die in der Gemeinſchaft Dienſt für die Geſamtheit
tut, oder Individuum, das nur ſich ſelbſt lebt und in ſeiner eigenen Kleinheit und
Sinnloſigkeit vergeht. Die wahre Freiheit aber kann nur finden, wer teil hat an
den tiefen Kräften der Welt.
Freiheit war ſtets ein gefährliches Wort. Wer böſen Willens iſt, denkt allein
an die „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ der großen franzöſiſchen Revolution
und vergißt dabei den Ruf unſerer nationalſozialiſtiſchen Kampfjahre, der Freiheit
und Brot für Deutſchland forderte. Anſere nationalſozialiſtiſche Freiheit hat mit
Zügelloſigkeit nicht das mindeſte zu tun, ſie iſt nicht wegzudenken von dem Gedanken
der Zucht und des Gehorſams und von der tiefen Verpflichtung gegenüber der
Gemeinſchaft, deren Glieder wir ſind. And Freiheit iſt auch noch heute ein gefähr—
liches Wort. Wer nur Oberflächliches, Aeußeres darunter ver:
ſteht und an den alten Idealen derpolitiſchen Rumpelkammer,
an Preffe-, Berfammlungs- und Vereinigungsfreiheit be:
harrlich feſthält, wird nie etwas von dem hohen Werte wahr
hafter innerer Freiheit verſtehen, die wir Nationalfozia-
liften predigen. Nur Knechte werden fih unfrei fühlen, weil ihnen verboten
iſt, hemmungslos ihrer eigenen unmaßgeblichen und unzulänglichen Meinung freien
Lauf zu laſſen, nur Knechte werden über Zwang jammern, wenn ſie einem Befehle,
der ihnen unverſtändlich iſt, gehorchen müſſen. Sind wir denn frei, wenn wir keine
Ketten tragen? Nein. Wir ſind erſt dann in Wahrheit frei, wenn wir fern von
allem Krampfe die Anabhängigkeit und Heiterkeit des Herzens gewonnen haben, die
uns hinaushebt über Alltag und kleine Laſt und uns den großen Mächten unmittel—
bar gegenüberſtellt. Alles äußere Geſchehen — Erfolg und Kampf und Nieder—
lage — iſt nur Abbild unſeres inneren Lebens, ift Auswirkung und Gleichnis. And
deshalb iſt die äußere Angebundenheit nie und nimmer Bor:
ausſetzung der inneren Freiheit des Menſchen.
Nationalſozialiſtiſche Freiheit ift es: freiwillig aus
innerſter Aeberzeugung heraus Dienſt zu tun, aus den Kräften
und Fähigkeiten des eigenen Weſens für die Gemeinſchaft alles herauszuholen, die
Neeße / Von der Freiheit eines Nationalſozialiſten 15
Idee ſeines Lebens für das Volk zu verwirklichen. Der Nationalſozialismus will
ja keine Gleichförmigkeit und Eintönigkeit in Deutſchland, er weiß um die Rang-
ordnung alles Lebendigen, er ſucht die Einheit nicht in der Anterſchiedslofigkeit,
ſondern in der Zuſammenfaſſung aller — auch der verſchiedenſten — zujammen-
gehörenden Menſchen und Dinge. Gewalt kann Gegenſätze zerſchlagen, aber nur die
Kraft vermag die höhere Einheit zu geſtalten, die auch das ſcheinbar Gegenſätzliche
zuſammenfaßt. Die nationalſozialiſtiſche Idee erhält und ſchafft aus ſolchen Ge-
danken heraus jene innere Freiheit der einzelnen Perſönlichkeit, die für die großen
Taten und Werke der Geſchichte von jeher Fundament geweſen iſt. Nicht der iſt
frei im Sinne unſerer Idee, der tun und laſſen kann, was er will, ſondern der das
ſchaffen will, was ihm als Auftrag gegeben worden iſt. Frei iſt der Bejahende,
der als eine untrügliche Gewißheit die eine Aeberzeugung im Herzen trägt, daß
nur der die Möglichkeit des Sieges hat, der nicht mißmutig und verneinend beiſeite
ſteht und über Verlorenes und Mißglücktes jammert, ſondern der ſich ſtolz den
Mächten fügt, die über ihm und in ihm wirkſam ſind. Wir wären Toren, wenn
wir an eine menſchliche Selbſtherrlichkeit glaubten. Anſer Weg iſt uns vorgezeichnet,
und wie in einem Kriege die Soldaten auf unbekannten Wegen in unbekanntes
Land marſchieren, ſo gehen wir den Weg unſeres Lebens voran. Aber wie wir
ihn gehen — jammernd über Zwang und Laft und zitternd vor künftigen Kämpfen
oder frei in dem ſtolzen Willen, jedes Schickſal zu bejahen und zu überwinden —,
das liegt allein bei uns und dafür haben wir uns vor unſerem Volke und vor
unſerem Gewiſſen zu verantworten.
So iſt Freiheit nicht Eigentum des einzelnen Menſchen, der ſich von ſeinen
Pflichten und Bindungen gelöſt hat, ſondern eine Aufgabe deſſen, der um die tiefe
Gebundenheit alles Menſchlichen weiß und ſich ihr willig fügt. Mag der Menſch
im kleinſten und ſtrengſten Dienſte ſtehen, in drückender äußerer Abhängigkeit —
er iſt frei, wenn er ſich innerlich die Freiheit errungen hat. Aber der Weg iſt lang.
Er führt mühſam von Stufe zu Stufe, und viele Aeberwindungen müſſen gewejen
ſein, ehe man dem eigenen Geſetze folgen darf, viel Gehorſam und Zucht und Demut
muß erkämpft werden, ehe man den Strom der Idee ſo in das Flußbett des eigenen
Lebens geführt hat, daß er nicht weithin die Afer überſchwemmt.
Was aber iſt das Merkmal der wahrhaften Freiheit?
Zur Freiheit des Nationalſozialiſten gehört die Verantwortung des Geiſtes.
Wer nicht redlich iſt in ſich ſelbſt, wer ſich nicht bemüht um Klarheit und um
unerbittliche Erkenntnis des eigenen Wertes und Weſens, der iſt nicht frei. Die
Lüge vor dem eigenen Gewiſſen iſt die ſchlimmſte Feſſel, die es gibt, — auch wenn
man ſie nicht fühlt. Hält ſich doch mancher Knecht für den Herrn ſeines Lebens,
weil er zu ſtumpf iſt, um den Druck ſeiner Feſſeln zu ſpüren. Der unbedingte Wille
zur Selbſtehrlichkeit iſt überhaupt das Entſcheidende, um einen Menſchen zum
Werden zu bringen: wer ſich vor ſich ſelbſt ſein Ideal vorſpielt und ſein eigener
Götze iſt, verbaut ſich ſelbſt alle Wege zu wahrer Wirkung und echter Bedeutung —
auch jenen ſteilſten Weg, der vielleicht einmal zur Größe zu führen vermag. And wie
16 Neeße / Von der Freiheit eines Nationalſozialiſten
die Redlichkeit vor ſich ſelbſt, ſo gehört auch die Redlichkeit vor den anderen Menſchen
zu der wahren Freiheit. Wer immer mehr zu ſcheinen ſucht, als er in Wirklichkeit
ijt, wer mit viel Betriebſamkeit und Lärm feiner Umwelt Eindruck zu machen ſucht,
wer bei jedem Worte und jedem kleinen Erfolge auf den Nebenmann ſchielt, iſt
ſchlimmer gebunden als ein Mann, der harten Dienſt willig und unbekümmert er⸗
füllt. Es gilt zu lernen, daß wir nicht durch Begeiſterung und Förderung, An-
erkennung und Bewunderung anderer Menſchen zu dem uns anbefohlenen Ziele
gelangen. Anſer Glück und unſer Schmerz, unſere Erſchütterung und unſer Wille
iſt der Stoff, aus dem wir unſer Leben formen und aus dem die Kraft zur Auf⸗
gabe erwächſt. Wie könnten wir je ſtolz und weit in die Höhe wuchſen, wenn wir
nicht zugleich die Wurzeln fo tief in den Boden hineinſchlügen, daß wir zum $r-
grunde unſer aller Leben gelangen: zum Volke, aus dem wir entſtanden ſind?
And zur Freiheit des Nationalſozialiſten gehört weiterhin die Anabhängigkeit
des Herzens. Wer von Lob und Tadel anderer verwirrt, in ſeinem Handeln be⸗
einflußt, von feinem Wege abgebracht wird ift nicht frei und brauchte er auch keinem
Menſchen zu gehorchen. Das Lob von Feinden, die wir achten, und der Tadel von
Freunden, die zu uns gehören, iſt von Wert.
Aber der Freie nimmt das Maß nur aus der Idee, die der Führer verkündet,
und verachtet den Wunſch, andern zu gefallen oder vor ihnen zu glänzen. Wie
unnötig iſt es doch, ſich vor andern zu zeigen, wo es doch allein gilt, in ſich zu
wachſen, reifer, härter, tiefer und lebendiger zu werden! Aber nicht nur von
Menſchen, auch von Dingen müſſen wir uns in dieſem tiefen Sinne löſen. Die
großen Bindungen, in denen wir leben, ſind höherer Art. Wer an den kleinen
Bedürfniſſen des Alltages hängt, an Bequemlichkeiten, Gewohnheiten, Genüſſen, —
wer nicht ſein Leben jeden Tag neu beginnen könnte, wenn es not täte, iſt nicht
frei. Der Kommuniſt predigt die Beſeitigung und Vernichtung alles perſönlichen
Beſitzes; der Nationalſozialiſt verlangt die Erhabenheit über alle Güter des äußeren
Lebens. Es wäre ein Krampf, Askeſe zu fordern, aber es wäre
eine Anfreiheit, nicht in ihr leben zu können. Auf die Fähig ⸗
keit, entbehren zu können, ohne dabei bitter oder ſchwach zu werden, kommt es
an für jeden Menſchen, der zur Freiheit will.
And noch etwas gehört zur Anabhängigkeit des Herzens — und es iſt wohl
das Schwerſte, was unſere Freiheit von uns fordert. Nur wenige ſind hart und
ehrlich genug, um dieſer Notwendigkeit gewachſen zu ſein. Das Geſetz des eigenen
Lebens können wir in der Gemeinſchaft und für ſie nur erfüllen, wenn wir uns zu
bewahren wiſſen und unſere Aufgabe nicht an einen anderen Menſchen hingeben
— und bände uns auch Großes und Edles in Liebe oder Freundſchaft an ihn.
Anſere ſchlimmſten Abhängigkeiten und gefährlichſten Feſſeln können gerade in dem
uns nächſten Menſchen ſein. Wir müſſen auf der Hut vor allem ſein, was uns unſerer
Aufgabe, unſerem Dienſte entfremden will. And vielleicht muß man vieles und viele
opfern können, um zur wahrhaften Freiheit zu kommen.
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NRNeeße / Von der Freiheit eines Nationalſozialiſten 17
And ſchließlich gehört zu unſerer Freiheit noch ein Drittes: die Würde des
Lebens, jene innere Würde, die unabhängig iſt von Rang und Stand. Ehrfurcht
vor aller echten Größe, vor den unbekannten Mächten, die unſer Leben beſtimmen
und erfüllen, iſt das oberſte Gebot. Der Spötter und Verächter, der ehrfurchtsloſe
Menſch hat keine Lebenswürde. Wer auf Berge ſteigt, muß nach oben ſchauen, und
wer dürfte je glauben, oben zu fein! Solange wir lebendig find, wandern wir
hinauf, und immer neue Gipfel ſteigen vor uns hoch. Wer nur in ſich und
ſeinesgleichen das Maß ſucht, mit dem er zu meſſen hat, iſt in ſich ſelbſt verſtrickt
und tut keinen Schritt zur Höhe hinauf. Der Menſch der vergangenen. Zeit hatte die
Senſation gegen die Ehrfurcht, die Kenntnis gegen die Offenbarung, den Kitzel gegen
die Erſchütterung eintauſchen wollen, und die Welt war dabei immer erbärmlicher
geworden, fie hatte fidh verlaufen in Zwecken ohne Sinn und Feiern ohne Feftlid-
teit. In der Ehrfurcht erſt gewinnen wir auch den Abſtand zu uns, zu den Menſchen
und Dingen, der zur Freiheit gehört. Wir miiffen in uns eine Verachtung aller
billigen Gemeinſamkeiten großziehen, in denen ſich Menſchen in all ihrer inneren
Anaufgeräumtheit und Anfertigkeit, mit all ihren Gedanken und Träumen und Ge-
fühlen zuſammenfinden und alle Linien ihres Weſens verwiſchen. Abſtand zu
halten, ſchweigſam zu ſein in allen innerſten Dingen, die nur Angelegenheiten eines
einzigen Lebens ſind, ſparſam mit Gefühlen und Beteuerungen: das iſt die große
Forderung jeder Kameradſchaft. Denn eine Gemeinſchaft ſoll kein Brei ſein, in dem
alles unterſchiedslos zuſammenfließt, ſondern ein Bau, in dem ſich Kamerad zu
Kamerad wie Stein zu Stein fügt — „unterſchieden, aber nicht getrennt, verbunden,
aber nicht verſchmolzen“.
Zur Lebenswürde gehört noch weſentlich die Haltung hinzu, die nichts Aeußer⸗
liches allein iſt, ſondern der Ausdruck dafür, daß ein Menſch zur Einheit in ſich
gelangt iſt und nicht mehr jedem Wunſche, jeder Begierde, jeder Freude und jedem
Leide hemmungslos verfällt. Alles Große iſt ſchwer zu bewegen, weil es in ſich ruht.
Wer ſich nicht beugt und wenn auch alles ſinkt, wer trotz aller Anruhe, allen Lärmes
und Kampfes ſein Herz im Innerſten freihält von allem unruhvollen Zweifeln
und Sorgen, iſt vorbeſtimmt zur Freiheit. Man muß ſich auf einiges wenige Große
din ſammeln und darf Kraft und Zeit nicht verzetteln in hunderterlei wichtig
ſcheinenden Dingen. Die höchſte Kraft in uns wirkt von allein, ſie bedarf nur der
Bereitſchaft, des Dienſtes, des ganzen Einſatzes zur rechten Zeit, aber nicht der
Eilfertigkeit und kleinen Eifrigkeit, die an allem Geſchehen teil zu haben wünſcht.
Die kleinen Dinge tun, wenn ſie notwendig ſind, und die großen Dinge tun, wenn
fie notwendig find, — das eine nicht mißachten und das andere nicht erſehnen, fih
nicht gehen laffen und fih nicht abſeits halten, ſondern auf Poſten fein: das ift
die Forderung jedes Tages. And dazu muß man ſeines Herzens gewiß ſein, und man
muß auch ſeiner Aufgabe gewiß ſein in dem guten Glauben, daß ein Leben nicht
von ungefähr entſteht und vergeht, ſondern einen Platz hat in dem unendlichen Ge⸗
ſchehen der Welt. Zur Ruhe wollen wir uns nicht erziehen. Das Leben iſt
ſtürmiſch — warum ſollten wir es nicht auch ſein? Aber Beherrſchung tut not,
18 Tor / Spiegel eines Lebens
Heberlegenheit über unſere Abneigungen und Zuneigungen und die Leidenſchaften
in uns, damit wir nicht die freie und weite Sicht über unſer Leben verlieren. Es
iſt nicht möglich, ſeinen Weg zäh und beharrlich zu verfolgen und mit jedermann
in Frieden zu leben. Keine Aufgabe wird erfüllt, ohne daß andere Anſtoß nehmen,
ſich zurückgedrängt oder übergangen oder beleidigt fühlen. Der Kampf gehört zum
Werke, und ohne das kämpferiſche Element kann kein Leben auf die Dauer beſtehen
und Frucht tragen. Im Streite — auch im häßlichſten und kleinlichſten Streite —
haben wir die Pflicht, nicht nur nach dem äußeren Siege, ſondern nach der inneren
Aeberlegenheit. zu ſuchen. In allen perſönlichen Kämpfen iſt nur dem Feigling jedes
Mittel recht, der ſeine Selbſtachtung verleugnen muß, um der Niederlage zu ſteuern.
Ein unanſtändiger Sieg kann oft verderblicher ſein als eine anſtändige Niederlage.
Die Geſchichte kennt davon genügend Beiſpiele. Mögen auch die Mittel des
Gegners erfolgverſprechend erſcheinen — auf die Dauer ſiegt nur das Echte und
Lautere, das, was die innere Kraft in ſich trägt, die ein hohes überperſönliches Ziel
verleiht. Wie oft iſt ſchon die innere Macht an die äußere Stellung in manchem
guten Streite verraten worden! Gehäſſigkeit macht jeden Mut und jedes Opfer
klein. Das ift das befte Teil unſerer Freiheit: daß wir uns nicht von einem
Gegner die Art der Waffen und des Kampfes anbefehlen
laſſen, daß wir den Gegner zu feiner blankſten, ſchärfſten
Waffe zwingen.
In ſolcher Weiſe als Nationalſozialiſt frei zu ſein, vermag nur der Tapfere,
der ſich von Not und Gefahr nicht dazu verleiten läßt, ſein Geſetz zu verlaſſen und
die Aufgabe an die eigene Schwäche zu verraten. Es geht im Leben um größere
Dinge als um das Leben. Verlieren wir über all den Pflichten des Tages nicht
jene große innere Pflicht aus unſerem Willen: Tapfer zu ſein und frei zu werden!
E. H. Tor:
= Gpiegel eines Lebens
Zum TC. Geburtstags von Emil Straum
Ganz in der Stille, wie er ſein Leben über bisher gewirkt hat, beging Emil Strauß
ſeinen 70. Geburtstag am 31. Januar dieſes Jahres. Es geht hier nicht darum, die Reihe
der üblichen Jubiläumsaufſätze an ſolchem Tage um einen zu vermehren, ſondern es geht
uns um das Bekenntnis zum Werk eines Dichters, der aus ſeiner Heimat — aus dem
ſchwäbiſchen Stamme — feine Kunſt zu höchſtem deutſchen Menſchentum entwickelt hat.
Die Lauterkeit und das hohe ſittliche Ethos dioſes Dichters können einer jungen Generation
Vorbild ſein und Verpflichtung bedeuten. Man hat nie im gewöhnlichen Alltag von Emil
Strauß viel vernommen, er lebte zurückgezogen vom Geplänkel literariſcher Klubs oder
Gruppen, er war fern dem lauten und reklameſüchtigen Treiben vieler ſeiner Generation,
die in jungen Jahren bereits zu hohen Ehren gekommen waren. So erſcheint er dieſem
oder jenem vielleicht als ein Abſeitsſtehender. Es ſcheint, als ob er neben der Zeit hergeht.
Der Schein trügt wie ſo oft im Leben, denn Emil Strauß entwickelt aus dieſem „Nebenher—
gehen“ jene ſeltſame Gabe, die uns aus der Einſamkeit der Schöpfung aber in ſteter Ver—
bundenheit mit der Heimat und dem Volkstum, das Weſentliche unſerer Zeit
Tor / Spiegel eines Lebens | 19
ſchenkt in ihren Dichtungen, und die Zukunft des deutſchen Menſchen geſtaltet. Hier erfüllt
der Dichter fern dem literariſchen Großſtadtbetriebe feine tiefſte Pflicht und wächſt zum
echten Volksſchriftſteller heran. So formt Emil Strauß deutſches Geſchick aus
der Fülle ſeiner Heimat emporwachſend in edelſtem Menſchentum. Nicht die Dichtung ſtand
am Anfang ſeines ſchöpferiſchen Werdegangs, ſondern eine Fülle von Lebenserfahrungen,
denn als er zu ſchreiben begann, war er bereits 32 Jahre alt. Der Weg führt alſo, ent-
gegen der Auffaſſung der Literaten, vom Leben zur Dichtung. And ſo deutete ſich bereits
in ſeinem erſten Buch das an, was Langenbucher einmal zuſammenfaſſend die „Verant-
wortung für die Lebenswerte ſeines Volkes“ genannt hat.
Weder Materialismus, noch Neuromantik, noch Expreſſionismus, noch „Heimatkunſt⸗
bewegung“ hatten ihn berührt. Er bogann feinen Weg als deutſcher Dichter um die Jahr-
hundertwende, 1899, mit drei Novellen „Menſchenwege“ (wie alle ſeine Werke im
Verlag Albert Langen / Georg Müller, München, erſchienen), die deutlich ſchon aufzeigen,
daß im Mittelpunkt des Goſtaltens das Leben, Lebensſchickſale, ſtehen, die das Seeliſche
im Menſchen ſeinem Schickſale zutreiben. Dieſe Geſinnung findet ſich deutlich abgezeichnet
in der Novelle „Der Auswanderer“, wo es am Schluß heißt: „Nein, ich möchte es (das
Leben) nicht ungeſchehen machen. Man muß die Schickſalsſchläge nehmen, wie ſie kommen,
muß fertig mit ihnen zu werden ſuchen und mutig weitergehen. Wer weiß, was zuletzt
bleiben wird? Das Leben iſt ein feiner, ſeiner Filter; das Tröpflein Seele, das ſich
durchdrängt, wird vielleicht ſo klar ſein, daß ſich die roſige Sonne des andern Himmels
voll Freuden in ihm ſpiegeln mag.“
Daß das Leben nicht nur roſig und voller ſchöner Seiten iſt, zeigt Strauß in ſeinem
erſten größeren Roman „Der Engelwirt“, der Enttäuſchungen über Enttäuſchungen
in ſich birgt und damit einen Menſchen zur Amkehr bringt und zur Heimat wieder. Der
Engelwirt bekommt von ſeiner Frau keine Kinder. Alſo zeugt er mit der Magd. Aber
cs ijt kein Bube, ſondern ein Mädchen! So ift der Spott augen ihn und es kommt zu
häßlichen Szenen, daß der Mann mit Magd und Kind nach Braſilien auswandert. Aber
da drüben packt und zauſt ihn das Loben und vergilt ſeine Fehlrechnung. Betrug und Ent:
tdujdung und bittere Not find feine ſtändigen Begleiter. Die Magd ſtirbt am gelben
Fieber und der Engelwirt ift allein mit feinem Kind. Da überkommt ihn feine Ber-
blendung, da erkennt er ſeine Torheit und den Schmerz, den er ſeiner Frau angetan
hat und kehrt zurück. Die Frau nimmt ihn wieder auf und ſeine Seele wird durch ihre
Güte geläutert.
Im Jahre 1902 folgte dann der große Publikumserfolg Emil Strauß mit ſeinem
Schülerroman „Freund Hein“. Wenn einer der Literaturhiſtoriker der vergangenen
Zeit den Erfolg dieſes Werkes auf die damals im Schwunge geweſenen Anterhaltungen über
Schülerſelbſtmorde zurückführt, ſo zeugt das von einer gänzlichen Verkennung des dichteriſchen
Bemühens von Strauß. Wie hoch ſteht zum Beiſpiel dieſer Schüler Lindner über dem
Schüler Hanno Buddenbrock (des Thomas Mann), dem doch kein noch ſo menſchenfreund—
licher Lehrer helfen konnte bei feinen Komplexen. Wir können dieſe Dichtung Emil Strauß’
nicht an dem Lebenswillen unſerer Generation meſſen. Das wäre ungerecht. Der Roman
ijt ſelbſtverſtändlich aus der Zeit feines Entſtehens zu packen, damit ijt aber
nicht geſagt, daß er modiſchen Einflüſſen erlag. Im Gegenteil, der Dichter zeichnet einen
jungen Menſchen, der der Muſik ſo ſehr zugetan iſt, daß ſie ſein Leben ausfüllt. Die
Amwelt, die Mitmenſchen wollten den Schüler zu einem realen und nüchternen Jüngling er—
ziehen, vor allem das Elternhaus und die Schule. Der Knabe müht ſich aufrichtig ab,
den Forderungen nachzukommen. Aber es mißlingt, denn die Muſik in ihm iſt ſtärker. Er
20 Tor / Spiegel eines Lebens
kann ſich nicht zurechtfinden in der Welt. „Der Satz, daß ſich zwei parallele Linien in der
Anendlichkeit ſchnitten, war ihm ein Gewiſſenszwang!“ So zerbricht dieſer junge Menſch
an der Härte ſeiner Amwelt und erſchießt ſich. Das Buch iſt keine Anklage und auch in
keiner Weiſe eine Verherrlichung der Schwäche! Problem iſt das Shidfal des
genial veranlagten Kindes, die Vater Sohn⸗ Tragödie. — Möglicher⸗
weiſe würde ein Dichter unſerer Zeit dieſes Thema anders geſtalten. Sicher würde er
ebenfalls einen Menſchen, der ſich nicht behaupten kann, untergehen laſſen, wahrſcheinlich
würde er aber das Leben ſiegen laſſen, weil dieſe Theſe unſerem Lebenswillen entſpricht.
Deshalb iſt die Dichtung Emil Strauß aber, um nichts geringer zu bewerten, weil aus ihr
— im Rahmen feiner Zeit — ein Bekenntnis redet.
Dichteriſch überzeugend iſt ebenfalls der nächſte Roman „Kreuzungen“. In der
Welt eines ziemlich lebensfremden Bürgertums rollt das Schickſal von drei Menſchen ab,
aus denen man gerade auch als junger Menſch lernen kann. Nicht Erfahrungen ſind die
Hauptſache, ſondern, daß man nach den Erfahrungen dem Leben wieder unſchuldig gegen-
Aber ſteht. „Leid oder Glück, wenn nur das Herz davon brennt und leuchtet! Wenn es
aber brennt und leuchtet, hat es zuletzt auch ſeine Freude daran.“ An anderer Stelle heißt
es: „Es handelt ſich weniger darum, vorurteilslos zu denken, als urteilen zu können; denn
Vorurteil und Vorurteilsloſigkeit fangen meiſt da an, wo die Arteilsfähigkeit aufhört.“
Hier empfindet man die Kritik nicht nur am vorurteilsloſen Denken, ſondern auch die Kritik
an der Zeit. Man muß ſich trotz aller Widerſtände zur inneren Notwendigkeit durd-
kämpfen. Das ift eines der Motive der Dichtungen Strauß. Auch in dem nächſten Novellen.
buche „Hans und Grete“ entwickelt er dieſe Linie, die am ſchickſalhafteſten in der
Novelle „Der Laufen“ berührt. Wie hier ein junger Menſch von Leichtfertigkeit ge-
trieben alle Stationen menſchlicher Erſchütterungen durchmachen muß, bis er geläutert iſt
und ſich wieder findet als ein anderer. das iſt zumindeſt ebenſo klaſſiſch geſtaltet, wie die
herrliche Novelle der „Schleier“, die allerdings in ſpäteren Jahren entſtand. Dieſe
kleine Geſchichte von der Lebeng- und Bewährungsprobe des Freiherrn von Tettingen und
feiner Gattin gehört ſchon heute zu den Dichtungen, von denen wir mit einiger Gewißheit
ſagen dürſen, daß ſie zu dem ewigen Schatz unſerer Proſa gehören. Schwächer iſt Strauß
dann in der epiſch unruhigen Geſtaltung eines Heimatthemas auf hiſtoriſcher Grundlage im
„Nackten Mann“. Dieſer Roman feiner Heimatſtadt Pforzheim iſt nicht fo über-
zeugend wie andere Werke. Man fühlt, daß das Hiſtoriſche nicht das Dichters ureigent ⸗
liches Gebiet iſt. So entwickelt ſich der Stoff auch nicht aus dem Geſchichtlichen, das
bleibt Hintergrund, ſondern nach vorne treten die menſchlichen Konflikte der drei Helden.
Auf dieſes Werk folgt die Rahmenerzählung „Der Spiegel“, die den Dichter einen
Menſchen geſtalten läßt, der in fauſtiſcher Anruhe dahinlebt, bis er endlich Ruhe findet.
Dazwiſchen und zuvor liegen dann noch drei dramatiſche Arbeiten Emil Strauß.
Früher ſchon entſtand der Stoff zum „Don Pedro“, der in Spanien ſpielt und die
„Hochzeit“, deren Handlung in Süddeutſchland gedacht ift. Der Aeberlinger See und
ſeine Landſchaft ſchauen in das Spiel hinein und geben ihm den Grundakkord. Von größerer
dramatiſcher Wirkſamkeit iſt das unlängſt bearbeitete, aber leider zu wenig geſpielte Drama
„Vaterland“. Das Stück iſt ein glühendes Bekenntnis zu Volk und Vaterland. Es
ſpielt um die Wende des 16. Jahrhunderts ins 17. Jahrhundert auf Korſika. Der Zürft
Sampiero kämpft mit ſeinen Korſen gegen die Franzoſen. Sein Weib iſt gegen den Krieg
und möchte den Frieden herbeiführen und kommt dabei auf den unglückſeligen Gedanken,
ſich zu den feindlichen Genueſen zu ſchlagen, ſo daß ſie auch die Feindin ihres eigenen Gatten
Tor / Spiegel eines Lebens 21
wird. Er befreit ſie und nimmt ſie gefangen, weil ſie ihn durch ihren Aebertritt zu den
Genueſen am Kampfe hindern wollte. Der Fürſt kennt nur fein Vaterland. Sampiero
rechtfertigt die fittlide Notwendigkeit feines Kampfes um die Freiheit der Korſen vor
ſeiner Gattin und tötet ſie mit eigener Hand, weil ſie Vaterland und Ehre preisgabl
An dieſer Dichtung kann man die Wucht und Größe der dichteriſchen Kraft Emil
Strauß' ermeſſen, der derartig gewaltiges Schickſal bereits 1923 formte und das wir für
unſere Zeit geradezu als beiſpielhaft und notwendig erachten. — Bleibt nun
noch die kleine ‚angefangene Geſchichte“ vom „Lorenz Lammerdien“ und Strauß
umſangreichſtes und bedeutendſtes Werk „Das Rieſenſpielzeug“. Nicht nur, daß
der Dichter als einer der wenigen Meiſter, die unſere Sprache vorbildlich beherrſchen, ſich
von dieſer Seite her beſtätigt, vielmehr noch intereſſiert uns hier die Problematik ſeines
nahezu 1000 Seiten umfaffenden Werkes. Bereits um die Jahrhundertwende hat Strauß
die Problematik der Zeit erkannt und in der Frage der Bodenſtändigkeit des Menſchen
beantwortet geſehen, wie er ja auch ſelbſt in Braſilien, am Oberrhein und im Hegau als
Bauer gelebt hat. Dieſes Erleben hat ihn in ſpäteren Jahren immer wieder beſtürmt und
nach einer Pauſe von vier bis fünf Jahren zur Bewältigung des im „Rieſenſpielzeug“ durd-
geführten Themas geführt.
Der Noman beginnt in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts und ſtellt den Dr.
Haugh, in welchem ſich der Dichter wohl ſelbſt zeichnete, nach Berlin — nach einer Be⸗
gegnung Bismarcks und Moltkes und des alten Kaiſers.
Sofort läßt Strauß dieſe Ordnung der Welt ins Wanken geraten. Man lebt in einer
Zeit der inneren Amwälzung. Die Großſtadt und mit ihr aufs engſte verkettet die In⸗
duſtrie und Technik werfen die ſozialen Fragen auf. Studenten und junge Dichter, die in
Berlin hauſen, ſehen voller Verantwortung alle dieſe dunkel anbrechenden Gewalten. And
ſo nähert ſich dieſe Jugend, die den Trieb „zu ſozialer Ehrlichkeit, im Traum von Recht und
Freiheit“ beſitzt, ſich der ſozialdemokratiſchen Partei, um aber alsbald zu erkennen, durch
die Vorherrſchaft der Parteizwecke bedingt und durch „die verbohrte Anduldſamkeit der
Maſſen“, daß man von dieſer „ausſchließlichſten, unſozialſten aller Parteien“ nur bitter
enttäuſcht werden kann. „An das Volk, an ein Volk, an Lebensbedingung, Wert und
Aufgabe eines Volkes ſchien in dieſen Kreiſen niemand zu denken.“ „Es gab ſcheinbar
nur noch Erwerbsgruppen, die einander die Butter, ja das Brot mißgönnten.“
Irgendwo im füdlichen Schwarzwald iſt einer der unverbeſſerlichen Lebensreformer auf
die Idee gekommen, feine Art Schloßgut einer Arbeitsgemeinſchaft von Bauern, Ata-
demikern und Arbeitern zur Verfügung zu ſtellen. Wohnung, Kleidung und Nahrung
bekommt jeder durch die Gemeinſchaft. Löhnung gibt es dagegen nicht. Würde ſich das
Anterfangen lohnen und gedeihen, ſo ſollte nach 5 Jahren das Gut Gemeinbeſitz werden.
Zwei Dutzend Mitglieder hat man vorgeſehen, aber ſechs ſind erſt da, wozu man zwei
unter die Freunde des Dr. Haugh zu rechnen hat. „Gerät der Verſuch und wirkte er
vorbildlich, fo bilde ſich auf dem Lande ein Netz von arbeitsfreudigen, der nackten Erwerbs-
gier entzogenen, geiſtig belebten Wirtſchaften, die dem bäuerlichen Leben ſeine Friſche und
Geregtheit zurückgeben und der verhängnisvollen Anziehungskraſt der Stadt nicht mehr
das Vorrecht laſſen würden. Haugh wird auch für dieſe Arbeitskameradſchaſt gewonnen.
Er kehrt dorthin heim, nicht im Leberſchwang der Gefühle, ſondern innerlich ruhig und
gelaſſen, mit Sicherheit, wie ſie nur ein Menſch haben kann, der von der Verantwortung
um das Land weiß. Dieſer Haugh gerät nun zwiſchen drei Frauen. Eine Generalstochter,
eine lockende Frau und die Bauerntochter. And es iſt faſt ſelbſtverſtändlich, daß Haugh
22 Sed / Heute Moor und morgen fruchtbares Land
den Weg zur Tochter des Bauern findet und mit ihr das „Rieſenſpielzeug“ planmäßig
bewirtſchaften wird, um es allen Experimenten zu entreißen. Hand in Hand mit dieſem
ſchönen weitſchwingenden epiſchen Geſchehen geht die Auseinanderſetzungmit dem
Materialismus der Jahrhundertwende, mit der allgemeinen Lebens
unſicherheit, mit dem Judentum und Marxismus. `
Mit dieſem Roman ift es Emil Strauß gelungen, aud innerhalb feines Geſamtwerkes,
ein vollendetes Bild feiner Zeit in genialem Wurfe zu formen. Dieſe Schöpferkraft zeugt
für eine Vollendung des Menſchlichen im Dichter ſelbſt. Der Roman der Wende einer
Epoche, des inneren Ambruchs, der eindeutig den Beweis erbringt, daß wir um den
ewigen Beſtand der deutſchen Dichtung uns nicht zu ängſtigen brauchen, ſolange wit
imſtande ſind, derartig überzeugende Dichtungen unſer eigen zu nennen. Hier trägt
der Dichter bereits zu Lebzeiten den Kranz des ewigen Ruhmes.
So ſteht ein Lebenswerk faſt abgerundet vor uns. In immer wiederkehrendem Kampfe
hat Emil Strauß fein Werk geſteigert und fih vollendet. Aeber den dichteriſchen Anlaß
hinaus geht Strauß den Gründen zum Anlaß eines Konfliktes nach und geſtaltet das
tragiſche Geſchehen. Wenn einmal die große Abrechnung der Dichtung der letzten 4 oder
5 Jahrzehnte gehalten wird, mag man feſtſtellen, daß Emil Strauß' Werk guten Beſtand
vor der Ewigkeit hat.
Dr. Hans F. Zeck:
Senie Moor
und morgen feuchtbares Land.
Ueber das Emsland
Rieſenhaft zuſammengeballt liegen die Großſtädte des rheiniſch-weſtfäliſchen Jn:
duſtriebezirkes auf engſtem Raum beieinander. Kaum daß auf der mehrſtündigen
Eiſenbahnfahrt von Köln bis hinauf nach Dortmund das Häuſermeer einmal abreißt,
um einem Stückchen Grünland Platz zu machen. Dichter gedrängt, als irgendwo,
ſitzen hier die Menſchen aufeinander. 1000 und noch mehr werden auf jedem
Quadratkilometer gezählt, während der Durchſchnitt des übervölkerten Deutſchland
etwa 150 beträgt.
Fährt man dann aber von Hamm über Münſter nordwärts auf Emden zu,
dann findet man in unmittelbarjter Nähe dieſer ſtärkſten Menſchenzufammenballung
auf deutſchem Boden ein ganz dünn nur beſiedeltes Gebiet: die weiten Moor- und
Oedlandſtrecken des Emslandes. Im Kreiſe Hümling z. B. kommen knapp
25 Menſchen auf einen Quadratkilometer. Ein ſtärkerer Gegenſatz iſt kaum denkbar:
an Rhein und Ruhr Millionen eng zuſammengedrängt, die immer in Gefahr ſind,
aus der fraftipendenden Verwurzelung im Boden gelöſt zu werden, im Emslande
weite Landſtrecken, die auf den Menſchen und die Ziviliſation warten. Dort „Volk
ohne Raum“ — hier „Raum ohne Volk“.
Noch vor ganz wenig Jahren fab es ſchlimm aus im Emslande. Anfruchtbares
Hochmoor und Odland, fo weit das Auge reichte. Nur hier und da einmal ein
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o Bed / Heute Moor und morgen fruchtbares Land 23
einſamer Siedler. Man konnte dieſen unwirtlichen Landſtrich mit den unwirtlichen
Gegenden Schwedens vergleichen, ſo öde, ſo einſam und ſo menſchenleer war er.
Jahrhunderte ſchon laſtete es wie ein Fluch auf dieſer Landſchaft, die allenfalls ein
Paradies der Füchſe, Haſen und Moorvögel war und wo man Verbrecher im Moor
verſenkte. Die Bewohner der zum Teil weltabgeſchiedenen Dörfer lebten in
dürftigſten Verhältniſſen. Nur ganz geringe Erträge ließen ſich trotz ſchwerſter
Arbeit dem armſeligen Boden abringen. Am zu beſſeren Erträgen zu kommen,
fehlte es an allem; fehlte es an Kunſtdünger, an Geld, vor allem aber am Maſſen⸗
einfag planmäßiger Arbeit. Die Sterblichkeit war immer hoch. Beſonders die
Tuberkuloſe raffte gar viele dahin. Kein Wunder, da vielzuviele Menſchen in
ſchlechten Wohnungen hauſten; in Wohnungen, die z. T. buchſtäblich Erdhöhlen
waren. Ausſicht auf Beſſerung der Lebensverhältniſſe beſtand fo gut wie gar nicht,
ſo daß jeder, der auch nur einigermaßen eine Möglichkeit ſah, auswanderte. Aeberall
im Reich trifft man heute die lebensharten, kampfgewöhnten Emsländer, die in
der Fremde ſich eine neue Heimat geſucht haben. Durch dieſe erzwungene Ab—
wanderung hat die emsländiſche Bevölkerung viel ihrer beſten und leiſtungsfähigſten
Menſchen verloren, denn nur das wagemutigſte und wertvollſte Menſchenmaterial
bringt die Kraft auf, ſich eine neue Heimat zu ſuchen.
Die Regierung erkannte, daß Durchgreifendes geſchehen mußte, um dem Land
und feinen Menſchen zu helfen. So kam es zu der großen Hilfsaktion, die augen-
blicklich im Gange iſt. Entwäſſerungskanäle und tiefe Gräben wurden gezogen, um
dem Moor ſein Waſſer zu entziehen und trockenes Land zu gewinnen. Wege wurden
angelegt, um fo manche Ortſchaft, die keinen Anſchluß an eine Neben-, geſchweige
denn an eine große Durchgangsſtraße hatte, an den Verkehr und damit an Abſatz—
möglichkeiten anzuſchließen. Voll Hoffnungen auf eine beſſere Zukunft betrachten
wir die heute noch fo düſter⸗ſchwermütige Landſchaft längs der deutſch-holländiſchen
Grenze. Wie groß, aber auch wie begründet dieſe Hoffnungsfreude iſt, läßt ſchon
der flüchtige Blick über die Grenze hinweg ins Holländiſche hinüber erkennen, wo
fruchtbares Ackerland und blühende Gärten die einſt auch dort ſich hinziehende
Moorlandſchaft abgelöſt haben. Gerade weil dasſelbe Moor- und Oedland einſt
beiderſeits der Grenze fih ausdehnte, heute aber Landſchaftsbild und Lebens-
bedingungen auf holländiſcher und deutſcher Seite ſo grundverſchieden ſind, drängt
ſich von ſelber die Frage auf, warum iſt das ſo? Die Antwort auf dieſe Frage
liegt in der verſchiedenen Kraft des Gemeinſchaftslebens diesſeits und jenſeits der
Grenzen. Die Arſachen der verſchiedenartigen Entwicklung des Gemeinſchaftslebens
wiederum liegen nicht zuletzt in geopolitiſchen Vorausſetzungen begründet.
Jahrtauſende hindurch hat der Rhein Sinkſtoffe mit ſich geführt und in ſeinem
Mündungsgebiet abgelagert. Auch das ruhelos heranbrauſende Meer brachte
Sinkſtoffe mit und lagerte ſie an der Küſte ab. Aus dieſen Sinkſtoffen von Fluß
und Meer find die Marſchen zu beiden Seiten der Rheinmündung entſtanden.
Menſchenkraft hat das Meer zurückgedrängt und aus dem unter Meeresſpiegel
liegenden Schwemmland ganze Provinzen gerettet. Mit Stolz ſagt heute noch
24 Zed / Heute Moor und morgen fruchtbares Land
der Holländer: Gott ſchuf die ganze Welt, Holland aber wir Holländer! Im
ruheloſen Kampf mit den Elementen iſt der einzelne machtlos. Nur ein ſtraff
organifiertes Ganzes vermag etwas auszurichten. So zwang die Natur ſelber die
Menſchen am Meer enger zuſammen, als im deutſchen Binnenlande. An die
1000 Jahre alt iſt das Koloniſationswerk an der niederländiſchen Küſte und ebenſo
weit reichen auch die Anfänge eines beſonders kräftigen Gemeinſchaftslebens zurüd.
Das fränkiſche Miſchreich und auch das erſte Reich der Deutſchen waren Fe ft-
lands ſtaaten, deren politiſches, kulturelles und wirtſchaftliches Schwergewicht in
den binnenländiſchen Kerngebieten ruhte. Was da weit an des Reiches
duferften Grenzen lag, wurde nur wenig beachtet. Schon zur Stauferzeit lag das
heutige Holland ſo abſeits, daß man dort kaum etwas von der kaiſerlichen Gewalt
ſpürte. Je weniger ſich das Reid um die niederländiſchen Gebiete kümmerte, deſto
enger ſchloſſen ſich die Küſtenbewohner unter den örtlichen Grafengeſchlechtern zu
ſtraffer Einheit auch im politiſchen Sinne zuſammen. Als um 1500 herum die Ent-
deckung der neuen Seewege nach Amerika und Oſtaſien die überlieferte Weltlage
völlig umkehrte und den bis dahin kaum beachteten niederländiſchen Küſten mit einem
Schlage eine ganz große Bedeutung gab, da war hier ein lebenskräftiges und eigen:
williges Gemeinſchaftsleben und Gemeinſchaftsbewußtſein nicht bloß keimhaft,
ſondern bereits ſeit Jahrhunderten voll entwickelt vorhanden. Daß es überhaupt
fo weit kam, ift die Folge der völkiſchen Zerſplitterung und politiſchen Kraftlofigkeit
des erſten Reiches geweſen. Als dann die Spanier verſuchten, den Niederländern
die Selbſtändigkeit ihres Gemeinſchaftslebens zu rauben, um ſie in die zentraliſtiſche
ſpaniſche Politik einzufügen, da kam es zum „Abſall der Niederlande“, die ſich zum
uralten Gemeinſchaftsleben nun auch den eigenen Staat bauten.
Das Lebenszentrum der Niederländer hat immer in der fruchtbaren Marid-
zone am Meer gelegen. Aus Fiſchfang und Aeberſeehandel haben fie großen Reig-
tum geholt, indeſſen das deutſche Reich und das deutſche Volk in ihrer Zerſplitterung
ärmer und ärmer wurden. Organiſch find die niederländiſchen Großſtädte ge-
wachſen. Ring legte ſich um Ring und nirgends iſt jenes plötzliche, treibhausartige
Wachstum der deutſchen Großſtädte zu beobachten, das nach der politiſchen und
wirtſchaftlichen Erholung im vorigen Jahrhundert allenthalben in Deutſchland ein-
ſetzte. .
Wenn auch das Lebenszentrum der Niederländer in der Marſchzone am Meer
lag, fo haben fie darum doch das Hinterland nicht vergeſſen. Im Gegenteil; geſtützt
auf eine einheitliche politiſche Führung, auf ein kraftvolles Gemeinſchaftsbewußtſein
und nicht zuletzt geſtützt auf den großen Reichtum des ganzen Landes, machten ſie
fih ſchon ſehr früh an die Aufſchließung der einzigen in jener Zeit bekannten Brenn-
ſtofflager ihres Landes: der Moore an der deutſch⸗-holländiſchen Grenze.
Mittelpunkt der Moorkoloniſation war ſchon kurz nach 1600 die holländiſche
Stadt Groningen geworden. Handelsintereſſen und gute Verdienſtausſichten wurden
Veranlaſſung zum Abbau der bis zu 8 Meter mächtigen Torfläger des Hodmoores.
Dank der günſtigen Vorausſetzungen in ihrem Lande konnten die Holländer plan-
Zed / Heute Moor und morgen fruchtbares Land 25
mäßig und mit Einſatz ſehr großer Mittel arbeiten. Zunächſt wurde ein Kanalnetz
zur Entwäſſerung, für die Abfuhr des Torfes und die Anfuhr von Düngemitteln
geſchaffen. Je mehr Torf abgegraben wurde, deſto mehr kam der feſte Antergrund
zum Vorſchein. Damit war der Aebergang von der Torfwirtſchaft zur Ackerwirt⸗
ſchaft gegeben. Die Torfbauern wurden zu Ackerbauern, und die großen Kapitalien,
die einft für die Moorkultut aufgewandt waren, warfen nun Zins aus Bauern-
gitern ab. Groningen war jahrhundertelang Mittelpunkt des holländiſchen Brenn-
ſtoſffhandels und hat durch feine Abſatzverbindungen bis tief nach Norddeutſchland
hinein glänzend verdient. Als dann in neueſter Zeit die Stein ⸗ und ſpäterhin auch
die Braunkohle das Torf mehr und mehr verdrängte, da war auf holländiſcher Seite
das Moor im weſentlichen abgebaut, und lebenskräftige Bauern ſaßen auf Gütern
von ausreichender Größe. Holland hat im Hochmoor bäuerliches Siedlungsland ge-
wonnen und dabei auch noch glänzend verdient. Man ſieht alfo, daß bei weit-
ſichtiger Wirtſchaftspolitik und großzügigem Einſatz Wunder an Erfolgen auch
im Moor zu erzielen ſind.
Die Erfolge der Holländer haben ſchon im 17. Jahrhundert zur Nachahmung auf
deutſcher Seite gereizt. Deutſche Territorialfürſten ſuchten ſich Anternehmer und
übertrugen denen die Aufgabe, das Moor in Siedlungsland zu verwandeln. Dieſelbe
Methode hatte ſich im 13. Jahrhundert, bei der Koloniſation des deutſchen Oſtens,
glänzend bewährt. Der Mißerfolg lag alſo nicht in der gewählten Methode, ſondern
in andern Arſachen. So war es in der Tat! Die Anternehmer beſorgten nur den
Kanalbau und überließen dann alles andere den angeſetzten Kleinpächtern. Dieſe
beſitzloſen Leute waren aber bei allem Eifer gar nicht in der Lage, Jahre hindurch
Arbeit und Kapital ohne ſofort greifbaren Erfolg in das Koloniſationswerk hinein-
zuſtecken. Daß die Siedler zu früh auf eigene Füße geſtellt und ihnen zu wenig
Hilfe geleiſtet wurde, war der erſte Fehler, der das Koloniſationswerk ungeſund
hemmte. Weder im Ertrag noch im Abſatz ihres Torfes kamen die Koloniſten gegen
die Holländer auf. Der zweite Fehler lag darin, daß keineswegs ein planmäßig
großes Netzwerk von Kanälen gebaut wurde, denn jeder Anternehmer gehörte zu
einem anderen Landesherrn und jeder verfolgte andere Pläne. Go ift deutſche Klein-
ſtaaterei zur zweiten Wurzel des ſchließlichen Mißerfolges geworden. Die dritte
Fehlerquelle lag darin, daß jeder Landesherr bzw. jeder Unternehmer zuviel zins-
zahlende Pächter anſetzen wollte und ſo die Größe der einzelnen Pachtſtellen von
vornherein zu klein wurde, um eine Familie ernähren zu können. Am Ende brach
der erſte Anlauf zur Moorkoloniſation auf der deutſchen Seite zuſammen.
Angeregt durch feine großen Erfolge im Warthe-, Netze⸗ und Oderbruch, machte
etwa 100 Jahre ſpäter Friedrich der Große einen zweiten Verſuch. Wieder wurden
aus übergroßer Rückſicht auf ſteuerliche und ſiskaliſche Intereſſen dieſelben Fehler
gemacht, ſo daß im Weſen an den troſtloſen Zuſtänden im Emslande nur wenig
geändert wurde.
Ein dritter Anlauf wurde nach 1870 gemacht, als Deutſchlands wirtſchaftlicher
Auſſtieg einſetzte und die Erfindung des künſtlichen Düngers mancherorts einen be:
26 Sed / Heute Moor und morgen fruchtbares Land
iheidenen Anbau von Getreide ermöglichte. Aber diefe gutgemeinten Verſuche ver-
ſackten, weil man ſich nicht zu planmäßigem Einſatz großer Mittel an Kapital und
Menſchen entſchließen konnte und die Menſchen lieber als Induſtriearbeiter in den
Dienſt der Weltwirtſchaft Hatt in den Auf- und Ausbau der eigenen innerdeutſchen
Wirtſchaft geſtellt wurden. Gar bald iſt dann auch die geringe Getreidewirtſchaft
zugunſten extenſiver Viehwirtſchaft aufgegeben worden, die in Form von Hoch-
moorkultur auf nicht abgetorftem Moor betrieben wurde.
Alle früheren Verſuche ſcheiterten, weil ihnen die notwendigen Vorausſetzungen
zum Gelingen fehlten. Weltwirtſchaftliche Wirtſchaftsorientierung als oberſter
Grundſatz verhinderte das Aufkommen wirklich tiefen und nachhaltigen Intereſſes an
der Erſchließung der eigenen Scholle. Weil das letzte Intereſſe fehlte, darum fehlte
auch der letzte Krafteinſatz ... und dieſer Krafteinſatz muß groß fein und febr
weitgeſteckten Zielen dienen, ſonſt iſt der Erfolg verſagt. Seit mit dem Siege des
Nationalſozialismus die Wirtſchaft unter Führung der Politik ſteht und Politik
auf weiteſte Sicht getrieben werden kann, ſind auch die wichtigſten Vorausſetzungen
für das gewaltige Werk der Moorerſchließung gegeben. Der Wille der Führung
will auch den letzten Winkel deutſcher Heimaterde dem Volke nutzbar machen und
die lebendige Kraft des ganzen Volkes hilft durch den Einſatz im Arbeitsdienſte
mit, dies Wollen Wirklichkeit werden zu laffen.
In beträchtlichem Amfange konnten ſchon Moor- und Oedländereien zur Be
ſiedlung herangezogen werden. Nach der Reichsſiedlungsſtatiſtik 1934 wurden
zunächſt nicht weniger als 4147 Hektar Land = rd. 16 000 Morgen bereitgeſtellt.
Aber das iff nur ein Anfang. Der Kampe ⸗Dörpen-Kanal durchquert als Grop:
ſchiffahrtsweg ein rieſiges, faſt unbewohntes Gebiet, in dem weitere 80 000 Morgen
der Erſchließung harren. Im Kreiſe Hümling ſind faſt 4000 Morgen in mühſamer,
dreijähriger Arbeit erſchloſſen worden. Etwa 60 Bauernhöfe ſollen hier erſtehen.
Aeberall wächſt Leben, überall werden Straßen angelegt und Kanäle gebaut,
die erbärmlich primitiven Heuerlingskäſten verſchwinden immer mehr und machen
geſunden Wohnungen Platz. Aus Enge, Dumpfheit und Hoffnungsloſigkeit führt
ein Weg hinaus auf zukunftsträchtiges Siedlerland. Menſchen, die Jahrhunderte
hindurch buchſtäblich nicht einmal das Notwendigſte zum Leben hatten, lernen
Bauer werden auf eigener freier Scholle; andere, die längſt die Hoffnung verloren
hatten, einmal Bauer auf eigenem Beſitztum zu werden, ſchaffen hier auf Neuland
And wenn auch noch gar viele Opfer gebracht werden müſſen und gar manch ſchwere
Arbeit zu leiſten iſt, es iſt wieder Hoffnung ins Emsland eingezogen. Wo Hoffnung
iſt, da gewinnt alles Arbeiten und Opfern wieder Sinn. And morgen wird dort
Garten ſein, wo heute noch Moor und Oedland iſt. Die lebendige Kraft des neuen
Deutſchland holt in wenigen Jahren nach, was die Holländer dank glücklicherer
Vorausſetzungen vor Jahrhunderten haben vormachen können.
Nur in der eigenen Kraft ruht das Schicksal jeder Nation. Moltke.
Außenpolitiſche Notizen 27
AUSSENPOLITISCHE
Sob Piespout und die 360
Es gibt einen durchſchlagenden Beweis
völkerrechtlich ſauber gehaltener Neutralität,
einen Beweis, den das Deutſche Reich —
anerkannt von der Preſſe der ganzen Welt
— bei der heutigen krieg vorbereitenden Lage
geliefert hat: der Neutrale hat an keinen
der beiden Kriegführenden Waffen verkauft,
und kein Staatsbürger der neutralen Nation
gibt Geld, um Waffenlicferungen zu finan-
zieren. Meiſtens aber in der Weltgeſchichte
hat die Neutralität Anlaß zu Klagen ge-
geben, berechtigten und unberechtigten.
Ein bis zwei Jahre des Kriegsglückes
waren nach 1914 für die deutſchen Truppen
ins Land gegangen, als die erſten Geſchoſſe
„Made in USA“ in die deutſchen Reihen
traſen. Dies war ein offenkundiger Bruch
vielbeſchriener Neutralität. Jedoch — er
war gewiſſenhaft und mit einer für
ASA unbekannten Sorgfältigkeit vorbereitet
worden.
Als die Ruffen ſchon Anfang 1915 unter
einem ſehr fühlbaren Munitionsmangel
litten, wandten ſie ſich an jenes berüchtigte
Komitee, das die Waffenlieferungen an
Rußland zu kontrollieren hatte. Aber die
Londoner erklärten: Selbſt wenn wir aus⸗
reichend Munition hätten, würdet ihr doch
keine kriegen, denn ſiehe: wir werden auch
ſehr bald in Schwierigkeiten ſein.
Da kam nach Moskau der rettende
Engel in Geſtalt eines kanadiſchen Ober-
ſten: er ſtellte Waffenlieſerungen aus
Kanada in Ausſicht. Nachdem die Ruffen,
Holizen
nichts Böſes ahnend, zugegriffen hatten,
ohne das Komitee zu befragen, meldete ſich
London mit der Mitteilung, der Herr
Oberſt ſei ein Scharlatan, der weder Geld
noch Waffen, noch Waffenfabriken an der
Hand habe. Es hatte ſich nämlich über den
amerikaniſchen Botſchafter Page, der an-
ſcheinend deswegen Page hieß, weil er als
Neutraler doch nur auf der einen „Seite“
zu finden war, Herr John Pierpont Morgan
in das Kriegsgeſchäft eingeſchaltet. Er emp-
fand den kanadiſchen Verſuch als ſtörend
und war nun gezwungen, feine dunklen,
Pläne an das Licht der Oeffentlichkeit zu
rücken, um den Oberſten auszuſtechen. Seit
dieſem wenig neutralen Eingriff des Bot-
ſchafters Page rollten amerikaniſche Waffen,
Geld und Lebensmittel nach den Fronten
der Alliierten. John Pierpont ſchacherte und
ſchacherte, finanzierte die amerikaniſche
Rüſtungsinduſtrie, gab Kredite nach Europa
und legte ſein Geld da an, wo er glaubte
am beſten zurückbezahlt zu werden. Hinter
ſich hatte er einen unbeſchränkten Krodit
anderer amerikaniſcher Banken, die das
gleiche Geſchäft witterten. Was nützten
deutſche Noten und Altimaten, wenn John
Pierpont ſchacherte und Gold ſcheffſelte?
Nichts. Denn er ſchacherte ſo lange, bis
ASA in den europäiſchen Krieg, und zwar
eben nur auf der einen Seite, 360 Millionen
Dollar inveſtiert hatte. Bei 360 Millionen
inveſtierten Dollars pflegt den Amerikanern
die Angſt um ihr Geld zu kommen. Die
Lage der deutſchen Truppen war gut, das
Geld ſchien wegzuſchwimmen.
28 Außenpolitiſche Notizen
So half nur der Eintritt der ASA. in
den Krieg, auf der Seite, auf der das Geld
gerettet werden mußte. And es entſchied
den Krieg zugunſten ſeines Geldes. Als
zum Sammeln geblaſen wurde, begegnete
John Pierpont wiederum die Zahl 360.
Denn 360 000 Soldaten amerikaniſcher Ge⸗
burt hatten ihr Leben an der franzöſiſchen
Front laſſen müſſen. ö
360 000 000 Dollars zuerſt bis zum Ein-
tritt in den Krieg, dann 360 000 amerifa-
niſche Soldaten — das war die Jagdſtrecke
des John Pierpont Morgan, für die er jetzt
vor den höchſten amerikaniſchen Gerichten
die waidmänniſche Verantwortung ragen
muß. Tauſend Dollar für einen Soldaten!
Allerdings, John Pierpont, du haſt ja
außer den „360“, die dich dein Leben lang
verfolgen werden, während der Zeit der
amerikaniſchen Beteiligung am Kriege er-
. reiht, daß Europa den ASA am Schluſſe
10 Milliarden Dollar ſchuldete, du haſt er-
reicht, daß das Nationalvermögen der ASA
in den Kriegsjahren um 80 Prozent ſtieg,
aber bitte — in der Kriſe iſt alles wieder
flöten gegangen, und bezahlt haben die
europäiſchen Brüder auch nicht. Wenn du
die Soldaten mit den erſten Millionen be-
zahlt haft, fo bajt du das Schwinden der
Proſperity, die Verarmung der ASA mit
den reſtlichen Milliarden bezahlt. Jedoch —
das Bankhaus Morgan war vorwärts-
gekommen.
Allerdings, John Pierpont, du wirſt
ſtaunen: abgeſehen von deinen Geſchäften,
die ja ſchließlich für alle Bankhäuſer der
Welt ſeit alters in dieſer Form, wenn auch
nicht in dieſem Amfange, üblich geweſen ſind
— du brauchſt dich nicht zu ſchämen, denn
du wirft ja nur als Sündenbock in die Wüſte
geſchickt, nachdem die Sowjetruſſen mit
ſolcher Schadenfreude die zariſtiſchen Ge-
heimakten geöffnet haben.
Die wirkliche Schuld trifft nicht das
Bankhaus Morgan, ſie trifft jene, die jetzt
die Schuld auf die Geldmänner abwälzen
wollen. Sie trifft den Präfidenten Wilſon,
fie trifft den Botſchafter Page, den Staats-
ſekretär Lanſing und alle die, die den Geld-
männern die Geſchäfte geſtattet haben, ja
gefördert haben. Wer reiſte denn in den
Staaten herum und predigte von der morali-
ſchen Verantwortung der Alliierten gegen-
fiber einem Varbarenvolke? Wer hetzte die
Preſſe auf? Wer hielt die Neutralität
gegenüber den Mittelmächten, und wer hielt
fie gegenüber den Alliierten nicht? Wer be
ſchwerte ſich dauernd über Schädigungen
amerikaniſchen Eigentums durch deutſche
U-Boote, und wer vergaß, daß die Eng-
länder in den erſten Kriegsjahren amerita-
niſches Eigentum nicht geſchont hatten? Wer
verſchickte mit amerikaniſchen Paſſagier⸗
ſchiffen Kriegsmaterial und wunderte ſich
dann, daß deutſche U-Boote das merkten?
Herr Wilſon, Herr Lanfing, Herr Page und
Genoſſen!
Allerdings, Schuld hier und Schuld dort
ſind verquickt, verfilzt und ineinander auf⸗
gegangen. Sie find nicht mehr zu trennen.
Jeder gab ſein Teil, und jeder nahm es
zurück. Der eine machte Geld, der andere
ſäte Haß, beide arbeiteten mit dem be⸗
quemen Mittel, es ginge um die Freiheit
der Welt. Beide verhetzten ein Land, das
nicht zum kleinſten Teil deutſchen Blutes
war. Allerdings, wie ſah die Freiheit der
Welt nach dem amerilaniſchen Siege aus?
Für den Sieg im Weltkrieg
zeichnen die AS A als Allein
verantwortliche. Dieſe Ver-
antwortung iſt ſchwer zu tragen.
Hans Humbold.
— — —— — —
Randbemerlungen 29
Giasbemberas
„ditliche Weltovduuns*
Es ift Thon feit langem eine weltbekannte
Tatſache, daß die politiſchen Führer des
neuen Oeſterreichs über die vatikaniſche
Leitung beſonders gut mit dem lieben Gott
„auf Draht“ find. Konnte ſchon ſeinerzeit,
bei der Verkündung der neuen Verfaſſung
des „chriſtlichen Ständeſtaates“, Dollfuß
auf den klaren, im Weihnachtshirtenbrief
der öſterreichiſchen Biſchöfe vom 21. 12. 1933
zum Ausdruck gebrachten Willen Gottes ver-
weiſen, „von dem alle Macht und alles
Recht ausgeht“ — nicht wie früher, nach
Artikel 2 der alten Verfaſſung, vom Volke!
—, fo kehrte dieſer Hinweis ſeitdem in allen
Reden und Kundgebungen der neuöfter-
reichiſchen Machthaber unabläſſig wieder.
Als einer der vertrauteſten Vermittler
dieſer geheimen Offenbarung des Gottes-
willens und als leuchtendſtes Blitzlicht
ſolcher prophetiſcher Erleuchtungen iſt ſchon
ſeit längerer Zeit ſeine Durchlaucht
Fürſt Ernſt Rüdiger von Star-
hemberg hervorgetreten. Aber erft feine
jüngfte Rede vom 20. 1. 1936, die er vor
den Amtswaltern der „Vaterländiſchen
Front“ in Wien hielt, ließ fo richtig er-
kennen, bis zu welchem Grade von Ber-
trautheit und Intimität das Verhältnis
zwiſchen ihm und dem lieben Gott bereits
gediehen iſt. Da gibt es offenbar keine Ge⸗
heimniſſe mehr, alle Karten find aufgedeckt
und im tiefſten Bruſtton der Heberzeugung
fann er einer erſtaunt aufhorchenden Mit-
welt verkünden, daß „ein freies und un⸗
abhängiges Oeſterreich ganz im Sinne der
göttlichen Weltordnung“ liege.
Zum Gerftdndnis dieſer neuen erlaudtia-
ſten Offenbarung ift es freilich nötig, ſich
von jener Idee und Vorſtellung der Volks-
ſouveränität zu befreien, wonach Gottes
Wille ſich im Volkeswillen offenbare, welche
Auffaſſung ſchon der genannte Hirtenbrief
als „atheiſtiſche Irrlehre und Satanswerk“
gekennzeichnet hat. Der Wille Gottes
offenbart ſich vielmehr, wie derſelbe Hirten-
brief unfehlbar feſtſtellte, im Willen ſeiner
heiligen Kirche und der von ihr als ihre
zuverläſſigen weltlichen Diener erprobten
chriſtlichkatholiſchen Staatsmänner — wo-
mit jener Hirtenbrief gleichzeitig Stichwort
und moraliſche Rechtfertigung der unmittel-
bar darauf vollzogenen blutigen Nider-
werfung der Anhänger des Volkswillens⸗
grundſatzes in Oeſterreich und der Anbah⸗
nung der Habsburger Reftauration ausgab.
Gemäß dieſer neuen Lehre und Verkün⸗
dung „göttlicher Weltordnung“, die uns
freilich bei einiger Geſchichtserinnerung nicht
mehr ſo ganz neu anmutet, gilt es dann
freilich auch die Begriffe und Vorſtellungen
von Freiheit und Anabhängigkeit zu wan-
deln. „Frei“ bedeutet demnach nicht, daß
das Volk frei fein innerpolitiſches Schickſal
ſelber beſtimmen und entſcheiden kann, fon-
dern, daß es ſich unbefragt und willenlos
dem Willen der katholiſchen Kirche und der
von ihr gutgeheißenen Machthaber unter-
wirft. „Anabhängig“ bedeutet gleichermaßen
nicht, daß das Volk nun unabhängig von
äußeren Einflüſſen durch eine freigewählte
Regierung über die Richtung feiner Aupen-
politik beſtimmen kann, ſondern, daß es
vielmehr in ſchärfſter Abhängigkeit von allen
daran intereſſierten ſtaatlichen und über-
ſtaatlichen Mächten des Auslandes durch die
ihm von dieſen unter dem Zeichen der
„Nichteinmiſchung“ aufgedrängte Regierung
einen Weg gezwungen wird, der ſich letzten
Endes gegen ſeine eigenen Lebensintereſſen
30 Randbemerkungen
richtet. Damit an dieſer Auslegung ja kein
Zweifel ſei, hat Starhemberg in derſelben
Rede — als Antwort auf die in einem
Flugblatt der Nationalſoizaliſtiſchen Bce-
wegung Oeſterreichs neuerdings erhobene
Forderung nach Neuwahlen — erneut der
Welt mitgeteilt, daß ſolche Wahlen nach
dem gleichen und geheimen direkten und all-
gemeinen Wahlrecht in Oeſterreich „nicht in
Frage“ kämen.
Wir erinnern uns da an eine Rede, die
Starhemberg im Juni 1933 in den Wiener
3⸗Engel⸗Sälen hielt, worin er als Antwort
auf dieſelbe Forderung ſich nicht auf die
göttliche Weltordnung berief, ſondern
banalerweiſe nur erklärte, Wahlen oder
Volksabſtimmung kämen nicht in Frage, da
er ſonſt ſein ganzes Geld umſonſt in die
Heimwehr „hineingepulvert“ habe .. So-
mit ſcheint Starhembergs Einblick in die
göttliche Weltordnung erſt neueren Datums
zu ſein oder dieſe Ordnung Starhemberg
erft jetzt als ihr geeignetes Werkzeug cr-
kannt zu haben. Oder ſollte es ſich hier am
Ende gar nicht um eine göttliche, ſondern
um eine menſchliche, nur allzu menſchliche
Ordnung handeln? Job.
Handel mit Heiligen
Wie gut man es in gewiſſen Kreiſen noch
verſteht, aus religiöſen Geſühlen gläubiger
Volksgenoſſen ein Geſchäft zu machen, be—
weiſt ein Rundſchreiben des Verlages der
Buchgemeinde in Bonn an katholiſche Geiſt—
liche. Mit ſchamloſer Geſchäftigkeit wird
das Buch „Helden und Heilige“ von
Hümmeler empfohlen. Die Ratſchläge, die
dabei der Verlag den geiſtlichen Würden—
trägern mit auf den Weg gibt, zeigen zwi—
ſchen den Zeilen, wie geſchickt nun plötzlich
die Heiligen aus den Wolken hervorgeholt
und den erſtaunten Mitmenſchen als Helden
präſentiert werden ſollen. Es heißt wört—
lich: „Bitte nehmen Sie Hümmelers
Heiligen-Legenden mit auf die Kanzel, wie
mehr als ein Konfrater vor Ihnen es ſchon
tat, leſen Sie an einem Feſttage vom Tages—
heiligen vor, erwärmen Sie Ihre gläubigen
Zuhörer, weiſen Sie ſie auf die Bonner
Buchgemeinde hin.“ Mit anderen Worten,
es ſoll für einen beſtimmten Verlag von dir
Kanzel herab Propaganda gemacht werden.
Die gläubigen Zuhörer werden ſolange ct:
wärmt, bis ſie ſchließlich RM. 9,80 auf das
Konto der Buchgemeinde nach Bonn über:
weiſen. Fürwahr, eine würdige Verkündi⸗
gung deſſen, der ſelbſt mit der Peitſche die
Händler aus ſeinem Tempel gejagt hat.
Ratſam wird es übrigens für die Confratres
nicht ſein, die fage und ſchreibe 15 Konto-
nummern mitzuverleſen, die am Kopf des
Rundſchreibens verzeichnet ſind und von
denen genau 4 aus Städten des
Reiches ſtammen! Es könnte ſonſt
ſelbſt der ſorgfältig erwärmte Zuhörer
hinter die Kuliſſen dieſes unſauberen
Spieles ſehen. Bemerkenswert mag auch
die Tendenz des Titels „Helden und
Heilige“ erſcheinen. Ein Verſuch von innerer
Hilfloſigkeit, die Fahrtlinie der Zeit ein—
zuhalten Das Blatt „Schönere Zukunft“
in Wien gibt offen der Abſicht Ausdruck,
in einer Beſprechung des Werkes, in dem
es anerkennt, daß Hümmeler „die allgemein
anerkannte (!) Forderung erfüllt, in dem
er die Heiligen als ſiegreich ringende Men:
ſchen und nicht als Schemata unerreichbarer
Vollkommenheit darſtellt“. Eine andere Zeit—
ſchrift, die — Stimmen der Zeit — in Frei—
burg ſprechen von „der knappen, ſachlichen
Schönheit, mit der das In einander
von Blut und Gnade, von Zeit und
Aufgabe, von weitherkommenden Wellen
und heutiger Brandung gezeigt wird“.
Wirklich ſehr ſeltſame Alchimiſten, die
geſtern mit Gewalt und heute mit Sirenen—
tönen eine Miſchung zwiſchen grundſätzlich
verſchiedenen Elementen herzuſtellen ſich
unterfangen. Hans Bähr.
Kultur fie 30 Hfennise
An den deutſchen Aniverſitäten find H3-
Arbeitsgemeinſchaften eingerichtet worden
als Stoßtrupp einer revolutionären Jugend.
a as = E
Randbemerkungen 31
Die Arbeit dieſer Gemeinſchaften wird
ſchwer fein und ihr Weg voller Wider-
ſtände. Es iſt darum um ſo bedauerlicher,
wenn von einer offiziell an der Neuordnung
ſtudentiſchen Lebens beteiligten Organi-
ſation ſo peinliche Aktionen vorgenommen
werden, wie dies in Berlin geſchah. In der
Aniverfität wurden in hohen Stapeln Flug⸗
blätter ausgelegt, in denen u. a. zu leſen iſt:
„Deutſche Tanzgemeinſchaft an der
Univerfität.
Im Rahmen der kulturellen Arbeit des
NSGD-Studentenbundes wird mit befon-
derer Anterſtüzung Seiner Magnifizenz
des Rektors der Iniverfität, Prof. Dr.
Krüger, über den Studentenring der
NS-Kulturgemeinde eine Deutſche Tana-
gemeinſchaft ins Leben gerufen. Die
Tanzgemeinſchaft fetzt ſich im
Geiſte des Nationalſozialis⸗
mus für eine Neuordnung des
geſelligen und feſtlichen Le-
bens des deutſchen Volkes ein.
Sie kämpſt im beſonderen um die Entwid-
lung eines neuen deutſchengeſelligen Tanzes.
Zur Erfüllung dieſer Aufgabe iſt fiir den
Tanz zweierlei notwendig: Verwurzelung in
den Kräften der Aeberlieferung und Neu-
jormung aus dem Geiſte der Gegenwart.
Die Arbeitsgruppen der Deutſchen Tanz—
gemeinſchaft tanzen infolgedeſſen neben
ausgewähltem, überliefertem Tanzgut der
deutſchen und nordiſchen Völker neue
gemeinſchaftliche Tänze. Beide Formen,
die überlieferten und die neuen Tänze,
werden einer ſtrengen Auswahl nach
ihrem tänzeriſchen und muſikaliſchen Wert
unterzogen. Anter Ablehnung unerlaubter
Verniedlichung, Verjugend—
lichung und Verweiblichung ſoll
ihr Tanzſtil es aud dem erwachſe⸗
nen und anſpruchs vollen Men
ſchen erlauben, mitzutun.
Wir erwarten, daß gerade diejenigen
Schichten, die den Anſpruch erheben,
kulturtragend und kulturſchaffend zu wir:
ken, ſich dieſer Aufgabe zur Verfügung
ſtellen. Ans helfen nicht allein ſchöne
Theorien, ſondern praktiſche und verant⸗
wortungsbewußte Mitarbeit. Die Stu-
denten find hierzu in erſter Linie berufen.“
Anterzeichnet iſt dieſes Flugblatt vom
Gaukulturſtellenleiter NSDStB Karl Riebe.
Das Flugblatt ift eine einzige Geſchmack⸗
loſigkeit. „Die Tanzgemeinſchaft ſetzt ſich
im Geiſte des Nationalſozialismus für eine
Neuordnung des geſelligen und feſtlichen
Lebens des deutſchen Volkes ein.“ Zunächſt:
es ſteht außer Frage, daß ſich im Tanzweſen
manches noch ändern muß. Aber dieſe Aende⸗
rung ergibt ſich ja zwangsläufig aus der
dem deutſchen Menſchen neu gegebenen Hal-
tung. — Hier iſt man geſchmacklos genug,
für eine geringe Sache „den Geiſt des
Nationalſozialismus“ zu zitieren und meint
„für eine Neuordnung des geſelligen und
feſtlichen Lebens“ eintreten zu müſſen unter
Einſatz hehrſter Begriffe. „Verwurze⸗
lung in den Kräften der Aeberlieferung und
Neuformung aus dem Geiſt der Gegenwart.“
Wenn dann noch geſchrieben wird: „Anter
Ablehnung unerlaubter Verniedlichung, Ver-
jugendlichung und Verweiblichung ſoll ihr
Tanzſtil es auch dem erwachſenen und an-
ſpruchsvollen Menſchen erlauben, mit-
zutun ...“, können wir nur fagen: niedriger
hängen! Zugunſten des Verfaſſers dieſes
Aufrufes wollen wir annehmen, daß er ſich
nichts dabei gedacht hat. „Verjugend⸗
lichung“? Soll der Greiſentanz kommen?
Tanzſtil für den „anſpruchsvollen Men-
ſchen“? Wird ein Fakultätstanz propagiert?
Wir wußten gar nicht, daß die Wkade-
mifer eine „Schicht“ find, die beſondere
Anſprüche erheben. Iſt wirklich hier noch
die Meinung, daß der Student irgendein
Vorrecht hat, „kulturtragend und kultur—
ſchaffend zu wirken“?! Wenn das der Fall
iſt, ſollte man ſich hier erſt einmal „im Geiſte
des Nationalſozialismus für eine Neuord—
nung“ dieſer ganz irrigen Meinung ein—
ſetzen. Da „helſen uns nicht allein ſchöne
32 Büchermarkt
Theorien, fondern praktiſche und verant-
wortungsbewußte Mitarbeit“.
Der Grundbeitrag für die Tanzgemein ;
ſchaft beträgt 30 Pfennige pro Jahr. Die
„Anſprüche“ ſcheinen nach dieſem Betrag
bemeſſen zu ſein.
Es bleibt feſtzuſtellen, daß 1936 ſo etwas
eigentlich nicht mehr vorkommen follte. A tz.
Ein Surium
Anter den deutſchen Zeitſchriften friſtet
ein Mauerblümchen ſein Dafein: „Das
deutſche Wort.“ Darin wird recht harm-
und anſpruchslos in Literatur gemacht.
„Das Deutſche Wort“ erſcheint im Ver-
lag Hans Bott, Berlin-Tempelhof. Klar,
daß der Verlag darin auch ſeine Bücher an-
zeigt. Im Heft 2 (1936) leſen wir dieſe
Anzeige unter der Sammelüberſchrift
„Schickſal und Sinn unſerer Zeit“:
an 58 d Hoöpt ride
n Hermann er-
224 Seiten. Karton. 5— RM.,
Leinen 6,50 RM.
Gedanken und Geſpräche über den
Sinn der Gemeinſchaft: in der reiz-
vollen Form einer Reiſeerzählung.
Ein bedeutſames Gegenwartsbuch
des ehemal. preußiſchen
Staatsminiſters.
Man zweifelt an den fünf Sinnen des
Verlages. Der Finanzminiſter des No-
vember- Preußen äußert ſich „über den Sim
der Gemeinſchaft: in der reizvollen Form
einer Neiſeerzählung“. Mehr Frechheit und
Dummheit kann man in zwei Zeilen nicht
unterbringen. Herr Bott wird geſtatten
müſſen, zu bezweifeln, daß es ſich hier um
„ein bedeutſames Gegenwartsbuch“ handelt.
Aus der Perſpektive dieſer Zeitſchrift mag
es „Gegenwart“ ſein. Die Ahren mancher
Seitgenoffen gehen eben um Jahre nach. Atz
Von
Kurt
Kränzlein. Verlagsanſtalt Otto Stol-
berg G. m. b. H.
Hier ikt Soldatenzeit in köſtlichem Humor eine
Vom Arbeitsplatz zum W.-G. Dreyſe.
Alfred J. Berndt und
gefange Es wurden nicht acht Wochen mit „mili⸗
käriſcher⸗“ Ausbildung verbracht, ſondern Soldatentum
erlebt! Deshalb lacht uns nicht an tiſche Laune
entgegen, auch der Ernſt der Sp e und des
Wo SES m er? po! at = 8 Doze
Preußen“ geſchilder as Buch we
Erinnerungen bei denen, die gedient haben. i Hel
unſerer Jungmannſchaft aber, die dienen wird, wird
es den Wunſch ſtärken, Soldat zu werden! bo—y.
Das deutſche Soldatenlied. Von Werner
Kohlſchmidt. Junker und Dünn⸗
haupt-Zerlag, Berlin 1935.
Hauptſchriftleiter: Günter Kaufmann (z. % tn Urlaub).
und M a . 10.
Macht“, e tung, Berlin
G. m. b. $., 35 5125 Rr, 6, Tel
tndt, Berlin. — DU IV. B
Serli Berlin
Otto
ie Poſt. Boftbezug v ſertel
bitte den Bettag in Briefmarken beizulege
erledigt werden kann. Maſſen
Der Verfaſſer hat den Verſuch unter
nommen, eine möglichſt umfaſſende Su-
ſammenſtellung des deutſchen Soldatenliedes
vorzunehmen. Das iſt ihm geglückt, Es
wird die Entwicklung aufgezeigt vom Lands⸗
knecht bis zum modernen Soldaten. Die
Auswahl hätte durch einige Lieder des po-
litiſchen Soldatentums der Nachkriegszeit
erfreulich erweitert werden können.
Ein Hinweis: Am Irrtümern vor⸗
zubeugen, bittet uns Kamerad Grothe, barauf
hinzuweiſen, daß in feinem Aufſatz „Treue
und Schickſal“ einige Zitate aus einem Auf-
ſatz Dr. Weſteckers verſehentlich nicht ge
niigend als ſolche hervorgehoben wurden.
EE EE SE Karl Tappe Anſchrift: „Wille
Tel. D 2 5841. Vetlag: Deutſcher Jugend-
Be rantw. für den Anzeigenteil: Kurt
8 9006. —
erlin SI 68.
.,— Druck: Theodor Abb Buchdruckerei
A Nr.
ille und Macht“ tft dk begiehen, bot gen Sugendoetiag oder jede deutſche Bußhanblung ſowie duró
ar Nachnahmeſendun
Kä durch den Verlag
Bei Beſtellung von 1 bis 3 einzelnen Nummern
zu teuer iſt und dieſe Beſtellung ſonſt nicht
aut beſonderen Bezugs bedingungen.
MA =o ame
a NO Eë ah "ee Th
~a N
Wë KA ch EA eee A
ge Va wä CA
Helden des großen Krieges
bat Thor Goote auch ſeine beiden neuen Werke gewidmet.
„.. Anbergleichlicher Franke.“
Bild eines deutſchen Soldaten. In Leinen RM. 4,80.
Mit Geleitworten von Generalmajor Lieth. Thomſen und Major Biſchoff.
Ein Noman vom Leben, Kämpfen und Sterden des großen Aampffliegerd und Freikorps
führers Nudolf Berthold aus Anterfranken, der von feinen Kameraden anerkennend „under
gleichlicher Frauke genannt wurde. Vor dem Kriege war er Leutnant und freiwilliger Jugend ;
führer, zu Kriegsdeginn an eutſcheidender Stelle als Beobachter tätig, ſpäter gefürchteter
Bombenflieger und ſchlietzlich einer der erfolgreichſten Jagdflieger des großen Krieges. Viermal
verwundet, ſechsmal abgeſtürzt, aber tros ſchwerſter körperlicher Leiden Steger in 44 Luft⸗
kämpfen. 16 Cuftflege errang er mit einer Hand, den rechten Arm zerſplittert, die Nerven
perriffen, von unvorſtellbaren Schmerzen gefoltert. Als Freikorpsführer kämpfte er nach dem
Kriege in Bayern und Baltikum mit feiner „Eiſernen Schar“, dis ihn Marxiſten bet leden-
digem Leibe gerriffen, als er feine treuen Leute retten wollte. Ein Buch von höchſter Pfliche⸗
erfüllung und treuer Kameradſchaft.
In Trichtern und Wolken
Herausgegeben von Thor Boote. 2. Auflage. Leinen AM. 4,50.
Mit Geleitworten von Reidhsminifter General Göring, Generalfeldmarſchall
v. Mackenſen und Generalleutnant v. Schoch.
Die Kriegsauffeichnungen eines außergewöhnlichen Soldaten, von dem noch Heute feine Leute
mit ſeltener Anhänglichkeit ſprechen. Es find meiſt Briefe, die der junge Offizier während des
Krieges feiner Mutter fried, mit der ihn vorbildliche, liebende Kameradſchaft verband. Er erzählt
Hier von Vormarſch, Patrouillen, Lagerfeuer, Schügengraben und manchem Sturm als Snfan-
teriſt, erzählt, wie er verwundet und gasvergiftet wurde und wie ibm ſchließlich fein General
ſelbſt das Regiment im Parademarſch vorführte, als Ehrung für feine außergewöhnliche
Leiſtung. Er berichtet, wie es ihm auf der Gitegeridule erging, wie er bei der Feldflieger⸗
abteilung gleich zwei Engländer abſchoß, was er in der Jagdſtaffel Boelcke erlebte, in der er mit
Nichthofen, Boß und Bernert zuſammen kämpfte. Dann folgen atemraubende Luftgefechte des
jungen Staffelführers, bis die Eintragung des Burſchen das Tagebuch für immer abſchließt.
Dieſe prächtigen Romane erhalten Sie in jeder Buchhandlung.
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at mit ec, Roman „Das Schloß in Ungarn“ wieder ein |
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danken dieſes Buches, deffen ungemein ſpannende Handlung in
die ungariſche Revolution von 1848 führt, und das aus der
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Sabvevorgan der nationalſozialiſtiſchen Sugend
Aus dem Subali:
Rosenber / Nationalsozialistische Erzie
Thilo v. Throta | Charakter und Schönheit
Hanns Johst / Nation und Dich -7
| Freie Stadt Danzig? — Die Unfruchtbarkeit der bündischen Jugendbewegung — +
Pflicht — Außenpolitische Notizen — Randbemerkungen — Vom Büchermarb:
l
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Nationalſozialiſtiſche Erziehunnmm ggg Alfred Rofenberg
Nation und Dichtung ta ee ei Hanns Johſt
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Freie Stadt Danzig? . gg Herbert Gutjahr
Kleine Beiträge:
Die Anfruchtbarkeit der bündiſchen Jugendbewegung
Recht und Pflicht
Außenpolitiſche Notizen:
Tarif nach Geſichts farbe
Randbemerkungen:
Pflichteifer — Beamtenentlaſſungsgrund! Wo? — In C. S. N.
„Deutſches Auslandsinſtitut“ in Wien
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Käthe Gold, Friedrich Kayßler, Angela Salloker (Foto Ufa)
Aach
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dahrgang 4 Berlin, 15. Februar 1936 Heft 4
Alfred Rosenberg:
Aatioualſozialiſtiſche Ersiebuus
Mit Genehmigung von Reidsleiter Rofenberg bringen wir dieſen Aufjat
als Vorabdruck aus dem in nächſter Zeit im Cher-Verlag erſcheinenden Buche
„Geſtaltung der Idee“.
Es gab einmal eine Zeit, da große deutſche Träumer von einer „Erziehung
des Menſchengeſchlechts“ ſprachen und alle ihre Kräfte dafür einſetzten,
dem langerſehnten Ziel einer „Humaniſierung der Menſchheit“ erfolgreich zuſtreben
zu können. Niemand von uns wird diefe große innere Bereitſchaſt und die Kraft
des Aeberzeugungsmutes, der einſt von Leſſing und Herder ausging, gering ſchätzen,
verdankt doch Deutſchland ihnen viele ſeiner ſchönſten Antriebe. And doch werden
wir heute ſagen müſſen, daß, ſo reich die Schätze ſind, die uns die Großen des
18. Jahrhunderts hinterlaſſen haben, die Gedanken einer Menſchheitserziehung in
den Händen kleiner Epigonen des 19. Jahrhunderts doch in einen alles verflachenden
Schematismus und ſchließlich in einen hohlen Internationalismus mündeten. Die
Erziehung wurde im letzten halben Jahrhundert unbiologiſch und allen inneren
Geſetzen der Raſſen und Völker entgegen als ein magiſches Zaubermittel hingeſtellt.
Das Wort, daß man durch Erziehung ſchließlich alles erreichen könne, und daß
faft nur fie den Charakter des Menſchen, fein Schickſal und fein Handeln beftimme,
wurde nahezu Zwangsglaubensſatz vieler Geſchlechter und verhinderte immer wieder
das Aufkommen eines den Seelengeboten und organiſchen Naturgeſetzen ent-
ſprechenden Denkens. Die herrſchenden, von rein wirtſchaftlichen Intereſſen be⸗
ſtimmten Anſchauungen befagten, daß Weltanſchauungen nichts mehr und nichts
weniger bedeuteten, als die wahlloſe Ausdehnung des Entwicklungsdogmas auf alle
Gebiete des Lebens. Daraus folgte unausgeſprochen der Glaubensſatz, daß aus einem
beftimmt gearteten Weſen eine ganz anders geartete Geftalt durch Erziehungs-
methoden erreicht werden könne. Noch tiefer ausgedrückt, wurde damit geſagt, daß
aus nichts eine geiſtige und politiſche Geſtalt geboren werden könne.
2 Rofenberg / Nationalſozialiſtiſche Erziehung
Dieſe rein abſtrakte Erziehungsphiloſophie war die Parallelerſcheinung, genauer,
die Vorausſetzung des demokratiſchen politiſchen Gedankens und damit des
parlamentariſchen Syſtems. Denn auch dieſes demokratiſche Syſtem behauptete, daß
durch Zuſammenlegung von vielerlei Gedanken ein neuer ſchöpferiſcher Staats -
gedanke, eine allen Erforderniſſen entſprechende ſtaatsmänniſche Tat geboren werden
könne, ja, daß dieſes Syſtem die eigentliche höchſte Errungenſchaft des menſchlichen
Denkens darſtelle. Nun ſagt uns das Leben zwar tauſendfach, daß nie aus Zu⸗
ſammenſtampfen vieler Samenkörner eine Geſtalt entſteht, ſondern daß für ewige
Zeiten nur aus einem, ganz beſtimmt gearteten Samen der Weizen und aus
einem anders gearteten etwa die Gerſte entſprießt. Aber die Gelehrtenwelt des
19. Jahrhunderts und die naturentfremdeten Menſchen der Weltſtädte hatten das
Sehen verlernt, mit der Kraft der Anſchauung aber ſchwand
auch die Klarheit des Denkens dahin, und es hat einer jahrzehntelang
ſich vorwärtstaſtenden geiſtigen Revolution bedurft, um ſchließlich, auch nach ſchwerſten
Erſchütterungen des ſtaatspolitiſchen Lebens, den Sieg über die Gedankenwelt des
18. und 19. Jahrhunderts zu erringen.
Heute glauben und wiſſen wir, daß eine Erziehung, die ſich im Ziele ſetzt,
einen einheitlichen Menſchentypus zu ſchaffen, zu Mißachtung und Vergewaltigung
ewiger Naturgeſetze führen muß, und daß deshalb auch die fih aufbäumende Natur
an dieſen Erziehungsmethoden ſich dadurch rächt, daß ſie Völker und Staaten in
zuckenden Revolten vergehen läßt. Die ſe Erſchütterungen find es dann, die die
Menſchen zu letzten Entſcheidungen aufrufen, zum Nachweis darüber, ob ſie zu
ſchwach find, mit dem Leben zu leben und ſomit als Nation und Raſſe untergehen
müſſen, oder aber, ob ſie die Geſetze dieſes ewigen Lebens anerkennen und mit
ihnen gemeinſam eine Klärung und Feſtigung der ihnen verliehenen ſeeliſchen Geſtalt
durchführen wollen.
Es ift dabei nicht fo, als ob auf irgendwelche geheimnisvolle, „ſchickſals
mäßige“ Weiſe der Verlauf der Menfchheits- und Erziehungsgeſchichte vorher
beſtimmt und unabänderlich ſei. Ein Philoſoph in München hat ſich bemüht, mit
Hilfe einer ſogenannten „Kulturkreislehre“ eine ſolche „Schickſalsmäßigkeit“ zu ton-
ſtruieren. Aus irgendeinem Grunde — man weiß nicht, wieſo und weshalb — ſenkt
ſich nach dieſer Auffaſſung ein Kulturkreis aus nebeliger Höhe hernieder auf ein
Stückchen Erde, und fo find dann der indiſche, der griechiſche, der römiſche Kultur-
kreis entſtanden. Die Menſchen dieſes Kreiſes ſind anfänglich heldiſch, ſchöpferiſch.
Die Kultur erſtarrt dann in Ziviliſation, und in Millionenſtädten bricht dieſe
Ziviliſation und damit das Menſchentum zuſammen, ſei es von innen zermürbt, fet
es von außen zerſtört. Dieſe rein konſtruktive Lehre einer ins 20. Jahrhundert noch
wie eine Verſteinerung hereinragenden Größe des 19. Jahrhunderts iſt heute von
uns allen überwunden und abgeworfen. Wir haben es dabei nicht mit einer
Morphologie, d. h. mit einer Geſtaltenlehre zu tun, ſondern nur mit einem Experi-
ment an einem zum Antergang beſtimmten Objekt. Hier haben wir von vornherein
angegriffen und die ſeeliſch-biologiſchen Gebote des deutſchen Menſchen in den
Mittelpunkt unſeres Denkens geſtellt.
Rofenberg / Nationalſozialiſtiſche Erziehung 3
Der gleiche Herder, der von der Humanität der Menſchheit träumte, hat
zugleich eines der ſchönſten Worte ausgeſprochen, die am Ausgangspunkte aller deut-
ſchen Erziehung ſtehen können. Er ſagte: „Es hat jede Nation ihr Zentrum der
Glückſeligkeit, wie jede Kugel ihren Schwerpunkt.“ Damit iſt in genialſter Weiſe
die Eigengeſetzlichkeit und Ewigkeit einer echten Volksgeſtalt, heute können wir fagen
einer Raffenfeele, ausgeſprochen worden, und in dieſem Geifte find wir alle
Kinder Herders und jener, die in dieſem Sinne nach ihm gewirkt haben: wir
fühlen beglückt, auch ſtaatlich Geſtalter des deutſchen Schickſals geworden zu ſein
und nunmehr in einer Zeit leben zu dürfen, wo wir uns nicht mehr anmaßen, die
ganze Menſchheit zu erziehen, ſondern unſer größtes Glück darin erblicken,
den deutſchen Menſchen „rechtwinklig an Leib und Seele“ in ſeinen ewigen
Antrieben kennenzulernen und alle in ihm ſchlummernden Möglichkeiten zu ge⸗
ſtaltender Tat zu führen.
Damit ſchält ſich das Weſentliche deſſen heraus, was die deutſche Erziehung
leiſten kann, was ſie dann aber auch mit ſtärkſter Eindringlichkeit tun muß. Ich
habe verſucht, ſeſtzuſtellen, welches „Zentrum der Glückſeligkeit“ eigentlich bei den
großen, nordiſch beſtimmten Kulturvölkern lebendig geweſen iſt und habe folgendes
als Ergebnis niedergelegt:
Nach einer Rückſchau von fernſter Vergangenheit bis auf die jüngſte Gegen-
wart breitet ſich vor unſerm Blick folgende Vielgeſtaltigkeit nordiſcher Schöpferkraft
aus: Das ariſche Indien beſchenkte die Welt mit einer Metaphyſik, wie fie
an Tiefe noch heute nicht erreicht worden iſt; das ariſche Perſien dichtete uns den
religiöſen Mythos, von deffen Kraft wir alle noch heute zehren; das doriſche
Hellas erträumte die Schönheit auf dieſer Welt, wie fie in der uns vorliegenden,
in ſich ruhenden Vollendung nie mehr verwirklicht wurde; das italiſche Rom zeigte
uns die formale Staatszucht als Beiſpiel, wie eine menſchliche bedrohte Ge⸗
ſamtheit ſich geſtalten und wehren muß. And das germaniſche Europa beſchenkte die
Welt mit dem leuchtendſten Ideal des Menſchentums: mit der Lehre von dem
Charakterwert als Grundlage aller Gefittung, mit dem Hochgeſang auf die
höchſten Werte des nordiſchen Weſens, auf die Idee der Gewiſſensfreiheit und der
Ehre. Am dieſe wurde auf allen Schlachtfeldern, in allen Gelehrtenſtuben ge⸗
kämpft, und flegt diefe Idee im kommenden großen Ringen nicht, fo werden das
Abendland und ſein Blut untergehen, wie Indien und Hellas einſt auf ewig im
Chaos verſchwanden.
Mit dieſer Erkenntnis, daß Europa in allen ſeinen Erzeugniſſen ſchöpferiſch
gemacht worden ift allein vom Charakter, iſt das Thema ſowohl der euro-
päiſchen Religion als auch der germaniſchen Wiſſenſchaft, aber auch der nordiſchen
Kunft aufgedeckt. Sich dieſer Tatſache innerlich bewußt zu werden, fie mit der ganzen
Glut eines heroiſchen Herzens zu erleben, heißt die Vorausſetzung jeglicher Wieder-
geburt ſchaffen.
Ich glaube, daß mit dieſen Feſtſtellungen der Kern der Erziehungsaufgaben für
das deutſche Volk deutlich hervorgetreten iſt. Die deutſche Erziehung wird nicht
formal-äſthetiſch fein, fie wird nicht eine abſtrakte Vernunftgeſtaltung anftreben,
4 Roſenberg / Nationalſozialiſtiſche Erziehung
ſondern ſie wird in erſter Linie eine Erziehung des Charakters darſtellen.
Damit wird das Erziehungsideal des 18. und 19. Jahrhunderts bewußt und in-
ſtinktiv beiſeitegeſchoben und angeknüpft an alle großen Geſtalten deutſcher Ver-
gangenheit und deutſcher Gegenwart. Ein großer Menſch und ſeine Tat erſcheinen
uns tauſendmal wichtiger und erzieheriſch wirkſamer, als eine ſcheinbar noch ſo kluge,
vernunftmäßige Theorie. Im Mittelpunkt der deutſchen Erziehung werden deshalb
die großen Menſchen der deutſchen Erde ſtehen, und nicht danach, ob ſie einem
humaniſtiſchen oder international-univerſaliſtiſchen Idealbild dienten, zu werten fein,
ſondern danach, mit welcher Kraft und welchen Charakterwerten ſie dieſes um⸗
geſtaltet oder ſich zum deutſchen Menſchen ſchlechtweg bekannt haben. And zu gleicher
Zeit wird eine deutſche Erziehung zeigen müſſen, wie ſich dieſer Gedanke der Ehre
immer gepaart hat mit dem Gedanken einer Gewiffens- und Forſchungsfreiheit, wie
um den Gedanken der Ehre nicht nur gekämpft worden iſt auf den Schlachtfeldern
Europas und auf dem Gebiet der Politik, ſondern auch in den Gelehrtenſtuben und
in der Seele aller großen Künſtler. Die Schlacht von Leuthen iſt für uns hier ein
gleiches Beiſpiel größter Charaktererziehung wie der Fauſt oder eine heroiſche
Symphonie Beethovens.
Zu gleicher Zeit findet durch dieſen Gedanken eine echte Rückkehr zur
Natur in einem ganz anderen Sinne ſtatt, als es die Anhänger des Träumers
Rouleau oder des chaotiſchen Tolſtoi jemals geahnt hatten. Denn die Rückkehr zur
Natur, zu ihren Geſetzen und ihren Schönheiten, die wir heute aus der Sehnſucht
des Weltſtadtmenſchen heraus erleben, iſt nicht eine ſentimentale Verzückung, ſondern
bedeutet das Neuerleben der deutſchen Landſchaft, der deutſchen Erde und des damit
verbundenen Weſens, und ebenſo deshalb auch ein tiefes Bejahen des deutſchen
Bauern als des ſtärkſten Trägers dieſes Schickſals und als des ewigen Er-
neuerers des deutſchen Blutes, das wieder die Vorausſetzung herſtellt zu kraft⸗
voller Verteidigung des deutſchen Bodens.
Dieſe Rückkehr zur Natur bedeutet aber auch Anerkennung aller Fähigkeiten
des Leibes, und neben die Erziehung des Charakters ſtellt ſich ſomit die Er-
ziehung des Körpers. Das Turnen und der Sport ſind nicht dazu da, um große
Rekorde zu erzielen, ſondern hervorragende Leiſtungen ſollen nur Zeugnis für die
Kraft des Willens, für die Schlagfertigkeit des Geiſtes und für die Zähigkeit der
Nerven liefern. Aus dieſem Geſichtspunkt heraus erſtrebt die deutſche Leibes
erziehung bewußt nicht nur Weltrekorde, ſondern die höchſtmöglichſten Leiſtungen
geſchloſſener Körperſchaften, nicht einige krankhaft gezüchtete Außenſeiter, ſondern
eine große Leiſtung des Durchſchnitts. Dieſe Erkenntnis bildet aber gerade die
Hoffnung, daß eine ſtarke, geſunde, zuſammenwirkende Gemeinſchaft zugleich auch
die befte Vorausſetzung bietet nicht für unnatürliche Aeberzüchtung, ſondern für ein
organiſches Hinauswachſen allerſtärkſter Perſönlichkeiten und Leiſtungen. Die
Erziehung des Leibes iſt die Ergänzung für die Stählung des Charakters, für die
Feſtigung des Willens beim Anſtreben eines ſich geſetzten Zieles, und ſo vereinen
fih Seele und Leib zu einer einzigen Leiſtung. Dann kann jene organiſche Ber-
bundenheit entſtehen, die einmal in einem freien Zeitalter nordiſcher Geſchlechter in
Rofenberg / Nationalſozialiſtiſche Erziehung 5
Hellas für kurze Zeit verwirklicht worden war. Das Geheimnis der griechiſchen
Kultur liegt darin, daß nordiſche Völkerſchaften einſt ſich ein anderes Land unter⸗
warfen und, von einem klaren Schönheitsideal getrieben, Leib und Seele einheit ;
lich geſtalten und erziehen konnten. Deshalb iſt uns das alte Griechenland nicht
ein Beiſpiel, das uns irgendein fremdes Volk gegeben hat, dem nachzueifern
eine Schande oder mit nationaler Würde nicht vereinbar ſei, ſondern das antike
Hellas hat uns nur gezeigt, wie ein nordiſches Volk fidh frei geſtalten konnte, wäh-
rend anderthalb Jahrtauſende deutſcher Geſchichte bedrückt waren von univerfali-
ſtiſchen Dogmen und den ihnen entſprechenden militärpolitiſchen Zwangsherrſchaften.
Deshalb iſt die Wiedergeburt der Antike, die ſich in den heutigen Seelen des neuen
Deutſchland vollzieht, im tiefen Sinne die Wiedergeburt auch des freien ger-
maniſchen Menſchen, und die einzige, wirklich große Aufgabe für die national-
ſozialiſtiſche Bewegung beſteht darin, die Werte des Charakters zu ſtählen, den
Forſchungstrieb ein dem tiefſten Willen entſprechendes Motiv zu geben, die bio-
logiſchen Notwendigkeiten des Lebens zu erforſchen und ſich gemeinſchaftlich ein
Schickſal zu geſtalten, das den Naturgeſetzen des Lebens und den ewigen Forde-
rungen der deutſchen Raffenfeele entſpricht. Von dieſer einen Erkenntnis aus
wird die nationalſozialiſtiſche Idee fruchtbringend ausſtrahlen können auf alle Ge-
biete der Wiſſenſchaft, der Geſchichte und wird — ſo hoffen wir — auch einmal
jene ſtarke ſeeliſche Spannung erzeugen, aus der artechte bildende Kunſt und Didt-
kunſt geboren wird. S
Es ift vielleicht kühn, fic) derartige Ziele zu ſtellen; aber in der Geſchichte der
Völker haben nur wirklich große Ideen bezaubert, und nur machtvolle Gedanken
haben den Menſchen in ihren Bann geſchlagen und ſie gezwungen, ihnen zu folgen.
Wer nicht wagt, ſelbſt Geſchichte zu geſtalten, ſoll die Finger
von Staatspolitik und Philoſophie laffen. Wer nicht den feften
Willen hat, Menſchen innerlich zu formen, ſoll nicht das Wort ergreifen, um Seelen⸗
geſtalten zu bilden. Wir alle aber fühlen uns, geſtählt durch jahrelange Prüfungen
und Kämpfe, ſtark genug, um uns ganz in den Dienſt des blutgebundenen Gr,
neuerungsgedankens zu ſtellen und auf allen Gebieten jene Menſchen bilden zu helfen,
die, von gleichem Willen getragen, Volkserzieher der Deutſchen werden wollen im
ſtetigen Bemühen, die leiblichen und geiſtigen Kräfte zu ſtählen, alle Widerſtände
zu überwinden und ſchließlich das zu ſchaffen, was das Streben vieler Jahrhunderte
geweſen iſt: einen ſtarken, nach außen geſicherten freien deutſchen Staat als Schirmer
und Schützer einer großen deutſchen Volkskultur, eines in ſich ruhenden und immer
wieder lebendigen deutſchen Menſchentums. |
+
Mit dieſen Bekenntniſſen und Erkenntniſſen nimmt die nationalfozialiſtiſche
Bewegung zweifellos eine große Verantwortung für die Geſtaltung des
deutſchen Menſchen auf ſich, aber ſie tut es, weil ſie von einem großen Glauben
an die Sicherheit ihres Inſtinktes getragen wird. And ſo wie der
politiſche Kampf Geſtalt gewonnen hat, ſo hoffen wir, daß auch der kommende
6 Rofenberg / Nationalſozialiſtiſche Erziehung
funkelnde Geiſtes kampf, dem wir entgegengehen, gleichfalls eine weltanſchauliche
plaſtiſche Formung hervorbringen wird.
Wir find uns natürlich bewußt, daß das geiſtig⸗ kulturelle Leben durch keinerlei
Formeln und Zwangsglaubensſätze im einzelnen beſtimmt und geregelt werden
kann. Die ſchöpferiſche Perſönlichkeit wird immer durch ihre Tat erweiſen,
was fie richtunggebend zu leiſten vermag. Dieſe Tat aber ift dann aud wirt.
lich Richtung, und das iſt entſcheidend auch auf dieſem Gebiet unſeres Lebens.
Richard Wagner hat einmal einen wunderbar weiſen Satz für alle Erzieher
ausgeſprochen. Er ſagte, was der Menſch in feinem ſchaffenden Leben poſit iv
wolle, das wiſſe er nicht immer genau, was er aber nicht wolle, das erkenne er
faſt immer; und wenn er nur alles von fih abſchüttele, was ihm zutiefſt wider-
ſtrebe, dann werde ihn ſein Inſtinkt zu dem führen, was ſeinem Weſen gemäß ſei.
Dieſe erzieheriſche Weisheit, die mit den Worten Goethes, was uns das Innere
ſtöre, dürften wir nicht leiden, zuſammenfällt, wird im einzelnen und allgemeinen
die Haltung von uns allen bedingen. Wir wollen unſer Arteil nicht durch Formeln
verengen, aber wir wollen auch nicht den erwachten Inſtinkt nunmehr wieder ver-
ſchütten und mit einer neuen Kruſte unangebrachter „Großzügigkeit“ umſchließen
laffen aus Angſt, einzelne „Richtungen“ zu fördern, ſondern wollen nach wie vor
das eindeutig ablehnen und bekämpfen, wovon wir überzeugt ſind, daß es unſer
Inneres ſtört. Wir lehnen die ganze Sphäre der politiſchen Gedankenwelt der letzten
150 Jahre ab, wir empfinden aber auch eine tiefe innere Abneigung gegen die den
letzten Jahrzehnten entſprechenden verkrampſten Darſtellungen auf dem Gebiete der
bildenden Kunſt und vieler dem ganzen Lebensrhythmus des Deutſchen wider-
ſprechenden Konſtruktionen auf dem Gebiete der Muſik. Es iſt hohe Zeit, daß unſer
Geſchlecht die tiefe Achtung und die große Ehrfurcht vor den Schöpfungen des deut-
ſchen Genies, ganz gleich aus welchem Jahrhundert, wieder aufbringt und z. B.
nicht jeden unreifen Ausbruch des Pinfels als eine unerhörte Leiſtung eines
myſtiſchen Naturwillens hinzuſtellen wagt.
Ein großer Teil der nationalſozialiſtiſchen Erziehungsarbeit wird alſo in einem
vorbeugenden Wirken beſtehen, einem ernſten Beſtreben, das Anbiologiſche,
das dem germaniſchen Willen Widerſtrebende, auszuſcheiden oder an der fremden
Geſtalt das eigentliche Ich wieder zu vollem ſchöpferiſchen Bewußtſein zu entfalten.
Auf diefe Weiſe wird die Vorausſetzung dafür geſchaffen, daß die große Perſönlich⸗
keit auch den wirklichen Widerhall findet und nicht ein Seher inmitten einer ver⸗
ſtändnisloſen Umwelt bleibt. Volk und Perſönlichkeit ſtehen in tiefſter innerer
Wechſelwirkung, und je inſtinktſicherer eine Nation empfindet, um ſo bereitwilliger
wird ſie eine Schöpferkraft ihrer Art empfangen und verehren. Dieſe Säuberung
des Geiſtes und des Inſtinktes, die Anbefan genheit des Blutes mie,
derherzuſtellen, iſt vielleicht die größte Aufgabe, die die nationalſozialiſtiſche
Bewegung ſich nun zu ſtellen hat. Ihr zu dienen, fordert ganze Menſchen, fordert
Mut, fordert gelegentlich auch Anbekümmertheit, wird uns aber auch das be⸗
glückende Bewußtſein geben, auf dieſer Erde unſere Pflicht und Schuldigkeit getan
zu haben. |
Johſt / Nation und Dichtung 7
Hanns Johst:
Ration und Dichtung
Nation und Dichtung, es ſcheint jeder natürlichen Betrachtung als eine
organiſche Harmonie, eine vorausſetzungsloſe Zuſammengehörigkeit, es ſcheint ſelbſt ·
verſtändlich zu ſein!
Ein Nation ohne Dichtung wäre eine ftumme, lautloſe Erſcheinung unter den
Völkern, eine Erſcheinung, zu der es keine Wege des Herzens geben würde und
anderſeits iſt eine Dichtung ohne die Gegenſtändlichkeit, die Realität und das Be⸗
kenntnis einer Nation unausdenkbar. Die Mutterſprache ift und bleibt das un-
trügliche Element, das Dichtung und Nation bindet. 7
Wie kommt es nun, daß das 19. Jahrhundert diefe natürliche und fruchtbare
Wechſelbeziehung zwiſchen politiſchem Willen und dichteriſcher Sehnſucht unterbrach?
Die Dichtung glaubte, fie müſſe fic) entpolitifteren, fle müſſe rein geiſtig werden,
fie müſſe ihre Ideale derartig an Metaphyſik verhaften, daß jede Staatraiſon, jedes
ſchlichte Nationalgefühl einem ſolchen Idealismus gegenüber nur Bindung und Be⸗
grenzung, nur Lähmung und Ballaſt bedeuten könne. Ein grenzenloſes Unabhängig-
keitsgefühl fürchtete in den Grenzen eines Vaterlandes ſeinen Geſetzen, Ordnungen,
Pflichten, Verzichten und Opfern zu verkümmern. Das Vaterland galt Provinz
im Raum der Welt und das Provinzielle verfiel von der Perſpektive der Welt
her der Satyre. Statt das Vaterland durch grenzenloſe Hingabe zu verklären und
zur feſten Burg wider alles Fremde und Feindliche zu erhärten, ſtatt alle Ideale
in der gegebenen Begrenzung zur Vollendung zu zwingen, verneinte man dieſen
Zwang, ließ diefe fittlide Verpflichtung als überaltet fallen und bekannte ſich zu
einer geiſtigen Freizügigkeit und einer hemmungsloſen Freiheit. Man proklamierte
das Weltbürgertum. Man trug Weltſchmerz. Weltgefühle allein lohnten einer
höheren Kunſtauffaſſung als Aufgabe! Der gute Nachbar und der Patriot wurden
komiſche Figuren. Das deutſche Gemüt verfiel der Ironie. Weber die naive.
Einſicht wurde eine internationale Bildung geſtellt. An Stelle
des gut Bürgerlichen trat das Ziviliſatoriſche und die Humanität. Der Begriff
des Volkes wurde als überlebt abgegolten und die Menſch⸗
heit trat in den Blickpunkt. Die Weltſtädte wurden tonangebend. Die
Gefühle und Leidenſchaften wurden motoriſiert und wer da irgendwo in irgendeiner
idylliſchen Heimat etwa noch glaubte, er könne zu Fuß den Parnaß erreichen, der
wurde von den Ingenieuren dieſer modernſten Dichtung als verſtaubtes Requifit
einer romantiſchen, verſunkenen Zeit verlacht oder, peinlich berührt von ſolch alt⸗
ſränkiſcher Art und Weiſe, überſehen.
Die Kunſt wurde im Tempo der Technik ſtändig abſtrakter. Der Abſolutismus
des Geiſtes wurde Ziel. d
Ich muß hier viele Fremdworte gebrauchen, aber diefe Gremdworte daraftert-
fieren und bezeichnen ja gerade am treffſicherſten das Programm und den Ausdrucks.
willen dieſer Epoche. |
8 Johſt / Nation und Dichtung
Die Dichtung glaubte Selbſtzweck zu ſein. Volk, Politik, Volksgemeinſchaft
waren Zweckmäßigkeiten, die als undichteriſche Bodenſtändigkeit mißachtet wurden.
Das Bodenſtändige galt als klein, eng, niedrig. Es ließ ſich unter dem Schlag⸗
wort „Naturalismus“ höchſtens als Milieu literariſch verwerten und führte logiſcher⸗
weiſe bei dieſer Auffaſſung zu einem ſozialen Nihilismus.
Aber jeder Staat machte aus idealer Menſchheit — Staatsbürger; jeder Staat
engt die Welt in vaterländiſche Heimat ein; jeder Staat beherbergt in ſich Tradition
und Geſetz! Afo: Nieder mit dem Staat. Es lebe der Nihilismus!!!
Der Bolſchewismus nahm ſich dieſer europäiſchen literariſchen Gegebenheit ge-
ſchickt an und galt damit für diefe geiftige Repräſentanz — die wir nur zu gut
kennen — als Kulturträger. Durch die völlige Entwertung aller bodenſtändigen
Kräfte wurde die Dichtung ſtändig nervöſer, bis fie geradezu erplofiv im Kliniſchen
verkam.
Der Mangel an ruhendem Standpunkt brachte es mit fid, daß Richtungen
an Stelle von Inhalten traten. So wie im Liberalismus aus Ständen und Zu-
ſtänden Fortſchritt ohne weiteres, ohne tiefere Begründung höher und höher ein-
gewertet wurde, bis er ſinnloſer Selbſtzweck war, ebenſo verlor ſich die ruhende
Würde der Dichtung an Richtungen.
Dabei galten natürlich auch die Begriffe: Heimat, Vaterland, Nation, da dieſe
Werte nahelagen, bei der herrſchenden Fernſucht, bei dem internationalen Erdkreis ;
Nauſch, von vornherein bedeutend weniger, als die törichſten, finnlofeften aber weit-
hergeholten exotiſchen Tabus.
Es iſt eine der intereſſanteſten Narrheiten jener kranken, ja perverſen Epoche,
daß das Exotiſche als primitiv außerhalb der Grenzen des eigenen Vaterlandes
erſtrebenswert und äſthetiſch, ja paradieſiſch, angefproden wurde, während man den
gleichen Zuſtand im eigenen Vaterland als ungeiſtig und niveaulos befand. Als
„fin de siècle“ geſchah das Widerfinnigſte, was man hätte vermuten dürfen: die
liberalen Staaten verbarrten in ihrer Liberalität und verliehen künſtleriſchen Ele-
menten ſtaatliche Anterſtützung, die zyniſch und radikal jedes eigenſtaatliche Kultur -
bewußtſein verneinten.
Wir alle kennen von der peinlichen Zeit der Verſailler Republik her dieſen
tragikomiſchen Zuſtand.
Die ſtaatlichen und ſtädtiſchen Muſeen kauften damals mit den Geldern des
Volkes Bilder und ſogenannte Kunſtwerke, die bewußt jeden Maßſtab der Natur,
jedes Gefühl für Natürlichkeit, für die Schönheit der gegebenen Amwelt zerſtörten.
Die Staatstheater ſpielten Stückwerke, die mit den Inſignien, den Vorausſetzungen
jedes ſtaatlichen Bewußtſeins Schindluder trieben, und in die Akademien rückten
Dichter ein, die unſere Mutterſprache, die jede organiſche Sprachgewalt unſeres
geliebten Deutſch baſtardiſierten.
Rückblickend vermag die Jugend in Deutſchland über dieſen
Verfall und Zerfall herzlich zu lachen. Ans Vierzigjährigen
aber, die wir jahrzehntelang mit dieſer geſchloſſenen Front
Johſt / Nation und Dichtung 9
der ganzen Welt im geiſtigen Kampfe lagen, iſt das Lachen
vergangen, zumal wir auch für die Zukunft die Gefahren
dieſes richtunggebenden Geiſtes in allen Nationen ſehen.
Wir wiſſen zu tief, wie febr auch heute noch in unſerem eigenen Volke die Ent-
fremdung von Dichtung und Nation Schatten wirft. Selbſt heute noch ſteht ein
großer Teil der deutſchen Geiſtigen auf dem Standpunkt, daß die Dichtung einſeitig
werde, wenn fie „politiſch“ fei. Dieſer Aberglaube ift ein Erbe jener unglückſeligen
Zeit, einer Zeit, die ſtändig große Staatspolitik mit kleinlicher Partei-Intereffen-
Politik verwechſelte.
Dieſe Art Menſchen haben die Zeichen unſerer Zeit noch nicht poſitiv in ſich ver⸗
arbeitet, ſie haben den neuen Staat in ſeiner weltanſchaulichen Miſſion immer noch
nicht in fih aufgenommen, ſondern ſehen in deſſen naturnotwendigen Totalitäts⸗
anſprüchen gerade auf dem Gebiete der Kultur eine Art Vergewaltigung und ſie
ſlüchten vor ſeiner, alles umfaſſenden Liebeskraft und ſeiner, auf das Ganze ge-
richteten Leidenſchaft in eine ſogenannte Innerlichkeit. Sie ſtellen ſich, als ob ein
Staat wie das Dritte Reich in der Innerlichkeit der Deutſchen nichts ſuchen würde,
nichts zu ſuchen hätte!
Floh man alfo vor der Machtergreifung des Nationalſozialismus vom Bater-
ländiſchen, von den Werten des Völkiſchen, vor einer kulturpolitiſchen ſtaatlichen Ver-
antwortung nach außen, in die Welt und zur Menſchheit, ſo drückt man ſich heute
vor der Entſcheidung ſeiner charakterellen Perſönlichkeit in einen äſthetiſchen Raum,
den man mit „Innerlichkeit“ bezeichnet und den man als unpolitiſches Neutralitäts-
gebiet reſpektiert wünſcht.
Aber Flucht bleibt Flucht. And jeder Mangel an klarer Stellungnahme, an
100prozentigen Einſatz, bleibt feinem Weſen nach unfittlid! Wir kulturpolitiſchen
Vertreter des Nationalſozialismus lehnen eine 90prozentige Beteiligung an der
Gegenwart mit all ihren Aufgaben und Pflichten ebenſo ab wie die 110prozentigen!!
Wir fordern gerade auf der ſchwierigen Ebene der Kunſt hundertprozentig den
ganzen Kerl!!!
Entweder faßt ſich ein Staat nur als erweiterte Behörde, als bloße Ger,
waltung auf, dann ift feine Regierungsart eine techniſche Frage, eine bloße meda-
niſche Funktion; oder aber der Staat ijt Ausdruck einer weltanſchaulichen De-
monſtration, dann gehört ihm der Staatsbürger, das Volk, dann gehört ihm die
Geſamtheit der in ſeinen Grenzen lebenden Bevölkerung reſtlos, vorbehaltlos, dann
verfällt ihm jede Seele.
Deutſchland iſt keine Nation mehr, die als Summe, als Zahl von ſoundſovielen
Millionen Menſchen erſchöpft werden kann, ſondern das neue Deutſchland iſt eine
ſchöpferiſche Syntheſe von Land und Leuten. Schöpferiſche Syntheſe!
Ich möchte bei dieſem Begriff des Philoſophen Wilhelm Wundt ein wenig
verharren.
Schöpferiſche Syntheſe ſagt aus, daß eine Vermählung unter dieſem Zeichen
keine mathematiſche Addition bedeutet, ſondern daß ein wunderbares, ein letzten
Endes unerklärliches Drittes hinzukommt, eben das ſchöpferiſche Moment.
10 Johſt / Nation und Dichtung
Zwei und zwei iſt vier! Mit dieſer Vorausſetzung arbeitet die demokratiſche
Politik.
In der Liebe aber ergibt Eins und Eins: die Familie, deren Zahl beſtimmt
bleibt vom unerklärlichen Segen, eben der Liebe.
And genau fo folen im neuen Deutſchland nicht die Millionenziffern der Ein-
wohner gelten, ſondern die ſchöpferiſche Entſcheidung erbringt die Liebe dieſer
Millionen zur deutſchen Nation.
Deutſchland iſt durch den Nationalſozialismus unſagbar mehr geworden als
eine Demokratie oder irgendein, irgendwie rein politiſch geleitetes Land. Es iſt
keinem Wechſel ſeines Regiments mehr unterworfen, ſondern
nur einer Vertiefung, einer ſtetig ſich fteigernden Innig-
keit, und Innerlichkeit feines Prinzips!!!
And dieſes Prinzip würde ſich ſelbſt aufgeben, ſeine Sinngebung und Sendung
verleugnen, wenn es nur machtpolitiſch dächte. Es denkt, es empfindet, es lebt aber
kraft ſeines kulturpolitiſchen Glaubens, kraft ſeiner Liebe zur deutſchen Kultur!
Der Nationalſozialismus liebt Deutſchland, und Nationalſozialismus und
Deutſchland find nicht mehr zwei Verrechnungspoſten, die eine mathematiſche Summe
ergeben, ſondern ſie ſind Darſtellung des Wunders! Sie ſind ſchöpferiſche Syntheſe,
fie ergeben die Macht und Aebermacht des Dritten Reiches !!
Ich will ein Beiſpiel aus der Geſchichte der katholiſchen Kirche vor
Augen ſtellen, damit meine Worte richtig verſtanden werden:
Die katholiſche Kirche wurde von Gott her, ſo ſagt ſie, damit betraut, die ganze
Welt zu chriſtianiſieren. Die Welt war alſo ihre Aufgabe. Welcher Mittel be-
diente fie fid?
Sie war zunächſt allein auf das Wort geſtellt. Ihm ſchuf ſie die Kirche, und
dieſe Kirche ſchuf ſich den Kirchenſtaat.
Wir dürfen bei der Nervoſität, die heute gerade in Deutſchland zwiſchen Staat
und Kirche wieder einmal begann, nie vergeſſen, daß hinter der katholiſchen
Konfeſſion ſich ein eigenſtaatliches Selbſtbewußtſein per,
birgt, und daß dieſer Staat als weltwirkliche Einrichtung mit
Geſandten und Briefmarken, jo lange er als Staat eriftiert,
rein politiſche Energien ausſtrahlen muß.
Die deutſche Nation denkt nicht daran, der katholiſchen Religion die geringſten
Vorſchriften machen zu wollen — aber der katholiſche Kirchenſtaat fühlt ſich in ſeinem
ſtaatspolitiſchen Expanſionsprogramm durch den Totalitätsanſprach des Dritten
Reiches bedroht. Er fürchtet eben die ſchöpferiſche Liebe des deutſchen Menſchen zu
ſeinem neuen Staat und er fürchtet, daß der katholiſche Menſch ſeine Liebe nicht
länger der ſchöpferiſchen Syntheſe von Kirche und Staat im Vatikan leiht, ſondern
die ſchöpferiſche Liebe voll und ganz ſeinem Deutſchland ſchenkt.
Der Vatikan weiß aber aus der Geſchichte ſeiner Kirche heraus um das Wunder
dieſer ſo ſchlichten Syntheſe. Er weiß, daß man fünftauſend mit einem Fiſch
ſpeiſen kann, wenn man gläubig liebt und liebend glaubt. And daher beanſprucht
er die Totalität von Liebe und Glauben für ſich allein.
Johſt / Nation und Dichtung 11
Mit der gleichen Intenſität fordern wir vom deutſchen Menſchen die Liebe
zu Deutſchland, zu Deutſchland als politiſche und kulturpolitiſche Exiſtenz.
Das rein Religiöfe beanſprucht unfer Staat nicht. Das Religiöſe überläßt
er den chriſtlichen Konfeſſionen.
An der Hand dieſer Ausführung erſehen wir, wohin religiöfe geiſtesgeſchichtliche
Sendungen führen können, wenn fie das Seeliſche ihrer anfänglichen Bedeutung
zu ſtark in das Weltliche verwurzeln laffen. Sie drohen dem Geſetz der Wirklich-
keit zu verfallen. Sie beginnen politiſch zu denken, ſtatt allein dem Glauben zu leben.
Der Nationalſozialismus trennt reinlich Phyfik und Metaphufit, er beſcheidet
dh auf feine politiſche Sendung und erreicht gerade durch diefe feine Begrenzung
eine ſchlechthin ſchöpferiſche Wirkung, er erreicht ſeine kulturpolitiſche Miſſion.
Er appelliert nur an die Liebe. And durch ſie und ihre Wunderkraft ſtößt er
in jenes Geheimnis vor, das wir als nationale Kultur umreißen.
Kultur iſt nämlich nichts anderes als die Liebe eines
Volkes zu ſeiner Nation!
Kultur iſt der Liebesdienſt, der Minnedienſt, der Lobgeſang eines Volkes
für feine ſtaatliche und nationale Gemeinſchaft!!
Das ſchöpferiſche Mehr, von dem ich ſprach, das ein weiſes Regiment aus Volk
und Politik, aus Aufgabe des Individuums und Gabe aller Staatsbürger gewinnt,
dieſes ſchöpferiſche Plus heißt Kultur!
Jetzt ſchließt ſich der Ring, der uns Ringende umfaßt. Der nationalſozialiſtſche
Staat liebt Deutſchland und dieſes Deutſchland muß ihn lieben, damit die Be-
fruchtung erfolgt, die aus nationalem Selbſtbewußtſein deutſche Dichtung erwirkt.
Der Totalitätsanſpruch dieſes Staates iſt keine Willkür,
ſondern die Weisheit ſchlechthin. Gehorſam und Gnade vermählen
ſich in dieſem Anſpruch, damit die Zeugungskraft gewährleiſtet bleibt. Dieſer
Totalitätsanſpruch des Führers ift alfo eine ſittliche For-
derung und keine äußere, machtpolitiſche Tendenz.
Sehen wir ſo den Anſpruch der Nation auf die kulturelle Leiſtung vom Staat
her begründet, ſo begegnen wir dem gleichen Anſpruch vom Volke her.
Das Volk wurde durch die fogenannte Literatur der letzten Jahrzehnte derartig
dem Weſen des Dichteriſchen entfremdet, daß es jetzt ſeinen Anſpruch nur zu be⸗
rechtigt ſtellt. |
Das Volk, in der ewigen Kindſchaft feines Herzens, hat ein feines und tiefes
Gefühl für den Ernſt, mit dem die Kunſt ihr Können vor ſeinen klaren Augen meiſtert.
Es iſt hier kein Wort darüber zu verlieren, daß es einen großen Bedarf an
Anterhaltung verſchleißt und daß diefe Unterhaltung, die ja von vornherein bloße
techniſche Fingerfertigkeit verrät, in unſerem Sinne ausgerichtet fein muß, ift ſelbſt⸗
verſtändlich. Aber das Volk verknüpft mit der Dichtung einen großen Anſpruch auf
Haltung! And Haltung als künſtleriſcher Eindruck einer dichteriſchen Geſtaltung kann
immer nur Ausdruck eines bis in das Innerſte ſauberen Charakters ſein.
12 Johſt / Nation und Dichtung
Das Volk erhebt das Spiel der Künſte mit kindlicher Gewiſſenhaftigkeit zum
Beiſpiel eines großen Gleichniſſes. Es will feine Eigenſchaften dergeſtalt eindring-
lich und eindeutig gedeutet ſehen in der Bilderſprache der Dichtung, daß es ſich
bewundern kann, daß fein Ehrgeiz wachgerufen wird, daß fein Drang zur Voll:
kommenheit Wege gewieſen erhält.
Der Schriftſteller muß mit ſeiner Schrift den edelſten Inſtinkten ſeines Volkes
nachſtellen, ſo wie an das Volk der Appell zu richten bleibt, daß es im Schrifttum
die reinſten Werke erkennt, lieb gewinnt und ſich an deſſen Geſtaltungen bildet.
Wenn ich im Auslande befragt wurde, wie es um die Gewiſſensfreiheit im
neuen Deutſchland ſtünde und ob es wahr wäre, daß das Schrifttum einem pro-
grammatiſchen, politiſchen Zwang unterſtellt ſei, ſo pflegte ich zu antworten, daß
ich beſchwören könne, es würde im Dritten Reich keine Menſchenſeele daran ge.
hindert, beſſere Gedichte als Mörike zu ſchreiben, leidenſchaftlichere Szenen als
Kleiſt und eindringlichere Kapitel als Jean Paul.
Im Gegenteil leben wir der Aeberzeugung, daß Adolf Hitler und fein National:
ſozialismus erſt die reinen Bedingungen, die richtigen Vorausſetzungen für die
Freiheit künſtleriſcher Entfaltung geſchaffen hat.
„Nicht der Schriftſteller ſchafft aus ſich heraus dieſe Bewegungsfreiheit für
ſein Weſen, ſondern er beſchreibt beſtenfalls aus ſeheriſcher Sehnſucht ſolche Mög⸗
lichkeiten. Die Realität für den Einſatz ſeiner Sätze und Grundſätze, die ſchafft der
politiſche Soldat, indem er ein Staatsgefüge geſtaltet, in deſſen Schutz der Dichter
und Sänger Möglichkeiten, Ruhe und Reſonanz findet. Alle großen und unvergäng⸗
lichen Kunſtwerke find in dieſem Sinne Auftragskunſt.
Iſt ein Staat ſeinem Volkstum organiſch angepaßt, dann löſen ſeine Aufträge
auch eine Hochblüte ſeiner kulturellen Verpflichtungen aus.
Ein Rückblick auf Kulturen in aller Welt und zu allen Zeiten beſtätigt dieje
Theſe. |
Die Kunſt, die pathetiſch erklärte, fie hätte ihren Auftrag allein der Gnade
zu danken, der Ruf der Berufung ſei perſönlich und unabhängig von jeder Bindung
an irgendeine Gemeinſchaft, dieſe Kunſt iſt mit dem 19. Jahrhundert abgeſchloſſen.
Sie gehört dem Muſeum. Wir denken nicht daran, uns in irgendeine literatur-
hiſtoriſche Diskuſſion über den Wert dieſer oder jener Produktion jener Epoche
einzulaſſen. Wir über antworten diefe Zeit hochachtungs voll
den Muſeen. Da können ſie verſtauben oder ſie können auch unſterblich werden!
Ans ſtört keines von beiden.
Wir glauben und fordern kraft unjerer Aeberzeugung, kraft des Geſetzes, nach
dem wir angetreten und zu vollenden gewillt ſind, eine reſtloſe Identität der Gnade
und des Gehorſams!
Die Gnade macht es ſich leicht, wenn fie ihre Verantwortung ohne Rückbezüglich⸗
keit auf die Eingeburt in die nationale und ſozialiſtiſche Volksgemeinſchaft ſieht. Im
Gegenteil erfühlen wir das Gewicht der Gnade am ſchwerſten in der Verpflichtung
beſtätigt, daß diefe Gabe des Schickſals doppelt und dreifach den mit ihr Hus-
gezeichneten an das Wohl und Wehe der Gemeinſchaft bindet. Diener ſein durch
Johſt / Nation und Dichtung 13
ſanatiſchen Gehorſam!! Das iſt die einzige ſittliche Pflicht, der fih der Begnadete
unterwerfen muß, will er nicht als Literat, Aeſthet oder Bohemien verflachen.
Kein Dichter der Welt hat das Recht, ſich von dieſem Gehorſam entbunden zu
fühlen denn dieſes Gefühl wäre ein Hochmut und der Dienſt der Seele der Kunſt
iſt immer Demut.
Die größten Werte und Werke der deutſchen Dichtung, ja darüber hinaus alle
Dichtungen aller Welt atmen Demut aus, leben und leben derartig tief im Sprach-
raum ihrer Eingeburt, daß ſie nicht ſterben können, daß ſie unſterblich ſind, weil
fie dem Geſetz, nach dem fie gerufen wurden, die Treue hielten und gehorſam waren.
Die Tatſache dieſes Geſetzes aber iſt das Ethos der Begrenzung. Es gibt kein
Herz — auch kein Dichterherz — das in der Welt ſchlüge; jedes wahrhaftige
Menſchenherz ſchlägt Blut in einem Körper und dieſer Körper heißt nicht nur
„ich“, ſondern er iſt ein Glied, Mitglied der Körperſchaft, die als Ganzes Volk
heißt und als Nation einer Staatsform bedarf, wie das Herz der Adern, Lungen
und des Bruſtkorbs.
Die wahre, tiefſte Innerlichkeit bleibt Dankbarkeit, bleibt naive Freude darüber,
daß ſich Herz und Geiſt und Seele geborgen fühlen darf in der heiligen Ordnung
einer völkiſchen Gemeinſchaft. Der Begriff des Volkes darf nicht veräußerlicht
werden, darf nicht marxiſtiſch, materialiſtiſch als Zufallshäufung angeſehen werden,
ſondern will erlebt ſein als innerſte Regung der Schöpfung, als letzter Wille Gottes!
Bezeichnen wir die Dichtung als Kindſchaft von Gnade und Gehorſam, ſo müſſen
wir vielleicht auch noch feſtſtellen, daß wir „Dichten“ nicht vom lateiniſchen dictare =
diktieren hergeleitet wiſſen wollen, mag es philologiſch noch ſo korrekt ſein, ſondern
daß wir im Dichten das Verdichten der mehr oder weniger unbewußten Lebens-
gefühle der Nation erfühlen.
Das Gedicht, die Dichtung ſteht im Auftrag nicht im formal-äfthetiichen, ſondern
im ſittlichen Auftrag der Volksſeele. Das Volk entſcheidet über Tod oder Un-
ſterblichkeit. And das Volk lebt, lebt — dieſe Feſtſtellung iſt entſcheidend, denn ſie
zeigt den Gleichklang von Volk und Staat, von biologiſcher Erbmaſſe und politiſcher
Exiſtenz auf — das Volk lebt als Auſtragsgeber, als geſtaltete Kraft, als Geſtalt
im ſtaatlichen Willen, im Staat ſchlechthin. Es gibt kein Leben eines Volkes außer.
halb ſeines ſtaatlichen Bewußtſeins. Wer ſich gegen den Staat ſtellt, ſtellt ſich in
Widerſpruch zum lebendigen und lebenſpendenden Volk.
Die Neunmalklugen, die alte Generation fragt, wieſo es dann zu Revolutionen
kommt?
Nevolutionen ſind Entwicklungsphaſen, Entwicklungskriſen im Organismus
eines Volkes.
Es find Krankheiten, ja Todesurſachen, wenn fie Volk und Staat aus ihrer
Statik werfen, ohne ſie zu einer höheren Ordnung wieder vereinigen zu können.
Sie ſind richtig eingeſetzt, wenn ſie dazu dienen, Spannungen zwiſchen völkiſchen
Bedürfniſſen und ſtaatlichen Notwendigkeiten aus der Welt zu ſchaffen.
Die nationalſozialiſtiſche Revolution hat Deutſchland einer neuen Ordnung
unterſtellt.
14 Johſt / Nation und Dichtung
Keiner nationalſozialiſtiſchen Aeberbetonung, keinem Imperialismus iſt dieſe
Bewegung erlegen und keinem ſozialiſtiſchen Materialismus, keinem Marxismus
verfallen.
„Ihre Leidenſchaft erklärt fih ſozialiſtiſch, das heißt radikal der Volksgemein⸗
ſchaft ergeben, eben weil ſie das Volk als Genoſſenſchaft empfindet und erlebt
wiſſen will.
Sie proklamiert keine ſozialen Theſen, ſondern fie erhebt den Gemeinſchafts⸗
gedanken zur höchſten ſittlichen und politiſchen Maxime. Damit find die Aufgaben
der Kulturpolitik klar und eindeutig umriſſen.
Wer gegen dieſe Tatſachen der völkiſchen Entſcheidung vom geiſtigen Schrifttum
her diskutieren zu müſſen glaubt, ſtellt ſich außerhalb dieſer neuen Volksgemeinſchaft.
Alle aber, die guten Willens ſind und die ihr Herz ausgewogen fühlen von
der reinen Grundſätzlichkeit des Staates und der Kraft ſeines Volkes, alle dieſe
Berufenen und Begnadeten führe ich vor das eine Wort und deſſen fanatiſche
Sprengkraft, vor das Wort: National-Hymne! Das heißt Hymne an die Nation!!
Worte haben im geiſtigen Raum eines Volkes architektoniſche Bedeutung. Sie
find Stil und charakteriſieren in ihrem Gebrauch und ihrem Akzent den Charakter
einer Zeit.
Wir Deutſchen nehmen einander beim Wort!
And wir geben einander unſer Wort!!
Das ſagt Alles!
Wir nennen einen Menſchen „Heiden“ und wir laſſen ihn damit Kind ſeiner
Natur, ihrer Einſamkeit und ihrer Vollkommenheit ſein. Oder wir übernehmen
ein Wort aus der Latinität wie „Form“ und übernehmen deſſen imperialiſtiſchen
Anſpruch als Aniform. Beſinnen wir uns aber gerade bei dieſem Wort auf ſeinen
Bruder im deutſchen Sprachgebrauch, ſo ſagen wir Tracht und unſer Wort erhebt
ſeinen Anſpruch auf Allgemeingültigkeit in dem Wort: Eintracht! Die deutſche
Sprache iſt ein guter Spiegel unſerer inneren Anſchauung, unſerer Weltanſchauung.
Wenn wir alſo am Schluß dieſer Ausführung den Jubel und das Programm
des Wortes „National-Hymne“ ausſprechen, jo binden wir die dichteriſche Leiden:
ſchaft an die Eintracht des Nationalbewußtſeins und gleichzeitig verpflichten wir
das Selbſtbewußtſein aller nationalen Kräfte an die Diſziplin im ſeheriſchen Raume
der Dichtung an ihre Hymne!!!
Wer nicht zum Lobgeſang fähig iſt — der iſt nicht berufen, die Lebensfreude
ſeines Volkes zu mehren, und wer ſich dazu nicht berufen fühlt, der hat in den
heiligen Bezirken einer jungen deutſchen Dichtkunſt nichts zu ſuchen.
Wir überlaſſen ihn ſeinem Weltſchmerz!
Wir fordern von der Idealgeſtalt eines deutſchen Dichters im neuen Reich
keinen Geiſtreichtum, ſondern wir ſehen ihn mitten in der Nation, wie ſeine
Begeiſterung den Alltag zur Feierſtunde des inneren Erlebniſſes emporreißt!
Wo ein deutſcher Dichter unſerem Volke ſein Wort gibt, iſt Volk und Staat
Rhythmus und Klang, Harmonie und Melodie!!!
v. Throta / Charakter und Schönheit 15
Thilo v. Throta:
Charakter und Schönbeit
Das einfachſte und grundlegendſte äſthetiſche Gefühl des Menſchen iſt zweifellos
der Schönheits begriff.
Man kann ſagen, daß das Gefühl für Schönheit den Menſchen als Gattung
ſchlechthin ein- und angeboren iſt. Die Art des Ideals der menſchlichen Schönheit
dagegen wird durch den Typ und die Artung der jeweiligen Raffe geformt und
beſtimmt, die dieſes Ideal aufſtellt. Wenn ein Negerſtamm ſeine Weiber durch ge-
waltige Tellerlippen ziert, wenn die chineſiſchen Frauen in früherer Zeit ihren Fuß
verkrüppelten, wenn der Indianer ſich mit Tätowierungen bedeckte, wenn anderer-
ſeits der nordiſche Menſch in einer möglichſt geringen Veränderung eines wohl-
gepflegten Körpers fein Ideal fieht, fo ift das alles Ausdruck einer beſtimmten
raſſiſchen Artung.
Wenn wir uns nun hier die Aufgabe ſetzen wollen, grundlegende Ausführungen
über den Begriff vom ſchönen Menſchen zu machen, fo müſſen wir uns über die
tiefſte und älteſte Vorausſetzung des Schönheitsempfindens an ſich im klaren ſein.
Dieſe Vorausſetzung iſt zweifellos folgende:
Die Natur gibt jedem ihrer Geſchöpfe eine beſtimmte Anziehungskraft mit dem
Zwecke, die Gattung als ſolche zur Fortpflanzung zu bringen. So iſt Schönheit in
ihrer einfachſten Arform als Reiz, als Anziehungs vermögen eine kluge
Angel, die die Natur zur Erhaltung der Art auswirft. —
Das Schönheitsbild von Geſchlechtern, von Stämmen und Völkern richtet ſich
im allgemeinen nach einem beſtimmten, dem Weſen der jeweiligen Raffe ent-
ſprechenden Vorbilde. Ganz von ſelbſt bildet ſich dann etwa für das männliche
Geſchlecht der Begriff eines Typus heraus, der Kraft und Gewandtheit, d. h. einen
Körperbau, der dem Zweckhaften feiner Raſſe entſpricht, mit der Eigenſchaft ver-
bindet, die man als Reiz bezeichnen mag. Für die Frau gilt, urſprünglich geſehen,
das gleiche. Kraft, Ausdauer und Anziehungsvermögen find auch bei ihr die wid-
tigſten Eigenſchaften, nur iſt im Gegenſatz zum Mann, der auf den Kampf und die
Beſchützung ausgerichtet iſt, das Weib auf Frieden und Kind bezogen, und während,
jedenfalls für unfer germaniſches Empfinden, der Akzent beim männlichen Geſchlecht
auf Kraft und Ausdauer liegt, ruht er beim Weibe auf Reig und Ausdauer,
weniger auf Kraft.
Auch müſſen wir als Folgerung aus allen dieſen Erkenntniſſen feſtſtellen:
Der Schönheitsbegriff des einen Geſchlechts wird urſprünglich überwiegend
vom anderen beſtimmt. Daraus wieder erkennen wir, daß, von der Natur her
geſehen, Schönheit und Fruchtbarkeit zuſammengehören, weil eben Schönheit
nur die höher entwickelte Form der Anziehungskraft und des Reizvollen ift, das
die Natur den Geſchlechtern beigibt.
Wie aber ſtellt ſich bei einer höheren Entwicklung der Gattung dieſe Frage dar?
Kant iſt es geweſen, der Schönheit und Zweckmäßigkeit gleichgeſetzt hat. Eine
ähnliche Gleichſetzung finden wir auch in vieler Hinſicht in dem Gedanken der Zucht
16 v. Throta / Charakter und Schönheit
auf jedem Gebiete. Ein züchteriſches Ideal in weitem Sinne wird immer verſuchen,
Schönheit und Zwecke zu vereinen. Denn Zweck ohne Reiz ſetzt ſich nicht durch, Reiz
ohne Zweck iſt jedoch unfruchtbar.
Es iſt alſo anzunehmen, daß das Schönheitsbild innerhalb einer Raffe in hohem
Maße von der Zweckhaftigkeit des Menſchen für Kampf, Ausdauer, Hege und
Fortpflanzung geformt worden ift. Wenn 3. B. die nordiſche Raſſe ihr äußeres
Schönheitsbild aufſtellt, ſo waren Blondheit und Helläugigkeit zuerſt einmal eine
Vorausſetzung. Ein hoher Körperwuchs aber beim Mann verhieß Kraft, Schlankheit
der Geſtalt, Gewandtheit, ein kräftiger, aber doch nicht zu fleiſchiger Wuchs bei der
Frau Ausdauer und gute Vorausſetzung zur Fruchtbarkeit. So hat die Zweckmäßig⸗
keit ſicherlich den Schönheitsbegriff mitgeformt.
Die feineren Merkmale körperlicher Schönheit entſtammten dann ſchon einer
Eigenſchaft des Menſchen, die nicht allein materiell zu erklären ift: dem dftbeti-
ſchen Empfinden an ſich. Ob die Augen groß oder klein, die Naſe kurz oder
lang iſt — das hat nichts mehr mit Zucht zu tun, ſondern iſt eine Frage der
Zier und des äſthetiſchen Gefühls. Im Augenblick, wo dieſes Ziermoment auf-
tritt, beginnt ſchon der Begriff einer mehr entſtofflichten Schönheit: das Schön ⸗
heitsideal als ſolches mit ſeinem trotz aller Abſtraktheit ganz offenſicht⸗
lichen Einfluß, ſowohl auf das biologiſche wie das künſtleriſche Gebiet.
Wie das germaniſche Schönheitsideal ausgeſehen hat, brauche ich
hier an ſich nicht zu ſchildern. Da aber faſt immer vom helleniſchen Schönheitsideal
geſprochen wird, erſcheint es mir doch notwendig, einmal feſtzuſtellen, daß das
Germanentum, genau ſo wie jedes andere Volkstum und ſogar in beſonders hohem
Maße, ſich ein ſehr beſtimmtes äſthetiſches Bild von ſeinem Menſchenideal gemacht
hat in klarer Erkenntnis der lebensgeſetzlichen Notwendigkeit der Hervorbringung
edlen Menſchentums. Der edle Menſch beim Germanen war in der Idee immer
{hon gedacht, wenn auch die Schönheitsverehrung im nördlichen Europa niemals
ſo weit ging wie in Hellas. Aber doch war der ganz entſchiedene germaniſche
Standpunkt: :
Schön ſollte ſich zu ſchön, edel zu edel geſellen, um wieder
Schöne und Edle zu erzeugen.
Das Lob der weiblichen Anmut ſcheint uns heute ſelbſtverſtändlich. Weniger
bekannt iſt, daß der nordiſche Germane, als ſicherlich männlichſter unter den Männern,
ein ausgeſprochenes männliches Schönheitsideal beſaß, bei dem natür-
lich die Betonung auf der Kraft lag und auf dem Charakter. Hellas be-
wunderte auch einen Charakterloſen, wenn er nur ſchön war. Das Edelideal der
„Kalokagathia“, des Schön und Rechtſchaffenſeins, wurde ſchon früh in Hellas
zugunſten der Schönheit getrübt. Beim Germanen iſt der Akzent eher umgekehrt
gelegt.
Aber wenn wir die Sagas leſen, ſo wird z. B. über den Skalden Egil in der
gleichnamigen Erzählung bemerkt: „Als er heranwuchs, konnt man leicht beobachten,
daß er febr häßlich und gleich feinem Vater ſchwarzhaarig werden würde.“ Man
ſpürt das Bedauern des Saga-Dichters, daß hier ein Mann von außerordentlichem
Mathias Wieman
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Angela Salloker
v. Throta / TCharakter und Schönheit 17
Charakter und großer Körperkraft dem Schönheitsideal nicht entſpricht.
Vom weiſen Njal wird in der Njalſage bemerkt: „Er war von ſchönem Aeußeren,
jedoch wuchs ihm kein Bart.“ Ueber König Harald, den Hirten, berichten die norwegi⸗
ſchen Königsgeſchichten: „König Harald war ein ſchöner und ſtattlicher Mann mit
gelbem Haar und gelbem Bart. Sein Schnurrbart war lang, die eine Braue höher
als die andere. Er hatte lange Hände und Füße, war aber doch ſonſt wohlgewachſen.
5 Ellen lang war feine Geſtalt.“ Wir ſehen hier z. B., daß es für ſchön galt, wohl.
gegliederte und nicht zu große Hände und Füße zu haben.
Eine Idealgeſtalt nach damaligem Begriff jedoch iſt Gunnar, von dem der
Dichter der Njala jagt: „Er war hochgewachſen und ein ftarfer Mann, der befte
Fechter. Er war ſchön von Ausſehen, von heller Gefihtsfarbe, die Nafe gerade und
kräftig vorſpringend, blauäugig war er und ſcharfblickend, die Backen rot gefärbt.
Das Haar war reich, floß ſchön und hatte eine gute Farbe. Ein höfiſches Weſen
hatte er wie wenige, war tatkräftig in allem, freigebig, in der Freundſchaft wähle⸗
riſch, aber treu.“ In der knappen ſchlichten Art des Sagaſtils haben wir hier eine
Schilderung des germaniſchen Menſchen, wie wir fie uns abgerundeter gar nicht vor-
ſtellen können. Ebenſo gibt es ſelbſtverſtändlich Schilderungen von Frauenſchönheit
in den Sagas und Königsgeſchichten des alten Nordens.
Im Nibelungenliede wird immer wieder die Lichtheit der Kriemhild geprieſen.
Der Dichter ſchildert ſie folgendermaßen:
„Da kam die Minnigliche, wie das Morgenrot
tritt aus trüben Wolken. Da ſchied von ſeiner Not,
der ſie im Herzen hegte, was lange ſchon geſchehn.
Er ſah die Minnigliche nun gar herrlich vor ſich ſtehn,
von ihrem Kleide leuchtete gar mancher edle Stein.
Ihre roſenrote Farbe gab minniglichen Schein,
was jemand wünſchen mochte, er mußte doch geſtehn,
daß er hier auf Erden noch nicht ſo Schönes erſehn.
Wie der lichte Vollmond vor den Sternen ſchwebt,
der Schein ſo hell und lauter ſich aus den Wolken hebt,
ſo glänzte ſie in Wahrheit vor anderen Frauen gut,
das mochte wohl erhöhen dem edlen Helden den Mut.“
Bei Siegfried hebt der Dichter wieder und wieder die große, alles überſtrahlende
Schönheit hervor, etwa in folgendem Vers:
„Da fah man den Sieglinden⸗Sohn fo minniglich dort ſtehen,
als wär' er wär entworfen auf einem Pergamen.
Von Gutem alles vorhanden. Gern man ihm geſtand,
daß man nie im Leben ſo ſchönen Helden noch fand.“
Anſere männlichſten Zeiten, und als ſolche kann man wohl das Rittertum und
die germaniſche Frühzeit bezeichnen, haben alfo auch ein männliches Schönheits-
ideal gehabt, und ohne ein ſolches iſt auch eine Aufartung, ein Edelmenſchentum, gar
nicht möglich. Denn nur, wenn die edle Frau auch den edlen Mann wählt und um—
18 v. Throta / Charakter und Schönheit
gekehrt, kann edler Nachwuchs entſtehen, wobei ich nochmals betonen möchte, daß an
ſich beim Manne der Akzent auf der Kraft ſowohl des Körpers wie des Geiſtes liegt.
Das mittelalterliche Germanentum hatte für beide Geſchlechter das Ideal der
Tucht, überſetzt Zucht. Der Menſch, der diefe Zucht hatte, war ſtark, ſchön, geiſtig
begabt und von edlem Charakter. Irgendwie muß ja auch das Idealbild eines jeden
geſunden Volkes dieſe Züge tragen: der vollendetſte Menſch iſt der,
der körperlich, geiſtig und ſeeliſch gleich vorbildlich iſt. Damit
ift für unſer Empfinden nun nicht geſagt, daß ein geiſtig und ſeeliſch großer Menſch
mit einem ungünſtigen Aeußeren kein großer Menſch iſt. Wem würde es einfallen,
Beethoven wegen ſeines unſchönen Geſichts zu verkleinern? Es iſt auch nicht geſagt,
daß ein körperlich und ſeeliſch wohlgebildeter Menſch mäßiger Geiſtesartung unſere
Ablehnung findet. Wie aber ſteht es mit einem ſchönen und begabten Menſchen mit
niedriger Seele?
Wenn wir Seele als den Kern des Charakters auffaſſen, ſo kommen
wir vielleicht zu dem Schluß, daß das Verhältnis zwiſchen Charakter und Schönheit
eine gar nicht ſo einfache Angelegenheit zu ſein ſcheint. Wir kommen weiterhin zu
dem Schluß, daß beim Germanen der Charakter durchaus vor der Schönheit
geht. Egil war ſchwarz und häßlich, aber ein groß gearteter Menſch. Als ſolcher
achtet und verehrt ihn der Sagadichter. Begabte Menſchen von niedriger Gemiits-
art trifft die Ablehnung der Saga, etwa mit der Wendung: „Er — oder ſie —
war ſchön, aber —.“ :
So kommen wir zu der Folgerung, daß Schönheit ohne Charakter für den ger-
maniſchen Menſchen nicht von Wert iſt. Grundfalſch wäre es aber und durch die
angeführten Beiſpiele gewiß hinlänglich widerlegt, wenn man annehmen wollte, das
Germanentum entbehre des Gefühls für den Wert der Schönheit, und nur der Hellene
habe dieſes beſeſſen. Vielmehr wäre geraten, anſtatt nur von Hellas zu ſprechen,
fid) mit dem Schönheitsideal des Germanentums eingehend zu beſchäftigen, deſſen
Vertreter ja ſchließlich auch noch mitten unter uns leben, und das im ganzen von
weſentlich herberer Art iſt als das griechiſche. Die kürzeren und weicheren Formen,
die niedrige Stirn und die geſchwungene Mundpartie des von den Griechen mit
Vorliebe hingeſtellten Typus entſpricht bei aller Anmut doch nicht dem ſchmalen,
größeren und herberen germaniſch⸗ nordiſchen Typ mit der hohen, ſchmalen
Stirn, den ſchmalen Lippen und langen Beinen.
Nun ergibt fih vielleicht die Frage: Wozu eigentlich dieje äſthetiſchen Cr-
örterungen über Herkunft und Zweck der Schönheit? And damit kommen wir zu dem
eigentlich entſcheidenden Teil dieſer Ausführungen, dem Verhältnis des Schönheits-
begriffs zur Kun ſt und zum Staat.
Jede Kunſt entſteht aus dem Schönheits- und Ziertrieb des Menſchen, und ihr
„rein praktiſcher“ Wert läßt ſich einem unerſchütterlich nüchternen Menſchen wohl
gar nicht ſo leicht beweiſen. Schönheit iſt die Wurzel der Kunſt überhaupt, wenn
auch nicht ihre ausſchließliche Formerin. Der Schönheitsſinn des Menſchen ſchuf
Schmuck und Zierde der Tracht; er war es, der ſogar dem Ausdruck der geballteſten
Kraft — der Waffe — ſeinen Stempel aufprägte. Schönheitsſinn ſchuf Bauform und
™ . om. — — — os — — een, ame . A — — diea —
v. Throta / Charakter und Schönheit 19
Versmaß, ee ſchuf die Muſik, diefe ſpäteſte und abſtrakteſte unter den
Künſten.
Es war eine der abſeitigſten Verirrungen unſerer an Verirrungen ſo reichen
letzten fünfzig Jahre, daß man glaubte, Kunſt ohne Schönheit ſchaffen zu können. Dieſe
Auffaſſung bedeutet nichts mehr und nichts minder als eine der folgerichtigſten und
gefährlichſten Formen des Nihilismus. Denn ſogar die inſtinktloſeſten Zeiten vorher
hatten doch ehrlich an ein Schönheitsideal geglaubt, ſelbſt wenn es artungs-
gemäß war wie in der Zeit der Perücken und Reifröcke. Eine ſpätere Ge-
ſchichtsſchreibung wird neben der Zerſtörung der Familie die
Z3Zerſtörung des Schönheitsſinnes als eine der e
Taten des Nihilismus betrachten.
Führen wir uns einmal vor Augen, welches der Kern der großen Werke der
Antike, der germaniſchen Mythen und Sagen, des Nibelungenliedes, der Tragödien
Shakeſpeares war. Wie kommt es, daß bei Shakeſpeare, dem größten „Realiſten“
faſt alle Frauengeſtalten anmutig und ſchön find? And bei dem nicht minder herben
Hebbel ſind Judith, Marianne, Rhodope, Klara, Agnes Bernauer, Kriemhild,
Brunhild ebenfalls ſchöne Frauengeſtalten.
In aller nordiſchen Kunſt iſt die Leibesſchönheit eine Vorausſetzung für den
Helden und die Heldin. Der große vorbildliche Menſch, in dem fih die andern
irgendwie geſpiegelt ſehen ſollten, oder wollten, war zumeiſt ſchön. Können wir
uns Triftan, Siegfried oder Parſifal mißgeſtaltet vorſtellen, oder Kriemhild und
Gudrun häßlich?
Nur ſpielt hier eins eine entſcheidende Rolle, worauf die Betonung gelegt
wird; dieſes liegt, wie Alfred Roſenberg feſtgeſtellt hat, in der germaniſchen
Kunſt auf dem Schönen und Charakteriſtiſchen, d. h. beim Helden Charaktervolle, —
nicht wie beim Hellenen vor allem auf dem Schönen. Paris und Helena
hätten niemals Helden und tragende Geſtalten einer Sage werden können. Der
Hellene verzieh Paris um ſeiner Anmut willen den ehebrecheriſchen Raub, der
Helena um ihrer übergroßen Schönheit willen die charakterlos geduldete Entführung.
Dem Germanen wären, trotz aller Schönheit, Paris als ein Verbrecher und Helena
als ein durchaus verachtungswürdiges Weib erſchienen. Hier ſehen wir, daß doch
auch das uns ſo ſehr naheſtehende frühe Hellas uns geſinnungsmäßig niemals
das frühe Germanentum erſetzen kann. Germaniſche Kunſt dient der Verherrlichung
des Charakters. Der Held aber, die Idealgeſtalt, verdankt ihren Charakter der
edlen Artung und ſo nimmt germaniſche Kunſt im Grunde doch auch immer zum edlen
Charakter den edlen äußeren Typ an, auch wenn ihr das gewiſſe Idealiſieren, das
die Antike liebte, nicht liegt und ſie in echt germaniſcher Weiſe den großen Egil,
der ſchwarz und häßlich war, ſchwarz und häßlich ſchildert, weil es der Wahrheit
entſpricht. And dieſer unbedingte Zug zur künſtleriſchen Wahrheit, der übrigens
nichts, gar nichts mit dem proletarifd-jdhwargmalenden „Naturalismus“ zu tun
hatte, der der Schilderung des Antermenſchentums diente, hat als „Realismus“
der germaniſchen Kunſt von den Sagas bis heute das Gepräge gegeben.
20 v. Throta / Charakter und Schönheit
Die Frage vom Verhältnis zwiſchen dem Staat als Willensträger der Volk⸗
heit und der Schönheit führt notwendigerweiſe auf das biologiſche Gebiet
herüber. Wenn wir den Schönheitsbegriff als dem Wunſch der Natur nach Fort-
pflanzung der Gattung bezeichnen, ſo gelangen wir notwendigerweiſe bei einer
Höherentwicklung der Begriſſe und auch der ſtammesmäßigen oder volklichen
Organismen zu dem Gedanken der Vorbildlichkeit, d. h., einige Einzelweſen
eines Staates bzw. eines Volkes, die jene bewußter erkannten, beſondere Vorzüge
in beſonders leuchtender Weiſe vereinen, ſolche Geſtalten, die dann ſpäter zu Bor-
bildern erhoben, Siegfried und Achill, Gudrun und Penelope heißen, formten im
Laufe der Zeit den heldiſchen Schönheitsbegriff ihrer Völker.
Der Staat als Zweckinſtrument eines Volkstums muß zur Erhaltung eines
Volkes folgendes wünſchen und fördern: um ſich dauernd auf der Höhe zu halten,
bedarf er einer Reihe vorbildlicher heldiſcher Menſchen. Dieſe vorbildlich heldiſchen
Menſchen können nur von Vorfahren ſtammen, die von edler Artung ſind. Dieſe
edle Artung wiederum fol vorbildlich für alle anderen fein. Die Vorbildlichkeit
bedarf aber auch einer augenſcheinlichen Verkörperung: dieſe iſt die Schönheit.
Es iſt kein Zufall, daß die Tempel von Olympia den Helden ſchön darſtellen und
daß der mittelalterliche Deutſche den Geſtalten von Bamberg Schönheit verlieh.
Nach dem zutiefſt im indogermaniſchen nordiſchen Weſen verkörperten Ideal der
Dreiheit von Geiſt, Leib und Seele muß ja, wie ſchon erwähnt, das Ideal des
großen Menſchen neben dem inneren Adel des Weſens auch den äußeren Adel
der Erſcheinung zeigen.
Vom ſtaatlich⸗politiſchen Standpunkt geſehen muß man daher den Grundſatz
aufſtellen:
Ein Schönheitsideal ift eine volkliche und ſtaatliche Not-
wendigkeit. Damit geht die Anſchauung, die früher unbewußt gepflegt
worden iſt, ins helle Bewußtſein völkiſcher und ſtaatlicher Erziehung über. Ein
germaniſcher Staat muß, um die Volksart hochzuhalten, ein
Schönheitsideal fördern und verlangen. Er muß wiffen, daß das
reine Nutzmotiv allein nicht genügt. Die Aufſtellung eines geſunden, aber Long,
weiligen Leiſtungstyps allein reicht nicht aus. Erſt wenn jenes legt.
lich Anmeßbare, das wir eben Schönheit nennen, mit in die
Waagſchale geworfen wird, ſetzt ſichein Ideal durch.
Die Dinge des ftaatliden Lebens bedürfen der Verklärung. Die große
Verklärerin des Daſeins aber iſt die Kunſt. Aufgabe der Kunſt
wird es ſein, das für den Staat raſſiſch notwendige Schönheitsideal aufzuſtellen.
Daß dieſes im germaniſchen Deutſchland nur dem germanifd-nordijden Menſchentyp
entſprechen kann, ift ſelbſtverſtändlich und nicht einmal neu, wenn wir an die Ueber:
lieferungen früherer Jahrhunderte denken. Der Verherrlichung des ſchönen deut:
ſchen nordiſchen Menſchen muß die Kunſt dienen — nicht eng und ausſchließlich —
aber da wo es Grundlegendes und Ideales zu geſtalten gibt. Durch den Sport iſt
ja übrigens heute der Kunſt Gelegenheit genug gegeben, ſich mit den Geſetzen edler
Leiblichkeit zu beſchäftigen.
v. Throta / TTCharakter und Schönheit 21
Zwei Kunſtarten haben hier die größte Aufgabe, weil ſie beide auf das Auge
eingeſtellt find: Auf der einen Seite die Bildende Kunſt und auf der anderen
Seite Theater und Film. |
Kein Menſch wird die Forderung aujjtellen, daß die ganze Bildende Kun it
nur der Verherrlichung rein nordiſcher Geſtalten gewidmet fein fol. Wir find eben
keine Griechen, die einen ſtarren Kanon aufftellen, — unfer Kunſtkanon muß
unſicht bar, in jedem bildenden Künſtler leben und muß ſich dann äußern, daß
dieſer wohl ein Porträt allein nach dem Geſetz der Wahrheit ſchafft, ebenſo eine
Landſchaft. Wenn es aber gilt, die deutſche Mutter, den deutſchen Soldaten dar-
zuſtellen, kurz, wo es des Ideals vor allem bedarf und der Vorbildlichkeit,
da geſtaltet der deutſche Maler den nordiſchen Menſchen in
ſeiner Kraft, in ſeiner Schönheit und keinen anderen!
