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Full text of "W.S. Teuffels Geschichte der römischen Literatur"

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W.  S.  TEUFFELS  GESCHICHTE 
DER  RÖMISCHEN  LITERATUR 


SECHSTE  AUFLAGE 

UNTER  MITWIRKUNG  VON 

EKICH  KLOSTERMANN  •  RUDOLF 
LEONHARD  und  PAULWESSNER 

NEU  BEARBEITET  VON 

WILHELM  KROLL  und  FRANZ  SKUTSCH 


ERSTER  BAND 
DIE  LITERATUR  DER  REPUBLIK 


DRUCK  UND  VERLAG  B.  G.TEUBNER  ■  LEIPZIG  -  BERLIN  1916 


MAR  -  7  1958 
105  &| 


PA 

6001 

910 


SCHUTZFORMEL  FÜR  DIE  VEREINIGTEN  STAATEN  VON  AMERIKA: 
COPYRIGHT  1910  BY  B.  G.  TEUBNER  IN  LEIPZIG. 


ALLE  RECHTE,  EINSCHLIESSLICH  DES  ÜBERSETZUNGSRECHTS,  VORBEHALTEN 


VORWORT 

Als  W.  S.  Teuffel  am  S.März  1878  starb ,  hinterließ  er  den 
Wunsch,  daß  sein  Kollege  L.  Schwabe  die  weiteren  Auflagen  sei- 
ner Römischen  Literaturgeschichte  bearbeiten  möge.  Schwabe  hat 
diesen  Wunsch  erfüllt  und  im  J.  1882  die  vierte ,  im  J.  1890  die 
fünfte  Auflage  veröffentlicht;  in  den  Vorreden  dankt  er  namentlich 
den  Herren  0  Crusius,  R.  Förster,  A.  v.  Gutschmid,  M.  Hertz 
und  0.  Keller  für  ihre  Beihilfe. 

Die  sechste  Auflage  bedarf  hoffentlich  weder  der  Empfehlung 
noch  der  Entschuldigung,  auch  brauche  ich  es  wohl  nicht  zu  recht- 
fertigen, daß  die  Selbständigkeit  des  Bearbeiters  gegenüber  dem 
ursprünglichen  Text  immer  mehr  gewachsen  ist.  Anderseits  wird 
man  es  verstehen,  daß  tiefgreifende  Änderungen  in  der  Anordnung 
des  Stoffes  bei  dem  Charakter  des  TEUFFELschen  Werkes  nicht 
möglich  waren.  Der  Einfluß  des  Krieges  hat  sich  darin  gezeigt, 
daß  die  Drucklegung  sich  verzögerte  und  die  neueste  Literatur  in 
den  früheren  Abschnitten  nicht  mehr  benutzt  werden  konnte,  ferner 
in  dem  öfteren  Wechsel  der  Helfer  bei  der  Korrektur,  von  denen 
einer  nach  dem  andern  zur  Fahne  einberufen  wurde  und  von  denen 
Einzelne  sogar  im  Felde  oder  während  eines  durch  Verwundung 
veranlaßten  Heimaturlaubes  in  dankenswerter  Weise  mitarbeiteten. 
Durch  militärische  Einziehung  wurde  auch  P.  Wessner  verhindert, 
zu  diesem  Bande  mehr  beizusteuern  als  einige  Bemerkungen  zu 
§  164 — 169.  Daher  habe  ich  diesen  Band  fast  allein  bearbeitet; 
von  R.  Leonhard  rührt  her: 

§  48.  49.  86.  87.  88,2.  89.  139,2  und  3.  207. 

Den  Herren  W.  Dopheide,  R.  Ganschinietz,  H.  Ottenjann 
und  A.  Nehring  bin  ich  für  treue  Hilfe  bei  der  Korrektur, 
B.  A.  Müller  und  H.  Dessau  für  Bemerkungen  zu  §  41, 2  und 
218  zu  lebhaftem  Danke  verpflichtet.  Das  Register  habe  ich  selbst 
angefertigt. 

Breslau,  im  Nov.  1915. 

W.  KROLL. 


IV  Vorwort 

AUS  DEN  VORREDEN  DES  VERFASSERS  ZUR  ERSTEN 
BIS  DRITTEN  AUFLAGE 

I.  (XVI  u.  1052  SS.)  Durch  zweierlei  hauptsächlich  unterscheidet 
sich  die  vorliegende  Bearbeitung  der  römischen  Literaturgeschichte 
schon  äußerlich  von  ihren  Vorgängern;  dem  Umfange  nach  durch 
ihre  gleichmäßige  Berücksichtigung  der  christlichen  Literatur,  der 
Art  nach  durch  ihre  chronologische  Anlage.  Das  eine  wie  das  an- 
dere ist  der  Ausfluß  davon,  daß  vor  allem  mein  Bestreben  war  eine 
wirkliche  Geschichte  der  römischen  Literatur  zu  geben,  eine  Dar- 
stellung ihrer  Erscheinungsweisen  während  der  Jahrhunderte  ihres 
Daseins. 

Von  diesem  leitenden  Gesichtspunkt  aus  mußte  es  als  ganz  un- 
möglich* erscheinen,  die  christliche  Literatur  auszuschließen  oder 
auch  nur  zu  verkürzen;  denn  vom  Ende  des  zweiten  Jahrh.  n.  Chr. 
an  ist  sie  nun  einmal  ein  Bestandteil  der  römischen  Literatur,  und 
zwar  einer  von  immer  zunehmender  Wichtigkeit.  Sie  trotzdem 
hintanzusetzen  wäre  nur  dann  zulässig,  wenn  man  sich  überhaupt, 
mit  Weglassung  aller  technischen  Fächer,  auf  die  sog.  schöne 
Literatur  beschränken  wollte.  Behandelt  man  aber  die  Literatur 
der  Jurisprudenz,  Naturwissenschaften  u.s.  f.,  so  darf  man  auch 
gegen  die  der  Theologie  sich  nicht  verschließen.  Abhalten  könnte 
davon  nur  etwa  ihr  großer  Umfang.  Aber  es  versteht  sich  daß  sie 
Gegenstand  der  Literaturgeschichte  nur  in  der  Ausdehnung  werden 
kann,  in  der  es  auch  die  übrigen  technischen  Fächer  sind;  und  was 
die  Art  ihrer  Behandlung  betrifft,  so  war  mein  Bemühen  sie  mit 
historischem  Sinne  anzufassen,  also  ohne  Einmischung  in  die  dog- 
matischen Zänkereien,  aber  auch  ohne  Geringschätzung. 

Das  andere  Unterscheidungsmerkmal  ist  die  Anlage  nach  der 
Zeitordnung.  Sie  ist  eine  so  unmittelbare  Folge  des  historischen 
Grundcharakters  . . .  daß  ich  hoffe  es  werde  auch  in  Zukunft  dabei 
sein  Bewenden  haben. 

Eine  weitere  Folge  der  historischen  Haltung  welche  meine  Ar- 
beit erstrebt  war,  daß  für  mich  der  zufällige  Umstand  ob  von  den 
Schriften  eines  Mannes  viel  oder  wenig  oder  vielleicht  auch  gar 
nichts  auf  uns  gekommen  ist  nur  von  untergeordneter  Bedeutung 
war.  Ich  habe  die  einzelnen  Gestalten  der  Literatur  nach  ihrem 
inneren  Werte,  an  sich  und  für  ihre  Zeit,  zu  würdigen  gesucht  und 
konnte  mich  dadurch,  daß  vielfach  der  Zufall  gerade  gegen  die  ge- 


Vorwort  V" 

haltvollsteu  und  selbständigsten  sich  mißgünstig  erwiesen,  hat  nicht 
bestimmen  lassen  nun  auch  meinerseits  sie  in  den  Schatten  zu 
drängen. 

Sonst  war  mein  Bestreben  auf  Zuverlässigkeit  gerichtet,  wie 
auf  Unparteilichkeit.  Ich  habe  mich  fern  zu  halten  gesucht  gleich 
sehr  von  blinder  Bewunderung  alles  Geschriebenen  wie  von  Partei- 
nahme für  und  wider.  Aber  den  unwandelbaren  Gesetzen,  nach 
denen  sich  eines  Mannes  Tüchtigkeit  und  eines  Schriftstellers  Wert 
bemißt,  mußte  unverkürzt  ihr  Recht  werden. 

Die  Grenze  für  die  Darstellung  war  dadurch  gegeben  daß  mein 
Werk  eine  römische  Literaturgeschichte  ist,  eine  Geschichte  der 
Literatur  des  römischen  Volkes  und  des  römischen  Reiches.  .  .  . 
Nur  durfte  hier  nicht  mit  Pedanterie  verfahren  werden.  Mit  der  Ab- 
setzung des  Augustulus  war  weder  das  Reich  noch  vollends  gar  das 
Volk  vernichtet;  es  waren  daher  auch  die  Haupterscheinungen  der 
Literatur  im  sechsten  Jahrh.  mit -in  Betracht  zu  ziehen,  und  um  ihnen 
ihre  richtige  Beleuchtung  zukommen  zu  lassen,  mußte  auch  manches 
scheinbar  Fremdartige  und  Unbedeutende  noch  Aufnahme  finden. 

Tübingen,  31.  Oktober  1870. 


II.  (XVI  u.  1164  SS.) Manches  habe  ich  für  die  zweite 

Auflage  der  freundlichen  Mitteilung  von  Fachgenossen  zu  danken, 
wie  besonders  M.  Hertz,  dann  F.  A.  Eckstein,  L.  Müller, 
E.  Wölfflin  .  .  . 

Tübingen,  30.  Juni  1872. 


III.  (XVI  u.  1216  SS.)  .  .  .  Auch  für  die  dritte  Auflage  konnte 
ich  manche  wertvolle  Zusendung  dankbar  benützen,  die  reichhaltig- 
sten wieder  von  M.  Hertz,  dann  besonders  von  F.  A.  Eckstein, 
H.  Nolte,  W.  Weissbrodt  und  meinem  Collegen  L.  Schwabe. 
...  Im  übrigen  erlaube  ich  mir  hinsichtlich  der  Grundsätze  die 
ich  befolgte  auf  meine  Selbstanzeige  in  Fleckeisens  Jahrbüchern 
107  (1873),  627  zu  verweisen. 

Tübingen,  31.  Oktober  1874. 

WILHELM  SIGMUND  TEUFFEL. 


INHALT  DES  ERSTEN  BANDES 

A.  ALLGEMEINES  UND  SACHLICHER  TEIL 

1.  Römischer  Volkscharakter.  S.  1.  2.  Stellung  der  Römer  zur  Lite- 
ratur.   S.  2. 

3.  Die  Poesie,  zunächst  das  Drama.    Begabung  der  Römer  dafür.    S.  3. 

4.  Volkstümliche  Aufführungen.  S.  4.  5.  Die  Fescenninen.  S.  5.  6.  Die 
saturae.    S.  6.         7.  Der  mimus.    Begriff  und  ältere  Geschichte.    Planipes. 

5.  7.  8.  Der  mimus  am  Ende  der  Republik  und  in  der  Kaiserzeit.  S.  9. 
9.  Die  Atellanen  als  Volksposse.  S.  14.  10.  Die  Atellanen  als  Literatur- 
zweig. S.  16.  11.  Volkspoesie  der  Römer.  S.  17.  12.  Das  Kunstdrama 
Übersicht.  S.  18.  13.  Die  Tragödie.  S.  20.  14.  Die  praetexta.  S.  22. 
15.  Die  palliata.  Übersicht  ihrer  Geschichte.  S.  23.  16.  Nähere  Charakte- 
ristik der  palliata.  S.  25.  17.  Die  togata  (tabernaria,  trabeata).  S.  32. 
18.  Die  Rhinthonica.    S.  34. 

19.  Das  Epos.  Geschichtliche  und  nationale  Stoffe.  S.  35.  20.  Das 
heroische  Epos.    S.  37.  21.  Christliche  Epiker.    S.  39.  22.  Epithala- 

mium.  S.  40.  23.  Das  Lehrgedicht.  S.  41.  24.  Spruchgedichte.  S.  43. 
25.  Der  poetische  Brief.  S.  43.  26.  Rätsel.  Centones.  Akrosticha.  S.  44. 
27.  Die  Fabel.  S.  46.  28.  Die  Satire  als  Literaturzweig.  S.  47.  29.  Das 
Idyll.    S.  49. 

30.  Älteste    Lyrik.    S.  50.  31.  Das  Epigramm.     S.  51.  32.  Die 

Elegie.    S.  53.         33.  Der  Jambus.    S.  55.         34.  Die  Melik.    S.  56. 

35.  Die  Prosa  bei  den  Römern.  S.  58.  36.  Die  Geschichtschrei- 
bung bei  den  Römern  im  allgemeinen.    S.  59.       37.  Die  Annalisten.   S.  63. 

38.  Die    Historiker    der    ciceronischen    und    augusteischen    Zeit.    S.  66. 

39.  Die  Historiker  der  Kaiserzeit.    S.  67.         40.  Die  Inschriften.    S.  70. 

41.  Die  Altertumsforschung,  Polyhistorie  und  Grammatik.  S.  71.  42.  Ein- 
zelne Fächer:  Lexikographie,  Metrik,  Mythographie  usw.    S.  76. 

43.  Die  Beredsamkeit  bei  den  Römern.  S.  81.  44.  Die  Beredsam- 
keit in  der  Republik.  S.  82.  45.  Die  Beredsamkeit  in  der  augusteischen 
und  der  Kaiserzeit.     Rhetorik.    S.  88.  46.  Briefe   und  Briefsammlungen. 

S.  92.         47.  Unterhaltungsliteratur:  Romane  u.  dgl.  S.  95. 

48.  Die    Rechtswissenschaft    in    der    Republik.     S.  97.  49.  Die 

Rechtswissenschaft  in  der  augusteischen  und  der  Kaiserzeit.    S.  100. 

50.  Die  Philosophie  bei  den  Römern  in  der  Zeit  der  Republik.  S.  105. 
51.  Die  Philosophie  in  der  Kaiserzeit.    S.  108. 

52.  Mathematik  und  Astronomie.  S.  110.  53.  Die  Naturwissenschaften. 
S.  112.  54.  Die  Land-  und  Hauswirtschaft.  S.  113.  55.  Die  Heilkunde. 
S.  115.  56.  Die  Kriegswissenschaft.  S.  118.  57.  Die  Architektur.  S.  119. 
58.  Die  Feldmeßkunst.    S.  120.  59.  Die  Metrologeu.    S.  120.  60.  Die 

Geographie    S.  121. 


Inhalt  des  ersten  Bandes  VII 

B.  BESONDERER  UND  PEESÖNLICHEE  TEIL 
I.  VORGESCHICHTE  DER  RÖMISCHEN  LITERATUR 

bis  zum  J.  240  v.  Chr. 

60  a.  Das  Alphabet.    S.  123.  61.  Formeller    Charakter    der    ältesten 

Aufzeichnungen.  Carmen.  S.  123.  62.  Der  Saturnius.  S.  124.  63.  Mate- 
rieller Charakter  der  ältesten  Aufzeichnungen.  Übersicht.  S.  126.  a)  Gottes- 
dienstliches. 64.  Carmen  saliare.  S.  127.  65.  Carmen  fratrum  ar- 
valium.  S.  127.  66.  67.  Weissagungen.  S.  128.  b)  Politisch-histo- 
risches. 68.  Foedera  regum.  S.  129.  69.  Bundesverträge  aus  der 
ältesten  Zeit  der  Republik.  S.  129.  70.  Leges  regiae.  S.  130.  71.  Ius 
Papirianum.  S.  130.  72.  Commentarii  regum.  S.  130.  73.  Libri  und 
commentarii  pontificum.  S.  131.  74.  Fasti  als  Kalender.  S.  132. 
75.  Fasti  als  Magistratsverzeichnisse.  S.  134.  76.  Annales  pontificum. 
S.  135.  77.  Aufzeichnungen  anderer  priesterlicher  Collegien.  S.  137. 
78)  Aufzeichnungen  weltlicher  Behörden.  S.  137.  79.  Libri  magistratuum. 
S.  138.  c)  Monumenta  privata.  80.  Haus-  und  Familien-Chroniken. 
S.  139.  81.  Lobreden  auf  Gestorbene.  S.  139.  82.  Loblieder  auf  Ge- 
storbene. Neniae.  Tafellieder.  S.  141.  83.  Inschriften  der  fünf  ersten 
Jahrhunderte.  S.  142.  84.  Carmina  triumphalia.  S.  144.  85.  Andere 
carmina  popularia.  S.  144.  d)  Rechtsquellen  und  Rechtsliteratur. 
86.  Die  zwölf  Tafeln.  S.  144.  87.  Legis  actiones.  S.  146.  88.  Cn.  Fla- 
vius  (ius  Flavianum).  S.  146.  89.  Alteste  Rechtsgelehrte.  P.  Sempronius. 
Ti.  Coruncanius.    S.  147.         90.  Appius  Claudius.    S.  148. 

IL  GESCHICHTE  DER  RÖMISCHEN  LITERATUR 

ERS TER  HAUPTTEIL:  DIE  ZEIT  DER  REPUBLIK  UND  DES  AUGUSTUS 
Erste  Periode :  von  Andronicus  bis  in  die  sullanische  Zeit.  J.240 — 84 

91 — 93.  Charakteristik  der  beiden  Jahrhunderte.     S.  149.  (91.  Das 

sechste  Jahrhundert.     S.  149.         92.  Das  siebente  Jahrhundert.     S.  155. 
93.  Sprache  und  Metrik  in  beiden  Jahrhunderten.     S.   157.) 

A.  SECHSTES  JAHRHUNDERT  D.  ST. 

I.  Dichter 

94.  Andronicus.    S.  162.         95.  Cn.  Naevius.    S.  164.  ,        96.  Plautus. 
Leben    und    schriftstellerische    Tätigkeit.     S.  167.  97.  Die    erhaltenen 

zwanzig  Stücke  in   der  überlieferten  (alphabetischen)    Reihenfolge.     S.  169. 
98.  Dichterische   Eigentümlichkeit    des    Piautas.     S.  178.  99.  Fortleben 

des  Plautus.     Prologe.    Alte  Commentatoren.     Handschriften  und  Ausgaben. 
S.  184.  100.  Q.  Ennius.     Sein  Leben.     S.  187.  101.  Seine  Annales. 

S.  189.  102.  Seine   Tragödien   und    praetextae.     S.  192.  103.  Seine 

Saturae.    Epicharmus,  Euhemerus  u.  a.  S.  193.  104.  Dichterische  Eigen- 

tümlichkeit des  Ennius.    S.  194.         105.  M.  Pacuvius.    S.  196.  106.  Sta- 

tius  Caecilius.    S.  197.  107.  Andere  Palliatendichter.    Trabea,   Luscius 

u.  a.    S.  199.  108.  P.  Terentius.    Sein  Leben.    S.  199.  109.  Seine 

schriftstellerische    Tätigkeit.     Handschriften.    Commentatoren.    Didaskalien. 
Ausgaben  S.  201.  110.  Seine   sechs   Stücke  in  der   herkömmlichen  Ord- 

nung.   S.  204.  111.  Dichterische  Eigentümlichkeit  des    Terenz     S.  209. 


VIII  Inhalt  des  ersten  Bandes 

112.  Der  Togaten dichter  Titinius.  S.  212.  113.  Der  Palliatendichter  Tur- 
pilius.    S.  213.  114.  Andere   Dichter   des   sechsten  Jahrh.  d.  St.    S.  213. 

115.  Metrische  Inschriften  aus  dem  sechsten  Jahrh.  d.  St.    S.  214. 

II.  Prosaiker 

116.  Älteste  Geschichtschreiber:  Q.  Fabius  Pietor.  S.  214.  117.  L.  Cin- 
cius  Alimentus.  S.  217.  118.  M.  Po r eins  Cato,  Leben  und  Charakter. 
S.  218.  119.  Cato  als  Redner.  S.  220.  120.  Cato  als  Geschichtschreiber. 
S.  222.  121.  Catos   praeeepta  ad    filium    und   andere  Schriften.    S.  224. 

122.  Catos  Schrift   de    agri   eultura.    S.  226.  123.  Andere  gleichzeitige 

Redner.    S.  228.         124.  C.  Sulpicius  Gallus.    S.  230.  125.  Gleichzeitige 

Juristen:  P.  und  Sex.  Aelius  u.  a.  S.  230.  126.  M.  Fuivius  Nobilior  und 
sein  Sohn  Q.  S.  231.  127.  Andere  gleichzeitige  Geschichtschreiber.  S.  232. 
128.  Sp.  Carvilius  S.  233.  129.  Prosaische  Inschriften  des  sechsten  Jahrh. 
d.  St.    S.  233. 

B.  SIEBENTES  JAHRHUNDERT  D.  ST 

130.  Die  beiden  ersten  Jahrzehnte.  S.  234.  131.  Redner;  der  jüngere 
Africanus,    seine   Freunde  und  Gegner.    S.  234.  132.  Geschichtschreiber 

dieser  Zeit,  besonders  Cassius  Hemina  und  Piso  Frugi.  S.  238.  133.  Ju- 
risten dieser  zwei  Jahrzehnte,  besonders  M\  Manilius,  M.  Brutus  und  P.  Mu  • 
cius  Scaevola.    S.  240.         134.  L.  Accius.    S.  243. 

135.  Die  Zeit  der  Gracchen  (J.  134  —  119).  Ti.  und  C.  Gracchus. 
S.  247.  136.  Die  andern  Redner  der  gracchischen  Zeit,  besonders  C.  Carbo, 
C.  Fannius  C.  f.,  M.  Scaurus,  C.  Curio.  S.  249.  137.  Geschichtschreiber 
aus  dieser  Zeit,  bes.  C.  Fannius  M.  f.  und  Coelius  Antipater.  S.  252. 
138.  Altertunisforscher  und  Gelehrte  der  gracchischen  Zeit,  bes.  Tuditanus 
und  Iunius  Gracchanus.    S.  256.  139.  Stoiker  und  Juristen  dieser  Zeit: 

C.  Blossius  und  Q.  Tubero,  Q.  Scaevola  Augur.     S.  258. 

140.  Die  Zeit  nach  den  Gracchen  (J.  119—104).  Übersicht.  S.  ^59. 
141.  Redner  darin:  T.  Albucius,  C.  Fimbria,  C.  Titius  u.a.  S.  260.  142.  P. 
Rutilius  Rufus,  Q.  Lutatius  Catulus  und  Sempronius  Asellio.  S.  262.  143.  C. 
Lucilius.  S.  265.  144.  Der  Togatendichter  Atta.  S.  271.  145.  L.  Afra- 
nius.    S.  272.  146.  Andere  Dichter:   Hostius,   Pompilius,   Valerius  Aedi- 

tuus,  Porcius  Licinus  u.  a.  S.  273.  147.  Didaktiker:  Q.  Valerius,  Teren- 
tius  Libo,  Volcacius  Sedigitus.    S.  274.  148.  L.  Aelius  Stilo   und  an- 

dere Grammatiker.    S.  276. 

149.    Die    Jahre  104—84.    Übersicht.    S.  278.  150.  Dichter    dieser 

Zeit:  A.  Furius,  Cn.  Matius,  Laevius.  S.  278.  151.  Die  Atellanendichter 
Pomponius  und  Novius.    S.  281.  152.  Die  Hauptredner   dieser  Zeit:    M. 

Antonius  und  L.  Crassus.    S.  283.  153.  Redner  zweiten  Ranges,  bes. 

L.  Philippus,  Caesar  Strabo,  C.  Cotta,  P.  Sulpicius,  C.  Curio.  S.  282. 
154.  Die  Rechtsgelehrten  dieser  Zeit:  Q.  Scaevola  Pontifex  und  seine 
Schüler    und   Fachgenossen.     S.  287.  155.  Die  Annalisten    dieser  Zeit: 

Quadrigarius,    Valerius    Antias,    Aufidius.    S.  289.  156.  Siserma 

und  Licinius  Macer.     S.  293.  157.  Su]la  und  Lucullus,  C.  Piso.     S.  297. 

158.  Anderes  Geschichtliche  aus  der  sullanischen  Zeit:  L.  Manlius,  Volta- 
cilius,  Tarquitius  Priscus.  S.  298.  159.  Gelehrte,  Lehrer  und  Literatoren, 
bes.  Plotius  Gallus,  Nicanor,  Opilius,  Gnipho,  Cosconius,  Ser.  Clodius.  S.  300. 
160.  Schriftsteller  über  Land-  und  Hauswirtschaft:  Saserna,  Scrofa  u.  a. 
S.  303.         161.  Anhänger  der  Philosophie.    S.  305.  162.  Die  Rhetorik 

ad  Herennium.     S.  305. 

163.  Prosaische  und  metr.  Inschriften  aus  J.  154 — 84.     S.  309. 


Inhalt  des  ersten  Bandes  IX 

Zweite  Periode.    Das  goldene  Zeitalter  der  römischen  Literatur. 

J.  83  v.  Chr.— 17  n.  Chr. 

A.  DIE  CICERONISCHE  ZEIT,  J.  83-43. 
Allgemeine  Charakteristik  u.  Übersicht  der  ciceronischen  Zeit.     S.  311. 

I.  Erste  Hälfte  der  ciceronischen  Zeit,  J.  83—63. 
164.  M.  Terentius   Varro.     Sein    Leben   und    sein    Charakter.     S.  321. 
164  a.  Varro  als  Forscher.    S.  323.         165.  Seine  Schriftstellerei.     Überblick 
und  Poetisches.    S.  326.         166.  Die  prosaischen  Schriften  Varros.    S.  330. 
167.  Varros  Werk   de  lingua  latina.     S.  339.  168.  Varros  Bücher  rerum 

rusticarum.  S.  341.  169.  Erhaltung  der  varronischen  Schriften.  Die  sog. 
sententiae  Varronis.     S.  343.  170.  Nigidius  Figulus.     S.  344. 

171.  Q.  Hortensius  und  andere  Redner,  bes.  der  Optimaten.     S.  347. 

172.  Atticus  und  andere  Geschichtschreiber.  S.  350.  173.  Übersetzer 
philosophischer  Schriften,  Amafinius  u.  a.  S.  353.  174.  Aquilius  Gallus, 
Sulpicius  Rufus  und  andere  Juristen.    S.  354. 

175.  M.  Tullius   Cicero.    Sein   äußeres  Leben.    S.  357.  176.  Cicero 

als  Mensch  und  Staatsmann.  S.  358.  177.  Cicero  als  Schriftsteller.  S.  361. 
177  a.  Ciceros  Jugendarbeiten.    S.  363.  178.  Cicero  als  Redner.     S.  365. 

179.  Die    erhaltenen    Reden   Ciceros.     S.  370.  180.  Sonstige  Reste  von 

Ciceros  rednerischer  Tätigkeit.  S.  390.  181.  Cicero  als  Schriftsteller -über 
Rhetorik.  S.  392.  182.  Ciceros  rhetorische  Schriften.  S.  393.  183.  Ci- 
cero als  Philosoph.  S.  400.  184.  Ciceros  philosophische  Schriften,  S.  404. 
195.  Cicero  als  Jurist.    S.  421.  186.  Cicero   als   Historiker.    S.  422. 

187.  Ciceros  Briefe.  S.  424.  188.  Die  erhaltenen  Sammlungen  dieser  Briefe. 
S.  429.  189.  Cicero  als  Dichter.     S.  432.  190.  Q.  Cicero.     S.  434. 

191.  M.  Tullius  Tiro.     S.  436. 

192.  Dichter  dieser  Zeit:  Albucius,  Egnatius,  D.  Laberius,  M.  Furius 
Bibaculus.     S.  438. 

II.  Zweite  Hälfte  der  ciceronischen  Zeit,  J.  63 — 43. 

193.  Die  ältere  Generation.  Übersicht.  S.  442.  194.  C.  Iulius  Cae- 
sar. Sein  äußeres  Leben.  S.  442.  195.  Caesars  Charakter  und  Schrift- 
stellerei.  S.  443.  196.  Die  erhaltenen  commentarii  des  Caesar.  S.  446. 
197.  Fortsetzung  seiner  commentarii  durch  Hirtius  u.  a.  S.  452  198.  Cor- 
nelius Nepos.  S.  455.  199.  Auguralschriftsteller.  S.  462.  200.  Vale- 
rius  Cato,  Orbilius  und  andere  Grammatiker.  S.  465.  201.  M.  Porcius 
Cato  der  Jüngere.  S.  468.  202.  Die  Redner  M.  Calidius,  C.  Memmius 
u.  a.     S.  469.         203.  T.  Lucretius  Carus.     S.  472. 

204.  Die  jüngere  Generation.  Übersicht.  S.  479.  205.  C.  Sallustius 
Crispus.  Leben  und  Schriften.  S.  480.  206.  Sein  schriftstellerischer  Cha- 
rakter. S.  488.  207.  Die  Juristen  Ofilius,  Trebatius,  A.  Cascellius  u.  a. 
S.  494.  208.  Q.  Tubero,  Alfenus  Varus,  C.  Matius.  S.  496.  209.  An- 
dere Caesarianer  (bes.  Redner),  wie  Q.  Cornificius,  M.  Antonius,  L.  Baibus, 
Caelius  Rufus,  Munatius  Plancus  u.  a.  S.  499.  210.  Anticaesarische  Red- 
ner und  Schriftsteller:  M.  und  D.  Brutus,  C.  Cassius,  Cassius  Parmensis, 
Trebonius,  Ampius  u.  a.  S.  504.  211.  Gelehrte  und  Lehrer:  Ateius  Phi- 
lologus  u.  a.  S.  507.  212.  Dichter  ohne  Parteifarbe:  Varro  Atacinus, 
Publilius  Syrus  u.  a.  S.  510.  212  a.  Die  Neoteriker.  S.  515.  213.  Ti- 
cidas,  Helvius  Cinna  und  Licinius  Calvus.    S.  516.         214.  Catullus.    S.  520. 

215.  Politische  Tagesliteratur.  S.  529.  216.  Acta  senatus.  Acta  po- 
puli.     S.  531.  217.  Briefe.    S.  532.  218.  Inschriften    aus    den  Jahren 

84—43.     S.  533. 


ABKÜRZUNGEN 
(außer  den  vor  Bd.  III  erklärten). 

CEL.  =  Carmina  Epigraphica  Latina  ed.  Bücheler. 

CGL.  =  Corpus  Glossariorum  Latinorum. 

DESS(AU)  =  Inscriptiones  Latinae  selectae  ed.  Dessau. 

DIE.  =  Dialectorum  italicarum  exempla  ed.  E Schneider. 

GRF.  =  Grammaticae  Romanae  fragm.  coli.  Funaioli. 

Harv.  St.  =  Harvard  Studies  in  Classical  Philology. 

IA  =  Iurisprudentia  Anteiustiniana  ed.  Huschke,  Seckel,  Kübler. 

IAH.  =  Iurisprudentiae  Antehadrianae  quae  supersunt  ed.  Bremer. 

LEO,  LG.  be  Leo,  Gesch.  der  röm.  Liter.,  I.  Berlin  1913. 

LEO,  PF  =  Leo,  Plautinische  Forschungen,  2Berlin  1912. 

ORF  =  Oratorum  Romanorum  fragm.  ed.  HMeyer,  Zürich  21842. 


ALLGEMEINER  UND  SACHLICHER  TEIL. 

1.  Den  Römern  fehlte  die  Beweglichkeit,  Vielseitigkeit  und 
Phantasie  der  Hellenen;  ihre  Vorzüge  lagen  in  der  Nüchternheit 
und  Schärfe  des  Denkens,  der  Festigkeit  und  Ausdauer  des  Willens. 
Ihre  Verständigkeit  richtete  sich  auf  das  Zweckmäßige  und  artete 
wohl  auch  in  Selbstsucht  und  Pfiffigkeit  aus;  wie  ihre  Festigkeit 
in  Eigensinn  und  Schwerfälligkeit.  Auf  dem  Gebiete  des  Staates 
und  des  Rechts  haben  jene  Eigenschaften  Großes  und  Dauerndes 
hervorgeb rächt;  für  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Kunst  und 
Literatur  waren  sie  entschieden  ungünstig. 

1.  Cic.  Tusc.  1,  2  quae  tanta  gravitas,  quae  tanta  constanlia,  magni- 
tudo  animi,  probitas,  fides,  quae  tarn  excellens  in  omni  genere  virtus  in  ullis 
fuit,  ut  sit  cum  maioribus  nostris  comparanda?  (3)  doctrina  Graecia  nos  et 
omni  litterarum  genere  superabat  etc.  De  imp.  Pomp.  60  maiores  nostros 
semper  in  pace  consuetudini,  in  hello  utüitati  paruisse,  vgl.  Plin.  NH.  25,  4. 
Tac.  dial.  5  si  ad  utilitatem  vitae  omnia  consilia  factaque  nostra  dirigenda 
sunt.  Quintil.  12,  2,  7  ego  illum  quem  instituo  Romanum  quendam  velim 
esse  sapientem,  qui  non  secretis  disceptationibus,  sed  verum  experimentis  atque 
cperibus  vere  civilem  virum  exhibeat. 

2.  Varro  RR.  1,  2,  2  vetus  proverbium:  Romanus  sedendo  vincit.  Liv. 
23,  14,  1  insita  {Romanorum)  animis  industria.  Liv.  42,  62  Romana  con- 
stantia,  vgl.  30,  7  und  Polyb.  3,  75  extr.  27,  8  tdtov  tovto  Ttävtrj  naga,  'Pco- 
liaioLs  i-frog  ncä  ndtQiov  £gzl,  tb  v.axa  y.ev  rag  iXccrvojasig  av&ccdeötcitovg  v.cd 
ißocQVtdrovg  cpcdvEöftai,  nccra  ds  tag  initv^iccg  cog  [LStQioiTccTOvg;  ebd.  1,  38 
ftvxsg  iv  navxl  cpiX6tv\ioi  dicccpSQOVTayg. 

3.  Fronto  epist.  p.  135  Nab.  putem,  quia  reapse  nemo  est  Romae  cpvXo- 
GtoQyog,  ne  nomen  quidem  huic  virtuti  esse  Romanum.  Die  Romana  simpli- 
citas  (zB.  bei  Martial.  11,  20,  10  und  Symmach.  epist.  7,  123;  vgl.  Hör.  S.  1, 
3,  52)  ist  häufig  viel  weniger  Geradheit  als  Derbheit.  Auch  von  der  fides 
Romana  (Liv.  5,  27,  11;  vgl.  more  Romano  bei  Cic.  ep.  7,  5,  3.  16,  3.  18,  3) 
bekamen  die  anderen  Völker  eigentümliche  Begriffe.  Liv.  9,  11,  7  semper 
uliquam  fraudi  speciem  iuris  imponitis.     Plut.  Crass.  31. 

4.  Der  jüngere  Africanus  bei  Macr.  sat.  3,  14,  7  eunt  in  ludum  histrio- 
num,  discunt  cantare,  quae  maiores  nostri  ingenuis  probro  ducier  voluerunt. 
ebd.  10  Cato,  cui  .  .  etiam  cantare  non  serii  hominis  videtur.  Sen.  contr.  1, 
praef.  8  cantandi  saltandlque  obscena  studia.     Tac.  dial.  10  in  Graecia,  ubi 

Teuffei:  röm.  Literaturgesca.   Neub.  6.  Aufl.  I.  1 


2  Sachlicher  Teil 

ludicras  quoque  artes  exercere  honestum  est.  Traian.  ad.  Plin.  40,  2  gymna- 
siis  indulgent  Graeculi.  Alle  nicht  unmittelbar  praktischen  Beschäftigungen 
sind  für  den  vornehmen,  in  Staatsgeschäften  tätigen  Römer  artes  leviores- 
(Cic.  Brut.  3)  und  mediocres  (Cic.  de  or.  1,  6),  studio,  leviora  (Cic.  de  or.  lr 
212.  Cat.  50)  und  minora  (Cic.  Brut.  70).  Nur  wenn  die  praktischen  Be- 
schäftigungen nicht  mehr  möglich  sind,  werden  auch  jene  zu  optimae  artes 
(Cic.  ep.  7,  3,  4). 

2.  Solange  die  römische  Eigenart  ungetrübt  bestand,  galt  lite- 
rarische Tätigkeit  nur,  soweit  sie  eine  praktische  Seite  hatte,  für 
unbedenklich.  Zwar  die  Wichtigkeit  der  Beredsamkeit  und  der 
Rechtskunde  als  der  Mittel  für  politische  Wirksamkeit  und  den 
Wert  der  Kenntnis  des  Geschehenen  und  des  mos  maiorum  wußte 
man  früh  zu  würdigen,  aber  die  ältesten  Geschichtschreiber  scheuten 
die  Schwierigkeit,  die  noch  ungeschulte  eigene  Sprache  literatur- 
fähig zu  machen,  und  schrieben  griechisch.  Alle  übrigen  Gebiete 
des  Wissens  waren  um  so  mehr  vernachlässigt.  Gebundene  Form 
fand  zunächst  fast  nur  beim  Gottesdienste  Verwendung.  Die  ältesten 
Dichter  waren  Fremde,  in  geringer  Stellung  wenig  geachtet  und 
dadurch  in  ihrem  Einflüsse  zwiefach  gehemmt.  Erst  die  wachsende 
Bekanntschaft  mit  dem  Hellenismus  rief  im  Laufe  des  sechsten 
Jahrhunderts  d.  St.  neue  Begriffe,  Bedürfnisse  und  Bestrebungen 
ins  Leben. 

1.  Cic.  Plane.  66  M.  Catonis  illud  .  . .  clarorum  hominum  atque  magno- 
rum  non  minus  otii  quam  negotii  rationem  exstare  oportere  (dagegen  ist 
graecari  und  pergraecari  =  epulis  et  potationibus  inservire  Paul.  Fest.  215). 
Derselbe  Cato  bei  Gell.  11,  2,  5  zum  Ruhme  des  alten  Rom:  poeticae  artis 
honos  non  erat.  Festus  333  scribas  proprio  nomine  antiqui  et  librarios  et 
poetas  vocabant.  Bezeichnend  dafür,  welche  Literaturzweige  als  zulässig 
galten,  ist  die  Schriftstellerei  des  älteren  Cato.  Er  fürchtete  w?  djro/?a- 
Xovöi  'Pcöfwaot  tu  7tqdy\iaxa  y^a/tfiareoi;  hl%r\viY.(bv  avaitlr\o&ivTds  (Plut.  Cato- 
mai.  23).  Übersicht  der  Beteiligung  der  Römer  an  der  Literatur  bei  Cic 
(der  gern  im  nationalen  Sinne  übertreibt:  Landgraf  zu  p.  Rose.  A.  69)  Tusc. 
1,  1 — 6.  Die  Stimmung  gegen  die  Griechen  kennzeichnet  etwa  (außer  §  1,  4) 
Cic.  de  or.  1,  105  Graeci  alicuius  cotidianam  loquacitatem  sine  usu.  3,  57 
doctissimi  homines  otio  nimio  et  ingeniis  uberrimis  adfluentes.  3, 131  (Graeci) 
otio  diffluentes.  Frontin  aqu.  1,  16.  Norden  Vergil  Aen.  VI  S.  327.  Den- 
noch ist  das  Gefühl  der  Abhängigkeit  von  der  griechischen  Literatur  und 
die  Überzeugung  von  ihrer  Überlegenheit  (auch  da,  wo  sie  nicht  berech- 
tigt ist)  immer  lebendig  geblieben:  Ennius  ist  ein  zweiter  Homer,  Afranius 
ein  ganzer  und  Terenz  ein  halber  Menander,  Plautus  wird  mit  Epicharm 
verglichen,  für  den  Lyriker  ist  der  Vergleich  mit  Mimnermos  oder  Xalli- 
machos  das  höchste  Ziel  des  Ehrgeizes.  Schon  die  erstmalige  Übertragung- 
einer in  Rom  noch  nicht  angebauten  Gattung  war  ein  Verdienst,  zB.  Hör. 
C.  3,  30, 13  (dicar)  prineeps  Aeolium  Carmen  ad  Italos  deduxisse  modos.  Prop. 


§  2.  Stellung  der  Römer  zur  Literatur  3 

3,  1,  3  primus  ego  ingredior  puro  de  fönte  sacerdos  Itala  per  Graios  orgia 
ferre  choros.  PLM  2, 177 B.  von  Vergil:  vate  Syracosio  qui  dulcior  Hesiodoque 
maior,  Homereo  non  minor  ore  fuit.  Argerlich  war,  daß  die  Griechen  davon 
keine  rechte  Notiz  nahmen;  daher  die  Klagen  über  die  insolentia  Graecorum, 
Cic.  de  or.  2,  77  quis  enim  est  istorum  Graecorum,  qui  quemquam  nostrum 
quicquam  intelligere  arbitretur?  Auct.  ad  Her.  1,  1  illa  quae  Graeci  scrip- 
tores  inanis  arrogantiae  causa  sibi  assumpserunt.  Heinze,  de  Hör.  Bionis 
imitat.  10.  LHahn,  Rom  und  Romanismus  im  griech.  Osten,  Lpz.  1906, 
Einl.  Die  gesamte  römische  Kultur  wurde  von  Poseidonios  und  Varro  unter 
dem  Gesichtspunkt  betrachtet,  daß  sie  sich  die  griechischen  svqtjiicctcc  all- 
mählich angeeignet  hatte.  Wendling,  Herrn.  28,  351.  Die  Überlegenheit 
der  griechischen  Sprache  wird  besonders  von  Lucrez  willig  zugestanden 
(patrii  sermonis  egestas  1,  832  vgl.  136.  3,  258),  doch  s.  Sen.  ad  Pol.  2,  6 
Latinae  linguae  potentia  aut  Graecae  gratia.    Vgl.  Kroll,  JJ  11  (1903)  2. 

2.  MHertz,  Schriftsteller  u.  Publikum  in  Rom,  Berl.  1853.  LFried- 
länder,  Sittengesch.  Roms  48, 1.  Über  den  römischen  Buchhandel,  der  erst 
in  der  ciceronischen  Zeit  größeren  Aufschwung  nahm  und  besonders  in  den 
ersten  Jahrhunderten  der  Kaiserzeit  blühte,  s.  Birt,  antikes  Buchwesen  357. 
LHänny,  Schriftsteller  u.  Buchhändler  in  Rom,  Zürich  1884.  Dziatzko,  PW. 
3,  976.  Vgl.  §  172,  1.  219,  21.  Über  die  Stellung  der  Schauspieler  s.  §  3,  4. 
8.  Eine  natürliche  Folge  der  konservativen  und  praktischen  Richtung 
der  spezifisch  römischen  Literatur  ist  die  Anzahl  und  Wichtigkeit  der  zur 
Einleitung  in  die  verschiedenen  Gebiete  des  (öffentlichen)  Lebens  bestimmten 
Schriften.  In  dieser  isagogischen  Literatur  ragen  außer  juristischen  Werken 
(de  officio  consulis  usw.)  besonders  die  Schriften  des  älteren  Cato  und  viele 
des  Varro  hervor.  Aber  noch  des  Q.  Cicero  Schrift  de  petitione  consulatus 
und  Frontins  de  aquis  gehören  dahin.  LMercklin,  d.  isagogischen  Schriften 
der  Rom.,  Phil.  4,  413.  OJahn,  über  röm.  Encyklopädien,  Ber.  sächs.  Ges. 
1850,  263.    Norden  Herrn.  40,  508. 

4.  Gesamtbearbeitungen  der  Geschichte  der  römischen  Literatur:  IAFa- 
bricius,  bibliotheca  Latina,  Hamb.  1697  (am  besten  herausg.  von  Ernesti, 
Lps.  1773.  74  III);  bibl.  Lat.  mediae  et  infimae  aetatis,  Hamb.  1734 — 46  VI 
(zuletzt  Flor.  1858  VI).  NFunccius,  de  origine  et  pueritia,  de  adolescentia, 
de  virili  aetate,  de  imminente  senectute,  de  vegeta  senectute,  de  inerti  ac 
decrepita  senectute  linguae  Lat.,  Gießen  u.  a.  1720  fll.  VI.  —  GBernhardy, 
Grundriß  der  röm.  Literatur,  Halle5  1872.  FBähr.  Gesch.  d.  röm.  Literatur, 
Carlsruhe4  1868—70  III;  mit  3  Suppl.  I:  die  christl.  Dichter  u.  Geschicht- 
schreiber, Carlsruhe2 1872;  II:  d.  Theologie  u.  d.  Rechtsquellen,  Carlsr.  1837; 
III:  d.  röm.  Lit.  im  karoling.  Zeitalter,  Carlsr.  1840.  —  MSchanz,  Gesch.  d. 
röm.  Lit.,  4  Bde  (z.  T.  in  3.  Aufl.).  München  1901  ff.  (Bd.  4,  2  fehlt  noch). 
RPichon,  Hist.  de  la  litt.  lat.,  8Paris  1903.  ASimcox,  history  of  latin  litera- 
ture  from  Ennius  to  Boethius,  London  1883  IL  Ddff,  A  liter.  hist.  of  Rome 
to  the  close  of  the  golden  age,  Lond.  1909.  Leo,  Gesch.  d.  röm.  Lit.,  Bd.  1 
(Die  archaische  Lit.),  Berl.  1913;  vgl.  auch  Kultur  d.  Gegenw.  1,  8  (2Lpz. 
1907).  Vgl.  §  345,  1.  Für  die  Literatur  der  Republik  sind  das  Anregendste 
die  betr.  Abschnitte  in  ThMommsens  röm.  Geschichte.  —  EHübnkr,  Grund- 
riß zu  Vorles.  üb.  d.  röm.  Lit.-Gesch.,  Berl.4  1878.  Für  die  Beurteilung 
wichtig  Leo,  Die  Originalität  d.  röm.  Lit.,  Gott.  1904.    Kroll,  JJ  1903  XI  1. 

1* 


4  Sachlicher  Teil 

3.  Unter  den  verschiedenen  Gattungen  der  Poesie  hat  das 
Drama  einige  Anknüpfungspunkte  im  römischen  Volkscharakter. 
Wie  alle  Italiener ,  so  hatten  auch  die  Römer  einen  scharfen  Blick 
für  das  Auffallende  in  der  äußeren  Erscheinung,  die  Gahe  feiner 
Beobachtung,  lebendiger  Nachahmung  und  rascher  Erwiderung. 
Das  Improvisieren,  die  Neck-  und  Spottlieder,  sowie  die  Form  von 
Wechselgesprächen  und  Wechselgesängen  sind  daher  in  Italien  ur- 
alt. Aber  die  künstlerische  Kraft  des  Volkes  war  nicht  groß  ge- 
nug, aus  diesen  Ansätzen  ein  wirkliches  Drama  zu  entwickeln. 

1.  Darstellungen  der  Gesch.  d.  lat.  Poesie:  ORibbeck,  Gesch.  der  röm. 
Dichtung,  Stuttg.  1887  ff.  III  (l2  1894,  22  1900).  MPatin,  etudes  sur  la 
poesie  lat.,  Par.4  1900  II.  WYSellar,  the  Roman  poets  of  the  republic, 
Oxf.8  1889.    Plessis,  la  poesie  lat.,  Par.  1909. 

2.  Proben  des  Italum  acetum  (Hör.  S.  1,  7,  32;  vgl.  maledica  civitas, 
Cic.  Cael38;  JRomanorum  facetiae,  Trebell.  Gallien.  9)  geben  die  zahlreichen 
Beinamen,  die  ursprünglich  Spitznamen  waren  und  sich  auf  körperliche 
Eigentümlichkeiten  bezogen;  s.  Quint.  1,  4,  25.    EHübner  in  IwMüllers  Handb. 

1,  515.  Später  wurde  diese  Eigenschaft  durch  die  politischen  und  gericht- 
lichen Kämpfe  weiter  ausgebildet.  Vgl.  Cic.  de  or.  2,  216.  Quint.  6,  3,  1. 
Hosius,  üb.  d.  Volkswitz  d.  Römer,  Grenzb.  1906. 

3.  Eine  alte  Volkssitte  ist  die  Bescheltung  eines  Bürgers,  indem  man 
vor  seiner  Tür  Beschuldigungen  gegen  ihn  erhebt:  occentare  (in  den  XII  Ta- 
feln mit  Todesstrafe  belegt),  flagitare,  differre  (Plaut.  Epid.  118  quin  edepol 
egomet  clamore  differor  difflagitor.  Aul.  446  te  iam  . . .  pipulo  hie  differam 
ante  aedes).  Usener,  Ital.  Volksjustiz,  Kl.  Sehr.  4,  356.  —  Spottlieder  auf 
den  Triumphator,  s.  §  84.  —  Die  Sitte  bei  Suet.  Vesp.  19  in  funere  Favor 
archimimus  personam  eins  (des  Vesp.)  ferens  imitansque,  ut  est  mos,  facta 
ac  dieta  vivi.  —  Die  Wechselgesänge  der  Bettler-  (Schol.  Hör.  E.  1, 17, 18) 
und  Hirtenlieder  (Verg.  ecl.  3,  59;  noch  heute  so:  vgl.  AHolm,  Gesch.  Sicil. 

2,  306)  werden  griechisch  sein;  doch  s.  Hör.  s.  1,  5, 15.  ep.  2,  1, 145  (§  5,2). 
—  Die  Vorliebe  für  dialogische  Einkleidung,  zB.  schon  bei  dem  Juristen 
lunius  Brutus  (§  133,2),  bei  C.  Curio  (§  153,6),  ist  griechischen  Ursprungs; 
ebenso  zB.  die  Form  der  Inschrift  aus  Aesernia  (Gespräch  zwischen  Wirtin 
und  Gast),  CIL.  9,  2689.  WRasche,  de  Anth.  graec.  epigrammatis  quae 
colloquii  formam  habent.    Münster  1910. 

4.  Den  Schauspieler  traf  die  Infamie.  Cic.  rep.  4,  10  cum  artem  ludi- 
cram  scaenamque  totam  in  pröbro  ducerent,  genus  id  hominum  non  modo 
honore  civium  reliquorum  carere,  sed  etiam  tribu  moveri  notatione  censoria 
voluerunt.  Liv.  7,  2, 12.  Mommsen,  Staatsr.  2,  380.  Warnecke,  JJ  1914  XXXEI 
95.  Vgl.  §  192,  3.  —  Für  die  Komödie  ungünstig  war  der  Schutz,  den  das 
Gesetz  dem  guten  Namen  des  Bürgers  gewährte.  Cic.  rep.  4,  12  nostrae 
contra  (im  Gegensatz  zur  TtaQQr\6ia  der  attischen  Komödie)  duodeeim  tabulae 
cum  perpaucas  res  capite  sanxissent,  in  his  hanc  quoque  sanciendam  puta- 
verunt,  si  quis  occentavisset  (Usener,  Kl.  Sehr.  4,  358)  sive  Carmen  condidisset, 
quod  infamiam  faceret  flagitiumve  alteri.  Hör.  E.  2,  1,  152.  Vgl.  §  95,  3. 
134,  2. 


§  3.  Das  Drama.   §  4.  5.  Fescennini  5 

4.  Seit  der  augusteischen  Zeit  begegnet  uns  bei  Berichterstat- 
tern über  die  Geschichte  des  römischen  Dramas  die  Vorstellung 
von  lustigen  Aufführungen,  bei  denen  die  Teilnehmer  verkleidet, 
das  Gesicht  gefärbt  oder  mit  einer  Maske  bedeckt,  zur  Flötenbeglei- 
tung tanzten;  aus  ihnen  hätte  sich  allmählich  ein  Drama  primitiv- 
ster Art  entwickelt.  Volksmäßige  Aufführungen  dieser  Art  seien 
die  Fescenninen  und  die  Saturae  gewesen.  In  alledem  können  wir 
nichts  anderes  sehen,  als  bloße  Konstruktionen  von  Gelehrten,  die 
dem  römischen  Drama  eine  ähnliche  Vorgeschichte  geben  wollten, 
wie  sie  das  griechische  nach  Ansicht  der  alexandrinischen  Literatur- 
historiker hatte. 

1.  Yerg.  G.  2,  385  Ausonii  .  .  cöloni  versibus  incomptis  ludunt  risuque 
soluto  oraque  corticibus  sumunt  horrenda  cavatis  etc.  schildert  ebenso  grie- 
chische Sitte  wie  Tibull.  2,  1,  55  agricola  . .  minio  suffusus  .  .  rubenti  pri- 
mus  inexperta  duxit  ab  arte  choros.    Maass,  Herrn.  18,  321. 

5.  Die  derben  und  anzüglichen  Scherze,  wie  sie  bis  in  späte 
Zeit  bei  der  Hochzeit  üblich  waren  und  auch  in  die  Literatur  Auf- 
nahme fanden,  als  diese  das  griechische  Epithalamium  übernahm, 
nannte  man  Fescenninen  nach  der  faliskischen  Stadt  Fescennium. 
In  der  konstruierten  Vorgeschichte  des  römischen  Dramas  wird  die 
Benennung  auch  auf  ähnliche  bei  Ernte-  und  Götterfesten  geübte 
Scherze  ausgedehnt,  ohne  daß  wir  für  den  wirklichen  Gebrauch 
des  Wortes  in  diesem  Sinne  eine  Gewähr  hätten. 

1.  KZell,  Ferienschr.  2,  121.  OMüllee,  Etrusker  28,  296.  WCorssen, 
Origines  poes.  124.  ThBroman,  de  versibus  Fescenn.,  Upsala  1852.  ARoss- 
bach,  röm.  Ehe  (1853)  340.  WDeecke,  die  Falisker  111.  Wissowa,  PW.  6, 
2222.  —  Festus  bei  Paul.  85  Fescennini  versus,  qui  canebantur  in  nuptiis, 
ex  urbe  Fescennina  dicuntur  allati,  sive  ideo  dicti  quia  fascinum  putabantur 
arcere.  Der  unmittelbare  Zusammenhang  des  Namens  mit  dem  der  Ort- 
schaft wird  sich,  bei  der  sprachlichen  Form  des  Wortes  und  der  Analogie 
der  Atellanae,  nicht  abweisen  lassen.  Vgl.  acies  Fescennina  Verg.  Aen.  7,  695 
und  aus  der  Nachbarschaft  von  Fescennium  zB.  Arretium  -Uni,  Clusium 
-sini,  Crustumium  -mini,  Sutrium  -trini.  Die  Ableitung  von  fascinum  (jetzt 
wieder  bei  Ribbeck,  Gesch.  d.  röm.  Dicht.  1,  9.  EHofemann,  RhM.  51,  324) 
scheitert  schon  an  den  sprachlichen  Schwierigkeiten. 

2.  Hör.  E.  2,  1,  139  agricolae  prisci  . .  condita  post  frumenta  levantes 
tempore  festo  corpus  et  ipsum  animum  . .  Tellurem  porco,  Silvanum  lade 
piabant,  floribus  et  vino  Genium  .  .  (145)  Fescennina  per  hunc  inventa  licentia 
morem  versibus  alternis  (vgl.  Sen.  Med.  108)  opprobria  rustica  fudit,  libertas- 
que  recurrentes  accepta  per  annos  lusit  amabiliter,  donec  iam  saevus  apertam 
in  rabiem  coepit  verti  iocus  und  Liv.  7, 2,  7  non  . .  Fescennino  versu  similem 
incompositum  temere  ac  rudern  alternis  iaciebant  folgen  den  in  §  4.  6  be- 
handelten Theorien;  Horaz  überträgt  das  sonst  nur  von  Hochzeitsspäßen 
gebrauchte  Wort  auf  ein  ganz  anderes  Gebiet. 


6  Sachlicher  Teil 

3.  Catull.  61,  122  ne  diu  taceat  (bei  der  Hochzeit)  procax  Fescennina 
iocatio.  Sen.  Med.  107  concesso  iuvenes  ludite  iurgio.  hinc  illinc  iuvenes 
mittue  carmina.  rara  est  in  dominos  iusta  licentia.  ebd.  113  festa  dicax 
fundat  convivia  Fescenninus,  solvat  turba  iocos.  Sen.  conti*.  7,  21,  12  inter 
nuptiules  Fescenninos  (wie  Plin.  NH.  15,  86;  vgl.  Serv.  Aen.  7,  695  Fescen- 
nium  oppidum  est,  ubi  nuptialia  inventa  sunt  carmina)  in  crucem  generi 
nostri  iocabantur.  Lucan.  2,  368  non  soliti  lusere  sales  nee  more  Sabino  ex- 
cepit  tristis  convicia  festa  maritus.  Auson.  opusc.  28  (cento  nupt.)  p.  145  Seh. 
Fescenninos  amat  celebritas  nuptialis  verborumque  petulantiam  notus  vetere 
instituto  ludus  admittit.  Symmach.  or.  4, 13.  Claudian.  Fescenn.  4,  29  ducant 
pervigiles  carmina  tibiae  permissisque  iocis  turba  licentior  exsultet  tetricis 
libera  legibus.  Apoll.  Sid.  ep.  1,  5  g.  E.  (von  Ricimers  Vermählung)  cum 
per  omnia  theatra  . .  Talasio  Fescenninus  explicaretur.  Dracont.  6,  71.  8,  644. 
10,  288.  Mach.  sat.  3,  14,  9  M.  Cato  senatorem  non  ignobilem  Caecilium  .  . 
Fescenninum  vocat,  wohl  wegen  seines  ridicularia  fundere,  iocos  dicere  (ebd.). 
Vgl.  Fest.  344  v.  spatiator. 

4.  Catulls  erstes  Hochzeitsgedicht  (61)  bildet  (v.  l22ff.)  die  nationale 
Sitte  nach.  Über  des  Faliskers  Annianus  Fescenninen  s.  §  353,  3.  Von  Claü- 
dian haben  wir  de  nuptiis  Honorii  Aug.  et  Mariae  fescennina  (vier  Gedichte 
in  verschiedenen  Maßen).  Dagegen  Macr.  sat.  2,  4,  21  temporibus  triumvi- 
ralibus  Pollio,  cum  Fescenninos  (Spottgedichte)  in  eum  Augustus  scripsisset, 
ait:  at  ego  taceo;  non  est  enim  facile  in  eum  scribere  qui  potest  proscribere. 

6.  Die  Vorstellung  von  dramatischen  oder  halbdrainatischen 
Saturae  beruht  teils  auf  der  zufälligen  Ähnlichkeit  des  Wortes  mit 
den  griechischen  Satyrn  teils  auf  den  Versuchen,  die  seit  Ennius 
in  der  römischen  Literatur  sicher  nachweisbare,  durchaus  undrama- 
tische Satura  in  die  vorliterarische  Zeit  zurück  zu  projizieren  und 
sie  zu  einer  Vorstufe  des  in  Wahrheit  erst  mit  der  Bearbeitung 
griechischer  Stücke  beginnenden  römischen  Dramas  zu  machen. 

1.  Ableitung  des  Namens.  Diomed.  GL.  1,  485  (Comici  1,  56  Kaibel) 
wohl  nach  Varro  (Jahn,  Herrn.  9,  629.  Usener,  kl.  Sehr.  2,  290)  satura  dieta 
sive  a  satyris,  quod  similiter  in  hoc  carmine  ridiculae  res  pudendaeque  di- 
euntur,  velut  quae  a  satyris  proferuntur  et  fiunt;  sive  satura  a  lance,  quae 
referta  variis  multisque  primitiis  in  sacro  apud  priscos  dis  inferebatur  et  a 
copia  ac  saturitate  rei  satura  vocabatur  .  . ;  sive  a  quodam  genere  fareiminis 
(Füllsel),  quod  multis  rebus  refertum  saturam  dicit  Varro  vocitatum  . . .  alii 
autem  dietam  putant  a  lege  satura,  quae  uno  rogatu  multa  simul  conprehen- 
dat,  quod  scilicet  et  satura  carmine  multa  simul  poemata  comprehenduntur. 
Fest.  314  satura  et  eibi  genus  ex  variis  rebus  conditum  est  et  lex  multis  alis 
legibus  conferta  (alle  Zeugnisse  bei  Marx  Lucil.  I,  CXX).  Über  die  Bedeu- 
tungsentwicklung handelt  Marx  a.  0.  IX  (dazu  Leo  GGA.  1906,  859).  Hen- 
drickson, Class.  Phil.  6,  129.  Wheeler,  ebd.  7,  457.  Ullmann,  ebd.  8,  172; 
9,  1.  Am  wahrscheinlichsten  ging  der  Begriff  von  der  lanx  satura  und  dem 
fareimen  auf  das  staatsrechtliche  (imperium  per  saturam  dare,  aliquid  in 
\_p)cr~\  saturam  ferre,  aedilem  per  saturam  facere,  sententias  per  saturam  ex- 
quirere  vgl.  Funck,  Arch.  Lex.  b,  37)  und  das  literarische  Gebiet  über.    Zu 


§  6.  Die  angebliche  dramatische  Satura  7 

natura  (von  satur)  war  ursprünglich  ein  Substantiv  zu  ergänzen  (lanx,  lex), 
an  das  man  später  nicht  mehr  dachte.  Vgl.  noch  das  ital.  farsa,  eig.  Füllselr 
Gemengsei.  Wegen  des  bunten  Inhaltes  nannte  Ennius  (§  103)  ein  Gedicht- 
buch satura  (die  Sammlung  saturarum  libri)\  dieser  Titel  wurde  durch 
Katachrese  auf  das  einzelne  Gedicht  übertragen.  —  Versuche  satura  mit 
den  griechischen  Zatvooi  in  Verbindung  zu  bringen  s.  Diomedes  aü.,  Momm- 
sen  RG.  I6,  28.  222.  457,  OKeller,  Phil.  45,  390,  Ribebck,  röm.  Dicht.  1,  9. 
S.  auch  §  28.  —  Satura  als  Name  von  Lustspielen  des  Quinctius  Atta  und 
Pomponius;  über  Naevius  s.  §  95,  7.    Vgl.  Kroll,  PW.  s.  v. 

2.  Die  Hauptstelle  über  die  Entwicklung  des  Dramas  bei  den  Römern: 
Liv.  7,  2  und  die  z.  T.  ähnliche  Hör.  E.  2,  1,  139  (§  5,  2)  geben  willkür- 
liche Kombinationen  wieder,  s.  OJahn,  Herrn.  2,  224  u.  bes.  Leo  Herrn.  24, 
«7.  39,  63.  Hendrickson  Am.  J.  Ph.  15,  1.  19,  285.  Ullmann,  Class.  Phil.  9,  1. 
Danach  kommen  im  J.  364  zuerst  etruskische  Tänzer  zur  Flöte  nach  Rom 
und  die  einheimische  Jugend  ahmt  ihre  Vorführungen  durch  kunstlose 
Tänze  und  Lieder  (nach  Art  der  Fescennini  §  5,  2)  nach.  Allmählich  aber 
bildet  sich  ein  Stand  von  histriones,  qui  non  sicut  ante  Fescennino  versu 
similem  incompositum  temere  ac  rüdem  altemis  iaciebant,  sed  inpletas  modis 
satur as  descripto  iam  ad  tibicinem  cantu  motuque  congruenti  peragebant. 
Daran  wird  Livius  Andronicus  angeknüpft,  qui  ab  saturis  ausus  est  pri- 
mus  argumento  fabulam  severe  d.  h.  eine  den  angeblichen  Saturae  fehlende 
feste  Handlung  durchführte.  Die  Jugend  überläßt  nun  die  Aufführung  von 
Stücken  den  Berufsschauspielern  und  ipsa  inter  se  more  antiquo  ridicula 
intexta  versibus  iactitare  coepit;  quae  exodia  postea  apellata  consertaque  fa- 
bellis  potissimum  Atellanis  sunt  (A.  3).  Aber  die  Satura  ist  nie  dramatisch 
gewesen,  hat  als  literarische  Form  vor  (Naevius  und)  Ennius  nicht  existiert, 
also  weder  das  (rein  griechische)  Drama  des  Andronicus  noch  das  (ebenfalls 
griechische)  Exodium  aus  sich  entwickeln  können. 

3.  Exodium  bezeichnet  ptlog  o  i^tovtsg  fjdov  (Poll.  4,  108),  dann  über- 
haupt den  Schluß  einer  Aufführung  (übertragen  Lucil.  1264.  Varro  bei 
Nonius  27  Socrates  . .  in  exodio  vitae;  vitae  cursum  . .  ab  origine  ad  exo- 
dium adductae;  quod  coeperas  modo  in  via  narrare,  ut  ad  exodium  ducas), 
vgl.  Plut.  Crass.  33  stg  toiovxo  cpccöiv  i^oSiov  xr\v  Kquöoov  GXQaxnyiccv, 
SöTtSQ  TQccycpdlccv,  Ts%8vrf)6caf  insbesondere  ein  (heiteres)  Nachspiel  zu  einem 
ernsthaften  Stücke.  Vgl.  Plut.  Pelopid.  34  xr\v  xa.yr\v  olov  rgocymSiag  fisyd- 
lr\g  xr\g  xvQccvvi&og  St-odiov  frsccTQixbv  y&vo\x,&vy\v.  Schol.  luv.  3,  175  exodia- 
rius  apud  veteres  in  fine  ludorum  intrabat,  qui  rldieulus  foret,  ut  quidquid 
lacrimarum  atque  tristitiae  exissent  ex  tragicis  affectibus,  huius  spectaculi  risus 
detergeret.  —  exodiarius  Amm.  Marc.  28,  4,  33.  CGL  4,  234.  5,  454.  Auf  einer 
Inschrift,  CIL.  6,  1064:  Äsinius  Ingenuus  exodiarius.  Ebd.  9797  (GEL.  29),  19 
(Vero  patrono)  cuius  libenter  dicor  exodiarius.  Ganz  unsicher  CIL.  2,  65. 
Über  die  Verwendung  des  Mimus  und  der  Atellana  als  Exodium  s.  §  7,  4. 
10,  1.  —  Skutsch,  PW.  6,  1686. 

7.  Der  Mimus  kam  aus  Grroßgriechenland:  als  possenhafte  Dar- 
stellung von  Personen  und  Handlungen  auf  der  Bühne  ist  er  in 
Rom  vermutlich  so  alt  als  eine  Bühne  bestand.   Aber  er  führt  eine 


8  Sachlicher  Teil 

unliterarische  Existenz  selbst  da,  wo  er  zum  offiziellen  Festpro- 
gramm gehört  (so  namentlich  noch  später  an  den  Flora- Spielen) 
und  unterwirft  sich  nur  selten  dem  geregelten  Gang  des  Dramas. 
Daß  er  im  ciceronischen  Zeitalter  in  einer  sehr  zivilisierten  Gestalt 
in  die  Literatur  aufgenommen  wurde,  bedeutet  für  sein  eigentliches 
Leben  nicht  allzuviel.  Zeitweilig  wurde  er  in  Nachahmung  des 
griechischen  Satyrdramas  auch  als  Nachspiel  zu  Tragödien  ver- 
wendet, hatte  aber  hierbei  gegen  die  atellanische  Volksposse  zu 
kämpfen. 

1.  Diomed.  GL.  1,  491  mimus  est  sermonis  cuiuslilet  (ety  motus  sine  re- 
verentia,  vel  factorum  (et  honestorumy  et  turpium  cum  lascivia  imitatio,  a 
Graecis  ita  definitus:  ftfyiog  Igtiv  fu/xTjtf/g  ßiov  xä  rs  avy^h^agr^iiva  xccl  occvy- 
Xoagrita  mqii%(üv.  So  sind  nach  Euanthius  p.  7  Reiffersch.  die  mimi  benannt 
ab  diuturna  imitatione  vilium  rerum  et  levium  personarum,  und  nach  Isid. 
orig.  18,  49  mimi  sunt  dicti  graeca  appellatione,  quod  rerum  humanarum 
sint  imitationes.  Grysar,  der  römische  Mimus,  Wien  1854  (=  SB.  Wiener 
Akad.  12,237);  LFriedländer  in  JMarquardts  röm.  Staatsverwaltung  32,  549;. 
Sittengesch.  28,  441.  HReich,  der  Mimus.  1,  Berl.  1903,  der  vieles  nicht 
zum  Mimus  Gehörige  eingemengt  hat  (dazu  Körte  JJ  11  [1903]  537).  Sud- 
haus, Herrn.  41,  264.    Crusius,  JJ  25  (1910)  81. 

2.  Solange  der  Mimus  nicht  schriftlich  fixiert  war,  und  damit  nicht  ab- 
gegrenzt von  den  possenhaften  Aufführungen  im  gewöhnlichen  Leben,  ent- 
zog er  sich  der  Beachtung  der  Gelehrten.  Die  Spuren  seines  Vorkommens 
vor  der  sullanischen  Zeit  hat  MHertz  zusammengestellt,  JJ.  93,  581.  Die 
älteste  ist  bei  Festus  326,  wonach  an  den  ludi  (Apollinares)  C.  Sulpicio 
C.  Fulvio  cos.  (vielmehr  P.  Sulpicio  Cn.  Fulvio  —  J.  211),  ein  libertinus 
mimus  magno  natu  qui  ad  tibicinem  saltaret  auftrat,  während  Sinnius  Capito 
den  Vorfall  Claudio  et  Fulvio  cos.  (J.  212)  ansetzte.  Aus  dem  siebenten 
Jahrh.  d.  St.  werden  Ausschreitungen  des  Mimus  durch  nominatim  com- 
pellare  in  scena  (Auct.  ad  Her.  1,  24.  2,  19)  angeführt  (Cassiodors  Nachricht 
aus  J.  115,  daß  die  Censoren  artem  ludicram  ex  urbe  removerunt,  bezieht 
sich  nicht  speziell  auf  den  Mimus).  Aus  derselben  Zeit  muß  der  mimus 
vetus  oppido  ridiculus  Namens  Tutor  bei  Cic.  de  or.  2,  259  (Szene  J,  91) 
sein,  und  der  suavis  mimus  Protogenes  ' Plouruma  qu(i)  fecit  populo  soueis 
gaudia  nuge(i)s'  (CIL.  1,  1297.  9,  4463.  CEL.  361).  —  Mimen  wurden  be- 
sonders an  den  Floralia  (zum  erstenmal  gefeiert  J.  238,  ständig  seit  J.  173) 
auf  einer  eigens  für  diesen  Zweck  vor  dem  Flora-Tempel  aufgeschlagenen 
Bühne  (Aug.  civ.  d.  2,  26.  Merkel  zu  Ov.  Fast.  p.  clxiii)  aufgeführt;  Schluß- 
effekt: exuuntur  vestibus  populo  fagitante  meretrices,  quae  tunc  mimarum 
funguntur  officio  (Lact.  inst.  1,  20,  6).  Dieselbe  nudatio  mimarum  bezeichnet 
Val.  Max.  2,  10,  8  als  priscus  mos  iocorum.    Vgl.  §  8,  8. 

3.  Diomed.  GL.  1,  490  quarta  species  (fabularum  latinarum)  est  planipe- 
dis,  qui  graece  dicitur  \Ll^,og.  ideo  autem  latine  planipes  dictus,  quod  actores 
pedibus  planis  i.  c.  nudis  proscenium  introircnt,  non  nt  tragici  actores  cum 
cothwrnis  neque  ut  comici  cum  soccis.  . .  cuius  planipedis  Atta  . .  ita  . .  me- 
minit    'daturin  cstis  aurum?  exsultat  planipes?    Festus  277   mimi  planipes. 


§  7.  8.  Der  Mimus  9 

Auson.  epist.  11  de  mimo  planipedem.  luv.  8,  191  planipedes  audit  (populus) 
Fdbios  (vgl.  Süet.  Ner.  4.  Tac.  hist.  3,  62).  Donat.  de  com.  p.  9  Reiff. 
(Comici  ed.  Kaibel  68)  planipcdia  dicta  ob  humilüatem  argumenta  eins  ac 
vilitatem  actorum,  gui  non  cothurno  aut  socco  nituntur  in  scaena  aut  pulpito, 
sed  piano  pede.  Gell.  1,  11,  12  si  ut  planipedi  saltanti  . .  numeros  et  mo- 
dos  . .  tibicen  incineret.  Macr.  sat.  2, 1,  9  planipedis  et  fabulonis  (sannionis  ?) 
impudica  . .  verba  iacientis.  Vgl.  noch  Sen.  ep.  8,  8  excalceati  im  G  egensatz 
von  coihurnati  (s.  auch  die  Stelle  des  Sen.  gleich  unten).  Hiernach  be- 
zeichnet das  volkstümliche  planipes  den  Darsteller  des  Mimus  im  Gegen- 
satz zu  denen  des  höheren  Dramas,  mimus  bedeutet,  wie  fujios,  sowohl  den 
Darsteller  als  auch  das  Possenspiel  selbst.  —  Der  Mimus  als  Nachspiel 
wurde  auf  dem  vorderen  nach  hinten  durch  einen  Zwischenvorhang  (sipa- 
rium)  abgegrenzten  Teile  der  Bühne  gespielt.  Donat.  de  com.  p.  12  R.  (p.  71 
Kb.)  mimicum  velum  quod  populo  öbsistit,  dum  fabularum  actus  commutan- 
tur.  Sen.  tranq.  11,  8  Publilius  (§  212,  3)  ...  inier  mulia  alia  cothurno, 
non  tantum  sipario,  fortiora  et  hoc  ait.  luv.  8,  185  vocem  . . .  locasti  sipario, 
clamosum  ageres  ut  Phasma  Catulli. 

4.  Der  Mimus  diente  auch  als  Exodium  (Reich  569.  607).  Cic.  ep.  9, 
16,  7  secundum  Oenomaum  Acci  non,  ut  olim  solebat,  Atellanam,  sed,  ut 
nunc  fit,  mimum  introduxisti.  Vgl.  §6,4.  §  10,3.  Der  Ausdruck  scaenicum 
exodium  bei  Suet.  Dom.  10]  (vgl.  §  324,  5)  meint  wohl  auch  einen  mimus. 
Übrigens  brauchte  der  sterbende  Augustus  in  seiner  Frage  (Suet.  Aug.  99) 
ecquid  amicis  videretur  mimum  vitae  commode  transegisse  das  Wort  mimus 
nicht  vom  'Nachspiel'  des  Lebens,  wie  OHirschfeld,  Wiener  Stud.  5,  116 
angenommen  hat,  sondern  er  verglich  nach  stoischer  Weise  das  Leben  mit 
einem  Schauspiele;  vgl.  Sen.  epist.  80,  7  hie  humanae  vitae  mimus,  qui  no- 
bis  partes  quas  male  agamus  adsignat;  vWilamowitz,  Herrn.  21,  626. 

8.  Zu  einem  Literaturzweig  wurde  der  Mimus ,  die  Posse,  am 
Ende  der  Republik  durch  D.  Laberius,  Publilius  Syrus  und  viel- 
leicht L.  Valerius.  Damit  wurde  er  in  seiner  Form  den  übrigen 
Dramengattungen  näher  gebracht  und  der  Kreis  seiner  Stoffe  er- 
weitert, so  daß  er  allmählich  alle  früheren  Gattungen  des  Lustspiels 
ersetzte.  In  der  Kaiserzeit,  als  die  höheren  Gattungen  des  Dramas 
kümmerlich  von  den  alten  Beständen  ihr  Dasein  fristeten,  hatte  der 
selbständig  auftretende  Mimus  zusammen  mit  dem  stummen  Pan- 
tomimus  die  Herrschaft:  neue  Mimen  wurden  bis  in  die  späteste 
Kaiserzeit  für  das  tägliche  Bedürfnis  verfaßt,  ohne  daß  ihnen  — 
ebensowenig  wie  heute  den  Possen  u.  dgl.  —  die  höhere  Literatur 
besondere  Beachtung  geschenkt  hätte.  Als  Mimographen  werden 
genannt  ein  Catullus  und  Lentulus,  dann  noch  Atticus,  Helvidiusr 
Yergilius  Romanus,  Hostilius,  Marullus,  Aemilius  Severianus  und 
Aesopus. 

1.  Plut.  qu.  conv.  VII  8,  4  p.  712 e  scheidet  unter  den  /nT^ot  ncdyviu  und 
vTCo^ißBi?,  diese  ausführlich  und  mit  szenischem  Apparat,   iene  aus  derben 


10  Sachlicher  Teil 

und  obszönen  Witzen  bestehend.  Der  literarische  M.  würde  danach  zu  den 
v7zod-£asig  gehören.  Das  Relief  einer  in  Athen  gefundenen  Lampe  aus  der 
Zeit  um  200  v.  Chr.  zeigt  drei  Schauspieler,  dazu  die  Inschrift:  /ujio/lcayot 
7}  vn69-r\6i£  sI%vqo:.  Watzinger,  Ath.  Mitt.  26,  1  (Daremb.-Saglio  3,  1902). 
Über  die  mimiambi  des  Cn.  Matius  §  150,  2;  über  die  angeblich  von  Sulla 
rf]  itcczQiG>  qxovj)  geschriebenen  6utvqikoL  xco/zwdtat  s.  §  157,  3.  Über  Phili- 
stion §  254,  6  und  L.  Crassicius  §  263,  2.  Über  Lucilius  §  307,  2.  Ein  Aemi- 
lius  Severianus  mimographus  in  Tarraco  CIL  2,  4092  Dess.  5276.  —  Die  Über- 
reste aus  den  Mimen  der  Kaiserzeit  bei  Ribbeck  com.3  p.  337. 

2.  Cic.  de  or.  2,  242  mimorum  est  et  ethologorum ,  si  nimia  est  imitatio 
(karikierende  Charakterbilder),  sicut  obscenitas  (vgl.  CIL  6,  10 129  Dess.  5227 
Dionysio  .  .  hethologo).  Vgl.  ebd.  239.  orat.  88  ridiculo  sie  usurum  oratorem, 
ut  .  .  nee  subobsceno  {utatur),  ne  mimicum  (sit).  Ovid.  trist.  2,  497  {quid  si 
scripsissem  mimos  obscena  iocantes)  und  515  (imitantes  turpia).  Quintil.  6, 1 
47.  Vgl.  A.  5.  —  Hauptzweck:  Lachen  zu  erregen,  Hör.  S.  1,  10,  6;  Apulei. 
flor.  1,  5  si  mimus  est  riseris,  .  .  si  comoedia  est  faveris.  Cassiod.  Var.  IVfin.: 
mimus,  qui  nunc  tantummodo  derisui  habetur.  Mittel  dazu  auch  das  Ge- 
sichterschneiden (Quintil.  6,  3,  29),  Nachahmung  von  Tierlauten,  Ohrfeigen 
(Mart.  5,  61  A.  7  Z.  12),  itogöiq  im  Mimos  Charition  (Heröndas  ed.  Crusius  102)i 
scheinbares  Blutvergießen  (Suet.  Cal.  57).  Auftreten  eines  dressierten  Hundes, 
Plut.  de  sollert.  animal.  10  (mor.  p.  973  E). 

3.  Ökonomie  und  Plan.  Cic.  Phil.  2,  65  persona  de  mimo,  modo  egensi 
repente  dives.  Cael.  65  mimi  est  iam  exitus,  non  fabulae:  in  quo  cum  clau- 
sula non  invenitur,  fugit  aliquis  ex  manibus,  deinde  scabilla  concrepant, 
aulaeum  tollitur.  Also  reichliche  Anwendung  der  Improvisation  (Sudhaus, 
Herrn.  41,  270).  Aber  im  literarischen  Mimus  herrscht  größere  Sorgfalt.  Quint. 
4,  2,  53  est  quidam  et  duetus  rei  credibilis,  qualis  in  comoediis  etiam  et  in 
mimis.  Plut.  de  sollert.  animal.  19  (aus  Vespasians  Zeit)  ^u^o?  7tXoxr}v  l%ovxi 
<$QcnLuxwr\v  v.al  nolvTcgooconov.  —  Proben  des  Dialogs  bei  Cic.  de  or.  2,  274, 
zB.  quid  est  tibi  ista  mulier?  f  Uxor\  Similis,  me  dius  ßdius.  —  Prolog,  von 
Laberius  (Macr.  sat.  2,  7,  2).  Vgl.  Isid.  orig.  18,  49  habebant  (mimi)  suum  ac- 
torem,  qui  antequam  mimum  ageret  fabulam  pronuntiaret.  Über  die  cantica 
e.  unten  A.  11. 

4.  Als  possenhafte  Darstellung  des  gemeinen  Lebens  berührt  sich  der 
Mimus  mit  der  Togata  und  hat,  soweit  er  literarisch  ist,  mit  ihr  viele  Titel 
gemeinsam,  wie  Aquae  caldae,  Augur,  Compitalia,  Fullo,  Virgo,  letztere 
beiden  auch  mit  der  kunstmäßigen  Atellane,  mit  der  er  außerdem  die  Titel 
Gemini,  Hetaera,  Nuptiae,  Piscator  teilt.  Das  hauptsächlichste  Unterschei- 
dungsmerkmal wird,  abgesehen  vom  Kostüm  (A.  10),  wohl  beim  Mimus  wenig- 
stens ursprünglich  das  Überwiegen  der  Mimik  (A.  2)  und  die  Einlage  von 
Kuplets  (A.  11),  bei  den  Atellanen  das  Vorkommen  der  Oscae  personae  ge- 
wesen sein.  Mit  der  Palliata  hat  der  literarische  Mimus  die  Titel  Golax, 
Hecyra  (A.  1),  Hetaera,  Phasma  gemeinsam,  und  auch  Alexandrea,  Beloni- 
stria,  Gacomnemon,  Copliinus,  Ephebus,  Necyomantia,  Scylax  sind  ursprüng- 
lich griechische  Titel  von  Mimen. 

5.  Die  Handlung  des  mimus  konnte  sich  auf  das  ganze  Leben  erstrecken, 
vgl.  Chorik.  (A.  12)  13,  8  xlg  #'  ov%  ecv  anslnoi  %atakijBiv  £iii%siq&v,  oacc  pi- 
{lovvtcci;  ds6:i6tr}v  oixsvag  nccjtrilovg  ccXlccvtOTtmXovg  öiponoiovg  söTLdroQcc  <?ca- 


§  8.  Der  Mimus  11 

xvpovccg,  Gv^ißoXocicc  ygäcpovxccg,  rcccidugiov  ipsXXigoiiEvov,  vsccviöxov  igävtcc, 
&v^ov^ievov  8TEQ0V,  aXXov  T(o  ^v[iov^iiv(p  itgavvovxcc  tt]v  ögyrjv.  Aber  sie  war 
mit  Vorliebe  obszön  (A.  2),  bes.  Verführungen,  Ehebruchszenen,  Überlisten 
von  Gatten  und  Vätern  oder  überhaupt  Arglosen  (Artemid.  1,  76  im  Traume 
liL{ioX6yot,  kccl  ecTtavvsg  ol  y£Xcozo7tOLol  &7tdcTccg  xccl  ivtdgag  6rnicclvov6i).  Vgl. 
Cic.  Rab.  Post.  35  illinc  omnes  praestigiae,  .  .  omnes  fallaciae,  omnia  denique 
ab  iis  mimorum  argumenta  nata  sunt.  Ovid.  trist.  2,  497.  luv.  6,  44.  8,  197. 
Capitol.  M.  Anton.  29,  2.  Lamprid.  Heliog.  25,  4  (mimica  adulteria).  Donat. 
zu  Aen.  5,  64  mimi  solis  inhonestis  et  adulteris  placent.  Lactant.  inst.  6,  20 
(mimi)  docent  adulteria  dum  fingunt.  Minuc.  Fel.  Oct.  37,  12  in  scaenicis 
(ludis)  .  .  turpitudo  prolixior,  nunc  enim  mimus  vel  exponit  adulteria  vel  mon- 
strat,  nunc  enervis  histrio  amorem  dum  fingit  infigit.  Chorik.  6.  axonoi  ^garsg 
vorwiegend  nach  fo.  Chrys.  11,  464  F.  In  derselben  Richtung  wurden  auch 
die  mythologischen  Stoffe  ausgewählt  und  behandelt,  die  auch  in  der  Kaiser - 
zeit  noch  beliebt  waren.  Arnob.  adv.  gent.  4,  35  etiam  mimis  et  scurrüibus 
ludicris  sanctissimorum  personae  interponuntur  deorum,  et  ut  spectatoribus 
vacuis  risus  possit  atque  Mlaritas  excitari,  iocularibus  feriuntur  cavillationi- 
bus  numina.  Vgl.  7,  33.  Tertull.  apolog.  15  (dort  werden  als  Mimen  genannt 
Anubis  moechus,  Luna  mascula,  Diana  flagellata,  Iovis  mortui  testamentum 
recitatum,  tres  Hercules  famelici;  vgl.  §  363,  7).  Ähnliche  Stoffe  Kinyras  und 
Myrrha  (Ioseph.  ant.  19,  1,  13),  Priamos  und  Achill  (Chorik.  10,  6),  Priapus 
(Augustin.  civ.  dei  6,  7).  Daher  muß  Chorikios  den  Mimus  gegen  den  Vor- 
wurf, daß  er  ein  Hauptbeförderungsmittel  der  Sittenverderbnis  sei,  in  Schutz 
nehmen;  und  zweifellos  haben  die  christlichen  Eiferer  seine  Sittenlosigkeifc 
arg  übertrieben. 

6.  Mit  dieser  Possenhaftigkeit  und  Liederlichkeit  bilden  einen  schein- 
baren Widerspruch  (Sen.  ep.  8,  8)  die  weisen  und  moralischen  Sprüche,  von 
denen  besonders  des  Syrus  Mimen  unter  dem  Einflüsse  der  literarischen 
Vorbilder  (vgl.  Plaut.  Rud.  1249.  Leo,  Plaut.  Forsch.  126)  und  des  rheto- 
rischen Pointenstiles  förmlich  strotzten.  Doch  ist  diese  Vereinigung  von 
Possenhaftigkeit  und  Altklugheit  volksmäßig  (vgl.  Hertzberg  zu  Juvenal  15, 
16),  und  bei  den  übrigen  Mimendichtern  wird  der  zweite  Bestandteil  wohl 
minder  hervorgetreten  sein.  Dagegen  nahm  sich  der  Mimus  jetzt  manchmal 
persönliche  Anzüglichheiten,  wie  er  sie  sich  schon  früher  erlaubt  hatte  (Auct. 
ad  Her.  oben  §  7,  2.  Laberius  v.  7),  gegen  die  Höchstgestellten  heraus.  Suet. 
Vesp.  19  in  funere  Favor  archimimus  personam  eius  ferens  imitansque,  ut 
est  mos,  facta  ac  dicta  vivi  •  .  .  Capit.  M.  Ant.  8,  1  (vgl.  §  363,  7),  ebd.  29, 1. 
Maximin.  9,  3  ff.  Lamprid.  Comm.  3,  4.  Vgl.  Vopisc.  Aurel.  42,  5.  Minuc.  Fel. 
34,  7  non  philosophi  studio,  sed  mimi  convicio  (vgl.  Cic.  Mur.  13)  digna  ista 
sententia  est.   Reich  182. 

7.  Die  Darstellung  der  Mimen  geschah  durch  einen  Hauptschauspieler 
(vgl.  Macr.  sat.  2,  7,  7  unten  §  212,  3),  der  zugleich  der  Direktor  der  Mimen- 
truppe war  (archimimus) ;  er  konnte  besonders  im  Paignion  (A.  1)  den  Gang 
des  Dialoges  und  sogar  der  Handlung  (A.  3)  maßgebend  beeinflussen.  Solche 
werden  oft  erwähnt:  zB.  agp^l\Log  Z&gi^  der  Freund  des  Sulla  (Plut.  Süll. 
36).  Andere:  Suet.  Vesp.  19.  luv.  8,  187.  Mar.  Max.  in  Schol.  luv.  4,  53. 
Porph.  z.  Hör.  S.  2,  6,  72.  Augustin.  civ.  d„  6,  10.  Vict.  Vit.  de  persec.  Vand. 
1,47.  CIL.  3,r6113Jvgl.  Herrn.  17,  495).  6,1063.  1064.  4649.  Dess.  5208ff.;  vgl. 


12  Sachlicher  Teil 

miten  A.  9  und  oben  §  7,  2.  Über  die  archimimae  A.  8.  Neben  diesem  ersten 
Schauspieler  gab  es  auch  actores  secundarum  (Suet.  Cal.  57),  die  jenem  unter- 
geordnet waren  (Hob.  E.  1,  18,  13.  S.  1,  9,  46),  ihn  blind  nachahmten  (Suet. 
1.  1.)  und  von  ihm  die  Schläge  einnahmen  (to  qanifeod-ui  Chorik.  19, 1.  luv. 
5, 171.  8,  192.  Martial.  2,  79,  3.  5,  61,  11.  Arnob.  adv.  g.7,  33.  Dieterich,  Pul- 
cinella  140).  Der  oben  als  archimimus  genannte  Sorix  erscheint  noch  im 
zweiten  Rollenfach  CIL.  10,  814  =  Dess.  5198  (C.  Norbani  Soricis  secunda- 
rum usw.).  Insbesondere  war  unter  diesen  die  stehende  Rolle  des  stupidus 
(Dess.  5224  Aurelius  Eutyches,  stupidus  gregis  urbani,  vgl.  ebd.  2178  f.  und 
unten  A.  9.  luv.  8,  197.  Capitol.  M.  Ant.  29,  2),  dargestellt  capite  raso;  Reich 
116.  125.  (Heinrich  zu  luv.  5,  171.  Non.  Marc  6  calvitur  =»  frustratur,  tractum 
a  calvis  mimis,  quod  sint  omnibus  frustratui.  Arnob.  1.  1.  delectantur  dii  stu- 
pidorum  capitibus  rasis,  salapittarum  sonitu  ac  plausu,  factis  et  dictis  turpi- 
bus,  fascinorum  ingentium  rubore,  vgl.  Schol.  luv.  6,  66  penem  ut  habent  in 
mimo,  ebd.  276  strutheum  in  mimis  praecipue  vocant  obscenam  partem  virilem 
a  salacitate  videlicet  passeris.  Festus  326  s.  v.  salva  res  erzählt  von  einem 
secundarum  partium,  qui  fere  omnibus  mimis  parasitus  inducatur  (wobei  an 
den  literarischen  Mimus  gedacht  ist).  —  CIL.  6,  10  104  =  Dess.  5199  P.  Cor- 
nelius P.  I.  Esq.  NigferJ  tertiarum.  Dess.  5200  L.  Faenicis  Faustus  quar- 
tar{um)  par(asitus)  Apol(linis).     Ob  hierher  gehörig? 

8.  Dem  Mimus  eigentümlich  und  eine  Hauptquelle  der  Liederlichkeit 
war  die  Darstellung  der  weiblichen  Rollen  durch  Frauenzimmer,  die  daher 
oft  meretrices  (nogvca)  genannt  werden.  Vgl.  §  7,  2.  Ammian.  23,  5,  3  cum  An- 
tiochiae  .  .  scaenicis  ludis  mimus  cum  uxore  immissus  e  medio  sumpta  quae- 
dam  imitarttur.  Manche  Mimae  gelangten  zu  einer  gewissen  Berühmtheit, 
wie  Arbuscula,  Dionysia,  Cytheris,  Origo,  Quintilia,  Thymele  (bei  Juv.  und 
Martial),  Basilla  (CIG.  3,  p.  1023);  Claudia  Hermione,  archimima,  CIL.  6, 10106 
Dess.  5211;  Fabia  M.  et  C.  lib.  Arete  archimima  CIL.  6,  10107  Dess.  5212. 
Grabstelle  sociarum  mimarum  CIL.  6,  10109.  Dess.  5217.   Vgl.  Reich  117. 

9.  In  der  Kaiserzeit  ist  an  eine  Beschränkung  in  der  Zahl  der  Schau- 
spieler nicht  zu  denken,  wohl  aber  an  Gliederung  nach  Rollenfächern,  da 
dieselben  Stoffe  mit  Variationen  (A.  7  A.)  immer  wiederkehrten.  So  Faba 
mimus,  Erbschleichermimus  Petron.  117,  vgl.  Petron.  80  grex  agit  in  scena 
mimum:  pater  ille  vocatur,  filius  hie,  nomen  divitis  (vgl.  Sen.  ep.  114,  6  in 
mimo  fugitivi  divitis)  ille  tenet.  Plut.  de  sollertia  animal.  19  /ufico  %loy.r\v 
hxovti  .  .  nolvTtQOöanov.  So  wird  der  Laureolus  (§  285,  1)  ein  großes  Personal 
erfordert  haben.  Sieben  scenici,  darunter  neben  archimimi  und  stupidi  (näm- 
lich stupidi  Graeci  und  stupidi  schlechthin)  auch  einen  peciuniosus)  und  eine 
mul(ier),  verzeichnen  zwei  Inschriften  vom  Anfang  des  3.  Jahrh.  CIL.  6,  I063f. 
=  Dess.  2178 ff.,  vgl.  Mommsen,  Herrn.  5,  303. 

10.  Das  Kostüm  der  mimi  war  eine  bunte  Harlekinjacke,  centunculus 
(Apulei.  apol.  13),  nach  der  eine  Rolle  geradezu  panniculus  hieß;  sie  trugen 
keine  calcei  (excalceati,  Sen.  ep.  8,  8),  daher  planipedes  (§  7,  3),  aber  oft 
(schwerlich  immer)  den  Phallos  (A.  7  E.).  Die  mimae  waren  ihrem  Charakter 
gemäß  aufgeputzt  und  entblößt;  ihnen  war  vielleicht  eigentümlich  das  reci- 
nium  oder  ricinium.  Festus  274  recinium  .  .  esse  dixerunt  vir(ilisy  toga(e 
simile  vestimentum  quo~)  mulieres  utebantur,  praetextum  clavo  purpureo,  unde 
reciniati  mimi  planipedes.    Vgl.  Varro  LL.  5,  132.   Non.  542  ricinium  .  .  pal- 


§  7.  Der  Mimus  (Kostüm,  Sprache).    Der  Pantomimua  13 

liolum  femineum  breve.  Serv.  Aen.  1,  282  togas  etiam  feminas  habuisse  cycla- 
dum  et  recini  usus  ostendit.  recinus  autem  dlcitur  ab  eo,  quod  post  tergum 
reicitur.  Masken  waren  schon  durch  die  Mimik  ausgeschlossen.  Starkes 
Schminken;  vgl.  Hieronym.  ep.  60,  29  eas  quae  ruborj  frontis  addito  parasitos 
(vgl.  A.7  E.)  vineunt  mimorum.  Io.  Chrys.  8, 110  A  räv  tcccqsiüv  xa  vitorgiiiiiata. 
Über  die  Rangstufe  der  mimi  in  der  öffentlichen  Schätzung  s.  zB.  Vopisc. 
Carin.  16,  7  mimis,  meretricibus,  pantomimis.  cantoribus,  lenonibus.  Vgl.  Tre- 
bell.  Gallien.  21,  6.  trig.  tyr.  9,  1;  oben  A.  8. 

11.  Die  Sprache  der  volksmäßigen  Mimen  war  plebejisch,  weniger  die 
der  geschriebenen,  schon  wegen  der  gebundenen  Form;  über  Laberius  s. 
Gell.  16,  7.  Als  Versmaße  finden  wir  in  den  Überresten  iambische  Senare 
und  trochäische  Tetrameter.  Vgl.  §  192,  7.  Im  volkstümlichen  Mimus  wird' 
die  gebundene  Form  sich  wohl  auf  cantica  beschränkt  haben.  Das  Vor- 
handensein solcher  erhellt  aus  Petron.  35  (de  Laserpiciario  mimo  canticum' 
vgl.  [Lipoid oi  Plut.  Süll.  2).  Die  obscena  cantica,  von  denen  omne  convivium 
strepit  (Quint.  1,  2,  8),  waren  wohl  hauptsächlich  aus  Mimen.  Von  ccIgxq&v 
ccGudrcov  axg6ci6ig  redet  Chorik.  16,  1  (A.  12),  tb  itegcc?  avtolg  slg  ajdrjv  tivcc 
xccl  yeXcota  Xr\ysi  ebd.  6,  3:  7COQViy.cc  äöiiatcc  Jo.  Chrys.  7,  421  B.  versus  can- 
tare  bei  Capitol.  Maximin.  9,  5  (Sudhaus  aO.  274).  Auch  salva  res  est  dum 
cantat  senex,  Fest.  326.  Die  Begleitung  durch  die  tibia  galt  wohl  haupt- 
sächlich der  saltatio;  Festus  326 b,  13  ad  tibicinem  saltare;  Gell.  1,  11,  12  si 
ut  planipedi  saltanti  . .  numeros  et  modos  .  .  tibicen  incineret.  Chorik.  15,  3 
det  yicci  %oqzv£iv  irciöraad-ai.  Reich  476.  Hübsche  Grabschrift  des  Mimen 
Vitalis  AL.  683  PLM.  3,  245. 

12.  Ein  interessantes  Zeugnis  für  das  Fortleben  des  Mimus  und  seine 
Verbreitung  auch  im  oströmischen  Reich  ist  die  vom  Rhetor  Chorikios  unter 
Justinian  verfaßte  Verteidigungsrede  der  Mimen,  veröffentlicht  von  Graux, 
Rev.  phil.  1,  209  (dazu  Reich  204).  Vgl.  auch  Joh.  Lydus  magistr.  1,  40  lh^iikt] 
7}  vvv  dfjd'sv  Liovr}  6(o£oii£vr] ,  ts%vix6v  [ihr  %%ov6oc  ovdsv,  uX6ya>  liovov  rö 
TtXfjd'og  iTzdyovGcc  yiXavi.  Über  den  Mimus  im  Mittelalter  vgl.  Grysar  aO.  331. 
Krahner,  ZfAW.  1852,  388.  Reich  616.  Glock,  ZvglLG.  NF.  16,  25.  172:  ein 
Fortleben  des  M.  läßt  sich  sicher  nur  im  Orient  nachweisen,  wo  der  tür- 
kische Karagöz  den  Zusammenhang  mit  dem  antiken  M.  deutlich  verrät; 
dagegen  sind  die  Joculatoren  und  Spielleute  des  Abendlandes  nicht  drama- 
tisch tätig,  sodaß  es  mindestens  vorläufig  nicht  möglich  ist,  die  commedia 
delF  arte  an  ihn  anzuknüpfen. 

13.  Der  balletartige  Pantomimus  gehört  kaum  in  die  Literatur.  Er  ent- 
wickelt sich  aus  dem  Drama,  das  schon  im  canticum  (§  16,  3)  die  Trennung 
des  Darstellers  und  Sängers  eingeführt  hatte,  infolge  der  stets  zunehmenden 
Neigung  des  Publikums  für  Tanz  und  Gebärdenspiel,  und  drängte  das  Wort 
ganz  zurück.  Unter  Augustus  (22  v.  Chr.:  Hieron.  chron.)  wurde  diese  Gat- 
tung zu  einer  selbständigen  gemacht  durch  den  Kilikier  Pylades  und  den 
Alexandriner  Bathyllos:  jener  begründete  den  tragischen  Pantomimus,  der 
bei  weitem  bevorzugt  wurde,  dieser  den  komischen.  Ein  Pantomimus  (lusor 
mutus  CIL.  6,  4886  Dess.  5225)  stellte,  je  nachdem  es  die  Fabel  erheischte, 
nacheinander  in  verschiedenen  Rollen  (männlichen,  weiblichen)  und  Kostümen 
auftretend  in  einer  Reihe  von  Soli  die  Hauptmomente  einer  Handlung  dar 
(canticum  saltare;  in  mimis  saltantibus  =  in  Pantomimen  CIL.  6,  10118,  doch 


14  Sachlicher  Teil 

s.  A.  11  Z.  14),  indessen  ein  Chor  den  Text  während  und  zwischen  den  Tänzen 
des  Pantomimus  sang.  Dieser  verbindende  Text  trat  natürlich  sehr  zurück: 
nur  selten  hören  wir,  daß  namhaftere  Dichter  sich  zur  Lieferung  solcher 
Texte  hergaben.  Doch  schrieb  Lucan  fabulae  salticae  (§  303,  4),  desgleichen 
Statius  (§  321,  1)  und  Arbronius  Silo  (§  252,  14).  Vgl.  LFriedländer,  Sitten- 
ges eh.  2B,  455;  in  Marquardts  Staats verwalt.  32,  551.  Der  Pantomimus  wurde 
von  einem  Solisten  gegeben:  pantomimae  sind  ganz  vereinzelt:  Sen.  ad  Helv. 
12,  6.  AL.  310  =  PLM.  4,  464  und  auf  einer  Tessera  CIL.  6,  10128  Dess.  5263 
Sophe  Theorobathylliana  arbitrix  imboliarum,  als  Schülerin  des  Bathyllos 
und  des  gleichfalls  als  Pantomimus  hoch  berühmten  (CIL.  6,  10115  Dess.  5197) 
Theoros  so  genannt.  Wegen  der  embolia  (cEinlagen')  vgl.  embolium  (Cic. 
Seat.  116),  emboliarius  (CIL.  4,  1949),  emboliaria  (Plin.  NH.  7,  158.  CIL.  6, 
10127  =  Dess.  5262).  —  BAMüllek,  Lübkers  Reallex.8  760. 

9.  Die  Atellanen  (Atellanae  fabulae)  sind  benannt  nach  dem 
campanischen  Landstädtchen  Atella,  das  in  einer  ursprünglich  oski- 
schen  Gegend  gelegen  war.  Entweder  bedeuteten  Atellanae  schon 
in  Campanien  Krähwinkeliaden,  komische  Darstellungen  kleinstädti- 
schen Treibens  mit  gewissen  stehenden  Figuren,  oder  die  Römer 
nannten  dieses  oskische  Spiel  nach  der  Stadt,  aus  der  es  ihnen  zu- 
kam. Als  die  Römer  szenische  Spiele  einführen  wollten  und  es  ihnen 
an  einheimischen  Stücken  gebrach,  führten  sie  solche  oskische  Possen 
auf  und  wagten  auch  in  späterer  Zeit  nicht,  diesen  Bestandteil  des 
Rituals  schlechtweg  aufzugeben.  Wann  man  anfing,  diese  Possen  in 
lateinischer  Sprache  auf  die  Bühne  zu  bringen,  wissen  wir  nicht. 
Eigentümlich  waren  ihnen  pjje_festen  Personen,  Maccus,  Bucco^ 
Pappus  und  Dossennus^und  der  Gebrauch  der  Masken;  der  Witz 
war  derb,  die  Gebärden  lebhaft  und  gleichfalls  gern  schmutzig,  die 
Sprache  volkstümlich. 

1.  Die  Bruchstücke  in  Kibbecks  com.3  267:   daselbst  391  auch  ein  Ver- 
zeichnis der  überlieferten  Atellanentitel.  EMitnk,  de  fabulis  Atellanis,  Bresl. 
1840.  Mommsen,  RG.  26,  437.  Marx,  PW.2,  1914.  Leo,  Herrn.  49,  169.  LFried- 
länder, Sittengesch.  28,  441;   in  Marquardts  röm.  Staatsverwalt.  32,  648.   Mi- 
chaut,  Les  treteaux  latins,  Par.  1912. 

2.  Diomedes  GL.  1,  490  tertia  species  est  fabularum  Latinarum,  quae  a 
civitate  Oscorum  Atella,  in  qua  primum  coeptae  (eher  etwa  in  Capua),  appel- 
latae  sunt  Atellanae,  argumentis  dictisque  iocularibus  similes  satyricis  fabulis 
graecis.  Die  Benennung  ähnlich  wie  die  der  megarischen  Komödie  in  Athen. 
Wirkliche  Verwandtschaft  mit  dem  griechischen  Satyrdrama  (A.  7)  liegt  nicht 
vor  (behauptet  von  Dieterich,  Pulcinella,  Lpz.  1897),  wohl  aber  Ähnlichkeit 
in  der  Verwendung  als  Nachspiel.  (Daher  die  Verwechslung  beider  bei  Porph. 
zu  Hör.  AP.  221.)  Mommsen  aO.  hält  die  Atellanen  für  ursprünglich  und  uralt 
latinisch  und  die  (seit  J.  211)  latinisierte  Oskerlandschaft  nur  für  ihren  poe- 
tischen Schauplatz.  Dem  widerspricht  die  Bezeichnung  der  Atellanen  als 
Osci  ludi  (Cic.  fam.  7,  1,  3),  Oscum  ludicrum  (Tac.  A.  4,  14),  der  stehenden 


§  9.  Die  Atellana  15 

Figuren  als  Oscae  personae  (Diomed.  aO.  490,  20)  und  die  kaum  mißverständ- 
liche Notiz  des  Strabon  5  p.  233  C  x&v  "Oaxcov  ixXsXoinoTav  j]  didlsxrog  ^ivti 
TtccQcc  toig  'Pooftatot?,  cotfre  xai  Tcoir^tocroc  axrivoßarslod'cci  %axd  riva  ccyävcc 
TtdtQiov  xal  yny.oloyBl6%'ui.  Marx  aO.  1915.  Nur  dieser  Zusammenhang  mit 
dem  Kultus  erklärt  es,  daß  die  Schauspieler  (A.  4)  nicht  der  Infamie  ver- 
fielen. Ist  bei  den  von  Caesar  dem  Volke  regionatim  urbe  tota  per  omnium 
linguarum  Mstriones  gegebenen  ludi  bei  Suet.  Iul.  39  auch  an  Atellanen  ge- 
dacht?? Übrigens  war  dieses  oskische  Spiel  gewiß  von  den  großgriechischen 
(dorischen)  Possen  beeinflußt  (vgl.  A.  3);  Zielinski,  Quae3t.  comicae,  Peters- 
burg 1886. 

3.  Maccus  (vgl.  Mcacxoo,  iicckkoccv)  ist  dumm,  gefräßig  und  lüstern  (vgl. 
den  stupidus  des  Mimus  §  8,  7),  maccu  sardin.  =  Dummkopf.  Bucco  arbeitet 
mit  der  lucca,  fressend  und  plappernd  (vgl.  den  rvd&cüv  der  neueren  Ko- 
mödie). Pappus  {Ttdmcog)  ist  ein  eitler,  verblendeter  Alter,  der  überlistet 
wird,  der  Pantalone.  Varr.  1. 1.  7,  29  item  significant  {-catT)  in  Atellanis  ali- 
quot Pappum  senem,  quod  Osci  Casnar  appellant.  Dossennus  (gut  lateinisch 
von  dorsitm;  vgl.  Vel.  Long.  GL.  7,  79,  4)  ein  pfiffiger  Beutelschneider,  der 
dottore,  auch  er  ein  Fresser  (Hör.  E.  2,  1,  173  quantus  sit  Dossennus  edaeibus 
in  parasitis).  Diese  typischen  Personen  traten  in  allen  möglichen  Rollen 
auf,  daher  Titel  wie  Maccus  miles,  M.  Sequester,  M.  virgo;  Bucco  auetoratus, 
B.  adoptatus;  Pappus  agricola,  P.  praeteritus.  S.  darüber  Munk  aO.  28. 
Mommsen,  unterital.  Dial.  118.  Ein  maccus  im  CIL.  6,  10105  Dess.  5219 
L.Annaeus  M.  f.  Esq.  Longinus  maccus  (vgl.  Apul.  apol.  81).  Über  maccus 
und  Maccius  s.  §  96, 1.  —  Jenen  Typus  des  Dossennus,  nicht  einen  komischen 
Dichter  dieses  Namens,  meint  auch  Horaz  E.  2,  1,  173  in  einer  freilich  noch 
nicht  sicher  erklärten  Stelle.  Vgl.  Ritschl,  parerg.  p.  xni,  opusc.  2,  544. 
FRitter,  RhM.  5,  216.  Düntzer,  ebd.  6,  283.  Cron,  JJ.  129,  63.  Auch  Sen.  ep. 
89,  7  zitiert  wohl  aus  einer  Atellanenszene :  hoc  verbo  (öoepia)  Bornani  quoque 
utebantur,  sicut  philosophia  nunc  quoque  utuntur.  quod  et  togatae  tibi  antiquae 
probabunt  et  inscriptus  Dossenni  monumento  titulus  *Hospes  resiste  et  sophian 
Dossenni  lege*.  Dossennus  freilich  auch  als  wirkliches  Cognomen:  L.  Rubrius 
Dossennus  CIL.  1,  430.  C.  Petronius  Dossennus  CIL.  5,  2256  und  Fabius  Dos- 
sennus, ein  römischer  Schriftsteller  unbekannter  Zeit  und  unbekannten  Faches 
(Jurist?  Grammatiker?),  von  Plin.  NH.  unter  seinen  Quellen  zu  B.  14  u.  15 
(Fruchtbäume)  genannt  und  14,  92  zitiert.    Skutsch,  PW.  5,  1609. 

.  4.  Liv.  7,  2, 12  quod  genus  ludorum  (Atell.)  ab  Oscis  aeeeptum  tenuit  iuven- 
tus  nee  ab  lüstrionibus  pollui  passa  est.  eo  institutum  manet,  ut  actores  Atel- 
lanarum  nee  tribu  moveantur  et  stipendia  tamquam  expertes  artis  ludicrae 
faciant.  Daraus  in  seiner  Weise  Val.  Max.  2,  4,  4.  Fest.  v.  personata  217  per 
Atellanos,  qui  proprie  vocantur  personati,  quia  ius  est  iis  non  cogi  in  scaena 
ponere  personam,  quod  ceteris  histrionibus  pati  necesse  est.  Vgl.  Jahn,  Herrn. 
2,  225. 

5.  Non.  8,  29  Varro  Gerontodidascalo :  putas  eos  non  citius  tricas  Atellanas 
quam  id  extricaturos?  Vgl.  Tertull.  spect.  17  Atellanus  gesticulator.  Juv.  6, 
71  (§  10,  1).  Quint.  6,  3,  47  amphibolia,  neque  illa  obscena  quae  Atellani  e  more 
captant.  Daneben  aber  Travestien  des  Mythos,  die  außer  anderem  auf  den 
Zusammenhang  mit  der  unteritalischen  Posse  weisen  und  die  At.  zur  Ver- 
wendung als  Exodium  (§  10,  1)  geeignet  machten ;  vgl.  Titel  wie  Agamemno 


16  Sachlicher  Teil 

suppositus,  Ariadne,  Hercules  coactor  (gerade  Herakles  war  eine  Hauptfigur 
der  dorischen  Posse),  Sisyphus.  Vgl.  Novius  Phoenissae  V.  79  sume  arma,  iam 
te  occidam  clava  scirpea.  Dieterich,  Pulcinella  100. 

6.  Als  J.  115  die  Zensoren  artem  ludicram  ex  urbe  removerunt,  nahmen 
sie  davon  nur  aus  Latinum  tibicinem  et  luduin  talanum.  Cassiod.  chron.  ad 
a.  (S.  620  M.).  MHertz  (de  ludo  talario,  Bresl.  1873)  schreibt  (mit  Momm- 
sen)  talarium  und  versteht  darunter  ein  ausgelassenes  nationales  und  popu- 
läres Spiel,  Gesang  mit  Instrumentalbegleitung,  ähnlich  den  iiccycodoi,  und 
benannt  von  der  vestis  talaris  der  Spieler.  Doch  war  gerade  dieses  als 
zuchtlos  verpönt:  Cic.  Att.  1, 16,  3.  off.  1, 150.  Quint.  11,  3,  58.  Fronto  p.  160 
Nab.  laudo  censoris  illud,  qui  ludos  talarios  (effugerety ,  quod  semet  ipsum 
diceret  cum  ea  praelerireti^),  difficile  dlgnitati  servire,  quin  ad  modum  cro- 
tali  aut  cymbali  pedem  poneret.  Lyd.  magistr.  1,  40  (itXuvniBdotQiu  f)  -nccta- 
ötoXccqlcc;  vgl.  Reifferscheid,  JB.  23,  267). 

7.  Satyrdramen  scheint  es  in  der  römischen  Literatur  nie  gegeben  zu 
haben;  vgl.  bei  Diomedes  (A.  2)  Graecis  und  satyrica  est  apud  Graecos  fa- 
bula;  Mar.  Victor.  GL.  6,  82  (haec  apud  Graecos  metri  species).  Welcker, 
griech.  Trag.  1361.  Ribbeck,  röm.  Trag.  623,  s.  unten  §  190,2.  Horaz  hatte 
bei  seiner  ausführlichen  Besprechung  des  Satyrdramas  (AP.  220)  keine  be- 
stimmte Absicht  im  Auge  (so  Teuffel,  RhM.  28,493;  vgl.  Birt  bei  Diete- 
rich 297).    Nicht  glücklich  Dieterich,  Pulcinella  111. 

10.  In  der  sullaui sehen  Zeit  machten  Pomponius  aus  Bononia 
und  Novius  die  Atellaue  aus  einer  regellosen  Posse  zu  einem  Zweige 
des  Kunstdramas,  indem  sie  unter  Anlehnung  an  Palliata  und  To- 
gata  die  Stücke  vollständig  schriftlich  auszuarbeiten  begannen. 
Durch  geordneten  Plan,  Charakterzeichnung  und  metrische  Form 
wurde  die  Atellane  nunmehr  den  andern  Arten  der  Komödie  gleich, 
blieb  aber  immer  derber  und  burlesker  als  jene.  Sie  wurde  jetzt 
auch  als  Nachspiel  verwendet  und  auch  durch  eigentliche  Schau- 
spieler aufgeführt.  Noch  in  der  Kaiserzeit  bestand  sie  fort  und 
hatte  an  Mummius  einen  Vertreter,  ging  aber  schließlich  im  Panto- 
mimus  unter. 

1.  Cic.  ep.  7,  1,  3  (Aufführung  von  Osci  ludi  durch  Pompeius  J.  55). 
9,  16,  7  (J.  46)  seeundum  Oenomaum  Acci  non,  ut  olim  solebat,  Atellanam, 
sed,  ut  nunc  fit,  mimum  introduxisti.  Vgl.  Suet.  Tib.  45  Atellanicum  exo- 
dium.  luv.  6,  71  (in  der  Kleinstadt)  Urbicus  exodio  risum  movet  Atellanae 
gestibus  Autonoes.  Doch  führen  diese  beiden  Stellen  eher  auf  die  Deutung 
cEx.  zur  At.',  und  allein  möglich  ist  diese  bei  Liv.  7,2,11  iuventus  ..  ridi- 
cula  intexta  versibus  iactitare  coepit,  quae  exodia  postea  appellata  consertaque 
fabellis  potissimum  Atellanis  sunt.  Ob  sich  Suet.  Dom.  10  oeeidit  et  Helvi- 
dium  filium,  quasi  scaenico  exodio  sub  persona  Paridis  et  Oenones  dlvortium 
suum  cum  uxore  taxasset  auf  At.  oder  Mimus  bezieht,  ist  nicht  auszumachen. 

5.  auch  Mär.  Vict.  GL.  6,  82  und  §  6,  3.    Leo  Herrn.  39,  68.    Skutsch,  PW. 

6,  1686.    Pichon,  Rev.  Phil.  37,  254. 


§  10.  Die  literarische  Atellana.    §  11.  Volkslieder  17 

2.  Sukt.  Nero  39  Datus  Atellanarum  histrio  in  cantico  etc.  vgl.  Galb.  13 
Atellanis  notissimum  canticum  exorsis.  CIL.  4,  2457  (aus  Pompeji):  Methe 
Oominiaes  Atellana  6,  26806  C.  Statio  Gemello  Atellano.  Tac.  A.  4,  14  Caesar 
(Tiberius)  de  immodestia  histrionum  rettulit  .  .  Oscum  quondam  ludicrum, 
levissimae  apud  volgum  oblectationis,  eo  flagitiorum  et  virium  venisse,-  ut 
auctoritate  patrum  coercendum  sit.  Vgl.  Suet.  Calig.  27  Atellanae  poetam 
(den  Muirtmius  ?)  ob  ambigui  ioci  versiculum  media  amphitheatri  arena  igni 
cremavit.  —  Macr.  sat.  1,  10,  3  Mummius,  qui  post  Novium  et  Pomponium 
diu  iacentem  artem  Atellaniam  suscitavit.  —  Spartian.  Hadr.  26,  4  in  con- 
vivio  tragoedias,  comoedias,  Atellanus  . .  semper  exhibuit  (Hadrian).  Tertull,. 
spectac.  17.    Arnos,  adv.  g.  7,  33.    Über  das  Verhältnis  zum  Mimus  s.  §  8,  4. 

11.  Zur  Volkspoesie  gehört  bei  den  Römern  Alles,  was  in 
der  Zeit  vor  der  Einführung  kunstgemäßer  Poesie,  also  vor  Andro- 
nicus  und  dem  Jahre  240  ?  in  gebundener  Form  vorhanden  war. 
Auch  manches  aus  der  literarischen  Zeit  Überlieferte  reicht  nach 
.seiner  Bestimmung  und  Art  in  die  älteste  Periode  zurück.  Aus  der 
Kaiserzeit  sind  hierher  zu  rechnen  Pasquille,  Wandinschriften  und 
sonstige  Gelegenheitsgedichte;  sie  sind  vorzugsweise  im  trochäischen 
Septenar  gehalten  mit  Hinneigung  zum  Akzentuieren  und  Gleich- 
gültigkeit gegen  den  Hiatus.  Daher  auch  die  für  den  Gebrauch 
und  das  Verständnis  des  Volks  berechneten  christlichen  Kirchen- 
lieder in  gleicher  Weise  gehalten  sind. 

1.  Aufzählung  der  Erscheinungen  in  gebundener  Form  aus  der  Zeit  vor  . 
Andronicus  unten  §  61  ff. 

2.  Sitte  des  Singens  bei  der  Arbeit.  Varro  bei  Non.  56  homines  rusti- 
eos  in  vindemia  incondita  cantare,  sarcinatrices  in  machinis.  Victorin.  GL. 
•6, 122  metrum  . .  usurpatum  a  pastoribus  Calabris,  qui  decantare  res  rusticas 
Ms  versibus  solent.  KBücher,  Arbeit  und  Rhythmus,  Lpz.  81902.  Singen  der 
Matrosen  beim  Rudern:  Ein  Rudererlied  späterer  Zeit  in  Hexametern  aus 
einem  cod.  Berol.  s.  VIII/IX.  PLM.  3,  167.  Außerdem  lassen  sich  nach- 
weisen: a)  volkstümliche  Liebeslieder,  wie  eines  bei  Hör.  S.  1,  5,  15  an- 
gedeutet ist.  Kunstprodukte  aber  sind  Ständchenlieder  bei  Plaut.  Cure.  147 
(in  Kretikern),  Hör.  C.  3,  10  und  Ovid.  amor.  1,  6.  —  b)  Wiegenlieder; 
s.  Schol.  Pers.  3,  16  quae  infantibus,  ut  dormiant,  solent  dicere  saepe:  lalla, 
lalla,  lalla  aut  dormi  aut  lacta  (FPR.  34;  vgl.  RhM.  24,  619);  vgl.  lallare 
bei  Pers.  3, 18  und  Auson.  epist.  16,  90  nutricis  inter  lemmata  Lallique  somni- 
feros  modos.  —  c)  Lieder  bei  Kinderspielen,  Hör.  E.  1,  1,  59.  2,  3,  417 
(mit  Schol.),  woraus  wohl  (FPR.  56;  s.  LMüller,  JJ.  89,  484)  die  Verse  zu  ge- 
stalten: Häbeat  scabiem  quisquis  ad  me  venerit  novissimus.  Rex  erit  <fui  recte 
faciet;  qui  non  faciet  nön  erit.  So  sang  wohl  J.  46  Caesars  Heer  bei  seinem 
Triumphe:  Plecteris  si  recte  fades,  si  non  facies  rex  eris  (vgl.  Dio  43,  20). 

r 

Trochäisch  auch  Vbi  non  sis  qui  füeris  non  est  cur  velis  (tuy  vivere  (Cic. 
ep.  7,  3,  4;  vgl.  Ribbecks  com.3  p.  150,  Teufpel  JJ.  111,  432).  Dergleichen 
Sentenzen  konnten  übrigens  auch  aus  der  Literatur  in  den  Volksmund  über- 

Teuffel:  röm.  Iäteraturgesch.    Neub.  6.  Aufl.  I.  2 


18  Sachlicher  Teil 

gehen  und  zu  Sprichwörtern  werden.  —  d)  Lob-  und  Spottlieder  der 
Soldaten  auf  den  Triumph ator  s.  §  84,  Spottlieder  auf  verspätete  Feld- 
arbeiter (Hör.  S.  1,  7,  28.  Auson.  Mosell.  166  navita  labens  .  .  probra  canit 
aeris  cultoribus\  darüber  Mannhardt,  mythol.  Forsch.  53),  auf  Geizhälse- 
(Plaut.  Trin.  350  „Quod  habes  ne  habeds  et  illuc  quod  nön  habes  habeds: 
malum,  Quändo  equidem  nee  tibi  bene  esse  pöte  pati  neque  älteri").  Aus  An- 
laß des  Todes  von  L.  Crassus  (§  152)  entstand  der  Vers:  Pöstquam  Crassus: 
cärbo  factust,  Cärbo  (§  153,  4)  crassus  fdetus  est  (Sacerdos  GL.  6,  461. 
MHaupt  opusc.  3,  325).  Spottverse  aus  Pompeji  CEL  231.  e)  alte  Zauber- 
formeln (RHeim,  Incantamenta  magica,  JJ  Suppl.  19,463)  wie  terra  pestein 
teneto ,  salus  hie  maneto  (N.  55),  pastores  te  invenerunt,  sine  manibus  colle- 
gerunt,  sine  foco  coxerunt,  sine  dentibus  comederunt  (S.  545).  Norden  820 
u.  Nachtr. 

3.  Auch  in  den  volkstümlichen  Ergüssen  aus  der  Kaiserzeit  tritt  Vor- 
liebe für  den  (der  lat.  Sprache  bequemen  und  anfangs  auch  von  Luciliu» 
bevorzugten)  troch.  Tetrameter  zu  Tage.  In  diesem  Maße  zB.  CIL.  3,  293- 
CEL.  243  (Grabschrift  des  Soldaten  T.  Cissonius:  dum  vixi  bibi  libenter: 
bibite  vos  qui  vivitis),  CIL.  6,  18131  CEL.  244  (quod  edi  bibi,  mecum  habeo; 
quod  reliqui  perdidi),  sowie  die  Pasquille  aus  dieser  Zeit  bei  Sueton.. 
Iul.  80  (vgl.  49.  51),  Schol.  luv.  5,  3.  Vgl.  Suet.  Calig.  6.  Galb.  6.  Vopisc. 
Aurel.  6,  5.  7,  2.  Vgl.  §  31,  2.  Was  nach  Fest.  285  retiario  adversus  mir- 
millonem  pugnanti  cantatur  klingt  sotadeisch:  *Nön  te  peto,  piscem  peto: 
quid  me  fugV ,  Galle?  Ein  epigrammatarius  bei  Vopisc.  Florian.  16,  3.  Vgl. 
HBernstein,  versus  ludicri  in  Caesares  priores,  Halle  1810.  Zell,  Ferienschr. 
2,  165.  Stampini,  Riv.  fil.  26,  230.  Die  inschriftlichen  troch.  Septenare  sind 
gesammelt  von  Bücheler,  CLE  227 — 247.  —  Bisweilen  macht  sich  auch  der 
Reim  (Assonanz)  geltend,  der  schon  in  alten  Besprechungsformeln  (Heim  544) 
und  bei  Plautus  in  der  ersten  Hälfte  der  troch.  Tetrameter  sich  häufig  genug 
findet;  s.  Usener,  Sehr.  2,  255;  LBuchhold,  paromoeosis  74;  später  in  der 
akzentuierenden  Poesie  gewinnt  er  unter  dem  Einfluß  des  rhetorischen 
Homoioteleutons   erhöhte    Bedeutung,   besonders  in   den  Kirchenliedern  wie 

Apparebit  repentina  Dies  magna  dömini  usw.  und  geht  von  da  auf  die  mo- 
dernen Literaturen  über.  Norden,  Kunstpr.  810  mit  d.  Nachtr.  Für  semi- 
tischen Ursprung  des  Reimes  tritt  mit  Unrecht  ein  WMeyer,  Ges.  Abh.  2, 
108;  vgl.  zB.  ERichter  Z.  rom.  Ph.  Beih.  27,  117.  Vgl.  unten  bei  Commo- 
dianus,  Damasus,  Ambrosius,  Venantius  Fortunatus  u.  a. ;  auch  die  zwei 
Volksgedichte  aus  dem  sechsten  Jahrh.  n.  Chr.  bei  Gregorovius,  Gesch.  d. 
St.  Rom  1,  372.    WGrimm,  zur  Gesch.  d.  Reims,  Abh.  Berl.  Akad.  1851. 

4.  Zell,  Ferienschr.  2,  97.  Edelestand  du  Meril,  poesies  populaire* 
latines  anterieures  au  XIIe  siecle,  Par.  1843.  Teuffel,  PRE.  6,  2736.  LMül- 
ler,  de  re  metr.2  554  (de  poesi  rhythmica). 

12.  Das  Kunstdrama  wurde  zuerst  unter  allen  Gattungen  von 
Kunstpoesie  seit  dem  J.  240  in  Rom  eingeführt,  weil  der  Wunsch, 
Götterfeste  nach  griechischem  Vorbilde  mit  szenischen  Spielen  aus- 
zustatten, auch  Dramen  nach  griechischem  Muster  ins  Leben  rief. 
Es  fand  rasch  eifrige  Bearbeitung,  bald  mit  mehr  bald  mit  weniger 


§  12.  Das  Kunstdrama  19 

Selbständigkeit.  Doch  überwogen  in  der  Volksgunst  weitaus  die 
zur  Belustigung  dienenden  Arten,  die  Palliata  und  Togata,  noch 
mehr  aber  der  Mimus  und  die  Atellana.  Die  Tragödie  und  ihre 
Spielart,  die  nationale  Stoffe  behandelnde  Praetexta,  haben  nur  die 
gebildeten  Kreise  zu  fesseln  vermocht. 

1.  Donat.  de  com.:  Fabula  generale  nomen  est;  eins  duae  primae  partes 
sunt  tragoedia  et  comoedia.  Caesius  Bassus  GL.  6,  312  (vgl.  ebd.  247)  zählt 
auf:  tragoedia,  praetextata,  comoedia,  tabernaria,  Atellana,  Bhinthonica,  mimi. 
Donatus  aO.  6,  5:  comoediarum  formae  sunt  tres:  palliatae  Graecum  habi- 
tum  referentes,  togatae  iuxta  formam  personarum  habitum  togarum  deside- 
rantes}  . .  Atellanae  etc.  und  vorher:  comoedia  midtas  (sntcc  Lyd.  de  mag. 
1,  40)  species  habet:  aut  enim  palliata  est  aut  togata  aut  tabernaria  aut 
Atellana  aut  mimus  aut  Bhinthonica  aut  planipedia  (itlccviTCEdccgiu  Lyd.  aO.) 
Euanthius  de  com.  4,  1:  post  viav  xcopcodiccv  (also  nach  der  palliata)  Lati- 
nos  multa  fabularum  genera  protulisse,  ut  togatas  ab  scaenicis  (?  scaenis)  at- 
que  argumentis  latinis;  praetextas  ..;  Atellanas,  ..;  Bhinthonieas  ab  aucto- 
ris nomine;  tabernarias  ab  humilitate  argumenti  ac  stili;  mimos  ab  diutuma 
imitatione  vilium  rerum  ac  levium  personarum.  —  Über  sämtliche  Gattungen 
wertvolle  auf  Sueton  zurückgehende  Nachrichten  (gemischt  mit  verkehrten) 
bei  Diomedes  GL.  1,  487—492  (Koett,  De  Diom.  art.  poet.  fönt.,  Jena  1904), 
sowie  bei  Euanthius  und  Donatus  de  comoedia;  alle  diese  Texte  in  Kaibels 
Com.  gr.  fragm.  53.    Vgl.  §  405,  4. 

2.  Seit  J.  240  kunstgerechte  dramatische  Aufführungen  an  den  ludi 
Bomani,  §  94,  2.  Schon  um  J.  214  gab  man  ludi  scaenici  jährlich  an  den 
ludi  Bomani,  plebeii  und  Apollinares.  Dazu  seit  J.  194  solche  an  den  Me- 
galesia.  Auch  an  ludi  votivi  fanden  schon  früh  theatralische  Aufführungen 
statt  (s.  vBoltenstern  ,  de  rebus  scaenicis  Rom.,  Greifsw.  1875).  Aus  den 
Prologen  des  Terenz  sehen  wir,  daß  zeitweilig  alte  und  neue  Stücke  neben- 
einander gegeben  werden  nach  Art  der  ■kuIocicci  und  -ncavai  der  Griechen. 
Leo,  Anal.  Plaut.  2,  20.  Alljährlich  wurden  Theater  in  griechischer  Weise 
mit  erhöhten  Sitzreihen  errichtet,  jedoch  aus  Holz  und  so,  daß  das  Theater 
nach  gemachtem  Gebrauche  jedesmal  wieder  abgebrochen  wurde.  Im  J.  154 
wurde  durch  Senatsbeschluß  der  Abbruch  eines  schon  angefangenen  stei- 
nernen Theaters  verfügt  und  zugleich  das  Sitzen  bei  den  Spielen  untersagt. 
Glänzendere  Ausstattung  (ludi  curatius  editi  Tac.  A.  14,  21)  seit  L.  Mum- 
mius  J.  145.  Erst  J.  55  wurde  durch  Pompeius  das  erste  steinerne  Theater 
in  Rom  gebaut,  ihm  folgten  J.  13  die  steinernen  Theater  des  Cornelius 
Baibus  und  des  Marcellus:  diese  drei  stehenden  Theater  —  die  einzigen, 
welche  Rom  hatte  —  faßten  zusammen  etwa  50  000  Personen.  —  Der  Schau- 
spieldirektor (dominus  gregis),  in  der  Regel  wohl  zugleich  der  Träger  der 
Hauptrolle,  kaufte  vom  Dichter  (vgl.  §  110,  2,  2;  auch  §  223,  2)  das  Stück 
auf  eigene  Rechnung,  schloß  auf  eigene  Gefahr  den  Vertrag  für  die  Auf- 
führung mit  den  curatores  ludorum,  sorgte  für  Personal,  Kostüme  usw.  (vestis, 
ornamenta  —  apparatus  scaenicus)  und  studierte  unter  Leitung  des  Dichters 
die  Rollen  ein.  WMeyer,  quaest.  Terent.,  Lpz.  1902,  65.  Er  konnte  also 
das  als  neues  gekaufte  Stück  mit  Einwilligung  des  Spielleiters  wieder  zur 
Aufführung  bringen.    Im  ganzen  war  der  Geschäftsbetrieb  der  Schauspieler- 

2* 


20  Sachlicher  Teil 

truppen  gewiß  nach  dem  Vorbild  der  griechischen  övvoSoi  xüv  nsgl  xbv 
zJlovvöov  tsxvlt&v  eingerichtet,  von  denen  wir  Spuren  auch  in  Syrakus, 
Rhegion,  Neapel  finden:  später  gab  es  solche  griechische  Truppen  auch  in 
Rom  selbst:  AMüller,  griech.  Bühnenaltert.,  Freib.  1886,  392.  —  Im  allg. 
Ritschl,  Parerga  227,  dazu  FBauer,  Quaest.  scaenicae  Plaut.,  Straßb.  1902. 
Ribbeck,  röm.  Trag.  647.  LFriedländer.  in  Marquardts  Staatsverw.  32,  528. 
Vgl.  §  6,  3.  16,  14. 

13.  Die  Tragödie  blieb  bei  den  Römern  in  dauernder  Ab- 
hängigkeit von  den  Griechen.  Zwar  fehlte  es  im  Charakter  der 
Römer,  ihren  Einrichtungen  und  ihrer  Geschichte  nicht  an  Um- 
ständen, welche  die  Heryorbringung  einer  selbständigen  tragischen 
Poesie  begünstigen  konnten;  aber  die  Fähigkeit  zur  poetischen  Ge- 
staltung solcher  Stoffe  war  bei  ihnen  noch  nicht  vorhanden,  als  sie 
die  fertige  und  in  ihrer  Art  vollkommene  griechische  Tragödie 
kennen  lernten.  Sie  wurde  ihnen  durch  Übersetzungen  nahegebracht, 
die  bei  Andronicus  noch  roh  gearbeitet  waren,  aber  von  Naevius, 
Ennius,  Pacuvius,  Accius  mit  zunehmender  Gewandtheit  und  Selb- 
ständigkeit behandelt  wurden.  Der  Schaulust  des  großen  Publi- 
kums, das  an  Stoff  und  Form  der  fremden  Stücke  nicht  besonderen 
Gefallen  finden  konnte,  kam  man  bisweilen  durch  glänzende  Aus- 
stattung entgegen.  Gravitätisch  waren  jene  Tragiker  der  Republik 
alle,  von  der  rhetorisierenden  Richtung  der  nacheuripideischen  Tra- 
gödie angesteckt,  aber  ungleichmäßig  im  Ton,  so  daß  sie  bald  in 
Schwulst  ausarteten,  bald  in  Trivialität  herabglitten;  im  Versbau 
nahmen  sie  sich  die  durch  die  Eigenart  der  lateinischen  Sprache 
geforderten  Freiheiten.  Dasselbe  dürfen  wir  von  den  späteren  Tra- 
gödien des  C.  Iulius  Caesar  Strabo,  Varro,  Q;  Cicero,  Cassius  aus 
Parma,  sowie  wohl  auch  von  denen  des  Santra  und  des  Asinius 
Pollio  voraussetzen,  zumal  diese  nur  teilweise  für  Aufführungen  ge- 
dichtet waren.  Da  die  Tragödie  immer  für  die  vornehmste  Dich- 
tungsgattung galt,  so  schuf  auch  die  Kaiserzeit  noch  neue  Stücke, 
natürlich  mit  verfeinerter  Technik  und  gesteigerter  Rhetorik.  Hier 
sind  zu  nennen  des  L.  Varius  Thyestes,  Ovids  Medea,  Pomponius 
Secundus,  Curiatius  Maternus  und  endlich  namentlich  die  Tragödien 
des  Seneca.  Aber  diese  Dichtungen  waren  gewiß  meist  Buchdramen, 
die  auf  Bühnenwirkung  verzichteten  und  nur  in  Vorlesungen  den 
Beifall  der  Freunde  des  Dichters  suchten.  Historische  Bedeutung 
haben  unter  allen  diesen  Versuchen  nur  die  Tragödien  des  Seneca 
erlangt. 

1.  Tragicorum  latin.  reliquiae,  rec.  0  Ribbeck:,  Lps.s  1897.    FGWelcker, 
die  griech.  Tragödien   (Rhein.  Mus.  Suppl.  2,  3),  Bonn  1841,   S.  1332—1484 


§  13.  Die  Tragödie  21 

und  ORibbeck,  die  röin.  Tragödie  d.  Republ.,  Lpz.  1875.  Irrig  ist  die  An- 
nahme Ribbecks  (röm.  Trag.  34.  204),  man  habe  im  ersten  Jahrhundert  n. 
Chr.  altrömische  Tragödien,  wie  des  Livius  Ino,  des  Ennius  Athamas  mo- 
dernisiert; vgl.  §  290,  6.  —  Horstmann,  de  vet.  trag.  Rom.  lingua,  Münst. 
1870.    LBbunel,  de  tragoedia  Rom.  circa  princip.  Aug.  corrupta,  Par.  1884. 

2.  Die  Zahl  der  uns  irgendwie  bekannten  Dichter  von  Tragödien  be- 
läuft sich  höchstens  auf  36;  die  der  Stücke  auf  höchstens  150  (Verzeich- 
nisse bei  Ribbkck  trag.3  p.  332;  röm.  Trag.  684);  erhalten  sind  mir  die  des 
Seneca.  Besonders  beliebt  waren  die  Stoffe  des  troischen  Sagenkreises,  z. 
T.  wohl  wegen  der  angeblichen  Abkunft  der  Römer  von  den  Trojanern. 
Allgemeine  Beurteilung  in  bezug  auf  den  Wert  für  die  rednerische  Aus- 
bildung bei  Quint.  10,  1,  97. 

3.  Auch  die  Tragödie  bestand  aus  ruhigeren  und  bewegteren  Partien, 
Dialog  und  Gesang,  diverbium  (deverbium)  und  cantica.  Der  Dialog  war  über- 
wiegend im  iambischen  Senar  gehalten,  der  aber  erst  von  der  augusteischen 
Zeit  an  genau  nach  dem  griechischen  Schema  als  Trimeter  gebaut  wurde 
(vgl.  §  93).  Die  cantica  zeigen  im  Verhältnis  zur  Komödie  wenig  metrische 
Mannigfaltigkeit;  am  häufigsten  sind  Anapäste  und  Kretiker,  daneben  tro- 
chäische und  iambische  Tetrameter,  auch  daktylische  Verse.  Die  cantica 
wurden  von  den  tibiae  begleitet  (Cic.  or.  184.  de  or.  1,  254.  Tusc.  1,  107. 
Hör.  AP.  215),  und  Geübtere  erkannten  schon  aus  der  Ouvertüre  des  tibicen 
das  Stück  (Cic.  Acad.  pr.  2,  20.  Vgl.  de  or.  3,  196.  Donat.  de  com.  p.  12, 
11 R).  —  Über  den  Prunk  in  der  Ausstattung:  Cic.  ep.  7,  1.  Hör.  E.  2,  1, 
187  ff.,  bes.  203  tanto  cum  strepitu  ludi  spectantur  et  artes  divitiaeque  pere- 
grinae:  quibus  oblitus  actor  cum  stetit  in  scaena,  concurrit  dextera  laevae 
(klatscht  Beifall).  Ribbeck,  röm.  Trag.  664.  —  Über  crepidata  (von  crepida, 
xQjftlg,  s.  v.  a.  cothurnus)  als  Bezeichnung  der  röm.  Tragödie  mit  griechi- 
schem Stoffe  s.  §  14,  2. 

4.  In  der  ciceronischen  Zeit  kamen  durch  den  ausgezeichneten  Schau- 
spieler Aesopus  (s.  Ribbeck,  röm.  Trag.  674)  die  Tragödien  (bes.  des  Pacu- 
vius  und  Accius)  sehr  in  Aufnahme;  s.  zB.  Cic.  Sest.  120.  fin.  5,  63.  Tusc. 
1,  106.  Lael.  24.  Andere  tragoediarum  actores  sind  Rupilius  (Cic.  off.  1, 114), 
Catienus  und  Fufius  (Hör.  S.  2,  3,  60),  Apelles  (Süet.  Calig.  33),  Glyko  (Pers. 
5,  9),  Apollinaris   (Suet.  Vesp.  19).    —    Über    die  Teilung   in   fünf  Akte  s. 

5.  Einen  Chor  ganz  in  der  Weise  der  Hellenen  können  die  Römer 
schon  darum  nicht  gehabt  haben,  weil  bei  ihnen  die  orchestra  durch  den 
Senat  besetzt  war.  Chorische  Orchestik  (vgl.  auch  §  1,  4) ,  war  schon  da- 
durch fast  ganz  ausgeschlossen,  nicht  aber  zeitweiliges  Erscheinen  und  Zu- 
sammensingen einer  Mehrzahl  von  Schauspielern  (catervae  atque  concentus, 
Cic.  de  or.  3,  196;  vgl.  Columella  12,  2;  vgl.  §  16,  5)  auf  der  Bühne,  die 
eben  darum  geräumiger  war  (AMüller,  Bühnenalt.  19).  Also  werden  die 
griechischen  Chorlieder  von  der  römischen  Tragödie  übernommen;  von  den 
älteren  Tragikern  schon  deshalb,  weil  sie  überhaupt  Übersetzer  sind;  dazu 
kommen  Titel  wie  Bacchae,  Eumenides  (vgl.  Cic.  Rose.  Am.  66.  Pis.  46), 
Hellenes,  Myrmidones,  Phinidae,  Phoenissae,  Statiastae,  Troades,  sowie  zahl- 
reiche einzelne  Spuren.  So  setzt  die  Erzählung  von  Lucullus  bei  Hör.  E.  1,6,  40 
(vgl.  Plut.  Luculi.  39)  einen  Chor  voraus  (§  16,  4).    Vgl.  Polyb.  30,  13.    So 


22  Sachlicher  Teil 

sang  in  der  Ino  des  Andronicus  (§  94,  5)  chorus  hymnum  Triviae  (Ter.  Maur. 
1934  =  GL.  6,  383),  trat  im  Lycurgus  des  Naevius  ein  Chor  von  Bacchae 
auf,  in  der  Iphigenia  des  Ennius  ein  chorus  (Gell.  19,  10,  12),  ebenso  in 
dessen  Medea  (fr.  14  =  Eur.  Med.  1251);  bei  Pacuvius  gab  es  ein  stasimum 
(Mar.  Vict.  GL.  6,  77)  und  in  Antiopa,  Chrjses,  Niptra  gleichfalls  Chor- 
ähnliches.  Einen  chorus  Proserpinae  erwähnt  Varro  LL.  6,  94.  Spärlicher 
sind  die  betreffeüden  Anzeichen  bei  Accius,  doch  deutlich  in  den  Bacchae 
und  im  Philocteta.  Auch  Pomponius  Secundus  (§  284,  7)  und  Seneca  hätten 
ihre  Chorpartien  ohne  den  Vorgang  der  Älteren  wohl  nicht  gedichtet 
(§  290,  3),  Horaz  (AP.  193)  nicht  so  ausführlich  über  die  Einrichtung  des 
Chors  gesprochen,  wenn  er  im  römischen  Drama  nicht  existiert  hätte.  Vgl. 
auch  über  einen  dexter  actor  Manil.  astr.  5,  485  aequäbit  choros  gestu. 
Phaedr.  5,  7,  25  tunc  chorus  ignotum  modo  reducto  canticum  insonuit,  cuius 
haec  fuit  sententia:  Laetare,  incolumis  Koma,  sdlvo  Principe.  Grysar,  d. 
canticum  u.  d.  Chor  in  der  röm.  Trag.,  Wien  1855  =  SBer.  Wien.  Ak.  15, 
365.  OJahn,  Herrn.  2,  227."  Ribbeck,  röm.  Trag.  637.  Reisch,  PW.  3,  1495. 
Vgl.  bes.  §  15. 

6.  Die  tragischen  Aufführungen  lösten  sich  in  der  Kaiserzeit  in  ihre 
Bestandteile  auf  und  entarteten  in  Soli  von  Virtuosen  (Sängern  und  Pan- 
tomimen). Über  die  Pantomimen  s.  oben  §  8,  13.  Wie  diese  im  Gebärden- 
spiel tragische  Szenen  wiedergaben,  so  trugen  die  Sänger  gleichfalls  in 
einem  der  Rolle  entsprechenden  Kostüm  tragische  Arien  vor.  Plin.  ep.  9,  34. 
Über  die  Liebhaberei  Neros  dafür  §  286,  9.  Vgl.  LPriedlandrr,  Sittengesch. 
28,  451.  633.  GBoissier,  de  la  signification  des  mots  cantare  et  saltare  tra- 
goediam,  Rev.  archeolog.  N.  S.  4  (1861),  333. . 

14.  Die  national-römische  Tragödie  ist  die  (fabula).  praetexta, 
die  in  Ermangelung  eines  einheimischen  Heroenm vthns  Jhistorisch,^ 
Stoffe  behandelte  und  wohl  durchweg  von  solchen  Dichtern  bear- 
beitet  wurde,  die  auch  Tragödien  mit  griechischem  Stoffe  und  nach 
griechischen  Originalen  verfaßten.  So  Naevius  (Clastidium^  Ro- 
mulus),  Ennius  (Ambracia,  Sabinae),  Pacuvius  (Paullus),  Accius 
(Aeneadae  s.  Decius,  Brutus),  Baibus  ein  Iter  ad  Lentulum;  für 
das  Lesen  Pomponius  Secundus  (Aeneas),  Curiatius  Maternus  einen 
Domitius  und  Cato.  Auch  die  Octavia  gibt  sich  als  eine  praetexta. 
Form  und  Charakter  der  praetexta  war  der  Tragödie  nachgebildet; 
die  Verschiedenheit  des  Stoffes  berechtigt  nicht  dazu  eine  besondere 
Gattung  aus  ihr  zu  machen.  Sie  war  eine  künstliche  Schöpfung, 
die  es  nie  zu  wirklichem  Leben  gebracht  hat. 

1.  Die  Form  praetexta  haben  Asinius  Pollio  (bei  Cic.  ep.  10,  32,  3.  5). 
Horatius  (AP.  288),  Probus  (vita  Persii,  p.  237  Jahn),  Festus  (223;  vgl.  352); 
bei  den  späteren  Grammatikern  herrscht  der  Name  praetextata  vor. 

2.  Diomedes  GL.  1,  489  (p.  59  Kb.)  prima  species  est  togatarum  (der 
nationalen  Dramen)  quae  praetextatae  dicuntur,  in  quibus  imperatorum  ne- 
gotia  agebantur  et  publica  et  reges  Homani  vel  duces  inducuntur,  personarum 


§  14.  Die  Praetexta  23 

dignitate  et  sublimitate  tragoediis  similes.  praetextatae  autem  dicuntur,  qiiia 
fere  regum  vel  magistratuum,  qui  praetexta  utuntur,  in  eiusmodi  fäbidis  acta 
comprehenduntur.  (Vgl.  praetextati  in  magistratibus,  in  sacerdotiis ,  bei  Liv. 
34,  7.  Auch  Non.  541).  Diomed.  aO.  490  (p.  60  Kb.)  togata  praetextata  a 
tragoedia  differt,  quod  in  tragoedia  heroes  inducuntur,  .  .  in  praetextata 
autem  . .  Brutus  vel  Decius,  item  Marcellus  (§  94,  6).  Manit,.  5,  483  (dexter 
•actor)  magnos  heroas  aget  civisque  togatos.  Donat.  de  com.  6,  1  tragoedia, 
si  Latina  argumentatio  sit,  praetexta  dicitur.  Euanth.  de  com.  4,  1  prae- 
textatas,  a  dignitate  personarum  tragicarum  ex  Latina  historia.  Lydus  de 
mag.  1,  40  (die  Tragödie)  t^vstai  sig  y.Qr\7ti8ccxav  (§  13,  3.  Donat.  Ter.  Ad. 
prol.  7)'  xca  TtQaLts^xdtav  <x>v  f]  (ihr  xQvmdcircc  kXXr\viv,ag  %%st  vitoftiüBig ,  r\ 
■öl  itQcuxet-xdxa  (xüftcdWg.  Jedoch  nennt  Tacitus  dial.  2  (vgl.  Plaut.  Amphitr. 
prol.  41.  93.  Capt.  62)  den  Cato  des  Curiatius  Maternus  tragoedia:  prae- 
texta war  im  Grunde  eine  rein  gelehrte  Bezeichnung.  Die  praetextae  meint 
mit  seinen  togatae  Sen.  ep.  1,  8,  8;  s.  §  17,  1.  Aufführung  der  praetextae 
vielleicht  bei  ludi  triumphales  (GRöper).  Benutzung  einzelner  Partien  aus 
griech.  Tragödien  ist  so  wenig  auszuschließen  als  bei  den  Togaten  (unten 
§  17)  eine  solche  von  Einzelheiten  aus  der  neuen  attischen  Komödie.  Be- 
nutzung von  Prätexten  bei  Livius  zB.  bei  der  Eroberung  von  Veji  5,  21 
(vgl.  daselbst  §  8  liaec  ad  ostentationem  scaenae  gaudentis  miraculis  aptiora, 
s.  Ribbeck,  RhM.  36,  321)  ist  öfter  grundlos  behauptet  worden,  so  noch  von 
Soltau,  Die  Anf.  d.  röm.  Geschichtschr.,  Lpz.  1909,  21.  Vgl.  Gubernatis, 
Riv.  Fil.  40,  444.  Auf  eine  praetexta  führte  man  auch  das  schöne  pompe- 
janische  Wandgemälde  zurück  (abg.  Mus.  Borbon.  1,  34.  Visconti,  iconogr. 
rom.  3,  56),  das  man  auf  die  von  Scipio  und  Masinissa  umgebene  sterbende 
Sophoniba  deutete;  s.  OJahn,  der  Tod  der  Sophoniba,  Bonn  1859.  Reiffer- 
«cheid,  JB.  23,  265.  Aber  diese  Deutung  ist  keineswegs  sicher;  Bernoulli, 
Röm.  Ikonogr.  1,  56.  —  Sammlung  der  Überreste  der  praetextae  bei  Ribbeck, 
trag.3  319.  Vgl.  Welcker,  die  griech.  Trag.  (1841)  1344..1388.  1402.  Boissier 
RPh.  17,  101.    ASchoene,  das  histor.  Nationaldrama  der  Römer,  Kiel  1893. 

15.  Unter  den  Arten  der  Komödie  (vgl.  §  12)  ist  die  früheste 
die  JjijUJjgiigb>  d.  h.  die  nach  griechischen  Vorbildern  gearbeitete 
und  in  Griechenland  spielende.  Sie  beherrscht  das  ganze  sechste 
Jahrh.  d.  St.  Zu  ihr  gehören  Andronicus,  Naevius,  Plautus,  Ennius, 
Trabea;  Atilius,  Licinius  Imbrex,  Iuventius,  Statius  Caecilius,Luscius 
Lanuvinus,  Terentius,  Plautius,  Turpilius.  Diese  Namenfolge  stellt^ 
soweit  die  einzelnen  Dichter  kenntlich  sind,  einen  Fortschritt  dar 
in  Verfeinerung  der  Form,  damit  aber  zugleich  eine  Abnahme  der 
Selbständigkeit  gegenüber  den  griechischen  Originalen,  die  fast 
durchweg  der  neueren  attischen  Komödie  angehörten.  Die  älteren 
Palliatendichter  suchten  (auch  durch  allerlei  Zutaten,  örtliche,  zeit- 
liche, vergröbernde)  ihre  auf  ein  attisches  Publikum  berechneten 
Stücke  wenigstens  einigermaßen  dem  Volksgeschmacke  anzupassen; 
die  späteren,  wie  Terenz,  verschmähten  dies,  verloren  aber  darüber 


24  Sachlicher  Teil 

die  Fühlung  mit  dem  Volke ,  das  sich  lustigeren  Gattungen  zu- 
wandte, den  Togaten,  Atellanen  und  Mimen.  Infolgedessen  erlosch 
die  Produktion  von  Palliaten  und  die  Bühne  mußte,  wenn  sie  solche 
aufführen  wollte,  auf  die  ältere  Literatur  zurückgreifen.  So  er- 
hielten sich  besonders  die  Stücke  des  Plautus  noch  einige  Zeit  auf 
der  Bühne  (vgl.  §  99).  Was  die  Kaiserzeit  in  dieser  Gattung  her- 
vorbrachte, wie  die  Stücke  des  Vergilius  Romanus  und  M.  Pompo- 
nius  Bassulus,  blieb  auf  enge  Kreise  beschränkt  und  ohne  Wirkung. 

1.  Diomedes  GL.  1,  489  Graecas  fabufas  ab  habitu  palliatas  Varro  ait 
nominari.  Plaut.  Cure.  288  isti  Graeci  palliati  etc.  Pallium  graecanicum 
(Suet.  dorn.  4)  =  liidxLov  bllr\viY.6v  (Lukian.  merc.  cond.  25).  Sen.  controv. 
9,  26,  13  cum  Latine  declamaverant,  toga  posita  sumpto  pallio  . .  Graece 
declamabant.  Auch  wurde  die  Palliata  schlechtweg  comoedia  genannt  und 
ihre  Dichter  comici  (Ritschl,  Parerga  189).  So  Diomed.  GL.  1,  490  togata 
tabernaria  a  comoedia  differt,  quod  in  comoedia  Graeci  ritus  indueuntur 
personaeque  Graecae  . , ,  in  illa  vero  Latinae  ....  Terentius  et  Caecilius  co- 
moedias  scripserunt.  Ebenso  Fronto  ep.  p.  54  u.  211  Nab.  (comoedias,  Atel- 
lanas).  106  (sententias  comes  ex  comoedis)  u.  a.  Aber  wenn  Quint.  11,  3,  178 
als  maximos  actores  comoediarum  seiner  Zeit  den  Deinetrius  und  Stratokies- 
nennt,  so  scheint  er  griechische  Schauspieler  zu  meinen. 

2'.  Die  alte  attische  Komödie  war  zu  eng  mit  ihrer  Zeit  verwachsen,  als< 
daß  sie  sich  für  eine  andere  Nation  und  Zeit  zur  Nachbildung  geeignet 
hätte  (über  den  Nachahmer  der  altattischen  Komödie  Vergilius  Romanus» 
h.  §  332,  7).  Die  mittlere  Komödie  hatte  keine  starke  Nachwirkung  (Legrand. 
Daos  19)  und  war  allmählich  und  fast  unmerklich  in  die  neue  übergegangen. 
Diese  war  den  Römern  zeitlich  die  nächste,  im  sechsten  Jahrh.  d.  St.  allein 
noch  auf  der  Bühne,  und  durch  ihre  typische  Charakterzeichnung  und  all- 
gemein menschliche  Haltung  für  die  Übertragung  auf  fremden  Boden  einiger- 
maßen geeignet.  Von  ihren  Vertretern  wiederum  betonte  besonders  Menander 
das  allgemein  Menschliche,  dann  auch  Diphilos  und  Philemon,  die  aber  der 
Posse  näher  blieben,  andere  bei  Gell.  2,  23,  1  comoedias  lectitamus  nostrorum 
poetarum  sumptas  ac  versas  de  Graecis,  Menandro  aut  Posidippo  auL-Apol- 
lodoro  aut  Alexide  et  quibusdam  item  aliis  comicis.  Doch  fehlten  Anspielun- 
gen auf  Zeitgenössisches  auch  in  der  neueren  Komödie  nicht  ganz,  die  von. 
den  Römern  z.  T.  übernommen,  z.  T.  durch  Hinweise  auf  Römisches  ersetzt 
wurden.  Dietze,  de  Philemone  10.  Im  ganzen  aber  ist  das  Kolorit  der  Pal- 
liatae  griechisch,  vgl.  §  98,  4.  Leo  PF.  87.  Legrand,  Daos  55.  Bugge,  de 
causis  neglectae  comoediae  veteris  et  mediae,  Christiania  1823. 

3.  Die  Äußerung  des  M.  Aurel.  11,  6  77  via  xo^köicc  nobg  xl  note 
iKxQEilrpttcci,  f)  %av  öliyov  inl  xr\v  £%  /u/xrjtffeas  cpilor£%viav  VTtsQQvr]  bezieht 
sich  nicht  auf  die  römische  Palliata.  Wohl  nur  Stilübung  war  der  Versuch 
des  Surdinus,  ingeniosus  adulescens  (in  der  augusteischen  Zeit,  §  268,  6),  a  quo- 
Graecae  fabulae  eleganter  in  sermonem  Latinum  conversae  sunt  (Sen.  suas. 
7,  12).  Comoedias  audio  bei  Plin.  ep.  5,  3,  2  ist  wohl  von  rezitierten  (wie  de& 
Vergilius  Romanus)  zu  verstehen.  Über  die  Spuren  von  Komödienauffüh- 
rungen in  der  späteren  Kaiserzeit  s.  Friedländer,  Sittengesch.  Roms  28,  632„ 


§  15.  16.  Die  Palliata  2b 

4.  Eine  sonderbare  Rangliste  der  Palliatendichter  (Caecilius  Statius, 
Plautus,  Naevius,  Licinius,  Atilius,  Terentius,  Turpilius,  Trabea,  Luscius, 
Ennius)  von  Volcacius  Sedigitus  bei  Gell.  15,  24,  s.  §  147,  3. 

5.  Die  Überreste  der  Palliatendichter  (außer  Plautus  und  Terenz)  bes. 
bei  ORibbeck,  Comicorum  rom.  .  .  fragtn.  Lips.3  1898.  ASpengel,  die  lat. 
Komödie  (Rede),  München  1878  (Bayr.  Akad.). 

16.  Aus  der  neuen  Komödie  nahm  die  Palliata  nicht  nur  den  all- 
gemeinen Geist  des  späteren  überfeinerten  Hellenentums  und  dessen 
sittliche  Lässigkeit  und  Leichtfertigkeit,  sondern  auch  im  Ein- 
zelnen Handlung,  Charaktere,  Aufbau  und  Form.  Diese  Anlehnung 
erstreckte  sich  selbst  auf  Kleinigkeiten,  zB.  auf  Prolog  und  Epilog. 
Weder  die  geschilderten  Zustände  noch  die  herrschende  Moral  oder 
Morallosigkeit  paßten  in  das  Born  Scipios  und  Catos,  und  schon 
deshalb  mußte  die  Palliata  dort  ein  Fremdling  bleiben.  Da  sie  einen 
Chor  so  wenig  kennt  wie  die  neue  Komödie,  so  zerfällt  das  einzelne 
Stück  in  gesprochene  Partien  (diverbia)  und  gesungene  oder  musi- 
kalisch begleitete  (cantica).  Der  Dialog  ist  meist  im  iambischen 
Senar  gehalten,  aber  auch  in  iambischen  und  trochäischen  Lang- 
versen; für  die  cantica  sind  Anapästen,  Kretiker  und  Bacchien  be- 
sonders häufig  verwendet  worden.  Alle  diese  Verse  werden  mit 
zahlreichen  und  starken,  aber  fest  geregelten  Zugeständnissen 
an  die  lateinische  Aussprache  übernommen.  Der  Vortrag  war  in 
Anlehnung  an  die  griechische  Sitte  teils  Deklamation  (ohne  Musik- 
begleitung) teils  Gesang  teils  Rezitativ;  die  beiden  letzteren  Arten 
waren  von  der  tibia  begleitet.  Masken  hatten  die  Schauspieler  wohl 
erst  nach  der  Zeit  des  Terenz. 

1.  Schilderung  der  neueren  Komödie  bei  Legrand,  Daos,  Paris  1910, 
vWilamowitz  JJ.  1899,513;  der  Palliata  bes.  bei  Leo,  LG.  1,96.  Ribbeck, 
röm.  Dicht.  1,  57.  Der  Kreis  der  Motive  wie  der  Charaktere  in  der  neueren 
Komödie  war  überaus  eng,  und  so  monoton  das  Leben  im  hellenistischen 
Athen  sein  mochte,  so  schöpfte  sie  es  doch  bei  weitem  nicht  aus.  Die  Liebe 
eines  Jünglings  zu  einer  Hetäre,  die  Mittel,  die  er  anwendet,  um  in  ihren 
Besitz  zu  gelangen,  die  Auffindung  ihrer  Eltern  und  ihre  Restitution  ins 
bürgerliche  Leben  kehren  immer  wieder.  Daher  bildet  der  aus  der  Tragödie 
stammende  ärayvoagiö^og  meist  die  Lösung  des  Knotens.  PHoffmann,  de 
anagnorismo,  Bresl.  1910.  Stehend  ist  auch  die  Intrigue,  die  dem  verliebten 
Jünglinge  zu  der  Geldsumme  verhelfen  soll,  deren  er  zum  Loskauf  seiner 
Geliebten  aus  den  Händen  des  grausamen  aber  glücklicherweise  dummen 
Leno  bedarf;  eingeleitet  wird  sie  bisweilen  von  einem  Parasiten,  meist  aber 
von  einem  verschlagenen  und  selbst  den  schwierigsten  Situationen  gewach- 
senen Sklaven;  gerade  diese  Rolle  wurde  mit  vieler  Liebe  und  großem  Ge- 
schick ausgestaltet.  KWeissmann,  de  servi  currentis  persona,  Gießen  1911. 
Die  oft  recht  XDlatte  Lebensweisheit  berührt  sich  manchmal  mit  den  Lehren 


26  Sachlicher  Teil 

der  zeitgemäßen  Philosophie,  deren  Einfluß  aber  nicht  überschätzt  werden 
darf.  FRanke,  Periplecomenus  (de  Epicuri  Peripateticorum  Aristippi  vesti- 
giis),  Marb.  1900.  Die  Hauptcharaktere  sind  sorgliche  Väter,  leichtsinnige 
Söhne,  listige  Sklaven,  geld-  und  liebehungrige  Hetären,  gemeine  Kuppler, 
plumpe  und  aufschneiderische  Kriegsmänner,  hungerleiderische  Parasiten. 
Manil.  5,  472  ardentis  iuvenes  raptasque  in  amore  pucllas  elusosque  senes 
-agilesque  per  omnia  servos.  Quint.  11,  3,  178  (§15,  1)  alter  deos  et  iuvenes 
et  bonos  patres  servosque  et  matronas  et  graves  anus  optime,  alter  acres  senes, 
■callidos  servos,  parasitos,  lenones  et  omnia  agitatiora  melius.  Apul.  flor.  10, 
p.  24, 15  H.  et  leno  perlurus  et  amator  fervidus  et  servulus  callidus  et  amica  in- 
ludens  et  uxor  inhibens  et  mater  indulgens  et  patruus  obiurgator  et  sodalis  opi- 
tulator  et  miles  proeliator,  sed  et  parasiti  edaces  et  parentes  tenaces  et  meretrices 
jprocaces.  Isidor.  origin.  18,  46  comoedl  sunt,  qui  privatorum  hominum  acta 
dictis  ae  gestu  canebant  atque  stupra  virginum  et  amores  meretricum  in  suis 
fabulis  exprimebant.  Vgl.  die  Übersicht  bei  Legrand  64 — 234.  Die  Wiederkehr 
der  gleichen  Fabeln  und  Personen  beruht  u.  a.  auf  der  raschen  Arbeit  der 
Dichter,  die  eine  erstaunliche  Produktivität  entfalteten :  von  Menander  hatte 
man  105,  von  Diphilos  100,  von  Philemon  97  Stücke,  und  diese  glichen  sich 
bisweilen  wie  ein  Ei  dem  anderen.  Legrand,  Daos  300.  Die  Schnelligkeit 
der  Arbeit  hatte  viele  Nachlässigkeiten  der  Komposition  und  Widersprüche 
im  Gefolge,  welche  die  moderne  Kritik  in  den  Stücken  des  PI.  und  Ter. 
gern  aus  Kontamination  erklärt.  Dazu  kam  das  Streben  nach  possenhaften 
Wirkungen,  das  wohl  schon  in  manchen  Originalen  alle  Konsequenz  über 
den  Haufen  rannte  und  solche  Stücke  wie  Centonen  erscheinen  ließ,  in  denen 
sich  (wie  in  modernen  Gesangspossen  und  Operetten)  die  verschiedensten 
älteren  Motive  ein  Rendezvous  geben.  Vgl.  §  97,  14.  Über  die  Personen- 
namen der  Komödie  s.  Donat.  ad.  Ter.  Ad.  L,  1, 1  und  Andr.  1,  3,  21.  Ritschl, 
op.  3,  303.  333.  350.  KSchmidt  Herrn.  37,  173  ff.  Merkwürdigerweise  verän- 
dern Plautus  und  Terenz  die  Personennamen  des  Originales,  und  Plautus 
bildet  viele  frei  und  phantastisch,  z.  T.  in  der  Art  der  alten  Komödie  (Poly- 
machaerophagides,  Pyrgopolinices). 

2.  Euanth.  de  com.  4,  4  comoediae  motoriae  sunt  aut  statariae  aut  mix- 
tae.  motoriae  turbulentae,  statariae  quietiores,  mixtae  ex  utroque  actu  con- 
sistentes.  Nach  dieser  (freilich  für  uns  nicht  verbindlichen)  Einteilung  fallen 
die  Plautinischen  so  ziemlich  alle  den  motoriae  zu  (doch  zB.  Capt.  und  Trin. 
den  statariae),  von  Terenz  die  meisten  den  mixtae,  Phormio  den  motoriae, 
Heautontim.  den  statariae  (Heaut.  prol.  36).  Darnach  wurden  auch  die  Schau- 
spieler (vgl.  Donat.  zu  Ter.  Ad.  prol.  24  nebst  Quintil.  11,  3, 178)  und  weiter- 
hin die  Redner  (Cic.  Brut.  116.  239)  in  statarii  und  motorii  eingeteilt.  Dem 
Inhalt  nach  sind  die  Stücke  entweder  Charakterstücke  (zB.  des  Plautus  Aul., 
allenfalls  auch  zB.  Mil.  Truc.)  oder  ganz  besonders  Intriguenstücke  (zB. 
Bacch.  Pseud.  Pers.  Poen.)  mit  mancherlei  Übergängen  und  Abarten  und 
starkem  Eindringen  von  Situationskomik,  die  sich  besonders  bei  Plautus 
überall  breit  macht.  Haile,  The  clown  in  greek  literature  after  Aristo- 
phanes.  Princeton  1913.  Die  Einheit  des  Ortes  und  der  Zeit  wird  auch  auf 
JKosten  der  Wahrscheinlichkeit  inne  gehalten;  das  Ärgste  ist,  daß  Gelage, 
Wochenbett,  Toilette  und  Liebesszenen  auf  der  Straße  stattfinden,  was  Bethe, 
Proleg.  zur  Gesch.  des  Theaters  311.    Landström  Eranos  1,  95  mit  Unrecht 


§  16.  Die  Palliata  27 

leugnen;  vgl.  Polcyzk,  de  unitatibus  loci  et  temp.  in  nova  com.  observatis, 
Breslau  1909.    Legrand  a.  0.  420. 

3.  Diomedes  GL.  1,  491  Latinae  comoediae  chorum  non  habent,  sed  duobus 
membris  tantum  constant,  diverbio  et  cantico  (vgl  Ritschl,  op.  3,  34).  primis 
autem  temporibus,  sicuti  adserit  Tranquillus  (§  347),  omnia  quac  in  scena  ver* 
santur  in  comoedia  agebantur.  nam  et  pantomimus  et  pyihaules  et  choraules 
in  comoedia  canebant  (in  dieser  Form  verkehrt).  Allmählich  aber  habe  sich 
eine  Sonderung  von  histriones  (actores  comoediarum) ,  mimi  und  tibieines  voll- 
zogen. Vgl.  Liv.  7,  2,  10  inde  ad  manum  cantari  histrionibus  coeptum  diver- 
biaque  tantum  ipsorum  voci  relicta.  Übertreibend,  die  Notiz  in  den  glossae 
Salomonis  (Usener,  Sehr.  3,  37.  Com.  gr.  1,  72  Kb.):  apud  JRomanos  quoque 
JPlautus  comoediae  choros  exemplo  Graecorum  inseruit :  so  im  Rudens  290 — 305 
den  Fischerchor,  ein  deutliches  Rudiment  des  zur  Füllung  des  Zwischenaktes 
benutzten  Chores  (Koerte  Herrn.  43,  299),  an  den  eine  Erinnerung  in  Plaut. 
Bacch.  107.  Ter.  Haut.  171  vorliegt.  Leo  Herrn.  46,  292.  Skutsch  ebd.  47, 
141.    Flickinger,  Class.  Phil.  7,  24.    Vgl.  A.  7. 

4.  Die  alte  attische  Komödie  verwandte  selten  mehr  als  drei  Schau- 
spieler; s.  AMüller,  gr.  Bühnenaltertümer  176.  Kelley  Rees,  the  so-called 
Rule  of  three  Actors,  Chicago  1908.  In  der  neueren  scheint  aber  nach  Weg- 
fall des  Chors  jene  Zahl  häufiger  überschritten  worden  zu  sein;  vgl.  Euan- 
thius  de  com.  2,  2:  ad  ultimum  qui  primär  um  partium,  seeundarum  tertia- 
rumque,  qui  quarti  loci  atque  quinti  actores  essent  distributum  et  divisa 
quinquepartito  actu  est  tota  fabula.  In  Rom  waren  die  Dichter  in  der  Zahl 
ihrer  Schauspieler  noch  weniger  beschränkt.  Diomed.  aO.  491  in  Graeco 
dramate  fere  tres  personae  solae  agunt  .  .  .,  quarta  semper  muta:  at  Latini 
scriptores  complures  personas  in  fabulas  indroduxerunt ,  ut  speciosiores  fre- 
quentia  facerent.  Die  centum  chlamydes  aber,  die  bei  Hör.  E.  1,  6,  41  (clüa- 
mydes  Lucullus  .  .  centum  scenae  praebere  rogatus)  für  die  Bühne  entlehnt 
werden,  sind  sicher  nur  für  Choreuten  oder  Statisten  bestimmt.  Vgl.  §  13,  5. 
Ps.-Ascon.  zu  Cic.  div.  in  Caec.  48  Latinae  fabulae  per  pauciores  agebantur 
personas  (als  die  Palliaten),  ut  Atellanae,  togatae  et  huiusmodi  aliae.  Auf 
jene  altgriechische  Regel  spielt  an  Martial  6,  6:  comoedi  tres  sunt,  sed  amat 
tua  Paula,  Luperce,  quattuor:  et  xacpbv  Paula  tcq6cg)7zov  amat.  Unter  den 
Plautinischen  Stücken  ist  nur  bei  zweien  (Cist.  und  Stich.,  beide  jedoch  un- 
vollständig erhalten)  allenfalls  mit  drei  Schauspielern  auszukommen,  vier 
aber  (Capt.,  Epid.,  Merc,  Pseud.)  erfordern  mindestens  vier,  zehn  mindestens 
fünf  Schauspieler,  Poenulus  und  Rudens  aber  sechs.  Sieben  vermutet  für 
den  Trinummus  Ritschl  p.2LV.  Von  den  terenzischen  machen  Heaut.  und 
und  Hec.  fünf,  Ad.  und  Phorm.  sechs  Schauspieler  notwendig,  Andr.  und 
Eun.  sogar  noch  mehr.  Nicht  einmal  in  dem  engeren  Sinne,  in  dem  Horaz 
(AP.  192;  vgl  Diomed.  GL.  1,  491,  23),  von  der  griech.  Tragödie  ausgehend, 
im  Interesse  der  Einfachheit  vor  Szenen  mit  mehr  als  drei  redenden  Per- 
sonen warnt,  beschränken  sich  die  Palliatendichter;  s.  die  Aufzählung  bei 
FSchmidt  S.  4.  Im  einzelnen  ist  hier  vieles  nicht  auszumachen,  zB.  ob  eine 
bestimmte  Maximalzahl  der  Schauspieler  bestand  —  was  schwerlich  der 
Fall  war  —  (Steffen  aO.  meint  sieben),  wie  die  Verteilung  der  Schauspieler 
unter  eine  Mehrzahl  von  Rollen  stattfand  und  ob  gar  eine  Rolle  in  ver- 
schiedenen Akten  unter  mehrere  Schauspieler  verteilt  wurde,  um  ein  häufi- 


28  Sachlicher  Teil 

geres  Auftreten  der  besten  Schauspieler  zu  ermöglichen;  die  zur  Scheidung 
der  Personen  in  den  Hss.  verwendeten  griechischen  Buchstaben  haben  in 
keinem  Falle  mit  der  Schauspielerzahl  etwas  zu  tun.  FSchmidt,  d.  Zahl  der 
Schauspieler  bei  Plaut,  u.  Ter.,  Erl.  1870,  CSteffen,  de  actorum  in  fabulis 
Terent.  numero,  Acta  soc.  Lips.  2,  109.  HBosse,  quaest.  Terent.  (c.  II),  Lps. 
1874.  FSchöll,  JJ.  119,  41.  GHSchmitt,  qua  ratione  vet.  Terentii  fabula- 
rum  partes  distribuerint,  Festschr.  z.  Karlsruher  Philol.  Yers.  1882,  24. 
Nencini,  De  Terentio,  Livorno  1831.  Legrand,  Daos  366.  Hodermann,  Fest- 
schr. 40.    Philol.  Vers.,   Görl.  1889.    Vgl.  A.  8. 

5.  GHermann,  de  canticis  in  Rom.  fab.,  opusc.  1,  290.  BWolff  de  can- 
ticis  etc.,  Halle  1824.  Grysar  (§  13,  5  E.).  Übrigens  gibt  es  auch  Komödien 
ohne  eigentliche  cantica,  wie  Plaut,  mil.  glor.,  und  solche,  in  denen  sie  sehr 
spärlich  sind,  zB.  Asin.  Cure.  Merc.  öfters  trat  (so  in  Plautus'  As.  Bacch. 
Capt.  Cist.  Epid.)  die  Gesamtheit  der  im  Stück  beschäftigt  gewesenen  Schau- 
spieler als  caterva  mit  einem  Schlußwort  (in  troch.  Septenaren)  an  die  spec- 
tatores  am  Ende  des  Stückes  auf  (Fleckeisen,  JJ.  111,  547).  Vgl.  A.  3  und 
§  17,  5.  Als  C  (canticum  oder  cantio)  und  somit  von  Musik  begleitet  werden 
aber  in  den  Hss.  des  Plautus  nicht  nur  lyrische,  aus  freieren  oder  gemischten 
Maßen  bestehende  Szenen  bezeichnet,  sondern  auch  in  trochäischen  Septe- 
naren gehaltene;  dagegen  nur  die  in  iambischen  Senaren  durch  DV  als 
diverbia.  Ob  richtiger  deverbia?  s.  Dziatzko  und  Ribbeck  aO.  Dagegen 
Bücheler,  JJ.  103,  273.  Ritschl,  op.  S,  25.  Von  jenen  cantica  werden  die 
lyrischen  Partien  förmlich  gesungen  (Gesang  mit  Musikbegleitung),  die 
trochäischen  Septenarszenen  aber  rezitativisch  vorgetragen  worden  sein  (reci- 
tativo  aecompagnato ,  7CUQaxct%ccXoyr\ ,  Deklamation  im  Sington  mit  Musik- 
begleitung). Ritschl,  opusc.  3,  1,  ed.  Trin.2  p.  lvi.  Götz-Löwe  zu  PI.  Asin. 
p.  xm.  KDziatzko,  RhM.  26,  97;  JJ.  103,  819.  Berge,  op.  1,  192.  WChrist,. 
die  Parakataloge,  Abh.  d.  Bayr.  Ak.  13,  3,  29.  48;  Metrik2  676.  Ribbeck, 
röm.  Trag.  632.    Zielinski,   Gliederung  d.  att.  Korn.,  Lpz.  1885,  288.  313. 

6.  Ein  Musiker  lieferte  die  Begleitung  (modos  fecit),  so  zB.  für  Plautus 
Marcipor  Oppi,  für  Terenz  Flaccus  Claudi.  Über  die  Art  der  Musik  sind 
die  Hauptquelle  die  terenzischen  Didaskalien  (§109,  4):  darin  wird  die  im 
einzelnen  uns  unverständliche  Begleitung  erwähnt  als  erfolgt  tibiis  paribus 
oder  tibiis  imparibus  oder  tibiis  duabus  dextris  oder  tibiis  Sarranis  (tyri- 
schen,  Sarra  =  Tyrus).  Varr.  RR.  1,  2,  15  dextera  tibia  alia  quam  sinistra, 
ita  ut  tarnen  sit  quodam  modo  coniuneta,  quod  est  altera  eiusdem  carminis 
modorum  incentiva  (erste  Stimme),  altera  succentiva  (zweite  Stimme).  Diomed. 
aO.  p.  492,  9.  Donat.  praef.  Eun.  p.  266,  10  W.  u.  praef.  Adelph.  p.4,  25  W.r 
modulata  est  tibiis  dextris ,  i,  e.  Lydiis,  ob  seriam  gravitatem ,  qua  fere  in 
omnibus  comoediis  utitur  hie  poeta  (Ter.),  saepe  tarnen  mutatis  per  scaenam 
modis  cantata,  quod  significat  titulus  scaenae  Habens  subieetas  personis  litteras 
M.  M.  C.  (mutatis  modis  cantici  oder  mutantur  modi  cantici;  vgl.  Ritschl, 
op.  3,  39).  So  heißt  es  in  der  Didaskalie  des  Ter.  Heauton.:  acta  primum 
tibiis  imparibus,  deinde  duabus  dextris.  Donat.  de  com.  8,  11  agebantur 
tibiis  paribus  et  imparibus,  id  est  dextris  aut  sinistris.  dextrae  autem  tibiae 
sua  gravitate  seriam  comoediae  dictionem  praenuntiabant,  sinistrae  [Serranae] 
acuminis  levitate  iocum  in  comoedia  ostendebant ;  ubi  autem  dextra  et  sinistra 
<acta  fabulainscribebatur,mixtim  ioci  et  gravitates  denuntiabantur.  Vgl.  Dziatzko, 


§  16.  Die  Palliata  29 

RhM.  20,  594.    Grysar   aO.  376.    EBruner,   quaest  Terent.,   Helsingf.  1868.' 
vJan,  JJ.  119,  591,  21.    Howard,  Harv.  St.  4  (1893). 

7.  In  der  alten  attischen  Komödie  wurden  die  Pausen  in  der  Handlung 
durch  Chorlieder  bezeichnet  und  ausgefüllt,  doch  gab  man  diese  allmählich 
auf  (AMüller,  Bühnenaltertümer  342.  Koerte,  JJ.  5  [1900]  81),  und  in  der 
neueren  Komödie  vertrat  wohl  in  der  Regel  ihre  Stelle  der  avXr\tr\q.  Vgl. 
PLAut.  Ps.  573  tibicen  vos  interibi  hie  delectaverit.  Daneben  hielten  sich  aber 
Gesangseinlagen  als  Zwischenaktsmusik;  s.  A.  3  E.  So  ergab  sich  eine  Ein- 
teilung in  Akte,  ohne  daß  eine  bestimmte  Anzahl  derselben  erforderlich 
gewesen  wäre,  wie  denn  auch  Aristoteles  darüber  schweigt.  Auch  in  der 
lateinischen  Komödie  überließ  der  Dichter  die  Einschaltung  der  nötigen 
oder  wünschenswerten  Pausen  wenigstens  teilweise  der  Regie  (vgl.  Donat. 
Eun.  p.  266,  1.  Ad.  p.  4,  7);  im  allgemeinen  ergaben  sie  sich  daraus,  daß 
die  Bühne  leer  blieb,  von  selbst.  Daher  enthielten  weder  die  ursprünglichen 
Hss.  des  Plautus  und  Terenz  eine  Einteilung  in  Akte,  noch  ist  in  den  auf 
uns  gekommenen  Handschriften  eine  Spur  davon.  Aber  im  Prolog  des 
L.  Ambivius  (§  16,  14)  zu  Ter.  Hec.  39  kann  primo  actu  placeo  nicht,  wie 
man  behauptet,  in  prima  fabula  sein,  sondern  muß  wirklich  den  ersten  Akt 
bezeichnen.  Seit  hellenistischer  Zeit  wird  die  Einteilung  des  Dramas  in 
5  Akte  (iidgri)  von  Grammatikern  vorausgesetzt  und  zB.  von  Varro  erwähnt 
(Donat.  praef.  Hec.  p.  192,  7)  der  auch  bildlich  von  Akten  spricht  (RR.  1,  26 
quartus  actus;  2,  5,  2  seeundus  actus;  3,  17,  1  tertius  actus;  ebenso  Cic.  ad. 
Qu.  fr.  1,  1,  46  tamquam  poetae  boni  et  actores  industrii  sölent,  sie  tu  in 
extrema  parte  (=  pegei)  . .  .  diligentissimus  sis,  ut  hie  tertius  annus  imperii 
tui  tamquam  tertius  (actusy  perfectissimus  atque  ornatissimus  fuisse  videa- 
tur,  vgl.  Apul.  flor.  16,  p.  24,  21  H.  cum  iam  in  tertio  actu,  quod  genus  in 
comoedia  fieri  amat,  iueundiores  adfectus  moveret.  Von  der  Fünf  zahl  der 
Akte  als  einem  Erfordernisse  des  Dramas  spricht  bestimmt  Horaz  AP.  189 
neve  minor  neu  sit  quinto  produetior  actu.  Donat  klagt  wiederholt  über  die 
Schwierigkeit  der  Akteinteilung.  Vgl.  Euanth.  de  com.  3,  1  postquam  otioso 
tempore  fastidiosior  speetator  effectus  est  et  tum,  cum  ad  cantores  ab  actoribus 
fabula  transibat,  consurgere  et  abire  coepit,  res  admonuit  poetas  ut  primo 
quidem  choros  toller ent  locum  eis  relinquentes ,  ut  Menander  fecit  .  .  . :  pos- 
tremo  ne  locum  quidem  reliquerunt,  quod  Latini  fecerunt  comici,  unde  apud 
illos  dirimere  actus  quinquepartitos  difficile  est.  Auch  die  nicht  seltene  Un- 
zweckmäßigkeit  der  bei  den  Grammatikern  überlieferten  Akteinteilungen 
beweist  ihren  späteren  Ursprung.  Vgl.  Steffen  (A.  4  E.)  p.  147.  Im  allgem. 
s.  Donat.  arg.  Andr.  p.  38,  21  W. :  est  attente  animadvertendum,  ubi  et  quando 
scaena  vacua  sit  ab  omnibus  personis,  ita  ut  in  ea  chorus  vel  tibicen  obaudiri 
possint;  quod  cum  viderimus,  ibi  actum  esse  fmitum  debemus  agnoscere.  Fünf 
Akte  als  das  Regelmäßige  setzt  auch  voraus  Donat.  zu  den  Ad.  p.  4,  7W. : 
hoc  etiam  ut  cetera  huiusmodi  poemata  quinque  actus  habeat  necesse  est,  und 
zur  Hec.  p.  189,  15  W. :  divisa  est  ut  ceterae  quinque  actibus  legitimis.  Bei 
dieser  Einteilung  enthält  der  erste  Akt  gewöhnlich  die  Auseinandersetzung 
(%QÖxa6t,s),  im  Akt  II  bis  IV  wird  der  Knoten  geschürzt  und  die  Verwick- 
lung herbeigeführt  [iTtitccGig) ,  im  fünften  erfolgt  die  Lösung  (xccTa6TQocpri). 
Victorin.  Gl.  6,  78,  29  haec  per  medios  actus  varie,  rursus  in  exitu  fabula- 
rum  usw.  Aber  die  Betrachtung  der  Stücke  selbst  führt  selten  auf  mehr  als 


30  Sachlicher  Teil 

drei  Akte.  Ritschl,  opusc.  2,  354.  WSchmitz,  de  actuum  in  Plaut,  fab. 
discriptione ,  Bonn  1852.  EBruner,  quaest.  Terent.  (1868)  20.  Leo,  PF.  226. 
Legrand,  Daos  464.  Keym,  de  fabb.  Terenti  in  actus  dividendis,  Gießen  1911. 
Über  die  metrische  und  musikalische  Komposition  der  einzelnen  Akte  ASpengel,, 
d.  Akteinteilung  d.  Kom.  d.  Plaut.,  Münch.  1877. 