Hier möchte ich von vornherein den Einwänden entgegentreten, die vielleicht
gemacht werden könnten: daß die Aufſtellung eines raſſiſchen Schönheitsideals ver-
letzen könne. Es iſt unrichtig, anzunehmen, ein beſtimmtes äußeres Ideal müſſe
alle die verletzen, die ihm nicht entſprechen und alle die übermütig machen, die ihm
gleichen. Kein Menſch von guter innerer Haltung empfindet fo, nur ein Zer-
kreuzter. Wir werden in allen Schichten unſeres Volkes, in allen
Landſchaften Menſchen finden, die dieſem Ideal entſprechen
und außerdemwerten wir als Deutſche und Germanen nach dem
Charakter und wiſſen febr wohl, daß eine goldhaarige Hülle
einen harten Kern enthalten kann, ein unfdeinbares
Aeußeres aber die herrlichſte Geſinnung.
Die Aufſtellung dieſes germaniſchen Schönheitsideals
wird noch eine andere Folge haben:
Ein ganzes Volk, an dem jeder am nordiſchen Blut teil
hat, wird ſich in Haltung und Gebärde dieſem Typus anzu-
gleichen verſuchen. Ein ganzes Volk wird fo einem Edel
menſchentum zuſtreben und wird da, wo es dieſes Eder.
menſchentum verwirklicht findet, freudig und ohne Neid.
gefühl dieſes als ſein beſtes Eigentum anerkennen, ſchützen
und preiſen.
And hier ſetzt auch die große Erziehungsarbeit von Theater und Film ein.
Hier iſt der Punkt, wo etwa das Theater wirklich zur moraliſchen Anſtalt im
Sinne Schillers werden kann.
Wenn das Theater und der Film an den Darſteller idealer Rollen auch die
Anforderung eines edlen Aeußeren ſtellen, wenn Kriemhild wieder blond und be—
herrſcht, Macbeth hoch gewachſen und kraftvoll iſt, wenn die Filmlieblinge nicht
ausſehen wie Eliſabeth Bergner und ähnliche Geſtalten, ſondern in geſunder Weiſe
unſerem nordiſchen Schönheitsideal entſprechen, ſo iſt damit die Möglichkeit einer
raſſiſchen Einflußnahme gegeben, die vom Staat gar nicht hoch genug gewertet werden kann.
Aber wohl gemerkt: Für den Germanen iſt Schönheit nichts ohne Charakter
und ebenſo nichts ohne Geſundheit und Fruchtbarkeit. Erft Dann, wenn der
22 Gutjabr / Freie Stadt Danzig?
geſunde kämpferiſche Mann und die kraftvolle mütterliche
Frau, beide in ihrer edelſten Form, zum hellbewußten Ideal
unſeres Volkes geworden find, kann die Frage der Aufartung
und damit die Frage der Weitererhaltung und Unvergäng-
lichkeit unſeres deutſchen Volkes mit einem Ja beantwortet
werden.
Herbert Gutjahr:
Sveie Giadi Dansis?
Auf feiner letzten Sitzung im Januar dieſes Jahres hatte fih der Gëtter,
bundsrat in Genf wieder einmal mit Danziger Fragen zu beſchäftigen. Arquelle
dieſer dauernden Anruhe, dieſer ſtändig neu auftretenden Schwierigkeiten im Nord-
often des deutſchen Volksgebietes find die Beſtimmungen des Verſailler Diktates,
die Deutſchland 1919 von den Siegermächten aufgezwungen wurden und die die
Eigenſtaatlichkeit Danzigs zur Folge hatten. In den Artikeln 100 bis 103 des
Verſailler Diktates heißt es:
„Deutſchland verzichtet zugunsten der alliierten und affogiierten Hauptmächte auf alle
Rechte und Anſprüche auf das Gebiet innerhalb folgender Grenzen. .. (Gebiet der heutigen
Freien Stadt Danzig). Die alliierten und aſſoziierten Mächte verpflichten ſich, die Stadt
Danzig nebſt dem obenbezeichneten Gebiet zur Freien Stadt zu erklären. Sie wird unter
den Schutz des Völkerbundes geſtellt .. Die Verfaſſung der Freien Stadt Danzig wird
im Einvernehmen mit einem Oberkommiſſar des Völkerbundes von ordnungsgemäß ernannten
Vertretern der Freien Stadt ausgearbeitet. Sie wird unter die VBürgſchaft des Völker ⸗
bundes geſtellt.“
Auf Grund der hierin ausgeſprochenen Garantie der Danziger Verfaſſung durch
den Völkerbund hält dieſer ſich zu unmittelbaren Eingriffen in das innerſtaatliche
Danziger Leben für berechtigt.
Die „Vereinigten Danziger Oppositionsparteien“
Während in vergangenen Jahren Verfaſſungsſchwierigkeiten der ae Stadt,
die zur Behandlung vor dem Völkerbundsrat kamen, ſtets das zwiſchenſtaatliche Ver-
hältnis zwiſchen Danzig und Polen zum Gegenſtand hatten, iſt dies ſeit einiger Zeit
anders. Wenn früher der Völkerbundsrat des öfteren Aebergriffe Polens gegen-
über der Freien Stadt Danzig zurückzuweiſen und damit Danzig in ſeinem inter-
nationalen Rechtsbeſtand zu ſchützen hatte, jo find derartige Fälle feit der national-
ſozialiſtiſchen Machtübernahme in Danzig und ſeit der durch die Politik des Führers
herbeigeführten Verſtändigung zwiſchen dem Deutſchen Reid) und Polen nicht mehr
vorgekommen. Jetzt verſucht eine kleine, rückſtändige und ſich der innerpolitiſchen
Ausſichtsloſigkeit ihrer Arbeit bewußte Oppoſitionsgruppe, ſich in ihrem politiſchen
Todeskampf an den Völkerbund in Genf zu klammern. —
Mit der Behauptung, die Danziger Verfaſſung fei verletzt, wandten fih die
jogenannten Danziger Vereinigten Oppoſitionsparteien im
Gutjahr / Freie Stadt Danzig? 23
letzten Jahr wiederholt an den Völkerbund und verlangten den Eingriff Deler
Genfer Inſtanz in die innerdanziger Verwaltung und Rechtspflege. Kommuniſten,
Sozialdemokraten, Zentrum und Deutſchnationale, jene Parteien, die vor ihrer
allgemeinen Auflöſung im Reih immer wieder betonten, nichts miteinander gemein
zu haben, die ſich aber trotz aller „weltanſchaulichen Gegenſätze“ gerade auch in
Preußen immer wieder zu neuen Koalitionsbildungen zuſammenfanden, jene Partei-
refte verſuchen jetzt unter dem ſchamhaft gewählten Namen „Vereinigte Danziger
Oppoſitionsparteien“ in volksverräteriſcher Weiſe das Wirken der nationalſozia⸗
liſtiſchen Regierung dadurch zu ſabotieren, daß ſie jede Verwaltungsmaßnahme des
Danziger Senats und jeden Arteilsſpruch des Danziger Obergerichts von einiger
Bedeutung dem Völkerbund zur „Nachprüfung der Verfaſſungsmäßigkeit“ unter-
breiten. Ob es ſich dabei um die Gültigkeit der letzten Volksratswahl oder um das
Verbot klaſſenkämpferiſcher, kommuniſtiſcher Verbände, um die im Intereſſe der
inneren Befriedigung Danzigs geſetzlich feſtgelegte Einengung der ſogenannten Preffe-
freiheit oder um die polizeiliche Auflöſung verbotener Verſammlungen, um die Ent⸗
laſſung ſozialdemokratiſcher Beamten durch die nationalſozialiſtiſche Regierung oder
um Maßnahmen zur wirkſameren ſtrafrechtlichen Bekämpfung von Verbrechern
handelt, alle dieſe Fälle dienen der Danziger Oppoſition dazu, unter Behauptung
einer Verletzung der jedem Danziger Staatsbürger in der Verfaſſung garantierten
„Rechte“ fih an den Völkerbund zu wenden. Hierdurch entſteht im Laufe der Jahre
ſtimmungsmäßig in Genf ein Bild von Danziger Verhältniſſen, wie es aus dem
jetzt von dem Hohen Kommiſſar dem Völkerbundsrat erſtatteten Bericht über die
Lage in Danzig ſpricht. Jener „Vereinigten Oppofition“ iſt daran gelegen, durch
ſtändiges Anrufen des Völkerbundes langſam den Eindruck einer durch die national-
ſozialiſtiſche Regierung verſchuldeten allgemeinen Rechtsunſicherheit und Mn-
zufriedenheit in Danzig zu erwecken.
Das Verhalten der Danziger Oppositionsparteien — Volksverrat!
Während vor dem Jahre 1933 ſämtliche deutſchen Parteien in Danzig es als
unter ihrer nationalen Würde liegend anſahen, interne Gegenſätzlichkeiten dem
Völkerbund oder dem Ständigen Internationalen Gerichtshof im Haag zur Ent—
ſcheidung zu unterbreiten, haben heute Deutſchnationale, chriſtliches Zentrum und
deren marxiſtiſcher Anhang ſich zur gemeinſamen Bekämpfung des National:
ſozialismus in Danzig zuſammengefunden. Hierbei gelten ihnen alle
Mittel als durch den med geheiligt und erlaubt. Nachdem feit
der nationalſozialiſtiſchen Machtübernahme im Reich eine Beruhigung der auhen-
politiſchen Lage Danzigs gegenüber Polen eingetreten ift, nachdem jenen Partei-
ſplittern im Reich jede weitere Betätigungsmöglichkeit genommen wurde, treiben fie
in Danzig als „Vereinigte Oppofition“ nationalen Verrat an der deutſchen Sache,
indem ſie den internationalen Völkerbund zum Richter über Maßnahmen der
nationalſozialiſtiſchen Danziger Regierung anrufen. Deutſche klagen Deutſche vor
der Genfer Inſtanz an. And dabei ſitzt auf der Anklagebank nicht nur das national:
ſozialiſtiſche Danzig, ſondern mittelbar wird der Kampf gegen das national:
24 Gutjahr / Freie Stadt Danzig?
ſozialiſtiſche Deutſche Reich, gegen den Nationalſozialismus überhaupt geführt, der
hier vor einem internationalen Gremium einer Kritik, einer „unabhängigen“ Be-
urteilung unterzogen werden ſoll. And ſo hatte der Danziger Senatspräfident in
Genf nicht nur Danzig zu vertreten, ſondern das ganze nationalſozialiſtiſche Deutſche
Reich. Die Worte aber, die im Völkerbundsrat auf der Richter
jeite fielen, waren nicht Aeußerungen von Politikern, die
in den ſchwierigen Danziger Spezialfragen Sachkenntnis
hatten, ſondern es waren Argumente, die von den Juriſten
der Danziger Oppoſitionsparteien, den jüdiſchen Rechts
anwälten Kamnitzer und Kurowski, dem Völkerbundsrat in
ihrem Haß gegen die NSDAP unterbreitet worden waren.
Die Haltung des Völkerbundsrats
Mit einem Eifer, der einer wichtigeren Sache wert geweſen wäre, hat der
Völkerbundsrat den ihm unterbreiteten „außerordentlich ernſten Fall
Danzig“ behandelt. Mit einer offenſichtlich demonſtrativen Ausführlichkeit hat
man die Verpflichtungen des Völkerbundes erörtert, die ſich aus ſeiner Garantie
der Danziger Verfaſſung bei der behaupteten „ernſten Lage der politiſchen Minder⸗
heit“ ergäben. Scheinheilig hat man den Völkerbund zu einem entſchiedenen Bor-
gehen im Intereſſe uneigennütziger Rechtswahrung und idealer e ver ·
anlaſſen wollen.
Wenn man die wahren Sorgen der Welt ſich vor Augen führt und ſich ver⸗
gegenwärtigt, welche Einbuße an Autorität der Völkerbund durch
fein ftändiges Verſagen und feine mangelnde Einſatzbereit⸗
ſchaft in lebenswichtigen Situationen bereits erlitten hat,
ſo kann man ſich des peinlichen Eindrucks nicht erwehren, daß hier künſtlich ein
„ernſter Streitfall“ geſchaffen werden ſollte, um durch deſſen Handhabung in be⸗
wußter Selbſtgefälligkeit den Verſuch einer Feſtigung des geſchwundenen Anſehens
der Genfer Inſtitution zu machen. Dabei konnte man gleichzeitig andere viel ge⸗
wichtigere Dinge, die man nicht zu löſen vermochte, im Hintergrunde verſchwinden
laſſen.
Wie wenig Sinn der Völkerbund für echte völkerrechtliche Fragen auf⸗
gebracht hat, beweiſt bereits die für unſere Begriffe unmögliche Tatſache, daß man
es für angebracht hielt, ausgerechnet den ſowjetruſſiſchen Außenkommiſſar Litwinow
„objektiv“ zu den Beſchwerdepunkten gegen die n Danziger
Regierung Stellung nehmen zu laſſen.
Der Sinn der Verfassungsgarantie des Völkerbundes
Die Danziger Verfaſſung wurde von gewählten Vertretern der Freien Stadt
ausgearbeitet und nach einigen Aenderungen vom Völkerbund 1920 gutgeheißen.
Sie hatte zum Vorbild die Weimarer Verfaſſung vom Auguft 1919 und trug deut:
lich deren liberaliſtiſchen Charakter. Die Verfaſſung wurde unter die Garantie
des Völkerbundes geſtellt. Dieſe Garantie ſollte in erſter Linie außenpolitiſch
Gutjahr / Freie Stadt Danzig? 25
den freien Beſtand Danzigs gewährleiſten und dem neugeſchaffenen Gemeinweſen
eine ungeſtörte ſelbſtändige Entwicklung ermöglichen. Völkerrecht lich ſtand der
Völkerbund als Schiedsrichterinſtanz über Danzig bei Streitigkeiten mit Polen und
garantierte die freie Entwicklung Danzigs im Rahmen der Verfaſſung. Daß die
Freie Stadt als rein deutſches Staatsweſen weitgehend von der politiſchen Ent-
wicklung der Verhältniſſe im deutſchen Mutterland abhängig fein würde, war ſelbſt
verſtändlich, ja, daß die Lebensfähigkeit Danzigs durch ſeine Anlehnung an das
Deutſche Reid) überhaupt erſt möglich fein würde, hätte jedem Einſichtigen fofort
verſtändlich ſein müſſen. Es konnte deshalb nicht Sinn der Garantie der Danziger
Verfaſſung durch den Völkerbund ſein, dieſe naturgegebene und naturnotwendige
Anlehnung zweier deutſcher Staatsweſen aneinander künſtlich zu verhindern. Recht
und Pflicht des Völkerbundes war es, die getreue Einhaltung der Beſtimmungen
des Danziger Statutes zu überwachen; Recht und Pflicht Danzigs als eines nach
dem Statut demokratiſch⸗parlamentariſch aufgebauten Gemeinweſens war es, die
innere Ordnung und organiſche Entwicklung im Rahmen der Verfaſſung und nach
dem Willen der Bevölkerung zu gewährleiſten. War die abfolute Mehr ⸗
heit des Danziger Volkes national ſo zialiſtiſch, fo wurde die
Freie Stadt eben nationalſozialiſtiſch regiert. Das ift fo in
jedem Staat der Welt mit demokratiſcher Verfaſſung. Das
Danziger Volk aber hatte ſich im Frühjahr 1935 mit über-
wältigender Mehrheit zum Nationalſozialismus befannt.
Daß Parteigruppen, die auf Grund einer Wahl von der Regierungsbildung
ausgeſchloſſen bleiben, mit der parlamentariſch gebildeten legalen Regierung unzu⸗
frieden find, kommt in jedem Parteienſtaat vor und iſt deshalb kein Zeichen dafür,
daß die Verfaſſung dieſes Staates verletzt wäre. Wie kann überhaupt eine demo⸗
kratiſche Verfaſſung von einer Regierung verletzt werden, hinter der 65 Prozent der
Geſamtbevölkerung ſtehen?
Wer stellt Verfassungsverletzungen fest ?
Aeberdies, ſelbſt wenn Verfaſſungsverletzungen in Danzig vorgekommen wären,
ſo wäre rechtlich noch immer nicht der Völkerbund in der Lage, das nachzuprüfen.
Danzig als Gemeinweſen mit eigenem Behördenaufbau und eigenen Gerichten iſt
allein dazu berufen, ev. Verfaſſungsverletzungen durch Danziger Behörden —-
Verwaltungsſtellen oder Gerichte — feſtzuſtellen. Wenn das höchſte Danziger
Gericht, das Obergericht, ein Geſetz für mit der Verfaſſung vereinbar erklärt, oder
als Wahlprüfungsgericht die Gültigkeit der letzten Volkstagswahl feſtſtellt, fo find
Geſetz und Wahl eben nicht verfaſſungswidrig. Eine völkerrechtliche Inſtitution,
der Völkerbund, kann ſich dann nicht in innerdanziger Verhältniſſe einmiſchen und
als neue unabhängige und in der Verfaſſung nicht vorgeſehene Inſtanz eine Prüfung
der Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Danziger Statut vornehmen. Deshalb
hat ja Danzig eine eigene Verfaſſung erhalten, die von der Bevölkerung beſtimmt
nicht gewünſcht wurde, um ſich ſelbſt zu regieren und ſein eigenes künftiges Schickſal
26 Gutjahr / Freie Stadt Danzig?
ſelbſt zu beſtimmen. Wenn ein Staat durch feine Gerichte und in letzter Inſtanz
durch das höchſte Gericht in einem geregelten Prozeßverfahren Recht ſpricht, ſo iſt
das Arteil eben Recht. Keiner der Privatbeteiligten hat die Möglichkeit, wenn das
Urteil nicht nah feinen Wünſchen ausgefallen ift, zu behaupten, es läge eine Regts-
verletzung, geſchweige denn eine Verfaſſungsverletzung vor. Hierüber entſcheidet
nicht der einzelne; ſondern was Recht ift, was verfaſſungsmäßig ift, beſtimmt allein
der Staat. Jede andere Auffaſſung iſt unvereinbar mit dem Anſehen und der
Autorität eines oberſten ftaatliden Gerichts. i
Wozu gibt man einem felbftändigen Gemeinweſen eine Verfaffung, wenn es
ſich nachher nicht frei und ſelbſtändig nach dieſer regieren ſoll?
„Verfassungs verletzungen“ und Danziger staatliches Recht
Wenn die Danziger „Vereinigten Oppofitionsparteien” dem Senat aber ſchon
eine Verfaſſungsverletzung vorwerfen, die ſie ſich ſcheuen, einem unabhängigen
Gericht zur Nachprüfung zu unterbreiten, warum nutzen ſie nicht die in der Ver⸗
faffung, auf die fle ſich ſonſt berufen, ſelbſt hierfür vorgeſehenen Möglichkeiten aus?
Das Statut der Freien Stadt Danzig beſtimmt, daß Wahlberechtigte, die ſich in ihren
verfaſſungsmäßigen Rechten beſchnitten fühlen, direkt an das Volk appellieren und
einen Volksentſcheid hierüber herbeiführen. 20 Prozent der Volkstagsabgeordneten
können ferner nach Art. 19, Abſ. II der Danziger Verfaſſung die Einſetzung eines
parlamentariſchen Anterſuchungsausſchuſſes fordern, wenn fie Zweifel an der Lauter-
keit des Senats oder einzelner ſeiner Mitglieder haben. Daß die Danziger Oppo-
fition keine dieſer Möglichkeiten ihres Vorgehens gewählt hat, beweiſt bereits, daß
ihr in Wahrheit ſelbſt der Glaube an die behauptete Verfaſſungsverletzung fehlt.
Sonſt hätte fie den Appell an die letzte Inſtanz in jeder demokratiſchen Verfaffung,
das Volk, nicht zu fürchten brauchen. Es kam der Oppoſition nicht auf eine „ver-
faſſungsmäßige“ Verwaltung Danzigs an, wie ſie vorgab, ihr Kampf galt der
nationalſozialiſtiſchen Regierung der Freien Stadt. In ihrem Haß erſchien ihr
jeder Bundesgenoſſe, der ſich bot, eben recht. |
Die Einwirkungsmöglichkeiten des Völkerbundes auf die Freie Stadt |
Man ſchrieb zu Beginn der letzten Völkerbundsratsverſammlung in der Welt-
preſſe davon, der Völkerbund werde nach dem Bericht des engliſchen Außenminiſters
Eden über die Verhältniſſe in Danzig ſofort und unmittelbar Neuwahlen in Danzig
anordnen. Selbſt wenn der Völkerbundsrat unter Verletzung der aufgezeigten
Kompetenzſchranken zu einer Feſtſtellung der Verfaſſungswidrigkeit gewiſſer Maf-
nahmen des Danziger Senats, die die Billigung des Danziger Obergerichts ge⸗
funden hatten, gekommen wäre, fo hätte er doch in keinem Falle ein direktes Ein-
griffs⸗ und Anordnungsrecht gehabt. Der Völkerbund hätte auch Danzig
gegenüber nicht anders vorgehen können, als ſonſt ſtaatlich
ſelbſtändigen Gemeinweſen gegenüber. Er hätte der Danziger Re-
gierung gegenüber „Anregungen“ oder „Empfehlungen“ äußern können. Der Senat
wäre nach pflichtgemäßer Prüfung jedoch in der Annahme oder Ablehnung dieſer
Kleine Beiträge . 27
Natſchläge völlig frei geweſen. Ein Recht zu Befehlen oder unmittelbaren
Eingriffen in die innerdanziger Verwaltung oder Nechtſprechung ſtand dem Völker⸗
bund jedoch in keinem Falle zu.
Die „Pflichten“ des Völkerbundes gegenüber Danzig
Aufgabe des Völkerbundes iſt nach der Präambel der Völkerbundsſatzung, der
„Förderung der Zuſammenarbeit unter den Nationen und der Gewährleiſtung von
Frieden und Sicherheit unter ihnen“ zu dienen. Dieſer Aufgabe kann der Völker⸗
bund Danzig gegenüber nur gerecht werden, wenn er dieſes deutſche Land ſeiner
eigenen, organiſchen, deutſchen Entwicklung überläßt, wenn er den häufig und ein-
deutig geäußerten Willen der Mehrheit des Volkes reſpektiert und das Schickſal
der Freien Stadt nicht durch Fünftlich-überfpiste Auslegung der „Garantiepflicht“
an das Schickſal der Genfer Inſtitution ſelbſt feſſelt. Sonſt dient er nicht dem
Frieden und der Ruhe Danzigs, ſondern dem Anfrieden und der Anruhe.
Der Danziger Senatspräſident Greifer hat dieſem Gedanken bei feiner Rück⸗
kehr aus Genf einem Preſſevertreter gegenüber, der ihm nach der Ausſicht einer
ev. Neuwahl in Danzig fragte, Ausdruck gegeben:
„Wenn die Nationalſozialiſten in Danzig als kleinliche Parlamentarier
dächten, würden fie in der durch die Genfer Einmiſchung geſchaffenen Situation
eine ausſichtsvolle Möglichkeit ſehen, mit bei der Danziger Bevölkerung an-
klingenden Parolen in einen Wahlkampf zu ziehen. Es würden dann weniger
innenpolitiſche Wahlen ſein, da das Schwergewicht bei Wahlen, die durch die
Genfer Inſtanz veranlaßt find, völlig nach außen verſchoben werden
würde. Es würde ſich alſo weniger um eine Auseinanderſetzung zwiſchen den
Parteien unter innenpolitiſchen Parolen handeln, ſondern die
Danziger Bevölkerung würde zwangsläufig das Gefühl haben, für oder gegen
den Völkerbund abzuſtimmen. Da die Danziger Bürger niemals einen
Hehl daraus gemacht haben, daß ſie ſich als gegen ihren Willen vom
Reich abgetrennte Deutſche fühlen, würde ein Wahlkampf mit dieſer
Frontſtellung erhebliche Folgerungen grundſätzlicher Art nach ſich ziehen.“
Hleine Beiträg
m |
Die Usufeuhibavtett
dess bünbifihen Susendbewenuns
Im neueſten Heft der „Internationalen
Zeitſchrift für Erziehung“ begründet Alfred
Baeumler in einem Auſſatz über „Die
@rengen der formalen Bil-
dung“, weswegen die Jugendbewegung
niemals die Einleitung der nationalfogia-
liſtiſchen Revolution ſein konnte. Sie hat
das Bildungsſyſtem der „Vorläufigkeit“, das
unſere Schulen beherrschte, indem es jeder
Entſcheidung aus dem Wege ging und die
28 Kleine Beiträge
formale Bildung an die Stelle ſetzte, nicht
überwunden, weil ſie nicht in die politiſche
Wirklichkeit vorſtieß und nur zu ſich ſelbſt,
nicht zu Deutſchland aufgebrochen war.
„Aus dem Erlebnis der Relativität ent-
ſtand in jugendlichen Herzen die Sehnſucht
nach Abſolutheit. Gegen die Schule der
methodiſch geleiteten Vorläufigkeit wandte
ſich die Jugendbewegung. Es iſt eine
für die Beurteilung der gegenwärtigen
Lage entſcheidende Frage, ob dieſe Be⸗
wegung mit ihrem Proteſt gegen die Be⸗
trachtung des Jugendalters als eines Alters
des bloßen Reiferwerdens die geiſtige Welt
und die Pädagogik der Schule, gegen die ſie
ſich wandte, wirklich überwunden hat. Wäre
dies der Fall, dann müßte das neue Deutid-
land und ſeine Erziehungswiſſenſchaft bei
der Jugendbewegung anknüpfen können, es
wäre ſchon etwas vorgegeben, auf dem weiter
gebaut werden könnte. Aber es muß bereits
befremden, daß von dieſer in ihrem Kerne
fo „pädagogiſchen“ Bewegung innerhalb der
Theorie kein ernſthafter Vorſtoß gemacht
worden ift. Einige Univerfitätslehrer
(Spranger, Nohl. Die Schriftleitung), die
von Diltheys Erlebnisbegriff ausgingen,
glaubten für einen Augenblick das neue Beit-
alter zuſammen mit der Jugendbewegung in
Theorie und Praxis heraufführen zu
können. Allein das Bündnis im „Erleben“
erwies ſich als inhaltlos und verfliegend. Es
lam nicht zur Aeberwindung des Syſtems,
auf das die Schule mit dem Prinzip der
Vorläufigkeit gebaut war. Der Formalis-
mus wurde ſtets nur im täglichen Frontal-
angriff geſchlagen, aber niemals überwunden.
Ein „ordinärer Sieg“ (d. h. ohne ſtrategiſche
Folgen. Die Schriftleitung) folgte dem
anderen, die Schule ſelbſt aber und die
Lebensform, der fie diente, blieben unan-
getaſtet. Die Führer dieſer Jugend (Blüher,
Wyneken) pochten auf das „Leben“ gegen
Form und Begriff und merkten nicht, daß es
nicht darauf ankam, ordinäre Siege gegen
Form und Begriff zu erfechten, ſondern
eine neue Welt mit Formen und
Begriffen zu ſchaffen. Sie ver-
mochten der deutſchen Jugend das Gelbft-
gefühl des Jugendalters wieder zu geben,
aber dieſes Selbſtgefühl wucherte im leeren
Raum und entartete in Sentimentalität. In
die politiſche Wirklichkeit ſtieß die Bewegung
nicht vor, das Jugendreich glaubte ſich
über diefe Tages wirklichkeit und ihre Kämpfe
erhaben. So blieb es bei der Deklamation:
Jugend als Zuſtand eigener Art und eigenen
Rechts — die Aufgabe aber, an der dieſe
Jugend hätte wachſen und ſtark werden
können, wurde nicht geſtellt. Der Begriff
„Jugend“ beſtimmt eben nicht einen geiſtig ·
politiſchen Horizont, ſondern nur einen
natürlichen. Die Eintragung dieſes natür-
lichen Horizonts in die politiſch⸗geſchicheliche
Sphäre mußte einen Scheinhorizont er-
zeugen, für den das Wort Jugendreich der
betreffende Ausdruck war. Die Jugend
war zu ſich ſelbſt, nicht zu
Deutſchland aufgebrochen. Der
Zauberbann des Anpolitiſchen, der über der
Bewegung von ihren Arſprüngen her lag,
konnte nicht mehr durchbrochen werden, und
der ſtarke Anſtoß, der von der Jugend —
Frontgeneration — kam und ſich ins⸗
beſondere im Leben der Hochſchule fühlbar
machte, verwandelte die bündiſche Bewegung
nicht in eine politiſche. Es kam wohl
an manchen Stellen zu einer Po-
litiſierung, aber nirgends zu
einem urſprünglich⸗politiſchen
Einſatz.
Als die urſprünglich⸗politiſche Bewegung
Adolf Hitlers um die Macht in Deutſchland
kämpfte, zeigte das Verhalten der Bünde
klar, daß der Aufbruch der Jugend im Ho-
rizont der zeitloſen „Jugend“, nicht im
Horizont der geſchichtlich⸗politiſchen Lage er-
folgt war. So kam es ans Licht, daß
die Jugendbewegung nicht die
Einleitung der nationalfogia-
liſtiſchen Revolution war, fon-
dern das Ende eines ſterbenden
Kleine Beiträge 29
Zeitalters, die letzte Emanzi
pations bewegung der liberalen
Epoche. Hieraus wird verſtändlich, daß
dieſe Bewegung auch in der pädagogiſchen
Theorie unfruchtbar bleiben mußte. Sie war
nur Gegenbewegung, nur Antitheſe, ſie ſtellte
dem Prinzip der Vorläufigkeit das Prinzip
der Nichtvorläufigkeit entgegen, aber fie ver-
mochte nicht zu zeigen, wie die Schule aus-
ſehen müſſe, die nicht mehr auf das Prinzip
der Vorläufigkeit gebaut iſt.“
Recht und HiHi
Nicht nur die Idee muß propagiert und
in die Herzen der Volksgenoſſen eingemeißelt
werden; die lebendige, aus den Notwendig ·
keiten des Lebens erwachſene Tat muß zu⸗
ſammen mit allen Handlungen, die in die
Zukunft weiſen, die Richtigkeit der welt-
anſchaulichen Grundſätze dokumentieren.
Worte allein gelten nun einmal nicht auf
dieſer Welt, es kommt auch auf die Tat an
und auf die materielle Subſtanz, die den
Volksgenoſſen das Leben nicht nur er-
möglicht, ſondern auch lebenswert
macht. Die entſcheidende Bedeutung diefer
Tatſache hat der RNeichspreſſechef der
NSDAP, Dr. Dietrich, in feiner Rede
über das Wirtſchaftsdenken im Dritten
Reich eindeutig herausgeſtellt. Er führte
aus, daß der Gemeinſchaftsgedanke ſowohl
dem Betriebsführer als auch dem Gefola-
ſchaftsmitglied etwas beſonderes bedeuten
müſſe. Man könne nicht immer nur ſagen,
daß jeder Volksgenoſſe an ſeiner Stelle dazu
da ſei, in der Volksgemeinſchaft ſeine Pflicht
zu erfüllen. Solche Reden könnten
auf die Dauer niemanden über-
zeugen. Die Weltgeſchichte laufe
von der Pflicht und der Selbit-
loſigkeit allein nicht weiter.
Jeder Menſch lebe und arbeite, um glücklich
zu werden. Auch der einfachſte Arbeiter will
vorwärtskommen im Leben, ſeine ſoziale
Stellung verbeſſern. Die Hoffnung auf das
perſönliche Fortkommen für ſich und ſeine
Kinder und der Glaube an die Möglichkeit,
es zu erreichen, läßt viele Volksgenoſſen ihre
ſchwere Arbeit leichter empfinden. Reichs-
preſſechef Dr. Dietrich wies dann mit Recht
darauf hin, daß das Gerede von der
ſelbſtloſen Pflichterfüllung
manchmal von recht weltfremden
Moraliſten und ebenſo oft. von
unſozialen Kapitalelementen
in die Welt geſetzt werde, die
auf die Einfältigkeit ihrer Mit-
menſchen ſpekulierten. Der Natio-
nalſozialismus aber will etwas ganz anderes.
Die arbeitenden Volksgenoſſen müſſen be⸗
greifen, daß man dem eigenen Intereſſe am
beſten dient, wenn man das Wohl der Ge-
meinſchaft an die Spitze ſeiner eigenen
Wünſche ſtellt. Nur wenn man ſeine Pflicht
gegenüber der Gemeinſchaft tut, werden die
Grundlagen geſchaffen, auf denen ein eigenes
perſönliches Glück ſich aufbauen kann. Es iſt
ſelbſtverſtändlich, daß diefe Auffaſſung vom
Glück nicht das geringſte mit ſchrankenloſem
Egoismus zu tun hat. Aeber allem ſteht das
Gebot der Volksgemeinſchaft. Ein jeder muß
erkennen, daß nur im Rahmen eines ge⸗
funden und geordneten Bolts- und Staats-
lebens eine ſoziale Höherentwicklung des
Einzellebens möglich ift. Es ift alfo felbit-
verſtändlich, daß manchmal die Intereſſen
der Volksgemeinſchaft eine Beſchränkung der
Wünſche des einzelnen verlangen. Im letzten
Grunde jedoch werden dadurch erft die Bor-
ausſetzungen geſchaffen, durch die der ein-
zelne eine beſſere Ausgeſtaltung feines Da-
ſeins erreichen kann. Die nationalſozialiſtiſche
Auffaſſung vom glücklichen Daſein des Men⸗
ſchen hat alſo nichts mit dem Gedanken einer
unbeſchränkten Glückſeligkeit und auch nichts
mit irgendwelcher Humanitätsduſelei zu tun.
Aus dem Gedanken der Volksgemeinſchaft
ergibt ſich vielmehr, daß das Leben des ein-
zelnen Volksgenoſſen nur im Rahmen einer
gerechten Abwägung von Rechten und
Pflichten gegenüber elt und Staat fig
geſtalten kann. Rh. B.
30 Außenpolitiſche Notizen
Tavsif naw Gelichisfarbe
Die Verwaltung der peruaniſchen Staats-
eiſenbahnen überrafht uns mit einer Neue-
rung, die auf den erſten Blick beſtechend
wirkt. And zwar werden in Zukunft alle
Reiſenden, die Héi durch nichtweiße Gefidts-
farbe auszeichnen, zum halben Preiſe be-
fördert, mit der Begründung, es handele ſich
bei allen Farbigen um die ſozial ſchlechteſt
geſtellten Schichten der Bevölkerung. So-
weit ſchön — die Berechtigungsfrage muß
man ſchließlich dem ſtatiſtiſchen Wirtichafts-
amt Perus üÜberlaſſen. Gewiſſe Kompli-
kationen und Folgerungen laſſen ſich jedoch
von hier beurteilen: unſeres Wiſſens müßten
die immerhin auch farbigen Chineſen, Be-
figer großer Handelshäuſer und Suder-
plantagen, Banken und Neſtaurants, aus-
genommen werden, ſonſt paſſiert es, daß
Gelbe wegen ihrer nichtweißen Hautfarbe
auch in der erſten Klaſſe nur den halben
Preis bezahlen. Man wird alſo notgedrun-
gen die Tarifierung der Farbigen ſo vor⸗
nehmen müſſen, daß die Gelben nach weißen
Tarifen berechnet werden. Andererſeits —
das Los vieler europäiſcher Einwanderer iſt
ſchwer, ihnen geht es zumindeſt die erſten
Jahre ſehr ſchlecht: aber es iſt ſchon recht,
daß fie mehr bezahlen müſſen: weiße Haut-
farbe verpflichtet eben in der ganzen Welt.
Bloß eben, daß fie in Peru anders ver-
pflichtet, als etwa in Südafrika, wo ſelbſt
in den engſten Straßenbahnen Durbans und
anderer Städte zwar die Preiſe nicht ver-
ſchieden find, aber geſonderte Abteile für
Weiße und Schwarze beſtehen. Die Inder
haben es febr übelgenommen, daß fle auch
in dem farbigen Abteil fahren müſſen. Auch
in den Staaten gibt es noch Strecken, auf
denen ſelbſt die großen Fernzüge einen ge-
ſonderten Pullmanwagen für bemittelte
Neger haben. Aeberall in der Welt wehrt
man ſich alſo bei den Bahnverwaltungen
nur gegen die reichen Farbigen und trennt
ſie von den Weißen. Denn in die unteren
Klaſſen ſteigt dort der Weiße doch nicht
ein — oder nur, wenn er halfcast iſt.
Alſo hat ſich die peruaniſche Cifenbabn
wirklich ein Verdienſt erworben. Bloß —
man fragt ſich, warum reiſen denn eigentlich
die minderbemittelten Braunen und Noten
foviel? Man hört doch, fie führten ein fehr
beſcheidenes Leben, was wollen ſie dann auf
der Eiſenbahn? Der ſchlechtgeſtellte euro-
päiſche Einwanderer muß jedenfalls viel
mehr reifen, um Arbeit und Brot zu er
halten. Alſo kann die peruaniſche Bahn mur
zwei Gründe für ihre Maßnahme haben:
entweder will fie dadurch die Braunen be,
wegen, mehr zu reiſen; oder man erwirbt
ſich einen guten Ruf, ohne dafür viel Geld
auszugeben, denn der Ausfall dürfte ſehr
gering fein. Im übrigen verfügt Peru über
etwa 3500 Kilometer Eiſenbahnen, iſt aber
noch etwas größer als Südafrika, das
20 000 Kilometer Eiſenbahnen befährt!
Die letzte Frage: wollen denn alle Brau- |
nen und Roten nun nur den halben Preis
zahlen? Es geht das oft beſtätigte Gerücht,
daß der Verbrauch an weißem Puder für
die Damenwelt Südamerikas deswegen ſo
ungeheuer hoch ift, weil auch die Nichtganz ⸗
weißen gerne Weiße ſein möchten. Müſſen
nun in Peru ſolche Ungernfarbige — ſehr
viele an Zahl — vor dem ſcharfkontrollie
renden Schaffner die Strümpfe ausziehen,
um die wahrſcheinlich ungepuderten, alſo
farbechten Beine vorzuzeigen?
Hans Humbold.
AUSSENPOLITISCHE ofi 774
Randbemerkungen 31
Hfliehieifes —
Boamtenentlafiunstavend
Wo? — In C. S. R.
Der Vorwände zur Deutſchenverfolgung
in der Tſchechoſlowakei und anderwärts
gibt es bekanntlich viele. Dennoch aber iſt
es der „Nar. Střed“, dem Organ der
tſchechiſchen Gewerbepartei gelungen, einen
neuen und höchſt originellen Grund dafür
zu finden. Das Blatt ſchreibt: „Der Um-
ſtand, daß die Leiter der meiſten Steuer-
behörden Deutſche find, iſt ſchon aus
nationalen Gründen bedenklich. Aeberdies
ift ein Deutſcher in feinem Pflichteifer be,
reit, jeden Erlaß, ſelbſt den abſurdeſten, zu
erfüllen. Daraus könnte man bei der gegen-
wärtigen ſtrengen Steuerpraxis ſchließen,
daß die Deutſchen abfihtlih zu Vorſtänden
der Steuerverwaltung erwählt werden. Die
Partei wird deshalb beim Finanzminiſter
und auch bei der parlamentariſchen Spar-
und Rontrollfommiffion intervenieren. —
Wie die intervenierten Stellen auf dieſen
ſeltſamen Schritt reagieren werden, iſt jedem
Kenner der Verhältniſſe in C. S. R. un-
weifelhaft.
Pflichteifer als Entlaſſungsgrund für
Staatsbeamte. — Fürwahr, es wähne keiner,
daß er ſchon ausgelernt habe! Job.
„Deuiſdbes Auslanbsiuftitt”
in Bien
Es mutet wie ein Witz an, aber es ijt
dennoch fo: Blättermeldungen zufolge plant
man in Wien die Errichtung eines eigenen
„Inſtituts für das Auslandsdeutſchtum“ nach
Stuttgarter Muſter! Wie angegeben wird, ob.
liegen die Vorbereitungsarbeiten einem öfter-
reichiſchen Verband für deutſche Volkskraft“.
Wie reimt ſich aber nun ein Inſtitut,
welches das Deutſchtum der ganzen Welt
andbemerkurs
als völkiſche Einheit betrachten fol und da-
nach auch ſeine Tätigkeit einrichtet, mit dem
„öſterreichiſchen Menſchen“ zuſammen, der
doch dieſen Zuſammenhang des Deutſchtums
in aller Welt leugnet? And wie iſt ferner
ein „Verband für deutſche Volkskraft“ mit
einer Politik in Einklang zu bringen, die
dieſem Ziel zuwiderläuft und alles tut, um
das „Deutſche“ als Begriff aus dem
Leben Oeſterreichs zu verbannen, ja ſogar
bemüht ift, das Wörtchen „deutſch“ auch aus
dem. Sprachſchatz des chriſtlichen Stände⸗
ftaates zu verdrängen?
Welchen Nutzen bafi du?
„Ehrenwache“ — das ſcheint auf den erſten
Blick eine ſoldatiſche, wenn nicht gar hel-
diſche Angelegenheit zu ſein. Vermutlich
haben das die Gründer dieſer „Vereinigung
eifriger Seelen“ auch vortäuſchen wollen,
um den „jungen Leuten“ entgegenzukommen,
die offenbar nur für irgendetwas Be⸗
geifterndes zu haben find. Aber die Wer-
bung für die hoffentlich nur in geheimer
geiſtiger Dimenſion eriftierende Ehrenwache
ſcheint mit Begeiſterung allein keinen rechten
Erfolg gehabt zu haben. Sie läßt alfo Flug-
blätter verteilen, u. a. mit der fetten Schlag ·
zeile: „Welchen Nutzen haſt du?“
Na alfo! Ehrenwache als vernünftiges
Geſchäft auf Gegenſeitigkeit. Für die Ehre
allein kann man ſich nichts kaufen, geſchweige
denn in den Himmel kommen. So aber,
„nimmſt du zu an Tugenden, und viele Ber-
dienſte werden dein ewiger Reichtum ſein“.
Das ganze „dient dem Zwecke der Geelen-
rettung“, heißt „Ehren wache Mari-
ens“, iſt ſtreng katholiſch, und der Eintritt
koſtet nur eine Reichsmark. Wer mehr gibt,
bekommt „ein Bildchen“. Poſtſcheckkont⸗
München 3965. hy.
32 Vom Büchermarkt
Noſenberg und die Bibel. Zum Streit um
den thus des 20. Jahrhunderts“.
Bon Prof Dr. Hugo Koch. 1
Th. Fritſch jun., Leipzig C 1. 1. N
Die Aufgabe dieſer kurzen Schrift be⸗
eht darin, mit eindeutiger und durch um⸗
aſſendes Material ausgezeichneten Beweis
Ben die Angriffe gegen den „Mythus“
gs abzuwehren und auf rein wiffen-
Ca er Grundlage in fadlidem Ton
ie umſtrittenen Fragen zu klären. Scho⸗
nungslos werden alle jene = nierten
Methoden der fogenannten enſchaft ·
ier“ des politiſchen Kathollsts mins auf-
Se die pase a etan find, die wahren
rkenntniſſe 3 telen und durch ver-
logene Darſtellungen entkräften. Koch
gibt in dieſem Buche eindeutig wiffenfdaft-
iche Belege für die Ananfechtbarkeit und
Lauterkeit der Behauptungen des e
en im Dienfte der Dunkelmänner.
Abrechnung mit den Verſaſſern und
Sistermännen der „Studien zum My-
thus des 20. Jahrhunderts”. Von Alfred
Miller. Verlag Theodor Fritid jun.,
Leipzig C1. 1. R
An zahlreichen „ in der Kirchen ⸗
und Dogmengeſchichte beweiſt Miller die
SE „Ansulängtigteit jener Män-
ner, Die in glaubten, die
wiffenſchaftliche en epre E Neoſenbengs in den
Schmutz zu ziehen. Es wird dee, mit
welcher borgetdufdten „Wiſſenſchaftlichkeit“
man Entſcheidungen und Aeußerungen nn-
fehlbarer Päpſte zu allen Zeiten be ae
hat. Mit großer Sachlichkeit ift hier
Netz von Verwirrungen und Verſtr h
entfaltet worden, das die ſogenannten
„wiſſenſchaftlichen Dunkelmänner“ dem aut-
gläubigen Laien übergeworfen hatten. Man
kommt mit Recht zu der Aeberzeugung, daß
u KEE alleg an e ift, als das
Sud 3 Streben
> Aufri ae = Gegenteil eher der
Verſuch mit rrigen Beweiſen einmal er-
kannte Wahrheiten auszulöſchen, um die
Auswirkungen unangenehmer Erkenntniſſe
zu verhindern. In gerade einer der Wiffen-
ſchaft ohnſprechenden Form wurde in den
udien“ über jede hrheitsliebe und
Ehrlichkeit hinweggeſchritten, nur aus dem
Verlangen heraus, Erkenntniſſe im Keime
zu erſticken, die vielleicht angetan fein tonn-
ten, beſtimmte ſogenannte unerſchütterliche
Machtbereiche des politiſchen Katholizismus
8 vernichten. Es iſt ein beſonders großes
erdienſt Millers, die Methoden dieſer
dunklen Wiſfenſchaftler einmal klar her ·
ausgeſtellt zu haben und zu zeigen, wie
gerade beate vA e: tholiſchen Theologen ver-
ſuchen, aus i irchengebundenheit Ber,
aus ihre Wifi enſchaft als allein maßgeblich
und richtig hinzuſtellen und jede andere
außerhalb ihres Denkungskreiſes auf-
tauchende Meinung zu verdammen und aus-
zurotten. — Ri —
Gef bands Wirklichkeit. Von Erwin
egte. Verlag von J. C. B. Mohr
(Giebed), Tübingen 1935.
Diefe etwas erweitert gedruckte Kölner Antritts-
vorleſung will aus der Bee de der überlieferten und
„an? on. geſchichtsphiloſophiſchen Arbeit vier
ben, die zum W der ge:
ER Wine Siet bringen , eg 1. als
S e der bs eit aia k des
bens; 2 Das 6 Geh ern
nattonal-
roatettt 3 NEEN Se erhalte es
von Natur (sRa te kommt der Ger:
faſſer miht a e pais WE und Forderun⸗
gen hinaus. „Gelſtes als Geſchichte “
ringt es De 8 118 als zu einigen Warnungen, ja
die Rale nicht zu vergeſſen Sonſt he erscht das
sc Bemühen vor, die Tradition nicht zu ver:
aſſen
Für eine deutſche Philoſophie der Geſchichte aber
find Entſcheidungen nötig, nicht Korrekturen an der
Tradition. E. L.
„ Ginter Kaufmann in Urlaub). 1 85 Karl Lapper. wil
m Macht“, b po Berlin D 7 Ber u“ 5 10. D 2 5841. Verlag: EE e Jugend.
verlag G. m. Lin Berli 81 3819 0 Tel, — . für den Anze NC SE
Wine und’ ‘staat dr jj LEE Sexe EYS 0 b
e t n en gen verlag oder jede deu uchhandlung [owie dur
die ſtbezug vie Pa den, 105 gen a Bei Beſtellung von 1 win 8 emelnek wie bur
uzügl
bitte den Betas in Briefmarken kaka na Nacht
erledigt werden kann. Maſſen p durch den Verlag
H
neenbung zu 1 it und diese dingungen ſonſt nicht
„den g ganzen Nitus,
den Kult und das voͤlkiſche Brauchtum
ch Me nu zu rer e nur ein Leben ſitilicher Länternung
tennen und dulden wollte
„Endlich tft der große di = Roman SH Hermann den Cherusler dal Der Dichter
fellt mit dewunderswerter Kraft und mit PLN Kenntnis die germaniſche Welt
der ebmifdhen bermacht entgeaen, er cent viel Weſentliches und Weſenba es aus
der Frübgeſchichte unſerer Vorfahren
„Man ſpürt hier Sleidniffe und Sinnbilder, man legt das Buch 5 Herzens
te und mag vorläufig zu keinem anderen greifen. as Bd dful des erften
Gen ſchwingt lange in uns nach, läuternd, Färtend und Definnung fordernd.“
dt Heinz Beobachter / Über de
%% ũ . RE eaa er den großen früb
Der eefe Deutſche
von Profeſſor Hjalmar Kutzleb
Ò Das Werk ift für RM. 5,50 in Leinen gebunden in jeder Buchhandlung
zu haben. Verlangen Sie die koſtenloſen Leſeproben.
we Georg Weftermann / Braunſchweig / Berlin W 35
„ —
Eberhard Wolfgang Möller
Das Schloß in Ungarn
Roman. 60. Tauſend.
Eberhard Wolfgang Möller, der mit dem nationalen Bud-
preis 1934/35 ausgezeichnete Dichter des jungen Deutſchlands
bat mit ſeinem Roman „Das Schloß in Ungarn“ wieder ein
Werk geſchaffen, das ganz am Geiſte der HJ ausgerichtet iſt.
Volkstum und ſoldatiſche Haltung find die beiden großen Ge-
danken dieſes Buches, deſſen ungemein ſpannende Handlung in
die ungariſche Revolution von 1848 führt, und das aus der
Gegenüberſtellung des Soldaten und des für ſein Volkstum
kämpfenden Revolutionärd immer neue Höhepunkte ſchafft.
Dieſes Buch iſt uns allen aus dem Herzen geſchrieben.
419 Seiten. Pappband RM. 4,50, Ganzleinen RM. 5,50.
— ...... T —.—i—
Zeitgeſchichte
Verlag und Vertriebs⸗Geſellſchaft m. b. H., Berlin W 35
Munchen 43 2116
Schriftltg. der N 8 Frauen-
warte Fach 80
Bücher für die Sugend
des neuen Deutſchlands
Audi uud Oedunnus / Grundlagen einer national-
N Ethik. Von Georg Aſadel. 2. Auflage. Kartoniert
M. 1,50. / Die Forderungen, die das Buch in klarer, abſolut
allgemeinverſtändlicher Formulierung und ſauberer, gepflegter
Sprache erhebt, find die fundamentalen Forderungen L
fozialiftifher Haltung. Reths-Gugend-Preffedtent
SGefolatebakt / Der germaniſche Bampfbunb. Bon
Dar Wagenführ. Mit (lr. Abb. Kartoniert . 1,80; Leinen
RM. 2,80. / Der Verfaſſer pelot das Gefeg des germaniſchen
Kampfbundes an Hand von islaͤndiſchen und frühgermaniſchen
Heldengedichten, Geſchichten und Sagen in einer netten Auswahl.
Jeder Junge wird darin begeiſtert leſen. Stuttgarter NS. Kurter
aus Geſchichte des Kationalſosialismeus
Von Walter Frank. 3. Auflage. Kart. RM. 1.—. / Wir e
daß jeder Führer der jungen Garde, daß jeder geiſtig und politiſch
wache Deutſche diefe großen Güter einer neuen Geſchichts⸗
betrachtung ch aufnimmt; denn Frank weilt, die Vergangenheit
deutend, den in die Zukunft. Wille und Macht
Dibtuns der jungen Mannschaft / Betrag.
tungen zur deutſchen Dichtung der Gegenwart. Von Hellmuth
Langenbucher. Kart. RM. 2,—. / Mit einem friſchen Ton, mit
leidenſchaftlicher Hingabe an die deutſche Dichtung der Gegenwart
at Langenbucher einen Aeberblick über junge Dichter wie Heinrich
nader, Eberhard Wolfgang Möller, Gerhard Schumann, Val dur
von Schirach, Hans Schwarz u. a. gegeben. tr Landeszeitung
Dieteich Cari / Leben eines deutſchen Dichters. Von
Ridhard Euringer. Kartoniert RM. 1,—. / Beſonders plaſtiſch
tritt uns in dieſer ſchönen kleinen, mit dem Dichterbild geſchmückten
Schrift Eckart als einer jener Revolutionäre entgegen, die ernft
machten und den Kampf aufnahmen mit allen Gliederungen des
öffentlichen Lebens ihrer Zeit. Wir heißen dieſe Schrift deshalb
willkommen. Voͤltiſcher Deodacheer
Durch alle Buchhandlungen zu beziehen
Hauſeamiſche Devlassanfialt Hambuvs
Wacht
Mbrerorgan der nationalſozialiſtiſchen Zugend
|
us dem Subalt:
BE Möller / Die Feier des ſahrhun.
Humbold / Der Südosten im europäischen Schachspie,
E / Grundzüge der deutschen Hal.
Lange | Ludwig Woltmann — Hüttig / Schrifttum zur Rassenfrage — W. U. I Bei Georg
| Kleine Beiträge — Randbemerkungen — Vom Büchermarkt
Halbmomatsſchriſt / Seft 5 Berlin, den 1. Mats 1936 Einzelpreis 30 Pia.
Die Feier des Sabrhunderts. . . . . 2 22... Eberhard Wolfgang Möller
Grundzüge der deutſchen Haltung Richard Euringer
Ludwig Woltmanuauaunungzgz/ . ee eee Ernft Lange
Schrifttum zur Raffenfrage . . 2 . 2. Dr. Werner Hüttig
Bei Georg Kolbe . . ee W. A.
Der Südoſten im europäiſchen Schachſpiel . . . Hans Humbold
Kleine Beiträge:
Auslandsdeutſche und „Auslandsöſterreicher“ . . Fritz Bauer
Randbemerkungen
Vom Büchermarkt
Kunſtdruckbeilage: Georg Kolbe. — Selbſtbildnis; Studie; Stralſunder
Ehrenmal; Mädel. (Alle Aufnahmen: Schwartzkopf, Berlin-Spandau.)
———— — —— — — — Se, ës
acht
GRD vevorsan dev nationalfosialiftiiden Susend
dahrgang 4 Berlin, 1. Marz 1936 Heft 5
Eberhard Wolfgang Möller:
Die Seier des Sabsbhundevts
Laßt uns die Zeichen verſteh'n,
wenn auf den Bergen der Welt
aus dem Gewölke der Tau
fruchtbar herniederfällt.
Seht die Erwachenden an;
ſeht ſie mit Lichtern gekrönt.
Hört den Erwecker, den Sturm,
der aus den Tälern ſtöhnt.
Hört und erhebt euern Mund,
um diefe Stunde zu weih'n;
jeiert die Ankunft der Zeit
voller Geſang und Schalmei'n.
Heller ſei euer Mut
als alles frühere Licht
und der Sturm werde ſtill
vor eurer Zuverſicht.
Möller | Die Geter des Jahrhunderts
Denn nicht von ungefähr beginnt, was jetzt beginnt;
es hat die Ahr des Himmels angeſchlagen
und den Entſchloſſ'nen ſcheidet von dem Zagen
der Spruch, dem kein Lebendiger entrinnt.
Zu ſeinesgleichen wird ein jeder zugeſellt,
ja ſelbſt die Toten ruft er zur Parade,
und zu den Toten wirft er ohne Gnade,
was nicht von innen ſeine Kraft erhält.
Der Troß der Zeit zertritt es mit den Hufen,
und was von Steinen kommt, das wird zu Stein.
Was aber fruchtbar iſt, das iſt berufen
Im Zuge derer, die da ſind, zu ſein;
und über abertauſend hohe Stufen
geht es zum Ruhme des Jahrhunderts ein.
O du Jahrhundert, welches uns geboren!
O brüderliches Jahr, das uns empfängt.
Es klopft das Angeheure an den Toren
mit einem Finger, der die Riegel ſprengt.
Der Zukunft feierliche Abgeſandte
entrollen das geheime Pergament,
und noch der Zweifler hebt das abgewandte
vergrämte Haupt, auf dem die Schande brennt.
So ſteht beiſammen, was das Anglück trennte,
und hört die Botſchaft, die zum Herzen greift,
indeſſen aus dem Sturm der Elemente
die hohe Blume der Verſöhnung reift.
Die mir das Tägliche kennen,
kennen das Ewige nicht;
ihre Seelen verbrennen,
aber ſie leuchten nicht.
Die nur das Tägliche meinen,
haben Gott nie gekannt;
was ſie bauen aus Steinen,
bauen ſie auf den Sand.
Die nur dem Täglichen dienen,
ſind ohne Ziel und Stern;
nah iſt die Mühe ihnen,
doch die Erfüllung fern.
Möller / Die Feier des Jahrhunderts
Herr, laß am jüngſten Tage uns beſtehen,
wenn noch der ärmſte Hirt ſein Lämmchen bringt;
es werden viele Werke untergehen,
o gib, daß uns das unſere gelingt.
Du, der du weißt, daß zwiſchen dem Verſprechen
und dem Erfüllen ſich das Leben müht,
du liebſt den Frommen, doch du zürnſt dem Frechen,
der unaufrichtig dir ins Auge ſieht.
Wer aber ſchafft, der iſt bereit zu geben, °
der Eitle nur verfpricht, was er nicht hält;
das Große wird fidh einſt mit uns erheben,
indes das Anzulängliche zerfällt.
Wir leſen die Müden, die Einſamen auf,
wir ſammeln die Brüder zum Bunde;
das Leben nimmt ſeinen geheiligten Lauf,
uns aber verpflichtet die Stunde.
Was wir dem Glauben zu bauen bereit,
das ſteht noch in Tagen der Kinder;
den Suchenden preiſet die flüchtige Zeit,
doch die Ewigkeit rühmet den Finder.
And heller und feſter erſteht die Geſtalt,
vor welcher die Väter erblaßten;
die ewig Verzagten nur fühlen ſich alt,
wo die Jungen, die Helden nicht raſten.
Wie ſchenk ich dir, du herrliches Jahrhundert,
den Zehnten nur von dem, was du mir gibſt.
Wie faß ich deine Hand, wenn ich verwundert
noch jede Stunde weiß, daß du mich liebſt.
Wie greif ich dich und wie begreif ich deine
Freigebigkeit, die keinen noch vergißt;
wenn du nicht nur der eine Mund, nicht eine
Hand, ſondern viele tauſend Hände biſt.
Ach, laß mich dieſe tauſend Hände faſſen
und jeder ſchenken, was du mir geſchenkt.
Schenken iſt mehr als ſich beſchenken laſſen
und ſelig der, der für die andern denkt.
4 Euringer / Grundzüge der deutſchen Haltung
Richard Euringer:
Grundzüge der deutſchen Haltung
Seit jenem 30. Januar hat die Nation wieder Haltung angenommen. Vordem,
wenn wir unſere Schau deutſchen Weſens anmeldeten, geſchah es in Form von
Forderungen. Heute ſind wir wieder ſo weit, daß wir am lebenden Beiſpiel des
Volkes ſeine Art ableſen können, ſeine Art und ſeine Weiſe. Da prägt ſich als
erſter Grundzug ein jene unerſchrockene Ehrfurcht, die den Kampf des Führers fenn-
zeichnet. Sie ift zum Merkmal der Partei, und fo zum Merkmal des Volkes ge-
worden. Furchtlos in Ehrfurcht ift der Führer, furchtlos in Ehrfurcht ijt
die Partei, furchtlos in Ehrfurcht iſt das Volk.
Vergleicht man andere Revolutionen mit der deutſchen Revolution, fo mag die
Anerſchrockenheit ihr gemeinſames Kennzeichen ſein; über ihre Furchtloſigkeit aber
zeichnet die deutſche Revolution jene furchtloſe Ehrfurcht aus, die nicht zerſtört,
ſondern verwandelt. Ein Beiſpiel wie das des Tages von Potsdam ſteht ſichtlich
ohne Beiſpiel da. Die Revolution, im erſten Anlauf, ballt ihre ganze ſymboliſche
Kraft zu einem Akt an der Stätte zuſammen, die hiſtoriſch heilig iſt! And dies
bedeutet nicht Reaktion, ſondern bedeutet Revolution, die verſchüttete Geſchichte
ſchöpferiſch wieder in ihr Recht ſetzt. Gewordene Formen werden geachtet, das
geſchichtliche Weſen aber ſpringt erlöſt als friſcher Kraftquell. And es ift nicht Ge-
ſchicklichkeit, Diplomatie und Politeſſe, die ſo die Geſchichte erobert als Grundlage
für weiteren Aufbau, ſondern es ift wahrhaftig Ehrfurcht, Scheu vor dem ewig wir-
kenden Weſen, das eines Volkes Mitgift ausmacht. Es gab eine Zeit in dieſen
Jahren, da erhofften gewiſſe Kreiſe vom „Konſervativen“ der Revolution die Hand-
habe für eine Reaktion. Sie ſehen ſich heute endgültig enttäuſcht. Die deutſche Er-
neuerung konſerviert nicht, ſie balſamiert nicht und ſtopft nicht aus, ſie entzieht im
Gegenteil den ewig Geſtrigen auch die Geſchichte und ihr Vermächtnis, die Tradition.
Sie bemächtigt ſich, und zwar in Ehrfurcht, der Vermächtniſſe der Geſchichte und voll-
ſtreckt fie in die Zukunft. Ob es dabei ſich um Reichsreformen oder um den Wieder-
aufbau eines deutſchen Reichsheeres handelt: Nie wird Neues konſtruiert, gufammen-
gebaſtelt und »gekleiſtert, ſondern das Bleibende aus Geweſenem hebt ſich jung aus
der Verweſung. Aus der geſamten Aufbauarbeit ſpricht dieſer Zug, ob es ſich um
Eigenſchaften eines Stammes, um ſeine Trachten oder ſeine Bräuche dreht. Von
der Wiederergreifung des Reichsſchwerts bis zur Judengeſetzgebung tritt das Ber-
mächtnis der Geſchichte plötzlich in das klare Licht einer beiſpielloſen Kühnheit, die
alles andere als romantiſch, aber voll von Ehrfurcht iſt. Romantiſch wäre der Verſuch
tote Formen neu zu beleben, alfo ein Wiederbelebungsverſuch an Geweſenem. Beit-
gemäß kühn iſt der Erweis, daß etwas Ewiges im Volke lebt, das geſchichtliche
Formen geformt hat, ohne darin abzuſterben. Furchtlos bemächtigt ſich die Partei
dieſes lebendigen, ewigen Kraftſtroms, ſelbſt ihre Form hervorzutreiben, aber in
Ehrfurcht vergißt ſie nicht das Gewordene zu ehren, in dem einſt dieſe Kraft gelebt
hat, wenn auch vielleicht nur als Teil der Kraft, die ein Volk unſterblich macht.
Euringer / Grundzüge der deutſchen Haltung 5
Immer wieder Wellen wir feft, daß dieſer Zug der deutſchen Haltung miß⸗
verftanden wird von jenen, die Deutſchlands Verwandlung von außen her ſehen.
Es ſcheint ihnen dieſe Revolution einmal unwahrſcheinlich milde, ſo verſtrickt in
das Geweſene, daß ſie ihrer Wucht mißtrauen. Dann wieder ſcheint ſie ihnen rüde,
traditionslos und brutal, wie die phantaſtiſchſte Konſtruktion. Sie faſſen nicht, daß
die Ehrfurcht kühn ſein kann bis zu dem Grade, da ſie auf Vorbilder verzichtet,
wenn ſie das Arbild eines Traums der Nation vor Augen rückt. And ſie faſſen nicht,
daß die Kühnheit ſo beſtimmt ſein kann von Ehrfurcht, daß ſie Ewiges verehrt, auch
noch in erſtorbenen Formen. Das Kulturprogramm der Partei wie die Kultur-
politik des Reiches wird dem ein Rätſel bleiben müſſen, der den Einklang hier
nicht wahrnimmt. Die Hitzköpfe, die nicht einſehen können, warum die Partei, die
doch die Macht hat, nicht einfach das Hiſtoriſche austilgt, ſcheinen taub für dieſen
Einklang, wie die anderen, denen graut vor der „Willkür“ der Erneuerung. Sie
meinen Neuerungen zu ſehen, und ſie ſollten doch das Geſetz ſehen, nach dem aus
„Altem“ „Neues“ wird.
Das Volk als ganzes aber ahnt etwas von dem, was da vorgeht. Es iſt er-
griffen vom Beiſpiel des Führers, der ſich nicht ſcheut, auf Jahrzehnte, ja auf
Jahrhunderte hinaus ſeine Schau zum Geſetz zu machen, und der doch nie fein will-
kürliches Wollen, ſondern das Lebensgeſetz vollſtreckt. Es iſt ergriffen von
der Güte, mit der er ehrt, was er ſchonen kann, wie von der
rückſichtsloſen Härte, mit der er richtet, was ſich quer legt. And
dieſe Haltung übertrug ſich durch die Partei auf die breiten Maſſen. Sie verſtehen,
was geſchieht, auch wenn ſie es anders erwartet hätten oder keinen Ausweg fänden.
Am Tag, da das Hakenkreuz im Banner endgültig über Deutſchland aufging, machten
gewiſſe Temperamente ſich ſchon bereit, die Bismarckflagge ſchmählich in den Staub
zu ziehen. Da verkündete der Führer die Farben des Reiches: Schwarz⸗Weiß⸗Not.
Das Volk aber griff ſich an die Stirne und ſagte ſich: „Wahrhaſtig, ſo iſt es: entweiht
hat euch, ihr deutſchen Farben, die Revolte von Verbrechern. Neu geweiht im
Staatsſymbol hat euch der Retter der Revolution.“
Dies eine Beiſpiel ſpricht für viele.
Als zweiten Grundzug der deutſchen Haltung nennen wir den einer Liebe
zum Volke, die unerbittlich und ſchonungslos ift. Sie ergänzt
den Zug der Ehrfurcht. Nie hat die Führung ſich geſcheut, dem eigenen Volke wehe
zu tun. Schon zur Zeit des Kampfes um die Macht hieß die einzige Verheißung:
Ihr ſollt opfern! Ich fordere von euch! Ihr müßt ſterben, wenn es nottut! Ihr
werdet von Haus und Hof verjagt! Ihr wandert in Kerker und Gefängnis! Ich
werfe euch dem Terror entgegen, waffenlos, den Mördermaſſen! Der Kampf wird
dauern, vielleicht noch Jahre! And dann fordere ich neue Opfer! And dann hebt
der Kampf erſt an! And dann wird uns die Welt verfehmen, und dann werden
wir neue Not, neue Qual und Mühſal tragen und ertragen müſſen, und das Ziel
wird weiter rücken, über eure Opfer weg, über Geſchlechterreihen hinweg, in eine
harte Zukunft hinein, die immer härter werden wird, je mehr mein Wille die Nation
formt!
6 Euringer / Grundzüge der deutſchen Haltung
And ſo iſt es denn gekommen. Eine müd verſpielte Jugend, die ſchon bereit
ſchien unterzugehen, riß ein beiſpielloſer Griff an die Partei, an den Staat heran,
und ſtellte ſie knieblößig auf zwei Beine. Wie viel ängſtliche Sorgenmütter, redliche
Eltern und Erzieher haben damals den Kopf geſchüttelt, über den „Frevel“, die
Geſundheit junger Menſchen ſo dem Wetter auszuſetzen! Noch heute ſtaunen wir
immer wieder, mit welcher Selbſtverſtändlichkeit die Jugend die ſpartaniſche Zucht
ihrer Lager und Märſche hinnimmt; nein, nicht hinnimmt, ſondern ſtolz iſt auf ihre
Haltung.
So ging es mit dem Arbeitsdienſt. Angejault, wo nicht angefault von Jazz-
muſik und Halbweltallüren ſchien der Großſtadtjüngling verdammt, Schieber zu
werden und Flaneur, Zierbengel und Eckenſteher. Da nahm ſich ſeiner eine Fauſt
an, nicht der zärtliche Fürſorgefinger, der immer nur den „rechten Weg“ weiſt,
ſondern die Fauſt, die eiſern zupackt. Das Ergebnis beſtaunen wir Jahr für Jahr
auf dem Reichsparteitag; rieſige Mannſchaften junger Männer, geſchunden von
Froſt, gehärtet von Sonne, in einer Selbſtverſtändlichkeit ſchlichten Dienſtes, ſtummen
Gehorſams und unbändiger Lebensluſt.
So geht es mit der Volksarmee, ſo mit den Scharen junger Flieger. An
Stelle des Wohlfahrts- und Fürſorgegeduſels, der die Aus-
leſe verkehrte, immer das Minderwertige päppelnd, trat
die Liebe einer Führung, die den züchtigt, den ſie auslieſt. Ja,
dieſer Zug der deutſchen Haltung iſt ſo weit Allgemeingut geworden, daß wir die
Schonungsloſigkeit dieſer Liebe kaum noch fühlen. Wir alle ſchämen uns Tag für
Tag unſerer Lauheit, unſerer Flauheit; jede Gliederung der Partei weiß ſich nicht
genug zu tun, ſelbſt ſich Opfer abzufordern, eh die Führung mahnen müßte. Würde
heute kein Winterhilfswerk, würde kein Parteitag befohlen, kein Appell, kein Arbeits-
dienſt, der einzelne Gau, der einzelne Kreis, die Ortsgruppe, die Frauenſchaften, die
Werkgemeinſchaft, die letzte Gefolgſchaft trüge ſelbſt ihr Opfer an. Was heute
an ſelbſtverſtändlichem Dienſt, an ſelbſtverſtändlicher
Kameradſchaft, an ſelbſtverſtändlichem Gehorſam in Deutſch⸗
landtagtäglich das Volkſichabtrotzt, zeugt von einer Weſens⸗
vet wandlung, wie wir ſie kaum nocherhofften. Es ift ein Gemein-
platz für uns geworden, daß die Züchtigung des Liebſten eine Tat der Liebe ſein
kann, und die Schonung eines Volksfeindes cin Verrat ſogar am Feinde.
Ein dritter Zug ergänzt dieſen zweiten: der der mannſchaftlichen
Haltung. Den Ideologen des Proletarismus ſchwebte eine Maſſe Menſch vor,
die Maſſe Menſchenmaterial, kopflos millionenköpfig, willenlos fanatiſiert. Den
Schönrednern des Liberalismus ſchwebt noch heute das Sammelſurium der Einzel-
gänger vor, deren jeder feinen Weg geht, kreuz und quer durch Intereſſen, „Welt.
anſchauungen“ und Nöte jedes anderen Einzelgängers. Die deutſche Haltung aber
lehrt, daß ein drittes möglich wurde. Der Mann iſt wieder Schultermann und iſt
Vordermann geworden, und die Tuchfühlung im Geiſte läßt uns und verläßt uns
nicht mehr, ob wir auch durch Wüſten wandern. Das Mädel weiß wieder, daß es
nichts iſt ohne den Jungen, der damit aufwächſt, daß es nur ein Glied der Kette im
Euringer / Grundzüge der deutſchen Haltung 7
Beſtan de der Nation if. Was wir die Frontkameradſchaft nannten, das Wiſſen
um Den Anſchlußmann, das Wiſſen um die Kompagnie, um die Front, um Freund
und Feind, ift zum Wiſſen des Volkes geworden. Es hat uns erlöſt aus der
Einſcrrtkeit unſerer abgründigſten Zweifel, aus der Arbeitsloſigkeit, die das Symptom
des Wahnfinns war, als fei der Nebenmenſch nicht Mitmenſch, nicht Schultermann
und WMolksgenoſſe. Es gab dem Kampf auf „verlorenem Poſten“ tröſtlich einen neuen
Sin nm, und ſtünde unſere Generation, und ſtünde dies ganze umdrohte Deutſchland
ſelbe r auf „verlorenem Doften“: wieder find wir eingerammt, eingereiht in unſere
Zeit, Fennvoll Ausdruck unſeres Schickſals.
And dieſen Zug der deutſchen Haltung ergänzt ein vierter und damit letzter,
wo wir in großen Zügen zeichnen: der Zug der Einfalt in der Vielfalt.
Deutſchland iſt nicht uniformiert. Die Leute, die ſo troſtlos meinten, dies dritte
Reich der braunen Hemden werde zuletzt doch ein Kollektiv ſein, haben ſich bekehren
müfſen. Wie die Natur aus einem Strahl den ganzen Farbenfächer aufſchlägt,
ſo hat ſchon äußerlich die Partei eine Fülle und Vielfalt von Farben und Formen
aus einer einzigen Grundform entfaltet, aus der einzigen SA eine unerſchöpfliche
Vielfalt von Formen und Aniformen erwieſen, wie ſie die Demokratie nie kannte.
Nie find die eigenſtämmigen und die eigenſtändiſchen Züge des größeren Deutſchland
ſo augenfällig, ſo farbenfroh und lebensfreudig zutage und ans Licht gekommen wie
nun, da die Führung der Nation die Einfalt ihrer Vielfalt nachwies. Die ſprich⸗
wörtlich gewordene Schlichtheit der Perſon des Führers ſelbſt iſt nichts anderes als
ſolche Einfalt. Das ganze Volk aber hat begriffen, ob in Wiſſenſchaft und Technik,
ob in Kunſt und Politik, daß es niemals darum gehen kann, Einfaches zu komplizieren,
ſondern das Vielfältigſte aus der Einfalt zu erfaſſen. Wenn heute tauſende von
Men ſchen, nach Stand und Herkommen verſchieden, nach Beſitz und nach Beruf, ja
nach Art und Artung ungleich, weitverſtreut im ganzen Reich, einmütig zufammen-
wirken, was auch jeder tu und treibe, ſo deshalb, weil dies vielfältige Weſen wieder
einfã tig geworden, elementar, nicht primitiv, Menſch geworden in der Volkheit.
Die Sinfalt in all der Vielfalt ift es, die es zum erſten Mal ermöglicht, von dem
deut ſctyen Volk zu ſprechen, das Jahrhunderte erſehnt, und daß nun ſo körperlich, fo
gerafft und doch ſo frei, ſo unbändig und gebändigt greifbar mitten in der Welt
ſteht, frurchtlos in Ehrfurcht, von einer ſchonungsloſen Liebe zu ſich ſelbſt und ſeinem
Ich, einfältig vielfalt, Sinn und Sinnbild einer Sendung.
Laß den Schwächling angstvoll zagen,
Wer um Hohes kämpft, muß wagen,
Leben gilt es oder Tod!
Laß die Wogen donnernd branden,
Nur bleib immer, magst du landen,
Oder scheitern, selbst Pilot. Gneisenau.
8 Lange / Ludwig Woltmann
Ernst Lange:
AZudwig Woltmann
1.
Die Verdienſte des faſt vergeſſenen Forſchers Ludwig Woltmann, den ein allzu
früher Tod mitten aus einer ungewöhnlich reichen und fruchtbaren Tätigkeit riß,
find noch in keiner Weiſe gewürdigt. Die Werke über Raffenfragen nennen ihn wohl
meiſt flüchtig, zitieren einige ſeiner Bücher, ohne indeſſen die geſchichtliche Bedeutung
Woltmanns zu erörtern. Seine Bücher fird ſehr felten geworden und fein Name
droht der Vergeſſenheit zu verfallen.
Seiner fih heute zu erinnern ift um jo mehr Pflicht, als ja Woltmanns For-
derungen nunmehr Wirklichkeit geworden find. Denn einer Geſetzgebung, die zur
Grundlage die Sorge um Beſtand von Volk und Raffe hat und einer Geſchichts⸗
betrachtung, die die Bindung des Menſchen an die Natur in ihren Amkreis nicht nur
einbezieht, ſondern zur Grundfrage geſchichtlichen Denkens überhaupt erhebt, war
Woltmanns Forſchertätigkeit gewidmet.
Er war 1871 in Solingen geboren. In ſeiner Jugend war er der Sozialdemo—
kratie zugehörig. Nach dem Studium der Medizin und Philoſophie ließ er ſich
als Arzt nieder und widmete fih vorerſt der Philoſophie in der Abſicht, die Darwin-
ide Lehre zu benützen, um in die marxiſtiſch-ſozialiſtiſche Gedankenwelt die Lehre
von der Naturgebundenheit des Menſchen einzubauen. Auf dem Parteitag der
Sozialdemokratie zu Hannover 1899 ſprach er als Delegierter gegen Bebel, und als
er in die Debatte rief, man müſſe die Tüchtigſten und Beſten an die Spitze ſtellen,
war dies ohne Zweifel ein Durchbruch feines weſentlich von Darwin fibernommenen
biologiſch-entwicklungsgeſchichtlichen Denkens, die Geſchehniſſe der Geſchichte von der
Natur her zu ſehen.
Schon 1898 ſpricht er in ſeinem Buche „Die Darwinſche Theorie und der
Sozialismus“ den Gedanken aus, daß es „im Völkerkampf eine Ausleſe in bezug
auf Macht und Herrſchaft“ gebe. Die Gobineauſche Naſſentheorie, die alle menſch⸗
lichen Kulturſchöpfungen auf den Einfluß germaniſcher Völker zurückführe, habe
„viel Wahrſcheinlichkeit für ſich“, wenn fie auch die Amweltfaktoren allzu ſehr ver-
nachläſſige.
Die bald einſetzende endgültige Wendung zur Raſſenfrage war für Woltmann
um ſo leichter, als von Beginn an die Anthropologie der Ausgangspunkt ſeines
geſamten Denkens war. Sein ſtetes Intereſſe hatte dem ganzen Menſchen gegolten,
dem Menſchen, wie er in den natürlichen und geſchichtlichen Bindungen ſteht. Er
löfte alle parte ipolitiſchen Bindungen, entſagte der politiſchen Agitation und gab
ſich reſtlos mit ſeltenem Eifer ſeinen neuen Aufgaben hin. 1902 gründete er die
Zeitſchrift „Politiſch-⸗Anthropologiſche Revue“, die bis 1920 erſchien und heute ein
wertvolles Archiv für die Geſchichte des raſſiſchen Denkens darſtellt. Vom Inhalt der
Jahrgänge dieſer Zeitſchrift geht es beinahe geradlinig über in die modernen Gr,
örterungen über Ausleſe, Aufartung und raſſiſche Geſetzgebung.
Lange / Ludwig Woltmann 9
2.
Die geſchichtliche Stellung Woltmanns kann (vereinfacht, aber durchaus richtig)
als die eines Mittlers zwiſchen den Darwin⸗Häckelſchen und den Gobineau-
Chamberlainſchen Lehren bezeichnet werden. Darwin hatte in feiner Abſtammungs⸗
lehre den Menſchen als aus der natürlichen Entwicklungsreihe der Lebeweſen hervor-
gehend aufgewieſen. Häckel trat als erſter deutſcher Forſcher für die Lehre Darwins
ein, führte ſie fort, und durch die Aufſtellung des „biogenetiſchen Grundgeſetzes“
ſicherte er den Sieg der Lehre. (Das biogenetiſche Grundgeſetz beſagt, daß jedes
Lebeweſen einſchließlich des Menſchen die Entwicklung ſeines Stammes durch alle
Stufen des Stammes im Laufe der Keimesentwicklung dieſes Lebeweſens in ver-
kürzter Zeit wiederholt.) Beide Forſcher gelten heute unumſtritten als die Väter
des modernen biologiſchen Denkens, auf ihnen hat die Naſſenforſchung aufgebaut, und
ihren wahren Sieg feiern die großen Forſcher erſt heute, da ein ganzes Reich ſeine
oberſten Grundſätze nach den Ergebniſſen der biologiſchen Forſchung auszurichten be-
gonnen hat.
An dieſer Lehre orientiert, geht Woltmann an die Forſchung. Bezeichnend für
die Folgerichtigkeit ſeines Denkens und ſeinen Sinn für die Wirklichkeit der Geſchichte
iſt ſeine Kritik an Gobineau und Chamberlain.
Es bedürfe keines Wortes der Widerlegung, daß der Satz Gobineaus „Im
Fortſchritt oder Stillſtand find die Völker unabhängig von den Stätten, die fie
bewohnen“, „in dieſer Faſſung entſchieden falſch“ fei. „Boden, Klima, Fauna,
Flora, die Nachbarſchaft anderer Völker, ſind wichtige äußere Bedingungen für die
ökonomiſche und intellektuelle Entwicklung der Raſſen. Innerhalb hiſtoriſcher
Zeit vermögen materielle Arſachen die natürlichen Raffenanlagen in keiner Weiſe
weſentlich zu ändern, aber für die Entfaltung diefer Begabungen find fie
unumgänglich nötig.“
Der von Woltmann hochgeſchätzte Chamberlain wird — hier mit Recht — mit
folgenden Worten berichtigt: „Da nach Chamberlains Theorie jeder tüchtige Kerl
in der Welt ein Germane iſt, ſo zieht er willkürlich den Begriff des Germanen
bedeutend weiter, als die hiſtoriſchen Nachrichten und die anthropologiſchen Unter-
ſuchungen geſtatten. So verflüchtigt ſich ſchließlich die „Plaſtizität' der Naſſe bis
zu jener nebelhaften Vorſtellung, wo der Autor ſeinen Lehrer Darwin und die ganze
Naturwiſſenſchaft vergißt: Gewig liegt das Germanentum im Gemüte, wer ſich als
Germane bewährt, iſt, ſtamme er her, wo er wolle, Germane; hier wie überall thront
die Macht der Idee.“ Wo bleibt da die — Raſſe?“
Woltmann, der die Lehre von der überragenden Kulturbedeutung des ger-
maniſchen Menſchen durchaus anerkennt, fritifiert Chamberlain jo, weil er mit dem
Naſſenbegriff völlig ernſt macht. Er duldet keinen Rückzug auf „die Idee“, „das
Gemüt“ u. a. m., wo der Menſch der Beſtimmung ſeiner raſſiſchen Zugehörigkeit
völlig entzogen iſt.
3.
Woltmanns fruchtbarſter Gedanke war die Konzeption einer „Politiſchen
Anthropologie“. Das Buch, das dieſen Titel trägt, iſt ein großartiger,
10 Lange / Ludwig Woltmann
weitgreifender Verſuch, mit den Mitteln der zeitgenöſſiſchen Raffenlehre und vor
allem mit dem Darwinſchen Gedanken des Kampfes ums Daſein, die Erſcheinungen
der geſchichtlichen Welt von den „organiſchen Erzeugern und Trägern“ der Geſchichte
her zu betrachten. Recht und Sitte, Che und Beruf, Stand und Staat werden
einer Betrachtung von den natürlichen Bindungen des Menſchen her unterworfen.
Gegen die bisherige Geſchichtsſchreibung macht Woltmann den zum Teil noch
heute nötigen Einwand: Statt von der „biologiſchen Geſchichte der Menſchenraſſen“
auszugehen, „machte man bisher faſt allein die Entwicklung der politiſchen Cin-
richtungen und Ideen in einſeitigſter Weiſe zum Gegenſtand hiſtoriſcher Unter-
ſuchungen, während man darüber die realen Menſchen ſelbſt, die leibhaftigen Naſſen,
Familien und Individuen als organiſche Erzeuger und Träger der politiſchen und
geiſtigen Geſchichte gänzlich vergaß.“
Es ſchränkt die Großartigkeit dieſes Buches, das uns als Hauptwerk hinter-
laſſen iſt, in keiner Weiſe ein, daß es nicht einheitlich durchgeführt iſt, viele Fragen
offen läßt und ſich allzuſehr an die Darwinſche Lehre hält. Der Grund für dieſe
ſtarke Anlehnung an Darwin mag darin liegen, daß das Buch geſchrieben wurde
aus Anlaß eines von Friedrich Krupp geſtifteten Preisausſchreibens über den Ein⸗
fluß der Abſtammungslehre auf die innerpolitiſche Entwicklung und Geſetzgebung
der Völker.
Woltmann geht davon aus, daß es eine „genetiſche Analogie zwiſchen Organig-
mus und Geſellſchaft“ gebe, daß alfo die Entwicklung der menſchlich⸗geſchichtlichen
Welt, d. h. der Familie, der Stände und Staaten uſw. die gleiche ſei, wie die der
natürlichen Organismen. Doch iſt die Ineinsſetzung von Natur und Geſchichte bei
ihm keineswegs fo umfaſſend, wie bei vielen feiner Zeitgenoſſen (3. B. Schäffle l).
Woltmann iſt ſich des Anterſchiedes des Menſchen und ſeiner geſchichtlichen Bindungen
von dem Bereich der Natur ſehr bewußt. Aber was Organismus und Geſellſchaft
gleichmäßig zukommt, ift das allgemeine Prinzip der Or ganiſation. „Man
kann die Geſellſchaft nicht direkt einen Organismus nennen, ſondern nur dahin
phyſiologiſch kennzeichnen, daß fie eine Organiſation beſitzt“, d. h. daß in ihr Aeber⸗
ordnung, Abſtufung, Arbeitsteilung uſw. anzutreffen ift. Aber die „phyſiologiſche
Grundlage des ſozialen Lebens ... ift nichts anderes als die "Kale" So ift auch
die biologiſche Differenzierung in Raffen der urſprüngliche Ausgangspunkt für die
Arbeitsteilung und Standes und Berufsgliederung. Herrſchaft und Knechtſchaft
beruhen urſprünglich auf Naſſengegenſätzlichkeiten.
Von der Schwierigkeit des obengenannten Organiſationsbegriffes können wir
in unſerem Rahmen abſehen. Ans heutigen iſt der Grundgedanke von Bedeutung,
daß die Vorausſetzung des ſozialen Lebens, des Daſeins von Staaten, die Voraus-
ſetzung der Geſchichte überhaupt, in der Natur liegt, in den raſſiſchen Bindungen
und Anterſchieden der Menſchen als Träger der Geſchichte. Aus dieſer Erkenntnis
ſolgt, daß man den Sinn der Geſchichte, die Erklärung geſchichtlicher Vorgänge nicht
zuerſt in der Amwelt, in den Wirtſchaftsweiſen der Menſchen u. a. m. zu ſuchen hat,
Lange / Ludwig Woltmann 11
ſondern in den verſchiedenen Raffen, deren Kampf gegeneinander den Grund der
Weltgeſchichte abgibt.
Die „Politiſche Anthropologie“ hat alſo die urſächlichen Zuſammenhänge zwiſchen
den raſſiſch⸗anthropologiſchen und den geſchichtlich-⸗politiſchen Tatſachen aufzudecken
und zu erörtern.
4.
Im Zuge dieſer Erkenntniſſe kam Woltmann zu ſeinen Forſchungen über den
Einfluß des germaniſchen Elements in der Italieniſchen Renaiſſance und in der
Geſchichte Frankreichs. Er ſtellte ſich die Aufgabe, an hunderten von italieniſchen,
franzöſiſchen und ſpaniſchen Genies die raſſiſche Herkunft nachzuweiſen. Er bediente
ſich dazu einer Methode der Feſtſtellung der phyſiſchen Typen der Genies und teilte
diefe den Raffen zu, die bei der raſſiſchen Zuſammenſetzung der Länder in Betracht
kommen.
Dieſe Methode der „anthropologiſchen Genealogie“ führte Woltmann meiſt an
Porträts durch. Er konnte den Nachweis führen, daß die in Frankreich ein⸗
gewanderten Germanen die mittelalterliche Kultur Frankreichs ſchufen und auch
ſpäterhin ein überragender Teil großer Geſtalten der franzöſiſchen Geſchichte
Familien germaniſcher Herkunft entſtammen.
Mannigfache geſchichtliche Ereigniſſe, u. a. die Eheloſigkeit des Prieſterſtandes,
der ſich in früher Zeit vornehmlich aus Edlen germaniſcher Abkunft zuſammenſetzte,
verminderten das germaniſche Element derart, daß es dem Ausſterben zuneigt.
Den gleichen Nachweis führte Woltmann hinſichtlich der frühen italieniſchen
Geſchichte, vornehmlich der Italieniſchen Nenaiſſance.
Wenngleich, wie Hans F. K. Günther bemerkt, Woltmann einige brünette
Köpfe für germaniſch oder teilweiſe germaniſch hielt (zu Woltmanns Zeit war die
„Dinariſche Naſſe“ noch nicht bekannt), ift der kulturgeſchichtliche und auch wiffen-
ſchaftliche Wert dieſer Werke allgemein anerkannt und unumſtritten, leider aber noch
zu wenig gewürdigt.
Im Frühjahr 1907 verlor die deutſche und abendländiſche Raſſenforſchung mit
Woltmann einen ihrer kühnſten und hoffnungsvollſten Bahnbrecher. Beim Baden im
ſüdlichen Meer ertrank er. Er war nach Italien gefahren, um neues Material zu
einer notwendig gewordenen Neuauflage feines Renaiffance- Wertes zu fammeln.
Ein tragiſches Schickſal ließ ſeine weiteren Pläne unausgeführt. Die Freunde konnten
ihm nicht einmal den Grabhügel ſchmücken, das Meer behielt den Forſcher.
Zahlreiche Forſcher des In⸗ und Auslandes zollten Woltmann, ungeachtet ab-
weichender oder gegenteiliger Standpunkte, ungeteilte Anerkennung ſeiner großen
Bedeutung.
And wir heutige verſtehen Chamberlain, der nicht in allen Fragen mit
Woltmann zuſammenzugehen vermochte, als er in einem Briefe ſchrieb: „Ludwig
Woltmanns Tod habe auch ich als den Verluſt eines im buchſtäblichen Sinne
Anerſetzlichen empfunden.“
12 Hüttig | Schriſttum zur Raffenfrage
Dr. Werner Hüttig:
Schritten zur Naſſenfrage
Seit der Erfindung der Buchdruckerkunſt iſt das Schrifttum ein machtvoller
Faktor im weltanſchaulichen Ringen und politiſchen Kampf geworden. Das ge
ſprochene Wort in Kundgebungen und Verſammlungen, an Heimabenden und in
Schulungskurſen iſt der Pflug, der die Kruſte aufbricht und Herz und Verſtand
aufnahmebereit macht für die Saat des Geiſtes. Das Wort des Redners erzielt
meiſt nur Wirkungen des Augenblicks, die den Willen zum Einſatz und den Entſchuß
zum Handeln ſtärken. Am aber mit Erfolg Taten vollbringen zu können, muß mit
dem Willen auch das Wiſſen verbunden ſein. Tatwillen ohne Wiſſen führt zur
Schwarmgeiſterei, Wiſſen ohne Willen zur Tat, aber zum wandelnden Konverſations⸗
lexikon. Das ſei als ein Wort der Verſtändigung vorausgeſchickt, wenn jetzt verſucht
werden ſoll, die verſchiedenen Erſcheinungsformen des nach Tauſenden von Büchern
und Broſchüren zählenden Schrifttums zur Raffenfrage unter die Lupe zu nehmen.
Mit dem ſiegreichen Durchbruch des Nationalſozialismus zur politiſchen Macht
war der Naſſengedanke zur Grundlage der politiſchen Willensbildung des neuen
Deutſchlands geworden, wie es der Führer in „Mein Kampf“ klar und für jeden,
ohne fachliche Vorkenntniſſe, verſtändlich dargeſtellt hat. Eine Revolution wird aber
dann erſt auf die Dauer erfolgreich ſein, wenn es ihr gelingt, auch das Weltbild
der überwundenen politiſchen Syſteme — mögen ſie auch 2000 Jahre und älter ſein —
durch eine eigene revolutionäre Weltanſchauung zu beſeitigen. Aus den Erkenntniſſen
der Erb- und Raſſenforſchung iſt uns dieſe neue Weltanſchauung erwachſen, die uns
wieder die Geſetze des Lebens, die Stimme des Blutes und den Wert der Rafie
verſtehen gelehrt hat. Sie bildet den Maßſtab, nach dem wir Geſchichte, Geſittung
und Politik in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft werten. Aus dem raſſiſchen
Weltbild wird der Mythus des nächſten Jahrtauſends wachſen, wie Roſen berg
es in ſeinem Werk mit ſeheriſcher Klarheit aufzeigt. Den meiſten Menſchen unſerer
Tage fehlen aber die Vorausſetzungen für ein vorurteilsloſes Eindringen in die
Gedankengänge z. B. einer raſſiſchen Geſchichtsbetrachtung. Das iſt auch gar nicht
verwunderlich, denn irgendwo haften uns allen noch Reſte des alten liberalen und
umweltsgläubigen Weltbildes von geſtern an, deſſen Auswirkungen wir immer noch
auf allen Gebieten unſeres täglichen Lebens, in Schule, Beruf, Rechtspflege, gefell-
ſchaftlichen Formen beobachten können. Wir müſſen unſer Volk überhaupt erſt zu
raſſiſchem Denken erziehen. Weg und Ziel dieſer Arbeit zeigt uns der Leiter des
Raſſenpolitiſchen Amtes, Dr. Walter Groß, in feiner grundlegenden Schrift
„Raſſenpolitiſche Erziehung“. Es kommt dabei nicht ſo ſehr auf die
Vermittlung wiſſenſchaftlicher Einzeltatſachen an, es ſoll auch keine „Bildung“ im
liberaliſtiſchen Sinne daraus werden. Wir wollen durch Vermittlung weniger
allgemeingültiger Grunderkenntniſſe erreichen, daß in unſerem Volke eine biologiſch
begründete Haltung zu den Dingen der Erde entſteht. Wir müſſen wieder erkennen,
daß der Menſch mit hineingeſtellt iſt in das unendliche Reich der Natur, und daß die
Geſetze, die der Schöpfer dem Leben dieſer Frage gab, auch für ihr höchſtentwickeltes
Hüttig | Schrifttum zur Raffenfrage 13.
Weſen, den Menſchen, eine zwangsläufige Grundlage befigen. Kenntniſſe und Tat-
ſachen find nur inſoweit zu verbreiten, als fie zur Erreichung dieſes Zieles beitragen.
Für diejenigen aber, die als Schulungsredner oder als Schriftſteller auf dem Gebiet
der raſſenpolitiſchen Aufklärungsarbeit tätig fein wollen, ift ein tieferes Eindringen
in das Gebiet fachlichen Wiſſens unbedingt notwendig. Wir müſſen hierbei nämlich
mit aller Schärfe Schulung und Propaganda trennen. Die Propaganda wendet
ſich immer an einen nach Einſtellung und geiſtiger Leiſtungsfähigkeit uneinheitlichen
Perſonenkreis, deſſen Aufmerkſamkeit man erſt künſtlich erwecken muß. Sie kann
im beſten Galle den Anſtoß zur Beſchäftigung mit der Raffenfrage geben und für
eine kurze Zeit den erfaßten Menſchenkreis innerlich mitreißen. Neben dem Vortrag
hat hierbei die Broſchüre und die Flugſchrift eine erhöhte Bedeutung, dienen beide
doch zugleich dazu, den Wunſch nach einem tieferen Eindringen hervorzurufen. Hier
befigen wir heute ſchon eine Anzahl guter Schriften, die von jedem Jungen auch
ohne große Vorbildung geleſen und verſtanden werden können. Aus der Schriften.
reihe des Raſſenpolitiſchen Amtes find hierfür beſonders zu empfehlen: Groß:
1. Raſſe, 2. Heilig iff das Blut, A NS-. Raſſenpolitik; dann
Schulz und Frercks: Warum Arierparagraph? Mit viel Freude
wird jeder zu der kleinen Schrift „Der Sieg des Lebens“ von Staemmler
greifen, die eine Anzahl Kurzgeſchichten zur Raſſenfrage enthält. In Hilgers
Jugendbücherei, die jetzt von der NS-RNulturgemeinde herausgegeben wird, find eben-
falls eine Anzahl von Heften erſchienen, die ſich zur Propaganda eignen. Es ſeien
hier genannt: Heſch: Der raſſiſche Aufbau des deutſchen Volkes;
Waßmannsdorf: Die Sippe; Hüttig: Dein Erbgut ein Heili-
ges Lehen; Geyer: Raſſenpflege.
Die Schulungsarbeit fegt dagegen immer eine gewiſſe Einheitlichkeit der Teil-
nehmer voraus — entweder nach dem Beruf oder nach einer beſonderen Aufgabe,
3. B. bei der Führerſchaft einer Gliederung der Partei. Sie darf den Lernwillen
und die Einſatzbereitſchaft der Zuhörer in Rechnung ſtellen. In der Schulung muß
deshalb mehr gegeben werden, als in der reinen Propaganda. Trotzdem iſt auch
hier nicht die Anhäufung reinen Wiſſensſtoffes das Ziel der Arbeit, ſondern die
innere Amſtellung des Menſchen, die Feſtigung ſeines Weltbildes. Die Schulung ſoll
den einzelnen befähigen, auf praktiſchbevölkerungspolitiſchem Gebiet wieder zu einem
natürlichen, dem Wachstum des Volkes dienenden Verhalten zurückzufinden und welt-
anſchaulich die Reſte marxiſtiſch⸗liberaler und konfeſſionell⸗dogmatiſcher Einſtellung
zu überwinden. Er muß imſtande ſein, das Leben in der Gemeinſchaft ſeines
Volkes auch tief innerlich als den erſten heiligen Auftrag des Schöpfers zu emp—
finden und den Willen haben, dieſem Auftrag gemäß ſein Tun und Laſſen einzu—
richten. Deshalb muß der einzelne das Ziel klar ſehen, und wenn er irgendwo eine
kleine Gemeinſchaft zu führen hat, auch die großen Meilenſteine am Wege zum Ziel
kennen. Dazu können uns ſchon gute Aeberſichtsdarſtellungen helfen. Eine gute
erbbiologiſche Aeberſicht gibt H. W. Siemens in feinem Buch: „Vererbungslehre,
Raſſenhygiene und Bevölkerungspolitik“. Eine klare und temperamentvolle Aus-
14 W. A. / Bei Georg Kolbe
einanderſetzung mit den Milieutheoretikern und Amweltsfanatikern enthält die leicht
faßliche und klare Schriſt von G. Franke: „Vererbung und Naſſe“. Die immer
noch bedrohliche bevölkerungspolitiſche Lage unſeres Volkes, aber auch den als Ber-
trauensbeweis für das Werk Wolf Hitlers zu wertenden Anſatz zur Beſſerung
ſchildert Burgdörfers: „Bevölkerungsentwicklung im Dritten Reich“. Den
raſſiſchen Aufbau des deutſchen Volkes und die Tatſache, daß nordiſches Erbe in
allen deutſchen Stämmen lebendig ift, lehrt uns Günthers: „RNaſſenkunde des
deutſchen Volkes“. Für eine Familienforſchung nach erbbiologiſchen Geſichtspunkten
gibt J. Graf in feiner „Familienkunde und Naſſenbiologie“ wertvolle Anweiſungen.
Es ließe ſich noch eine Anzahl preiswerter und guter Schriften anführen. Da wir
aber auf dem Standpunkt ſtehen, daß für unſere kommende Generation zur Schulung
und weltanſchaulichen Durchbildung das Beſte gerade gut genug iſt, habe ich nur
die wirklichen Spitzenleiſtungen genannt. Neben der wiſſenſchaftlichen Genauigkeit
müffen wir gerade von dieſen Büchern verlangen, daß ihre Verfaſſer den Mut haben,
auch die politiſchen und weltanſchaulichen Folgerungen aus ihren wiſſenſchaftlichen
Erkenntniſſen zu ziehen. Der Maßſtab muß aber ſchon deshalb beſonders ſtreng
ſein, weil wir mit jedem Wort und mit jeder Zeile über die raſſenpolitiſchen Dinge
an die Grundlagen der nationalſozialiſtiſchen Gedankenwelt rühren. Jede fehlerhafte
oder übertriebene Darſtellung ift ein Angriff dagegen, jede Übereilte Tat ein Fehl⸗
ſchlag. Wir arbeiten für lange Zeiträume und dürfen dabei niemals vergeſſen,
wenn 1000 Jahre hindurch in unſerem Volke die Werte der Raffe mißachtet wurden,
wir mindeſtens eine Geſchlechterfolge brauchen, um das grundlegend zu ändern. Der
Tatwille der jungen Generation und die Erfahrung der alten Kämpfer an der welt-
anſchaulichen Front werden das Werk vollbringen für Deutſchland.
W. U.:
Bei Georg Kolbe
Brief an einen Kameraden
Lieber H. M. l
Vor wenigen Tagen erſt ſprachen wir über die in unſerer Zeit werdende
bildende Kunſt. Wir ſahen Aufnahmen und Werke vieler Künſtler und waren
einer Meinung: von den vielen ſpricht Georg Kolbe mit am eindringlichſten zu uns,
und Du glaubteſt, daß er gar den Lebensjahren nach noch nahe bei uns ſei. Der
jugendlichen Kraft ſeines Werkes nach iſt dieſe Meinung berechtigt. Als wir uns
unterrichteten, waren wir überraſcht, daß Kolbe ſchon 1877 in Waldheim i. Sa.
geboren wurde. Es war einmal mehr ein Beweis, daß „Alter“ als Wertung der
Anſchauung und der Haltung eines Menſchen, geſchweige denn ſeiner Arbeitskraft,
keine Sache der am Kalendarium aufgezählten Lebensjahre iſt.
Was ich Dir nun ſchreibe, wird Dich mit Neid erfüllen: ich habe Profeſſor Kolbe
in ſeinem Atelier beſuchen können und mit ihm über ſeine Arbeit und manges andere
ſprechen dürfen, von dem ich Dir nun berichten will.
W. A. / Bei Georg Kolbe 15
Ich meine, es war ein Anding der Kunſtauffaſſung vergangener Jahre, daß zu
a Werken irgendeines Künſtlers ganze Wegweiſer gefdrieben werden mußten.
Ser A Du, daß ſolche Kunſt Berechtigung hat, zu der der Beſchauer erft eine
[tung braucht? Von Wertung und Betrachtung eines Werkes kann viel gejagt
= geſchrieben werden für die Menſchen, die ſchon die Werke im Erlebnis begriffen
haben. Das Erlebnis des Kunſtwerkes aber iſt ein Zwieſprache zwiſchen Schöpfer
und Betrachter. In ſeinem Werk iſt der Schöpfer unperſönlich und zugleich bis ins
Letzte perſönlich geworden. Hinter dem Werk tritt der Mann als Perſon zurück;
das Werk iſt Teil ſeiner Perſönlichkeit. Der Schöpfer gibt im Werk einen Teil
von ſich her und wird doch in ihm erſt ganz er ſelbſt.
Die Werke Kolbes ſind klar und geſund. Du kannſt Dir denken, wie ſehr es mich
gefreut hat zu ſehen, daß Statur und Sinne des Mannes mit ihnen eine wunderbare
Einheit find. Anſere Auffaſſung, das Leben total zu begreifen, d. h. das Amfaſſende,
das Ganze zu ſehen, findet ſich immer wieder, auch bei dieſer Gelegenheit, herrlich
beftätigt. — Kolbe, ein Mann von mittlerer Größe, gefundem ſtarken Geſicht, ſchuf
ein gefundes Werk. Du erinnerft Dich: wir ſprachen von einigen Künſtlern, deren
Werke uns nicht anſprachen, weil ſie unklar, unſtet und ohne die zum Schaffen
gehörige große Konzeption waren. Wir ſahen dieſe Künſtler ſelbſt oder Aufnahmen
von ihnen und ſtellten feſt, daß ihnen jene körperliche Geſundheit und Stärke fehlte,
die ſie ihrem Werk geben wollten. Ich glaube, hier finden wir wieder die Be⸗
ſtätigung, daß es ohne den urſächlichen Zuſammenhang von Schöpfer und Werk nicht
zu der großen Schöpfung kommt. Vom geſunden Künſtler allein kommt das geſunde
Werk. Die künſtleriſche Eingebung, der hervorragende Geiſt müſſen ſich im Schöpfer
ganz großer Werke zum geſunden Körper finden.
And noch ein zweites, vielleicht ſehr Aeußerliches, fiel mir auf, als ich das
Atelier von Profeſſor Kolbe betrat: dieſe Klarheit, Weite und Ruhe des Raumes.
Vor den mattgrauen Wänden ſtehen in übermenſchlicher Größe Standbilder, die noch
auf die letzte Bearbeitung durch die Hand des Künſtlers warten. Jedes Werk iſt
verſchieden vom anderen, trotzdem iſt alles Klarheit, Ruhe und Einheit. Jedes
einzelne Bildwerk ſcheint Teil einer Gruppe, eines einzigen großen Werkes zu ſein —
eine ſchöpſeriſche Vielgeſtaltigkeit, die ihre Einheit im Schöpfer ſindet.
Es mag banal klingen, aber glaube mir: jeder Gegenſtand, zweckbeſtimmt in
dieſem Arbeitsraum, iſt Zeugnis der Kraft und Klarheit der Perſönlichkeit.
Wir ſprachen oft davon und waren gleicher Meinung, daß große Kulturwerte
und werke nicht ausſchließlich, aber doch ſehr oft durch gegenſätzliche Meinungen und
Auffaſſungen geſchaffen werden. Das eigenwillige Werk, neue Wege gehend, muß
vielleicht fogar in den Streit der Meinungen geraten, muß verſchiedene Stellung-
nahmen anregen, damit aus dieſem Suchen und Mühen ein Neues geboren wird.
Wo die Perſönlichkeit des Schöpfers aus geſundem Quell ſchafft, wird auch das
Werk über manchen Irrweg ſein Ziel finden. Ohne dieſes immerwährende Suchen
würde ein Zuſtand unſchöpferiſcher Ruhe entſtehen.
16 W. A. Bei Georg Kolbe
An keinem der Lebenden läßt ſich beſſer beweiſen, daß der große Künſtler wohl
in die Zeit ſich einordnen läßt, nicht aber in die Entwicklungslinie, die der unt,
hiſtoriker aufzeigen zu können glaubt. Kolbe hat wohl die handwerklichen Ai
keiten der Zeit und der Künſtler übernommen, die vor feinem Schaffensbeginn Tagen.
Aber man kann nicht jagen, daß er bei dieſer Schule oder jener Kunſtſtrömung an-
knüpft. Sein Werk iſt ſo ſtark Ausſtrahlung der Perſönlichkeit, daß man ſagen muß:
das iſt Kolbe.
Ich habe das, was mir aus Kolbes Werk erreichbar war, nochmal von ſeinen
Anfängen an überprüft. Tue das auch noch einmal und Du wirſt ebenſo überzeugt,
daß der Weg bis heute gerade iſt. Das muß auch der Widerſacher zugeben.
Das große Werk zwingt zur Entſcheidung. Da kann man nur Feuer oder
Waſſer wählen. Das Einſtehen zu einem ſolchen Arteil muß ebenſo kompromißlos
ſein wie das Bekennen des Schöpfers zu ſeinem Werk. Dann find die Fronten
bald klar.
Ich meine — das iſt meine Stellungnahme —, vor der Reinheit und Aufrichtig⸗
keit des Kolbeſchen Werkes kann es nun nur eine Kapitulation der ablehnenden
Meinung geben. Als ich durch das Atelier ging, ſtarke, große Männer und ſchmale
Frauen ſah, da fiel mir ein Satz ein, den mir einmal Heinz St. ſchrieb: Die heutige
Jugend weiß wieder einen ſehr feinen Anterſchied zwiſchen Geſchlecht und Sexus zu
machen! Ja, ich glaube, das iſt es, was uns auch den Weg zu Kolbe finden läßt.
Die Nacktheit ſeiner Figuren atmet Reinheit. In dieſer Reinheit der Geſinnung
treffen wir uns mit dem Werk des Künſtlers.
Glaubſt Du nicht, daß es Menſchen gibt, die ihre Ablehnung Kolbes — un-
bewußt womöglich — daher finden, weil ſeine Geſtalten nackt ſind?! Lies einmal
nach, was Rudolf G. Binding darüber in ſeinem Buch über Georg Kolbe ſagt.
Weil Du das Buch nicht dort haſt, will ich Dir die Sätze aufſchreiben:
„Die Geſtalten dieſer Welt ſind nackt. Wie ſollte das Inbild nicht nackt ſein?
Nur ſelten ziehen Genien, zieht eine im Tod Entſchlafene ein Tuch — mehr eine
Gewandung als ein Gewand — um ihr Weſen. Denn die Nacktheit dieſer Welt
beruht auf keiner Entkleidung. Nacktheit iſt das wahre heilige Gewand dieſer
Geſtalten. Die eigene Form iſt auch ihr eigenes Recht. Die Geſtalten dieſer
Welt gehen nackt aus der Hand ihres Schöpfers hervor wie die Geſtalten der
Natur. Gewand, Tuch, Kleidungsſtück ſind ihr tote, formloſe Dinge. — Nacktheit
iſt nicht nur Befreiung des Leibes von Zutat, Beiwerk und Nebenſache, ſondern
Anbetung der Form ſelbſt, Gebot höchſter Form, Anbetung der Wahrheit.“
Wenn die Nacktheit Kolbeſcher Geſtalten wirklich der Grund mancher Ablehnung
iſt, müſſen wir ſagen, daß die Brille des Kleinbürgers vor ſolcher Kunſt immer be—
ſchlagen wird. Wie dumm manchmal die Abſagen begründet ſind, ſiehſt Du, wenn ich
Dir fage, daß ein (gewiß kluger) Mann das herrlich kriegeriſche und aufrecht männ-
liche Stralſunder Kriegerdenkmal (ich lege Dir eine Aufnahme davon bei) ablehnte, mit
der Begründung: die Soldaten feien doch nicht nackt in den Krieg marſchiert!!
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Studie
Ehrenmal Stralsund 1935 (Teilaufnahme)
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Madel (1934)
Humbold / Der Südoften im europdifhen Schachſpiel 17
Zu dieſem erſten Merkmal, daß uns zu Kolbe führt — die Reinheit —, kommt
ein zweites: die Kraft ſeiner Geſtalten. Erinnere Dich an ſeinen „Torſo Dionyſos“,
den „Emporſteigenden“ oder den „Gottesſtreiter“. Dieſe Geſtalten ſind ſo ſtark, ſo
geſund, fo herriſch und kriegeriſch — ja, ich möchte fagen, wenn Du mich recht ver-
ſtehſt, ſoſoldatiſch, daß wir uns angeſprochen fühlen, weil in dieſem Stein Teile
unſeres Weſens mitverkörpert ſind. Wir würden mit einem ſolchen Bekennen bei den
Gegnern Kolbes gar Erſtaunen wachmachen. Allein, meinſt Du nicht, daß ein ſolcher
Hinweis auf das unkomplizierte Weſen des Werkes nötig iſt?
Wir ſprachen über eine Reihe brennender Zeitfragen. Um dieſe Epiſtel bald
zu beenden, nur das Wichtigſte: Profeſſor Kolbe lachte über die dauernde Fragerei
an allen Ecken, wird dies kommen, wird das kommen, wird es im Nachwuchs gute
Plaſtiker und Bildhauer geben? Bei ſolchen Fragen müßte man die Gegenfrage
ſtellen: Warum ſollte es ſie nicht geben?! Profeſſor Kolbe meint, daß
der junge Bildhauer und Plaſtiker eine viel gründlichere Ausbildung erfahren müſſe.
Dieſer Künſtler müſſe auch Lehrling und Geſelle ſein und mit einer Prüfung
„Meiſter“ werden, damit wenigſtens etwa eine Garantie oder Ausleſe da ſei. Ob
nun der Künſtler groß würde oder der Mittelmäßigkeit zugehöre, das müſſe ſich am
Werk entſcheiden. (Er ſagte von ſich, daß er in allen Schulen immer zum Mittelmaß
gezählt habe, während Schüler, auf die man als Hoffnung verwies, ſpäter verſagt
hätten. Es gäbe gerade in der Kunſt oft „frühe Blüten“, die in der Zeit der Reife
nichts mehr bedeuteten.) Jedenfalls werde ſich die Perſönlichkeit, der Mann, der
etwas wolle und das, was er wolle, auszudrücken verſtehe, ſeinen Weg machen.
Damit laß mich nun ſchließen. Dir zur Freude lege ich noch 4 Photos dieſem
Briefe bei: Kolbes „Selbſtbildnis“, „Das Mädel“, eine Studie und eine Teil—
aufnahme von dem Stralſunder Kriegerdenkmal, von dem ich eben ſchrieb.
Ich möchte wünſchen, daß manches, was in unſerem letzten Geſpräch unbe—
antwortet blieb, mit dieſem Brief klarer geworden iſt.
Hans Humbold:
Der Gũdoſten im envopätichen Schachspiel
Einige Glanzleiſtungen politiſcher Akrobatik haben in Erinnerung gerufen, daß die
aroße Politik der Welt ſich jeweils im kleinen in den politiſchen Verſchiebungen und
Kombinationen des europäiſchen Südoſtraumes widerſpiegelt, daß ſich hinter dem hellen
Klang der kleinen Kaliber ſchwach bewehrter Staaten die dumpf dröhnenden Schiffsgeſchütze
der Großen der Welt verbergen.
Wenn die weſteuropäiſchen Großmächte ſeit vielen Jahrzehnten mit bangen Blicken
auf die luſtige Prügelei in Südoſteuropa ſahen, daß es der „Wetterwinkel Europas“ ſei,
in dem ſich das Schickſal auch der Großſtaaten entſcheide, ſo beruhte dieſe Tatſache zunächſt
auf der eigenen Schuld der Großen, daß ſie nämlich die eindeutige Zweiteilung dieſes
Südoftraumes in einen europäiſch-habsburgiſch⸗deutſchen und aſiatiſch⸗türkiſchen Herrſchafts⸗
anſpruch ſelbſt vernichteten, um erſt den einen, dann den anderen der beiden aus dem
18 Humbold / Der Südoften im eur opäiſchen Schachſpiel
Schachſpiel der Mächte auszuſchalten. Dann aber auch waren dieſe elegiſchen Betrachtungen
über den „Wetterwinkel“ müßig: denn nicht weil auf dem Balkan oder an der Donau
etwas kleines und häßliches geſchah, geriet Europa in Streit. Sondern umgekehrt, weil
nämlich in Europa meiſt ohnehin ſchon der Streit vor dem Ausbruch ſtand. Nur, daß
eben die kleinen Kaliber eure in Stellung gebracht werden konnten und naturgemäß
eher ſchoſſen.
Die Sieger des Welttrieges wunderten ſich über die Folgen der Zerſchlagung
Oeſterreich⸗Angarns und würden am liebſten alle neu angeſtrichenen Grenzpfähle wieder
herausziehen. Zwar nicht, um den alten Zuſtand eines morſchen Vielvölkerſtaates unter
der Aegide einer habsburgiſchen Degeneration wieder herzuſtellen, doch aber, um die
Einheit eines Raumes zur Geltung zu bringen, deſſen geographiſche Grundlinien zu groß-
räumiger Betrachtungsweiſe verleiten. Denn Klima, Tieflandverteilung, Gebirgs-
umgrenzung, Flußſyſtem, wirtſchaftsgeographiſche Ausstattung und verkehrspolitiſche Durch-
dringung zeichnen den Raum ab, der in dieſem Zuſammenhang mit Südoſteuropa umriſſen
fein fol: den inneren Bereich der Donauländer, nämlich die Staaten Ungarn, Südflawien,
Rumänien und Bulgarien. Gewiſſermaßen als Randſtaaten paffen die Tſchechoſlowakei,
Oeſterreich, Albanien und Griechenland weder geographiſch noch kulturell⸗wirtſchaftlich
in dieſes Syſtem. Oeſterreich und die Tccechoflowakei haben ihre Hauptfunktion in der
Vermittlung zwiſchen Mittel- und Siwofteuropa, Auffaffung und Leben dieſer Staaten
unterſcheidet ſich grundlegend vom Südoſten und bezieht diefe Staaten in den engeren
Kreis Mitteleuropas ein.
Griechenland iſt weſentlich ebenſo mittelmeeriſch ausgerichtete Macht wie das kleine
Albanien, das im Einflußgebiet des mittelmeeriſchen Italien liegt. Jedoch der Kernraum
des Südoſtens ift wirtſchaftlich und kulturell gleich ausgerichtet oder zumindeſt in feinen
Grundzügen ähnlich geſtaltet — er würde, zum Großraum ausgebildet, dem Südoſten
Europas das ftabile Geſicht geben, das Mitteleuropa und andere einfidtige Großmächte von
ihm verlangen. Woher ſonſt auch die vielen Pläne weſteuropäiſcher Staatsmänner, den
Donauraum wenigſtens wirtſchaftlich zu vereinigen! Nur durch die harmoniſche Ab.
ſtimmung dieſes ſüdöſtlichen Kernraumes kann die aufgebauſchte und Blaſen treibende
europäiſche Aeberbewertung jener kleinen Südoſtſtaaten fompenfiert werden, die in fo gar
keinem Verhältnis zum wirklichen politiſchen Bündnis oder wirtſchaftlichen Nutzwert jedes
einzelnen dieſer Staaten ſteht.
Dieſe politiſche Bedeutung des Südoſtens ift logiſch nach der Zerſtückelung Oeſterreich⸗
Angarns erſtanden. Der Südoſten wurde inſofern zur Mitte Europas, mindeſtens der
europäiſchen Politik, als ſich in ſeinem Raume alle politiſchen Ausdehnungsbeſtrebungen
aller europäiſchen Großmächte trafen, denen die Kleinſtaaten des Südoſtens wertvolle
militäriſche, politiſche, wirtſchaftliche oder kulturelle Beute zu ſein ſchienen. Aber man
hatte ja auch rein räumlich ein „Zwiſcheneuropa“ im wahrſten Sinne des Wortes ge-
ſchaffen, an deſſen Grenzen drei von den fünf Großmächten Europas ſtanden. Für die
Kompenſation der zerſtörenden Kraft dieſes politiſchen Drehpunktes durch die Herſtellung
einer politiſchen Raumeinheit im Südoſten war es aber nach dem Weltkrieg zu ſpät,
als bereits alle europäiſchen Siegermächte ihre Wunſchträume in dieſem Raum in
Realitäten umgeſetzt hatten.
So iſt der einzige und bleibende Erfolg der Zerſtückelung Südoſteuropas die wachſende
Anſicherheit Europas ſelbſt, der Mangel an Selbſtvertrauen und die Luſt an kleinen
Zauberkunſtſtücken, die vielleicht einen Preſtigegewinn, ſicher aber keinen Nutzen erzielen.
Humbold / Der Südoſten im europdifhen Schachſpiel 19
Man kombiniert König, Dame und Bauer auf dem Schachbrett Südoſteuropas mit
dem einzigen politiſchen Endzweck, die Macht fernzuhalten, die eine Einigung des Gefamt-
raumes zum Nutzen Geſamteuropas herbeiführen könnte: Deutſchland! Wenn außer dem
Deutſchen Reich noch irgendeine Macht einen — wenigſtens nach eigener Meinung —
begründeten Anſpruch, und auch dieſen nur wirtſchaftlicher Art, auf Teile des Südoſtraumes
erheben könnte, ſo wäre es Italien. So iſt es nicht weiter verwunderlich, daß die ge⸗
heimnisvollen Konferenzen tſchechiſcher, öſterreichiſcher, rumäniſcher, füdſlawiſcher und
bulgariſcher Staatsleute Anfang Februar in Paris mit dem Ziele geſührt wurde und
weiterhin werden, das Deutſche Reich und Italien von der Vollendung des Donaupaktes
auszuſchließen, deſſen Garantien Rußland übernehmen ſoll.
Dieſer Plan, von Frankreich zu Zwecken der Sicherung ausgehend, beabſichtigt nichts
als die Aufrechterhaltung des auf ehrgeizige Politiker abgeſtellten Bündnisſyſtems. Es
handelt ſich um die Herſtellung des Etappenweges von Paris nach Moskau, deſſen
Schwierigkeiten aber weiterhin dem Einzelkampf der Mächte um die Südoſtſtaaten freie
Hand laffen werden. Denn mit einer wirklichen Einigung, die gar nicht einmal politiſch
oder wirtſchaftlich, ſondern nur gedanklich in Erſcheinung tritt, ift der deſtruktive, benutz ⸗
bare Einfluß Südoſteuropas für die europäiſche Politik paralyſiert. Der von weſtlichen
Staatsleuten zur Vollendung gebrachte Plan eines europäiſchen Bündnisſyſtems auf Grund
des jeweils Sicherheit erheiſchenden europäiſchen Gleichgewichtes würde eine grundlegende
Amſtellung durch eine einheitliche Willensbildung im Südoſtraum im engeren Sinne er-
fahren. Denn die Weſtmächte würden wieder auf ihre eigene Kraft geſtellt werden.
Aus den kleinen und mittleren Staaten, die ihnen bisher die Kaſtanien aus dem Feuer
holten, würde ein Großraum entſtanden ſein, mit dem ſich nicht ſo leichtſertig handeln ließe.
Wenn ſelbſtbewußte und auch eitle Politiker der ſüdoſteuropäiſchen Staaten vor die
Frage der willensmäßigen Konföderation geſtellt werden, ſo können ſie, auch wenn ſie
ihre perſönlichen Bindungen an dieſes oder jenes Bündnisſyſtem außer Acht laſſen, eine
Reihe von Argumenten anführen, die die Cingelftaaten zu einer Trennung zu berechtigen
ſcheinen und auch, wie man nach dem Kriege geſehen hat, zu einer Trennung geführt haben.
Zunächſt find von vornherein jene Staaten aus dem Knäuel herauszuwirren, die mit
dem Hauptteil ihrer Politik an andere Räume gebunden find. Die Tcchechoflowakei
rechnet auf Grund einer völlig ausgeglichenen agro-induftriellen Wirtſchaft zu der Gruppe
der hochgezüchteten europäiſchen Staaten ebenſo wie Oeſterreich. Oeſterreich aber führt
außerdem eine Reihe von Bindungen ins Feld, die ſeine ſüdoſteuropäiſche Bedeutung ver-
ringern. Griechenland gehört faſt gänzlich zum mittelmeeriſchen Kraftfeld und ſcheidet ebenſo
wie die Türkei aus dem Problem politiſcher und wirtſchaftlicher Raumeinheit des Süd⸗
oſtens aus. Das alles find die Randftaaten des großen Donaukomplexes, deſſen engerer
Bereich ſich alfo in ungariſchen, ſüdſlawiſchen, rumäniſchen und bulgariſchen Boden teilt.
Dieſe vier verbleibenden, kontinentalen, eigenſtändigen und wirtſchaftlich gleich auf-
gebauten Staaten werden nun in der Geſamtheit von einer Vielfalt raſſiſch und volklich
unterſchiedlicher Völker bewohnt, die — nach Anſicht der Politiker dieſer Staaten — von
vornherein eine Trennung und Gegnerſchaft auf allen Gebieten des Lebens erfordern.
Genau beſehen jedoch beweiſen ſchon die Verzahnungen der Staatsgrenzen, der Prozentſatz
der Minderheitsklagen vor dem Völkerbund aus dem Südoſtraum, die Autonomie-
beſtrebungen kleinerer Volksgruppen ohne direkte nachbarliche Raſſenbindung wie der
Makedonier Nachteil und Vorteil des Gemiſches. Faſt jedes Nationalvolk dieſer Staaten
hat Angehörige auf dem Territorium feiner Nachbarn fitzen, ſchützt fie teils irredentiſtiſch,
20 Humbold / Der Südoften im eur opäiſchen Schachſpiel
teils mit der notwendigen Rückſicht auf die Territorialrechte des Nachbarſtaates. Ueber
all dieſe Volksgruppenmiſchung hinweg verteilen ſich als einzige Vertreter europäiſcher
Grofwölker in allen Saaten die Siedlungen der Deutſchen. Nach dem Selbſtbeſtimmungs⸗
recht der Völker — genau ausgeführt — müßte eine Trennung in eine Anzahl von nationalen
Einzelſtaaten eintreten, deren Amgrenzung auch den gewiegteſten Volks und Raſſenkundlern
zu einer Siſiphusarbeit würde. Immerhin liegt die Teilung des Donauraumes in dieſe
vier Staaten im Vorwiegen der vier größeren Volksgruppen der Ungarn, Südflawen,
Rumänen und Bulgaren begründet.
Auch wenn man die völkiſch⸗ nationale Trennung als berechtigt anerkennt, jo werfen
doch die politiſchen und wirtſchaftlichen Gründe ein ſchwereres Gewicht in die andere Waag.
ſchale der Vereinheitlichung des Syſtems. Die ſchwerwiegendſten Beobachtungen werden
von den Wirtſchaftlern der Donauſtaaten angeſtellt. Wiederum ſcheiden Oeſterreich und
die Tſchechoſlowakei aus der Frageſtellung aus, denn beide verfügen über eine recht aus⸗
geglichene Wirtſchaft, die neben einem durchgearbeiteten Agrarſyſtem auch ſehr erhebliche
induſtrielle Werte ſchafft. Dagegen wächſt mit der zu Tal gehenden Donau der Einfluß
des Agrariſchen. Zuſammengefaßt ſind alle reſtlichen Donauſtaaten vorwiegend agrariſch,
wenn ſich auch aus den Rohſtoffen Südſlawiens und Rumäniens eine Nohſtoffinduſtrie ent-
wickelt hat, die aber mangels eines ausgebildeten Arbeiterſtammes eine erfolgreiche Fertig-
wareninduſtrie nicht aufbauen kann. Bis auf lange Zeit werden die weſteuropäiſchen
Induſtrieſtaaten eine wirkliche Konkurrenz nationaler Induſtrien im Südoſtraum nicht
verſpüren.
Das Wirtſchaftsproblem des geſamten Südoſtraumes iſt alſo ausſchließlich ein Abſatz⸗
problem. Obgleich bereits jetzt gewiſſe Wandlungen ſpürbar ſind, liefern die Donauſtaaten
ihren Agrarüberſchuß immer noch in gegenſeitiger Konkurrenz, drücken ſich dadurch ſelbſt
die Preiſe und bleiben auf den Agrarüberſchüſſen ſitzen, die aus Transportgründen oder
Qualitätsgründen die Konkurrenz nicht aushalten.
So wäre vielleicht das Wirtſchaftsproblem der Donauſtaaten durch eine Abſatzgenoſſen—
ſchaft, d. h. eine Reſtriktion auf beſtimmten Agrargebieten und eine Aufteilung nach vorher
angelegtem Plan, gewiſſermaßen ein Sammelkonto aller Donauſtaaten, gelöſt. Eine Wer-
hinderung dieſer wirtſchaftlichen Einigung iſt aber durch die Frage des Wohin gegeben.
Denn durch großſpurige Anſchaffungen und Inveſtitionen nach dem Kriege bei der Gründung
der Einzelſtaaten iſt die Finanzwirtſchaſt der Staaten in Schwierigkeiten geraten, aus
denen man nicht mehr ohne weiteres herauskann. Die finanziellen Verpflichtungen verbinden
die Donauſtaaten, ihren Induſtriebedarf aus den Gläubigerländern, alſo weſentlich Weſt—
europa, zu decken. Andererſeits aber läßt ſich dorthin der Agrarüberſchuß überhaupt nicht
abſetzen. Denn Frankreich deckt ſeinen Agrarbedarf ſelbſt, und England bezieht aus ſeinen
Kolonien. Somit vergrößern ſich für die Donauſtaaten die Schulden, und das Getreide
verfault. Der einzige europäiſche Großſtaat, der ſowohl die notwendigen Induſtrie—
produkte in den Donauraum liefern, als auch den Agrarüberſchuß zu weſentlichen Teilen
aufnehmen kann, wäre Deutſchland. And obgleich ein engeres Wirtſchaftsverhältnis mit
dem Deutſchen Reich mit der Gefahr ſofortiger Kündigung aller weſteuropäiſchen Kredite
im Südoſtraum verbunden iſt, haben ſich die Handelsziffern zwiſchen dem Deutſchen Reich
und den Donauſtaaten in den allerletzten Jahren grundlegend zuungunſten Weſteuropas
verſchoben. Denn das Hemd iſt näher als der Rock, und verkaufte Agrarprodukte ſind
beffer als ſowieſo nur unter Konkurs rückzahlbare Kredite. Dem kommt die Tendenz
der Weltwirtſchaft entgegen, auf die primitiven Wege des Tauſchverkehrs zurückzukehren;
Humbold / Der Südoſten im eur opäiſchen Schachſpiel 21
bares Geld geht nicht mehr über die Grenzen, weil in faft allen Staaten die Wirtſchaft
nach dem Verſager der großen Kriſe ſeit 1929 der Politik unterſtellt wurde.
Das Scheitern des erſten erheblichen politiſchen Einigungsverſuches, des Tardieuplanes,
ließ die Großmächte die Politik der Bündnisſyſteme und der Intrigen als Keil gegen die
wirtſchaftlichen Gemeinſchaftsbeſtrebungen aufrechterhalten. Die Machtſphären zirkelten
ſich raſch ab. Die Tſchechoſlowakei und Rumänien erlagen gänzlich dem franzöſiſchen
Einfluß, erſtens aus Prinzip, zweitens aus Verſchuldung. Italien ſetzte ſich zunächſt in
Angarn feſt, das durch die italieniſche Freundſchaft eine Stärkung der zurecht geſtellten
Neviſions forderungen des Trianoner Friodens erhoffte, ſchloß dann aber auch Oeſterreich
in den Kreis feiner Großmachtpolitik ein, um durch Stützung größenwahnſinniger Wieder-
einſetzungspläne der Habsburger das notwendige Glacis gegen den gefürchteten deutſchen
Nachbarn zu haben. Verwandtſchaftliche Beziehungen zu Bulgarien vervollſtändigen den
Sperrkreis der italieniſchen Störungsfeuer, die aber — und das muß geſagt werden — cin
umfangreicheres und gültigeres Ziel verfolgen: dieſes Ziel ijt zunächſt die Befriedigung der
Adria, in der Italien berechtigte Vormachtsanſprüche hat, ſolange Südſlawien auf den
maritimen Ausbau verzichtet. Weiterhin verlangt Italien aus dem Südoſten einen Anteil
an der wirtſchaftlichen Nutznießung, die es inſtand ſetzt, auch ohne Ausgänge aus dem
Mittelmeer die Ernährungsgrundlage zu ſichern. Die Weigerung einiger Südoſtſtaaten,
an den Sanktionen in vollem Amfang teilzunehmen, beweiſt den Erfolg dieſer Werbungs-
arbeit. Wenn jedoch Italien über dieſe wirtſchaſtlichen Pläne hinaus in das Feld der
Kulturpolitik, ja der Einigungspolitik unter italieniſcher Vorherrſchaft hinübergreift, ſo
ſtößt es hier auf traditionelle und zukünftige Rechte des erſtarkten Deutſchtums, das
jeinen alten Einfluß ohne Ehrgeiz für ſich ſelbſt weiterhin im Südoſtraum einzuſetzen
gedenkt.
In der Spannung zwiſchen Bulgarien und Griechenland während des Venizelos.
Aufſtandes zeigte fih bereits im kleinen die wachſende Spannung der großen Mittelmeer-
rivalen England und Italien. Denn Griechenland ijt nicht erft feit der erneuten Thron-
beſteigung Georgs ein treuer engliſcher Parteigänger. Ein wirklich ausbrechender Mittel-
meerkonflikt würde auch die bulgariſch⸗griechiſche Grenze neu aufflammen laſſen, ohne das
makedoniſche Problem zu einer allſeits befriedigenden Löſung führen zu können. Neben
Frankreich, Italien und England ift durch das ruſſiſch⸗franzöſiſche Bündnis auch Rußland
wieder ein Faktor im Südoſten geworden. Während die traditionelle, rein durch außen
politiſche Fragen begründete Gemeinſchaft der Türken und Ruſſen ins Wanken gerät, wird
die tote Grenze Rußlands zu Rumänien und der Tſchechoſlowakei lebendig. Mit un-
geahnter Zärtlichkeit haben ſich Prag und Bukareſt nach der franzöſiſch-ruſſiſchen Ver-
ſtändigung den Sowjets in die Arme geworfen. Zwar hatte Rumänien bereits wieder
Abſchwenkungsverſuche unternommen, auch war der flowakiſche Volksteil der Tſchechoſlowakei
keineswegs von der Anlage ruffijder Flugplätze begeiſtert, trotzdem aber zeigte die Ent-
wicklung in Paris, daß die alten franzoſentreuen Politiker — mit König Carol und
Tituleſcu an der Spitze — nunmehr auch die ruſſenfreundliche Politik Frankreichs mit-
zumachen gedenken. Es iſt aber nicht unwahrſcheinlich, daß ein Teil des franzöſiſchen
Anhangs ſehr bald keine Luſt mehr bezeigen wird, die franzöſiſche Sicherheitspolitik gegen
eine Großmacht mitzumachen, die im ganzen nur in Ruhe gelaſſen werden will und Hinfidt-
lich Südoſteuropas viel mehr zu geben vermag, als Frankreich zum Ausgleich feiner tiber-
ſpannten politiſchen Forderungen dort anbietet. Polen und Jugoſlawien haben fih aus dem
franzöftſchen Syſtem bereits entfernt — mit Erfolg. Denn beide verfügen über eine febr
22 Humbold / Der Südoſten im europdifhden Schachſpiel
ſelbſtändige Stellung in der europäiſchen Politik. Der jugoſlawiſche Königsmord hat de-
wieſen, daß Jugoflawien äußerſt vorfidtig zwiſchen den Mächten jonglieren dann. So
ſteht Jugoſlawien allein als einziger politiſch abſolut ſouveräner Staat zwiſchen den
europäiſchen Vaſallen im Südoſtraum. Ihm wird alſo auch in der nächſten Zeit die
ausgleichende Aufgabe zufallen. Denn Jugoſlawiens politiſche Richtung ift der Donau-
raum. And ſolange Jugoflawien feine Adriaküſte nicht aktivieren will, ift das Adria⸗
problem kein ſo welterſchütterndes Problem, wie es Schreibtiſchſtrategen hinſtellen wollen.
Sicher würde der Streit um die Adria ausbrechen, wenn an der Gegenküſte Italiens, in
Dalmatien und Albanien, ſeefahrende Völker ſäßen, aber Jugoflawien ift ſich feines
kontinentalen Charakters bewußt und tauſcht nicht für maritime Ehrgeize die dauernde
Spannung an einer an fih bisher recht ruhigen Rüdenfeite, die die Küſte für die Belgrader
Politik darſtellt. Sicher ſteht dem die Spannung im kroatiſchen und floweniſchen Gebiet
entgegen, in den italieniſche Werbung bereits zu Erfolgen führte. Das ſind aber Fragen,
die den füdſlawiſchen Staat in feinem Kern berühren, während das Adriaproblem erft
dann für Belgrad zur Gefahr wird, wenn die italieniſchen Ambitionen — von der albaniſchen
Kolonie ausgehend — auch territorial auf dalmatiniſche Küſtenſtreifen ausdehnen.
Der Mord von Serajewo, von Marſeille, die dynaſtiſchen und monarchiſtiſchen
Streitigkeiten in Budapeſt, Bukareſt, Sofia und Athen, die Balkankriege ſeit der
griechiſchen Befreiung, die makedoniſche, die jüdiſche, die kroatiſche Frage, die Minderheiten ;
beſchwerden der Angarn, Polen, Bulgaren — alles dies brodelt aus dem ſüdöſtlichen
Waſſerkeſſel über den Rand. Die Flamme unter dieſem Keſſel niederbrennen zu laſſen,
daß das Waſſer nicht mehr kocht und fiberlduft, ift die Aufgabe, die der ehrlich am
Schickſal des Südoſtraumes intereſſierten Macht zufällt: Deutſchland! Das Intereſſe der
anderen am Südoſten iſt eigennützig, es entfällt, ſobald die Benutzbarkeit der Einzelſtaaten
für die europäiſche Ausbalanzierung entfällt! Jedoch Deutſchland wünſcht das zu geben,
was es fordert — es droht nicht, es ſucht keine „Sicherheit“, es will nur dadurch, daß
es dem Südoſten hilft, ein Leben in Ordnung und Ruhe wiederherzuſtellen, fein eigenes
ſchweres Los erleichtern, ohne daß der Partner davon einen Schaden hat.
Die Deutſchen ſind keine Fremden im Südoſten, ſie ſind dort heimiſch, wohnen rings
verſtreut zwiſchen allen Völkern der Donautäler bis an die Küſten des Schwarzen Meeres.
Seit tauſend Jahren zehren die Völker des Südoſtens von deutſchem Kulturgut, haben ſich
ihr Leben, ihren Staat nach den Deutſchen eingerichtet, ohne dabei ihre berechtigte Eigen⸗
ſtändigkeit aufzugeben. And wenn die Deutſchen im Südoſten, Vorkämpfer europäiſcher
Kultur und Künder europäiſcher Lebensweisheiten, auch ſtolz auf ihr Werk find und feinen
Ausbau durch die erwachenden Völker des Südoſtens mit Eifer verfolgen, ſo ſtellen ſie
doch aus ihrer Pioniertätigkeit keine Forderungen, ſie beſcheiden ſich mit den Wohnplätzen,
die ihnen zwiſchen den Völkern von alters her zur Verfügung ſtehen, ſie arbeiten mit
am Aufbau der Staaten und an der Ausgeſtaltung ſüdoſteuropäiſcher Gerechtigkeit gegenüber
Leib und Leben aller Staatsbürger. Sie ſehen ihre Pflicht darin, als Sauerteig zu wirken,
der einen ſchönen, großen und ſelbſtbewußten Naum Europas zur Höhe treibt, und als
Mahner an das gemeinſame Schickſal eines engverknüpften Raumes die Einigkeit zu
fordern. Viele Jahrhunderte vermochten dem Bewußtſein ihrer Herkunft nichts anzuhaben,
Verdächtigungen und Verfolgungen durch kurzſichtige Tagespolitiker der Wirtsſtaaten
entheben ſie nicht ihrer Aufgabe. Sie vermitteln zwiſchen der deutſchen Gelehrſamkeit, der
deutſchen Technik, der deutſchen Kunſt und dem Wiſſensdurſt der ſüdoſteuropäiſchen Völker.
Der Siidoften ift ihnen und damit allen Deutſchen nicht ein Erperimentierraum, ſondern
iſt in das gleiche Schickſal geſtellt. 7
Kleine Beiträge 23
Hinter dieſen deutſchen Pionieren des Südoſtens ſteht das Reich, nicht mit feinen
Machtmitteln, aber mit feiner geiſtigen und ſchöpferiſchen Kraft. Traditionelle Freund-
ſchaften nicht erſt aus Weltkriegszeiten verbinden das Reich mit Angarn und Bulgarien.
Mit der gleichen Freundſchaft ſtehen wir feit wenigen Jahren zum jugoſlawiſchen Staat.
Der Erfüllung der deutſchen Aufgabe im Südoſtraum mag zur Zeit noch die unſichere
Haltung Deutſch⸗Oeſterreichs entgegenarbeiten, aber die natürliche Mittlerſtellung Oeſter⸗
reichs bei ihrer Erfüllung iſt dadurch nicht aufgehoben. Sie ſteht wach, nur überdeckt und
zurückgedrängt von einer eigenartigen Tagespolitik, die niemals zu einer Befriedigung des
Südoftraumes führen kann.
Wenn in dieſer Zeit in Paris das Schickſal des Südoſtens zur Verhandlung ſteht, ſo
ändert das nichts an der Tatſache, daß Deutſchland gewillt iſt, aus dem Einſatz ſeiner
vollen Kräfte aus eigenem heraus die Garantie für die Sicherheit des Südoſtraumes er-
wachſen zu Zaiten, daß einzig ein ehrlicher Makler ſüdoſteuropäiſcher Anſprüche an die
Befriedigung Europas den zerriſſenſten Großraum unſeres Erdteils auf ſeine natürliche
Einheit zurückführen kann.
Heine Heitrage
Auslandssdentide Auslandsöſterreicher auseinanderzureißen.
und „Auslaudsöſterseicher“ Auf der Plattform des poli-
Wenn wir heute unſeren Blick auf die tiſchen Katholizismus verſucht
deutſchen Volksgruppen Europas richten, ſo
ſehen wir dort vielfach Beſtrebungen, die
darauf abzielen, die deutſchen Volksgruppen
zu zerreißen und das Werden der Volks.
gemeinſchaft in den deutſchen Volksgruppen
unmöglich zu machen.
Aus der vergangenen Zeit ſind teilweiſe
noch die verſchiedenſten Gruppen und
Grüppchen vorhanden, die heute faſt aus-
ſchließlich reaktionär eingeſtellt find, die noch
immer nicht erkennen wollen, daß die Zeit
der eigenen kleinen Intereſſentenpolitik end-
gültig vorüber iſt. Alle dieſe Beſtrebungen
aber find unbedeutend im Vergleich zu der
neuen Gefahr, die unſeren Volksgruppen
draußen heute droht.
Von Oeſterreich aus ſind Beſtrebungen im
Gange, die darauf abzielen, die deutſchen
Volksgruppen in Auslandsdeutſche und
man von Wien aus diejenigen Volks-
gruppen, die katholiſcher Konfeſſion find, von
ihrer Geſamtausrichtung auf das große
Deutſchland abzubringen und ſie auf das
kleine Oeſterreich zu lenken. Man benitzt
dabei die Lügen, die uns von der Auslands-
preffe ber zur Genüge bekannt find, und ver-
wendet andererſeits auch die Schlagworte,
die heute immer und immer wieder in
Oeſterreich der Bevölkerung vorgeſetzt wer-
den. Nicht nur wird behauptet, der
Nationalſozialismus ſei ketzeriſch, ſtehe vor
dem Zuſammenbruch uſw., ſondern man ver⸗
ſteigt ſich ſogar ſo weit, daß man ganz offen
erklärt, die Miſſion Oeſterreichs ſei es, die
deutſche Kultur im 20. Jahr-
hundert hochzuhalten und damit
Träger des Deutſchtums ſchlecht⸗
bin zu werden. Ja, einer der be-
kannteſten Männer der derzeitigen Bundes-
24 Kleine Beiträge
regierung erklärte fogar in offizieller Ber-
ſammlung: „Es wird der Tag kommen, wo
von Wien aus gegen Berlin marſchiert und
in Berlin die Fahne des wahren Deutſch ;
tums aufgezogen werden wird.“
Es war uns immer klar, daß dieſe Ge-
dankengänge zwar aus der öſterreichiſchen
Bundesregierung heraus entſtanden ſind, daß
ſie aber niemals in einer derartig offenen
Weiſe verkündet werden könnten, wenn da⸗
hinter nicht machtvolle Inſpiratoren ſtänden,
die ihre wahre Freude daran haben, in das
deutſche Volk wieder einen Keil hinein-
zutreiben.
Wir wollen jetzt nicht darüber fpreden,
inwieweit dieſe Mächte auch im Reich ver⸗
ſuchen, die Volksgemeinſchaft zu unter-
graben, ſondern nur einige Beiſpiele an-
führen, wie man in den Volksgruppen daran
geht. Es iſt verſtändlich, daß dieſe Be⸗
ſtrebungen von Oeſterreich aus ſich in erſter
Linie auf die Volksgruppen im Siidoften er-
ſtrecken.
Zuerſt verſuchte man in Südtirol
Fuß zu faſſen, indem man ſich an die dortige
deutſche Geiſtlichkeit wandte. Es muß aber
hier jeftgeftellt werden, daß diefe Verſuche
von Wien aus bisher auch in der Geift-
lichkeit keine Erſolge hatten und daß
einige Geiſtliche ihre ganz eindeutige Mb-
lehnung den ſeparatiſtiſchen Plänen Wiens
kundtaten.
In Jugoſlawien bemüht man fid
heute, in die dortige Volksgruppenführung
einzudringen. Wenn man auch nicht die
Hoffnung hat, die heutigen Volksgruppen⸗
führer zu gewinnen, ſo wird man immer und
immer wieder daran gehen, einige Unter-
führer für die Wiener Pläne zu gewinnen
und gegebenenfalls in Jugoſlawien mit
dieſen gewonnenen Anterführern eine Politik
im Sinne Oeſterreichs in der deutſchen
Volksgruppe zu machen.
Aehnliche Beſtrebungen wie in Jugo-
ſlawien finden wir auch in Angarn, und
zwar vor allem im weſtlichen Angarn an der
Grenze Oeſterreichs, wo es bereits auch fat-
ſächlich gelungen ift, einige Leute der Bolts-
gruppe aus der geſamtdeutſchen Front
herauszubrechen und ſie nach Wien zu
orientieren. Es würde hier zu weit gehen,
wollte man auch die ähnlichen Beſtrebungen
in der Tſchechoſlowakei auf⸗
zeigen. Erwähnt ſei nur noch, daß heute
vom Zentrum in Danzig aus auf derſelben
Linie gearbeitet wird, wie von Oeſterreich
aus. Es iſt uns auch bekannt, daß zwiſchen
tiefen beiden Beſtrebungen eine enge Bu-
ſammenarbeit beſteht, und das gibt uns wie⸗
der den Beweis, daß dieſes Auseinander-
reißen in „Auslandsöſterreicher“ und „Aus⸗
landsdeutſche“ von internationalen
politiſchen Machtfaktoren vor⸗
wärts getrieben wird.
Alles in allem betrachtet, muß feftgeftellr
werden, daß dieſe Beſtrebungen bis heute
noch keinen tatſächlichen poſitiven Erfolg auf-
zuweiſen haben. Weder die gemeinſten
Lügen über Deutſchland noch Verſprechungen
und Geld waren bis heute imſtande, die
deutſchen Volksgruppen zu entzweien. Wir
wiſſen, daß man auch weiterhin bemüht ſein
wird, die dunklen Ziele zu erreichen und
überall daran gehen wird, Leute zu kaufen.
Der kämpfende Teil und die aktivſten unſerer
Volksgruppen werden aber niemals ſich von
dem Wege, den fie heute achen, abbringen
laſſen. Wir im Reich werden alles tun,
um dieſe Mächte endgültig in unſerem Volk
auszuſchalten, die heute von Oeſterreich aus
wieder ein zweites Deutſchland aufrichten
wollen. Es darf dann auch nicht wunder-
nehmen, daß wir kompromißlos alle Be-
ſtrebungen, die die Volksgemeinſchaft an-
taſten wollen und letzten Endes dasſelbe ſind,
wie der in den Volksgruppen gepredigte
Separatismus, mit allen uns zur Verfügung
ſtehenden Mitteln niederringen werden.
Wenn wir das im Reich tun, erfüllen wir
unſere Pflicht gegenüber unſeren ausland-
deutſchen Kameraden.
Fritz Bauer.
Randbemerkungen 25
fatius Anfang Januar d. J. verſammelten
In einer Verſammlung des oberſten
Kirchenrats der engliſchen Hochkirche wurde
feſtgeſtellt, daß alle Hoffnungen auf Ab-
rüſtung geſcheitert ſeien. Nunmehr ent-
ſchloſſen ſich die Kirchenväter, das Steuer
herumzuwerfen und eingedenk ihrer nationa-
len Verantwortung für die Aufrüſtung im
Angeſicht der waffenſtarrenden Welt ein-
zutreten. „Die engliſche Kirche begrüßt
daher das Verſprechen des Miniſterpräſi⸗
denten, die Streitkräfte auf die erforderliche
Höhe zu bringen und fordert ihn dringend
auf, die notwendigen Geſetzesmaßnahmen
fofort einzubringen.“
Das iſt offen und recht und billig. Ferner
iſt das auch nicht die erſte Kirche, die die
Waffen ſegnet! Auch in Italien haben in
der letzten Zeit Geiſtliche die Waffen, ja
ſogar Tanks, geſegnet, wie das „Schwarze
Korps“ nachwies. Zwar wollten dies fatho-
liſche Amtsſtellen in Deutſchland nicht wahr
haben, bis das „Schwarze Korps“ die für
die Waffenſegnung einſchlägigen Durch-
führungsverordnungen kanoniſcher (wir tön-
nen nichts dafür, aber das Wort ift wirt-
lich zweideutig!) Beſtimmungen zum Mb-
druck brachte. Der Geiſtliche hat neben dem
Soldaten zu ſtehen, wenn es um das Vater-
land geht — gleichgültig, ob man Proteſtant
oder Katholik iſt. Die Kanonen find wid-
tiger als die Kanoniker. Andere ſegnen die
Waffen und fordern die Aufrüftung Wie
ſtellt fih die deutſche Geiſtlichkeit dazu, nad-
dem wir unſere Waffenehre wiedergewonnen
baben? H. H.
Doue RKRommentav!
Wie wir dem ,Ratholit” entnehmen,
haben die „am Grabe des heiligen Boni-
deutſchen Biſchöfe“ einen Hirtenbrief über
die Ehe herausgegeben. Wir enthalten uns
jeglichen Arteils und drucken nur einige uns
wichtig erſcheinende Stellen nach.
Ueber die Bedeutung der katholiſchen Ju-
gendverbände heißt es:
„In dem erhabenen Erziehungswerk der
Kirche zu fittlider Feſtigkeit und damit der
Vorbereitung einer geſunden Ehe nehmen
die katholiſchen Jugendvereine für die beiden
heranwachſenden Geſchlechter einen Chren-
platz ein. Wer einmal in deren ſtille Arbeit
hineingeſchaut, von der Bedeutung ihrer
ſtetigen Anleitung zum ſakramentalen Leben
einen Hauch verſpürt, die Kraft des Marien:
und Aloyſiusideals kennengelernt hat, kann
die volkserzieheriſche und
volkserhaltende, ja geradezu
eugeniſche Bedeutung dieſer
Vereine gar nicht genug ein-
ſchätzen.“ '
Zur Frage der Miſchehen nimmt der
Hirtenbrief u. a. folgende Stellung ein:
„Wir bitten und mahnen daher unſere
liebe Jugend, doch ja keine Bekanntſchaften
anzuknüpfen, die zur gemiſchten Ehe führen
würden. Die erſte Frage bei jeder
ernſten Annäherung muß die
nach der Religion fein Bei Reli-
gionsverſchiedenheit oder religiöſer Gleidh-
gültigteit folte von einer Fortſetzung der
Beziehungen ſofort abgeſehen werden.“
Wir hielten es für notwendig, diefe Aus-
züge kommentarlos wiederzugeben und glau⸗
ben damit unſerer journaliſtiſchen Berant-
wortung als Führerorgan der Hitlerjugend
Genüge getan zu haben.
26 Randbemerfungen
Mit Gifisa’s und Granaten
ins insmselecish
Daß Abeſſinien dem „Chriſtentum treu“
blieb, ſeine Kirche aber von der katholiſchen
verſchieden und der alepandriniſch⸗chriſtlichen
gleicht, läßt den ultraſchwarzen „Tiroler
Volksboten“ nicht ſchlafen, und fo fegt er
ſeinen Leſern einen langen Artikel über die
„Religion in Abeſſtnien“ vor, wehklagt, daß
im Lande des Negus die „altteſtamentliche
Politik des Auge um Auge, Zahn um Zahn“
noch im Schwange ſei und meint dann mit
frommem Augenaufſchlag: „Da iſt es
doch an der Zeit, daß mit Gol-
daten, Granaten, Bomben und
Gas das echte Chriſtentum ein-
geführt wird.“
Welcher „Tuifel“ hat bloß die Schrift⸗
leitung des „Tiroler Volksboten“ geritten,
ihren Leſern die wahren Ziele der ecclesia
militans derartig Hüllenlos aufzuzeigen. Die
Herren pflegen doch ſonſt nicht mit offenen
Karten zu ſpielen. Wir danken jedenfalls
für die Aufklärung und wünſchen alles Gute
zu dieſer Himmelreiſe mit Giftgas und
Granaten! Sti.
Wane bist dn niiebieen?
In der neueſten Nummer (März, S. 84)
vom „Sendboten des göttlichen Herzens“
werden endlich ſchwerſte Gewiſſensbiſſe von
uns genommen. Wann biſt du nüchtern?
Nach den Vorſchriften der römiſchen Kirche
dann, wenn du (vor dem Empfang der Kom-
munion) von Mitternacht ab nicht das ge-
ringſte an Speiſe oder Trank zu dir ge-
nommen haft. Das tft aber äußerſt fompli-
ziert, wie du gleich ſehen wirſt. Der liebe
Gott ſcheint nämlich genau darüber zu
wachen, ob du etwa eine Schneeflocke zum
Frühſtück genießt ....
Die Kirche ijt febr viel großzügiger, als
ihr manchmal vorgeworfen wird. Nicht nur,
daß dir das Atmen erlaubt iſt, nein —, du
darfſt fogar deinen Speichel þin-
unterſchlucke n. Du darfſt! Vor fo viel
Freiheit bleibt dir der Speichel weg! Ferner
darſſt du Geld verſpeiſen —, du ftaunft und
willſt es ſchriftlich haben? Bitte!
„Es tft ſelbſtverſtändlich erlaubt, den
Speichel, Blut aus dem Zahnfleiſch oder
der Zunge, aber auch Speiſereſte, die awi-
ſchen den Zähnen verblieben waren, beruhigt
hinunterzuſchlucken. (Glückliche Menſchen, ihr
mit den vielen hohlen Zähnen!) Gleicherweiſe
wird die Nüchternheit nicht verletzt, wenn die
Dinge, die verſchluckt wurden, völlig un⸗
verdaulich waren, wie z. B. Geld oder Me⸗
tallſtücke, Holz, ganz ſaubere Steinobſtkerne.
Es macht ferner nichts aus, wenn jemand
auf dem Wege zur heiligen Kommunion
Regentropfen, Schneeflöckchen unabſichtlich (!)
eingeſogen hat, wenn er vorher Speiſe und
Trank mit der Zunge verkoſtet hat, aber
ohne fie hinunterzuſchlucken, fie wieder aug-
ſpuckte, auch wenn etwas mit dem Speichel
vermengt im Munde zurückbleibt und in den
Magen gelangt, wenn er den Mund ſpült
und etwas von der Flüſſigkeit ſich mit dem
Speichel vermiſcht. Deswegen braucht nie⸗
mand mehr als einmal das in den Mund
genommene Waſſer auszuſpucken, aus
Furcht, noch nicht alles entfernt zu haben.“
Es ſcheint in der Tat ſo, als ob die
Verinnerlichung der römiſchen Kirche
Fortſchritte mache. h y.
Wer regelmäßig die deutſchfeindliche Aus-
landspreſſe verfolgt, wird immer wieder feſt
ſtellen können, daß beſtimmte Hetzmeldungen
ſchlagartig durch ſämtliche Blätter laufen.
Mag die Nachricht nod fo dumm fein, [hoy
auf den erſten Blick als plumpe Fälſchung
erkennbar, ihre Abnehmer findet ſie doch, ja
ſelbſt Zeitungen, denen man ein gewiſſes
Niveau nicht abſprechen darf, ſcheuen ſich
nicht, den Anſinn nachzudrucken, wenn auch
gelegentlich umgearbeitet oder mit Angabe
der Herkunft verſehen (um den Schein der
„Objektivität“ zu wahren oder die Berant-
Randbemerkungen 27
wortung abzuwälzen). Ein kleines Beiſpiel
ſoll dies belegen.
Wenige Tage nach der Mordtat des Juden
Frankfurter in Davos veröffentlichte „Der
Wiener Tag“ (eines der berüchtigten
Tſchechenblätter in Wien, das auch den
Schluß der Olympiſchen Winterſpiele in
Garmiſch zum Anlaß nahm, das deutſche
Organiſationskomitee zu beſchimpfen) eine
kurze Notiz. In ihr wird auf einen in
Schwer in erſchienenen Tagesbefehl der SA
hingewieſen, aus dem hervorgehe, daß der
ermordete Landesleiter der NSDAP
Schweiz, Guſtloff, „aktiver Obergruppen-
führer der Standarte 89“ geweſen ſei. Der
reichsdeutſche Lefer merkt natürlich fofort
den Anfinn der Meldung, denn eine Stan⸗
darte unterſteht bekanntlich einem Stan-
dartenführer und nicht einem „aktiven Ober-
gruppenführer“. Nun wäre man geneigt,
dieſen „Schönheitsfehler“ zu überſehen,
wenn nicht das. genannte Blatt weiterhin
behauptete, Guſtloff habe jener Standarte 89
angehört, die für die Ermordung
des Bundeskanzlers Dr. Doll-
fuß, des Profeſſors Leſſing und
des Ingenieurs Formis in der
Tſchechoſlowakei verantwortlich
fei. Sie trage die Bezeichnung
„Z. b. V.“ (Zur beſonderen Ver ⸗
wendung) und ſetze ſich aus
ſchließlich aus Leuten gufam-
men, die im Ausland mit der
Durchführung von Terrorakten
und hochverräteriſchen Anfgla-
gen eingeſetzt würden.
Da bleibt einem doch wirklich die Luft
weg! Aus der Tatſache, daß Guſtloff Trupp-
führer in der Standarte 89, Schwerin, war
und nach ſeiner Aeberſiedlung in die
Schweiz „z. b. V.“ geſtellt wurde, erfindet
das Wiener Blatt eine ſagenhafte Terror-
ſtandarte, die im Auslande ſich betätigt.
Plumper konnten die Herren Galizier in den
Redaktionsſtuben des „Wiener Tag“ die
Wahrheit nicht verdrehen. Aber der tiefere
Sinn dieſer von A bis 3 erfundenen Ligen-
meldung ift ja der, die SA bei den aus-
ländiſchen Leſern als Mordbeſtien zu ver⸗
dächtigen, und die Tat des Juden David
Frankfurter zu rechtfertigen. Denn wenn
ſich die SA aus lauter Terroriſten zuſam⸗
menſetzt, dann geſchah es im Auftrage einer
höheren Gerechtigkeit, daß Frankfurter den
Anführer dieſer Banditen umlegte, um die
Menſchheit von ſolchen Individuen zu be-
freien. So und nicht anders will die Notiz
des Wiener Blattes ausgelegt werden.
Wir wunderten uns nun gar nicht, die
gleiche Notiz, teilweiſe mit mehr oder weni-
ger entrüſteten Kommentaren verſehen, in
den verſchiedenſten Zeitungen des Aus-
landes wiederzufinden. Beſonders der
ſchweizeriſchen Preſſe war ſie Waſſer auf
die fröhlich klappernde Mühle. Natürlich
durfte da auch die „Baſler National- Det,
tung“, die allerdings jede weitere Bemer-
kung ſchamhaft vermeidet, nicht fehlen. Ge-
rade an dieſem Blatt läßt ſich die Sufam-
menarbeit der internationalen Giſtköche
wunderſchön beobachten. Ihrer Schriftleitung
wäre es ein leichtes geweſen, aus einer
beſſeren Kenntnis der reichsdeutſchen Ber-
hältniſſe heraus, die aufreizend dumme
Meldung richtigzuſtellen.
Vor Jahren lief in Deutſchland ein Film
des jüdiſchen Sängers Joſeph Schmidt,
deſſen Hauptſchlager „Ein Lied geht um die
Welt“ ſelbſt den älteſten Witwen ein
Tränenbächlein entlockte. In Abwandlung
ſagen wir „Eine Lüge geht um die Welt“
und kennzeichnen fo am beſten die plan-
mäßige Verleumdungsarbeit der deutſch⸗
feindlichen Greuelhetzer, mögen ſie nun in
Wien, Baſel oder New Dorf die Redal-
tionsſtuben bevölkern. Sti.
Des vatesldudifde AbendYansus!
In der „Wiener Sonn- und Montags-
Zeitung“ war folgende kleine neckiſche Notiz
zu leſen:
25 | Randbemerkungen
„Große Anerkennung findet die Firma
L. Lein, Wien 1, Kärtner Straße 27, die
einen neuen öſterreichiſchen Abendanzug
bringt. Es ijt ein Dinerjackett aus ſchwarz⸗
grauem Stoff mit grünen Aufſchlägen und
grüner Frackweſte. Dieſer öſterreichiſche
(vaterländiſche) Abendanzug iſt geſetzlich ge⸗
ſchützt.“
Na, nun wird wohl hoffentlich die „An⸗
abhängigkeit“ Oeſterreichs für alle Ewigkeit
geſichert fein! Es lebe der „geſetzlich ge-
ſchützte“ vaterländiſche Abendanzug!
Avauaeſiſcbe
SUestevganas stimmen d ,,“.̊
Schon von jeher haben die Propheten der
allcinfeligmadenden, ſtarren Dogmenteligi-
onen allen An- und Andersgläubigen nicht
nur für das Jenſeits die Hölle heiß gemacht,
ſondern He haben ihnen auch für das Dies-
ſeits Pech und Schwefel und ein Ende mit
Schrecken in Ausſicht geſtellt. Am dieſen
ihren Antergangsverkündungen mehr Nach-
druck zu verleihen, ſind ſie meiſt ſelbſt als
Untergang über die Betreffenden berein-
gebrochen wie etwa das Chriſtentum über
die Sachſen, der Islam über die „Giaurs“,
das Papſttum über die verſchiedenen Reger-
bewegungen uſw.
Das alles iſt nicht neu und zu bekannt, als
daß es hier einer beſonderen Erwähnung
und Behandlung würdig wäre. Was aber
gegenwärtig auffällt, iſt die in der letzten
Zeit immer häufiger gewordene Erſcheinung,
daß auch von evangeliſcher Seite
her dem deutſchen Volke immer ſchlechtere
Zukunftsprognoſen geſtellt werden für den
Fall, daß es von ſeinem ewigen, ſeeliſchen
Ringen und Suchen nicht endlich abläßt und
im „Glauben ſeiner Väter“ erſtarrt und be⸗
harrt. So hören wir etwa den bekannten
Pfarrer Niemöller von der Kanzel
unken oder den Paſtor Kruſe, daß das
Dritte Reich untergehen werde,
wenn ſich der Nationalfozia-
lis mus mit dem Mythos von
Roſenberg verbünde, oder wir
hören den Pfarrer Kroneberg in
ſeiner Predigt vor dem Reichskriegerbund
in Wernigerode laut Bericht feines „Sonn ;
tagsgruß“ vom 26. 1. 1936 unter der ſich
ſtändig wiederholenden dreifachen Schreck⸗
ſteigerung „O Land, Land, Land,
höre des Herrn Wort!“ ſeinen glau-
bigen Schäflein folgenden ſchrecklichen Aus-
blick projizieren:
„Nut eins fehlt ihm (dem deutſchen Volke) noch.
und das iſt das allerwichtigſte, denn davon hängt die
Zukunft ab — die Befinnung auf den
alten Gott. Man will durchaus nicht gottles fein.
Man hat den Geiſt der Gottloſigkeit als ein gefähr-
liches Gift für die Volksseele erkannt. Aber man hat
in den weiteſten Kreiſen unſeres Volkes keine
Ehrfurcht mehr vor dem Gott unſeret
Väter, vor dem Vater unſeres Herrn Jeſus
Chriftus. Man will einen anderen
Gott, als den, von dem die Bibel
redet. Man will nichts mehr hören von Demut
und Buße, von Sünde und Gnade. Der nordiſche
Menſch ſei von Hauſe aus rein. Das ihm eigene
„atiſche Urgefühl“ kenne keinen Sündenſchmutz und
keine Gewiſſensangſt, es verlange nicht nach Gnade,
ſondern nach Freude, nach heldiſcher Gefinnung und
tapferer Tat. Das Chriftentum habe dem deutſchen
Volke dieſes Urgefühl geraubt und müſſe darum als
unartgemäß bekämpft und ausgerottet werden. So
ſprechen heute Tauſende, und in der Jugend
hallen dieſe Schlagworte wider.
Will ſich denn das deutſche Volk aufs
neue zugrunderichten? O Land, Land,
höre des Herrn Wort! Wie deutlich hat
doch Gott durch die Geſchichte des zweiten Reiches
zu uns geſprochen! Wie verheißungsvoll war doch
der Anfang dieſes Reiches dort im Gpiegelfaal zu
Berfailles, und wie ſchmachvoll war 49 Jahre [pater
das Ende im felben Spiegelſaal! Warum if denn
das zweite Reich fo ſchnell zuſammen⸗
gebrochen? Weil ſich das deut ſche
Volk praktiſch für eine Religion des
Diesfeits entſchieden hatte. Wollen wir
den Fehler von einſt noch einmal machen? Dann wäre
allerdings auch die Zukunft des Dritten
Reiches in Frage geſtellt.“
Man braucht nun nicht gerade zu den
ängſtlichen Gemütern zu zählen, um zu er-
kennen, daß eine derartige Unter-
gangsſtimmungsmache, von fol-
cher Stelle dauernd und un
gehindert dem Volke vorgetra-
gen, ſich wie eine ſchwere Ge
Randbemerkungen 29
fährdung des wiedererlangten
ſeeliſchen Gleichgewichts und
überhaupt der neuen deutſchen
Seelen haltung, des neuen
Mutes und der neuen Suver-
ſicht des deutſchen Volkes in
ſeine Zukunft auswirken muß.
Wenn die Urheber und Träger dieſer Stim-
mungsmache den verheißenen Antergang
wohl auch nicht ſelber werden herbeiführen
wollen, wie die eingangs genannten Vor⸗
bilder, fo kann ſich in gewiſſen Hifto-
riſchen und politiſchen Situa-
tionen eine ſolche Propaganda
doch auch recht verhängnis voll,
ja unter Amſtänden ſogar noch
viel verhängnis voller erwei-
ſen als ein direkter Angriff.
Wir erblicken daher in dieſer Art von „Seel
forge” wohl mehr evangeliſcher als pro-
teſtantiſcher „Gottesmänner“ eine Ge-
fährdung und bewußte oder un.
bewußte Sabotage des Aufbau-
werkes unſeres Führers und des
Nationalſozialis mus.
Zur Sache ſelbſt wäre noch zu ſagen, daß
es wohl überheblich und einigermaßen an-
maßend erſcheint, den irdiſchen Erfolg einer
Nation als von der ſtarren Gläubigkeit an
die durch die jeweiligen Paſtoren vertre⸗
tenen überirdiſchen Götter abhängig zu er-
klären. Es fet uns erlaubt, in aller Be-
ſcheidenheit daran zu erinnern, daß andere
Nationen, wie etwa die Japaner, weltpoli-
tiſch von Erfolg zu Erfolg eilen, ohne daß
ſie vom „Gott unſerer Väter“ der Krone⸗
berg, Kruſe und Genoſſen je etwas erfahren
haben. Job.
Rewi und Seits im
„Sbeiiliden Ständeſtaat“
Die unrühmlich bekannte Wiener ,,2Ar-
beiter⸗Zeitung“ hat bekanntlich nach der
Februar ⸗Revolte 1934 ihren Erſcheinungsort
von Wien nach Brünn verlegt und erſcheint
dort unter Duldung der tſchechiſchen Be-
immerhin intereſſant.
hörden als „Organ der öſterreichiſchen So-
zialiſten“. Im Hinblick darauf, daß die neu-
öſterreichiſchen Politiker geradezu krampfhaft
darüber wachen, daß von keiner Seite eine
„Einmiſchung in die inneröſterreichiſchen An-
gelegenheiten“ erfolgt, iſt dieſe Tatſache
Aeber die Hinter-
gründe der „Weihnachtsamneſtie“ in Oefter-
reich bringt die „Arbeiter⸗Zeitung“ u. a.
folgende Enthüllungen, die wert find, feft-
gehalten zu werden:
„Es haben fih im Laufe des letzten
Jahres Perſönlichkeiten des Auslandes
nach Oeſterreich begeben, um die politiſchen
Zuſtände dort zu ſtudieren. Da erſchienen
zunächſt die Genoſſen Jeanne Vandervelde
und Louis de Vroudére aus Brüſſel; im
Dezember kamen die engliſchen Genoſſen
und Abgeordneten Grenſell, Parker und
Jones nach Wien. Am 18. Dezember ver-
öffentlichte die „Liga für Menſchenrechte“
das Ergebnis der Vanderveldeſchen Anter
ſuchung, in der über die Behandlung der
politiſchen Gefangenen geſagt wird, ſie ſei
hinſichtlich der Hygiene und Menſchlichkeit
hinter dem Mindeſtniveau zurück, zu deſſen
Einhaltung ſich Oeſterreich im September
1934 gegenüber dem Völkerbund verpflichtet
habe. In den Polizeigefängniſſen und Kon.
zentrationslagern ſeien die Gefangenen der
vollkommenen Willkür ausgeliefert. Was
die Rechtsgarantien von Oeſterreich be⸗
treffen, ſo ſei die Anabhängigkeit der
Richter nicht mehr geſichert. Der politiſche
Angeklagte werde von ſeinem politiſchen
Gegner gerichtet. Für dasſelbe Vergehen
würden nacheinander drei Strafen ver-
hängt.
Noch intereſſanter iſt eine Kundgebung
franzöſiſcher Intellektueller an die öſter⸗
reichiſche Regierung. Unter den Unter-
zeichnern der Kundgebung finden wir den
ehemaligen Miniſter Pierre Cot, den
Vizepräſidenten der radikalſozialiſtiſchen
Partei, Delbos, den Vizepräſidenten des
auswärtigen Ausſchuſſes der Kammer,
Longuet, ferner den ehemaligen Miniiter-
präſidenten Steg uſw. Sie ſtellen dem
neuöſterreichiſchen Syſtem folgendes
Zeugnis aus:
„Die franzöſiſche öffentliche Meinung
ſehe mit wachſender Beunruhigung die
Grauſamkeit, mit der Gericht und Polizei
in Oeſterreich die Anhänger der anti:
faſchiſtiſchen Parteien behandeln. All das
ſtehe in ſchreiendem Widerſpruch zu den
Erklärungen, die der Bundeskanzler
30 Randbemerkungen
Schuſchnigg während ſeines Aufenthaltes
in Paris gegeben habe. Die Anterzeichner
erwarten, daß die öſterreichiſche Regierung
volle Amneſtie gewähre für alle einge⸗
kerkerten Schutzbündler, für alle ver⸗
urteilten Antifaſchiſten und für alle jene,
die ohne gerichtliches Urteil in den Polizei;
gefängniſſen und Konzentrationslagern be⸗
halten werden, und daß ſie alle im Gange
befindlichen politiſchen Prozeſſe gegen die
Antifaſchiſten einſtelle.“
So die „Arbeiter ⸗Zeitung“.
Dieſe Angriffe gegen das neuöſterreichiſche
Regierungsſyſtem ſtammen von Leuten,
denen man keine Freundſchaft für den
Nationalſozialismus nachſagen kann. Sie
betonen das auch, indem ſie Gerechtigkeit
nur für eine Seite fordern, obwohl die Ger,
gehen der öſterreichiſchen Nationalſozialiſten
und die über ſie verhängten Strafen die⸗
ſelben find wie die, für die ſich hier Fran-
zoſen, Engländer und andere internationale
Kreiſe einſetzen. Bezeichnend aber iſt, daß
die öſterreichiſche Regierung gegen dieſe „Ein⸗
miſchung in inneröſterreichiſche Verhältniſſe“
mit keinem Wort proteſtiert, ſondern ſich
ihren Forderungen ſofort unterworfen hat.
Das Ergebnis war die Weihnachtsamneſtie
für die Sozialdemokraten.
Angeſichts ſolcher Tatſachen weiß man in
Zukunft, was man von den Cinmifdunas-
komplexen des Wiener Ballhausplatzes zu
halten haben wird. Wenn Franzoſen, Eng-
länder und andere Angehörige fremder
Völker das Recht haben, auf die unwürdigen
Zuſtände im „chriſtlichen Ständeſtaat“ zu
verweiſen und im Namen der Menſchlichkeit
Abhilſe fordern, um wieviel mehr ſteht dieſes
Recht der deutſchen Oeffentlichkeit zu, da
es ſich doch immerhin bei den Gemarterten
um Volksgenoſſen handelt.
Eine Welt, welche Solidarität zwiſchen
Marriften, Freimaurern und Liberaliſten an-
erkennt, wird die Solidarität zwiſchen
Menſchen des gleichen Blutes und des
gleichen Volkstums nicht beſtreiten können.
Ramphold Gorenz.
Smmes now „Nomaniſch“?
In der neueſten Nummer (462) der
„Mitropazeitung“ in einem Auſſatz „Ber⸗
liner Vergnügungsſtätten in der Rarnevals-
zeit“ leſen wir folgenden Satz:
Pre A A 5 KE
„Nomaniſche Kaffee“ an der Gedächtniskir
wohl der frühere Typ des „Kaffee Za E bei
uns im Wusfterben 2
Wir halten es für notwendig, eine ver-
ehrliche „Mitropa“ Schriftleitung darauf
hinzuweiſen, daß fie mit ſolcher Fremden ;
werbung dem neuen Deutſchland einen ſehr
ſchlechten Dienſt erweiſt. Bei der ſchon im
Titel angedeuteten Weltaufgeſchloſſenheit der
„Mitropa-Zeitung“ müßte es fid auch dort
herumgeſprochen haben, daß jene Zeiten end-
gültig vorüber find, in denen man das „Ro-
maniſche Kaffee“ in der Reichshauptſtadt als
Sehenswürdigkeit zu bezeichnen pflegte. Wer
jene Charakterköpfe verfloſſenen deutſchen
„Geiſteslebens“ ſehen will, deren Stamm
tiſche im „Nomaniſchen“ ſtanden, der muß
ſchon nach Baſel, Prag oder Paris fahren!
Liebe Mitropa, überprüfen Sie Wre
Speiſekarte Berliner Sehenswürdigkeiten,
ſonſt verderben ſich unſere Gäſte den Magen!
H. W. N.
Um Mivesfiändniffen
vovsnbenges:
Am allen Mißverſtändniſſen vorzubeugen!
Wir brachten in Heft 3 eine Kritik an
einem Flugblatt zur Gründung einer „Deut:
ſchen Tanzgemeinſchaft an der Aniverſität
Berlin“.
Dieſe Kritik veranlaßte einige fogenannte
„bürgerliche“ Blätter Stellung gegen den
Volks. und Gemeinfdhaftstang zu nehmen,
indem fie Teile aus unſeren Beitrag ab.
druckten und durch entſprechende eigene
Randbemerkungen verſahen.
Dieſer Amſtand veranlaßt uns ausdrück⸗
lich zu erklären, daß mit dieſer Kritik die
grundſätzliche Frage einer Erneuerung des
deutſchen Tanzweſens und die Arbeit des
NS-Studentenrings nicht berührt wurde.
P ao 25
11— ege sem —— sean — we
Vom Büchermarkt 31
Wir bejahen die Schaffung eines deutſchen
Volks⸗ und Gemeinſchaftstanzſtiles und
glauben, daß zur Ausgeſtaltung der Feſte
und Feiern der Volksgemeinſchaft die
Schaffung einer unſerer Art entſprechenden
Tanzform unbedingt erforderlich iſt und wir
bejahen (das nur für die „bürgerliche“
Preſſe) die Kulturarbeit des NS⸗ Studenten
bundes an den Hochſchulen. Wenn wir in
der erwähnten Kritik uns einige abträgliche
Bemerkungen erlaubten, ſo taten wir das
nur zur Klarſtellung der Begriffe, die uns
auf Grund dieſes ungeſchidt abgeſaßten
Flugblattes erforderlich erſchienen.
Wir haben den Leiter der Deutſchen Tanz.
gemeinſchaft, Reichsfachſtellenleiter der NS.
Kulturgemeinde Alfred Müller ⸗ Hennig, der
als verdienſtvoller Vorkämpfer für eine art-
gemäße Tanzform gilt, gebeten, in einer der
nächſten Nummern von „Wille und Macht“
einen grundſätzlichen Beitrag zu dieſem
Thema zu lieſern.
Soldatiſche Literatur
ce Jude u Bücherei, Band 4
n E
Berlin Ce
Die cherei hat gi ch zur A
ſtellt, ae kriege oder mi BC d
1 915 durch e bon ante Darſtellun⸗
Lienen zu machen.
Ht 9 ienen:
R. irek A g 5 Stet
rkiſch⸗Aegy e Feldzug er
gibt Woltte der mit noch einigen preußi⸗
ſchen zieren als Reorganiſator der tür-
kiſchen Armee abkommandiert war, einen
Bericht über das, was er vorſand und was
er mit feinen Kameraden während dieſes
Kommandos arbeitete. Eine beſſere Dar⸗
ſtellung der Zuſtände und des . es
werden wir wohl kaum erhalten.
ee find die beiden beigefügten Sorten,
fie infol a = Bergftrid- Zeichnung
sr einen blick noch einen genauen
eE d Goen
Alois Belhé: Die Schlacht
bei o bua 1896. Das Ereignis das Ver-
anlaſſung zu der augenblicklichen Augeinander-
ſetzung ſinien—Italien gab, iſt rein
ſtrategiſch⸗taktiſch dargeſtellt, fo daß wir
einen genaueſten Einblick gewinnen. Es iſt
heute von beſonderem Intereſſe, da man eine
gewiſſe Aehnlichkeit in den Kampfhandl ungen
von 1896 und heute feſtſtellen kann! ie
ee. Karte ift nicht zu gebrauchen.
Guſtav Freytag: Kampf und
Fehde im Spätmittelalter.
8 vierter Band
Die Arbeit iſt das er De eſchicht ·
lichen Vorarbeiten des SC Soman.
ſchriftſtellers Fre eytag. le ung einen
guten Einblick in die ſozialen Verhältniſſe
des ausgehenden Mittelalters. Die Le⸗
bendigkeit und Gründlichkeit der Darſtellung
machen die Abhandlung leſenswert.
met 7: Friedrich Schiller: Guftav
ol
Die Abhandlung iſt aus Schillers Arbeit
Se? A tätsprofeſſor entſtanden. Sie
dnig ganz in dem
| t ben f chen K
biet Glanze feiner Tat für Deutſch⸗
land. Wenn Schiller Guſtav Adolf mehr
Licht als es in . vorhanden
war, ſo iſt die Darſtellung 181 ein meifter-
haftes Werk unferes großen Dichters.
Band 8: Max Lehmann: 5
und die preußische Heeresreform.
Eine ſehr gute Abhandlung, die uns den
Kampf des großen Soldaten und mili⸗
täriſchen Erneuerers des preußiſchen Heeres
mit der Reaktion zeigt. Das Buch gibt
manchen Aufſchluß über die Kräfte,
hinter Kuliſſen arbeiten. Damit hat =
mehr als nur geſchichtsbildenden Wert!
Heer, Kriegsmarine, Luftwaffe. Von Haupt-
mann H. Wießt. Gerhard Stalling,
Verlagsbuchhandlung Oldenburg ⸗Berlin.
Nach der Verkündung der allgemeinen
Wehrp SEH erſchien zu dieſer Frage eine
ſtarke Literatur, die heute ſchon längſt iber-
holt iſt. Auch das vorliegende Buch, das
32 Vom Büchermarkt ;
eine a ER der Geſetze, Ber-
ordnung Organiſation des
Heese e und vieles
andere bringt, läuft ere Gefahr.
Von Mollwitz bis Annaberg. Zuſammen⸗
geſtellt von Günther Schwantes. W.
G. Korn Verlag, Breslau.
Das Buch führt uns, wie aud fein Unter-
titel ſagt, über die Schlachtfelder Schleſiens.
Da es von Offizieren der Wehrmacht ge-
ſchrieben iſt, iſt das Hauptgewicht auf
taktiſch ſtrategiſche Darſtellungen der
Schlachten von Friedrich dem Großen bis
zu den Poleneinfällen gelegt. Da die Ab-
handlungen durchweg flüſſig geſchrieben ſind,
wird das Buch ſicher auch ſeinen Freun es-
kreis in nicht militäriſchen Kreiſen finden.
*
Frankreichs Stoßarmee. Charles de
Gaulle. Das ee — die Qü-
jung von morgen. Deutſch von Galli ⸗
cus. Ludwig Voggenreiter Verlag,
Potsdam.
Zweifellos ſchießt der Verfaſſer in ſeiner
* der franzöſiſchen Lage und der
deutſchen Verhältniſſe weit über das Ziel
hinaus. Das Buch iſt in glänzendem Stil
mit einer Leidenſchaftlichkeit geſchrieben, die
uns zwingt, unſere ruhige Aeberlegung zum
Abwägen des Tatſächlichen entgegenzuſetzen.
Walther Schlüter.
Die „Nationalſozialiſtiſchen Monatshefte“
im neuen Jahr.
Die Aufgabe der „Nationalſozialiſtiſchen Monats⸗
hefte“, gru rundſätzliche Beiträge zu den dringlichſten
Fragen er e Auseinanderſetzung zu
bringen, wird mit den erſten beiden Heften des neuen
delt erhlt mit größter Gewiſſenhaftigkeit und Klar⸗
it er
Die erſte Folge des neuen Jahres beginnt mit
einem grundſätzlichen Beitra Reidsleiten Alfred
Rofenberg über „die Aufgaben eines national⸗
EE Außenpolitikers“.
Rede, gehalten vor der ausländiſchen Diplomatie und
1 zeigt die Haltung des Nationalſozialismus
zu den Problemen der Weltpolitik. Es wird zum
"wird zum erften Mal die wertvolle Let
Diefer Beitrag, eine-
dem die 1 Staaten unterworfen find, als
en Faktoren außenpolitiſcher Haltung Heraus-
eſtellt
ge Grundgedanken Barth n folgerichtig die
Dentſclens n, as. heutige rational:
Ga, Deutſchland der Aer e ae und
2 ng zu beſchuldigen und es tn den
Me n und Prinzipien feiner feln =
Bolſchewismus und feiner Staatsführung ae
zuſtellen. Verſuchte der Staatsgedanke des e?
alters die Völker einer Konfeſſion le aa
machen, ſetzte der Varot die He t von e
als Wertmaßſtab für Völker an D vi SE notional:
ſoztaliſtiſche Staatsgedante und
Fürſten genau fo viel wert as rafter:
werte eines Bolfes verteidigen SE d e a: Kräfte
eines Volkstums verkörpern. Der Gedanke des
Nationalſozialismus, daß das Bauerntum der Träger
des Staates fein e, die unverfiegbare Quelle, aus
der pas Volkstum ch immer wieder aufs Neue er⸗
Seile igt den unüberbrückbaren Gegenſatz zum
olſchewismus, der gerade das Bauerntum in feiner
dſtruktur = Bowie Ven trachtet. Diefe grund:
ſätzlichen Ausführungen über den mationalſozialiſtiſchen
Staatsgedanken = en ergänzt duth Beiträge, die
ſich mit den Kampfmethoden des politiſchen Katholizis⸗
mus beſchäftigen.
Das 2. Heft (Februar) des neuen Jahres bringt
Darſtellungen des Lebenswerkes einer Reihe führender
Männer. Es wird des ſchweren Kampfes des Nobel»
preistrigers und nationalſozialiſtiſchen Wiſſenſchaftler⸗
Philipp Lenard gegen die jüdiſche Phyſik des Juden
und Emigranten Einſtein ge rofeſſor J. Stark.
heute Prafident der Fe Keier en cami en Reichs⸗
anſtalt und der deutſchen Forſchu emeinſchaft, ſtand
damals als eingiger an der Seite Lenards. Er ver:
ſteht in dieſem Artikel in anigoulidet Weife das
Leben dieſes Mannes darzuſtellen, der im Mai 192;
einen Aufruf von Adolf Hitler und feiner Mit:
kämpfer, die vom Münchener Volksgerichtshof ver⸗
urteilt waren, an die deutſche Studentenſchaft erließ.
Als zweiter Mann wird EE Ludwig von
Marwitz von Dr. Walther Kayfer andelt. Hier
ng Ludwig
v. Marwitz', des „Bauernführers aus Zeit der
Freiheitskr ege“, gewürdigt. Von der bisherigen Ge⸗
dere und Sain iſt noch nie die Stellung eines Stein.
Marwi gegen das Judentum, gegen den
da der Sdt und ben be n Gert:
ſcha Ge ruch der römiſchen Kirche als wicht s pos
litiſches Leiimolir gezeigt worden. Noch nie iſt zum
Ausdruck gebracht worden, in welch ſcharfem Ge 5
er mit Stein, zu rdenberg und Humboldt die
11 eiſtige und wirtſchaftliche Vorherrſchaft ho Juden
eutihland eigentlich verſchuldeten, ſich mit dem
politiſchen Katholizismus verbündet en "und der grei:
maurerei Tür und Tor öffneten,
Karl Rihard Ganger beweiſt durch feinen Artikel
„Von Bülow bis Hitler“ erneut ſeine Grundgedanken.
daß Männer verſchiedener Erbqualität verſchieden Ge:
ſchichte machen. Darüber hinaus zeig: der Artikel die
geſchickte Arbeit der überſtaatlichen Mächte, gegen die
wir uns nur wehren können, wenn wir uns auf uns
erſten Mal die aa bt eines Außenpolitilers auf ſelbſt und unſere Kraft befinnen. Kennzeichen der
das Gebiet der jeeliihen Verſchiedenheiten der Weimarer Republik: Am Begin ſteht Rathenau
einzelnen Völker und ihrer Entwicklungsſtufe gelenkt, (Jude). am Ende Brüning in der tie
und es werden die Geſetze des politiſchen Raumes, Streſemann (Freimaurer). — Rü —
Hauptſchriftleiter: Günter Kaufmann no 3 in Urlaub). Stellvertreter: Dr. Karl Lapper. Anſchrift: „Wille
und Macht“, rer E E n SCH K 10. Tel. D 2 5841. Verlag: Deutſcher Jugend-
verlag ©. m Berlin W 81 35 Lav Tel, B 2 Lützow 9006. — Verantw. für den Anz ko Mie Kurt
Otto Rot. Bein, — Net . Rr. 5. — Druck: Theodor Abb Buchdruckerei riin SW 68.
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Speevtamp und Jagojaube
Anſchauliche und ſeſſelnde Erzählungen aus der Vorſeuerzeit, der
Eiszeit, der Wikinger und Kupferzeit laffen die hohe Kultur
l unſerer germaniſchen Vorväter lebendig erfteben.
Ein Buch, das beſonders für die deutſche Jugend beſtimmt iſt.
Derlaa Geoss Weſtermaun / Braunſchweis
Hitler
in feinen Bergen
96 Seiten Amfang / 90 Abbildungen
Herausgegeben von |
Heinrich Hoffmann
Reichsbildberichterſtatter der NSDAP
60. Tauſend
Mit dieſem Buch hat Heinrich Hoffmann, der ſtändige Begleiter
des Führers, ſeine bekannten Werke über Adolf Hitler durch
einen Band ergänzt, der den Führer in der Einſamkeit und
Majeſtät ſeiner geliebten Berge zeigt. Wieder gibt dieſes Buch
eine Fülle ſchönſter Bilddokumente. Denn hier, in dem einfachen
Landhaus auf dem Oberſalzberg, im Zuſammenſein mit den
Kampfgefährten ſchwerer Tage, bei Wanderungen und Fahrten
durch die Verge, im Geſpräch mit den Bauern und Sennen der
Nachbaralmen, den Holzknechten und Flößern der Wildwaſſer,
in der gläubigen Liebe dieſer geraden und aufrichtigen Menſchen
der Berge: hier iſt der Führer ganz zu Hauſe. So reden dieſe
Bilder eine ergreifende Sprache. Sie zeigen den größten
Deutſchen in ſeiner ganzen ſchlichten und gütigen Menſchlichkeit
und werden daher in jedem deutſchen Herzen Widerhall finden als
eine erneute Bekräftigung des Bewußtſeins: denn er iſt unfer!
In Steifdeckel mit farbigem Schutzumſchlag RM. 2,85
Zeitgeſchichte
Verlag und Vertriebs Geſellſchaft m. b. H., Berlin W 35
„ungen A
Hauptarchiv d. HSL.
Sar erstr. 15
Erich Fiſcher
Die junge Kameradschaft
400 Seiten, 173 Abbildungen, in Ganzleinen RM. 5,50
Dieſes neue Jahrbuch der deutſchen Jugend. herausgegeben von
Erich Fiſcher, Amtsleiter Preſſe und Propaganda in ber Reihs-
jugendführung, wird dem Jungen ein wirklicher Kamerad und
Helſer ſein. Es will ihn das ganze Jahr hindurch begleiten und
wird ihm daher nicht nur Wiſſen und Anterhaltung, ſondern auch
praktiſche und nützliche Dinge aus allen Gebieten des Lebens ver
mitteln. Neben ſpannenden und intereſſanten Erlebniſſen aus aller
Welt, zu Waſſer, zu Lande und in der Luft, wie fie den Jungen
von jeher begeiſtert haben, berichtet dieſes Buch deshalb auch über
Geſchichte und Politik, vom Wehrgedanken und vom Soldatentum,
aus Technik und Naturwiffenfdaft, von Film und Kunſt, über
Sport und Spiel, von Fahrt und Lager, über Baſteln und Bauen,
und ſchließlich über die HJ und ihre vielfältigen Aufgaben im
Leben der Nation, kurz über alle Dinge, die ein echter, rechter Junge
heute wiſſen möchte. Karl Haushoſer, Werner Beumelburg,
Walter Frank, Richard Euringer, Heinrich Lerſch, Eberhard
Wolfgang Möller, Herybert Menzel und andere haben fic für dieſes e
Jahrbuch, das nach Inhalt und Ausſtattung gleich vorbildlich und | |
klarer Ausdruck der neuen Beit ift, als Mitarbeiter zur Verfügung he
geftellt. Mit feiner reichen, forgfdltig zufammengeſtellten Bebilde⸗
rung gehört es zu den bevorzugten Jahrbüchern unſerer Jungen.
Zeitgeſchichte
Verlag und Vertriebs⸗Geſellſchaft m. b. H., Berlin W35
— —— . . —— . EEN — — — ` =
Nach Gebrauch zurück an.
Hauptarchiv der NSD A?
Abt. Jugendbawacis
Cum
Jührerorgan der nationalſozialiſtiſchen Zugend
Aus dem Subali:
Paragraphenmäßige Politik
Frankreichs Ostpolitik
Angst um Sicherheit
—
l Faheer und Volk — Nainaller / Schrifttum aus Oesterreich — Tor / Agnes Miegel -
Politik machen — Kleiner Querschnitt durch ein merkwürdiges Schulsystem — Vom Bı
Salbmonatsibvift / Sek 6 Berlin, den 18. Mars 1036 Ginselpycis 30 fa.
Subalt
Führer und Volk Herybert Menzel
Paragraphenmäßige Politik Herbert Guthjahr
Frankreichs Oſtpolit ill Wulf Siewert
Angſt um Sicherhheiiii hk Berg
Schrifttum aus Oeſterreihch e Erwin H. Rainalter
Agnes Miegel hae ea e ee E. H. Tor
Außenpolitiſche Notizen:
Wenn Militärs Politik machen
Die nächſten fünf Millionen
Randbemerkungen
Kleiner Querſchnitt durch ein merkwürdiges Schulweſen
Vom Büchermarkt
Kuuſtdruckbeilage: Zum Aufſatz „Schrifttum aus Oeſterreich“
Kartenzeichnung: Boſſeck
IS,
FAO vevovsan Deu nattonaliosialifiiichen Susen®
Jahrgang 4 Berlin, 15. März 1936 Heft 6
Führer und Volk
Von Herybert Menzel
Dich denkt der Schmied im Feuer ſeiner Eſſen,
Dich denkt der Säemann und ſtreut fromm die Saat.
Dein Beiſpiel ſteht uns allen unermeſſen,
Wir tun ein Kleines nur, du ſchaffſt den Staat.
Der Gärtner denkt dich, der die Bäume bindet,
Der Bergmann, der nach Erz und Kohlen ſchlägt.
Wie jeder ſo für dich ſein Gleichnis findet,
Biſt du der Einſame, der alles wägt.
Bisweilen nachts erklingt es von Motoren
Hoch über uns, du, Führer, ohne Rub.
Dein Antlitz ahnen wir an uns verloren,
Vom Fenſter der Kabine ſinnt's uns zu.
2 EE means ees Politik
Herbert Guthjahr:
Pavasvapbenmapbise Polite
Im Mai 1934 tagte in Paris unter dem Vorſitz des damaligen Rektors der
Sorbonne die Conférence sur la Sécurité. Dieſe Konferenz wurde von zwei fran-
zöſiſchen wiſſenſchaftlichen Organiſationen veranſtaltet, ſie hatte zum Zweck die
wiſſenſchaſtliche Behandlung des „Problems“ der franzöſiſchen Sicherheit und ſollte
auf wiſſenſchaftlicher Baſis eine Begründung des franzöfiſchen Standpunkts in der
Sicherheitsfrage liefern. Herriot betonte in feiner Begrüßungsrede an die Ron-
ferenzteilnehmer u. a.: „Wir Politiker beſuchen dieſe Konferenz, um uns von der
Wiſſenſchaft Rat zu holen für das ſchwierige Problem der franzöſiſchen Sicherheit.
Man kann als Geſetz der modernen geiſtigen Entwicklung feſtſtellen, daß die Politik
ſich in immer wachſendem Amfange den Geſetzen der Wiſſenſchaft unterwirft.“
Wie Herriot hier die abſtrakte Wiſſenſchaft als die abſolut höchſte Autorität in
jedem liberalen Staatsgefüge zur Begründung, Fundierung und Rechtfertigung
ſeines amtlichen franzöſiſchen Standpunkts in der Sicherheitsfrage zitiert hat, ſo hat
fih Briand als offizieller Vertreter der franzöſiſchen Außenpolitik ſeinerzeit in zahl -
loſen Fällen auf das „Recht“ berufen, wenn es galt, über Forderungen, die
Deutſchland als Mitgliedsſtaat des Völkerbundes bei dieſem anmeldete, zu ent⸗
ſcheiden. Es intereſſierte die Genfer Politiker nicht, ob Anſprüche, die geltend
gemacht wurden, ſachlich und inhaltlich aus der moraliſchen Not eines entehrten
und entwaffneten Volkes gerechtfertigt waren, ſie beriefen ſich auf das „Recht“,
das allein den Frieden zu erhalten in der Lage ſei.
So hat auch heute nach den umfaſſenden praktiſchen Vorſchlägen des Führers
vom 7. März 1936 zur wirklichen Befriedung Europas die franzöſiſche Politik nichts
weiter gewußt, als die Flucht in die Paragraphen des ſogen. Rechts anzutreten.
Man hat den deutſchen Vorſchlägen ein ſtures „unannehmbar“ entgegengeſetzt und
dann „rechtlich“ nachzuweiſen verſucht, aus welchen Gründen man nicht einmal in
eine Aeberprüfung der zukunftsweiſenden Pläne einzutreten verpflichtet wäre.
Iſt das Recht?
Dieſe Einſtellung Frankreichs ift die konſequente Fortſetzung der Politik, die
mit dem Kriegsende begann. Sie ift gekennzeichnet durch die Methode der Gier,
rechtlichung“ politiſcher Zuſammenhänge. Man will nicht die lebendige Entwicklung
ſehen, die in einem Volk vor ſich geht, und die infolgedeſſen die internationale Lage
beeinflußt. Man trägt gegebenen Zuſtänden des Weltgeſchehens nicht klar und
eindeutig Rechnung, ſondern verbirgt ſich hinter einer Kuliſſe, die man „Recht“
nennt. Wenn dieſe Politik nicht unehrlich iſt, ſo wird ſie zumindeſt ohne richtige
Kenntnis und Einſchätzung der wirklichen Kräfte völkiſcher und ſtaatlicher Entwid-
lung gemacht.
So fragt man heute in Frankreich wiederum nur, in welche Vertragsbeſtim-
mungen, in welche Artikel irgendeines Abkommens oder irgendwelcher Satzungen
ſich das „Vorgehen“ Deutſchlands einordnen laſſe. Man ſucht nicht die Löſung in
einer endgültigen Befriedung Europas, ſondern ſieht nur ein Problem der
—— — . —
Guthjahr / Paragraphenmäßige Politik 3
formalen Rechtspflege auftauchen, das feine möglichſt ſchnelle Erledigung durch
automatiſche Anwendung einmal ſeſtgelegter poſitiver Normen zu finden hat. So
ſpricht man in formal juriſtiſchem Begriffsdenken von einfeitiger Auflöſung ein-
gegangener Vertragsbindungen durch Deutſchland, von Artikel 4 des Locarnover-
trages, Artikel 16 der Völkerbundsſatzung, von der Zurückziehung der deutſchen
Truppen aus ihren Friedensgarniſonen im remilitariſierten Rheinland als Voraus-
ſetzung für jedes Verhandeln, ja man droht ſogar mit Sanktionen, man ſpricht von
dem Verfahren, nach dem ſie zur Anwendung gebracht werden können, anſtatt
ernſthaft über die Subſtanz einer dauerhaften Friedensſicherung nachzudenken.
Einige ganz Kluge weiſen fogar darauf hin, daß man ja nur den Ständigen Inter-
nationalen Gerichtshof anzurufen brauchte, um zu erfahren, wer „Recht“ habe.
Dieſer internationale unabhängige Gerichtshof würde auf Anfordern des Völker.
bundsrats ein juriſtiſches Gutachten abgeben, und dann ſtände ein für allemal
objektiv feſt, ob Deutſchland den Locarnovertrag gebrochen hat oder ob er zuvor
durch den Abſchluß des franzöſiſch⸗ſowjetruſſiſchen Beiſtandpaktes durch Frankreich
außer Kraft geſetzt worden iſt. Auf dieſe Weiſe fei von einem berufenen unab-
hängigen Gremium nachgeprüft und feſtgeſtellt, was in vorliegendem Falle wirklich
„Recht“ ſei. — And es fehlt nicht an ausländiſchen Preſſeſtimmen, die dieſes Ver⸗
ſahren empfehlen und es in Gang zu bringen verſuchen.
Der status quo und das Recht.
Deutſchland kann ſich auf ein ſolches Verfahren nicht einlaſſen. Es entſpricht
nicht politiſchem Wirklichkeitsdenken, die jetzt aufgerollten Fragen einem juſtiz⸗
förmigen Prozeßverfahren mit ſogen. unabhängigen Richtern zu unterbreiten. Ein
ſolches Verfahren muß in feiner ganzen abſtrakten Losgelöſtheit zur Verur-
teilung der einen oder anderen Partei führen. Das trägt nicht dazu bei, eine
beſſere, friedliche Zukunft zu bauen, ſondern entſpricht dem Denken der Vergangen-
heit. So hat der Führer vor der Saarabſtimmung in politiſchem Weitblick Frant-
reich das Angebot unterbreitet, in direkter Verhandlung über die deutſche Zukunft
des Saargebiets eine Beſtimmung zu treffen. Er wollte damit dem franzöſiſchen
Nachbarn die Empfindung einer durch das Abſtimmungsergebnis hervorgerufenen
politiſchen Niederlage erſparen. Man ſah auf der Gegenſeite jedoch in der Frage
der Saarabſtimmung eine rein mechaniſche Additionsaufgabe, wollte ohne Verſtänd⸗
nis für das deutſche Angebot allein die toten Zahlen über das Schickſal des Saar-
gebiets entſcheiden laſſen und lehnte deshalb das deutſche Angebot ab.
So verſucht man auch heute in der Situation vom 7. März wieder, das
lebendige Element einer echten Verſtändigung auszuſchalten und an ſeine Stelle
die tote Norm zu ſetzen. „Das „Recht“ exiſtiert in einmal feſtgelegten Artikeln und
Paragraphen, man muß es nur auf den gegebenen Tatbeſtand zur Anwendung
bringen.“
Der status quo und das Recht.
Man macht ſich die Löſung von zwiſchenſtaatlichen Schwierigkeiten ſehr leicht,
wenn man, wie es geſchehen iſt, zum Ausgangspunkt alles „rechtlichen“ Denkens
4 Guthjahr / Paragraphbenmäßige Politik
einfach ein zufälliges Datum, den 28. Juni 1919, nimmt und erklärt, von nun ab
fol nur noch das „Recht“ herrſchen, jede Gewalt ift ausgeſchloſſen. Dann wird
nicht mehr die Frage geſtellt, ob der beſtehende Zuſtand für ein Volk politiſch und
moraliſch erträglich ift, dann ift der status quo einfach „Recht“. Dann ift der Befitzer
ſtets im „Recht“ und jedes Volk, das ſein einfachſtes, natürlichſtes Lebensrecht
fordert, iſt Störer der geſchaffenen „Ordnung“, iſt Angreifer, Friedensſtörer, Feind.
Die ſatten Beſitzer haben nichts zu tun, als in einem „rechtsförmigen“ Verfahren
fich gegenſeitig ihren Befitzſtand zu ſchützen. Sie brauchen hierbei nur das pofitive
„Recht“ zu ſchützen, dann kann ſich die Entſcheidung niemals gegen ſie ſelbſt richten.
Durch ein möglichſt formales Prozeßverfahren erreicht man dann faſt den Ideal
zuſtand allgemeiner „Rechts“ förmigkeit. Jedenfalls führt man eine völlig „legale“
Außenpolitik, man erhält ſtets den „Frieden“. — Der Völkerbund wurde aus dem
Idealinſtrument eines wirklichen Staatenbundes, wie er Wilſon vielleicht 1919 vor-
geſchwebt hat, zu einer Sanktionsmaſchinerie zum Zwecke der Aufrechterhaltung des
status quo. Jedes Volk, das ſein gerechtes und natürliches Lebensrecht fordert,
verfällt der mechaniſch konſtruierten und prozeßförmig wirkenden Apparatur zur
Erhaltung des gegenwärtigen Zuſtandes. Aus dieſem Völkerbund trat das Deutſche
Reich im Oktober 1933 aus, weil Deutſchland nach den jahrelang gemachten Erfah-
rungen innerhalb der Genfer Organiſation ſein gutes Recht nicht finden konnte.
Aus eigener Kraft neu erſtanden, iſt das Reich als Staat, der ſich ſelbſt die
Gleichberechtigung genommen hat, wieder bereit, in einem neuen Bund der Völker,
deffen Satzung äußerlich und innerlich von dem Diktat von Verſailles losgelöſt ift, an
der Zukunft Europas mitzuarbeiten.
Deutſchland und der Haager Gerichtshof.
Als das Deutſche Reich und Oeſterreich im Jahre 1931 aus gemeinſamer wirt-
ſchaftlicher Notlage einen Vertragsentwurf zur Beſeitigung ihrer Sollgrengen und
damit praktiſch eine Zollunion zwiſchen beiden Staaten vereinbarten, als ſie jeden
europäiſchen Staat unter den gleichen Bedingungen in dieſes Vertragsſyſtem auf-
zunehmen ſich bereit erklärten, da ſah Frankreich in dieſer Gelegenheit nicht etwa den
erſten natürlichen Anfang einer wirtſchaftlichen Befriedung Europas, ſondern ver-
anlaßte den Völkerbund, ein juſtizförmiges Verfahren vor dem Internationalen
Gerichtshof im Haag durchzuführen. Es behauptete, es beſtänden aus „recht-
lichen“ Gründen Bedenken gegen die geplante Zollunion. Es wurde ein Gutachten
über die Frage eingeholt, ob der geplante Vertrag nicht die juriſtiſch in einem
Protokoll feſtgelegte und garantierte Anabhängigkeit Oeſterreichs verletzte. Der
Gerichtshof im Haag ſtellte dann mit 8:7 Stimmen feſt, daß „rechtliche“ Bedenken
Wenn heute die angeblichen Sicherheitsgarantien des Locarnovertrages, auf die
Frankreich ſeine Außenpolitik geſtützt hat, in ſich zuſammengefallen ſind, ſo iſt das
in erſter Linie die politiſche Schuld der weſtlichen Großmächte und insbeſondere die
Folge der Politik Briands, deren Geiſt bis zum heutigen Tage in Frankreich herrſcht.
(„Wieczor Warſzawſki“, Warſchau)
Guthjahr / Paragraphenmadfige Politit 5
den Abſchluß des Zollunionvertrages zwischen Deutſchland und Oeſterreich nicht
zuließen. Hierbei gab die Stimme des kubaniſchen Richters den Ausſchlag. Im
Namen des „Rechts“ kam die Zollunion nicht zuſtande.
And als im vergangenen Jahre die Danziger Regierung einige Strafgeſetze
den veränderten Strafbeſtimmungen im Deutſchen Reiche anpaſſen wollte, da wurden
„rechtliche“ Bedenken laut, ob diefe internen Danziger Vorgänge mit dem Wortlaut
eines Paragraphen vereinbar wären, der die Garantie des Völkerbundes über die
Danziger Verfaſſung beſtimmte. Der Gerichtshof im Haag verneinte dieſe Frage
der Vereinbarkeit und zwang Danzig dadurch im Namen des „Rechts“, die er-
laffenen Vorſchriften wieder außer Kraft zu ſetzen.
So find in der Vergangenheit ſyſtematiſch wirtſchaftliche und politiſche Not-
wendigkeiten des deutſchen Volkes zu fimplen „Rechtsfragen“ degradiert und damit
ihres eigentlichen lebendigen Inhalts beraubt worden. Dabei haben weder der
Völkerbund noch der Ständige Internationale Gerichtshof im Haag jemals eine
juriſtiſche Entſcheidung getroffen, die gegen wirkliche wichtige politiſche Intereſſen
einer weſtlichen Großmacht verſtoßen hätte. Niemand kam ernſthaft auf den Ge⸗
danken der Verhängung von Sanktionen gegen Frankreich, als die Franzoſen mitten
im Frieden 1923 das Ruhrgebiet beſetzten. Niemand kam auf den Gedanken, den
Völkerbund zur Anrufung des Haager Gerichtshofs zu veranlaffen, als Deutſch⸗
land ſofort nach Bekanntwerden des franzöſiſchen Beiſtandspaktes mit Sowjet-
rußland vor der Ratifizierung dieſes Paktes durch die franzöſiſche Kammer auf
ſeine rechtliche Anvereinbarkeit mit dem Locarnopakt offiziell hinwies. |
Deutſchland bringt den Ausweg!
And dennoch hat der Führer am 7. März die deutſche Bereitwilligkeit erklärt,
nach Wegfall der Hauptgründe für den Austritt des Reichs aus dem Völkerbund,
im Rahmen dieſer Organiſation an der Erhaltung eines europäiſchen gerechten
Friedens mitzuarbeiten. Wir Deutſche haben an der innervölkiſchen Rechtsentwick⸗
lung in den letzten Jahren, an der deutſchen Rechtserneuerung gelernt, daß „Recht“
an fih nichts abſtrakt Gültiges ift, daß das Recht dem Volke und der Volksgemein⸗
ſchaft zu dienen hat. Wir wiſſen deshalb, daß es auch zwiſchenſtaatlich gilt, ein
neues wahres Recht zu ſchaffen, das von den Lebensgrundlagen jedes Volkes aug-
geht und der Erhaltung der Exiſtenz jedes Volkes dient. Deshalb haben wir die
zwiſchenſtaatlichen Beziehungen wiederaufzubauen auf einer neuen, haltbaren
Rechtsgrundlage, die auf der Anerkennung des Lebensrechts jedes Volkes beruht.
Hieran wollen wir ohne veraltete Vorurteile, ohne überkommene „Rechts“ begriffe
arbeiten. Der Führer hat begonnen, indem er vor zwei Jahren mit Polen eine
aufrichtige Verſtändigung ſuchte und fand. Der Führer hat ſeine Bereitwilligkeit
ausgeſprochen, das Gerede von der Erbfeindſchaft zwiſchen Deutſchland und ſeinem
franzöſiſchen Nachbarn zu beenden und einen ſtändigen Nichtangriffspakt mit
Frankreich abzuſchließen. Nur auf Grund wirklicher Verſtändigung iſt die Her-
ſtellung des Rechts möglich. Nicht ein poſitiviſtiſches Formal, recht“, ſondern ein
wirkliches Lebensrecht der Völker gilt es zu ſchaffen. Nur aus echter Rechtsſubſtanz
6 Siewert / Frankreichs Oſtpolitit
kann ein wahrer Frieden entſtehen. Der Welt nützt auf die Dauer nicht ein pagi-
fiſtiſches Syſtem, das imperialiſtiſcher Machtpolitik und der Erhaltung des status quo
dient, die Welt will wirklichen Frieden. Dieſer Frieden wird aber nicht durch ein
normativiſtiſches Paragraphen „recht“ geſchaffen. Ein wirklicher Frieden ift die
Grundlage für ein neues politifh-moralifhes Völkerrecht.
In der amtlichen deutſchen Regierungserklärung vom 12. März 1936 heißt es
als Ziel der deutſchen Außenpolitik: „Was die deutſche Regierung anſtrebt, iſt nicht
der Abſchluß von Verträgen, die, weil für ein ehrliebendes und anftan-
diges Volk mit moraliſchen Belaſtungen verknüpft, äußerlich
und innerlich doch wieder unglaubhaft blieben, ſondern die Herſtellung einer wirt-
lichen und tatſächlichen Befriedung Europas für das nächſte Vierteljahrhundert.
And zwar einer Befriedung, die in ſich den Charakter einer unbedingten
europäiſchen Rechtsordnung befitzt, die fidh aufbaut auf den freien Ent-
ſchlüſſen gleichberechtigter Völker und Staaten. Nur was unter ſolchen Voraus-
ſetzungen dann unterzeichnet wird, kann infolge feiner Webereinftim-
mung mit den Ehrbegriffen der Nationen auch mit Ehren gehalten
werden und wird, ſoweit es fi um Deutſchland handelt, genau fo ehrenhaft einge ;
halten werden.“
Wolf Siewert:
Svanbveiths Oſtpolitik
Die Großftaaten unſerer Epoche find wie Retfende, die, miteinander
unbekannt, der Zufall in einem Wagen vereinigt: fle beobachten Déi gegen-
jens und wenn der eine die Hand zur Taſche führt, macht der andere foon
einen Revolver zurecht, um für den erſten bereit zu ſein.
KS Otto von VBismard.
Seit Jahrhunderten bemüht ſich Frankreich, ſeinen öſtlichen Nachbarn zu
ſchwächen, um fein eigenes Aebergewicht über Europa zu fidern. Es benutzte zur
Durchführung dieſer traditionellen Politik mit Vorliebe zwei Hilfsmittel: einmal
die innere Spaltung des deutſchen Volkes, zum andern die Einkreiſung des Deutſchen
Reiches mit den Staaten Oſteuropas. Die Spekulation auf die deutſche Aneinigkeit
Wenn in Deutſchland das Gefühl der Behandlung als zweitrangiges Volk durch
Wiederherſtellung ſeiner vollen Rechte beſeitigt worden iſt, ſo iſt das allein ſchon
ein weſentlicher Beitrag zum Frieden, insbeſondere, wenn dies durch einen Ab-
rüſtungspakt begleitet wird. (Sir Oswald Mosley)
iſt heute zum erſten Male in der neueren Geſchichte fehlgeſchlagen. Die deutſche Ein-
heit iſt da! So bleibt nur noch die Einkreiſung, die auf Grund der geographiſchen
Lage Deutſchlands leider immer möglich ſein wird.
Siewert / Frankreichs Oſtpolitik 7
Wie klar fis die Franzoſen über ihre eigene Politik find, zeigen deutlich die
nachfolgenden Sätze aus dem Buche „Frankreichs Stoßarmee“ von Oberſtleutnant
Charles de Gaulle, einem führenden franzöſiſchen Offizier: „Jahrhunderte
hindurch gelang es unſern Regierenden, die Gefahren im Often durch die Ober,
lieferte Politik der Spaltung unſerer Nachbarn zu dämmen. Mochte Frankreich ſeine
Waffen gebrauchen, um die Grenzen weiter hinauszuſchieben, und ſich dabei auf Erb-
anſprüche, auf das Recht des Stärkeren, auf die beanſpruchte Schutzherrſchaft über
die anderen oder auf die Freiheit berufen, mochte es ſich in Lothringen, am Rhein
oder in den Niederlanden eine Gefolgſchaft aus Gefühl oder Intereſſe halten, mochte
es das germaniſche Aebel der Stammesbildung, des Abſchließens gegen die anderen
und des Partikularismus für ſeine Zwecke ausnutzen oder hinter dem Rücken der
Deutſchen Bündniſſe zur Erhaltung des „Gleichgewichts“ abſchließen, jedenfalls
konnte Frankreich bis heute verhindern, daß Deutſchland mit ganzer Wucht auf ihm
laſtete. Aber dieſes klaſſiſche Spiel, bei dem wir durch Verbindung von Stärke und
Lift den Furor teutonicus in Schach halten konnten, iſt dahin. Es gibt jetzt keine
proteſtantiſchen Fürſten mehr, wie ſie Karl V. trotzten, keinen Soliman mehr, den
man auf Wien loslaſſen könnte, keinen Guſtaf Adolf, um Richelieu zu Hilfe zu
kommen, keinen käuflichen Fürſtbiſchof, keine Allianzen mit deutſchen Rebellen, keinen
Rheinbund, keine Rivalität zwiſchen Habsburg und Hohenzollern und keine geheimen
Wünſche des Hauſes Wittelsbach mehr. Die deutſche Einheit ift plötzlich da!“
So ſpricht ein offener Franzoſe, der aus beſtimmten Gründen natürlich die
Stärke Deutſchlands übertreibt, um deſto lauter nach Sicherheit rufen zu können.
Aber die Kenntnis der franzöſiſchen Oſtpolitik bei de Gaulle iſt doch ſehr intereſſant
und aufſchlußreich.
Zu allen Zeiten erleichterte die zentrale Lage Deutſchlands im Herzen Europas
die Einkreiſungspolitik. Waren es früher die Türken, die Schweden, die aufſtändi⸗
iden Ungarn, die Polen, fo waren es ſpäter im großen Stil die Ruſſen. Bismarck
bat unter der Vorſtellung des drohenden Zweifrontenkrieges, dem „Alpdruck der
Koalitionen“, ſchwer gelitten. Mit größter Energie und Geſchicklichkeit wußte er
die beginnende Feindſchaft Europas gegen das neue Deutſche Reich in andere Bahnen
zu lenken. Zum letzten Male gelang ihm die erſehnte Rückendeckung bei Rußland
durch den Abſchluß des berühmten Rückverſicherungs vertrages vom
18. Juni 1887. Aber nicht lange dauerte dieſe Periode. Frankreich leitete ſeine
traditionelle Einkreiſungspolitik gegen Deutſchland ein, indem es ſich dem zariſtiſchen
Rußland, deſſen autokratiſche Regierungsform der ſeinen doch ſo weſensfremd war,
näherte. 1891 kam es bereits zu einer „entente cordiale“, die 1892 durch eine Militär.
konvention erweitert wurde, die 1894 in Kraft trat. Die wichtigſten Beſtimmungen
dieſes Geheimvertrages lauteten: „Rußland wird Deutſchland mit allen feinen per,
fügbaren Kräften angreifen, wenn Deutſchland oder Italien mit deutſcher Unter-
ſtützung Frankreich angreift, und ebenſo handelt Frankreich, wenn Deutſchland oder
Oeſterreich⸗Angarn mit deutſcher Anterſtützung Rußland angreift. Falls der Drei-
bund oder eine feiner Mächte mobil zu machen beginnt, werden Rußland und Frant.
Siewert / Frankreichs Oſtpolitik
—
Das franzöſiſch⸗ſowjetruſſiſch
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SS?
tſchechiſche Paktſyſtem und feine mögliche luftſtrategiſche Auswirkung
Siewert | Frankreichs Oſt politik 9
reich ohne beſondere vorherige Verſtändigung ſofort ihre geſamten Streitkräfte mobil-
machen. Dabei werden die beiderſeitigen Armeen mit aller Schnelligkeit ſo vorgehen,
daß Deutſchland ſowohl nach Often wie nach Weſten zu kämpfen hat.“ Die General-
ſtabschefs vereinbarten, in Friedenszeiten miteinander in Fühlung zu bleiben. Ebenſo
verpflichteten fih Frankreich und Rußland, keinen Separatfrieden zu ſchließen.
Als Folge des damaligen Vertrages Toten franzöſiſche Anleihen nach Rup-
land und bezahlten deffen Rüftungen und ſtrategiſche Eiſenbahnen. Ruffifdhe Rubel
rollten dagegen in Paris und bezahlten die franzöſiſche Preſſe! Der Weltkrieg
bewies die ausgezeichnete Arbeit des verhängnisvollen Militärbündniſſes. Wier,
dings brachen die Zaren an der Berührung mit dem Liberalismus Frankreichs zu ;
ſammen. Die bolſchewiſtiſche Revolution ſchien vorerſt eine tiefe Kluft zwiſchen
Afien und Weſteuropa aufzureißen. Sowjetrußland ſchied für einige Jahre aus der
europäiſchen Politik aus. Man legte einen „cordon sanitaire” um die Sowjetunion,
damit fie nicht andere Völker anſteckte |
Frankreich betrieb feine Oſtpolitik nunmehr mit neuen Partnern. Jetzt waren
es das neuerſtandene Polen und die kleinen Ententeſtaaten, die Deutſchland im
Often abriegelten. Wieder begann das alte Spiel. Frankreich gab Nüſtungsanleihen
an ſeine Bundesgenoſſen, die ihm dafür ihre Gefolgſchaft liehen.
Allmählich befreundete man ſich aber in Paris mit dem Gedanken, auch Sowjet⸗
rußland in das Syſtem einzubeziehen, das angeblich zur Friedensſicherung Mittel-
europas dienen ſollte. Herriot reiſte mehrmals nach Moskau, um ſich von der
„völligen Harmloſigkeit“ der Bolſchewiſten zu überzeugen. Barthou knüpfte die
Fäden weiter, ohne daß es ihm allerdings gelang, Polen von den Vorteilen des
Oſtpakts zu überzeugen. Polen war der erſte Staat im Oſten, der die Konſequenzen
aus der franzöſiſchen Sowjetpolitik zog und ſich dem Deutſchen Reich näherte, denn
Polen fürchtet mit Recht, daß ein Durchmarſch ruſſiſcher Sowjetarmeen durch fein
Gebiet fataftrophale Folgen haben müſſe. Die Abkehr Polens von der franzöfiſchen
Oſtpolitik beſtärkte Frankreich nur noch mehr in ſeinem Vorhaben. Es unterſchrieb
endgültig den Sowjetpakt, deſſen Spitze allein gegen Deutſchland gerichtet iſt, und
erweiterte ihn noch durch einen gleichlaufenden Anterſtützungsvertrag zwiſchen
Sowjetrußland und der Tſchechoſlowakei. Wieder, wie vor dem Kriege, fließt fran-
zöſiſches Gold nach Rußland, laufen die Rüſtungsaufträge, und bald werden ſicher
die Rubel in Paris rollen
Die geographiſche Tatſache, daß weder Deutſchland und Rußland noch die
Tſchechoſlowakei und Rußland gemeinſame Grenzen haben, veranlaßte Frankreich,
Rumänien in das Syſtem einzubeziehen, um eine breite Verbindung zwiſchen Sowjet-
rußland und der Tſchechoſlowakei zu ſchaffen. Solange nämlich Polen die Ueber-
fliegung ſeines Staatsgebietes durch ruſſiſche Flugzeuge verbietet, müſſen dieſe den
Amweg über Rumänien machen, deſſen Außenminiſter Tituleſcu bereit zu fein ſcheint,
trotz erheblicher innerer Widerſtände, den Sowjetpakt zu unterſchreiben.
An der geographiſchen Situation kann man ſchon ableſen, wie künſtlich das ganze
Paktſyſtem iſt. Polen und Litauen liegen wie Raumpuffer zwiſchen Deutſchland
10 Siewert / Frankreichs Oftpolitif
und Rußland und könnten fo trennend und beruhigend wirken. Er ſt Frankreich
ſchafft künſtlich eine ſtrategiſche Brücke zum Often. Frant-
reich ladet eine ſchwere Verantwortung damit auf ſich, daß
es dem welt revolutionären Rußland eine ausſchlaggebende
militäriſche Rolle in Mitteleuropa zuweiſt. Im Konfliktsfall
können jetzt ſowjetruſſiſche Bombenflugzeuge auf vorbereiteten tſchechiſchen Flug-
plätzen zwiſchenlanden und ihre Kreiſe über dem Innern Deutſchlands, Oeſterreichs
und Angarns ziehen! Nach ungariſchen Blättermeldungen werden ſchon für die
ruſſiſchen Fliegertruppen Landeplätze in der Tſchechoſlowakei angelegt. Die militäri
ſchen Vorbereitungen beweiſen, daß der Pakt nicht defenſiver Natur ſein kann. Er
iſt ein Militärbündnis, das nur zu ſehr an dasjenige der Vorkriegszeit erinnert.
Der Pakt ift ein Bruch mit dem Geiſt von Locarno und des Völkerbundes. Er be-
deutet eine ſchwere Bedrohung und Belaſtung der europäiſchen Politik. Frankreich
macht ſich damit mehr und mehr von dem Willen Moskaus abhängig. Die Vor-
kriegsentwicklung ſollte ein warnendes Beiſpiel ſein!
Die größte Gefahr des Paktes für Deutſchland liegt darin, daß Frankreich und
Sowjetrußland ohne Befragen des Völkerbundes von ſich aus den Angreifer be⸗
ſtimmen wollen. Damit wird praktiſch die Entſcheidung über Krieg oder Frieden
in Mitteleuropa der roten Regierung in Moskau übergeben, ein Zuſtand, der
unabſehbare Folgen nach ſich ziehen kann. Der Sowjetpakt bedeutet, wie der Führer
in feiner großen Reichstagsrede vom 7. März ſagte, „eine Rieſenmobiliſation des
Oſtens gegen Mitteleuropa“. Frankreich hat den Vertrag nicht mit einem be-
liebigen Nationalſtaat Europas abgeſchloſſen, ſondern mit einer unkontrollierbaren
revolutionären Macht. Der Führer ſagte weiter in ſeiner Rede: „Polen wird Polen
bleiben und Frankreich Frankreich. So wjetrußland aber ift der ſtaat
lich organiſierte Exponent einer revolutionären Welt-
anſchauung. Seine Staatsauffaſſung iſt das Glaubensbekenntnis zur Welt-
revolution. Es iſt nicht feſtſtellbar, ob nicht morgen oder übermorgen auch in Frank⸗
reich dieſe Weltanſchauung erfolgreich ſein wird, ſollte aber dieſer Fall eintreten —
und als deutſcher Staatsmann muß ich auch damit rechnen —, dann iſt es ſicher,
daß dieſer neue bolſchewiſtiſche Staat eine Sektion der bolſchewiſtiſchen Internatio:
nale ſein würde, das heißt, die Entſcheidung über Angriff oder Nichtangriff wird
dann nicht von zwei verſchiedenen Staaten nach deren objektivem eigenen Ermeſſen
getroffen, ſondern von einer Stelle aus direktiv erteilt. Dieſe Stelle aber würde
im Falle dieſer Entwicklung nicht mehr Paris, ſondern Moskau ſein.
Sowenig Deutſchland in der Lage iſt, ſchon aus rein territorialen Gründen
Rußland anzugreifen, ſo ſehr wäre Rußland jederzeit in der Lage, über den Amweg
ſeiner vorgeſchobenen Poſitionen einen Konflikt mit Deutſchland herbeizuführen. Die
Feſtſtellung des Angreifers wäre dann, weil unabhängig von der Beſtimmung des
VBölkerbunds rats, wohl von vornherein gewiß. Die Behauptung, oder der Ein-
wand, daß Frankreich und Rußland nichts tun würden, was fie eventuellen Gant-
tionen ausſetzen würde — und zwar von ſeiten Englands oder Italiens —, iſt
* „ * Angft um Sicherheit M
belanglos, weil es nicht zu ermeſſen ift, welcher Art wirkſame Sanktionen gegen eine
ſo überwältigende weltanſchaulich und militäriſch einige Konſtruktion überhaupt
ſein könnten.“
Lange genug hat Deutſchland vor dieſer Entwicklung gewarnt. Niemals werden
wir die Angſtpſychoſe verſtehen, die Frankreich zu dieſem gefährlichen Experiment
trieb. Nach wie vor iſt Deutſchland jederzeit zu einer Verſtändigung bereit, wie
fie der Führer wiederholt und leidenſchaftlich angeſtrebt hat. Die franzöſiſche Sicher ·
heit wäre weit beffer garantiert, wenn Frankreich die von Deutſchland fo oft Din,
geſtreckte Verſöhnungshand ergriffen hätte, anſtatt nach Moskau zu laufen. Europa
würde aufatmen, wenn Deutſchland und Frankreich miteinander ruhig verhandelten.
Es ift nie zu ſpät, Fehler zu erkennen oder zu beſeitigen.
Wenn Europa wieder aufgebaut werden ſoll, dann muß es geſchehen auf der Grund⸗
lage des Vertrauens und der gegenſeitigen Achtung, nicht aber unter dem Druck
von drohenden Militärbündniſſen. Die politiſche und moraliſche Gleich ⸗
berechtigung Deutſchlands ift eine ſelbſtverſtändliche Vor-
ausſetzung für die Herſtellung einer eur opäiſchen Goli.
baritdt!
Ana um Sicherheit
„Angſt“ und „Sicherheit“ find zwei Gefühlszuſtände, für die wir jungen
Menſchen im heutigen Deutſchland nur ſehr wenig Verſtändnis aufbringen können.
Das Schickſal der Jahre 1914 bis 1933 hat, zumindeſt der jüngeren Generation
bei uns, das Gefühl der Angſt gründlich abgewöhnt, und den Zuſtand einer abſoluten
Sicherheit haben wir in jener Zeit überhaupt nicht kennenlernen können. Angſt zu
haben, war ein Luxus, den ſich niemand leiſten konnte. Nach Sicherheit zu ſtreben,
blieb jenen Wenigen vorbehalten, die nicht merken wollten, daß erſt Welten zu⸗
ſammenbrechen mußten, ehe eine Neuordnung, eine in allen Bezirken des Lebens
neue Ordnung entſtehen konnte. Dieſe Tatſache darf uns aber nicht daran
hindern, nüchtern feſtzuſtellen, daß in der Völkerpſychologie der Nachkriegszeit das
Gefühl der Angſt keine geringe Rolle geſpielt hat und daß das Bedürfnis nach
„Sicherheit“ Triebkraft großer diplomatiſcher Aktionen war.
„Angſt um Sicherheit“ iſt es letztendlich auch am 8. März geweſen, was den
franzöſiſchen Minifterprdfidenten Sarraut zu der bedauerlich ſcharfen Formulierung
ſeiner Rundfunkrede veranlaßt haben dürfte; und womit ſonſt ließen ſich die erſten
Empörungsſchreie der Pariſer Preſſe über den Einzug deutſcher Truppen in deutſches
Land erklären?
Noch dürfen wir nicht „böſen Willen“ als Leitmotiv der gegenwärtigen europdi-
ſchen Diplomatie anſehen. Noch können wir aber auch keine andere Triebkraft ſür die
im Gange befindlichen außenpolitiſchen Aktionen Frankreichs erkennen. And fo er-
12 + „ * Angftum Sicherheit
ſcheint es uns notwendige Pflicht, wollen wir der gegenwärtigen Lage gerecht werden,
einmal grundſätzlich das Problem der „Angſt um Sicherheit“ zu behandeln.
Ausgangspunkt faſt aller diplomatiſchen Kriſen in Europa iſt das Verſailler
Friedensdiktat. Als eine Konſtruktion des Haſſes konnte es niemals das erzielen,
was es erzielen wollte: den Frieden Europas. Wer einſichtig genug war, zuzugeben,
daß eine dauernde Diffamierung Deutſchlands unmöglich ſei, löſte ſich immer mehr,
zumindeſt von jenen Punkten des Vertrages, die Deutſchlands Forderung nach
Gleichberechtigung entgegenſtanden.
Das Verſailler Friedensdiktat enthielt aber nicht nur zahlreiche Punkte, die
Deutſchlands Ehre aufs tiefſte verletzen mußten, ſondern es enthielt vor allem eben-
ſoviele Vorſchriften, die es Deutſchland unmöglich machen ſollten, eine Revifion des
Vertrages auch nur anzuſtreben. Ein unfinniger Zuſtand ſollte auf dieſe Weiſe zu
einer unabänderlichen neuen Ordnung Europas werden. Das Unfinnige dieſes Zu-
ftandes wurde der Welt ziemlich bald klar. Selbſt die Diktatmächte konnten ſich
dieſer Erkenntnis nicht verſchließen. Das Feilſchen um „Reviſionen“ begann, mußte
auch von Frankreich mitgemacht werden, ſollten nicht neue Kataſtrophen über Europa
hereinbrechen.
Hier beginnt die Tragik. Die Erkenntnis, daß der durch Verſailles geſchaffene
Zuſtand unſinnig ſei, ſührte die mächtigen europäiſchen Nationen zu einer zaghaften
Bereitſchaft, gewiſſe „Korrekturen“ an dieſem Zuſtand vorzunehmen, nicht aber
zu dem Entſchluß, mit konſtruktiven, neuen Ideen eine
Ordnung in Europa zu ſchaffen, die von Beſtand hätte ſein
können. Den Grund dafür feſtzuſtellen, erübrigt ſich ſchon deshalb, weil es an
den entſcheidenden Stellen bei den Siegermächten einfach an ſolchen konſtruktiven,
neuen Ideen mangelte.
Zwangsläuſig mußte Deutſchland von fih aus Wege ſuchen, dieſen Zuſtand zu
beenden. Immer mehr wurde Deutſchland gezwungen, konſtruktive Ideen zu finden
und der Welt vorzuſchlagen. Viele dieſer Ideen wurden vom deutſchen Parla-
mentarismus ſelbſt zerredet. Diejenigen aber, die in das politiſche Kräfteſpiel ein-
geſchaltet wurden, konnten erſtaunlich leicht mit Schachzügen alter Diplomatenfunft
matt geſetzt werden. Es blieb bei dem Feilſchen um „Revifionen”, um „Zu-
Ich habe die Rede des Führers gehört und ſehe nunmehr das Volk dieſer Stadt
in freudiger Erregung über die zurückgewonnene Freiheit, ein Volk, das friedlich
ijt und in Rube feinem Beruf nachgehen will, ein Volk, das aus ſeinem chriſtlichen
Glauben heraus nichts ſehnſüchtiger verlangt als den Frieden und die Harmonie,
den ſchönen Zuſammenklang der Herzen unter den Volksgenoſſen — und über die
Reichsgrenzen hinaus. Man wünſcht hier den Zuſammenklang aus ungeftörtem.
Glauben chriſtlicher Liebe und jener edlen Zucht, die von jeher als koſtbares An-
gebinde deutſchen Weſens gegolten hat. Dieſe Bevölkerung iſt friedliebend, ſo wie
das ganze Volk. (Biſchof Dr. Spohr, Mainz)
„ * Angftum Sicherheit 13
geſtändniſſe“. Es blieb bei einem Verkennen der Kriſe, in die Europa hinein-
ſchlidderte.
Wer wurde von einer ſolchen Kriſe am meiſten betroffen? — Deutſchland! Mit
abſoluter Folgerichtigkeit mußten die Menſchen in Deutſchland zuerſt zu der Er⸗
kenntnis kommen, daß die alten Methoden des Weiterwurſtelns liquidiert werden
müſſen. Adolf Hitler mußte die Macht ergreiſen, als der einzige Mann, der, im
Befitze des Vertrauens des ganzen deutſchen Volkes, bereit war, einen Ausweg aus
dieſer für ganz Europa verzweifelten Lage zu finden.
Die Machtübernahme des Nationalſozialismus in Deutſchland hätte 1933
eigentlich ein Aufatmen der Erleichterung für ganz Europa zur Folge haben miiffen.
Das „ungewiſſe Deutſchland“ war verſchwunden. Ein Partner trat in die politiſche
Arena, der wußte, was er wollte und der dies auch offen ausſprach. Die engliſche
Politik, mit ihrem Sinn für Realitäten, erkannte dies ſofort. Polen zögerte nicht,
die dargebotene Freundſchaftshand zu ergreifen. And noch eine Reihe anderer
Staaten begriffen die Bedeutung eines nationalſozialiſtiſchen Deutſchlands für
Europa.
4ind Srankreich?
Selten wurde einem Volke unter derartigen Vorausſetzungen herzlicher die
Hand der Freundſchaft dargeboten, wie es der Führer in all ſeinen außenpolitiſchen
Erklärungen tat. Niemals wurden einer Nation ſo zahlreiche poſitive, ſehr konkrete
Vorſchläge für eine Verſtändigung unterbreitet. And niemals wurden ſchließlich
ſolche Vorſchläge mit ähnlichem, ſehr ernſt zu nehmenden Gewicht immer wieder
wiederholt.
Nicht eine einzige poſitive Antwort eines in Frankreich regierenden Staats-
mannes iſt darauf gegeben worden. Im Gegenteil: die denkbar negativſte Erwiderung
erfolgte: das franzöſiſch⸗ſowjetruſſiſche Militärabkommen wurde abgeſchloſſen. Wie
iſt etwas Derartiges überhaupt möglich? Mit dieſer Frage ſind wir wieder bei
Frankreichs Angſt um ſeine Sicherheit angelangt.
Dieſe „Angſt um Sicherheit“ wollen wir aber nicht ſo einfach als Schlagwort
hinnehmen. Einer ſolchen Naivität wollen wir uns nicht ſchuldig machen. Was
ſich hinter dem Gefühlszuſtand, den wir mit dieſen Worten umreißen, in Frankreich
verbirgt, iſt außerordentlich kompliziert. Es lebt in ihm jene jahrhunderte alte
Rivalität, die der europäiſchen Geſchichte bisher ihren Stempel aufgedrückt hat. Der
„tauſendjährige Kampf Frankreichs um den Rhein“ iſt ein Moment, das wir nicht
unterſchätzen dürfen. And ſelbſt wenn verantwortungsbewußte Publiziſten, wie
De Jouvenel ſchreiben: „Es iſt zwecklos, über die Vergangenheit zu reden“, ſo wird
der franzöſiſche Generalſtabschef ſich doch nur ungern von den Argumenten trennen,
die zu der Errichtung des gigantiſchen Feſtungsgürtels an der deutſchen Grenze ge⸗
führt haben.
Das biologiſche Problem Frankreichs, ſein Geburtenrückgang, dürfte in einer
pſychologiſchen Wirkung auch eine Rolle ſpielen. Wirtſchaftlich ift Frankreich heute
14 ' Angſt um Sicherheit
gewiß ſtärker als irgendwer ſonſt. And doch ſtürzen Kabinette über dem Schrei der
Maſſen: „La crise! — La crise!“ Der Parlamentarismus zwingt die Regierenden
zu Konzeſſionen und Rückſichtnahmen, mehr als in irgendeinem anderen Land. Die
Entſchlußkraft des Einzelnen wird dadurch geſchwächt. Wir ſehen Anſicherheits⸗
faktoren, wo wir ſie gar nicht mehr gewohnt ſind zu ſuchen.
Zwiſchen den Generationen herrſchen große Spannung. Das Land wird von
alten Menſchen regiert. Als franzöſiſcher Anterrichtsminiſter ſchrieb vor kurzem
de Monzie darüber, daß „die Baſtille der Greiſenherrſchaft faſt uneinnehmbar ſei“.
Anzufriedenheit der Jugend, Auflehnung iſt die Folge. Auch die Schüſſe vom
6. Februar 1934 auf der Place de la Concorde dürfen nicht vergeſſen fein.
Anſicherheit im Innern ſtärkt ſelten das Sicherheitsgefühl für eine Außenpolitik,
die den Mut haben ſoll, neue Wege zu gehen. And ſo wird gezögert und gezögert,
bis Deutſchland, aus eiſernem Zwang heraus Tatſachen ſchafft, die zwar felbft in
Frankreich als unvermeidlich angeſehen wurden, die man aber doch ſo gerne noch
etwas hinausgeſchoben hätte.
Vielleicht fühlen auch die Routiniers der alten Diplomatie, wie ihnen die
geſchichtliche Entwicklung Europas die Zügel aus den Händen nimmt, wie die alte
Kabinettspolitik nicht mehr ausreicht, die ſchickſalhaften Probleme von Blut und
Boden zu fen. Wir wiſſen dies nicht. Aber wir wiſſen eines: daß fih die „Be⸗
mühungen den Frieden Europas zu wahren“, wie ſie ſeit 1918 von den franzöfiſchen
Regierungen betrieben werden, von uns nur als „Angſt um Sicherheit“ aufgefaßt
werden können.
Verſuche ohne Ergebnis.
Dieſe Bemühungen um „Sicherheit“ (oder wie die franzöſiſche Lesart lautet:
um den Frieden Europas) haben aber bisher ſtets die merkwürdigſten Ergebniſſe
erlebt. Sie find entweder reſultatlos verlaufen oder haben höchſt bedenkliche Rejultate
gezeitigt. Wir brauchen nicht die einzelnen Stationen des franzöſiſchen Liebes-
werbens um andere europäiſche und aſiatiſche Mächte aufzuzählen, um klar zu er-
kennen, welch fragwürdigen Wert Frankreich dabei eingehandelt hat.
Wir müſſen aber eines feſtſtellen, daß die Entwicklung der Sicherheitsfrage, wie
ſie von Frankreich immer wieder geſtellt wurde, dieſe Sicherheitsfrage als ſolche
immer wieder ad absurdum geführt hat.
Idealiſtiſch wollte ſchon Wilſon das Sicherheitsproblem durch eine allgemeine
Abrüſtung löſen. Der Verſuch mißlang kläglich, weil alle gut gerüſteten Staaten den
Einwand erhoben, ſie müßten über ihre nationale Sicherheit ſelbſt wachen. Dann
verſuchte Frankreich das Problem der allgemeinen Sicherheit mit dem ſeiner eigenen
Sicherheit zu verbinden. Es bemühte fih, die Koalition des Weltkrieges Frankreich —
England — A. S. A. in Form eines Defenſivbündniſſes gegen Deutſchland neu zu
Wenn die Sanktionen gegen Italien Frankreich an den Rand des Krieges ge:
führt haben, ſo kann man überzeugt ſein, daß die Sanktionen gegenüber Deutſchland
unbedingt zum Kriege führen werden. („Ami du Peuple“, Paris)
* , * Ungft um Sicherheit 15
ſchmieden. Dies gelang nicht. Darauf benützte Frankreich im Weſentlichen den
Völkerbund zur Löſung ſeiner eigenen Sicherheitsfrage, in dem es durch ihn gegen
alle Angreifer und Vertragsbrecher mit Sanktionen vorgehen laſſen konnte. Als
ſich bald ſchließlich auch dieſe „Sicherheit“ als fragwürdig erwies, begann jene
Paktomanie, die ihre Krönung in dem ſowjetruſſiſch⸗franzöſiſchen Bündnis fand,
das ſchließlich den deutſchen Schritt vom 7. März 1936 auslöſte.
Die Geiſteshaltung, die Frankreich zu dieſer Jagd nach Sicherheit veranlaßt, iſt
demnach keineswegs erſt nach der Machtübernahme durch den
Nationalſozialismuss entftanden. 1921, fo verrät uns das frangdfifde
Gelbbuch von 1924, ſollte bereits ein Defenſivbündnis gegen Deutſchland geſchaffen
werden.
„An dieſer Entwicklung ſind nicht wir ſchuld, denn es lag nicht in unſerer
Kraft oder in unſerem Vermögen, nach dem furchtbaren Zuſammenbruch und in der
Zeit der Demütigung und wehrloſen Mißhandlung der Welt Ideen zu geben oder
gar Geſetze des Lebens vorzuſchreiben. Das taten die mächtigen Regierenden dieſer
Erde. Deutſchland aber gehörte mehr als 15 Jahre nur zu den Regierten.“ (Adolf
Hitler in ſeiner Rede vom 7. März 1936.)
Appell an Frankreich — Appell an die Vernunft!
Wir wollen keineswegs die pſychologiſchen Schwierigkeiten gering ſchätzen, die
einer deutſch⸗franzöſiſchen Verſtändigung bei den verantwortlichen franzöſiſchen Po-
litikern entgegenſtehen. Doch glauben wir: gelänge es erft einmal, in ganz Frant-
reich die „Angſt um ſeine Sicherheit“ durch ein pofitives Gefühl zu erſetzen, wäre
ein entſcheidender Schritt für den Frieden Europas getan.
Gibt es hierfür bereits Anſatzpunkte?
Sicher. Einer der ſtärkſten Triebkräfte des franzöſiſchen Sicherheitsbedürfniſſes
ift zweifellos ein ehrlicher Wunſch nach Frieden. Das franzöſiſche Volk ift des
Kriegsführens müde. Die Jugend in Frankreich will insbeſondere von einen Krieg
mit Deutſchland nichts mehr wiſſen. Am dieſem Friedensbedürfnis Rechnung zu
Das Ja der Kirche
Tief ergriffen von dem Ernſt der Stunde und von der feſten Entſchloſſenheit
des aus ſeiner Verantwortung vor Gott handelnden Führers ſteht die deutſche
evangeliſche Kirche freudig bis zum letzten Einſatz für des deutſchen Volkes Ehre
und Leben bereit. (Generalſuperintendent D. Zöllner an den Führer)
In der denkwürdigen Stunde, da die Wehrmacht des Reiches wiederum als
Hüterin des Friedens und der Ordnung in das deutſche Rheinland ihren Einzug
hält, begrüße ich die berufenen Waffenträger unſeres Volkes mit ergriffener Seele
und eingedenk des erhebenden Beiſpiels opferbereiter Vaterlandsliebe, ernſter
Manneszucht und aufrechter Gottesfurcht, das unſer Heer von jeher der Welt
gegeben hat. (Erzbiſchof Kardinal Schulte, Köln)
16 t , * Angftum Sicherheit
tragen, ift die Diplomatie den Weg gegangen, den wir als „Verſuche ohne Ergebnis“
bezeichnen mußten. Gelänge es, den Franzoſen ganz deutlich vor Augen zu führen,
daß in der Gegenwart ein Frieden gegen Deutſchland ein Anding ſei, gegen jedwede
Vernunft ſpricht, und gelänge es, die diplomatiſchen Bemühungen der letzten
15 Jahre, die Frankreich im Nachhängen einer Vorkriegsideologie unternommen hat,
ad absurdum zu führen, dann könnte es vielleicht mit jene „pſychologiſche Vor
bereitung“ ſein, von der der Führer in ſeiner letzten Rede wieder ſprach.
Einen ſolchen Verſuch zu unternehmen, iſt nicht ſchwer. Schwerer ſchon iſt es,
ihn in Frankreich ſelbſt diskutieren zu laſſen. (And da Frankreich bisher ſich noch
niemanden gewählt hat, den es, mit feinem ganzen Vertrauen ausgeſtattet, die Auf-
gabe übergeben könnte, mit dem Führer direkt zu ſprechen, find ſolche Allgemein ⸗
diskuſſionen noch unvermeidlich.) Aber auch dies kann vielleicht durch die Fort-
führung der bereits angebahnten Geſpräche der Jugend, der Frontkämpfer, der
jungen Diplomaten in immer ſtärkeren Maße ermöglicht werden.
Ein noch wenig gebrauchtes Argument für dieſe Diskuſſion wäre die einfache
Frage, ob Frankreich ſich nicht darüber klar iſt, daß Verſuche, ein Volk nieder-
zuhalten im europäiſchen Raum bisher noch ſtets kläglich geſcheitert find, daß Deutſch⸗
land, wenn es irgendwem gelänge, ſeine Menſchen zur Verzweiflung zu treiben,
zwangsläufig dem Bolſchewismus zum Opfer fallen müßte, womit fih aber wahr⸗
ſcheinlich die Sowjetpolitik nach altbewährtem Muſter um 180 Grad drehen und
gegen Frankreich richten dürfte. Moskaus Arm am Rhein ift aber wohl eine
Vorſtellung, bei der ſich einem Franzoſen kaum noch Angſt um Sicherheit auf⸗
drängen wird, ſondern ſich ſeiner eher eine regelrechte Panik bemächtigen dürfte.
Will Frankreich dieſe Gefahr heraufbeſchwören?
Wir können es nicht glauben, und wir wollen es auch nicht glauben. Wir
hörten nicht nur die ſcharfe Rundfunkrede Sarrauts, ſondern wir hörten auch eine
beträchtliche Anzahl franzöſiſcher Stimmen, die mit dieſer Rundfunfrede keineswegs
einverſtanden waren und fie ganz offen kritiſieren. Das Herz des franzöſiſchen
Volkes wird ſchließlich zu entſcheiden haben. And wir glauben warten zu können,
bis ſich die Gefühlsregungen dieſes Herzens bis in die Hirne der verantwortlichen
franzöſiſchen Politiker fortgepflanzt haben.
Nur mit einem ſoll man uns nicht mehr kommen, mit Sätzen, wie ſie in der
franzöſiſchen Kammer in der Regierungserklärung vom 10. März gefallen find.
Daß man mit Deutſchland nicht verhandeln könne, weil es die Welt vor voll-
zogene Tatſachen ſtellt. Man hat wahrhaftig lange Zeit gehabt, Deutſchlands
Gleichberechtigung, die ihm zugeſichert war, wieder herzuſtellen. Man hat eg ver-
abſäumt. And man ſoll jetzt nicht ſagen: daran iſt die Entſchloſſenheit des Reiches
ſchuld.
. L——:ͤĩn...ñ᷑m ...... I nn id Eee ——8——.ñʃ—?:P:—
Ich bin dankbar, ſagen zu können, daß kein Grund für die Annahme beſteht,
daß die gegenwärtige deutſche Aktion eine Drohung mit Feindſeligkeiten in fi
ſchließt. (Außenminiſter Eden)
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herAlnehvon Piechtenftem.
Ritter Ulrich von Liechtenstein
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Verse aus der Heidelberger Liederhandschrift (14. Jahrhundert)
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in wol enpfahen vi rirter chwme vrr
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Gu der {nelle hiex bringen dw
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march. do rew mir Diereriche vil ma
nich degen flarch.ba er fi grvzen
wolde zu 21n an daz ver. da herens vf
gebvnden wl manich herlich gadr.
oh von Trvnege verriet rmen
fach. av den finen herren gezogenlich
er fprach. nv (vir ir Indle Techen von
den ſedeln ſtan . vnd ger im bin enge-
di ꝛvch da w enr enyfah
orr dem her em geſindt daz ut
mr wol berbant: ez ſim vil {nelle
degene von Amelvnge lant. o fire ver
von Berne vi ine vil hobgemvr: ir
felt iz mbr ver ſmahen fwaz man
1 Dendle gervr:
d o unden von ven roffen daz was
michel rehr. nchen Diereriche man
ich rrer vnd kocht. fi gengen av ven
geſten da man vi beide van. fh gevz
D
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H
Strophen aus dem Urtext des Nibelungenliedes (13.Jahrhundert)
Herr Walther von der Vogelweide (12.Jahrhundert)
Rainalter / Schrifttum aus Oeſterreich 17
Mut zur Entſchloſſenheit
Die Entſchloſſenheit und die Offenheit des Führers haben Deutſchland beifpiel-
loſe Erfolge gebracht. Es würde vielleicht auch für Frankreich von nicht minderer
Bedeutung ſein, wenn es ſich ebenſo bereit finden würde, wie ſich Adolf Hitler bereit
fand, offen, mutig und entſchloſſen die neuen europäiſchen Gegebenheiten des
XX. Jahrhundert zu erkennen und die in ihnen ruhende Gefahr beim richtigen Namen
zu nennen.
Allerdings müßte das, was wir „Angſt um Sicherheit“ nannten, dann durch
Mut zur Entſchloſſenheit, durch Mut zu neuen Ideen abgelöft werden. Es iſt nun
an Frankreich, die Frage ſich ſelbſt zu ſtellen und uns die Antwort zu geben.
Wir warten darauf.
In dieſem Zuſammenhang ſcheint uns eine kurze Meldung aus Frankreich auper-
ordent lich bedeutſam. Sie ſtammt vom 9. März und wirft, beſſer als es viele Worte
können, ſchlagartig ein Licht auf all das, was auch wir feſtſtellen konnten. Dieſe
Meldung lautet:
„Der ehemalige Minifterpräfident André Tardieu hat fic, wie er den Wählern
des Gebietes von Belfort in einem Schreiben mitteilt, entſchloſſen, auf feinen Parla-
mentsſitz zu verzichten. Er wollte nicht mehr Abgeordneter ſein, ſchreibt er, weil er
glaube, daß das politiſche Syſtem Frankreichs weder vom Volke geduldet noch durch
parlamentariſche Mittel verbeſſert werden könne. Er habe ſeit vier Jahren verſucht,
dieſes Regime durch parlamentariſche Mittel zu verbeſſern, es ſei jedoch unmöglich
geweſen.
Zum Schluß ſpricht Tardieu die Hoffnung aus, daß ſein freiwilliger Verzicht auf
eine politiſche Laufbahn die Aufmerkſamkeit des franzöſiſchen Volkes auf den Ernft
der Aebelſtände lenken möge.“
Tardieu aber ift nicht ein rbeliebiger Abgeordneter, der auf feinen Parlaments-
fig verzichtet, ſondern einer der wenigen Männer in Frankreich, die ein außerordent ;
lich gutes Empfinden für Kriſen und damit im Zuſammenhang ſtehende Wandlungen
haben. W.
Erwin H. Rainalter:
Sheiftium aus Deſterreich
VBolbsdeutſche Dichtung
Es gibt ein öſterreichiſches Schrifttum, ſeit man im großen Deutſchland ſingen
und jagen lernte. Als einer der phantaſievollſten, beweglichſten, muſiſcheſten Stämme
des deutſchen Volkes haben die Oeſterreicher zu allen Zeiten danach geſtrebt, ihre
Eigenart in künſtleriſcher Formung auszuprägen. Dabei haben He fi) niemals zu
einer kosmopolitiſchen Art bekannt, wie fie auf dem Boden der alten öſterreichiſch⸗
18 Rainalter | Schrifttum aus Oeſterreich
ch Zoch meine valken mete danne em
tar do ich in geꝛamete als ich in wolte
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Strophen des Kürenbergers
— —
ungariſchen Monarchie wohl hätte entſtehen können. Sie lebten zwar in innigſter
politiſcher und wirtſchaftlicher Verbindung mit Magyaren, mit Tſchechen, mit Polen,
mit Südſlawen, mit Italienern; jowie es aber kulturelles Wirken galt, waren und
blieben ſie deutſch, alle fremden Einflüſſe fielen ab. Gewiß kann man ſagen, daß
fie ſogar den allerbeſten Deutſchen zuzuzählen waren, weil ein Volkstum immer dort
am kräftigſten gedeiht, am reinſten ſich bewahrt, wo es mit jedem neuen Tage
kämpfend erobert und behauptet werden muß. Die Deutſchen haben ihre beſten
Söhne ſtets an der Grenze gehabt.
Daß, als das deutſche Volk ſich zu künſtleriſcher Betätigung pero in Oeſter⸗
reich ſogleich ein reicher und üppiger Liederfrühling einſetzte, iſt durch die Landſchaft
bedingt. Oeſterreich iſt das ſüdlichſte Deutſchland. Dort geht die Luft ſchon weicher,
ſie bringt über die Alpen den Duft wärmerer Zonen herüber. An der Schnittfläche
von Straßen gelegen, die Europas Weſten und Oſten, Norden und Süden verbinden,
war es immer ein Mittler im kulturellen Austauſch der Nationen. Darum hat
ſpäterhin auf öſterreichiſchem Boden das Barock fo ſehr geblüht, daß es ein architek⸗
toniſches Wunder wie die Stadt Salzburg ſchaffen konnte. Hier geſchah Einmaliges:
fremde Bauſtile wurden deutſchem Geiſte und Weſen ſo völlig einverleibt, daß ſie
ihren Gehalt ganz veränderten und ſich organiſch der deutſcheſten Landſchaft ein-
fügten. Dabei erwies das öſterreichiſche Deutſchtum eine Kraft im Anterwerfen, im
Aufſaugen, im Amgeſtalten, die es ſpäterhin noch oftmals bewährte. Es gehört,
wenn man will, auf dieſes Blatt, daß Künſtler aus dem deutſchen Norden — und
Rainalter / Schrifttum aus Oeſterreich 19
bezeichnenderweiſe waren dies Muſiker — erft an der Donau, inmitten eines Deutſch⸗
tums, das weich und kämpferiſch zugleich war, ihre Eigenart ganz zu entwickeln ver-
mochten: der Rheinländer Beethoven und der Hamburger Brahms wurden vol-
kommene Wiener und bereicherten aus dem deutſchen Süden den großen künſtleriſchen
Schatz ihres Volkes und der Welt. Der Dithmarſche Hebbel reiht ſich ihnen mit
gleichem Schickſal an.
In den Anfängen der deutſchen Dichtung — dies wurde ſchon geſagt — blühte
in Oeſtereich eine junge Lyrik auf. Sie war geboren aus den milderen Linien einer
üppigen Landſchaft, aus der Liedſeligkeit eines Stammes, der in dieſer Landſchaft
ſeine Erfüllung fand. Hier konnte der Steiermärker Herr Alrich von Lichtenſtein
ſeinen ſüßen Frauendienſt feiern; hier konnte der Tiroler Oswald von Wolkenſtein
fingen. Der von Kürenberg, der von der Donau, aus der Gegend von Linz ſtammte,
tat es ihm gleich. Aber dieſe beiden bewieſen ſchon eine tatkräftige deutſche Art
darin, daß ſie nicht nur ſangen, ſondern auch zu kämpfen wußten, und zumal der
Wolkenſteiner führte ein bewegtes Leben, in dem immer wieder Krieg und Fehde
über den Geſang die Oberhand gewannen. Sie alle überſtrahlte an Ruhm, an
reinem Dichtertum, an Innigkeit des Gefühls und Inbrunſt des Wortes der größte
Sänger aus ritterlicher Zeit, Herr Walther von der Vogelweide, deſſen Heimat wohl
auf dem Vogelweidhof bei Bozen zu ſuchen iſt und der in öſterreichiſche Landſchaft,
in öſterreichiſchen Minnedienſt, in öſterreichiſches höfiſches Leben ganz und gar hinein-
wuchs: „Zu Oeſterreich lernte ich ſingen und ſagen!“ Alle Kräfte des Landes ver-
einten ſich, um in ihm eine einmalige große Offenbarung künſtleriſcher Höhe,
kultureller Reife, ſchöpferiſchen Reichtums zu geben.
Es iſt ſymboliſch für die Stellung Oeſterreichs im deutſchen Raum, daß die
Nibelungen auf ihrem Zuge in die Fremde, in König Etzels Land, ihren Weg die
Donau entlang nehmen mußten: ſie ſtellte die Verbindung her zwiſchen der deutſchen
Heimat und der Ferne, fie war Ausfallstor und Mittlerin zugleich. Ermißt man,
wenn man ſich dieſe völkerpolitiſche Situation Oeſterreichs vergegenwärtigt, wie ftarf
ein Stamm in ſeinem deutſchen Kern ſein mußte, um ſich gegen alle Einflüſſe, die
auf ihn eindrangen, zu behaupten? Oeſterreich ſchöpfte ſeine Kraft wohl aus der
unmittelbaren Berührung mit dem Boden. Es iſt ein Bauernland, und der Bauer
iſt der treueſte Bewahrer und Anwalt des Erbes von ehedem. Die Städte ſpielten
in Oeſterreich gegenüber der volkreichen und gefunden Provinz ſtets nur eine Rolle
zweiten Ranges, und bis in die jüngſte Zeit konnte man beobachten, daß immer dann,
wenn die öſterreichiſche Kultur durch die Großſtadt geſchädigt zu werden drohte, das
Land eingriff und ſeine Söhne vorſchickte, damit ſie neue Befruchtung brächten.
Als im frühen Mittelalter das religiöſe Myſterienſpiel, um deſſen Erneuerung
man ſich heute ſo ſehr bemüht, aufblühte, da ſammelte ſich auch in ihm die ganze
ſinnenfrohe Geſtaltungskraft eines bäueriſchen Stammes. Dieſe Kunſt kam ja ganz
unmittelbar aus dem Volke, und das Volk ließ nun in die geſpielte Szene alles ein⸗
ſtrömen, was es an froher Gläubigkeit und an erdverbundenem Brauch mitbrachte.
Der Rahmen war ſtets aus der vertrauten Landſchaft und aus dem Alltag geholt,
20 Rainalter / Schrifttum aus Defterreid
alles Myſtiſche löfte fih in eine herzhafte Diesſeitigkeit. Das Religiöſe wurde un-
mittelbarſter Spiegel des Volkes ſelbſt, und heute noch find uns in alten Hand-
ſchriften, etwa in dem wunderfamen Halleiner Krippenſpiel, dieſe rührend naiven,
foftbar urſprünglichen Ofſenbarungen ſchöpferiſchen Volkstums zugänglich.
Den unmittelbaren Zuſammenhang mit den geſtaltenden Kräften des Bauern-
tums verlor die Dichtung erſt im Barock. Was der Baukunſt gelang, gelang dem
Schrifttum nicht: es vermochte ausländiſche Einflüſſe nicht ganz aufzuſaugen und
zu Eigenem umzuformen. So wurde das Barockdrama und das Jeſuitendrama zur
großen Allegorie, zur abſtrakten Schau geiſtiger Horizonte. Dennoch darf man nicht
verkennen, daß der Klerus, der ſich hier dem Volke entfremdete, auch Geſtalten
hervorbrachte, die fih ihrer Volksnähe und Volksverbundenheit als koſtbaren Be-
ſitzes bewußt blieben. Hier muß der Pater Abraham a Santa Clara aufgezeigt
werden, der während der Türken⸗ und Peſtzeit zu den Wienern ſprach und feine
Predigten zu Kunſtwerken formte, voll einer zupackenden, geſunden, blutſtrotzenden
Sprache, voll finnlider Bildgewalt, voll eines wilden Humors.
Schon das Myſterienſpiel hatte oftmals den Geſang nicht entbehren können,
um aus der Zweiheit der Künſte vertiefte Wirkungskraft zu gewinnen. Daß in
einem Stamme, deſſen Landſchaft ſelbſt voll Muſik war, das Muſikaliſche ſich immer
ſtärker regen, immer größeren Einfluß auch auf das Wort gewinnen mußte, iſt
klar. Wie ſpäterhin die größten Lyriker des Tones, Schubert und Hugo Wolf, aus
Oeſterreich aufwuchſen, fo kam von hier auch der Mann, der dem Drama, der Shau-
bühne die ſtärkſten Impulſe brachte, indem er eine Kunſt, die doktrinär geworden
und in Formeln erſtarrt war, muſikaliſch löſte und ihr eine Freiheit zurückgab, die
ſie zum ſchöpferiſchen Aufbau eines nationalen Theaters verwenden konnte. Dieſer
Mann war Mozart. Lange vor Wagner ſchuf er, obendrein mit Textbüchern, die
nicht feinem eigenen Geſtaltungswillen entſprangen, das deutſche Mufikdrama, in
dem zwei Künſte ganz zu einer neuen Gattung verſchmolzen. Nichts könnte deutlicher
für ſein Ingenium ſprechen als die Tatſache, daß ſeine Muſik ſtark genug war, aus
den oft unzulänglichen Dichtungen, die ihm vorlagen, Funken zu ſchlagen und fie
ganz der großartigen Geſamtwirkung untertan zu machen. Die Befruchtung, die er
brachte, erſtreckte fih nicht nur auf das deutſche Opernſchaffen ſpäterer Zeiten, fon:
dern auf das Drama ſchlechthin. In Oeſterreich zumal wich das Muſikaliſche von
der Schaubühne hinfort auch dann nicht mehr, wenn es ſich nicht mehr unmittelbar
auswirkte. Wer näher hinhorcht, wird etwa wahrnehmen, daß auf dem öſterreichi⸗
ſchen Theater im geſprochenen Wort ſtets ein leiſes Singen geweckt wurde. Das
konnte ſeine Gefahren haben, weil dadurch bisweilen lyriſche Dramen entſtanden,
die keiner der beiden Gattungen vollkommen genügten. Aber andererſeits verdanken
wir doch dieſer Muſikalität der Sprache und der Viſion eine Erſcheinung wie Grill.
parzer, dem man nur dann ganz gerecht werden kann, wenn man ihn aus feiner
Stammeseigenart heraus begreift. Alles, was am Oeſterreicher fruchtbar iſt, ver-
einigte ſich in ihm zu einer Perſönlichkeit von repräſentativem Ausmaß. Der mufi-
kaliſche Arſprung ſeines Weſens wird durchaus deutlich in jenen Dramen, deren
Rainalter / Schrifttum aus Oeſterreich 21
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here vrowe; daß ich bru Div emor me Bufter“
nich wol tuf enfbunt andeamai feher wie
ror mun sale Der mir
o het er semacer alſd rich von blõmen ame
berre (at des irt noch v laclyt aninuecliche -
bamer emen an das Ribo far · biden ron er thot
nig mart. tararaidii erben. wa mires he?
as er bi nit dageleꝙ · wiſſd es ie · berla-
men ny nee spe. ſd ſthiaurpt ich mich wegs er
mit mir pPlege nie mer memen beumd es ant
Daat Man or vil ich / vñ am claines vogellin · tun
daramui das mag wol getr owe fin.
Ein Lied Walthers von der Vogelweide. Aus der ſogenannten Weingartener Handſchrift
(14. Jahrhundert) in der Königlichen Oeffentlichen Bibliothek zu Stuttgart.
Unter der Linde
= SE rubten jüngſt i
wo wir en jün u wein,
rdet ihr finden a
far uns bei
5 Gras und Blümelein.
dem Wald in einem Tal
— tandaradei —
lieblich fang die Nachtigall.
Ich kam n
net ae, a bite der Zeit
0 mein Liebſter vor der Zeit.
Da ward ich empfangen
als hehre Fraue:
unvergeblie Seligkeit!
Sab d mir Su Taufendweis
ſeht! mein Mund, wie rot und heiß.
Da wut er machen
ein Blume e
ach ſo prähtig Hir uns zwei.
Genug wohl zu laden
ein jeder hätte,
führt? thn dort der Weg vorbei:
an den Rojen er wohl mag
radei —
merlen, wo das Haupt mir lag.
Dak wir da lagen,
wü es einer —
verbüt’ es Gott! — fo ſchämt' ich mich.
Was wir da pflagen,
fetner, feiner
erfahre das als er und id,
und ein kleines Vögelein
— tandaradei —
das wird treu verſchwiegen fein.
klaſſiſches Gewand fo ganz anderen Faltenwurf hat, als etwa Goethes „Iphigenie“,
ſomit alſo in „Sappho“ und in „Des Meeres und der Liebe Wellen“. Hier iſt alles
weicher, zärtlicher, auch die letzte Tragik iſt noch abgebogen in eine ſtille Melancholie,
die der ſchickſalhaften Kraßheit entbehrt. Ob diefe Schöpfungen darum dem wahr-
22 | Rainalter / Schrifttum aus Oeſterreich
haft klaſſiſchen Ideal fernbleiben? Wer möchte das mit letzter Sicherheit entſcheiden?
Im übrigen hat man, angeſichts der „Sappho“, dem Dichter den Vorwurf gemacht,
fein Werk wäre nicht eigentlich griechiſch in feiner Haltung. Er ſchrieb dazu: „Einige
meinten, das Stück ſei nicht griechiſch genug, was mir ſehr recht war, da ich nicht
für Griechen, ſondern für Deutſche ſchrieb.“ In dieſem Satz liegt ein Programm,
das wir in ſeinem ganzen Werk erkennen wollen, weil es das ſouveräne Recht des
Dichters formuliert, Fremdes ſtets ſeiner eigenen Stammeseigenart untertan zu
machen. Grillparzer hat das zeitlebens befolgt: auch die alten Spanier ſetzte er
ganz in den Geiſt um, der die deutſche Schaubühne zu beherrſchen hat. Er, der ſich
als ſo guter Oeſterreicher fühlte, war zugleich einer der beſten und wertvollſten
Deutſchen. In dieſer Zweiheit liegt ſein ewiger Wert: man kann in die völkiſche
Geſamtheit nur hineinwachſen, wenn man ganz feſt und tiefverwurzelt auf dem
Boden der unmittelbaren Heimat ſteht.
Als Grillparzer wirkte, ſtand das Wiener Theater in einer hohen Blüte. Das
Burgtheater war zur erſten nationalen Bühne Deutſchlands geworden. Aber auch
in den Wiener Vorſtädten regten ſich vielfache Kräfte, die ein neues dramatiſches
Ideal ſchufen. Was im deutſchen Norden die Neuberin erfolglos verſucht hatte: die
Derbheit der Harlekinade in eine volkhafte Kunſt überzuführen, das gelang den
Wiener Schauſpielern und Dichtern. Auch hier hatte die kraſſe Poſſe geherrſcht, die
den Publikumsinſtinkten ganz und gar entgegenkam. Männer wie Ferdinand Rai-
mund und Johann Neſtroy brachten es zuwege, dieſen Schutt wegzuräumen und
Neues aufzubauen. Sie gingen von der Vorausſetzung aus, daß man dem Volke
feine Freude an naiver Schauluſt laſſen müſſe. Auch dem Humor zollten fie fein
Recht in weitgehendem Maße. So ſchufen fie denn ihre Stücke, die alle Aus-
ſtattungskünſte entfalteten und die immer um große Komikerrollen gruppiert waren.
Dieſe Rollen ſchrieben ſie ſich ſelber auf den Leib, denn beide waren ſie Schauſpieler.
Indem ſie beſtrebt waren, dem Publikum zu genügen, wußten ſie doch zugleich, daß
in dieſer namenloſen Menge beſſere Inſtinkte walteten, als es die Stückeſchreiber
vor ihnen wahrhaben wollten. Wenn ſie ſich alſo dem Volke unterwarfen, ließen
ſie zugleich das Volk auf ihre künſtleriſche Geſtaltung einen Einfluß gewinnen, der
ſo weit ging, daß man hier zum erſtenmal von einer wahrhaft volkhaften Kunſt
ſprechen kann. Werke wie Raimunds „Verſchwender“ und Neſtroys „Lumpazi⸗
vagabundus“ gehören zu den ewigen Wunderwerken einer naiv-finnliden, bluthaften
Dichtung, die nicht veralten und ſterben kann.
Sie haben einen großen Nachfahren gefunden in Ludwig Anzengruber, dem
Schöpfer des vollgültigen Bauernſtücks, der allerdings ſchon zweckhafter als fie war
und ſcharfe Kritik zu üben vermochte. And nun begann es fih überall in Oefter-
reich zu regen, alle Landſchaften traten in den Wettbewerb, um zum Aufbau einer
öſterreichiſchen Kunſt beizutragen, die ſich ihres Arſprungs aus dem Volke bewußt
blieb. Der Böhmerwald fand ſeinen herrlichen Schilderer in Adalbert Stifter, den
man ſpät als einen der ganz großen Proſaiſten erkannt hat. In der Steiermark ent-
faltete Peter Roſegger, der Waldbauernbub, ſein echtes, zwingendes, elementares
Rainalter / Schriſttum aus Oeſterreich 23
Erzählertum. In Wien formte Marie von Ebner ⸗Eſchenbach, die adelige Frau mit
dem gütigen Herzen und dem regen ſozialen Gewiſſen, ihre ſchönen Romane und
Novellen, die immer von den Bedrückten und Anſcheinbaren ſprachen; und Ferdinand
von Saar gab uns ſeine „Novellen aus Oeſterreich“, die in ihrer Bedeutung heute
noch nicht ganz erkannt find, und die eine farbige, geſtaltenreiche Kulturgeſchichte des
alten Oeſterreich bilden. Dieſe Epik hat bis auf den heutigen Tag kräftige Könner
hervorgebracht: Rudolf Hans Bartſch ließ in feinen früheſten, beſten Büchern die
Landſchaft Steiermarks muſikaliſch aufklingen, Friedrich von Gagern ſchuf feine groß-
zügigen Romane, in denen es ihm um die Erkundung völkiſcher Gebundenheit ging,
zwei Frauen, Enrica von Handel⸗Mazzetti und Paula Grogger, erwiefen faſt männ-
liche Wucht, wenn fie Schickſale aus der Geſchichte der Heimat beſchworen, und zwei
Sudetendeutſche, die ganz in den öſterreichiſchen Kreis eingewachſen find, Karl Hans
Strobl und Robert Hohlbaum, wurden zu nationalen Rufern voll Sehnſucht und
Begeiſterung.
Der Blutſtrom, der aus der Muſik des Landes kam, befruchtete die Lyrik des
öſterreichiſchen Stammes ſeit Schuberts Tagen in einem reichen Maße. Im größten
öſterreichiſchen Lyriker, in Nikolaus Lenau, erwies das Deutſchtum ſeine ſieghafte
Gewalt: denn dieſer Mann ſtammte aus Angarn, auf einer Puſzta war er geboren,
dennoch war ſein Herz und ſein Wort deutſch vom erſten Augenblick an. Er brachte
aus ſeiner Geburtsheimat die Melancholie der Geigen mit, die dort über die Heide
klingen. Am ſeine Dichtung dehnen ſich weite Horizonte, fremdartige Geſtalten be⸗
leben ſie. Aber mit ſeiner Weichheit, mit ſeiner Wehmut, die ihn früh in den
Wahnſinn trieb und ihm fo ein Hölderlin ⸗Schickſal bereitete, hat er die deutſche
Dichtung um einen neuen Klang bereichert. Ein Mann. der aus dem Süden der
alten Monarchie kam und ein Adeliger war gleich ihm, war aus härterem Holz,
aber von geringerem Dichtertum: Anaſtaſius Grün, der Graf Auerſperg, der in
ſeinem ſtrahlend zukunftsgläubigen Pſeudonym ſchon feine ganze fieghafte Per-
ſönlichkeit ausſprach. Er war ein Kämpfer, der mit ſeinen Freiheitsideen gegen die
Mauern ſeiner Zeit anrannte, und er war ein vortrefflicher Deutſcher, obgleich er
aus flawifder Amgebung ſtammte. Er bildete, als Zeitgenoſſe, das Gegenſtück zu
Lenau, und dieſe beiden Männer vereint ſind das Sinnbild einer öſterreichiſchen
Epoche, in der deutſches Weſen ſo werbekräftig war, daß es befruchtend weit in den
gewaltigen Raum des alten Staates wirkte.
Die lyriſche Tradition, die mit dieſen Männern begann, lebt heute noch mit
unverminderter Kraft. Das Kämpfertum Anaſtaſius Grüns blieb wirkſam in der
Lyrik der Tiroler Hermann Gilm und Adolf Pichler, auch eines prachtvollen Tirolers
aus unmittelbarſter Gegenwart, Arthur von Wallpachs. Die Beſinnlichkeit Lenaus
mag man erkennen in der herrlichen Lyrik Max Mells, der in ſeiner ganzen
Bedeutung noch nicht nach Gebühr gewürdigt ift, Rihard Billingers, der den
bäueriſchen Alltag, dem er ſelbſt entſtammt, mit dem Stvahlenfranz feines Dichter
tums umwob, und Joſef Weinhebers, einer ganz urſprünglichen Begabung, die vom
Volkslied bis zur ſtrengen Form der Ode ein weites Regiſter beherrſcht. Mell
24 Tor / Agnes Miegel
und Billinger find auch Dramatiker von Rang, vor allem Max Mell, der, traditions-
verbunden, in ſeinem „Apoſtelſpiel“ und in dem „Spiel von den deutſchen Ahnen“
die alten mittelalterlichen Myſterien wieder erweckte. Auch Karl Schönherr, der uns
holzſchnittartige Dramen von packender Wucht gab („Glaube und Heimat“, „Erde”),
ging auf den Arſprung tiroliſcher Bühnenkunſt zurück, indem er aus alter Ueber-
lieferung eine Paſfſion formte. Franz Kranewitter, ihm oft ebenbürtig in der
knappen Prägung ſeines Werkes, ſchöpfte aus der heroiſchen Geſchichte ſeines Landes,
indem er einen „Andre Hofer“ ſchrieb und ſolcherart in engſten Wettbewerb mit
Schönherr trat, der die Heldenzeit des Jahres 1809 in feinen Schauſpielen „Voll
in Not“ und „Der Judas von Tirol“ beſchwor.
Sind wir am Ende? Wir find es nicht. Denn dieſer dürftige Querſchnitt durch
öſterreichiſches Schrifttum mußte ſich auf Wichtigſtes beſchränken. Er mußte ſich
eine Knappheit auferlegen, die dem polyphonen Reichtum des öſterreichiſchen Kunſt⸗
ſchaffens nicht immer gerecht zu werden vermochte. Man müßte noch einen farben⸗
glühenden, in nationaler Begeiſterung brennenden großdeutſchen Seher wie Nobert
Hamerling nennen; man müßte Ferdinand Kürnberger erwähnen, der Auſſätze von
ſchärfſter Eindringlichkeit zu ſchreiben vermochte; man müßte den in Wien heimiſch
gewordenen Schwaben Ludwig Speidel rühmen, der ein Deutſch von muſtergültiger
Lauterkeit beherrſchte. Aber wozu ſo viele Namen, ſo viele Geſtalten? Sie alle,
in ihrer Vielfalt und Buntheit, würden nur immer wieder beweiſen, was des Be⸗
weiſes nicht mehr bedarf: daß der öſterreichiſche Stamm von einem ungeahnten Reid-
tum der Melodie ift und daß er mit reinſter, aus dem Volke quellender Geftaltungs-
kraft begnadet wurde. Die öſterreichiſchen Dichter erfüllten ſich in den Grenzen,
die Stamm und unmittelbare Heimat ihnen gezogen hatten. And wuchſen, wie
Bäume, die ihre Wurzeln tief in die Erde ſenken, um mit ihren Kronen den Himmel
zu grüßen, aus ihrer öſterreichiſchen Art in ein großes Deutſchtum hinein, deſſen
Schatz an Schönem ſie demütig vermehrt haben.
\
Agnes Miegel
„Liebe Frau Agnes Miegel!
Zu Ihrem Geburtstage ſpreche ich Ihnen, zugleich im Namen der
ganzen deutſchen Jugend, meine herzlichſten Glückwünſche aus. Ihr
dichteriſches Werk gehört zu den ſchönſten Offenbarungen der deutſchen
Seele. Die Jugend hat von ihm Beſitz ergriffen und wird es in die
Zukunft tragen. In dieſer Gewißheit grüße ich Sie in herzlicher Ber-
ehrung und Dankbarkeit. Heil Hitler!
Ihr Baldur von Schirach.“
Es gibt neben Agnes Miegel zur Zeit nur noch zwei bedeutende Balladen-
dichter großen Formates. Das ift einmal Börries von Münchhauſen, deffen Did-
H. E. Tor:
Tor | Agnes Miegel ° 25
tungen aber in ihrer bewußten Standesabgeſchiedenheit der Jugend nur wenig nod
zu ſagen haben, und das iſt das andere Mal Lulu von Strauß und Torney, die
mit ihren Balladen gleichberechtigt neben Agnes Miegel fteht. — Münchhauſen und
einige andere pflegten vor der Jahrhundertwende von Göttingen aus die deutſche
Ballade und erweckten ſie zu neuem Leben. Das iſt ihr Verdienſt. And dafür ſprechen
ſchließlich auch die hohen Auflagen der Balladenbücher des Dichters Münchhauſen.
Aber für unſere Zeit, uns jungen Menſchen, ſind die Balladen einer Agnes Miegel,
einer Lulu von Strauß und Torney näher, weil fie fi) allgemein menſchlichen Themen
der Gegenwart zuwenden und deshalb aus ganz naheliegenden Gründen tiefer be⸗
rühren. 3
Agnes Miegel ift gebürtige Oſtpreußin. Ihrer Heimat lebt fie, für fie und aus
ihr ſchafft ſie ihre Dichtungen. And ſo iſt ſie in ihrem Werk lebendiger Beweis
dafür, daß es auch über geographiſche Hürden hinweg einen inneren Zuſammenklang
von Oſtpreußen zum Reich gibt. Mehr denn je. Agnes Miegel dient vorbildlich
ihrer deutſchen Sendung. Erſt jüngſt ſchrieb ſie einmal: „Nie hat die Art unſeres
Stammes, unſeres Landvolks ſich wahrer und klarer offenbart wie in dem Lied
„von den zwei Spielchen“. Man muß es einmal richtig „belauſcht“ haben — am
Zaun des herbſtbunt blühenden Bauerngartens, wenn drinnen im Haus ber Web-
ſtuhl klappt, oder auf dem Wieſenweg am Juniabend, wenn drüben auf der Bank
unterm Holunderbuſch die Mädchen fingen —, um zu willen, wie es bewegt, wenn
der Freier ſich zwiſchen den beiden Freundinnen für die ſelbſtlos Liebende, die
Arme entſcheidet. Nicht ohne Bedenken — denn wir find arm, und unſer Leben
iſt hart. Aber aus der Erkenntnis des Lebenstüchtigen, ohne Gefühlsſeligkeit Gemüt⸗
vollen: „Wir beide find noch jung und ſtark, nährn uns vor unſre Händen!“ Dies
iſt, geſteigert bis zu fortreißender, aber immer gebändigter Leidenſchaft, die einen
vermuten läßt, daß es nicht nur das Hochzeitskarmen eines Freundes war — der
Grundton des unvergleichlichen Liedes „Annke von Tharau“, das wir Oſtpreußen
niemals anders als in ſeiner urſprünglichen plattdeutſchen Form fingen ſollten. Ob
es Dach war, ob ein anderer aus ſeinem Kreis — für uns und für ihn iſt das
nicht mehr ſo wichtig. Für den Memeler, unſern Magiſter, ſpricht die Innigkeit,
die an ſein „Lob der Freundſchaft“ erinnert. Aber wer, der ſich mit dieſem Leid
glücklich preiſt, ein getreues Herz zu willen, denkt dabei an Simon Dach? Ebenſo⸗
wenig wie bei Annke von Tharau, wenn er beim Singen eigne Liebe in die unver-
gänglichen Verſe legt, die wuchtig wie uralter Stabreim klingen.“
So lebt dieſe Dichterin in ihrer oſtpreußiſchen Heimat, eine Frau, die in ihrer
vorbildlichen Lebenseinheit allen Deutſchen — gleichgültig ob jung
oder alt — etwas zu ſagen, etwas zu ſchenken hat mit ihren Werken. Von ſich
bekannte fie einmal in einem kleinen Band „Kinderland“: „Wenn es jemand an der
Wiege nicht vorgeſungen wurde, daß er unter die Dichter gehen würde, dann war
ich es. Meine Vorfahren von Vaters Seite, die alle brave Kaufleute und preußiſche
Beamte geweſen find, und die von Mutters Seite, tüchtige Landwirte aus der
26 j Tor / Agnes Miegel
Niederung, hätten ſich im Sarg gedreht, wenn ſie geahnt hätten, daß die Letzte, die
ihre Reihe ſchloß ... fo etwas vorhätte.“
And an anderer Stelle beſchrieb fie gelegentlich das Werden ihrer erſten Ballade.
Nach einem Hochzeitsfeſt auf dem Lande kam ſie heim und fand eine Zeitung vor,
in der von einem entſetzlichen Bazarbrand in Paris berichtet wurde, dem die Herzogin
von Alencon zum Opfer fiel, weil fie für die Rettung ihr anvertrauter junger Mäd-
chen ſorgte. — Mit einem Male verflog die Hochzeitsſtimmung. Das junge Mädchen
erinnerte ſich des eigenen Erlebens, mit eigenen Augen geſehener Brandkataſtrophen,
und „ſchrieb und ſchrieb, in Verſen, deren Klang und Art ihr ganz fern von den
eigenen Gedanken erſchienen ...“. Viſionen überfielen fie kurz vor dem Einſchlafen.
Sollte es eine Ballade ſein?
Im Leben der Dichterin gab es keine romantiſchen Begebenheiten oder gewaltige
Ereigniſſe äußerer Art, die fie erſchütterten. Ihr Lebensweg weitete ſich
langſam und ſtetig.
Anfänglich find ihre Dichtungen dem Sagenſtoff der Heimat entnommen. Sie
machen überhaupt den größten Teil des balladenhaften Stoffes aus. Sie find ein-
fach gehalten, ſowohl in der Wortwahl als auch im Tonfall. Freilich, das wiſſen
wir, das Einfache iſt zugleich auch das Schwerſte und das Größte. Bereits 1916
erhielt ſie — inmitten des großen Krieges — für die „Spiele“ den Kleiſtpreis, und
acht Jahre darauf verlieh ihr die Aniverſität Königsberg den Dr. h. c. 1933 berief
man ſie in die Dichterakademie.
Sie wächſt mit ihren Dichtungen, oder beſſer, ihre Arbeiten wachſen mit ihr.
So in leidenſchaftlichen erſten Strophen, die die Landſchaft, die Natur beſingen oder
mit Vorliebe um das Jenſeits kreiſen (Der Band „Gedichte“, 1901). Ihre Balladen
gehen, wie wir ſchon ſagten, ins Hiſtoriſche oder ins Mythiſche. Sie ſtellen den
Menſchen gern in ein unerklärliches Verhältnis zu den Kräften des Daſeins. Man
ſpürt das Ergriffenſein und kann es doch nicht ſo recht beſtimmen. Das geht von
der „Schönen Agnete“ und der „Mär vom Ritter Manuel“ zur „Marie Antoinette“,
zu den Kaufmannsballaden, zu der eindringlichen Kriegsballade „1915“, zu den
„Frauen von Nidden“ bis in die unmittelbare Gegenwart etwa zum „Jahrestag
der Abſtimmung“. ö
Freilich wäre es nun falſch, Agnes Miegel wegen ihrer ausgeſprochenen
Balladenbegabung nur zu einer Balladendichterin zu ſtempeln. Das würde eine
Verengung ihres weltweiten Sinnens bedeuten und ihr Angerechtigkeit
widerfahren laffen. Gett ſteht, daß fie in ihren beſten Balladen Börries von Münd-
hauſen wie auch Lulu von Strauß und Torney übertrifft, aber Agnes Miegel hat
neben den Balladen auch eine Reihe von außerordentlich eindrucksſtarken Erzäh⸗
lungen geſchrieben.
Tor / Agnes Miegel 27
Wer Agnes Miegel als Balladendichterin und Lyrikerin kennenlernen will,
wird gut tun, die „Geſammelten Gedichte“ und den Band „Herbſt⸗
gefang” zu lejen. Darin findet er in wunderbarer Einheit all das, was die Did-
terin im Laufe der Jahre an Schönem uns beſchert hat.
In der Profa find von Agnes Miegel weiten Kreiſen die Bände „Kinder
land“, „Geſchichten aus Alt Preußen“ und „Gang in die
Dämmerung” (alle bei Eugen Diederichs, Jena, erſchienen) bekannt geworden.
Ihre Erzählkunſt führt uns durch zwei Jahrtauſende deutſchen Teilſchickſals: Die
oſtrömiſche Kaiſerzeit, die Ordensherrſchaft, das Jahrhundert des Soldatenkönigs
und das Napoleons. In dieſer Proſa bricht immer wieder eine elementare
männliche Kraft durch, wie man ſie in der Dichtung eigentlich nur in Oſtpreußen
findet, eine Kraft, die in jedem Falle ein Bekenntnis und hohes Lied auf die an-
geſtammte Erde iſt.
Erzählungen wie die „Fahrt der ſieben Ordensbrüder“ oder „Der
Vater“ oder „Die Jungfrau“, um nur einige zu nennen, find unver-
gängliches Gut der deutſchen Dichtung der Gegenwart. — Ein
paar kleine Spiele „Die Schlacht von Rudau“ und ein „Weihnachts
ſpiel“ geſellen ſich noch hinzu.
Man macht der deutſchen Jugend des öfteren den Vorwurf, daß ſie ſich zu wenig
der deutſchen Dichtung, und zwar ihrer älteren Vertreter, erinnere, und — um es
deutlich zu ſagen — an Ehrfurcht fehlen laſſe. Wir dürfen an dieſer Stelle, den
ewig Beſſerwiſſenden und Anfriedenſäenden nur eins ins lückenhafte Gedächtnis
zurückrufen, daß hier an dieſem Platze in letzter Zeit drei der größten deutſchen
Dichter ehrend erwähnt wurden. Daß noch dazu zwei von dieſen erwähnten Dichtern
Frauen waren, ſpricht wohl auch für die Erkenntnis, daß die Jugend bereit iſt, das
(arg von der Tagespreſſe überſehene) Schaffen der Frauendichtung anzuerkennen
und zu pflegen. Wenn wir uns hier die Namen der behandelten Dichter zurück-
rufen: Emil Strauß, Ina Seidel, Joſefa Berens⸗Totenohl, und nun Agnes Miegel,
ſo wird auch der eingefleiſchteſte Verneiner zugeben müſſen, daß hier eine Pflege
der älteren Dichtung in den Reihen der Jugend übernommen wird, die nicht zu
übergehen iſt. Schließlich ſollen ja doch wohl auch die heranwachſenden jungen
Menſchen die Bücher der älteren Autoren leſen! Wir lehnen alfo derartige Anter⸗
ſtellungen ab, da wir wiſſen, daß die deutſche Jugend zu ihren Dichtern wieder ſteht.
Agnes Miegels Dichtung bedeutet Ruhe und Weite und Geborgen-
beit, iſt Mütterlichkeit. And dieſes Dichtertum der Hingabe
an die Arelemente des Fraulichen wiffen wir jungen Men.
ſchen wohl zu ehren und bekennen uns dankbar zu ihnen
gleichermaßen, wie zu ihrer Schöpferin: Agnes Miegel.
28 Außenpolitiſche Notizen
/ $
AUSSENPOLITISCHE ofi p
Wenn Mibides Nonne maen
dann geſchieht es, daß fie in altbewährter
Ehrlichkeit die Gedanken aus ſprechen, die
die zuſtändige Regierung nur zu denken
pflegt.
Im allgemeinen ift ja die frangdfifhe Re-
gierung febr vorſichtig geweſen, Bé fofort
und kategoriſch über den Friedensplan des
Führers zu äußern. Denn das erſte Wort
„unannehmbar“ iſt ja nicht ſehr ſtark, das
. find wir ja ſowieſo gewohnt.
Anders das „Echo de Paris“, das Blatt,
in dem Déi der franzöſiſche Generalſtab zu ·
ſammen mit der Rüſtungsinduſtrie über po⸗
litiſche Fragen ausläßt. Daß der ſehr
ernſtgemeinte deutſche Vorſchlag der
beiderſeitigen Entmilitar iſierung abgelehnt
wird, war zu erwarten. Wir können
ja aber ſchließlich nichts dafür, daß die
Rüftungsinduftrie an den Beſeſtigungen der
Maginot- und anderer Linien fo viel Geld
verdient hat. Aber, aber: was ſteht denn
da? Wenn Deutſchland etwa wieder in den
Völkerbund eintritt, dann entfällt für die
franzöſiſche Regierung ein Mittel der anti-
deutſchen Koalition. Wörtlich!
Erſt lockt man uns mit Sirenentönen,
welches Paradies doch der Völkerbund ſei,
und dann will man uns gar nicht haben,
weil der Völkerbund ja extra zum Zwecke
gegneriſcher Koalierung eingerichtet iſt.
Solche Offenheit hatten wir in unſeren
kühnſten Träumen nicht erwartet. Leider
ſtimmt die Feſtſtellung nicht. Denn es ſind
ſchon genug Mitglieder aus dieſer Ein-
kreiſung ausgeſprungen, und im übrigen wird
man in London nicht fehr erbaut ſein, zu
einem franzöſiſchen Koalitionsſyſtem gehören
zu ſollen. H. H.
Die nächften fünf nenen
Aus dem fernen Often hat uns eine über-
raſchende Nachricht erreicht, die von größerer
Wichtigkeit auch für Europa fein bann, als
der Zeitungszeilenleſer vermutet: daß die
chinefiſche Zentralregierung beſchloſſen bat,
die allgemeine Wehrpflicht mit zweijähriger
Dienſtzeit für China einzuführen.
Bevor man die möglichen politiſchen Zu-
fammenhänge zu erkennen ſich bemüht, faßt
man ſich an den Kopf ob der auftauchenden
Fragen mehr oder weniger techniſcher Art.
Damals, als das Deutſche Reich die Dienft-
pflicht einſührte, ſchrie die Welt auf, weil
einige hunderttauſend Mann mehr als aus-
gebildete Soldaten auf der Welt leben
würden. Bei der chineſiſchen Erklärung hat
ſich niemand groß erregt, obgleich nach Adam
Rieſe die chineſtſche Regierung dadurch in-
ſtandgeſetzt wird, ſünf Millionen Mann
unter den Waffen zu halten.
Aber — Adam Rieſe irrt ſich hier erheb-
lich: denn zur Zeit tft völlig unbekannt, wie-
weit eigentlich der wirkliche Herrſchafts⸗
bereich der chineſiſchen Zentralregierung
geht, welche Provinzen auf Nanking hören,
welche auf ihre eigenen Gouverneure, welche
auf Räuberhäuptlinge, welche auf die
Sowjets, welche auf die Japaner, welche auf
den Kaiſer Pu-ji ufw. Nach dem ſozialen
und politiſchen Stand, nach der Wirtſchafts.
verfaſſung des Reiches der Mitte iſt eine
genaue Durchführung der allgemeinen Wehr
pflicht, wie fie in Deutſchland am Schnürchen
geklappt hat, ſo gut wie unmöglich. Im
Deutſchen Reich haben wir nämlich ein Ein⸗
wohnermeldeamt, in China dagegen ſoll es
ſogar Chineſen geben, die nicht alle Ein-
wohner ihrer Millionenſtädte aus dem Kopf
beim Namen kennen.
Randbemerkungen 29
Selbſt wenn die Ausrüſtungen da find, wer
garantiert denn der chineſiſchen Zentral-
regierung, daß die Ausrüſtungen auch wirt-
lich in die Hände der „Bezirkskommandos“
kommen? Nach früheren Erfahrungen iſt doch
anzunehmen, daß etwa 50 Prozent mindeſtens
ſchon auf dem Wege verloren gehen und in
unveränderter Form bei auffſtändiſchen
Truppen, Kommuniſten, Näuberbanden uſw.
wieder auftauchen!
Im weſtlichen China gibt es Sowjet-
republiken, von denen keine Voͤlkerbunds⸗
ſtatiſtik etwas weiß: Szetſchwan, Schanſi
u. a. Zwar damit nicht noch andere Pro-
vinzen ähnlich wie die im Norden auf den
Gedanken kommen, ſich zu ſeparieren, hat die
Nankingregierung einen Feldzug gegen die
chineſiſchen Sowjets eingeleitet, der auch nach
neuerlichen Meldungen aus Nanking
wenigſtens in Schanſi zu Erfolgen geführt
haben ſoll. Aber ſo im übrigen? Mit
welcher Begründung find denn die Nord-
provinzen abgeſprungen? Weil ſie nicht mit
Kleinen Quesſchuitt dusw ein
seeviwiediges Schultweien
In Wien erſcheint eine Zeitſchriſt „Schule
und Beruf“, die ein durchaus reizvolles
Bild von dem vermittelt, was ein öſter⸗
reichiſcher Schüler über ſich ergehen laſſen
muß. Allerlei wird auf wenigen Seiten dar⸗
geboten. Mit einer Ehrung zu „Horazens
2000. Geburtstage“ fängt die Nr. VII / an,
und zwar in einer widerwärtigen Pauler-
manier, die zwiſchen ſich und den ſo un⸗
zureichenden Schülern mit dem Rohrſtock
einen Trennungsſtrich zieht. Denn den
Schülern „gebrechen notwendigerweiſe Reife
den ſowjetiſchen Neigungen der Nankinger
zuſammenarbeiten wollten, weil ihnen dort
zu wenig Widerſtand gegen ruſſiſche Einflüſſe
zu ſein ſchien
Nun, wenn Nanking eine recht proble-
matiſche Wehrpflicht einführt, wer hat etwas
davon? Die Chineſen ſelbſt? Nur Schulden.
Die Japaner? Einen neuen Gegner.
Wer alfo wirklich? Die Sowjets, ſelbſt
wenn die Nankingregierung erklärt, daß ſie
weiterhin gegen kommuniſtiſche Cinfliffe
vorgehen will. Denn entweder bezahlen die
Ruffen die Ausrüſtung oder die ruſſtſchen
Chineſen holen ſich diefe von anderen be-
zahlten Sachen auf dem Wege zu den Be⸗
ſtimmungsorten. Eins ſo gut wie das andere!
In jedem Falle gewinnt die Schlagkraft der
ſowjetiſchen Weſtprovinzen, die ſicher nicht
verfäumen werden, als erſte ihre Wehr ⸗
pflichtzahlen in Nanking für die fofortige
UAusritftung anzumelden!
Hans Humbold.
Nandbemerltungen
und Verſtändnis“ (wörtlich !). „Goethe hat
feinen Fauſt beſtimmt nicht für fiebzehn-
jährige Jungen geſchrieben, und die Namen
zahlreicher Dichter und Denker der letzten
hundert Jahre bleiben der grünen (1) Jugend
ohne Schuld des Lehrers oder der Schüler
leerer Schall.“ O ihr grünen, dämlichen
Lauſebengel! Goethe ſchrieb bekanntlich für
Studienräte .
Aebrigens: „Horaz war zuvörderſt ein un-
beugſamer, aufrechter Charakter von echt
römiſchem Zuſchnitt.“ (Merkſt du die zarte
außenpolitiſche Liebelei?)
30 Randbemerkungen
Nächſte Seite: Theater der Jugend. Es
will „das Verſtändnis der Jugend für die
äſchetiſchen Werte der Kunſt und Literatur
durch die Veranſtaltung von erhebenden oder
im beten Sinne unterhaltenden Theater-
vorſtellungen wecken“. Auch das riecht ſo
gräßlich nach 1898...
Wer noch genauer wiſſen will, was Libe⸗
ralismus iſt, der leſe den Beginn eines
anderen Aufſatzes: „Erziehung hat als Ziel
Formung der Perſönlichkeit nach Maßgabe
der individuellen Anlage jedes einzelnen
Zöglings innerhalb der ihn umgebenden
Kultur.“ Formung der Perſönlichkeit —
aber mit welchen Mitteln, und hier fragen
wir: mit welchem Ziel? Maßgebend iſt die
individuelle Anlage —, alſo nicht die Ge-
meinſchaſt? And „umgebende“ Kultur? Ein
nach Wien verſchlagener Neger wird alſo
zum — Deutſchen erzogen?
Blättern wir etwas weiter, ſo finden wir
einen ſchönen Vortrag von Staatsſekretär
Dr. Pernter, der uns das Erziehungs⸗
ziel ausführlicher mitteilt. „Idee und klare
Richtung“ werden von ihm verlangt, aber
beides muß zwangsläufig dürftig ausfallen.
„Die einheitliche Idee heißt Oeſterreich, und
die eindeutige Richtung heißt der neue Lepr-
plan (1) mit der Forderung nach religiös.
fittlider, nach vaterlandstreuer, volkstreuer
und gemeinſchaſtsbewußter Erziehung. Nie
werden wir von dem Grundſatz abgehen, daß
in der öſterreichiſchen Schule nur wahrhaft
öſterreichiſch denkende Schüler herangebildet
werden können.“ (Die wahrhaft deutſch
denkenden Schüler haben Analphabeten zu
bleiben. Es iſt nur ein Anglück, daß es ſo
koloſſal ſchwierig ijt, „öſterreichiſch“ zu den-
ken. Die Schulen werden wohl bald leer⸗
fteben müſſen.)
„Ich glaube, alle Eltern können es nur be-
grüßen, daß nunmehr auch die Schule in
Erziehungsfragen eine poſitive Haltung (??)
einnimmt. An die Stelle einer vielfach farb-
loſen, möglichſt neutralen Anterrichtseinſtel⸗
lung der früheren Zeit, welche die Verüh⸗
rung weltanſchaulicher Fragen ängſtlichſt
vermied, tritt nun die poſitive Forderung
der neuen Lehrpläne, welche beſagt, ‚Daß es
Aufgabe der Schule tft, die ſittlichen, geiſti
gen und körperlichen Kräfte der ihr anver-
trauten Jugend zu entwickeln und die jungen
Menſchen zu fittlid-religisfem, vaterländi
fhem und ſozialvolkstreuem Fühlen, Den-
ken und Handeln zu erziehen.“
Hoffentlich find die jungen Menſchen dabei
nicht gar fo artig und folafam. ...
Aber der eigentliche Knall erfolgt erſt in
einem Aufruf an die Eltern, der die Un,
ſicherheit und Verbohrtheit dieſer
Schulmänner in ein deutliches Licht rückt.
Der Aufruf lautet ſo:
„An alle Eltern!
Auf Grund eines Miniſterialerlaſſes (!)
haben alle Mittelſchüler innerhalb und
außerhalb der Schule das Schülerabgeichen
zu tragen. Die Eltern werden nun auf-
merkſam gemacht, daß das Tragen des
Schülerabzeichens zum vaterländiſchen Ver ·
halten der Schüler gehört und daß die Nicht ⸗
beachtung dieſer Vorſchrift bei Anſuchen um
Schulgeldbefreiung (Geld oder Gefinnung!)
und auch ſonſt bei Beurteilung des Ber-
haltens des Schülers zu beachten ift und
Folgen nach ſich ziehen könnte. (Ahal) Mit
Rückſicht auf die weitreichenden und gc-
gebenenfalls ſchwerwiegenden Folgen der
Nichtbeachtung dieſer Vorſchrift werden die
Eltern aufgefordert, auf die Einhaltung
dieſer Vorſchrift bei ihren Kindern zu
dringen.“
„Vaterländiſches Verhalten“, — ſchöön!
Paßt aber vortrefflich zum Verhalten ſelbſt:
man trägt ein Abzeichen. Weil es miniſte⸗
riell verordnet iſt. Die Begeiſterung in
Oeſterreich muß geradezu rauſchhaft ſein.
Aber typiſch — damit es auch die Kurz-
ſichtigen unter uns begreifen —: jene ſagen
„Verhalten“, wir ſagen „Haltung“. hy.
Vom Büchermarkt 31
Mein Sliegerleben, Von Ernſt Ud et. Ver-
lag Allſtein. 1935.
Es iſt eins jener Bücher, die den Wert
unſeres deutſchen Schrifttums ausmachen.
Das Buch erbringt den Beweis, daß die
Ct e nach Form und Inhalt, Stoff und
til, immer nur dann auftau fann, wenn
der Verfaſſer ſelbſt nicht iſt, was er ſchreibt.
Dieſes Buch, von einem Soldaten ge-
ſchrieben, zeigt das Leben eines Soldaten.
Wir gebrauchen dieſes einfache Wort, weil
es tionalſozialiſten alles tagt. An⸗
knüpfend an unſere raſſiſche Auffaſſung
wäre das Buch beſſer mit dem Titel zu be⸗
legen: ein Heldenleben. Was uns aus dem
Buch entgegenleuchtet de der Begriff, den
der rer uns Deutſchen wieder tar-
gema t und eingehämmert bat: Kampf,
T Das Buch zeigt den Soldaten Adet
auch im Siwilleben und in der Ausübung
von Berufspflichten. Wir wünſchen es
nicht nur in die Hände unſerer Jungen.
%
Die letzte Schlacht. Von Theodor Jakobs.
Hanſeatiſche ee Hamburg.
Wir haben in den Büchern Beumelburgs,
Schauweckers u. a. die Geſchichte der Weft-
front erlebt. Jakobs zeigt uns den Abſchluß
dieſes Frontk es. Wir erleben nicht nur
ein verzweifeltes Ringen und Kämpfen, fon-
dern auch das Annütze dieſes Tuns empfin-
den wir. And doch hat Jakobs mit der
ganzen Kraft eines wirklichen Dichters eine
Darſtellung gegeben, die uns zwar nackt die
Pflichterfüllung dieſer Frontkämpfer zeigt,
uns aber ihr ſoldatiſches Muß unausweich⸗
bar ſehen läßt. Das Buch gehört in die
erſte Reihe der Weltkriegsliteratur.
*
Der Gefallene ruft. Von Hein Kruſe.
za) Verlagsanſtalt Stuttgart —
Berlin 1935
Ein Roman, der die Liebe und Treue
zur heimtlichen Scholle verkündet; in Sprache
und Perſonengeſtaltung lebensecht, herb und
wahr. Darum wird man dieſes Werk Hein
Kruſes mit innerer Anteilnahme leſen. Nicht
unſeren Beifall finden kann jedoch die Per-
fonifigterung alles Schlechten und Verwerf-
lichen mit dem Teufel; iſt es notwendig,
dem Teufelskult in der modernen Literatur
Denkmäler zu ſetzen? R
Die Schifferwiege. Niederdeutſcher Heimat-
und Seefahrerroman. Von Carl von
Bremen. Verlag Franz Cher. 1935.
Der Roman zeigt uns mehr als die Ge-
ſchichte einer Familie. Wir ſehen, wie ein
Niederſachſe in eine en ft bin-
5 und fein Schickſal das des Dorfes
wird. Bei dieſer Verbindung und der Er-
weiterung der Geſchichte einer Familie,
der eines Dorfes iſt iſt es dem Berfaſſer
nicht immer gelungen, den flüſſigen Stil
durchzuhalten. Wertvoll bleibt das Buch
aber, weil es einen Aufriß aus deutſcher
Geſchichte gibt und aus dem Kampf eines
Stammes deutſches Schickſal erſtehen läßt.
*
Marine-SA, Das Bud einer Hanſeatiſche
Von Bernd Ehrenreich. nſeatiſche
Der berth gibt Hamburg.
Der Verfaſſer gibt uns eine Schilderung
des Kampfes um die Macht im roten Ham-
burg. er die Verhältniſſe des „Tores
der Welt“ aus der Kampfzeit her kennt,
wird manches Erlebnis wiederfinden, das
ihm das Buch lieb macht. Sonſt iſt es ein
Dokument der Bewegung auf dem Wege
zum Kampf um die Macht im Staat. Treu
dem Geſchehen ſpricht das Buch von Kampf
und Tod, zeugt aber auch von all dem
fanatiſchen Glauben und Willen zum Sieg.
Im Intereſſe des politiſchen Kämpfertums
iſt ihm ein großer Leſerkreis zu n
* —
Flaggt Freude und Frohſinn. Eine Gomm,
lung heiterer Kurzgeſchichten, von Herbert
Frenzel. Verlag Junge Generation,
Berlin 1935.
Verſchiedene bekannte Schriftſteller, dar-
unter Lerſch, Strobl, Steguweit, haben zu
dieſem Büchlein beigeſteuert, das eine gute
Zuſammenſtellung von Kurzgeſchichten ift.
Ein Ruf erging. Von Hans Henning Frei-
herr Grote. Deutſche Verlags ⸗Anſtalt
Stuttgart. 335 Seiten.
„Der Roman Albert Leo Schlageters“ —
wie Grote ſein Buch nennt — iſt es noch
32 Vom Büchermarkt
ch Gegnerſchaft er
en aft,
A, em den Roman abrundend
durchzugeſtalten, alſo nicht zu einer bear-
beiteten Chronik werden zu laffen. Andrer⸗
ſeits fehlt aus dieſem Grunde eine 1 die
Länge des Nomans notwendige geſpannte
Straffheit, fehlt das Tempo, das ebenſo zum
Dichteriſchen gehört wie die Deutung. Wir
bejahen den Roman, aber nur einſtweilen,
als Erſatz. | by
Das Lied der Arbeit. Selbſterzeugniſſe der
Saal enden. Leopold Klotz Verlag, Gotha.
2 ten.
Arbeitsdichtung der Gegenwart, und weit
mehr als das, mehr als irgendeine Gedichts ⸗
ſammlung lyriſcher Außenſeiter: ſondern ein
großes Zeugnis vom Reichtum deutſchen
Weſens, dem die Arbeit nicht Fluch, ſondern
Glück if. Ein Hg-Führer follte den Band
ur Hand haben, nicht zuletzt, weil er zur
Feiergeſtaltung wertvollen Stoff .
y
e
Die Odyſſee deutſch. Von Leopold Weber.
Georg D. W. Callwey und N. OMen-
bourg Verlag. 370 Seiten.
Wir kennen Leopold Weber als Ver⸗
mittler der Edda und unſerer Heldenfagen.
Am ſo vertrauensvoller nehmen wir dieſen
Band entgegen, weil wir wiſſen, daß hier
kein ftarrer Philol ſchreibt, der unſerem
Erleben fern ſteht, ſondern ein Dichter, der
aus Werten unſerer Art ſchöpft. Man hat
der Aeberſetzung von wiſſenſchaftlicher Seite
aus Vorwürfe gemacht, ja, man hat gerade
disch Wi 85 wie als ede bia bes
iſche der Dee als gefährdet hingeſtellt.
Wir können das im einzelnen nicht nach⸗
prüfen, halten dieſe Vorwürfe aber für un⸗
gerecht und nehmen das Buch als ein herr⸗
liches Geſchenk entgegen, das — gerade weil
es von einem Dichter dargeboten wird —
endlich die Odyſſee aus den Schulſtuben þin-
aus tragen folte. by
Theater wohin . $. Pen Ton, Ro
und Kehlkopf. Von n Friedr.
Aders. Verlag Muth, Stuttgart.
Dieſes in Art und Anlage rein fachliche
und daher auch nur Fachkreiſe wirklich inter-
eſſierende Buch über notwendige e
maßnahmen und Erneuerungen auf dem Ge-
biete der Sprech- und Geſangskultur im
deutſchen Theater würde eine über fachliche
Kreiſe hinausgehende Erörterung überflüſſig
machen, wenn der Verfaſſer nicht Je Aus.
führungen mit einem Wuſt an Phraſen von
Heroismus und Kulturkämpferverbrämung
umgäbe. Was dabei herauskommt, ſei an
einem kleinen Beiſpiel erörtert, zu dem
jeglicher Kommentar ſich erübrigt. Herr
Aders ſchreibt u. a. über das Ausſehen einer
Brünhilde im heutigen deutſchen Theater:
Die Dame müßte alſo ſo ausſehen:
„Eine nordiſche Pallas⸗Athene, nicht Hift-
jteifer und fefter als irgendeines der uns
täglich in Sportphotos ag Md gezeigten
deutſchen Mädels, mit biegſamen, edel-
ſäulenhaftem Leib und federnden, ſchwuͤngi ·
gen Bewegungen, ſtürzt mit der Natur-
gewalt einer gefällten jungen Eiche ſchreckens⸗
voll und aufgelöſt zu Boden ... Den zier-
lichen Kopf mit zuckender Wildheit empor-
geworfen, ſchreckensvoll geweitete Augen
unter anmutig. majeſtötiſch geſchwungenen
Brauen; das goldrote Haar flammt in
kurzen Locken ſtürmiſch vom Hinterkopf
Knapp und ſachlich ift die kämpſeriſche Auf-
machung, gleich weit entfernt von allego-
riſchem Ornamentplunder wie von dürrem
Naturalismus: Metalliſch verſchnürte oder
geſchiente Sandalen (die ruhig ſtilifiert Ache
Abſätze haben dürfen, da das kriegeriſche
Element ja doch eben Sinnbild iſt), nackte
Füße, nackte Anterſchenkel, nackte Oberſchen ⸗
kel, über die, febr knapp, in ſtreng aeord-
neten Faltenbündeln die Andeutung eines
Rodes fällt, der in dieſer Kürze jungfräulich
unſchuldig⸗ unbekümmert und finnbildlich-
ſoldatiſch wirkt. Die Brünne iſt ein glattes,
glanzmetalliſches Mieder, ſtilvoll im Sitz
und im Schnitt, aber gänzlich unfofett.”
Die „jungfräulich unbekümmerte“ Geiftes-
verwirrung des Verfaſſers dürfte ,,finnbild-
licher“ nicht mehr gekennzeichnet werden
können. K. Z.
Hauptſchriftleiter: Günter Kaufmann (3. 3t. in Urlaub).
und W 40, Kronprinzenufer 10. Tel. D2 5841. Verlag: Deutſcher Yugend-
Macht“, Reichsjugendführung, Berlin
Bi m. b. 9., Berlin W 35, Lützowſtr. 66, Tel. B
35: 18 100 Pl. Nr. 5. — Druck: Theodor Abb Buchdruckerei,
„Wille und Macht“ ift zu beziehen durch den Deutſchen Jugendverlag oder jede deutſche Buchhandlung ſowie durch
. RM. 1.80 zuzügl. Beſtellgeld. Bei Beſtellung von 1 bis 8
Otto Arndt, Berlin, — D.A. IV. 8}. 35
die Poſt. Poſtbezug viertel
Stellvertreter: Dr. Karl Lapper. Anſchrift: „Wille
Lützow 9006. — Verantw. für den E Kurt
erlin SW 68.
einzelnen Rummern
bitte den Betrag in Briefmarfen beizulegen, da Nachnahmeſendung zu teuer iſt und diefe Beſtellung ſonſt nicht
erledigt werden kann. Maſſenbezug durch den Verlag laut beſonderen Bezugsbedingungen,
Karl Rihard Ganzer
| Vom Ringen Hitlers
um das Reich
1924 — 1933
Diefes neue Buch des bekannten jungen Hiſtorikers be-
richtet auf der Grundlage bisher unbekannten Quellen-
materials über die geſchichtliche Entwicklung des letzten
Jahrzehnts. Gleichwohl iſt Ganzers Buch aber keine
bloße Parteigeſchichte. Die Entwicklung der Bewegung
wird dargeſtellt in ſtetem Bezug zum Zeitgeſchehen,
ſeinen außenpolitiſchen Einwirkungen und ſeinen inner⸗
ſtaatlichen Begebenheiten. Aber immer bleibt das
Werk auf den Führer abgeſtellt. Der unbekannte
Soldat des großen Krieges iſt das Gewiſſen der Nation
geworden, das mahnend, warnend, unbeirrbar in immer
mehr deutſchen Menſchen ſchlägt. So wird die Ge⸗
ſchichte ſeiner Idee zu einer Geſchichte Deutſchlands.
Daher gehört Ganzers feſſelnd und lebendig aufgebautes
Buch zu den Standardwerken jedes politiſchen Menſchen,
und vor allem in die Hände der deutſchen Jugend.
160 Seiten / on Pappband RM 1,50
— CeCe eS u m io
München 43 2116
schriftleitung der N S
Frauenwarte - Fach 80
Deutithe Saat
in fremder Erde
Herausgegeben von
Dr. Karl Bömer
Preſſechef des Außenpolitiſchen Amtes der NSDAP
280 Seiten Text und 80 Seiten Abbildungen
Dieſes mit rund 240 vielfach ganz unbekannten Abbildungen im Text
und auf Tafeln verſehene, ſehr anſchaul iche und vielſeitige Werk hat
ſich das Ziel geſetzt, an einer Reihe beſonders eindrucksvoller Bei-
ſpiele den tiefgreiſenden Einfluß aufzuzeigen, den der deutſche Genius
auf die Welt ausübte und noch ausübt. Dabei liegt dieſem Buch
und feinen Mitarbeitern aber nichts ferner als die einfeitige Ver-
herrlichung deutſcher Leiſtungen. Denn gerade aus der tiefen Liebe
zum eigenen Volkstum, die dieſes Werk beſeelt, erwächſt ja auch, wie
der Herausgeber, Preſſechef des Außenpolitiſchen Amtes der
NSDAP, im Vorwort ausführt, die Achtung vor fremder Eigenart
und Größe. Daher find die bier geſammelten 20 Beiträge, deren
Verfaſſer in Fachkreiſen beſtens bekannt und im öffentlichen Leben
bereits vielfach hervorgetreten ſind, getragen von einem um ſo mehr
berechtigten Stolz auf das, was deutſcher Fleiß und deutſche
Schaffenskraft in aller Welt geleiſtet haben. So durchzieht biede
Buch, das die geiſtige Leiſtung unſeres Volkes in Induſtrie, Technik,
Verkehr, Flugweſen uſw. ebenfo würdigt wie in Philoſophie, Schrift.
tum. Muff, bildender Kunſt, Geſchichte und Heerweſen der eine
große Gedanke, nach innen und außen gleichermaßen wirkſam zu
ſein. Nach innen, um aus dem Wiſſen um das eigene Volkstum
und um die Kraft feiner Söhne zu unabläſſig neuer Saat zu ſpornen,
nach außen, um im Jahr des deutſchen Olympia für Achtung und
Verſtaͤndnis zu werben.
Pappband RM. 4.50 7 Ganzleinen RM. 5,50
Jeitgeſchichte Verlag / Berlin W AN
Nach Gebrauch rumie
Hauplanchiv der. NS!
Abt, froen Lewes ;
acht
Abvevorsat der nationalſozialiſtiſchen Sugend
— D—— A— — —
us Dem Subali:
aldur v. Schirach zum ‚Jahr des Jungvolr
Zum Streit um Rothes Shakespeare
Evans London | Deulsch- englische Zusammenar
ZE
Men — Sleinbimer, Keller, Wehner / Zum Streit um Rothes Shakespeare — W. I
bat Probleme — ee ca tena
bemerkungen — Vom Büchermarkt
`
ume Berlin, den 1. Apvil 1036 Ginselpucls 30 Hie.
Jubalt
Der Neichsjugendführer zum „Jahr des Jungvolks“
Die körperliche Schulung im Deutſchen Jungvolk . . Ernft Schlünder
Die Geſundheitsführung der Hitlerjugend. H. Reineder
Guftav Steinbömer
Zum Streit um Rothes Shakeſpearre Prof. Wolfg. Keller
Joſ. Magnus Wehner
Deutſch⸗engliſche Zuſammen arbeitet T. P. Conwell-Evans
Blick auf Japans Problem W.
Die Staatsidee des japaniſchen Reiches Hans Humbold
Kleine Beiträge:
Bolſchewismus als Forderung der jungen Nation? Siegfried Faßbender
Nandbemerkungen:
| Das namenlofe Volk
Niemand will Prieſter werden
Ein Erhörungs⸗Nezept
Wenn der Staat ſich anmaßt
Vom Büchermarkt
Kunſtdruckbeilage: Aus neuen Shalefpeare- Aufführungen (Fotos: Scherl)
Kartenzeichnung: Boſſeck
Wite-t]] ach
vevovsat der nationalfosialiftiiden
dahrgang 4 Berlin, 1. April 1936 Heft 7
Der Reichsjugendführer
zum „Jahr des Jungvolks“
Wir richten unſern Aufruf an die Jüngſten, denn auch die
Zehnjährigen ſind Träger der großen deutſchen Pflicht.
Wenn alle Jugend dies zutiefſt erfaßt, wenn ſie als gläubige
Gemeinde des Führers ehrfürchtig und tapfer ihre Fahnen in die
Zukunft trägt, wird das Vermächtnis der 21 zum inbrünſtigen
Bekenntnis von Millionen werden.
a 2222
2 Schlünder Die körperliche Schulung im Deutſchen Jungvolk
Ernst Schlünder, Amtsleiter in der NF:
Die körperliche Schulung im Deutſchen
ZJungvolk
Wohl kein Volk der Erde hat ſo tief und echt um die en feiner Leibes-
übungen gerungen wie das deutſche Volk. Der Nationalſozialismus hat in die Biel-
ſeitigkeit der Auffaſſungen Klarheit gebracht: Die Entwicklung und das Ringen
um die Geſtaltung hat heute einen gewiſſen Abſchluß erreicht.
In der Haltung zu den Leibesübungen, in der Zielſetzung jeder körperlichen
Betätigung offenbaren fih uns Weſen und Charakter von Volkstum und Naſſe.
In den Zeiten der Vergangenheit, in denen das deutſche Leben ſich mächtig und
ſtark entwickelte, wuchs auch die Bedeutung der Leibesübungen innerhalb des deut-
ſchen Volkslebens; ebenſo finfen diefe zur Bedeutungslofigkeit herab in den Zeiten,
da Zwieſpalt und innere Zerriſſenheit jedes Wachstum und jede Entwicklung des
Deutſchtums im Keime erſtickten.
Es iſt nicht Aufgabe dieſer Arbeit, den Weg der Leibesübungen in der deutſchen
Geſchichte zu zeigen. Wir wiſſen, wie in der deutſchen Frühzeit die Leibesübungen
bedeutungsvoll in Zuſammenklang mit Dichtung und Religion im Mittelpunkt
völkiſchen Lebens ſtanden, wie in der Zeit, wo eine volksfremde, asketiſche
Prieſteranſchauung die heldiſch⸗ſoldatiſche Weltanſchauung verdrängte, auch die
Leibesübungen zerfielen. Immer wenn der deutſche Menſch ſich erhob, um für
eine klare Geſtaltung ſeines Weſens zu ringen, iſt dieſe Erhebung begleitet von
einem Erwachen und einer Beſinnung deutſcher Leibesübungen. Als in den Tagen
der preußiſch⸗deutſchen Erhebung gegen Napoleon die Sehnſucht nach einem ſtarken,
einigen Reich im deutſchen Lande erwachte und immer mächtiger wurde, erlebten
wir, wie Friedrich Ludwig Jahn einer kommenden deutſchen Leibeserziehung
Richtung und Ziel gab. Als aber Engſtirnigkeit und Partikularismus die beſten
Deutſchen in die Gefängniſſe ſchickte und heißes, ehrliches Wollen abdroſſelte, erlebten
wir wiederum einen Niedergang deutſcher Leibesübungen. Den Tiefpunkt aber ſahen
wir, als in den Zeiten größter deutſcher Not die Leibesübungen zur Senſation und
Profitgier herabgewürdigt wurden.
Heute hat der Nationalſozialismus die Leibesübungen da hingeſtellt, wo fle
hingehören: in die politiſche Erziehung der deutſchen Jugend.
Form und Inhalt unſerer Erziehung wird letzten Endes von zwei großen
Faktoren beſtimmt. Einmal ſind es das Leben, die Nation, die Gemeinſchaft, die
ihre Forderungen an jeden jungen Deutſchen ſtellen — zum anderen iſt es der Junge
ſelbſt, der ſein Leben leben will, ſein Leben, das man nicht in konſtruierte Formen
oder Geſetze zwängen kann, ſondern das in ſeiner Welt und in ſeinen Begriffen
verlaufen muß.
Nur ſcheinbar ſtehen oft dieſe beiden Faktoren im Gegenſatz zueinander, ja oft
wird geradezu ein künſtlicher Gegenſatz erzeugt. Beide vereinen ſich in der Forderung:
die kraftvolle Perſönlichkeit. Der Nationalſozialismus iſt eine Weltanſchauung
Sälünder / Die körperliche Schulung im Deutſchen Jungvolk 3
der Kraft. Träger dieſer Weltanſchauung können nur kraftvolle Perſönlichkeiten
fein. — Der Junge aber will Perſönlichkeit werden, alles in ihm drängt zur Er-
probung ſeiner Stärke und zur Entwicklung ſeiner Kräfte. Das ſoll Grundſatz
unſerer Erziehung ſein, das Stürmen und Drängen des Jungen in richtige Bahnen
und zum richtigen Ziel zu leiten. Dieſes Erleben wird beim Jungen immer mehr
im Körperlichen liegen. Es ift dieſer ungeſtüme, wunderbare Trieb zum Toben und
Tollen, zum Spielen und Raufen, der in jedem echten, jungen Menſchen lebt. Wir
verfallen nicht in den Fehler einer früheren Erziehergeneration, die dieſem oft
ungeſtümen Ausbruch jugendlichen Lebens und jugendlicher Kraft verſtändnislos
gegenüberſtand und in ihm nur Verſtöße gegen die Difgiplin und die Autorität fab.
Wir werten dieſe Zeichen als Ausdruck geſundeſten und echteſten Lebens; wir freuen
uns dieſer Kräfte, ſind ſie uns doch Beweis der Lebenskraft unſeres Volkes.
Der Nation und dem Volk gegenüber hat jeder Junge die Verpflichtung, ſich
geſund und ſtark zu erhalten. Geſund, um als Glied einer unendlichen Kette das
Erbe der Ahnen weiterzugeben an die Kommenden; ſtark, um jeden Angriff gegen
die Nation abzuwehren — um ſeinem Volk den höchſten Dienſt des Mannes, den
Waffendienſt, leiſten zu können.
Im „Jahr des Deutſchen Jungvolks“ ſollen alle Jungen im Alter von 10 bis
14 Jahren im Jungvolk erfaßt werden. Damit wird in Zukunft jeder Junge durch
die Grundſchule der Leibesübungen gehen. Das Jahr 1936 wird uns zum erſten
Male jahrgangsmäßig zuſammengeſtellte Einheiten unſerer jüngſten Kameraden
bringen. Nach einigen Jahren wird der jahrgangsweiſe Auſbau des Jungvolks be⸗
endet fein, ſpäter ebenſo der der Hitlerjugend. Wenn fih dieſer Aufbau auch
nicht nach den ſtrengen Formen der Schule entwickeln wird, werden wir doch in Zu-
kunft im Aufbau der Schulung den verſchiedenſten Altersſtufen Rechnung tragen
wriiffen.
Sn ftetiger Steigerung und Erweiterung der Aufgaben wird jeder Zunge an der
allgemeinen Grundſchulung teilnehmen. Dieſe Grundſchulung iſt vielfeitig aufgebaut
und umfaßt die grundlegenden Uebungen der Leichtathletik, des Schwimmens und
Turnens; im Boren und Freiringen den Kampf Mann gegen Mann, die Anfänge
der Geländeausbildung und beſonders alle Arten von Tummel- und Rauf-, Ball.
und Kampfſpielen. Gerade der Spielgedanke wird in der Geſamtausbildung im
Vordergrund ſtehen. Körperliche Schulung iſt kein ſtarres Ausbilden, kein Einhalten
eines ſtrengen Schemas, ſondern Erlebnis, an dem jeder Junge beteiligt iſt und
bei dem jeder freudig und froh innerlich mitgeht.
Wir müſſen an dieſer Stelle betonen:
Jede einſeitige Spezialiſierung in dieſer oder jener
Sportart, ſeies Fußball, Hockey oder Rudern ufw., lehnen
wir für die im jungvolkpflichtigen Alter ſtehenden Jungen
ab. Anſere Forderung iſt die allgemeine Grundſchulung
aller Jungen. Jede Spezialiſierung im nn Alter
würde ſich nur ſchädlich auswirken.
4 SäHlünder / Die körperliche Schulung im Deutſchen Jungvolk
Genau ſo verſtändnislos ſtehen wir heute der Richtung der Leibesübungen
gegenüber, die ihre ganze Arbeit auf eine rhythmiſche Gymnaſtik aufbauen will, die
nach unſerer Anſicht zur Weichheit führt.
In den drei Jahren, da nun die große Maſſe der deutſchen Jugend in unſeren
Reihen ſteht, hat ſich der von uns eingeſchlagene Weg als richtig erwieſen. Welche
Erweiterungen er erfahren wird, werden wir aus dem folgenden erſehen.
Aufbau der körperlichen Schulung im Deutſchen Jungvolk.
1. Pimpfenprobe: Jeder Junge, der in Zukunft in das Jungvoll eintritt,
hat im Laufe einer 2— monatigen Probezeit feine Pimpfenprobe abzulegen. In
dieſer Probe werden von ihm neben der Teilnahme an einer Fahrt, verbunden mit
weltanſchaulicher Ausrichtung, grundlegende Aebungen der Leichtathletik in ihren
einfachſten Formen, 60-m-Lauf, Schlagballweitwurf und Weitſprung gefordert.
2. Der 10jährige: Neben der Schulung zur Pimpfenprobe beginnt der
Junge mit den Anfangsübungen im Schwimmen, Bodenturnen, Bal- und Tummel-
ſpielen. Durch dieſe kleine Auswahl einiger grundlegender Aebungen wird die
Vorausſetzung für eine weitere Steigerung und Erweiterung des Hebungs-
programmes geſchaffen.
3. Der 11. und 12 jährige: In dieſem Alter beginnt für den Sungvolk-
jungen die Schulung für das Leiſtungsabzeichen des Jungvolks. Eine vielſeitige
Schulung in den leichtathletiſchen Aebungen, Schwimmen, Fahrt und Lager und Luft-
gewehrſchießen iſt damit verbunden. Mit der Verleihung des Abzeichens iſt die
Ablegung einer einfachen weltanſchaulichen Prüfung verbunden.