8.  Die  Einteilung  in  Scenen  findet  sich  in  allen  Handschriften  des 
Plautus  und  Terenz  regelmäßig,  da  Namenüberschriften  der  jedesmal  spre- 
chenden Personen  unentbehrlich  waren.  Die  sprechenden  Personen  werden 
innerhalb  der  Szenen  in  den  Hss.  gewöhnlich  mit  den  Anfangsbuchstaben 
ihres  Namens  bezeichnet:  manchmal  aber  auch  der  Abkürzung  wegen  nur 
mit  einzelnen  griechischen  Buchstaben,  zu  deren  Verständnis  den  Schlüssel 
die  Szenenüberschrift  gibt,  die  neben  dem  Namen  den  betreffenden  Buch- 
staben verzeichnet.  So  stellenweise  im  cod.  vet.  (B)  des  Plautus  (§  99,  7; 
am  vollständigsten  im  Trin.)  und  am  meisten  durchgeführt  im  Bembinus 
und  Victorianus  des  Terenz  (§109,  2).  Ritschl,  op.  2,  294.  365;  ed.  Trin.2 
p.  lv  u.  a.  (Teuffel,  JJ.  105,  108.  CSteffen  [A.  4]  116.  150.  WWagner, 
JB.  1,  446)  haben  mit  Unrecht  angenommen,  daß  diese  Buchstaben  drama- 
turgische Bedeutung  hätten,  auf  die  Rollenverteilung  unter  die  Schauspieler, 
auf  die  Bedeutung  der  Rollen  als  Haupt-  und  Nebenrollen  hinwiesen  usw. ; 
s.  Leo  zu  Sen.  trag.  1  p.  85.  —  ASpengel,  Szenentitel  in  d.  lat.  Kom., 
Münch.  SBer.  1883,  257. 

9.  Als  Ersatz  für  vorgenommene  Kürzungen  des  Originals  und  zur  Er- 
höhung der  stofflichen  Anziehungskraft  eines  Stückes  nahmen  schon  Naevius, 
Plautus  (vgl.  Götz,  act.  soc.  Lips.  6,  310.  316),  Ennius  und  nach  deren  Vor- 
gang auch  Terenz  (Andr.  prol.  18)  aus  einem  griechischen  Stücke  verwandten 
Inhalts  einzelne  Szenen  in  das  von  ihnen  bearbeitete  herüber,  was  Luscius 
(§  107,  5)  tadelnd  contaminare  nannte  (s.  Andr.  prol.  16.  Heaut.  prol.  16). 
Dieses  derbe  Verfahren,  das  nur  durch  die  Gleichheit  des  Milieus  und  die 
Ähnlichkeit  der  Handlung  in  den  benutzten  Originalen  ermöglicht  wurde, 
schädigte  um  den  Gewinn  wirksamer  Einzelheiten  oft  genug  die  Komposi- 
tion des  Ganzen  und  verursachte  besonders  bei  Plautus  (§  98,  2)  mancherlei 
unausgeglichene  Widersprüche.    Legrand,  Daos  348.    Vgl.  §  98,  2. 

10.  Der  Prolog  enthielt  der  Regel  nach  die  Ankündigung  der  Namen 
und  Darlegung  des  Inhalts  des  Stückes  (Ter.  Andr.  prol.  5);  bei  Stücken 
mit  verwickelten  Voraussetzungen,  besonders  denen  mit  ccvctyvmQioig,  er- 
zählte er  die  Vorgeschichte.  Er  wurde  aber  auch,  wie  die  Parabase  in  der 
alten  Komödie,  zur  Erörterung  persönlicher  Anliegen  des  Dichters  benützt. 
Donatus  de  com.  p.  69,  201  Kb.  unterscheidet  daher  vier  Arten:  6v6taTiti6g, 
commendaticius ;  irtiriiiriTixog,  relativus;  <5*(><xfi<rnxds,  argumentativus ;  juntrog, 
mixtus.  Alle  diese  Gattungen  sind  im  Drama  des  5.  Jahrh.  bereits  vorge- 
bildet, namentlich  auch  die  Erzählung  der  Vorfabel  durch  einen  Gott.  Der 
cvöratiTcog  bzw.  i7tixL^,7\tiY.6g  des  Terenz  und  seiner  Gegner  (WMeter,  quaest. 
Ter.  62)  war,  wie  ein  anonymes  Komödienfragment  zeigt  (Kaibel  Gott. 
Gel.  Nachr.  1899,  549.  Reitzenstein  ,  Herrn.  35,  622),  schon  in  der  rsa  vor- 
handen und  nicht  erst  eine  Erfindung  des  Terenz.  Die  manchmal  etwas 
aufdringliche  Deutlichkeit  der  plautinischen  Prologe  rechnet  mit  der  Be- 
griffsstutzigkeit des  römischen  Publikums;  PI.  wird  hier  den  Wortlaut  der 
Originalprologe  erweitert  haben.    Vorgetragen   wurde  der  Prolog  unkostü- 


§  16.  Die  Palliata  31 

miert  (sine  omamentis,  Plaut.  Poen.  prol.  123,  =  ornatu  prologi,  Ter.  Hec. 
prol.  B,  1)  von  einem  Schauspieler,  der  nicht  gleich  zu  Anfang  des  ersten 
Akts  aufzutreten  hatte  (Umkleidung ,  Poen.  prol.  126;  Ausnahmen  bei 
Ritschl  Parerg.  19),  oder  vom  dominus  gregis  (wie  bei  Terenz  öfters).  Doch 
steht  er  nicht  immer  vor  dem  ersten  Akt  (Plaut,  mil.  2,  2.  Cist.  1,  3;  vgl. 
Donat.  praef.  Phorm.  p.  347,  2W.)  und  kann  auch  überhaupt  fehlen  (Plaut. 
Cure).  Für  neue  Aufführungen  eines  Stückes,  auch  nach  dem  Tode  des  Ver- 
fassers, wurden  neue  Prologe  gedichtet  oder  die  alten  umgearbeitet,  wovon 
sich  in  den  plautinischen  Spuren  finden.  Vgl.  §  99,  2.  Leo,  PF.  188. 
Legrand  490. 

11.  Die  7tQo6cona  TtQorati^d  dienen  vorzugsweise  zur  Erleichterung  der 
Exposition,  auf  die  man  überhaupt  (da  kein  Theaterzettel  dem  Verständnis- 
des  Zuschauers  zu  Hilfe  kam)  besondere  Sorgfalt  verwandte.  Donat.  arg. 
Andr.  p.  36,  17W. :  persona  protatica  ea  intellegitur ,  quae  semel  indueta  in, 
prineipio  fdbulae  in  nullis  deineeps  fabulae  partibus  adhibetur.  Euanth.  de 
com.  3,  2  TiQOTccTixcc  TtQOGartcc,  i.  e.  personas  extra  argumentum  accersitasr 
non  facile  ceteri  habent  (doch  zB.  Plautus  im  Miles  den  Artotrogus  u.  in 
d.  Most,  den  Grumio);  quibus  Terentius  saepe  (in  Andr.  Phorm.  u.  Hec.) 
utitur,  ut  per  harum  induetiones  facile  pateat  argumentum. 

12.  Die  stehende  Form  des  Epilogs  ist:  plaudite.  Ygl.  Menand.  fr. 
831  it-ägecvTsg  iitv^oxr\6ax^  mit  Plaut.  Truc.  Schluß:  plaudite  atque  exsur- 
gite.  Auch  s.  Quintil.  6,  1,  52  illud  quo  veteres  tragoediae  comoediaeque  clu- 
duntur  rPlodite\  Hör.  AP.  155  u.  a. 

13.  Masken.  Dtomed.  GL.  1,489  antea  galearibus  (Haaraufsätze),  non  per- 
sonis  utebantur,  ut  qualitas  coloris  indicium  faceret  aetatis,  cum  essent  aut 
albi  (Greise;  vgl.  albicapillus ,  Plaut.  Mil.  631.  Bacch.  1101.  Trin.  873;  dazu 
langer  Bart  und  Stock,  Plaut.  Men.  854.  856)  aut  nigri  (Jünglinge;  buhle- 
rische zugleich  gelockt,  cincinnati,  vgl.  Plaut.  Mil.  923)  aut  ruft  (Sklaven). 
personis  vero  uti  primus  coepit  Roscius  Gallus,  praeeipuus  histrio,  quod  oculis 
perversis  erat  (vgl.  Cic.  nat.  deor.  1,  79,  s.  über  ihn  Ribbeck,  röm.  Trag.  671) 
nee  satis  decorus  sine  (in  Hss.)  personis  nisi  parasitus  pronuntiabat.  Dieser 
offenbar  sachkundigen  Nachricht,  die  wohl  aus  Sueton  und  Varro  stammt,, 
steht  gegenüber  Donat.  de  comoed.  6,  3  personati  primi  egisse  dieuntur  co- 
moediam  Cincius  Faliscus  (nur  hier  genannt),  tragoediam  Minucius  Prothy- 
mus.  Vgl.  Donat.  praef.  zu  Ter.-Eun.  p.  266,  7  acta  est . .  etiam  tunc  personatis 
L.  Minucio  Prothymo,  L.  Ambivio  Turpione  und  praef.  Ad.  p.  4,  21  haec  acta 
est  (J.  160)  .  .  agentibus  L.  Ambivio  et  L.  *  *  qui  cum  suis  gregibus  etiam  tum 
personati  agebant.  Wäre  die  Nachricht  bezüglich  des  Ambivius  Turpio  rich- 
tig, so  ginge  der  Gebrauch  von  Masken  bis  in  die  Zeit  des  Terenz  zurück: 
Äußerungen  über  Minenspiel  in  dessen  Stücken  sprechen  nicht  unbedingt 
dagegen  (s.  zB.  Phorm.  210).  Jedoch  beziehen  sich  jedenfalls  die  Personen- 
beschreibungen bei  Plautus  und  Terenz  häufig  auf  die  hellenistischen  Masken, 
weil  sie  aus  den  Originalen  herübergenommen  sind;  zB.  stimmt  es  zu  diesen, 
wenn  der  Kuppler  als  crispus,  recalvus,  contraeta  fronte  (Rud.  125.  317),  der 
intriguierende  Sklave  als  rufus  (Asin.  400.  Phorm.  51)  geschildert  wird.  Roth 
aO.  32.  54.  Versuche,  den  Minucius  Prothymus  später  anzusetzen  und  ihn 
mit  Roscius  in  Verbindung  zu  bringen  (in  der  Truppe  des  Minucius  habe 
Roscius  die  Masken  eingeführt),   bei  Dziatzko,  RhM.  21,  68.    Ribbeck,   röm. 


32  Sachlicher  Teil 

Trag.  661.  Aus  Cic.  de  or.  3,  221  in  ore  sunt  omnia  .  .  .  personatum  ne  Boscium 
quidem  magnopere  laudabant  nostri  Uli  senes  ergibt  sich,  daß  man  um  J.  124 
die  Schauspieler  noch  ohne  Masken  sah,  daß  sie  aber  kurz  darauf  aufkamen 
und  zwar  wohl,  entsprechend  dem  allgemeinen  Trieb  des  späteren  römischen 
Dramas,  um  die  Aufführung  möglichst  der  griechischen  Weise  anzubequemen. 
Um  J.  114  könnte  Roscius  schon  in  Masken  aufgetreten  sein.  Einmal  ein- 
geführt, blieb  das  Tragen  von  Masken  lange  Regel;  wenigstens  erhellt  dies 
aus  dem  cogi  in  scena  ponere  personam  (Fest.  217;  s.  oben  §  9,  4);  auch  wird 
seitdem  an  den  actores  comoediarum  (im  Unterschiede  von  den  mimi  =  arti- 
ftces  scaenici,  bei  Sen.  ep.  11,  7,  die  allein  ohne  Masken  spielten)  nur  die 
Stimme,  der  Vortrag  und  die  Aktion  als  charakteristisch  hervorgehoben,  wie 
bei  Quintil.  3,  8,  51.  11,  3,  178.  Die  Terenzillustrationen  (§  109)  zeigen  uns  die 
Schauspieler  durchweg  mit  Masken  versehen;  Robert  aO.  87.  Die  Übelstände 
der  Masken  suchte  man  zu  vermindern,  so  durch  große  Augen-  und  Mund- 
öffnungen, um  den  Blick  (Cic.  de  or.  2,  193.  3,  221)  und  das  Mienenspiel  des 
Schauspielers  nicht  ganz  verloren  gehen  zu  lassen.  S.  CRobert,  die  Masken 
der  neueren  att.  Komödie,  Halle  1911.  ERoth,  novae  com.  adulescentes  etc. 
quomodo  congruant  cum  Pollucis  personis,  Lips.  1913.  Endlich  schaffte  man 
die  Masken  wahrscheinlich  unter  dem  Einfluß  des  Mimus  wieder  ab.  Donat. 
Ter.  Andr.  4,  4  sive  haec  {femina  =  die  Mysis)  personatis  viris  agitur,  ut  apud 
veteres,  sive  per  mulierem,  ut  nunc  videmus.  Vgl.  CSteffen  154.  ChHofper, 
de  personarum  usu  in  Terentii  comoediis,  Halle  1877.  Leo,  RhM.  38,  342. 
Weinberger,  WSt.  14,  126.  Fiebiger,  PW.  7,  576.  —  Antike  Abbildungen  von 
Schauspielern:  FWieseler,  Denkm.  d. Bühnenwesens,  Gott.  1851.  ThSchreibek, 
kulturhist.  Bilderatlas  T.  1 — 6.  AMüller,  Bühnenaltert.  227.  Robert  aO. ;  über 
solche  in  den  Terenzhss.  §  109,  2. 

14.  Als  actores  comoediarum  kennen  wir  aus  der  Zeit  des  Plautus  einen 
{T.  Publüius)  Pellio  (§  97,  8  A.  1.  Ritschl,  Parerga  250.  392.  Studemund,  com- 
ment.  Mommsen.  801),  aus  der  des  Terenz  (vgl.  auch  A.  13)  besonders:  L.  Am- 
bivius  Turpio,  den  namhaftesten  Theaterdirektor  und  Schauspieler  der 
vorciceronischen  Zeit  (vgl.  Cic.  sen.  48.  Tac  dial.  20.  Symm.  ep.  1,  31,  3.  10, 
2,  1),  ferner  L.  Hatilius  aus  Praeneste,  der  in  den  Didaskalien  zu  Terenz' 
Andr.  Eun.  Phorm.  Adelph.,  vielleicht  als  Veranstalter  einer  zweiten  Auffüh- 
rung, genannt  wird  (vgl.  §  107,  2).  Noch  aus  der  Zeit  der  Republik  (wohl 
dem  7.  Jahrh.)  M.  Ofilius  Hilarus  (Plin.  NH.  7,  184);  über  Stratokies  und 
Demetrius  s.  §  15,  1.  Zu  der  Zeit  des  Terenz  werden  alte  Stücke  wieder 
aufgeführt,  wohl  nach  dem  Vorbilde  der  nalccicci  (JG.  9,  420.  1760.  1761). 
Leo,  Anal.  Plaut.  2,  19. 

17.  Togata  heißt  im  Gegensatz  zur  palliata  das  Lustspiel  mit 
römischem  (italischem)  Schauplatz,  später  auch  tabernaria  ge- 
nannt. Es  knüpfte  an  die  neuere  Komödie  und  die  Palliata  an, 
übertrug  aber  deren  Motive  und  Handlung  auf  römisch-italischen 
Boden;  es  hatte  deshalb  einen  derberen  Ton  als  die  palliata,  zu- 
gleich jedoch  mehr  Frische  und  wahres  Leben.  Insbesondere  tritt 
in  der  Togata  die  Familie  stärker  hervor:  auch  das  weibliche  Ge- 
schlecht spielt  darin  eine  bedeutendere  Rolle  als  in  der  Palliata, 


§  17.  Die  Togata  33 

während  die  Sklaven  zurücktreten.  Zeitlieh  begrenzt  ist  die  Togata 
■einerseits  durch  die  verfeinerte  Palliata  des  Terenz,  andererseits 
durch  die  kunstmäßige  Atellane  und  den  Mimus.  Ihre  Hauptdichter 
sind  Titinius,  Quinctius  Atta  und  L.  Afranius,  alle  aus  der  Zeit  etwa 
vom  J.  160  bis  77.  Afranius  näherte  die  Togata  durch  engen  An- 
schluß an  Menander  der  Palliata  noch  mehr  und  schuf  dadurch  eine 
Art  Mittelgattung,  die  aber  nicht  recht  lebenskräftig  war  und  mit 
ihm  erlosch.  Noch  in  der  Kaiserzeit  wurden  Togaten  des  Afranius 
aufgeführt. 

1.  Im  weitesten  Sinn  kann  togata  jede  (ernste  oder  heitere)  fabula  mit 
xömischem  Stoff  heißen.  So  rechnet  Diomedes  GL.  1,  489  zu  den  togatae 
&)  praetextatae,  b)  togatae  =  tdbemariae,  c)  Atellanae,  d)  planipedes,  und  de- 
finiert sie :  quae  scriptae  sunt  secundum  riius  et  habitum  hominum  togatorum, 
i.  e.  Romanorum.  So  verstanden  umfaßt  togata  auch  die  von  Diomedes  über- 
gangene trabeata,  freilich  eine  vorübergehende  und  wenig  bedeutungsvolle 
Erscheinung,  die  sich  in  der  Sphäre  des  Ritterstandes  bewegte,  dessen  spezi- 
fische Tracht  die  trabea  war  (Pers.  3, 29.  Dio  56,  31);  ihr  Schöpfer  und  einziger 
Vertreter  war  C.  Melissus  (§  244,  2).  In  derselben  allgemeinen  Bedeutung, 
sogar  vorzugsweise  von  praetextae ,  gebraucht  togatae  Skn.  ep.  1,  8,  8  non  at- 
tingam  tragicos  nee  togatas  nostras.  habent  enim  hae  quoque  aliquid  severi- 
tatis  et  sunt  inter  comoedias  ac  tragoedias  mediae. 

2.  Diomed.  aO.:  seeunda  species  est  togatarum,  quae  tabernariae  dieuntur, 
et  humilitate  personarum  et  argumentorum  similitudine  comoediis  (=  palliatis) 
pares.  Der  Name  tabernariae  stammt  von  den  tabernae,  den  Buden  von 
Handwerkern  und  überhaupt  Gewerbetreibenden.  Festus  352  v.  togatarum 
zählt  unter  den  Personen  der  tabernariae  u.  a.  auch  auf  plagiarii,  servi  deni- 
que,  überhaupt  solche  die  ex  tabernis  honeste  (?)  prodeant.  Vgl.  auch  die 
Togatentitel  Augur,  Cinerarius,  Fullonia,  Libertus.  Togatae  heißen  die  Lust- 
spiele dieser  Art  bes.  bei  Cic.  Sest.  118.  Hör.  AP.  288.  Vellei.  2,  9,  3.  Sen. 
■ep.  89,  7,  vgl.  Afran.  v.  299.  Suet.  Ner.  11.  Quint.  10,  1,  100.  Gell.  10,  11,  8. 
13,  8,  3. 

3.  Der  Schauplatz  der  togatae  ist  wohl  gewöhnlich  Rom  (was  Mommsen 
ohne  Grund  geleugnet  hat);  nicht  selten  aber  wird  die  Szene  in  eine  Pro- 
vinzialstadt  verlegt,  um  etwa  die  Kleinstädterei  lächerlich  zu  machen  oder 
unter  deren  Maske  Rom  zu  geißeln  oder  den  Eindruck  zu  schildern,  den 
Rom  auf  ein  Landkind  macht;  vgl.  die  Titel  Brundisinae,  Ferentinatis ,  Se- 
■tina,  Veliterna,  Ulubrana.  Schon  aus  den  Titeln  erhellt  ferner  die  große 
Beteiligung  des  weiblichen  Geschlechts  (auch  von  Jungfrauen,  die  in  der 
Palliata  sehr  zurücktreten),  noch  mehr  aus  den  Bruchstücken.  Vgl.  auch 
Serv.  Aen.  11,  160  in  togatis  victrices  appellantur,  quae  viros  extulerunt.  Sehr 
bezeichnend  ist  weiter  Donat.  zu  Ter.  Eun.  12  concessum  est  in  palliata  poetis 
■comicis  servos  dominis  sapientiores  fingere,  quod  item  in  togata  non  fere  licet. 

4.  Diomedes  GL.  1,  490  togatas  tabernarias  in  scenam  dataverunt  praeci- 
jpue  duo,  L.  Afranius  et  C.  Quintius.  Ps.-Acro  (aus  Sueton?  s.  Kiessling,  de 
personis  Horat.  8.  Vollmer,  Phil.  Suppl.  10,  316)  zu  Hör.  AP.  288  nach  einer 

Teuffei:  röm.  Literaturgesch.    Neub.  6.  Aufl.  I.  3 


34  Sachlicher  Teil 

törichten  Erklärung  der  Begriffe  praetexta  (=  Komödie  mit  römischem  Stoff) 
und  togata  (==  Komödie  mit  griechischem  Stoff) :  praetextas  et  togatas  scrip- 
serunt  Aelius  Lamia,  Antonius  Bufus  (diese  beiden  sonst  unbekannt,  vgL 
auch  §  254,  3),  Cn.  Melissus  (§  244,  2),  Afranius,  Pomponius  (§  284,  7).  Auf- 
führung des  Incendium  von  Afranius  unter  Nero,  Suet.  Ner.  11.  öffentlich 
rezitierte  Togaten:  luv.  1,  3.  —  Ein  togatarius  Stephanio  (cui  in  puerilem  ha- 
bitum  circumtonsam  matronam  ministrasse  compererat  Augustus  und  den  er 
dafür  per  trina  theatra  virgis  caesum  relegavit)  bei  Suet.  Aug.  45;  vgl.  Plin. 
NH.  7,  159  minus  miror  Stephanionem,  qui  primus  togatus  (richtiger  togatas,. 
vgl.  tragoediam  saltare,  §  13,  6)  saltare  instituit,  utrisque  saecularibus  ludis 
(J.  17  v.  Chr.  und  47  n.  Chr.)  saltavisse  usw.  Also  bemächtigte  sich  der  Pan- 
tomimus  nicht  nur  der  Tragödien-  und  Palliaten-  (§  8,  13),  sondern  auch 
der  Togatenstoffe. 

5.  In  Übertragung  der  Ökonomie  der  Palliata  hat  Afranius  Prologe  in 
der  Art  des  Plautus  wie  des  Terenz  (v.  25 — 30.  Macr.  S.  6,  5,  6  Afranium  .  . 
qui  in  prologo  ex  persona  Priapi  ait,  wie  in  der  Bella  die  Sophia  redend 
auftrat)  und  cantica  (sogar  vielstimmige).  Cic.  Sest.  118  cum  ageretur  togata 
—  Simulans,  ut  opinor  —  caterva  tota  clarissima  concentione  .  .  contionata 
est.  Dahin  gehört  auch  die  Herübernahme  der  Hetären  und  Parasiten,  für 
die  das  römische  Klientelwesen  und  die  scurrae  nur  schwache  Analogien 
boten.  —  Sammlung  der  Überreste  von  Togaten  bei  Ribbeck,  com.3  155.  — 
Neukirch,  de  fab.  togata,  Lps.  1833.  Courbaud,  dgl. ,  Paris  1899.  Ladewig 
PRE.  6,  3024.  Mommsen  RG.  I6,  904.  26,  436. 

18.  Die  römischen  Literarhistoriker  verzeichnen  als  besondere 
Art  der  römischen  Komödie  auch  die  Rhinthonica,  benannt  nach 
dem  Possenschreiber  {(pXvaxoyQayog)  Khinthon  aus  Tarent,  dessen 
iXaQotQccywdicu  tragische  Stoffe  ins  Lächerliche  zogen;  doch  sind 
Namen  lateinischer  Bearbeiter  und  Namen  oder  Reste  lateinischer 
Rhinthonicae  nicht  überliefert  und  die  Gattung  ist  nur  der  Voll- 
ständigkeit wegen  von  den  Grammatikern  aufgezählt.  Immerhin 
kamen  die  Atellanen  mythologischen  Stoffes  der  Rhinthonica  nahe. 

1.  Die  angeblichen  Belege  für  die  römische  Rhinthonica  s.  §  12,  1.  Lyd. 
de  mag.  1,  40  'Piv^awai]  (ißrlv)  7j  it-coviKrj  (vgl.  Plaut.  Men.  236  Graeciam- 
que  exoticam  von  Unteritalien).  Über  Rhinthon,  blühend  unter  Ptolemaios  I 
Soter  (J.  320—285),  s.  bes.  Suid.  s.  v.  ^Ptv&av.  Steph.  Byz.  v.  Tccgug.  Comici 
gr.  1,  183  Kb.  Die  xanLcpSoTgayadia  des  Alkaios,  Deinolochos  und  Anaxan- 
drides  (Meineke,  hist.  crit.  com.  gr.  247)  ist  älter  als  die  IXccgorgayadia,  deren 
agffiybg  Rhinthon  war  (s.  Suid.  s.  v.),  also  nicht  mit  ihr  identisch.  Vielleicht 
war  die  v-oi^cpdotQccycodia  gegenüber  der  possenhaften  ikccQoxQccyepdLcc  mehr 
komödienartig,  etwa  wie  Plaut.  Amphitr.,  der  im  Prolog  v.  59  u.  63  als  tragi- 
[cojcomoedia  bezeichnet  wird.  {Tragicocomoedia  auch  bei  Lutat.  zu  Stat. 
Theb.  5,  160.)  Vgl.  auch  Varros  Pseudotragoediae  (§  165,  2).  Eine  Rhinthonica 
ist  jedenfalls  der  plautinische  Amphitruo  nicht;   s.  Vahlen,  RhM.  16,  472. 

2.  Die  Abspaltung  der  Rhinthonica  von  der  Atellane  beruhte  wohl  nur 
auf  einer   Tiftelei   der   Theoretiker.    Leo,  Herrn.  24,  81.     Atellanentitel ,  die 


§  18.  Rhinthonica.    §  19.  Das  geschichtliche  Epos  35 

auf  possenhafte  Travestien  mythisch-tragischer  Stoffe  hinweisen,  sind  Aga- 
memno  suppositus,  Ariadne,  Armorum  Judicium  (?),  Atalante,  Sisyphus  des 
Pomponius,  Phoenissae  des  Novius,  Autonoe  (luv.  6,  71).  —  Im  allg.  vgl. 
Neukirch,  de  fab.  tog.  15.  Sommerbrodt,  de  phlyacogr.  graec.  (Bresl.  1875) 
p.  43. 

19.  Für  das  geschichtliche  Epos  war  es  günstig,  daß  die  Römer 
schon  frühe  in  den  Ahnenliedern  epenartige  Dichtungen  ,  freilich 
primitivster  Art,  besaßen.  Das  hier  angewendete  satarnische  Maß 
war  auch  das  der  ältesten  Epiker,  des  Andronicus  und  des  Naevius. 
Jener  freilich  war  mit  seiner  lateinischen  Odyssee  nur  Übersetzer, 
Naevius  aber  griff  mit  dem  bellum  Punicum  kühn  in  das  Leben 
seines  Volkes  und  der  Gegenwart  hinein.  Auch  sein  Nachfolger 
Ennius  wählte  in  den  Armales  einen  nationalen  Stoff,  aber  erweitert 
zu  einer  römischen  Geschichte  von  den  Anfängen  bis  auf  seine  Zeit. 
Er  führte  den  daktylischen  Hexameter  ein,  das  Versmaß,  das  an  Be- 
deutung bald  alle  anderen  überragen  sollte.  Auch  inhaltlich  fand  er 
Nachahmer;  L.  Accius,  A.  Furius  und  weiterhin  Tanusius  verfaßten 
gleichfalls  Epen  mit  dem  Titel  Annales,  während  Hostius  sich  auf 
das  bellum  Istricum  beschränkte.  Cicero  behandelte  sein  Konsulat 
und  seine  Verbannung  in  Hexametern  (de  suo  consulatu,  de  tem- 
poribus  meis),  Varro  Atacinus  aber  Caesars  bellum  Sequanicum; 
Anser  verherrlichte  den  M.  Antonius,  aus  der  augusteischen  Zeit 
sind  größere  epische  Bruchstücke  erhalten  von  Cornelius  Severus 
(Res  Romanae),  Albinovanus  Pedo  (de  navigatione  Germanici  per 
oceanum  septentrionalem)  und  einem  bellum  Actiacum  (Rabirius  ?). 
Ob  Augustus'  Gedicht  Sicilia  ein  erzählendes  Epos  war,  bleibt 
zweifelhaft.  In  der  Kaiserzeit  wandte  sich  die  epische  Tätigkeit  mit 
Vorliebe  der  Schilderung  der  Vergangenheit  zu:  Lucans  Pharsalia, 
das  Epos  de  bello  civili  (bei  Petron.  sat.  119)  und  des  Silius  Ita- 
licus  Punica.  Noch  um  die  Mitte  des  dritten  christlichen  Jahrhun- 
derts waren  solche  Stoffe  beliebt,  und  Alfius  Avitus  behandelte  sie 
damals  sogar  in  iambischen  Dimetern.  Die  eigentlichen  Panegy- 
rici,  die  nach  antiker  Auffassung  zur  rhetorischen  Poesie  gehören, 
berühren  sich  inhaltlich  oft  mit  den  Epen;  so  schon  in  augu- 
steischer Zeit  Varius'  Panegyricus  auf  Augustus  und  das  Gedicht 
eines  unbekannten  Verfassers  auf  Messala.  Und  wo  immer  man 
unter  der  Kaiserherrschaft  die  Gegenwart  zum  Stoffe  wählte,  wie 
unter  Trajan  die  Verfasser  eines  bellum  Dacicum  und  Parthicum, 
konnte  es  nur  in  höfischem  Sinne  geschehen.  Dahin  gehören  Gor- 
dians  Antoninias,  Claudianus  mit  seinen  zahlreichen  panegyrischen 


36  Sachlicher  Teil 

Epen  auf  Stilicho  und  dem  bellum  Gildonicum  und  Pollentinum; 
zuletzt  des  Corippus  Iohannis  und  Laudes  Iustini. 

1.  Das  historische  Epos  ist  immer  nur  ein  Ableger  des  heroischen  (§  20) 
gewesen;  es  ist  vielleicht  eine  römische  Schöpfung,  denn  Gedichte  wie 
Rhianos1  Messeniaka  behandelten  eine  weit  zurückliegende  Zeit.  Die  Schwie- 
rigkeiten hebt  nach  Aristot.  poet.  9  Cic.  leg.  1,  4  hervor:  multa  quaeruntur 
in  Mario  (Ciceros  epischem  Gedicht)  fictane  an  vera  sint,  et  a  nonnullis, 
quod  et  in  recenti  memoria  et  in  Arpinati  homine  verseris,  veritas  a  te  postu- 
latur  .  .  .  isti  faciunt  imperite,  qui  in  isto  periculo  non  ut  a  poeta,  sed  ut 
a  teste  veritatem  exigant  usw.  Über  ein  geplantes  Epos,  das  Trajans  Daker- 
krieg  verherrlichen  sollte,  schreibt  Plinius  ep.  8,  4  an  Caninius  (§  332,  3) 
u.  a.:  quae  tarn  poetica  et  quamquam  in  verissimis  rebus  tarn  fabulosa  mate- 
ria?  dices  inmissa  terris  nova  flumina,  novos  pontes  fluminibus  iniectos,  in- 
sessa  castris  montium  abrupta,  pulsum  regia,  pulsum  etiam  vita  regem  nihil 
desperantem  .  .  una  sed  maxima  difficultas,  quod  haec  aequare  dicendo  arduum, 
immensum  etiam  tuo  ingenio.  Norden,  JJ.  1901  VII  317.  Befördert  wurde  die 
Abfassung  solcher  Epen  durch  den  stark  ausgeprägten  Familien-  und  Na- 
tionalstolz der  Römer,  vgl.  Cic.  de  imp.  Pomp.  25  sinite  hoc  loco,  sicut  poetae 
solent  qui  res  JRomanas  scribunt,  praeterire  me  nostram  calamitatem.  Drang 
der  römischen  Großen  nach  Verherrlichung,  zB.  Cic.  Arch.  26.  27.  So  wurde 
auch  von  Augustus  die  Abfassung  eines  seine  Taten  und  sein  Haus  ver- 
herrlichenden Epos  systematisch  begünstigt  und  veranlaßt,  und  es  bedurfte 
fast  der  Entschuldigung  (wie  bei  Horaz),  wenn  man  sich  dieser  Arbeit  ent- 
zog. Einen  Haufen  wirklicher  oder  vermeintlicher  Epiker  zählt  Ovid.  Pont. 
4,  16  auf.  In  der  neronischen  Zeit  war  das  Verfassen  von  Epen  eine  Art 
Mode,  s.  Persius  1,  69.  Vgl.  Petron.  118.  Martial.  4,  14.  10,  64.  Stat.  silv.  2, 
7,  48.  HSchiller,  Nero  611.  —  Aus  dem  Epos  eines  Gannius  (Cr.  Annius? 
vgl.  auch  §  209,  12)  von  mindestens  drei  Büchern  drei  Hexameter  bei  Pris- 
oian.  GL.  2,  237;  vgl.  Elter,  RhM.  63,  472.  Aus  einem  (Redner,  vgl.  §  136, 10) 
Gannius  Worte  (in  Prosa)  Paul.  Festi  369  v.  veteratores.  Ein  Canius  als  Ver- 
fasser eines  iambischen  Verses  bei  Varro  LL.  6,  81;  vgl.  §324,  2. 

2.  Der  daktylische  Hexameter  stand  mit  dem  lautlichen  Bestand  und 
dem  Akzent  der  lateinischen  Sprache  vielfach  im  Widerspruch  und  seine 
Anforderungen  legten  den  römischen  Dichtern  manchen  Zwang  auf;  es  fehlte 
namentlich  an  kurzen  Silben,  und  durch  allerlei  Kunstgriffe,  zB.  Gebrauch 
des  Plural  für  den  Singular  und  umgekehrt,  mußte  für  diesen  Mangel  Er- 
satz geschaffen  werden.  Vgl.  bes.  Köne,  der  Sprachgebrauch  der  röm.  Epiker, 
Münst.  1840.  Hultgren,  d.  Technik  der  röm.  Dicht,  im  ep.  u.  eleg.  Versmaß, 
JJ.  107,  745.  Bednara,  Arch.  Lex.  14,  317.  532.  Auch  der  Vers  selbst  erlitt 
bei  der  Übernahme  einige  Veränderungen,  namentlich  wurde  die  männliche 
Caesur  im  3.  Fuße  entschieden  vor  der  weiblichen  bevorzugt.  ThBirt,  ad 
hist.  hexam.  lat.  symb.,  Bonn  1876.  Humphreys,  de  accentus  momento  in 
versu  heroico,  Lps.  1874.  WMeyer,  S.-B.  bayr.  Ak.  1884,  1024.  1889,  228. 
Witte,  RhM.  69,  205. 

3.  FWinkelmann,  d.  epischen  Dicht,  d.  Röm.  bis  auf  Virgil,  Jahns  Arch. 
2,  558.  OHaube,  de  carminibus  epicis  saec.  Augusti,  Bresl.  1870;  die  Epen 
des  silb.  Zeitalters,  Fraustadt  1886.  1887  II;  die  Epen  der  Republik,  Schrimm 


§  20.  Das  heroische  Epos  37 

1896.  1897  IL     Über  die  Einführung   der  Gleichnisse  bei   den  Epikern  und 
Elegikern  s.  zB.  Walser,  ZöG.  29,  595. 

4.  Sammlung  der  Werke  der  lat.  Dichter  (mit  Ausnahme  der  szenischen) 
von  EWeber  (corpus  poet.  lat.,  Frankf.  1831),  Postgate  (Lond.  1894  ff.), 
Cürcio  (1  Acireale  1902);  der  handschriftlich  erhaltenen  kleineren  lateini- 
schen Gedichte  von  Wernsdorf  (poetae  lat.  minores,  Altenb.  u.  Heimst. 
1780—99  VI),  Bährens  (poetae  lat.  min.,  Lpz.  1879—83  V,  Neubearbeituug 
von  Vollmer  erscheint  seit  1910).  Dazu  als  Ergänzung  fragmenta  poet. 
Roman,  coli.  Bährens,  Lps.  1886  (enthaltend  die  bei  Schriftstellern  zer- 
streuten Dichterstellen  außer  den  Fragmenten  der  scaenici  und  der  satura 
Menippea).  Über  die  Ausgaben  der  sog.  Anthologia  latina  und  die  Samm- 
lungen der  inschriftlich  erhaltenen  lat.  Gedichte  s.  §  31,  4. 

20.  Ein  heroisches  Epos  konnte  im  alten  Rom  nicht  ent- 
stehen, da  eine  italische  Göttersage  nicht  vorhanden  und  götter- 
gleiche Heroen  dem  Volksbewußtsein  fremd  waren.  Als  daher  gegen 
das  Ende  der  Republik,  unter  dem  Einflüsse  der  alexandrinischen 
Dichter,  auch  diese  Gattung  Anbau  fand,  maßte  man  für  die  mytho- 
logische Erzählung  fremde  Stoffe  wählen.  So  Varro  Atacinus 
(Argonautae),  Catull  (epithalamium  Pelei  et  Thetidos),  Helvius 
Cinna  (Smyrna),  Licinius  Calvus  (Io),  Pedo  (Theseis),  sowie  Ovid 
(Metamorphosen,  die  freilich  nicht  ohne  weiteres  unter  das  große 
Epos  fallen),  ferner  die  Ciris,  weiterhin  Valerius  Flaccus  (Argonau- 
tica).  Andere  übersetzten  die  Ilias,  wie  C.  Matius  und  später  Gaurus; 
etwas  höher  Strebende  griffen  nach  dem  epischen  Zyklus,  wie  Nin- 
nius  Crassus  (kyprische  Ilias),  Furius  Bibaculus  (Aethiopis),  Pom- 
peius  Macer  (Antehomerica  und  Posthomerica),  Iulius  Antonius 
(Diomedea),  Domitius  Marsus  (Amazonis),  Camerinus  (Excidium 
Troiae),  Lupus  und  Largus;  aus  späterer  Zeit  Neros  Troica,  Lucans 
Iliaca,  Statius'  Thebais  und  Achilleis  u.  a.  Am  Ende  des  vierten 
Jahrhunderts  schrieb  Claudianus  sein  mythologisches  Epos  Raptus 
Proserpinae.  Am  Ende  des  fünften  bearbeitete  der  Afrikaner  Dra- 
contius  die  Entführung  der  Helena,  die  Sage  von  Medea  und  Teile 
des  Heraklesmythus  (Hylas  und  Hydra);  höchst  wahrscheinlich  ist 
er  auch  der  Verfasser  der  Orestis  tragoedia.  In  der  Mitte  zwischen 
der  historisch -nationalen  und  der  alexandrinisch- mythologischen 
Richtung  steht  Vergils  Aeneis,  die  eine  einheimische  Sage  in  histo- 
risch-psychologischer Weise,  aber  mit  mythologischem  Hintergrunde, 
erzählt  und  für  die  poetische  Technik  der  Nachfolgenden  muster- 
gültig wurde. 

1.  Wenn  alle  Gattungen  der  antiken  Literatur  unter  dem  starken  Ein- 
flüsse der  Tradition  stehen,   so  gilt  das  besonders  vom  Epos,   das  sich  von 


38  Sachlicher  Teil 

den  durch  Homer  vorgezeichneten  Bahnen  niemals  recht  zu  entfernen  wagte. 
Aus  der  Ilias  ergibt  sich  die  Vorstellung,  daß  bella  et  duces  den  eigentlichen 
Inhalt  des  Epos  bilden  (Hör.  AP.  74  Ep.  1,  3.  8.  Prop.  2,  1,  17.  Stat.  silv. 
5,  3,  149),  aus  der  Odyssee  hauptsächlich  die,  daß  dem  Dichter  die  freie  Er- 
findung ungewöhnlicher  Vorgänge  gestattet  sei  (Ov.  amor.  3,  12,  41  exit  in 
immensum  fecunda  licentia  vatum)\  fraglich  war  nur,  wie  weit  er  sich  dabei 
von  der  Wahrscheinlichkeit  entfernen  darf  (Plaut.  Pseud.  401  quasi  poeta . .  . 
quaerit  quod  nusquamst  gentium,  reperit  tarnen,  facit  illud  veri  simile  quod 
mendaciumst).  Vgl.  etwa  die  Definition  des  Proklos,  nach  der  der  Dichter 
u.  a.  den  ^ivd'os  braucht,  der  ^svcov  Ttgccyiidzeov  ct7tr\Q%ea,co\L£vr\  diriyr\6ig  rj 
ädwatcav  7tccQsi6ay(oyr)  ist.  Kaibel,  Abh.  Gott.  Ges.  NF.  2,  20.  KJNeumann, 
Herrn.  21,  134.  Beide  Gedichte  ließen  das  Eingreifen  der  Götter  als  ein  un- 
entbehrliches Motiv  erscheinen;  daher  die  stoische  Definition  Dioo.  La.  7,60 

7toirj(jLS    iüTL     6Cö[KXTlxbv    TtolrillCC,     ^l}XT[6lV    7lSQl£%0V    ftsiav     nai    CCV&QCOTtivCOV, 

dazu  Petron.  118  non  enim  res  gestae  versibus  comprehendendae  sunt,  quod 
longe  melius  historici  faciunt,  sed  per  ambages  deorumque  ministeria  et 
fabulosum  sententiarum  tormentum  praecipitandus  est  Über  spiritus,  ut  potius 
furentis  animi  vaticinatio  appareat  quam  religiosae  orationis  sub  testibus  fldes 
(der  sich  gegen  Lucans  Versuch  einer  Ausschaltung  des  Götterapparates  er- 
klärt; s.  §  303,  5).  Diese  Anschauungen  schöpften  die  römischen  Dichter 
nicht  bloß  aus  den  griechischen  Epen  selbst,  sondern  lernten  sie  auch  durch 
die  hellenistische  Poetik  kennen;  sie  beruhte  z.  T.  auf  den  Ansichten  der 
Grammatiker,  die  bei  der  Erklärung  des  Homer  auch  auf  die  poetische 
Technik  achteten  und  den  Dichter  gegen  die  Angriffe  des  Piaton,  Zoilos 
u.  a.  in  Schutz  nahmen  (Griesinger,  die  ästhet.  Anschauungen  der  alten  Homer- 
erklärer, Tüb.  1907),  z.  T.  auf  den  Debatten  der  Philosophen,  die  uns  am 
klarsten  bei  Strab.  1,  1 — 3  vorliegen.  Diese  erörterten  nicht  bloß  die  Frage 
nach  dem  Nutzen  der  Poesie,  dem  nach  stoischer  Auffassung  (Polybios  und 
gemäßigter  Poseidonios,  vgl.  Sudhaus,  Aetna  109)  die  später  so  beliebten 
geographisch -ethnographischen  Exkurse  dienten  (§  303,  5.  317,  2),  sondern 
auch  die  nach  der  Lautwirkung  und  ihrer  Bedeutung  für  die  Wirkung  der 
Poesie  überhaupt  (Hauptquelle  Philodem  Ttsgl  noirmatcov,  vgl.  Kroll  zu 
Cic.  orat.  149  ff.).  Aus  Piatons  Phaidros  und  hellenistischen  Vorstellungen 
von  der  Dichterweihe  stammt  die  Forderung  der  amentia  des  Dichters 
(Kroll  zu  Cic.  orat.  98.  Vahlen  zu  leg.  1,  4.  Stat.  Theb.  10,  830),  der  die 
Praxis  nicht  gerade  immer  entsprach,  die  sich  aber  in  den  erhabensten 
Gattungen  der  Poesie,  Epos  und  Tragödie,  wenigstens  im  Stil  äußerte.  Hier 
griff  der  Einfluß  der  Rhetorik  ein,  der  seit  der  augusteischen  Zeit  mächtig 
wurde  (Kroll  JJ.  1908,  524)  und  der  nicht  selten  das  Manko  an  echter 
Begeisterung  durch  künstliches  Pathos  zu  ersetzen  suchte;  zB.  macht  es 
Dio  or.  11  p.  318  dem  Homer  zum  Vorwurf,  daß  er  sich  die  stark-patheti- 
schen Effekte  habe  entgehen  lassen,  die  mit  der  Zerstörung  Trojas,  mit  dem 
Tode  des  Achill,  Aias  und  Memnon  zu  erzielen  gewesen  wären.  Sie  zeigt 
sich  u.  a.  bes.  in  der  Manier  der  Beschreibungen  (ixcpQa68Lg),  die  anzu- 
fertigen man  in  der  Rhetorenschule  lernte.  Liedlofp,  de  tempestatis  necyo- 
raanteae  inferorum  descriptionibus ,  Lips.  1884.  Kroll  zu  Cic.  orat.  66. 
Vgl.  zB.  Sen.  Apoc.  2,  3  omnes  poetae,  non  contenti  ortus  et  occasus  describere 
(wie  Iulius  Montanus,  Sen.  ep.  122,  11 — 13),  etiam  medium  diem  inquietant. 


§  20.  Das  heroische  Epos.    §  21.  Christliche  Epen  39 

Das   Pathos   war   der   obligate   Ton:    heroici  carnrinis  sonus,    Tac.   dial.  10. 
Vgl.  §  19,  1. 

2.  Einfluß  Vergils  s.  §  231.  —  Abweichend  von  der  Überlieferung  ist 
schon  der  Gebrauch  des  Senars  in  der  Troiae  halosis  bei  Petron.  89.  In  dem- 
selben Maße  paraphrasierte  später  Avienus  den  Vergil  und  Livius  (§  420,  6). 
Ähnliche  griechische  Paraphrasen  im  Trimeter  lieferte  in  Menge  ^zB.  von 
Theokrit,  Apollonios,  Kallimachos  und  anderen  Alexandrinern)  der  helleni- 
sierte  Römer  Marianus  um  das  J.  500  n.  Chr.;  s.  Suid.  s.  v.  —  Lactant.  inst, 
■div.  1,  11  (PPR.  405)  non  insulse  quidam  poeta  triumphum  Cupidinis  scripsit 
(folgt Inhaltsangabe):  ob  ein  Epyllion  oder  in  elegischem  Maß?  ob  griechisch 
(Rohde,  gr.  Rom.  108.  544)  oder  lateinisch  etwa  in  der  Art  des  Reposianus 
<§  398,  2)? 

21.  Nach  dem  Siege  des  Christentums  wurden  von  den  Epikern 
dieses  Bekenntnisses  statt  der  römischen  Geschichte  und  der  grie- 
chischen Sage  nunmehr  Stoffe  aus  der  biblischen  Geschichte  des 
alten  und  neuen  Testaments  bearbeitet.  So  von  Proba  Faltonia  in 
ihrem  Cento;  die  des  alten  Testaments  von  Avitus,  Claudius  Victor 
(Genesis)  und  Victorinus  (Maccabäer),  sowie  von  dem  Verfasser  der 
metrischen  Wiedergabe  des  Heptateuch  (s.  §  464, 13);  die  des  neuen 
von  luven cus,  Sedulius  (carmen  paschale)  und  Arator  (Apostel- 
geschichte). Den  panegyrici  auf  Kaiser  und  auf  weltliche  Würden- 
träger, wie  sie  auch  jetzt  noch  Claudianus,  Apollinaris  Sidonius 
(auf  Avitus,  Maiorianus  und  Anthemius),  Merobaudes  (auf  Aetius), 
Corippus  (auf  Anastasius)  undVenantius  Fortunatus  (auf  fränkische 
Große)  verfaßten,  traten  an  die  Seite  Lobgedichte  (epische  Hymnen) 
auf  Gott,  Christus,  christliche  Märtyrer  und  Heilige,  sowie  auf 
Bischöfe  und  Päpste.  Auf  Christus  z.  B.  von  Mamertus  Claudianus 
(?  s.  §  439,  1),  auf  Märtyrer  besonders  von  Damasus,  Prudentius 
{TtEQL  6ts(pdv(ov)  und  Paulinus  aus  Nola  (Felix).  Martin  von  Tours 
wurde  zum  Gegenstande  verherrlichender  Epen  gemacht  durch 
Paulinus  aus  Perigueux  und  Venantius  Fortunatus,  der  auch  andere 
Bischöfe  besang.  Daneben  wurden  aber  unter  dem  Einflüsse  der 
Khetorenschule  fortwährend  Lobreden  im  epischen  Maße  auch  auf 
Gegenstände  aus  dem  Kreise  des  Heidentums  verfaßt,  scherzhafte 
wie  ernstgemeinte. 

1.  Aufzählung  christlicher  Epiker  bei  Venant.  Fort,  vita  Mart.  1,  14 — 25. 
Sammelwerke:  GFabricius,  poetarum  vet.  ecclesiasticorum  opera  et  operum 
reliq.,  Bas.  1564.  PLeyser,  hist.  poetarum  et  poematum  medii  aevi  decem 
post  annum  a  Chr.  n.  400  saeculorum,  Halle  1721.  Henry,  hist.  de  la  poesie 
chretienne,  Paris  1856.  Manitius,  Gesch.  d.  christl.  lat.  Poesie,  Stuttg.  1891. 
Tgl.  §  30,  2. 

2.  Die  geringere  Heiligkeit  des  A.  T.  gestattete  auch  den  christlichen 
Dichtern  eine  freiere  Behandlung:  des  Stoffes.    Christliche  Gedichte  von  un- 


40  Sachlicher  Teil 

bekanntem  Verfasser  wurden  in  den  Hss.  den  Werken  beliebiger  Kirchen- 
väter angehängt,  besonders  des  Tertullian,  Cyprian  und  Lactanz,  und  galten 
daher  lange  Zeit  für  deren  Arbeiten.  So  werden  die  originellen  Epyllien 
Sodoma  (166  Hex.)  und  De  Iona  (tatsächlich  vielmehr  de  Ninive,  unvollendet 
erhalten,  105  Hex.)  —  beide  von  einem  Vf.,  wohl  aus  dem  4.  Jahrh.  —  bald 
dem  Cyprian  zugeschrieben  (in  Hartels  Cyprian  3,  289.  297),  bald  dem  Ter- 
tullian. Vgl.  §  464.  13.  In  Hss.  des  Cyprian  und  daher  bei  Hartel  3,  283, 
finden  sich  außerdem  85  Hexameter  an  einen  Consularen,  der  vom  Christen- 
tum wieder  zum  Isiskult  abgefallen  war;  de  pascha  69  Hex.;  ad  Flavium 
Felicem  de  resurrectione  mortuorum  406  Hex. 

3.  Über  die  spätere  Hymnendichtung  vgl.  Wünsch,  PW.  9,  170.  Lau& 
Herculis  in  138  eleganten  Hexametern  von  ungenanntem  Verfasser  (Mero- 
baudes?  s.  §  439,  7.  464,  2),  AL.  494b,  in  Birts  Claudian  p.  399,  vgl.  p.  clxiii.. 
Vgl.  EBährens,  JJ.  105,  52.  503;  LJeep,  Begrüßungsschrift  d.  Leipz.  Philo- 
logenvers. (Leipz.  1872)  46;  Riv.  di  filol.  1,  405.  —  Hymnus  Claudii  ad  Lunam 
(=  Isis,  Cybebe  usw.)  AL.  723  PLM.  3,  163.  Gleichartige  Anrufungen  an 
Mars,  Iuno,  Liber  um  glückliche  Heimkehr:  AL.  749—751  PLM.  3,  303 — 304. 
In  laudem  Solis  AL.  389  PLM.  4,  543;  vgl.  unten  §  475,  5  E.  Parodischer 
Hymnus  auf  Pan  AL.  682  PLM.  3,  170. 

22.  Zu  einem  rhetorisch  stilisierten  Lobgedichte  aus  Anlaß  der 
Vermählung  wurde  allmählich  das  Epithalamium,  bewahrte  aber 
einzelne  Motive  seiner  Schöpferin  Sappho  und  eine  gewisse  sinn- 
liche Keckheit  und  Derbheit  der  altrömischen  Hochzeitsscherze. 
Aus  älterer  Zeit  besitzen  wir  drei  Epithalamien  von  CatuU  und 
kennen  Calvus  und  Ticidas  als  Verfasser  von  Ahnlichem;  aus  der 
Kaiserzeit  sind  Epithalamien  erhalten  von  Statius,  Ausonius,  Clau- 
dianus,  Paulinus  aus  Nola,  ApoUinaris  Sidonius,  Dracontius,  Enno- 
dius,  Luxorius,  Venantius  Fortunatus  (auf  Sigibert),  und  das  Epi- 
thalamium Laurentii. 

1.  Das  Epithalamium,  zur  Verherrlichung  eines  jungen  Paares,  seiner 
Eltern  und  Ahnen,  ist  meist  im  epischen  Maße  gehalten.  Auch  von  Gallienus 
wird  eines  erwähnt;  s.  §  385,  2.  Zugleich  vergilische  Centonen  (§  26,  2)  sind 
die  Epithalamien  des  Ausonius  (§  421,  2  k)  und  des  Luxorius  (§  476,  3). 
Über  das  Fortleben  der  Motive  Sapphos  Reitzenstein,  Herrn.  35,  95;  die 
rhetorischen  Vorschriften  für  den  imd-ccXcifiios  Xoyog  bei  Menand.  Rhet.  gr.. 
3,  399  Sp.    Ps.Dionys.  Hai.  2,  269  Us.    Vollmer  zu  Stat.  Silv.  1,  2. 

2.  Eine  Beimischung  von  Sentimentalität  hat  das  epithalamium  Laurentii 
(87  Hex.,  AL.  742  PLM.  3,  293)  von  unbekanntem  Verfasser  in  Hss.  des 
Claudian  (in  Birts  Ausg.  p.  404),  nach  Verstechnik  und  der  Hervorhebung 
heidnischer  Sitte  (Bartweihe,  Hochzeitsgebräuche,  Unverblümtheit)  wohl 
noch  aus  saec.  iV/V.  Vgl.  auch  Jeep  Ausg.  164.  An  dem  Bräutigam  (Lau- 
rentius)  wird  seine  Tätigkeit  als  Gerichtsredner  gerühmt,  an  der  Braut 
(Florida?)  ihre  Bildung  und  das  lanificium.  Wernsdorf,  PLM.  4,  2,  462. 
ARiese,  JJ.  97,  706.  MHaupt,  op.  3,  372.  —  In  England  im  7.  Jahrh.  bekannt: 
s.  Haupt  aO. 


§  22.  Epithalamien.    §  23.  Das  Lehrgedicht  41 

23.  Das  Lehrgedicht  war  in  der  alexandrinischen  Poesie  sehr 
verbreitet  und  fand  daher  auch  in  Rom  schon  früh  Vertretung. 
Aus  der  Zeit  vor  dem  griechischen  Einfluß  stammt  die  Unterweisung 
eines  Bauern  an  seinen  Sohn  (vgl.  unten  §  85,  1);  in  ähnlicher 
Richtung  schrieb  Cato,  der  aber  schon  vom  Griechischen  berührt 
sein  mag.  Die  Sprüche  des  Appius  Claudius  scheinen  hellenische 
Spruchweisheit  wiederzugeben.  Mannigfaltig  waren  die  Stoffe  von 
Ennius'  durchaus  alexandrinisierenden  Lehrgedichten.  Die  Satiren 
des  Lucilius  schlugen  gleichfalls  öfters  die  Bahn  des  Didaktischen 
ein  und  behandelten  sogar  die  Orthographie.  Literaturgeschicht- 
lichen Inhalts  waren  die  Lehrgedichte  des  L.  Accius  (Didascalica), 
Q.  Valerius  aus  Sora,  Volcacius  Sedigitus,  Porcius  Licinus.  Unter 
diesen  Lehrgedichten  waren  die  wenigsten  im  Maße  des  griechi- 
schen Epos  gehalten,  das  erst  am  Ende  der  Republik  das  herr- 
schende wurde.  So  waren  in  Hexametern  verfaßt  des  Varro  Atacinus 
Chorographia  und  Ephemeris,  Ciceros  Übersetzung  des  Aratus  und 
des  Lucretius  Darstellung  der  epikureischen  Philosophie  (de  rerum 
natura),  weiterhin  Vergils  Georgica,  ein  Werk,  das  einen  glücklich 
gewählten  Stoff  mit  Wärme  und  vollendeter  Kunst  gestaltet.  Ovid 
verwandte  das  elegische  Maß  nach  hellenistischem  Vorbild  zur  Er- 
klärung des  Festkalenders  durch  einheimische  Sagen  (Fasti),  sowie 
zu  spielend  didaktischer  Behandlung  erotischer  Gegenstände  (Ars 
amatoria,  Remedia  amoris,  Medicamina  faciei).  Zeitgenossen  Ovids- 
von  weniger  Geschmack  bearbeiteten,  in  blinder  Nachahmung  der 
Alexandriner,  auch  ganz  prosaische  Dinge  in  Lehrgedichten.  So 
verfaßte  Valgius  Rufus  ein  Lehrgedicht  über  die  Kräuter,  Aemilius 
Macer  Theriaca  und  eine  Ornithogonia,  Grattius  Cynegetica,  Manilius 
Astronomica.  Gleichfalls  noch  im  ersten  christlichen  Jahrhundert 
gab  Germanicus  eine  neue  Bearbeitung  des  Aratus  heraus,  Columella 
ein  Lehrgedicht  über  den  Gartenbau;  auch  das  beschreibende  Ge- 
dicht Aetna  ist  hierher  zu  rechnen,  sowie  aus  dem  dritten  Jahr- 
hundert des  Kirchenvaters  Lactantius  Carmen  de  ave  phoenice  in 
Distichen,  aus  dem  vierten  des  Palladius  Lehrgedicht  de  re  rustica,. 
vielerlei  Sachen  des  Ausonius,  besonders  seine  Moseila,  des  Avienus 
Descriptio  orbis  terrae  und  Aratea,  sowie  (in  Iamben)  seine  Ora 
maritima,  auch  die  christlich-dogmatischen  Gedichte  desPrudentius; 
aus  dem  fünften  des  Rutilius  Namatianus  Reisebeschreibung  (Itine- 
rarium)  im  elegischen  Maße.  In  letzterem  Metrum  ist  auch  des 
Orientius  Commonitorium  gehalten;  dagegen  die  Lehrgedichte  des 
Dracontius   über   Gott  und   die   Schöpfung,    des  Avitus    über   die 


42  Sachlicher  Teil 

Trinität  im  epischen.  Ist  schon  in  den  meisten  dieser  Arbeiten  die 
Versifikation  eine  äußerliche  Zutat  zu  dem  Stoffe,  so  schwindet  der 
poetische  Gehalt  vollends  bei  den  Lehrgedichten  von  Grammatikern 
für  den  Gebrauch  der  Schule,  zu  denen  nicht  nur  die  versus  memo- 
riales  gehören  (besonders  zahlreich  vertreten  bei  Ausonius),  son- 
dern namentlich  die  Lehrbücher  der  Rhetorik,  Metrik,  Prosodik, 
Metrologie  in  gebundener  Form,  die  carmina  de  figuris  vel  schema- 
tibus  (von  unbekanntem  Verfasser;  zuletzt  von  Marbod);  das  von 
Terentianus  Maurus  mit  unleugbarem  Geschick  geschriebene  Lehr- 
buch de  litteris,  syllabis,  metris,  das  wahrscheinlich  ähnliche  von 
Albinus,  des  Rufinus  aus  Antiochia  Verse  de  metris  oratorum,  die 
•carmina  de  ponderibus  et  mensuris  u.  dgl.  Unternehmungen  ähn- 
licher Art  sind  die  Arzneimittellehren  im  epischen  Maße  von  Serenus 
Sammonicus,  Flavius  und  Vindicianus  und  anderes.  Besonders  frucht- 
bar an  derartigen  Erzeugnissen  war  dann  das  Mittelalter. 

1.  EBruner,  de  carm.  didascalico  Rom,  Helsingf.  1840.  RKnobloch, 
<d.  röm.  Lehrgedicht  bis  z.  Ende  d.  Rep.,  Roßleben  1881.  Über  die  Lehr- 
gedichte von  Egnatius  u.  a.  s.  §  192.  Rhetorische  Schulgedichte  von  Dra- 
-contius  (§  45,  9)  u.  a.  Über  die  Gedichte  der  XII  Sapientes  s.  §  421,  9.  — 
Über  das  Lehrgedicht  adversus  Marcionem  §  373,  9  k. 

2.  Memorialverse  über  die  Namen  der  Musen  AL.  664  PLM.  3,  243; 
über  die  Namen  der  Winde  im  Griechischen  und  Lateinischen  AL.  484 
PLM.  5,  383  (vgl.  auch  unten  §  347,  3),  letztere  aus  Isidor  de  rer.  nat.  37 
geschöpft  und  um  dessen  Zeit  verfaßt,  erhalten  schon  in  Hss.  s.  VII/VIII.  — 
Hexameter  über  die  Sternbilder,  Zeiteinteilung  udgl.  AL.  676  fll.  PLM. 
5,  349  fll.,  frühestens  aus  s.  VI.  —  Beschreibung  einer  Sternkarte  {de  sphaera 
eaeli)  nach  Hygin  in  trockenem  unbehilflichem  Tone  in  76  Hex.,  aus  Hss. 
«.  XI  AL.  761  PLM.  5,  380.     Ob  noch  antik? 

3.  Mancherlei  metrische  Aufzählungen  von  Ausdrücken  für  die  Stimmen 
■der  verschiedenen  Tiere  (vgl.  WWackernagel  ,  Yoces  variae  animantium, 
Bas.  1869;  s.  auch  Löwe,  RhM.  34,  493)  aus  ganz  später  Zeit,  doch  im 
Stoffe  mittelbar  auf  Sueton  zurückgehend  (s.  Reifferscheids  Suet.  247. 
Studemund,  Anecd.  1,  102.  285) :  zB.  AL.  733  PLM.  5,  367  in  Hss.  s.  X/XI, 
ferner  namentlich  AL.  762  PLM.  5,  363  (*de  philomela\  vielmehr  über  Stim- 
men von  Vögeln  und  Vierfüßlern  in  70  elegischen  Versen)  in  Hss.  s.  XI, 
am  Schlüsse  (wie  bei  dem  gleich  zu  nennenden  Gedicht)  eine  erbauliche 
Wendung,  wohl  erst  in  einem  deutschen  Kloster  gedichtet  (s.  V.  11  dulce 
per  ora  sonat,  dicunt  quam  nomine  droscam:  vgl.  adh.  drosca,  droscila 
—  Drossel).  Daß  in  einer  StGaller  Hs.  als  Verfasser  Albius  Ovidius  Iuven- 
iinus  angegeben  sei,  hat  Goldast  (catal.  Ovid.  71)  erdichtet;  s.  aurh  Scherrer, 
StGaller  Hs.-Verzeichnis  72.  Ebenso  erdichtete  er  einen  Iulius  Speratus  als 
•den  Verfasser  eines  jenem  ersten  ziemlich  gleichzeitigen  Gedichts  auf  die 
Nachtigall  AL.  658  PLM.  5,  368,  erhalten  in  Hs.  s.  IX  ff.,  nachgeahmt  von 
Alvarus  von  Cordoba  (Ebert,  LdMA.  2,  310):  es  wird  auch  dem  Eugenius 
von  Toledo  beigelegt,  s.  §  495,  3. 


§  23.  24.  Lehr-  und  Spruchgedicht.    §  25.  Der  poetische  Brief        43 

24.  Eine  Art  Lehrgedichte  im  kleinen  sind  die  Spruchgedichte, 
die  in  der  Kaiserzeit  teils  aus  größeren  Ganzen  ausgelesen  und  zu- 
sammensgestellt,  teils  auch  (wohl  besonders  für  den  pädagogischen 
Bedarf)  selbständig  angefertigt  wurden.  Eine  Sammlung  letzterer 
Art  sind  die  sog.  di stich a  Catonis. 

1.  Das  Spruchgedicht  beginnt  mit  Xlgcovog  vnod'fj'Kca  und  Hesiods  Mahn- 
liedern an  Perses;  später  versifiziert  es  meist  nur  vorhandene  prosaische 
Sprüche  oder  Spruchsammlungen,  wie  es  deren  seit  Demetrios'  Sammlung 
der  Siebenweisensprüche  (Martini,  PW.  4,  2835)  viele  gab.  PFriedländee, 
Herrn.  48,  558.  Über  die  an  Syrus  anknüpfende  Spruch literatur  in  iambi- 
achen  Senaren  s.  §  212,  4.   Über  die  disticha  Catonis  s.  §  398. 

25.  In  vielen  Gestalten  erscheint  der  poetische  Brief,  der  sich 
mit  zahlreichen  anderen  Gattungen  kreuzt.  Zu  einem  Briefe  kann 
jedes  Gedicht  werden  durch  die  Anrede  an  eine  bestimmte  Person; 
oft  aber  ist  diese  weiter  nichts  als  eine  Form  der  Widmung,  die 
auf  Form  und  Inhalt  des  Gedichtes  keinen  eigentlichen  Einfluß 
ausübt.  Im  engeren  Sinne  aber  heißen  so  Gedichte,  in  denen  die 
Bestimmung  für  einzelne  Personen  auf  den  ganzen  Inhalt  des  Ge- 
dichts und  seine  Haltung  bestimmend  einwirkt.  Auch  hier  muß  man 
wieder  scheiden  zwischen  wirklichen,  aus  einer  bestimmten  Situa- 
tion heraus  geschriebenen  und  durch  sie  bedingten  Briefen  und 
solchen,  die  nur  die  Maske  eines  solchen  Briefes  vornehmen.  Zu 
jenen  gehören  die  scherzhaften  Briefe  in  Versen,  die  Sp.  Mummius 
aus  dem  Lager  vor  Korinth  (J.  146),  an  seine  Bekannten  in  Rom 
richtete,  und  einige  Gedichte  des  Catull,  wie  die  an  Hortensius  und 
an  Manlius.  Aber  wie  bei  Catull  die  Grenze  zwischen  Epigramm  und 
Elegie  einerseits  und  Brief  anderseits  sich  bisweilen  verwischt,  so 
ähnlich  bei  Properz  und  bei  Horaz,  dessen  Satiren  und  Episteln  sich 
oft  ganz  nahe  zu  stehen  scheinen,  während  er  doch  einen  leise  ver- 
schiedenen Ton  durchführt;  sein  Brief  an  die  Pisonen  ist  das  berühm- 
teste Beispiel  eines  in  Briefform  gebrachten  Lehrgedichtes.  Auch 
Ovids  Tristia  sind  von  den  Epistulae  ex  Ponto  nur  durch  eine  schmale 
Kluft  getrennt.  Ganz  anderer  Art  sind  Briefe,  die  rhetorische 
Ethopoiien  darstellen,  wie  Ovids  Heroides,  erdichtete  Liebesbriefe 
von  Frauen  der  Sage;  rhetorischen  Einschlag  weisen  auch  die 
Briefe  auf,  die  sich  unter  Statius'  Silven  finden.  Aus  späterer  Zeit 
haben  wir  wirkliche,  aber  sehr  stilisierte  Briefe  von  Ausonius  in  ver- 
schiedenen Metren  und  teilweise  von  scherzhaftem  Inhalte,  auch  von 
seinem  Schüler  Paulinus,  von  Claudianus  und  Apollinaris  Sidonius. 

1.  HPeter,  der  Brief  in  d.  röm.  Liter.,  Abh.  Sachs.  Ges.  20  (1901).  Über 
Mummius   s.  §  131,  8.    Von  Lucilius   begann   das  27.  Buch   oder  eine  Satire 


44  Sachlicher  Teil 

darin:  salutem  fictis  versibus  Lucüius  quibus  potest  impertit  totumque  hoc 
studiose  et  sedulo  (v.  688);  vgl.  §  143.  Über  Horaz,  von  dem  auch  Epod.  9. 11 
hierher  gezogen  werden  können,  Heinze  Herrn.  33,  443.  Vgl.  Babl,  de  epist. 
lat.  formulis,  Bamberg  1893. 

2.  Ein  Brief  ist  zB.  auch  Tib.  (Lygd.)  3,  5;  Brief  einer  Gattin  an  ihren 
fern  im  Osten  im  Felde  stehenden  Gatten  bei  Prop.  5,  3;  Namen  wie  Situa- 
tion sind  fingiert.  Dido  Aeneae  AL.  83  PLM.  4,  271  mit  Refrain;  vgl. 
Wernsdorf  PLM.  4,  p.  55.  439.  Wirkliche  Briefe  zB.  Stat.  Silv.  4,  4  (an 
Vitorius  Marcellus)  und  4,  8  (Glückwunschschreiben),  sowie  des  Licentius  an 
Augustin.    Über  die  Briefe  des  Claudian  §  439,  6. 

26.  Gleichfalls  meist  im  epischen  Versmaße  gehalten  waren 
allerlei  Spielereien,  die  fast  alle  aus  der  Schule  hervorgegangen 
sind.  Die  Rätsel  knüpften  an  die  griechische  Literatur  an;  erst  in 
den  letzten  Jahrhunderten  Roms  wurde  diese  Gattung  in  der  Lite- 
ratur beliebt  und  trieb  bis  weit  in  das  Mittelalter  hinein  immer 
neue  Sprossen.  Dagegen  stammen  aus  den  Kreisen  der  Schule  die 
Variationen  über  alte  (besonders  vergilische)  Themata  und  die  Flick- 
gedichte (centones),  die  aus  wilkürlich  zusammengelesenen  Versen 
und  Versteilen  älterer  Dichter  einen  neuen  Inhalt  hervorbrachten. 
Auch  andere  Künsteleien  namentlich  im  epischen  und  elegischen 
Maße  (Akrosticha  und  ihre  Abarten),  versus  serpentini,  recurrentes, 
reciproci  u.  dgl.  waren  in  der  Spätzeit  sehr  beliebt. 

1.  Bei  den  Griechen  dienten  yqlcpoi  als  Tischunterhaltung  (vgl.  Athe- 
naeus  B.  10).  KOhlert,  Rätsel  und  Rätselspiele  der  Griechen,  2Berlin  1912. 
Daher  erdichtet  auch  der  römische  Rätseldichter  Symphosius  eine  solche 
Einkleidung.  Ältestes  lateinisches  aenigma  (perantiquum,  perquam  lepidum, 
tribus  versibus  senaris  compositum,  mit  Lösung  in  M.  Varronis  de  sermone 
lat.  ad  Marcelluni  libro  II)  bei  Gell.  12,  6.  Drei  volkstümliche  Scherzrätsel 
bei  Petron.  58  (dazu  Bücheler  p.  1298  und  Friedländer).  Lösen  von  Rätseln 
als  Zeichen  der  Weisheit  Hist.  Apollonii  42,  vgl.  4.  Später  wurden  lateini- 
sche Rätsel  ein  beliebter  Zeitvertreib  in  den  Klöstern,  und  es  ist  daher, 
außer  den  Rätseln  von  Aldhelmus  und  Tatvinus  (§  500,  2.  4),  vieles  derartige 
von  ungenannten  Verfassern  erhalten;  manches  noch  ungedruckt.  Dreiund- 
sechzig sechszeilige  Rätsel  aus  s.  YII/VIII  (älteste  Hs.  Bern.  611  s.  VIII)  in 
rhythmischen  Hexametern  (aus  je  14  Silben,  deren  6  vor  und  8  nach  der 
Penthemimeres  fallen)  AL.  481  (vgl.  2,  p.  376);  PBrandt  im  Tirocin.  philol. 
Bonn.  (Beri.  1883)  101.  WMeyer,  Anf.  u.  Urspr.  d.  lat.  u.  griech.  rhythm. 
Dicht.  (Abh.  d.  bayr.  Akad.  17,  2)  1885,  412.  Andere  mittelalterliche  Rätsel 
(in  Hss.  s.  IX/X)  zB.  AL.  656—657%  738  a-  b.  AL.  685  PLM.  3,  170.  AL.  727 
PLM.  5,  370  (letztere  Rätselaufgabe  verfaßte  ein  Berno  nach  Paris.  7899 
e.  IX;  s.  WFrohner,  Phil.  Suppl.  5,  69).  LMüller,  JJ.  93,  266.  566.  95,  497; 
RhM.  22,  151.  JKlein,  ebd.  23,  662.  HHagen,  antike  und  mittelalterliche 
Rätselpoesie,  2Bern  1877.  Wölfflin,  Ioca  monachorum,  Beitr.  z.  mittel- 
alterl.  Rätsellit.,  Berl.  SBer.  1872,  106.  Im  allg.  vgl.  PSchultz,  PW.  1  a,  62 
(bes.  116). 


§  26.  Rätsel.  Centonen,  Akrosticha  45 

2.  Hieron.  epist.  103,  7  legimus  Homerocentones  (griech.  *On,r\Q6%£vtQov 
oder  -ytivtQcov)  et  Vergil  iocentones.  Tertull.  de  praescr.  haeret.  39  (s.  §  370, 
5).  Isidor.  or.  1,  39,  25  centones  apud  grammaticos  vocari  solent,  qui  de 
carminibus  Homeri  vel  Vergüii  ad  propria  opera  more  centonario  in  unum 
sarciuntur  corpus,  ad  facultatem  cuiusque  materiae.  denique  Proba,  uxor 
Adelphi  (§436,  7),  centonem  ex  Vergilio  de  fabrica  mundi  et  euangeliis  ple- 
nissime  expressit,  materia  composita  secmidum  versus  et  versibus  secundum 
materiam  concinnatis.  sie  quoque  quidam  Pomponius  ex  eodem  poeta  inter 
cetera  stili  sui  otia  Tityrum  in  Christi  honorem  composuit;  similiter  (wie  aus 
den  vergilischen  Bucolica)  et  de  Aeneidos  (versibus).  Jener  Tityrus  des 
Pomponius  ist  erhalten  im  cod.  Vat.  Palat.  1753  und  herausgegeben  von 
Bursian,  SBer.  d.  Münch.  Ak.  1878  2,29.  Auch  sonst  waltete  das  Bestreben, 
die  heidnischen  Worte  christlichem  Inhalte  dienstbar  zu  machen  und  da- 
durch zu  veredeln:  Maronem  mutatum  in  melius,  AL.  735,  4.  S.  die  Cen- 
tonen de  incarnatione  verbi  (§473,  5)  und  de  ecclesia  (§477,  3).  —  Außerdem 
Centonen  für  scherzhafte  Zwecke,  zB.  des  Ausonius  cento  nuptialis  (§  421, 
2,  k)  oder  in  lehrhafter  Absicht,  für  Schulzwecke  usw.  Zwölf  vergilische 
Centonen  AL.  7 — 18  PLM.  4, 191 — 240,  darunter  de  alea,  Narcissus,  Hippodamia, 
Medea  (dialogisch,  von  Hosidius  Geta,  461  Verse  s.  §  370,  5)  usw.,  auch  iudi- 
cium  Paridis  des  Mavortius  (§  477,  3)  und  epithalamium  Fridi  des  Luxorius 
{§  22,  1.  476,  3).  Im  kleinen  schon  bei  Petr.  132.  S.  auch  Bährens,  RhM.  31,  91. 
Bei  der  Zusammenfügung  von  zwei  Versteilen  nahm  man  es  in  der  späteren 
Zeit  mit  dem  Metrum  öfters  sehr  wenig  genau:  zB.  Medea  (AL.  17)  93  nunc 
scio  quid  sit  amor.  hospitio  prohibemur  harenae,  und  ebd.  64f.  87.  172.  196. 
211f.  226.  250.  269.  315.  320.  357.  377.  387.  391  f.  430.  435.  446.  Luxorius 
(ebd.  18)  43  nomen  inest  virtutis  et  nota  maior  imago.  AL.  719,  20.  25.  78 
und  sonst.  —  Delepierre,  ouvrages  ecrits  en  centons  jusqu'au  XIXe  siecle, 
Lond.  1868;  tableau  de  la  litterature  du  Centon,  Lond.  1875  II.  BBorgen, 
de  centonibus  Homer,  et  Vergil.,  Kopenh.  1828.  FHasenbalg,  de  centon. 
Vergil.,  Putbus  1846.    LMüller,  metr.  lat.2  585.    Crusius,  PW.  3,  1929. 

3.  Akrosticha,  besonders  zur  verdeckten  Angabe  eines  Namens  zB. 
des  Verfassers  oder  des  Stifters  (AL.  120  PLM.  4,  298  Condentis  monstrant 
uersus  primordia  nomen),  sind  aus  der  griechischen  Literatur  herüberge- 
nommen (ccvLQ06ti%ig,  Ttccqa6xi%ig),  vielleicht  in  der  Orakelliteratur  heimisch 
(Diels,  Sibyllin.  Blätter  33.  Dieterich,  Kl.  Sehr.  217)  und  schon  der  älteren 
römischen  nicht  fremd;  schon  Ennius  verfaßte  eines  (Cic.  de  div.  2,  111)  und 
dann  Aurelius  Opilius  (Suet.  gramm.  6.  Ritschl,  Parerg.  p.  xvi).  Aus  späterer 
Zeit  inschriftliche,  zB.  CEL  511  Buech.  (mit  der  Gebrauchsanweisung  Inspi- 
cies,  lector,  primordia  versiculorum).  512—516.  1366.  1829  f.  1838,  vgl.  CIL. 
5,  6731  u.  CEL  708  qui  legis  revertere  per  capita  versorum  et  invenies  pium 
nomen).  594,  ferner  CIL.  3,6306.  5,6723.  6725;  de  Rossi,  Inscr.  christ.  nr.  425 
(vom  J.  395).  753.  831.  Beim  Scholiasten  (§  250,  3)  zur  Ibis  akrostichisches 
(Enniani)  Epigramm  eines  angeblichen  Bacchus  oder  Battus  poeta.  Gedicht 
auf  Hadrian  auf  einer  Inschrift  ungefähr  aus  J.  135  CIL.  3,  77  (CEL  271), 
nach  dem  Akrostichon  von  Iulius  Faustinus.  Verbindung  von  Akrostich 
und  Telestich  CIL.  5,  1693,  AL.  669  (Nichoalo  Euantius),  bei  Belisarius  und 
Liberatus  AL.  492.  493  (Sedulius  antistes,  vgl.  §  473,  6),  sowie  (aus  einem 
cod.  s.  VI/VII)   AL.  6a   (Laurentius  vivat  senio).   RhM.  23,  94.    Von  Flavius 


46  Sachlicher  Teil 

Felix  (§  476,  2)  Verbindung  von  Akrostich,  Mesostich  und  Telestich.  Über 
anderes  dieser  Art  s.  §  99,  2.  384,3.  403,  2.  474,  2.  491,  8.  500,  2.  4.  — 
Graf,  PW.  1,  1200. 

4.  Vielerlei  schulmeisterliche  und  mönchische  Tändeleien:  Gedichte  in 
Form  eines  Kreuzes  usw.,  wie  von  Porfirius  Optatianus  und  Venantius  For- 
tunatus,  mit  einer  bestimmten  Buchstabenzahl  (so  von  Flavius  Felix  u.  a.) 
oder  ohne  einen  bestimmten  Buchstaben  (solches  sogar  in  Prosa  §  480,  8) 
udgl.  Versus  echoici  oder  serpentini  (epanaleptische),  worin  die  ersten  Worte 
des  Hexameters  (bis  zur  Penthemimeres)  sich  als  zweite  Hälfte  des  Penta- 
meters wiederholen,  wie  sie  besonders  Pentadius  (§  398,  11)  verfaßte.  Ande- 
res bei  Apoll.  Sid.  (ep.  8,  11),  Sedulius,  Venantius  Fortunatus  (§  491,  4), 
und  eine  Sammlung  solcher  serpentini  AL.  38 — 80  PLM.  4,  260—267.  — 
Sidon.  ep.  9,  14  versus  .  .  .  recurrentes,  qui  metro  stante  neque  litteris  loco 
motis  ut  ab  exordio  ad  terminum  sie  a  fine  releguntur  ad  summum.  sie  est 
illud  antiquum  c Roma  tibi  subito  motibus  ibit  amor  (vgl.  AL.  325,  3  PLM.  4, 
404  Nemo  te  cedis,  murorum  si  decet  omen;  CIG.  4,  2400  Kaibels  epigr.  gr. 
1124  7/<$7j  (tot  4 log  dg  ccjtdta  itccgä  6ol  ^Loinfjörj).  nee  non  habentur  pro 
recurrentibus ,  qui  pedum  lege  servata  .  .  .  per  singula  verba  replicantur  .  .  , 
qualia  equidem  legi  multa  multorum  zB.  { praeeipiti  modo  quod  decurrit 
tramite  flumen  tempore  consumptum  iam  cito  deficiet'.  Solche  Verse  hießen 
auch  anaeyclici  und  reeiproei,  dergleichen  wir  besonders  von  Porfirius  haben, 
vgl.  AL.  81  PLM.  4,  268.  Auch  Carmen  supinum  bei  Mart.  2,  86  (dazu  Fried- 
länder), der  sich  dort  geringschätzig  über  solche  Künsteleien  ausspricht, 
zB.  auch  über  die  Bildung  von  Hexametern,  die  rückwärts  gelesen  Sotadeen 
geben  (vgl.  Quint.  9,  4,  90).  Zuletzt  mußte  der  Reim  zur  Ausschmückung 
des  Hexameters  dienen,  s.  FZarncke,  Leipz.  SBer.  1871,  34.  WMeyer,  Ges. 
Abh.  1,  75.  JHuemer  Wien.  Stud.  4,  599.  5,  144.  6,  287  u.  bes.  Poet.  lat. 
aevi  Carol.  3  ed.  Traube. 

27.  Die  Fabel,  die  Ermahnungen  in  scherzhafte  Erzählungen 
namentlich  aus  dem  Tierleben  einkleidet,  erscheint  in  der  römischen 
Literatur  zuerst  vereinzelt  in  den  saturae  des  Ennius,  Lucilius  und 
Horaz,  als  selbständige  Gattung  aber  erst  bei  Phaedrus  (in  Senaren) 
in  der  Zeit  des  Tiberius  und  Claudius.  Im  dritten  Jahrhundert  ver- 
faßte Titianus  eine  prosaische  Übersetzung  der  Fabeln  des  Babrios. 
Auch  Symmachus  scheint,  wohl  in  gebundener  Form,  ähnliches  ge- 
arbeitet zu  haben,  und  etwa  ein  Jahrhundert  nach  ihm  dichtete 
Avianus  42  Fabeln  des  Babrios  im  elegischen  Maße  nach.  Griechi- 
sche Fabeln  mit  lateinischer  Übersetzung  finden  sich  in  dem  Schul- 
buche des  sog.  Dositheus.  Die  prosaische  Bearbeitung  der  Fabeln 
des  Phaedrus  durch  den  sog.  Romulus,  spätestens  aus  dem  zehnten 
Jahrhundert,  bildete  im  Mittelalter  den  Ausgangspunkt  für  eine 
Reihe  anderer  Fabelsammlungen. 

1.  Die  äsopische  Fabel  von  der  Haubenlerche  bei  Ennius  (in  satiris  .  .  . 
versibus  quadratis),    Gell.  2,  29.    Vgl.  §  103,  1.    Die    vom   kranken    Löwen 


§  27.  Die  Fabel.    §  28.  Die  Satura  47 

(Hör.  E.  1,  1,  73  ff.)  schon  bei  Lucilius  (V.  988).  Andere  bei  Hokaz  S.  2,  6r 
79.  E.  1,  7,  29.  1,  10,  34.  Anspielungen  auf  Fabeln  bei  Hör.  S.  2,  3,  299. 
2,  5,  56.  E.  1,  3,  19.  1,  16,  45.  Die  Fabel  vom  Fuchs  und  Storch  auf  einem 
römischen  Grabstein,  Ost.  Jahresh.  1,  1. 

2.  Seneca  Cons.  ad  Polyb.  8,  27  non  audeo  te  usque  eo  producere,  ui 
fabellas  quoque  et  Aesopeos  logos,  intemptatum  Bomanis  ingeniis  opus,  solita 
tibi  venustate  conectas.  Vielleicht  da  er  damals  in  der  Verbannung  lebter 
kannte  Seneca  den  Phaedrus  noch  nicht;  s.  §  284,  1.  Avianus  praef.:  ha& 
pro  exemplo  fabulas  .  .  .  poemati  suo  Flaccus  aptavit,  quod  in  se  sub  iocorum 
communium  specie  vitae  argumenta  contineant,  quas  graecis  iambis  Babrius 
repetens  in  duo  volumina  coartavit.  Phaedrus  etiam  partem  aliquam  quinque 
in  libellos  resolvit.  Auson.  epist.  16,  74  p.  242  P.  apologos  .  .  .  Aesopiam  tri- 
metriam,  quam  vertu  exili  stilo,  pedestre  concinnans  opus,  fandi  Titianus 
artifex.  ebd.  17  p.  223,  20  P.  rühmt  er  von  Symmachus:  quis  ita  ad  Aesopi 
venustatem  .  .  .  accedat? 

3.  Fabeln  waren  eine  Aufsatzübung  für  Schulknaben;  Reichelt,  Quaest. 
progymnasmaticae ,  Lips.  1909,  49.  Quintil.  1,  9,  2  Aesopi  fabellas,  quae 
fabulis  nutricularum  proxime  succedunt,  narrare  sermone  puro  et  nihil  se 
supra  modum  extollente,  deinde  eandem  gracilitatem  stilo  exigere  eondiscant 
(pueri  aetatis  nondum  rhetorem  capientis).  Phaedr.  1,  prol.:  duplex  libelli 
dos  est:  quod  rüum  movet  et  quod  prudenti  vitam  consilio  monet.  Vgl.  ebd.  2, 
prol.;  3,  prol.  33;  4,  2,  1.  Append.  epil. :  hoc  .  .  .  Musa  quod  ludit  mea  ne- 
quitia  pariter  laudat  et  frugalitas. 

4.  Über  die  Geschichte  der  Fabel  Hausrath,  PW.  6,  1704.  Über  die 
mittelalterlichen  Fabelsammlungen  KRoth,  Phil.  1,  523.  Oesterley,  Romulus,. 
die  Paraphrasen  des  Phaedrus  und  die  äsopische  Fabel  im  Mittelalter, 
ßerl.  1870.  Hervieux,  les  fabulistes  latins  depuis  le  siecle  d1  Auguste  jusqu'a 
la  fin  du  moyen-äge,  Paris2  1893 f.  III. 

28.  Die  Satura  ist  eigentlich  nicht  ein  besonderer  Literatur- 
zweig, sondern  eine  Sammlung  vermischter  Gedichte,  wie  sie  bei 
den  Alexandrinern  üblich  war  und,  wie  es  scheint,  durch  Ennius  in 
die  römische  Literatur  eingeführt  wurde.  Dieses  Beispiel  befolgte 
vielleicht  sein  Neffe  Pacuvius,  sicher  der  römische  Ritter  C.  Lucilius. 
Die  bei  diesem  überwiegende  Kritik  der  öffentlichen  Zustände  seiner 
Zeit  wurde  fortan  ein  Hauptmerkmal  im  Begriffe  der  Satire,  zumal 
da  Horaz,  der  nach  einigen  minder  bedeutenden  Nachfolgern  mit 
glänzender  Begabung  in  der  Weise  des  Lucilius  weiter  arbeitete, 
mit  Nachdruck  dieselbe  Richtung  verfolgte.  Doch  milderte  er  die 
Schärfe  der  persönlichen  Angriffe  und  richtete,  zum  Teil  unter 
philosophischem  Einflüsse,  seine  Kritik  vorzugsweise  auf  die  sozialen 
und  literarischen  Zustände.  Den  von  Lucilius  schon  sehr  bevor- 
zugten Hexameter  verwandte  Horaz  ausnahmslos.  Die  aus  Prosa 
und  Versen  frei  gemischten  Saturae  Menippeae  des  Polyhistors 
Yarro  gehen  ganz  auf  populär-philosophische  Anregungen  zurück; 


48  Sachlicher  Teil 

nur  hinsichtlich  dieser  Form  fanden  sie  Nachfolge  in  der  Zeit  des 
Nero  in  Senecas  giftiger  persönlicher  Satire  {!47to%oXo%vvxa6ig)  und 
in  dem  realistischen  Roman  des  Petronius.  Dagegen  hatte  Horaz  in 
der  neronischen  Zeit  einen  Nachahmer  an  dem  jugendlichen  Stoiker 
Persius.  Nach  dem  Tode  Domitians  schrieb  der  Rhetor  Iuvenalis 
seine  dunkel  gefärbten  Sittenpredigten  und  Sittengemälde.  Außer 
diesen  Hauptvertretern  der  Gattung  werden  noch  einige  geringere 
genannt.  Satirischer  Geist  herrscht  auch  in  manchen  apologetisch- 
polemischen Schriften  des  Tertullianus.  Im  fünften  Jahrhundert 
verfaßte  Claudianus  seine  episch  gehaltenen  Angriffe  auf  Rufinus 
und  Eutropius. 

1.  Diomed.  GL.  1,  485  satura  dicitur  Carmen  apud  Romanos  nunc  qui- 
dem  maledicum  et  ad  carpenda  hominum  vitia  archaeae  comoediae  charactere 
(richtiger,  aber  auch  nicht  ganz  zutreffend  Quint.  10,  1,  93  satura  quidem  tota 
nostra  est)  compositum,  quäle  scripserunt  Lucilius  et  Horatius  et  Persius. 
at  olim  Carmen  quod  ex  variis  poematibus  constabat  satura  vocabatur,  quäle 
scripserunt  Pacuvius  et  Ennius  (über  Naevius  als  Verfasser  von  Satiren  s. 
§  95,  5).    Lyd.  de  mag.  1,  41    ^isd"'    bv  (Lucilius)    v.al  xobg  ftstr'  avtov,   ovg 

XCCX0V61  'PcO[lCCLOl     öCCZVQlKOVg,     Ol     VSCOtSQOl    .    .    .    TT]V    6<XZVQlY.r}V    iüQCCTVVCCV     XCö- 

yicadLav  (verkehrt),  ^Ogatiog  {isv  ovh  ££oö  rfjg  ti%vr\g  %(üqcqv,  JJiq6iog  dh  tov 
itoir\r:r]V  2JwcpQ0va  \ii^r\6a6%'ai  frslcov  ro  AvnocpQOvog  7tctQT]kQ'£v  a\iavQOV 
Tovgvog  (§  323,  2)  dh  y.ccl  'Iovßsvdliog  ■accl  IlezQojviog  avröd'sv  xcctg  loidogicug 
i7te£,eXd'6vT8g  xbv  6uzvqw,ov  vo^lov  7caQEtQcoaav.  Über  die  ursprüngliche  Be- 
deutung des  Wortes  satura  s.  §  6,  2.    Vgl.  auch  §  103,  1. 

2.  Hör.  S.  1,  10,  54  (46)  hoc  erat,  experto  frustra  Varrone  Atacino 
(§  212,  2  E.)  atque  quibusdam  aliis,  melius  quod  scribere  possem.  Zu  diesen 
quidam  alii  gehörte  wohl  auch  der  Polyhistor  Varro  mit  seinen  vier  Büchern 
Saturae,  sodann  L.  Abuccius  (§  192,  1),  C.  Trebonius  (§  210,  9)  und  die  Frei- 
gelassenen Sevius  Nicanor  (§  159,  3)  und  Lenaeus  (§  211,  3).  —  Andere 
Satiriker  waren  noch  Iulius  Florus  (§  242,  3),  Silius  (§  332,  9),  Manlius 
Vopiscus  (§  324,  2),  Iulius  Rufus  (?§  324,  5),  weiterhin  Tetradius  (§  421,  2m). 
Über  Lucilius  s.  §  448,  5;  den  Brief  des  Viktor  an  den  Abt  Salomo  §  464,  7; 
über  Secundinus  §  466,  10;  Satire  aus  Arelate  bei  Ap.  Sidon.  1,  11.  Über 
die  der  Sulpicia  §  323,  7. 

3.  Die  den  saturae  Menippeae  eigentümliche  Mischung  von  Prosa  und 
Versen  zeigen  noch  Martianus  Capella,  Boethius  de  consol.  philos.,  Iulius 
Valerius  (§  399)  und  die  Historia  Apollonii  regis  Tyri.  Doch  können  diese 
nicht  für  eigentliche  Menippeae  gelten,  da  in  ihnen  die  Einmischung  von 
Versen  nur  dazu  dient,  die  Darstellung  mannigfaltiger  zu  machen,  ein 
satirisches  Element  aber  nicht  vorhanden  ist.  Vielmehr  zeigt  der  griechische 
Alexanderroman,  den  Iulius  Valerius  übersetzt,  daß  es  schon  in  hellenisti- 
scher Zeit  Erzählungen  gab,  in  denen  Prosa  und  Vers  abwechselten. 
Kuhlmann,  de  Ps.  Callisthenis  carminibus,  Münster  1912.  —  Das  gegen  Kaiser 
Claudius  namenlos  erschienene  Pamphlet  ficog&v  i7cccvä6tcc6ig  (Suet.  Claud.  38) 
war  vielleicht   eine  satura  wie  die  cc-xoxoIoy.v vraGig;  s.  Bücheleks  Petr.  ed. 


§  28.  Die  Satura.    §  29.  Das  bukolische  Gedicht  49 

min.  44  246.  —  Satire  in  Form  eines  Testaments  von  Fabricius  Veiento  (§  297,  7) ; 
aus  dem  3.  bis  4.  Jahrk.  das  schon  von  Hieronymus  (vgl.  §  47,  1)  erwähnte 
Testament  eines  Schweins,  eine  Parodie  der  juristischen  Testamentsformeln, 
aus  Hss.  s.  IXfll.  herausgegeben  zuletzt  von  Haupt,  op.  2,  175,  Bücheleh, 
Petron.  ed.  min.4  p.  243.    Vgl.  §  47,  1.  49,  1. 

4.  Ältere  Literatur  in  PRE  3, 1474.  6,  819.  ICasaubonus  de  satyrica  Grae- 
corum  poesi  et  Roman,  satira,  Par.  1605.  Halle  1774.  LRoth,  kl.  Sehr.  2 
(Stuttg.  1857),  384.  411;  zur  Theorie  und  innern  Gesch.  d.  röm.  Sat.,  Stuttg. 
1848.  Scheibe,  de  sat.  Rom.  orig.  et  progressu,  Zittau  1849.  FHaase,  d. 
röm.  Satire,  in  Prutz'  Deutsch.  Mus.  1851,  858.  Mac  Ewen,  origin  and  growth 
■of  the  rom.  satir.  poetry,  Oxf.  1876.  Nettleship,  the  Rom.  Satura,  Lect. 
and  Essays,  Oxf.  1895,  24.  Grubel,  de  sat.  Rom.  origine,  Posen  1883. 
G.  Friedrich,  zur  Gesch.  d.  röm.  Sat.,  Schweidn.  1899.  Kroll,  PW.  2  A  s.  v. 
—  ESzelinski,  de  nominibus  personarum  .  .  .  ap.  poet.  satir.  Rom.,  Königsb. 
1862.  JSchultz,  de  prosodia  satiricorum  rom.  (de  muta  cum  liquida  et  de 
synaloephe),  Königsb.  1864. 

29.  Das  ländliche  (bukolische)  Gedicht,  das  erst  Theokrit  in  die 
Literatur  eingeführt  hatte,  blieb  den  Römern  lange  fremd.  Erst  der 
junge  Vergil  wurde  durch  Asinius  Pollio  auf  diese  Gattung  hinge- 
wiesen und  ahmte  den  Theokrit  nach,  blieb  aber  (auch  wegen  der 
starken  Beimischung  von  nicht  verarbeiteten  persönlichen  Anspie- 
lungen) weit  hinter  ihm  zurück.  Dagegen  zeugt  das  Moretum  vom 
Humor  seines  Verfassers.  Aus  dem  Anfange  der  Regierung  des  Nero 
stammen  die  sieben  Eklogen  des  Calpurnius  Siculus;  an  ihn  schloß 
sich  gegen  Ende  des  dritten  Jahrhunderts  Nemesianus  an.  Viel- 
leicht aus  derselben  Zeit  stammen  des  Septimius  Serenus  Opuscula 
ruralia  in  vielerlei  lyrischen  Metren,  die  dem  Stoffe  nach  Idyllen 
waren.  Ferner  zeigen  ländlichen  Charakter  die  unter  Vergils  Nach- 
laß erhaltenen  Dirae  und  einzelne  Partien  der  Mosella  des  Ausonius 
sowie  das  aus  dem  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  stammende  Ge- 
dicht des  christlichen  Rhetors  Endelechius  de  mortibus  boum. 

1.  Knaack,  Art.  Bukolik,  PW.  3,  998.  Diomed.  GL.  1,  486  bueolica  di- 
euntur  poemata  seeundum  Carmen  pastorale  composita.  Über  den  Namen 
Idyll,  der  ursprünglich  ein  kleines  Gedicht  bezeichnet  und  erst  später  auf 
diese  Gattung  beschränkt  wurde,  s.  Christ,  Verhandl.  d.  Würzb.  Philologen- 
vers. (Lpz.  1869)  49.  Ecloga  (auserlesenes  Stück)  in  der  Kaiserzeit  für  jedes 
kleinere  Gedicht  =  idyllium,  poematium,  s.  Plin.  ep.  4,  14,  9  sive  epigram- 
mata  sive  idyllia  sive  eclogas  sive  . .  .  poematia  . .  .  vocare  mälueris.  Eclogae 
sind  in  den  Hss.  betitelt  die  Hirtenlieder  des  Vergil,  Calpurnius,  Nemesia- 
nus,  sowie  eine  Sammlung  von  kleineren  Gedichten  des  Ausonius. 

2.  Die  Schwärmerei  für  das  Landleben  und  die  Idealisierung  seiner  Ver- 
treter war  eine  gewisse  Reaktion  gegen  die  Überkultur  der  hellenistischen 
Zeit.  Bukolische  Motive  klingen  daher  vielfach  an;  Cornelius  Gallus  nahm 
sie  in  die  Elegie  auf  (Skutsch,  Gallus  und  Verg.  157),  ihm  folgte  Tibull,  bei 

Teuffei:  röm.  Literaturgesch.    Neub.  6.  Aufl.    I.  4 


50  Sachlicher  Teil 

dem  man  aber  auch  mit  dem  Einflüsse  der  griechischen  Bukolika  des  Mes- 
sala  (§  222,  3)  rechnen  muß.  Auch  Horaz  (S.  2,  6.  E.  1,  10)  liebt  und  preist 
das  Landleben  als  das  gesündere  und  unabhängigere,  verspottet  aber  auch 
die  unaufrichtige  Schwärmerei  dafür  (Epod.  2).  —  Über  den  Idyllendichter 
Sueius  §  150,  7;  über  Fontanus  §  254,  1. 

3.  Über  die  beiden  Einsiedler  Gedichte  (Nachahmungen  der  vergil.  Eklo- 
gen,  zum  Preise  Neros  gewendet)  s.  §  306,  4.  Über  Boethius'  Carmen  buco- 
licum  s.  Usener,  anecd.  Holderi  (1887)  42.  (s.  §  478,  3).  —  Der  Wettstreit 
des  Frühlings  und  des  Winters  AL.  687  gehört  dem  Mittelalter  an,  s.  Dümm- 
lers  poetae  aevi  Carolini  1,  270. 

4.  Die  in  den  früheren  Ausgaben  des  Ausonius  und  Claudianus  als 
Eidyllia  bezeichneten  Gedichte  nicht  bukolischen  Inhalts  tragen  diesen  Na- 
men nicht  in  den  Handschriften.  Vgl.  §  421,  2  k.  —  Hunger,  de  poesi  Rom. 
bucolica,  Halle  1841.    Rünger,  Valg.  Ruf.  285. 

30.  Die  Lyrik,  als  subjektive  Poesie  im  weitesten  Sinne,  stimmte 
wenig  zu  dem  auf  das  Handeln  gerichteten  und  herben  Wesen  der 
Römer  und  wurde  daher  unter  griechischem  Einflüsse  erst  spät  und 
in  beschränktem  Umfange  bei  ihnen  betrieben.  Dagegen  finden  sich 
verhältnismäßig  frühzeitig  solche  Lieder,  die  mit  dem  Leben  irgend- 
wie in  Beziehung  standen,  wie  Kultuslieder  (der  Salier,  fratres  ar- 
vales,  der  Hymnus  des  Andronicus  u.  a.),  Gesänge  zu  Ehren  Ver- 
storbener, Klagelieder,  Zaubersprüche,  und  was  sonst  durch  einen 
gewissen  Rhythmus  oder  durch  das  saturnische  Maß  zum  Carmen 
wurde.  Außerdem  führte  der  nationale  Hang  zu  scharfer  Kritik 
schon  frühe  zu  Spottliederu,  wie  es  die  Rügelieder  und  die  Soldaten- 
lieder auf  den  Triumphator  waren.  —  Die  christlich-lateinische  Ly- 
rik entfaltete  sich  in  eigentümlicher  Weise  besonders  in  der  Hym- 
nendichtung, in  der  namentlich  Ambrosius  für  die  Folgezeit  maß- 
gebend wurde. 

1.  Sen.  ep.  49,  5  indignor  aliquos  ex  hoc  tempore,  quod  sufficere  ne  ad 
nccessaria  quidem  potest,  .  .  .  in  supervacua  maiorem  partem  erogare,  negat 
Cicero,  si  duplicetur  sibi  aetas,  habiturum  se  tempus  quo  legat  lyricos  . . .  Uli 
ex  professo  lasciviunt  (nicht  zu  ernst  zu  nehmen).  —  Offizielle  Lyrik  des 
Livius  Andronicus  (Liv.  27,  37.  Fest.  333),  P.  Licinius  Tegula  (Liv.  31,  12 
s.  §  114,  3),  später  des  Catull  (c.  34  auf  Diana)  und  des  Horaz  (c.  saec). 
Gleichzeitig  mit  Ennius  soll  eine  Memmia  (?)  Hymnen  auf  Apollo  und  die 
Musen  gedichtet  haben  (Isid.  orig.  1,  39,  17)!  Alles  das  ist  aber  gräzisierend 
und  von  den  alten  carmina  wesentlich  verschieden. 

2.  Isid.  offic.  eccl.  1,  6  (vgl.  noch  §  433,  6)  Hilarius  Gallus,  episcopus 
Pictaviensis  (§  418),  hymnorum  carmine  floruit  primus.  post  quem  Ambrosius 
Mediolanensis  episcopus  .  .  .  copiosius  in  huius  modi  carmine  claruisse  cogno- 
scitur  atque  inde  hymni  ex  eius  nomine  Ambrosiani  vocantur,  quia  eins  tem- 
pore primum  in  ecclesia  Mediolanensi  celebrari  coeperunt,  cuius  celebritatis 
devotio  deliinc  per  totius  occidenüs  ecclesias  observatur.    carmina  autem  quae- 


§  30.  Die  Lyrik.    §  31.  Das  Epigramm  51 

cumque  in  laudem  Dei  dicuntur  hymni  vocantur.  —  ADaniel,  Thesaurus  hym- 
nologicus,  Halle  1841—56  V.  AEbert,  Lit.  d.  MAlters  1,  164  u.  sonst.  Thier- 
felder,  de  christianorum  psalmis  et  hymnis,  Lps.  1868.  BKayser,  Beitr.  z. 
Gesch.  u.  Erld.  d.  Kirchenhymnen,  Paderb.  21881.  1886  IL  GPimont,  les 
hymnes  du  breviaire  romain,  Par.  1874.  Mone,  lat.  Hymnen  des  MAlters, 
Freiburg-  1853 — 55  III.  —  Die  christl.  Hymnen  haben  vorzugsweise  trochäi- 
sches und  iambisches  Maß,  namentlich  beliebt  ist  der  iamb.  Dimeter,  in 
Strophen,  die  häufig  mit  Reim  und  Alliteration  verziert  sind.  Die  Verse 
sind  anfänglich  mit  allmählich  zunehmender  Freiheit  nach  der  Quantität 
gebaut,  bis  sie  endlich  ganz  rhythmisch  werden.  Die  Hauptvertreter  der 
Hymnendichtung  nach  Ambrosius  (§  433,  6)  sind  Prudentius,  Sedulius,  En- 
nodius,  Venantius  Fortunatus,  Gregorius  d.  Gr.  Vgl.  JHuemer,  der  iamb. 
Dim.  bei  den  christl.-lat.  Hymnendichtern,  Wien  1876;  d.  ältesten  lat.-christl. 
Rhythmen,  Wien  1879.    WMeyer,  Ges.  Abh.  1,  170.  2,  1. 

31.  Unter  den  Kunstformen  der  griechischen  Lyrik  wurde  die 
zierlichste,  das  Epigramm,  am  frühesten  angebaut,  teils  als  wirk- 
liche Aufschrift,  teils  als  literarische  Gattung,  und  zwar  begegnet 
es  hier  als  Gelegenheits-  und  Sinngedicht,  aber  auch  als  kleine  ero- 
tische Tändelei.  In  ernsterer  Weise  fand  es  seit  Ennius  aUmählich 
immer  häufiger  auf  Grabdenkmälern,  Gebäuden,  Geräten,  Kunstwer- 
ken u.  dgl.  Verwendung,  bald  in  Hexametern  (wie  z.  B.  in  der  Weih- 
inschrift des  L.  Mummius  an  den  Hercules  Victor,  J.  146,  CIL.  1, 
542),  bald  in  Distichen  (wie  in  der  Grabschrift  des  Cn.  Cornelius 
Scipio  Hispanus,  Praetor  139,  CIL.  1,38),  am  umfassendsten  in 
Varros  Imagines.  Vertreter  der  beiden  anderen  Richtungen  des  Epi- 
gramms sind  aus  der  ersten  Hälfte  des  siebenten  Jahrh.  d.  St.  Pom- 
pilius,  Valerius  Aedituus,  Porcius  Licinus,  Q.  Lutatius  Catulus,  Quinc- 
tius  Atta;  aus  der  zweiten  Hälfte  Varro  Atacinus,  Licinius  Calvus 
und  Catiülus,  der  namentlich  auch  das  Spottepigramm  pflegt,  und 
wohl  auch  Q.  Hortensius,  C.  Memmius,  Q.  Scaevola  und  andere, 
denen  erotische  Gedichte  zugeschrieben  werden.  In  der  augustei- 
schen Zeit  Augustus  selbst,  Domitius  Marsus,  Pedo,  Cornificia,,  Sul- 
picia,  Gaetulicus.  Unter  Domitian  wurde  das  Epigramm  in  mehreren 
Formen,  namentlich  aber  als  Spottgedicht,  mit  Virtuosität  gehand- 
habt von  Martial;  auch  Ausonius  hat  manches  dieser  Art,  und  noch 
lange  wurden  solche  Kleinigkeiten  angefertigt,  insbesondere  für  das 
Bedürfnis  der  Grab  Schriften.  Noch  aus  dem  sechsten  Jahrh.  n.  Chr. 
haben  wir  eine  Sammlung  von  Epigrammen  des  Luxorius.  Gleich- 
zeitig entstand  die  im  codex  Salmasianus  erhaltene  Sammlung  klei- 
nerer Gedichte,  die  den  Grundstock  abgegeben  hat  für  die  in  neuerer 
Zeit   veranstalteten   Sammlungen   wenig  umfangreicher,  vereinzelt 

4* 


52  Sachlicher  Teil 

oder  herrenlos  überlieferten  Gedichte ,  die  man  Anthologia  la- 
tina  zu  nennen  pflegt. 

1.  Über  die  Geschichte  des  Epigrammes  vgl.  Reitzenstein,  PW.  6,  71. 
Viele  Epigramme  als  wirkliche  Aufschriften,  die  ältesten  noch  im  Saturnier, 
sind  inschriftlich  erhalten;  vgl.  auch  das  hexametrische  Epigramm  bei  den 
Malereien  des  Junotempels  zu  Ardea,  antiquis  litteris  Latinis  geschrieben, 
Plin.  NH.  35,  115.  —  Gell.  19,  9,  7  Ecquis  nostrorum  poetarum  tarn  fluentes 
carminum  delicias  fecisset  (wie  Auakreon)?  nisi  Catullus  forte  pauca  et  Cal- 
vus  ibidem  pauca.  nam  Laevius  implicata  et  Hortensius  invenusta  et  Cinna 
inlepida  et  Memmius  dura,  ac  deinceps  omnes  rudia  fecerunt  atque  absona; 
ebd.  10  ff.  werden  versus  Valerii  Aeditui,  .  .  item  Porcii  Licini  et  Q.  Catuli 
angeführt  quibus  mundius,  venustius,  Umatius,  tersius  Graecum  Latinumve 
nihil  quidquam  reperiri  puto.  Martial.  1  praef. :  lascivam  verborum  veritatem 
i.  e.  epigrammaton  linguam  excusarem,  si  meum  esset  exemplum:  sie  scribit 
Catullus,  sie  Marsus,  sie  Pedo,  sie  Gaetulicus,  sie  quicumque  perlegitur.  Plin. 
ep.  5,  3,  5  zählt  als  Erotiker  auf:  M.  Tullium,  C.  Calvum,  Asinium  Pollio- 
nem,  M.  Messalam,  Q.  Hortensium,  M.  Brutum,  L.  Sullam,  Q.  Catulum, 
Q.  Scaevolam,  Ser.  Sulpicium,  M.  Varronem,  Torquatum,  immo  Torquatos, 
C.  Memmium,  Lentulum  Gaetulicum,  Annaeum  Senecam,  Annaeum  Lucanum, 
. .  Verginium  Rufum,  . .  d.  lulium,  d.  Augustum,  d.  Nervam,  Tiberium  Cae- 
sarem;  ferner  Neronem,  weiterhin  (ebd.  6)  P.  Vergilius,  Cornelius  Nepos  et 
prius  Accius  Enniusque.  Mit  jenen  Torquati  meint  Plinius  wahrscheinlich 
die  L.  Torquati,  Vater  Cons.  65  und  Sohn  Praetor  49;  f  J.  47  in  Afrika 
(vgl.  Cic.  Brut.  239.  265.  Auf  die  Vermählung  des  Sohnes  geht  wohl  Catuli 
61,  s.  LSchwabe,  quaest.  Catuli.  340).  —  Man  hatte,  scheint  es,  frühzeitig 
eine  erotische  Anthologie,  woraus  vielleicht  Plinius  aO.,  dann  Gellius  aO. 
und  Apuleius  (apol.  9)  ihre  Kenntnisse  auf  diesem  Gebiete  haben.  Auch 
AL.  23—25.  29.  427—435.  446.  448—453.  458—460  stammen  wohl  aus  einer 
solchen,  freilich  viel  späteren  Quelle.  —  HPaldamus,  röm.  Erotik,  Greifsw. 
1833. 

2.  Über  die  sog.  Grabschriften  des  Naevius,  Plautus,  Ennius,  Pacuvius 
s.  §  115,  2.  Über  die  Topik  der  Grabgedichte  BLier,  Phil.  NF.  16,445.563. 
17,  54.  Amanti,  La  poesia  sepolcrale  lat.,  Palermo  1912.  Eine  Art  Cento  aus 
der  früheren  Grabdichtung  ist  das  Grabgedicht  auf  Allia  Potestas  (Not.  d. 
sc.  1912,  156);  s.  Kroll  (A.  3  E).  —  Über  die  Epigramme  des  M.  Tullius 
Laurea  s.  §  191,  6.  Gegen  das  Ende  der  Republik  erschienen  zahlreiche 
Epigramme  auf  Personen  und  Ereignisse  des  Tages.  So  auf  den  Bibulus 
Cons.  J.  59  (Suet;  Iul.  20);  auf  den  Feinschmecker  Rufus  (ciconiarum  con- 
ditor,  Porph.  Hör.  S.  2,  2,  50),  auf  eine  anrüchige  Ehe  (Porph.  Hör.  S.  1,  1, 
19);  viel  später  AL.  419 — 426  zum  Preise  Caesars,  462f.  förmliche  Gedichte 
auf  den  Tod  der  feindlichen  Brüder  Mevius  (§  309, 1).  In  der  ersten  Kaiser- 
zeit wurden  Stoffe  wie  der  Tod  des  Cato  Uticensis,  das  Grab  des  Pom- 
peius  und  seiner  Söhne  mit  Vorliebe  behandelt;  s.  AL.  392 ff.  413 f.  (meist 
jünger).  Namentlich  wurden  die  Kaiser  nicht  geschont,  s.  Suet.  Aug.  70. 
Tib.  59.  Cal.  8.  Nero  39.  Dom.  14.  23  usw.  Auf  spätere  Kaiser:  s.  FPR.  378. 
Verwandtes  s.  §  11,2.  3. 


§  31.  Das  Epigramm.    §  32.  Die  Elegie  53 

3.  Martial.  1,  praef.  (s.  A.  1).  8,  praef. :  quamvis  epigrammata  a  seve- 
rissimis  qiioque  et  summae  fortunae  viris  ita  scripta  sint,  ut  mimicam  ver- 
borum  licentiam  affectasse  videantur.  Von  seinem  Vorgang  her  galt  noch 
dem  Ennodius  und  Luxorius  etwas  Schmutz  als  unzertrennlich  von  der  Gat- 
tung. Fronto  p.  212  novissimos  in  epigrammatis  versus  habere  oportet  aliquid 
luminis.  Das  regelmäßige  Maß  für  das  Epigramm  ist  das  elegische  Disti- 
chon: sechs  Pentameter  hinter  einander  in  einem  ursprünglich  griechischen, 
aber  a  malo  poeta  übersetzten  Epigramm  auf*  Commodus  (Lamprid.  Diad.  7,  3). 
Zwei  Hexameter  mit  einem  Pentameter  Petron.  24  (dazu  Friedländer).  55, 
vgl.  CEL  880.  1020.  1494.  1497  u.  a.    Kroll,  Phil.  NF.  27,  276. 

4.  Über  den  cod.  Salmasianus  §  476.  —  Anthologia  lat.  epigrammatum 
et  poematum  ex  marmor.  et  monum.  inscr.  et  codd.  msc.  eruta.  cura  PBur- 
manni,  Amsterd.  1759.  73  II.  Daraus  Anthol.  lat.  ed.  HMeyer,  Lps.  1835  II. 
—  Dann  Anthologia  latina  P.  I:  carmina  in  codicibus  scripta,  rec.  ARiese, 
Lpz.  21894.  1906  IL  (P.  II:  FBuecheleri  anthologia  epigraphica  lat.  Lips. 
1895/97  II,  dazu  Suppl.  von  Engström  (Carm.  lat.  epigr.),  Göteborg  1912, 
ferner  Carm.  sepulcr.  epigraphica  ed.  Cholodniak,  2Petersb.  1904.  Außer 
anderem  enthalten  auch  den  handschriftlich  überlieferten  Stoff  der  sog. 
Anthol.  lat.  die  Poetae  latini  minores  von  Baehrens,  Lps.  1879 — 83  V,  nament- 
lich B.  4;  s.  §  19,4.  —  Zahlreiche  Beiträge  zur  lat.  Anthologie  (neue  Funde, 
zur  Handschriftenkunde,  Kritik  usw.):  s.  zB.  Engelmann-Preuss,  Bibl.  Script, 
class.  2,  56.  Klussmann,  dgl.  2,  1,  117.  Handschriftlich  sind  (außer  wenigen 
mit  Verfassernamen,  zB.  eines  Modestus  AL.  900  PLM.  5,  95,  eines  C.  Aure- 
lius  Romulus  AL.  905  PLM.  5,  97)  zahlreiche  namenlose  Epigramme,  bald 
in  kleineren  Gruppen,  bald  in  größeren  Reihen  erhalten,  darunter  Altes  und 
Neueres  (aus  dem  Mittelalter,  aus  der  ersten  Humanistenzeit).  Solche  zB. 
im  Anhang  von  Schneidewins  Martial,  ferner  aus  Oxforder  Hss.  bei  REllis, 
Aneed.  Oxon.  1  (1885),  1;   aus  Österreich.  Hss.  s.  JHuemer,  Wien.  Stud.  9,51. 

32.  Am  Ende  der  Republik  gewann  besonders  die  hellenistische 
Elegie  in  Rom  Boden,  und  hierin  übertrafen  die  Schüler  durch 
Wahrheit  und  Wärme  der  Empfindung  wie  durch  künstlerische 
Vollendung  ihre  griechischen  Vorbilder.  Catull  zwar  bewegt  sich 
in  dieser  Form  noch  etwas  unfrei;  besser  beherrschte  sie  schon 
Cornelius  Gallus  (Lycoris);  Tibull  lieferte  darin  Meisterwerke, 
Propertius  leidenschaftliche  Bilder,  und  Ovid  war  in  der  elegischen 
Form  ganz  und  gar  zu  Hause.  Im  ersten  christl.  Jahrh.  war  die 
Elegie  lange  Zeit  in  der  Mode,  und  auch  die  Schule  bediente  sich 
ihrer  zu  Stilübungen;  um  so  geringer  war  der  Gehalt  dieser  Her- 
vorbringungen. Später  teilte  sich  dieses  Maß  mit  dem  epischen  in 
das  Schicksal,  für  alle  möglichen  Stoffe  verwendet  zu  werden;  und 
als  die  Verwilderung  einbrach,  als  die  Bande  der  alten  quanti- 
tierenden  Kunstpoesie  gelöst  und  die  neue  akzentuierende  Poesie 
noch  nicht  zur  Reife  gediehen  war,  da  waren  es  wiederum  jene 
beiden  metrischen  Formen,  die  als  die  verbreitetsten  und  populärsten 


54  Sachlicher  Teil 

davon  vorzugsweise  betroffen  wurden.  Doch  stellt  noch  am  Anfang 
des  sechsten  Jahrhunderts  eine  so  bemerkenswerte  Gestalt  wie  die 
des  Elegikers  Maximianus  aus  Etrurien. 

1.  Crusius,  Art.  Elegie,  PW.  5,  2260.  Die  Alten  bezeichnen  mit  elegi 
usw.  nur  die  metrische  Form,  [in  der  die  verschiedensten  Gegenstände  be- 
handelt werden  können.  Doch  tritt  in  der  römischen  Literatur  besonders 
die  subjektiv-erotische  Elegie  hervor,  die  von  Jacoby,  RhM.  60,  38  geradezu 
für  eine  Schöpfung  des  Cornelius  Gallus  erklärt  worden  ist  (§  232,  1).  Nun 
war  der  Schritt,  der  bei  dieser  Erfindung  getan  werden  mußte,  kein  sehr 
schwerer;  denn  die  Motive  dieser  Elegie  lagen  teils  in  der  mythologischen 
Elegie  der  Alexandriner  teils  im  erotischen  Epigramm  so  reichlich  ent- 
wickelt vor,  daß  ein  jüngerer  Dichter  auch  aus  diesen  Gattungen  die  sub- 
jektive Elegie   hätte  schaffen  können.    Aber  1.  konnte  das  ein  Grieche  wie 

Parthenios  eher  wagen  als  ein  Römer,  weil  die  Römer  sich  weniger  zu- 
trauten, als  sie  nach  ihren  Leistungen  durften.  2.  zeigt  schon  Catulls 
-68.  Gedicht,  dessen  kunstvolle  Anlage  sicher  aus  einem  griechischen  Vor- 
bilde stammt,  eine  Verquickung  von  mythologischer  und  subjektiver  Elegie 
(übrigens  zeigt  c.  76,  wie  fließend  die  Grenzen  zwischen  Epigramm  und  Elegie 
sind).  3.  sind  die  Elegien  des  Tibull  und  Properz  nicht  durch  Erweiterung 
von  Epigrammen  entstanden,  sondern  zeigen  einen  eigenen  Stil;  es  ist  ein 
ähnliches  Verhältnis  wie  zwischen  Heldenlied  und  Epos.  Troll,  de  elegiae 
Rom.  origine,  Gott.  1911.  4.  scheinen  spätere  Dichter  wie  Paulos  Silentiarios 
(Gtollnisch,  Quaest.  elegiacae,  Bresl.  1905)  und  Epistolographen  wie  Alki- 
phron,  Philostratos,  Aristainetos  irgendwie  mit  der  hellenistischen  Elegie 
zusammenzuhängen  und  Rückschlüsse  auf  sie  zu  gestatten.  Daß  diese  Briefe 
rein  rhetorische  Übungen  sind,  ist  richtig  (Heinemann,  epistulae  amat. 
quomodo  cohaereant  cum  elegiis  Alexandrinis,  Diss.  Arg.  14,  1 :  dort  in 
Kap.  1  eine  gute  Übersicht  über  den  Stand  der  Frage),  beweist  aber  nichts 
für  Tibull  und  Properz.  Vgl.  auch  Pohlenz,  Charites  76.  —  Diomed.  GL. 
1,  484  elegia  est  Carmen  compositum  hexametro  versu  pentametroque.  .  .  quod 
genus  carminis  praecipue  scripserunt  apud  Romanos  Propertius  et  Tibullus 
et  Gallus,  imitati  Graecos  Callimachum  et  Euphoriona.  Cic.  Tusc.  3,  45 
über  Ennius:  o  poetam  egregium,  quamquam  ab  Ms  cantoribus  Euphorionis 
(bes.  Gallus)  contemnitur  (s.  §  212  a,  1).  Quintil.  10,  1,  93  elegia  quoque 
Graecos  provocamus.  cuius  mihi  tersus  atque  elegans  maxime  videtur  auctor 
Tibullus.  sunt  qui  JPropertium  malint.  Ovidius  utroque  lascivior,  sicut  durior 
Gallus.  Vgl.  MHaupt,  op.  3,  205.  Zeitliche  Aufeinanderfolge  s.  Ovid.  trist. 
4,  10,  53  successor  fuit  hie  (Tibullus)  tibi  Galle,  Propertius  Uli;  quartus  ab 
his  serie  temporis  ipse  fui.  Der  älteste  Dichter  dieser  Art,  Varro  Atacinus, 
ist  als  minder  bedeutend  in  diesen  Aufzählungen  übergangen.  Über  Cassius 
aus  Parma  s.  §  210,  7.  Aus  der  augusteischen  Zeit  ferner  die  Verf.  der 
in  Tibulls  drittem  Buch  vereinigten  Gedichte  (Lygdamus  usw.).  Angeblich 
horazische  elegi  hielt  schon  Sueton  für  unecht;  s.  §  240,  2.  Elegische 
äSiönota  auf  Maecenas  und  Messala  §  229,  3.  230,  5.  A.  1. 

2.  Pers.  1,  51  si  qua  elegidia  (Epigramme?)  crudi  dietarunt  proceres. 
luv.  1,  3  impune  .  .  mihi  recitaverit  ille  togatas,  hie  elegos?  So  verfaßte 
Elegien  unter  Domitian  Arruntius  Stella,  in  der  Zeit  des  jüngeren  Plinius 


§  32.  Die  Elegie  55 

dieser  selbst  (Ep.  7,  4,  3.  7)  und  Passeimus  Paulus,  municeps  und  Nach- 
komme des  Propertius.  Vielleicht  noch  aus  dem  ersten  christlichen  Jahr- 
hundert ist  die  rhetorische  Elegie  auf  die  Spes  AL.  415  PLM.  4,  65.  Von 
ähnlichem  Charakter  AL.  440  PLM.  4,  76. 

3.  Um  die  Person  der  von  ihnen  besungenen  Mädchen  verbreiteten  die 
erotischen  Dichter  der  Römer  ein  heilsames  Helldunkel  teils  durch  die 
Weglassung  konkreter  Züge,  teils  durch  die  Sitte,  sie  mit  verändertem, 
jedoch  meist  zugleich  prosodisch  übereinstimmendem  (vgl.  Acr.  Hör.  S.  1, 
2,  64)  Namen  zu  erwähnen.  Aus  guter  Quelle  Apul.  apol.  10  accusent 
C.  Catullum  quod  Lesbiam  pro  Glodia  nominarit,  et  Ticidam  similiter  quod 
quae  Metella  erat  Perillam  scripserit,  et  Propertium  qui  Cynthiam  dicat, 
Hostiam  dissimulet,  et  Tibullum  quod  ei  sit  Plania  in  animo,  Delia  in  versu. 
LSchwabe,  quaest.  Catull.  231.  Kleemann,  de  Tib.  1.  111,  p.  21.  Aufzählungen 
von  Dichtergeliebten  bei  Martial.  8,  73,  5  ff.  und  Apoll.  Sidon.  ep.  2,  10. 
Vgl.  auch  §  226,  2.  232,  1. 

4.  Die  Motive  der  Elegie  finden  sich  z.  T.  schon  in  der  Komödie  und 
wiederholen  sich  bei  den  Elegikern  selbst,  die  weniger  auf  die  Erfindung 
als  auf  die  Gruppierung  und  Formulierung  Wert  legen.  Vgl.  Mallet  und 
Hoelzer  (§  246,  4).  Dörfler,  Progr.  Nikolsburg  1906.  Lier,  Progr.  Stettin 
1914.  Über  Technik  des  eleg.  Distichon,  Gruppierung,  Symmetrie  seiner 
Perioden  usw.  s.  bei  den  einzelnen  Dichtern.  Im  allg. :  WGebhardi,  de 
Tib.  Prop.  Ovidii  distichis,  Königsb.  1870.  Hultgren,  Obs.  metr.  in  poet. 
eleg.  I.  IL,  Lps.  1871;  Ber.  sächs.  Ges.  1872,  3  (s.  §  19,  2).  Drobisch,  Classific. 
der  Formen  des  Distichon,  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1871,  1.  1872,  1.  27. 
Engbers,  de  metricis  inter  Tib.  Propertiumque  differentiis,  Münst.  1873. 
EEichner,  de  poet.  lat.  distichis,  Bresl.  1866;  metr.  u.  rhythm.  Bau  u. 
Homoeoteleuta  in  d.  Dist.,  Gnesen  1875.  SKleemann  de  1.  III  Tib.  (Straßb. 
1876)  p.  24. 

5.  OFGruppe,  die  röm.  Elegie;  krit.  Untersuchungen  usw.,  Leipzig  1838  IL 
Rasi,  de  carm.  Rom.  elegiaco,  Padua  1890.  Die  Literatur  zur  Sprache  bei 
Engelmann-Preuss  und  Klussmann,  Bibl.  Script,  class. 

6.  Den  nahen  Zusammenhang  zwischen  Epigramm  und  Elegie  zeigen 
auch  die  epitaphia  und  epicedia.  So  kommen  durch  ihren  Umfang  Elegien 
nahe  die  Epitaphien  des  mimus  Vitalis  (AL.  48 7a  PLM.  3,  245)  und  des  Nym- 
phius  (AL.  722  PLM.  3,  270);  während  Epitaphe  zur  Charakteristik  von  Schrift- 
stellern, wie  des  Seneca  und  Lucanus  (AL.  667.  668  PLM.  5,  386),  Epigramme 
auf  sie  sind  (vgl.  §  31,  2).  Der  Unterschied  ließ  sich  nur  so  lange  durch- 
führen, als  das  Epigramm  eine  wirkliche  Aufschrift  war.  Jacoby,  RhM.  60,  464. 

7.  Lehrgedichte  im  elegischen  Maß,  wie  Ovids  Fasten,  der  Phoenix 
(§  397,  8)  und  de  rosis  nascentibus,  AL.  646.  Vgl.  §  229,  2  und  oben  §  23. 
Über  Rätsel,  centones  und  Verskünsteleien  in  diesem  Maße  s.  §  26. 

33.  Den  Iambus  lernten  die  Römer  zuerst  durch  das  Drama 
kennen;  hier  wurden  Senare,  aber  auch  Septenare  und  Oktonare 
nach  freien,  der  römischen  Sprache  angepaßten  Regeln  gebaut. 
Dieser  Technik  machten  die  Neoteriker  ein  Ende  und  verlangten 
strenge  Befolgung  der  griechischen  Versregeln;  ja  sie  bauten  sogar, 


56  Sachlicher  Teil 

über  die  griechische  Technik  hinausgehend,  Gedichte  aus  reinen 
Iamben.  Daher  verschwindet  nun  der  altrömische  Senar  allmählich; 
doch  macht  noch  Phaedrus  von  ihm  Gebrauch.  Der  Hinkiambus 
wurde  zuerst  von  Matius,  dem  Übersetzer  des  Herodas,  dann  von 
Catull  und  seinen  Nachahmern  verwendet.  Aber  iambus  bezeichnet 
nicht  bloß  ein  Versmaß,  sondern  auch  eine  literarische  Gattung, 
nämlich  die  von  Archilochos  begründete  des  persönlichen  Spott- 
gedichtes: sie  wird  von  den  Neoterikern  eingeführt  und  von  den 
Nachahmern  des  Catull,  besonders  von  Horaz,  Vergil  (Catalepton) 
und  Martial  weiter  gepflegt. 

1.  Diomed.  GL.  1,  485  iambus  est  Carmen  maledicum.  .  .  cuius  carminis 
praecipui  scriptores  .  .  apud  Romanos  Lucilius  et  Catullus  et  Horatius  et 
Bibaculus.  Qujnt.  10?  1,  96  iambus  non  sane  a  Momanis  celebratus  est  ut  pro- 
prium opus,  (sed  aliis)  quibusdam  interpositus.  cuius  acerbitas  in  Catullor 
Bibaculo,  Horatio,  quamquam  Uli  epodos  intervenit,  reperietur  (vgl.  ebd.  9,  4T 
141.  10,  1,  9).  Ovid.  rem.  am.  377  liber  in  adversos  hostes  stringatur  iambus, 
seu  celer  extremum  seu  trahat  ille  pedem  (Hinkiambus).  Catull.  36,  5  und 
40,  2  gebraucht  iambus  wie  die  Griechen  i'a^ßos  (Procl.  chrestom.  242,  25  W.) 
von  maledica  carmina  überhaupt,  abgesehen  vom  Maße,  auch  von  Hende- 
kasyllaben,  wie  er  (und  später  Martial)  sie  vorzugsweise  anwandte. 

2.  Inhaltlich  iambisch  war  auch  die  satura  des  Lenaeus  (§  211,  3)  und 
der  Ibis  des  Ovid.  Choliamben  und  Iamben  bei  Catull,  auch  in  dem  vergi- 
lischen  Catalepton;  choliambisch  auch  die  mimiambi  des  Matius,  sowie 
Petron.  sat.  5,  der  Prolog  des  Persius  und  ein  Teil  der  Gedichte  des  Mar- 
tialis.  Auch  unter  den  Priapea  ist  der  Iambus  vertreten.  Die  Verse  eines 
vermeintlichen  fIambographen'  Flaccus  (Paul.  Festi  263)  sind  keine  Iamben. — 
Antistius  Sosianus  §  304,  4.  Aurelius  Apollinaris  §  385,  3.  Auf  Constantins 
Verwandtenmord  ein  Epigramm  (Hendek.)  angeblich  vom  Konsul  Ablabius 
(J.  331  n.  Chr.)  bei  Ap.  Sidon.  epist.  5,  8.  Scherzhafte  Sinngedichte  in  Hende- 
kasyllaben  bei  Lamprid.  Alex.  Sev.  38;  inschriftliche  Hendekasyllaben  aus  dem 
l.bis  5.  Jahrh.  n.  Chr.  CEL  1504—1518.  Von  Ausonius  s.  bes.  Epigr.  44.  46.  47 
(p.  314.  334  P.)  gegen  den  Rhetor  Rufus.  Vgl.  Rieses  AL.  947. 

3.  Inschriften  in  iambischen  Versen  sind  nicht  selten.  In  Buechelers 
Sammlung  (s.  §31,  4)  sind  Nr.  18—211.  1788—1797  Senare,  212—216  Ska- 
zonten,  217 — 226  Dimeter;  davon  Nr.  52  etwa  aus  der  Gracchenzeit. 

34.  Am  Ende  der  Republik,  als  die  Kenntnis  der  griechischen 
Literatur  in  Rom  immer  vielseitiger  geworden  war,  versuchte  fast 
jeder  höher  gebildete  Römer  sich  gelegentlich  in  kleinen  Gedichten; 
auch  die  Begabteren,  wie  Laevius,  Varro  Atacinus,  Calvus  und  Ca- 
tull, bewegten  sich  in  verschiedenen  Gattungen  und  metrischen 
Formen;  den  Catull  aber  machte  Liebe  und  Haß,  die  er  darin  nieder- 
legte, zum  ersten  eigentlichen  Lyriker  der  Römer.  Auf  seiner  Bahn 
wandelte  Horaz  fort,  mit  geringerer  Leidenschaft,  aber  mit  größerem 


§  33.  Der  Iambus.    §  34.  Poetische  Spielereien  57 

Kunstverständnis  und  in  Anlehnung  an  die  von  Catull  nur  ausnahms- 
weise beachtete  altgriechische  Lyrik.  Sein  Zurückgehen  auf  Alkaios 
und  Sappho  blieb  jedoch  ohne  Nachfolge.  Andere  in  seiner  Zeit 
brachten  es  über  Tändeleien  und  Anläufe  nicht  hinaus.  Im  ersten 
christl.  Jahrh.  war  Formgewandtheit  sehr  verbreitet  und  infolge 
dessen  auch  poetisches  Dilettantentum;  hervorragend  aber  und  von 
nachhaltigem  Einfluß  war  keiner  der  zahlreichen  lyrischen  Dichter 
dieser  und  der  nächsten  Zeit,  wie  Caesius  Bassus,  Saleius  Bassus, 
Gaetulicus,  Arruntius  Stella ,  Vestricius  Spurinna,  der  jüngere  Pli- 
nius7  P.  Annius  Florus,  Voconius,  Hadrian,  Serius  Augurinus,  Pom- 
peius  Saturninus;  durch  Raschheit  und  Glätte  ragt  Statius  hervor. 
In  der  Zeit  des  Hadrian  greifen  die  sog.  jüngeren  Neoteriker  auf 
die  künstlichen  Versmaße  des  Horaz  zurück  und  machen  Verse,  nur 
um  ein  bestimmtes  Metrum  darzustellen;  Vertreter  dieser  Rich- 
tung sind  Annianus,  Septimius  Serenus,  Terentianus  Maurus  und 
später  Ausonius,  auch  noch  Apollinaris  Sidonius  und  Boethius; 
nicht  minder  ist  das  Pervigilium  Veneris  ein  unverächtliches  Zeugnis 
für  die  lyrische  Kunst  des  zweiten  oder  dritten  Jahrhunderts.  Unter 
den  christlichen  Dichtern  des  vierten  Jahrhunderts  zeichnet  sich 
Prudentius  durch  die  Mannigfaltigkeit  der  von  ihm  gehandhabten 
melischen  Metra  aus.  Teils  zeitweise  teils  fortwährend  waren  in 
besonderer  Gunst  Hendekasyllen,  trochäische  Tetrameter  und  iam- 
bische  Dimeter. 

1.  Die  ältesten  Meliker  bezeichnen,  unter  dem  Einflüsse  der  römischen 
Anschauungen  und  wegen  des  spielenden  Inhaltes,  ihre  Arbeiten  selber  als 
nugae,  ineptiae,  {Eroto-)paegnia,  opuscula  udgl.  Hierher  gehören  viele  der 
von  Plin.  ep.  5,  3,  5  (s.  §  31,  1)  genannten,  vielleicht  auch  Cassius  aus  Parma. 
In  der  augusteischen  Periode  vielleicht  Titius  (Hor.E.1,  3,  9),  Iulius  Antonius 
(vgl.  Hör.  C.  4,  2)  und  Rufus  (Ovid.  Pont.  4,  16,  28);  dann  des  Maecenas  Tän- 
deleien. Über  des  Melissus  Ineptiae  §  244,  2.  —  Vorzugsweise  aus  der  augu- 
steischen Zeit  stammen  wohl  auch  die  Priapea;  s.  §  254,  5. 

2.  Quint.  10,  1,  96  lyricorum  Horatius  fere  solus  legi  dignus.  .  .  si  quem 
adicere  velis,  is  erit  Caesius  Bassus,  quem  nuper  vidimus;  sed  eum  longe  prae- 
cedunt  ingenia  viventium  (wobei  er  wohl  an  Arruntius  Stella,  Vestricius  Spu- 
rinna, vielleicht  auch  schon  an  Statius  denkt,  zugleich  ein  Maßstab  für  das 
Urteil  über  Bassus).  Diesen  Spätlingen  fehlte  es  weniger  an  Form  als  an 
Inhalt.  Versiculi  des  Plinius,  erotischen  Inhalts,  bes.  Hendekasyllaben,  ep. 
5,  3,  1.  7,  4,  1.  7  ff.  Gleichzeitig  Passennus  Paulus  Nachahmer  des  Horaz 
(ebd.  9,  22,  2).  Voconius  poeta  (§346,  5)  unter  Hadrian,  der  auch  Ähnliches 
schrieb.  Damals  Vorliebe  für  den  volkstümlichen  (s.  §  11,  3)  trochäischen 
Septenar  (Annius  Florus) ;  darauf  für  den  iambischen  Dimeter  (zB.  Annianus). 
Im  fünften  Jahrh.  waren  die  Hendekasyllaben  wieder  in  der  Mode  (Sido- 
nius u.a.,  s.  §33,  2).     Daneben  mancherlei  Raritäten,  zB.  Anakreonteen  — 


58  Sachlicher  Teil 

ein  auch  bei  den  späteren  Griechen  beliebtes  Maß  —  bei  Symmach.  ep.  1,  8. 
Ähnliches  CEL  1519  ff.  Absichtliche  oder  unwillkürliche  Überschätzung  von 
Zeitgenossen  zB.  auch  in  bezug  auf  Numerianus  (Caesar  J.  284)  s.  §  385,  3. 
Grabschrift  auf  ein  Schoßhündchen  in  Hendekasyllaben  mit  catullischen  An- 
klängen (2.  Jahrb.),  CEL  1512.  Christliche  Hendekasyllaben  AL.  768.  —  Ora- 
kellose (sortes),  zum  Teil  im  paroemiacus,  in  der  SGaller  Hs.  des  Merobaudes, 
ed.  Winnefeld,  Bonn  1887   (§  464,  4). 

3.  Ob  die  melischen  Gedichte,  namentlich  die  des  Horaz,  auf  Gesangs- 
vortrag mit  Instrumentalbegleitung  berechnet  waren?  Er  sagt  C. 4,  9,  4  verba 
loquor  socianda  cliordis ,  und  spricht  oft  von  seiner  lyra,  cithara,  testudo, 
barbitos,  von  plectrum  und  von  fides,  von  canere,  cantare,  dicere.  S.  OJahn, 
Herrn.  2,  418,  der  jene  Frage  bejaht.  Zweifellos  ist  das  Carm.  saec.  für  Ge- 
sang geschrieben,  anderes  (bes.  Catull  34)  konnte  wenigstens  gesungen 
werden;  geschehen  ist  es  höchstens  ausnahmsweise.  Jene  Äußerungen 
schleppen  sich  seit  der  altgriechischen  Lyrik  weiter,  die  noch  aufs  engste 
mit  der  Musik  zusammenhing;  aber  dieser  Zusammenhang  hatte  sich  längst 
gelöst  und  wurde  nur  manchmal  künstlich  hergestellt.  Vgl.  noch  Fried- 
länder, Sittengesch.  38,  350.  ARiese,  JJ.  94,  480.  WFörster,  quaest.  Hör.  2 
(Brunn  1870),  11.  FSüss,  ZföG.  30,  881.  Die  altrömische  Abneigung  gegen 
das  Singen  (§1,4)  kommt  hier  kaum  noch  in  Frage.  Cantus  inter  convivia 
äulcis,  Manil.  astr.  5,  333.  Ov.  AA.  3,  345  composita  cantetur  epistula  (eine  He- 
roide) voce.  Des  jüngeren  Plinius  Hendekasyllaben  wurden  von  Römern,  ja 
selbst  von  Griechen  gesungen  (§  340,  4).  Derselbe  rühmt  ep.  4,  19,  4  von  seiner 
Frau:  versus  meos  cantat  etiam  formatque  cithara  (s.  auch  ep.  7,  4,  9.  17,  3). 
Ann.  Flor.  p.  184,  4  R. :  urbem  illam,  ubi  versus  tui  a  lectoribus  concinuntur. 
Bei  Gell.  19,  9,  10  (Iulianus  rhetor)  voce  admodum  quam  suavi  versus  cecinit 
Valeri  Aeditui,  Porcii  Licini  et  Q.  Catuli.  Noch  Apoll.  Sidon.  ep.  8,  4  iambos, 
elegos,  hendecasyllabos  et  cetera  carmina  .  .  Narbonensibus  cantitanda. 

35.  Wie  in  der  griechischen  Literatur  so  ist  auch  bei  den 
Römern  eine  schriftmäßige  Prosa  verhältnismäßig  spät  und  erst 
nach  griechischem  Vorbilde  entstanden  und  ausgebildet  worden. 
Der  erste  Schritt  dazu  geschah  durch  Veröffentlichung  einer  (J.  279) 
gehaltenen  Rede,  durch  Appius  Claudius.  Da  indessen  die  nach- 
folgenden Schriftsteller  sich  der  griechischen  Sprache  bedienten,  so 
beginnt ^die  Geschichte  der  Prosa  eigentlich  erst  mit  dem  älteren 
Cato.  Lange  blieb  jedoch  die  geschriebene  Rede  hinter  der  ge- 
sprochenen zurück  und  deckte  sich  mit  ihr  erst  in  Cicero,  in  dessen 
Zeit  die  Prosa  ihren  Gipfelpunkt  erreicht  und  ein  vollständiger  Aus- 
druck der  Eigenart  des  Schriftstellers  wird.  Einen  rhetorischen  An- 
strich aber  behielt  sie  infolge  der  Herrschaft  der  Schule  fortwäh- 
rend. Im  ersten  Jahrhundert  der  Kaiserzeit  sinkt  sie  bereits  von 
ihrer  Höhe  herab,  durch  Vermischung  mit  dem  poetischen  Ausdruck 
und  durch  Abkehr  vom  Natürlichen.  Die  Verarmung  und  Verknö- 
cherung der  Sprachformen  beginnt  schon  in  dieser  Zeit  und  steigert 


§  35.  Die  Entwicklung  der  Prosa  59 

sich  immer  mehr  infolge  der  Bestrebungen  der  Schule,  den  Zustand 
der  klassischen  Sprache  festzuhalten.  Auf  die  Dauer  ließ  sich  das 
nicht  durchführen,  und  trotz  aller  puristischen  Bemühungen  drangen 
mehr  und  mehr  volksmäßige  Elemente  in  die  Schriftsprache  ein.  In- 
dem nun  Volks-  und  Schriftsprache  und  zugleich  mit  dem  Sinken 
des  ästhetischen  Geschmackes  die  Schriftsprache  aller  Zeiten  und 
Stilgattungen  durcheinander  gemengt  wurde,  riß  immer  größere 
Verwirrung  ein.  Je  weiter  die  Ausbildung  des  provinziellen  Lateins 
(der  romanischen  Sprachen)  fortschritt,  um  so  mehr  wurde  das 
Schriftlatein  zu  einer  fremden  nur  dem  Gelehrten  geläufigen  Sprache. 

1.  Isidor.  orig.  1,  37,  2  praeterea  (ait  Varro?  aiunt?)  tarn  apud  Graecos 
quam  apud  Latinos  longe  antiquiorem  caram  fuisse  carminum  quam  prosae. 
omnia  enim  prius  versibus  condebantur  (§  61),  prosae  autem  Studium  sero 
viguit.  primus  apud  Graecos  Pherecydes  Syrius  soluta  oratione  scripsit,  apud 
Romanos  Appias  Caecus  adversus  Pyrrhum  (§  90)  solutam  orationem  primus 
exercuü.  iam  exhine  ceteri  prosae  eloquentiam  condiderunt. 

2.  Die  vorliterarische  Prosa,  zB.  die  der  Zwölftafelgesetze,  war  ganz  un- 
gelenk und  gewann  erst  durch  den  Einfluß  der  griechischen  Grammatiker- 
und  Rhetorenschule  allmählich  Beweglichkeit  und  Stil.  OAltenburg,  de  ser- 
mone  Italorum  vetustissimo,  JJ.  Suppl.  24,  485.  Norden,  Kunstpr.  1,  156.  Der 
Unterschied  zwischen  gebildetem  (Schrift-  oder  Hochlatein)  und  Vulgärlatein 
{Volkslatein)  konnte  sich  erst  stufenweise  herausbilden;  die  Geschichte  der 
Schriftsprache  besteht  zum  großen  Teile  in  ihrem  wechselnden  Verhältnisse 
zur  gesprochenen  Sprache.  Daß  sich  bes.  bei  Komikern,  Satirikern,  Tech- 
nikern und  Briefschreibern  reines  Vulgärlatein  finde,  ist  eine  irrige  Vorstel- 
lung; auch  hat  man  unter  Vulgärlatein  sehr  Verschiedenes  verstanden,  von 
der  Umgangssprache  der  Gebildeten,  die  in  klassischer  Zeit  sich  nur  durch 
syntaktische  und  stilistische  Eigenheiten  von  der  Schriftsprache  unterschied, 
bis  zu  der  in  Lautbestand  und  Formenbildung  verwilderten  Sprache  des  ge- 
meinen Mannes.  Woelfflin,  Phil.  34,  137.  Kempf,  Rom.  sermonis  castrensis 
rell.,  JJ.  Suppl.  26,  339  (dazu  Heraeus,  Arch.  Lex.  12,  255).  Kroll,  EMI.  52, 
572.  Unten  §  345  (S.  48,  4).  385,  3.  4.  Donat.  zu  Ter.  Ad.  375  sie  loquitur  po- 
pulus  (s.  §  385,  4).  Eine  Hauptquelle  unserer  Kenntnis  des  Vulgärlateins 
bleiben  immer  die  romanischen  Sprachen;  sehr  wichtig  ist  GrÖbers  cVulgär- 
lat.  Substrate  roman.  Worte'  Arch.  Lex.  1,  204.  539  ff.  bis  6,  117  (vgl.  ebd.  1, 
35)  und  Heraeus'  Ausg.  der  Appendix  Probi  (§  301,  6)  Arch.  Lex.  11,  61 
(dazu  §  385,  3).  S.  WMeyers  übersichtliche  Geschichte  u.  Grammatik  der 
latein.  Volkssprache  in  Gröbers  Grundriß  der  roman.  Philol.  I2,  455.  GMohl, 
Introd.  ä  la  chronol.  du  Lat.  vulgaire,  Paris  1899  ist  nur  mit  Kritik  zu  be- 
nutzen. Berichte  über  Vulgärlatein  von  ELudwig,  JB.  6,  238.  10,84.  Sittl, 
ebd.  40,  317.  68,  226.  Geyer,  ebd.  98,  33. 

36.  Für  Geschichte,  insofern  sie  das  Geschehene  zum  Ruhme 
der  Vergangenheit  buchte,  besaßen  die  Römer  einen  regen  Sinn. 
Uralt  ist  die  Sitte  amtlicher  Aufzeichnungen  durch  die  Pontifices, 


60  Sachlicher  Teil 

sind  die  Jahres-  und  Monatsverzeiehnisse,  die  annales  und  fasti,  die 
libri  pontificii,  commentarii  reguin,  magistratuum ;  schon  der  jähr- 
liche Wechsel  der  Behörden  war  ein  Antrieb  zu  solchen  Aufzeich- 
nungen. Aber  auch  für  die  Familien  war  die  Sitte  der  imagines, 
später  der  Stammbäume,  der  laudationes  funebres,  der  Gesänge  von 
den  Ahnen  beim  Mahle,  Anlaß  genug,  das  Geschehene,  freilich  in 
einer  durch  Familienstolz  getrübten  Form,  im  Gedächtnis  zu  er- 
halten. Als  die  Römer  dann  mit  der  griechischen  Historiographie 
bekannt  wurden,  waren  von  diesen  älteren  Aufzeichnungen  fast  nur 
die  Pontifikalannalen  als  Geschichtsquelle  zu  verwerten,  und  ihre 
Spuren  finden  sich  auch  in  der  ganzen  Annalistik,  die  sich  nun  nach 
dem  griechischen  Vorbilde  entwickelt.  Mit  dieser  Anlehnung  an  die 
griechische  Historiographie  ist  gegeben,  daß  sie  sich  von  der  mo- 
dernen Geschichtschreibung  durch  Zweck  und  Methode  unterschied. 
Die  Forderung,  das  geschichtlich  Wahre  als  solches  zu  ermitteln 
und  darzustellen,  war  vorhanden  und  wurde  oft  ausgesprochen.  In 
der  Praxis  aber  bemühten  sich  die  meisten  Historiker,  eine  gefällige 
und  in  sich  geschlossene  Darstellung  zu  erzielen,  und  bekümmerten 
sich  ziemlich  wenig  um  Herkunft  und  Art  des  Tatsachenmaterials, 
das  sie  verarbeiteten.  Unter  den  römischen  Historikern  ist  keiner, 
der  archivalische  Quellenstudien  getrieben  oder  an  seinen  Vorlagen 
historische  Kritik  geübt  hätte;  sie  befolgen  meist  die  bequeme  Me- 
thode, das  was  sie  in  ihren  Quellen  vorfinden,  für  echte  Überliefe- 
rung anzusehen,  falls  es  zu  der  Tendenz  und  dem  Tone  ihrer  eigenen 
Darstellung  paßt.  Daß  sie,  wenn  es  darauf  ankam,  die  Tatsachen 
in  nationalem  Sinne  verschoben  oder  fälschten,  ist  kaum  auffallend; 
oft  kam  auch  die  Tendenz  des  Einzelnen  hinzu,  sein  Haus,  seine 
Partei  oder  Person  in  ein  günstiges  Licht  zu  stellen.  Viele  dieser 
Eigentümlichkeiten  hingen  damit  zusammen,  daß  man  die  Aufgabe 
des  Geschichtschreibers  als  eine  rhetorische  auffaßte:  das  machte 
gleichgültig,  wo  nicht  gar  leichtfertig  gegen  Zahlen  und  sonstige 
Tatsachen,  desto  geneigter  aber  zu  phantastischer  Ausmalung  und 
dem  Streben  nach  pathetisch-romanhaften  Wirkungen.  Alle  diese 
Ziele  werden  aber  erst  spät  erreicht;  Sallust  ist  der  erste  kunst- 
gerechte Historiker  der  Römer;  alles  Frühere  ist  entweder  register- 
artig gehalten  oder  läßt  doch  die  wirklich  künstlerische  Verarbei- 
tung des  Stoffes  und  den  eigentlich  historischen  Stil  vermissen.  Die 
ältesten  Geschichtschreiber  zogen  es  sogar  vor  griechisch  zu  schrei- 
ben, weil  das  Lateinische  für  schriftliche  Darstellung  noch  zu  wenig 
ausgebildet  war. 


§  36.  Die  Geschichtschreibung  61 

1.  Neueste  Sammlungen  der  Überreste  der  röm.  Geschichtschreiber  von 
HPeter,  Historicorum  Rom.  reliquiae;  Lps.  1870.  1906  II  (l2.  1914),  und  Hi- 
storicorum  Rom.  fragmenta  (bis  auf  die  Zeit  Constantins  d.  Gr.),  Lps.  1883. 

2.  GJVossius,  de  historicis  latinis,  Leiden  1627.  21651.  Ulrici,  Charak- 
teristik d.  antiken  Historiographie,  Berl.  1833.  Nipperdey,  opusc.  (Berl.  1877) 
899.411.  DGerlach,  die  Geschichtschreiber  d.  Römer,  Stuttg.  1855.  ASchäfer, 
Quellenkunde  d.  gr.  u.  röm.  Gesch. :  2.  Abt. :  röm.  Gesch.  2.  Aufl.  v.  HNissen, 
Lpz.  1885.  Wachsmuth,  Einl.  in  d.  Stud.  der  alten  Gesch.,  Lpz.  1895.  Büdinger, 
Universalhistorie  im  Alt.,  Wien  1895.  HPeter,  Wahrh.  u.  Kunst,  Geschicht- 
schreibung und  Plagiat,  Lpz.  1911.  Die  Einleitungen  zu  den  Darstellungen 
der  römischen  Geschichte  von  Niebuhr,  Schwegler,  Mommsen  (l6,  459).  Unter- 
suchungen über  die  Glaubwürdigkeit  der  altröm.  Geschichte  von  Bröcker 
(Bas.  1855),  CLewis  (übers,  v.  Liebrecht,  Hann.  1858),  HPeter,  Hist.  Rom. 
rell.  1,  xliii — lix,  Nitzsch  (§  37,  6),  CPeter  (§  37,  6),  MZoeller,  Latium  u. 
Rom,  Lpz.  1878,  1 — 60,  Mommsen,  Röm.  Forschungen  2,  Berl.  1879,  EPais, 
Storia  di  Roma  1  (Critica  della  tradizione),  Turin  1898  f.  u.  a. 

3.  Pontifices,  penes  quos  scribendae  historiae  potestas  fuit,  Vopisc  Tac. 
1,  1  (s.  §  76).  Jedenfalls  veranstalteten  sie,  um  die  griechischen  Termini  zu 
brauchen,  die  avccyQctcpcd,  die  später  die  solide  Grundlage  der  coqoi  bildeten. 
—  Lange  galt  die  Geschichtschreibung  für  ein  Privileg  der  Vornehmen,  und 
es  durfte  Geschichte  nur  schreiben,  wer  auch  Geschichte  zu  machen  im 
stände  war:  L.  Voltacilius  (§  158,  3)  .  .  primus  omnium  libertinorum . ..  scri- 
bere  historiam  exorsus,  non  nisi  ab  honestissimo  quoque  scribi  solitam  ad  id 
tempus,  Suet.  rhet.  3.  Schönfärbend  Tac  Agr.  1  apud  priores  .  .  .  celeberri- 
mus  quisque  ingenio  ad  prodendam  virtutis  memoriam  sine  gratia  aut  ambi- 
tione  bonae  tantum  conscientiae  pretio  ducebatur.  Die  frühere  Ansicht,  daß 
die  ältesten  Geschichtschreiber  griechisch  geschrieben  hätten,  um  die  Kunde 
im  engeren  Kreise  der  Patrizier  zu  halten,  widerlegt  sich  dadurch,  daß  einer 
dieser  ältesten,  Cincius  Alimentus  (§117),  Plebejer  ist;  vgl.Phil.Anz.  15,161. 
Jene  schrieben  griechisch  vielmehr  so  wie  die  ältesten  deutschen  Chronisten 
lateinisch  und  im  17. — 18.  Jahrh.  manche  deutsche  Schriftsteller  französisch. 
Zarncke,  Comment.  Ribbeck.  271.  318.  Rücksicht  auf  das  Ausland  ?  s.  Wölff- 
lin  zu  Liv.  XXI,  p.  vi.  —  Stadtchroniken  auch  außerhalb  Roms ,  schwerlich 
von  Bedeutung:  Liv.  5,  34.  8,  10.  10,  2.  —  Den  großen  Schatz  öffentlicher  Ur- 
kunden in  Rom  haben  die  Geschichtschreiber  nur  obenhin  benutzt.  Archiv  (?) 
im  tabularium  auf  dem  Capitol  seit  dem  Neubau  (fertig  69  v.  Chr.)  des 
Q.  Lutatius  Catulus,  nach  dem  Brand  des  Capitols  J.  83  v.  Chr.  Wiederher- 
gestellt durch  Vespasian  (Suet.  Yesp.  8)  nach  der  Zerstörung  im  J.  69  n.  Chr. 
Kaiserliches  Hofarchiv  auf  dem  Palatin  (Cass.  D.  ep.  72,  24,  2). 

4.  Praktische  Interessen:  angebliches  Zurückgreifen  auf  einen  älteren 
Vorgang  zB.  Liv.  8,  18,  12.  Pädagogische  Zwecke:  Plut.  Cato  mai.  20  xat 
rag  IßTOQiccg  db  övyyqd'^xxi  cpr\6lv  ccvtbg  Idla  %£iql  nal  (isydloig  yQd\L[ia6iv, 
OTtag  oi'Kod'sv  vTtdq^oi  tw  itccidl  nqbg  iyLTtsiQiav  t&v  TtaXai&v  nai  Ttargicov 
äicpe%sl6fi'ca.  Dieser  Nutzen  der  Geschichtschreibung  namentlich  für  Staats- 
männer wird  am  meisten  von  Polybios  betont,  entspricht  aber  der  allge- 
meinen Anschauung;  daher  Cic.  de  or.  2,  36  historia  .  .  magistra  vitae,  sie 
liefert  vetustatis  exempla  ebd.  1,  201  (PScheller,  de  hellenistica  hist.  conscri- 
bendae  arte,  Lpz.  1911,  72).    Daher  sondert  sich  die  Sammlung  von  exempla 


62  Sachlicher  Teil 

als  ein  besonderer  Literaturzweig  ab  (§  198,  4.  262,  2.  279).  Alewell,  Über 
das  Paradeigma  in  d.  röm.  Lit. ,  Lpz.  1913.  Heinze,  Virgils  Technik  472. 

5.  Die  Geschichtschreibung  erscheint  geradezu  als  ein  Zweig  der  epi- 
deiktischen  Beredsamkeit.  Norden,  Kunstpr.  81.  Kroll  zu  Cic.  orat.  66.  Quint. 
2,  18,  5  historiis,  quod  ipsum  opus  in  parte  oratoria  merito  ponimus.  Cic.  de 
leg.  1,  5  cum  sit  (historia)  opus,  ut  tibi  quidem  videri  solet,  unum  hoc  Orato- 
rium maxime  (hauptsächlich  in  bezug  auf  stilistische  Darstellung).  AWolff, 
de  Iosephi  stud.  rhetor. ,  Halle  1908,  33.  Scheller  aO.  50.  Daraus  ergibt 
sich  die  Sparsamkeit  in  Zitaten,  die  leicht  einen  pedantischen  und  unkünst- 
lerischen Eindruck  hervorrufen;  man  wendet  sie  hauptsächlich  da  an,  wo 
die  Meinungen  der  Gewährsmänner  auseinandergehen,  und  nennt  häufig 
gerade  den  Autor,  aus  dem  man  eine  Einzelheit  entnimmt,  während  man 
die  Hauptquelle  der  ganzen  Darstellung  verschweigt.  Stemplinger,  s.  §  37 
A.  4.  Natürlich  nahmen  die  römischen  Historiker  gern  die  Sitte  der  Grie- 
chen an,  in  ihre  Darstellungen  Reden  einzuflechten.  Schon  der  alte  Cato 
tat  dies  (mit  seinen  eigenen  Reden)  über  das  Bedürfnis  hinaus,  dann  Anti- 
pater  usw.  Die  kunstmäßigen  Historiker  verwenden  sie  als  Mittel  der  Ab- 
wechslung und  zur  Charakteristik  der  Handelnden  und  der  Situationen.  Selten 
sind  sie  bei  dem  auf  künstlerische  Abrundung  verzichtenden  Caesar,  desto 
häufiger  bei  Sallust  (§  206,  4)  und  Livius  (§  257,  12).  An  letzteren  tadelte 
vom  Standpunkt  des  Geschichtschreibers  Pompeius  Trogus  (Iustin.  38,  3, 11) 
quod  contiones  directas  pro  sua  oratione  operi  suo  inserendo  historiae  modum 
excesserit.  Frühzeitig  wurden  für  rhetorische  Schulzwecke  aus  Sallust  (§  205,4, 
vgl.  206,  4)  und  Livius  (Suet.  Domit.  10)  die  Reden  (und  Briefe)  zusammen- 
gestellt. ARüdiger,  de  orationibus  in  rerum  scriptoribus ,  Schleiz  1875. 
Atzert,  Progr.  Meppen  1911.  Lauckner  (§  205,  3)  34.  Stemplinger,  das  Pla- 
giat 250. 

6.  Auch  die  Schlachtenberichte  der  rhetorisierenden  Geschichtschreiber 
sind  (im  Unterschiede  von  denen  bei  Technikern  wie  Xenophon,  Polybios 
und  Caesar)  Ausmalungen  ihrer  Phantasie  oder  nach  berühmten  Mustern 
verfaßt  und  teilweise  ziemlich  einförmig  gehalten.  Yerhandl.  d.Würzb.  Philol. 
Vers.  (Lpz.  1869)  190.  Stade,  die  Schlachtenschilderungen  in  Liv.  1.  Dekade, 
Jena  1873.  Zielinski,  zweiter  pun.  Krieg,  Lpz.  1880,  149.  HPeter,  Geschieht]. 
Liter.  2,  307. 

7.  Geschichte  und  Roman  wurden  von  vielen  Geschichtschreibern  tat- 
sächlich verwechselt  und  die  Forderung  einer  der  tragischen  ähnlichen  Wir- 
kung aufgestellt  (Gramann,  Quaest.  Diodoreae,  Gott.  1907,  22):  sogar  der 
Theoretiker  Quintilian  sagt  10,  1,  31  historia  est  proxima  poetis  et  quodam- 
modo  Carmen  solutum,  et  scribitur  ad  narrandum,  non  ad  probandum.  Rich- 
tiger Plin.  5,  8,  9  habet  quidem  oratio  et  historia  multa  communia,  sed  plura 
diversa  in  his  ipsis  quae  communia  videntur  etc.  vgl.  ebd.  4  orationi  et  car- 
mini  parva  gratiay  nisi  eloquentia  est  summa:  historia  quoquo  modo  scripta 
delectat.  sunt  enim  homines  natura  curiosi  et  quamlibet  nuda  rerum  cogni- 
tione  capiuntur.  Dagegen  Cic.  Brut.  42  quoniam  concessum  est  rhetoribus  emen- 
tiri  in  historiis,  ut  aliquid  dicere  possint  argutius.  Quint.  8,  3,  70  (bei  Schil- 
derung der  Eroberung  einer  Stadt)  licebii  etiam  falso  adßngere,  quiequid  fteri 
solet.  Dazu  kam  das  starke  Hervortreten  des  persönlichen  Elementes  seit 
den  Alexanderhistorikern,  das  namentlich  für  die  Historiographie  der  Kaiser- 


§  36.  Die  Geschichtschreibung.    §  37.  Die  Annalisten  63 

zeit  wichtig  wurde.  Peter,  Gesch.  Lit.  1,  307.  Cicero  kann  daher  dem  Luc- 
ceius  zumuten,  seine  Taten  vom  Beginn  der  Catilinarischen  Verschwörung  in 
einer  besonderen  Schrift  zu  verherrlichen,  in  der  seine  Person  im  Mittel- 
punkte stehen  sollte,  ohne  daß  durch  das  uno  in  argumento  unaque  in  per- 
sona versari  der  Rahmen  des  Geschichtswerkes  gesprengt  werden  sollte  (ep. 
5,  12  und  dazu  Eeitzenstein,  Hellenist.  Wundererzählungen  84.  Scheller  80. 
Lauckner  [§  205,  3]  59).  Vgl.  §  39,  2.  Nissen,  RhM.  26,  500.  515.  41,  494. 
PScheller  aO.,  bes.  37.  87.  Norden,  Kunstpr.  91.  Vgl.  §  37,  3.  6.  Über  den 
Unterschied  antiker  und  moderner  Geschichtschreibung  Nipperdey,  opusc.  411. 

37.  Bis  zum  Ende  des  zweiten  punischen  Krieges  hat  Rom  nur 
Geschichte  und  Geschichtsquellen  geschaffen.  Als  es  dann  zu  einer 
literarischen  Darstellung  der  Geschichte  kam,  schloß  sich  diese  in 
ihrer  Form  naturgemäß  an  die  bisherigen  annales  an.  Daher  sind 
die  ältesten  römischen  Geschichtschreiber  Annalisten.  Diese 
bilden  eine  ununterbrochene  Reihe,  aber  so,  daß  zwei  Generationen 
besonders  hervortreten:  eine  ältere  und  eine  jüngere.  Die  ältere 
reicht  bis  in  das  siebente  Jahrh.  d.  St.  hinein  und  besteht  meist  aus 
Männern,  die  selbst  eine  Rolle  im  Staate  gespielt  hatten  und  dann 
in  magerer  chronikartiger  Fassung  mit  einer  gewissen,  freilich  nicht 
zu  überschätzenden  Zuverlässigkeit  die  Tatsachen  in  der  Jahres- 
folge verzeichneten.  An  ihrer  Spitze  steht  Q.  Fabius  Pictor;  ihm 
folgten  L.  Cincius  Alimentus,  C.  Acilius  und  A.  Postumius  Albinus. 
Alle  diese  behandelten  die  älteste  Geschichte  summarisch,  die  der 
eigenen  Zeit  ausführlicher,  und  schrieben  in  griechischer  Sprache. 
Bei  Pictor  und  Acilius  folgten  aber  bald  lateinische  Bearbeitungen 
nach.  Der  erste,  der  lateinisch  schrieb  und  zugleich  den  Gegenstand 
zu  einer  Geschichte  Italiens  erweiterte,  war  Cato  (Origines).  Seinem 
Vorgang  folgten  in  bezug  auf  die  Sprache  L.  Cassius  Hemina  und 
wohl  auch  Ser.  Fabius  Pictor;  dann  L.  Scribonius  Libo,  Fabius 
Maximus  Servilianus  (Cos.  142),  L.  Calpurnius  Piso  Frugi  (Cos.  133), 
C.  Sempronius  Tuditanus  (Cos.  129).  Nach  den  gracchischen  Kämpfen 
beginnt  die  jüngere  Annalistik,  die  unter  dem  Einflüsse  von  Partei- 
rücksichten und  mit  zunehmender  Weitschweifigkeit  schrieb.  Zu 
ihr  gehörten  schon  Yennonius  und  Cn.  Gellius.  Eine  stärkere  Ein- 
wirkung griechischer  Stilistik  verriet  C.  Fannius,  besonders  aber 
dessen  jüngerer  Zeitgenosse  L.  Coelius  Antipater;  der  Einfluß  von 
Polybios'  Pragmatismus  trat  bei  Sempronius  Asellio  zutage.  In  die 
Mitte  des  siebenten  Jahrh.  d.  St.  und  in  die  sullanische  Zeit  fallen 
mehrere  Verfasser  von  Denkwürdigkeiten  und  Selbstbiographien y 
nämlich  M.  Aemilius  Scaurus,  P.  Rutilius  Rufus,  Q.  Lutatius  Catulusy 
sodann  Sulla  selbst  und  der  griechisch  schreibende  L.  Licinius  Lu- 


64  Sachlicher  Teil 

cullus ;  später  M.  Varro,  Caesar,  Augustus,  Agrippa  u.  a.  In  der 
sullanischen  Zeit  finden  wir  in  Voltacilius  den  ersten  nicht  frei- 
geborenen Geschichtschreiber.  Die  jüngere  Annalistik  hat  ausge- 
prägte Vertreter  an  Q.  Claudius  Quadrigarius  und  dem  abenteuer- 
lich ausmalenden  Valerius  Antias.  Achtbarer  war  C.  Licinius  Macer, 
für  uns  der  letzte  eigentliche  Annalist.  Denn  L.  Cornelius  Sisenna 
(Prätor  78)  befolgte  in  seiner  zeitgenössischen  Geschichte  viel  mehr 
eine  sachliche  als  eine  chronologische  Ordnung.  Aber  noch  Tacitus 
wagt  kaum  die  Fessel  der  annalistischen  Anlage  abzustreifen,  und 
auch  manche  Kaiserbiographien  hatten  die  Form  von  Annalen. 

1.  Der  Unterschied  zwischen  älterer  und  jüngerer  Annalistik  ist  wohl  mehr 
quantitativ  als  qualitativ  (so  auch  Pais,  Storia  crit.  1,  1,  85);  bei  der  Dürftigkeit 
der  Überlieferung  namentlich  über  die  ältere  Zeit  war  es  von  vornherein  nötig, 
hier  zu  erfinden  oder  fremde  Erfindungen  (zB.  des  Timaios)  weiterzugeben. 
Namentlich  aber  suchte  die  Annalistik  unangenehme  Tatsachen  totzuschweigen, 
wie  Roms  Unterjochung  durch  Porsena,  den  Loskauf  der  Stadt  von  den 
Galliern,  das  caudinische  Joch  mit  dem  darauf  folgenden  Friedensbruch. 
Auch  Umstellungen  nahm  sie  unbedenklich  vor.  Die  jüngere  Annalistik 
strotzt  von  patriotischen  Fälschungen;  außerdem  überträgt  sie  die  Partei- 
kämpfe des  letzten  Jahrhunderts  der  Republik  in  die  Zeit  des  Gegensatzes 
zwischen  Patriziern  und  Plebejern  und  verdoppelt,  wo  es  ihr  an  Stoff  fehlt, 
ungescheut  Namen  und  Motive  der  älteren  Geschichte.  So  zeigt  zB.  ESchwartz, 
daß  bei  Dionys.  5,  53 f.  ein  Annalist  benutzt  ist,  der  die  Erzählung  der 
Verschwörung  des  J.  500  zu  Ausfällen  gegen  Ciceros  Verfahren  bei  der 
Unterdrückung  der  Catilinarischen  Verschwörung  benutzt  (Notae  de  Rom. 
annalibus,  Gott.  1903).  Je  näher  der  augusteischen  Zeit,  desto  größer  ist 
der  Umfang  der  Annalen,  desto  geringer  durchschnittlich  ihre  Glaubwürdig- 
keit. Nissen,  RhM.  25,  1.  Vgl.  ELübbert,  de  Liv.  1.  IV  fontibus,  Gießen 
1872,  p.  3.  Antipater  verwertet  zuerst  auch  gegnerische  Quellen.  Gemein- 
sam ist  allen  Annalisten  ihre  völlige  Unkenntnis  fremder  Länder.  Über 
das  gesamte  Verfahren  der  Annalisten  vgl.  Pais  aO.  148;  über  die  un- 
historisch großen  Zahlen  (bei  Schlachtberichten  udgl.)  der  Annalisten  s. 
zB.  CPeter,  zur  Kritik  der  Quellen  53.  Vgl.  auch  §  155,  3.  BNiese,  de 
annalibus  Rom.,  Marb.  1886.    Kahrstedt  (A.  4  E.)  52.  67.   75. 

2.  Wo  von  der  Mitte  des  siebenten  Jahrh.  d.  St.  an  annales  erwähnt 
werden,  da  sind  annalistische  Schriftwerke  gemeint,  buchmäßige  Fort- 
setzungen der  Annales  maximi  (§  76).    Vgl.  Schwegler,  RG.  1,  11  f. 

3.  Im  Unterschiede  von  annales  als  Chroniken  bezeichnet  historia 
(latoQia  Untersuchung)  eigentlich  eine  subjektive,  mehr  pragmatische  Dar- 
stellung des  Stoffes:  aber  der  Gebrauch  hält  diese  Scheidung  nicht  fest. 
Die  alten  Grammatiker  erklärten  zum  Teil  historia  als  -Darstellung  von 
Selbsterlebtem  (unde  Livius  ex  annalibus  et  historia  constat,  Serv.  aO.), 
woran  schon  Verrius  Flaccus  bei  Gell.  aO.  mit  Recht  zweifelte.  Vgl. 
Gell.  5,  18.  Serv.  Aen.  1,  373.  Isid.  orig.  1,  40,  1.  Zu  schroff  sondert 
beide   Begriffe   Niebuhr,    kl.  Sehr.  2,  229.    Vgl.  HNissen,    krit.  Unters.  87. 


§  37.  Die  Annalistik  65 

FThiersch,  Münchner  Gel.  Anz.  1848,  Nr.  131.  Peter,  HRR.  1,  xlviii. 
Sempronius  Asellio  bei  Gell.  5,  18,  8  inter  eos,  qui  annäles  relinquere  vo- 
luissent,  et  eos,  qui  res  gestas  a  Romanis  perscribere  conati  essent,  omnium 
verum  hoc  interfuit.  annales  libri  tantummodo  quod  factum  quoque  anno 
gestum  sit,  ea  demonstrabant,  id  est  quasi  qui  diarium  scribunt,  quam  Graeci 
icpriiisgida  vocant.  nobis  non  modo  satis  esse  Video,  quod  factum  esset,  id 
pronuntiare,  sed  etiam  quo  consilio  quaque  ratione  gesta  essent  demonstrare: 
.  .  .  (bloß  die  äußeren  Tatsachen  melden,  nicht  auch  deren  Gründe) 
id  fabulas  pueris  est  narrare,  non  historias  scribere.  Die  Zeitordnung 
hielten  begreiflicherweise  alle  Geschichtswerke  im  wesentlichen  ein  (Plin. 
•ep.  1,  1  non  servato  temporis  ordine,  neque  enim  historiam  componebam\ 
und  die  Römer  dachten  sich  alle  Geschichtschreibung  chronologisch  (Cic. 
ep.  5,  12,  5  ordo  ipse  annalium  mediocriter  nos  retinet  quasi  enumeratione 
factorum). 

4.  In  der  Benützung  der  Vorgänger  herrschte  große  Freiheit.  Die  Nach- 
folger schrieben  deren  Werke,  wenigstens  was  die  Tatsachen  betraf,  mit 
mehr  oder  weniger  Zutaten  und  Umarbeitung  ab,  mit  oder  ohne  Namens- 
nennung. Meist  erfolgt  die  Erwähnung  der  Quelle  nur,  um  streitige  Fragen 
durch  das  Gewicht  eines  Namens  oder  die  größere  Zahl  der  Gewährsmänner 
zu  entscheiden,  um  den  Gewährsmann  zu  tadeln  oder  um  die  Unmöglich- 
keit einer  Entscheidung  klarzustellen.  Auch  werden  Zitate  aus  der  Haupt- 
quelle mit  herübergenommen,  dagegen  tritt  das  Zitat  als  Ursprungszeugnis 
sehr  zurück.  Öfters  legte  der  Schriftsteller  seiner  Arbeit  eine  Hauptquelle 
zugrunde  und  änderte  diese  nach  anderen  Quellen  oder  nach  eigenem  Er- 
messen ab.  CPeter,  das  Verhältn.  des  Liv.  usw.,  Anclam  1853;  zur  Kritik 
der  älteren  röm.  Gesch.  (Halle  1879)  4.  6.  Nissen,  krit.  Unters.  77.  90. 
Peter,  RR.  1,  liv.  Kahrstedt,  die  Annalistik  von  Liv.  B.  31 — 45,  Berl. 
1913.  —  Im  allgem.  vgl.  Stemplinger,  das  Plagiat  in  der  griech.  Lit.,  Lpz. 
1912. 

5.  Cic.  de  or.  2,  52  erat  historia  nihil  aliud  nisi  annalium  confectio. 
Tac.  dial.  22  nulli  sensus  tarda  et  inerti  structura  in  morem  annalium  com- 
ponuntur.  Dionys.  1,  7  siel  Sh  (die  Ttgocy^iatsloci  der  Annalisten)  raXg  zlli\- 
vwalg  %QOvoyQttcpieas  ioiKvlai.  Den  Maßstab  rhetorischer  Stilistik  anlegend 
Cic.  leg.  1,  6  post  annales  pontificum  maximorum  .  .  si  aut  ad  Fabium  aut 
ad  .  .  Catonem  aut  ad  Pisonem  aut  ad  Fannium  aut  ad  Vcnnonium  venias, 
quamquam  ex  his  alius  alio  plus  habet  virium,  tarnen  quid  tarn  exile  quam 
isti  omnes?  Fanni  autem  aetati  coniunetus  Antipater  paulo  inflavii  vehe- 
mentius  .  .  sed  tarnen  admonere  reliquos  potuit,  ut  adeuratius  scriberent. 
ecce  autem  successere  huic  belli  (nette  Historiker?  Guilelmus:  Gellii,  s. 
§  137,  1  u.  Vahlen  zdSt.  und  FUnger,  Philol.  Suppl.  3,  2,  9),  Clodius, 
Asellio:  nihil  ad  Coelium,  sed  potius  ad  antiquorum  languorem  et  inscitiam. 
Fronto  ep.  p.  114  historiam  seriösere  Sallustius  struete,  Pictor  incondite, 
Claudius  lepide,  Antias  invenuste,  Seisenna  longinque,  verbis  Cato  multiiugis, 
Coelius  singulis.  Dionys.  Ant.  1,7  ix  tä>v  Iözoqicov  .  .  ag  ol  itQÖs  avtcov  incci- 
vov{lsvol  'Pooftcatüv  6vv8yQdipav ,  Tlog-aiog  xs  Kdzcov  nai  <&äßiog  Md^L^iog  xcci 
Ovccl&Qiog  6  kvtisvg  %al  Ai%Lvviog  Mccksq,  Allioi  te  %cu  Tilltoi  xcci  KccX- 
7Covqviol,  ncci  etsQOL  6v%voi  TtQog  xovtoig  uvdQsg  ovk  dcpccvslg.  Die  aller- 
ältesten  (Q.  Fabius  und  L.  Cincius)  hatte  Dionys.  schon  1,  6  genannt. 

Teuf  fei:  röm.  Literaturgesch.    Neub.  6.  Aufl.   I.  5 


66  Sachlicher  Teil 

6.  Mommsen,  RG.  26,  452.  LKieserling,  de  rer.  Rom.  scriptoribus  qui- 
bus  Livius  usus  est,  Berl.  1858.  vdBergh,  de  antiquiss.  annalium  scriptor. 
Rom.,  Greifsw.  1859.  Nitzsch,  röm.  und  deutsche  Annalistik,  Sybels  Hist. 
Z.  11,  1;  die  röm.  Annalistik  bis  Valerius  Antias,  Berl.  1873:  die  antike 
Geschichtschreibung  in  s.  Gesch.  d.  röm.  Rep.  1  (1883)  5.  HKlimke,  Diodor 
u.  d.  röm.  Annalistik,  Königshütte  1881.  CPeter,  zur  Kritik  d.  Quellen  d. 
älteren  röm.  Gesch.,  Halle  1879.  Bröcker,  moderne  Quellenforscher  u.  antike 
Geschichtschreiber,  Innsbr.  1882.  Soltau,  Liv.  Geschichtswerk,  Lpz.  1897; 
die  Anfänge  der  röm.  Geschichtschreibung,  Lpz.  1909.  Cichorius,  PW. 
1,  2255. 

7.  Die  Biographie  und  Autobiographie  ist  von  den  Alten  für  ein  eigenes 
yevog  neben  der  Geschichtschreibung  gehalten  worden.  Norden,  Kunstpr. 
205.  Die  Autobiographie  wird  erst  nach  der  engeren  Berührung  mit  der 
hellenistischen  Philosophie  möglich,  die  für  die  Schilderung  und  Wertung 
einer  Persönlichkeit  die  Kategorien  liefert.  Misch,  Gesch.  d.  Autobiogr.  1 
(Lpz.  1907)  124.  Cic.  ep.  5,  12,  8  scribam  ipse  de  me,  multorum  tarnen 
exemplo  et  clarorum  virorum.  Tac  Agr.  1  apud  priores  .  .  plerique  suam 
ipsi  vitam  narrare  fiduciam  potius  morum  quam  adrogantiam  arbitrati  sunt, 
nee  id  Rutilio  et  Scauro  citra  fidem  aut  öbtreetationi  fuit.  L Wiese,  de  vi- 
tarum  scriptoribus  Rom.,  Berl.  1840.  Suringar,  de  Rom.  autobiographis, 
Leiden  1846.  AFrigele,  om  de  Rom.  sjelf biograferna,  Ups.  1877.  Köchly  u. 
Rüstow,  Einl.  zu  Caes.  gall.  Krieg  (Gotha  1857)  S.  3.  Die  apologetische 
Richtung  war  in  diesen  Memoiren  so  ausgesprochen,  daß  Cic.  Brut.  112 
ein  solches  Werk  geradezu  laudes  nennt.  Was  andere  nicht  selbst  taten, 
das  taten  für  sie  dienstwillige  Klienten,  später  auch  hungernde  griechische 
Literaten. 

38.  In  der  ciceronischen  Zeit  veranlaßte  der  reiche  Stoff,  den 
die  Gegenwart  bot,  und  die  starke  Nachfrage  nach  Nachschlage- 
werken, zusammen  mit  der  Verbreitung  einer  gewissen  schrift- 
stellerischen Fähigkeit,  Viele  zu  geschichtlichen  und  chronogra- 
phischen Darstellungen.  So  außer  Atticus,  Cicero  und  Cornelius 
Nepos  auch  Hortensius,  Varro,  Procilius,  Lucceius,  Libo  u.  a.  Unter 
diesen  zeichneten  sich  durch  Stoffreichtum  Atticus  und  Cornelius 
Nepos  mit  ihren  Chroniken  aus;  erheblich  höher  stand  nach  Inhalt 
wie  Form  die  Leistung  des  Sallustius.  Caesar  schuf  mit  seinen 
anspruchslosen  Commentarii  etwas  Eigenartiges  und  Mustergültiges; 
er  hat  zugleich  durch  Begründung  (J.  59)  einer  amtlichen  Zeitung 
den  späteren  Geschichtschreibern  vorgearbeitet.  Der  Bürgerkrieg 
förderte  außer  Caesars  eigenen  Schriften  noch  viele  andere  Dar- 
stellungen zutage,  die  meist  aus  Parteirücksichten  entsprangen. 
Parteischriftsteller  für  Caesar  waren  Hirtius,  Oppius  und  Cornelius 
Baibus,  für  Pompeius  traten  Voltacilius  und  T.  Ampius  Baibus  auf, 
für  Cicero  sein  Freigelassener  Tiro.  Den  parthischen  Krieg  des 
M.  Antonius  beschrieb  Dellius.  Auf  der  Gegenseite  verfaßte  M.  Brutus 


§  38.  39.  Die  spätere  Geschichtschreibung  67 

o-leichfalls  Denkwürdigkeiten,  und  sein  Stiefsohn  Bibulus  wie  sein 
Freund  Volumnius  veröffentlichten  Schriften  zu  seinem  Lobe.  Die 
Zeitgeschichte  behandelte  auch  Tanusius  Geminus,  sowie  im  letzten 
Teile  seines  Werkes  Q.  Tubero,  den  Bürgerkrieg  selbst  Asinius 
Pollio  und  M.  Valerius  Messala.  Die  augusteische  Zeit  brachte  in 
der  römischen  Geschichte  des  Livius  ein  Werk  von  künstlerischer 
Formvollendung  und  hervorragender  Erzählungsgabe  hervor  und  in 
den  Historiae  Philippicae  des  Pompeius  Trogus  die  erste  Universal- 
geschichte, zu  welcher  Idee  Varro,  Atticus  und  Cornelius  Nepos 
kaum  einen  Anlauf  genommen  hatten.  Varros  sittengeschichtliche 
Richtung  aber  fand  achtungswerte  Nachfolge  bei  Fenestella. 