Das Stoffgebiet der körperlichen Schulung wird in dieſer Altersſtufe erweitert
durch Freiringen, Hindernisturnen, Rauf- und Kampfſpiele und durch Luftgewehr-
ſchießen. Ebenſo beginnen wir mit kleinen Geländeſpielen und einfachſten Ordnungs-
übungen. Für die geländeſportliche Ausbildung des Jungvolks kommt eine Einzel-
ausbildung noch nicht in Frage.
4. Der 13. und 14 jährige: In dieſen Jahren wird in erſter Linie die
Abnahme des Leiſtungsabzeichens erfolgen. Die in den Jahren vorher begonnene
Schulung wird hier organiſch fortgeſetzt und geſteigert.
In dieſer Altersſtufe erfährt die körperliche Schulung noch weſentliche Er-
weiterungen. Im Geldndefport werden
Kartenkunde,
Zurechtfinden im Gelände,
Tarnen,
Meldeweſen,
Geländeausnutzung
in das Programm aufgenommen. Die Dienſtanweiſung für das Jungvolk wird ſo
lauten, daß dieſe Grundlagen aller geländeſportlichen Arbeit trotzdem nicht in
einer Einzelausbildung erfolgen, ſondern in der aufgelockerten Form des Aebungs⸗
ſpieles. Es iſt dies das Geländeſpiel, bei dem mit einer einfachen Aufgabenſtellung
Retneder / Die Geſundheitsführung der Hitlerjugend 5
eine Schulung auf dieſem oder jenem Gebiet verbunden iſt. In den Leibesübungen
erfährt das bisherige Programm des Jungvolks eine grundſätzliche Erweiterung
durch das Boxen. Der 13. und 14jährige wird in die Anfänge der Boxſchule em-
geführt und wird nach gründlicher Vorbereitung bereits kleine, kurze Kämpfe burg,
führen können. GC
5. Die Jungvolk Waffe: Nach langen Verſuchen werden wir in dieſem
Jahr eine einheitliche Jungvolk⸗ Waffe einführen, den Bambusſpeer. Cs tft ein
Wurfſpeer, der mit einer ausreichenden Kopfpolſterung verſehen iſt. Die Verſuche,
die in den verſchiedenſten Gebieten des Reiches durchgeführt wurden, haben überall
eine ungeheure Begeiſterung ausgelöſt. Die bisherigen Geländeſpiele litten zum
größten Teil an einem Mangel: eine Entſcheidung fand in einem Spiel ſelten ſtatt.
Alle gut gemeinten Verſuche, wie „Stabkampf“, „Lebensfäden“ uſw., mußten fümmer-
liche Verſuche bleiben. Es war ſelbſtverſtändlich, daß das Intereſſe der Jungen an
den Spielen, die ohne Entſcheidung ja eigentlich gar keine Spiele waren, nachließ.
Durch den Speer wird in Zukunft jeder Junge in der Lage ſein, aktiv in das Ge⸗
ſchehen des Spieles entſcheidend einzugreifen. Darauf kommt es an, daß ein Junge
lernt, im Gelände richtig zu handeln.
Es iſt eine große und umfangreiche Aufgabe, die zum Teil angepackt iſt, aber zum
größten Teil noch vor uns liegt. Der Jungvolkführer, der diefe Erziehung durch-
führt und leitet, ſteht vor der ſchweren Aufgabe, dieſe Ziele ſo zu verwirklichen,
daß der Dienft jedem Jungen zu einem inneren Erlebnis wird. Das Ziel ift
geſteckt, die Richtlinien find gegeben. Aber noch etwas kommt hinzu, das uns Ridt-
ſchnur zu unſerer geſamten Arbeit fein fol. Jeder, Führer und Junge, muß mit
innerer Freude und Begeiſterung dieſe gemeinſame Arbeit leiſten.
Die Schulung darf nicht zur Form erſtarren, der Führer darf kein Ausbilder
werden, der nur ein Programm durchführt. Mit der Leiſtung aber ſoll
der Stolz wachſen, mit dem Stolz das Selbſtvertrauen. Dann
erfüllen wir die Forderung des Führers, der allen, die in der Erziehungsarbeit der
deutſchen Jugend ſtehen, dieſes wunderbare Wort gab: „Mit dieſem Selbß
vertrauen, in Bewußtſein ſeiner körperlichen Kraft und
ſeiner Gewandtheit, ſoll jeder Junge den Glauben an die fo,
beſiegbarkeit ſeines ganzen Volkes gewinnen.“
H. Reinecker:
Die Geſundheitsfüheung der Hitlevingend
Ein aufmerkſamer ausländiſcher Beobachter, der vor der Machtübernahme
Deutſchland beſucht hatte und nun vor kurzer Zeit ſeinen Beſuch wiederholte,
rechnet das Erlebnis mit der nationalſozialiſtiſchen Jugend zu ſeinen ſtärkſten Cin-
drücken. Er ſagte: „Vor der Machtübernahme erſchien mir Deutſchland wie ein Land
ohne Jugend. Ich ſah die jungen Menſchen bedrückt, ſcheu und unluſtig an den
6 Reineder / Die Gefundheitsführung ber Hitlerjugend
Straßeneden ſtehen. Nun kenne ich Deutſchland nicht mehr wieder. Endlos find die
Kolonnen der Jugend, die da begeiſtert marſchiert, ein Arbild der Freude und
Zukunftshoffnung. Ich ſah ſie in ihren Lagern, geſund und braungebrannt, beim
Kraftmarſch über Land
In allen Ländern und zu allen Zeiten kennt man den Typ des Gaffen- und
Straßenjungen als eine ſtändige Erſcheinungsform. Was fih aber in Deutſchland nach
dem Kriegsende zeigte, ging weit über dieſes durchſchnittliche Maß hinaus: eine ganze
Jugend verkam auf der Straße. Die Ziffern der Verwahrloſung, der Jugend ⸗Straf -
fälle ſprechen eine deutliche Sprache dieſes Verfalls. Die Schulärzte ſtellten Unter-
ernährung feft, mangelnde Pflege und eine erſchreckende Neigung zur Verwahr⸗
loſung. Als ſchlimmerer Faktor zeigte ſich darüber hinaus Arbeitsunluſt, Schwer-
fälligkeit, geiſtige Trägheit und ſeeliſche Leere. Die Gerichtsurteile bekunden den
hohen Prozentſatz jugendlichen Verbrechertums. Hier im Forum der Gerichtshöfe
zeigte ſich die Not der Jugend am brutalſten, und die Vielfalt der krankhaften
Neigungen und bedenklichen Irrwege waren eine geradezu erſchütternde Anklage
dieſer Zeit. So zeigte ſich das Angeſunde nicht nur im körperlichen Verfall, ſondern
vor allem auch in der Haltung der Jugend dem Leben gegenüber. Was bei den
Schülern und Beamtenſöhnen der Kitt einer loſen Familienorganiſation noch ge-
halten hat, das war bei den Arbeiterſöhnen längſt nicht mehr vorhanden. Es wäre
nur eine Frage der Zeit geweſen, wann die Welle des Verfalls, der Zerfetzung
und Zerſtörung die letzten Formen geſprengt hätte. |
Wenn der Reichsjugendführer in feiner Neujahrsbotſchaft jagen konnte, daß
die deutſche Jugend von heute ein fröhlicheres Geſicht trage, dann nicht zum ge-
ringſten Teil, weil ſie geſünder geworden iſt. Geſünder nicht nur als äußerlicher
körperlicher Zuſtand, ſondern im Beſitz innerer, ſtarker, natürlicher Kräfte, im körper ⸗
lichen Widerſtandsvermögen und in der geſunden Lebensanſchauung wie auch im Ge⸗
fühl für eine natürliche Bewertung aller Vorgänge. Damit hat fih der Geſundheits⸗
begriff entſcheidend gewandelt. In umweht nicht mehr Krankenhausluft oder die
Troſtloſigkeit der Erziehungsanſtalten. Das alte ſelbſtverſtändliche Ausleſeprinzip
der Natur kommt wieder zur Geltung. Es iſt die alte Formel: Nur das, was
ſtark iſt, wird ſich bewähren, das Schwache wird immer durch das Stärkere vernichtet.
Deshalb ſagt ſich die deutſche Jugend heute los von der alten Vorſtellung, die in
der Geſundheitsführung nur eine aus karitativem Mitleid wahrgenommene Pflege
alles Schwachen und Kranken ſah. Wir bekennen uns vielmehr heute zu einer
ſpartaniſchen Geſundheitsführung, die nicht zuerſt das Kranke in die Pflege einer
praktiſchen und aktiven Geſundheitsführung nimmt, ſondern von vornherein zum
Zweck des Lebens die natürliche Stärkung des Körpers macht und damit einen
Verfall körperlicher und geiſtiger Kräfte, die Krankheit alſo, verhütet.
Aber gerade dieſes Ziel des künftigen Geſundheitsbegriffes hat bei vielen Eltern
auf Mißtrauen geſtoßen. Es kommen da Vorſtellungen auf, daß ein
übermäßiger Dienſt die Jungen körperlich zu ſehr be⸗
anſpruche, daß nicht eine Abhärtung erreicht, ſondern viel
NReineder / Die Geſundheitsführung der Hitlerjugend 7
mehr im Gegenteil ihre organiſche Entwicklung ungünſtig
beeinflußt werde. Die nationalſozialiſtiſche Jugendführung hat Vorſorge
getroffen, daß in Zukunft nicht nur eine übermäßige körperliche Beanſpruchung der
Jungen und eine Schädigung ihrer Geſundheit vermieden wird, ſondern daß
darüber hinaus der Dienſt ſich den geſundheitlichen Erforderniſſen eines jeden
Jungen anpaßt und ſomit zu einer Heilwirkung für jeden einzelnen wird. Damit
iſt der Grund gelegt zu einer völlig veränderten Auffaſſung von Krankheit und Arzt.
Es wird die Folge einer ganz natürlichen Entwicklung ſein, einen Arzttyp zu ſchaffen,
der den Jungen nicht unperſönlich, ſozuſagen als „Fall“ behandelt. Er wird ſeinen
Beruf mehr als Berufung auffaſſen und wiſſen, daß er ein verantwortungsvolles
Amt als geſundheitlicher Betreuer der Jugend wahrzunehmen hat.
Vor einem Jahre ſchon hatten Hitlerjugend und Jungvolk einen ſehr wefent-
lichen bahnbrechenden Schritt in bisher unbetretenes Gebiet unternommen und ihre
Neihenunterſuchungen eingerichtet. Dieſe Reihenunterfuhungen ſtießen eine Beit-
lang in der Oeffentlichkeit auf Anverſtändnis und Unkenntnis. In den Reihenunter-
fuhungen wurden die Jungen nicht der „Reihe nach behandelt“, ſondern unter eine
periodiſche Betreuung geſtellt. Jeder Arzt der nationalſozialiſtiſchen Jugendbewe⸗
gung wurde einem beſtimmten Bezirk zugewieſen, und es gehörte zu ſeinen Pflichten,
durch gewiſſe Zeitläufte hindurch ſorgfältig den Jungen zu beobachten, das Wachs.
tum zu kontrollieren, gewiſſe Entwicklungsvorgänge zu meſſen und darüber hinaus
Schäden auszugleichen. Ueber diefe Reihenunterſuchungen hinaus ift nunmehr eine
umfangreiche Organiſation geſchaffen worden, die dieſe geſundheitliche
Betreuung zu einer feſten Einrichtung machen wird.
Der Arzt, der jeder nationalſozialiſtiſchen Jugendformation zugeteilt wird, iſt
mit großen Befugniſſen ausgeftattet und als ſtän diger Berater den For-
mationsführern beigegeben. Jeder Dienſt, der aus dem Rahmen des
Normalen herausfällt, wird ſorgſam mit ihm beſprochen, nach allen Richtungen hin
überprüft und erft, wenn der Arzt feine Erlaubnis gibt, wird der Dienſt tatſäch⸗
lich durchgeführt. Von befonderer Bedeutung war dieſe Maßnahme bei den
Sommerlagern. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß dieſe zwei Wochen, die jeder
Junge im Sommerlager verlebte, die ihn herausnahmen aus der natürlichen und
gewohnten Amgebung des Berufes, der Familie, der Arbeit, vor veränderte und
neue Situationen ſtellte. Die Eindrücke, die körperlichen Anſtrengungen, die geſamte
Lebensweiſe waren hier völlig verändert. Der Arzt ſah hierin ſelbſtverſtändlich ein
großes Feld von vielſeitigen verantwortlichen Aufgaben. In den vergangenen drei
Jahren find dieſe Lager durch ärztliche Beratung geſichert geweſen. Jedem Lager
waren nicht nur Aerzte, ſondern auch Feldſchere und im Sanitätsweſen ausgebildete
Helfer zugeteilt, die alle vorkommenden kleineren Verletzungen und Krankheiten
ſelbſtändig behandeln konnten. Der Einfluß des Arztes ging aber noch weiter. Er
bekümmerte ſich um das Eſſen und beſprach mit den Führern und Proviantmeiſtern
den genauen Verpflegungsplan. Die Erlaubnis zu Gepäckmärſchen oder ſonſtigen
8 Reineder / Die Geſundheitsführung der Hitlerjugend
außergewöhnlichen Anſtrengungen innerhalb des Dienſtbetriebes wird nur dann
gegeben, wenn ſämtliche Vorkehrungen getroffen find, die einen reibungsloſen Ver-
lauf dieſer Aebungen garantieren. Es gibt keinen beſſeren Beweis für den Erfolg
einer fo in jeder Kleinigkeit durchorganiſierten und geſicherten geſundheitlichen Be-
treuungsarbeit als die ärztlich regiſtrierte geſundheitliche Er ⸗
holung nach Beendigung eines jeden Sommerlagers.
Aber nicht nur hier ſieht der Arzt das Feld ſeiner Betätigung. Eine be⸗
ginnende umfangreiche Neuorganiſierung des geſamten deutſchen Aerzteweſens wird
alich bei der nationalſozialiſtiſchen Jugend die fo begonnene erfolgreiche ärztliche
Betreuung weiter ausbauen und verſtärken. Man iſt in den leitenden Stellen der
Neichsleitung der Partei wie auch den zuſtändigen Behörden des Staates ſich deſſen
bewußt, daß die Arbeit an der Geſundheit des Volkes für die Zukunft die be-
deutendſte Rolle ſpielt. Es fegt ſich heute immer mehr die Anſicht durch, daß man
nicht erſt dann mit den Hilfsmitteln, Kenntniſſen und Erfahrungen des Arztes ein⸗
ſetzen muß, wenn es ſich um den ſichtbaren Krankheitsfall handelt, ſondern daß die
Hauptaufgabe des neuen Arztes darin beſteht, die vorhandene geſundheitliche Kraft
zu fordern und fie von vornherein vor Schädigungen zu bewahren. Der Arzt fiebt
feine Stellung heute nicht mehr als „Poſition“, ſondern in erfter Linie als verant-
wortliche Aufgabe.
In Zukunft wird jeder deutſche Menſch von ſeinen erſten Lebensjahren an dis
zu feinem Tode geſundheitlich beobachtet. Man beginnt dabei bei der national-
ſozialiſtiſchen Jugend, die als organifierte Form am erften die Möglichkeit bietet,
dieſen Plan mit allen Konſequenzen durchzuführen. Jedem Jungbann des Deutſchen
Jungvolks wird ein Arzt und ein ärztlicher Mitarbeiterſtamm zugewieſen. Jeder
Junge, der einer nationalſozialiſtiſchen Jugendorganiſa⸗
tion angehört, wird in Zukunft neben feinen Ausweis-
papieren einen ebenſo wichtigen Geſundheitspaß mit ſich
tragen. Bei feinem Eintritt in das Jungvolk bekommt er ein Geſundheits⸗
ſt amm buch, das ihn in jeder Phaſe feines Lebens begleitet, das je nach der Ver-
änderung ſeines Alters wie auch ſeiner Lebensumgebung von Arzt zu Arzt geht,
das ihn begleitet und in feinen vielerlei Eintragungen, Meſſungen und Beob⸗
achtungen, die regelmäßig gemacht werden, ein wahres Spiegelbild ſeiner vor-
handenen Kraft if. Der Arzt unter ſucht jeden Jungen auf be:
ſtimmte körperliche Fähigkeiten, und wo er Abweichungen
vom normalen Zuſtand feſtſtellt, ſucht er durch eine ent-
ſprechende Behandlung eine Aenderung zum günſtigen zu
erreichen. Bemerkenswert jedoch iſt, daß nach den neueren Erfahrungen dieſe
Tätigkeit des Arztes ihren beſonderen Wert gerade im Entwicklunsalter
des Jungen zeigt. Es beſteht in dieſer Altersſtufe noch die Möglichkeit, durch
eine zweckgerichtete Entwicklung Schäden auszugleichen, die ſich in fpdteren Jahren
nur febr ſchwer bekämpfen laffen. Wichtig ift fernerhin, daß man davon abſieht,
Neineder / Die Geſundheits führung der Hitlerjugend 9
bei den Jungen mit Hilfe von Arzneien, Präparaten ufw. eine Beſſerung zu er-
ſtreben, ſondern daß die meiſten Schäden als Entwicklungsſchwächen durch eine
mäßige körperliche Anſtrengung und Ausbildung zu beheben verſucht werden. Der
Dienſt im Jungvolk, der ehemals für manche Eltern eine
Quelle großer Beſorgnis war, wird nun zu einem fegens-
reichen Heilmittel, dem die Eltern ihr völliges Vertrauen
ſchenken können. Stellt z. B. ein Arzt bei einem Jungen eine weiche Wirbel-
ſäule feft, fo wird er dem Jungen ſowie auch dem Formationsführer vorſchlagen,
den Schwimmunterricht beſonders intenfiv durchzuführen. Oder hat irgendein Junge
eine ſchwache Lunge, ſo darf er auf keinen Fall zu Hundertmeterläufen herangezogen
werden, die in einer kurzen Zeit übermäßig große Anforderungen an ihn ſtellen.
Dagegen wird der Formationsführer wiſſen, daß 3000 und 5000 Meter zu laufen
für dieſen Jungen wichtig ift, der jo über eine langſame Kräftigung des betreffen-
den Körperteiles und Organes zu einem leiſtungsfähigen und ganz geſunden Jungen
werden kann.
Der Einfluß des Arztes geht noch über dieſe Kleinarbeit bei den Formationen
hinaus. Beabſichtigt irdgendeine Formation, eine Fahrt in ein fremdes Gebiet,
in eine veränderte Landſchaft, in der andere klimatiſche Bedingungen herrſchen, zu
veranſtalten, Treffen oder Lager ſtattfinden zu laſſen, ſo wird ſich der betreffende
Formationsarzt genau unterrichten, ob er vom ärztlichen Standpunkt aus feine Bu-
ftimmung geben kann. Es iſt ſchon vorgekommen, daß Tagungen plötzlich ausfallen
mußten, weil in dem betreffenden Gebiet eine anſteckende Krankheit, etwa ſpinale
Kinderlähmung, graſſierte und auf Einſpruch des Arztes ſämtliche Veranſtal⸗
tungen aufgegeben werden mußten. Der Arzt wird auf dieſe Weiſe in
ein ganz beſonderes Verhältnis zu der Jugend kommen. Er
iſt nicht der „Doktor“, ſondern mit ihnen als ihr Kamerad zuſammen in Lagern
und auf Fahrt. Seine geſundheitliche Betreuung iſt eine faſt unmerkliche, aber
ſtetige. So kommen die Jungen ſelbſt zu einem ganz anderen Begriff und zu einer
ganz anderen Vorſtellung und zu einer ganz anderen Bewertung der Geſundheit.
Die Geſundheitsführung obliegt nicht mehr allein den Aerzten, ſondern jeder ein⸗
zelne Formationsführer wird aus ſeinem Verantwortungsgefühl für die ihm an⸗
vertrauten Jungen heraus zu einer beſonderen Verantwortung vor der Geſundheit
kommen. Die Jungen ſelbſt werden dem Segen einer ſolchen praktiſchen Arbeit nicht
gleichgültig gegenüberſtehen.
Der Arzt flieht in dem Jungen ſelbſt feinen wichtigſten Helfer. Sie leiten die
Ausbildung der Formationsführer als Feldſchere. In den einzelnen Gebieten
werden jungbannweiſe beſondere Lehrgänge durchgeführt, die eine Anterweiſung in
der „erſten Hilfe“ bei Anglücksfällen und Verletzungen geben und mit einer Prü⸗
fung zum Feldſcher abſchließen. Weit wichtiger ift bei dieſen Lehrgängen
die Ausbildung im allgemeinen Geſundheitsdienſt. Es wird beſonderer Wert darauf
gelegt, das Intereſſe und Gefühl für die Geſundheitsführung zu erwecken. Deshalb
10 Reineder / Die Geſundheitsführung der Hitlerjugend
umfaßt der Lehrplan außer „erfter Hilfe“ allgemein gehaltene Vorträge über
Geſundheitsführung, Hygiene, Infektionskrankheiten, biologiſche Fragen uſw. Die
Abende werden in Form einer wirklichen Arbeitsgemeinſchaft durchgeführt. Dieſe
Lehrgänge, die in allen größeren Städten durchgeführt worden find, zeigten ſchon
nach wenigen Stunden, daß die Arbeitsgemeinſchaft, die Freundſchaft zwiſchen Arzt
und Führer ſo zu werden verſpricht, daß ſich der Arzt auch über Dinge mit den
Jungen unterhalten könne, über die ſie ſich ſonſt nur mit Gleichaltrigen und mit
Freunden ausſprechen.
Ganz beſondere Berückſichtigung findet die ärztliche Betreuung in dieſem Jahre,
da zum erſten Male ein ganzer Jahrgang möglichſt geſchloſſen aufgenommen werden
fol. Der ſo in dieſem Jahre begonnene jahrgangsweiſe Auf-
bau der nationalſozialiſtiſchen Jugend hat im Gefolge eine
ebenſo totale, ſtetige und gleichmäßige Betreuung, die in
ihrer organiſatoriſchen Form feſt begründet iſt. Es werden in
dieſem Jahre keine Jungen aufgenommen, die nicht in ihrer geſundheitlichen Ver-
faſſung und körperlichen Konſtitution die völlige Gewähr dafür bieten, daß der
Dienſt des Jungvolks von ihnen reſtlos ausgeführt werden kann. Zum anderen wird
ſie den Eltern die Beruhigung und die Gewißheit geben, daß ihr Junge nach
ärztlichem Befund die Dienſtanforderungen zu ertragen imſtande iſt.
Während der Probedienſtzeit wird jeder neueintretende Junge ärztlich auf ſeine
Eignung unterſucht. Der Junge wird nur dann endgültig aufgenommen, wenn das
Tauglichkeitszeugnis des zuſtändigen Arztes vorliegt. Die Anterſuchung erfolgt
fiber die Jugenddienſtſtelle beim Amt für Volksgeſundheit, die von HF-Sruppen-
ärzten in Perſonalunion verwaltet werden. Es ſind dies bei den politiſchen Gauen:
a) die Jugendbeauftragten beim Gauamt für Volksgeſundheit (Gebietsärzte);
bei den politiſchen Kreiſen:
b) die Jugendbeauftragten bei den Kreisämtern für Volksgeſundheit (Bannärzte).
Verantwortlich für die ordnungsgemäße Durchführung aller Anterſuchungen
find die Jugendbeauftragten beim Gauamt für Volksgeſundheit, die einen Sonder-
beauftragten für Jungvolkfragen, Dienſtbezeichnung: „Jungvolkbeauftragter“, mit
der Durchführung der Arbeit betrauen können.
Die Organiſation des Aerzteweſens der nationalſozialiſtiſchen Jugend iſt bis
ins kleinſte vorgenommen und bietet ſo die Gewähr für eine Geſundheitsführung,
die ſich ſchon in naher Zukunft als ſegensreich erweiſen wird. Das traurige Bild
der letztvergangenen Jahre wird dann endgültig der Vergangenheit angehören, und
in der harten Dienſt⸗ und Pflichtauffaſſung der nationalſozialiſtiſchen Jugend wird
eine körperlich geſunde Jugend die Aufgaben beſſer zu erfüllen wiſſen, als die
Jugend der Nachkriegsjahre.
Steinbömer / Zum Streit um Rothes Shakeſpeare 11
Gustav Steinbömer:
Zum Streit um Rothes Ghakefpeare
Bei der Frage, ob die Notheſche Shakeſpeare⸗Aeberſetzung den Anſpruch er-
heben darf, die Schlegel ⸗Tieckſche Aebertragung zu erſetzen, wird man von einer
grundſätzlichen Feſtſtellung ausgehen müſſen. Die Schlegel⸗Tieckſche Aeberſetzung ift
keine Einheit. Auguſt Wilhelm Schlegel hat in den Jahren 1797 bis 1810
17 Dramen Shakeſpeares überſetzt. Dann wollte Tieck die Arbeit fortführen. Tieck
ſelbſt hat aber kein einziges Stück überſetzt, ſondern die Arbeit übernahmen ſeine
Tochter Dorothea, die 6 Stücke ſelbſtändig übertrug, und der Freund des Tieckſchen
Haufes, Graf Baudiſſin, der 13 Stücke überſetzte, z. T. unter der Mitwirkung
Dorotheas. Tiecks Anteil beſchränkte ſich darauf, bei den abendlichen Vorleſungen
des Vollendeten, Verbeſſerungen und Vorſchläge zu machen. Baudiſſin war fo groß-
zügig, Tieck den Namen zu überlaſſen — übrigens auch das Honorar —, dafür iſt er
dann auch von der Nachwelt gebührend vergeſſen worden. Zwiſchen der Schlegelſchen
Aeberſetzung und der von Baudiſſin oder Dorothea Tieck beſteht ein grundſätzlicher
Wertunterſchied.
Schlegels Aebertragung iſt das dichteriſche Ergebnis eines großartigen Er-
eigniſſes: der Begegnung der deutſchen Sprache mit dem Geiſte Shakeſpeares in
einer Zeit, die durch Herder und Goethe die Welt Shakeſpeares wie einen neuen
geiſtigen Erdteil entdeckt hatte. Schlegel hat aus dieſem Arerlebnis ſeiner Zeit die
Einverleibung Shakeſpeares in die deutſche Sprache vollbracht. Seine Aeberſetzung
ift daher eine dichteriſche Schöpfung, die faſt den gleichen ſprachlichen Schutzanſpruch
hat wie die deutſche Dichtung eines deutſchen Dramatikers. Ein ſolches Eingehen
fremdſprachlicher Dichtung in die eigene Dichtung ift ein einmaliger und unwiderhol⸗
barer Vorgang. Die Schlegelſche Aebertragung kann daher als Ganzes überhaupt
nicht erſetzt, ſondern nur im einzelnen verbeſſert und dramaturgiſch überarbeitet
werden. Anders liegen die Verhältniſſe bei den ſehr begabten Aeberſetzungen von
Baudiſſin und Dorothea Tieck. Sie ſtammen nicht mehr aus dem dichteriſchen Ent-
deckererlebnis der Schlegelzeit, ſondern aus dem reichen ſpätromantiſchen Sprach-
empfinden der nächſten Generation. Gegen ihre Erſetzung wird daher nicht jener
grundſätzliche Einwand erhoben werden dürfen.
Rothe überſieht nun jenen Vorgang der dichteriſchen Eindeutſchung Shake⸗
fpeares und geht von feinem ſehr reichen und gründlichen philologiſchen Willen
um den hiſtoriſchen Shakeſpeare aus. Da liegt ſein Grundirrtum. Denn mit der
unbeſtrittenen Tatſache, daß wir einen „reinen“ Shakeſpeare, eine unverſtümmelte
Arform der Shakeſpearſchen Werke nicht beſitzen, daß wir als beſtes nur eine Foli-
ausgabe haben, die 7 Jahre nach dem Tode des Dichters mit hineingearbeiteten
Negiebüchern und Raubdruden von zwei Schauſpielerkollegen herausgegeben iſt, ift
eine Neuſchöpfung noch nicht gerechtfertigt. Es handelt ſich nicht um einen „Kampf
um Shakeſpeare“, den überlaſſen wir den Angliſten, ſondern es handelt ſich um die
konkrete Frage, ob die Notheſche Aeberſetzung die Schlegelſche Neuſchöpfung, die aus
einem Arerlebnis, und die Tieckſche Aebertragung, die aus einem Bildungserlebnis
12 Steinbömer / Zum Streit um Rothes Shalefpeare
ſtammt, erjegen darf und fann. Rothe wirft der Schlegel Tieckſchen Aeberſetzung
die „Romantifierung” Shakeſpeares vor. Selbſtverſtändlich hat Schlegel aus den
frühromantiſchen, haben Dorothea Tieck und Baudiſſin aus den ſpätromantiſchen
Vorausſetzungen und Vorſtellungen ihrer Zeit überſetzt. Eine „Entromantiflerung”
Shakeſpeares iſt eine bedeutſame Aufgabe für unſere Bühnen. Daß Dramaturgie
und Spielleitung ſie mit der Schlegelſchen Aeberſetzung zeitgemäß löſen können, haben
die vergegenwärtigten und völlig „unromantiſchen“ Aufführungen des Hamlet und
Lear im Berliner Staatstheater glänzend erwieſen. Rothe glaubt aber, daß dieſe
Gegenwartsaufgabe von der Sprache her, d. h. durch eine völlige Neuüberſetzung in
ein heutiges Deutſch gelöſt werden muß und kann. Er nimmt daher für ſeinen
Shakeſpeare die leichtere Spielbarkeit, die größere Zeitnähe, das unmittelbarere,
breitere Verſtändnis des Volkes in Anſpruch. Wir wollen in ganz wenigen Bei-
ſpielen die Schlegelſche, die Baudiſſinſche und Dorothea Tieckſche Aeberſetzung der
Notheſchen gegenüberſtellen.
J. Aus „Romeo und Julia“, dem erſten von Schlegel übertragenen
Drama (1797):
Bei Schlegel beginnt das Drama wie bei Shakeſpeare mit einem Wortſpiel:
wir wollen nichts in die Taſche ſtecken“. „Freilich nicht, ſonſt wären wir
Taſchenſpieler.“ „ . . . Ich werde den Koller kriegen und vom Leder ziehen.“
„Nein Freund, Deinen Lederkoller mußt Du beileibe nicht ausziehen.“
Rothe: „ . . . mich kann niemand mehr vors Schienbein treten.” (ohne
folgendes Wortſpiel).
Schlegel: „Der Narben lacht, wer Wunden nie gefühlt.“
Rothe: „Wer über Not ſcherzt, kennt die Sorge nicht.“
Schlegel: „So einzige Lieb aus einzigem Haß entbrannt ... ich fühle mich
getrieben, den ärgſten Feind aufs zärtlichſte zu lieben.“
Rothe: „Drum Kind, Steht in der Bibel aufgeſchrieben, daß wir die Bbdfen
Feinde herzlich lieben.“
Schlegel: „. .. Sonſt färbte Mädchenröte meine Wangen.“
Rothe: Weil fonft ein Mädchen febr erröten müßte.”
II. Aus Sturm’ , einer reifen Aebertragung Schlegels (1798).
Schlegel: „Nichts an ihm, das fol verfallen,
Das nicht wandelt Meereshut
In ein reich und ſeltnes Gut.“
(Es ſind die ſchönen Verſe, die — engliſch natürlich — auf dem Grabſtein
des Dichters Shelley bei der Ceſtius⸗ Pyramide in Rom ſtehen.) ö
Rothe: „Denn nichts geht verloren.
Das unabläſſig ſchaffende Meer
verwandelt
veredelt
alle Dinge,
und fie werden koſtbar und felten.”
Steinbömer / Zum Streit um Rothes ShHalefpeare 13
Schlegel: „. . . Wir find folder Stoff
Wie der zu Träumen, und dies kleine Leben
Amfaßt ein Schlaf!“
Rothe: Fehlt!
III. Aus „Maß für Maß“, überſetzt von Baudiſſin (1831).
Baudiffin: „Mein Amt zerfiele ja in wahres Nichts,
Straft ich die Schuld, wie das Geſetz begehrt,
And ließe frei den Täter.“
Rothe: „Würde mein Amt nicht null und nichtig fein,
wenn ſogar das, was im Geſetzbuch ſtehet,
ohne ernſte Folgen übertreten würde.“
Baudiſſin: „Was in des Feldherrn Mund ein zornig Wort,
Wird beim Soldaten Gottesläſterung.“
Rothe: „Die Gottesläſterung des Grenadiers
iſt Mut und Leidenſchaft im Mund des Feldherrn.“
IV. Aus „Wintermärchen', überſetzt von Dorothea Tieck (1832).
Tieck: „Du biſt vor Alter ſtumpfen Sinns; wo nicht
| Ein Tor ſchon von Geburt.“ |
Rothe: „Entweder hat das Alter dich zerrüttet,
oder du biſt von Haus aus ſtumpf.“
Tieck: „Verdammt des Königs heillos blinder Wahnfinn.“
Rothe: „Die plumpe Wut des Königs, verhetzt und ziellos,
ſoll der Teufel holen.“
Tieck: „Wär ich der irre Geiſt, ich käme dann
And hieß Euch ſchaun in jener Aug' und fragte.
Ob Ihr um dieſen matten Blick ſie wähltet;
Dann kreiſcht' ich auf, das Euer Ohr zerriſſe,
And ſchiede mit dem Wort: Gedenke mein.“
Rothe: Fehlt!
Selbſt dieſe wenigen kurzen Stichproben laſſen vielleicht ſchon erkennen, daß
die Rotheſche Aebertragung eine Entzauberung und Cntpoetifierung der einſt
dichteriſch eingedeutſchten ſhakeſpeareſchen Sprache ift. Die Vergegenwärtigung Shake
ſpeares durch Rothe beſteht in der Amſetzung einer dichteriſchen Sprache in eine
glatte und gängige Großſtadtſprache. In dieſer wird der plaſtiſche Bildreichtum
der Shakeſpearſchen Sprache verflacht und banalifiert und werden tiefe metapho⸗
riſche Stellen als „romantiſch“ oft einfach fortgelaſſen. Ebenſo fällt das Wortſpiel.
Wortwitze werden durch Schnoddrigkeiten erſetzt, rhetoriſch eingekleidete Derbheiten
14 Keller / Zum Streit um Rothes Shakeſpeare
zu unverhüllten Eindeutigkeiten vergröbert. So wandelt dieſe Aeberſetzung vielfach
auch Geiſt und Haltung der Shakeſpearſchen Welt, verbürgerlicht und entpolitiftert
fle. Die Rotbeihe Aeberſetzung ift weniger eine Schöpfung aus dem Sprachgeiſt
des Volkes als ein Werk aus der Sprachübung der Maſſe.
Prof. Wolfgang Keller, Münster i. W., Herausgb. d. Shakespeare Jahrbuchs:
Seit Ludwig Tieck in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit ſeiner
Tochter Dorothea und dem Grafen Wolf Baudiſſin als Mitarbeitern Schlegels
vorzeitig abgebrochene Aeberſetzung der Shakeſpeareſchen Dramen, die dem Werk des
britiſchen Dichters eine klaſſiſche deutſche Form gegeben hatten, fortgeſetzt und
vollendet hatte, hat es immer einen Kampf um Shakeſpeare in Deutſchland gegeben.
Es iſt das Recht der Jugend, ihre eigenen Wege zu ſuchen und die Werke ihrer
Vorgänger, die ſie als unvollkommen empfindet, in ihrem Sinne beſſer zu geſtalten.
Die Geſchichte muß entſcheiden, ob dieſe Verſuche der Jugend eine tatſächliche
Beſſerung erzielt haben. Im Kampf um Shakeſpeare hat bis jetzt die Geſchichte zu-
gunſten von Schlegel und Tieck entſchieden. Aber dieſe Entſcheidung muß nicht end-
gültig ſein.
Wenn Hans Rothe neuerdings mit dem Anſpruch auftritt, uns nicht nur
Beſſeres zu bieten als Schlegel⸗Tieck, ſondern teilweiſe auch Beſſeres als Shake⸗
ſpeare, ſo liegt darin an ſich noch kein Mangel an Ehrfurcht vor dem größten
dramatiſchen Genius der Neuzeit. Sein Standpunkt, daß nicht alles, was in einem
Shakeſpeareſchen Drama ſteht, von Shakeſpeare fein müſſe, iff auch dann an-
zuerkennen, wenn er, einer falſchen philoſophiſchen Führung folgend, fih eine über-
triebene Vorſtellung von der mangelhaften Aeberlieferung von Shakeſpeares Text
macht. Aber doch iſt in dieſem Punkt für ihn höchſte Vorſicht geboten. Shakeſpeares
Dramen ſind uns in einer Ausgabe überliefert, die, wenn ſie auch erſt 7 Jahre nach
des Dichters Tode fertig wurde, doch als die offizielle Ausgabe ſeines Theaters
und ſeiner perſönlichen engſten Freunde bezeichnet werden kann. Selbſt wenn mit
Hilfe moderner Methoden der Schallanalyſe fi einzelne Stellen in dieſer Aus-
gabe als unſhakeſpeariſch erweiſen, haben ſie doch, wenn nicht die Sanktion von
Shakeſpeare ſelbſt, ſo doch die ſeiner Mitſpieler gefunden; und ſo, wie wir ſie
haben, ſind, von kleinen Fehlern abgeſehen, die Dramen über Shakeſpeares Bühne
gegangen. Es iſt nicht mehr als billig, daß wir als Publikum den Anſpruch er-
heben dürfen, ſie in derfelben Geſtalt, in unſere Sprache übergeführt, zu ſehen.
Eine andere Frage iſt die, ob die Aeberſetzung Schlegels und Tiecks unſeren
Anſprüchen genügt. Hier hat das Arteil der Geſchichte eindeutig für Schlegel ge-
ſprochen, nicht eindeutig für ſeine Mitarbeiter. Es wird deshalb nie an Verſuchen
fehlen, die Tieckſchen Aeberſetzungen abzuändern oder neu zu geſtalten. Das Arteil
der Zuſchauer wird verſchieden ausfallen zu verſchiedenen Seiten. Man fol dieſem
Arteil nicht vorgreifen.
Ein drittes Problem, das in dieſer Form eigentlich erſt von Rothe aufgegriffen
wurde, iſt die Bearbeitung Shakeſpeareſcher Luſtſpiele für den modernen Geſchmack.
—— — — — — —— — — — gin
Keller | Zum Streit um Rothes Shakeſpeare 15
Nothe geht hierin ganz radikal vor. Er dichtet ſelbſtändig neue Szenen und führt
ſelbſtgeſchaffene Charaktere ein. Die Erfahrung hat gezeigt, daß er damit ſehr großen
Beifall bei den deutſchen Zuſchauern, auch bei ſolchen, auf deren Arteil wir hören
dürfen, gefunden hat. Ich glaube, daß hier der Erfolg für unſere Zeit inſofern
Rothe rechtfertigt, als er den an ſich vielfach zeitgebundenen Shakeſpeareſchen Humor
in einen der großen Maſſe ſeiner Zuſchauer leichter verſtändlichen Witz umgeſtaltet,
wobei ihm eine glückliche Hand nicht abzuſprechen iſt. Aber auch hier ſollte das
Publikum nicht einſeitig nur mit den Moderniſierungen Rothes abgeſpeiſt werden.
Neben dieſen werden gerade bedeutende Talente unter den Schauſpielern und
Theaterleitern lieber die Feinheiten von Shakeſpeares eigener Kunſt wiedergeben.
Der Kampf um Shakeſpeare ift keine Schande für unfer künſtleriſches Emp-
finden. Anſere Jugend ſoll kämpferiſch ſein. Warum ſoll ſie den Kampf um Shake⸗
ſpeare deshalb ſcheuen? Wenn Rothes Verſuche nicht von Dauer find, dann können
ſie doch ſeiner eigenen Generation etwas nicht Wertloſes geboten haben. Aber die
Jugend ſoll auch wiſſen, daß, wie auch die Geſchichte ſich entſcheidet, das Wahre,
das Gute, das Große ſich gegen alle Hinderniſſe immer durchgeſetzt hat.
Den größten dramatischen Dichter der nordischen Rasse seit den Griechen, einen
Weltschöpfer, aus dessen Tiefe Jahrhunderte der Kunst Nahrung, Leben und Form
gewannen, in der Bummelsprache des Asphalts, in der Bedientensprache bürgerlicher
Alltäglichkeit reden zu lassen, ist in meinen Augen eine Gotteslästerung. Wollte
man aus den Götterliedern der Edda Songs für das Kabarett, aus den Gesängen
des Nibelungenliedes liberale Romankapitel schneiden, so würde sich ein wachsendes
Volk einmütig dagegen wehren, das an der Arbeit ist, sich auf seinem unendlichen
Wege Denkmäler seiner Größe zu errichten. Rothes Versuch, Shakespeare zu ver-
menschlichen, ist ein Angriff auf den Tiefenglanz der übermenschlichen Mächte, der
nationalmoralisch auf derselben Stufe steht wie Freuds psychoanalytische Zersetzung
unserer Daseinswurzel, wie Emil Ludwigs feuilletonistische Zerkleinerung unserer
erhabenen Geschichte, wie Hamlet im Frack. Es gibt keinen Miniaturdom; zur Ent-
fesselung eines großen architektonischen Rhythmus gehört schwingende Masse, mit
Gang und Tat shakespearischer Helden ist das heldische Pathos unlöslich verbunden.
Kant durfte die Musik noch für einen Hazard, für ein Gesellschaftsspiel halten. Seit
Schopenhauer und Nietzsche aber wissen wir um die tiefe, tragisch-heroische Lebens-
macht dieser Kunst. Weil wir der wachsenden Größe unseres Volkes verschworen
. sind, lehnen wir Rothes Versuch, den Dämon Shakespeare zu entgenialisieren und
seine Gestalten, die aus dem Mythos kommen, den bürgerlichen Massen über den
nackten Verstand hinweg mundgerecht zu machen, entschieden ab. Wir bekennen uns
zum „holden Wahnsinn“ seiner Sprache, wie sie Schlegel-Tieck für uns Deutsche nach-
gebildet haben und empfangen den ungeheuren Zug seiner Schöpfungen nicht nur
mit dem Verstande, sondern mit dem Herzen, und das heißt: mit dem ganzen, un-
geteilten Menschen, von dem der Verstand nur eine kleine, meistens öde und schul-
meisterliche Provinz ist. Josef Magnus Wehner.
16 Gonwell-Evans / Deut[G-englifGe Sufammenarbeit
T. P. Conwell-Evans, London:
Dentich-ensliiche Zuſammenauben
Diese Zeilen stellt uns ein Engländer als Aeußerung zum
geschichtlichen 7. März zur Verfügung.
Die großen Ereigniſſe des letzten Monats, nämlich die Befreiung des Rhein-
landes von den letzten Feſſeln des Verſailler Vertrages, zeigen, was eigentlich die
Rolle Englands in den deutih-englifhen Beziehungen ift. Die gewaltige Aufregung,
die Verwirrung, die auf dem Feſtlande Europas hervorgebracht wurde, hätte leicht
zu Feindſeligkeiten geführt, wenn England nicht ſeinen beruhigenden Einfluß ein-
geſetzt hätte. Mit einem Wort, es iſt die Pflicht Englands, Vermittler zu ſein, der
endlich Deutſchland und Frankreich zur Verſöhnung bringen wird. ;
Dieſer Pflicht ift ſich England feit dem großen Kriege bewußt geweſen, aber
in den Nachkriegsjahren hat es ſich nicht damit immer mit gleichem ſtarken Willen
beſchäftigt. Neuerdings hat der Minifterpräfident Baldwin wieder das Ziel völlig
anerkannt, als er es im Unterhaus zum Ausdruck brachte. Eine nötige Vor ⸗
ausſetzung des Friedens in Europa, ſagte er, iſt eine feſte
ſtän dige Freundſchaft zwiſchen England, Deutſchland und
Frankreich.
Seit dem Kriege hat England verſucht, die Teilung Europas in zwei auf⸗
gerüſtete Lager zu verhindern. Man hat durch die Erfahrung des großen Krieges
1914/1918 eingeſehen, daß dieſe Politik der „Gleichgewichte“ nicht mehr dem Frieden
dienen könnte. Heute Frankreich zu unterſtützen gegen Deutſch ⸗
land und morgen Deutſchland gegen Frankreich, das iſt keine
Löſung.
Der Reichskanzler Adolf Hitler hat in feiner Rede vom 7. März die Bereit-
willigkeit Deutſchlands, in den Völkerbund einzutreten, angekündigt. Dieſer Vor-
ſchlag hat das engliſche Volk ſehr gefreut, da es feſt überzeugt iſt, daß durch einen
richtigen Völkerbund, darin jedes Mitglied gleichberechtigt iſt,
man allein den Frieden auf die Dauer bewahren kann.
In England iſt der Glauben an die Prinzipien des Völkerbundes tief im Herzen
des Volkes eingewurzelt. Man gibt zu, daß bisher feit 1919 der Völkerbund zie m⸗
lich einſeitig geweſen ift; geboren in den Zuſtänden des Krieges, ift er big-
her feinen idealen Zwecken nicht gewachſen geweſen. Aber wenn ein Deutſch⸗
land, das feine Gleichheit und Wehrhoheit erreicht hat,
wieder Mitglied wird, verliert der Völkerbund die Eigen ⸗
ſchaften einer Geſellſchaft von Siegerſtaaten, die feine
Entwicklung verhindert haben. Erſt jetzt, wenn Deutſchland wieder
dabei iſt, kann dieſe Inſtitution ein richtiges Zuſammenleben der Völker fördern
und die zwiſchenſtaatlichen Beziehungen erleichtern.
Aus neuen Shakespeare-Auffuhrungen
„Die lustigen Weiber von Windsor“: Heinrich George als Falstaff
„König Lear“: Bernhard Minetti als Edmund, Paul Hartmann als Edgar
„Wintermärchen“: Theodor Loos als Konig Leontes, Lil Dagover als Konigin
Hamlet“: Gustaf Gründgens in der Titelrolle
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Conwell-⸗Evans / Deutſch⸗engliſche Zuſammenarbeit 17
In der Vorkriegszeit waren die zwiſchenſtaatlichen Beziehungen im Zuſtand
einer Anarchie. Jeder Staat hatte das Redt, gegen feinen Nachbarn Krieg zu
führen. Daher iſt der leidenſchaftliche Verſuch zu erklären, Bündniſſe zu ſchaffen
gegen einen beſtimmten Gegner, den künftigen Feind. Jeder Staat rüſtet ſich ſo
ſtark wie möglich auf. Die Nervoſität und die Furcht wurden immer größer durch
das Wettrüſten. Die militäriſchen Vorbereitungen in jedem Lande waren un⸗
geheuer. Käme eine Kriſe, wäre fie ſchwer zu überwinden geweſen, da die General-
ſtäbe in jedem Lande ſofort ihre techniſchen Vorbereitungen zu prüfen anſingen.
Aeberall fürchtete man ein ſchnelles, überraſchendes Eingreifen von der Seite des
Feindes, jedes Land ſtand in einem ſolchen Augenblick vor der Gefahr einer Mobil-
machung des feindlichen Nachbarn. Und in dieſem Augenblick bleibt
die politiſche Streitfrage, die die Kriſe hervorgebracht hat,
nicht mehr im Vordergrunde. Eine Mobilmachung, wenn auch
defenſive, kann die Welt in Flammen ſetzen.
In dieſer Art iſt letzten Endes der große Krieg von 1914 ausgebrochen,
und kein Staat war daran ſchuldig.
Schuld daran iſt die Anarchie des zwiſchenſtaatlichen Lebens geweſen. —
Durch ſeine Friedensvorſchläge vom 7. März hat Adolf Hitler den Völkern
Europas die Möglichkeit gegeben, dieſen alten ſchlechten Syſtemen ein Ende zu
machen. Die Mitglieder des Völkerbundes haben kein Recht, zum Krieg zu ſchreiten;
ſie müſſen eine Streitfrage dem Vermittlungsverfahren des Völkerbundes vorlegen.
And wenn nach einer Friſt von 9 Monaten es dem Völkerbund nicht gelungen
iſt, die ſtreitenden Mächte zu verſöhnen, iſt es erſt dieſen Mächten nicht verboten,
ihre Streitfrage unter gewiſſen Amſtänden durch Gewalt zu löſen. Aber der Nat
bat immer das Redt, Maßnahmen zu treffen, um den Krieg zu verhindern oder
um den Feindſeligkeiten ſofort ein Ende zu machen. Durch dieſe Inſtitution ver⸗
hindert man alſo, daß eine politiſche Kriſe zwiſchen den Mächten ſich ſofort in eine
viel gefährlichere militäriſche Kriſe umwandelt. Das Rififo von gegenſeitigen Mobil-
machungen in einem gewiſſen Augenblick ift. dadurch vermindert. Das neueſte Zei,
ſpiel ſteht vor unſern Augen. Die politiſche Kriſe iſt durch die Wiederbeſetzung
des Rheinlandes hervorgebracht worden; gemäß dem Locarnovertrag mußten aber
die Mächte die Frage vor den Völkerbund bringen und die Löſung durch fried-
liche Mittel zu erreichen verſuchen. Wenn dieſe rechtlichen Verpflichtungen nicht
vorhanden wären, wäre die Kriſe ganz anders verlaufen. Durch dieſe Inſtitution
konnte England ſofort ſeine Kraft einſetzen als friedlicher Vermittler zwiſchen Frank⸗
reich und Deutſchland. |
Wenn nun ein ſtarkes Deutſchland als ſtändiges Mitglied des Rates feinen
Platz mit England und anderen großen Mächten nimmt, kann der Völkerbund erſt
ganz poſitive Aufgaben durchzuſetzen anfangen, und zwar gerechte Anſprüche auf
Revifion erfüllen. Es iſt viel wichtiger, Arſachen eines künftigen
Krieges zu beſeitigen, als Maßnahmen zu treſſen gegen
18 W. / Blid auf Japans Probleme
einen verzweifelten Angreifer, der unter Ungerechtigkeit
leidet. Wenn der Völkerbund dieſer dynamiſchen Aufgabe gleich gewachſen ift,
wenn er ein wirkliches Inſtrument der Umwandlung wird, kann man erft Hoff ⸗
nung auf die Zukunft haben.
Das engliſche Volk freute ſich ſehr über das große Angebot Adolf Hitlers, der
dieſe Entwicklung ermöglichen will. Für England wird der Eintritt Deutſchlands
in den Völkerbund von großer Bedeutung ſein. Die große Linie der Außenpolitik
Englands iſt durch die Zuſtimmung der feds unabhängigen Regierungen des bri-
tiſchen Weltreichs (British commonwealth of Nations, Großbritannien, Kanada,
Auſtralien, Neu Seeland, Afrika, Irland) beſtimmt. Dieſe Dominions,
weit verſtreut in den verſchiedenen Kontinenten der Erde,
lehnen jede Bündnispolitik ab. Bündnispolitik verlangt von einer
Macht, daß fie im gegebenen Falle fofort zum Kriege ſchreiten wird, um dem Bünd⸗
nisgenoſſen Hilfe zu leiſten. Die verſchiedenen Lebensintereſſen der Dominions, die
zum Teil durch ihre geographiſche Lage beſtimmt ſind, verlangen ein allgemeineres
Syſtem der Sicherheit als ein Bündnisſyſtem, das nur zum Beiſpiel den Bedürf-
niſſen des europäiſchen Kontinents dient. Mit anderen Worten, die Dominions
können nur die allgemeinen Verpflichtungen der Völkerbundsſatzung annehmen, dieſe
find Aufgaben von Vermittlung zwiſchen Staaten, die allgemeine Pflicht, Kriegen
vorzubeugen uſw.
Die enge Mitarbeit Deutſchlands mit England und den Mitgliedern des bri-
tiſchen Weltreiches iſt deswegen am beſten innerhalb des Völkerbundes zu erreichen.
Einer der größten Schöpfer des britiſchen Weltreiches war Cecil Rhodes, und
fein Ideal war enge Zuſammenarbeit zwiſchen Deutſchland und dem britiſchen Welt
reich. Das Flottenabkommen zwiſchen Deutſchland und England ſtellt zwar zunächſt
eine Rüſtungsbeſchränkung dar, aber es ift auch etwas mehr, es ift eine Art von
Verſtändigung, die ihren Einfluß auf jedem Gebiet ſpürbar machen wird. Wir
ſtehen vor der Tür einer großen Entwicklung der deutſch⸗
engliſchen Beziehungen, die innerhalb und außerhalb des
Völkerbundes eine geſunde Wirkung haben werden. Dadurch
wird der Weltfrieden ſeine feſte Anterſtützung bekommen
Blick auf Sapan? Heobleme
Die Betrachter Japans, die in dem Land nur Geiſhas und Kirſchenblüten
ſahen, ſind ausgeſtorben. Sie wurden von den Schreckgeſpenſtmalern der „gelben
Gefahr“ abgelöſt. And auch dieſe verſchwinden immer mehr: man beginnt allenthalben
zu erkennen, daß man nur mit geradezu reſtloſer Nüchternheit dem Aufftieg, wie
der geſamten Problematik des Inſelvolks gerecht werden kann.
Japans Aufſtieg liegt klar vor aller Augen. Aber gibt es denn im Land der
aufgehenden Sonne überhaupt Probleme? Merkwürdigerweiſe begegnet man in
W. / Blid auf Japans Probleme 19
Der Welt dieſem Fragezeichen immer wieder. Man begegnet ihm, obwohl fid in den
letzten Jahren die Zahl der politiſchen Attentate (was nicht gerade auf beſondere Su-
friedenheit der Attentäter und ihrer Hintermänner ſchließen läßt) gewaltig geſteigert
bat; obwohl die Zahl der Streiks der rechtloſen und unorganiſierten Arbeiterſchaft
von 50 im Jahre 1914 auf 2456 im Jahre 1931 angeftiegen iſt und noch weiter an-
ſteigt; obwohl das Land über 2 000 000 Arbeitsloſe hat und in ſeinem Haushaltsplan
keinen Poſten für Arbeitsloſenfürſorge aufweiſen kann; obwohl ſchließlich das Elend
der japaniſchen Bauern (und 49 v. H. aller Japaner leben vom Ackerbau) ſeit die
Reispreiſe am Weltmarkt fo ungeheuer fielen, feit die Seidenraupenzucht durch Her-
Stellung der Kunſtſeide überflüſſig wurde, zu großen Hungerdemonſtrationen ge-
führt hat.
Die Welt intereſſierte an Japan vorwiegend und manchmal beinahe ausſchließ⸗
lich feine zweifache Ausdehnung: die militäriſchen Eroberungen und die Aufwärts⸗
entwicklung ſeiner Wirtſchaft. Beides mußte die Welt als ernſte Gefahr empfinden.
Die Ausdehnung des japaniſchen Machtbereiches auf das rieſige Gebiet des von ihm
geſchaffenen Staates Mandſchukuo genau ſo wie die Vermehrung der japaniſchen
VBaumwollſpindeln von 2,5 Mill. im Jahre 1914 auf 9,1 Mill. im Jahre 1934 (einer
Seit, in der die Zahl der in England laufenden Spindeln gleich geblieben iſt),
genau fo wie die 12-Pfennig-Glühlampe und das 500. Mark-⸗Auto: dies alles ift
natürlich ſichtbarer, als die Arſachen, die zu dem Vordringen in China, zur Ver-
mehrung der Baumwollproduktion, zur Erzeugung der billigſten Waren der Welt
geführt haben. Aber die Arſachen zu kennen iſt wichtiger.
Wie alles kam
Mit dem Jahre 1853 beginnen Japans Probleme, deren verſchiedenſten Folgen
wir kurz geſtreift haben. In dieſem denkwürdigen Jahr erzwangen zwei amerikaniſche
Kriegsſchiffe die Oeffnung japaniſcher Häfen. Das Inſelreich hatte ſich bis dahin
vollkommen von der Außenwelt abgeſchloſſen. Es geſtattete keinem Fremden, ſich im
Lande niederzulaſſen, und es erlaubte ebenſowenig einem Japaner auszuwandern.
Künſtlich wurde die Bevölkerungszahl über 120 Jahre auf etwa 26 Millionen
Menſchen beſchränkt. Die gewaltigen wirtſchaſtlichen, kulturellen und politiſchen
Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts waren an ihm ſpurlos vorübergegangen.
Japan befand ſich in jeder Beziehung in einem mittelalterlichen Zuſtand. 1853 aber
erkannte es dies, bei dem Anblick amerikaniſcher Kanonenrohre, zum erſten Mal ſelbſt.
Gleichzeitig erkannten die Japaner, und dies iſt in der Geſchichte der Er-
oberungen der weißen Raſſe einzig daſtehend, ihre Anterlegenheit, und fie faßten
den Entſchluß, den Fremden nicht feindlich entgegenzutreten, ſondern ſie ins Land
zu ziehen, um von ihnen all das zu lernen, was ihnen ihre Aeberlegenheit ſicherte.
Bereits 1855 werden Schulen gegründet zur Erlernung fremder Sprachen. Japaner
verlaſſen ihr Land, um Europa und Amerika kennenzulernen. And dreizehn Jahre
fpäter werden bereits genaue Pläne für den Aufbau eines Weltreiches in Japan
entworfen und in Angriff genommen.
20 W. / Blid auf Japans Probleme
Bewundernswert der Scharfblick, mit dem bereits damals Japan die Kraft-
quellen der fremden Länder erkannte: Militärmacht und Wirtſchaftsmacht. Nicht
minder erſtaunlich die raſche Erkenntnis, daß auch die Bevölkerungszahl in dem nun
beginnenden Kampf eine entſcheidende Rolle ſpielen wird und Geburtenbeſchraänkung
ein Wahnſinn ſei. Aber am bewundernswerteſten bleibt doch, daß die Japaner
auch ſehr raſch die Fehler in Europas und Amerikas politiſchen Syſtemen entdeckten,
das Verhängnis innerpolitiſchen Streites und außenpolitiſcher Gegnerſchaft, daß
ſie die Einheit der Nation niemals gefährdet ſehen wollten und in der unantaſtbaren,
gottgleichen Geſtalt des Kaiſers ſich einen Faktor ſchufen, der über Allem ſtehend,
die Einheit aller großen Entſcheidungen gewährleiſten konnte.
Anter dieſen Vorausſetzungen begann jene Entwicklung, die die Welt heute
fo maßlos verblüfft.
Der Aufbau der zwei Mächte: Militär und Wirtschaft
Fangen wir mit der Wirtſchaft an. Ihrem Aufbau kamen all die mühſam er⸗
rungenen Erfahrungen der großen Induſtrieländer der Welt zu Nutze. Anbelaſtet,
d. h. ohne nennenswerte Schulden, konnten die Schätze eines ganzen Volkes derart
inveſtiert werden, daß fie einen größtmöglichen Nutzen verſprachen. Mobilifieren
konnte von heute auf morgen dieſe Schätze aber nur der Staat. Er tat es auch.
Er ſorgte gleichzeitig für einen planvollen Einſatz, wodurch unfinnige Konkurrenz
von vornherein vermieden werden konnte.
Als ſchließlich der Wirtſchaftsapparat für eine ſtaatliche Verwaltung zu groß
wurde, ließ man es zu, daß er langſam in Privathände überging. Privatinitiative
und perſönlicher Ehrgeiz wurden für das wirtſchaftliche Aufbauwerk eingeſpannt.
Aber auch hierbei lernten die Japaner raſch, durch die Fehler der europäiſchen Rauf-
leute, daß ein ſchrankenloſer Individualismus im Wirtſchaftsleben, daß eine interne
Konkurrenz die Kräfte ſchwächt, und ſo überließ man einigen wenigen Familien, die
etwas von der Wirtſchaft verſtanden, den Aufbau der japaniſchen Wirtſchaftsmacht.
Dieſe wenigen Familien ſchloſſen wieder unter ſich Bündniſſe und teilten friedlich
ihre Machtgebiete.
Der große Vorteil dieſer Entwicklung war für Japan: die Erlangung eines
faſt reibungslos, weil planmäßig arbeitenden Induſtrie⸗ und Bankapparates. Der
Nachteil, der dafür in Kauf genommen wurde, war: die Zuſammenballung von
Macht, Luxus und Reichtum in den Händen einiger Weniger. Beides blieb den
Japanern ſtets bewußt. Sie nahmen das Nachteilige, je mehr ſie deſſen Gefahren
überſahen, immer ungerner in Kauf. And eines der brennendſten Probleme des
Inſelreiches ift: hier Abhilfe zu ſchaffen.
Am meiſten hat unter der wirtſchaftlichen Entwicklung der Bauernſtand gelitten.
Ihm wurden direkt durch Steuern oder indirekt durch die Finanzpolitik der On,
duftrie und der Banken die Bezahlung des Wirtſchaftsaufbaues abgepreßt. Auf
ihn nahm man keine Rüdfiht als man Kunſtſeideninduſtrien ſchuf, um die unwirt⸗
ſchaftlich gewordene echte Seide und damit die Seidenraupenzucht abzuwürgen. Ihn
W. / Blid auf Japans Probleme 21
traf die Einfuhr von billigem Neis aus dem nahen China. Er mußte bei einem
Jahreseinkommen von 3000 Den — 874 Den Steuern zahlen, während bei dem
gleichen Einkommen ein Geſchäftsmann oder Anternehmer nur 366 Yen bezahlte.
Auch der Arbeiter bezahlte den Wirtſchaftsaufbau mit. Er erhielt geringe Löhne.
Aber den Arbeiter brauchte man, und ſo ließ man ihn wenigſtens nicht hungern.
Der Bauernſtand aber hungerte tatſächlich. Oft verdarb ihm das Wetter die
Ernte, oft aber auch wurden Ernten weggepfändet. And ſtehen nicht im Norden
des Landes als grauenvolle Mahnmale die nackten, rindeloſen Bäume? In ihrer
Not haben die Bauern die Baumrinden verzehrt.
Aus dem japaniſchen Bauerntum rekrutiert ſich aber zu 80 v. H. das japaniſche
Militär. Das heißt, nicht nur die einfachen Soldaten, ſondern auch die Offiziere.
Faft jeder Leutnant, Hauptmann, oder auch General ift irgendwie durch Familien-
bande mit einem dieſer hungernden Bauern verbunden.
Das Militär iſt der zweite große Machtfaktor des Landes. Seine Zucht,
ſeine Moral, ſein Ethos und ſein Heroismus ſind bekannt. Die Ehre der Armee
und die Ehre des Landes ſind für jeden japaniſchen Soldaten das Höchſte. Kein
einziger zögert, ſein Leben für dieſe Ehre, ohne zu fragen, zu opſern. Der alte
Geiſt der japaniſchen Kriegerkaſte, der Samurai, lebt in ihm fort. And es iſt
wieder für japaniſche Klugheit bezeichnend, daß man trotz aller demokratiſchen Un-
wandlungen, Armee und Marine niemals den Beſchlüſſen eines Parlamentes unter-
flellte, ſondern nur einem Mann: — dem Kaifer.
Das Militär glaubte nicht, daß man allein durch die Ausdehnung der Wirtſchaft
die Not der Bevölkerung beſeitigen kann, daß man der Konkurrenz der Welt
allein mit ihr begegnen dürfe. Japans Militär verweiſt auf die Bevölkerungs-
zunahme von 30 Millionen Menſchen im Verlauf von 50 Jahren. Es verweiſt
darauf, daß die Anbaufähigkeit des Bodens von 17 v. H. nicht geſteigert werden
kann. Es verlangt Raum. Es verlangt Rohftoffquellen, um das Land gegen
jedweden Angriff verteidigen zu können. And dieſer Gegenſatz in der Anſchauung
über die Expanſtonsmethoden, dieſer Gegenſatz zu den Wirtſchaftsführern, hat zur
Folge, daß es wiederum das Militär iſt, daß die Finger auf die Wunde des
japaniſchen Wirtſchaftsſpſtems legt und entſchloſſen ift, diefe Wunde zu beſeitigen.
Spannungen, aber niemals Zwiespalt in der Nation
Daraus entſtehen Spannungen. Sie haben ſich in der letzten Zeit etwas häufiger
entladen. Eine Reihe von Exponenten der Wirtſchaft wurden ermordet. Das
japaniſche Volk konnte in dieſen Handlungen kein Verbrechen ſehen, da ſie zum „Beſten
des Vaterlandes“ und aus rein uneigennützigen Motiven begangen worden waren.
Die meiſten e wurden freigeſprochen, nur wenige erhielten minimale
Strafen.
Es waren manchmal ſogar regelrechte Revolten, an europäiſchen Maßſtäben
gemeſſen. Aber Revolutionen konnten es nie werden: denn vor der unantaftbaren
22 W. / Blid auf Japans Probleme
Geſtalt des Kaiſers und vor ſeiner Entſcheidung mußten auch jene Militärs Halt
machen, die gerne radikaler vorgangen wären. Die Spannungen innerhalb der
japaniſchen Nation, die auf Grund verſchiedener ſozialer Anſchauungen, die infolge
verſchiedener Meinungen über die Methode der Expanſion entſtanden waren, konnten
auf diefe Weiſe niemals einen Zwieſpalt entſcheidender Art in die Nation tragen.
Der Kaiſer wacht über die Einigkeit. Er trifſt die letzten Entſcheidungen. Er
beſtimmt die Miniſter. Beraten von den älteſten und weiſeſten Staatsmännern,
leitet er, ohne ſehr viel direkt einzugreifen, das Tempo der Entwicklung Japans.
So lehrt uns ein Blick auf Japans Probleme, daß ſelbſt der größte Widerſtreit,
die heftigſten Auseinanderſetzungen, das ſchwerſte Ringen um Macht und Einfluß
zwar möglich ſind, aber auch ES abgeftellt werden können, wenn es für den Staat
notwendig iſt.
Man kann ſogar noch weiter gehen und ſagen, daß von dem geſamten japaniſchen
Volk jeder bereit iſt, jede, auch noch ſo ſchwere Bürde auf ſich zu nehmen, wenn es
der Kaifer verlangt. Gewiß: die japaniſchen Kapitaliſten werden nicht lächelnd ihre
erworbenen Millionen⸗Vermögen an die Armen verteilen, und die notleidenden
Bauern werden nicht freudigen Herzens hungern, aber ſowohl die einen als auch die
anderen werden ſich jeder Entſchließung des Kaiſers ohne zu murren, ohne Wider-
rede beugen. N
Die Erziehung der Nation
Die ganze Erziehung der Nation ift auf das Gebot dieſes oberſten Gehorſams
abgeſtellt. Dies geht ſo weit, daß zum Beiſpiel bei dem Brand eines Schulhauſes
der Schulleiter oder die Lehrer moraliſch verpflichtet ſind, das Bild des Kaiſers
aus dem brennenden Haus zu retten, ſelbſt wenn ſie wiſſen, daß ſie dabei umkommen
werden. Anternehmen fie aber nicht den Verſuch, das Bild zu retten, dann find fle
unehrenhaft geworden und müſſen Harakiri begehen, ſich ſelbſt entleiben.
Wie tief eingewurzelt die Achtung und Verehrung für den Kaiſer in Japan ift,
beweiſt folgender Vorfall. Ein Bauarbeiter mußte auf eine Telegraphenſtange
ſteigen. Der kaiſerliche Zug fuhr vorbei. Der Arbeiter befand ſich alſo an einer
Stelle, von der aus er auf den Kaiſer „herabſehen“ hätte können. Er hat Harakiri
gemacht, denn unverzeihlich ſchien es ihm, ſich über den Kaiſer zu „erheben“.
Wenn wir dieſe extreme Form des Handels vielleicht auch kaum verſtehen, ſo
erſehen wir doch aus ihr, welch gewaltige Kraft ein Volk aus einer ſolchen Erziehung
erwachſen iſt. And wir erleben an einem uns zwar fernliegenden, aber die Welt
allenthalben doch febr ſtark bewegenden Beiſpiel, mit welch ſchwierigen Problemen
ein Volk fertig werden kann, wenn es geeint iſt und ſeine inneren Spannungen nur
dann nach außen trägt, wenn es ſein Kaiſer für richtig hält.
Humbolo / Die Stastsidee des japaniſchen Net Hes 23
Hans Humbold:
Die Staatsidee des javaniſchen Reiches
Izanagi und Izanami ftanden eines Tages auf der Himmelsbrüde, die von Wolken
getragen wurde, und freuten ſich über die Weite des Meeres, das in der Tiefe brauſte.
Jzanagi ließ die Spitze feines mit herrlichen Steinen verzierten Speeres die Waſſer teilen.
Als er ihn erhob, fielen Tropfen, die das Meer trafen: aus ihnen entſtanden acht Inſeln
des japaniſchen Reiches. Izanagi erzeugte beim Waſchen am Meere aus feinem linken
Auge feine Tochter Amateraſu, die Sonnengöttin, die ihren Enkel Ninigi mit drei Zeichen
ſeiner göttlichen Macht, einem Spiegel, einem Schwert und einem köſtlichen Kleinod, auf
die Erde ſchickte, damit er fie von Japan aus beherrſche. Sein Nachſahr ift Jimmu, der
erſte Mikado, auf den ſich alle japaniſchen Kaiſer zurückführen.
In feinem Kaiſer verehrt das. japaniſche Volk einen unpersönlichen Gott, in dem ſich
das ganze japaniſche Reich und feine uralte Kraft verkörpere. Die Geſchloſſenheit des
japaniſchen Volkes findet in der Göttlichkeit des Mikado ihren finnfälligiten Ausdruck.
Nicht, daß der Mikado ſich um die Sorgen und Freuden ſeines Volkes kümmerte oder
kümmern dürfte, daß er als Herrſcher der Nation aufträte — das iſt der von ihm ein-
geſetzten Regierung des Staates überlaſſen, die in jahrhundertealter Erfahrung und mit
inſtinktſicherem Gefühl für die Berufung neuer Kräfte das japaniſche Volk zu einem feft-
geeinten Statsvolk ſchmiedete, das in Zeiten nationaler Not und nationaler Erhebung
mit allen Faſern ſeines Herzens und Leibes die meerverbundenen Heimatinſeln ſchüͤtzt und
ſeinen Wohnraum erweitert. Das japaniſche Volk erkannte, daß das Schickſal alle ſeine
Stämme und Familien zu Tod und Leben feft miteinander verknüpfte, und baute fo feine
tiefveranferte Staatskultur auf, die die perſönliche Freiheit, Kunſt und Wiſſenſchaft, Ge-
werbe und Handel im Intereſſe des ganzen dem Staate unterordnete. „Die Univerfität
bat die Aufgabe, Theorie und Praxis der Wiſſenſchaften, die für den Staat förder⸗
lich find, zu lehren und ihre gründliche Crforfdung zu betreiben“, ift der Art. 1 des
japaniſchen Aniverſitätsſtatuts von 1918, ein Grundſatz, der dem faſch verſtandenen Objet-
tivitätsdrang europäiſcher Aniverſitäten diametral gegenüberſteht.
Sobald ein Gelehrter aus wiſſenſchaftlichem Eifer gegen den Grundſatz verftößt,
frevelt er gegen den Staat — im beſonderen, wenn er ſich an verſaſſungsrechtliche Fragen
wagt, die die legendäre Kraft der japaniſchen Staatsidee verändern könnte. So iſt jeder
Verſuch, europäiſche Staatstheorien nach Japan zu tragen, geſcheitert, inſtinktiv richtet
ſich die Volksmeinung gegen jeden Neuerer, der mit wiſſenſchaftlichen Theſen die Raifer-
idee angreift. In breiteften Schichten geht das Volk mit der Politik der Regierung mit,
ſchwenkt mit der Regierung von einem Tag zum andern vom Abwarten zur Tat. Japaner
können nur deshalb fo lange warten, wo der Europäer längſt wie ein nervöſes Pferd
einen Fehlſtart gemacht hätte, weil ſie die Weisheit der Staatsführung zunächſt einmal
a priori anerkennen, und weil die Einmütigkeit der Preſſe keine vorſchnellen Entſchlüͤſſe
erzwingt. Gefolgstreue dem Staat und dem einzelnen ift das Kennzeichen der vielen
Männerbünde in Japan, wo der Mann allein das Leben des Volkes beſtimmt, während
die Frau an das Haus gebunden oder an die Teeſtube gefeſſelt tft, die längſt ihrer Ro-
mantik und Harmloſigkeit entkleidet wurde, nachdem die Miffionen den Teeraum als
Freudenhaus deklariert hatten.
24 Hunbold / Die Staatsidee des ja paniſchen Reiches
Der greiſe Staatsmann, der ſein Leben in den Dienſt des Staates und des Mikado
geſtellt hat (Nogi 1912), wie der junge Student, deſſen Leben noch vor ihm liegt, folgen
dem Kaiſer in den Tod, der eine aus Dienſttreue, der andere aus Begeiſterung.
Vor allem iſt der Selbſtmord die gebräuchliche Form, um gegen falſche Zielſetzungen
der Politik zu proteſtieren, wie es der Leutnant Ohara 1891 und der Marineattaché in
Moskau 1931 zum Beiſpiel taten. Noch heute geben in Japan jährlich 15 000 Menſchen
ihr Leben freiwillig auf, nicht mehr oder nur noch felten durch Harakiri mit dem den
Unterleib aufihligenden Langmeſſer, aber meiſt aus denſelben Gründen, die fon vor
tauſend Jahren Tauſende von Japanern Selbſtmord verüben ließen: Treue zum Herrn
und zum Volk.
Die japaniſche Volksſeele tft ein fefter Begriff, beffen faſt berechenbare Exiſtenz nicht
zu leugnen tft und deren Pflege keine Regierung vernachläſſigen darf. Sie bildet eine
Einheit mit dem Erdraum und handelt oft inſtinktſicherer als eine verſagende Regierung,
wenn ſie aus einer myſtiſchen Eingebung heraus diefem und jenem unſcheinbaren Volks⸗
genoſſen einen brodelnden Gedanken zu einer die Volksunzufriedenheit erlöſenden Tat
werden läßt. Die feſte Verbundenheit der Inſelraſſe verlangt ein ſcharfes nationales Auf-
treten der Regierenden. Verſagen fie, fo werden fie hinweggeräumt, von Studenten, von
Offizieren, von Bauern, wie es gerade kommt: Okubo, Snouyé, Okuma, Ito, Hara,
Hamaguchi, Inukai war die letzte Reihe der politiſchen Morde, die in Japan als ein
vom ganzen Volke getragenes Mittel der Aeußerung der Volksmeinung zu gelten haben.
Obgleich Inukai der rechtsgerichteten Seyukaipartei angehörte, fiel er 1932 der Gegner-
ſchaft der Militarien, die von Araki geführt werden, zum Opfer, da er nach deren Mei⸗
nung in den Fragen der Mandſchureipolitik zu langſam vorging. Sein Tod hatte ein
Kabinett der nationalen Konzentration zur Folge, das den mandſchuriſchen Krieg dann
wahrlich ſchnell genug zu einem für Japan glücklichen Ende führte.
Als aber auch weitere Kabinette verſuchten, den Einfluß der aktiviſtiſchen Offiziere
aus der Staatsführung auszuſchalten, entwickelte ſich jene Oppofition im Heer und in
der Marine, die 1936 zum Ausbruch kam. Das ganze Kabinett wurde hinweggefegt, wenn
auch die Sleberlebenden des Putſches wiederum mit der Leitung und der Weiterarbeit
beauftragt wurden. Ausſchlaggebend bei dieſem letzten Putſch aber war, daß der Regie-
rung eine deutliche Warnung gegeben wurde, daß das japaniſche Volk ein ſtarkes Ein-
treten für die aſtatiſchen Ziele Japans verlangt, daß man im Volke die außenpol itiſchen
Konſequenzen des Vorgehens in der Mandſchurei und des ſowjetiſchen Einbruchs in
China klar erkannt hat. Es iſt japaniſche Staatsſitte, nach einem gelungenen Attentat die
Zügel der Regierung nicht direkt dem Attentäter in die Hand zu drücken, aber einige Ber-
treter der Oppoſition in die Regierung zu berufen. Araki bleibt weiter im Hintergrunde
ſtehen, aber die Berufung Terauchis bürgt für den Sieg des aktiviſtiſchen Gedankens im
Kabinett.
Die weitaus wichtigſte Zahl aus dem japaniſchen Bereich iſt die Ziffer der Volksdichte
für das vollwertige Kulturland des Reichskernes, alfo der Hauptinſeln: gegen 970 auf
einen Quadratkilometer! Das iſt eine Zahl, die zum Beiſpiel in Deutſchland für größere
Gebietsteile undenkbar iſt. Von Tokio bis Nagaſaki zieht ſich die Achſe des größten Be⸗
völkerungsdruckes des japaniſchen Reiches, deſſen Volk hier keinen Raum mehr findet.
Eng reihen ſich elende Hütten der Arbeiter an einfache Bauernhäuſer der karg lebenden
Landbevölkerung, Mietskaſernen der Großſtädte an prunkvolle Paläſte der Banken und
Handelsgeſellſchaften. Von dieſer Achſe aus, deren Bevölkerungsdruck das Nationalgefühl
Humbold / Die Staatsidee des japaniſchen Reiches 25
BONIN ID
RK
| ZEICHENERKLARUNG:
Lë -Seefestungen %-Flugbasis w-Werften u.Rüstungs- Industrie
Die Entwicklung der japanischen Reichsbildung vom Kernraum zum Grofraum
26 Humbold / Die Staatsidee des japaniſchen Reiches
ſelbſt der Aermſten nicht zu befeitigen vermochte, vollzog ſich der unaufhaltſame Vormarſch
des japaniſchen Volkes und der japaniſchen Politik nach dem Feſtlande Afiens und der
Inſelwelt des Pazifiſchen Ozeans.
Stellte die Inlandſee, deren Waſſer die drei Hauptinſeln Hondo, Kiuſhu und Shßikoku
gleichermaßen beſpülen, das eigentliche Kerngebiet des japaniſchen Staates des Mittel-
alters mit den Städten Oſaka, Kobe, Kyoto, Kure und Hiroſhima dar, ſo wurde doch
Tokio -⸗Dokohama im erſten Kolonialgebiet bald das politiſche und geiſtige Zentrum des
Staates. Der Blick wandte ſich nach Norden auf die Küſten der Japanſee: Stück ſür Stück
wurde dem Stammreich einverleibt und um 1000 war das Reich auf die drei großen
Inſeln ausgedehnt. Eine lange Periode der Abſchließung begann, die Grenzen blieben
durch Jahrhunderte die Küſten der Japanſee und des Pazifiſchen Ozeans. Erſt die
„Oeffnung“ Japans erweiterte das Reichsſtammland durch bald folgende Neuwerbungen:
Hodaido im Norden 1876, Niukiu- und Vonininſeln im Süden 1876. Die Abſchließung
und verträumte Angeſtörtheit Japans war mit dem ſteigenden Volksdruck einer aktiveren
Außenpolitik gewichen. Die erſten Außenbeſitzungen folonialer Art kamen hinzu: Gormofa
1895, Sachalin 1905, Korea 1910. War früher das Japaniſche Meer Grenze geweſen,
jo war es jetzt von japaniſchem Beſitz und Beſitzrecht feft umſchloſſen und wurde zum
„mare nostrum“. Die Wehrgrundlagen verſchoben ſich, da nunmehr nur noch die Dur-
läſſe zur Japanſee geſperrt werden mußten, während die Fragen der Küſtenverteidigung
entfielen. Die Bedeutung von Heer und Flotte wuchſen, da es verſtärkt den Anſpruch
Japans auf See und auf dem Kontinent zu verteidigen galt. Das Heer dient dem
Angriff, aber die Flotte ſchützt das eherne Geſetz der Abſchließung des japaniſchen
Kernraumes. |
Der Japaner fiedelt nur foweit nach Norden, wie Bambus wachſen kann, da er
ſonſt kein Baumaterial hat, das genügende Sicherheit gegen die Vulkane bietet, deren
Gehaben ſein Leben von der Geburt bis zum Tode beſtimmt. 1600 Erdbeben jährlich
haben den Japaner unempfindlich gemacht gegen die Eingriffe der Natur, haben ihm
aber auch die innere Zähigkeit gegeben, ſein Leben mit ein paar Körnern Reis und
gebratenem Fleiſch zu friſten. Mit der Entſtehung des Proletariats fteigen die Gediirf-
niſſe; der Kaufmann, früher die mißachtetſte Klaſſe des ſozialen Gefüges, als der Staats-
ſozialismus früherer Zeiten ihm nur die Rolle der Verteilung zuſprach, wurde zum ein-
flußreichen Mittelpunkt. Der Staatsſozialismus konnte ſich nicht erfolgreich durchſetzen,
da ihm nicht ausreichende Rohftoffquellen zur Verfügung ſtanden. Das ift aber auch einer
der Hauptgründe der japaniſchen Aktivität der letzten Jahre: der Wunſch nach der
Erſchließung neuer, einem induſtrialiſierten Staat angepaßten Rohſtoffgebiete.
Wenn früher der japaniſche Staat auf der Pflege der Familie aufgebaut war, die
Stände gleichmäßig betreute, fo gewann nach der „Oeffnung“ der Liberalismus die Ober-
hand — und zwar in feiner verheerendſten Form, der raſchen Auflöfung des Familien-
begriffes in den ſchnell wachſenden Städten, der Individualiſierung des früher ganzſtaatlich
denkenden Japaners. Mit den äußeren Zeichen weſtlicher Denkmethoden, der Groß-
induſtrie, dem Parteiſtaat, geriet das Ständeſyſtem in die Abgründe des Klaſſenkampfes,
der ſich nur dank des bewährten japaniſchen Beharrungs vermögens nicht in die anardifti-
ſchen Bahnen des europdifdhen Beiſpiels verlor. Obgleich nämlich die Heiden Haupt-
parteien, die konſervative Seyukai und die liberale Minſeito, als Vertreterinnen in
jedem Falle großkapitaliſtiſcher Inſtitutionen die gequälten unteren Stände nicht betreuten,
— ee ̃ A — —
Kleine Beiträge. 27
konnten doch die internationalen Partien, die III. und IV. Internationale nicht an Boden
gewinnen.
Daß ſich jeder Sozialismus umgehend in einen nationalen Sozialismus verwandelte,
dafür ſorgten mit voller Machtbefugnis Heer und Flotte, die ſelbſt die alten Gedanken
des Staatsſozialismus zu erneuern ſuchten und in den Bauern und Arbeitern erwünſchte
Bundesgenoſſen fanden. Wunſch und Wille der Soldaten ſind in Japan immer wieder
ausfdlaggebend geweſen. In ihren Händen liegt mit der Vertretung der unteren Stände
das Schickſal des weitaus größten Volksteiles, das Schickſal des Geſamtvolkes überhaupt.
Anangetaſtet ruht über dem heiß ausgefodtenen Kampf, die alten, erfolgreichen Ideen der
Staatsführung der Nation zu erhalten, die Kaiſeridee mit ihrer einigenden Kraft der
Jahrtauſende, eng verknüpft mit Religion und Kultur, losgelöſt aber aus dem tages poli-
tiſchen Syftem und in die Sphäre des Anbetungswürdigen erhoben.
Hleine /
Bolibewisund ali
Goudernng den inugen Ration?
Der junge Hiftorifer der Bewegung
Walter Grant hat mehr als einmal die
beiden Feinde im geiftigen Ringen des
Nationalſozialismus klar herausgeſtellt: Die
Griechlein und Spartakus. Beiden Typen
bat die Garde des Führers den Kampf an-
geſagt — Stolz und ganzes Bemühen der
deutſchen Jugend iſt, ſich zur Garde des
Führers zählen zu dürfen. Wer ſich unter-
fängt, im Namen dieſer jungen Generation
zu reden oder zu ſchreiben, muß ſich daher
der Verpflichtung gegenuber der Arbeit des
Führers bewußt fein.
Wir verwahren uns daher aufs ſchärfſte
dagegen, daß bolſchewiſtiſche Ideen der
Oeffentlichkeit als Fordernug der jungen
Generation vorgelegt werden.
Erich Nöth, Cifenad, gibt im eigenen
Verlag eine Reihe heraus mit dem Titel
„Schriften der jungen Nation“. Heute liegt
uns aus dieſer Reihe eine Schrift von
Werner Kreitz vor „Kapitalismus,
perſönliche
heitrage
Sozialismus, Planwirtſchaft'.
Dieſe Schrift gehört ganz dem, was Wal-
ter Frank als Spartakus bezeichnet und be-
kämpft. Dutzende von Stellen beweiſen die
bolſchewiſtiſche Einſtellung des Verfaſſers.
Kreitz will die Wege aufzeichnen, auf
denen der Kapitalismus überwunden werden
kann. Er lehnt alle ſtändiſchen Verſuche ab
und erklärt ſtatt deſſen kategoriſch: „An
Stelle der planloſen, kapitaliſtiſchen Martit-
wirtſchaft tritt die nationale Planwirtſchaft,
die allein auch einem deutſchen Sozialismus
angemeſſen ift, und ohne die von Goatalis-
mus gar nicht einmal geſprochen werden
kann“ (S. 15). Was Kreitz unter dieſer
Planwirtſchaft verſteht, wird klar, wenn er
es wenige Zeilen fpäter ablehnt, den deut-
ſchen Menſchen durch die Schaffung von
Eigentum kriſenfeſt zu machen. Immer
wieder hat der Führer betont, daß der
Nationalſozialsmus das Pri-
vateigentum achtet und auf die
Initiative des
wirtſchaftenden deutſchen Men-
ſchen baut.
28 Kleine Beiträge
And immer wieder ift darauf hingewieſen
worden, daß der Nationalſozialismus im
Gegenſatz zum Marxismus die beſtehende
Ungleichheit im Beſitz nicht durch die Ent⸗
eignung der Befigenden beſeitigen will, fon-
dern durch Schaffung von Eigentum für die
Volksgenoſſen, die bisher vom Beſitz aus-
geſchloſſen waren.
In klarem Gegenſatz zu Punkt 16 des
Parteiprogrammes: „Wir fordern die
Schaffung eines gefunden Mittelſtandes —“
heißt es bei Kreitz (S. 15): „Der Verſuch,
die mittelſtändiſchen Polſter zu erneuern, die
der Kapitalismus in ſeiner Entwicklung
aufgebraucht hat, bedeutet die Stabiliſierung
eines Schwebezuſtandes — — — Ein ſolcher
Verſuch aber iſt zugleich auch eine glatte
Kapitulation vor den Aufgaben, die unſerer
Generation geſtellt ſind.“ And auf Seite 22
heißt es weiter: „Die Staats planung,
die jede „private“ Sphäre ausſchaltet, iſt das
Prinzip, das der Wirtſchaft als eines Mit-
tels zur ſtaatlichen Rüſtung angemeſſen ift.
Die Staatsplanwirtſchaft iſt die⸗
jenige Form der Wirtſchaſt, die den Rapi-
talismus zu überwinden imſtande ift.“
Die Grundlage für die Auffaſſung iſt in
der Aeberſchätzung des Staates zu finden.
Für Kreitz iſt der Staat die ratio absoluta.
Er ſtellt den Staat über das Volk. „Der
deutſche Menſch findet erſt im Staatlichen
feine wahre Aufgabe. In der Hin wen⸗
dung zum Staatlichen erhebt er ſich
ſchöpferiſch über das vorwiegend Negative
der Raffe und des Volkes“ (S. 20), deshalb
ift „die Gemeinſchaft, von der her die Plan-
wirtſchaft des deutſchen Sozialismus geord-
net werden muß, die des deutſchen Staates
. . . die Erhaltung und Sicherung eines
höheren Gemeinſchaftsweſens, nämlich des
Staates, iſt der Bedarfsbefriedigung des
Individuums genau ſo gut wie der des
„Volkes“ übergeordnet“ (S. 17).
Statt einer Entgegnung wollen wir einen
Satz aus der Schlußrede des Führers vom
Reichsparteitag der Freiheit daneben ſtellen:
„Der Ausgangspunkt der nationalſozialiſti⸗
ſchen Lehre liegt nicht im Staat, ſondern im
Volk!“ Es klingt demgegenüber an öſtlichen
Deſpotismus an, wenn es bei Kreitz heißt:
„Staat im modernen Sinne iſt auch gar
nichts zu Eroberndes, iſt nicht etwas, das
man für ſeine Zwecke, und ſeien es die des
Volkes, ausnutzen könnte“ (S. 24). Bei
Kreitz geht nichts über den Staat. Was
dieſer Staat aber eigentlich iſt, erfährt man
nicht. Man kann den Worten von Kreitz
lediglich entnehmen, daß er ein Machtinſtru⸗
ment jener Menſchen iſt, „die fähig find,
Staat zu ſtiften, und für die die Hin⸗
wendung zum Staatlichen das Hddfte
„Beruſsethos“ bedeutet“ (S. 24). Vor dieſen
Menſchen, die die Verwurzelung des deut-
ſchen Menſchen auf deutſcher Scholle als
Ausdruck „des Notſtandes und hervorgerufen
durch das Streben nach individueller
Exiſtenzſicherung“ (S. 21) ablehnen und den
Staat zum alleinigen Arbeitgeber machen
wollen, möge uns der Himmel verſchonen.
Dieſe Stellen mögen genügen, um die un-
haltbare Auffaſſung von Kreitz darzulegen.
Bedenklicher noch als diefe Schrift, deren
Forderung die junge Generation ſich in
keinem Punkt zu eigen macht, iſt jedoch die
Tatſache, daß die Einleitung, die den Aug-
führungen von Kreitz vorausgeht, vermuten
läßt, daß die ganze Reihe der „Schriften
der jungen Nation“ beſtimmt ift, diefe bol-
ſchewiſtiſche Auffaſſung in die Oeffentlichkeit
zu tragen. Denn auch dort (S. 6) wird das
Privateigentum als Ding bezeichnet, „das
allein dem Kapitalismus eigen iſt“.
Die junge Nation, die in den Reihen
Adolf Hitlers ſteht, verwahrt fih dagegen,
daß in ihrem Namen bolſchewiſtiſche An-
ſchauungen vertreten werden. Erich Röth
aber möge verſichert ſein, daß wir nach dieſer
Probe auch die anderen Hefte ſeiner Reihe
unter die Lupe nehmen werden.
Siegfried Faßbender.
- mn — —— — ne M
Randbhemerfunger | 29
Das namenlofe Vole
Ich melde hierdurch meine Teilnahme an
einem Preisausſchreiben an, das von ver-
ſchiedenen prominenten Schriftleitungen und
anderen Stellen in den ASA vor kurzem
ausgeſchrieben wurde. Danach wird ein
Name geſucht, ein Name für ein ganzes
Golf! Denn die Amerikaner wollen keine
Amerikaner mehr ſein, das iſt ihnen zu un⸗
perſönlich. Im Ernſt — fie haben ja recht,
denn es iſt nicht ſchön, daß die Neger in
Haiti und die Feuerländer Areinwohner,
die Eskimos und die Chineſen in Peru mit
gleichem Recht den gleichen Namen tragen.
Wir in Europa haben uns ja daran ge⸗
wöhnt, unter Amerikaner faſt immer die Cin-
wohner der ASA zu verſtehen und haben
alſo aus einer Erdteilbezeichnung einen
Volksnamen gemacht.
Aber, wie geſagt, die Amerikaner wollen
das ändern. Verſchiedene Namen als Er-
ſatz ſind ſchon genannt worden, die noch nicht
den rechten Widerhall gefunden haben. Sie
Rnd ja auch nicht begeiſternd: Aſaner,
Aſaſten, Aſarier (fehe Brodſky, alfo doch
recht unangebracht!) uſw.
Ich hätte da ein paar Vorſchläge, die
vielleicht in Erwägung gezogen werden
können. Sollte ich einen Preis bekommen,
ſo bitte ich, ihn an den Anterſtützungs fond
für Arbeitsloſe abzuführen.
Mit Aſa iſt nicht viel zu machen, man
kommt da ſonſt auf merkwürdige Analogien:
Vandalen — Aſandalen, Mahdiſten — Zo,
diſten, Aſalpeter, Sardinien — Aſardinen.
Aber das iſt alles nichts: man muß mehr
auf die Eigenſchaften eingehen. Wie wäre
es mit Dollariſten, Proſperiſten, oder „Die
andbemerkungen
blauen Adler“? Vielleicht Morganaten?
Oder mit Bezug auf den beliebteſten Kör-
perteil die Ellboger: Oder ganz ſchlicht die
Geldſäcke ? H. H.
Niemand will Heieſten wenden
Der Erzbiſchof von Wien, Kardinal
Initzer, beklagt ſich in feinem Faftenhirten-
brief über den Mangel des Zuſtroms an
Prieſterſtudenten:
„Die Erhabenheit prieſterlicher Würde
gibt jedem, den die Kirche zu den heiligen
Weihen zugelaſſen hat, jene geſellſchaftliche
Stellung, die ihm für alle Menſchen, ob
hoch oder nieder, Prieſter und Gnaden-
ſpender ſein läßt. So ſind auch die Prieſter
unſerer Diözeſe aus den verſchiedenſten
Kreiſen des Volkes hervorgegangen. Mit
Bedauern muß ich da allerdings feſtſtellen,
daß in den letzten Jahren der Zuſtrom
an Prieſterſtudenten aus der
bäuerlichen Bevölkerung [ehr abge-
nommen hat. Bisher waren die geſunden
Familien der Landbevölkerung der ergie⸗
bigſte Nährboden für Prieſterberufe. Möge
die angeführte Tatſache nicht ein Zeichen
dafür ſein, daß viele bäuerliche Familien
ihre tiefe Gläubigkeit und ihre Treue zu
Gott verloren haben“
Mit dem letzteren Verdacht könnten
Eminenz ſich vielleicht irren. Die Schuld
liegt wahrſcheinlich nicht auf ſeiten der Ge⸗
meinde, ſondern auf ſeiten der Kirche. Be⸗
ſonders in Oeſterreich, — denn der junge
Oeſterreicher, der in einen Klerus eintritt,
der ſich in fo vorbildlicher Weiſe der poli-
tiſchen Geſchicke feiner Heimat annimmt —
wirklich: der Oeſterreicher hat es nicht
beſſer verdient hy.
30 Nandbemerfungen
Gin Gebdennges-Resevt
Eine Unmenge kleiner, bewußt unſchein⸗
barer Blatter werden von der rdmifden
Kirche zur Erziehung und Beeinfluſſung in
den Familien benutzt. Man kennt die
Blätter felten, da fle unter Ausſchluß der
wachſamen Oeffentlichkeit erſcheinen. Aber
wenn man mal eins in die Finger kriegt,
dann fträuben ſich ſämtliche Haare.
Da gibt es z. B. ein für dieſe Methode
der Kirche typiſches Blatt mit dem faſzinie⸗
renden Titel „Seraphiſcher Kinderfreund“.
Eine kindliche Zeitſchrift „für Rinder-
freunde“, wie es im Titel heißt. (Alſo Gott
fet Dank nicht für unſere Pimpfel) Wir
leſen in der letzten Nummer (März 1936)
A B. eine rührende Geſchichte, unter der
Rubrik „Zum Nachdenken“, mit der eber-
ſchrift „Warum ihr Gebet immer erhört
wurde“. Mit Necht ſind wir neugierig auf
dies Rezept. So fängt es an:
„Eine brave, ältere Jungfrau in einem
Marktflecken Bayerns ſtand im Rufe, Er-
hörung all ihrer Bitten beim lieben Gott zu
finden.“ Man fragt fie nun nach dem „Ge⸗
heimnis des alt regelmäßigen Erfolges”, —
und wir erfahren, wie billig man den lieben
Gott beeinfluſſen kann: „do ut des“, ich
biete mit meinen Mitteln etwas, alſo haſt
du als Gott mich zu erhören. Was die
brave Jungfrau als Gegenleiſtung bietet, iſt
natürlich aller Ehren wert — fle opfert (1)
dem lieben Gott eine Freude und tut „ſeinen
Lieblingen“, den Kindern und Kranken,
Gutes —, aber daß fie Gutes tut mit einem
Swede, nämlich dem, Lohn zu erhalten,
iſt ſo typiſch katholiſch, daß man ſich nicht
darüber wundern darf. Sie ſagt: „Ich habe
gegeben, alſo werde ich auch erhalten.“
Wir fagen: „Deutſch fein heißt, eine
Sache um ihrer ſelbſt willen tun.“ hy.
Wenn des Staat fic anmai. ..
Dem Grundgedanken der Gemeinfdafts-
ſchule, den fonfeffioncllen Gegenſatz durch
das Bewußtſein der gemeinſamen Volks-
angehörigkeit zu überbrücken, ftellt die rdmi-
[he Kirche die verſchiedenſten Einwände ent-
gegen, — aus allzu deutlichen Gründen.
Eine Blütenleſe dieſer Einwände erinnert
uns an den Wortſchatz der mittel ⸗
alterlichen Päpfte Wir leſen z. B.
in der Schrift Nr. 17 der „Katholiſchen
Volksſchriſten zu Tages fragen“ folgende Be-
hauptung: Die Familie hat in er fter Linie
„das Recht auf die Schule“, denn „die Schule
iſt in gewiſſem Sinne eine Hilfsanſtalt der
Familie“. Zweitens hat die Kirche das
Recht auf die Schule und „es ift ein lächer ⸗
liches Unterfangen, wenn der Staat ſich an-
maht” über die Schule zu entſcheiden, denn
der Staat hat erſt „in dritter Linie“, alſo
nach Familie und Kirche ein Recht auf die
Schule.
„Die Mutter der Schule ift die katholiſche
Kirche“ (Kirchenblatt Mühlheim Styrum,
20. 10. 1935), d. h. „in Angelegenheiten der
Erziehung katholiſcher Kinder muß erſt der
Staat die von der Kirche erhobenen For-
derungen annehmen, weil nicht er ſelbſt einen
Lehrauftrag von Chriſti erhalten hat, fon-
dern die Kirche. Die Kirche kann niemals
zugeben, daß die durch die Taufe einverleib-
ten Kinder gegen den Willen der Eltern in
Zwangsſchulen der Irrlehre oder dem An⸗
glauben verfallen.. Wenn die Schule
kein Gotteshaus tft, fo ift fle eine Hölle.“
(Kirchenblatt Aachen, 4. 8. 1935.)
Raffiniert werden diefe Argumente dann,
wenn man die chriſtliche Elternſchaft nicht
mehr mit kirchlichen, ſondern mit poli-
tiſchen Idealen dazu drängen will,
ihre Kinder einer einfeitig kirchlich beftimm-
ten Erziehung auszuliefern. So ſchrieb z. B.
das katholiſche Kirchenblatt Berlins: „Die
Bekenntnisſchule iſt die Schule echter Liebe
zu Heimat, Volk und Vaterland“ und „well
die deutſchen Katholiſchen ſich in ihrer
Hingabe an Volk und Vater ⸗
land von niemanden übertreffen laſſen,
darum wollen fle auf die katholiſche Be-
kenntnisſchule nicht verzichten“. Eine Ober,
a Vücher markt 31
deugende Logik: mit Einrichtungen, die Cin-
heit und Beſtand des Volkes gefährden und
vorhandene Gegenſätze verſchärfen, will man
die Liebe zum Vaterland beweiſen.
Wenn auch das nicht hilft, werden die
von jeher beliebten kirchlichen Druckmittel
herangezogen, z. B. fagt man: „Katholische
Eltern, die ihre Kinder einer nichtkatholiſchen
Schule zuführen und ſomit die katholiſche
Erziehung ihrer Kinder unmöglich machen,
ſchließen ſich aus der Gemeinſchaft aus und
verfallen der kirchlichen Strafe“
(Kirchenblatt Berlin, 12. 1. 1936). Ein
ebenfalls geradezu mittelalterlicher Ge-
wiſſensdruck ſpricht auch aus einer anderen
Drohung: „And jetzt hat das Wort der
einzelne, deſſen Kind vor der Frage ſteht:
Bekenntnisſchule oder nicht? Welches
die rechte Antwort ſei, wird er
einmal beftimmt wiffen Wenn
man die Sterbekerzen anzün⸗
det!“ (Hervorgehoben im Originaltext.)
Mit ſo verzweifelten Mitteln muß ſich
die Kirche wehren und dennoch vergeblich.
Denn das deutſche Volk iſt wacher geworden
und hat fein Urteil ſchon gefproden.
Das Deutſche Nachrichtenbüro meldete:
„Am Sonntag haben die Schuleinſchrei⸗
bungen ſtattgefunden, die zugleich eine Ent ⸗
ſcheidung der Elternſchaft über die Frage
der Bekenntnisſchule oder Gemeinſchafts⸗
ſchule darſtellen. Von 55 200 Kindern, die
im kommenden Schuljahr die Münchener
Volksſchule beſuchen, wurden 35 954 für die
Gemeinſchaftsſchule angemeldet, alſo 65,11
Prozent, während noch im Vorjahre für
die Gemeinſchaftsſchulen nur 34,55 Prozent
Kinder angemeldet worden waren. Für die
Bekenntnisſchulen wurden 19 266 Kinder an-
gemeldet, das find 34,89 Prozent, im Vor-
jahr waren es 65,45 Prozent.“
Denn: „erſtens“ hat das Volk ein Recht
auf die Schule. hy.
Geſtaltung der Idee. (Blut und Ehre,
II. Band). Von Alfred Roſenberg.
Reden und Aufſätze von 1933—1935. Her-
ausgegeben von ilo von 1 de
Sentralverlag der NSDAP, Franz Eher
Nachf., München. -
Als der Führer Ende Januar 1934 Reihs-
leiter Alfred Noſenberg zu feinem Beauf⸗
tragten für die Aeberwachung der geſamten
geiſtigen und weltanſchaulichen Schulung
und Erziehung ernannte, begann für die Ge-
ſchichte der NSDAP ein neuer grund-
legender Abſchnitt. Denn nach Erringung
der äußeren politiſchen Macht war es nun-
mehr notwendig, die geiſtigen Kräfte des
e nach innen zu sea
und die nationalſozialiſtiſche Weltanſchauung
im Volke zu verwurzeln. Die Stärke Rofen-
bergs liegt in ſeiner aufbauenden
SEI
riſchen Kraft. er Haltung Alfred e
bergs verdanken wir die Aufdeckung getarnter
Beſtrebungen ehemaliger Gegner, die unter
dem Mäntelchen fog. „geiſtiger Auseinander-
ſetzungen“ verſuchten, ihre volkszerſetzende
Tätigkeit fortzuſetzen. Aus feinen Reden
und Aufſätzen erkennen wir immer wieder
und wieder die Größe des Kampfes unſerer
Zeit. Wir wiſſen, daß nur eine eindeutige
Grundhaltung die Feſtigung des national-
ſozialiſtiſchen Gedankengutes bringen und
ſomit den reſtloſen Sieg unſerer Welt-
anſchauung gewährleiſten kann. Daß wir
heute ſchon in der Lage find, auf die meiſten
an uns herantretenden Fragen entſcheidende
Antworten zu geben, verdanken wir jener
kompromißloſen Haltung Alfred Nofenbergs,
32 Büchermarkt
der auf allen Gebieten der Ben Aug-
einanderſetzung den Nationalſozialismus
gegen jede irgendwie aufkommende Pfeudo-
EE entſchieden abzugrenzen ver-
and..
Gein neues Buch „Geſtaltung der Idee“,
das die Aufſätze und Reden aus den Jahren
1933—1935 enthält, wird ſomit wieder zu
einem Kräftepol im geiſtigen Ringen unſerer
Zeit, das uns mit Recht dazu führen fant,
den Mut zu haben „wir ſelbſt zu fein und
das Handeln nicht von Geſichtspunkten ferner
Jahrhunderte aus, ſondern von den Not-
wendigkeiten unſerer Zeit aus Ai be-
ſtimmen.“ — ERD —
Wehrpflicht des Geiſtes. G und Gee
rufung des Soldaten. Von Wulf Bley.
Verlag F. Bruckmann A.-G., München.
Wulf Bley verſteht es, ein kräftiges
Wort mit allen Feinden Deutſchlands
reden. Soldatentum iſt für ihn die deutſche
Haltung ſchlechthin, die alle diefe Feinde
kennt und überwindet. Leider läßt ſich Bley
des öfteren von feiner literariſchen Mer ver-
leiten, über Höhen und Tiefen des deutſchen
Lebens und der deutſchen Geſchichte binw
zu eilen und ein Wort zuviel zu ſagen. Auf
Seite 53 iſt ein Irrtum zu berichtigen: das
Bees E SC etz, das f one d 5
r n Preußen feſtlegte, ſtamm
nicht aus dem Jahre dek fondern vom Gep-
tember 1814; es fällt pag auch nicht unter
die eu Wilhelms IV., der
nicht als „Idealmonarch jedes bürgerlichen
Menſchen“ zu bezeichnen iſt.
Der deutſche Bauer und ſein Dorf in Ver⸗
gangen eit und Gegenwart. Won Robert
tele. Alexander Duncker Verlag,
Wel 2. Ek dies 160
ele kennen gew n dies ne
Büchlein des wackeren und verdienten Ro-
bert Mielke. Es ſollten alle kennen und
beſitzen! Was dieſe Schrift auf knappem
Raum uns bietet, unterſtützt durch ſchöne
Bildtafeln, Zeichnungen, Grundriſſe und ein
Sachverzeichnis, iſt vorbildlich. Die ei Ee
Dorfformen, die Geſchichte des deutſchen
—
Bauerntums, das Bauernhaus, die Dorf-
kirche, Gemeindebauten, die bäuerliche
Arbeit, Sitte und Brauchtum und Adolf
Hitlers Bauernpolitik — alles finden wir in
klarer, ſorgfältiger Sprache, die kein Wort
zuviel und keins zu wenig lagt, anſchauli
und zuverläſſig, in beſtem Geiſte dar t
und erläutert.
Der Denker Paul Ernft. Ein Weltbild in
Sprüchen aus ſeinen Werken. Geſammelt
von Mar Wachler. LangenMüller,
Münden 1936. Geb. 180 RM
5
men ſchrieb. Er hatte für derartige Spiegel-
fechtereien keinen Sinn. Wir Wi
daß er auf dem Gebiete der tung, der
Kultur einer der Wegbereiter geweſen if,
und wir achten und pflegen ſein Werk, weil
wir darin die volkserhaltenden Krä
immer ſtärker verſpüren. Dazu bedurfte
es dieſer Schrift kaum, die nur An-
regung ſein kann. And das auch unauläng-
lich. Den Herausgeber ehrt der Wille, dem
Werk des Dichters y dienen. Und fo wird
dieſes Buch namentlich überall dort von be-
ſonderem Nutzen fein, wo kulturkritiſch gear-
beitet wird, alfo in Schriftleitungen. — Alle
diejenigen aber, die zum rk des Dichters
vorſtoßen wollen, und das miiffen alle Deut-
ſchen einmal tun, alle dieſe m. ollten
das vorliegende Buch nicht als Ein ⸗
führung zum Werk benutzen, ſon dern
als Abſchluß. Wer Paul Ernſt, den
Dichter, kennen lernen will, der leſe ſeine
Romane, feine Dichtungen und die Georg,
tiſchen Schriften, denn dort erlebt er malei
die tiefen Zuſammenhänge des Weltbildes
des größten deutſchen Dichters, den uns die
letzten Jahrzehnte beſcherten, dort erlebt er
deutſche Dichtung, die der vorliegende Band
in ſeiner Auswahl nur ſchwer widerſpiegeln
kann und der außerdem auch auf den Denker
fpeaialifiert ift. „Je höher einer ſteht, deſto
mehr verſchweigt er.“ Dieſes Wort Paul
Ernſt, das auch in der vorliegenden Samm⸗
lung enthalten iſt, ſoll uns verpflichtend ſein.
H. G.
Hau NEE Günter Kaufmann (z. 3t. in Urlaub). Schriftleitung: Dr. Karl Lapper, Stellvertreter, und
Wilde m Utermann.
w eah „Wille und Macht“, Reichsjugendführung, Berlin NW
Verlag: Deutſcher Jugendverlag G. m. b. H., Berlin W 35
Verantw. für den Anzeigenteil: Kurt Otto Arndt, Berlin. — D.⸗A. I. Bi. 38: ;
Wille und Macht“ tft zu beziehen durch den Deutſchen Iugendverlag
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Theodor Abb Buchdruckerei, Berlin SW 68.
oder jede N Buchhandlung ſowie durch die Poft. Poſtbezug viertelj. RM. 1,80 zuzügl.
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Braune Buch- Ning
Die Buchsemeinſchaſt unſerer Zeit
Die im Braunen Buch Ning zuſammengeſchloſſenen Männer
und Frauen ſehen im Buch das wirkſamſte Mittel, die national-
ſozialiſtiſche Weltanſchauung zu vertiefen und das wiedergewonnene
deutſche Lebensgefühl zu ftdrfen.
Der Braune Buch⸗Ning bringt grundſätzlich nur Erſtveröffent⸗
lichungen, alſo keine Nachdrucke und keine Neuauflagen bereits
erſchienener Werke, und unterſcheidet ſich dadurch von allen
anderen deutſchen Buchgemeinſchaften.
Der Braune Buch ⸗Ning zählt Zehntaufende deutſcher Volks⸗
genoſſen aller Stände und Berufe zu ſeinen Mitgliedern.
Der Braune Buch ⸗Ring liefert für den geringen Monatsbeitrag
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| Großgrundbesitz oder Bauernbetrieb.
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Einheitsfront von Bolschewismus und Katholizismus — Münster / „Ritter, Tod und Tei
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„Landesfürsi" werden — Auflenpolitische Notizen — Vom Büchermarki
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Großgrundbeſitz oder Bauernbetrieb? . . . ..... Karlheinz Bornhagen
Doch Einheitsfront von Bolſchewismus und
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Die Wiedergeburt der Straße aus dem Kraftwagen. . Peter Randolf
„Ritter, Tod und Teufel. Karl Münſter
(aur Bildbeilage)
Svend Fleuron, der däniſche Lind . . . . . 2.2... Rudolf Prolkſch
Erreichen die Dichter zu Oſtern das Ziel der Klaſſe? . Dr. Heinz Schwitzke
Außenpolitiſche Notizen:
Genoſſe Litwinow hetzte in London
Auf Koſten des franzöſiſchen Sparers
Ottochen will „Landes fürſt“ werden
Vom Büchermarkt
Kunſtdruckbeilage: Albrecht Dürer (Fotos: Scherl ⸗Archiv)
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acht
Sühreroesan der nationalſosialiſtiſchen Sugend
Jahrgang 4 Berlin, 15. April 1936 Heft 8
Karlheinz Bornhagen:
Gvrovornudbetis oder Bauernbetrieb?
Die Frage, ob dem Großgrundbeſitz oder dem Bauernbetriebe die größere
Leiſtungsfähigkeit im Hinblick auf die Sicherung der deutſchen Nahrungsfreiheit
zuzuſprechen ſei, iſt in den vergangenen Wochen und Monaten des öfteren in der
Oeffentlichkeit behandelt worden. Dieſe von ganz beſtimmter und intereſſierter Seite
in der Oeffentlichkeit zur Diskuſſion geſtellten Fragen könnten an ſich belanglos
fein, da in dem Kampf der deutſchen Landwirtſchaft um die Steigerung der Er.
zeugung ſelbſtverſtändlich jeder nach ſeinen möglichen Kräften mitarbeiten muß, gleich
ob im Klein-, Mittel- oder Großbetrieb, um das vom Führer geftedte Ziel er-
reichen zu helfen. Nun hat aber vor einigen Tagen ein bekanntes Berliner Blatt
in einem Aufſatz „Der Gutshof“ Aeußerungen getan, die auf die klare weltanſchau⸗
liche Haltung der Landjugend anſpielten und die uns darum zwingen, zu oben-
genanntem Thema doch einmal Stellung zu nehmen. Das Berliner Blatt ſchrieb:
„ . . . wenn auch gelegentlich kräftige Reminiſzenzen aus der Zeit der Bauern-
kriege im bäuerlichen Jungvolk laut werden („Gnade dir Gott, du Ritterſchaft, wenn
der Bauer aufſteht im Lande ...), fo darf daraus noch keineswegs gefolgert
werden, daß nun etwa auf dem Wege der Siedlung ein Generalangriff gegen den
Großbetrieb eingeleitet werden ſolle.“
Daß von einem Generalangriff gegen den Großbetrieb keine Rede ſein kann,
dürfte ſich aus den Notwendigkeiten der Erzeugungsſchlacht naturnotwendig er-
geben. Doch muß hier einmal mit aller Deutlichkeit feſtgeſtellt werden, daß der
nationalſozialiſtiſche Staat klar und eindeutig betont hat, welche landwirtſchaftlichen
Betriebsgrößen er für Deutſchland als wünſchenswerteſte anſieht. In der Ein-
leitung zum Reichserbhofgeſetz heißt es nämlich: „Die Reichsregierung will unter
Sicherung alter deutſcher Erbſitte das Bauerntum als Blutquelle des deutſchen
2 Bornhagen / Großgrundbeſitz oder Bauernbetrieb?
Volkes erhalten. Es fol auf eine geſunde Verteilung der landwirtſchaftlichen Befitz⸗
größen hingewirkt werden, da eine große Anzahl lebensfähiger kleiner und mitt-
lerer Bauernhöfe, möglichſt gleichmäßig über das ganze Land verteilt, die beſte
Gewähr für die Geſunderhaltung von Volk und Staat bildet.“ Die dieſen Grund-
ſätzen entſprechenden landwirtſchaftlichen Betriebe ſind als Erbhöfe bezeichnet worden,
und im § 2 des Reichserbhofgeſetzes iſt beſtimmt, daß ein Erbhof mindeſtens die
Größe einer Ackernahrung haben muß. Als Ackernahrung iſt diejenige Menge
Landes anzuſehen, welche notwendig iſt, um eine Familie unabhängig vom Markt
und der allgemeinen Wirtſchaftslage zu ernähren und zu bekleiden, ſowie den Wirt.
ſchaftsablauf des Erbhofes zu erhalten. Daß diefen Grundſätzen der landwirtſchaft⸗
liche Großbetrieb nicht entſpricht, braucht wohl des näheren nicht erläutert zu
werden. Trotzdem würde gegen die Exiſtenz der wirklich leiſtungsfähigen Teile des
Großgrundbeſitzes nichts einzuwenden ſein, wenn nicht immer wieder verſucht würde,
den Beſtand des Großgrundbeſitzes als eine unerläßliche Vorausſetzung für die
Weiterentwicklung des nationalſozialiſtiſchen Volksſtaates darzuſtellen, und wenn
nicht von beſtimmten Kreiſen des Großgrundbeſitzes immer wieder gefordert würde,
dem Großgrundbeſitz auf Grund feiner angeblich beſonderen Leiſtungen doch irgend-
welche beſonderen öffentlichen Funktionen zuzugeſtehen.
Nachdem Rechtsanwalt Dr. von Rohr dieſe Forderungen in der von ihm
herausgegebenen Schrift „Großgrundbeſitz im Ambruch der Zeit“ aufgeſtellt hatte,
erſchien es ihm wohl als dringend notwendig, auch die Bodenſtändigkeit des Adels
im beſonderen ausdrücklich zu beweiſen. Er verſuchte das mit einer Schrift, die unter
dem Titel „Bodenſtändiger Adel“ erſchien und in der er verſucht, die Verwurzelung
des deutſchen Adels mit ſeinem Grund und Boden nachzuweiſen.
Wie liegen aber nun die Dinge in Wirklichkeit? Aus welchen geſchichtlichen Tat-
ſachen und Entwicklungen heraus entſtand der Großgrundbeſitz? Anſere germaniſchen
Vorfahren haben eine ſtarre Verteilung des Bodens nicht gekannt. Einzeleigentum
am Grund und Boden gab es nicht, vielmehr gehörte der Hof mit ſeinem Grund
und Boden der ganzen Sippe. Dieſe uralte germaniſche Bodenrechtsordnung blieb
beſtehen, bis mit dem Siege der fränkiſchen Macht römiſche Bodenrechtsordnungen
in Deutſchland eingeführt wurden. Damals drang zum erſtenmal der Grundſatz der
Freiteilbarkeit des Bodens in die deutſchen Rechtsverhältniſſe ein. Die Entwick-
lung der Bodenbeſitzverhältniſſe in den Jahrhunderten um die Wende des 1. Jahr-
tauſends zeigt immer deutlicher, daß die Großgrundherrſchaften ſich nicht allein aus
wirtſchaftlichen, ſondern auch aus politiſchen Gründen immer mehr ausdehnten, weil
man erkannt hatte, daß Bodenbeſitz gleichzeitg auch Machtbeſitz bedeutet. Zwar
kämpfte dann das deutſche Bauerntum in den Jahrhunderten der Bauernkriege noch
einmal verzweifelt um das alte Recht, es ift aber für dieſen Aufbruch des Bauern-
tums verhängnisvoll geworden, daß er in eine Zeit fiel, da die Reichsgewalt aer,
brach und die Territorialfürſten immer mächtiger wurden. Mit dem Siege dieſer
kleinen und kleinſten Fürſten wurde das Schickſal des Bauerntums und das des
mittelalterlichen Kaiſerreichs endgültig beſiegelt. Die Zeit drangvollſter bäuerlicher
Bornhagen / Großgrundbeſitz oder Bauernbetrieb? 3
Abhängigkeit begann. Aus dem freien Bauern, der das Waffenrecht beſaß und
ſogar das Recht der Blutrache und Fehde, wurde allmählich der Hörige, der auf
Gedeih und Verderb dem Machtſpruch des Grundherrn unterworfen war. Nachdem
im 15. und 16. Jahrhundert die unbeſchränkte polizeiliche Verfügungsgewalt der
Gutsherren über die Bauern ihres Bezirkes fih durchgeſetzt hatte, begann ſchließ⸗
lich im 17. Jahrhundert in größerem Amfange das Bauernlegen, das ſchließlich
zu Ende des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts zum umfaſſenden Bauern-
legen führte, das teilweiſe mit der völligen Vernichtung ganzer Bauerndörfer
endete. Dafür ein Beiſpiel aus Mecklenburg: Im Jahre 1755 waren dort 4472 ritter-
ſchaftliche Bauern- und Koſſätenſtellen vorhanden, die bis zum Jahre 1800 um
nicht weniger als 2704 Stellen verringert wurden. Im Jahre 1850 waren ſchließ⸗
lich nur noch 1390 Stellen vorhanden. In Oſtholſtein find nach ſorgfältigſter Be-
rechnung im Verlaufe von 2 Jahrhunderten nicht weniger als 197 ganze Bauern-
dörfer durch das Bauernlegen vom Erdboden verſchwunden. Anwahr iſt es, wenn
Herr von Platen in dem Buch über den Großgrundbeſitz die Schuld an dieſer
Entwicklung allein den damals beſtehenden Geſetzen und den politiſchen Verſäum⸗
niſſen der betreffenden Regierungen zuſchiebt. Im Gegenteil, gerade in den Ländern,
wo der Landadel feine ſtändiſchen Rechte gegenüber der abſolutiſtiſchen Staats-
entwicklung weitgehend behauptete, wie z. B. in Mecklenburg, hat das Bauernlegen
beſonders unerträgliche Ausmaße angenommen. And auf der anderen Seite ſind
es ſchließlich preußiſche Könige geweſen, die — gegen den Widerſtand von ſeiten
des Großgrundbefitzes — für eine ſoziale Beſſerung des Bauernſtandes tätig waren.
Wert und Bedeutung des Bauerntums hat dann, wie ſelten jemand vor ihm,
der Reichsfreiherr vom Stein erkannt, der mit feinem umfaſſenden Agrarreformwerk
dem Bauerntum eine neue Eriftenz- und Lebensgrundlage ſchaffen wollte. Er konnte
ſein Werk nicht zu Ende führen, und ſeine Nachfolger hatten nichts Eiligeres zu
tun, als ſeine Grundſätze zu verwäſſern und ins Gegenteil umzukehren. Im Gegen-
jag zur Steinſchen Auffaſſung wurde der Grund und Boden dem beweglichen
Kapital gleichgeſtellt und damit die Möglichkeit eines Bauernlegens größten Stils
geſchaffen. Die Auswirkung der Verfälſchung des Steinſchen Agrarreformwerkes
durch Hardenberg und Genoſſen find kataſtrophal. Nach dem Kommentar zum Reihs-
ſiedlungsgeſetz von Wenzel-Ponfid ergibt fih, daß im Laufe des 19. Jahrhunderts
rund 4 320 000 Morgen Bauernlandes an den Großgrundbefitz übergegangen find.
Die genaue Zahl der gelegten Bauernbetriebe iſt nicht bekannt. Wenn man aber
entſprechend der heutigen Siedlungsgröße eine Betriebsgröße von 60 Morgen an-
nimmt, ſo entſpricht der vom Bauernland an den Großbetrieb übergegangenen Fläche
eine Zahl von etwa 50 000 bis 60 000 bäuerlichen Betrieben, wobei aber die Fläche
nicht berückfichtigt ijt, die durch das Verſailler Diktat im Often verloren gegangen ift.
Dieſe Entwicklung der Grundbeſitzverhältniſſe mußte zwangsläufig zu einer
ſozialpolitiſchen Verſchiebung innerhalb der Bevölkerung führen. Nach den Unter-
ſuchungen von Dr. Nobert Stein entwickelte ſich, um in dieſem Zuſammenhange
nur ein Beiſpiel zu zeigen, die oſtpreußiſche Landbevölkerung in jener Zeit ſo, daß
4 Vornhagen / Großgrundbeſitz oder Bauernbetrieb?
die Zahl der ſelbſtändigen Bauern immer ſtärker zurückging und die der abhängigen
Arbeitskräfte immer mehr zunahm. Hatte der Anteil der Bauern im Jahre 1804
noch 38 v. H. betragen, fo im Jahre 1867 nur noch 25 v. H. Im gleichen Zeit-
raum wuchs die Zahl der beſitzloſen oſtpreußiſchen Landarbeiter von 55 000 auf
140 000, d. h. von 29 v. H. auf 41 v. H.
Giele Zahlen über die Entwicklung zum Großgrundbeſitz bedürfen keines Kom-
mentars. Der Gewaltanmaßung der Grundherren gegenüber ſetzte ſich zwar der
Bauer verzweifelt zur Wehr, aber es gab in dem damaligen Deutſchland der Klein-
ſtaaterei keine Stelle, an der er hätte recht bekommen können. And ſo wurde ein
großer und wertvoller Teil des deutſchen Bauerntums vernichtet, jenes Volksteiles
alfo, der in der deutſchen Geſchichte immer noch der entſcheidende Träger der Bluts⸗
kraft des Volkes geweſen iſt.
Wenn von den Anwälten des Großgrundbeſitzes nun noch die Behauptungen
aufgeſtellt werden, daß der Adel, der Großgrundbeſitz mehr noch als das Bauern-
tum dem Boden verhaftet fei, fo folen die nachfolgenden Angaben diefe Feſtſtellung
doch einmal ins rechte Licht rücken. Dr. von Rohr hat in der Schrift über den
„bodenſtändigen Adel“ Ermittlungen veröffentlicht, nach denen ſeit dem Jahre 1800
im ganzen Reiche 2650 Güter ununterbrochen im Beſitz adliger Familien ſich ver-
erbt haben. Warum dieſe Zahl die beſondere Bodenſtändigkeit des Adels beweiſen
ſoll, iſt nicht recht erſichtlich, denn im Jahre 1855 gab es allein in Preußen
16 433 Rittergüter, die 11015 Beſitzern gehörten. Davon waren jedoch nur rund
30 v. H. adlig, während über 60 v. H. dem Bürgerſtande angehörten. Der Vergleich
dieſer Zahlen dürfte wohl eindeutig beweiſen, in welch ungeheurem Maße gerade
im Großgrundbeſitz Beſitzverſchiebungen ſtattgefunden haben. Man muß dabei be-
denken, daß Bürgerliche im 19. Jahrhundert überhaupt nicht ein Rittergut erwerben
konnten. In der Tat zeigt ſich, daß die kapitaliſtiſche Mobiliſierung des Grund
und Bodens im 20. Jahrhundert gerade beim adligen Großgrundbeſitz ſich Ober,
raſchend ſtark bemerkbar macht. In den Jahren von 1835 bis 1864 entfielen in den
damaligen preußiſchen Provinzen von 100 verkauften oder vererbten Rittergütern auf
Provinz Vererbungen Verkäuſe
Kurmark . 45 55
Neumark 29 71
Oſtpreußen 30 70
Pommern 36 64
Poſen 39 61
Schleſien 28 72
Sachſen 45 55
Weſtfalen . 76 24
Aus dieſen Zahlen ergibt ſich, daß in dieſem Zeitraum von nur 30 Jahren die
Zahl der freiwilligen Verkäufe im Verhältnis zur Zahl der Rittergüter in der Kur—
mark 80 v. H. betrug, in der Neumark 133 v. H., in Oſtpreußen 137 v. H., in
Pommern 128 v. H., in Poſen 117 v. H., in Schleſien ſogar 155 v. H., in Sachſen
Bornhagen / Großgrundbeſitz oder Vauernbetried? 5
89 v. H., während ſie in Weſtfalen am geringſten war, nur 24 v. H. Dieſe Tatſachen
mußten gegenüber den Forderungen geroer Großgrundbeſitzerkreiſe einmal klar
herausgeſtellt werden!
Es gibt nun gewiſſe Kreiſe der Großgrundbeſitzer, die ſelbſt erkannt haben, daß
eine Rechtfertigung des Großgrundbeſitzes aus ſeiner geſchichtlichen Entwicklung
heraus nicht ſtichhaltig iſt, und darum verſuchen ſie nun, die Notwendigkeit des Be⸗
ſtehens des Großgrundbeſitzes auf Grund ſeiner wirtſchaftlichen Leiſtungsfähigkeit zu
beweiſen. Wie aber ſteht es mit dieſer Frage? Eingehende Anterſuchungen von
Dr. Fenſch, deren Ergebniſſe ebenfalls in dem Buch „Der Bauer im Ambruch der
Zeit“ (Reichsnährſtandsverlag) veröffentlicht worden find, haben ergeben, daß die Klein-
betriebe 49 v. H., die Mittelbetriebe 30 v. H. und die Großbetriebe 21 v. H. des geſam⸗
ten Marktes mit landwirtſchaftlichen Erzeugniſſen verſorgen. Die Großbetriebe waren
mit 21 v. H. an der Marktverſorgung, dabei mit 21,1 v. H. an der landwirtſchaft⸗
lichen Nutzfläche beteiligt. Sie brachten demnach 0,1 v. H. weniger landwirt-
ſchaftliche Erzeugniſſe an den Markt, als ihrer landwirtſchaftlichen Nutzfläche
eigentlich entſprochen hätte. Aus dieſen Berechnungen ergibt ſich alſo, daß
die verſchiedenen Betriebsgrößen im allgemeinen ein gleiches
Verhältnis im Hinblick auf die Marktverſorgung unter Berückſichtgung ihrer land-
wirtſchaftlichen Nutzfläche aufwieſen. Ganz eindeutig zeigt ſich jedenfalls, daß von
einer Aeberlegenheit der Großgrundbetriebe bei der Verſorgung des deutſchen
Marktes keine Rede ſein kann. Anterſuchungen über die Leiſtungsfähigkeit der
Neubauernwirtſchaften haben ergeben, daß die Ernteerträge der Neubauern Durch,
weg höher waren, als die Erträge der Großbetriebe auf der gleichen Fläche vor
der Beſiedlung. Bei eingehenden Anterſuchungen über die Leiſtungsfähigkeit von
5000 Neubauernwirtſchaften in Pommern, die von Prof. Seraphim, Roftod, an-
geſtellt wurden, ergab ſich eine Ertragszunahme bei Weizen um 3,1 v. H., bei Roggen
um 4,2 v. H., bei Gerſte um 5,7 v. H., bei Hafer um 3,6 v. H. und bei Kartoffeln
fogar um 7,7 v. H. Noch wichtiger ift in Anbetracht der augenblicklichen Lage der
Ernährungswirtſchaft die Tatſache, daß der Viehſtapel — abgeſehen von Pferden —
durch die bäuerliche Siedlung eine ganz erhebliche Erhöhung erfahren hat. Jedenfalls
iſt durch dieſe Tatſachen unumſtößlich bewieſen, daß — allerdings nach einer kurzen
Aebergangsfriſt — die Neubauernwirtſchaften den deutſchen Boden mindeſtens genau
fo intenfiv bearbeiten und ausnutzen wie der Großbetrieb.
Jedoch iſt mit der Feſtſtellung der wirtſchaftlichen Bedeutung der Großgrund—
betriebe und der bäuerlichen Betriebe die zu Anfang dieſes Aufſatzes geſtellte Frage
noch nicht beantwortet. Von mindeſtens ebenſo entſcheidender Bedeutung ſind die
bevölkerungspolitiſchen und in der Nachfolge damit die wehrpolitiſchen Fragen,
die im Rahmen einer Diskuſſion über Wert oder Anwert des Großgrundbeſitzes be—
antwortet werden müſſen. Nach den Anterſuchungen des Statiſtiſchen Reichsamtes
iſt bisher durch die Neubildung deutſchen Bauerntums die Bevölkerungsdichte auf
der beſiedelten Fläche erheblich geſtiegen. Was aber kann es Wertvolleres geben,
als eine möglichſt große Zahl geſunder deutſcher Menſchen auf wirtſchaftlich geſicherter
6 S * Doch Einheitsfront von Volſchewismus und Katholizismus?
£
Grundlage mit dem deutſchen Boden zu verbinden. All diefe Fragen gilt es zu
berückſichtigen, wenn man nach einer Antwort ſucht, die der Bedeutung des Groß⸗
grundbeſitzes und der bäuerlichen Wirtſchaften entſpricht. Der Nationalſozialismus
hat es wahrlich nicht nötig, Vergangenes hervorzuzerren, um damit ſeine Gegner
zu Boden zu ringen. Wenn aber gewiſſe Kreiſe, die nationalſozialiſtiſchem Denken
einfach nicht zu folgen vermögen, Forderungen an den Staat erheben, die den Ge-
ſetzen der völkiſchen Weiterentwicklung widerſprechen, dann allerdings ift es not-
wendig, eine deutliche Antwort zu geben. And wenn am Anfang dieſes Aufſatzes
von den Aeußerungen eines Berliner Tageblattes die Rede war, die an die Land-
jugend gerichtet waren, ſo können wir dazu nur eines ſagen: Die „kräftigen
Reminiſzenzen aus der Zeit der Bauernkriege, die gelegentlich im bäuerlichen Jung-
volk laut werden“, hatten ſchon ihre Berechtigung. Aus dem geſunden Naturgefühl
der Jugend heraus hat ſich dieſe Jugend dem alten Recht verſchworen, das trotz
aller Anterdrückung durch die Jahrhunderte hindurch im Volke lebendig geblieben iſt.
Die Jugend weiß, daß der nationalſozialiſtiſche Staat alles einſetzt, um ihr Arbeits-
und Aufſtiegsmöglichkeiten zu ſchaffen. And wenn bei dieſer Arbeit ein dem Volke
geſchehenes Anrecht wieder gutgemacht werden kann, dann gibt es auch nicht einen
ſtichhaltigen Grund, der die Staatsführung von dieſem Wollen abhalten könnte.
Nichts aber iſt für die geſunde Weiterentwicklung Deutſchlands entſcheidender, als
ein zahlreiches, lebensſtarkes Bauerntum. Seine Stärkung und Mehrung iſt darum
ein dringendes Gebot unſerer Zeit!
Dow Einheitsfront von Bolſchewis uns
und Katholizismus?
Kardinal Faulhaber hatte es in einer Münchener Predigt Anfang Februar
für gut befunden, den Vorwurf, daß der Vatikan beſtrebt ſei, mit Moskau in ein
verträgliches Verhältnis zu kommen, ja unter Amſtänden auf ein Konkordat mit dem
bolſchewiſtiſchen Staat hinzuarbeiten, für den „Gipfel journaliſtiſcher Erfindung“ zu
erklären. Der Zufall wollte es, daß gerade am gleichen Sonntag — am 9. Februar
— an dem er die fragliche Predigt hielt, in der klerikalen „Deutſchen Preſſe“ in Prag
ein Artikel erſchien, in dem an einzelnen Beiſpielen verſucht wurde darzulegen, daß
Moskau auf dem beſten Weg „nach dem Weſten Europas zurück
zu den Regionen des abendländiſchen Kulturkreiſes“ fei, und
daß dieſer Weg „ſicherlich zutiefſt feinen Ausgangspunkt in den außerordentlichen
Veränderungen“ habe, „die ſich in der geiſtigen Grundhaltung des ruſſiſchen Volkes,
beſonders in den letzten zwei Jahren vollzogen“. Das iſt die Methode, freilich etwas
allzu deutlich ausgeplaudert, mit der man dem ahnungsloſen katholiſchen Volk eine
Zuſammenarbeit des Vatikans, oder mindeſtens doch führender katholiſcher Kreiſe
mit dem Volſchewismus verſtändlich und ſchmackhaft zu machen ſucht.
„ Doch Einheitsfront von Volſchewismus und Katholizismus? 7
Es nimmt uns nicht wunder, daß dem deutſchen Klerus dergleichen Verlaut⸗
barungen außerordentlich peinlich ſind. And mit einem Hinweis, daß man ſich nicht
in der Lage ſähe, „alle Vorwürfe, die hier und dort gegen die Kirche“ erhoben
würden, zu widerlegen, kann man eine derart aufſchlußreiche Bekundung wahrhaftig
nicht aus der Welt ſchaffen. Man wird es in Zukunft noch weniger können, denn
inzwiſchen hat ſich noch eine andere führende klerikale Zeitſchrift in
nicht mehr zuüberbietender Deutlichkeitübereine Zuſammen⸗
arbeit mit dem Bolſchewis mus ausgeſprochen, und zwar die þin-
länglich auch in Deutſchland bekannte Wochenſchrift „Der Chriſtliche Ständeſtaat“,
Wien, in ſeiner Nummer vom 23. Februar. In Paris oder richtiger, wie es in dem
fraglichen „Communiqué“ heißt, „im Auslande“ hatte Anfang Februar unter Aug-
ſchluß der Oeffentlichkeit eine Tagung von „über hundert Vertretern des freiheitlichen
deutſchen Bürgertums und der deutſchen Arbeiterſchaft aller Richtungen“ ſtatt⸗
gefunden. Auf dieſer Tagung wurde eine gemeinſame Erklärung beſchloſſen, die
ſich der „Chriſtliche Ständeſtaat“ nicht ſcheut, in feinen Spalten ungekürzt zum Ab⸗
druck zu bringen. In dieſer Erklärung werden „die einzelnen Parteien und Gruppen“
aufgerufen, „ohne Aufgabe ihrer programmatiſchen Ziele“ ſich zuſammenzufinden und
für beſtimmte Forderungen zu kämpfen. Unter dieſen Forderungen
findet ſich eine, die bei folchen Anläſſen neuerdings nie zu
fehlen pflegt und käme ſie auch von rein kommuniſtiſcher Seite:
die Forderung nach Freiheit des Glaubens und der Reli-
gionsausübung. Ueber deren Mangel an ſachlicher Berechtigung brauchen
wir uns nicht auszulaſſen, doch bietet ſie dem Ständeſtaat den willkommenen Anlaß
zu dem ausführlichen und aufſchlußreichen Kommentar. Wir müſſen uns begnügen,
nur die wichtigſten Sätze dieſes Artikels zu zitieren. Es heißt dort:
„Nicht eine Verwiſchung der Gegenſätze kann daher der Sinn der Einheitsfront, um
die es heute geht, ſein, ſondern ein Zueinanderſinden über dieſe Gegenſätze hinweg zur
Verteidigung ihrer Fundamente. In dieſer Verteidigung kann heute alles zuſammenſtehen,
was zur Freiheit und Würde der menſchlichen Perſon und des Redtsftaates ſteht. Wenn
alſo auf dieſer Ebene eine Einheitsfront möglich iſt — ſo verſchieden die einzelne Richtung,
Konſequenz und Sinn dieſer Grundgegebenheiten interpretieren mögen —, ſo erhebt ſich doch
die Frage, ob ſie gerade wegen der Grundſätzlichkeit der Dinge, um die es dabei geht, auch
finnvoll und politiſch wirkſam fein könnte, ob auf Grund dieſer Vorausſetzungen ein politiſch
verbindliches, einfagfähiges Programm zu erreichen iſt.“
Auf dieſe Frage, ſo meint Nikolaus Dohrn, der Autor des Artikels, wird heute
noch keine Antwort zu geben ſein, doch müſſe man immerhin den Verſuch wagen. Die
Problematik, die in einer ſolchen Zuſammenarbeit verſchiedenſter Gruppen liegt, ent-
geht auch Herrn Dohrn nicht. Er weiß ſehr wohl, daß mindeſtens die Möglichkeit
nicht ausgeſchloſſen iſt, daß der Freund von heute zum Feind von morgen werden
kann, und daß die eine Gruppe vielleicht nur den „Handlanger für die ſehr ſpeziellen,
hinter einem ſolchen allgemein gefaßten Programm verborgenen Ziele einer Gruppe
ſpielt, die allein nicht ſtark genug iſt, die Macht zu erobern, die aber gar nicht daran
denkt, ihre totalitären Ziele in Wahrheit aufzugeben“. Daß eine ſolche Gefahr
8 „ * Doch Cinheitsfront von Volſchewismus und Katholizismus?
beſonders von den kommuniſtiſchen Verbündeten droht, weiß auch Nikolaus Dohrn.
Allein, hier kommt dann der Pferdefuß zum Vorſchein. Er ſchreibt:
„Wenn nicht ein gründlicher Wandel glaubhaft gemacht werden kann, der zeigt, daß
die totalitären Ziele von geſtern unter dem Eindruck der Erfahrungen von heute ehrlich
aufgegeben find — von vielen ehemals kommuniſtiſchen Gruppen in
Deutſchland wird das verſichert —, fo wird wohl keine der rechts vom Kommunis-
mus ſtehenden Gruppen, am wenigſten wohl die Sozialdemokratie, gewillt ſein, eine Einheits⸗
front mit einer Richtung einzugehen, die nur auf ihre Vernichtung ausgeht, ſobald ſie
wieder die Macht dazu hat.“
„Von vielen ehemals kommuniſtiſchen Gruppen in Deutſch⸗
land wird das verſichert“, das iſt die Form, mit der man es den katholiſchen
Seelen verſtändlich machen will, daß ein Zuſammengehen mit dem
Bolſchewismus heute gar nicht mehr ſo gefährlich ſei, es iſt
die Form, Illuſionen zu verbreiten, von denen man ganz genau weiß, daß es
eben nur Illuſionen find, mit denen man das Volk täuſcht. So wird denn auf die
gleiche Weiſe der unumſchränkte Herrſchaftsanſpruch des Bolſchewismus, die bolſche⸗
wiſtiſche Diktatur nicht allzu hoch veranſchlagt, indem man ſchreibt, daß es ſich wohl
denken ließe,
„daß viele orthodoxe Kommuniſten von geſtern hinſichtlich mancher weltanſchaulichen
und politiſchen Vorausſetzungen ihrer Doktrin durch den nationalſozialiſtiſchen „An
ſchauungsunterricht in Diktatur““ ſkeptiſcher geworden find...“
Auch auf dem Gebiete der Kulturpolitik iſt „die Hoffnung nicht vermeſſen, daß auch viele
unſerer Gegner von geſtern über die Zweckmäßigkeit des Kampfes, den ſie auf dieſen Ge⸗
bieten führten, heute anderer Meinung geworden find. Ueber alles andere läßt fic reden,
alles andere kann Gegenſtand freier, offener Auseinanderſetzung in einem beſonderen Deutſch⸗
land von morgen werden.“
Wir haben keinen Grund, dieſen Optimiſten ihren Glauben zu nehmen. Ans
kam es nur darauf an, an einem neuen Beiſpiel zu zeigen, wie weit bereits ideologiſch
die viel und heftig geleugnete Zuſammenarbeit von Vatikan und Moskau gediehen
iſt. Wir ſind in der Lage, auch aus den „Wiener Politiſchen Blättern“, deren
Herausgeber der Wiener Vizebürgermeiſter und Spann⸗Schüler Ernſt Karl Winter
ift, eine Stelle zu zitieren, die ſich durchaus auf der gleichen Ebene bewegt. Anläß-
lich der Beſprechung eines Rußlandbuches heißt es dort (Nr. 1 vom 19. Januar 1936)
in einer Gegenüberſtellung von Nationalſozialismus und Bolſchewismus:
„Ethos und Logos des Bolſchewismus und Sozialismus mögen falſch und verrannt
ſein, ſie ſind immerhin rein und daher heilbar und entwicklungsfähig. Der Wille und
das Denken des Nationalſozialismus hingegen find vergiftet an der Wurzel. Der National-
ſozialismus, der vom lieben Gott und von der keuſchen Ehe redet, iſt ſchlimmer als der
Bolſchewismus, den eine reine, wenn auch verkehrte Idee dazu antreibt, Gott auf verfehlten
Wegen zu ſuchen. Der Volſchewismus kommt aus den Tiefen eines naturhaften, bar-
bariſchen Volkes, das auf Umwegen einem europäiſchen Kulturziel zuſtrebt. Der National-
ſozialismus iſt die geiſtige Erkrankung der herrſchenden Schichten eines alten Kulturvolkes,
die nach menſchlichem Ermeſſen in den Krallen dieſer Krankheit unheilbar verloren find.”
Randolf / Die Wiedergeburt der Straße aus dem Kraftwagen 9
Sum Schluß ſei ſchließlich noch einer der letzten Abſätze aus dem oben ge-
würdigten Artikel des „Chriſtlichen Ständeſtaats“ wiedergegeben. Er verrät in
wenigen Zeilen das Ziel des politiſchen Katholizismus oder mit den Worten des
„Ständeſtaates“ „den Preis, um den der einſatzbereite deutſche Katholizismus heute
zu haben iſt“: |
„Er (der deutſche Katholizismus) weiß heute, daß die territorialen Poſitionen das
Rückgrat ſeiner Kraft ſind, er wird ſie nicht ein zweites Mal leichtfertig preisgeben. Die
„Mainlinie“ hat für ihn alle, aber auch alle Schrecken verloren. And das öſterreichiſche
Beiſpiel hat ihm ſeine Kraft, an der die Generation vorher verzagt hat, neu bewieſen.
Märtyrer find die Beweiſe dieſer Kraft. And Blut verpflichtet. Das Uebel muß end-
gültig liquidiert werden. Wir find es Europa und dem Deutſchtum ()
ſchuldig, immer wieder zu betonen, daß die Geſundung Deutſch⸗
lands die Zertrümmerung Preußens und das Rückgängigmachen
der Irrwege des deutſchen Zentralismus erfordert.“
Wir danken für die Aufklärung.
Peter Randolf:
Die Wiedergeburt der Straße
aus dem Krafiwagen
Mit der Machtübernahme durch den Nationalſozialismus iſt das deutſche Straßen⸗
weſen in einen bemerkenswerten Abſchnitt ſeiner Geſchichte getreten. Nur wenige Monate
nach der Machtübernahme kündigte der Führer in feiner Rede am 1. Mai auf dem Tempel-
hofer Felde eine grundlegende Neugeſtaltung des deutſchen Straßenweſens an und ſprach
fiber dieſes Rieſenprogramm, das nicht kommenden Generationen zur Löſung vorbehalten
bleibe, ſondern im Rahmen der Arbeitsbeſchaffungsmaßnahmen der Regierung ſofort in
Angriff genommen würde. Dieſes Straßenbauprogramm umfaßt zwei gewaltige Aufgaben-
gebiete: einmal die völlige Neugeſtaltung unſeres augenblicklichen Straßennetzes, auf dem
der Kraftverkehr alleiniges Daſeinsrecht genießt, den Bau der Reichsautobahnen.
Der 100. Geburtstag der deutſchen Eiſenbahn fiel gleichzeitig mit dem erſten Ge⸗
burtstag der deutſchen Kraftwagenſtraße zuſammen und das Jahr 1935 wird künftighin
als einer der bedeutendſten Markſteine in der deutſchen Verkehrsgeſchichte angeſehen
werden müſſen. Der Wandel im deutſchen Kraſtverkehrsweſen, der vor einem Jahr-
hundert mit der Geburtsſtunde der Eiſenbahn zuſammenfiel, vollzieht ſich heute von neuem:
mit dem Aufkommen eines neuen Verkehrsmittels, des Kraftwagens, erfährt die deutſche
Verkehrswirtſchaft einen neuen Wandel. Seit mehr als einem Jahrzehnt hatte ſich dieſer
Wandel angebahnt, aber erſt nach der Machtübernahme durch den Nationalſozialismus
wurden auf die Initiative des Führers hin, der das deutſche Straßenweſen und damit ſeine
Mängel von feinen Kraftwagenfahrten her aus eigenſter Anſchauung kannte, diejenigen
Maßnahmen ergriffen, die dem Kraftwagen ein neuzeitliches Straßennetz, auf dem er ſich
voll und ganz entwickeln kann, für die Zukunft ermöglichen.
10 Randolf / Die Wiedergeburt der Straße aus dem Kraftwagen
Der Bau der Reichsautobahnen
Es find am 23. September 1935 gerade zwei Jahre her geweſen, daß der Führer mit
feinem Spaten die Bauarbeiten an der erſten Reichsautobahnſtrecke bei Frankfurt eröffnete.
Anfang Oktober 1935 waren die erſten 100 Kilometer Reichsautobahnen für den Kraft-
verkehr freigegeben. Täglich wurde in den letzten Monaten 1 Kilometer Reichsautobahn
fertig und im nächſten Jahre werden es bereits über 1000 Kilometer Reichsautobahnen
fein, die dem Kraftfahrer zur Verfügung ſtehen. Es find erſtaunliche Zahlen, die der
Generalinſpektor Dr. Todt auf dem letzten Parteitag in Nürnberg der Oeffentlichkeit
bekannt gab. In ſtiller und zäher Arbeit ift das zweite Baujahr der Reichsautobahnen
vergangen. Die Zahl der Arbeiter hat ſich mehr als verdoppelt: auf den Bauſtellen ſtehen
heute direkt beſchäftigt 120000 Mann. Weitere 150 000 Mann arbeiten indirekt
für die Reichsautobahnen in den Steinbrüchen und Brückenbauanſtalten, in den Werkſtätten
der Baumaſchineninduſtrie und in den Lieferwerken der Bauſtoffinduſtrie. Planmäßig,
wie vom erſten Tage an vorgeſehen, haben ſeit Beginn des zweiten Baujahres über
1 Million Volksgenoſſen durch den Bau der Straßen Adolf Hitlers Arbeit und Verdienſt
gefunden. Weitere 170000 Mann arbeiten beim Ausbau der Reichs- und Landſtraßen.
Der deutſche Straßenbau beſchäftigte im Herbſt 1935 insgeſamt rund 450 000 Volksgenoſſen.
Mit annähernd 2000 Kilometer ift über 4 des Geſamtnetzes der Reichsautobahnen im Bau.
Wer heute, fei es im Norden oder Süden, im Often oder Weſten des deutſchen Bater-
landes, die großen Bauſtellen der zügigen Linien der Reichsautobahnen beſichtigt, wird des
ſchnellen Fortſchrittes, mit dem die Straßen Adolf Hitlers ihrer Vollendung entgegengehen,
alsbald gewahr werden. Feldlaboratorien auf jeder Bauſtelle arbeiten, wie es Dr. Todt
kennzeichnete, mit einer ſonſt nur in chemiſchen Fabriken üblichen Genauigkeit, um Kies,
Sand, Waſſer und Zement ſo abzuwiegen und zuſammenzuſetzen, daß der Beton die Dichte
und Feſtigkeit der beſten Naturgeſteine erhält. Tiefe Moorſümpfe, die der Straßenbauer
früherer Zeiten hilflos, aber auch unfähig umgehen mußte, werden bezwungen, teils mit
Geräten, teils durch Sprengungen von einem Amfang, wie ſie im Weltkriege noch nicht
bekannt waren. Kühne Brückenbauten aus Stahl, Stein oder Eiſenbeton unterbrechen die
Erddämme. Auf den Zentimeter genau treffen die über 100 Meter gerüſtfrei montierten
Eiſenkonſtruktionen der Stahlbrücken auf die Auflageſtellen am entgegengeſetzten Pfeiler.
An anderer Stelle arbeitet die Belegſchaft 20 Meter unter dem Waſſerſpiegel bei 2 Atmo-
ſphären Aeberdruck im trockenen Senkkaſten. Eiſenbetonbögen von über 100 Meter Spann-
weite verlangen eine Gerüſtarbeit der Zimmerleute, die nur dann dem ſpäteren Druck des
flüſſigen Betons gewachſen ift, wenn jeder einzelne Hammerſchlag richtig geſeſſen hat.
70 große Brückenbauwerke mit einer Geſamtlänge von 13 Kilometer find zur Zeit im Bau.
Seber die deutſchen Ströme und Flüſſe, über die Täler der deutſchen Mittelgebirge und
die tief eingeſchnittenen Mulden der bayriſchen Voralpenlandſchaft ſpannen ſich die kühnſten
Bauwerke. In früherer Zeit hätte ein einziges dieſer 70 Bauwerke genügt, um als Wunder
der Technik beſtaunt zu werden.
An Stelle der zu neuer Arbeit abgezogenen Arbeiter bevölkern nunmehr die Kraftfahrer
die erſten freigegebenen Reichsautobahnſtrecken. Der Verkehr auf den beiden ſeit mehreren
Monaten befahrenen Reichsautobahnſtrecken bei Frankfurt und München geht weit über
das hinaus, was für den Anfang überhaupt erwartet wurde. In Frankfurt iſt etwa die
Hälfte des Verkehrs der bisher beſtehenden Straßenverbindung zwiſchen Frankfurt und
Darmſtadt auf die Autobahn abgewandert. Ueber die bei München eröffnete Teilſtrecke
der Linie München — Landesgrenze find an Werktagen rund 2500 und an Sonntagen rund
6000 Fahrzeuge gefahren.
Randolf / Die Wiedergeburt der Straße aus dem Kraftwagen 11
Beſonders bemerkenswert find die von Generalinſpektor Dr. Todt angeführten Zahlen,
die ſich auf die Betriebskoſtenerſparniſſe auf der Autobahn beziehen. Gegenüber den big-
herigen Straßen betragen die Betriebskoſtenerſparniſſe auf der Autobahn 30 Prozent an
Betriebsſtoff, 50 bis 80 Prozent an Reifen und 25 Prozent an den laufenden Reparaturen.
Der Zeitgewinn ift hierbei nicht in Rechnung geſtellt, er bringt aber dem Laſtwagen durch
die Ausnutzung der gewonnenen Zeit eine um 20 Prozent vermehrte Ladefähigkeit. So
werden die Reichsautobahnen nicht nur einen großen kulturellen und verkehrspolitiſchen,
fondern auch einen ſehr hohen materiellen Wert beſitzen. Die deutſche Volkswirtſchaft gibt
jährlich 6 bis 8 Milliarden Mark für Transportzwecke aus. Trotz aller Erfolge der Technik
ift es in den letzten 20 Jahren nicht gelungen, die einzelnen Sätze der Transportkoſten
zu verringern. Es ift die große wirtſchaftliche Aufgabe der RNeichsautobahnen und der
Motoriſierung des Verkehrsweſens, bei richtigem Einſatz der techniſchen Hilfsmittel und
bei individueller Verkehrsbedienung die Geſamttransportkoſten für die deutſche Wirtſchaft
zu verbilligen.
Die Deutſche Alpenſtraße
Neben dem Rieſemwerk der Neichsautobahnen und dem Ausbau des bisherigen deutſchen
Straßennetzes, das heute erft ſtellemweife von den Mängeln für einen neuzeitlichen Kraft-
verkehr befreit werden konnte, iſt es beſonders ein Werk, dem der Führer ſein ganz
beſonderes Augenmerk widmet: dem Bau der Deutſchen Alpenſtraße. Der Gedanke des
Baues einer durch die Alpen auf deutſchem Gebiete verlaufenden Straße von Lindau am
Bodenſee bis nach Berchtesgaden tauchte im Jahre 1932 zum erften Male innerhalb eines
bayriſchen Verkehrsverbandes auf. Dieſe Straße wurde damals „Queralpenſtraße“ ge-
nannt und erhielt vom Führer ſelbſt ſpäter die einzig richtige Bezeichnung „Deutſche
Alpenſtraße“. Die „Deutſche Alpenſtraße“ wird künftighin die Hauptader für den Fremden-
verkehr bilden und die wunderbaren Naturſchönheiten innerhalb dieſes meiſtbefuchteſten
deutſchen Fremdenverkehrsgebietes dem Kraftfahrer erſchließen.
Die „Deutſche Alpenftraße“ wird von Lindau bis nach Berchtesgaden eine Geſamt⸗
länge von 480 Kilometer aufweifen. Bei der Traſſierung dieſer Alpenſtraße waren vor
allem die Geſichtspunkte maßgebend, daß die Straße einen für Kraftfahrzeuge leicht fahr.
baren, zuſammenhängenden Straßenzug von Lindau bis Berchtesgaden bilden, weiterhin auf
deutſchem Gebiete verlaufen und als Fremdenverkehrsftraße die wichtigſten Sommer und
Winterſportorte Fer bayriſchen Alpen verbinden fole. Wichtig war dabei, daß fie land-
ſchaftlich möglichſt reizvoll und auch als Paßſtraße in größere Höhen geführt wurde. Bei
der Ausarbeitung der Entwürfe wurde durchaus großzügig verfahren. Größere Bauwerke
— insgeſamt weiſt die Deutſche Alpenſtraße nach ihrer Fertigſtellung 105 Brückenbauwerke,
15 Tunnel und 10 Viadukte auf — waren beſonders dort gerechtfertigt, wo ſich die Führung
der Linie an verkehrstechniſch ſchwierigen Punkten dadurch erleichtern ließ. Die Deutſche
Alpenſtraße fol ſpäterhin nicht nur die Schönheiten der Alpenwelt erſchließen, ſondern auch
ſelbſt durch zweckmäßige Linienführung, durch prächtige maſſive Bauwerke und gute Cin-
paſſung in die Natur ſchön und grandios wirken. Im letzten Jahre iſt der Ausbau der
Alpenſtraße, die teilweiſe heute ſchon beſtehende Straßen benutzt, beſonders an zwei Stellen
ausgebaut worden, im Often im Mauthäuslgebiet auf der Strecke Inzell - Mauthäusl
Hinterſee und im Welten auf der Strecke Oberſtaufen — Weiler.
Die normale Breite der Deutſchen Alpenſtraße iſt im allgemeinen mit 9 Meter feft-
gelegt worden, doch wird beim Ausbau der Straße nicht nach feſten Grundſätzen verfahren,
ſo daß bei ſchwierigen Bauſtrecken bis auf 6,5 Meter heruntergegangen werden kann. Bei
Amvendung von febr kleinen Krümmungshalbmeſſern tritt eine Fahrbahnverbreiterung bis
12 Randolf / Die Wiedergeburt der Straße aus dem Kraftwagen
zu 11 Meter ein. Als Normalmaße für Steigungen und Gefälle find 5 bis 6 Prozent
feſtgeſetzt worden, wobei Ausnahmen bis zu 10 Prozent in den eigentlichen Hochgebirgs⸗
ſtrecken zugelaſſen werden. Der endgültige Verlauf der Deutfchen Alpenſtraße auf ihrem
Zuge von Lindau bis nach Berchtesgaden iſt durch folgende Orte feſtgelegt: Lindau
Scheidegg — Weiler — Oberſtaufen — Hochgrat — Oberſtdorf — Sonthofen — Hindelang
— Wertach — Neſſelwang — Füſſen — Hochplatte — Linderhof — Oberau — Garmiſch⸗
Partenkirchen — Wallgau — Urfeld — Jachenau — Lenggries — Hirſchbergſattel — Wies-
fee — Rottach — Fürſtalpe — Spitzingſattel — Rotwand — Mieſing — Bayriſchzell —
Tatzelwurm — Branneburg — Nußdorf — Törwang — Niederaſchau — Kampenwand —
Schleching — Anterwöſſen — Reit i. W. — Ruhpolding — Inzell — Mauthäuſl — Unter-
jettenbach — Hinterfee — Ramsau — Berchtesgaden — Königsſee. Als Hochgebirgsſtrecken
müſſen von der Alpenſtraße folgende Höhen überſchritten werden: beim Hochgrat zwiſchen
Oberſtaufen und Oberſtdorf 1600 Meter, bei der Hochplatte zwiſchen Füſſen und Linderhof
1541 Meter, bei der Rotwand zwiſchen Spitzingſee und Bayriſchzell 1735 Meter und bei
der Kampenwand zwiſchen Aſchau und Anterwöſſen 1470 Meter.
Die Fertigſtellung der Deutſchen Alpenſtraße wird noch mehrere Jahre in Anſpruch
nehmen, vor allem der Ausbau der reinen Hochgebirgsſtrecken, die beträchtliche Baukoſten
verurſachen. Die Deutſche Alpenſtraße als Geſamtbauwerk kann heute als geſichert an⸗
geſehen werden und fie wird ſicherlich infolge ihres großzügigen Ausbaus als Gebirgs-
ſtraße, die bald in tieſe Alpentäler hineinführt, bald wieder die hochalpine Welt erklimmt
und dabei einzigartige Ausblicke auf das bayriſche Alpenvorland geſtattet, eine internationale
Bedeutung erlangen.
Der Rügen damm
Der Deutſchen Alpenſtraße als Kunſtſtraße ſteht im Norden unſeres deutſchen Vater-
landes ein nicht minder bedeutungsvolles Straßenbauwerk gegenüber: der Rügendamm.
Im Spätſommer des Jahres 1936 werden bereits die erſten Kraftfahrzeuge und Eiſenbahn⸗
züge „durch die Oſtſee“ fahren können. Die Stadt Stralſund ſelbſt iſt von der Oſtſee feit
Jahrhunderten zu einer Gefangenen des Meeres gemacht. Nach der Landſeite beſtehen nur
ſchmale Verbindungswege zu dieſer Stadt, deren inſelartige Lage einſt die bedeutende Stärke
als mächtiges Glied der Hanſeſtädte ausmachte. Trutzig und verwegen ſchwingen ſich dort
oben im Norden Türme und Kuppeln über die Altſtadt hinaus und geben weithin Kunde
von der Jahrhunderte alten Geſchichte dieſer Stadt.
Den beiten Geſamtüberblick nicht nur über das bunte und abwechſlungsreiche Häufer-
gewirr der Stralſunder Altſtadt, ſondern auch über den Rügendamm in ſeiner Geſamtlänge
genießt man von der faſt hundert Meter-Plattform der Stralſunder Marienkirche. Deut-
lich hebt ſich die Linienführung in der Ferne ab. Von dem parallel zur Oſtſee liegenden
Hauptbahnhof Stralſunds biegt der Rügendamm in kühnem Bogen nad Norden zum
Strelaſund ab und benutzt bei der Aeberquerung des Strelaſundes die Inſel Dänholm. Die
Geſamtlänge des Dammes beträgt etwas über zweieinhalb Kilometer. Beiderſeitig der
Inſel Dänholm wird er über zwei Brückenbauwerke geführt, die rund 700 Meter Gefamt-
länge aufweiſen. Der Rügendamm endet in unmittelbarer Nähe der Anlegeſtelle Altefähr,
der Anlegeſtelle für die Eiſenbahnfährverbindung Stralſund Rügen. Auf der Stralſunder
Seite liegt die Anlegeſtelle einige hundert Meter weſtlich des Rügendammes.
Die Geſchichte des Rügendammes reicht bis in das vorige Jahrhundert zurück. Der
Wunſch nach einer feſten Eiſenbahn⸗ und Straßenverbindung iſt begreiflich, wenn man in
Betracht zieht, daß die heutige Fähreinrichtung einen Zeitverluſt von mehr als dreiviertel
Stunden bedingt. Die erſten Projekte, die nach den Forderungen der Schiffahrt eine Hoch-
Randolf / Die Wiedergeburt der Straße aus dem Kraftwagen 13
brücke von mindeſtens 30 Meter lichter Durchfahrtshöhe vorſahen, mußten in der Folge-
zeit ihrer Anwirtſchaftlichkeit wegen wieder verworfen werden. Schließlich find auch alle
Ingenieurbauten eine Funktion des Geldbeutels und demjenigen Projekt wird der Vorzug
zu geben ſein, das ſich am wirtſchaftlichſten geſtaltet. So auch hier beim Rügendamm.
Die Frage, ob Hochbrücke, Tunnel oder Damm wurde eingehend vom techniſchen wie
vom wirtſchaftlichen Standpunkt aus unterſucht. Gegen die Hochbrücke ſprachen vor allem
die hohen Koſten. Eine Antertunnelung des Strelaſundes würde noch höhere Koſten
verurſachen, wenn man in Betracht zieht, daß die Tunnelſohle infolge der ungünſtigen
Antergrundverhältniſſe ungefähr 35 Meter unter dem Waſſerſpiegel des Strelaſundes liegen
müßte. Am wirtſchaftlichſten geſtaltete ſich die Anlage eines Dammes, der allerdings für
die Schiffahrt einige Einſchränkungen mit ſich brachte. Der Weitſichtigkeit der Deutſchen
Reichsbahn, die das Projekt des Rügendammes in Gemeinſchaft mit den zuſtändigen Be-
börden ausführt, iſt es zu verdanken, daß der neue Damm nicht nur als Eiſenbahndamm
gebaut wird, fondern neben der Gleisanlage auch eine Straße von 6 Meter Breite und einen
Fußweg von zweieinhalb Meter Breite erhalten wird. Der Ausbau des Rügendammes
zu einer zweigleiſigen Bahnanlage hat ſich als notwendig herausgeſtellt, da ſchon eine
eingleiſige Bahnlinie bedeutend leiſtungsfähiger als der Fährbetrieb iſt.
Der Rügendamm, der ſich öſtlich Stralſunds in kühnem Bogen um die Stadt ſchwingt,
überquert von Süden her, bevor er die Inſel Dänholm erreicht, zuerſt den kleineren Teil
des Strelaſundes, den ſogenannten Ziegelgraben. Den Schiffahrtsintereſſen ift im Ziegel-
graben in der Weiſe Rechnung getragen, daß die Ziegelgrabenbrücke neben zwei Flut-
öffnungen eine Klappbrücke aufweiſt und dadurch eine Durchfahrt für größere Schiffe er-
möglicht wird. Recht ſchwierig geſtaltete ſich die Herſtellung der Brückenfundamente wegen
der ſchlechten Antergrundverhältniſſe. Die Pfahlgründung — Stahlrohre mit eingefülltem
Beton — reicht tief in den Boden hinab. Nur auf dieſe Weiſe ließ ſich eine unbedingt
ſichere Fundamentierung erreichen.
Im Anſchluß an die Ziegelgrabenbrücke benutzt der Riigendamm die Inſel Dänholm.
Die Inſel hat ihren Namen von einer Belagerung der Stadt Stralſund durch die Dänen
im Jahre 1429. Der Rügendamm verläuft auf der Inſel für eine Strecke im Einſchnitt
und überſchreitet danach den über einen Kilometer breiten Strelaſund. Die
Erdmaſſen für den Rügendamm konnten infolge des moraſtigen Antergrundes nicht
unmittelbar geſchüttet werden. Erſt mußten die Schlickmaſſen oft in mehreren Metern
Stärke unter Waſſer beſeitigt werden. Wie ein großer hölzerner Lauſſteg ſchiebt ſich der
noch nicht zu voller Höhe geſchüttete Erddamm in den Strelaſund. Zehn Oeffnungen
wird die Brücke im Strelaſund bei einer Geſamtlänge von mehreren hundert Metern er—
halten. Während die Ziegelgrabenbrücke eine große Klappöffnung aufweiſen wird, wird
der Brückenbau über den Strelaſund ſtarr durchgeführt. Der Hauptſchiffahrtsweg wird
künftighin durch den Ziegelgraben führen, und nur der Schleppſchiffahrt wird durch den
Strelaſund eine Durchfahrtsmöglichkeit unter den acht Meter über Waſſer liegenden
Brückenöfſnungen geboten fein. Weit hinaus in den Strelaſund ſchieben ſich Dämme und
Spundwände. Sie bilden den Abſchluß für waſſerdurchſetzte Erdmaſſen, die von großen
Spülbaggern herbeigeſchafft wurden. Auch Stralſunds Hafen erfährt eine weſentliche
Neugeſtaltung. Ein langer Molenbau wird fertiggeſtellt, der dem Haſen einen ſicheren
Schutz gegen den Strelaſund gewähren wird.
Symboliſch, gleichſam wie monumentale Zeugen des großen Ambruches, werden die
Bauwerke der Reichsautobahnen, der Deutſchen Alpenſtraße, des Rügendammes als Aufbau.
werke in Zukunft hervorragen. Aeberall im Deutſchen Reich wird an dieſen Rieſenbau—
14 Müünſter / „Ritter, Tod und Teufel“
werken mit Fleiß und Hingabe gearbeitet, an dieſen Bauwerken, die in ihrem Ganzen
weit mehr find als Arbeitsbeſchaffungsmaßnahmen. Der volle Segen und die volle
Niltzlichkeit dieſer großen Bauvorhaben für unfer deutſches Volk wird aber erft nach ihrer
Fertigſtellung voll und ganz in Erſcheinung treten.
arl Münster:
1 „Ritter, Tod und Teufel“
Der Ritter reitet in den Morgen.
Die Nacht, die Dämonen weckt und ſie über die dunklen Wege ſcheucht, fällt auch
manchmal in die Herzen der Menſchen, um die große Anruhe zu wecken, die in jedem
ſchläft. Dann ſtehen die großen Fragen in uns auf, die Fragen nach Weg und Ziel
und Sinn —, und die Fragen ſind auf einmal keine bloßen Fragen mehr, ſondern
Nöte, Forderungen und Entſcheidungen. And nur wenn Nacht in uns iſt, wenn die
Verlaſſenheit ihre ſchmerzenden Worte zu uns ſpricht, wenn wir der Zukunft gegen-
überſtehen, als wären wir eben erſt geboren, fürchterlich fremd, hilflos und allein
— nur dann werden die großen Schlachten in uns ausgekämpft, die ausgekämpft
werden müſſen, wenn wir weiter wollen, in die Höhe, in die Ferne, zu unſerer Be-
ſtimmung und unſerer Sendung, zu unſerem Werke. And wie nichts Großes in der
Welt entſteht ohne Qual, wie kein neues Leben wird, ohne daß ein Menih furcht
bar ſtöhnt, jo iſt es auch in uns. Was wäre eine Seele wert, die nur Blumen trägt,
niedliche bunte Blumen, ſorgſam umzäunt und mild umweht von Frühling, von
Frohſinn und Glück? Schlachtfelder müſſen unſere Seelen ſein, wo Gott und Teufel
kämpfen, wo Wunden aufbrechen und Waffen klirren, wo Not iſt, Niederlage,
Schmerz und Tod und Sieg. Wer niemals am Verzweifeln war, wer niemals ſich
über den Abgrund neigte, den letzten Tröſter der Menſchen, wer niemals an der
Grenze ſtand, im Aeußerſten, im Allerletzten —, wie will der je den Sieg in ſtarke
Hände und ein demütiges gewiſſes Herz nehmen?
Wohl dem, der nach durchwachter, durchrittener Nacht zu ſolchem Denken ge-
langt! Wohl dem, der ſolche Erkenntnis aus dem Kampfe trägt! Wohl dem, der
es vermag, ſtolz zu ſein und demütig zugleich. Wenn der Morgen durch Laub und
Schlucht bricht, wenn die große, geliebte Sonne die Welt wieder bunt macht und
das Herz hell, dann ſoll ſie die tapferen Kämpfer ſtark und gewiß finden, bereit zu
neuen Taten, zu denen das Schickſal ruft.
Der Ritter reitet in den Morgen.
Er reitet einem Tage zu, der ungewiß und weit vor ihm liegt, und von deſſen
Abend er nichts weiß. Lichter ſpielen durch die Bäume, ein Wind fährt von weither
durch ihre Blätter und läßt ſie erzittern. Er denkt an die Nacht, die hinter ihm
liegt, er denkt an Mühſal und Gefahr, an Schuld und Not vergangenen Kampfes.
So ſpricht er zu ſich in der großen Einſamkeit: So reite ich denn meinem fremden
Schickſal zu, das irgendwo an meinen Wegen wartet. Mein Herz iſt ſchwer von
dem Wiſſen um alles Elend und alle Süße der Welt, und meine Hand, die den
Miniter / „Ritter, Tod und Teufel“ 15
Speer hält, zittert noch manchmal leiſe, wenn die Erinnerung längſt verſunkener
glückvoller Nächte fie überweht. Wie weit iſt doch alles, was meinem Leben einſt
Sinn gab und einzigen Wert. Wo find die Frauen, die blonden, zarten, mit den
tiefen blauen Muttergottesaugen, und die anderen mit den roten Lippen und
bebenden Händen? Wo find die Blumen, die Kinder —, wo iſt alles das, was mich
lachen ließ und mir Licht in die Seele brachte? Wo ſind die Freunde, die Gefährten
toller und tiefer Stunden? Wie fremd bin ich meiner Jugend geworden. Wie über-
mächtig hat meine Aufgabe in mir alles verdrängt, was keinen Raum in mir mehr
haben darf! — Mein Hund Gehorſam und mein Pferd Kraft ſind die einzigen
Weggenoſſen, aber wenn ich zu ihnen ſprechen will, verſtehen ſie mich nicht. And ich
liebe ſie doch, weil ich ohne ſie meinen Weg nicht vollenden kann und weil ſie mit
mir meinem Werke dienen. Vielleicht reiten auf anderen Wegen unbekannte Rame-
raden in gleichem Dienſte zu gleichem Ziele. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß
ich weiter muß ohne Glück und Raft. Wie gern möchte ich meinen Kopf in hohes
Gras und ſommerliches Surren betten, wie gern möchte ich einer warmen Frauen-
ſtimme zuhören und fröhlich ſein! Es iſt mir anders beſtimmt, und ich beuge mich
willig der großen Stimme, die mich zum Kampfe ruft. And faſt vergaß ich ſchon,
daß auch meine Seele einſt zärtliche Träume träumte, daß mein Herz mich zu Heiter-
keit und Stille, zu Genügſamkeit und Liebe verführen wollte, daß auch ich einſt ſelig
und erſchüttert war, wenn ein hellauf blühender Baum vor blauem Horizonte ſtand oder
eine Frau mit dunkel gewordenen Augen und ſehnſüchtigem Munde zu mir ſich neigte.
Aber das Schicksal rief. And nun halte ich immer und immer feſt an meiner
großen Hoffnung wie an meinem Speer, und das Schwert Glaube weicht nicht von
meiner Seite. Ich brauche ja Schwert und Speer wie mein tägliches Brot, und
nicht nur dann, wenn die Genoſſen meiner ſtillſten Stunden wieder neben mir auf-
tauchen. Da ift der Zweifel⸗Tod, der hält mir das Stundenglas vor und redet zu
mir: Was kämpfſt du denn, was reiteſt du endloſe Wege, wenn der Himmel ſo grau
iſt und das Herz ſo ſchwer? Weißt du denn nicht, daß die Erfüllung des Lebens
nie im Kampfe liegt, ſondern in der Schönheit? Denkſt du denn nicht daran, daß
du niemals froh werden kannſt —, fei der Erfolg auch nod fo groß? Haft du ver-
geſſen, wie glücklich du warſt, früher, als du dich noch nicht auf den Weg gemacht
hatteſt, als die Mädchen dir noch lächelten und die Freunde dir winkten, als der
bunte Rauſch der Feſte feine Schleier um dich warf? Denkſt du nie mehr daran?
Wir Menſchen ſind alle ſo arm und eng, unſer Geiſt begreift nichts von der Weite
des Lebens, und unſere Seele faßt nicht eine Spur vom Weſen der Dinge. Was
hilft es, zu ſuchen, zu fragen, zu kämpfen? Was hilft es, auf unbekannten Wegen
in die Fremde zu reiten? Was hilft es, in Haß und Hader zu ſtehen? Was hilft
es, ein Ziel zu haben, eine Aufgabe, ein Werk, wenn du nicht glücklich biſt? —
And da ift auch der Gier⸗Teufel, der manchmal in meinem Rücken hockt und mir
die Ruhe des Herzens rauben will, die ich mir mühſam errang; und er ſpricht zu mir:
Die Jahre vergehen, immer wieder legt die erſte Wärme des Frühlings zarte
Blumenſchleier über die Erde, die noch müde iſt, immer wieder läßt der Sommer
16 Münfter / „Ritter, Tod und Teufel“
feine Reife und Wärme wie eine Gnade über die Welt gehen, immer wieder bricht
der Herbſt die Fülle und das Glück der früchtevollen Bäume in dunklem Sturm und
kältebringendem Nebel, und immer wieder verſöhnt der Winter die Elemente, die
ſich bekämpften, und die Farben des Jahres, die gegeneinanderdrängten, mit leiſem
Flockenfall. Ja, die Jahre vergehen, und du biſt immer noch unterwegs und viel-
leicht immer noch am Anfange deiner Fahrt. Laß ab von dieſem Wege, der ohne
Sinn und ohne Ende iſt, bald iſt dein Leben um, und ſiehe: keine Sekunde iſt dir
gegeben, um ſie unnütz zu vertun, um ſie an allzuferne Dinge zu verſchwenden, weil
jede einmalig iſt und eine Koſtbarkeit! Du willſt nicht umkehren? So reite nur,
du armſeliger Träumer, reite Schritt für Schritt und klappe das Viſier hoch, weil
du keinen Gegner haſt! Ich denke, du willſt auf den höchſten Berg! Ich denke, du
willſt zum weiteſten Ziele! Ich denke, du willſt zur größten Burg! Warum preſchſt
du nicht dein Pferd Kraft, daß es blutet und ſchäumt? Warum biſt du nicht immer
und immer und immer zum Kampfe bereit? Warum haſt du nicht immer und
immer und immer Gegner? Warum nimmſt du dir Zeit, wenn du weißt, daß dein
Weg ſo weit iſt —, daß er über die Erde führt und vielleicht auch in die Hölle!
Du darfſt nicht in dir ruhen! Du darfſt nicht ſtillen Gedanken nachhängen! Du
darfſt keinerlei Gewißheit in dir haben, wenn du ein Lebendiger bleiben willſt!
Der Ritter reitet in den Morgen.
And er weiß tief in ſich: Ich reite meinen Weg, und Tod und Teufel fechten
iſt nicht mehr willig und oC mie ſonſt, manchmal zittert die Sand, die den
Speer Hoffnung hält, und das Schwert Glaube reibt mir die Seite wund —, ich
aber reite meinen Weg, von dem ich nicht weiß, wohin er mich führt. Wir Menſchen
ſtehen ja alle unter dem großen Vielleicht —, ob wir uns in Abenteuer ſtürzen
und Gefahr oder ob wir daheim hinter dem Ofen bleiben. Es dauert lange, ehe
man Irrlichter, die über Sümpfe wehen, von Sternen unterſcheidet, die in der
Anendlichkeit eines Himmels lächeln. Wer nach jedem Lichte greift, kommt vom
Wege ab und verſinkt im Sumpfe des Herdenglücks. Wer Zucht nicht und Demut
ſich erringt, dem bleibt der große Glaube nicht treu, und die Glut ſeines Wollens
brennt ihn zu Schlacke. Wer nicht den Kampf im großen und im kleinen zu
kämpfen gewillt iſt, kommt nie zum Werke. And wer nicht in der Gnade iſt, mag
zugrunde gehen. Ich weiß nicht, ob ich in der Gnade bin. Eins aber weiß ich:
daß irgendwo und irgendwann mein Werk auf mich wartet. Ihm reite ich entgegen
— Jahre und Jahre. Ich weiß nicht, ob es groß iſt oder klein, aber ich will
bereit fein zum Größten und Schwerſten und Bitterſten, zum Strahlendſten
und Allerletzten. Ich will der großen Stimme in mir würdig ſein, die mich zu
meinem Werke ruft. Ich will das Bild der fernen, hoben, lichten Burg, mein Ziel,
nie aus den Augen und aus der Seele verlieren. Ich will nur eine Bitte kennen
und nur ein Gebet:
Schickſal, gib mir ein tapferes Herz!
Der Ritter reitet in den Morgen.
Albrecht Durer
Ritter, Tod und Teufel
Selbstbildnis des Vierzehnjahrigen
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Prokſch / Svend Fleuron, der däniſche Löns 17
Rudolf Proksch:
Govend Sleuron, der dänische Löus
Thyra Jakſtein⸗Dohrenburg hat das Verdienſt, uns das Werk des Dänen Svend
Fleuron ins Deutſche überſetzt zu haben.
Svend Fleuron iſt einer jener weſentlichen Dichter des Nordens, deſſen Werk
noch unter der großen Gebundenheit unſeres Anfangs ſteht.
Die däniſche Inſel Möen iſt des Dichters engſte Heimat. Dort wurde er am
4. Januar 1874 als Sohn eines Rittergutsbeſitzers geboren.
Der Strand, die See, die Wälder und all das mannigfaltige tieriſche Leben
wurde ihm erſtes Erlebnis. Das Meer ſelbſt mag daran in ſeiner überwältigenden
Größe nicht geringen Anteil haben.
Aber ebenſo unendlich und überwältigend im Eindruck waren die Wälder. Rätfel-
haft in ihren Geheimniſſen, und doch wieder voll Leben, voll Werden, Sein und Ver-
gehen. Wie das Meer ſind ihm auch ſie Gleichnis von Leben, Wandlung und Ewigkeit.
So wachſen dieſe Erlebniſſe der Kindheit in ſeine Werke hinein. Dieſe Werke
aber ſind uns lebendige Zeugniſſe germaniſcher Lebensſchau
und muten uns zugleich an wie eine erſte, große Offenbarung der Gottheit. Ver.
hältnismäßig früh verläßt der Dichter die engere Heimat. Ein völlig anderer Lebens-
abſchnitt beginnt. Er geht in die Stadt, wird Soldat und Offizier. Aeber jene Zeit
ſchrieb er ſelber:
„And ich verließ den Wald und das flache Land, das ich ſo innig liebte, und ging
in die Stadt mit ihren Steinmauern und Pflaſterſteinen. Ich lebte da wie der
Hund in der Koppel
Lange Jahre hält ihn die Stadt. 1896 wird Fleuron Premierleutnant, 1911
Hauptmann. Die Jagd bleibt ihm in den Soldatenjahren die einzige Brücke zu der
Erlebnisatmoſphäre ſeiner Jugendjahre.
Was er ehedem fraglos in fih aufnahm, wird ihm nun Bewußtheit und Gr,
kenntnis. Das Tier bleibt ihm nicht mehr nur Erſcheinung — er erkennt das
Weſen des Tieres.
So reift in ihm die Kraft zur Geſtaltung von Tier und Landſchaft und, was
ſeinem Schaffen die beſondere Note gibt, die Kraft zur Geſtaltung des Verhältniſſes
von Tier und Menſch.
Im Jahre 1921 nimmt Svend Fleuron ſeinen Abſchied.
Sein Leben gehört nun ſeiner Berufung: Dichter der Wälder, der
Tiere, Dichter des großen, harten, nordiſchen Lebens und
Verkünder der Einheit von Menſch und Tier, Verkünder der
großen Gemeinſamkeitalles Lebendigen im nordiſchen Lebens
raum.
Nun iſt ſein ferneres Leben das eines Jägers und Dichters. Nur weil er in der
Natur wach und erkenntnisbereit lebt, kann er auch in ſeinen Werken aus der Natur
18 Prokſch / Svend Fleuron, der däniſche Löns
heraus über fie ſchreiben. So find ſeine Bücher echt und wahr und reif genug, um dem
Leſer Erlebnis zu werden und ihm, da er artgemäß iſt, wieder ein Stück eigenes
Selbſt zurückgeben. |
Geine Bucher
Eines feiner reifſten Werke ift zweifellos das Buch: „Sigurd Torleifſons Pferde“.
Es ſetzt dem wahrlich heroiſchen Leben des isländiſchen Pferdes ein verdientes Denkmal
und es gibt zugleich ein Zeugnis über das Verhältnis von Pferd und Menſch, geſtaltet
in einer hervorragenden Sprache die große Kameradſchaft von Bauer und Pferd, wie
ſie wohl Island allein noch und am ſtärkſten kennt.
Fleuron ſchreibt da an einer Stelle dieſes Buches:
„Er war ein großer Tierfreund und hatte viele Pferde. Er konnte ſich im übrigen
ein Geſtüt wohl leiſten — ſo beſaß er außer den notwendigen Arbeitstieren mehrere andere,
die noch nie benutzt waren oder einen Stall betreten hatten.
Er hielt auch freilich ſeine Pferde in Ehren! Sie verſchafften ihm nicht allein eine
jährliche Einnahme, indem er einige von ſeinen überzähligen Fohlen verkaufte, er wußte
auch genau, wie innig ſein ganzes Wohlbefinden und Leben mit dem der Pferde verbunden
war. Ohne Pferd kam er in ſeinem Lande nicht von der Stelle. Der kürzeſte Pfad
konnte ſich in einen unſeligen Amweg verwandeln, wenn man ſich nicht auf den Rüden ſeines
vierbeinigen Helfers ſetzte. Ein Stück Moor, ein brauſender Bergbach, eine Kette von Lava ;
blöcken reichten hin, um ihm, falls er zu Fuß war, den Weg zu verſperren. Ohne Pferd
keine Reifen, kein Ausblick, keine Erlebniſſe — und des Lebens auf Island dann nicht wert.“
„Torleif umgab denn auch ſeine Flyga mit ganzer Innigkeit und allem Verſtändnis,
das jeden Bewohner der alten Sageninſel mit ſeinem Reitpferd verbindet.“
Noch ſtärker faſt vermögen die nachſtehenden Worte die Bedeutung des Pferdes
und das Vertrauen der Isländer zum Pferde auszudrücken:
„Eine Reife nannte man jede Fahrt zu Pferde, und die Gattin küßte ihren Gemahl
zärtlich ein jedes Mal, wenn er von dannen ritt. Man hegte keinen Zweifel, wohl zurück
zukehren — und doch: es wußte niemand, was geſchehen konnte. Es waren die Pferde⸗
hufe, auf die man ſich ganz verlaſſen ſollte!“
Pferd und Mann ſinddortobeneine Einheit. Davon ſpricht Svend
Fleuron in wenigen Worten, und doch ſcheinen uns dieſe wenigen Worte eine der
tiefſten Wahrheiten unſerer germaniſchen Lebensauffaſſung zu verkünden, da er ſchreibt:
„Skulis ganze Lebensfreude war mit ſeinen Pferden verknüpft, und ließ er ſich einmal
über dieſe aus, ſo bemächtigte ſich ſeiner eine unaufhaltſame Redſeligkeit. Er hielt das
Pferd für das ſchönſte Geſchöpf nächſt der Frau — und nannte es „das Tier des Mannes
vor allen anderen“! Ohne Pferde fühlte er ſich einſam und von der Umgebung abgeſchloſſen,
er fab nichts, hörte nichts ...“
Ein Denkmal des innigen Verhältniſſes von Bauer und Pferd iſt dies Buch.
Zugleich aber auch eine ungeheuer packende Schilderung des Landes — ein gewaltiges
Bild Islands — der heimlichen Sehnſucht aller irgendwie dem Norden verbundenen
Menſchen.
Einige treffende, ſtark und bildhaft wirkende Stellen über Island vermögen hier
ſeine Geſtaltungskraft nur anzudeuten:
Prokſch / Svend Fleuron, der däniſche Löns 19
„Ein Land in Stein — und doch bebaut von Männern, die gleich kleinen Königen
auf ihren Höfen figen. Mit einer Ellbogenfreiheit um ſich her wie um die Sagazeit. Ein
kurzes Stück Automobilſtraße hier und da, nur eines Fadens Länge im Verhältnis zu den
Tauſenden von Kilometern, die ein Reitweg mißt. Sonſt keine Landſtraße und keine Eijen-
bahn, der hier zu reiſen gedenkt, reiſt auf alte Herrenweiſe, hoch zu Roß. And dabei
geht es hinab über Sümpfe und hinauf über Berge, durch Heide und Flüſſe — jeder
Tag birgt ein Erlebnis der Arzeit in ſich.“
„Island iſt das Land des Ernſtes — und um die Winterszeit erreicht der Ernſt ſeinen
Höhepunkt.
Von den Gipfeln des Schneebergs, wo er überſommert hat, kommt der Winter ge-
ſchritten, um Alt und Jung zu ſtählen und die Brut zu prüfen; nur die Nachkommenſchaft,
aus Erde und Sonne erſchaffen, die ſeiner erdrückenden Amarmung ſtandzuhalten vermag,
ſoll des langen Lebens teilhaftig werden.“
Wie fein er die Stimmungen dieſes nordiſchen Eislandes zu ſchildern vermag,
möge der nachfolgende Auszug beweiſen:
„Das Tagen ſchritt ſchnell voran — und niemals erſtand Bildaberg in ſo behutſam ab⸗
geſtimmten Farben, wie wenn die Morgenſonne es mit ihren erſten Strahlen ſegnete, dazu
waren die arafigen Lehnen von zarteſt feinem Grün geſtreift, die Felshänge glänzten im
wärmſten Violett, goldene Flecken wurden aus den Heidemooren gezaubert, fogar die
Dampfſäule einer kochenden Quelle dicht daneben ſetzte ſich eine Glorie von Licht als Krone
aufs Haupt.
Auf der ſonnenloſen Seite kämpft lange Zeit das Lavabraun mit Felsſchwarz; aber
mehr und mehr gewinnen klare, gelbliche Farbtöne die Oberhand, während die Wolkenketten
des Horizonts weißverbrämt aus dem Dämmer treten. Die Eishauben der Schneeberge
beginnen zu glitzern und zu ſchimmern, blendende Strahlenflimmer ſchießen in ſpiegelnden
Tropfen und unter wahren Lidterplofionen von den ewigen Schneefeldern der Zinnen auf.
Dann taſtete auch der Hof ſich aus dem Halbſchlummer der hellen Nacht in den Tag
hinein, der erſte Feldhalm fing das Sonnenlicht ein und ergrünte in Regenbogenfarben, der
Roßfelſen entſchleierte ſeinen Buckel, ſeine Gergheide betupfte ſich und der Himmel er-
glänzte in einem kalten, hellblauen Schein.“
Ebenſo ſtark und bedeutſam wie eigenartig iſt auch der Roman „Die Färſe vom
Odinhof“. Hier iſt die Geburt eines Kalbes, ſein Schickſal, ſein Weg zur berühmteſten
Kuh Dänemarks und nicht minder das Verhältnis der jeweiligen Beſitzer zu dieſer
Kuh meiſterhaft geſchildert.
In dieſem Werk Fleurons können wir den Bauern als den
großen Gehilfen Gottes erkennen, der das Leben pflegt, hegt und
ſchützt — um des Lebens Ewigkeit und Vollendung.
Der germaniſche Bauer hat im Tier das Leben in ſeinem Geſetz erkannt, und hat
aus dieſer Erkenntnis der inneren Bedingtheit des Tieres dieſes gezüchtet.
Die Zucht des Lebens war ſeit Anbeginn die Aufgabe der nordiſchen Raſſe —
und wie ehedem der germaniſche Bauer ſich ſelber unter dieſes Geſetz geſtellt, ſo
hat er — ebenfalls ſeit Anbeginn — das Tier, das er ſich als Haustier gezähmt,
gezüchtet in der Erkenntnis ſeiner, d. h. des Tieres Artbedingtheit.
20 Prolſch / Svend Fleuron, der däniſche Löns
Seine Naturſchilderungen ſind voll Lebendigkeit und voll Farbe. Eingeſtreut
in feine Tiergeſchichten, Rahmen und Hintergrund zu dieſen, wirken fie wie Perlen in
unſerem Schrifttum und find Zeugen einer feinen und empfindſamen Seele. Da leſen
wir in „Strix“ — der Geſchichte eines Ahus — über die blühende Heide:
„Die bisher ſo eintönige Fläche der braunen Heide zaubert jetzt auf einmal die ſieben
Farben des Regenbogens vor Augen — und ſo gewaltſam iſt die Blüte, daß gleichſam
ein Nebel von Violett von allen Hügeln und Schluchtenrändern aufſteigt. Die Heidel-
beere wird ſchwarz, die Preißelbeere wird einmacherot und die Blaubeere tiefblau wie
ein Nachthimmel. Auf den kahlen Stellen des Renntiermoſes ſtreckt der Bärlapp feine
weißlich⸗gelben Staubfäden in die Höhe, und rings umher on den Ufern des ſeichten Moors
ſchimmert es roſtrot von rundbldttrigem Sonnentau
Oder er ſchildert die Nacht, wie ſie vom Wald aus das Land erobert:
„Die Nacht nimmt den Wald in Beſitz, entreißt ihn dem Licht, das in der Ferne
entweicht; ſie hüllt die Millionen von Blättern in ihre ſchwarze, eintönige Finſternis. And
nun ſchleicht ſie ſich über den Waldraum, tritt aus, wie es von dem Wild des Waldes
heißt — tritt aus, an Hecken und Gräben entlang, ſchiebt ſich vor über Aecker und Wieſen,
wo der Widerſchein des Sonnenunterganges noch liegt und als letzte Rückzugsſtellung
Wachdienſt tut.
And ſo umfängt ſie das Grundſtück jedes Bauern, die Felder jedes Kirchſpiels, die
Aecker jedes Gutes; ſie erobert das ganze Land zurück von dem Licht und gibt es ihrem
großen Finſterniskind, der Eule.“
So belauſcht er Tier und Pflanze, erlebt Tag und Jahr, Sonne und Nacht und
ſchildert all dies ſchlicht, lebendig, meiſterhaft.
*
Da wir hier nur auf einige Werke des Dichters hinwieſen, haben wir damit kein
Werturteil gegen die nichtgenannten Werke ausgeſprochen.
Weſentlich und von überragender Bedeutung ſind für uns
die beidenerſtgenannten Romane. Seine weiteren, ſehr zahlreichen Tier-
romane und Erzählungen find gleich wertvoll und eigenartig. Dieſe beiden erft-
genannten Werke aber bezeugen uns Svend Fleuron als den Mittler zur Erkenntnis
des germaniſchen Weſens, als den Mittler zur Erkenntnis der nordiſchen Art. Er
iff einer der bedeutſamſten im Kreiſe der nordiſchen Dichter,
und wir können ihn mit guter Berechtigung aus den obig on:
geführten Gründen neben Knut Hamſun und Gunnar Gunnars.
jon nennen.
Denn ſein Werk iſt — gleich dem Werk dieſer — ein Pfeiler mit an der großen
Brücke zur Gemeinſchaft der germaniſchen Völker.
(Alle Werke erfHicnen im Eugen⸗Diederichs⸗Verlag, Jena.)
Kleine Beiträge 21
Seuvcithen die Dichtern zu Oſteen
Das Riel See Klaſſe?
Herr Dr. Hermann Pongs, Profeſſor an
der Techniſchen Hochſchule in Stuttgart, hat
es für notwendig gehalten, im „Inneren
Reich“ einen Aufſatz über die Lyrik der Zeit
loszulaſſen. Er meint darin unter anderem,
daß Gerhard Schumann wirklich ein
Dichter der Jugend ſei, aber als ſolcher ein
typiſcher Vertreter des Bürgertums; daß
Eberhard Wolfgang Möller in der Tat
Erſchütterndes gedichtet habe, aber leider
ſtamme das Beſte gerade von George und
Otto Braun; daß Wolfram Brockmeier
Vorzüge beſäße, vielfach aber im Stil des
Juden Liſſauer ſchreibe. And ſolche Aeuße⸗
rungen laſſen zweifellos aufhorchen.
: Aber zur Entſchuldigung des Herrn
Pongs ſei doch gleich hinzugefügt, daß er
damit offenſichtlich unter keinen Amſtänden
böſes Blut machen will. Wie ſoll er auch?
Er beſchäftigt ſich ja mit dieſen Dingen
lediglich aus wiſſenſchaftlichem Intereſſe.
Freilich hält er die Wiſſenſchaft noch immer
für eine Angelegenheit der vorurteilsfreien
Zergliederung in Einerſeits und Anderer-
ſeits. Wir müſſen das ſchon deshalb an-
nehmen, weil wir ſonſt die in jenem Aufſatz
angewandte Methode lediglich für einen
Charakterſehler des Herrn Pongs halten
müßten. And Herr Pongs verrät doch an
anderen Stellen ſeiner Veröffentlichung ſo
gutmütige und liebenswürdige Weſenszüge!
Er beweiſt doch eine ſo rührende Sorge um
unſere Dichter! Ja, er verrät ihnen ganz
uneigennützig den Weg, den fie nach Bor-
ſchrift der deutſchen Hochſchulwiſſenſchaft
gehen müſſen, wenn ſie zu Oſtern verſetzt
werden ſollen. Gebt acht! ruft er. „Gefahren
leine beiträge
überall!“
fährlich!
Ja, hochzuverehrender Herr Profeſſor!
(Wenn es erlaubt iſt, Ihren Geiſt hier ein-
mal perſönlich aus dem beſſeren wiſſenſchaft ;
lichen Jenſeits zu zitieren, in das er zweifel⸗
los gehört.) So ſind Sie, und ſo müſſen
Sie ſein, nach dem Geſetz, nach dem Sie
Ihre Profeſſur angetreten. Werden Sie
uns aber erlauben, Sie hiermit höflichſt da-
von in Kenntnis zu ſetzen, daß ſich die Ge⸗
ſetze inzwiſchen etwas geändert haben.
Natürlich, Sie ſcheinen nicht viel von dieſer
Aenderung zu halten. Wenigſtens nicht für
die Dichtung. „Wohl kommt der Ambruch der
Werte im Neuen Deutſchland dem cnt-
gegen, vermag bis tief ins Anbewußte hinab
die alten Grundmächte des Volkstums zu
beleben und zu kräftigen.“ Haben Sie recht
verbindlichen Dank für dieſen Satz liebens⸗
würdiger Anerkennung! Aber leider fahren
Sie ja fort: „Dennoch. ...“
„Gefahren überall!“ ſchreiben Sie. Hupen
ijt leider laut Polizeiverordnung für Ber-
lin und Amgebung nur unter den ſtrengſten
Einſchränkungen geſtattet. „Woher ſollte der
Arbeiter das politiſche Urbid nehmen ...?“
Freilich, freilich, Profeſſor Pongs, wir ver-
ſtehen ſchon! O ja, Sie ſind ein „Arbild“,
wenn Sie auch aus etwas „vernebelten
Gründen“ zu ſtammen ſcheinen. Natürlich
ſteigen die Arbilder, wie Sie am Schluſſe
Ihres Aufſatzes ganz richtig ſagen, immer
nur aus vernebelten Gründen auf. Aber
warum meinen Sie denn, daß es nicht mög-
lich fein ſollte, fih ſelbſt zu „erlöſen zur voll-
erfüllten Exiſtenz?“ Deshalb brauchen Sie
noch lange keine „Götter heranzubefehlen“.
Freilich, vollerfüllte Exiſtenzen dürfen
weder hupen, noch überhaupt Auto fahren,
O Gott, wie iſt das Leben ge⸗
22 | Kleine Beiträge
vor allen Dingen wegen der „Bildungs-
bilder“, die ihnen die Sicht undeutlich zu
machen pflegen. Es könnte ja auch ein ſolcher
unter dieſen Amſtänden „das Gefühl er-
löſend einſchwingen laffen” und den „Kos-
mos gleichſam zudecken“ mit ſeinem Wagen.
And das wäre bedauerlich, weil die „hier
gemachten Erfahrungen“ (wie Sie in Ihrem
unnachahmlichen Stilgefühl ſchreiben) doch
fehr unangenehm ſein könnten.
Sie ſehen, Herr Profeſſor, wir haben uns
in Ihre Terminologie ausgezeichnet cin-
gelebt. Das iſt auch keine Schwierigkeit,
weil Ihre Sprache nicht minder blumen-
reich iſt, als Ihre Denkart. Wir möchten
bloß wiſſen, was für ein Komplex Ihnen
in die ſalſche Kehle geriet? Denn ganz mit
rechten Dingen kann die Sache doch eigent-
lich nicht zugehen.
Noch einmal: zugegeben, daß Ihr Aufſatz
wirklich gut gemeint iſt. Aber dann iſt das
doch auch keine Entſchuldigung für Ihre
mangelhaften Klaſſenleiſtungen. Oder halten
Sie diejenige Literaturwiſſenſchaft wirklich
für ſo wichtig, die ihre Hauptaufgabe darin
ſieht, lebenden, toten, halbtoten und ſchein⸗
toten Dichtern ein Etikett entſprechend ihrer
wiſſenſchaftlichen Klaſſifizierung auf den
Popo zu kleben? Sehen Sie, Sie inter-
eſſieren ſich bei Möller, Brockmeier und
Schumann lediglich für die Frage, ob ſie
der „Geiſtdichtung“ dem „Vierten Stand“
oder der „Sachlichkeit“ zuzurechnen ſind.
Wie wäre es denn, wenn wir Sie deshalb
für höchſt unſachlich halten würden, zumal
wir den Vierten Stand, ebenfo wie die drei
anderen, nicht mehr kennen? Wir inter⸗
eſſieren uns im Gegenſatz zu Ihnen wefent-
lich mehr für die Dichtung der Dichter.
And ſo kommt es, daß wir uns für Sie gar
nicht intereſſieren würden, wenn Sie nicht
fo verteufelt geiſtreich zu fein ſchienen. And
da gelangen wir zu dem Schluß, daß Sie
zwar, wie viele Oberlehrer und Profeſſoren,
gar zu gern einmal „dem Ani verſum
fauſtiſch begegnet ſein“ möchten. Ans aber
ſicherlich nicht: denn wir find gefährlicher
als das Univerfum, wie Sie an dieſen
Zeilen ſehen. Aeberhaupt: Rette ſich, wer
kann! „Gefahren überall!“
Ihre ganzen Theorien und Etikette, ein:
ſchließlich des völlig unabſehbaren Begriffs
„Geiſtdichtung“ und der anderen Formulie-
rungen, die Bürgertum, Arbeitertum und
ſoldatiſche Haltung betreffen, ſcheinen uns
der reinſte und haarſträubendſte Anſinn zu
ſein. And das liegt vermutlich weniger an
uns als an Ihnen. Deshalb würde es ſich
vielleicht empfehlen, künftighin auch mit
Ihren übrigen Arteilen vorſichtiger zu ſein.
Was ift das überhaupt für eine meré-
würdige Sache? And wie kommen Sie denn
zu dieſen Arteilen? Sie glauben, unter dem
Deckmäntelchen der Wiſſenſchaft. Aber was
iff denn an Ihren Urteilen objektiw und
wiſſenſchaftlich? Wir können nichts daran
entdecken. Im Gegenteil, alle Ihre Begriffe
find eine fo unkontrollierbare Philoſopha ;
ſterei und haben ſo wenig den Boden der
Realität unter den Füßen, daß man ſich gar
nichts Anwiſſenſchaftlicheres denken kann.
Etwa, wenn Sie „Mythos“ und „Mytho.
logie“ unterſcheiden und Möllers Gedichte
mythologiſch nennen. Man könnte mit eben-
ſoviel Recht den anderen Begriff für dieſe
Gedichte in Anſpruch nehmen. And wenn
man dazu nicht beſſere Beweiſe als Sie
brächte, wäre man damit ebenſo unwiſſen ·
ſchaftlich.
Es iſt höchſte Zeit, daß dieſe ganze Art
der Literaturwiſſenſchaft, die Sie vertreten,
endlich einmal ein wenig vorſichtiger und
beſcheidener wird. Auf jeden Fall ſollte
ſie ſich bemühen, den Fleiß, den ſie auf die
ſinnloſe Zerſtückelung unſerer Dichtungen
verwendet, erſt einmal auf den Nachweis
ihrer eigenen Aufgabe und Berechtigung zu
richten. Denn dieſe Berechtigung iſt nicht
jo ſelbſtverſtändlich, wie es Ihrem Anſpruch
erſcheint. And auf jeden Fall iſt ſie nicht
damit einfach vorhanden, daß Sie ſich als
die den Dichtern vorgeſetzte Inſtanz fühler
Außenpolitiſche Notizen 23
und ihnen ununterbrochen auf die Finger
Hopfen, weil fie nicht Ihren unverſtändlichen
Theorien entſprechen.
And noch eins, Herr Profeſſor: Sie ſchei⸗
nen, wenigſtens mit Möller und mit Brod-
meier, nicht einverſtanden. Aber warum
ſagen Sie uns denn das nicht ganz offen?
Warum machen Sie aus Ihrem Herzen eine
Mördergrube? Sehen Sie, wir z. B. find
doch wenigſtens inſofern anſtändige Men-
ſchen, als wir eindeutig ablehnen, wo wir
jemanden nicht leiden können, und eindeutig
zuſtimmen, wo uns jemand ſympathiſch ift.
And wenn Ihnen dazu der Mut fehlt, hätten
Sie doch noch die allerbeſte Möglichkeit ge-
habt, überhaupt zu ſchweigen. Worüber wir
Genoſſe Litwinow beite in
London
Als die Weſtmächte trotz aller Warnungen
Sowjetrußland in den Völkerbund aufnah⸗
men, ſchrieb der ungariſche Politiker Graf
Bethlen mit Recht, man hätte das „Troja⸗
niſche Pferd“ nun endgültig in die Mauern
gezogen. Anüberſehbar können die Folgen
dieſes unüberlegten Schrittes ſein. Herr
Litwinow wurde ſogar hoffähig, er mar-
ſchierte als der perſonifizierte Treppenwitz
der Weltgeſchichte frech im Trauergefolge
des verſtorbenen engliſchen Königs Georg,
des Königs, der den abſcheulichen Tod des
ruffiſchen Zaren nie verwunden hatte!
Frankreich ſpürt ſchon die Folgen in ſeiner
Innenpolitik, die es mit feiner Sowjet⸗
politik herausgefordert hatte. Aber wie
lange mag es dauern, bis man dort eben-
falls erkennt, welchen Wolf im Schafpelz
man ſich zum Freund erwählt hat?
uns unſererſeits beſtimmt nicht aufgeregt
hätten.
Ach, möchten Sie es doch rundheraus
ſagen, daß Sie etwas gegen unſere Dichter
haben! Das würde dann zwar auch nur
gegen Sie ſprechen und die Dichter nicht
beläſtigen, die nicht für Sie geſchrieben
haben. Aber es wäre doch noch ein klein
wenig ſympathiſcher geweſen.
Nun indeſſen zwingen Sie uns, rund-
heraus zu ſagen, daß zwar einerſeits Ihrem
„Sprachgrund die frei quellende Fülle“ fehlt,
daß wir aber andererſeits bei Ihrer gänz-
lich liberaliſtiſchen Methode, Dichtungen zu
zerpflücken, auch nicht einſehen, woher Sie
Ihre Daſeinsberechtigung ableiten wollen.
Dr. Heinz Schwitzke.
Allmählich ſcheint ſelbſt in der Schweiz zu
dämmern, was der Bolſchewismus für
Europa bedeutet. Das „Berner Tagblatt“
vom 18. März ſchreibt z. B. unter der Aeber⸗
ſchrift „Flandins Freund Litwinow“ unter
anderm: „Mit größter Entrüſtung haben die
ruſſiſchen Delegierten in Genf den Völker
bundspakt verteidigt, als Italien ihn ver-
letzte, jetzt ſpielen ſich in London die Send-
boten Moskaus erneut als Hüter des Rechts
auf, um den Pariſer Freunden den ge-
wünſchten Gefallen zu erweiſen, ſo wie man
früher die engliſchen Sympathien nicht ver-
ſcherzen wollte. Das Betrübliche bei der
ganzen Geſchichte iſt nur die Tatſache, daß
immer wieder Gimpel auf den Leim kriechen
und die Worte der Genoffen Litwinow und
Konſorten als bare Münze nehmen, die wirt-
lich glauben, daß die „proletariſche Demo-
kratie“ in Rußland mehr als ein ſchönes
Wort für die gutgläubigen Ausländer ſei,
die vergeſſen, daß die Sowjets den Gedanken
24 Außenpolitiſche Notizen
der kommuniſtiſchen Weltrevolution aud
heute propagieren, wenn auch mit andern
Mitteln als früher: heute ſpielen ſie ſich
als Freunde der Demokratie und Feinde des
Faſchismus auf, gründen Linksgruppen wie
die „Volksfront“ in Frankreich und Spanien,
um langſam, aber wirkungsvoll getarnt, zu
wühlen.“ Wie man ſieht, hat das Schweizer
Blatt die Sowjetpolitik klar durchſchaut
und, was noch wichtiger iſt, es ſcheut ſich
nicht, das offen auszusprechen.
Der Genoſſe Litwinow aber verteidigte
vor dem Völkerbund in London die fran⸗
zöſiſchen Forderungen voll und ganz und
bemühte ſich eifrig, Mißtrauen und Argwohn
gegen die Deutſche Regierung zu ſäen. Er
behauptete z. B., daß der Vorſchlag Deutfd-
lands, mit jedem Staat Nichtangriffspakte
abzuſchließen, nur den Zweck habe, ſich den
Rücken zu decken für einen Angriff nach
anderer Richtung. Ein ſolches Syſtem könne
nur die Sicherheit des Angreifers, nicht aber
jene der „friedliebenden Staaten“ erhöhen.
Es kommt aber noch ſchöner. Ueber die
Rückkehr Deutſchlands in den Völkerbund
ſagte er wörtlich folgendes: „Wir werden
uns zu der Rückkehr Deutſchlands in
unſern Kreis () beglückwünſchen, wenn
wir die Aeberzeugung erhalten, daß das
Reich die elementaren Grundſätze anerkannt
hat, auf die ſich der Völkerbund ſtützt. In
dieſem Augenblick haben wir jedoch zu friſche
Erinnerungen an die einſeitigen Verletzun⸗
gen durch Deutſchland von internationalen
Verpflichtungen und an deſſen Weigerungen,
ſich dem in den internationalen Verträgen
vorgeſehenen Beilegungsmethoden zu unter-
ziehen.“
Das wagt ein Mann zu ſagen, der als
ein Exponent der bolſchewiſtiſchen Welt-
revolution zumindeſt indirekt an den Un-
ruhen und Gewalttätigkeiten beteiligt iſt,
die die Welt erſchüttern! Wer ſteckt in
Spanien die Kirchen in Brand? Wer wühlt
in Süd: und Mittelamerika? Wer unter-
höhlt den chineſiſchen Staat? Seit Jahren
verſorgen Sowjetagenten die Roten Armeen
in China mit Waffen und Munition, ſo daß
das Rieſenreich nicht zur Ruhe kommen
kann. Sowohl in Zentralaſien als auch im
Fernen Often ſtehen die Ruffen genau fo
als Eroberer wie die andern Kolonial-
mächte. Niemand im Fernen Oſten hat die
Koſaken gerufen! Aber Sowjetrußland be-
ſchränkt ſich nicht auf ſein eigenes rieſiges
Kolonialgebiet im Fernen Oſten, es greift
über feine Grenzen hinaus, um ſich Teil-
gebiete feiner Nachbarn anzugliedern. Der
Angriff in dieſen Gebieten gilt vor allen
Dingen (nachdem die Mandſchurei an Japan
verloren ging) der äußeren Mongolei und
Tannutuwa, fowie Singkiang (Chineſiſch⸗
Oſtturkeſtan). Das iſt weit mehr als Japan
bisher an chineſiſchen Gebieten eroberte.
Sowjetrußland ift alfo der letzte, der ſich
darüber aufregen dürfte. „Die Sowjet⸗
bünde ſitzen alſo mit dem ſo herb angepran⸗
gerten „Imperialismus“ auf einer Stange.
Wozu dann der Lärm oder „cant“?“, ſchreibt
Karl Haushofer in ſeinem indopazifiſchen
Bericht in der Zeitſchrift für Geopolitik,
Januar 1936. Nach den letzten Berichten
ſtoßen zu den 30 bolſchewiſtiſchen Beratern,
die ſchon in der Provinz Singkiang an-
weſend find, noch weitere 30 Berater, um an
dem Aufbau der Sowjetverwaltung und an
der Organiſation der Roten Armee in Ging,
fang teilzunehmen. Die Sowjetagenten
arbeiten vornehmlich mit dem Argument, daß
die Bolſchewiſierung in den Weſtmächten
große Fortſchritte gemacht habe und daß
dieſe Regierungen China gegen feinen Erb-
feind Japan unterſtützen würden. Ein be
liebtes Propagandamittel fol auch die Ver-
breitung von Lichtbildern ſein, die die Di⸗
plomaten der Woſtmächte in freundſchaft⸗
lichen Geſprächen mit Sowjetgrößen zeigen!
Ob ſich das Herr Flandin hat träumen
laffen, daß mit feinem Bild in China Pro-
paganda getrieben wird? Aber das ſcheint
die Freundſchaft zu Litwinow keineswegs
zu trüben. Genoſſe Litwinow treibt einſt⸗
weilen weiter hohe Politik.
Außenpolitiſche Notizen 25
Auf Rofen des fnausöſiſchen
Spates !
Bekanntlich hat die franzöſiſche Republik
vor dem Krieg dem zariſtiſchen Rußland ſehr
viel Geld geliehen in Form von Anleihen,
die von dem kleinen franzöfiſchen Sparer und
Rentner gegeben wurden. Der Franzoſe iſt
ja im allgemeinen als ein ſparſamer Mann
bekannt, dem nichts höher gilt, als ein ge-
fiderter Lebensabend, deſſen Einkünfte aus
den Zinſen der vielen Anleihen beſtehen, die
er im Ausland möglichſt fider untergebracht
wiſſen will. Die Vorkriegsanleihen an Rup-
land wurden zum größten Teil in die
ruſſiſche Rüftungsinduftrie und in den Bau
ſtrategiſcher Bahnen geſteckt, die dem Auf-
marſch gegen Deutſchland dienten. So diente
das Geld in idealer Weiſe gleich einem
doppelten Zweck: einem wirtſchaftlichen und
einem militärpolitiſchen.
Nac der bolſchewiſtiſchen Revolution wei-
gerten ſich die neuen Machthaber in Moskau
hartnäckig, die Schulden aus zariſtiſcher Zeit
anzuerkennen und zurückzuzahlen. Der fran-
ide Sparer hat damit Milliardenverlufte
erlitten. Doch mit der Wiederanknüpfung
der Beziehungen zwiſchen Frankreich und
Sowjetrußland regte ſich eine neue Hoff-
nung der franzöſiſchen Anleihebeſitzer nach
Rückzahlung ihrer Vermögen. Es handelt
ſich dabei um geradezu ungeheure Summen.
Die Organiſationen der geprellten franzöſi⸗
ſchen Sparer haben jetzt eine kleine Bu-
ſammenſtellung der Beträge veröffentlicht,
die nach ihrer Ermittlung der franzöſiſche
Rentner an Rußland verloren hat.
Danach beziffern ſich die Staatsanleihen,
die Rußland vor dem Kriege in Frankreich
aufgelegt hat, auf 11 202 Millionen Gold-
franken oder rund 56 Milliarden Papier-
franken.
meindeanleihen 535 Millionen Goldfranken
oder 2675 Millionen Papierfranken, an An-
leihen privater ruſſiſcher Gefellſchaften 2500
Millionen Goldfranken oder 12 500 Mil-
lionen Papierfranken. Die feit 1918 ge-
Dazu kommen an ruſſiſchen Ge⸗
ſchuldeten Zinſen und Amortiſationen be⸗
laufen ſich auf 7786 Millionen Gold oder
38 930 Millionen Papierfranken. Zu dieſen
22 023 Millionen Gold. oder 110 115 Mil-
lionen Papierfranken kommen noch für von
den Sowjets beſchlagnahmte Güter, Beſitz⸗
titel, Ausbeutungsrechte uſw. 7000 Millionen
Gold- oder 35 Milliarden Papierfranken,
und ſchließlich für niemals zurückerſtattete
Vorſchüſſe der Bank von Frankreich an den
ruſſiſchen Staatsſchatz 5930 Gold. oder 29 000
Millionen Papierfranken, ſo daß die Schluß⸗
ſumme nach der Aufſtellung der franzöſiſchen
Sparerorganiſationen faft 35 000 Millionen
Goldfranken oder runde 175 000 Millionen
Papierfranken ausmacht. Man kann ſich
denken, daß bei den Verhandlungen über den
franzöſiſch⸗ſowjetruſſiſchen Hilfspakt das
Argument der fehlenden Regelung der Vor-
kriegsſchulden Rußlands immer wieder
hervortrat. Die geſchädigten kleinen Sparer
haben nicht vergeſſen, wohin politifd-mili-
täriſche Bündniſſe mit Regierungen führen
können, deren Staatsanſchauung die Grund-
lagen der anderen Welt leugnet. Aber es
iſt bezeichnend, daß es der franzöſiſchen
Oeffentlichkeit nicht gelungen ift, bei Ab-
ſchluß des Sowjetpaktes eine Anerkennung
der ruſſiſchen Vorkriegsſchulden durchzu-
drücken. Die Kommuniſten denken nicht
daran, dieſe Schulden anzuerkennen.
In dem offiziellen Kominternorgan
„Rundſchau“ (Bafet) macht der Kommuniſt
Gabriel Péri (Paris) fogar eine
Gegenrechnung auf. Er ſchreibt unter anderm
folgendes:
„Das Argument der Schulden iſt nicht
ſtichhaltig, am wenigſten vom Standpunkt
des Völkerrechts. In der Tat haben die ver-
bündeten Mächte, im beſonderen Frankreich,
in den Jahren 1919—1921 Truppen in das
Gebiet der Sowjetunion geſandt, und dieſe
Truppen haben unmittelbare Rriegshand-
lungen begangen. Man muß unter anderem
an die Erſchießungen in Odeſſa, die von den
Franzoſen, und an jene von Batu erinnern,
die von den Briten verübt worden find.
26 Außenpolitiſche Notizen
Frankreich hat Kriegsſchiffe Rußlands be-
ſchlagnahmt, was gleichfalls eine Kriegs-
handlung bildet. — Im Verlauf dieſes
Krieges find Verwüſtungen verübt worden,
deren Wert ſich auf Dutzende Milliarden
Goldrubel belaufen. Schließlich find die ver-
bündeten Mächte beſiegt und aus dem Ge⸗
biet der Sowjetunion verdrängt worden.
Auf Grund dieſes Kriegszuſtandes war die
Sowjetunion berechtigt, die Vermögens-
zuſtände der verbündeten Mächte, ſowohl
Frankreichs wie auch anderer, gleich vom
Beginn der Feindſeligkeiten an zu beſchlag⸗
nahmen. Mehr noch, ſie war berechtigt, von
den Eindringlingen Entſchädigungen zu ver⸗
langen, um die Kriegsſchäden zu decken, mit
dem gleich Recht, mit dem Frankreich von
Deutſchland Reparationen verlangt hat.
Rechtlich ſchuldet die Sowjet-
union Frankreich nichts, und
ſicherlich iſt Frankreich der Schuld ⸗
ner, und eben deshalb beeilt ſich Frant-
reichs Regierung durchaus nicht, darüber
Verhandlungen anzuknüpfen.“
Wenn man das lieſt, dann muß man an-
nehmen, daß die Franzoſen noch froh ſein
können, wenn die Ruſſen den Spieß nicht
umdrehen und von Frankreich „Repara.
tionen“ verlangen! Vielleicht will die fran-
zöſiſche Regierung tatſächlich aus dieſem
Grunde eine Abrechnung der Schulden ver-
meiden. Aber fraglos geht dieſe Politik auf
Koſten des kleinen ſranzöſiſchen Sparers, und
man kann ſich denken, daß dieſer der neuen
Sowjetpolitik Frankreichs mit größtem
Mißtrauen gegenüberfteht. Schon hört man
von neuen Anleihewünſchen der Sowjet-
ruſſen in Paris. Aber der franzöſiſche
Sparer wird ſich heute wohl auf Grund
ſeiner früheren Erfahrungen hüten, noch ein⸗
mal fein Geld in ein derartig unfontrollier-
bares politiſches Geſchäft zu ſtecken. Wenn
es alſo der kleine Rentner nicht tut, wird
es wohl die franzöſiſche Regierung ſelbſt
tun müſſen, und zwar ebenſalls mit Steuer-
geldern des franzöſiſchen Volkes — alſo doch
auf Koſten des franzöſiſchen Sparers ?!!
kaſten ſitzt,
Die Lauſitzen Wenden und Die
Reichsiacswabi
Sachliche und unsachliche Stimmen zam
Wahlergebnis
Der „Bentov”, das Organ des tſchechiſchen
Miniſterpräſidenten, ſchreibt in feiner Aus-
gabe vom 1. April folgendes: „Im Laufiser
Bautzen wurden bei der Abſtimmung am
Sonntag (gemeint iſt die Reichstagswahl)
faſt 500 Stimmen gegen das herrſchende
Regime abgegeben. Dieſe Zahl oppofitio-
neller Stimmen hat die amtlichen Stellen
überraſcht. .. Nach zahlreichen offiziellen
Erklärungen, daß eine Lauſitzer Frage in
Deutſchland nicht beſtehe, hat das Ergebnis
der Abſtimmung vom Sonntag in der Laufitz
begreiflicherweiſe enttäuſcht, daher kann da⸗
mit gerechnet werden, daß das Vorgehen
gegen die Wenden nun varſchärft wird und
in der Richtung geführt wird, die letzten
Refte der wendiſchen Minderheit zu Ober,
tünchen und zu liquidieren.“
Hierzu ſei folgendes feſtgeſtellt: In der
Stadt Bautzen wurden bei der Reichstags -
wahl 27 322 Stimmen für die Liſte und da-
mit für den Führer und 494 Stimmen gegen
die Liſte abgegeben, alſo 181 v. H. Nein
ſtimmen. Dies ift der Reichsdurchſchnitt.
Hieraus aber eine „wendiſche Frage“ zu fon
ſtruieren und die Behauptung aufzuſtellen,
daß nunmehr ein ſcharfes Vorgehen gegen
die „Lauſitzer Minderheit“ bevorſtünde, ift
gelinde geſagt, mehr als kühn. Ganz ab-
geſehen davon, daß das neue Deutſchland
das wendiſche Volkstum als ſolches bejaht
und pflegt, ſollte gerade ein Blatt der
tſchechoſlowakiſchen Regierung mit der-
artigen Behauptungen ſehr vorſichtig ſein,
da man leicht geneigt ſein würde, das alte
Sprichwort zu zitieren: Wer ſelbſt im Glas-
werfe auf andere nicht mit
Steinen.
Im Gegenſatz zur Aeußerung des „Ven ⸗
kov“ iſt ein Artikel des tſchechiſchen natio-
naliſtiſchen „Poledni Liſt“ vom 1. April
intereſſant, der ſich obenfalls mit der Reihs-
tagswahl befaßt und in dem es u. a. heißt:
Außenpolitiſche Notizen 27
„Es ift ein verantwortungsloſer Leichtſinn,
die Bedeutung der Abſtimmung herab-
zuſetzen. Anſere Linksblätter ſchreiben ſchon
ſeit Jahr und Tag, daß Deutſchland aus-
einanderfällt, ſchreiben von Demonftra-
tionen, von Hunger und Aufruhr, ſie kannten
die Deutſchen nicht und kennen ſie auch
heute nicht. All dies find Märchen und Er-
findungen. Seit dem Hitlerregime gab es
in Deutſchland vier Abſtimmungen. Erſt⸗
malig bekam Hitler 21 Millionen, das zweite
Mal (Austritt aus dem Völkerbund) 40
Millionen, das dritte Mal 38 Millionen
und das vierte Mal 45 Millionen Stimmen.
Hieraus kann man keinen Abfall ableiten.
Ebenfalls belehrend iſt der Vergleich der
Gegenſtimmen: 3% Millionen, 4 Millionen
und heute nur 500 Tauſend. Ihr könnt von
den abgegebenen Stimmen abzählen ſoviel
ihr wollt, ſchreibt von Terror, der tatſäch⸗
lich geherrſcht haben ſoll —, die Tatſache,
daß 45 Millionen Wähler ihre Stimmen
zum Zeichen der Aebereinſtimmung mit der
Politik des Führers für ihn abgegeben
haben, kann nur ein Narr unterſchätzen.“
Wir haben dieſer objektiven Stimme
nichts hinzuzufügen. do.
Ottocben will „Zaudestäuft” `
werden
Seine Meinung über die Tschechoslowakei
und den Anschluß
Der Parifer „Exelſior“ veröffentlicht eine
Anterredung des franzöſiſchen monardifti-
ſchen Schriftſtellers Herzog Levis Mirepoix
mit Otto von Habsburg während deffen An-
weſenheit in Paris, wo er angeblich zahl-
reiche Beſprechungen mit verſchiedenen
Politikern hatte.
Otto von Habsburg ſprach diesmal aus-
führlich über die Tſchechoſlowakei. „Es ift
natürlich,“ ſo ſagte er, „daß ich große Sym⸗
pathien zur Tſchechoſlowakei habe. Mein
Vater liebte dieſes Land ſehr. Sobald er
konnte, hatte er den Ländern der Wenzels.
trone ihr nationales Statut angeboten. Der
Krieg und die Revolution verhinderten aber,
daß dieſe ſeine Geſte Früchte trug.“
Ueber den Anſchluß äußerte ſich Otto fol-
gendermaßen: „Ich bin überzeugt, daß der
Anſchluß ebenſo für die Tſchechoſlowakei wie
für Angarn eine Gefahr wäre.“ Zum Schluß
ſagte er, daß ſich die Donauſtaaten trotz
ihrer verſchiedenen Regierungsformen zu⸗
ſammenſchließen miiffen.
Ottos Sekretär, Baron Wiesner, der be-
kannte öſterreichiſche Legitimiſtenführer,
fagte dem franzöſiſchen Schriftſteller, daß für
Otto von Habsburg, wenn er in Oeſterreich
regieren werde, wahrſcheinlich der Titel
„Landesfürſt“ gewählt werde, obwohl Otto
ſelbſtverſtändlich den vollen Anſpruch auf
den Kaiſertitel hätte.
Es wird langſam zur Gewohnheit, daß
Otto von Habsburg ⸗Bourbon bei allen mög-
lichen und unmöglichen Gelegenheiten ſich
zum Ehrenbürger ernennen läßt oder mehr
oder weniger glückliche Interviews gewährt.
Was er in dieſem Falle ſagte, iſt beſonders
ergötzlich. Wenn Otto feſtſtellt, daß ſein
Vater „die Tſchechoſlowakei ſehr geliebt
habe“, ſo iſt demgegenüber zu ſagen, daß
während der Regierungszeit ſeines Vaters
dieſer Staat noch gar nicht beſtanden hat.
Das Angebot des „nationalen Statuts“ für
die Länder der Wenzelskrone, das Otto
ſelbſt als eine „Geſte“ bezeichnet, hat im
Gegenſatz zur Behauptung Ottos ſehr wohl
Früchte getragen: die den Habsburgern nicht
gerade freundlichen Tschechen haben diefe
„Geſte“ in ihrem Sinne aufgefaßt und ſich
einen Staat gegründet, der heute das Flug-
zeugmutterſchiff der Sowjetunion darſtellt
und durch deſſen Abſchluß eines Bündniſſes
mit der UDSSR dem Weltbolſchewismus
die Tür nach Mitteleuropa geöffnet wurde.
Derartige Erkenntniſſe ſcheinen allerdings
dem Gehirn eines Habsburgers nicht zu⸗
gänglich zu ſein. Dafür aber zerbricht man
ſich in Steenokerzel den Kopf, was für einen
Titel Otto als Herrſcher von Oeſterreich
tragen werde.
Er ijt es aber noch nicht. zo.
28 Vom Büchermarkt
Von Verſailles zur Wehrfreiheit. Die
Wiedererſtehung Deutſchlands als Grop-
macht. Eine Geſchichte des Kampfes um
Abrüſtung und Gleichberechtigung im
Jahre 1934/1935 in Dokumenten. Be⸗
arbeitet von Michael Freund. Eſſener
Verlagsanſtalt, Eſſen.
Im rechten Augenblick erſcheint ſoeben der
vorliegende Quellenband, der den diplo-
matiſchen Kampf des Führers um die
deutſche Wehrfreiheit und Gleichberechtigung
in den Jahren 1934/1935 an Hand der welt-
politiſchen Dokumente darſtellt. Zwei Do-
kumente, die der Bearbeiter mit Recht vor-
anſtellt, kennzeichnen die zurückgelegte Weg-
ſtrecke: Die Beſtimmung des Verfailler Ver-
trages, daß das deutſche Heer „nur für die
Erhaltung der Ordnung innerhalb des deut-
ſchen Gebietes und zur Grenzpolizei beſtimmt
iſt“ und das Wort des Führers vom
16. März 1935, „daß die Wahrung der Ehre
und Sicherheit des deutſchen Reiches von
jetzt ab wieder der eigenen Kraft der deut-
ſchen Nation anvertraut iſt.“ Dazwiſchen
liegen das Ende der Abrüſtungsbemühungen,
die Ablehnung aller deutſchen Vorſchläge, die
Wirrniſſe der Patte und die Durchfetzung
des deutſchen Lebensrechtes. Im Spiegel der
deutſchen und fremden Dokumente ziehen die
Etappen der Jahre 1934/1935 noch einmal
vor unſerm Auge vorüber und dokumentariſch
beſtätigt ſich, daß allein des Führers Kampf
für die deutſche Ehre und Gleichberechtigung
durch den Wald der Illuſionen, der Pakte
und Verſtändnisloſigkeiten die Lichtung qe-
ſchlagen hat. Er iſt allein den wahren Weg
der Geſchichte gegangen, gegen den die „dem
Kult des Rechts und der Religion des Ge—
ſetzes“ verfallene franzöſiſche Regierung ver—
geblich prozeſſiert. Ebenſo eindringlich
zeigen die Dokumente, in welchem Ausmaß
der deutſche Kampf um die Wehrhoheit zum
Hauptinhalt der europäiſchen Politik ge—
worden iſt. Er hat den Kampf um ein
neues Europa eingeleitet, deſſen Höhepunkt
wir heute zuſtreben. Der vorliegende Band
iſt ein Sonderdruck aus einem demnächſt er—
ſcheinenden weltpolitiſchen Quellenwerk, daß
den manniafachen ausländiſchen Dotu-
mentenſammlungen ein deutſches Werk
gegenüberſtellen will. Es will das welt—
politiſche Geſchehen durch ſorgfältigen Ab—
druck aller weſentlichen Dokumente und durch
erläuternde Zwiſchenterte veranſchaulichen.
Eine Aeberſicht aller Dokumente mit ſorg⸗
ſamer Angabe der Druckorte fol die wifjen-
ſchaftliche Brauchbarkeit ſichern. Es wird
ſich erſt nach Erſcheinen des geſamten Werkes
beurteilen laſſen, ob es gelungen iſt, das
notwendige und wertvolle nat ionalpolitiſche
Rüſtzeug zu ſchaffen, das hier in Ausſicht
geſtellt iſt. Die Auswahl der Dokumente
im Sonderdruck iſt ausgezeichnet. Der
Zwiſchentert ließe ſich im Hinblick auf das
hohe Ziel vielfach noch klarer und verſtänd⸗
licher faffen (ſiehe Seite 54, 73) und könnte
auf manche überflüſſige Fremdworte ver-
zichten. Die Bezugnahmen auf das kommende
große Werk wirken ſich ſehr 1 a
r. K. A.
„Kampf um den Erdraum“. Von Paul
Ritter. Verlag Philipp Reclam jun,
Leipzig.
Eine feſſelnde Schilderung der Entwicklung
der deutſchen Kolonien, deren mühevolle und
opferreiche Aufbauarbeit, hineingeſtellt in
das große ſeit Jahrtauſenden tobende
Ringen um den Raum der Erde.
Ausgehend von der Koloniſation der
Pboenizier, Römer, Araber, Mongolen und
Normannen kommt der Verfaſſer in Leben,
diger Sprache auf die im Mittelalter und in
der frühen Neuzeit beginnende Koloniſatton
der Portugieſen und Spanier zu ſprechen.
Kolonialreiche, in denen wahrlich „die Sonne
nicht untergeht“, erſtanden und mußten
wiederum anderen nachſtürmenden Völkern
Platz machen. Einer eingehenden Würdi⸗
gung find die kolonialen Erfolge der Nieder-
länder und beſonders der Engländer unter-
zogen, bis zu den kolonialen Anſprüchen
anderer Völker, die inzwiſchen zu einer
übereuropäiſchen Bedeutung und Macht ſich
emporzuringen wußten. Den treibenden und
hemmenden Kräften der kaiſerlichen deutſchen
Kolonialpolitik widmet Paul Ritter aug-
führlichen Raum. Er räumt gründlich mit
der böswilligen Legende auf, daß das deut-
ſche Volk Kolonien nicht zu organiſieren
oder auszuwerten verſtünde. Mit den
kolonialen Wünſchen und Zielſetzungen
Rußlands und Japans geht der Verfaſſer
über zum Kampf um die Kolonien im Welt.
Vom Büchermarkt , 29
krieg und beſchließt fein 350 Seiten ſtarkes
Buch mit dade Shen Betrachtungen über
die deutſchen
herrſchaft.
Obwohl das Werk nicht den Anſpruch
einer lückenloſen Darſtellung und Würdi⸗
gung der kolonialen Probleme aller Völker
und deren Kampf um den Erdraum erhebt
— dies iſt bei dem ungeheuren geſchichtlichen
Stoff und der Größe der einzelnen Ee
bleme in einem handlichen Buch praktiſ
nicht möglich —, wünſchen wir dieſem Bu
einen breiten Leſerkreis! Dr. L.
lonien unter der Fremd-
Das Rätfel Abeſſinien. Paul Liebe-
renz. Reimar Hobbing Verlag, Berlin.
Es handelt ſich hier nicht um ein aus dem
Boden 900 enes Konjunkturbuch, das im
Augenblick, wo der italieniſch⸗abeſſiniſche
Streit auch zu einer europäifchen Sdidfals-
age zu werden droht, einen beachtlichen Mb-
atz erhofft, ſondern um eine Reifefdilde-
tung, die der Verfaſſer nach längerem
Aufenthalt in Abeſſinien vor dem Ausbruch
des genannten Konfliktes niedergelegt hat.
Inſofern ift die Reiſebeſchreibung wertvoll,
als ſie unbeeinſlußt von dem politiſchen Ge⸗
ſchehen der letzten Wochen unbefangen Aus-
druck eines Reiſenden wiedergibt. Eine ſolche
Darſtellung feſſelt uns in den heutigen Tagen
mit Recht, wenn der Verfaſſer von dem
abeſſiniſchen Soldaten erzählt, daß fie zwar
im Exerzieren reichlich ſteife und ungeſchickte
Burſchen ſeien, wie die Tiere nutzen ſie jede
kleinſte Deckung aus, gehen blitzſchnell und
unhörbar an den Feind heran und kämpfen
raſch und erbarmungslos, um nach dem
Aeberfall genau ſo ſchnell und unauffindbar
im grauen Buſch unterzutauchen. In der
Trockenzeit muß die Waſſerarmut für Curo-
pder, welche der Waſſerſtellen unkundig find,
furchtbar fein. Die nomadiſierenden Go-
malis kennen jedoch jeden Winkel ihrer
Heimat und verfügen über ein dem Europäer
rätſelhaftes Signalſyſtem. Lieberenz be⸗
zeichnet Abeſſinien als das Land un,
begrenzter Möglichkeiten, das reich an Gold
und Erzen iff und in dem man auch Pe-
troleumvorkommen vermutet. Bewohner und
Struktur des Bodens wehren ſich acaen-
wärtig noch gegen die Erſchließung dieſer
Schätze. Phantaſtiſch mutet es an, wenn
Lieberenz von den goldenen Tellern berichtet,
von denen er als Gaſt des Kaiſers aefpeilt
hat. Ein lebendiger Bilderteil illuſtriert
die fliſſige Schilderung der Stretfatiac durch
Abeſſinien. Vielleicht wäre in Anbetracht
der fünaſten Ereianiſſe eine eingehendere Be-
handlung der Sitten und Gebräuche Aethi⸗
opiens intereſſanter geweſen, als die aller-
dings feſſelnde Schilderung der reichen
abeffiniſchen Tierwelt.
Militärmacht Sowjetunion. Von Artur W.
Juſt. Wilh. Gott Korn Verlag. 100 S.
Das Buch abzulehnen, weil es zu objektiv
geſchrieben ſei, geht nicht an. on einer
Studie, beſſer: einer Reportage, die uns
orientieren will, zumal über mili-
täriſche Zuſammenhänge, erwarten wir kein
weltanſchauliches Plädoyer. by.
Dr. Ludwig Engel: Der Jeſuitismus eine
Staatsfrage. endorff⸗Verlag GmbH.,
München. 14 S.
Die Schrift zeigt uns die Geſchichte des
Jeſuitenordens, zeigt feine innere Struktur,
ſeine Geſetze und ihre, im Sinne des Ordens
— logiſche Begründung. Es zeigt uns ferner
feine wietſchaftliche, alſo weltliche acht
und Größe — und ſeine beſondere Einflu
nahme und Anteilnahme an dem deutſchen
Schickſal. Das Büchlein erhält ſeine be⸗
ſondere Beachtlichkeit aber dadurch, daß es
die peli lid bereits feſtſtehende Staats-
1 0 ichkeit des Jeſuitenordens auch für
ie heutige Zeit beweiſt. Pro.
„Not, Kampf, Ziel der Jugend in ſieben
Ländern.“
Reinhold Schairer beſchäftigt ſich in einer
Schrift dieſes Titels aus dem Gogietäts-
verlag, Frankfurt, mit der Jugend in ſieben
Ländern, aber er vergißt dabei die deutſche.
Er iſt in Schweden, Norwegen, Dänemark,
England, Italien, Frankreich und in der
Schweiz geweſen, um ſich über den Stand
der Jugendentwicklung, beſonders zur Frage
der Arbeitsloſigkeit zu unterrichten und um
alle Maßnahmen zu ſtudieren, die die
Jugend dort von ſich aus verſucht, um dem
Schickſal der Proletariſierung zu entgehen.
Das alles leſen wir gern, aber es fehlt
dieſem Buch der Standort neuen Geiſtes,
von dem aus ein ſolches Werk größere Be-
deutung erlangen könnte. Damit ſoll nichts
gegen eine Beſchäftigung mit der Jugend
in den verſchiedenſten Ländern geſagt ſein.
Wie fruchtbar eine ſolche Anterſuchung ſein
kann, beweiſt der Bericht über die Nends-
burger internationale Arbeitsdienſttagung,
den die deutſche Studentenſchaft in einer
Schrift zuſammengefaßt herausgegeben hat:
„Der ſtudentiſche Arbeitsdienſt in der Welt“
(Hanſeatiſche Verlagsanſtalt, Hamburg).
Eine ſolche Schrift ijt ein Maßſtab dafür,
wieweit die Jugend in der ganzen Welt
den Angeiſt des 19. Jahrhunderts über-
30 Vom Büchermarkt
wunden hat, weil darin ein feſter Grund
für die Erörterung aller Fragen gegeben iſt.
Schairers Schrift fehlt eine ſolche Grund-
lage. And das iſt gerade das AL earna
fie hätte fie febr gut haben können.
Schairer ſehr viel von den arbeitſuchenden
und ſich ihre Freizeit mit ſelbſtgewählten
Aufgaben erfüllenden Jungen anderer Län-
der ſpricht, fo hätte er auch den Reihs-
berufswettkampf der deutſchen Jugend mit-
behandeln müſſen. Wenn wir nach dem
Grunde fragen, weshalb der Verfaſſer es
nicht tat, ſo wohl deshalb, weil ihm dieſes
Gemeinſchaftswerk im großen nicht zuſagt
und weil er keinen Sinn hat für eine große
Planung dieſer Art.
In dieſer Schrift macht ſich außerdem ein
Anterſchied in der Auffaſſung von der Ju-
gend bemerkbar, der auch andernorts häufig
genug noch zu finden iſt und der klar er-
kannt werden muß. Der Nationalfozialis-
mus ſieht in der Jugend des Volkes die
junge Mannſchaft, die ſich gemäß dieſer Be-
ſtimmung in erſter Linie zu Männern nach
dem Bilde des Kriegers und zu Frauen
nach dem Bilde der Mütter zu formen hat.
Daher gibt er möglichſt vielen Jungen früh⸗
zeitig Verantwortung in ihren Organifa-
tionen. Die Vertreter der vergangenen Zeit
ſahen in der Jugend zuerſt die junge Gene⸗
ration, in der die neuen Möglichkeiten der
Entwicklung und des Fortſchritts enthalten
find. Daher wurde die Jugend früher eine
Angelegenheit der Problematik über vin),
tige wirtſchaftliche, ſittliche und ſonſtige
Fragen, wobei aber nie ein die Jungen
verpflichtendes Ziel aufgezeigt wurde. Es
blieb bei den Fragen um die Jugend. So
iſt es auch bei Schairer. Die Wirkung des
Buches wird reaktionär ſein, weil es eben
die Frage der jungen Generation wieder
aufwerfen hilft. Wie Schairer ſeiner Zeit
bei der Einführung des freiwilligen Wert-
halbjahres für die Abiturienten eine mög-
lichſt abwechſelungsreiche Ausbildung in den
Fabriken, bei den Bauern und in Sdu-
lungslagern forderte und die Forderungen
der Studentenſchaft, in dem freiwilligen
Werkhalbjahr eine vorwärtstreibende Maß-
nahme für die allgemeine Arbeitsdienſtpflicht
zu geſtalten, nicht in ihrer Bodeutung er-
kannte, ſo trifft er auch hier in ſeiner Schrift
nicht das Weſentliche der Jugendfrage, um
das es in der Zukunft gehen wird. H. R.
Dr. Fritz Wüllenweber: Altgermaniſche Er⸗
ziehung. Dargeſtellt auf Grund der
Islandſagas und anderer Quellen zum
Frühgermanentum. Hanſeatiſche Verlags-
anſtalt, Hamburg. 1935. Preis 6,60 RM.
Dr. Fritz Wüllenweber hat den dankens⸗
werten Verſuch unternommen, auf Grund
der Islandſagas eines der Gebiete des
Lebens unſerer Vorfahren den Leſern zu
erſchließen: nämlich die Erziehung und das
en der Jugend der frühgerman Soe
e
A
Zeit. naleid) das vorli
(170 Seiten) für ſich nicht in Ech? neb-
men kann, das erwähnte Gebiet erſchö
und abſchließend zu behandeln, ſo K
außer jeden Eiere einen bod zu
den Beitrag fiir Das umfangreide und Heute
noch nicht reſtlos aufgeſchloſſene Feld der
Erforſchung des Lebens unſerer Ahnen dar.
Die Erziehungsarbeit der Gegenwart wird
manches richtungweiſende orbild dem
Werk Dr. Wüllenwebers entnehmen können
und ihm dafür Dank wiſſen. Dr. L.
Die Ahnen deutſcher Bauernführer, Band 2.
Wilh. Meinberg, Reichsnährſtandsverlag.
Die Aufgabe der Schrift ift, einen mög.
lichſt geſchloſſenen Kreis der Ahnenſchaft der
nationalſozialiſtiſchen Bauernführer ber,
zuſtellen. Dadurch erfahren wir etwas über
die Art und den Wert, den unzählige deutſche
Bauerngeſchlechter neben ihnen aufweiſen
und die durch ſie repräſentiert werden. Die
Genealogie ſolcher alten Ce e e
ift deshalb wichtig, weil aus ihr oft
Schickſal und die Geſchichte der Landſchaft
ſch a zu erleben ijt. Wir lernen daraus
den erdegang des Bauerntums einer
Landſchaft und erkennen beiſpielhaft feine
biologiſche Bedeutung.
Es geht alſo nicht darum, möglichſt viele
Prominenzen in der Ahnenreihe zu ent-
decken, ſondern es wird durch die Verſolgung
der Blutſtröme in die Vergangenheit be-
wieſen, daß die Kraft eines Geſchlechtes
und ſeine ſtete Verbindung mit der Scholle
den Nachfahren heute zur außerordentlichen
Leiſtung und zum Führertum befähigt. Dies
geht aus der Ahnenreihe von il
Meinberg, dem mit der Hitlerjugend be-
ſonders verbundenen Bauernſührer, deutlich
hervor. Sie ſpricht eine beredte Sprache, und
wir ſtellen z. B. feft, daß keiner der Ahnen
dieſes Bauernführers aus der Stadt getom.
men ift oder in die Stadt abgewandert ift.
And ſie seigt weiter, daß in dieſen alten
bauerlichen Familien die Perſon hinter dem
Werk zurückgetreten ift. Der Hof und feine
Erhaltung war wichtiger als der Name des
Geſchlechts. Dies iſt die Idee des Bauern
— heute wie vor Jahrhunderten. And dies
iſt eck der Grund, warum man aus der
Ahnenkunde mehr leſen kann als die (Ge,
ſchichte einer einzelnen Familie. Sie zeigt,
wie der Verfaſſer ſchreibt, Regeln und Zei-
Vom Büchermarkt 31
ſpiele einer Lebensart, die der unſrigen als
Richtſchnur dienen kann.
Das Blut eines ſolchen Bauerngeſchlechts
Ee fid in Wilhelm Meinberg zu einer
önlichkeit. Das tft nicht Zufall, ſondern
eine biologiſche Zwangs e In der
vorliegenden Schrift wird ein Wort von
Hans Johſt wiedergegeben, das auch denen
alles faat, die nicht das Glück hatten, WiL-
elm Meinberg als Nationalſozialiſten und
uern zu erleben: „Ein Kerl erſtürmt das
Rednerpult. Einer vom Geſchlecht der
ſchwarzen Hänſe. Das Wort „radikal“ als
urzelwort jedes Revolutionadrs bekommt
durch ihn Stil und Charakter. Dieſer Man
it Bauer, das heißt: Sämann.“ H. B.
Müller⸗Schnick, Zeitenwende; G. Basner,
Krieg am Galgenturm, Br. Nowack, Das
Opfer der Notburga. Im Theaterverlag
A. Langen / G. Müller (Volksſpieldienſt).
Drei Spiele, die allerlei an Können vor⸗
ausſetzen und bei denen man beſorgt iſt, daß
eine unzureichende Aufführung das dichte⸗
riſch Geſtaltete zerſtören möchte. Das gilt
vor allem von dem erftgenannten „Chorſpfel“
von Müller-Schnid, das eine Spielleitung
aa Erfahrung in Sprech. und Tanzchor
nicht verſuchen 18 Mit ſehr viel mehr
Bühnenblut, mit Schmiß und Witz hat
Basner fein abendfüllendes Spiel „von Ban-
diten und Spießbürgern“ geſchrieben, eine
Moritat, bei der man am liebſten ſchon
während des Leſens die prachtvollen Spiel-
a eaat ausnützen möchte. — „Das
er der Notburga“ iſt eine Amarbeitung
des Spieles „Der Bauer“, das an die männ-
liche Hauptrolle Ka Anforderungen ftellt.
Ein kurzes Spiel, mit wenigen Kräften. Bei
einer dem Stück gerecht werdenden Auf-
- feng wird es von erſchütternder Wirkung
ein: der Bauer, den der Dreißigjährige
Krieg zum Verzweiſeln bringt und ſeine
a die ihn wieder zu feinen Acker guriid-
: by.
Sprechchorwerk „Anſterbliche Gefolgſchaft“.
Von Willi rep 3 ES
Das Sprechchorwerk „Anſterbliche Gefolg-
ſchaft“ von Willi 3 das im November
1935 vom Deutſchen Kurzwellenſender ge;
allad
ſpruch — Der Toten Bericht und Aufruf —
Fähnrich und Trommler — Fahnengebet —
Anſterbliche Gefolgſchaft — jene untrennbare
Verbindung 90 den Anſterblichen und
den Lebenden zum Ausdruck.
Als Sprechchorwerk ſtellt die Arbeit große
Anforderungen, da faft die ganze Arbeit nur
auf den Sprechchor aufgebaut ijt. —Ro—
Geſtaltete Freizeit. Feſte und Feiern deut-
ſcher Art. Von Friedrich Arndt.
Hanſeatiſche Verlagsanſtalt, Hamburg.
Dieſes Buch wendet ſich vornehmlich an
Vereine. Es hat ſich die Aufgabe geſtellt,
dieſen ein Ratgeber und Wegweiſer bei der
Geſtaltung von Freizeitfeiern und -feften zu
ſein. Eine ſolche Aufgabe verpflichtet be⸗
ſonders, denn nirgendwo wurde bisher bei
Feiern und Feſten mehr Kitſch purgatory
als bei Veranſtaltungen folder Vereine.
Hier iſt das Buch zu begrüßen, weil es
ganz energiſch Stellung nimmt gegen dieſe
Art der bisherigen Freizeitgeſtaltung. Das
Buch gibt aber nicht nur eine Kritik, nein,
dort, wo es dieſe Zuſtände energiſch und mit
allem Nachdruck ablehnt, geſchieht es, um an
einer Gegenüberſtellung mit einer guten
Teierſolge zu zeigen, wie ſolche Feiern zu
einem Gemeinſchaftserlebnis werden, wenn
an Stelle des Kitſches wirklich wertvolles
geboten wird. Das Buch beſchreibt ſowohl
Weſen und Inhalt wie auch die Organi-
fation der Freizeit. Dabei wird heraus-
geſtellt, daß die Organiſation, wie ſo oft
falſch geſehen, nicht Selbſtzweck iſt, ſondern
einzig und allein Mitte 1 — Zweck galt
darſ, um — in dieſem Fall — den Inhalt
der Feierſtunde durchzuführen und durd-
zuſetzen.
Wo das Buch an vielen Beiſpielen neue
gangbare Wege der Freizeitgeſtaltung für
Vereine zeigt, iſt es zu begrüßen und mae
insbeſondere den Vereinen, die bisher fa
ausſchließlich viel Zeit und Kraft zur Ver⸗
mittlung allergrößten Kitſches verbrauchten,
empfohlen werden.
Volkhafte Dichtung der Zeit. Von Dr.
Hellmut Langenbucher. 2. er
weiterte Auflage (5.—7. Tauſend). Junker
und Dünnhaupt Verlag Berlin 1935.
Gegenüber der erſten Auflage ſind eine
Reihe von Dichtern neu aufgenommen und
ausführlich behandelt worden: Auguſt Hin-
richs, Johannes Linke, Hans Hermann Wil.
helm, Ludwig Tügel, Johanna Wolff, Mar-
garete Schieſtel⸗Bentlage, Jofefa Behrens-
Totenohl u. v. a. Ausführlicher behandelt
wurden: Gorch Fock, Walter Flex, Hermann
Eris Buſſe, Wilhelm von Scholz, Hans
32 Vom Büchermarkt
riedrich Blunck, Joſef Ponten, Heinrich
ohnrey, Carl Hauptmann, Peter Dörfler
uff. Wer die jungen und jüngſten Autoren
licht muß zu der anderen Schrift des
gie chen Autors greifen: ,,Nationalfogia-
iſtiſche Dichtung“.
Langenbucher verſteht es ausgezeichnet,
auf Grund gnana ſachlicher Kenntnis die
Darſtellung lebendig zu geſtalten, ſo daß ſie
allen Neues bietet. Hier ſchreibt einer von
den Männern, die wiſſen, um welche oe
es heute in der Dichtung geht und die felbft
poſitiv mitarbeitend eingreifen und das
kulturelle Leben aufbauen helfen. So be-
trachtet, * die Neuauflage von Bedeutſam⸗
keit und ſollte nicht nur von Intereſſierten
und Pädagogen geleſen werden, ſondern in
alle Kreiſe dringen. Gro.
Dronning Marie. Von Waldemar
Auguſtiny. Verlag Korn, Breslau.
Preis 5 RM.
Auguſtiny hat in ſeinem Noman, der im
Schleswig der achtundvierziger SCC fpielt,
die nicht leichte Frage und Entſcheidung:
Pflicht und Neigung aufgegriffen. Wenn
man fagen kann, daß er f
anſtändigen Mitteln löſte, iſt das ſchon ein
bedeutendes Lob. Auguſtinys Roman ver-
mittelt dazu ein dichtes Bild dieſer Zeit, des
ſchleswig⸗holſteiniſchen Freiheitskampfes und
ſagt wieder das uralte Geheimnis aller
Kriege aus: nicht allein die Zahl der Men-
ſchen iſt entſcheidend. Es kommt auf den
Geiſt an, in dem die Streitenden in die
Schlacht ziehen. Der Krieger, der ſeine
Heimat und ſein Volk liebt, wird immer
ein Vielfaches der Söldner aufwiegen, die
fih um Lohn ſchlagen.
Wir begrüßen dieſes Buch, das ein
humorig-ernſtes Gemälde eines Abſchnittes
unſerer Volksgeſchichte iſt. —n.
Blau ift das Meer. Von Heinrich 3er
kaulen. Verlag Quelle & Meyer,
Leipzig.
Zerkaulen hat diefe Erzählung auf An-
regung des Oberbefehlshabers der Kriegs-
marine, Admiral Raeder, geſchrieben.
Motive und Stimmungen aus dem eignen
Erleben nehmend, aus ſeinen Fahrten mit
der Kriegsmarine, zeichnet der Dichter ein
echtes, ſchlichtes Bild zweier Jungen, die als
e recht und mit
jüngſte Rekruten der wiedererſtandenen
Marine dienen. Dies je keine der üblichen
Seegeſchichten; es iſt in der ſprachlichen und
bildlichen Formung eine dichteriſche Er-
zählung. In der E Bindung von
bäuerlicher Seßhaf Sc und echt deutſchem
Drang in fremde Welten läßt Zerkaulen
zwei Jungen Heimat und weite See erleben.
Die Volksgruppen und das deutſche Ge⸗
ſchichtsbewußtſein. Von Hermann All-
mann. Verlag Grenze und Ausland.
Hermann Allmann verſucht in dieſer Bro-
ſchüre von der intellektuellen Seite aus unſer
neues Geſchichtsbewußtſein in unſer Voll
hineinzutragen. Gewiß find die entwickelten
Gedanken keineswegs unaktuell, eer? febr
ut ausgebaut, aber leider viel zu hoch, um
n dieer Form unſerem Volk übermlttelt
werden zu können.
Eine geſamtdeutſche Geſchichtsauffaſſ
wird ſich nur dann durchſetzen, wenn au
N Arbeiter und Bauern davon erfaßt
werden.
Von
Rennen — Sieg — Reforde!
Anion
a a delat, ©
eutſche Verlagsgeſe t, Stuttgart.
An bi Erlebniſſen ſchildert Rudolf
Caracciola die Entwicklung, den Aufitieg und
die alltäglichen Sorgen und Nöte eines
Wutorennfabrers. Er vertritt die cht,
daß die jetzigen Rekorde bei einer Ee
beflerung von Maſchine und Material 2
weſentlich geſteigert werden können. Au
er bezeichnet als die Hauptſorge des Renn-
fahrers von heute die Frage der Haltbarkeit
der Reifen.
Paul Ernſt: Das i Albert
Langen - Georg Müller ünchen.
Ver Verlag angen- Müller hat die ver:
dienſtvolle und lobenswerte Aufgabe über-
nommen, das gewaltige Werk ul Ernſts
„Das Kaiſerbuch“ in einer ſchönen drei⸗
bändigen Ausgabe herauszubringen. Der
erſte Band — Die Sachſenkaiſer — und
ſoeben auch der zweite — Die Franken
kaiſer — liegen ſchon vor. Wir wollen das
Erſcheinen des dritten Bandes — Die
Schwabenkaiſer — abwarten, um dann das
Geſamtwerk in einem umfaſſenden Aufſatz
darzuſtellen und zu würdigen.
Hauptſchriftleiter: Günter Kaufmann (z. Zt. in Urlaub).
Wilhelm Utermann. Anſchrift: „Wille und Macht“,
Tel. D2 5841.
Reihsjugendführung, Berlin
Verlag: Deutſcher Jugendverlag G. m. b. H.,
Verantw. für den Anzeigenteil: Kurt Otto Arndt, Berlin. — D.⸗A. I. Vj. 36: 15 433.
Schriftleitung: Dr. Karl Lapper, Stellvertreter, und
NW 40, Kronprinzenufer 10.
Berlin W 35, Lützowſtr. 66, Tel. B 2 Lützow WER
. — Drud:
— Pl. Nr,
Theodor Abb Buchdruckerei, Berlin SW 68. „Wille und Macht“ ift zu beziehen durch den Deutſchen RES
oder jede deutſche Buchhandlung ſowie durch die Poft.
Poſtbezug viertel. RM. 1,80 zuzügl. Beſtellgeld. Be
Beſtellung von 1 bis 3 einzelnen Nummern bitte den Betrag in Briefmarken beizulegen, da Nachnahmeſendung
zu teuer iſt und dieſe Beſtellung ſonſt nicht erledigt werden kann.
Maſſenbezug durch den Verlag laut beſonderen
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a F. Hoffstätter, Bonn
l Emall-Abzeichen, Medaliien für
le haven Immer Hunger.
Mir haben immer Durf?,
Was andre Leute eſſen,
A Das ift uns wirklich wurft,
| Bac Erbswurft in dem Reffel,
Die fchmeckt und die gibt Kraft,
die letzten Kilometer,
Die find dann fehnell gefchafft!
17. W
IB: T Auimärso
n Plaketten Gedenkfelern usw.
$ Fernruf 2110, Postfach 88
Vertragslieferant der RZM. Nr. 18
Left und verbreitet
„Wille und Macht!“
Deulſche Saat in feemder Erde
Herausgegeben von
Dr. Karl Bömer
Preſſechef des Außenpolitiſchen Amtes der NSDAP
280 Seiten Text und 80 Seiten Abbildungen
Dieſes mit rund 240 vielſach ganz unbekannten Abbildungen im Sep `
und auf Tafeln verfebene, febr anſchaul iche und vielſeitige Werk hat
Roi das Ziel geſetzt, an einer Reihe beſonders eindrucksvoller Bei -
ſpiele den tiefgreifenden Einfluß aufzuzeigen den der deutſche Genius
auf die Welt ausübte und noch ausübt. Dabei liegt dieſem Bud
und ſeinen Mitarbeitern aber nichts ferner als die einſeitige Ver⸗
berrlichung deutſcher Leiſtungen. Denn gerade aus der tiefen Liebe
oun eigenen Volkstum, die dieſes Wert
er
roße Gedanke. nach innen und außen gleichermaßen wirkſam zu
ein. Nach innen, um aus dem Wiſſen um das eigene Volkstum
und um die Kraft feiner Söhne zu unablaffia neuer Saat zu ſpornen,
nach außen, um im Jahr des deutſchen Olympia für Achtung und
Verſtändnis zu werben.
Pappband RM. 4.50 Ganzleinen RM. 5,50
Jeitgeſchichte verlag /
München 43 2116
Reichsorg. potong Hauptabtig
VIII Frauenschaf
Die Buchsemeiuſchaſt unserer Zeit
Die im Braunen Buch ⸗Ning zuſammengeſchloſſenen Männer
und Frauen ſehen im Buch das wirkſamſte Mittel, die national-
ſozialiſtiſche Weltanſchauung zu vertiefen und das wiedergewonnen
deutſche Lebensgefühl zu ftarfen.
Der Braune Buch⸗Ning bringt grundſätzlich nur Erſtveröffent⸗
lichungen, alſo keine Nachdrucke und keine Neuauflagen bereits
erſchienener Werke, und unterſcheidet ſich dadurch von allen
anderen deutſchen Buchgemeinſchaften.
Der Braune Buch ⸗ Ning zählt Zehntauſende deutſcher Vons-
genoſſen aller Stände und Berufe zu feinen Mitgliedern.
Der Braune Buch⸗Ning liefert für den geringen Monatsbeitrag
von nur 1,15 RM. jährlich 4 umfangreiche, wertvolle Bücher
jowie 24 Hefte der reich bebilderten Zeitſchrift „Der Braune
Reiter”.
Der Braune Buch⸗Ring nimmt zu jeder Zeit neue Mitglieder
auf. Ein Eintrittsgeld wird nicht erhoben.
Auch Ihr Buchhändler beſorgt Ihre Anmeldung.
An den Braunen Buch⸗Ning
Berlin W 35, Lützowſtraße 66
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Häuptarchiv der NSDAP
Abt. Jugendbewegung i
anf
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DiNTgrht
|
lübrerorgan der nationalſozialiſtiſchen Zugend
ius dem Subali:
E Grog: Lolalildtsanspruch der jungen Gene
| Nationaler Sozialismus und Schwedens Jugend
/ Nietzsche — ein Nihilist?
l Tag der nationalen Arbeit — E K. ¢ Verschwundene Unterwelt — Unruhen in F
Kampfschtiften gegen das Judentum — Die neue Gesellschaftsordnung — Shakespeare,
Rothe — Was es im 20. Jahrhundert alles noch gibt — Vom Büchermarkt
Salbmonatöfcbeift / Sefi o Berlin, den 1. Mai 1936 Ginselpeci8 30 Pfs.
Tag der nationalen Arbeit Herybert Menzel
Der Totalitätsanſpruch der jungen Generation . . Dr. Walter Groß
Leiter des e
Amtes der RSDAP
Nietzſche — ein Nihiliſttꝰ 2. ať Rudolf Keudel
Verſchwundene Unterwelt E. K.
Nationaler Sozialismus und Schwedens Jugend. . Or. F. von Poll
Außenpolitiſche Notizen:
Unruhen in Paläftina
Reine Beiträge:
Luthers Kampfſchriften gegen das Judentum
Die neue Geſellſchaftsordnung
Nandbemerkungen:
Shakeſpeare, Carow und Rothe
Was es im 20. Jahrhundert alles noch gibt
Gaudeamus . . . oder die zerſchmetterte Nachtigall
Vom Büchermarkt
Kunſtdruckbeilage: Geſunde Menſchen (Fotos Erich Retzlaff, Düſſeldorf)
IST,
gũb rerorsau der nationalſozialiſtiſchen Jugend
Jahrgang 4 Berlin, 1. Mai 1936 Heft 9
HERYBERT MENZEL:
Tag der nationalen Arbeit
= Marschlied ` S e E
Ein Volk brach et ein Volk ward frei
Und zieht auf neuen Bahnen.
Wir tragen in den grünen Mai
Die ſieggewohnten Fahnen.
Kamerad an meiner Seite,
Kamerad im gleichen Schritt,
Sieh, das ganze Deutſchland heute
Jubelt und zieht mit!
Ans ruft ein Licht, uns ruft ein Glanz
Den Urmſten zu umſonnen.
Der Maibaum unſers Vaterlands
Zu blühen hat begonnen.
Menzel | Tag der nationalen Arbeit
Kamerad aus den Fabriken,
Kamerad, du hinterm Pflug,
Ans verklangen Weltmuſiken,
Deutſchland iſt genug!
Wir ſind ein Volk, wir ſind das Blut,
Das blüht in ſeinen Fahnen.
Wir zieh'n mit neuem Lied und Mut,
Weil wir die Siege ahnen.
Kamerad, du mir im Leben,
Kamerad, du mir im Tod,
Wie wir uns der Fahne geben,
Glüht ſie auf und loht!
In der Stunde der Fahnen
Hörten wir, Führer dein Wort.
Immer wird es uns mahnen,
Alle tragen wir's fort.
In den Motoren erklingt es,
In den Fabriken, im Feld,
Flugzeug und Lerche ſingt es:
Deutſchland du unſere Welt.
Wie wir hier ſteh'n in Kolonnen,
Stolzeſtes Arbeiterheer,
Haben den Sieg wir gewonnen,
Keiner nimmt ihn uns mehr.
Muff von Georg Blumenſaat
Groh / Der Totalitätsanſpruch der jungen Generation 3
Dr. Walter Groß:
Der Zotalitätganipench der jungen
Generation
Jede große neue Idee in der Geſchichte ift der Gefahr der Mißdeutung und
des Mißverſtändniſſes ausgeſetzt. And nicht das falſche Bild, das der Gegner ſich
macht, iſt die große Gefahr, ſondern die ſtellt immer das gutgläubige Mißverſtehen
in den Kreiſen der Anhänger ſelber dar.
Auch der Nationalſozialismus iſt dieſer Gefahr ausgeſetzt geweſen. Die neue
Idee ſtieß auf viele Menſchen, und jeder machte fih ihr Bild nach feinem eigenen
Weſen zurecht. So kommt es, daß wir auf manchem Gebiet, das nicht gerade fidt-
bar der politiſchen Formung und Führung unterworfen iſt, widerſprechende Auf-
faſſung von der Auswirkung der nationalſozialiſtiſchen Idee antreffen.
Die Bewegung hat gegenüber einem Zeitalter der Schwäche, der Weichlichkeit,
der Feigheit die ſelbſtverſtändlichen Tugenden einer harten ſoldatiſchen Haltung
wieder geweckt. Sie hat den Deutſchen, Mann wie Frau, wieder zu einem Bdeal-
bild ſeiner ſelbſt zurückgeführt, das unſerer großen völkiſchen Vergangenheit gerecht
wird und die Grundlagen der Zukunft ſichert. Sie hat uns aus der Welt defa-
denter Furcht vor der Wirklichkeit wieder mit wachen Augen vor die harten Dinge
des Lebens geſtellt und uns zur Furchtloſigkeit erzogen.
Dieſer Grundton einer harten und heldenhaften Männlichkeit klingt durch alles
Geſchehen unſerer Tage, und da er das Weſen des Menſchen in ſeinem Innerſten
berührt, da wir ihn ſelbſt als Kernſtück unſerer weltanſchaulichen Haltung und Aus-
richtung empfinden, unſere Weltanſchauung aber alle Gebiete des Lebens durch-
dringt und durchdringen ſoll, muß zwangsläufig eine Auswirkung des neuen Geiſtes
der jungen Nation auf allen Gebieten erwartet werden.
And hier iſt die Stelle, da im engen Gehirn kleiner Menſchen ein tragiſches
Mißverſtändnis anhebt. Weil ihnen die heldiſche Haltung im letzten Grunde ewig
unverſtanden bleibt und weil ſie in der Dumpfheit ihres eigenen Seins keinen
Naum für eine wahre und wirkliche Weltanſchauung überhaupt haben, deshalb
klammern ſie ſich, gleichgeſchaltete Bürger, an die Oberfläche der Dinge und den
bloßen Schall der Worte. Sie haben etwas von einer heroiſchen Weltanſchauung
gehört, von einem Zeitgeiſt, der anders und härter fei als eine verträumte Ver-
gangenheit; nun machen ſie ſich eifrig und ſchnaufend daran, dieſe Neuforderung
pflichtſchuldigſt in Geſinnung zu überſetzen. Soldatiſche Haltung: das
ſcheint ihnen etwas zu ſein, was man mit den Schaftſtiefeln
anzieht, und der Schaftſtiefel wird ihnen zum ſtolz getrage-
nen Bekenntnis ihrer zeitgemäßen Einſtellung. Geiſt und
geiſtige Fragen ſind ihnen verdächtig; ſie wiſſen nicht, ob
ſich ſolche Dinge für die Gegenwart denn auch noch ſchicken.
Kunſt ſchätzen und preiſen ſie; aber ſie muß „heroiſch“ ſein,
und deshalb ſcheint es ihnen ein tiefinneres Zeitbedürf-
4 | Groß / Der Totalitätsanſpruch der jungen Generation
nis, daß der Maler, will er nicht rückſtändig ſein, nackte
Jünglinge mit blutroten Hakenkreuzfahnen malt, daß der
Dichter von Fahnen, Kampf und Tod reimt (für den Fall, daß
ihm die Reime ausgehen, ſind es freie Rhythmen), und in der
Muſik erſcheint es ihnen erforderlich, an die Stelle ver-
weichlichender Streichmuſik mehr Blech und Pauken
zu ſetzen. So etwa malt ſich im Hirn manches Zeitgenoſſen die national-
ſozialiſtiſche Forderung an unſere Kultur. Es hilft nichts, daß von maßgebender
Stelle immer wieder der Unfug einer ſolchen engſtirnigen und engherzigen Auf-
faſſung zurückgewieſen wird; in der ehrlichen Aeberzeugung von der Wichtigkeit
ſeiner Miſſion trabt der Spießer durch die Lande und verkündet auf ſeine Weiſe
die Grundforderungen nationalſozialiſtiſcher Kulturpolitik.
And da iſt es denn an der Zeit, daß die Träger der nationalſozialiſtiſchen Idee,
daß die junge Nation ſelbſt dieſen engen und fälſchenden Mißdeutungen gegenüber
ſich laut und energiſch zu Wort meldet. Wir haben den Durchbruch der neuen Zeit
an uns ſelber erfahren, wir haben ihn an uns und in uns ſelber vollzogen, und
unter Freuden und Schmerzen find wir fo feſt der neuen Welt, unſerer Welt, ver-
wachſen, daß wir ſie nicht ungeſtraft verfälſchen und mißdeuten laſſen.
Jawohl, der Geiſt unſerer Zeit iſt ein harter und männlicher geworden.
Aber das heißt nicht, daß wir die unendliche Weite des Er-
lebens und Schaffens des deutſchen Menſchen darum
einengen laſſen. Haltung und inneres Geſicht geben uns als Menſchen
Geſetz und Form. Nicht mehr uferlos, ſich ſelbſt aufgebend, zerfließend ſteht
der deutſche Menſch vor der Welt, ſondern gebändigt, ſeiner ſelbſt bewußt, im
Wollen und Fühlen begrenzt auf das, was ſeiner Art gemäß iſt. Aber dann reicht
ſein Blick in die Anendlichkeit der Welt vor ihm hinaus: Weltanſchauung haben,
das heißt nicht die Augen verſchließen vor den Gegebenheiten des Seins, das heißt
vielmehr, ſie weit auftun, mit dem Blick alles umgreifen, was ſich ihm bietet, um
dann freilich die unendliche Vielheit des Geſchauten an der eigenen inneren Haltung
zur Einheit und Harmonie zu formen.
Weit und überweit iſt aber die Erlebnisfähigkeit der deutſchen Seele. Vom
beglückenden Gefühl des Antertauchens in der Gemeinſchaft der Nation reicht ſie
bis zum ſchaurigen Erlebnis der tiefſten Einſamkeit; glückliche Heiterkeit iſt ihr
vertraut wie der Blick in die tiefſten Abgründe der Tragik in Welt und Leben.
Das Reich geheimnisvoll dämmernder Myſtik iſt ihr zugänglich genau wie die harte
und nüchterne Welt formender und ſiegender Technik. Die Härte des Krieges, die
Freude des Kampfes, die Luſt an Einſatz und Gefahr gehören ihr ebenſo wie Weh⸗
mut und Träumerei in der Frühlingsnacht. Und auf der Erde mit all ihrem taujend-
fältigen, bluthaften Leben iſt ſie genau ſo heimiſch wie im Reiche der ewigen Sterne.
So groß und ſo weit iſt die Welt, in der das Leben des Deutſchen, in der
die Seele unſeres Volkes lebt und wirken will. Nichts, was Menſchen berührt,
liegt außerhalb unſerer Aufgabe, und wenn das Wort Weltanſchauung nicht Lüge
— me am
Groß / Der Totalitätsanſpruch der jungen Generation 5
ſein ſoll, dann dürfen wir uns die Weite des Blicks und die Größe deſſen, das
wir geſtalten wollen, nicht ſelber kleinlich begrenzen.
Aber freilich, das könnte manchen Mächten ſo paſſen! Das wäre ihnen ſchon
eine angenehme und vorteilhafte Art der Arbeitsteilung: „Ihr nehmt das Reich
der Politik, des Militärs, der ſtaatlichen Ordnung, und darin darf ſich dann euer
totaler Anſpruch unbekümmert auswirken; auf das andere verzichtet ihr, das er⸗
klärt ihr für euch ſelbſt für unzeitgemäß, und ſoweit Kultur und Seele der Nation
darauf nicht verzichten kann (fie kann es nicht, weil wir Deutſche find!), forgen
wir für die notwendige Befriedigung. Euch die Fanfaren, und uns die Orgel,
euch die ſtaatliche Gewalt, uns Seele und Geiſt, euch die Zeit, uns aber alles,
was an die Ewigkeit rührt!“
O ja, ſo könnte es ihnen paſſen! Aber ſie überſchätzen unſere Beſcheidenheit.
Der Nationalſozialismus teilt feinen Anſpruch nicht, nicht mit Gegnern und nicht
mit gleichgeſchalteten Biedermännern. Er hat dem deutſchen Menſchen eine neue
innere Haltung gegeben. Haltung hat nur dann geſchichtlich Wert, wenn ſie zur
Geſtaltung führt; und was wir geſtalten wollen, das iſt freilich die ganze Welt
mit all ihren Höhen und Tiefen, mit dem Größten und Kleinſten in ihr, mit dem
Zeitlichen und Ewigen, und alles das ſoll ſeine Form aus unſerem Geiſte und
unſerer Haltung finden.
Deshalb kennen wir keine Grenzen des Stoffs und des Themas für unfere
Aufbauarbeit in der deutſchen Kultur. Keine Frage, die Menſchenherzen bewegt,
liegt außerhalb unſeres Auftrages. Was nur je aus Welt und Geſchichte, aus
Himmel und Erde, von Gott oder von Menſchen an uns herantreten kann: Auf
alles ſuchen und finden wir Antwort aus dem Reichtum unſerer Geſtaltungskraft
und unſerer Erlebnisfülle, mag es das Größte oder das Kleinſte fein; und iſt unfere
Haltung echt, dann wird auf den verſchiedenſten Gebieten und am verſchiedenſten
Stoff ihr innerer Gleichklang ſich tauſendmal herrlicher bewähren, als die äußere
Gleichſchaltung des engherzigen Spießers das je vermag.
Mit ſolchem Stolz und ſolchem unbeſcheidenen Anſpruch tritt das junge Deutſch⸗
land vor die Zeit: vor nichts wollen wir die Augen ſchließen, nichts wegſchieben,
nichts unſer für unwert halten. Der Ganzheitsanſpruch des Nationalſozialismus
ſoll in unſerer Arbeit ſichtbar und lebendig werden. Eine Welt liegt vor uns, und
wir wollen ſie geſtalten. Ein unendlicher innerer Reichtum eines großen Volkes
iſt uns anvertraut, und wir wollen ihn pflegen und mehren. And die Größe unſerer
Kraft ſoll in der Größe unſeres Werkes lebendig und ſichtbar werden.
Man muß die Menschen wieder als Menschen erziehen, den Jünglingen die Welt
weit und unendlich frei zeigen, sie nicht sogleich auf einen Zweck hinweisen, der
das Leben und den noch nicht entwickelten Verstand des Lebens einengt. So
werden starke und stolz gestaltete Gemüter hervorgehen ... .; so werden die Enkel
tapferer zum Herrschen und geduldiger zum Gehorsam werden.
Ernst Moritz Arndt.
6 Keudel | Nietzſche — cin Nihiliſt?
Rudolf Keudel:
Niesiche — ein KNibiliſt?
Das Werk Nietzſches beſitzt erft heute eine Gültigkeit, die die Zeit Rietzſches
ſelbſt, die Zeit des ſatten Bürgertums nicht ſehen konnte. Erſt wir, die wir den
Nihilismus, dieſen „unheimlichſten aller Gäſte“, am eigenen Leibe geſpürt haben.
die wir den politiſchen, feeliſchen und phyſiſchen Zuſammenbruch erlebt haben, ver-
mögen die Gefahr zu erkennen, die für Nietzſche bereits volle Gegenwart beſaß.
Wir find daher zum Anwalt ſeines Werkes berufen. Wir müſſen unerbittlich darüber
wachen, daß das Werk nicht von falſchem Licht entſtellt wird. Eine Nietzſche⸗Deutung.
wie fie z. B. Fritz Dehn in feinem Aufſatz „Rilke und Nietzſche“ gibt, kann darum
nicht unwiderſprochen bleiben („Dichtung und Volkstum“, 1936, J).
Der Verſuch dieſer Nietzſche⸗Deutung reiht ſich den vielen unzulänglichen Ber-
ſuchen an, Nietzſche vom Boden des Chriſtentums aus ein beſtimmtes Geſicht zu
geben — mit dem Ergebnis, daß von Nietzſche auch rein gar nichts übrig bleibt
oder nur ſoviel, als es Dehns Standpunkt wahrhaben möchte. Dehn würde ſich
gewiß gegen den Vorwurf verwahren, Nietzſche nicht ernſt genommen zu haben.
Nietzſche iſt ihm ein „exiſtentieller Denker“, dem es um letzte Entſcheidungen geht.
Aber was bedeutet es eigentlich, wenn Dehn von „exiſtentieller Entſcheidung oder
von exiſtentieller Haltung“ Nietzſches ſpricht? Gleich in den erſten Zeilen ſeines
Aufſatzes zeichnet er die Grundauffaſſung feines Nietzſche-Bildes: „Man kann
Nietzſches Tragödie mit einem Wort ſo charakteriſieren, daß er auf der Flucht vor
der Wirklichkeit geſtürzt fei, ja daß er in den Wahnſinn geflüchtet fei, um ſich felbft
durchſetzen zu können gegen jene Wirklichkeit, die der Tyrann in ihm nicht gelten
laſſen wollte.“
Der Verſuch, eine „Tragödie Nietzſches“ zu konſtruieren, iſt ſo alt, wie die
Nietzſche⸗Deutung überhaupt. Wem die Welt Nietzſches zu hoch, zu gewaltig, zu
unerreichbar und zu fremd war, der fab wenigſtens, wie nun auch Dehn in Nietzſche,
„die Tragödie eines heimlichen Chriſten“, dem das Chriſtentum die „tödliche Wunde
beigebracht hat“. Das mag ſolange hingehen, als dieſe ſubjektive Anſicht nicht mit
dem Anſpruch auftritt, Nietzſches Werk zu erfaſſen. Iſt dies aber der Fall, fo ift
es unſere Pflicht, ſolchen „Nietzſche-⸗Deutungen“ ein gebieteriſches Halt entgegen
zu ſetzen.
Derſelbe Nietzſche, der der bürgerlich ⸗kapitaliſtiſch-chriſtlichen, demokratiſchen Zeit
wie kein anderer den Kampf angeſagt, iſt bei Dehn auf der „Flucht vor der Wirk.
lichkeit“). Bleibt feine Beziehung zur Wirklichkeit nur die der Flucht, fo hat er
nach Dehn zur Wahrheit überhaupt keine Beziehung mehr. Es gehe ihm weniger
um Wahrheit als um Wirklichkeit. Wenn Nietzſche aber ablehne, es mit der Wahr-
heit zu tun zu haben, ſo habe es die Wahrheit jedenfalls mit ihm zu tun, folgert
Dehn. Mit welcher Anmaßung wird hier von der Wahrheit geſprochen, die Dehn
ſcheinbar für ſich gepachtet hat, die ihm aus heiterem Himmel zu Hilfe kommt und
die ihn die ſchwerwiegendſten unzutreffenden Behauptungen über Nietzſches Stellung
Keudel | Nietzſche — ein NiHilife ? 7
zur Wahrheit fagen läßt! Was erfahren wir hier fiber Dehns eigenen Wahrheits⸗
begriff, mit der er hier richtet? Für ihn iſt die Wahrheit das Schickſal in der
„Tragödie Nietzſche“, vor der er vergebens flieht und an der er zerbricht. Aber
vor welcher Wahrheit flieht denn Nietzſche? Für ſein immerwährendes Ringen um
Wahrheit, für ſeine kämpferiſche Auseinanderſetzung mit der ganzen abendländiſchen
Philoſophie, zeigt Dehn kein Verſtändnis. Nietzſches Auflöſung des platoniſch⸗
chriſtlich⸗idealiſtiſchen Wahrheitsbegriffes und ſeine Neubegründung aus ſeiner
heraklitiſchen Schau der Wirklichkeit werden nicht einmal der Erwähnung für wert⸗
gehalten. Derſelbe Nietzſche, der im „Willen zur Macht“ vom Irrtum als einer
Feigheit geſprochen hat, dem ein „Pathos der Erkenntnis“ (Baeumler) eigen iſt,
derſelbe iſt bei Dehn auf der Flucht vor der Wahrheit. Vermag es uns danach zu
verwundern, wenn uns Dehn nun auf Grund vollſtändig verkannter Nietzſcheſtellen
(3. B. Wille zur Macht 55) den Nihilismus Nietzſches zeigen will? Den Streiter,
den Fechter Nietzſche, den Alfred Baeumler uns in ſeinem Nietzſche⸗Buch gezeigt
hat, ſcheint er nicht zu kennen: Nietzſche den Angreifer, den Aktiviſten, der immer
den Gegner im Auge hat, den er bekämpfen will, der ſeine Mittel nach dem
Gegner auswählt, den Nietzſche, der Vordergründe um ſich ſchafft und doch mit
traumwandleriſcher Sicherheit ſeinem eigenen Geſetze folgt. Auch Dehn ſpricht von
„Masken“ Nietzſches, aber wird man Nietzſche auch nur im entfernteſten gerecht,
wenn man ihm unterſchiebt, ſeine Masken nur allzuoft vergeſſen zu haben, ſo daß ſie
ihm vom bloßen Kampfmittel — daher ihre bunten, vielfältigen widerſprechendſten
Farben — zum Kampfziel, zum Endzweck, zu ſeiner Wahrheit geworden ſei? Damit iſt
allerdings der Willkür Tür und Tor geöffnet und den widerſprechendſten Behauptun⸗
gen von vornherein Exiſtenzberechtigung zuerkannt. Nur ſo kann Dehn von Nietzſche
behaupten, daß er Nihiliſt geweſen ſei. Aber der Nietzſche, der den Nihilismus
bis aufs Meſſer bekämpft, bleibt von ſolcher Oberflächenbetrachtung unberührt.
Auch die Welt der Bilder und Viſionen des Dichters Nietzſche bleibt Dehn ver-
ſchloſſen. Dort, wo Nietzſche die Gewißheit ſeines Lebens in echt dichteriſcher Schau
im Symbol der Flamme erfaßt, ſieht Dehn eine durch das Ich hervorgerufene
„Kriſis aller Wirklichkeit“:
Ja ich weiß, woher ich ſtamme,
ungeſättigt gleich der Flamme
glühe und verzehr ich mich.
Licht wird alles, was ich faſſe,
Kohle alles, was ich laſſe,
Flamme bin ich ficherlich.
Das Angeſättigtſein der Flamme, das Glühen und Sichverzehren, Symbole
echten Mannestums, echten Kämpfertums, in denen ſich uns das Leben als Aufgabe
offenbart, wird bei Dehn zu einer „Anerſättlichkeit des Geiſtes wie des Herzens“, die
die Wirklichkeit zu Aſche verbrennt.
In ſeinem Aufſatz tut Dehn den Geiſt des 19. Jahrhunderts überlegen ab, aber
mit feiner pſychologiſchen Betrachtungsart ift er ſelbſt ihm zum Opfer gefallen,
8 E. K. / Verſchwundene Unterwelt
Pſychologiſches Verſtehen mag für manche Aeußerung Nietzſches eine notwendige
Vorausſetzung fein, das Geſamtwerk Nietzſches aber von irgendeinem pſycholsgiſchen
Problem aus deuten, heißt ſich mutwillig ſämtliche Wege zum Werke Nietzſches
verſperren. Solche pſychologiſchen Meiſterkunſtſtückchen, von denen aus feine Inter-
pretation inſpiriert iſt, ſind: „Der Tyrann in ihm“, der „Heimliche Chriſt“, ſeine
„Glücksbetäubung“, ſein „Machtrauſch“, ſeine „Anerſättlichkeit“, ſeine „Heimlichen
Sklavenketten“, die ihn an Gott binden, ſein „Haß gegen das Chriſtentum“ und viele
andere. Nietzſches Schau wird gedeutet aus höchſt ungewiſſen und vieldeutigen
pſychologiſchen Vorausſetzungen. Nach Dehn geht es ihm nicht um die ewige
Ordnung, ſondern um ein willkürliches, nur pſychologiſch begründetes Setzen.
„Nietzſche findet ſich einen Ausweg“, „er ſchafft ſich ſeine Ewigkeit“; das find
Formulierungen, die zeigen, wohin Dehn auf Grund ſeiner Vorausſetzungen kommen
muß. Nietzſche wird nicht geſehen als Deuter des Lebens und der Wirklichkeit,
ſeine großartige Sicht löſt Dehn in ein ſubjektives Problem auf und glaubt damit
es gefaßt zu haben. Was bleibt bei Dehn ſchließlich nach all der pſychologiſchen Zer⸗
ſetzung übrig: Eine „Dialektik der Genialität“, der das „Nichts im Nacken hockt“,
und ein zwar anerkanntes, aber doch wohl vergebliches „unerhörtes Heldentum der
Seele“. Der große Deuter der Wirklichkeit aber wird zu einem beklagenswerten
pſychologiſchen Einzelfall.
Es ſei zum Schluß geſtattet, dem Ergebnis Dehns das Arteil Alfred Baeumlers
entgegenzuhalten, deffen Nietzſche⸗Buch (Reclam 1931) ſchon erwähnt wurde. Dehn:
„Die Bewegungen Nietzſches find die Bewegungen eines Fliehenden, dem das
Nichts auf den Ferſen iſt, der darum das Nichts verkündigen muß, um mit dem
Nichts das Nichts zu Überſchreien.“ Baeumler: „Nietzſche hat den Nihilismus auf
dem Grunde der modernen Kultur, er hat das Chaos der modernen Seele ſchonungs⸗
los entlarvt, er hat aber auch ein neues Bild der Welt und des Menſchen in reiner
Größe aufgerichtet.“
E. K.:
Herſchwundene Antertvelt
Die Kriminalität eines Landes ift nicht nur ein Barometer der wirtſchaftlichen
Not, der geiſtigen Verwirrung, ſondern auch biologiſcher Entartung. Sie bedeutet
als Keimzelle ſchädlicher und gefährlicher Bakterien eine ſtändige Beunruhigung der
Gemeinſchaft. Ihr mit allen zur Verfügung ſtehenden Mitteln zu begegnen, iſt eine
unerbittliche Notwendigkeit jeder Staatsführung, die das Wohl des Volkes höher
bewertet, als rührſelige Mitleidsgefühle gegenüber einzelner, degenerierter Typen.
In einem nationalſozialiſtiſchen Staate, mit feinem ſtark ausgeprägten Ehr- und
Pflichtgefühl, kommt zu der Erkenntnis obenerwähnter Tatſachen noch das Wiſſen
hinzu, daß derartige Keimzellen gefährlicher Bakterien nur mit radikalen Methoden
entfernt werden können. And ſo heißt es bereits im Parteiprogramm der NSDAP
Punkt 18:
E. K. / Verſchwundene Unterwelt 9
„Wir fordern den rückſichtsloſen Kampf gegen diejenigen, die durch ihre
Tätigkeit das Gemeinintereſſe ſchädigen. Gemeine Volksverbrecher, Wucherer,
Schieber vim. find mit dem Tode zu beftrafen, ohne Rüdfihtnahme auf Kon-
feſſion und Naſſe.“
Dieſer Punkt iſt eine Kampfanſage an die Anterwelt, in welcher Geſtalt, in
welchem Kleid ſie auch immer einherſchreiten mag. Er war vor allen Dingen eine
Kampfanſage an die Methoden, mit denen die Syſtemzeit der Kriminalität begegnete.
Heute, nachdem drei Jahre des, auf dieſer Weltanſchauung ruhenden, ftaatliden
Kampfes vorüber find, können wir bereits eine Bilanz ziehen und ſehen, welche Er⸗
folge dieſer Kampf gehabt hat. |
Das Bild vor der Machtübernahme
Wenn der Generalleutnant der Landespolizei Kurt Daluege, der Mann, der
an entſcheidender Stelle den Kampf gegen das Verbrechertum im Jahre 1933 auf-
nehmen mußte, wenn dieſer Mann in ſeinem ſoeben erſchienenen Buch“) die Zeit vor
der Machtübernahme als „Blütezeit des Verbrechertums“ in einer Kapitelüberſchrift
bezeichnet, dann können wir uns bereits eine Vorſtellung von dem Zuſtand machen,
der am 30. Januar 1933 vorgefunden wurde.
Was uns die Statiſtik verrät, ift einfach grauenerregend. Die Zahl der Gier,
brechen iſt in Berlin, in Preußen, wie im ganzen Reich in einem noch nie dageweſenen
Maße angeſchwollen. Wir führen einige Beiſpiele aus Berlin an:
Einfache Diebſtähle wurden zur Anzeige gebracht:
1926. . 32452 Fälle
1929. 40 325 „
1932. 52231 „
Einbruchsdiebſtähle wurden zur Anzeige gebracht:
1926. . 18673 Galle
1929. . 24 829 „
1932. 36 724 „
Raub und Erpreſſung wurden zur Anzeige gebracht:
1926. . 328 Fälle
1929. . 415 „
1932. . . 760 „
In der Reichshauptſtadt war es doch tatſächlich fo, daß gewiſſe Gegenden nicht
nur einen „ſchlechten Ruf“ hatten, ſondern nach der Dämmerung von vielen Menſchen
ſorgfältig gemieden wurden. Nur zu deutlich lebt in unſerer Erinnerung die „Münz⸗
ſtraße“ beim Alexanderplatz, jene Straße, in deren Amkreis die Ringvereine ihre
Stammlokale hatten, in der die Bauernfängerei hochentwickelt war, in welcher der
) Kurt Daluege: Nationalſozialiſtiſcher Kampf gegen das Verbrechertum (Zentral-
verlag der NSDAP, Franz Eher Nachf., München 1936).
10 E. K. / Verſchwundene Unterwelt
berüchtigte Schneider⸗Hans, der Matroſen⸗Willi und mancher andere Meſſerheld
ſein Anweſen trieb.
Ein gewiſſer Prozentſatz der Kriminalität war damals gewiß durch die immer
drückender auf dem Volke laſtende wirtſchaftliche Not bedingt. Die Arbeitsloſigkeit
ſchwächt ſicherlich bei dem Einen oder dem Anderen, wenn ſie jahrelang andauert, die
moraliſche Widerſtandskraft gegen verbrecheriſche Verlockungen. Aber die Haupt-
ſchuld an dieſer „Blütezeit“ kann nicht auf ſie abgewälzt werden. Die Erfahrungen
des Kriminaliſten und wiſſenſchaftliche Anterſuchungen haben ergeben, daß wir die
Hauptſchuld bei dem Bazillenherd des Berufsverbrechertums zu ſuchen haben.
Der Berufsverbrecher iſt eine der verabſcheuungswürdigſten Erſcheinungen unter
den Menſchen. „Dieſe bewußt aſozialen Elemente, die fih ſelbſt mit Stolz zur Ber-
brecherwelt zählen, die ehrliche Arbeit als Dummheit bezeichnen, ſtellen nicht nur für
den Ort, in dem fle anſäſſig find, ſondern für ganz Deutſchland eine ſtändige und er-
hebliche Gefahr dar. Da fie faſt nur vom Erlös aus Straftaten leben und ent,
ſprechend ihrer leichtfertigen und großtueriſchen Charakterveranlagung keineswegs
ſparſam leben, ſuchen ſie fortgeſetzt nach Möglichkeiten zur Begehung von Straftaten“
ſchreibt Generalleutnant Daluege und kennzeichnet damit den Menſchentyp.
Dieſe Berufsverbrecher wurden nun in der Syſtemzeit keineswegs mit unerbitt-
licher Folgerichtigkeit bekämpft, ausgerottet, nicht einmal mit rückſichtsloſer Härte
niedergehalten. Im Gegenteil, es fanden ſich Literaten (hier bemerkenswerterweiſe
faſt ausſchließlich Juden), die dieſen Menſchentyp in Aufſätzen, Romanen, Bio-
graphien, ja fogar Theaterſtücken verherrlichten!
Alle Vorſtellungen von geſunder Volksmoral waren ins Wanken geraten.
And zu all dem kam noch hinzu, daß bis in maßgebliche Kreiſe der Politik und der
Wirtſchaft eine jüdiſche Korruption eindrang, die durch die Namen von: Sklarz —
Barmat — Kutisker — Katzenellenbogen und den des Polizeivizepräfidenten Bern-
hard Weiß hinreichend beleuchtet erſcheint.
Der Kampf und ſeine Methode
Für die breite Oeffentlichkeit kaum ſichtbar, aber in feinen Auswirkungen auber-
ordentlich bedeulſam, begann ſofort nach der Machtübernahme die Ausarbeitung eines
Großkampfplanes gegen die Anterwelt und bald darauf der Großkampf ſelbſt.
Das Datum, das dieſen Kampf einleitet, iſt der 13. November 1933, der Tag,
an dem Miniſterpräſident Göring einen Erlaß unterzeichnet, der die „polizei
liche Vorbeugungshaft für Berufs verbrecher“ einführte.
Giele Vorbeugungshaft gab endlich der Polizei die Möglichkeit, Berufs-
verbrecher daran zu hindern, neue Straftaten auszuführen. Das Strafgeſetzbuch in
Deutſchland beſaß nämlich die Lücke, daß ein Verbrecher nur dann beſtraft werden
durfte, wenn er bereits eine ſtrafbare Handlung begangen hat. D. h., wurde ſein
verbrecheriſcher Wille zu einem Mord oder Raub offenbar, traf man ihn etwa bei
der Vorbereitung einer Tat an, dann konnte man ihn vielleicht wegen Hausfriedens-
bruch oder etwas ähnlichem anklagen, nicht aber wegen des geplanten Raubes, da
dieſer ja noch nicht „ausgeführt“ war.
E. K. | Verfhwundene Unterwelt 11
Welches Gelidter ſich zum Beiſpiel im Lager Eſterwege im Kreis Hannover
zuſammenfand, beweiſen die Zahlen, die Daluege auch in Em Bud, das jeder-
mann leſen muß, anführt.
476 Gerufsverbredher waren Ende 1935 dort untergebracht. Dieſe 476 Mann
hatten an Vorſtrafen zuſammen 2329 Jahre Zuchthaus und 2492 Jahre Gefängnis!
Planmäßig wurde bald darauf das Berufsverbrechertum von der Polizei über-
wacht. Eine Reihe von Maßnahmen wurde geſchaffen, Menſchen, die als aſoziale
Elemente bekannt waren, ſtändig im Auge zu behalten, jo daß ihnen immer mehr
die Möglichkeit genommen wurde, überhaupt an das Erſinnen einer verbrecheriſchen
Handlung zu denken. Daraus iſt erſichtlich, daß der Nationalſozialismus die
Kriminalität an ihren Wurzeln anpackt und auszurotten verſucht, zum Anterſchied
von früher, als man nur ihre äußeren Erscheinungen bekämpfte und dies mit butter-
weicher „Milde“.
Hand in Hand mit dieſem „Kampf dem Berufsverbrecher“ geht die Erziehung
der Nation zu neuen Lebenszielen und einem neuen Lebensinhalt. Die wirtichaft-
liche Not des Einzelnen wird durch das gewaltige Arbeitsbeſchaffungsprogramm,
dem Kampf der Arbeitsloſigkeit gemildert und zum Verſchwinden gebracht. Eine
wichtige Gefahrenquelle für ein Neuaufleben der Kriminalität iſt damit verſtopft.
Was erreicht wurde
Drei Jahre iſt für einen Geſundungsprozeß von ſo ungeheuerem Ausmaß eine
verdammt kurze Zeit. And trotzdem iſt die Bilanz, die bereits heute gezogen werden
kann, ſo günſtig, wie ſie wahrſcheinlich von nur wenigen erwartet werden konnte.
Die Statiſtik der letzten vier Jahre über die Kriminalität von Groß Berlin
fieht wie nachſtehend aus:
Kriminalfälle 1932 1933 1934 1935
Mord aus Gewinnfſuc t 7 6 3 2
Totſchlag 8 9 7 6 4
Raub und räuberiſche Grpreffung, . 9 540 399 135 132
Verſuche zu Raub und Erpreſſung 220 153 20 28
Diebftahl (einfacher und Ban. .. 88955 66241 49653 48757
Schwerer Diebſtahl ; .. « . 36724 26 524 16464 15476
Das bedeutet ein Sinken ge Kriminalitätskurve von gang außerordentlichem
Maße. Wir glauben, daß kein anderes Land der Welt in dieſer Zeit einen ähn-
lichen Erfolg verzeichnen kann.
And gehen wir heute durch die Münzſtraße, die einſt ein Schrecken war: weder
ungetarnt noch getarnt begegnen wir den Ringvereinen. Sie find aufgelöſt, ja fie
haben ſich ſogar teilweiſe ſelbſt aufgelöſt. Wir werden nicht mehr von Bauern⸗
fängern angeſprochen, denn dieſem Gewerbe ift einfach der moraliſche Boden ent-
zogen, in einem Staat, in dem jeder von feiner Arbeit lebt und nicht auf „Gelegen-
heitsgeſchäfte“ ſich einzulaſſen braucht. And Meſſerhelden gibt es erſt recht nicht
mehr.
12 Poll / Nationaler Sozialismus und Schwedens Jugend
Ganz aus Deutſchland verſchwunden iſt jene Klaſſe der von Land zu Land
reiſenden internationalen Betrüger und Hochſtapler. Bei ihnen hat es ih am
raſcheſten herumgeſprochen, daß bei uns kein Nährboden mehr für ſie iſt.
Der Kriminaliſt und der Poliziſt, fie arbeiten mit Aufopferung und Gelbftlofig-
keit für das Wohl des Volkes, für die Gemeinſchaft. Jeder einzelne Volksgenoſſe
dankt es ihnen. Er kann dieſen Dank am ſichtbarſten dadurch Ausdruck verleihen,
daß er ſich ſtets und in allen nur erdenklichen Lagen vertrauensvoll an die Polizei
wendet. Sie wird ihm ſtets helfen.
Dr. F. v. Poll:
Nationaler Gosialismns nnd Schwedens
Jugend
Wir bringen nachfolgend einen Bericht über die Lage der ſchwediſchen Jugend und über
eine Bewegung, deren Gründer Lindholm geweſen ift. Es ift ſelbſtoerſtändlich, daß die Be
nugung des Begriffes „nationaler Sozialismus“ nicht inhaltliche Gleichheit mit unferem
Nationalſozialismus bedeuten fou.
Die Innen- und Außenpolitik ift in den letzten Monaten in Schweden mehr in Be-
wegung geraten, als man es bei den ruhigen, faſt idylliſchen politiſchen Zuſtänden dieſes
Landes gewohnt war. So iſt auch im Ausland beachtet worden, daß ausgerechnet die
ſozialdemokratiſche Regierung eine überraſchende Schwenkung ihrer Haltung zum nationalen
Nüſtungsproblem vollzogen hat. Bisher gehörte die Politik der Abrüſtung bis zur pral-
tiſchen Entwaffnung zu dem eifernen ideologiſchen Beſtand der ſchwediſchen Gogialdemo-
kraten. Jetzt iff man plötzlich der Meinung, daß z. B. die ſchwediſche Flotte erheblich
verſtärkt werden muß. Die Sozialdemokraten ſuchen dieſen „nationaliſtiſchen Exzeß“ ihrer
Regierung mit der „Bedrohung des Oſtſeeraumes“ durch eine deutſche Flottenhegemonie
zu begründen. Die gleiche Regierung iſt ſchon einmal von den traditionellen
Wirtſchaftsvorſtellungen ihrer ſozialdemokratiſchen Freunde völlig abgewichen, als fie
nämlich eine umfaſſende Preisſtützungspolitik in der Landwirtſchaft einführte.
Ein wendiger Opportunismus ſcheint für das Verhalten auch der Parteien
in Schweden oft typiſch zu fein. Natürlich nennt man das dann „Real politik“, genau
ſo wie einſt bei uns im Spiel der Parteiauguren. Trotzdem iſt die Stimmung des Volkes
noch recht weit entfernt von einer deutlichen Abneigung gegen das Parteiweſen überhaupt.
Das mag man daraus erklären, daß der Schwede bisher nie hart und unmittelbar darauf
geſtoßen wurde, ſich mit den Grundproblemen der nationalen Politik intenſiv zu
befaſſen. Denn dieſes Land hat ſeit 120 Jahren keinen Krieg, ſeit Jahrhunderten keinen
feindlichen Einfall erlebt. Schweden kennt auch nicht die Not eines Volkes ohne Raum:
ſechs Millionen Menſchen — 1% Millionen mehr als Berlin — wohnen auf einem faft
ſo großen Flächenumſang wie Deutſchland! Wirtſchaftlich ſichert immer noch mittleres
und kleineres Vermögen das Leben des einzelnen, und an dieſer Tatſache hat auch der
Kreugerkrach, der große Sparerkreiſe hart traf, nichts Entſcheidendes geändert. Selbſt die
Abwertung der ſchwediſchen Krone iſt verhältnismäßig reibungslos abgelaufen; ſie hat das
Preisniveau des Landes kaum geändert, aber manche handelspolitiſchen Vorteile eröffnet.
Poll / Nationaler Sozialismus und Schwedens Jugend 13
So kann man ſich kaum wundern, daß der Durchſchnittsſchwede auch heute noch geradezu
Rot darauf ift, „zu 99 Prozent Privatmann“ zu fein. Bei allem Verger über einzelne
Parteigruppen oder politiſche Ereigniſſe ift er weit davon entfernt, Politik als ein Grund-
problem des geſellſchaftlichen Zuſammenlebens überhaupt aufzuſaſſen. And mit einer
Miſchung von ſpöttiſcher Steps und ſelbſtgefälligem Optimismus pflegt er dem Spiel
der Gewalten und Parteien zuzuſehen, um ab und an (wenn die Obrigkeit dazu aufruft)
ſich in der Rolle eines Richters mit dem Stimmzettel zu gefallen.
Noch iſt die Sozialdemokratie die ſtärkſte Partei des Parlaments. Sie hat
fi recht gemäßigte — im Gegenſatz zu ihren halbkommuniſtiſchen norwegiſchen Genoffen —,
durchaus bürgerliche innerpolitiſche Formen angewöhnt. Ein beachtliches Gegengewicht
auf der Rechten bilden die Konſervativen und der Bauernverband; aber ihnen fehlt
eine einheitliche politiſche, fogiale und kulturelle Programmatik und damit die entſcheidende
Ungriffs- und Sammlungskraft. Der Liberalismus ift als Parteiform ſchwach ver-
treten und ſcheint wenig Ausſicht auf politiſche Führung zu beſitzen. Aber nach Lebensart
und Gewohnheiten findet man in Schweden überall liberale Neigungen, die wohl mit
dem fort im Volkscharakter verwurzelten Individualismus zuſammenhängen mögen.
Der außenſtehende Betrachter — und nur in dieſer beſcheidenen Rolle follen unſere
Bemerkungen verſtanden werden — erhält den Geſamteindruck eines recht ſtarken Be-
harrungs vermögens der gegenwärtigen Zuſtände in Schweden. Aber ſchon melden
ſich ernſte Probleme, ja politiſche und völkiſche Gefahren, deren Löſung auf lange Sicht
auch einen Bruch mit den bisherigen Durchſchnittsanſchauungen des Schweden über die
Bedeutung des Politifden und die herrſchenden politiſchen Methoden erfordern werden.
Bei dieſen recht feſtgefahrenen Verhältniſſen ziehen nun die nationalſozialiſtiſchen
ſchwediſchen Gruppen immer ſtärker die Aufmerkſamkeit der Oeffentlichkeit auf ſich. Der
ſchwediſche Nationalſozialismus ift jung und noch nicht einheitlich geführt. Als aftivfte
Gruppe kann wohl die von Olov Lindholm geführte ſchwediſche National-
ſozialiſtiſche Arbeiterpartei (NSAP) gelten. Das Programm dieſer
Gruppe zeigt ſtarke Berührungspunkte mit dem nationalen Sozialismus anderer Nationen.
So werden die Geſundung und Kräftigung der Naſſe, Stärkung der von einem Stände
parlament unterſtützten Staatsmacht, Kontrolle des Außenhandels, Kampf gegen Kapital-
herrſchaft und Brechung der kapitaliſtiſchen Zinspolitik als Hauptziele herausgeſtellt. Kern⸗
punkt des ſchwediſchen Nationalſozialismus iſt die Forderung nach dem Recht auf
Arbeit und nach gemeinſamer Organiſation von Anternehmern und Arbeitern, alſo der
Aufhebung der Klaſſenkampffronten. Im Vordergrunde des Kampfes der NSA ſteht
die Brechung des jüdiſchen Einfluſſes auf allen kulturellen, wirtſchaftlichen und
ſtaatlichen Gebieten. Tatſächlich hat ſich nach ſchwediſchen Zeitungsmeldungen die Zahl
der Juden dort ſeit dem Kriege verdreifacht; allein in den letzten zwei Jahren find etwa
1000 jüdiſche Emigranten aus Deutſchland eingewandert! In jüdiſchen Händen find in
Schweden die wichtigſten Poſitionen der Wirtſchaſts⸗ und Kulturlenkung, beſonders der
Preſſe und des Rundfunks (der Großverleger Bonnier !).
Das Parteiprogramm der NSAP bekennt ſich zu einer ſchwediſchen Volkskirche
auf lutheriſcher Grundlage als „autoritärer Trägerin und Beſchützerin der pofitiv Grift-
lichen Lebensanſchauung“. Es fordert zugleich nordiſche Ehrauffaſſung, reine Sittenbegriffe
ſowie Freiheit für alle Lehren, die nicht dem germaniſchen Sittlichkeitsgeſühl widerſtreiten
oder den geiftigen Aufbau des Volkes hindern. Religiöſe Werte folen das Rückgrat des
moraliſchen Bewußtſeins im Volke werden. Im gleichen Programmpunkt verlangt die
14 Poll / Nationaler Sozialismus und Schwedens Jugend
NSAP die Amſtellung aller Sitten ⸗ und Kulturgüter des ſchwediſchen Volkes im nordiſchen
Geiſte und der Schulpolitik auf beſſere Pflege des Naſſegedankens und vor allem der
Charaktererziehung.
Lindholm ſucht offenbar den nationalen Sozialismus feiner Gruppe gegenüber Grund-
fagen und Methoden aller anderen Parteien möglihft ſcharf herauszuarbeiten. Er muß
dabei natürlich zu einer ſehr weitgreifenden politiſchen Programmatik kommen und findet
dafür bei der mittleren und älteren Generation weniger Verſtändnis als bei der Jugend.
Es ift bezeichnend, daß die Lindholmgruppe bereits über eine durchgebildete Jugendorgani⸗
ſation „Nordiſk Ungdom” (Nordiſche Jugend) verfügt. Dieſen Jugend-
gruppen hat er beſondere Leitſätze gegeben, die die Grundzüge des Parteiprogramms fo
faſſen, daß aus ihnen unmittelbar die Aufgabe des nationalſozialrſtiſchen Jungſchweden im
Kampf für die Bewegung deutlich wird. Die durchaus revolutionäre Ziel-
ſetzung kommt im Jugendprogramm deutlich zum Ausdruck. Es heißt im Inſtruktions-
buche der Nordiſk Ungdom: „Wir find von Natur aus revolutionär gegen alle Formen,
die die von Gott beſtimmte Entwicklung unſeres Volkes hemmen und erſticken; wir ver-
achten die bürgerliche Feigheit, weil nur rückſichtsloſer Kampf zur Freiheit führt. Wir
wollen keinen Putſch, ſondern eine Revolution des Denkens im Volke durch unſeren
Mut, unſeren Glauben und durch unſere Opferkraft herbeiführen.“
In den Leitſätzen der Jugendorganiſation fehlt übrigens eine beſondere Erwähnung
der Aufgaben einer evangeliſch⸗lutheriſchen Volkskirche, wie wir fie im Parteiprogramm
felbft finden. Der Jugend wird Kameradſchaft, Naturverbundenheit, Selbſtdiſziplin, Liebe
zum Land und zur Arbeit aller Volksgenoſſen neben der Pflege nordiſcher Sitten und
nordiſchen Geiſtesgutes zur beſonderen Aufgabe und Pflicht gemacht.
Der „Geiſt des Verſchworenſeins“ fol im Denken des nationalſozialiſtiſchen Jung-
ſchweden beſonders verankert werden. Anbedingte Kameradſchaft ift der oberſte Grundſatz
der Nordift Angdom und zugleich der entſcheidende Begriff bei der Bildung ihrer Grund-
einheit des „Lag“. Der Lag ift eine Schar von 6—8 Jungen, die unter Veriidfidtigung
auf zuſammengehöriges Alter, Schul⸗ und Arbeitskameradſchaft und Wohnnähe gebildet
wird. Den Kameraden des Lag wird die Aufgabe gemeinſamer Arbeit und Opfer, gegen-
ſeitiger Kameradſchaft und Verteidigung gegeben. Der Geiſt des Lag — ſo heißt es im
Inſtruktionsbuche — ſoll der gleiche ſein wie der der Blutsbrüderſchaft der nordiſchen
Vorfahren, in der mehr für den Kameraden gekämpft wurde als für ſich ſelbſt, und die Treue
dem andern nicht nur im Leben, ſondern auch im Tode gehalten wurde. Gerade durch
dieſen „Geiſt des Lag“ will wohl Lindholm die charakteriſtiſche Haltung ſeiner
Jungmannſchaßft, ihren Zuſammenhalt, ihre Kampfform und die Art ihrer Welt-
auffaſſung beſtimmen laſſen.
Auf dem Lag, der ſich noch in Vortrupps (förtrupp) von 2—5 Jungen gliedern kann,
baut ſich die weitere Organiſation in Kameradſchaften (3 Lag), Anſtorm (3 Kamerad
(haften), Freiwehr (frivärn) (108 Jungen), Oberſturm (uppſtorm) (324 Jungen), Jung;
brigaden (ungbrigad) (972 Jungen) und Gebietsgefolgſchaften (landsfylking) (1944 Jungen)
auf. Nach dem Inſtruktionsbuche folen 7 Gebietsgeſolgſchaften, für jeden Parteidiſtrikt
eine, gebildet werden. Bisher ift aber der Jugendaufbau noch nicht fo weit. Man kann
die Mitgliedszahl der Nordiſk Angdom auf etwa 5000 Mann, alſo ungefähr der Stärke
von 3 Gebietsgefolgſchaften ſchätzen. Außerdem find in der Nordiſk Ungdom noch Madel ⸗
gruppen vorgeſehen. Die Führung der ganzen Jugendorganiſation hat der Leiter der NSA P,
Lindholm, ſelbſt übernommen; ſein Stabsleiter und Stellvertreter iſt Arne Clementſon.
Poll / Nationaler Sozialismus und Schwedens Jugend 15
Die Anhängerſchaft der Jugend zu Lindholm und zu ähnlichen nationalſozia⸗
liſtiſchen Gruppen geht zahlenmäßig natürlich über die in der Nordiſk Angdom zuſammen⸗
geſchloſſenen Formationen hinaus. Die junge Generation neigt dem Gedankengut der Be⸗
wegung ſchon zum Teil aus reinem Aeberdruß über die Phraſen des Materialismus aller
Schattierungen, die man ihnen ſeit Jahren in der Schule, in der Werkſtatt und im Studium
vorkaut, zu. In der Studentenſchaft findet man aktive kleine Kampfgruppen, aber
bei dem ſtarken Individualismus, der das ſchwediſche Studentenleben kennzeichnet, iſt dort
der Vormarſch der Idee langſamer und zweifelhafter. Sicherlich hemmt hier auch die
Serfplitterung der verſchiedenen Gruppen des Nationalſozialismus (Lindholm, Eckſtröm,
Graf Nofen uſw.), die ſich zum Teil unfreundlich behandeln. Dazu wirkt die Schärfe der
Kampfparolen und methoden, beſonders der Lindholmgruppe, ungewohnt und vielfach „ver⸗
ſtimmend“. Auffallend iſt dagegen die Stärke der Anhängerſchaft und die Aktivität für
den Nationalſozialismus unter den Jungen zwiſchen 14 und 18 Jahren. Hier
kann oſt — beſonders in den Schulen — von einem Vorherrſchen nationalſozialiſtiſcher
Anſchauungen geſprochen werden, ſoweit das politiſche Intereſſe geweckt wurde. Auch die
Werbung unter der Jungarbeiterſchaft ſcheint, trotz aller gewerkſchaſtlichen Mb-
wehr, in der letzten Zeit recht erfolgreich geweſen zu ſein. Schon entwickelt ſich ein ſtändiger
Kleinkrieg zwiſchen den nationalſozialiſtiſchen und den marxiſtiſchen Jugendgruppen. Die
Nervofitdt der Marxiſten wird verſtändlich, wenn man erfährt, daß ſich Lindholms An⸗
hangerſchaft immer mehr auch aus Arbeiterkreiſen der Großſtädte und Induſtriegebiete
rekrutiert (neben Göteborg, dem Sitz der Bewegung, Nordſchweden und Stockholm). — Die
Lindholmbewegung hat auch ſchon manche Erfahrungen in der Auflöſung von Kampf⸗
formationen, in Aniformverboten und politiſchen Prozeſſen. Der Zuſammenhalt und
Fanatismus der nationalſozialiſtiſchen Gruppen ſcheint aber trotzdem — und vielleicht
dadurch — auch in Schweden eher zu wachſen. Die Fronten klären ſich, das Für und
Wider wird in die öffentliche Diskuſſion und damit in die Maſſen getragen. And die
Geſchloſſenheit und Leidenſchaft einer verfolgten Gruppe verfehlt faſt nie ihre Anziehungs⸗
kraft, beſonders auf die Jugend eines Volkes.
Solche, doch in Einzelaktionen beharrende Kampfmethoden der Bürokratie und
gegneriſcher Parteigruppen find wenigſtens bisher kaum allzu wirkungsvoll geweſen;
vielleicht haben ſie ſogar dazu beigetragen, den breiten Wall politiſcher Gleichgültigkeit
ein wenig abzutragen, mit dem ſo viele Schweden die ſorgſam gehüteten Bereiche ihres
Privatlebens fo febr umgeben, daß es uns Deutſche manchmal faſt wie ein „Privat-
mannskomplex“ anmutet. Man darf eben nie die tiefen Anterſchiede zwiſchen den
Lebensformen und geſchichtlich begründeten Vorſtellungen vergeſſen, die nun einmal
zwiſchen Deutſchen und Schweden beſtehen. Deshalb müſſen auch Ziele und Kampfformen
ſchwediſcher Nationalfozialiſten wie jeder politiſchen Gruppe idh auf ganz andere Gegeben-
heiten einſtellen wie in Deutſchland. Bei uns hatten die Sturafluten des nationalen Un-
glücks in zwanzig Jahren dem einzelnen oft einen harten Unterricht über die Zuſammen⸗
hänge zwiſchen öffentlichem und perſönlichem Wohl erteilt.
Aber auch unter der zufriedenen Oberfläche Schwedens melden ſich drohende Fragen.
Sie werden von den nationalſozialiſtiſchen Gruppen als ſtarke Kampfparolen in die Maſſen
getragen. Verhärtete Klaſſenfronten, zum Teil unerträgliche Angerechtigkeit der
Entlohnung verſchiedener Wirtſchaftsleiſtungen mit allen ihren Folgen des Zudranges
zu der einen, der übermäßigen Abwanderung zu der anderen Beſchäftigungsſorm, find
heute ſchon höchſt akute Probleme. Nicht minder bedenklich iſt die ſtarke Abwanderung
in die Städte, gefördert durch eine materialiſtiſche Kulturpropaganda. Eine Gefahr
16 Poll / Nationaler Sozialismus und Schwedens Jugend
für den Beſtand dieſes hochkultivierten und begabten Volkes bildet der fortſchreitende
Geburtenrückgang. In einigen hundert Jahren wird bei gleicher Entwicklung das
dünnbefiedelte Schweden entvölkert ſein. Vielleicht erklärt ſich mit aus dieſer Tatſache die
geradezu erſtaunliche Intereſſeloſigkeit, die man in Schweden aud ſolchen außen ⸗
politiſchen Problemen entgegenbringt, die es unmittelbar berühren. So findet
der Kampf der ſtarken ſchwediſchen Minderheit in Finnland um ihre kulturelle, völkiſche
und ſtaatsbürgerliche Gleichberechtigung wenig Widerhall, ja er wird teilweiſe als eine
peinliche, die „guten Beziehungen“ zu Finnland ſtörende Angelegenheit betrachtet.
Schweden ſcheint ſich noch weiter von den Anſtrengungen ſeines heroiſchen Zeitalters
von Guftav Adolph bis Carl XII. ausruhen zu wollen. „Toleranz“ ift nicht mehr nur der
Ausdruck edler Achtung vor der Eigenart des einzelnen, ſondern auch ein gefährliches
Schutzwort für jede Bequemlichkeit, jeden ziviliſierten Materialismus der Oberſchichten
und — für jede marxiſtiſche Kulturpropaganda. Rußland ift nicht weit. Der Kommunis⸗
mus klopft mit harten Fäuſten an die Tore der Fabriken, Villen und Gehöfte. Nirgends
eigentlich, mit Ausnahme der jungen nationalſozialiſtiſchen Bewegung in Schweden, findet
er wirklich entſchloſſenen, kampfbereiten Widerſtand; nirgends findet man zugleich
einen leidenſchaftlicheren Willen, den Zerſetzungsformen des Klaſſenkampfes von oben und
von unten die Idee der Volksgemeinſchaft in der Geſtalt klaſſenüberwindender Kamerad⸗
ſchaft entgegenzuſetzen und für ſie Jugend und Arbeiterſchaft — bisher die leichteſte Beute
des Marxismus — zu gewinnen und zu erziehen.
Noch aber iſt der Weg der ſchwediſchen nationalſozialiſtiſchen Bewegung weit und
ungewiß. Ihr Schickſal liegt bei der Führung; durch ſtraffe Zuſammenfaſſung aller Splitter-
gruppen wäre für ſich manches gewonnen, aber noch lange nicht alles. Vorausſagen find
hier um ſo ſchwieriger, als man ſich vor abwegigen Analogieſchlüſſen hüten muß, die ſich
natürlich dem oberflächlichen Betrachter leicht aufdrängen. Was bei uns, aus der Tragödie
eines Sechzigmillionenvolkes im Herzen Europas zur geſchichtlichen Wende aufwuchs, dieſes
deutſche Werk Adolf Hitlers, kann nie das Schema für billige, unkritiſche Kopien und
Vergleiche werden. Die große Auseinanderſetzung mit den verbündeten Traditions-
kompagnien der franzöſiſchen und der ruſſiſchen Revolution wird auch Schweden nicht er-
ſpart bleiben (denn das iſt ein wirklich „internationales Problem“), aber ihre Art und
ihr Ausmaß find in jeder Nation verſchieden. Vielleicht wird dieſer Kampf in Schweden
in feinen äußeren Formen weniger hart fein, als es bei uns möglich war, — dieſes Volk,
in dem der Diebſtahl faſt unbekannt iſt, hegt eine tiefe Abneigung vor jeder Form des
Angriffs auf Leben und Eigentum des anderen, es hält auch zäh an den gewohnten Cine
richtungen und Regeln feines politiſchen Lebens und feinen Autoritäten feft. Die Aeber⸗
windung des marxiſtiſchen und liberalen Materialismus kann Déi daher dort unter Um-
ſtänden mehr im Bereich der weltanſchaulichen, ſozialen und kulturellen Erneuerung mit
weitgreifenden politiſchen Auswirkungen vollziehen, als primär im Wege politifcher
Machtergreifung.
Wie immer die Zukunft unſerer nordiſchen Nachbarn ſein mag, die Jugend, die ſich
unter dem Banner der blauen Fahne mit dem gelben Hakenkreuz anſchickt, eine Kerntruppe
für die Erneuerung ihres Vaterlandes zu werden, ſtellt in den Mittelpunkt der Selbſt⸗
erziehung in ihren Organiſationen die beſten Eigenſchaften kämpferiſcher Gemeinſchaften:
Treue, Kameradſchaft, Beharrlichkeit, Mut und Geduld. Ihr Weg iſt weit und ungewiß;
aber der Marſch hat begonnen — und dieſe entſcheidende Tatſache müſſen wir mit auf⸗
merkſamer Teilnahme beachten.
Gesunde Menschen
Außenpolitiſche Notizen 17
—
AUSSENPOLITISCHE / of On
Ausuben in Dalditina
Seitdem England mit der Balfour-Defla-
tation den Juden in Paläſtina eine
nationale Heimftätte verſprochen hat, exiſtiert
das Problem des arabiſch⸗jüdiſchen Gegen-
ſatzes in Paläſtina. An dieſer Frage find
nunmehr drei Parteien intereſſiert: 1. die
Araber, die die Mehrheit bilden, 2. die
Engländer, die Paläſtina als ſtrategiſche
Landbrücke nach Indien benutzen und 3. die
Juden, die in der zioniſtiſchen Bewegung
dort ihre hiſtoriſche Heimſtätte ſuchen. In
der letzten Zeit haben ſich die Verhältniſſe
weiterhin zugeſpitzt. Der engliſche Gouver-
neur von Paläſtina will darangehen, eine
Beteiligung der Bevölkerung an der Ver-
waltung in Geſtalt eines halbparlamenta⸗
riſchen Syſtems durchzuführen. Es entſpricht
durchaus der zahlenmäßigen Verteilung der
Bevölkerungsgruppen, daß in dieſer Körper
ſchaft die Araber zahlenmäßig ſtärker ver⸗
treten wären als die Juden, denn die
Araber find nun einmal der anſäſſige und
ſtärkere Bevölkerungsanteil, die Juden da⸗
gegen neue Einwanderer. Anläßlich der von
der engliſchen Regierung geplanten Maß⸗
nahmen erhob ſich ein Sturm in der geſamten
Zioniſtenpreſſe über dieſe angebliche „Ge⸗
fährdung der jüdiſchen Nation“. Man ver⸗
ſuchte die britiſche Oeffentlichkeit in dieſer
jüdiſchen Angelegenheit zu mobiliſieren, ob-
wohl man weiß, daß es ſich hier um ein
britiſches Reichsintereſſe handelt. England
gerät hier in einen ſchwierigen Konflikt. Es
muß mit Rückſicht auf die indiſchen Mo-
hammedaner die Wünſche der Araber un⸗
bedingt berückſichtigen, andererſeits aber
feine Verſprechungen gegenüber dem Juden-
tum aufrechterhalten. Dieſer Konflikt wird
haben!
in den angelſächſiſchen Ländern ein inter-
eſſanter Prüfſtein für die nationale Su-
verläſſigkeit des Judentums gegenüber
ſeinem Gaſtvolk ſein. Man kann uns nicht
verübeln, daß wir mit einer gewiſſen
Spannung dieſem Konflikt zuſehen, bei dem
andere Leute in der Lage find, Erſahrungen
zu ſammeln, die wir ſchon früher gemacht
Kein Wunder, daß die weſtliche
Preſſe über dieſe Dinge ſo ſchweigſam iſt.
Wenn auch die Engländer aus dem jüdiſch⸗
arabiſchen Streit immer ihre politiſche und
moraliſche Rechtfertigung zur militäriſchen
Beherrſchung Paläſtinas ziehen werden und
ziehen können, fo beanſprucht dieſes Problem
dennoch keine geringe Aufmerkſamkeit und
keine kleinen Machtmittel. Bei den letzten
Anruhen mußten felbſt aus dem an ſich ſchon
bedrohten Aegypten Truppen herangeholt
werden, um Paläſtina zu beruhigen. Die
Forderungen der Araber, die ſich immer
beffer organiſieren, lauten heute: 1. Verbot
des Landerwerbs durch Juden, 2. Einſtellung
der jüdiſchen Einwanderung. Wie wird fid
England aus dieſer Lage herausziehen?
Die Rückwirkungen dieſer Auseinander-
ſetzungen ſind in der ganzen arabiſchen Welt
zu fühlen. Bemerkenswert iſt die Denk⸗
ſchrift des Emirs von Trans jordanien an
das engliſche Auswärtige Amt, die verſteckt,
aber vernehmbar mit einer völligen Um-
ſtellung der arabiſchen Politik droht, wenn
in Paläſtina weiterhin dauernd gegen die
Intereſſen der Araber gehandelt wird.
Transjordanien tft als ſtrategiſches Durd-
gangsgebiet der großen Moſſulölle itung
ſowie als Bartiere gegen Saudiſch⸗Arabien
für England unentbehrlich und es kann es
18 Kleine Beiträge
ſich nicht leiſten, Transjordanien in die
Arme Ibn Sauds zu treiben. Auch muß
England, wie oben ſchon geſagt, Rückſicht
auf ſeine übrige mohammedaniſche Be⸗
völkerung in ſeinem Weltreich nehmen. Be⸗
kanntlich warnte der britiſche Vizekönig von
Indien, das einige Millionen Mohamme-
daner beherbergt, dringend vor einer Vier,
leine.
Autbeud Rampfidvifterr gesen `
das Zudentum
Luther hat einen kraftvollen Kampf gegen
das Judentum geführt. In theologiſchen
Abhandlungen, in ſeinen Tiſchreden und in
beſonderen Kampfſchriften hat er derb gue
gegriffen und Keulenſchläge ausgeteilt. Es
iſt ſehr ſtille geweſen um dieſen Kampf und
wenig geſchehen, ihn im Bewußtſein des
deutſchen Volkes wach zu halten. Das iſt
nun anders geworden, und Luthers Rampf-
ſchriſten gegen das Judentum, find zum Teil
im Auszug, zum Teil vollftändig, in einer
handlichen Ausgabe neu herausgebracht.
(Luthers Kampfſchriften gegen das Juden-
tum, herausgegeben von Dr. Walther
Linden, bei Klinkhardt & Biermann, Berlin
1936.)
Am die Wende des 15. und 16. Jahr-
hunderts hatte ſich der Kampf gegen die
Juden aus religiöſen und wirtichaftlichen
Gründen, hinter denen der raſſiſche Gegenſatz
ſichtbar wurde, ſehr verſchärft und mander-
orts zu ihrer Austreibung geführt. Wilhelm
Grau hat uns in ſeiner Darſtellung des
Endes der Regensburger Judengemeinde
1450 bis 1519 ein lebendiges Bild dieſer
Kämpfe gezeichnet. In den Tagen Luthers
trat beſonders eine ſehr lebhafte religiöſe
Propaganda der Juden hinzu, die die chriſt⸗
neitrage
letzung der arabiſchen Intereſſen im
Vorderen Orient.