1.  Am  Ende  der  Republik  wurde  die  Summe  aus  der  historischen 
Tätigkeit  der  Früheren  gezogen.  Sie  liegt  uns  vor  in  den  Werken  des 
Livius,  des  Dionysios  aus  Halikarnass  und  in  der  Redaktion  der  capitolini- 
schen  Fasten.    Nissen,  RhM.  25,  65. 

2.  Von  den  oben  genannten  Werken  gehören  die  Zeittafeln  des  Nepos, 
Atticus  und  vielleicht  auch  das  Buch  des  Libo  zur  chronographischen  Lite- 
ratur, die  von  den  Werken  des  Eratosthenes  und  Apollodor  ausgeht.  Peter, 
Wahrh.  u.  Kunst  312.  Varro  ist  in  der  Hauptsache  Antiquar  (§41):  in 
diesem  Literaturzweige  kreuzt  sich  die  historische  Forschung  mit  der  kultur- 
historischen und  grammatischen  (glossographischen).  Cäsars  und  seiner 
Fortsetzer  commentarii  gehören  nicht  zur  kunstmäßigen  Geschichtschrei- 
bung.   Über  Yarros  u.  a.  autobiographische  Schriften  vgl.  §  37,  7. 

39.  Im  Verlaufe  der  Kaiserzeit  verlor  sich  immer  mehr  das 
Verständnis  für  die  Zeit  des  alten  Rom  und  der  Mut  zu  wahrheits- 
getreuer Darstellung  der  Gegenwart  und  nächsten  Vergangenheit. 
Desto  breiter  machte  sich  Schmeichelei  und  Liebedienerei.  Ihr 
huldigten  unter  Tiberius  (wenigstens  in  bezug  auf  die  Gegenwart) 
Velleius  Paterculus  und  der  Exempelsammler  Valerius  Maximus; 
dagegen  büßten  ihren  Freimut  Labienus  schon  unter  Augustus  und 
Cremutius  Cordus  unter  Tiberius.  Um  so  unbestrittener  blieben 
daher  die  Geschichtsdarstellungen,  die  Mitglieder  der  herrschenden 
Dynastie  selbst  verfaßten,  wie  Augustus,  Tiberius,  Agrippina, 
weiterhin  der  schreibselige  Claudius,  und  noch  später  Trajan  (Dacica) 
und  Septimius  Severus.  Neutrales  Gebiet  wählte  Curtius.  Aber 
während  des  ganzen  ersten  Jahrhunderts  glomm  bei  den  Vornehmen 
der  Sinn  für  Geschichte  fort.  Davon  zeugt  die  große  Zahl  der  ganz 
oder  halb  verschollenen  Geschichtswerke  aus  dieser  Zeit,  wie  von 
Aufidius  Bassus  und  seinem  Fortsetzer,  dem  älteren  Plinius,  von 
dem  älteren  Seneca,  Servilius  Nonianus,  Lentulus  Gaetulicus,  Fabius 
Rusticus,   Cluvius  Rufus,  Tuscus;   auch   daß   in   einer   der  ersten 


68  Sachlicher  Teil 

Pausen  des  Despotismus  ein  Tacitus  auftreten  konnte.  Bezeichnend 
für  die  Geschichtschreibung  der  Kaiserzeit  ist  ihre  Richtung  auf 
das  rein  Persönliche,  aus  der  teils  eine  Anzahl  Biographien  von 
Privaten  hervorging,  teils  die  Geschichtsbehandlung,  die  Kaiser- 
biographien an  die  Stelle  der  Kaiser-  oder  gar  der  Reichsgeschichte 
setzte.  Sie  begann  mit  Sueton  und  wurde  von  seinen  Nachfolgern 
übertrieben  und  verzerrt.  Unter  diesen  Hof-  und  Kaiser- Geschicht- 
schreibern war  der  bedeutendste  Marius  Maximus,  untergeordneter 
lunius  Cordus,  Aemilius  Parthenianus,  Aelius  Maurus  u.  a.  Aus 
ihnen  schöpften  dann  ohne  Urteil  und  Geschmack  die  angeblichen 
sechs  Scriptores  historiae  augustae:  Aelius  Lampridius,  Iulius  Capi- 
tolinus,  Vulcacius  Gallicanus,  Aelius  Spartianus,  Trebellius  Pollio 
und  Flavius  Vopiscus.  Erst  für  das  vierte  Jahrh.  haben  wir  an 
Ammianus  Marcellinus  einen  trefflichen  Gewährsmann.  Für  die  Ge- 
schichte der  republikanischen  Zeit  wurde  in  dieser  Epoche  des  all- 
gemeinen Verfalls  Livius  ausschließlich  maßgebend,  so  sehr,  daß 
selbst  die  älteren  Abrisse  der  republikanischen  Zeit,  die  keineswegs 
einfache  Auszüge  aus  Livius  sind,  wie  Florus  und  Victors  viri 
illustres,  doch  dafür  galten.  Den  Livius  selbst  aber  fand  man  zu 
weitläufig.  Er  wurde  daher  (vielleicht  schon  im  ersten  Jahrh.)  in 
einen  Abriß  gebracht,  aus  dem  die  Späteren  oft  lieber  als  aus  dem 
Originalwerk  geschöpft  haben.  Auch  Licinianus  gründet  sich  ganz 
vorzugsweise  auf  Livius,  weniger  L.  Ampelius;  den  Sallust  zog 
Iulius  Exuperantius  aus.  Später  trat  an  des  Livius  Stelle  Eutrop; 
sein  Fortsetzer  Paulus  Diaconus  fand  dann  wiederum  seinen  Fort- 
setzer und  Bearbeiter  in  Landolfus  Sagax  (Historia  miscella).  Vom 
vierten  Jahrh.  an  machte  sich  auch  auf  diesem  Gebiete  der  Einfluß 
des  Christentums  geltend.  Der  Chronograph  des  J.  354  gibt  neben 
Konsularfasten  auch  eine  Ostertafel,  neben  einem  Verzeichnis  der 
praefecti  urbis  auch  eines  der  römischen  Bischöfe  und  der  Märtyrer. 
Des  Sulpicius  Severus  Chronik  (um  400)  enthält  einen  Abriß  bibli- 
scher und  nachbiblischer  Geschichte;  des  Orosius  Werk  hat  einen 
christlich- apologetischen  Zweck;  die  Chroniken  beginnen  jetzt  mit 
Erschaffung  der  Welt.  Im  5.  und  6.  Jahrh.  war  das  gegenseitige 
Abschreiben  allgemeine  Sitte:  so  schrieb  Hieronymus  den  Eusebios 
aus,  Prosper  (J.  455)  den  Hieronymus,  Victorius  (Ostertafel,  J.  457) 
den  Prosper,  Cassiodor  (J.  519)  den  Victorius,  Iordanis  (J.  551) 
den  Cassiodor,  und  zwar  jeder  so,  daß  er  seinen  Vorgänger  immer 
bis  auf  die  eigene  Zeit  fortsetzte.  Andere  Fortsetzer  der  Chronik 
des  Prosper  sind  Marcellinus  und  Victor  aus  Tunnuna.    Wichtige 


§  39.  Die  Geschichtschreibung  der  Kaiserzeit  69 

Spezialgeschichten  besitzen  wir  von  Iordanis  (Gothen)  und  Gregor 
von  Tours  (Franken). 

1.  Tac.  hist.  1,  1  postquam  bellatum  apud  Actium  . .  magna  ingenia 
cessere;  simul  veritas  pluribus  modis  infracta,  primum  inscitia  reip.  ut  alie- 
nae,  mox  libidine  adsentandi  aut  rursus  odio  adver sus  dominantes.  A.  1,  1 
temporibus  Augusti  dicendis  non  defuere  decora  ingenia,  donec  gliscente  adu- 
latione  deterrerentur.  Tiberii  Gaique  et  Claudii  ac  Neronis  res  florentibus 
ipsis  ob  metum  falsae,  postquam  occiderant,  recentibus  odiis  compositae  sunt. 
Ein  Beispiel  letzterer  Art  ist  wohl  C.  Fannius  (Plin.  ep.  5,  5,  3).  Über  die 
Zeit  vor  Trajan  Plin.  pan.  54  quis  iam  locus  miserae  adulationis  manebat 
ignarus,  cum  laudes  imperatorum  ludis  etiam  et  commissionibus  celebrarentur, 
saltarentur  atque  in  omne  ludibrium  effeminatis  vocibus  modis  gestibus  fran- 
gerentur?  Ioseph.  ant.  20,  8,  3  tcoXXoI  xr\v  nsol  Nsqcovc:  6vvxsxcc%cc6lv  Igxoqiocv, 
(ov  oi  iisv  diä  %dgivf  sv  tcstzov&otes  Vit*  avxov ,  tfjs  äXrid'SLccg  i]yiilr\6av ,  ol 
dh  dicc  {ilöos  •  .  ccvccidcög  ivs7tccQc6vr}6(xv  xolg  ipEv6{ia6iv  .  .  ^ivSs  x&v  itqb  av- 
tov ysvoy.£vcov  ygdcpovxsg  xr\v  ccXrjd'siccv  rfjg  i6xoglag  xsxr\Qri>ux6iv,  kuLxoi  ngog 
ixsivovg  avxotg  ovdhv  {ilöog  r\v ,  axs  fier'  avxovg  7toXXco  %qovco  y£vo\iivoig. 
Peter,  Gesch.  Liter.  1,  275.  2,  1. 

2.  Plin.  ep.  5,  5,  3  von  C.  Fannius:  tres  libros  absolverat,  subtiles  ..  at- 
que inter  sermonem  historiamque  medios.  Die  historia  erforderte  nach  den 
Zeitbegriffen  (vgl.  Quintilian,  oben  §  36,  7)  höheren  Schwung,  Phantasie 
und  eloquentia.  Tac.  Agr.  10  quae  priores  nondum  comperta  (über  Britanniae 
situm  populosque)  eloquentia  percoluere,  verum  fide  tradentur  (vgl.  dial.  23). 
Daher  die  Alternative,  entweder  auf  eloquentia  (Stilistik)  oder  auf  veritas 
und  fides  zu  verzichten.  Vopisc  Prob.  2,  7  mihi  id  animi  fuit,  ut  non  Sal- 
lustios,  Livios,  Tacitos,  Trogos  atque  omnes  disertissimos  imitarer  viros  in 
vita  principum  et  temporibus  disserendis,  sed  Maritim  Maximum  Suetonium 
Tranquillum,  Fabium  Marcellinum,  Gargilium  Martialem  ceterosque  qui  haec 
et  talia  non  tarn  diserte  quam  vere  memoriae  tradiderunt.  Von  ähnlichem 
Standpunkt  aus  Licinianus  über  Sallust,  s.  §  206,  4.  Daher  aber  auch  Ur- 
teile wie  von  Seneca  N.  Q.  7,  16,  1  nee  magna  molitione  detrahenda  est 
auetoritas  JEphoro :  historicus  est  . .  haec  in  commune  de  tota  natione  (der 
historici),  quae  adprobari  opus  suum  et  fieri  populäre  non  putet  posse  nisi 
illud  mendacio  adsperserit.  apocol.  1  quis  unquam  ab  historico  iuratores 
exegifi  Verachtung  der  Geschichte  findet  sich  im  Kynismus,  daher  Sen.  N. 
Q.  3  pr.  5.  M.  Aurel.  3,  14.  Über  die  rhetorisch-panegyrischen  Geschicht- 
schreiber des  Partherkrieges  vgl.  Lukians  für  die  Anschauungen  über  die 
Geschichtschreibung  wichtige  Schrift  nag  Sei  i6xoglav  öv/ygcccpsiv. 

3.  In  der  Kaiserzeit  kamen  zu  den  sonstigen  Geschichtsquellen  (zB.  den 
acta)  auch  noch  ephemerides  (Tagebücher),  zB.  Aureliani  (Vopisc  Aurel.  1,  6), 
Turduli  Gailicani  (Vopisc  Prob.  2,  2,  vgl.  3,  4.  5,  1).  Daraus  flössen  wohl  auch 
die  oft  so  kleinlichen  persönlichen  Züge,  welche  die  Schriftsteller  verzeich- 
nen, weil  etiam  minor a  plerique  desiderant  (Capit.  Max.  et  Balb.  6,  1).  Peter, 
Gesch.  Lit.  1,  370.  In  der  früheren  Kaiserzeit  verfaßten  Biographien  von  Pri- 
vaten Plinius  d.  Alt,  von  seinem  Freunde  Pomponius  Secundus  (Plin.  ep.  3, 
5,  3),  Iulius  Secundus  von  Iulius  Asiaticus  (Tac.  dial.  14),  Tacitus  von  Agri- 
cola,  Claudius  Pollio  von  seinem  Freunde  Annius  (Plin.  ep.  7,r31,  5).     Dazu 


70  Sachlicher  Teil 

die  laudes  des  Paetus  Thrasea  und  Helvidius  Priscus  durch  Herennius  Se- 
necio  und  Arulenus  Rusticas  (Suet.  Dom.  10.  Plin.  ep.  7,  19,  5).  Die  vitae 
sanctorum  der  christlichen  Zeit  knüpfen  an  allerlei  Antikes  an,  zB.  an  die 
exitus  clarorum  virorum  mit  ihren  Prozeßberichten  und  an  die  Pythagoras- 
legende.  Vgl.  Ebert,  Lit.  des  MA.  1,  429.  Reitzenstein  ,  Hellenist.  Wunder- 
erzähl. 37;  SB.  Heidelb.  Ak.  1914  Nr.  8.    Holl,  JJ.  1912  XXIX  406. 

4.  Über  das  gegenseitige  Abschreiben  s.  Mommsen,  Cassiodor  S.  565  f. 
Petek,  Gesch.  Lit.  2,  341.  Über  das  Fortsetzen  des  Vorgängers  zB.  Ausonius, 
epigr.  2  de  fastis  suis  (p.  120  Seh.).    Auch  Prokop.  aedif.  6,  7. 

5.  Die  historia  Romana  des  Paulus  Diaconus  (§  500,  6)  in  16  Büchern 
wurde  ums  J.  1000  von  einem  sonst  ganz  unbekannten  Landolfus  Sagax 
durch  reichliche  Zusätze  aus  Orosius,  der  origo  gentis  Rom.,  Hieronymus, 
Nepotianus  (§  279, 10),  Victors  epit.  usw.  erweitert,  bis  auf  Leo  den  Armenier 
fortgeführt  und  durch  Spaltung  zweier  Bücher  der  hist.  Rom.  und  Hinzu- 
fügung von  8  neuen  auf  26  Bücher  gebracht.  Die  Originalhs.  des  Vfs.  dieser 
wüsten  Zusammenstellung,  die  man  Historia  miscella  zu  nennen  pflegt, 
liegt  im  Vaticano-Palatinus  909  noch  vor.  S.  HDroysen,  Herrn.  12,  387.  Aus- 
gaben von  Müratori,  script.  rer.  Ital.2 1,  1  (1900)  und  Eyssenhardt,  Berl.  1869. 
Die  Bücher  I— XVIII  auch  in  Droysens  Eutrop.  (ed.  mai.)  1879  (s.  §  415,  7). 
Vgl.  ebd.  p.  lxi. 

6.  Wie  die  älteste  römische  Geschichtschreibung  mit  Eintragungen  in 
die  fasti  (Kalender)  begann,  so  die  älteste  mönchische  mit  Randbemerkungen 
zu  den  Ostertafeln.  Ebenso  wurden  auch  in  den  Klosterannalen  die  Angaben 
über  die  frühere  Zeit  aus  den  Vorgängern  abgeschrieben  und  daran  die  Auf- 
zeichnungen aus  der  eigenen  Zeit  angereiht.  Aus  Italien  kam  jene  Sitte  im 
sechsten  Jahrh.  ins  fränkische  Reich,  gegen  Ende  des  siebenten  auch  nach 
Belgien  und  Deutschland,  sowie  nach  England  (Baeda  venerabilis).  Watten- 
bach, deutsche  Geschichtsquellen  l7  65.  154. 

7.  Malalas  p.  187,  11  rjvriva  H&eöiv  —  über  die  Rache  des  Manlius 
Capitolinus  am  Senator  Februarius  —  t\vqov  iv  &sGOccXovUiß  Ttolsr  xai  ccvcc- 
yvovg  rivQov  iTtiysyQa^svriv  xr\v  ßtßXov  "Exd'86ig  Bqovvi%Lov  (ob  ein  ver- 
kappter $>qvvi%o$T)  fP(n\iaiov  %QovoyQacpov.  —  Fälschungen  des  fünfzehnten 
Jahrh.  sind  der  Fenestella  (§  259,  5),  Messala  Corvinus  (§  222,  5),  die  historia 
Papirii  (Mommsen,  Sehr.  7,  695)  u.  a. 

40.  Eine  wichtige  Geschichtsquelle  sind  die  freilich  nicht  zur 
Literatur  gehörigen  Inschrift en,  deren  sich  einzelne  schon  aus 
sehr  früher  Zeit  erhalten  haben.  Im  zweiten  Jahrh.  v.  Chr.  beginnen 
sie  zahlreicher  zu  werden,  aus  der  Kaiserzeit  aber  ist  ihrer  eine 
überströmende  Menge  in  allen  Provinzen  des  römischen  Reichs  ge- 
funden worden. 

1.  Hauptwerk:  Corpus  inscriptionum  latinarum  consilio  et  auetoritate 
academiae  litterarum  Borussicae  editum,  Berl.  1862  ff.  (Das  noch  nicht  Er- 
schienene ist  mit  *  bezeichnet):  Vol.  I:  Inscriptiones  antiquissimae  ad  C.  Cae- 
saris  mortem,  ed.  ThMommsen.  1863.  Dazu  tabulae  lithographae,  ed.  FRitschl 
(a.  u.  d.  T.  Priscae  latinitatis  monumenta  epigraphica)  1862.  I2  (Fasti)  ed. 
Henzen-Huelsen-Mommsen  1893,*  Fase.  2  ed.  Lommatzsch).  —  II:  Inscr.  Hispa- 


§  40.  Inschriften.    §  41.  Philologie  und  Grammatik  71 

niae,  ed.  EHübner.  1869.  Suppl.  1892.  —  III:  Inscr.  Asiae,  provinciarum  Eu- 
ropas graecarum,  Illyrici,  ed.  Mommsen.  1873.  1877  II.  Suppl.  1892.  1902  IL  — 
IV:  Inscr.  parietariae  Pompeianae,  Hercul.,  Stab.,  ed.  CZangemeister.  Äcced. 
vasorum  fictilium  inscr.,  ed.  RSchöne.  1871.  Suppl.  1898.  —  V:  Inscr.  Galliae 
cisalpinae,  ed.  Mommsen.  1877.  Suppl.  ed.  Pais,  Atti  Accad.  Lincei  1888.  — 
VI:  Inscr.  urbis  Romae,  ed.  EBormann,  HDressel,  WHenzen,  ChrHüesen: 
pars  1,  1876.  2,  1882.  3,  1886.  4,  1894.  1902.  5  (falsae)  1885.  *6.  *7  (indices). 
—  VII:  Inscr.  Britanniae,  ed.  EHübner.  1873.  — VIII:  Inscr.  Africae,  ed.  GWil- 
manns.  1881.  Suppl.  ed.  Cagnat,  JSchmidt,  Dessau.  1891 — 1904  III.  —  IX:  Inscr. 
Calabriae,  Apuliae,  Samnii,  Sabinorum,  Piceni,  ed.  Mommsen.  1883.  —  X:  Inscr. 
Bruttiorum,  Lucaniae,  Campaniae,  Siciliae,  Sardiniae,  ed.  Mommsen.  1883.  — 
XI:  Inscr.  Aemiliae,  Umbriae,  Etruriae,  ed.  EBormann.  1888.  1901.  —  XII:  Inscr. 
Galliae  Narbonensis,  ed.  OHirschfeld.  1888.  —  XIII:  Inscr.  trium  Galliarum  et 
duarum  Germaniarum,  ed,  OHirschfeld,  Zangemeister,  Domaszewski,  Bohn. 
1899—1905  III.  —  XIV:  Inscr.  Latii,  ed.  HDessau.  1887.  —  XV:  Inscr.  urbis 
Romae,  instrum.  domesticum  ed.  Dressel.  1891.  1899  II.  — Als  Corporis  I.  L. 
■auctarium  erschien:  Exempla  scripturae  epigraphicae  ed.  EHübner,  Berl. 
1885.  —  Die  nach  dem  Erscheinen  der  betreffenden  Bände  des  CIL.  neu  ge- 
fundenen Inschriften  werden  veröffentlicht  in  der  Ephemeris  epigraphica 
{Corporis  inscr.  Lat.  supplementum),  Berl.  1872  ff. 

2.  EHübner,  Rom.  Epigraphik  in  IwMüllers  Handb.  d.  klass.  Altert. - 
Wiss.  1,  475.  —  Auswahlen  zum  Handgebrauch:  JCOrelli  (inscriptionum  lat. 
selectarum  amplissima  collectio,  Zur.  1828  II;  dazu  Bd.  3  von  WHenzen  1856), 
GWilmanns  (Exempla  inscript.  lat.,  Berl.  1873  H)  und  bes.  HDessau  (Inscr. 
lat.  sei.,  Berl.  1892 ff.  III).  Altlat.  Inschr.  von  Diehl,  Bonn  1909;  Vulgärlat. 
Inschr.  dgl.  Bonn  1910.  —  ESchneider,  dialecti  Lat.  priscae  et  Faliscae  in- 
script., Lps.  1886.  —  Über  die  metrischen  Inschriften  s.  §  31,  4. 

3.  Sammlungen  der  altchristlichen  Inschriften  der  Stadt  Rom  von  deRossi 
(Rom  1861.  1888  H),  Spaniens  und  Englands  von  EHübner  (Berl.  1871.  1900 
und  1876),  Frankreichs  von  ELeBlant  (Par.  1857.  65  H).  Auswahl  von  Diehl  2 
Bonn  1913. 

41.  Grammatische  Studien  konnten  in  Rom  erst  gedeihen,  als 
griechische  Grammatiker  sich  als  Lehrer  dort  ansiedelten:  sie  be- 
gannen allmählich  auch  römische  Dichter  nach  den  Grundsätzen  der 
griechischen  Wissenschaft  herauszugeben  und  zu  erklären,  sowie 
Sammlungen  alter  schwer  verständlicher  Wörter  anzulegen.  Sehr 
bald  fand  auch  die  besonders  von  der  Stoa  beeinflußte  Richtung 
Eingang,  die  sich  mit  den  Prinzipienfragen  der  Sprachgeschichte 
und  der  Etymologie  befaßte;  dabei  behandelte  man  im  allgemeinen 
die  lateinische  und  die  griechische  Sprache  als  zusammengehörig 
und  leitete  lateinische  Worte  unbedenklich  aus  griechischen  Wurzeln 
ab.  Vertreter  dieser  Richtung  sind,  außer  L.  Accius  und  Lucilius, 
Porcius  Licinus,  Q.  Valerius  aus  Sora,  Volcacius  Sedigitus,  Octavius 
Lampadio,  Sisenna,  Sevius  Nicanor,  Aurelius  Opilius,  M.  Antonius 


72  Sachlicher  Teil 

Gnipho,  Q.  Cosconius,  Santra,  Octavius  Hersennus,  besonders  aber 
L.  Aelius  Stilo  und  dessen  Schwiegersohn  Ser.  Clodius.  Aus  anderen 
Anfängen  erwuchs  die  Altertumsforschung,  die  an  die  lokalhisto- 
rische Forschung  der  Griechen  anknüpfte,  sich  aber  vielfach  mit 
der  Grammatik,  besonders  mit  ihrem  glossographischen  Zweige  be- 
rührte. Dazu  kam  die  spezifisch  römische  Literatur  über  die  Kom- 
petenzen der  einzelnen  Magistrate,  die  zunächst  nur  für  die  Praxis 
bestimmt  war,  allmählich  aber  auch  dem  Staatsrecht  und  der  Lokal- 
geschichte dienstbar  gemacht  wurde.  Auf  diesem  Gebiete  waren 
namentlich  vornehme  Leute  tätig  wie  Cincius  Alimentus,  Cato, 
M.  Fulvius  Nobilior,  Cassius  Hemina,  C.  Sempronius  Tuditanus, 
M.  Iunius  Gracchanus.  In  der  ciceronischen  Zeit,  als  Rom  der  aner- 
kannte Mittelpunkt  des  geistigen  Lebens  im  gesamten  Reiche  war 
und  alle  Hilfsmittel  der  Forschung  in  sich  schloß,  erreichten  diese 
beiden  Forschungszweige  ihre  Blüte  mit  Varro.  Bei  ihm  und  wohl 
auch  bei  anderen  wirkt  die  Tendenz  mit,  der  in  ihrer  Kultur  kom- 
plizierten und  in  ihrer  Moral  gesunkenen  Gegenwart  die  Einfach- 
heit and  Sittenstrenge  der  Vergangenheit  vor  Augen  zu  halten. 
Neben  ihm  wirkten  Nigidius  Figulus,  Yalerius  Cato,  Ateius  Philo- 
logus  u.  a.  Von  Staatsmännern  schrieb  z.  B.  Caesar  selbst  de  analo- 
gia,  Appius  Claudius  (Cos.  54)  und  L.  Caesar  über  das  Augural- 
wesen. In  der  augusteischen  Zeit  erlebte  die  gelehrte  Forschung 
einen  Nachsommer  durch  lulius  Hyginus,  Verrius  Flaccus,  M.  Va- 
lerius  Messala,  Sinnius  Capito,  Scribonius  Aphrodisius,  L.  Crassi- 
cius,  an  die  sich  dann  lulius  Modestus,  Pomponius  Marcellus,  A.  Cor- 
nelius Celsus  und  Asconius  Pedianus  anreihten.  Die  Vielseitigkeit 
des  Celsus  wurde  noch  überboten  durch  die  des  älteren  Plinius,  und 
noch  im  zweiten  Jahrhundert  n.  Chr.  zeigen  Sueton,  der  frühere 
Leistungen  fleißig  zusammenfaßt,  und  Apuleius  eine  mannigfaltige 
gelehrte  Bildung  und  literarische  Tätigkeit. 

Im  ganzen  aber  hat  seit  dem  ersten  Jahrhundert  n.  Chr.  die 
Schule  mit  ihren  engeren  Zwecken  und  Bedürfnissen  die  Herrschaft 
gewonnen;  die  Grammatiker  geben  jetzt  in  der  Forschung  den 
Ton  an  und  die  Gelehrsamkeit  wird  immer  mehr  zunftmäßig,  um- 
faßt aber  vorläufig  noch  das  Gesamtgebiet  der  antiken  Grammatik. 
Hierher  gehören  Q.  Remmius  Palaemo,  M.  Valerius  Probus  aus  Be- 
rytos,  Annaeus  Cornutus,  Caesius  Bassus,  Aemilius  Asper,  Flavius 
Caper,  Caesellius  Vindex,  Urbanus,  Velius  Longus;  dann  unter  Ha- 
drian  Terentius  Scaurus;  unter  M.  Aurelius  A.  Gellius  und  wohl 
auch  Festus.  Von  den  Ergebnissen  dieser  Alteren  zehrten  dann  die 


§  41.  Philologie  und  Grammatik  73 

Späteren,  die  sich  mehr  und  mehr  auf  die  Grammatik  im  engeren 
Sinne  zurückziehen.  So  schon  im  dritten  Jahrhundert  Arruntius 
Celsus,  Helenius  Acro,  Iulius  Romanus,  Censorinus,  Sacerdos  und 
Pomponius  Porphyrio.  So  im  vierten  die  Verfasser  von  Lehrbüchern 
(Artes),  wie  Cominianus,  Marius  Victormus,  Aelius  Donatus,  Chari- 
sius,  Diomedes;  den  Terenz  erklärte  derselbe  Aelius  Donatus,  den 
Vergil  Servius  und  Claudius  Donatus,  selbständige  Exzerpte  aus 
alten  Autoren  stellte  der  Lexikograph  Nonius  Marcellus  zusammen. 
Dann  im  fünften  Jahrhundert  Macrobius,  Agroecius  und  zu  Anfang 
des  sechsten  Priscian.  Auch  auf  diesem  Gebiete  ist  der  Schein  der 
Mannigfaltigkeit  und  Bewegung  größer  als  die  Wirklichkeit,  da 
auch  hier  die  Ausnutzung  der  Vorgänger  im  weitesten  Umfange 
und  oft  mit  sehr  wenig  Urteil  betrieben  wurde. 

1.  Suet.  gramm.  1  grammatica  Bomae  ne  in  usu  quidem  olim,  nedum  in 
honore  ullo  erat,  rudi  scilicet  ac  bellicosa  etiamtum  civitate  necdum  magnopere 
liberalibus  disciplinis  vacante.  initium  quoque  eins  mediocre  extitit,  si  quidem 
antiquissimi  doctorum,  qui  iidem  et  poetae  et  semigraeci  erant  (wie  Livius 
und  Ennius),  .  .  nihil  amplius  quam  Graecos  interpretabantur.  .  .  ebd.  2  pri- 
mus  .  .  Studium  grammaticae  in  urbem  intulit  Crates  Mallotes,  Aristarchi 
aequalis,  qui  missus  ad  senatum  ab  Attalo  rege  inter  secundum  ac  tertium 
bellum  Punicum,  sub  ipsam  JEnni  mortem,  .  .  nostris  exemplo  fuit  ad  imitan- 
dum  (über  den  —  bisweilen  übertriebenen  —  Einfluß  der  Pergamener  auf 
die  röm.  Literatur  AReifferscheid  ,  ind.  lect. ,  Bresl.  1881/82.  vWilamowjtz, 
Antig.  v.  Karystos  161.  176.  Brzoska,  de  canone  decem  orat.,  Bresl.  1883,  75 
u.  bes.  Rohde,  Sehr.  2,  81;  s.  §  44,  10);  liactenus  tarnen  ut  carmina  parum 
adhuc  divolgata  vel  defunetorum  amicorum,  vel  si  quorum  aliorum  probassent, 
diligentius  retraetarent  ac  legendo  commentandoque  et  ceteris  nota  facerent; 
ut  C.  Octavius  Lampadio,  .  .  ut  postea  Q.  Vargunteius:  .  .  instruxerunt  auxe- 
runtque  ab  omni  parte  grammaticam  L.  Aelius  Lanuvinus  generque  Aeli  Ser. 
Clodius  .  .  .  ebd.  3  posthac  magis  ac  magis  et  gratia  et  cura  artis  increvit,  ut 
ne  clarissimi  quidem  viri  abstinuerint ,  quo  minus  et  ipsi  aliquid  de  ea  scri- 
berent  utque  temporibus  quibusdam  super  viginti  celebres  scholae  fuisse  in 
urbe  tradantur,  auch  grammatici  (als  Sklaven)  teuer  gekauft  wurden,  wie 
Lutatius  Baphnis  (§  134,  1.  142,  4.  244,  2.  Vgl.  HPeter,  JJ.  115,750)  und 
L.  Apuleius.  iam  in  provincias  quoque  grammatica  penetraverat,  ac  nonnulli 
de  notissimis  doctoribus  peregre  docuerunt ,  maxime  in  Gallia  togata,  inter 
quos  Octavius  Teucer  et  Sescennius  (Fese,  die  Hss.,  Pescennius  Osann)  Iac- 
chus  (als  Quelle  genannt  für  Plin.  NH.  B.  32  u.  37  und  zitiert  37,  148)  et 
Qppius  Chares  (vgl.  54,  5). 

2.  Die  kritische  Tätigkeit  jener  grammatici,  wie  sie  besonders  Probus 
ausübte,  umfaßte  nach  dem  Muster  der  griechischen  Vorgänger  das  emen- 
dare,  distinguere,  adnotare  (notas  adicere,  welche  notae  bald  in  bloßen 
Zeichen,  bald  in  kurzen  Bemerkungen  bestanden).  Sueton  (?)  im  Anecd. 
Paris,  (aus  Paris.  7530  s.  VIII  zuerst  herausg.  von  Bergk,  ZfAW.  1845,  85  = 
opusc.  1,  580;  auch  in  Reifferscheids  Sueton  137,  Keils  GL.  7,  533  u.  sonst): 


74  Sachlicher  Teil 

Notae  xxi  quae  versibus  apponi  consuerunt:  —  obelus.  v6  asteriscus.  %  — 
asteriscus  cum  obelo.  ">  simplex  cluctus.  ]>  diple.  ^>  diple  periestigmene. 
0  antisigma.  D  antisigma  cum  puncto.  X  coronis.  >  —  diple  obelismene. 
•^  aversa  obelismene.  X  ceraunion.  -r-  obelus  adpunctus.  —  <[  obelus  cum 
aversa.  ^>  c%>Ze  superne  obelata.  ^>  <[  recia  e£  aversa  superne  obelatae.  ^  cM 
ei  rho.  <ß  /v*  ei  ro.  /|v  ancora  superior.  \\j  ancora  inferior.  (5)  alogus.  his 
solis  in  adnotationibus  Ennii,  Lucilii  et  historicorum  (?)  «m  s*m£  Vargunteius 
(Bergk:  Varrus  die  Hs.),  Ennius  (§  159,  13),  Aelius  (Stilo)  aeqiie  et  postremo 
Probus  (s.  §  300).  Es  folgt  die  Erklärung  des  Gebrauchs  der  einzelnen 
Zeichen,  wobei  wiederholt  nach  Angabe  der  Anwendung  bei  den  Griechen 
bemerkt  wird:  item  Probus  et  antiqui  nostri,  similiter  (sie  et)  in  nostris  auc- 
toribus  usw.  Vgl.  Isid.  orig.  1, 20.  JSteup,  de  Probis  17.  Aisteemann,  de  Probo  10. 
Nach  der  Erklärung  beziehen  sich  jene  21  notae  mit  wenigen  Ausnahmen 
auf  die  emendatio  (diog&coGis),  aber  -Sueton  kannte  noch  andere  notae  (vgl. 
im  Anecd.  Paris,  his  solis)  und  es  finden  sich  solche,  die  vom  Gesichtspunkt 
rhetorischer  und  ästhetischer  Beurteilung  (yiglöig)  gesetzt  wurden,  im  Anhang 
eben  desselben  Anecd.  Paris.  GL.  7,  536,  16  als  notae  simplices  verzeichnet. 
Auch  ein  Anecd.  Cavense  (bei  Reifferscheid  ,  RhM.  23,  127)  gibt  solche  zB. 
-r-  lemniscus  in  acutis.  %  asteriscus  in  sententiis.  co  oraeon  in  invineibilibus. 
oraeon  cum  palma  in  invineibilibus  acutis  usw.  Diesem  Notenverzeichnis 
aus  La  Cava  geben  zwei  Epigramme  voraus,  das  eine  (AL.  772 a)  von  dem 
Patricius  Olybrius  (vgl.  §  436,  7),  der  dem  für  Erhaltung,  sorgsame  Verviel- 
fältigung, Wertschätzung  der  alten  lateinischen  Schriftsteller  tätigen  Kreise 
des  Symmachus  angehörte.  Ahnliche  notae  wurden  auch  in  der  christlichen 
Literatur  benutzt,  zB.  von  Cassiodor  (s.  §  483,  12).  —  Den  erwähnten  Be- 
strebungen des  Symmachus  (§  425,  9)  und  seines  Kreises  zu  Gunsten  der 
alten  Literatur  verdankte  ihre  Entstehung  eine  Reihe  von  Schriftsteller- 
Exemplaren.  Jene  letzten  Vertreter  des  alten  Glaubens  suchten  sich  im 
Kampfe  mit  dem  Christentum  Bundesgenossen  zu  schaffen  an  den  alten 
Schriftstellern,  für  deren  Vervielfältigung  in  guten  Texten  sie  darum  sorgten 
(§  425,  9). 

Wir  erfahren  von  jenen  Bemühungen  durch  Subskriptionen  in  Hss.,  die, 
sowohl  in  weltlichen  als  in  christlichen  Hss.  üblich,  meist  nur  die  nach 
ihrem  Original  oder  einem  anderen  Textexemplar  vorgenommene  Revision 
der  Abschrift,  nicht  aber  eine  wissenschaftlich-kritische  Bemühung  um  den 
Text  bezeugen  sollen.  Jene  Subskriptionen  enthalten  zunächst  eine  Bemer- 
kung wie  emendavi  (legi,  recognovi,  contuli,  distinxi  udgl.),  den  Namen  des 
Revidenten,  dann  auch  beliebig  Ort,  Zeit,  Umstände,  etwaigen  Beistand 
durch  einen  Mitleser,  bisweilen  auch  noch  formelhafte  Wünsche  für  spätere 
Benutzer  der  Hs.  (utere  felix  u.  ä.).  Das  Genauere  s.  bei  den  einzelnen 
Schriftstellern:  zB.  §  196,  2  (Caes.).  231,  9  (Verg.).  240,  6  (Hör.).  256,  11 
(Liv.).  279,  9  (Iul.  Paris).  296,  3  (Mela).  302,  5  (Pers.).  322,  8  (Mart.).  325, 12 
(Quintil.).  331,  8  (luv.,  vgl.  Cremrr,  De  grammaticorum  in  luv.  arte  crit., 
Münster  1913,  70).  367,  8  (Apul.).  374,  5  (Cic).  390,  5  (Non.).  432,  6  (Veget.). 
436,  5  (Prudent.).  444,  8  (Macr.).  452,  6  (Mart.  Cap.).  Vgl.  ferner  Auetor  ad 
Herennium  ed.  Marx  p.  1.  208,  Lucanus  (cod.  Voss.  XVIII  f.  63;  vgl.  Lucan. 
ed.  Hosius3  1913  p.  VI),  Ps.-Quintil.  decl.  (Lehnert,  RhMus.  60, 154),  Cyprian 
(cod.  Monac.   Lat.  208  fol.  154  verso,    156  recto,   und  auch  sonst),   Hilarius 


§  41.  Philologie  und  Grammatik  (Subskriptionen)  75 

(in  Constantium:  cod.  Rom,  Archivio  di  S.  Pietro  D  182;  s.  Steffens,  Lat. 
Paläogr.  1,  1903,  17;  de  trinit. :  tab.  Vindob.  [papyrus]  2160*;  Sedlmayer, 
Serta  Harteliana  1896,  177 ff),  Hilarianus  (vgl.  §  442,  1),  Sedulius  (s.  Huemer, 
Ausgabe  1885  p.  II.  VI),  Sulpicius  Severus  (cod.  bibl.  Veron.  36;  vgl.  Traube, 
Neues  Archiv  f.  alt.  dtsch.  Gesch.  26),  Orosius  (Laurent.  65,  1 ;  vgl.  Zange- 
meister, ed.  maior,  p.  VII),  Vulgata  (cod.  Fuldensis;  vgl.  Cod.  Fuld.,  ed. 
Ranke  1868  p.  VIII;  Corssen,  Z.  f.  neutest.  Wiss.  10,  175),  Cassiodor  inst, 
(cod.  Bamberg.  HJ.  IV  15  fol.  67 v:  codex  archetypus ,  ad  cuius  exemplaria 
sunt  reliqui  corrigendi).  OJahn,  d.  Subskriptionen  in  den  Hss.  röm.  Klass., 
Lpz.  Sßer.  1851,  327.  FHaase,  de  lat.  codd.  subscriptionibus,  Bresl.  1860. 
AReifferscheid,  de  lat.  codd.  subscriptionibus  (in  patristischen  Hss.),  Bresl. 
1872.  Lommatzsch,  Z.  vgl.  Littgesch.  NF.  15,  177.  BAMüller,  Lübkers  Real- 
lex.8  997. 

3.  Die  lat.  Grammatik  ist  fast  durchaus»  abhängig  von  der  griechischen 
und  ermangelt  beinahe  aller  wissenschaftlichen  Selbständigkeit.  —  Von  lite- 
rarischem Eigentum  haben  wie  überhaupt  die  Alten  (s.  §  37,  4)  so  nament- 
lich die  Grammatiker  andere  Begriffe  als  wir;  unbefangen  schreibt  Verrius 
Flaccus  den  Varro  aus,  Probus  den  Verrius,  Plinius  den  Probus,  Caper  den 
Plinius,  Iulius  Romanus  den  Caper,  Charisius  den  Iulius  Romanus,  Aptho- 
nius  den  Iuba,  Marius  Victorinus  den  Apthonius  usw.,  und  zwar  gewöhnlich 
mit  geringer  Sorgfalt.  Ein  früheres  Lehrbuch  wird  in  beliebigem  Umfange 
abgeändert  und  umgestaltet,  ein  ausführliches  abgekürzt,  eines  für  Vorge- 
rücktere für  die  Bedürfnisse  der  Anfänger  heruntergestimmt  und  dann  als 
eigenes  herausgegeben  —  was  übrigens  ähnlich  auch  bei  modernen  Schul- 
büchern vorkommen  soll.  Auch  wird  wohl  der  erste  Teil  eines  Lehrbuches 
aus  dem  einen  Vorgänger  herübergenommen,  der  zweite  aus  einem  anderen, 
wobei  dann  möglicherweise  der  Name  des  ersten  Verfassers  auf  das  ganze 
Werk  übertragen  wurde,  insbesondere  wenn  es  ein  berühmter  Name  war, 
wie  Probus.  So  wird  in  Zitaten  dem  Probus  zugeschrieben,  was  anderswo 
als  Eigentum  des  Sacerdos  oder  des  Diomedes  erscheint.  Gesteigert  wurde 
die  Verwirrung  dadurch,  daß  in  derselben  Handschrift  Lehrbücher  verschie- 
dener Verfasser  vereinigt  wurden  und  daß  man  den  alten  Namen  auch  sol- 
chen Umarbeitungen  beließ,  die  vom  ursprünglichen  Werke  sehr  wenig  mehr 
enthielten.  In  den  letzten  Jahrhunderten  des  Altertums  wurde  es  sogar 
Sitte,  in  den  Handschriften  grammatischer  Schulbücher  leere  Blätter  mit  Ex- 
zerpten aus  anderen  (älteren)  Werken  von  verwandtem  Inhalte  auszufüllen. 
Daneben  suchen  die  Verf.,  auch  wenn  sie  nur  einen  oder  zwei  Vorgänger 
abschreiben,  öfters  den  Schein  zu  erregen,  als  ob  sie  eine  größere  Zahl  von 
Quellen  benutzt  hätten. 

4.  Arnob.  adv.  nat.  1,  59  quamvis  Epicados  omnes,  Caesellios,  Verrios, 
Scauros  teneatis  et  Nisos.  Hieronym.  apol.  c.  Rufin.  1,  16  (2,  472  Vall.):  puto 
quod  puer  legeris  Aspri  in  Vergilium  et  Sallustium  commentarios ,  Vulcacii 
in  orationes  Ciceronis  (§  381,  7),  Victorini  in  dialogos  eins  et  in  Terentii  co- 
moedias  praeceptoris  mei  Donati,  aeque  in  Vergilium  et  aliorum  in  alios, 
Plautum  videlicet,  Lucretium,  Flaccum,  Persium  atque  Lucanum. 

5.  In  einem  cod.  Bonon.  s.  XI  (HKeil,  de  gramm.  inf.  aet. ,  Erl.  1868,  27. 
Hagen,  anecd.  Helv.  p.  cl)  finden  sich  folgende  vielfach  unrichtige  Angaben: 
In  Roma  fuerunt  Donatus,  Priscianus,  Victorinus  (als  Verf.  der  ars  gramm.), 


76  Sachlicher  Teil 

Fothicius  (dh.  Euticius  §  482,  1),  Flavianus  et  Cominianus.  in  Spania  Caper 
et  Ogretius  (Agroecius).  in  Carthagine  Pompeius,  Hisidorus,  Sergius  tractator 
(expl.  in  Donat.)  et  Augustinus,  in  Sicilia  Honoratus  et  alter  Sergius  (de  litt, 
syll.  usw.)  Maximus  (lib.  de  rat.  metr.)  et  Metrorius  (de  final,  syll.).  HKeil, 
quaest.  gramm.  2,  vm.  Genauer  am  Ende  des  cod.  Bern.  243  die  Beischrift 
von  PDaniel  (aus  einer  alten  Hs.) :  De  Roma,  de  Sicilia,  de  Italia,  de  Africa, 
de  Ispania  venerunt  ad  nos  libri  grammatici:  de  Roma  quatuor  libri  Donati 
(vgl.  Hagen  aO.):  de  Sicilia  IUI  discipulorum  eius,  i.  e.  Honorati  et  Sergii 
et  Maximi  et  Metrorii.  de  Italia  duo  libri  Consentii  de  nomine  et  verbo  et 
de  barbarismo,  et  libri  Prisciani  XX,  et  Eutitii  duo,  et  Sergii  novem  de  lit- 
ter a  et  de  barbarismo,  et  Asper i  et  Flaviani  libri  IUI.  de  Africa  vero  Co- 
miniani  et  Pompeii.  de  Ispania  Isidori  et  Capri  et  Agroeci  et  analogia  (Ortho- 
graphie) Papperini  et  Victorini.  Hagen,  anecd.  Helvet.  p.  cxlix.  —  Petri  gram- 
matici (s,  VIII/IX)  excerpta  in  Hagens  anecd.  Helvet.  159. 

6.  Beste  Ausg.  der  Grammatici  Latini  von  HKeil,  Lps.  1856 — 79  VII. 
Dazu  als  Supplement  von  HHagen,  Anecdota  Helvetica  quae  ad  grammati- 
cam  latinam  spectant,  Lps.  1870.  —  Eichenfeld  u.  Endlicher,  Analecta  gram- 
matica,  Wien  1837. 

7.  Sukingar,  Historia  crit.  scholiastarum  lat. ,  Leid.  1834f.  III.  LLersch, 
d.  Sprachphilos.  der  Alten,  Bonn  1831 — 41  III.  van  Heusde,  de  L.  Aelio  Sti- 
lone  (1839)  p.  17.  Gräfenhan,  Gesch.  d.  klass.  Philologie  im  Altertum,  Bonn 
1843 ff.  (bes.  B.  4).  Steinthal,  Gesch.  d.  Sprach wissensch.  bei  d.  Gr.  u.  R.T 
Berl.2  1890 f.  Sandys,  Hist.  of  classical  scholarship  l2,  Cambridge  1906. 
EJullien,  les  professeurs  de  litterature  dans  l'ancienne  Rome,  Par.  1886. 

42.  Auch  in  den  einzelnen  Fächern  macht  derselbe  Verlauf  sich 
geltend.  Während  in  der  Zeit  der  Republik  auch  die  sachlichen  Ge- 
biete ?  besonders  politisch  wichtige ,  wie  die  Kultusaltertümer,  An- 
bau gefunden  hatten ,  blieben  diese  in  der  Kaiserzeit  den  Juristen 
überlassen,  und  die  Studien  beschränkten  sich  auf  die  Grammatik, 
einschließlich  der  Orthographie,  Synonymik  und  Lexikographie, 
sowie  auf  Metrik;  dabei  wurde  fast  nur  noch  gesammelt,  ohne  selb- 
ständige systematische  Durcharbeitung  des  Stoffes.  Auch  die  Me- 
triker, von  denen  die  wichtigsten  Caesius  Bassus  und  Iuba  sind, 
hängen  ganz  von  den  griechischen  Vorgängern  ab.  Nach  einem 
mehr  als  hundertjährigen  Stillstand  der  grammatischen  Studien 
herrscht  im  vierten  Jahrhundert  das  Bestreben  zusammenfassende 
Lehrbücher  anzufertigen,  die  allmählich  immer  dürftiger,  beschränk- 
ter und  unselbständiger  werden.  Von  den  realen  Zweigen  wird  fast 
nur  noch  die  Mythologie  —  auch  sie  im  Zusammenhange  mit  der 
Klassikerlektüre  —  betrieben.  Mit  dem  Ende  des  fünften  Jahrhun- 
derts beginnt  die  Barbarei  sich  in  die  Gelehrsamkeit  einzumischen. 

1.  Zur  antiquarischen  Literatur  sind  griechische  Vorgänger  wie  Auto- 
kleides Istros  Polemon  Sosibios  zu  vergleichen;  auch  hier  gingen  Theorie 
und  Praxis  oft  Hand  in  Hand,  und  Autokleides  wie  Kleidemos,  die  'E%r]yT\- 


§  42.  Metrik,  Orthographie,  Synonymik  77 

xi-acc  schrieben,  waren  selbst  Exegeten.  Köhler,  Herrn.  26,  45.  Vgl.  Baibus' 
'EfjflyriTLKd  §  209,  4.  Schriftsteller  über  Auguralwesen,  Haruspizin  und  Ver- 
wandtes: Varro,  Nigidius  Figulus,  Ap.  Claudius  Pulcher  (Cos.  54),  L.Caesar, 
Tarquitius  Priscus,  Caecina,  Caesius,  Veranius,  Granius  Flaccns,  Aufustius, 
Clodius  Tuscus,  Umbricius  Melior,  Iulius  Aquila,  der  Grammatiker  Ennius 
{§  159, 13),  Cornelius  Labeo.  RMerkels  Proleg.  zu  Ovids  Fasti  (1841).  OMüller, 
Etrusk.  22,  19.  GSchmeisser,  de  Etrusca  disciplina,  Bresl.  1872;  die  etr.  Dis- 
ziplin, Liegn.  1881;  Beiträge  zur  Kenntn.  der  Techn.  der  Haruspices,  Schwerin 
a/W.  1884.  Vgl.  unten  §  77.    Über  Vicellius  und  Fonteius  s.  §  170,  9. 

2.  Scriptores  latini  rei  metricae  ed.  Gaisford,  Oxon.  1837,  jetzt  be- 
sonders in  Bd.  6  von  Keils  Grammatici.  Auf  die  hellenistische  Grammatik 
läßt  sich  die  Scheidung  von  zwei  metrischen  Systemen  zurückführen;  das 
eine  betrachtet  gleich  Varro  den  Hexameter  und  den  iambischen  Trimeter 
als  metra  principalia,  von  denen  alle  übrigen  Metra  Ableitungen  seien  (bloße 
metra  derivata,  itccQccymyci),  während  das  andere  von  den  Füßen  ausgeht  und 
die  Metra  nach  den  itQcotötvna  einteilt.  Bei  den  lateinischen  Metrikern 
gleichen  sich  die  beiden  Theorien  bereits  aus.  Außerdem  begannen  einige 
(wie  das  fragm.  Bobiense  und  das  centimetrum)  mit  dem  Iambus  und  Tro- 
chaeus,  die  meisten  (wohl  aus  praktischen  Gründen)  mit  dem  Dactylus.  Vgl. 
bes.  RWestphal,  griech.  Metrik  l2,  105.  138.  203.  214.  Leo,  Herrn.  24,  280; 
Gott.  gel.  Nachr.  1899,  495.  HWentzel,  symb.  ad  hist.  scriptorum  rei  metr., 
Bresl.  1858.  HKeil,  quaest.  grammaticae,  Lps.  1860.  JCaesar,  de  nonnullis 
metricorum  locis,  Marb.  1874.  OHense,  de  Iuba  artigrapho,  Acta  Lips.  4 
(1875),  37. 

3.  Cassiod.  divin.  lect.  30  orthographos  antiquos  legant  Velium  Lon- 
gum,  Curtium  Valerianum,  Papirianum,  Adamantium  Martyrium  de  v  et  b  etc. 
Außerdem  nennt  Cassiod.  de  orthogr.  noch  Annaeus  Cornutus,  Caesellius  Vin- 
dex,  Eutyches  und  Priscianus  (natürlich  aber  nicht  die  Hauptquelle  der 
ganzen  Lehre,  Verrius  Flaccus;  s.  §  261,  2).  Dazu  kommen  noch  Flavius 
Caper  und  Terentius  Scaurus :  alle  diese  in  GL  Bd.  7  vereinigt.  Ferner  Aue- 
tores anonymi  de  orthographia  IV  in  Hagens  aneed.  Helvet.  291,  vgl.  p.  cxxxv. 
WBrambach,  lat.  Orthogr.  (1868)  27. 

4.  Die  Synonymik  (differentia  sermonum),  von  Varro,  Verrius  Flaccus 
u.  a.  gelegentlich  schon  mitbehandelt,  war  in  der  späteren  Kaiserzeit  (Charis. 
GL.  1,  205,  16  Uli  qui  de  differentiis  scribunt)  ein  beliebter  Gegenstand  der 
Schriftstellerei,  und  die  betr.  Schriften  wurden  dem  Probus,  Sueton,  Fronto, 
im  Mittelalter  sogar  dem  Cato,  Cicero  und  Vergil  zugeschrieben.  Die  er- 
haltenen Sammlungen  dieser  Art  zeigen  große  Ähnlichkeit  untereinander 
und  sind  nur  zum  kleinen  Teil  aus  guten  Quellen  geschöpft.  Sie  gehen 
vielleicht  auf  eine  Ursammlung  zurück,  die  etwa  im  5. — 6.  Jahrh.  n.  Chr. 
aus  den  damaligen  Einzelsammlungen  hergestellt  wurde.  Doch  vgl.  Goetz, 
der  Liber  glossarum  (A.  8)  216.  Wichtigster  Sammelband  für  den  synony- 
mischen Nachlaß  der  Römer  ist  Codex  Montepess.  H  306  s.  IX,  darin  auch 
neben  kleineren  Sammlungen,  wie  den  von  Arevalo  in  s.  Isidor  7,  426, 
Hagen,  aneed.  Helvet.  275  (vgl.  WBeck,  de  Sulpic.  Apollin.  p.  51)  und  Hand, 
Jen.  1848  veröffentlichten,  ferner  neben  den  differentiae  des  Probus  (§  300, 
8,  b),  Suetonius  (§  347,  3)  und  Isidors  diff.  spiritales  (die  größere  profane 
Synonymik  des  Isidor  gibt  der  MPess.  nicht,   §  496,  1)   eine   besonders  um- 


78  Sachlicher  Teil 

fangreiche  (fdifferentiae  similium  orationis  partium  a  Cicerone  et  ab  aliis 
sapientibus  viris  in  sensu  et  litteratura  per  alphabetum');  herausgegeben 
von  Beck,  diff.  scr.  28.  Der  Name  Cicero  ist  natürlich  unberechtigt  und  wohl 
nach  der  inhaltlich  übrigens  ganz  abweichenden  Sammlung  gewählt,  die 
den  "Namen  Ciceros  trägt  (§  188.  9).  Fragmente  einer  Sammlung  von  diff. 
serm.  JJ.  127,  649  (darüber  Beck,  JJ.  131,  639).  Beck,  de  differentiarum  scrip- 
toribus  lat.,  Groningen  1883.    Goetz,  PW.  5,  481. 

5.  Varr.  1.  1.  7,  10  qui  glossas  scripserunt.  7,  34  qui  glossemata  interpre- 
tati.  Fest.  166 b,  8  glossematorum  scriptores.  Charis.  GL.  1,  229,  31  glossae 
antiquitatum  (altlateinische).  242  .  .  .  ut  esse  in  sacris  Anagninorum  vocum 
veterum  interpretes  scribunt.  Gell.  18,  7,  3  glosaria  namque  conligitis  et  lexi- 
dia,  res  taetras  et  inanes  et  frivolas.  Aus  diesen  u.  a.  Stellen  ergibt  sich, 
daß  es  schon  früh  anonyme  Glossare  (für  den  Schulgebrauch)  gegeben  hat. 
Daneben  gab  es  ausführlichere  gelehrte  Werke,  wie  von  Cincius  (§  117,  4), 
Santra  (§  211,  2),  Aurelius  Opillus  (§  159,  4),  Aelius  Stilo  (§  148,  2)  und 
namentlich  von  Yerrius  Flaccus;  der  von  ihnen  gesammelte  Reichtum  rettete 
sich  trümmerhaft  versprengt  in  die  Glossare,  die  in  großer  Zahl  zum. 
Teil  durch  hochalte  Hss.  erhalten,  neben  überwiegendem  Ballast  sehr  wert- 
volles aus  verlorenen  Quellen  geschöpftes  sprachliches  Material,  besonders 
auch  für  Alt-  und  Vulgärlatein,  in  sich  schließen.  Stolz,  W.  Stud.  22,  307. 
23,  158.  Meyer-Lübke,  ebd.  25,  90.  Heraeus,  die  Sprache  d.  Petron.  u.  d. 
Glossen,  Lpz.  1899.  Die  Glossare  erklären  seltenere  lat.  Wörter  (glossae)  durch 
daneben  gesetzte  gebräuchliche;  manche  fügen  Belegstellen  und  Ausfüh- 
rungen bei.  —  Die  Erklärung  ist  meist  gleichfalls  lateinisch,  doch  auch 
griechisch:  seltener  ist  das  Lemma  griechisch  und  die  Erklärung  lateinisch 
(s.  A.  7),  indessen  liegt  auch  die  Bedeutung  dieser  gr.-lat.  Glossen  im  lat. 
Teil.  Die  Anordnung  ist  meist  mehr  oder  weniger  streng  alphabetisch  (auch 
mit  wunderlicher  Künstelei:  s.  Loewes  Prodr.  129),  seltener  sachlich. 

6.  Rein  lat.  Glossare:  das  wichtigste  ist  das  des  Placidus  (darüber 
§  482,  6),  besonders  für  Altlatein  (Plautus)  ausgiebig.  Dann  Spezial- Glossare 
zu  Plautus  (§  99,  6),  Terenz  (§  109,  3),  Vergil  (§  231,  7),  Sidonius  (?  §  467,  9) 
u.  a.  Glossen  zu  Cicero  und  Juvenal  CGL  5,  657.  652,  zu  Prudentius:  Glossem. 
de  Prud.  ed.  Burnam,  Cincinn.  1905.  Ferner  zahlreiche  selbständige  allge- 
meine Glossare,  zB.  die  so  nach  ihren  Anfangsworten  genannten  Gl.  Affa- 
tim  (aus  guten  Quellen,  s.  Usener,  Sehr.  2, 195),  Gl.  Asbestos  (im  Vat.  1469 
s.  X  mit  merkwürdigen  Lucilius-Glossen,  s.  Goetz,  RhM.  40,324),  Gl.  Ab: 
absens,  Gl.  Abavus  minor  u.  a.  —  Die  selbständigen  Glossare  wurden,  bald 
verkürzt,  bald  durch  neuen  Stoff  erweitert,  in  Sammelglossare  vereinigt;  so 
im  Gl.  Abavus  maior  (ed.  FHildebrand,  Gott.  1854;  vgl.  Rönsch,  RhM. 
30,  449.  GLoewe,  gl.  nom.  101.  158).  Besonders  wichtige  Hss.  für  die  rein 
lat.  Glossare  sind  Leidens.  67  E  s.  VIII/IX,  SGall.  912  s.  VII/VIII  (hrsg.  v. 
MWarren,  Transact.  americ.  assoc.  15, 141,  Cambr.  1885)  und  Yat.  3321  s. 
VII  (aus  dieser  und  anderen  Hss.  stellte  Mai,  class.  auet.  6,  501  sein  glossa- 
rium  vetus  zusammen,  AWilmanns,  RhM.  24,381).  Ausgabe  in  CGL  4.  5. 
Aus  diesen  Glossen,  dem  Liber  glossarum  u.  a.  Bestandteilen  wurden  im 
9.  bis  11.  Jahrh.  allerlei  Sammlungen  hergestellt;  über  die  wichtigsten  s. 
A.  8.  9.  —  Die  von  Yulcanius,  Thes.  utriusque  ling.  (Leid.  1600)  p.  667 
zuerst  herausgegebenen  sog.  glossae  Isidori  (7,  443  Arev.)  sind  (wie  die  ex- 


§  42.  Glossographie  79 

cerpta  Pithoeana  in  Gothofredi  Auetores  ling.  lat.,  S.  Gervasii  1602)  keine 
selbständige  Glossen  Sammlung,  sondern  stellen  eine  von  JScaliger  ex  variis 
glossariis  veranstaltete  Zusammenstellung  dar:  s.  Loewe,  Prodr.  23.  CGL  5, 
xxxii.  —  Über  die  sog.  glossae  Petronii  s.  §  305,  2. 

7.  Die  lateinisch -griechischen  Glossen  des  Par.  7651  s.  VIII/IX,  dem 
Flavius  Theodorus  Philoxenus  (Cons.  J.  525)  ohne  Grund  (s.  auch  Mommsen 
CIL.  5,  8120,  4)  zugeschrieben,  ragen  durch  ihren  hohen  Wert  vor  allen 
Glossen  hervor;  sie  enthalten  juristische  Glossen,  Erklärungen  von  Worten 
des  Cicero  Yergil  Horaz  Juvenal  und  Exzerpte  aus  Festus.  Über  die  Quellen- 
nachweisungen darin  Osann,  gloss.  lat.  spec,  Giss.  1826.  JKlein,  RhM.  24, 
289.  Dammann,  de  Festo  Ps.  Philox.  auetore,  Comni.  Jenens.  5, 1.  Spuren 
einer  ähnlichen  Sammlung  bei  Martyrius  (§  472,6):  Bücheler,  RhM.  35,69; 
37,  330.  Griechisch-lateinisch  ist  die  ganz  grundlos  glossae  Cyrilli  genannte 
Sammlung  (im  Harl.  5792  s.  VII/VIII);  in  ihr  befinden  sich  als  wertvollster 
Bestand  sehr  viele  ursprünglich  lat.-gr.  Glossen  (s.  Loewe,  Prodr.  216). 
MHoffmann,  de  ratione  quae  inter  glossas  graecolat.  et  grammaticorum 
scripta  intercedat,  Jena  1907.  —  Cyrilli  Philoxeni  aliorumque  glossaria  lati- 
nogr.  et  graecolat.  a  CLabbaeo  collecta,  Par.  1697  (mit  Vorsicht  zu  ge- 
brauchen: s.  RhM.  17,159.  18,253;  Loewe,  Prodr.  194).  —  Neue  kritische 
Ausgabe  des  Philox.-  u.  Cyrill.-Gl.  im  CGL  Bd.  2,  Lpz.  1887.  Rudorff, 
d.  Gl.  d.  Philox.  u.  Cyr.,  Abh.  d.  Berl.  Akad.  1865,  182.  —  Zu  den  zwei- 
sprachigen Glossaren  gehören  auch  die  sog.  glossae  Servii  (§  431,  4gE.) 
und  die  lateinischen  glossae  nominum,  die  aus  zweisprachigen  (etwa  im 
8.  Jahrh.)  übersetzt  sind  (herausg.  von  GLoewe,  Lpz.  1884,  s.  A.  9E.  Nach- 
träge von  Steinmeyer,  Z.  f.  dtsch.  Alt.  1889,  242)  u.  a.  Über  die  Pseudo- 
Dositheana  s.  §  431,  8.  —  Griechisch-lateinisch  sind  auch  die  medizinisch- 
botanischen Glossare,  die  freilich  nicht  sprachliche,  wohl  aber  sachliche 
Bedeutung  haben  und  sich  mit  Ps.  Apuleius  berühren:  solche  zu  Siena  (Hs. 
s.  X/XI,  hrsg.  von  JSchmidt,  Herrn.  18,  521)  und  im  Vatic.  Reg.  1260  s.  X; 
hierher  auch  die  sinonima  Bartholomei  und  Gl.  Alphita  (in  Oxford,  hrsg. 
v.  Mowat,  aneed.  Oxon.  1,  1.  2).    Alles  jetzt  CGL.  3,  535.    Vgl.  §  487,  4  E. 

8.  Auszüge  aus  den  glossographischen  Schriften  des  Isidorus  und  aus 
anderen  kirchlichen  Autoren  und  eine  Reihe  kleinerer  Glossare  wurden  im 
7./8.  Jahrh.  in  Spanien  (durch  den  noch  immer  rätselhaften  Ansileubus, 
dessen  Name  übrigens  nur  in  einem  jetzt  verlorenen  Glossar  aus  Moissac 
gestanden  zu  haben  scheint?  s.  A.  9  und  OMüller,  praef.  Festi  p.  xxxiii. 
Loewe,  Prodr.  224.  Bährens,  JenLZ.  1877,  155),  unter  Quellenangabe  für 
die  einzelnen  Glossen  (zB.  Placidi,  de  glosis,  dh.  aus  namenlosen  Samm- 
lungen wie  Affatim,  s.  A.  6)  mit  anderem  Stoff  zu  einer  Art  Enzyklopädie, 
dem  einst  viel  gebrauchten  liber  glossarum,  vereinigt  (zB.  im  cod.  Paris. 
11529.  30.  s.  VIII;  Faksim.  bei  Goetz).  S.  darüber  Wilmanns  RhM.  24,364. 
üsener  Sehr.  2,  240.  Proben  bei  Mai,  class.  au  ct.  7,  550.  589.  6,  554.  576. 
GThomas,  SBer.  Münch.  Ak.  1868  2,  370;  Exzerpte  CGL.  5,  159  (vgl.  praef. 
xx).  Fickert,  Naumb.  1843.  CPeter,  Zeitz  1850.  SBerger  (A.  9)  6.  Goetz, 
der  Lib.  gloss.,  Abh.  sächs.  Ges.  13  (1891)  211  CGL.  5  pr.  xx. 

9.  Aus  dem  liber  glossarum  flössen  unmittelbar  oder  mittelbar  unter 
Hinzufügung  anderen  Stoffes  die  glossae  Salomonis,  Bischofs  von  Konstanz 
(f  919),  gedr.  Augsb.  1483    (vgl.  Üsener,  Sehr.  2,  247.    Goetz,  Lib.  gl.  245), 


80  Sachlicher  Teil 

Papiae  elementarium  doctrinae  rudimentum  aus  J.  1053  (oft  gedruckt;  Goetz, 
SB.  bayr.  Ak.  1903,  267),  ferner  Osberni  (Mönchs  zu  Glocester  um  1150) 
Panormia  (ed.  AMai,  class.  auct.  Bd.  8.  S.  WMeyer,  RhM.  29,  179.  Goetz, 
Ber.  sächs.  Ges.  1903,  133),  Hugutionis  Liber  derivationum  um  1190,  von 
dem  Goetz  aO.  122  103  Hss,  nachweist,  der  sog.  Breviloquus  Benthemianus 
(s.  XV,  darüber  KHamann,  Hamb.  1879 — 80  II;  weitere  Mitteil,  aus  d.  Brevil. 
nebst  Anhang:  Abschnitte  aus  dem  Lib.  derivat.  des  Ugutio,  Hamb.  1882); 
ferner  die  Summa  quae  vocatur  catholicon  des  Johannes  de  Janua  aus  d. 
J.  1286.  Über  Hugucio,  Osbern  und  Johannes  vgl.  Goetz,  Ber.  Sächs.  Ges. 
1903,  121.  Hierher  auch  das  Philipps-Glossar  4626  in  Cheltenham.  REllis, 
journ.  of  phil.  1885,  81.  Ein  Turiner  Glossar  in  Pfluge:  -  Harttungs  Iter 
italicum  341  (dazu  GLoewes  Kommentar  ebd.  821)  usw.  SBerger,  de  glos- 
sariis  . . .  quibusdam  medii  aevi,  Par.  1879.  Alles  dies  ohne  jeden  Wert  für 
die  Geschichte  der  antiken  Wissenschaft. 

Hauptschrift  über  lat.  Gl.:  GLoewe,  Prodromus  corporis  glossariorum 
lat.,  Lps.  1876.  Dazu:  Glossae  nominum,  ed.  Loewe;  accedunt  eius  opus- 
cula  glossographica,  Lpz.  1884.  Ausgabe:  Corpus  glossariorum  latin.  ed. 
Goetz  u.  Gundermann ,  Lps.  1887  fl.  (vollendet  bis  auf  Bd.  1;  Bd.  6.  7  ent- 
hält den  Thesaurus  glossarum  emendatarum,  ohne  den  die  übrigen  Bände 
nicht  zu  benutzen  sind);  s.  A.  7.  —  Zusammenfassend  Goetz,  PW.  7,  1433. 
Literatur  bei  Wessner,  JB.  113,  219;  139,  195. 

10.  Als  scriptores  Mythographi  latini  werden  zusammengefaßt  Hygi- 
nus  (§  262),  Fulgentius  (§  480),  Lactantius  (Lutatius)  Placidus  (?vgl.  §  249,  2), 
Albericus  philosophus  (s.  u.),  zusammen  herausg.  von  Muncker  (Amst.  1681, 
danach  vStaveren,  Leid.  1742).  Vgl.  CLange,  de  nexu  Hyg.  fabul.  11.  Dazu 
drei  junge  mythographi  Vaticani,  erstmals  herausg.  v.  AMai,  class.  auct. 
Bd.  3  (Rom  1831),  und  danach  von  HBode,  Script,  rerum  myth.  lat.  tres 
(Celle  1834  II).  Der  erste  (mythographus  Vaticanus  I)  ist  der  älteste  und 
mag  etwa  ins  8.  Jahrh.  gehören;  er  benutzt  sehr  stark  des  Servius  Vergil- 
Kommentar  und  andere  Dichterscholien  (zB.  zu  Statius),  sowie  die  Narra- 
tiones  fabularum  aus  Ovids  Metamorphosen  (§  249,  2),  ferner  die  Quelle  von 
Fulgentius'  Mitologiae  u.  a.  Übereinstimmungen  mit  Ps.-Acro:  AKiessling, 
de  person.  Horat.  7.  Überliefert  ist  dieser  Autor  durch  Vatic.  Reg.  1401 
s.  XII  (?)  Subscriptio  darin:  expl.  Über  seeundus  centum  hnf  (=  habens)  fa- 
hulas  sicut  et  primus.  Vgl.  ORossbach,  JJ.  131,  408.  AMai  las  die  Unter- 
schrift falsch  (hnf  =  hni  usw.)  und  gab  danach  als  hs.  Titel  des  Werkes 
C.  Hygini  libri  fabularum.  RSchulz,  de  mythogr.  Vatic.  I  fontibus,  Halle 
1905.  Der  mythogr.  Vat.  II,  der  außer  in  der  genannten  Hs.  auch  in  zwei 
jüngeren  erhalten  ist,  nimmt  auf  den  ersten  bereits  Rücksicht  und  benutzt 
etwa  dieselben  Quellen ;  er  entlehnt  aus  dem  ersten  vieles  wörtlich.  Keseling, 
de  mythogr.  Vat.  II  fontibus,  Halle  1908.  Endlich  mythogr.  Vat.  III  (de 
diis  gentium  et  illorum  allegoriis),  in  dem  zB.  Johannes  Scotus  (f  um  J.  875) 
und  Remigius  von  Auxerre  (f  J.  908)  zitiert  werden,  gehört  nach  dem  cod. 
Goth.  (poetarium  Alberici)  dem  Albericus  (lebte  s.  XIII),  der  auch  die  in 
das  Corpus  mythogr.  (s.  o.)  aufgenommene  Schrift  de  deorum  imaginibus 
verfaßte.  Vgl.  EKlussmann,  de  Alberici  mythogr.  cod.  Goth.  (s.  XIII),  Rudolst. 
1868.    Schneider,  de  mythographis  lat.,  Bresl.  1834.    Osann,  Haller  Lit.-Ztg. 


§  42.  Mythographen.    §  43.  Beredsamkeit  81 

1834.  Erg.  Bl.  12.    FJacobs,  ZfAW.  1834.  1057.    Süringar,  de  mythographo 
astronomico,  Lugd.  1842. 

43.  Für  Beredsamkeit  waren  die  Römer  schon  von  Natur 
durch  ihren  scharfen  Verstand  und  ihre  italische  Lebhaftigkeit  wohl 
ausgestattet.  Noch  günstiger  war  der  Einfluß  von  Sitte  und  Ver- 
fassung, die  Mündlichkeit  aller  Verhandlungen,  die  große  Zahl  der 
Anlässe  wo  es  gut  zu  reden  galt,  zum  Volke,  zum  Senate,  zu  Ge- 
schworenen oder  zu  Einzelrichtern,  zum  Heere,  zu  einer  Trauer- 
versammlung. Die  Fähigkeit  zu  reden  wurde  daher  ein  unerläß- 
liches Erfordernis  für  jeden,  der  zu  politischer  Bedeutung  gelangen 
wollte,  vollends  als  die  Standesvorrechte  nacheinander  fielen  und 
die  politischen  Parteikämpfe  immer  häufiger  und  hitziger  wurden. 
Infolgedessen  hing  die  Beredsamkeit  von  Anfang  an  mit  der  Praxis 
zusammen  und  wurde  die  Übung  im  öffentlichen  Reden  ein  wesent- 
licher Bestandteil  im  Bildungsgange  eines  jungen  Römers,  so  daß 
schon  der  ältere  Cato  —  gewiß  bereits  unter  griechischem  Einflüsse 
—  schriftliche  Anleitung  dazu  gab  und  in  manchen  Familien,  wie 
bei  den  Scribonii,  sich  die  Beredsamkeit  Generationen  hindurch 
forterbte.  Daher  auch  der  frühe  Beginn  der  Beredsamkeit  in  Rom 
und  die  hohe  Blüte,  die  sie  erreichte,  ihr  Steigen  und  Fallen  mit 
der  politischen  Freiheit. 

1.  Cic.  off.  2,  66  eloquentiae  a  maioribus  nostris  est  in  toga  dignitatis 
principatus  datus.  Vgl.  de  or.  1,  30.  or.  141.  Brut.  182  .  .  in  tanta  et  tarn 
vetere  republica  maxumis  praemiis  eloquentiae  propositis  omnes  cupisse  dicere, 
non  plurumos  ausos  esse,  potuisse  paucos.  Liv.  39,  40  ad  summos  honores 
alios  scientia  iuris,  alios  eloquentia,  alios  gloria  militaris  provexit.  Quint. 
2, 16, 8  pop.  Rom.,  apud  quem  summa  semper  oratoribus  dignitas  fuit;  s.  auch 
Tac.  dial.  37;  A.  11,  6.  Zu  beachten  ist,  daß  unsere  Hauptquelle  für  die 
Geschichte  der  römischen  Beredsamkeit,  Ciceros  Brutus,  die  Zahl  der  Red- 
ner in  der  ältesten  Zeit  mit  allen  Mitteln  zu  vergrößern  sucht;  vgl.  137 
intellego  me  non  ita  disertos  homines  et  rettulisse  in  oratorum  numerum  et 
relaturum. 

2.  Cic.  de  or.  2,  55  nemo  studet  eloquentiae  nostrorum  hominum,  nisi  ut 
in  causis  atque  in  foro  eluceat:  apud  Graecos  etc.  (war  das  Beredtsein  Selbst- 
zweck). Dieses  Ziel  wurde  auch  auf  Kosten  der  Moral  verfolgt:  eine  Ver- 
pflichtung bei  der  Wahrheit  zu  bleiben  wurde  für  den  gerichtlichen  Redner 
kaum  anerkannt.  Was  Cic.  Brut.  207  von  M.  Antonius  sagt,  daß  er  facüis 
in  causis  recipiendis  gewesen  sei,  gilt  auch  von  ihm  selbst,  und  wiederholt 
lehrt  er  nach  griechischer  Theorie,  daß  für  den  Redner  nicht  das  verum 
Ziel  sei,  sondern  das  verisimile;  s.  de  or.  2,  241.  off.  2,  51.  Ahnlich  Quint. 
2,  15,  32.  3,  8,  13.  12,  1,  33 ff.  6,  2,  5  ubi  animis  iudicum  vis  afferenda  est 
et  ab  ipsa  veri  contemplatione  abducenda  mens,  ibi  proprium  oratoris  opus 
est.    Dagegen  12,  7,  7  non  convenit  ei,  quem  oratorem  esse   volumus,  iniusta 

Teuf  fei:  röm.  Literaturgesch.   Neub.  6.  Aufl.  I.  6 


82  Sachlicher  Teil 

tueri  scientem;  vgl.  4,  2,  93.  Gell.  1,  6,  4  aliter ,  inquit  (Castricius) ,  censor 
loqui  debet,  aliter  rhetor.  rhetori  concessum  est  sententiis  uti  falsis  audacibus 
versutis  subdolis  captiosis,  hi  veri  modo  similes  sint  et  possint  movendos  ho- 
minum  animos  qualicumque  astu  inrepere.  praeterea  turpe  esse  ait  rhetori,  si 
quid  in  mala  causa  destitutum  atque  inpropugnatum  relinquat. 

3.  Beginn  in  früher  Jugend.  Marx,  Auct.  ad  Her.  p.  77.  Der  18jährige 
Africanus  minor  sagt  bei  Polyb.  32,  9  doxa»  slvcct,  itüöiv  r\Gv%iog  xig  .  .  xa! 
tcoXv  k£%(oqi6ii£vo£  tfjg  Qco^ia'Cyifjg  alQ^6£(og  xccl  7tQa,£,S(og ,  ort  KQi6Eig  ov%  ai- 
gov^ica  Xiyuv.  Plin.  ep.  5,  8,  8  undevicesimo  aetatis  anno  dicere  in  foro  coepi. 
Besonders  häufig  machte  man  den  Anfang  mit  der  Lobrede  auf  einen  eben 
gestorbenen  Verwandten.  Noch  Tiberius  novem  natus  annos  defunctum  pa- 
trem  pro  rostris  laudavit  (Suet.  Tib.  6).  Aus  späterer  Zeit  Auson.  prof. 
Burd.  17,  10  pueros  grandi  mercede  docendi  formasti  rhetor  metam  prope 
puberis  aevi.  Der  jugendliche  Charakter  solcher  laudationes  funebres  war 
daher  wohl  mit  ein  Grund,  daß  sie  (später)  so  selten  herausgegeben  wur- 
den, EHübner,  Herrn.  1,  441.  Auch  mit  Anklagen  Schuldiger  die  rednerische 
Laufbahn  zu  beginnen  war  häufig;  s.  Polyb.  32,  15  gE.  Cic.  off.  2,  49.  Suet. 
Iul.  4.  Val.  Max.  5,  4,  4.  Quint.  12,  6,  1.  Tac.  dial.  34  gE.  Apulei.  apol.  66. 
Doch  war  der  Sachwalter  in  erster  Linie  Verteidiger;  Cic.  de  or.  1,  32 
quid  tarn  . . .  munißcum  quam  opem  ferre  supplicibus,  excitare  afflictos,  dare 
salutem,  liberare  periculis,  retinere  homines  in  civitate?  orat.  141.  p.  Mur.  29 
Hör.  c.  2,  1,  13  insigne  maestis  praesidium  reis.  ebd.  4,  1,  14.  Sen.  brev.  vit. 
6,  1.    Laus.  Pis.  39. 

4.  Die  Reden,  die  spätere  Historiker  in  die  Königszeit  verlegen,  be- 
weisen natürlich  nichts  für  die  Beredsamkeit  jener  Zeit;  doch  machte  die 
Verfassung  schon  früh  ein  gewisses  Maß  von  politischer  Beredsamkeit  not- 
wendig. Die  Sammlung  von  Meyer  (A.  5)  bringt  es  von  Appius  Claudius 
bis  Symmachus  auf  158  Redner,  ungerechnet  die  vielen,  deren  Reden  nie 
aufgeschrieben  wurden  oder  von  denen  uns  wenigstens  keine  solchen  be- 
kannt sind.    Vgl.  §  44,  12. 

5.  Hauptquellen  Ciceros  Brutus,  der  Rhetor  Seneca,  Tacitus1  dialogus, 
Suetons  viri  111.,  Quintilian  10,  1,  105—122  u.  12,  10,  10—12.  Auch  Plinius' 
Briefe.  Oratorum  rom.  fragm.  coli.  HMeyer,  Zur.  1832  (Pariser  Nachdruck 
1837).  21842.  Cortese,  Orat.  Rom.  reliquiae,  Turin  1892  (mangelhaft).  — 
A Westermann,  Gesch.  d.  röm.  Beredsamkeit,  Lpz.  1835.  FEllendt,  brevis 
eloquentiae  Rom.  ad  Caesares  hist.  vor  s.  Ausg.  des  Brutus  1844.  ABerger 
u.  VCucheval,  hist.  de  l'eloquence  lat.  jusqu'ä  Ciceron,  Par.  1872  II.  JPoiret, 
Teloquence  iudiciaire  ä  Rome,  Par.  1887.  Tartara,  [I  precursori  di  Cic, 
Annali  delle  univ.  Tose.  18  (Pisa  1888),  291.  Cima,  L'eloquenza  lat.  prima 
di  Cic,  Rom  1903.  Amatucci,  L'eloqu.  giudiziaria  prima  di  Catone,  Neapel  1904. 

44.  Die  älteste  Beredsamkeit  war  naturalistisch,  der  kunstlose 
Ausdruck  einer  durch  eine  bestimmte  Lage  und  bestimmte  Zwecke 
angeregten,  politisch  bedeutenden  und  redebegabten  Persönlichkeit. 
Aber  schon  am  Ende  des  fünften  Jahrh.  d.  St.  gab  Appius  Claudius 
nach  griechischem  Vorbilde  eine  politische  Rede  nachträglich  her- 
aus, und  von  den  Leichenreden,  die  aus  dem   sechsten  Jahrh.  er- 


§  44.  Die  Redner  der  Republik  83 

wähnt  werden,  ist  es  wenigstens  denkbar,  daß  sie  von  Anfang  an 
geschrieben  waren.  Jedenfalls  der  größte  Redner  des  sechsten  Jahrh. 
d.  St.,  der  ältere  Cato,  muß  seine  Reden  in  der  Regel  niederge- 
schrieben (und  veröffentlicht)  haben,  wenn  auch  vielleicht  erst,  nach- 
dem er  sie  gehalten  hatte,  als  politische  Streitschriften;  seine  Kennt- 
nis der  griechischen  Praxis  können  wir  an  den  Fragmenten  seiner 
Reden  noch  aufzeigen.  Doch  war  im  sechsten  Jahrh.  d.  St.  das  ge- 
sprochene Wort  noch  die  Hauptsache;  das  Niederschreiben  und 
Veröffentlichen  der  Reden  geschah  für  politische  Zwecke.  Außer 
von  Cato  kennen  wir  herausgegebene  Reden  aus  dieser  Zeit  beson- 
ders von  dem  älteren  Africanus,  L.  Papirius  und  C.  Titius.  Das 
siebente  Jahrh.  d.  St.  traf  die  römische  Beredsamkeit  schon  so  ent- 
wickelt, daß  die  immer  nähere,  durch  griechische  Lehrer  vermittelte 
Bekanntschaft  mit  der  griechischen  Rhetorik  sie  nur  steigern  und 
bewußter  machen,  nicht  aber  ihres  nationalen  Charakters  entklei- 
den konnte.  Die  raffinierten  Mittel  des  griechischen  Barockstiles 
gewannen  im  Munde  der  leidenschaftlichen  Römer  neue  Kraft;  na- 
mentlich den  jüngeren  Gracchus  machte  die  Verbindung  von  Tem- 
perament, Begabung  und  Kunst  zu  einem  vollendeten  Redner.  Auch 
war  es  schon  in  der  ersten  Hälfte  des  siebenten  Jahrh.  d.  St.  eine 
Ausnahme,  wenn  ein  Redner  keine  seiner  Reden  herausgab,  und 
es  gab  schon  solche,  die  für  andere  Reden  schrieben.  Nach  wie 
vor  blieb  die  Rede  ein  wichtiges  politisches  Machtmittel;  doch  trat 
bei  den  herausgegebenen  der  politische  Zweck  öfters  zurück:  man 
schrieb  und  veröffentlichte  Reden  auch  nur  als  Probe  seiner  Bered- 
samkeit. Die  hervorragendsten  Redner  dieser  Zeit  waren  M.  Anto- 
nius (Cos.  99)  und  L.  Crassus  (Cos.  95);  aber  neben  ihnen  stand 
noch  eine  ganze  Reihe  in  ihrer  Art  bedeutender  Redner,  wie  Q.  Mu- 
cius  Scaevola  (Cos.  95),  L.  Marcius  Philippus  (Cos.  91),  L.  Apuleius 
Saturninus  (tr.  pl.  100),  M.  Livius  Drusus  (tr.  pl.  91),  C.  Caesar 
Strabo  (Aedil  90),  P.  Sulpicius  Rufus  (tr.  pl.  88),  C.  Aurelius  Cotta 
(Cos.  75).  In  den  neunziger  Jahren  des  letzten  Jahrh.  v.  Chr.  be- 
gannen auch  Einheimische  in  lateinischer  Sprache  rhetorischen 
Unterricht  zu  erteilen.  Doch  war  das  eine  vorübergehende  Erschei- 
nung; im  ganzen  waren  es  Griechen,  die  Rhetorik  lehrten,  und 
griechisch  war  nicht  bloß  ihr  System,  sondern  auch  das  jener  latei- 
nischen Lehrer.  Für  Inhalt  und  Disposition  der  Rede  war  die  stark 
scholastisch  anmutende  Lehre  des  Hermagoras  maßgebend:  ihren 
Stil  aber  erlernten  die  jungen  Römer  mit  Vorliebe  in  den  neu- 
modischen Schulen  von  Kleinasien  und  Rhodos.   Während  Horten- 


84  Sachlicher  Teil 

sius  für  einen  Vertreter  der  überladenen  kleinasiatischen  Redeweise 
galt,  wollte  Cicero  sich  von  ihren  Unarten  in  der  rhodischen  Schule 
freigemacht  haben:  ihn  hat  eine  glückliche  Verbindung  von  Ta- 
lenten ,  gesteigert  und  veredelt  durch  unermüdlichen  Fleiß,  auf  die 
höchste  Höhe  der  römischen  Kunstberedsamkeit  gehoben.  Zugleich 
erwarb  er  sich  Verdienste  um  die  Popularisierung  der  Hauptlehren 
der  Rhetorik.  In  seinen  späteren  Lebensjahren  kam  eine  rückläufige 
Gfeschmacksrichtung  in  Griechenland  auf  und  fand  rasch  in  Rom 
Geltung,  die  auch  ihn  noch  immer  allzu  asiatisch  fand.  Ein  Kreis 
jüngerer  Männer  ging  grundsätzlich  und  mit  starker  Einseitigkeit 
auf  die  echten  alten  Attiker  zurück,  und  die  meisten  wählten  sich 
unter  jenen  sogar  den  schwunglosesten,  den  Lysias,  zum  Muster. 
So  M.  Calidius,  M.  Brutus,  Licinius  Calvus,  Q.  Cornificius,  und 
weiterhin  Asinius  Pollio,  der  den  Thukydides  bewunderte.  So  häufig 
in  dieser  Zeit  die  Veröffentlichung  von  Reden  war,  so  war  es  doch 
jetzt  selten,  daß  die  gehaltene  und  die  herausgegebene  genau  über- 
einstimmte; denn  der  Redner  ließ  sich  nicht  bloß  durch  die  Ein- 
gebung des  Augenblickes  zur  Abweichung  von  dem  vorher  aufge- 
setzten Wortlaut  verleiten,  sondern  änderte  diesen  oft  bei  der  Publi- 
kation noch  ab. 

1.  Cato:  orator  est,  Marce  fili,  vir  bonus  dicendi  peritus;  (stoisch? 
Radermacher,  RhM.  54,  286.  FSchoell,  RhM.  57,  312).  Sen.  controv.  praef.  9. 
Vgl.  Quint.  12,  1,  lff.    Plin.  ep.  4,  7,  5. 

2.  Ciceros  Brutus  ist  keine  lautere  Quelle  für  die  ältere  Zeit,  da  Cic. 
das  Bestreben  hat,  die  Entwicklung  der  römischen  Beredsamkeit  möglichst 
hoch  hinaufzurücken.  Zu  den  ältesten  Rednern,  über  die  eine  Überlieferung 
vorlag,  gehören  P.  Licinius  Crassus  (Cos.  205)  und  M.  Cornelius  Cethegus 
(Cos.  204).  Schriftlich  herausgegeben  wurden  besonders  Leichenreden  schon 
in  der  ersten  Hälfte  des  sechsten  Jahrh.  d.  St.,  meist  wohl  für  politische 
Zwecke  oder  aus  Familieneitelkeit.    Vgl.  §  43,  3. 

3.  Quint.  3,  1,  19  Bomanorum  primus,  quantum  ego  quidem  sciam,  con- 
didit  aliqua  in  hanc  materiam  (Theorie  der  Beredsamkeit)  M.  Cato  ille  Cen- 
sorius  (in  seinen  praeeepta).  post  M.  Antonius  incohavit.  Aber  noch  lange 
gab  es  Autodidakten,  wie  Curio  (Cos.  76;  s.  Cic.  Brut.  214).  Doch  waren 
solche  Fälle  damals  Ausnahmen,  und  mit  Unrecht  sagt  Aper  (Tac  dial.  19) 
noch  von  den  Rednern  der  ciceronischen  Zeit:  paucissimi  praeeepta  rhetorum 
aut  philosophorum  placita  (letzteres  ist  eher  richtig)  cognoverant. 

4.  Cic.  de  or.  2,  92  nostri  oratores  . .  scripta,  ex  quibus  iudicium  fieri 
posset,  non  multa  sane  reliquerunt.  orat.  132  Crassi  perpauca  sunt,  nee  ea 
iudiciorum,  nihil  Antoni,  nihil  Cottae,  nihil  Sulpici.  p.  Cluent.  140  M.  An- 
tonium  aiunt  solitum  esse  dicere  ideirco  se  nullam  umquam  orationem  scrip- 
sisse  ut,  si  quid  aliquando  non  opus  esset  ab  se  esse  dictum,  posset  negare 
dixisse.  Dagegen  erwähnt  Cicero  geschriebene  Reden  von  den  beiden  Gracchen 
(Brut.  104.  117),    M.  Aemilius  Scaurus    (ebd.  112),    P.  Rutilius   Rufus   (114), 


§  44.  Die  ältere  Beredsamkeit  85 

dem  Sohne  des  jüngeren  Africanus  (77),  Q.  Tubero  (117),  Curio  (122)  und 
dessen  Sohn  (220),  Sulpicius  Galba  (127),  Flavius  Fimbria  (129),  T.  Albu- 
cius  (131),  Q.  Lutatius  Catulus  (132),  Q.  Scaevola  (163),  Caesar  (262);  dazu 
Livius  eine  angebliche  Rede  des  älteren  Africanus  (J.  185),  andere  von  C. 
Titius  (J.  161),  Quint.  10,  1,  116  von  Ser.  Sulpicius  Rufus,  Sueton  Iul.  55 
von  Caesar  Strabo,  Ascon.  Cornel.  p.  50,  9  St.  von  P.  Cominius:  extat  oratio 
Cominii  accusatoris,  quam  sumere  in  manus  est  aliquod  operae  pretium,  non 
solum  propter  Ciceronis  orationes,  quas  pro  Comelio  habemus,  sed  etiam 
propter  semet  ipsam.  Auch  extra  urbem,  apud  socios  et  Latinos,  gab  es  Red- 
ner und  von  ihnen  veröffentlichte  Reden  (Cic.  Brut.  169  f.),  wie  von  L.  Pa- 
pirius  aus  Fregellae  und  T.  Betutius  aus  Asculum. 

5.  Der  ältere  Cato  und  noch  (C.)  Gracchus  begann  jede  seiner  Reden 
mit  einer  Anrufung  oder  doch  Erwähnung  von  Göttern,  Serv.  Verg.  Aen. 
7,259.  11,301.  Symmach.  ep.  3,  44,2.  Gell.  13,23  (22),  1  (in  plerisque  anti- 
quis  orationibus).  Vgl.  Cic.  div.  Caec.  43.  Yal.  Max.  1,  praef. ;  Plin.  paneg.  1. 
Die  Ausnahmslosigkeit,  womit  dies  von  den  Reden  des  Cato  ausgesagt  wird, 
macht  wahrscheinlich,  daß  es  auch  von  den  in  Zivilprozessen  (causae  pri- 
vatae)  gehaltenen  gilt.  Sie  sind  die  einzigen  derartigen  aus  der  Zeit  vor 
Cicero,  von  deren  Veröffentlichung  wir  hören;  wie  auch  aus  der  Zeit  nach 
Cicero  nur  einige  vor  dem  Zentumviralgericht  gehaltene  zivilrechtliche  uns 
bekannt  sind.    HJordan,  Caton.  quae  exstant,  p.  lxxxvii. 

6.  L.  Aelius  Stilo  .  .  scriptitavit  orationes  multis,  orator  ipse  numquam 
fuit,  Cic.  Brut.  169  (vgl.  205  f.)  M.  Bibulus  scriptitavit  accurate,  cum  prae- 
sertim  non  esset  orator,  ebd.  267.  So  C.  Laelius  für  Tubero  und  für  Fabius 
Maximus,  Plotius  Gallus  für  Sempronius  Atratinus  (Suet.  rhet.  2),  Caesar 
für  Metellus  (Suet.  Iul.  55).  Cicero  selbst  verfaßte  so  Reden  für  Cn.  Pom- 
peius  und  T.  Ampius  (Qui^til.  3, 8, 50)  und  (J.  54)  für  einen  Vater  die 
Leichenrede  auf  seinen  Sohn  Serranus  (ad  Q.  fr.  3,  8,  5  laudavit  pater  scripto 
meo).  Fronto  p.  123  Ventidius  ille,  postquam  Parthos  fudit  fugavitque ,  ad 
victoriam  suam  praedicandam  orationem  a  C.  Sallustio  mutuatus  est. 

7.  Cic.  Brut.  328  id  declarat  totidem  quot  dixit  .  .  scripta  verbis  oratio. 
Dies  war  aber  nicht  das  Gewöhnliche:  s.  ebd.  91  videmus  alios  oratores 
ineHia  nihil  scripsisse,  ne  domesticus  etiam  labor  accederet  ad  forensem;  ple- 
raeque  enim  scribuntur  orationes  habitae  iam,  non  ut  habeantur.  Vgl.  ebd.  93. 
Plin.  ep.  4,  9,  23.  Sen.  suas.  15  huic  actioni  (des  Asinius  Pollio)  qui  inter- 
fuerunt  negant  eum  haec  dixisse,  .  .  sed  postea  composuisse.  Plin.  ep.  20,  7  .  . 
Ciceronis  pro  Murena  (57),  pro  Vareno  (auch  p.  Quinctio),  in  quibus  brevis 
et  nuda  quasi  subscriptio  quorundam  criminum  solis  titulis  indicatur.  ex  his 
apparet  illum  permulta  dixisse,  cum  ederet  omisisse.  Ähnlich  machte  es 
C.  Galba  (Cic.  Brut.  127)  und  L.  Crassus  (ebd.  160.  164).  Nur  ausnahms- 
weise scheint  Cicero  seine  Reden  so,  wie  sie  gehalten  waren,  herausgegeben 
zu  haben.  So  war  die  Corneliana  iisdem  paene  verbis  quibus  edita  est  .  ; 
perorata  (Cornel.  Nep.  fr.  45  H.).  Kleine  Abänderungen  und  Zusätze  in 
Berücksichtigung  des  Eindruckes,  den  die  Rede  beim  Vortrage  gemacht 
hatte,  sind  aber  auch  in  solchen  Fällen  nicht  ausgeschlossen.  Der  jüngere 
Plinius  (ep.  9,  28,  5)  und  Fronto  (ep.  p.  184  Nab.)  gaben  ihre  Reden  ge- 
wöhnlich überarbeitet   und    erweitert   heraus.    Vgl.  §  178, 3.    Eine    ähnliche 


86  Sachlicher  Teil 

Praxis    herrschte  bei    den   Griechen    schon  im  4.  Jahrh. ;    vgl.  z.  B.  KHahn, 
Demosth.  contiones  num  revera  habitae  sint,  Gießen  1910. 

8.  Quintil.  10,  7,  30  plerumque  multa  agentibus  accidit,  ut  maxime  ne- 
cessaria  et  utique  initia  (von  Reden)  scribant,  cetera  quae  domo  afferunt  cogi- 
tatione  complectantur,  subitis  ex  tempore  occurrant.  quod  fecisse  M.  Tullium 
commentariis  ipsius  apparet.  Sen.  contr.  3,  praef.  6  von  Cassius  Severus: 
sine  commentario  numquam  dixit,  nee  hoc  commentario  contentus  erat  in  quo 
nudae  res  ponuntur,  sed  maxima  parte  perscribebatur  actio ;  illa  quoque  quae 
salse  dici  poterant  adnotabantur ;  sed  cum  procedere  nollet  nisi  instruetus, 
libenter  ab  instrumentis  recedebat.  In  der  Zeit  des  Cicero  wurden  die  ge- 
haltenen Reden  stenographisch  (§  191,5)  nachgeschrieben  (wie  die  pro  Mi- 
lone).  Suet.  Iul.  55  von  Caesars  Rede  pro  Q.  Metello:  non  immerito  Augu- 
stus  existimat  magis  ab  actuariis  exceptam  male  subsequentibus  verba  dicentis 
quam  ab  ipso  editam.  Noch  Quintilian  beklagt  sich  (7,  2,  24),  daß  Buch- 
händlerspekulation nachlässig  nachgeschriebene  Reden  von  ihm  herausge- 
geben habe.  Auch  nicht  gehaltene  Reden  wurden  veröffentlicht,  zB.  von 
Cato  und  von  Cicero  (Verrin.  actio  II,  Miloniana,  Philipp.  II).  M.  Brutus 
schrieb  bloß  exercitationis  gratia  eine  Verteidigungsrede  für  Milo  (Quintil. 
3,  6,  93;  vgl.  10,  1,  23),  Cestius  Pius  in  Milonem  (Sen.  contr.  3,  praef.  16), 
Lucanus  sogar  in  Octavium  Sagittam  et  pro  eo.  Auch  untergeschobene 
Reden  gab  es  frühzeitig.  Sulpici  (§  153,  5)  orationes  quae  feruntur,  eas  post 
mortem  eins  scripsisse  P.  Canutius  putatur:  .  .  ipsius  Sulpici  nulla  oratio 
est,  Cic.  Brut.  205.  Dann  in  der  nachciceronischen  Zeit  Reden  gegen  Cicero 
unter  dem  Namen  des  Catilina  und  des  C.  Antonius,  Ascon.  p.  72,  18  St. 
Quintil.  9,  3,  94  (§  180,  1). 

9.  Suet.  gramm.  25  (=  rhet.  1)  rhetorica  quoque  apud  nos  perinde 
atque  grammatica  (oben  §  41, 1)  sero  reeepta  est,  paulo  etiam  difficüius,  quippe 
quam  constet  nonnumquam  etiam  prohibitam  exerceri  .  .  paulatim'  et  ipsa 
utilis  honestaque  apparuit,  multique  (wie  M.  Antonius,  Cicero,  Cn.  Pompeius, 
Augustus  u.  a.)  eam  et  praesidii  causa  et  gloriae  appetiverunt  . .  plerique 
autem  oratorum  etiam  declamationes  ediderunt  (dies  gilt  aber  erst  vom  Be- 
ginn der  Kaiserzeit),  quare  magno  studio  hominibus  iniecto  magna  etiam 
professorum  ac  doctorum  profluxit  copia,  adeoque  floruit,  ut  nonnulli  ex  in- 
fima  fortuna  in  ordinem  senatorium  atque  ad  summos  honores  processerint. 
Einen  Ausfall  gegen  novi  rhetores  hatte  Cic.  rep.  5,  11  dem  Scipio  in  den 
Mund  gelegt:  quae  cum  Scipio  dixisset,  admodum  probans  Mummius  —  erat 
enim  odio  novorum  (Leo,  quorum  Hs)  imbutus.  Hieronym.  zu  Euseb.  Chr.  a. 
1929  =  88  v.  Chr.  JPlotius  Gallus  primus  Bomae  latinam  rhetoricam  doeuit. 
Da  er  ein  Freund  des  C.  Marius  war,  so  dürfen  wir  chauvinistische  Beweg- 
gründe bei  ihm  voraussetzen.  Vgl.  Suet.  rhet.  2.  Sen.  contr.  2,  8,  5.  Quintil. 
2,  4,  42.  Die  im  J.  92  durch  die  Zensoren  L.  Crassus  und  Domitius  Aheno- 
barbus  erfolgte  Aufhebung  der  latini  rhetores  (§  159,  2.  162,  2)  hatte  an- 
scheinend keine  volle  Wirkung,  ebenso  wenig  wie  die  Maßregel  des  J.  161 
(Gell.  15,  11).  Hieron.  aO.  1936  =  J.  81  Vultacilius  Plotus  (§  158,  3) 
latinus  rhetor,  Cn.  Pompei  libertus  et  doctor,  scholam  Romae  aperuit.  Doch 
lag  der  rhetorische  Unterricht  im  allgemeinen  in  griechischen  Händen;  s. 
§  45,  1.  Das  erste  lateinisch  geschriebene  und  mit  den  Bestrebungen  der 
rhetores  latini  zusammenhängende  Buch  über  die  gesamte  Rhetorik  ist  die 


§  44.  Die  Rhetoren;  der  Attizismus  87 

Schrift  ad  Herenniurn  (§  162),  s.  4,  7,  10  nomina  rerum  (Figuren  udgl.) 
Graeca  convertimus.  .  .  quae  enim  res  apud  nostros  non  erant,  earum  rerum 
nomina  non  poterant  esse  usitata.  RVolkmann,  d.  Rhetorik  der  Griech.  u.  Rom., 
Lpz.2  1885.  RKröhnert,  d.  Anfänge  der  Rhet.  bei  den  Rom.,  Memel  1877. 
Marx,  Au  ct.  ad  Her.  133. 

10.  Griechische  Lehrer  der  Beredsamkeit  waren  in  der  Zeit  des  C.  Grac- 
chus Diophanes  von  Mitylene  und  Menelaos  von  Marathus,  um  100  v.  Chr. 
Menedemos,  in  Ciceros  Zeit  Molon  und  Apollodoros  aus  Pergamon.  Schüler: 
Apollodori  praecepta  magis  ex  discipulis  cognoscas,  quorum  diligentissimus 
in  tradendo  fuit  latine  C.  Valgius  (§  241,  3),  graece  Atticus,  Quintil.  3,  1,  18. 
Vgl.  Hieronym.  aO.  1953  =  64  v.  Chr.  Apollodorus  Pergamenus,  graecus  ora- 
tor,  praeceptor  Cdlidii  et  Augusti,  clarus  habetur.  vWilamowitz,  Herrn.  12,333 
hält  den  Apollodor  für  den  Begründer  des  Klassizismus,  d.  h.  der  attizisti- 
schen  Reaktion,  was  nicht  unmöglich  ist  (Herrn.  35,  46) :  dagegen  ERohde, 
Sehr.  2,81;  s.  §  41,1.  Cic.  Brut.  263  C.  Sicinius ,  ex  Hermagorae  disci- 
plina;  ebenso  T.  Accius  aus  Pisaurum,  ebd.  271:  damit  ist  nur  Anschluß 
an  die  Stasislehre  (Thiele,  Hermagoras,  Straßb.  1893.  Radermacher,  PW. 
8,  692),  nicht  ein  persönliches  Schülerverhältnis  gemeint.  Schüler  des  Molon 
auch  T.  Torquatus,  Brut.  245.  —  Hillscher  JJ.  Suppl.  18,  388.  Friedländer, 
SG.  I8,  325. 

11.  Zur  Charakteristik  der  attischen  und  der  asiatischen  Beredsamkeit 
vgl.  Cic.  zB.  Brut.  51.  325.  or.  27.  Quintil.  12,  10,  16  antiqua  divisio  inter 
Atticos  atqtie  Asianos  fuit,  cum  hi  pressi  et  integri,  contra  inflati  Uli  et 
inanes  haberentur ,  in  his  nihil  super fuerit,  Ulis  iudicium  maxime  ac  modus 
deesset.  Das  Schlagwort  asianisch  kam  erst  durch  den  extremen  Attizismus 
der  ciceronischen  Zeit  auf,  der  eine  sehr  einseitige  Nachahmung  gewisser 
attischer  Redner  empfahl,  muß  also  mit  Vorsicht  verwendet  werden.  Den 
Niedergang  der  attizistischen  Richtung  behauptet  Cic.  Tusc.  2,  3  (Mitte  45) 
reperiebantur  nonnulli,  qui  nihil  laudaient,  nisi  quod  se  imitari  posse  confi- 
derent,  quemque  sperandi  sibi,  eundem  bene  dicendi  fmem  proponerent,  et  cum 
obruerentur  copia  sententiarum  atque  verborum,  ieiunitatem  et  famem  se  malle 
quam  ubertatem  et  copiam  dicerent;  unde  erat  exortum  genus  Atticorum  iis 
ipsis  qui  id  sequi  se  profitebantur  ignotum,  qui  iam  conticuerunt  paene  ab 
ipso  foro  inrisi.  Doch  hatte  Cic.  eben  noch  den  Brutus  und  den  Orator 
(§  182)  und  de  opt.  gen.  die.  gegen  sie  gerichtet.  Über  den  Kreis  der  hierher 
gehörigen  Redner  Kroll,  Cic.  orat.  S.  11.  Norden,  Kunstprosa  131.  218.  251, 
vWilamowitz,  Herrn.  35, 1.  WSchmid,  Über  den  kulturgesch.  Zusammenhang 
der  griech. tRenaiss.,  Lpz.  1898. 

12.  Fronto  p.  127  omnes  universos,  quicumque  post  JRomam  conditam 
oratores  extiterunt  . .  si  numerare  velis,  vix  trecentorum  numerum  complebis 
(vgl.  §  43,  4).  Charakteristik  der  Hauptredner  bei  Vellei.  2,  36,  2.  Tac 
dial.  18  (Cato,  C.  Gracchus,  Crassus,  Cicero,  Corvinus).  Fronto  p.  114  con- 
tionatur  Cato  infeste,  Gracchus  turbulente,  Tullius  copiose.  iam  in  iudieiis 
saevit  idem  Cato,  triumphat  Cicero,  tumultuatur  Gracchus,  Calvus  rixatur. 
Apulei.  apol.  95  neque  Cato  gravitatem  requirat  neque  Laelius  lenitatem 
neque  Gracchus  impetum  nee  Caesar  calorem  nee  Hortensius  distributionem 
nee  Calvus  argutias  nee  parsimoniam  Sallustius  nee  opulentiam  Cicero.  Aus 
•der  ciceronischen  Zeit  Quintil.  12.  10,  11  vim  Caesaris,  indolem  Caelii,  sub- 


88  Sachlicher  Teil 

tilitatem    Calidii,    düigentiam    Pollionis,    dignitatem    Messakte,    sanctitatem 
Calvi,  gravitatem  Bruti,  acumen  Sidpicii,  acerbitatem  Cassii  reperiemus. 

45.  Die  augusteische  Zeit  besitzt  in  Asinius  Pollio  und  M.  Mes- 
sala  noch  Vertreter  der  republikanischen  Beredsamkeit,  und  auch 
Augustus  selbst,  sowie  Agrippa  und  Maecenas,  besaßen  eine  redne- 
rische Ausbildung.  Aber  mit  der  alten  Verfassung  schwinden  auch 
die  Gelegenheiten  und  Stoffe  für  die  Beredsamkeit  und  in  demselben 
Maße  wachsen  die  Hindernisse  und  Schranken.  So  tritt  immer  mehr 
die  Theorie  an  die  Stelle  der  Praxis,  rhetores  an  die  der  oratores, 
Deklamation  an  die  Stelle  der  Rede.  Noch  in  Augustus'  Zeit  fallen 
daher  die  frühesten  Vertreter  der  kaiserlichen  Beredsamkeit,  der 
Redner  Cassius  Severus,  die  Rhetoren  Porcius  Latro,  Albucius  Silus, 
Arellius  Fuscus,  lunius  Gallio,  Cestius  Pius,  Fulvius  Sparsus,  Argen- 
tarius,  Blandus,  Q.  Haterius,  Iulius  Bassus,  Pom peius  Silo,  Varius 
Geminus  u.  a.  Das  Wesen  dieser  neuen  Beredsamkeit  besteht  in 
dem  Überwiegen  der  Deklamationen,  d.  h.  in  ausschließlicher  Pflege 
der  Form  neben  wissentlichem  Verzicht  auf  ernsthaften  Inhalt  und 
praktische  Zwecke.  Die  Rhetorenschule  wird  jetzt  Selbstzweck  und 
Mittelpunkt  des  geistigen  Lebens:  sie  lebt  in  einer  Welt  von  künst- 
lich erdichteten  Fällen.  Aus  dem  genus  deliberativum  nimmt  sie 
ihre  suasoriae,  vom  iudiciale  ihre  controversiae;  daneben  sind  die 
laudationes  (weniger  die  vituperationes)  der  epideiktischen  Gattung" 
beliebt,  die  eine  mannigfache  Verwendung  bei  vielen  festlichen  An- 
lässen fanden.  Die  Manieren  des  rhetorischen  Hörsals  werden  dann 
auch  auf  die  wenigen  Gelegenheiten  übertragen,  wo  man  noch  prak- 
tisch tätig  sein  konnte,  und  diese  zu  Schaustellungen  theatralischer 
Deklamation  benützt.  Desto  seltener  war  die  auch  vorher  schon 
oft  dürftige  Rechtskenntnis.  Die  namhaftesten  nachaugusteischen 
Redner  dieser  Art  sind  Votienus  Montanus,  Romanius  Hispo,  Cris- 
pus  Passienus,  Domitius  Afer,  Vibius  Crispus,  Galerius  Trachalus, 
Iulius  Africanus,  Iulius  Secundus,  und  zuletzt  Tacitus  und  Plinius. 
Vergebens  weisen  Quintilian  und  Tacitus  auf  die  echten  klassischen 
Muster  hin  und  kämpfen  gegen  die  tändelnde  Richtung  ihrer  Zeit 
an,  von  der  sie  unwissentlich  selbst  mitergriffen  sind.  Im  zweiten 
Jahrh.  wurde  die  Rede  unter  dem  Einflüsse  der  zweiten  Sophistik 
noch  überdies  geschraubt  und  mit  Archaismen  geschmacklos  be- 
hängt. Diese  Manier  zeigt  uns  Fronto  und  der  durch  mehr  Geist 
und  Beweglichkeit  ausgezeichnete  Apuleius.  Je  vielseitiger  und 
feiner  das  römische  Recht  sich,  besonders  im  dritten  christl.  Jahrh., 
entwickelte,  um  so  unzugänglicher  wurde  es  für  die  Phrasenmacher,, 


§  45.  Die  Redner  der  Kaiserzeit  89 

die  so  auch  den  letzten  Rest  von  praktischer  Tätigkeit  einbüßten 
und  sich  auf  Prunkstücke  beschränkt  sahen ,  unter  denen  die 
schmeichlerische  Lobrede  und  die  inhaltsleere  und  phrasenhafte 
Briefstellerei  besonders  in  die  Breite  gingen.  Namentlich  Gallien 
hatte  einen  Überfluß  an  Rhetoren  und  war  auf  diesem  Gebiete  sehr 
fruchtbar.  Die  in  ihrer  Art  bedeutendsten  Vertreter  dieser  Rich- 
tung sind  Symmachus  und  Ausonius;  die  Panegyriker  erstrecken 
sich  von  der  Zeit  Diocletians  (Eumenius,  dann  Nazarius)  bis  in  die 
des  Iulian  (Claudius  Mamertinus)  und  Theodosius  I  (Drepanius  Pa- 
catus),  und  noch  aus  dem  sechsten  Jahrh.  haben  wir  des  Enno- 
dius  Lobrede  auf  Theoderich.  Gehaltreicher,  aber  in  der  Form  ver- 
wahrloster war  die  Art  der  afrikanischen  Rednerschule,  die  im 
dritten  und  vierten  Jahrh.  dem  Christentum  seine  geistvollsten  Ver- 
fechter geliefert  hat  (Tertullian,  Arnobius,  Cyprian,  Augustinus). 
Die  theoretische  Rhetorik  dieser  Jahrhunderte  beschäftigte  sich  da- 
mit, die  alten  Meister  auszuziehen  und  durch  Verwässerung  ihrer 
Zeit  mundgerecht  zu  machen. 

1.  Tac.  dial.  38  extr. :  (orationes)  mediis  divi  Augusti  temporibus  liabitae, 
postquam  longa  temporum  quies  et  continuum  populi  otium  et  assidua  sena- 
tus  tranquülüas  et  maxime  principis  disciplina  ipsam  quoque  eloquentiam, 
sicut  omnia,  pacaverat.  Damals  lehrte  zu  Rom  Rhetorik  (neben  den  einfluß- 
reichen Griechen  Theodoros  aus  Gadara  und  Caecilius  aus  Kaie  Akte)  auch 
der  römische  Ritter  Blandus  (§  268,  1).  Sen.  contr.  2,  praef.  5  ante  illum 
(Blandum)  intra  libertinos  praeceptores  pulcherrimae  disciplinae  continebantur 
et  . .  turpe  erat  docere  (gegen  Bezahlung)  und  lionestum  erat  discere.  Für  die 
gewachsene  Bedeutung  der  Rhetorik  ist  auch  dies  bezeichnend.  —  EAmiel, 
Hist.  de  l'eloquence  sous  les  Cesars,  Par.2  1882  II. 

2.  Tac.  dial.  14  extr.:  novi  rhetores,  veteres  oratores.  Dieser  novi  werden 
von  dem  älteren  Seneca  mindestens  100  genannt:  Geschriebenes  gab  es  von 
ihnen  wenig,  Sen,  contr.  1,  praef.  11.  Spätere  auch  bei  luv.  7,  143ff.  214. 
Nero  war  der  erste  Kaiser  der  julischcn  Dynastie,  der  alienae  facundiae 
bedurfte,  Tac.  A.  13,  3.  Die  Hauptredner  seiner  Zeit  charakterisiert  Quint. 
12,  10,  11  copiam  Senecae,  vires  Africani,  maturitatem  Afri,  iucunditatem 
Crispi,  sonum  Tracliali,  elegantiam  Secundi. 

3.  Lateinische  Schriftsteller  über  Rhetorik  aus  dem  ersten  Jahrh.  (außer 
Seneca  und  Quintilian):  Celsus,  Laenas,  Luranius  (?),  Stertinius,  Gallio,  Por- 
cius  Latro,  Cestius  Pius,  Plinius  der  Ältere,  Verginius,  Tutilius,  Vettius. 
Vgl.  Quintil.  3,  1,  19 — 21.  Quintilian  war  der  erste  von  Staats  wegen  (durch 
Vespasian)  angestellte  Lehrer  der  Beredsamkeit.  Schon  in  dieser  Zeit  luv. 
7,  147  accipiat  te  Gallia,  vel  potius  nutricula  causidicorum  Africa,  si  placuit 
mercedem  ponere  linguae.  Ein  Rufus  als  Cicero  Allobrox  ebd.  213.  Über 
Britannien  Tac.  Agr.  21  iam  vero  principum  filios  Uberalibus  artibus  erudire 
et  ingenia  Britannorum  studiis  Gallorum   anteferre,   ut   qui  modo   linguam 


90  Sachlicher  Teil 

Bomanam   abnuebant  eloquentiam  concupiscerent.   luv.  15,  111  Gallia  causi- 
dicos  docuit  facunda  Britannos. 

4.  Sen.  contr.  1,  praef.  6  ut  possitis  aestimare  in  quantum  cotidie  ingenia 
decrescant  et  .  .  eloquentia  se  retro  tulerit  . .  in  deterius  . .  data  res  est  sive 
luxu  temporum  . .  sive  cum  praemium  pulcherrimae  rei  cecidisset.  Wirklich 
lagen  die  causae  corruptae  eloquentiae,  die  Tacitus  (dial.)  und  Quintilian 
(vgl.  5,  12,  23.  6,  prooeni.  3.  8,  6,  76)  in  eigenen  Schriften  zu  ergründen 
suchten,  nicht  bloß  in  der  licentia  atque  inscitia  declamantium  (Quint.  2, 
10,  3),  sondern  diese  war  nur  ein  Anzeichen,  und  die  eigentlichen  Ursachen 
lagen  in  den  Zeitverhältnissen  (vgl.  Sen.  ep.  114):  denn  eloquentia  saeculo 
servit  (Lactant.  inst.  div.  5,  1).  Das  Publikum  war  nicht  besser  als  seine 
Redner  und  verlangte  immer  Neues  und  Pikantes;  Peteon.  sat.  3 f.  Tac. 
dial.  19.  Quint.  4,  1,  57.  72.  4,  5,  10.  4,  8,  1.  Ebenso  waren  die,  welche 
vividam  et  incorruptam  eloquentiam  tuendis  civibus  exercebant  (Tac.  A.  13,  42), 
die  gerichtlichen  Redner,  causidici  (Maetial.  2,  64),  nicht  anders  als  die 
Schulredner;  vielmehr  in  ipsa  capitis  aut  fortunarum  pericula  irrupit  volup- 
tas  (Quint.  4,  2,  122.  127.  4,  3,  2.  Sen.  controv.  9,  praef.  2.  Pees.  1,  83.  Mae- 
tial. 6,  19).  So  wurde  auch  das  Beifallklatschen  (sogar  durch  bezahlte 
Claqueurs)  von  der  Schule  (Qutnt.  2,  2,  9  ff.)  auf  das  Centumviralgericht  über- 
tragen (Plin.  ep.  2, 14,  4 ff.),  in  Gallien  später  auch  auf  die  Kirche  (Ap.  Sidon. 
ep.  9,  3).  Rohde,  Roman  311.  Hatch,  Griechentum  u.  Christent.  (Freib. 
1892)  78.  Für  das  juristisch  Technische  sahen  sich  die  meisten  dieser  Ge- 
richtsredner, in  Ermangelung  eigener  Kenntnisse,  auf  pragmatici  (Cic.  de 
or.  1,  253)  als  monitores  angewiesen,  Quint.  3,  6,  59.  12,  3,  2  ff.  luv.  7,  123. 
Feiedländee,  SG.  I8,  336.  —  Schwanken  zwischen  dem  Beruf  des  rhetor 
und  des  causidicus  Maet.  2,  64. 

5.  Der  Unterricht  des  rhetor  folgt  auf  den  des  grammaticus  (Suet. 
gvamm.  4).  Zum  Verfahren  in  den  Rhetorenschulen  vgl.  Köebee,  Rhetor 
Seneca  39.  Feiedländee,  Sittengesch.  48,  15.  Begonnen  wurde  mit  den  Pro- 
gymnasmata,  schriftlichen  Übungen  über  verschiedene  Gegenstände  und 
epideiktischen  Versuchen  (WReichel,  Quaest.  progymnasmaticae,  Lips.  1909. 
MHeinemann,  Diss.  Argent.  14);  dann  wurde  in  Übungsreden  ((isUrca,  decla- 
mationes)  aufgestiegen  zu  dem  genus  deliberativum  (av^ißovlEvTLKov)  oder 
den  suasoriae  und  von  da  zum  iudiciale  (Sl-kccvikov)  oder  den  controversiae. 
Die  letzteren  zerfielen  in  drei  Teile:  die  sententiae  (Ansichten  über  die 
Anwendung  des  Gesetzes  auf  den  Fall),  divisio  (Zerlegung  in  einzelne  Fra- 
gen, quaestiones)  und  colores  (Mittel  eine  strafbare  Handlung  zu  beschöni- 
gen). Quint.  10,  3,  21  obstant  fere  turba  discipulorum  et  consuetudo  classium 
certis  diebus  audiendarum,  nonnihil  etiam  persuasio  patrum  numerantium 
potius  declamationes  quam  aestimantium.    Vgl.  §  44,  9. 

6.  Plin.  ep.  2,  3,  5  schola  et  auditorium  et  ficta  causa  res  innoxia  est. 
Quint.  2,  10,  4  sint  et  ipsae  materiae  quae  ßngentur  quam  simillimae  veritati, 
et  declamatio  in  quantum  maxime  potest  imitetur  eas  actiones,  in  quarum 
exercitationem  reperta  est.  Peteon.  1  declamatores  . .  clamant:  haec  vulnera 
pro  libertate  publica  excepi  etc.  .  .  rerum  tumore  et  sententiarum  vanissimo 
strepitu  hoc  tantum  proficiunt,  ut  cum  in  forum  venerint  putent  se  in  alium 
orbem  terrarum  delatos.  et  ideo  ego  adulescentulos  existumo  in  scholis  stul- 
tissimos  fieri,  quia  nihil  ex  Ms  quae  in  usu  habemus  aut  audiunt  aut  vident, 


§  45.  Die  Rhetorik  der  Kaiserzeit  91 

sed  piratas  cum  catenis  in  litore  stantes,  sed  tyrannos  edicta  scribentes,  .  . 
sed  responsa  in  pestüentiam  data,  ut  virgines  tres  aut  plures  immolentur  etc. 
Tag.  dial.  35  tyrannicidorum  praemia  aut  vitiatarum  electiones  aut  pesti- 
lentiae  remedia  aut  incesta  matrum  aut  quidquid  in  schöla  quotidie  agitur, 
in  foro  vel  raro  vel  numquam,  ingentibus  verlris  persequuntur.  Vgl.  Quint. 
5,  12,  17  declamationes  . .  olim  iam  ab  illa  vera  imagine  orandi  recesserunt 
atque  ad  solam  compositae  voluptatem  nervis  carent.  Lukillos  Anth.  Pal. 
11,  141.  Auch  die  abdicati  gehörten  zu  diesen  unpraktischen  Aufgaben; 
vgl.  luv.  7,  168.  Quint.  2,  10,  5.  8,  3,  23.  Quint.  2,  10,  5  nennt  magos  et 
pestüentiam  et  responsa  (Orakelsprüche)  et  saeviores  tragicis  novercas  als  be- 
liebte Themen.  Über  das  Donnern  gegen  Tyrannen  auch  luv.  7,  151.  Be- 
liebte Geschichtsstoffe  waren  zB.  Sulla  (ebd.  1,  16),  Hannibal  (7,  161); 
Themen  aus  der  Literatur  besonders  aus  Vergil  und  Ovid  (namentlich  für 
Übungen  in  gebundener  Form).  Vgl.  A.  9.  Skizzen  und  Bearbeitungen 
solcher  Schulthemen  sind  erhalten  in  den  quintilianisehen  Deklamationen 
(§  325, 12)  und  in  denen  des  Calpurnius  FJaccus  (§  351,  5),  besonders  wichtig 
aber  ist  der  ältere  Seneca,  auch  des  Philostratos  vitae  sophistarum.  Rohde, 
Roman  337.  Überhaupt  muß  die  griechische  Sophistik  durchaus  zum  Ver- 
gleiche herangezogen  werden.  Der  Vortrag  ging  an  pathetischen  Stellen 
fast  in  Gesang  über  und  war  übertrieben  lebhaft  und  gebärdenreich,  Quint. 
2,  12,  9.  4,  2,  37.  39.  11,  3,  184.  Rohde,  Roman  312.  Sitte  des  Beifall- 
klatschens, s.  A.  4. 

7.  Aus  dem  dritten  Jahrh.  Lamprid.  Diad.  4,  2  solent  pueri  pileo  in- 
signiri  naturali  (f  Glückshaube'),  quod  obstetrices  rapiunt  et  advocatis  credu- 
lis  vendunt,  siquidem  causidici  hoc  iuvari  dicuntur.  Alex.  Sev.  35  oratores  et 
poetas  non  sibi  panegyricos  dicentes,  quod  .  .  stultum  ducebat,  sed  aut  ora- 
tiones  recitantes  aut  facta  veterum  canentes  libenter  audivit.  . .  ad  Aihenaeum 
audiendorum  et  Graecorum  et  Latinorum  rlietorum  vel  poetarum  causa  fre- 
quenter  processit.  audivit  etiam  forenses  oratores  causas  recitantes,  quas  vel 
apud  ipsum  vel  apud  praefectos  urbis  egerant.  ebd.  44,  4.  68,  1  (s.  §  375,  1). 
Vgl.  Capitol.  Maximin.  29  (iun.  3),  4  Messalam  ex  familia  nobili,  oratorem 
potentissimum  eundemque  doctissimum.  Des  jüngeren  Maximin  Lehrer  war 
orator  Titianus,  ebd.  27  (iun.  1),  5.  Unter  Gordian  III  Timesitheus  (§  375,  2) 
. . .  quem  causa  eloquentiae  dignum  parentela  sua  putavit  (Capit.  Gord.  23,  6) 
Numerianus  erhielt  vom  Senat  eine  Statue  mit  der  Inschrift:  Numeriano 
Gaesari,  oratori  temporibus  suis  potentissimo  (ebd.  11,  3).  Der  jüngere  Pos- 
tumus  war  nach  Trebell.  Poll.  XXX  tyr.  4,  2  ita  in  declamationibus  diser- 
tus,  ut  eius  controversiae  Quintiliano  dicantur  insertae. 

8.  Aus  dem  vierten  Jahrh.  die  Lehrer  des  Ausonius,  Ti.  Victor  Miner- 
vius,  dessen  Sohn  Alethius  Minervius,  dann  Latinus  Alcimus  Alethius, 
Lehrer  des  Kaisers  Julian,  Aemilius  Magnus  Arborius,  rhetor  Tolosae,  Auson. 
profess.  Burdig.  1.  6.  2.  16.  Stoffe  panegyrici  und  fictae  ludorum  (Schulen) 
Utes.  Auson.  aO.  1,  13  ff.  Symmach.  ep.  3,  5  mitto  decantatas  iudicialium  me- 
ditationum  fictiones  et  inania  simulacra  causarum.  Augustin.  confess.  5,  8,  14 
audiebam  quietius  (als  in  Karthago)  ibi  (in  Rom)  studere  adolescentes  et  ordi- 
natiore  disciplinae  coercitione  sedari,  ne  in  eius  scholam  quo  magistro  non 
utuntur  passim  et  proterve  irruant,  nee  eos  admitti  omnino  nisi  ille  permise- 
rit.    contra  apud  Carthaginem  foeda  est  et  intemperans  licenüa  scholasticorum- 


92  Sachlicher  Teil 

irrumpunt  impudenter  et  prope  furiosa  fronte  perturbant  ordinem,  quem  quis- 
que  discipulis  ad  proficiendum  instituerit.  multa  iniuriosa  faciunt  . .  et  pu- 
nienda  legibus,  nisi  consuetudo  patrona  sit.  Sievers,  Leben  d.  Libanios,  Berl. 
1868,  16. 

9.  Noch  im  sechsten  Jahrhundert  hat  Ennodius  (§  479)  in  seinen  Schul- 
reden dieselben  Stoffe,  zß.  in  novercam,  quae  cum  marito  privigni  odia  sua- 
dere  non  posset,  utrisque  veneria  porrexit;  in  eum  qui  praemii  nomine  Vesta- 
lis  virginis  nuptias  postulavit;  in  eum  qui  in  lupanari  statuam  Minervae  loca- 
vit;  und  als  ethicae  (tj&otioucci):  verba  Thetidis,  cum  Acliillem  videret  extinc- 
tum;  verba  Menelai  cum  Troiam  videret  exustam  udgl.  Solche  Stoffe  wurden 
auch  in  Versen  behandelt,  und  im  Grunde  gehören  schon  Ovids  Heroides 
hierher  (§  248,  3).  Aus  späterer  Zeit  zB.  verba  Achülis  in  parthenone  cum 
tubam  Diomedis  audisset,  AL.  198  PLM.  4,  322;  Erwägung  des  Augustus, 
ob  er  wirklich  die  Aeneis  verbrennen  solle  (AL  672  T'LM  4,  179);  von  Dra- 
contius  c.  4  (verba  Herculis,  cum  videret  Hydrae  capita  pullulare),  und  9 
(deliberativa  Achülis,  an  corpus  Hectoris  vendat). 

10.  Über  die  Sammlung  der  Panegyrici  s.  §  391,1;  vgl.  auch  §  483,2. 
Beste  Sammlung  der  späteren  rhetorischen  Schriften,  bis  auf  Baeda  herab: 
Rhetores  latini  minores  ed.  Halm,  Lps.  1863. 

46.  Briefe,  amtliche  wie  persönliche,  treten  bei  den  Römern 
frühzeitig  in  die  Literatur  ein;  diejenigen  bedeutender  Männer  wer- 
den auch  bald  gesammelt.  So  Briefe  des  älteren  Cato  an  seinen 
Sohn,  von  Cornelia  an  ihren  Sohn  C.  Gracchus,  später  von  Caesar, 
M.  Brutus,  und  besonders  der  Briefwechsel  des  Cicero,  auch  in 
seinem  jetzigen  Bestände  eine  reiche  Quelle  für  die  Zeitgeschichte. 
Selten  aber  sind  die  erhaltenen  Briefe  so  rein  vertrauliche  Ergüsse 
augenblicklicher  Stimmung  wie  die  Ciceros  an  Atticus;  gewöhnlich 
dienen  sie  einem  persönlichen  oder  politischen  Zwecke  und  sind 
von  Anfang  für  die  Veröffentlichung  geschrieben.  Außerdem  war 
der  Brief  seit  Aristoteles  und  Epikur  als  eine  bequeme  und  lockere 
Form  für  didaktische  Zwecke  viel  benutzt  worden.  Durch  das 
Hinzukommen  der  Rhetorik,  die  sich  auch  dieser  Gattung  längst 
bemächtigt  hatte,  entstehen  Essays  in  Briefform,  wie  die  des  Se- 
neca;  oder  es  wird  ein  beliebiger  Stoff  in  dieser  Einkleidung  zwang- 
los und  populär  behandelt.  Die  des  Plinius  sind  darauf  angelegt, 
in  bunter  Abwechslung  Fragen  und  Ereignisse  zu  besprechen  und 
Musterstücke  rhetorischer  Ekphrasis  zu  liefern.  Unter  dem  Ein- 
flüsse der  zweiten  Sophistik  bildet  sich  der  Brief  zu  einer  eigenen 
rhetorischen  Stilgattung  aus,  worin  der  Inhalt  oft  sehr  zurücktritt. 
Solcher  Art  sind  die  Briefe  des  Fronto,  Symmachus,  Sidonius,  im 
fünften  und  sechsten  Jahrh.  die  von  Salvianus,  Ruricius  und  En- 
nodius.  Einen  Teil  ihrer  seelsorgerischen  Wirksamkeit  bilden  die 


§  46.  Die  Briefliteratur  93 

Briefe  des  Cyprianus,  Lactantius,  Ambrosius,  Hieronymus,  Augu- 
stinus, Paulinus  von  Nola  u.  a.,  meist  von  salbungsreicher  Wort- 
fülle, oft  förmliche  dogmatische  Abhandlungen,  am  inhalt reichsten 
die  von  Hieronymus.  Geschäftlicher  Art  sind  auch  die  Cassiodors, 
zum  Teil  amtliche  Erlasse  über  weltliche  Gegenstände,  wie  die 
Papstbriefe  über  kirchliche.  Unter  letzteren  sind  die  von  Leo  und 
Gregor  dem  Großen  auch  literarisch  bedeutsam.  Die  in  solchen  Er- 
lassen erstrebte  stilistische  Rundung  führte,  als  der  byzantinische 
Geschmack  der  herrschende  war,  zu  endloser  Breite. 

1.  Wirkliche  Privatbriefe,  an  Vertraute  und  ohne  den  Gedanken  an  "Ver- 
öffentlichung geschrieben,  lassen  sich  in  bezug  auf  Inhalt  wie  Form  gehen. 
Cic.  Phil.  2,  7  quam  mulia  ioca  solent  esse  in  epistulis  quae,  prolata  si  sint, 
inepta  videantur!  quam  multa  seria  neque  tarnen  ullo  modo  divolganda!  (vgl. 
Plin.  ep.  6,  16,  22).  Cic.  fam.  9,  21,  1  quid  simile  habet  epistula  aut  iudicio 
aut  contioni?  . .  epistulas  quotidianis  verbis  texer e  solemus.  15,  21,  4  ego  illas 
Calvo  litteras  misi  non  plus  quam  has  quas  nunc  legis  existimans  exituras. 
aliter  enim  scribimus  quod  eos  solos  quibus  mittimus,  aliter  quod  multos  lec- 
turos  putamus.  2,  4,  1  scheidet  er  drei  Gattungen ,  unum  illud  (genus)  . . 
ut  certiores  faceremus  absentis  . . .  reliqua  sunt  epistularum  genera  duo  . . 
unum  familiäre  et  iocosum,  alter  um  severum  et  grave.  Gurlitt  JJ.  137,  864. 
Deissmann,  Bibelstudien  (Marb.  1895)  187.  Doch  ist  sorgfältige  Stilisierung 
und  daher  vorherige  Anfertigung  eines  Konzepts  die  Regel.  Peter  aO.  29. 
Vgl.  A.  9. 

2.  Briefe  mit  lehrhafter  Tendenz  und  persönlichem  Interesse  als  Aus- 
gangspunkt (wie  beim  poetischen  Briefe,  §  25)  die  von  Cato  an  seinen  Sohn 
und  der  des  T.  Livius  gleichfalls  an  seinen  Sohn.  Mit  politischer  Tendenz 
die  der  Cornelia.  Dagegen  war  die  Briefform  Nebensache  bei  dem  Schrei- 
ben des  älteren  Afrikanus  über  seine  Leistungen  an  König  Philipp  (§  56, 1), 
des  Scipio  Nasica  über  den  von  ihm  mitgemachten  Feldzug  gegen  Perseus 
(Plut.  Aemil.  Paul.  15),  auch  wohl  bei  dem  des  C.  Gracchus  an  M.  Pom- 
ponius  und  des  Q.  Catulus  an  A.  Furius.  Epistula  ad  instar  voluminis 
(Schol.  Bob.  zu  Cic.  Plane.  85,  p.  167,  23  St.)  von  Cicero  an  Pompeius.  Ähn- 
lich Q.  Cicero  de  petitione.    Peter  aO.  213. 

3.  Briefe  in  Geschichtswerken  bei  Antipater,  Quadrigarius ,  Macer  und 
besonders  Sallust,  sind  wohl  durchweg  frei  erfunden  und  ebenso  zu  beur- 
teilen wie  die  Reden.  Schnorr  v.  Carolsfeld  •(§  206,  4)  1.  Fronto  p.  126 
extant  epistulae  . .  in  serie  partim  scriptae  historiarum  vel  a  scripioribus  (?) 
compositae,  ut  illa  Thucydidi  (7,  11)  nobilissima  Niciae  ducis  epistula  ex 
Sicilia  missa,  item  apud  C.  Sallustium  ad  Arsacen  regem  Mithridatis  .  .  et 
Cn.  Pompei  ad  senatum  (§  205,  4)  . .  et  Adherbalis  apud  Cirtam  obsessi 
(lug.  24)  . .  breves  nee  ullam  rerum  gestarum  expeditionem  continentes.  latae 
autem  . .  extant  Catuli  litterae.  Auch  die  bei  den  scriptores  hist.  aug.  mit- 
geteilten Briefe  sind  ein  Erzeugnis  dieser  Autoren;  s.  Czwalina,  de  epistu- 
larum actorumque  quae  a  Script,  h.  a.  proferuntur  fide  et  auet.  P.  I.,  Bonn 
1870.  Vgl.  A.  7.  Peter  aO.  168.  Ähnlicher  Art  sind  Briefe  in  Romanen, 
wie  Petron  130;  schon  in  der  Komödie  (Plaut.  Pseud.  1,  1). 


94  Sachlicher  Teil 

4.  Häufig  ist  die  Briefform  bei  Schriften  von  Juristen,  wie  Antistius 
Labeo,  Ateius  Capito,  Proculus,  Neratius,  luventius,  Iavolenus,  Africamis; 
wohl  ausgehend  von  schriftlichen  Bescheiden  (responsa)  auf  Anfragen  über 
Gegenstände  des  Rechts  (§  48,  5).  Von  solchen  wurde  die  Sitte  dann  auch 
auf  andere  Gebiete  übertragen,  wie  auf  Geschichte  und  Grammatik,  später 
auf  Medizin.  Gellius  13,  18,  2  Erucius  Clarus  . .  ad  Sulpicium  Apollinarem 
scripsit,  . .  quaerere  sese  et  petere,  uti  sibi  rescriberet,  quaenam  esset  eorum 
verborum  (des  Cato)  sententia.    Vgl.  A.  5. 

5.  Gelehrte  Erörterungen  in  Briefform  in  Varros  Epistolae  und  Episto- 
licae  quaestiones,  in  Ciceros  Briefwechsel  zB.  mit  Brutus  und  Calvus  über 
Fragen  des  rednerischen  Stils  (§  210,  2),  bei  Valgius  Rufus,  Valerius  Mes- 
sala,  Sinnius  Capito,  Verrius  Flaccus,  Pomponius  Secundus,  M.  Valerius 
Probus,  Sulpicius  Apollinaris,  Lactantius. 

6.  Epistulae  medicinales,  teilweise  apokryphe  (zB.  Hippocratis  ad  Maece- 
natem),  finden  sich  in  Hss.  (wie  der  Brüsseler  3701  s.  X)  zusammengestellt, 
sowie  in  dem  Arzneibuche  des  Marcellus  (Empiricus).  Epistulae  Oribasii 
medici  ad  Eustathium  filium  suum,  ad  Eunapium  nepotem  suum. 

7.  In  den  Rhetorschulen  der  Kaiserzeit  war  das  Abfassen  von  Briefen 
eine  beliebte  Aufgabe;  es  gehörte  zu  den  Progymnasmata,  speziell  zu  den 
■jtQ06(07t07ioUca,  und  man  knüpfte  dabei  gern  an  berühmte  Namen  an.  Auf 
diesem  Wege  entstanden  viele  untergeschobene  Briefe,  wie  des  Horaz  epistola 
prosa  oratione  (s.  §  240,  2) ,  der  Brief  ad  Caesarem  senem  de  rep.  in  sallu- 
stischem  Stil  (s.  §  205,  5),  später  auch  die  Senecas  an  den  Apostel  Paulus 
(s.  §  289,  9).  Heinemann,  Diss.  Argent.  14,  18.  Keine  wirklichen  Briefe,  son- 
dern moralische  Paränesen,  die  sich  in  Wahrheit  nicht  an  den  Adressaten 
Lucilius,  sondern  an  ein  weiteres  Publikum  richten,  sind  Senecas  Briefe. 

8.  Apollin.  Sidon.  epist.  1,  1  (über  die  Sammlung  seiner  Briefe)  Q.  Sym- 
machi  rotunditatem ,  C.  Plinii  disciplinam  maturitatemque  vestiglis  prae- 
sumptuosis  insecturus.  nam  de  M.  Tullio  silere  nie  in  stilo  epistolari  melius 
puto,  quem  nee  Iulius  Titianus  totum  sub  nominibus  illustrium  feminarum 
digna  similitudine  expressit. 

9.  Quint.  9,  4,  19  est  .  .  oratio  alia  vineta  atque  contexta,  soluta  alia, 
qualis  in  sermone  et  epistulis,  nisi  cum  aliquid  supra  naturam  suam  traetant, 
ut  de  philosophia ,  rep.  similibusque.  Sen.  ep.  75,  1  qualis  sermo  meus  esset, 
si  una  sederemus  aut  ambularemus,  inlaboratus  et  facilis,  tales  esse  epistulas 
meas  volo,  quae  nihil  habent  accersitum  nee  fictum.  Plin.  ep.  7,  9,  8  epistulam 
diligentius  scribas.  nam  .  .  pressus  sermo  purusque  ex  epistulis  petitur. 
Symmach.  ep.  7,  9  ingeniorum  varietas  in  familiaribus  scriptis  neglegentiam 
quandam  debet  imitari.  Apoll.  Sidon.  ep.  7,  18  ita  mens  patet  in  libro  (Epp.) 
veluti  vultus  in  speculo.  dietavi  enim  quaepiam  hortando  etc.  8,  16  in  hoc 
stilo,  cui  non  urbanus  lepus  inest,  sed  pagana  simplicitas.  .  .  nos  opuscula 
sermone  edidimus  arido,  exili,  certe  maxima  ex  parte  vulgato.  Vgl.  ebd.  9,  3. 
Vorschriften  über  den  Briefstil  von  griechischen  Rhetoren  in  Heechers 
Epistolographi  graeci  (Paris  1873)  p.  1 — 16,  vgl.  Demetrii  tvtcol  £ni6xo'kw.o'i 
et  Libanii  iTH6xoXi\ialoi  %aQccat.  ed.  Weichert,  Lpz.  1910;  von  lateinischen 
in  Halms  Rhet.  lat.  447  f.  589.  Vgl.  Wölpflin,  Phil.  34,  139.  Radermacher, 
Demetr.  de  elocut.  109. 


§  46.  Die  Briefliteratur  95 

10.  Symmach.  ep.  2,  35,  2  olim  parentes  etiam  patriae  negotia,  quae  nunc 
angusta  vel  nulla  sunt,  in  familiäres  paginas  conferebant.  id  quia  versis  ad 
otium  rebus  omisimus,  captanda  sunt  nobis  plerumque  intemptata  scribendi 
semina,  quae  fastidium  tergeant  generalium  litterarum.  Je  kümmerlicher  aber 
der  Inhalt,  desto  pomphafter  war  seit  dem  vierten  christl.  Jahrh.  die  Form. 
Das  schon  den  alten  Römern  eigene  förmliche  Wesen  war  unter  dem  Ein- 
flüsse der  diokletianisch-konstantinischen  Beamtenhierarchie  ins  Schnörkel- 
hafte ausgeartet  und  tritt  uns  stark  ausgeprägt  schon  in  den  Briefen  des 
iSymmachus  entgegen.  Mit  einer  Sentenz  den  Brief  zu  eröffnen  wird  Regel. 
Die  einfache  Anrede  Tu  wird  ersetzt  und  verbrämt  durch  allerlei  zeremo- 
niöse  Wendungen.  Der  Kaiser  wird  von  Symmachus  mit  tua  (vestra)  aeter- 
nitas,  perennitas,  dementia,  ?nansuetudo,  serenitas,  tranquillitas,  maiestas  oder 
tuum  numen  angeredet,  für  andere  sind,  je  nach  ihrer  Rangstufe,  die  Titu- 
laturen tua  sanctitas,  religio,  reverentia,  praestantia,  celsitudo,  sublimitas, 
excellentia,  magnificentia,  laudabilitas,  eximietas  in  regelmäßigem  Gebrauche, 
und  die  ihm  nahestehenden  Nicomachi  filii  nennt  Symm.  wenigstens  tua 
(vestra)  unanimitas.  Ebenso  ist  das  Epitheton  sanctus  überaus  wohlfeil  (zB. 
Symm.  ep.  5,  16.  21.  31.  41).  Dazu  gibt  die  Bezeichnung  der  Bekannten, 
Freunde  und  Kollegen,  je  nach  ihrem  Altersverhältnisse,  als  parens,  frater 
oder  filius,  meist  in  Verbindung  mit  dominus  (zB.  dominus  et  filius  meus),  den 
Umgangsformen  etwas  Süßliches.  So  tituliert  Honorius  in  den  amtlichen 
Erlassen  den  Symm.:  Symmache  parens  carissime  (atque  amantissime) .  In 
den  Briefen  christlicher  Schriftsteller  kommt  dazu  noch  frater  in  Christo 
dilectissime  udgl.  In  ihnen  ist  gewöhnlich  Anfang  und  Schluß  sachlich  ge- 
halten, die  Mitte  aber  ein  überströmender  pastoraler  Erguß,  durchzogen  von 
zahlreichen  Bibelstellen. 

11.  Acht  ungedruckte  Briefe  von  Afrikanern  s.  VI  (bes.  Ferrandus)  bei 
Reifferscheid,  Anecd.  Casin.,  Bresl.  1871  (s.  §  494,  5). 

12.  Altere  Sammlungen  der  Papstbriefe  von  Carafa  (1591),  Holste- 
nius  (1662),  in  denen  der  Konzilienbeschlüsse,  Kanones,  Bullarien  (neuestes 
das  Turiner,  mit  Appendix  1867)  u.  a.  Beste  von  dem  Benediktiner  PCou- 
stant:  Epietolae  romanorum  pontificum  et  quae  ad  eos  scriptae  sunt  a  S. 
demente  usque  ad  Innocentium  III  quotquot  reperiri  potuerunt:  T.  1  ab  a. 
Chr.  67  ad  a.  440,  Paris  1721.  Fortgesetzt  (aber  nicht  veröffentlicht)  von 
von  SMopinot  und  UDuband.  Aus  deren  Papieren  rec.  et  ed.  (die  Briefe 
a.  S.  Hilario  ad  Pelagium  II)  AThiel;  Bd.  1,  Braunsb.  1868.  Löwenfeld, 
Epist.  pontif.  Rom.  ineditae,  Lpz.  1885.  Vgl.  auch  Maassen,  Gesch.  d.  Quellen 
d.  kanon.  Rechts  (Graz  1870)  1,  226. 

47.  Die  Novelle,  d.  h.  die  kurze,  oft  pikante  Erzählung  ist  als 
Unterhaltungsstoff  uralt,  als  literarische  Gattung  aber  jung;  in  die 
römische  Literatur  wurde  sie  durch  Sisennas  Übersetzung  der  Mile- 
siaca  des  Aristeides  eingeführt.  Dagegen  entwickelt  sich  der  aus- 
führliche Roman  erst  unter  dem  Einflüsse  anderer  Literaturgat- 
tungen, nimmt  aber  vielen  novellistischen  Stoff  in  sich  auf.  Er  er- 
scheint entweder  als  idealisierender  Liebesroman  oder  als  realisti- 
sche Sittenschilderung:  jener  ist  durch  die  Erzählung  von  Apollo- 


96  Sachlicher  Teil 

nius,  diese  durch  Petronius  und  Apuleius  vertreten.  Doch  zeigen 
gerade  diese  Werke ;  wie  weit  die  Kreuzung  der  Gattungen  vorge- 
schritten war  und  wie  viele  Einflüsse  bei  der  Entstehung  eines 
solchen  Gebildes  zusammenwirken.  Der  Roman  als  Ableger  des 
Epos  und  der  Geschichtschreibung ;  deren  Einwirkung  von  Anfang 
an  zu  spüren  war;  ist  durch  die  trojanischen  Erzählungen  des  Diktys 
und  Dares  und  die  Alexandergeschichte  des  Julius  Valerius  ver- 
treten. 

1.  Apul.  met.  4,  32  propter  Milesiae  conditorem.  Tert.  de  anima  23. 
Ygl.  §  370,  4.  Hieron.  c.  Sufin.  1,  17  (2,  473  Vall.):  quasi  non  cirratorum 
turba  Milesiaram  in  scholis  figmenta  decantet  et  testamentum  suis  (oben 
§  28,  3)  JBessorum  cachinno  membra  concutiat  atqui  inter  scurrarum  epulas 
nugae  istiusmodi  frequententur.  Comment.  in  Isai.  XII  in.  (4,  493  Vall.) 
multo  pars  maior  est  Milesius  fabellas  revolventium  quam  Piatonis  libros.  .  . 
testamentum  Grunnii  Corocottae  porcelli  decantant  in  scholis  puerorum  agmina 
cachinnantium.  Martian.  Cap.  2,  100  mythos  poeticae  diversitatis,  delicias 
Müesias  historiasque  mortalium  .  .  se  amissuram  .  .  formidabat  Schis sel  v. 
Fleschenberg-,  die  griech.  Novelle,  Halle  1913. 

2.  Die  Entwicklung  des  griechischen  Romans,  von  dem  der  römische 
nur  ein  Ableger  ist,  ist  von  Rohde,  der  griech.  Roman3,  Lpz.  1914,  nicht 
ganz  richtig  gezeichnet  worden.  Indem  er  den  Roman  des  Petronius  bei- 
seite schob  und  von  den  späteren  griechischen  Liebesromanen  ausging,  deren 
ältesten  —  den  der  Chariton  —  er  überdies  zu  spät  ansetzte,  kam  er  zu 
der  Ansicht,  daß  die  sophistisch  stilisierte  Liebeserzählung  in  Verbindung 
mit  der  Reisefabulistik  den  Roman  hervorgebracht  habe.  Dem  gegenüber 
wies  ESchwartz,  Fünf  Vortr.  üb.  den  griech.  Roman,  Berl.  1896,  auf  die 
romanhaften  Elemente  in  Epos  und  G-eschichtschreibung  hin  und  hob  zB. 
die  Bedeutung  der  Erzählung  des  Euemeros  für  die  Geschichte  des  Romans 
hervor.  Auch  wurde  in  dem  [von  Wilcken  Herrn.  28,  161  veröffentlichten 
Ninosroman  ein  Werk  bekannt,  das  sicher  aus  der  Zeit  vor  Chr.  stammt 
und  engere  Beziehungen  zur  Geschichtschreibung  aufweist  als  die  anderen 
Romane.  Ob  die  antike  Stiltheorie  diese  junge  Gattung  berücksichtigt  hat, 
ist  zweifelhaft;  zweifellos  aber,  daß  die  Schilderung  des  genus  narrationis, 
quod  a  causa  civili  remotum  est,  in  quo  tarnen  exerceri  convenit,  und  zwar 
der  Abart,  quod  in  personis  (nicht  in  negotiis)  positum  est,  ungefähr  auf  den 
Roman  zutrifft:  debet  habere  sermonis  festivitatem,  animorum  dissimilitudinem, 
gravitatem  levitatem,  spem  metum,  suspicionem  desiderium  dissimulationem, 
misericordiam,  rerum  varietates,  fortunae  commutationem ,  insperaeum  incom- 
modum,  subitam  laetitiam,  iucundum  exitum  rerum  (auct.  ad.  Her.  1,  13). 
Reitzenstein,  Hellenist.  Wundererzählungen ,  Lpz.  1908,  84.  Vgl.  §  36,  7. 
Über  Petron  vgl.  §  305,  3;  den  Versuch  von  Rosenblüth,  Beitr.  z.  Quellenk. 
von  Petrons  Sat. ,  Kiel  1909,  einen  starken  Einfluß  des  Mimos  in  diesem 
Roman  nachzuweisen,  kann  ich  nicht  für  gelungen  halten.  Vgl.  Abbott,  Cl. 
Ph.  6,  257. 

3.  Wunderbuch  des  Senators  L.  Manlius.  Reisebeschreibungen  von 
Trebius  Niger,  Sebosus  u.  a.,  später  von  Licinius  Mucianus. 


§  47.  Novelle  und  Roman.    §  48.  Die  Rechtswissenschaft  97 

4.  Das  volkstümliche  Märchen,  das  auch  den  Römern  nicht  fehlte,  wagt 
sich  in  die  Literatur  nicht  hinein.  Es  finden  sich  nur  spärliche  Anklänge 
daran.  Des  Apuleius  (met.  4,  28)  Erzählung  von  Cupido  und  Psyche  ist  die 
Umgestaltung  eines  griechischen  Volksmärchens  (s.  Friedländer,  Sittengesch. 
Roms  l8,  527),  wie  schon  der  Anfang  lehrt:  JErant  in  quadam  civitate  rex 
et  regina.  Anspielungen  auf  häufige  Wendungen  in  Märchen  bei  Persius 
2,  37.  38  und  im  Sprichwort,  zB.  Petron.  77  qui  fuit  rana,  nunc  est  rex 
und  38  cum  Incuboni  püleum  rapuisset,  thesaurum  invenit.  Crusius,  Verh. 
40.  Phil.-Vers.,  Lpz.  1890,  21.     Vgl.  MHaupt,  opusc.  3,  570. 

48.  Die  Rechtswissenschaft  ist  das  einzige  Gebiet  der  Lite- 
ratur, das  sich  bei  den  Römern  von  Anfang  an  auf  einer  rein  natio- 
nalen Grundlage  entwickelt  hat.  Der  unbeugsame  Sinn;  der  sich 
auf  sein  Recht  steift  und  nicht  davon  läßt,  war  den  Römern  immer 
eigen  und  für  das  Festwerden  eines  Rechtes  günstig;  ebenso  wie 
die  Eigenschaften  der  Verstandesschärfe,  des  praktischen  Geschickes 
und  des  Ordnungstriebes.  Sie  waren  eine  Folge  der  Notwendigkeit, 
in  den  unausgesetzten  Kämpfen  nach  außen  und  nach  innen  mit 
Berücksichtigung  der  schwierigen  Volksernährung  einen  festge- 
fügten Zusammenhang  der  Volksgenossen  als  Lebensbedingung  an- 
zusehen. Daraus  entstand  die  der  römischen  Rechtsverfassung 
eigentümliche  Vereinigung  von  Stetigkeit  und  Entwicklungsfähig- 
keit. Sehr  früh  gab  es  feste  Prozeßformeln,  ursprünglich  von  hei- 
ligem Charakter  und  im  Besitze  der  patrizischen  Pontifices,  wes- 
halb auch  ihre  Auslegung,  Anwendung  und  Weiterbildung  in  der 
Hand  der  Patrizier  lag.  Die  Geistlichkeit  hatte  vielleicht  schon  seit 
der  Gründung  Roms  auf  unblutige  Schlichtung  der  Streitigkeiten 
durch  Schiedsrichter  hingewirkt.  Sie  allein  besaß  die  erforderliche 
Bildung,  um  die  Grundlagen  eines  Schiedsspruchs  in  zweifellosen 
Worten  für  die  Beteiligten  festzustellen.  Diese  Feststellung  blieb 
zunächst  ihr  Vorrecht,  als  die  Staatsgewalt  die  Richterbestellung 
an  sich  riß.  Nachdem  aber  (nach  einem  vielleicht  sagenhaften 
Berichte  um  J.  304)  die  Klageformen  und  das  Verzeichnis  der  Ge- 
richtstage veröffentlicht  worden  waren,  wurde  das  Recht  allgemein 
zugänglich,  und  die  Rechtsbelehrung  fand  schon  frühe  Vertreter 
an  den  Plebejern  P.  Sempronius  Sophus  und  Tib.  Coruncanius.  Seit 
den  zwölf  Tafeln,  deren  Aufstellung  mit  Unrecht  angezweifelt  wor- 
den ist,  bestand  die  Rechtswissenschaft  nicht  mehr  bloß  in  der 
Aufstellung  von  Prozeßformularen  und  in  der  Prägung  allgemeiner 
der  Praxis  entnommenen  Gewohnheitssätze,  sondern  in  der  Ergän- 
zung des  Gesetzesinhalts  durch  die  dazu  gehörigen  Regeln  der 
Praxis  (interpretatio)  und  Streitformulare.    So  in  den  „tripertita" 

Teuffei:  röm.  Literaturgesch.   Neub.  6.  Aufl.  I.  7 


98  Sachlicher  Teil 

des  Sex.  Aelius  Catus  (um  J.  204).  Je  mannigfacher  sich  das 
Leben  gestaltete,  desto  wichtiger  wurde  die  Rechtskenntnis-,  und 
die  auctoritas  prudentium,  wie  sie  sich  in  Rechtsbescheiden  (responsa) 
und  in  der  Abfassung  von  Geschäftsformularen  aussprach,  wurde 
allmählich  zu  einer  förmlichen  Rechtsquelle.  Seit  Anfang  des  sie- 
benten Jahrhunderts  d.  St.  finden  wir  responsa  aufgezeichnet  und 
in  Sammlungen  veröffentlicht;  so  von  dem  Sohne  des  Cato  Censo- 
rius,  von  M.  Iunius  Brutus  und  P.  Mucius  Scaevola  (Cos.  133), 
während  M'.  Manilius  eine  Formularsammlung  herausgab.  In  der 
Mitte  des  siebenten  Jahrhunderts  d.  St.  wurde,  wohl  unter  dem 
Einflüsse  griechischer  Philosophen,  das  römische  Recht  schon 
systematisch  dargestellt  durch  Q.  Mucius  Scaevola  (pont.  max., 
Cos.  95),  der  namentlich  auf  Festigung  und  einheitliche  Verwen- 
dung der  juristischen  Berufssprache  hinwirkte.  Dessen  Schüler  war 
C.  Aquilius  Gallus,  und  durch  des  letzteren  Schüler,  Servius  Sulpi- 
cius  Rufus,  der  namentlich  auch  als  Rechtslehrer  wirkte,  wurde  die 
Systematisierung  des  Rechts,  zu  der  auch  Cicero  anregte,  wesent- 
lich gefördert.  Durch  sie  wurden  Gesetzesauslegung  und  Formel- 
bildung um  die  verschiedenen  Rechtsbegriffe  gruppiert  und  zu  einer 
einheitlichen  Darstellung  verschmolzen.  Daß  ursprünglich  die  Rechts- 
kenntnis überwiegend  auf  mündlichem  Wege  fortgepflanzt  worden 
war  und  in  manchen  Familien  (wie  den  Aelii,  Mucii,  Porcii,  Sul- 
picii,  später  den  Antistii)  sich  gleichsam  vererbte,  hatte  die  Juristen 
allmählich  zu  einem  eigenen  Berufsstande  vereint. 

1.  Quellen;  Pomponius  de  origine  iuris,  dig.  1,  2.  Weiterhin  überhaupt 
die  Digesten.  —  Corpus  iuris  anteiustinianei,  Bonn  1835 — 41.  GBruns,  fontes 
iuris  rom.  antiqui,  7Tübing.  1909  (cur.  Graden  witz).  EHuschke,  Iurispru- 
dentia  anteiustiniana,  6ed.  Seckel  etKuEBLER,  Lps.  1903.  1911.  Collectio  libro- 
rum  iuris  anteiustiniani,  ed.  Krüger,  Mommsen,  Studemund,  Berl.  1877  f.  III. 

2.  Rudorff,  röm.  Rechtsgeschichte,  Lpz.  1857.  59  II.  Karlowa,  römi- 
sche Rechtsgeschichte  1,  Lpz.  1885.  vJhering,  Geist  des  röm.  Rechts  auf  den 
verschiedenen  Stufen  seiner  Entwicklung,  Lpz.3  1873  —  77  III.  Mommsen, 
RG.  I6,  430.  468.  2,  457.  Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Privatrechts  bis  Justinian; 
bes.  1,  1,  Heidelb.  1826.  Rein,  das  Criminalr.  der  Röm.  bis  Justinian,  Eisen. 
1844.  Dirksen,  hinterlass.  Sehr.  z.  Krit.  u.  Ausleg.  d.  Quellen  d.  röm.  Rechts- 
gesch. ,  Lpz.  1871  II.  Sanio,  z.  Gesch.  d.  röm.  Rechtswissensch. ,  Königsb. 
1858  (s.  auch  §  166,  6d).  Esmarch,  Rom.  Rechtsgeschichte,  Göttingen  1855f„ 
1,  78  ff.  2,  265  ff.  Jörs,  Röm.  Rechtswissenschaft  zur  Zeit  der  Republik  1 
(bis  auf  die  Catonen)  1888.  Fitting,  Alter  und  Folge  der  Schriften  der 
röm.  Juristen  von  Hadrian  bis  Alexander,2  Halle  1908.  Krüger,  Gesch. 
d.  Quellen  u.  Lit.  d.  Röm.  Rechts,2  Leipzig  1912.  Kipp,  Gesch.  d.  Quellen  d. 
röm.  Rechts,3  Leipzig  1909.  Bruns-Lenel,  Geschichte  u.  Quellen  d.  röm.  Rechts 
in  vHoltzendorff-Kohlers  Enzyklopädie  der  Rechtswissenschaft7  (1894)  343  ff. 


§  48.  Die  Rechtswissenschaft  der  Republik  99 

RLeonhard,  Institutionen  d.  Rom.  R.,  Lpz.  1894.  Jörs,  Das  röm.  Recht,  in 
Birkmeyers  Enzyklopädie  der  R.  W.  1.  Aufl.,  FrLeonhard  ebenda  in  der  2., 
woselbst  weitere  Literatur  S.  79;  vgl.  ferner  Kuhlenbeck,  die  Entwicklungs- 
geschichte des  Römischen  Rechts  Bd.  1.  München  1910.  197  ff.  299  ff.  vMatr, 
röm.  Rechtsgeschichte  (Sammlung  Göschen)  Lpz.  1912. 

3.  Den  Griechen  fehlte  zur  Entwicklung  einer  einheitlichen  Rechts- 
wissenschaft der  politische  Mittelpunkt.  Cic.  de  or.  1,  198.  253.  Desto 
günstiger  lagen  die  Verhältnisse  bei  den  Römern;  vgl.  Jhering,  Geist  des 
röm.  Rechts]  1,  300.  Bei  ihnen  wurde  die  Rechtskenntnis  sogar  populär: 
vgl.  die  Sponsionsformeln  für  Viehhandel  bei  Cato  (RR.  144 — 150)  und 
Varro  (§  133,  1).  Vgl.  §  49,  1.  Je  nationaler  daher  ein  Dichter  ist,  um 
so  mehr  tritt  bei  ihm  das  römische  Recht  gegenüber  den  benützten  grie- 
chischen Vorbildern  hervor.  So  auch  bei  Plautus.  Aber  selbst  Terenz  (Eun. 
prol.  10)  glaubt  ein  Stück  des  Luscius  damit  abgetan,  daß  er  ihm  einen 
groben  Verstoß  gegen  den  Zivilprozeß  nachweist.  Vgl.  noch  die  Togaten- 
titel  Emancipatus,  Iurisperita  (auch  Ida  =  Icta?)  von  Titinius  und  Afranius. 
Daß  Geschäftsmänner  (wie  M'.  Curius,  Cic.  fam.  7,  29)  Rechtskunde  be- 
saßen, ist  ohnehin  selbstverständlich.  Über  einzelne  Frauen  der  späteren 
Zeit  vgl.  luv.  6,  244.  Zum  Einfluß  des  griechischen  Rechts  vgl.  Mitteis, 
Röm.  Privatr.  1,  16  ff. 

4.  Cic.  de  or.  1,  212  iuris  consultus  verc  nominaretur  .  . .  qui  legum  et 
consuetudinis  eius,  qua  privati  in  civitate  uterentur,  et  ad  respondendum  et 
ad  cavendum  peritus  esset,  off.  2,  65  in  iure  cavere,  consilio  iuvare  atque  hoc 
scientiae  genere  prodesse  quam  plurimis  vehementer  et  ad  opes  augendas  per- 
tinet  et  ad  gratiam.  itaque  . .  optime  constituti  iuris  civilis  summo  semper 
in  hbnore  fuit  cognitio  atque  interpretatio.  Liv.  39,  40  ad  summos  honores 
alios  scientia  iuris  ...  provexit.  Cic.  (Brut.  151;  vgl.  or.  141.  off.  2,  66) 
schreibt  dieser  Kunst  im  Verhältnis  zur  'Beredsamkeit  den  zweiten  Rang 
zu.  Je  nach  Bedürfnis  setzt  er  sie  auch  wohl  herunter;  vgl.  de  or.  1,  236. 
Mur.  25.  Zusammenhang  mit  dem  Pontifikat  (Cic.  leg.  2,  47).  Der  bekannte 
Censor  M.  Porcius  Cato  (§§  118 — 122)  war  auch  als  Jurist  bedeutend.  Seine 
Persönlichkeit  wird  auch  in  dieser  Hinsicht  näher  geschildert  von  Jörs, 
Röm.  Rechtsw.  267.  Sein  Sohn  (§  125,  6)  wird  sogar  als  „Schöpfer  einer 
neuen  Literaturgattung",  der  wissenschaftlichen  Regularjurisprudenz  ange- 
sehen. Jörs  a.  O.  310;  vgl.  überhaupt  daselbst  283  ff.,  vgl.  auch  Esmarch, 
röm.  Rechtsgeschichte  1,  85.   Krüger,  Gesch.  d.  Quellen  260. 

5.  Dem  consulere  der  Klienten  (consultores)  steht  das  {de  iure)  respon- 
dere  (Cic.  Brut.  113)  der  consulti  gegenüber,  das  entweder  zu  Hause  erfolgte 
(Cic.  de  or.  2,  226.  3,  133)  oder  indem  man  transverso  foro  ambulabat  (ebd. 
3,  133;  vgl.  ebd.  1,  246).  Cic.  Mur.  19  Servius  .  .  urbanam  militiam  respon- 
dendi  scribendi  cavendi,  plenam  sollicitudinis  ac  stomachi,  secutus  est;  .  . 
praesto  multis  fuit,  multorum  stultitiam  perpessus  est,  adrogantiam  pertulit, 
diffhcultatem  exsorbuit.  Indem  man  bei  diesen  Befragungen  Jüngere  als  Zu- 
hörer zuließ,  bildete  man  zugleich  Schüler:  so  schon  Coruncanius.  So  war 
Cicero  auditor  des  Augurs  Q.  Scaevola.  Dabei  gab  es  viel  (Formeln)  aus- 
wendig zu  lernen,  Cic.  de  or.  1,  246.  Über  Servius  Sulpicius  Rufus  vgl. 
Scheider,  Quaest.  de  Sulp.Rufo,  Lips.  1834.  Karlowa,  Rechtsg.  1,  483.  Krüger, 


100  Sachlicher  Teil 

Gesch.  der  Quellen  2  66.  71.  Kipp  s  102ff.  Jörs,  röm.  Rechtsw.  237,  2.  v.  Mayr, 
röm.  Rechtsg.  2,  1,  86;  vgl.  auch  Huschke,  jurispr.  antejust.  6  32. 

6.  An  Trebatius  schreibt  Cicero  (ep.  7,  19):  num  ius  civile  vestrum  ex 
libris  cognosci  potest?  qui  quamquam  plurimi  sunt,  doctorem  tarnen  usumque 
desiderant.  Dagegen  de  or.  1,  192  neque  ita  multis  litteris  aut  voluminibus 
magnis  continentur.  eadem  enirri[sunt  elata  primum  a  pluribus,  deinde  paucis 
verbis  commutatis  etiam  ab  eisdem  scriptoribus  scripta  sunt  saepius.  Noch 
stärker  (aber  im  Scherze)  Mur.  28  perpaucis  et  minime  obscuris  litteris  con- 
tinentur. itaque  si  mihi  homini  vehementer  occupato  stomachum  moveritis, 
triduo  me  iuris  consultum  profitebor. 

7.  Der  Schematismus  des  stoischen  Systems  konnte  bei  Juristen  nicht 
ohne  Einfluß  bleiben.  So  war  der  Augur  Q.  Scaevola  mit  Panaitios  befreun- 
det (Cic.  de  or.  1,  45),  und  der  Pontifex  Q.  Scaevola  verrät  stoischen  Einfluß 
in  seiner  Dreiteilung  der  Götterlehre  (Augustin.  civ.  d.  4,  27)  und  in  dem 
Buchtitel  "Oqov.  Späterhin  zeigte  sich  namentlich  in  der  Auffassung  des 
Naturrechts  (als  cpv6sv  dUcciov)  Einwirkung  des  Aristoteles  und  der  Stoiker. 
M Voigt,  das  ius  naturale  I,  Lpz.  1856.  Hildenbrand,  Rechts-  und  Staats- 
Philos.  1,  593.  Lafebriere,  l'influence  du  stoi'cisme  sur  la  doctrine  des  Juris- 
consultes  rom.,  Mem.  de  Tacad.  des  sciences  morales  10  (1860),  579.  Mit  dem 
Epikureismus  hält  die  Jurisprudenz  für  unvereinbar  Cic.  ep.  7,  12.  Über  den 
späteren  Einfluß  der  Philosophie  auf  das  röm.  R.  vgl.  PSokolowski,  die  Phi- 
losophie im  Privatrecht,  Halle  1902.  1907,  der  namentlich  den  Gegensatz  der 
Stoiker  und  der  Peripatetiker  in  seinem  Einflüsse  auf  die  Rechtswissenschaft 
betont. 

49.  Da  das  Hauptfeld  der  römischen  Jurisprudenz,  das  Zivil- 
recht, von  der  Beschaffenheit  des  Staatsoberhauptes  ziemlich  unab- 
hängig war,  so  brachte  der  Prinzipat  keine  Störung  in  die  Entwick- 
lung der  Rechtswissenschaft;  vielmehr  erforderte  die  monarchische 
Tätigkeit  um  so  dringender  technische  Ratgeber  und  Organe.  Die 
Zeit  des  Augustus  besaß  ausgezeichnete  Juristen  an  A.  CasceUius, 
C.  Trebatius  Testa,  auch  an  Q.  Tubero  und  Alfenus  Varus  (vgl.  unten 
§  207.  208).  Unter  ihm  entstanden  zwei  Rechtsschulen  und  damit 
die  Spaltung  der  Juristen  in  Sabinianer  und  Proculianer:  an  der 
Spitze  der  ersteren  stand  der  schmiegsame  C.  Ateius  Capito,  das 
Haupt  der  Proculianer  war  der  republikanisch  gesinnte  M.  Antistius 
Labeo.  Schon  August  verlieh  das  ius  respondendi,  welches  das  Recht 
in  sich  schloß,  unter  der  Autorität  des  Kaisers  Gutachten  zu  ertei- 
len, die  für  die  Richter  bindend  waren.  Dadurch  erlangten  die  In- 
haber dieses  Rechts  auch  für  ihre  Schriften  ein  solches  Ansehn,  daß 
man  diese  Werke  schließlich  wie  Gesetzbücher  ansah.  Unter  den 
folgenden  Kaisern  des  julischen  Hauses  blühten  die  Rechtsgelehrten 
Masurius  Sabinus,  M.  Coc^ftk^^ferJY^^^i®1,  un(^  Sohn,  C.  Cassius 
Longinus  und  Semprö^J«$^E2£&^  auch  in 

;hael*8 

LGE  ' 


§  49.  Die  Rechtswissenschaft  der  Kaiserzeit  101 

den  schlimmsten  Zeiten  ungestört  blieb  und  da  die  Juristen,  die 
den  Kaisern  unentbehrlich  waren,  die  höchsten  Stellen  im  Staate 
einnahmen,  so  erhielt  der  Stand  fortwährenden  Zufluß  an  begabten 
und  charaktervollen  Männern,  die  ihre  Wissenschaft  zu  einer  für 
Laien  unerreichbaren  Feinheit  ausbildeten  und  dem  Rechte  Ge- 
dankenreichtum und  Folgerichtigkeit  verliehen.  War  schon  unter 
den  Flaviern  (Caelius  Sabinus,  Pegasus,  Iuventius  Celsus  der  Vater), 
dann  unter  Nerva  und  Trajan  (Celsus  Sohn,  Neratius  Priscus,  Pris- 
cus  Iavolenus,  Titius  Aristo)  die  Zahl  bedeutender  Rechtsgelehrten 
und  Rechtslehrer  ansehnlich,  so  folgen  sich  vollends  seit  Hadrian, 
etwa  120  bis  230  n.  Chr.,  die  großen  Juristen  in  ununterbrochener 
Reihe:  Salvius  Iulianus,  L.  Volusius  Maecianus,  Sex.  Pomponius, 
L.  Ulpius  Marcellus,  Q.  Cervidius  Scaevola,  ganz  besonders  aber  die 
Koryphäen  und  Klassiker  der  Jurisprudenz:  Gaius,  Aemilius  Papi- 
nianus,  Iulius  Paullus,  Domitius  Ulpianus,  sowie  Herennius  Mode- 
stinus.  Solche  geistige  Größen  erhoben  die  Rechtswissenschaft  zu 
einer  solchen  Höhe,  daß,  damit  verglichen,  die  gesamte  juristische 
Tätigkeit  der  republikanischen  Zeit  als  bloße  Vorarbeit  erscheint, 
verliehen  ihren  Schriften  die  Klarheit,  ja  Schönheit  wissenschaft- 
licher Kunstwerke,  und  schufen  das  römische  Recht  aus  einem  na- 
tionalen Bürgerrechte  zu  einem  kosmopolitischen  Menschenrechte 
um,  in  dem  die  altrömischen  Besonderheiten  nahezu  abgestreift,  die 
Rechtsbegriffe  auf  den  klarsten  Ausdruck  gebracht  sind,  und  das, 
allenthalben  vom  Geiste  der  Humanität  durchweht,  zu  einem  Horte 
der  Bedrängten  geworden  ist.  Manches,  was  ursprünglich  rechts- 
widrig uud  hart  war,  wußten  sie  zu  mildern  oder  umzuwandeln  durch 
ihre  Auslegung,  die  freilich  zugleich  den  Worten  Gewalt  anzutun 
lehrte  und  die  althergebrachte  Sicherheit  des  Rechtes  gefährdete. 

In  der  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  n.  Chr.  erlischt  die  juri- 
stische Produktion  jählings,  wozu  neben  dem  despotischen  Regi- 
mente  der  Soldatenkaiser  und  der  unübersichtlich  gewordenen  Über- 
fülle der  mit  Autorität  für  die  Praxis  ausgestatteten  wissenschaft- 
lichen Schriften  auch  der  Umstand  beitrug,  daß  durch  Iulianus 
(unter  Hadrian)  das  prätorische  Edikt  in  eine  endgültige  Fassung 
gebracht  war,  die  durch  schriftstellerische  Anregungen  nicht  mehr 
geändert  werden  konnte.  Erst  im  vierten  Jahrhundert  beginnt  wieder 
die  literarische  Tätigkeit,  aber  jetzt  beschränkt  auf  Sammeln  von 
Rechtsquellen,  besonders  kaiserlichen  Verordnungen,  womit  schon 
am  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  Papirius  Iustus  begonnen  hatte. 
Unter  Diocletian  aber  entsteht  nun  der  codex  Gregorianus,  unter 


102  Sachlicher  Teil 

Constantin  folgen  die  Fragment a  Vaticana  und  der  codex  Herrn o- 
genianus.  Unter  Theodosius  II  und  Valentinian  III  wurde  dann  die 
Ordnung  des  römischen  Rechts,  wie  es  sich  auf  dem  Boden  des 
Christentums  in  der  Form  kaiserlicher  Erlasse  entwickelt  hatte, 
unternommen,  in  dem  codex  Theodosianus,  dem  im  J.  438  Gesetzes- 
kraft verliehen  wurde:  er  erhielt  von  448  bis  468  in  Novellae  des 
Theodosius  und  seiner  Nachfolger  Nachträge.  Den  Abschluß  machte 
die  durch  Justinian  angeordnete  und  hauptsächlich  von  Tribonianus 
ausgeführte  Sammlung  der  Rechtsquellen,  zuerst  (J.  529)  der  Codex 
Iustinianus,  dann  (533)  die  Institutionen  und  die  Digesta,  eine  Aus- 
wahl aus  den  Schriften  der  besten  Juristen  in  50  Büchern,  darauf 
(534)  eine  vermehrte  Auflage  des  Codex  (repetitae  praelectionis). 
Die  Novellae  constitutiones  Iustiniani  endlich  wurden  nach  dem 
Tode  Justinians  von  Privaten  zusammengestellt. 

1.  Populäre  Vorstellungen  von  der  Aufgabe  der  Juristen:  qui  iuris  nodos 
et  legum  aenigmata  solvit,  luv.  8,  58.  Iurisconsulti ,  quorum  summus  circa 
verborum  proprietatem  labor  est,  Quint.  5,  14,  34.  Die  Entwicklung  des  Kri- 
minalrechts blieb  weit  zurück  hinter  der  des  Privatrechts.  Auch  noch 
in  der  Kaiserzeit  war  ein  gewisses  Rechtsverständnis  im  Volke  lange  ver- 
breitet. S.  §  48,  3.  Apuleius  läßt  met.  9,  27  einen  Müller  sagen :  non  herci- 
scundae  familiae,  sed  communi  dividundo  formula  dimicabo  und  verwendet 
auch  im  Psychemärchen  (oben  §  47,  3)  nicht  wenig  Juristisches  in  Sprache 
und  Sachen  (zB.  met.  6,  8.  22.  23)  der  parodischen  Wirkung  wegen,  vgl. 
FNokden,  Apulejus  von  Madaura  und  das  röm.  Privatrecht,  Lpz.  1912.  Ander- 
seits finden  wir  auch  populäre  Sticheleien  auf  die  Tiftelei  (nimia  et  misera 
diligentia,  dig.  2,-  31,  88,  17)  der  Juristen,  wie  auf  den  Grabschriften:  huic 
monumento  dolus  malus  abesto  et  iurisconsultus  (oder  ius  civile),  CIL.  6, 
12133.  10525.  So  wird  CIL.  10,  4919  (Dess.  7750).  6,  8861  f.  ein  librarius 
gerühmt  qui  testamenta  scripsit  annos  XXV  sine  iuris  consulto.  Ein  panto- 
mimus  aus  der  Zeit  des  Tiberius  qui  primum  invenit  causidicos  imitari  (CIL. 
6,  4886  (Dess.  5225).  Auch  das  Testament  eines  Schweins  (§  28,  3)  gehört 
hierher,  obgleich  es  wohl  auch  aus  juristischen  Kreisen  stammt,  wie  auch 
die  etwa  gleichzeitige  scherzhafte  lex  convivalis  am  Querolus  (auch  gedruckt 
in  Büchelers  Petr.  p.  s239);  s.  Bücheler,  Bonner  ind.  schol.  1877,  10  (unten 
§  436,  9).  Vgl.  auch  §  140,  1  über  die  lex  Tappula. 

2.  Juristen  verfaßten  die  kaiserlichen  Verordnungen  (constitutiones). 
Capitol.  Ant.  Philos.  11,  10  habuit  secum  praefectos,  quorum  et  auctoritate  et 
periculo  semper  iura  dictavit.  usus  autem  est  Scaevola  praecipue  iuris  perito. 
Lamprid.  Alex.  Sev.  16,  1  neque  ullam  constitutionem  sacravit  sine  XX  iuris- 
peritis  et  doctissimis  ac  sapientibus  viris  isdemque  disertissimis  non  minus  L. 
Dieser  Apparat  war  aber  nicht  gewöhnlich.  Ihre  amtliche  Stellung  brachte 
die  Juristen  zuweilen  in  den  Geruch,  daß  sie  vorzugsweise  das  Interesse  der 
kaiserlichen  Kasse  im  Auge  hätten  (luv.  4,  53  ff.);  doch  waren  manche  der 
ausgezeichnetsten  unter  ihnen,  ein  Labeo,  Cassius  (Tac.  A.  14,  43),  Papinian 
(Spartian.  Carac.  8),  von  Servilismus  weit  entfernt. 


§  49.  Die  Rechtswissenschaft  des  Kaiserzeit  103 

3.  Quintilian  (12,  3)  verficht  ausdrücklich  die  Notwendigkeit  der  Rechts- 
kenntnis für  die  Redner  und  tröstet  (ebd.  6  vgl.  9)  diese:  das  Recht  sei  non 
tarn  arduum  quam  procul  intuentibus  fortasse  videatur,  wendet  sich  jedoch 
(ebd.  11)  auch  gegen  die  Juristen,  welche  die  Beredsamkeit  verschmähen 
und  se  ad  album  ac  rubricas  transtulerunt  et  formularii  vel  .  .  leguleii  esse 
maluerunt.  In  der  Regel  verstanden  die  Redner  vom  Rechte,  das  sich  zu 
ihren  Phrasen  so  spröde  verhielt,  gar  nichts  (vgl.  §  45,  4);  ja  sie  glaubten 
in  ihrem  Dünkel  sogar  sich  darüber  lustig  machen  zu  können  (Tac.  dial.  32. 
Apoll.  Sidon.  ep.  8,  16).  Gegensatz  von  causidici  und  iurisconsulti  schon  bei 
Seneca  apocol.  12.  In  einem  gewissen  Zusammenhang  aber  wurden  Rechts- 
kenntnis und  Beredsamkeit  doch  fortwährend  gedacht;  vgl.  Lamprid.  Alex. 
Sev.  16,  2  si  de  iure  aut  de  negotiis  tractabat,  solos  doctos  et  disertos  adhibe- 
bat.    Norden  a.  0.  (A.  1). 

4.  Die  allgemeine  Unkenntnis  der  Kaiserzeit  über  die  Zustände  der  Re- 
publik (vgl.  §  39,  1)  betraf  auch  deren  Juristen.  Die  iuris  auctores  der  Re- 
publik wurden  bald  als  veteres  bezeichnet  und  vergessen.  Celsus  ist  der 
letzte,  der  noch  einzelne  Schriften  der  veteres  vor  Q.  Mucius  Scaevola  be- 
nutzt zu  haben  scheint.  Auch  die  Schriften  der  veteres  nach  Q.  Scaevola 
sind  wahrscheinlich  schon  von  Pomponius  und  dessen  Zeitgenossen  nicht 
mehr  im  Original  benutzt  worden,  und  Pomponius  begeht  daher  in  seiner 
Übersicht  über  die  ältere  Zeit  verschiedene  Fehler. 

5.  Pompon.  dig.  1,  2,  2,  47  hi  duo  (Labeo  und  Capito)  primum  veluti  di- 
versas  sectas  fecerunt;  nam  Ateius  Capito  in  his  quae  ei  tradita  fuerant  per- 
severabat,  Labeo  ingenii  qualitate  et  fiducia  doctrinae,  qui  et  ceteris  operis  sa- 
pientiae  operam  dederat,  plurima  innovare  instituit.  Wenn  hiernach  Labeo 
als  Rationalist,  Capito  als  Positivist  sich  bezeichnen  läßt,  so  hebt  Rudorff 
(Rom.  Rechtsgesch.  1,  182)  daneben  hervor,  daß  die  Sabinianer  der  neuen 
Staatsordnung  zugeneigt  waren,  die  Proculianer  den  älteren  Grundlagen  des 
Rechts,  und  daß  dieser  Gegensatz  seine  Bedeutung  verlor,  nachdem  Hadrian 
durch  Iulianus  das  geltende  Recht  hatte  kodifizieren  lassen.  Vgl.  Bremer, 
die  Rechtslehrer  (1868)  68.  Kuntze,  Inst,  und  Gesch.  des  röm.  Rechts  267. 
MVoigt,  das  Aelius-  und  Sabinussystem,  Lpz.  1875  (Abh.  sächs.  Ges.  XVII) 
Näheres  über  den  Gegensatz  der  beiden  Schulen  s.  unten  §  265,  5. 