Die franzöſiſchen Methoden im Mandat
Syrien ſind auch nicht dazu angetan, die
politiſche Spannung im Vorderen Orient zu
mindern. Es ſcheint, daß hier an den fern
des Mittelmeers ein weiterer Anruheherd
im Entſtehen begriffen iſt. Wulf Siewert
liche Lehre angriff, die Dreieinigkeit als
Vielgötterei ſchmähte und keineswegs er-
folglos blieb.
Luther hat von vornherein gegen die
Juden Stellung bezogen und jüdiſche Ber-
drehungskunſt und jüdiſche Verdorbenheit
aufs ſchärfſte gebrandmarkt. Es iſt nicht ſo,
wie man es auch hier von jüdiſcher und
liberaler Seite darzuſtellen verſucht hat, daß
Luther auf Grund der berüchtigten „perſön⸗
lichen Erfahrungen“, ſprich „ſubjektiver
Vorurteile“, zu ſeinem Kampf gegen die
Juden geführt worden fei. Zeitweilig, in
der Hochſtimmung der erſten Neformations-
jahre, hat er an eine künftige Bekehrung
großen Stiles unter den Juden geglaubt
und Milde befürwortet. Dann aber hat
er, aus tieferer Einſicht in das jidifde
Weſen und namentlich unter dem Eindruck
der ſortgeſetzten jüdiſchen Angriffe gegen
das Chriſtentum das Geſamtproblem des
Judentums in Deutſchland aufgerollt und
1543 in der Schrift „Von den Jüden und
ihren Lügen“ zu vernichtendem Schlage aug-
geholt. Er ruft zu ſchonungslofen Map-
regeln gegen das jüdiſche Treiben auf und
fordert das Verbot des jüdiſchen Kultus,
die Serftdrung der Synagogen, das Ver-
bot des Wuchers und ſchließlich die Aug-
treibung. Hier heißt es: „Ein ſolches ver-
Kleine Beiträge 19
zweifeltes, durchböſetes, durchgiftetes, Durd-
teufeltes Ding iſts um die Juden, die dieſe
1400 Jahre lang unſere Plage, Peſtilenz
und alles Anglück geweſen find und noch
ſind.“ „So rauben ſie und ſaugen uns aus,
liegen uns auf dem Halſe, die faulen
Schelme und müßigen Wänſte, ſaufen,
freſſen, haben gute Tage in unſerem Hauſe,
fluchen zum Lohne unſerem Herrn Chriſtus,
Kirchen, Fürſten und uns allen, drohen und
wünſchen uns ohn Anterlaß den Tod und
alles Anglück.“ „Wollen aber die Herren
fie nicht zwingen noch ſolchem ihrem teuf-
liſchen Mutwillen ſteuern, ſo möge man ſie,
wie geſagt, zum Lande austreiben und ihnen
fagen, daß fie in ihre Lande und Güter gen
Jeruſalem hinziehen und daſelbſt Lügen,
Fluchen, Laftern, Speien, Morden, Rauben,
Wuchern, Spotten und alle ſolche läſterliche
Greuel treiben, wie ſie bei uns tun, und
uns unſere Herrſchaft, Land, Leib und Gut
laſſen, ferner unſeren Herrn Meſſias,
Glaube und Kirche unbeſchwert und un-
befudelt von ihren teufliſchen Tyranneien
und Bosheiten“ (S. 207 f.). Hart läßt er
die wohlmeinenden „Herrſchaften“ und die
„barmherzigen Heiligen“ abfahren: „Denn
ich ſehe wohl und habs oft erfahren, wie
gar barmherzig die verkehrte Welt iſt, wo
ſie billigerweiſe ſcharf ſein ſollte und
wiederum ſcharf, wo ſie barmherzig ſein
folte... Afo werden fle vielleicht jetzt
auch barmherzig ſein wollen über die
Juden, die blutdürſtigen Feinde unſeres
chriſtlichen und Menſchennamens, um damit
den Himmel zu verdienen. Aber daß die
Juden mit all den genannten teufliſchen
Greueln uns arme Chriſten fangen, plagen,
martern und alles Herzeleid antun, das ſoll
man ertragen und iſt chriſtlich wohlgetan,
vor allem, wenn Geld da iſt, das ſie uns
geſtohlen und geraubt haben“ (S. 209).
Luther gehört mit feinen Kampfſſchriften
in die Geſchichte der deutſchen Auseinander-
ſetzung mit dem Judentum hinein. Das
folte man auch von theologiſcher Seite an-
erkennen, ſtatt mit Lutherſchen Stellen
Nadelſtiche gegen die Naſſenanſchauung des
Nationalſozialismus zu führen (fo W.
Gabriel, Von den Silden, Göttingen 1936).
Dabei iſt nicht zu überſehen, daß Luthers
Kampf gegen die Juden auf chriſtlicher
rel igidſer Grundlage ſteht und ſich dadurch
von unſerm raſſiſchen Denken unterſcheidet.
So tief und allſeitig Luther in die Er-
kenntnis des jüdiſchen Weſens eingedrungen
iſt, das jüdiſche Paraſitentum iſt für ihn
gemäß der chriſtlich⸗mittelalterlichen An-
ſchauung doch nur die Golge deſſen, daß die
Juden den Meſſias abgelehnt haben und
darum unter dem Zorn Gottes ſtehen. Die
blutsmäßige raſſiſche Seite ſieht er nicht.
„Das Wort oder die Berufung, welche die
Geburt nichts achtet, ſcheidet hier die Sachen
alle.“ „Denn wir ſind in gleicher Weiſe
wie He in der heiligen Väter Landen ge-
wefen, und es iſt hier kein Anterſchied der
Geburt oder des Fleiſches halber, wie das
alle Vernunft ſagen muß“ (S. 105 f.). Die
Bekehrung bleibt für Luther, ſo auch in der
letzten Predigt feines Lebens, die der „Ver ·
mahnung wider die Juden“ gewidmet iſt,
entſcheidender Geſichtspunkt. Es iſt aus
dieſen Gründen unverſtändlich, wie Dr. W.
Linden in der Einleitung zu der Neu-
ausgabe Luthers Kampfſchriften als „noch
heute vollauf gültiges völkiſch rel igiöſes Be-
kenntnis“ darſtellen kann. Die Einleitung
iſt völlig verzeichnet und ohne jeden echten
Maßſtab. Nur ſo vermag ſie auch eine
„abendländiſch-chriſtliche“ Front zu ton-
ſtruieren, ohne zu bemerken, daß dies nicht
unſere Begriffe find. K. A.
Die neue Geſellſchaſtsordunns
Der Nationalſozialismus als Ausdruck
des deutſchen Lebensgeſetzes der Gegenwart
und der Zukunft begründet als natürliche
und zwangsläufige Folge ſeiner revo⸗
luttondren Parolen — Volksgemeinſchaft!
Adel der Arbeit! — auch eine neue Gefell-
ſchaftsordnung.
Der Nationalſozialismus hat im recht
eigentlichen Sinne den Menſchen wider-
20 Kleine Beiträge
entdeckt. Darum intereffiert uns gar nicht
die äußere Hülle eines Menſchen, ob er nun
einen Frack oder einen rußigen Arbeitskittel
oder einen weißen Laboratoriumskittel
trägt, darum intereſſiert uns auch gar nicht,
was nun einer nach Nang und Stand dar⸗
ſtellt, ſondern uns isterefflert erſtens und
zweitens und drittens nur das eine: was
für ein Kerl einer iſt! Alles andere kommt
erft viel, viel fpäter.
Wir wollen wieder ganz ſchlicht und ein-
ſach in unſerem Denken werden, ganz be-
ſcheiden und ohne Anſprüche auf Grund von
Umftänden, zu denen wir nichts können —,
etwa, daß des einen Vater Befiter eines
dicken Scheckheftes ift oder der des anderen
Inhaber eines Profeſſorentitels oder eines
klangvollen Namens.
So meinen wir denn mit der neuen Gefell-
ſchaftsordnung: Jeder tut ſeine Pflicht auf
dem Platze, auf den er geſtellt iſt. Ob das
nun die Fabrikhalle ift oder das Direktions⸗
büro, iſt gleichgültig. Jeder tut ſeine Pflicht
als ein guter Deutſcher, als ein Kamerad
unter Kameraden und die Arbeitsehre iſt
allen gleich.
Kurz und bündig: Die neue Gefellfdafts-
ordnung ift die nationalſozialiſtiſche Volks.
gemeinſchaft!
Jeder muß fid feinen Platz in der Volts-
gemeinſchaft durch ſeine Haltung und
Leiſtung erwerben, und wer ſich außerhalb
der Volksgemeinſchaft ſtellt, der hat keinen
Platz in der nationalſozialiſtiſchen Gefell-
ſchaftsordnung!
Es müſſen noch viele alte Vorurteile über-
wunden werden, um die neue Geſellſchafts⸗
ordnung in der Wirklichkeit unſeres völ⸗
kiſchen Lebens gültig zu machen!
Vor allem muß „die Geſellſchaft“ über-
wunden werden, jener ſeltſame Verein, in
dem ſich diejenigen bewegen, die nichts dazu
können, daß ſie dazu gehören, und die, eben
weil fie nichts dazu können, fid um fo
dümmer und ſturer für die Auserwählten
halten!
Deutſchland ift kein bürgerlicher Klaſſen⸗
ſtaat mehr und es iſt kein Raum mehr für
ein vaterlandsloſes Proletariat wie für eine
„Geſellſchaft“, die aus Verdienſten, die
viele Generationen zurückliegen, oder aus
materiellem Zepp, der vielleicht fogar gegen
die fittliden Geſetze des Gemeinwohles er⸗
worben ift, beſondere Vorrechte herleitet
und für fid in Anſpruch nimmt.
Wir erkennen ſolche Vorrechte nicht mehr
on! | x
Wir kennen keinen Geldadel, wir kennen
keinen Namensadel, wir kennen nur den
Adel der Arbeit! And der ift nicht ab-
hängig von Geld, Beſitz oder der Art des
Bildungsganges des einzelnen, ſondern iſt
abhängig nur von dem Maße der Pflicht ⸗
erfüllung und des Einſatzes für dieſe Ge-
meinſchaft und von der Geſinnung, in der
einer ſeine Arbeit verrichtet!
Es gab ein Proletariat in Deutſchland —
leider! Das war der Teil der Hand-
arbeiterſchaft, der in ſeiner Verelendung und
in feiner ſeeliſchen und materiellen Lebens-
not ſeine Hoffnungen auf eine nebelbafte
internationale Verbrüderung aller Prole-
tarier ſetzte und fo fein Volk verleugnete.
Aber auch ein Teil der „Geſellſchaft“, eine
wurzel⸗ und haltloſe Schicht, verlor ſich
ebenfalls in internationalen Gedanken -
gängen, löfte ſich aus der Schickſalsgemein⸗
ſchaft des Volkes. Aber ſie tat es nicht aus
der tiefen Lebensnot des verelendeten Ar-
beiters, ſondern aus ſnobiſtiſcher Aeberheb⸗
lichkeit, aus müder Blaſiertheit, aus
Koketterie mit dem Nihilismus, aus (her,
geiſtiger Auflöſung!
Wenn wir die einen Proletarier nannten,
ſo können wir mit gutem Recht für dieſe
anderen den Begriff „Klubfeſſel⸗Proletarier“
prägen!
Wir haben in den Elendsvierteln der
großen Städte die erſchütternde Troſtloſig⸗
keit und Verzweiflung von Menſchen ge⸗
ſehen, die zu müde und zu verzweifelt ſelbſt
zum Haß waren! Gewiß, dieſe Proletarier
hatten ihr Volk verloren. Darum kaͤmpften
Randbemerkungen u 21
wir ja gerade, daß aud dieſen Menſchen,
die doch auch Volksgenoſſen waren, in einem
glücklicheren Deutſchland ein bißchen Sonne
ſcheinen möge und fle aus ihrem grauen
Elend erlöſe. Aber man kann unſchwer er-
meſſen, welche ingrimmige Wut in uns
kochte, wenn wir, dieſe Elendsbilder noch vor
Augen, die anderen, die „Klubſeſſel⸗Prole⸗
tarier“ bei einem Kännchen Mokka und aus-
ländiſchen Zigaretten ihr Volk und Vater-
land tauſendfach nicht nur verraten, ſondern
beſpucken und auf widerliche Weiſe be⸗
ſchmutzen ſahen!
Gewiß, ſolche Erſcheinungen darf man
nicht verallgemeinern, aber dieſe Erſcheinun⸗
gen waren typiſche Erſcheinungen ihrer Zeit.
And fie wuchſen auf dem Boden der „Geſell⸗
ſchaft“). Wir kennen auch bieden beſonderen
Ton, in dem man hier und da heute noch
ſich darüber unterhält, ob ein ehemaliger
Gefreiter wohl jemals lernen könne, wie ein
„gebildeter Menſch“ mit Meſſer und Gabel
zu eſſen, oder ob es wohl wahr fet, daß als
Befähigungsnachweis für einen S A- Führer
von der Standarte aufwärts eine mindeſtens
dreimonatige Gefängnisſtrafe wegen Not-
zucht oder Anterſchlagung verlangt werde!
Zum Teufel mit der „Geſellſchaft“ —, um
der Volksgemeinſchaft, um der national-
ſozialiſtiſchen Geſellſchaftsordnung willen!
Wir mißgönnen ganz gewiß niemanden
feinen Grad, denn gute Kleidung und über-
haupt eine verfeinerte Lebenskultur find,
Sbhatefveave, Cavow und Rotbe
Man ſollte es nicht für möglich halten,
aber der durch die Neuüberſetzung Hans
Rothes hervorgerufenen Diskuſſion um
Shakeſpeare find immer noch neue, und zwar
diesmal reicht heitere und alle Analytiker
wenn einer es ſich leiſten kann und es nicht
auf Koſten anderer geht, gewiß kein Ver-
brechen gegen den Geiſt der Volksgemein⸗
ſchaft. Aber was wir uns verbitten, tft
dieſes: daß etwa der Frackträger den Ar-
beitsmann in ſeinem blauen Feiertagsanzug,
der mühſam genug zuſammengeſpart iſt, für
den Vertreter einer minderwertigen Gattung
Menſch anfiedt!
Man kann auch in der nationalſozia⸗
liſtiſchen Volksgemeinſchaft mit Anſtand
feinen Frack tragen. Mit demſelben An-
ſtand, mit dem auch der Arbeitsmann aus
der Fabrik ſeinen blauen Feiertagsanzug
trägt.
„Geſellſchaft“ in dem Sinne einer ſich nach
beſonderen Geſetzen und Vorbedingungen be-
wußt abſondernden und abſchließenden Ober-
ſchicht tft Rafte, ift Klaſſe! And der An-
ſpruch auf Sonderrechte und Sonder-
bewertung der Frackträger, überhaupt die
Tatſache des Beſtehens einer ſich hochmuͤtig
und dünkelhaft abſchließenden Volksſchicht
bedeutet auch nur eine beſondere Form von
Klaſſenkampf!
Haben die alten Rabauken etwa zähe und
verbiſſen gegen brutalſten Terror den
Klaſſenkampf auf der Straße niedergerun-
gen, damit er in den Salons der ,,Gefell-
ſchaft“ in anderem Gewande weiterlebt?
Rabauken, feid wachſam!
Aus: Kurt Maßmann: Die Revolution
geht weiter. Verlag F. Hirt, Breslau.
andbemerkungen
und Förderer des Theaters beluſtigende
Seiten abzugewinnen. Vor allem, weil der
Aeberſetzer Rothe, der ſich in feinem „Kampf
um Shakeſpeare“ hartnäckig bemühte, feine
Aeberſetzungen gegen alle Vorwürſe liberaler
Geiſtreichelei und kabarettiſtiſcher Effekt⸗
22 Randbemerkungen
haſcherei zu verteidigen, nun nochmals das
Wort ergriffen hat und der in dieſem Streit
zu erwartenden Entſcheidung zumindeſt in
der Richtung des beurteilungsmäßigen Aus-
gangspunktes überraſchend zu Hilfe ge-
kommen tft. In die fachlichen Auseinander-
ſetzungen um Shakeſpeare, Schlegel ⸗Tieck und
Rothe tritt ein fünfter: der ehrenwerte
Berliner Volkskomiker Erich Carow!
Es klingt ja unwahrſcheinlich, denn was
ſollte ausgerechnet Erich Carow vom Wein-
bergsweg und feine ausgezeichnete Lad- und
Tränenbühne mit Shakeſpeare zu tun haben?
Angeheuerlich viel! Wieviel — das kann
jeder in der Nummer 91 der „Danziger
Neueſten Nachrichten“ vom 19. April dieſes
Jahres nachleſen, wo Hans Rothe feine
herzerfriſchenden Eindrücke über einen Beſuch
dieſes Berliner Volkstheaters in einer
Skizze „Shakeſpeare auf dem anderen Afer“
niedergeſchrieben hat. Es Mi nichts da-
gegen einzuwenden, daß Rothe auch einmal
für den Carow jenſeits der Themſe, den
neueſten Shakeſpeare Kronzeugen, das
literariſche Szepter ſchwingt! Aber in
Rothes Schilderung ftedt weit mehr — und
fie tft wohl unendlich aufſchlußreicher für
feine perſönliche Stellungnahme zum Pro-
blem des eliſabethaniſchen Theaters und
Shakeſpeares, als alle hundert Seiten ſeiner
Broſchüre. Dort kommt Rothe nämlich zu
einer geradezu verblüffenden Erkenntnis und
Selbſtverteidigung: „Wer wiſſen will, für
welche Art von Publikum Shakeſpeare ge-
ſchrieben hat, muß in Carows Lachbühne
gehen. Wer wiſſen will, auf welche Wirkun⸗
gen Shakeſpeares Stücke zugeſchnitten find,
muß dort ſeine Studien treiben. Ja, ſelbſt
die jüngſthin aufgetauchte Streitfrage, wer
Shakeſpeave richtig überſetzt hat, läßt fid
auf angenehme und müheloſe Weiſe in
Carows Lachbühne löſen.“
Anzweideutig ſteht Rothe mit bieden
Aeußerungen auf demſelben Afer wie in
ſeiner Kampfſchrift und Shakeſpeare auf dem
anderen. Das will heißen, daß Rothe einer-
ſeits nicht erwartet, daß Carows Theater
Werte von Shakeſpeareſchem Format per-
vorbringt, andererſeits aber der Meinung
iſt, daß es doch wohl noch ein Theater mitten
unter uns gibt, das von der literariſchen
Bevormundung ebenſo unabhängig iſt wie
von den Analytikern und Förderern des
Theaters. Noch unmißverſtändlicher formu-
liert Rothe dieſe anfechtbare Tendenz, wenn
er im gleichen Atem ſchreibt: „Wenn es aber
irgendwo bei uns die Vorausſetzungen für
eine unkontrollierte, ungegängelte — alſo
organiſche Entwicklung der dramatiſchen
Rutt gibt, dann bei Carow.“
Rothe ſchaltet alſo Carow mit in die
Diskuſſion ein, weil er der Aeberzeugung iſt,
daß die eliſabethaniſchen Theaterdichter die
gelehrten Nenaiſſancepoeten verlacht hätten
und Shakeſpeare für feine Zeit bloß bühnen-
wirkſam fein wollte und ſonſt nichts. Er
führt jetzt alſo, nach den Namen engliſcher
und amerikaniſcher Philoſophen, Carow als
letzte Stütze und Triumph feiner Hypotheſe
an, daß Shakeſpeare als Autor ein bloßer
Tagelöhner ſeines von ungebildeten Leuten
beſuchten Theaters geweſen fei, die ſich um
ſeine Texte nicht bekümmert hätten und für
die er fo „verſtändlich“ dichten mußte.
Rothes irrige Anſchauungen erklimmen in
dieſem Carow - Parallelismus den Gipfel-
punkt der hiſtoriſchen An wirklichkeit. Rie-
mand wird auf die Idee verfallen, eine Auf-
führung von Hamlet oder Macbeth oder
König Lear oder der Königsdramen in
Carows Lachbühne zu veranſtalten, nur weil
es ſich hier auf fo angenehme und mühelofe
Weiſe nachprüfen ließe, wer Shakeſpeare
richtig überſetzt hat. Rothe meint im Grunde
auch etwas ganz anderes: er ſieht in Carow
den Matadoren einer großen, echten Volts-
kunſt, beliebt wie jener eliſabethaniſche Dra-
matifer und Schauſpieler, der wie ein ge-
ſchickter Handwerksmeiſter für jeden Ge-
ſchmack das Richtige vorrätig hielt. Dieſe
gleichfalls irrige Auffaſſung haben an
anderer Stelle namhafte deutſche Angliſten
bereits unter Hinweis auf Marlowe, den
großen Dichter und Aeberſetzer aus dem
ß—;.. —ͤ— ͤ . —,;r. — — —.:—..t:.—..5é'“' t — ⅛——d2 . —.... — . —ò,ß — —— er NS ee SS
I — — — . — «= —— —
Nandbemerkungen 23
Lateiniſchen, Chapman, den gewaltigen
Homer ⸗Aeberſetzer, Greene, den Nachahmer
der italieniſchen Novelliſten, und Ben Jon-
ſon, den gelehrteſten Dichter Englands, ſämt⸗
lich Zeitgenoſſen Shakeſpeares, klargeſtellt.
Man kann nicht Carow gegen Schlegel und
Tieck ausſpielen. And man kann nicht die
organiſche Entwicklung der dramatiſchen
Kunſt aus einer ungegingelten, unton-
trollierten Volkskomik herleiten. And vor
allem ſollte man nicht von literariſcher Be⸗
vormundung in einem Augenblick reden, wo
wirkliche Analytiker und Förderer des
Theaters Héi bemühen, eine Streitfrage
ernſthaft und verantwortungsbewußt zu
jen. W.
Was ef im 20. Sabebundert
alles noch gibt
Im Jahre 1934 erſchien in einem Frei-
burger Verlag von Sr. M. Angelina Hodel:
„Körperlehre und Geſundheitspflege auf
teligidfer Grundlage“. Dieſes Buch. ge-
ſchrieben von einer überzeugt katholiſchen
Autorin, wird im Märzheft der katholiſchen
Zeitſchrift „Hochland“ einer eingehenden
Kritik unterzogen, die in vielen Punkten
überaus lehrreich ift. Wir bringen deshalb
einige längere Auszüge. In der Be-
ſprechung von Dr. Joſephine Mayer heißt
es u. a.:
in di 8 dargelegt den,
wie goe dE Sen er erschaffen ene
wie er durch die H, ein Glied der Kirche, des
myſtiſchen bee OR Séi m. durch die Ber»
einigung des Leibe mit dem Leib des
Menſchen in der „„ Se ganze Menſch Immer
Hriftusähnliher wird. Sind das nicht Vorausſetzun⸗
en, die eine gründliche Pflege und Betreuung dieſes
ottesgeſchenkes, „Leib“ geradezu gebieteriſch fordern?
Sott In aud) den Leib des Men chen geheiligt dur
Er ſcha enſch hat m
fung und Kaen aber der
dieſen geheiligten Leib ent⸗
iligt durch die Sünde: nitimur in vetitum semper
SE negata. Dieſe vom Glauben 1 Tat⸗
bee 5 wieder en Grundlage für die Ausübung
örperpflege: fie fegt Grenzen! Daß diefe
Grenzen abgeftedt und die'e Forderungen klar und
deutlich erhoben würden, das 1 ich alſo von
Biefem Buch. Was aber fand ich
Die meift am Ende SC Abſchnittes tofe
angefügten oder anderwärts ganz willkür⸗
lich eingeſtreuten Belehrungen oder Forde-
rungen religtdfen Inhalts aber — manchmal
nur recht billige Redensarten — können
von einem zu ſtrafſem Denken erzogenen
Menſchen kaum als religiöſe Grundlage
gewertet werden. Dabei find fie zum Teil
ſolcher Art, daß ich mehrmals während der
Lektüre des Buches nach vorne geblättert
habe, um mich zu Überzeugen, ob es tat-
ſächlich im Jahre 1934 gedruckt
fet! Denn es zeugt von einer
erfhredenden Weltfremdheit
und Ankenntnis des modernen
Lebens, wenn man glaubt,
Frauen und Mädchen den Beſuch
des Familienbades grund ſätz
lich verbieten, ihnen Gang und
Haltung, ja den Blick auf der
Straße in kleinlicher Weiſe
vorſchreiben zu können; es iff
geradezu naiv, zu verlangen,
ein junges Mädchen ſolle ſein
Fahrrad nur aus praktiſchen
Gründen, als notwendiges Ver-
kehrsmittel benützen, es möge
auf dem Eiſe nur glatt und
ruhig“ auf und ab fahren, ohne
Kreisbogen und Buchſtaben⸗
ſchneiden. Nein, ſo kommt man der
Jugend von heute nicht mehr nahe. Sie
verſteht eine ſolche Haltung einfach nicht
mehr.
Von innen heraus müſſen wir unſere
jungen Mädchen bilden und erziehen, ſo daß
ihnen die Sittſamkeit zur Gewohnheit wird.
Wenn unſere Perſönlichkeit in weltoffener
und zugleich echt liturgiſcher Frömmigkeit
gegründet iſt, brauchen wir keine frommen
Redensarten, um unſern Töchtern eine
chriſtliche, aber auch von der Zeit gebieteriſch
geforderte natürliche Anſchauung vom Leib,
feinen Rechten und deren Grenzen als nn-
verlierbares Eigentum mit ins Leben zu
geben.
Gewiß find die ſittlichen Gefahren far
die junge Frauenwelt von heute bedeutend
größer als noch vor zwanzig Jahren (1),
aber gerade deshalb kann man ihnen nicht
mehr mit Methoden begegnen, die vielleicht
noch vor 1900 wirkſam geweſen wären.
24 | Randbemerkungen
Geradezu unbegreiflich iſt die
Art, wie die Abſtammungs und
Vererbungslehre behandelt
wird. Jene Deſzendenztheorien, die, wie
jeder gebildete Chriſt weiß, mit der Lehre
der Bibel von der Erſchafſung der Welt
wohl vereinbar find, werden mit einer
kühnen Geſte abgetan: Wir halten uns
an die Heilige Schrift . und
die katholiſche Wiſſenſchaft
(S. 211) (1). Wenn das fo einfach ift, wozu
ſtudieren dann unſere jungen Geiſtlichen auch
Biologie, wozu hören He ſemeſterlang Bor-
träge über dieſe Forſchungsgebiete? Nicht
minder ſchlecht durchdacht, oberflächlich und
mangelhaft geordnet ſind die Ausführungen
fiber die Vererbung. Was ſoll ein Satz wie
dieſer heißen: Es ift zur Genüge er-
forſcht und nachgewieſen, daß
ſich jede Anlage auf jede
wachſende Zelle vererbt‘ Sollte
die Verfaſſerin — es iſt ja kaum möglich —
noch nie etwas von den Mendelſchen Ge⸗
ſetzen gehört haben, nach denen ſich nicht
‚jede Anlage auf jede Zelle“ vererbt? Der
Begriff Vererbung iſt ganz un⸗
klar, ja zum Teil geradezu
falſch angewendet. Man braucht
nicht Mediziner zu ſein, um heutzutage zu
wiſſen, daß Inſektionskrankheiten niemals
vererbt im eigentlichen Sinne“ (S. 201)
ſind, auch wenn das Kind mit ihnen auf
die Welt kommt, wie z. B. mit der
Syphilis! Das ift Anſteckung im Mutter-
leib oder bei der Geburt. Das Wort
Erbmaſſe, das in der modernen Ver-
erbungsforſchung eine fo große Rolle ſpielt,
ja ohne das man nicht mehr auskommen
kann, wenn man von Vererbung reden will,
wird im ganzen Buch überhaupt
nicht erwähnt! So ſchmerzlich es iſt,
wir mußten der Verfaſſerin alle diefe Vor-
würfe machen — und wir könnten noch mehr
hinzufügen — um der Sache willen; die
chriſtliche Aufgabe iſt zu gefährdet, als daß
wir ſie durch ſolche Ahnungsloſigkeit auch
noch der Lächerlichkeit ausgeſetzt fein laffen
dürfen, indem wir ein ſolches Buch ohne
Widerſpruch hinnähmen. Die Verfaſſerin
hatte offenfichtlich die befte Abſicht, allein
mit dieſer allein iſt es nicht getan, zumal in
auch praktiſch ſo wichtigen Fragen.“
Wir laſſen am beſten eine ſolche Kritik
einer katholiſchen Zeitſchrift an einem
katholiſchen Buch für ſich ſelbſt ſprechen.
Ja, ja, was es im 20. Jahrhundert noch
alles gibt. (1!)
Im übrigen, was würden wohl die fatho-
liſchen Kirchenblätter dazu ſagen, hatten wir
diefe Beſprechung geſchrieben? ??
Sheifiiches Deſterreich auf
„Borſcbus“ !
Der Wiener Kardinal Innitzer hat bei
einer Kundgebung katholiſcher Männer in
Sien, Hernals eine Rede gehalten, in der —
laut „Schönerer Zukunft“ — u. a. folgende
Sätze fielen: ö
„Wenn Oeſterreich chriſtlich ſein und
bleiben will, muß ſich das Volk entſcheiden,
ob es am Reiche Gottes mitbauen will. Seit
Bundeskanzler Dollfuß die Parole von der
Verchriſtlichung Oeſterreichs ausgegeben hat,
ſprechen wir von einem chriſtlichen
Oeſterreich. Man hätte viel-
leicht mit dieſer Bezeichnung
etwas warten und zuerſt
eine Aebergangs bezeichnung
ſchaffen follen. Jetzt hat man
gewiſſermaßen einen Vorſchuß
gegeben, aber die Zahlungen
werden nicht ganz eingehalten.
And ſo kommt es, daß man die
Kirche und ihre Vertreter für
das verantwortlich macht, was
im chriſtlichen Staate Oefter-
reich noch nicht in Ordnung ift. Ich
muß als Vertreter der Kirche bei
aller gebotenen Geduld doch die
Forderung erheben, daß mit der
Einlöſung des Verſprechens
mehr Ernſt gemacht wird.“
Randbemerkungen 25
Kardinal Innitzer braucht ſich nicht zu
wundern, daß nach dem mit fo vielen chriſt⸗
lichen Worten ausgegebenen „Vorſchuß“ die
„Zahlungen“ fpdrlid eingehen. Das kommt
von der Verquickung von Religion und
Politik, möchte man meinen. Verzeihung,
da iſt Herr Innitzer anderer Anſchauung.
Laut „Schönerer Zukunft“ erklärte er kürz⸗
lich bei einer Wiener Männerkundgebung:
„Anſere Gegner wünſchen, daß wir in
Kirche und Sakriſtei verbleiben und ihnen
das Feld überlaſſen. Wenn wir dieſem
Wunſche nicht nachkommen, klagen ſie über
ppolitiſchen Katholizismus!“ .. . Es iſt eine
Verleumdung, wenn man ſagt, daß ich mich
An alles hineinmiſche '. Was vollends die
Einmiſchung in die Politik betrifft, ſo
möchte ich ſagen: Ich miſche mich in
Politikoder in Maßnahmen des
Staates oder der Gemeinde
prinzipiell nicht ein, ich werde,
Gott ſei Dank, auch nicht gefragt.
Freilich, das Recht, in geſellſchaftlichen Din-
gen, ſoweit fie die Religion und die Ratho-
liken betreffen, etwas zu ſagen, wird man
uns nicht nehmen.“
Es fehlt nur noch, daß der Herr Kardinal
bei der nächſten Männerkundgebung erklärt,
et wiſſe überhaupt nicht, was Politik iſt.
Immerhin, das eine weiß er, daß im chriſt⸗
lichen Staate Oeſterreich manches nicht in
Ordnung iſt, und daß die „Zahlungen“ ad
maiorem ecclesiae Oloriam nicht in der ge-
wünſchten Weiſe einlaufen. Sonſt brauchte
er ja nicht die ſtille Sakriftei mit dem
Rednerpult der Männerkundgebungen zu
vertauſchen. Ja, ja, es iſt ein Kreuz mit
dem vorſchnell ausgeteilten „chriſtlichen Vor⸗
ihug“! Gti.
Ra alfo?
Unter der Aeberſchrift: „Was Freude
macht. Das Vorbild“ veröffentlicht „Das
Evangeliſche Deutſchland, Kirchliche Rund-
ſchau für das Geſamtgebiet der Deutſchen
Evangeliſchen Kirche“ in der Nummer 12
vom 22. März 1936 folgende Notiz:
„Was ein gutes Vorbild wirken kann,
zeigt folgende Zuſchrift an uns: „Ein
22jqähriges Mädchen aus einer ſtadt⸗
hannoverſchen Kirchengemeinde war einem
Lager zugeteilt, das ſich in den oberen
Räumen eines alten Schloſſes befindet.
Darunter liegt die Kirche, in der ſonntäglich
evangeliſch⸗lutheriſcher Gottesdienſt gehalten
wird. Am zweiten Sonntag erbat ſie ſich
Arlaub zum Gottesdienſt und erhielt ihn.
Von den meiſt dienſtälteren Kameradinnen
wurde ſie deswegen von oben bis unten
angeftaunt’. Die Neuhinzugekommene erbat
ſich gleich auch im voraus für alle Sonntage
Urlaub zum Gottesdienſt. Eine ganze Reihe -
der anderen haben nun auch den Mut ge⸗
funden. .. — Es liegt alfo nicht
an der Leitung, die berechtigten
Wünſchen gern nachkommt, als
vielmehr an dem Mangel an Mut
bei den Jugendlichen, den er-
forderlichen Urlaub zum Gottes-
dienſtbeſuch zu erbitten.“
Hoffentlich wird dieſe Meldung von all
den ſtreitbaren Kanzelrednern geleſen, die
ſich nicht genug über die „Intoleranz“ der
heutigen Jugendführung erhitzen können.
Sti.
Gaudeamus...
oder
Die zerſchmetterte Nachtigall
„Wenn der Himmel einfällt, ſchlägt er
manchen Spatzen tot. Auch wohl eine lieder-
reiche Nachtigall. Als der hundertjährige
Himmel des ſtudentiſchen Verbindungslebens
einfiel, ſchlug er das Kommersbuch
tot...“
So hebt in der „Deutſchen Su-
kunft“ der auch in den Reihen der Jugend
nicht unbekannte Dichter Börries von
Münchhauſen einen wehmutsvollen
Abgeſang an.
In längeren, immerhin intereſſanten
Unterfudungen über Herkunft und Cnt-
ſtehung der nach Hunderten zählenden
26 Randbemerkungen
Kommerslieder, kommt dann der Verfaſſer
zu dem Endergebnis, daß das nun im
Sterben liegende Kommersbuch die beſte
deutſche Gedichtſammlung und
neben dem kirchlichen Geſangbuch die
Quelle des Hausgeſanges ſchlecht⸗
hin geweſen ſei.
„Ja, das Kommersbuch fand die hehrſten
Töne der großen Begeiſterung für Volk
und Vaterland, für Freundſchaft, Ehre und
Treue, und wir wollen alle gemeinfam nach
Hitlers und Goebbels Worten hoffen, daß
auch dem Dritten Reiche Dichter gleichen
Wertes entſtehen mögen.“ —
„Wir wollen hoffen. Klingt das
nicht ein wenig reſigniert und glaubenslos,
faſt fo, als ob es durchaus denkbar und möge-
lich wäre, daß dem Dritten Reiche die Did-
ter, welche in ſo reichem Maße dem Zweiten
erwachſen waren, verſagt bleiben könnten?!
Offenbar hat bis heute der Freiherr und
Dichter von Münchhauſen keine Dichtung
unſerer Zeit für würdig befinden können,
um ſie als gleichberechtigt neben die „hehren“
Vaterlandslieder des Kommersbuches zu
ſtellen. Sollen wir über dieſe Feſtſtellung
traurig ſein und uns nach ſtärkendem Trunk
aus der Quelle des Hausgeſanges mit zer⸗
knirſchter Seele ans Werk begeben, um
Dichtungen „gleichen Wertes“ entſtehen zu
laſſen?
Nein, wir denken nicht daran!
Denn das eine möchten wir, in aller ge⸗
bührenden Beſcheidenheit zwar, aber dennoch
mit der Deutlichkeit der Jugend von vorn-
herein jedermann fagen, der heute wehmuts⸗
vollen Herzens der liederreichen Nachtigall
nachſeufzt: Gaudeamus ...
Freuen wir uns, daß das Kommersbuch
tot iſt! —
Das klingt zwar roh, tft aber ehrlich ge-
meint!
Wir kennen nur einen Wertmaßſtab: Gut
iſt, was dem Volke nützt, ſchlecht iſt, was
ihm ſchadet! An dieſem Ridtwort gemeffen,
verblaßt die Bedeutung der Kommerslieder
ins Weſenloſe.
Sagt uns doch ein Lied aus dieſem Buch
ſeuchtfröhlicher Studenten, das uns im
heißen politiſchen Kampf um Deutſchland
innerlich beſchwingt und mitgeriſſen hätte!
Nicht die patriotiſchen Lieder des Rom-
mersbuches ſind mit uns marſchiert und
halfen uns die Straßen erobern. Wir
ſangen Kampflieder, die damals noch in
keiner Gedichtſammlung zu finden waren,
Lieder, die plötzlich erſtanden und von allen
Kameraden unſerer Gemeinſchaft geſungen
wurden, auch wenn Inhalt und Versmaß
nicht allen künſtleriſchen (1) Anforderungen
gerecht wurden.
Das iſt der Anterſchied: Während wir um
die Straßen ſtritten oder in tobender Gaal-
ſchlacht ſtanden, ſaßen irgendwo in Kiub-
häuſern ſalamanderreibende Studenten und
ſangen aus bierheiſeren Kehlen die ſo⸗
genannten Vaterlandslieder ihres Rommers-
buches.
Dieſe Lieder waren patriotiſch, unfere
aber waren revolutionär! Das Kommers⸗
buch enthielt die Lieder einer nach "Zeng
und Stand gegliederten Schicht, unſere
Lieder aber waren Gemeingut einer gläu-
bigen, werdenden Volksgemeinſchaft.
And darum iſt die Frage müßig, ob auch
dem Dritten Reiche Dichter „gleichen
Wertes“ erwachſen werden.
Wer mit ſolchen Maßen mißt, hat die
neue Wertung unſerer Zeit nicht verſtanden.
Der Himmel des ſtudentiſchen Verbin⸗
dungslebens ift eingeſtürzt: — Gaudeamus!
Darunter liegt zerſchmettert die lieder ·
reiche Nachtigall — Gaudeamus!
Das Kommersbuch ift tot — Gaudeamus!
Doch es lebt das Lied der jungen deutſchen
Gemeinſchaft!
Freuen wir uns! Obldigs.
Vom Büchermarkt 27
5
eichs
mann.
Hahn.
Berlin.
Der Berufswettk der deutſchen Zu-
end dÄ nicht nur in Deutſchland zu einem
Begrif geworden. Die ganze Welt hat auf⸗
gehorcht, als die Jugend in einen Bezirk
des politiſchen Lebens trat, Forderung und
Beweis anmeldete, für den im allgemeinen
„Stellen“ und Behörden zuſtändig waren.
Der Wille, ein Wert wie den Verufswett⸗
kampf ſelbſt zu geſtalten und zu tragen, war
letztes und höchſtes Zeugnis einer Jugend,
die ihre politiſch verpflichtete Arbeit erkannt
t
Mit ſeinem Buch „Olympia der Arbeit“
gibt der Geſtalter des Reichsberufswett⸗
kampfes, Obergebietsführer Artur Axmann,
der deutſchen er dal ein Werk in die
der Arbeit, Arbeit
s wettkampf. Von
ugend im
ttur Ax ⸗
ildbericht von Georg L. Hahn⸗
Verlag Junker und Bünnhaupt,
nd, dem jeder entnehmen kann, was eine
end, die ihre politiſche Aufgabe erkannt,
auf einem Teilgebiet a Geſamtarbeit zu
leiſten imſtande iſt. 3 Axmann faqat, ift
ein Ergebnis aus unermüdlichem Wirken in
der Praxis erarbeitet und in programma-
tiſchen Sätzen als Meinung der ganzen
en zuſammengefaßt. — Georg L. n-
n, der Photograph des Reichsberufs⸗
wettlampfes, hat den poe Teil des
Buches geſtellt mit einer Auswahl der beiten
Bilder aus der Fülle feines Materials. So
verbindet fih das gültige Wort aufs leben-
digſte mit den E Aufnahmen,
die an den promy Ais tten gemacht wur-
den. Man wird dem Buch in einem Gefamt-
urteil am eheſten gerecht, wenn man ſagt: es
Hört ins Haus jedes Deutſchen, der die
gend liebt und ihre verantwortungs-
bereite und eigenwillige Wege gehende Mr-
bewundert.
Mont Noval. Ein Bu
und vom irdiſchen Reich. Von Werner
Beumelburg. erlag Gerhard
Stalling, Oldenburg i. O./Zerlin. Ganz-
leinen 550 RM.
Die Diskufſion der Reidsideologen um
Möller van den Bruck, um Friedrich
Hielſcher, aus dem katholiſchen und pro-
vom himmliſchen
teſtantiſchen Lager ift
ebenſo achtlos wie verwirrend geweſen.
Eben von der Tatſache ausgehend, daß mit
dem „Reich“ dem Deutſchen Sch
etwas Wunderbarem und der
Vollendung verbunden find, wurde oft aus
ehrlichem Bemühen und Bekennen zuſehends
gegenſtandsloſes Gerede, aus der Ausſprache
wurde Predigt. Das „Reich“ wurde auf
einer Ebene zur Diskuſſion geſtellt, in der
es ſeinen deutſchen Sinn verlor, in der
aus dem Willen nach Geſtaltung Glaube an
etwas nie Erreichbares wurde. Das „Reich“
als ein Begriff, der in der Welt politif
Wirklichkeiten exiſtiert, wurde mit religiöſen
Vorſtellungen verbunden, die zuletzt das
„Reich“ ſelbſt nicht mehr als etwas durch
menſchlichen Willen und Kraft Erreichbares
erſcheinen ließ. Das „Reich“ wurde nur
Gnade und Sendung, etwas, das eher durch
Gebet als durch männlichen Einſatz verwirk⸗
licht würde.
In diefe Distuffion greift Werner
Beumelburg ein und fest ihr mit feinem
„Mont Royal“ wenigſtens im Bezirk der
Bellitriſtik ein Ende. Der Soldat, der im
Krieg mit lene Leib die Grenzen deckte,
oe en Sinn des „Reiches“ von feinem
nfang und bis zu feiner letzten Deutung
erlebt. Das „Reich“, das ift das einzige
große Deutſchland — das find das ;
der Staat und die Nation in ihrem zeitlich
unbegrenzten Beſtand, in ihrer völ-
tid en Ewigkeit.
Beumelburg führt uns in das Heilige
Römiſche Reid Deutſcher Nation des
Jahres 1683. Kurfürſten, Geiſtlichkeit und
Reichsſtände ſtehen nach Vorteil und Ge⸗
fallen für. und gegeneinander. Seine aller-
chriſtlichſte Majeſtät vertrat als ein SE
Die Farce deffen, was das Deutſche Reig
ein konnte. Der Sonnenkönig Ludwig ;
ürte mit Fleiß die Aneinigkeit der Deut-
en, womit er ſcheinbar die Methode der
franzöſiſchen Rheinpolitik ſeſtlegte. Als
durch Frankreichs diplomatiſches Geſchick die
Türken Deutſchland von Südoſten be-
SNE rückten Ludwigs Truppen an den
Rhein vor bis Koblenz, Köln, Bonn und
Trier. Die deutſchen Kurfürſten wurden e
über kleinliche Intereſſen nicht einig, jo da
28 Vom Büchermarkt
es zu dem von dem Brandenburger ge⸗
planten Angriff nicht kam. Der „Friede“
von Rijswijf läßt alle Hoffnung auf Be-
endigung des franzöſiſchen Raubens am
Rhein wieder begraben. | |
In einem großen zu projiziert
Beumelburg Frankreichs „Hiſtoriſche Rhein-
politik“, die in einem weitgeſpannten Bogen
bis in unſere Zeit reicht. In der packenden
Sprache Werner Beumelburgs wird ſo der
Anfang einer Politik unſeres weſtlichen
Gw ins Gedächtnis nun und
durch Auswertung von hiſtoriſchen Zelt,
dokumenten verlebendigt.
In diefe Zeit des Verfalls des „Reiches“
und der Inbeſitznahme der Rheinlande durch
Frankreich ſtellt Beumelburg die heldiſche
Geſtalt des Knaben Jörg, been Elternhaus
dem Berg Mont Royal gegenüber liegt, am
Eingang zum Moſeltal. Den Berg bauten
im Frondienſt Frankreichs deutſche Männer
zur Feſtung aus.
Jörg verläßt ſein Elternhaus, irrt durch
das Land, kommt in den Heeresdienſt, nimmt
an der Verteidigung Wiens gegen die
Türken teil und iſt zuletzt im Heer des
Brandenburgers. An der heimatlichen
Grenze hat der Knabe die nnd eines
ohnmächtigen „Reiches“ erlebt. den
Fahrten durch die deutſchen Gaue ſpürte
er, was das Reich iſt, und wurde ſich klar,
daß für die Einheit dieſes deutſchen Reiches
eopfert und geſtritten werden mußte. Sein
nges Leben, das eines gepeitſchten, un⸗
bekannten Knaben, ſtellte er immer wieder
in den Dienſt feines deutſchen Reiches, von
Scha Ba 5 Se wipe 1
e u erz nahm er a , um
ſeines Glaubens an dies irdiſche deutſche
Reich wegen. Seiner Zeit voraus die
Dinge ahnend, ftarb er, ohne der Zeit ſelbſt
genutzt zu haben.
Wir Jungen danken Werner Beumelburg,
der uns mit ſeinen Dichtungen vom Krieg
deſſen gültiges Erleben zuſprach, auch ſein
neues Buch, das uns 9 und
lebendige Geſchichte ſchenkt. „A.
Die junge Reihe
Die eben in den erſten ſieben Schriften
erſcheinende Buchfolge „Die junge
Reihe“, herausgegeben von Horſt
E. Wiemer (Alb. Langen⸗Georg Müller-
Verlag), erfüllt eine bisherige Lücke in
unſerem Schrifttum und verdient allergrößte
Beachtung. Auch gerade deshalb, weil durch
das Maſſenangebot von Schriftenreihen die
Gefahr beſteht, daß dieſe guten und vor allen
Dingen notwendigen Schriften, die einer
un in einer zuſammenhängenden
Folge bedürfen, überſehen und minder be⸗
achtet werden könnten.
Es handelt Déi bei been Schriften um
ſolche, die alle Vorausſetzungen für den Ge⸗
brauch in Gruppen, Mannſchaften und Ge⸗
meinſchaften erfüllen und die All. 8 auch
Bücher für den Einzelnen find. Alle Schriften
eignen ſich einmal für den Dienſt in den
Mannſchaften, alſo zum Vorleſen oder als
Material für Fahnen. und Morgenſprüche
oder zur Ausgeſtaltung von Heimabenden.
Sie eignen ſich ferner zu Geſchenken der
einzelnen Jungen und Mädel an andere
Kameraden. Erſtens inhaltlich, dann ent⸗
ſprechend der äußeren Aufmachung und zu⸗
letzt auch hinſichtlich des Preiſes (ein Bänd-
chen koſtet 50 Pfg.).
Da iſt zunächſt ein Tagesſpruchbuch, zu⸗
ſammengeſtellt von H. femer und
W. Stiehler: „Ich dien“. Es ift die
Schrift in der Reihe, die am ſtärkſten nur
Eé den Dienſt gedacht ift, indem für jeden
g des Jahres ein kurzer Spruch eines
Großen unſeres Volkes genannt wird. —
„Sie werden auferſtehn“ heißt das
zweite Bändchen: „Ein Gedenken für die
Gefallenen“. Hier wird beſonders auf die
Kriegsbriefe verwiefen. Ferner find alle be⸗
deutenden Dichter der „ mit
wirklich Auserleſenem darin vertreten. —
In dem folgenden e
der Zeitenwende“, „Eine mmlung
aus deutſcher Dichtung ſeit Nietzſche“, finde
ich die Gedichte SEN Georges auf den
erſten Seiten als zu febr reprdſentativ ete
A. Es entſteht dabei leicht der Ein-
druck, als ſollte George in beſonderer Be⸗
tonung als der Ahnherr des Nationalfozia-
lismus und der Erneuerung bezeichnet
werden. Das iſt dieſem guten kulturellen
Anternehmen ebenſowenig nützlich, wie es
ſachlich auch, gerade hinfichtlich des Grades
der Betonung, nicht unbedingt richtig iſt.
Im übrigen ſind die wichtigſten Dichter von
damals bis zur unmittelbaren Gegenwart
mit wirklich guten Gedichten vertreten. —
Zwei Proſabücher mit kurzen Erzählungen
wenden ſich an die weibliche Jugend: „Von
tapſeren Frauen“ und „Die
Bäuerin“. Im erſteren ſind in ſich ge⸗
ſchloſſene Auszüge aus den Werken über
bedeutende Frauen enthalten, im anderen
Geſchichten und Erzählungen von J. Gott.
helf, L. Thoma, M. Zierer Steinmüller,
Lena Chriſt und Hans Grimm.
Wolf Juſtin Hartmann hat drei kleine
Kriegserzählungen in einem der Bändchen
E
Vom Büchermarkt | 29
vereinigt, „Der FE e be-
titelt. Es find drei friſche Erzählungen, die
zum Alleinlefen und Vorleſen gleicherweiſe
Kto ſind. Sehr fein iſt ebenfalls Paul
lverdes Spiel „Das Winter-
lager“.
Zu der Reihe im ganzen iſt noch zu be-
merken, daß der Ton, auf den ſie abgeſtimmt
ift, ihr die Bedeutung gibt. Der Heraus-
geber achtet ſehr richtig einmal auf Schlicht
heit und Einfachheit in Stil und Sprache,
womit er zur Beſinnung und Beſinnlichkeit
erzieht; ferner auf dichteriſche Vollendung
im Einfachen. H. R.
Die Freiheit des Geiſtes. Von Hans
Alfred Grunsky. Hanſeatiſche Ber-
eono; Hamburg. 32 Geiten. Kart.
Die als dritte Veröffentlichung des
Neichsinſtituts für Geſchichte des neuen
Deutſchlands erſchienene Schrift gibt die
Rede wieder, die Hans Alfred Grunsky am
6. November 1935 anläßlich der Aebernahme
eines 54 has ehrſtuhles an der
Aniverſität München hielt. Schlicht in den
Worten und zwingend in der Argumentation
legt Grunsky das Problem der Freiheit des
Geiſtes dar, wie es nur ein National-
ſozialiſt, der ehrfürchtig vor der Geſchichte
und handelnd in der Gegenwart ſteht, ſehen
kann. Was iſt die Freiheit des Geiſtes?
Grunsky legt es überzeugend dar: das
Stehen auf dem eigenen Boden. Der Frei-
eiſt, der den Boden unter den Füßen ver⸗
oren hat, der „gleichſam trunken gewordene
Gei und der in mittelalterliche Ver-
ſtri en gefeſſelte Geiſt find die Gegner,
zwiſchen denen ſich die Freiheit des Geiſtes
zu behaupten hat. Gegen beide mußte der
deutſche Geiſt einen Zweifronten⸗Krieg
führen. Erſt durch die Heraufkunft des
Nationalſozialismus iſt in dieſer Situation
eine Wendu eingetreten, der deutſche
Geiſt befindet ſich auf dem Wege zu feiner
Freiheit. i
Die weiteren philoſophiſchen Ausführun-
en Grunskys beantworten auch einige
ragen, deren Bedeutung vornehmlich für
weite Kreiſe der heutigen Hochſchul jugend
(ſoweit fle überhaupt teil hat an den Cr-
gniſſen der Gegenwart) erheblich iſt:
Grunsty wech das Erleben in feine
Schranken. ber andererſeits vermag er
ohne Erleben keine Erkenntnis ſehen.
Wenn heute oft das Erleben als
einzige Inſtanz, die uns in ein
Verhältnis zur Wirklichkeit
ſetzt, hingeſtellt wurde u
außer dem Erleben nichts Ge
tung hatte, ſo iſt hier von b
tufener Seite dieſe Schwä
merei mit erfreulicher Klarhe
als gefährlicher Trugſchluß ge-
kennzeichnet worden.
Der inhaltlich wertvollen Schrift iſt die
größte Verbreitung pu wünſchen. Beſonders
aber gehört fie in die Reihen unſerer Stu-
denten, wo fie manche „Trugſchlüſſe“ und
vermeintliche Folgerungen, die falſch und
wiſſenſchaftsfeindlich find, zu zerſtören im-
ſtande ſein wird. E. L.
Seele und Staat. Von Hans Alfred
Grunsky. Junker und Diinnbaupt-
Verlag, Zerlin.
Hans Alfred Grunsky legt eine beacht⸗
liche Schrift vor mit dem Antertitel: „Die
eatin iſchen Grundlagen des national-
ozialiſti rial Sieges fiber den bürgerlichen
und bolſchewiſtiſchen Menſchen“.
Nicht, wie man vielleicht auf Grund des
Buchtitels vermuten könnte, als Gegenſätze,
ihr Verhältnis abwägend und beſtimmend,
behandelt Grunsky Seele und Staat, fon-
dern er entnimmt der Platoniſchen Typen-
lehre die Entſprechung von Seele
und Staat: einer Seelenverfaſſung ent-
ſpricht ſtets eine Staatsverfaſſung, wie um⸗
gekehrt ein Staat nicht bejaht und geſtützt
werden kann von enſchen, deren Seele
ie denfelben „Staat“ in ſich beſchloſſen
Das Ganze der Seele ſieht Grunsky in
vier Pole ausgeſpannt, die in dynamiſcher
Rhythmik, ihrer raſſiſchen Beſtimmung ge-
mäß, das beſtimmte ſeeliſche Leben aug-
machen. Hinſichtlich ihrer grundverſchiedenen
Rhythmik treten nordiſche und mongoliſche
Seele als entſcheidende und ſchlechthin un-
überbrückbare Gegenſätze auseinander. Do
ſcheint hierbei die Gefahr einer Pſychologi⸗
ſierung von Vorgängen geſchichtlicher Art
— trotz der Verſicherung Grunskys im Vor⸗
wort — nicht ganz gebannt zu ſein.
Das Verhältnis der einzelnen Seelenpole
zueinander wie das zu den Erſcheinungen
der menſchlich⸗geſchichtlichen Welt verſteht
Grunsky anſchaulich 5 zu machen.
Auch ſonſt zeichnet ſich das Buch aus durch
ſtrengen Gedankenaufbau, hinter der man
eine ſtarke Perſönlichkeit am Werke ver-
ſpürt. Der Angriffscharakter weiter
Strecken der Grunskyſchen Gedanken ver-
leiht dem Buche einen politiſchen Rang.
E. L.
30 Vom Büchermarkt
Lt Colonel de La Nocque: Staatsdienſt
am Volk (Service Public). Verlag für
Kultur und Wiſſenſchaft, Berlin.
Eine aus dem Franzöſiſchen übertragene
Veröffentlichung des Führers der Feuer⸗
kreuzbewegung. De La Rocque, tm Welt-
kriege franzöſiſcher Frontoffizier, hat in
dieſem Buche die Gedanken niedergelegt, die
die Feuerkreuzbewegung tragen. Es find die
Gedankengänge feiner ge aber fein
politiſches „Programm“. Der Werfaffer
lehnt es aud ab, ſeine Bewegung als poli-
tiſche Partei zu ſehen. Im Gegenteil, ſie
ſteht im ſchärfſten Gegenſatz zu den Par-
teien, die ſich heute in Frankreich um die
Regierungsmacht ſtreiten. Die Bewegung
richtet ſich vielmehr gegen alle zerſetzenden
Kräfte, die das ſranzöſiſche Volk zum Mb-
grund treiben, und will alle die aufbauenden
Faktoren des geſamten Volkes wachrufen,
die den Wiederaufſtieg gewährleiſten. Dazu
find in erſter Linie die Frontkämpfer be-
rufen und die Generation, die das Erbe
der Toten der Front anzutreten gewillt iſt!
Von dieſer Ausrichtung wird die Bewegung
getragen. Damit muß ſie notwendig an die
meiſten beſtehenden Einrichtungen und Map-
nahmen des heutigen Frankreich Kritik
üben. De La Rocque tut das auch in einer
felten offenen und ſcharfen Weiſe. Daß fie
ſich auf alle Gebiete erſtreckt, iſt bei der
Grundſätzlichkeit des Ambruchwillens felbft-
verſtändlich. Da die Geburtsſtunde der Ge⸗
dankengänge im Ringen an der Front liegt,
nd fie dem heutigen Deutſchland pet ane nid
remd. Zwar find ganz E de 115
weſentliche Anterſchiede La en unferer
Ausrichtung und der de ocques vor-
handen, vieles Heft er auch in der Be-
urteilung der deutſchen Verhältniſſe gna-
a ſſchon man A area: al
on fiegre ur rt u n der
ubrigen Welt bald anerkannt, lehnt er
ſtrikte ab. Aber wir ſehen bei de La ocque
doch viele Amſätze, die eine deutfd- fran-
KZ Verſtändigung endlich möglich er-
cheinen laſſen. („Muß man ſich alſo mit
den Deutſchen ausſprechen? Ja, tauſendmal
jal“) — Das Buch zeigt uns die ne
eines Aufbruchs, der fih im franzöſiſchen
Volke vorbereitet. Es gewährt uns aus-
gezeichneten Einblick in die Verhältniſſe
Aces weſtlichen Nachbarn, mit denen uns
u befaſſen nur dienlich ſein kann. Werdende
Cl arine, at immer nur auf
gute Kenntnis. Das Buch de La Nocques
wünſchen wir in viele Hände
Waltyer Gehl: Der deutſche antun, —
bis 1935 Hirts Deutſche
Gruppe II, Band 9.
Eine verdienſtvolle Darſtellung, die r
knapp und kurz tft, dabei aber alle en
lichen Ereigniſſe heraushebt. Gehl, belannt
durch feine eren Veröffentlichungen,
eigt hier lebens voll den Aufbruch des deut-
chen ä =. Buch wird durch zahil-
reiche Karten und vor allem
durch zahlre ch Bildmaterial jar anf
lich. Für die Jugend ift es in der
deckung der Schäden ſowohl, als in der
zeichnung der pofitiven Kräfte des lebenden
Deutſchlands unbedingt wichtig.
Gerhard Pallmann: Soldaten — Kame⸗
raden. Liederbuch für Wehrmacht und
a Hanſeatiſche rlagsanſtalt, Ham-
rg.
Auch mit dieſem neuen Liederbuch hat
5 wieder eine „ Aus-
etroffen. Cine act here
Sen ieder SE die uns frobe Stunden
geben wird. ir wünſchen dem Buch, daß
es der Begleiter jeder ſoldatiſch ausgerich ;
teten Truppe wird.
Walter Joſt: Die wehrpolitiſche Re
volution des Nationalſozialismus. Han-
ſeatiſche Verlagsanſtalt, Hamburg.
Eine kurze Abhandlung, die eine Wertung
der nationalſozialiſtiſchen Revolution vom
militäriſchen Standpunkt aus vornimmt.
Sie ift ſlüſſig geſchrieben und holt trotz der
Kürze das SBejenttiche heraus. Aber das
ſtimmt wohl nicht: „. .. die ſoldatiſche Er-
chung .. iſt allein Sa der Wehr
macht“. Denn der Nat onalfoata-
lismus erzieht den Typ des deutſchen
Menſchen Ni das ift: der ſoldatiſche
Menſch! Die rziehungsaufgabe der
Wehrmacht iſt alſo der e ung
eingeordnet! Wie es of auch der
= er in den folgenden Ausführungen
emeine Ausführungen ftellt man er
voran, da fie nach einer Präziſierung leicht
als Entſchuldigung erſcheinen können.
Kurt Maßmann: Die Revolution ot
weiter. Verlag Ferdinand Hirt, Bres
Faft möchte man glauben, fein Buch Pr
lefen, fondern ed mit einem Kameraden
aus der Rampf Onn atl Den man
nach Jahren eer Bat Können
wir von dem Buche Beſſeres oe als:
Du DUR unſer Kamerad!
Vom Büchermarkt 31
A. von Schell: Kampf gegen Panzerwagen.
Verlagsbuchhandlung Gerhard Stalling,
Oldenburg i. O. — Berlin.
Der Verfaſſer iſt ſich der Schwierigkeit
ſeiner Aufgabe voll bewußt. Aber es ſoll ja
auch nicht etwas Endgültiges oder Ab-
eſchloſſenes gegeben werden. Sehr beacht⸗
ich find aber die Klarheit der Gedanken
und die Verſuche, die Probleme zu löſen.
Sweifellos wird das Buch nicht nur für die
Wehrmacht Bedeutung haben. Jeder
Deutſche wird es gern zu feiner Unter-
richtung leſen. :
Deutſcher Frontkämpferglaube. Von Erwin
Langner. Verlag Ferdinand Hirt,
Breslau, 1935.
Es ſteht feſt, daß dieſe Abhandlung nur
von einem Frontkämpfer geſchrieben ſein
kann. Aber wir werfen die Frage auf: Iſt
der an der Front begonnene Weg nicht ver-
laſſen worden und in das alte Gleis von
vorher zurückgekehrt? Ans ift dieſes Gott-
erlebnis auch aus einem Kampf hart auf
hart bekannt! Aber deshalb werden wir
auch immer das geſchilderte Chriftus- und
Kreuzerlebnis eben aus unſerem Erkennen
und Erleben ablehnen! Hinzu kommen noch
einige begriffliche Anrichtigkeiten. Aeber⸗
haupt iſt das Buch ein Gemiſch von Echtem
und Aeberkleiſtertem. Der Einband ift eine
Geſchmackloſigkeit!
Verdun. Von Dr. Wilhelm Ziegler.
Hanſeatiſche Verlagsanſtalt, Hamburg.
Ein Mitkämpfer hat hier eine Meifter-
darſtellung geſchaffen! Sie geht weit über
den Rahmen eines kriegsgeſchichtlichen als
auch literariſchen Werkes hinaus. Wir ſind
dankbar, dieſes Werk zu beſitzen, und reihen
es gerne unſerer Literatur über den Welt-
krieg als eines der beſten a ein!
o—y.
„Wolkenſtein“ oder „Die ganze Welt“. Ein
Roman von Carl Johann Leuchten
berg. Verlag R. A. Höger, Verlin und
Leipzig, 1936.
Carl Johann Leuchtenberg, ein junger
talentvoller Schriftſteller aus Südtirol,
hat ſich mit dem vorliegenden Werk in
die vorderſte Reihe der deutſchen hiſtoriſchen
Erzähler geſtellt. Darüber hinaus ae
Leuchtenberg einen für unfere Lefer fider
ſehr bemerkenswerten Verſuch unternommen,
die Lebensgeſchichte des Tiroler Ritters
Oswalt von Wolkenſtein, wiedergegeben in
mehreren Hauptſtücken auf Grund „von ver-
ſtreuten Papieren und Skripten“, in mo
derner Sprache mit mittelhochdeutſchem
Satz- und Wortbau zu geſtalten. Dieſer
Verſuch ift reſtlos geglückt. Mag man bei
Beginn des Leſens die Furcht hegen, ei:
der deutſchen Sprache der Jetztzeit dur
den mittelhochdeutſchen Satz. und Wortbau
Gewalt angetan wird, ſo ſchwinden dieſe
Bedenken mit jeder Seite, die wir nad-
einander geradezu „verſchlingen“.
Ritter Oswalt von Wolkenſtein zog als
Troßbub in die Welt hinaus, ſang und focht
in den verſchiedenſten Ländern bis gum
Schwarzen Meer und zog nach 23jdbriger
Abweſenheit aus ſeiner rauhen bergigen
Heimat nach vielen Irrfahrten wieder nach
Tirol zurück. Dieſe 23 Jahre eines wahr-
haft großen Lebens erfahren und erleben wir
dank der Geſtaltungskraft des Verfaſſers,
und vor unſeren Augen offenbart ſich eine
einzige große Schau hiſtoriſcher Perſonen
und Ereigniſſe des Mittelalters. Der
Sänger und Ritter Oswalt von Wolken⸗
ſtein erſteht in Leuchtenbergs Werk in aller
Anmittel barkeit. Dr. L.
Gefine und die Voftelmdnner. Roman von
Konrad Beſte. Hanſeatiſche Verlags-
anſtalt, Hamburg. 1936.
Konrad Beſte, der Dichter des „heidniſchen
Dorfes“, legt einen neuen Roman vor, der
wiederum in der Heide ſpielt und die Welt
der Heidbauern, ihre Amwelt mit genauer
Sachkenntnis und in dichteriſcher Durg-
dringung zeichnet. — Goftelmann muß feinen
Sohn, wie alle anderen Väter, in den großen
Krieg hinausziehen laſſen. Der Sohn gerät
in Gefangenſchaft und kehrt ſehr fpdt über
den Amweg Schweiz nach Deutſchland
zurück. Der alte Boſtelmann iſt indeſſen
einſam und verlaſſen auf ſeinem Hofe. In
der nächſten Stadt lebt Frau Ingeborg
Rofe, Ww., die es auf geſchickte Weile ver-
ſteht, ſich in das Herz des alten Heidbauern
einzuſchleichen. Dagegen ſteht Geſine, die
Tochter Chriſtian Lampens, der vor dem
Feinde den Heldentod ſtirbt, ſo wie er es
ſich gewünſcht hat: „Sterben müſſen wir
alle — es kommt nur darauf an, wie wir
ſterben ... es ift die ganze Hauptſache im
Leben, daß wir richtig ſterben.“ Dieſe Ge-
fine fühlt in Frau Rofe die Widerſacherin,
die fie vom Boſtelhofe verdrängt. A ift
von Jugend an mit dem jungen Karſten
VBoſtelmann zuſammen, er ift ihr väterlicher
Freund und teilt fein Leid mit ihr, wie ſie
32 Vom Büchermarkt
ihre kindlichen Freuden mit ihm teilt. So
eht die Zeit weiter. Geſine wird ein hübſches
anaes Mädel, fie wird erwachfen und als
Karſten aus der ee e ft zurückkehrt,
wird fie fein Weib und Frau Ingeborg
Rofe, der Drototgp aller erbj E eriſchen
Witwen, das böſe Gewiſſen itwen,
muß den 1 verlaſſen. — Konrad
Beſte hat es in dieſem ſchönen Roman ver-
ſtanden, noch mehr als im „heidniſchen Dorf“,
die tieſen Zuſammenhänge und Weſenheiten
aus den Menſchen und der Landſchaft au
entwickeln. Vielleicht müſſen wir uns a
erft durch ſchweren GE hindurchringen,
e wir zu dieſer Fülle und gek inneren
eife gelangen. Kein Zweifel, bier
iff Konrad Beſte eine Dichtung
gelungen, die bleiben wird.
H. G.
Stadt und Feſtung Velgerad. Roman von
Joſef Magnus Wehner. Hanfe-
atiſche Verlagsanſtalt, Hamburg. 1936.
Joſef Magnus Wehner knüpft an ſeinen
Kriegsroman „Sieben vor Verdun“ an oder
tte er läßt dieſes Epos zeitlich voraus-
gehen und ſchreibt eine ie: raählung
vom ſerbiſchen Feldzug der im Welt np
mit Deutſchland verbundenen Nationen. Es
iſt im Anfang der Anſatz zur aie bide Durd-
dringung des Stoffes gemadt, aber Wehner
verläßt dann diefe Zeichnung, vielleicht aus
der Erkenntnis, daß dieſe Linie, die ihm
unbewußt vorgeſchwebt aben mag, fo
nicht einzufangen ift. st ſchildert in
drei großen Et n den ſerbiſchen Fed-
zug und entwickelt in klarer Zeichnung Men-
ſchen und Landſchaft und Sinn des Krieges.
Wie hier die Sachenmacht, die Materie
„Krieg“ ins Anheimliche emporwächſt und
dichteriſch erfaßt wird, das iſt das echte
Werk eines großen ſchöpferiſchen
Geſtalters, der durch dieſes Erleben bine
durchgegangen tt. Dah Wehner im Verlaufe
der Handlung einige ganz hervorragende, faft
an die große Legende ſtoßende Themen ge;
en, ſei noch 5 erwähnt; unver
eßlich die Loge ende, ja e, vom Turm
acid Die Bege hne große orausſagen zu
treffen, kann man doch annehmen, daß der
Erfolg dieſes neuen Buches dem der „Sieben
vor Verdun“ nicht nachſtehen wird! H. G.
Mit zwei Sentnera durch den Weltkrieg.
Von Karl Borromäus Gröber.
1 Verlagsanſtalt Stuttgart-Berlin
= lh tung, d aufkieg, als wir den Titel
laſen, u. leider. Wenn man eller
dings den a dc di erlebt hat, daun SE man
zum Schluß ki reibe n 10 Kéi KA ac.
er in el angen Itir
Der Ausdruck N er 105 Weller wee. 2
ohne Seen | ir R
elt zieg” Immer noch fo, wie thn
eumelburg
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ten elle lease ap u iR
meiſten Nen
melon elem langen ar, de bis nicht are
Herybert Menzel: Gedichte der Kamerad⸗
ſchaft. Hanſeatiſche Verlagsanſtalt.
Menzel, der bereits auf ein ftattliches
Werk verweiſen kann, hat nun einen neuen
Gedichtband erſcheinen laffen. „Im Marſch
tritt der SA“ de der letzte — „Gedichte
der Kameradſcha gaf heißt der neue. Damit
tft der Weg gezeichnet, den der Dichter geht,
um die hehrſten T ee: an Ge
weaung in feinen Gedic
dieſen Gedichten der SRameradfcaft ver ere
jedes Lob. Gerecht werden kann ihnen nur
ein ebenſo ſchlichtes Bekenntnis zu ihnen,
wie fie ſelbſt das einfachſte und darum ſchöͤn⸗
ſtes Bekennen zum fiegenden Geift der un⸗
wandelbaren Kameradſchaft find. Sie find
Beweis dafür, daß nur der wirkliche Dichter
das ausſagen kann und darf, was uns zu-
tiefſt berührt.
Wir danken Herybert Menzel für feine „Ge⸗
dichte der Kameradſchaft“. Dieſe Gedichte
werden, aus einer großen Zeit geboren, mit
in die Goller Dichtung unſeres neugewor-
denen Volkes eingehen. A.
Hauptſchriftleiter: Günter Kaufmann (z. Zt. in Urlaub).
Wilhelm Utermann.
Tel. D 2 5841.
Anſchrift:
Schriftleitung: Dr. Karl Lapper, Stellvertreter, und
„Wille und Macht“, Reichsjugendführung, Berlin NW 40, Kronprinzenufer 10.
Verlag: Deutſcher Jugendverlag G. m. b. H., Berlin W 35, Lützowſtr. 66, Tel. B 2 Lützen 9086. —
Verantw. für den Anzeigenteil: Kurt Otto Arndt, Berlin. — D.A. I. Vj. 36: 15 433, Auflage dieſes Heftes
18 000. — Pl. Nr. 5. — Druck: Theodor Abb Buchdruckerei, Berlin SW 68. „Wille und Macht“ ik zu beziehen
durch den Deutſchen Jugendverlag oder jede deutſche Buchhandlung ſowie durch die Pok. Poſtbezug vierteli.
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„Wille und Macht!”
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Vertragsileferant der RZM. Nr. 15
Mitte Mai erſcheint:
Hans Chriſtoph Kaergel
liner unter Millionen
Roman
Hans Chriſtoph Kaergel ſchrieb mit dieſem Amerifa-Roman fein
erlebnisſtärkſtes Buch. Vor dem Hintergrund der Wolkenkratzer
New Yorks, inmitten einer pauſenlos abrollenden, meiſterhaft ge
führten Handlung, die alle Höhen und Tiefen des Erlebens durch-
läuft, eingehüllt in die Erzählung einer Liebe, die zu den innigſten
und zarteſten unſerer Dichtung gehört, entwickelt ſich um Martin Windeck,
den in den Kriſenjahren der Syftemzeit abgebauten Bankbeamten
aus Waldenburg, ein deutſches Schickſal, wie es Tauſenden und
aber Tauſenden widerfuhr. Zwar ſchlägt ſich Windeck drüben leidlich
durchs Leben: heute Tiſchler, morgen Totengräber, dann Stalljunge
und Milchkutſcher, zwar gibt ihm die Fremde, was ihm die alte Heimat
für immer zu verweigern ſchien: Arbeit und Leben. Aber er wird
nicht glücklich dabei. Denn erſt jetzt, erſt hier im fremden Land, im
Strom der Weltſtadt fühlt er, wie tief er Deutſchland liebt und daß
er ſich nie von ihm löſen kann, um Amerikaner zu werden. Auto-
biographiſche Züge ſind dieſem Schickſal mannigſach verflochten. So
gewinnt dieſes neue Werk des bekannten ſchleſiſchen Erzählers eine
beſondere Bedeutung als das Lebensbekenntnis eines Mannes, den
Grenze und Ausland feinem Volkstum gutiefft verwurzeln ließ.
Pappband RM. 360 7 Ganzleinen RM. 4,80
Zeitgeſchichte
Verlag und Vertriebs ⸗Geſellſchaft m. b. H., Berlin W 35
München 43 2118
partei Zentral Arch.
Briennerstr.
Der KS
DNN
Braume Buch-Nin
Die Buchgemeinſchaft unſerer Zeit
Die im Braunen Buch -Ning zuſammengeſchloſſenen Männer
und Frauen ſehen im Buch das wirffamfte Mittel, die national -
ſozialiſtiſche Weltanſchauung zu vertiefen und das wiedergewonnen
deutſche Lebensgefühl zu ſtärken.
Der Braune Buch⸗Ning bringt grundſätzlich nur Erſtveröffent⸗
lichungen, alſo keine Nachdrucke und keine Neuauflagen bereits
erſchienener Werke, und unterſcheidet ſich dadurch von allen
anderen deutſchen Buchgemeinſchaften.
Der Braune Buch Ning zählt Sehntaufende deutſcher Volks-
genoſſen aller Stände und Berufe zu ſeinen Mitgliedern.
Der Braune Buch ⸗Ning liefert für den geringen Monatsbeitrag
von nur 1,15 RM. jährlich 4 umfangreiche, wertvolle Bücher
ſowie 24 Hefte der reich bebilderten Zeitſchrift „Der Braune
Reiter”.
Der Braune Buch-Ning nimmt zu jeder Zeit neue Mitglieder
auf. Ein Eintrittsgeld wird nicht erhoben.
Auch Ihr Buchhändler beſorgt Ihre Anmeldung.
An den Braunen Buch⸗Ning
Berlin W 35, Lützowſtraße 66
Ich bitte um koſtenloſe und unverbindliche Zuſendung von Druckſchriſten.
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Hauptatchiv der NSC AN
Abt. Jugendbewegung
eilt
führeroesan der nationalſosialiſtiichen Zugend
Ans dem Subai:
| Gauleiter Kube / Unsere Hitler- Jug:
Vor 20 Jahren: Die Seeschlacht am Skagerrak
Reichsberufsweitkampf und Jugend-Stacha
| Der Bildhauer Joseph Thorak — Zur philosophischen Grundlinie des Nationalsoz:
’ Zwölf Nachträge — Heilige für alle Lebenslagen — Die „ germanische Union“ ı
Balpmonatsicheitt Sen 16 Berlin, den 15. Mai 1026 @hiselbuels 30 Me.
Unfere Hitlerjugend . . > > t Wilhelm Kube
Gauleiter der Kurmark
Reichsberufswettkampf und Jugend⸗Stachanow . . . Dr. 3. Barth |
Vor 20 Jahren: Die Seeſchlacht am Skagerrak . . Wulf Siewert
Der Bildhauer Joſeph Thorae .. . Wilhelm Utermann
Keine Beiträge:
Zur philoſophiſchen Grundlegung des Nationalſozialismus
Außenpolitiſche Notizen:
Zwölf Nachträge
Heilige für alle Lebenslagen
Die „germaniſche Union“ droht
Nandbemerkungen:
Vom Büchermarkt
|
Kunſtdruckbeilage: 4 Plaſtiten des an Joſeph Thorat
(Foto: Heinrich Hoffmann)
1 Wachsmuth
Dil nacht
SHH vevorsan der nationalſosialiſtiſchen Sugend
Jahrgang 4 Berlin, 15. Mai 1986 Heft 10
Wilhelm Kube: f
Mufeve Sitlerinsend
Der Empfang der beften Reidsfieger und Reidsfiegerinnen im Berufswett⸗
kampf der arbeitenden deutſchen Jugend am 1. Mai durch den Führer zeigt der Welt
die hohe Bedeutung, die der nationalſozialiſtiſche Staat ſeiner Jugend zuerkennt.
Jugend ijt Sehnſucht, Mannesalter ift Erfüllung im Menſchenleben. Der beiten
deutſchen Jugend Sehnſucht war immer wieder des Vaterlandes Freiheit und un-
anfechtbare Ehre. Es iſt das ſtolze Vorrecht der Jugend, ſich bedenkenlos und
bedingungslos für ihre Ideale zu opfern. Auch der Mann geht in den Tod: aufrecht
und gefaßt. Jugend ſtirbt wie bei Langemarck, ſtirbt wie Horſt Weſſel, wie Herbert
Norkus. Nie wurde unferes Volkes Freiheit ohne den Einſatz der Jugend ge-
wonnen. Die Freiheitskriege gegen den großen Korſen ſind das beſte Beiſpiel
hierfür. Gegen zögernde Fürſten ſetzte der Jugend ſtolzer Wille ſich durch. Sieg
oder Tod! Das war ihre Loſung, die ſie unwiderſtehlich nach vorne riß. Sie ſiegte
und ſtarb in gleicher aufrechter Haltung. Dabei iſt es das Recht der Jugend zu
leben und darin ihrem Volke Erfüllung zu bringen. Pflicht der Führung eines
Volkes und ſeines Staates iſt es, dieſes Lebensrecht der Jugend zu wahren. Von
dieſer Erkenntnis wahrer Führerpflicht iſt Adolf Hitlers Leben erfüllt.
Zum erſten Male in der Geſchichte unſeres Volkes nennt ſich die geſamte Jugend
nach dem Führer der Nation: Hitlerjugend. Das iſt Aufbruch, Verheißung, Ver-
pflichtung und Erfüllung.
Es gehört zum Weſen unſeres ſozialiſtiſchen Staates, daß wir nur eine
arbeitende Jugend kennen. Hier ſteht der junge Induſtriearbeiter neben dem
Schüler und neben dem Studenten. Hier kämpft der Jungbauer neben dem jungen
Künſtler, der Jungkaufmann neben Lehrling und Geſellen. And die weibliche Jugend
des deutſchen Volkes folgt ohne Anterſchied des Berufes dem gleichen Banner.
Ebenbürtig ſtanden unſere deutſchen Mädchen auch jetzt im Reichsberufswett⸗
kampf neben der Jungmannſchaft unſerer Nation, wie ſie mit ihr in dem großen
Bunde der Hitlerjugend in froher Jugend. und Lebensgeſtaltung ſtehen und wie
2 - Kube /B Unfere Hitlerjugend
fie mit ihr fih die Hochziele des Kampfes ſetzen. Denn Leben ift Kampf, ift Ringen
um Vollendung. Das deutſche Volk kann auf feine Jugend ſtolz fein. Es fann fi
vor allen Völkern der Welt ſeiner friſchen Jugend freuen.
Werdet wie Adolf Hitler! Das iſt das Lebensgeſetz aller kommenden
jungen Generationen unſeres Volkes. And unſere Jugend hat Adolf Hitlers hohes
und großes Wollen begriffen.
Anſere Jugend fol wie der Mai unferer Heimat fein: herb, friſch, kräftig, Wort
und ſtolz und auch wieder lind, anmutig und zart. So iſt der deutſche Mai ein
rechtes Abbild unſerer Jugend. Fülle und Reife bringt der Sommer, Vollendung
der Herbſt, Sterben der Winter. Stolzer Adel aber ſoll immer in unſeren
Seelen ſein.
Durch Adolf Hitler wurden wir uns unſeres deutſchen Weſens richtig bewußt,
durch den Führer kamen wir zur Erkenntnis unſerer Art. Nun ſollen wir dieſer
Erkenntnis in der Ordnung unſeres Volkes Ausdruck geben, und unſeres Volksſtaates
Geſetze ſollen unſeres inneren Weſens Prägung künden.
Deutſchbewußte Jugend wächſt in dieſen Jahren und Jahrzehnten heran. Adolf
Hitler hat den Grundſatz verkündet, daß Jugend nur von Jugend geführt
werden kann. Damit hat der Führer das Grundgeſetz der Hitlerjugend auf⸗
geſtellt. In die inneren Angelegenheiten der Hitlerjugend
hat ſich nach dem Willen des Führers niemand einzumiſchen.
Denn da die geſamte Führung aller Gliederungen der
Hitlerjugend eindeutig nationalſozialiſtiſch iſt, kann
niemand behaupten, er habe gewiſſermaßen die „Er-
ziehung“ der Hitlerjugend zu überwachen, da die Jugend
dieſer Aufſicht benötige. Die Hitlerjugend iſt das grundlegende und
richtungweiſende kameradſchaftliche Erlebnis des jungen deutſchen Menſchen. Wer
ſich von ihm ausſchließt oder wer von ihm wegen Verſagens ausgeſchloſſen wird,
ſtellt ſich außerhalb der Gemeinſchaft der Nation. Hier errichten wir die erſten
uneinnehmbaren Siegfriedsſtellungen gegen Hochmut, Klaſſenhaß und Standesdünkel,
gegen Aeberheblichkeit und Minderwertigkeit. — In die Hitlerjugend ge-
hört die Tochter des Miniſters ebenſo hinein wie die
Fabrikarbeiterin. In ihr marſchiert der Sohn des Kum
pels neben den Söhnen des Generals, des Bauern, des
hohen Beamten und des Kaufherrn.
Daneben haben Schule, Arbeitsdienſt und Armee ihre großen Erziehungs⸗
aufgaben an der deutſchen Jugend. Wie bei einer guten Maſchine greift
ein Rad in das andere. Harmonie und gleicher Rhythmus ſind die unentbehrlichen
Grundgeſetze. Keine dieſer Einrichtungen des nationalſozialiſtiſchen Dritten Reiches
ſteht im Gegenſatz zu den anderen. Denn der gleiche Geiſt beherrſcht ſie alle. Keine
iſt Selbſtzweck, alle dienen dem gleichen Ziele: Deutſchlands Glück, Größe und Glanz.
Das Preußen Friedrich Wilhelms des Erſten und Friedrichs des Großen beſaß
eine harte Größe, die in dem leuchtenden Glanze von Potsdam ausſtrahlte. Das
Deutſchland unſerer Jugend bevorzugte den Glanz auf Koſten feiner inneren Größe.
Kube | Anſere Hitlerjugend 3
Diefe Größe fam erft im Auguft 1914 durch die unzerſtörbare innere Anſtändigkeit
unſeres Volkes der Welt wieder zum Bewußtſein. Die Republik von Weimar
hatte weder Glanz noch Größe. Sie hatte nur Not und Nacht, Anehre und Schande.
Vor der Machtübernahme machte jeder in Deutſchland, was er wollte. Im
Deutſchland Adolf Hitlers tut jeder, was ihm das deutſche Lebensgeſetz, der National.
ſozialismus, vorſchreibt. So ſoll auch die Schule nicht mehr der Tummelplatz
hemmungsloſer Weltbeglücker und eitler Tyrannen und Narren, fondern ein edles
Werkzeug des nationalſozialiſtiſchen Deutſchlands ſein. Natürlich haben wir im erſten
Jahrzehnt und vielleicht noch darüber hinaus mit manchen Hemmungen aus dem
liberaliſtiſchen Zeitalter zu rechnen. Aber damit werden wir fertig werden, wie
wir unter Adolf Hitlers Führung bisher noch mit allen Widerſtänden fertig ge⸗
worden find. Es iſt geradezu lächerlich, zu glauben, irgendein reaktionärer oder
liberaliſtiſcher „Pädagoge“ könnte den Siegesmarſch des Nationalſozialismus auf-
halten. Das kommt gar nicht in Frage! „And durch unſere Fäuſte fällt, wer ſich uns
entgegenſtellt!“ Die Fäuſte ſind wir: die Alte Garde und die jungen Kämpfer. Wir
haben bisher immer noch Deutſchlands und des Führers Sache ſelbſt vertreten.
Die ſo notwendige Neugeſtaltung des deutſchen Schulweſens in Stoff und
Lehrplan im nationalſozialiſtiſchen Geiſte iſt im Anmarſch. Hier iſt weiſe Vor⸗
bereitung, tieſgründige Aeberlegung beſonders vonnöten. Denn für uns iſt die
Schule kein Experimentierſtück, wie fie es in den Jahrzehnten vor der Machtüber⸗
nahme zu ihrem Schaden geweſen iſt. Die Schulerziehung eines Volkes muß mit
der Weltanſchauung, die ſeinen Staat ſchuf, in engſtem Einvernehmen ſtehen. Grund-
lage des nationalſozialiſtiſchen Deutſchlands iſt der Nationalſozialismus allein und
ausſchließlich; daher iſt der Nationalſozialismus auch allein und ausſchließlich
Grundlage der ſchuliſchen Erziehung der geſamten deutſchen Jugend. Das
nationalſozialiſtiſche Deutſchland kann fih von keine r Seite in diefe Schulerziehung
hineinreden laſſen. Es iſt auch nicht in der Lage, bei der Löſung dieſer Aufgabe
irgendwelche Bevormundung, Kontrolle oder Aufſicht zu geſtatten oder zu ertragen,
am allerwenigſten von ſeiten politifierender kirchlicher Richtungen.
Die Hitlerjugend ſteht nach der Machtübernahme nicht im Gegenſatz zur national-
ſozialiſtiſchen Schule, wohlgemerkt zur nationalſozialiſtiſchen Schule.
Aber die Schule iſt für uns ebenſowenig Selbſtzweck wie irgendeine andere ſtaatliche
Einrichtung. Die deutſche Jugend iſt nicht der Schule wegen da, ſondern die Schule
iſt der deutſchen Jugend wegen da.
Genau ſo iſt das Verhältnis zwiſchen Jugend und Wirtſchaft. Auch darin
unterſcheidet ſich der nationalſozialiſtiſche Staat von den früheren ſtaatlichen Er⸗
ſcheinungsformen, daß er die Wirtſchaft dazu erzogen hat, in der lernenden Jung-
arbeiterſchaft wertvollſtes Volksgut zu ſehen und nicht wohlfeile Arbeitskräfte zur
Ausnutzung der jungen, im Wachstum befindlichen Kräfte zugunſten geſteigerter
Erträgniſſe und Dividenden. — Den Mancheſterliberalismus und
das ſogenannte Scharfmachertum lehnen wir rückſichtslos
ab. Aus unſerer Jugend ſoll kein verkümmertes und verelendetes Proletariertum
werden, ſondern ein ſtolzes und aufrechtes, freies und hochgemutes deutſches Arbeiter-
4 . Kube / Unfere Hitlerjugend
tum! Aufrechte, ftolge und trogige Menſchen braucht das natjonalſozialiſtiſche
Deutſchland in ſeinem Arbeitertum. Frohe Mütter und freudige Väter ſollen freie,
frohe und freudige Kinder haben. Hier find die Deutſche Arbeits
front und der Reichsnährſtand der ſtarke Schirmherr
der ſchaffenden deutſchen Jugend. Selbſtverſtändlich iſt es, daß
die deutſche Jugend in Schule und Arbeit das Beſte leiſten ſoll; denn unſer Volk
fol für immer das befte Volk der Erde an Tatkraft und Tüchtigkeit fein! Daß fich
die deutſche Jugend feit der Machtübernahme in einem unaufhaltſamen Veredelungs⸗
prozeß befindet, zeigen von Jahr zu Jahr mehr die Ergebniſſe der Reichs
berufswettkämpfe. And die Leiſtungen unſerer Beſten, der Reichsſieger
von heute, ſollen Durchſchnittsleiſtungen der kommenden Jahrgänge werden. Hoch
ſetzen wir das Ziel unſerer Jugend, weil hochgemut unſer Planen, Leiſten und Wollen
it! — Dabei lehnen wir das einpeitſchende Stachanow⸗
unweſen des verbrecheriſchen und abgrunddummen Borl.
ſchewismus ab. Es hat mit deutſcher Art nichts gemein. Freude am
eigenen Erfolg, Stolz auf die eigene Ceiftung folen unſerer Jugend
lachende Herzen erfüllen. So ſchaffen wir das deutſche Volk der ewigen Zukunft
bewußt und planvoll. Der Geſelle muß mehr können als der Lehrling und der
Meiſter muß den Geſellen übertreffen. Lernen ſoll die deutſche Jugend,
eiſern lernen. Aber den Geſang der Maſchinen ſoll der Geſang derer über⸗
tönen, die Herren der Maſchinen durch Wiſſen und Können geworden find. Das ift
deutſcher Sozialismus der Tat. Wir wollen Herren ſein, nicht
Sklaven; Herren auch im Werkgewande.
Arbeitsdienſt und Wehrmacht vollenden das Erziehungswerk und den Aus-
reifungsprozeß des deutſchen Mannes. Das deutſche Heer macht den jungen Mann,
der ſein Werkzeug beherrſcht, der ſein Wiſſen feſtigte, zum Meiſter der Waffe, ohne
die es freie Männer und freie Nationen nie gegeben hat und nie geben wird. Adolf
Hitler gab ſeinem Volke im Wehrdienſt das Beſte, was er ihm geben konnte. Der
durch Hitlerjugend, Reichsarbeitsdienſt und Wehrpflicht geſtählte Körper und
geſchulte Geiſt prägt den Typ des deutſchen Menſchen. So gibt die deutſche Nation
ihren Söhnen die Waffen und Werkzeuge, um das Leben zu meiſtern.
And die jungen Deutſchen, die ſo unter den Geſetzen des nationalſozialiſtiſchen
Reiches heranwachſen, werden von ihren Kindern nicht weniger verlangen, als von
ihnen verlangt worden ift. Denn fie- haben den Segen der Härte unſerer Welt-
anſchauung erkannt, und ſie wiſſen, daß nur harte Völker den von Gott geſetzten
Preis der Freiheit erringen, bewahren und behaupten.
Aber auch das Führerkorps des kommenden Deutſchlands iſt uns dadurch geſichert.
Mit Recht verlangt die Partei vom Führernachwuchs die Ableiſtung des Dienſtes
in Hitlerjugend, Arbeitsdienſt und Armee. Damit das Githrerforps des ewigen
Deutſchlands aber auch immer volksverbunden bleibe, muß es auch immer mit der
Arbeit des Volkes verbunden ſein. „Im Volke geboren, erſtand uns der Führer!“
Volk fordert Arbeit, Leiſtung, Pflicht und Dienen. And aus Dienen, Pflicht,
Leiſtung und Arbeit wachſen Freude und Lebensbejahung.
Barth | Reigsberufswettlampf und Gugend-Stadanow 5
Dr. J. Barth:
Neichsberufswertkampf und
Jugend GStachauoto
Mitte 1935 wurde aus der Sowjetunion gemeldet, daß ein Werkarbeiter des
Donezgebietes, Stachanow, mit einem Preßlufthammer in einer 6-Gtunden-
ſchicht 102 Tonnen Kohlen gefördert habe. Gleichzeitig vernahm man von
einer Propagandawelle durch die ganze Sowjetunion, die den Namen
Stachanow zum Begriff, feine einmalige Rekordleiſtung zur
allgemeinen Norm erheben wollte. Mitte November 1935 fand dann in
Moskau bereits der erſte Stachan ow Kongreß ftatt, auf dem man von einem
Arbeiter namens Stepanenkow hörte, der ſogar 552 Tonnen in derſelben Zeit
geſchafft haben ſoll, von einer Baumwollweberin, die es fertig gebracht habe,
100 Webſtühle gleichzeitig zu bedienen, wo ſelbſt die Japaner, bisher die unerreichten
Meiſter auf dem Gebiete äußerſter Arbeitsausnützung, es nur auf 30 bis 40 Web-
ſtühle bringen, und von zahlreichen anderen ähnlichen Rekordleiſtungen auch in vielen
anderen Zweigen der Produktion.
Kurz nach dem Auftauchen der erſten derartigen Meldungen und gleichzeitig
mit den Berichten über den Stachanow⸗Kongreß erſchienen dann in den Sowjet-
blättern auch andere, unſcheinbar aufgemachte und gleichſam in die Ecke geſtellte
Nachrichten, aus denen hervorging, daß etwa in einem Schacht des Bergwerkes
Tſcherenchowo ein Hauer erſchoſſen aufgefunden wurde, in einem Großbetrieb
in Gorki einem Arbeiter 60 Meſſerſtiche verſetzt wurden, in Stalino ein Steiger
ermordet wurde, wobei als einzige Erklärung ſtets angegeben war, daß es ſich um
einen führenden Stachanow⸗ Mann handelte, der einem Mord:
anſchlag zum Opfer gefallen ſei. Kurz darauf wieder vernahm man
Reden höchſter Sowjetfunktionäre mit drohenden Ausfällen gegen die „Sabo ;
teure“ der großen Stachanow Idee und Bewegung und
ſchärfſte Gerichtsurteile gegen ſolche „Saboteure“ vor den
Sowjetgerichten, woraus man mit einigem Scharfſinn ſchließen kann, daß erſtens
die Stahanow- Methode zumindeſt von einem Teil der ruffi-
ſchen Arbeiterſchaft als Einpeitſcher- und Antreiberſyſtem
ohnegleichen empfunden und bis zu Mord und Totſchlag gehaßt wird, und
daß zweitens alle die, die aus irgendeinem Grunde nicht mitmachen oder mitkommen
können, als „Saboteure“ verſchrien und — es gibt bekanntlich in Sowjetrußland
nichts Gefährlicheres, denn als ſolcher verfemt zu werden! — auf dieſe Weiſe unter
einen furchtbaren Druck des Sowjetſyſtems geſetzt werden.
Ohne hier weiter auf die Frage des Wahrheitsgehaltes der gemeldeten
Stachanow. Rekorde näher einzugehen — erfahrene Bergleute der Ruhr und Ober-
ſchleſiens erklärten die gemeldeten Schichtenerfolgsziffern von 102 bzw. gar
552 Tonnen Kohle als aufgelegten Schwindel, da ſie in derſelben Zeit an der Ruhr
ſelbſt bei ſchärfſter Anſpannung nur 1,5 bis 7 Tonnen, in Oberſchleſien 6 bis
6 Barth | Reichsberufswettkampf und Gugend-Stadhanow
15 Tonnen fördern könnten und die behauptete Tagesleiſtung Stepanenkos nicht
weniger als 25 Güterwagen betrage! —, wollen wir hier nur feſthalten, daß hier im
Prinzip Einzelleiſtungen einzelner beſonders hochwertiger und ausgeruhter Arbeits-
kräfte, unter beſonders günſtigen Amſtänden erzielt, als unbedingt zu erreichende
und auf die Dauer zu haltende Norm für die Geſamtheit aufgeſtellt und mit dem
lebensbedrohenden Druckmittel der Verfemung als Saboteur erzwungen werden
ſollen.
Es ift ohne weiteres klar, daß ein ſolches Antreiber und Schinderſyſtem auf
die geſamte übrige Arbeiterſchaft von den verheerendſten Folgen begleitet ſein muß,
die wieder eine Verzweiflungsſtimmung erzeugen müſſen, die durch die eingangs
erwähnten Straftaten in ihrem Grade beleuchtet wird. Am wieviel furchtbarer aber
müſſen dieſe Folgen ſich auf Körper und Geiſt der Jungarbeiter auswirken, falls das
Stachanow⸗Syſtem tatſächlich auch auf fle übertragen werden follte! Dies ift auch
wirklich geſchehen und ſchon ſeit längerer Zeit wird in der ganzen
Sowjetunion mit der üblichen äußeren Großzügigkeit ein
„Stachanow der Jugend“ propagiert und aufgezogen! In der
Moskauer „Deutſchen Sentralgcitung’ Nr. 81 vom 8. 4. 1936 Tefen wir hierüber:
„Was die führenden Arbeiter tun, ſoll auch Gemeingut der geſamten Arbeiterjugend
werden, und der Komſomol ſtellt ſich die Aufgabe, die Jugend an Hand der Vorbilder
der ſozialiſtiſchen Arbeit zu belehren.“ — Es werden auch bereits Beiſpiele von
Leiſtungen der Jugend⸗Stachanow- Bewegung mitgeteilt. So
hat etwa der Junggenoſſe Pa ftu dow in der Schuhfabrik in Odeſſa in 7 Stunden
an der Zwickmaſchine 3280 Paar Schuhe bearbeitet und damit einen neuen Welt-
rekord aufgeſtellt; in der Marxſtätter Motorenfabrik „Kommuniſt“ haben die
Komſomolzen Henning, Rößner und Beilmann bei Arbeit in Gasmasken
ihre Schichtnorm zu 301 und 240 Prozent erfüllt, der Jungarbeiter Pa b ft fogar
zu 660 Prozent; die Komſomolzen Machnowſki und Mudriek in der Kollektiv⸗
wirtſchaft „Molodoj Gorniak“, Rajon Teofipol, beſäten je 13 Hektar am Tage und
erſüllten damit ihre Norm zu 270 Prozent uſw. („Za Induſtrialiſacziju“, Nr. 87 v.
11. April 1936.)
Es ift nun vielleicht nichts fo lehrreich als die nackte Gegenüber-
ſtellung dieſer „Leiſtungen“ mit Aufgaben des Reichsberufswettkampfes.
Etwa mit denen der drei Reichsſieger der Gruppe Nährſtand, die zum Führer
kommen durften. Marianne Heing mußte Bruteier ausſuchen und verfaufs-
fertig packen, 2 Zentner Kartoffel einſacken und nach den Vorſchriften der Markt⸗
ordnung verpacken und endlich ein Kinderkleid nähen. Gleichrangig daneben ſtanden
die Aufgaben der ſportlichen und weltanſchaulichen Leiſtungsprüfung, von denen
beſonders das Thema des Aufſatzes „Die Aufgaben der Bäuerin in der Erzeugungs—
ſchlacht“ bezeichnend iſt. Otto Linſenmaier mußte eine Weinbergſpritze aus-
einandernehmen und möglichſt ſchnell einen Schaden beheben, außerdem Reden-
aufgaben machen und einen Aufſatz ausarbeiten über das Thema „Was die Arbeit
Barth | Reihsberufswettfampf und Jugend- Stachano w 7
des Winzers erſchwert“. Hans Buſch aus der Fachgruppe Törſter mußte ein
Gebiet zur Durchforſtung freigeben, den Feſtgehalt eines ſtehenden Baumes mit
Höhenmeſſer und Schieblehre berechnen, 5 Schuß ſtehend freihändig ſchießen.
Der Gegenſatz, der bei dieſem Vergleich als erſter in die
Augen ſpringt, iff der zwiſchen reiner Quantitäts und wohl
abgewogener Qualitätsarbeit. Für Stachanow und Jugend ⸗Stachanow
ſcheint das hypnotiſierte Hinſtarren auf die möglichſt große Rekordzahl charakteriſtiſch,
wobei die Qualität der Arbeit im allgemeinen kaum einer Beachtung gewürdigt wird.
(Beſtätigung hierfür find auch die neuen beweglichen Klagen der Sowjetblätter über
das kataſtrophale Aeberhandnehmen von Bruch- und Aus ſchußwaren!l˖) Der
deutſche Reichsberufswettkampf ſieht im Gegenſatz dazu ſeinen Ehrgeiz darin,
ſaubere Qualitätsarbeit an Stelle der Maſſenarbeit zu ſetzen.
Dies in der Blickrichtung des Arbeitsobjektes. In jener des Jungarbeiters aber
nimmt der RBWe fein Maß und fein Ziel nicht von unter zufällig beſonders
günſtigen Amſtänden durch ausgeruhte Akrobaten, Virtuoſen und Athleten erzielten
Spitzenleiſtungen, nicht von einem im Grunde antiſozialen beruflichen Spezialiſten⸗
und Strebertum, ſondern vom guten Durchſchnitt, deffen Fähigkeits⸗ und Leiſtungs⸗
ſteigerung er zum Inhalt ſeiner Aufgabe und zum Ethos ſeines Gemeinſchaftswillens
erhebt. Dies kommt allein auch ſchon in der Form der beiden Wettbewerbe klar
zum Ausdruck. Dort forcierte Stückarbeit nach kraſſeſten individualiſtiſchen Gefichts-
punkten und ſchärfſten kapitaliſtiſchen Methoden, nach vorgeleiſteten Rekorden, hier
nicht vorgeſetzte Erfolgsziffern, ſondern geſtellte Aufgaben,
deren Löſungsmöglichkeit für die Wettbewerbsteilnehmer im großen Durchſchnitt
gegeben iſt, ſo daß der Kampf viel weniger um die zahlenmäßige Erfolgshöhe, als
um die innere Güte der Ausführung des Erzeugniſſes oder der Beſorgung geführt
wird. Durch den Reichsberufs wettkampf wird daher auch nie-
mand zu Tode geſchunden und zu Verzweiflungsakten ge-
trieben. Jeder kann mitkommen, und keiner, der nicht mitmacht oder dem es nicht
gelingt, in die Reihe der Sieger aufzurücken, braucht darob zu befürchten, als
„Saboteur“ vor der Gemeinſchaft bloßgeſtellt, in die Verbannung geſchickt oder dem
Scharfrichter übergeben zu werden. Aeberhaupt ift dem RBW das Mittel des
Terrors völlig fremd, da er ja nicht, wie Stachanow, von außerjugendlichen Ele-
menten in die deutſche Jugend hineingetragen und ihr aufgedrängt wurde, ſondern
aus ihr ſelber hervorgegangen iſt als eine, wie ſein Schöpfer und Organiſator,
Obergebietsführer Axmann, wiederholt erklärt hat, freiwillige, von ſportlichen
Gedanken getragene Aktion.
Im Jugend ⸗Stachanow wird neueſtens das Streben ſichtbar, fih nicht nur mit
der unvorbereiteten und einſeitigen Zufallsſpitzenleiſtung einzelner zufriedenzugeben,
ſondern auch zu einer allſeitig entwickelten beruflichen, weltanſchaulichen und körper—
lichen Schulung und Erziehung vorzudringen, wie es im Programm des
letzten Komſomolzenkongreſſes wenigſtens ſo ſchön zu leſen ſteht.
8 Siewert / Die Seeſchlacht am Skagerrak
Selbſt dann aber, wenn dieſes Programm vom Papier in die Wirklichkeit über⸗
fiedelt und das Ergebnis dem deutſchen Vorbild einer umfaſſenden Berufsprüfung,
Berufsausbildung und Hebung des Geſamtleiſtungsniveaus der nachwachſenden
Generation nahekommen ſollte, verbleibt immer noch der alte grundſätzliche Gegenſatz
zum RBWR aus der Entſtehungsgeſchichte:
Der Gegenſatz von individuellem NRekordwahn, primitiver Quantitätsvergötzung
und gewaltſamer Einpeitſchung von oben gegenüber dem Geſamtleiſtungsprinzip
einer wahrhaft ſozialiſtiſchen Zuſammenarbeit zum hohen Durchſchnitt und
gediegener Qualitätsgefinnung einer von der Jugend ſelbſt geſchaffenen und
getragenen Altion.
Im Letzten eine Gegenüberſtellung, die wieder einmal die Oberflächlichkeit und
Aeußerlichkeit jüdiſch⸗marxiſtiſchen Geiſtes und das Streben nach Innerlichkeit und
Tiefe deutſchen Geiſtes offenbar werden läßt.
Wulf Siewert:
Dov 26 Sabsen:
Die Geeſchlacht am Gkagerral
am 31. Mai 1916
Wenn wir heute den Blick zurückwenden zu der Zeit, als die größte Seeſchlacht
der Weltgeſchichte geſchlagen wurde, dann tun wir es nicht aus bitteren Gefühlen,
ſondern um uns klar zu werden über das ungeheure Geſchehen, deſſen Zeuge wir oder
unſere Väter waren. Denn es iſt wichtig, daß das Wiſſen um die Bedingungen der
Seemacht in der deutſchen Jugend nicht verloren geht in einer Zeit zwangsläufiger
Konzentrierung auf kontinentale innereuropäiſche Probleme.
Wie es zur Schlacht kam —
Im Laufe der erſten Kriegsjahre war die ſeeſtrategiſche Lage in der Nordſee
immer ungünſtiger für Deutſchland geworden. Die engliſche Schlachtflotte übte von
ihrem hoch im Norden gelegenen Stützpunkt Scapa Flow eine wirkſame Fernblockade
aus, die den deutſchen Seehandel mit den Weltmeeren völlig erdroſſelte. Infolge der
beiderſeitigen Zurückhaltung war es bislang zu keiner Entſcheidungsſchlacht zur See
gekommen. Die deutſche Regierung wollte eine Schlacht nur unter günſtigſten Bedin
gungen annehmen laſſen und die Flotte möglichſt unbeſchädigt bis zum Frieden in
der Hand behalten. Bei dieſer Auffaſſung konnte eine günſtige Wendung der Lage
nicht eintreten. Im Januar 1916 übernahm Admiral Scheer an Stelle des ſchwer er⸗
krankten Admirals von Pohl das Kommando der deutſchen Hochſeeflotte. Womiral
Scheer ſetzte es durch, daß ihm die politiſche Leitung für ſeine militäriſchen Ent-
ſchlüſſe die nötige Handlungsfreiheit ließ. Er wollte möglichſt nur mit Teilen der
britiſchen Schlachtflotte zuſammentreffen, aber er ſcheute auch nicht den Kampf mit
Siewert / Die Seeſchlacht am Skagerrak 9
der geſamten, an Zahl hoch überlegenen Grand Fleet. Am den Feind zur Schlacht zu
ſtellen, entſchloß man ſich, mit der ganzen Flotte zum Skagerrak vorzuſtoßen und dort
die feindliche Handelsſchiffahrt zu ſtören.
Aber auch auf engliſcher Seite war der Wunſch nach einer Offenſive zur See
lebhafter geworden. Durch die Beſchießung von Loweſtoft war die öffentliche Mei-
nung in England derartig erregt, daß fie von der Flotte eine Aktion forderte. On,
miral Jellicoe plante für den 2. Juni einen Vorſtoß der engliſchen Seeſtreitkräfte in
das Skagerrak bis zu den Belten, um die deutſche Flotte zum Auslaufen zu veran⸗
laffen. Man fieht, wie fih die Operationspläne beider Flottenführer überkreuzten.
Der Aufmarsch
Am 31. Mai lief die deutſche Hochſeeflotte um 2 Ahr morgens aus Jade und
Weber aus. Die Marſchformation war jo gewählt, daß die deutſchen Aufklärungs-
ſchiffe unter Vizeadmiral von
Hipper mit den Schlachtkreuzern 7
und einigen leichten Geeftreit- Zu 1
kräften als Aufklärungsgruppe
einige Seemeilen vor dem Gros RER
der Linienſchiffe des Flottenchefs
Admiral Scheer herfuhren. Die
deutſche Hochſeeflotte ſetzte ſich
alfo zuſammen aus den 5 moder-
nen Schlachtkreuzern Hippers, 15
modernen Großkampflinienſchiffen
und 7 älteren Linienſchiffen, um-
geben von einer Anzahl Kleiner
Kreuzer und 62 Torpedobooten.
Die Geſamtſtärke der Beſatzung
betrug etwa 45 000 Mann.
Durch eine geſchickte Täuſchung
der Funkfignale, die die FI-Sta-
tion der Wilhelmshavener Mole
vornahm, konnte der Eindruck er,
wedt werden, als ob das Flotten-
flaggſchiff „Friedrich der Große“
mit den Linienſchiſffſen noch im
Hafen lägen, ſo daß die Eng⸗
länder glaubten, nur mit Teilen
der Hochſeeflotte in Berührung
zu kommen.
Während alſo die engliſche
Flotte bereits mit den Vorberei-
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Der Aufmarſch der feindlichen Flotten am Skagerrak
Gi 31. Mai 1916. S
10 Siewert / Die Seeſchlacht am Skagerrak
tungen für ihre Anternehmung beſchäftigt war, „wurde der engliſchen Admiralität
am 30. Mai, um 6 Ahr nachmittags, bekannt, daß alle Verbände der deutſchen Hod-
ſeeflotte ein offenbar beſonders wichtiges, ganz geheimes Operationsfignal erhalten
hätten. Dies konnte zwar nicht näher gedeutet werden, ließ aber keinen Zweifel
mehr, daß größere Begegnungen unmittelbar bevorſtanden“. Am ſelben Tage, um
6 Ahr 40 Minuten nachmittags, erging bereits von der britiſchen Admiralität der
Befehl an die Admirale Jellicoe und Beatty, ihre Streitkräfte 100 Seemeilen öſtlich
von Aberdeen zu konzentrieren. Auch diesmal hatte alſo die engliſche Admiralität,
wie fo oft, rechtzeitig über ihr ausgedehntes und ausgezeichnet arbeitendes Spionage
netz Nachrichten über die deutſchen Flottenbewegungen erhalten. Kein Zweifel, man
wollte diesmal auf beiden Seiten zur Schlacht kommen.
Der britiſche Aufmarſch vollzog ſich in einer ähnlichen Einteilung, in zwei
Gruppen, wie der deutſche. Bereits um 11 Ahr 30 Minuten nachts des 30. Mai ver⸗
ließen die Verbände der Grand Fleet in 3 Kolonnen ihre Stützpunkte. Von Scapa
Flow aus marſchierte Admiral Jellicoe mit 16 Großkampflinienſchifſen, 3 Schlacht ⸗
kreuzern und einigen leichten Seeſtreitkräften, von Cromarty aus Admiral Serram
mit 8 Großkampfſchiffen und den dazugehörigen leichten Kräften, und ſchließlich von
Nofyth aus Admiral Beatty mit 6 Schlachtkreuzern, dem ſchnellen fünften Schlacht
geſchwader mit den 4 ſtärkſten Linienſchiffen und andern Aufklärungsſtreitkräften.
Admiral Beatty hatte, ähnlich wie Hipper, den Auftrag, die Aufklärung durchzuführen
und fuhr deshalb einen ſüdlicheren Kurs als die Schlachtflotte.
Die Geſamtſtärke der Beſatzung betrug auf der engliſchen Flotte etwa
60 000 Mann. Sowohl an Größe wie auch an Zahl und Kaliber war die engliſche
Flotte der deutſchen hoch überlegen. Jellicoe verfügte am 31. Mai über 37 Grof-
kampfſchiffe, Scheer nur über 20. Die Kaliberſtärken waren auf engliſcher Seite
durchweg größer. Dort ſtanden 344 ſchwere Geſchütze mit 38,1 Zentimeter, 34,3 Benti-
meter und 30,5 Zentimeter 244 ſchweren Geſchützen mit 30,5 Zentimeter und 28 Benti-
meter der deutſchen Flotte gegenüber. U-Boote waren unmittelbar an der Schlacht
nicht beteiligt.
Das Gefecht der Schlachtkreuzer
Die erſte Gefechtsberührung der beiderſeitigen leichten Seeſtreitkräfte entſtand
um 3 Ahr nachmittags durch einen an ſich unweſentlichen Vorgang. Der kleine
Kreuzer „Elbing“ unterſuchte einen däniſchen Frachtdampfer, der gleichzeitig von
engliſchen Kreuzern geſichtet worden war. Aus dem hieraus entſtehenden Gefecht
entwickelte ſich allmählich das Treffen der Schlachtkreuzer. Angefähr um 4 Ahr
20 Minuten nachmittags kamen ſich die beiden Schlachtkreuzergruppen in Sicht. Auf
allen deutſchen und engliſchen Schiffen wurde ſofort „Klar Schiff zum Gefecht“ an-
geſchlagen und mit fieberhafter Spannung der Befehl zum Feuereröſfnen erwartet.
Beide Schlachtkreuzerverbände raſten mit hoher Fahrt nach Südoſten, da Hipper
den erfolgreichen Verſuch unternahm, ſeinen Gegner auf die deutſchen Linienſchiffe zu
ziehen. Der Abſtand verringerte ſich allmählich, ſo daß um 4 Ahr 48 Minuten auf
Siewert / Die Seeſchlacht am Skagerrak 11
dem Flaggſchiff des Admiral von Hipper, „Lützow“, endlich das erlöſende Signal
„Feuer eröffnen! Feuerverteilung von links!“ hochgehen konnte. „Lützow“ eröffnete
auf eine Entfernung von 154 hm (15,4 km) das Feuer mit ſeiner ſchweren Artillerie.
Ein ohrenbetäubendes Krachen begann. Alle 7 Sekunden feuerten die Schlachtkreuzer
eine Salve, dicker Pulverqualm ballte ſich über den Schiffen zuſammen, haushohe
Rauchwolken der Einſchläge hüllten Kommandotürme und Artillerieleitſtände ein.
Eine halbe Minute nach dem Eröffnen des deutſchen Feuers begann auch die britiſche
Linie zu feuern. Das britiſche Feuer war zunächſt langſam und unfider wegen der
ungünſtigen Sichtigkeitsverhältniſſe, während das deutſche Feuer von Anſang an
gute Wirkung erzielte, da ſich die britiſchen Schiffe gut vom hellen Horizont abhoben.
Anſere Aufſchläge verurſachten Waſſerſäulen, die etwa 80—100 Meter hoch waren.
Das amtliche Werk des Marinearchivs ſagt darüber folgendes:
„Die 1. Artillerieoffiziere der deutſchen Schlachtkreuzer, die Korvettenkapitäne
Paſchen, von Haſe, Kapitänleutnants Foerſter, Schirmacher und Korvettenkapitän
Mahrholz, erzielten ſchon bald nach dem Einſchießen eine entſchiedene Feuerüber⸗
legenheit über ihre Gegner. Binnen 1—2 Minuten verſchwanden die britiſchen
Schlachtkreuzer bereits vollftändig in den gewaltigen Waſſerſäulen der rings um fie
einſchlagenden und krepierenden deutſchen Granaten. Schon nach den erſten Salven
werden um 4 Ahr 51 Minuten „Lion“ und „Princeß Royal“ je zweimal, „Tiger“
viermal getroffen.“
Die Artillerieſchlacht erreichte jetzt ihren Höhepunkt. Am 5 Ahr 3 Minuten er-
eignete ſich auf dem britiſchen Schlachtkreuzer „Indefatigable“, der unter dem Feuer
der „Von der Tann“ lag, eine ungeheure Exploſion, worauf das Schiff ſofort über
das Achterſchiff zu finden begann. Mit 57 Offizieren und 960 Mann ging dieſer
große und gewaltige Schlachtkreuzer in die Tiefe. Bei der unerhörten Konzentration
auf die Gefechtstätigkeit wurde der Antergang der „Indefatigable“ von den andern
Schiffen kaum bemerkt.
Während Admiral von Hipper von 5 Ahr an, um dem Gegner an der Klinge zu
bleiben, mit erhöhter Fahrt an den Feind heranſteuerte, fand dieſer eine unerwartete
Anterſtützung. Das 5. britiſche Schlachtgeſchwader unter dem Konteradmiral Evan
Thomas, das die neueſten und fdnellften Linienſchiffe der britiſchen Flotte enthielt,
eröffnete aus feinen überlegenen 38-Sentimeter-Gefdiigen das Feuer auf die deut-
ſchen Schiffe. Bald find die deutſchen Schlußſchiffe einem wahren Trommelfeuer
ſchwerſter Artillerie ausgeſetzt. Der deutſche Schlachtkreuzer „Moltke“ wird ſchwer
getroffen. Die Entfernungen zwiſchen den kämpfenden Verbänden nehmen ſchnell ab.
Die Feuertätigkeit ſteigert fih auf beiden Seiten zu einer unerhörten Intenſität.
Etwa um 5 Ahr 26 Minuten ereignete fih die zweite Kataſtrophe. Das 28 000 Ton-
nen große engliſche Schlachtſchiff „Queen Mary“, das unter dem Feuer von „Seyd⸗
litz“ und „Derfflinger“ lag, flog mit der geſamten Beſatzung in die Luft. Nur eine
700 Meter hohe Rauchſäule zeigte die Stelle an, wo fie gefahren war. „Alles, was
von „Queen Mary“ übrigblieb, war eine rieſige, wie eine Pinie ſich nach oben erwei⸗
ternde Rauchwolke, welche noch lange am Himmel ſtand und den Schlußſchiffen der
12 Siewert / Die Seeſchlacht am Skagerrak
britiſchen Linie eine Zeitlang jede Musfiht auf die deutſchen Schlachtkreuzer ver-
wehrte. Mit äußerlicher Kraft mußten „Tiger“ und „New Zealand“ Anſchluß an
„Lion“ und „Princeß Royal“ ſuchen, um die Lücke zu ſchließen.“
Wie kam es, daß in kurzer Zeit zwei ſo große engliſche Schlachtkreuzer vernichtet
wurden? Nach britiſchem Arteil find dieſe Totalverluſte ſämtlich durch Artillerie⸗
treffer in die ſchweren
Türme entſtanden. Die
Geſchütztürme und Gei,
tenpanzer der britiſchen
Schiffe waren tatſächlich
JELLICOE ſchwächer gepanzert als
die gleichartigen deut:
ſchen Schiffe. Das Got,
ſcheidende war aber die
ſchlechte Aufbewahrung
der Munition auf briti-
ſcher Seite. Während
die deutſchen Kartuſchen
aus gezogenen Meifing-
hülſen beſtanden, war
die engliſche Kartuſch⸗
hülſe nur aus ſtarkem
Seidenſtoff und nur am
Boden aus Meſſing.
Bei Treffern entzünde⸗
ten ſich die engliſchen
Kartuſchen und erzeug-
ten einen ſo ungeheuren
SCHEER Drud, dah er genügte,
ein ganzes Schiff aus
einanderzuſprengen.
Während der Kampf
der 5 deutſchen Schlacht
Das Gefecht der Schlachtkreuzer um 5 Ahr 43 nachmittags. kreuzer mit den übrig-
Admiral Beatty ſchwenkt auf Nordkurs, Hipper folgt. gebliebenen 4 engliſchen
Die beiden Kreuze bezeichnen die Anter N von Schlachtkreuzern und den
„Indefatigable“ und „Queen 4 ſchnellen Linienſchiffen
des Admirals Evan Tho-
mas auf Südkurs weitertobt, werden im Süden plötzlich Rauchwolken ſicht⸗
bar, die das unter Admiral Scheer herankommende deutſche Gros bezeichnen. Jetzt
wußte Beatty, daß er ſich der ganzen deutſchen Hochſeeflotte gegenüber befand und
gab dementſprechend um 5 Ahr 43 Minuten das Signal zur Kehrtſchwenkung ſeines
EVAN nomas A y gie" HIPPER
A BEATTY
Siewert | Die Seeſchlacht am Skagerrak 13
geſamten Verbandes nach Norden, um Fühlung mit der eigenen Flotte zu ſuchen.
Ein Vorſtoß der beiderſeitigen Torpedobootsverbände verdeckte die Kehrtwendung.
Mit hoher Fahrt dampfte Beatty, gefolgt von Evan Thomas, nach Norden, während
Hipper verſuchte, Fühlung mit dem Gegner zu halten.
Bei der nun einſetzenden Jagd nach Norden gelang es Beatty mit feinen ſchnel⸗
leren Schiffen, ſich dem Feuer Hippers, der ſich vor die Schiffe Scheers geſetzt hatte,
zu entziehen und die deutſche Gefechtslinie allmählich nach Nordoſten herumzudrücken.
Dieſe Wendung wurde ſpäter von großer Bedeutung, denn ſie leitete das ſpätere
Amfaſſungsmanöver Jellicoes ein. Etwa um 6 Ahr 30 Minuten wurde die Entfer-
nung fo groß, daß das Feuer der Großkampfſchiffe eingeſtellt werden mußte. Damit
war der erſte Gefechtsabſchnitt der Skagerrakſchlacht beendet.
Das bisherige Ergebnis des Gefechts zwiſchen den Schlachtkreuzern war für die
deutſche Seite überaus günſtig. Zwei britiſche Schlachtkreuzer. „Indefatigable“ und
„Queen Mary“ waren geſunken, während die meiſten deutſchen Schiffe, wenn auch
beſchädigt, ſo doch voll gefechtsfähig geblieben. Auf allen deutſchen Schiffen wurde
man des eindringenden Waſſers Herr. Mit ſtolzer Siegesfreude fab man der wei-
teren Entwicklung entgegen.
Die Linienschiffe grelfen ein
Die engliſche Schlachtſlotte unter Admiral Sellicoe ftand um 6 Ahr 30 Minuten
in ſechs Diviſionskolonnen nebeneinander nördlich von Beatty. Jellicoe entſchließt
ſich, auf den öſtlichen Flügel ſeiner Gefechtslinien zu entwickeln und beginnt aus dieſer
von Anfang an günſtigen Poſition heraus die Spitze der deutſchen Gefechtslinien
nördlich zu umfaſſen. Während die drei engliſchen älteren Panzerkreuzer „Defence“,
„Warrior“ und „Black Prince“ teilweiſe vernichtet, teilweiſe in Brand geſchoſſen
werden, gelingt es den ſchnelleren engliſchen Schiffen, die deutſche Spitze zu umfaſſen.
Es ift das ein Manöver, das die Engländer „crossing the T” nennen und das deshalb
ſo gefährlich iſt, weil es erlaubt, die ganze Breitſeite einer Gefechtslinie auf die
Spitzenſchiffe des Gegners zu vereinigen. In dem nun einſetzenden Kampf der eigent⸗
lichen Schlachtfronten, begannen ſich die Sichtigkeitsverhältniſſe immer mehr zu ver⸗
ſchlechtern. Der Pulverqualm und der Schornſteinrauch der mit äußerſter Kraft
fahrenden Flotte legte ſich auf die Waſſerfläche und ſteigerten die Dieſigkeit, ſo daß
die Beobachtungsmöglichkeiten beſonders für die deutſchen Schiffe immer ſchwerer
wurden. Trotzdem gelang es, das 28 000 Tonnen große Linienſchiff „Warſpite“ des
Admiral Evan Thomas, der ſich an den Schluß der britiſchen Linie angehängt hatte,
derartig zu zerſtören, daß es die Gefechtslinie endgültig verlaſſen mußte.
Etwa um 7 Ahr 30 Minuten ereignete ſich auf engliſcher Seite wieder eine Rata-
ſtrophe. Der Schlachtkreuzer „Invincible“, das Flaggſchiff des Konteradmirals
Hood, fliegt in einer gewaltigen Crplofion in die Luft, ſeinen Admiral mit ſich
nehmend. Auf „Derfflinger“ wird in das Telephon gerufen: „Anſer Gegner iſt in
die Luft geflogen!“ And mitten im Gebrüll der Schlacht ſchallt donnerähnlich ein
14 Siewert / Die Seeſchlacht am Skagerrak
„Hurra“ durchs Schiff, das aus allen Telephonen wieder herausſchallt. Die „Invi⸗
cible” war das Schiff, das bei den Falklandinſeln das Geſchwader des Grafen Spee
vernichtet hatte! Es war der dritte Schlachtkreuzer, den England binnen weniger
Stunden verlor. |
Scheers Gefechtskehrtwendung
Die Amfaſſungsbewegung der ſchnelleren und viel längeren britiſchen Gefedhts-
linie war inzwiſchen fo drohend geworden, daß die vorne ſtehenden deutſchen Schlacht.
kreuzer immer mehr nach Süden abdrehen mußten. Am die deutſche Spitze, die unter
dem furchtbaren Feuer
der britiſchen Linien-
ſchiffe lag, zu entlaſten,
griff Scheer zu einem
Manöver, das er ſelber
JELLICOE ausgedacht und einerer-
| ziert hatte. Am 7 Ahr
e oa 33 Minuten gab Scheer
das Signal: „Gefechts.
_WARSPITE x x wendung nach Steuer.
WIESBADEN INVINCIBLE N bord bis zur Herſtellung
- Ën der Kielwaſſerlinie in
G entgegengeſetzter Rich⸗
5 HIPPER J -|| BEATTY tung!” Das bedeutete,
daß die mit Perfonen-
zuggeſchwindigkeit durch
die See raſenden mädh-
tigen Schlachtſchiffe nun
ſchiſfsweiſe innerhalb der
Die Stellung der Flotten um 7 Ahr 33 abends. Admiral Kiellinie auf Gegenkurs
Scheer entzieht ſich der Amfaſſung durch feine berühmte Ge- gehen mußten! Dieſes
fechtskehrtwendung. Schlachtkreuzer „Lützow“ verläßt die in vollendeter Form
G tslinie. Die K bezeichnen die engli Schiffs- ;
DES H Ges e englischen SARS durchgeführte Manöver
war den Engländern
völlig unbekannt und wurde von ihnen für undurchführbar gehalten. Es zeigt die
taktiſche Aeberlegenheit der deutſchen Flotte, daß ſie dieſes Manöver reibungslos
durchführen konnte.
Auf engliſcher Seite war die Kehrtwendung nicht erkannt worden. Jellicoe
nutzte daher auch dieſe Situation nicht aus. Inzwiſchen lag das Feuer der engliſchen
Linie auf dem völlig bewegungsunfähigen kleinen Kreuzer „Wiesbaden“, der bald
als brennendes Wrack liegenblieb. Mit der Beſatzung fiel auch der an Bord als
Matroſe dienende Dichter Gorch Fock.
EVAN THOMAS
LOTZOW
Siewert | Die Seeſchlacht am Skagerrak 15
Als Admiral Scheer ſich durch ſeine Gefechtskehrtwendung entlaſtet hatte und
die Freiheit des Handelns zurückgewonnen hatte, beſchloß er, noch einmal einen
Vorſtoß zu machen. Am 7 Ahr 55 Min. erging das Signal zur zweiten Gefechts.
kehr twendung, die die geſamte deutſche Flotte auf öſtlichen Kurs gegen den Feind
herumwarf. Nur das Flaggſchiff des Admirals von Hipper, die „Lützow“, konnte
ſich dem Angriff nicht mehr anſchließen, ſondern mußte brennend die Linie verlaſſen.
Hipper war gezwungen, mitten im Gefecht auf ein anderes Schiff umzuſteigen. Am
8 Ahr 13 Min. wehte auf Scheers Flaggſchiff das hiſtoriſch gewordene Signal:
„Schlachtkreuzer ran an den Feind, Bé voll einſetzen!“ Mit voller Maſchinenkraft
ſtürzten ſich die übrig-
gebliebenen Schlachtkreu⸗
ui Vf. DEFENCE
, „Moltke“ und „Von
der Tann“ auf die Spitze + INVINCIBLE
des Gegners, der zu big, +
fem Zeitpunkt faft quer
vor der deutſchen Linie
lag. Die deutſchen Schlacht · JELLICOE
kreuzer gerieten bei ihrem
Angriff in ſchwerſtes Feu-
er und wurden oft getrof-
fen, doch entſtanden glüd-
licherweiſe keine ſolchen
Kataſtrophen wie auf eng-
liſcher Seite. Gleichzeitig
ſtießen die deutſchen Tor-
pedobootsflottillen gegen
die feindliche Schlachtlinie
vor und zwangen dieſe,
Die Stellung der Flotten um 8 Ahr 30 abends. Jellicoe
um fi) vor den anlaufen- dreht nach Oſten ab, die Fühlung geht bald darauf verloren.
den Torpedos zu ſchützen, Ende der Tagesſchlacht.
nach Oſten abzudrehen.
Als die deutſchen Torpedos die britiſchen Schiffe erreichten, geriet die engliſche
Gefechtslinie durch die vielen erforderlichen Ausweichemanöver in Anordnung, was
die Artilleriewirkung ſtark beeinträchtigte.
Da jetzt die Sichtigkeitsverhältniſſe für die deutſche Linie immer ungünſtiger
wurde — die deutſchen Schiffe hoben ſich gegen den Horizont klar ab, während die
engliſchen im Abenddunſt nicht mehr zu erkennen waren —, beſchloß Scheer um
8 Ahr 16 Min., die Linienſchiffe vom Feind zu löſen mit einer dritten Gefechts
kehrtwendung. Bald darauf trat eine Beruhigung des Feuers ein, das ſchließlich in
der beginnenden Dunkelheit gegen 8 Ahr 40 Min. völlig verſtummte. Von dieſem
Zeitpunkt an hatten ſich die beiden Schlachtflotten aus den Augen verloren, um ſich
16 Siewert / Die Seeſchlacht am Skagerrak
nicht mehr zu finden. Es kam gegen Abend nur noch zu kurzer Gefechtsberührung,
ohne eine Entſcheidung zu erzielen.
Rückmarsch und Nachtgefecht
Als fih die Gegner endgültig voneinander gelöſt hatten, erwogen fie beide den
Gedanken an eine Fortſetzung des Kampfes in der Nacht oder am nächſten Tage.
Nach eigenem Eingeſtändnis verwarf Sellicoe ſofort den Gedanken eines Nacht.
kampfes, da er die überlegene Ausrüſtung und Ausbildung der deutſchen Flotte für
Nachtgefechte fürchtete. Er hielt die deutſche Torpedo. und Scheinwerferbewaffnung
für durchweg beſſer als die engliſche und wollte daher ein Zuſammentreffen während
der Nacht vermeiden. Er ließ ſeine Zerſtörerflottillen deswegen hinter ſeiner Flotte
ohne offenſive Aufgaben hermarſchieren. Scheer dagegen wollte auf Grund der
hervorragenden deutſchen Torpedoausbildung einen Angriff ſeiner Flottillen auf die
engliſchen Schiffe ermöglichen und gab dementſprechende Befehle. Eine Verkettung
unglücklicher Zufälle wollte aber, daß genau das Gegenteil eintrat. Die deutſchen
Torpedoboote fanden in der Dunkelheit die völlig abgeblendet fahrende engliſche
Flotte nicht, dagegen fuhr die deutſche Flotte zufällig in die britiſchen Kreuzer und
Zerſtörer hinein, die bei ihrer eigenen Linie Anſchluß ſuchten. Bei dem fih dabei
entwickelnden Nachtgefecht ging das alte Linienſchiff „Pommern“ infolge Torpedo-
treffers unter, während zahlreiche britiſche Zerſtörer vernichtet wurden und wie
ſchaurige Fackeln brennend in der Nacht liegen blieben. Als Admiral Scheer am
nächſten Morgen bei Horns Riff eine neue Schlacht erwartete, war kein Gegner zu
ſehen. Jellicoe hatte den Nückmarſch angetreten.
Elndruck und Folgen der Schlacht
Die Nachrichten der Seeſchlacht wurden in Deutſchland mit berechtigtem Sieges ⸗
jubel aufgenommen. War es doch das erſte Mal, daß die junge Kaiſerliche Marine
ihren Wert und ihre Schlagfertigkeit gegenüber einem faſt doppelt ſtärkeren Gegner
bewieſen hatte. Der Beweis für die Qualität von Schiff und Beſatzung war ein-
deutig erbracht worden. Die Tirpitzſchen Schiffskonſtruktionen hatten ſich glänzend
bewährt. Die Schiffsverluſte der Engländer waren mit 117 000 Tonnen beinahe
doppelt fo groß wie die deutſchen mit nur 60 000 Tonnen. Während drei der
modernſten engliſchen Schlachtkreuzer in Sekunden explodierten, zeigten die deutſchen
Schiffe im ſchwerſten Feuer ihre große Widerſtandskraft. Noch höher aber war der
moraliſche Erfolg der Schlacht einzuſetzen, der die ſchwer ringende deutſche Land-
front mit neuer Zuverſicht erfüllte.
Dagegen war der Eindruck in London geradezu niederſchmetternd. Bis zum
3. Juni wurden die Einzelheiten von der engliſchen Admiralität geheim gehalten, was
die öffentliche Meinung mit noch größerer Anruhe erfüllte. Man ſprach ſogar von
einem engliſchen „Sedan“. Die Angriffe gegen die engliſchen Flottenführer haben
fih bis in die Nachkriegsjahre hinein fortgeſetzt. Der Nimbus der Anbeſiegbarkeit
war vor dem Skagerrak zerronnen. 1924 ſchrieb Lord Sydenham: „In der langen
Joseph Thorak
Der Fuhrer
Mussolini
Ataturk
Hindenburg
Utermann/ Der Bildhauer Jofeph Thorak 17
und glorreichen Geſchichte der britiſchen Marine iſt nichts verzeichnet, was ſich mit
dieſer Tragödie auch nur einigermaßen vergleichen ließe.“
Strategiſch geſehen muß man allerdings die Schlacht „unentſchieden“ beurteilen,
denn es iſt kein Gegner entſcheidend geſchlagen worden. An der ſtrategiſchen Lage
in der Nordſee änderte ſich leider nichts. Die engliſche Flotte hielt ſich allerdings
von da an noch mehr zurück und mußte ihren Plan einer Anterſtützung Rußlands
durch die Oſtſee endgültig fallen laſſen. Das traurige Ende des Krieges für
Deutſchland konnte die Seeſchlacht leider nicht wenden
Ein tragiſcher Konflikt hatte Deutſche und Engländer zu einem heroiſchen und
furchtbaren Kampfe zuſammengeführt, von dem der Führer ſagte, daß er der einzige
war und hoffentlich bleiben würde. Wohl keine deutſche Regierung hat bisher ſo viel
für die Verhinderung eines derartigen Konfliktes getan, wie die nationalſozialiſtiſche.
Durch das deutſch⸗engliſche Flottenabkommen 1935 find die beiderſeitigen Sntereffen-
ſphären Englands und Deutſchlands ſo klar und eindeutig abgegrenzt worden, daß
nach menſchlichem Ermeſſen jeder Grund zu einer Spannung beſeitigt iſt. Wir
wollen dazu beitragen, daß die beiden Völker über das Erlebnis vom Skagerrak
hinweg zu einer ſegensreichen Verſtändigung finden.
Wilhelm Utermann:
Der Bildhauer Sofevh Thorat
Während der Reichstagung des Kulturamtes der HI nahm der Reihsjugend-
führer das Wort zu einer Rede über praktiſche Fragen der künſtleriſchen Geſtaltung.
Das, was er zur bildenden Kunſt, insbeſondere zur Plaſtik ſagte, wird bis ins Letzte
durch das Werk von Joſeph Thorak erhärtet.
Baldur von Schirach ſagte, daß für ihn die Plaſtik das Ergebnis eines
Raumes fei. In dem Maße, wie fih die bildende Kunſt vom Raum, von der Arhi-
tektur alfo, entfernt habe — in dem Maße, wie fie fih dem Standpunkt lart — pour
Part verſchrieben habe, hätte fie fih ſelbſt aufgegeben. Bildende Kunſt fei immer an
den Naum gebunden. Der erſte bildende Künſtler ſei jener Mann geweſen, der
irgendwelche Tierformen an die Wand einer Höhle gezeichnet und verſucht habe,
dieſe in Lehm nachzubilden. Damit ſei der richtige Weg der bildenden Kunſt
begonnen geweſen. |
Go fei, führte der Reichsjugendführer aus, eine Wiederbelebung der bildenden
Kunſt, der Plaſtik, ſeiner Auffaſſung nach nur von der Architektur her möglich. —
Dieſe Feſtſtellung findet ihre gültige Beſtätigung z. B. in der Ausgeſtaltung der
Parteibauten in München, in der Anlage der olympiſchen Stadien in Berlin und
an den monumentalen Nürnberger Parteitaganlagen. Es war finnlos, wie das
wilhelminiſche Reich Kunſt „unterbrachte“. Plätze und Bauten, denen eine durch
die Hohlheit der Zeit verkrampfte Architektur kein eigenes, weſentliches Geſicht zu
geben vermochte, wurden mit Plaſtiken in zahlenmäßigem Reichtum bedacht. In
18 Utermann/ Der Bildhauer Jofeph Thorat
Marmor erſtarrte Alleen berichten davon. Go ift die Forderung des Reihs-
jugendführers nach Einheit von Raum und bildender Kunſt wirklich die erſte Voraus⸗
ſetzung für eine wiedererſtandene bildende Kunſt, die nicht nur auch da ift — ſondern
die da ſein muß.
Organiſch an diefe erſte ſetzte der Reichsjugendführer die zweite Forderung.
Der Baumeiſter muß in einer genialen Konzeption den Raum empfinden als eine
große Einheit, die aus vielen kleinen Einheiten beſteht. In ſeiner Intuition, in dem
Erlebnis des Raumes, den er bauen will, muß er die Aufgaben ſehen, die er in
Durchführung ſeines Auftrages all den andern geben will, die mit Diener find an
dem gemeinſamen Werk.
Von dem Scheidewege an gerechnet, da die Kunſt nur für eine
Minderheit da war, ſagte Baldur von Schirach, fei fie dem Volk per-
loren geweſen. Die nationalſozialiſtiſche Auffaſſung von aller Kunſt iſt dieſer
Satz: „Für mich iſt das eben ein Antergang, wenn ſich die Kunſt ausſchließt aus dem
großen Empfinden des Volkes. Für mich iſt das das Ende des Künſtlers in dem
Augenblick, in dem er erkennen muß, daß er nur für eine ganz kleine intellektuelle
Schicht arbeite — für eine Schicht ſchafft, die ſein Werk nur auf Grund ihrer um⸗
faſſenden kunſthiſtoriſchen Bildung verſtehen kann. — Es iſt notwendig, daß auch der
Künſtler wieder demütig wird und daß der Künſtler überhaupt als unerläßliche Vor⸗
ausſetzung für ſein künſtleriſches Schaffen die Tatſache ſeiner eigenen handwerklichen
Leiſtung anfieht.”
Wenn der Reichsjugendführer auf die handwerklichen Vorausſetzungen des bil-
denden Künſtlers hindeutet, weiſt er damit der neuen Kunſt ihren deutſchen Weg,
den ſie gegangen iſt, als ſie ſich zu ihrer Hochzeit emporarbeitete. Wir erleben eine
Blütezeit der Künſte, wenn diefe vom Volk begriffen werden. Mit folder Wand-
lung find dann die Virtuoſen erledigt, die „nur rein techniſch ihre Kunſt leicht be-
herrſchen und die ihre Mitwelt einer kunſtfeindlichen Handlung anklagen, weil dieſe
Mitwelt ihre Erzeugniſſe nicht annehmen will“.
Handwerk als Vorausſetzung und Grundlage der Kunſt iſt etwas anderes, als
das zur Manier gewordene Kunſthandwerk, das als eine Modeerſcheinung mit
induſtrieller Serienherſtellung die Städte beherrſcht. —
Für all das, was wir hier den grundlegenden Ausführungen des Reichsjugend⸗
führers entnahmen, iſt uns der Bildhauer Joſeph Thorak, deſſen geniales Werk wir
bewundern, ein Mann, der mit ſeinem Schaffen die Tatſächlichkeit unſerer Meinung
bezeugt.
Joſeph Thorak wurde am 7. Februar 1889 in Salzburg geboren. (Er iſt heute
deutſcher Reichsbürger.) Sein Vater war Töpfer. Dadurch kam der Künſtler ſchon
früh mit dem Material in Berührung, das ſpäter feine in der Welt bekannten Werke
darſtellen ſollte. Von den primitivſten Anfängen an lernte er den Ton verarbeiten,
ihm Form und Seele geben. Während die Geſellen in der väterlichen Werkſtatt
Modelle aus den Formen quetſchten, hatte er ſie ſelbſt ſchon mit der Hand ſchöner
hergeſtellt. — Nach dem Schulbeſuch und abgeſchloſſener Lehrzeit in Innsbruck ging
er nach dem alten Handwerksbrauch „auf die Walze“. Die Wanderſchaft brachte
Utermann/ Der Bildhauer Joſeph Thorat 19
Thorak nad Ungarn, Serbien, Kroatien, Bulgarien und in die Türkei. — Als Hafner,
als Kunſttöpfer, hat er unterwegs gewerkt. Profeſſor Thorat jagt, daß durch vieles
Sehen und Bewundern der Welt ſein Drang zur Kunſt, zum Mitgeſtalten, immer
größer und größer geworden iſt. Zuletzt gab es für ihn nur noch den Wunſch: eine
Akademie zu beſuchen.
Thorak machte Vorſtudien, er arbeitete, wie es nur einer kann, in dem der
„göttliche Funke“ iſt. Er beſtand die Aufnahmeprüfung in die Akademie der Künſtler
in Wien. Vier Jahre ſtudierte er dort und ſiedelte dann nach Berlin über. Er
wurde Meiſterſchüler der Kunſtakademie. In Wien war Hanack, in Berlin Manzel
ſein Lehrer.
Das, was der Reichsjugendführer an handwerklichem Können für den bildenden
Künſtler als Vorausſetzung fordert, hat Thorak in ſeinem Vaterhaus gelernt und in
der Lehrzeit. Während der Wanderjahre hat er ſich vervollkommnet und ſich zutiefſt
zu dem Anvergängliches ſchaffenden Künſtler durchgerungen. Aus der Art der Aus-
bildung und der Auffaſſung ergibt ſich auch das harte Arteil Thoraks gegen jene
Bildhauer, die eine Plaſtik in einem kleinen Modell ſchaffen und die dies dann maſchi⸗
nell vergrößern laſſen. Pfuſcher, ſagt er, ſeien das.
Mit jedem neuen Werk mehrte Thorak den Ruhm ſeines Namens. Thorak und
ein deutſcher Architekt beteiligten ſich an einem Wettbewerb, der zur Schaffung des
Nationaldenkmals der Türkei in Ankara ausgeſchrieben war. Die beiden deutſchen
Künſtler erhielten den Auftrag. And die Art der Geſtaltung dieſes monumentalen
Denkmals, das Jahre des Schaffens braucht, ift ein Beweis für die Forderung Bal-
dur von Schirachs, daß die bildende Kunſt (die Plaſtik) an den Raum gebunden iſt
und mit der großen Konzeption des Baumeiſters zuſammen wirken muß. Wir laſſen
Thorak ſprechen, dem die türkiſche Regierung durch Atatürk den Auftrag zur
Schaffung dieſes Denkmals gab. Der Auftrag habe in ſich, ſo ſagt er, die Aufgabe
enthalten, das Porträt Atatürks zu geſtalten. Dies ſollte im Denkmal mit verwandt
werden. Dieſe Plaſtik des Kemal ſei alſo nicht Selbſtzweck, ſondern nur eine
Studie, die aus dem Zuſammenhang mit der Idee des Monu-
ments entſtanden und mit ihr unlöslich verbunden fei. Die Löſung der ge-
waltigen Aufgabe mit der Darſtellung Atatürks fei, das könne er ohne Aeber⸗
treibung ſagen, abgeſehen von einigen Naturſtudien, ihm gegeben durch die Taten
Kemals, die er bewundern konnte. — Das Kulturdenkmal, das Thorak in Zu-
fammenarbeit mit Profeſſor Holzmeiſter, dem Erbauer des Düſſeldorfer Schlageter⸗
Forums ſchafft, iſt ein 14 Meter langer und 8 Meter hoher Block, der wie ein
Keil aus dem Boden aufragt. Hohe, mächtige Geſtalten, die die Seitenflächen
tragen, folgen dem Kemal. An der Front iſt in einer Größe von 7 Metern Atatürk
eingemeißelt mit weit ausholender, ſtürmender Bewegung, die die Geſtalten, die
folgen, fdeinbar aus dem Felsblock freimachen will. Vier Krieger find an den
Seiten dargeſtellt, die den Schwur, die Treue, die Verbrüderung und die Macht
fymbolifieren. — Dieſe Standbilder hat Profeſſor Thorak in Deutſchland geſchaffen.
Ja, ſagte er, ich bin eben Deutſcher, und ich muß halt meine Arbeiten in Deutſch⸗
land ſchaffen.
20 Atermann / Der Bildhauer Jofeph Thorat
Als ich Thorak traf, war er eben vom Oberſalzberg zurückgekommen,
wo er 5 Tage Gaſt des Führers war. Thorak hat den Auftrag bekommen, für das
olympiſche Stadion die große Führerbüſte zu ſchaffen. Der Künſtler ſagte, daß große
Menſchen zwar auf den erſten Blick faſzinieren, doch gerade fie ſeien erſt in forg-
fältiger Beobachtung voll zu erfaſſen. Nach dem einmaligen und erſten Eindruck ſei
ihr Bild nicht zu ſchaffen. Die gültige Kompoſition entſtünde erſt, wenn man ſie bei
ihrer Arbeit und im Leben, in hundert kleinen Geſten erlebt und beobachtet habe.
Die höchſte Wahrheit ſei auch das Gebot der Kunſt. Immer wieder iſt Thorak bei
allen möglichen Gelegenheiten hingegangen, um den Führer zu ſehen. Im Berliner
Sportpalaſt ſah er ihn. Das ſtundenlange Warten auf den Führer in der überfüllten
Halle, die Stimmung unter den Menſchen, der Jubel und die Begeiſterung, das ſei
die rechte Vorbereitung geweſen, das Fluidum des Führers ganz zu erfaſſen. Da
hat der Künſtler, eingekeilt zwiſchen die jubelnden Menſchen ſeinen Skizzenblock ge-
nommen und den Führer gezeichnet. Später fab er ihn in Leipzig bei der Grundſtein⸗
legung des Rihard-Wagner- Denkmals. Ein anderes Mal beobachtete er ihn in der
Oper. Zuletzt durfte er dann mit Adolf Hitler ſprechen, tagelang in feiner Am⸗
gebung fein, dabei fein bei einer Beſichtigung der Reichsautobahnen. Thorat zeigte
mir eine Aufnahme, über die er glücklich iſt. Der Führer trat mit ihm auf den Balkon
von Haus Wachenfels und ſagte, als ihm die Jungen und Mädel zujubeln: „Da,
ſehen Sie, Thorak. Das muß ich jeden Tag ſehen, dann bin ich glücklich“.
Der Künſtler und Menſch leuchtet von Glück und Begeiſterung, wenn er vom
Führer ſpricht. Noch nie habe ein Herrſcher einem Volk und deſſen Künſtlern ſolche
Ziele gewieſen, wie der Führer. Das Erleben, das in dem Künſtler ſein mußte zur
Schaffung des Führerbildes war da, und ein Standbild iſt entſtanden, von dem wir
alle, die wir das Erlebnis vom Führer in uns tragen, ſagen können: das iſt Adolf
Hitler, wie wir ihn ſehen und lieben. Ein ſolches Arteil iſt Anerkennung in dieſem
Fall mehr als ſonſt irgendwann für den Künſtler. Denn es ift ja nicht ein x⸗beliebiges
Porträt, von dem wir nur „Aehnlichkeiten“ feſtſtellen können. Den Führer kennen
wir — jeden Zug ſeines Geſichtes haben wir nicht nur mit dem Auge aufgenommen.
Sein Geſicht, ob es lacht oder ernſt iſt, ob es droht oder ob es gütig iſt, haben wir
als ein mahnendes Bild des deutſchen Menſchen ſchlechthin aufgenommen; es iſt über
die Beobachtung in unſer ganzes Fühlen und in unſer Herz eingegangen. — Wenn
wir dann ſagen von Thoraks Werk: das iſt der Führer! weil es alles in ſich birgt,
was wir im Führer ſehen, dann gibt es kein ſchöneres Lob für den Künſtler.
Thorak porträtierte viele Staatsmänner: Hindenburg, den Duce, Pilſudski und
Atatürk. Er hat mit der Darſtellung der Staatsmänner auch fremder Nationen
die Geltung der deutſchen Kunſt in der Welt vermehrt und ihren Namen in die
Völker gebracht.
Wir Jungen freuen uns, daß nun große Standbilder Thoraks an hervorragender
Stelle in Deutſchland in kommenden Jahren und ſchon bei der Ausgeſtaltung des
Olympiageländes Aufſtellung finden. Wir verehren in ſeinem Werk einen koſtbaren
Teil zeitgenöſſiſcher deutſcher Kunſt.
——— — ——— mme,
Kleine Beiträge 21
Rus »bilefonbifdden Geund-
leauns des Rationalfosialiseusd
Der Nationalſozialismus trat ſeine po-
litiſche Herrſchaft an, ohne eine philoſophiſche
Syſtematik feiner weltanſchaulichen Grund-
begriffe. Dieſe Grundbegriffe waren dem
Leben und der Geſchichte entnommen und
jedermann gingen fie an. Sehr im Gegen-
jag zum Marxismus war der National-
ſozialismus in keiner Weiſe darauf an-
gewieſen, das, was er wollte, aus umftänd-
licher Dialektik zu rechtfertigen und die Ve-
rechtigung ſeines Handelns beſtimmten
theoretiſchen Einſichten zu entnehmen. Es
kam auf die Erringung der Macht an und
auf den Aufbau einer Geſellſchaftsordnung,
die Beſtand und Wiederaufſtieg des deut-
ſchen Volkes gewährleiſtete. Eine Philo-
ſophie, die dieſer Ordnung entſprechen konnte,
war nicht notwendig und ein Mangel wurde
in dieſer Hinſicht kaum empfunden. Hegels
tiefe Einſicht, daß die Philoſophie erft dann
ihr Wort ergreift, wenn eine Geſtalt reif
geworden iſt, findet auch an der Geſchichte
des Nationalſozialismus ſeine volle Be⸗
ſtätigung.
Demgegenüber ift das Bemühen beſtehen ·
der philoſophiſcher Schulen, die in Tra-
ditionen und Lehren feſtgefügt find, Dot,
nungslos, wenn ſie glauben, eilfertig die
vom Nationalſozialismus aufgeworfenen
Frageſtellungen in ihre Syſtematik zu
preſſen. Die Verſuche etwa der univerfa-
liſtiſchen Schule Othmar Spanns, den
Heine heiträge
— — —
Raffenbegriff in ihr idealiſtiſch-ſcholaſtiſches
Weltbild einzufügen, müſſen entweder das
univerſaliſtiſche Syſtem ſprengen oder den
Raffenbegriff um feinen eigentlichen Sinn
bringen. Letzteres iſt denn auch der Fall.
Das bedeutet indeſſen nicht, daß eine
nationalſozialiſtiſche Philoſophie abſeits
jeder Tradition der Philoſophiegeſchichte zu
gehen habe. Vielmehr gilt es, den be⸗
ſtimmten deutſchen Weg in der abendlän⸗
diſchen Philoſophiegeſchichte aufzuzeigen, wo
die Anknüpfungspunkte für eine künftige
philoſophiſche Arbeit liegen.
Jetzt hat Hermann Schwarz, Pro-
feſſor im Ruheſtand, in einer kleinen Schrift“)
eine „philoſophiſche Grundlegung des
Nationalſozialismus“ unternommen.
Schwarz will „Verſtändnis fiir die meta-
phyſiſche Tiefe des völkiſchen Erlebens ver-
mitteln“. Völlig der Myſtik zugekehrt,
zeichnet er das Bild der des Ewigkeits⸗
erlebniſſes innegewordenen, im Erleben von
den Bindungen der Natur losgelöſten Seele.
Demzufolge ſpricht er von einer „Philoſophie
des völkiſchen Erlebens“. Wo echtes Ein-
heitserleben iſt, da iſt auch Ewigkeitserleben.
Wird Ehre, Liebe, Wahrheit, Schönheit er-
lebt, ſo wird Ewigkeit erlebt. Kennzeichnend
an dieſer „Philoſophie des völkiſchen Gr,
lebens“ ift alfo der Zug, in allen Geelen,
beziehungen Ewigkeit aufleuchten zu ſehen.
*) Hermann Schwarz, Natter BC hiſchen
Grundlegung des ozialismus“,
Junker und Dünnhaupt Verlag, Berlin.
22 Kleine Beiträge
!
Das zeitlich⸗geſchichtliche und vergänglich⸗
natürliche Sein tritt völlig in den Hinter-
grund. Nur die unendliche Ewigkeitsfülle
der in ſich ſchwingenden Seele, von Raum
und Zeit entbunden, wird in ihren ver-
ſchiedenen Geſtaltungen betrachtet.
Es erhebt ſich die Frage, inwieweit hier
von Philoſophie itberbaupt und von
nationalſozialiſtiſcher Philoſophie beſonders
die Rede iſt. Denn Philoſophie und Myſtik
find nicht eins. In beſtimmten Tiefen mögen
ihre Anliegen gleich ſein, ihre Ausſagen über
den Gegenſtand aber unterſcheiden fie wefent-
lich. Der philoſophiſche Satz oder Begriff
muß ſich an der Wirklichkeit meſſen laſſen, er
muß in Widerſpruch mit anderen Begriffen,
die ſich auf die Wirklichkeit beziehen, geraten
können. Die Erlebniſſe des Myſtikers aber
ſind außerhalb dieſer Sphäre des Wider⸗
ſpruchs. Fühlen und Erleben des unend-
lichen Gehalts iſt jeden Widerſpruchs ent-
hoben. Aeber das Erlebnis kann man nicht
ſtreiten und ſeine Gültigkeit ſteht außer
Frage. Das Erlebnis ruht in ſich und iſt
für den einzelnen, der es erlebt hat, un⸗
umſtößliche Gewißheit. Wenn nun über Er⸗
lebniſſe gehandelt wird und ihre gegen-
ſeitigen Beziehungen dargelegt werden —
ſoweit fih ſolches darlegen läßt —, fo tft das
keine Philoſophie, da ja Erlebniſſe außerhalb
des Erlebenden keine Fragen und Probleme
ſein können.
Das Ewige, das Schwarz ſchildert, iſt
nicht das der überdauernden Werte, der
Kulturgüter und Geſittungsordnungen. Auch
nicht der gleichſam unter aller Zeit fließende
Blutſtrom, der ewig iſt und an dem alle ver⸗
gänglichen Weſen der Blutsgemeinſchaft teil-
haben und der durch dieſe Teilhabe erſt be⸗
ſteht. Sondern das Ewige bei Schwarz iſt
das Fühlen des gemeinſamen Blutes, das
in den Einzelnen, in „räumlicher Ber-
ſtreuung“ fließt. Afo ein ſubjektiver 3u-
ſtand, der durch das Ewigkeitserlebnis
myſtiſchen Charakter hat.
Das Natürlich⸗ Allgemeine des
Blutes wird bei Schwarz zu einem Er ⸗
lebnis⸗ Allgemeinen, das das erſtere
zwar vorausſetzt, dann aber weit hinter fid
läßt. (Kein Zweifel übrigens, daß von dieſem
Erlebnis ⸗Allgemeinen nur ein Schritt ift zum
Geiſtig Allgemeinen des philoſophiſchen
Idealismus!)
Philoſophiſch indeſſen beginnt der
Nationalſozialismus bei dem Natürlich
Allgemeinen und geht von da zu den wirt-
lichen Erſcheinungen der geſchichtlichen Welt,
in ſtetem Zuſammenhang mit dem erſteren.
Die Raffe, das heißt aber die natürlichen
Bindungen werden vorausgeſetzt. Die Natur
kann philoſophiſch nicht, weil in ihr Ber-
gänglichkeit und Gebundenheit herrſcht, durch
Ewigkeitserlebniſſe relativiert werden, wenn
der Naffenbegriff feinen Sinn behalten foll.
Die Vergänglichkeit in der Natur betrifft
ja nur das einzelne Individuum, das Ganze
erhält ſich. And die Gebundenheit in der
Natur iſt eine Tatſache, deren ungeheure Be⸗
deutung für die Geſchichte der Menſchheit
gerade der Nationalſozialismus in den
Vordergrund ſtellt. Damit ernſt zu machen
bedeutet ja die Revolution, die durch den
Naſſenbegriff heraufgeführt wurde und gegen
die ſich die idealiſtiſche Philoſophie ſo
ſträubt.
Die Schwarzſche Schrift kann ſomit nicht
eine philoſophiſche Grundlegung des
Nationalſozialismus genannt werden. Sie
gibt eine myſtiſche Schau in die Tiefen der
erlebenden Seele, nicht aber eine philo-
ſophiſche Behandlung nationalſozialiſtiſcher
Grundſätze und Probleme, deren welt⸗
geſchichtliche Bedeutung die Schwarzſche
Schrift nicht ahnen läßt. E. L.
Außenpolitiſche Notizen 23
AUSSENPOLITISCHE ofi 7771
Zwölf ene
Auch bas Glückskleeblatt am Seitenſteuer
des Doppeldeckers hat Herrn Drouillet nichts
genützt: er war franzöſtſcher Flugberater des
Negus, der ſich die Zeit bis zur Niederlage
in Abeſſinien damit vertrieb, ſeine eigenen
Landsleute in ſeiner Heimat naszuführen,
obgleich ſein Brotgeber dringend nach ihm
verlangte. Nachdem er für teuere Maria-
Thereſientaler ein Flugzeug für Addis Abeba
in ASA erftanden hatte und dieſes nun nach
glücklicher Aeberfahrt in Frankreich zum
Fluge nach Abeſſinien fertigmachen wollte,
haben es die Franzoſen vorſichtshalber be⸗
ſchlagnahmt, da die abeſſiniſche Kataſtrophe
nahte und man die Italiener nicht nod un-
nötig verärgern wollte. Jedoch — Monſieur
Drouillet erwirkte die Starterlaubnis zu
einem Probeflug, von dem er natürlich zum
Aerger der franzöſiſchen Luftpolizei nicht
wieder zurückkehrte. Was man ihm als
Kriegführenden auf eigene Fauſt auch nicht
weiter übelnehmen kann. Sei es nun, daß
der Schickſalsgott in dieſem Falle mehr
römiſch⸗ katholiſch als abeſſiniſch⸗koptiſch
war, oder ſei es, daß ſich Drouillet recht⸗
zeitig der Vorſichtsmaßnahmen feiner eigent-
lichen Heimatregierung angeſichts der nahen-
den abeſſiniſchen Niederlage entſann, oder
ſei es, daß Drouillet die ehrenvolle Ge⸗
fangenſchaft einem unrühmlichen Tode durch
Abſchuß vorzog —, jedenfalls mußte das
gute, neue Flugzeug auf dem Fluge nach
Oſtafrika notlanden, und das ausgerechnet
auf dem italieniſchen Flughafen Montecelio.
Der biedere Etappenkommandant wird nicht
ſchlechte Augen gemacht haben, als er mitten
im friedlichen Europa ein abeſſiniſches Flug-
zeug erobern konnte.
II.
Italieniſche Blätter meldeten am 20. April,
der Negus habe Abeſſinien im Flugzeug
Richtung Britiſcher Sudan verlaſſen. Am
30. April erklärte der Negus in Addis Abeba,
daß er Abeſſinien bis zum letzten Bluts⸗
tropfen verteidigen werde. Am 1. Mai
wurden in Addis Abeba erneut die Kriegs-
trommeln gerührt. Am 2. Mai ſetzte ſich
der Negus ſamt Familie und einſchließlich
30 () abeſſiniſcher Würdenträger auf die
Gott ſei Dank noch nicht eroberte Eiſenbahn
und erreichte unter dem ſtürmiſchen Jubel
der zufällig dort anweſenden italieniſchen
Journaliſten den franzöſiſchen Hafen Didi-
buti ohne Zwiſchenfall. Allerdings ſollen die
abeffiniihen Würdenträger einige eifrige
italieniſche Bildberichterſtatter, die ſich dieſen
Fang nicht entgehen laſſen wollten, ver-
prügelt haben. Die beiden italieniſchen Ge⸗
ſandtſchaftsbeamten, die der Negus nach
langer Haft aus Addis Abeba nach Oſchibuti
ausgewieſen hatte, werden nicht ſchlechte
Augen gemacht haben, als der Negus ein-
ſchließlich 30 abeſſiniſcher Würdenträger
nachgereiſt kam.
III.
Der Negus hatte angeordnet, daß der im
Stich gelaſſene Kaiſerpalaſt als Abſchieds⸗
geſchenk für ſein Volk offen bleiben ſollte.
Dementſprechend wurde er mit großer Ge⸗
ſchwindigkeit von allen, die rechtzeitig davon
erfuhren, um feine bewegliche Habe er-
leichtert. Wir wollen nicht hoffen, daß der
Negus gewußt hat, daß aus dieſer freiwilli⸗
gen Schenkung die tollſten Plündereien in
Addis Abeba entſtehen würden. Jedenfalls
wird die Frau des Schneiders Gallagalla
nicht ſchlechte Augen gemacht haben, als ihr
Ehemann mit dem kaiſerlichen Bett angerückt
24 Außenpolitiſche Notizen
kam, um es in ihrem dürftigen Schlafgemach
aufzubauen.