6.  In  der  juristischen  Literatur  des  zweiten  und  dritten  christl.  Jahr- 
hunderts finden  wir  neben  Monographien  zwei  Hauptarten:  Lehrbücher  (ein- 
schließlich der  Kommentare)  und  Gutachten  (responsa).  Letztere  geben 
durchaus  nur  die  Meinung  des  Begutachtenden,  die  Lehrschriften  aber  nicht 
nur  die  ihres  Verfassers,  sondern  auch  der  älteren  Rechtsgelehrten,  sowie 
die  betr.  kaiserlichen  Erlasse,  und  erstreben  darin  eine  gewisse  Vollständig- 
keit. Äußerlich  lehnen  sie  sich  meist  an  bestimmte  Texte  an,  seien  es  Ge- 
setze oder  ältere  Lehrbücher.  Daher  die  Häufigkeit  der  Titel  Ad  edictum, 
Ad  legem  Iuliam ,  sowie  Ad  Q.  Mucium,  Ad  Vitellium,  Ad  Plautium  oder 
die  Anführung  Apud  Labeonem;  zB.  Cassius  apud  Urseium  scribit  besagt1 
Cassius  in  seiner  Bearbeitung  des  Werkes  von  Urseius ;  Marcellus  apud  Iu- 
lianum  notat  =  macht  zu  Julian  (dig.)  die  Anmerkung.  So  schrieb  Paulus 
Notae  ad  Papinianum,  Ulpian  ad  Marcellum.  Ex  Plautio,  ex  Cassio  be- 
zeichnet Exzerpte  aus  diesen.    Näheres  vgl.  unten  §  376.  377. 

7.  Die  Mitte  zwischen  Lehrbüchern  und  Gutachten  halten  die   Quae- 


104  Sachlicher  Teil 

stiones,  hervorgegangen  aus  Fragen,  teils  über  wissenschaftliche  Bedenken 
teils  über  praktische  Rechtsfälle,  die  an  den  Fragenden  gelangt  waren. 
Diese  Literatur  erstreckte  sich  auf  das  gesamte  Zivilrecht.  Zu  ihr  gehörten 
schon  Labeos  Posteriora.  Mommsen,  Sehr.  2,  18. 

8.  Ein  häufiger  Buchtitel  ist  auch  Digesta,  zB.  von  Alfenus  Varus, 
Iuventius  Celsus,  Salvius  Iulianus,  Ulpius  Marcellus,  Cervidius  Scaevola.  Er 
bedeutet  die  systematische  Zusammenstellung  der  sämtlichen  rechtswissen- 
schaftlichen Arbeiten  eines  B/echtsgelehrten  oder  eines  Kreises  von  solchen, 
sei  es  daß  sie  von  ihm  selbst  oder  von  einem  späteren  herrührt.  Die  ur- 
sprüngliche Ordnung  wird  dabei  aufgelöst  zu  Gunsten  der  neuen  systema- 
tischen. Mommsen,  Sehr.  2,  7.  90.  Dazu  vgl.  HPernice,  Miscell.  z.  Rechtsgesch. 
u.  Textkrit.  1  (Prag  1870),  1.  Jörs,  Digesta,  PW.  5,  484  (wo  S.  543  Literatur 
genannt  ist).  —  Umfang  der  juristischen  Literatur:  das  Quellen  Verzeichnis 
zu  Justinians  Digesten  umfaßt  1539  Bücher  mit  3  Millionen  Zeilen  (vgl. 
constit.  Jtdcoxsv  1),  vgl.  Jörs  a.  0. 

9.  Der  Rechtsunterricht  blieb  noch  längere  Zeit  unentgeltlich  oder  doch 
ohne  rechtlichen  Anspruch  auf  Bezahlung;  s.  Ulp.  dig.  50,  13,  1,  5.  Ein  her- 
vorragendes Lehrbuch  des  Rechts  waren  die  Institutiones  (=  Einführung  in 
das  Rechtsstudium)  des  Gajus,  s.  §  361.  Es  wurde  die  Grundlage  der  Insti- 
tutionen Justinians,  vgl.  §  488,  8.  Nach  ihm  verfaßten  Inst,  auch  Callistratue, 
Ulpianus;  kürzere  Paulus,  ausführlichere  Florentinus  und  Marcianus.  PBremer, 
die  Rechtslehrer  und  Rechtsschulen  im  röm.  Kaiserreich,  Berl.  1868.  Dern- 
burg,  d.  Instit.  des  Gaius  (1869)  3.  —  Einen  M.  Picarius  Turranianus  erwähnt 
als  magister  iuris  eine  afrikanische  Inschr.  CIL.  8,  12418  (Dess.  7748)  vgl.  6, 
1602.  Iuris  Studiosi  öfters  auf  Inschr.  CIL.  3,  2936.  8, 18348.  10,  569.  12,  3339. 
Sogar  ein  studens  ohne  weitere  Bezeichnung  CIL.  8,  12152.  Iuris  consulti  zB. 
CIL.  8,  7059  ff.  10490. 

10.  Vom  vierten  Jahrh.  an  betätigt  sich  die  Rechtskenntnis  im  Leben 
einzig  in  dem  Berufe  des  Anwalts  und  fällt  mit  der  Beredsamkeit  zusammen, 
Bei  dem  Astrologen  und  ehemaligen  Anwalt  Firmicus  werden  unter  den 
zahlreichen  Berufsarten,  die  er  erwähnt,  Rechtsgelehrte  niemals  genannt, 
wohl  aber  zB.  8,  26,  13:  advocati  optimi  et  amici  regum.  Auch  im  kaiser- 
lichen Kabinett  sind  nach  ihm  nicht  sowohl  Juristen  verwendet  als  Stilisten; 
s.  zB.  8,  27,  3  interpretes  regum  vel  magistri,  scribae  sacrarum  (kaiserliche) 
litterarum  traetantes  officia.  30,  4  litterarum  officia  traetantes;  erunt  scribae 
regii,  noti  regibus.  Doch  ist  zu  beachten,  daß  Firmicus  infolge  des  An- 
schlusses an  seine  griechischen  Quellen  hellenistische  Zustände  schildert 
(§  406,  3).  Vgl.  Mamertin.  grat.  act.  20,  1  iuris  civilis  scientia,  quae  Manlios 
Scaevolas  Servios  in  amplissimum  gradum  dignitatis  evexerat,  libertinorum 
artificium  dicebatur  (von  den  Vornehmen  des  byzantinischen  Hofes).  Dagegen 
von  Julian:  qui  in  oratoria  facultate,  qui  in  scientia  iuris  civilis  excellit, 
ultro  ad  familiaritatem  vocatur  (ebd.  25,  3).  Ammian.  30,  4,  11  (J.  374)  seeun- 
dum  est  genus  eorum  qui  iuris  professi  scientiam,  .  .  ut  dltius  videantur  iura 
callere,  Trebatium  loquuntur  et  Cascellium  etc.  ebd.  16  (von  den  Rechtsan- 
wälten) e  quibus  ita  sunt  rüdes  nonnulli,  ut  numquam  se  Codices  habuisse 
meminerint.  et  si  in  circulo  doctorum  auctoris  veteris  ineiderit  nomen,  piscis 
aut  edulii  peregrinum  esse  vocabulum  arbitrantur. 

11.  FHommel,  Palingenesia  librorum  iuris  veterum,  sive  Pandectarum 


§  50.  Die  Philosophie  105 

loca  integra  . .  .  exposita  et  ab  exemplari  Taurellii  Florentino  accuratissime 
descripta,  Lps.  1767  f.  III  überholt  durch  OLenel,  Palingenesia  iuris  civilis, 
Leipz.  1889.  HFitting,  d.  Alter  d.  Schriften  röm.  Juristen  von  Hadr.  bis  Alex. 
Sev.  2,  Halle  1908.  —  Über  die  Sprache  der  Juristen:  EDikksen,  manuale 
latinitatis  fönt.  iur.  civ.  rom.,  Berl.  1837  und  desselben  kl.  Sehr.  (§  48,  2). 
WKalb,  das  Juristenlatein,  Versuch  einer  Charakteristik  auf  Grund  d.  Di- 
gesten, Nürnb.  1886.  Vgl.  überhaupt  über  den  Inhalt  dieses  §,  insoweit  er 
die  Kaiserzeit  betrifft,  §  265.  281.  298.  316.  342.  350.  360.  361.  369.  371.  372. 
376—378.  393.  404.  461.  462.  488. 

50.  Für  die  Philosophie  hatten  die  Römer  wenig  natürliche 
Anlage:  das  Spekulieren  erschien  ihrem  rein  praktischen  Sinne  als 
Müßiggang.  Alle  Philosophie  kam  ihnen  nur  durch  die  Griechen 
zu,  und  zwar  in  einer  Zeit,  als  in  Hellas  selbst  an  die  Stelle  der 
großen  Meister  Epigonen  getreten  waren,  die  sich  auf  Wiederholung 
und  schulmäßiges  Weiterspinnen  eines  verhältnismäßig  kleinen  Krei- 
ses von  Gedanken  beschränkten.  Der  erste  Vermittler  der  griechi- 
schen Philosophie,  Q.  Ennius,  griff  sogar  (um  von  dem  Epicharmus 
abzusehen)  nach  einem  bedenklichen  Erzeugnis  religiöser  Aufklä- 
rung, der  Schrift  des  Euhemeros,  und  noch  bei  Pacuvius  und  L.  Ac- 
cius  klingt  dieser  Ton  nach.  Die  Unvereinbarkeit  solcher  Lehren 
mit  der  bestehenden  Sitte  und  Religion  veranlaßte  J.  173  die  Aus- 
weisung der  Epikureer  Alkaios  und  Philiskos,  J.  161  das  SC.  de 
philosophis  et  rhetoribus  (uti  Romae  ne  essent),  J.  155  die  mög- 
lichst baldige  Entfernung  der  aus  Athen  gekommenen  Gesandt- 
schaft, bestehend  aus  dem  Akademiker  Karneades,  dem  Stoiker  Dio- 
genes und  dem  Peripatetiker  Kritolaos,  von  denen  besonders  der 
erstere  durch  seine  beredte  und  scharfsinnige  Dialektik  auf  die 
Jugend  tiefen  Eindruck  machte.  Bald  darauf  fand  der  weitsichtige 
und  weltkluge  Stoiker  Panaitios  bei  Scipio  Aufnahme,  und  durch 
ihn  wie  seinen  Schüler  Poseidonios  wurde  der  gemilderte  Stoizismus 
unter  den  Römern  verbreitet.  Seine  Anhänger  waren  der  jüngere 
Laelius,  Q.  Aelius  Tubero,  C.  Fannius,  Sp.  Mummius,  C.  Blossius, 
P.  Rutilius  Rufus,  Valerius  Soranus,  L.  Aelius  Stilo,  ferner  die  Ju- 
risten Q.  Mucius  Scaevola  (der  Augur  wie  der  Pontifex),  L.  Lucilius 
Baibus,  Sex.  Pompeius  und  Ser.  Sulpicius  Rufus,  sowie  zuletzt  der 
jüngere  Cato  und  als  Schriftsteller  Stertinius.  Andere  Römer  wur- 
den durch  den  Griechen,  dem  sie  in  die  Hände  gerieten,  für  andere 
Systeme  gewonnen;  namentlich  die  neue  Akademie  fand  durch  ihren 
bequemen  und  praktisch  verwendbaren  Skeptizismus  mannigfachen 
Anhang,  wie  C.  Aurelius  Cotta  (Cos.  75),  L.  Lucullus,  L.  Tubero.  Zu 
den  Peripatetikern  neigten  sich  M.  Piso  (Cos.  61)  und  M.  Licinius 


106  Sachlicher  Teil 

Crassus  (Cos.  70).  Den  Epikureismus  empfahl  seine  Faßlichkeit  und 
Selbstgenügsamkeit  sowie  die  ehrliche  Begeisterung  seiner  Vertreter 
namentlich  solchen  Naturen,  die  sich  aus  dem  politischen  Getriebe 
gern  in  behagliche  Muße  zurückzogen,  wie  in  der  Zeit  des  Cicero 
dem  Atticus,  Papirius  Paetus  und  M.  Marius,  außerdem  Pansa.  Eben 
darum  fand  dieses  System  auch  am  frühesten  literarische  Vertre- 
tung in  lateinischer  Sprache,  nämlich  durch  Rabirius,  Catius  und 
Amafinius,  besonders  aber  durch  Lucretius.  Außerdem  waren  Be- 
kenner  des  Epikureismus  C.  Velleius,  L.  Saufeius,  L.  Manlius  Tor- 
quatus  (Prätor  48),  Statilius,  P.  Volumrnus,  einigermaßen  auch 
C.  Cassius.  Ein  mit  allerlei  abergläubischen  Bestandteilen  durch- 
setzter Pythagoreismus  fand  einen  Apostel  an  Nigidius  Figulus  und 
Gläubige  wie  P.  Vatinius. 

Zahlreicher  waren  solche,  die  nach  dem  Beispiele  der  angesehen- 
sten griechischen  Philosophen  dieser  Zeit,  wie  des  Antiochos  aus 
Askalon,  mehrere  Systeme  zu  verbinden  wußten;  wie  denn  der  Poly- 
histor Varro  in  der  Dialektik,  Theologie  und  Naturphilosophie  zur 
Stoa  hielt,  in  der  Ethik  aber  zur  Akademie,  und  M.  Brutus  umge- 
kehrt in  der  Ethik  Stoiker,  sonst  aber  Akademiker  war.  Besonders 
aber  ist  der  Eklektizismus  vertreten  durch  die  zahlreichen  philoso- 
phischen Schriften  des  Cicero.  Vorschub  leistete,  dieser  Richtung 
die  einseitige  Betonung  der  Ethik  und  das  Streben  nach  dem  Glück 
des  Einzelnen,  das  die  hellenistische  Philosophie  beherrscht.  Es 
kommt  am  reinsten  in  der  Popularphilosophie  zum  Ausdruck,  die 
es  auf  eine  energische  Propaganda  anlegt  und,  um  möglichst  weite 
Kreise  für  ihre  Heilslehre  zu  gewinnen,  unter  Übergehung  aller 
knifflichen  theoretischen  Spekulation  die  leicht  faßlichen,  für  das 
praktische  Leben  wichtigen  Lehren  in  den  Vordergrund  stellt.  Die- 
sem Zwecke  diente  auch  die  drastische,  kein  irgendwie  wirksames 
Mittel  verschmähende  Form  der  populär-philosophischen  Schriften. 
Man  pflegt  diese  Literaturgattung  nicht  ganz  zutreffend  kynische 
Diatribe  zu  nennen,  doch  ist  in  ihr  fast  überall  ein  Einschlag  ky- 
nischer  Gedanken  vorhanden.  Am  reinsten  vertritt  diese  Gattung 
Varro  in  seinen  Saturae  Menippeae,  doch  wirkt  sie  auch  in  Horaz' 
Satiren,  Senecas  Briefen  u.  a. 

1.  Übersicht  bei  Cicero,  Tusc.  4, 1 — 7;  vgl.  de  or.  2,  154  f.  Acad.  pr.  2,  5. 
Quint.  10,  1,  123  f.  —  Hepke,  de  philos.  qui  Romae  docuerunt  usque  ad  An- 
toninos,  Berl.  1842.  EZeller,  Religion  u.  Philosophie  b.  d.  Rom  .,  Vorträge  u 
Abh.  2  (Lpz.  1877),  93;  bes.  106.  Mommsen,  RG.  26,  410.  36,  570.  Auch  AStahr, 
Aristot.  bei  d.  Rom.,  Lpz.  1834.  Friedländer,  Sittengesch.  48,  283.  VArnold, 
Roman  Stoicism,  Cambr.  1911. 


§  50.  Die  Philosophie  der  Republik  107 

2.  Die  Neigung  der  Römer  zum  Reflektieren  bezeugen  des  Appius  Caecus 
Lehrgedicht  (§  90,  5),  des  Cato  praecepta  ad  filium  (§  121,  2),  der  Sentenzen- 
reichtum der  Mimen  (§  8,  6.  212,  4)  nur  mangelhaft,  da  mit  griechischem  Ur- 
sprünge gerechnet  werden  muß.  Dasselbe  gilt  von  philosophisch  klingenden 
Reflexionen  im  Drama,  die  damals  in  der  Luft  lagen  (BSchlesingek,  Philos. 
Einflüsse  bei  d.  röm.  Dramendichtern,  Bonn  1910).  Auch  die  fatalistische 
Färbung  der  Lebensweisheit,  wie  bei  Scipio  Africanus  Cic.  off.  1,  90  und  in 
der  von  Liv.  45,  8,  6  dem  L.  Paullus  in  den  Mund  gelegten  Äußerung  ent- 
spricht hellenistischer  Anschauung,  die  auch  im  Roman  und  in  der  Ge- 
schichtschreibung  zum  Ausdruck  kommt  (Rohde,  Roman  276).  Des  Ennius 
Wort:  philosophari  est  mihi  necesse,  at  paücis,  nam  omnino  haud  placet  (Sc. 
376)  ist  zwar  aus  dem  Original  übersetzt,  aber  auch  für  römische  An- 
schauung bezeichnend.  Die  im  J.  181  ausgegrabenen  angeblichen  Bücher  des 
Numa,  mit  scripta  philosophiae  Pythagoricae,  wurden  verbrannt,  quia  philo- 
sophine scripta  essent,  Plin.  NH.  13,  86.  Der  ältere  Cato  war  olcog  cpikoöotpia 
7iQo6KEXQovyt<bs  (Plut.  Cat.  mai.  23).  Cicero  rechtfertigt  seine  philosophische 
Schriftstellerei  fast  in  jeder  seiner  einschlägigen  Schriften,  s.  bes.  off.  2,  2 ff. 
Noch  Tacitus  läßt  seinen  Agricola  (Agr.  4)  sagen:  se  prima  in  iuventa  Stu- 
dium philosophiae  acrius,  ultra  quam  concessum  Romano  ac  senatori,  hau- 
sisse,  und  Gellius  (5,  16,  6)  meint;  degustandum  ex  philosophia,  non  in  tarn 
ingurgitandum. 

3.  Was  die  Römer  von  der  Philosophie  verlangten,  war  Bildung  des 
Charakters,  Belehrung  über  die  sittlichen  Aufgaben  des  Menschen,  über  die 
Güter,  durch  deren  Besitz  seine  Glückseligkeit  bedingt  ist,  und  über  die 
Mittel  sie  zu  erlangen  (Zeller,  Vortr.  2,  160).  So  gab  Varro  als  causa  philo- 
sophandi  an,  daß  der  Mensch  dadurch  bonus  et  beatus  werde,  und  Cornelius 
Nepos  (bei  Lactant.  Inst.  3,  15,  10)  macht  gegen  das  Betreiben  der  Philo- 
sophie geltend:  video  magnam  partem  eorum,  qui  in  schola  de  pudore  et  con- 
tinentia  praecipiant  argutissime ,  eosdem  in  omnium  libidinum  cupiditatibus 
vivere  (allgemein  üblicher  Vorwurf,  s.  zB.  Geffcken,  Kynika  139.  Auch  Pa- 
cuvius  348  R.  sagte :  ödi  ego  homines  ignava  opera  et  philosopha  sententia. 
Vgl.  §  51,  2.).  Diese  römische  Auffassung  der  Philosophie  deckt  sich  im 
ganzen  mit  der  in  der  späteren  hellenistischen  Zeit  nach  der  Abschleifung 
der  eigentlichen  Schulgegensätze  üblichen.  —  Diatribe  bedeutet  eigentlich  den 
Lehrvortrag,  während  man  beim  heutigen  Gebrauche  des  Wortes  jede  essay- 
artige Behandlung  eines  philosophischen  Themas  so  nennt  (Halbauer,  de 
diatribis  Epicteti,  Lpz.  1911).  Über  die  populäre  philosophische  Literatur 
vgl.  außer  §  165,  3.  236,  2.  288,  1  bes.  Wendland,  Beitr.  zur  griech.  Philos., 
Berl.  1895;  die  hellenist.  röm.  Kultur  39. 

4.  Abwägung  der  verschiedenen  philosophischen  Systeme  hinsichtlich 
ihrer  Verwendbarkeit  für  die  Beredsamkeit  bei  Quintil.  12,  2,  24.  Am  wenig- 
sten förderlich  erschien  dafür  der  Stoizismus,  weil  er  nur  auf  logische  Schärfe 
achtete  und  den  Stil  vernachlässigte;  Cic.  de  or.  3,  66  u.  ö.  Quint.  10,  1,  84; 
vgl.  12,  2,  25.  Cic.  parad.  praef.  1 :  animadverti  saepe  Catonem  .  .  . ,  cum  in 
senatu  sententiam  diceret,  locos  graves  ex  philosophia  tractare  abhorrentes  ab 
hoc  usu  forensi  et  publico,  sed  dicendo  consequi  tarnen  ut  illa  etiam  populo 
probabilia  viderentur.  Kroll,  RhM.  58,  560.  Reitzenstein,  Straßb.  Festschr. 
1901,  143.     Für  geeigneter  hielt  Cicero  die  neue  Akademie   des  Philon  und 


108  Sachlicher  Teil 

Antiochos,  die  selbst  rhetorische  Übungen  veranstaltete;  s.  Cic.  Tusc.  2,  9 
nostra  memoria  Philo,  quem  nos  frequenter  audivimus,  instituit  alio  tempore 
rhelorum  praecepta  tradere  alio  philosophorum.  de  or.  3,  110.  v.  Arnim,  Dio 
v.  Prusa  97. 

5.  Cic.  Vatin.  14  tu  qui  te  Pythagoreum  soles  dicere  et  hominis  doctissimi 
nomen  tuis  immanibus  et  barbaris  moribus  praetendere.  Zu  den  Philosophen 
kann  man  aber  darum  Vatinius  nicht  zählen,  so  wenig  als  etwa  Caerellia 
wegen  Cic.  Att.  13,  21,  5  mirifice  Caerellia,  studio  videlicet  philosophiae  fla- 
grans,  describit  (libros  meos)  de  tuis;  istos  ipsos  de  finibus  habet;  vgl.  ebd. 
22,  3.  So  hat  auch  die  Dame  bei  Hör.  epod.  8,  15  libelli  Stoici  inter  sericos 
pulvillos. 

51.  Augustus  begünstigte  das  Studium  der  Philosophie  plan- 
mäßig und  verfaßte  sogar  selbst  Hortationes  ad  philosophiam.  Außer 
ihm  kennen  wir  jedoch  nur  T.  Livius,  Crispinus  und  den  älteren 
Sextius  als  philosophische  Schriftsteller  aus  seiner  Zeit.  Philoso- 
phische Bildung  aber  besaßen  und  bekundeten  fast  alle  bedeuten- 
den Schriftsteller  dieser  Periode,  wie  Vergil,  Horaz,  L.  Varius.  Viele 
verbanden  damit  infolge  der  von  Poseidonios  ausgehenden  Anre- 
gung Interesse  für  Naturwissenschaften.  Der  Zeitströmung  hatte 
in  den  letzten  Jahrzehnten  der  Republik  am  meisten  der  Epikureis- 
mus  entsprochen,  der  eine  (in  dieser  Zeit  unerquickliche)  Beteili- 
gung am  öffentlichen  Leben  mißbilligte  und  in  ernsteren  Naturen 
die  Stimmung  wehmütiger  Resignation  hervorrief;  jetzt,  unter  dem 
Eindrucke  der  wiederhergestellten  Ordnung,  gewann  ihm  der  Stoi- 
zismus Boden  ab.  Auch  noch  im  ersten  Jahrh.  n.  Chr.  blieben  der 
Epikureismus  und  der  Stoizismus  die  einzigen  in  Rom  vertretenen 
Systeme.  Aber  immer  geringer  wurde  die  Zahl  derer,  die  (wie  Au- 
fidius  Bassus)  in  sich  die  Freiheit  und  Selbstgewißheit  des  Sinnes 
fanden,  wie  sie  der  Epikureismus  zur  Grundlage  hat;  die  meisten 
wandten  sich  dem  Stoizismus  zu,  die  einen  indem  sie,  wie  Seneca, 
den  popularisierenden  Tendenzen  der  Kyniker  nachgaben  und  ihn 
durch  Weglassung  der  kosmologischen  Grübeleien  und  Härten  des 
Systems  abschwächten,  während  andere,  wie  der  jüngere  Sextius, 
ihm  nach  Poseidonios'  Vorbilde  durch  Beimischung  theistischer 
und  pythagoreischer  Bestandteile  eine  theologische  Färbung  gaben. 
Die  charaktervollsten  Männer,  wie  Paetus  Thrasea,  Helvidius  Pris- 
cus,  und  auch  der  junge  Persius  Flaccus,  kehrten  zum  alten  Stoizis- 
mus und  Kynismus  zurück  und  verschärften  noch  die  Schroffheiten 
der  Lehre  und  Praxis;  bei  ihnen  wie  bei  dem  Kyniker  Demetrios 
brach  die  alte  kynische  Abneigung  gegen  den  Tyrannen  durch  und 
äußerte  sich  in  einer  etwas  posierenden  Polemik  gegen  die  Mo- 


§  51.  Die  Philosophie  der  Kaiserzeit  109 

narchie;  sie  hatte  zur  Folge,  daß  Vespasian  und  Domitian  die  Philo- 
sophen aus  Rom  und  Italien  verwiesen.  Andere  huldigten  wenig- 
stens der  Mode,  sich  einen  Philosophen  zu  halten  und  mit  ihm  zu 
disputieren.  So  sah  sich  Rom  von  Philosophen  überschwemmt, 
unter  denen  manche  durch  persönliche  Verächtlichkeit  die  Philo- 
sophie selbst  in  üblen  Ruf  brachten.  Auch  noch  im  zweiten  Jahrh. 
überwog  die  stoische  Richtung  und  war  in  Rom  zahlreich  vertreten, 
durch  Griechen  wie  Römer,  unter  letzteren  besonders  durch  Iunius 
Rusticus;  mit  M.  Aurel  gelangte  der  Stoizismus  sogar  auf  den  Thron. 
Schon  Papirius  Fabianus  und  Seneca  hatten  die  Mittel  der  mo- 
dernen Rhetorik  zur  Behandlung  philosophischer  Themen  ver- 
wendet; jetzt  erbauten  Wanderredner,  wie  Apuleius,  ihr  Publikum 
durch  philosophische  Plaudereien,  die  mit  dem  äußersten  Raffine- 
ment stilisiert  waren  und  in  denen  die  Rhetorik  endgültig  über  die 
Philosophie  gesiegt  zu  haben  schien.  Daß  dieser  Sieg  kein  völliger 
wurde,  hinderte  die  jetzt  mächtig  vordringende  mystisch-theologische 
Richtung,  der  Taurus,  Favorinus,  und  auch  Apuleius  angehörten. 
Der  Neuplatonismus  des  dritten  Jahrh.  hat  in  der  römischen  Lite- 
ratur keinen  namhaften  Vertreter.  Der  Sieg  des  Christentums  im 
vierten  Jahrh.  trieb  diejenigen,  welche  ihm  nicht  zufielen,  zur 
Wiederauffrischung  der  Schätze  der  alten  griechischen  Philosophie, 
die  durch  Reproduktionen,  Übersetzungen  und  Erörterungen  zu- 
gänglicher gemacht  wurden.  So  durch  Augustin  in  seiner  vorchrist- 
lichen Zeit,  so  besonders  durch  Boethius  im  sechsten  Jahrh.  Durch 
solche  Bemühungen  wurden  jene  Schätze  den  abendländischen  Völ- 
kern überliefert,  die  während  des  Mittelalters  davon  zehrten. 

1.  L.  Varius  (oder  Varus)  Epicureus:  §  223,  1.  3.  Horaz  verspottet  in 
seinen  älteren  Gedichten  die  Wunderlichkeiten  der  Stoa  und  bekennt  sich 
zur  epikurischen  Lehre;  in  den  späteren  läßt  er  dem  Ernste  und  Gehalte 
des  Stoizismus  Gerechtigkeit  widerfahren.  Heinze,  Vergils  epische  Technik 
471.  Vgl.  §  230,  2,  1.  235,  5.  Liv.  43,  13,  1  nihil  deos  portendere  vulgo  nunc 
eredunt  Unter  Caligula  TLoyutridiog  (Pomponius  Dio),  6vynlr\rixbg  \l&v  ,  zag 
ccQ%hg  8h  dislrilvfi-cog  c%£dbv  itdßccg,  'Ent,y.ovQEiog  dh  allcog  %ul  dl  ccvxb 
ccTiQdyiLovog  i7tix7]8Bvtr\g  ßiov,  Ioseph.  antiq.  19,  1,  5.  Die  Sextii,  Vater  und 
Sohn,  schrieben  in  griechischer  Sprache,  wie  auch  Cornutus.  Die  meist  in 
starker  Verwässerung  auftretenden  philosophischen  Lehren  der  Grabepi- 
gramme sind  aus  deren  griechischen  Vorlagen  entlehnt;  vgl.  Lier,  Phil. 
NF.  16,  573.  17,  56. 

2.  Nach  der  einseitigen  Ansicht  des  Tacitus  studierten  die  meisten 
Philosophie,  ut  nomine  magnifico  segne  otium  velarent  (hist.  4,  5);  auch 
Frauen  kokettierten  damit,  s.  Friedländer,  SG.  I8,  503.  Euphrosyne  pia,  docta 
novem  Musis,  philosopha,  v(ixit)  a(nnis)  XX,  Dess.  7783.    Von  Nero  erzählt 


HO  Sachlicher  Teil 

Tac.  A.  14,  16  etiam  sapientiae  doctoribus  tempus  impertiebat  post  epulas  ut- 
que  contraria  adseverantium  discordia  frueretur.  nee  deerant,  qui  ore  voltu- 
que  tristi  inter  oblectamenta  regia  speetari  cuperent.  Diese  tristitia  gehörte 
zum  Kostüm  der  Philosophen,  sogut  wie  der  lange  ungepflegte  Bart,  der 
Stock  und  der  schäbige  Mantel,  den  sie  von  den  Kynikern  entnahmen.  Vgl. 
Martial.  4,  53.  luv.  13,  121.  Nur  daß  zu  dieser  Weltabkehr  die  moralische 
Haltung  vieler  Exemplare  übel  stimmte.  Quint.  1,  prooem.  15  voltum  et 
tristitiam  et  dissentientem  a  ceteris  habitum  pessimis  moribus  (wovon  Proben 
bei  luv.  2,  4.  65)  praetendebant ;  vgl.  noch,  auch  über  ihren  Hochmut,  12, 
3,  12.  5,  11,  39.  Dagegen  die  Redner  gewöhnlichen  Schlages  sapientiae  Stu- 
dium et  praeeepta  prudentium  penitus  reformidant  (Tac  dial.  32).  Weiter 
vgl.  Quint.  11,  1,  35  at  vir  civilis  vereque  sapiens,  qui  se  non  otiosis  dispu- 
tationibus,  sed  administrationibus  reip.  dediderit,  a  qua  longissime  isti  qui 
philosophi  vocantur  recesserunt.  Ähnlich  12,  2,  6;  vgl.  ebd.  9  hanc  artem 
superbo  nomine  et  vitiis  quorundam  bona  eius  corrumpentium  invisam.  Popu- 
läre Sticheleien:  facilius  inter  philosophos  quam  inter  horologia  conveniet 
(Sen.  apocol.  3,  3),  und  numquam  pliilosophum  audivit  bei  Petron.  71.  Ähn- 
liche Polemik  gegen  die  griechischen  Philosophen  übrigens  schon  bei  Plau- 
tus,  Cure.  288  (Dietze,  de  Philemone  9),  und  dieselben  Klagen  noch  bei 
Lukian  und  Gellius,  zB.  7  (6),  10,  5  nunc  videre  est  philosophos  ultro  currere, 
ut  doceant,  ad  fores  iuvenum  divitum  eosque  ibi  sedere  atque  opperiri  prope 
ad  meridiem,  donec  diseipuli  nocturnum  omne  vinum  edormiant.  13,  8,  5 
nihil  fieri  posse  indignius  neque  intölerantius  dicebat  (Macedo  familiaris  meus), 
quam  quod  homines  ignavi  ac  desides,  operti  barba  et  pallio,  mores  et  emo- 
lumenta  philosophiae  in  linguae  verborumque  artes  converterent  et  vitia  faeun- 
dissime  aecusarent  intercutibus  ipsi  vitiis  madentes.  Ähnlich  aus  derselben 
Zeit  Apulei.  flor.  1,  7.  Vgl.  §  50,  3.  —  CMartha,  les  moralistes  sous  l'em- 
pire  romain  .  .  philosophes  et  poetes,  Paris  1865.  LFriedländer,  SG.  48,  283. 
HSchiller,  Nero  588.   Helm,  Lukian  und  Menipp,  Lpz.  1906,  40. 

3.  Ulpian.  dig.  50,  13,  1,  4  an  et  philosophi  professorum  numero  sint  (die 
ein  Klagerecht  auf  Unterrichtsgeld  haben)?  non  putem,  non  quia  non  reli- 
giosa  res  est,  sed  quia  hoc  primum  proftteri  eos  oportet,  mercenariam  operam 
spernere. 

4.  Capitol.  M.  Antonin.  philos.  2,  7.  3,  2  (s.  §  358,  2.  3).  C.  Tutilius 
Hostilianus,  philosophus  Stoicus,  domo  Cortona,  Dess.  7779.  JEucratidas  Bho- 
dius,  philosophus  Epicurius,  beerdigt  in  Brundisium,  ebd.  7780.  Gaius  Stal- 
lius  . .  ex  Epicureio  gaudivigente  choro  CEL  961.  Iulius  Iulianus  . . .  philo- 
sophus primus  CEL  1342.  Ti.  Claudius  Paullinus  philosophus,  CIL.  3,  302. 
Vgl.  §  407,  6. 

52.  Mathematik  und  Astronomie  betrachteten  die  Römer  als 
müßige  Spekulation.  Einzelne  Liebhaber  ausgenommen,  wie  Sex. 
Pompeius  und  Sulpicius  Gallus  (Cos.  166),  beschränkten  sie  sich 
auf  das  niedere  Rechnen  und  Messen.  Daher  sind  die  Römer  in  den 
mathematischen  Wissenschaften  ganz  abhängig  von  den  griechi- 
schen Meistern,  insbesondere  von  Heron.  Gewiß  machten  darin  die 
Schriften   des  Varro  keine  Ausnahme.  Das   einzige  einigermaßen 


§  52.  Mathematik,  Astronomie  und  Astrologie  111 

erhaltene  Werk  eines  Römers  über  Geometrie  ist  das  des  Baibus 
unter  Trajan.  Mit  Astronomie  beschäftigte  sich  Sulpicius  Gallus 
aus  Liebhaberei,  Yarro  aus  Polyhistorie,  Nigidius  Figulus  aus  Mysti- 
zismus; vollends  in  der  Kaiserzeit  herrscht  die  Astrologie,  deren 
sich  seit  ihrer  wissenschaftlichen  Verteidigung  durch  Poseidonios 
niemand  zu  schämen  brauchte.  Unter  Tiberius  machte  sie  Mani- 
lius  zum  Gegenstande  eines  Lehrgedichts.  Aus  dem  dritten  Jahrh. 
ist  von  Bedeutung  des  Censorinus  Abhandlung  de  die  natali,  aus 
dem  vierten  besitzen  wir  von  Iulius  Firmicus  Maternus  acht  Bücher 
über  Astrologie,  aus  dem  sechsten  des  Boethius  zwei  Bücher  de 
institutione  arithmetica  (und  de  geometria). 

1.  Inhalt  und  Form  des  mathematischen  Wissens  der  Römer  entspricht 
dem  Standpunkt  der  griech.  Mathematik  etwa  im  Jahr  100  v.  Chr.  S.  MCan- 
tor,  röm.  Agrimens.  (1875)  139.  Die  Vernachlässigung  der  Astronomie 
rächte  sich  in  der  Zeit  der  Republik  durch  beständige  Kalenderverwirrnog ; 
Cäsar  mußte  für  seine  Kalenderreform  den  Sosigenes  heranziehen.  Im  all- 
gemeinen Cic.  Tusc.  1,  5  nihil  (apud  Graecos)  mathematicis  illustrius; 
nos  metiendi  ratiocinandique  utilitate  huius  artis  terminavimus  modum.  Das 
Rechnen  nahm  auch  im  Schulunterricht  eine  Stelle  ein;  s.  Hör.  S.  1.  6,  72. 
E.  1,  1,  56.  2,  3,  325.  Colum.  1,  prooem.  5  scholas  geometrarum  esse  . .  ipse 
vidi.  Marquardt-Mau,  Privatleben  97.  Vgl.  im  allgemeinen  MCantor,  mathe- 
mat.  Beiträge  zum  Kulturleben  (1863),  168;  Geschichte  der  Mathem.  I,  Lpz. 
1881.    Hultsch,  PW.  2,  1110. 

2.  Bei  Varro  zerfiel  die  Geometrie  nach  der  theoretischen  Seite  in  %a- 
vovixrj  (quae  ad  aures  pertinet,  Grundlage  der  Musik),  und  07cxwr\  (quae  ad 
oculos  pertinet,  Optik  nebst  iTtiTCBdo^xQia  und  öTEgsotiSTgicc),  nach  der  prak- 
tischen Seite  in  Gromatik  und  Geographie,  s.  Ritschl,  opusc.  3,  385. 

3.  Eine  merkwürdige  Aufgabensammlung  geometrischen  (auf  Heron 
zurückweisenden)  und  arithmetischen  Inhalts,  ziemlich  planlos  aus  bereits 
getrübten  Quellen  geschöpft,  trägt  die  Überschrift:  Epaphroditi  et  Vitruvi 
Büß  architectonis ;  zuerst  herausgeg.  von  ASchott,  Antw.  1616,  dann  bes. 
(aus  cod.  Arcerian.  s.  VI/VII,  §  58,  3)  von  MCantor,  Agrimens.  (1875),  208 
vgl.  114;  aus  Monac.  13084  p.  IX/X  von  Mortet,  Not.  et  Extr.  35,  2,  511. 
Thulin,  Zur  Überlieferungsgesch.  d.  Corpus  Agrimens.,  Göteb.  1911,  44.  S. 
auch  BHase  in  Bredows  ep.  Parisienses  (Lpz.  1812),  201.  Hultsch,  PW. 
5,  2714. 

4.  Über  den  Einfluß  der  Astrologie  in  der  römischen  Gesellschaft  vgl. 
Friedländer,  SG.  I8,  367.  Boüche-Leclercq,  L'astrologie  grecque,  Paris  1899, 
643.  FCumont,  Astrology  and  religion  among  the  Greeks  and  Romans,  New 
York  1912.  Fast  alle  Kaiser  bekannten  sich  zu  ihr,  und  viele  bedeutende 
Schriftsteller  sind  mit  ihr  vertraut,  vgl.  zB.  Hör.  c.  2,  17,  21  utrumque  no- 
strum  incredibili  modo  consentit  astrum  usw.  Prop.  4,  1,  71,  wo  ein  Astro- 
loge Horos,  Nachkomme  von  Archytae  suboles,  Babylonius  Horops  auftritt 
(dazu  Dieterich,  Sehr.  180).  Die  Gegengründe  des  Karneades  und  Panaitios 
gegen  die  Astrologie    gibt   schon  Cicero  (div.  2,  87;  de  fato)  wieder,    dem 


112  Sachlicher  Teil 

sie  Augustin  (civ.  dei  5,  1.  de  gen.  ad  litt.  2,  17)  nachspricht,  ohne  doch 
ihr  Eindringen  in  die  weitesten  Schichten  des  Volkes  verhindern  zu  können. 
Ein  mathematicus  tritt  im  Querolus  auf  (§  421a),  mehrmals  auch  in  Ps. 
Quint.  Deklamationen,  zB.  4  quidam  de  partu  uxoris  mathematicum  consu- 
luit:  is  respondit  virum  fortem  futurum  qui  nasceretur,  deinde  parricidam. 
Auf  volkstümlichen  Inschriften  zB.  Dessau  5121  planetam  suum  procurare 
vos  moneo.  CEL.  174  cot  (quod)  debuit  facere  filius,  scelesta  gens  (genesis,  d.  h. 
was  wir  Horoskop  nennen)  fecit  ut  hoc  faceret  pater.  555,  4  invida  fatorum 
genesis  mihi  sustulit  illam.  Firmic.  math.  2  praef.  2:  Fronto  noster  (ob  der 
Stoiker  §  829,  3?  vgl.  §  355,  11),  Hipparchi  secutus  antiscia  (uvtiöyucc),  ita 
apotelesmatum  sententias  protulit,  tamquam  cum  perfectis  tarn  et  cum  peritis 
loqueretur,  nihil  de  institutione,  nihil  de  magisterio  praescribens.  sed  nee  ali- 
quis  paene  Latinorum  de  hac  arte  institutionis  libros  scripsit,  nisi  paueos 
versus  Iulius  Caesar  (=  Germanicus  s.  §  275,  7),  et  ipsos  tarnen  de  alieno 
opere  mutuatos.  M.  vero  Tullius.  . .  etiam  ipse  de  institutione  pauca  respon- 
dit. . .  Antiscia  Hipparchi  secutus  est  Fronto ,  quae  nullam  vim  habent  nul- 
lamque  substantiam.  et  sunt  quidem  in  Frontone  pronuntiationis  atque  apo- 
telesmatum verae  sententiae,  antisciorum  vero  inefficax  Studium  . .  antiscia 
enim  illa  vera  sunt,  sicut  et  Navigius  (Nigidius  Fabricius)  noster  probat. 
. . .  apotelesmata  et  Fronto  verissime  scripsit  et  Graecorum  libris  ac  monu- 
mentis  abundantissime  continentur,  vgl.  8,  5,  3  hi  (Aratus,  Caesar,  Tullius) 
nomina  ipsarum  (stellarum)  et  ortus,  non  etiam  auetoritatem  apotelesmatum 
ediderunt,  ut  mihi  videatur  haec  non  aliqua  astrologiae  scientia,  sed  poetica 
elatos  licentia  docilis  sermonis  eos  studio  protulisse.  Den  Manilius,  den  er 
ausschreibt,  gibt  Firmicus  also  vor  nicht  zu  kennen.  Er  hat  sich  zu  seinem 
Werke  entschlossen  ne  omni  diseiplinarum  arte  translata  solum  hoc  opus 
extitisse  videatur,  ad  quod  Bomanum  non  adfeetasset  ingenium  (5,  praef.  4). 

5.  Andere  Schriftsteller  über  Astrologie  bei  Ap.  Sidon.  c.  22  praef.: 
Iulianum  Vertacum,  Fullonium  Saturninum,  in  libris  matheseos  peritissimos 
conditores;  vgl.  ebd.  ep.  8,  11. 

53.  Auch  für  die  sie  umgebende  Natur  hatten  die  Römer  kein 
reines  Interesse  und  nahmen  sich  nicht  die  Zeit,  sie  unbefangen  zu 
beobachten.  Daher  sind  sie  in  den  Naturwissenschaften  immer 
zurück  und  von  den  Griechen  abhängig  geblieben.  Die  von  diesen 
zu  so  hoher  Ausbildung  gebrachte  Zoologie  und  Botanik  erhielt 
dürftigen  Anbau,  hauptsächlich  im  Zusammenhang  mit  der  Land- 
wirtschaft. Bei  Nigidius  Figulus  wie  bei  den  übrigen  Schriftstellern 
über  das  Augural-  und  Haruspizin-Wesen  (§  42, 1)  fand  sich  die 
wunderlichste  Verquickung  von  Naturbeobachtung  und  Aberglauben; 
übrigens  blieben  seine  Schriften  ohne  Einfluß.  In  der  augusteischen 
Zeit  bearbeitete  Pompeius  Trogus  die  Tiergeschichte  des  Aristoteles 
und  wahrscheinlich  auch  Theophrasts  Pflanzenkunde;  gleichzeitig 
übersetzten  Valgius  Rufus  und  Aemilius  Macer  alexandrinische 
Lehrgedichte  botanischen  und  zoologischen  Inhalts:  hier  wirkte  wie 


§  53.  Die  Naturwissenschaften  113 

so  oft  nicht  das  wissenschaftliche  Interesse,  sondern  teils  die  Nei- 
gung für  das  Kuriose,  teils  die  Freude  an  der  Überwindung  tech- 
nischer Schwierigkeiten.  In  dem  enzyklopädischen  Werke  des  Celsus 
waren  von  den  Naturwissenschaften  nur  Heilkunde  und  Land- 
wirtschaft vertreten,  während  das  große  Werk  des  Plinius  einen 
weiteren  Kreis  von  Disziplinen  unifaßt;  aber  gerade  in  ihm  macht 
sich  die  Kuriosität  und  das  stilistische  Raffinement  auf  Kosten  der 
Wissenschaftlichkeit  breit.  Bei  andern  erklärt  sich  die  dilettantische 
Hinneigung  zu  den  Naturwissenschaften  daraus,  daß  sie  an  die 
Naturerscheinungen  unter  dem  Einflüsse  des  Poseidonios  morali- 
sierende Betrachtungen  zu  knüpfen  liebte.  Davon  zeugen  besonders 
Senecas  Quaestiones  naturales  und  das  Gedicht  Aetna.  Die  späte- 
ren Jahrhunderte  begnügten  sich  mit  einer  immer  mehr  verdünnen- 
den Wiedergabe  älterer  Werke. 

1.  Plin.  NH.  25,  4  minus  hoc  (Botanik,  Pharmakognosie,  Toxikologie 
udgl.)  quam  par  erat  nostri  celebravere.  . .  primusque  et  diu  solus  idem  ille 
M.  Cato  .  .  paucis  dumtaxat  attigit.  . .  post  eum  unus  illustrium  tentavit 
C.  Valgius.  antea  condiderat  solus  apud  nos  . .  Pompeius  Lenaeus,  Magni 
libertus,  quo  primum  tempore  harte  scientiam  ad  nostros  pervenisse  animo  ad- 
verto.  . .  Pompeius  . .  transferre  ea  (des  Mithridates  Rezepte  für  Gifte  und 
Gegengifte)  sermone  nostro  libertum  suum  Lenaeum,  grammatieae  artis,  iussit. 
Von  Cornelius  Valerianus  zitiert  Plinius  wiederholt  (NH.  10,  5.  14,  11  vgl. 
Quellenverz.  B.  8)  zoologische  und  botanische  Angaben  (vgl.  auch  3,  108), 
die  aber  den  Charakter  des  Anekdotenhaften  haben.  Gleicherweise  sonst 
unbekannt  sind  die  von  dem  älteren  Plinius  unter  seinen  Quellen  zur  Bo- 
tanik zitierten  Domitius  Calvinus  (im  Quellenverz.  zu  B.  11.  18),  Tergilla 
(QVerz.  zu  B.  14.  15,  zitiert  14,  147),  Calpurnius  Bassus  (QVerz.  zu  B.  16 
—19.  21.  22),  Dessius  Mundus  (QVerz.  zu  B.  17),  Q.  Birrius  (QVerz.  zu  B.  19), 
Vestinus  (QVerz.  zu  B.  21.  22). 

2.  Plinius  NH.  22,  15  plerisque  ultro  etiam  inrisui  sumus  ista  (Botanik, 
Pharmakologie)  commentantes  atque  frivoli  operis  arguimur  etc.  Wie  stark 
auch  hierbei  die  Rücksicht  auf  den  beschränkten  Standpunkt  der  Rhetorik 
war,  zeigt  praef.  13:  verum  natura  hoc  est  vita  narratur,  et  haec  sordidissima 
sui  parte  ac  plurimarum  rerum  aut  rusticis  vocabulis  aut  externis,  immo  bar- 
baris  etiam,  cum  honoris  praefatione  ponendis.  Über  die  spätere  Literatur 
der  Heilmittel  s.  unten  §  55  mit  A.  4 f. 

3.  RAlbani,  de  hist.  naturali  ap.  veteres,  Dresd.  1854.  EHFMeyer,  Gesch. 
d.  Botanik  (Königsb.  1854ff.)  1,  334.  2,  t. 

54.  Für  die  Landwirtschaft  hatten  die  Römer  lebhaftes  In- 
teresse und  suchten  sich  neben  den  eigenen  Erfahrungen  auch  die 
fremder  Völker  nutzbar  zu  machen.  So  ließ  der  Senat  das  land- 
wirtschaftliche Werk  des  Karthagers  Mago  ins  Lateinische  über- 
setze^ und  das  einzige,  was  wir  von  dem  älteren  Cato  besitzen,  ist 

Teuffei:  röm.  Literaturgesch.    Neub.  6.  Aufl.   I.  8 


114  Sachlicher  Teil 

seine  Schrift  de  re  rustica.  An  Mamilius  Sura,  Tremellius  Scrofa 
und  den  Sasernae  (Vater  und  Sohn)  hatte  das  siebente  Jahrh.  d. 
St.  weitere  landwirtschaftliche  Schriftsteller,  und  auch  von  Varro 
haben  wir  noch  eine  Schrift  dieses  Inhalts.  Vergils  Georgica  sind 
eine  poetische  Verherrlichung  dieser  Seite  menschlicher  Tätigkeit. 
In  derselben  Zeit  schrieb  Hyginus  über  Landbau  und  Bienenzucht 
und  widmete  Sabinus  Tiro  dem  Maecenas  sein  Werk  über  den 
Gartenbau.  Im  Anfange  der  Kaiserzeit  beschäftigte  die  landwirt- 
schaftliche Schriftstellerei  auch  Männer  von  Ansehen,  wie  Iulius 
Graecinus  und  neben  ihm  Cornelius  Celsus  und  Iulius  Atticus;  er- 
halten sind  die  zwölf  Bücher  des  Columella  aus  der  Zeit  des  Seneca, 
ein  treffliches  und  vielbenutztes  Werk.  Um  die  Mitte  des  zweiten 
Jahrh.  schrieben  die  Brüder  Quintilii  über  diesen  Gegenstand  in 
griechischer  Sprache.  Auch  hier  wird  von  da  an  nur  noch  exzer- 
piert. Im  dritten  Jahrh.  verband  Gargilius  Martialis  in  der  Weise 
des  Plinius  und  Celsus  Botanik  und  Pharmakologie  mit  der  Land- 
wirtschaft. Das  Werk  des  Palladius  aus  dem  vierten  Jahrh.,  in  vier- 
zehn Büchern,  behandelt  zum  Schlüsse  die  Baumzucht  im  elegischen 
Maße;  auch  Columella  hatte  seinem  B.  X  über  den  Gartenbau  epische 
Form  gegeben.  Das  den  Namen  des  Apicius  tragende  Kochbuch 
ist  etwa  um  die  Mitte  des  dritten  Jahrh.  nach  griechischen  Quellen 
gearbeitet. 

1.  Varro  RR.  1,  1,  10  hos  (Graecos  scriptores  de  agriculturä)  nobilitate 
Mago  Karthaginiensis  praeteriit  Punica  lingua,  quod  res  dispersas  compre- 
hendit  libris  XXVIII,  quos  Cassius  Dionysius  Uticensis  vertu  libris  XX  ac 
graeca  lingua  Sextilio  praetori  misit  (J.  88  v.  Chr.,  Wellmann  PW.  3,  1722) 
. .  hosce  ipsos  utiliter  ad  VI  Ubros  redegit  Diophanes  (vgl.  Gargil.  Mart.  id 
Mais  class.  auct.  1,  406)  in  Bithynia  et  misit  Deiotaro  regi.  Cic.  de  or.  1, 
249.  Plin.  NH.  18,  22  Poenus  Mago,  cui  . .  tantum  honorem  senatus  noster 
habuit  Carthagine  capta  ut,  cum  regulis  Africae  bybliothecas  donaret,  unius 
eins  XXVIII  volumina  censeret  in  Latinam  linguam  transferenda,  cum  iam 
M.  Cato  praecepta  condidisset,  peritisque  linguae  Punicae  dandum  negotium, 
in  quo  praecessit  omnes  vir  clarissimae  familiae  D.  Silanus.  Die  Fundstellen 
der  Fragmente  bei  Reitzenstein  aO.  57. 

2.  Isid.  orig.  17,  1,  1  apud  Romanos  de  agriculturä  primus  Cato  insti- 
tuit  (die  von  Cato  RR.  145.  151.  152  als  Gewährsmänner  erwähnten  M'. 
Percennius  Nolanus  und  die  Manlii  waren  wohl  praktische  Landwirte,  nicht 
Schriftsteller),  quam  deinde  M.  Terentius  (Varro)  expolivit,  mox  Vergilius 
laude  carminum  extulit.  nee  minus  Studium  hdbuerunt  postmodum  Cornelius 
Celsus  et  Iulius  Atticus,  Aemilianus  (Palladius)  sive  Columella,  insignis  ora- 
tor,  qui  totum  corpus  diseiplinae  eiusdem  complexus  est.  Cassiod.  divin.  lect.  28 
in  agris  colendis  . .  inter  ceteros  Columella  et  Aemilianus  auetores  probabiles 
extiterunt  usw.    Genauer  Colum.  1,  1,  12 — 14  ut  agricolationem  Romana  tan- 


§  54.  Die  Landwirtschaft  115 

dem  civitate  donemus  . .  iam  nunc  M.  Catonem  Censorium  illum  memoremus, 
qui  eam  Laune  loqui  primus  instituit;  post  hunc  duos  Sasernaa,  patrem  et 
filium,  qui  eam  diligentius  erudierunt;  ac  deinde  Scrofam  Tremellium,  qui 
etiam  eloquentem  reddidit  (zu  den  Sasernae  und  Tremellius  fügt  Colum.  1, 
praef.  32  noch  den  Stolo,  s.  §  293,  4),  et  M.  Terentium ,  qui  expolivit;  mox 
Vergilium,  qui  carmine  quoque  potentem  fecit.  nee  postremo  quasi  paedagogi 
eius  meminisse  dedignemur ,  Iulii  Hygini,  verumtamen  ut  Carthaginiensem 
Magonem  rusticationis  par entern  maxime  vener emur.  nam  huius  XXVIII 
memorabilia  illa  volumina  ex  SCto  in  Latinum  sermonem  conversa  sunt,  non 
minorem  tarnen  laudem  meruerunt  nostrorum  temporum  viri,  Cornelius  Celsus 
et  Iulius  Atticus.  . .  cuius  velut  diseipulus  duo  volumina  . .  lulius  Graecinus 
. .  posteritati  tradenda  curavit.  —  Reitzenstein,  de  scriptorum  R.  R.  . .  inter 
Catonem  et  Columellam  libr.  deperditis,  Berl.  1884. 

3.  Colum.  12,  4,  2  tum  demum  nostri  generis,  postquam  a  bellis  otium 
fuit,  quasi  quoddam  tributum  victui  humano  conferre  non  dedignati  sunt,  ut 
M.  Ambivius  et  Menas  Licinius,  tum  etiam  C.  Matius,  quibus  Studium  fuit 
pistoris  et  coci  nee  minus  cellarii  diligentiam  suis  praeeeptis  instituere.  Ist 
die  Aufzählung,  wie  glaublich,  eine  chronologische,  so  dürfte  Ambivius  in 
die  erste  Hälfte  des  siebenten  Jahrh.  d.  St.  zu  stellen  sein.  Ein  Menas  wird 
genannt  auch  bei  Varro  RR.  2,  3,  11.  vgl.  2,  1,  1.  2,  8,  1.  Über  Matius,  den 
Zeitgenossen  des  Cicero,  s.  Colum.  12,  44,  1  quae  C.  Matius  diligentissime 
persecutus  est;  . .  Uli  enim  propositum  fuit  urbanas  mensas  et  lauta  convivia 
instruere.  libros  tres  edidit,  quos  inscripsit  nominibus  Coci  et  Cellarii  et  Sal- 
gamarii. 

4.  Plin.  NH.  19,  177  Sabinus  (Sabinius  Detlefsen)  Tiro  in  libro  Cepu- 
ricon  {Kr\'rtovQi%(Qv),  quem  Maecenati  dieavit.  Vgl.  das  Quellenverzeichnis  zu 
B.  18  (Sabino  Fabiano).  Andere  Verfasser  von  Kr\7tovQiv.cc  nach  dem  Ind. 
auet.  zu  Plin.  B.  19  Caesennius,  Castricius,  Firmus.  Ob  auch  Sergius  Plau- 
tus  (v.  1.  Paulus:  ebd.  zu  Plin.  B.  18)? 

5.  Macr.  3,  18,  7  vir  doctus  Oppius,  in  libro  quem  fecit  De  silvestribus 
arboribus;  ebenso  ebd.  3,  19,  4.  Er  ist  wohl  der  von  Plinius  im  Quellen- 
verz.  zu  B.  11  (zoologisch)  und  11,  252  zitierte  Oppius.  Ein  Grammatiker 
(wie  es  scheint)  Oppius  bei  Fest.  182b,  32.    Vgl.  §  41,  1  E.    GRF.  1,  133. 

6.  Curtius  Iustus  wird  angeführt  von  Gargilius  Martialis  im  Neapoli- 
taner Fragment  c.  2  u.  4;  Sextius  Niger  (§  2G6,  7)  in  dem  St.  Galler  Frag- 
ment des  Garg.  Mart.,  bei  VRose,  Anecd.  2,  129;  s.  dessen  Ausg.  des  Garg. 
(§  411,  1)  S.  139. 

7.  Sammlungen  der  Scriptores  rei  rusticae  latini  von  PVictorius,  Lugd. 
1541  V,  IMGesner  (adi.  not.  var.  et  lexicon  rusticum),  Lps.2  (v.  Ernesti) 
1773.  74  II,  besonders  von  IGSchneider,  Lps.  1794—97  IV. 

55.  Die  wissens chaftliche  Heilkunde  fand  in  Rom  erst  spät 
Eingang*  lange  behalf  man  sich  mit  Hausmitteln  und  Beschwörungs- 
formeln für  Mensch  und  Vieh.  So  dachte  noch  der  ältere  Cato  und 
eiferte  gegen  die  griechischen  Ärzte,  die  immer  zahlreicher  nach 
Rom  kamen,  allmählich  die  ärztliche  Praxis  an  sich  rissen  und  auch 
die  Wissenschaft  ausschließlich  beherrschten,  bis  die  arabische  Me- 


116  Sachlicher  Teil 

dizin  der  griechischen  an  die  Seite  trat.  Nur  wenige  Schriften  in 
lateinischer  Sprache  begegnen  uns.  Unter  Tiberius  schrieb  Celsus 
seine  Enzyklopädie  und  mußte  so,  ohne  Arzt  zu  sein,  auch  die  Me- 
dizin behandeln.  Diese  Bücher  de  medicina,  die  wir  noch  besitzen, 
sind  daher  ganz  von  den  Griechen  abhängig.  Von  einigen  römischen 
Ärzten,  die  schriftstellerisch  tätig  waren,  kennen  wir  durch  Plinius 
nur  die  Namen.  Plinius  selbst  bietet  nicht  nur  vieles  für  die  Ge- 
schichte der  Medizin,  sondern  er  widmet  auch  zwölf  Bücher  seiner 
Naturbeschreibung  der  Heilwirkung  von  Gegenständen  der  Natur- 
reiche; diese  wurden  im  vierten  Jahrh.  n.  Chr.  von  einem  Unge- 
nannten epitomiert  und  in  dieser  Form  im  Mittelalter  viel  benutzt 
(Medicina  Plinii).  Eigene  Arzneimittellehren  verfaßten  die  Empi- 
riker Scribonius  Largus  (im  ersten  Jahrh.  n.  Chr.)  und  Serenus 
Sammonicus  (zu  Anfang  des  dritten  Jahrh.),  von  denen  jener  in 
sachlichem  Tone  die  zusammengesetzten  Arzneien  behandelte  (wie 
im  vierten  Jahrh.  Vindicianus),  während  dieser  in  gebundener  Form 
ein  Volks-  und  Haus -Arzneibuch  lieferte.  Den  Methodiker  Sora- 
nus  übersetzte  im  fünften  Jahrh.  der  Afrikaner  Caelius  Aurelianus. 
Außerdem  bietet  das  vierte  und  fünfte  Jahrh.  eine  Anzahl  geistloser 
Empiriker,  die  in  roher  Sprache  neben  den  Resten  alten  Wissens 
vielen  Aberglauben  vortrugen,  wie  Sex.  Placitus,  Marcellus  (Empi- 
ricus),  Theodorus  Priscianus,  der  sogenannte  Apuleins  (Barbarus), 
und  der  vorgebliche  Antonius  Musa.  Gleichfalls  aus  dem  vierten 
und  fünften  Jahrh.  haben  wir  tierärztliche  Schriften  von  Claudius 
Hermeros,  Pelagonius  und  P.  Vegetius.  Vom  fünften  bis  achten 
Jahrh.  wurden  für  die  germanischen  Völker  viele  medizinische 
Schriften  ins  Lateinische  übersetzt,  unter  denen  die  von  Anthimus 
verfaßte  eine  der  merkwürdigsten  ist. 

1.  Plin.  NH.  29,  11  milia  gentium  sine  medicis  degunt,  nee  tarnen  sine 
medicina,  sicuti  populus  Born,  ultra  sexcentesimum  annum,  neque  ipse  in 
aeeipiendis  artibus  lentus,  medicinae  vero  etiam  avidus.  12  Cassius  Hemina 
. . .  auetor  est  primum  e  medicis  venisse  Romam  Peloponneso  Archagathum 
(J.  219).  13  Cato,  der  von  griechischer  Heilkunde  nicht  unberührt  ist,  warnt 
vor  den  griechischen  Ärzten:  iurarunt  inter  se  barbaros  necare  omnes  medi- 
cina (vgl.  Plut.  Cato  mai.  23).  15  profitetur  (Cato)  esse  commentarium  sibi, 
quo  medeatur  filio  servis  familiaribus  . .  (17)  solam  hanc  artium  Graecarum 
nondum  exercet  Romana  gravitas  in  tanto  fruetu;  paucissimi  Quiritium  atti- 
gere,  et  ipsi  statim  ad  Graecos  transfugae;  immo  vero  auetoritas  aliter  quam 
Graece  eam  traetantibus ,  etiam  apud  imperitos  expertesque  linguae,  non  est. 
Je  zahlreicher  aber  unter  den  griechischen  Ärzten  die  Schwindler  waren, 
desto  häufiger  vernahm  man  die  üblichen  Schmähungen;  vgl.  illa  infelix 
monumentis  inscriptio,   turba  se  medicorum  perisse    (Plin.  aO.  11),    Peteon 


§  55.  Medizinische  Literatur  117 

42,  5  medici  illum  perdiderunt,  immo  magis  malus  fatus;  medicus  enim  nihil 
aliud  est  quam  animi  consolatio,  und  bei  Yopisc.  Firm.  7,  4  die  Zusammen- 
stellung: sunt  Aegyptii  ..  mathematici ,  haruspices,  medici.  Doch  beweisen 
solche  Äußerungen  nichts  gegen  die  allgemeine  Schätzung  des  Standes,  von 
der  namentlich  die  kaiserlichen  Leibärzte  (Friedländer,  SG.  I8,  130.  Dessau 
1841—1846)  Vorteil  hatten.  Inschriften  von  männlichen  und  weiblichen 
Ärzten,  unter  denen  immer  viele  Griechen  waren,  Dessau  7786 — 7817  (vgl. 
zu  7786.  7805).  Auch  im  Heere  finden  wir  Ärzte,  vgl.  ebd.  2601  f.  2898 ff. 
Über  die  archiatri,  d.  h.  besonders  die  Hof-  und  Gemeindeärzte,  vgl.  Brian, 
L'archiatrie  Romaine* Paris  1877.  Wellmann,  PW.  2,464.  JKeil,  Ost.  Jh. 
8, 136. 

2.  Auch  die  Augenärzte,  deren  Namen  wir  aus  ihren  Stempeln  noch 
kennen,  sind,  nach  ihren  cognomina  zu  schließen,  meist  griechischen  Ur- 
sprungs und,  wegen  der  Häufigkeit  der  Namen  Iulius  und  Claudius,  meist 
aus  dem  ersten  und  der  ersten  Hälfte  des  zweiten  christl.  Jahrh. ;  LGrote- 
fend,  die  Stempel  d.  Augenärzte,  Hannov.  1867;  Heron  de  Villefosse  et 
Thedenat,  cachets  d'oculistes  rom.,  Par.  1882.  Esperandieu,  Recueil  de 
cachets  d'oculistes,  Par.  1894.  CIL.  13  p.  561,  Auswahl  Dessau  8734—8742. 
Zur  Erklärung  auch  WFröhner,  Phil.  Suppl.  5,  87.  Vgl.  Wellmann,  PW. 
2,  2310. 

3.  Unter  seinen  römischen  Quellen  für  Medizin  führt  Plinius  NH.  auf 
im  Quellenverz.  zu  B.  28  Granius  medicus,  Ofilius  medicus  (beide  zitiert 
28,  38.  42)  und  Babirius  medicus  (zitiert  28,  74),  ferner  im  QVerz.  zu  B.  29 
Caecilius  medicus  (seine  commentarii  zitiert  29,  85).  Marcellus  (Empir.)  praef. 
zählt  unter  veteres  medicinae  artis  auctores  Latino  sermone  perscriptos  auf: 
uterque  Plinius  (Plin.  d.  Alt.  und  der  sog.  Plin.  Valerianus)  et  Apuleius  et 
Celsus  et  Apollinaris  ac  Designatianus ,  aliique  nonnulli  etiam  proximo  tem- 
pore illustres  honoribus  viri,  cives  ac  maiores  nostri,  Siburius,  Eutropius 
atque  Ausonius.  Cassiod.  inst.  div.  litt.  31  quodsi  vobis  non  fuerit  Graeca- 
rum  litter arum  nota  facundia,  imprimis  habetis  Herbarium  Dioscoridis ,  qui 
herbas  agrorum  mirabili  proprietate  disseruit  atque  depinxit.  post  haec  legite 
Hippocratem  atque  Galenum  Latina  lingua  conversos,  i.  e.  Therapeutica  Ga- 
leni  ad  philosophum  Glauconem  destinata  et  Anonymum  quendam,  qui  ex 
diversis  auctoribus  probatur  esse  collectus.  deinde  Aureliani  Caeli  de  medi- 
cina  et  Hippocratis  de  herbis  et  curis  (cibis  Rose),  diversosque  alios  de  me- 
dendi  arte  compositos,  quos  vobis  in  byblioihecae  nostrae  sinibus  reconditos 
..  dereliqui.  Den  Leibarzt  des  Nero,  Marcellus,  nennt  als  medizinischen 
Schriftsteller  Marcell.  Empir.  20,  84.  30,  51.  Vgl.  Galen  14  p.  459.  —  Diäte- 
tische Schriften  von  Soranus  (in  Form  von  Fragen  und  Antworten),  über- 
setzt durch  Caelius  Aur. ,  von  Theodorus  Priscianus,  Anthimus  u.  a.  — 
*Dicta  Marci  medici  ad  *  *  virum  clarissimum  inter  cetera  sie:  usw.'  aus 
Bern.  109  s.  X  bei  HHagen,  de  cod.  Bern.  Tironianis,  Bern  1880  p.  9. 

4.  Die  zahlreichen  Schriftsteller  über  Heilmittel  (bes.  über  einfache 
svTtOQiöTcc),  zerfallen  in  zwei  Klassen,  je  nachdem  sie  diese  nach  den  Reichen 
ordnen,  denen  sie  entnommen  sind,  oder  nach  den  leidenden  Körperteilen, 
worauf  sie  wirken  sollen.  Die  erstere  Anlage  wird  befolgt  bes.  von  Sex. 
Placitus  (animalia)  und  Ps. -Apuleius  (herbae);  die  meisten  aber  bedienten 
sich,  nach  dem  Vorgänge    des  Plinius    (NH.  25,  132),    der    zweiten   und  be- 


118  Sachlicher  Teil 

gannen  die  Aufzählung  mit  dem  Kopfe;  so  Scribonius  Largus,  Serenus  Sam- 
monicus,  Plinius  Val.,  Marcellus  Emp.,  Theodorus  Priscianus. 

5.  Sammlungen  der  medici  vet.  lat.  von  Aldus  (1547)  u.  HStephanus 
(1567).  Anonymus  de  re  medica  bei  Mai,  class.  auct.  7,  459  (Fragment).  — 
Sammlung  der  Schriftsteller  über  Heilmittellehre  von  GAckermAnn  (Parabi- 
lium  medicamentorum  script.  ant.,  Nürnb.  1788). 

6.  KSprengel,  Gesch.  d.  Arzneikunde,  B.  I4  (von  JRosenbaum),  Lpz. 
1846,  1,  199.  CHecker,  Gesch.  der  Heilkunde,  Bd.  2.  HHäser,  Gesch.  der 
Medizin  l3  (Jena  1875),  254.  Ilberg,  Celsus  u.  d.  Medizin  in  Rom,  JJ.  1907 
XIX  377.    Friedländer,  SG.  I8,  338.    Über  d.  medicina  Pliniana  s.  §  411. 

56.  Kriegswissenschaft  und  Kriegsgeschichte  wurde  erst  in 
der  Kaiserzeit  und  nicht  immer  bloß  von  Fachleuten  literarisch  be- 
handelt; wir  haben  aus  der  Zeit  des  Domitian  die  Strategemata  des 
Sex.  Iulius  Frontinus,  sowie  die  viel  jüngere  Schrift  des  angeblichen 
Hyginus  über  das  Lagerschlagen  (vgl.  §  58)  und  die  im  vierten 
Jahrh.  geschriebene  Epitoma  rei  militaris  des  Vegetius. 

1.  Aus  der  Zeit  der  Republik  ist  nur  etwa  zu  erwähnen  des  älteren 
Africanus  Begründung  seines  strategischen  Verfahrens  in  Spanien  und  vor 
Karthago,  die  er  in  einem  an  König  Philipp  gerichteten  Schreiben  (in  grie- 
chischer Sprache)  gab;  s.  Polyb.  10,  9,  3.    Vgl.  §  46,  2. 

2.  Veget.  1,  8  compulit  evolutis  auctoribus  ea  me  in  hoc  opusculo  .  .  di- 
cere,  quae  Cato  ille  Censorius  de  disciplina  militari  scripsit,  quae  Cornelius 
Celsus,  quae  Frontinus  perstringenda  duxerunt,  quae  Paternus  diligentissimus 
iuris  militaris  adsertor  in  libros  redegit,  quae  Augusti  et  Traiani  Hadriani- 
que  constitutionibus  cauta  sunt.  ebd.  2,  3  Cato  ille  maior  . .  plus  se  reip. 
eredidit  pro  futurum,  si  disciplinam  militarem  conferret  in  litteras  . .  idem 
fecerunt  alii  complures,  sed  praecipue  Frontinus,  divo  Traiano  ab  eius  modi 
comprobatus  industria.  Laur.  Lyd.  de  magistr.  1,  47  ^dQtvgsg  KiXöog  ts  y.cu 
IIdt£QVogi  y,al  KariXivag  (ov%  6  6vv(oii6tr\g,  ccXX'  tTEQog),  Kdrav  tzqo  avtcav 
6  rtQmrog,  v.a\   <&QOVtlvog,  {isd"'  ovg  v.ccl  'Psvdrog  (Vegetius),  *P<ö(iccioL  Tcdvtsg. 

3.  Aus  Vegetius  abgeschrieben  ist  des  angeblichen  Modestus  Büchlein 
de  vocabulis  rei  militaris  ad  Tacitum  Aug.  (vgl.  A.  4),  verfaßt  im  15.  Jahrh. 
von  Pomponius  Laetus  (oder  einem  Schüler  desselben),  mit  dessen  Schrift 
de  magistratibus  (und  de  legibus)  es  ursprünglich  (anonym)  zusammen  er- 
schien. Peyron,  notitia  libr.  bibl.  Taurin.  (1820)  85.  —  Hinter  der  notitia 
dignitatum  (§  453,  6)  ist  der  sogen.  Anonymus  de  rebus  bellicus  überliefert, 
eine  an  den  oder  die  Kaiser  gerichtete  Schrift  eines  'verrückten  Projekten- 
machers'.  Der  Verf.  macht  zunächst  Vorschläge  zur  Abstellung  der  Finanz- 
not, an  der  die  seit  Constantin  eingerissene  profusa  largitio  schuld  sei,  dann 
empfiehlt  er  eine  Reihe  von  militärischen  Maßnahmen,  unter  denen  tech- 
nische Erfindungen  obenan  stehen,  zB.  verschiedene  Sichelwagen,  eine 
Schlauchbrücke  (ascogefrus),  mehrere  ballistae  und  eine  von  Schaufelrädern, 
die  Ochsen  treiben,  fortbewegte  Liburna  (letztere  völlig  beispiellos).  Ab- 
bildungen dieser  Kriegsgeräte  sind  beigegeben  und  auch  in  den  humanisti- 
schen Abschriften  des  verlorenen  Archetypus  erhalten   (eine  Probe  JJ.  1910 


§  56.  Kriegsschriftsteller.    §  57.  Architekten  119 

XXV  341).  Der  rhetorisch  gezierte  Stil,  der  die  Klausel  beobachtet,  und  die 
Sprache  weisen  in  das  Ende  des  Altertums;  dazu  passen  auch  die  voraus- 
gesetzten politischen  Verhältnisse.  Die  Perser  sind  gefährliche  Feinde  des 
Reiches,  c.  21  Persarum  gens,  cui  praeter  ceteras  nationes  et  dolus  cordi  est 
et  corpori  suppetit  virtus ,  quadratis  agminibus  et  maiori  bellorum  apparatu 
superanda.  In  c.  5  (de  iudicum  pravitate)  heißt  es:  hi  (die  Statthalter)  de- 
specta  reverentia  dignitatum  velut  mercatores  in  provincias  se  missos  existi- 
munt,  eo  graviores,  quod  ab  his  procedit  iniquitas,  unde  debuit  sperari  medi- 
cina.  Et  tamquam  sua  rebus  sufficere  non  possit  iniquitas,  exactores  in  pro- 
ßigandis  rebus  huius  modi  dirigit  unusquisque,  qui  diversis  rapinarum  arti- 
bus  collatorum  vires  exhauriant.  Auch  das  paßt  auf  die  angegebene  Zeit. 
Jedoch  erklärte  RSchneider  Ausg.  25;  JJ.  1910  XXV  327  die  Schrift  für 
mittelalterlich,  weil  die  darin  erwähnten  technischen  Errungenschaften  z.  T. 
dem  Altertum  unbekannt  gewesen  seien.  Dagegen  spricht  schon  das  Alter 
des  Archetypus,  der  Speyerer  Handschrift,  die  zwischen  825  und  1100  ge- 
schrieben war.  Seeck  setzt  die  Schrift  in  die  J.  366 — 378,  Berthelot,  Journ. 
d.  Sav.  1900  in  die  Zeit  des  Theodosius  und  seiner  Söhne,  Neher,  Der 
Anon.  de  reb.  beil.,  Tübing.  1911  in  die  Regierung  Justinians.  Gedruckt 
ist  die  Schrift  zuerst  von  Gelenius  hinter  der  Not.  digu.,  Basel  1552;  seinen 
Text  wiederholen  alle  folgenden  Ausgaben,  zB.  die  von  Scriverius  (hinter 
Vegetius,  Leiden  1607)  und  Panciroli  (Lugd.  1608),  auch  die  von  RSchnei- 
der, Berl.  1908.  Über  die  Grundlagen  der  Recensio  s.  Neher  8.  —  Seeck, 
PW.  1,  2325;  DLZ  1908,  3171.  BAMüller,  BphW  1911,  229.  Diels,  Ant. 
Techn.  60.  95. 

4.  Vet.  de  re  militari  scriptores  in  unum  redacti  corpus,  Wesel  1617. 
Außerdem  finden  sich  Frontinus  und  Modestus  (A.  3)  mit  abgedruckt  in 
älteren  Ausg.  des  Vegetius  zB.  von  Stewechius  (Antv.  1585)  und  PScriverius 
(Antv.  1607).  —  MJähns,  d.  röm.  Militärliteratur,  Grenzboten  1878.  Nr.  38. 

57.  Auf  dem  Gebiete  der  Architektur  waren  schon  in  der 
Zeit  der  Republik  Fuficius,  Varro  und  P.  Septimius  schriftstellerisch 
tätig.  Erhalten  ist  nur  das  aus  griechischen  Quellen  schöpfende 
Werk  des  Yitruvius  de  architectura  aus  der  Zeit  des  Augustus. 

1.  Vitruv.  7,  praef.  14  animadverti  in  ea  re  ab  Graecis  volumina  plura 
edita,  ab  nostris  oppido  quam  pauca.  Fuficius  nimirum  de  his  rebus  primus 
instituit  edere  volumen,  item  Terentius  Varro  de  novem  disciplinis  (s.  unten 
§  166,  6,  a)  unum  de  architectura,  P.  Septimius  duo.  Als  Praktiker,  von 
denen  er  aber  keine  Schriften  kenne,  nennt  er  ebd.  17  den  Cossutius  und 
C.  Mucius.  Überhaupt  war  die  Zahl  der  tüchtigen  Praktiker  auf  diesem 
Gebiete  erheblich  größer  als  die  der  Theoretiker.  Vgl.  CPromis,  gli  archi- 
tetti  e  1'  architettura  presso  i  Romani  (Mem.  d.  Turin.  Akad.  Ser.  II,  t.  27. 
1873).    AChoisy,  rev.  arche'ol.  28  (1874),  260.    vDomaszewski,  PW.  2,  543. 

2.  Vitruv.  1,  1,  3  fordert  stark  übertreibend  von  dem  Architekten  ut 
litteratus  sit,  peritus  graphidos,  eruditus  geometria,  historias  complures  nove- 
rit,  phüosophos  diligenter  audierit,  musicam  scierit,  medicinae  non  sit  igna- 
rus,  responsa  iurisconsultorum  noverit,  astrologiam  caelique  rationes  cognitas 
habeat. 


120  Sachlicher  Teil 

3.  Yitruv.  5, 1  non  de  architectura  sie  scribitur  uti  historia  aut  poemata. 
.  .  vocabula  ex  artis  proprio,  necessitate  coneepta  inconsueto  sermone  obiciunt 
sensibus  obscuritatem. 

58.  Die  Feldmeßkunst,  die  den  Römern  schon  früh  beim 
Lagerschlagen  und  bei  der  Verteilung  von  Ackerlosen  unentbehr- 
lich war,  wurde,  soweit  wir  wissen,  zuerst  selbständig  von  Varro 
behandelt.  Durch  die  Anlage  von  Milit'ärkolonien  und  die  Reichs- 
vermessung unter  Augustus  wurde  ihre  Bedeutung  so  gesteigert, 
daß  in  der  Kaiserzeit  eigene  Schulen  dafür  entstanden,  sowie  eine 
eigene  halb  mathematische,  halb  juristische  Literatur,  die  vom  ersten 
christlichen  Jahrhundert  bis  ins  sechste  herabreicht.  Der  älteste 
dieser  schriftstellernden  Feldmesser  (gromatici,  agrimensores)  ist 
Frontinus,  dessen  Werk  im  fünften  Jahrh.  von  Aggenus  Urbicus 
erläutert  wurde.  Unter  Trajan  schrieben  Baibus  und  Hyginus,  bald 
darauf  auch  Siculus  Flaccus.  Etwa  ins  fünfte  Jahrh.  fallen  M.  Iunius 
Nipsus,  Innocentius  u.  a.,  die  sich  teilweise  einer  barbarischen  Lati- 
nität  bedienen.  Von  den  hierher  gehörigen  Schriften  des  Boethius 
sind  gerade  die  gromatischen  Teile  unecht.  Von  anderen  gromati- 
schen  Traktaten  ist  der  Name  des  Verfassers  nicht  bekannt. 

1.  Caesar  berief  Astronomen  und  Geometer  aus  Alexandria  nach  Rom, 
durch  welche  die  Werke  Herons  oder  (da  Heron  ans  Ende  des  zweiten 
Jahrh.  v.  Chr.  zu  gehören  scheint)  seiner  Vorgänger  in  die  röm.  Literatur 
Eingang  fanden.  Bis  auf  geringe  Ausnahmen  können  sämtliche  Formeln, 
Rechnungen  und  feldmesserische  Methoden,  die  sich  bei  röm.  Schriftstellern 
finden,  in  den  heronischen  Schriften  nachgewiesen  werden.  MCantor,  Agri- 
mens.  86.  Tittel,  PW.  8,  1071.  Über  Verbindung  der  Feldmeßkunst  mit 
der  Auguraldisziplin  s.  HNissen,  Templum  (Berl.  1869),  11;  mit  Jurisprudenz, 
vgl.  Cic.  Mur.  22.  Auch  vgl.  Marx.  10,  17,  5  mensorum  longis  . .  vacat  ille 
libellis.    Schulten,  Gromatici,  PW.  7,  1886. 

2.  Ps-Boeth.  Sehr.  d.  röm.  Feldmesser  1,403  nomina  agrimensorum: 
Igeni  (Hygini),  luli  Frontini,  Siculi  Flacci,  Ageni  Urbici,  Mar  ei  Iuni  Nipsi, 
Bdlbi  mensoris,  Cassi  Longini,  Igini,  Euclidis.  Gromatische  Auszüge  sind 
uns  erhalten  auch  ex  libris  Dolabellae,  ex  libris  Latini  (auch  Latinus  Toga- 
tus  genannt),  ex  libris  Magonis  et  Vegoiae  auetorum  (vgl.  p.  350  Lachm. 
idem  Vegoiae  Arrunti  Veltymno;  vgl.  §  77  u.  Müllers  Etr.  22,  31.  312.  560. 
Nissen  aO.  10);  ferner  einzelnes  aus  Faustus,  Gaius,  Innocentius  (§  447,  2), 
Mysrontius  (?Dy»pontius),  Valerius,  Vitalis. 

3.  Haupthandschrift  der  Arcerianus  s.  VI/VII  in  Wolfenbüttel.  Thulin, 
die  Hss.  des  Corp.  agrim.,  Abh.  Berl.  Ak.  1911  Anh.;  zur  Überlieferungs- 
gesch.  des  Corp.  agrim.,  Göteb.  1911;  RhM.  66,  417.  —  Sammlungen:  von 
GGoesius  (Rei  agrariae  auetores  ]egesque,  Amst.  1674),  besonders  aber:  Die 
Schriften  der  röm.  Feldmesser  herausg.  u.  erläutert  von  FBlume,  KLachmann, 
ThMommsen  u.  ARudorff,  Berl.  1848.  52  II;  von  Thulin  (1,  1  Lpz.  1913). 

4.  Paul.  Festi  96  groma   (vielleicht   aus   yv&iicc   auf  dem  Umwege  über 


§  58.  Feldmesser.    §  59.  Metrologen.    §  60.  Geographen  121 

das  Etruskische:  Schulten,  PW,  7,  1881)  appellatur  genus  machinölae  cuius- 
dam,  quo  regiones  agri  cuiusque  cognosci  pobsunt,  quod  genus  Graeci  yvm^iova 
dicunt.  Also  ein  Visierinstrument;  ein  Original  am  Limes  gefunden  (Schönc 
aO.).  Vgl.  im  allg.  Mommsen,  Sehr.  d.  röm.  Feldm.  2,  174,  Hultsch,  Ersch 
u.  Grubers  Enc.  1,  92,  97,  Cantor,  d.  röm.  Agrimensoren,  Lpz.  1875,  EStöber,  , 
d.  röm.  Grundsteuervermessungen,  Münch.  1877,  GRossi,  groma  e  squadro 
ovvero  storia  dell'  agrimeusura  italiana,  Rom  1877.  deTissot,  les  agri- 
mensores  dans  l'anc.  Rome,  Par.  1879.  HSchöne,  Arch.  Jahrb.  1901,  127. 
Schulten  aO. 

5.  Über  die  volkstümlichen  Bestandteile  in  der  Sprache  der  Gromatiker 
s.  Pott,  ZfAW.  1854,  219. 

59.  Erst  in  der  Kaiserzeit  begann  eine  selbständige  Literatur 

über  Maße  und  Gewichte,  teilweise  sogar  in  gebundener  Form. 

1.  Metrologicorum  scriptorum  reliquiae;  coli.  rec.  partim  nunc  primum 
ed.  FHultsch.    Bd.  2  (scriptores  Romani)  Lps.  1866. 

60.  Auch  die  Geographie  wurde  unter  den  Römern  zuerst  von 
dem  Polyhistor  Varro  gesondert  behandelt,  dann  wohl  von  Corne- 
lius Nepos,  sonst  aber  meist  nur  als  Anhang  oder  Beigabe  zur 
Geschichtschreibung.  In  Stoff  und  Behandlung  blieb  sie  von  den 
Griechen  abhängig;  eigene  Anschauung  war  weder  für  Cato  noch 
für  Cäsar  und  Sallust  von  großer  Bedeutung.  Einzelne  beschrieben 
auch  ohne  wissenschaftliche  Vertiefung  ihre  Reisen  und  was  sie  auf 
ihnen  gesehen  hatten,  wie  Trebius  Niger,  Statius  Sebosus,  Turra- 
nius  Gracilis.  Eine  ziemlich  eingehende  Schilderung  der  Oikumene 
mit  Bevorzugung  Italiens  gab  Varro  in  den  Antiquitates.  Unter 
Augustus  entwarf  Agrippa  eine  von  Erläuterungen  begleitete  große 
Weltkarte,  die  nach  seinem  Tode  in  einer  offenen  Halle  in  Rom  aus- 
geführt und  zur  Schau  gestellt  wurde.  Bald  folgte  dann  die  fleißige 
und  in  ihrer  Art  kritische  Arbeit  des  Pomponius  Mela.  Dazu  kamen 
fortwährend  Einzelbeiträge,  teils  aus  eigener  Anschauung,  teils  auf 
grund  von  Quellenstudien ;  so  schrieb  Seneca  über  Indien  und  Ägypten, 
Corbulo  und  Mucianus  über  den  Osten,  Suetonius  Paulinus  über 
Afrika,  L.  Vetus  und  Plinius  über  Germanien,  Tacitus  über  Ger- 
manien und  Britannien.  Umfassenderes  leistete  auch  nach  der  sta- 
tistischen Seite  des  älteren  Plinius  Erdbeschreibung  in  B.  III — VI 
seiner  Naturgeschichte.  Senecas  Quaestiones  naturales  enthalten 
eine  Art  mathematischer  und  physikalischer  Geographie.  Die  ganze 
Erdbeschreibung  unternimmt  nach  Plinius  kein  zweiter  Römer. 
Vielleicht  aber  wurde  seine  Arbeit  um  die  Zeit  Hadrians  in  einen 
Auszug  gebracht  und  mit  Angaben  aus  andern  Quellen  vermehrt, 
wonach  dann  im  dritten  Jahrh.  n.Chr.  Solin  us  seinen  Auszug  machte. 


122  Sachlicher  Teil 

Gleichfalls  im  dritten  Jahrh.  schrieb  der  ältere  Iulius  Titianus  seine 
Chorographie.  Aus  dem  vierten  Jahrh.  stammen  die  geographischen 
Lehrgedichte  des  Avienus  (orbis  terrae  und  ora  maritima);  die  Mo- 
sella  des  Ausonius  ist  als  eine  poetische  Ekphrasis  einzuschätzen. 
Verwandter  Art  ist  das  Itinerarium  (de  reditu  suo),  das  zu  Anfang 
des  fünften  Jahrh.  Rutilius  Namatianus  in  elegischem  Maße  verfaßte: 
um  dieselbe  Zeit  (oder  noch  zu  Ende  des  vierten  Jahrh.)  stoppelte 
Vibius  Sequester  sein  mageres  Schulbuch  über  die  bei  den  gelesen- 
sten  Dichtern  vorkommenden  geographischen  Namen  zusammen. 
Ahnlicher  Art  ist  die  an  eine  Weltkarte  sich  anlehnende  Zusammen- 
stellung der  Kosmographie  des  Redners  Iulius  Honorius.  Aus  der 
Mitte  des  siebenten  Jahrh.  stammt  die  unter  dem  Namen  des  Aethi- 
cus  Ister  laufende  Kosmographie;  aus  dem  Ende  desselben  der  so- 
genannte Geographus  Ravennas.  Verzeichnisse  der  Straßenzüge, 
Stationen  und  Entfernungen  geben  die  eigentlich  nicht  zur  Litera- 
tur gehörigen  Itineraria,  deren  wir  aus  dem  vierten  Jahrh.  mehrere 
haben,  namentlich  das  It.  Antonini;  das  It.  Hierosolymitanum  (von 
Burdigala  nach  Jerusalem)  und  das  It.  Alexandri.  Das  Original  der 
Peutingerschen  Reisekarte  aber  gehörte  wohl  schon  der  Mitte  des 
zweiten  Jahrh.  an  und  geht  vielleicht  mittelbar  auf  Agrippas  Werk 
zurück.  In  dem  engern  Kreise  der  Hauptstadt  bewegt  sich  des 
Frontinus  Schrift  de  aquis  urbis  Romae  aus  dem  Ende  des  ersten 
Jahrh.,  die  mit  Geographie  im  Grunde  nichts  zu  tun  hat;  rein  sta- 
tistischer Natur  ist  das  Regionenverzeichnis  der  Stadt  Rom  aus  dem 
vierten  Jahrh.,  das  in  einer  doppelten  Redaktion  (Notitia  regionum 
und  Curiosum  urbis)  erhalten  ist 

1.  Geographi  lat.  minores;  coli.  ARiese,  Frankf.  1878.  FUkert,  Geo- 
graphie der  Griech.  u.  Rom.,  bes.  1,  1,  Gotha  1816.  HBunbury,  Hist.  of  geo- 
graphy  arnong  the  Greeks  and  Romans,  Lond.  1879  II.  HBerger,  Gesch.  d. 
wiss.  Erdk.  d.  Griechen,  Lpz.2  1903.  HKiepert,  Lehrb.  d.  alt.  Geogr.  (ßerl. 
1878),  7  ff.    HNissen,  ital.  Landeskunde  1, 17.    Vgl.  auch  Detlefsen,  JB.  77, 1. 

2.  Landkarten,  Stadtpläne,  Reisekarten:  Karte  der  Insel  Sardinien  im 
J.  174  in  den  Tempel  der  Mater  Matuta  geweiht:  Liv.  41,  28.  Varro  RR. 
1,  2,  1  spectantes  in  pariete  pictam  Italiam.  Propert.  4,  3,  37.  Agrippas 
Weltkarte:  §  220,  12.  Auson.  grat.  act.  3,  9  p.  21  Seh.:  ut  qui  terrarum 
orbem  unius  tabulae  ambitu  circumscribunt ,  aliquanto  detrimento  magnitudi- 
nis,  nullo  dispendio  veritatis.  Eumen.  pro  restit.  schol.  20  (s.  unten  §  220, 12). 
Über  die  Peutingersche  Weg-  und  Reisekarte:  §  412,  6.  —  Mommsen,  Sehr. 
5,  303.  —  Der  sog.  capitolinische  Stadtplan  im  Anfang  des  dritten  Jahrh. 
in  Marmor  eingegraben,  trüramerhaft  erhalten:  am  besten  in  HJordans 
Forma  Urbis  Romae,  Berl.  1874. 


BESONDERER  UND  PERSÖNLICHER  TEIL, 

I. 

VORGESCHICHTE  DER  RÖMISCHEN  LITERATUR 

BIS  ZUM  J.  240  V.  CHR. 

60a.  Die  Römer  haben  sich  bis  ins  siebente  Jahrh.  v.  Chr.  ohne 
Schrift  beholfen  und  sich  zB.  im  Recht  lange  auch  später  noch  des 
mündlichen  Verfahrens  bedient.  Die  Einführung  des  chalkidischen 
Alphabetes,  die  wohl  im  siebenten  Jahrh.  erfolgte,  steht  in  Zu- 
sammenhang mit  dem  lebhaften  Kultureinfluß,  der  von  den  griechi- 
schen Kolonien  Unteritaliens  ausgeht  und  dem  die  Römer  viele 
Kulturgegenstände  und  die  Bezeichnungen  dafür  verdanken.  Erst 
das  Vorhandensein  einer  Schrift  ermöglichte  das  Aufkommen  einer 
Literatur,  indem  zunächst  die  bisher  mündlich  bewahrten  Formeln 
der  Rechts-  und  Sakralsprache  aufgezeichnet  wurden. 

1.  Über  die  griechischen  Lehnworte  vgl.  0 Weise,  Die  griech.  Worte  im 
Latein,  Lpz.  1882.  Das  chalkidisehe  Alphabet  behandelt  Kirchhoff,  Stud. 
z.  Gesch.  d.  griech.  Alph.,  Berl.4  1887.  Vgl.  JSchmidt,  Italische  Alphabete, 
PW.  1,  1616.  Über  die  Zeit  der  Übernahme  Modestow,  Der  Gebrauch  der 
Schrift  unter  d.  röm.  Königen,  Berl.  1871  und  die  Literatur  über  die  Forums- 
inschrift (§  83,  4). 

61.  Als  älteste  Reste   römischer  Prosa  treten  uns  Gebets-  und 

Zauberformeln  entgegen,  die  durch  Parallelismus  der  Glieder  und 

Alliteration  gebunden   sind.    Die  Römer  nannten   diese  feierliche 

Prosa  Carmen.   Sie  findet  sich  ähnlich  nicht  nur  bei  den  verwandten 

italischen  Stämmen,  sondern  auch  bei  den  Etruskern,  doch  wird  ihr 

Ursprung  bei  den  Indogermanen  zu  suchen  sein. 

1.  Carmen  (alt  casmen,  verwandt  mit  Casmena  [Cämena],  Carmenta  und 
Sippe)  zB.  Liv.  1,  24.  26  (lex  horrendi  carminis).  32.  3,  64  (rogationis  Carmen). 
10,  38  (Schwurformel).  41.  39,  15  (sollemne  Carmen  precationis  quod  praefari 
magistratus  solent).  Cic.  Mur.  26  (praetor  ne  . .  aliquid  ipse  sua  sponte  lo- 
queretur,  ei  quoque  Carmen  compositum  est),  leg.  2,  59  (XII  tabb.).  de  or. 
1,  245.  Macrob.  3,  9,  6 ff.  (carmen  quo  di  evocantur),  behandelt  von  Engel- 
brecht, WSt.  24,  478.    Sen.  cons.  ad  Marc.  13,  1  (sollemnia  pontificalis  car- 


124  .  Die  Zeit  vor  J.  240 

minis  verba).  Ritschl,  opusc.  4,  298.  HDüntzer,  ZfGW.  11,  2.  12,  526;  Phil. 
28,  242.  HJordan,  krit.  Beitr.  167.  —  Solche  rhythmische  oft  durch  Allite- 
ration gebundene  Haltung  (in  Reihen  von  je  vier  Hebungen)  zeigt  zB.  das 
uralte  Bauerngebet  bei  Cato  RR.  141,  die  Konsekrationsformel  bei  Macr. 
sat.  3,  9,  9,  das  Lied  der  Arvalen  (§  65).  Die  Zauberformeln  bei  Heim,  JJ. 
Suppl.  19,  644,  bes.  die  bei  Varr.  r.  r.  1,  2,  27  ego  tui  memini,  medere  meis 
pedibus;  terra  pestem  teneto,  salus  hie  maneto  in  meis  pedibus  u.  a.  Aus  ita- 
lischem Sprachgebiet  die  Gebete  der  Iguvinischen  Tafeln  und  die  Inschrift 
von  Corfinium  (CEL.  17);  etruskisch  die  Agramer  Mumienbinden  (Krall, 
Denkschr.  Akad.  Wien  41,  Rosenberg,  Glotta  4,  63).  Ziemlich  durchgeführt 
ist  das  Prinzip,  die  Glieder  mit  der  gleichen  Zahl  von  Worten  zu  bauen, 
so  in  der  Devotionsformel  (Liv.  8,  9,  6)  vos  precor  veneror  veniam  peto  oro- 
que  uti  populo  Romano  Quiritium  vim  victoriam  prosperetis  hostesque  populi 
R.  Quiritium  terrore  formidine  morteque  afficiatis.  Die  alte  Neigung  zur 
Verbindung  von  zwei  oder  drei  Worten,  die  sich  in  vielen  Formeln  lange 
erhält,  hängt  damit  zusammen;  vgl.  Preuss,  de  bimembris  dissoluti  usu, 
Erlang.  1881.  Es  ist  nicht  immer  leicht,  solche  carmina  von  regelrechten 
Saturniern  zu  sondern;  vgl.  §  62,  4.  Leo  (§  62,  3)  62.  RWestphal,  Metr.  d. 
Gr.  22,  36.  JHüemer,  älteste  lat.  -  christl.  Rhythmen  3.  RPeter,  de  Rom. 
precationum  carminibus,  Comment.  phil.  in  hon.  Reifferscheidii,  Bresl.  1884, 
67.    Vgl.  §  66,  2.  85. 

2.  WCorssen,  origines  poesis  Rom.,  Berl.  1846.  RWestphal,  d.  älteste 
Form,  der  röm.  Poesie,  Tüb.  1852.  Nettleship,  the  earliest  Italian  litera- 
ture,  Lectures  45.  Norden,  Kunstpr.  156.  820.  Thulin,  Italische  sakrale 
Poesie  und  Prosa,  Berl.  1906.  —  JWordsworth,  fragments  and  speeimens 
of  early  Latin,  Oxford  1874.    DAllen,  remnants  of  early  Latin,  Boston  1880. 

3.  Eine  Neigung  zu  Wortspielen  in  der  Art  des  Gorgias  macht  sich 
schon  in  frühen  Inschriften,  dann  bei  Naevius  und  besonders  Plautus  be- 
merkbar. Da  die  attischen  Originale  diese  Rhetorik  nicht  kennen,  so  ist 
ihr  Ursprung  anderswo  zu  suchen;  ihn  auf  griechische  Lehrmeister  der 
Rhetorik  zurückzuführen  macht  Schwierigkeiten.  Leo,  Anal.  Plaut.  2,  Gott. 
1898;  LG.  1,34  (er  denkt  an  einen  sizilischen  Redestil,  der  über  Unteritalien 
nach  Rom  gekommen  sei,  was  nicht  ohne  Bedenken  ist).  Über  die  Allitera- 
tion s.  93,  1. 

62.  Wo  sich  diese  gebundene  Prosa  zur  Poesie  entwickelt,  tritt 
sie  in  einer  Form  auf,  der  die  römischen  Gelehrten  den  Namen 
Saturnischer  d.  h.  altitalischer  Vers  gaben.  Dieser  Vers  berück- 
sichtigt, wo  er  uns  kenntlich  wird,  sowohl  den  Akzent  als  auch  die 
Quantität.  Er  besteht  aus  zwei  Kola,  die  durch  eine  Diärese  von 
einander  getrennt  sind  und  deren  jedes  wiederum  durch  einen  Ein- 
schnitt in  zwei  Kommata  zerfällt.  Das  erste  Komma  wird  meist 
durch  eine  viersilbige  Gruppe  gebildet,  die  mindestens  zwei  Längen 
enthalten  muß,  im  übrigen  aber  wandelbar  ist,  die  übrigen  drei  in 
der  Regel  durch  dreisilbige  Worte.  Statt  einer  Kürze  können  auch 
zwei  eintreten.   Die  lockere  Fügung  wird  nicht  selten  durch  Allite- 


§  62.  Der  saturnische   Vers  125 

ration  gekräftigt.  Das  bewegliche  erste  Komma  gleicht  dem  cho- 
riambischen Dimeter  der  Griechen  so  sehr,  daß  der  Gedanke  an 
eine  Urverwandtschaft  nahegelegt  wird.  Es  scheint,  daß  das  quanti- 
tierende  Prinzip  allmählich  die  Oberhand  gewann,  ohne  doch  das 
akzentuierende  jemals  völlig  zu  verdrängen.  —  Die  Auffassung  der 
römischen  Metriker,  die  zeitweilig  auch  bei  den  Modernen  Beifall 
fand,  hält  den  Vers  für  quantitierend,  verlangt  also  für  die  Hebungen 
entweder  je  eine  lange  oder  je  zwei  kurze  Silben,  und  stellt  als 
Grundschema  auf: 

Malüm  ddbünt  Metelli  Naevio  poe'tae. 

Daneben  finden  sich  Verse  wie  tumque  remos  iussit  religare  struppis 
oder  multa  dlia  in  isdem  inserinuntur,  die  sich  in  dieses  Schema 
nicht  einfügen.  Der  Saturnius  wurde  durch  die  griechische  Vers- 
kunst der  szenischen  Dichter  und  des  Ennius  aus  der  Literatur 
verdrängt,  lebte  aber  als  volkstümliches  Maß  eine  Zeit  lang  fort. 

1.  Yarro  LL.  7,  36  Fauni  dei  Latinorum  .  .  . :  hos  versibus,  quos  vocant 
Saturnios,  in  silvestribus  locis  traditum  est  solitos  fari  futura  (vgl.  Fest.  225). 
Mar.  Vict.  GL.  6,  138  versus,  cui  prisca  apud  Latium  aetas  tamquam  Italo 
et  indigenae  Saturnio  sive  Faunio  nomen  dedit. 

2.  Akzentuierende  Auffassung.  Serv.  Verg.  G.  2,  385  *versibus  incomptis 
ludunf:  id  est  carminibus  Saturnio  metro  compositis;  quod  ad  rhythmum 
solum  vulgares  componere  consueverunt.  Vgl.  Teuffel,  JJ.  77,  281.  Ansicht 
von  Niebuhr,  RWestphal  (Grieeh.  Metr.  22,  36;  Gott.  gel.  Anz.  1884,  340); 
neuerdings  wiederholt  verfochten:  OKeller,  d.  saturn.  Vers  als  rhythmisch 
erwiesen,  Prag  1883.  86  IL  FRamorino,  riv.  fil.  1883,  425.  RThurneysen,  d. 
Saturnier,  Halle  1885.  HGleditsch  in  IwMüllers  Handb.  2,  577.  Lindsat,  Am. 
J.  14,  139.  305.  Fitzhugh,  the  literary  Saturnian,  Charlotte sville  1910.  —  Die 
Form  der  späteren  Volkslieder  wäre  dann  nur  eine  Wiederauffrischung  der 
ursprünglichen,  durch  die  Kunstpoesie  eine  Zeit  lang  zurückgedrängten 
(doch  s.  WMeyer,  rhythmische  Dicht.,  Abh.  Münchn.  Ak.  17,  269).  Überhaupt 
schien  sich  bei  dieser  Auffassung  der  Saturnius  als  gleichartiges  Glied  in 
die  Geschichte  der  indoeuropäischen  Volkspoesie  einzufügen  (s.  §  61,  1).  Vgl. 
Westphal  aO.  35.  KBartsch,  d.  saturn.  Vers  u.  d.  altdeutsche  Langzeile,  Lpz. 
1867.  FAllen,  ZvglSprachf.  24,  572.  Hüsener,  altgriech.  Versbau,  Bonn  1887, 
77.  Fitzhugh,  Indoeuropean  Rhythm,  Charlottesv.  1912. 

3.  Quantitierende  Auffassung.  Die  spätere  Metrik  sucht  den  Saturnius 
ganz  in  das  System  der  griechischen  Metrik  einzureihen.  Caes.  Bass.  GL.  6, 
265  (Saturnium)  nostri  existimaverunt  proprium  esse  Italicae  regionis,  sed 
falluntur.  a  Graecis  enim  varie  et  multis  modis  tractatus  est  .  .  .  nostri 
autem  antiqui,  ut  vere  dicam  quod  apparet,  usi  sunt  eo  non  observata  lege 
nee  uno  gener  e  custodito,  ut  inter  se  consentiant  versus;  sed  praeter  quam  quod 
durissimos  fecerunt,  etiam  alios  breviores  alios  longiores  inseruerunt,  ut  vix 
invenerim  apud  Naevium  quos  pro  exemplo  ponerem  .  .  .  optimus  est  quem 
Metelli  proposuerunt  de  Naevio  .  .  .  *Malum  dabunt  Metelli  Naevio  poetae* . 


126  Die  Zeit  vor  J.  240 

hie  enim  Saturnius  constat  ex  Hipponactei  quadrati  iambici  posteriore  com- 
mate  et  phallico  metro.  Leo  aO.  9.  Charisius  de  versu  saturnio:  §  419,  4.  Die 
quantitierende  Auffassung  vertreten  GHermann  (Metrik  §  525),  KLachmann 
(fder  Urheber  der  Bemerkungen  in  s.  Bruders  Abh.  de  fönt.  Liv.  1,  73,  2;  de 
die  Alliensi  thes.  11,  wie  er  mir  selbst  gesagt  hat'  MHertz),  OMüller  (ad 
Fest.  p.  396),  Ritschl  (opusc.  4,  83  und  sonst)  und  die  weiterhin  in  dieser 
Anmerkung  genannten  Gelehrten.  Beschränkungen  und  Berichtigungen  von 
Ritschis  Theorie:  Bücheler,  JJ.  87,  330.  ThKorsch,  de  versu  Sat.,  Moskau 
1868.    Bergfeld,  de  versu  Sat.,  Marb.  1909. 

Der  Versuch  Ritschis,  von  den  Saturniern  der  Inschriften  auszugehen 
(gesammelt  zB.  in  Büchelers  CEL.  1 — 17  und  bei  Havet  aO.),  ist  nicht  ge- 
glückt; vielmehr  müssen  die  Saturnier  des  Andronicus  und  Naevius  in 
erster  Reihe  in  Betracht  gezogen  werden.  Nach  der  neueren  Auffassung 
läßt  sich  der  Vers  keinesfalls  im  Sinne  der  späteren  gräzisierenden  Metrik 
quantitierend  messen;  aber  daß  die  Quantität  neben  dem  Akzent  wichtig 
ist,  zeigt  zB.  der  Bau  des  ersten  Komma.  Jedoch  sind  die  von  Leo  zum 
Vergleich  herangezogenen  Gebilde  der  Piautinischen  Metrik  und  der  Glaube, 
daß  der  Saturnier  im  Prinzip  mit  diesen  übereinstimme  (Leo  30),  fernzuhalten, 
und  es  ist  aus  Plautus  vielmehr  die  Lehre  zu  entnehmen,  daß  die  bei  diesem 
herrschende  ungriechische  Rücksicht  auf  den  Wortakzent  nur  aus  der  natio- 
nalen Poesie  entlehnt  sein  kann.  Nach  Thulins  Untersuchungen  scheint  es, 
als  sei  ursprünglich  immer  eine  bestimmte  Zahl  von  Worten  (fünf,  wie  in 
dem  Musterverse  malum  dabunt  usw.)  zu  einem  Verse  vereinigt  worden.  — 
LHavet,  de  Saturnio  Latinorum  versu;  inest  reliquiarum  sylloge,  Par.  1880. 
LMüller,  d.  saturn.  Vers  u.  s.  Denkmäler,  Lpz.  1885.  Zander,  de  numero 
Sat.,  Lund  1895.  Reichardt,  JJ.  Suppl.  19,  207.  Leo,  der  Sat.  Vers,  Abh.  Gott. 
Ges.  NF.  8  (1905).  Thulin,  ital.  sakrale  Poesie  und  Prosa,  Berl.  1906.  Skutsch, 
Vollm.  JB.  6,  1,  460.    11,  1,  51. 

4.  Anwendung  in  Volksmäßigem,  in  Inschriften  udgl.  vereinzelt  bis  in 
die  Mitte  des  7.  Jahrh.  d.  St.  Wo  angeblich  Saturnier  in  Berichten  der  Ge- 
schichtschreiber durchschimmern  sollen,  handelt  es  sich  höchstens  um  car- 
mina  im  Sinne  von  §  61.  Caes.  Bass.  GL.  6,  265  in  tabulis  antiquis,  quas 
triumphaturi  duces  in  Capitolio  figebant.  Livius  40,  52  (J.  179).  41,  28  (J.  174). 
Über  Saturnier  des  Accius  s.  §  134,  2.  Vgl.  §  83.  85.  90,  5.  115  und  163,  7. 
Von  den  erhaltenen  Inschriften  sind  die  wichtigsten  die  beiden  ältesten, 
noch  vorliterarischen  Scipionenelogien.  —  Bücheler,  JJ.  77,  61.  Teuffel, 
ebd.  281.  WFröhner,  Phil.  13,  208.  EBährens,  JJ.  129,  837.  Auch  bei  den 
Paelignern  finden  sich  Inschriften  im  Saturnier.  Vgl.  Bücheler,  RhM.  30, 
441.33,274.  35,73.495.  SBugge,  altital.  Studien  (Christiania  1878)  83. 
Über  die  saturnischen  Anklänge  in  den  iguvinischen  Tafeln  s.  §  61.  West- 
phal,  älteste  röm.  Poesie  57;  Metr.  22,  37.  Über  die  Alliteration  im  Satur- 
nius s.  HJordan,  krit.  Beitr.  175.    Anderes  §  93,  1. 

63.  Ihrem  Inhalt  nach  sind  die  Denkmäler  und  Aufzeichnungen 
der  ältesten  Zeit  vorzugsweise  praktischer  Art,  teils  rein  gottes- 
dienstlich, teils  politisch-historisch,  und  sie  haben  bald  einen  öffent- 
lichen bald  einen  privaten  Charakter:  danach  ist  im  Folgenden  das 


§  63.  64.  Älteste  Aufzeichnungen.    §  65.  Das  Lied  der  Arvalen      127 

Material  eingeteilt.  Vom  vierten  Jahrh.  d.  St.  an  gewinnt  auch  das 
Recht  Bedeutung  für  die  Literatur. 

A)  GOTTESDIENSTLICHES. 

64.  An  den  Frühlingsfesten  der  Salier  im  März  wurden  bei 
feierlichen  Aufzügen  von  jener  Priesterschaft  alte,  der  späteren  Zeit 
unverständliche  und  daher  schon  von  Aelius  Stilo  kommentierte 
Kultlieder  (axamenta)  besonders  zu  Ehren  des  Mars  und  Quirinus 
abgesungen,  deren  treue  Fortpflanzung  auf  frühzeitige  Aufzeichnung 
schließen  läßt. 

1.  Zurückführung  auf  Numa:  Varr.  LL.  7,  3.  Cic.  de  or.  3,  197.  Hör. 
E.  2,  1,  86.  Liv.  1,  20.  Terentius  Scaur.  GL.  7,  28.  Diomed.  GL.  1,  476. 
Daß  jedes  der  beiden  Kollegien  der  Salier,  das  ältere  der  Palatini  und  das 
jüngere  der  Collini  (agonenses),  eigene  Lieder  hatte,  folgt  nicht  aus  Serv. 
Verg.  Aen.  8,  285  duo  sunt  genera  Saliorum,  sicut  m  Saliaribus  carminibus 
invenitur.  Im  allg.  Marquardt,  Staatsverw.  32,  427.  Wissowa,  Relig.  u.  Kul- 
tus 555. 

2.  Cic.  de  or.  3,  197  Saliorum  versus.  Vortrag  der  Lieder  cum  tripudiis 
sollemnique  saltatu,  Liv.  1,  20,  4;  vgl.  Hör.  C.  4,  1,  28  in  morem  Salium  ter 
quatient  humum.  —  Unverständlichkeit,  Hör.  aO.  Quint  1,  6,  40  Saliorum 
carmina  vix  sacerdotibus  suis  satis  intellecta:  sed  illa  mutari  vetat  religio  et 
consecratis  utendum  est.  ZB.  promenervat  =  monet,  petilam  suram,  pilumnoe 
poploe.  Daher  Kommentar  von  L.  Aelius  Stilo  (Varro  LL.  7,  2.  Fest.  141. 
146.  210.  329)  und  dem  zeitlich  nicht  bestimmbaren  Sabidius  (Schol.  Veron. 
zu  Aen.  10,  241  Sabidius  commentar.  XII  vers.  Salior.).  Vorliebe  späterer 
Altertümler  für  diese  Lieder  bezeugen  Hör.  aO.    Capitolin.  M.  Ant.  4. 

3.  Sammlung  und  Erklärung  der  Überreste,  zB.  Bergk,  opusc.  1,  477. 
Corssen,  orig.  poes.  rom.  43.  55.  FPR.  29.  Zander,  carm.  Saliaris  reliquiae, 
Lund  1888.  Maurenbrecher,  JJ.  Suppl.  21,  315.  Vgl.  HJordan,  krit.  Beitr. 
211.    LHavet,  de  versu  sat.  243. 

4.  In  der  Zeit  des  Verfalls  der  alten  Religion  wurden  auch  preisende 
Erwähnungen  von  Fürsten  in  das  Salierlied  aufgenommen,  wie  des  Augustus 
(Dio  51,  20.  Mon.  Anc.  2,  21  (jiomenque  meum  senatus  consulto  incV)usum 
est  in  saliare  Carmen),  Germanicus  (Tac.  A.  2,  83),  Drusus  (Tac  A.  4,  9),  Verus 
(Iul.  Cap.  M.  Ant.  21,  5)  und  Caracalla  (Spartian.  Carac.  11,  6). 

65.  Die  Arvalbrüderschaft,  die  in  der  zweiten  Hälfte  des 
Mai;  kurz  vor  der  Ernte,  ihr  Jahresfest  mit  feierlichen  Opfern,  Flur- 
umgängen u.  dgl.  hielt,  hatte  gleichfalls  ihre  feststehenden  uralten 
Rituallieder,  von  denen  eines  in  dem  inschriftlichen  Protokoll  einer 
Zusammenkunft  dieses  Kollegiums  aus  dem  Jahr  218  n.  Chr.  auf 
uns  gekommen  ist.  Es  wurde  mit  lebhaftem  Tanz  (tripudium)  und 
im  Wechselgesang  vorgetragen. 

1.  Von  den  acta  collegii  fratrum  Arvalium  sind  in  dem  Hain  der  von 
dieser  Brüderschaft  verehrten  dea  Dia  beim  fünften  Meilenstein  (heute  Vigna 


128  Die  Zeit  vor  J.  240 

Ceccarelli)  der  via  Campana  seit  1570  wiederholt,  besonders  1777,  dann 
namentlich  1866 ff.  sehr  bedeutende  Reste  (vom  J.  14 — 241  n.  Chr.)  zum  Vor- 
schein gekommen.  Älteres  Hauptwerk:  GMarini,  gli  atti  e  monumenti  de' 
fratelli  arvali,  Rom  1795  IL  Jetzt:  Acta  fratrum  Arvalium,  restituit  et 
illustr.  GHenzen,  Berl.  1874  und  CIL.  6,  2023  ff.  32338  ff.  Dazu  weitere  Funde 
bei  Huelsen,  Ephem.  epigr.  8,316;  Klio  2,276.  Auswahl  bei  Dessau  5026ff. 
Vgl.  im  allg.  Marquardt,  röm.  Staatsverw.  32,  447.  Wissowa,  PW.  2,  1463. 
2.  In  dem  Protokoll  des  J.  218  (CIL.  6,  2104;  vgl.  ebd.  1,  28.  Dessau 
5039.  CEL  1)  heißt  es:  Ibi  sacerdotes  clusi  succincti  libellis  (Textbücher) 
acceptis  Carmen  descindentes  (Weissbrodt,  obs.  in  S.  C.  de  Bacc.  31)  tripo- 
daverunt  in  verba  haec.  Darauf  folgt  der  Text  des  Liedes,  dessen  einzelne 
Glieder  immer  dreimal  wiederholt  werden:  enos  Lases  iuvate.  neue  lue  rue 
Marmar  sins  incurrere  in  pleores.  satur  fu,  fere  Mars,  Urnen  sali,  sta  her- 
ber, semunis  alternei  advocapit  conctos.  triumpe  (5  mal).  Darin  sind  satur — 
berber  und  semunis — conctos  regelrechte  Saturnier,  während  der  erste  Satz 
ein  saturnisches  Kolon  bildet.  Faksimile  bei  Ritschl,  PLM.  Tf.  36  (dazu 
Jordan  aO.  192).  Ältere  Literatur  gibt  ESchneider,  Exempla  392;  vgl.  Birt, 
Arch.  Lex.  11,  149.    Thulin,  sakr.  Poesie  40.    Norden,  Agn.  Theos  169. 

66.  67,  So  hatten  sicherlich  auch  noch  andere  kirchliche  Körper- 
schaften ihre  uralten  Lieder  und  Litaneien.  Außerdem  gab  es  alte 
Sprüche  und  Weissagungen,  die  wirklich  oder  angeblich  im  satur- 
nischen Maß  gehalten  waren  und  die  der  Volksglaube  auf  Faunus, 
Carmentis  u.  a.  zurückführte.  Auf  den  Namen  eines  angeblichen 
alten  Sehers  Marcius  wurden  nach  der  Schlacht  bei  Cannae  zwei 
Weissagungen  gefälscht;  an  sie  setzten  sich  im  Laufe  der  Zeit 
weitere  Sprüche  an. 

1.  Ennius  ann.  v.  222  V.  versibus  quos  olim  Fauni  vatesque  canebant. 
vates  heißt  priesterlicher  Sänger  (im  Gegensatz  zu  poeta,  dem  Kunstdichter), 
und  Ennius  mag  an  Marcius  denken.  Fest.  325  versus  antiquissimi ,  quibus 
Faunus  fata  cecinisse  hominibus  videtur,  Saturnii  appellantur.  Otto,  PW. 
6,  2058.  Ebenso  gab  Carmentis  angeblich  i^itgovs  %Qr\aybovg  (Plut.  quaest. 
rom.  56).  Similiter  (wie  die  Fauni)  Marcius  et  Publicius  vates  cecinisse  di- 
cuntur,  Cic.  div.  1,  115.  Hör.  E.  2,  1,  26  annosa  volumina  vatum,  und  dazu 
Porphyrio:  veteres  libros  Marci  vatis  Sibyllaeque  et  similium.  Vgl.  Fest.  326 
ex  libris  Sibyllinis  et  vaticinio  Marci  vatis.    Corssen,  orig.  6.  162. 

2.  Marcius  (Cic.  aO.  Liv.  25,  12  u.  Hertz  zdSt.  u.  JJ.  109,  268;  Porphyr. 
aO.;  vgl.  Fest.  165:  in  carmine  Cn.  Marcii)  lebte  angeblich  vor  dem 
zweiten  punischen  Kriege  (vates  hie  Marcius  illustris  fuerat  etc.  Liv.  aO.). 
Von  mehreren  dieses  Namens  sprechen  Cic.  div.  1,  89  (Marcii  fratres,  no- 
bili  loco  nati).  2,  113  (nee  Publicio  nescio  cui  nee  Marciis  vatibus).  Serv. 
Aen.  6,  70.  Symmach.  ep.  4,  34,  3  Marciorum  vatum  divinatio  caducis  corti- 
eibus  inculcata  est.  Zwei  dieser  Sprüche  waren  nach  der  Schlacht  bei  Can- 
nae fabriziert,  wurden  im  J.  212  hervorgezogen  und  den  Xviri  sacris  fa- 
ciundis  anvertrant.  Diels,  Sibyll.  Blätter  7.  Später  liefen  aber  auch  andere 
Sprüche  z.  T.  ethischen  Inhalts  unter  seinem  Namen  um.  Vgl.  §  84,  2.  Miß- 
glückte Umbildung    der   Proben   bei  Liv.  aO.    in  Saturnier   von  Westphal, 


§  66.  67.  Lieder  und  Sprüche.    §  68.  69.  Verträge  und  Gesetze      129 

Form  d.  alt.  röm.  Poesie  58;  in  Hexameter  von  Ribbeck,  JJ.  77,  204;  spä- 
tere Fälschung  nimmt  Bährens  FPR.  21  an.  Es  lagen  wohl  carmina  im 
Sinne  des  §  61  vor;  Livius'  Fassung  hat  hexametrische  Anklänge,  die  auf 
Umstilisierung  durch  seine  Quelle  (Fabius  Pictor?)  beruhen  mögen.  Isid.  or. 
6,  8,  12  (unglaubwürdig)  apud  Latinos  Marcius  vates  primus  praecepta  com- 
posuit,  ex  quibus  est  illud  fpostremus  dicas,  primus  taceas\  Vgl.  FPR.  36.  294. 

B)  POLITISCH-HISTORISCHES. 

68.  Bundesverträge  aus  der  Königszeit  —  alle  mehr  oder  we- 
niger zweifelhaft  —  sind  1)  der  sagenhafte  hundertjährige  des  Ro- 
mulus  mit  den  Vej entern;  2)  das  Bündnis  des  TuUus  Hostilius  mit 
den  Sabinern;  3)  das  des  Servius  Tullius  mit  den  Latinern;  4)  der 
Friedensschluß  des  Tarquinius  (Superbus?)  mit  Gabii. 

1.  Dionys.  antiq.  2,  55,  6  GzrfLcag  ivexaga'^s  zag  6/xoXoyi'as,  nach  griechi- 
scher Sitte.  —  2.  Dionys.  3,  33,  1  6zrftag  avxiyQacpovg  frevzsg,  vgl.  Hör.  E. 
2,  1,  24  foedera  regum  vel  Gabiis  vel  cum  rigidis  aequata  Sabinis. 

3.  Dionys.  4,  26,  5  6zr\ki];v  Y,ccza6K£va6ag  %a%Kf\v  lyqatysv  iv  xavxr)  etc., 
und  zwar  yga^yLaxcov  %aQay.xf]Q(xg  kllr\viv.aiv,  oig  zb  TtaXaibv  rj  'EHa?  £%quzo. 
Geschichtlich?  vgl.  Mommsen,  RGr.  I6,  216.  Ihne  RG.  1,  58.  Detlefsen,  Phil. 
20,  448.  —  4.  Geschrieben  auf  dem  Fell  des  dabei  geopferten  Stieres,  yqayi- 
liccciv  ccQ%uiKoig ,  und  im  Tempel  des  Sancus  aufbewahrt,  Dionys.  4,  58,  4. 
Vgl.  Paul.  Festi  56  clipeum  antiqui  . . .  corium  bovis  apellarunt,  in  quo  foe- 
dus  Gabinorum  cum  Romanis  fuerat  descriptum.  Hör.  aO.  Gegen  die  Be- 
ziehung auf  den  letzten  Tarquinius  Mommsen,  RG.  I6,  216.  Vgl.  auch  Schwegler, 
RG.   1,  18.  21.   37.  43.  789. 

69.  Aus  der  ältesten  Zeit  der  Republik  finden  wir  1)  die  Ur- 
kunde des  Schiffahrts-  und  Handelsvertrages  mit  Karthago,  angeb- 
lich aus  J.  509  y.  Cbr.,  dem  ersten  der  Republik;  2)  Vertrag  mit 
König  Porsena;  3)  Bündnis  mit  den  Latinern  vom  J.  493.  4)  Foe- 
dus  Ardeatinum  aus  dem  J.  444.  Dazu  noch  5)  die  lex  tribunicia 
prima  vom  J.  493  und  6)  die  lex  Icilia  de  Aventino  publicando, 
vom  J.  456. 

1.  Polyb.  3,  22  diocd'rjKcu  .  .  .  ccg  naft'  oßov  i\v  dvvazbv  dagißsötazcc  disg- 
[ir\vsv6avt£g  reisig  v7Coysyqdcpa[LBv .  zr\ki,K(xvzr\  yäg  i]  diacpoga.  ytyovs  xfjg  8ia- 
Ie-hzov  kccl  tcccqcc  Pa^iaioig  zf\g  vvv  TtQog  zi)v  ccq%aiav ,  axszs  zovg  övvsxoaxcc- 
zovg  %viu  poltg  i^  srtLCxdöscag  §isv%qivslv.  Diese  oft  angefochtene  Angabe 
des  Polybios  wird  durch  die  in  den  letzten  Jahren  gefundenen  Inschriften, 
deren  einzelne  bis  in  die  Zeit  um  500  hinaufgehen  (§  83),  mehr  und  mehr 
bestätigt. 

2.  Plin.  NH.  34,  139  in  foedere,  quod  expulsis  regibus  populo  Born,  de- 
dit  JPorsena,  nominatim  comprehensum  invenimus,  ne  ferro  nisi  in  agri  cultu 
uteretur.  —  3.  Cic.  Balb.  53  foedus  . .  quod  quidem  nuper  in  columna  ahenea 
meminimus  post  rostra  incisum  et  perscriptum  fuisse.  Vgl.  Liv.  2,  33.  Fest. 
166  (in  foedere  Latino).  Dionys.  6,  95.  Mommsen,  Röm.  Forsch.  2,  159.  — 
4.  Liv.  4,  7.    Mommsen,  röm.  Chronol.2  93.  —  5.  Fest.  318,  30  lege  tribunicia 

Teuffei:  röm.  Literaturgeach.   Neub.  6.  Aufl.  I.  9 


130  Die  Zeit  vor  J.  240 

prima  cavetur,  si  quis  eum,  qui  eo  plebei  scito  sacer  sii,  occiderit,  parricida 
ne  sit.  —  6.  Liv.  3,  31.    Dionys.   10,  32.    Schwegler,  RG.  2,  395. 

70.  Die  sogenannten  leges  regiae,  angeblich  Verordnungen 
und  Entscheidungen,  die  von  den  römischen  Königen  ausgingen, 
in  der  Form  altertümlich,  waren  uraltes  Gewohnheitsrecht,  das  die 
für  das  Publikum  wichtigen  sakralrechtlichen  Bestimmungen  ent- 
hielt; sie  sind  erst  später  aufgezeichnet  und  willkürlich  unter  die 
einzelnen  Könige  verteilt. 

1.  Dirksen,  Versuche  z.  Krit.  u.  Ausleg.  (1823)  234.  Schwegler,  RG.  1, 
23.  572.  664.  GBruns,  fontes  iur.  lf.  Bremer,  JAH.  1,  133.  Mommsen,  Staatsr. 
2,  41.    M Voigt,  d.  leges  regiae,  Lpz.  1876.  77  II  (Abh.  sächs.  Ges.  7,  555.  643). 

71.  Die  Sammlung  dieser  angeblichen  leges  regiae  hieß  nach 
ihrem  Urheber  ius  Papirianum.  Da  das  älteste  ius  civile  mit 
dem  ius  sacrum  zusammenfällt,  so  ließ  sich  der  Inhalt  jener  Samm- 
lung, im  Hinblick  auf  einzelne  ihrer  Bestimmungen  mit  einigem 
Rechte  auch  als  ius  civile  bezeichnen,  eigentlich  aber  bestand  sie 
aus  kirchenrechtlichen  Satzungen.  Öffentlichen  Charakter  scheint 
die  Sammlung  nie  gehabt  zu  haben. 

1.  Pompon.  dig.  1,  2,  2,  §  2  quae  omnes  (leges  regiae)  conscriptae  exstant 
in  libro  Sexti  Papirii,  qui  fuit  Ulis  temporibus  quibus  Superbus.  .  .  is  Über 
appellatur  ius  civile  Papirianum  .  .  quod  (Papirius)  leges  sine  ordine  latas 
in  unum  composu^it.  ebd  §  36  fuit  in  primis  peritus  (iuris)  P.  Papirius,  qui 
leges  regias  in  unum  contulit.  Dionys.  3,  36  ccl  tibqX  xcav  Isq&v  diaygaqxxl 
(eis  noiiniliog  6vvsot^aaro)  [ista  rrjv  ixßoli]v  tav  ßccöiXi-av  slg  ccvayQcccpr}v 
8r\no6iav  ccv&is  T7#tb]ffav  vtv'  avdgbg  Isgocpcivrov  rcc'l'ov  Hcczlqlov  etc.  Vgl. 
ebd.  3,  70,  1.  Unsicherheit  über  die  Person  und  Zeit  des  Pap.,  den  Dionys. 
5,  1  Isqcov  ßocöiXsvs  nennt,  s.  Schwegler,  RG.  1,  24.  Clason,  JJ.  103,  719. 
Cicero  und  Varro  kennen  die  Sammlung  noch  nicht;  vielleicht  ist  Pap.  der 
Schüler  des  Scaevola  (§  154,  3)?  Jedoch  liegt  bei  Dionys.  eine  zurechtge- 
machte Legende  vor,  die  er  einem  jüngeren  Annalisten  entnommen  haben 
wird.  Des  Granius  Flaccus  (§  199,  7)  liber  de  iure  Papiriano  zitiert  Paulus 
dig.  50,  16,  144.  Vgl.  Rein,  PRE.  4,  660.  RScholl,  XII  tab.  51.  MVoigt  (s. 
§  70,  1)  S.  670.  Lambert,  Nouv.  rev.  hist.  du  droit  26,  163.  Hirschfeld, 
Sehr.  239. 

72.  Die  commentarii  regum  nehmen  den  Schein,  als  ob  sie 
von  den  Königen  aufgezeichnet  seien,  nur  mit  Unrecht  für  sich  in 
Anspruch,  mögen  aber,  soweit  sie  wirklich  vorhanden  waren,  Be- 
stimmungen über  königliche  (priesterliche)  Rechte  und  Pflichten 
oder  Verfügungen  namentlich  sakraler  Natur  enthalten  haben,  die, 
der  Sache  nach  alt,  in  der  historischen  Zeit  niedergeschrieben  und 
gesammelt  wurden. 

1.  Cic.  p.  Rab.  p.  r.  15  ex  annalium  monumentis  atque  ex  regum  cnm- 
mentariis.    Besonders   commentarii  JSfumae   (Liv.  1,  31,  8)    sakralen  Inhaltes, 


§  70.  71.  Gesetze.    §  72.  73.  Commentarii  regum  u.  pontificum         131 

die  Ancus  Martins  in  album  elata  proponere  in  publico  iubet  (Liv.  1,  32. 
vgl.  Dionys.  3,  36  rag  Ttsgl  xwv  Isg&v  ßvyygoccpccg,  ag  TIoyLTtlXiog  Ovvs6t7]6ato). 
^Tno[Lvri[iccta  Nov^iä  (Plut.  Marceil.  8)  =  libri  Numae  (Piso  bei  Plin.  NH. 
28,  14)  =  leges  Numae  (Serv.  Aen.  6,  860)  =  lex  Pompilii  regis  in  pontifi- 
cum libris  (Fest.  189).  Vgl.  §  71,  1.  Ferner  commentarii  Servi  Tullii  (Liv. 
1,  60)  =  discriptio  classium  und  centuriarum  (Fest.  246.  249).  Schwegler, 
RG.  1,  27;  vgl.  545.  Mommsen,  Staatsrecht  2,  12.  42.  MVoigt  aO.  647. 
vPremerstein,  PW.  4,  728. 

2.  Anderer  Art  sind  die  auf  Täuschung  oder  Betrug  beruhenden  Bücher 
Numas  von  religionsphilosophischem  Inhalte,  die  im  J.  181  ausgegraben 
wurden,  wofür  Piso  und  Hemina  die  ältesten  Zeugen  sind;  für  uns  ältestes 
Beispiel  des  Vorkommens  solcher  verdächtiger  c  Ausgrabung'  (Rohde,  gr. 
Roman  272,  2).  Varro  (de  cultu  deorum)  bei  Augustin.  civ.  dei  7,  34.  Liv. 
40,  29.  Plin.  NH.  13,  84.  vLasaulx  Stud.  d.  klass.  Altert.,  Regensb.  1854,  92 
und  dagegen  Schwegler,  RG.  1,  564. 

73.  Den  ausgedehntesten  Gebrauch  von  der  Schreibekunst 
machten  die  Priester:  sie  verfaßten  Anweisungen  für  den  Gottes- 
dienst und  sein  Ritual,  fertigten  Zusammenstellungen  der  von  den 
Priesterkollegien  veröffentlichten  Erlasse  kirchen-  und  staatsrecht- 
licher Art,  die  für  künftige  Fälle  maßgebend  sein  sollten  (libri 
oder  commentarii  pontificum)  und  führten  Sitzungsprotokolle 
(acta,  §  77). 

1.  Unbestimmte  Anfährungen  (pontifices  dicunt,  docent,  apud  p.  legimus 
etc.)  Varro  LL.  5,  23.  Colum.  2,  21,  5.  Macr.  sat.  3,  20,  2.  —  Val.  Prob. 
GL.  4,  271  in  legibus  publicis  pontificumque  monumentis.  Daß  die  Pontifices 
keinerlei  Anweisungen  verfaßt,  sondern  nur  über  geschehene  Amtshandlun- 
gen berichtet  hätten  (vPremerstein  747),  läßt  sich  nicht  erweisen. 

2.  Pontificum  libri  (von  den   commentarii  nicht  zu   trennen)   Cic.  de  or. 

1,  193.  Hör.  E.  2,  1,  26.  Fest.  189  testimonio  esse  libros  pontificum,  in  qui- 
bus  sit  etc.    Macr.  sat.  1,  12,  21.  —  pontificii  libri,  Varr.  LL.  5,  98.    Cic.  rep. 

2,  54;  vgl.  ND.  1,  84.  Fest.  356.  —  pontificales  libri,  Sen.  ep.  108,  31.  Serv. 
Verg.  Ecl.  5,  66.  G.  1,  21.  A.  12,  603;  vgl.  Lyd.  mens.  4,  25.  —  libri  sacri, 
Serv.  G.  1,  272.  libri  sacrorum,  Fest.  141.  commentarii  sacrorum  (pontifica 
lium),  Fest.  165.  286.  360.  —  commentarii  pontificum,  Cic.  Brut.  55.  de 
dorn.  136.  Liv.  4,  3.  6,  1.  Plin.  NH.  18,  14.  Quint.  8,  2,  12.  —  isgocpccvt&v 
ygucpcci,  Dionys.  8,  56.  legal  d&toi,  ebd.  1,  73.  Isgal  ßißloi,  ebd.  10,  1.  — 
In  der  Verwahrung  der  Pontifices  waren  die  indigitamenta  (r Anrufungsfor- 
meln' s.  Wissowa,  Ges.  Abh.  177),  i.  e.  pontificales  libri,  Serv.  G.  1,  21.  — 
Ob  aus  den  libri  pontificii  die  von  Varro  LL.  5,  45  erwähnten  sacra  Argeo- 
rum  stammen?  S.  Jordan,  röm.  Topogr.  2,  237.  599. 

3.  Ambrosch,  de  sacris  Rom.  libris,  Part.  I,  Bresl.  1840;  d.  Religions- 
bücher d.  Rom.,  Bonn  1843  (Z.  f.  kath.  Theol.).  Schwegler,  RG.  1,  31. 
ELübbert,  quaest.  pontificales,  Berl.  1859,  79.  EHübner,  JJ.  79,  407.  MVoigt 
(§  70,  1)  S.  648.  Preibisch,  de  libris  pontificiis,  Bresl.  1874;  fragmenta  libr. 
pontificiorum,  Tilsit  1878.  RPeter,  Quaest.  pontif.  spec,  Straßb.  1886.  Ro- 
woldt,  Libr.  pontif.  rell.,  Halle  1906.    vPremerstein,  PW.  4,  729. 

9* 


132  Die  Zeit  vor  J.  240 

74.  Die  Pontifices  führten  auch  die  fasti,  das  Verzeichnis 
der  Spruch-  oder  Gerichtstage  (dies  agendi,  dies  fasti),  als  Be- 
standteil der  Monatstafel  (Kaien darium),  mit  Aufzählung  der  auf 
jeden  Tag  fallenden  Feste  und  Spiele,  Märkte,  Opfer  u.  dgl.,  woran 
sich  allmählich  auch  sonstige  kurze  Notizen  über  geschichtliche 
Vorkommnisse  anschlössen,  sowie  Bemerkungen  über  den  Auf- 
gang von  Sternbildern.  Seit  der  .Freigebung  dieser  fasti  (§  88)  wur- 
den auch  von  Privatpersonen  fasti  auf  Tafeln  und  in  Büchern  ver- 
öffentlicht und  zum  Gegenstande  gelehrter  Erläuterung  gemacht. 
Nach  Einführung  der  julianischen  Zeitrechnung  (J.  45)  nahm  die 
Veröffentlichung  solcher  Kalender  einen  neuen  Aufschwung.  Wir 
besitzen  eine  größere  Anzahl  auf  Stein  gegrabener  oder  geschriebe- 
ner (gemalter)  Kalenderbruchstücke  aus  Rom  und  benachbarten 
italischen  Städten,  die  aus  dem  achten  Jahrh.  d.  St.  stammen  (von 
J.  31  v.  Chr.  bis  51  n.  Chr.).  Neben  dieser  wenigstens  teilweise 
offiziellen  oder  offiziösen  Tätigkeit  geht  die  der  Privatindustrie  ein- 
her, die  Kalender  in  Buchform  herstellt.  Erhalten  sind  noch  zwei 
vollständige  Kalender,  ein  amtlicher  des  vierten  Jahrh.,  geschrieben 
von  Furius  Dionysius  Philocalus  (aus  dem  J.  354  n.  Chr.),  und  eine 
christliche  Umarbeitung  des  amtlichen  Kalenders,  verfaßt  von  Po- 
lemius  Silvius  (aus  J.  448  f.  n.  Chr.). 

1.  Varro  LL.  6,  29  dies  fasti,  per  quos  praetoribus  omnia  verba  sine 
piaculo  licet  fari  .  .  contrarii  horum  vocantur  dies  ne fasti,  per  quos  dies 
nefas  fari  praetorum  *do  dico  addico\  itaque  non  potest  agi  (die  richtige 
Ableitung  vielmehr  von  fas  und  nefas).  Vgl.  ebd.  6,  53.  Ovid.  fast.  1,  48. 
Liv.  1, 19,  7  idem  (Numa)  nefastos  dies  fastosque  fecit.  In  den  inschriftlichen 
Kalendern  werden  die  dies  fasti  und  nefasti  mit  F  und  N,  die  comitiales 
d.  h.  die  für  Verhandlungen  cum  populo  geeigneten  mit  C,  und  einige  Ab- 
arten in  entsprechender  Weise  bezeichnet.  —  Suet.  Iul.  40  fastos  correxit, 
iam  pridem  vitio  pontificum  per  intercalandi  licentiam  turbatos  =  Einführung 
der  julianischen  Zeitrechnung;  vgl.  Aug.  31.  Capit.  M.  Antonin.  10  fastis 
dies  iudiciarios  addidit.  —  Cic.  Phil.  2,  87  adscribi  iussit  in  fastis  ad  Luper- 
calia:  C.  Caesari  .  .  M.  Antonium  .  .  regnum  detulisse,  Caesarum  uti  no- 
luisse.  Bei  Vespasians  Regierungsantritt  wurde  ein  Senatsausschuß  nieder- 
gesetzt qui  fastos  adulatione  temporum  foedatos  exonerarent,  Tac.  H.  4,  40 
(Cass.  Dio  60,  17  u.  ö\).  Vgl.  CIL.  1,  p.  299.  —  Ein  astrologischer  Kalender 
(s.  §  52,  4)  bei  Petron.  30  altera  tabula  in  poste  triclinii  defixa  habebat  in- 
scriptum  lunae  cursum  stellarumque  Septem  imagines  pictas,  et  qui  dies  boni 
quique  incommodi  essent  distinguente  bulla  notabantur. 

2.  Fulvius  Nobilior  (§  126,  1)  in  fastis  quos  in  aede  Herculis  Musarum 
(J.  189)  posuit,  Macr.  sat.  1,  12;  vgl.  13  extr.  Varro  hatte  sie  eingesehen 
und  Fulvius  öfter  neben  Iunius  (§  138,  2)  zitiert.  Varro  LL.  6,  33.  Censorin. 
d.  n.  20.  22.  Charis.  GL.  1,  138.  Sie  enthielten  neben  den  Tag-  und  Fest- 
angaben auch  Erklärungen. 


§  74.  Fasti  133 

3.  Suet.  gramm.  17  Verrius  Flaccus  statuam  habet  Praenestc,  in  infe- 
riore (superiore)  fori  parte,  circa  hemicyclium  in  quo  fastos  a  se  ordinatos  et 
marmoreo  parieti  incisos  publicarat.  Reste  dieser  fasti  sind  1771,  freilich 
nicht  auf  dem  Forum  von  Praeneste,  sondern  über  3  km  vor  der  Stadt  in 
den  Ruinen  eines  christlichen  Gebäudes  aus  später  Zeit  entdeckt  worden. 
Henzen,  bull,  archeol.  1864,  70.  —  Herausg.  am  besten  CIL.  I2,  p.  230,  vgl. 
Dessau  8744a.  Bergk,  JJ.  105,  37.  Gegen  den  Zweifel  OHirschfeeds  (Sehr. 
339),  ob  diese  fasti  Praenestini  ein  Originalwerk  des  Verrius  seien,  Yahlen, 
Opusc.   1,  44.    Vgl.  §  261,  1.  2  E. 

4.  Bücher  de  fastis,  d  h.  wohl  meist  Kalender  mit  Erläuterungen  (Fest. 
87,  19.  Ovid.  fast.  1,  657  evolvi  signantes  tempora  fastos),  verfaßten  Iunius 
Gracchanus,  Cincius,  Ovid  (über  Kaiendarien,  die  aus  Ovids  Fasten  ausge- 
zogen sind:  §  249,  6),  Nisus,  Masurius  Sabinus,  Iulius  Modestus  (de  feriis), 
Labeo  u.  a.  Macrob.  sat.  1,  11,  50  qui  rationem  anni  mensium  dierumque  et 
ordinationem  a  C.  Caesar e  digestam  plenius  rettulerunt.  Merkel  zu  den  Fasti 
Ovids  p.  liii.  Mommsen,  CIL.  1,  p.  285h.  —  Astronomische  Fasten  von  Clo- 
dius  Tuscus  §  263,  5. 

5.  Beste  Sammlung  der  epigraphischen  Fasti  (hemerologia  und  meno- 
logia)  von  Mommskn,  CIL.  I2,  p.  205 — 252  (dazu  sachliche  Commentarii,  ebd. 
p.  283 — 339).  Auswahl  Dessau  8744.  —  Die  stadtrömischen  fasti  auch  CIL.  6, 
p.  625.  3315.  Vgl.  Mommsen,  Rom.  Chronol.2  208.  Übersichtliche  Zusammen- 
stellung des  stadtrömischen  Festkalenders  nach  inschriftlichen  und  litera- 
rischen Quellen  in  Marquardts  Staatsverw.  32,  567.  —  Iullian,  Dar.  Saglio 
2,  1042.    Wissowa,  PW.  6,  2015. 

6.  Nur  das  in  unseren  Steinkalendern  mit  großer  Schrift  Geschriebene 
gehört  zum  ältesten  röm.  Festkalender  und  war  wohl  ursprünglich  ein  Be- 
standteil der  XII  Tafeln;  dies  sind  die  Nundinalbuchstaben  A — H,  die  Be- 
zeichnung K(alendae),  NON(ae),  ElD(us),  die  Zeichen  N,  F,  C  usw.  (A.  1) 
und  45  alte  Staatsfeste,  zB.  Luper(calia) ,  Matr(alia).  Alles  mit  kleiner 
Schrift  Beigesetzte  ist  späterer  Nachtrag  von  Privaten.  Mommsen,  RhM.  14, 
82.  85;  CIL.  1,  p.  283  f.  Die  Auszüge  aus  dem  amtlichen  Kalender  sind  auf 
dem  erhaltenen  mit  Willkür  und  Unkenntnis  gemacht.  Mommsen,  CIL.  1, 
p.  286. 

7.  Auf  dem  Mons  Albanus  bei  Rom  in  den  Ruinen  des  Tempels  des 
Iuppiter  Latiaris  sind  Reste  der  Jahrtafel  der  feriae  Latinae  (aus  dem  Zeit- 
raum von  J.  451  v.  Chr.  bis  J.  109  n.  Chr.)  gefunden  worden;  jetzt  gesam- 
melt CIL.  6,  p.  455.  Vgl.  Mommsen,  röm.  Forsch.  2,  97.  deRossi,  eph.  epigr. 
2,  93.  —  Verzeichnis  der  Festtage  des  Augustus-Tempels  zu  Cumae:  CIL.  I2, 
p.  229;  Dessau  4917.    Mommsen,  Sehr.  4,  259. 

8.  Den  amtlichen  Kalender  der  Mitte  des  vierten  christl.  Jahrh.  schrieb 
in  J.  354  der  Kalligraph  Furius  Dionysius  Philocalus  (§  422,  2)  ab  und 
stattete  ihn  mit  zahlreichen  Bildern  aus  (hrsg.  von  Strzygowski,  Jahrb.  d. 
arch.  Inst.,  Suppl.  1)  und  Epigrammen  (darüber  Bährens  PLM.  1,  203).  In 
zwei  Exemplaren  erhalten,  von  denen  das  eine  (Peirescianum,  s.  VIII/IX) 
wieder  verloren  ging  und  nur  in  zwei  Abschriften  s.  XVII  (in  Brüssel  und 
der  Vaticana)  noch  existiert;  vom  zweiten  (s.  IX),  ursprünglich  in  Straßburg, 
jetzt  in  Bern,  ist  nur  der  Dezember  noch  vorhanden,  dafür  aber  in  Wien 
eine  vollständige  Abschrift  aus  J.  1480.    Am  besten  herausg.  von  Mommsen, 


134  Die  Zeit  vor  J.  240 

CIL.  1,  p.  254;   Chron.   min.  1,  13;   vgl.  seine  Abh.   über  d.   Chronographen 
d.  J.  354,  Abh.  sächs.  Ges.  1  (1850),  550. 

9.  Der  Kalender  des  Polemius  Silvius  ist  geschrieben  J.  448  f.  unter 
Valentinian  III  und  gerichtet  an  den  Bischof  Eucherius  (§  457,  6).  In  seinem 
christlichen  Eifer  hat  der  Verfasser  alles  an  dem  alten  Kalender,  was  ihm 
nach  heidnischem  Aberglauben  aussah,  weggelassen,  dafür  aber  geschicht- 
liche Data  (zB.  nomina  omnium  provinciarum  vom  J.  385;  s.  Seeck  zur 
not.  dign.  p.  254.  Riese  geogr.  130),  grammatische  und  meteorologische 
Bemerkungen  udgl.  aus  eigenem  Wissen  hinzugetan.  Erhalten  in  einer 
Brüsseler  Hs;  abgedr.  am  besten  (neben  dem  des  Philocalus)  von  Mommsen, 
CIL.  1,  p.  254;  Chron.  min.  1,  511.  Dazu  dessen  Abh.  in  den  Abh.  der  sächs. 
Ges.  3  (1853),  231;  vgl.  ebd.  8,  694. 

10.  Ein  ländlicher  Monatskalender,  mit  Angabe  der  ländlichen  Ge- 
schäfte (zB.  Sept.  dolea  picantur,  poma  leguntur,  arborum  oblaquiatio) ,  der 
Länge  des  Monats  und  Tages  usw.  (menologium  rusticum)  ist  in  doppelter, 
inhaltlich  nicht  verschiedener  Fassung  erhalten:  menol.  Colotianum  u.  Val- 
lense,  abgedr.  CIL.  I2,  p.  280  u.  CIL.  6,  2305 f.  32503  f.  Dessau  8745.  Er  ent- 
hält auch  astronomisch-astrologisches  Beiwerk  (die  tutelae  der  einzelnen 
Gottheiten),  und  eine  Auswahl  von  Festen  (darunter  sacrum  Phariae  und 
Heuresis);  vgl.  Wissowa,  Apophoreton  (Berl.  1903)  29. 

75.  Von  den  Tages-  (und  Monats-)  Verzeichnissen  her  wurde 
der  Name  fasti  übertragen  zunächst  auf  Jahresverzeichnisse  mit 
Angabe  der  eponymen  Magistrate  jedes  Jahres  (fasti  consulares), 
dann  auch  auf  solche  der  in  jedem  Jahre  gehaltenen  Triumphe  (fasti 
triumphales)  und  der  jeweiligen  Priester  (fasti  sacerdotales).  Auch 
von  fasti  in  dieser  Bedeutung  des  Wortes  sind  Überreste  auf  uns 
gekommen,  unter  denen  die  fasti  Capitolini  weitaus  die  wichtigsten 
sind. 

1.  Fasti  als  Verzeichnisse  bes.  von  Behörden  zB.  Liv.  9,  18,  12  paginas 
in  annalibus  magistratuum  fastisque  percurrere  licet  consulum  dictatorumque 
(vgl,  Schön,  PW.  6,  2026).  Cic.  Pis.  30  hos  consules  fasti  ulli  ferre  possunt? 
ad  Brut.  1,  15  in  fastis  nomen  adscribitur •;  vgl.  Tac  A.  3,  17  nomen  fastis 
rädere  (s.  Mommsen,  Herrn.  9,  273).  Vit.  Gallien.  15  Gallienum  tyrannum  in 
fastos  publicos  rettulerunt.  Vit.  Helii  5,  13  f  fasti  consulares.  Lib.  de  prae- 
nom.  2  consulum  fasti.  —  Konsulverzeichnisse  zum  Handgebrauch:  Cic.  Att. 
4,  8b,  2  non  minus  longas  iam  in  codicillorum  fastis  futurorum  consulum 
paginulas  habent  quam  factorum.  —  Cichorius,  de  fastis  consularibus  anti- 
quiss.,  Lpz.  Stud.  9,  171. 

2.  Die  fasti  Capitolini,  genannt  vom  jetzigen  Aufbewahrungsort  der 
Bruchstücke  im  Konservatorenpalast  auf  dem  Kapitol,  waren  ein  chronolo- 
gisches Verzeichnis  der  Konsuln,  Zensoren,  Diktatoren  und  Magistri  equi- 
tum  (fasti  consulares  benannt  nach  dem  Hauptinhalt),  im  J.  36  v.  Chr.  oder 
bald  darauf  auf  der  Außenwand  der  damals  neu  erbauten  Regia,  der  Woh- 
nung des  Pontifex  maximus,  in  Stein  gegraben,  dann  in  einzelnen  Nach- 
trägen bis  ums  J.  13  n.  Chr.  fortgesetzt:  dazu  kam  anhangsweise,  auf  Pfei- 
lern daneben,  ums  Jahr  12  v.  Chr.  das  Verzeichnis  der  Triumphe,  f.  trium- 


§  75.  Fasti  consulares.    §  76.  Annales  pontificum  1,35 

phales,  richtiger  acta  triumphorutn  (Plin.  NH.  37,  13),  endlich  auch  die 
Einzeichnung  von  ludi  saeculares,  zuletzt  der  domitianischen  (J.  88).  Die 
Aufstellung  war  wohl  durch  Augustus  veranlaßt;  daß  die  Redaktion  der 
Liste  ein  Werk  des  Atticus  sei  (s.  §  172),  hat  man  oft  vermutet.  Der 
gelehrte  Charakter  der  Aufzeichnung  ergibt  sich  daraus,  daß  wichtige  Kriege, 
Zulassung  der  Plebejer  zum  Konsulat  udgl.  und  die  vier  erst  auf  Grund  der 
jüngsten  Forschung  angenommenen  Diktatorenjahre  (Matzat,  Rom.  Chron. 
1,  345)  verzeichnet  sind. 

3.  Beste  Bearbeitung  der  fasti  Capitolini  und  der  übrigen  inschriftlich 
erhaltenen  Bruchstücke  von  Konsular-  und  Triumphalfasten  aus  der  Zeit  der 
Republik  und  des  Augustus  von  Henzen  und  Huelsen  CIL.  I2,  p.  1  (Nach- 
träge: Huelsen,  Klio  2,248).  Vgl.  außerdem  über  die  kapitolinischen  Fasten 
OHirschfeld,  Sehr.  330.  Mommsen,  röm.  Forsch.  2,  58.  BBorghesi,  oeuvr. 
9,  1  und  was  Schoen  aO.  2044  nennt.  —  Fasti  der  fratres  arvales  von  J.  2 
v.  Chr.  bis  37  n.  Chr.  enthaltend  die  Konsuln  und  den  praetor  urb.  und 
peregr.  d.  J.  im  Anhang  von  Henzens  Acta  fr.  Arval.,  Berl.  1874  u.  CIL.  6, 
2295.  —  Eine  vergleichende  Zusammenstellung  der  Angaben  der  Schrift- 
steller und  der  handschriftlichen  und  inschriftlichen  Listen  über  die  Kon- 
suln der  Jahre  509  v.  Chr.  bis  13  n.  Chr.  gibt  Mommsen  CIL.  I2,  p.  79  (der 
Triumphe  von  J.  753 — 19  v.  Chr.  Huelsen  ebd.  168).  Dazu  als  Ergänzung : 
JKlein,  fasti  consulares  a  Caesaris  nece  ad  imp.  Diocletianum,  Lps.  1881. 
Reste  von  Konsul arf asten  mit  Notizen  über  J.  46  und  289  n.  Chr.  (von  dem- 
selben Denkmal?)  Röm.  Mitt.  1904,  322.  CIL.  10,  4631.    Schoen,  PW.  6,2023. 

4.  Die  Reste  der  stadtrömischen  Sacerdotalfasten  (fasti  augurum,  salio- 
rum  Palatinorum,  sodalium  Augustalium  Claudialium,  sacerdotum  Iovis  pro- 
pugnatoris  usw.)  sind  gesammelt  CIL.  6,  1976  ff.  32318.  Vgl.  Dessau  5024  f. 
Huelsen,  Klio  2,  275. 

76.  Von  den  ursprünglich  nicht  zur  Veröffentlichung  bestimmten 
Aufzeichnungen  der  Priester  sind  zu  unterscheiden  die  von  Anfang 
an  mit  Rücksicht  auf  die  Bekanntmachung  abgefaßten  annales 
pontificum,  auch  annales  maximi  genannt,  aber  nicht  deshalb 
weil  sie  vom  Pontifex  maximus  geführt  wurden.  Dieser  stellte  all- 
jährlich eine  weiße  Tafel  Öffentlich  auf,  worauf  die  denkwürdigen 
Ereignisse  des  Jahres,  besonders  auch  die  Prodigien,  in  kürzester 
Fassung  verzeichnet  wurden.  Diese  Sitte  war  eine  sehr  alte  und 
bestand  bis  ins  siebente  Jahrb.  d.  St.  hinein.  Als  aber  Aufzeich- 
nungen und  Veröffentlichungen  ähnlicher  Art  durch  Schriftsteller 
immer  häufiger  wurden,  fand  man  jene  amtlichen,  deren  primitive 
Form  sich  auch  überlebt  hatte,  entbehrlich.  Als  man  sie  jetzt  zu- 
sammenstellte und  ihnen  Buchform  gab,  bildeten  sie  eine  Samm- 
lung von  80  Büchern.  Indessen,  da  ihr  Aufbewahrungsort,  die  Amts- 
wohnung des  Pontifex  maximus  (die  Regia  neben  dem  Vestatempel 
am  Forum),  wiederholt  in  Flammen  aufging,  so  können  die  auf  die 
älteren  Zeiten  bezüglichen  Teile  jener  Sammlung  im  besten  Falle 


136  Die  Zeit  vor  J.  240 

nur  aus  der  Erinnerung  nachgearbeitet  sein,  und  was  über  die  äl- 
testen Zeiten  nachträglich  aufgenommen  wurde,  war  ohnehin  nur 
freie  Dichtung. 

1.  Paul.  126  maximi  annales  appellahantur  non  magnitudine,  sed  quod 
eos  poniifex  maximus  confecisset;  vgl.  Serv.  Aen.  1,  373  (s.  A.  2).    Mach.  sat. 

3,  2,  17  und  Cic.  leg.  1,  6  annales  pontificum  maximorum  quibus  nihil  potest 
esse  ieiunius.  Vgl.  6  nagä  tolg  &q%isqbv6i  (so  Niebuhr  statt  äy%i6T£v6i',  bei 
dem  jedesmaligen  pont.  max.,  also  in  der  regia;  s.  §  75,  2)  nsl^svog  tcivu^ 
bei  Dionys.  Hal.  1,  74.  Annales  publiei  bei  Cic  rep.  2,  28.  Diomed.  GL.  1,  484. 
Der  Name  maximi  kam  ohne  Zweifel  erst  später  auf,  als  es  auch  noch  an- 
dere Annalen  von  anderen  Urhebern  und  von  kleinerem  Umfange  gab. 

2.  Serv.  Aen.  1,373  ita  annales  conficiebantur :  tabulam  dealbatam (JSchmidt, 
PW.  1,  1332)  quotannis  pontifex  maximus  habuit,  in  qua  praescriptis  consu- 
lum  nominibus  et  aliorum  magistratuum  digna  memoratu  notare  consueverat, 
domi  militiaeque  terra  marique  gesta,  per  singulos  dies  (also  wurde  zu  An- 
fang jedes  Jahres  eine  Tafel  aufgestellt  und  die  im  Laufe  des  Jahres  ein- 
tretenden Ereignisse  unter  den  betreffenden  Tagen  vermerkt),  cuius  dili- 
gentiae  annuos  commentarios  in  octoginta  libros  veteres  rettulerunt  eosque  a 
pontificibus  maximis,  a  quibus  fiebant,  annales  maximos  appellarunt.    Gell. 

4,  5,  6  in  annalibus  maximis,  libro  undecimo.  Scaevola  hat  wohl  selbst  diese 
Buchausgabe  veranlaßt,  da  die  Tafeln  ein  unhandliches  Material  darstellten. 
Aus  der  Stelle  Cic.  rep.  1,  25  (A.  4),  wonach  alle  früheren  Sonnenfinsternisse 
nach  der  vom  21.  Juni  400  (?Boll,  PW.  6,  2355)  berechnet  worden  seien, 
hat  man  kaum  mit  Recht  geschlossen,  daß  die  Annales  erst  mit  dieser  Zeit 
begonnen  hätten  (wobei  dann  die  große  Buchzahl  Schwierigkeiten  macht: 
Cichorius  aO.  2254).    EMeyer,  Apophoreton  158. 

3.  Cic.  de  or.  2,  52  ab  initio  rerum  Bomanarum  (rhetorische  Übertrei- 
bung und  Phrase)  usque  ad  P.  Mucium  pontificem  maximum  (ums  J.  123 
bis  114;  s.  §  133,  4)  res  omnes  singulorum  annorum  mandabat  litteris  pon- 
tifex maximus  referebatque  in  album  et  proponebat  tabulam  domi,  potestas 
ut  esset  populo  cognoscendi:  ii  qui  etiamnunc  annales  maximi  nominantur 
(HRR  1,  ix).  Der  offizielle  Charakter  und  die  Bestimmung  für  die  große 
Menge  brachte  neben  dem  Verschweigen  von  ungelegenen  Tatsachen  auch 
tendenziöse  Entstellungen  des  Sachverhalts  mit  sich:  s.  Nissen,  krit.  Unters.  97. 
Von  dem  trockenen  Stil  geben  besonders  die  Notizen  über  Prodigien  noch 
bei  Livius  einen  Begriff;  Luterbacher,  Prodigienglaube  u.  -stil2,  Burgdorf 
1904.  Vgl.  auch  die  Zusammenstellungen  HRR.  1,  xxiv.  Die  Stelle  Gell.  4,  5, 
aus  der  man  auf  eine  reichere  Darstellung  geschlossen  hat,  schöpft  nicht 
anmittelbar  aus  den  Ann.  max.,  sondern  aus  Verrius  Flaccus. 

4.  Cato  bei  Gell.  2,  28,  6  non  lubet  scribere,  quod  in  tabula  apud  pon- 
tificem maximum  est,  quotiens  annona  cara,  quotiens  lunae  aut  solis  lumini 
caligo  aut  quid  obstiterit  Vgl.  Cic.  rep.  1,  25  ex  hoc  die,  quem  apud  Enni- 
um  et  in  maximis  annalibus  consignatum  videmus,  superiores  solis  defectiones 
reputatae  sunt.  Die  regelmäßige  Aufzeichnung  der  Prodigien  durch  die  pon- 
tifices  erfolgte  nicht  erst  seit  dem  J.  249  (Bernays,  ges.  Abh.  2,  307.  OJahns 
Obsequens  p.  xx),  wie  man  behauptet  hat. 


§  76.  Annales  pontificum.    §  77.  Commentarii  der  Priester         137 

6.  Livius  und  Dionysius  haben  die  ann.  max.  nicht  unmittelbar  benützt, 
vielmehr  können  wir  ihre  direkte  Benutzung  nur  bei  Cicero,  Atticus  und 
Verrius  nachweisen;  s.  Schwegler,  RG.  1,  8.  11.  Zwar  sagt  Dionys.  4,  30 
iv  xalg  iviccvöioig  avccyQucpcclg  ytccxa  xbv  xsgöccqccxooxov  iviccvxov  xfjg  TvlXiov 
ccQ%fi<s  xbv  'Aqqovvxcc  X£xsl8vxrpi6xa  7taQsilvq>oc{isv.  Doch  kann  er  damit  auch 
Annalisten  gemeint  haben;  vgl.  4,  7  (L.  Piso  Frugi  iv  xalg  iviavöioig  Ttqay- 
Haxelccig)  und  15  (derselbe  iv  xjj  jtQooxr]  xd>v  iviavöicov  avayQacp&v). 

6.  JGHullemann,  de  annalibus  maximis,  Amsterd.  1855.  EHübner,  JJ. 
79,  401.  Peter,  HRR.  1,  vin.  Seeck,  die  Kalendertafel  der  Pontifices,  Berl. 
1885.  Enmann,  RhM.  57,  517.  Pais,  Storia  crit.  I  1,  56.  Kornemann,  der 
Priesterkodex  in  der  Regia,  Tüb.  1912.    Cichorius,  PW.  1,  2248. 

77.  Wie  das  Collegium  der  Pontifices,  so  hatte  auch  das  der 
Augurn  seine  Bücher  (libri  oder  commentarii  augurum).  Ebenso 
gab  es  libri  Saliorum  und  commentarii  XVvirorum.  Außerdem 
hatten  die  einzelnen  Priesters chaften  ihr  Album  oder  ihre  Fasten, 
chronologische  Verzeichnisse  der  betreffenden  Priester,  sowie  ihre 
Protokolle  (acta)  über  die  vorgenommenen  Amtshandlungen. 

1.  Libri  augurum  zB.  Varr.  LL.  5,  21.  33.  58.  7,  51.  Cic.  rep.  1,  63. 
2,  54.  Fest.  253.  322.  Commentarii  augurum,  Cic.  de  div.  2,  42.  Fest.  317. 
Serv.  A.  1,  398.  Aus  diesen  libri  augurales  ist  als  einziges  zusammenhän- 
gendes Stück  erhalten  eine  Formel  bei  Yarro  LL.  7,  8  (s.  HJordan,  krit. 
Beitr.  89  u.  Goetz-Schoell  im  Anhang).  —  Regell,  de  augurum  publico- 
rum  libris,  part.  I,  Bresl.  1878;  fragmenta  auguralia  coli.  Regell,  Hirschb. 
1882;  Commentat.  in  hon.  Reifferscheidii,  Bresl.  1884,  61.  Brause,  libr.  de 
discipl.  augur.  rell.  I,  Lpz.  1875. 

2.  Libri  Saliorum,  Varr.  LL.  6,  14. 

3.  Commentarii  XVvirorum,  Censorin.  17,  9.  10.  11. 

4.  Über  die  Sacerdotalfasten  s.  §  75,  4.  —  Über  die  Acta  fratrum  ar- 
valium  s.  §  65,  1.  Lex  collegii  Aesculapii  et  Hygiae  aus  dem  J.  153  n.  Chr. 
CIL.  6,  10234.    Dessau  7213. 

5.  Von  den  in  etruskischer  Sprache  geschriebenen  Ritualbüchern  der 
Haruspices  (Etruscae  disciplinae  libri,  libri  Tagetici,  nach  Tages,  dem  Ver- 
künder dieser  Lehre,  Vegonici  nach  Vegone,  Begoe  nympha:  Wissowa,  Relig. 
544,  2)  waren  lateinische  Übersetzungen  und  Bearbeitungen  vorhanden.  Spuren 
lateinischer  Fassung  zB.  Serv.  Aen.  1,  42,  wo  das  Wort  manubiae  aus  den 
libri  Etruscorum  zitiert  wird,  in  den  Gromat.  p.  348  Lachm.  (Fragment  der 
f  Vegone,  s.  auch  §  58,  2);  trügerisch  wohl  die  Spuren  hexametrischer 
Fassung  bei  Amm.  Marc.  17,  10,  2  (O Müller  Etr.  22,  25.    Bährens,  FPR.  422). 

78.  Auch  die  weltlichen  Behörden  hatten  ihre  entsprechenden 
Aufzeichnungen,  meist  Protokolle  und  Akten  der  verschiedensten 
Art  (tabulae  publicae,  commentarii  oder  libri  magistra- 
tuum).  Ob  sie  nur  Berichte  über  Geschehenes  oder  auch  Instruk- 
tionen für  die  Behörden  erhielten,  läßt  sich  nicht  sicher  ausmachen. 
Die  wichtigsten  dieser  Art  sind  die  tabulae  censoriae  (ungenauer 


138  Die  Zeit  vor  J.  240 

libri  censorii),  Listen  über  den  Personal-  und  Vermögensstand  der 
römischen  Bürgerschaft,  als  Ergebnis  des  abgehaltenen  Census,  so- 
wie Übersichten  über  das  Staatsvermögen.  Aber  das  sind  selbst- 
verständlich Dinge,  die  die  Literatur  nichts  angehen. 

1.  Tabulae  publicae  zB.  Cic.  Süll.  42  (A.  3).  Verr.  3,  183.  Balb.  11.  Plin. 
n.  h.  35,  7  tabulina  codicibus  implebantur  et  monimentis  verum  in  magistratu 
gestarum.  CIL.  10,  7852  descriptum  et  recognitum  ex  codice  ansato  L.  Helvi 
Agrippae  proconsulis  (von  Sardinien).  Die  acta  sind  davon  kaum  zu  unter- 
scheiden (Kubit  scher  ,  PW.  1,  286).  Grundlegend  für  diese  Fragen  ist  Wilckens 
Behandlung  der  ägyptischen  v7to^vr}^cctia^oi,  Phil.  53,  80.  Commentarii  con- 
sulum,  Varro  LL.  6,  88.  Im  Bericht  über  den  Prozeß  von  Oropos  (Dittenb. 
Syll.  1,  334)  Z.  30  xovxo  o  kccl  eis  tr\v  xcbv  vTto^ivrnidtcov  SiXtov  y.ccte%(üqi- 
6cc[isv.  Z.  57  iv  reo  av^ißovXico  Tta.Qj\Gav  ol  ccvrol  ol  i(i  ngayiidtcov  6V[ißeßov- 
Xsvitsvcov  SeXtco  Ttgoarj]  %r\Qcoiiari  TS66aQ86xe£i§sxccTG).  Mommsen,  Staatsr.  2, 109. 
Dahin  gehört  auch  Oriens  consul  magistrum  populi  dicat,  Vel.  Long.  GL. 
7,  74  (kein  Saturnier);  vgl.  Reifferscheid,  RhM.  15,  627.  Commentarium  ve- 
tus  anquisitionis  M.  Sergii  M'.  f.  quaestoris  (mit  Instruktionen  für  den  vor- 
liegenden Fall),  Varro  LL.  6,90.  91.  92.  —  Libri  magistratuum  Liv.  4,  7,  10 
neque  in  annalibus  priscis  neque  in  libris  magistratuum  39,  52  (in  mag.  libris); 
vgl.  9,  18  (§  75,  1).  —  Im  allg.  MVoigt  (§  70,  1)  S.  653. 

2.  Tabulae  censoriae,  Varr.  LL.  6,  86.  Cic.  orat.  156.  de  leg.  agr.  1,  4. 
Plin.  NH.  18,  11.  Mommsen,  Staatsr.  2,  361,  2.  434,  4.  Libri  censorii,  Gell. 
2,  10,  1 ;  vgl.  rtftrjrtxa  yQcc(iiiatcc,  Dionys.  4,  22,  2  xi\ir\xi%a  v'jto^vrj^.ccTcc  ebd. 
1,  74,  5.  Ähnliches  auch  in  Municipien,  vgl.  CIL.  11,  3614  commentarium 
cottidianum  municipi  Caeritum  pagina  XXVII  Jcapite  VI. 

3.  Commentarii  elöaycoyixoi  Gell.  14,  7,  1  in  den  Familien  als  Leitfaden 
erblich;  Cic.  Süll.  42  cum  pridem  ita  esse  iudicium  relatum  in  tabulas  publi- 
cas,  ut  illae  tabulae  privata  tarnen  custodia  more  maiorum  continerentur. 
Öffentliche  Archive  gibt  es  erst  seit  der  Kaiserzeit;  Memelsdorff,  de  archi- 
vis  imperatorum  Rom.,  Halle  1890.    Vgl.  §  2,  3.  80,  2. 

4.  Schwegler,  RG.  1,  28.  Mommsen,  Staatsr.  1,  5.  —  vPremerstein,  PW. 
4,  732  läßt  auch  diese  Aufzeichnungen  keine  Instruktionen  enthalten.  Über 
die  commentarii  aedilium  (Quelle  für  didaskalische  Notizen,  Cic.  Brut.  72) 
Nitzsch,  d.  röm.  Annalistik  (1873)  210.  220. 

79.  Libri  lintei,  Verzeichnisse  der  Behörden  jedes  Jahres, 
wurden  auf  dem  Kapitol  im  Tempel  der  Moneta  aufbewahrt  und 
werden  von  Livius  als  eine  Quelle  seiner  Gewährsmänner  öfters  er- 
wähnt. 

1.  Leinwand  Schreibmaterial  der  alten  Zeit,  z.  B.  Liv.  10,  38  ex  libro 
vetere  linteo  der  Samniten  ritualen  Inhaltes,  wie  die  Agramer  Mumienbinde 
(§  61, 1).  Plin.  NH.  13,  69  postea  publica  monumenta  plumbeis  voluminibus, 
mox  et  privata  linteis  confici  coepta  aut  ceris.  Fronto  ep.  ad.  Caes.  4,  4 
(p  67  Nab.)  multi  libri  lintei,  quod  ad  sacra  attinet.  Symmach.  ep.  4,  34,  3. 
Auch  später  noch  schreibt  man  auf  Leinwand,  Marquardt-Mau,  Privatleben 
800.    Vgl.  MVoigt  aO.  661. 


§  78.  79.  Libri  magistratuum,  lintei.    §  80.  Monumenta  privata        139 

2.  Magistratuum  libri,  quos  linteos  in  aede  reposüos  Monetae  Macer  Li- 
cinius  citat,  Lrv.  4,  20,  8;  vgl.  ebd.  7,  10.  13,  7.  23,  2.  Urkunden  auf  diesem 
Material  werden  leicht  der  Zerstörung  ausgesetzt  gewesen  sein,  und  die, 
welche  Macer  benützte,  waren  daher,  wenn  überhaupt  vorhanden,  wohl 
später  nachgearbeitet.  HRR.  1,  cccxlv.  Mommsen,  Rom.  Chronol.  83.  FUnger, 
JJ.  143,  650. 

C)  MONUMENTA  PRIVATA. 

80.  Auch  Privatleute  machten  sich  Aufzeichnungen  für  eigenen 
Bedarf,  sowohl  im  Zusammenhang  mit  ihren  Hausbüchern  als  selb- 
ständig, namentlich  über  solche  Ereignisse  und  Erlebnisse,  die  für 
das  Geschlecht,  für  die  Familie,  für  den  einzelnen,  besonders  für 
seine  öffentliche  Tätigkeit,  wichtig  erschienen. 

1.  Privata  monumenta,  Liv.  6,  1,  2.  Eigentliche  Familienchroniken  darf 
man  sich  aber  darunter  nicht  vorstellen,  sondern  abgesehen  von  Rechnungs- 
büchern, Protokollen  (§  78,  3)  udgl.  höchstens  laudationes  (§  81). 

2.  Gell.  13,  20,  17  quae  ita  esse  .  .  cognovimus,  cum  et  laudationes  fu- 
nebres  et  commentarium  de  familia  Porcia  legeremus.  Plin.  NH.  35,  7  tabu- 
lina  codicibus  implebantur  et  monimentis  rerum  in  magistratu  gestarum.  Fest. 
356  tablinum  proxime  atrium  locus  dicitur,  quod  antiqui  magistratus  in  suo 
imperio  tabulis  (eum  implebanty.    Vgl.  auch  §  259,  10. 

3.  Die  Niebuhrsche  Ansicht  vom  Einfluß  der  Familienchroniken  auf 
unsere  Überlieferung  bedarf  zum  mindesten  starker  Einschränkung:  es  gibt 
für  das  Vorhandensein  solcher  Familienchroniken  aus  republikanischer  Zeit 
kein  Zeugnis.  Mommsen,  RG.  I6,  467.  Niese,  Herrn.  13,  411.  —  Schwegler, 
RG.  1,  12.  ELübbert,  de  gentium  Rom.  commentariis  domesticis,  Gießen 
1873;  de  gentis  Serviliae,  Quinctiae,  Furiae,  Claudiae  comment.  Kiel  1875 
— 78.    vPremerstein,  PW.  4,  755. 

81.  Zu  dieser  Gattung  gehören  die  Ahnenlisten  und  Familien- 
stammbäume (stemmata),  die  Aufschriften  (indices,  elogia)  unter 
Ahnenbildern  u.  dgl.,  und  die  Lobreden  auf  gestorbene  Angehörige 
(laudationes  oder  orationes  funebres),  bei  denen  man  früh  und  spät 
auf  Kosten  der  Wahrheit  mit  Lob  und  Anerkennung  freigebig  war. 

1.  Die  Eitelkeit  geringerer  Geschlechter  versuchte  eine  Verwandtschaft 
mit  vornehmen  nachzuweisen,  die  der  vornehmen  (wie  der  Antonii  und  der 
lulii,  die  schon  um  J.  150  den  Venuskopf  auf  ihre  Münzen  setzen),  ihre 
Ahnen  bis  auf  Trojaner  und  auf  Götter  zurückzuführen.  Zusammenstellung 
von  Varro,  de  familiis  Troianis  (§  166,  4e).  Festus  130.  166.  Dionys.  4,  68. 
Plut.  Fab.  1.  Anton.  4.  Num.  1.  Plin.  NH.  35,  8  etiam  mentiri  clarorum 
imagines  erat  aliquis  virtutum  amor.  Scet.  Iul.  6.  Vitell.  1  extat  elogi  .  . 
libellus,  quo  continetur  Vitellios  Fauno  Aboriginum  rege  et  Vitellia,  quae  mul- 
tis  locis  pro  numine  coleretur,  ortos  toto  Latio  imperasse  u.  a.  Über  Atticus' 
genealogische  Arbeiten  s.  §  172,  2  c.  Vgl.  Norden,  JJ.  1901  VII  257;  unten 
S.  151. 


140  Die  Zeit  vor  J.  240 

2.  Suet.  Galb.  3  imagines  et  elogia  generis.  Vitell.  1  extatque  elogi  ad 
Q.  Vitellium  .  .  libellus  (§  259,  10).  Solche  Aufschriften  einer  Reihe  von 
Ahnenbildern  (elogia  d.  i.  iXsyslcc??)  wurden  in  späterer  Zeit  nach  verschie- 
denen Quellen  angefertigt,  und  aus  ihnen  schöpften  wohl  hauptsächlich  die 
Leichenreden  ihre  Angaben  über  die  Vorfahren.  Augustus  schmückte  die 
Hallen  des  Marstempels  auf  seinem  Forum  mit  den  Statuen  römischer  Hel- 
den von  Aeneas  und  Romulus  abwärts;  die  elogia  auf  den  Basen  derselben 
(Hör.  C.  4,  8,  13  erwähnt  sie  schon:  incisa  notis  marmora  publicis,  per  quae 
spiritus  et  vita  redit  bonis  post  mortem  ducibus)  sind  teils  im  Original  teils 
in  Kopien  erhalten:  CIL.  1,  p.  186.  Dessau  50 ff.  Das  darin  verarbeitete  ge- 
schichtliche Material  ist  zum  Teil  verdächtig  und  sichtlich  nicht  nur  aus 
Urkunden,  sondern  auch  aus  gelehrter  (mehr  oder  minder  ehrlicher)  For- 
schung entlehnt.  OHirschfeld,  Sehr.  814.  Hildesheimer,  de  libro  de  vir. 
illustr.  Berl.  1880,  30.  vPremerstein,  PW.  5,  2444.  Ähnliche  Elogien  in  der 
Basilika  Aemilia:  Huelsen,  Klio  2,248.  Aufschriften  auf  Statuen  oder  Hermen 
für  Bibliotheken,  CIL.  1,  p.  281.  Literarische  Elogien  in  gebundener  Form 
von  Varro,  Titinius  Capito  (§  332,  2),  dem  älteren  Symmachus,  sowie  AL. 
831—855  PLM.  8,  396  (s.  §  357,  2).    Anderes  s.  §  83.  90,  1.  115,  2. 

3.  GCurtius,  d.  Etymol.  des  Wortes  elogium,  kl.  Sehr.  (Lpz.  1886)  2,230. 
AFleckeisen,  JJ.  93,  3.  Düntzer,  ZvglSprachf.  16,  275.  HJordan,  Herrn.  15,  20; 
vindic.  serm.  lat.,  Kgsb.  1882,  19.    Mehr  bei  vPremerstein  aO.  2440. 

4.  Liv.  8,  40  vitiatam  memoriam  funebribus  laudibus  reor  falsisque  ima- 
ginum  titulis,  dum  familia  ad  se  quaeque  famam  rerum  gestarum  honorum- 
que  fallente  mendacio  trahunt;  vgl.  4,  16  u.  Cic.  Brut.  61  nee  vero  habeo 
quemquam  (Catone)  antiquiorem,  cuius  quidem  scripta  proferenda  putem,  nisi 
quem  Appi  Caeei  oratio  haec  ipsa  de  Pyrrho  (§  90,  3)  et  non  nullae  mortuo- 
rum  laudationes  forte  delectant.  et  hercules  hae  quidem  extant:  ipsae  enim 
familiae  sua  quasi  omamenta  ac  monumenta  servabant  et  ad  usum,  si  quis 
eiusdem  generis  oeeidisset,  et  ad  memoriam  laudum  domesticarum  et  ad  illu- 
sirandam  nobilitatem  suam.  quamquam  Ms  laudationibus  historia  rerum  no- 
strarum  est  facta  mendosior ;  multa  enim  scripta  sunt  in  eis,  quae  facta  non 
sunt  etc.  Die  Sitte  solcher  laudationes  ist  alt,  Dionys.  5,  17.  Plut.  Poplic.  9; 
vgl.  Polyb.  6,  53.  Noch  M.  Aurelius  und  Verus  laudavere  pro  rostris  patrem, 
Capitol.  Ant.  phil.   7,  11. 

5.  Verhältnismäßig  frühzeitig  wurden  laudationes  in  Buchform  heraus- 
gegeben. Solche  gab  es  von  Q.  Caecilius  Metellus  (Plin.  NH.  7,  139)  auf 
seinen  Vater  Lucius  (J.  221),  Fabius  Cunctator  auf  seinen  Sohn  (zwischen 
J.  207  und  203,  vgl.  Plut.  Fab.  1),  M.  Claudius  Marcellus  (Liv.  27,  27)  auf 
seinen  Vater  (J.  208),  Laelius  auf  den  Jüngern  Africanus  usw.  Aus  späterer 
Zeit  s.  §  195,  2.  210,  2E.;  vgl.  §  220,  2.  275,  2. 

6.  Die  erste  nicht  amtliche  (vgl.  Liv.  5,  50,  7.  Plut.  Camill.  8)  Leichen- 
rede auf  eine  Frau  (seine  Mutter)  hielt  Lutatius  Catulus  (Cos.  102),  Cic.  de 
or.  2,  44.  Seitdem  wurde  auch  dies  Sitte  (Suet.  Iul.  6),  wenigstens  für  Frauen, 
deren  Söhne  emporgekommen  waren   (Plut.  Caes.  5).    Vgl.  §  267,  4.  356,  5. 

7.  Schwegler,  RG.  1, 16.  HGraff,  de  Rom.  laudationibus,  Dorpat  1862. 
CMartha,  Foraison  funebre  chez  les  Rom.,  etudes  morales,  Par.  1883.  Vollmer, 
Laudat.  funebrium  historia,  JJ.  Suppl.  18,  445. 


§  81.  Laudationes.    §  82.  Loblieder  141 

82.  Auch  Loblieder  auf  Verstorbene  gab  es  schon  in  alter 
Zeit.  Sie  wurden  bei  den  Leichenbegängnissen  unter  Begleitung 
der  tibia  gesungen  (naeniae),  oder  bei  festlichen  Gelagen  durch 
Knaben,  später  von  den  Teilnehmern  im  Rundgesang,  gleichfalls 
zur  tibia.  Beide  Sitten  sind  uralt,  und  die  erste  bestand  auch  — 
wiewohl  entartet  —  bis  in  späte  Zeiten  fort;  die  zweite  war  schon 
einige  Menschenalter  vor  der  Zeit  des  älteren  Cato  im  Erlöschen. 

1.  Tac.  A.  3,  5  Veterum  instituta,  .  .  meditata  ad  memoriam  virtutis 
carmina  etc. 

2.  Fest.  161.  163  naenia  est  Carmen  quod  in  funer e  laudandi  gratia 
cantatur  ad  tibiam;  vgl.  Cic.  leg.  2,  62  naenia,  quo  vocabulo  etiam  apud 
Graecos  cantus  lugubres  nominantur  (Poll.  4,  79  ro  ds  v7]vlaxov  hti  [ilv  &QV- 
yiov  yttl).  Quintil.  8,  2,  8.  Ursprünglich  wurde  sie  wohl  beim  Leichen- 
schmause  und  durch  die  Angehörigen  (vgl.  Suet.  Aug.  100)  gesungen,  später 
vor  dem  Trauerhause,  beim  Leichenzuge  und  &m  Orte  des  Yerbrennens 
durch  bezahlte  Klageweiber,  praeßcae,  die  vielleicht  aus  Etrurien  stammen 
(schon  Naevius  bei  Ribbeck  Com.  V.  129  haec  .  .  praeficast,  nam  mortuum 
collaudat;  Plaut.  Truc.  495  praefica,  quae  alios  collaudare  . .  potest.  Varro 
LL.  7,  70  mulier  .  .  quae  ante  domum  mortui  laudes  eius  caneret  u.  a.  St.); 
sie  war  bald  als  geschmacklos  berüchtigt  (naenia,  ineptum  et  inconditum 
Carmen  etc.  Non.  145;  vgl.  Plaut.  Asin.  808  haec  sunt  non  nugae;  non 
enim  mortualia.  Petron.  47.  58.  Capitol.  Clod.  Alb.  12  naeniis  quibusdam 
anüibus  occupatus,  u.  a.  St.  bei  Teuffel,  PRE.  5,  395)  und  kam  daher  ab. 
JWehr,  de  Rom.  nenia  (im  TLqq71z\jltixi%qv  für  Cürtius,  Gott.  1868,  p.  11). 
de  la  Ville  de  Mirhont,  Rev.  Phil.  26,  263. 

3.  Cic.  Brut.  75  utinam  exstarent  illa  carmina,  quae  multis  saeculis  ante 
suam  aetatem  in  epulis  esse  cantitata  (deinceps  Tusc.  4,  3)  a  singulis  convi- 
vis  (spätere,  von  den  Griechen  entnommene  Sitte,  Mommsen,  RG.  I6,  222.  452) 
de  clarorum  virorum  laudibus  in  Originibus  scriptum  reliquit  Cato!  Ygl. 
Tusc.  aO.  u.  1,  3.  Val.  Max.  2,  1,  10.  Dagegen  bezeugt  eine  wohl  ältere 
Varro  bei  Non.  s.  v.  assa  voce:  in  conviviis  pueri  modesti  ut  cantarent  car- 
mina antiqua,  in  quibus  laudes  erant  maiorum,  et  assa  voce  et  cum  tibicine. 
Ygl.  auch  Hör.  C.  4,  15,  25  virtute  functos  more  patrum  duces  .  .  canemus, 
und  1, 12.  Zurückführung  auf  Numa  bei  Cic.  de  or.  3, 197.  Angebliche  Lob- 
lieder auf  Romulus  und  Remus  bei  Dionys.  1,  79,  10  mg  iv  zolg  TtuxQioig 
vpvoig  V7ib  *Pco[lcclcov  %%i  %a\  vvv  adstca.  Plut.  Nnm.  5.  Was  von  Coriolan 
Dionys.  8,  62,  3  sagt:  adsrcci  ytal  v^ivstrai  TtQog  Ttdvtcov  <hg  svösßrjg  %a\  di- 
Kcciog,  gestattet  keinen  Schluß  auf  Heldenlieder.  Ygl.  CZell,  Ferienschr.  2, 
170.  193. 

4.  Schon  Perizonius  (Animadv.  histor.  cap.  6)  hielt  solche  Loblieder  für 
eine  Quelle  der  römischen  Sagengeschichte.  Ribbeck.  Gesch.  d.  röm.  Dicht. 
1,  8.  Niebuhr  hat  dann  unter  dem  Einflüsse  romantischer  Anschauungen 
diese  Lieder  für  Rhapsodien  eines  zusammenhängenden  Epos  angesehen  und 
darauf  die  Vermutung  gebaut,  daß  es  der  auf  uns  gekommenen  Darstellung 
der  ältesten  röm.  Geschichte  als  Quelle  gedient  habe  und  deshalb  diese 
einen  so  poetischen  Charakter  an  sich  trage.    Über  diese  viel  zu  weit  gehende 


142  Die  Zeit  vor  J.  240 

und  jetzt  mit  Recht  aufgegebene  Ansicht  s.  bes.  WCorssen,  orig.  112.  162. 
Schwegler,  RGr.  1,  53.  Soltau,  Anf.  d.  röm.  Geschichtschr.  2.  Pais,  Storia 
crit.  I  1,  21.  Dafür  wieder:  Krepelka,  Phil.  37,  450.  de  Sanctis,  Storia  dei 
Romani,  Turin  1907. 

83.  Denkmäler  verwandter  Art  sind  die  Aufschriften  auf  Weih- 
geschenken, Ehrensäulen,  Grabdenkmälern  und  Geräten,  deren  uns 
aus  den  ersten  Jahrhunderten  der  Republik  eine  Anzahl  literarisch 
oder  inschriftlich  erhalten  ist.  Literarisch:  1)  die  Inschrift  an  dem 
von  A.  Cornelius  Cossus  J.  437  (J.  428?)  geweihten  leinenen  Panzer 
des  Tolumnius,  den  noch  Augustus  sah;  2)  die  tabula  triumphalis 
des  Diktators  T.  Quinctius  vom  J.  380;  3)  die  Grabschrift  des  A.  Ati- 
lius  Calatinus  (Cos.  258).  Inschriftlich:  4)  die  der  Zeit  um  500 
(mit  weitem  Spielraum)  angehörende  Inschrift,  die  auf  dem  römi- 
schen Forum  unter  dem  lapis  niger  gefunden  worden  ist  und  die 
Bestimmungen  über  den  rex  und  den  kalator  zu  enthalten  scheint. 
5)  die  Widmungsinschrift  auf  einer  goldenen  Fibel,  etwa  aus  dem 
3.  Jahrh.  d.  St.,  gefunden  in  einem  Grabe  zu  Präneste;  6)  die  In- 
schrift des  D venös,  aus  dem  5.  Jahrh.  d.  St.;  7)  die  Weihinschrift 
des  Marsers  Caso  Cantovios  etwa  aus  dem  2.  Samniterkrieg  (Ende 
des  4.  Jahrh.);  8)  von  den  Scipionengrabschriften  die  drei  ältesten, 
die  Namensaufschrift  des  L.  Cornelius  Cn.  f.  Scipio  (Cos.  298),  die 
seines  Sohnes  L.  Cornelius  L.  f.  Scipio  (Cos.  259)  und  des  letzteren 
elogium  in  Saturniern;  9)  die  Inschrift  an  der  columna  rostrata,  die 
dem  C.  Duilius,  zu  Ehren  seines  Seesiegs  über  die  Karthager  im 
J.  260,  errichtet  wurde;  10)  die  Inschrift  des  ältesten  uns  erhaltenen 
Meilensteins  um  J.  254.  —  Von  anderen  Inschriften  reichen  wohl 
noch  in  das  fünfte  Jahrh.  d.  St.  zurück  diejenigen  aus  dem  Grab 
der  Furier  bei  Tusculum,  manche  auf  pränestinischen  Cisten  und 
Spiegeln,  sowie  Weihinschriften  aus  dem  Hain  bei  Pisaurum  u.  a. 

1.  Liv.  4,  20. 

2.  Liv.  6,  29.    Festus  363  (saturnisch). 

3.  Cic.  Cato  61  Carmen  incisum  in  sepulcro-,  vgl.  fin.  2,  116  (saturnisch). 

4.  Altertümliche  Bustrophedoninschrift  auf  einem  Tuffcippus,  der  bei 
einer  Regulierung  jener  Forumsgegend,  vielleicht  in  sullanischer  Zeit,  oben 
abgehauen  wurde;  es  lag  darüber  das  lapis  niger  genannte  Pflaster,  unter 
dem  man  das  Grab  des  Romulus  suchte.  Buchstaben-  und  Sprachformen 
sind  sehr  altertümlich:  c  steht  auch  für  g,  iouestod  für  iustod,  iouxmenta 
für  iumenta  (danach  spricht  man  wohl  von  der  Iouxmenta-Inschrift).  Die 
Worte  recei  und  Tcdlatorem  geben  am  ehesten  eine  Hindeutung  auf  den  In- 
halt: es  kann  ebenso  gut  der  wirkliche  König  wie  der  republikanische  rex 
sacrorum  gemeint  sein.  Gefunden  1899,  zuerst  publiziert  Not.  d.  sc.  1899, 
151  (Dessau  4913);  vgl.  etwa  noch  Hülsen,  Klio  2,  228.    WOtto,  Arch.  Lex. 


§  83.  Älteste  Inschriften  143 

12,  102.    Skutsch,  Vollm.  JB.  6,  453.    Holzapfel,  JB.  127,  257.    Tropea,  Riv. 
stör.  ant.  4,  469  usw. 

5.  rmanios  med  fhefhaJced  numasioV  (linksläufig)  d.  i.  Manius  me  fecit 
Numerio.  1886  entdeckt;  Dümmler,  Rom. Mitteil.  1887,40.  Lignata,  ebd.  139. 
Bücheler,  RhM.  42,  317.  Wölfflin,  Arch.  Lex.  4, 143.  CIL.  I2  3,  370.  Dessau 
8561. 

6.  Auf  einem  kleinen  Tongefäß,  bestimmt  für  Totenopfer  am  Novendial 
merkwürdige  Ritualvorschrift,  1880  in  Rom  beim  Quirinal  gefunden,  links- 
läufig; Dressel,  ann.  d.  inst.  52,  158.  Bücheler,  RhM.  36,  235.  Thurneysen, 
Zvgl.Spr  35,  193.  Text  und  weitere  Literaturangaben  in  ESchneiders  DIE. 
1,19.  CIL.  I2,  S.  371.  Dessau  8743.  Außerdem  andere  kurze  Weihinschriften 
auf  sehr  alten  Tongefäßen  Südetruriens  CIL.  1,  43  fl.    DIE.  1,  20  fl. 

7.  Über  diese  halbfurchenförmige  (ßovöTgocpridbv)  Inschrift  (Z.  1.  3.  4 
rechtsläufig,  Z.  2.  5  linksläufig)  auf  einer  Erztafel,  gefunden  1877  im  Fuciner 
See  vgl.  Bücheler,  RhM.  33,  489.  DIE.  83. 

8.  Die  Scipionengrabschriften  wurden  1614  und  1780  an  der  appischen 
Straße  ausgegraben:  oft  abgedruckt  und  erläutert.  Neuerdings  Priscae  Lat. 
Monum.  Tfl.  37—42.  CIL.  1,  29—39  (auch  6,  1284—1294).  DIE.  1,  88—93. 
CEL.  6—10.  Dessau  1 — 10.  Die  in  der  Zeit  vor  J.  240  fallenden  sind  im 
CIL.  1  Nr.  29.  31.  32.  Die  Sitte  der  Grabschriften  ist  griechisch;  in  ihrer 
Annahme  zeigt  sich  die  hellenisierende  Richtung  der  Scipionen. 

9.  FRitschl,  opusc.  4,  183.  204;  PLMon.  t.  95;  ferner  CIL.  1, 195.  6, 1300; 
DIE.  1,  391.  Dessau  65.  So  wie  die  Inschrift  vorliegt,  ist  sie  keinesfalls 
ursprünglich,  sondern  aus  der  Kaiserzeit;  und  zwar  ist  sie  wohl  die  Er- 
neuerung der  ursprünglichen  Inschrift  mit  Einmischung  von  jüngeren  Sprach- 
formen (Ritschl,  opusc.  4,  234;  Woelfflin  SB.  bayr.  Ak.  1890,  295.  1896, 
190.  Münzer,  PW.  5,  1777);  nicht  mehr  haltbar  scheint  Mommsens  Ansicht 
(CIL.  1,  p.  40),  daß  die  neben  späteren  Formen  sich  findenden  überalter- 
tümlichen, sowie  zahlreiche  sachliche  Schwierigkeiten  und  der  ganze  red- 
selige Ton  darauf  schließen  lassen,  daß  die  Säule  ursprünglich  keine  oder 
nur  eine  ganz  kurze  und  einfache  Inschrift  hatte,  die  erhaltene  aber  erst 
bei  einer  Erneuerung  des  Denkmals  unter  Kaiser  Claudius  nach  den  vor- 
handenen Geschichtsquellen  und  unter  gesuchter  Nachbildung  der  altertüm- 
lichen Ausdrucksweise  (bes.  nach  der  Inschrift  des  L.  Aemilius  Regillus  über 
seinen  Seesieg  bei  Myonnesos,  Liv.  40,  52)  angefertigt  wurde. 

10.  Dieser  Meilenstein  (miliarium)  von  der  via  Appia,  jetzt  zu  Mesa, 
ist  veröffentlicht  CIL.  10,  p.  1019  zu  Nr.  6838.    DIE.  1,  283. 

11.  Die  tituli  Furiorum  CIL.  1,  65  DIE.  1,  60;  die  pränestinischen  CIL. 
1,  54  DIE.  1,  41;  die  von  Pisaurum  CIL.  1,  167  DIE.  1,  68.  Bronzetäfelchen 
aus  dem  Fucinersee  mit  Bustrophedoninschrift  CIL.  I2  p.  372.  Diehl  161. 
Anderes  zB.  Bücheler  RhM.  52,  391.  Skutsch  Glotta  1,  414.  Diehl,  Altlat. 
Inschr.,  Bonn  1909.  —  Was  aus  dieser  Zeit  durch  Inschriften  auf  Münzen, 
Gefäßen,  Bildwerken  und  sonst  an  Geschriebenem  auf  uns  gekommen  ist, 
findet  sich  im  CIL.  Bd.  1  gesammelt,  dessen  pars  prior  (p.  1 — 40)  die  In- 
scriptiones  vetustissimae ,  bello  Hannibalico  quae  videntur  anteriores,  ent- 
hält (in  der  2.  Aufl.  Bd.  1  fasc.  2,  lff.).  Dazu  die  Auswahl:  DIE.  1,  1—89. 
Über  die  elogia  §  81,  2. 


144  Die  Zeit  vor  J.  240 

84.  Alt  ist  ferner  die  Sitte,  daß  beim  Siegeseinzuge  eines  Feld- 
herrn das  Heer  Lieder  preisenden  nnd  neckenden  Inhaltes  vortrug 
(carmina  triutnphalia),  häufig  im  Weehselgesange. 

1.  Liv.  5,  49,  2  Camillus  inter  iocos  militares ,  quos  inconditos  iaciunt, 
Bomulus  ac  parens  patriae  conditorque  alter  urbis  . .  appellabatur.  45,  38,  12 
militum  . .  qui  et  ipsi  laureati  et  (suis)  quisque  donis,  quibus  donati  sunt, 
insignes  triumphum  nomine  cientes  suasque  et  imperatoris  laudes  canentes 
per  urbem  incedunt.  App.  Pun.  66  r&v  ccq%6vxcov  ovg  ^hv  inaivovßiv  ovg  ds 
6y.mntov6iv  ovg  8s  ipiyovöiv  cccpslrjg  yao  6  d'Qia^.ßog  -aal  iv  it-ovöia  Xsysiv 
o  tl  dikoisv.  Plut.  Aemil.  P.  34  ö  6TQcctbg  .  .  a8cov  tcc  \isv  adug  nvccg  na- 
TQiovg  avcc[i8[ii,yiL£vccg  ysXmzL,  xcc  8s  nociüvag  STiiviY.iovg  y.ul  r&v  dicc7t87iQccyii4- 
vav  iitccivovg.  —  Form  des  Wechselgesangs  {altemis  versibus):  Liv.  4,  53,  11. 
Plin.  NH.  19,  144.  Vgl.  auch  §  3,  3.  11,  2  u.  3.  —  Refrain  io  triumphe, 
Varro  LL.  6,  68.  Tib.  2,  5,  118.  Liv.  3,  29.  Vgl.  Hör.  C.  4,  2,  49  f.  Ov.  trist. 
4,  2,  51. 

2.  Die  erhaltenen  Verse  (durchweg  troch.  Septenare)  FPR.  330.  —  Zell, 
Ferienschr.  2,  148.  Marquardt,  Staatsverw.  2,  528.  HBernstein,  versus  lu- 
dicri  in  Caesares  priores  compositi,  Halle  1810.  Guicherit,  de  carminibus 
Marciorurn  (§  66,  2)  et  de  carm.  triumphal.  Rom.,  Leid.  1846.  Kempf,  JJ. 
Suppl.  26,  357. 

85.  Volkstümlichen  Charakter  und  teilweise  saturnischen  Rhyth- 
mus hatten  auch  die  alten  Witterungsregeln,  Beschwörungsformeln, 
Zaubersprüche  u.  dgl. 

1.  Fest.  93  in  antiquo  carmine:  hiberno  pulvere,  verno  luto  grandia  farra 
camille  metes  (vgl.  Plin.  NH.  17,  14.  Macr.  sat.  5,  20,  18  in  libro  vetustissi- 
morum  carminum  . .  invenitur  hoc  rusticum  vetus  canticum:  hiberno  usw. 
Serv.  Georg.  1,  101).  Marx,  ZöG.  1897,  220  stellt  Senare  her  und  vergleicht 
Plut.  aet.  phys.  16  (PLG.  3,  669)  Glxov  iv  tcvIco  cpvrsvs,  rrjv  8s  kql^v  iv 
kovsi.  Vgl.  §  94,  9.  —  Plin.  28,  29  carmina  quaedam  exstant  contra  gran- 
dines  contraque  morborum  genera  usw.;  ebd.  27,  131  reseda,  morbis  (morbos 
vulg.)  reseda!  scisne,  scisne  quis  hie  pullus  egerit  radices?  nee  caput  nee 
pedes  habeat,  was  man  in  Verse  zu  bringen  versucht  hat.  Heim  JJ.  Suppl. 
19,  478.  549.  Cato  RR.  160  (Zauberformel  in  'Ecpißia  yocciiiiccrcc,  Skutsch 
bei  Heim  aO.  565).  Varro  RR.  1,  2,  27  (Heilspruch  gegen  die  Gicht)  terra 
pestem  teneto,  salus  hie  maneto.  Anderes  bei  Heim  aO.  Allgemein  gehaltene 
Äußerungen  der  augusteischen  Dichter  über  carmina  dürfen  nicht  auf  latei- 
nische Zauberformeln  bezogen  werden ;  vgl.  zB.  Dedo,  de  antiqu.  superstitione 
amatoria,  Greifsw.  1904.  —  Mommsen,  RG.  I6,  221.  459.  Vgl.  §  11.  61.  Auch 
Bücheler,  RhM.  34,  343.    Bergk,  op.  1,  556.    Leo,  der  Saturn.  Vers  62. 

D)  RECHTSQUELLEN  UND  RECHTSLITERATUR 

86.  Nach  römischer  Überlieferung,  die  in  der  neueren  Zeit  wohl 
mit  Unrecht  angezweifelt  worden  ist,  führte  die  seit  Abschaffung 
des  Königtums  für  die  Plebejer  immer  drückender  werdende  Rechts- 
unsicherheit und  Rechtsungleichheit  gegenüber  den  Patriziern  nach 


§  86.  Die  zwölf  Tafeln  145 

langen  Kämpfen  am  Anfange  des  vierten  Jahrh.  d.  St.  zur  Herstel- 
lung und  Einführung  eines  gemeinen  Landrechts,  durch  welches 
das  bestehende,  aber  größtenteils  ungeschriebene  Gewohnheitsrecht 
zusammengestellt  und  inhaltlich  durch  eine  neugewonnene  Kenntnis 
auswärtiger  Staats-  und  Rechtsverhältnisse  verbessert  wurde:  die 
Gesetzgebung  der  zwölf  Tafeln.  Sie  regelte  das  Zivilrecht  und 
Zivilverfahren,  umfaßte  aber  auch  religiöse,  strafrechtliche  und 
polizeiliche  Bestimmungen.  Der  fortschreitenden  Praxis  und  Sprach- 
entwicklung wurden  diese  Gesetze  schon  frühzeitig  durch  eine  teil- 
weise sehr  freie  Auslegung  (interpretatio)  angepaßt. 

1.  J.  454  lex  Terentilia,  angebliche  Absendung  dreier  Gesandten  nach 
Hellas.  Rückkehr  J.  452,  Wahl  eines  Gesetzgebungsausschusses  (Xviri  legi- 
bus scribundis),  Amtsantritt  im  Mai  451,  Abfassung  von  10  Tafeln,  zu  denen 
im  J.  450  noch  zwei  hinzukamen.  Angebliche  Beihilfe  des  Ephesiers  Her- 
modoros.  FBoesch,  De  XII  tab.  lege  a  Graecis  petita,  Götting.  1893.  Vgl. 
über  die  nicht  unbedeutende  Literatur,  die  die  Echtheit  der  Zwölftafelge- 
setzgebung anzweifelt,  und  ihre  Gegner  Krüger,  Gesch.  der  Quellen  8  ff.  Kipp, 
Geschichte  der  Quellen3  §  7  bes.  35  Anm.  4.  Für  die  Echtheit  namentlich 
Girard,  histoire  de  l'organisation  judiciaire  des  Romains  1  (Paris  1901) 
§  50  n.  2.,  Nouvelle  Revue  historique  25  (1902)  p.  381. 

2.  Einfluß  der  solonischen  Gesetzgebung  wird  behauptet:  Cic.  leg.  2, 
59.  64.  Dig.  10, 1,  13.  47,  22,  4.  Plut.  Sol.  21.  23.  FHofmann,  Beitr.  z.  Gesch. 
d.  griech.  u.  röm.  Rechts  (Wien  1870).  S.  lff.  Krüger,  Gesch.  der  Quellen 
2.  9.  A.  8. 

3.  Die  XII  tabulae  wurden  fons  omnis  publici  privatique  iuris,  Liv.  3,  34. 
Vgl.  Dionys.  10,  3.  Auson.  op.  26,  61.  Tac.  A.  3,  27.  Die  zwei  letzten  Ta- 
feln werden  oft  vom  allgemeinen  Lobe  ausgenommen,  Cic.  de  rep.  2,  61.  63. 

4.  Diod.  12,  26  §Qcc%£cog  v.al  dcTCsgirrcos  avy^si^vri.  Gell.  NA.  20,  1,  4 
eleganti  atque  absoluta  brevitate  verborum  scriptae,  doch  daneben  quaedam 
obscurissima  aut  durissima  usw. 

5.  Auf  Erz  gegraben  (Liv.  3,  57.  Dionys.  10,  57.  Diod.  12,  26).  Nach 
dem  Rückzug  der  Gallier  (J.  387)  befahlen  die  Consulartribunen  foedera  ac 
leges  (erant  autem  eae  XII  tabulae  . . .)  conquiri  quae  comparerent  (Liv.  6,  1). 
Wahrscheinlich  ist  dies  erst  spät  geschehen,  nachdem  inzwischen  die  ur- 
sprünglichen Gesetze  lediglieh  in  der  Gewohnheit  lebten  und  dabei  Um- 
formungen des  Wortlautes  und  Änderungen  des  anfänglichen  Inhalts  er- 
fuhren. Mit  dieser  Annahme  wird  man  den  Zweifeln  an  der  Echtheit  der 
überlieferten  Bruchstücke  gerecht,  ohne  genötigt  zu  sein,  die  ganze  über- 
lieferte Geschichte  der  Zwölftafelgesetzgebung  in  das  Gebiet  der  Sage  zu 
verweisen.  Bis  in  die  ciceronische  Zeit  in  den  Schulen  auswendig  gelernt, 
Cic.  leg.  2,  9.  59.  In  der  Zeit  des  Diodor  (12,  26  difysivE  ^av^o^vr} 
li£%Qi  x&v  xa-fr'  T)(iäg  kcciq&v)  und  des  A.  Gellius  (20, 1)  noch  vorhanden.  Für 
die  des  Cyprian  geht  es  aus  dessen  rhetorischer  Wendung  keineswegs  her- 
vor: ad  Donat.  10  incisae  sint  licet  leges  XII  tabulis  et  publico  aere  prae- 
fixo  iura  proscripta  sint,  —  inter  leges  ipsas  delinquitur,  inter  iura  peccatur. 

Teuffei:  röm.  Literaturgeech.    Neub.  6.  Aufl.  I.  10 


146  Die  Zeit  vor  J.  240 

6.  Commentatoren :  Sex.  Aelius  Catus  (Cic.  leg.  2,  59.  Top.  10.  Pompon. 
dig.  1,  2.  2.  §  38),  über  dessen  tripartita  (das  sog.  ius  Aelianum)  zu  ver- 
gleichen ist  Jörs,  röm.  Rechtsw.  203  if.  Krüger,  Geschichte  der  Quellen2  58 
und  die  bei  Kipp,  Geschichte  der  Quellen  100,  9.  10  Genannten,  auch  Kar- 
lowa,  Röm.  Rechtsgeschichte  1,  475  und  vMayr,  röm.  Rechtsgeschichte  85, 
auch  Klebs  Aelius,  105,  PW.  1,  527.  —  L.  Acilius  (Cic.  leg.  aO.),  L.  Aelius 
Stilo  (§  148,  Iff.),  Ser.  Sulpicius  Rufus  (dig.  50,  16,  237.  Fest.  210.  322  vgl. 
174.  321.  376),  Antistius  Labeo  (Gell.  NA.  1,  12,  18.  7,  15,  1.  20,  1,  13), 
Valerius  (Fest.  321.  vgl.  253.  355.  Scholl,  XII  tabb.  p.  35),  Gaius  (von  dessen 
Kommentar  20  Bruchstücke  in  den  Digesten  erhalten  sind). 

7.  Sammlang  und  Bearbeitung  der  Überreste  der  zwölf  Tafeln  nächst 
Gothofredus  (zB.  in  Ottos  The^aur.  iur.  rom.  3,  1)  von  Dirksen,  Kritik  und 
Herstellung  des  Textes  der  Zwölftafelfragmente,  Lpz.  1824.  Legis  XII  tabb. 
reliquiae,  ed.  RSchöll,  Lps.  1866.  M Voigt,  d.  XII  Tafeln,  Lpz.  1884  II. 
Bruns,  fontes5  14.  —  Über  die  Zwölftafelgesetzgebung  s.  bes.  Schwegler, 
RG.  3,  1.  —  OKarlowa,  röm.  Rechtsgesch.  1,  108  und  die  oben  A.  1  Ge- 
nannten. 

87.  Die  Errungenschaft  der  zwölf  Tafeln  wurde  den  Plebejern 
dadurch,  verkümmert,  daß  die  Patrizier  sich  in  den  Alleinbesitz 
der  Auslegung  und  Anwendung  dieses  Gesetzes  zu  setzen  wußten. 
Auch  die  Kenntnis  der  genaueren  Formen  des  gerichtlichen  Ver- 
fahrens (legis  actione s),  sowie  der  Tage,  an  denen  ein  Rechts- 
geschäft zulässig  war,  blieb  den  Plebejern  verschlossen. 

1.  Interpretatio  legum,  auctoritas  prudentum,  disputatio  fori  (ius  civile 
im  eng.  Ö.),  Pompon.  dig.  1,  2,  2.  §  5.  Et  interpretandi  scientia  et  actiones 
apud  collegium  pontißcum  erant,  ebd.  §  6;  vgl.   Val.  Max.  2,  5,  2. 

2.  Legis  actiones  teilweise  älter  als  die  12  Tafeln,  bes.  die  per  sacra- 
mentum  und  wohl  auch  die  per  iudicis  (arbitrive)  postulationem-,  dagegen 
nicht  per  condictionem,  per  manus  iniectionem,  per  pignoris  capionem.  PRE. 
4,  902.  ASchmidt,  de  originibus  legis  actionum,  Freib.  1857.  vKeller,  röm. 
Civiiproc,  6v.  AWach,  Lpz.  1883  (u.  die  dort  angeführte  Literatur). 

3.  Plin.  NH.  33,  17  diebus  fastis,  quos  populus  a  paucis  principum  quo- 
tidie  petebat,  vgl.  Cic.  Mur.  25.  Vgl.  §  74.  Jörs,  Römische  Rechtswissen- 
schaft 15 ff.    Krüger,  Gesch.  d.  Quellen  27 ff. 

88.  Abhülfe  verschaffte  nach  einer  in  ihrem  Inhalt  zweifelhaften 

Überlieferung  Cn.  Flavius  als  curulischer  Aedil  im  J.  304,  der  mit 

Unterstützung  des  Ap.  Claudius  den  Festkalender  und  die  Legis- 

aktionen  veröffentlichte:  Fasti  und  ius  Flavianum. 

1.  Cic.  Mur.  25  posset  agi  lege  necne,  pauci  quondam  sciebant;  fastos 
enim  vidgo  non  habebant.  erant  in  magna  potentia,  qui  consulebantur,  a  qui- 
bus  etiam  dies  tamquam  a  Chaldaeis  petebatur.  inventus  est  scriba  quidam 
Cn.  Flavius,  qui  . . .  singulis  diebus  ediscendis  fastos  populo  proposuerit  et 
ab  ipsis  capsis  iuris  consultorum  sapientiam  compilarit.  itaque  irati  Uli,  quod 
sunt  veriti,  ne  dierum  ratione  pervulgata  et  coynita  sine  sua  opera  lege  (agi) 


§  87.  Legis  actiones.    §  88.  Cn.  Flavius  147 

posset,  verba  quaedam  composuerunt ,  ut  omnibus  in  rebus  ipsi  Interessent. 
Diese  Darstellung  weiß  nichts  von  der  Veröffentlichung  der  legis  actiones 
durch  Flavius.  Liv.  9,  46  Cn.  Flavius  . . .  civile  ius  repositum  in  penetrali- 
bus  pontificum  evulgavit  fastosque  circa  forum  in  albo  proposuit,  ut  quando 
lege  agi  posset  sciretur.  Plin.  NH.  33,  17  Appii  Caeci  (s.  §  90)  scriba,  cuius 
hortatu  exceperat  eos  dies  consultando  assidue  sagaci  ingenio.  Val.  Max.  2, 
5,  2.  Krüger,  Gesch.  d.  Quellen2  32.  Da  die  Veröffentlichung  auf  Anraten 
des  Appius  Caecus  geschah,  so  kann  sie  nicht,  wie  man  später  annahm, 
ein  Schlag  gegen  den  patrizischen  Einfluß  gewesen  sein,  wie  Pomponius 
Dig.  1,  2,  2,  7  erzählt,  demzufolge  die  Sammlung  von  Appius  Claudius  ver- 
faßt und  diesem  von  Flavius  zum  Zwecke  der  Veröffentlichung  gestohlen 
worden  ist.  Vielmehr  standen  die  Prozeßformulare  und  die  Verhandlungs- 
tage schon  längst  durch  Gewohnheitsrecht  und  pontifikale  Aufzeichnungen 
fest.  Verborgen  können  sie  auch  nicht  gewesen  sein,  da  sie  in  der  Praxis 
zutage  traten.  Immerhin  war  ihre  Sammlung  und  Herausgabe  dem  Volke 
erwünscht  und  hatte  die  vielleicht  gar  nicht  beabsichtigte  Folge,  daß  die 
Kechtskonsulenz  von  den  Priestern  auf  angehende  Staatsmänner  überging, 
die  in  ihr  eine  Staffel  der  politischen  Laufbahn  sahen  und  zu  denen  auch 
Plebejer  gehörten,  ebenso  wie  schließlich  auch  zu  den  pontifices. 

2.  Legis  actiones  composuit,  Cic.  Att.  6,  1,  8;  vgl.  de  or.  1,  186.  Pompon. 
dig.  1,  2,  2,  7.  Hie  Über,  qui  actiones  continet,  appellatur  ius  civile  Flavia- 
num,  Pompon.  aO.  Später  ergänzt  und  fortgeführt  durch  Sex.  Aelius,  der 
alias  actiones  composuit  et  Uhr  um  populo  dedit,  qui  appellatur  ius  Aelianum; 
vgl.  §  125,  2.  MVoigt  (s.  §  49,  5)  S.  328.  Auszüge  aus  dem  ius  Flavianum 
bei  Probus  de  notis?  Mommsen,  Lpz.  Ber.  1853,  133.  Jörs,  Rom.  Rechtsw. 
70 ff.  Kipp,  Geschichte  der  Quellen3  99.  Karlowa,  röm.  Rechtsg.  1,  475  u. 
oben  §  86,  6.  Die  Nachricht  über  die  beiden  Veröffentlichungen  auf  Ennius 
zurückzuführen,  während  sich  wenigstens  für  die  Darstellung  des  Liv.  und 
Plin.  Macer  und  Piso  als  Quellen  ergeben  (Münzer,  Beitr.  z.  Quellenkr.  225), 
und  ihr  jeden  Wert  abzusprechen  (Seeck,  Kalendertafel  1 — 56)  geht  nicht 
an.  Daß  Fl.  die  Konsularfasten  redigiert  und  dadurch  eine  Vorarbeit  für 
die  Capitolinischen  Fasten  (§  75,  2)  geliefert  habe,  ist  möglich,  aber  nicht 
zu  erweisen  (KJNeumann,  Hist.  Z.  96,  44.  Sigwart,  Klio  6,  278).  —  Münzer, 
PW.   6,  2526. 

89.  Nachdem  so  die  Rechtsquellen  alle  öffentlich  geworden 
waren,  hörte  die  Rechtskenntnis  auf,  ein  Vorrecht  der  Priester  zu 
sein:  unter  den  ältesten  Rechtsgelehrten  sind  neben  einigen  Patri- 
ziern die  bedeutendsten  die  Plebejer  P.  Sempronius  Sophus  und 
Tiberius  Coruncanius,  der  erste  Rechtslehrer. 

1.  Pompon.  dig.  1,  2,  2  §  37  fuit  .  .  maximae  scientiae  Sempronius,  quem 
populus  Rom.  öoepov  appellavit  (Cos.  304,  unter  den  ersten  plebej.  Pontifices 
J.  300,  Censor  299;  PRE.  6,  974);  C.  Scipio  Nasica,  qui  Optimus  a  senatu 
appellatus  est  (Verwechslung?  Derjenige,  welcher  [aber  erst  im  J.  204]  den 
Beinamen  Optimus  erhielt,  heißt  sonst  immer  Publius  und  war  Konsul  191; 
PW.  4, 1501),  cui  etiam  publice  domus  in  Sacra  via  data  est,  quo  facilius  con- 
suli  posset.    deinde  Q  Mucius  ('?  Maximus  vermutet  Bynkerslioek).  ...   §  38: 

10* 


148  Die  Zeit  vor  J.  240 

post  hos  fuit  Ti.  Coruncanius,  qui,  ut  dixi  (§  35),  primus  profiteri  coepit. 
cuius  tarnen  scriptum  nulluni  extat,  sed  responsa  complura  et  memorabilia 
eins  fuerunt  (feruntur  Muretus).  Er  war  Cos.  280  und  der  erste  plebejische 
Pontifex  maxiinus.  PW.  4,  1663.  ESchrader,  Civilist.  Magazin  5,  187.  Jörs, 
Rom.  Rechtswissenschaft  73.  Karlowa,  röm.  Rechtsgeschichte  1,  475.  Krüger, 
Gesch.  d.  Quellen2.  55. 

2.  Ob  Sophus  und  Coruncanius  ihrer  Rechtskenntnis  ihr  Priesteramt 
verdankten  oder  umgekehrt  ihrem  Priesteramte  ihre  Rechtskenntnis,  bleibt 
zweifelhaft;  Mommsen,  RG.  I6,  469. 

90.  Die  hervorragendste  Erscheinung  dieser  Zeit  aber  und  ihr 
um  ein  Jahrhundert  voraus  war  Appius  Claudius  Caecus  (Cen- 
sor  312,  Cos.  307  und  296),  der  geniale  Edelmann,  der  die  Be- 
schränkung des  vollen  Gemeindebürgerrechts  auf  die  Ansässigen 
aufhob,  der  das  alte  Finanzsystem  brach,  von  dem  die  römischen 
Wasserleitungen  und  Straßen,  die  römische  Jurisprudenz,  Beredsam- 
keit und  Grammatik  ausgehen,  ja  von  dem  auch  die  Anfänge  einer 
lateinischen  Schriftprosa  sowie  einer  Kunstpoesie  herrühren. 

1.  Sein  elogium:  CIL.  I2,  p.  192.  Dessau  54.  Plin.  NH.  35,  12  posuit 
in  Bellonae  templo  (von  ihm  gestiftet  J.  296)  maiores  suos  placuitque  in  ex- 
celso  spectari  et  titulos  honorum  legi.  Frontin.  aq.  1,  5  Ap.  Claudio  Crasso 
censore,  cui  postea  Caeco  fuit  cognomen.  —  Im  allg.  Mommsen,  RG.  I6,  454; 
Röm.  Forsch.  1,  301.  Sieke,  Ap.  Cl.  Caecus,  Marb.  1890.  Krüger,  Gesch.  d. 
Quellen8  32.  57.  Jörs,  Röm.  Rechtsw.  70.  Kipp,  Geschichte  der  Quellen8  99. 
Münzer,  PW.  3,  2681. 

2.  Pompon.  dig.  1,  2,  2,  36  App.  Claudius  .  .  maximam  scientiam  habuit. 
hie  Centemmanus  appellatus  est.  Appiam  viam  stravit  et  aquam  Claudiam 
induxit,  et  de  Pyrrho  in  urbem  non  reeipiendo  sententiam  tulit  (berühmte 
Rede  vom  J.  280,  angeblich  lange  erhalten,  s.  Varr.  bei  Isid.  orig.  1,  38,  2. 
Cic.  Brut.  55.  61.  Cato  m.  16  et  tarnen  ipsius  Appi  extat  oratio;  die  Späte- 
ren, zB.  Sen.  ep.  114,  13.  Tac.  dial.  18.  21.  Quint.  2,  16,  7  kommen  als 
selbständige  Zeugen  nicht  in  Betracht.  Niese,  Herrn.  31,  493  hält  sie  für 
eine  Fälschung  der  ciceronischen  Zeit,  und  mindestens  ist  ihre  Herausgabe 
durch  Appius  selbst  zweifelhaft.  Cima,  L'eloquenza  rom.  9).  hunc  etiam  ac- 
tiones  scripsisse  traditum  est  (vielmehr  hat  er  die  legis  actiones  des  Flavius 
veranlaßt;  Mommsen  streicht  actiones),  primum  de  usurpationibus  qui  Über 
non  extat.  idem  . .  JR  litteram  invenit  (d.  h.  er  schrieb  r  statt  des  intervoka- 
lischen  s,  das  längst  nicht  mehr  gesprochen  wurde,  vgl.  Mommsen,  RG.  I6, 
470),  ut  pro  Valesiis  Valerii  essent  et  pro  Fusiis  Furii.  Doch  s.  über  diesen 
Übergang  HJordan,  krit.  Beitr.  (Berl.  1879)  104.  Auch  die  Ausscheidung 
des  Z  (das  freilich  kaum  gebraucht  worden  war)  aus  dem  Alphabet  wird 
auf  ihn  zurückgeführt,  und  vielleicht  hat  er  das  g  eingeführt  (unten  S.  160. 
Martian.  Cap.  3,  261).  Jordan  aO.  155.  Havet,  Rev.  phil.  2,  15.  GMeyer, 
ZöG.  31,  122.    Vgl.  §  93,  6. 

3.  Sollers  iuris  atque  eloquentiae  consultus,  L*v.  10,  22;  vgl.  19.  Er  war 
der  erste,  der  etwas  Prosaisches  niederschrieb  und  herausgab  (s.  §  35,  1). 


§  89.  Sophus  und  Coruncanius.    §  90.  Ap.  Claudius  Caecus  149 

4.  Cic.  Tusc.  4,  4  mihi  Appii  Caeci  Carmen,  quod  valde  Panaetius  lau- 
dat  epistola  quadam  quae  est  ad  Q.  Tuberonem,  Pythagoreum  videtur.  Viel- 
leicht, weil  es  pythagoreischen  Spruchsammlungen  glich.  Vgl.  Fest.  317  in 
Appii  sententiis.  Ps.-Sall.  ad  Caes.  de  rep.  1,  1,  2  quod  in  carminibits  Ap- 
pius  ait,  fabrum  esse  suae  quemque  fortunae.  Pkiscian.  GL.  2,  384  Appius 
Caecus:  amicum  cum  vides  obliviscere  miserias  usw.  Saturnier  sind  anzu- 
nehmen, aber  nicht  überall  sicher  herzustellen;  als  Quelle  der  Sentenzen 
erweist  Marx,  ZöG.  1897,  217.  394  die  neuere  Komödie.  Appius  war  also 
ein  Kenner  griechischer  Literatur.    FPR.  36. 


IL 

GESCHICHTE  DER  KOMISCHEN  LITERATUR 

ERSTER  HAUPTTEIL 
DIE  ZEIT  DER  REPUBLIK  UND  DES  AUGUSTUS 

Erste  Periode:  von  Andronicus  bis  in  die  sullanische  Zeit 

J.  240—84 

91.  Die  Jahrhunderte,  in  denen  Rom  noch  keine  eigentliche 
Literatur  besaß ,  sind  die  seiner  politischen  Größe.  Die  Literatur 
kam  erst  auf  durch  das  Bedürfnis  der  Schule  und  der  Schaubühne, 
als  die  Unterweisung  durch  den  Vater,  auf  dem  Markt  und  im  Rat 
nicht  mehr  genügend  erschien,  und  als  die  Bekanntschaft  mit  den 
{iovölxoI  aycbveg  der  Griechen  deren  Übertragung  nach  Rom  ver- 
anlaßte. 

Die  römische  Literatur  steht  von  vornherein  unter  dem  Einflüsse 
der  griechischen.  Gegenüber  der  äußerlich  abgeschlossenen  und 
innerlich  vollendeten  griechischen  Literatur,  die  nach  Rom  eindrang, 
konnten  die  tastenden  Anfänge,  welche  die  Römer  auf  diesem  Ge- 
biete gewagt  hatten,  nicht  zur  Entfaltung  und  Geltung  kommen. 
Sie  verkümmerten  vom  Fremden  überwältigt,  noch  mehr  als  der 
römische  Glaube  unter  dem  Drucke  des  griechischen.  Eine  römische 
Literatur  wird  durch  die  griechische  erst  zum  Leben  erweckt,  und 
entwickelt  sich  deshalb  auf  Kosten  des  echtrömischen  Wesens.1) 
Aber  was  das  römische  Schrifttum  durch  diese  unfreiwillige  Hingabe 
an  Originalität  einbüßte,  hat  die  fremde  Lehrerin  mit  ihrer  groß- 
artigen Tradition  durch  strenge  Schulung,  durch  Behütung  vor  un- 
zähligen Irrwegen,  durch  Hinweis  auf  die  höchsten  Vorbilder  ver- 

1)  Mommsen,  RG.  I6,  876. 


150  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

gölten.  Die  Römer  aber  haben  auch  in  der  Literatur  die  ihnen 
sonst  eigentümliche  Zähigkeit  und  Anpassungsfähigkeit  bekundet, 
sich  die  fremden  Formen  vollkommen  zu  eigen  gemacht,  sie  in  ein- 
zelnen Fällen  fortgebildet  und  oft  mit  größerer  Frische  und  Kraft 
gehandhabt  als  die  dekadenten  Hellenen. 

Kenntnis  griechischer  Sprache  und  Einrichtungen  ist  in  Italien 
und  Rom  uralt.  Griechischer  Herkunft  ist  das  lateinische  Alphabet 
(s.  u.),  die  römische  Maß-  und  Gewichtsordnung;  griechischen  Ein- 
fluß finden  wir  mächtig  seit  den  Tarquiniern ;  ihn  verrät  auch  die 
servianische  Verfassung  und  die  Beschaffenheit  der  ludi  Romani2); 
auf  gottesdienstlichem  Gebiete  nährten  ihn,  nachdem  Apollon,  He- 
rakles und  die  Dioskuren  längst  aufgenommen  waren,  die  sibylli- 
nischen  Bücher.  Seit  der  Eroberung  Campaniens,  zu  Anfang  des 
fünften  Jahrh.  d.  St.,  gewinnt  dieser  Einfluß  an  Ausdehnung:  Bei- 
namen wie  Philippus,  Philo,  Sophus,  Agelastus  haben  jetzt  nichts 
Fremdartiges  mehr;  die  Sitte  bei  Tische  zu  liegen,  Verstorbenen 
Grabschriften  und  Denkmäler  zu  setzen  u.  a.  wird  den  Griechen 
entlehnt.8)  Als  am  Ende  des  fünften  Jahrh.  auch  die  Beziehungen 
zu  dem  griechischen  Unteritalien  immer  häufiger  werden,  können 
römische  Große  bei  Gesandtschaften  sich  schon  der  griechischen 
Sprache  bedienen,  wie  die  Seefahrer  und  Handelsleute  unter  den 
Römern  es  schon  früher  verstanden.  Durch  die  zahlreichen  griechi- 
schen Sklaven  und  Freigelassenen  wurden  auch  die  unteren  Stände 
Roms  mit  dem  Griechischen  bekannt.  Im  Laufe  des  vierten  Jahrh. 
d.  St.  wurde  auf  dem  römischen  Forum  ein  eigener  Platz  für  die 
Griechen  (Graecostasis)  eingerichtet.4) 

Daher  war  es  vielleicht  von  einiger  Wirkung,  daß  der  erste 
punische  Krieg  die  Mannschaft  Roms  in  Sizilien  mit  griechischer 
Bildung  in  engere  und  länger  dauernde  Berührung  brachte.  Von 
dort  nahm  man  Geschmack  für  feinere  Genüsse  mit  nach  Hause 
und  es  ist  vielleicht  kein  Zufall,  daß  schon  im  Jahre  nach  Beendi- 
gung des  ersten  punischen  Krieges  (J.  264 — 241)  Andronicus  zu 
Rom  mit  Dramen  auftreten  konnte,  und  seitdem  solche  Aufführun- 
gen ohne  Unterbrechung  sich  folgten.  Selbst  während  des  hanni- 
balischen  Krieges  (J.  218 — 201)   nahmen   diese  in  der  Hauptsache 

2)  Mommsen  l6,  95.  228. 

3)  Plin.  n.  h.  33,  19.  Die  Nachricht  von  dein  Einfluß  der  Solonischen 
Gesetze  auf  die  Lex  XII  tabb.  ist  zu  verwerfen.  Boesch,  de  XII  tabb.  lege 
a  Graecis  petita,  Gott.  1893.    Doch  s.  Skutsch,  Vollm.  JB.  5,  57. 

4)  Mommsen  l6,  452.    Vgl.  §  83,  7. 


§  91.  Die  Anfänge  der  Literatur  151 

ihren  ungestörten  Verlauf;  denn  des  Naevius  schriftstellerische 
Wirksamkeit  fällt  zum  größten  Teile  und  von  der  des  Plautus 
etwa  die  Hälfte  in  die  Zeit  dieses  Krieges,  in  dem  die  altrömischen 
Tugenden  sich  nochmals  in  ihrem  schönsten  Glänze  gezeigt  haben.5) 
Aber  als  die  furchtbare  Anspannung  aller  Kräfte,  die  er  verlangt 
hatte,  nachließ,  als  das  Gefühl  der  Erlösung  von  einer  ungeheuren 
Gefahr  und  der  Jubel  über  den  endlichen  Sieg  für  alle  Genüsse  des 
Lebens  zugänglicher  machte,  schlug  auch  die  Literatur  tiefere  Wur- 
zeln in  Rom,  zumal  sie  schon  um  J.  206  durch  Verleihung  der 
Zunftrechte  an  die  poetae  als  bürgerlich  achtbar  anerkannt  worden 
war.  Zugleich  traf  es  sich,  daß  J.  204  M.  Cato,  das  künftige  Haupt 
der  altrömischen  Partei,  den  Ennius  nach  Rom  brachte,  einen  Dichter, 
der  bald  der  Bannerträger  der  modernsten  hellenisierenden  Rich- 
tung werden  sollte.  Seit  dieser  Zeit  bewahrheitete  sich  immer  mehr, 
was  Porcius  Licinus  bei  Gellius  (17,  21)  sagt: 

Poenico  hello  secundo  Musa  pinnato  gradu 
Intulit  se  bellicosam  in  Romuli  gentem  feram.6) 

Mit  Betrübnis  sahen  die  Nationalgesinnten,  wie  die  bewährte  alte 
Sitte  durch  fremdes  Wesen  verdrängt  wurde,  das  ihnen  nicht  ganz 
ohne  Grund  als  Entartung  und  Verweichlichung  erschien.7) 

Der  in  gleichem  Verhältnisse  mit  dem  Reichtum  wachsende 
Ehrgeiz  des  Adels  kam  der  Schaulust  der  Menge  wetteifernd  ent- 
gegen; neben  anderen  Volksbelustigungen  wurden  daher  auch  die 
dramatischen  Aufführungen  eifrig  gefördert,  die  Anfertigung  von 
Stücken  für  diese  wurde  zu  einer  leidlich  lohnenden  Arbeit,  und 
neben  und  nach  Plautus  sehen  wir  daher  Ennius,  Pacuvius,  Statius 
Caecilius,  Terenz   hierfür  tätig.    Die   Kriege   mit  Philipp  III  von 


5)  Das  Lebensideal  eirjes  vornehmen  Römers  schildert  Q.  Metellus  in 
der  Leichenrede  auf  seinen  J.  221  verstorbenen  Vater  (§  123,  2),  Plin.  NH. 
7,  140  voluisse  primarium  bellatorem  esse,  Optimum  oratorem,  fortissimum 
imperatorem,  auspicio  suo  maximas  res  geri,  maximo  lionore  uti,  summa  sa- 
pientia  esse,  summum  senatorem  haberi,  pecuniam  magnam  bono  modo  inve- 
nire,  multos  liberos  relinquere  et  clarissimum  in  civitate  esse. 

6)  Vgl.  auch  Hör.  E    2,  1,  162. 

7)  Cato  bei  Gell.  6,  2,  5  si  qiiis  in  poetica  arte  studebat  . . .  grassator 
vocabatur.  Vgl.  otium  Graecum  Cic.  or.  108.  De  or.  1,  102  alicui  Graeculo 
otioso  et  loqiiaci.  3,  132  (Graeci)  otio  diffluentes.  Daher  gvaecari  und  per- 
graecari  =  fein  Lotterleben  führen',  Lorenz  zu  Plaut  Most  22.  In  dem 
Geschichtswerk  des  Calpurnius  Piso  ('§  132,  4)  war  auf  das  allmähliche  Ein- 
dringen des  neumodischen  (übrigens  teilweise  recht  harmlosen)  Luxus  sorg- 
fältig geachtet. 


152  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

Makedonien  (J.  200— 197),  Antiochus  (J.  191  f.),  Perseus  (J.  172 
— 168),  und  die  immer  stärkere  Berührung  mit  dem  Osten8)  trugen 
zur  Umgestaltung  altrömiscber  Sitte  wesentlich  bei,  erweiterten  in- 
dessen auch  den  Gesichtskreis  und  rückten  den  Gedanken  eines 
Weltreiches  immer  näher,  damit  aber  zugleich  die  Notwendigkeit, 
die  angestammte  Eigenart  gegen  die  hellenische  Zivilisation  mit 
ihrem  weltbürgerlichen  und  bildungsfreundlichen  Charakter  zu  ver- 
tauschen. Ohne  Mißgriffe  konnte  es  hier  freilich  nicht  abgehen. 
Den  meisten  Römern  fehlte  die  Fähigkeit,  an  dem  Fremden,  das 
ihnen  mit  einer  gewaltigen  Autorität  und  Tradition  gegenübertrat, 
zu  sondern  zwischen  dem  Wertvollen  und  Unvergänglichen  und  dem 
Ephemeren  und  Schädlichen;  es  war  nur  natürlich,  daß  die  Erzeug- 
nisse der  Gegenwart  zunächst  den  Vorrang  behaupteten  vor  den 
großen  Werken  der  Vergangenheit.  Nun  wirkte  die  schöne  Litera- 
tur der  Griechen  damals  auch  in  ihren  besten  Erzeugnissen  mehr 
durch  Feinheit  als  durch  Kraft  und  rechnete  auf  den  Beifall  der 
Kenner,  nicht  der  Masse.  Das  machte  sie  nicht  besonders  geeignet 
für  Rom,  wo  ein  Publikum  von  Kennern  zunächst  nicht  vorhanden 
war.  Soweit  diese  Literatur  aber  pikant  und  dekadent  war,  waren 
die  Römer  vollends  nicht  reif  dafür,  und  von  den  philosophischen 
Gedanken,  mit  denen  sie  vielfach  durchsetzt  war,  verstanden  sie 
kaum  etwas.9)  Anfangs  waren  es  ausschließlich  die  Vornehmen,  die 
sich  dem  neuen  Wesen  zuwandten;  insbesondere  der  Kreis  der  Sci- 
pionen  schätzte  und  förderte  das  Hellenische  mit  unleugbarem  Ver- 
ständnis.10) Seine  Abkehr  von  der  altrömischen  Denkweise  zeigte 
der  ältere  Africanus  besonders  durch  das  Wort,  das  er  im  Munde 


8)  In  dieser  Zeit  beginnen  die  Römer  Wert  auf  ihre  trojanische  Ab- 
stammung zu  legen;  Flamininus  nannte  sich  auf  seinem  Weihgeschenk  in 
Delphi  Alvsadäv  tccybg  iisyccg  (Plut.  Tit.  12),  in  dem  nach  der  Schlacht  bei 
Cannae  verfertigten  Marciusorakel  heißt  der  Römei  Troiugena  (§  66,  2). 
Diels,  Sibyll.  Blätter  99.  Norden,  JJ.  1901  VII  55.  Mit  welchem  Interesse 
die  Griechen  auch  die  innerpolitische  Entwicklung  Roms  verfolgten,  zeigt 
ein  Brief  Philipps  von  Makedonien  aus  J.  214,  der  den  Larisäern  die  Be- 
handlung der  Freigelassenen  durch  die  Römer  als  vorbildlich  hinstellt. 
Dessau  8763.    Vgl.  §  81,  1. 

9)  Über  das  Wesen  der  hellenistischen  Literatur  s.  vWilamowitz,  Kul- 
tur der  Gegenw.  1,  8.  Helbig,  Unters,  über  die  campan.  Wandmalerei,  Lpz. 
1873.    Rohde,  Der  griech.  Roman,  1.  Teil. 

10)  Was  Naevius  com.  108  R.  und  Val.  Max.  6,  7,  1  von  Jugendsünden 
des  älteren  Africanus  berichten,  wird  man  kaum  ernsthaft  als  graecari  (S.  1617) 
in  Anspruch  nehmen  dürfen. 


§  91.  Die  Anfänge  der  graecisierenden  Literatur  153 

führte:  numquam  se  minus  esse  otiosum  quam  cum  otiosus  esset11); 
womit  er  aber  seine  Mußestunden  ausfüllte,  erhellt  aus  dem  Vor- 
wurf, den  ihm  die  Gegenpartei,  an  deren  Spitze  Q.  Fabius  stand, 
im  J.  204  machte,  daß  er  sich  mit  Scharteken  und  Turnen  abgebe.12) 
Ein  hochachtbarer  Vertreter  der  hellenisierenden  Richtung  war 
auch  L.  Aeinilius  Paulus  (um  J.  227 — 160).  Beide  schrieben  und 
sprachen  geläufig  griechisch,  wie  auch  T.  Quinctius  Flamininus 
(Cos.  198),  Ti.  Gracchus  (Cos.  177.  163),  C.  Sulpicius  Gallus  (Cos. 
166),  Cn.  Octavius  und  alle  Annalisten  des  hannibalischen  Krieges 
(Fabius  Pictor,  Cincius,  Acilius).  Verse  machten  Q.Labeo  (Cos.  183) 
und  M.  Laenas  (Cos.  173). 

Selbst  Cato  entfaltete  wenigstens  in  lateinischer  Prosa  eine  rege 
Tätigkeit,  und  er,  der  behauptete,  daß  die  Römer  über  den  griechi- 
schen Büchern  das  Handeln  verlernen  würden18),  mußte  sich  noch 
in  seinen  alten  Tagen  dazu  verstehen,  das  Griechische  zu  erlernen. 
Aber  es  mehren  sich  auch  schon  die  Anzeichen  des  Verfalls  der 
altrömischen  Sittenstrenge14),  so  daß  ein  Mann  vom  alten  Schlage 
wie  T.  Manlius  Torquatus  sich  in  seiner  Vaterstadt  fremd  und  ein- 
sam fühlte.15)  Mit  jeder  Generation  werden  diese  Zeichen  bedenk- 
licher, und  in  einzelnen  Fällen  kann  man  eine  Zerklüftung  des 
Familienlebens,  eine  Mißachtung  von  Gesetz  und  Ordnung  und  so- 
gar der  väterlichen  Götter  beobachten.  In  demselben  Maße  steigerte 
sich  freilich  auch  der  Widerstand  der  Anhänger  des  Alten,  wie  des 
alten  Cato,  der  namentlich  in  seiner  Zensur  (J.  184)  den  Kampf 
rücksichtslos  durchführte. 16) 

Aber  sie  versuchten  Unmögliches;  es  ging  nicht  mehr  an,  einen 
Entwicklungsgang  aufzuhalten,  der  das  Ergebnis  von  tausend  unab- 

11)  Cic.  off.  3,  1.  Vgl.  ABaldi,  die  Freunde  und  Förderer  der  griech. 
Bildung  in  Rom,  Würzb.  1875;  d.  Gegner  der  griech.  Bildung  in  Rom,  Burg- 
hausen 1876.  ADupuy,  de  Graecis  Romanorum  amicis  aut  praeceptoribus, 
Brest  1879.    Hillscher,  JJ.  Suppl.  18,  353. 

12)  Liv.  29,  19.  12  cum  pallio  crepidisque  inambulare  in  gymnasio,  libel- 
lis  eum  palaestraeque  operam  dare. 

13)  Vgl.  §  2,  1  und  bei  Plin.  NH.  29,  14  quandoque  ista  gens  suas  litte- 
ras  ddbit,  omnia  corrumpet 

14)  Liv.  26,  2,  15  (aus  J.  211)  eum  (Cn.  Fulvius)  in  ganea  lustrisque,  ubi 
iuventutem  egerit,  senectutem  acturum  ist  freilich  kaum  zu  verwerten. 

15)  Liv.  26,  22,  9  (J.  211)  neque  ego  vestros  mores  consul  ferre  potero 
neque  vos  imperium  meum.  Die  häufigen  Klagen  des  Plautus  über  die  ein. 
reißenden  mores  mali  (zB.  Trin.  30.  531.  1028)  sind  kaum  in  diesem  Sinne 
zu  deuten,  sondern  aus  den  Originalen  entlehnt. 

16)  Besancon,   les  adversaires  de  l'hellenisme  ä  Rome.    Lausanne  1910. 


154  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

änderlichen  Ursachen  war,  der  Umwälzung  sich  entgegen  zu  stemmen, 
die  sich  mit  unwiderstehlicher  Gewalt  in  Glauben,  Leben  und  Sitte, 
im  Denken  und  im  Handeln  des  Volkes  vollzog.  Wenn  man  für 
die  Übel  der  Gegenwart  die  neue  Bildung  allein  verantwortlich 
machte,  so  war  dieser  Vorwurf,  der  es  ermöglichte,  die  Schuld  von 
sich  abzuwälzen,  freilich  bequem,  darum  aber  noch  nicht  begründet. 
Überdies  waren  die  Gegenmaßregeln  vielfach  verkehrt  und  zweck- 
widrig. So  verwies  man  J.  173  (oder  J.  154)  die  epikureischen  Philo- 
sophen Alkaios  und  Philiskos  aus  Rom,  so  vertrieb  man  J.  161 
abermals  die  Philosophen  und  Rhetoren,  so  schickte  man  J.  155 
die  athenische  Gesandtschaft,  an  deren  Spitze  Karneades  stand, 
möglichst  bald  wieder  nach  Hause.  Dafür  aber  lockte  der  Senat 
J.  167  tausend  vornehme  und  hochgebildete  Achäer  —  darunter 
Polybios  —  nach  Italien  und  hielt  sie  dort  17  Jahre  lang  als  Gei- 
seln fest.17)  Überhaupt  hat  die  vom  römischen  Senat  in  dieser  Zeit 
befolgte  Politik  der  Selbstsucht,  die  ihren  Gipfel  in  dem  Verfahren 
gegen  das  unglückliche,  zu  Boden  geworfene  Karthago18)  erreichte, 
haben  die  mutwilligen,  nichts  als  Vergrößerung  und  Bereicherung 
bezweckenden  Kriege,  die  Rom  seit  dem  zweiten  punischen  fort- 
während führte,  den  altrömischen  Geist  weit  nachhaltiger  unter- 
graben als  alle  hellenische  Kunst  und  Weisheit  je  vermocht  hätte. 
In  erschreckender  Steigerung  wuchs  wenigstens  innerhalb  der  herr- 
schenden Kaste,  die  sich  ihr  Moralgesetz  selbst  machte,  das  innere 
Verderben,  die  Sittenlosigkeit19),  Feilheit,  die  unersättliche  Bereiche- 
rungswut, die  sich  über  Gesetze,  Senatsbefehle,  Staatsprozesse  frech 
hinwegsetzte,  eigenmächtig  Krieg  führte,  ohne  Erlaubnis  Triumphe 
feierte,  die  Provinzen  aussog,  die  Bundesgenossen  beraubte.  Schimpf- 
liche Verträge  und  Friedensschlüsse  werden  immer  häufiger.  Eine  ge- 
wisse Bildung  verbreitet  sich  freilich  allmählich  auch  über  die  Masse: 


17)  Polybios  sagt  zum  jüngeren  Scipio  um  J.  160  (31,  24)  TtSQi  xcc  (icc- 
ftriticcTcc,  71£ql  a  vvv  ögä)  örtovdd^ovxccg  v{i&g  xccl  Cpl%OTl[LOVlL£vOVg ,  OVK  CC7tO- 
Qijßsts  xcbv  6W8Qyr]ö6vt(ov  v\iiv  Btol^Kog  .  .  noXv  yccg  drj  xi  cpvXov  cctco  xfjg 
EXXddog  £-jiiqq£ov  Öqöö  kcctcc  xb  iiagov  x&v  xoiovxcov  avd'Qoancov. 

18)  Vgl.  über  diese  macchiavellistische  (englische)  Politik  CPeter,  Stu- 
dien zur  röm.  Gesch.,  Halle  1863,  115.  Selbst  ein  so  warmer  Bewunderer 
der  Römer  wie  Polybios  wird  dadurch  wiederholt  zu  Äußerungen  der  Ent- 
rüstung veranlaßt;  s.  31,  18;  vgl.  31,  8.  12.  19  extr.  32,  2. 

19)  Vgl.  Polyb.  31,  24  und  bes.  25,  4  ol  [ihv  sig  igafiivovg  xcbv  vicov, 
oi  d'  Big  Bxalgag  §£sk£%vvto,  itoXXol  6'  slg  dzQod^iaxa  ■Kai  novovg  nccl  xr\v  iv 
xovroig  TtoXvts'Xeuxv,  xa%icog  7]Q7iay.6tBg  iv  to5  Ueqgiwo  TtoXi\ico  xijv  xcov  'EXXtf- 

VCOV    8ig   XOVTO    XO    llBQOg   SV%2QBICCV   usw. 


§  92.  Die  Zeit  von  J.  146—84  v.  Chr.  155 

schon  die  vielen  griechischen  Fremdwörter  bei  Plautus  zeugen  teil- 
weise hierfür20),  und  das  Übergewicht,  das  die  ludi  scaenici  über 
die  circenses  gewinnen.21)  Aber  was  in  den  dramatischen  Spielen 
dem  Volke  hauptsächlich  geboten  wurde,  die  Stücke  der  palliata, 
war  nicht  eben  geeignet,  zur  Bewahrung  der  alten  Sittenstrenge 
beizutragen. 22) 

92.  Was  das  sechste  Jahrh.  gereift  hatte,  das  vollendete  das 
siebente;  schon  das  J.  146  brachte  Karthagos  und  Korinths  Zer- 
störung. Mit  Karthago  war  eine  Mahnerin  zu  fortgesetzter  kriege- 
rischer Bereitschaft  für  immer  verstummt;  weitsichtiger  als  der 
alte  Eiferer  Cato  beweinte  der,  welcher  sie  zerstören  mußte,  selbst 
ihren  Fall.  Korinths  Untergang  und  die  Vernichtung  der  helleni- 
schen Selbständigkeit  trieb  die  Hellenen  scharenweise  nach  Rom, 
dessen  Bildungshunger  allen  Literaten  eine  Existenz  zu  ermöglichen 
versprach.  Mit  klug  berechneter  Schmeichelei  pries  man  die  in 
Griechenland  auftretenden  römischen  Machthaber  als  Retter  und 
Wohltäter,  und  solche  Komplimente  verfehlten  ihre  Wirkung  nicht. 
In  breitem  Strome  flutete  jetzt  der  griechische  Einfluß  über  Rom 
dahin:  Graecia  capta  ferum  victorem  cepit.  Aus  dem  sechsten  Jahrh. 
herüber  ragt  in  das  siebente  herein  die  edle  Gestalt  des  jüngeren 
Africanus  (J.  185 — 129),  des  Freundes  von  Panaitios  und  Polybios; 
um  ihn  sammeln  sich  alle  wahren  Freunde  einer  höheren  Gesittung 
und  Bildung:  von  Altersgenossen  (außer  Terenz)  sein  Bruder  Q.  Fa- 
bius  Maximus  (Cos.  145),  sein  Schwager  Q.  Aelius  Tubero,  M'.  Ma- 
nilius  (Cos.  149),  der  jüngere  Laelius  (Cos.  140),  D.  lunius  Brutus 
(Cos.  138),  L.  Furius  Philus  (Cos.  136),  Sp.  Mummius,  Sex.  Pom- 
peius,  P.  Rupilius  (Cos.  132),   C.  Lucilius;   von  jüngeren  Männern 


20)  Mommsen,  RG.  I6,  877.  —  OWeise,  d.  griech.  Wörter  im  Lat,  Lpz. 
1882;  RhM.  38,  547.  Saalfeld,  Tensaurus  italo-graecus,  Wien  1884  u.  a. 
Doch  sind  viele  der  bei  Plautus  vorkommenden  griechischen  Worte  ältere 
auf  dem  Wege  über  Unteritalien  rezipierte  Lehnworte.  Vgl.  auch  Jordan, 
Krit.  Beitr.   1. 

21)  Am  Ende  der  Republik  waren  jährlich  66  Tage  mit  Festen  besetzt: 
darunter  2  Tage  mit  Festmahlen  (epula),  16  Tage  mit  ludi  circenses  (und 
Vorbereitungen),  aber  48  Tage  mit  ludi  scaenici.  Im  Kalender  vom  J.  354 
n.  Chr.  (§  74,  8)  sind  verzeichnet  175  Spieltage,  darunter  10  Gladiatorentage, 
64  circensische,  aber  101  szenische.  Mommsen,  CIL.  I2,  p.  300  Friedländer, 
SG.  28,  311. 

22)  Gelegentlich  trat  unverkennbar  zutage,  daß  diese  Bildung  wie  ein 
leichter  Firnis  von  selbst  abfiel,  sobald  man  sich  gehen  ließ,  vgl.  zB.  Polyb. 
30,  22  (bei  Athen.  14,  p.  615)  vom  J.  167. 


156  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

die  Schwiegersöhne  des  Laelius,  C.  Fannius  und  Q.  Mucius,  sowie 
der  jüngere  Tubero,  P.  Rutilius,  A.  Verginius  u.  a.1)  Aber  je  stärker 
der  Gegensatz  war,  in  dem  das  Denken  und  Tun  dieses  Kreises  zu 
der  herrschenden  Richtung  stand,  desto  mehr  gerieten  sie  in  aristo- 
kratische Absonderung  hinein,  desto  geringer  wurde  ihr  Einfluß, 
wenigstens  auf  die  Zeitgenossen.  Erst  die  folgende  Generation  hat 
die  Früchte  ihrer  Kulturarbeit  geerntet. 

Der  Bankerott  der  Nobilität  und  die  Fäulnis  der  höheren  Stände 
tritt  zutage  im  numantinischen  (J.  143 — 133)  und  bekundet  sich 
grell  im  jugurthinischen  Kriege  (J.  111 — 106);  so  wird  es  der  rohen 
Kraft  des  geistig  wenig  bedeutenden  Marius  möglich,  erhebliche 
Erfolge  zu  gewinnen.  Dieser  bildet,  indem  er  Griechisch  nicht  ver- 
steht, bereits  eine  Ausnahme  in  seiner  Zeit2),  zumal  von  der  regie- 
renden Klasse3);  schon  die  Aufführung  griechischer  Stücke  zu 
Rom  in  griechischer  Sprache  zeigt  die  Verbreitung  dieser  Kenntnis. 
Manche  Inschriften  aus  dieser  Zeit  sind  in  beiden  Sprachen  ver- 
faßt4), und  der  römische  Senat  überträgt  seine  Beschlüsse,  die  den 
Osten  angehen,  ins  Griechische,  sowie  auch  die  mit  den  Hellenen 
verkehrenden  Beamten  in  ihren  Erlassen  sich  dieser  Sprache  — 
nicht  ohne  Mißgriffe  —  bedienen .  Die  Römer,  die  sich  früher  in  der 
Palliata  selbst  als  barbari  mitbezeichnet  hatten,  teilen  jetzt  mit  den 
Griechen  die  Herrschaft,  indem  sie  auf  dem  Gebiete  der  Politik,  die 
Griechen  auf  dem  der  Bildung  den  Vorrang  haben.  Die  römischen 
Schriftsteller  erkennen  das  Übergewicht  der  griechischen  Literatur 
auch  da  an,  wo  sie  Überlegenes  leisten,  und  nachdem  sie  die  ersten 
Schwierigkeiten  der  Übersetzung  überwunden  haben,  erstreben  sie 
in  zunehmendem  Maße  Sauberkeit  und  Glätte,  wie  L.  Accius;  manche 
lassen  sich  sogar  zur  Nachahmung  von  Tändeleien  verleiten,  wie 
die  erotischen  Epigrammatiker.  Die  zunehmende  Ausdehnung  der 
szenischen  Spiele5)  erfordert  alljährlich  eine  Reihe  von  Stücken,  und 
daher  überwiegt  auch  in  der  Literatur  das  Drama,  das  neben  dem 
Epos  für  die  vornehmste  Gattung  gilt.   Die  Tragödie  hat  im  siebenten 


1)  Vgl.  Cic.  Lael.  101.  2)  Sall.  lug.  85,  32. 

3)  P.  Crassus,  Cos.  131,  versteht  fünf  griechische  Dialekte,  s.  §  133,  5  E. 

4)  Viereck,  Sermo  graecus  quo  SPQR.  .  .  usi  suut,  Gott.  1888.  Cagnat, 
Inscr.  graecae  ad  res  Rom.  pertinentes,  Paris  1903  ff.  III.  Doppelsprachig 
•z.B.  das  SC.  über  Asklepiades  und  Genossen  vom  J.  78  CIL.  1,  203..  DIE. 
308.    Viereck  n.  17. 

&)  Vgl«  §  12,  2.  Vereinzelt  und  wirkungslos  war  der  Reaktionsversuch 
der  Zensoren  des  Jahres  115;  s.  §  9,  7. 


§  92.  Die  Zeit  von  J.  146—84  v.  Chr.  157 

Jahrh.  an  L.  Accius  einen  achtbaren  Vertreter;  innerhalb  der  Ko- 
mödie lösen  sich  Palliata,  Togata,  Atellana  und  Mimus  in  rascher 
Folge  ab,  zeigen  aber  eben  in  dieser  Stufenfolge  ein  immer  tieferes 
Herabsteigen  zum  Geschmacke  der  Masse,  der  die  derbe  und  oft 
gemeine  Posse  mehr  zusagte  als  das  feinere  Lustspiel.  Das  Epos 
zehrt  noch  von  dem  Aufschwünge,  den  es  nach  der  Mitte  des  sechsten 
Jahrh.  durch  Ennius  genommen  hatte,  und  findet  in  der  Gegenwart 
keinen  eigentlichen  Antrieb  zu  neuem  Aufblühen;  es  leidet  nament- 
lich unter  der  starren  Tradition  der  Gattung,  die  das  Einschlagen 
neuer  Bahnen  statt  der  ausgefahrenen  alten  unmöglich  zu  machen 
schien.  Überhaupt  war  außerhalb  des  Dramas  der  Trieb  zur  Dich- 
tung fast  erloschen;  nur  Lucilius  macht  eine  erfreuliche  Ausnahme. 
Der  Nation  als  solcher  fehlte  es  an  dichterischem  Vermögen  und 
Streben,  und  bei  den  Griechen  fand  sie  auch  nicht  gerade  ein  Vor- 
bild schöpferischer  Originalität;  auch  ließen  es  die  inneren  Unruhen 
zu  keiner  rechten  Sammlung  kommen.  Dagegen  wachsen  Geschicht- 
schreibung, Beredsamkeit  und  Rechtskunde  in  der  Treibhaushitze 
der  politischen  Kämpfe  rasch  an  Umfang  und  Gehalt.  Unter  den 
Geschichtschreibern  sind  die  bemerkenswertesten  im  siebenten  Jahrh. 
d.  St.  Piso  Frugi,  Antipater,  Asellio,  weiterhin  die  jüngsten  Ver- 
treter der  Annalistik,  Valerius  Antias,  Sisenna  und  Licinius  Macer. 
Die  glänzendsten  Redner  sind,  nächst  C.  Gracchus,  M.  Antonius  und 
L.  Crassus.  Die  Jurisprudenz  ist  durch  die  beiden  Q.  Scaevola,  Au- 
gur und  Pontifex,  am  besten  vertreten.  Die  Forschung  wird  von 
der  Mitte  des  siebenten  Jahrh.  an  emsig  nach  allen  Seiten  hin  be- 
trieben, jedoch  meist  nicht  von  eigentlichen  Römern,  außer  dem 
Philologen  L.  Aelius  Stilo. 

93.  In  Bezug  auf  Sprache  und  Metrik  sind  die  beiden  Jahrhun- 
derte eine  Zeit  lebendigster  Entwicklung  und  schließen  schon  alle 
drei  Stufen  in  sich,  durch  welche  die  Geschichte  der  römischen 
Poesie  überhaupt  verlief,  die  des  Saturnius,  der  szenischen  und  der 
daktylischen  Dichter.  Schon  im  sechsten  Jahrh.  d.  St.  neigte  die 
Volkssprache  dazu,  die  schließenden  Konsonanten  abzuwerfen,  die 
Flexionsformen  zu  trüben  und  so  schon  jetzt  gleichsam  auf  die 
Stufe  einer  romanischen  Sprache  zu  gelangen.  Der  Hochton  be- 
wirkte häufig  infolge  der  Hervorhebung  der  Akzentsilbe  eine  Ab- 
schwächung  und  Trübung  der  umgebenden  natur-  oder  positions- 
langen Silben  bis  zu  ihrer  Verkürzung,  sowie  die  Ausstoßung  kurzer 
Mittelsilben  und  Endvokale  (Synkope).  Namentlich  erzwang  bei 
Wörtern  und  Wortverbindungen  iambischer  Quantität  der  vor  oder 


158  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

nach  der  Länge  liegende  Akzent  deren  Verkürzung.1)  Die  auslau- 
tenden Konsonanten  s  und  ni  wurden  in  der  Aussprache  verdunkelt 
und  mehr  und  mehr  unhörbar.  Endlich  wurden  vielgebrauchte  kleine 
Wörter  durch  gewalttätige,  oft  nur  andeutende  Aussprache  abge- 
schliffen. Der  enge  Anschluß  de]-  ältesten  Dichter,  besonders  des 
Plautus  und  der  übrigen  Szeniker,  an  die  Volkssprache  bewirkt, 
daß  sie  deren  Betonung  im  ganzen  ziemlich  getreu  wiedergeben. 
Auch  in  metrischer  Beziehung  ließen  sie  sich  von  der  Rücksicht 
auf  den  Akzent  leiten.  Der  Saturnier  hatte  noch  die  Unterdrückung 
der  Senkungen  gestattet;  die  von  den  Szenikern  nachgebildeten 
griechischen  Maße  verboten  das  von  selbst,  stellten  aber  in  die  Sen- 
kungen (außer  der  letzten)  abweichend  von  der  griechischen  Metrik 
unbedenklich  lange  Silben,  vermieden  jedoch  die  akzentwidrige 
Betonung,  soweit  es  irgend  anging.  Den  Hiat  beschränkten  sie 
bereits  ziemlich  gewissenhaft  und  folgten  in  der  Zulassung  des  so- 
genannten prosodischen  Hiates  der  Volkssprache.2)  Auch  die  alt- 
italische in  der  ursprünglichen  Anfangs  betonung  begründete  Allite- 
ration brauchten  sie  mit  Vorliebe  zur  Verkettung  und  zum  Schmuck 
der  Rede.3) 


1)  Über  die  sprachliche  Entwicklung  Skutsch,  Kultur  d.  Gegenwart  1,  8. 
Über  die  iambenkürzung  und  Synkope  CFWMüller  (§  98,  9)  und  Skutsch, 
Forschungen  1,  Lpz.  1892,  ferner  etwa  Ahlberg,  de  correptione  iambica, 
Lund.  1901.    Vgl.  die  §  98,  8  genannte  Literatur. 

2)  Über  den  Abfall  des  s  und  m  Leo  PF.  248.  Proskauer,  das  aus- 
lautende s  auf  d.  Inschr.,  Straßb.  1910.  Synizese:  Skutsch,  Sehr.  92.  227. 
Exon,  Hermath.  36,  121.  Jachmann,  Studia  prosodiaca,  Marb.  1912.  Für  die 
Berücksichtigung  des  Akzentes  kommt  besonders  das  sog.  Dipodiengesetz 
in  Betracht,  über  das  nach  WMeyer  (§  98,  9)  W Allstedt,  Studia  Plautina  82 
zu  vergleichen  ist;  ferner  die  Behandlung  enklitischer  Worte,  über  die 
Skutschs  Forschungen,  Lindsay,  J.  of  Ph.  20,  135  und  Radford,  Transact. 
Amer.  Assoc.  34,  60  Licht  verbreiten.  Endlich  die  Betonungen  fäcilius,  mü- 
lierem,  über  die  Lindsay  Phil.  51,  364.  Seyffert  JB.  80,  270  sprechen.  Daß 
tribrachische  Worte  nie,  daktylische  nur  unter  gewissen  Bedingungen  auf 
der  Mittelsilbe  betont  werden,  fällt  ebenfalls  für  den  Anschluß  an  die  wirk- 
liche Betonung  sehr  ins  Gewicht.  Schlicher,  Wordaccent  in  early  Latin 
Verse,  Am.  JPh.  23,  46.  Exon,  Cl.  Rev.  20,  31.  —  Hiat:  Leo  PF.  334. 

3)  Selbst  die  spätere  Kunstdichtung  hat  die  auch  in  prosaischen  Wen- 
dungen stets  beliebt  gebliebene  Alliteration  nicht  ganz  verschmäht.  Neuere 
Literatur:  WEbrard,  d.  Allit.  in  d.  lat.  Spr.,  Bayr.  1882.  CBoetticher,  de 
allitt.  ap.  Rom.  usu,  Berl.  1884.  HJordan,  Krit.  Beitr.  (Berl.  1879)  167. 
EWölfflin,  d.  allit.  Verbindg.  d.  lat.  Spr.,  Münch.  SBer.  1882  2,  1.  GLand- 
graf,  de  figuris  etymologicis  lat.,  Acta  Erl.  2,  1.  Buchhold,  de  paromoeoseos 
ap.  veteres  Rom.  poetas  usu,  Lpz.  1883.    Thurneysen,  RuM.  43,  349.  Norden, 


§93.  Sprache  und  Metrik  159 

Erst  Ennius  hat  sich  in  jenen  Punkten  größerer  Strenge  beflissen. 
Zwar  auslautendes  s  hat  auch  er,  wo  es  ihm  bequem  war,  für  die 
Silbenmessung  unberücksichtigt  gelassen;  erst  gegen  Ende  der  Re- 
publik wurde  es  wieder  von  der  form  strengen  Dichterschule  als 
voller  Laut  anerkannt.  Aber  in  allem  übrigen  hat  sich  Ennius  der 
Unbestimmtheit  und  Regellosigkeit  schon  darum  entgegengestellt, 
weil  er  den  in  feste  Regeln  gebundenen  Bau  des  griechischen  Hexa- 
meters getreu  nachzubilden  versuchte.4)  Freilich  erstreckte  sich 
sein  Einfluß  nur  auf  die  Schriftsprache  und  die  sich  nach  dieser 
modelnde  Sprache  der  Gebildeten;  die  kunstlose  Übung  des  gewöhn- 
lichen Lebens  ging  daneben  noch  geraume  Zeit  ihre  eigenen  alten 
Wege  fort.5)  ^Nicht  nur  daß  der  Saturnius  auch  nach  Einführung 
des  Hexameters  noch  eine  gute  Weile  fortgebraucht  wurde:  auch 
eine  Art  von  Yulgärmetrik  bestand  noch  im  siebenten  Jahrh.,  die 
sich  zwar  des  Hexameters  bediente,  auf  diesen  aber  die  prosodischen 
Freiheiten  der  szenischen  Dichter  übertrug  und  namentlich  die  Auf- 

Aeneis  6,  407.    JBinz,  PJb.il.  44,  262;    anderes    s.  bei    den    einzelnen   Schrift- 
steilern, bes.  §  98,  9. 

4)  An  Vergewaltigung  des  sprachlichen  Stoffs  oder  Eigenmächtigkeit 
des  Ennius  in  dessen  prosodischer  Gestaltung  darf  man  im  allgemeinen 
nicht  denken.  Ganz  schief  ist  aber  auch  die  früher  verbreitete  Vorstellung, 
er  habe  in  einem  Ubergangszustand  der  Entwicklung  die  Sprache  vor  früh- 
zeitiger Verwilderung  bewahrt,  für  welche  die  älteren  Dichter  durch  Zu- 
lassung der  Ereiüeiten  der  Volkssprache  vorgearbeitet  hätten.  Das  heißt 
den  Einfluß  dieser  auf  enge  Kreise  beschränkten  Poesie  erheblich  über- 
schätzen. —  Die  Quantität  der  Silben  hatte  das  Volk  kraft  seines  untrüg- 
lichen Sprachgefühls  inne,  nicht  etwa  schulmäßig  beiehrt:  Cic.  de  orat.  3, 
195  omnes  tacito  quodam  sensu  sine  ulla  arte  aut  ratione,  quae  sint  in  arti- 
bus  ac  rationibus  recta  ac  prava  diiudicant,  idque  ....  ostendunt  magis  in 
verborum  numerorum  vocumque  iudicio ,  quod  ea  sunt  in  communibus  infixa 
sensibus  nee  earum  verum  quemquam  funditus  natura  esse  voluit  expertem. 
itaque  non  solum  verbis  arte  posttis  moventur  omnes,  verum  etiam  numeris 
ac  voeibus.  quotus  enim  quisque  est,  qui  ttneat  artem  numerorum  ac  modo- 
rum?  at  in  his  si  paulium  modo  oftensum  est,  ut  aut  contractione  brevius 
fieret  aut  produetione  longius,  theatra  tota  reclamant.  or.  178  in  versu  theatra 
tota  exclamant,  si  fuit  una  syllaba  aut  brevior  aut  longior.  nee  vero  multi- 
tudo  pedes  novit  nee  ullos  numeros  tenet  nee  illud  quod  ojfendit  aut  cur  aut 
in  quo  off'endat  intellegit:  et  tarnen  omnium  longitudinum  et  brevitatum  in 
sonis  sicut  acutarum  graviumque  vocum  iudicium  ipsa  natura  in  auribus 
nostris  collocavit.    parad.  3,  26. 

5)  Es  findet  sich  zß.  Auslassung  der  Endkonsonanten  (m  und  s)  auf 
Inschriften  noch  im  ersten  Drittel  des  7.  Jahrh.  d.  St.  —  GEdon,  ecriture  et 
prononciation  du  Latin  savant  et  du  Latin  populaire,  Par.  1882.  ESeelmann, 
d.  Aussprache  des  Lat.,  Heilbr.  1885.    Diehl,  JJ.  Suppl.  25. 


160  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

lösung  der  Hebungen  beibehielt;  so  in  der  Inschrift  des  Mummins 
(§  163,  8)  und  den  sog.  sortes  Praenestinae.6)  Aber  Ennius  hat 
das  Verdienst  (wenn  es  denn  ein  solches  ist),  den  drohenden  Ver- 
fall der  Sprachformen  wenigstens  für  das  Schriftlatein  auf  mehrere 
Jahrhunderte  aufgehalten  zu  haben. 

Wie  die  für  die  Literatur  gültige  Sprachform  selbst  in  dieser 
Zeit  festgestellt  wurde,  so  auch  ihre  Wiedergabe  durch  die  Schrift. 
Das  lateinische  Alphabet7)  stammt  von  dem  griechischen  der  chal- 
kidischen  Kolonien,  namentlich  der  cam  panischen  (Kyme  und  Nea- 
polis).  Dieses  altlateinische  Alphabet  bestand  aus  21  Buchstaben: 
darunter  c  (an  3.  Stelle  =  gr.  y),  z  (an  7.  Stelle),  k,  q,  x  (dieses 
am  Schluß).  Das  k  verschwand  früh  fast  ganz  aus  dem  Gebrauche, 
und  seine  Vertretung  übernahm  c.  Später  als  sich  das  Bedürfnis 
der  Scheidung  zwischen  gutturaler  Tenuis  und  Media  zeigte,  schuf 
durch  leichte  Veränderung  des  c  der  Freigelassene  des  Cos.  234 
und  228,  Sp.  Carvilius  (§  128),  das  Schriftzeichen  g  und  setzte  es 
an  die  Stelle  des  kaum  gebrauchten  z8),  das  erst  in  der  ciceronischen 
Zeit,  zusammen  mit  y9),  wieder  in  die  Schrift  kam  und  nun  seinen 

6)  Ritschl,  op.  4,  400.    LMüller,  d.  saturn.  Vers  80. 

7)  Vgl.  Mommsen,  die  unteritalischen  Dialekte  (Lpz.  1850),  3;  RG.  I6, 
210;  bull.  1882,  91.  101.  Kirchhoff,  Stud.  z.  Gesch.  d.  gr.  Alphab.4  117. 
127.  133.  Ritschl,!  opusc.  4,  691.  765.  WSchmitz,  Beitr.  z.  lat.  Sprach-  u. 
Literaturkunde ,  Lpz.  1877.  WDeecke  in  Baumeisters  Denkm.  d.  kl.  Altert. 
1,  50.  EHübner  in  Iw.  Müllers  Handb.  I2,  646.  JSchmidt,  PW.  1,1616.  Vgl. 
auch  Weege,  Va8Culorum  Campanorum  inscr.  Italicae,  Bonn.  1906. 

8)  Das  z  lasen  die  Alten  im  carmen  Saliare  (Vel.  Long.  GL.  7,  51,  6): 
wir  finden  es  vielleicht  in  der  Dvenos-Inschrift  (§  83,  5)  und  auf  Münzen 
aus  dem  Ende  des  5.  Jahrh.  d.  St.  (DIE.  1,  9).  Nach  dem  Verlust  des  z 
wurde  etwa  bis  auf  Cicero  dieses  Zeichen  durch  s  oder  ss  ersetzt.  HJordan, 
krit  Beitr.  (Berl.  1879)  155  schreibt  die  Ausmerzung  des  z  und  Einsetzung 
des  g  dem  Appius  Claudius  (§  90)  zu,  während  die  Überlieferung  (Plut. 
quaest.  Rom.  54)  den  Gebrauch  des  g  auf  Carvilius  zurückführt.  Die  bis 
jetzt  bekannten  ältesten  Inschriften  mit  g  sind  nicht  älter  als  die  Zeit  des 
Carvilius,  so  daß  daraus  kein  Grund  gegen  die  Überlieferung  hergenommen 
werden  kann.    Vgl.  auch  LHavet,  rev.  phil.  2  (1878),  15. 

9)  Das  chalkidische  v  (=  v)  wurde  in  dem  altlateinischen  Alphabet 
zur  Wiedergabe  des  lateinischen  u- Vokals  (und  des  griechischen  v),  sowie 
des  labialen  Spiranten  v  benutzt.  Das  für  den  letzteren  Laut  im  chalkidi- 
schen  Alphabet  vorhandene  Digamma  J-  verwandte  das  Lateinische  für  den 
labiodentalen  Spiranten  f;  jedoch  drückt  ihn  die  alte  praenestinische  In- 
schrift (§  83,  5)  durch  fh  aus.  Das  y  findet  sich  auf  Inschriften  nicht  vor 
dem  Ende  des  7.  Jahrh.  d.  St.  Vgl.  Mar.  Vict.  GL.  6,  8,  11  Accius  ..  nee 
z  Utteram  nee  y  in  libros  suos  rettulit,  quod  (?)  ante  fecerant  Naevius  et 
Livius. 


§  93.  Sprache  und  Metrik  161 

Platz  am  Schlüsse  des  Alphabets  erhielt.  Das  Alphabet  "des  Carvi- 
lius  bestand  so  gleichfalls  aus  21  Buchstaben.  Andere  orthogra- 
phische Neuerungen  werden  an  die  Namen  von  Dichtern  angeknüpft, 
teils  weil  einzelne  Dichter  wirklich  Grammatiker  waren,  teils  weil 
die  späteren  Gelehrten  solche  Änderungen  gern  mit  bestimmten 
Namen  in  Verbindung  brachten  und  sich  unter  Vernachlässigung 
der  Inschriften  allein  an  die  Literatur  hielten. 10)  So  soll  Ennius  zu- 
erst die  Verdoppelung  der  Konsonanten  angewandt  haben,  d.  h.  die 
späteren  Gelehrten  konnten  sie  in  der  Literatur  zuerst  bei  ihm  nach- 
weisen11); L.  Accius  bezeichnete  die  Länge  der  Vokale  aeu  im  An- 
schluß an  die  Dialekte  durch  Verdoppelung12)  und  Lucilius  gab 
Vorschriften  über  die  Scheidung  der  Laute  i  und  ei  mittels  der 
Schrift,  —  alle  mit  viel  geringerem  Erfolge,  als  ihn  die  stille  Tätig- 
keit der  Schule  ausübte,  die  allmählich  zu  einer  gleichmäßigen  ortho- 
graphischen Praxis  führte.13)  Auch  die  Orthographie  des  Vokalismus 
arbeitete  sich  ganz  allmählich  in  diesen  beiden  Jahrhunderten  zur 
festen  Regel  hindurch.  In  der  älteren  Sprache  finden  sich  viele  und 
starke  Schwankungen  namentlich  zwischen  o  und  u,  und  oe  sowie 
zwischen  e  und  i  (ferner  auch  im  Bereich  von  ai  und  ae,  ei  und  i, 
ou  und  u).  Auf  den  Id Schriften  beginnen  etwa  vom  J.  234  an  in 
denjenigen  Flexionsendungen,  wo  sich  später  u  und  i  festgesetzt 
hat,  o  und  e  zu  weichen.  Doch  erst  zwischen  J.  204  und  186  siegten 
u  und  i  für  die  Dauer  über  o  und  e14),  doch  so,  daß  die  Lautfolgen 

10)  Etwa  wie  die  ältesten  Setzer  (besonders  des  Griechischen)  Gelehrte 
sein  mußten. 

11)  Fest.  s.  v.  solitaurilia  p.  293.  Damit  stimmt  der  Inschriftenbefund: 
freilich  das  Beispiel  Hinnad  CIL.  1,  530.  6,  1281  DIE.  1,  117  vom  J.  211 
fällt  vor  die  literarische  Tätigkeit  des  Ennius.  Sonst  erscheint  diese  Ver- 
doppelung —  und  zwar  noch  neben  der  einfachen  Schreibung  —  zuerst  auf 
dem  Erlaß  des  L.  Aemilius  Paulus  vom  J.  189  (§  123,  8)  CIL.  2,  5041  DIE. 

1,  96.  Das  S.  C.  de  Bacchanalibus  kennt  sie  noch  nicht.  —  Ritschl,  op.  4, 
48.  231;  pl.  Excurse  1,  17.  WWeissbrodt,  specimen  grammaticum  (Cobl. 
1869),  34:  quaest.  gramm.  2  (Braunsberg  1872),  10.  EBährens,  JJ.  127,  774. 
—  Vereinzelt  findet  sich  auch  der  Sicilicus  (')  als  Zeichen  der  Konsonanten- 
verdoppelung (Mar.  Vict.  GL.  6,  8)  angewandt;  s.  EHübner,  Herrn.  4,  413; 
exempla  Script,  epigr.  lxxvi. 

12)  Der  Inschriftenbefund  stimmt  damit:  ältestes  Beispiel  aastutieis 
(Lommatzsch,  Arch.  Lex.  15,  138),  dann  paastores  vom  J.  132  CIL.  1,  551.  10, 
6950  DIE.  1,  275.    Ritschl,  op.  4,  142.    Bersu,  Bezz.  Btr.  23,  252. 

13)  WWeissbrodt,  specimen  grammaticum,  Cobl.  1869;  quaest.  gramm. 

2,  3  (de  simplic.  et  geminatis  consonantibus  lat.). 

14)  Ritschl,  op.  4,  224.  Mommsen,  RhM.  9,  464.  Solmsen,  Stud.  zur  lat. 
Lautgesch.  (Straßb.  1894)  37. 

Teuf  fei:  röm.  Literaturgesch.   Neub.  6.  Aufl.  I.  11 


162  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

uv  vu  uu  wie  auch  die  Verbindungen  zweier  vokalischer  i  oder 
des  konsonantischen  und  vokalischen  i  fortwährend  vermieden  wur- 
den. Die  Aspiraten  griechischer  Wörter  gab  man  anfänglich  durch 
die  entsprechenden  Tenues  wieder:  etwa  seit  J.  150  begann  man 
sie  durch  die  Zeichen  ch  th  ph  auszudrücken.15)  Auch  hierin  wie 
in  der  Aufnahme  von  y  und  z  erkennt  man  das  Bestreben,  sich  den 
griechischen  Gewohnheiten  zu  fügen. 

A.  SECHSTES  JAHRHUNDERT  D.  ST. 

I.  DICHTER. 

94.  Andronicus  (gest.  J.  204)  kam  als  Gefangener  nach  Rom 
und  in  das  Eigentum  eines  Livius,  vielleicht  des  M.  Livius  Salina- 
tor,  des  nachmaligen  Siegers  von  Sena.  Er  unterrichtete  im  Latei- 
nischen und  Griechischen,  wurde  später  freigelassen  und  nannte 
sich  nun  L.  Livius  Andronicus.  Für  seine  Schüler  übersetzte  er 
die  Odyssee  in  Saturniern,  unbehilflich  und  nicht  ohne  schwere 
Mißverständnisse;  aber  diese  Übersetzung  war  eine  literarische  Tat, 
da  von  ihr  alle  Übersetzungskunst  ausgeht.  Als  in  Rom  J.  240  die 
ersten  szenischen  Spiele  gefeiert  wurden,  lieferte  er  die  dafür  not- 
wendigen Dramen,  indem  er  griechische  Dichtungen  übersetzte  und 
herausgab,  vorzugsweise  Tragödien,  unter  Nachbildung  der  leichte- 
ren griechischen  Maße  und  mit  Beibehaltung  der  volksmäßigen 
Alliteration.  Auch  hier  hat  Livius  den  späteren  Szenikern  die  Bahnen 
gewiesen  und  die  Normen  für  die  Metrik  des  Dramas  geschaffen. 
Im  J.  207  wurde  ihm  die  Anfertigung  eines  Bittgesanges  an  die 
aventinische  Juno  übertragen;  den  glücklichen  Erfolg  dieses  Liedes 
erkannte  der  Staat  dadurch  an,  daß  er  den  scribae  Genossenschafts- 
rechte verlieh:  im  Tempel  ihrer  Schutzherrin,  der  Minerva  auf  dem 
Aventin,  wurde  ihnen  für  ihre  Zusammenkünfte  und  ihr  Inventar 
Platz  eingeräumt. 

1.  Die  Nachrichten  über  Livius  sind  wohl  von  späteren  Gelehrten  ge- 
sammelt, z.  T.  erschlossen  und  verlangen  dann  sorgfältige  Prüfung;  falls 
sie,  wie  Marx,  Lpz.   Ber.  1911,  47    annimmt,    auf  ihn    selbst  oder  Naevius 


15)  Man  wandte  diese  Schreibung  wohl  auch  am  unrechten  Ort  und 
mit  Übertreibung  an,  und  manche  dieser  Mißgriffe  blieben  durch  die  ganze 
römische  Literatur  hindurch  im  Gebrauche.  So  die  Schreibung  Bosphorus. 
Vgl.  Cic.  orat.  160.  Catull.  84.  Quintil.  1,  5,  20.  Fleckeisen,  JJ.  99,  656. 
101,  458.  Marouzeau,  Mem.  soc.  ling.  17,  273.  Über  die  Wiedergabe  des  q> 
in  lat.  Schrift  s.  Mommsen,  Sehr.  7,  792.  Brandis,  de  aspiratione  lat.,  Bonn 
1881.  —  Vgl.  die  Indices  CIL  1  und  der  DIE. 


§  94.  Livius  Andronicus  163 

zurückgehen,  so  wäre  diese  Skepsis  nicht  nötig.  —  Vorname  L.  (Gell.  6, 
7,  11.  17,  21,  42.  Fest.  297b,  7.  Cassiod.  s.  A.  2).  Die  Abweichung  des  Vor- 
namens von  dem  seines  Freilaseers  (falls  dieser  nämlich  M.  Livius  war  und 
nicht,  was  ebenfalls  möglich,  dessen  Vater)  entspricht  dem  Gebrauche  dieser 
Zeit;  s.  EHübner  in  IwMüllers  Handb.  I2,  679.  Aus  Verwechslung  mit  dem 
Geschichtschreiber  mehrfach  irrig  T.  (Non.  207,  23.  368,  25.    Hiekon.  s.  A.  2). 

2.  Cassiod.  chron.  ad  a.  239:  his  conss.  ludis  Momanis  primum  tragoe- 
dia  a  Lucio  Livio  ad  scaenam  data.  Dagegen  J.  240  Livius  primus  fabulam 
C.  Claudio  Caeci  filio  et  M.  Tuditano  coss.  docuit  bei  Cic.  Brut.  72  unter 
Berufung  auf  Atticus  und  auf  antiqui  commentarii  (§  95,  4),  sowie  unter 
Zurückweisung  der  Irrtümer  des  Accius  (§  134,  7.  146,  4),  der  behauptete,  An- 
dronicus sei  J.  209,  im  Jahre  der  Eroberung  Tarents,  nach  Rom  gekommen 
und  habe  dort  zuerst  J.  197  C.  Cornelio  Q.  Minucio  coss.  ludis  Iuventatis, 
quos  Salinator  Senensi  proelio  voverat,  ein  Stück  aufgeführt.  Erst  Neuere 
haben  Accius'  Irrtum  aus  einer  Verwechslung  der  zweiten  Eroberung  mit  der 
ersten  (angeblich  J.  272)  hergeleitet,  was  in  jedem  Falle  unsicher  bleibt 
und  ganz  undenkbar  ist,  wenn  jene  erste  Eroberung  eine  Fabel  ist.  Niese, 
Herrn.  31,  505.  Für  J.  240  auch  Cic.  Cato  mai.  50  (dort  auch  die  Notiz: 
vidi  [Cato  geb.  234  spricht]  Livium  senem:  qui  .  . .  usque  ad  adulescentiam 
meam  processit  aetate)  und  Varro  bei  Gell.  17,  21,  42  (Leo,  PF.  67).  Irrig 
auch  Hieronym.  chron.  ad  a.  1830  (Bongars.  ad  a.  1831)  —  187  (etwa  ver- 
anlaßt durch  Vertauschung  des  M.  Livius  Salinator,  Cos.  207,  mit  C.  Liv. 
Salin.,  Cos.  188??):  Titus  Livius  tragoediarum  scriptor  clarus  habetur,  qui 
ob  ingenii  meritum  a  Livio  Salinatore,  cuius  liberos  erudiebat,  libertate  do- 
natus  est. 

3.  Sueton.  gramm.  1  antiquissimi  doctorum,  qui  iidem  et  poetae  et  semi- 
graeci  erant,  —  Livium  et  Ennium  dico,  quos  utraque  lingua  domi  forisque 
docuisse  adnotatum  est  —  nihil  amplius  quam  Graecos  interpretabantur  aut 
si  quid  ipsi  Latine  composuissent  praelegebant. 

4.  Liv.  7,  2,  8  Livius  . .,  qui  ab  saturis  (§  6)  ausus  est  primus  argu- 
mento  fabulam  serere,  idem  scilicet,  id  quod  omnes  tum  erant,  suorum  carmi- 
num  actor.  Daß  Livius  auch  Schauspieler  gewesen  sei,  behauptet  außer  den 
gleich  zu  nennenden  Gloseae  auch  Fest.  333  (A.  7);  es  war  aber  kaum  mög- 
lich, seitdem  er  das  Bürgerrecht  besaß  (§  3, 4).  Cic.  leg.  2,  39  (theatra)  quae 
solebant  quondam  conpleri  severitate  iucunda  Livianis  et  Naevianis  modis. 
Aus  guter  Quelle  die  glossae  Salomonis  (§  42,  9;  s.  Usener,  Sehr.  3,  37): 
Bomae  tragoedias  comoediasque  primus  egit  idemque  etiam  composuit  Livius 
Andronicus,  duplici  toga  (laena  =  övqiicc,  das  Schleppgewand  der  griech. 
Tragödie;  s.  Usener,  Sehr.  2,  193)  involutus. 

5.  Titel  der  Tragödien  des  Andr. :  Achilles,  Aegisthus,  Aiax  (mastigo- 
phorus),  Andromeda,  Danae,  Equos  Troianus  (dazu  Lallier,  Melanges  Graux, 
Par.  1884,  103.  Dieterich,  Pulcinella  227),  Hermiona,  Ino  (darin  Chorlied, 
§  13,5),  Tereus.  Überreste:  Ribbeck,  trag.3  p.  1 — 7.  —  Komödien:  Gladiolus, 
Ludius,  Virgus(??).  Überreste:  Ribbeck,  com.3  p.  3 f.  Livi  et  Naevi  fabula- 
rum  fragm.  ed.  LMüller,  Berl.  1885.  —  Für  diese  Übersetzungen  hat  Liv. 
die  Grundsätze  in  der  Behandlung  der  griechischen  Maße  geschaffen,  die 
von  seinen  Nachfolgern  beibehalten  wurden;  die  Überreste  enthalten  außer 
Senaren  auch  trochäische  Septenare  und  Kretiker. 

11* 


164  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

6.  Cic.  Brut.  11  et  Odyssia  latina  est  sie  tamquam  opus  aliquod  Daedali 
et  Livianae  fabulae  non  satis  dignae,  quae  Herum  legantur.  Gell.  NA.  18, 
9,  5  offendi  in  biblioiheca  Patrensi  librum  verae  vetustatis  Livi  Andronici, 
qui  inscriptus  est  'Odv66SLcc.  in  quo  erat  versus  primus  fvirum  mihi  Camena, 
insece  versutum9.  Auf  die  Odyssia  bezieht  sich  die  Benützung  der  carmina 
Livi  als  Schulbuch  durch  Orbilius,  Hör.  E.  2, 1,  69.  Zitiert  wird  die  Odyssee 
als  ein  Buch  (Liv.  in  Odissia  udgl. ;  nur  einmal  Prisc.  GL.  2,  321  in  I 
Odissiae;  das  Zitat  aus  VI  oder  VII  fr.  43  erweckt  Zweifel),  war  also  ebenso- 
wenig in  Bücher  geteilt  wie  Naevius'  bellum  Poenicum  (§  95,  8).  Über  die 
natürlich  noch  unbeholfene  Übersetzungskunst  Leo,  PF.  30.  Die  Überreste 
der  Od.  zB.  in  den  Sammlungen  der  Saturnier  von  Havet  und  LMüller  s. 
§  62,  3.    FPR.  37  u.  sonst. 

7.  Liv.  27,  37  (J.  207)  decrevere  pontiflces  (zur  Sühnung  eines  schlimmen 
Vorzeichens),  ut  virgines  ter  novenae  per  urbem  euntes  Carmen  canerent.  .  .  . 
conditum  ab  Livio  poeta  .  .  Carmen  in  Iunonem  reginam  (die  aventinische) 
canentes,  illa  tempestate  forsitan  laudabile  rudibus  ingeniis,  nunc  abhorrens 
et  inconditum,  si  referatur.  .  .  .  Also  ein  Parthenion  griechischer  Art  auf 
Veranlassung  der  sibyllinischen  Bücher;  darauf  bezieht  sich  auch  Fest.  333 
cum  Livius  Andronicus  bello  Punico  seeundo  scripsisset  Carmen,  quod  a  vir- 
ginibus  est  cantatum,  quia  prosperius  res  populi  Rom.  geri  coepta  est,  publice 
adtributa  est  ei  in  Aventino  aedis  Minervae,  in  qua  liceret  scribis  histrioni- 
busque  consistere  (Kornemann,  PW.  4,  413)  ac  dona  ponere,  in  honorem  Livi, 
quia  is  et  scribebat  fabulas  et  agebat.  Diels,  Sibyll.  Blätter  90.  Doch  er- 
weckt die  Nachricht  Bedenken  (A.  4)  und  scheint  ungenau;  das  Verhältnis 
zu  dem  später  bezeugten  fcollegium  poetarum'  (§  134,  2)  bleibt  unklar. 
OJahn,  Lpz.  Ber.  1856,  294.  ARiese,  Heidelb.  Philologenvers.  (Lpz.  1866)  161. 
Kornemann,  PW.  4,  397.  Sihler,  Am.  J.  of  Ph.  1905,  1.  Warnecke,  JJ.  1914 
xxxni  101.  Damit  reihten  sich  die  cscribae  histrionesque'  an  die  anderen 
collegia  opificum  und  artificum.  Dieser  c  Dichterzunft '  ist  am  verwandtesten 
da3  ältere  und  angesehene  collegium  tibicinum.  Marquardt,  Staatsverw. 
32,  138. 

8.  Livii  Andr.  fragm.  coli.  HDüntzer,  Berl.  1835.  —  Dollen,  de  vita 
Livii  Andr.,  Dorp.  1838.  OGünther,  ZGW.  14,  809.  Mommsen,  RG.  I6,  881. 
de  laVillk  de  Mirmont,  Etudes  sur  l'anc.  poesie  lat.,  Paris  1905.  Sakellaro- 
pulos,  IIsqI  A.  k.,  Athen  1902. 

9.  Aus  der  Zeit  des  Livius,  aber  nicht  von  ihm  selbst,  ist  das  Nelei 
Carmen  (GL.  1,  84  ut  in  Odyssia  veter e  ...  et  in  Nelei  carmine  aeque  prisco), 
aus  dem  durch  Festus  und  Charisius  Bruchstücke  im  iambischen  Maße  er- 
halten sind  (doch  wohl  eine  Tragödie).  FPR.  53.  Ribbecks  trag.3  p.  270 f.; 
röm.  Trag.  629.  —  Ein  Carmen  Priami  (in  Saturniern)  Varro  LL.  7,  28. 
S.  dazu  HJordan,  Krit.  Beitr.  133. 

95.  Cn.  Naevius,  gebürtig  aus  Cainpanien,  aber  von  Natio- 
nalität ein  Latiner,  kämpfte  im  ersten  punischen  Kriege  mit  und 
brachte  seit  d.  J.  235  Stücke  zur  Aufführung,  im  allgemeinen  in 
der  Weise  des  Andronicus,  nur  mit  mehr  Talent  und  Freiheit  und 
unter  Bevorzugung  der  Komödie.   Der  rücksichtslose  Freimut,  mit 


§  95    Cn.  Naevius  165 

dem  er  darin  auch  politische  Größen  angriff,  zog  ihm  zuerst  Ge- 
fängnis, dann  Verbannung  zu,  in  der  er  (angeblich  J.  201)  starb. 
In  seinen  späteren  Lebensjahren  unternahm  er  es,  auch  den  natio- 
nalen Stoff  des  ersten  punischen  Krieges,  den  er  selbst  erlebt  hatte, 
dichterisch  im  saturnischen  Maße  zu  behandeln.  Vermöge  dieser 
nationalen  Richtung  wurde  er  ferner  innerhalb  des  Dramas  Schöpfer 
der  praetexta.  Naevius  erhielt  sich  Jahrhunderte  hindurch  im  freund- 
lichen Gedächtnisse  seines  Volkes;  auch  uns  noch  weht  aus  den 
spärlichen  auf  uns  gekommenen  Überresten  ein  frischer,  energischer, 
reichbegabter  und  selbstbewußter  Geist  entgegen. 

1.  Gell.  NA.  1,  24, 1  trium  poetarum  illustrium  epigrammata,  Cn.  Naevi, 
Plauti,  M.  Pacuvi,  quae  ipsi  fecerunt  (s.  aber  §  115,  2)  et  incidenda  sepulcro 
suo  reliquerunt.  .  .  epigramma  Naevi  plenum  superbiae  Campanae  (vgl.  Cic. 
leg.  agr.  2,  91.  Liv.  9,  6,  5)  .  .  Immortales  mortales  si  foret  fas  flere,  flerent 
divae  Camenae  Naevium  poetam.  itaque  postquam  est  Orci  traditus  thesauro 
obliti  sunt  JRomai  loquier  lingua  Latina  (unecht;  Thulin,  Ital.  sakrale  Poesie  34. 
Anders  MRichter,  Comm.  Jenens.  11,  2,  6).  Der  Name  auch  sonst  in  Cam- 
panien:  Willers,  Neue  Untersuchungen,  Hannover  1907,  87).  —  Gefälschtes 
Bildnis  des  Naevius:  Bernoulli,  röm.  Ikonogr.  1,  234. 

2.  Gell.  17,  21,  44  anno  post  Momam  conditam  quingentesimo  undevice- 
simo  . .  Cn.  Naevius  poeta  fabulas  apud  populum  dedit,  quem  M.  Varro  in 
libro  de  poetis  primo  stipendia  fecisse  (folglich  war  N.  nicht  selbst  Schau- 
spieler, s.  Mommsen,  RG.  I6,  899)  ait  bello  Poenico  primo,  idque  ipsum  Nae- 
vium dicere  in  eo  carmine,  quod  de  eodem  bello  scripsit.  Also  Varro  setzte 
im  Gegensatz  zu  anderen  (Porcius  Licinus)  die  erste  Aufführung  des  Nae- 
vius in  J.  235;  wäre  Nepos  die  Quelle,  was  nicht  sicher  auszumachen  ist 
(Leuze,  RhM.  66,  263),  so  fiele  sie  in  J.  231.  Sterben  ließ  er  ihn  nach  J.  204, 
Cic.  Brut.  60  his  consulibus  (J.  204),  ut  in  veteribus  commentariis  scriptum 
est,  Naevius  est  mortuus  (nach  Atticus) ;  quamquam  Varro  . .  putat  in  hoc 
erratum  vitamque  Naevi  producit  longius.    Leo,  PF.  69.    Vgl.  A.  4. 

3.  Gell.  3,  3,  15  de  Naevio  accepimus  fabulas  eum  in  carcere  duas 
scripsisse,  Hariolum  et  Leontem,  cum  ob  assiduam  mdledicentiam  et  probra 
in  principes  civitatis,  de  Graecorum  poetarum  more  dicta,  in  vincula  Romae 
a  triumviris  coniectus  esset,  unde  post  a  tribunis  plebis  exemptus  est,  cum 
in  his  quas  supra  dixi  fabulis  delicta  sua  et  petulantias  dictorum,  quibus 
multos  ante  laeserat,  diluisset.  Ps.  Ascon.  zu  Cic.  Verr.  act.  pr.  29  (p.  215, 
16  St.)  dictum  facete  et  contumeliose  in  Metellos  antiquum  Naevii  est  *fato 
Metelli  Romae  fiunt  consules'  (worauf  Cic.  aO.  anspielt),  cui  tunc  Metellus 
consul  («J.  206  s.  §  123,2)  iratus  versu  responderat  ..  rdabunt  malum  Metelli 
Naevio  poetae' ';  s.  MWende,  de  Caeciliis  Metellis  1  (Bonn  1875),  31.  Daß 
der  Vers  des  Naevius  trotz  des  Plurals  eben  auf  jenen  Metellus  Cos.  206 
gehen  konnte,  zeigt  Marx  Lpz.  Ber.  1911,  39  gegen  Wissowa,  Genethliakon 
für  Robert  (Berl.  1910)  39;  doch  gibt  er  keine  befriedigende  Antwort  auf 
die  von  diesem  aufgeworfene  Frage,  wo  die  Meteller  auf  Naevius'  Spott 
geantwortet  haben  sollen.  Wissowa  hält  den  fVers  der  Meteller'  für  ein 
von  Metrikern   fingiertes    Musterbeispiel  des   Saturnius    (§  62).    Den    einge- 


166  Republikanische  Zeit:  J.  140—84  v.  Chr. 

kerkerten  Naevius  erwähnt  teilnehmend  Plaut,  mil.  211:  ös  columnatüm 
poetae  esse  indaudivi  bdrbaro ,  quoi  bini  custödes  semper  tötis  horis  öccubant 
(dazu  Paul.  Festi  36  unde  Plautus  Naevium  poetam  Latinum  barbarum 
dixit).  Ein  Angriff  gegen  den  älteren  Scipio  com.  108  Über  das  Verfahren 
gegen  ihn  vgl.  Marx  aO.  68. 

4.  Hieron.  chron.  zu  J.  1816  =  201  Naevius  comicus  Uticae  moritur, 
pulsus  Borna  factione  nobilium  ac  praecipue  Metelli.  Atticus  ließ  ihn  auf 
Grund  von  Urkunden,  die  kaum  mehr  als  die  letzte  Aufführung  enthielten, 
im  J.  204  sterben,  Varro  erst  später;  Genaueres  darüber  konnte  man  schwer- 
lich wissen. 

5.  Tragödien:  Danae,  Equos  troianus,  Hector  proficiscens,  Hesiona  (Aesi- 
ona),  Iphigenia,  Lycurgus.  Die  beiden  ersten  Titel  schon  bei  Andronicus,  den 
Naevius  wohl  zu  übertreffen  versuchte.  Reste :  Ribbeck,  trag. 3  p.  7 ;  bei  LMüller, 
s.  §  94,  5.    Ygl.  Ribbeck,  röm.  Trag.  44. 

6.  Praetextae:  Clastidium  (auf  den  Sieg  des  M.  Mareellus,  der  wohl  sein 
Gönner  war,  J.  222;  vgl.  §  14,  2)  undRomulus  (Lupus?).  Ribbeck  trag. 3  p.  321. 
MHaupt,  op.  1,  189.  Grauert,  Phil.  2,  115.  Röper,  ebd.  7,  591.  LMüller, 
Q.Ennius  84. 

7.  Komödien:  Acontizomenos  (mit  persönlichem  Prolog  in  der  Weise 
des  Terenz),  Agitatoria,  Agrypnuntes,  Appella  (=  knsXXäg?),  Ariolus  (mit 
Erwähnung  von  Praenestini  et  Lanuvini  hospites  V.  21),  Astiologa  (?),  Car- 
bonaria,  Chlamydaria,  Colax,  Commotria  (xo/x/icor^io:),  Corollaria,  Dementes, 
Demetrius,  Dolus,  Figulus,  Glaucoma,  Gymnasticus,  Lampadio,  Leon,  Nagido, 
(Nautae?)  Nervolaria,  Paelex,  Proiectus,  Quadrigemini,  Satura  (?,  s.  A.  9), 
Stalagmus,  Stigmatias,  Tarentilla,  Technicus,  Testicularia ,  Tribacelus  (?), 
Triphallus,  Tunicularia.  Als  Neuerer  zeigt  ihn  die  personata  fabula,  in  der 
die  Schauspieler  wie  in  der  Atellana  maskiert  auftraten;  s.  Marx  aO.  80.  Die 
Überreste  Ribbeck,  com.3  p.  6;  bei  LMüller  s.  §  94,5.  Vieles  ist  unsicher, 
namentlich  wegen  der  häufigen  Verwechslung  mit  Laevius,  Livius  und  No- 
vius.  Alle  Stücke,  auch  die  mit  lateinischen  Titeln,  gehören  der  palliata 
an;  doch  vgl.  oben  über  den  Ariolus.  N.  bewegte  sich  seinen  Originalen 
gegenüber,  wie  es  scheint,  freier  als  selbst  Plautus,  besonders  durch  die 
persönlichen  Angriffe  (A.  3  und  Cic.  Cat.  20) ,  und  nahm  schon  Kontamina- 
nation  vor  (§  16,  9.  Ter.  Andr.  prol.  7).    Leo,  PF.  93. 

8.  Bellum  punicum  (poenicum).  Cic.  Cato  50  (zum  Beweise  des  Satzes 
nihil  est  otiosa  senectute  iucundius)  quam  gaudebat  bello  suo  punico  Naevius! 
Also  inUtica  gedichtet??  —  Suet.  de  gramm.  2  C.  Octavius  Lampadio  (§  138, 
4)  Naevii  Punicum  bellum  .  .  uno  volumine  et  continenti  scriptura  expositum 
divisit  in  Septem  libros.  Santra  bei  Non.  170,  21  quod  volumen  unum  nos 
lectitavimus ,  id  postea  invenimus  septemfariam  divisum.  Auch  in  den  uns 
erhaltenen  älteren  Zitaten  aus  Naevius1  bell,  wird  das  Werk  nicht  nach  Bü- 
chern, sondern  als  Ganzes  zitiert;  s.  Bücheler,  RhM.  40,  149.  LMüllers  En- 
niusausg.  p.  xxn.  —  Ein  Cornelius  und  ein  Virgilius  als  Kommentatoren  bei 
Varro  LL.  7,  39.  —  Cic  Brut.  75  Naevi  .  .  bellum  Punicum  quasi  Myronis 
opus  delectat.  .  .  et  lueulente  quidem  (Naevius  rem  scripsit),  etiamsi  minus 
quam  tu  (Ennius)  polite.  Die  beiden  ersten  Bücher  enthielten  die  Vorge- 
schichte Roms  und  Karthagos  (Anchises,  Aeneas ;  Anna,  Dido),  im  dritten  be- 
gann die  Erzählung  des  ersten  punischen  Krieges.    Der  Stoff  war  in  nüch- 


§  95.  Cn.  Naevius  167 

terner  Weise,  etwa  im  Tone  einer  Reimchronik  behandelt,  doch  in  Anleh- 
nung an  die  homerische  Weise  von  einem  mythologischen  Rahmen  umfaßt: 
Juno  Feindin,  Venus  Freundin  der  Trojaner;  Juppiter  und  Apollon  er- 
scheinen persönlich  tätig.  Dido  und  Anna  kamen  vor  (fr.  33);  doch  bleibt 
es  zweifelhaft,  ob  Aeneas1  Untreue  erwähnt  war  und  ob  damit  der  Zwist 
zwischen  Rom  und  Karthago  motiviert  war;  Heinze,  Virgils  Technik  114, 
Dessau,  Herrn.  49,  518.  ABaehrens,  Herrn.  50,  261.  Seine  Quelle  für  die 
Vorgeschichte  kennen  wir  nicht,  Timaios  vermutet  v.  Scala,  Rom.  StudM 
Innsbr.  1893,  3.  12;  für  den  Krieg  selbst  lag  ihm  vielleicht  Fabius  Pictor 
vor.  —  Diesem  Heldengedicht  gilt  wohl  hauptsächlich  Horaz'  Frage  (E.  2, 
1,  53):  Naevius  in  manibus  non  est  et  mentibus  haeret  paene  recens?  Vergil 
hat  es  noch  benutzt  (fr.  13  B).  Die  Überreste  rec.  Vahlen,  Lpz.  1854  und  an 
LMüllers  Enniusausg.  (darin  auch  quaest.  Naev.  p.  xx),  s.  §  104,  6.  FPR.  43. 
Wordsw.  EL.  292. 

9.  Fest.  257%  29  ut  apud  Naevium  .  .  in  satyra  usw.  Ob  ein  Lustspiel 
(A.  7),  wie  es  gleichnamige  von  Atta  und  Pomponius  gab??  Andere  denken 
an  Satiren:  vermeintliche  Bruchstücke  solcher  FPR.  51.  Dem  Inhalte  nach 
passen  die  überlieferten  Worte  in  das  bell.  Poen.;  oder  ist  vorher  ein  Autor- 
name (Ennius?)  ausgefallen?  —  Über  angebliche  Erhaltung  des  Naevius  bis 
ins  Mittelalter  s.  RFörster,  RhM.  37,  485.  —  EKlussmann,  Naevii  vitam  des- 
cripsit,  reliq.  coli.,  Jena  1843.  PRE  5,  396.  Mommsen,  RG.  I6,  899.  892.  917. 
Ribbeck,  röm.  Trag.  44;  röm.  Dicht.  1,  20.  deMoor,  Nevius,  Tournai  1877. 
Villemain,  l'instr.  publ.  10  (1881),  142.    Marx  und  Wissowa  aO. 

96.  T.  MacciusPlautus  war  in  Umbrien,  in  der  damals  schwer- 
lich schon  ganz  latinisierten  Landstadt  Sarsina,  als  Freier  geboren. 
Er  war  zuerst  als  Schauspieler  tätig;  später  —  wie  es  scheint,  erst 
in  den  letzten  Jahrzehnten  seines  Lebens  —  fand  er  seinen  Lebens- 
beruf in  der  lateinischen  Bearbeitung  griechischer  Lustspiele.  Er 
starb  im  J.  184.  Über  die  Anzahl  seiner  Stücke  entstand  haupt- 
sächlich dadurch  Unsicherheit,  daß  man  bald  alle  Palliaten  aus  der 
Zeit  des  Plautus  —  von  denen  viele  nur  noch  in  Bühnenexemplaren 
vorhanden  sein  mochten  —  als  plautinisch  zu  bezeichnen  sich  ge- 
wöhnte. Yarro  unterschied  unter  diesen  drei  Klassen:  21  allgemein 
als  echt  anerkannte,  ferner  wahrscheinlich  echte  und  endlich  un- 
echte. Die  der  ersten  Klasse  (fabulae  Varronianae)  sind  ohne  Zweifel 
die  erhaltenen. 

1.  Sarsina,  auf  das  Most.  770  angespielt  wird,  war  die  letzte  Stadt  des  eigent- 
lichen Italiens,  die  noch  J.  266  den  Römern  Widerstand  leistete.  —  Der 
Name  T.  Maccius  (statt  M.  Accius)  aus  dem  Ambrosianus  (am  Schluß  von 
Cas.  Men.  Epid.;  Merc.  6)  und  Gell.  3,  3,  9  festgestellt  von  Ritschl,  de  no- 
minibus  Plauti,  Parerga  p.  3,  und  gegen  Geppert  (Jahns  Arch.  19,  262;  vgl. 
Ritschls  Ausg.  des  Mercator  p.  xi)  verteidigt  von  Hertz,  T.  Maccius  Plautus 
oder  M.  Accius  Plautus?  Berl.  1854;  de  Plauti  nominibus,  Bresl.  1867.  Neue 
Verteidigung  des  M.  Accius  von  Cocchia,  riv.  filol.  13  (1884),  97;   dagegen 


168  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

namentlich  Hülsen,  Berl.  phil.  Woch.  1886,  420.  —  In  Asin.  prol.  11  (Demö- 
philus  scripsit,  Mäccus  vortit  bärbare)  hat  man  den  Namen  Maccius  so  (was 
aus  metrischen  Gründen  nicht  angeht)  oder  in  den  Schreibungen  Maccis 
oder  Mäcius  eingesetzt.  Bücheler,  RhM.  41,  12  (ähnlich  Leo  PF.  82)  ver- 
mutet ansprechend,  daß  maccus  dort  cPossenmacher'  (§  9,  3)  bedeute  und 
ein  dem  Plautus  als  Dichter  oder  Schauspieler  beigelegter  Name  sei,  aus 
dem  er,  als  er  römischer  Bürger  wurde,  sich  den  Geschlechtsnamen  Maccius 
(CIL.  5,  2437.  6,  1056,  81.  10,  8148)  gebildet  habe.  Jedoch  findet  sich  Mac- 
cius als  Gentilnamen  zB.  in  Pompeji  und  Neapel:  Zimmermann,  RhM.  62,  486. 
Plotus  (Plautus)  hieß  ein  Hund  mit  breiten  Ohren  (daher  Cas.  34  Plautus 
cum  latranti  nomine),  umbrisch  ein  Plattfüßiger,  Fest.  238;  daselbst  der 
einzige  Scheinbeleg  für  Accius:  Paul.  Festi  239,  4  poeta  Accius,  quia  Umber 
Sarsinas  usw.  (bei  Fest.  238%  34  ist  nur  erhalten:  .  .  .  us  poeta,  quia  Umber 
usw.).  Für  den  Gentilnamen  Maccus  (aus  etrusk.  Mace)  tritt  "W Schulze,  zur 
Gesch.  lat.  Eigennamen  298,  ein.    Vgl.  Marx,  ZöG.  1898,  398. 

2.  Cic.  Brut.  60  (wohl  aus  Atticus)  Plautus  P.  Claudio  L.  Porcio  coss. 
(J.  184)  mortuus  est,  Catone  censore.  Cato  50  unter  den  Beispielen  von  Be- 
schäftigungen der  senectus:  quam  gaudebat  .  .  Truculento  Plautus,  quam 
Pseudulo  (aufgeführt  J.  191)!  Dies  stimmt  auch  zu  der  Aufführung  des 
Stichus  im  J.  200.  Vgl.  Ritschl,  de  aetate  Plauti,  Parergap.  45.  Daher  ist 
jedenfalls  unrichtig,  was  Hieronym.  zu  Euseb.  chron.  1817  (Bong.  1818)  = 
J,  200  angibt:  Plautus  ex  Umbria  Sarsinas  Bomae  moritur  (moratur  Hertz; 
andere  denken  an  eine  Verwechslung  mit  clarus  habetur).  —  Gell.  1,  24,  3 
epigramma  Plauti,  quod  dubitassemus  an  Plauti  foret  (§  115,  2),  nisi  a  M. 
Varrone  positum  esset  in  libro  de  poetis  primo:  Postquam  est  mortem  aptus 
Plautus,  comoedia  luget,  scaena  est  deserta  ac  dein  risus  ludus  iocusque  et 
numeri  innumeri  simul  omnes  conlacrimarunt. 

3.  Gell.  3,  3,  14  Saturionem  et  Addictum  et  tertiam  quandam  .  .  in  pi- 
strino  eum  scripsisse  Varro  et  plerique  alii  memoriae  tradiderunt,  cum  pecu- 
nia  omni,  quam  in  operis  artificum  scaenicorum  (gewiß  nicht  als  Theater- 
arbeiter, sondern  als  Schauspieler  oder  Dichter)  pepererat,  in  mercatibus 
perdita  inops  Pomam  rediisset  et  ob  quaerendum  victum  ad  circumagendas 
molas  quae  trusatiles  appellantur  operam  pistori  locasset.  Hieronym.  aO.  (s. 
A.  2) :  qui  propter  annonae  difflcultatem  ad  molas  manuarias  pistori  se  loca- 
verat,  ibi  quotiens  ab  opere  vacaret  scribere  fabulas  soliius  ac  vendere.  Leo 
PF.  74  verweist  das  mit  Recht  ins  Gebiet  der  literarischen  Erfindung;  anders 
Marx  ZöG.  1898,  385;  Lpz.  Ber.  1911,  39. 

4.  Gell.  3,  3,  11  feruntur  sub  Plauti  nomine  comoediae  circiter  centum 
atque  triginta.  Serv.  praef.  in  Aen.  p.  4,  15  Th. :  Plautum  alii  dicunt  unam 
et  viginti  fabulas  scripsisse,  alii  quadraginta,  alii  centum.  Letztere  Zahl  kaum 
aus  einer  anderen  Quelle  als  130;  Ritschl,  Parerga  126.  173.  Gell.  aO.  12 
homo  eruditissimus  L.  Aelius  XXV  eius  (Plauti)  esse  solas  existimavit.  Nach 
ebd.  3,  3,  lff.  unterschied  Varro  zum  Teil  nach  seinem  persönlichen  Gefühl 
und  Urteil,  ob  ein  Stück  des  Plautus  würdig  sei  oder  nicht,  seine  Klassen: 
(3)  nam  praeter  illas  XXI  quae  Varronianae  vocantur,  quas  idcirco  a  ceteris 
segregavit  quoniam  dubiosae  non  erant,  sed  consensu  omnium  Plauti  esse 
censebantur  (also  hier  nicht  nach  eigenem  Urteil),  quasdam  item  alias  pro- 
bavit,  adductus  filo  atque  facetia  sermonis  Plauto  congruentis,  easque  iam 


§  96.  Plautus  169 

nominibus  aliorum  occupatcts  PJauto  vindicavit.  Bitschi  vermutete  (nicht  stich- 
haltig), daß  Varro  dieser  zweiten  Klasse  (ccvTiXsyo^sva)  19  Stücke  zuteilte, 
und  (erklärte  daraus  die  Zahl  40  bei  Servius,  etwa  (S.  128):  22.  Saturio; 
23.  Addictus;  24.  Boeotia;  25.  Nervolaria;  26.  Fretum;  27.  Trigemini; 
28.  Astraba;  29.  Parasitus  piger;  30.  Parasitus  medicus;  31.  Commorientes; 
32.  Condalium;  33.  Gemini  lemones;  34.  Faeneratrix;  35.  Frivolaria;  36.  Si- 
tellitergus;  37.  Fugitivi;  38.  Canones  (?  überl.  Cesistio)\.,  39.  Hortulus;  40.  Ar- 
temo.  Zur  dritten  Klasse  (vo&a)  könnten  dann  etwa  gehören  (ebd.  S.  154): 
1.  Colax;  2.  Carbonaria;  3.  Acharistio;  4.  Bis  compressa;  5.  Anus;  6.  Agroe- 
cus;  |7.  Dyscolus;  8.  Pago  (?  Phago  Pius,  Paplago  Hertz,  Arpago  Lowe); 
9.  Cornicula;  10.  Calceolus;  11.  Baccaria  (über  d.  Namen  Löwe  Prodr.  gloss. 
292);  12.  Caecus  aut  Praedones.  Die  Ausgabe  der  21,  auf  die  auch  unsere 
Hss.  zurückgehen,  hat  schwerlich  Varro  selbst  gemacht  (§  99,  4),  aber  sein 
Ansehen  hat  bewirkt,  daß  man  die  von  ihm  anerkannten  Stücke  in  einer 
Ausgabe  vereinigte.  Sie  hat  allmählich  die  übrigen  Stücke  verdrängt,  die 
seit  dem  2.  Jhd.  n.  Chr.  kaum  noch  gelesen  wurden.  PL  fabul.  deperdit.  frgm. 
coli.  Winter,  Bonn  1885 ;  bei  Götz-Schöll  hinter  Cist.  usw. 

5.  Zur  Entstehung  der  kritischen  Schwierigkeit  s.  Gell.  3,  3,  13  non 
clubium  est,  quin  istae  (alle?),  quae  scriptae  a  PJauto  non  videntur  et  nomini 
eins  addicuntur,  veterum  poeiarum  fuerint  et  ab  eo  reiractatae  atque  expolitae 
sint  ac  propterea  rcsipiant  stilum  Plauiinwm.  Dies  könnte  aber  nur  von 
Stücken  des  Andronicus  und  Naevius  gelten;  s.  Ritschl,  Parerga  96.  In  §  10 
erwähnt  Gellius  auch,  daß  in  Varros  liier  de  comoediis  Plautinis  id  quoque 
scriptum,  Plautium  fuisse  quempiam  poetam  comoediarum,  dessen  Stücke 
wegen  der  Namensähnlichkeit  (Gen.  Plauti)  mit  denen  des  Plautus  zusam- 
mengeworfen worden  seien;  was  aber  nicht  weit  hilft;  s.  Ritschl  95f.  Doch 
hat  Hertz  (de  Plautio  poeta  ac  pictore,  Bresl.  1867)  wenigstens  erwiesen, 
daß  ein  solcher  Plautius  einmal  existierte.  Hauptursache  der  Verwirrung 
war  (Ritschl  113),  daß  der  Name  plautinisch  zu  einer  Art  von  Sammel- 
bezeichnung für  die  Blütezeit  der  palliata  wurde,  indem  das  Namenlose  sich 
teils  von  selbst  an  den  berühmten  Namen  anlehnte,  teils  mißverständlich, 
von  manchen  Seh  au  Spielunternehmern  auch  wohl  wissentlich,  dem  Plautus 
zugeschrieben  wurde.  Vgl.  Mommsen,  RG.  I6,  901.  —  Über  die  ganze  Frage 
s.    Ritschl,  die  fabulae  Varronianae  des  Plautus,  Parerga  71. 

97.  Die  erhaltenen  zwanzig  Stücke  stehen  in  den  Handschriften 
ungefähr  in  alphabetischer  Ordnung.  Sie  werden  hier  in  der  durch 
die  Palatinische  Rezension  überlieferten  Reihenfolge  aufgezählt. 

Gesamtausgaben  und  Teile  solcher  s.  §  99,  11.  Übersicht  über  die  über- 
lieferten Reihenfolgen  bei  Lindsay,  anc.  edit.  85.  Über  die  Zeit  der  Origi- 
nale Hueffner,  de  Plauti  comoed.  exemplis  Atticis,  Gott.  1894. 

1)  Amphitruo,  das  einzige  plautinische  Stück  mit  mytholo- 
gischem (komisch-wunderbarem)  Stoffe ,  der  mit  formeller  Meister- 
schaft und  übermütigster  Laune  behandelt  ist.  Das  Original  und 
die  Abfassungszeit  sind  unbekannt. 

f  1.  Die   Grundlage   der  Handlung   bilden   Verwechslungen,   wie  in   den 
Menaechmi,   aber  nicht  in  einem,   sondern   in  zwei  Paaren,  da  Juppiter  in 


170  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

der  Gestalt  Amphitruos  die  Alcumena  täuscht  und  Mercur  ihm  in  der  Ver- 
kleidung des  Sklaven  Sosia  beisteht.  Wegen  der  Mischung  göttlicher  und 
menschlischer  Personen  wird  das  Stück  vom  Prolog  als  tragicomoedia  be- 
zeichnet, wirklich  liegt  in  der  Täuschung  der  Alcumena  etwas  Tragisches, 
jedoch  stellen  die  Sklavenszenen  die  Verbindung  mit  der  Komödie  her.  Auf- 
fällig sind  die  Zwischenreden  des  Juppiter  und  Mercur  an  die  Zuschauer, 
die  diese  über  den  Gang  der  Intrigue  auf  dem  Laufenden  halten  sollen. 
Das  Original  stammt  ohne  Zweifel  aus  der  neuen  Komödie  und  ist  weder 
ein  Stück  des  Archippos  (alte  att.  Komödie,  auch  von  Plato  gab  es  eine 
Nvt;  iLccxQa)  noch  des  Rhinthon;  s.  Vahlen,  Ges.  Sehr.  1,  437.  Hueffner  71. 
Über  das  Verfahren  bei  der  Übersetzung  des  Originales  Siewert,  PI.  in  Amph. 
quomodo  exemplar  transtulerit,  Leipz.  1894.  Kontamination  behaupten  Kak- 
ridis,  RhM.  57,  463.  Leo,  Gott.  Gel.  Nachr.  1911,  254,  leugnet  mit  Recht 
Wilamowitz,  Sßer.  Berl.  1911,  485.  Nach  Akt  4,  2  ist  durch  den  Verlust 
einer  Blätterlage  eine  Lücke  von  einigen  Szenen  oder  etwa  300  Versen  ent- 
standen; im  15.  Jahrh.  von  Hermolaus  Barbarüs  durch  eine  mißglückte  Nach- 
dichtung ausgefüllt.  Vgl.  im  allgemeinen  WSchwering,  ad  PI.  Amph.  proleg., 
Münster  1907. 

2.  Sonderausgaben  v.  Lindemann  (Lps.  1834),  Holtze  (Lps.  1846).  Havet, 
Paris  1895.  Amatucci,  Neapel  1904.  —  Osann,  der  A.  des  PI.,  RhM.  2  (1834), 
305.  Welcker,  griech.  Trag.  1478.  Steinhoff,  Proleg.  zu  PI.  A.,  Blankenb. 
1872.  79  IL  EHoffmann,  de  PI.  Amph.  exemplari  et  fragm.,  Bresl.  1848. 
JSchröder,  de  fragm.  Amph.  Plaut.,  Straßb.  1879.  —  Bearbeitung  des  Amph. 
im  Mittelalter  durch  Vitalis:  §  436,  9. 

2)  Asinaria,  von  possenhaftem  Stoffe  und  niedriger  Moral,  aber 
mannigfaltiger  und  lebendiger  Charakterzeichnung  und  mit  Szenen 
von  großer  derbkomischer  Wirkung.  Original  der  'Ovayog  eines 
obskuren  Demophilos. 

1.  Über  Prolog,  v.  11  s.  §  96,  1.  V.  13  inest  lepos  ludusque  in  hac  co- 
moedia,  ridicula  res  est.  Daß  V.  124  f.  nam  ego  illud  argentum  tarn  paratum 
filio  scio  esse  quam  nie  hunc  seipionem  contui  auf  einem  im  Theater  anwesen- 
den Scipio  geht,  ist  möglich,  genügt  alvr  nicht  zur  Datierung  in  J.  212. 
Radermacher,  RhM.  58,  636.  Die  Nachlässigkeiten  der  Komposition  sind  ohne 
die  Annahme  der  Kontamination  zu  erklären;  spätere  Zusätze  sind  wie  in 
den  meisten  Stücken  vorhanden  (zB.  V.  23  f.  480 — 484),  schwere  Störungen 
aber  (Havet,  RPh.  1905,  94)  nicht  nachweisbar.  PAhrens,  de  PI.  Asin.,  Jena 
1907.    Langrehr,  dgl.  Friedland  M.  1894.  —  Ausg.  v.  JRichter,  Nürnb.  1833. 

3)  Aulularia,  eines  der  besten  Stücke  des  Plautus  nach  An- 
lage wie  Ausführung,  in  dessen  Mittelpunkt  die  Charakterzeichnung 
eines  Geizhalses  steht.   Der  Schluß  ist  verloren. 

1.  Original  sicher  ein  Stück  der  neuen  Komödie;  Menander  nach  der 
ganzen  Anlage  und  nach  V.  300  vgl.  mit  CAF.  III  p.  37,  vielleicht  der  Av- 
6y,o%og??  Geffcken,  Stud.  zu  Men.,  Hamburg  1898;  nach  Francken  die  Hydria , 
nach  Krieger,  De  Ant.  exemplaris  graeco,  Gießen  1914  der  Thesauros.  Das  Frag- 
ment Hibeh  Pap.  1,  24  hat  trotz  Blass,  RhM.  62,  102  mit  der  Aulul.  nichts 
zu  tun,  s.  Leo  Herrn.  41,  629.    Die  Abfassungszeit  wegen  3,  5  nach  Aufhebung 


§  97.  Plautus  (die  einzelnen  Stücke)  171 

•der  lex  Oppia  (J.  195)  anzusetzen,  ist  nicht  berechtigt;  auch  zur  Annahme 
einer  größeren  Kontamination  liegt  trotz  des  doppelten  Vorkommens  des 
Namens  Strobilus  (Dziatzko,  RhM.  37,  261)  und  des  wunderlichen  Filodicus 
(2,  7)  kein  Grund  vor.  —  Ladewig  ZfAW.  1841,  1085.  BWolff,  proleg.  ad 
PI.  A.,  Naumb.  1836.  WWagner,  de  PI.  A.,  Bonn  1864.  EPressler,  dgl.,  Jena 
1908.  Bonnet,  Mel.  Havet  17.  Tartara,  Riv.  fil.  27,  193.  Francken,  het  ori- 
gineel  v.  PI.  Aul.,  Versl.  en  Mededeel.    2  (1882),  11. 

2.  Sonderausgaben  von  Göller  (Köln  1825),  Hildyard  (Lond.  1839), 
WWagner  (Cambr.2  1876),  EBenoist  (Par.5  1878),  Francken  (Groningen  1877), 
Langen,  Münster  1889,  JThomas,  Lond.  1913.  Übers,  von  Funck,  Berl.  1914. 
—  Über  den  Querolus,  eine  Nachbildung  der  Aulularia,  s.  §  436,  9. 

4)  Bacchides,  in  der  kunstvollen  Anlage,  namentlich  in  der 
meisterlichen  Steigerung  der  Intrigue,  wie  in  der  Charakterzeich- 
nung und  der  Einheitlichkeit  des  Tones  eines  der  besten  Stücke. 
Der  Schluß  fällt  sehr  ins  Burleske.  Die  Eingangsszenen  sind  zu- 
gleich mit  dem  Schlüsse  der  Aulularia  verloren  gegangen.  Das 
Original  ist  wohl  Menanders  4ig  s^ccTtatcbv.  Aufführung  nach  dem 
Epidicus. 

1.  Über  Inhalt  und  Überreste  der  verlorenen  2 — 3  Szenen  s.  Ritschl, 
op.  2,  292.  Ribbeck,  RhM.  42,  111.  Baar  (A.  2).  Die  schlechten  Ergänzungen 
in  älteren  Ausgaben  sind  wahrscheinlich  von  Antonio  Beccadelli  aus  Paler- 
mo verfaßt  (§  99,  8).  Das  Original  ergibt  sich  teils  daraus,  daß  die  Hand- 
lung zu  dem  Titel  dig  i^cutcct&v  stimmt,  teils  aus  Y.  816  vgl.  mit  Menand. 
fr.  125. 

2.  Kontamination  ist  wahrscheinlich;  s.  Teuffel,  Stud.  u.  Charakt.  256. 
EFränkel,  de  media  et  nova  com.,  Gott.  1912,  100.  Tartara,  De  PL  Bacch., 
Pisa  1885.  Über  vermeintliche  spätere  Überarbeitung  Brachmann,  Lpz.  Stud. 
3,  57  und  Anspach,  Bonn  1882  und  dagegen  PWeise,  Berl.  1883.  —  Abfas- 
sung vor  J.  186  wegen  Vers  53  und  V.  1073  (Anspielung  auf  die  vier 
Triumphe  des  J.  189)  behaupten  Ritschl,  Parerga  423.  Götz,  acta  Lips.  6, 
315.    Anspach,  JJ.  139,  355. 

3.  Die  früher  übliche  Stellung  des  Stückes  (nach  Epid.)  gehört  erst 
späterer  Zeit  an  und  gründet  sich  auf  V.  214;  Ritschl,  Parerga  391;  vgl. 
op.  2,  321.    Studemund,  Würzb.  Festgruß  (1868)  39. 

4.  Ausgaben  von  Ritschl  (Hai.  1835),  GHermann  (Lps.  1845).  —  Abhand- 
lungen: Ritschl,  Parerga  391;  op.  2,  292.  Fritzsche,  Rostocker  Sommer- 
katalog 1846.    EMeier,  op.  2,  330. 

5)  Captivi,  ein  Rührstück,  ohne  weibliche  Rollen  und  Liebes- 
geschichte, gut  aufgebaut  und  durch  die  Figur  des  Parasiten  auch 
mit  einem  komischen  Element  versehen. 

1.  Die  ausdrücklichen  Hinweise  im  Prolog  (v.  55  non  pertractate  facta 
est  neque  item  ut  ceterae:  neque  spurcidici  insunt  versus  immemorabiles  usw.) 
und  Epilog  (v.  1029  ad  pudicos  mores  facta  liaec  fabula  est  .  .  .  huiusmodi 
paucas  poetae  repperiunt  comoedias)  zeigen,  daß  eine  bewußte  Abkehr  von 
dem  üblichen  Stoffkreise   vorliegt,   aus   dem   aber  doch   der  avocyrcogiö^og 


172  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

stammt  (§  16,  1).  Die  Vermutungen  über  das  Original  bleiben  unsicher;  zB. 
denkt  Dietze  (§  15,  2)  an  Philemons  AitcoXos.  Der  Parasit  ist  gewiß  nicht 
Zutat  des  Plautus;  EHerzog,  JJ.  113,  363.  —  Sonderausg.  von  Geppert  (lat 
u.  deutsch,  Berl.  1869),  Ussing  (Kopenh.  1869),  Brix-Niemeyer  (Leipz  61910)r 
mit  krit.  App.  und  Bentlejs  Emendat.  z.  ganzen  Plaut,  (vgl.  §  99,  13)  v. 
Sonnenschein,  Lpz.  1880.  PMorris,  Lond.  98.  Lindsay,  Lond.  1900.  Vgl. 
Lessing,  Werke  3,  77.  127.    Hertzberg  vor  s.  Übersetz.  S.  xix. 

6)  Curculio  (der  Kornwurm),  komischer  Name  des  Parasiten 
in  dem  Stücke,  der  die  vom  Üblichen  wenig  abweichende  Intrigue 
leitet;  auffallend  ist,  daß  der  Vater  des  durch  Wiedererkennung 
restituierten  Mädchens  fehlt  und  der  Offizier  eine  doppelte  Funk- 
tion hat,  indem  er  erst  überlistet  wird  und  sich  dann  als  der  Bruder 
des  Mädchens  herausstellt.  Abfassung  hat  man  auf  Grund  unsicherer 
Indizien  bald  nach  J.  193  gesetzt. 

1.  Teuffel,  Studien  u.  Char.  262  sieht  in  V.  509  eine  Anspielung  auf 
die  lex  Sempronia  (Liv.  35,  7)  vom  J.  193.  Merkwürdig  ist  4,  1  als  eine 
ganz  aus  dem  Stück  herausfallende  Schilderung  des  Forums  (sogen.  Para- 
base),  die  für  unecht  zu  erklären  (H Jordan,  Herrn.  15,  116.  Huelsen,  Mitt„ 
röm.  Inst.  8,  283)  kein  Grund  vorliegt. 

2.  Ausgabe  von  Geppert  (lat.  u.  deutsch),  Berl.  1845.  WSoltau,  Cure, 
act.  III  interpret.,  Zabern  1882.  Langrehr,  de  PI.  Cure,  Friedland  M.  1893. 
Bosscher,  de  PI.  Cure,  Leiden  1903. 

7)  Casina,  nach  den  KItjqov^isvol  des  Diphilos  gearbeitet,  ein 
Stück  von  starkem  Hautgout  und  derber  an  die  ccq%cclcc  gemahnen- 
der Situationskomik,  die  von  Plautus  wohl  noch  gesteigert  wor- 
den ist. 

1.  Nach  V.  31  hieß  das  Stück  zuerst  Sortientes.  Abfassung  vor  dem 
Verbot  der  Bacchanalien  (J.  186)  folgert  Mommsen,  RG.  I6,  892  aus  V.  980  gegen 
Ritschl,  Parerga  191;  Opusc.  2,  658,  Abfassung  nach  Cist.  aus  V.  87  (s.u.) 
Skutsch,  RhM.  55,  274  =  Sehr.  186.  Plautus  sagt  selbst,  daß  er  eine  Haupt- 
rolle gestrichen  hat,  V.  64  is,  ne  expectetis,  hodie  in  hac  comoedia  in  urbem 
non  redibit:  Plautus  noluit,  pontem  interrvpit,  qui  erat  et  in  itmere.  Auch 
der  Schluß  ist  gekürzt  (V.  1012)  und  vielleicht  an  seine  Stelle  burleske 
Szenen  gesetzt  oder  die  vorhandenen  erweitert.  Leo,  Plaut.  Cant.  106. 
Schmitt,  de  Pseudolo  60.  Süss,  RbM.  65,  459.  Vom  Prolog,  den  Fides  (nißtig) 
spricht,  stammen  V.  5 — 20  von  einer  Wiederaufführung,  der  Rest  kann  alt 
sein;  Hindeutung  auf  einen  Krieg  V.  87  valete,  bene  rem  gerite  et  vincite 
virtute  vera,  qiiod  fecistis  antidhac.  Skutsch,  Sehr.  184.  Teuffel,  Stud.  u. 
Charakt.  257. 

2.  Die  vermeintliche  Theatermarke  mit  der  Aufschrift  Casina  Plauti 
(Or.  2539)  ist  nur  ein  Phantasiestück.  Mommsen,  Sehr.  8,  1.  Ausgabe  von 
Geppert,  Berl.  1866. 

8)  Cistellaria,  kaum  zur  Hälfte  erhalten,  eine  in  der  Hand- 
lung dem  Epidicus  verwandte  Crepundienkomödie  ohne  eigentliche 
Komik  mit  rührenden  Motiven.   Aufgeführt  vor  J.  201. 


§  97.  Plautus  (die  einzelnen  Stücke)  173 

1.  Das  Original  von  Menander  (v.  89  =  fr.  558).  V.  408  wird  von  Fest. 
301.  352  aus  Plaut,  in  Sym  .  .  oder  Sy  .  .  zitiert,  woraus  man  Syro  oder 
Syra  gemacht  hat;  Syra  könnte  der  Name  der  lena  gewesen  sein.  Im  Pro- 
log (V.  201  perdite  perduelles,  parite  laudem  et  lauream,  ut  vobis  vidi  Poeni 
poenas  sufferant)  einzige  Erwähnung  des  (noch  unbeendigten)  hannibalischen 
Kriegs.  —  Ausgabe:  EBenoist,  Lyon  1863.  Versuch  einer  Wiederherstellung 
von  Studemund,  Studien  2,  417. 

9)  Epidicus,  ein  Intriguenstück  mit  reicher ,  aber  etwas  ver- 
wickelter Handlung  und  ohne  besonderen  Aufwand  von  Witz  und 
Lebendigkeit.  Abfassung  vor  den  Bacchides. 

1.  Die  Verwickelung  der  Handlung  erklärt  sich  vielleicht  (mit  Lade- 
wig, ZfAW.  1841,  1086;  dagegen  RMüller  aO.  5.  LReinhardt  in  Studemunds 
Studien  1,  103;  JJ.  111,  194.  Leo,  PF.  198.  Langen,  Plaut.  Stud.  137)  aus 
Kontamination.  PL  hatte  das  Stück  dem  Pellio  (§  16,  14)  verkauft,  sich  aber 
dann  mit  ihm  überworfen;  Bacch.  214  etiam  Epidicum,  quam  ego  fabulam 
aeque  atque  me  ipsum  amo,  nullam  aeque  invitus  specto,  si  agit  Pellio.  —  Daß 
V.  226  die  Aufhebung  (J.  195)  der  lex  Oppia  sumptuaria  voraussetzt,  ist  eine 
ebenso  verbreitete  wie  irrige  Meinung. 

2.  Ausgaben  von  FJacob  (Lüb.  1835)  und  Geppert,  Berl.  1865.  —  RMüller, 
de  PI.  Epidico,  Berl.  1865.  Langrehr,  in  Miscellanea  philol.  (Gott.  1876)  9. 
GGötz,  acta  Lips.  6,  283.  322.  CSchredinger,  obs.  in  Epid.,  Münnerst.  1884. 
—  Übersetzung  von  Jacob,  Lüb.  1843. 

10)  Mostellaria,  das  Gespensterstück,  von  sehr  wirkungsvoller 
Anlage,  ausgezeichnet  durch  die  Mannigfaltigkeit  glücklich  erfun- 
dener Situationen  und  gut  gezeichneter  Charaktere.  Im  Mittelpunkte 
steht  die  mit  besonderer  Liebe  und  glücklichster  Laune  gezeichnete 
Rolle  des  verschlagenen  und  jeder  Situation  gewachsenen  Sklaven. 

1.  Original  wohl  das  <!>6l6\l<x  des  Philemon,  vgl.  Fest.  162.  305  Plautus 
in  Phasmate.  Ritschl,  Parerga  159.  272.  431.  Komisches  Selbstzitat  des 
Philemon,  von  Plautus  V.  1149  beibehalten:  Si  amicus  Diphilo  aut  Pliile- 
moni  es  usw.    Leo,  Herrn.  18,  560. 

2.  Ausgaben  von  ALorenz,  Berl.2  1883.  WRamsay,  Lond.  1869.  Bugge, 
Christiania  1873.  EMorris,  Bost.  1880.  Sonnenschein,  2Oxf.  1907.  Stamkart, 
commentarius  in  PI.  Most.,  Amst.  1858. 

11)  Menaechmi,  eines  der  gelungensten  Stücke;  es  behandelt 
die  lustigen  Verwechslungen  und  Verlegenheiten,  die  durch  die 
täuschende  Ähnlichkeit  von  Zwillingsbrüdern  herbeigeführt  werden. 
Die  Situationskomik  überwiegt  und  steigert  sich  an  einzelnen  Stel- 
len zu  drastischen  Wirkungen.  Vorbild  und  Abfassungszeit  unbe- 
kannt. 

1.  Argumentum  sicelissat  (prol.  12)  bezieht  sich  nur  auf  die  Heimat  der 
Zwillingsbrüder.  Daß  Jidv^iot,  (Oiioioi)  zu  Grunde  liegen,  ist  sicher;  ob  ge- 
rade die  des  Poseidippos  (Ladewig,  Phil.  1,  275),  sehr  zweifelhaft;  s.  Teuffel, 
Stud.  263.    Ribbeck,   röm.  Dicht.  1,  125.    Für   die   Abfassungszeit  vor  J.  215 


174  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

bietet  V.  408  keinen  Anhalt.    Eine  Überarbeitung  behauptet  Sonnenburg,  de* 
Men.  retractata,  Bonn  1882;  vgl.  Ribbeck,  RhM.  37,  571. 

2.  Ausgaben  von  Hildyabd  (Cambr.  1840),  Geppert  (lat.  u.  deutsch,  Berl. 
1845),  Brix-Niemeyer  (Leipz.  51912).  WWagner  (Cambridge  1878).  Vahlen, 
Berl.  1882.  —  Teuffel,  Stud.  u.  Charakt.  263.  PLangen,  de  Men.  prologor 
Münster  1873. 

3.  Stiefel,  d.  Menächmenfabel,  in  Symbolae  philol.  ad  LSpengel.,  Münch. 
1877;  BlbayrGW.  15,  309.  340.  ThZielinski,  quaest.  com.  71.  Goldbacher, 
Festschr.  f.  Vahlen  205. 

12)  Miles  gloriosus,  stark  aufgetragene  Zeichnung  eines  Bra- 
marbas, den  seine  mit  großer  Dummheit  gepaarte  Neigung  zum 
schönen  Geschlecht  in  arge  Ungelegenheiten  bringt.  Das  Stück  führt 
zwei  Intriguen  durch  und  ist  nicht  ohne  Längen,  aber  von  über- 
sprudelnder glücklichster  Laune.  Es  scheint  aus  zwei  Originalen 
ohne  große  Sorgfalt  kontaminiert  zu  sein. 

1.  Miles  gloriosus  ist  der  überlieferte  und  richtige  Titel:  s.  WHertzberg, 
Übersetz.  356.  ARiese,  RhM.  22,  303.  Lessing,  Werke  7,  90  und  Fleck 
eisen,  RhM.  14,  628  zogen  Gloriosus  vor.  —  Original  nach  V.  86  der  k%a£av 
eines  griechischen  Dichters;  als  dieser  ist  weder  Philemon  (Dietze  42)  noch 
Menander  (FRanke,  Periplecomenus,  Marb.  1900,  87)  zu  erweisen.  Mit  diesem 
Alazon  ist  vielleicht  ein  anderes  Stück  kontaminiert,  in  dem  das  später 
weitverbreitete  Novellenmotiv  von  der  durchbrochenen  Wand  (EZarncke, 
RhM.  39,  1),  verbunden  mit  dem  "Ofuuoi-Motiv,  vorkam.  Doch  s.  Hasper,  de 
compositione  Mil.,  Dresden  1894;  JFranke,  dgl.,  Lips.  1910.  Mesk,  WSt.  35, 
211.  Vgl.  Teuffel,  Stud.  273.  Ribbeck,  Alazon,  Beitr.  z.  antiken  Ethologie; 
nebst  Übersetz,  des  PI.  Mil.  Lpz.  1882.  Langen,  Plaut.  Stud.  313.  Kakbidis, 
RhM.  59,  626.  —  Abfassungszeit  nach  J.  204  (wegen  V.  211 :  s.  §  95,  3).  Ly- 
rische Partien  enthält  das  Stück  nicht;  Ritschl,  op.  3,  29. 

2.  Ausgaben  von  ALorenz  (Berl.2  1886),  Brix-Niemeyer  (Lpz.3  1901). 
Ribbeck,  Lps.  1881.    YTyrell,  Lond.3  1889. 

3.  Ritschl,  op.  2,  404  (de  argumento  acrostichoMil.gl.).  3,  789.  VFritzsche, 
Rostocker  Index  Sommer  1850.  FSchmidt,  Unters,  üb.  d.  Mil.  gl.,  JJ.  Suppl. 
9,  321. 

13)  Mercator,  mit  einer  der  Casina  ähnlichen  Handlung;  in- 
dem der  verliebte  und  von  seiner  Hausehre  ertappte  Alte  in  den 
Vordergrund  gerückt  ist,  tritt  das  Schicksal  der  Geliebten  des  Soh- 
nes zurück.   Original  Philemons  "Ejijropog. 

1.  Abfassung  nach  J.  196  folgert  aus  V.  525  Ladewig,  ZfAW.  1841, 
1085  ohne  Grund;  vgl.  Ritschl,  Parerga  344.  Abfassung  nach  dem  Rudens 
erschließt  Marx,  Ind.  lect.,  Greifsw.  1892/3;  SBer.  Wien.  Ak.  140  aus  der 
Traumerzählung  in  2,1,  die  PI.  selbst  der  im  Rud.  nachgebildet  habe;'  doch 
kann  bereits  der  Dichter  des  Originales  der  Nachahmer  sein.  Leo,  PF.  162. 
Kellermann,  Comment.  Jenens.  7,  127.  Dietze  13.  —  Über  den  Prolog  s. 
Dziatzko,  RhM.  26,  421.  29,  63.  LReinhardt,  Studemunds  Studien  1,  80.  Lang- 
rehr,  de  PI.  Merc,  Friedland  M.  1906. 


§  97.  Plautus  (die  einzelnen  Stücke)  175 

14)  Pseudölus,  ein  übermütiges,  aber  etwas  auseinander  fallen- 
des Intriguenstück  mit  ähnlicher  Sklavenrolle  wie  die  Mostellaria 
und  derbkomischen  Episoden,  aufgeführt  J.  191. 

1.  Für  die  Namensform  Pseudölus  (s.  die  Wortspiele  mit  dolus  1205. 
1244)  Goetz,  praef.  IX.  KSchmidt,  Herrn.  37,  38Ö.  OLorenz,  Phil.  35,  153. 
Dagegen  und  für  Pseudulus  Ritschl,  op.  3,  7;  vgl.  3,  332.  Didaskalie:  M. 
Iunio  31.  fil.  pr.  urb.  (J.  191)  acta  Megalesiis.  Danach  erste  Aufführung  bei 
der  Einweihung  des  Tempels  der  magna  mater  (vgl.  2,  4,  19)  am  10.  April  d.  J. 
(Ritschl,  Parerga  286.  295).  Vgl.  Cic.  Cato  50  quam  (gaudebat  in  senectute) 
Truculento  Plautus,  quam  Pseudulo!  —  Bearbeitung  nach  einem  Stücke  der 
rmittleren  Komödie'  behauptet  Bergk,  RhM.  20,  290:  nach  Menander 
Hueffner  17,  nach  Philemon  Dietze  33:  alle  ohne  Beweis;  auch  bleibt  ev. 
immer  die  Frage  offen,  für  welches  der  benutzten  Originale  man  den  Ver- 
fasser ausfindig  machen  will.  Der  Gedanke  an  Kontamination  scheint  zu- 
nächst kaum  abzuweisen;  Bierma,  Quaest.  de  Pseud.,  Groningen  1897.  Leo, 
Gott.  gel.  Nachr.  1903,  347.  Karsten,  Mnemos.  31, 130.  An  Verkürzung  des 
Originales  denkt  ASchmitt,  de  Pseud.  exemplo  Attico,  Straßb.  1909.  Doch 
s.  vHarrer,  Progr.  Sophiengymn.  Wien  1912.  Der  auf  die  Aufhellung  der 
Kontamination  verwendete  Scharfsinn  hat  (um  das  hier  einmal  auszuführen) 
manche  feine  Beobachtung  gezeitigt,  die  eigentliche  Frage  aber  nicht  ge- 
löst. Das  wird  bei  der  Art  dieser  Stücke  auch  fast  nie  möglich  sein,  die 
es  (wenn  wir  von  Menander  absehen)  darauf  anlegen,  eine  Rolle  für  einen 
Virtuosen  zu  schaffen,  der  namentlich  auch  Gesangs-  und  in  diesem  Falle 
Tanzvirtuose  sein  muß,  und  die  Zuschauer  durch  eine  Reihe  lustiger  Szenen 
zu  unterhalten.  Was  darüber  ist,  das  ist  schon  ein  opus  supererogationis. 
Sieht  man  von  allen  möglichen  Kleinigkeiten  ab,  die  niemand  einem  mo- 
dernen Possen-  oder  Operettendichter  übel  nimmt  und  die  wir  daher  auch 
Plautus  und  selbst,  seinen  Originalen  übelzunehmen  kein  Recht  habeu,  so 
bleiben  folgende  Unzutr'äglichkeiten  übrig:  1.  Calidorus  erfährt  den  Verkauf 
der  Phoenicium  durch  den  in  der  ersten  Szene  vorgelesenen  Brief,  weiß 
aber  in  der  3.  Szene  nichts  mehr  davon  und  läßt  sich  den  ganzen  Sach- 
verhalt als  Neuigkeit  mitteilen.  Das  könnte  natürlich  auf  Kontamination 
beruhen,  und  zwar  könnte  die  ganze  erste  Szene  oder  doch  der  Brief  zu- 
gesetzt sein;  aber  gerade  dessen  Kenntnis  wird  in  2,  2  V.  649  vorausge- 
setzt, man  müßte  also  schon  ein  ziemlich  kompliziertes  Verfahren  des 
Plautus  annehmen.  Wer  es  daher  vorzieht,  die  Dublette  innerhalb  des- 
selben Stückes  zu  ertragen  (deren  Motive  ja  deutlich  genug  sind),  wird 
schwer  widerlegt  werden  können.  2.  Callipho  wird  in  1,  5  mehrfach  ge- 
beten (V.  547.  559),  zu  Hause  zu  bleiben  und  dem  Pseudölus  als  Zeuge  zu 
dienen.  Im  weiteren  Verlaufe  der  Handlung  ist  das  völlig  vergessen,  Cal- 
lipho betritt  die  Bühne  nicht  mehr  und  wird  mit  keinem  Worte  erwähnt. 
Auch  dafür  macht  man  die  Kontamination  verantwortlich,  jedoch  wird  Cal- 
lipho als  Zeuge  gerade  für  den  Pakt  angerufen,  der  nachher  erfüllt  wird, 
so  daß  man  schon  annehmen  müßte,  die  Szenen,  in  denen  er  ursprünglich 
auftrat,  seien  anderen,  eingelegten  zum  Opfer  gefallen.  Dann  kompliziert 
sich  die  Entstehungsweise  noch  mehr.  3.  Pseudölus  hat  sich  verpflichtet, 
dem   Simo    20  Minen   abzulisten,    erfüllt    dieses    Versprechen    aber    nicht. 


176  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

Früher  half  man  sich  durch  Textänderungen  (s.  Götz  zu  V.  530  f.),  mit  denen 
heute  niemand  mehr  solche  Anstöße  beseitigen  wird.  Heute  ist  gerade  diese 
Stelle  der  Angelpunkt  aller  Erörterungen  der  Kompositionsfrage,  und  Bierma 
und  Leo  haben  von  hier  aus  zwei  Originale  erschlossen,  in  deren  einem 
Simo,  in  dem  anderen  Ballio  betrogen  wurde.  Aber  Schmitt  hat  es  für  un- 
möglich erklärt,  diese  beiden  Originale  voneinander  zu  trennen  und  vHarrer 
hat  eben  jenen  Doppelvertrag  in  1,  5,  der  meist  den  Hauptbeweis  für  Kon- 
tamination abgeben  muß,  auf  einen  psychologisch  feinsinnigen  Dichter 
zurückgeführt,  aus  dem  Plautus  hauptsächlich  diese  eine  Szene  entlehnt 
habe,  während  man  ihm  possenhafte  Effekte  nicht  zuschreiben  dürfe  (sehr 
bedenklich,  da  eben  höchstens  Menander  sich  von  dem  Herabsinken  in  die 
Posse  frei  hält).  Nun  kann  freilich  der  erste  Teil  des  Stückes  bis  V.  521 
den  Eindruck  machen,  als  sei  es  auf  einen  Betrug  des  Vaters  abgesehen; 
aber  der  Betrug  des  Kupplers  ist  auch  von  vornherein  angelegt  (durch  den 
Brief  in  1,  1  und  durch  1,  3)  und  wird  ganz  folgerichtig  V.  526  versprochen. 
Wer  also  annimmt,  daß  der  Dichter  des  griechischen  Originales  bereits 
zwar  nicht  verschiedene  Stücke  aber  verschiedene  Motive  kombiniert  und 
dabei  etwas  flott  gearbeitet  habe,  wird  hier  und  in  den  meisten  ähnlichen 
Fällen  nicht  widerlegt  werden  können. 

2.  Ausgaben  von  Romeijn  (Daventr.  1836),  Lorenz  (Berl.  1876).  —  Mit 
Rud.  u.  Truc.  denuo  expl.  Bothe,  Lps.  1840. 

15)  Poenulus,  behandelt  die  Auffindung  zweier  punischer  Mäd- 
chen durch  ihren  Vater;  unter  den  zahlreichen  komischen  Motiven 
ist  die  Anwendung  des  punischen  Dialektes  auffallend.  Original  ein 
KccQxrjdövLog,  vielleicht  des  Menander. 

1.  Auf  den  Titel  Patruus  puUiphagonides  weist  V.  54.  Über  die  Zeit- 
kriterien s.  Teüffel,  Stud.  274.  Hueffner  35.  V.  663  nam  hie  latro  in  Sparta 
fuit  .  .  apud  regem  Attalum  ist  nicht  für  die  Zeitbestimmung  zu  verwenden, 
eher  V.  524  in  re  populi  placida  atque  interfectis  hostibus.  Prol.  4  imperator 
Histricus  weist  auf  den  Istrischen  Krieg  J.  178/77,  ohne  daß  deshalb  der 
ganze  Prolog  nachplautinisch  zu  sein  braucht.  Die  Mängel  erklären  sich 
zum  großen  Teil  aus  Kontamination  von  zwei  Stücken,  deren  eines  im  äto- 
lischen  Kalydon,  das  andere  in  Attika  spielte  (V.  372).  Langen,  Plaut.  Stud. 
181.  Leo,  PF.  170.  Jachmann,  Xagitsg  249.  Reinhardt  in  Studem.  Stud.  1, 
109.  Die  Schlußszene  ist  in  doppelter  (unvereinbarer,  aber  ungefähr  gleich 
alter)  Fassung  erhalten;  Ritschl,  Parerga  601.  Hasper,  de  Poen.  duplici 
exitu,  Lps.  1868.  Vgl.  Götz,  acta  Lips.  6,  253.  326;  ind.  lect.  Jenens.  1883/4. 
Francken,  de  Poen.  compositione,  Mnemos.  4  (1876),  146.  Langrehr,  de  PI. 
Poen.,  Friedland  1883. 

2.  Ausg.  von  Geppert,  Berl.  1864.  —  Über  das  Punische  (5,  1)  s.  JGilde- 
meister  in  Götz -Lowes  Ausgabe.  Hennen,  de  Hannonis  precationis  recensione 
punica,  Marb.  1882.  FSoltau,  Zur  Erkl.  der  Reden  des  Hanno,  Berl.  1889. 
—  Götz,  act.  Lips.  6,  328.    KSchueth,  de  Poen.  quaest.  crit.,  Bonn  1883. 

16)  Persa,  ein  nur  mit  den  üblichen  Motiven  arbeitendes  Be- 
dientenstück von  einfacher  Erfindung,  doch  teilweise  sehr  lebendiger 
Ausführung;  seinen  Titel  trägt  es  von  der  Verkleidung  des  Intriguanten. 


§  97.  Plautus  (die  einzelnen  Stücke)  177 

1.  Das  Original  scheint  wegen  V.  506  (Chrysopolim  Persae  cepere  urbem 
in  Arabia)  vor  der  Zerstörung  des  Perserreiches  gedichtet,  würde  also  noch 
der  mittleren  Komödie  angehören,  von  deren  possenhaften  Vertretern  das 
Stück  einen  guten  Begriff  gibt;  vgl.  vWilamowitz,  ind.  lect.  Gott.  1893/4. 
Leo,  Herrn.  41,  441.  Doch  s.  MMeyer,  Comment.  Jenens.  8,  1,  143.  Die  An- 
sichten über  die  Entstehungszeit  von  Ladewig,  über  den  Kanon  des  Yolc. 
Sed.  38  (Abfassung  J.  197)  und  GGötz,  RhM.  30,  162  (J.  186)  sind  nicht  über- 
zeugend. Über  die  Komposition  auch  Hueffner  74.  vanJisendijk,  de  Plauti 
Persa,  Utrecht  1884.  Dareste,  melanges  Weil  107.  Über  die  Rechtsverhält- 
nisse JPartsch,  Herrn.  45,  595. 

17)  Rudens  (das  Schiffstau),  vorzüglicher  durch  die  teils  sen- 
timentale teils  heitere  und  witzige  Ausführung  einzelner  Szenen  als 
durch  die  Anlage  des  Ganzen.   Original  von  Diphilos. 

1.  Original  Diphilos'  Urfea?  Schoell,  RhMus.  43,  298.  Marigo,  Stud.it. 
15,  480.  Abfassung  vor  Merc.  Amph.  Truc.  nimmt  Marx,  SBer.  Wien.  Ak. 
140,  34  an,  s.o.  N.  13;  Kontamination  behauptet  ohne  Grund  Kakridis,  Bar- 
bara Plautina,  Athen  1904,  26.  Vgl.  Coulter,  Class.  Phil.  8,  57.  Robertl, 
Progr.  Trient  1910.  Über  den  Fischerchor  s.  §  16,  3.  —  Ausgaben  von  Reiz 
(Lps.  1789),  ChrSchneider  (Bresl.  1824),  Bothe  (s.  Pseud.),  Geppert  (Berl. 
1846),  EBenoist  (Par.  1864),  Sonnenschein  (Oxf.  1901). 

18)  Stichus,  aufgeführt  J.  200  ludis  plebeis,  der  Anlage  nach 
ein  bürgerliches  Lustspiel,  das  aber  nicht  durchgeführt  wird,  weil 
Plautus  burleske  Szenen  aus  anderer  Quelle  anzuflicken  vorzog. 

1.  Die  im  Ambros.  erhaltene  Didaskalie  nennt  das  Original  Adelphoe 
Menandru.  Des  verschiedenen  Inhalts  wegen  steht  das  in  Terenz'  Adelphoe 
wiedergegebene  menandrische  Stück  außer  Frage.  Für  verderbt  halten  die 
Didaskalie  Ritschl,  Parerga  270,  Studemund  (de  actae  Stichi  Plautinae  tem- 
pore), comment.  Mommsen.  (Berl.  1877)  782  und  andere.  Vielmehr  scheinen 
zwei  verschiedene  Stücke  Menanders  den  Namen  Adelphi  getragen  zu  haben 
(vgl.  Schol.  Plat.  p.  276  Mivavdgog  iv  'ASslyol?  ß).  FSchöll,  JJ.  119,  44.  Da 
Pellio  das  Stück  aufführte,  so  fällt  es  vor  die  Bacchides. 

2.  Das  Schicksal  der  beiden  Schwestern,  die  treu  auf  ihre  seit  Jahren 
abwesenden  Gatten  harren,  wird  bald  zugunsten  einer  derben  Situationskomik 
vergessen,  die  zuletzt  in  einem  Sklavengelage  mit  Tanz  auf  das  Niveau 
des  Mimos  herabsinkt.  Kontamination  ist  sicher  und  nur  fraglich,  ob  zwei 
oder  drei  Stücke  verarbeitet  sind.  Ritschl,  Parerga  261.  Bergk,  op.  1,  36. 
Teuffel,  Stud.  277.  GGötz,  acta  Lips.  6,  302.  Guidani,  annali  della  acuola 
di  Pisa,  1891.  Silbernagel,  de  Stichi  compos.,  Teplitz  1896.  Leo,  Gott.  gel. 
Nachr.  1902,  375. 

19)  Trinummus,  ein  sehr  ansprechendes  Familienstück  ohne 
weibliche  Rollen  von  gemessener  und  moralischer  Haltung  und 
darin  den  Captivi  ähnlich;  sogar  die  Intrigue  dient  hier  ausnahms- 
weise einem  moralischen  Zweck.  Aufgeführt  nicht  vor  J.  194.  Ori- 
ginal Philemons  @rj6avQog. 

Teuffel:  röm.  Literaturgesch.    Neub.  6.  Aufl.   I.  12 


178  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

1.  Der  Titel  ist  willkürlich  gewählt,  V.  843  huic  ego  die  nomen  Tri- 
nummo  facto;  nam  ego  operam  meam  tribus  nummis  hodie  locavi  ad  artis 
nugatorias  sagt  eine  Nebenperson.  Die  Aufführungszeit  ist  durch  V.  990 
vapulabis  meo  arbitratu  et  novorum  aedilium  bestimmt,  da  nur  an  den  im 
April  gefeierten  ludi  Megalenses  die  Adilen  neu  waren  und  das  Drama  an 
diesen  Spielen  erst  J.  194  eingeführt  wurde.  Ausgaben  von  GHekmann  (Lps. 
1800  u.  1853),  Geppert  (lat.  u.  deutsch,  Berl.  1844.  Lpz.  1854),  Brix-Niemeyer 
(Lpz.5  1907),  WWagner  (Cambridge2  1875),  ASpengel  (Berl.  1875),  Freeman 
and  Sloman,  Lond.  1883,  Cocchia,  Turin  1886. 

2.  Ritschl,  de  actae  Trin.  tempore,  Parerga  339.  De  interpolatione  Trin., 
ebd.  511.  EMeier,  op.  2,  321.  Bergk,  kl.  Sehr.  1,  53.  615.  Fritzsche,  Rostocker 
Ind.  1849  f. 

3.  Übersetzt  von  Osthelder  (Speier  1852  f.)  u.  WWagner  (Frankf.  1861). 

20)  Truculentus,  aus  Plautus'  späteren  Jahren,  hat  zum  Mittel- 
punkt eine  gewinnsüchtige  Hetäre;  wie  diese  drei  Liebhaber  gegen 
einander  ausspielt,  ist  mit  übermütiger  Laune  ausgeführt.  Die  Cha- 
rakterschilderung, auch  die  des  bärbeißigen  Sklaven,  nach  dem  das 
Stück  heißt,  tritt  dagegen  zurück. 

1.  Cic.  Cato  50  (s.  §  96,  2).  Teuffel,  Stud.  279.  Reinhardt  in  Studem. 
Stud.  1,  93  (de  compositione  Truc).  Über  den  verstümmelten  Prolog  s. 
Dziatzko,  RhM.  29,  51.  Leo,  PF.  206.  Die  Vermutungen  über  das  Vorbild 
(Uwvmviog  des  Menander  nach  FSchöll  aO.  15  u.  in  d.  praef.  s.  Ausg. 
—  dagegen  FSchmidt,  GGA.  1877,  951.  Ribbeck,  Alazon  79,  —  Babylonios 
des  Philemon  nach  Dietze,  de  Philem.  30.  43)  bleiben  unsicher. 

2.  Ausgaben  von  Göller  (Köln  1824),  Bothe  (s.  Pseud.),  Geppert  (Berl. 
1863),  ASpengel  u.  Studemund  (Gott.  1868). 

21)  Vidularia,   'die   Koffergeschichte',    vielleicht    nach    einer 

E%eöCa  (wohl  des  Diphilos),  inhaltlich  dem  Rudens  sehr  ähnlich- 

doch  handelt  es  sich  hier  um  den  Anagnorismos  eines  Jünglings. 

1.  Das  Stück  stand  auch  in  der  Palatinischen  Rezension,  wie  die  in  B 
noch  erhaltene  Überschrift  beweist.  Reste  noch  im  Mailänder  Palimpsest; 
außerdem  Anführungen  bei  Grammatikern.  WStudemund,  de  Vidularia,  Greifsw. 
1870;  Verh.  d.  Karlsruher  Philol.-Vers.,  Lpz.  1883,  33  (daselbst  auch  vervoll- 
ständigte Fragmentsammlung).    Leo,  de  Vid.,  Gott.  ind.  lect.  1894/5. 

98.  Plautus  ist  ausschließlich  komischer  Dichter  und  Bühnen- 
dichter mit  allen  Vorzügen  und  Fehlern  eines  solchen.  Von  dem 
Standpunkt  des  für  das  praktische  Bedürfnis  um  des  eigenen  Unter- 
halts willen  rasch  arbeitenden  Theaterdichters  erklärt  sich  die  oft 
wenig  schonende  Behandlung  des  griechischen  Originals,  das  Inein- 
anderarbeiten  zweier  Stücke,  die  Sorglosigkeit  in  bezug  auf  Wider- 
sprüche, Unwahrscheinlichkeiten  u.  dgl.  Schon  bei  der  Wahl  der 
Originale,  die  er  bearbeitet,  zeigt  er  eine  unverkennbare  Hinneigung 
zu  Dichtern  verwandter  Eigenart;  aus  diesem  Grunde  hat   er  für 


§  98.  Plautue:  Zusammenfassung  179 

den  feinsinnigen  Menander  keine  besondere  Vorliebe.  Aber  Plautus 
ist  nicht  nur  Übersetzer,  schon  deshalb  nicht,  weil  er  durch  Ein- 
lage von  Gesangsstücken  aus  den  ihm  vorliegenden  Komödien  Sing- 
spiele und  Gesangspossen  macht.  Freilich  hat  er,  wie  die  meisten 
komischen  Dichter  und  Humoristen,  seine  Stärke  nicht  in  der  An- 
lage des  Ganzen,  sondern  in  den  Einzelheiten.  In  jener  ist  er  ganz 
abhängig  von  seinen  Vorbildern,  denen  er  an  künstlerischer  Ein- 
sicht weitaus  nicht  gewachsen  war.  Dagegen  versteht  er  es  meister- 
lich, innerhalb  jenes  Rahmens  das  Überlieferte  sprachlich  neu  zu 
gestalten.  Unter  seinen  Händen  nimmt  das  Fremde  italisch-römische 
Färbung  an,  die  freilich  eine  Vergröberung  der  feinen  attischen 
Zeichnung  verursacht;  sein  Geist  prägt  dem  allerwärts  hergeholten 
Stoffe  einen  bestimmten  einheitlichen  Stil  und  Charakter  auf  von 
urwüchsiger  Kraft,  Gesundheit  und  Frische.  In  dem  Dichter  sprudelt 
ein  reicher  Quell  von  Witz  und  Humor.  Die  lustigen  Einfälle  strö- 
men ihm  zu,  und  gern  läßt  er  sich  durch  sie  von  seinem  Vorbilde 
»fortlocken.  Sein  Witz  hat  gern  etwas  Derbes  und  Saftiges,  ist  oft 
platt  und  gewöhnlich,  aber  selten  matt.  Das  Höchste  leistet  er  in 
dem  Wortgefecht  zwischen  zweien  und  mehreren,  das  er  je  nach 
der  Situation  und  dem  Charakter  der  Beteiligten  in  Haltung  und 
Tempo  verschieden  abtönt  und  in  treffenden,  überraschenden  Wen- 
dungen zu  führen  und  durchzuführen  versteht.  Unterstützt  wird 
hier  Plautus  durch  seine  vollkommene  Beherrschung  der  Sprache. 
In  ihrer  Handhabung  zeigt  er  bewundernswerte  Leichtigkeit  und 
Fülle,  die  nicht  selten  in  übermütig  wuchernde  Überfülle  ausartet,  so 
daß  er  die  Fortführung  der  Handlung  über  den  sich  jagenden  Spaßen 
ganz  zu  vergessen  scheint.  Er  bedient  sich,  wie  es  schon  der  Inhalt 
seiner  Stücke  verlangte,  der  noch  nicht  durch  längere  literarische 
Tradition  fixierten  Umgangssprache  seiner  Zeit  (§  93).  Der  Satzbau, 
vielfach  noch  schwerfällig,  ist  im  allgemeinen  doch  recht  gewandt 
und  paßt  sich  den  raschen  Wendungen  des  Gespräches  bequem  an. 
Auch  im  Metrischen  macht  er  Gebrauch  von  den  oben  S.  157  f.  ge- 
schilderten Freiheiten,  aber  seine  Verse  sind  durchaus  kunstmäßig 
gebaut,  mit  vollkommener  Sicherheit  auch  in  schwierigen  Maßen 
(Bakchien,  Kretiker  u.  dgl.)  und  oft  mit  wirklichem  Wohlklang. 
Der  reiche  Nachlaß  des  Plautus,  den  uns  ein  günstiges  Geschick 
gerettet  hat,  ist  deshalb,  ganz  abgesehen  von  seiner  literarischen 
Bedeutung,  auch  für  die  Geschichte  der  Sprache  von  hervorragender 
Wichtigkeit. 

1.  Zur  Charakteristik  des  Plautus  zB.  Lessing,  sämtl.  Werke  3,  1  Lachm., 

12* 


180  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

Mommsen,  RG.  l6,  901.  2,  432.  Musterung  der  einzelnen  Stücke  in  Ritschls 
op.  2,  732  (von  Frauenhand).  LKlein,  Gesch.  d.  Dramas  2,  480.  Hauptarbeit 
FLeo,  Plautinische  Forschungen  2Berl.  1912.  Denecke,  zur  Würdigung  des 
PI.,  Dresden  1911. 

2.  Unter  den  Alten  übertreibt  Cicero  die  Bewunderung  (wenn  er  off. 
1,  104  dem  PI.  das  iocandi  genus  elegans,  urbanum,  ingeniosum,  facetum  auf 
gleicher  Linie  mit  den  Attikern  zuschreibt;  Apoll.  Sidon.  23,  148  gar:  Graios, 
Flaute,  sales  lepore  transis),  Horaz  aber  die  Kritik  (vom  Standpunkte  des 
Kunstdichters)  E.  1,  1,  170  (hier  zB.  gestit  enim  [Plautus]  nummum  in  loca- 
los  demittere,  post  hoc  securus,  cadat  an  recto  stet  fabula  talo).  1,  3,  270. 
S.  Ritschl,  neue  plautin.  Exkurse  1,  122;  op.  3,  156.  In  der  augusteischen 
Zeit  priesen  die  Verehrer  der  altlateinischen  Dichter  seine  Lebendigkeit  und 
Raschheit,  die  sie  mit  der  des  Epicharmos  verglichen,  wohl  damit  zugleich 
seine  vielfache  Formlosigkeit  beschönigend;  über  dieses  vielfach  mißver- 
standene properare  ad  exemplar  Epicharmi  (Hör.  E.  2,  1,  57)  vgl.  Aristoph. 
Eccl.  583  mg  tb  xct%vv£iv  ^agitcov  jxsr£^£t  7iXsiatov  itccgcc  toloi  ftecctalg  und 
ThLadewig,  über  den  Kanon  des  Volc.  Sed.  (1842)  19;  Phil.  1,  276;  auch 
Linge,  de  Plauto  properante  ad  ex.  Ep.,  Ratibor  1827.  Leo,  GRL.  1,  134. 
Flüchtig  ist  PI.'  Verfahren  bei  der  Kontamination ;  er  bemüht  sich  nicht  all- 
zu sehr,  die  sachlichen  Widersprüche  zwischen  den  benutzten  Originalen  zu 
tilgen,  so  daß  man  diese  meist  leicht  herauskennt,  und  verzichtet  oft  dar- 
auf, ein  künstlerisches  Ganzes  herzustellen  (Stich.).  WWalther,  de  contam. 
ap.  PL  et  Ter.  Jena  1910.  Über  Breite  des  Ausdrucks  und  Wiederholung 
desselben  Gedankens,  die  nur  zum  Teil  aus  Schauspielerinterpolation  her- 
zuleiten ist,  s.  Langen,  Stud.  1;  sie  ist  besonders  auffällig  in  den  Cantica, 
wo  die  Musik  zur  Variation  verführt  haben  mag.  Kellermann,  de  PI.  sui 
imitatore,  Comment.  Jenens.  7,  127. 