Anterdeſſen war der Er-Negus auf His
Majeſtys Ship „Enterpriſe“, das mit dieſem
Wageſtück einen Beweis für die Ridtig-
keit ſeines Namens ablegte, weitergereiſt —
auf Grund einer für den Negus troſtreichen
Vereinbarung der franzöſiſchen und eng⸗
liſchen Sanktionshelfer. Aeber Suez nach
Haifa und von dort nach Jeruſalem, wo ja
zu feiner weiteren Aebung auch Aufſtände
ſind. Beſondere Feierlichkeiten zu ſeinem
Empfang waren nicht vorgeſehen, vielmehr
befand ſich der britiſche Oberkommiſſar auf
einer Inſpektionsreiſe, weil er ſich nicht im
klaren war, ob der Negus mit „Seine
Majeſtät“ angeredet wird oder nicht. Jeden-
falls wird der König Salomo nicht ſchlechte
Augen gemacht haben, als fein Enkel ein-
ſchließlich 30 abeſſiniſcher Würdenträger
nunmehr zwangsmäßig am eigentlichen Sitze
ſeiner Dynaſtie eintraf.
V.
Ein heroiſches Zwiſchenſpiel: der abeſſi⸗
niſche Gegner von Graziani an der Ogaden-
front, Ras Naſibu, hielt ſich mit unerhörter
Tapferkeit gegen den übermächtigen Feind,
unterſtützt durch die kluge Taktik und Diſzi⸗
plinerhaltung ſeines militäriſchen Adjutanten
Wehib Paſcha. Die Schlacht von Saſſabaneh
gehört zweifellos zu den heroiſchen Taten
des abeſſiniſchen Widerſtandes. Es muß für
Ras Naſibu ein niederſchmetterndes Gefühl
geweſen ſein, als er erfuhr, daß alle anderen
Armeen zuſammengebrochen waren. Er wird
nicht ſchlechte Augen gemacht haben, als er
als 31. Würdenträger in en beim
Negus eintraf.
VI.
In Addis Abeba war nach der Sache mit
den kaiſerlichen Betten der Teufel los. Die
Geſandtſchaften funkten um Hilfe gegen plün-
dernde Räuberbanden und ſtellten ihre vor-
ſorglich beſchafften Maſchinengewehre im
Garten auf. Techniſcher Verſager ausgered-
net bei den Amerikanern: um die wenig ent-
fernte engliſche Geſandtſchaft von der ſchlim ⸗
men Lage zu unterrichten, mußte man erft
nach Waſhington, von da nach London, von
da zurück nach Addis Abeba funken. Es foll
aber gut geklappt haben. Im übrigen ſahen
ſich die Sanktionsgeſandtſchaften gezwungen,
das anmarſchierende italieniſche Heer um
größtmögliche Eile zu bitten — Treppen-
witz der Weltgeſchichte! Anterdeſſen be-
herrſchten die britiſchen Geſandtſchaftswachen
entſchieden die Situation, ſie waren ja auch
die einzige Macht in der niedergebrannten
Hauptſtadt (auf dieſe Weiſe waren die Eng-
länder wenigſtens doch zwei Tage im heiß
erſehnten Beſitz der abeſſiniſchen Metro-
pole !). Marſchall Badoglio wird bei feinem
Einzug nicht ſchlechte Augen gemacht haben,
als ausgerechnet die engliſche Wache ihn
als erſte Truppe mit „Präſentiert das Ge-
wehr!“ begrüßte.
VII.
Wieſo eigentlich noch Geſandtſchaften,
fragte man in Rom. And der engliſche Ge⸗
ſandte wird ebenfalls nicht ſchlechte Augen
gemacht haben, als ihm Badoglio erklärte,
zunächſt könnten die Geſandten ja noch da-
bleiben, obgleich eigentlich gar keine Regie-
rung in Abeſſinien mehr beftände, bei der
ſie beglaubigt ſeien.
VIII.
Muſſolini teilte Ward Price am 4. Mai
mit: „Wir werden nicht die Tür gegen wirt-
ſchaſtliche Anternehmungen freundlich ge⸗
ſinnter Staaten (in Abeſſinien) ſchließen.“
Sogar der abgebrühte Ward Price wird ſich
dem allgemeinen „Augenmachen“ nicht ent⸗
zogen haben, als Muſſolini hinzufügte, daß
England und Frankreich ſelbſtverſtändlich in
dieſem Zuſammenhange wie auch immer zu
den freundlich geſinnten Staaten zu rechnen
ſeien!
IX.
Das ſteht in gewiſſem Widerſpruch dazu,
daß auch der Verwaltungsrat der Gran-
zöſiſch-abeſſiniſchen Eiſenbahngeſellſchaft ge-
zwungen wurde, nicht ſchlechte Augen zu
Randbemerkungen 25
machen, als man nämlich erfuhr, daß die
Italiener die Eiſenbahnanlagen kurzerhand
beſetzt haben. Zunächſt beruhigt man ſich
aber in Paris ſelbſt dadurch, daß man dieſe
Beſetzung für eine militäriſche Notwendig-
keit von kurzer Dauer hält. Iſt es ja auch,
bloß die Dauer iſt zweifelhaft.
X.
Auch die Engländer find drangekommen.
Der britiſche Kommiſſar für das ägyptiſche
Waſſerbauweſen wird feinen Ingenieur-
kollegen nicht darin nachgeſtanden haben,
nicht ſchlechte Augen zu machen, als die
Italiener mitteilten, daß ſelbſwerſtändlich
italieniſche Ingenieure gerne den bewußten
Staudamm am Danaſee bauen würden
und im übrigen der Tanaſee als Baſis eines
Flugbootgeſchwaders ſehr geeignet ſei.
XI.
Und zum Schluß haben auch die parla-
mentariſchen Sanktionsfreunde Mr. Anthony
Edens nicht ſchlechte Augen gemacht, als er
Sellige fie alle Lebens lasen
Das „Zwei⸗Groſchenblatt, Wochenflug⸗
ſchrift für Recht und Wahrheit“, brachte vor
einiger Zeit Berichte über „Gebetserhörun⸗
gen“. Die Tatſachen ſprechen eine ſo ein⸗
dringliche Sprache, daß jeder Zuſatz von uns
nur die Wirkung abſchwächen könnte. Das
„Zwei-Groſchenblatt“, das — wie wir aus
dem Schlußſatz ſeiner Schriftleitung leſen —
bei den Heiligen abonniert iſt, hat das
Wort:
„Eine Frau Doktor aus Ling: Ich
möchte Sie bitten, in Ihrem Blatte auf
die große Hilfe des ſeligen Bruders Klaus
von Flüeli hinzuweiſen. Er ift ein wunder-
+
rand bemerkun
im Unterhaus die ſenſationelle Erklärung
abgab: „Es hätte nur eine Sühnemaßnahme
von zugkräftiger Wirkung gegeben: die
Schließung des Suezkanals für Italien.
Aber das würde unvermeidlich zum Kriege
geführt haben.“ Nun bitte ich, warum denn
überhaupt Sanktionen, wenn man einerſeits
keinen Krieg wollte, es aber andererſeits
ohne Krieg nie gegangen wire. Etwa alle
Sanktionen nur, damit, wie die fpanifche
Regierung erklärte, die Sardinenfiſcher
brotlos würden?
XII. |
Go die Meinen Leute im Völkerbund und
auch die, die nicht im Völkerbund ſitzen, die
haben nicht nur nicht ſchlechte Augen ge⸗
macht, nein, die haben den Mund vor Stau-
nen weit aufgeſperrt, was ſo alles unter der
Obhut des Völkerbundes in einem halben
Jahre paffieren kann. Machen Sie den
Mund ruhig wieder zu, meine Herren —,
wer weiß, ob Sie nicht das nächſte Mal
dran ſind! Hans Hum bold.
barer Helfer und Beſchützer, beſonders bei
Kindern. Meinen Kleinſten habe ich ganz
unter ſeinen Schutz geſtellt und er hat mir
ſchon oft in Krankheitsfällen raſch ge⸗
holfen. Bitte, machen Sie auf ihn auf⸗
merkſam, ich möchte, daß dieſer Selige viel
angerufen wird!
Eine andere Frau berichtet aus Vorarl-
berg: ‚Mein Sohn tat ſich ſchwer im
Latein und konnte ſchon zweimal nach
einer Novene zum Pariſer Gnaden:
kind Guido von Fontfalland
wieder ganz gut in die nächſte
Klaſſe auffteigen.‘
Eine Niederöſterreicherin ſchreibt: „Vor
Weihnachten war ich der Verzweiflung
26 Randbemerkungen
nahe. Wo nehme ich Brot für meine
Kinder her? Noch dazu eine kalte Stube,
kein Verdienſt und keine Anterſtützung. Der
ganzen Sorgen Laſt obliegt ja faſt immer
der Frau und Mutter. Wie habe ich dieſe
Weihnachtsfeiertage gefürchtet! Manche
Leſerin wird ſagen: Vom Beten kann ich
nicht leben, und wenn ich nichts habe, wofür
ſoll ich danken? Wie oben erwähnt, keine
Arbeit und keine Anterſtützung. Der Ver-
zweiflung nahe, keine Schuhe, daß ich in
die Kirche gehen könnte, um zu beten und
zu bitten. Da ſchloß ich meine Augen und
war mit meinen Gedanken in der Kirche
und das Bild des hl. Judas
Thaddäus ſchwebte mir vor den
Augen. Jch kniete im Geiſte dabei, um
zu beten um Verdienſt und Brot. Ich
kniete nicht lange und es pochte an die
Tür. Ich wollte nicht gleich öffnen, denn
ich hatte geweint. Aber es war ein Bote,
der für den Mann Verdienſt brachte, wenn
auch nur für ein paar Tage, aber wir wer⸗
den die Feiertage Brot und eine warme
Stube haben. Am zweiten Tag bekam ich
ein kleines Lebensmittelpaket und von
einer Dame, ungenannt, 5 Schilling und
noch dazu die Winterhilfe mit Kohle,
Fleiſch und Lebensmitteln. Wir hatten
ein kleines Bäumchen und darunter ein
Kripperl; meine Kinder und wir hatten
ſröhliche, geſegnete heilige Weihnachten.
Daher bitte ich mit aufgehobenen Händen
und mit Tränen in den Augen alle, die in
Not find: Betet zum hl. Judas
Thaddäus und ihr werdet
Hilfe erfahren.
Bei dieſem Anlaß feien alle Gebets
erhörungen eingeſchloſſen, die der Schrift-
leitung mitgeteilt werden. And allen
Heiligen, auf deren Fürſprache unſeren
Leſern geholfen wurde, ſei öffentlich
der Dank ausgeſprochen, da im
einzelnen alle dieſe Dankſagungen in
unſerem kleinen Blättchen nicht veröffent-
licht werden können.“
Geld ſtes Rättel |
In Konnersreuth wurde Jubiläum ge-
feiert. Zu dieſem 10-Zahres-Tag erſchien im
„Konnersreuther Sonntagsblatt — Sendbote
der barmherzigen Liebe Gottes, Woden-
ſchrift für die Katholiſche Familie, zugleich
Nachrichtenblatt über die Vorgänge in
Konnersreuth“ ein Leitartikel. Da war
ſchwarz auf weiß zu leſen:
„Zehn Jahre Konnersreuth!
Was bedeutet das in der göttlichen Heils-
ordnung für die Menſchheit, für die Gläu⸗
bigen und Angläubigen? Viel, viel mehr,
als was wir Menſchen uns mit unſeren
Gehirnen erſinnen können, mehr als das
wir hoffen dürfen. Der Himmel iſt auf
die Erde hernieder gekommen.
Konnersreuth ein ſtändiges
Weihnachten! In der Seeleder
Thereſe Neumann hat der Hei-
land eine aus erwählte Krippe
gefunden. In myſtiſcher Weiſe lebt
Chriſtus in dieſer Seele und aus dieſem
Leben des göttlichen Sohnes lebt Thereſe
Neumann. Konnersreuth iſt
ein ſtändiger Karfreitag und
ein ftdndiger Oftermorgen....
Konnersreuth ift heiliges
Pfingſtfeſt.. . So leuchtet über
Konnersreuth die heiligſte
Dreifaltigkeit, die Sonne der
Seelen, das Licht der Gr,
leuchtung.“
Ja, wenn Oſtern und Pfingſten auf einen
Tag fallen ... dies Rätſel ift in Konners⸗
reuth gelöſt. Da iſt auch ſtändig Weih⸗
nachten. Atz
Verse bliche Hoffunns
Nach einem Bericht der „Reichspoſt“ be-
gann der Jeſuitenpater Georg Bichlmair
einen kürzlich in Wien gehaltenen Vortrag
„Der Chriſt und der Jude“ mit dieſem Satz:
„Hunderttauſende öſterreichiſcher Katholiken
erwarten von ſeiten der katholiſchen Aktion
ein klärendes Wort in der Judenfrage, an
Randbemerkungen 27
dem ſie ſich in der Praxis orientieren
könnten.“ Sirenenklänge! Seit vielen Jahren
haben wir uns bemüht, von den katholiſchen
Kirchenfürſten eine letzte und klare und
gültige Erklärung zur Frage „Chriſt und
Jude“ zu bekommen. Die Antwort würde
aber eine Stellungnahme zur Raſſenfrage
überhaupt bringen müſſen. Vor dieſer letzten
Entſcheidung iſt man immer wieder wie eine
Katze um den heißen Brei herumgeſchlichen.
Wir verſtehen Herrn Bichlmairs und der
„Reichspoſt“ Wünſche und wir freuen uns,
wenn die hoffnungsvollen Frageſteller dank
ihrer guten Beziehungen einmal aus dem zu⸗
ſtändigen Referat im Vatikan eine jedem
Menſchen verſtändliche klare Antwort auf
eine alte Frage erlangen können. Atz
Battles - Madonnen!
„Der neue engliſche Rieſendampfer „Queen
Mary‘, der im Mai feine Jungfernfahrt
fiber den Atlantiſchen Ozean antreten wird,
beigt zwei Altäre an Bord. Der Haupt-
altar, der der Madonna des Atlanti:
ſchen Ozeans geweiht iſt, befindet ſich
im Hauptgeſellſchaſtsraum auf dem Prome-
nadendeck. Der zweite Altar ſteht in der
Bibliothek und ift der Madonna der Großen
Schiffe geweiht“, ſo berichtet ſtolz „Der
Katholik“. Hoffentlich ergeben ſich keine
Komplikationen, wenn die, Queen Mary‘ mal
in anderen Gewäſſern eingeſetzt wird. Im
übrigen hoffen wir, daß die Madonna
des Atlantiſchen Ozeans nicht an
den Tangos Anſtoß nimmt, die im Haupt-
geſellſchaftsraum ſicherlich abends
getanzt werden.
Speustener in Hras
In einer Sitzung des Prager Minifter-
rates wurde beſchloſſen, die Selbſtverwal⸗
tung der Hochſchulen bei der Berufung von
neuen Profeſſoren dadurch einzuſchränken,
daß die Regierung in Zukunft dieſe Ernen-
nung durchführt, ohne die Vorſchläge des
akademiſchen Senats wie bisher zu berüd-
ſichtigen. Die „Prager Preſſe“, das deutſch⸗
geſchriebene Organ der Regierung, ſchreibt
dazu, daß in Zukunft Lehrſtühle nur noch
durch Profeſſoren beſetzt werden, die der
Idee der Tſchechoſlowakei ent-
ſprechen, d. h. durch Emigranten, die dem im
Reich herrſchenden Syſtem feindlich gegen-
überſtehen. — Ob man genügend gelehrte
Emigranten findet?
„Sefäbeſiche Reiten”
Eine Studentin ſchickt uns zur Kenntnis-
nahme die Einladung der evangeliſchen Stu-
dentinnenvifarin von Berlin. Es fol ein
Wochenendtreffen ſtattfinden, wobei man
übrigens in einer Anſtalt die Pflege von
Taubſtummblinden beſichtigen will. (Das
ſtärkt die Seelen.) Der Leitſpruch des
Treffens iſt eigenartig, ein Liedervers, der
folgendermaßen beginnt:
„Es tut Gott nicht gereuen,
Was er vorlängſt gedeut't,
Seine Kirche zu erneuen
In dieſer gefährlich' Zeit.“
Wir haben es nur ſo nebenbei geleſen, als
ein Beiſpiel für viele. Ob es Methode iſt?
wGvangelinmvestindignus am
Seldengedentias~
Unter dieſer Ueberfdrift fühlte ſich „Das
Deutſche Pfarrerblatt“ (Nr. 8/1936), ein
Organ der Bekenntniskirche, be
müßigt, zum Heldengedenktag nad-
ſtehende Ausführungen zu bringen:
„Die kirchliche Feier am Heldengedenktag
muß wirkliche Evangeliumsverkündigung
ſein. Das heißt zunächſt: Sie hat nicht die
Aufgabe, das menſchliche Helden.
tum mit einer religidjen Weihe
zu verſehen. Es iſt nicht evangeliumsgemäß,
durch die chriſtliche Predigt einfach alle im
Kriege Gefallenen wegen dieſer Tatſache in
den Himmel verſetzen zu wollen. Das mag
heidniſcher Glaube ſein, chriſtlich iſt das
nicht. Man hüte ſich deshalb davor, Worte
28 Randbemertungen
wie das in unzählig vielen Feldpredigten
mißbrauchte: „Niemand hat größere Liebe
denn die, daß er ſein Leben läßt ſür ſeine
Freunde“ (Joh. 15, 13) ohne weiteres auf
die im Kriege Gefallenen anzuwenden. Man
wiederhole auch nicht im chriſtlichen Gottes-
dienſt die weit verbreitete Aeberzeugung,
daß es ſüß und ehrenvoll ift, in der Few-
ſchlacht zu fallen. In der chriſtlichen Ver⸗
kündigung geht es nie um die Ehre
von Menſchen, Sondern allein um
Gottes Ehre und die Begnadigung des buf-
fertigen Sünders. Man zerſchlage alſo mit
einer durch religiöſe Worte geſchmückten
weltlichen Lobrede auf Tapferkeit und
Opfermut am Heldengedenktag nicht, was
bisher durch wahrhafte Evangeliumsverkün⸗
digung in der Gemeinde mühſam aufge⸗
baut ift.“
Wir fragen: Kann durch eine „Lobrede
auf Tapferkeit und Opfermut“ überhaupt
etwas „zerſchlagen“ werden? Doch nur
(ſollte man logiſcherweiſe annehmen) der
Wille zu Feigheit und Drüdebergerei. Auf-
rechte Männer ſind wohl unbeliebt? hy
Die ,sesmanifide Union“
deobt:
In einer jüdiſch orientierten Zeitſchrift
für kanadiſche Lehrer und Lehrerinnen, die
den Namen „Dent's Teachers Aid“ trägt,
wird ein langer Aufſatz darüber veröffent⸗
licht, wie der Lehrer im Geograpbhieunter-
richt das Thema „Deutſchland“ behandeln
foll. |
In einem Abſchnitt „Intereſſante Tatſachen
von Deutſchland“ wird den Deutſchen unter
Punkt 4 nachgeſagt, ſie hätten wenig für
Sport übrig und ihr ganzes Vergnügen be-
ſtehe in Arbeit (das letztere wundert dieſe
Freunde offenſichtlich ſehr). „Die Frauen
müßten die ſchwerſten Handarbeiten verrid-
ten und kümmerten ſich wenig
um Hausarbeit.“ Unter Punkt 5
marſchiert die „Dicke Berta“ des Welt—
krieges auf.
Ein anderer Abſchnitt behandelt „Das
Werk Hitlers“ und iſt von A bis 3 cine
ebenſo verworrene wie lächerliche Propa-
gandalüge, wie ih ſchon aus dem Satz er-
gibt: „Sein (Hitlers) hohes Amt iſt das
Geſchenk des deutſchen Stahltruſts, der von
Thyſſen beherrſcht wird, welcher durch eine
ſorgfältig vorbereitete Verſchwörung die
Herrſchaft Deutſchlands erobert hat.“ Gelbft-
verſtändlich werden im Zuſammenhang
damit alte Märchen aufgewärmt, wie wir
ſie ſchon viele Male in der kommuniſtiſchen
und der übrigen deutſchfeindlichen Aus-
landspreſſe geleſen haben. Den Schulfin-
dern fol erzählt werden, es fei das Ziel
der von den Thyſſen kontrollierten Regie-
rung, die deutſche Herrſchaft über
alle germaniſchen Völker aus-
zudehnen.
Nur dieſe eine Stelle, die ſich mit
Reichsminiſter Göring befaßt, fei wieder ⸗
gegeben: „Göring ift es, der 20 000 Flug-
zeuge in einem Jahr bereitſtellen wird, um
Europa durch Giftgaſe zu vernichten; denn
die Deutſchen find bedeutende Chemiker.“
(Der alte Dreh: Die Zeitſchrift wandelt
auf den Spuren derer, die während des
Krieges und noch vor Eintritt Amerikas in
den Weltkrieg behaupteten, Deutſchland
wolle mit ſeinen Aſpirinpillen, die
es in ASA verkaufe, das amerikaniſche
Volk vergiften.) Es heißt dann weiter:
„Im Bunde mit dem deutſchen Stahltruſt
ſteht das große chemiſche Werk in Leuna,
ein Erzeugnis des neuen Deutſchland, wo
gewiſſe Anilinfarben aus Teernebenproduk⸗
ten, Stickſtoff aus der Luft ſowie KRunft-
feide, Benzin aus Kohle und ſtarke Spreng-
ſtoffe hergeſtellt werden.“
„Wie baut Hitler das Land auf? Die
Löhne ſind um die Hälfte beſchnitten und
die Preiſe für Bedarfsartikel verdoppelt
worden. Eine Million junger Männer find
in Notſtandslagern, von denen ſie an die
Großgrundbeſitzer ausgeliehen werden;
ſie werden ohne jede Entlohnung
Vom Büchermarkt 29
bei öffentlichen Arbeiten beſchäftigt und mili-
täriſch ausgebildet. Drei Millionen Ar-
beiter ſind arbeitslos und als die „Hunger⸗
armee“ bekannt, während die anderen Arbei⸗
ter auf halbe Arbeitszeit und daher auf
halben Lohn geſetzt find. Die Frauen
werden aus der Induſtrie herausgezogen
und für Haus- und Familienpflichten be-
ſtimmt.“ (Die armen Frauen!)
„Folgende Länder will Deutſchland in
die von ihm geplante germaniſche
Anion einbeziehen: Norwegen, Schweden,
Dänemark, Holland, Elfaß⸗Lothringen,
Oeſterreich, die Tſchechoſlowakei, Zugo-
flawien, die Schweiz und die Akraine.“
Neben dieſen Vorſchlägen zur Geſtaltung
eine Geographieſtunde für Kinder in Ka⸗
nada iſt noch eine Karte geſtellt, die aus
dem antideutſchen Buche „Hitler über
Europa“ ſtammt und die den Plan der
Gründung eines neuen germaniſchen Reiches
darſtellen ſoll. Die Karte entſpringt fom-
plettem Verfolgungswahn, denn ſie bezieht
in dieſes neue germaniſche Reid auch noch
Finnland, Belgien, die anderen Oſtſee⸗
ſtaaten, Ungarn, Bulgarien und Rumänien
ein.
Wir bedauern die Schüler, denen dieſe
Lügen eingetrichtert werden. Wir möchten
nur wiſſen, ob die Lehrer dieſen haarſträu⸗
benden Miſt wirklich glauben. hy
Réformes sociales et économiques, L’Edition
Universelle, S. A. Bruxelles, Nouvelle
Allemagne. Von Marcel Laloire.
Dieſes in franzöſiſcher Sprache in Brüſſel
erſchienene Buch über das neue Deutſchland
und ſeine 1 und 8 Neu-
SE verſucht
Denic e 9 See evolution zu⸗
en dn en, einen Aeberblick über die ge⸗
pee eiten und den Aufbau des
Dritten Reiches zu geben, fo wie es der Ver-
[oien des Buches nach zw Se national-
ozialiſtiſcher Regieru ſieht. In ob-
jektiver Schau deſchrelbt er die wefent-
lichſten e und Probleme: Wir
finden z. B. Kapitel über „Le sens de la
revolution“, „La Charte du travail“ (das
Geſetz zur 123, 1 der nationalen Arbeit
vom Mai 1 933), Front du travail“,
E E 15 chömage“ (Arbeits:
teit), „La politique de la natalité“, (Ge
Terungspolitify, „Capitalisme ou socia-
lome, armi la jeunesse allemande“
(Sinter Der deutſchen Jugend) uſw.
ebnis der in
Wir glauben mit dem Verfaſſer, ‚DaB pine
Verſuch einer Sn eee événe-
ments d’Allemagne et de Vhitlérisme“
angetan ift, den Teil des Auslandes, der
noch immer dem neuen Deutſchland ver-
ſtändnislos und mit vorgefaßter Meinung
BE, 2 zu einer gerechten und leiden⸗
e Beurteilung zu führen, denn
Vhitlérisme est un fait, ‘at 11 n'est plus
possible d'ignorer“. Wha.
Hans Saubherr: Erfüllung und Sie
Der Kampf um die Durchführu
Tilſiter Frledens 1807/1808. Hanſeatiſche
Verlagsanſtalt Hamburg.
Als die Franzoſen im Jahre 1929 wider-
rechtlich das Ruhrgebiet beſetzten, verſuchte
ein franzöſiſcher iftorifer die fadenſcheinige
Rechtsgrundlage der Sanktionspolitik durch
den Nachweis zu verbeſſern, daß Preußen-
Deutſchland ja ſchon nach dem Frieden von
Tilſit aufs beſte verſtanden habe, ih allen
berechtigten Forderungen Frankreichs zu ent-
ziehen. Nun, der Hinweis war nicht ſchlecht,
30 Vom Büchermarkt
wenn er auch keineswegs ſo gemeint war:
denn jene Zeit der deutſchen SE
nach 1806 zeugte aufs ſtärkſte gegen Frant-
reich. Die zunächſt ungenannte, dann
phantaſtiſch hohe Kontributionsſumme, die
zu Erpreſſungen jeder Art ausgenutzt wurde,
eine Ausbeutungspolitik, der gegenüber jede
preußiſche Bemühung immer nur zu neuen
unerfüllbaren Forderungen führte — es
war geno fo wie bei der Reparations-
politik nach 1919. In welchem Maße und
unter welchem Druck die preußiſchen Staats-
männer dem franzöfiſchen chtwillen
gegenüberſtanden, a erft jetzt in vollem
Amfange die vorliegende Arbeit, die aus
den preußiſchen Akten jener Jahre EA
Sie ift ſehr gewandt, an einigen Stellen gar
ein wenig glatt E Obwohl fe
mur einen chnitt behandelt, entwirft fie
ein ſehr lebendiges Geſamtbild der Demüti⸗
gung und Gegenwehr, in deſſen Mittelpunkt
der verzweifelte Kampf des Freiherrn
vom Stein ſteht. Die große Bedeutung der
inneren Erneuerung für den Freiheitskam
wird ebenſo klar en wie der hohe
Anteil der Finanzpolitik; auch darin iſt uns
jene Epoche nicht fremd. K. A.
Das Buch vom deutſchen Volkstum. Weſen
— Lebensraum — Schickſal. Heraus-
gegeben von Paul Gauß, mit 136 Karten
und über 1000 Bildern. Verlag F. A.
Brockhaus, Leipzig 1935. Pr.: 20,— RM.
Zum erſtenmal iſt in dieſem Werke der
Verſuch gemacht, vom Volkstumsgedanken,
der nicht das Staatsweſen, ſondern das
Blut zur Grundlage nimmt, einen um-
faſſenden Aeberblick über das geſamte Volk
der Deutſchen, ſeinen Lebensraum, ſeine
Leiſtungen und ſeine Geſchichte zu geben.
Das Vorhaben ift im ganzen geglückt. Zahl-
reiche gute Beiträge, deren Verfaſſer aus
der Volkstumsarbeit bekannt find, bieten
reichliche Belehrung über die Verbreitung
des Deutſchtums in aller Welt und an
unſeren Grenzen, über den raſſiſchen Beſtand
des deutſchen Volkes und ſeine Erhaltung,
über die deutſchen Stämme und Land-
ſchaften, über die deutſche Geſchichte, Kultur
und Kunſt, über das deutſche Wirtſchaſts.
und Rechtsleben. Eine Fülle hervorragen-
der Karten, ausgezeichnete Bilder und
Aeberſichten hilft entſcheidend mit, ein wirt-
liches Geſamtbild vom deutſchen Volkstum
entſtehen zu laſſen. Wer ein ſolches Ge-
ſamtwerk beſitzen möchte, dem ſei dieſes
Buch vom Volkstum empfohlen. Für die
Voltsgenoſſen außerhalb des Reiches wird
es von beſonderer Bedeutung ſein.
\
Einige Züge des Werkes machen eine
kritiſche Bemerkung notwendig. Die Kon⸗
feſſionen werden von beſonderen fonfefft-
onellen „Vertretern“ behandelt, das iſt ein
itberlebtes Syſtem und in dieſem Falle ganz
beſonders erflüſſig. Die Aufſätze über
konkrete Gegenſtände ſind beſſer ausgefallen
als diejenigen, die weiter in das geiſtige
Leben EN. Go ift der Beitrag über
die Geſchichte (Keyſer) einſeitig raum-
Ka ausgerichtet und unzureichend.
Er ſtrömt keine erzieheriſche Kraft aus, das
wäre aber gerade an dieſer Stelle notwen-
dig geweſen. Auch iſt nicht deed
warum die Klöſter und Kirchen in der Gier,
gangenheit, zumal fie ſchon im vorderen Teil
des Werkes behandelt find, mehr Raum be⸗
anſpruchen, als Reformation und Gegen-
reformation. Auch die Darſtellung der Kunſt
und geiſtigen Kultur (Benz) ſtößt trotz
mancher Schönheit nicht durch und bleibt
an den Toren Stehen (f. auch die Kultur-
philoſophie und Aeberſichtstafel S. 105).
Es rächt ſich ſehr, daß die Tätigkeit des
Nationalſozialismus nicht in einer zweck⸗
entſprechenden Form zu geſchloſſener Dar-
ſtellung gebracht worden ijt. Das Verſäum⸗
nis wiegt um ſo ſchwerer, als die in dem
e bevorzugte Volkslehre
von M. H. Boehm, Freyer und Shmidt-
Rohr ſich ja keineswegs mit der national-
ſozialiſtiſchen Auffaſſung deckt. An Einzel.
heiten: es weckt falſche Vorſtellungen, wenn
eine „Steinkohlenzeche bei Soeſt in Weft-
falen“ (S. 118) abgebildet wird und das
Sauerland ganz unter die Rheinlande pe
reiht wird (©. 220). K.
Johannes Bühler: Fürſten, Ritterſchaft und
Bürgertum von 1100 bis um ?
Deutſche one Bd. II. Verlag
de Gruyter, Berlin und Leipzig.
Johannes Bühler iſt es auch im zweiten
Band ſeiner deutſchen Geſchichte, der das
deutſche Hoch- und Spätmittelalter umfaßt,
gelungen, den gewaltigen Stoff zu meiſtern.
Das will viel tee denn es wird nicht
nur die politiſche Geſchichte dargeboten,
ſondern der volle Inhalt dieſer reichen und
ſtolzen Jahrhunderte, die geſamten Rultur-
leiſtungen und die wiſſenſchaftliche und ver-
faſſungsgeſchichtliche eee werden
dargeſtellt. Aus reicher Kenntnis iſt ein
ſolides Werk entſtanden; wiſſenſchaftliche
Nachweiſe erhöhen ſeinen Wert. Jedoch ſind
einige Einſchränkungen nötig. Es fehlt der
Schwung, der die Höhepunkte der Geſchichte
zum Erlebnis macht, und es treten Hem-
Vom Büchermarkt 31
u auf, die die neuen Geſichtspunkte
inien, o an die die Geſchichte des deut-
ſchen Mittelalters nicht mehr zu ſchreiben iſt,
unausgefprochen laſſen. So ift der größte
nen. ai en en und “DPriefter-
Anſatz richtig, politiſch ge-
ee und Die polite zedeutu der
romaniſchen clüniazenſiſchen Revo EE
wird gut herausgearbeitet, aber die Dur
führung läßt dann alles wieder N D e
Welfen liebt Bühler nicht und wird ihnen
daher nicht gerecht, obwohl er mit Recht
Verzerrungen befeitigt. Bei der allgemeinen
SE und rkeit der Darſtellung
geringe ſclechte Begriffe wie der
Tuwa alismus“ der deutſchen Kaiſer,
„bo poses Z wi der abgegriffene Aug-
Bun ch“ um fo mehr a Mit
Disen € e
en iff das We in ehr
klarer Sufammenfaffung eine brauchbare
Arbeitsgrundlage. K. A.
Alfred von Pawlitowfli-Cholewa: Heer und
Völkerſchickſal. Betrachtung der Welt-
geſchichte vom Standpunkt des Soldaten.
Verlag R. Oldenbourg, München und
Berlin, 1936.
Ein alter Soldat hat die zutreffende ublſchen
ſtellung gemadt, daß in den früher Git
Geſchichtswerken das Heerweſen und CH
Kriegskünſte er fo st find, wie es
der fachkundige Soldat bei der gewaltigen
Bedeutung der Heere für die Völkergeſchichte
wiinfden muß. Er hat den Wunſch gehabt,
dieſe Lücke in dem vorliegenden Band aus-
zufüllen, aber leider iſt ihm die Erfüllung
. geblieben. Denn der Verfaſſer hat
a in EES 3 mühevoller Arbeit
aller Zeiten und
Bolter ie gufammengetragen, aber
es ift ihm nicht gelungen, dieſen Stoff unter
die höheren Gefichtspunkte zu bringen, die
allein dem hohen Gegenſtande „Heer und
Völkerſchickſal“ angemeſſen geweſen wären.
Die tieferen Begiehungen zwiſchen Heeres-
bee er und Volkstum, zwiſchen Heer
Zverfaſſung werden ni 3 berührt.
Statt deffen wird von dem mit t über-
lebten Standpunkt der all einen ildung
Stoffliches ohne inneres Band aneinander-
ereiht und allenfall 3 mit Dem Hinweis ver-
dre wie vieles eigentlich ſchon einmal
dageweſen iſt. Aber ſelbſt im Stofflichen
bleiben ſowohl im Literaturnachweis wie in
der Darſtellung berechtigte Wünſche un⸗
erfüllt, und wo der Verfaſſer in die all⸗
gemeine Geſchichte übergreift, zeigt er keine
glückliche Hand. Der neue ſtarke Sinn für
die Geſchichte von Heer und Volksdienſt
findet in dem Buch leider keine .
gung.
René Fülöp- Miller: Leo XIII. und unfere
Zeit. Mächte der Kirche — Gewalten der
Welt. Rauſcher Verlag, Zürich u. Leipzig.
Wir kennen René Fülöp- Millers be-
GA 5 Sie hat ſich nicht nur um
„Führer, Schwärmer und
Re ellen“ Ta t, ſondern bereits aud
„Macht und G eimnis der Jeſuiten“ ge⸗
putes And wer es mag, kann ſich bei bee
ektüre der neuen Sch verluſtieren, bis
zu welchem Grade mit Gewandtheit und
ilfe vatikaniſche Seele: und
Polit olitik einläßlich gemacht werden können.
Wir möchten ein anderes Wort dazu
ae Wohl gemerkt: nicht Leo XIII. und
eine Zeit lautet der Titel des Bu .
ſondern „Leo XIII. und unſere Zeit“.
ſollen glauben daß Leos Verſuch, „die Ge.
walten der Wel mit Hilfe der erneuten
ſchlaue —
T fet heute dringend einer Neu⸗
lage wert. Hier irrt ein Literat. Leo
9 ört in ſeine Zeit, und unſere Zeit
ehört ung. So werden . Millers
. Sirenenklänge zur „Katzenmufik“.
a und Pi im pene Hochſchul⸗
Falk Ruttke.
He t 1 Ke Ed tenreihe „Recht und
Rechtswahrer, 1 zum Raffe-
gedanken“, 24 Seiten
Der an legt pier eine im Februar
1935 an der Univerfitdt Berlin gehaltene
N tel ad bi der Oeffentlichkeit vor. Er
betont, daß die politiſche Forderung nach
einem artgemäßen deutſchen Recht neben
ihrer Auswirkung auf ra an Ge-
5 70 beſonders von dem künftigen ju
e bereits bei EN V
tsfindung des täglichen Lebens Heri
licht werden muß. ie deutſche Hochſchule
muß Geier? zum artgemäßen Rechtsdenken
erziehen eſonders an rechtsgeſchichtlichen
Betrachtungen iſt dem Studenten die
raſſiſche Bedingtheit des Rechts zu zeigen.
„Nur über den Weg eines artgemäßen
Rechtswahrernachwuchſes werden wir die
Vorausſetzungen m: eine deutſche Rechts-
geſtaltung ſchaffen H. Gu.
32 Vom Büchermarkt
Ein General rettet ſeine Armee. Mackenſens
5 zur Heimat. Von Ott o
80 chſig Teig 6 Gerhard Stalling,
erf
Endlid pe Buch ae unſeren letzten
Feldmarſchall aus dem Weltkriege. Der
lichen dpf ister den BAN ber Aen
en ung u er bedingu
lojen Treue, der den Heerführer Mackenſen
in den vielleicht ſchwerſten Tagen ſeines
Lebens beſeelte. Mackenſen führte nach dem
Zuſammenbruch der Habsburger Monarchie
feine ſiegreiche in Rumänien ſtehende Armee
durch die verſchneiten Karpathen und durch
das von inneren Wirren fiebernde Angarn.
Anter EA ee wird Mackenſen von
der Revolutionsregierung nach Budapeſt ge-
2 Wie 1 de einem Schloß in der Nähe Der
eshauptitadt interniert. Der
1 relat Gos | daß feine Bataillone
laien über Oeſterreich und die en
ſlowakei verlaffen dürfen. Später bemächti⸗
gen ſich die Franzoſen des deutſchen Feld-
marſchalls und ſeiner Stabsoffiziere, und ſie
internieren Mackenſen in Saloniki. Nach
Monaten ſeeliſch unerträglicher Internie⸗
rung darf ckenſen die Reife in die Hei-
mat antreten. Somit betrat Generalfeld-
marſchall von Mackenſen als Führer ſeiner
Armee zuletzt den Heimatboden und rettete
durch ſeine unerſchrockene Haltung gegen:
itber den feindlichen Mächten durch da
Opfer ſeiner perſönlichen une eine
deutſche Armee. 8
Schickſalsſtunden der deutſchen 5 te.
Von Heinrich Bauer. Hanſeatiſche
Verlagsanſtalt, Hamburg.
Mit vollendeter Ne terſchaft des Stils wie
des Stoffes zeichnet Bauer in dieſem Buch
die ſchwerſten Schi 11 E der deutſchen Ge⸗
orate: Durch bieles Buch zieht fih wie ein roter
aden der Kampf zwiſchen Deutſchtum und Rom,
n Kampf zwiſchen ee n und Cäſaren,
ſchen Kalſern und eld wae Lem chen der Stimme
es deutſchen Blutes und der ebenſo artfremden wie
lebensfernen Doktrin
Jeder HI: Führet ſollte dieſes Buch zur Hand
nehmen, um aus ihm zu ſchöpfen, wenn er jetne
erſte und wichtigſte Aufgabe erfüllt: Die deutſche
Jugend in der Geſchichte ihres Volkes A eg,
Diele Geſchichtsbilder geben neuen Kampfwillen für
dieſe Generation und kommende WEE
„Die Deren: Hiſtoriſcher Roman von Albert
Liebold. ug Wilhelm Grunow
G. m. b. H., Leipzig.
In dieſem oman wird die deutſche den
7. r
ig. Auf der einen Seite
kampf ſchen den Patriziern und den
Zünften, auf der anderen Seite ehrgeiziges
und hemmungsloſes Streben der Zoo
im Ra egen neue Ideen GE neue
ag * e Een e ren eine Bee
u n gezeichnete ng. e
Sprache, gute Wahl des Wortes taffen uns
das Buch, in deſſen Mittelpunkt das Leben
einer „Hexe“ ſteht, mit Dank an den Gier,
ſaſſer aus der Hand legen. Dr. L.
Fehde um Brandenburg. — Die Geſchi
eines Rebellen. Von Fritz Helke.
Anion — Deutſche N S
Stuttgart-Berlin-Leipzig.
Fritz Helke hat fig a pe neuen
Roman feinem breiten Leſerkreis vorgeftellt.
Helles Stärke liegt zweifellos in der Dar-
swertung geſchichtlichen
nd wir 5 mit der Feſt⸗
zuviel, daß ein Kapitel
cher a ichte durch das neue
preußif deutſ
. beſonders
Werk Helkes EE
vertraut gemadt wi
Zwei 5 Dietrich von
Quitzow, letzter freier Ritter der Mark, >
Friedrich von Hohenzollern, Burghauptman
zu Nürnberg und E der gelle.
Könige, ringen um die H Branden-
burgs. Der 1 Sieg riedrichs von
Hohenzollern wird en ſſcheidend f für die Ge⸗
2 eine. ja für die Geſchichte
ee nds. Dies ift in knappen Umriffen
das ema des von Helke mit geradezu
rel Darſtellungskunſt gezeichneten
Stoffes
Daß gerade ein Ange öriger der Hitler-
jugend dieſe Perſönlichkeiten im Ringen um
Brandenburg in das Licht eingehender Be⸗
trachtung ſtellt, wird jeden unſerer Leſer und
vor allem unſerer Kameraden mit 5
erfüllen. . Q.
Hauptſchriftleiter: Günter Kaufmann (z. Zt. in Urlaub).
Säriftlettung: Dr. Karl mare’ Stellvertreter, und
Wilhelm Utermann. Anſchrift: „Wille und Macht“, Reichsjugendführung, Berlin RW ronpt ingenufer 10.
Tel. D2 5841. Verlag: Deutſcher Jugendverlag G. m. b. H., . Li veel pe? Tel. B28 ow 9006. —
Berantw. für un Anzeigenteil: Kurt Otto Arndt, Berlin. — D.⸗A. Vj. 36 , Aufla age dieſes Heftes
18 000. — Pl.
Nr. 5. — Druck: Theodor Abb Buchdruckerei, Berlin S8 65 „Wille SS
durch den Deutſchen Jugendverlag oder jede deutſche Buchhandlung jowie duch die Poft.
viertel
Boktbezug Hadden L
AM. 1,80 zuzügl. Beſtellgeld. Bei Beſtellung von 1 bis 3 einzelnen Nummern bitie den eres in Brie
betgulegen, da Nachnahmeſendung zu teuer ift und diefe Beſtellung ſonſt nicht erledigt werden
kann. Kalen:
bezug durch den Verlag laut bejonderen Bezugsdedingungen.
F. Hoffstätter, Bonn
Emall-Abzeichen, Medaillen für
Es geht auf Tour Sportes ie
å S Plaketten fär selfie delen
8 AUS rannte Bose
norrox ertragalisferant der ECK Nr.
Bouillon nimmt jeder mit!
Left und verbreitet
„Wille und Macht!“
Soeben erſchien:
Hans Chriſtoph Kaergel
Einer unter Millionen
Roman
Hans Chriſtoph Kaergel ſchrieb mit dieſem Amerika Roman fein
erlebnisſtärkſtes Buch. Vor dem Hintergrund der Wolkenkratzer
New Yorks, inmitten einer pauſenlos abrollenden, meiſterhaft ge-
führten adde die alle Höhen und Tiefen des Erlebens durd-
n
läuft, eingehüllt in die Erzählung einer Liebe, die zu den innigſten
und zarteſten unſerer Dichtung gehört, entwickelt ſich um Martin Windeck,
den in den Kriſenjahren der Syſtemzeit abgebauten Bankbeamten
aus Waldenburg, ein deutſches Schickſal, wie es Tauſenden und
aber Tauſenden widerfuhr. Zwar ſchlägt ſich Windeck drüben leidlich
durchs Leben: heute Tiſchler, morgen Totengräber, dann Stalljunge
und Milchkutſcher, zwar gibt ihm die Fremde, was ihm die alte Heimat
für immer zu verweigern ſchien: Arbeit und Leben. Aber er wird
nicht glücklich dabei. Denn erſt jetzt, erſt hier im fremden Land, im
Strom der Weltſtadt it er, wie tief er Deutſchland liebt und daß
er ſich nie von ihm löſen kann, um Amerikaner zu werden. Auto-
biographiſche Züge find dieſem hehe mannigfach verflochten. So
Nen dieſes neue Werk des bekannten ſchleflſchen Erzählers eine
efondese Bedeutung als das Lebensbekenntnis eines Mannes, den
Grenze und Ausland ſeinem Volkstum zutiefſt verwurzeln ließ.
Pappband R M. 360 7 Ganzleinen RM. 4,80
Zeitgeſchichte
Verlag und Vertriebs ⸗Geſellſchaft m. b. H., Berlin W 35
Braune Buch- Nin
Die Buchgenteinſchaſt uuſ enen Zeit
Munchen 47 2116
Schriftleitung der N 8
Frauenwar te — Fach 80
Der ae
Die im Braunen Buh -Ring zuſammengeſchloſſenen Männer
und Frauen ſehen im Buch das wirkſamſte Mittel, die national-
ſozialiſtiſche Weltanſchauung zu vertiefen und das wiedergewonnen
deutſche Lebensgefühl zu ſtärken. |
Der Braune Buch⸗Ning bringt grundſätzlich nur Erſtveröffent⸗ |
lichungen. alfo keine Nachdrucke und keine Neuauflagen bereits
erſchienener Werke, und unterſcheidet ſich dadurch von allen $
anderen deutſchen VBuchgemeinſchaften. |
Der Braune Buch Ning zählt Zehntauſende deutſcher Bolts-
genoſſen aller Stände und Berufe zu ſeinen Mitgliedern.
Der Braune Buch Ning liefert für den geringen Monatsbeitrag
von nur 1,15 RM. jährlich 4 umfangreiche, wertvolle Bucher
ſowie 24 Hefte der reich bebilderten Zeitſchrift „Der Braune |
Reiter“. |
Der Braune Buch⸗Ning nimmt zu jeder Zeit neue Mitglieder
auf. Ein Eintrittsgeld wird nicht erhoben. |
Auch Ihr Buchhandler beforgt Ihre Anmeldung.
An den Braunen Buch ⸗Ning
Berlin W 35, Lützowſtraße 66
Ich bitte um koſtenloſe und unverbindliche Zuſendung von Druckſchriften.
Name:: 333 2 ⁵⁵⁵⁵ é Er
Beruf
MGC MD EO ops PU oor tao 8
SHAD: tee
|
Hauptarchiv dur N SDAT
Abt. Jugendbewegun
Nach Gebrauch zurtick a
Zell
Sübrerorgan dev nationalſozialiſtiſchen Sugend
Ans dem BSubaelt:
| Hans Hinkel / „Er gehört zu un
e / Haupilehren des deutschen Verfassungsrechts in graphischer Da
| Geier / Der Strafvollzug an Jugendlichen
Í Kunst in der Voiksgemeinschafi — Schwitzke / Das Kaiserbuch von Pau
| Frankreich unier dem 100. Kabinett seiner dritien Republik — Keudel | Wun
Zeitung — Siewert | Das Ende Lord Kitcheners — . U. Aauarelle (zur Kansld
Halbmonatsfbsift / Heft 11 Berlin, den 1. Juni 1036 Ginselpeeis 30 Die
Subalt
Die Hauptlehren des deutſchen Verfaſſungsrechts in
graphiſcher DarſtellunnnRnnggggggg. Dr. Gottfried Neeße
„Er gehört zu uns Hans Hinkel
Reids kulturwalter
Kunſt in der Volksgemeinſchafft 22. . Karlheinz Rüdiger
Das Kaiſerbuch von Paul Ernte Dr. Heinz Schwitz ke
Der Strafvollzug an Jugendlicheeees Dr. Erwin Geier
Frankreich uuter dem 100. Kabinett ſeiner dritten Republik Friedr. Schorer, Paris
Kleine Beiträge: |
Wunſchbilder der „Frankfurter Zeitung” . . . . Rudolf Keudel
Außenpolitiſche Notizen:
Das Ende Lord Kitchenernsnss. Wulf Siewert
Randbemerkungen:
„Bibel oder Revolver?) ß by.
So geht es nichheteteeet. Sti.
Kunſtdruckbeilage:
Aquarelle (Zu unferer Kunſtdruckbeilage ). . W. A.
Aquarelle (Fotos: Scherl; Originalaufnahmen für „Wille und Macht“)
Zeichnungen zum Neeße⸗Aufſatz: Boſſeck
UU Sit,
FAH vevovrsan der nationalfosialiftifdWen Jugend
Jahrgang 4 _ Berlin, 1. Juni 1936 Heft 11
Gottfried Neeße:
Die Hauptlehren
des deuiſchen Oerfaſſungsrechts
in graphiſcher Darſtellung
Die Worte ſind im Laufe der Jahrhunderte immer vieldeutiger geworden. Vor
allem in der wiſſenſchaftlichen Erörterung hat die Fragwürdigkeit der Begriffe, der
Mangel einer eindeutigen Ausdrucksmöglichkeit mehr Zerſplitterung verurſacht, als
die Aneinheitlichkeit geiſtigen Wollens und geiſtiger Haltung.
Aus dieſem Grundgedanken heraus entſtand der Plan, die großen Lehren unſeres
gegenwärtigen Verfaſſungsrechtes, die fih mit dem Aufbau des Reiches befaſſen,
ze ichneriſch darzuſtellen. Dabei wird nicht verkannt, daß eine ſolche Darſtellung nur
die organiſatoriſch⸗techniſche Problematik, nicht aber die innerſte wiſſenſchaftliche Be-
deutung einer Lehre aufzeigen kann. Außerdem: eine Verdeutlichung wird immer
eine Vergröberung, eine Verfinnbildlichung meiſt eine Verſimpelung fein. In letzter
Folgerichtigkeit iſt nur ein rational ausgeklügeltes Verfaſſungsſchema, nicht aber
eine organiſch wachſende Verfaſſungswirklichkeit darzuſtellen. Trotzdem lohnt die
Mühe ſolcher Betrachtung.
In welchem Amfange der Verſuch, die Hauptlehren des deutſchen Verfaffungs-
rechtes graphiſch darzuſtellen, Klärung und Förderung der wiſſenſchaftlichen Aus-
einanderſetzung bedeutet, wird ſich in der Zukunft zu erweiſen haben. An uns iſt es,
kein Mittel, keine Möglichkeit außer acht zu laſſen, die zur Klarheit beizutragen und
nationalſozialiſtiſche Scheinſiege in der A unmöglich zu machen oder doch
wenigſtens zu erſchweren vermag.
2 Neeße / Die Hauptlehren des deutſchen Verfaſſungsrechts in graphiſcher Darſtellung
l. „Staat“ als Drelgllederung der politischen Einheit
Die Lehre Carl Schmitts ;
1. a) Das Einheitsgefüge des politifhen Gemeinweſens (mit -=
umrandet) wird gewöhnlich als „Staat“ bezeichnet. „Staat“ als Bezeichnung des
Einheitsgefüges iſt hier im weiteren Sinne zu verſtehen.
b) Dieſes Einheitsgefüge iſt in drei „Ordnungsreihen“ gegliedert, in Staat,
Bewegung, Volk (S, B, V), die unterſchieden, aber nicht getrennt, verbunden, aber
nicht verſchmolzen ſind. „Staat“ als Bezeichnung der einen Ordnungsreihe iſt hier
im engeren Sinne zu verſtehen.
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2. Die drei Ordnungsreihen find verſchieden geartet. Staat und Bewegung
ſind die beiden politiſchen Faktoren des Gemeinweſens (ſtarke Amrandung). Der
Staat, beſtehend aus Behörden- und Wehreinrichtungen (W, B), ijt die politiſch⸗—
ſtatiſche Macht, das Element der Stetigkeit (waagerechte Strichelung), die Bewegung,
beſtehend aus der NSDAP, ihren Gliederungen und angeſchloſſenen Verbänden, iſt
die politiſch-⸗dynamiſche Macht, das Element der Lebendigkeit und ſtändigen Erneue-
rung (horizontale Wellenlinien). Das Volk ijt die unpolitiſche Macht (ſchwache Am-
randung), der in Schutz und Schatten der politiſchen Mächte wachſende Bereich der
ſtändiſchen und gemeindlichen Selbſtverwaltung (StS, Gem SV).
3. Die Einheit wird gewährleiſtet:
a) durch den Führer, der in Artgleichheit mit ſeiner Gefolgſchaft unmittelbar
über Staat und Bewegung und Volk hoheitliche Gewalt ausübt ( >);
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Abbildung zu I
Neeße / Die Hauptlehren des deutſchen Verfaſſungsrechts in graphiſcher Darſtellung 3
b) durch die nationalſozialiſtiſche Bewegung, die ideell Staat und Volk trägt und
damit die beiden anderen Ordnungsreihen mit ihrem Weſen durchdringt; organi—
ſatoriſch Staat und Volk zu einer Einheit bindet durch ihre Mittlerſtellung (B iſt
zwiſchen S und V gezeichnet); die großen Zukunftsaufgaben weiſt und die Richtlinien
angibt, nach denen Staat und Volk zu arbeiten haben (B ift größer als S und W;
die den Führer (F) aus ſich heraus entftehen läßt und mit ihm in nächſter Ber-
bindung ſteht;
c) durch ein weitverzweigtes Syſtem von Perſonalunionen (CI):
Bip. (1): Stellvertreter des Führers zugleich Reichsminiſter ohne Geſchäfts—
bereich;
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Abbildung zu II
Zip. (2): Reichsernährungsminiſter, Reichgleiter der NSDAP, außerdem zu-
gleich Reichsbauernführer;
Bip. (3): Reichsorganiſationsleiter der NSDAP, zugleich Reichsleiter
der DA;
Bip. (4): Reichsſtatthalter, zugleich Gauleiter der NSDAP uſw.
Vgl. dazu Carl Schmitt: „Staat, Bewegung, Volk“. Hamburg 1934.
Il. Der deutsche Führerstaat
Die Lehre Koellreutters
1. Das deutſche Gemeinweſen wird am beſten mit dem Worte „Deutſcher
Führerſtaat“ bezeichnet (ſtark umrandet). Er faßt in fih das Volk (V), feine Spitze
bildet der Führer (F). „Staat“ iſt Bezeichnung des ganzen Gemeinweſens, nicht
eines Teiles.
4 Neeße | Die Hauptlehren des deutſchen Verfaſſungsrechts in graphiſcher Darſtellung
2. a) Der Führer bedient ſich dreier Mittel zur Durchſetzung ſeines Willens.
Die drei Mittel der politiſchen Führung ſind: die NS Partei (P), das Beamtentum
(B), die Wehrmacht (W).
b) Das Volk iſt der Argrund des Gemeinweſens. Der Führer iſt mit ihm
weſensgleich (gleiche Art der Strichelung), jedoch faßt er Weſen und Wert des Volkes
in ſtärkſter Zuſammenballung in ſich: er verkörpert als einzelner Menſch das ganze
Volk (verſchiedene Stärke der Strichelung).
c) Die drei Mittel der Führung find Träger der öffentlichen Verwaltung.
Sie ſind in der Art unterſchieden, aber einheitlich wirkt in ihnen der Wille des
Führers und die nationalſozialiſtiſche Idee. Sie ſind keine eigenſtändigen Weſen,
ſondern Werkzeuge in der Hand des Führers. (P, B, W find zum größten Teil
ohne Strichelung.)
3. a) Eine für die Einheit des deutſchen Führerſtaates beſonders wichtige
Stellung nimmt die Reichsregierung ein (RR), die unmittelbar unter dem Führer
ſteht und die Elemente der Partei (Zip. Stv. des Führers als Reichsmin. ohne
Geſch Ber.; Reichsführer des BNS als Reichsmin. ohne Gelder. uſw.), des
Beamtentums (Reichsinnenmin.; Reichsfinanzmin. uſw.), der Wehrmacht (Reichs
kriegsmin.; Reichsluftfahrtmin.) in ſich faßt.
b) Der Einheit dient weiterhin die völkiſche Führerſchicht, die ſich heute erſt
einmal in Partei, Beamtentum, Wehrmacht gebildet hat (FS) und in ſich wieder
durch vielfältige Perſonalunionen verbunden iſt (PU). Das Schwergewicht der
Führerſchicht als einer politiſchen Elite liegt in der Partei.
4. Alle herrſcherliche Gewalt geht vom Führer aus, in dem ſich das Volk ver-
körpert. Er übt ſie unmittelbar aus (ſtarke Pfeillinien) oder läßt ſie durch Männer
ſeines Vertrauens ausüben (ſchwache Pfeillinien), die aber ihre Macht erſt aus
der des Führers ableiten.
Vgl. dazu Koellreutter „Deutſches Verfaſſungsrecht“, 2. Aufl. 1936.
lll. Die deutsche Volksgemeinschaft
Die Lehre Höhns
1. Die deutſche Volksgemeinſchaft umfaßt den Bereich des Volkes (die Grenzen
find mit O kenntlich gemacht), den Bereich der Bewegung (die Grenzen find mit A
kenntlich gemacht), den Bereich des Führers (mit + kenntlich gemacht). Dieſe drei
Bereiche gehen vollſtändig ineinander über. Die jeweiligen inneren Abgrenzungen
Seige soe )ſind höchſtens organiſatoriſcher Natur.
2. Bewegung und Volk ſind echte Gemeinſchaften. Der Führer (F) iſt die Spitze
der Bewegung und des Volkes.
a) Führer, Bewegung und Volk ſind einheitlich geartet (gleiche Strichelung!.
Damit entfällt der Begriff des Antertanen.
b) Führer, Bewegung und Volk ſind Erſcheinungen der wirklichen Welt. Damit
entfällt eine bloße gedankliche Vorſtellung wie der Begriff der „juriſtiſchen Perſon“.
Neeße / Die Hauptlepren des deutſchen Verfaſſungsrechts in graphiſcher Darſtellung 5
3. Von der Gemeinſchaft unterſchieden iſt der Staat (ſtark umrandet). Der Staat
iſt keine ſelbſtändige Größe (in der Zeichnung dargeſtellt ohne Strichelung) und
völlig umgeben von dem Volke. Die Reichsregierung (mit RR bezeichnetes Rechteck)
gehört allein dem ſtaatlichen Bereiche an. Ein Reichsminiſter, der nicht zugleich
in der Bewegung führend iſt, iſt nur Leiter eines bürokratiſchen Reſſorts.
4. Zwei verſchiedene Formen der Herrſchaft werden im Führer zur Einheit
gebracht. Er befiehlt dem Apparate Staat ( ——> ) und er führt die Ge-
meinſchaften, Bewegung und Volk ( ------- >). In dem Staate wird nur befohlen,
in der Bewegung (dem Volke ebenfalls) wird nur geführt.
Vgl. dazu Höhn: „Die Wandlung im ſtaatsrechtlichen Denken“, Hamburg 1934.
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Abbildung zu III
iV. Der Bewegungsstaat
Die Lehre Hubers
1. Die politiſche Verfaſſung (die ſtarke Amrandung) faßt in fih das Volk —
hier Volk im weiteren Sinne „politiſches Volk“ (das ſtark Amrandete), die Volks
gemeinſchaft.
2. Die vier weſentlichen Verſaſſungseinrichtungen find:
a) Die Führung, die das geſamte Gemeinweſen zu betreuen und zu lenken hat
(der mit ſtarker Strichelung verſehene Teil). Zu unterſcheiden iſt der Führer (F)
und die Führerſchicht (FS).
b) Die Bewegung (B), die den politiſchen Willen des Volkes ausſtrahlt (die
Herrſchaftsordnung hat die gleiche Strichelung, wie die Bewegung). Sie ſteht
6 Neeße / Die Hauptlehren des deutſchen Verfaſſungsrechts in graphiſcher Darftellung
mitten in der Volksgemeinſchaft. Sie iſt eine Grundeinrichtung der Verfaſſung,
unterſteht daher nicht der Aufſicht eines ſtaatlichen Organs. Das Recht der Bewegung
iſt eigenes Recht. Da ſie dem geſamten Gemeinweſen das ihm eigentümliche
Gepräge gibt, heißt das „in Form gebrachte“ Volk „Bewegungsſtaat“.
c) Die Herrſchaftsordnung (HO) umfaßt alle hoheitlichen Kräfte, die im Gemein-
weſen wirken und Staatsaufgaben erfüllen. Sie ift in ſich gegliedert in Wehr⸗
ordnung (WO), Rechtspflege (RP) und Verwaltungsapparat (VA).
d) Die Volksordnung (VO) — „Volk“ hier im engeren Sinne „ſtändiſch geord-
netes Volk“ — iſt der Argrund, auf dem alle anderen Erſcheinungsformen innerhalb
der großen gegliederten Volksgemeinſchaft beruhen. Sie umfaßt das nicht hoheitlich
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Abbildung zu IV
geformte Volk (die Strichelung fehlt). Dieſe Volksordnung gliedert fih in Familie
(Fam), Kulturſtand (KSt), Wirtſchaftsſtand (WSt) und Gemeinde (Gem).
3. Die notwendige „Einheit von Partei und Staat“ (hier B und HO) wird
nicht durch gegenſeitige Aeberwachungs oder Befehlsrechte, ſondern durch andere
Mittel hergeſtellt, deren wichtigſtes techniſches Mittel das Syſtem der Perfonal-
und Realunion iſt (Klammern zwiſchen B und HO).
Vgl. dazu Huber: „Weſen und Inhalt der politiſchen Verfaſſung“, Hamburg 1935.
V. Das Gemeinwesen „Deutsches Reich“
Als eine weitere Deutung erſcheint:
1. Das Volkstum iſt der Argrund, aus dem das Volk und damit auch das
geſamte deutſche Gemeinweſen wächſt.
Meee / Die Hauptlehren des deutſchen Verſaſſungsrechts in graphiſcher Darftellung 7
Partei (P) und Staat (S) find die beiden Lebensformen des Volkes, die beiden
hoheitlichen Organiſationsformen im deutſchen Gemeinweſen. Die Partei umfaßt die
NSDAP mit all ihren Gliederungen und angeſchloſſenen Verbänden (und die ſtän⸗
diſche „Selbſtverwaltung“), der Staat umfaßt die Behörden- und Wehreinrich⸗
tungen (und die gemeindliche „Selbſtverwaltung“). „Staat“ iſt heute nur mehr ein
Teilbegriff, er dient nicht mehr zur Bezeichnung des geſamten Gemeinweſens.
2. Das Volk iſt vorhanden als „Selbſtzweck“, wie der Führer ſagt. Es hat
daher keine feſten ſachlichen Aufgaben. Die Partei gibt die großen Grundſätze an,
nach denen der Staat zu arbeiten hat, da ſie die Trägerin der Idee iſt, die auch im
Staate wirkt (gleiche Art, verſchiedene Stärke der Strichelung bei P und S). Der
Staat iſt frei innerhalb dieſer Grundſätze.
Trotz ihrer Verſchiedenheit bilden fle im — — —— — e.s =
höheren Sinne eine Einheit: fie find eines, N
aber nicht dasſelbe: d
a) in ihnen wirkt die gleiche Weltanſchauungz `
b) fie dienen beide dem Führer bei ber Füh⸗ \
rung des Volkes;
c) fie wachſen beide aus dem Volke unmittel-
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3. Die organifatorifhe Aebereinſtimmung w `
von Partei und Staat wird außerdem gewähr- ;
leiſtet durch
a) den „Alten⸗Kämpfer⸗Grundſatz“;
c) einzelne Anordnungen des Führers.
4. Der Führer (F) ift die unmittelbare Ber-
körperung des deutſchen Volkstums. Er voll⸗
ſtreckt in bewußter Tat den unbewußten Willen
des Volkes (ſtarker Pfeil), indem er ihn an
Partei und Staat weitergibt (ſchwache Pfeile).
5. Das Gemeinweſen „Deutſches Reich“ (— — — —) umfaßt das deutſche Volk
nicht ganz (Auslandsdeutſchtum!) Die Einheit von Volk und Staat wird von der
NSDAP verwirklicht. Dieſe Einheit von Volk und Staat wird als „Nation“
bezeichnet. Dieſes deutſche Wort Nation (vollendete Aebereinſtimmung von Volk
und Staat) iſt zu unterſcheiden von dem romaniſchen Worte nation (Identität von
Volk und Staat).
Wer nicht auf seinen Staat mit begeistertem Stolz schauen kann, dessen Seele
entbehrt eine der höchsten Empfindungen des Mannes. Treitschke.
8 Hinkel / Er gehört zu uns
Hans Hinkel: |
„Er sehört zu uns“
„Die deutſchen Künſtler grüßen in Adolf Hitler den Patron und
Schutzherrn ihres Schaffens. Er hält ſeine Hand über allem, was am
Weſen einer echten deutſchen Kunſt und Kultur tätig iſt. Die deutſchen
Künſtler fühlen ſich ſtolz und glücklich in dem Gefühl: er gehört zu
uns!“ (Der Präſident der Reichskulturkammer Dr. Goebbels am
15. November 1935 in der Berliner Philharmonie.)
Der nationalſozialiſtiſche Staat übernahm am 30. Januar 1933 ein ins bolſche⸗
wiſtiſche Chaos nahezu reſtlos verſinkendes Kunſt- und kulturelles Leben. Feigheit
und Verlumpung, Entfremdung und Zerſetzung, Mangel an Charakter und Haltung,
Verneinung aller Naturgeſetze des Blutes, liberaliſtiſche Inſtinktloſigkeit und
marxiſtiſcher Verrat — das alles warnende Tatſachen! Man ſchrieb und redete,
jammerte und greinte, zeterte und tobte über die allgemeine Kunſtkriſe Man
baſtelte und theoretiſierte, und man glaubte durch Mehrheitsbeſchlüſſe, papierne
Proteſte oder lebensſremde „Arzneien“ am ſchier unheilbar kranken Körper unſeres
kulturellen Lebens helfen zu können, oder man ſteckte wie der Vogel Strauß den
Kopf in den Sand und ließ ſich von den ſchlechteſten Rummelkonfektionären über
die Kataſtrophe hinwegtäuſchen! —
Heute nach knapp 3 Jahren praktiſcher Kulturpolitik im nationalſozialiſtiſchen
Staat können wir als Ergebnis der großen geleiſteten Arbeit das Folgende feft-
ſlellen:
Die kulturſchaffenden deutſchen Menſchen ſtehen wieder mitten in ihrem Volk,
das Volk ſteht in nationalſozialiſtiſcher Kameradſchaft und Opferbereitſchaft um ſie.
Wie kein Staat zuvor hat das nationalſozialiſtiſche Regime unter Adolf Hitlers
Führung ideell und materiell das geſamte Runft- und Kulturleben gereinigt, neu
aufgebaut und zur Arbeit für die Zukunft geſund und lebensfähig gemacht.
Während im Winter vor der nationalſozialiſtiſchen Machtübernahme in der
47⸗Millionen⸗Stadt Berlin kaum * Dutzend Theater ihren Spielbetrieb aufrecht
erhalten konnte — und auch dieſe Betriebe waren innerlich krank und ſtanden vor
dem Bankrott — wird heute in Berlin, wie im Reid, in jeder Großſtadt, wie
faſt überall auf dem flachen Lande qualitativ und quantitativ in bisher nie erlebter
Weiſe dem Theater gedient. Ueber die Hälfte der 1933 erwerbsloſen Bühnen-
tätigen ſtehen wieder im lebendigen Betrieb des deutſchen Theaters. Rieſige
nationalſozialiſtiſche Organiſationen wie die NS⸗Gemeinſchaft „Kraft durch Freude“,
die NS-Kulturgemeinde uſw. haben den deutſchen Theatern Millionen neuer, bisher
theaterfremder Beſuchermaſſen zugeführt. Eine ganze Anzahl von Theatern wurde
neu eröffnet, und bereits bei der Jahrestagung der Reichskulturkammer am
15. November 1935 konnte Reichsminiſter Dr. Goebbels öffentlich feſtſtellen, daß
zur Zeit in Deutſchland — nie zuvor konnte Erfreulicheres geſagt werden! —
181 ſtehende Theater, 26 Wanderbühnen, 21 Gaſtſpielunternehmen und 81 reiſende
Kleinbühnen in Tätigkeit ſeien und daß ſich die Theaterzuſchüſſe des Reiches allein
im vergangenen Etatjahr auf 12 Millionen RM. beliefen. Die Schaffung
Hinkel / Er gehört zu uns 9
einer Theaterakademie iſt in der Planung fertig, das Nach⸗
weisweſen entſprechend umgeſtaltet und die Altersverſorgung der Fachſchaft Bühne
auf eine neue Grundlage geführt. In Berlin und München und vielen anderen
Städten ſpielen die „Theater des Volkes“, dem Nachwuchs wird alle mögliche
Anterſtützung zuteil, Reichsfeſtſpiele und Reichstheaterwochen bilden alljährlich
große wegweiſende Fanfaren der neuen deutſchen Theaterbewegung.
Das Gebiet der Artiſtik, alfo der künſtleriſch tätigen Menſchen im Varieté,
Kabarett und ähnlichen Anterhaltungsſtätten, wurde grundlegend neu geſtaltet.
Eine einzige Organiſation, die Reichsfachſchaft Artiſtik, unter nationalſozialiſtiſch
bewährter Führung — Kämpfer von der Feldherrnhalle leiten dieſe Gruppe —
hat einen ungeheuren Aufſchwung genommen. Allein in der Reichshauptſtadt ſorgt
eine eigene Arbeitsbeſchaffungsſtelle für die jeweils engagementsloſen Künſtler. In
drei Jahren wurden durch dieſe Arbeitsbeſchaffungsſtelle 216 642 RM. Gagen aus-
gezahlt. Rund 950 000 Zuſchauer haben in den vergangenen drei Jahren dieſe
allwöchentlich ſtattfindenden Sonderveranſtaltungen der Arbeitsbeſchaffungsſtelle
beſucht; der Geſamtumſatz beträgt über 1 Million. Zoten und Perverſitäten ſind
von den deutſchen Kleinſtadtbühnen verſchwunden, und ein vernünftiger Prozent-
ſatz ausländiſcher Künſtler arbeitet gern und erfolgreich in Deutſchland. Die
Reichsfachſchaft Artiſtik genießt international größtes Anſehen. Ihre Mitglieder
wiſſen, daß nur in Deutſchland eine derartige einzigartige Organſation beſteht.
Für die bildenden Künſte hat der nationalſozialiſtiſche Staat wie kein Regime
zuvor alles eingeſetzt. Die Reichskammer der bildenden Künſte hat für Arbeits-
beſchaffung bei der Planung von Siedlungen jedweder Art, bei Wohnungsbauten
und den großen Bauten der Wehrmacht Vorbildliches geleiſtet. Allein im Jahre
1935 wurden 64 Wettbewerbe auf dem Gebiete der Baukunſt und zahlreiche Wett-
bewerbe allein für die Gartengeſtalter ausgeſchrieben. Amfangreiche Einzelaufträge
wurden erteilt und eine große Anzahl von Bildern und Plaſtiken aus Reihs-
mitteln angekauft. Ueber 1000 Künſtler konnten allein in dieſem Jahr die Gewäh⸗
tung von 2- bis Zwöchigen koſtenfreien Erholungsreiſen wahrnehmen. Eine Alters-
und Hinterbliebenenverſorgung iſt im Aufbau begriffen. Eines aber vor allem:
der künſtleriſche Wille des nationalſozialiſtiſchen Staates, ſeines Führers, offenbart
ſich aller Welt ſichtbar in den gigantiſchen Bauten am königlichen Platz in München
und bei der Neugeſtaltung des deutſchen Städtebildes. Da ſind unendlich viele
große Werke — man ſehe ſich nur in der Reichshauptſtadt um! — mitten in der
Arbeit. Dadaismus und Kopismus und all die übrigen Ismen gehören der
traurigen Vergangenheit an. Ein neuer deutſcher Geſtaltungswille hat ſich Bahn
gebrochen. Das nationalſozialiſtiſche Reich Adolf Hitlers gibt heute ſchon der
Zukunft in feinen Bau- und Denkmälern Kunde von der geſtaltenden Hand der
künſtleriſchen Perſönlichkeit ſeines Führers.
Das Preſſe- und Schrifttumsweſen ift geſäubert. Preſſekammer, Schriftleiter⸗
geſetz uſw. haben den deutſchen Preſſemann als vollgültigen Kulturſchaffenden in die
Front der Reichskulturkammer eingereiht. Max Amann, der Präfident der Reichs.
preſſekammer, einer der erſten Getreuen des Führers, hat hier ſich unendliches Ver.
10 Hinkel / Er gehört zu uns
dienſt erworben, und wenn der Präfident der Reichskulturkammer Dr. Goebbels
bereits Ende des vergangenen Jahres Kunde tun konnte, daß die Geſamtdruck⸗
auflage der deutſchen Zeitungen von 18,7 Millionen im erſten Quartal 1934 auf
über 19 Millionen im erſten Quartal 1935 geſtiegen iſt, dann illuſtrierten dieſe
Zahlen die bahnbrechende Arbeit auf dem Gebiet des deutſchen Preſſeweſens. Heute
dienen die Zeitung und ihre kulturſchaffenden Schriftleiter der deutſchen Nation und
ihrer Zukunft.
Das deutſche Muſikleben hat in den vergangenen Jahren nach einem völligen
Zerfall in der Syſtemzeit einen ungeheuren Aufſchwung genommen. Eine plan-
mäßige Arbeit für die Hausmuſik, die Volksmuſik, die Schulmuſik, für die Werke
der zeitgenöſſiſchen Komponiſten und die Geſtaltung von Bach-, Händel, Schütz ⸗
und Beethoven⸗Feiern haben die Welt aufhorchen laffen. Daneben hat die Reihs-
muſikkammer zahlloſe Stipendien an mittelloſe Muſikſtudierende vermittelt, dem
Nachwuchs alle Aufmerkſamkeit und Hilfe geſchenkt, und die Verbindungsarbeit mit
dem Auslande wurde erfolgreich durchgeführt. Die infolge der geſamten Kultur-
kriſe im Novemberſtaat und noch dazu durch die Mechaniſierung der Muſik einge⸗
tretene Arbeitsloſigkeit wurde mit allen Mitteln bekämpft und erfolgreich ver-
ringert. Allein im Jahre 1935 konnte der Präſident der Reichskulturkammer
Dr. Goebbels für Förderungszwecke der deutſchen Muſik über 600 000 RM. zur
Verfügung ſtellen.
Der deutſche Rundfunk — das ganze Volk nimmt heute teil an ſeiner Arbeit und
feinen Leiſtungen — hat ein neues Geſicht bekommen. Alles Zerſtörende und Ber-
ſetzende wurde ausgeſchaltet, der rieſige techniſche Apparat in den Dienſt des
Volkes geſtellt und die Hörerzahl wuchs feit der nationalſozialiſtiſchen Macht-
übernahme von 4,2 Millionen auf rund 7 Millionen. Gigantiſche Rundfunfaus-
ſtellungen mit allein 1888000 Beſuchern im Jahre 1935 beweiſen die Volkstüm⸗
lichkeit. Der Volksempfänger wurde geſchaffen und faſt jährlich um 1 Million
vermehrt. Ebenſo hat der Arbeitsfrontempfänger dem Rundfunk die Betriebe
geöffnet. |
Das Schrifttum, heute unter der Führung unferes alten verdienten Kameraden
Hanns Johſt, wurde geſäubert und auf ein geſundes Fundament geſtellt. Männer
wie Hans Friedrich Blunck, Menzel, Brockmeyer, Nierentz, Böhme, Bade uſw. haben
dem Volke neue große Werke geſchenkt. Die alljährlichen Staatspreisträger —
Richard Euringer, Eberhard Wolfgang Möller und Gerhard Schumann haben uns
bleibende Werke gegeben, und fanden — ſo wie die mit dem ſtaatlichen Filmpreis
ausgezeichneten Filmſchaffenden! — die dementſprechende Würdigung und Aner-
kennung. Das Filmweſen ſelbſt aber wurde in jeder Richtung neu geordnet und
dem nationalſozialiſtiſchen Wollen angeglichen. Von Jahr zu Jahr wurde das künſt⸗
leriſche Niveau gehoben, Leni Riefenſtahl ſchuf unvergeßliche Filmwerke von den
hiſtoriſchen Stunden in Nürnberg, der filmkünſtleriſche Nachwuchs wurde erfolg-
reich gepflegt, der Kulturfilm ſichergeſtellt, der Ausgleich der Filmberufsgruppen
herbeigeführt. Daneben wurden die Theatereintrittspreiſe neu geregelt, das Verbot
des Zwei-Schlager- Programms eingeführt und das Filmtheaterparkweſen ftabili-
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Rüdiger / Kunſt in der Volksgemeinſchaft 11
fiert. Anlautere und undeutſche Elemente find heute aus dem deutſchen Filmleben
ausgeſchaltet und die wirtſchaftlichen Grundlagen geſichert. Der filmiſche Geſchmack
der breiteſten Volkskreiſe wurde mehr und mehr geldutert, der Inſtinkt geſchärft.
Nach der Klärung der erſten zwei Jahre des nationalſozialiſtiſchen Staates und
den großen Aufräumungsarbeiten konnte der Präfident der Reichskulturkammer, fo
wie es bereits in dem Reichskulturkammergeſetz am 22. September 1933 vom Reichs.
kabinett beſchloſſen wurde, am 15. November des vergangenen Jahres den Reihs-
kulturſenat berufen. Hervorragende, um Volk und Kultur verdiente Perſönlich⸗
keiten wurden zu ſeinen Mitgliedern ernannt. Des Führers getreuer Mitarbeiter,
Dr. Goebbels, krönte damit die Arbeit der von ihm geſchaffenen großen Körper ⸗
ſchaft und gab allem künſtleriſchen Wachstum und allem Kulturſchaffen den Weg
offen in eine glückliche, verheißungsvolle Zukunft.
Nur in groben Amriſſen kann man die kulturellen Leiſtungen des national-
ſozialiſtiſchen Staates und der nationalſozialiſtiſchen Bewegung unter Wolf Hitlers
Führung an dieſer Stelle aufzeichnen. Erſt ſpätere Generationen werden dieſe
Leiſtungen in ihrer Größe und Grundſätzlichkeit voll zu würdigen wiſſen. Daß aber
das nationalſozialiſtiſche Regime auf der ſo entſcheidenden Ebene des kulturellen
Lebens all das vollbringen und beginnen konnte, das wurde nur durch die uns
immer wieder beglückende Tatſache ermöglicht, daß wir in unſerem Führer nicht nur
den Schöpfer unſerer großen deutſchen Freiheitsbewegung, nicht nur den größten
europäiſchen Staatsmann, nicht nur den Retter und Befreier unſeres Volkes und
nicht nur den Herzog aller Deutſchen erlebten, ſondern auch den erſten Künſtler
unſerer Nation. Sein Genius gibt allen für das ewige Deutſchland kulturſchaffenden
Volksgenoſſen den größten Impuls des Herzens und alle nur erdenkliche
Schaffensfreude.
Karlheinz Rudiger:
dont in der Holbsgemeimſchaft
Die Auffaſſung des Nationalſozialismus über die Bedeutung der Kunſt im Rahmen
der Volksgemeinſchaft ift oft herausgeſtellt worden. Die Vorausſetzungen und richtung.
weiſenden Grundſätze, die bei der Förderung und Beurteilung von Kunſtwerken gelten,
werden eine neue Kunſtgeſinnung ſchaffen, die nicht in abſtrakten Maßſtäben wertet, ſondern
danach fragt, ob die Geſtaltungskraft des Künſtlers erfüllt ift von den Kräften feiner
Raſſe und feines Blutes, ob, feine Leiſtung in der Lage ift, dem kulturellen Wollen unferer
Zeit Ausdruck zu verleihen und ob er dem Bedürfnis der deutſchen Seele nach Vorbild
und Richtmaß gerecht wird.
Doch iſt, wie auf jedem anderen Gebiet, das in dem heutigen geiſtigen Ringen neu
geformt wird, ſo auch auf dem Gebiete der Kunſt immer wieder feſtzuſtellen, daß eindeutig
erkannte Grundgedanken durch falſche Auslegungen verzerrt werden, die den Anſchauungen
des Nationalſozialismus nicht entſprechen, ja häufig ihnen entgegengeſetzt find. Auf dieſe
Weiſe verſuchen Menſchen einer uns fremden Geiſtesrichtung ſich wieder erneut in den
Vordergrund zu ſtellen und ſich den Anſchein einer gewiſſen Aktualität zu geben, der ihnen
nicht zuſteht und den wir entſchieden ablehnen müſſen. Dieſe Verſuche, nationalſozialiſtiſche
12 Rüdiger / Kunſt in der Volksgemeinſchaft
Begriffe mit fremden Gedanken zu verſchmelzen, find nur geeignet, Anklarheit und Ver-
wirrung anzuſtiften und können ſogar ſo weit führen, daß grundſätzliche Erkenntniſſe des
Nationalſozialismus nicht nur angezweifelt, ſondern ſogar für falſch erklärt werden. Mit
dieſen Methoden glaubt man ſich auf dem Amwege über das Gebiet des kulturellen
Schaffens eindeutig verlorene Stellungen des politiſchen Lebens wieder zurückzuerobern
und ſich ſomit entſcheidend in den geiſtigen Amgeſtaltungsprozeß einzuſchalten.
In der letzten Zeit wird oft verſucht, dem Begriff „Kunſtbolſchewismus“ eine neue
Auslegung zu geben. Man bezeichnet es als „reaktionär“ und den wirklichen Forderungen
des Tages nicht entſprechend, wenn durch eine zu häufige und unkontrollierbare Anwen-
dung des Begriffes „Kunſtbolſchewismus“ künſtleriſche Beſtrebungen abgetan werden, deren
Ringen um Ausdruck doch zumindeſt anerkannt werden müſſe. Wir können begreifen, daß
eine ganze Reihe jener Künſtler aus vergangener „ruhmreicher“ Epoche, getrieben von
ihrem ſchlechten Gewiſſen, ſich gern von dieſer belaſtenden Bezeichnung befreien möchten,
um auf Amwegen wieder die Berechtigung zu erhalten, in dem deutſchen Kunſtleben eine
maßgebliche Rolle zu ſpielen. Wir müſſen aber hierzu feſtſtellen, daß dieſe unangenehme
und hinderlich empfundene Begriffsſeſtlegung zu Recht beſteht, denn es gibt keine ab-
gegrenzten Gebiete des Politiſchen und des Kulturellen, da jede ſchöpferiſche Leiſtung eines
Menſchen zu allen Zeiten zugleich eine höchſte politiſche Leiſtung war. Wenn wir auf dem
politiſchen Gebiet unter dem Begriff „Bolſchewismus“ eine ganz beſtimmte volkszerſetzende
Anſchauung abgrenzen und bekämpfen, fo glauben wir, daß man die gleiche Anſchauung
im kulturellen Leben, die ſich z. B. als Atonalismus in der Muſik, als Dadaismus, Futu-
rismus in der bildenden Kunſt uſw. zerſetzend bemerkbar macht, genau fo velämpfen und
beim rechten Namen nenn. n muß.
Ans geht es nicht darum, Kunſtepochen abzugrenzen und ihre jeweiligen Stilfragen
zu erörtern, ſondern jener zerſetzenden Scheinkunſt von geſtern, deren Kräfte ſich hin und
wieder eifrig rühren, eine echte Kunſt als Ausdruck unſeres Geſtaltungswillens entgegen
zuſtellen. Das gemeinſeme Charakteriſtikum jener Zeit des künſtleriſchen Verfalls war
die Abkehr von einer allen Menſchen einer beſtimmten Raſſe gemeinſamen Anſchauung
von Natur und Welt. Impreſſionismus, Expreſſionismus und alle anderen Ismen haben
in ihren letzten Auswirkungen die Kunſt vom Boden einer normalen Naturanſchauung und
charakterlichen Sauberkeit entfernt. Arn deutlichſten erkennen wir das bei der Darſtellung
des Menſchen. Häßlichkeit, Annatürlichkeit und das Mißgebildete ſind Inhalt jener Kunſt,
Lebensunluſt und Lebensverneinung ihre Tendenz. Dieſer Auffaſſung ſtellen wir die
Lebensfreude und Lebensbejahung gegenüber und die Erweckung eines neuen Schönheits-
ideals, das den raſſiſchen Werten unſeres Volkes entſpricht. Nicht aus Gründen einer
abſtrakten und individualiſtiſchen Aeſthetik, die oft in eine haltungs⸗ und maßſtabloſe
Aeberbewertung ausartete, gehen wir heute an die Frage der Kunſt heran, ſondern aus
dem Verlangen, die Lebensgebundenheit eines Kunſtwerkes in feiner Beziehung und Gtel-
lung zur Volksgemeinſchaft zu unterſuchen. Die einſtmals entdeckten allgemeinen Geſetze
der Kunſt, äſthetiſche Stimmungen und verſchwommene Anſchauungen zur Begründung einer
die geſamte Menſchheit umfaſſenden Kunſtmeinung gingen faft immer an der einen Tat-
ſache vorbei, daß jedes Kunſtſchaffen an ein raſſiſches Schönheitsideal gebunden iſt und
an einen ſeeliſchen Höchſtwert, der dieſes Schönheitsideal trägt. Man wollte nicht erkennen,
daß Kunſtwerke auf Grund verſchiedener Raſſen zu begreifen feien und einen dieſen Naſſen
entſprechenden ſeeliſchen Inhalt ausdrücken, ſomit zu Kennzeichen einer beſtimmten einzigen
und artgebundenen Kultur werden. Wir wenden uns bewußt von einer übergeiſtigen
Kunſtbetrachtung ab und verſuchen nunmehr, eine neue poſitive lebensgeſetzliche Kunft-
anſchauung zu entwickeln. Das deutſche Volk hat ſich trotz mancher Vermiſchung eine vom
Rüdiger / Kunſt in der Volksgemeinſchaſt 13
nordiſchen Geiſt getragene Kultur als richtungweiſend durch alle Wirrniffe ſeiner Ge-
ſchichte bewahrt. Heute wird dieſe Kultur wieder in den Vordergrund des Lebenswillens
der Nation geſtellt und von allen Schlacken und Anſauberkeiten befreit Nach den Zeiten
des Verfalls ſoll der deutſche Menſch wieder von neuem zu den Schätzen der deutſchen
Seele geführt werden und aus ihnen Kraft und Stärke fiir, den Alltagskampf ge-
winnen. Dies iſt eine der großen Aufgaben, die es zu erfüllen gilt. So geſehen gehört die
Beſchäftigung mit der Kunſt mitten hinein in die Erziehung einer Generation; denn
dann hat fie nicht nur die Aufgabe, künſtleriſche Regungen zu wecken, ſondern ſoll jeden
emporreißen und innerlich erfaſſen, auch wenn ihm die Natur die Fähigkeit verſagt hat,
ſeeliſche Regungen künſtleriſch auszudrücken. Eine ſolche Kunſtbetrachtung führt zu den
Ewigkeitswerten des Lebens und geſtaltet aus dem Ringen unſerer Zeit ein religiöſes
Bekenntnis. Wenn unſer Kunſtſchaffen ſich dieſer großen Idee unterordnet, wird es wieder,
wie ſchon fo oft in der deutſchen Geſchichte, Ausdruck tiefſter Empfindungen unſerer Bolte-
ſeele ſein.
Es handelt ſich alſo gar nicht darum, zu unterſuchen, ob dieſes oder jenes Kunſtwerk
in kunſtphiloſophiſcher oder kunſtäſthetiſcher Hinſicht den geſtellten Anforderungen gerecht
wird, ſondern lediglich um die Feſtſtellung, ob das vom Künſtler geſchaffene Werk mit
unſerem Empfinden im Einklang ſteht oder ihm entgegengeſetzt ift. Der Nationalfosialis-
mus iſt die Grundlage, von der aus alle Werte unſeres Lebens neu zur Debatte geſtellt
werden und der fiber die Anerkennung oder Ablehnung einer ſchöpferiſchen Leiſtung ent⸗
ſcheidet, weil er nicht nur die Aufgabe hat, Gegenwärtiges zu ſormen, ſondern auch die
Verpflichtung übernommen hat, beſtimmend für die Zukunft unſeres Volkes zu ſein.
So wird jede Kunſtbetrachtung und künſtleriſche Leiſtung zu einer Frage der Haltung
und des Charakters. Die Entſcheidung aber über den Wert einer kunſtteriſchen Aeußerung
hängt davon ab, an welche ſeeliſchen Kräfte ein! Weltanſchauung ſich richtet. Wenn fie
an die Furcht des Menſchen appelliert, feine Seelenangſt und nöte ſteigert, ihm Höllen-
qualen prophezeit und das Leben als ein copes fündiges fleiſchliches Etwas darſtellt,
wird fie ein ausgeprägtes Minderwertigkeitsbewußtſein im Menſchen ſchaffen und Demut
und Selbſterniedrigung als erſtrebenswerte Tugenden lehren. Wenn fie aber im Gegen-
ſatz dazu den Stolz und das Ehrbewußtſein einer Raffe und eines Volkes aufruft, wird
fie Selbſtachtung und Stärke erziehen. Das Ringen um diefe beiden Wertſetzungen geht
durch die ganze deutſche Geſchichte und hat zu allen Zeiten den deutſchen Menſchen zu
größten Kraftanſtrengungen und Kämpfen geführt. Sklaviſche Selbſterniedrigung war das
Ergebnis der Züchtung des Minderwertigkeitsbewußtſeins, heldiſche Geſinnung folgte aus
der Erziehung zu Ehre und Stolz. Der Gang der Geſchichte hat bewieſen, daß letzten
Endes immer wieder die heldiſche Geſinnung ſich durchgeſetzt hat. Wir können auf die
Erhaltung unſeres völkiſchen Charakterwertes nicht verzichten, weil wir in ihm die Wurzel
der deutſchen Wiedergeburt und Vorausſetzung jeder völkiſchen Erneuerung ſehen. Gerade
auf dem Gebiete der Kunſt bietet ſich eine weitgehende Möglichkeit, heldiſche Geſinnung
durch große ſchöpferiſche Leiſtungen in vorbildlicher Weiſe zu geſtalten und höchſte ſeeliſche
Tatkraft mit immer neuen Mitteln in immer neuen Formen zu verkörpern. Mit dieſer
Ausrichtung zeigen wir aid gleichzeitig den Weg, den echtes künſtleriſches Schaffen gehen
muß, ſoll es wirklich der Volksgemeinſchaft dienen, um ſomit ſichtbarer Ausdruck einer
inneren Verbundenheit des Volkes zu werden. Die volksbil dende Funktion
der Kunſt, die nichts mit ſtilkritiſchen Richtungsproblemen zu
tun hat, ſondern kraftvoll, klar und ſelbſtverſtändlich dem Leben
verſchworen iſt und darauf ausgeht, die ewig gültigen Geſetze
14 Schwitzke / Das Kaiſerbuch von Paul Ernft
des Lebens zu ergründen und anklingen zu laſſen, haben jeder
künſtleriſchen Betätigung den großen Auftrag vor der Geſchichte
gegeben.
Ans iſt der griechiſche Menſch ſehr verwandt. Auch für ihn iſt das nordiſche Schön⸗
heitsideal maßgebend. Wenn wir aber die griechiſche Kunſt richtig werten wollen, müſſen
wir von unſerem Charakterbegriff als Maßſtab für künſtleriſches Schaffen abſehen und nur
die Leibesſchönheit als ausſchlaggebenden Faktor in den Mittelpunkt der Betrachtungen
ſtellen. Das griechiſche Schönheitsideal entſpricht einer beharrenden Seelenverſaſſung, die
Dë z. B. in der Plaſtik ausdrückt, die dem Willen unterworfen wurde, jedes Bewegliche
in Rube, in Cbenmaß, ſomit in klarſter Reinheit darzuſtellen. Die nordiſche Schönheit
als Form des Körpers in höchſter Vollendung zu zeigen, tft der Auftrag der griechiſchen
Kunſt. Am die Schönheit als Formung der Seele aber ringt der abendländiſche Menſch
und kommt ſomit zu einem von dynamiſchen Kräften getragenen Schaffen, das Ruhe nur
als Aebergangsform von Bewegung zu Bewegung kennt, die zutiefſt empfundenen Kunſt⸗
werke mit innerer Stoßkraft durchſetzt und über fic erhebt. Die Form an ſich ift kein
Problem mehr, den Stoff zu meiſtern, gilt als ſelbſtverſtändlich, aber aus dieſem Stoff
den neuen Inhalt zu formen, in ihn die tiefſten ſeeliſchen Regungen zu legen und durch
ihn die geiſtige Haltung und das Ringen feiner Zeit zum Ausdruck zu bringen, ift Höchfte
Aufgabe des künſtleriſchen Willens.
Wenn wir dieſe Gedankengänge auf die geiſtigen Kämpfe unſerer Zeit beziehen, ſo
müſſen wir als Grundforderung feſtſtellen, daß jedes künſtleriſche Schaffen nur von der
kulturellen Geſamtidee unſerer Weltanſchauung gewertet werden kann und nur aus ihr
ihre letzte ſittliche Berechtigung erhält. Es iſt unfinnig, eine künſtleriſche Erneuerung auf
rein äußerliche Maßnahmen zu begründen, die ſich allein auf das techniſche Sehen und
Können bezieht. Notwendig iſt, dem Menſchen unſerer Zeit wieder eine innere Schau⸗
kraft anzuerziehen, die dem einzelnen die Bedingtheit und Höchſtwerte ſeines Ichs zeigt,
getragen von der ihn befruchtenden und erfüllenden Gemeinſchaft. Es geht heute darum,
den Anſpruch eines künſtleriſchen Auftrags aus den Grundkräften unſeres Volkes Her-
zuleiten und denjenigen ſchöpferiſchen Menſchen zu fördern, der bereit iſt, dieſen Auftrag
zu erfüllen.
Heinz Schwitzke:
Das Kaiſerbuch von Haul Ernst
Das Kaiſerbuch von Paul Ernſt iſt im Zuſammenhang unſerer heutigen
Buchproduktion ſchon rein äußerlich eine ſehr auffällige Erſcheinung. Wenn man
in den letzten Jahrzehnten den Begriff „Dichter“ ausgeſprochen hat, dann hat die
große Menge der Menſchen zuerſt dabei an einen Mann gedacht, der ſeine Haupt-
aufgabe darin ſieht, Romane zu verfaſſen. Vor 50 Jahren, zur Hochblüte des
Naturalismus, hat man fih vielleicht nebenher noch an die Familien und Gefell-
ſchaftsſtücke erinnert; und noch ein wenig früher, in der Geibel-Seit, auch an eine
gewiſſe Stimmungslyrik. Aber immer hat es ſich dabei um Bücher gehandelt, die
der einzelne zu ſeiner Erbauung und Anterhaltung ſich vornahm; niemals um
Beiträge zu einem Gemeinſchaftserleben durch die Dichtung. Ja, beſtimmte Formen
der Dichtung, die vielleicht ſogar im Mittelpunkt des ganzen Komplexes „Dichtung“
Schwitzke / Das Kaiſerbuch von Paul Ernft 15
überhaupt ſtehen, hat man ganz vergeſſen und unberückfichtigt gelaſſen. Das kommt
natürlich daher, daß die Vorſtellung von dem, was Dichtung ſei, ſich immerwährend
ändert, ebenſo wie auch die Menſchen ſelbſt ſich ändern. In einer bedeutenden Zeit
wird dieſe Vorſtellung ſehr anſpruchsvoll ſein; und in einer Zeit, in der das Volk
ſeine Würde und ſeine Aufgabe vergißt, wird ſie nicht viel mehr umfaſſen, als das
Gebiet der oberflächlichſten mehr oder minder geiſtreichen Anterhaltung. And man
kann nicht verkennen, daß die Hauptzeit der Nomanproduktion an dieſer wenig groß-
artigen Auffaſſung von der Aufgabe der Dichtung krankte.
Nun nehmen wir das Kaiſerbuch von Paul Ernſt in die Hand. Es ſind drei
ſchön ausgeſtattete Bände, die im Verlag Albert Langen / Georg
Müller, München, erſchienen find. Der erſte Band befaßt ſich mit der Ge⸗
ſchichte der Sachſenkaiſer, der zweite bringt die Geſchichte der Frankenkaiſer und der
dritte ſoll die der Schwabenkaiſer darſtellen. Jeder Band enthält gut 700 Seiten, das
ſind zuſammen alſo weit über 2000 Seiten, und auf allen, von der erſten bis zur
letzten, ſtehen Verſe und Reime, Berfe und Reime viele Zehntauſende.
Was ift das nun alfo innerhalb unſerer Roman- und Buchproduktion über-
haupt für eine merkwürdige Erſcheinung? And wie können wir ſie einordnen?
In der erſten ſechsbändigen Ausgabe des Kaiſerbuches, die in einer kleinen
Auflage von den Freunden Paul Ernſts vor ungefähr zehn Jahren gedruckt worden
iſt, ſteht ein Aufſatz über das Epos, den der Verlag in der Neuausgabe weggelaſſen
hat. Er hat jetzt ſeinen beſſeren Platz unter den theoretiſchen Schriften Paul Ernſts,
in der ausgezeichneten Ausgabe des „Credo“, die Karl⸗Auguſt Kutzbach im gleichen
Verlag herausgegeben hat. In dieſem Aufſatz erzählt Paul Ernſt, daß man es in
Italien ſelbſt in kleinbäuerlichen und kleinbürgerlichen Häuſern noch heute erleben
kann, wie die ganze Familie ſich zur Feier eines Feſtes verſammelt, und wie dann
der Hausvater Dantes „Göttliche Komödie“ vom Bücherbord nimmt und allen
daraus vorlieſt. And wir wiſſen ja, daß ein ſolcher Vorgang nicht nur in Italien
möglich war, ſondern daß auch die Griechen ſich in ihrer großen Zeit um die Epen
Homers verfammelten, und daß der Inhalt der Odyſſee und der Ilias den gemein-
ſamen Kulturhorizont und damit den gemeinſamen ſittlichen und religiöſen Willen
einer ganzen Nation beſtimmte. Man kann ſogar ſagen, daß dieſe großen Epen die
Völker geradezu zu einer einheitlichen Nation gemacht haben, ſelbſt wenn ſie dieſe
Einheitlichkeit politiſch nicht erreichten. And daran erkennt man erſt die große Be⸗
deutung des dichteriſchen Erlebens, wenn es fähig iſt, das Erleben eines ganzen
Volkes zu werden.
Nun iſt es offenbar, daß wir in Deutſchland ein ſolches Epos nicht befitzen,
um das ſich die Nation gemeinſam zuſammenfinden könnte. Zwar haben wir
ja Epen, — und Goethe und andere große Dichter haben ſich in der Spätzeit der
Dichtung in dieſer Form auch bei uns verſucht. Aber im Grunde iſt doch der
Anterſchied zwiſchen dem „Reinecke Fuchs“ und „Hermann und Dorothea“ einer-
ſeits und dem italieniſchen und griechiſchen National-Cpos andererſeits auf den erſten
Blick klar. Was Goethe und was die Spätdichtung in Deutſchland geſchaffen
haben, das geht nicht weit über die beſchauliche, bürgerliche Idylle hinaus. And
16 Schwitzke / Das Kaiſerbuch von Paul Ernſt
wenn man hier etwa an die großen Epen der Vorzeit erinnert, an die „Edda“
und an das ,,Nibelungen-Lied”, fo muß man zwar feſtſtellen, daß diefe Dinge ſehr
weit und tief in unſer nationales Bewußtſein eingegangen ſind, und daß ſie unſer
Volk auch in einer ſehr bedeutenden Weiſe geiſtig und ſittlich geſtaltet haben. Aber
das „Nibelungen-Lied“ iſt den meiſten bei uns doch mehr aus Nacherzählungen
bekannt; denn im mittelhochdeutſchen Artext können es nur die wenigſten leſen.
And wenn fih keine Sleberfegung und keine Nachdichtung eigentlich durchgeſetzt hat,
ſo oſt ſie auch verſucht worden ſind, ſo beweiſt das eben klar, daß leider auch das
Nibelungen-Epos nicht das Buch fein kann, das die Aufgabe auch heute noch erfüllt,
die ein ſolches Epos erfüllen müßte. And bei der „Edda“ nun gar, die doch nur als
ein Torſo, als eine, wenn auch überwältigend großartige Ruine auf uns gekommen
iſt, iſt die Sache noch viel ſchwieriger. Wenn auch die Vorſtellungswelt, die dieſes
gewaltige Werk enthält, uns heute wieder wie kaum jemals zuvor beeindruckt, ſo
iſt doch eines klar, daß die „Edda“ erſt eigentlich neu gedichtet, neu geordnet und
neu geformt werden müßte, ſoll ſie wirklich wieder ein Volksbuch werden.
Alfo wir Deutſchen find bis heute leider nicht im Beſitz eines ſolchen National-
Epos. Aber das, was Paul Ernſt mit dem Kaiſerbuch vorhatte, war, uns ein
ſolches Epos doch endlich wieder zu ſchenken. Nun kann natürlich heute noch niemand
vorausſagen, ob es dieſe Aufgabe, die der Dichter ihm geſtellt hat, erfüllen wird.
Eine ſolche Vorausſage wäre mehr, als man von der Arteilsfähigkeit eines Menſchen
verlangen könnte. Das muß das Buch ſelbſt erweiſen. Aber eines iſt doch ſchon
jetzt ganz klar, allein durch die Aufgabe, die Paul Ernſt ſich geſetzt hat, — er
hat damit einen radikalen Bruch vollzogen zwiſchen ſeiner Dichtung, zwiſchen der
neuen Dichtung, die wirklich aus dem Erlebnis der Gemeinſchaft kommt, und der
bürgerlichen Idylle und der romanhaften, nur unterhaltenden Literatur. And allein
dieſe Tatſache, die Tatſache, daß er der Dichtung wieder eine ſo gewaltige natürliche
Aufgabe gegeben hat, allein der Anſpruch, den er damit ſtellt, bedeutet ohne Zweifel
den Anbruch einer neuen Kulturepoche, die ſich von der alten genau ſo radikal
unterſcheidet, wie die neue politiſche Epoche des Nationalſozialismus von der vor-
hergehenden. And allein die Tatſache, daß ein Dichter unſerer Tage ſich an dieſe
Pläne gewagt hat, muß ihn in unſeren Augen zu einem großen revolutionären
Manne machen und ſein Werk zu einer großen revolutionären Sache.
Wenn man das klarſtellt, erſcheint es nicht mehr verwunderlich, daß Paul
Ernſts Dichtungen zu ſeinen Lebzeiten nur eine fehr kleine Gemeinde fanden, und
daß er von der Kritik im ganzen ſtändig verſchwiegen und ſogar abgelehnt worden
ift. Er verlangt von ſeinen Leſern, daß ſie an ſein Werk nicht die Modemaßſtäbe
eines Tages journalismus anlegen, ſondern daß fie es meſſen mit den Maßen, mit
denen die höchſte Dichtung durch die Jahrtauſende hindurch gemeſſen werden muß.
Er ſelbſt ſtellt in ſeinem Kaiſerbuch Menſchen hin, die die Größe ſolcher Maßſtäbe
vertragen, und die nur zu begreifen find, wenn man fie nicht als pſpchologiſch⸗
bürgerliche Charaktergemälde verſteht. Darum hat er ſich zum Gegenſtand ſeiner
Darſtellung die deutſchen Kaiſer des Mittelalters auserſehen. Sie erreichen dieſe
mythiſche Monumentalität; aber nicht etwa als abſtrakte blutleere und denkmal⸗
Aquarelle
Erich Heckel: Dahlien
Ernst Hansen: Hof am Teich
g9unq - uue wapo A su}
F. Winckler: Boote am Strand
Schwitzke / Das Kaiſerbuch von Paul Ern ft 17
hafte Figuren, ſondern dadurch, daß ſie Ausdruck eines mächtigen Willens, einer
reinen und klaren Natur und einer tiefen Menſchlichkeit und Volklichkeit ſind, mit
‘einem Wort: Führernaturen, die einen Weltplan von rieſigen Ausmaßen auj-
geſtellt haben, für den ſie lebten und deſſen erſte Diener, Herolde und Kämpfer ſie
waren. Es war der Weltplan, der zuerſt aus ein paar ungefügten Stammesver⸗
bänden und Bauern in Deutſchland die Idee des Reiches hat wachſen laſſen.
And die Gadjen-, Franken. und Schwabenkaiſer haben diefe Idee gegenüber einer
Welt von Feinden, der ſie oft ganz allein entgegentraten, bis in ihre letzten Konſe⸗
quenzen durchgekämpft und durchgeſtanden und ſind niemals dabei zur Ruhe und
ganz zur Vollendung gekommen. Aber jo ſchreibt Paul Ernſt, „nur wenn die not-
wendigen Kämpfe wirklich ausgekämpft werden, werden die Menſchen frei; ſie ſind
um ſo freier, je mehr notwendige Kämpfe ſie ehrlich auskämpfen; und jeder Verſuch,
ſolche Kämpfe zu verhüten, erzeugt ſittliche Verderbnis“.
Die großen Führernaturen des deutſchen Mittelalters ſind keinem not⸗
wendigen Kampfe aus dem Wege gegangen, wenn ihnen auch in der Auf-
richtung ihres Reiches noch nicht die letzte und endgültige Ausprägung des
politiſchen Formwillens ihres Volkes gelungen ift. Wir wiſſen, daß fie ſchließ⸗
lich ihren großen Weltplan nicht für alle Zeit durchſetzen konnten, und daß
dieſes gewaltige Reich wieder auseinanderfiel; ja, daß gerade wir Deutſchen viel
länger haben warten müſſen, endlich das verwirklicht zu ſehen, was die anderen
längſt beſaßen. Aber ſo ſagt Paul Ernſt 1921, „wir müſſen nicht Schuld und Fehler
ſuchen wollen, wie die Menſchen ja ſo leicht tun“. Wer Geſchichte verſtehen will, der
ſoll nicht ſchulmeiſtern und ſich einbilden, daß er in ſeiner Studierſtube es beffer
gemacht hätte als der König auf ſeinem Thron. Wir haben in jenen Jahrhunderten
eine Reihe großer Männer gehabt, wie fie ſelten ein Volk hatte; dieſe Jahrhunderte
ſtellen ein natürliches geſchichtliches Geſchehen dar, das ſelten ſo klar und ruhig
ablief, ſelten ſo bedeutende und edle Männer zu Trägern hatte. Wir wollen
die philiſterhafte Wiſſenſchaftlichkeit unſerer Zeit ver-
geffen, die nicht werten will und doch immer Spießer maß
ſläbe anlegt: wir wollen den urbildlichen geſchichtlichen
Verlauf zu verſtehen ſuchen, uns in die großen und reichen
Geſtalten der Kaiſer hineinleben und ſtolz darauf ſein, daß wir
der Welt ihre Bilder ſchenken durften — als ein Verſprechen für künftige Zeiten.
And gerade die Tatſache, daß in jenen großen hiſtoriſchen Vorgängen ein „Ver-
ſprechen für künftige Zeiten“ liegt, hat Paul Ernſt veranlaßt, ſeinem Volk dieſes
Spiegelbild ſeiner ſelbſt vorzuhalten; gerade das iſt es, was dieſes Epos zu dem
Nationaleigentum des Volkes machen ſoll, wie wir zuerſt ſagten.
And darin liegt der eigentliche Sinn des Kaiſerbuchs: Nicht zu erzählen von
einer Epoche der Erfüllung der Träume, ſondern von einer Zeit, die zwar Erfüllung
mit allen Faſern ihres Herzens erſehnt hat, aber fie nicht erreichte, und die deshalb
eine heilige Verpflichtung und ein heiliges Vermächtnis für uns hinterließ. Vielen
Völkern iſt lange vor uns mühelos in den Schoß gefallen, was unſere Väter mühſelig,
aber vergeblich zu erkämpfen ſuchten. Dieſe Völker ſind aber auch viel eher in
18 Geier / Der Straſvollzug an Jugendlichen
Gefahr gekommen, fatt und alt zu werden auf ihrem unbeſtrittenen Beſitz. Wir find
ein junges Volk, und Paul Ernſt ſprach in ſeinem Vorwort zum Kaiſerbuch im
Jahre 1921 immer wieder prophetiſch davon, daß die Erfüllung nun auch für uns ſich
bald nähern werde. „Anſere Zeit“, ſagt er, „war noch nicht, ſie wird erſt noch
kommen.“
Erwin Geier:
Der Strafvollzugs an Susendlichen
Das ſtaatliche Hoheitsrecht, zu ſtrafen, tritt in der Androhung der Strafe, in
der Verhängung der Strafe und im Strafvollzug in Erſcheinung. Allen drei Er-
ſcheinungsformen muß der gleiche Sinn unterlegt und die gleiche Zweckrichtung ge-
geben werden. Angedrohte Strafe, erkannte Strafe und Vollzug der erkannten
Strafe müſſen ihrem Weſen nach gleich ſein.
Die Darſtellung des Strafvollzugs hat ſich infolgedeſſen am Weſen, Sinn und
Zweck der Strafe zu orientieren. Die Strafe dient dem Schutze und der
Sicherung des Volkes. Mit der Strafe antwortet der Staat als der Hüter des
Rechtsfriedens auf das ſtrafwürdige Verhalten des Rechtsbrechers. Vergeltung
als Zufügung eines Hebels für ſchuldhafte Tat, Sühne des Täters für den durch
ſeine Straftat begangenen Treubruch an der Volksgemeinſchaft: das iſt der Sinn
der Strafe. Dabei ift zu beachten, daß Vergeltung und Sühne nur zwei ver-
ſchiedene Beſtimmungen für denſelben Begriff ſind, einmal vom Standpunkt des
Staates und einmal vom Standpunkt des Verbrechers aus geſehen.
Aber nicht nur Vergeltung, ſondern auch Abſchreckung iſt Zweck der Strafe.
Sie fol den Täter von der Begehung neuer Straftaten abhalten (Spezial ⸗Prä⸗
vention) und gleichzeitig die Volksgenoſſen, die zu Rechtsverletzungen neigen, auf
die Folgen eines Bruches des Rechtsfriedens hinweiſen (General-⸗ Prävention).
Ferner fol die Strafe den Gutgeſinnten als ſeeliſche Stütze zu weiterem pflicht.
treuen Verhalten dienen. Einer beſonderen Betrachtung bedarf jedoch die Frage,
inwieweit im Strafvollzug Erziehungsmotive Berückſichtigung finden können. Von
vornherein darf darauf hingewieſen werden, daß febr viele Rechtsbrecher keine Er.
ziehung brauchen, z. B. Täter im Affekt, aus Fahrläſſigkeit uſw., daß wiederum
andere keine Erziehung wollen, wie z. B. die Berufsverbrecher.
Geſchichtlich geſehen beruht das Vordringen des Erziehungsgedankens in den
letzten eineinhalb Jahrzehnten auf der naturwiſſenſchaftlichen Verbrechenserforſchung,
deren Lehren am beiten durch den Namen Lombroſo gekennzeichnet wird. Im Gier,
brechen ſah man nicht allein eine juriſtiſche, ſondern daneben auch eine biologiſche und
ſoziologiſche Erſcheinung. Das Verbrechen galt als ein Produkt von Anlage und
Amwelt des Täters. Nicht er, ſondern die Natur und die Mangelhaftigkeit der
Geſellſchaftsordnung waren für ſeine Tat verantwortlich. Damit verſchob ſich das
Schwergewicht von der Tat auf den Täter. Weder Vergeltung noch Abſchreckung,
— . — ale — p- ee a. eis: Ate ] 2
Geier / Der Strafvollzug an Jugendlichen 19
ſondern Verbrechensbekämpfung durch Erziehung erſchien als Aufgabe des Straf-
rechts. Wenn dieſe Idee aber richtig geweſen wäre, hätten die Bemühungen um
die Erziehung und Beſſerung der Gefangenen Erfolge fihtbar werden laſſen müſſen.
Das Bild, das uns aus der Reichskriminalſtatiſtik entgegentritt, ift aber alles andere
als ein Beleg für den Erfolg des Strafvollzuges der Vergangenheit.
Anſere Tabelle enthält die Zahlen der jugendlichen Verurteilten und des An-
teils der Vorbeſtraften daran für die Jahre 1925/31. Deutlich erkennen wir hier
die im allgemeinen ſteigende Tendenz.
Jahre Insgeſamt verurteilte Jugendliche Vorbeſtraft
1925 24 771 2 989
1926 24 066 2 357
1927 24 119 2 178
1928 27 104 2 684
1929 25 678 2 788
1980 26 409 2 996
1981 22 844 2 639
1932 21 529 2 886
1933 15 958 2 106
Man überſah jedoch, daß nur die wenigſten Gefangenen die Strafe als ver-
diente Maßnahme hinnahmen und während des Vollzuges durch Selbſtbeſtimmung
den feſten Vorſatz faßten, ſich künftig ſtraffrei zu verhalten. Das konnten ſie auch
gar nicht, weil es ihnen an der Einſicht in perſönliche Schuld, an der Notwendig-
keit der eigenen Verantwortung mangelte. Gerade den jugendlichen Kriminellen
fehlte dieſes Bewußtſein, ihre Tat zu ſühnen. Sie ſahen in der Strafe vielmehr
ein neues Anrecht, das ihnen der Staat aufbürdete. And ihre Auffaſſung fand in
der Art des Strafvollzuges ihre Beſtätigung. Denn der Strafvollzug war ſo
angenehm geſtaltet, daß der Jugendliche durch ihn nicht ſelten im Vergleich zu ſeinen
häuslichen Verhältniſſen beſſere materielle Daſeinsbedingungen erhielt. Hieraus
mußte er zwangsläufig feine perſönliche Verantwortungslofigkeit folgern und immer
mehr an die Schuld des Staates glauben.
Dieſer Entwicklung gebot der Nationalſozialismus Einhalt, indem er nicht
mehr die Einzelperſonen in den Mittelpunkt des Denkens ſtellte, ſondern die Nation,
das Volk. Der Strafvollzug ſollte zu einer wirkſamen Waffe werden im Kampf
gegen Schädlinge der Gemeinſchaft. Denn der Verbrecher iſt kein ſchlecht erzogenes
Kind, das man ohne weiteres mit einer pädagogiſchen Erziehung beſſern kann.
Wir müffen uns vor Augen halten, daß bei ihm alle bisherigen Verſuche der Ein-
wirkung durch Elternhaus, Hitler-Jugend, Schule und Kirche, durch Geſetz und Recht
nichts gefruchtet haben. Während im § 48 der Vollzugsgrundſätze von 1923 entſprechend
der Milieu ⸗Theorie Erziehung und Beſſerung des Gefangenen als die Aufgabe des
Strafvollzugs galt, ſtellt die neue Faſſung nunmehr den Gedanken der Sühne und
den der Abſchreckung in den Vordergrund, ohne allerdings für die Erziehbaren den
20 Geier / Der Strafvollzug an Jugendlichen
Erziehungsgedanken zu verwerfen. Es heißt dort: „Durch die Verbüßung der
Freiheitsſtrafe fol der Gefangene das begangene Anrecht ſühnen. Die Freiheits-
entziehung iff fo zu geftalten, daß fie für die Gefangenen ein ſchlimmes Mebel ift
und auch bei denen, die einer inneren Erziehung nicht zugänglich find, nachhaltige
Hemmungen gegenüber der Verſuchung, neue ſtrafbare Handlungen zu begehen,
erzeugt.“
Sinn des Strafvollguges iſt alſo die gerechte Vergeltung des Rechtsbruches.
Zugleich foll der Strafvollzug, von dem warnenden Einfluß auf Dritte abgeſehen,
den Gefangenen von der Begehung weiterer Straftaten abhalten. Dabei ſoll das
Straſübel nicht nur der Abſchreckung dienen, ſondern zu einem Mittel ſtaatlicher
Erziehung geſtaltet werden.
Wir haben uns nunmehr die Frage vorzulegen, ob und inwieweit der Vollzug
der Freiheitsſtrafe gegen Jugendliche ſeinem Weſen und ſeinem Inhalt nach
anders zu geſtalten iſt als der Strafvollzug gegen Erwachſene. Dieſe Frage iſt
grundſätzlich zu verneinen, weil heute jeder einzelne für fein Tun die alleinige Ber:
antwortung trägt und ſie nicht auf ſeine Amwelt abwälzen kann. Gerade unſere
Jugend wird heute dazu erzogen, daß ſie fähig und imſtande iſt, Verantwortung
zu tragen. Denn auch in der Hitler-Jugend gilt der fundamentale Grundſatz:
Autorität jedes Führers nach unten, Verantwortlichkeit nach oben. Dieſes Bewußt⸗
ſein der Verantwortlichkeit wird bedingt durch die Selbſtführung und Selbſt⸗
erziehung der Jugend, es wird gefördert durch den Kameradſchaftsgeiſt und durch
die Diſziplin.
Bei dem Strafvollzug an jungen Gefangenen iſt daher von der Erwägung
auszugehen, daß der junge Rechtsbrecher, dem das Gericht eine Freiheitsſtrafe
zuerkannt hat, die vollzogen werden ſoll, büßen und das begangene Anrecht ſühnen
muß, ebenſo wie der erwachſene Verbrecher, daß ihm aber ſeiner Zukunft wegen
eine beſondere erzieheriſche Aufmerkſamkeit während der Bußezeit zuzuwenden iſt.
Als Mittel der Erziehung werden dieſelben wie im Erwachſenenſtrafrecht bereit-
auftellen fein, man wird fie aber der Verwendung im Jugendſtrafvollzug anzupaſſen
haben. Auch wird man verwaltungstechniſche Einrichtungen treffen, die der Eigen-
art des Jugendlichen, ſeiner Bildſamkeit und Strafempfindlichkeit Rechnung tragen.
Auf den erſten Blick mag dieſer Gedanke vielleicht befremdend wirken, da wir
gewohnt ſind, dem Jugendlichen im allgemeinen eine Sonderbehandlung zuteil
werden zu laſſen. Wir müſſen uns aber vergegenwärtigen, daß nur ein geringer
Prozentſatz der ſtraffällig gewordenen Jugendlichen mit den Gefängniſſen in
Berührung kommt. Denn ſolange eine Beſſerung durch Erziehungsmaßnahmen
erzielt werden kann, wird der Richter auf die Verhängung von Freiheitsſtrafen,
zumindeſtens von ihrer Vollſtreckung abſehen. In ganz Preußen befanden ſich
1931/32 im Tagesdurchſchnitt 200,52 männliche und 0,76 weibliche 14 bis 18 Jahre
alte Jugendliche im Gefängnis, 1932/33 waren es 185,65 männliche und 0,83 weib-
liche. Die Geſamtzahl der jetzt in den Anſtalten der Juſtizverwaltung des Reiches
einfigenden jugendlichen Gefangenen dürfte etwa 300 bis 400 betragen. Auch in
Schorer / Frankreich unter dem 100. Kabinett feiner dritten Nepublik 21
Zukunft wird kaum eine beachtliche Aenderung eintreten, da im Jahre 1932, dem
Jahre der größten Arbeitslofigkeit, dei einer 11,1 Prozent geſtiegenen allgemeinen
Kriminalitätsziffer die Zahl der ſtraffällig gewordenen Jugendlichen ſich um
5,8 Prozent ſenkte.
Der äußere Rahmen des Jugendſtrafvollzuges iſt damit gekennzeichnet. Es
bleibt übrig, über den Vollzugsinhalt das für den jugendlichen Gefangenen We-
ſentliche aufzuzeigen. Das iſt die Erziehung zum Staat, zur Achtung vor ſeinen
Geſetzen. Der Jugendliche muß erkennen, warum auf die Straftat das Strafübel
folgen muß. Die Begrifſe Familie und Heimat, Blut und Boden, Treue und |
Ehre ſollen ihm näher gebracht werden, damit er das Verwerfliche ſeiner Tat ein⸗
ſieht, die Laſten und Entbehrungen anerkennt und von innen heraus den Entſchluß
faßt, künftig durch vorbildliches Verhalten die Achtung feiner Kameraden wieder-
zugewinnen. Durch Beſchäftigung vornehmlich in Lehrwerkſtätten fol der Jugend-
liche einem Beruf zugeſührt werden, damit er ſpäter durch ehrliche Arbeit ſein Brot
verdienen kann, und damit er erkennt, daß Arbeit Dienſt am Volke iſt.
Irgendwelche Methoden der Erziehung laſſen ſich geſetzlich im einzelnen nicht
feftlegen. Sie find zeitgebunden und erhalten ihre Prägung durch das Erziehungs-
ziel, das ſich aus der Staatsauffaſſung ergibt. In Form und Inhalt vorbildlich
ſagt hierzu die preußiſche Dienſt⸗ und Vollzugsordnung:
„Ziel der Erziehung muß ſein der pflichttreue, ordentliche, charakterlich ſaubere
Menſch und der ſich in den Staat bewußt einordnende Volksgenoſſe.
Die ſeeliſche Bildſamkeit junger Menſchen muß für den Lehrer Anſporn ſein,
den jungen Gefangenen echte und tragende Lebenswerte zu vermitteln und fie für
Volk und Staat zu gewinnen.“
Friedrich Schorer, Paris:
Srankreich unter dem 100. Kabinett
feiner dritten Nepublie
Der außerordentliche Wahlſieg der Front populaire hat mit der Vernichtung der
Mittelgruppen des Parlaments und der Radikaliſierung der Linken das normale Bild des
Parlaments über den Haufen geworfen. Seit Inſtallierung der dritten Republik haben
die Rechts- und Linksgruppen nie eine erhebliche Veränderung erfahren. Das neue Cr-
gebnis iſt geeignet, Bewegung in das politiſche Bewußtſein Frankreichs zu bringen.
Zwei ſymboliſche Ereigniſſe leiteten die neue Epoche ein. Der Januar brachte das
100. Kabinett der A Republik zus Ruder; ein Kabinett, das charakteriſiert wurde durch die
Teilnahme von zwei „Konſulariſchen“ Familien der Republik, dem Miniſterpräſidenten
Sarraut und dem Außenminiſter Flandin. Es war alſo ein durchaus dem Geiſt der
dritten Republik entſprechendes Kabinett. Es war nach der Ausbootung Lavals aus-
22 Schorer / Frankreich unter dem 100. Kabinett feiner dritten Republit
drücklich auf eine englandfreundliche Politik feſtgelegt, eine Tatſache, die ihm zumindeſtens
bei der Rechten weitgehend Antipathie eintrug. Man macht ſich im allgemeinen keinen
Begriff von dem ſchon beinahe anglophoben Geiſt weiteſter Kreiſe Frankreichs, der im
Herbſt ſo weit ging, daß ein weitverbreitetes Blatt anläßlich des Höhepunktes der
Spannung mit England in einigen großen Artikeln ernſtlich die Frage ſtellen konnte:
„Faut-il reduire Angleterre en esclavage?“ (Muß England in Sklaverei geführt werden?).
Anter dieſer magiſchen Zahl, der Nummer Hundert der Kabinette der dritten
Republik, ereignen fih zwei Dinge, die ebenſo ſymbolkräftigen Wert haben, wie dieſe
Zahl ſelber. Zuerſt der Tod Jacques Bainvilles, Mitglied der Akademie, einer der beften
Köpfe des geiſtigen Frankreichs und führendes Mitglied der Action francatfe. Mit ihm
verlor die Action francaiſe, die wichtigſte geiſtige Gegenbewegung zur dritten Republik,
einen ihrer glänzendſten Vertreter, wohl den beſten Mann, den ſie neben Charles Maurras
aufzuweiſen hatte, und Maurras ift heute Thon alt. Man muß Jacques Bainwille gelefen
haben, wenn man Frankreich etwas tiefer verſtehen will. Ein Meiſterwerk allein feine
„Hiſtoire de la France“. Die ganze akademiſche Jugend der Kriegs- und Nachkriegsjahre
iſt durch die Schule der Action francaiſe gegangen, und der Degen der Akademie wurde
Bainville von der Studentenſchaft geſchenkt, die eine Summe innerhalb meee Mitglieder
geſammelt hatte.
Wenn die Action francaiſe auch heute zu einer gewiſſen Sterilität verurteilt iſt, iſt
ſie doch in der Zeit nach 1900 eine der lebendigſten Kräfte Frankreichs geweſen. Sie und
in erſter Linie Bainville find es geweſen, die eine gewiſſe Revifion der Geſchichtsauffaſſung
eingeleitet und vorwärtsgetrieben haben. Die franzöfiſche Geſchichte fängt für die Franzoſen
nun nicht mehr erft bei der franzöſiſchen Revolution an, fondern die große Tradition Frant-
reichs liegt bei den Königen, die Frankreich geſchaffen haben, nicht bei der Revolution,
die nicht imftande war, eine neue Staatskonſtruktion auszuführen. Hierin, dies eindring-
lich gezeigt zu haben, liegt das hiſtoriſche Verdienſt der Action francaiſe.
Das andere, ebenſo ſymbolkräftige Ereignis ift das Verbot der Action francaiſe unter
demſelben Miniſterium. Bei dem feierlichen Leichenbegängnis Bainvilles wurde der Wagen
Leon Blums, des Führers der ſozialiſtiſchen Partei, der am Zuge vorbeifahren wollte,
von Camelots du roy angehalten und Blum erheblich verprügelt. Das hatte das Verdot
der Action francaiſe und die Anklage und Verurteilung des greifen Maurras wegen Auf-
reizung zum Mord zur Folge. Mit dieſem Tode und dieſem Verbot geht eine Epoche
der Republik zu Ende.
Je länger man in Frankreich lebt und feine Geſchichte ſtudiert, wird einem die Tat-
ſache bewußt, daß Frankreich ſeine Republik inſtalliert hat in das Haus, das ihm die
Könige gebaut haben, und daß dieſe Republik ſich wie ein Kleinbürger in einem großen
und ſchönen Palais inſtalliert hat, wie der Schriftſteller Giraudoux neulich einmal ſchrieb.
Die Revolution hinterließ mehr oder weniger ein Vakuum, das auszufüllen Napoleon alle
Kräfte einſetzte. Nach ihm ift alles Reſtauration und Kompromiß. Reftaurationen jakobini⸗
ſcher und Reſtaurationen monarchiſcher Prägung oder wie die dritte Republik eine Aus-
balancierung beider Elemente. Nicht nur in der Innenpolitik, nein, auch in der Außen⸗
politik finden wir immer wieder die Tendenzen dieſer beiden politiſchen Konzeptionen Frant-
reichs wieder. Der Weltkrieg und fein franzöſiſcher Meiſter Clemenceau zeigen die Züge
der jakobiniſchen Revolutionskriege, und der Chauvinismus ift eine jakobiniſche An-
gelegenheit. Wir dürfen nicht vergeſſen, daß die eigentlichen Jakobiner um die Sabr-
hundertwende gegen Kolonialpolitik waren, um die Kräfte nicht vom Weſten ablenken
zu laſſen.
Schorer / Frankreich unter dem 100. Kabinett feiner dritten Nepublik 23
Aber auch die Action francaiſe und weite von ihr mittelbar beeinflußte Kreiſe haben
der Gefahr einer Vermiſchung ihrer ropaliſtiſchen Aufaſſung mit der jakobiniſchen nicht
entgehen können. Die Entſtehung der Action francaiſe ift ſchon typiſch für dieſen Ver-
miſchungsprozeß. Denn ſie wurde in der Zeit des Boulangismus geboren und hat von
dieſer Zeit her auch den jakobiniſchen Chauvinismus übernommen, der feinen Haupt-
ſtempel von dem finnlojen Mißtrauen und Haß gegen Deutſchland erhalten hat.
Damit gepaart iſt dieſe im Grunde völlig falſche Konzeption der Latinität als dem
urſprünglichen und reinen Weſenszug Frankreichs, die den doch weſentlichen germaniſchen
Anteil an der franzöfiſchen Staatsentwicklung und dem franzöſiſchen Charakter abſolut
bagatellifiert und verwirft. Daraus ergibt ſich auch die manchmal ein mitleidiges Lächeln
abfordernde Unfähigkeit, ein neues Verhältnis zu dem einigen und großen Block Deutſch⸗
land zu finden. Die Politik der Action francaiſe beſteht darin, den amtlichen franzöfiichen
Politikern ſeit der Revolution vorzuwerfen, den Zuſtand des Deutſchland von 1648, das
durch die weſtfäliſchen Verträge zu einer „Poussière d'états“, zu einem Sandhaufen
von Staaten umgewandelt wurde, entweder nicht aufrechterhalten oder nicht wieder er⸗
neuert zu haben. Je mehr ſich die franzöſiſche Jugend freimacht von den Schatten des
alten Jakobinertums und ſich abſchließt von der alten Geſellſchaft, die noch aufwuchs unter
dem Schatten von 1870, mußte auch der Einfluß der Action francaiſe finfen; und er ift
auch tatſächlich ſeit zwei Jahren ganz erheblich zurückgegangen.
Doch auch die von Jacques Bainville fo gut analyſierte dritte Republik geht einer
heftigen Kriſe entgegen. Es wird oft vergeffen, daß dieje Republik von den Ropyaliſten
als proviſoriſche Verfaſſung konſtruiert wurde und daß die fiebenjährige Periode des
Dräfidenten der Republik als fiebenjährige Statthalterſchaft für den nach ſieben Jahren
zu erwartenden König gedacht war. Die Tatſache, daß ſie von Monarchiſten geſchaffen
wurde, iſt wohl auch der weſentlichſte Grund dafür, daß ſie eine nunmehr ſchon 65jährige
Dauer aufzuweiſen hat. Das ſcheint paradox, iſt aber doch richtig; denn alle ſie ſtabili⸗
fierenden und konſervierenden Elemente find gegen den Willen der eigentlichen jakobini⸗
ſchen Elemente eingeführt worden. Aber dieſe Tatſache wird wohl auch beſtimmend für
das Schickſal dieſer Republik ſein. Ihr Schickſal iſt eng verknüpft mit dem der geiſtigen
Nachfahren ihrer Schöpfer, der RNoyaliſten orleaniſtiſcher Obſervanz, der Action francaife.
Wir ſehen im allgemeinen, wenn wir das Regierungsſyſtem jenſeits der Grenze be⸗
trachten, nur ein aufgeregtes Parlament, alle Augenblicke wechſelnde Kabinette, und wun⸗
dern uns dann immer darüber, daß ſich das Syſtem ſo gut hält; wir kennen aber nicht
die ſtabiliſierenden Faktoren. Da die verfafjunggebende Nationalverſammlung nicht der
Forderung auf Wiedereinführung der weißen Bourbonenfahne, infolge ihrer orleaniſtiſch⸗
liberalen Haltung nachgeben wollte, und der Graf v. Chambord, der kein Kompromiß mit
der Revolution ſchließen wollte, daraufhin verzichtete, wurde eine republikaniſche Ver⸗
faffung geſchaffen, in der jakobiniſch⸗radikale Elemente mit konſervativen und monarchiſchen
ausbalanciert wurden. Die Deputiertenkammer wurde durch den Senat in der Waage
gehalten. Der Senat ſtellt praktiſch eine Vertretung der Gemeinden mit dem Aebergewicht
der Provinz über Paris dar und wird durch die Tatſache, daß immer jeweils nur ein
Drittel der Senatoren ergänzt wird, zu einem beharrenden und konſervierenden Element.
Seine nach dem Staatsſtreichverſuch des erſten Präſidenten nur noch theoretiſche Macht
wird nach Refornworſchlägen immer wieder als des Ausbaus für nötig befunden und
ſchließt für einen energiſchen Präſidenten noch immer allerhand Möglichkeiten in ſich.
Neben dieſen konſervativen Elementen gibt es aber noch gewiſſe ftabilifierende Cle-
mente in dem Parlament ſelber. Die Kabinette haben ihre beſondere Form der Stabilität,
24 Schorer / Frankreich unter dem 100. Kabinett feiner dritten Nepublik
die ganz verſchieden von der engliſchen iſt. Während in England bei politiſchen Kriſen
immer nur einige Miniſter ausgewechſelt werden, aber das Kabinett im ganzen bleibt,
wechſelt in Frankreich bei einer parlamentariſchen Kriſe das ganze Kabinett, aber mit
Erſtaunen bemerken wir, daß immer wieder dieſelben Miniſter auftauchen. Ein Wechſel
der „Equipes“ findet nur bei ganz entſcheidenden Wendungen ſtatt. Damit erklärt ſich
auch die für uns jo merkwürdige Tatſache, daß keine allzu beträchtlichen Richtungswechſel
trotz allen parlamentariſchen Spiels vorkommen.
Als letztes die Republik vor allzu heftigen Erſchütterungen bewahrendes Ereignis
kommt hinzu die ſolide Struktur der franzöſiſchen Geſellſchaft, wenngleich fie infolge der
letzten Zeit der Kriſe ſchon ſtärker angenagt iſt, als man gemeinhin annimmt, ferner die
ſo feſtgefügte Familie, die Tatſache der weiten Verbreitung kleiner Vermögen und der
ſtarke Sparſinn.
Auf dieſe Zähigkeit der Inſtitutionen der Republik und die in ſozialer und wirt⸗
ſchaftlicher Beziehung fo traditionelle Haltung des franzöſiſchen Kleinbürger und Klein-
bauerntums hat ſich auch die Propaganda der extremen Gruppen eingeſtellt. „Für ein
freies und glückliches Frankreich“ war die Wahlparole der Kommuniſten. Sie haben ſich
in friedliche traditionelle Revolutionäre verwandelt, hiſſen die Trikolore, treten für den
Schutz der Familie ein, bringen Hochrufe auf die republikaniſche Armee aus und laſſen
jogar einen ihrer Führer, Vaillant-Couturter, als Reſerveoffizier photographiert auf der
erſten Seite der „Humanité“ erſcheinen. Daneben befinnen fie fih auf die franzöſiſche Tra-
dition und ſchmücken ihre Wahlplakate mit dem Bilde des Ariſtokraten Mirabeau, als
dem Vorkämpfer kommuniſtiſcher Ideale in der Nationalverfammlung. Aber auf der,
anderen Seite lehnen es auch die Feuerkreuzler ängſtlich ab, Faſchiſten zu ſein, und nennen
ſich „ſoziale Bewegung“. Aber immerhin hat es der Kommunismus mit einer gefährlichen
Geſchicklichkeit verſtanden, ſich im Herzen des franzöſiſchen Kleinbürgers und Kleinbauern
einzuniſten. i
Was fagen die Jungen? Sie konſtruieren, diskutieren und fuden Neues. Es gibt
eine unendliche Menge von oft winzigen kleinen Gruppen, die etwas Neues zu finden
ſuchen, es gibt die verſchiedenen konfeſſionell geſchiedenen Boy⸗ſcouts⸗Gruppen, es gibt die
Jeuneſſes patriotes mit einem ſehr vernünftigen Programm und verhältnismäßig großer
Reichweite, es gibt die Volontaires nationaur unter de la Roque, dann die beiden
ſtark faſchiſtiſch orientierten Gruppen der Solidarité francaiſe und die der GFranciften,
die beſonders im Elſaß febr ſtark ift. Aber es gibt unter all dieſen keine Führerperſönlich
keit von genügendem Format, die Jugend wirklich ſammeln könnte.
Kleine Studiengruppen, jede mit einer Zeitſchrift, arbeiten ſchon ſeit zwei und drei
Jahren an einer Reviſion der Werte und einer neuen nationalen und ſozialen Programm-
ſetzung aus der franzöſiſchen Tradition heraus. Es find das vor allem „Homme nouveau“,
„Eſprit“ und „Ordre nouveau“, von denen „Homme nouveau“ noch über den größten
Realismus verfügt. Im allgemeinen werden dieſe kleinen Intellektuellengruppen aber weit
in ihrer Wirkſamkeit überſchätzt. Es ſind noch bedeutender bewußt katholiſche Gruppen,
wie die, die ſich in der „Conférence Olivain“ trifft. Die beiden größeren Verſuche, das
politiſche Leben auf eine neue Baſis zu ſtellen, der Verſuch der Neoſozialiſten mit einem
amarxiſtiſchen, nationalen und ſozialiſtiſchen Programm und die Verſuche der Rampf:
verbände, ſind geſcheitert. Aber geblieben find Gefühle und neue Gedanken, die fortwirken
werden. Wenn der Verſuch einer Regierung der Volksfront mißglücken wird, werden
alle Fragen noch einmal aufgeworfen und die dritte Republik einer ſchweren Prüfung
unterzogen.
Kleine Beiträge 25
Bnufihbildes der „Sraulſustes
Zeitung”
Die „Frankfurter Zeitung“ wendet fid in
einem Artikel „Geſchichte und Wunſchbild?“
(14. 5. 1936, Nr. 251—252) gegen meinen
Nietzſche⸗-Artikel, der im Heft 9 dieſer
Zeitſchrift erſchienen ift. F. K., der Ber-
faſſer dieſer Entgegnung, macht mir darin
den Vorwurf, die Geſchichte, die hiſto⸗
riſche Tradition zu negieren, fid vor ihr
herumzudrücken und ſie durch „Mythenbilder
von Gnaden der eigenen Wünſche“ zu cr-
ſetzen. Mein Artikel iſt ihm ein beſonders
typiſches Beiſpiel einer „Neigung, die Viel-
ſchichtigkeit hiſtoriſcher Geſtaltung zu ver-
leugnen, zugunſten vereinfachter Bilder von
ihnen, in die nur das aufgenommen wird,
vas den wirklichen oder vermeintlichen
Wünſchbarkeiten der Gegenwart entſpricht
oder zu entſprechen ſcheint.“
In der Entgegnung F. K.s wird mein
Artikel durch ihm unterſtellte Abfichten in
ein vollſtändig falſches Bild geſetzt. Ich
babe mich gegen eine Nietzſche⸗ Interpretation
gewandt, die auf Grund eines methodiſch
falſchen Anſatzpunktes das Werk Nietzſches
zerſetzen muß. Wer weiß, wie Nietzſche von
Anbeginn ſeines Philoſophierens um die
Bewältigung der Wirklichkeit gerungen hat
— ſchon in der „Geburt der Tragödie“ wird
ſie mit dem Begriffe des Dionyſiſchen ge⸗
ſaßt —, der ſteht der Auflöſung des Wirt-
lichkeitsbildes ins Private bei Dehn
ſaſſungslos gegenüber. Vom Sein, vom
Leben. von der Wirklichkeit, vom Werk her,
ift uns auch der Menſch Nietzſche als ein
ſubjektives Problem aufgegeben. Dehn da-
gegen verſucht aus einer pfſychologiſchen
Einzelperſpektive zum Werke Nietzſches zu
kommen. Seine ganze Deutung kennt von
Nietzſche nur den „Haß gegen das Chriften-
Kleine Heitrage
tum“, der ihm in allen möglichen Variatio-
nen, am abſurdeſten in ſeiner angeblichen
„Flucht vor der Wirklichkeit“, wieder
erſcheint. |
Dieſe Art pſychologiſcher Methode als
Ausgangspunkt habe ich abgelehnt, pſycho ;
logiſches Verſtehen aber habe ich nicht —
wie F. K. behauptet — verboten, vielmehr
von ihm als einer „notwendigen
Vorausſetzung“ geſprochen. Die
Nietzſche⸗Forſchung ift heute bereits über
das 19. Jahrhundert hinaus. Wer heute
beweiſen will, daß uns Nietzſche kein onto-
logiſches Problem, ſondern ein pjydologi-
ſches iſt, daß alſo ſeine Schau der Wirt-
lichkeit nicht tief, echt, wahr, objektiv, fon-
dern aus irgendwelchen pſpychologiſchen
Gründen verzerrt iſt, daß Nietzſche nicht die
Wirklichkeit deutet, ſondern ſich feinen „Aus:
weg aus der Wirklichkeit“ ſchafft, verdient
der wiſſenſchaftlichen Lächer⸗
lichkeit preisgegeben zu werden.
Nietzſches Werk iſt mehr als die Konſequenz
dieſer Methode. Es iſt mehr als ein viel⸗
leicht typiſcher Einzelfall, der für die Zeit
der Auflöſung des Bürgertums gewiſſes
zeithiſtoriſches Intereſſe beanſpruchen kann.
Sein Werk hat brennend aktuelle Gültigkeit.
Ich habe in meinem Artikel die Konſe⸗
quenzen gezeigt, die fih aus den pſycholo⸗
sifhen Vorausſetzungen einer ſolchen
Nietzſche⸗Deutung zwangsläufig ergeben.
Es ging überhaupt nur um die Voraus-
ſetzungen des Nietzſche⸗Bildes, die bei Dehn
gröblich verletzt ſind. In ſolcher Selbſtbe⸗
ſcheidung tut man auch heute noch (1) der
Nietzſche⸗ Interpretation keinen ſchlechten
Dienſt, kann Héi doch dann erft eine frucht;
bare Auseinanderſetzung ergeben, wenn wir
nicht aneinander vorbeireden, ſondern in den
Vorausſetzungen einig ſind. Was von
26 Außenpolitiſche Notizen
Nietzſche ſelbſt, von ſeinem Kampf gegen
Demokratismus, Chriſtentum und Bürger⸗
tum geſagt wurde, kann und will nicht
den 9 einer Nietzſche⸗ Deutung er-
heben. Wenn F. K. mir ein ganzes
Nietzſche⸗Bild unterzuſchieben verſucht und
darauf feine mir vorgeworfene Wunſch⸗
bildkonſtruktion aufbaut, fo iſt das ein be-
dauerlicher und für F. K. peinlicher Irrtum,
der wohl hätte vermieden werden können.
Der Streiter, Fechter, Angreifer und Ati-
viſt Nietzſche, auf den F. K. mein angebliches
Nietzſche⸗Bild reduziert, gehört zwar zu den
Hauptzügen eines jeden Nietzſche⸗Bildes —
iſt auch noch nicht wie F. K. meint zum
Kliſchee geworden —, wurde von mir aber
nicht im Zuſammenhang eines Nietzſche⸗
Bildes entwickelt, ſondern aus feiner Fed-
terpofition verſtanden, die feinen Ausſagen
nicht, die Gültigkeit feſtſtehender Prinzipien,
ſondern eine ihrem Zweck und Ziel ange⸗
paßte Wandlungsfähigkeit verleiht. Das
ganze Kartenhaus der Entgegnung und Er-
mahnungen, bricht — ſo ſchön letztere an
ſich find — bei näherer Betrachtung Halt-
los in ſich zuſammen.
Wenn man ſich aufrichtig und ehrlich mit
jemandem auseinanderſetzt, kann man das
/ ®
AUSSENPOLITISCHE 4 ofi
Das Ende Load Ritbeness
England ſtand nod unter dem DdDeprimte-
renden Eindruck der Seeſchlacht am Stager-
rak, als es ein neuer Schickſalsſchlag traf.
Am 5. Juni 1916 war der berühmte Lord
Kitchener an Bord des Panzerkreuzers
„Hampibire”, der ihn auf nördlichem Kurs
nach Rußland bringen follte, auf rätfel-
hafte Weiſe weſtlich der Orkney ⸗Inſeln
untergegangen. Die Londoner Zeitungen
erſchienen am nächſten Tage mit einem
breiten Trauerrand, als ſie dem Land den
auch für ſich verlangen. „Jene Manier“, die
F. K. anwendet, iſt zwar unſachlich, damit
belanglos, auf jeden Fall aber bedauerlich.
Wenn ich eine Nietzſche⸗Interpretation an-
greife und die Gründe aufzeige, die zu
einer vollſtändigen Verzerrung Nietzſches
führen, kann man mir nicht ein ſchematiſches,
vereinfachendes Nietzſche⸗Bild vorwerfen,
weil ich ein ſolches gar nicht entwickelt habe.
Aufgeworfen war die Frage — was F. K.
vollſtändig verkannt hat —, wie man zu
Nietzſche in ein richtiges Verhältnis kommt,
eine Frage, die gerade bei dem vielſchichti⸗
gen und vieldeutigen Werke Nietzſches eine
notwendige Vorausſetzung iſt. Das nega-
tive Beiſpiel Dehns konnte dazu als tY-
piſches Beiſpiel, wie es nicht
geht, dienen. Anſtatt mir Wunſchbilder zu
unterſchieben, ſollte F. K. lieber meinen Auf-
ſatz aufmerkſam leſen. Die deutſche
Jugend weiß ferner auch ohne fold väter-
liche Ermahnungen, daß ſie ſich mit der
ganzen Geſchichte und nicht mit Wunſch⸗
bildern von ihr auseinanderzuſetzen hat.
F. K. tut wie ein Apoſtel der Sachlichkeit
und — trifft genau daneben.
Rudolf Keudel.
—— ee —
Verluſt Kitcheners mitteilten, der dem Ver-
luſt einer Schlacht gleichkam. Gehörte doch
Lord Kitchener zu den ſtärkſten aber auch
eigenartigſten Perſönlichkeiten auf ſeiten der
damaligen Entente, deſſen Verdienſte um
England kaum hoch genug eingeſchätzt werden
können.
Wer war Kitchener? Als dritter Sohn
eines Dragoneroberſten in Irland geboren,
machten ſich bei dem jungen Horatio Herbert
Kitchener frühzeitig ungewöhnliche Anlagen
für Mathematik, Mechanik und Phyfik Ge
Außenpolitiſche Notizen 27
merkbar. Trotz feiner Erziehung im Ka⸗
dettenkorps behielt er immer eine ausge-
ſprochene Zurückhaltung ſeinen Mitmenſchen
gegenüber und eine bis zur Schroffheit ge-
ſteigerte Eigenwilligkeit. Sein Eintritt in
das königliche Ingenieurkorps 1871 ſollte
für den weiteren Verlauf feines Dienſtes
von ausſchlaggebender Bedeutung werden.
Er nahm bald darauf an einer Expedition
teil, die einen Vermeſſungsauftrag in Pa-
läſtina durchführte, der nicht nur geſchicht⸗
liche und archäologiſche Intereſſen, ſondern
auch gewiſſe politiſche Ziele verfolgte, die
erſt ſpäter offenbar wurden und zu deren
Durchführung man eine gute Karte brauchte.
So begann 1874 der junge Pionier im
nahen Often außerhalb der Exerzierplätze
und Kriegsſchulen ſeiner Heimat ſeine felt-
ſame Laufbahn, die ihm eine gründliche
Kenntnis nahöſtlicher Landſchaft, ihrer Raffen,
Sprachen und Mentalität vermittelte.
Bei ſeiner Vermeſſungsarbeit erhielt er, in
fteter Berührung mit Arabern und Türken,
einen tiefen Einblick in die Lebensgewohn-
heiten der Orientalen, die ihm ſpäter von ſo
großem Nutzen wurde. Die Jahre, die Kit-
chener in verſchiedenen Stellungen im öſt⸗
lichen Mittelmeer und im Vorderen Orient
zubrachte, waren Lehrjahre für einen Mann,
der dazu auserwählt war, ſpäter in dem
weltumſpannendem Getriebe des Britiſchen
Weltreiches eine führende Rolle zu ſpielen.
Hier legte Kitchener den Grund zu ſeiner
ſtrategiſchen und militärpolitiſchen Schulung
im Dienſte des Weltreichs.
Kitchener im Sudan
Die erſte ſchwere Aufgabe, die Kitchener
an leitender Stelle durchzuführen hatte,
wartete auf ihn in Aegypten. Im Jahre
1882 hatte England Aegypten okkupiert und
verſuchte nun zuſammen mit ägyptiſchen
Truppen den Sudan zu erobern, in dem der
ſogenannte Mahdi (ein mohammedaniſcher
Prophet) ſeit 1881 ſein Weſen trieb. Der
britiſche General Gordon war von dem
Mahdi mit feinen Arabern in Khartum ein-
geſchloſſen und belagert worden. Es gelang
den Engländern nicht trotz ſchneidiger und
abenteuerlicher Verſuche Kitcheners, Erſatz
zu bringen. 1884 fand Gordon den Tod
und der geſamte Sudan mußte von den
Engländern auf 12 Jahre geräumt und den
Derwiſchen überlaſſen werden. Eine Welle
von Wut und Empörung ging durch Eng⸗
land und die Welt, um ſo mehr als die
Entſchlußunfähigkeit von Downingſtreet eine
gewiſſe Mitſchuld hatte.
1888 wurde Kitchener Generaladjutant in
Kairo und endlich im April 1892 Oberkom⸗
mandierender der engliſchen Truppen (Gig,
dar) in Aegypten.
Jetzt konnte Kitchener an die Wiedererobe⸗
rung des Sudans herangehen. Lange und
ſorgfältig waren die Vorbereitungsarbeiten.
4 Jahre dauerten die techniſchen Vorbereitun-
gen, die vor allem darin beſtanden, daß er die
nötigen Eiſenbahnen baute, die ſeine
Etappenſtraßen ſicherten. Als er im März
1896 nach gründlicher Vorbereitung in den
Sudan vorſtieß, hatten gerade die Italiener
unter General Baratieri ihre vernichtende
Niederlage von Adua (1. März 1896) er-
litten, die den Engländern die Möglichkeit
gab, ihren Vormarſch mit einer Entlaſtung
der Italiener zu rechtfertigen. Bei Om-
durman brachte Kitchener dem Mahdi eine
vernichtende Niederlage bei, die den ganzen
Sudan von den Derwiſchen ſäuberte und ihn
den Engländern öffnete.
Faſt gleichzeitig mit den Briten waren
die Franzoſen vom Kongo aus in den GSu-
dan vorgerückt. Am 10. Juli 1898 erreichte
Hauptmann Marchand mit wenigen Got,
daten Faſchoda, wo er auf die Eng⸗
länder traf. Ein Konflikt der beiden Groß⸗
mächte ſchien bevorzuſtehen. Kitchener ſtand
plötzlich im Mittelpunkt einer weltpolitiſchen
Entſcheidung. Eine falſche Handlung konnte
unabſehbare Folgen heraufbeſchwören. Aber
der Eroberer des Sudans behielt die
Nerven Kitchener ließ Marchand mit
allen militäriſchen Ehren abrücken. Frant-
reich wich vor der überlegenen Macht Eng⸗
lands zurück!
0
28 Außenpolitiſche Notizen
Es iſt heute überaus reizvoll im Zeichen
der italieniſchen Abeſſinienpolitik die An-
ſichten nachzuleſen, die Kitchener einmal über
die politiſche Rolle des Sudans äußerte:
„Niemals werden wir dulden, daß ſich im
Nilbecken eine andere europäiſche Macht
feſtſetzt. Niemals werden wir zugeben, daß
ein Keil getrieben wird zwiſchen die Süd-
grenze des Sudans und die Nordgrenze
unſerer zentralafrikaniſchen Kolonien. Nie-
mals werden wir geſtatten, daß europäiſche
Mächte allein, in politiſchen Gruppen oder
im Bunde mit afrikantſchen Nationen das
Nilbecken zum Gegenſtand politiſcher Rom-
binationen machen, die den Lebensintereſſen
Aegyptens zuwiderlaufen. Damit iſt unſer
Aufgabenkreis klar umriſſen. Wer ſich aus
welchen Gründen immer am Nil zu ſchaffen
macht, iſt unſer Feind und muß ſich von
vornherein darüber klar ſein, daß er den
Kampf gegen alle Machtmittel des Britiſchen
Imperiums aufzunehmen hat.“ (Ruppert -
Reding: „Ein Journaliſt erzählt“.)
Nicht lange war der „Sirdar“ faft unbe-
ſchränkter Generalgouverneur im neuerober-
ten Sudan, als die Not des Weltreichs ihn
im Dezember 1899 vor eine neue ſchwere
Aufgabe ſtellte. Der Burenkrieg, den Eng-
land gegen die Niederdeutſchen, holländiſchen
Buren, führte, drohte zu einer ernſtlichen
Schlappe zu werden. Man hatte ſich den
Krieg in London leichter vorgeſtellt. Nun
wurde Lord Roberts zum Oberkomman⸗
dierenden, Kitchener zum Chef des Stabes
ernannt. In einem ſtändigen Papierkrieg
mit dem Kriegsamt in London gelang es
ihm endlich, genügend Truppen zu verſam—
meln und eine geordnete Kriegsgliederung
durchzuführen. Erſt mit großer Aebermacht
an Truppen gelang es, die heldenhaft kämp—
fenden Buren zur Aebergabe zu zwingen.
Kitchener, der aus ſeinem rauhen, aber ebr-
lichen Soldatentum heraus eine gewiſſe
Sympathie für die Buren hegte, kämpfte
mit der ganzen Härte und Zähigkeit ſeines
Charakters um einen verſöhnenden Frieden.
Mit unbeirrbarer Geduld und einer gewiſſen
Achtung für den tapferen Feind, der endlich
am 28. Mai 1902 die Waffen ſtreckte, Dbe-
reitete er den Frieden vor, der am 31. Mai
endgültig geſchloſſen wurde. Das Verhal-
ten der Buren im Weltkrieg bewies, daß die
Wunden vernarbt waren.
Von 1902—1909 war General Kitchener
Oberkommandierender der anglo-indijden
Armee, Commander in Chief (C. J. C.) in
Indien, wo er die eigentliche indiſche Heeres-
reform durchzuführen hatte und die mili-
täriſche Sicherung der ſtets bedrohten Nord-
weſtgrenze gegen Afabancn und Ruffen
organiſieren mußte. Die Organiſations-
arbeit, die er hier in Indien in harter
Arbeit durchführte, ſchaffte die militäriſchen
Grundlagen zur Beherrſchung und Verteidi ;
gung Indiens, des wertvollſten Beſtand⸗
teils des Britiſchen Weltreichs, aber auch
zu der militäriſchen Leiſtung, die indiſche
Truppenteile im Weltkrieg auf andern
Kriegsſchauplätzen zeigten. In feinem da⸗
maligen Hauptquartier Fort William bei
Kalkutta empfing er 1908 den deutſchen
Generalſtabsoffizier Karl Haushofer, den
jetzigen Präfidenten der Deutſchen Mta-
demie, der über das damals geführte Ge⸗
ſpräch über die Möglichkeit eines deutfd-
engliſchen Krieges in feiner Kitchener ⸗Bio⸗
graphie (Verlag Colemann, Lübech) folgen-
des mitteilt: „Ich bin ein Feind dieſes
Krieges“, ſagte Kitchener, „nicht aus
Deutſchfreundlichkeit; ich kann die Deutſchen
nicht leiden, die Amweſenden ausgenom-
men“, fügte er mit malitiöſem Lächeln þin-
zu. „Aber ich kenne Eure Stärke — der
Krieg wird lange dauern, zwei, drei Jahre
vielleicht, nicht Monate, wie die Leute
glauben, die bei uns von der ruſſiſchen
Dampfwalze reden. Ihr ſeid militäriſch
vielleicht überhaupt nicht, höchſtens wirt-
ſchaftlich oder durch Euren Reichstag zu be⸗
ſiegen; zuletzt wird Herr bleiben, weſſen So-
zialdemokratie am längſten die Flinte auf
dem Buckel behält. — And wenn der Krieg
endet, werden wir ihn für die Amerikaner
und Japaner geführt und beide unſere Stel
lung im Pazifik verloren haben, wir die
erſte und ihr die zweite; und wir werden
Außenpolitiſche Notizen 29
mühſam die dritte behaupten. Aber ich ſehe
weder bei Euch noch bei uns einen Mann
auf der Kommandobrücke, der die beiden
kursſchwankenden Schiffe im entſcheidenden
oder dümmſten Moment auseinanderhalten
könnte.“
Dieſe Aeußerungen zeigen deutlich Kit⸗
cheners weltpolitiſchen Weitblick und ſeine
Vorausſicht kommender Kataſtrophen, die er
freilich nicht verhindern konnte. Die Nach⸗
kriegsentwicklung hat ihm, wie wir heute
überſehen können, ſowohl im Hinblick auf
den Verluſt der deutſchen Stellung und der
engliſchen Machteinbuße im Pazifik, als auch
im Hinblick auf die japaniſche Großmacht⸗
ftellung Redt gegeben. Die ſtrategiſche Lage
im Pazifiſchen Ozean ſtudierte Kitchener
noch eingehend auf ſeiner Weltreiſe, die er
im Anſchluß an ſeinen indiſchen Aufenthalt
unternahm. In einer febr ernſten Dent-
ſchrift wies er die völlig ungenügende Ver-
teidigungsfähigkeit Auſtraliens und Neu-
ſeelands gegenuber einem japaniſchen Angriff
nach, ein Problem, das für die Zukunft noch
beſonders ſchwerwiegend erſcheint. Bis zum
Juli 1914 war er Generalkonſul in Aegyp -
ten, eine Stellung, die ihm mehr Macht gab,
als der bloße Titel zu ſagen ſchien.
Weltkrieg
Der Ausbruch des Weltkrieges ſtellte ihn
vor die wichtigſte Aufgabe ſeiner Laufbahn.
Am 6. Auguſt 1914 wurde er in das eng-
liſche Kriegsamt berufen, deffen mangel-
hafte Einrichtungen ihm die größten Schwie
rigkeiten bereiteten. Ein Generalſtab fehlte
damals völlig. Von Anfang an ſtand Kit-
chener auf dem Standpunkt, daß der Krieg
lange Jahre in Anſpruch nehmen und nicht
in wenigen Monaten beendet ſein würde,
wie es die Optimiſten in England, auch die
Generale Wilſon und French glaubten. So
ſah er auch dementſprechend ſeine Hauptauf-
gabe darin, die Heine engliſche Berufsarmee
von 7 Diviſionen auf eine Volksarmee von
mindeſtens 70 Diviſionen mit rund 1 Mil.
lion zweihunderttauſend Mann zu ver-
mehren. Seine Abſicht traf bei den meiſlen
auf Anglauben und Ablehnung. In den
ſchweren Auguſttagen 1914, als die 6 eng-
liſchen Expeditionsdiviſionen in Frankreich
bei Mons und Le Chateau nahezu aufge-
rieben und vernichtet wurden, mußte er dieſe
dezimierten Kräfte erſt wieder ſammeln und
reorganiſieren. Kitchener war der eiferne
Mann, der die ungeheure Organifations-
arbeit durchführte. Seine Feinde haben
ihm wohl zu Anrecht verſchiodene Nieder-
lagen zugerechnet, ſo z. B. die für England
kataſtrophale Offenſive gegen die Darda
nellen, die nicht weniger als 400 000 Mann
feffelte und 125000 Mann Verluſte verur-
ſachte. Der eigentliche Arheber dieſes un-
glückſeligen Planes war der Ziviliſt Winſton
Curchill, während ſich Kitchener inſtinktiv
dagegen wendete, ſich aber nicht durchſetzen
konnte. Das Gallipoliunternehmen ſchei⸗
terte dann im Januar 1916 mit dem völligen
Rückzug der Engländer, den Kitchener als
undankbare Aufgabe einleitete. Trotz aller
Fehler, die Kitchener gemacht haben mag,
wird er immer in der Geſchichte Englands
als die treibende Kraft und der Organifa-
tor der Millionenarmee weiterleben, die er
buchſtäblich aus dem Boden ſtampfte. In
der Tat ſtanden Anfang 1916 1% Millionen
Briten in Frankreich!
Aber die ſchwächſte Stelle der Entente war
Rußland, das damals fdon vor dem Zu-
ſammenbruch ſtand. Kitchener ſollte als
Gaft des Zaren die Lage in Rußland erfun-
den und mit ſeinem Namen und ſeiner
Energie in die Breſche ſpringen. Dabei
ereilte ihn ſein Schickſal. Am das Ende
Lord Kitcheners haben ſich viele Gerüchte
und Legenden geſponnen. Wir wiſſen heute,
wie ſich die Kataſtrophe zugetragen hat. In
den Tagen der Skagerrakſchlacht hatte A 75
unter Kapitänleutnant Kurt Beitzen weit-
lich der Orkneys Minen gelegt, auf die auch
ein engliſches Bewachungsfahrzeug auflieſ.
Dieſe Meldung iſt aber in dem fieberhaften
Funkverkehr der Skagerraktage unterge-
ſchnitten, ſo daß Admiral Jellicoe, der für
die Sicherheit Kitcheners verantwortlich
30 Randbemerkungen
war, das Fahrwaſſer für frei hielt. Am
5. Juni ſchiffte ſich Lord Kitchener auf dem
Panzerkreuzer „Hampſhire“ ein, der ihn um
Norwegen herum nach Archangelſk bringen
ſollte. In dem wütenden Nordoſtſturm
mußten die beiden begleitenden Zerſtörer
umkehren, da ſie in dem hohen Seegang den
Anſchluß an den Kreuzer nicht halten fonn-
ten. Am 7.40 Ahr abends lief die „Hamp⸗
ſhire“ auf eine Mine und begann ſofort zu
ſinken. Kitchener ſtand mit einer Gruppe
von Offizieren ruhig an Deck. Das letzte,
was die wenigen Aeberlebenden hörten, war
der Ruf des Kommandanten: „Platz für
Lord Kitchener!“ Aber es war zu ſpät, die
Rettungsboote wurden von der See in
Stücke geſchlagen. Nur wenige Seemeilen
von einer wilden und felſigen Küſte entfernt,
ſank der Kreuzer mit Kitchener in die Tiefe.
Erſt zwei Stunden ſpäter liefen Torpedo-
bootszerſtörer aus, um nach Ueberlebenden
zu ſuchen.
Lord Kitchener iii fein Leben gelaffen,
als er feinem Vaterland einen von ihm
ſelbſt nicht optimiſtiſch beurteilten Dienſt er-
weiſen wollte. Sein Verluſt übte in Eng⸗
land eine niederſchmetternde Wirkung aus.