3.  Abfassungszeit  der  Stücke.  Windischmann,  RhM.  1  (1833),  110.  FRitter, 
Allg.  Schulztg.  1830,  873.  Petersen,  ZfAW.  1836,  615.  Vissering,  quaest.  Plaut. 
1,  (Amst.  1842)  94.  Ritschl,  Parerga  177.  353  u.  sonst.  Die  Häufigkeit  der 
Cantica  gibt  kein  sicheres  Indizium,  da  PI.  hier  von  den  jedesmal  in  seiner 
Truppe  vorhandenen  Sängern  abhängig  war.  S.  das  Besondere  bei  den  ein- 
zelnen Stücken  §  97. 

4.  Verhältnis  zu  den  griech.  Originalen:  in  der  Handlung  und  überhaupt 
im  Sachlichen  meist  enger  Anschluß,  der  sich  oft  in  der  Beibehaltung  solcher 
Anspielungen  bekundet,  die  das  römische  Publikum  gar  nicht  verstehen  konnte. 
Dazu  gehört  namentlich  die  meist  scherzhafte  Polemik  gegen  andere  Komö- 
diendichter wie  Capt.  55.  1029.  Merc.  3.  Pseud.  1081.  1239.  MRichter,  Comm. 
Jenens.  11,  2,  18.  Daß  den  Zuschauern  griechische  Stücke  vorgeführt  werden 
sollen,  zeigt  schon  die  Bezeichnung  des  Römischen  durch  das  Wort  barba- 
rus,  zB.  Asin.  12  Demophüus  scripsit,  Plautus  vortit  barbare,  vgl.  Trin.  19. 
Thes.  L.  L.  2,  1735.  Die  griechische  Färbung  des  Originals  bleibt  in  den 
Namen,  im  Ort  der  Handlung,  in  den  Sitten  usw.  geflissentlich  gewahrt;  die 
Ungebundenheit  des  Sklavenlebens,  ohne  die  zB.  die  ganze  Handlung  des 
Persa  unmöglich  wäre,  wird  Stich.  446  entschuldigt:  atque  id  ne  vos  mire- 
mini,  hominis  servolos  potare  amare  atque  ad  cenam  condicere:  licet  haec  Athe- 
nis  nobis.  Vgl.  Cas.  67 — 77.  Aber  ein  plötzliches  Herausfallen  aus  der  grie- 
chischen Welt,   meist  nur  in  wenigen  Worten  und  Wendungen,  nimmt  der 


§  98.  Plautus  (Allgemeines)  181 

Dichter  nicht  schwer  und  spricht  unbedenklich  von  legio,auspicium,magister  cu- 
riae  udgl.  Im  Formalen  und  Sprachlichen  wahrt  sich  PI.  größere  Freiheit  gegen- 
über den  Originalen;  doch  sind  Anspielungen  des  PI.  selbst  auf  bestimmte 
Zeitgenossen  (§  95,  3)  oder  gleichzeitige  Ereignisse  selten,  häufiger  lokalita- 
lische, zB.  Mil.  648  post  Epliesi  sum  natus,  non  enim  in  Apulis,  non  sum 
Animulas.  WABecker,  de  com.  Rom.  maxime  Plaut.  (Lps.  1837)  82.  Ritschl, 
Parerga  271.  VFritzsche,  de  graecis  fontibus  Plauti,  Rost.  1845.  AKiessling, 
anal.  Plaut.  1,  14.  2,  9.  MSchuster,  quomodo  PI.  Attica  exemplaria  trans- 
tulerit,  Greifsw.  1884.  FGroh,  quom.  PI.  poetas  Graecos  secutus  sit,  Prag 
1892.  FOstermayer,  de  historia  fabulari  in  com.  PI.,  Greifsw.  1884.  Keseberg, 
quaest.  PI.  et  Ter.  ad  religionem  spectantes,  Lps.  1884.  Hubrich,  de  diis  Plaut, 
et  Ter.,  Königsb.  1883. 

5.  Die  auffallendste  Abweichung  von  den  Originalen  liegt  in  der  Zu- 
fügung  der  Gesangspartien  (§  16,  5).  Sie  sind  ganz  ungleichmäßig  über  die 
Stücke  verteilt ;  während  der  Miles  gar  keine  enthält,  singen  in  Bacch.  Cas. 
Most.  Pseud.  Truc.  fast  alle  Personen  (A.  3).  Metrisch  knüpfen  sie  nicht  an 
die  alte  Chorlyrik  an,  sondern  an  die  Technik  des  jüngeren  Dithyrambos, 
die  wir  zuerst  bei  Euripides  ins  Drama  eindringen  sehen  und  die  in  den 
hellenistischen  Hilarodien  und  Magodien  wie  dem  Grenfellschen  Liede  (fDes 
Mädchens  Klage'  vWilamowitz,  Gott.  gel.  Nachr.  1896,  209)  fortlebt.  An  die 
Stelle  der  Responsion,  die  ganz  aufgegeben  wird,  tritt  die  Gliederung  in  me- 
trische Perioden,  die  sich  dem  Gedankengange  anschließt.  Auch  die  Maße 
sind  andere  als  in  der  Chorlyrik,  zB.  Logaöden  kommen  höchstens  vereinzelt 
vor  (Leo,  RhM.  40,  196);  einzeln  finden  sie  sich  alle  schon  in  jener  Zeit, 
aber  ihre  häufige  und  stichische  Verwendung  (besonders  der  Bakcheen)  ge- 
hört der  hellenistischen  Zeit  an.  Ob  PI.  seine  Cantica  unmittelbar  aus  der 
Lyrik  und  nicht  vielmehr  aus  den  Couplets  der  Posse  (§  8,  11)  entlehnt  und 
ob  er  die  vorgefundenen  Formen  selbständig  weiterbildet,  ist  eine  offene 
Frage.  Vgl.  A.  10.  Inhaltlich  sind  diese  Partien  nur  zum  Teil  lyrisch,  durch- 
weg aber  bedeuten  sie  Ruhepunkte  in  der  Handlung;  sprachlich  fallen  sie 
durch  große  Breite  des  Ausdrucks  auf.  Leo,  d.  plautin.  Cantica  u.  d.  hellenist. 
Lyrik,  Abh.  Gott.  Ges.  NF.  1,  Berl.  1897. 

6.  Häufig  sind  die  Anspielungen  auf  das  Kriegswesen  und  Juristisches: 
Kampmann,  res  militares  PI.,  Bresl.  1839.  Wollner,  die  auf  das  Kriegswesen 
bezügl.  Stellen  bei  PI.  u.  Ter.,  Landau  1892.  1901.  Romeijn,  loca  nonnulla 
PI.  iure  civili  illustrata,  Daventr.  1836.  IBekker,  de  emptione  venditione 
quae  Plauti  fabulis  fuisse  probetur  (Berl.  1853);  Loci  Plautini  de  rebus  cre- 
ditis,  Greifsw.  1861;  ZSavSt.  13,  53.  Demelius,  ZfRechtsgesch.  1  (1862),  351. 
2,  177.  Sehr  häufig  sind  Ausdrücke  der  römischen  Rechtssprache,  die  oft  die 
Erkenntnis  verdunkelt  haben,  daß  die  geschilderten  Rechtsverhältnisse  grie- 
chisch sind.  Eine  Ausnahme  machen  die  Klagen  über  die  schlimmen  Klienten 
Men.  571  ff.  ECosta,  il  diritto  privato  neue  com.  di  PI.,  Turin  1890.  Bernard, 
le  droit  .  .  dans  le  theatre  de  PI.  et  de  Ter.,  Lyon  1900.  Partsch,  Herrn. 
45,  595.  Fredershausen  ,  de  iure  Plautino  et  Terentiano,  Gott.  1906;  Herrn. 
47,  199.  Vgl.  §  48,  3.  Lorenz  Pseud.  S.  28.  —  Das  römische  Geld  erwähnt  PI. 
nirgends:  s.  WChrist,  JJ.  97,  345.  (Über  Men.  1161  quinquagensiens  s.  Schwabe 
ebd.  105,  418).  Über  die  nummi  plumbei  bei  PI.  Benndorf,  ZöG.  26,  611. 
Vgl.  auch  Geppert,  das  plaut.  Münzwesen,  Plaut.  Studien  1,  41. 


182  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

7.  Tatsächliche  Widersprüche,  Inkonsequenzen,  Unwahrscheinlichkeiten, 
Nachlässigkeiten  sind  bei  PI.  nicht  selten  und  machen  ihm  wenig  Beschwer; 
sie  sind  nur  zum  Teile  durch  Annahme  von  Kontamination  (A.  2)  oder  spä- 
terer Überarbeitung  zu  erklären  oder  zu  entschuldigen;  vieles  davon  enthielten 
schon  die  Originale.  S.  Geppert,  plaut.  Stud.  1,  61.  PLangen,  Berl.  Stud.  5, 
89.  —  Am  meisten  gelingt  Plautus  die  Schilderung  von  Personen  der  nied- 
rigen Volksklasse,  wie  Sklaven,  Parasiten  udgl.  Die  ungünstige  Anschauung 
vom  weiblichen  Geschlechte  ist  allgemein  verbreitet,  namentlich  aber  jung- 
attisch und  aus  den  Originalen  mit  entlehnt.  Benoist,  de  personis  mulie- 
bribus  apud  PL,  Marseille  1862.  —  EBertin,  de  Plautinis  et  Terent.  ado- 
lescentibus  amatoribus,  Paris  1879. 

8.  Plautinische  Sprache  (s.  auch  §  111,  6;  Wörterverzeichnisse,  Lexika  s. 
§  99,  11):   Auswahl.  GLodge,  Lexicon  Plaut.,  1,  1 — 7  (bis  Herde),  Lpz.  1901 
— 14.    Lindsay,   syntax  of  PL,  Oxf.  1907.    GSchmilinsky,  de  proprietate  ser- 
monis  PL  usu  linguarum  romanicarum  illustrato,  Halle  1866.    PLangen,  Beitr. 
z.  Krit.  u.  Erkl.  des  PL,  Lpz.  1880.  Leo,  Analecta  Plautina  de  figuris  sermonis, 
Gott.  1896.    1898.   1906  III.    Charakteristik   d.  Plaut.  Spr.  zB.  Ribbeck,  röm. 
Dicht.  1,  119.  —  HPloen,  de  copiae  verborum  differentiis  inter  varia  poesis 
genera  intercedentibus  (Diss.  Argent.  7,  233).    EBallas,  grammatica  PL,  Berl. 
1884  IL    HRassow,  de  PL  substantivis   (mit  Index  aller  Stellen),  JJ.  Suppl. 
15,  589.    Allardice-Junks,  Index  of  the  Adv.  of  PL,  Oxf.  1913.    ALuchs,  Ge- 
netivbildung der  lat.  Pronom.,  in   Studem.  Stud.  1,  Heft  2.    FSchmidt,   der 
Plur.  des  Pron.  mc  bei  PL  u.  Ter.,  Herrn.  8,  478;  de  pronominum  demonstrat. 
formis  Plaut.,  Berl.  1875  (vgl.  Stüdemund,  JJ.  113,  57).    JBach,  de  usu  pronom. 
demonstr. ,  Studem.  Stud.  2,  145.    WNiemöller,  de  pronom.  ipse  et  idem  ap. 
PL  et  Ter.,  Halle  1886.    AMahler,  de  pronominum  personal,  ap.  PL  colloca- 
tione,  Greifsw.  1876.    WKämpf,  de  pronom.  person.  usu  et  colloc.  (Berl.  Stud. 
3,  2).  —  Thulin,  de  coniunctivo  PL,  Lund  1899.   WOlsen,  quaest.  PL  de  verbo 
substantivo,  Greifsw.  1884.    ThMeifart,  de  fut.  exacti  usu  PL,  Jena  1885. 
FCramer,    de   perfecti    coniunctivi   usu   potentiali,   Marb.  1886.    Pradel,   de 
praepos.   in   prisca   Latinitate  vi,  JJ.   Suppl.  26,  463.    HSjögrbn,    de   partic. 
copulativis,  Upsala  1900.    PRichter,   de  usu  particularum  exclamativarum, 
Studem.   Stud.   1,  387.    EBecker,    de    syntaxi    obliquarum    interrogationum, 
Studem.    Stud.    1,    113.      JRotheimer,    de    enuntiatis    condicionalibus    PL, 
Gott.  1876.    CLindskog,  dgl.,    Lund  1895.     OBrugmann,    Gebr.    d.   condicio- 
nalen    ni   in    d.  alt.  Lat.,  Lpz.  1887.    EKellerhof,   de   collocatione    verbo- 
rum   PL,  Studem.    Stud.   2,  47.   —  WAsmus,    de    apposit.   ap.   PL    et  Ter. 
collocatione,  Halle  1891.    Ottenjann,   de  vocum  enclit.  ap.  PL  collocatione, 
Münster  1910.    Leo,  Gott.  gel.  Nachr.  1895.    BGraupner,  de  metaphoris  PL  et 
Ter.,  Bresl.  1874.    PLangen,  d.  Metapher  im  Lat.  von  PL  bis  Ter.,  JJ.  125,  673. 
753;  de  execrandi  formulis  PL,  RhM.  12,  426.    Wortmann,  de  comparationi- 
bus  PL  et  Ter.  ad  animalia  spectantibus,  Marb.  1883.    FGoldmann,  d.  poetische 
Personifikation  I  Plautus,   Halle   1885.  —  JSchneider,   de  proverbiis   PL  et 
Ter.,  Berl.  1878.    Pflügl,  d.  Sprichw.  b.  PL  u.  Ter.,  Straubing  1880.    vWvss, 
die  Sprichw.  bei  d.  röm.  Kom.,  Zürich  1889.  —  Forberg,  De  salutandi  for- 
mulis PL  et  Ter.,  Lpz.  1913. 

9.  Über  den  von  Plautus  vorgefundenen  und  in  seinen  Versen  sich  ab- 
spiegelnden Zustand  der  Sprache  s.  §  93.    Man   darf  den  Einfluß  des  Vers- 


§  98.  Plautus  (Sprache  und  Metrik)  183 

maßes  nicht  außer  acht  lassen,  der  namentlich  am  Versschlusse  und  vor  der 
Diaerese  die  Wahl  von  Tempus,  Modus,  archaischen  Worten  und  Formen 
veranlaßt  (Noetzel,  de  archaismis  .  .  in  finibus  versuum.  Berl.  1908.  Lorenz 
zu  Pseud.  278).  Ferner  ist  zu  beachten,  daß  PI.  vieles  veraltete  Sprachgut 
aufnimmt,  wie  die  Abi.  auf  d,  die  Genit.  auf  ai,  Formen  wie  his,  Ulis,  istis 
(Genet.),  die  z.  T.  nur  der  Vermeidung  des  Hiatus  dienen.  Auch  die  Bei- 
behaltung alter  Quantitäten  wie  diät  percipit  egö  nisi  uxore  dient  teilweise 
der  metrischen  Bequemlichkeit.  Leider  versagt  Neue- Wageners  Formenlehre 
für  PL  ganz;  vgl.  Seyffert,  Berl.  phil.  Woch.  22,  530. 

Schon  die  ciceronische  Zeit  verstand  die  plautinische  Metrik  nicht  mehr 
vollständig:  Cic.  or.  152  nobis  ne  si  cupiamus  quidem  distrahere  voces  (=  Hiat 
zulassen)  conceditur  .  .  .  indicant  omnes  poetae  praeter   eos  qui,  ut  versum 
facerent,  saepe  liiabant,  ut  Naevius.    Lange  legte  man  den  Maßstab  der  völlig 
entwickelten  Literatursprache  und  der  griechischen  Metrik  an  die  Leistungen 
des  Plautus  und  wurde  so   gegen  ihn  ungerecht.    Erst   die  geschichtliche 
Betrachtung  der  lateinischen  Sprache  ermöglichte  hier  richtigere  Einsicht, 
die  in  Plautus  ebenso  einen  Meister  der  Sprache  wie  einen  geschickten  und 
vielseitigen  Verskünstler  anerkennt.    Die  späteren  Anschauungen  von  Ritschl, 
op.  4,  400  (vgl.  2,  444.  600)   bezeichneten   schon   einen   Fortschritt  über   das 
ältere  in  den  Proleg.  zum  Trin.1  (Bonn  1848,  wiederabgedr  op.  5,  285)  dar- 
gelegte System:  dazu  WCorssen,  Ausspr.,  Vokal,  u.  Beton,  d.  lat.  Spr.  2,  400. 
Die  neuere  Forschung  ist   aber   auch  darüber  erheblich   hinausgekommen, 
vgl.  CFWMüller,  plautin.  Prosodie,  Berl.  1869;  Nachträge  dazu,  Berl.  1871. 
Skutsch,  Plautinisches  u.  Romanisches,   Lpz.  1892;   kl.  Sehr,  passim.    Brix, 
Einl.  z.  Trin.  (31879),  S.  13.    Hauler,  Einl.  zu  Ter.  Phormio  *41.   Lindsays  Einl. 
zu  Capt.    HKoehler,  de  accentus  cum  numerorum  rationibus  in  troch.  sept. 
Plautinis   consociatione ,  Halle  1877.    OBrugmann,  quaemadmodum  in  iamb. 
senar.  Romani  verb.  accent.  cum  num.  consociarint,  Bonn  1874.    Hingst,  de 
spondeis  et  anap.  in  antepaenult.  pede,  Lpz.  1904.    WHumphreys,   influence 
of  accent  in  latin.  iamb.  trim.,  Americ.  philol.  associat.  1876,  1.    MFrancken, 
Woord-   en   Versaccent   bij  PL,  Versl.  en    Mededeel.  2,  4  (Amsterd.  1873). 
WMeyer,  d.  Beachtung  des  Wortaccents  in  d.  altlat.  Poesie,  Abh.  bayr.  Akad. 
17,  1  (1884).    Hoischen,   de  verb.   acc.  in   versib.   Plaut,   observato,   Münster 
1914.    ALuchs,   commentat.  prosod.  lat.   Erl.  1883.  84  II,    Marx,   zwei  Aus- 
lautsgesetze d.    iamb.    troch.    Verse,   Lpz.    Ber.    1907,  129.     Über   den  Hiat 
EBelow,  de  hiatu  PL,  Berl.  1885.    EKrawczynski,  dgl.,  Bresl.  1906.    HJacob- 
sohn,  Quaest.  Plautinae,  Gott.  1894.    Jachmann,  Studia  prosodiaca,  Marb.  1912. 
10.  RKlotz,  Grundzüge  altröm.  Metrik,  Lpz.  1890.    Leo,  d.  Plautin.  Can- 
tica  (A.  5,  grundlegend).    Sudhaus,  d.  Aufbau  d.  Plaut.  Cant.,  Lpz.  1909  (da- 
zu Leo,   Gott.  gel.  Anz.  1911,  65).    Studemund,   de  canticis  PL,  Halle  1863. 
FRitschl,  op.  3,  1.  144;   proleg.  ad  Trin.1  u.  sonst.    ASpengel,   de  versuum 
cretic.  usu  PL,  Berl.  1861 ;  Reformvorschläge  z.  Metr.  d.  lyr.  Versarten  b.  PL, 
Berl.  1882   (vgl.  §  99,  13).    OSeyffert,   de  bacchiac.  versuum  usu  PL,  Berl. 
1864.    Sonnenburg,  de  vers.  PL  anapaest.  in  Exercitationis  grammaticae  spec. 
(Bonn  1881)  16.    Audouin,  de  PL  anapaestis,  Paris  1898.    PMohr,  de  iambico 
ap.  PL  septenario,  Lps.  1873.    Ahlberg',   de  proceleusm.  iamborum  trochae- 
orumque,  Lund  1900.    Wengatz,  de  PL  senariorum  compos.  artificiosa,  Marb. 
1910.    ALuchs,  quaest.  metr.  Plaut,  in  Studem.  Stud.  1,  1.  —  Über  das  Ver- 


184  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

hältnis  von  Satz  und  Vers  Appuhn,  Quaest.  Plaut.,  Marb.  1893.  Wiebe,  de 
versus  sententiaeque  concinnitate,  Gott.  1909.  Linpinsel,  Quaest.  Plaut.,  Mün- 
ster 1913.  —  RKlotz,  zur  Alliteration  u.  Symmetrie  bei  PL,  Zittau  1876. 
JBaske,  de  alliterationis  usu  PI.,  Königsb.  1884.  ORäbel,  de  usu  adnomi- 
nationis  ap.  Rom.  poet.  com.,  Halle  1887.    FLeo,  RhM.  40,  2.    Oben  S.  1583. 

99.  Die  plautinischen  Stücke  erhielten  sich  auch  nach  dem  Tode 
des  Dichters  einige  Zeit  auf  der  Bühne,  und  für  Wiederaufführungen 
sind  die  Prologe  teilweise  umgearbeitet.  Erst  später  wurde  Plautus 
nach  Sprache  und  Inhalt  Gegenstand  gelehrter  Behandlung,  ganz 
besonders  durch  Varro.  Der  Text  der  Stücke  ist  uns  in  zwei  Re- 
zensionen überliefert,  deren  eine  in  dem  Ambrosianischen  Palim- 
pseste  (A),  die  andere  hauptsächlich  in  den  sog.  Pfälzer  (Palatini) 
Handschriften  (BC)  erhalten  ist. 

1.  Die  Wiederaufführungen  der  plautinischen  Stücke  verursachten  ohne 
Zweifel  manche  Schädigung  des  ursprünglichen  Textes,  der  daher  schon 
früh  verdorben  war  (A.  10):  doch  hat  man  ihnen  in  jüngster  Zeit  (s.  die 
Literatur  bei  den  einzelnen  Stücken  §  97)  zu  viel  aufgebürdet,  indem  man 
mit  einer  gewissen  Ausschließlichkeit  die  wirklichen  oder  vermeintlichen 
Fehler  der  Stücke  in  Komposition  und  sprachlicher  Darstellung  aus  späteren 
zum  Behuf  von  Wiederholungen  veranstalteten  Neubearbeitungen  (retracta- 
tiones)  herleitete.  PLangen,  Berl.  Stud.  5,  1.  Deutlich  sind  vielfach  Abkür- 
zungen solcher  Szenen,  die  für  den  Fortschritt  der  Handlung  wenig  be- 
deuteten; vgl.  Seyffert,  Berl.  Woch.  1887,  781.  Leo,  Gott.  gel.  Nachr.  1902, 
377  u.  a. 

2.  Über  die  Prologe  s.  §  16, 10.  PI.  erweitert  die  Prologe  seiner  Originale 
gern  durch  breite  Witzeleien  und  ausführliche  Darlegungen,  die  für  den  da- 
maligen Bildungsstand  seines  Publikums  nicht  überflüssig  waren.  Aber  die 
Meinung  vom  späteren  Ursprünge  der  Prologe,  die  Ritschl,  Pärerga  209. 
225.  233.  RLiebig,  de  prol.  Terent.  et  Plautinis,  Görlitz  1859.  CDziatzko,  de 
prologis  PI.  et  Ter.,  Bonn  1864;  die  plaut.  Prologe,  Luzern  1867  vertraten, 
ist  abzuweisen;  vgl.  Trautwein,  de  prolog.  Plaut,  indole,  Berl.  1890  u.  bes. 
Leo,  PF.  188.  Namentlich  ist  die  Meinung  irrig,  daß  alle  ein  Sitzen  der 
Zuschauer  voraussetzenden  Stellen  aus  späterer  Zeit  stammen;  FBauer,  Quaest. 
scaenicae  PI.,  Straßb.  1902.  Doch  sind  einige  spätere  Zusätze  kenntlich,  zB. 
Cas.  Y.  5—20.    Cist.  V.  125—132. 

3.  Metrische  Inhaltsangaben  (argumenta)  zu  den  plaut.  Stücken  haben 
wir  zweierlei:  1)  akrostichische  (zu  allen  Stücken  außer  Bacch.),  nur  in 
den  Palatini  erhalten.  2)  nicht-akrostichische.  Beide  ahmen  Plautus* 
Sprache  und  Verskunst  nach  und  stammen  wohl  von  einem  Zeitgenossen 
des  C.  Sulpicius  Apollinaris  (§  357,  2),  nicht  aus  der  Blütezeit  der  Plautus- 
studien  um  100  v.Chr.  Vgl.  Ritschl  zum  Trin.  *  p.  cccxvi;  op.  2,  404.  Osann, 
ZfAW.  1849,  199.  Studemund,  commentat.  Mommsen.  803.  Opitz,  Lpz.  Stud. 
6,  204.  234.    Klotz,  JJ.  143,  829. 

4.  Verzeichnisse  (indices)  der  (echten)  plautinischen  Stücke  nach  Gell. 
3,  3,  1  von  L.  Accius,  Aelius  (Stilo),  Aurelius  Opilius,  Volcacius  Sedigitus, 
Serv.  Clodius,   Manilius  (§  158,  1)   und  Varro;   s.  d.  und  §  96,  4.    Die   maß- 


§  99.  Plautus:  Fortleben  und  Überlieferung  185 

gebende  Ausgabe,  auf  die  unsere  gesamte  Überlieferung  zurückgehe,  schreibt 
Leo,  PF.  23  dem  Probus  zu;  doch  sind  die  Varianten  älter  und  es  haben 
sich  wohl  schon  früh  mehrere  Texte  gekreuzt.  Seyffert,  Berl.  Woch.  1896, 
234.  Über  die  falsche  Hypothese  von  Lindsay,  the  anc.  editions  of  PL,  Oxf. 
1904  s.  Leo,  GGA.  1904,  359.  Vgl.  A.  9.  —  Kommentatoren  des  PI.  waren 
Sisenna  und  Terentius  Scaurus.   Ritschl,  Parerga  374;  unten  §  156,4.  352.  1. 

5.  Einzelheiten  des  plautinischen  Sprachschatzes  erläuterten  die  Glosso- 
graphen  Aurelius  Opilius,  Ser.  Clodius,  sowie  Aelius  Stilo,  Flavius  Caper, 
Arruntius  Celsus.  Ritschl,  de  veteribus  Plauti  interpretibus ,  in  s.  Parerga 
357.  Reste  ihrer  Arbeiten  finden  sich  in  den  glossae  Placidi  und  anderen 
Glossensammlungen.  S.  Ritschl,  op.  3,  65.  GLöwe,  Prodomus  corp.  gloss.  lat. 
254;  vgl.  §42,  5.  6.  Über  die  bei  Nonius  benützten  Plautus-Kommentare  vgl. 
Schottmüller,  symb.  philol.  Bonn.  8£3.  Überhaupt  über  die  Plautus-Zitate 
bei  Festus-Paulus  s.  §  261,  8,  bei  Nonius  404  a,  4.  WSchulte,  de  Prisciani 
locis  Plautinis,  Jena  1910.  Über  die  indirekte  Überlieferung  im  allgemeinen 
Lindsay,  anc.  edit.  (A.  4)  2. 

6.  Ein  altes  vor  der  Zeit  Friscians  verfaßtes  plautinisches  Glossar  s.  bei 
Ritschl,  op.  2,  234;  vgl.  ebd.  228.  237.    ASpengel,  Plautus  50. 

7.  Im  Mittelalter  war  Plautus  kaum  bekannt.    RPeiper,  Archiv  f.  Lit.- 
Gesch.  5,  495;  RhM.  32,  516.    Auch  Hrotswitha  von  Gandersheim,  die  Nach- 
ahmerin des  Terenz  (um  J.  960),  kennt  den  Plautus  nicht:  s.  MHaupt,  op.  3, 
587.  —  Im  Anfang  des  15.  Jahrh.  waren  die  12  letzten  plautin.  Stücke  (Bac- 
chides  bis  Truculentus,  s.  §  97)  verschollen.    Bekannt  waren  nur  die  acht 
ersten  (Amphitruo  bis  Epidicus);  diese  waren  in  sehr  vielen  Hss.  verbreitet, 
zwar  in  verschiedener  Ordnung,  aber  alle  wesentlich  in  der  alphabetischen 
(Ritschl,  op.  2,  236).    Verzeichnis  von   43   erhaltenen  Hss.   der  ersten   acht 
Stücke   (alle  s.  XIV/XV)  bei  Götz,   symb.  crit.  22.    Von   den   letzten   zwölf 
wurde  in  Deutschland  durch  Nikolaus  von  Trier  (über  ihn  GVoigt,  Wiederbel. 
d.  klass.  Altert.  I3,  257)   um  1428   eine  Handschrift  aufgefunden   (in  Italien 
zuerst  im  Besitz  des  Kardinals  Oisini,  jetzt  Vatic.  3870  s.  XII,  D  bei  Ritschl, 
s.  dessen    op.  2,  19;  Faksimile  bei  Chatelain,  paleogr.  d.  classiq.  lat.  T.  4), 
die  aber   außerdem  noch  die  drei  ersten  Stücke  Amph.  Asin.  Aul.  und  die 
erste  Hälfte  des  vierten  Stücks,  der  Captivi,  enthält.    Im  16.  Jahrh.  gelangen 
zur  Benutzung  die  beiden  Hss.  des  Camer  arius,  später  in  der  Heidelberger 
Bibliothek  (daher  Palatini),  der  vetus  codex  (B)  s.  X,  der  alle  20  Stücke  ent- 
hält (jetzt  in  Rem,  Vaticanus  1615;  Faksimile  bei  Chatelain  aO.  T.  2),  mit 
wertvollen  Verbesserungen  von  zweiter  Hand  (Lindskog,  de  correcturis  sec. 
manus,  Lund  1900),  und  der  (von  Pareus)  so  genannte  decurtatus  (C)  s.  X/XI, 
der  nur  die  12  letzten  Stücke  noch  enthält  (seit  1815  wieder  in  Heidelberg. 
Faks.  b.  Chatelain  T.  3.  4,  vollständig  in  Codd.  gr.  et  lat.  photogr.  depicti,  5. 
Leiden  1900).    D  stammt  aus  gleicher  Quelle  wie  C.    Der  vorzüglichste  Ver- 
treter der  jetzt  am  besten  in  BC  vorliegenden  Palatinischen  Rezension  (A.  10) 
war   die   von  ATurnebus   benutzte   leider  verschollene  Hs.;   eine  Kollation 
einiger  Stücke  hat  Lindsay  in  der  Bodleiana  gefunden  und  publiziert:   The 
cod.  Turn,  of  PI.,  Oxf.  1898;  Phil.  Suppl.  7,  119.    Vgl.  Norden,  Gott.  Gel.  Anz. 
1899,  584.    Über  andere  Hss.  vgl.  die  Vorreden  von  Götz-Schöll. 

8.  Im  Laufe    des  15.  Jahrh.  wurde   in  Italien,    wahrscheinlich   auf  An- 
regung von  Alfons  I.  in  Neapel  (reg.  seit  1435),  ein  dem  damaligen  Bedürf- 


186  Republikanische  Zeit:  J.  240—34  v.  Chr. 

nis  und  Geschmack  entsprechender  Text  der  20  Stücke  in  höchst  eigen- 
mächtiger und  kenntnisloser  Weise,  mit  unzähligen  willkürlichen  Änderungen 
hergestellt  und  in  zahlreichen  Exemplaren  verbreitet.  Der  Urheber  dieses 
Textes  war  vielleicht  Antonio  Beccadelli  aus  Palermo:  s.  über  ihn  Voigt, 
Wiederbel.  d.  klass.  Altert.  I2,  480  und  über  seine  Plautusstudien  Schepss, 
BlbayrGW.  16,  97.  Lejay,  RPh.  16,  39.  Zu  jenen  interpolierten  Hss.  gehört 
der  Lipsiensis  (F).  Vgl.  Ritschl,  op.  2,  23;  und  über  die  Hss.  des  Camera- 
rius  ebd.  103.  125.  3,  80.  105.  5,  59.  Ausg.  d.  Trin.2  p.  vm.  —  Über  die  Ein- 
wirkung des  PI.  auf  das  Renaissancedrama  ReinhakdstÖttner,  Plautus,  Lpz. 
1886. 

9.  Jenen  Hss.  allen,  die  aus  demselben  Archetypus  stammen  (daher  auch 
dieselben  Lücken  und  Verderbnisse  zeigen,  zB.  Trin.  944 — 948),  steht  gegen- 
über das  aus  Bobbio  stammende  Palimpsest  der  Ambrosianischen  Bibliothek 
zu  Mailand  (cod.  Ambros.  G  32  sup.  s.  IV/V),  das  freilich  7  Stücke  gar  nicht 
und  die  anderen  zum  Teil  sehr  lückenhaft  enthält.  Vgl.  AMai,  M.  Acci  Plauti 
fragmenta  inedita  etc.,  Mediol.  1815  (auch  bei  Osann,  Anal.  crit.  p.  205).  Fak- 
simile in  Zangemeister- Wattenbach  ,  Ex.  codd.  latt.  T.  6  und  bei  Chatelain 
aO.  T.  1.  Nach  Mai  haben  besonders  Ritschl,  Loewe  und  Studemund  die 
Hs.  gelesen:  maßgebend  ist:  Codicis  Ambr.  apographon  confecit  Studemund, 
Berl.  1889.  Doch  zeigt  schon  der  gleiche  Inhalt  der  beiden  Rezensionen,  die 
gleiche  Reihenfolge  im  Buchstaben  C  (Curculio  zwischen  Capt.  und  Casina) 
und  die  Übereinstimmung  in  vielen  Korruptelen,  daß  sie  beide  auf  eine  Aus- 
gabe zurückzuführen  sind,  deren  Text  sich  freilich  mit  anderen  ausgeglichen 
hat  (A.  4).    Leo,  PF.  Kap.  1. 

10.  Gegenüber  der  im  Ambr.  vorliegenden  Textrezension  behauptet  die 
oft  stark  abweichende  Rezension  der  Palatini  entschieden  hohen  selbstän- 
digen Wert,  wenn  auch  dieser  zuungunsten  des  Ambr.  in  neuester  Zeit  wohl 
überschätzt  worden  ist,  zB.  von  Ritschl  z.  Trin.2  p.  xi;  op.  3,  791.  AFleck- 
eisen,  JJ.  101,  709.  BBaier,  de  PI.  fab.  recensionibus,  Bresl.  1884  (dazu 
OSeyffert,  BerlphWoch.  1886,  716).  ELeidolph,  comment.  Ienens.  2,  208.  In 
gewissen  Formeln  ist  die  Verschiedenheit  der  beiden  Rezensionen  fast  ste- 
reotyp; Studemund,  RhM.  21,  606.  Dubletten  verraten  sich  manchmal  durch 
Fehlen  in  der  einen  Klasse;  vgl.  Bacch.  540.  Merc.  555.  Stich.  48.  Coulter, 
Retractatio  in  the  Ambr.  and  Pal.  Recensions,  Bryn  Mawr  1911.  Sicker, 
Quaest.  Plaut,  ad  orig.  duarum  recens.,  Berl.  1906;  Phil.  Suppl.  11,  179.  Vgl. 
FSchöll,  divin.  in  Truc,  Lpz.  1876.  Niemeyer,  de  PL  fab.  recensione  duplici, 
Berl.  1877.  Über  Alter,  Entstehung  und  gegenseitiges  Verhältnis  der  beiden 
Rezensionen  Vermutungen  bei  Leidolph  aO.  210.  Lindsay  (A.  4).  Die  indi- 
rekte Überlieferung,  zB.  die  bei  Nonius,  liefert  den  Beweis,  daß  viele  Fehler 
sehr  alt  sind;  kein  Wunder,  da  der  Text  z.  T.  auf  Bühnenexemplaren  be- 
ruhte und  von  Gelehrten  emendiert  wurde,  die  die  alte  Sprache  und  Metrik 
nicht  mehr  verstanden.  Skutsch,  Sehr.  134.  —  Spärliche  Reste  stichometri- 
scher  Notizen  im  Trin.  und  Truc:  Ritschl  z.  Trin.2  p.  lxv  und  Dziatzko, 
JJ.  127,  61. 

11.  Kritische  Geschichte  der  Ausgaben  und  des  Textes  des  Plautus  (bis 
auf  Bothe)  von  Ritschl,  op.  2,  1.  Erste  Benutzung  der  späteren  PfälzerHss. 
durch  ihren  Besitzer  Joach.  Camerarius  (Kammermeister):  von  ihm  seit  1530 
Einzelausgaben;   die  vollständige  Ausgabe  zu  Basel   1552;   Nachtrag   dazu 


§  99  Plautus  (Handschriften  und  Ausgaben)  187 

1553;  s.  über  Camerarius'  Plautusausgaben  Ritschl,  op.  3,  67  u.  Götz,  RhM. 
41,  629.  DLambins  Commentar  (und  Text)  erschien  Par.  1576,  FTaubmanns 
Commentar  Wittenb.  1605,  dann  (mit  reicheren  Angaben  aus  den  seitdem 
nach  Heidelberg  gelangten  Hss.  des  Camerarius  u.  a.)  1612,  am  besten  (ex 
recogn.  Iani  Gruteri)  1621.  —  Ed.  PhPareus,  Francof.  1610;  mit  der  für  ihre 
Zeit  vortrefflichen  Varianten  Sammlung  aus  den  Pfälzer  Hss.  Neapoli  Neme- 
tum  (Neustadt  i.  d.  Pfalz)  1619  =  Francof.  1623,  und  (ohne  die  Varianten- 
sammlung, aber  mit  vollständigerer  Aufzählung  der  Fragmente)  Francof. 
1641.  Desselben  Pareus  lexicon  Plautinum,  2Hanoviae  1634.  —  Ex  rec.  Guieti 
ed.  (unzuverlässig)  deMarolles,  Par.  1658  (s.  Benoist,  le  Piaute  de  FGuyet, 
Mel.  Graux,  Par.  1884,  461).  —  Die  weiterhin,  bis  auf  Ritschi,  geltende  Vul- 
gata  (und  Verszählung)  gründete  sich  auf  die  Ausgabe  von  JFGronov  (Leiden 
1664.  1669.  1684;  c.  praef.  Ernesti,  Lps.  1760  II).  —  Ed.  Bothe,  Berl.  1809—11 
IV,  und  Bd.  1  u.  2  der  Poetae  scen.  lat.  Halberst.  1821  =  Stuttg.  1829 f.  IV. 
—  Cum  not.  var.  cur.  JNaudet,  Par.  1830  IV  (Bd.  4  Index).  —  Rec.  interpr. 
est  WWeise,  Quedlinb.  1837.  1847  (mit  Wörterverzeichnis,  davon  ed.  2  1886) 
II,  und  Lpz.  bei  Tauchnitz.  —  Epochemachend:  ex  rec.  et  cum  app.  crit. 
FRitschelii,  Tom.  I  (Prolegomena,  Trin.,  Mil.,  Bacch.).  II  (Stich.,  Pseud.,  Men., 
Most.).  III  (Persa.,  Merc.) ,  Bonn  1848—54.  Gleichzeitig  eine  Textausgabe. 
(Vgl.  Fleckeisen,  JJ.  60,  234.  61,  17.  Bergk,  kl.  Sehr.  1,  1.  29.  106.)  Zweite 
Bearbeitung  begonnen  von  Ritschl,  fortgesetzt  von  GLöwe,  GGötz,  FSchöll, 
I  Trin.  (31884)  Epid.  Cure.  Asin.  Truc.  1871—1881.  II  Aul.  Amph.  Merc. 
Stich.  Poen.  1882—1884.  III  Bacch.  Capt.  Rud.  Pseud.  Men.  1886—89.  IV  Cas. 
Mil.  Pers.  Most.  Cist.  Fragm.  1890 — 94.  Dazu  ed.  minor  von  Götz-Schöll  Lpz. 
1892—96  VII.  —  Ex.  recogn.  AFleckeiseni,  Lps.  1859  II  (10  Stücke).  Rec.  et 
enarr.  LUssing,  Kopenh.  1875 — 1887  V  (z.  T.  in  2.  Aufl.,  mangelhaft).  Recogn. 
FLeo  I  (Amph.  As.  Aul.  Bacch.),  Berl.  1885;  vollständig  Berl.  1895/6  IL  Mit 
kurzem  App.  von  Lindsay,  Oxf.  1904/5  IL  —  Piaute.  Morceaux  choisis  publ. 
par  Benoist,  Paris2  1877.  —  Lexikon  begonnen  von  GLodge  (§  96,  8). 

12.  Deutsche  Übersetzungen :  Köpke,  Berl.  1809.  1826  IL  Rost  (9  Stücke), 
Lpz.  1836;  Rapp,  Stuttg.  1838 ff.;  Hertzberg  (Trin.,  Mil.,  Capt.,  Rud.),  Stuttg. 
1861;  Binder,  Stuttg.  1862  ff.  (Berl.  1905);  Donner,  Heidelb.  1864 ff.  III.  Bardt, 
röm.  Komödien  (8  Stücke),  Berl.  1903—1911  III. 

ALorenz,  Berichte  über  die  PI.  Literatur  seit  1873,  JB.  341  ff.  OSeyffert, 
ebd.  31,  33 ff.  Lindsay,  ebd.  130,  116.  167,  1.  Vgl.  die  sorgfältigen  Angaben 
in  Götz-SchÖlls  ed.  maior. 

100.  Q.  Ennius,  geboren  J.  239  zu  Rudiae  in  Calabrien,  diente 
J.  204  auf  römischer  Seite  in  Sardinien,  wo  ihn  M.  Porcius  Cato 
traf  und  mit  nach  Rom  nahm.  Hier  lebte  auch  er  vom  Unterrichten 
im  Griechischen  und  Anfertigen  von  Übersetzungen  griechischer 
Stücke  für  die  römische  Bühne ,  und  gewann  sich  die  Gunst  des 
älteren  Africanus.  M.  Fulvius  Nobilior  Cos.  189  nahm  den  Dichter 
in  seine  Provinz  Ätolien  mit,  als  Zeugen  und  Herold  seiner  Taten. 
Dessen  Sohn  verschaffte  J.  184  dem  Ennius  das  römische  Bürger- 
recht, indem  er  ihm  als  triumvir  coloniae  deducendae  mit  Geneh- 


188  Republikanische  Zeit:  J.  240-84  v.  Chr. 

migung  des  Volks  ein  Ackerlos  (in  Potentia  oder  Pisaurum)  zuwies. 
J.  169  starb  Ennius  an  der  Gicht. 

1.  Geburtsjahr  bezeugt  durch  Varro,  Gell.  NA.  17,  21,  43  (s.  §  101,  3); 
vgl.  Cic.  Brut.  72.  Tusc.  1,  3;  auch  s.  A.  2.  —  Den  Geburtsort  nennt  der 
Dichter  selbst  A.  377  Nos  sumu'  Bomani,  qui  fuimus  ante  Budini:  vgl.  Cic. 
Arch.  22  Ennium  ....  Budinum  hominem.  Auson.  grammaticom.  17.  Hör. 
C.  4,  8,  20  Calabrae  Pierides.  Ov.  AA.  3,  409  Ennius  .  .  Calabris  in  monti- 
bus  ortus.  Sil.  It.  12,  393  Ennius  .  .  antiqua  Messapi  ab  origine  regis  .... 
Miserunt  Calabri:  Budiae  genuere  vetustae,  Nunc  Budiae  solo  memorabile 
nomen  alumno.  Serv.  Aen.  7,  691  ab  hoc  (Messapo)  Ennius  dicit  se  originem 
ducere.  Suid.  v.  "Evviog'  noiririjs  MsöGartioq.  Wirklich  scheint  der  Name 
messapisch  zu  sein  (Skutsch  aO.  2589).  Also  Rudiae  (heute  Rugge)  bei  Lu- 
piae  (h.  Lecce)  in  Calabrien.  Fälschlich  wird  ein  anderes  Rudiae  bei  Canu- 
sium  in  Apulien  von  Strabo  6,  p.  281  und  Mela  2,  66  als  Heimat  des  Ennius 
angesehen.  Verhandlungen  darüber:  Cocchia,  riv.  filol.  13  (1884),  31-  LMante- 
gazza,  Bergamo  1885.  Tamborrino,  Ostuni  1885.  —  Fest.  293  quam  consue- 
tudinem  {non  geminandi  litter  as,  §  104,  5)  Ennius  mutavisse  fertur,  utpote 
Graecus  graeco  more  usus.  Suet.  gramm.  1  antiquissimi  doctorum,  qui  idem 
et  poetae  et  semigraeci  erant,  Livium  et  Ennium  dico  usw.  Gell.  17,  17,  1 
Q.  Ennius  tria  corda  habere  sese  dicebat,  quod  loqui  graece  et  osce  et  latine 
sciret.  Die  Volkssprache  seiner  Heimat,  das  Messapische,  das  keine  Literatur 
besaß,  nennt  er  hier  nicht:  das  Gebiet  des  Oskischen  reichte  bis  nach  Apu- 
lien und  Lukamen.* 

2.  Corn.  Nep.  Cato  1,  4  praetor  provinciam  obtinuit  Sardiniam ,  ex  qua 
quaestor  superiore  tempore  ex  Africa  decedens  Q.  Ennium  poetam  deduxerat. 
Hängt  damit  Ann.  16  zusammen?  Über  die  Chronologie  vgl.  Leo,  LG.  1, 155. 
Sil.  12,  393  denkt  ihn  sich  als  Centurio,  wir  wissen  nicht  auf  Grund  welcher 
Überlieferung.  Vgl.  Hieron.  z.  Euseb.  Chron.  a.  1777  =  J.  240  Q.  Ennius  poeta 
Tarenti  (Mißverständnis)  nascitur,  qui  a  Catone  quaestore  Bomam  translatus 
habitavit  in  monte  Aveniino  parco  admodum  sumptu  contentus  et  unius  (vgl. 
Cic.  de  or.  2,  276)  ancillae  ministerio  (vgl.  Varro  LL.  5,  163  .  .  ligionem  Por- 
cius  —  Licinus  §  146,  4  —  designat,  quom  de  Ennio  scribens  dicit  eum  co- 
luisse  Tutilinae  loca).    FRitter,  ZfAW.  1840,  370. 

3.  Cic.  Arch.  22  carus  fuit  Africano  superiori  noster  Ennius;  itaque  etiam 
in  sepulcro  Scipionum  putatur  is  esse  constitutus  ex  mar  more.  Liv.  38,  56 
Bomae  extra  portam  Capenam  in  Scipionum  monumento  tres  statuae  sunt, 
quarum  duae  P.  et  L.  Scipionum  dicuntur  esse,  tertia poetae  Q.  Enni.  Vgl. 
Welcker,  Trag.  1360.  Bildnis  des  Ennius  auf  dem  Monnusmosaik  (Ant. 
Denkm.  1  T.  49);  kopflose  Herme  mit  Aufschrift  Q.  Ennius  Not.  d.  sc.  1903, 
600.  Vgl.  Bernoulli,  röm.  Ikonogr.  1,  234.  —  Vertrauliches  Verhältnis  zu 
Scipio  Nasica,  Cic.  de  or.  2,  276;  zu  Sulpicius  Galba,  Cic.  Luc.  51.  Seine 
Schüler  waren  Caecilius  und  Pacuvius. 

4.  Cic.  Arch.  27  ille  qui  cum  Aetolis  Ennio  comite  bellavit  Fulvius.  Tusc. 
1,  3  oratio  Catonis,  in  qua  obiecit  ut  probrum  M.  Nobiliori,  quod  is  in  pro- 
vinciam poetas  duxisset.  duxerat  autem  consul  ille  m  Aetoliam,  ut  scimus, 
Ennium.  Aur.  Vict.  ill.  52,  3  quam  victoriam  (des  Fulvius  über  die  Ätolier), 
per  se  magnificam,  Q.  Ennius,  amicus  eius,  insigni  laude  celebravit.  Symmach. 


§  100.  Ennius  (Leben)  189 

ep.  1,  20,  2   Q.  Ennio  ex  Aetolicis  mayiubiis  captiva  clxlamys  tantum  muneri 
data  Fulvium  decolorat  (vgl.  Bergk,  Beitr.  z.  lat.  Gramm.  1,  33,  1). 

5.  Cic.  Arch.  22  ergo  ülum,  .  .  Budinum  hominem,  maiores  nostri  in  ci- 
vitatem  receperunt.  Brut.  79  Q.  Nobiliorem  M.  f.  (§  126,  2),  qui  etiam  Q.  En- 
nium,  qui  cum  patre  eins  in  Aetolia  militaverat  (ungenau),  civitate  donavit, 
cum  triumvir  (J.  184,  s.  Liv.  39,  44)  coloniam  deduxisset.  Hat  er  den  Vor- 
namen von  Nobilior  angenommen?  Vgl.  FRitter  aO.  383.  Infolgedessen 
Ennius'  Ausruf:  nos  sumu'  Bomani  usw.  (s.  A.  1). 

6.  Cic.  Cato  mai.  14  annos  septuaginta  natus  —  tot  enim  vixit  Ennius 
—  ita  ferebat  duo  quae  maxima  putantur  onera,  paupertatem  et  senectutem, 
ut  eis  paene  delectari  videretur.  Brut.  78  hoc  (C.  Sulpicius  Gallus)  praetore 
ludos  Apollini  faciente,  cum  Thyesten  fabulam  docuisset,  Q.  Marcio  Cn.  Ser- 
vilio  coss.  (J.  169)  mortem  obiit  Ennius.  Hieron.  zu  Euseb.  Chr.  ad  a.  1849  = 
J.  168 :  Ennius  poeta  septuagenario  maior  articulari  morbo  perit  (vgl.  Ennius 
Sa.  64  numquam  poetor  nisi  si  podager;  auch  vgl.  Hör.  E.  1,  19,  7  Ennius 
ipse  pater  numquam  nisi  potus  ad  arma  prosiluit  dicenda;  Seren.  Sammon.  713 
ipse  pater,  dum  pocula  siccat  iniqua,  hoc  vitio  tales  fertur  meruisse  dolores) 
sepultusque  (?  vgl.  A.  3)  in  Scipionis  monumento,  via  Appia  intra  primum  ab 
urbe  millarium.  quidam  ossa  eius  Budiam  ex  Ianiculo  translata  adßrmant 
(vielleicht  weil  ihm  dort  irgendein  Denkmal  errichtet  war).  Grabschrift  (s. 
aber  §  115,  2)  bei  Cic.  Tusc.  1,  34  aspicite,  o  cives,  senis  Enni  imaginis  for- 
mam.  hie  vestrum  panxit  maxima  facta  patrum  usw.;  vgl.  ebd.  1,  117.  Cato 
mai.  73. 

101.  Den  meisten  Ruhm  gewann  Ennius  als  Epiker,  durch  seine 
achtzehn  Bücher  Annales;  welche  die  römische  Geschichte  von 
Aeneas'  Ankunft  in  Italien  bis  auf  des  Dichters  eigene  Zeit  in  chro- 
nologischer Ordnung  darstellten,  bald  in  trocknem  Chronikenton 
und  ungelenkem  Stile  berichtend,  bald  poetisch  ergiebige  Stoffe  mit 
mächtigem  Pathos  und  glücklicher  Gestaltungskraft  ausmalend.  Das 
Epos,  das  mit  seiner  Behandlung  der  jüngsten  Vergangenheit  neue 
Wege  einschlug,  sollte  ein  Seitenstück  der  homerischen  Gedichte 
werden,  deren  poetische  Technik  es  im  ganzen  und  vielfach  auch 
im  einzelnen  nachahmte,  und  galt  den  Römern  auch  dafür;  der 
künstlerische  Wert  des  Ganzen  war  freilich  geringer  als  seine  histo- 
rische Wirkung.  Wichtig  wurde  es  namentlich  dadurch,  daß  hier, 
neben  vielem  anderen  was  die  homerische  Weise  nachahmte,  der 
epische  Vers  der  Hellenen  in  die  römische  Literatur  eingeführt  und 
eine  epische  Sprache  geschaffen  wurde.  Der  Dichter  scheint  dieses 
Werk  erst  in  seinen  späteren  Lebensjahren  verfaßt  und  in  einzelnen 
Teilen  nach  und  nach  herausgegeben  zu  haben. 

1.  Vahlen,  üb.  d.  Ann.  d.  Enn.,  Abh.  d.  Berl.  Akad.  1886;  üb.  d.  Stadt- 
gründungsaugurium  bei  E.,  SBer.  Berl.  1894,  1143;  Praefatio  d.  Ausgabe  und 
die  §  104,  6  angeführte  Literatur.  Über  die  Technik  Fuochi,  Xenia  Rom. 
(Rom  1907)  95. 


190  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

2.  Diomed.  GL.  1,  484  epos  latinum  primus  digne  scripsit  Ennius,  qui  res 
Romanorum  decem  et  octo  complexus  est  libris,  qui  vel  annales  (iri)scribuntur, 
quod  singulorum  fere  annorum  actus  contineant,  sicut  publici  annales  quos 
pontifices  scribaeque  confcciunt  (an  die  er  wirklich  den  Titel  anlehnt),  vel 
Romais  (nach  Rejfferscheid,  JJ.  79,  157,  ein  später  aufgebrachter  Titel;  die 
Hss.  Romanis),  quod  Romanorum  res  gestas  declarant.  Die  epische  Behand- 
lung eines  z.  T.  ganz  modernen  und  selbsterlebten  Stoffes  scheint  ein  Wag- 
nis des  Ennius  gewesen  zu  sein;  er  ging  dadurch  über  Rhianos'  Messeniaka 
hinaus.  Wenn  Theolytos'  'SIqol  ein  Epos  waren,  so  brauchten  sie  nicht  bis 
auf  des  Dichters  Zeit  herabzugehen  (Susemihl,  Alex.  LG.  1,  383). 

3.  B.  I — III:  Einleitung  und  Königszeit.  Ennius  erzählte  nach  der  An- 
rufung der  Musen  einen  Traum,  den  er  auf  dem  Musenberg  geträumt  hatte: 
Homer  war  ihm  erschienen  und  hatte  ihm  einen  naturphilosophischen  Vor- 
trag über  die  Seelenwanderungslehre  gehalten,  der  darauf  hinauslief,  daß 
seine  Seele  auf  Ennius  übergegangen  sei.  Nächstes  Vorbild  war  der  Traum 
in  Kallimachos'  Aitia.  E.  erhob  dadurch  den  Anspruch,  der  römische  Homer 
zu  sein  (Hör.  ep.  2,  1,  50  Ennius  et  sapiens  et  fortis  et  alter  Homerus.  Lucil. 
1189).  IV — VI:  Gründung  der  Republik,  Eroberung  Italiens,  Pyrrhus.  Der 
erste  punische  Krieg  war,  wie  durch  Cic.  Brut.  75  feststeht,  nicht  erzählt, 
da  Ennius  hier  auf  Naevius  verweisen  konnte.  VII  (rekonstruiert  von  Norden, 
Ennius,  bes.  149).  Nach  der  Auseinandersetzung  mit  seinen  Tadlern  folgte 
die  Vorgeschichte  von  Karthago,  das  Eingreifen  der  Juno  und  der  von  dieser 
aufgestachelten  Discordia,  um  den  Frieden  zwischen  Rom  und  Karthago  zu 
verhindern,  eine  Götterversammlung  und  die  Anfänge  des  zweiten  punischen 
Krieges;  die  Schlacht  von  Cannae  war  bereits  im  8.  Buche  erzählt.  Cichorius 
bei  Norden  aO.  135.  Schwierigkeiten  macht  die  Unterbringung  von  Versen, 
die  sich  auf  den  Flottenbau  des  J.  260  beziehen  (Norden  aO.  95).  Das  Buch 
enthielt  eine  Charakterschilderung  (V.  234  ff.),  worin  nach  Stilos  Urteil  En- 
nius sich  selbst  abkonterfeit  hatte  (Norden,  Ennius  133).  VIII  und  IX: 
hannibalischer  Krieg.  X — XII:  makedonischer  Krieg  und  Folgen  (etwa  bis 
J.  196).  Mit  dem  zwölften  Buch  wohl  ein  vorläufiger  Abschluß,  im  Epilog 
sprach  der  Dichter  von  sich:  s.  Gell.  17,  21,  43  consules  Q.  Valerius  et  C. 
Manilius,  quibus  natum  esse  Q.  Ennium  poetam  M.  Varro  .  .  scripsit  eum- 
que,  cum  septimum  et  sexagesimum  annum  haberet  (also  J.  172,  drei  Jahre 
vor  seinem  Tode),  duodecimum  (XVII  oder  XVIII  Skutsch)  annalem  scrip- 
sisse,  idque  ipsum  Ennium  in  eodem  libro  dicere  (s.  darüber  Vahlen,  die  Ann. 
des  Enn.  1886).  Dann  neue  Fortsetzung:  XIII  u.  XIV:  Krieg  mit  Antiochus 
(bis  J.  190).  XV:  Fulvius  Nobilior  in  Ätolien  (J.  189).  Endlich  letzte  Gruppe, 
auch  mit  besonderem  Prooemium  anhebend,  XVI — XVIII.  Plin.  NH.  7, 101  (von 
der  fortitudo,  die  Gegenstand  der  poetica  fabulositas  geworden  sei):  Q.  En- 
nius T.  Caecilium  Teucrum  fratremque  eius  praecipue  miratus  propter  eos 
sextum  decumum  adiecit  annalem.  Vgl.  Bergk,  opusc.  1,  252.  LHavet,  l'histoire 
rom.  dans  le  dernier  tiers  des  Ann.  d'Enn.,  Mel.  de  l'ecole  des  hautes  etudes 
1878,  21.  Vahlen,  d.  Ann.  d.  Enn.  25.  Wie  weit  die  Annalen  herabgingen, 
ist  aus  den  Fragmenten  nicht  ersichtlich.  Die  jüngsten  in  ihnen  erwähnten 
Ereignisse  sind  die  Zensur  des  Fulvius  und  Lepidus  J.  179  (Cic.  de  prov. 
cons.  20)  und  der  istrische  Krieg  des  J.  178/7.  Wahrscheinlich  wurden  die 
Annalen  nach  und  nach  in  Gruppen  herausgegeben;  am  Anfang  von  B.  7 


§  101.  Ennius  (Annalen)  191 

(v.  218)  antwortete  E.  auf  Kritik,  die  am  Prooemium  von  B.  1  geübt  worden 
war.  In  B.  12  erzählte  er,  daß  er  bei  der  Abfassung  dieses  Buches  67  Jahre 
alt  gewesen  sei  (s.  o.);  damit  ist  aber  schwer  vereinbar,  daß  er  in  B.  16 
(s.  o.)  den  Krieg  des  J.  178/7  gegen  den  istrischen  König  Epulo  (v.  421)  be- 
richtete. Skutsch,  PW.  5,  2608  ändert  deshalb  die  Bruchzahl  in  17  oder 
18  (FSchöll,  RhM.  44, 158.  Marx,  DLZ.  1903,  2748.  Rotter,  Progr.,  Pola  1908). 
Ausgabe  in  Hexaden  ist  unwahrscheinlich,  in  Triaden  möglich.  —  Benutzt 
sind  außer  Naevius  wohl  Annalisten  wie  Fabius  Pictor  (vgl.  auch  Norden 
112);  leider  bleibt  unklar,  wem  Ennius  das  Datum  für  die  Gründung  Borns, 
etwa  1100  v.  Chr.  (A.  501,  Soltau,  Phil.  NF.  25,  317.  Norden  72),  entnimmt. 
4.  Suet.  gramm.  2  Q.  Vargunteius  (vgl.  §  41,  1)  annales  Enni,  quos  certis 
diebus  in  magna  frequentia  pronuntiabat.  Ygl.  ebd.  8  M.  Pompilius  Andro 
nicus  .  .  adeo  inops  atque  egens  ut  coactus  sit,  praecipuum  ittud  opusculum 
suum  Annalium  Ennii  elencJiorum  XVI  milibus  nummum  cuidam  vendere. 
Über  den  Kommentar  des  Gnipho  zu  den  Ann.  s.  §  159,  5.  Cic.  opt.  gen.  or. 
2  licet  dicere  Ennium  summum  epicum  poetam,  si  cui  ita  videtur.  Martial. 
5,  10,  7  Ennius  est  lectus  salvo  tibi  Borna  Marone  et  sua  riserunt  saecula 
Maeoniden.  Auf  eine  r  pompejanischen  Wandschrift  der  Anfang  eines  Verses 
aus  den  Annalen  CIL.  4,  3135  (s.  Bücheler,  RhM.  27,  474;  CEL.  1785).  Der 
Schluß  von  V.  478  auf  einem  Mosaik  in  Afrika.  Vitruv.  9,  praef.  16  qui 
litterarum  iucunditatibus  instinctas  liabent  mentes,  non  possunt  non  in  suis 
pectoribus  dedicatum  habere  sicut  deorum  sie  Ennii  poetae  simulacrum.  Quint. 
10,  1,  88  Ennium  sicut  sacros  vetustate  lucos  adoremus,  in  quibus  grandia  et 
antiqua  robora  iam  non  tantam  habent  speciem  quantam  religionem.  Vgl.  2, 
17,  24  dicet  notum  illud  (des  Ennius):  Dum  clavom  rectum  teneam;  vgl.  9, 
4,  115.  Vulcac.  Gall.  Avid.  Cass.  5,  7  scis  versum  a  bono  poeta  dictum  et 
omnibus  frequentatum :  Moribus  antiquis  etc.  Gell.  18,  5,  2  {Antonio)  Iuliano 
nuntiatur  anagnosten  quendam,  non  indoctum  hominem,  voce  admodum  scita 
et  canora  Enni  Annales  legere  ad  populum  in  theatro  (zu  Puteoli),  ebd.  3 
Enniastam  .  .  se  ille  appellari  volebat.  4  quem  cum  iam  inter  ingentes  cla- 
mores  legentem  invenissemus  etc.  7  cumque  aliquot  eorum  qui  aderant  rqua- 
drupes  equus'  apud  suum  quisque  grammaticum  legisse  se  dicerent  etc.  ebd. 
11  wird  erwähnt  ein  liber  summae  atque  reverendae  vetustatis  (der  Ann.  des 
E.),  quem  fere  constabat  Lampadionis  (§  138,  4)  manu  emendatum.  Spart. 
Hadr.  16,  6  Ciceroni  Catonem,  Vergüio  Ennium,  Sallustio  Coelium  praetulit. 
Macr.  sat.  6,  9,  9  quia  saecidum  nostrum  ab  Ennio  et  omni  bibliotheca  vetere 
deseivit,  multa  ignoramus  quae  non  laterent,  si  veterum  lectio  nobis  esset  fami- 
liaris.  Die  Nachwirkung  zeigt  sich  am  deutlichsten  in  der  starken  Nach- 
ahmung durch  alle  späteren,  besonders  epischen  Dichter  bis  etwa  auf  Vergil; 
sie  ist  bei  ihm  und  Lukrez  am  greifbarsten  und  schon  den  Alten  aufge- 
fallen. Norden,  Vergils  Aeneis  VI  S.  359  und  bes.  Ennius  und  Vergil,  Lpz. 
1915.  Vgl.  §  177a  3.  203,2.  214,6.  228,  6  E.  Benutzung  durch  Prosaiker 
(Annalisten)  läßt  sich  nicht  erweisen;  über  Anklänge  an  Ennius  bei  Livius, 
vor  deren  Überschätzung  Vahlen  praef.  lxi  warnt,  s.  Hagen,  JJ.  109,  271. 
Sieglin,  Chronol.  der  Belager.  v.  Sagunt,  Lpz.  1878.  Bärwinkel,  Ennius  u. 
Livius,  Sondershausen  1883  u.  §  257,  8.  Ein  Exemplar  war  noch  im  5.  Jahrh. 
vorhanden,  aber  Isidorus  las  (trotz  Vahlen  praef.  cxxvn)  die  Annalen  nicht 
mehr  im  Original.    Norden,  Ennius  82. 


192  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

102.  Nächstdem  ist  die  Tragödie  Ennius'  wichtigstes  Arbeits- 
feld. Dabei  scheint  er  mit  Vorliebe  Stücke  des  Euripides  ins  Latei- 
nische übertragen  zu  haben,  da  ihn  wohl  dessen  Interesse  für  die 
Aufklärung  und  seine  rhetorisierende  sentenzenreiche  Manier  anzog. 
Auch  Prätexten  verfaßte  Ennius,  sowie  Komödien,  ohne  jedoch  auf 
diesem  Gebiete  zur  Bedeutung  zu  gelangen. 

1.  Erhalten  sind  Bruchstücke  von  Achilles  Aristarchi  (schon  in  Plaut. 
Poen.  prol.  zitiert),  Aiax,  Alcumeo,  Alexander,  Andromacha  aechmalotis, 
Andromeda,  Athamas  (?  FALange,  quaest.  metr.  16.  30;  BSchmidt,  RhM.  16, 
599),  Cresphontes,  Erectheus,  Eumenides,  Hectoris  lutra  (Bergk,  op.  1,  295), 
Hecuba  (Osann,  anal.  crit.  126),  Iphigenia  in  Aulis  (Skutsch,  kl.  Sehr.  296), 
Medea  (vgl.  Planck,  EnniiMedea  illustr.,  Gott.  1807.  Osann,  aO.  79.  Vahlen, 
Opusc.  1,  34),  Melanippa,  Nemea,  Phoenix,  Telamo,  Telephus,  Thyestes  (auf- 
geführt J.  169).  Die  Überreste  auch  bei  Ribbeck,  trag,  lat.8  p.  17.  Vgl. 
Welcker,  griech.  Trag.  1373.    Ribbeck,  röm.  Trag.  81.  212. 

2.  Glossae  Salomonis  (Usener,  Sehr.  2,  159.  3,  38):  tragoedias  Ennius 
fere  omnes  ex  graecis  transtulit,  plurimas  JEuripidis,  nonnullas  Aristarchi. 
Von  den  uns  bekannten  Stücken  sind  sicher  nach  Euripides  gedichtet: 
Andromeda,  Hecuba,  Iphigenia,  Medea,  Melanippa,  Telephus,  sowie  Alexan- 
der, Cresphontes;  wahrscheinlich  aber  auch  Alcumeo,  Erechtheus,  Phoenix, 
Thyestes.  Die  Andromacha  entspricht  der  euripidischen  nicht.  Nach  Aeschy- 
los  Eumenides  (urfd  Nemea  sowie  Hectoris  lutra?),  nach  Sophokles  wahrschein- 
lich Aiax,  nach  Aristarchos  der  eine  Achilles.  Die  Vergleichung  mit  den  be- 
treffenden Originalen  zeigt,  daß  die  Stücke  des  Ennius  freie  Übersetzungen 
waren,  und  Kontamination  bezeugt  Ter.  Andr.  18,  der  freilich  wohl  Komödien 
im  Auge  hat;  für  die  Iphigenie  hat  sie  Bergk,  Kl.  Sehr.  1,  230  angenommen. 
Daß  er  die  griechischen  Tragödien  kommentiert  las,  zeigt  Leo,  PF.  98.  Im 
ganzen  scheinen  seine  Stücke  schon  durch  das  Hervortreten  der  Rhetorik  den 
Charakter  der  nacheuripideischen  Tragödie  getragen  zu  haben.  Vgl.  Cic.  fin.  1, 
4  cum  .  .  fabellas  Latinas  ad  verbum  e  Graecis  expressas  non  inviti  legant. 
quis  enim  tarn  inimicus  paene  nomini  Romano  est,  qui  Ennii  Medeam  aut 
Antiopam  Pacuvii  spernat  aut  reiciat,  quod  se  isdem  Euripidis  fabulis  delec- 
tari  dicat?  de  opt.  gen.  18  eidem  .  .  Andromacham  aut  Antiopam  aut  Epi- 
gonos  Latinas  recipiwnt;  quod  igitur  est  eorum  in  orationibus  e  Graeco  con- 
versis  fastidium ,  nulluni  cum  sit  in  versibus?  Gell.  11,  4  Euripidis  versus 
sunt  in  Hecuba  .  .  hos  versus  Q.  Ennius,  cum  eam  tragoediam  verteret,  non 
sane  incommode  aemulatus  est.  Daß  Ennius  dieser  Tätigkeit  bis  an  sein  Ende 
treu  blieb,  zeigt  Cic.  Brut.  78. 

3.  Eine  praetexta  des  Ennius  waren  die  Sabinae  (der  Raub  der  Sabine- 
rinnen), wie  Vahlen  (Sehr.  1,  418)  vermutet  wegen  Iul.  Victor,  p.  402,  30  H: 
ut  (in)  Sabinis  Ennius  dixit;  dagegen  Bergk,  op.  1,  361.  Vgl.  Ribbeck,  röm. 
Trag.  205.  Auch  die  Ambracia  war  wahrscheinlich  eine  praetexta  (jedoch 
ist  V.  367  ein  Hexameter)  und  behandelte  die  Eroberung  der  gleichnamigen 
Stadt  durch  M.  Fulvius  Nobilior,  den  Gönner  des  Ennius,  J.  189.  S.  Ribbeck, 
röm.  Trag.  207;  Skutsch  aO.  2599. 

4.  Der  leichte  Ton  der  Komödie  scheint  dem  Ennius  wenig  geglückt  zu 


§  102.  Ennius  (Tragödien).    §  103.  Saturae  usw.  193 

sein.  Von  zwei  Komödien,  Cupuncula  und  Pancratiastes,  haben  wir  schwache 
Spuren;  s.  Ribbeck,  com.3  p.  5.  Volcacius  Sedigitus  (§  147,  3)  führte  ihn  unter 
den  komischen  Dichtern  antiquitatis  causa  an  letzter  Stelle  auf. 

103.  Ferner  gab  Ennius  Saturae  heraus,  in  dem  Sinne  einer 
Sammlung  vermischter  Gedichte  iu  verschiedenen  Metren.  Außer- 
dem ein  Gedicht  zum  Lobe  Scipios  und  Übersetzungen  teils  mo- 
dernster teils  durch  ihre  aufklärerische  Tendenz  merkwürdiger  hel- 
lenistischer Dichtungen :  Sota,  Protrepticus,  die  Heduphagetica,  der 
Epicharmus,  dazu  in  Prosa  der  Euhemerus. 

1.  Porph.  Hör.  S.  1,  10,  47  Ennius  quattuor  libros  saturarum  reliquit. 
Das  Zitat  aus  B.  6  bei  Donat.  Ter.  Phorm.  2,  2,  25  beruht  nur  darauf,  daß 
Stephanus  die  Lücke,  die  den  Autornamen  verschlungen  hat,  durch  die  Worte 
e  sexto  satyrarum  Ennii  ausfüllte.  Der  Hinweis  (OKeller,  Phil.  45,  389)  auf 
die  ödrvQoi  des  Timon  von  Phlius  (f  226  v.  Chr.)  als  Vorbild  für  Namen 
und  Inhalt  fördert  kaum,  da  wir  über  die  Beschaffenheit  jener  Gedichte 
nichts  wissen  (vgl.  Wachsmuths  sillogr.  gr.2  25)  und  die  Gedichte  des  Ennius  eben 
nicht  saturoe  oder  saturi,  sondern  saturae  hießen.  Vielmehr  benutzte  E. 
diesen  altitalischen  Begriff  (§  6,  2.  §  28)  zur  Bezeichnung  einer  hellenistischen 
Gattung,  wie  sie  etwa  durch  Kallimachos,"/a^/3ot  (v Arnim,  SBer.  Wien.  Akad. 
164),  Arats  vt,arcc  Xstztov  u.  ä.  vertreten  war.  Versmaße:  Trochäen,  Iamben, 
Sotadeen  (v.  59 ff.),  daktyl.  Hexameter;  daß  Ennius  auch  Saturnier  gedichtet 
habe,  ist  an  sich  nicht  wahrscheinlich  und  nicht  erwiesen.  Inhalt  nicht  sati- 
risch, aber  z.  T.  lehrhaft,  auch  Fabeln,  zB.  die  von  der  Haubenlerche  (Babr. 
88)  in  troch.  Tetrametern  (§  27,  1;  vgl.  die  von  Bücheler,  RhM.  41,  5  aus 
Hygin.  fab.  220  hergestellte  Fabel  im  gleichen  Maß);  Streit  zwischen  Tod 
und  Leben  (Dieterich,  Pulcinella  78);  Selbstlob  v.  6  Enni  poeta  salve,  qui 
mortalibus  flammas  propinas  pectoris  medullitus.  Auch  die  Epigramme  (s. 
§  100,  6E.)  können  hier  ihren  Platz  gehabt  haben.  —  APetermann,  über  die 
Satire  des  Ennius,  Hirschb.  1851.  52.  II. 

2.  Gell.  4,  7,  3  Enni  versum  (trochäisch)  ex  libro  qui  Scipio  inscribitur. 
Suid.  v.  "Evvlos'  Syanliova  adav  kccl  inl  ^liya  tbv  uvögu  i£,ÜQcu  ßovXopsvog 
<pr\6i  \lqvqv  av  r'OiLr\QOv  ina^iovg  iituivovq  inslv  Uyunicovog.  Sicher  keine 
Praetexta  (wie  GRöper,  de  Ennii  Scipione,  Danzig  1868  wollte;  vgl.  Rhaban. 
Maur.  oben  §  14,  2)  und  schwerlich  ein  Teil  der  Saturae.  Die  spärlichen 
Reste  zeigen  vorherrschend  sorgfältig  gebaute  troch.  Septenare  (aber  auch 
daktyl.  Hexameter).  Abfassung  wohl  vor  den  Annales,  etwa  nach  Scipios 
siegreicher  Heimkehr  aus  Afrika  (J.  201);  zu  späterer  Datierung  (Müller) 
liegt  kein  wirklicher  Grund  vor. 

3.  Sota  (d.i.  Saxäg)  =  Sotades  (Hcorddrig),  nach  dem  das  sotadische  Maß 
benannt  ist.  Varro  LL.  5,  62  in  Sota  Ennii.  Fest.  356  Ennius  .  .  .  in  Sota 
(nasota  die  Hs.).  Sota  Ennianus  bei  Fronto  p.  61;  Ennius  Sotadico  versu 
Paul.  Festi  59. 

4.  Praecepta  vielleicht  identisch  mit  ^dern  Protrepticus ,  der  philoso- 
phischen Inhalt  gehabt  hat.  —  Heduphagetica,  gastronomischen  Inhalts,  nach 
der  parodistischen  rjdvTtdd'SLcc  des  Archestrato3  von  Gela.  Vahlen,  Sehr. 
1,  419. 

Teuffei:  röm.  Literaturgeach.    Neub.  6.  Aufl.  I.  13 


194  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

5.  Epicharmus,  eine  Art  naturphilosophischen  Lehrgedichts,  betitelt  nach 
dem  gleichnamigen  sizilischen  Komiker,  der  (nach  der  Einkleidung)  in  der 
Unterwelt  die  in  dem  Buche  ausgesprochene  (pythagoreische)  Weisheit  dem. 
Ennius  überlieferte.  Bearbeitung  eines  griechischen  Buches,  das  unter  Epi- 
charms  Namen  ging  (Kaibel,  Com.  gr.  1,  134.  Crönert,  Herrn.  47,  402),  in 
trochäischen  Tetrametern,  in  denen  sich  auch  das  Original  bewegte.  Hier 
stand  wohl  das  Akrostichon  (§  104,  4). 

6.  Euhemerus  sive  Sacra  historia  (vgl.  auch  Usener,  Sehr.  3,  27),  latei- 
nische Bearbeitung  der  is qu  uvayQatpr]  des  EvrjfieQog  aus  Agrigent  (um  J.  304)t 
mit  Übertragung  dieses  abenteuerlichen  Systems  der  Mythendeutung  auch 
auf  die  italischen  Götter.  Cic.  n.  d.  1,  119  Euhemerus,  .  .  quem  noster  et  inter- 
pretatus  et  secutus  est  praeter  ceteros  Ennius.  Augustin.  civ.  d.  7,  26  (27)  to- 
tam  de  hoc  Euhemerus  pandit  historiam,  quam  Ennius  in  latinum  vertu  elo- 
quium.  Die  Anführungen  des  Lactantius  zeigen  eine  altertümliche  Prosa,  welche 
die  des  E.  selbst  und  nicht  etwa  die  Metaphrase  eines  ursprünglichen  tro- 
chäischen Rhythmus  ist.  Der  Stil  ist  der  schlichte  Erzählungston  der  No- 
velle, den  E.  aus  Euemeros  übernimmt  (Norden,  Agnostos  Theos  374;  vgl. 
§  305,  3).  —  Krahner,  Grundlinien  zur  Gesch.  d.  Verfalls  usw.  37.  Mommsen, 
RG.  I6,  917.  B.  ten  Brink,  Varronis  locus  de  urbe  Roma,  accedunt  Ennii 
apologus  Aesopicus  (vgl.  A.  1)  et  reliquiae  Euemeri,  Utr.  1855.  Skutsch  aO. 
2600.    Hache,  quaest.  archaicae,  Bresl.  1907,  52. 

104.  Ennius  ist  entschieden  ein  künstlerisches  Talent.  Zwar 
verletzen  seine  Gedichte  oft  die  Gebote  der  Schönheit  und  des  guten 
Geschmackes;  aber  auf  der  neuen  von  ihm  eingeschlagenen  Bahn 
hatte  er  auch  große  Schwierigkeiten ,  namentlich  formaler  Natur, 
zu  überwinden.  Das  Bewußtsein,  ihrer  Herr  geworden  zu  sein  und 
den  Römern  griechische  Literatur  und  Lebensweisheit  vermittelt  zu 
haben,  steigerte  sein  Selbstgefühl.  Er  war  vermöge  einer  wunder- 
baren geistigen  Beweglichkeit  seiner  Zeit  ein  Sendbote  der  Aufklä- 
rung, die  er  in  ihrem  Werte  freilich  überschätzte;  namentlich  aber 
hat  er  der  römischen  Poesie  und  Kunstsprache  die  Wege  gezeigt 
und  eröffnet,  auf  denen  sie  Jahrhunderte  lang  fortwandelten.  Sein 
Schriftstellerei  zeigt  nach  Form  und  Inhalt  große  Vielseitigkeit 
und  hat  zur  Belebung  geistiger  Interessen  in  Rom  viel  beigetragen. 
Unsicher  ist  die  Überlieferung,  nach  der  er  sich  um  die  Recht- 
schreibung bemühte  und  zuerst  lateinische  Schnellschrift  (notae) 
einführte. 

1.  Die  Dichter  der  Kaiserzeit  heben  einseitig  und  undankbar  (AZingerle, 
Ovids  Verhältn.  2,  1)  an  Ennius  hauptsächlich  seine  relative  Formlosigkeit 
hervor:  Horaz  E.  2,  1,  50;  AP.  259.  Prop.  4,  1,  61.  Ovid.  Am.  1,  15,  19  En- 
nius arte  carens.  Gerechtere  Würdigung  bei  Ovid.  trist.  2,  423  f.  suo  Martern 
cecinit  gravis  Ennius  ore,  Ennius  ingenio  maximus,  arte  rudis.  Auch  Sen. 
fr.  114  H.  quidam  sunt  tarn  magni  sensus  Q.  Ennii  ut,  licet  scripti  sint  inter 
hircosos,  possint  tarnen  inter  unguentatos  placere.    Macr.  6,  3,  9  nemo  ex  hoc 


§  104.  Ennius  (Allgemeines)  195 

viles  putet  veteres  poetas,  quod  versus  eorum  scabri  nobis  videntur.  ille  enim 
stilus  Enniani  saeculi  auribus  solus  placebat  etc.  Fronto  p.  114  Ennius 
multiformis.  Cicero  lobt  ihn  geflissentlich:  de  or.  1,  198  u.  de  prov.  cons.  21 
summus  poeta.  Tusc.  3,  45  egregius  poeta  .  .  praeclarum  Carmen.  Doch  or.  36 
multa  apud  Ennium  neglegentius.  Mur.  30  ingeniosus  poeta  et  auctor  valde 
bonus.  Gezierte  Bewunderung  spricht  auch  Vitruvius  aus;  s.  §  101,  4.  Vah- 
len,  praef.  xxiff.  —  Vgl.  Lucr.  1,  118  ff.  Mommsen',  RG.  I6,  910.  Ribbeck, 
röm.  Trag.  77. 

2.  Selbstgefühl.  Vgl.  die  Polemik  gegen  Naevius  (Cic.  Brut.  76)  und  den 
die  Annalen   einleitenden  Traum.    A.  374.    Sat.  6  f.    Doch  s.  auch  Ann.  560. 

3.  Freigeisterei,  nur  unter  dem  Schutze  der  römischen  Großen  möglich 
(s.  §  103,  6),  bes.  Sc.  316  Ego  deum  genus  esse  semper  dixi  et  dicam  caelitum, 
Sed  eos  non  curare  opinor  quid  agat  humanüm  genus;  Näm  si  curent,  bene 
bonis  sit,  male  malis,  quod  nunc  abest  usw. 

4.  Auf  den  Versbau  verwandte  Ennius  große  Sorgfalt,  namentlich  ist 
er  in  der  Zulassung  der  Vokalverschleifung  im  Hexameter  auffallend  streng. 
LMüller,  Q.  Ennius  228.  Jedoch  gestattet  er  sich  Auflösung  der  Hebungen 
(zB.  capitibus  A.  490),  Schlüsse  auf  einsilbiges  Wort  (zB.  vadunt  solida  vi 
A.  273),  Iambenkürzung  (doch  s.  Jachmann,  stud.  prosod.  12)  und  kühne  Hiate 
und  Synizesen  (A.  221  Poeni  dis  soliti  suos  sacrificare  puellos.  436  hie  in- 
sidiantes  vigilant  u.  a.)  Über  die  Caesuren  vgl.  Witte,  RhM.  69,  205.  — 
Verskünsteleien,  beziehungsweise  Geschmacksfehler,  zB.  übertriebene  Allite- 
ration udgl.  A.  109.  140.  310.  488.  519.  Sc.  300.  422  f.  Sa.  59;  mißratene 
Tmesis  (609  saxo  cere-  comminuit  -brum);  Apokope  (574  replet  te  laetiflcum 
gau;  575  divum  domus  altisonum  cael;  576  endo  suam  do).  Holospondiaci 
A.  33.  623.  Das  Sprachmaterial  mußte  er  sich  zum  größten  Teil  erst  schaffen, 
da  es  dem  Lateinischen  an  daktylischen  Silbenfolgen  fehlte,  und  er  griff  zu 
jedem  brauchbaren  Mittel,  außer  zu  Archaismen  wie  olle  und  indu  und  Neu- 
bildungen namentlich  von  Komposita  (sapientipotentes  A.  181)  auch  zur  Ver- 
gewaltigung der  Sprache  in  formaler  wie  syntaktischer  Hinsicht:  so  gestattet 
er  sich  den  Gen.  Metioeo  Fufetioeo  A.  126  nach  den  homerischen  auf  oio 
und  die  Nom.  veter,  famul,  debil:  überall  zeigt  sich  E.  als  Grammatiker,  wie 
namentlich  das  nach  8g  eingeführte  sus  u.  ä.  zeigt.  Der  Einfluß  der  Rheto- 
rik macht  sich  überall  geltend;  außer  Fällen  aus  den  Tragödien  wie  V.  151 
caelum  nitescere,  arbores  frondescere,  vites  laetificae  pampinis  pubescere,  rami 
bacarum  ubertate  ineurvescere  vgl.  zB.  A.  493  qui  vincit  non  est  Victor  nisi 
victus  fatetur.  Daher  sagte  er  von  sich  A.  216  nee  dicti  Studiosus  quisquam 
erat  ante  hunc.  —  Akrostichon:  Q.  Ennius  fecit.  Cic.  de  div.  2.  111. 

5.  Konsonantenverdoppelung:  Festus  293  nulla  geminabatur  littera  in 
scribendo.  quam  consuetudinem  Ennius  mutavisse  fertur,  utpote  Graecus  Graeco 
more  usus,  quod  Uli  aeque  scribentes  ac  legentes  duplicabant  mutas,  semi(vo- 
cales  et  liquidasy.  Im  allg.  über  des  E.  Verdienste  um  die  Sprache  s.  §  93. 
LMüller,  metr.2  55.  Dazu  vgl.  §  159,13;  leider  erscheinen  die  Zweifel  über 
die  Urheberschaft  von  Ennii  de  litteris,  syllabis,  metris  libri  II  berechtigt. 
—  Schnellschrift:  Suet.  p.  135  Rffsch.  und  aus  ihm  Isid.  orig.  1,  21  und 
eine  Kasseler  Hs.  der  notae  Tironis  et  Senecae  (§  289,  8.  WSchmitz,  symb. 
phil.  Bonn.  532):  vulgares  notas  Ennius  primus  mille  et  cenlum  invenit.  no- 
tarum  usus  erat,  ut  quidquid  pro   contione  aut  in  iudieiis  diceretur   librarii 

13* 


196  Republikanische  Zeit:  J.  240-84  v.  Chr. 

scriberent  simul  astantes,  divisis  inter  se  partibus  quot  quisque  verba  et  quo 
ordine  exciperet.  Bomae  primus  Tullius  Tiro  usw.  (s.  §  191,4).  Vgl.  WSchmitz, 
Beitr.  211;  Verhandl.  d.  Trierer  Philol.-Vers.  (Lpz.  1880)  59.  Auf  stenogra- 
phische Zeichen  messapischer  Inschriften  macht  aufmerksam  WDeecke,  RhM. 
36,  577.  Daß  in  einer  Zeit,  die  kaum  die  ersten  Anfänge  kunstmäßiger  Be- 
redsamkeit sah,  schon  das  Bedürfnis  nach  wortgetreuer  Niederschrift  sich 
geltend  gemacht  habe,  ist  auffällig,  aber  nicht  undenkbar.  Johnen  und  Wein- 
berger Phil.  63,  635  verstehen  die  Stelle  so,  daß  E.  nur  die  Zeichen  M  und 
C  eingeführt  habe;  andere  teilen  diese  notae  dem  späteren  Grammatiker 
Ennius  zu. 

6.  Über  Ennius  im  allg.  Ribbeck,  röm.  Dicht.  1,  27.  Mommsen,  RG.  I6,  918. 
LMüller,  Q.  Ennius,  Petersb.  1884.  Skutsch,  PW.  5,  2589.  —  Ennianae 
poesis  reliquiae,  rec.  JVahlen,  2Lps.  1903  (dazu  Knapp,  Am.  J.  Ph.  32,  1). 
Enni  reliquiae;  acc.  Naevi  belli  Poen.  quae  supersunt;  ed.  LMüller,  Petersb. 
1885.  FPR.  58.  Die  Fragm.  der  Annalen  ed.  Merula,  Leiden  1595  (MHoch, 
de  Ennianorum  Ann.  fragm.  a  Merula  auctis,  Bonn  1839.  Lawicki,  de  fraude 
Pauli  Merulae,  Bonn  1852)  u.  Valmaggi,  Turin  1900.  RUnger,  scheda  En- 
niana,  Halle  1875.  HJordan.  quaest.  Enn.,  Königsb.  1885.  Frobeniüs,  die 
Formenlehre  des  E.,  Dillingen  1907;  die  Syntax  des  E.,  Tüb.  1910.  —  Über 
vermeintliche  Erhaltung  von  Werken  des  E.  bis  ins  Mittelalter  RFörster, 
RhM.  37,  485. 

105.  M.  Pacuvius,  der  Neffe  des  Ennius,  war  geboren  um 
J.  220  in  Brundisium;  er  wurde  von  seinem  Oheim  nach  Rom  ge- 
zogen und  angeleitet  und  lebte  dort  als  Dichter  von  Tragödien,  in- 
dem er  daneben  das  Gewerbe  eines  Malers  betrieb.  Nachdem  er 
noch  J.  140  ein  Stück  aufgeführt  hatte,  kehrte  er  nach  Unteritalien 
zurück  und  starb  zu  Tarent  um  das  J.  132.  Wir  kennen  von  ihm 
nur  zwölf  Tragödien  und  eine  praetexta  (Paulus).  Die  Reste  zeigen 
gegenüber  den  Tragödien  des  Ennius  im  ganzen  mehr  Flüssigkeit 
und  Leichtigkeit  in  Sprache  und  Vers,  zugleich  aber  auch  eine  noch 
stärkere  Neigung  zu  Künstlichem  und  Gewagtem.  Die  Bühnenwir- 
kung seiner  Stücke  war  groß  und  nachhaltig.  Noch  das  Kunsturteil 
der  ciceronischen  Zeit  sah  in  Pacuvius  Roms  größten  Tragiker. 

1.  Cic.  Brut.  229  Aerius  isdem  aedilibus  ait  se  et  Pacuvium  doeuisse 
fabulam,  cum  ille  octoginta,  ipse  triginta  annos  natus  esset.  Accius  aber  war 
J.  170  geboren.  Hieron.  zu  Euseb.  Chr.  a.  1863  =  154  Pacuvius  Brundisi- 
nus  tragoediarum  scriptor  clarus  habetur,  Ennii  poetae  ex  ftlia  (vielmehr 
seiner  Schwester,  s.  Plinius  aO.)  nepos,  vixitque  Bomae,  quoad  picturam 
exereuit  ac  fabulas  venditavit.  deinde  Tarentum  transgressus  prope  nonage- 
narius  diem  obiit.  Varro  sat.  menipp.  356  Buch.:  Pacvi  (Pacius,  Pacvius, 
Paquius,  Pacuius  Nebenformen  des  oskischen  Namens  Pacuvius:  s.  Mommsen, 
unterital.  Dial.  284.  WSchulze,  Zur  Gesch.  lat.  Eigenn.  476)  discipulus  di- 
cor,  porro  is  fuit  Enni,  Enniu'  Musarum:  Pompüius  (§  146,2)  clueor.  Plin. 
NH.  35, 19  celebrata  est  in  foro  boario,  aede  Herculis,  Pacuvii  poetae  pictura. 
Ennii  sorore  genitus  hie  fuit,   clarioremque    eam   artem  Bomae  fecit  gloria 


§  105.  Pacuvius  197 

scaenae.  Gell.  13,  2,  2  cum  Pacuvius  grandi  iam  aetate  et  morbo  corporis 
diutino  adfectus  Tarentum  ex  urbe  Roma  concessisset  etc.  Befreundet  mit 
Caelius,  Cic.  Cael.  24.  Unverdächtige  (Bücheler,  RhM.  37,  521)  Grabschrift 
des  Pacuvius  bei  Gell.  1,  24,  4  Adulescens  tarn  etsi  pröperas  te  hoc  saxüm 
rogat  Ut  sese  aspicias,  deinde  quod  scriptum  est  legas.  Hie  sunt  poetae  Pd- 
cuvi  Marci  sita  Ossa.  hoc  volebam  nescius  ne  esses.  vale.  Bormann,  arch. 
epigr.  Mitt.  17,  227.    Vgl.  §  115,  2. 

2.  Tragödien:  Antiopa  (nach  Euripides),  Armorum  iudicium,  Atalanta, 
Chryses,  Dulorestes  (OJahn,  Herrn.  2,  229.  CRobert,  Bild  und  Lied  185), 
Hermiona,  Iliona,  Medus,  Niptra  (nach  Sophokles),  Pentheus,  Periboea, 
Teucer  (Protesilaus  durchaus  zweifelhaft).  Pac.  bevorzugt  die  nacheuripi- 
deische  Tragödie  mit  ihren  entlegenen  Stoffen;  doch  können  Chryses  Her- 
miona Teucer  aus  Sophokles  stammen.  Die  Überreste  bei  Ribbeck,  trag.3 
p.  86.    Vgl.  Welcher,  Trag.  1380.    Ribbeck,  röm.  Trag.  218. 

3.  Die  Praetexta  Paulus  (Ribbeck  trag.8  p.  325)  hatte  wohl  den  L.  Aemi- 
lius  Paulus  als  Sieger  bei  Pydna  zum  Gegenstande;  OJahn,  Lpz.  Ber.  1856, 
301.    Ribbeck,  röm.  Trag.  326. 

4.  Gell.  6  (7),  14,  6  exempla  in  latina  lingua  M.  Varro  esse  dicit  uber- 
tatis  (d.  h.  des  hohen  Stiles)  Pacuvium,  gracilitatis  Lucilium,  medioeritatis 
Terentium.  Dagegen  Fronto  p.  114  medioeris  Pacuvius.  Auct.  ad  Her.  4,  7 
setzt  die  Stärke  des  P.  in  seine  Botenerzählungen  (nuntii).  Cic.  de  opt.  gen. 
or.  1  itaque  licet  dicere  et  Ennium  summum  epicum  poetam  et  Pacuvium  tra- 
gicum  et  Caecilium  fortasse  comicum.  Brut.  258  illorum  (des  Laelius  und 
jüngeren  Africanus)  aequales  Caecilium  et  Pacuvium  male  locutos  videmus; 
dabei  mag  er  an  die  kühnen  Neubildungen  denken,  besonders  an  das  be- 
rüchtigte Nerei  repandirostrum  ineurvicervicum  pecus  V.  408,  das  schon 
Lucil.  212  verspottet  (Pers.  1,  77;  vieles  derartige  und  Archaismen  ent- 
nimmt er  aus  Ennius).  Spielerei  mit  den  Synonymen  von  dicere  V.  366  (Marx 
Auct.  ad  Her.  92).  Lucil.  875  tristis  contorto  aliquo  ex  Pacuviano  exordio. 
Hör.  E.  2,  1,  55  (doctus).  Quint.  10,  1,  97.  Martial.  11,  91.  Tac.  dial.  20. 
Würdigung  dieser  Urteile:  Teuffel,  Tüb.  Progr.  1858,  11.  —  Koterba,  de 
sermone  Pac.  et  Acciano.  Diss.  Vindob.  8,  111.  Reitzenstein,  PW.  6,  86.  Vgl. 
OJahn,  Herrn.  2,  234. 

5.  Pacuvius  als  Verfasser  von  Satiren:  Diomedes  GL.  1,  485  satura  .  . 
Carmen  .  .  quäle  scripserant  Pacuvius  et  Ennius.  Vgl.  Porphyr,  zu  Hör.  sat. 
1,  10,  46  cum  .  .  Terentius  Varro  Narbonensis  (§  212,  1)  ...  item  Ennius  . . 
et  Pacuvius  huic  generi  versificationis  non  suffecissent.  —  Im  allgemeinen 
über  Pacuvius  Mommsen,  RG.  26,  431.  Teuffel,  Caecil.  Statius,  Pacuvius 
usw.  Tüb.  Progr.  1858,  5.  Ribbeck,  röm.  Trag.  334.  Goette,  de  Accio  et 
Pac,  Rheine  1892. 

106.  Statius  Caecilius,  ungefähr  gleichaltrig  mit  Pacuvius 
gehörte  durch  Geburt  dem  keltischen  Stamme  der  Insubrer  an,  kam 
nach  Rom  wahrscheinlich  als  Kriegsgefangener  und  schloß  sich 
nach  seiner  Freilassung  hauptsächlich  an  Ennius  an.  Er  über- 
lebte diesen  nur  wenig.  Wie  er  zeitlich  zwischen  Plautus  und  Te- 
renz  in  der  Mitte  stand,  so  auch  dichterisch;  er  begann  jene  Hin- 


198  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

wendung  zu  Menander  in  den  Stoffen  wie  im  Ton,  die  Terenz  voll- 
endete. 

1.  Hieronym.  zu  Euseb.  Chron.  a.  Abr.  1838  =  179:  Statius  Caecilius 
comoediarum  scriptor  clarus  habetur,  natione  Insuber  Gallus  et  Ennii  pri- 
mum  contubernalis.  quidam  Mediolanensem  ferunt.  mortuus  est  anno  post 
mortem  Ennii  (III  setzt  Ritschl,  op.  3,  233  hinzu,  um  den  Caec.  noch  die 
Andria  des  Terenz  erleben  zu  lassen  [§  110,  1,  lj)  ei  iuxta  Ianiculum  sepul- 
tus.  Vgl.  KFHermann,  de  Script,  ill.  p.  3.  Gell.  4,  20,  13  Caecilius  ille  co- 
moediarum poeta  inclutus  servus  fuit  et  propterea  nomen  habuit  Statius.  sed 
postea  versum  est  quasi  in  cognomentum  appellatusque  est  Caecilius  Statius. 
Caecilius  kurzweg  zB.  bei  Cic.  de  or.  2,  40.  Brut.  258.  de  opt.  gen.  2.  ad 
Att.  7,  3,  10;  Statius  allein  niemals,  auch  nicht  de  or.  2,  257.  —  Caecilius 
wird  nie  zu  den  longaevi  gerechnet  (Ritschl,  Parerga  183,  Anm.);  Ambivius 
Turpio  spricht  als  senex  von  seinen  Bemühungen  um  die  Stücke  des  Caeci- 
lius, die  in  seine  adulescentia  fielen,  im  J.  160  (Ter.  Hec.  10),  so  daß  dessen 
erste  Aufführungen  um  J.  190  fallen  mögen. 

.  2.  Anfängliche  Mißerfolge  als  Dichter,  Ter.  Hec.  Prolog  2,  6  ff.  Später 
wird  er  angeblich  zur  Beurteilung  neuer  Stücke  bestellt,  Suet.  vit.  Ter. 
p.  28,  9.    Ritschl,  Parerga  329. 

3.  Von  den  etwa  40  Komödientiteln,  die  wir  kennen  (Ribbecks  com.3 
p.  40),  stimmen  16  mit  Menandrischen  überein:  Andria,  Androgynos,  Chalcia, 
Dardanus,  Ephesio,  Hymnis,  Hypobolimaeus  (Rastraria),  Imbrii,  Karine, 
Nauclerus,  Plocium,  Polumeni,  Progamos,  Synaristosae,  Synephebi,  Titthe. 
Bei  Philemon  findet  sich  Harpazomene  (vgl.  Dietze,  de  Philom.  51).  Die 
Titel  selbst  zerfallen  in  drei  Klassen:  1)  rein  lateinische,  wie  Plautus  sie 
zu  wählen  pflegte;  2)  Doppeltitel,  lateinische  und  griechische;  3)  rein  grie- 
chische, in  der  Weise  des  Terenz  und  Turpilius.  Letztere  bilden  die  weit- 
aus überwiegende  Zahl.  Danach  Perioden  in  der  Tätigkeit  des  Caecilius  zu 
scheiden  (Ritschl,  Parerga  145)  geht  aber  nicht  an.  Daß  er  mit  der  Sitte 
der  Kontamination  brach,  wie  Leo  PF.  100  vermutet,  ist  möglich;  vgl. 
§  107,  5. 

4.  Die  antiken  Urteile  treffen  zum  Teil  nur  die  Originale.  Varro  sat. 
399  B.  in  argumentis  Caecilius  poscit  palmam;  bei  Charis.  GL.  1,  241  ituQ"r\ 
Trabea,  Atilius,  Caecilius  facile  moverunt.  Vgl.  Hör.  E.  2, 1,  59  vincere  Caec. 
gravitate,  Terentius  arte.  Im  Kanon  des  Volcacius  steht  er  an  erster  Stelle: 
Caecilio  palmam  Statio  do  mimico  (vgl.  Reich,  Mimus  1,  337).  Teuffel, 
Tüb.  Progr.  v.  1858,  3.  Seine  Übersetzungskunst  lernen  wir  aus  Gell.  2,  23 
kennen,  der  drei  Stellen  aus  dem  Plocium  mit  dem  (überall  sehr  frei  be- 
handelten) Original  vergleicht;  an  der  einen  setzt  er  Trimeter  geschickt  in 
ein  lebhaftes  Canticum  um,  an  einer  anderen  vergröbert  er  in  plautinischer 
Art  (nescio  quae  mimica  inculcavit  Gell.).  Als  geborener  Insubrer  und 
spät  nach  Rom  gekommen  konnte  Caecilius  nicht  als  ein  guter  Gewährs- 
mann für  das,  was  fein  lateinisch  sei,  gelten;  Cic.  ad  Att.  7,  3,  10  malus 
auctor  Latinitatis.  Vgl.  Brut.  258  (§  105,  4):  die  Reste  rechtfertigen  dieses 
einseitig  puristische  Urteil  kaum.  —  Im  allgemeinen  s.  Mommsen,  RG. 
I6,  902  und  Teuffel,  Caecilius  Statius  usw.  Tüb.  1858,  1.  Skutsch,  PW. 
3,  1189. 


§  106.  Statius  Caecilius.    §  107.  Andere  Palliatendichter  199 

107.  Außer  Plautus  und  Caecilius  hat  jene  Zeit  noch  mehr 
Palliatendichter  gesehen;  wir  dürfen  zu  ihnen  wohl  Trabea  und 
Atilius  rechnen ,  sowie  den  Urheber  der  Boeotia,  Aquilius,  und 
Licinius  Imbrex.  Ein  älterer  Zeitgenosse  und  Nebenbuhler  des 
Terenz  war  Luscius  Lanuvinus. 

1.  Varro  bei  Charis.  GL.  1,  241  /nd%"r\  Trabea,  Atilius,  Caecilius  facile 
moverunt.  Vgl.  Ritschl,  Parerga  194,  der  demgemäß  die  Blütezeit  der  bei- 
den ersteren  vor  die  des  Caecilius  setzt.  Der  Gentilname  des  Trabea  ist 
unbekannt,  der  Vorname  Q.  ohne  urkundliche  Gewähr.  Zwei  Überreste  von 
lebhaftem  Tone  und  gebildeter  Sprache  bei  Ribbeck,  com.3  p.  36. 

2.  Archaistischer  sind  die  spärlichen  Überbleibsel  des  Atilius  (p.  37  bei 
Ribb.3),  der  als  Palliatendichter  durch  den  Titel  Misogynes  bezeichnet  wird. 
Cicero  ad  Att.  14,  20,  3  nennt  ihn  poeta  durissimus,  ebenso  aber  Licinius 
(richtig  Licinus  §  146,  3;  Lucilius  falsch  Detlefsen,  Phil.  42,182)  bei  Cic. 
fin.  1,  5  den  Atilius,  der  die  Elektra  des  Sophokles  (vgl.  Suet.  Iul.  84)  über- 
setzte: ferreum  scriptorem.  Danach  sind  wohl  beide  identisch;  s.  Ribbeck, 
röm.  Trag.  608.  Weniger  wahrscheinlich  ist,  daß  er  derselbe  sei  mit  dem 
Schauspieler  L.  Hatilius  aus  Praeneste  (§  16,  14),  der  (zu  Anfang  des  sie- 
benten Jahrh.?  Dziatzko,  RhM.  21,  72)  in  terenzischen  Stücken  auftrat. 

3.  Die  Boeotia  (der  Titel  bei  Menander),  ihrem  Titel  nach  zur  palliata 
gehörig,  für  deren  Verfasser  schon  zu  oder  vor  Varros  Zeit  ein  Aquilius  galt, 
schrieb  Varro  wegen  ihres  plautinischen  Geistes  dennoch  dem  Plautus  zu 
(Gell.  3,  3,  3),  wogegen  sich  L.  Accius  nachdrücklich  erklärt  hatte  (ebd.  9). 
Die  Zeitanspielungen  ergeben  nichts;  Ritschl,  Parerga  82.  123.  208.  Oster- 
mayer,  de  hist.  fabulari  57.    Leo,  PF.  154.    Ribbeck,  com.3  p.  38. 

4.  Licinius  Imbrex,  vetus  comoediarum  scriptor,  in  fabula  quae  Neaera 
(in)scripta  est,  Gell.  13,  23,  16.  Paul.  Festi  109  Imbrex  nomen  cuiusdam 
aomici.  Non.  196,  24  Licinius  in  Marte  (vgl.  Bergk,  JJ.  101,  832)?  Vielmehr 
Licinius  Macer  (§  156,  5)?  Volcac.  Sedig.  bei  Gell.  15,  24  si  erit  quod  quarto 
detur  dabitur  Licinio.    Identisch  mit  Licinius  Tegula  (§  114,  3)? 

5.  Luscius  Lanuvinus  (nicht  Lavinius;  s.  über  diese  Form  Hauler  Phorm. 
4S.  220),  der  Hauptgegner  des  Terenz  (malivolus  vetus  poeta),  der  in  allen 
terenzischen  Prologen,  mit  Ausnahme  derer  zur  Hecyra,  bitter  getadelt  wird. 
Er  übersetzte  das  ^da^icc  des  Menander  (Ter.  Eun.  prol.  9)  und  dessen 
SriöavQog  (ebd.  10),  so  wortgetreu,  daß  er  auch  Züge,  die  einem  römischen 
Publikum  Anstoß  geben  mußten,  mit  herübernahm.  Er  warf  dem  Terenz 
die  Abweichungen  von  seinem  griechischen  Original  und  die  Zutaten  aus 
anderen  griechischen  Stücken  (§  16,  9)  als  Fehler  vor;  s.  §  106,  3.  Ter.  Eun. 
prol.  10.  Vgl.  Andr.  prol.  15.  Heaut.  16.  Phorm.  prol.  1.  Ad.  1.  Grauert, 
Analekten  116.  Ladewig,  Kanon  des  Volc.  Sed.  12.  Ribbeck,  com.3  96.  — 
Über  Plautius  s.  §  96,  5. 

108.  P.  Terentius  Afer  war  zu  Karthago  geboren,  gelangte 
aber  früh  nach  Rom,  wo  er  Sklave  eines  Senators  Terentius  Luca- 
nus war,  der  ihm  die  Erziehung  eines  Freien  geben  ließ  und  ihm 
bald  die  Freiheit   schenkte.    Vielleicht  als  Afrikaner  kam  er  mit 


200  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

Scipio  Africanus  dem  Jüngeren  und  mit  dessen  Kreis  in  ein  näheres 
Verhältnis,  wodurch  das  Gerede  hervorgerufen  wurde,  daß  vornehme 
Leute  die  wahren  Verfasser  seiner  Lustspiele  seien.  Terenz  brachte 
sechs  Stücke  zur  Aufführung  und  begab  sich  dann  (J.  160)  weiterer 
Studien  halber  nach  Griechenland.  Auf  der  Rückreise  starb  er,  noch 
in  Griechenland,  im  J.  159  in  der  Blüte  seiner  Jahre. 

1.  Vita  des  Terenz  (aus  Sueton  de  poetis,  §  347,  7)  erhalten  vor  Donats 
(§  409,  3)  Terenz-Kommentar.  Sie  gibt  vorzugsweise  eine  Zusammenstellung 
der  (mannigfach  sich  widersprechenden)  Angaben  der  Grammatiker.  Von 
Ritschi  bearbeitet  in  Reifferscheids  Sueton  (Lpz.  1880),  auch  in  s.  Opusc. 
3,  204.    Ferner  in  Donat  ed.  Wessner  p.  3.    Vgl.  Büttner,  Porcius  Licinus  42. 

2.  Die  Notiz  bei  Hieronymus  zu  Euseb.  1859  =  158  und  die  hs.  er- 
haltenen vitae  (Norimbergensis ,  Ambrosiana)  hängen  sämtlich  von  Sueton 
(A.  1)  ab.  Ritschl,  opusc.  3,  374.  Selbständigen  Wert  hat  nur  der  ganz 
kurze  Zusatz  des  Donatus  zur  vita  Suetons  (p.  35, 1R.).  Sabbadini,  Stud.  It. 
2,  26.  5,  309. 

3.  Nach  Rom  kam  Terenz  vielleicht  durch  einen  Sklavenhändler,  der 
ihn  in  Afrika  kaufte  oder  raubte.  Als  Kriegsgefangener  jedenfalls  nicht 
unmittelbar,  da  er  nach  dem  Ende  des  zweiten  punischen  Krieges  (J.  201) 
geboren  wurde  und  beim  Beginn  des  dritten  (J.  149)  schon  tot  war;  s, 
Fenestella  bei  Sueton  aO.  Berge  aO.  628.  AL.  734  PLM.  5,  385  Bomanis 
ducibus  bellica  praeda  fui.    Zu  der  Freilassung  vgl.  auch  §  110,  1,  3. 

4.  Suet,  p.  27, 2  Reiff.  cum  multis  nöbilibus  familiariter  vixit,  sed  maxime 
cum  Scipione  Africano  et  C.  Laelio.  quibus  etiam  corporis  gratia  conciliatus 
existimatur  . . .  non  obscura  fama  est  adiutum  Terentium  in  scriptis  a  Laelio 
et  Scipione,  eamque  ipse  auxit  numquam  nisi  leviter  (vgl.  Prolog  zu  Heaut. 
und  Ad.)  refutare  conatus.  Cic.  Att.  1,  3, 10  Terentium,  cuius  fabellae  propter 
elegantiam  sermonis  putabantur  a  C.  Laelio  scribi.  Quint.  10,  1,  99  licet  Te- 
rentii  scripta  ad  Scipionem  Africanum  referantur.  f  Vallegius  in  actione 
(§  147,  3)  bei  Donatus  (Suet.  p.  35,  5  R.).  Ter.  selbst  antwortet  auf  den 
Vorwurf  des  Gegners  (Ad.  15),  homines  nobiles  eum  adiutare  adsidueque  una 
scribere:  eam  laudem  hie  ducit  maxumam,  quom  Ulis  placet,  qui  vobis  uni- 
vorsis  et  populo  placent,  quorum  opera  in  bello  in  otio  in  negotio  suo  quis- 
que  tempore  usust  sine  superbia.  Das  konnte  er  von  dem  jugendlichen  Scipio 
nicht  sagen;  es  sind  ältere  Freunde  gemeint.  Jedenfalls  pflegte  T.  seine 
Arbeiten  vor  ihrer  Veröffentlichung  im  Kreise  seiner  Freunde  vorzulesen 
und  berücksichtigte  ihre  kritischen  Bemerkungen.  Funaioli,  PW.  1  A,  435. 
Jedenfalls  hängt  des  Ter.  Purismus  mit  den  puristischen  Neigungen  zu- 
sammen, die  wir  im  späteren  Scipionenkreise  nachweisen  können.  Vahlen, 
MBer.  d.  Berl.  Ak.  1876,  797.    Cichorius,  Unters,  zu  Lucil.  107. 

5.  Suet.  p.  32, 4  post  editas  comoedias  nondum  quintum  atque  vicesimum 
(XXXV  interpolierte  Hss.)  egressus  (ingressus  Ritschl)  annum,  causa  vitan- 
dae  opinionis,  qua  videbatur  aliena  pro  suis  edere  seu  pereipiendi  Graecorum 
instituta  moresque,  quos  non  perinde  exprimeret  in  scriptis,  egressus  (urbe 
add.  Müret)>  est  neque  amplius  rediit.  . .  Q.  Cosconius  redeuntem  e  Graecia 
perisse   in    mari    (sinu    Leucadiae    hier  Fleckeisen,    der    die  Worte    unten 


§  108.  Terenz  (Leben)  201 

streicht^  dicit  cum  C  et  VIII  (diese  Zahl  tilgt  Ritschl)  fabulis  conversis  a 
Menandro:  ceteri  mortuum  esse  in  Arcadia  Stymphalif  sive  Leucadiae  tradunt 
Gn.  Comelio  Dolabella  M.  Fulvio  Nobiliore  coss.  (J.  159,  daraus  Hieron.  ad 
a.  1859  =  158  Terentius  . .  .  moritur),  morbo  implicitum  aut  dolore  ac  taedio 
amissarum  sarcinarum,  quas  in  nave  praemiserat,  ac  simul  fabularum  quas 
novas  fecerat.  Vgl.  Lucan.  5,  651  oraeque  malignos  Ambraciae  portus,  wozu 
Schol.  :  malignos  dixit,  sive  quia  saxosi  sunt  sive  quia  Terentius  illic  dicitur 
periisse.    Auson.  ep.  18,  16  Arcadiae  medio  qui  iacet  in  gremio. 

6.  Das  Todesjahr  war  überliefert  (A.  7):  daß  aber  Terenz  in  seinem 
25.  Lebensjahre  gestorben  sei,  demnach  geboren  um  J.  184,  ist  von  den 
röm.  Literaturhistorikern  wohl  nur  erschlossen  worden,  namentlich  aus  seiner 
Gleichzeitigkeit  mit  Scipio  (geb.  J.  185)  und  Laelius  (§  131,  1.  3):  vgl.  Suet. 
p.  27,  6  Nepos  aequales  omnes  (Ter.  Scip.  Lael.)  fuisse  censet.  Aber  diese 
bleibt  bestehen,  auch  wenn  Terenz  mehrere  Jahre  älter  war  als  seine  Freunde. 
Fenestella  behauptete  schon  (Suet.  aO.)  utroque  maiorem  (Terentium)  fuisse, 
und  Santra  (Suet.  aO.)  nennt  gar  Scipio  und  Laelius  adulescentuli  gegen- 
über dem  Terenz.  Für  ein  früheres  Geburtsjahr  spricht,  daß  das  älteste 
Stück  (Andr.)  schon  J.  166  aufgeführt  wurde.  Daß  der  formstrenge  peinliche 
Terenz  schon  im  18.  Jahr  als  Theaterdichter  aufgetreten  sei,  ist  zwar  nicht 
unmöglich,  aber  nicht  recht  wahrscheinlich,  ebensowenig,  daß  ihm  seine 
Gegner,  mit  denen  er  sich  in  den  Prologen  oft  herumschlagen  muß,  diese 
Frühreife  nicht  vorgeworfen  hätten.  Roth,  RhM.  12,  183.  Sauppe,  Gott. 
Nachr.  1870,  114.    Pirro,  Riv.  fil.  24,  382. 

7.  Suet.  p.  33,  4  fuisse  dicitur  mediocri  statura,  gracili  corpore,  colore 
fusco  (Suet.  aO.;  vgl.  Verg.  Moret.  32  Afra  genus,  tota  patriam  testante 
figura,  torta  comam  labroque  tumens  et  fusca  colore).  Sein  Bild  in  den  illu- 
strierten Hss.  (§  109,  2)  als  Vignette  (Bethe  aO.  60),  ferner  auf  einem  Con- 
torniaten  in  Gotha:  alle  nicht  glaubwürdig;  ebensowenig  eine  Büste  mit 
einer  (eher  tragischen  als  komischen)  Maske  an  der  recbten  Schulter,  ge- 
funden 1826  in  der  Nähe  des  durch  Sueton  (s.  u.)  bezeichneten  Landguts, 
jetzt  im  capitolinischen  Museum.  Bernoulli,  röm.  Ikonogr.  1,  68.  — .  Suet. 
p.  33,  5  reliquit  filiam,  quae  post  equiti  Rom.  nupsit,  item  hortulos  XX  iuge- 
rum  via  Appia  ad  Martis  (vgl.  Dessau,  5386.  7213,  4). 

109.  Die  sechs  Komödien,  die  Terenz  verfaßt  und  in  Rom  auf 
die  Bühne  gebracht  hat,  sind  erhalten.  Die  zahlreichen  Handschrif- 
ten zerfallen  in  zwei  Klassen,  den  uralten  Bembinus  und  die  auf 
die  Rezension  des  Calliopius  zurückgehenden.  Auch  Erklärer  fand 
Terenz;  wir  besitzen  nur  noch  die  Kommentare  des  Donatus  und 
des  Eugraphius.  Außerdem  sind  zu  den  Stücken  Didaskalien  und 
metrische  Inhaltsangaben  auf  uns  gekommen. 

1.  Suet.  p.  28,  8  scripsit  comoedias  sex,  ex  quibus  primam  Andriam  etc. 
Vgl.  Auson.  ep.  18, 15  von  der  Zahl  Sechs:  protulit  in  scaenam  quot  dramata 
fabellarum  etc. 

2.  Handschriften:  Die  beste  ist  Vatic.  3226  (A,  s.  IV/V,  Bembinus; 
Faksimile  bei  Wattenb.-Zangem.  T.  8  u.  9;  Chatelain  T.  6,  vgl.  Kauer,  WSt. 
20,252.  22,56):    ihr   stehen   die  anderen  Hss.  gegenüber,    die   sämtlich  zu- 


202  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

rückgehen  auf  die  zwar  auch  auf  guter  Grundlage  ruhende,  aber  stark 
und  willkürlich  ändernde  Rezension  eines  unbekannten  Grammatikers  Cal- 
liopius  (aus  s.  IV?  CBraun,  quaest.  Ter.  21.  FLeo,  RhM.  38,321).  Die  Sub- 
scriptio  (§  41,  2  E.)  lautet:  Calliopius  recensui  und  feliciter  Calliopio  (bono 
scholastico);  vgl.  OJahn,  Lpz.  Ber.  1851,  362.  Zu  diesen  Calliopischen  Hss. 
gehören  u.  a.  Paris.  7899  (P,  Reproduktion  der  Bilder  von  Omont,  Paris  1907), 
Vat.  3868  (C),  Ambros.  (F),  Basilicanus  (B),  alle  s.  X;  ferner  als  besondere 
durch  engere  Beziehungen  zum  A  sich  hervorhebende  Gruppe:  Victorianus 
(D  s.  X  in  Florenz)  und  Decurtatus  (G,  Vatic.  1640  s.  XI/XII),  Lips.  s.  X, 
Paris.  10304  s.  XI.  Facsim.  der  Hss.  BCDFGP  bei  Chatelain  T.  7—11.  In 
welcher  Gruppe  dieser  Hss.  der  Text  des  Calliopius  am  reinsten  vorliegt, 
ist  oft  untersucht  und  von  den  einen,  z.  B.  von  Dziatzko  Comment.  Wölfflin. 
219,  zugunsten  der  illustrierten,  von  anderen  wie  Leo  und  Wissowa,  PW.  3, 
1361  zugunsten  der  bildlosen  Hss.  entschieden  worden.  Vgl.  A.  5.  Die  Frage 
ist  deshalb  kaum  zu  lösen,  weil  Calliopius  keine  philologisch  durchdachte 
und  planvolle  Textrezension  veranstaltet,  sondern  nur  einen  ihm  vorliegen- 
den Text,  vielleicht  von  der  Art  des  Bembinus,  nach  einer,  im  besten  Falle 
nach  einigen  Hss.  abkorrigiert  hat.  Bei  der  mannigfachen  Kreuzung  der 
Überlieferung  vor  und  nach  ihm  wird  seine  eigene  Arbeit  nie  zu  fassen 
sein.  Ihn  mit  Alcuin  zu  identifizieren,  ist  natürlich  unmöglich.  Dziatzko, 
RhM.  47,  635.  Vgl.  auch  Ramain,  quomodo  Bemb.  liber  .  .  .  adhibendus  sit, 
Paris  1904,  34.  Webb,  Harv.  stud.  22,  55.  —  Zwölf  Hss.  sind  durch  ihre  auf 
antiker  Überlieferung  beruhenden  (FLeo,  RhM.  38,  334)  und  aus  guter  Zeit 
stammenden  Bilder  zu  den  terenzischen  Komödien  ausgezeichnet.  Die  in  F 
bei  Bethe,  Ter.  Cod.  Ambros.,  Leiden  1903  (vgl.  arch.  Jahrb.  18,93.  Leo, 
Gott.  Anz.  1903,  391).  Auswahl  von  Weston,  Harv.  Stud.  14,  37.  Wageningen, 
Album  Terentianum,  Groning.  1907.  Über  die  Zeit  vgl.  Robert,  Masken  der 
neueren  Kom.,  Halle  1911,  87  gegen  Engelhardt,  Die  Illustr.  der  Terenzhss., 
Jena  1905,  der  sie  unter  Zustimmung  von  Birt,  Die  Buchrolle  in  d.  Kunst 
(Lpz.  1907)  293  ins  fünfte  Jahrh.  n.  Chr.  setzen  will.  —  Über  die  Terenzhss.: 
CSydow,  de  fide  librorum  Ter.  ex  Calliopii  recensione  ductorum,  Berl.  1878. 
FLeo,  RhM.  38,  317.  Prinzhorn,  de  libris  Ter.  qui  ad  recens.  Calliopianum 
redeunt,  Gott.  1885.  Kauer,  JB.  143,  176.  —  EBartels,  de  Ter.  ap.  Nonium, 
Diss.  Argentor.  9,  1  (s.  §  390,  3).  Über  die  Ter.-Zitate  bei  Arusianus  (sie 
stimmen  meist  mit  D)  HSchindler  (A.  9)  cap.  1.  FArens  de  Ter.  fab.  memoria 
in  Donati  comm.  servata,  Münst.  1910.  Tschernajew,  de  Cic.  studiis  Terent., 
Kasan.  1898.  —  Steubing,  anal,  ad  testimonia  Terentiana,  Marb.  1872. 
AWilms,  de  personarum  notis  in  codd.  Ter.,  Halle  1881  (§  16,  8).  Die  Über- 
lieferung des  Textes,  der  wohl  von  Anfang  an  als  Buch  existierte,  ist  vor- 
trefflich, wie  sich  namentlich  in  den  Cantica  und  im  Fehlen  des  Hiats  zeigt. 
Leider  trägt  das  kritische  Verfahren  der  Herausgeber  außer  Hauler  und 
Kauer  diesem  Tatbestande  keine  Rechnung. 

3.  Zu  allen  Stücken  sind  metrische  Inhaltsangaben  in  je  zwölf  Senaren 
enthalten,  die  im  Bembinus  jedesmal  die  Überschrift  haben:  G.  Sulpici 
Apollinaris  periocha:  §  99,3.  357,2.  —  Erklärer:  Valerius  Probus,  Aemilius 
Asper,  Helenius  Acro,  Aelius  Donatus,  Euanthius;  zweifelhaft  Arruntius  Cel- 
sus  und  der  bei  Donat.  zu  Ter.  Eun.  4,  4, 22  erwähnte  mit  verderbtem 
Namen:  Ego  Edesionum  (Aedesium  Schoell)  sequor,  qui  rede  intellexit  usw. 


§  109.  Terenz  (Überlieferung)  203 

Suringar,  trist,  crit.  schol.  lat.  1,  77.  Ritschl,  Parerga361.  Wessner,  Anh.  zu 
Donat.  1  S.  534.  Der  uns  erhaltene  Donat-Kommentar  (§  409,  3)  ist  wertvoll 
auch  durch  Vergleichung  der  griech.  Originale,  fehlt  aber  zum  Heauton  timoru- 
menos:  als  Ersatz  hat  JCalphurnius  im  15.  Jahrh.  dazu  einen  für  uns  wert- 
losen Kommentar  verfaßt;  JLöffler,  de  Calphurnio  (f  1503)  Ter.  interprete, 
Diss.  Argentor.  6,261.  Keinen  selbständigen  Wert  hat  der  Kommentar  des 
Eugraphius  (§  482,  3).  Die  Scholien  des  cod.  Bembinus  bei  Umpfenabach, 
Herrn.  2,  337  (dazu  WStudemund,  JJ.  97,  546.  125,  51),  die  aus  CDG  usw.  in 
Scholia  Terentiana  ed.  Schlee,  Lpz.  1893.  Vgl.  Wessner,  JB.  113,  187.  139 
136.  —  Differentiae  (Synonymen)  Terentii  bei  HHagen,  anecd.  Helv.  p.  cxxxm. 
Ein  Glossar  zu  Ter.  aus  Vat.  1471  s.  IX  gab  heraus  GGoetz,  ind.  schol. 
Ienens.  1885  =  CGL.  5,  529. 

4.  Die  Didaskalien  sind  in  einer  doppelten  Redaktion  erhalten,  in  der 
des  Bembinus  und  in  der  Calliopischen  (A.  2):  mit  dieser  stimmen  Donats 
didaskalische  Angaben  in  den  praefationes  überein.  Beiden  lag  eine  ur- 
sprünglich vollständigere  Sammlung  von  szenischen  Nachrichten  zugrunde, 
die  aus  amtlichen  Aufzeichnungen  (commentarii  magistratuum ,  annales 
maximi)  von  Philologen,  etwa  von  Varro  de  actis  scaenicis  (§  166,5),  zu- 
sammengestellt war.  Daraus  hat  der  Bemb.  eine  zwar  lückenhafte  und  ver- 
wirrte, aber  nicht  systematisch  oder  willkürlich  entstellte  Auswahl  erhalten : 
dagegen  gibt  die  Calliopische  Rezension  eine  überlegte,  immer  auf  eine 
einzige  (die  erste)  Aufführung  sich  erstreckende,  und  teilweise  mit  Willkür 
gemachte  Auswahl.  Vgl.  überhaupt  Ritschl,  Parerga  263.  WWilmanns,  de 
didascaliis  Ter.,  Berl.  1864.  Dziatzko,  RhM.  20,  570.  21,  64.  39,  339.  Steffen, 
act.  soc.  Lips.  2,152.  FSchoell,  RhM.  31,469.  Watson,  Trans.  Amer.  Assoc. 
36,  125.  —  Über  Schauspielerzahl  usw.  bei  Ter.  §  16,  4.  S.  auch  A.  6. 

5.  Die  Aufzählung  in  §  110  folgt  dem  Bembinus,  der  mit  dieser  Ord- 
nung die  Reihenfolge  in  der  Abfassung  getroffen  zu  haben  meint.  Er  allein 
erwähnt  diese  regelmäßig,  durch  ''facta  V  {prima  oder  primo  loco),  c facta  IP 
usw.  bis  *  facta  W ,  während  die  andern  Hss.  die  Nummer  nur  dreimal,  aber 
übereinstimmend  geben.  Die  Bilderhss.  CFP  haben  die  Reihe:  Andr.  Eun. 
Heaut.  Ad.  Hec.  Phorm.,  DG  aber:  Andr.  Ad.  Eun.  Phorm.  Heaut.  Hec.  Ver- 
mutungen über  die  Ursache  dieser  verschiedenen  Anordnungen  zB.  bei  WWag- 
ner,  JJ.  91,291.  Leo,  RhM.  38,318.  Vgl.  §  110,6.  A.  1.  Zu  Lebzeiten  des 
Terenz  erfolgten  nach  den  Didaskalien  nachstehende  Aufführungen:  J.  166 
Andria  im  April  (lud.  Meg.).  165  Hecyra  1  (erstmals,  lud.  Meg.).  163  Heau- 
ton timorumenos  (lud.  Meg.).  161  Eunuchus  (lud.  Meg.).  Phormio  (lud.  Rom. 
im  September).  160  Hecyra  2  (zweiter  Versuch)  und  Adelphoe  (bei  den 
Leichenspielen  für  Aemilius  Paulus).  Hecyra  3  (vollständige  Aufführung; 
lud.  Rom.).  Dziatzko,  RhM.  21,  84.  Vgl.  Päckelmann,  de  ordine  Ter.  fabula- 
rum,  Halle  1875.  Herrmanowski,  quaest.  Ter.,  Halle  1892.  WMeyer,  quaest. 
Ter.,  Lpz.  1902. 

6.  Über  die  Prologe  vgl.  §  16, 10  und  RLiebig,  de  prologis  Ter.  et  Plaut., 
Görlitz  1859.  KDziatzko,  de  prologis  Plaut,  et  Ter.,  Bonn  1863.  GBoissier, 
Melanges  Graux  (Par.  1884)  79.  ARoehricht,  quaest.  scaen.  ex  prologis  Ter. 
petitae,  Diss.  Argentor.  9,  293.  Fabia,  les  prol.  de  Ter.,  Paris  1888.  WMeyer 
(A.  5);  MRichter,  Comm.  Jenens.  11,2,37,  ferner  die  Angaben  in  §  110. 

7.  Gesamtausgaben:   Ed.  princeps,    Straßb.  1470.    Ausg.   s.   1.  et  a.   in 


204  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

Italien  um  1470—75  (Jahns  Archiv  4,  325);  von  Muretus  (Venet.  1555), 
GFaernus  (Florent.  1565),  FLindenbrog  (c.  Donati  et  Eugraphii  comm.,  Paris 
1602;  Francof.  1623),  PhPareus,  Neust.  1619,  Boecler  (acc.  comm.  Guieti, 
Straßb.  1657),  in  usum  Delphini  (mit  Wortindex,  Par.  1675).  —  Ex  rec.  et 
c.  not.  Bentleji,  Cantabr.  1726  mit  Wortverzeichnis,  Neudruck  von  Voll- 
behr,  Kiel  1846;  über  Bentleys  englische  Ter.-Hss.  Umpfenbach,  Phil.  32,442. 
MWarren,  Am.  J.  Phil.  3,59.  Hoeing,  Am.  J.  Arch.  1900,310).  Comm.  perp. 
illustr.;  acced.  Donat.  Eugraphius  etc.,  cur.  Westerhovius ,  Haag  1726  II 
(Neudruck  von  Stallbaum,  Lps.  1830).  Ed.  GBothe  in  Poet.  scen.  T.  IV 
(Mannh.  1837).  Illustr.  Lemaire,  Par.  1827  III.  Cum  schol.  Donati  et  Eugra- 
phii ed.  Klotz,  Lpz.  1838.  39.  II.  —  Rec.  Fleckeisen,  Lps.  1857  (21898  ver- 
fehlt). With  notes  etc.  by  WWagner,  Cambr.  1869.  Ed.  et  app.  crit  instr. 
Umpfenbach,  Berl.  1870.  Rec.  Dziatzko,  Lps.  1884.  Tyrrell,  Oxf.  1902.  Ausg. 
von  Kauer  in  Vorbereitung. 

8.  Neuere  Übersetzungen:  von  Benfey,  Stuttg.  1837  ff.;  umgearbeitet 
(Andr.,  Eun.  und  Ad.)  Stuttg.  1854;  von  FJacob,  Berl.  1845;  JHerbst,  Stuttg. 
1854  ff.  CDonner,  Lpz.  u.  Heidelb.  1864  II.  Ad.  Andr.  Haut.  Phorm.  bei 
Bardt,  Rom.  Komödien. 

9.  Zur  Kritik  und  Erklärung  zB.  GHermann,  de  Bentleio  eiusque  edit. 
Terent. ,  opusc.  2,263.  JKrauss,  quaest.  Ter.  crit.,  Bonn  1850.  AKlette, 
exercit.  Ter.,  Bonn  1855.  JBrix,  de  Ter.  fabulis  emendandis,  Liegnitz  1857. 
ThLadewig,  Beitr.  z.  Kritik  des  Ter.,  Neustrelitz  1858.  EBruner,  quaest. 
Ter.,  Helsingfors  1868 ;  acta  societ.  Fennicae  9, 1  ff.  —  Übersichten  über  die 
Literatur  zu  Ter.  seit  1873  von  WWagner  u.  ASpengel.  JB.  1,  445  ff. ,  zu- 
letzt von  Schlee  93,116;  Kauer  143,176.  Vgl.  §  16,  2  ff.  98,  7  ff. 

110.  Diese  sechs  Stücke  sind  folgende: 

1)  Andria,  aufgeführt  J.  166  an  den  megalensischen  Spielen, 
eine  Bearbeitung  der  'Avögla  des  Menander,  mit  Zutaten  aus  der 
JjEQiv&Ca  desselben  Dichters.  Die  Wirkung  liegt  hauptsächlich  in 
den  wechselnden  Stimmungen  zweier  Jünglinge,  von  denen  der  eine 
ein  Mädchen  verführt  hat,  das  sich  schließlich  als  attische  Bürgerin 
herausstellt,  aber  auf  Wunsch  seines  Vaters  ein  anderes  Mädchen 
heiraten  soll;  eben  dieses  liebt  der  zweite  Jüngling.  Die  treuen 
Sklaven  der  Beiden  erleben  ihre  Leiden  und  Freuden  mit.  Die 
Schlußszene  ist  in  doppelter  Fassung  erhalten. 

1.  Im  Bembinus  ist  die  Didaskalie,  zusammen  mit  dem  Anfang  des 
Stücks,  verloren;  Donats  titulus  aber  berichtet  über  die  erste  Aufführung 
(und  eine  zweite,  zwischen  J.  143 — 134,  durch  Q.  Minucius  und  Valerius, 
Dziatzko,  RhM.  21,  64).  Vgl.  die  kaum  wahre  Anekdote  bei  Suet.  vit.  Ter. 
p.  28,  8  primam  Andriam  cum  aedilibus  daret,  iussus  ante  Caecilio  recitare 
ad  cenantem  cum  venisset,  dicitur  initium  quidem  fabulae,  quod  erat  con- 
temptiore  vestitu,  subsellio  iuxta  lectulum  residens  legisse,  post  paucos  vero 
versus  invitatus  ut  accumberet  cenasse  una,  dein  cetera  percucurrisse  non  sine 
magna  Caecilii  admiratione. 

2.  Ob  der  Prolog  von  der  ersten  Aufführung  stammt  (so  Dziatzko,  RhM. 


§  110.  Terenz  (einzelne  Stücke)  205 

20,579,  21,64.  OBrugmann,  JJ.  113,417.  FSchoell  aO.  3),  ist  sehr  fraglich; 
Leo,  PF.  100.  WMeyer  (§  109,5)  30.  41. 

3.  Über  alle  vier  nach  Menander  gearbeiteten  Stücke  s.  Benoit,  Essai 
sur  la  comedie  de  Men.  (Paris  1854)  220.  Verhältnis  zum  Original:  Prol.  13 
quas  convenere  in  Andriam  ex  Perinthia  fatetur  transtulisse  atque  usum  pro 
suis.  Wie  er  selbst  V.  9  sagt  und  sich  aus  den  Resten  ergibt  (Koerte,  Herrn. 
44,309),  glich  die  Perinthia  der  Andria  aufs  Haar;  durch  Donat  erfahren 
wir,  daß  Ter.  ihr  die  Szenen  1,  1  und  2,  1  entnimmt.  Donat.  zu  prol.  14 
conscius  sibi  est  primam  scaenam  de  Perinthia  esse  translatam,  ubi  senex  ita 
cum  uxore  loquitur  ut  apud  Terentium  cum  liberto;  at  in  Andria  Menandri 
solus  senex.  Die  Ersetzung  der  Gattin  durch  den  Freigelassenen  begründet 
Jacoby,  Herrn.  44,  362  ansprechend  damit,  daß  Ter.  durch  die  V.  32  ff.  seiner 
Dankbarkeit  gegen  den  eigenen  Patron  Ausdruck  geben  wollte.  Vgl.  Grauert, 
Analekten  173.  WIhne,  quaest.  p.  5.  Benfey  vor  s.  Übersetzung.  WTeufpel, 
Stud.  u.  Charakt.  280.  Dziatzko,  RhM.  31,  234.  Sipkema,  quaest.  Ter.,  Amsterd. 
1901,  71.  FSchoell,  SBer.  Heidelb.  Ak.  1912  (wo  ältere  Literatur). 

4.  Von  den  beiden  Fassungen  des  Schlusses  ist  die  kürzeste  die  echte, 
die  ausführlichere,  die  in  allen  maßgebenden  Hss.  fehlt,  sicher  nicht  teren- 
zisch;  sie  war  für  eine  spätere  Wiederholung  des  Stücks  gedichtet.  Ritschl, 
Parerga  583.  ASpengel,  SBer.  bayr.  Ak.  1873,620;  KDziatzko,  JJ.  113,235. 
AGbeipeld,  de  Andr.  Ter.  gemino  exitu,  Halle  1886.  —  Über  einen  dritten 
exitus  in  cod.  Erlang,  nr.  300  s.  Falbrecht,  de  tertio  Andriae  exitu,  Wien 
1893. 

5.  Sonderausgaben:  mit  Comm.  von  GPerlet,  Ronneb.  1805;  ex  rec. 
FRitteri,  Berl.  1883;  mit  Anm.  von  RKlotz,  Lpz.  1865;  rec.  et  illustr. 
Quicherat,  Par.  1866.  Erklärt  von  ASpengel,  2Berl.  1888;  CMeissner,  Bernb. 
1876.  Freeman  and  Sloman,  Oxf.  1886.  Fairclough,  "Boston  1905. 

6.  ASpengel,  d.  Komposition  der  A.,  SBer.  bayr.  Ak.  1873,  599.  — 
Vogel,  Ter.  Andr.  in  graecum  conversa,  P.  I.,  Treptow  1864.  Übersetzt  von 
F  .  .  .  x  (Felix  Mendelssohn-Bartholdy),  Berl.  1826.  Bardt,  Rom.  Korn.  1, 123. 

2)  Eunuchus,  kunstreich  zusammengesetzt  aus  Menanders 
Evvov%ög  und  Bestandteilen  von  dessen  K6Xa^.  Die  Wirkung  be- 
ruht z.  gr.  T.  auf  dem  Gegensatz  der  Charaktere  und  dem  Wechsel 
der  Stimmungen:  die  edelmütige  Hetäre  bemüht  sich,  die  Herkunft 
ihrer  Schutzbefohlenen  aufzuhellen ?  und  kann  deshalb  ihrem  eifer- 
süchtigen Geliebten  nicht  so  treu  sein  wie  sie  möchte;  der  verliebte 
Jüngling  bemächtigt  sich  durch  die  Verkleidung  als  Eunuch  des 
geliebten  Mädchens.  Das  komische  Element  kommt  hauptsächlich 
durch  die  Einarbeitung  des  Kolax  hinzu 7  aus  dem  der  prahlende, 
aber  stets  geprellte  Soldat  und  sein  Parasit  entnommen  sind.  So 
ergibt  sich  durch  die  Kontamination  eine  Mannigfaltigkeit  und 
Lebendigkeit  der  Handlung,  die  dem  Stücke  schon  bei  Lebzeiten 
des  Dichters  entschiedenen  Erfolg  verschaffte. 

1.  Verhältnis  zum  Original:  Prol.  30  Colax  Menandrist:  in  east  para- 
situs  colax  et  miles  gloriosus.   eas  se  non  negat  personas  transtulisse  in  JEu- 


206  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

nuchum  suam  ex  Graeca;  sed  eas  fabulas  factas  prius  Latinas  (nämlich  von 
Naevius  und  Plautus)  scisse  sese,  id  vero  pernegat.  Zu  539  bemerkt  Donat: 
bene  inventa  persona  est  (des  Antipho),  cui  narret  Chaerea,  ne  unus  diu  lo- 
quatur  ut  apud  Menandrum.  Grauert,  Analekten  147.  WIhne,  quaest.  15. 
WTeuffel,  Stud.  u.  Char.  281.  KBraun,  quaest.  Ter.,  Jen.  1877.  Oudegeest, 
de  Eun.  exemplis,  Amsterd.  1906.  Nach  Pers.  sat.  5,  161  hieß  Thais  im 
Evv.  Chrysis,  Phaedria  aber  Chaerestratus,  Parmeno  dort  Davus,  und  Gnatho 
hieß  im  KoX.  Struthias. 

2.  Eunuchus  bis  die  (die  tilgt  Leo,  sachlich  richtig)  acta  est  meruitque 
pretium  quantum  nulla  antea  cuiusquam  comoedia,  i.  e.  octo  milia  nummum, 
Suet.  vita  Ter.  p.  29  Rffsch.  Vgl.  Auctar.  Donat.  ebd.  p.  35  (10,  6  W.)  und 
Donats  praef.  zum  Eun.  p.  266,  12  W.  Ritschl,  Parerga  330.  Dziatzko, 
RhM.  21,  68. 

3.  Die  Konsuln  des  Aufführungsjahrs  fehlen  bei  Donat;  die  Calliopische 
Didaskalie  gibt  im  titulus  M.  Valerius  (J.  161),  C.  (?)  Mummius  (J.  146); 
Fannius  (J.  161);  die  aed.  cur.  bei  Donat  und  in  der  Calliop.  Rec.  L.  Pos- 
tumius  Albinus  (Cos.  J.  154,  also  Aedil  um  J.  160),  L.  Cornelius  Merula 
(wohl  der  Vater  oder  Großvater  des  gleichnamigen  Cos.  von  J.  87)  und  Auf- 
führung ludis  Megalensibus;  im  Bemb.  aber  M.  Iunius  (Brutus,  der  Rechts- 
gelehrte, ein  praetorius?  §  133,2)  und  L.  Iulius  (Caesar,  Vater  des  gleich- 
namigen Cos.  von  J.  90?),  ludis  Romanis.  Daher  wohl  zwei  Aufführungen, 
J.  161  (Coss.  M.  Valerius  Messala,  C.  Fannius  Strabo;  Aedilen  Albinus  und 
Merula)  und  wieder  J.  146  (Coss.  Cn.  Cornelius  Lentulus,  L.  Mummius 
Achaicus;  Aedilen  Iunius  und  Julius).  Vgl.  Dziatzko,  RhM.  21,66. 

4.  Ausg.  von  Fabia,  Paris  1895.  Für  die  Erklärung  wichtig  JHartmann, 
de  Ter.  et  Donato,   Leiden  1895.  —  Übers,  von  Gravenhorst,   Hamb.  1852. 

3)  Heauton  timorumenos,  der  Selbstquäler,  nach  dem  gleich- 
namigen Stücke  des  Menander,  ohne  Zuziehung  eines  zweiten  ge- 
dichtet; ein  Intriguenstück,  in  dem  aber  die  Charakteristik  die 
Hauptsache  ist,  mit  kunstvoll  verschlungener  Doppelhandlung.  Der 
Anagnorismos,  hier  nicht  das  eigentliche  Ziel  der  Handlung,  erfolgt 
schon  in  der  Mitte  des  Stückes. 

1.  Der  Prolog  ist  schwer  verständlich:  Ambivius  verteidigt  den  Dichter 
gegen  die  üblichen,  nicht  wegen  dieses  Stückes  erhobenen  Vorwürfe  der 
Kontamination  und  der  Unselbständigkeit  und  bittet  um  Wohlwollen  für 
diese  stataria,  in  der  pura  (d.  h.  nicht  durch  lebhaftes  Spiel  getrübte)  oratio 
(Flickinger,  Class.  Phil.  2, 157)  herrsche.  Vorher  aber  heißt  es  V.  4  ex  In- 
tegra Graeca  integram  comoediam  hodie  sum  acturus  Heautontimorumenon, 
duplex  quae  ex  argumento  facta  est  simplici  (duplici  A1).  Das  heißt:  das 
Stück  des  Menander  ist  bisher  nicht  übersetzt  worden,  es  enthält  eine 
Doppelhandlung  (weil  zwei  verliebte  Jünglinge  mit  Mädchen,  Vätern  und 
Sklaven  vorkommen).  Skutschs  (Kl.  Sehr.  123)  Gedanke  an  Kontamination 
ist  abzuweisen.  Leo,  Anal.  Plaut  2,20.  FSchoell,  RhM.  57,48.  Legrand, 
Rev.  et.  gr.  16,  349.  Gaffiot,  Rev.  Phil.  28,  128.  OKoehler,  de  Haut,  com- 
positione,  Lpz.  1908.  —  'Eavrbv  rinmgov^svog  =  se  crucians  (V.  81),  se 
exercens  (V.  146);  ipse  se  poeniens  (Cic.  Tusc.  3,65).  Im  Titel  haben  die  Hss. 


§  110.  Terenz  (einzelne  Stücke)  207 

die  vollere  Form  Heauton  Um.,  ebenso  die  Grammatiker  in  ihren  Zitaten; 
daher  ist  das  Stück  so  zu  nennen,  wenn  auch  prol.  5  die  kürzere  Form 
Hauton  Um,  gesprochen  wurde.  Dziatzko,  RhM.  27,159.  Ahnliche  Titel:  des 
Damoxenos  *Eccvtbv  Ttevft&v,  Antiphanes  'Eavrov  Sgatv,  des  Dexikrates  'Tcp' 
sccvtätv  nXcivm^tvoi  und  der  von  Caecilius  übersetzte  *JE|  sccvtov  E6tmg.  —  V.  63 
agrum  his  regionibus  meliorem  neque  preti  maioris  nemo  habet,  vgl.  mit 
den  Worten  des  Originales  (Reitzenstein  Index  Rostock  1890/1,  8)  v.cu  r&v 
'"AXjjöl  xagicav  xsnrriiihog  xakliötov  sl  zeigt,  wie  lokale  Anspielungen,  die 
das  römische  Publikum  nicht  verstand,  getilgt  werden.  Auch  spielten  im 
Originale  die  Dionysien  eine  wichtigere  Rolle  als  bei  Ter.  Im  Mittelpunkte 
steht  nicht  eigentlich  der  Vertreter  der  Titelrolle,  sondern  ein  mit  Unrecht 
auf  seine  richtige  Erziehung  eingebildeter  Vater;  das  Stück  ähnelt  also  den 
Adelphoe. 

2.  Konsuln  des  Aufführungsjahrs  im  Bemb. :  Cn.  Cornelius,  Marcus  (viel- 
mehr Manius)  Iuvenius  (d.  h.  Iuvencius,  Iuventius),  in  den  andern  Hss.  M. 
Iunio,  T.  Sempronio,  wohl  Hinweisung  auf  J.  163,  wo  Sempronius  Gracchus 
II  und  M'.  Iuventius  Thalna  Konsuln  waren "  und  auf  Wiederholung  im  Kon- 
sulat eines  Cornelius  (Cn.  Cornelius  Lentulus  J.  146?  P.  Cornelius  Scipio 
Nasica  Serapio  J.  138?).  Bei  der  ersten  Aufführung  (ludis  Megalensibus) 
wohl  aed.  cur.  L.  Cornelius  Lentulus  (ohne  Zweifel  der  Gesandte  von  J.  162 
bei  Polyb.  31,23  und  Cos.  156)  und  L.  Valerius  Flaccus  (Cos.  152?).  Vgl. 
Dziatzko,  RhM.  20,  574.  21,  68. 

Erklärt  von  WWagner,  Berl.  1872;  by  Shuckburgh,  Lond.  1878.  —  Über- 
setzt von  Bardt,  Rom.  Kom.  2,  207. 

4)  Phormio,  betitelt  nach  dem  Parasiten  und  Intriguanten  des 
Stücks,  der  einen  doppelten  Betrug  glücklich  durchführt,  während 
das  Original  des  Apollodoros  aus  Karystos  'Ejudi,xa£6{i£vog  hieß. 
Die  Handlung  ist  spannend  und  ohne  Seitensprünge  durchgeführt, 
die  Charakterzeichnung  mannigfaltig  und  fein,  die  Ausführung 
lebendig  und  heiter,  ohne  jemals  derb  oder  grob  zu  werden. 

1.  Über  Titel  und  Original  s.  prol.  25 — 28  nebst  Donatus,  nach  dem 
Apollodors  Stück  vielmehr  'ETcidntccgoiisvri  betitelt  gewesen  sein  soll.  Vgl. 
Meineke,  hist.  crit.  com.  gr.  464.    Dziatzko,  RhM.  31,  248. 

2.  Im  Bemb.  lautet  der  titulus:  acta  ludis  Megalensibus  Q.  Caspione 
Gn.  Servilio  cos.  Graeca  Apollodoru  Fpidicazomenos.  Facta  est  IUI.  Im 
Vaticanus  sind  die  Coss.  Gr.  Fannius,  M.  Valerius  angegeben,  wie  bei  Donat 
praef.  p.  14, 18  Rffsch.  M.  Valerio  et  C.  Fannio  coss.;  auch  haben  die  Calliop. 
Hss.  ludis  Bomanis.  Letztere  berichteten  die  erste  Aufführung,  J.  161  unter 
den  Aedilen  Albinus  und  Merula;  der  Bemb.  eine  spätere  Wiederaufführung, 
etwa  J.  141  (wo  Coss.  Cn.  Servilius  Caepio  und  Q.  Pompeius,  wahrschein- 
licher als  140,  wo  Coss.  C.  Laelius  und  Q.  Servilius  Caepio).  Dziatzko,  RhM. 
20,575.  21,70. 

3.  Ter.  Phormio  ed.  Elberling,  Kopenh.  1861.  Erkl.  v.  Dziatzko-Hauler, 
Lpz.4  1913.  By  Bond  and  Walpole,  Lond.  1879.  Elmer,  Boston  1895.  über 
den  Text  vgl.  Ramain  (§  109,  2).    Übersetzt  von  Bardt,  Rom.  Kom.  3,  207. 


208  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

5)  Hecyra,  die  Schwiegermutter,  ein  Stück  mit  wunderlicher 
Fabel,  das  fast  ohne  Handlung  und  alles  eher  als  ein  Lustspiel  ist; 
die  allgemeine  Vortrefflichkeit  der  auftretenden  Personen  färbt  so- 
gar auf  die  Hetären  ab.  Das  feine  Konversationsstück  war  nicht 
nach  dem  Geschmacke  des  römischen  Publikums  und  hatte  lange 
mit  Schwierigkeiten  der  Aufführung  zu  kämpfen. 

1.  Da  das  Stück  'Exvpa  heist  und  nicht  Socrus,  so  ist  es  gewiß  (wie 
die  Adelphoe)  nach  einem  *JLy.vq&  betitelten  griechischen  bearbeitet.  Damit 
stimmt  die  Angabe  des  Donat  praef.  p.  12  R. :  fdbula  Apollodori  (Carystii) 
dicitur  esse  graeca,  zumal  da  er  sie  im  Kommentar  fünfmal,  unter  Anführung 
bestimmter  Worte  des  Apollodor,  wiederholt  (vgl.  CAF.  3,  285  K).  Der  Bemb. 
sagt  irrtümlich:  graeca  Menandru.  Daß  Menanders  'EnixQiitovtBg  eine  fdbula 
similis  argumenti  (wie  die  Hec.)  war  (Apoll.  Sid.  ep.  4,12),  ist  richtig:  in 
beiden  Stücken  heiratet  ein  Jüngling  ein  Mädchen,  dem  er  vorher  im  Dunk- 
len Gewalt  angetan  hatte,  ohne  sie  wiederzuerkennen.  Ihre  Schwangerschaft, 
deren  wahren  Urheber  er  nicht  kennt,  droht  beide  zu  entzweien;  da  löst 
eine  Hetäre  mit  Hilfe  eines  von  ihm  verlorenen  Ringes  den  Knoten.  Apol- 
lodor ist  der  Nachahmer,  der  die  menandrische  Handlung  umgestaltet  und 
dadurch  zur  Einführung  der  edelmütigen  Hetäre  gelangt;  Ter.  hat  am 
Schlüsse  geändert  (Donat  zu  V.  825).  Die  Handlung  verläuft  nur  im  Ge- 
müte,  und  die  schließliche  Lösung  hebt  nur  gemütliche  Schwierigkeiten. 
Das  Stück  sticht  namentlich  dadurch  vom  üblichen  Schema  ab,  daß  der 
Jüngling  seine  Gattin  liebt.  Die  Exposition  erfolgt  durch  Ttgoacoita  itgo- 
ratmd.  Dziatzko,  RhM.  21,  76.  80.  FHildebrandt  ,  de  Hec.  Ter.  origine, 
Halle  1884.  FKrause,  de  Apollodoris  comicis,  Berl.  1903.  Stavenhagen, 
Herrn.  45,576. 

2.  Sachlich  richtig  würde  die  Didaskalie  lauten:  facta  II  (es  heißt  aber 
V).  acta  ludis  Megalensibus  Sex.  Iulio  Caesare  (Cos.  157),  Cn.  Cornelio  Do- 
labella  (Cos.  159)  aedilibus  cur.,  Cn.  Octavio  T.  Manlio  coss.  (J.  165).  pri- 
mum  acta  sine  prologo  (Störung  durch  funambuli,  prol.  1,4).  relata  est  He- 
rum L.  Aemilio  Paulo  ludis  funeralibus  (J.  160;  da^u  prol.  1).  non  est  pla- 
cita  (Störung  durch  Gladiatoren,  prol.  2,  33).  tertio  relata  est  (mit  prol.  2) 
Q.  Fulvio  (Cos.  153)  L.  Marcio  (Cos.  149)  aed.  cur.  (an  den  ludi  Romani  des 
J.  160).  (Darauf  Abreise  des  Terenz  nach  dem  Osten.)  Vgl.  Dziatzko,  RhM. 
20,  576.  21,  72.    Ritschl,  op.  2,  237. 

3.  Zwei  Prologe,  der  erste  (unvollständig?  WMeyer  aO.  37)  für  die 
zweite  Aufführung,  der  zweite  für  die  dritte.  Letzteren  spricht  der  Schau- 
spieldirektor Ambivius  (§  16,  14)  in  eignem  Namen:  aber  trotzdem  wird 
Terenz  ihn  gedichtet  haben.  HSchindler  (§  109,  9)  cap.  3.  Amdohr,  prologi 
Hec.  Ter.  .  .  .  pertractantur,  Frankf.  a/O.  1873.  WFielitz,  RhM.  31,  304. 
Fleckeisen,  JJ.  113,  533. 

6)  Adelphoe,  nach  Menanders  'AdeXcpoi,  unter  Mitbenutzung 
einer  Szene  aus  dem  Anfange  der  UvvaTto^vTJöKovrsg  des  Diphilos. 
Die  einfache,  wohlberechnete  Anlage,  feine  Charakterzeichnung 
und  Heiterkeit  des  Tones  machen  dieses  Stück  des  Terenz  zu  seinem 


§  110.  Terenz  (die  einzelnen  Stücke)  209 

gelungensten.    Das  Problem   der  richtigen  Jugenderziehung  wird 

dichterisch  behandelt,  aber  nicht  gelöst;  das  Bestreben,  keiner  Partei 

Unrecht  zu  geben,  hat  zu  dem  ,Motive  der  plötzlichen  Heirat  eines 

alten  Junggesellen  geführt. 

1.  Acta  ludis  funeralibus  Lucio  Aemilio  Paulo,  quos  fecere  Q.  Fabius 
Maxumus,  P.  Cornelius  Africanus.  .  .  facta  sexta,  M.  Cornelio  Cethego  L. 
(Anicio)  Gallo  cos.  (J.  160).  So  nach  dem  titulus.  Daß  diese  Aufführung 
nicht  die  erste  war,  haben  Osann,  WWilmanns,  Dziatzko  (RhM.  20,577.  21, 
78)  u.  a.  (Kauer  Ausg.  S.  1)  wegen  der  (ganz  töricht  begründeten)  Äuße- 
rung des  Donat  p.  5, 13  hanc  dicunt  ex  Terentianis  secundo  loco  actam  zu 
beweisen  gesucht.  Dagegen  s.  WWagner,  JJ.  91,  289.  Der  Dichter  wird  beim 
Tode  des  Paulus  sein  Stück  schon  fertig  gehabt  haben;  die  Einübung  er- 
forderte wohl  nicht  mehr  Zeit  als  alle  andern  Vorbereitungen  zu  den  Leichen- 
spielen. HBosse,  quaest.  Ter.  (Lps.  1874)  cap.  I.  Päckelmann  aO.  27. 

2.  Verhältnis  zum  Original:  nach  prol.  6  entnahm  Ter.  aus  dem  An- 
fange von  Diphilos'  Synapothnescontes ,  die  Plautus  in  den  Commorientes 
bearbeitet  hatte,  eine  Szene,  in  der  ein  Jüngling  eine  Dirne  gewaltsam  aus 
dem  Hause  eines  Kupplers  entführt;  Plautus  hatte  diese  Szene  übergangen. 
Damit  kann  nur  2,1  gemeint  sein;  da  aber  zu  V.  199  Donat  bereits  eine 
Parallele  aus  Menander  anführt,  so  wird  der  Einschub  aus  Diphilos  nur  bis 
zum  Monolog  des  Kupplers  reichen.  Da  der  Kuppler  in  dieser  Szene  ge- 
prügelt wird,  so  handelt  es  sich  um  eine  Konzession  an  das  Publikum,  das 
mit  der  feinen  Kost  des  Menandrischen  Konversationsstückes  nicht  zufrieden 
war.  Ferner  sagt  Donat  zu  V.  938  apud  Menandrum  senex  de  nuptiis  non 
gravatur  (sträubt  sich  nicht).  Grauert,  Analekten  124.  KFHermann,  Ter.  Ad. 
quam  fideliter  expressa  sit,  Marb.  1838.  Ihne,  quaest.  25.  Teuffel,  Stud. 
284.  Fielitz,  JJ.  97,  675.  Sipkema,  Quaest.  Ter.,  Amsterd.  1901.  Kampe,  über 
die  Ad.,  Burg  1902.  Kauer,  Wien.  St.  23,  87.  S.  auch  oben  §  97,  18,  1.  Über 
den  Schluß  s.  Teuffel,  Stud.  u.  Charakt.  287.  Spengel  vor  s.  Ausg.  S.  vin. 
Im  allgem.  vgl.  Dziatzko,  HhM.  31,  374. 

3.  Erklärt  von  A.  Spengel,  Berl.2  1905.  Dziatzko -Kauer,  2Lpz.  1903. 
FPlessis,  Par.  1884.  ASloman,  Lond.  1886.  EBenoist  et  JPsichari,  Par.2  1900. 
Gustarelli,  Mailand  1909.  Stampini,  Turin  1891.  Fabia,  Paris  1892.  —  Über- 
setzt von  Bardt,  Rom.  Kom.  1, 181. 

111.  Terenz  zeigt  sich  in  seinen  Lustspielen  als  einen  sorg- 
fältigen und  feinsinnigen  Nachdichter,  während  Plautus  trotz  seiner 
Anlehnung  an  die  Griechen  ein  schöpferischer  Dichter  ist.  Terenz 
geht  seinen  griechischen  Originalen  mit  treuem  Fleiße  nach;  auch 
wo  er  ändert,  kürzt  oder  erweitert,  greift  er  nach  einem  griechi- 
schen Vorbild.  Er  hat  nicht  die  urwüchsige  Frische,  Lebendigkeit 
und  Beweglichkeit  des  Plautus,  freilich  auch  nicht  seine  Unarten. 
Er  sucht  den  ruhigen  Mittelton  des  Menander  festzuhalten  und 
verzichtet  auf  die  derb-komischen  Wirkungen,  die  nur  auf  Kosten 
der  künstlerischen  Einheit  und  durch  Hinabsteigen  in  die  Sphäre 

Teuffel:  röm.  Literaturgesch.    Neub.  6.  Aufl.  I.  14 


210  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

der  Posse  zu  erreichen  waren.  Er  ist  ein  gewissenhafter  und  ge- 
schmackvoller Kunstdichter,  mehr  nach  dem  Sinne  vornehmer 
Kenner  als  des  Volkes.  Daher  zeigt  auch  seine  Sprache  überall 
Glätte  und  Geschmack  und  verschmäht  geflissentlich  altertüm- 
liche und  willkürliche  Bildungen  und  Wendungen.  Seine  Verse 
sind  verglichen  mit  denen  des  Plautus  viel  weniger  mannigfaltig 
und  belebt:  Terenz  gebraucht  fast  ausschließlich  iambische  und 
trochäische  Maße. 

1.  Über  Terenz  im  allg.  Mommsen,  EG.  26,  432.  Ribbeck,  röm.  Dicht.  1T 
131.  MCroker,  Terence,  Lond.  1909.  Musterung  der  Stücke  auch  (von  Frauen- 
hand) in  Ritschis  opusc.  2,  752.  Siess,  Charakterzeichn.  bei  Ter.,  WSt.  29,  81. 

2.  Verhältnis  zu  seinen  Originalen.  Duae  {fabulae)  ab  Apollodoro  (aus 
Karystos)  translatae  esse  dicuntur  comico,  Phormio  et  Hecyra:  quattuor  reli- 
quae  a  Menandro.  So  Donats  Zusatz  (§  108,  2)  zu  Suet.  vita  p.  35, 10  R. 
Ter.  stellt  sich  die  Aufgabe,  den  Ton  seiner  Originale  möglichst  getreu 
wiederzugeben,  und  unterscheidet  sich  dadurch  von  Plautus,  mit  dem  man 
ihn  nicht  ohne  weiteres  vergleichen  darf.  Nur  wo  die  griechischen  Ver- 
hältnisse seinem  Publikum  unverständlich  bleiben  mußten,  hat  er  leise  ge- 
ändert. Die  Rechtsverhältnisse  sind  durchaus  griechisch.  Baret,  de  iure  ap. 
Ter.,  Paris  1878.  Schwind,  üb.  d.  Recht  bei  Ter.,  Würzb.  1901  (vgl.  §  98,  6). 
Donat  zu  Phorm.  91  Apoüodorus  tonsorem  ipsum  nuntium  facit  .  .  .  quod 
scüicet  mutasse  Terentium,  ne  externis  moribus  spectatorem  JRomanum  offen- 
deret.  S.  §  110,3,1.^  Er  vermeidet  es,  seine  Schauspieler  aus  der  Rolle 
fallen  und  zum  Publikum  reden  zu  lassen,  Euanth.  de  com.  3,  8  p.  66  illud 
quoque  mirabile  in  eo  .  .  .  quod  nihil  ad  populum  facit  actorem  velut  extra 
comoediam  loqai;  quod  Vitium  Plauti  frequentissimum.  Mit  vielleicht  noch 
größerer  Konsequenz  als  Menander  verfolgt  er  das  Ziel,  ein  Lustspiel  ohne 
possenhafte  Elemente  zu  schaffen,  vielleicht  in  Nachahmung  des  Apollodor. 
Auch  sprachlich  steckt  er  sich  das  Ziel,  die  6vv^slcc  ebenso  sorgfältig 
nachzubilden  wie  Menander,  und  löst  sie  recht  gut.  Über  die  Art  der  Be- 
nutzung s.  WIhne,  quaest.  Ter.,  Bonn  1843.  Ladewig,  üb.  d.  Kanon,  d.  Volc. 
Sedig.  (1842);  Beitr.  z.  Kritik  des  Ter.  (1858)  S.  1—10.  FKampe,  d.  Lustsp. 
d.  Ter.  (Andr.  Eun.  Heaut.)  u.  ihre  Originale,  Halberst.  1884.  GRegel,  Ter. 
im  Verh.  zu  s.  Originalen,  Wetzl.  1884.  GVallat,  quo  modo  Menandrum 
quoad  personarum  mores  Ter.  transtulerit,  Par.  1887.  Nencini,  de  Ter.  eius- 
que  fontibus,  Livorno  1891.  —  LHFischer,  de  Ter.  priorum  comicorum  lat. 
imprimis  Plauti  sectatore,  Halle  1875. 

3.  Die  Kontamination  wendet  Ter.  so  an,  daß  er  in  sein  Original  nur 
einzelne  Szenen  aus  anderer  Quelle  {einfügt,  und  geht  dabei  so  sorgsam 
zu  Werke,  daß  der  Fremdkörper  die  künstlerische  Einheit  nicht  stört. 
WWalther,  de  contaminationis  ap.  PL  et  Ter.  div.  ratione,  Jena  1910.  Sein 
Ziel  dabei  ist,  für  den  Fortfall  der  burlesken  Elemente  durch  Stoffülle  Er- 
satz zu  schaffen;  auch  mochte  ihm  die  Arbeit  mancher  griechischen  Komö- 
diendichter nicht  viel  anders  als  eine  Kontamination  vorkommen.  JKlasen, 
quam  rationem  Ter.  in  contaminatis  fab.  secutus  sit,  I  Adelphoe,  Rheine 
1886.  Die  Personennamen  seiner  Originale  änderte  Ter.  meist  ab,  und  zwar 


§  111.  Terenz  (Charakteristik)  2\\ 

oft  so,  daß  die  Personen  einen  Namen  führen,  dessen  Appellativbedeutung 
ihrer  Rolle  entspricht  (f redende  Namen',  vgl.  Donat  zu  Ad.  26;  s.  §  16,1). 
Die  Liebhaber  heißen  Phaedria,  Charinus,  Chaerea,  Pamphilus ;  die  Mädchen 
Pamphila,  Philumena,  Bacchis;  die  Sklaven  Geta,  Syrus,  Parmeno  usw. 
Ohnehin  sind  die  Stoffe  etwas  einförmig:  die  Liebe  eines  jungen  Mannes 
zu  einem  Mädchen,  das  schließlich  als  Freie  erkannt  und  geheiratet  wird, 
bildet  den  Gegenstand  der  Andria,  des  Eun.,  Heaut.,  Phormio;  auch  in  der 
Hec.  eine  Art  ävccyvcoQio^og.  Ter.  folgt  also  einer  Kunstrichtung,  der  die 
Fabel  weniger  wichtig  ist  als  die  Kunst  der  Durchführung,  richtiger:  er 
wählt  solche  Originale  aus,  die  dieser  Richtung  entsprachen.  —  Über  die 
Erleichterung  der  Exposition  durch  rtgoöcaitu  Tiqoxaxi%a  s.  §  16,  11. 

4.  Quint.  10, 1,  99  Terentii  scripta  .  .  sunt  in  hoc  genere  elegantissima  et 
plus  adhuc  habitura  gratiae,  si  intra  versus  trimetros  stetissent  (weil  für 
seinen  Stil  das  Ethos  des  Senars  allein  passend  erschien)  —  Wortspiele 
plautinischer  Art  sind  selten  (wie  bei  Menander):  Andr.  218.  —  Eun.  42.  236. 
Heaut.  218.  —  Heaut.  356.  379.  526.  Hec.  543.  Ad.  220.  322.  427  u.  sonst. 
Dagegen  zeigen  die  von  Ter.  unabhängig  entworfenen,  von  den  Stücken 
losgelösten  Prologe  rhetorische  Anlage  und  reichliche  Verwendung  rheto- 
rischer Mittel.  Leo,  Anal.  Plaut.  2,14.  —  Gell.  6,14,6  vera  et  propria  .  . 
exempla  in  Latina  lingua  M.  Varro  esse  dicit  .  .  mediocritatis  Terentium. 

5.  Aeranius  in  Compitalibus  29  Terenti  numne  similem  dicent  quem- 
piam?  (Ritschl,  op.  3,263),  und  wohl  auch  v.  30:  ut  quidquid  loquitur  sal 
merumst!  Cicero  Att.  7,  3, 10  Terentium,  cuius  fdbellae  propter  elegantiam 
sermonis  etc.  und  in  Limone  (bei  Suet.  vita  Ter.  p.  34  Rffsch.):  .  .  lecto  ser- 
mone,  Terenti,  . .  Menandrum  in  medium  nobis  sedatis  vocibus  {motibus  Barth) 
effers  etc.  Caesar  (ebd.,  s.  §  195,  3)  .  .  puri  sermonis  amator.  lenibus  atque 
utinam  scriptis  adiuncta  foret  vis,  comica  ut  aequato  virtus  polieret  honore 
cum  Graecis  neve  hac  despecte  ex  parte  iaceres!  Caesar  erkennt  ihn  daher 
nur  als  dimidiatus  Menander  an. 

6.  Die  Sprache  des  Ter.  bezeichnet  als  pura  Cäsar  (A.  5),  während  seine 
eigene  Äußerung  Heaut.  46  nicht  ganz  den  Sinn  von  ''puristisch'  hat  (§  110, 
3,  1).  Sie  hält  sich  von  den  Derbheiten  und  Neubildungen  des  Plautus  frei, 
kann  aber  die  Verwendung  von  Archaismen  und  andere  Abweichungen  von 
den  sonst  geltenden  Normen  am  Versschlusse  nicht  vermeiden.  Maßgebend 
war  wohl  auch  hier  das  Bestreben,  den  Ton  des  Menander  zu  treffen;  dazu 
kamen  aber  bereits  die  puristischen  Tendenzen  des  Scipionenkreises.  Die 
Gegner  warfen  ihm  tenuis  oratio  und  scriptura  levis  vor  (Phorm.  5),  d.  h. 
Steckenbleiben  im  yivog  l6%vov,  über  das  er  absichtlich  nicht  hinausging; 
die  nicht  ganz  seltenen  Alliterationen  zerstören  nach  römischem  Empfinden 
dieses  Ethos  nicht.  Andere  Figuren  finden  sich  besonders  an  pathetischen 
Stellen  (Lenz,  de  Ter.  figuris  verb.,  Hörn  1910.  1911  II).  Vgl.  besonders  oben 
§  98,7  (Lit.  über  Altlatein).  Hauler,  Terentiana;  cum  specimine  lexici,  Wien 
1882;  Ausg.  d.  Phormio  S.  65.  Engelbrecht,  Studia  Ter.,  Wien  1883; 
Beobachtungen  über  d.  Sprachgebr.  d.  lat.  Korn.,  WStud.  6,216.  Wahr- 
mann, Vulgärlat.  bei  Ter.,  WSt.  30,  75.  EBartel,  de  vulg.  Ter.  sermone, 
Karlsb.  1910.  Blery,  Syntaxe  de  la  subordin.  dans  Ter.,  Paris  1909;  Rev. 
Phil.  34, 224.  Schlossarek,  Temp.  et  modorum  syntaxis  Ter.,  Bresl.  1908; 
Festschr.  d.  Philologenvereins,  Breslau  1911,  275.  Johnston,  de  sermone  Ter., 

14* 


212  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

Königsb.  1905.   —    ChrGerdes,    de    translationibus    Ter.,    Leer    1884.    Vgl. 
auch  A.  7. 

7.  Metrisches  (vgl.  auch  §  98,9):  Den  Metra  seiner  Originale  steht  Ter., 
mit  ähnlicher  Freiheit  gegenüber  wie  Plautus,  ersetzt  aber  den  Mangel  an 
lyrischen  Maßen  dadurch,  daß  er  innerhalb  der  Dialogszenen  das  Versmaß 
mehrfach  wechseln  läßt.  Er  ersetzt  ebenso  wie  Plautus  die  Trimeter  seines 
Vorbildes  oft  durch  andere  Maße,  Mar.  Victor.  6,78K.  Terentianas  vel  maxime 
fdbulas  metrum  ac  disciplinam  Graecarum  comoediarum  non  custodisse.  Auch 
seine  Cantica  baut  er  aus  iambischen  und  trochäischen  Versen,  wendet  aber 
in  ihnen  außer  den  Maßen  der  Dialoge  auch  trochäische  Oktonare  und  Kurz- 
verse an,  die  als  Klauseln  dienen  und  in  dem  raschen  Wechsel  der  Lang- 
verse Ruhepunkte  bilden.  Die  lyrische  Komposition  findet  sich  nur  in  Sze- 
nenanfängen; Gesetze  im  einzelnen  für  sie  aufzuzeigen  ist  nicht  möglich. 
Nur  folgen  stets  auf  trochäische  Oktonare  andere  trochäische  Verse  (Bent- 
leysche  Regel).  Aridere  Maße  als  iambische  und  trochäische  finden  sich  nur 
dreimal  und  jedesmal  in  kurzen  Stellen:  Andr.  481 — 485  (4  bacch.  tetram. 
1  iamb.  dim.).  625 — 638  (1  daktyl.  tetram.  9  cret.  tetr.  2  iamb.  dim.  2  bacch. 
tetram.).  Ad.  610  —  616  (unsicher:  Choriamben  mit  umgebenden  kurzen 
iamb.  und  troch.  Reihen).  Wir  haben  also  eine  Weiterbildung  der  plauti- 
nischen  Art  vor  uns,  die  ebenfalls  dazu  beitragen  soll,  den  Dramen  einen 
einheitlichen  Ton  zu  geben.  FSchlee,  de  versuum  in  canticis  Ter.  consecu- 
tione,  Berl.  1879.  KMeissner,  d.  Cantica  des  Ter.  u.  ihre  Eurhythmie,  JJ. 
Suppl.  12,  465;  d.  stroph.  Gliederung  in  d.  stich.  Partien  bei  Ter.,  JJ.  12i>, 
289;  de  iamb.  ap.  Ter.  septenario,  Bernb.  1884.  Baese,  de  canticis  Ter., 
Halle  1903.  —  CConradt,  de  versuum  Ter.  structura,  Berl.  1870;  Herrn.  10, 
101;  die  metr.  Kompos.  d.  Komöd.  d.  T..,  Berl.  1876;  JJ.  117,  401.  BBorn, 
de  diverbii  ap.  Ter.  versibus,  Magdeb.  1868.  Draheim,  de  iamb.  et  troch. 
Ter.,  Herrn.  15,  238.  Podiaski,  quo  modo  Ter.  verborum  accentus  cum  nu- 
meris  consociaverit,  Berl.  1882;  d.  troch.  Sept.  des  T.,  Berl.  1894.  WMeyer, 
Wortakzent  (s.  §  98,  8)  21.  Über  die  Cäsuren  des  iamb.  Trim.  OSchubert, 
Weim.  1878  (§  109,  9).  —  Über  die  Akteinteilung  vgl.  Keym  (§  16,  7). 

8.  In  der  Kaiserzeit  war  Ter.  einer  der  gelesensten  Schulautoren,  weil 
er  der  Sittsamkeit  der  Schüler  nicht  gefährlich  war  und  weil  sein  Latein 
zwar  altertümlich,  aber  nicht  zu  sehr  mit  Glossen  durchsetzt  war.  Vgl. 
z.  B.  Commod.  apol.  583.  Vit.  Sever.  21.  Gl.  7,  449.  4,  xxvm  K.  —  Buc- 
chioni,  Ter.  nel  rinascimento,  Casciano  1911. 

112.  Der  erste  Togatendichter  ist  für  uns  Titinius,  aus  einem 
geachteten  plebejischen  Geschlechte;  vielleicht  gehört  er  noch  in  die 
Zeit  des  Terenz,  den  er  aber  überlebt  zu  haben  scheint.  Seine  Stücke 
haben  alle  lateinische  Titel  und  können  stofflich  als  tabernariae  be- 
zeichnet werden.  Die  Überreste  zeigen  einen  derben,  volkstümlichen 
Ton,  eine  Sicherheit,  Lebendigkeit  und  Frische,  die  an  Plautus  er- 
innert, während  er  nach  dem  Urteil  der  Alten  die  methodische  Cha- 
rakterzeichnung mit  Terenz  gemein  hatte  und  sie  namentlich  auch 
auf  Frauenrollen  erstreckte. 


§  112—114.  Togaten-  und  Palliatendichter  213 

1.  Varro  bei  Charis.  GL.  1,  241  ri%"r\  nullis  aliis  servare  convenit  (con- 
tigit?)  quam  Titinio,  Terentio,  Attae.  Ritschl,  Parerga  194  (vgl.  op.  3, 125) 
schloß  hieraus,  daß  Tit.  vor  Ter.  geboren  war;  weder  dieser  Schluß  noch 
die  Erwägung,  daß  Ter.  schon  jung  als  Schriftsteller  auftrat  und  das  Vor- 
handensein von  Togaten  während  seiner  Bühnentätigkeit  unerweislich  und 
unwahrscheinlich  sei,  also  die  des  Titinius  erst  nach  dem  Tode  des  Ter.  be- 
gonnen habe,  ist  irgendwie  zwingend. 

2.  Seren.  Samm.  med.  1037 f.:  allia  praecepit  Titini  sententia  necti,  qiii 
veteri  ciaras  expressit  more  togatas. 

3.  Uns  bekannt  sind  15  Titel,  darunter  Ferentinatis  (Psaltria),  Setina, 
Veliterna,  Insubra  (?),  ferner  Hortensius,  Iurisperita,  Fullones;  die  Bruch- 
stücke bei  Ribbeck,  com.3  p.  157.  Sprache  und  Metrik  weisen  auf  Anleh- 
nung an  Plautus,  während  die  Stoffe  trotz  der  aufgesetzten  italischen  Lichter 
die  der  Palliata  sind.  —  Über  Tit.  s.  Neukirch,  fab.  tog.  97.  Ritschl,  Pa- 
rerga 194.    Mommsen,  RG.  I6,  905. 

113.  Der  Palliata  treu  blieb  Turpilius,  gleichfalls  ein  Alters- 
genosse des  Terenz,  der  aber  weit  ins  siebente  Jahrb.  d.  St.  hinein 
lebte.  Auch  er  bearbeitete  Stücke  der  neuen  Komödie  lateinisch 
und  hielt  sich  wie  Terenz  besonders  an  Menander,  griff  aber  auch 
auf  die  mittlere  Komödie  zurück.  Der  Ton  seiner  Überreste  ist  leb- 
hafter als  bei  Caecilius  und  Terenz,  die  Sprache  reich  an  volkstüm- 
lichen Bestandteilen,  der  Versbau  wie  bei  Terenz. 

1.  Hieronym.  zu  Euseb.  Chr.  a.  1914  (Amand.  1915)  =  103:  Turpilius 
comicus  senex  admodum  Sinuessae  moritur.  —  Die  Reste  bei  Ribbeck,  com.3  98. 

2.  Von  den  13  uns  bekannten  Titeln  (alle  griechisch)  stimmen  sechs, 
darunter  die  Leucadia,  mit  solchen  des  Menander  überein;  Demetrius  (co- 
moedia  nobilis  nach  Diom.  402, 12)  war  nach  Alexis  gearbeitet,  Lemniae  gab 
es  von  Antiphanes,  Diphilos,  Nikochares,  einen  Philopator  von  Antiphanes 
und  Poseidippos.  V.  50  hat  Turp.  den  Monolog  des  Originales  durch  einen 
Dialog  ersetzt;  ein  Canticum  V.  43,  Baccheen  88,  139?  T.  hörte  vielleicht 
früh  auf  zu  dichten,  weil  mit  dem  Ablaufe  des  sechsten  Jahrh.  d.  St.  die 
Zeit  der  Palliata  vorbei  war.    Ritschl,  Parerga  188. 

114.  Andere  Palliatendichter  dieser  Zeit  waren  Iuventius  und 
Valerius  und  vielleicht  der  fast  verschollene  Vatronius;  als  Ver- 
fasser eines  kirchlichen  Liedes  im  j.  200  wird  Licinius  Tegula 
genannt,  und  die  beiden  Konsuln  des  J.  173,  Q.  Fabius  Labeo  und 
M.  Popillius  Laenas,  finden  wir  als  Dichter  bezeichnet. 

1.  Iuventius  comicus  bei  Varro  LL.  7,  65;  vgl.  6,  50.  Iuventius  in  co- 
moedia,  Gell.  18,  12,  2.  .  Iuventius  in  Anagnorizomene  bei  Fest.  289  beruht 
auf  willkürlicher  Vermutung.  Paul.  (p.  299  M.)  setzte  dafür  irrtümlich  Te- 
rentius.  —  Ribbeck,  com.3  p.  94 f. 

2.  Valerius  in  Phormione  bei  Priscian.  GL.  2,  200,  was  manche  auf 
Valerius  Valentinus  (§  140, 1)  oder  auf  den  Mimographen  (§  207,  5)  beziehen. 
Oder   auf  Val.  Aedituus?     Vetus  poeta  heißt  dieser  bei  Gell.  19,  9,  10  und 


214  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

wird  vor  Licinius  und  Catulus  genannt.  Vgl.  noch  §  86,  6  und  146,  2.  Rib- 
beck, com.8  p.  367.  —  Über  Vatronius  (der  Name  mehrfach  auf  Inschriften) 
Placidus  CGL  5,  8,  50  Burrae  Vatroniae,  fatuae  ac  stupidae,  a  fäbula 
quadam  Vatroni  auctoris,  quam  Burra  (IIvqqcc  hieß  ein  Stück  des  Diphilos) 
inscripsit,  vel  a  meretrice  Burra.  Bücheler,  Rh.  M.  33,  309.  —  Herrenlose 
Palliatentitel :  Adelphi,  Hydria,  Georgos  (alle  auch  unter  Menanders  Stücken); 
Ribbeck,  com.3  p.  131.  Erwähnung  einer  alten  (?)  Komödie  in  einem  Brief 
des  PCDecembrio  an  Niccolo  Niccoli  aus  JJ.  1412 — 20  (abgedr.  in  Mehus, 
epist.  Travers.  35,  7  p.  1050)  über  die  Werke,  welche  die  Bibliothek  des 
Giov.  Corvini  (f  1438)  in  Mailand  besaß:  ex  antiquissimis  libris  vetustissimi, 
quos  carte  semesos  ad  legendum  facesso:  ....  comoedia  antiqua,  quae  cuius 
sit  nescio.  in  ea  Lar  familiaris  (wie  in  Plaut.  Aul.  und  namentlich  im 
Querolus  §  436,  9)  multum  loquax  est:  volt  ne  parasitus  antelucanum  cubet, 
ut  plostrum  vetus,  pelves  et  rastros  quatridentes  ruri  quam  festinissime  trans- 
ferat;  is  ne  volt  parere  quidem  eo  quod  gallus  nondum  gallulat.  meo  denique 
iudicio  vetustissima.  Vgl.  Sabbadini,  della  bibliot.  di  Giov.  Corvini,  Livorno 
1886. 

3.  Livius  31, 12  gE.:  decemviri  .  .  .  Carmen  ab  ier  novenis  virginibus  cani 
per  urbem  iusserunt  (infolge  von  Prodigien)  donumque  Iunoni  Reginae  ferri 
.  .  .  Carmen  .  .  .  tum  condidit  P.  Licinius  Tegula.  Vgl.  Ritschl,  Parerga 
197.  104.  Diels,  Sibyll.  Blätter  44.  Auch  §  30,  1.  107,  4.  —  Über  Fabius 
und  Popillius  vgl.  §  125,  5. 

115.  Ausführlichere  metrische  Inschriften  des  sechsten  Jahrh. 
d.  St.  haben  sich  nur  spärlich  erhalten. 

1.  Über  das  in  Saturniern  Überlieferte  vgl.  §62,4.  Sonst  gehören  hier- 
her von  den  Scipionengrabinschriften  (vgl.  §  83,  7)  Nr.  30.  33  und  34  (CIL  1, 
p.  19  f.). 

2.  Die  bei  Gell.  1, 24  und  Cic.  Tusc.  1, 34  (Enn.)  überlieferten  Grab- 
schriften  des  Naevius  (in  Saturniern  §  95, 1),  Plautus  (in  Hexametern  §  96,  2), 
Ennius  (im  elegischen  Maß  §  100,  6  E.)  stammen  nicht,  wie  sie  sich  den  An- 
schein geben,  von  den  darin  gefeierten  Dichtern  selbst,  sondern  sind  mit 
der  Absicht  ihrer  literarischen  Charakteristik  später  verfaßt.  OJahn,  Herrn. 
2,  242.  Nur  die  Grabschrift  des  Pacuvius  (bei  Gell.  aO  ,  in  iamb.  Senaren 
§  105, 1)  entspricht  ganz  den  wirklichen  gleichzeitigen  Grabschriften  und 
kann  sehr  wohl  das  Grab  des  Dichters  bezeichnet  haben.  Bücheler,  RhM. 
37,521.    FPlessis,  Epitaphes,  Paris  1905. 