Eine der populärſten und energiſchſten Per-
ſönlichkeiten Englands, in der ſich die Ge-
ſchichte und Politik des Britiſchen Impe⸗
riums ganz beſonders deutlich widerſpie⸗
gelte, war dahingegangen. England hatte
mit ihm ſeinen größten Soldaten verloren!
Wulf Siewert.
„Bibel odes Revolver?“
In der vom „Evang. Reichsverband weib-
licher Jugend“ (den es alfo gibt!) heraus-
gegebenen Monatsſchrift „Jugendweg“ hat
ſich eine Ausſprache um den Film „Frifen-
not“ entſponnen, die ſchlaglichtartig die
Schwierigkeiten und auch die noch beſtehende
Anſicherheit der chriſtlich⸗kirchlichen Einftel-
lung zur „deutſch-völkiſchen“ aufzeigt. Es
werden in Heft 5 vom 15. Mai 1936 Ant-
worten aus dem Leſerkreis veröffentlicht,
die z. B. zu folgender Frage Stellung
nehmen: „Iſt man einer Obrigkeit, die offen-
ſichtlich bösartig und nichtchriſtlich iſt,
Gehorſam ſchuldig?“ Eine der Ant-
worten lautet folgendermaßen: „Eine klare
Antwort gibt uns die Bibel ſelbſt: „Jeder⸗
mann ſei untertan der Obrigkeit, welche Ge⸗
walt über ihn hat. Denn es iſt keine Obrig⸗
keit ohne von Gott“ (Römer 13, 1). Es iſt
nur gut, daß Gott hier nicht uns die Ent⸗
ſcheidung überläßt, welche Obrigkeit von
ihm fei und welche nicht, denn unſere Beur-
teilung wäre ja doch nie objektiv.“ Eine
andere Antwort lautet: „Dieſe Frage be ;
ſchäftigte uns Theologieſtudenten ſehr. And
wir konnten von nirgendsher zu einem glat-
ten „Nein“ kommen
Auf die zweite Frage: „Wer iſt mein
Nächſter?“ wird u. a. folgende Antwort ver-
öffentlicht: „Ich kann auch nur Jagen: Wag ⸗
ner (der zögernde Gemeindeſchulze, dargeſtellt
von Kayßler. Schriftltg.), Wagner hat recht.
Seine Blutsgenoſſen und ſeine Feinde ſind
fein Nächſter, und zwar: Seine Bluts⸗
genoffen muß er als feine Nächſten ſchützen;
er müßte die Feinde abwehren. Aber ſeine
Feinde ſind feine Nächſten in
dem Augenblick, wo er auf ſie
ſchießen will. Er hat recht.“
Noch übertroffen wird dieſe Antwort
durch folgende geradezu heroiſche Lebensauf-
faſſung: „Wir ſollen handeln, aber nicht,
wie Niegebüll meint, im Glauben an
unfere Kraft, ſondern im Vertrauen
auf Gott. Dann wird er auch das Wunder
des Gelingens tun.“ Auf die Frage: „Muß
ich als Chriſt meinem Feind verzeihen, aud
. ——— ⏑˖§˖«VW,̃7§7§1ßÜ⅛̃7ĩ˙5¹5i0d —̃ —
W. A. / Aquarelle 31
wenn es gegen meine und meines Volkes
Ehre geht?“ werden verſchiedenartige Ant-
worten erteilt, von denen keine wagt, mit
einem „Ja, ja“ oder „Nein, nein“ zu ent-
ſcheiden. Durchſchnittsformulierung iſt etwa
folgende: „Als Chrift muß ich meinen Fein-
den verzeihen, auch wenn es gegen
meine oder meines Volkes
Ehre geht. Aber um der Ordnung und
meiner Volksgenoſſen willen — nie aber
aus Haß und Wut — und in der vollen
Verantwortung vor Gott, daß ich eigentlich
() damit eine Sünde tue, bin ich in einem
ſolchen Fall gezwungen, mich zu wehren
und, wenn es nötig iſt, meine Feinde zu
töten.“
Die letzte Frage lautet: „Gibt es nur das
eine GEntweder-Oder, wie der Film es
zeigt: Bibel oder Revolver?” Ein ſchwie⸗
riger Fall, denn: „Vom chriſtlichen Stand-
punkt aus müßte Wagner nach der Bibel
handeln. — Als echter Deutſcher dürfte er
nur die Waffe ſehen; denn Auge um Auge,
Zahn um Zahn! und: Wie du mir, ſo ich
dir! —“ Aber: „Meiner Meinung nach
wäre ein Zwiſchending zwiſchen dieſem
Entweder-Oder ein Ausweichen, und man
fiele dadurch mit unter den Fluch der Lauen,
die weder kalt noch warm find.” Ein Dritter
macht es wie Alexander ſeinerzeit mit dem
gordiſchen Knoten: „Nicht Bibel oder Re-
volver, ſondern Bibel und Revolver analog
dem Wort: Bete und arbeite.“
Die Ausſpracheleiterin iſt offenſichtlich
etwas verzweifelt: „Wie ijt es mög
lich, daß fie zu fo entgegenge-
ſetzten Reſultaten gekommen
ſind?“
Ja, wie iſt's möglich dann... .? | hy
Go sebi es nicht!
Die Zeitſchrift „Germanien“, deren uner-
müdlichen Kampf um die Aufhellung der
germaniſchen Vorgeſchichte wir voll bejahen
und anerkennen, beſprach in ihrem Aprilheft
das Buch des Jenaer Profeſſors Erich
Maſchke „Der deutſche Ordensitaat”. Am
Schluß dieſer Beſprechung heißt es:
„Man vermißt ein Wort über die
Miſſionsmethoden des Ordens und muß
bedauern, daß folgender Ge-
ſichts punkt völlig fehlt: Der
Orden kämpfte gegen die Heid-
niſchen Preußen und Litauer,
d. h. gegen die letzten heidniſchen
Indogermanen Europas!“
Wir halten dieſe Bemerkung zumindeſt für
unklug, weil fie zu Mißdeutungen und bög-
willigen Auslegungen Anlaß geben kann.
Mag man zu den Miſſionsmethoden ſtehen
wie man will, aber es geht nicht an,
hiſtoriſche Tatſachen bloß vom Geſichts⸗
winkel unſerer heutigen religiöſen Ausein-
anderſetzungen zu betrachten und den letzten
„heidniſchen“ Indogermanen eine Träne
nachzuweinen. Gewiſſe Stellen in Kowno
uſw. pflegen nämlich aus ſolchen Aeußerun⸗
gen ſehr ſchnell Propagandamaterial für
ihren „Anſpruch“ auf Oſtpreußen zu ent-
leihen. Sti.
Aauarelle
| Län unferee ARuuftdendtbeilase)
Wir beobachten feit geraumer Zeit eine ſorgfältige, langſame Entwicklung
des Aquarells. Aus dem deutſchen Kunſtleben ſind die Stildiktatoren entfernt
worden und die Cliquen, die in der Kunſt ein Geſchäft ſahen und ſie zum beſſeren
Abſatz den Geſetzen einer Mode unterwarfen, ſind verſchwunden. Kunſt wird nicht
mehr gemacht. Sie wird wieder aus dem geſunden Gefühl des Künſtlers, der
ſelbſt ganz im Volke ſteht. Heute kann man wieder beſondere Erſcheinungen des
Kunſtſchaffens beobachten, ohne damit men gu fördern oder in einen Den
tumsprozeß einzugreifen.
32 W. A. / Aquarelle
In der Galerie Ferdinand Möller fahen wir eine Frühjahrs-
Aquarellausſtellung, die eine Reihe ſchöner Arbeiten zeigte. Die vier Aufnahmen
unſerer Kunſtdruckbeilage ſind dieſer Ausſtellung entnommen. Wir haben vier in
Motiv und Technik entgegengeſetzte Aquarelle ausgewählt. Erich Heckels
„Dahlien“ bringen eine Farbkompoſition, die ſo nur dem Aquarell möglich iſt. Die
leichte Anlage der Schatten, das zarte Auslaufen der Blüten in gelb und blau
geben dem Bilde die Leichtigkeit, die das Motiv bedingt. Die Wahl des Hinter-
grundes mit einigen kantigen Balken ſtellt dieſe Farben und das Sonnenlicht in
den Alltag. Dadurch kommt ein herber Zug hinein, der verhütet, daß dies Aquarell
ſüßlich-ſentimentales Stilleben wird. — Ernſt Hanſen, der 1906 in Honnef
am Rhein geboren wurde und Schüler der Handwerkerſchule in Bielefeld war,
zeigt in einer Reihe von Aquarellen eine äußerſt intereſſante und eigenwillige
Technik. Eines der charakteriſtiſchſten iſt das von uns abgebildete „Hof am Teich“.
Die Umriffe des Sees, des Hofes, der Bäume und die Anlage des Himmels treten
aus dem feinſinnigen Zuſammenwirken der Farben in kaum ſpürbaren Linien hervor.
Das Ganze ſcheint wie auf einen Schleier gemalt. Anſere Schwarz Weiß Repro
duktion überbetont dieſe Linienführung, aber ſie gibt doch einen Eindruck vom
Können dieſes jungen Malers, und es iſt erſichtlich, daß auch ein Thema wie dies
„Hof am Teich“ außerhalb der von Kitſchiers heraufgeführten Konjunktur ſolcher
Motive doch mit künſtleriſchem Geſicht dargeſtellt werden kann. Eine Mahnung
an Hanſen darf nicht verſchwiegen werden: er muß ſich hüten, daß feine Technik,
die jetzt Eigenwilligkeit und perſönliche Note ift, zur Manier wird. — Der 1904
in Eſſen / Ruhr geborene Hans Weidemann iſt bereits bekannt. Wir zeigen
ſein Aquarell „Kühe“, von dem das gleiche gilt, was wir eben ſagten. Er beweiſt,
daß die Eindruckskraft einer Landſchaft nicht abſolut mit dem Fleiß naturaliſtiſcher
Darſtellung erzwungen werden muß. Die Anmut und Schwere einer abendlichen
Landſchaft ſpricht aus ſeiner Arbeit, die in einer anſprechenden Blautönung ge⸗
halten ift. — Der Dresdener F. Winckler begegnet uns mit feinem Bild „Boote
am Strand“. E3 ift auch ein Zeugnis für die vielſeitigen Möglichkeiten des Aqua-
rells. Der gelbe Sand und die abgeriſſenen Schatten geben einen grotesken Ein⸗
druck. Eine ſolche Studie wirkt durch ihre ſparſame, aber kräftige Farbanlage. Mit
wenigen Strichen ſind die Boote angedeutet, auf die die Sonne knallt. In einem
ſolchen Bilde ift die Heiterkeit der Stimmung eingefangen, die fih in exakterer Aus-
führung nicht erhalten würde.
Die Namen einiger anderer Künſtler wollen wir hier nur nennen, ohne daß
wir zu jedem Werk Ja ſagen können. Aber wir wollen ihr Schaffen verfolgen:
Benkert, Birnſtengel, Hagemann, Kluth, Schreiber. W. A.
In Heft 7 it im Aufſatz von Faßbender „Bolſche Is Forde de Nation?“ ei
tum richtig e Au 9 25 heizen alk er — ters er
Hauptſchriftleiter: Günter Kaufmann (z. 3t. in Urlaub). Schriftleitung: Dr. Karl Lapper, Stellvertreter, und
Wilhelm Utermann. Anſchrift: „Wille und Macht“, Keichsjugend führung, Berlin NW Kronpringenufer 10.
Tel. D 2 5841. Verlag: Deutſcher Jugendverlag G. m. d. H., Berlin W 35, Liigowftr. 66, Tel. B 2 L 9006. —
Verantw. für den Anzeigenteil: Kurt Otto Arndt, Berlin. — D.A. I. Bj. 96: 15 4%,- An eſes Heftes
18 000. — Pl. Rr. 5. — Druck: Theodor Abb Buchdruckerei, Berlin SW 68. „Wille und t” z beziehen
durch den Deutſchen Jugendverlag oder fede deutſche Buchhandlung [owie durch die Gef, zug viertel i.
RM. 1,80 zuzügl. Beſtellgeld. Bei Beſtellung von 1 bis 3 einzelnen Nummern bitte den rag in ed
beigulegen, da Nachnahmeſendung zu teuer ift und diefe lung ſonſt nicht erledigt werden kann. f
bezug durch den Verlag laut beſonderen Bezugsbedingungen.
— — —..— — —— ee. age,
F. Hoffstatter, Bonn
Email-Abzeichen, M
Left und verbreitet
„Wille und Macht!“
edaiilen für
or Aufmärsoh
r Autmärsche
Plaketten Gedenkfelern usw.
Fernruf 2110, Postfach 85
Vertragslieferant der RZM. Nr. 15
Soeben erſchien:
Hans Chriſtoph Kaergel
Einer unter Millionen
Hans Chriſtoph Kaergel ſchrieb mit dieſem Amerika Roman fein
i erlebnisſtärkſtes Buch. Vor dem Hintergrund der Wolkenkratzer
| New Port, inmitten einer pauſenlos abrollenden, meiſterhaft ge-
| führten Handlung, die alle Höhen und Tiefen des Erlebens durch⸗
S läuft, eingehüllt in die Erzählung einer Liebe, die zu den innigſten
und zarteſten unſerer Dichtung gehört, entwickelt ſich um Martin Windeck,
E den in den Kriſenjahren der Gyftemgeit abgebauten Bankbeamten
1 aus Waldenburg, ein deutſches Schickſal, wie es Tauſenden und
aber Tauſenden widerfuhr. Zwar ſchlägt ſich Windeck drüben leidlich
durchs Leben: heute Tiſchler, morgen Totengräber, dann Stalljunge
| und Milchkutſcher, zwar gibt ihm die Fremde, was ihm die alte Heimat
für immer zu verweigern ſchien: Arbeit und Leben. Aber er wird
nicht glücklich dabei. Denn erft jetzt, erft hier im fremden Land, im
Strom der Weltſtadt fühlt er, wie tief er Deutſchland liebt und daß
er ſich nie von ihm löſen kann, um Amerikaner zu werden. Auto-
T biographiſche Züge find dieſem Schickſal mannigfad verflochten. So
` gewinnt dieſes neue Werk des bekannten ſchleſiſchen Erzählers eine
| befondere Bedeutung als das Lebensbekenntnis eines Mannes, den
Grenze und Ausland feinem Volkstum zutiefft verwurzeln ließ.
Pappband RM. 360 7 Ganzleinen RM. 4,80
Zeitgeſchichte
Verlag und Vertriebs⸗Geſellſchaft m. b. H., Berlin W 35
München 43 2116
Par- i Zentral Archiv
Die Auchsemeiuitbaſt unſeres Zeit
Die im Braunen Buch Ning zuſammengeſchloſſenen Männer
und Frauen ſehen im Buch das wirkſamſte Mittel, die national-
ſozialiſtiſche Weltanſchauung zu vertiefen und das wiedergewonnen
deutſche Lebensgefühl zu ſtärken.
Der Braune Buch⸗Ning bringt grundſätzlich nur Erſtveröffent⸗
lichungen, alfo keine Nachdrucke und keine Neuauflagen bereits
erſchlenener Werke, und unterſcheidet ſich dadurch von allen
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Der Braune Buch Ring zählt Sehntauſende deutſcher Volts-
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R Der Braune Buch ⸗Ning liefert für den geringen Monatsbeitrag
8 von wur 1,15 RM. jährlich 4 umfangreiche, wertvolle Bäder
{owie 24 Hefte der reich bebilderten Zeitſchrift „Der Braune
| Retter”.
Der Braune Buh-Ning nimmt zu jeder Zeit neue Mitglieder
auf. Ein Eintrittsgeld wird nicht erhoben.
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| An den Braunen Buch-Wing
| Berlin W 35, Cigowfirage 66
| SH bitte um koſtenloſe und unverbindliche Zuſendung von Druckſchriften.
~~ ae
Nach Gebrauch rurüc A
Hauptarchiv der NSDAP
Abt. Jugendbewegu
hack
Mbvevorsan der nationalſozialiſtiſchen Susend
bf dem Subali:
Auslese der Bewegung
Römische Kirche und Judentum
auf Schulz — Ein Jahr ohne den Marschall -— Ein neues Mitglied in Genf — Billige
ten Preisen — Pıreisend mit viel schönen Reden —- „Totgepredigte Jugend“ —
bemerkungen -~ Nexe Bücher — Bildbeilage: Dos neue Heidelberg
ſchriſt / Gef 12 Neslin, den 15. Zuni 1936 Ginselveeis 30 Nfa.
Subali
Abrechnung mit alten Werten. `, `... Alfred Rofenberg |
Auslefe der Bewegung `, ggg Karlheinz Rüdiger
Römiſche Kirche und Judentum b ee ae eae Horſt Pabel
Recht auf Schuhnn- h Hans Humbold
Außenpolitiſche Notizen:
Ein Jahr ohne den Marſch all.. R. Gutmann, Warſchau
Randbemerkungen:
Preiſend mit viel ſchönen Reden
„Totgepredigte Jugend“
Was ſagt der Präfident der Goethe ⸗Geſellſchaft?
Neue Bücher
Das neue Heidelberg... g Hans Bähr
Bildbeilage:
Das neue Heidelberg (Fotos: H. Loffen (2); M. Kögel; N. Foßhag)
US,
SHH vevovrsatn dev uationalſozialiſtiſchen Susen®d
Jahrgang 4 Berlin, 15. Juni 1936 Heft 12
Alfred Rosenberg:
Abrechunus mit alten Werten
Viele Folgerungen, die man im Leben und Denken unferer Tage zu ziehen ge-
zwungen iſt, ſind ſelbſt manchen alten Kämpfern noch gar nicht klar geworden. Viele
haben zwar unmittelbar gegen die jüdiſche Korruption und gegen das landeg-
verräteriſche Denken und Handeln des Marxismus ſich empört, haben es abgelehnt,
eine fonfeffionelle Zentrumspolitik zu ſtützen, aber nicht alle haben begriffen, daß dieſe
politiſchen Machtgebilde ja nicht für ſich beſtanden, ſondern daß ſie alle nur Ausdruck
ganz beſtimmter weltanſchaulicher Haltungen waren. Nicht alle
haben begriffen, daß wir geradezu unter einem Wuſt von Aeberlieferungsſchichten
lebten, daß jedes Jahrhundert eine neue geiſtige Schule und Tradition ſchuf, und
daß alle diefe Syſteme um die Seele eines jeden einzelnen von uns rangen. Schließ⸗
lich haben ſich aus dieſen geiſtigen Syſtemen die politiſchen Gruppen gebildet, die
das deutſche Volk zu zerreißen drohten.
Nach Niederwerfung der politiſchen Gebilde entſtand daher die klare Not—
wendigkeit, die Hintergründe dieſer politiſchen Gebilde von innen heraus zu prüfen,
— nicht zu zerſtören, weil man Weltanſchauungen nicht zerſtören
kann, ſon dern ihre Werte zu befeitigen und die anderen, deut-
ſchen Werte an ihre Stelle zu ſetzen.
Das iſt der große Kampf, in dem wir augenblicklich ſtehen. Die Rangordnung
der Werte hat ſich entſcheidend verſchoben. Wenn der höchſte Wert der Demokratie
Gewinn, der höchſte Wert des Marxismus die Klaſſe, wenn der höchſte Wert
des Zentrums die Konfeſſion war, fo iſt heute eine entſcheidende Wendung ein-
getreten: denn der höchſte Wert des neuen nationalſozialiſtiſchen Reiches iſt die
nationale Ehre.
H
2 Rofenberg / Abrechnung mit alten Werten
Das iſt eine alte Idee, die einſt mit der Einzelperſon verbunden war,
mit der Sippe, mit einem Stamm, die aber nicht ihre naturgegebene Fortentwicklung
fand, ſondern deren Fortentwicklung durch dynaſtiſche und kirchliche Syſteme unter-
brochen wurde. Dieſe Idee hat aber jetzt im neuen Reiche des 20. Jahrhunderts
ihre Vollendung in der Verkündigung dieſes neuen Höchſtwertes gefunden. Von
ihm aus hatte bisher im Ernſte noch keine Staatsregierung das Volk gebildet
und den Staat aufgebaut.
Die Anerkennung dieſes einzigen Höchſtwertes nun führt auf allen Gebieten des
Lebens zu neuen Wertungen, zu neuen Folgerungen und auch zu neuen entſcheidenden
Ablehnungen gegenüber vielen Dingen der Vergangenheit. Somit ſtirbt mit
unſerer Zeit nicht nur die liberale Epoche, nicht nur die
marxiſtiſche Lehre, ſondernesſtirbtmit unſerer Zeit auch das
Mittelalter endlich ab. Das iſt eine entſcheidende Wendung für jeden
einzelnen von uns, und dieſe Wendung wird auf allen Gebieten, auf dem Gebiete
der Kultur ebenſo wie auf dem Gebiete der Wirtſchaft und der Politik, ihre Folgen
haben müſſen. l
Es ift ein großes Schickſal, in das wir mitten bineingeftellt worden find; wir
haben dieſes Schickſal zu bejahen und zu verſuchen es zu geſtalten. Nach alter
germaniſcher Auffaſſung erblicken wir im Schickſal nicht ein
Fatum, das irgendwo unabänderlich von oben kommt, ſondern
wir erblicken hierin ein Zuſammenwirken von dem, was von
außen an uns herantritt und von dem, was wir innerlich dazu
zu ſagen haben. Dieſe germaniſche Auffaſſung vom Schickſal nicht als einer
nur zwangsläufigen, urſächlichen Verbundenheit, ſondern als Ergebnis verſchiedener
Kräfte, an dem der Menſch mit beteiligt ift, hat ihre Verkörperung in der national-
ſozialiſtiſchen Bewegung gefunden. Ob einer das eine Mal ſiegt, oder ob er manchmal
unterliegt, das iff nicht entſcheidend. Entſcheidend iſtimmer die Art, wie
ein Siegoder eine Niederlage empfunden und aufgefaßt wird.
Ein glänzender Sieg hat oft zu moraliſchen Zuſammenbrüchen geführt, und eine
Niederlage hat oft verſchüttete innere Kräfte wieder lebendig gemacht. So iſt auch
heute aus der Not des deutſchen Volkes und nicht aus einem unmittelbaren glänzen-
den Siege die größte Wiedergeburt gekommen. 1871 ſiegte Deutſchland. Es begann
eine Zeit des großen Blühens, und doch hatte das deutſche Volk nach dieſem Sieg
irgendwie Schaden in ſeinem Inneren erlitten. Wir blicken heute auf jene Menſchen
zurück, die damals vergeblich vor der Verflachung des öffentlichen und perſönlichen
Lebens warnten, als auf die Propheten unſerer Zeit und unſeres Lebensgefühls.
Wir wiſſen, wie ein Lagarde dieſe ganze damalige Welt ändern, von innen refor-
mieren wollte, wir wiſſen, wie ein Nietzſche die ganze falſche Kultur jener Jahrzehnte
geißelte und ſchließlich innerlich daran zerbrach. Wir wiſſen um manchen anderen,
der in dieſen Jahrzehnten als einſamer Menſch gekämpft hatte, ohne daß man ihn
hörte. Das, was fih im November 1918 vollzog, war eigentlich
Rofenberg / Abrechnung mit alten Werten 3
keine militäriſche Niederlage, ſondern war ein politiſches
weltanſchauliches Verſagen jener Menſchen, die das deutſche
Volkpolitiſch und weltanſchaulich zu führen hatten.
Noch eine andere Niederlage haben wir zu verzeichnen. Der November
1923 war ein Verſuch, nach der Macht im Staate zu greifen, der mißlang. Aber
aus dieſer Niederlage iſt eine ungeheure moraliſche Er-
bebung des deutſchen Volkes gekommen. Ein hartes Schickſal zwang
uns damals in eine andere Lage, und der Charakter der Bewegung machte aus
dieſer Niederdrückung das größte Volkserziehungswerk, das das deutſche Volk
jemals geſehen hat.
Heute, nach den unmittelbaren politiſchen Kämpſen, fordert das Schickſal nun-
mehr von uns die Durchführung einer großen inneren Erziehung des deutſchen
Menſchen. Dieſe innere Erziehungsarbeit verlangt zugleich innere Härte. Sie
fordert, daß jeder Nationalſozialiſt imftande fein muß, diefe Härte gegenüber fidh
ſelbſt, ſeiner Vergangenheit und ihren alten Aeberlieferungen aufzubringen; denn
nur wer Großes will, wird auch einmal Großes geſtalten
können. Wenn manche Menſchen uns heute ſagen: ihr könnt doch nicht viele gute
Traditionen rauben, ohne uns ſchon eine feſte Form ſchenken zu können, müſſen
wir fagen, das hätten wir uns ſchon 1919 überlegen müſſen. Wenn wir uns das
geſagt hätten, dann hätte niemand überhaupt den Mut zum Anfang aufgebracht.
Was wir heute von jenen fordern, die wieder an der Spitze der Geſtaltungsarbeit
ſtehen, ift, da ß fieden Mut haben, ihre ganze Sache, wenn nötig,
auf Nichts zu ftellen.
Aus der ſchwerſten Niederlage iſt die größte Wiedergeburt gekommen, ſo wie es
ein alter Myſtiker ſagt: es ſind die tiefſten Brunnen, welche die höchſten Waſſer
tragen. Man kann die großen Probleme unſerer Zeit niemals dialektiſch löſen,
ſondern nur durch die Kraft der Aeberzeugung und durch den Mut derer, die dieſe
Aeberzeugung verteidigen. Wir ſtehen auf dem Standpunkt, daß die innere Härte
auch die Loſung für die kommende Epoche der NSDAP. darſtellt. Wir waren
kompromißlos und eben dieſer innere kompromißloſe Ge-
dankengehalthatuns ſchließlich den politiſchen Sieg gebracht.
Wir bekennen uns deshalb als unerbittliche Gegner jener,
die diefe nationalſozialiſtiſche Wiedergeburt verfälſchen,
zerreden oder ſie inſtinktlos preisgeben wollen Man kann
nicht bewußt polit iſch nationalſozialiſtiſch ſein, kulturpolitiſch aber den
Kulturkommunismus fördern. Die Einheit der nationalſozialiſtiſchen Idee auf allen
Gebieten ift die Vorausſetzung für die künftige Geftaltung unſerer weltanſchaulichen
Erziehungsarbeit und zugleich Vorausſetzung dafür, daß die nationalſozialiſtiſche
Revolution nicht eine vorübergehende Epoche, ſondern wirklich eine neue Grundlage
des deutſchen Lebens iſt.
4 Rüdiger / Auslefe der Bewegung
Karlheinz Rüdiger:
Anslefe der Betveguns
Als die nationalſozialiſtiſche Bewegung in die Geſchichte eintrat, ſtand ſie als winzige
Gruppe einer überragenden Mehrheit gegenüber, deren Anſchauungen ſoeben mit Hilfe
einer ſogenannten „Revolution“ begonnen hatten, die Geſchicke des deutſchen Volkes zu be-
ſtimmen. Es gehörte damals eine eindeutige Haltung und ein klarer Blick dazu, ſich
entſchloſſen gegen diefe volkszerrüttende marxiſtiſch⸗liberaliſtiſche Mehrheit zu ſtellen.
Daher ſchloſſen ſich der nationalſozialiſtiſchen Bewegung nur Menſchen an, die ganz
beſtimmte Charakterwerte ihr Eigen nannten. Ausſchlaggebend für den politiſchen Einſatz
waren nicht nur ſelbſtloſer Opferwille und Mut des einzelnen, ſondern jener unerſchütter⸗
liche Glaube an die Reinheit, Wahrhaftigkeit und Ewigkeit der ee, die Erkenntnis, daß
die nationalſozialiſtiſche Bewegung die ewig geltenden Werte unſeres Volkes vor dem
Antergang zu bewahren einzig und allein in der Lage ſei, und über das Schickſal des
einzelnen hinaus dauernd das Schickſal des geſamten Volkes ſichere. Dieſem unerſchütter⸗
lichen Glauben entſprang die geſtaltende Kraft für die Gegenwart und der eindeutige Blick
für die Fragen der Zukunft. |
Jeder große Gedanke in der Weltgeſchichte hat feine Wurzeln zunächſt in dem Herzen
eines einzelnen oder weniger Menſchen, die ihn inſtinktiv und kühn vertreten, und aus ihm
zu den drängenden Fragen ihrer Zeit die rechte Antwort zu geben wiſſen.
Dieſe Antwort auf die Schickſalsfragen eines Volkes iſt von vielen verſucht worden,
aber noch nie ſo abſolut und allumfaſſend richtig gegeben worden, wie durch das Wirken
und Kämpfen Adolf Hitlers. Die nationalſozialiſtiſche Idee, einſt in ſeinem Herzen ent-
ſtanden, wurde Geſtalt in einer mächtigen volksaufrüttelnden Bewegung, die ſich durch den
Einſatzwillen einer unbedingten Gefolgſchaft von Jahr zu Jahr immer mehr Raum im
deutſchen Volk eroberte, bis ſie Eigentum des geſamten Volkes wurde.
Der Kampf um die Erhaltung und Bewahrung der Wee währt ſolange, folange die
nationalſozialiſtiſche Bewegung beſteht und wird auch weiterhin andauern müſſen, da er
immer wieder aufs neue von jedem einzelnen ſiegreich durchfochten werden muß.
Dieſes Ringen fordert ein tatbereites Geſchlecht. Auf der Einheit von Idee und Tat
ruht die geſchichtliche Aufgabe der nationalſozialiſtiſchen Bewegung. Die großen Werke
unſerer Zeit können nur gelingen durch den dauernden Einſatz einer überzeugungsſtarken
Kämpferſchar, die kompromißlos die einmal erkannten Grundgeſetze verteidigt und als be ;
ſtändigen Wert dem Volksganzen einverleibt. Dieſer Einſatz erzieht zu einer beſtimmten
Lebenshaltung und einem beſtimmten Lebensziel, die niemals in einem ſtarren Dogmatismus
vergehen werden, ſondern durch die ſteten neuen Forderungen den deutſchen Menſchen zu
immer größeren Kraftanſtrengungen führen. Das Ringen um die Einheit der Idee formt die
Perſönlichkeit, nicht eine Perſönlichkeit, die im Ich den Ausdruck ihres ganzen Erdendaſeins
ſieht und von der Ichſucht beherrſcht ihrer eigenen Leiſtung einen Wert zuſpricht, der ſie
zu leicht verleitet ſich über das Gemeinſame emporzuheben, ſondern jene Perſönlichkeit, die
ihre Kraft in der Gemeinſchaft erprobt, ihre Aufgabe aus der Gemeinſchaft erhält und ſomit
als Glied des Volkes um ſeine Erhaltung und Förderung kämpft.
Dieſe Lebenshaltung fordert tägliche Opfer und große Prüfungen, an deren Erfüllung
aber der Wert eines jeden zu meſſen iſt.
Es iſt klar, daß ein an ſich anerkennenswertes Bekenntnis zum Nationalſozialismus noch
nicht den Kämpfer ausmacht, den wir fordern müſſen; ſondern wer ſich dieſer Bewegung
Rüdiger / Ausleſe der Bewegung 5
verſchreibt, muß in ſeiner ganzen Lebenshaltung, ſeinen Lebensſtil, in der Art, wie er ſeine
Feſte und Feiern begeht, wie er fein Tagewerk vollbringt, den Geſetzen der national-
ſozialiſtiſchen Idee Ausdruck verleihen, und aus der Kraft jener großen Gemeinſchaft, die
die Geſamtheit der Raffe, der Geſchichte und des heimatlichen Bodens umſchließt, feinen
Lebenswillen herleiten. Wenn wir die Geſchichte des deutſchen Volkes betrachten, ſo
müſſen wir feſtſtellen, daß es bisher noch nie gelungen war, dieſe Stileinheit als Lebeng-
haltung des deutſchen Volkes zu erreichen; denn das deutſche Volk war noch nie ein in
ſich geſchloſſenes einheitliches Ganzes. Zwar brannte in vielen Herzen die Sehnſucht nach
dieſer Ganzheit, dem „ewigen deutſchen Reich“. Die tiefften und echteſten deutſchen Menſchen
haben in den verſchiedenſten Epochen deutſcher Geſchichte dieſer Sehnſucht Ausdruck ver-
liehen; aber ſie blieb nur in wenigen Herzen und entzündete nicht die Geſamtheit des
Volkes. Das Volksbewußtſein, das viele andere Völker ſchon längſt als ihre ſicherſte
und grundlegendſte Kraft als höchſten unveräußerlichen Beſitz ihr Eigen nannten, fehlte dem
Deutſchen. Er war in Stände und Klaſſen zerſpalten und Teil kämpfte gegen Teil. Erſt
durch den Sieg des Nationalſozialismus iſt jene Sehnſucht des deutſchen Menſchen in Er-
füllung gegangen. Das „Reich“ war und ift die Schickſalsfrage der Deutſchen. Sie fonnte erft
gelöſt werden, als ſich Millionen zu der Antwort bekannten, die ihr der Führer gab.
So wächſt aus der Wechſelbeziehung zwiſchen Perſönlichkeit und Volksgemeinſchaft
der deutſche Menſch, deſſen Lebenshaltung nunmehr eine einmalige bewußt ausgerichtete
Form hat, getragen von der unſterblichen Seele des Volkes und von den ewigen Charakter-
werten nordiſchen Weſens.
Dieſe Beſinnung des Deutſchen auf ſich ſelbſt und der entſchloſſene Wille, ſein Schickſal
mit eigenen Kräften zu meiſtern und unerbittlich um die Erhaltung ſeiner Charakterwerte
zu kämpfen, macht die Geſchloſſenheit der nationalſozialiſtiſchen Weltanſchauung aus und
gibt ihren künftigen Aufgaben eine klare und eindeutige Richtung. Dieſe Richtung zu be-
wahren und jede Verfälſchung kompromißlos zu beſeitigen, fordert den höchſten Einſatz einer
Kämpferſchicht, deren Leiſtung nicht beſtimmt wird durch Parolen und große Programme,
ſondern aus denſelben Quellen kommt, aus denen die nationalſozialiſtiſche Bewegung
entſtanden iſt.
Die nationalſozialiſtiſchen Kundgebungen der Kampfzeit unterſchieden ſich bald von
den Verſammlungen der gegneriſchen Parteien durch ihren mitreißenden Schwung und ihre
Ausgeſtaltung, die tief das ſeeliſche Erlebnis des einzelnen beeinflußten und geformt
wurden durch den Geiſt jener Kämpfer, die Tag für Tag um die Herzen des Volksgenoſſen
tangen, keine Gefahr ſcheuten und ſich bedingungslos den fordernden Aufgaben der Idee
hingaben. Wenn auch äußerlich noch die Verſammlungsform der alten Parteien gewahrt
blieb, mit Vorſtandstiſch und Verſammlungsleiterglocke, jo trat dies alles zurück hinter
das Erlebnis eines großen gemeinſchaftlichen Willensbekenntniſſes, das zu einer das Innerſte
aufwühlenden Feierſtunde wurde und einen Kundgebungsſtil entwickelte, der nicht am grünen
Tiſch aus propagandiſtiſchen Gründen entſtand, ſondern ſich impulſiv aus dem Leben der
Bewegung entwickelte. So wurden das gemeinſam geſungene Kampflied, der Fahnen-
einmarſch, die geſchloſſene Haltung der Formationen zu einem typenbildenden Faktor, der
die lebendige Kraft der Bewegung ſteigerte und jeden, auch den bewußten Gegner, durch
ſeine Form packte.
Die von der nationalſozialiſtiſchen Bewegung herausgeſtellten Grundwerte garantieren
in dem dauernden wechſelvollen, von Sieg zu Niederlage eilenden politiſchen Kampf eine
entſcheidende Ausleſe von Menſchen, die ſich, je länger der Kampf dauerte, deſto ſtärker aug-
5 Rüdiger / Ausleſe der Bewegung
wirkte und zu einer geſchloſſenen einſatzbereiten Gefolgſchaft führte. Jede große Bewegung
in der Geſchichte formt einen beftimmten Menſchentyp, der ein getreues Abbild ihrer Werte
ijt. In der Rampfzeit erkannten fih die Parteigenoſſen ſchon am äußeren Auftreten, am
Blick und an der Haltung. Nicht das Abzeichen war der Ausweis zur Zugehörigkeit,
ſondern das Auftreten und der Einſatz. l
Der politiſche Kampf um die Macht war eine einmalige und vielleicht in dieſem Aus-
maß noch nie dageweſene Ausleſeerſcheinung im deutſchen Volk, die eine Führerſchicht
herausſtellte, die inſtinktiv und ſelbſtverſtändlich jenen Typ „deutſcher Menſch“ vorlebte, der
die Sehnſucht fo vieler Jahrhunderte deutrſchen Ningens in der Geſchichte war. Dieſer Typ
ift, wie Roſenberg im „Mythus“ ſchreibt, keine ſchematiſche Erſcheinung, ſondern „die geit-
gebundene plaſtiſche Form eines ewigen raſſiſch-ſeeliſchen Gehalts, ein Lebensgebot, kein
mechaniſches Geſetz“. „Das Erleben des Typus aber, das ijt die Geburt der Erkenntnis des
Mythus unferer ganzen Geſchichte: die Geburt der nordiſchen Raſſenſeele und das inner-
liche Anerkennen ihrer Höchſtwerte als des Leitſterns unſeres geſamten Daſeins.“
So entſtand eine Gemeinſchaft von Menſchen, die der Jee des Führers ihre ganze
Lebenskraft weihte und als Lebensinhalt und -ziel den Einſatz für die Geſtaltung der
deutſchen Volksſeele fab. `
Das Ringen um die politiſche Macht iſt abgeſchloſſen, das Ringen um die geiſtige
Macht hat nunmehr begonnen.
Wir alle wiſſen, daß der politiſche Sieg nur die Grundlage und der Ausgangspunkt
des nationalſozialiſtiſchen Kampfes um die Seele des deutſchen Menſchen iſt, und daß noch
viel zu ſchaffen iſt, ehe jeder deutſche Menſch innerlich von der Geſtaltungskraft des
Nationalſozialismus jo erfaßt ijt, daß er als Glied der Volksgemeinſchaft den Willen zum
Einſatz und zum Opfer für das ewige Beſtehen ſeines Volkes aufbringt. Dieſer Kampf
um die Durchſetzung der Werte der nationalſozialiſtiſchen Weltanſchauung fordert ein ge-
ſchloſſenes Führerkorps, das in ſeiner inneren Ausrichtung in der Lage iſt, ſich erfolgreich
durchzuſetzen. Im Verlauf der Geſchichte ſind dem deutſchen Volk Männer erwachſen, deren
vorwärtstragende Geſtaltungskraft das Antlitz ihres Zeitalters formte und aus derem
Willen ſich eine Gofolgſchaft von Führern bildete, die die Aufrichtung einer ſtarken volts-
bewußten Macht ermöglichte. So iſt der Staat Friedrichs des Großen entſtanden und
ſein Offizierkorps als Inſtrument der Verteidigung dieſes einzigartigen Führerſtaates, ſo
entſtand ehemals der preußiſche Ritterorden, gebildet durch den Willen eines einzelnen,
getragen von der Kraft eines durch dieſen Willen geſormten Führerkorps. Ein ſolches
Führerkorps, die verſchworene Ausleſe der Beſten, entſtanden in den harten Stunden
unerbittlichen Kampfes, iſt auch heute entſtanden und gibt dem Führer die Möglichkeit,
den Aufbau des nationalſozialiſtiſchen Staates durchzuſetzen. Es hat ſich aber in der
Geſchichte gezeigt, daß eine große Führergeſtalt, die die Sehnſucht eines ganzen Volkes
zur Geſtalt werden läßt, nicht alle Jahrzehnte und nicht einmal alle Jahrhunderte erſcheint.
So drängt ſich für uns die Frage auf, was geſchehen ſoll, wenn der kraftvolle Körper
eines genialen Führers nicht mehr die Geſchicke des Volkes beſtimmt. Hierauf hat
Alfred Roſenberg in feiner denkwürdigen Nede in der Marienburg eine Antwort gefunden,
die geradezu zum Ausgangspunkt der geſamten weiteren Arbeit der Bewegung und richtung—
weiſend für die zukünftige Geſtaltung unſeres Führerkorps geworden ift. Alfred Roſenberg
fand, daß die Lebensform unſeres Volkes nicht mehr gebunden fein kann an papiererne
Verfaſſungen und gehaltloſe Paragraphen, ſondern erfüllt fcin muß von einem lebendigen
Verhältnis des Führers zu ſeiner Gefolgſchaft.
Ridiger/ Auslefe der Bewegung 7
„Nicht eine unperſönliche Beamtenhierarchie, nicht ein in unnahbaren Fernen ſchwebender, ih als Gott
fühlender Cäſar verwirklichte fih als Staatsgedanken der germaniſchen Menſchen, fondem das perfonlide Bers
hältnis zwiſchen Lehnsherr und Vaſallen wurde das wichtigſte Element der Lebensgeſtaltung.“ „Ueberall, wo
dieſes Verhältnis lebendig war, überall, wo ein perſönlicher Eid und ein Pflichtverhältnis beftand, war
Deutſchland ſtark, wo aber eine abftrafte Theorie zu herrſchen begann, war Deutſchland innerlich zermürbt.“
Dieſes Treueverhältnis zwiſchen Herzog und Mannſchaft iſt das tragende Element
geweſen, das einen Friedrich den Großen mit feinen Offizieren verband, das im Welt-
krieg den deutſchen Soldaten zu übermenſchlichen Opfern führte, als zwei Feldherrn⸗
perſönlichkeiten ihm als die lebendigen Verteidiger ſeiner heiligſten Güter erſchienen. Der
deutſche Frontſoldat kämpfte nicht um den Beſtand der Monarchie, auch nicht um die Ver-
teidigung eines abſtrakten Beamtenſtaates, ſondern das Geheimnis der Erfolge des deutſchen
Heeres lag in dem Mythus der deutſchen Seele verborgen, die damals um ihre Gelbit-
erhaltung kämpfte und in den Geſtalten dieſer beiden Feldherren den Ausdruck ihres eigenen
Ichs ſah. Die Wioderentdeckung des alten Herzogsgedankens als die Lebensform unſeres
Volkes führt folgerichtig zu der Erkenntnis, daß für die Zeit, in der einem Volke von dem
Schickſal eine große Führerperſönlichkeit verwehrt wird, eine Lebensform geſchaffen werden
muß, die eine dauerhafte Brücke zwiſchen einem Eroßen und dem in unſichtbarer Ferne
vielleicht heraufſteigenden anderen großen Führer ſchlagen ſoll.
„Es ift eine Staatstypik herauszubilden, die die Fortdauer des einmal von einem ſtaatspolitiſchen Genie
geſchaffenen Zuſtandes in einer dem deutſchen Weſen entſprechenden Form ſichert und auch dann noch den
geſammelten Widerſtandswillen verkörpert, wenn nicht ein Herzog allergrößten Formats das Reich führt. Hier
tritt als Fortführung und Ergänzung zum Herzogsgedanken das Prinzip des Ritterordens.“ „Und wenn wir
im Prinzip des germaniſchen Herzogs und ſeiner Gefolgſchaft das immer wiederkehrende Phänomen einer großen
Geſtalt der deutſchen Geſchichte bewundern, wenn wir im Ordenspringip, im Senatsprinzip, das feftcite Gefüge
für die Dauerhaftigkeit eines Staatsweſens erkennen, ſo müſſen wir für das 20. Jahrhundert die Schlußfolge⸗
rungen daraus ziehen, daß dieſe Form getragen werden muß von einer Weltanſchauung, die Abſchied nimmt
von der blutleeren Asteke und zurückfindet zu dem Grundſatz, daß die politiſchen Führer des nationalſozialiſti⸗
ſchen Ordens und damit auch des Deutſchen Reiches für ewig gebunden werden an den Boden und getragen
werden durch das Blut ihres Volkstums, daß ſomit immer wieder neue Geſchlechter entſtehen und von Jugend
an eingefügt werden in die Verbände der nationalſozialiſtiſchen Bewegung, damit Inſtinkt, geſtaltender, ziel⸗
ſtrebiger Wille, vernunftgemäße Grundſätze auch ihre Darſtellung in lebendigen Perſönlichkeiten, in einer
möglichſt großen Führer⸗ und Unterführerſchicht des deutſchen Volkes finden.“
Hiermit wurde zum erſten Male aus der Geſchichte und Tradition des deutſchen Volkes
eine Lebensform herausgeſtellt, in die der deutſche Menſch auch heute wieder im Begriffe
iſt hineinzuwachſen.
Die nationalſozialiſtiſche Bewegung hat im Ringen um die Macht aus der Geſamtheit
des Volkes einen beſonderen Kern von Menſchen ausgewählt, die ſich aus dem Kampi-
erlebnis heraus zu politiſchen Führern entwickelten und wird dieſes Prinzip der Ausleſe
nunmehr, nachdem dieſes typenbildende Kampferlebnis nicht mehr den einzelnen formt und
charakterlich ſchult, durch die Bildung eines nationalſozialiſtiſchen Ordens erneut zur
Geltung bringen und damit die Möglichkeit ſchafſen, eine verſchworene Gemeinſchaft von
Führern herauszuſtellen, die für alle Zeiten in der Lage ſein wird, die Goſchicke des deutſchen
Volkes im nationalſo zialiſtiſchen Geiſte zu leiten. Damit wird zum erſten Male in der Ge—
ſchichte des deutſchen Volkes verſucht, den Beſtand der geiſtigen Kraft eines großen Führers
lebendig über alle Zeiten hinweg in den Herzen der deutſchen Menſchen zu verwurzeln.
Wenn es gelingt, dieſe dauernde Führerſchicht ſicherzuſtellen, wird die nationalſozialiſtiſche
Bewegung nicht nur eine Erſcheinung einer beſtimmten Epoche der deutſchen Goſchichte ſein,
ſondern den Ausdruck des deutſchen Weſens für alle kommenden Zeiten beſtimmen.
Dieſen Gedanken eines nationalſo zialiſtiſchen Ordens hat der Führer auf dem Parteitag
der Freiheit als maßgeblich für die Weiterentwicklung der Bewegung anerkannt, wenn er
8 Rüdiger / Ausleſe der Bewegung
in feiner Schlußrede über die Arbeit der Partei feſtlegte, daß ihre innere Organiſation zur
Herſtellung einer ſtabilen ſich ſelbſt forterhaltenden ewigen Zelle der nationalſozialiſtiſchen
Lehre aufgebaut werden muß, die die Erziehung des geſamten Volkes im Sinne der Ge-
danken dieſer Lehre durchführt und zur Führung des Staates die Geeigneteſten der in dieſem
Sinne Erzogenen zur Verfügung ſtellt.
In großzügigſter Weiſe und getragen von dem Willen dieſer geradezu lebenswichtigen
und für den Beſtand der Bewegung und ſomit des deutſchen Volkes ausſchlaggebenden
Idee Geſtaltung zu verleihen, ging der Reichsorganiſationsleiter der NSDAP, Pg. Dr.
Ley, in aller Stille daran, praktiſche Möglichkeiten zu ſchaffen, die die Bildung dieſes
Ordens verantwortungsbewußter Männer förderten, und ſchuf drei große Stätten der
Willensbewegung, in denen durch die Werte der deutſchen Seele und des deutſchen Geiſtes
eine verſchworene Gemeinſchaft von Männern erzogen wird, die die Grundlage dieſes
künftigen Ordens der NSDAP bilden fol.
Die Ordensburgen in Vogelſang, Cröſſinſee und Sonthofen ſind die ſteinernen Zeugen
des Ewigkeitswillens unſeres Volkes. Durch ihre Errichtung wurde ein neuer Abſchnitt
der Entwicklung der Bewegung eingeleitet, der richtungweiſend die zukünftige Geſtaltung
und Erlebnisform der nationalſozialiſtiſchen Kampfgemeinſchaft beſtimmen wird. Das
Examen beſtimmte die Führerausleſe im Deutſchland der Vor- und Nachkriegszeit. Für
jede höhere Laufbahn waren Zeugniſſe vorgeſchrieben, die beigebracht werden mußten,
wollte man im Leben vorwärtskommen. Durch dieſe Examensmethode erzog man ſich wohl
tüchtige Könner in ihrem Spezialfach, aber keine Führerperſönlichkeiten. Die Prinzipien
der Ausleſe, die für die Ordensburgen maßgeblich ſind, weichen grundſätzlich von dieſen
Anſchauungen ab und ſtellen die charakterliche Haltung des einzelnen, ſeine raſſiſchen Werte
und ſeine Pflichterfüllung im Dienſte der Volksgemeinſchaft in den Mittelpunkt. Nur
derjenige wird in die Ordensburgen aufgenommen, der aus dem Leben der Hitlerjugend
kommend durch die Schule des Arbeitsdienſtes und der Wehrmacht gegangen iſt und ſich
durch freiwillige Arbeiten im Dienfte der Bewegung bewährt hat. Es iſt ſelbſtverſtändlich,
daß derjenige, der dieſe Forderungen erfüllt und ſich nun freiwillig zur Dienſtleiſtung in
den Ordensburgen gemeldet hat, körperlich und erblich geſund iſt und ſeinen Ahnennachweis
eindeutig und klar beibringen kann. Dieſe Punkte allein ſind maßgebend für die Auswahl.
Der Anwärter wird keiner Prüfung unterzogen. Er ſoll auch keinen Lebenslauf ſchreiben.
Ausſchlaggebend iſt allein, ob er ein ganzer Kerl ift, der Bereitſchaſt, Opfermut und Einſatz⸗
willen für ſein Volk beſitzt. Dieſe Prinzipien ſind die gleichen, die in der Kampfzeit die
Bewegung groß gemacht haben und die, ſomit einmal als richtig erkannt, nunmehr für
immer gelten ſollen.
Das Leben auf den Ordensburgen iſt hart. Es fordert Tag für Tag neue Bewährung
des einzelnen. Tag für Tag muß er fein ganzes Können und fein ganzes Ich in die Waag-
ſchale werfen.
Auf den Ordensburgen wird keine Weltanſchauung „gelehrt“. Das kann man nicht.
Wer nicht von ihrer Richtigkeit innerlich überzeugt iſt und ſie inſtinktſicher zu leben vermag,
wird nie zu einem Nationalſozialiſten werden und hat auch nichts auf den Ordensburgen
zu ſuchen. Hier geht es darum, die weltanſchaulichen Erkenntniſſe zu vertiefen und ihre
Quellen wiſſenſchaftlich zu unterbauen. Den Ordensburgangehörigen werden die beſten
Könner auf allen wiſſenſchaftlichen Gebieten, z. B. der Raſſenkunde, der Vorgeſchichte, Ge-
ſchichte uſw., das geiſtige Rüſtzeug vermitteln, das ihre haltungsmäßige Einſtellung noch
vertieft und erweitert und fie in die Lage ſetzt, auf Fragen der Zeit eine entſprechende Ant-
wort zu finden und gegneriſche Anfeindungen mit den Waffen des Geiſtes abzuwehren. Die
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Rüdiger / Ausleſe der Bewegung 9
Hauptlehrer in den Schulen find alſo äußerſt ausgewählte Männer, die nicht nur über ein
reiches Wiſſen auf ihrem Lehrgebiet verfügen, ſondern darüber hinaus auch weltanſchaulich
in allen Fragen unantaſtbar find. Außer den Hauptlehrern und ihren Mitarbeitern, die
als Kameradſchaftsführer in kleinen Arbeitsgemeinſchaſten den Wiſſensſtoff mit den Ordens-
burgangehörigen auswerten und vertiefen, werden zahlreiche Gaſtlehrer beſonders über
kulturelle Dinge Vorträge halten, werden regelmäßige Theaterbeſuche und künſtleriſche Ber-
anſtaltungen das kulturelle Leben der Ordensburgen ausbauen und geſtalten.
Neben dieſer wiſſenſchaftlichen Schulung, deren Lehrerſchaft durch Reichsleiter Rofen-
berg ausgewählt wird, werden die charakterlichen Werte des Mannes und ſein körperliches
Können überprüft. Nur ganze Kerle ſollen auf den Burgen ſein, ſagte Dr. Ley, Kerle,
die bereit ſind, ihr Mannestum, ihren Mut, ihre Entſchloſſenheit und Kühnheit zu jeder
Zeit unter Beweis zu ſtellen. Denn ein Führer, der als Vorbild ſpäter im Volk wirken
ſoll, ſoll nicht nur ein großes Wiſſen haben, ſondern muß auch ein ſelbſtbewußtes Auftreten
beſitzen und als Kämpfer bereit fein, ih in allen Lagen durchzuſetzen. Dieſes Kämpfertum
durch dauerndes Bewähren zu ſtärken, iff eine der Hauptaufgaben der Ordensburgen.
Darum ſteht die körperliche Ertüchtigung im Mittelpunkt der Erziehung. Alle Sportarten
werden durchgeführt. Darüber hinaus feſtigen Mutproben den Willen des einzelnen und er-
ziehen ihn zu einem harten, ſelbſtbeherrſchten Menſchen. Durch die Mutproben wird nicht
feſtgeſtellt, ob einer körperlich in der Lage iſt, z. B. vorſchriftsmäßig zu turnen, ſondern
wie er eine an ihn geſtellte Aufgabe anpackt; ob er mit Elan über das Pferd ſpringt, ohne
dabei zu bedenken, daß er hinſtürzen könnte, ob er mit Entſchloſſenheit vom 8-Meter-
Sprungbrett, ohne jemals hierzu trainiert zu haben, ins Waſſer ſpringt, ob er einen Fall-
ſchirmabſprung wagt, ſtets ſtehen Selbſtüberwindung und Entſchloſſenheit als tragende
Werte der Mutprobe im Mittelpunkt. So wird jede Hemmung und jedes Minderwertig⸗
keitsbewußtſein ausgemerzt. Wer dieſen Anforderungen gerecht wird, wird auch in allen
übrigen Lagen des Lebens ſein Leiſtungsbewußtſein unter Beweis ſtellen können und ſomit
jede an ihn herantretende Anforderung erfüllen.
Die Männer der Ordensburgen werden zu einem ſicheren geſellſchaftlichen Auftreten er-
zogen, um auch auf dieſem Gebiete in der Lage zu ſein, von keiner Hemmung berührt, ſich
durchzuſetzen. So werden hier Menſchen geformt, die auf allen Gebieten und in allen Dingen
vorbildlich ſein können und die geiſtig und körperlich geſchult eine wirkliche Ausleſe des
Volkes darſtellen. Ihre große Aufgabe, an der Entwicklung des Volkes tätig zu fein
und die politiſche Führung und Schulung der Volksgenoſſen durchzuführen, verlangt, daß ſie
einſatzbereit dieſem Orden auf Gedeih und Verderben verbunden und ſeinen Geſetzen un-
bedingt gehorſam ſind. Auf den Gehorſam bauten ſich alle großen Männerbünde auf. Er
iſt das Rückgrat jeder weltbedeutenden Bewegung. Wer dieſen Gehorſam verletzt, wer die
Kameradſchaft verrät und den Treueid bricht, muß bedingungslos aus dieſem Orden aus-
geſtoßen werden. So wie der einzelne Mann durch ſeine Zugehörigkeit zum Orden alle
Möglichkeiten hat, zu einem verantwortlichen und tatkräftigen Führer heranzuwachſen, ſo
ſoll er auch in Acht und Gann getan werden, wenn er ſeine Geſetze bricht.
Während der Ordensburgzeit wird durch die Leiſtungen des Anwiirters entſchieden,
für welche Dienſtſtellung er ſich eignet, ob er ſpäter als Hoheitsträger die Geſchicke einer
Ortsgruppe oder eines Kreiſes leitet oder als Stabsleiter die Aufgaben des Hoheitsträgers
unterftüßt. In Zukunft wird kein politiſcher Leiter in Deutſchland eingeſetzt werden,
der nicht durch die Schule der Ordensburgen gegangen iſt.
So bildet ſich fortgeſetzt eine Führerſchicht heran, die in der Lage iſt, den an ſie
herantretenden verantwortlichen Aufgaben gerecht zu werden.
H
10 Pabel / Römiſche Kirche und Judentum
Neben dieſer Ausleſearbeit für die politiſche Leitung geht die Führerausleſe der
Formationen der HJ, SS, SA uſw. Sie alle dienen dieſem großen Ziel: eine verſchworene
Gemeinſchaft auszuleſen und einen Orden vorzubereiten, deſſen lebensgebundenen Kräfte
organiſch die Entwicklung des Volkes zu immer neuem Einſatz um ſeinen Beſtand auf dieſer
Erde und für ſeine Aufgabe in dieſer Welt zu führen, und ſomit endlich den Traum aller
großen Deutſchen erfüllen: die Durchſetzung des ewigen Deutſchen Reiches germaniſcher
Nation.
Horst Pabel:
Nömiſche Kirche und Judentum
Die Stellung der römiſchen Kirche zur Judenfrage iſt, nachdem ſie erſt 1918
durch die Herausgabe des neuen kanoniſchen Kirchenrechtes eindeutig feſtgelegt war,
im Laufe der letzten anderthalb Jahrzehnte, beſonders aber nach der für das Deutſche
Reich erfolgten Löſung der Judenfrage durch den Nationalſozialismus, einer bedeut⸗
jamen Wandlung unterworfen. Das Ergebnis dieſer Entwicklung ijt zunächſt auper-
ordentlich zwieſpältig, indem auf der einen Seite beſonders in den Nachfolge⸗
ſtaaten, und hier wieder beſonders im heutigen Oeſterreich, die Judenfrage von
Monat zu Monat mehr an aktueller Dringlichkeit gewinnt, und dadurch die
römiſche Kirche ſich, allerdings mehr zu ihrem Leidweſen und gegen ihren Willen,
gezwungen ſieht, überhaupt das Beſtehen einer Judenfrage
anzuerkennen und einer Löſung entgegenzuarbeiten. Auf der
anderen Seite, namentlich in den katholiſchen Emigrantenzeitungen, zeigt ſich die
Judenfrage fo ſtark mit dem leidenſchaftlich bekämpften und verfemten National:
ſozialismus verbunden, daß man ſchon auf Grund der antinationalſozialiſtiſchen Ein-
ſtellung heraus entweder eine Judenfrage überhaupt als nicht vorhanden ablehnt
oder ſie in einer dem Judentum ſehr wohlwollenden Weiſe zu löſen trachtet.
Auf jeden Fall aber zeigt ſich, daß die Judenfrage der römiſchen Kirche heute
denkbar ungelegen kommt. War ihr Verhältnis zum Judentum während des Mittel-
alters bis in die Neuzeit hinein im weſentlichen beſtimmt durch die Vorſtellung, daß
es das jüdiſche Volk war, das Chriſtus ans Kreuz geſchlagen hatte, ſo dringt in der
neueren Zeit immer mehr die andere Anſchauung von der Auserwähltheit des
jüdiſchen Volkes durch, dem ja auch Chriſtus entſtammte. Demgemäß hatte ſich auch
im 19. Jahrhundert das Verhältnis Roms zugunſten des Judentums grundlegend
gewandelt.
Man wird nicht ohne Recht darauf hinweiſen, daß dieſer Stellungswechſel im
weſentlichen auf religiöſen Gründen beruhte, doch läßt ſich demgegenüber geltend
machen, daß zur Zeit der Abfaſſung des alten Codex die raſſiſche Frage mit der
religiöſen eng verknüpft war, daß eine Trennung gar nicht nötig war. And
zweitens — und dieſer Grund iſt noch wichtiger —, wenn es wirklich nur religiöſe
Gründe geweſen find, die die Abfaſſung der Beſtimmungen im alten Codex veran-
laßten, dann hätten fie ja auch heute noch ihre Gültigkeit. Aber erſtaunlicherweiſe
*
Pabel / Römiſche Kirche und Judentum 11
fehlen im neuen Coder ſämtliche Abſchnitte, die das Judentum betrafen, jo vodftandia,
daß nicht einmal mehr das Wort Jude in ihm vorkommt.
Damit war aber lediglich auch kirchenrechtlich ein Schlußſtrich unter eine Entwicklung
geſetzt, die parallel mit der Eingliederung des Juden in die völkiſchen Staats und
Volksverbände ſeit der franzöſiſchen Revolution gegangen war. Rom hatte
mit dem Judentum ſeinen Frieden geſchloſſen. Bis zu welchen
Auswirkungen das ging, haben wir in Deutſchland ſelbſt genug an zahlloſen VGei-
ſpielen, insbeſondere der Zentrumspolitik, erleben können. Die Stellung, die dem-
zufolge der deutſche Klerus zur deutſchen Raſſegeſetzgebung einnimmt, ift naturgemäß
äußerſt gewunden, und man iſt auch hier gezwungen, um ein unverfälſchtes Bild von
der römiſchen Einſtellung zur Judenfrage und RNaſſenkunde zu erhalten, außerdeutſche
Quellen heranzuziehen.
Es nimmt nicht wunder, wenn „Der Deutſche Weg“ auch in dieſen
Fragen ſich in einen unverſöhnlichen Gegenſatz zur Politik des Dritten Reiches
ſtellt und deren Maßnahmen mit wüſtem Schimpfgeſchrei begleitet. Nicht anders
verhält ſich „Der chriſtliche Ständeſtaat“, der ſich auch des öfteren ver—
anlaßt geſehen hat, ſich mit der Judenfrage zu beſchäftigen, und zwar in einer Form,
die durchaus die Tradition aus dem 19. Jahrhundert fortſetzte. Am nur zwei Bei⸗
ſpiele aus jüngſter Zeit anzuführen: In ſeiner Nummer vom 2. Februar 1936 bringt
der Ständeſtaat einen längeren Bericht des Vorwortes „Judenhaß von heute“, das
der „berühmte und verdienſtvolle Begründer und Leiter der paneuropäiſchen Bewe—
gung, R. N. Coudenhove-Kalergi“, anläßlich einer Neuauflage zu dem Buch feines
Vaters über das „Weſen des Antiſemitismus“ geſchrieben hat. Wir brauchen auf
dieſes Vorwort nicht einzugehen, ſtellen nur feft, daß in ihm Coudenhove⸗Kalergie
nach der Meinung des Ständeſtaates „in meiſterhafter Weiſe die der national-
ſozialiſtiſchen Ideologie zugrunde liegenden Inſtinkte und Reſſentiments aufge-
deckt“ habe.
In der Nummer vom 16. Februar bringt der Ständeſtaat neuerlich unter dem
Titel „Judentum, Deutſchtum und Chriſtentum“ einen „Beitrag zum Problem des
Antiſemitismus“ aus der Feder ſeines ſtändigen Mitarbeiters Dr. Erwin
Reisner. — Ans intereſſieren hier nur die auf die Beziehung von Judentum und
Chriſtentum Bezug nehmenden Stellen. So heißt es gleich zu Anfang nach der
kurzen Wiedergabe einer Anekdote Friedrichs d. Gr.:
„Von den vielen Gnadenerweiſen, die der Schöpfer dieſer abgefallenen Welt hat zuteil
werden laſſen, ſteht ſicher nicht an letzter Stelle die Epiſtenz des jüdiſchen Volkes, das uns
immer wieder an die große Heilstatſache des Fleiſch gewordenen Wortes gemahnt; und
jo darf man wohl ohne Hebertreibung behaupten, daß die Art, wie ſich ein Chrift dem
Juden und dem Problem des Judentums gegenüber verhält, mit einen Maßſtab für ſeine
Chriſtlichkeit abgibt.“
Wie ſich nun Dr. Reisner das Verhältnis des Chriſten zum Juden vorſtellt,
erhellt u. a. die folgende Stelle:
„Keinesfalls dürfen wir als wahrhaft gläubige Chriſten den Juden darüber im
Zweifel laſſen, daß wir uns für die durch Gnade der Wahrheit Teilhaftigen, ihn aber für
d
12 Pabel / Römiſche Kirche und Judentum
den Angläubigen halten. So ergibt ſich von ſelbſt eine gewiſſe Diſtanz, die
aber gerade nicht die Diſtanz zwiſchen Feinden oder auch nur
Fremden ift, ſondern eher jene zwiſchen zwei Brüdern, von
denen der eine in die Irre geht und der andere ihn vom rechten
Weg her liebend zu ſich zurückruft.“
And wenn Reisner an einer anderen Stelle geſchrieben hatte, daß „uns freilich
eine Anbiederung an den Juden verboten“ ſei, ſo iſt doch ſein ganzer Artikel nichts
anderes, als eben eine zudem nur ſchlecht verhüllte Anbiederung und ein Werben
um den Juden, das ſehr dem Werben um einen Bundesgenoſſen ähnelt. Man ver⸗
gleiche hierzu ſtatt vieler nur dieſe eine Belegſtelle:
„Wen der Vater liebt, den können wir, wenn wir uns feine
Kinder nennen, nicht verachten und verfolgen. Vielleicht iſt der Jude
der verlorene Sohn, der zwar ſein Erbteil verſchleudert hat, am Ende aber doch in das
Haus des Vaters zurückkehrt und dort mit Freuden aufgenommen wird.“ Ganz ähnlich
hieß es in einer der letzten Nummern des „Chriſtlichen Ständeſtaates“ (Nr. 17 v. 26. 4.
1936), die nicht weniger als 4 Auſſätze zur Judenfrage enthielt. Im Leitartikel „Falſche
Antitheſen“ ſchreibt Prof. Dr. Dietrich Hildebrand: „Die Zugehörigkeit zum jüdiſchen
Volk, die leibliche Sohnſchaft Abrahams als ſolche bleibt ein Vorzug und muß uns,
wenn die Gemeinſchaft mit Chriſtus hergeſtellt iſt, mit beſonderer Ehrfurcht und Freude
erfüllen.“
Den Höhepunkt in den Auseinanderſetzungen über die Judenfrage ſcheint uns
auf der ſtreng römiſchen Seite ein im vergangenen Jahr in dem katholiſchen Bita-
Nova- Verlag in Luzern erſchienenes Buch darzuſtellen, das unter dem vielver-
ſprechenden Titel „Die Gefährdung des Chriſtentums durch Raſſenwahn und Juden⸗
verfolgung“ eine Reihe von Beiträgen veröffentlicht, zu deren Autoren u. a.
Dr. Deſider Balthaſar, der Biſchof von Debreczen, Aniverſitätsprofeſſor
Em. Radl in Prag, Dr. Aloiſius Scheiwiler, Biſchof von St. Gallen,
und die Konvertitin Sigrid Andſet gehören. Die Grundmelodie des ganzen
Buches, namentlich aber des Beitrages des Biſchofs von St. Gallen, läßt ſich am
beſten mit einem Zitat aus dem ſchon oben herangezogenen Artikel von Dr. E.
Reisner im „Chriſtlichen Ständeſtaat“ charakteriſieren, wo es heißt, daß der „Jude
von uns als ſozuſagen ungetauftes Glied derſelben Kirche
zu betrachten ſei, der wir angehören.“
Eine ſo enge Verflechtung von jüdiſcher und chriſtlicher Frage läßt ſich durch
eine ganze Reihe von Beiſpielen aus dem angeführten Buch belegen. Wir beſchrän⸗
ken uns darauf, nur einige anzuführen und müſſen auch davon Abſtand nehmen, die
zu ſolchen Schlußfolgerungen ſührenden Gedankengänge zu zitieren. In dem erſten
Beitrag des Buches, der einen Abdruck aus der Schrift „Das Judentum und die
Chriſtenfrage“ von Wladimir Solowjow darſtellt, heißt es u. a.:
„Denn die Fülle des Chriſtentums ſchließt auch das Judentum in ſich ein, und die
Fülle des Judentums iſt das Chriſtentum.“ (S. 8). „Demnach iſt
die Judenfrage die Chriſtenfrage.“ (S. 9). „Seine des Judentums) Leiden,
feine Prüfungen find Gegenſtand des brüderlichen Mitleids der ganzen beſonnenen drift
lichen Welt. Das Judentum wird im Bewußtſein feines hiſtoriſchen Verdienſtes, im
= * =, * * K Fe
= <e ee ee ee ee —A—ümůä ee ne vg EE eg NC ee ee ———— —
e
Pabel / Römiſche Kirche und Judentum 13
Stolz auf feine Berufung, im hohen Gedanken feiner Miſſion ſtets die Kräfte der Wider-
geburt finden, ja die Angriffe, die es von außen treffen, werden nicht einmal dem geiſtig⸗
ſittlichen Gehalte ſeiner Weltanſchauung oder ſeiner praktiſchen Bedeutung Abbruch tun
können.“ (Aus dem Beitrag des Biſchofs von Debreczen „Chriſtentum, Raſſenwahn,
Judenverfolgung“, S. 20.)
Aeber dergleichen immerhin nur ſchriftſtelleriſche Bekundung reichen weit hinaus
zwei Inſtitutionen der römiſchen Kirche, deren Hauptaufgabe es iſt bzw. war, den
engen Zuſammenhang von Judentum und Chriſtentum auf das nachdrücklichſte zu
betonen und unter der Judenſchaft eine verſtärkte Miſſion zu entfalten.
Es handelt ſich zunächſt um die im März 1926 in Rom mit kirchlicher Unter-
ſtützung gegründete „Geſellſchaft der Freunde Israels“, über deren Ziele ſich der
vom Papſt ſelbſt beſtellte Generalſekretär, Monſignore von Aſſeldonk, einem Ver-
treter der Jüdiſchen Telegraphen⸗Agentur in Zürich gegenüber wie folgt äußerte:
„Durch Predigten, Vorträge, Zeitungsartikel und Konferenzen ſoll die katholiſche
Welt daran erinnert werden, daß unfer gemeinſamer Gott, Vater
das Volk Israel unwiderruflich auserwählt hat, was auch durch
Chriftus und feine Jünger beſtätigt worden ift. Daraus folgt, daß der Antifemi-
tis mus der Gotteslehre direkt widerſpricht.“
Die Wirkſamkeit dieſer Geſellſchaft führte zu einem ſich immer ſtärker geltend
machenden Einfluß des Judentums innerhalb der katholiſchen Kirche, dem dieſe
ſchließlich nur noch mit einer Auflöſung der „Geſellſchaft der Freunde Israels“
begegnen konnte. Während in dem Auflöſungsdekret vom 25. März 1928 die Be-
gründung in ſehr vorſichtiger Formulierung gegeben wird, ſpricht ein am 19. Mai
desſelben Jahres in der „Civilta Cattolica“ erſchienener Artikel eine ungleich
deutlichere Sprache.
„Die jüdiſche Gefahr bedroht die ganze Welt durch verderb-
liche jüdiſche Einflüſſe oder verabſcheuenswerte Einmiſchungen,
beſonders bei den chriſtlichen Völkern und noch mehr bei den katholiſchen und lateiniſchen,
wo die Blindheit des alten Liberalismus die Juden ſtark begünſtigt hat, während ſie die
Katholiken und vor allem die Orden verſolgten. Die Gefahr wird von Tag
zu Tag größer .. .“
Des weiteren wird in dem Artikel auf die ſtarke Vorherrſchaft des Judentums
im Bolſchewismus und in der Freimaurerei, auf die jüdiſche Hegemonie in Wirt-
ſchaft und Induſtrie, auf die „diktatoriale Aebermacht“ in der Hochfinanz hinge—
wieſen. Man ſollte meinen, daß eine ſolche uns heute noch überraſchende Klar—
ſichtigkeit in der jüdiſchen Frage die römiſche Kirche bewogen hätte, ihre im neuen
kanoniſchen Recht niedergelegte Einſtellung zum Judentum einer weitgehenden Revi-
dierung zu unterziehen. Das geſchah aber keinesfalls. Das Zwiſchenſpiel mit der
„Geſellſchaft der Freunde Israels“ blieb nur Zwiſchenſpiel und Epiſode. Nichts
beweiſt dies beffer als die, allerdings unter beſonderer Berückſichtigung der öfter-
reichiſchen Verhältniſſe, im Jahre 1934 erfolgte Gründung des Paulus-
Werkes durch den Fürſterzbiſchof Waitz, deffen Ziel ausgeſprochen juden-
miſfionariſcher Art ift. Das Veröffentlichungsorgan, im Auftrage des Paulus-
Werkes von Johannes Oeſterreicher herausgegeben und geleitet, iſt die „Erfüllung“.
14 Pabel / Römiſche Kirche und Judentum
Ueber ihre Aufgabe und damit auch die des Paulus- Werkes gab fie in ihrer erſten
Nummer Januar / Februar 1935 wie folgt Auskunft:
„Ihr (der „Erfüllung“) Ziel iſt, die religiöſe Schau des jüdiſchen Seins Juden und
Chriften zu vermitteln. So ift fie berufen, Mauern niederzulegen, die Men.
ſchen durch Anwiſſenheit und Zwietracht, durch Irrtum und
Schuld voreinander aufgerichtet haben. Sie wird dadurch dem Frieden
dienen — und nichts iſt heute notwendiger als dieſes — aber nicht einem falſchen, ſondern
dem wahren Frieden, der aus der Wahrheit kommt, die von Gott ift.”
Es wäre unſchwer, dieſen Beiſpielen noch eine zahlloſe Menge weiterer hinzu—
zufügen, insbeſondere gerade aus der Zeitſchrift „Erfüllung“. Aber es kommt uns
nicht auf Vollſtändigkeit, die bei dieſer heute immer mehr diskutierten Frage an ſich
kaum möglich wäre, ſondern nur darauf an, an einigen ſehr prägnanten Beiſpielen
die Richtung zu zeigen, in der ſich heute die römiſche Kirche bei der Behandlung
der Judenfrage bewegt. And wenn wir im folgenden noch eine Reihe katholiſcher
Publiziſten und andere öffentlich bekannte Vertreter aus dem katholiſchen Lager zu
Wort kommen laffen, die eine von der oben ſkizzierten weſentlich abweichende Be-
handlung der Judenfrage erkennen laſſen, ſo erinnern wir an den ſchon gemachten
Hinweis, daß die Judenfrage als wirkliches Judenproblem heute der katholiſchen
Kirche höchſt unwillkommen ift. Dies hat jedoch nicht verhindern können, daß bejon-
ders in Oeſterreich, aber auch in anderen ausgeſprochen katholiſchen Ländern (die uns
hier allein intereſſieren), der Antiſemitismus ſtändig im Wachſen iſt. Daß das
nicht nur eine Annahme bösartiger Gegner iſt, beweiſt in unzweideutiger Weiſe die
Häufigkeit, mit der heute in der öſterreichiſchen Oeffentlichkeit das Judenproblem be—
handelt wird. And der Jeſuitenpater Georg Bichlmair begann feinen kürzlich in
Wien gehaltenen Vortrag „Der Chriſt und der Jude“ laut Bericht der „Reichspoſt“
vom 19. März 1936 mit dem aufſchlußreichen Satz:
„Hunderttauſende öſterreichiſche Katholiken erwarten von ſeiten der Katholiſchen Aktion
ein klärendes Wort in der Judenfrage, an dem ſie ſich in der Praxis orientieren könnten.“
Welche Wirkungen die Judenmiſſionierung des Paulus Werkes gezeitigt hat,
läßt ſich aus einem Vortrag über die Judenfrage entnehmen, den der Miniſter a. D.
Dr. Czermak Anfang Februar in Salzburg gehalten hat. Er gab im Verlaufe
ſeiner Ausführungen eine Inhaltsangabe eines ihm von einem jüdiſchen Schriftſteller
zugeſandten Briefes wieder, in dem der Jude feſtſtellte, daß er in der Taufe aller
Juden die einzige Möglichkeit zur Beendigung des Kampfes gegen das Judentum
ſähe. Gegen dieſe Methode der Scheintaufe zur Verhinderung des Antiſemitismus
wandte ſich Dr. Czermak in ſcharfen Worten: „Ich bekenne mich daher als
ausgeſprochener Gegner der Taufe als Vorbeugungsmittel
gegen den Judenhaß, als ausgeſprochener Gegner der Scheintaufe zur Be—
ſeitigung des Judenproblems“. Auch der Staatsſekretär Kunſchak verlangte in
letzter Zeit des öfteren in kategoriſcher Weiſe eine radikale Löſung der Judenfrage.
Auf deren Gefahren wies auch — um noch eine außeröſterreichiſche Stimme zu
zitieren — der Primas von Polen, der Kardinal Hlond, in feinem dies-
jährigen Faſtenhirtenbrief hin, in dem er in bezug auf die Juden ſagte, daß ſie
Pabel / Römiſche Kirche und Judentum | 15
„die katholiſche Kirche bekämpfen, die Wurzel des Freidenkertums und die Vorhut
der Gottloſenbewegung, des Bolſchewismus und des Amſturzes bilden“.
Daß der Kardinal trotzdem vor dem Antiſemitismus warnt, nimmt uns nicht
weiter wunder, denn einmal würde es der verſöhnungsbereiten Haltung der römiſchen
Kirche widerſprechen, zum andern aber liegt es daran, daß ſich die römiſche Kirche
bis heute noch nicht hat entſchließen können, die Judenfrage als Raffenfrage anzu-
ſehen und überhaupt der Raffenfrage die Bedeutung beizumeſſen, die fie tatſächlich
beſitzt. Sie ijt allerdings viel zu klug, um deren Vorhandenſein noch länger in
Abrede ſtellen zu wollen und fie zeigt ſich auch bereit, fie bis zu einem viel weiter-
gehenden Maße, als es bislang üblich war, anzuerkennen, auch in Oeſterreich, doch
muß ſie, will ſie ſich nicht ſelbſt den Boden unter den Füßen wegziehen, immer noch
den Vorrang des Geiſtes, der Gnade, der Taufe vor den Mächten des Blutes, der
Erde ufw. behaupten. Daran krankt denn auch die Behandlung der Judenfrage,
die ausgeſprochen oder unausgeſprochen noch immer für ein religiöſes Problem
gehalten wird. Dafür liefert ein ſehr gutes Beiſpiel das ſchon 1918 von dem
Staatsſekretär Kunſchak entworfene und nach Revidierung einiger Punkte von
Prälat Seipel ausdrücklich gutgeheißene, aber nie in Kraft getretene „Geſetz
über die Rechtsverhältniſſe der jüdiſchen Nation“. Nach dieſem ſollten — wir
zitieren im folgenden nach der „Schöneren Zukunft“, Nr. 22 vom 1. März 1936 —
als Angehörige der jüdiſchen Nation angeſehen werden:
a) alle Mitglieder der israelitiſchen Religionsgeſellſchaft als Bekenner der National-
religion ihres Volkes;
b) alle jene, die ſich, ohne der israelitiſchen Religionsgeſellſchaft anzugehören, dennoch
zur jüdiſchen Nation gehörig erklären, ſowie deren minderjährige Kinder, inſolange
diefe Erklärung nicht unter gleichzeitigem Bekenntnis zu einer anderen Nation wider-
rufen wird.
Da aber der Anteil der Juden an beſtimmten öffentlichen Berufen „in jenem
Zahlenverhältnis“ ſtehen ſoll, „das den nationalen Bevölkerungszifſern im betreffen-
den Lande der Republik Oeſterreichs entſpricht“, kann man vorausſehen, daß ſich kein
Jude ohne Not zur jüdiſchen Nation bekennen wird. Es bleibt alfo praktiſch bei
dem religiöſen als unterſcheidendem Merkmal.
Ein beſonders eindrucksvolles Beiſpiel für die ſchwierige Lage, in der ſich die
römiſche Kirche durch die Juden- und Raſſenfrage befindet, ift der ſchon oben kurz
erwähnte Vortrag des Paters Bichlmair S. J., der in Wien geradezu ſenſationell
gewirkt hat. In der Tagespreſſe rief er ein allſeitiges Echo hervor, das aber
keineswegs einſtimmig oder auch nur einmütig geweſen ift. Auch die der Juden-
frage gewidmete Nummer des „Chriſtlichen Ständeſtaates“ vom 26. April iſt noch
eine Folgeerſcheinung des Vortrages des Jeſuitenpaters Bichlmair, deffen Aus-
führungen übrigens ſchon am 29. März vom „Ständeſtaat“ als „vom fatho-
liſchen wie vom vaterländiſchen Standpunkt aus gleich be-
dauerlich“ bezeichnet wurden.
In ihm offenbart ſich in unverkennbarer Weiſe der Zwieſpalt, der durch den
Verſuch beſtimmt wird, die Judenfrage in ein harmoniſches Verhältnis zum römiſchen
7
16 Pabel / Römiſche Kirche und Judentum
Chriſtentum zu bringen. Auf der einen Seite ſtellt fh Bichlmair auf den Stand-
punkt, daß die nationalſozialiſtiſchen Judengeſetze in Deutſchland abzulehnen ſeien,
„weil fie auf einer wiſſenſchaftlich und ethiſch unhaltbaren Raſſentheorie batteren",
auf der anderen aber muß er zugeben, daß „bei aller Amſtrittenheit des Begriffes
Raſſe doch über alle wiſſenſchaftlichen Bedenken hinweg, „es fo etwas wie
Raſſe gibt und daß die Juden einer anderen Raſſe angehören
als das deutſche Volk“. Oder: „Durch den Empfang der Taufe wird der
einzelne Jude ſeinem charakterologiſchen Sein nach nicht plötzlich umgewandelt; es
bedarf anſtrengender Arbeit und längerer Zeit zur Behebung der aus feinem Volks-
charakter ſtammenden Schwächen“ (21). Dagegen einige Sätze weiter: „Pauſchal⸗
verdächtigungen, daß der Jude eben Jude bleibe, oder daß die Taufe gar keine um-
wandelnden Wirkungen zeitige, find unchriſtlich und entſprechen in dieſer Allgemein-
heit in keiner Weiſe den Tatſachen.“
Intereſſant ſind in dieſem Vortrag noch die Bemerkungen, in denen Bichlmair
ſagt, daß keine Zurückhaltung in der Beurteilung des religiöſen Gewiſſens einzelner
Juden blind zu machen braucht „gegenüber den gefährlichen, weil nur
zu leicht anftedenden und zerſetzenden volkscharakterolo⸗
giſchen Auswirkungen der religiöſen Apoſtaſie und der
geiſtigen Heimatloſigkeit des jüdiſchen Volkes“ und ſchließlich
das bemerkenswerte Zugeſtändnis, daß die Verurteilung der Miſchehen zwiſchen
Juden und Chriſten durch die katholiſche Kirche „gewiß zunächſt aus religiöſen
Gründen“ erfolgt, daß „aber die Kirche als wiſſende Mutter auch
beſtimmte Gefahren aus dem Volkscharakter eines jüdiſchen
Ehepartners aufſteigen ſieht“.
Zu Eingang feiner Ausführungen hatte Bichlmair ausdrücklich darauf Din,
gewieſen, daß es weder im Auftrage des Wiener Erzbiſchofs noch feines Ordens.
oberen ſpreche. Das aber ſtünde zu ſehr im Widerſpruch zu den ſonſtigen Prin-
zipien gerade des Jeſuitenordens, daß man viel eher das Gegenteil anzunehmen
geneigt iſt. Man iſt verſucht zu glauben, daß die römiſche Kirche mit der Rede
Bichlmairs eine Art Verſuchsballon hat loslaſſen wollen, um die öffentliche Reaktion
feſtſtellen zu können. Denn ſicher iſt, daß früher oder ſpäter auch die römiſche
Kirche gezwungen ſein wird in der Frage der Raſſeforſchung und damit denn auch
in der Judenfrage der Wiſſenſchaft ihren Tribut zu zollen.
Pfaffen, die sich drängen zwischen Ihnen will ich Wahrheit nennen:
Gott und Menschheit, sie zu trennen, Gott und Volk gehört zusammen,
Die hier fälschen und dort fischen, Heut und alle Tage, Amen!
Peter Rosegger.
Das neue Heidelberg
Ehrenfriedhof
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Heiligen Berg
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Festspiele im Schloßhof / Szene aus „Götz von Berlichingen”
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Ehrenmal der Studentenschaft
Humbold / Recht auf Schutz? 17
Hans Humbold:
Rewi auf Schutz?
Die Exiſtenzberechtigung des Völkerbundes gründet ſich auf folgende Teile der Satzung,
die zu wiederholen wir uns wegen ihres ſenſationellen Inhalts verpflichtet fühlen:
„§S 8, 1: Die Bundesmitglieder bekennen fih zu dem Grundſatz, daß die Aufrecht⸗
erhaltung des Friedens eine Herabſetzung der nationalen Rüſtungen auf das Mindeſtmaß
erfordert, das mit der nationalen Sicherheit und mit der Erzwingung internationaler
Verpflichtungen durch gemeinſchaftliches Vorgehen vereinbar iſt.
§ 10: Die Bundesmitglieder verpflichten fih, die Anverſehrtheit des Gebietes und die
beſtehende politiſche Anabhängigkeit aller Bundesmitglieder zu achten und gegen jeden
äußeren Angriff zu wahren.
§ 11, 1: Ausdrücklich wird hiermit feſtgeſtellt, daß jeder Krieg und jede Bedrohung
mit Krieg, mag davon unmittelbar ein Bundesmitglied betroffen werden oder nicht, eine
Angelegenheit des ganzen Bundes ift und daß dieſer die zum wirkſamen Schutz des Völker-
friedens geeigneten Maßnahmen zu ergreifen hat.
§ 16, 1: Schreitet ein Bundesmitglied entgegen den in den Artikeln 12, 13 und 15 über-
nommenen Verpflichtungen (nämlich, Streitfälle zwiſchen Bundesmitgliedern der ſchieds⸗
richterlichen Entſcheidung des Bundes vorzulegen und ſich dieſer Entſcheidung zu fügen)
zum Kriege, ſo wird es ohne weiteres ſo angeſehen, als hätte es eine Kriegshandlung gegen
alle anderen Bundes mitglieder begangen. Dieſe verpflichten fih, unverzüglich alle Handels-
und Finanzbeziehungen zu ihm abzubrechen, uſw.
§ 16, 2: In dieſem Galle ift der Rat verpflichtet, den verſchiedenen beteiligten Re-
gierungen vorzuſchlagen, mit welchen Land-, See- und Luftſtreitkräften jedes Bundesmitglied
für ſein Teil zu der bewaffneten Macht beizutragen hat, die den Bundesverpflichtungen
Achtung zu verſchaffen beſtimmt iſt.“
- Unter Weltgeſchichte verſteht man im Grunde nichts als die chronologiſche Sammlung
jener Konflikte zwiſchen zwei Großmächten, von denen die eine im Aufſtieg, die andere im
Abſtieg begriffen war: ob es ſich nun dabei um Aegypten —Aſſyrien, Perfien— Griechenland,
Karthago Rom, Deutſchland— Italien, Frankreich —Deutſchland, England — Spanien,
Oeſterreich— Türkei, Rußland — Japan oder ſonſtwen handelte. Erſt die aufgeklärte Menſch⸗
lichkeit des 19. Jahrhunderts brachte die Erfahrung zutage, daß nicht der ehrliche Streit
zwiſchen zwei Partnern die Weltgeſchichte beſchleunigt, ſondern die Koalition vieler Starker
gegen einen Starken erſt dieſen einen endgültig aus dem Spiel auszuſchalten vermag. Man
erhob damit die Feigheit, die im Leben der einzelnen Menſchen als verabſcheuungswürdig
gilt, im Leben der Völker zum gernbenutzten ethiſchen Prinzip.
Dieſes neue internationale ethiſche Syſtem der Koalition der Großmächte löſte mit
dem Weltkrieg ein anderes früher geltendes moraliſches Recht des Beſchütztwerdens ab,
das die Kleinen von den Großen fordern konnten.
Es war dabei im Leben der Völker gleichgültig, ob die Aebernahme der Schutz—
verpflichtung durch die Großen eigennützigen oder uneigennützigen Motiven entſprang:
die Geſchichte kennt beide Fälle in vielfacher Variation. Entſtehung und politiſche
Stabilität der kleinen Staaten beruhte im weſentlichen auf einer geographiſchen Zwiſchen—
ſtellung zwiſchen zwei Großmächten, von denen keine der anderen die Eroberung des
Zwiſchengebietes gönnte. Oder es entſtanden Gruppen von kleineren Staaten durch Muj-
teilung größerer Reiche, wie etwa des ſpaniſchen Kolonialreiches in Südamerika oder
18 Humbold Recht auf Schutz?
der Habsburger Monarchie. Alle dieſe kleineren Staaten ſuchten ſich im Schatten der großen
weltpolitiſchen Auseinanderſetzungen ein Zipfelchen Neutralitätsanerkennung. Dieſe
Neutralität war einfach dadurch gewährleiſtet, daß die Kleinen als Staaten ohne großes
Wehrpotentiel mit der Eiferſucht der Großmächte rechnen konnten. Wohl wurden ſie hier
und dort — oft durch eigene Schuld — in die Auseinanderſetzungen der Großen hinein-
gezogen oder maßten ſich zu ihrem eigenen Schaden Großmachtkomplexe an. Im allgemeinen
galt aber die Neutralität dieſer kleineren Staaten als integrierender Beſtandteil des welt-
politiſchen Gleichgewichts.
Dieſe freundliche und beſchauliche Situation der Kleinſtaaten änderte ſich mit einem
Schlage, als mit dem Weltkrieg zum erſten Male Koalitionen größten Ausmaßes ins Leben
gerufen wurden, denen fih verſchiedene bisher neutrale Staaten als Folge unvorſichtig gc-
führter Außenpolitik und in der Hoffnung auf reiche Beute nicht entzogen. Damit war
durch die Teilnahme von Staaten wie Griechenland, Portugal, Belgien, den Valfanjtaaten
und einigen Südamerikanern das alte Neutralitätsſyſtem der Kleineren im Schatten der
Großen durchbrochen. Weiterhin konnten die durch den Krieg entſtehenden Klein- und
Mittelſtaaten ſchon auf Grund ihrer Entſtehung nach politiſchen Grundſätzen kein Recht
auf Neutralität geltend machen: Polen und die Nachfolgeſtaaten. Dieſe Tatſache der
Parteinahme wirkte fih aber leider auch auf jene Staaten aus, die ihrem Neutralitätsgrund⸗
ja durch den Krieg treugeblicben waren. Teils erlagen fie der alliierten Propaganda,
wie die Schweiz und Dänemark, teils veränderten die günſtigen Möglichkeiten der Kriegs-
gewinne ihr politiſches Geſicht (Holland, Norwegen).
Das Recht auf Schutz hatten die Kleinen durch dieſe Haltung ebenſo verloren wie das
Recht auf ſtrikte Beachtung der Neutralität. Am ſo größer war das Aufatmen, als die
Wilſonſche Idee des Bundes aller Völker an Boden gewann; denn nur durch die Schutz-
grundlagen des Völkerbundes konnten die kleinen Staaten aus ihrer mißlichen Lage befreit
werden. So kam es, daß die Idee des Völkerbundes überhaupt erſt dadurch realiſiert werden
konnte, daß die kleineren Staaten mit gutem Willen und großer Hoffnung in den Zu—
ſammenſchluß einwilligten. |
Die Vorteile des Völkerbundes ſchienen klar zutage zu liegen: unter der Führung der
Großmächte kehrten die Kleineren wieder in das ungefährliche und beſchauliche Leben der
Vorkriegszeit zurück. Sie brauchten ſich nicht mehr um ihre Exiſtenz zu ſorgen, die allein
durch ihre Mitgliedſchaft beim Völkerbund garantiert erſchien. Im übrigen kitzelte es ihre
Eitelkeit, daß ihnen auch im Rat gelogentlich Sitz und Stimme gegeben wurde, daß ihre
Meinung richten durfte im Namen der Weltgerechtigkeit, auch wenn es ſich um die
Belange größter Staaten handelte.
Daß gerade in dieſer Stimmberechtigung eine gewaltige Verantwortung lag, mußten
‚fie bald erkennen. Denn ſobald ehrgeizige Politiker der kleinen Völkerbundsmitglieder
entſcheidend bei weltpolitiſchen Entſchlüſſen mitwirkten, fiel der Haß des Verurteilten auf
den neutralen Staat zurück, der dieſen richtenden Politiker abgeordnet hatte. Die An-
kläger ſelbſt blieben im Hintergrund. Der Erfolg der voreiligen Völkerbundsbereitwillig⸗
keit war alſo verblüffend: die Kleinen wurden der Reihe nach von den Großen vorgeſchoben,
um die Suppe auszulöffeln.
Trotzdem hoffte man immer noch, daß der Schutz des Völkerbundes ausreichen würde,
obgleich die Vereinigten Staaten überhaupt nicht mitmachten, Deutſchland und die anderen
Zentralmächte trotz anderer Zuſicherung ausgeſchaltet blieben und die Abrüſtungsklauſeln
der Völkerbundsſatzung nicht wahrgenommen wurden. Langſam ſtellte man feft, daß man
doch den alten alliierten Mächten wieder auf den Leim gegangen war, daß man ſich trotz
Humbold / Necht auf Schutz? 19
aller verkündeten Friedensprinzipien doch wieder in der Reibungszone zwiſchen den Grop-
mächten befand. Verdächtige Erſcheinungen belebten dieſe zunächſt nicht ganz ernſt ge⸗
nommenen und immer noch von Hoffnung getragenen Befürchtungen: zum Mißerfolg der
Abrüſtungskonferenzen geſellten ſich die erſten großen Verſager des Völkerbundes, nämlich
der Austritt Japans auf Grund der Mandſchureientſcheidung des Völkerbundes und die
Energieloſigkeit bei der Beilegung des Chaco-Konfliftes, der nach jahrelangem Waffen.
gang doch durch die nächſtbeteiligten Staaten ſelbſt geſchlichtet werden mußte. Die erſten
Wioderaustritte, teilweiſe nur für kurze Zeit, waren längſt erfolgt: Spanien, Braſilien,
Coſta Rica, Mexiko, Japan, Deutſches Reich. Die Vereinigten Staaten, Aegypten und die
arabiſchen Staaten waren nie Mitglied geworden. Nach Rußlands Eintritt waren nur
noch vier von den ſieben Großmächten Mitglieder. Jede Hoffnung auf Anerkennung des
Neutralitätsprinzips gegenüber den Kleinen war damit illuſoriſch geworden.
Nachdem man nun erkannt hatte, daß der Völkerbund nicht hielt, was er verſprach, be-
gannen ſich die Kleinen ernſtlich zu ſorgen. Soweit ſie Kinder des Weltkrieges waren,
beſannen ſie ſich auf ihre Taufpaten und rutſchten immer enger in das Netz einzelner
Großmächte: der franzöſiſche Sicherheitsblock, der italieniſche Freundſchaftsblock entſtand.
Mit Rußland wurde der Bock als Gärtner des franzöſiſchen Sicherheitsfricdhofs eingeſetzt.
Der Reſt der kleinen Staaten war völlig kopflos geworden. In dieſen durch ge-
ſchickte Politik vielleicht noch zu verzögernden Stimmungswechſel über den Nutzen des
Völkerbundes brach das abeſſiniſche Debaole, ein Krieg zwiſchen zwei Bundesmitgliedern,
nach der „Weltmeinung“ von Italien grundlos vom Zaune gebrochen und nur imperia-
liſtiſchen Zielen dienend! So, ſagten die Kleinen, ſetzt haben wir eine Gelegenheit zu
zeigen, was der Völkerbund alles kann; jetzt werden wir beweiſen, daß ein Verſtoß
gogen die gottgewollte Friedensordnung dem Friedensſtörer den Hals bricht! England
ſchürte das Feuer und Frankreich fürchtete um ſeine Vormachtſtellung im Völkerbund:
die Sanktionen wurden beſchloſſen — und nicht ſo durchgeführt, wie es ſich die Kleinen
unter großen eigenen Opfern vorgeſtellt hatten. Italien gewann feinen Kriog, ein faktiſch
gar nicht mehr exiſtierendes Abeſſinien behielt ſeine Stimme im Völkerbund!
Die kleinen Staaten hatten nun eingeſehen, daß fie fcit dem Weltkrieg vom Regen
in die Traufe gekommen waren: der heilig garantierte Schutz des Völkerbundes war
einfach nicht vorhanden! Man war gezwungen, nach einem Rettungsweg zu ſuchen. Einige
waren ihn ſchon gegangen, der Reſt folgte nun nach: man ſuchte neue Zuſammenſchlüſſe.
Während bisher die Einzelmitgliedſchaft im Bund zu genügen ſchien, jeder fein Recht
ſelbſt zu vertreten ſuchte, ſchuf man ſich nun Zwiſcheninſtanzen, die das ganze Gleich-
berechtigungsſyſtem des Bundes über den Haufen warfen. Denn dieſe Gruppenzuſammen⸗
ſchlüſſe trugen — realpolitiſch geſehen — Großmachtscharakter, eine Selbſtſchutzerfindung
der kleinen Staaten.
Die Großmächte müſſen nun mit der geſchloſſenen Meinung einiger, zum Teil ſich
überſchneidender Gruppen rechnen, die nicht mehr als Einzelmitglieder zu mißbrauchen
find: zur Kleinen Entente (CS, Jugoſlawien, Rumänien) geſellten ſich der Baltan-
bund (Sugoflawien, Rumänien, Griechenland, Türkei), der baltiſche Block (Eſtland, Lettland,
Litauen), der ſkandinaviſche Block (Schweden, Dänemark, Norwogen), der iraniſche Block
(Türkei, Iran, Afghaniſtan), die pro-italieniſche Intereſſengemeinſchaft (Oeſterreich, Ungarn),
die pro⸗franzöſiſche (CSR, Rumänien, Jugoſlawien, Polen), die Dominienfront (ge-
führt von Südafrika) und der lateinamerikaniſche Bund (geführt von Chile, Kolumbien
und Ekuador).
20 Humbold / Recht auf Schutz?
Welche Kopfloſigkeit im ganzen genommen fih aber der kleinen und mittleren Staaten
bemächtigt hat, geht aus einer kurzen Zuſammenſtellung von Aeußerungen und Ereigniſſen
zwiſchen dem 1. und 20. Mai hervor, die nach Tagen geordnet iſt:
Eine Amfrage der „Nya Dagligt Allehanda“, Stockholm, ergibt bei 26000 Ant⸗
worten 95 Prozent für Austritt aus dem Völkerbund. Südafrika verbindet mit einem
Aufrüſtungsprogramm den Grundſatz des Rechtes der Handlungsfreiheit. Der norwegiſche
Außenminiſter macht eine Erkundigungsreiſe durch alle oſteuropäiſchen Hauptſtädte.
Kolumbien beklagt ſich bei Noofevelt über den Völkerbund. Chile erklärt iH völkerbunds⸗
müde. Eſtland ſchiebt Frankreich die Schuld an dem Verſager zu. Oeſterreich führt aus
Selbſtſchutzgründen die Dienſtpflicht ein. Dänemark beſtreitet die Nützlichkeit des Völker
bundes für die kleinen Mächte. Schweden erklärt ſich völkerbundsmüde. Südafrika
iſt gegen die Aufhebung der Sanktionen. Der Balkanbund tritt in Belgrad zuſammen.
Die Kleine Entente tritt in Belgrad zuſammen. Die baltiſche Konferenz tritt in Reval
zuſammen. Jugoſlawien veröffentlicht feine Wirtſchaftszahlen der Sanktionszeit und er-
klärt, daß ein Ausgleich nur mit dem Nichtmitglied Deutſchland eingeleitet werden
konnte. Elf Staaten find gegen Aufhebung der Sanktionen. Der Negus erklärt in
Jeruſalem, daß er nach wie vor an die Wirkungsmöglichkeit der Völkerbundsſatzung
glaube. Die Dardanellenkonferenz wird für Ende Juni beſchloſſen. Die Schweiz ver⸗
öffentlicht ein Auſrüſtungsprogramm. Chile und Ekuador find für Aufhebung der
Sanktionen. Südafrika erklärt ſich völkerbundsmüde. Jugoſlawien iſt für Aufhebung
der Sanktionen. Norwegen iſt für Aufhebung der Sanktionen. Im ungariſchen Parlament
wird von der Regierungsbank gerufen: Deutſchlands Fliegerſtaffeln mögen Angarn
ſchützen! „Politis“ verlangt von Frankreich einen Reformentwurf für den Böler-
bund in vier Wochen. Schweden berät Aufrüſtungsmaßnahmen. Guatemala tritt aus dem
Völkerbund aus.
Soweit die Ereigniſſe eines knappen Monats bei den kleinen Staaten. Von dieſen
feien zwei herausgegriffen: Der Präſident Kolumbiens ſchrieb an Rooſevelt: „. .. in den
verſchiedenen Räten und Verſammlungen der Welt, in denen wir vertreten ſind, in denen
wir aber leider nur eine untergeordnete Rolle ſpielen gegenüber den Abmachungn zwiſchen
den europäiſchen Großmächten. Dieſe machen ſich zwar unſere Neigung zu einem Rechte
des Friedens zunutze, ſie erſuchen uns um unſere tatkräftige Mitarbeit, um den Frieden zu
ſichern, und werfen zu dieſem Zweck unſer Gewicht mit in die Waagſchale ihrer Politik,
fragen uns aber nicht nach unſeren Wünſchen, wenn ſie glauben, einmal davon abſehen zu
können, weil es ſich gerade um Entſcheidungen handelt, bei denen ihnen eine Einmiſchung
wie die unſrige bedeutungslos erſcheint oder fogar ihren großen politiſchen Plänen wider-
ſprechen könnte.“
Dieſe Aeußerung umreißt klar das Problem der kleinen Staaten, fie findet ihre Er-
gänzung in der Erklärung des Südafrikaners Bailey: „Wenn wir fühlen, daß der
Völkerbund nicht weiterhin fähig iſt, uns gegen Kriege zu ſichern, ſo müſſen wir unſere
Freunde wählen, ohne allzuſehr beeinflußt zu ſein durch das, was in der geſchichtlichen
Vergangenheit geweſen iſt, und durch die Bündniſſe, die im Weltkrieg beſtanden haben.“
Alle dieſe Ereigniſſe ließen die merkwürdigſte Konferenz zuſammentreten, die der
Völkerbund je geſehen hat, die ſogar dem Gedanken des Bundes einfach durch ihren Titel
ſchlagend widerſpricht und als Mahnzeichen der Geſchicke der kleinen Staaten durch die
nächſten Jahre geiſtern wird: die Konferenz der „Neutralen“, zu der Schweden, Norwegen,
Dänemark, Finnland, Holland, Spanien und die Schweiz ihre Außenminiſter oder Völker
bundsminiſter entſandten. „Politiken“ veröffentlichte das Verhandlungsthema: Die Frage,
Außenpolitiſche Notizen 21
ob es mit einem größeren Rififo verbunden fei, Mitglied des Völkerbundes zu bleiben
oder außerhalb des Völkerbundes zu ſtehen!
Somit ſind die kleinen Staaten wieder bei ihrem Ausgangspunkt nach dem Welt⸗
kriege — nur um eine Erfahrung reicher — angelangt. Sie ſehen erneut, daß ihr Schutz
in keiner Form garantiert wird, daß fie ihre Rechte nur ſchützen können, wenn fie regional-
kollektiv als Gruppengroßmacht ihren Lebensraum verteidigen können. Sie ſehen aber auch
heute ſchon, daß ſie dieſe Zwiſcheninſtanz der Gruppe zur politiſchen Stellungnahme ver⸗
pflichtet, daß die Gruppe viel eher in das Koalitionsſyſtem eingereiht wird als der Cingel-
ftaat, ob fie will oder nicht. Die Zeiten des Mauerblümchens find für alle Staaten vorüber,
denn die Mauern find eingeſtürzt, und der ruſſiſche Wind pfeift über die wehrlos gewordenen
Pflanzen hin. Starke Wurzeln und Stacheln und Dornen müſſen ihnen wadfen.
/ ®
AUSSENPOLITISCHE f ofi en
Gin Sabe obne den Marſchall
Nach dem Tode des Marſchalls fühlte
Polen eine Leere, die ihm erſt im ganzen
Amfange bewußt machte, welch ungeheure
Autorität der Marſchall beſeſſen hatte.
Dieſe Leere hatte aber nicht nur eine
geſchichtlich⸗theoretiſche, ſondern eine enorm
praktiſche Bedeutung. Denn während bis⸗
her jede Regierung, ja jede Maßnahme
einer Regierung mit der Autorität und
faktiſchen Macht des Marſchalls gedeckt war,
ergab ſich nun die Frage nach dem Wer und
Wie der Regierung. Zwar war durch die
neue Verfaſſung, die kurz vor dem Tode
des Marſchalls rechtskräftig geworden war,
die Stellung des Staatspräſidenten außer-
ordentlich verſtärkt worden. Jedoch iſt der
Staatspräfident im Sinne der neuen Ber-
faſſung nicht regierendes, ſondern bei allem
Einfluß mehr ſchiedsrichterliches Organ.
Es entſtand nun ein Kampf zwiſchen der
ſogenannten „Oberſtengruppe“, wie man die
engſten politiſchen Mitarbeiter des Mar-
ſchalls nannte, und denjenigen Pilſudskiſten,
die eine mehr demokratiſche Richtung ver-
traten. Der Kampf vollzog fih in den ver-
ſchiedenſten Formen und wurde namentlich
von einer heftigen Auseinanderſetzung über
ideologiſche Fragen begleitet. Er endete mit
dem Siege der Koſcialkowſki - Gruppe, und
mußte mit ihrem Siege enden, da die
Oberſten nach dem Tode des Marſchalls nicht
nur keine ſie deckende Autorität mehr hinter
ſich hatten, ſondern ebenſo, bedingt durch das
Syſtem ihrer Regierungsweiſe, keinerlei
Kontakt mit dem Volke beſaßen. Zudem
hatte die Regierung Slawek ihre eigentliche
Aufgabe, die Reform der Verfaſſung, erfüllt.
Die neue Regierung Koſcialkowſki-Kwiat⸗
kowſki fete ſich hauptſächlich wirtſchaftliche
Ziele: die Balancierung des immer mehr
ins Defizit abrutſchenden Staatshaushalts,
die Bekämpfung der Arbeitsloſigkeit ſowohl
durch ſtaatliche Aufträge als auch durch An-
kurbelung der privaten Wirtſchaft. Jedes
wirtſchaftliche Aufbauprogramm verlangt
vor allem Vertrauen und Mitarbeit des
Volkes, und ſo lautete auch die politiſche
Parole der Regierung: „Zuſammenarbeit
mit dem Volke“.
In der Tat iſt es der fleißigen und über⸗
aus zähen Arbeit der Regierung Kojcial-
kowſkis und Kwiatkowſkis gelungen, die
wirtſchaftliche Lage erheblich zu beſſern.
22 . Außenpolitiſche Notizen
Nicht nur der Staatshaushalt kam in Ord-
nung, ſondern die Induſtrieproduktion be
gann zu ſteigen, die Arbeitsloſigkeit ging
zurück, und ſelbſt in der Landwirtſchaft
zeigten ſich Symptome der Beſſerung. Die
politiſche Parole der Zuſammenarbeit mit
dem Volke und die ſich aus ihr ergebende
Freiheit für die Organe der öffentlichen
Meinungsbildung hatte jedoch andere Er⸗
gebniſſe, als man ſie ſich erhofft hatte. In⸗
dem ſich auf der Grundlage der Mitarbeit
jeder berufen fühlte, ſeine Meinung zu
äußern, war zunächſt die Bahn frei für
jegliche Preſſetätigkeit, die dann außer einer
ſtändigen Diskuſſion über ideologiſche oder
wirtſchaftliche Fragen ſich auch auf allerlei
Gerüchte und Vermutungen erſtreckte und
ſchließlich eine chaotiſche Stimmung herbei.
führte. Parallel damit lief ein Vertrauens-
ſchwund in den Zloty, der eine Flucht in die
Sachwerte zur Folge hatte und ganz außer-
ordentliche Goldverluſte der Bank Polfki
mit ſich brachte. Das Vertrauen in eine
ſtetige und feſte Regierung war jedenfalls
geſchwunden.
War es nun Zufall oder Abſicht, daß
gerade an dem Tage, an dem die Trauer
der Armee für ihren verſtorbenen Marſchall
ihr äußerliches Ende fand, der zweite Kabi—
nettswechſel nach dem Tode des Marſchalls
vorgenommen wurde? Der neue Premier-
minijter, Slawoj⸗Skladkowſki, ift nämlich ein
Experiment der Armee, oder, genauer geſagt,
ihres Generalinſpekteurs Rydz⸗Smigly.
Die Armee, die bis zum Abſchluß der
Trauer den Dingen wenigſtens äußerlich
mit einer gewiſſen Reſerve gegenübergeſtan—
den hatte, konnte an ſich der Wirtſchafts⸗
arbeit des Kabinetts Koſcialkowſki nur pofi-
tiv gegenüberſtehen. Zweifellos iſt es auch
falſch, wenn man wieder irgendwelche Gegen-
füge zwiſchen der Koſcialkowſki-Gruppe und
dem neuen Kabinett herausfinden will (das
ſich ja übrigens perſonell von dem alten gar
nicht fo bedeutend unterſcheidet). Das Pro-
blem lag ja gerade nicht auf wirtſchaftlichem,
ſondern auf politiſchem Gebiet. Es zeigte
ſich auch hier erneut, daß nicht die Wirt-
ſchaft, ſondern die Politik das Primat hat.
Das politiſche Vertrauen zu ſchaffen, war
jedoch eine Aufgabe, die Koſcialkowſki gar
nicht zu löſen imſtande ſein konnte. Hinter
ihm ſtand keine fühlbare Macht. Aus dieſem
Grunde hat ſich der Staatspräſident den
Argumenten Nyda - Smiglys nicht ver-
ſchloſſen, der damit in den Gang der Dinge
eingriff, und, man muß fagen, in letzter
Stunde eingriff.
Daß das neue Kabinett ein Kabinett
Nydz⸗Smiglys ijt, braucht man nicht aus
dieſen oder jenen Vorgängen zu ſchließen,
ſondern das ift mehr als einmal von maf:
gebender Stelle offen ausgefprochen worden.
So ſagte der neue Miniſterpräſident gerade
heraus, daß er auf Befehl des General-
inſpekteurs handle und auf Patrouille ge-
ſchickt ſei. Nicht minder deutlich war Ryd;
Smigly in ſeiner Rede an die Legionärc.
Er wünſche nicht, daß die Politik in die
Armee hineingetragen würde, denn „wenn
ſchon politiſiert werden muß, dann werde
ich politiſieren“.
Wenn man nach dem Programm der neuen
Regierung fragt, ſo läßt ſich im weſentlichen
mit einem Wort antworten: Aufrüſtung.
Seitdem der Verſager des „kollektiven
Sicherheitsſyſtems“ und des Völkerbundes
in allen entſcheidenden Fragen offenkundig
geworden iſt, hat Polen daraus die einfache
politiſche Konſequenz gezogen, Wege zu
gehen, die es ſich mehr auf die eigene Kraft
ſtützen, denn auf fremde Hilfe angewieſen ſein
laſſen. Darum hat nicht nur die polniſche
Außenpolitik neue konſtruktive Wege geſucht,
ſondern Polen bemüht ſich vor allem, die
innere Kraft des Landes zu ſtärken. Des⸗
halb darf man, wenn als das Programm
der Regierung die Aufrüſtung bezeichnet
wird, nicht ſo ſehr nur an die rein materielle
Aufrüſtung denken. In dieſer Richtung war
die Rede Rydz⸗Smiglys außerordentlich
bezeichnend. Er rief den Legionären ſeine
Außenpolitiſche Notizen 23
Parole der nationalen Einigung, nämlich
die Parole der Landesverteidigung, zu, eine
Parole, die übrigens auch den National-
demokraten aus ſeiner prinzipiellen Oppofi-
tion herausholen ſollte. Als er hierbei auf
die Nachbarſtaaten Polens verwies, bemerkte
er ausdrücklich, daß es ihm dabei nicht ſo
ſehr auf die Statiſtik ihrer Aufrüſtung an-
komme, als vielmehr auf die in dieſen
Staaten vor ſich gehende „Organiſation des
menſchlichen Willens“.
So bedeutet Aufrüſtung in viel höherem
Maße moraliſche Aufrüſtung, Erfaſſung
möglichſt breiter Volksmaſſen für die Idee
der Landesverteidigung, die die Diskuſſionen
der Preſſe über die Ideologie des neuen
Polen überflüſſig gemacht hat. Es bedeutet
weiterhin, das insbeſondere nach den Reden
des neuen Premiers zu ſchließen, Erfaſſung
des Bauern. Wirtſchaftlich dürfte ſich an
dem Kurs, den die vorherige Regierung cin-
geſchlagen hat, nichts ändern, wie ja auch
rein äußerlich der Finanzminiſter Kwiat⸗
kowſki auf feinem Poſten verblieben iſt.
Natürlich hat es nicht an Leuten gefehlt,
die außenpolitiſch über kurz oder lang eine
Rückkehr zu der alten Frankreichpolitik vor-
ausſagen wollten. Aeberhaupt pflegt es, und
das beſonders in Polen, eine Begleiterſchei—
nung jedes Regierungswechſels zu ſein, daß
einzelne Leute nun eine völlige Aenderung
des Kurſes vorausſagen.
Abgeſehen von der Frage, wie weit rein
realpolitiſch eine Amkehr zu dem alten
Frankreichkurs möglich iſt, hat Oberſt Beck
gerade ſeit den Londoner Verhandlungen
ſeine internationale und damit auch ſeine
nationale Poſition ſo geſtärkt, daß man von
der letzten diplomatiſchen Epoche geradezu
als von einer Rechtfertigung Becks ſprechen
konnte. Es wäre Anſinn, anzunehmen, daß
bei dieſer Sachlage Beck ſelbſt dann zurück-
gezogen würde, wenn wirklich in dieſer oder
jener Frage eine Meinungsverſchiedenheit
beſtünde. Das würde die polniſche Poſition
mit Maria⸗Thereſientalern, die
gerade gegenüber den Mächten, auf die es
dabei ankommen ſoll, nur ſchwächen können.
Beck ſelbſt hat aber in feinem Frühjahrs-
expoſé die Grundſätze ſeiner Politik klar
umſchrieben. Dabei ſprach er die bedeuten⸗
den Worte, daß Polen zwar ein armes Land
ſei, aber für keine Menge Goldes zu kaufen
ſei. Wir ſind der Aeberzeugung, daß dieſe
Worte, von einem Mitarbeiter des Mar-
ſchalls geſprochen, nicht nur theorctifd-
ideologiſche, ſondern praktiſche Bedeutung
haben, zweifellos auch bezüglich den Ge-
rüchten über eine mögliche franzöſiſche An-
leihe mit politiſchen Bedingungen gelten,
wie ſie es überhaupt ſind, die die Wandlung
Polens ſeit der Epoche Pilſudſkis am beſten
kennzeichnen.
R. Gutmann, Waridau.
Gin neues Mitglied ix Genf?
Wir find in der Lage, in- diefer Zeit
wachſender Austrittsdrohungen der Genfer
Vereinigung für Rednerſchulung ein neues
zahlendes Mitglied zu günſtigen Gedingun-
gen zu offerieren. Die Bedingungen ſind
ungefähr dieſelben wie die, unter denen
Abefſinien weiterhin Mitglied des Völker—
bundes iſt, nur daß — im Gegenſatz zu
Abeſſinien — das neue Mitglied aus einer
Privatſchatulle zu zahlen gewillt ift. Aller-
dings iſt ja auch möglich, daß der Negus
ſeine weitere mehr oder weniger perſönliche
Mitgliedſchaft aus feiner Privatſchatulle
(wir erinnern an die namhaften Silberkiſten
aus
Abeſſinien mit auswanderten!) beſtreitet und
die Reden in Genf mit Silberkiſten bezahlt.
Alſo da es ſchon ſo ein Mitglied gibt, was
die Satzung des Völkerbundes formalredt-
lich ungeheuer bereichert hat, können wir ja
auch das neue Mitglied nominieren: Aſtoria.
Das iſt ein Staat in Südamerika, und kein
Hotel und auch keine Inſel, die etwa der
jagenbajten Lady Aſtor gehört, nein, ein
Staat, mit Geſandtſchaft und allen Ordens
verleihungsmöglichkeiten, die dazu gehören.
24 Außenpolitiſche Notizen
Wer wundert ſich da und kramt in ſeinen
Geographieſtunden - Erinnerungen? Wer
wälzt hier das neueſte Lexikon? Er wird
den Staat doch nicht finden, ſo neu iſt er.
Aber er hat ſeine Geſandtſchaft in London,
die großartige Empfänge veranſtaltet, zu
denen bekannte engliſche Perſönlichkeiten ge⸗
laden und erſchienen waren. Dieſe Geſandt⸗
ſchaft hat auch Orden verliehen, große und
kleine, ganz nach Verdienſt um den Staat
Aſtoria, der auf keiner Landkarte ift.
Es ſtellte ſich heraus, daß der Staat aus
einigen gut bemittelten jungen Süd-
amerikanern beſtand, die ſich ihre Londoner
Geſandtſchaft mit dem pompöſen Namen
etwas koſten ließen. Die Nollen des Ge—
ſandten und Ihrer Exzellenz ſpielten mit
Charme, Großzügigkeit und Gewiſſenhaftig⸗
keit zwei Schauſpieler, die dann allerdings
wenig geſandtenhaft auskratzten, als ihnen
der Boden unter den Füßen zu heiß wurde.
Verknacken hätte man ſie aber doch nicht
können. Denn die Ausnutzung der Leidt-
gläubigkeit der Mitmenſchen iſt nicht ſtraſ⸗
bar. Wo blieben ſonſt die Werbefachleute?
Immerhin, das ſcheint nur in England
möglich. Aber ich glaube, ich glaube — dieſes
Aſtoria hat auch in Genf eine Vertretung
und einen Sitz in der Vollverſammlung
neben Abeſſinien. Staaten kommen und
Staaten vergehen
Abasver
Die Araber in Paläſtina find mit Recht
erboſt. Ein Judenſchiff nach dem andern trifft
ein, ein Jude nach dem andern nimmt der
arabiſchen Mehrheit die Arbeitsplätze fort.
Großartige Neubauten wachſen in den
Siedlungsſtätten der Juden.
Erſt haben die Araber gemurrt, dann
haben ſie geſtreikt, und dann haben ſie ge—
ſchoſſen, und zwar auf Juden. Die britiſche
Mandatsregierung, die die Juden nach der
Balfour-Deklaration der Jüdiſchen Heim-
Hätte von 1917 geholt hatte, jab ſich ge
zwungen, die lieben Juden gegen die Araber
zu verteidigen — ein undankbares Geſchäft,
das eine Menge Truppentransporte koſtete
und noch koſtet.
Die Araber ſchießen mit Vorliebe auf
jüdiſche Autobuſſe. Faſt bei jeder Tour war
zum Schluß eine Leiche dabei. So auch ein-
mal eine mit ſchwerer Augenverletzung. Das
eine war ausgelaufen, daran waren die
Araber ſchuld. Jedoch, das ſtimmte nicht.
Zwei Juden konnten ſich nicht handelseinig
werden, ſie redeten mit Mund, Händen und
Füßen. And kurz vor dem Abſchluß bei
einer beſonders „treffend“ vorgebrachten Er-
widerung blieb der ſprechende Finger des
einen in dem Auge des andern hängen. Da⸗
für konnten alfo eigentlich die Araber wirt-
lich nichts. |
Vielleicht aber war der mit dem Finger
einer von den jüdiſchen Dunkelmännern, die
in Paläſtina zur Zeit gemeinſame Sache mit
den Arabern machen: die dritte Partei, oder
wenn man die Engländer mitzählt, die
vierte. Sie hat ihren Kommandoſitz in
Moskau. Ob Jud, ob Araber, iſt dieſer
Partei gleich. Sie fiſchen im Trüben, grund-
ſätzlich. Wenn die Juden und die Araber
ſich in Paläſtina prügeln — nun gut, das
ſind nationale Streitigkeiten, ſo lange bis
der eine wieder verſchwunden iſt. Aber daß
Juden Juden beſchießen, das iſt neu, das iſt
einmalig, da gehört ein Sonderbericht
erſtatter hin. l
Nun haben fih die Engländer ihre Haus-
juden hochgepäppelt, weil ſie ihnen beſſer
paſſen als die Araber, und nun erleben ſie
den Dank auf krummen Wegen. Ganz wie
es bei uns war! l
Bci uns mußten fie wandern, ob fic nun
aus Paläftina auch wieder angſtvoll ver:
ſchwinden? Keiner will ſie haben, durchaus
verſtändlich.
Es liegt cine Krome
Eine Krone hat auf dem Zolltiſch in
Aegypten gelegen, eine richtige Krone und
dazu das nötige Beiwerk für einen Herrſcher.
Außenpolitiſche Notizen 25
Im Dienſt ergraute Sollbeamte konnten ſich
nicht erinnern, jemals einen Zollverdächtigen
beim Kronenſchmuggel ertappt zu haben.
Aber zweiſellos — eine Königskrone.
Woher? Wohin? Wie kommen ſie dazu?
Die Krone war aus Gold mit den üblichen
Edelſteinverzierungen, fie war wertvoll, fie
war gut geputzt. War fie neu? Der Zoll-
beamte kratzte ſich den Hinterkopf — neue
Krone, für wen? Doch jetzt hatte ers: die
gehörte dem Negus und war geklaut. Hätte
der gute Mann etwas von Kronen ver-
ftanden, fo hätte er geſehen, daß es eine
Königskrone wat, — und der Negus war ja
ſchließlich Kaiſer.
Der kronenſchmuggelnde Italiener wurde
vor die höhere Inſtanz gebracht, wo ſich
herausſtellte, daß es doch eine neue Krone
war — ſehr neu, man möchte ſagen — noch
warm. Nämlich jene Krone, die ſich Vize⸗
könig Badoglio demnächſt neben den Lorbeer
der Schlachten auf das Haupt ſetzen wird.
Mit vielen Entſchuldigungen haben die
Aegypter den kronentransportierenden Sta-
liener wieder entlaſſen und von dem häßlichen
Verdacht reingewaſchen.
Man ſoll eben ſeine Krone immer bei ſich
tragen. So iſt es doch ſehr proſaiſch —
Kronen im Koffer! Sie wäre doch ein
italieniſches Kriegsſchifl wert geweſfen,
wenigſtens einen kleinen Kreuzer. Kreuzer
und Krone ſtammen doch aus derſelben
Münzſorte. And viele Kreuzer machen auch
in Italien eine Krone — wie man geſehen
hat!
Billige Bücher zu berabgeſetzten
| Hreiſen
Wir wollen gar nicht beſtreiten, daß es
in Litauen einige Menſchen gibt, die
litauiſche Bücher leſen, und daß die
litauiſchen Verleger ſich alle Mühe geben,
dieſen Kunden eine ordentliche Produktion
vorzuſetzen.
Aber daß die litauiſchen Verleger mehr
wollen, nämlich behaupten, das litauiſche
Buch „dem Volke zu geben“, das erregt
Zweifel bezüglich des Erfolges. Sie haben
etwas läuten hören von Deutſcher Buch⸗
woche, von erfolgreichen Gemeinſchafts⸗
werbungen aller Buchhändler, und fie den-
ken, was die Deutſchen geſchafft haben, das
könnten ſie natürlich auch. Sie künden alſo
eine „großzügige Gemeinſchaftsaktion“ an,
wie der „Baltiſche Beobachter“ in Memel,
eines der arroganteſten Blätter der Welt,
leider in deutſcher Sprache, aber anderer
Gefinnung, mitteilt.
Aber ſie zäumen das Pferd vom Schwanze
auf. Sie machen das Buch wertlos, indem
ſie während der Werbezeit ſeinen Preis auf
ein Viertel ermäßigen. Wir würden das
Verramſchen nennen! Sollte das vielleicht
der Sinn fein? Sollte die großzügige Ge-
meinſchaftsaktion den Zweck haben, mangels
Kunden unverkäufliche Verlagsprodukte
ſchnellſtens an den Mann zu bringen? Ich
möchte mal den litauiſchen Kleinbauern
ſehen, ſoweit er nicht kürzlich verhaftet iſt,
der ſich Bücher kauft, wo er fie im allgemei-
nen doch nicht leſen kann. Wenn die tüchtigen
Landleute ihre Kreiszeitung abends hinter
fih gebracht haben, dann ift das fchon aller,
hand Hochachtung für die litauiſche Volks
ſchulbehörde wert. Aber Bücher leſen?
Wenn man den Kundenkreis wenigſtens
auf die Bauern im Memelgebiet erweitern
könnte, denn die können leſen. Bloß leider
nicht litauiſch. Das werden ſie auch nie
lernen.
Sollte etwa der neue Erlaß des litauiſchen
Memelgouverneurs über die notwendigen
litauiſchen Sprachprüfungen der Beamten
des Memelgebietes, die meiſtens Deutſche
find, mit der „großzügigen Gemeinſchafts⸗
aktion“ zuſammenhängen?
„Das Buch dem Volke“? Das wird in
Litauen verdammt ſchwierig werden. Wo-
anders iſt das nicht nötig — da hat das
Buch ſchon lange das Volk und das Volk
das Buch. Hans Humbold.
26 Randbemerkungen
Dreitend mit viel Ichönten Redes
ihrer Bücher Wert und Zahl, ſaß die Ver—
einigung zur Verteidigung der deutſchen
Schriftſteller in Paris beiſammen. Dieſe
Vereinigung ſitzt überhaupt nur in Paris
und verteidigt von dort die deutſchen Schrift;
ſteller, indem ſie aus der Not eine Tugend
macht. Denn Bebe, leider können die emi-
grierten Schreiber nur deutſch. Wenn es
doch wenigſtens eine urheberrechtlich geſchützte
Emigrantenſprache gäbe, dann wären ſie aller
Sorgen ledig und keine Emigranten mehr.
Aber ſo, ausgerechnet deutſch. Als Heinrich
Mann mit dem leider ach ſo deutſchen Namen
vor einiger Zeit in Barcelona bei einem
Kongreß in ſchlechtem Franzöſiſch eine fulmi-
nante Rede gegen die deutſche Verhandlungs-
ſprache hielt, meuterten die Anweſenden —
denn ſiehe, ſie konnten nur deutſch.
Nun aber zur Sache. Die obengenannte
Vereinigung hat beſchloſſen, einen Heinrich
Heine (franzöſiſch: Henri-Heine)- Preis zu
ſtiften, der jodes Jahr an einen emigrierten
Schriftſteller deutſcher Zunge oder — man
ſtaune — an einen Schriftſteller verliehen
werden fol, der in Deutſchland wohnt, aber
keineswegs mit dem „régime hitlérien“ ein-
verſtanden iſt.
Jetzt ſind wir aber geſpannt. Denn unter
ſich werden ja die Emigranten den Preis
nicht verteilen, das würde nur eine Ter-
ſchiebung des Taſchengeldes bedeuten. Nein,
ich glaube, die Herren machen den zweiten
Teil ihrer Ankündigung wahr und ſchicken
das Geld nach Deutſchland zu Nutz und
Frommen unſerer Deviſenverwaltung, die
franzöſiſche Franks mit gutem Recht nimmt,
wo ſie ſie kriegen kann.
Nun weiß ich bloß nicht, wer die Vor-
ausſetzungen in Deutſchland erfüllt, denn das
wäre ein ganz verfluchtes Dangergeſchenk.
Wenn die Leute pietätvoll und rückſichtsvoll
find, dann ſchicken fie es ohne nähere Be-
zeichnung an das letzte Konzentrationslager
der Anverbeſſerlichen. Da gibt es vielleicht
noch einen der geſuchten Schriftſteller. Mer-
dings viel Freude wird dieſer an dem Preis
auch nicht haben, denn verjuchheien kann er
das unverhoffte Geſchenk nicht.
Wenn nun aber, sacre nom de Dieu, die
braune Kuh die Leute in Paris kratzt und ſie
den Preis an eine in Deutſchland unbeläſtigt
umherlaufende Perſönlichkeit ſchicken, welche
Perſpektiven! Ich ſchätze, der Prix Henri-
Heine wirkt ſich ausgezeichnet für uns aus,
denn der .... (beinahe hätte ich was ge-
jagt!) und die andern werden nun auch ſchnell
endgültig anſtändig werden.
Jedem ſeinen eignen Preis. Sie machen
eben nun ſelber einen, weil ſie von hier keine
Preiſe mehr zu erwarten haben. Im Gegen-
teil! Aber: welch vortreffliche Regie! Es
wird verkündet, daß der Preis jährlich am
Jahrestage des unvergeßlichen Brandes ver-
teilt werden ſoll, den deutſche Studenten in
gerechtem Zorn an den Bücherſchmarren eines
vergangenen Jahrhunderts entfachten. Wie
ſinnig! Vielleicht iſt der Preis gedacht, um
die verbrannten Autoren zu entſchädigen.
Alſo muß man für das deutſche Devijen-
aufkommen fürchten, daß der Preis nur
einige Sous betragen wird (bisher hat nie-
mand etwas über die Höhe verlauten laffen,
wer weiß?), denn mehr, meine Herren, war
der Plunder, der in Flammen aufging, be-
ſtimmt nicht wert! H. H.
Ranobemerfungen 27
wtotigepeedigte Sugend”
Ein „Landesjugendwart“, Dr. Manfred
Müller aus Korntal bei Stuttgart, ſchreibt
in der proteſtantiſch orientierten Zwei—
monatsſchrift „Die Furche“ einen für uns
als HZJ.-Führer aufſchlußreichen Artikel
über „Chriſtus und die junge Generation“.
Ein zweifellos berechtigter Peſſimismus
ſpricht ſchon aus einer einleitenden Aeuße—
rung: „Müſſen wir nicht einfach feſtſtellen,
daß die weit überwiegende Mehrzahl der
Jugendlichen von der Frage nach Chriſtus
überhaupt nicht berührt iſt? Wer von uns
kann heute noch den Traum vom
chriſtlichen Deutſchland träumen?
Man braucht nur unvoreingenommen eine
Statiſtik über den Beſuch von Gottesdienſt
und Gemeindebibolſtunde, nach Altersarup-
pen geordnet, aufzuſtellen und dann noch alle
irgendwie kommandierte Jugend, wie
Konfirmanden⸗ und Chriſtenlehrpflichtige,
abzuziehen, um zu ſehen, was für einen ver-
ſchwindenden Prozentſatz darin die 14. bis
25jährigen ausmachen! And wenn man dann
gar noch dieſes Häuflein vergleicht mit der
Geſamtjugend des Orts, dann wird einem
die Wirklichkeit vollends erſchreckend deut-
lich. Wie oft kann ein HZ.-Führer mit
Recht ſagen, er habe gefragt, wer zum
Gottesdienſt wolle, aber niemand habe ſich
gemeldet. Gewiß muß man berückſichtigen,
daß der junge Menſch nicht fromm erſcheinen
will. (Warum wohl . . .?) And doch zeigt
auch diefe Tatſache, wie gering das kirch—
liche Intereſſe der Jugend iſt.“
Müller ſucht für dieſen Zuſtand die Ur-
ſachen, d. h. die Entſchuldigungen; wie ſehr
ausweichend und bequem er ſich das macht,
zeigt ein Argument, mit dem er behauptet,
„daß unſere Jugend heute weithin einfach
keine Zeit (ö) bat, ſich mit religiöſen Fra-
gen zu beſchäftigen. Ihr Beruf, ihre Tätig-
keit in HJ. und BD M., die ganze Anruhe
unſerer Zeit laſſen ihr einfach keine Mög—
lichkeit, ſich mit den letzten Fragen des
Menſchenlebens auseinanderzuſetzen. (Sonſt
wäre wohl die HJ. längſt wirkliche Ge—
meindejugend geworden??) So lernt ſie
ſchon ſehr früh, was die Erwachſenen ja
ſehr gut fertigbringen, jeden Tag für ſich
zu nehmen. Abends ſinkt man todmüde ins
Bett, hat man ausnahmsweiſe einmal etwas
übrige Zeit, ſo kann man nicht ſtillhalten,
ſondern muß ſich zerſtreuen im Kino, mit
Kameraden, mit Mädchen. (Ei, eil) Gerade
die Beſten ſind es, die die Möglichkeit zur
inneren Sammlung verlieren, und wie viele
jungen Leute kommen einfach deswegen vom
Chriſtenglauben ab, weil ſie keine Zeit haben
für Gott.“ Im Grunde muß man uns alſo
jede „innere Sammlung“, d. h. jedes wahre
Erlobnis abſprechen? Alſo geht die HZ.
ihren Weg oberflächlich, ohne innere Be
rechtigung? Denn dazu iſt ja „keine Zeit“
— Herr Manfred Müller weiß gut
Boſcheid, um das, was wir uns täglich
immer neu erkämpfen.
Doch ſicht er auch andere Schwierigkeiten,
die z. B. darin beſtänden, daß „der junge
Menſch oft einfach unſere Verkündigung
nicht verſteht“. Von den Studierſtuben⸗
predigten ſei man enttäuſcht, da der Pfar⸗
rer „in einer ganz anderen Sprache“ ſpreche.
Auch ſonſt müſſe manches verbeſſert werden.
Es ſei z. B. notwendig, „daß wir endlich
bei der Jugendarbeit brechen mit der alten
Form der Vibelſtunde, in der einer redet
und die Jugend eben zuhört. Ein junger
Menſch von heute kann, wenn der Vortra—
gende nicht ganz beſonders feſſelnd reden
kann, nicht länger als 20 Minuten
zuhören, dann ſchweifen die Gedanken ab,
und er verliert den Faden“. Der Landes-
jugendwart ſcheint bittere Erfahrungen ge—
macht zu haben. Er muß mit merkwürdigen
Jungen zuſammengekommen ſein, wenn er
es für nötig hält, beteuern zu müſſen: „Man
ſage mir nicht, daß die Jugend nicht zum
Reden zu bringen wäre. Nach meiner Er—
fahrung kann man mit einiger Ausdauer
(!) die Jugend immer zur Mitarbeit gewin—
nen, nur iſt bei uns die große Gefahr, daß
wir nicht warten können, bis die Scheu (!)
überwunden iſt, und daß wir ſelbſt viel zu
28 Randbemerkungen
viel reden. Wie oft wird unſere Jugend
einfach tot gepredigt.“
Als Pferdefuß kommt ein Schluß, der uns
zu äußerſter Wachſamkeit verpflichtet: „Es
iſt unſere Aufgabe, unſere Jugend in eine
chriſtliche Gemeinſchaft hineinzuſtellen.
. . . Auch bei der Jugend gibt es fein
Chriſtentum ohne Gemeinſchaft. Wer darum
feine Kinder nur in die völkiſche Jugend-
gemeinſchaft der HJ. oder des BDM. ſtellt,
aber glaubt, für ſie auf die chriſtliche Ge-
meinſchaft verzichten zu können, der möge
ſich nicht wundern, wenn ſie den Glauben
verlieren. Daß viele in unſerer Zeit die
Notwendigkeit der chriſtlichen Gemeinſchaft
nicht verſtehen, kann uns nie und nimmer
daran hindern, ſie zu pflegen. Wohl werden
unſere Gruppen heute weithin klein ſein
(oh jal), wer aber ſagt, ſeine Zeit ſei zu
koſtbar, um mit zwei oder drei jungen Leuten
einen Jugendabend zu halten, ift verantwor-
tungslos.“ And was muß ſo dringend be⸗
ſprochen werden? „Wir find der Jugend
ein klares Wort zu all den Fragen ihres
Lebens, die ſie bewegen, ſchuldig. Sie ſoll
das rechte chriſtliche Verhältnis zum Staat
und ſeinen Einrichtungen bekommen (Nanu?
Genügt nicht ein nationalſozialiſtiſches Ver⸗
hältnis ?), fie fol ihren Dienſt tun fo treu
als möglich, fie fol lernen, auch Spott, 3u-
rückſetzung und vielleicht (1) Verfolgung zu
leiden, ohne bitter zu werden. Wir werden
ihr helfen müſſen, in all den ſittlichen Fragen
(endlich!), die fie bedrücken.“
So ſieht Herr Müller zum Schluß, trotz
feiner verzweifelten Lage, doch einen Gilber-
ſtreifen. hy
Was fast der Hvdfider! dev
Goeibe - Geſellſchaft?
Es iſt ſchon weithin bekannt, daß das Buch
von Frau Mathilde Ludendorff über
Schillers Tod und Beſtattung beträchtlichen
Staub aufgewirbelt hat. In dieſem Buche
wird behauptet, daß Goethe bei dem plötz.
lichen Tod Schillers ſeine Hand im Spiele
gehabt habe, weil von freimauriſcher Seite
ſein Tod gefordert wurde. Darüber dürfte
man ſich jedoch völlig im klaren ſein,
daß eine ſolche Behauptung lächerlich ift.
Wir laſſen uns Goethe nicht ſo ohne
weiteres ſchlecht machen. Darum hat auch
die Goethe ⸗Geſellſchaft, die ja den Mn-
ſpruch erhebt, das geiſtige Erbe des Dichters
zu verwalten, dieſen lächerlichen Vorwürfen
gegenüber geſchwiegen. Nun aber hat ſie
es für nötig befunden, dagegen in einer be-
ſonderen Veröffentlichung aufzutreten, weil
insbeſondere „in den Formationen der Zu-
gend und in den Kreiſen, in die ſonſt nur
Detektiv⸗ und Schundliteratur Eingang
findet“, dieſe Vorwürfe Widerhall gefunden
hätten. Mit dieſen Worten begründet der
Präſident der Goethe⸗Geſellſchaft auf der
Tagung, die kürzlich in Weimar ftattgefun-
den hat, die Notwendigkeit der Gegenſchrift.
Gegen ihre Herausgabe haben wir nichts
einzuwenden, wohl aber gegen diefe Be-
gründung. Wir verbitten es uns, in gleichem
Atem mit den Konſumenten von Schund⸗
literatur genannt zu werden. Offenbar hat
der Herr Präſident keine rechte Vorſtellung
von der heutigen deutſchen Jugend, die wahr ·
lich beſſeres zu tun hat, als ſich mit ſolchen
merkwürdigen Streitigkeiten abzugeben. Von
unſern Jungen und Mädels haben ſicher nur
wenige dieſe Schrift überhaupt geleſen, ge-
ſchweige denn ſie zu ihrer Meinung gemacht
oder ſich zu ihr bekannt. Man ſollte doch
etwas vorſichtiger fein, ehe man die For-
mationen der Jugend zu ſeiner eigenen
Rechtfertigung heranzieht. Dabei ſtellen wir
uns natürlich durchaus auf den Boden des
Staatsrats Zieglers, der auf der Tagung
die nationalſozialiſtiſche Wiſſenſchaft auf-
gerufen hat, gegen Verleumdungen der
Großen der deutſchen Nation Stellung zu
nehmen. Ob freilich die Goethe-Gefellfdaft
ſelbſt glauben darf aufgerufen zu ſein, in
deren Mitte ja ſelbſt noch Freimaurer ſind,
das erſcheint uns äußerſt zweifelhaft. Dieſe
unpolitiſche Geſellſchaft hat jedenfalls die
Jugend nicht hinter ſich. W—m
Neue Bücher 29
Ale A lic er
Bücher zur faſchiſtiſchen Politik
Das Schwergewicht der europäiſchen Poli-
tik hat feit Verſailles in Mitteleuropa ge-
legen, das zum Objekt der franzöſiſchen He⸗
ganon berabgefunten war. er Völker.
nd, Locarno und zuletzt Streſa haben den
nun EA krankhaften Zug der Quai-d’-
Orſay Strategie an ſich, ſämtliche nur mög-
lichen Bundesgenoſſen als Garanten der
franzöftiden Vormacht in Europa einzu-
ſpannen. Jedes Mittel iſt dazu pis nber
weſen. Daß dieſe Politik ſelbſt ins en
geriet, verdanken wir der Außenpolitik des
ihrers und der inneren Erneuerung, out,
gerollt hat dieſe Politik Muſſolini, indem
er ſeinen Lohn für die Handlangerdienſte
zugunſten Frankreichs durch die Mobil-
machung gegen Abeſſinien einzulöſen begann.
Damit iſt die europäiſche Politik vor eine
völlig neue Situation geſtellt. Ernſt
Wilhelm Eſchmann hat eine vorzügliche
Schrift über „Die Außenpolitik des
Faſchismus“ (Junker u. Dünnhaupt
Verlag Berlin) veröffentlicht, deren klare
Sicht durch die in den letzten Monaten voll-
zogenen Tatſachen nur beſtätigt wird. Cid-
mann bezeichnet als dëch Biet ber
faſchiſtiſchen Außenpolitik die Herrſchaft über
das Mittelmeer“. And ſeine Behauptung
ift richtig: „Die anderen politiſchen Pro-
bleme Europas und die der Weltpolitik ſind
für Italien Randfragen zu dieſer Zentral-
age.“ Nach faſchiſtiſcher nfiht kann
Italien infolge ſeiner geographiſchen Si⸗
tuation nur Herrſcher des Mittelmeers oder
fein Gefangener fein. Dabei ift, wie Cid-
mann erklärt, das Mittelmeer für die aupen-
politiſche Ideologie Roms keine geographi-
jhe Beſtimmung, ſondern ein Ausftrah-
lungszentrum, das es wirtſchaftlich zu de⸗
herrſchen und in dem es politiſch und mili-
täriſch ein Aebergewicht erſtrebt. Hodinter-
eſſant iſt, was Eſchmann über die italieniſchen
Ziele in Aegypten, Arabien und Abeſſinien
ſchreibt. Das Werk von Joſef März „Die
Adriafrage“ (Kurt Vowinkel Verlag
Verlin-Grunewald) tft eine glänzende Çr-
gänzung zu den von Eſchmann nur ſkizzier⸗
ten Problemen des „„mare nostro“. Auch
dieſer Fragenkomplex wirt bis auf weiteres
in der Rechnung europäiſcher Diplomaten
offen bleiben. Die Arbeit von Joſef März
tft wiſſenſchaftlich⸗geopolitiſch orientiert, be-
handelt Land und Völker der Adria, Kultur
und Wirtſchaft wie Geſchichte und Staats-
politik. Die eingehenden Forſchungen, die
März mit Hilfe von 6 großen Adriafahrten
durchgeführt hat, laſſen das Buch als das
gründlichſte und reifſte wiſſenſchaftliche Werk
über dieſes Problem in der neuen deutſchen
iteratur erkennen. Der bekannte Geopoli-
tiker Karl Haushofer ſchickt den Ausführun-
gen von Joſef ärz eine längere Einlei-
tung voraus.
In einer Zeit, wo der Faſchismus die
europäiſche Politik in Atem hält, wird man
nicht allein bei den großen machtpolitiſchen
Faktoren unter den Völkern und Staaten,
die von dieſer Politik am W berührt
werden, ſtehen bleiben. Zu einer klaren
Beurteilung kommt man nur dann, wenn
man die politiſche Geiſtesgeſchichte dieſer
Nation kennt und daraus Schlüſſe zu ziehen
vermag. Ans Deutſchen will der bekannte
italieniſche Profeſſor Franco Valſecchi, der
auch eine Zeitlang an der Aniverſität Leipzig
gewirkt hat, mit ſeinem Buch „Das
moderne Italien“ (Hanſeatiſche Ber-
lagsanſtalt Hamburg) die politiſche Cnt-
wicklung ſeines Vaterlandes ſeit 1900 nahe
bringen. Valſecchi gehört zweifellos zu den
an Köpfen der faſchiſtiſchen Wiſſenſchaft.
eine großen Kapitel „Das neue Zahr-
hundert“ und „Die Kriſe“ beweiſen, daß er
nicht nur ein guter Denker iſt, ſondern dazu
ein ausgezeichnetes Einführu svermigen
wie einen Blick für das Weſentliche befist.
Zugegeben ſei auch, daß er das innere
Weſen der wachſenden faſchiſtiſchen Staats-
form gut zu erläutern verſteht. In
vielem berührt er Dinge, die auch die Dy-
namik des Nationalſozialismus beeinflußt
haben, aber es läßt ſich auch deutlich der
imperialiſtiſche Zug des Faſchismus er-
kennen, der unſerer Weltanſchauung fremd
ift. So ift diefe Geiftes- und Kultur-
geſchichte des modernen Italien gerade in
der Gegenwart ein wertvoller Beitrag zum
Verſtändnis der europäiſchen Situation.
30 Neue Bücher
Hermann Stegemann: „Weltwende“, der
Kampf um die Zukunft und Deutſchlands
Geſtaltwandel. Deutſche Verlagsanſtalt,
Stuttgart / Berlin.
Der große Schweizer Hiſtoriker hat mit
dieſem Werk eine großartige Schau der
Nachkriegspolitik niedergelegt und von dem
Geſichtspunkt aus, daß nach dem Welt-
krieg als wahrhaft epochemachendes Ereignis
nur die nationalſozialiſtiſche Revolution
und damit Deutſchlands Erneuerung an—
zuſprechen ift, das europäiſche Kräfſteſpiel
und Europas politiſche Weltlage beobachtet.
Er leitet feine Darſtellung mit einer alän-
zenden Skizzierung der Rolle der einzelnen
Kontinente ein und kommt von dieſer
weltpolitiſchen Schau zur Politik Europas.
Anter dem politiſchen und wirtſchaftlichen
Druck der Mächte vollzieht ſich der Ge—
ſtaltwandel Deutſchlands und die Aeber—
windung von Verſailles. Weil hierin
Stegemann die große Wende ſieht, ſtellt
er die inneren und äußeren Vefreiungs-
kämpfe der Nation ſeit 1918 in den
Mittelpunkt feines Werkes. Geradezu er-
ſtaunlich, wie der Schweizer die großen
Phaſen der deutſchen Nachkriegsgeſchichte
erfaßt und verarbeitet hat. Mit den Arſachen
und den Vorausſetzungen einer ſo lig.
reichen Entwicklung der nationalfozialijti-
ſchen Bewegung hat der Schweizer Hiito-
riker ſich eingehend beſchäftigt. Aeber das
Geheimnis der Führerperſönlichkeit Wolf
Hitlers vor dem Aufſtieg der Bewegung
faat er: „Er ſelbſt hat fih nie als Proleta-
rier gefühlt, auch als Bauarbeiter nicht als
ſolcher bekannt. Der Klaſſengedanke lag dem
Anverkaſteten fern, er war von dem Glauben
an ſein Volk erfüllt, aber noch nicht zum
Einſatz ſeiner eigenen Perſönlichkeit im
Kampf für das erahnte völkiſche Ideal ge—
langt. Er war noch nicht zur höheren Lei—
ſtung vorgeſtoßen, aber das Verlangen nach
Geſtaltung wies ihn, da ihm kein anderer
Wog offenitand, auf die Baukunſt als die
ſeiner Naturanlage entſprechende Betäti—
gung hin. Er wollte Baumeiſter werden,
und ein Baumeiſter iſt er geworden.“
Als Ausgangspunkt der Ideenwelt Adolf
Hitlers erkennt Stegemann das Volk! „Er
fab in der Volksſormung das die Zukunft
beſtimmende Prinzip“, während der „Stahl—
helm“ ſich zum Ziel geſetzt hatte, „die Er—
neuerung des Reiches vom Staate aus und
auf den Staat hin zu ſichern.“ Vamerkens—
wert mag es als das Zeuanis eines Aus—
länders erſcheinen, wenn Stegemann über
die innere Wirkſamkeit der Ideen des Füh—
ters urteilt: „Kein Volk ut von Anfang an
ſo ganz von ſeinem Geſtaltwandel erfaßt
worden wie das deutſche, keine Revolution
iſt ſo von der SH Nation erlebt worden.
Es war von Anfang an eine kollektiviſtiſche
Erſcheinung und vorbeſtimmtermaßen eine
nationale und ſoziale Revolution.“ Mit der
Machtübernahme durch Adolf Hitler beginnt
Di die große Wende in der europäiſchen
Politik zu vollziehen. Es iſt hier kein Raum,
um die treffliche Deutung Stegemanns aus-
führlicher zu behandeln — es verdient
unſerer Meinung nach aber erhöhte Be—
achtung, wenn dieſer Schweizer, der ſeinen
klaren hiſtoriſch-politiſchen Blick nicht nur
in dem vorliegenden, ſondern bereits in
ſeinen früheren großen Werken bewieſen
hat, zu dom Schluß kommt, daß dieſe Wende
eine Rückverlagerung des politiſchen
Schwergewichts nach Oſten einleitet. So
ſchließt er fein Werk, das mit einer Deu-
tung der weltpolitiſchen Lage begann, durch
eine ſehr gründliche Amreißung aller wid-
tigen Oft- und Güpdoitprobleme Europas.
Stegemann predigt keinen Antergang des
Abendlandes, aber eine Weltwende, die
durch die nationalſozialiſtiſche Bewe gung
eingeleitet worden ift. „Alles ijt in Be
wegung geraten“, und die Zukunſt gehört
dem Starken. Wir können nicht oft genug
wiederholen, wie notwendig eine politiſche
Schau unſerer Zukunftsaufgaben und unſe⸗
rer weltpolitiſchen Verantwortlichkeiten iſt.
Daß es ein Schweizer ijt, der unſere Volks
ſeele ſo wunderbar erkannt hat, aber auch
unſere politiſche Zukunftsmiſſion ſieht, ſollte
uns nur zur verſtärkteren inneren Rüſtung
für das kommende Europa antreiben.
G. K.
Soldatentum und Kultur. Von Guſtav
Steinbömer. Hanjcatifde Verlags-
anſtalt, Hamburg.
Es iſt richtig, wenn der Verfaſſer in der
Einleitung ſagt, daß erſt nach einem neuen
Denken über den Staat der Zuſammenhang
von Kultur und Staat wieder ſichtbar ac:
worden iſt. And dieſen Zuſammenhang ot,
gezeigt zu haben mit einer gründlichen Ve:
herrſchung des geſchichtlichen Materials iſt
das Verdienſt Steinbömers in ſeiner Schrift.
Der Liberalismus hatte dafür geſorgt, daß
das Wiſſen um die goeſchichtliche Tatſache,
daß alle Kultur das ſtaatliche Sein eines
Volkes zur n hat, gründlich ver.
ſchüttet wurde. Die Kultur gegen den Staat
anszuſpielen iſt eine liberale Grundtheſe.
Der Liberalismus kannte nur die äußere
Beziehung zwiſchen Kultur und Staat, in
der dem Staat die Aufgabe zufällt, die Frei
heit der Kultur zu ſichern und die äußeren
Das neue Heidelberg 31
Mittel zur Verfügung zu ſtellen. Der Staat
ſelbſt hatte ſich möglichſt überflüſſig zu
machen und neutral zu ſein, die Kultur aber
war ſouverän und autonom“, ſagt Stein-
bömer. Einer der Repräſentanten des
Staates iſt das Heer, welches mithin nach
der liberalen Geologie auf der Gegenſeite
der Kultur ſteht.
Es erhellt, daß einer Vetrachtung, die die
herkömmliche Trennung von Kultur und
Staat bekämpft, einen entſprechend umfaſſen⸗
den Kulturbegriff haben muß. Steinbömer
ſchließt ſich dem von Jacob Burckhard an,
der indeſſen nicht die Schärfe und Deutlid-
keit des Kulturbegriffs des jungen Nietzſche
bat, den Alfred Baeumler in ſeinem
Nietzſche⸗Büchlein klargelegt hat.
Steinbömer beſchränkt ſich auf vier
Epochen der neueren Geſchichte, bei denen er
den Zuſammenhang von Kultur und Heer
bloßlegt und typiſiert dabei richtig, indem er
die Anterſcheidung durchführt: 1. der
Standestyp des Friderizianismus; 2, der
Bildungstyp des deutſchen Idealismus;
3. der Berufstyp des liberalen Zeitalters;
4. der Soldat im völkiſchen Führerſtaat.
Bei Beurteilung der geſchicht⸗
bömer nicht immer richtig verfahren zu ſein.
So iſt die Theſe, daß das preußiſche
Offiaierforps ein „ſäkulariſiertes Ethos
eines Prieſteradels“ hatte, hiſtoriſch eine
bloße Konſtruktion, für die wohl zum Teil
Spengler mit verantwortlich ijt. Dieſes ver-
dienſtvolle Korps war leider eine volis-
fremde Standesangelegenheit, die ſich vor
allem durch Fremdheit gegenüber den im
Laufe des 19. Jahrhunderts ſich radikal ver-
ändernden wirtſchaftlichen und geſellſchaft⸗
lichen Tatſachen auszeichnete. Die große
preußiſche Geſchichte verliert wirklich nicht an
Wert, wenn ihre einzelnen Abſchnitte einmal
etwas kritiſcher geſehen werden. Dahin ge-
hört auch die kritikloſe „ der
reaktionären Rolle der v. Marwitz
Müller ⸗Gruppe bei den ige ote
formen durch Steinbömer.
Solche und wohl auch noch andere Cin-
ſchränkungen find leider bei den fo verdienſt⸗
lichen Erörterungen Steinbömers nicht zu
vermeiden, was um fo mehr zu bedauern ift,
als Steinbömers Büchlein ſonſt vor züg⸗
lich den Zuſammenhang von Kultur und
Staat auch einem breiten Loſerkreis zu ver-
lichen Situation ſcheint uns Stein- mitteln imſtande iſt. E. L.
Das neue Heidelbers
Aus 550-Sabefeier dev univer (ita
In einem Zeitpunkt, da alle Poſitionen des deutſchen Lebens durch den totalen
Anſpruch der Revolution angegriffen und neu geſtaltet werden, feiert die Aniverſität
Heidelberg das Jubiläum ihres 550 jährigen Beſtehens. Seit um die Wende des
18. zum 19. Jahrhundert die Dichter und Maler aus dem ganzen deutſchen Lebens-
raum nach Heidelberg kamen, um in ihrer Weiſe Bild und Seele der Landſchaft
in Worten zu prägen und in Farben zu deuten, iſt mit dem Namen dieſer Stadt in
der ganzen Welt unlöslich der Begriff der Romantik verbunden. Im Zeichen dieſes
Geiſtes wurden damals in Heidelberg aus der vollen Fülle des Lebens heraus un—
vergängliche Formungen des innerſten deutſchen Weſens geboren. Allein auf dieſe
Epoche der Schöpfung folgte ein auflöſendes Menſchentum, das, zum eigenen Ge—
ſtalten zu ſchwach, einzig in der Abſchrift die Erſcheinungen auszudrücken imſtande
war. Das Geſchlecht war ohne den geheimnisvollen Erreger, der die wahren Werte
der Nomantik einſt verurſacht hatte und ſie werden ließ, weil ſie werden mußten.
Es wußte nicht um den Zuſammenhang der Dinge dieſer Landſchaft, nicht um den,
der ſie geknüpft hat und damit nicht um den, der ſie wieder zu geben vermag. Es
muß hier einmal ganz klar die Stellung der Jugend zu der viel beſungenen, damals
32 Das neue Heidelberg
entſtandenen Alt⸗Heidelberg⸗ Romantik ausgeſprochen werden. Was wir ablehnen,
das find die Verflachungen und ungezählten Fälſchungen aus jener Zeit, was wir
bekämpfen, iſt das Verbrechen, in Himbeerwaſſer und Vollmond den Ausdruck der
Innerlichkeit unſeres Volkes zu verkünden. Die Anwälte dieſer Ideen der vollendeten
Zerſetzung werden Zug um Zug verſchwinden mit ihren Niederlagen im politiſchen
Kampf. Allein indem wir die Fälſchung vernichten, werden wir uns den beſtändigen
Wert nicht nehmen laſſen. Die betriebſame Romantik iſt im Vergehen und neu
erſteht die Einſicht für die wahre Empfindung eines Brentano, Hölderlin und Arnim
genau ſo wie für die Größe ihres Vermächtniſſes, zu deſſen Weitergabe wir uns
verpflichtet wiſſen.
Wer heute nach Heidelberg kommt, wird Schritt auf Schritt die Ablöſung des
Zeitalters der bürgerlichen Sekurität durch den Aufbruch eines heldiſchen Willens
erblicken. Die gemeinſame Front der kämpfenden jungen Arbeiter und Studenten
dieſer Stadt hat die Kraft, die Arſachen zu erkennen, die Schwachheit und
Fälſchung des Gedankens ihrer Landſchaft begründet haben, zugleich aber iſt ſie von
der Leidenſchaft durchdrungen, die nötig ſein wird, um zu den Werten vorzudringen,
auf denen ihre wahre Stärke beruht.
Der Ehrenfriedhof und die Feierſtätte auf dem Heiligenberg, deſſen Göttlichkeit
ſchon die Germanen verehrten, ſind erhabene Demonſtrationen der Wiedergeburt
Heidelbergs aus dem Geiſt der nationalſozialiſtiſchen Revolution. Das Schloß,
das geſtern noch in verſchobener Blickeinſtellung als intereſſante Ruine allein be-
trachtet wurde, wird heute wieder begriffen als ewiger Zeuge deutſcher Aneinigkeit
und als Mahner an die Folgen, die noch immer entſtanden ſind, wenn wir ſchwach
waren. Damit iſt auch das Schloß ſeiner wahren Beſtimmung wieder übergeben,
die einſt die Wittelsbacher der Pfälzer Linie im Auge hatten, als ſie an den
Hängen des Königſtuhls einen Wehrbau errichteten. Die Hochſchule Heidelbergs
aber muß den Ruf vom Heiligen Berg und von der ewigen Wache am Königſtuhl
aufnehmen und an die Gräber binden den großen neuen Beginn im Kampf um
die Erneuerung des deutſchen Geiſtes und deutſcher Forſchung.
Hat die Romantik dadurch ihren Sinn verloren? Nein. Sie hat ihn wieder
gewonnen. Von der Schuld eines Jahrhunderts gereinigt, ſchickt ſie ſich von einem
neuen Heidelberg aus an, ihre Beſtimmung zu erfüllen. Hans Bähr.
Hauptſchriftleiter: Günter Kaufmann (3. 3t. in Urlaub). Schriftleitung: Dr. Karl Lapper, Stellvertreter, un
Wilhelm Utermann. Anſchrift: „Wille und Macht“, Reichsjugendführung, Berlin . Kronprinzenufer 10.
Tel. D2 5841. Verlag Deutſcher Jugendverlag G. m. b. H., . Lützowſtr. 06 Tel. eee
Verantw. für den Anzeigenteil: Kurt Otto Arndt, Berlin. — DA Vİ. 36: 15 433, Pl. Nr. — Druck:
Theodor Abb Buchdruckerei, Berlin EW 68. „Wille und Macht“ ijt a beziehen durch den Deut ack Ju ic
verlag oder jede deutſche Buchhandlung ſowie durch die Poft. jo vicrtelj. RM. 1,80 zuzügl. Beſte
Bei Beitellung von 1 bis 3 einzelnen Nummern bitte den Betrag in Briefmarken beizulegen. da Nachn
fendung zu teuer iff und dieſe Beſtellung ſonſt nicht erledigt werden kann. Maſſenbezug durch den Verlag
laut beſonderen Bezugsbedingungen.
F. Hoffstätter, Bonn
Emall-Abzeichen, Medaillen für
\ Wir haben immer iunger.
(Vic haben immer Durft,
EN (Vas andre Leute efen,
| AD Das ift uns wirklich wurft;
22 ion Erbs wurft in dem Reffel,
2 Die fchmeckt und die gibt fruſt.
Die letzten Filometer,
Die find dann ſchneli gefchafft!
Sportfeste
S Plaketten for Aufmärsche,
Gedenkfeiern usw.
Fernruf 2110, Postfach 85
Vertragslieferant der RZM. Nr. 15
Loft und verbreitet
„Wille und Macht!”
Soeben erſchien:
Hans Chriſtoph Kaergel
Einer unter Millionen
Noman
Hans Chriftoph Kaergel ſchrieb mit dieſem Amerika - Roman fein
erlebnisſtärkſtes Buch. Vor dem Hintergrund der Wolkenkratzer
New Dorks, inmitten einer pauſenlos abrollenden, meiſterhaſt ge- |
hrten Soumo die alle Höhen und Tiefen des Erlebens durd-
n
duft, eingehüllt in die Erzählung einer Liebe, die zu den innigſten
und zarteſten unſerer Dichtung gehört, entwickelt fig um Martin Windeck,
den in den Kriſenjahren der Syſtemzeit abgebauten Bankbeamten
aus Waldenburg, ein ig e Schickſal, wie es Tauſenden und
aber Tauſenden widerfuhr. Zwar ſchlägt ſich Windeck drüben leidlich
durchs Leben: heute Tiſchler, morgen Totengräber, dann Stalljunge
und Milchkutſcher, zwar gibt ihm die Fremde, was ihm die alte Heimat
für immer zu verweigern ſchien: Arbeit und Leben. Aber er wird
nicht glücklich dabei. Denn erſt jetzt, erſt hier im fremden Land, im
Strom der Weltſtadt En er, wie tief er Deutſchland liebt und daß
er ſich nie von ihm löſen kann, um Amerikaner zu werden. Auto-
biographiſche Züge find dieſem Schickſal mannigſach verflochten. So
end dieſes neue Werk des bekannten ſchleſiſchen Erzählers eine
eſondere Bedeutung als das Lebensbekenntnis eines Mannes, den
Grenze und Ausland ſeinem Volkstum zutiefſt verwurzeln ließ.
Pappband RM. 360 7 Ganzleinen RM. 4,80
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Verlag und Vertriebs⸗Geſellſchaft m. b. H., Berlin W 35
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Braune Buw-Ring |
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ſozialiſtiſche Weltanſchauung zu vertiefen und das wiedergewonnene 8
deutſche Lebensgefühl zu ſtärken.
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erſchienener Werke, und unterſcheidet ſich dadurch von allen | |
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