II.  PROSAIKER 

116.  Unter  den  ältesten  römischen  Geschichtschreibern,  die  sich 
noch  der  griechischen  Sprache  bedienten  (§  2.  36),  ist  der  früheste 
und  bedeutendste  Q.  Fabius  Pictor  (geb.  um  J.  254)  aus  der  Zeit 
des  zweiten  punischen  Krieges.  Seine  löto^Ca  reichte  von  Aeneas 
bis  auf  seine  Zeit  und  behandelte  diese  ausführlicher  und  nicht 
ohne  rhetorischen  Aufputz.  Polybios  und  Dionysios  tadeln  ihn  zwar 


§  115.  Inschriften.    §  116.  Q.  Fabius  Pictor  215 

öfters;  aber  Polybios  hat  ihn  für  den  hannibalischen  Krieg  doch 
als  eine  Hauptquelle  benützt,  und'er  hat  auch  die  annalistische  Über- 
lieferung nachhaltig  beeinflußt.  Neben  der  griechischen  gab  es  auch 
«ine  (jüngere)  lateinische  Bearbeitung  seines  Geschichtswerkes.  Mit 
geringer  Sicherheit  werden  ihm  Schriften  über  das  ius  pontificium 
beigelegt. 

1.  Dionys.  ant.  1,  6  o^oiag  de  xovxoig  (den  griechischen  Darstellern  der 
römischen  Geschichte)  %aX  ovdev  diccyoQOvg  it-edcoKuv  icxoglccg  ycal  'Pcoiiaicav 
bcoi  xd  TtaXaid  b'gycc  xrjg  noXecog  eXXriviKfj  diaXexxco  GvveyQuipccv,  &v  slöi  tvqsö- 
ßvxccvoi  Koivxog  xe  <&dßtog  %a,l  AsvKiog  Kiyxiog,  d^icpoxegoi  nccxd  xovg  <&oivi- 
xiKovg  axtidoccvxsg  TtoXe^iovg.  xovxcov  de  x&v  dvdq&v  ezdtegog  olg  [ihr  ctvxbg 
Mgyoig  Ttuqey&vexo  did  xi\v  efiiteioiccv  uKQtß&g  dveygccvjs,  xd  de  dg^ccla  xd  pexd 
xrjv  KxLaiv  xf)g  TtoXecog  ysvofieva  uscpccXccModag  irtedocciisv.  Polyb.  3,  9  nccxcc 
xovg  xccigovg  (des  hannibalischen  Kriegs)  6  ygäcpav  (Fab.  P.)  yiyove  xort  xov 
cwedolov  fisxslxe  x&v  *Pcoiicd(ov.  Liv.  22,  7,  4  (bei  der  Schlacht  am  Trasi- 
menersee)  Fabium  aequalem  temporibus  huiusce  belli  potissimum  auctorem 
habui.  Vgl.  Eutrop.  3,  5  L.  Aemilio  cos.  (J.  225)  ingentes  Gallorum  copiae 
Alpes  transierunt.  sed  pro  Bomanis  tota  Italia  consensit  traditumque  est  a 
Fabio  historico,  qui  ei  bello  interfuit  usw.  Ebenso  Obos.  4, 13.  Vgl.  Plin. 
NH.  10,  71.  Nach  der  Schlacht  bei  Cannae  (J.  216)  Q.  Fabius  Pictor  Del- 
phos  ad  oraculum  missus  est  (Liv.  22,  57,  5  vgl.  23,  11,  lff.).  Plut.  Fab.  Max. 
18  elg  sdeXcpovg  i7te(i(pd'r]  fteoTtgonog  IHkxcoq  ovyyevi]g  G>ccßlov  (de«  Cunctator). 
App.  Hann.  27  i]  ßovXi]  Koivxov  (frdßiov,  xov  övyygacpecc  x&vds  x&v  £pyeov,  ig 
deXcpovg  'ine^Tte  etc.,  vielleicht  gehörte  er  zu  den  Xvirl  sacris  faciundis ; 
Diels,  Sibyll.  Bl.  11.  106.  Über  Rücksichtnahme  auf  sein  Geschlecht  in 
seinem  Werke  s.  Mommsen,  röm.  Forsch.  2,  278. 

2.  Cic.  1,  43  Aeneae  somnium,  quod  in  nostri  (?)  Fabi  Pictoris  Graecis 
annalibus  eiusmodi  est  (A.  6  E.).  Liv.  1,  44,  2  scriptorum  antiquissimus  Fa- 
bius Pictor.  2,  40,  10  Fabium,  longe  antiquissimum  auctorem.  Dionys.  7,  71 
Kotvxm  (frußico  ßeßcaaxf)  xQ&^ievog  nccl  ovde(iiäg  %xi  deo^ievog  HLöxecog  exeoccg" 
itccXccioxctxog  ydo  dvi]Q  x&v  xd  Qa^cciKd  6vvxcct-a{LEva)v  kcu  itiöxiv  ov%  i£  atv 
7]kov6s  [lovov  dXXd  y.cc.1  i£  &v  avxög  h'yvco  Ttage^o^svog.  Dion.  teilt  1,  79  die 
römische  Gründungssage  nach  Fabius  mit.  S.  Mommsen,  röm.  Forsch.  2,  9. 
Dagegen  4,  6  und  30  tadelt  Dionys.  bei  einem  untergeordneten  Punkte  seine 
Qad'vfiicc.  Polyb.  1, 14  sagt,  er  habe  die  Geschichte  des  punischen  Krieges 
unternommen  diu  xö  rovg  eyuieiQoxaxa  doxovvxag  yqdcpeiv  vjteo  ccvxov,  <I>iXivov 
aal  (frdßtov,  firj  deovxcog  rj^iiv  dnr\yyeX%ivui  xt]v  dXiqfteictv.  snövxccg  \iev  ovv 
itpsvadcu  xovg  dvdgccg  ov%  vitoXccußdvco,  6xo%ai,6\Levog  ix  xov  ßiov  xal  xfjg 
cclgiöecog  avx&v,  wohl  aber  habe  den  Pictor  sein  patriotisches  Interesse  für 
die  Römer  irre  geführt;  vgl.  ebd.  1,  58  u.  unten.  Wölfelin,  Antiochus  37. 
39.  53  f.  Dagegen  3,  8  u.  9  spricht  sich  Polyb.  auch  über  Pictor  in  seiner 
kritischen  Weise  aus.  ThLucas,  Glogauer  Progr.  1854,  p.  10.  HPetee,  HRR. 
1,  lxxxiii.  Reuss,  Phil.  NF.  14, 128.  Liv.  1,  55,  8  magis  Fabio,  praeterquam 
quod  antiquior  est,  crediderim  .  .  .  quam  Pisoni.  Livius  zitiert  ihn  (außer 
dieser  und  den  schon  angeführten  Stellen  1, 44.  2.  2, 40,  10.  22,  7, 4)  noch 
8,  30,  9  u.  10,  37,  14.     Ob   dieser,   wo  er  unbestimmt  antiquissimos  scriptores 


216  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

oder  priscos  annales  oder  vetustiores  seriptores  erwähnt,  vorzugsweise  den 
Pictor  meine,  ja  ob  Livius  ihn  überhaupt  in  größeren  Partien  seiner  Ge- 
schichte unmittelbar  als  Hauptquelle  benutzt  habe,  ist  streitig  (vgl.  Heyden- 
reich,  Fab.  P.  und  Livius,  Freib.  1878);  fast  scheint  es,  als  habe  er  ihn  nur 
in  Zweifelsfällen  aufgeschlagen.  Eher  ist  wahrscheinlich,  daß  Diodors  Be- 
handlung der  röm.  Geschichte  auf  Fabius  Pictor  beruht  (Diodor  nennt  kei- 
nen römischen  Geschichtschreiber  außer  ihm,  ihn  freilich  auch  nur  einmal). 
Letzteres  hat  schon  Niebuhr,  RG.  2, 192.  630  bejaht,  dann  namentlich  Momm- 
sen,  röm.  Forsch.  2,273  zu  beweisen  versucht;  vgl.  Bader,  de  Diod.  rer. 
Rom.  auctoribus,  Lpz.  1890.  Schwartz,  PW.  5,  696.  Dagegen  Schwegler, 
RG.  2,  24.  Nitzsch,  Annalistik  226.  BNiese,  Herrn.  13,  412.  EMeyer,  RhM. 
37,610.  LCohn,  Phil.  42,1  u.  a.  Sicher  aber  hat  Polybios,  der  den  Fabius 
öfters  erwähnt  (1,  14,  lfll.  1,15,12.  1,58,5.  3,8.  3,9),  ihn  benutzt.  Niese, 
Herrn.  13,410.  Fünger,  Herrn.  14,90;  Phil.  39,69.  Namentlich  auch  in 
der  Darstellung  der  Gallierzüge  2, 18fll.  und  besonders  in  dem  Verzeichnis 
der  italischen  Wehrfähigen  2,  24;  s.  Mommsen,  röm.  Forschungen  2,  382. 
Plin.  NH.  nennt  den  Fabius,  der  ihm  durch  Varro  vermittelt  ist,  im  Q Verz. 
zu  B.  10.  14.  15  und  zitiert  ihn  10,  71.  14,  89.  Münzer,  Beitr.  z.  Quellen- 
kritik 177.  189. 

3.  Die  Überreste  des  Pictor  bei  Peter,  HRR.  1,5.  109;  HRF.  6.  74.  — 
Harless,  de  Fabiis  et  Aufidiis  rer.  rom.  scriptoribus,  Bonn  1853;  duRieu,  de 
gente  Fabia  (Leiden  1856)  165.  Nissen,  RhM.  22,  565.  HPeter,  HRR.  1, 
lxix;  Wahrh.  u.  Kunst  273.  ThPlüss,  JJ.  99,  239.  KWNitzsch,  d.  röm. 
Annalistik  (1873)  S.  267  und  dagegen  Heydenreich  aO.  Wachsmuth,  Einl. 
622.    Münzer,  PW.  6,  1836. 

4.  Plut.  Romul.  3  (vgl.  8)  xa  kvqlcotcctcc  (der  ältesten  röm.  Geschichte) 
nQ&tos  sig  tovg  r'EXXr\vccg  if-edoay.s  jdioyXf\g  6  nsTtccorjd'iog,  co  ytccl  <&dßiog  Unt- 
tcoq  iv  xoig  7i%£i6T0ig  iit7ixolovd"riG8.  Aber  die  sachliche  Übereinstimmung 
zwischen  Pictor  und  seinem  Zeitgenossen  Diokles  erklärt  sich  nicht  so;  auch 
wohl  nicht  aus  der  Gemeinsamkeit  ihrer  Quellen  (Schwegler,  RG.  1,  412), 
sondern  daraus,  daß  Diokles  den  Fabius  benützt  hat.  Vgl.  Mommsen,  röm. 
Forsch.  2,  279.    Christ,   SB.  bayr.  Ak.  1905,  115.     Schwartz,    PW.  5,  797. 

5.  Daß  Fabius  Pictor  sein  griechisches  Geschichtswerk  nicht  vor  Beendi- 
gung des  zweiten  punischen  Krieges  begann,  liegt  in  der  Natur  der  Sache, 
sowie  daß  er  es  bis  zu  dessen  Ende  fortgeführt  haben  wird.  Letzteres  wird 
wahrscheinlich  durch  Appian.  Hann.  27  (s.  A.  1). 

6.  Aus  dem  Werke  des  Fabius  Pictor  werden  Stellen  in  lateinischer 
Sprache  als  Worte  des  Geschichtschreibers  selbst  mehrfach  angeführt,  zB. 
spelunca  Martis,  lupus  als  Femininum,  duovicesimo  anno,  letzteres  in  einem 
umfänglicheren  Zitat  bei  Gell.  5,  4,  3  (aus  einem  Exemplar  der  Annalen  des 
Fabius  bonae  atque  sincerae  vetustatis,  für  dessen  Fehlerlosigkeit  der  Ver- 
käufer in  Ubraria  apud  Sigillaria  sich  verbürgte).  Danach  ist  auch  eine 
lateinische  Bearbeitung  anzunehmen.  Auch  Fronto  ep.  p.  114  Nab.  (§  37,5) 
kann  nur  diese  lateinische  Fassung  meinen.  Daß  diese  später  gewesen  sei, 
als  die  griechische,  ist  aus  inneren  Gründen  wahrscheinlich,  da  sie  eine 
höhere  Ausbildung  der  lat.  Prosa  zur  Voraussetzung  hat,  deren  älteste  Ur- 
kunde Catos  Origines  sind  (doch  ist  die  Reihenfolge  bei  Cic.  de  or.  2, 51 
ut  noster  Cato,  ut  Pictor,  ut  Piso,  und  ebd.  53  talis  noster  Cato  et  Pictor  et 


§  116.  Q.  Fabius  Pictor.    §  117.  Cincius  Alimentus  217 

Piso  durch  die  Rücksicht  auf  die  Klausel  bedingt;  dagegen  de  leg.  1,  6  die 
Ordnung:  ad  Fabium  aut  Catonem  aut  ad  Pisonem).  Fraglich  kann  dann 
sein,  ob  die  lateinische  Bearbeitung  noch  von  dem  Verfasser  selbst  ausge- 
geführt  worden  ist  oder  von  einem  Dritten,  vielleicht  gleichfalls  einem  Fa- 
bius. Möglich  ist  auch,  daß  es  zwei  Annalisten  des  Namens  Fabius  (Pictor) 
gegeben  hat  (HPeter,  HRR.  1,  lxxvi.  clxxviii.  Mommsen,  röm.  Forsch.  2,  378. 
Münzer,  PW.  6,  1842).  Viele  halten  für  diesen  zweiten  Fabius  den  Juristen 
Servius  Fabius  Pictor  (§  133,  3):  so  schon  Non.  518  (A.  7);  andere  den  Fa- 
bius Maximus  Servilianus  (Cos.  142),  der  sicher  Geschichtliches  verfaßt 
hat.  Ein  früher  aus  der  Verderbnis  bei  Cic.  de  div.  1,  43  (Aeneae  somnium, 
quod  in  f  numerum  Fabi  Pictoris  graecis  annalibus  eiusmodi  est)  heraus- 
gelesener Numerius  Fabius  Pictor  muß  weichen  vor  der  Besserung  von 
MHertz,  philol.- klinischer  Streifzug  32;  RhM.  17,579;  JJ.  99,768,  nostri; 
vgl.  vGutschmid,  Sehr.  5,  513.  Übrigens  ließe  sich  aus  der  Stelle  Ciceros 
schließen,  daß  die  lateinische  Bearbeitung  den  Traum  des  Aeneas  gar  nicht 
oder  nicht  in  dieser  Ausführlichkeit  enthielt,  also  die  Originalfassung  ab- 
kürzte. Diese  lateinischen  Annalen  waren  (oder  wurden?)  auch  in  Bücher 
eingeteilt;  B.  1  zitiert  Non.  518,28;  B.  4  Gell.  5,4,3.  —  Holzapfel,  röm. 
Chronol.  351.    WSoltau,  JJ.  133,  479. 

7.  Das  Werk  eines  Fabius  Pictor  de  iure  pontificio  gehört  eher  dem 
Juristen  Serv.  Fabius  Fictor  als  dem  Annalisten  Q.  Fabius  Pictor,  trotz  Non. 
518  Fabius  Pictor  Herum  gestarum  lib.  I  .  .  .  Idem  iuris  pontificii  libro  III. 
Vgl.  §  133,  3. 

117.  Des  Pictor  jüngerer  Zeitgenosse  L.  Cincius  Alimentus, 
Praetor  J.  210,  schrieb  ein  ähnliches  Werk  wie  jener,  gleichfalls 
griechisch,  und  wie  es  scheint  nicht  ohne  Quellenforschung  und 
Kritik ;  doch  ist  es  eben  von  den  Annalen  des  Fabius  in  den  Hinter- 
grund gedrängt  worden.  Von  diesem  Cincius  ist  ein  späterer  Anti- 
quar des  gleichen  Namens  zu  unterscheiden. 

1.  Dionys.  1,  74  Aeviuog  Kiyniog,  ccvi)q  ix  xov  ßovXsvxwov  gvvsSqlov, 
(setzt  die  Gründung  Roms)  %sqI  xb  xixaqxov  hog  xf\g  8(o8sY.dxr]g  6%v\L7uadog 
=  J.  729  v.  Chr.  (Mommsen,  röm.  Chronol.2  315.  Plüss  p.  34;  JJ.  103,  385). 
Liv.  21,  38,  3  Cincius  Alimentus,  qui  captum  se  ab  Hannibale  (jedenfalls 
nach  seiner  Praetur)  scribit.  26,  23,  1  praetorum  inde  comitia  habita.  P. 
Manlius  Vulso  .  .  .  et  L.  Cincius  Alimentus  creati  sunt.  27,  7,  12  legiones 
decretae:  M.  Valerio  cum  Cincio  (his  quoqiie  est  enim  prorogatum  in  Sicilia 
imperium)  Cannensis  exercitus  datus.  Vgl.  noch  ebd.  26,  28.  27,  5.  7.  8.  26. 
28.  29.  Er  war  plebejischen  Standes:  (sein  Bruder)  M.  Cincius  Alimentus 
war  J.  204  Volkstribun,  Liv.  29,20.    Münzer,  PW.  3,2556. 

2.  Dionys.  1,6  (s.  §  116,1)  und  ebd.  79  7i8gi  dh  xmv  in  xrjg'Riccg  ysvo- 
lievav  Koivxog  phv  <&ccßiog  .  .  .  &  Asvniog  xs  Kiyaiog  %al  Kdxoav  IJoQ-Kiog  xcel 
IJlöcov  KalnovQviog  nccl  xmv  aXlonv  övyyQacptav  ol  nXslovg  r)Kolo,vQ"ri6c(v.  Liv. 
7,  3,  7  Volsiniis  quoque  clavos  indices  numeri  annorum  fixos  in  templo  Nor- 
tiae  Etruscae  deae  comparere  diligens  talium  monumentorum  auetor  Cincius 
adßrmat.  Da  Livius  andere  als  Geschichtswerke  sonst  nie  zitiert,  so  ist  die 
Stelle    wohl   mit  MHertz   u.  a.   auf  den  Annalisten  Cinc.  zu  beziehen.     Die 


218  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

Gründe  von  Mhrcklin,  Plüss  (p.  17.  25)  und  HPeter  (HRR.  1,  xv)  beweisen 
nur  die  Möglichkeit,  sie  auch  auf  den  Altertumsforscher  Cincius  (s.  A.  4)  zu 
deuten.  Liv.  21,  38,  3 — 5  Cincius  AUmentus  .  .  .  maxime  auctor  nie  moveret, 
nisi  confunderet  numerum  Gdllis  Liguribusque  additis  .  .  .  ex  ipso  autem 
audisse  <(se)>  Hannibdle  etc.  Verteidigung  dieser  Angabe  des  Cincius  bei 
FLachmann,  de  fönt.  Liv.  2,80;  vgl.  Plüss  p.  5 — 8.  HPeter  aO.  cix.  Daß 
andere  Schriftsteller  (zB.  Polybios)  ihn  nicht  erwähnen,  mag  sich  aus  der 
Gleichheit  des  Stoffes  mit  dem  Werke  des  berühmteren  Fabius  erklären  und 
beweist  jedenfalls  nicht,  daß  diese  griech.  Annalen  des  Cincius  ein  Mach- 
werk aus  augusteischer  Zeit  (Mommsen,  röm.  Chronol.2  315;  RG.  I6,  921) 
waren. 

3.  Die  Überreste  des  Cincius  zuletzt  bei  HPeter,  HRR.  1,40;  HRF.  32. 
MHertz,  de  Luciis  Cinciis,  Cinciorum  fragm.  ed.,  ßerl.  1842.  Schwegler, 
RG.  1,  78.  ThPlüss,  de  Cinciis,  Bonn  1865,  vgl.  N.  Schweiz.  Mus.  6  (1866), 
43.    Cichorius,  PW.  3,  1556. 

4.  Einem  Cincius  (und  zwar  nach  Fest.  218  L.  Cincius)  werden  ferner 
zugeschrieben  (Hertz  aO.  32.  Huschke,  Jurispr.  anteiust.5  84.  Bremer,  JAH. 
1,  252)  ein  Buch  de  fastis  (Macrob.  1,12,  12;  vgl.  Kiynios  iv  reo  nsgi  koQt&v 
bei  Laur.  Lyd.  de  mens.  4,  92  und  ebd.  4,  44  Kly-aiog  6  ^Pcaficclog  6ocpi6t^g)y 
de  comitiis  (Fest.  241,  21),  de  consulum  potestate  (Fest.  241,  8),  de  officio 
iurisconsulti  (wovon  Festus  173, 10.  321,  29  ein  zweites  Buch  zitiert),  mysta- 
gogica  (ein  zweites  Buch  bei  Fest.  363,  26),  de  re  militari  (aus  dem  3.,  5. 
u.  6.  Buche  bei  Gell.  16,  4),  de  verbis  priscis  (bei  Fest.  214,  31.  277,4.  330, 1). 
Daß  alle  diese  staatsrechtlich -antiquarischen  Schriften  von  einem  späteren 
gelehrten  Juristen  Namens  L.  (Fest.  218,18)  Cincius  verfaßt  sein  müssen, 
ist  einleuchtend.  MHertz  aO.  61.  Die  Gegengründe  von  LCohn  JJ.  1900, 
V  323.  516  sind  nicht  stichhaltig.  Hertz  setzt  diesen  in  die  Zeit  des  Cicero 
(und  Varro)  und  hält  ihn  für  den  in  Ciceros  Briefen  vorkommenden  L.  Cin- 
cius; Plüss  rückt  ihn  bis  in  das  augusteische  Zeitalter  herab  (§  255,  6); 
dafür  scheint  zu  sprechen  die  Erwähnung  der  Hermunduli  (Gell.  16, 4,  1) 
und  allenfalls  die  Aufzählung  bei  Arnob.  adv.  nat.  3, 38  und  bei  Charis. 
GL.  1,  132  (Varro  et  Tullius  et  Cincius);  vgl.  auch  Gell.  7,  15,5  (Aelii,  Cin- 
cii,  Santrae)  und  Fest.  173  (Cincius  et  Santra).  Dagegen  aber  s.  Macr.  1, 
12, 12  f.  (Cingius  .  .  .  Cingio  etiam  Varro  consentit)  und  Fest.  166.  174.  277 
(Cincius  et  Aelius).  170  (Santra,  Aelius,  Cincius).  Er  müßte  also  mindestens 
ein  jüngerer  Zeitgenosse  des  Cicero  gewesen  sein.  Auch  vermutet  Plüss, 
daß  dieser  Cincius  zugleich  (um  J.  29)  Annalen  verfaßt  habe,  die  vielfach 
(zB.  von  Dionys.  Hai.)  mit  dem  Werke  des  gleichnamigen  alten  Annalisten 
verwechselt  worden  seien,  was  nur  dann  glaublich  wäre,  wenn  auch  der 
jüngere  Cincius  griechisch  geschrieben  hätte.  Vgl.  HPeter,  aO.  civ.  cxiv. 
Wissowa,  PW.  3,  2555. 

118.  Der  eifrigste  Vertreter  der  nationalen  Richtung  in  Leben 
und  Literatur  ist  im  sechsten  Jahrh.  d.  St.  M.  Porcius  Cato,  ge- 
boren zu  Tusculum  J.  234,  Quaestor  204,  Aedil  199,  Praetor  198, 
Konsul  195,  Zensor  184,  gestorben  149.  Eine  kernhafte,  tüchtige 
Natur,  ihrer  Ziele  klar  bewußt  und  sie  bald  mit  schroffer  Festig- 


§  118.  M.  Poroms  Cato  (Leben)  219 

keit,  bald  auch  mit  Schlauheit  verfolgend ,  kampflustig  und  voll 
Mutterwitz,  ist  Cato  das  Urbild  eines  alten  Römers.  Aber  daneben 
verrät  er  den  Einfluß  seiner  Zeit  in  der  Eitelkeit,  mit  der  er  seine 
Person  in  ein  helles  Licht  zu  stellen  liebte.  In  der  Politik  besaß  er 
nicht  die  Weitsichtigkeit  seiner  aristokratischen  Gegner,  aber  an 
wohlgemeintem  Patriotismus  übertraf  ihn  keiner.  Trotz  der  gerin- 
gen Achtung,  die  er  vor  aller  Schreiberei  bezeigte,  war  er  doch  ein 
fruchtbarer  Schriftsteller  und  trotz  aller  zur  Schau  getragenen  An- 
tipathie gegen  die  Griechen  war  er  doch  von  ihrer  Bildung  mannig- 
fach berührt.  So  ist  er  der  erste  eigentliche  Prosaiker  der  Römer 
geworden,  in  der  Absicht,  seinem  Volke  eine  brauchbare  und  von 
den  Unarten  der  griechischen  nicht  angekränkelte  Literatur  zu 
schaffen. 

1.  Beinamen  des  Cato  (=  Sapiens):  Censor,  Censorius,  Orator,  später 
von  dem  Uticensis  unterschieden  durch  den  Beisatz  priscus  oder  superior. 
Vielseitigkeit;  s.  Quint.  12,  11,  23  M.  Cato  idem  summus  Imperator,  idem 
sapiens,  idem  orator,  idem  historiae  conditor,  idem  iuris,  idem  rerum  rusti- 
carum  peritissimus  fuit.  Vgl.  Cic.  de  or.  3, 135.  Brut.  294  sowie  §  121,  2. 
Liv.  39, 40  (beredte  und  warme  Charakteristik,  die  aber  von  den  Origines 
nicht  spricht).  Über  sein  Leben  und  seinen  Charakter  s.  des  Cornelius  Ne- 
pos  und  des  Cicero  Cato,  Plutarchs  ßiog  Kdxcovog  (Soltau,  JJ.  153,  123), 
Victor  vir.  ill.  47;  von  neueren  Drumann,  GR.  5,97.  PRE.  5,  1904.  Außer- 
dem Mommsen,  RG.  I6,  812.  ORibbeck,  Cato  Cens.  als  Schriftsteller,  Reden 
u.  Aufs.  236.  Vollertsen,  quaest.  Caton.  de  vita  Catonis  eiusque  fönt,  atque 
de  originibus,  Kiel  1880.  GCortese,  de  M.  Pore.  Cat.  vita,  operibus  et  lin- 
gua,  Turin   1883  (dazu   Grammatica  Catoniana,   ebd.  1883).    Cima   (§  119, 4). 

2.  HJordan,  M.  Catonis  praeter  librum  de  re  rustica  quae  exstant,  Lpz. 
1860.    Auch  HJordan,  quaest.  Caton.,  Berl.  1856. 

3.  Cic.  Brut.  69  von  Cato:  cum  ita  sit  ad  nostrorum  temporum  rationem 
vetus,  ut  nullius  scriptum  extet  dignwn  quidem  lectione  quod  sit  antiquius. 
Vgl.  ebd.  61  nee  vero  habeo  quemquam  antiquiorem,  cuius  quidem  scripta 
pro  ferenda  putem,  nisi  quem  Appi  Caeci  oratio  .  .  .  et  nonnullae  mortuorum 
laudationes  forte  delectant.  Aber  der  erste,  der  eine  größere  Anzahl  von 
Schriften,  darunter  solche  von  größerem  Umfange,  in  lateinischer  Sprache 
verfaßte  und  herausgab,  ist  Cato  unzweifelhaft. 

4.  Cic.  Cat.  26  läßt  Cato  sagen:  litteras  Graecas  senex  didici  (vgl.  ebd.  3). 
Plut.  Cato  2  ccXXag  de  naidslctg*EXXr\viY.fig  oipifia^g  X&ysxui  ysvtßd'ca,  kccl  tcoqqco 
TcavtccTtccöw  rjXiKiccg  iXr}lccKa>g  *~EXkr\v i%a  ßißXla  Xecßcov  slg  fälgag  ßQu%sa  [ihv 
cenb  @ovY.vdidov  itXüova  d'  und  Zlr}iio6&£vovg  sig  xo  Qr\xoQiY.bv  6iq}sXr\d"r]vcLi. 
xu  ybivxoi  övyyQcc^iiaxcc  ncci  doyficcöiv  *EX%7]Vi%oig  nal  löxogiaig  £rtisi%&g  dicc- 
7t£7tolxikxui,  Y.cu  n,8%'riQ\i7\vsv[iiva  noXXcc  kccxcc  Xi^iv  iv  xolg  änocp%'iy^ci6t  neu 
ralg  yvco[ioXoylaig  x£xct%xou.  Daß  er  sich  mit  den  Athenern  durch  einen  Dol- 
metscher verständigte,  obwohl  er  auch  griechisch  hätte  reden  können,  er- 
zählt Plut.  12.  Cato  hat  scharfe  Maßregeln  gegen  die  Griechen  veranlaßt 
und   aus   seinem  Mißtrauen   gegen   sie   kein  Hehl   gemacht  (o.  S.  153),  vgl. 


220  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

aus  der  medizinischen  Schrift  bei  Plin.  n.  h.  29,  14  dicam  de  istis  Graeeis 
suo  loco  Marce  fili,  quid  Athenis  exquisitum  habeam  et  quod  bonum  sit  illo- 
rum  litteras  inspicere,  non  perdiscere.  vincam  nequissimum  et  indocile  genus 
illorum,  et  hoc  puta  vatem  dixisse:  quandoque  ista  gens  suas  litteras  dabit, 
omnia  conrumpet,  tum  etiam  magis,  si  medicos  suos  hoc  mittet,  iurarunt 
inter  se  barbaros  necare  emnes  medicina,  sed  hoc  ipsum  mercede  faciunt,  ut 
fides  iis  sit  et  facile  disperdant.  nos  quoque  dictitant  barbaros  et  spurcius 
nos  quam  alios  'Omntöv  appellatione  foedant.  interdixi  tibi  de  medicis.  Vgl. 
p.  58, 12  J.  Solche  Äußerungen  dürfen  aber  nicht  über  die  Tatsache  täu- 
schen, daß  Cato  von  griechischer  Literatur  und  Lebensweisheit  vielfach  be- 
einflußt war  (s.  o.  Plut.).  Ohne  das  wäre  auch  eine  so  umfangreiche  Schrift- 
stellerei,  wie  er  sie  trieb,  unmöglich  gewesen.  Auch  seine  Kernworte  und 
Witze  stammen  z.  T.  aus  dieser  Quelle.    Reuther  (§  122,  3)  45. 

5.  Plut.  Cato  mai.  7  Ev%ccQig  a^cc  v.a.1  dsivbg  r\v,  r\8vg  xai  Y.axanXr\%,ri- 
xos,  cpiXo6y.a)iin<ov  nctl  av6xr\Q6s,  ccTtocpftsynatnibg  v.al  ccy<üVL6tiY.6g.  Mit  seinen 
roten  Haaren,  seiner  gewaltigen  Stimme  und  den  Keulenschlägen,  die  seine 
Rede  in  Ernst  und  Witz  führte,  prägte  sich  Cato  Freund  und  Feind  tief 
ein.  —  Über  eine  Statue  mit  der  Inschrift  m  •  p  •  cato  s.  Matz-Duhn,  antike 
Bildwerke  in  Rom  nr.  1298.    Bernoulli,  röm.  Ikonogr.  1,  289. 

119.  Da  Cato  sich  an  allen  öffentlichen  Angelegenheiten  bis  an 
sein  Lebensende  aufs  eifrigste  beteiligte  und  mit  der  herrschenden 
Partei  und  der  hellenisierenden  Zeitströmung  unermüdlich  im  Kampfe 
lag,  hatte  er  reichste  Gelegenheit,  seine  angeborene  Rednergabe  zu 
erproben.  Er  war  aber  auch  der  erste  Römer,  der  in  ausgedehnterer 
Weise  seine  Reden  niederschrieb  und  herausgab.  Cicero  kannte  de- 
ren mehr  als  150,  wir  nur  von  80  (vom  Konsulatsjahre  Catos  ab) 
Bruchstücke  oder  Anlässe.  Diese  80  verteilen  sich  ungefähr  gleich- 
mäßig zwischen  gerichtliche  und  politische  (im  Senat  oder  vor  einer 
Volksversammlung  gehaltene)  Reden.  Die  Überreste  zeigen  eine 
kräftige,  aber  keineswegs  ungekünstelte,  sondern  von  griechischer 
Redekunst  berührte  Beredsamkeit,  die  sich  trefflich  auf  alle  wirk- 
samen Tonarten,  Scherz  und  Ernst,  Selbstlob  und  schneidenden 
Spott  versteht. 

1.  Ungenau  Cornel.  Nep.  Cat.  3,  3  ab  adolescentia  confecit  (vielmehr  ha- 
buit)  orationes.  Richtiger  läßt  Cicero  (Cat.  mai.  38)  ihn  sagen:  causarum 
illustrium  quascumque  defendi  nunc  (in  senectute)  cum  maxime  conficio  ora- 
tiones.  Unter  den  uns  als  veröffentlicht  bekannten  sind  auch  solche,  die 
nachweislich  nicht  wirklich  gehalten  worden  sind  (in  M.'  Acilium  vom  J.  189), 
und  in  den  gehaltenen  sind  nachträgliche  Änderungen  vorgenommen.  Vgl. 
§  44,  8. 

2.  Cic.  Brut.  65  refertae  sunt  orationes  amplius  centum  quinquagintar 
quas  quidem  adhuc  invenerim  et  legerim,  et  verbis  et  rebus  illustribus.  Das 
darf  natürlich  nicht  wörtlich  genommen  werden,  läßt  aber  erkennen,  daß 
dem  Cic.  eine  Sammlung  noch  nicht  vorlag.    Daß    diese  von  Atticus  veran- 


§  119.  Cato  (Reden)  221 

staltet  wurde,  vermutet  Baumgart,  Unters,  zu  Catos  Reden,  Bresl.  1905. 
Einen  Teil  davon  bildet  die  Sammlung  dierum  dictarum  de  consulatu  suo. 
Die  auf  uns  gekommenen  Titel  Und  Bruchstücke  bei  HMeyer,  orat.  rom. 
fragm.2  p.  11  (der  es  auf  93  Reden  brachte)  und  gesichteter  bei  HJordan, 
Caton.  q.  exstant  p.  33  vgl.  p.  lxi  (Nachträge  bei  LMüller,  RhM.  23,  541. 
24,  331).  Zivilrechtliche  Fälle  behandelten  mehrere.  Selbstverteidigungen: 
Liv.  39,  40  führt  unter  seinen  scripta  omnis  generis  auch  orationes  pro  se 
multae  auf.  Wir  kennen  davon  nur  sechs  (zB.  de  innocentia  sua,  Gell. 
20,  9),  während  wir  doch  wissen,  daß  Cato  44 mal  sich  von  Gegnern  ange- 
klagt sah,  ohne  indessen  jemals  verurteilt  zu  werden  (Plin.  NH.  7,  100. 
Victor  vir.  ill.  47,  7.  Plut.  Cat.  15.  comp.  2.  Val.  Max.  3,  7,  7.  Ampel. 
19,  8).  Die  Reden  dieser  Art  waren  der  Natur  der  Sache  nach  oft  Erwide- 
rungen aus  dem  Stegreife,  und  Cato  mochte  wohl  auch  nicht  selbst  dazu 
beitragen,  die  gegen  ihn  erhobenen  Anschuldigungen  auf  die  Nachwelt  zu 
bringen.  Kernig  und  eindrucksvoll  zB.  p.  39  J.  Antiochus  epistulis  bellum 
gerit,  calamo  et  atramento  militat.  p.  43  ego  iam  a  principio  in  parsimonia 
atque  in  duritia  atque  industria  omnem  adolescentiam  meam  abstinui,  agro 
colendo,  saxis  Sabinis  silicibus  repastinandis  atque  conserendis.  57  num- 
quam  tacet  quem  morbus  tenet  loquendi,  tamquam  veternosum  bibendi  atque 
dormiendi.  69  für  es  privatorum  furtorum  in  nervo  atque  in  compedibus  aeta- 
tem  agunt,  fures  publici  in  auro  atque  in  purpura.  Über  seine  Proömien  s. 
§  44,  5. 

3.  Die  Reden  des  Cato  erhielten  sich  durch  die  Rhetoren  und  Gramma- 
tiker, sowie  durch  die  Altertümelei  des  zweiten  Jahrh.  (wie  Hadrian  Cice- 
roni  Catonem  praetulit,  Spart.  Hadr.  16,  6)  verhältnismäßig  lange.  Die  bis 
ins  vierte  christl.  Jahrh.  reichenden  Zitate  zB.  bei  Servius  (ad  Aen.  7,  259. 
11,  301)  und  Marius  Victorinus  (Boeth.  in  Cic.  Top.  I  p.  271  Or.)  gehen 
vielleicht  auf  Plinius'  libri  dubii  sermonis  zurück.  Über  das  Fortleben  vgl. 
Baumgart  34. 

4.  Die  beste  Charakteristik  der  Redeweise  des  Cato  gibt  Gellius,  der 
Catos  Rede  für  die  Rhodier  gegen  die  Ausstellungen  des  Tiro  verteidigt, 
NA.  6,  3, 17  ff.  52  f.,  wo  zB.  (53)  ea  omnia  distinctius  numerosiusque  fortassean 
dici  potuerint,  fortius  atque  vividius  potuisse  dici  non  videntur.  Dazu  Plut. 
Cat.  12.  Die  Schilderungen  des  Cicero  (bes.  Brut.  63.  293,  auch  de  or.  1, 171. 
orat.  152)  sind  etwas  getrübt  durch  das  Bestreben,  den  Cato  als  Folie  für 
sich  selbst  zu  benützen,  anderseits  seine  Bedeutung  im  nationalen  Interesse 
zu  übertreiben.  Verständig  Quint.  2,  5,  21.  Der  Einfluß  griechischer  Rhe- 
torik ist  nicht  zu  verkennen;  schon  Tiro  und  Gellius  (s.  o.)  haben  auf  die 
griechischen  Kunstmittel  geachtet.  Gell.  aO.  52  übertreibend  animadvertere 
est  in  tota  ista  Catonis  oratione  omnia  disciplinarum  rhetoricarum  arma  at- 
que subsidia  mota  esse.  Die  Sprache  ist  von  gedrungener  Kraft,  der  Perioden- 
bau in  den  Anfängen;  Neubildungen  und  Häufung  von  Synonymen  scheut 
Cato  nicht.  Er  mag  bei  der  Veröffentlichung  seiner  Reden  auch  von  dem 
Wunsche  geleitet  worden  sein,  seinen  Landsleuten  stilistische  Vorbilder  zu 
bieten.  ESchober,  de  Catone  oratore,  Neisse  1825.  AWestermann,  Gesch. 
d.  röm.  Bereds.  37.  Cima,  L'eloquenza  latina,  Rom  1903,  17.  Norden 
KP.  161. 


222  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

120.  Cato  verfaßte  ferner  die  erste  römische  Geschichte  in  latei- 
nischer Prosa,  die  sieben  Bücher  Origines,  die  er  erst  in  den  späte- 
ren Lebensjahren  begann  und  fast  bis  zu  seinem  Tode  fortführte. 
Das  Werk  zog  auch  die  übrigen  Völkerschaften  Italiens,  einschließ- 
lich Oberitaliens,  in  seinen  Kreis  und  behandelte  zugleich  Länder- 
und Völkerkunde,  sowie  Kulturgeschichte  in  einem  Umfange,  der 
ohne  Nachfolge  blieb.  Im  übrigen  war  die  Darstellung  in  der  Weise 
der  Annalisten  zuerst  mager,  dann  in  der  Schilderung  der  selbst- 
erlebten Zeit  ausführlich  gehalten  und  fand  sogar  Raum  für  die 
Aufnahme  ganzer  Reden  des  Verfassers. 

1.  Cornel.  Nep.  Cat.  3,  3  senex  (also  wohl  nicht  vor  dem  60.  Lebens- 
jahre, J.  174)  historias  (so  nennen  die  Origines  auch  Serv.  Aen.  6,842.  Plut. 
Cato  25)  scribere  instituit.  earum  sunt  libri  VII.  primus  continet  res  gestas 
regum  populi  Rom.;  secundus  et  tertius  unde  quaeque  civitas  orta  sit  Italica; 
ob  quam  rem  omnes  Origines  videtur  appellasse.  in  quarto  autem  bellum 
Poenicum  est  primum,  in  quinto  secundum.  atque  haec  omnia  capitulatim 
sunt  dicta  (d.  h.  xecpcdcciadag ,  summarisch  vgl.  Mar.  Vict.  ad  Cic.  rhet.  I 
p.  57  Or.  Sallustius  . . .  tribuit  in  libro  I  historiarum  Catoni  brevitatem:  (Bo- 
mani  generis  disertissimus  paucis  absolvif ,  vgl.  Ampel.  19,  8).  reliqua  quo- 
que  bella  pari  modo  persecutus  est,  usqae  ad  praeturam  Ser.  Galbae  (genauer 
bis  J.  149,  s.  A.  2),  qui  diripuit  Lusitanos.  atque  horum  bellorum  duces  non 
nominavit,  sed  sine  nominibus  res  notavit.  in  eisdem  exposuit,  quae  in  Italia 
Hispaniisque  aut  fierent  aut  viderentur  admiranda  (bemerkenswert,  ftccv- 
lidöLcc,  7taQccdo^cc).  in  quibus  (wohl  überhaupt  den  Origines)  multa  industria 
et  diligentia  comparet,  nulla  doctrina  (keine  Bücherzitate,  s.  Jordan  p.  xv). 
Auffallend  ist  an  dieser  übrigens  nicht  sehr  getreuen  Inhaltsangabe,  daß 
die  Geschichte  vom  Ende  der  Königszeit  bis  zum  ersten  punischen  Kriege 
nicht  erzählt  war.  Daß  die  Erzählung  der  eigentlichen  origines  dafür  einen 
Ersatz  geboten  habe,  ist  nicht  glaubhaft  und  wird  durch  die  Reste  von 
B.  2.  3  in  keiner  Weise  bestätigt;  daß  die  Ereignisse  dieser  Zeit  am  An- 
fang von  B.  4  kurz  zusammengefaßt  gewesen  seien,  ist  deshalb  unwahr- 
scheinlich, weil  auch  die  knappste  Zusammenfassung  mehr  Raum  beansprucht 
hätte,  als  in  diesem  mindestens  auch  noch  einen  Teil  des  zweiten  punischen 
Krieges  enthaltenden  Buche  zur  Verfügung  stand.  Über  jenes  Unterdrücken 
der  Namen  der  Feldherren,  das  auch  sonst  der  älteren  Analistik  eigentüm- 
lich war,  noch  Plin.  NH.  8,  11  Cato,  cum  imperatorum  nomina  anndlibus 
detraxerit,  eum  elephantum  qui  fortissime  praeliatus  esset  in  Punica  acie  Surum 
tradidit  vocatum.  —  Dionys.  1,  11  UoQKiog  Kdtcov,  6  tag  ysveaXoylag  tav 
iv  'ItaXla  TtoXscov  iTti^Xicx ata  övvayayäv.  Solin.  2,  2  sed  Italia  tanta  cura 
ab  omnibus  dicta,  praecipue  M.  Catone  usw.  Serv.  Aen.  7,  678  de  Italicis 
urbibus  Hyginus  plenissime  scripsit  et  Cato  in  originibus.  Fronto  p.  203 
Nah.  Cato  .  . .  Italicarum  originum  pueritias  illustravit.  Dionys.  1,  74  Kd- 
tcov  IIoqhios  kXXr\vi%bv  iisv  ov%  6qL&i  xqovov  (als  Gründungsjahr  Roms), 
£7iifisXi]g  ds  ysvo\L£vog  sl  y.ai  tig  aXXog  tcsqI  tr\v  6vvay(oyr\v  tf]g  aQ%uioXoyov- 
\iivr\g  iötogiag  htsöiv  anocpaivsi  Svöl  v.a\  Tgidnorta  %a\  tstga-noölotg  vßts- 
govöav    tübv  'IXiaucbv.    6    dh    %Qovog    ovtog   ava[i£t()r}&£lg   talg  'EQatoö&ivovg: 


§  120.  Cato  (Origines)  223 

(der  die  Zerstörung  Trojas  J.  1183  setzte)  %Qovoyqacpiaig  natu  ro  itgatov 
hos  Tt'ntxu  rfjg  tßSo^rig  oXv^Tfidöog  (1183 — 432  =  751).  Über  diese  Ära  vgl. 
Trieber,.  Herrn.  27,  342. 

2.  Festus  198    Originum  libros  quod    inscripsit   Cato  non  satis  plenum 
titulum  propositi  sui  videtur   amplexus,   quando  praegravant  ea  quae  sunt 
verum  gestarum  p.  Born.    Fronto  p.  203  Cato,  . .  qui  . .  Italicarum  originum 
pueritias  inlustravit.    Der  Titel  (Anfänge,  Urgeschichte,  a.Q%uioloyia)  erklärt 
sich  am  besten  bei  der  Annahme,  daß  die  drei  ersten  Bücher  zuerst  allein 
erschienen.    Daß  Cato    in  B.  4  einen  neuen   Anlauf  nahm,  zeigt  fr.  97  non 
ludet  scribere  quod  in  tabula  apud  pontificem  maximum  est,  quotiens  annona 
cara,  quotiens  lunae  aut  solis  lumini  ealigo  aut  quid  obstiterit.    Vom  siebenten 
Buche  wenigstens  ist   gewiß,    daß   es   erst  nach  den    andern    ausgearbeitet 
und  veröffentlicht  wurde;   s.  Cic.  Brut.  89  Lusitanis  a  Ser.  Galba  praetore 
(J.  151)  .  .  interfeetis    T.  Libone   tribuno  pl.    (J.  149)   populum   incitante  .  . 
M.  Cato  legem  suadens  in  Galbam  multa  dixit;  quam  orationem  in  Origines 
suas   rettulit,  paucis  antequam  mortuus  est  diebus  an  mensibus.    Vgl.  Cato 
bei  Cic.  Cato    mai.    (Szene  J.  150)  38    septimus   mihi    Über  Originum  est  in 
manibus.    Gell.  13,  25  (14),  15  Cato  ex  Originum  septimo,  in  oratione  quam 
contra  Ser.  Galbam  dixit.    Die  Herausgabe   der  drei   ersten  Bücher   könnte 
J.  168  erfolgt  sein,  da  das  Alter  von  Ameria  nach  dem  Kriege  mit  Perseus 
bestimmt  war  (Plin.  NH.  3,  114  Ameriam  .  .  Cato  ante  Persei  bellum  condi- 
tam   annis   dcccclxiii  prodit).    Abfassung   von  B.  4  ff.   nach  J.  154    folgert 
KJNeumann,    Herrn.  31,  528   aus  fr.  84.    Übrigens   war   die  ins   fünfte   Buch 
aufgenommene  Rede  Catos  pro  Rhodiensibus    (quae  et   seorsim  fertur  et  in 
quintae  originis  libro  scripta  est,  Gell.  6,  3,  7)   gleichfalls  schon  aus  J.  167. 
Würde  man  daher  (wofür  nichts  spricht)  die  ursprüngliche  Veröffentlichung 
auf  fünf  Bücher   erstrecken,   so  wäre  der  Titel   nach   dem  Hauptinhalt  ge- 
wählt, da  die  Hereinziehung  der  Urgeschichte  auch  des  übrigen  Italien  Cato 
eigentümlich  war,    während  er  für  Roms  Urgeschichte    an    Fabius    Pictor 
einen  Vorgänger  hatte,   dem  er  hier  manchmal  folgte    (vgl.  Dionys.  1,  79), 
und  auch  die  Geschichte   der   beiden  punischen  Kriege   von  jenem   vorher 
bearbeitet  war.    Für  B.  2.  3  war  er  auf  die  hellenistischen  Legenden  ange- 
wiesen, die  ihm  wohl   durch  Timaios   zugekommen  sind.    Allmähliche  Her- 
ausgabe der  Orig.  behauptet  auch  Bergk,  Progr.  Halle  1865  p.  7  f.  —  Zu- 
sammenstellung mit  den  Annalisten  bei  Cic.  de  or.  2,  51  (§  116,  6),  leg.  1,  6 
post  annales  pontificum  maximorum  . .  si  aut  ad  Fabium  aut  ad  .  .  Catonem 
aut  ad  Pisonem  aut  ad  Fannium  aut  ad  Vennonium  venias.    Plin.  NH.  8,  11 
(vgl.  A.  1)   nennt  die  Origines   geradezu  annales.    Abweichend  von  der  Art 
der   bisherigen  Annalisten   war  jedenfalls   auch   die  Aufnahme  von  Reden 
des  Verfassers,  wie  Cato   überhaupt  haud  sane  detrectator  laudum  suarum 
(Liv.  34,  15,  9)    war;    fremde  Reden    scheint  er  nicht    eingefügt  zu  haben. 
Diese  Reden  scheinen  später  eigens   zusammengestellt  worden  zu  sein  und 
dadurch  (wie  die  aus  Sallusts  Historiae)  das  Werk  selbst,  dem  sie  ursprüng- 
lich angehörten,  überlebt  zu  haben   (vgl.   Jordan  p.  lviii).   Das  Fehlen  von 
Namen    (A.  1)    wie    die  Ungleichheit    der    Behandlung    erschwerte    für    die 
Späteren  die  Benützung  des  Werkes,  und  sie  zogen  es  daher  meist  vor,  auf 
Fabius    Pictor    zurückzugehen.     Sehr    bewundert    und    nachgeahmt    hat    es 
Sallust. 


224  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr 

Überreste  der  Origines  bei  HJordan  p.  3  (vgl.  p.  xix).  Peter,  HRR.  1,  51 ; 
HRF.  40.  —  Vahlen,  ZföG.  10,  480.  WSoltau,  WochklPh.  1886,  886.  916. 
—  Schwegler,  RG.,  1,  81.  MoMMsen,  RG.  I6,  922.  Peter,  HRR.  p.  cxxvn. 
vGutschmid,  Sehr.  5,  518. 

121.  In  der  Form  von  Lehren  für  seinen  Sohn  veröffentlichte 
Cato  auf  seine  Erfahrungen  gegründete  Anleitungen  zur  Landwirt- 
schaft, Gesundheitspflege,  Beredsamkeit,  vielleicht  auch  zu  anderen 
Fertigkeiten.  Aber  wo  seine  Schriften  über  Kriegführung  und  rö- 
misches Recht  erwähnt  werden,  sind  selbständige  Werke  gemeint. 
Namentlich  aus  den  drei  ersten  Gebieten  zeugt  manches  treffende 
Wort  von  seinem  Scharfblick.  Das  Carmen  de  moribus  war  ein 
Gnomologion  mit  Betrachtungen  über  die  Verschlechterung  der 
Zeiten.  Auch  Briefe  an  seinen  Sohn  waren  veröffentlicht.  Wie  er 
die  Witzworte  anderer  gesammelt  und  herausgegeben  hatte,  so  sam- 
melte man  bald  auch  die  seinigen.  Noch  in  der  Kaiserzeit  gab  man 
eine  Spruchsammlung  unter  seinem  Namen  heraus,  da  man  sich  in 
Cato  die  altrömische  Weltweisheit  verkörpert  dachte  (Catonis 
disticha). 

1.  OJahn,  üb.  röm.  Enzyklopädien,  Lpz.  Ber.  1850,  263.  281.  HJordan, 
Caton.  q.  exst.  p.  xeix  ff. 

2.  Der  sachlich  passendste  Titel  für  das  didaktische  Hauptwerk  des 
Cato  ist  praeeepta  ad  filium  (Non.  143,  7).  Daneben  finden  sich  allgemeine 
Angaben,  wie  ad  filium,  libri  quos  scripsit  ad  filium  (Serv.  Georg.  2,  95), 
oder  besondere  Bezeichnungen,  die  entweder  der  Form  entnommen  sind 
(oratio,  epistula)  oder  dem  Inhalt  (de  agri  eultura,  de  oratore).  FSchoell, 
RhM.  33,  481,  versucht  den  Titel  Oraculum  wahrscheinlich  zu  machen;  vgl. 
A.  6.  Zweifelhaft  ist  ferner  der  Umfang  dieses  Werkes.  War  Cato  auch 
omnium  bonarum  artium  magister  (Plin.  NH.  25,  4;  vgl.  14,44  insignis  .. 
claritate  litterarum  praeeeptisque  omnium  rerum  expetendarum  datis  generi 
Romano)  und  konnte  Cic.  (de  or.  3,  135)  von  ihm  sagen:  nihil  in  hac  civi- 
tate  temporibus  Ulis  sciri  diseive  potuit,  quod  ille  non  cum  investigarit  et 
scierit  tum  etiam  conscripserit ,  so  fragt  es  sich  doch,  ob  diese  umfassende 
Schriftstellerei  in  einem  einzigen  Werke  vereinigt  war.  Vorschriften  über 
Landwirtschaft  enthielten  die  libri  ad  filium  jedenfalls,  und  zwar  hat  er 
für  diesen  Teil  vielleicht  seine  commentarii,  die  uns  in  der  Schrift  de 
agri  eultura  vorliegen,  in  eine  glattere  Form  gebracht.  Spätere  wie  Celsus 
haben  dann  vielleicht  diese  besser  stilisierte  Bearbeitung  benutzt.  Jordan 
p.  78  f.  cif.  Reuther  (§  122,  3)  31.  Ebenso  waren  die  Warnungen  vor  den 
griechischen  Ärzten  (vgl.  §  55, 1)  und  mancherlei  Gesundheitsregeln  an  seinen 
Sohn  gerichtet  (OJahn,  S.  265.  Jordan  p.  77 f.),  diese  aus  einem  Rezeptbuch 
mit  Hausmitteln  entnommen  (Plin.  NH.  30,  15  profitetur  esse  commentarium 
sibi,  quo  medeatur  filio  servis  familiär  ibus);  nicht  minder  Regeln  für  den 
Redner  (Jordan  p.  80),  um  derer  willen  ihn  Quint.  3,  1,  19  (s.  §  44,  3)  für 
den  ersten  Römer  erklärt,  der  condidit  aliqua  in  hac  materia.    Hieraus  die 


§  121.  Cato  (Ad  filium  usw.)  225 

Sätze  orator  est  Marce  fHi  vir  bonus  dicendi  peritus  (Schoell,  RhM.  57,  312) 
und  rem  tene,  verba  sequentur,  mit  deutlicher  Ablehnung  der  griechischen 
Rhetorik,  die  Cato  freilich  doch  nicht  entbehren  konnte  (§  119,  4).  Daß  die 
Anleitung  sich  auch  auf  das  Kriegswesen  erstreckte,  somit  der  über  de  re 
militari  (Jordan  p.  80 — 82  vgl.  p.  cn  f.)  ein  Bestandteil  der  praecepta  ad 
filium  gewesen  sei  (Jahn  S.  270  f.),  wäre  an  sich  ganz  glaublich,  wird  aber 
durch  die  Überreste  nicht  unterstützt,  da  sich  in  diesen  weder  eine  Anrede 
noch  eine  besondere  Berücksichtigung  des  Standpunktes  eines  Lernenden 
«rkennen  läßt.  Vgl.  Köchly  u.  Rüstow,  griech.  Kriegsschriftsteller  2  (1855), 
61.  Für  die  Tendenz  vgl.  fr.  1  scio  ego  quae  scripta  sunt  si  palam  proferan- 
tur ,  multos  fore  qui  vitilitigent ,  sed  ii  potissimum  qui  verae  laudis  expertes 
sunt,  eorum  ego  orationes  sivi  praeterfluere.  fr.  2  ut  populus  sua  opera  po- 
tius  ob  rein  bene  gestam  coronatus  subplicatum  eat  quam  re  male  gesta  coro- 
natus  veneat.  Noch  mehr  gilt  dies  von  Catos  juristischen  Schriften,  die  er 
jedenfalls  verfaßt  hat:  Cic.  de  or.  3,  135  num  quia  ius  civile  didicerat,  cau- 
sas  non  dicebat?  aut  quia  poterat  dicere,  iuris  scientiam  neglegebat?  utroque 
in  genere  et  elaboravit  et  praestitit.  Pompon.  dig.  1,  2,  2,  38  deinde  —  nach 
den  Aelii  —  M.  Cato,  princeps  Porciae  familiae,  cuius  et  libri  exstant,  sed 
plurimi  Marci  (s.  Mommsen  zdSt.)  filii  eius,  ex  quibus  ceteri  oriuntur  (ordi- 
untur  Mommsen).  Aber  da  sein  Sohn  auf  diesem  Gebiete  berühmter  wurde, 
so  hat  man  das  Zitat  bei  Festiis  157  {Cato  in  commentariis  iuris  civilis), 
sowie  Cic.  de  or.  2, 142  eher  auf  diesen  beziehen  wollen;  s.  §  125,  6.  Bremer, 
JAH.  1,  16.  Huschke,  JA.6  2.  Jörs,  Rom.  Rechtswiss.  1,  278.  Vgl.  §  48,  4. 
Was  sicher  den  praecepta  angehört,  läßt  diese  als  eine  Art  Not-  und  Hilfs- 
büchlein für  einen  jungen  Römer  erscheinen,  eigentümlich  gefärbt  durch 
die  originelle  kräftige  Persönlichkeit  des  Verfassers,  zeugt  (wie  auch  die 
dicta)  von  einer  merkwürdigen  Gabe  den  Nagel  auf  den  Kopf  zu  treffen 
(zB.  nihil  agendo  homines  male  agere  discunt)  und  ist  in  kategorischem,  fast 
orakelhaftem  (Plin.  NH.  7,  171.    Colum.  11,  1,  26)  Tone  gehalten. 

3.  Daß  der  Über  Catonis  qui  inscriptus  est  Carmen  de  moribus  (Gell.  11, 
2,  2;  vgl.  Non.  465)  den  pracepta  angehört  habe,  macht  Über  wie  Carmen 
unwahrscheinlich.  Er  hatte  keine  gebundene  Form  (vgl.  §  61,  1),  also  kann 
man  weder  saturnische  Verse  (Ritschl,  op.  4,  297,  Vahlen,  ZföG.  10,  469, 
Jordan  aO.  p.  cm),  noch  trochäische  Septenare  (EKärcher,  Phil.  8,  727;  9, 
412.  ABöckh,  kl.  Sehr.  6,  296)  noch  Sotadeen  (Fleckeisen,  Catonianae  poesis 
reliquiae,  Lps.  1854)  oder  gar  Anapäste  (Bährens  FPR.  25.  57)  herstellen. 
LMüller  (d.  saturn.  Vers  95)  meint,  Gellius  habe  eine  junge  prosaische 
Paraphrase  (vgl.  §  103,  6)  benützt. 

4.  Briefe  des  Cato  an  seinen  Sohn  werden  erwähnt  von  Cic.  (off.  1,  10) 
und  Plutarch  (Cato  mai.  20.  Quaest.  rom.  39),  ohne  daß  die  Art  der  Anfüh- 
rung auf  einen  Bestandteil  der  praecepta  hinwiese.  Ob  Cato  auch  an  andere 
gerichtete  Briefe  veröffentlichte,  ist  unsicher;  bei  Diomed.  366  steht  ein 
Zitat  aus  Cato  ad  Magnum.    Jordan  p.  83  f.  vgl.  p.  civf. 

5.  Cic.  off.  1,  104  multa  multorum  facete  dicta,  ut  ea  quae  a  sene  Catone 
collecta  sunt,  quae  vocant  *Aito(f%iiy\ia.xa.  Plut.  Cato  mai.  2  extr.  iie&riQtir}- 
v8V{L£vcc  (aus  dem  Griechischen)  nolXa  natu  Xi^iv  iv  xolg  a7Cocpd'8yficc6i  xai 
reeig  yvco{ioXoyLcug  (Witzworte  und  Sentenzen  wohl  zwei  Arten  derselben 
Gattung)  zhccxTca.    Vgl.  Jordan  p.  evi  und  83;  RhM.  14,  261;  JJ.  73,  384. 

Teuf  fei:  röm.  Literaturgesch.    Neub.  6.  Aufl.   I.  15 


226  Republikanische  Zeit:  J.  240—85  v.  Chr. 

6.  Die  eigenen  dicta  des  Cato  Bcheinen  bald  nach  seiner  Zeit  gesam- 
melt worden  zu  sein,  aus  persönlicher  Erinnerung  wie  aus  seinen  Schriften 
(bes.  Reden).  Cicero  und  Cornelius  Nepos  kannten  ohne  Zweifel  schon  eine 
solche  Sammlung,  die  meisten  aber  hat  Plutarch  überliefert;  Zusammen- 
stellung bei  Jordan  p.  97;  vgl.  p.  cvif.  Münzer,  Beitr.  z.  Quellenkritik  56. 
Curcio,  Riv.  fil.  26,  610.  Kernige,  meist  auf  die  Landwirtschaft  bezügliche 
Sätze  werden  ex  oraculo  zitiert  (Plin.  NH.  18,  39  f.  170.  200.  319.  29,  27); 
die  —  oder  eine  —  Sammlung  scheint  also  unter  diesem  Namen  umgelaufen 
zu  sein.  A.  2.  Crusius,  RhM.  47,  64.  Dreizehn  sententiae  Catonis  aus  Gnomen- 
sammlungen s.  bei  Wölfflin,  Senecae  monita  (§  289,  10)  p.  26.  —  Viel 
später  wurden  aus  seinen  Schriften  (bes.  Reden)  scharfe  Wortunterschei- 
dungen (wie  die  von  properare  und  festinare  p.  44  J.)  von  Grammatikern 
ausgehoben,  was  das  Mißverständnis  erzeugte,  als  hätte  er  selbst  über  Syno- 
nymik (differentiarum  liber)  geschrieben;  Jordan  p.  cvn  f.  Vgl.  §  42,  4.  — 
Über  die  disticha  Catonis  s.  §  398,  1. 

122.  Erhalten  ist  uns  von  sämtlichen  Schriften  des  Cato  nur 
das  Buch  de  agri  cultura,  ein  Ratgeber  für  den  praktischen  Land- 
wirt. Auf  den  ersten  systematischen  Teil  folgt  in  ziemlicher  Un- 
ordnung eine  bunte  Menge  von  Rezepten,  Anweisungen,  Formeln 
für  Kauf  und  Miete,  für  Opfer  und  Hausmedizin.  Wir  haben  also 
wohl  Aufzeichnungen  Catos  vor  uns,  die  nur  in  ihrem  ersten  Teil 
für  die  Herausgabe  bearbeitet  sind.  In  der  hausbackenen  Strenge 
und  Nüchternheit  der  Schrift,  in  der  sicheren  Sachkunde  des  Ver- 
fassers und  in  seinem  ehrenfesten  Eifer,  der  alles  im  Befehlston 
vorträgt,  liegt  ein  eigentümlicher  Reiz:  ohne  Verbindung  hinge- 
worfene kurze  Sätze  von  großer  Bestimmtheit  lösen  einander  ab. 
Der  vorliegende  Text  hat  die  Altertümlichkeit  der  Sprache  teil- 
weise abgestreift  und  zeigt  auch  sonst  manche  Zerrüttung,  aber  er 
gibt  das  catonische  Werk  und  nicht  eine  spätere  Umarbeitung. 

1.  Name  des  Werkes  in  der  hs.  Überlieferung:  de  agri  cultura.  So 
auch  Varro  RR.  1,  2,  28  in  magni  illius  Catonis  libro,  qui  de  agri  cultura 
est  editus.  M.  Aurel.  an  Fronto  p.  69  legi  ex  agri  cultura  Catonis.  Dagegen 
bei  Cic.  Cato  54  in  eo  libro,  quem  de  rebus  rusticis  scripsi.  Vgl.  Gell.  3,  14, 
17  {de  agric.)  mit  10,  26,8  (de  re  rust.).  Text  in  den  scriptores  RR.;  s.  §  54,  7; 
und  bes.  Catonis  de  agri  cultura  liber,  Varronis  rerum  rusticarum  ex  rec. 
HKeilii  (mit  Komm. ;  Wortindex  von  Krumbiegel),  Lps.  1884—1902  III.  Die 
hs.  Überlieferung  für  Cato  und  Varro  de  RR.  beruht  auf  einer  alten  längst 
verlorenen  Hs.  der  Marcus-Bibliothek  zu  Florenz  (Marcianus,  §  380,  2),  die 
APolitianus  und  PVictorius  benutzen  konnten.  Erhalten  ist  deren  Verglei- 
chung  durch  Politianus  (jetzt  in  Paris)  und  Abschriften  des  Marcianus,  die 
älteste  Paris.  6884  A  s.  XII/XIII,  ferner  Laur.  30,  10  s.  XIV  u.  a.  Keils 
praef.  vor  s.  Ausg.  —  Übersetzt  von  GGrosse  (Halle  1787).  Ganter  (Donau- 
esch.  1844). 

2.  Im  ersten  Teil  herrscht  Ordnung,  indem  zuerst  über  Erwerb  und 
Einrichtung  des  Gutes  gehandelt  wird,  dann  über  die  Arbeiten  der  einzelnen 


§  122.  Cato  (De  agri  cultura)  227 

Jahreszeiten  vou  der  Weinlese  an,  vgl.  c.  34  sed  redeo  ad  sementim.  Nachher 
geht  alles  durcheinander,  z.  B.  ist  in  einen  zusammenhängenden  Abschnitt 
über  Weinbereitung  c.  104 — 127  das  c.  124  eingeschoben:  canes  interdiu 
clausos  esse  oportet,  ut  noctu  acriores  et  vigilantiores  sint.  Wir  finden  hier 
c.  138—141  Regeln  für  Festtage:  was  die  Rinder  dann  tun  dürfen,  wie 
man  lucum  conlucat  und  agrum  lustrat,  es  folgen  Verhaltungsmaßregeln 
für  vilicus  und  vilica  (A.  3),  Ratschläge  für  Verdingung  und  Verkauf,  Ab- 
führmittel und  Zaubersprüche.  Hier  finden  sich  auch  mehrere  Dubletten, 
zB.  51  und  52,  156  und  157.  Reitzenstein,  Woch.  kl.  Phil.  1888,  589.  Er- 
haltung etwa  in  der  ursprünglichen  Gestalt  wird  dadurch  wahrscheinlich, 
daß  Plinius  das  Werk  in  der  uns  überlieferten  Ordnung  benutzte,  während 
wir  daneben  auch  Benutzung  des  landwirtschaftlichen  Teiles  der  praecepta 
(§  121,  2)  nachweisen  können.  Jahns  Archiv  10,  5,  LDietze  (A.  4)  p.  4  f.. 
HJordan,  DLit.-Z.  1882,  1529;  1885,  157.  Schöndörffer,  de  genuina  Catonis 
de  agri  cultura  forma  I:  de  syntaxi,  Königsb.  1885;  Hauler,  zu  Catos  Sehr. 
üb.  d.  Landwesen,  Wien  1896.  Spuren  modernisierender  Überarbeitung  zeigt 
HKeil,  observ.  in  Catonis  et  Varonis  de  r.  r.  (Halle  1849),  bes.  p.  65.  Dagegen 
läßt  PWeise,  quaest.  Caton.,  Gott.  1886  die  Schrift  erst  in  augusteischer 
Zeit  aus  zwei  bis  dahin  getrennt  umlaufenden  Rezensionen  entstehen.  Ahn- 
lich Reitzenstein,  Woch.  kl.  Phil.  1888,  587.  Leo,  LG.  1,  272.  Daß  die 
Schrift  eine  Anleitung  geben  solle  zur  Bewirtschaftung  eines  bestimmten 
Gutes,  nämlich  des  L.  Manlius  bei  Casinum  und  Venafrum,  wollte  KWNitzsch, 
ZfAW.  1845,  493  (vgl.  Gummerus  aO.  17)  nachweisen:  aber  dem  wenigen, 
was  dieser  Ansicht  günstig  ist,  steht  damit  nicht  Vereinbares  in  großer 
Überzahl  entgegen.    S.  auch  Reitzenstein,  de  Script.  R.  R.  p.  61. 

3.  Bezeichnend  für  den  Geist  und  Ton  ist  namentlich  c.  143  über  die 
vilica,  zB.:  ea  te  metuat  facito.  ne  nimium  luxuriosa  siet.  vicinas  aliasque 
mulieres  quam  minimum  utatur,  neve  domum  [nevej  ad  sese  reeipiat.  ad  cenam 
ne  quo  eat  neve  ambulatrix  siet.  rem  divinam  ni  faciat.  . .  scito  dominum 
pro  tota  familia  rem  divinam  facere.  munda  siet.  villam  conversam  muncle- 
que  habeat  usw.  Für  die  Sacherklärung  ist  wichtig  Gummerus,  der  röm. 
Gutsbetrieb,  Klio  Beih.  5,  der  folgendes  Urteil  fällt:  fCato  ist  als  Landwirt 
kein  einfacher  Bauer  im  altrömischen  Sinne,  sondern  ein  Kapitalist,  der 
sein  Gut  schlechterdings  als  eine  Einnahmequelle,  nicht  wie  der  Bauer  zu- 
gleich als  seine  Heimat  betrachtet.  In  der  Tat,  sein  landwirtschaftliches 
Betriebssystem  steht  ganz  im  Zeichen  des  Kapitalismus.  Die  konsequente 
Richtung  der  Produktion  auf  den  Absatz,  die  Abschätzung  der  verschiedenen 
Bodenkulturen  nach  ihrer  Rentabilität,  die  Anschauungsweise,  nach  der  jede 
verlorene  Zeit  verlorenes  Geld  ist,  die  rücksichtslose  Ausbeutung  der  Sklaven, 
das  Bestreben,  alle  unproduktiven  Glieder  aus  der  Wirtschaft  möglichst  zu 
entfernen  —  alles  zeigt  den  Kapitalisten,  dem  die  Landwirtschaft  nichts 
ist  als  die  Kunst,  aus  dem  Grund  und  Boden  mit  Hilfe  gehäufter  Arbeits- 
kräfte die  höchstmögliche  Rente  herauszuwirtschaften.'  —  Der  Inhalt  stammt 
zum  großen  Teil  aus  eigener  Erfahrung  und  Erkundigung,  vgl.  151,  1  M* 
Percennius  Nolanus  ad  hunc  modum  monstravit.  152  Q.  A.  M.  Manlii  mon- 
straverunt.  Doch  sind  auch  schriftliche  und  zwar  griechische  Quellen  zu 
Rate  gezogen.    Reuther,  de  Catonis  vestigiis  ap.  Graecos,  Lpz.  1903. 

4.  Daß  die  Sprache  durchaus  den  Charakter  der  catonischen  Zeit  trägt, 

15* 


228  Republikanische  Zeit:  J.  248—84  v.  Chr. 

ist  jetzt  anerkannt.  Vgl.  Fronto  p.  114  verbis  Cato  multiiugis  (§  37,  5),  p.  155 
partim  iligneis  nucibus  Catonis.  Quint.  2,  5,  21.  Verrius  Flaccus  schrieb 
de  obscuris  Catonis  (B.  2  zitiert  Gell.  17,  6,  2).  LDietze,  de  sermone  Cato- 
niano,  Anklam  1871.  Cortese:  s.  §  118,  1.  Hauler,  Arch.  Lex.  1,  582. 
PWeise  und  Schöndörffer :  A.  2.  Über  die  in  der  Schrift  vorkommenden 
Pflanzen  s.  Meyer,  Gesch.  der  Botanik  1,  341.  Über  zwei  Zauberformeln 
darin  s.  Skutsch  bei  Heim,  JJ.  Suppl.  19,  534.  565. 

123.  Zeitgenossen  des  Cato,  die  wir  als  Redner  kennen,  sind 
Q.  Fabius  Maximus  (Cunctator),  Q.  Caecilius  Metellus,  M.  Cornelius 
Cethegus,  P.  Licinius  Crassus  (Dives),  der  ältere  Africanus,  der 
Vater  der  beiden  Gracchen,  sowie  L.  Papirius  und  L.  Paulus. 

1.  Q.  Fabius  Q.  f.  Q.  n.  Maximus  Verrucosus,  Cos.  fünfmal  233 — 209; 
Censor  230;  Dictator  217;  Münzer,  PW.  6,  1814;  Cic.  Cato  rn.  12  multa  in 
eo  viro  praeclara  cognovi,  sed  nihil  est  admirabilius  quam  quo  modo  ille 
mortem  füii  tulit,  clari  viri  et  consularis.  est  in  manibus  laudatio;  quam 
cum  legimus,  quem  philosophum  non  contemnimus?  Plut.  Fab.  1  8ia6oa&Tca 
ccvtov  Xoyog  ov  slnsv  iv  rw  di}\ifp ,  zov  ncciöbg  ccvtov  ^is&'  vitcctsiccv  ccitod'cc- 
vovtog  iyv.(o\Liov.  ebd.  25  rö  d'  iyY.mynov  .  .  ccvtbg  slits  v.atcc6tccg  iv  ayogcc 
y.al  ygaipccg  tbv  Xoyov  i&dcousv.  Ob  das  Zitat  bei  Priscian  GL.  2,  380  f Fa- 
bius Maximus:  amitti  quam  apisci''  daraus  stammt,  steht  nicht  fest;  s.  Hertz 
zdSt.  Der  Sohn  (Cos.  213)  wird  nicht  vor  J.  207  gestorben  sein;  s.  PW. 
6,  1789. 

2.  Q.  Caecilius  Metellns,  Cos.  206;  Münzer,  PW.  3,  1206.  Plin.  NH.  7, 139 
Q.  Metellus  in  ea  oratione  quam  habuit  supremis  laudibus  patris  sui  L.  Me- 
telli  (Cos.  251  u.  247;  Dictator  224)  .  .  scriptum  reliquit  etc.  Vgl.  Cic.  Brut.  57. 
MWende,  de  Caeciliis  Met.  1  (Bonn  1875),  18. 

3.  M.  Cornelius  Cethegus,  Cos.  204,  fl96;  Münzer,  PW.  4,  1279.  Als 
Redner  gepriesen  von  Q.  Ennius  (A.  303  suaviloquenti  ore  und  flos  delibatus 
populi  suadaeque  medulla),  danach  Cic.  Brut.  57.    Cato  50. 

4.  P.  Licinius  Crassus  Dives,  Cos.  205,  fl83;  s.  Teuffel,  PRE.  4,  1054. 
Liv.  30,  1,  5  facundissimus  habebatur  seu  causa  oranda  seu  in  senatu,  ad 
populum  suadendi  aut  dissuadendi  locus  esset;  iuris  pontiflcii  peritissimus. 
Vgl.  Cic.  de  or.  3,  134.    Cato  50  et  pontiflcii  et  civilis  iuris  Studium. 

5.  Der  ältere  Africanus  (Cos.  205  u.  194),  f  J.  183  (s.  Mommsen,  Rom.  Forsch. 
2,  481);  Cic.  Brut.  77  ipsum  Scipionem  accepimus  non  infantem  fuisse.  Liv. 
39,  52,  3  tribunus  pl.  M.  Naevius  (J.  187  oder  185),  adversus  quem  oratio 
inscripta  P.  Africani  est,  vgl.  38,  56.  Gell.  4,  18,  6  fertur  etiam  oratio,  quae 
videtur  habita  eo  die  a  Scipione;  et  qui  dicunt  eam  non  veram  usw.  Cicero 
glaubte  nicht  an  ihre  Echtheit;  s.  off.  3,  4  nulla  eius  ingenii  monumenta 
inandata  litteris;  und  sicher  war  sie  untergeschoben,  s.  Nissen,  krit.  Unters. 
51.  Mommsen,  aO.  420.  502.  Cima  aO.  45.  Polyb.  10,  9,  3  dm  tfjg  £%iGtolr\g 
rfjg  rtgbg  ^iXinnov  ccvtov  rov  UonlLov  6acp(ög  i-x.Tsd'ei'iioTog,  oti  tovtoig 
rotg  iytloyt.6[Lolg  %Qriacc{L£vog ,  olg  reisig  ccvojtsqov  i£sXoyiecc(ie&cc,  ■x.aQ'oXov 
rs  xolg  iv  'Ißr}Qicc  7tQdy{ioc6Lv  iiußdXoiro  xcci  xccta  [ligog  tf)  xf]g  KctQ%r\d6vog 
itoXioQxia.    Über   seinen  Sohn   §  127,  3;   über  seinen  Schwiegersohn  Nasica 


§  123.  Catos  Zeitgenossen  229 

§  127,  -4.    Den  Laelius  auch   dieses  Africanus  rühmt  als   politischen  Redner 
Sil.  it.   15,  453. 

6.  Ti.  Sempronius  P.  f.  Ti.  n.  Gracchus,  Cos.  177  u.  163  Censor  169; 
PRE.  6,  978,  35.  Cic.  Brut.  79  erat  isdem  temporibus  TL  Gracchus  .  .  cuius 
exstat  oratio  graeca  apud  Bhodios  (J.  165  oder  161),  quem  civem  cum  gravem 
tum  etiam  eloquentem  constat  fuisse.  Unterschrift  der  von  ihm  nach  seinem 
Triumph  in  Sardinien  geweihten  forma  Sardiniae  insulae  (§  60,  2)  bei  Liv. 
41,  28.  Auch  von  ihm  (vgl.  A.  5)  gab  es  eine  unechte  (Verteidigungs-)Rede 
in  dem  Prozesse  seines  Schwiegervaters,  des  älteren  Africanus;  s.  Liv.  38, 
56,  2  ff.  Mommsen  aO.  Von  seiner  Gattin,  Cornelia  (Münzer,  PW.  4,  1592) 
sind  in  den  Hss.  des  Cornelius  Nepos  (ex  eodem  Ubro  d.  h.  de  viris  illustri- 
bus  excerpta;  abgedruckt  in  den  Neposausgaben,  FHR.  222.  HRR.  2,  38) 
zwei  größere  Bruchstücke  eines  Briefes  an  ihren  Sohn  Gajus  (vom  J.  124) 
erhalten.  Daß  es  Briefe  von  ihr  im  Altertum  gab,  ist  unzweifelhaft  (Cic. 
Brut.  211  legimus  epistulas  Corneliae,  matris  GraccJiorum:  apparet  filios  non 
tarn  in  gremio  educatos  quam  in  sermone  matris.  Vgl.  Quint.  1,  1,  6.  Plut. 
C.  Gracch.  13  iv  roig  iTtiotolioig  avrriq);  ob  aber  die  auf  uns  gekommenen 
echt  seien,  ist  bezweifelt  worden  (AGLange,  verm.  Sehr.  108.  JSörgel, 
BlfbayrGW.  3,  101.  144),  wenn  auch  gewiß  mit  Unrecht.  Ein  Rhetor  hätte 
die  Mutter  der  Gracchen  wohl  eher  für  Freiheit  und  für  Rache  an  den  Mör- 
dern des  Bruders  deklamieren  lassen  (vgl.  §  45,  6);  nimmermehr  aber  wäre 
einem  solchen  diese  Verbindung  von  altrömisch -männlicher  Kraft  des  Ge- 
dankens mit  weiblicher  Weichheit  und  Sorglosigkeit  der  Stilisierung  ge- 
lungen. Vgl.  auch  Mercklin,  de  Corneliae  vita,  Dorp.  1845.  Nipperdey,  op.  95. 
Bergk,  Phil.  16,  626.  HJordan,  Herrn.  15,  530.  Hubel,  die  Brieffragm.  der 
Com.,  Erlang.  1900.  Schlelein,  de  epistulis  Corneliae  vindicandis,  Münch. 
1900.  Kappler,  Progr.  Weiden  1905.  06  IL  Von  ihrer  Statue  in  Octaviae 
operibus  (Plin.  NH.  34,  31)  hat  sich  1878  die  Basis  mit  der  Inschrift  Cor- 
nelia |  africani  •  f  |  gracchorvm  gefunden.  CIL  6,  31610.  Bernoulli,  röm. 
Ikonogr.  1,  72. 

7.  Cic.  Brut.  170  apud  maiores  nostros  video  disertissimum  habitum  ex 
Latio  L.  Papirium  Fregellanum,  Ti.  Gracchi  P.  f.  fere  aetate;  eins  etiam 
oratio  est  pro  Fregellanis  coloniisque  Latinis  habita  in  senatu.  Diese  Rede 
kann  aber  erst  J.  125  gehalten  sein. 

8.  L.  Aemilius  L.  f.  M.  n.  Paulus,  Cos.  182  u.  168,  f  160;  Klebs,  PW. 
1,  576.  Über  sein  Interesse  für  Bildung  vgl.  §  131,  1.  Cic.  Brut.  80  etiam 
L.  Paulus,  Africani  pater,  personam  prineipis  elvis  facile  dicendo  tuebatur. 
Vgl.  Liv.  45,  8.  Val.  Max.  5,  10,  2  quem  casum  (Tod  seiner  Söhne)  quo  ro- 
bore  animi  sustinuerit,  oratione  quam  de  rebus  a  se  gestis  apud  populum 
habuit  hanc  adiciendo  clausulam  nulli  ambiguum  reliquit.  Vgl.  Liv.  45,  41. 
Plut.  Aem.  P.  36.  Erlaß  von  ihm  (L.  Aemilius  L.  f.  inpeirator)  aus  der 
Zeit  seines  Oberbefehls  in  Spanien  (vom  19.  Jan.  189),  utei  quei  Hastensium 
servei  in  Turri  Lascutana  habitarent  leiberei  essent,  auf  einer  Erztafel  im 
J.  1867  gefunden  (jetzt  zu  Paris  im  Louvre);  s.  CIL.  2,  5041  und  EHübner, 
Herrn.  3,  243.   DIE.  96. 

9.  Das  Eindringen  griechischer  Rhetorik  in  Rom  bezeugen  auch  die 
meist  als  Verteidigungsreden  angelegten  Prologe  des  Terenz.  Leo,  Anal. 
Plaut.  2,  14. 


230  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

124.  Unter  den  jüngeren  Zeitgenossen  des  Cato,  die  sich  im 
sechsten  Jahrh.  d.  St.  als  Redner  auszeichneten,  ist  bemerkenswert 
C.  Sulpicius  Gallus  wegen  des  Umfangs  und  der  Gründlichkeit 
seiner  Bildung;  er  hat  zuerst  astronomische  Werke  aus  dem  Grie- 
chischen übertragen. 

1.  C.  Sulpicius  C.  f.  C.  n.  Gallus,  Cos.  166,  f  150;  s.  Cic.  Brut.  90.  PRE. 
6,  1493.  Cic.  Brut.  78  de  minoribus  C.  Sulpicius  Gallus,  qui  maxime  om- 
nium  nobilium  Graeeis  litteris  studuit;  isque  et  oratorum  in  numero  est  habi- 
tus  et  fuit  reliquis  rebus  omatus  atque  elegans.  Off.  1,  19  videbamus  in  studio 
dimetiendi  paene  caeli  atque  terrae  C.  Gallum.  .  .  quam  delectabat  eum  de- 
fectiones  solis  et  lunae  multo  ante  nobis  praedicere!  Als  astronomischen 
Schriftsteller  führt  ihn  Plinius  im  QVerz.  zu  B.  2  auf,  der  ihn  vielleicht 
aus  Varro  kennt  (Münzer,  Beitr.  z.  Quellenkritik  162);  vgl.  NH.  2,83  in  qua 
sententia  (über  die  Entfernung  der  Gestirne)  et  Gallus  Sulpicius  fuit  noster. 
Vgl.  ebd.  2,  53  ab  imperatore  productus  ad  praedicendam  eclipsim  (in  der 
Nacht  vor  der  Schlacht  bei  Pydna  J.  168),  mox  et  composito  volumine.  Cic. 
rep.  1,  23. 

125.  Namhafte  Juristen  aus  dem  sechsten  Jahrh.  d.  St.  sind 
die  beiden  Aelii,  Publius  und  besonders  dessen  jüngerer  Bruder 
S ext us,  der  erste  Verfasser  eines  juristischen  Buches,  betitelt  Tri- 
pertita, weil  es  die  zwölf  Tafeln,  deren  Auslegung,  und  das  Klage- 
formular zum  Inhalt  hatte.  Außerdem  Scipio  Nasica,  L.  Acilius 
(oder  Atilius),  Q.  Fabius  Labeo  und  Catos  Sohn. 

1.  P.  Aelius  Q.  f.  P.  n.  Paetus,  Cos.  201,  Censor  199,  f  174,  PW.  1,  526. 
Pompon.  dig.  1,  2,  2,  38  deinde  (nach  Ti.  Coruncanius)  Sex.  Aelius  et  frater 
eius,  P.  Aelius,  et  P.  Atilius  maximam  scientiam  in  profitendo  habuerunt, 
ut  duo  Aelii  etiam  consules  fuerint,  Atilius  autem  primus  a  populo  Sapiens 
appellatus  est. 

2.  Sex.  Aelius  Paetus  Catus,  Cos.  198,  Censor  194.  PW.  1,  527.  Cic.  de 
or.  1,  212  eum  (iuris  consultum  vere  nominari)  dicerem,  qui  legum  et  con- 
suetudinis  eius  qua  privati  in  civitate  uterentur  et  ad  respondendum  et  ad 
agendum  et  ad  cavendum  peritus  esset;  et  ex  eo  gener e  Sex.  Aelium,  M'.  Ma- 
nilium,  P.  Mucium  nominarem.  Brut.  78  Sex.  Aelius,  iuris  quidem  civilis 
omnium  peritissimus,  sed  etiam  ad  dicendum  paratus.  Cato  27  nihil  Sex. 
Aelius  tale  (über  das  Alter),  nihil  multis  annis  ante  Ti.  Coruncanius,  nihil 
modo  P.  Crassus  (§  123,  4),  a  quibus  iura  civibus  praescribebantur.  Pompon. 
aO. :  Sex.  Aelium  etiam  Ennius  laudavit,  et  exstat  illius  Über  qui  inscribitur 
Tripertita  (Fragmente  bei  Huschke,  JA6  1.  Bremer,  JAH.  1,  13),  qui  liber 
veluti  cunabula  iuris  continet.  Tripertita  autem  dicitur,  quoniam  lege  XII 
tabularum  praeposita  iungitur  interpretatio  (vgl.  Scholl,  legis  XII  tab.  reliq. 
p.  22),  deinde  subtexitur  legis  actio,  eiusdem  esse  tres  alii  libri  referuntur, 
quos  tarnen  quidam  negant  eiusdem  esse;  hos  sectatus  ad  aliquid  est  Cato 
(sed  hos  sectati  ad  aliquid  Aeli  Cati  nach  Huschkes  Verbesserung).  Vgl.  ebd.  7 
augescente  civitate,  quia  deerant  quaedam  gener a  agendi,  non  post  multum 
temporis  spatium  (nach  Cn.  Flavius)  Sex.  Aelius  alias  actiones  composuit  et 


§  124.  Sulpicius  Gallus.    §  125.  P.  S.  Aelii  Paeti.    §  126.  Fulvius  Nobilior      231 

librum  populo  dedit,  qui  appellatur  (in  der  späteren  Zeit)  ius  Aelianum 
(§  88,  2).  OKarlowa,  röm.  Rechtsgesch.  1,  475.  Jörs  ,  Rom.  Rechtswiss.  1, 
103.  Versuch,  den  Inhalt  der  Tripertita  im  einzelnen  zu  bestimmen,  bei 
MVoigt,  Abh.  sächs.  Ges.  7,  327,  der  auch  auf  dieses  Werk  mit  Unrecht 
die  Aeliana  studio,  bei  Cic.  de  or.  1,  193  (§  148,  2)  bezieht. 

3.  Pomponius,  dig.  1,  2,  2,  37  fuit  maximae  scientiae  (als  Jurist)  . .  Gaius 
(vielmehr  Publius)  Scipio  Nasica,  qui  Optimus  a  senatu  appellatus  est  (J.  204 ; 
Cos.  191;  doch  kann  auch  der  Cos.  162.  155  gemeint  sein),  cui  etiam  publice 
domus  in  sacra  via  data  est,  quo  f acutus  consuli  posset.    Vgl.  §  89,  1. 

4.  L.  Atilius  bei  Pomponius,  s.  A.  1.  Dagegen  in  der  Quelle  des  Pomp, 
bei  Cic.  Lael.  6  scimus  L.  Acilium  apud  patres  nostros  appellatum  esse  Sa- 
pientem  . .  quia  prudens  esse  in  iure  civili  putabatur.  Leg.  2,  59  hoc  (lessum 
der  XII  Tafeln)  veteres  interpretes  Sex.  Aelius,  L.  Acilius  non  satis  se  intel- 
legere dixerunt. 

5.  Q.  Fabius  Labeo,  Cos.  183.  PW.  6,  1773.  Cic.  Brut.  81  Ser.  Fabius 
Pictor  et  iuris  et  litterar  um  et  antiquitatis  bene  peritus;  Quintusque  Fabius 
Labeo  fuit  omatus  eisdem  fere  laudibus.  Suet.  vita  Terent.  4  (p.  31  f.  Rffsch.) 
Santra  Terentium  putat  .  .  uti  potuisse  .  .  Q.  Fabio  Labeone  et  M.  Popillio, 
consulari  utroque  ac  poeta.    Vgl.  §  114,  3. 

6.  M.  Porcius  Cato  (Licinianus),  geb.  um  192,  f  152;  PRE.  5,  1910. 
Pomponius  s.  §  121,  2.  Gell.  13,  20  (19),  9  ex  maiore  Catonis  filio,  qui  prae- 
tor designatus  patre  vivo  mortuus  est  et  egregios  de  iuris  disciplina  libros  re- 
liquit.  Inst.  1,  11,  12  apud  Catonem  bene  scriptum  refert  antiquitas  etc.  Ulp. 
dig.  21,  1,  10,  1  Catonem  bene  scribere  lego  etc.  Paul.  ebd.  24,  3,  44  pr. : 
Nerva  et  Cato  responderunt,  ut  est  relatum  etc.  u.  45,  1,  4,  1  Cato  libro  XV 
scribit  etc.  Besonders  bekannt  ist  er  durch  die  regula  Catoniana  betr.  die 
Legate  (dig.  34,  7).    Vgl.  §  48,  4. 

126.  Einer  der  aristokratischen  Gegner  des  Cato,  M.  Fulvius 
Nobilior,  der  Gönner  desEnnius,  verfaßte  und  veröffentlichte  fasti. 
Auch  sein  Sohn  Quintus  betätigte  Interesse  für  die  Literatur. 

1.  Der  Vater  war  Cos.  189  (in  Ätolien),  Censorl79.  Münzer,  PW.  7,  265. 
Die  vielleicht  gar  nicht  als  Buch  veröffentlichten  fasti  sind  von  Varro  ein- 
gesehen worden,  auf  den  die  späteren  Zitate  zurückgehen.  Macr.  1,  12,  16 
Fulvius  Nobilior  in  fastis,  quos  in  aede  Herculis  Musarum  (gestiftet  wohl 
aus  der  ätolischen  Beute,  vgl.  Plin.  NH.  35,  66.  Jordan-Hülsen,  Topogr.  1, 
3,  544)  posuit,  Bomulum  dicit  .  .  Iunium  mensem  vocasse.  Vgl.  Macr.  1,  13, 
12  Fulvius  id  egisse  31'.  Acilium  cos.  dicit  a.  u.  c.  a.  DLXII,  inito  mox 
bello  Aetolico.  Varro  LL.  6,  33  ut  Fulvius  scribit  et  Iunius  (über  den  Namen 
Aprilis).  Censorin.  d.  n.  20,  2  magis  Iunio  Gracchano  et  Fulvio  et  Varroni 
et  Suetonio  aliisque  credendum;  ebd.  4  sive  a  Numa,  ut  ait  Fulvius,  sive, 
ut  Iunius,  a  Tarquinio.  22,  9  Fulvius  et  Iunius  auctores  sunt  (über  die 
röm.  MonatsDamen).  Charis.  GL.  1,  138  Nobüiore.  comparativa  Plinius  e 
putat  ablativo  finiri;  antiquos  tarnen  ait  per  i  locutos,  quippe  fastos  omnes 
et  libros  fa  Fulvio  Nobiliortf  scriptum  rettulisse.  Vgl.  §  74,  2  und  über  sein 
Verhältnis  zu  Ennius  A.  2,  sowie  §  100,  4.  5. 

2.  Cic.  Brut.  79  Q.  Nobiliorem  M.  f.  iam  patrio  instituto  deditum  studio 
litterarum,  qui  etiam  Q.  Ennium,  qui  cum  patre  eius  in  Aetolia  militaverat 


232  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

(vgl.  §  100,  4),  civitate  donavit  cum  triumvir  coloniam  deduxisset  (J.  184),  als 
coloniae  duae,  Potentia  in  Picenum,  Pisaurum  in  Gallicum  agrum  deductae 
sunt,  Liv.  39,  44,  10;  vgl.  §  100,  5.  Liv.  per.  49  Q.  Fulvius  Nobilior  ei  (dem 
Cato)  saepe  ab  eo  in  senatu  laceratus  respondit  pro  Galba  (J.  149,  auf  die 
Klage  der  Lusitani).  Konsul  war  Quintus  J.  153,  und  wahrscheinlich  Censor 
J.  136.    Münzer,  PW.  7,  268. 

127.  Geschichtschreiber  in  Catos  Zeit  waren  ferner  A.  Pos  tu- 
rn ins  Albinus,  C.  Acilius,  sowie  der  Sohn  des  älteren  Africanus, 
die  aber  alle  in  griechischer  Sprache  schrieben.  Albinus  war  ein 
eifriger  Vertreter  der  griechischen  Richtung  und  machte  sich  sogar 
durch  Übertreibung  lächerlich.  Auch  der  ältere  Africanus  selbst, 
sowie  Scipio  Nasica,  lieferte  einen  Beitrag  zur  Geschichte. 

1.  A.  Postumius  A.  f.  Albinus,  praet.  155,  Cos.  151;  PRE.  5,  1941.  Po- 
lyb.  39,  1  AvXog  TIoGxov^iog  .  .  olxiug  [ihv  r\v  xca  ysvovg  itqcoxov ,  xccxä  de 
xrjv  idlccv  (pvoiv  cxcoiivXog  vioc\  XdXog  nccl  7t£Q7itQog  dicccpsQnvxag.  irtid-vurjöag 
ds  sv&sag  i%  7tal$(ov  xf\g  iXXr\viv.f\g  aycoyfig  Kai  diccXeyixov  noX'bg  [ihr  i\v  iv 
xovxoig  neu  KccrccxoQTig,  wöxs  6l'  ixsivov  neu  xr\v  ai'gsöiv  xrjv  k.XXr\vi%Y\v  7tgoo- 
■Koipcci  xolg  Ttgsoßvx^QOig  xcd  xolg  cc^ioXoycoxdtoig  x&v  'Pcopccicov.  xsXog  dh 
ytcci  7Coi7]\iu  ygdcpsiv  xca  iiQciy\LCixiY,i]v  löxoQiav  i7Cs%siQ7}6sv.  Ein  Zitat  aus 
dem  Proömium  bei  Gell.  11,  8,  2  (Bitte  um  Nachsicht  für  seinen  griechi- 
schen Stil;  vgl.  Polyb.  aO.).  Dieser  griechelnde  Römer  war  natürlich  dem 
nationalgesinnten  Cato  unleidlich.  Plut.  Cato  12.  —  Cic.  Acad.  pr.  2,  137 
A.  Albinum,  . .  doctum  sane  hominem,  ut  indicat  ipsius  historia  scripta  graece. 
Brut.  81  vivo  Catone  minores  natu  multi  uno  tempore  oratores  floruerunt. 
nam  A.  Albinus,  is  qui  graece  scripsit  historiam,  .  .  et  litter atus  et  disertus 
fuit.  Aus  Macrob.  3,  20,  5  Postumius  Albinus  annali  primo  de  Bruto  *ea 
causa  sese  stultum  brutumque  faciebat,  grossulos  ex  melle  edebat'  usw.  könnte 
man  auf  das  Vorhandensein  einer  lateinischen  Übersetzung  auch  dieses 
Werkes  schließen;  doch  mag  die  Übersetzung  jener  Worte  ebenso  gut  von 
dem  Gewährsmanne  des  Macrobius  herrühren  wie  die  in  praef.  14  ff.  von 
Cornelius  Nepos  (Gell.  11,  8,  5).  Jedenfalls  aber  scheint  es  hiernach,  daß 
auch  Albinus  bis  auf  die  Anfänge  Roms  zurückging.  —  Serv.  Aen.  9,  710 
Postumius  De  adventu  Aencae  (hieraus  Orig.  gent.  Rom.  15,  4)  et  Lutatius 
(§  142,  4)  Communium  liistoriarum  Boiam  .  .  dieunt  scheint  auf  einem  Miß- 
verständnis zu  beruhen.  Peter,  HRR.  1,  cxxv.  49.  HRF.  37.  —  Das  angeb- 
liche Fragm.  eines  unbekannten  Geschichtschreibers  (von  Cortese  veröffent- 
licht riv.  filol.  12,  396;  auch  RhM.  39,  623),  wonach  u.  a.  Albinus  sein 
Geschichtswerk  dem  Ennius  gewidmet  hätte,  ist  von  Traube,  Abh.  bayr.  Ak. 
1904,  47  als  eine  dreiste  italienische  Fälschung  erwiesen  worden. 

2.  Cic.  off.  3,  115  (C.)  Acilius,  qui  graece  scripsit  historiam,  plures  alt 
fuisse  qui  in  castra  revertissent  (nach  der  Schlacht  bei  Cannae).  Dionys. 
ant.  3,  67  (rdiov  kxiXXiov  noL7}6oi^svog  .  .  ßsßccLcoxrjv).  Isig.  Nicae.  (act.  soc. 
Lips.  1,  40)  'AuvXiog  6  'Pcoiicclog  i6X0QiK0g  cpr\6i  kxX.  Strabo  5,  p.  230  (falls 
hier  für  das  hs.  oys  KvXiog  mit  Schwegler,  RG.  1,80  o  y'  kxvXiog  zu  lesen 
ist;  andere  denken  an  Coelius  Antipater,  s.  Sieglin,  Coel.  Antip.  33;  Berl. 
phil.  Woch.  1883,  1453).    Liv.  per.  53    C.  Acilius  (so   Hertz,   C.  Iulius   die 


§  127.  Postumius  Albinus,  C.  Acilius.    §  128.  Sp.  Carvilius  233 

Hss.)  Senator  graece  res  JRomanas  scribit  (um  J.  142).  Sicher  ist  er  auch  der 
C.  Acilius  Senator,  der  nach  Gell.  6,  14,  9  (vgl.  Plut.  Cat.  mai.  22)  im 
J.  155  im  Senat  für  die  drei  griechischen  Gesandten  und  Philosophen  (§  50 
und  S.  154)  den  Dolmetscher  machte.  Das  Werk  ging  (einleitungsweise?) 
bis  auf  die  Urgeschichte  zurück  (Plut.  Romul.  21  rdtog  'AxiXiog  Iötoqsi, 
7tgb  xfjg  Tirloscog  v.xX.)  und  reichte  wohl  bis  auf  die  Zeit  des  Verfassers:  die 
wenigen  Reste  erwähnen  als  für  uns  jüngstes  Ereignis  eines  aus  J.  184 
(Dion.  3,  67).  —  Später  wurde  das  Werk  von  einem  Claudius  ins  Latei- 
nische übersetzt:  s.  Liv.  25,  39,  12  Claudius,  qui  annales  Acilianos  ex  graeco 
in  latinum  sermonem  vertu  (Holleaux,  Herrn.  48,  98).  Vgl.  35,  14,  5  (J.  193) 
Claudius  secutus  graecos  Acilianos  libros.  Vielleicht  war  dieser  Übersetzer 
(oder  Benutzer?)  kein  anderer  als  Claudius  Quadrigarius  (vgl.  §  155,  1).  So 
Mommsen,  röm.  Forsch.  2,  427,  FUnger,  Philol.  Suppl.  Bd.  3,  2,  4,  Thouret, 
JJ.  Suppl.  11,  156.  HPeter,  JJ.  125,  103.  —  Dafür,  daß  beide  verschieden 
seien,  entscheiden  sich  Sigonius,  Nissen,  Peter  (früher  HRR  1,  ccxcvn).  — 
Im  allgemeinen  Nissen,  krit.   Unters.  39.    Peter,  HRR.  1,  cxix.  44;  HRF.  34. 

3.  Cic.  Brut.  77  filius  eius  (des  älteren  Africanus),  .  .  si  corpore  valuisset, 
in  primis  habitus  esset  disertus;  indicant  cum  oratiunculae  tum  historia  quae- 
dam  graeca  scripta  dulcissime  (die  Taten  seines  Vaters  behandelnd?  s.  Keller^ 
der  zweite  pun.  Krieg,  Marb.  1875,  77.  OGilbert,  JJ.  Suppl.  10,  393;  oder 
der  Krieg  gegen  Antiochos?  s.  Mommsen,  röm.  Forsch.  2,  513).  Cato  m.  35 
ad  paternam  magnitudinem  animi  doctrina  uberior  accesser at.  Vellei.  1. 
10,  3  P.  Scipioni,  P.  Africani  filio,  nihil  ex  paterna  maiestate  praeter  speciem 
nominis  vigoremque  eloquentiae  retinenti.  Augur  ward  J.  180  (Liv.  40,  42, 13). 
Flamen  dialis  nennt  ihn  die  Grabschrift  in  Saturniern  CEL.  8,  deren  Be- 
ziehung auf  ihn  freilich  unsicher  ist. 

4.  Plut.  Aemil.  Paul.  15  6  NuGLnäg  iitixalov^ivog  Uxrirticov  (Cos.  162 
u.  155,  Censor  159;  Münzer,  PW.  4,  1497)  .  .  ysygcccpcbg  tcbqI  tcöv  ngcc^ecov 
xovxav  (im  Kriege  mit  Perseus)  iniGxöXiov  itQog  xivu  x&v  ßccötXsav.  Vgl. 
ebd.  16.  Cic.  Brat.  79  P.  etiam  Scipionem  Nasicam  . .  habitum  eloquentem 
aiunt.  Vgl.  Cato  m.  50.  HRF.  115.  Über  die  ähnliche  Schrift  des  älteren 
Africanus  s.  §  56,  1.  123,  5.    Nissen,  Unters,  üb.  d.  Quell,  des  Liv.  267. 

128.  Eine  literarhistorisch  erwähnenswerte  Persönlichkeit  aus 
dem  sechsten  Jahrh.  d.  St.  ist  auch  der  Freigelassene  Sp.  Carvilius, 
der  erste,  der  in  Rom  eine  öffentliche  Schule  errichtete,  und  der 
Ordner  des  römischen  Alphabets  von  21  Buchstaben. 

1.  Plut.  quaest.  rom.  59,  p.  278  D  ngiöxog  ccvsm^s  yqcxiiiiciXodida6Y.ul£iov 
EnoQiog  KuQßLXiog,  ccneXsvd'SQog  KccQßiXLov  xov  tiqooxov  ycctiExi]v  izßaXovxog. 
Über  die  Zeit  dieser  ersten  (willkürlichen)  Ehescheidung  schwanken  die 
Angaben  zwischen  J.  235  und  230;  s.  Ritschl,  Parerga  68.  Seine  Schule 
war  also  älter  als  die  des  Andronicus.  Über  das  Alphabet  des  Carvilius  s. 
oben  S.  160.  Ritschl,  op.  4,  226.  HJokdan,  Beitr.  z.  Gesch.  der  lat.  Spr. 
(Berl.  1879),  151.    LHavet,  Rev.  phil.  2  (1878),  17. 

129.  Unter  den  prosaischen  Inschriften  des  sechsten  Jahrh. 
nimmt  sprachlich  wie  sachlich  das  SC.  de  Bacchanalibus  die  her- 


234  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

vorragendste  Stelle  ein.   Im  übrigen  ist  ihre  Zahl  klein ,  und  ihre 
Bedeutung  gehört  der  politischen  oder  der  Geschichte  der  Schrift  an. 

1.  Das  SC.  (richtiger  epistula  consulum  ad  Teuranos)  de  Bacchanalibus 
vom  J.  186  ist  zB.  abgedruckt  und  erläutert  CIL.  1,  196.  Prise.  Lat.  Mon. 
Tf.  18  (Faksimile).  Bruns,  fontes7  164.  DIE.  97.  WWeissbrodt,  obs.  in  SC. 
de  Bacc,  Braunsb.  1879;  miscell.  epigr.,  Braunsb.  1883,  10;  Phil.  39,  558 
—  Über  den  Erlaß  des  L.  Aemilius  Paulus  vom  J.  189  s.  §  123,  8.  —  Von 
den  Scipionengrabschriften  gehört  hierher  CIL.  1,  35  für  L.  Scipio,  Quästor 
167,  f  161»  sowie  vielleicht  ebd.  Nr.  36  (c.  154?)  für  Scipio  Asiagenus.  Mit 
dem  J.  200  etwa  beginnen  griechisch  abgefaßte  amtliche  Urkunden,  deren 
Griechisch  man  die  Übersetzung  aus  dem  Lateinischen  anmerkt.  So  aus 
J.  170  das  SC.  über  Thisbe,  bei  Viereck  Sermo  graecus  quo  SPQR.  usi  sunt 
(Gott.  1888)  12.    IG.  7,  2225.    Bruns,  fönt.7  166.    Mommsen,  Sehr.  8,  274. 

2.  Erlaß  des  Prätors  L.  Cornelius  Cn.  f.  (Cos.  156?)  an  die  Tiburter 
(aus  J.  159?),  CIL.  1,  201.  Bruns,  fönt.7  170.  DIE.  305.  Bücheler,  JJ.  105, 
568.  Die  übrigen  datierbaren  lateinischen  Inschriften  des  sechsten  Jahrh. 
(vom  Anfang  des  hannibalischen  Kriegs  an)  s.  im  CIL.  1,  530—539.  DIE. 
1,  980?.  Zwei  sehr  alte  Inschriften  au3  Luceria  und  Spoletium,  die  die  Ver- 
unglimpfung eines  heiligen  Haines  mit  Strafe  bedrohen,  sind  wegen  ihrer 
altertümlichen  Sprachform  besonders  merkwürdig:  CIL.  I2  366.  401.  Dessau 
4911  f.  Bormann,  miscellanea  Capitolina  (Rom  1879),  5  DIE.  1,94.  95.  Bruns, 
fontes7  283.  Bücheler,  RhM.  35,  627.  MBreau,  mem.  soc.  linguist.  4  (1881), 
273.    HJordan,  quaest.  Umbr.,  Königsb.  1882;  ann.  dell'  inst.  56,  5. 


B.  SIEBENTES  JAHRHUNDERT  D.  ST. 

(153—54  v.  Chr.) 

130.  Die  beiden  ersten  Jahrzehnte  des  siebenten  Jahrh.  d.  St. 
(153 — 134)  waren  für  Rom  ausgefüllt  durch  Kriege,  insbesondere 
den  lusitanischen  (153 — 134,  Viriatus)  und  den  numantinischen 
(J.  143 — 133),  in  deren  schmachvoller  Führung  sich  bereits  der 
Verfall  der  Nobilität  zeigte.  Die  literarische  Tätigkeit  war  in  dieser 
Zeit  sehr  untergeordnet. 

131.  Redner  haben  diese  beiden  Jahrzehnte  an  dem  jüngeren 
Africanus  und  dem  jüngeren  Laelius,  sodann  an  Sulpicius  Galba, 
L.  Scribonius  Libo,  M.  Lepidus,  Furius  Philus,  Q.  Metellus  Mace- 
donicus,  auch  geringe  z.  B.  an  den  beiden  Mummii.  Aber  die  eigent- 
liche Bedeutung  Scipios  für  die  römische  Kultur  liegt  darin,  daß  er 
der  griechischen  Philosophie  eine  feste  Stätte  in  Rom  bereitete,  von 
der  aus  sie  ungehindert  wirken  konnte.  Durch  seine  nahe  Freund- 
schaft mit  Polybios  und  Panaitios  wurde  er  in  die  Lebensauffassung 
der  mittleren  Stoa  eingeführt,  die  zwischen  dem  altstoischen  Rigo- 
rismus und  den  Anforderungen  des  Lebens  in  glücklicher  Weise 


§  129.  Inschriften.    §  130.  131.  Der  Scipionenkreis  235 

vermittelte.  Die  reihe  und  hohe  Moral  dieses  Stoizismus  hat  er  zur 
Richtschnur  seines  Lebens  gemacht  und  ist  so  in  ein  engeres  Ver- 
hältnis zur  Philosophie  getreten  als  irgend  ein  Römer  vor  ihm  und 
die  meisten  nach  ihm.  Um  ihn  scharte  sich  ein  Kreis  gleichgesinn- 
ter  Freunde,  der  diese  philosophischen  und  literarischen  Interessen 
an  die  folgende  Generation  vererbte  und  für  Ciceros  Popularisierung 
der  Philosophie  den  Boden  bereitete. 

1.  P.  Cornelius  Scipio  Aemilianus,  Africanus  (minor),  geb.  185/4, 
Cos.  147  und  134,  Censor  142,  fl29;  Münzer,  PW.  4,  1439.  Cic.  Brut.  82 
C.  Laelius  et  P.  Africanus  in  primis  eloquentes,  quorum  exstant  orationes. 
Lael.  96  quanta  illa  (Scipionis)  fuit  gravitas,  quanta  in  oratione  maiestas! 
.  .  sed  .  .  est  in  manibus  oratio.  Vgl.  Mur.  58.  de  inv.  1,  5.  de  or.  1,  215. 
off.  1,  116.  Scipionis  oratiunculae  ausgezogen  von  M.  Aurelius,  nach  Fronto 
34  Nab.  Unter  den  Überresten  seiner  Reden  (Meyer,  or.  fr.  1,  101)  sind 
zwei  etwas  umfangreichere  mit  kunstvoller  Periodisierung,  bei  Gell.  6,  11,  9. 
Macr.  3,  14,  7.  Norden,  KP.  170.  Die  meisten  geißeln  in  schneidender  Weise 
die  einreißende  Verweichlichung  der  Sitten.  Art  des  Vortrags  s.  Cic.  de  or. 
1,  255  multi  oratores  fuerunt,  ut  illum  Scipionem  audimus  et  Laelium,  qui 
omnia  sermone  (Gesprächston)  conficerent  paullo  intentiore.  Sein  Ausdruck 
war  von  dem  Glauben  an  die  Geltung  der  Analogie  beeinflußt,  Lucil.  963 
(an  Scipio)  quo  facetior  videare  et  scire  plus  quam  ceteri,  pertisum  hominum, 
non  pertaesum  dicere  humanuni  genus.  Ebenso  sagte  er  reder guisse,  Fest.  273. 
—  Bemühung  des  Aemilius  Paulus  für  die  griechische  Bildung  seiner  Kin- 
der: Plut.  Aem.  Paul.  6;  Plin.  NH.  35,  135.  Von  der  makedonischen  Beute 
ILOvcc  ta  ßißlla  tov  ßaailsag  (Perseus)  cptXoyQcc^,[i(XTov6i  rolg  vlsciv  STtirQitpsv 
i&IJö&cu  (Plut.  Aem.  P.  28).  Allgemeine  Bildung  des  Africanus:  Cic.  Tusc. 
1,  5  Galbam,  Africanum,  Laelium  doctos  fuisse  traditum  est.  2,  62  semper 
Africanus  Socraticum  Jienophontem  in  manibus  habebat.  Insbesondere  die 
ävqov  Ttcudflu,  Cic.  ad  Q.  fr.  1,  1,  23.  (Sokratische)  Ironie  hatte  ihm  C.  Fan- 
nius  in  Annalibus  HRF.  88  zugeschrieben;  vgl.  §  137,  4. 

Über  den  Scipionenkreis  Cic.  de  or.  2,  154  non  tulii  ullos  haec  civitas 
aut  gloria  clariores  aut  auctoritate  graviores  aut  humanitate  politiores  P.  Afri- 
cano  C  Laelio  L.  Furio,  qui  secum  eruditissimos  homines  ex  Graecia  palam 
semper  habuerunt.  Mur.  Q6.  Die  römischen  Mitglieder  dieses  Kreises  lernen 
wir  meist  aus  Ciceros  Dialogen  de  rep.  und  Laelius  kennen,  außer  Laelius 
und  Furius  noch  P.  Rutilius  Rufus,  Sp.  Muminius,  Q.  Aelius  Tubero,  C.  Fan- 
nius,  Q.  Mucius  Scaevola,  M\  Manilius,  dazu  kam  noch  C.  Lucilius  und 
vielleicht  Valerius  Soranus.  Vgl.  die  betr.  Paragraphen;  über  Vigellius 
§  161,  1.  Über  die  Freundschaft  mit  Polybios  erzählt  dieser  selbst  32,  9  f. 
Münzer  1441.  Plin.  n.  h.  5,  9  Scipione  Aemiliano  res  in  Africa  gerente  Po- 
lybius  annalium  conditor  ab  eo  accepta  classe  scrutandi  illius  orbis  gratia 
circumvectus  prodit.  Darauf  bezieht  sich  vielleicht  die  von  Cichorius  RhM. 
63,  220  behandelte  Stelle  des  Index  Stoicorum  Herculan.  Über  Panaitios, 
der  erst  nach  Polybios  nach  Rom  kam,  Vell.  1,  13,  3  Scipio  tarn  elegans 
liberalium  studiorum  omnisque  doctrinae  et  auctor  et  admirator  fuit,  ut  Po- 
lybium  Panaetiumque  .  .  domi  militiaeque  secum  habuerit.    Aufsehen   erregte 


236  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

es  namentlich,  daß  er  auf  seiner  Gesandtschaftsreise  nach  dem  Orient  (viel- 
leicht J.  139/8:  Cichoriüs,  aO.  203)  den  Panaitios,  doch  wohl  als  Ratgeber, 
mitnahm.  Schmekkl,  Philos.  d.  mittl.  Stoa  4.  7.  Cic.  Acad.  2,  5.  Daß  in 
diesem  Kreise  der  Begriff  der  humanitas  geprägt  wurde,  macht  Reitzenstein, 
Werden  und  Wachsen  der  Humanität  im  Altertum,  Straßb.  1907  wahrschein- 
lich. Über  den  Einfluß  der  stoischen  Rhetorik  in  diesem  Kreise  vgl.  Reitzen- 
stein,  Straßb.  Festschr.  1901,  143.  —  Vgl.  Mommsen,  RG.  26,  82.  429.  Schmekel 
aO.  439.    ESchwartz,  Polybios  und  Poseidonios,  Charakterköpfe  l3,  72. 

2.  Q.  Fabius  Maximus  Allobrogicus ,  Neffe  des  jüngeren  Scipio  Africa- 
nus  (Cos.  121;  Münzer,  PW.  6,  1794),  hielt  die  Leichenrede  auf  seinen  Oheim, 
den  Africanus  (Cic.  Mur.  75),  die  C.  Laelius  verfaßt  hatte  und  später  unter 
seinem  eigenen  Namen  herausgab;  s.  Schol.  Bob.  zu  Cic.  p.  Mil.  16  p.  118, 
11  St.:  super  eins  laudibus  exstat  oratio  C.  Laeli  Sapientis,  qua  usus  videtur 
Q.  Fabius  Maximus  in  Jaudatione  mortui  Scipionis.  Doch  s.  Cicero  de  or. 
2,  341  Q.  Tuberoni  [§  139,  2]  Africanum  avunculum  laudanti  scripsit  C.  Lae- 
lius. Einer  von  beiden  scheint  also  infolge  einer  Verwechslung  zweier  Neffen 
des  Africanus  zu  irren. 

3.  C.  Laelius  (Sapiens),  Sohn  des  gleichnamigen  §  123,5,  einige  Jahre 
älter  als  Aemilianus  (Cic.  de  rep.  1,  18  Laelium  quod  aetate  antecedebat  ob- 
servabat  in  parentis  loco  Scipio ;  vgl.  Lael.  104);  Cos.  140.  PRE.  4,  725.  — 
Freundschaft  mit  Scipio,  Cic.  de  or.  2,  22  Laelium  semper  fere  cum  Scipione 
solitum  rusticari  eosque  incredibiliter  repuerascere  esse  solitos.  Hör.  S.  2,  1, 
72.  —  Cic.  Brut.  84  ingeni,  litterarum,  eloquentiae,  sapientiae  denique,  etsi 
utrique  (dem  Africanus  und  dem  Laelius)  primas,  priores  tarnen  lubenter  de- 
ferunt  Laelio.  Vgl.  ebd.  82  (oben  A.  1)  und  de  or.  1,  255.  Brut.  83  pluri- 
mum  tribuitur  ambobus,  dicendi  tarnen  laus  est  in  Laelio  illustrior ;  at  oratio 
Laelii  de  collegiis  non  melior  quam  de  multis  quam  voles  Scipionis;  . .  multo 
tarnen  vetustior  et  horridior  ille  quam  Scipio.  de  or.  1,  58  Ser.  Galbae  et  . 
C.  Laelio,  quos  constat  dicendi  gloria  praestitisse.  Brut.  94  han'c  ob  causam 
(weil  Laelius  limatius  dicendi  consectabatur  genus)  videtur  Laeli  mens  spi- 
rare  etiam  in  scriptis  (Reden),  Galbae  autem  vis  occidisse.  295  de  Laelio, 
cuius  tu  oratione  negas  fieri  quidquam  posse  dulcius,  addis  etiam  nescio  quid 
augustius.  nomine  nos  capis  summi  viri  vitaeque  elegantissimae  verissimis 
laudibus.  Vgl.  de  rep.  6,  2  (oratioy  Laeli  quam  omnes  habemus  in  mani- 
bus.  ND.  3,  43  in  illa  aureola  oratiuncula.  Anklagereden  von  Laelius  kennen 
wir  nicht,  wohl  aber  politische,  Verteidigungen  und  Lobreden  (s.  A.  2).  Vgl. 
HMeyer,  orat.  fr.1  p.  96.  —  Cic.  Att.  7,  3,  10  Terentii  fabulae  propter  ele- 
gantiam  sermonis  putabantur  a  C.  Laelio  scribi;  vgl.  §  108,  5;  fin.  2,  24 
Diogenem  Stoicum  adulescens,  post  autem  Panaetium  audier  at  Laelius.  Von 
seiner  Vorliebe  für  Philosophie  6o<pog  (Lucil.  ebd.),  Sapiens  genannt  (Brut. 
213.  off.  2,  40.  3,  16).  Ob  ihm  Coelius  Antipater  sein  Geschichtswerk  ge- 
widmet hat?  s.  §  137,  5. 

4.  Ser.  Sulpicius  Galba,  geb.  um  J.  189  (aetate  paulum  his  —  dem 
Laelius  und  jüngeren  Africanus  —  antecedens  heißt  er  bei  Cic.  Brut.  82), 
übelberüchtigt  seit  seiner  niederträchtigen  Verwaltung  von  Lusitanien  (J.  150), 
aber  trotzdem  Cos.  144.  PRE.  6,  1494.  Als  Redner  war  er  nach  Cic.  Brut. 
82  der  erste  Römer,  der  künstliche  Figuren  anwandte:  ut  egrederetur  a  pro- 
posito  ornandi  causa,  ut  delectaret  animos,  ut  permoveret,  ut  augeret  rein,  ut 


§  131.  Die  Mitglieder  des  Scipionenkreises  237 

miserationibus,  ut  communibus  locis  uteretur.  Dagegen  war  er,  der  als  di- 
vinus  homo  in  dicendo  gepriesene,  ignarus  legum,  Jiaesitans  in  maiorum  in- 
stitutis,  rudis  in  iure  civili  (Cic.  de  or.  1,  40).  Sein  Vortrag  zeichnete  sich 
aus  durch  große  Lebhaftigkeit:  in  agendo  . .  vehemens  atque  incensus,  Brut. 
88;  incitata  et  gravis  et  vehemens  oratio,  ebd.  93;  lateribus  et  clamore  con- 
tendebat,  de  or.  1,  255;  nihil  leniter  dixit,  or.  106;  vgl.  Brut.  86  atrocior 
acriorque  Laelio ;  89  elegantia  in  Laelio,  vis  in  Galba;  de  or.  3,  28  gravi- 
tatem  Africanus,  lenitatem  Laelius,  asperitatem  Galba,  proßuens  quiddam 
habuit  Carbo  et  canorum.  Daher  machten  seine  Reden  geschrieben  minde- 
ren Eindruck  (Brut.  93  f.).  Auch  war  sein  sprachlicher  Ausdruck  weniger 
gefeilt:  exiliores  orationes  sunt  et  redolentes  magis  antiquitatem  quam  aut 
Laelii  aut  Scipionis  aut  etiam  ipsius  Catonis;  itaque  exaruerunt,  vix  tarn 
ut  appareant,  Brut.  82;  vgl.  ebd.  295.  Tac.  dial.  18.  Nach  Liv.  epit.  49 
hatte  man  von  ihm  drei  Reden,  in  denen  er  sein  Auftreten  in  Lusitanien 
verteidigte.  —  Von  dem  Ankläger  des  Galba  (J.  149)  wegen  dessen  Ver- 
waltung (s.  o.),  dem  Volkstribunen  L.  Scribonius  Libo,  sagt  Cic.  Brut.  90: 
Libonem  non  infantem  video  fuisse,  ut  ex  orationibus  eius  intellegi  potest. 

5.  M.  Aemilius  Lepidus,  qui  est  Porcina  dictus  (Cic.  Brut.  95), 
Cos.  137;  Klebs,  PW.  1,  566.  Cic.  aO.  isdem  temporibus  fere  quibus  Galba, 
sed  paulo  minor  natu,  et  summus  orator  est  habitus  et  fuit,  ut  apparet  ex 
orationibus,  scriptor  sane  bonus.  Vgl.  ebd.  295.  333.  Doch  teilte  auch  er 
Galba3  Unkenntnis  des  Rechts  (de  or.  1,  40).  Aemilius  Porcina  orator,  in 
oratione  uti  (ne  Cichorius)  lex  Aemilia  abrogetur,  Priscian.  GL.  2,  474.  Auct. 
ad  Her.  4,  7  allatis  exemplis  .  .  a  Laelio  (A.  3),  a  Scipione  (A.  1),  Galba 
(A.  4),  Porcina.    Zitiert  auch  GL.  5,  590,  3. 

6.  L.  Furius  Philus  (Cos.  136).  Münzer,  PW.  7,  360  perbene  latine 
loqui  putabatur  litter atiusque  quam  ceteri,  Cic.  Brut.  108.  Er  war  Freund 
des  jüngeren  Africanus  und  hatte  Umgang  mit  gelehrten  Griechen  (de  or. 
2,  154).  Unter  den  durch  die  Stoa  angeregten  Weisen  (sapientes)  wird  er 
neben  Cato  und  Laelius  aufgeführt  de  leg.  agr.  2,  64;  vgl.  de  or.  2,  154. 
p.  Mur.  66.  de  rep.  3,  5.  Vielleicht  (Hertz,  JJ.  85,  54)  war  er  Verfasser 
einer  Schrift  aus  dem  Sacralrecht  und  bezieht  sich  auf  ihn  Macrob.  S.  3, 
9,  6  ff.  Carmen  (quo  di  evocantur),  quod  ille  (Sammonicus  Serenus)  se  in 
cuiusdam  Furii  vetustissimo  libro  repperisse  professus  est.  Bremer,  JAH.  1,  29. 
Engelbrecht,  WSt.  24,  478. 

7.  Q.  Caecilius  Metellus  Macedonicus,  Cos.  143,  Censor  131,  f  115; 
politischer  Gegner  des  jüngeren  Africanus;  Münzer,  PW.  3,  1213.  MW^ende, 
de  Caeciliis  Met.  (Bonn  1875)  36.  Cic.  Brut.  81  Q.  Metellus  .  .  in  primis 
est  habitus  eloquens  .  .  cuius  et  aliae  sunt  orationes  et  contra  TL  Gracchum 
exposita  est  in  C.  Fanni  annalibus.  Gell.  1,  6,  1  oratio  Metelli  Numidici 
(vielmehr  Macedonici;  s.  Wende  56)  gravis  ac  diserti  viri,  quam  in  censura 
dixit  ad  populum  de  ducendis  uxoribus.  Liv.  per.  59  Q.  Metellus  censor  cen- 
suit,  ut  cogerentur  omnes  ducere  uxores  .  .  .  extat  oratio  eius,  quam  Augustus 
Caesar  .  .  in  senatu  recitavit.  Vgl.  Suet.  Aug.  89  recitavit  . .  orationem  Q. 
Metelli  de  prole  augenda.    Vgl.  §  143,  4  gE. 

8.  Cic.  Brut.  94  fuerunt  etiam  in  oratorum  numero  mediocrium  L.  et 
Sp.  Mummii  fratres,  quorum  exstant  amborum  orationes;  simplex  quidem 
Lucius  et  antiquus,  Spurius  autem   nihilo   ille   quidem    ornatior,   sed  tarnen 


238  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

astrictior ;  fuit  enim  doctus  ex  disciplina  Stoicorum.  Lucius  ist  der  Cos.  146 
und  der  Zerstörer  Korinths;  PRE.  5,199;  s.  §  163,  7.  Sein  jüngerer  Bruder 
Spurius  begleitete  ihn  als  Legat  nach  Achaja  und  schrieb  epistolas  versicu- 
lis  facetis  ad  familiäres  missas  a  Corintho  (Cic.  Att.  13,  6,  4).  Vgl.  §  25,  1. 
Er  ist  wohl  der  ZTcdgiog  'Pcotialog,  der  nach  IG.  2,  953  (etwa  J.  139/8)  Isqo- 
noiog  der  'Pco^iaia  in  Athen  war.    Cichorius  RhM.  63,  199. 

9.  Cic.  Brut.  94  multae  sunt  Sp.  (Postumii)  Albini  (Cos.  148)   orationes. 

—  Andere  s.  §  132,  4.  §  133,  4  u.  5. 

132.  Die  Geschichtschreiber  um  die  Mitte  des  zweiten  Jahrh. 
v.  Chr.  halten  sich  noch  an  die  Weise  der  älteren  Annalisten,  schrei- 
ben aber  nach  Catos  Vorgange  alle  lateinisch.  Der  früheste  unter 
ihnen  ist  L.  Cassius  Hemina,  der  bedeutendste  L.  Calpurnius  Piso 
Frugi;  beide  beginnen  mit  der  Entstehung  Roms  und  schließen  mit 
der  eigenen  Zeit.  Außerdem  gehört  dazu  Fabius  Maximus  Servilia- 
nus.  Über  naturhistorische  Gegenstände  schrieben  Trebius  Niger, 
sowie  in  ungewisser  Zeit  der  Spanier  Turranius  Gracilis. 

1.  L.  heißt  Hemina  bei  Prisc  GL.  2,482, 15.    Schol.  Veron.  Aen.  2,  717. 

—  Censorin.  d.  n.  17,  11  (über  die  vierten  Säkularspiele):  at  Piso  Censo- 
rius  et  Cn.  Gellius,  sed  et  Cassius  Hemina,  qui  illo  tempore  vivebat,  post 
annum  factos  tertium  adfirmant,  nämlich  im  J.  146.  Vetustissimus  auctor 
annalium  heißt  Cass.  bei  Plin.  NH.  13,  84;  vgl.  29,  12  Cassius  Hemina  ex 
antiquissimis  auctor  est  primum  e  medicis  venisse  Romam  usw.  Bei  dem 
Zitat  Cassius  Hemina  de  censoribus  libr.  II  (bei  Non.  346,  22)  bleibt  unklar, 
ob  de  censoribus  Worte  des  Nonius  sind  und  es  sich  um  ein  Zitat  aus  dem 
Geschichtswerk  handelt,  oder  ob  ein  besonderes  Werk  gemeint  ist  (Hertz, 
de  hist.  1871,  p.  2 f.).  Von  dem  Geschichtswerk  des  Cass.  H.,  das  bald  An- 
nales bald  Historiae  genannt  wird,  werden  vier  Bücher  angeführt,  und  zwar 
hinlänglich  oft,  um  eine  größere  Ausdehnung  des  Werkes  unwahrscheinlich 
zu  machen.  Die  Urgeschichte  war  in  B.  1  ausführlich  behandelt  und  auch 
auf  andere  Städte  Italiens  erstreckt.  Das  vierte  Buch  hatte  den  Titel  bel- 
lum Punicum  posterior  (vgl.  prior  bellum  und  foedus  prior  bei  Claud.  Quadr., 
angeführt  von  Prisc  GL.  2,  347,  7);  das  dritte  Buch  behandelte  also  wohl 
den  ersten  punischen  Krieg,  während  das  zweite  die  röm.  Geschichte  bis 
zum  ersten  pun.  Kriege  kurz  zusammengefaßt  haben  wird.  Da  Plinius  in 
seinem  Quellenverzeichnis  ihn  zu  B.  XII  (arborum  naturae),  XIV  (de  pere- 
grinis  arboribus  et  unguentis),  XXXII  (Heilmittel)  mit  aufführt,  so  scheint 
er  auch  Kuriositäten  mitbehandelt  zu  haben.  Ebenso  Kirchliches  und  Staats- 
rechtliches, sowie  Versuche  der  Wortforschung.  Außer  Plinius  hat  ihn 
Varro  direkt  benutzt.  Münzer,  Beitr.  z.  Quellenkrit.  183.  Die  Überreste, 
die  sich  teilweise  gegen  die  anderer  Cassii  schwer  abgrenzen  lassen,  Peter, 
HRR.  1,  95;  HRF.  68.  Über  ihn  Schwegler,  RG.  1,  87.  Peter,  HRR.  1,  clxviii. 
Cichorius,  PW.  3,  1723. 

2.  Über  den  Geschichtschreiber  Libo  s.  §  172,  6. 

3.  Q.  Fabius  Maximus  Servilianus,  Cos.  J.  142.  Münzer,  PW.  6,  1811. 
Macrob.  1,  16,  25  Fabius  Maximus  Servilianus  pontifex  in  libro  XII  negat 
o porter e  atro  die  parentare.    Möglicherweise  Verwechslung  mit  Ser.  Fabius 


§  132.  Cassius  Hemina,  Piso  Frugi  u.  a.  Historiker  239 

Pictor  (§  133,  3).  Schol.  Veron.  zu  Georg.  3,  7  .  .  Servilianus  historiarum 
scriptor.  Serv.  Verg.  Aen.  1,  3  Fabius  Maximus  annalium  primo.  Dionys. 
ant.  1,  7  ag  ol  ngbg  avtü>v  inaivov^ivoi  'Pco^taicov  6vvtyQccip<xv,  IJog-niog  *£ 
Koctgjv  aal  <&dßi,og  Mdi-iuog  xca  Ovalsgiog  o  'Avusvg  usw.  Da  Polyb.  3,  8 
außer  Fabius  Pictor  noch  keinen  Geschichtschreiber  der  gens  Fabia  zu 
kennen  scheint,  so  wird  Servilianus  mit  seinen  Aufzeichnungen  erst  in 
späteren  Jahren  begonnen  haben.  WHarless,  de  Fabiis  3.  37.  Peter,  HRR. 
1,  clxxxii  u.  114;  HRF.  76. 

4.  L.  Calpurnius  Piso  Frugi,  trib.  pl.  149,  Cos.  133,  Censor  wahr- 
scheinlich 120  (Censorius,  A.  1.  Plin.  NH.  13,  87;  vgl.  TIlocov  Aevuiog  6  %i- 
\L-r\xia6g  bei  Dionys.  2,  38.  39.  12,  4:  der  Beiname  wird  angeführt,  weil  Cato- 
nischer  Geist  in  dem  Werke  herrschte  und  über  die  Censuren  eingehend 
berichtet  war.  Münzer,  Beitr.  199.  224).  Zuhörer  des  Panaitios?  Philodem. 
Index  Stoic.  (Riv.  filol.  3,  544)  ist  wahrscheinlich  .  61  .  00N  zu  üsIgcov  zu 
ergänzen  (Hertz).  Gegner  der  Gracchen.  Pisos  Geschichtswerk  begann  schon 
mit  Aeneas,  wenn  Schol.  Veron.  Aen.  2,  717  additur  etiam  a  L.  Cassio  (et 
Pisoney  Censorio  usw.  sein  Name  richtig  ergänzt  ist.  Es  reichte  im  siebenten 
Buche  mindestens  bis  J.  146  (Censorin.  17,  11).  Als  Titel  wird  gewöhnlich 
Annales  angegeben;  nur  Plin.  aO.  sagt:  L.  Piso  Censorius  primo  commen- 
tariorum:  daher  OJahn  (Lpz.  Ber.  1848,  429)  und  Plüss,  de  Cinc.  28  (auch 
bei  Dionysios)  einen  zweiten  Piso,  Hertz  (philologisch-klinischer  Streifzug, 
1849,  15)  wenigstens  eine  zweite  Schrift  dieses  Piso  (antiquarischen  Inhalts) 
unterscheidet;  dagegen  mit  Recht  Peter,  HRR.  1,  cxcin.  An  Wahrheitsliebe 
fehlte  es  dem  Piso  gewiß  nicht  (gravis  auctor  nennt  ihn  Plin.  NH.  2,  140) 
und  die  Anführungen,  die  besonders  in  den  zwei  ersten  Büchern  des  Livius 
und  bei  Dionysios  häufig  sind,  verraten  zwar  nicht  immer  guten  Geschmack, 
im  ganzen  aber  einen  schlichten,  nüchternen,  treuherzigen  Sinn,  auch  einen 
Anflug  von  Rationalismus,  der  dem  Romantiker  Mebuhr  so  widerwärtig 
war.  Über  die  Darstellung  des  Piso  urteilt  Cicero,  vom  Standpunkte  des 
Stilisten,  ungünstig;  Gellius,  als  Bewunderer  alles  Altertümlichen,  findet 
das  einfache  Nebeneinander  seiner  Sätze  reizend.  Brut.  106  Piso  et  causas 
egit  et  multarum  legum  aut  auctor  aut  dissuasor  fuit,  isque  et  orationes  reli- 
quit,  quae  iam  evanuerunt,  et  annales  seine  exiliter  scriptos.  Vgl.  de  leg.  1,  6. 
de  or.  2,  51  ff.  (oben  §  37,  5).  Dagegen  Gellius  7,  9,  1  res  perquam  pure  ei 
venuste  narrata  a  Pisone.  11,  14,  1  simplicissima  suavitate  et  rei  et  orationis 
L.  Piso  Frugi  usus  est  in  primo  annali.  Seine  beiden  Beispiele  zeigen,  daß 
Piso  sich  in  anekdotenhafte  Kleinigkeiten  einließ:  auch  führt  ihn  Plinius 
als  Quelle  an  zu  B.  2f.  (Erdkunde),  8  (Tiere),  12  bis  18  (Bäume),  28  u.  29 
(medicinae),  33 f.  (Metalle),  36  (Steine).  Vgl.  A.  1.  Interesse  für  Sitten- 
geschichte und  den  mos  maiorum,  wobei  die  griechische  Heuremataforschung 
mitwirken  mag,  verrät  u.  a.  fr.  38  a  quo  tempore  (J.  154)  pudicitiam  sub- 
versam  Piso  gravis  auctor  prodidit.  fr.  40  queritur  adulescentes  peni  deditos 
esse.  Benutzt  haben  das  Werk  Varro,  Cicero,  Livius,  Dionysios  und  Plinius. 
Münzer  aO.  Daß  Liv.  2,  1 — 21.  32 — 33  aus  Piso  geschöpft  seien,  will  be- 
weisen Virck,  d.  Quellen  des  Liv.  und  Dionys.,  Straßb.  1877.  Daß  Diodors 
römische  Geschichte  auf  Piso  beruhe,  behauptet  Klimke,  Diod.  u.  d.  röm. 
Annalistik,  Königshütte  O/S.  1881;  ebenso  LCohn,  Phil.  42,  1  (vgl.  aber 
§  116,  2).    Seine  Überreste  bei  Peter,  HRR.   1,  118;  HRF.  76.    Liebaldt,  de 


240  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

Calpurnio  annalium  scriptore,  Naumb.  1836.  Schwegler,  RG.  1,  88.  Peter, 
HRR.  1,  clxxxviii.  Aldenhoven,  Herrn.  5,  151.  LKeller,  der  zweite  pun. 
Krieg  und  seine  Quellen  (Marb.  1875)  127  und  dagegen  OGilbert,  Gott.  GA. 
1875,  343.  —  Cichorius,  PW.  3,  1392. 

5.  Plin.  NH.  9,  89  L.  Lucullo  proconsule  Baeticae  (J.  150)  comperta  de 
polypis,  quae  Trebius  Niger  e  comitibus  eius  proäidit.  Vgl.  ebd.  93  ut 
ipsius  Trebi  verbis  utar.  ebd.  80  Tr.  N.  und  10,  40  Trebius  auetor  est.  Außer 
für  B.  8.  9  (de  aquatilium  natura)  wird  er  auch  für  B.  32  (medicinae  ex 
aquatilibus)  als  Quelle  genannt  und  32,  15  zitiert. 

6.  Plin.  NH.  3,  3  a  vico  Mellaria  Hispaniae  ad  promunturium  Africae 
Album,  auetor e  Turranio  Gracile  iuxta  genito.  Daher  wird  er  im  QVerz. 
zu  B.  3  an  erster  Stelle    genannt,    wie    auch    zu  B.  9  (vgl.  A.  5),    sowie  zu 

B.  18  (naturae  frugum).  Vgl.  9,  11  Turranius  prodidit  expulsam  beluam  in 
Gaditano  litore.  18,  75  in  Baetica  et  Africa  (hordei  genus)  glabrum  appellat 
Turranius.  Die  Zeit  des  hier  untergebrachten  Turranius  ist  unbekannt. 
OHirschfeld,   Phil.  29,  27,   hält  es  für  nicht  unwahrscheinlich,   daß  er  mit 

C.  Turranius  (praef.  annonae  unter  Tiberius  und  noch  unter  Claudius,  f  um 
48  n.  Chr.  fast  hundertjährig;  PRE.  6,  2256,  6)  und  sogar  auch  mit  dem 
tragischen  Dilettanten  dieses  Namens  (§  254,  3  E.)  zu  verbinden  sei.  Ebenso 
Münzer,  Beitr.  387.  Falls  bei  Plinius  dub.  serm.  34,  24  Tyrannus  de  agri 
eultura  primo  richtig  Turranius  emendiert  wird,  so  hätte  er  auch  über 
Landwirtschaft  geschrieben. 

7.  Von  Plin.  wird  im  QVerz.  zu  B.  31  und  32  ein  Sornatius  genannt 
(zitiert  32,  68),  sowie  Iacchus  (§  41,  1  E.). 

133.  Bedeutende  Juristen  haben  diese  zwei  Jahrzehnte  an 
Manius  Manilius,  M.  Iunius  Brutus,  dem  über  Pontifikalrecht  schrei- 
benden Ser.  Fabius  Pictor,  und  besonders  dem  Consul  des  J.  133, 
P.  Mucius  Scaevola,  einem  scharfsinnigen,  jedoch  mehr  bedäch- 
tigen und  behaglichen  als  tatkräftigen  Ehrenmanne,  der  auch  die 
offiziellen  annales  abschloß  und  vielleicht  in  Buchform  bringen  ließ. 
Diese  Männer  waren  angesehene  Schriftsteller  in  ihrem  Fache,  ins- 
besondere Manilius  Verfasser  von  Formularen  zu  Kaufverträgen. 
Auch  des  Scaevola  Bruder,  der  Cos.  131,  P.  Licinius  Crassus  Mu- 
cianus,  sowie  C.  Marcius  Figulus  waren  gründliche  Kenner  des  Rechts. 

1.  M\  Manilius,  Cos.  149,  gehörte  zum  Freundeskreise  des  jüngeren 
Africanus.  —  Pompon.  dig.  1,  2,  2,  39  post  hos  (Cato  und  sein  Sohn)  fuerunt 
P.  Mucius  et  Brutus  et  Manilius,  qui  fundaverunt  ius  civile.  ex  his  . .  li- 
bellos  reliquit  .  .  Manilius  tres  (s.  Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Priv.-R.  1,  276), 
et  exstant  volumina  scripta  (inscripta  Pernice)  Manilii  monumenta.  Eine 
Hindeutung  auf  diesen  Titel  will  Hirschfeld,  SB.  Berl.  Ak.  1903,  3  in  den 
Worten  Cic.  rep.  2,  26  legibus  his,  quas  in  monumentis  habemus  kaum  mit 
Recht  erkennen.  Cic.  de  or.  1,  246  Manilianas  venalium  vendendorum  leges 
ediscere.  Varro  RR.  2,  3,  5  Manilius  scriptum  reliquit  sie  (Sponsionsformel 
über  den  Kauf  von  Ziegen),  ebd.  2,  5,  11  paulo  verbosius  haec  (Stipulations- 
form),  qui  Manili  actiones  sequuntur.    2,  7,  6  emptio  equina  similis  fere  ac 


§  133.  Juristen  (ManiJius,  Brutus,  Ser.  Pictor)  241 

boum,  .■ .  ut  in  Manili  actionibus  sunt  perscripta.  LL.  7,  105  nexum  Mani- 
Jius scribit  omne  qiwd  per  libram  et  aes  geritur  (bei  Varro  RR.  und  LL.  hat 
die  maßgebende  Überlieferung  stets  die  Form  Mamilius).  Cic.  fin.  1,  12 
disseretur  inter  principes  civitatis,  P.  Scaevolam  Maniumque  Manilium,  ab 
iisque  M.  Brutus  dissentiet,  .  .  nosque  ea  scripta  .  .  legimus  libenter.  ep. 
7,  22  ut  scires  id  .  .  Sex.  Aelium,  M'.  Manilium,  M.  Brutum  sensisse.  Vgl. 
ebd.  7,  10,  2.  p.  Caecin.  69  si  ut  Manilius  statuebat,  sie  est  iudicatum.  Gell. 
17,  7,  3  Q.  Scaevola  patrem  suum  et  Brutum  et  Manilium,  viros  adprime 
doctos,  quaesisse  ait  usw.  Dig.  41,  2,  3,  3  Brutus  et  Manilius  putant  usw. 
Als  Jurist  heißt  er  bei  Cic.  (rep.  1,  18,  vgl.  Brut.  108)  vir  prudens.  Brut. 
108  nee  multo  minus  (als  P.  Scaevola)  prudenter  (loqui  putabatur)  M'.  Ma- 
nilius. de  or.  3,  133  M'.  Manilium  .  .  vidimus  transverso  ambulantem  foro, 
quod  erat  insigne  eum  qui  id  faceret  facere  civibus  Omnibus  consilii  sui  co- 
piam.  Als  ein  Mitglied  des  Scipionenkreises  (rep.  1,  18  vir  prudens  omni- 
busque  Ulis  et  iueundus  et  carus;  vgl.  3,  17  hie  iuris  noster  interpres)  wird 
er  von  Cicero  am  Dialoge  de  rep.  beteiligt.  Der  über  sakrale  Gegenstände 
schreibende  Manilius  (Fest.  334.  Arnob.  3,  38)  ist  wohl  trotz  Hirschfeld 
von  ihm  zu  trennen.    Huschke,  JA.6  5.    Bremer,  JAH.   1,  25. 

2.  M.  lunius  Brutus,  iuris  peritissimus  (Cic.  Brut.  130;  vgl.  175;  iuris 
civilis  in  primis  peritus,  off.  2,  50).  Pompon.  aO.  39  heißt  er  praetorius  und 
wird  gesagt,  daß  er  Septem  libellos  reliquit.  Dagegen  Cic.  de  or.  2,  223  tres 
Bruti  de  iure  civili  libros  tribus  legendos  dedit.  p.  Cluent.  141  tres  excitavit 
recitatores  cum  singulis  libris,  quos  M.  Brutus  . .  de  iure  civili  reliquit.  Die 
dialogische  Einkleidung  erhellt  aus  Cic.  de  or.  2,  224,  wo  es  auch  heißt  ex 
libro  tertio,  in  quo  finem  scribendi  feeit  (M.  Brutus);  tot  enim,  ut  audivi  Scae- 
volam dicere,  sunt  veri  Bruti  libri.  Also  waren  nach  Scaevola  die  vier  wei- 
teren Bücher  Fortsetzungen  des  ursprünglichen  Werkes.  Vgl.  Zimmern,  Gesch. 
d.  röm.  Priv.-R.  1,  276.  Brutus  führte  den  Dialog  mit  seinem  Sohne,  und 
zwar  in  jedem  Buche  auf  einem  andern  Schauplatz.  —  Cic.  de  or.  2,  142 
video  in  Catonis  (des  Sohnes)  et  in  Bruti  libris  nominatim  fere  referri,  quid 
alicui  de  iure  viro  aut  mulieri  responderint.  Gell.  6,  15,  1.  17,  7,  3.  Dig. 
49,  15,  4  (inter  Brutum  et  Scaevolam  varie  traetatum  est). 

3.  Cic.  Brut.  81  Ser.  Fulvius  (Cos.  135)  et  una  Ser.  (et  Num.  Martha) 
Fabius  Pictor  et  iuris  et  litterarum  et  antiquitatis  bene  peritus.  Gell.  1, 
12,  14  in  libro  I  Fabii  Pictoris  quae  verba  pontificem  maximum  dicere  opor- 
teat  . .  scriptum  est.  10,  15,  1  item  castus  multiplices  (flaminis  Dialis),  quos 
in  libris  qui  de  sacerdotibus  publicis  compositi  sunt,  item  in  Fabii  Pictoris 
primo  scriptos  legimus.  Non.  544  Fab.  Pict.  libr.  XVI  (folgt  Ritualvorschrift). 
223  Varro:  commentario  veteri  Fabii  Pictoris  legi  (folgt  Ritualgebrauch). 
Fest.  250  puilia  saxa  esse  ad  portum  qui  sit  seeundum  Tiberim  ait  Fabius 
Pictor,  quem  locum  putat  Labeo  (der  Jurist  Antistius  Labeo)  dici  usw.  Macr. 
3,  2,  3  Veranius  (§  199,  6)  ex  primo  libro  Pictoris  (vgl.  §  49,  6).  Nonius  518 
Idem  (vorhergeht  ein  Zitat  aus  dem  Annalisten  Q.  Fabius  Pictor)  iuris  pon- 
tificii  libro  III,  vielleicht  die  beiden  gleichnamigen  verwechselnd.  S.  oben 
§  116,  7.  Möglicherweise  hat  auch  Gellius  dieses  Werk  de  iure  pontificio 
dem  berühmten  Annalisten  Fabius  Pictor  zugeschrieben.  Immerhin  ist  der 
Vorname  Servius  nur  bei  Cic.  Br.  81  überliefert,  und  gerade  dort  nicht  im 
Zusammenhange  mit  dem  Werke,  dessen  Kenntnis  den  Späteren  durch  Varro 

Teuffel:  röm.  Literaturgeach.    Neub.  6.  Aufl.  L  16 


242  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

vermittelt  zu   sein   scheint.    Vgl.  HPeter,   HRR.  1,  p.  clxxix.  111.    Huschke, 
JA.6  2.    Hertz,  JJ.  85,  47.  Bremer,  JAH.   1,  9.    Münzer,  PW.  6,  1842. 

4.  P.  Mucius  Scaevola,  6  vonodsixTris  (Plut.  Gracch.  9),  Cos.  133;  PRE. 
5,  181.  Er  und  sein  Bruder  Crassus  (A.  5)  standen  auf  Seiten  des  Ti.  Grac- 
chus (Cic.  acad.  pr.  2,  13).  —  Pompon.  aO.  39  (s.  A,  1).  Falls  die  dortige 
Reihenfolge  der  Aufzählung  (Mucius,  Brutus,  Manilius)  nicht  durch  Ansehen 
und  Rang  der  einzelnen  bestimmt,  vielmehr  chronologisch  gemeint  wäre,  so 
würde  Pomponius  den  Vater  und  den  Sohn  verwechseln;  s.  PRE.  aO.  182. 
Außerdem  Pomp.  aO. :  ex  his  P.  Mucius  etiam  decem  libellos  reliquit  .  .  Uli 
duo  (Manilius  und  P.  Mucius)  consulares  fuerunt,  P.  autem  Mucius  etiam 
pontifex  maximus.  Letzteres  war  er  mindestens  seit  123;  s.  Cic.  de  dorn.  136. 
Als  solcher  scheint  er  die  Abfassung  der  offiziellen  Annales  durch  den  pon- 
tifex maximus,  die  durch  die  Privat-Annalisten  überflüssig  geworden  war, 
abgeschafft  zu  haben;  wenigstens  gingen  jene  (nach  Cic.  de  or.  2,  52)  nur 
usque  ad  P.  Mucium  pontificem  maximum.  Gleichzeitig  ist  dann  wohl  die 
Sammlung  der  bisher  geführten  annales  und  deren  Herausgabe  in  Buchform 
veranstaltet  worden;  s.  §  76,  2  und  3.  Mommsen,  RG.  26,  453.  Über  den 
Zusammenhang  des  Pontifikats  mit  Jurisprudenz  vgl.  Cic.  de  leg.  2,  47  (vgl. 
52)  . .  Scaevolae  (Vater  und  Sohn,  letzterer  Cos.  95),  pontißces  atribo  et  eidem 
iuris  peritissimi  (vgl.  de  leg.  2,  52).  saepe,  inquit  P.  füius,  ex  patre  audivi 
pontificem  bonum  neminem  esse,  nisi  qui  ius  civile  cognosset.  de  or.  1,  170 
P.  Crassus  ille  Dives,  . .  cum  P.  Scaevolae  frater  esset,  solitus  est  ei  persaepe 
dicere  neque  illum  in  iure  civili  satis  facere  posse,  nisi  dicendi  copiam  as- 
sumpsisset  .  .  neque  se  ante  causas  amicorum  tractare  atque  agere  coepisse 
quam  ius  civile  didicisset.  Brut.  108  Latine  loqui  putabatur  .  .  P.  Scaevola 
valde  prudenter  et  acute,  paulo  etiam  copiosius.  de  or.  1,  240  (von  Crassus) 
id  quod  ipse  diceret  et  in  P.  Mucii,  fratris  sui,  libris  et  in  Sex.  Aelii  com- 
mentariis  scriptum  protulisse.  Die  Proben  seiner  Entscheidungen  und  Äuße- 
rungen, die  uns  erhalten  sind,  zeigen  ihn  ebenso  scharf  im  Definieren  (Cic. 
top.  24.  29.  37.  38)  als  stark  in  der  Kasuistik  (Cic.  de  leg.  2,  57.  fin.  1,  12. 
Gell.  17,  7,  3.  Dig.  24,  3,  66  pr.  49,  15,  4.  50,  7,  17;  vgl.  47,  4,  1,  15),  ins- 
besondere auch  bereits  im  Anleiten  zu  gesetzlicher  Umgehung  der  gesetz- 
lichen Bestimmungen  (Cic.  de  leg.  2,  53).  Nur  eine  Parteiansicht  aber  war 
es,  wenn  Nasica  ihm  den  Grundsatz  fiat  iustitia,  pereat  mundus  zuschrieb 
(Val.  Max.  3,  2,  17  tum  Scipio  Nasica:  quoniam,  inquit,  consul,  dum  iuris 
ordinem  sequitur,  id  agit  ut  cum  omnibus  legibus  Pomanum  imperium  cor- 
ruat  etc.).  In  seinem  Umgange  bildete  sich  Rutilius  Rufus  (Cos.  105);  s. 
§  142,  2.  Sein  glänzendster  Schüler  aber  war  sein  Sohn,  der  Cos.  95  (§  154, 1). 
—  Reste:  Huschke,  JA.6  7.  ASchneider,  die  drei  Scaevola  Cic.'s,  Münch. 
1879.    Bremer,  JAH.   1,  32. 

5.  P.  Licinius  Crassus  Dives  Mucianus,  leiblicher  Bruder  des  Vorigen, 
aber  adoptiert  von  P.  Crassus  (Cos.  205;  s.  §  123,  4);  Cos.  131,  f  130;  PRE. 
4,  1057.  —  Gell.  1,  13,  10  is  Crassus  . .  traditur  habuisse  quinque  rerum 
bonarum  maxima  et  praecipua:  quod  esset  ditissimus,  quod  nobilissimus,  quod 
eloquentissimus ,  quod  iurisconsultissimus,  quod  pontifex  maximus.  Cic.  de 
or.  1,  216  P.  Crassus  idem  fuit  eloquens  et  iuris  peritus  (ebenso  Brut.  127. 
Cato  50);  ebd.  240  fuit  Crassus  in  numero  disertorum,  sed  par  Galbae 
(§  131,  4)  nullo  modo;  ebd.  170  (s.  A.  4).    Brut.  98  P.  Crassum  valde  proba- 


§  133.  P.  Scaevola  u.  a.  Juristen.    §  134.  L.  Accius  243 

tum  oratorem  . .  accepimus,  qui  et  ingenio  valuit  et  studio  et  habuit  quasdam 
etiam  domesticas  discipllnas.  nam  . .  cum  esset  P.  Muci  (Cos.  175)  filius 
fratremque  haberet  P.  Scaevolam  (A.  4),  domi  ius  civile  cognoverat.  in  eo 
industriam  constat  summam  fuisse  maximamque  gratiam,  cum  et  consuleretur 
plurimum  et  diceret.  Unter  den  Juristen  nennt  ihn,  aber  mit  dem  Vornamen 
L.  (wohl  durch  Verwechslung  mit  dem  Redner  L.  Crassus,  §  152,  3)  und  an 
unrechter  Stelle  (nach  Sex.  Pompeius  u.  a.),  Pompon.  dig.  1,  2,  2,  40  L.  Cras- 
sus, fiater  P.  Mucii  (des  Cos.  133,  s.  A.  4),  qui  Mucianus  dictus  est. 
Außerdem  s.  Val.  Max.  8,  7,  6  P.  Crassus,  cum  in  Asiam  ad  Aristonicum 
regem  debellandum  consul  venisset,  tanta  cura  graecae  linguae  notitiam  com- 
prehendit,  ut  eam  in  quinque  divisam  genera  (d.  h.  Mundarten)  . .  penitus 
cognosceret.  Natürlich  verstand  er  das  Griechische  schon  vorher  vollständig. 
Bremer,  JAH.   1,  31. 

6.  Valer.  Max.  9,  3,  2  C.  Figulum  mansuetissimum ,  pacato  iuris  civilis 
iudicio  (studio?)  celeberrimum,  Sohn  des  Cos.  162  und  156,  aber  selbst  nicht 
zum  Konsulat  gelangt;  daher  die  ärgerliche  Frage  an  seine  consultores:  an 
vos  (nos?)  consulere  scitis,  consulem  facere  nescitis? 

134.  Von  Dichtern  war  L.  Accius  (geboren  J.  170  zu  Pi- 
saurum, gestorben  in  hohem  Alter)  berühmt  hauptsächlich  als  Ver- 
fasser zahlreicher  Tragödien:  auch  sie  waren  Nachbildungen  von 
griechischen.  Die  Auswahl,  die  Accius  unter  diesen  traf,  zeugt  außer 
von  der  üblichen  Vorliebe  für  Euripides  namentlich  von  einer  Nei- 
gung zu  jüngeren,  weniger  abgegriffenen  Stoffen;  auffallend  viele 
Stücke  gehören  dem  troischen  Sagenkreis  an.  Der  Ton  der  Über- 
reste ist  lebhaft  und  bewegt,  häufiger  verständig  zugespitzt  als  pa- 
thetisch. Auch  original  römische  Stoffe  behandelte  er  in  den  Prae- 
texten  Aeneadae  s.  Decius  und  Brutus.  Accius  war  aber  auch  Gram- 
matiker: er  verfaßte  neun  Bücher  Didascalicon,  eine  Art  Geschichte 
des  Dramas,  dann  Pragmaticon  libri,  Annales  und  Parerga.  In  Viel- 
seitigkeit, Formgewandtheit,  aufgeklärter  Richtung  und  auch  künst- 
lerischem Selbstgefühl  dem  Ennius  ähnlich,  übertrifft  Accius  diesen 
Vorgänger  an  Sorgfalt  und  Feile. 

1.  Hieron.  zu  Euseb.  Chr.  a.  1878  =  139  L.  Accius  tragoediarum 
scriptor  clarus  habetur,  natus  Mancino  et  Serrano  coss.  (J.  170)  parentibus 
libertinis,  et  seni  iam  Pacuvio  Tarenti  sua  scripta  recitavit.  a  quo  et  fundus 
Accianus  iuxta  Pisaurum  dicitur,  quia  illuc  inter  colonos  fuerat  ex  urbe  de- 
ductus  (wenn  das  wahr  ist,  vielmehr  sein  Vater,  denn  die  deductio  geschah 
schon  J.  184).  Einen  Attius  Pisaurensis  erwähnt  auch  Plin.  NH.  7,  128 
pretium  hominis  in  servitio  geniti  maximum  ad  hanc  diem  fuit  grammaticae 
artis  Daphnin  Attio  (so  Detlefsen,  RhM.  18,  236:  daphni  natio  die  Hss.) 
Pisaurense  vendente  et  M.  Scauro  principe  civitatis  HS  DCC  licente.  Falls 
das  der  Dichter  war,  so  verlieh  dessen  Unterricht  dem  Daphnis  (§  41,  1. 
142,  4)  seinen  großen  Wert.  Der  Freilasser  des  Vaters  des  Dichters  war 
vielleicht  ein  Vorfahr  des  Ritters  T.  Attius  (Accius)  aus  Pisaurum,  des  An- 

16* 


244  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

klägers  des  Cluentius  (§  179,  15).  Accii  (und  Attii)  auf  Inschr.  aus  Pisau- 
rum,  CIL.  11,  6359.  6406  vgl.  WSchulze,  Zur  Gesch.  lat.  Eigenn.  423. 
Die  Schreibungen  Accius  und  Attius  sind  wohl  mundartlich  verschieden. 
In  den  Hss.  überwiegt  die  mit  cc  sehr  (s.  LMüllers  Lucilius  p.  320);  da- 
gegen ist  auf  den  Inschriften  die  Schreibung  dieses  Namens  mit  tt  die 
weitaus  häufigere.  —  Bild  des  Accius  auf  einem  Contorniaten :  Bernoulli, 
röm.  Ikonogr.  1,  289  (vgl.  A.  2). 

2.  Cic.  Brut.  229  Accius  isdem  aedilibus  (um  J.  140)  ait  se  et  Pacuvium 
docuisse  fabulam,  cum  üle  LXXX,  ipse  XXX  annos  natus  esset.   pArch.  27 
D.  Brutus,  summus  vir  et  imperator  (Cos.  138),   Accii  amicissimi  sui  carmi- 
nibus  templorum  ac   monumentorum   aditus  exornavit   suorum,   wozu  Schol. 
Bob.  p.  179,  6  Acci  .  .  .  cuius  plurimos  versus,  quos  Saturnios  appellaverunt, 
vestibulo  templi  Martis  superscripsit  (nämlich  Brutus).  —  Auct.  ad  Her.  1,  24 
mimus  quidam  nominatim  Accium  poetam  compellavit  in  scaena.    cum  eo  Ac- 
cius iniuriarum  egit.    hie  nihil  aliud  defendit  nisi  Heere  nominari  eum,  cuius 
nomine  scripta  dentur  agendo.    Vgl.  ebd.  2,  19  P.  Mucius  {iudex)   eum,  qui 
L.  Accium  poetam  nominaverat,  condemnavit.   —   Plin.  NH.  34,  19   notatum 
ab  auetoribus  et  L.  Accium  poetam  in  Camenarum  aede  maxima  forma  sta- 
tuam  sibi  posuisse,  cum  brevis  admodum  fuisset.   Vielleicht  ein  Weihgeschenk 
nach    einem    tragischen  Siege.    Der  Tadel   ging  wohl  von  Lucilius  (V.  794) 
aus.    Cichorius,  Unters.  153.   —   Cic.  Brut.  107  D.  Brutus  M.  fäius,  ut  ex 
familiari  eius  (vgl.  leg.  2,  54)  L.  Accio  poeta  sum  audire  solitus,  usw. :  nach 
dieser  Stelle    kannte    Cicero   den   Accius   noch    persönlich   und    pflegte  sich 
über  literarische  Dinge  mit  ihm  zu  unterhalten:  dies  setzt  von  Seiten  Cice- 
ros  mindestens  ein  Lebensalter  von  etwa  20  Jahren  voraus,   so  daß  Accius 
etwa  bis  J.  86    gelebt   haben  und    über  80  Jahre  alt    geworden    sein    muß. 
Cic.  Phil.  1,  36  von  der  Wiederaufführung  des  Tereus   des   Accius  (vgl.  ad 
Att.  16,  2,  3.  16,  5,  1)   im  J.  44:  nisi  forte  Accio  tum  plaudi  et  sexagesimo 
post  anno  palmam  dari,  non  Bruto  putatis.   Hier  rechnet  Cicero  nicht  vom 
Tode    des  Accius,    sondern    (rund)   von   der   ersten   Aufführung  des  Tereus, 
welche  danach  ungefähr  ins  J.  104,  etwa  ins  66.  Lebensjahr  des  Accius  fiele. 
—  Val.  Max.  3,  7,  11    poeta  Accius  .  .  Iulio  Caesari,   amplissimo  ac  floren- 
tissimo  viro  (selbst  auch  Verfasser  von  Tragödien,  s.  §  153,  3),  in  conlegium 
poetarum  (§  94,  7)    venienti   numquam    adsurrexit,  . .  quod  in   comparatione 
communium  studiorum  aliquanto  se  superiorem  esse  confideret.    Überdies  war 
Accius  um   etwa   40   Jahre   älter  als   dieser  Kunstgenosse.    Zum   Scipionen- 
kreise   hatte  er  keine  Beziehungen    und    wurde  von  Lucilius    mehrfach  an- 
gegriffen; Porph.   Hör.  S.  1,  10,  53   (nil  comis  tragici  mutat  Lucilius  Acci'i) 
facit  autem  haec  Lucilius  cum  alias,  tum  vel  maxime  in  tertio  libro;  meminit 
nono  et  deeimo.    Cichorius,  Unters.  132.  202.  261. 

3.  Quint.  5,  13,  43  aiunt  Accium  interrogatum ,  cur  causas  non  ageret, 
cum  apud  eum  in  tragoediis  tanta  vis  esset  optime  respondendi,  hanc  reddi- 
disse  rationem:  quod  illic  ea  diceret  quae  ipse  vellet,  in  foro  dicturi  adver- 
sarii  essent  quae  minime  vellet.  Bei  Cic.  Plane.  59  heißt  er  gravis  et  inge- 
niosus  poeta;  Sest.  120  summus  poeta.  Die  Bezeichnungen  altus  (Hor.  E.  2, 
1,  56),  animosi  oris  (Ovid.  am.  1,  15,  19)  udgl.  bezeichnen  ebenso  allgemein 
seine  Eigenschaft  als  Tragiker.  Vgl.  Gell.  13,  2,  2  cum  Pacuvius  . .  Taren- 
tum  concessisset,  Accius,  tunc  haud  parvoiunior,  proßeiscens  in  Asiam  cum 


§  134.  L.  Aerius  245 

in  oppidum  venisset,  devertit  ad  Pacuviwm  comiterque  invitatus  plusculisque 
ab  eo  diebus  retentus  tragoediam  suam  cui  Atreus  nomen  est  desideranti  legit. 
(3)  tum  Pacuvium  dixisse  aiunt  sonora  quidem  esse  quae  scripsisset  et  gran- 
dia,  sed  videri  tarnen  ea  sibi  duriora  paulum  et  acerbiora.  (4)  ita  est,  inquit 
Accius,  uti  dicis:  neque  id  nie  sane  paenitet;  meliora  enim  fore  spero  quae 
deineeps  scribam. 

4.  Unter  den  Stoffen  sind  etwa  ein  Viertel  aus  Euripides,  einige  aus 
Sophokles  (über  den  Philocteta  Bloch,  Studi  ital.  1,  97),  ganz  wenige  aus 
Aischylos  (Myrmidones ,  Prometheus,  kaum  Armorum  iudicium).  Zahlreich 
sind  die  epigonenhaften  Stoffe  und  Titel  wie  Agamemnonidae  Alphesiboea 
Pelopidae  Persidae  Phinidae,  den  Grammatiker  verraten  Epinausimache  und 
Nyctegresia.  In  der  Wahl  der  Worte  und  Formen  ging  Accius  über  die 
Kühnheit  seiner  Vorgänger,  die  in  der  Tragödie  Pflicht  war,  nicht  hinaus 
(Koterba  §  105,  4),  wohl  aber  in  der  Anwendung  der  Rhetorik,  die  seinen 
ganzen  Stil  bestimmte  (vgl.  A.  3).  Er  strebt  nach  Periodenbau,  gliedert 
seine  Sätze  durch  Antithese  und  Parallelismus  und  verwendet  neben  der 
Paronomasie  sehr  reichlich  die  Alliteration  und  andere  Klangmittel.  Wo 
wir  ihn  mit  dem  Original  vergleichen  können  (zB.  V.  581.  592.  595  mit 
Euripides'  Phoenissen),  strebt  er  nach  Steigerung  und  Bereicherung  des  Aus- 
drucks. Er  wurde  in  Ciceros  Zeit  wieder  modern:  Aufführung  des  Eury- 
saces  J.  57  (Cic.  Sest.  120  mit  Schol.  Bob.),  der  Clutemestra  J.  55  (Cic.  ep. 
7,  1,  2),  des  Tereus  J.  44  (A.  2).  Daher  Horaz  ep.  2,  1,  55  aufert  Pacuvius 
docti  famam  senis,  Accius  alti.  Vellei.  1,  17,  1  in  Accio  circaque  cum  Ho- 
mana  tragoedia  est.  2,  9,  3  clara  . .  ingenia  .  .  Acci  usque  in  Graecorum  in- 
geniorum  comparationem  evecti  magnumque  inter  hos  ipsos  facientis  oper 
suo  locum,  adeo  quidem  ut  in  Ulis  limae,  in  hoc  paene  plus  videatur  fuisse 
sanguinis.  Pers.  1,  76  est  nunc,  Brisaei  quem  venosus  Über  Acci  . .  moretur? 
Von  den  Tragödien  des  A.  sind  uns  noch  etwa  45  Titel  bekannt,  d.  h.  die 
meisten,  die  uns  von  einem  römischen  Tragiker  überliefert  sind,  und  wohl 
so  ziemlich  alle,  die  er  überhaupt  verfaßt  hat;  dem  entsprechend  haben 
wir  von  Accius  auch  die  meisten  Überreste;  die  berühmtesten  Stücke  waren 
etwa  Atreus  (daraus  oderint  dum  metuant  V.  203),  Epigoni  (aus  Sophokles 
nach  Cic.  opt.  gen.  18),  Epinausimache,  Philocteta  (Zielinski,  Eos  17,  129). 
—  Die  Überreste  bei  Ribbeck,  trag.8  p.  157.  Aufzählung  der  Titel  und  des 
Inhalts  der  Stücke  bei  Teuffel  im  Tüb.  Progr.  1858,  17.  Vgl.  Ribheck,  röm 
Trag.  344.  599;  röm.  Dicht.  1,  177.  Leo  zu  Sen.  trag.  1,  158.  Robert,  Bild 
und  Lied  133.  LMüller,  de  A.  fabulis,  Berl.  1890.  Ambrassat,  De  Accii 
fab.  Androm.  Telepho  Astyan.  Meleagro,  Königsb.  1914. 

5.  Von  seinen  Praetexten  (Ribbeck,  trag.3  p.  326;  röm.  Trag.  586)  be- 
handelte Decius  (s.  Aeneadae)  den  Opfertod  des  jüngeren  P.  Decius  Mus 
(J.  295),  Brutus,  seinem  Gönner  Brutus  zu  Ehren  gedichtet,  den  Sturz  des 
Tarq.  Superbus  und  die  Einsetzung  der  ersten  Konsuln.  —  Varro  LL.  6,  7 
ut  in  Bruto  Cassii  quod  dicebat  Lucretia  'nocte  intempesta  nostram  devenit 
domum' ';  vgl.  ebd.  7,72  apud  Cassium  (folgt  derselbe  Vers):  also  eine  Prae- 
texta  desselben  Inhalts  wie  der  Brutus  des  Accius;  deshalb  trotz  des  dop- 
pelt überlieferten  Namens  Cassius  gewöhnlich  auf  jenen  bezogen.    TRF.  331. 

6.  Die  nichtdramatischen  Überreste  des  Accius  (A.  7 — 10)  s.  an  LMül- 
lers  Lucilius  (1872)  p.  303  (vgl.  p.  317).    FPR.   266. 


246  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

7.  Didascalica  (vgl.  des  Aristoteles  didaanalica),  eine  Art  Geschichte 
der  griech.  und  röm.  Poesie  in  loser  Form,  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Dramatik  und  noch  die  Zeit  des  Dichters  selbst  mitbehandelnd:  sehr 
spärliche  Bruchstücke  (bis  B.  9  gehend).  Madvig,  op.  1  (Kopenh.  1834),  96. 
Teuffel,  Tüb.  Progr.  v.  1858,  35.  Einige  der  erhaltenen  Reste  haben  sota- 
deisches  Maß  (Lachmann,  kl.  Sehr.  2,  67);  aber  Gell.  6,  9,  16  (vgl.  Prisc  GL. 
2,  517,  5)  L.  Accius  in  Sotadicorum  l.  I  meint  ein  anderes  Gedicht  (Plin. 
ep.  5,  3,  6  kennt  erotische  Gedichte  des  A.).  Doch  ist  die  Anrede  des  Bae- 
bius  bei  Charis.  GL.  1,  142,  1  prosaisch  (Bücheler,  RhM.  35r  401):  danach 
hätte  B.  9  ein  Vorwort  in  Prosa  gehabt  (vgl.  die  prosaischen  Vorreden  bei 
Mart.  Auson.  u.  a.).  Aber  auch  ein  unzweifelhafter  iambischer  Senar  findet 
sich  (Prisc.  GL.  1,  253).  Bücheler  aO.  hält  den  Kern  des  Werkes  für  pro- 
saisch; GHermann,  op.  8,  390  nahm  trochäische  Tetrameter  an  (vgl.  §  146,  3). 
Vielleicht  hatte  das  Werk  dialogische  Form  wie  Satyros'  ßiog  Evgmidov. 
Als  eine  benatzte  Quelle  läßt  sich  Aristophanes  von  Byzanz  wahrscheinlich 
machen.  Norden,  RhM.  48,  537.  Hendrickson,  Am.  JPh.  19,  303.  Über  einen 
starken  literarhistorischen  Irrtum  des  Accius  s.  §  94,  2.    Leo,  PF.  66. 

8.  Pragmaticon  libri  (mindestens  zwei)  in  troch.  Tetrametern,  literatur- 
geschichtlichen Inhalts;  nQccy(.iccTLx6g  (Gegs.  Xsutwog)  bezeichnet  das,  was 
nicht  Sprache  und  Ausdruck  angeht.  Norden,  RhM.  48,  531.  Über  Spuren 
literarischer  Polemik  (gegen  Lucilius?)  MRichter,  Comm.  Jenens.  11,  2,  59. 
—  Ein  Bruchstück  bei  Non.  61,  19  aus  parergorum  Hb.  I  (zwei  iambische 
Senare)  handelt  vom  Pflügen;  diese  Parerga  darf  man  weder  mit  dem  Praxi- 
dicus  (A.  12)  zusammenwerfen  noch  vermuten,  daß  sie  alle  Schriften  des 
Accius  außer  den  Tragödien  zusammengefaßt  hätten  und  sich  so  das  Zitat 
annali  XXVII  (Fest.  146,  31;  s.  A.  10)  erkläre  (es  sollte  doch  wenigstens 
parergorum  XXVII  heißen).  —  Die  grammatischen  Fragmente  bei  Funaioli, 
GRF.  1,  22. 

9.  Annales  im  epischen  Maß,  woraus  mythologische  Anführungen  (über 
Hermes  und  die  Xqovhx)  erhalten  sind.  Zitiert  werden  B.  1  und  B.  27 
(letztere  Zahl  wohl  zu  groß  und  verderbt,  s.  A.  8).  Der  Titel  erlaubt  kaum, 
an  ein  Werk  von  anderer  Art  als  das  des  Ennius  zu  denken. 

10.  Nachdenken  über  die  Sprache  beweisen  manche  Wortkünsteleien 
in  Accius'  Tragödien,  insbesondere  die  Art  der  Anwendung  der  Alliteration 
(Teuffel,  Progr.  v.  1858,  32),  die  Nachricht  (bei  Mar.  Vict.  GL.  6,  8)  daß 
er  aggulos  (statt  ang.)  schrieb,  z  und  y  nicht  anwandte,  daß  er  die  Natur- 
länge der  Vokale  a,  e  und  u  durch  Verdoppelung  in  der  Schrift  bezeichnete 
(§  93,  10;  ob  letzteres  vom  älteren  Plinius,  wenigstens  bei  den  Endungen 
der  vierten  Deklination,  wieder  befolgt  wurde?  s.  Detlefsen,  symb.  philol. 
Bonn  712).  Accius  fand  das  Vorbild  dieser  Gemination  in  andern  italischen 
Dialekten,  zB.  dem  oskischen,  umbrischen,  sabellischen,  messapischen ; 
Ritschl,  op.  4,  142.  153.  361.  492.  687.  Torf,  Idg.  Forsch.  5,  206.  Sie  findet 
sich  auch  auf  griechischen  Inschriften;  s.  Viereck  Sermo  graecus  57.  Lehrte 
Accius  auch  K  vor  a,  Q  vor  u  und  sonst  C  zu  schreiben?  Vgl.  Jordan,  krit. 
Beitr.  (Berl.  1879),  125.  Schady,  de  Mar.  Vict.  (1869)  13.  Vgl.  Varro  LL. 
10,  70  Accius  haec  in  tragoediis  largius  a  prisca  consuetudine  movere  coepit  et 
ad  formas  graecas  verborum  magis  revocare,  a  quo  Valerius  (s  §  147,  1)  ait: 
Accius  Hectorem  nollet  facere,  Hectora  mattet;  (aber  Hectorem  V.  667,  Nesto- 


§  134.  L.  Accius.    §  135.  Die  Gracchen  247 

rem  fr.  10  B.)  und  5,  21  apud  Accium  non  terminus,  sed  termen.  Wo  A.  diese 
Lehren  vortrug,  wissen  wir  nicht;  Lucilius  polemisierte  dagegen  (§  143,  7). 
M.  Varro  widmete  dem  A.  seine  Schrift  de  antiquitate  litterarum  (§  166,  6,e). 

11.  GBoissier,  le  poete  Attius,  Paris  1857.  Teuffel,  Caecilius  Statius 
usw.,  Tüb.  1858,  14.    Ribbeck,  röm.  Trag.  340.  602.    Marx,  PW.  1,  142. 

12.  Plin.  NH.  QVerz.  zu  B.  18  (naturae  frugum)  Attius  qui  Praxidica 
scripsit.  NH.  18,  200  Attius  in  Praxidico,  ut  sereretur  cum  luna  esset  in 
ariete  geminis  leone  libra  aquario:  also  eine  Schrift  astrologischen  Inhalts, 
vielleicht  ein  Lehrgedicht:  und  dazu  stimmt  auch  der  Titel:  Praxidikos  ist 
uns  als  Astrologe  (wohl  mit  fingiertem  Namen)  bekannt.  Plin.  scheint 
diesen  Atticus  von  dem  Dichter  unterscheiden  zu  wollen.  Aber  schon  die 
Art  der  Anführung  bei  Plin.  zeigt,  daß  er  diesen  Attius  von  dem  Dichter 
unterscheiden  will.  vWilamowitz,  Herrn.  34,  637.  Ist  bei  Plin.  QVerz.  Praxi- 
dicea  zu  schreiben?  Crusius,  Phil.  NF.  11,  642.    ORibbeck,  RhM.  41,  631. 

135.  Die  Zeit  der  Gracchen  (J.  134 — 119)  erzeugte  innere 
Stürme,  die  den  Staat  in  seinen  Grundfesten  erschütterten.  In  die- 
sen leidenschaftlichen  Parteikämpfen  war  die  Rede  eine  mächtige 
Waffe,  deren  Wert  jetzt  erst  recht  gewürdigt  wurde.  Am  gewaltig- 
sten handhabte  das  Wort  in  dieser  Zeit  der  jüngere  Gracchus  (J. 
154 — 121).  Die  zündende  Kraft  seiner  Beredsamkeit,  die  sich  mit 
einer  raffinierten  Anwendung  rhetorischer  Mittel  verband,  tritt  uns 
aus  den  wenigen  Proben,  die  wir  besitzen,  noch  ergreifend  ent- 
gegen. Wie  überhaupt  so  auch  als  Redner  viel  weniger  bedeutend 
war  des  Gaius  älterer  Bruder  Tiberius  (J.  163 — 133). 

1.  Ti.  Sempronius  Gracchus,  geb.  J.  163  oder  162,  geriet  als  Volks- 
tribun J.  133,  ungeduldig  über  den  Widerstand,  den  er  bei  seinen  wohl- 
gemeinten Vorschlägen  fand,  bald  aus  der  gesetzlichen  Bahn  und  wurde 
von  dem  Pontifex  maximus  P.  Nasica  erschlagen  (ov7tco  tqiäy.ovxa  ysyovmg, 
Plut.  G.  Gracch.  1).  Gaius  neun  Jahre  jünger  (Plut.  Ti.  Gr.  3.  G.  Gr.  1, 
somit  J.  154  oder  153  geboren)  war  J.  133  ff.  triumvir  agris  dividundis,  dann 
Volkstribun  J.  123  —  121:  in  letzterem  Jahre  erlag  er  dem  Cos.  L.  Opimius. 

2.  Gemeinsames  und  Vergleichung  beider.  Plut.  Ti.  Gr.  2  idia  %qo- 
6co7cov  %a\  ßXi\L\xati  xul  yivr^iari  ngaog  y.a.1  yata6tr\yiat  iy.bg  tjv  6  TißEQiog, 
gvrovog  dh  v.al  6(poÖQog  o  rd'Cog.  .  .  ö  Xoyog  tov  [isv  Tatov  cpoßsobg  %a\  itsoi- 
7tccd,r}g  slg  Ssivtoötv ,  ijdiav  d'  6  tov  TißsQiov  yal  iiäXXov  iTtayaybg  oi'xzov. 
xfi  de  Xs^si  Kcc&ccQog  v.al  diait^novr\\iivog  äyQißcbg  Hsivog,  6  6b  rcctov  Jtid'a- 
vbg  xul  ysyavco^tsvog  ...  tco  d'  iföst,  .  .  6  fihv  iriLSiyi]g  y.a.1  Ttgciog,  6  ds  tga^vg 
y.al  ftviiosidrig.  Mag  hier  der  Unterschied  allzusehr  betont  sein,  so  war.  doch 
jedenfalls  Gaius  der  lebhaftere  und  durch  die  Erfahrungen  seines  Bruders  ver- 
bittert. Liv.  per.  60  C.  Gracchus  . .  eloquentior  quam  frater.  Dio  1,  330  Boiss. 
6  Tgay^og  tr\v  fihv  yvca[ir]v  o^ioiav  tat  adsXcpa  zi%sv  .  .  tfj  ds  7caQaGKtv(j  tav 
Xoycov  uoXv  avtov  ngoiepsosv.  Vellei.  2,  6,  1  ingenio  eloquentiaque  longe 
praestantior.  Cic.  Brut.  333  Gracchi  in  contionibus  multo  faciliore  et  Übe- 
riore  genere  dicendi  (usi  sunt  quam  superiores).  Plin.  NH.  13,  83  Tiberii 
Gaique  Gracchorum  manus  (Handschrift)  apud  Pomponium  Secundum  .  . 
vidi  annos  fere  post  ducentos. 


248  Republikanische  Zeit:  J.  240-84  v.  Chr. 

3.  Tiberius.  Cic.  Brut.  103  fuit  uterque  (Carbo  und  Tib.)  summus  ora- 
tor.  atquehoc  memoria  patrum  teste  dicimus;  (104)  nam  et  Carbonis  et  Gracchi 
habemus  orationes  nondum  satis  splendidas  verbis,  sed  acutas  prudentiaeque 
plenissumas.  fuit  Gracchus  . .  Graecis  litteris  eruditus.  nam  semper  habuit 
exquisitos  e  Graecia  magistros,  in  eis  iam  adulescens  Diophanen  Mytile- 
naeum  (vgl.  Plut.  Ti.  Gr.  8.  20),  Graeciae  temporibus  Ulis  disertissimum.  de 
harusp.  resp.  41  T%.  Gracchus  convellit  statum  civitatis:  qua  gravitate  vir, 
qua  eloquentia,  qua  dignitate!  Appian.  b.  c.  1,  9  Tl§sqlo?  UetinQmvtog  Fqccy.- 
%og,  avrjQ  87CL(pavrjg  aal  Xa^TtQog  ig  (piXort^tlccv,  slmcslv  ts  Sjovaröaxarog.  Daß 
seine  Stellung  zum  Numantinischen  Vertrag  in  den  Rhetorschulen  frühzeitig 
ausgebeutet  wurde,  zeigt  Quint.  7,  4,  13  interdum  culpa  in  hominem  relega- 
tur:  ut  si  Gracchus  reus  foederis  Numantini  . .  missum  se  ab  imperatore  suo 
diceret.  Martian.  Cap.  5,  456  remotio  est,  cum  obiectum  crimen  in  alterum 
vel  in  aliud  ..  removetur.  in  alium,  ut  Ti.  Gracchus  in  Mancinum,  qui 
auctor  faciendi  foederis  fuit.  Jedoch  ist  das,  was  Plutarch  (Ti.  Gr.  9.  15)  als 
Probe  der  niftccvotrig  und  nvKv6tr\g  tov  ccvögog  den  Tib.  zur  Begründung 
seiner  Anträge  sprechen  läßt,  wirklich  aus  seinen  Reden  geschöpft  und 
nicht  Ausmalung  von  Rhetoren  und  rhetorisierenden  Historikern,  wie  Fan-' 
nius  oder  Livius,  aus  denen  Appian  b.  c.  1,  9  seine  Angaben  über  Reden  des 
Gr.  haben  mag.  Die  Quelle  des  Plutarch  scheint  wirklich  Proben  aus  den 
Reden  gegeben  zu  haben;  vgl.  G.  Gr.  4  extr. :  xoiavtr\  [isv  t\  ■jiiy.qLcc  t&v  X6- 
ycov  i]v  ccvrov,  y.cti  noXXcc  Xccßelv  ix  t&v  ysyQaii^iivcov  %G%iv  o^ioiu.  Bijvanck, 
studia  in  Ti.  Gr.  hist.,  Leid.  1879.  ThGreve,  Krit.  d.  Quellen  z.  Leb.  des 
Ti.  Gr.,  Aachen  1883. 

4.  Gaius.  Allgemeine  Charakteristik  seiner  Beredsamkeit.  Plut.  G.  Gr.  1 
tov  Xoyov  a>67i8Q  (aximTSQcc  necTccöxsvagoiiEvog  inl  xr\v  itoXitslav  .  .  U7t£dzi£,£ 
tovg  ccllovg  Qtjrogccg  naid<ov  (infantium)  \lt]8ev  diacpSQOVTccg.  3  l6%vcov  ta> 
Xiysiv  cog  aXXog  ovdslg.  4  rjv  8s  xal  [isyocXocpcovoTcctog  xai  QCo^aXsatccrog  iv 
reo  Xiysiv.  Vgl.  A.  2.  Cic.  de  harusp.  resp.  41  C.  Gracchus  quo  ingenio,  qua 
eloquentia,  quanta  vi,  quanta  gravitate  dicendi!  pro  Font.  39  exstat  oratio 
hominis,  ut  opinio  mea  fert,  nostrorum  hominum  longe  ingeniosissimi  atque 
eloquentissimi ,  C.  Gracchi.  Brut.  125  vir  et  praestantissumo  ingenio  et  fla- 
granti studio  et  doctus  a  puero,  C.  Gracchus,  noli  enim  putare  quemquam 
pleniorem  aut  uberiorem  ad  dicendum  fuisse  . .  damnum  illius  immaturo  in- 
teritu  res  JRomanae  Latinaeque  litter ae  fecerunt.  126  diutius  si  vixisset,  .  . . 
eloquentia  quidem  nescio  an  habuisset  parem  neminem,  grandis  est  verbis, 
sapiens  sententiis,  gener e  toto  gravis:  manus  extrema  non  accessit  operibus 
eius;  praeclare  incohata  multa,  perfecta  non  plane.  Tac.  dial.  18  Catoni  seni 
comparatus  C.  Grachus  plenior  et  uberior.  26  mdlim  C.  Gracchi  impetum. 
Sein  Lehrer  war  Menelaos  aus  Marathus  (Cic.  Brut.  100),  er  lernte  also  die 
kleinasiatische  Beredsamkeit.  In  der  Zeit  des  Fronto  erneuerte  sich  das 
Interesse  für  Gracchus.  Fronto  ep.  p.  145  tribunalia  Catonis  et  Gracchi  et 
Ciceronis  orationibus  celebrata.  p.  144  contionatur  Cato  infeste,  Gracchus 
turbulente,  Tullius  copiose.  iam  in  iudieiis  saevit  idem  Cato,  triumphat  Ci- 
cero, tumultuatur  Gracchus,  Calvus  rixatur.  p.  54  oratores  veter  es,  quorum 
aut  pauci  aut  praeter  Catonem  et  Gracchum  nemo  tubam  inflat.  Beschäfti- 
gung mit  Reden  des  (C.)  Gracchus  ebd.  p.  56.  61.  105.  Dieser  neuerwachten 
Teilnahme  verdanken  wir  die  Erhaltung  köstlicher  Proben  seiner  Beredsam- 


§  135.  Die  Gracchen  249 

keit  durch  Gellius,  bes.  NA.  10,  3,3—5.  11,  10,2—6.  11,  13,  3.  15,  12,2—4. 
Dio  hat  bereits  wieder  aus  abgeleiteten,  dem  C.  Gracchus  politisch  abge- 
neigten Quellen  geschöpft,  s.  fr.  85  ßk.  (1,  330  Boiss.)  wo  auch  rfj  7caga~ 
6y.svji  rcbv  Xoyoav  TtoXv  ccvrov  (sc.  Tißsglov)  itgoecpsQS  .  .  .  itoXXfj  \ihv  Ttvnvo- 
tr\ti  iv&viiriiiuTcov,  TtoXXj)  ds  nai  6cpodQotr\ti  6vo(j.dtcov  inntav  idr^ir\yoQSi.  — 
Mommsen,  RG.  26,  103.  RSchmidt,  Krit.  der  Quellen  zur  Gesch.  der  gracchi- 
schen  Unruhen,  Berl.  1864. 

5.  Art  der  Beredsamkeit  des  C.  Gracchus:  Lebendigkeit  des  Vortrags 
(Plut.  GGr.  4)  mit  raffinierter  Berechnung  der  Wirkung,  Cic.  de  or.  3,  225 
cum  eburneola  solitus  est  habere  fistula,  qui  staret  occulte  post  ipsum,  cum 
contionaretur ,  peritum  hominem,  qui  inflaret  celeriter  eum  sonum,  quo  illum 
aut  remissum  excitaret  aut  a  contentione  revocaret.  Auf  dieser  Stelle  beruhen 
alle  anderen  Zeugnisse  (Büttner,  Porcius  Licinus  80);  nur  Gell.  1,  11,  10 
polemisiert  gegen  Ciceros  Darstellung.  Norden,  KP.  57.  Heftige  Aktion: 
Auf-  und  Abgehen,  Entblößen  des  Armes,  Plut.  Ti.  Gr.  2.  Dio  aO.  Cic.  de 
or.  3,  214  quae  sie  ab  illo  esse  acta  constabat  oculis  voce  gestu,  inimici  ut 
lacrimas  teuere  non  possent.  Einschneidende  Schärfe  gegen  den  Übermut 
des  Adels  und  auch  einzelnen  Gegnern  gegenüber  (Schol.  Bob.  in  Cic. 
pFlacc.  16  p.  96,  29:  gegen  Piso  Gracchi  exstat  oratio  maledictorum  magis 
plena  quam  criminum;  vgl.  Cic.  pFont.  39).  Cic.  Tusc.  3,  48  lege  orationes 
Gracchi:  patronum  aerarii  esse  dices.  Wahl  der  treffendsten  Ausdrücke,  Cic. 
de  or.  1,  154.  —  Gell.  11,  13,  2  in  eius  orationis  prineipio  collocata  verba 
sunt  aecuratius  modulatiusque,  quam  veterum  oratorum  consuetudo  fert.  Über 
seine  exordia  §  44,  5.  Die  Überreste  von  (17 — 19)  Reden  bei  Meyer,  or. 
rom.  fragm.2  p.  227.  —  Norden,  KP.  171. 

6.  Cic.  de  div.  1,  36  Ti.  Gracchus  P.  f.  .  .  nonne,  ut  C.  Gracchus,  filius 
eius  scriptum  reliquit,  duobus  anguibus  domi  comprehensis  haruspices  convo- 
cavit?  Genauer  ebd.  2,  62  C.  Gracchus  ad  M.  Pomponium  (PRE.  5,  1876) 
scripsit  duobus  anguibus  domi  comprehensis  haruspices  a  patre  convocatos. 
Vgl.  Plut.  Ti.  Gr.  1.  Die  betreffende  Schrift  hatte  also  Briefform,  war  so- 
mit keinesfalls  eine  Rede,  sondern  wohl  eine  politische  Schutz-  und  Streit- 
schrift. Auf  sie  kann  sich  daher  gleichfalls  beziehen  Plut.  Ti.  Gr.  8  6  d' 
ccdslcpbg  avrov  Fdiog  £V  Ti.i>t  ßißXLco  ysygcccpsv  (was  dem  Tib.  den  Anstoß 
zu  seinen  leges  agrariae  gegeben  habe).  Vgl.  Peter,  HRR.  1,  clxxxv;  HRF. 
117.     Böhme  (A.  1)  S.  4  f. 

136.  Von  den  Rednern  der  gracchischen  Zeit  standen  anf 
Seiten  der  Gracchen  nur  die  Brüder  Crassus  (Cos.  131)  und  Scae- 
vola  (Cos.  133),  des  Tiberius  Schwiegervater  Appius  Claudius  (Cos. 
143),  sowie  M.  Fulvius  Flaccus  (Cos.  125),  C.  Papirius  Carbo  (Cos. 
120)  und  P.  Decius  (Praetor  115),  vielleicht  auch  C.  Scribonius 
Curio  (Praetor  121);  auf  der  Gegenseite  aber  T.  Annius  Luscus 
(Cos.  153),  Q.  Metellus  (§  131,  7),  P.  Nasica  (Cos.  138),  L.  Piso 
Frugi  (§  132,  4),  P.  Popilius  (Cos.  132),  C.  Fannius  (Cos.  122), 
Q.  Aelius  Tubero  (§  139,  2),  der  prineeps  senatus  M.  Scaurus  (Cos. 
115)  und  M.  Livius  Drusus  (Cos.  112). 


250  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

1.  Da  wir  von  dem  Stil  dieser  Redner  nicht  genug  wissen,  so  muß  die 
Gruppierung  nach  der  politischen  Zugehörigkeit  statt  einer  anderen  stehen 
bleiben.  Sie  werden  sich  alle  der  modernen  fasianischen'  Redeweise  be- 
dient haben,  soweit  ihre  Vorbildung  sie  dazu  in  den  Stand  setzte.  Die 
beiden  Mucier  waren  dem  Ti.  Gracchus  wohl  gesinnt:  §  133,  4._ 

2.  Appi  Glaudi  volubilis,  sed  paulo  fervidior  erat  oratio,  Cic.  Brut.  108. 
Ap.  Claudius  C.  f.  Polc(er)  auf  termini  Gracchani  zB.  CIL.  1,552,  Censorl36; 
Münzer,  PW.  3,  2848. 

3.  Cic.  Brut.  108  in  aliquo  numero  (erant)  etiam  M.  Fulvius  Flaccus 
et  C.  Cato  .  . ,  mediocres  oratores,  etsi  Flacci  scripta  sunt,  sed  ut  Studiosi 
litterarum  (dilettantischer  Forscher  auf  dem  Gebiete  der  Literatur).  Münzer, 
PW.  7,  241. 

4.  C.  Papirius  C.  f.  Carbo,  tr.  pl.  131,  praetor  125,  Cos.  120;  PRE.  5, 
1145.  Cic.  Brut.  104  et  Carbonis  .  .  habemus  orationes  (§  135,  3).  105  Carbo 
.  .  est  in  multis  iudiciis  causisque  cognitus.  hunc  .  .  L.  Gellius  . .  canorum 
oratorem  et  volubilem  (vgl.  de  or.  3,  28)  et  satis  acrem  atque  eundem  et  vehe- 
mentem et  valde  dulcem  et  perfacetum  (vgl.  Lael.  96)  fuisse  dicebat;  addebat 
industrium  etiam  et  diligentem  et  in  exercitationibus  commentationibusque 
multum  operae  solitum  esse  ponere  (vgl.  Quint.  10,  7,  27  C.  Carbo  etiam  in 
tabernaculo  solebat  hac  uti  exercitatione  dicendi).  106  hie  optimus  Ulis  tem- 
poribus  est  patronus  habitus.  Vgl.  159  u.  221  (eloquentissimus  homo)\  103 
(summus  orator).  Seine  Bildung  muß  aber  einseitig  rednerisch  gewesen  sein, 
wenn  er,  wie  Galba  und  Porcina  (§  131,  4  u.  5),  von  den  leges,  instituta 
maiorum  und  dem  ius  civile  wenig  verstand  (Cic.  de  or.  1,  40).  Auch  war 
er  ebenso  charakterlos  wie  talentvoll:  er,  der  Genosse  des  C.  Gracchus  (Cic. 
Lael  39.  pMil.  8.  Val.  Max.  6,  2,  3),  verteidigte  und  pries  als  Konsul  dessen 
Mörder  L.  Opimius  (Cic.  de  or.  2,  106.  165.  169). 

5.  Cic.  Brut.  108  Flacci  (A.  3)  aemulus  P.  Decius  fuit,  non  infans  ille 
quidem,  sed  ut  vita  sie  oratione  etiam  turbulentus  (nach  Ciceros  einseitigem 
Parteistandpunkte,  weil  er  J.  120  den  L.  Opimius  belangte).  Münzer,  PW. 
4,  2277. 

6.  Cic.  Brut.  79  et  T.  Annium  Luscum,  Q.  Fulvi  collegam  (im  Konsulat), 
non  indisertum  dieunt  fuisse.  Plut.  Ti.  Gr.  14  Titos  "Avviog,  ovk  &7ii£iY.r\g 
{isv  ovds  oäcpQCOv  av&QcoTios,  iv  6h  Xoyco  Ttsgl  rag  igcorrfösig  y.a.1  U7C0KQi6£ig 
a[ia%os  bIvcci  doxeov.  Fest.  314  T.  Annius  Luscus  in  ea  .  .  quam  dixit  ad- 
versus  Ti.  Gracchum.  Er  ist  vielleicht  der  Annius,  gegen  den  der  ältere 
Cato  eine  Rede  hielt  (Fest.  305),  oder  dessen  Sohn  PW.  1,  2270. 

7.  P.  Cornelius  Scipio  Nasica  Serapio  (Cos.  138).  Cic  Brut.  107  Accius 
.  .  illum  . .  cum  omnibus  in  rebus  vehementem ,  tum  acrem  aiebat  in  dicendo 
fuisse.    Münzer,  PW.  4,  1501. 

8.  P.  Popillius  C.  f.  Laenas,  Cos.  132  (vgl.  CIL.  1,  550.  PRE.  5, 1900, 10), 
cum  civis  egregius  (als  Verfolger  der  Anhänger  des  Ti.  Gracchus)  tum  non 
indisertus  fuit,  Cic  Brut.  95. 

9.  Cic  Brut.  101  alter  (s.  §  136,  9)  C.  Fannius,  M.  f.,  C.  Laeli  gener 
(s.  aber  unten),  et  moribus  et  ipso  genere  dicendi  durior.  is  Panaetium  audi- 
verat.  Vgl.  ebd.  118  und  §  137,  3.  Kriegsgefährte  des  Ti.  Gracchus  bei 
der  Erstürmung  Karthagos  (Plut.  Ti.  Gr.  4  tov  ys  tsi%ovg  ineßr}  .  .  7tQmtog 
[Ti.  Gracchus],    wg   qprjtft   <Pdvviog   leycov   v.cu   ccvtbg   reo   TißsQiG)    ovvsmßfivca 


§  136.  Redner  der  Gracchenzeit  251 

xrl.)  und  (J.  141)  in  Spanien  (Appian.  Hisp.  67).  Trib.  pleb.  J.  142  (Cic.  ad. 
Att.  16,  13  C).  Um  129 — 125  Praetor  (<Pdvvios  Mdg-nov  vlbs  örparrjyd?,  Jo- 
seph, ant.  13,  9,  2).  Er  ist  der  C.  Fannius  M.  f.  (CIL.  1,  560)  Strabo,  Cos.  122, 
und  dann  geboren  um  174.  Übrigens  unterscheidet  Cicero  mit  Unrecht  zwi- 
schen einem  Redner  C.  Fannius  C.  f.  und  einem  C.  Fannius  M.  f.,;  alle 
Angaben  (auch  Cic.  de  rep.  1,  18)  sind  auf  den  letzteren  Fannius  M.  f.  zu 
beziehen.  Vgl.  ad  Att.  16,  13,  2.  Mommsen,  CIL.  1,  p.  158  und  Peter,  HRR. 
1,  ccm.  Doch  s.  Hirschfeld,  Kl.  Sehr.  776.  Münzer,  PW.  6,  1987.  Cic.  Brut. 
99  C.  Fannius  C.  f.,  qui  consul  cum  Domitio  fuit,  unani  orationem  de  so- 
ciis  et  nomine  Latino  contra  C.  Gracchum  reliquit  sane  et  bonam  et  nobüem. 
Manche  bezweifelten  freilich,  daß  Fannius  diese  Rede  verfaßt  habe,  und 
legten  sie  dem  C.  Persius  bei  (litteratus  homo  Brut.  aO.,  omnium  fere  no- 
strorum  hominum  doctissimus  de  or.  2,  25.  fin.  1,  7;  als  solcher  bei  Lucilius 
592.  596):  andere  meinten  multos  nobiles  quod  quisque  potuisset  in  illam 
orationem  contulisse.  Beiden  Ansichten  widerspricht  jedoch  Cic.  Brut.  aO. 
Ebd.  100  cum  Fannius  numquam  sit  habitus  elinguis.  nam  et  causas  defen- 
sitavit  et  tribunatus  eius  (J.  142),  arbitrio  et  auetoritate  P.Afri  cani  gestus, 
non  obscurus  fuit.  Stellen  aus  einer  Rede  gegen  C.  Gracchus  bei  Cic.  de 
or.  3,  183,  durch  den  Rhythmus  merkwürdig  (Nachahmung  des  Anfanges 
der  Kranzrede:  Marx,  Auct.  ad  Her.  99).  Iul.  Victor  in  Halms  Rhet.  lat. 
min.  402.    Charis.  GL.  1,  143,  13.    Norden,  KP.   172. 

Cic.  Brut.  101  eius  omnis  in  dicendo  facultas  historia  ipsius  non  inele- 
ganter scripta  perspici  potest,  quae  neque  nimis  est  infans  neque  perfecte  di- 
serta.  Victorin.  in  Cic.  rhet.  1,  28  p.  57  Or.  =  203,  27  Halm:  Sallustius  .. 
in  libro  I  historiarum  dat  Catoni  brevitatem,  .  .  Fannio  vero  veritatem. 
Höchste  bekannte  Bücherzahl:  Schol.  Ver.  ad  Aen.  3,  707  C.  Fannius  in 
VIII  annali  Drepanum  modo,  modo  Drepana  appellat.  Die  hier  bezeugte 
mehrfache  Erwähnung  von  Drepana  weist  auf  den  ersten  punischen  Krieg 
oder  den  ersten  sicilischen  Sklavenaufstand  (J.  135 — 132)  hin  (Hirschpeld 
aO.,  Rathke,  de  Rom.  bellis  servilibus,  Berl.  1904,  19).  Da  die  anderen 
Reste  sich  auf  die  vom  Verfasser  erlebte  Zeit  beziehen  (zB.  Cic.  de  or.  2, 
270  Fannius  in  annalibus  suis  Africanum  Aemilianum  .  .  appellat  siqcovcc 
=  Brut.  299  ut  ait  in  historia  sua  C.  Fannius),  so  ist  das  letztere  vorzu- 
ziehen. Das  Werk  erzählte  also  die  eigene  Zeit  und  zwar  ausführlich;  s. 
auch  Cic.  Brut.  81 :  des  Metellus  Rede  contra  Ti.  Gracchum  exposita  est  in 
C.  Fanni  annalibus.  Dafür  spricht  auch,  daß  M.  Brutus  (§  210,  2)  es  in 
einen  Auszug  brachte:  epitome  Bruti  Fanniana  und  Bruti  epitoma  Fannia- 
norum,  Cic  Att.  12,  5,  3.  Über  den  Einfluß  des  Werkes  auf  die  Überliefe- 
rung über  die  Gracchenzeit  wissen  wir  (trotz  Kornemann,  Klio  Beih.  1,  20) 
nichts.    Peter,  HRR.  1,  138;  HRF.  87.  —  Peter,  HRR.   1,  ccn. 

10.  M.  Aemilius  M.  f.  L.  n.  Scaurus,  geb.  J.  162  aus  einem  vornehmen, 
aber  verarmten  Geschlechte,  durch  seine  Tatkraft,  Gewandtheit  und  Klug- 
heit allmählich  zum  Vorkämpfer  der  Oligarchie  in  der  nachgracchischen 
Zeit  geworden;  Cos.  115,  Censor  109,  seit  114  (?)  prineeps  senatus,  f  um  89. 
vRohden,  PW.  1,  584.  Peter,  HRR.  1,  ccliu.  Wie  er  immer  auf  den  guten 
Schein  Wert  legte,  so  verfaßte  er  wohl  auch  deshalb  eine  Selbstbiographie 
(tres  ad  L.  Fufidium  libri  scripti  de  vita  ipsius,  Cic  Brut.  112  vgl.  132. 
Plin.  NH.  33,  21.  Val.  Max.  4,  4,  11),    die   aber    (vielleicht    weil    sie    mehr 


252  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

Selbstverteidigung  als  Geschichte  gab)  wenig  Verbreitung  fand  (Cic.  aO.). 
Möglich,  daß  Ciceros  Empfehlung  der  Schrift  für  einige  Zeit  das  Dasein 
fristete;  wenigstens  werden  seltsame  Formen  (wie  sagittis  confictus,  potera- 
tur,  possitur)  aus  Scaurus  de  vita  sua  noch  bis  zu  der  Quelle  von  Charisius 
(GL.  1,  146  Scaurus  libro  III)  und  Diomedes  (Plinius?)  herab  zitiert  (s. 
Peter,  HRR.  1,  185),  und  nicht  nur  bei  Valer.  Max.  und  Frontinas  (Strat. 
4,  3,  13)  finden  sich  Nachrichten  daraus,  sondern  noch  bei  Aurelius  Victor 
geht  das  Kapital  über  Scaurus  (ill.  72)  mittelbar  wohl  auf  diese  Quelle  zu- 
rück. Daneben  kannte  Cicero  Reden  von  ihm  (Brut.  112  huius  et  orationes 
sunt),  wie  es  scheint  sowohl  gerichtliche  als  politische.  Brut.  111  in  Scauri 
oratione  .  .  gravitas  summa  et  naturalis  quaedam  inerat  auctoritas  . .  112  hoc 
dicendi  genus  ad  patrocinia  mediocriter  aptum  videbatur,  ad  senatoriam  vero 
sententiam  .  .  vel  maxime.  de  or.  1,  214  quamquam  est  in  dicendo  minime 
contemnendus,  prndentia  tarnen  rerum  magnarum  magis  quam  dicendi  arte 
nititur  (in  seiner  öffentlichen  Stellung).  —  Aus  einer  Rede  seines  erbitterten 
Gegners  Q.  Servilius  Caepio  (§  153,8;  PRE.  6,  117,38)  gegen  ihn  vom  J.  91 
Zitate  bei  Diom.  GL.  1,  103, 19.  196,  7.  224,  21.  —  Ein  anderer  seiner  Wider- 
sacher war  C.  Canius  (eq.  B.  nee  infacetus  et  satis  litteratus,  Cic.  off.  3,  58), 
der  den  von  Scaurus  wegen  Amtserschleichung  angeklagten  Rutilius  Rufus 
(§  142,  1)  verteidigte.  Ein  Witzwort  des  Canius  bei  Cic.  de  or.  2,  280.  Ob 
aus  ihm  das  Zitat  bei  Paul.  Festi  369,  11  (Gannius)?  Vgl.  §  19,  1. 

11.  M.  Livius  C.  f.  Drusus,  trib.  pl.  J.  122,  Cos.  112;  PRE.  4,1108.  Vir 
et  oratione  gravis  et  auetoritate,  Cic.  Brut.  109  vgl.  Plut.  G.  Gr.  8  rjfrsL  xcel 
Xoya  neu  tcXovvco  tot?  iiaXiGta  xuLconivoig  .  .  ivdniXXog.  Der  Anhaltspunkt 
für  seine  juristische  Schriftstellerei  (Pbiscian.  8,  16  u.  dazu  Hertz  p.  382,  1 
vgl.  JJ.  85,  44)  ist  mehr  als  schwach. 

12.  C.  Scribonius  Curio,  Praetor  121,  der  erste  von  drei  Rednern  aus 
der  familia  Curionum,  in  qua  tres  continua  serie  oratores  exstiterunt  (§  153,  6. 
209,1.  Plin.  NH.  7,133;  vgl.  Schol.  Bob.  in  Cic.  or.  p.  85,17).  Cic.  de  or. 
2,  98  nennt  ihn  vel  eloquentissimus  temporibus  Ulis.  Genauer  Brut.  122  fuit 
.  .  sane  ülustris  orator ,  cuius  de  ingenio  ex  orationibus  eius  existumari  po- 
test.  sunt  enim  et  aliae  et  pro  Ser.  Fulvio  de  incestu  nobilis  oratio,  nobis 
quidem  pueris  haec  omnium  optuma  putabatur.  Vgl.  ebd.  124.  Eine  Stelle 
daraus  bei  Cic.  de  inv.  l,80  =  Auct.  ad  Her.  2,33.  Scripsit  etiam  alia  non- 
nulla  (Reden)  et  multa  dixit  et  illustria  et  in  numero  patronorum  fuit, 
Brut.  124.  Consul  wurde  er  nicht  (Cic.  Brut.  122);  vielleicht  hatte  er  zu 
den  Gracchen  hingeneigt. 

137.  Die  G  e  s  c  h i  c h t  s  c h r  e  i  b  e r  dieser  Jahrzehnte  streben  meist 
aus  der  Weise  der  alten  Annalistik  empor.  Zwar  nicht  Cn.  Gellius 
und  wohl  auch  nicht  Tuditanus  und  Vennonius,  desto  gewisser  aber 
der  schon  oben  als  Redner  genannte  C.  Fannius,  dessen  Wahrhaf- 
tigkeit von  urteilsfähiger  Seite  besonders  hervorgehoben  wird,  und 
in  stilistischer  Hinsicht  L.  Coelius  Antipater  mit  seiner  rhetorisch 
ausgeschmückten,  aber  auch  stofflich  als  einer  historischen  Mono- 
graphie bedeutsamen  Geschichte  des  zweiten  punischen  Kriegs.  In 


§  137.  Historiker:  Gellius,  Fannius,  Antipater  253 

die  gleiche  Zeit  fällt  wohl  der  Abschluß  der  bisher  amtlich  geführ- 
ten annales  und  deren  Veröffentlichung  in  Buchform  (§  133,  4). 

1.  rvccio?  relliog  (Gnaeus  Gellius  Plin.  QVerz.  B.  7)  in  der  Geschichte 
der  Königszeit  erwähnt  bei  Dionys.  Hal.  2,  31.  76  vgl.  Fillio?  4,  6.  6,  11 
(ol  TtBQL  rtlliov).  7,  1.  Cn.  Gellii  annahm  tertium  mit  einem  Gebete  der 
Hersilia  bei  Gell.  NA.  13,  23,  13  vgl.  18,  12,  6  Cn.  Gellius  in  annalibus. 
Ebd.  enthielt  B.  6,  Kap.  14  verba  quaedam  ex  Naevio  poeta  et  Cn.  Gellio 
non  usitate  collocata.  Censorin.  d.  n.  17,  11  Piso  censorius  et  Cn.  Gellius, 
sed  et  Cassius  Hemina  (Säkularspiele  des  J.  14G).  Macrob.  1,  16,  21  Gellius 
annalium  libro  XV  (aus  J.  389)  et  Cassius  Hemina.  Charis.  GL.  1,  54  Gel- 
lius in  II  . .  et  in  V  . .  et  in  VII  . .  idem  Gellius  XCVII  (?  exe.  Cauchii 
XXVII,  vgl.  Maixner,  ZföG.  29,  332);  ebd.  55  (wie  auch  139)  Gellius  libro 
XXXIII  (?  Cauch.  XXX  VI;  bei  Priscian.  GL.  2,  318  dasselbe  Fragment 
Gellius  libro  XXX).  Umfangreich  und  umständlich  muß  das  Werk  jedenfalls 
gewesen  sein.  —  Möglicherweise  ist  dieser  Annalist  der  Cn.  Gellius,  gegen 
den  der  alte  Cato  eine  Rede  hielt  (Gell.  NA.  14,  2,  21.  26)  und  der  als 
Münzmeister  zwischen  J.  154  und  134  erscheint.  Nipperdey,  op.  399.  OMeltzer, 
JJ.  105,  429.  Erwähnungen  des  Gellius  (FtlUoi  und  Gellii  s.  Nipperdey  aO.) 
noch  bei  Dion.  1,  7.  Cic.  leg.  1,  6  (danach  schrieb  er  ad  antiquorum  lan- 
guorem):  s.  §  37,  5  und  Peter,  HRR.  1,  ccxxxvm.  165;  HRF.  92.  Münzer, 
PW.  7,  998. 

2.  Erlogen  ist  das  Zitat  Sex.  Gellius  in  origine  gentis  Bomanae  in  der 
Origo  g.  rom.  16,  4;  vgl.  §  414,  5;  verdächtig  auch  die  Erwähnung  A.  Gel- 
lius (agellias  die  Hss.,  Asellio  Meltzer)  historiarum  lib.  I  bei  Non.  194,  3. 

3.  Cic.  leg.  1,  6  Fabium  aut  .  .  Catonem  aut  Pisonem  aut  Fannium  aut 
Vennonium.  Att.  12,  3,  1  moleste  fero  Vennonii  me  historiam  non  habere. 
Dionys.  Hal.  4,  15  a>g  Ovsvvcoviog  iox6Q7]Y.sv. 

4.  Über  Fannius  als  Historiker  s.  §  136,  9. 

5.  Cic.  leg.  1,  6  Fannii  aetate  coniunetus  Antipater  paulo  inflavit 
vehementius  habuitque  vires  agrestis  ille  quidem  atque  horridas,  sine  nitore 
ac  palaestra  etc.  de  or.  2,  54  paululum  se  erexit  et  addidit  historiae  maiorem 
sonum  vocis  vir  optimus,  Crassi  familiaris,  Antipater:  ceteri  non  exornatores 
rerum  sed  tantummodo  narratores  fuerunt  ....  sed  ipse  Caelius  neque  distin- 
xit  historiam  varietate  colorum  neque  verborum  collocatione  et  tractu  oratio- 
nis  leni  et  aequabili  perpolivit  illud  opus;  sed  ut  homo  neque  doctus  neque 
maxime  aptus  ad  dicendum,  sicut  potuit,  dolavit:  vicit  tarnen  superiores. 
Brut.  102  L.  Caelius  Antipater  scriptor  . .  fuit  ut  temporibus  Ulis  luculentus, 
iuris  valde  peritus,  multorum  etiam,  ut  L.  Crassi  (geb.  140),  magister.  Bezog 
sich  dieser  Unterricht  auf  Jurisprudenz  oder  Rhetorik?  Marx,  Auct.  ad 
Her.  136.  Pompon.  dig.  1,  2,  2,  40  Caelius  Antipater,  qui  historias  conscripsit, 
sed  plus  eloquentiae  quam  scientiae  iuris  operam  dedit.  Seine  Rechtskenntnis 
läßt  auf  seine  römische  Herkunft  schließen.  Freigelassener  war  er  selbst 
wohl  nicht  (s.  Suet.  rhet.  3 ;  oben  §  36,  3),  aber  jedenfalls  seinem  Beinamen 
nach  der  Sohn  eines  solchen  (FLachmann,  de  fönt.  Liv.  2,  19).  Daß  er  der 
gracchischen  Zeit  angehört,  zeigt  Cic.  de  div.  1,  56  C.  Gracchus  multis  dixit, 
ut  scriptum  apud  eundem  Caelium  est,  sibi  in  somnis  . .  fratrem  visum  esse. 
.  .  hoc,  antequam  tribunus  pl.  C.  Gracchus  f actus  esset,  et  se  audisse  scribit 


254  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

Caelius  et  ülum  dixisse  multis.  Vellei.  2,  9,  6  vetustior  Sisenna  fuit  Caelius. 
—  Über  die  Abfassungszeit  des  Werkes  läßt  sich  nur  sagen,  daß  darin  der 
Tod  des  C.  Gracchus  (J.  121)  erwähnt  war  (Cic.  de  div.  1,  56).  Coel.  Antip. 
bei  Plin.  NH.  2,  169  sagt  vidisse  se  qui  navigasset  ex  Hispania  in  Aethio- 
piam  commercii  gratia.  Wäre  dieser  Umsehiffer  Afrikas  Eudoxos  von  Kyzi- 
kos  (Poseidonios  bei  Strabo  2  p.  98  C.  Mela  3,  90)  gewesen,  was  trotz  der 
Empfehlung  KJNeumanns,  Phil.  45,  385  unsicher  ist,  so  könnte  Coelius  kaum 
früher  als  etwa  J.  110  sein  Werk  verfaßt  haben. 

Gerichtet  war  es  an  L.  Aelius  Stilo  (§  148):  Auct.  ad  Her.  4,  18  quo  in 
vitio  (in  der  verborum  transiectio)  est  Coelius  (so  oder  Caelius  die  besten 
Hss.)  assiduus,  ut  hoc  est  Hn  priore  libro  has  res  ad  te  scriptas  Luci  misi- 
mus  Aeli\  FMarx,  stud.  Luciliana,  Bonn  1882,  96.  Vgl.  Cic.  or.  230  quod 
(traicere  verba)  se  L.  Coelius  Antipater  in  prooemio  belli  Punici  nisi  neces- 
sario  facturum  negat  .  . .  et  hie  quidem  qui  hanc  a  L.  Aelio  (so  APopma:  a 
Laelio  die  Hss.;  aber  der  bald  nach  J.  125  gestorbene  Laelius  hat  die  Her- 
ausgabe der  Geschichte  des  Caelius  schwerlich  noch  erleben  können,  s.  o.), 
ad  quem  scripsit,  .  .  veniam  petit,  et  utitur  ea  traiectione  verborum  et  nihilo 
tarnen  aptius  explet  concluditque  sententias.  Diese  Erklärung  war  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  am  Anfange  des  Ganzen,  nicht  eines  Teiles,  abgegeben, 
und  das  Werk  behandelte  sonach  den  (zweiten)  punischen  Krieg,  auf  den 
sich  auch  die  meisten  der  erhaltenen  Fragmente  (s.  A.  7)  beziehen.  Vgl. 
Fronto  p.  62  rari  veterum  scriptorum  in  eum  laborem  .  .  verba  industriosins 
quaerendi  se  commisere.  .  .  poetarum  .  .  maxime  Ennius  eumque  studiose 
aemulatus  L.  Coelius.  Fronto  p.  114  historiam  scripsere  . .  verbis  Cato  mul- 
tiiugis,  Coelius  singulis.  Gehört  auch  hierher  p.  253  needum  legi  Coelianum 
excerptum  nee  legam  (?  reddam)  priusquam  ipse  sensus  venatus  fuerot.  Cic. 
de  div.  1,  49  hoc  item  in  Sileni,  quem  Caelius  sequitur,  Graeca  historia  est: 
is  (Silenus)  autem  diligentissume  res  Hannibalis  persecutus  est.  Dieses  Ge- 
schichtswerk des  Caelius  hatte  7  Bücher.  B.  1  schilderte  die  J.  21 8  f.  B.  2 
die  J.  216  f.  B.  3  begann  mit  J.  214  (s.  Gell.  10,  1,  3).  In  B.  6  wurde  Sci- 
pios  Landung  in  Afrika  J.  204  (Non.  137)  erzählt.  B.  7  enthielt  die  drei 
letzten  Jahre  203—201.    Sieglin  aO.  46.    Unger,  Phil.  40,  183. 

6.  Dem  Antipater  fehlte  es  nicht  an  kritischem  Sinn  (Priscian.  GL.  2, 
383  Coelius  *ex  scriptis  eorum  qui  veri  arbitrantur'  passive  vTtolaiißuvovTcci) 
und  an  Wahrheitsliebe  (Liv.  21,  46,  10.  27,  27,  13):  er  benutzte  zahlreiche 
einheimische  Quellen,  z.  B.  Fabius  Pictor,  Catos  Origines,  Ennius  (s.  A.  5), 
die  laudatio  des  Marcellus  (§  81,  5);  an  Ausbeutung  der  Memoiren  des 
älteren  Scipio  denkt  LKeller,  d.  2.  pun.  Krieg  u.  s.  Quellen,  Marb.  1875; 
auch  Sieglin  aO.  54:  aber  er  verwandte  auch  gegnerische  Quellen,  nament- 
lich den  Silenus  (A.  5;  s.  Bujack,  de  Sileno  scriptore  Hannibalis,  Königsb. 
1859)  und  tat  damit  einen  bedeutenden  Schritt  über  die  bisherige  Einseitig- 
keit hinaus.  Besondere  Sorgfalt  verwandte  Coelius  auf  die  äußere  Form 
seiner  Geschichte,  und  es  lag  jedenfalls  das  Hauptverdienst  des  Werkes 
auch  nach  der  Absicht  seines  Verfassers  in  der  anschaulichen,  durch  mo- 
derne Kunstmittel  stark  gewürzten  und  in  gedrängter  Fülle  dahinfließenden 
Darstellung.  Zarncke,  Comment.  Ribbeck.  323.  Daher  zeigen  die  Überreste 
Einflechtung  selbstverfaßter  Reden  (zB.  von  Karthagern),  sowie  Hang  zu 
Ausmalung  und  lebhafter  Schilderung  (Liv.  29,  27,  13 ff.    Non.  137;  häufiger 


§  137.  Coelius  Antipater  255 

Gebrauch  des  praes.  historicum),  Übertreibungen,  die  bei  Rhetoren  übliche 
Gleichgültigkeit  gegen  Geographisches  (Wölfflin  aO.  61)  und  gegen  Zahlen 
(Liv.  29,  25,  3  Caelius  ut  abstinet  numero,  ita  ad  immensum  multitudinis 
speciem  äuget),  daneben  Hervorhebung  von  Traumdeutung  und  Vorzeichen 
(Wölfflin  aO.  75);  an  Parteilichkeit  für  die  Römer  hat  auch  er  es  nicht 
fehlen  lassen;  s.  Wölfflin  aO.  28.  38.  44.  78.  —  Livius  hat  ihn  in  der 
dritten  Dekade  viel  häufiger  verwendet  als  er  ihn  nennt;  gegen  BSturm, 
quae  ratio  inter  tertiana  decadem  Livii  et  Antipatri  historias  intercedat, 
Würzb.  1883,  siehe  LBauer,  philol.  Rundsch.  1884,  1578.  Außerdem  soll 
ihn  Plutarch  (im  Fab.  u.  Marcellus;  s.  Soltau,  de  fönt.,  Bonn  1870.  Wtölfflin 
aO.  28.  79)  und  besonders  Cassius  Dio  (s.  MPosner,  quibus  auctoribus  usus 
sit  Cass.  Dio,  Bonn.  1874)  benutzt  haben;  doch  s.  ESchwartz,  PW.  3,  1694. 
Daß  Polybios  den  um  ein  Menschenalter  jüngeren  Coelius  benutzt  habe,  wie 
Sieglin  aO.  69  will,  ist  unerweislich  und  unwahrscheinlich,  eher  ist  das 
Gegenteil  anzunehmen.  Dagegen  scheinen  sich  Spuren  seiner  Benutzung  bei 
Valerius  Maximus  (MKranz,  Beitr.  z.  Quellenkrit.  des  Val.  Max.,  Posen 
1876,  24),  Frontinus  und  dem  Verfasser  des  Schriftchens  de  viris  illustribus 
(§  414,  4  Wölfflin  aO.  77.  80)  zu  finden;  sie  werden  aber  durchweg  auf 
indirekter  Benutzung  beruhen.  Im  allgem.  vgl.  über  die  Verwertung  der 
Geschichte  des  Coelius  namentlich  bei  Livius  KBöttcher,  JJ.  Suppl.  Bd.  5, 
351.  Peter,  HRR.  1,  ccxxv.  ASchäfer,  Hist.  Z.  23,436.  Wölfflin  aO.  vGut- 
schmid,  Sehr.  4,  214.  5,  368.  Nitzsch,  röm.  Annalistik,  Berl.  1873.  Soltau, 
Liv.  Quellen,  Berl.  1894;  Geschichtsw.  d.  Liv.,  Lpz.  1897.  Hesselbarth, 
Unters,  zur  3.  Dekade  des  Liv.,  Halle  1889.  Kahrstedt-Meltzer,  Gesch.  d. 
Karthager,  3,  143—362.  —  M.  Brutus  hatte  auch  dieses  Werk  (vgl.  A.  4E.) 
ausgezogen  (Cic.  Att.  13,  8  epitomen  Bruti  Caelianorum  velim  mihi  mittas, 
vgl.  Charis.  GL.  1,  220  Brutus  et  Coelius  frequenter  eo  usi  sunt).  Auch  einen 
Erklärer  (altertümlicher  Formen)  fand  Antipater  an  Paulus  (Iulius  Paulus 
in  der  Zeit  Hadrians?  s.  §  353,  4);  vgl.  Charis.  GL,  1,  143  Paulus  in  Coelii 
hist(oriarum  oder  -ae)  libr.  I;  vgl.  ebd.  126.  217.  241. 

7.  Unter  den  Fragmenten  des  Coelius  befinden  sich  nicht  wenige,  die 
sich  auf  Völker-  und  Länderkunde,  auf  Sagen-  und  Wortforschung  beziehen. 
Diese  lassen  sich  in  die  Geschichte  des  zweiten  punischen  Kriegs  nur  unter- 
bringen, wenn  man  sie  in  Abschweifungen  der  genannten  Geschichte  ent- 
halten glaubt:  was  wegen  der  verhältnismäßig  großen  Anzahl  jener  Notizen 
Schwierigkeit  macht.  Es  hat  deshalb  schon  JMeursius,  dann  ThPlüss  (de 
Cinciis,  Bonn  1865)  und  neuerdings  WSieglin  aO.  die  Abfassung  eines 
zweiten  antiquarischen  Werkes,  das  Catos  Origines  ähnlich  war,  durch  Coe- 
lius angenommen.  Dann  wäre  das  Geschichtswerk  des  Coelius  die  frühere, 
das  antiquarische  Werk  (dem  die  Erwähnung  des  Todes  des  C.  Gracchus 
und  die  Widmung  an  C.  Laelius  [s.  aber  A.  5]  zugewiesen  werden  könnte) 
die  spätere  Arbeit.  Doch  sind  durchschlagende  Beweise  für  die  Zweizahl 
von  Werken  des  Coelius  nicht  zu  erbringen.  Auch  aus  der  epitome  Caelia- 
norum (s.  A.  6)  läßt  sie  sich  nicht  erweisen;  desgleichen  ist  auffällig,  daß 
die  beiden  Werke  nicht  durch  bestimmte  Namen  auseinandergehalten  sein 
sollen  (als  historiae  würden  beide  zitiert,  das  Geschichtswerk  auch  als  an- 
nales),  endlich  daß  bei  beiden  die  Bücherzahl  in  den  Anführungen  nicht 
über  VII    hinausgeht.    S.   für  zwei  Werke    außer  Sieglin  aO.;    Berl.  Woch. 


256  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

1883,  1451  EZarncke,  WochfklPh.  1886,  515;  dagegen  zB.  RPöhlmann,  Phil. 
Anz.  10,  384  ff.    HPeter,  JJ.  125,  97  u.  a. 

8.  Sammlung  der  Überreste  des  Antipater:  Peter,  HRR.  1, 147;  HRF.  98. 
OGilbert,  die  Fragm.  des  Coel.  Antip.,  JJ.  Suppl.  Bd.  10,  365  und  Sieglin, 
die  Fragm.  des  Coel.  Antip.,  ebd.  11,  1.  —  Außerdem  vgl.  Groen  van  Prin- 
sterer  (Leiden  1821)  und  Nauta  (Leid.  1822);  OMeltzer,  de  L.  Coelio  Anti- 
patro,  Lps.  1867.  Peter,  HRR.  1,  ccxiii;  Wahrh.  u.  Kunst  294.  Wölfflin, 
Antiochus  von  Syrakus  und  Coelius  Antipater  (Winterthur  1872)  22;  Ausg. 
von  Liv.  XXI,  S.  viii.  Zielinski,  d.  letzten  Jahre  d.  2.  pun.  Kriegs,  Lpz. 
1880,  112.    Gensel,  PW.  4,  185.    Norden,  KP.  176. 

9.  Fest us  158b,  21  cuius  historiae  auctor  est  Alfius  libro  I  belli  Cartha- 
giniensis.    Peter,  HRR.  1,  ccxxxvi.  ccclxvii. 

138.  Altertumsforscher  sind  in  diesen  Jahrzehnten  C.  Sempro- 
nius  Tuditanus  (Cos.  129)  und  der  Gracchaner  M.  Iunius;  jener  Ver- 
fasser von  libri  magistratuum,  dieser  einer  Schrift  de  potestatibus. 
Außerdem  Iunius  Congus.  Auch  der  Dichter  L.  Accius,  der  um  diese 
Zeit  blühte 7  war  zugleich  Gelehrter  (§  134,  7.  8.  11).  Andere  wie 
Lampadio  und  Vargunteius  befaßten  sich  nach  dem  Vjorbilde  der 
griechischen  Philologen  mit  der  Kritik  der  Dichter  und  verwandten 
ihre  Tätigkeit  vorzugsweise  darauf,  die  ältere  Literatur  zugänglich 
und  verständlich  zu  machen. 

1.  C.  Sempronius  C.  f.  C.  n.  Tuditanus,  triumphierte  als  Cos.  Kai. 
Oct.  129  de  Iapudibus  (CIL.  1,  p.  459,  xxi)  und  weihte  dem  Timavus  ein 
Denkmal  mit  saturnischer  Inschrift.  Buecheler,  RhM.  63,  321.  PRE.  6,  976. 
Cic.  Brut.  95  C.  Tuditanus  cum  omni  vita  atque  victu  excultus  atque  expolitus 
tum  eius  elegans  est  habitum  etiam  orationis  genus.  Dionys.  1,  11  oi  loyim- 
tatoi  tmv  QcoiLcäKcbv  6vyyQcccpe(üv,  iv  olg  iari  Uögyaög  rs  Kcctcov  .  .  v.ai  rd'Cog 
HsiLitQcowog  y.al  alXoi  6v%voi.  Vgl.  ebd.  1,  13.  Die  dortige  Angabe  über  die 
Ureinwohner  Italiens,  sowie  die  über  Regulus  bei  Gell.  7,  4,  1  und  über 
den  Triumph  des  Flamininus  (J.  194)  bei  Plut  Flam.  14  hat  man  aus 
einem  Geschichtswerke  herleiten  wollen,  das  in  der  Weise  der  Annalisten 
Urzeit  wie  nähere  Vergangenheit  umfaßt  hätte;  aber  an  der  letzten  Stelle 
ist  oi  tisqI  Tovditavbv  Konjektur  statt  toviravov,  und  die  beiden  anderen 
können  allenfalls  aus  dem  staatsrechtlichen  Werk  stammen.  Und  zwar  wird 
genannt  Tuditanus  libro  III  magistratuum  (Macrob.  1,  13,  21)  über  die 
Schaltzeiten  und  in  commentario  XIII  C.  Tuditani  (Messala  bei  Gell.  13, 
15,  4)  über  den  Praetor;  diesem  Werke  werden  auch  die  Angaben  über  die 
nundinae  (Macrob.  1,  16,  32)  und  die  tribuni  pl.  (Ascon.  ad  Cornel.  p.  60, 
15  St.)  angehören.  Aus  Anlaß  der  Einschaltung,  die  manche  auf  Numa  zu- 
rückführten, kann  dort  auch  von  den  im  J.  181  gefundenen  angeblichen 
Büchern  des  Numa  (§  72,  2)  die  Rede  gewesen  sein,  so  daß  sich  gleichfalls 
auf  dieses  Werk  beziehen  läßt  Plin.  NH.  13,  87  hoc  idem  tradit  L.  Piso 
censorius  primo  commentariorum  . .  Tuditanus  tertio  decimo  (XIV  v.  1.,  quat- 
tuordecim  Peter,  HRR.  1,  ccxi)  Numae  decretorum  fuisse.  Tuditanus  wird 
noch  genannt  Plin.  NH.  QVerz.  zu  B.  12-  (wohl  aus  Varro).    Die  Überreste 


§  138.  Antiquare.   Tuditanus,  Gracchanus  257 

bei   Peter,    HRR.  1,  142;   HRF.  89.    Bremer,    JAH.  1,  35.    Cichorius,   WSt. 
24,  588. 

2.  Plin.  NH.  33,  36  idque  (die  Bezeichnung  trossuli  für  equites)  duravit 
ultra  C.  Gracchum.  Iunius  certe,  qui  ab  amicitia  eius  Gracchanus  appel- 
latus  est,  scriptum  reliquit.  Censorin.  d.  n.  20,  2  magis  Iunio  Gracchano  et 
Fulvio  et  Varroni  et  Suetonio  credendum;  vgl.  oben  §  126,  1.  Varro  LL. 
6,  33  ut  Fulvius  scribit  et  Iunius;  Ulp.  dig.  1,  13,  1  pr. :  Gracchanus  deni- 
que  Iunius  libro  septimo  de  potestatibus,  wonach  Lyd.  de  magistr.  1,  24 
'Iovviog  rQttK%icLvbs  iv  %<o  rtsgi  i^ovciav.  Das  Werk  war  an  seinen  Freund 
Pomponius,  den  Vater  des  Atticus,  gerichtet  (Cic.  leg.  3,  49  de  potestatum 
iure  .  .  pluribus  verbis  scripsit  ad  patrem  tuum  M.  Iunius  sodalis,  perite 
meo  quidem  iudicio  et  diligenter).  Varro  LL.  6,  95  zitiert  aber  in  M.  Iunii 
commentariis  und  kann  damit  ein  anderes  Werk  meinen;  und  wirklich 
fügen  sich  die  Fragmente  z.  T.  schlecht  unter  den  Titel  de  potestatibus. 
Die  spärlichen  Überreste  zB.  über  die  römischen  Monate  zeigen,  wie  Iunius 
Sacherforschung  und  Worterklärung  zu  vereinigen  bemüht  war;  gracchische 
Parteitendenz  ist  möglich,  läßt  sich  aber,  abgesehen  von  der  Behauptung, 
die  Quästoren  der  Königszeit  seien  vom  Volke  gewählt  worden  (Ulp.  aO.), 
nicht  erweisen.  Ebenso  wenig  erweislich  ist  unmittelbare  Benützung  der 
Schrift  des  Gracchanus  noch  nach  Varro.  Dirksen,  Bruchstücke  der  röm. 
Juristen  (Königsb.  1814)  S.  56.  LMercklin,  de  Iunio  Gracchano,  Dorp.  1840. 
41  11.  Hertz,  de  Cinciis  (1842)  88.  PRE.  4,  534.  JBecker,  ZfAW.  1854, 
Nr.  16.    Huschke,  JA.5  8.    Bremer,  JAH.  1,  37.    Vgl.  A.  3. 

3.  Lucil.  bei  Plin.  NH.  praef.  7  (595  M.)  nee  doctissimis,  Manium  (?)  Per- 
sium  (§  136,  9)  haec  legere  nolo,  Iunium  Congum  volo  d.  h.  (vgl.  §  143,  8)  er  ver- 
bittet sich  hochgelehrte,  wünscht  aber  gebildete  Leser  und  als  solchen  Iunius 
Congus.  Cic.  de  or.  1,  256  (der  Redner  Antonius  §  152,  1  spricht,  Szene 
J.  91)  historiam  et  prudentiam  iuris  publici  et  antiquitatis  literas  et  exem- 
plorum  copiam  . . .  a  viro  optimo  et  istis  rebus  instruetissimo,  familiari  meo 
Congo  (longo  die  Hss.)  mutuabor.  pPlanc.  58  (gehalten  J.  54)  neque  fuit,  qui 
id  (welcher  Plebejer  zuerst  kurulischer  Aedil  war)  nobis  narraret,  praesertim 
mortuo  Congo  (conco  die  Hss.).  Dazu  der  Schol.  Bob.  163, 1:  ideo  mentionem 
Congi  videtur  interposuisse ,  qui  per  illud  tempus  decesserat  (?  ist  nur  aus 
dem  mortuo  Congo  erschlossen;  Congus  war  wohl  älter  als  Antonius  und 
um  J.  154  geboren),  homo  curiosus  et  diligens  eruendae  vetustatis.  nam  histo- 
ricus  *  *  *  Hier  kann  etwas  über  ein  historisches  Werk  des  Congus  gestan- 
den haben,  denn  die  Ergänzung  non  fuit  ist  jedenfalls  zu  verwerfen.  Nun 
hatte  schon  Marx  zu  Lucil.  612  (veterem  historiam  induetus  studio  scribis 
ad  amores  tuos)  vermutet,  der  hier  angeredete  Historiker,  an  den  Lucilius 
eine  Satire  des  26.  Buches  richtet,  sei  Congus;  das  nimmt  Cichorius  Unters. 
zu  Lucil.  121  auf  und  versteht  unter  den  amores  etwa  den  C.  Gracchus. 
Er  identifiziert  dann  wie  schon  JBecker  (A.  2  E.)  ansprechend  Junius  Con- 
gus mit  Junius  Gracchanus],  so  daß  Congus  das  eigentliche  Cognomen  und 
Gracchanus  nur  ein  Spitzname  wäre,  und  sieht  in  dem  Werke  de  potesta- 
tibus die  demokratische  Antwort  auf  das  aristokratisch  gehaltene  Werk  des 
Tuditanus  (A.  1).    Roth,  RhM.  8,  613.    Peter,  HRR.  1,  clxxiii. 

4.  C.  Octavius  Lampadio  war  wohl  ein  freigelassener  Grieche;  nach 
Suet.  gramm.  1  (s.  §  41,  1)  war  er  der  erste,  der  den  Anregungen  des  Per- 

Teuffel:  röm.  Literaturgesch.   Neub.  6.  Anfl.  I.  17 


258  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

gameners  Krates  (in  Rom  um  J.  169)  folgend  Werke  der  ältesten  lateinischen 
Dichter  kritisch  bearbeitete,  sie  vorlas  und  erklärte;  insbesondere  beschäf- 
tigte er  sich  mit  den  Gedichten  des  Naevius:  er  gab  dessen  bisher  ohne 
Buchteilung  überliefertes  bellum  Punicum  in  7  Bücher  geteilt  neu  heraus 
(Süet.  gramm.  2,  s.  §  95,8),  ähnlich  wie  Krates  die  homerischen  Gedichte 
eingeteilt  hatte.  Hillscher  358.  Seine  Ausgaben  hatten  Ruf  und  standen 
noch  spät  in  Ansehen  (Fkonto  p.  20;  s.  §  159,  10.  Emmis'  annales  Lampa- 
dionis  manu  emendati  bei  Gell.  18,  5,  11;  s.  §  101,  4).  Jünger  als  Lam- 
padio  war  Q.  Vargunteius,  der  den  Ennius  certis  diebus  in  magna  frequentia 
pronuntiabat  (§  101,  4)  und  vielleicht  gleichfalls  die  alten  Dichter  mit  gram- 
matischer Technik  behandelte  (§  41,  2,  Z.  13).  Übrigens  hat  die  Anekdote 
von  Krates'  unfreiwilligem  Aufenthalt  in  Rom  und  die  Konstruktion,  nach 
der  er  Studium  grammaticae  in  urbem  intulit  (Suet.  gramm.  2),  schon  des- 
halb einen  sehr  beschränkten  Wert,  weil  die  Philologie  in  Rom  erst  einige 
Jahrzehnte  nach  J.  169  beginnt. 

139.  Die  stoische  Philosophie  hatte  in  der  gracchischen  Zeit 
Bekenner  an  dem  treuen  Freunde  des  Ti.  Gracchus,  C.  Blossius  aus 
Cumae,  und  an  dem  charakterv ollen ,  aber  einseitigen  Q.  Tubero 
(Cos.  118),  der  auch  Jurist  war.  Bei  dem  Augur  Q.  Scaevola, 
(Cos.  117),  überwog  die  Rechtskenntnis  den  Stoizismus.  Rechts- 
wissenschaftliche Schriften  verfaßte  in  dieser  Zeit  C.  Livius  Drusus. 

1.  Plut.  Ti.  Gr.  8  ^diocpdvovg  zov-  qtjtoqos  hccI  BXoööiov  tov  cpikoöocpov 
7iccQ0Qiiri6dvTcov  ccvtov.  <bv  .  .  rjv  .  .  6  BX.  uvrofttv  f|  'ItaXlag  Kv[iaiog,'AvTi- 
ncczQOV  rov  TccQöicog  ysyovcog  iv  ccötsl  övvrjd'rig  Kai  tsn^iri^svog  vit  avtov 
7cgo6cpcovi]6i:6i  yocciiiidtcov  cpiXoGoyuiv.  Vgl.  ebd.  20.  Cic.  Lael.  37.  Klebst 
PW.  3,  571. 

2.  Q.  Aelius  Tubero,  Enkel  des  L.  Aemilius  Paulus  und  Neffe  des 
jüngeren  Africanus,  cos.  suff.  118  (?),  Lieblingsschüler  des  Panaitios.  Sein 
Stoicismus  war  ihm  nicht  ungünstig  in  der  Jurisprudenz,  hinderlich  aber 
in  der  Beredsamkeit,  und  ließ  ihn,  bei  der  Schroffheit,  womit  er  ihn  auch 
im  Leben  durchführte,  in  seiner  Zeit  als  Sonderling  erscheinen;  Klebs,  PW. 
1,  535.  Cic.  Lael.  37  Ti.  Gracchum,  remp.  vexantem  a  Q.  Tuberone  . .  dere- 
lictum  videbamus.  Brut.  117  Q.  Aelius  Tubero  fuit  . .  nullo  in  oratorum 
numero,  sed  vita  severus  et  congruens  cum  ea  disciplina  quam  colebat,  paulo 
etiam  durior.  . .  ut  vita  sie  oratione  durus  incultus  horridus.  . .  fuit  autem 
constans  civis  et  fortis  et  in  primis  C.  Graccho  molestus,  quod  indicat  Gracchi 
in  eum  oratio,  sunt  etiam  in  Gracchum  Tuberonis.  is  fuit  medioeris  in  di- 
cendo ,  doctissumus  in  disputando.  Daß  ihm  Laelius  die  Leichenrede  auf 
seinen  Oheim  Scipio  Africanus  verfertigt  habe  (Cic.  de  or.  2,  341),  beruht 
wohl  auf  einer  Verwechslung  (§  131,  2).  Pompon.  dig.  1,  2,  2,  40  Q.  Tubero, 
ille  Stoicus,  Panaetii  auditor,  qui  et  ipse  consul.  Cic.  bei  Gell.  1,  22,  7  nee 
vero  scientia  iuris  maioribus  suis  Q.  Aelius  Tubero  de  fuit,  doctrina  etiam 
super  fuit,  was  Gellius  erläutert:  diseiplinas  enim  Tubero  Stoicas  et  dialecti- 
cas  percalluerat.  Panaitios  selbst  und  Hekaton  und  Poseidonios  richteten 
an  ihn  philosophische  Schriften.  Cic.  Tusc.  4,  4  Panaetius  epistula  quadam, 
quae  est   ad   Q.  Tuberonem.    fin.  4,  23  Panaetius  cum  ad   Q.  Tuberonem  de 


§  139.  Stoiker:  Tubero,  Scaevola  augur  259 

dolore  patiendo  scribcret.  Acad.  2,  135  Crantoris  de  luctu  aureolus  et,  ut 
Tuberoni  Panaetius  praecipit,  ad  verbum  ediscendus  libellus.  off.  3,  63.  Plut. 
nobil.  18,  3.  Die  staatsrechtlichen  Schriften  des  Q.  Tubero  in  der  cicero- 
nischen  Zeit  (8.  §  208,  1)  beziehen  manche  auf  ihn.  Krüger,  Gesch.  d. 
Quellen  63.    Karlowa,  Rom.  Rechtsg.  1,  488.   Kipp,  Gesch.  der  Quellen8  104. 

3.  Q.  Mucius  Q.  f.  Q.  n.  Scaevola,  von  seinem  gleichnamigen  Neffen 
(§  154,  1)  unterschieden  durch  die  Bezeichnung  als  Augur,  geboren  um 
J.  159  (J.  129  ist  er  iam  aetate  quaestorius,  Cic.  de  rep.  1,  18),  Cos.  117, 
gestorben  nach  88  (Val.  Max.  3,  8,  5).  PRE.  5,  183.  Eigentlicher  Redner 
war  er  nicht  (Cic.  Brut.  102  oratorum  in  numero  non  fuit;  vgl.  de  or.  1,  39. 
214.  234),  noch  weniger  Philosoph,  doch  dem  Panaitios  befreundet  (Cic.  de 
or.  1,  45).  Seine  Stärke  war  das  respondere  de  iure ;  Schriften  aber  scheint 
er  nicht  verfaßt  zu  haben.  Vellei.  2,  9,  2  Q.  Mucius  iuris  scientia  quam 
proprie  eloquentiae  nomine  celebrior  fuit.  Cic.  Brut.  102  iuris  civilis  intelle- 
gentia  et  omni  prudentiae  genere  praestitit.  212  peritissimus  iuris  idemque 
percomis  est  habitus.  Atticus  und  Cicero  pflegten  als  adolescentuli  seinen 
Rechtsbelehrungen  beizuwohnen  (Cic.  leg.  1,  13.  Lael.  1.  Brut.  306).  Bei 
aller  Charaktertüchtigkeit  war  er  zugleich  persönlich  liebenswürdig  (comiter, 
ut  solebat,  Cic.  de  or.  1,  35  und  234  eximia  suavitate),  sogar  ein  ioculator 
(ad  Att.  4,  16,  3).  —  Aber  der  Q.  Scaevola,  den  Plin.  ep.  5,  3,  5  (§  31,  1) 
als  Verfasser  von  lasciva  carmina  erwähnt  (daraus  de  dub.  nom.  GL.  5, 
575,  24  Scaevola  (lassas  clunes^ ;  vgl.  Charis.  GL.  1,  101,  7),  ferner  der  Ver- 
fasser eines  Epigramms  auf  Ciceros  Gedicht  Marius  (Q.  Cic.  bei  Cic.  leg. 
1,  2  ut  ait  Scaevola  de  fratris  mei  Mario  *canescet  saeclis  innumerabilibus*), 
endlich  der  Movyaog  Unsvolccg,  von  dem  ein  Epigramm  bukolischen  Inhalts 
Anth.  Pal.  9,  217  steht,  ist  nicht  sowohl  er  als  vielmehr  sein  Sohn  Q.  Scae- 
vola (trib.  pl.  54;  PRE.  5,  188),  der  sich  J.  59  unter  der  cohors  amicorum 
des  Dichterlings  Q.  Cicero  befand.  MHaupt,  opusc.  1,  214.  —  ASchneider, 
die  drei  Scaevola  Ciceros,  Münch.  1879,  5.  Krüger,  Gesch.  d.  Quellen2  62. 
64.    Karlowa,  Rom.  Rechtsgesch.  1,  488.    Kipp,  Gesch.  d.  Quellen3  101  f. 

4.  C.  Livius  C.  f.  Drusus,  älterer  Bruder  des  Cos.  von  112  (§  136,  11). 
Cic.  Tusc.  5,  112  C.  Drusi  domum  compleri  a  consultoribus  solitam  accepi- 
mus;  .  .  caecum  adhibebant  ducem.  Val.  Max.  8,  7,  4  Livius  Drusus,  qui 
et  aetatis  viribus  et  acte  oculorum  defectus  ius  civile  populo  benignissime 
interpretatus  est  utilissimaque  discere  id  cupientibus  monumenta  composuit. 
Krüger  aO.  60. 

140.  Die  blutige  Unterdrückung  der  gracchischen  Bestrebungen 
steigerte  die  Übermacht  des  Adels  und  machte  die  im  jugurthini- 
schen  Kriege  (J.  111 — 106)  zutage  tretenden  Übelstände  möglich, 
erweckte  aber  auch  den  Widerstand  der  Volkspartei,  der  in  C.  Ma- 
rius einen  Mittelpunkt  fand.  Literarisch  bilden  die  Jahre  119—104 
die  Blütezeit  des  C.  Lucilius  und  des  L.  Afranius.  Außerdem  fallen 
in  diese  Zeit  der  Tragiker  C.  Titius,  der  Togatendichter  Atta,  die 
Epigrammatiker  Pompilius,  Valerius  Aedituus  und  Catulus,  der  ge- 
lehrte Q.  Yalerius  Soranus,  sowie  Porcius  Licinus. 

17* 


260  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

1.  Auch  der  Humorist  Valerius  Valentinus  (aus  Vibo  Valentia?) 
scheint  dieser  Zeit  anzugehören.  Festus  363  Tappulam  legem  convivdlem 
(vgl.  §  49,  1)  ficto  nomine  conscripsit  iocoso  carmine  Valerius  Valentinus, 
cuius  meminit  Lucilius  (V.  1307)  hoc  modo  f  Tappulam  rident  legem  concenae 
(?)  optima.  Also  etwas  Ahnliches  wie  der  vofiog  ov66Ln,x6g  der  Gnathaina 
(Athen.  13  p.  585  B).  Val.  Max.  8,  1,  8  C.  Cosconium  Servilia  lege  reum  (um 
J.  87)  . .  Valeri  Valentini  accusatoris  eins  recitatum  in  iudicio  Carmen,  in 
quo  puerum  praetextatum  et  ingenuam  virginem  a  se  corruptam  poetico  ioco 
significaverat,  erexit.  Vgl.  §  114,  2.  Bücheler,  Bonner  Ind.  lect.  1877,  5.  — 
Im  Jahre  1882  fand  man  in  Vercelli  ein  Bronzefragment  einer  (lex}  Tap- 
pida, eines  Kneipkomments,  ganz  gehalten  in  der  Art  wirklicher  Gesetze, 
aber  mit  komischem  Personal  usw.  (M.  Multivorus,  P.  Properocius  (L.  Vi- 
nius  Me}xo-,  (pro  trib^u  Satureia),  der  Schrift  nach  etwa  aus  dem  Ende 
des  1.  Jahrh.  n.  Chr.:  entweder  die  alte  lex  Tappula  des  Valentinus  (so 
vPremerstein,  Herrn.  39,  327)  oder  ein  späterer  Scherz  in  Anlehnung  daran. 
In  Z.  1  ...  ius  Tapponis  f.  Tappo  cis(tiber.  Der  Name  Tappo,  in  Ober- 
italien nicht  selten,  scheint  eine  anrüchige  Bedeutung  gehabt  zu  haben  (vgl. 
Catull.  104,  4).  Mommsen,  arch.  Zeit.  40,  176;  bull.  arch.  1882,  186  (mit 
Faksimile).  Kiessling,  Greifsw.  lud.  lect.  1884/85,  iv.  Text  auch  bei  Bücheler, 
Petron.  241. 

141.  Redner  dieser  Zeit  waren  des  alten  Cato  Enkel  M.  Cato 
(Cos.  118),  Q.  Metellus  (Cos.  109),  der  von  Lucilius  gegeißelte  Epi- 
kureer T.  Albucius,  C.  Galba,  C.  Fimbria  (Cos.  104),  C.  Titius,  der 
oben  als  Tragiker  schon  erwähnt  wurde,  u.  a. 

1.  Gell.  13,  20  (19),  10  M.  Cato  M.  f.  M.  n.  is  satis  vehemens  orator 
fuit  multasque  orationes  ad  exemplum  avi  scriptas  reliquit  et  consul  cum 
Q.  Marcio  Rege  fuit  (J.  118)  inque  eo  consulatu  in  Africa  . .  mortem  obit. 
Cicero  gedenkt  im  Brutus  seiner  nicht.  Vielleicht  waren  seine  Reden  mit 
denen  seines  Großvaters  vermengt.  Vgl.  noch  Fest.  154,  25.  Priscian.  GL. 
1,  90  {Cato  nepos  de  actionibus  ad  populum,  ne  lex  sua  abrogetur). 

2.  Q.  Caecilius  Metellus  Numidicus,  Cos.  109  (gegen  Iugurtha), 
Censor  102;  Münzer,  PW.  3,  1218.  Vellei.  2,  9,  1  nennt  ihn  und  Scaurus 
als  Redner  zweiten  Ranges  in  ihrer  Zeit.  Vgl.  Cic.  Brut.  135.  Er  war  ein 
Schüler  des  Karneades  (Cic.  de  or.  3,  68)  und  Freund  des  Aelius  Stilo. 

3.  Cic.  Brut.  131  doctus  etiam  Graecis  T.  Albucius,  vel  potius  paene 
Graecus.  . .  licet  ex  orationibus  iudicare.  fuit  autem  Athenis  adulescens,  per- 
fectus  Epicureus  (vgl.  nat.  d.  1,  93)  evaserat.  So  hatte  ihn  J.  120/19  Q.  Scae- 
vola  dort  getroffen  und  ihn  verspottet,  was  Lucilius  in  seinen  Satiren  schil- 
derte; s.  §  143,  4gE.  Cic.  fin.  1,  8.  or.  149.  Varro  Men.  127  Buch,  de  Al- 
buci  subus  Athenis  (vgl.  Hör.  E.  1,  4,  16).  Im  J.  103  der  Erpressung  ange- 
klagt und  verurteilt,  begab  er  sich  wieder  nach  Athen  und  philosophierte 
dort  in  aller  Gemütsruhe  (Cic.  Tusc.  6,  108).  Vielleicht  verfaßte  er  damals 
auch  ein  epikureisches  Lehrgedicht,  falls  nämlich  Fronto  p.  113  ihn  meint: 
in  poetis  quis  ignorat  ut  gracilis  sit  Lucilius,  Albucius  aridus,  sublimis  Lu- 
cretius?  Hertz,  JJ.  107,  338. 

4.  Cic.  Brut.  127  C.  Galba  (Quaestor  120),  Servi  (§  131,  4)  ..  filius 
P.  Crassi  (§  133,  5)  . .  gener,  . .  rogatione  Mamüia,  Iugurthinae  coniuratio- 


§  140.  Lex  Tappula.    §  141.  Redner  aus  J.  120—100  261 

nis  invidia,  cum  pro  sese  ipse  dixisset,  oppressus  est  (J.  110).  extat  eius  pero- 
ratio,  qui  epilogus  dicitur;  qui  tanto  in  honore  pueris  nöbis  erat,  ut  eum 
etiam  edisceremus. 

5.  Cic.  Brut.  129  C.  (Flavius)  Fimbria  . .  bonus  auetor  in  senatu.  idem 
tolerdbilis  patronus  nee  rudis  in  iure  civili,  et  cum  virtute  tum  etiam  ipso 
orationis  genere  Über,  cuius  orationes  pueri  legebamus,  quas  tarn  reperire 
vix  possumus.    Vgl.  de  or.  2,  91. 

6.  Aus  derselben  Zeit  werden  von  Cicero  als  Redner  genannt,  aber  ohne 
daß  er  von  ihnen  herausgegebene  Reden  erwähnt,  P.  Scipio  und  L.  Bestia 
(Brut.  128),  C.  Licinius  Nerva  (ebd.  129),  C.  Sextius  Calvinus,  M.  Brutus 
und  L.  Caesulenus*  (ebd.  130),  M.  Silanus,  M.  Aurelius  Scaurus,  A.  Postu- 
mius  Albmus,  der  Hamen  Albinus,  Q.  Caepio  (ebd.  135),  C.  und  L.  Memmii 
(vgl.  Sall.  lug.  30,  4),  Sp.  Thorius,  M.  Marcellus  und  sein  Adoptivsohn 
P.  Lentulus  (Brut.  136),  L.  Cotta  (ebd.  137);  ferner  L.  Apuleius  Saturninus 
(seditiosorum  omnium  post  Gracchos  eloquentissimus ,  ebd.  224),  C.  Servilius 
Glaucia  (ebd.).    Hierher  auch  C.  Canius,  s.  §  136,  10  E. 

7.  Macrob.  3,  16,  14  Gaius  Titius,  vir  aetatis  Lucilianae,  in  oratione 
qua  legem  Fanniam  (J.  161)  suasit.  Cic.  Brut.  167  eiusdem  (wie  M.  Antonius 
und  L.  Crassus)  fere  temporis  fuit  eques  rom.  C.  Titius,  qui  meo  iudicio  eo 
pervenisse  videtur,  quo  potuit  fere  Latinus  orator  sine  Graecis  litteris  et  sine 
multo  usu  pervenire.  huius  orationes  tantum  argutiarum,  tantum  exemplorum, 
tantum  urbanüatis  habent,  ut  paene  Attico  stilo  scriptae  esse  videantur. 
easdem  argutias  in  tragoedias  satis  quidem  ille  acute,  sed  parum  tragice 
transtulit  (also  waren  seine  Tragödien  ganz  rhetorisch),  s.  §  145,  1.  Diese 
Zeitangaben  stimmen  nicht  zusammen.  Wenn  Titius,  geb.  etwa  154,  ums 
J.  124  blühte  (vgl.  Fronto,  ep.  p.  20:  contigisse  quid  tale  M.  Porcio  aut 
Q.  Ennio  aut  C.  Graccho  aut  Titio  poetae?  und  Novius  68  Ribb.  in  tragoe- 
dia  Titi),  so  konnte  er  ein  Mann  aetatis  Lucilianae  und  zugleich  fere  eius- 
dem temporis  wie  Antonius  und  Crassus  heißen;  aber  daß  er  schon  J.  161 
sollte  pro  lege  Fannia  gesprochen  haben,  ist  kaum  glaublich.  Daher  nahm 
man  entweder  zwei  gleichnamige  C.  Titii  an  (Piderit  zum  Brut.  S.  284) 
oder  hielt  bei  Macrob.  den  Namen  für  verderbt  (LMüller,  Q.  Ennius  96). 
Vorzuziehen  ist  die  Annahme  von  Cichorius,  Unters,  zu  Lucil.  264,  daß 
Titius  bei  einem  späteren  Versuche,  die  lex  Fannia  abzuschaffen,  dafür 
eintrat.  In  seine  Zeit  fallen  zB.  die  lex  Aemilia  sumptuaria  J.  115  und  die 
lex  Licinia  (vgl.  §  143,  1),  die  in  plerisque  cum  Fannia  congruit  (Macr.  3, 
17,  8).  Die  Charakteristik  bei  Cicero  (Brut.  aO.)  namentlich  bezüglich  des 
Reichtums  an  argutiae  und  exempla  in  den  Reden  des  Titius  wird  bestätigt 
durch  den  bei  Macr.  aO.  erhaltenen  größeren  Überrest  seiner  Rede  für  das 
Luxusgesetz  (eine  Schilderung  des  Treibens  der  vornehmen  Jugend  Roms): 
nur  verdient  dieser  Ausfluß  einer  derben  satirischen  Ader  und  unverblümter 
Rücksichtslosigkeit  kaum  das  Lob  der  urbanitas  und  des  stilus  paene  Atti- 
cus,  und  ebensowenig  konnte  Titius,  da  er  Tragödien  schrieb,  sine  litteris 
Graecis  gewesen  sein;  höchstens  mochte  ihm  genauere  Kenntnis  der  grie- 
chischen Rhetorik  gefehlt  haben.  Ein  Tragödientitel  (Protesilaus)  von  frei- 
lich anfechtbarer  Überlieferung;  s.  Ribbeck  aO.  326  com.3  321.  —  Haym,  de 
C.  Titio,  Lauban  1832.  Mommsen,  RG.  26,  403.  454.  Bücheler,  Greifsw.  Ind. 
lect.  1868/69  p.  4.    Ribbeck,  röm.  Trag.  612. 


262  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

142.  Eine  mehrseitige  literarische  Tätigkeit  entfalteten  in  die- 
ser Zeit  die  beiden  Optimaten  P.  Rutilius  Rufus  (Cos.  105)  und 
Q.  Lutatius  Catulus  (Cos.  102):  der  edle  Rufus  ein  überzeugter 
und  aufrechter  Anhänger  der  Stoa,  Redner  und  Kenner  des  Rechts, 
namentlich  aber  Verfasser  einer  Selbstbiographie ,  die  er  auch  in 
griechischer  Sprache  selbst  bearbeitete.-  Der  philosophisch  gebildete 
und  feinsinnige  Catulus  verfaßte  gleichfalls  eine  Erzählung  seines 
Lebens  und  gelegentlich  sogar  tändelnde  Epigramme.  Anderes  ihm 
Beigelegte  hat  wohl  seinen  Freigelassenen  Lutatius  Daphnis  zum 
Verfasser.  Auch  Sempronius  Asellio  beschränkte  sich  auf  die 
Schilderung  der  selbsterlebten  Zeit,  suchte  aber  in  bewußtem  Gegen- 
satz gegen  das  seitherige  Verfahren  eine  tiefere  Auffassung  der  Ge- 
schichte zur  Geltung  zu  bringen.  Er  unternahm  es,  die  innere  Ent- 
wicklung des  Staates  mitzubehandeln  und  erstrebte,  offenbar  von 
Polybios  angeregt,  eine  pragmatische  Darstellung. 

1.  P.  Rutilius  Rufus,  geb.  ums  J.  154  (vgl.  Cic.  Brut.  85  mit  Appian. 
Hisp.  88),  im  Kreise  des  jüngeren  Africanus  aufgewachsen,  unter  dem  er 
auch  (wie  Asellio  und  Lucilius)  im  numantinischen  Kriege  (J.  134  f.)  als 
trib.  mil.  diente  (Appian.  Hisp.  88  vgl.  Cic.  de  rep.  1,  17).  Als  Praetor  (in 
unbekanntem  Jahre  vor  J.  118)  Urheber  der  actio  (Gai.  inst.  4,  35)  oder 
constitutio  (fragm.  Vat.  1)  Rutiliana,  sowie  des  Edikts  über  die  Patronats- 
rechte  (dig.  38,  2,  1,  1)  und  wohl  früher  der  lex  Rutilia  über  die  rufuli 
(Festus  261).  J.  109 — 107  nahm  er  am  jugurthinischen  Kriege  teil,  war 
Cos.  105,  und  verwaltete  J.  94/3  als  Vertreter  Scaevolas  Asia.  Hier  kam  er 
in  Konflikte  mit  den  Steuerpächtern,  die  ihm  nach  seiner  Rückkehr  eine 
Repetundenklage  anhängten  (J.  92);  obwohl  er  schuldlos  war,  wurde  er 
nach  sokratisch  stolzer  Verteidigung  von  den  Ritter-Geschworenen  verurteilt 
und  lebte  zuerst  in  Mytilene,  dann  in  Smyrna  (Cic.  pBalb.  28.  Tac.  A.  4,43); 
Aurelius  Opillius  (§  159,  4)  begleitete  ihn.  Im  J.  78  sah  ihn  dort  Cicero 
(Brut.  85  vgl.  de  rep.  1,  13  und  de  d.  nat.  3,  80),  und  er  scheint  daselbst 
auch  (nach  J.  77)  gestorben  zu  sein;  s.  L'Oisel,  vie  de  P.R.R.  in  Meermanns 
Thesaur.  iur.  1,  359.  Majansius,  Comment.  2,  1.  PRE.  6,  586.  Löwe,  P.  Ru- 
tilii  Rufi  vita,  Züllichau  1853.  Huschke,  ZfCivilr.  14  (1856),  1.  Peter,  HRR. 
1,  cclxi.  Münzer,  PW.  1  A  1269.  Über  seine  Freundschaft  mit  Lucilius  s. 
Cichorius,  Unters.  62.  108. 

2.  Vellei.  2,  13,  2  P.  Butilium,  virum  non  saeculi  sui  sed  omnis  aevi 
Optimum.  Capitol.  Gordian.  5,  5.  Ammian.  30,  4,  6.  Cic.  Brut.  113  Butilius 
in  quodam  tristi  et  severo  genere  dicendi  versatus  est.  . .  multa  opera  multa- 
que  industria  Butilius  fuit;  quae  erat  propterea  gratior,  quod  idem  magnum 
munus  de  iure  respondendi  sustinebat.  u(114)  sunt  eius  orationes  ieiunae, 
multa  praeclara  de  iure;  doctus  vir  et  Graecis  litteris  eruditus,  Panaeti  audi- 
tor,  prope  perfectus  in  Stoicis.  Er  gehörte  zu  den  Wenigen,  die  das  stoische 
Ideal  des  Redners  ernsthaft  zu  verwirklichen  trachteten.  Reitzenstein, 
Straßb.  Festschr.  (1901)  143.  Suet.  Aug.  89  libros  totos  .  .  recüavit  . .  ut 
orationem  . .  Butili  de   modo  aedificiorum.    Diomed.  GL.  1,  376    P.  Butilius 


§  142.  Rutilius  Rufus,  Lutatius  Catulus  263 

. .  pro  L.  Cesutio  ad  populum:  doch  stammt  diese  Rede  wohl  von  Cato. 
HMeyer,  orat.2263.  Cato  ed.  Jordan  p.  xci.  Seine  Rechtskenntnis  verdankte 
er  dem  P.  Scaevola  (§  133,  4),  s.  Cic.  off.  2,  47;  vgl.  Pompon.  dig.  1,  2,  1,  40. 
Aus  seinen  juristischen  Schriften,  vielleicht  auch  nur  aus  Responsa  udgl., 
wird  in  den  Digesten  (aus  Schriften  des  Ulpianus)  einiges  angeführt,  aber 
ohne  nähere  Angabe;  Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Privatrechts  1,  1,  280.  Auch 
was  Macrob.  1,  16,  34  (Rutilius  scribit  etc.)  über  die  nundinae  ausführt, 
könnte  durch  Vermittlung  des  Varro  aus  einem  juristischen  Werke  des 
Rutilius  stammen  (schwerlich  aus  seiner  Selbstbiographie).   Bremer,  JAH.  1,  43. 

3.  P.  Rutilius  Rufus  de  vita  sua  zitieren  Charisius  (GL.  1,  120.  125. 
130.  139.  146.  195)  und  Diomedes  (GL.  1,  374.  376),  ersterer  wiederholt  (120. 
139)  aus  B.  5.  Auf  eine  Darstellung  von  Selbsterlebtem  führt  auch  Appian. 
Hisp.  88  'PovtiXiov  'Po-öqpov,  avyyQcccpscc  tmvds  t&v  Voycov  (vor  Numantia), 
tots  %iliaQ%ovvtcc,  ixEXsvoe  usw.  (daraus  Suid.  v.  *PovTiXiog) ;  und  was  Isidor. 
orig.  20,  11,  4  aus  Rutilius  Rufus  de  vita  sua  anführt,  stimmt  gleichfalls 
mit  App.  Hisp.  85.  Ebenso  kann  aus  der  Schrift  de  vita  sua  stammen  Plut. 
Mar.  28  a>g  ds  PovTiXiog  Iötoqsl,  xk  (isv  ccXXcc  cpiXccXrjd"rig  ccvijQ  ncci  %qt\6t6<s, 
idia  dh  top  Magia  7tQ06Y.£XQOvx6}g ,  sowie  Plut.  Pompei.  37  (6  *PovTiXiog  iv 
ralg  löTogieug).  Dagegen  fällt  die  Gesandtschaft  des  J.  155  (aiunt  Ruti- 
lius et  Polybius,  Gell.  6,  14,  10)  in  seine  früheste  Kindheit,  und  der  Tod 
des  älteren  Scipio  (Scipionem  et  Polybius  et  Rutilius  hoc  anno  mortuum 
scribunt,  Liv.  39,  52,  1)  sicher  vor  seine  Geburt:  doch  ist  es  nicht  unmög- 
lich, daß  beide  Ereignisse  irgendwie  in  die  Selbstbiographie  hereingezogen 
worden  waren.  Wenigstens  aber  muß  neben  der  lateinischen  Bearbeitung 
eine  in  griechischer  Sprache  angenommen  werden,  worin  vielleicht  der  per- 
sönliche Standpunkt  mehr  zu  einem  allgemein  geschichtlichen  erweitert  und 
besonders  auf  griechische  Leser  Rücksicht  genommen  war.  Vgl.  Athen.  4, 
p.  168  E  (aus  Poseidonios)  ^PovtiXico  xco  xyyv  q(a\Lcc'iv.r\v  Igtoqiccv  ixdedaxoTi, 
xy  'EXXrjvcov  cpoavy.  6,  p.  274  C  *PovTiXiog  'Povcpog  6  tt\v  nccTQiov  IßToglav 
ysypcccpatg.  12,  p.  543  B  diccßör]Tog  fjv  Ttccga  'Pojfta/otg  xat  2'iTTiog  iitl  Tgvcpy 
. . ,  mg  cpr\Qi  'PovriXiog,  was  aus  Anlaß  von  Rutilius'  Ankläger  Apicius  (vgl. 
ebd.  p.  168  E)  bemerkt  sein  konnte.  Beide  Arbeiten  scheinen  in  Smyrna 
verfaßt  zu  sein;  vgl.  Oros.  5,  17  extr.  Smyrnam  commigrans  lüterarum  stu- 
diis  intentus  consenuit.  Sie  sind  ziemlich  viel  benutzt  worden  und  haben 
in  der  Darstellung  jener  Zeit  manche  Spuren  hinterlassen.  Im  allgemeinen 
Suringar,  de  rom.  autobiogr,  8.  Nissen,  krit.  Untersuchungen  (1863)  41. 
Peter,  HRR,  1,  cclvx.  187;  HRF.  120.    Münzer  aO.  1277. 

4.  Q.  Lutatius  Catulus,  geb.  um  152,  Cos.  102,  mit  Marius  Sieger  über 
die  Kimbern  bei  Vercellae,  f  87.  Cic.  Brut.  132  non  antiquo  illo  more,  sed 
hoc  nostro  .  .  eruditus  (vgl.  de  or.  2,  28).  multae  litterae,  summa  non  vitae 
solum  atque  naturae  sed  orationis  etiam  comitas,  incorrupta  quaedam  Latini 
sermonis  integritas  (vgl.  259.  de  or.  3,  29.  off.  1,  133.  Quint.  11,  3,  35).  quae 
perspici  cum  ex  orationibus  eins  (vgl.  §  81,  6)  potest  tum  facillume  ex  eo 
libro,  quem  de  consulatu  et  de  rebus  gestis  suis  conscriptum  molli  et  Xeno- 
phonteo  genere  sermonis  misit  ad  A.  Furium  poetam  (§  150,  1),  familiärem 
suum.  Plut.  Mar.  25  o^ioia  dh  %ul  tov  KcctXov  ccvtov  ec7toXoyslcd'cci  . .  Iöto- 
qovgi  (Sulla?),  vgl.  26  cog  tov  KcctXov  ccvtov  IgtoqsIv  Xiyovöi,  und  27  tcc  ovv 
XdcpvQcc  .  .  ävsvsx&rivca  Xsyovöiv.    HJordan  (Herrn.  6,  68)  vereinigt  mit  Recht 


264  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

diesen  liber  mit  den  Catuli  litter  ae  bei  Fronto  p.  126,  als  eine  Art  politi- 
scher Flugschrift  in  Briefform;  die  in  der  Lesung  unsichere  Frontostelle 
lautet  nach  Hauler,  Wiener  Eranos  (1909)  213  in  hunc  autem  modum,  quo 
scribsisti  tu  (L.  Verus),  extant  Catuli  litter ae,  quibus  res  a  se  iacturis  atque 
damnis  sane  gestas,  at  lauro  merendas  historici  exemplo  exposuit;  ve^rutriy 
turgent  (?)  elate  prolata  teneris  prope  verbis.  Ob  er  diese  Schrift  an  den 
Epiker  richtete,  um  dessen  Muse  zur  Verherrlichung  seiner  Taten  anzuregen? 
s.  HPeter,  JJ.  115,  751.  Anhänger  der  akademischen  Skepsis  nach  Cic. 
Acad.  pr.  12.  18;  post.  2,  148,  Peripatetiker  nach  de  or.  3,  182.  187;  Be- 
ziehungen zum  Scipionenkreise  sind  nicht  bezeugt,  aber  wahrscheinlich 
(Cichorius,  Unters.  151.  290.  Buettner  132).  Cicero  läßt  ihn  deshalb  mehr- 
fach an  seinen  Dialogen  teilnehmen.  Wenn  er  absichtlich  den  Xenophon 
nachahmte,  so  folgte  er  den  scipionischen  Traditionen  (ERichter,  Xen.  in 
d.  röm.  Lit.,  Berl.  1905,  4).  Zwei  halb  erotische  Epigramme  des  Q.  Catulus 
bei  Gell.  19,  9,  14  und  bei  Cic.  nat.  d.  1,  79.  Daher  mit  aufgezählt  bei 
Plin.  ep.  5,  3,  5  (§  31,  1).  —  Außerdem  werden  dem  Catulus  gewöhnlich 
beigelegt  Communes  historiae  (oder  Communis  historia)  in  wenigstens  vier 
Büchern  (Philarg.  zu  Verg.  G.  4,  564),  deren  Yerf.  an  den  drei  Stellen,  wo 
das  Werk  namentlich  genannt  oder  angeführt  wird,  Lutatius  heißt.  Ohne 
Augabe  des  Werkes  wird  Lutatius  noch  viermal  angeführt,  am  frühesten 
von  Varro  LL.  5,  150  und  Yerrius  zu  den  fasti  Praenest.  CIL.  1,  p.  315. 
Die  Zitate  beziehen  sich  auf  Wortforschung  und  Altertümer,  besonders  ita- 
lische. Schwerlich  sollte  wegen  der  euhemeristischen  Richtung  des  Werks 
der  Titel  s.  v.  a.  'weltliche  Geschichte'  bedeuten  (s.  Serv.  Aen.  10,  175r 
und  ARiese,  RhM.  18,  448);  eher  ist  er  im  Anklang  an  des  Timaios  xowai 
IgtoqIccl  gewählt  und  als  Sammlung  griechischer  und  italischer  Sagen  usw. 
(s.  Mommsen  CIL.  1,  385)  zu  verstehen  oder  richtiger  als  ""populäres,  allge- 
mein interessantes  Wissen'  (Leo,  Biogr.  20).  Wahrscheinlich  aber  ist  das 
Buch  nicht  dem  Catulus  selbst,  sondern  seinem  gelehrten  Freigelassenen, 
Lutatius  Daphnis  (s.  §  41,  1.  134,  1.  150,  3)  zuzuschreiben;  das  Zitat  aus 
Catulus  bei  Varr.  LL.  6,  6  (Pacuvius  statt  Catulus  Scaliger)  ergibt  in  kei- 
nem Falle  eine  Gegeninstanz  (s.  auch  OJahn  ad.  Pers.  p.  143).  Hauler  aO. 
218.  —  Im  allgem.  PRE.  4,  1246.  OSimon,  vita  Catuli,  Festschr.  des  Gymn. 
z.  gr.  Klost.  (Berl.  1874)  81.  Buettner,  Porcius  Licinus,  Lpz.  1893,  125. 
Peter,  HRR.  1,  cclxx.  191;  HRF.  125;  JJ.  115,  751.  —  Verbirgt  sich  ein 
Catulus  in  den  commenta  Bern,  in  Lucan.  1,  544  (p.  36  Usener)  sed  hoc  fa- 
bulosum  esse  inveni  in  libro  Catulli,  qui  (inyscribitur  permimo  logiärum 
{perperomimologiarum  OCrusius,  tisqI  iii{ioloy l&v  LMüller,  RhM.  24,  622) 
oder  bei  Serv.  Verg.  G.  2,  95  (Catullus  eam  [uvam  Rhaeticam]  vituperat  et 
dicit  nulli  rei  esse  aptam  etc.)?  Über  seine  Beziehungen  zu  Porcius  Licinus 
s.  Buettner  aO.  80. 

5.  Sempronius  Asellio.  Vorname  unbekannt;  kaum  der  L.  Asellio, 
der  J.  100  in  Sizilien  Prätor  war.  Denn  der  Historiker  Asellio  sub  P.  Sei- 
pione  Africano  tribunus  militum  ad  Numantiam  (J.  134  f.)  fuit  (wie  Rutilius 
Rufus  und  C.  Lucilius)  resque  eas,  quibus  gerendis  ipse  interfuit,  conscripsit 
(Gell.  2,  13,  3).  Geboren  also  spätestens  J.  159.  Sein  im  Greisenalter  ver- 
faßtes Werk  reichte  wenigstens  bis  J.  91  (Gell.  13,  22,  8;  Tod  des  M.  Li- 
vius  Drusus):  ob  fr.  13  (Charis.  GL.  1,  195)  sich  noch  auf  das  J.  86  oder  83- 


§  14*2.  Sempromus  Asellio.    §  143.  Lucilius  265 

bezieht,  ist  unsicher.  —  Nächst  dem  sehr  bedenklichen  Zitat  Asellio  rerum 
romanarum  XL  (XI?  XX?)  bei  Chams.  GL.  1,  195  ist  die  höchste  Bücher- 
zahl ebd.  220  Sempronius  Asellio  historiarum  XIV;  genauer  der  Titel  bei 
Gell.  13,  22  (21),  8  Sempronius  Asellio  in  libro  rerum  gestarum  XIV  (dies 
vielleicht  der  wahre  Titel).  Im  4.  Buche  stand  ein  Ereignis  des  J.  137  (fr.  4); 
der  Tod  des  Ti.  Gracchus  (J.  133)  war  im  5.  Buche  erzählt  (Gell.  2,  13,  2.  4), 
der  des  Livius  Drusus  (J.  91)  im  14.  Polemik  des  Asellio  gegen  die  gewöhn- 
liche Geschichsbehandlung  der  Annalisten  und  Darlegung  seiner  eigenen 
Grundsätze  bei  Gell.  5,  18,  8  (vgl.  §  37,  3)  nobis  non  modo  satis  esse  video 
quod  factum  esset,  id  pronuntiare,  sed  etiam  quo  consilio  quaque  ratione  gesta 
essent  demonstrare.  . .  nam  neque  alacriores  ad  remp.  defendundam  "neque 
segniores  ad  rem  perperam  faciundam  annales  libri  commovere  quicquam 
possunt.  scribere  autem  bellum  initum  quo  consule  .  .  sit  etc.  . .  non  praedi- 
care  autem  (?)  interea  quid  senatus  decreverit  mit  quae  lex  rogatiove  lata  sit, 
. .  id  fabulas  pueris  est  narrare,  non  historias  scribere.  In  der  Rücksicht 
auf  das  Bedürfnis  des  Staatsmannes  zeigt  sich  die  Abhängigkeit  von  Poly- 
bios.  Daß  Cic.  leg.  1,  6  ihn  neben  Gellius  und  Clodius  tief  unter  Antipater 
stellt,  geschieht  aus  einseitiger  Hervorhebung  der  stilistischen  Seite.  Die 
Fragmente  bei  Peter,  HRR.  1,  178;  HRF.  108.  Vgl.  Nipperdey,  op.  134. 
WStelkens,  der  röm.  Geschichtschreiber  S.  A. ,  Crefeld  1867.  Peter,  HRR. 
1,  ccxlviii.  WEggert,  S.  A.  quem  locum  inter  historicos  Rom.  habuerit, 
Rost.  1899. 

143.  C.  Lucilius  war  frühestens  um  J.  170  in  der  Latinerstadt 
Suessa  Aurunca  in  Cainpanien  geboren  und  starb  im  J.  102/4  in 
Neapel.  Er  stammte  aus  einem  wohlhabenden  Geschlechte,  gehörte 
zum  Kreise  des  jüngeren  Africanus  und  war  ganz  von  hellenisti- 
scher Bildung  durchdrungen.  Seine  unabhängige  Stellung,  die  er 
durch  die  Abkehr  von  politischer  Tätigkeit  inne  hatte,  benutzte  er 
dazu,  in  seinen  vermischten  Gedichten  (Saturae)  das  Leben  der 
Gegenwart  nach  allen  Seiten  hin  —  nach  Politik,  Sitten  und  Lite- 
ratur —  einer  freimütigen  Kritik  zu  unterziehen,  wie  sie  weder  ein 
Komiker  vor  ihm  noch  ein  Satiriker  nach  ihm  gewagt  hat.  Die 
Satura  ist  für  ihn  noch  eine  Sammlung  vermischter  Gedichte,  unter 
denen  sich  auch  Schilderungen  eigener  Erlebnisse  und  Erörterungen 
grammatischer  Fragen  finden;  aber  seine  persönliche  Lebhaftigkeit 
und  die  Stärke  seines  Hasses  gegen  seine  und  seiner  Freunde  Wider- 
sacher haben  bewirkt,  daß  der  satirische  Ton  in  seinen  Gedichten 
hervortrat  und  die  weitere  Entwicklung  der  Satura  bestimmte.  Die 
Überreste  verraten  Geist  und  vielseitige  Bildung,  scharfen  Verstand, 
sittliche  Tüchtigkeit,  heitere  Laune  und  treffenden  Witz,  aber  auch 
herbe  Rücksichtslosigkeit,  Mangel  an  Delikatesse  und  Sorglosigkeit 
in  bezug  auf  die  äußere  Form.  Ohne  daß  Lucilius  selbst  sich  da- 
rüber klar  war,  bedeuteten  seine  Gedichte  den  stärksten  Versuch, 


266  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

der  jemals  unternommen  wurde,  eine  nationale  römische  Literatur 
zu  schaffen. 

1.  Hieron.  ad  a.  Abr.  1914  (Amand.  zu  1915)  =  J.  103  Gaius  Lucilius 
(so  cod.  Middlehill.  s.  VIII  bei  Schöne  1,  p.  143:  die  anderen  Hss.  Lucius) 
satirarum  scriptor  Neapoli  moritur  ac  publice-  funere  effertur  anno  aetatis 
XLV1.  Hieron.  zu  a.  Abr.  1870  (Freher.  u.  Amand.  1869)  =  J.  147  Luci- 
lius poeta  nascitur.  Nach  MHaupt  (s.  JJ.  107,  72.  365)  Verwechslung  von 
A.  Postumius  Albinus  und  C.  Calpurnius  Piso  (Coss.  180)  mit  Sp.  Postumius 
Albinus  und  L.  Calp.  Piso  (Coss.  147),  so  daß  Luc.  schon  im  J.  180  geboren 
wäre;  aber  Cichorius  aO.  7  zeigt,  daß  Luc.  nicht  mit  47  Jahren  hat  dienen 
können.  Er  kann,  wenn  man  bei  Hier.  Verderbnis  von  XLVI  aus  LVI  oder 
LXVI  annimmt,  J.  157  oder  167  geboren  sein;  es  sind  aber  auch  andere 
Auswege  möglich.  Vellei.  2,  9,  4  celebre  et  Lucilii  nomen  fuit,  qui  sub 
P.  Africano  (J.  134  f.)  Numantino  hello  eques  militaverat.  Kenntnis  der  Reit- 
kunst verraten  V.  507.  1041.  Seinen  ersten  Kriegsdienst  hatte  L.  wohl  als 
einer  der  von  Suessa  zu  stellenden  Reiter  getan  (Liv.  29, 15,  5.  Marx,  stud.  92). 
Früheren  Kriegsdienst  in  Spanien  (J.  139 — 136)  behauptet  Cichorius  29, 
doch  s.  Kappelmacheb  aO.  90.  Was  seinen  ;Tod  angeht,  so  gibt  es  keine 
sichere  Spur,  die  über  J.  103  hinausdeutet,  da  nichts  hindert,  die  von  Luci- 
lius v.  1200  erwähnte  und  wahrscheinlich  bereits  J.  97  wieder  aufgehobene 
lex  Licinia  sumptuaria  vor  J.  102  anzusetzen  (s.  LLange,  röm.  Altert.  3,  70. 
86).  Auch  die  Bezeichnung  des  Lucil.  als  senex  bei  Hör.  S.  2,  1,  34  zeigt, 
daß  er  alt  geworden  ist.  Der  im  J.  91  spielende  Dialog  von  Cic.  de  orat. 
(s.  1,  72.  2,  25)  setzt  den  Lucilius  als  gestorben  voraus. 

2.  luv.  1,  20  magnus  Auruncae  alumnus.  Auson.  ep.  15,  9  rüdes  Came- 
nas  qui  Suessae  praevenis.  —  Ein  Bruder  des  Luc.  war  Senator  und  Schwieger- 
vater des  Pompeius  Strabo,  also  Großvater  des  Pompeius  Magnus  (Marx 
praef.  cxxv);  Cichorius  aO.  1  will  ihn  in  Mdviog  Asvy.£Xiog  Mccagnov  IIco- 
(itvtsiva  des  S.  C.  von  Adramyttion  wiedererkennen,  wogegen  Kappelmacher 
WSt.  31,  82  Bedenken  erhebt.  Daß  er  selbst  römischer  Bürger  und  nicht 
Lateiner  war,  ist  kaum  zu  bezweifeln,  vgl.  Cichorius  14  (doch  s.  Marx,  Ber. 
Sachs.  Ges.  1911,  70).  Hör.  S.  2,  1,  75  nennt  sich  infra  Lucili  censum.  Daß 
Lucilius  in  guten  Verhältnissen  lebte,  zeigt  auch  Asconius  in  Cic.  Pis.  p.  19,5: 
domus  (Antiochi  regis  filio  obsidi  publice  aedißcata)  postea  dicitur  Lucilii 
poetae  fuisse;  s.  A.  1.  Cichorius  22  macht  Besitzungen  in  Süditalien  wahr- 
scheinlich; solche  bei  Tarent  sind  wohl  aus  Hör.  S.  1,  6,  54  zu  erschließen 
non  ego  me  claro  natum  patre,  non  ego  circum  me  Satureiano  vectari  rura 
caballo.  Das  in  B.  3  geschilderte  iter  Siculum  war  wohl  eine  Inspektions- 
reise nach  seinen  Gütern  (Marx,  dessen  Kommentar  immer  zu  vergleichen 
ist,  zu  V.  105). 

3.  Verhältnis  zum  jüngeren  Africanus  (J.  185 — J.  129)  und  Laelius  (Cos. 
140):  Hör.  S.  2,  1,  71 — 74;  s.  die  hübsche  Geschichte  bei  Acro  zdSt.  Erzäh- 
lungen aus  Luc.  Kriegsdienst  in  Spanien  waren  über  die  Satiren  verstreut 
und  fanden  sich  bes.  in  B.  11.  14  (Cichorius  29).  Andere  Freunde  des  Lu- 
cilius: Iunius  Congus,  vielleicht  der  Historiker,  an  den  eine  Satire  des  26.  B. 
gerichtet  ist  (Cichorius  109,  s.  §  138,3);  (Postumius)  Albinus  (Cichorius  350), 
Granius  (praeco).  Über  den  letzteren,  einen  berühmten  Witzbold,  s.  Bücheler, 


§  143.  Lucilius  267 

RhM.  37,  521;  daselbst  auch  über  eine  erhaltene  metrische  Grabschrift 
(CEL.  53)  auf  Granius  Stabilio,  die  sich  möglicherweise  auf  diesen  Granius 
bezieht.  Seine  Gegner  sind  meist  die  des  Scipio:  Mucius  Scaevola,  L.  Cor- 
nelius Lentulus  Lupus  (Cos.  J.  156;  s.  Marx,  stud.  59),  Caecilius  Metellus 
(Hör.  S.  2,  1,  67,  d.  i.  Q.  Macedonicus  §  131,  7)  und  dessen  Sohn  C.  Capra- 
rius;  s.  Cic.  de  or.  2,  267  (Marx,  Stud.  89;  Ausg.  1,  xlvii),  T.  Albucius 
(§  141,  3),  Hostilius  Tubulus,  Papirius  Carbo;  L.  Cotta  (V.  413)  u.  a.  —  Cic. 
acad.  2,  102  Clitomachus  (aus  Karthago,  der  Skeptiker,  gest.  um  J.  110)  in 
eo  libro  quem  ad  C.  Lucilium  scripsit  poetam.  Vielleicht  war  er  sein  Zu- 
hörer in  Athen  gewesen;  den  Karneades  erwähnt  er  V.  31.  Einfluß  der  Lehre 
des  Panaitios  findet  sich  in  der  Definition  der  virtus  V.  1326  ff.  Schmekel, 
Philos.  d.  mittl.  Stoa  443.  Auct.  ad  Her.  2,  19  C.  (L.,  nämlich  Antipater, 
Cichorius  59)  Caelius  iudex  absolvit  iniuriarum  eum,  qui  C.  Lucilium  poetam 
in  scaena  nominatim  laeserat.    Vgl.  OHirschfeld,  Sehr.  788. 

4.  Die  Hauptquelle  für  unsere  Kenntnis  des  L.  ist  Nonius,  der  drei  Aus- 
gaben benutzt:  eine  von  B.  1 — 21,  von  B.  22  und  von  26 — 30.  Marx  1,lxxviii. 
In  den  Zitaten  und  sonst  heißen  die  Gedichte  saturae:  der  Dichter  selbst 
erwähnt  sie  einmal  als  ludus  ac  sermones  (V.  1039).  Es  waren  30  Bücher,  die 
wohl  meistens  mehrere  Satiren  enthielten.  Nur  aus  B.  21  und  24  fehlen 
Bruchstücke  mit  Angabe  der  Buchzahl;  aus  B.  25  sind  nur  zwei  Worte,  aus 
B.  23  ist  nur  ein  Hexameter  überliefert.  Nach  den  Resten  waren  verfaßt 
B.  1 — 20  in  Hexametern;  B.  22  in  Distichen;  B.  26 — 27  in  trochäischen 
Septenaren;  B.  28 — 29  in  troch.  Septenaren,  iamb.  Senaren,  daktyl.  Hexa- 
metern; B.  30  in  Hexametern.  Dieses  umfangreiche  Lebenswerk  ist  allmäh- 
lich veröffentlicht  worden,  zuerst  jedenfalls  die  einzelnen  Satiren,  die  we- 
nigstens an  die  Freunde  verschickt  wurden;  und  zwar  begann  der  Dichter 
(nach  dem  Vorgang  des  Ennius,  Accius  u.  a.  in  der  Behandlung  didaktischer 
Stoffe)  seine  Satiren  in  troch.  Septenaren  abzufassen,  versuchte  sich  dann 
in  anderen  Maßen,  bis  er  als  das  geeignetste  den  Hexameter  erprobt  hatte, 
bei  dem  er  verblieb.  So  sind  die  letzten  Bücher  die  zuerst  verfaßten.  — 
Zwei  Hauptgruppen  lassen  sich  unter  den  Büchern  unterscheiden:  B.  1 — 20, 
bez.  21  in  Hexametern  und  B.  26 — 30  in  verschiedenen  Maßen.  Jene  Samm- 
lung von  B.  1 — 21  meint  Varro  LL.  5,  17  a  qua  bipartita  divisione  (Himmel 
und  Erde)  Lucilius  (so  Scaliger:  Lucretius  Flor.)  suorum  unius  (unum  Flor, 
aus  dem  Zahlzeichen  I  entstanden)  et  viginti  librorum  initium  fecit.  Beide 
Sammlungen  hat  Luc.  selbst  herausgegeben;  die  Bücher  22—25  sind  später 
an  die  erste  Sammlung  angehängt  und  noch  später  alle  30  B.  in  einem  Cor- 
pus vereinigt  worden.  Marx  1,  xxix.  Cichorius  63.  Die  früher  für  eine  Zwei- 
teilung des  lucilischen  Satirenwerkes  verwendete  Stelle  beiAucT.  ad  Her. 
4,  18  Lucilius  (Coelius  die  Hss.)  .  .  .  in  priore  libro  geht  vielmehr  auf  Coe- 
lius  Antipater:  s.  §  137,  5;  zugleich  fällt  mit  der  anderen  Beziehung  auch 
die  Widmung  eines  Teils  der  lucilischen  Satiren  an  Aelius  Stilo  weg.  — 
Über  die  dritte  Gruppe  B.  22 — 25  ist  bei  der  mangelhaften  Überlieferung 
alles  unsicher;  B.  22  enthielt  vielleicht  Grabepigramme  auf  Sklaven  in  Di- 
stichen (ein  solches  sind  sicher  V.  579  f.).  —  Von  wem  und  wann  die  Einzel- 
sammlungen zu  einer  Hauptsammlung  vereinigt  wurden,  wobei  man  die  frü- 
heren Arbeiten  denen  des  reiferen  Alters  nachstellte,  ist  nicht  zu  ergründen. 
—  In  dem  frühesten  Buche  (26)  verbreitete  sich  L.  über  seine  Dichtung  im 


268  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

allgemeinen,  hielt  (wie  Horaz  mit  Trebatius  S.  2,  1)  Zwiesprache  mit  einem 
Freunde  über  sein  Publikum,  seinen  inneren  Drang  zum  Schreiben,  seine 
Abneigung  gegen  andere  literarische  Gattungen  außer  der  satirischen  usw. 
Auch  B.  30  begann  mit  der  Widmung  an  einen  Gönner,  dessen  Taten  zu 
besingen  er  wegen  mangelnder  Begabung  ablehnte,  nach  Cichorius  181 
C.  Sempronius  Tuditanus.  —  Abfassungszeit  der  Satiren:  Hör.  S.  2,  1,  63 
beweist,  daß  Scipio  (f  129)  und  Laelius  (f  nicht  lange  nachher,  §  137,  o) 
noch  Satiren  des  Lucilius  erlebt  haben,  worin  er  den  Lupus  und  Metellus 
(Macedonicus,  A.  3)  angriff:  dies  bestätigen  außer  V.  1138  ff.  (?)  die  Reste 
von  B.  26  fll.,  wo  namentlich  auch,  der  eingefleischte  Junggeselle  Lucilius 
gegen  das  Heiraten  loszieht,  das  Metellus  in  seiner  Zensur  (J.  131,  §  131,  7) 
kräftig  empfohlen  hatte.  Anderseits  kann  V.  671  f.  publicanus  vero  ut  Asiae 
ftam,  ut  scripturarius  pro  Lucilio,  id  ego  nölo  et  uno  hoc  non  muto  omnia 
erst  nach  der  Verpachtung  der  Zölle  von  Asia  d.  h.  J.  123  geschrieben  sein. 
Darnach  sind  B.  26—30  etwa  abgefaßt  131—123  (Marx,  stud.  91.  Cichorius 
70).  —  B.  1  nach  Karneades'  Tod  (f  um  128;  s.  V.  31)  und  bald  nach  dem 
Tode  des  Lupus  (nach  Cichorius  83  f  J.  123),  über  den  Lucilius  eine  im  An- 
schluß an  B.  1  von  Ennius'  Annales  geschilderte  Götterversammlung  zu  Ge- 
richt sitzen  läßt.  PMoeller,  Deos  consiliantes  qua  ratione  L.  aliique  effinxe- 
rint.  Jena  1912.  —  Die  Erpressungsklage  des  Albucius  (§  141,  3)  gegen  den 
Scaevola  augur  (§  139,  3)  J.  119  behandelte  Lucilius  namentlich  auch,  um 
die  verkünstelte  Redeweise  des  Griechlings  Albucius  zu  verhöhnen  (wohl  in 
B.  2;  s.  Marx,  stud.  70;  Ausg.  1,  xli).  B.  5  wird  durch  die  Erwähnung  des 
Metellus  Caprarius  als  Praetor  designatus  auf  spätestens  J.  118  datiert.  Cicho- 
rius 87.  —  B.  1  nach  J.  110  (V.  418  Verurteilung  des  L.  Opimius)  verfaßt. 
Lucilius  schrieb  noch  nach  J.  107  (Cic.  Brut.  160.  161.  Marx,  stud.  92)  und 
kann  sehr  wohl  bis  an  sein  Lebensende  tätig  gewesen  sein.  —  vHeusde, 
Lucil.  251.  CLachmann,  kl.  Sehr.  2,  62.  FMarx,  studia  Lucil.,  Bonn  1882; 
im  Kommentar. 

5.  Die  Satiren  des  L.  fanden  frühzeitig  gelehrte  Bearbeitung,  zB.  durch 
Laelius  Archelaus  und  Vettius  Philocomus  (darüber  §  148,  4).  Suet.  gramm.  14 
huius  (des  Curtius  Mcia  in  der  Zeit  Ciceros)  de  Lucilio  libros  etiam  Santra 
comprobat.  Luciliusglossen  liegen  dem  Varro  LL.  7,  47  vor.  Auch  die  acht 
vor  Hör.  S.  1,  10  verschlagenen  Verse  eines  Unbekannten  handeln  von  kri- 
tischen Bemühungen  eines  Cato  um  Lucilius,  gewiß  eben  des  bei  Suet. 
gramm.  2  (§  148,  4)  erwähnten  Valerius  Cato,  und  durch  einen  bespöttelten 
grammaticorum  equitum  doctissimus  d.  h.  Orbilius  (§  200,  3),  nach  Marx  viel- 
mehr Vettius  Philocomus;  s.  die  Ausleger  zdSt.  Bährens,  Commentar.  Cat.  2, 
p.  9.  Marx,  RhM.  41,  552.  Kritische  Ausgaben  der  lucilischen  Satiren  be- 
zeugt auch  das  aneed.  Paris,  de  notis:  s.  §  41,  2,  Z.  13.  Gell.  2,  24,  5  (aus 
Ateius  Capito)  erraverunt  quidam  commentariorum  in  Lucilium  scriptores. 
Marx  1,  l. 

6.  Die  Dichtung  des  L.  zeigt  eine  starke  Eigenart  und  ist  aus  der  zweifellos 
vorhandenen  Anknüpfung  an  Ennius  und  hellenistische  Vorbilder  (§  103,  1) 
nur  zum  kleinen  Teile  zu  erklären.  Wie  die  Form,  so  war  auch  der  Inhalt 
mannigfaltig.  Es  fanden  sich  vielerlei  launige  Schilderungen  der  Freuden 
der  Tafel  und  des  Bechers,  Liebesgeschichten  (Porph.  Hör.  C.  1,  12,  10  Über 
XVI   [XXI  Cichorius]    Lucüii    ^Oollyra'   inscribitur  .  .  de    Collyra    amica 


§  143.  Lucilius  269 

scriptus),  wozu  wohl  auch  die  Erstürmung  des  Hauses  eines  leno  gehört 
(B.  29);  überhaupt  wurde  über  erotische  Dinge  ohne  Scheu  geredet.  Ferner 
Reiseabenteuer  (iter  Siculum  in  B.  3,  das  Vorbild  der  Brundisischen  Reise 
des  Horaz;  darüber  Varges,  Stettin  1836.  OKeller,  Phil.  45,  553.  Lafaye, 
Rev.  Phil.  35,  18;  Mel.  Chatelain  75),  die  Erzählung  von  dem  Gladiator  (in 
B.  4),  allerhand  Schimpf  und  Ernst:  als  Probe  von  letzterem  s.  die  Ausdeu- 
tung des  Begriffs  virtus  bei  Lactant.  inst.  6,  5,  2  (V.  1326),  die  in  den 
Worten  gipfelt:  (virtus  est)  hos  (homines  moresque  bonos)  magni  facere,  his 
bene  velle,  his  vivere  amicum,  commoda  paeterea  patriai  prima  putare, 
deinde  parentum,  tertia  iam  postremaque  nostra.  Mehrfach  war  Scipio  von 
Lucilius  verherrlicht:  Hör.  S.  2,  1,  16  (Trebatius  zu  Horaz)  iustum  pote- 
ras  (Caesarem)  et  scribere  fortem,  Scipiadam  ut  sapiens  Lucilius.  Dies  be- 
stätigen namentlich  Bruchstücke  des  B.  30  (?)  und  des  B.  14,  worin  viel- 
leicht (s.  Cichorius  320)  die  oft  erwähnte  Sendung  des  Scipio  nach  dem 
Orient  (um  J.  140/39)  geschildert  wurde  (Marx,  stud.  81).  Vorherrschend 
aber  war  im  allgemeinen  die  ethisch-kritische  Tendenz,  durch  welche  L. 
der  erste  Satiriker  wurde.  Horaz  setzt  sich  mit  dem  großen  Vorgänger, 
dessen  hohes  Ansehen  ihm  bei  der  Verschiedenheit  der  Stilprinzipien  unbe- 
quem war,  öfters  auseinander:  Sat.  1,  4.  1,  10.  2,  1  u.  sonst.  Hör.  S.  2,  1,  62 
est  Lucilius  ausus  primus  in  hunc  operis  componere  carmina  morem;  1,  10,  48 
nennt  er  ihn  inventor.  Die  Worte  ebd.  66  rudis  et  Graecis  intacti  carminis 
auctor  sind  nicht  auf  Lucilius  zu  beziehen;  vgl.  KPHermann,  de  satirae 
auctore  ex  sententia  Horatii,  Marb.  1841.  Teuffel,  RhM.  30,  623.  —  Hör. 
S.  1,  4,  6  hinc  (von  der  alten  Komödie)  omnis  pendet  Lucilius  ist  unrichtig 
und  einseitig  aus  der  7tuQQr\6iu  erschlossen  (vgl.  §  236,  4).  Berührungen 
mit  der  griechischen  Komödie  bei  L.:  Marx,  stud.  46.  Archilochos  ist  zitiert 
V.  698.  Die  Behauptung  von  Lydus  (magistr.  1,  41),  Lucilius  habe  sich  an 
Rhinthon  angeschlossen,  beruht  sichtlich  auf  Verwechslung. 

7.  Gegenstände  der  Kritik  des  L.  Daß  er  primores  (A.  3)  populi  arripuit 
populumque  tributim  (Hör.  S.  2,  1,  69),  bestätigen  die  Überreste,  besonders 
der  frühesten  Bücher  (26  fll.).  Er  muß  wirklich  die  Tribus  einzeln  vorge- 
nommen haben,  etwa  bei  der  Schilderung  einer  Abstimmung  (Cichorius  335). 
Pers.  1,  114  secuit  Lucilius  urbem  te,  Lupe,  te,  Muci  (A.  3),  et  genuinum 
f regit  in  Ulis.  luv.  1,  165|  ense  velut  stricto  quotiens  Lucilius  ardens  infre- 
muit,  rubet  auditor  cui  frigida  mens  est  criminibus  usw.  Schol.  Persii  3,  1 
hanc  satiram  poeta  ex  Lucili  libro  IUI  transtulit  castigans  luxuriam  et  vitia 
divitum.  Vgl.  Trebonius  bei  Cic.  fam.  12,  16  qui  magis  hoc  Lucilio  licuerit 
adsumere  libertatis  quam  nobis?  Apul.  apol.  10  C.  Lucilium,  quamquam  sit 
iambicus,  tarnen  improbarim  quod  Gentium  et  Macedonem  pueros  (vgl.  Dziatzko, 
RhM.  33,  111)  directis  nominibus  carmine  suo  prostituerit.  Erwähnung  von 
Ti.  Gracchus'  Tod  V.  691?,  der  Zerstörung  von  Fregellae  in  B.  30;  Angriffe 
gegen  die  Nobilität  werden  in  B.  6  erzählt.  ESzelinski,  de  nominibus  per- 
sonarum  apud  poetas  sat.  rom.  (Königsb.  1862)  p.  1.  In  B.  29  Ratschläge 
über  den  Verkehr  mit  Frauen,  von  Horaz  S.  1,  2  nachgeahmt;  in  B.  4  und 
13  Tadel  des  überhand  nehmenden  Luxus,  V.  1228 ff.  der  7tolv7tQayiio6vvri. 
Aber  auch  wissenschaftliche,  überhaupt  literarische  Kritik  (über  diese 
MRichter,  Comm.  Jenens.  11,  2.  62):  Verhöhnung  der  Philosophen,  zB.  der 
logischen    Schlußlehre    (s.  die    hübsche  Probe  V.  1284),    der  zerbrechlichen 


270  [Republikanische  Zeit:  J.  240-84  v.  Chr. 

Rhetorik  (A.  4  g  E.).  —  Gell.  17,  21,  49  Pacuvius  .  .  .  et  Accius  clariorque 
tunc  in  poematis  eorum]  obtrectandis  Lucüius  fuit.  Hör.  S.  1,  10,  53  nil  co- 
mis  tragici  mutat  (parodiert)  Lucüius  Acci?  non  ridet  versus  Enni  gravitate 
minores?  wozu  Porph.:  facit  autem  Lucüius  hoc  cum  alias  tum  vel  maxime 
in  tertio  libro,  meminit  nono  et  decimo ;  (wohl  auch  in  B.  30).  Polemik  gegen 
einen  Tragiker  auch  in  B.  26,  gegen  einen  Komiker  (Afranius?)  in  B.  30. 
Selbst  die  griechischen  Dichter  (Euripides,  Homer)  finden  ihren  Richter  an 
L.,  der  auch  gegen  die  gespreizte  Vornehmtuerei  mancher  Zeitgenossen  mit 
griech.  Ausdrücken  sich  wendet:  V.  15  porro  clinopodas  lychnosque  ut  dici- 
mus  asiiv&g,  ante  pedes  lecti  atque  lucernas.  Insbesondere  verspottete  er  den 
Schwulst  der  Sprache  der  Tragiker,  handelte  über  andere  Fragen  der  Poetik 
(V.  338)  und  verwarf  in  B.  9  des  Accius  Neuerungen  in  Sprachgebrauch 
und  Schreibung,  wobei  er  die  von  Accius  eingeführte  Doppelschreibung 
langer  Vokale  (§  134,  11)  bekämpfte  und  nur  in  bestimmten  Fällen  auf 
Grund  einer  grammatischen  Theorie  (Sommer,  Herrn.  44,  70.  Kent,  Glott. 
4,  299)  ei  für  I  beibehielt.  Ritschl,  op.  4,  153.  Marx,  stud.  4.  Reitzenstein, 
Joh.  Mauropus  90.    Die  grammatischen  Fragmente  auch  bei  Funaioli,  GRF. 

1,  32.  —  Quint.  10,  1,  94  eruditio  in  eo  (L.)  mira  et  libertas  atque  inde  acer- 
bitas  et  abundantia  salis. 

8.  Mittlere  Haltung,  Wirkung  auf  weitere  Kreise  berechnet:  Cic.  de  or. 

2,  25  C.  Lucüius,  liomo  doctus  et  perurbanus,  dicere  solebat  neque  se  ab  in- 
doctissimis  neque  a  doctissimis  legi  velle;  . .  de  quo  etiam  scripsit:  Persium 
(§  136,  9)  non  curo  legere,  .  .  Laelium  Decumum  volo.  S.  darüber  Cichorius 
104.  fin.  1,  7  nee  vero,  ut  noster  Lucüius,  recusabo  quominus  omnes  mea 
legant.  utinam  esset  ille  Persius!  Scipio  vero  et  Rutilius  multo  etiam  magis. 
quorum  ille  iudicium  reformidans  Tarentinis  ait  se  et  Consentinis  et  Siculis 
scribere.  facete  is  quidem,  sicut  alia;  sed  neque  tarn  docti  tum  erant  . .  et 
sunt  illius  scripta  leviora,  ut  urbanitas  summa  appareat,  doctrina  medioeris. 
Petron.  4  schedium  Lucüianae  humilitatis.  Gell.  6,  14,  6  vera  et  propria  .  . 
exempla  in  latina  lingua  M.  Varro  esse  dicit  .  .  gracilitatis  Lucilium.  Vgl. 
Fronto  p.  113  und  62. 

9.  Sorglosigkeit  in  der  Form.  Vgl.  Hör.  S.  1,  4,  9  ff.  1,  10,  lff.  50  ff.  Was 
dieser  behauptet  (S.  1,  4,  9 f.),  L.  in  hora  saepe  ducentos  .  .  versus  dietabat 
stans  pede  in  uno,  bestätigt  L.  selbst,  zB.  V.  411  conicere  in  versus  dictum 
praeconis  volebam  Grani  (A.  3).  Die  Lebhaftigkeit  und  Beweglichkeit  des 
Tones,  die  oft  durch  Dialog  gesteigert  ist,  hätte  sich  mit  äußerer  Glätte 
nicht  vertragen.  Griech.  Wörter  wendet  Lucil.  reichlich  an,  wohl  im  An- 
schluß an  die  Gewohnheit  des  Scipionenkreises ;  s.  Lachmann,  kl.  Sehr.  2,  73. 
Bouterwek,  Phil.  32,  691.  Marx'  Index  1,  156.  Er  wendet  auch  griechische 
Flexioneformen  an,  wie  alochoeo  V.  25.  Die  Sprache  ist  in  der  Hauptsache 
volkstümlich,  scheut  aber  archaische  und  ennianische  Wendungen  nicht,  wo 
sie  für  den  Vers  bequem  sind.  Anlehnungen  an  Plautus  und  Terenz  sind 
namentlich  in  den  Trochäen  und  Jamben  häufig:  s.  Marx'  Nachweise  unter 
dem  Text.  Besonders  im  Versbau  und  in  der  Prosodie  läßt  sich  L.  gehen, 
z.  T.  weil  er  die  Freiheiten  der  alten  Metrik  beibehält.  Skutsch,  Kl.  Sehr.  69. 
RBouterwek,  quaest.  Lucil.;  comm.  prosodiaca,  metrica,  Elberf.  1867.  Marx' 
Index  grammaticus  metricus  1,  160. 

10.  Voll  Selbstgefühls  sagt  Lucüius  selbst  (V.  1013):  et  sola  ex  multis 


§  143.  Lucilius.   §  144.  Der  Togatendichter  Atta  271 

nunc  nostra  poemata  ferri;  gegenüber  den  Neigungen  des  damaligen  römi- 
schen Adels  will  er  bleiben  wie  und  was  er  ist:  publicanus  vero  ut  Asiae 
flam,  ut  scripturarius  pro  Lucilio,  id  ego  nolo  et  uno  hoc  non  muto  omnia 
(V.  671).  Das  Ansehen,  das  er  noch  in  der  augusteischen  Zeit  (wenigstens 
in  gewissen  Kreisen)  genoß,  erhellt  aus  den  angelegentlichen  Erörterungen 
des  Horaz  über  sein  Verhältnis  zu  ihm.  Noch  später  gab  es  Leute,  die  Lu- 
cilium  pro  Horatio,  Lucretium  pro  Vergilio  legunt  (Tac.  dial.  23);  und  wer 
auf  dichterische  Kraft  und  Eigenart  den  Hauptwert  legte,  hatte  darin  ganz 
recht.  Marx  1,  cxvn.  —  Plin.  NH.  praef.  7  Lucilius  qui  primus  condidit  stili 
nasum.  Quint.  10, 1,  93  saiira  quidem  tota  nostra  est,  in  qua  primus  insignem 
laudem  adeptus  Lucilius  quosdam  ita  deditos  sibi  adhuc  habet  amatores ,  ut 
eum  non  eiusdem  modo  operis  auctoribus  sed  omnibus  poetis  praeferre  non 
dubitent    Altkamp,  Quintiliani  de  Luc.  iudicium,  Warendorf  1913. 

11.  Fragmentsammlungen  von  FDousa  (mit  den  wertvollen  Bemerkungen 
von  Janus  Dousa),  Leid.  1597  (öfters  wiederholt).  Corpet,  Par.  1845.  DGer- 
lach,  Zur.  1846.  LMüller,  Lps.  1872,  CLachmann,  Berl.  1876  (dazu  als  Er- 
gänzung Härders  index  Lucil. ,  Berl.  1878;  vgl.  auch  Lachmann,  kl.  Sehr. 
2,  62.  73).  FPR.  139.  Grundlegend  FMarx,  Lips.  1904  f.  II.  Vgl.  Leo,  Gott. 
Anz.  1906,  837.  Deubner,  Herrn.  45,  311.  —  Die  Glossare  (§  42,  6)  enthalten 
sehr  wertvolle  Reste  lucilischer  Sprache:  s.  darüber  bes.  GLöwe,  prodrom. 
gloss.  lat.  293.  Auch  Götz,  RhM.  40,  324.  Gundermann,  RhM.  41,  632.  EBäh- 
rens,  JJ.  135,  483. 

12.  Über  Lucilius:  vHeusde,  studia  critica  in  Lucilium,  Utr.  1842.  Vgl. 
KFHermann,  Gott.  GA.  1843,  361  (darauf  Heusde:  Epistola  ad  C.  F.  H.,  de 
Lucilio,  Utr.  1844).  DGerlach,  historische  Studien  (Bas.  1847)  S.  3 ff.  Teuffel, 
PRE.  4,  1181.  Mommsen,  RG.  26,  443.  Bouterwek,  de  L.  satirico,  Merseb. 
1871.  LMüller,  Leben  u.  Werke  des  L.,  Lpz.  1876.  Birt,  Zwei  polit.  Sa- 
tiren, Marb.  1888.  Cichorius,  Unters,  zu  Luc,  Berl.  1908.  —  CGiussanl, 
quaest.  Lucil.,  Mail.  1885.  —  Härders  und  Marx'  Wortindex:  s.  A.  11.  Klein- 
schmidt, de  Lucilii  genere  dicendi,  Marb.  1883  (dazu  Marx,  Gott.  GA.  1883, 
1246).  EFischer,  de  voeibus  Lucil.,  Berl.  1881.  Petitjean,  röle  de  L.  dans 
le  progres  de  la  langue  usw.,  Ann.  de  Caen  2,  4  (1886). 

141.  In  der  ersten  Hälfte  des  siebenten  Jahrh.  d.  St.  finden  wir 
zwei  Togatendichter,  Atta  und  Afranius.  Von  T.  Quinctius  Atta 
(gestorben  J.  77)  kennen  wir  elf  Titel,  die  alle  lateinisch  sind;  die 
spärlichen  Überreste  zeigen  einen  lebhaften,  kecken  Ton.  Man 
rühmte  an  Atta  die  folgerichtige  Charakterzeichnung.  Auch  eine 
Sammlung  von  Epigrammen  in  Distichen  scheint  er  herausgegeben 
zu  haben. 

1.  Hieronym.  zu  Euseb.  Chr.  a.  Abr.  1940  (Freh.  1939)  =  77  T.  Quin- 
tius  (so  cod.  Middlehill.  s.  VIII:  Quinticius  die  übrigen)  Atta  scriptor  toga- 
tarum  Eomae  moritur  sepultusque  via  Praenestina  ad  miliarium  IL  Das 
späte  Todesjahr  des  Atta  läßt  in  ihm  den  jüngsten  der  drei  Togatendichter 
vermuten.  —  Diomed.  GL.  1,  490,  8  Atta  togatarum  scriptor;  ebd.  490,  16 
togatas  tabernarias  in  scenam  dataverunt  praeeipue  duo,  L.  Afranius  et  C. 
Quintius. 


272  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

2.  Varro  bei  Charis.  GL.  1,  241  rfibj  nullis  aliis  servare  convenit  quam 
Titinio  Terentio  Attae.  Fronto  p.  62  animadvertas  particulatim  elegantis 
Novium  et  Pomponium  et  id  genus  in  verbis  rusticanis  et  iocularibus  ac  ridi- 
culariis,  Attam  in  muliebribus.  Bei  Hör.  Ep.  2,  1,  79  ist  Atta  Beispiel  eines 
der  antiqui,  die  noch  in  die  Gegenwart  hineinwirken. 

3.  Non.  (v.  crines)  202  Atta  in  epigrammatibus  (folgt  ein  Hexameter), 
wo  man  Cinna  ndgl.  einsetzt;  s.  MHaupt,  op.  3,  440.  Vgl.  §  146.  —  Isidor. 
or.  6,  9  Atta  in  Satura  (folgen  iamb.  Senare)  versteht  man  gewöhnlich  mit 
Recht  von  einer  Togata  (vgl.  §  6,  2  E.),  Bährens  FPR.  274  von  einer  Satire. 
—  Im  allgem.  über  Atta  Neukirch,  de  tog.  153.  PRE.  I2,  2049.  Die  Reste 
bei  Ribbeck3  188. 

145.  Nach  Fruchtbarkeit  wie  nach  künstlerischem  Werte  ist 
der  bedeutendste  Dichter  der  togata  L.  Afranius,  dessen  Tätigkeit 
in  die  Gracchenzeit  zu  fallen  scheint.  Von  seinen  Stücken  kennen 
wir  wohl  so  ziemlich  aUe  Titel,  weil  die  Teilnahme  für  sie  lange 
wach  blieb.  Er  bearbeitete  römische  Stoffe,  aber  im  Geiste  des 
Menander  und  Terenz  und  mit  aasgedehnter  Benützung  von  Motiven 
der  neueren  Komödie;  dadurch  hob  er  das  Wesen  der  Togata  auf. 
Seine  Stücke  bewegten  sich  vorherrschend  in  den  mittleren  Kreisen 
und  im  Familienleben.  In  der  Form  wußte  er,  wie  Titinius,  die 
Volkstümlichkeit  des  Plautus  mit  der  Formenstrenge  und  Zierlich- 
keit des  Terentius  zu  verbinden. 

1.  V.  361  maiores  vestri  iucupidiores  liberum  fuere  bringt  Marx  mit  den 
Bestrebungen  des  Metellus  Macedonicus  (§  143,  4)  zusammen.  Auch  wenn 
man  dies  und  Cichorius'  Vermutung  (Unters,  zu  Lucil.  197),  daß  Lucilius 
in  B.  30  gegen  ihn  polemisierte,  nicht  anerkennt,  so  wird  seine  Zeit  unge- 
fähr bestimmt  durch  Cic.  Brut.  167  quem  (den  C.  Titius,  §  141,  7)  studebat 
imitari  L.  Afranius  poeta,  homo  perargutus,  in  fabulis  quidem  etiam  .  .  di- 
sertus.  Danach  war  Afranius  auch  Redner  und  widmete  sich  daneben  der 
Togata  wie  Titius  neben  der  Beredsamkeit  der  Tragödie.  Vellei.  2,  9,  3 
clara  etiam  per  idem  aevi  spatium  fuere  ingenia,  in  togatis  Afrani,  in  tra- 
goediis  Pacuvii  atque  Attii,  usque  in  Graecorum  ingeniorum  comparationem 
evecti.  Vgl.  1,  17,  1.  Hör.  E.  2,  1,  57.  Quint.  10,  1,  100  togatis  excellit  Afra- 
nius; utinam  non  inquinasset  argumenta  puerorum  foedis  amoribus,  mores 
suos  fassus.  Danach  Auson.  epigr.  67,  2  repperit  obscenas  veneres  vitiosa 
libido,  . .  quam  toga  facundi  scenis  agitavit  Afrani.  Dergleichen  Stoffe,  die 
der  neuen  Komödie  in  der  Hauptsache  fremd  geblieben  waren,  entsprachen, 
wie  die  Atellanendichter  zeigen,  dem  Durchschnittsgeschmack  des  damaligen 
Rom.  Wenn  aber  Cichorius  aO.  Recht  hat,  so  beruht  Quintilians  Äußerung 
auf  der  Polemik  des  Lucilius.  —  Macrob.  6,  1,  4  Afranius  togatarum  scriptor 
in  ea  togata  quae  Compitalia  inscribitur  non  invereeunde  respondens  arguen- 
tibus,  quod  plura  sumpsisset  a  Menandro  *Fateor',  inquit  *sumpsi  non  ab 
illo  modo,  Sed  ut  quisque  liabuit  conveniret  quod  mihi,  Quod  me  non  posse 
melius  facere  credidi,  Etiam  a  Latino\  Also  Prologe  in  der  Art  des  Terenz. 
Cic.  fin.  1,  7  locos  quosdam,  si  videbitur,  transferam.  . .  cum  inciderit,  ut  id 


§  146.  Hostius,  Porcius  Licinus  u.  a.  Dichter  273 

apte  fieri  posset,  ut  ab  Homer o  Ennius,  Afranius  a  Menandro  sölet.  An- 
lehnung an  eine  Rede  des  Cato  p.  47,  14  J.  in  V.  23;  vgl.  140  mit  Cato 
fr.  108  J.,  V.  274  mit  Lucil.  957.  Pacuvius  wird  V.  7  zitiert.  Suet.  v.  Ter. 
p.  33,  8  Terentium  Afranius  omnibus  comicis  praefert  (aus  V.  29  Terenti  non 
similem  dices  quempiam):  was  zu  seiner  ganzen  Richtung  stimmt,  s.  §  17. 

2.  Mehr  als  40  Titel  kennen  wir;  die  berühmtesten  waren  Divortium, 
Emancipatus,  Epistula,  Fratriae,  Privignus,  Vopiscus.  Götterprologe  in  Pro- 
ditus  und  Sella,  Priapus  spricht  V.  402.  Lyrische  Partien  bezeugt  Mae.  Yict. 
6,  79,  4:  Anwendung  von  Klauseln  findet  sich  praecipue  apud  Plautum  et 
Naevium  et  Afranium ;  nam  hi  maxime  ex  omnibus  membris  versuum  (id 
esty  colis  ab  his  separatis  usi  reperiuntur  in  clausulis.  Die  Reste  bei  Rib- 
beck, com.3  193. 

3.  Aufführung  seines  Simulans  J.  57  (Cic.  Sest.  118),  seines  Incendium 
unter  Nero  (Suet.  Ner.  11).  In  der  augusteischen  Zeit  stellten  Enthusiasten 
ihn  dem  Menander  gleich  (Hör.  E.  2,  1,  57);  ungefähr  in  der  des  Hadrian 
widmete  sich  (Iulius?)  Paulus  seiner  Erklärung  (Chams.  GL.  1,  241.  Vgl. 
§  137,  6  gE.  352,  7).  —  Noch  Apulei.  apol.  12  pereleganter  Afranius  hoc 
scriptum  reliquit. 

4.  Neukirch,  fab.  tog.  165.  Mommsent,  RG-.  26,  437.  Teuffel,  Caecilius 
Statius  usw.  (Tüb.  1858)  37.    Marx,  PW.  1,  708. 

146.  Die  übrigen  Gattungen  der  Dichtung  fanden  in  dieser  Zeit 
geringen  Anbau:  das  Epos  vielleicht  nur  in  dem  bellum  Histricum 
eines  Hostius;  der  in  den  Bahnen  des  Ennius  wandelte.  Mehrfach 
wurde  jedoch  das  Epigramm,  die  eigentliche  Lieblingsgattung  jener 
Zeit,  nach  alexandrinischen  Vorbildern  geübt.  Schon  oben  (§  144;  3) 
ist  Atta's  Sammlung  solcher  Gedichte  erwähnt  worden:  andere  meist 
erotischen  Inhalts  verfaßten  Pompilius,  Valerius  Aedituus,  Por- 
cius Licinus  und  Q.  Lutatius  Catulus  (Cos.  102);  Licinus  überdies 
ein  Gedicht  literarhistorischen  Inhalts  in  trochäischen  Septenaren, 
das  die  schlimmsten  Ausartungen  der  peripatetischen  Methode  mit- 
machte. 

1.  Die  spärlichen  Anführungen  aus  dem  bellum  Histricum  des  Hostius 
gehen  nur  bis  B.  2.  Sie  verraten  Nachahmung  Homers  (Macr.  6,  3,  6)  und 
(was  davon  unzertrennlich  ist)  mythologische  Einkleidung  (fr.  6).  Den  schon 
von  Ennius  in  seinen  Annalen  besungenen  istrischen  Krieg  des  J.  178  fll. 
wird  Hostius  kaum  behandelt  haben;  vielmehr  einen  jüngeren,  wohl  den- 
jenigen des  J.  129,  infolgedessen  Sempronius  Tuditanus  (§  138,  1)  trium- 
phierte. So  Bergk  aO.  Wahrscheinlich  war  das  nie  zu  besonderer  Geltung 
gelangte  Gedicht  zur  Verherrlichung  des  Siegers  von  dem  ihm  zu  Dank 
verpflichteten  oder  um  seine  Gunst  werbenden  Hostius  verfaßt.  Cichorius, 
Unters,  zu  Lucil.  190  bezieht  darauf  Lucil.  1084  haec  virtutis  tuae  cartis 
monumenta  locantur,  wo  mit  cartae  eben  das  Epos  des  Hostius  gemeint  sei. 
Auf  ihn  geht  vielleicht  Prop.  3,  20,  8  splendidaque  a  docto  fama  refulget 
avo;  denn  die  dort  angeredete  Cynthia  hieß  in  Wirklichkeit  Hostia  (§  32,3. 
246,  1).    Vielleicht   meint  ihn   auch   Priscian   GL.  2,  270    vetustissimi    etiam 

Teuffel:  röm.  Literaturgesch.    Neub.  6.  Aufl.   I.  18 


274  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

(hoc  pecu'  .  .  .  dicebant.  Hostilius  in  I  annali  (folgt  Hexam.).  Sicherlich 
spricht  Priscians  vetustissimi  nicht  dagegen.  AWeichert,  poet.  lat.  rell.  3. 
FPR.  138.  Bergk,  kl.  Sehr.  1,  252.  LMüller,  Q.  Ennius  278.  Kroll,  PW. 
8,  2516. 

2.  Der  Name  des  Pompilius  ist  hergestellt  bei  Varro  LL.  7,  28  Pa~ 
pini  i7tiyQaiL{L<xriov,  quod  in  adolescentem  fecerat  Cascam  (folgt  ein  erotischer 
Scherz  in  zwei  Distichen)  und,  wo  dasselbe  Epigramm  aus  Varro  aO.  zitiert 
ist,  bei  Prisc.  GL.  2,  90  Pomponius  (pompnius  eine  Hs.)  in  epigrammate. 
Die  Existenz  eines  Epigrammatikers  Pompilius  ist  daher  zweifelhaft.  Denn 
das  Epigramm  (§  105,  1)  Pacui  diseipulus  dicor,  porro  is  fuit  (Enni),  En- 
nius Musarum:  Pompilius  clueo  wird  aus  Varro  (fr.  356  Buch.)  zitiert  und 
kann  von  diesem  herrühren  oder  einer  Grabschrift  angehöret.  Da  es  den 
Pompilius  als  Tragiker  bezeichnet,  so  wird  man  auch  den  Senar  heu  qua 
me  causa  Fortuna  infeste  preinis?  (Varr.  LL.  7,  93)  einer  Tragödie  zuschrei- 
ben und  nicht  einem  Epigrammbuch,  obwohl  es  Epigramme  in  Iamben  ge- 
geben hat  (§  158,  1).  Vgl.  Riese,  Varr.  sat.  183.  Ribbeck  Trag.3  263.  LHavet, 
rev.  phil.  7,  193  versteht  das  Epigramm  ohne  Wahrscheinlichkeit  von  der 
Nachfolge  des  Pompilius  in  der  Satirendichtung.    Pascal,  Studi  30. 

3.  Gell.  NA.  19,  9,  10  versus  cecinit  Valeri  Aeditui,  veteris  poetaey 
item  Porcii  Licini  et  Q.  Catuli,  quibus  mundius,  venustius,  limatius,  tersius 
graecum  latinumve  nihil  quidquam  reperiri  puto  (sehr  übertrieben).  Vgl. 
JBüettner,  Porcius  Licinus  101.  —  Über  die  Epigramme  und  die  sonstigen 
Arbeiten  des  Q.  Catulus  s.  §  142,  4.  —  In  dieselbe  Zeit  etwa  und  in  diese 
Nachbarschaft  gehört  ein  erotisches  Epigramm  auf  einer  Wand  in  Pompeji, 
veröffentlicht  von  Bücheler,  RhM.  38,  474;  CEL.  934  (Quid  fi)t?  vi  me> 
oculi,  posquam  deduextis  in  ignem  usw. 

4.  Ein  erotisches  Epigramm  des  Porcius  Licinus,  in  dem  das  Motiv 
von  Anth.  Pal.  9,  15  verwendet  ist,  bei  Gell.  19,  9,  13.  Ebd.  17,  21,  45  Por- 
cius Licinus  serius  poeticam  Romae  coepisse  dicit  in  his  versibus:  Poenico 
bellö  seeundo  usw.  (oben  S.  151).  Es  ergibt  sich  aus  ihnen,  daß  Porcius  dem 
falschen  Ansatz  der  ältesten  römischen  Dichter  folgte  (§  94,  2,  anders  Buett- 
ner,  RhM.  55,  121).  Elf  trochäische  Septenare  von  ihm  in  Suetons  vita  Te- 
rentii  p.  27,  9  R.  besprechen  in  galligem  Ton  das  Verhältnis  des  Terenz  zu 
den  römischen  Großen,  seine  Liebedienerei  und  ihre  Rücksichtslosigkeit. 
Also  ein  literarhistorisches  Gedicht  in  der  Art  derer  des  Accius  mit  über- 
wiegendem Klatsch.  Ritschl,  Parerga  244.  622.  637;  op.  3,  225.  Buettner  8 
(der  an  die  falsche  Gleichsetzung  des  Licinus  mit  dem  bei  Cic.  de  or.  3,  225 
genannten  Licinius  unhaltbare  Kombinationen  knüpft).  —  Auch  vgl.  Charis- 
GL.  1,  129  (fretus,  huius  fretus'  Porcius  Licinus  und  Cic.  fin.  1,  5  (§  107,  2). 

147.  Ein  vielseitiger  und  angesehener  Gelehrter  auf  dem  Ge- 
biet der  Sprach-  und  Altertumsforschung,  ein  Vorbote  Varros,  der 
sich  auch  öfters  wie  dieser  der  metrischen  Form  bediente,  war 
Q.  Valerius  aus  der  Latinerstadt  Sora7  gestorben  als  Volkstribun 
im  J.  82;  auch  als  Redner  war  er  aufgetreten.  Ein  didaktisches 
Gedicht  literarhistorischen  Inhalts  verfaßte  Volcacius  Sedigi- 
tus. 


§  147.  Valerius  Soranus,  Volcacius  Sedigitus  275 

1.  Bei  Cic.  de  or.  3,  43  (Szene  J.  91)  sagt  L.  Crassus:  nostri  (die  eigent- 
lichen Homer)  minus  Student  litteris  quam  Latini.  Dennoch  übertreffe  leicht 
auch  der  ungelehrteste  geborene  Römer  litter  atissimum  togatorum  omnium, 
Q.  Valerium  Soranum,  Tenuate  vocis  atque  ipso  oris  pressu  et  sono.  Er  ist 
jedenfalls  der  Q.  Valerius,  cpiloloyog  ccvtjq  nccl  cpLloiiccQ"i]g,  den  Pompeius  im 
J.  82  in  Sicilien  traf  und  als  Marianer  hinrichten  ließ  (Plut.  Pomp.  10), 
und  der  tribunus  plebei  quid  am  Valerius  Soranus,  der  den  geheimen  Namen 
Roms  —  etwa  in  den  inoTttidsg  —  ausplauderte  und  angeblich  zur  Strafe 
dafür  auf  Senatsbefehl  getötet  wurde,  Yarro  bei  Serv.  Aen.  1,  277  ut  qui- 
dam  dicunt,  raptus  a  senatu  et  in  crucem  levatus  est,  ut  alii,  metu  supplicii 
fugit  et  in  Sicilia  comprehensus  a  praetore  (was  Pompejus  damals  war)  prae- 
cepto  senatus  occisus  est;  vgl.  Plin.  NH.  3,  65.  Plut.  qu.  rom.  61  p.  278  F. 
vLeutsch,  Phil.  39,  90.  130.  —  Varro  (geb.  116)  kannte  ihn  persönlich  und 
beruft  sich  öfters  auf  ihn  als  auf  eine  gewichtige  Autorität;  vgl.  Gell.  2, 
10,  3:  Varro,  von  Ser.  Sulpicius  (§  174,  2)  über  die  favisae  Capitolinae  be- 
fragt, gesteht,  daß  er  nichts  über  die  Herkunft  des  Wortes  wisse,  sed  Q.  Va- 
lerium Soranum  solitum  dicere  usw.  Varro  LL.  7,  31  apud  Valerium  Sora- 
num: vetus  adagio  est,  o  P.  Scipio.  Dies  kann  nicht  Aemmanus  sein,  son- 
dern ein  jüngerer,  etwa  der  Praetor  des  J.  93.  Auf  ihn  wird  sich  auch 
beziehen  Varro  LL.  10,  70  Valerius  ait:  rAccius  (§  134,  11)  Hectörem  nollet 
facere,  Hectora  malletf,  ferner  7,  65  scrupipedas  .  .  .  dicit  .  .  Valerius  a  pede 
ac  scrupea.  Auch  wird  er  der  gleichnamige  Erklärer  der  XII  Tafeln  (§  86,  6) 
sein.  Zwei  Hexameter  (orphisch-stoischen  Inhalts,  über  Juppiter  als  höchsten 
und  einen  Gott)  bei  Augustin.  civ.  d.  7,  9  gE.  (vgl.  Mythogr.  Vat.  152  Bode): 
in  hanc  sententiam  etiam  quosdam  versus  Valerii  Sorani  exponit  idem  Varro 
in  eo  libro,  quem  seorsum  ab  istis  de  cultu  deorum  scripsit.  Plin.  NH.  praef.  33 
hoc  ante  me  fecit  (nämlich  seinem  Buche  eine  Inhaltsübersicht  beizugeben) 
in  litteris  nostris  Valerius  Soranus,  in  libris  quos  inoTttidcov  inscripsit.  Er 
wird  um  J.  140  geboren  gewesen  sein.  Cic.  Brut.  169  nennt  zwei  Brüder 
Valerii,  Quintus  und  Decimus,  vicini  et  familiäres  mei,  non  tarn  in  dicendo 
admirabiles  quam  docti  et  graecis  litteris  et  latinis:  das  ist  unser  Quintus 
und  sein  Bruder,  während  Q.  Valerius  Orca  pr.  57  sein  Sohn  sein  kann. 
Ihn  mit  Valerius  Aedituus  gleichzusetzen  liegt  kein  Grund  vor.  Cichorius, 
Herrn.  41,  59.    Buettner,  Licinus  117. 

2.  Gell.  15,  24,  1  Sedigitus  '(im  ind.  capp.:  Volcacius  Sedigitus)  in 
libro  quem  scripsit  de  poetis,  quid  de  his  sentiat  qui  comoedias  fecerunt  et 
quem  ex  omnibus  praestare  ceteris  putet  ac  deinceps  quo  quemque  in  loco  et 
honore  ponat,  his  versibus  suis  demonstrat.  Es  folgen  13  Senare,  worin  zehn 
Palliatendichter  bis  auf  Turpilius  (f  J.  104)  in  einer  überaus  wunderlichen 
Reihenfolge  mit  großem  Selbstvertrauen  (contra  si  quis  sentiat,  nil  sentiat) 
aufgezählt  werden :  darein  Vernunft  zu  bringen  haben  Ladewig  (üb.  d.  Kanon 
des  Volc.  Sed.,  Neustrel.  1842)  und  Reich,  Der  Mimus  1,  337  sich  vergeb- 
lich bemüht.  Die  Reihenfolge  ist  Caecilius,  Plautus,  Naevius,  Licinius,  Ati- 
lius,  Terentius,  Turpilius,  Trabea,  Luscius,  Ennius;  schon  die  Äußerung 
über  den  letzteren:  decimum  addo  causa  antiquitalis  Ennium  zeigt,  daß 
kein  einheitliches  Prinzip  durchgeführt  ist.  Der  Zusammenhang  mit  den 
ästhetischen  Kanones  der  griechischen  Grammatiker  ist  deutlich;  über  die 
(keineswegs  auf  pergamenischen  Einfluß  hinweisende)    Zehnzahl  s.  Brzoska, 

18* 


276  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

De  canone  X  orat.  Bresl.  1883.  Vgl.  Iber,  de  Volc.  Sed.  canone,  Münst. 
1865;  s.  §  15,  4.  Ist  bei  Suet.  vit.  Terent.  p.  33  R.  die  Folge  Porcius  (Lici- 
nus),  Africanus,  Volcacius,  Cicero,  Caesar  die  chronologische,  wie  wahr- 
scheinlich, so  wird  Volcacius  nach  der  Mitte  des  7.  Jahrh.  d.  St.  geblüht 
haben.  Vier  Senare  von  Sed.  über  Terenz  bei  Suet.  v.  Ter.  p.  29,  6  und 
32,  10.  Auch  die  im  Zusatz  des  Donat.  zu  Suet.  v.  Ter.  p.  35,  5  R.  ange- 
führten drei  Senare  eines  f  vallegius  (Vagellius  Ribbeck  u.  a.)  in  actione 
über  Scipio  als  den  Verfasser  der  terenzischen  Komödien  gehören  vielleicht 
dem  Volcacius.  Bücheler,  RhM.  33,  492.  Leo,  ebd.  38,  321.  Vgl.  §  304,  3. 
Einen  Index  der  Fabeln  des  Plautus  von  ihm  nennt  Gell.  3,  3,  1;  als  in- 
lustrem  in  poetica  erwähnt  ihn  Plln.  NH.  11,  244.  Er  scheint  hiernach  das 
Leben  und  die  Schriften  der  betr.  Dichter  kurz  behandelt  und  eine  Art 
ästhetischer  Würdigung  gegeben  zu  haben.  Über  die  Zeit  der  Palliata  scheint 
er  aber  nicht  herabgestiegen  zu  sein,  und  auch  darum  ist  es  nicht  ratsam, 
ihn  in  die  ciceronische  Zeit  hinabzudrücken.  S.  auch  Ritschl,  op.  3,  238. 
Buettner,  Licinus  34. 

3.  Donats  Zusatz  zu  Suetons  Leben  des  Terenz  p.  35  R. :  duos  Terentios 
poetas  fuisse  scrmit  Maecius  (§  193,  1),  quorum  alter  FregeUanus  fuerit  Te- 
rentius  Libo,  der  andere  der  Komiker. 

148.  Aber  der  bedeutendste  Gelehrte  und  Forscher  dieser  Zeit 
war  der  römische  Ritter  L.  Aelius  Praeconinus  Stilo  aus  Lanuvium. 
Er  hielt  sich  zur  Stoa,  die  seine  Interessen  und  Anschauungen  be- 
einflußte, und  war  der  erste,  der  (Befreundeten)  in  lateinischer  Li- 
teratur und  lateinischer  Redekunst  eigentliche  Unterweisung  gab 
und  die  lateinische  Sprach-  und  Altertumsforschung  wissenschaft- 
lich begründete,  indem  er  auf  die  ältesten  Denkmäler  zurückging 
und  sie  erklärte.  So  war  er  der  erste  römische  Philologe,  der  mit 
den  großen  griechischen  Grammatikern  verglichen  werden  darf; 
Umfang  und  Ziel  seiner  Forschung  vererbte  er  auf  seinen  Schüler 
Varro.  Gleichzeitig  mit  Stilo  wirkten  in  ähnlichem  Sinne  auch  Ge- 
lehrte griechischen  Ursprunges,  wie  Laelius  Archelaus  und  Yettius 
Philocomus. 

1.  Suet.  gr.  2  instruxerunt  auxeruntque  ab  omni  parte  grammaticam 
L.  Aelius  Lanuvinus  generque  Aelii  Ser.  Clodius  (§  159,  9),  uterque  eques 
Rom.  multique  ac  varii  et  in  doctrina  et  in  rep.  usus.  (3)  Aelius  cognomine 
duplici  fuit;  nam  et  Praeconinus,  quod  pater  eius  praeconium  fecerat,  voca- 
batur  et  Stilo,  quod  orationes  nobilissimo  cuique  scribere  solebat;  tantus 
optimatium  fautor,  ut  Metellum  Numidicum  (§  141,  2)  in  exilium  comitatus 
sit  (J.  100).  Den  Vornamen  bezeugt  auch  Varro  LL.  8,  81  durch  das  Bei- 
spiel Lucius  Aelia.  Cic.  Brut.  205  L.  Aelius  . .  fuit  vir  egregius  et  eques 
Rom.  cum  primis  honestus,  idemque  eruditissimus  et  Graecis  litteris  et  Lati- 
nis  antiquitatisque  nostrae  et  in  inventis  rebus  et  in  actis  scriptorumque  vete- 
rum  litterate  peritus.  quam  scientiam  Varro  noster  acceptam  ab  Mo  auctam- 
que  per  sese  . .  pluribus  et  illustrioribus  litteris  explicavit.  (206)  sed  idem 
Aelius  Stoicus  esse  voluit,  orator  autem  nee  studuit  umquam  nee  fuit;  scri- 


§  148.  Aelius  Stilo  277 

bebat  tarnen  orationes  quas  alii  dicerent,  ut  (205  Cottae  pro  se  lege  Varia, 
J.  91)  Q.  Metello  *F.,  ut  Q.  Caepioni  (vgl.  ebd.  169),  ut  Q.  Pompeio  Bufo.  . . 
(207)  his  scriptis  etiam  ipse  interfui,  cum  essem  apud  Aelium  adulescens  eum- 
que  audire  perstudiose  solerem.  Auct.  ad  Her.  4,  18  Goelius  (§  137,  5)  . .  In 
priore  libro  has  res  ad  te  scriptas,  Luci,  misimus,  Aeli.  Varro  bei  Gell. 
NA.  1,  18,  2  L.  Aelius  noster,  litteris  ornatissimus  memoria  nostra,  und  LL. 
7,  2  homo  in  primis  in  litteris  Latinis  exercitatus.  Vgl.  noch  Gell.  10,  21,  2 
qui  doetissimus  eorum  temporum  fuerat,  L.  Aelius  Stilo.  Plin.  33,  29.  37,  9. 
Bei  Verg.  catal.  5,  3  Valete  .  .  Et  vos,  Stiloque  Tarquitique  (§  1 58,  2)  Var- 
roque,  Scolasticorum  natio  madens  pingui  vermutete  schon  Heyne  Stiloque  : 
aber  die  Hss.  führen  auf  Selique,  und  das  ist  beizubehalten,  wenn  auch  die 
von  Ellis  und  Bücheier  (RhM.  38,  514)  angezogenen  Selii  aus  Cic.  acad.  2, 
11  oder  ep.  7,  32,  2  kaum  in  den  Zusammenhang  passen.  —  öfters  in  den 
Hss.  Laelius  statt  L.  Aelius,  zB.  Cic.  ep.  9,  15,  2.  acad.  post.  1,  8.  or.  230 
(de  or.  1,  265  ist  sicher  Laelius  gemeint).  Plin.  NH.  14,  93.  —  Da  L.  Aelius 
ein  Freund  des  Coelius  Antipater  war  und  Cicero  noch  bei  ihm  in  die 
Schule  ging,  so  war  er  etwa  J.  150  geboren  und  erreichte  ein  hohes  Alter. 
Vgl.  Ritschl,  Parerga  239. 

2.  Beziehungen  zu  Dionysios  Thrax  vermutet  Marx,  Auct.  ad  Her.  138. 
Literarische  Tätigkeit:  Aeliana  studia  (antiquitatis  Momanae) ,  Cic.  de  or. 
1,  193?  (anders  MVoigt,  Abh.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  7,  324,  der  unrichtig 
an  Sex.  Aelius  §  125,  2  denkt).  Bei  den  inventae  res  denkt  Cic.  Brut.  205 
an  griechische  svQrJiuxtcc  und  ihre  Aneignung  durch  die  Römer:  Norden., 
Ind.  lect.  Greifsw.  1895  p.  VI,  der  die  actae  res  auf  Studium  des  römischen 
Rechtes  bezieht.  Berufung  auf  (mündliche?)  Äußerungen  bei  Varro  RR.  3, 
12,  6.  LL.  5,  66.  101.  6,  7.  Gell.  NA.  12,  4,  5.  Schriften:  Aelii  ..  inter- 
pretationem  carminum  Saliorum  videbis  et  exiliter  (?)  expeditam  et  praeterita 
öbscura  multa,  Varro  LL.  7,  2.  Vgl.  Fest.  146  (v.  manuos).  141  (v.  molu- 
crum).  210  (v.  pescia).  Corssen,  orig.  48  und  oben  §  64,  2.  —  Erklärung 
der  XII  Tafeln:  Cic.  leg.  2,  59.  Fest.  290  (v.  sonticus  morbus).  RSchöll, 
leg.  XII  tab.  reliq.  29  will  hierbei  den  Stilo  überall  verstanden  wissen,  wo 
schlechtweg  Aelius  angeführt  ist.  Boesch,  De  XII  tab.  lege  13.  —  Gell. 
NA.  16,  8,  2  commentarium  de  proloquiis  (d.  h.  %sql  u^lcollcctcov  im  Sinne 
Chrysipps)  L.  Aelii,  docti  hominis,  qui  magister  Varronis  fuit,  . .  legimus. 
sed  in  eo  nihil  edocenter  neque  ad  instituendum  explanate  scriptum  est,  fecis- 
seque  videtur  cum  librum  Aelius  sui  magis  admonendi  quam  aliorum  docendi 
gratia.  Benutzt  hat  diese  Schrift  Varro  LL.  B.  24.  —  Zur  Kritik  und  Aus- 
legung älterer  lateinischer  Dichter.  Er  lieferte  kritische  Ausgaben :  s.  Anecd. 
Paris,  de  notis  (oben  §  41,  2:  his  solis  in  adnotationibus  Ennii  Lucilii  et 
historicorum  usi  sunt  Varro  S.  Ennius  Aelius)  und  Fronto  p.  20  (unten 
§  198,  2gE.).  Bewunderer  des  Plautus,  Quint.  10,  1,  99.  Indices  Aelii  der 
Plautinischen  Stücke,  Gell.  3,  3,  1  und  ebd.  12  homo  eruditissimus  L.  Aelius 
XX V  (comoedias)  eius  (Plauti)  esse  solas  existimavit.  Vgl.  §  96,  4.  99,  4  u.  5. 
—  Zahlreiche  etymologische  (in  quo  . .  erravit  aliquotiens,  Varro  bei  Gell# 
1,  18,  2)  und  grammatische  Bemerkungen  des  Stilo  zusammengestellt  bei 
vHeusde  64.  Sie  weisen  auf  ein  größeres  Werk,  das  Varro  in  LL.  B.  5 — 7 
benutzt  hat;  über  den  Umfang  der  Benutzung  s.  §  167,  3.  Wenn  Reitzen- 
stein,   M.  Ter.  Varro  47    mit    der  Behauptung  Recht   hat,    daß   Stilo  auch 


278  Republikanische  Zeit:  J*  240—84  v.  Chr. 

Quelle  für  8,  26  ff.  ist,  so  war  er  ein  Anhänger  der  Anomalie,  was  zu  seinen 
stoischen  Neigungen  passen  würde.  Über  seine  philosophischen  Interessen 
Cic.  Ac.  post.  1,  8  (Varro  spricht)  ea  (entlegene  philosophische  Gedanken) 
quantum  potui  . .  feci  ut  essent  nota  nostris ;  a  Graecis  enim  peti  non  poterant 
ac  post  L.  Aelii  nostri  occasum  ne  a  Latinis  quidem.  —  vHeusde,  de  L.  Aelio 
Stilone;  inserta  sunt  Stilonis  et  Servii  Claudii  fragm.,  Utr.  1839.  Mentz, 
Comm.  Jenens.  4,  1  (mit  Fragmentsammlung).  Funaioli,  GRF.  1,  51.  Goetz, 
PW.  1,  532.    Vgl.  Mommsen,  RG.  26,  425.  456. 

3.  Suet.  gramm.  2  (vgl.  §  41,  1)  ut  Laelius  Archelaus  Vettiusque 
Philocomus  (retractarunt  ac  legendo  commentandoque  etiam  ceteris  notas 
fecerunt)  Lucüi  saturas  familiaris  sui  (so  die  Hss. :  familiaribus  suis  Heusde), 
quas  legisse  se  apud  Archelaum  Pompeius  Lenaeus  (§  53, 1),  apud  Philoco- 
mum  Valerius  Cato  (§  200,  1)  praedicant.  Da  im  folgenden  dieser  niedrigeren 
Stufe  gelehrter  Tätigkeit  die  höhere,  durch  Stilo  vertretene  gegenüberge- 
stellt wird  {instruxerunt  etc.,  oben  A.  1),  andererseits  die  Schüler  der  Ge- 
nannten (Lenaeus  und  Cato)  der  ciceronischen  Zeit  angehören,  so  wird  die 
Blüte  des  Archelaus  und  Philocomus  ungefähr  gleichzeitig  mit  der  des 
Stilo,  etwa  J.  124  fll.  zu  setzen  sein.  —  Jener  Archelaus  ist  vielleicht 
auch  gemeint  bei  Charis.  GL.  1,  141,  33  Q.  Laelius  ex  prinoipibus  gramma- 
ticis  librum  suum  ita  inscripsit  (de  vitiis  virtutibusque  poematorum\ 

149.  Die  beiden  Jahrzehnte  104 — 84  umschließen  abermals  hef- 
tige innere  Kämpfe  teils  mit  den  Bundesgenossen,  die  sich  im  mar- 
sischen Kriege  völlige  Gleichstellung  mit  den  Römern  erstritten, 
teils  zwischen  der  wieder  erstarkten  Volkspartei  und  dem  seine 
Vorrechte  verteidigenden  und  schließlich  durch  Sulla  siegreichen 
Adel.  Das  rege  Leben,  das  sich  in  diesen  Kämpfen  entfaltet,  bringt 
auf  den  nationalen  Gebieten  geistiger  Tätigkeit,  in  Beredsamkeit 
und  Rechtsgelehrsamkeit,  glänzende  Früchte  hervor.  Die  Kunst  zu 
reden  wird  allgemeiner  Unterrichtsgegenstand  und  vorübergehend 
auch  von  Einheimischen  gelehrt.  Die  Geschichtschreibung  liegt  in 
den  Händen  der  jüngeren  Annalistik  und.  verrät  in  stärkerem  Maße 
als  bisher  Einfluß  der  Rhetorik  und  Parteifärbung. 

1.  Latini  rhetores  zu  Rom,  s.  §  44,  9.  —  Über  die  jüngere  Annalistik 
s.  §  37. 

150.  Auch  auf  dem  Gebiete  der  Dichtung  herrscht  Leben:  die 
Atellanische  Volksposse  wird  durch  Novius  und  Pomponius  in  die 
Literatur  eingeführt,  Cn.  Matius  verfaßt  Mimiamben  und  übersetzt 
die  Ilias;  Laevius  (Melissus)  beginnt  in  scherzhaften  mythologisch- 
erotischen Gedichten  die  mannigfaltigen  Formen  der  modernen  grie- 
chischen Verskunst  bis  zu  ihren  Künsteleien  mit  Geschick  nachzu- 
bilden; ihren  Epiker  hat  die  Zeit  an  A.  Furius  aus  Antium,  ihren 
Tragiker  an  C.  Iulius  Caesar  Strabo.  Auch  der  Idyllendichter  Sueius 


§  149.  Die  Zeit  von  104—84.   §  150.  A.  Furius,  Matius  279 

mag  etwa  hierher  gehören.   Eben  diese  Jahrzehnte  (104  —84)  bil- 
den die  Jugendzeit  des  Cicero  (geb.  106)  und  Caesar  (geb.  100). 

1.  Q.  Lutatius  Catulus  schrieb  de  consulatu  et  de  rebus  gestis  suis  ein 
Buch  ad  A.  Furtum  poetam,  familiärem  suum  (Cic.  Brut.  132;  s.  §  142,4). 
Gell.  NA.  18,  11  im  ind.  cap.  ex  carminibus  Furi  Antiatis;  ebd.  §  2:  Fu- 
rtum veter  em  poetam.  Gellius  führt  dort  sechs  Hexameter  aus  einem  Epos 
an  und  verteidigt  den  Dichter  gegen  den  Vorwurf  ungeschickter  Wortbil- 
dung. Vgl.  AWeichert,  poet.  lat.  rell.  348.  JBecker,  ZfAW.  1838,  597. 
Nipperdey,  op.  499.  FPR.  276.  —  Über  andere  diesem  Furius  zugeteilte 
Verse  s.  §  192,  9. 

2.  Varro  LL.  7,  95  apud  Matium  r corpora  Graiorum  maerebat  man- 
dier  ignf  (Hom.  A  56).  Vgl.  ebd.  96  apud  Matium  robsceni  interpres''  usw. 
(=  A  62).  Gellius,  der  den  Matius  fast  nie  nennt,  ohne  sich  vor  ihm  als 
einem  doctus  vir,  homo  impense  doctus,  vir  eruditus  udgl.  zu  verneigen,  zi- 
tiert 7,  6,  5  Cn.  Matium  .  .  in  II  Hiadis;  9,  14,  14  Cn.  Matius  in  lliadis 
XXI  und  ebd.  15  Matius  in  XXIII.  Vgl.  Charis.  GL.  1,  117.  345.  Diom. 
GL.  1,  345.  Prisc.  GL.  2,  334.  —  Terent.  Maur.  GL.  6,  397,  2416  hoc  (in 
Hinkiamben)  mimiambos  Matius  dedit  metro:  nam  vatem  eundem  (Hipponax) 
est  Attico  thymo  tinctum  pari  lepore  consecutus  et  metro.  Dieses  Versmaß 
zeigen  die  spärlichen  Überreste  (14  Verse  zB.  auch  an  Büchelers  und 
Crusius'  Herondas,  LMüllers  Catull.  [Lpz.  1870]  91),  die  aufheitere  Schilde- 
rungen aus  dem  gewöhnlichen  Leben  (auch  in  dialogischer  Einkleidung) 
hinweisen;  vgl.  Crusius'  Vermutungen  zu  den  einzelnen  Fragmenten.  Fr.  9 f. 
weisen  auf  epikureische  Weltanschauung.  Name  (vgl.  uslLaiißoi,  (ivd'icc{Lßoi,) 
und  Sache  ist  von  den  gleichfalls  choliambischen  fu^tajißot  des  jetzt  auch 
im  Original  bekannten  Herodas  entlehnt,  der  auch  später  noch  bei  den  Rö- 
mern in  Ansehen  stand  (Plin.  ep.  4,  3,  4  von  den  griechischen  Epigrammen 
und  Mimiamben  eines  Freundes:  Callimachum  me  vel  Heroden  vel  si  quid 
his  melius  tenere  credebam).  An  rein  dramatischen  Charakter  der  fufuajxßot 
und  an  deren  Aufführung  auf  der  Bühne  ist  nicht  zu  denken.  Kühne  Wort- 
bilduugen  scheinen  häufig  gewesen  zu  sein.  —  Wernsdorf,  PLM.  4,  568. 
MAubert,  de  Matio  mimiamb.  auctore,  Christiania  1844.  FPR.  281.  Leo, 
Herrn.  49,  189. 

3.  Außer  Matius  übersetzte  die  Ilias  auch  ein  Ninnius  Crassus.  Vgl. 
Priscian.  GL.  2,  478,  12  Ninnius  Crassus  in  XXIV  Iliados,  und  Non.  475, 
14  Crassus  lib.  XVI  Iliados.  Auf  denselben  bezieht  sich  wohl  noch  Prisc. 
GL.  2,  502,  24  f  nevius  in  lliadis  secundo  und  Charis.  GL.  1, 145,  21  f  neuius 
Cypriae  lliadis  libro  I.  Nach  dem  letzten  Zitat  hat  er  also  auch  ta  Kvtzqvcc 
$7tr\  (aus  elf  BB.)  übertragen,  falls  das  nicht  vielmehr  ein  Naevius  oder 
Mevius  (§  233,  2)  war.    Die  Zeit  des  Dichters  ist  unbekannt.    FPR.  283. 

4.  Ausonius  sagt  im  Nachworte  zu  seinem  cento  nuptialis  (p.  146,  11 
Seh.),  zu  dessen  Rechtfertigung:  quid  antiquissimi  poetae  Laevii  Eroto- 
paegnion  libros  loquar?  vgl.  Prisc  GL.  2,  281,  2  idem  vetustissimi  . .  .  Lae- 
vius  . . .  Ennius.  Diese  Epitheta  ergeben  keinen  Anhalt  für  die  Zeitbestim- 
mung, auch  die  Mannigfaltigkeit  seiner  Metrik  und  der  Charakter  seiner 
Sprache  (vgl.  bes.  Gellius  19,  7,  2)  lassen  einen  Spielraum  von  Jahrzehnten. 
Ob  die  Ordnung,  in  der  Gellius  19,  9,  7  ihn  unter  den  röm.  Erotikern  auf- 


280  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

führt:  Laevius  ..  Hortensius  . .  Cinna  .  .  Memmius  (vgl.  §  31,  1)  chronolo- 
gisch ist,  bleibt  zweifelhaft.  In  die  Zeit  vor  den  Neoterikern  führt  der  Bau 
des  Septenars  fr.  21.  Der  Scherz  mit  der  lex  Licinia  sumptuaria  (gegeben 
vor  J.  103,  s.  §  143,  1)  bei  Gell.  2,  24,  8  weist  in  die  Zeit  um  J.  100.  Viel- 
leicht ist  bei  Prisc  GL.  1,  560  Laevius  erotopaegnion  in  IUI  rmeminens 
Varro  corde  volutaf  der  Polyhistor  gemeint.  Mit  unserer  Zeitbestimmung 
trifft  auch  Bücheler,  JJ.  111,  306  überein,  der  —  freilich  nicht  zwingend 
—  die  Erwähnung  des  Phoenix  (s.  u.)  durch  Laevius  einige  Jahre  nach  der 
Wundererzählung  des  L.  Manilius  oder  Manlius  (§  158, 1)  über  diesen  Vogel 
setzt,  also  um  J.  94 — 89.  Derselbe  (RhM.  41,  11)  vereinigt  den  Laevius  mit 
dem  bei  Suet.  gramm.  3  erwähnten:  quem  (den  Lutatius  Daphnis,  §  142r 
4gE.)  Laevius  Melissus  per  cavülationem  nominis  Tlavbs  czyanruicc  dicitr 
und  einem  Griechen  und  Schulmeister  würden  wir  den  Versuch,  das  Latein 
den  Schnörkeleien  der  [späteren  griechischen  Metrik  zum  erstenmal  anzu- 
passen, am  liebsten  zuschreiben.  Von  seinen  Zeitgenossen  und  nächsten 
Nachfolgern  wird  Laevius  (ähnlich  wie  später  Phaedrus)  geflissentlich  nicht 
beachtet.  Er  selbst  sprach  schon  von  seinen  Verächtern  als  vituperones  sub- 
ducti  supercüi  carptores  (Gell.  19,  7,  16).  Früheste  Erwähnung  bei  Fest. 
206b,  15.  —  Häufige  Verwechslung  seines  Namens  mit  Livius,  Naevius, 
Laelius,  Lepidus,  Laevinus,  sogar  mit  Pacuvius.  Der  Name  Laevius  ist  sehr 
selten.  —  Porphyr,  zu  Hör.  C.  3,  1,  2  JRomanis  utique  non  prius  audita, 
quamvis  Laevius  lyrica  ante  Horatium  scripserit;  sed  videntur  illa  non  Grae- 
corum  lege  ad  lyricum  char acter em  exacta.  Horaz  verschwieg  den  nie  recht 
zu  Ansehen  gelangten  längst  vergessenen  Vorgänger,  der  an  den  großen 
Lyrikern  vorbeigegangen  war  und  sich  an  die  bizarrsten  Spielereien  der 
hellenistischen  Zeit  gehalten  hatte.  —  Gell.  19,  7,  2  figuras  hdbitusque  ver- 
borum  nove  aut  insigniter  dictorum  in  Laeviano  Mo  carmine.  L.  wurde  zu 
kühnen,  ja  gewalttätigen  Wortbildungen  und  Wortzusammensetzungen  durch 
seine  Versmaße  gezwungen;  dazu  kam  die  vom  neueren  Dithyrambus  aus- 
gehende Technik  seiner  Vorbilder.  Inhaltlich  finden  wir  scherzhafte  Be- 
handlung erotischer  Sagenstoffe,  aber  auch  eigene  Liebschaften  (fr.  28  mea 
Vatiena  amabo)',  formell  vielerlei  lyrische  Maße  (iambische  Dimeter,  Tro- 
chäen, Skazonten,  Anapäste,  Hexameter,  daktylische  Tetrameter,  phalaeke- 
ische  Verse,  Ioniker  a  maiore,  a  minore  u.  a.)  in  freier  Behandlung  und 
Mischung;  endlich  sogar  die  alexandrinische  (vgl.  des  Simmias  ytt^Qvys^ 
Egcütog,  Anth.  Pal.  15,  24)  Spielerei  des  TttBQvyiov  phoenicis  mit  zu-  und 
abnehmenden  Versen,  Künsteleien  mit  der  Silbenzahl  der  Verse  udgl.  S. 
A.  5  und  Bücheler  aO.    vWilamowitz,  Phil.  Unters.  18,  112. 

5.  Höchste  Bücherzahl:  Laevius  'EgcoTOTtocLyviav  VI  bei  Charis.  GL.  1, 
204.  Vgl.  ebd.  288,  5  in  pterygio  phoenicis  Laevii  novissimae  ödes  Eroto- 
paegnion. Wahrscheinlich  von  Unterabteilungen  dieses  Gesamttitels  die  An- 
führungen Laevius  in  Adone  (Priscian.  GL.  2,  269,  6),  in  Ione  {Inone,  ebd. 
281,  3),  in  Protesilaodamia  (Gell.  12,  10,  5.  Non.  116.  209.  Priscian.  GL.  2r 
242,  13;  vgl.  in  ProtesiJao  ebd.  484,  9;  in  Laudamia  496,  27;  vgl.  HARM0Nr 
Am.  J.  Ph.  33,  186),  in  Sirenocirca  (302,  1,  Non.  120),  in  Centauris  (Fest. 
206;  Ribbeck,  röm.  Trag.  11),  Alcestis  (Gell.  19,  7,  2).  Laevius  in  pölyme- 
tris  bei  Priscian.  GL.  2,  258,  12,  daraus  der  Vers  omnes  sunt  denis  syllabis 
versi,  d.  h.  Laevius  hielt  es  für  nötig,  dem  Leser  das  Versmaß  zu  erklären. 


§  150.  Laevius,  Sueius.    §  151.  Novius  281 

—  AWeicuert,  de  Laevio  poeta,  in  poet.  lat.  31.  FWüllner,  de  Laevio, 
Münst.  1829;  allg.  Schulzeit.  1830  2,  1259.  PRE.  4,  732.  LMüller,  de  re 
metr.  75  und  die  Fragm.  an  s.  Catull  (Lps.  1870)  p.  76,  vgl.  p.  xxxviii.  FPR. 
287.  EBährens,  Catullkommentar  6.  Häberlin,  Phil.  46,  87.  Havet,  Rev.  Ph. 
15,  6;  20,  73.  de  la  Ville  deMirmont,  Bibl.  univ.  du  Midi  4  (1900).  Leo, 
Herrn.  49,  180. 

6.  Über  Caesar  Strabo  s.  §  153,  3.  —  Sueius:  der  Name  selten,  vgl. 
CIL.  1,  1183  =  10,  5191.  6,  26919f.  7,  477?  (jedoch  auch  Suius  Suedius: 
WSchulze,  Zur  Gesch.  lat.  Eigenn.  233).  Die  Hss.  geben  dem  Dichter  seinen 
richtigen  Namen  nur  bei  Macr. ,  sonst  ist  er  in  suis,  suemus,  ueius  u.  a. 
verderbt.  Macrob.  sat.  3,  18,  11  huius  rei  idoneus  adsertor  est  Sueius,  vir 
longe  doctissimus,  in  idyllio  quod  inscribitur  Moretum.  nam  cum  loquitur 
de  Jiortulano  faciente  moretum  usw.,  worauf  er  8  Hexameter  daraus  anführt, 
die  in  ihrem  steifen  Kathederton  sehr  verschieden  sind  von  der  Art  des 
(vergilischen)  Moretum  (vgl.  ebd.  3,  19,  1  Sueius  poeta).  Ob  ein  Zusammen- 
hang besteht  zwischen  dem  moretum  des  S.  und  dem  ^vttmtös  (?)  des  Par- 
thenios  von  Nikaia  (in  Rom  seit  etwa  73;  s.  Meineke,  Anal.  Alex.  257  und 
unten  §  230,  3,  1)?  —  Aus  des  Sueius  f Pulli'  über  Vogelzucht  und  -leben 
führt  Non.  139,  24.  513,  21.  72,  23  trochäische  Septenare  an.  Ebendaraus 
stark  zerstörte  Bruchstücke  bei  Varro  LL.  7,  104?  —  Vielleicht  aus  einem 
epischen  Gedicht  zitiert  zwei  Reste  Macrob.  6,  1,  37.  6,  5,  15  (beidemal 
Sueius  in  libro  quinto).  Ribbeck,  röm.  Dicht.  1,  306  möchte  den  Dichter 
mit  dem  Ritter  M.  Seius,  Aed.  74,  Freund  des  Varro  und  Cicero',  dem  Be- 
sitzer einer  einträglichen  Geflügelzucht  (PRE.  6,  921)  vereinigen.  —  Die 
Bruchstücke  an  Müllers  Lucilius  p.  311.  322  (vgl.  p.  xxx).  FPR.  285. 

151.  Die  volkstümliche  Atellane  wurde  zu  einem  Zweige  der 
komischen  Literatur  dadurch,  daß  Novius  und  L.  Pomponius  aus 
Bononia  das  alte  Volksstück  in  formeller  Hinsicht  der  Palliata  an- 
näherten unter  Beibehaltung  des  possenhaften  Inhalts,  der  keiner 
Derbheit  aus  dem  Wege  ging  (§  9.  10).  Von  den  beiden  Dichtern 
war,  wie  es  scheint,  Pomponius  der  originellere  und  fruchtbarere. 

1.  Macrob.  1,  10,  3  Novius,  Atellanarum  probatissimus  scriptor,  und: 
post  Novium  et  Pomponium  (§  10,  2).  Dieselbe  Ordnung  bei  Fronto  (§  144,  2); 
dagegen  Velleius  (s.  A.  4):  Pomp.  .  .  novitate  inventi  etc.  Cic.  de  or.  2,  255. 
279.  285  läßt  im  J.  91  Stellen  aus  Novius  anführen.  Der  Name  scheint 
kampanisch:  Schwering,  Idg.  F.  32,  364.  Vorname  unbekannt:  häufig  Ver- 
wechslung mit  Naevius.  Novianae  Atellaniolae  exzerpiert  von  M.  Aurelius 
nach  Fronto  p.  34  Nab.  Überreste  (43  Titel)  bei  Munk,  fab.  Atell.  165; 
vgl.   117.    Ribbeck,  com.3  307. 

2.  Stoffe  des  Novius:  personae  oscae  (Duo  Dossenni;  Maccus  copo,  exul; 
Mania  medica;  Pappus  praeteritus),  Stände  und  Gewerbe  (Agricola,  Bubul- 
cus,  Ficitor,  Vindemiatores ;  Bubulcus  cerdo,  Fullones;  Milites,  Optio,  Hetaera), 
Landstädter  (Milites  Pometinenses),  Literarisches  (v.  5.  26.  38.  67.  116,  viel- 
leicht auch  eine  Travestie  Phoenissae),  parodisch  Mythologisches  (Hercules 
coactor).  Scheinbar  in  der  Weise  der  alten  Palliata  sind  die  Titel  Dotata 
(Dotalis?),  Gallinaria,  Lignaria,  Tabellaria,  Togularia,  in  der  Art  der  neuen 


282  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

Paedium.    Bemerkenswert  auch  Exodium  (§  6,  4);  Mortis  et  vitae  iudicium; 
Malivoli,  Parcus,  Surdus,  Dapatici  rdie  Schlemmer'? 

3.  Die  possenhafte  Haltung  und  die  Unflätereien,  die  Häufigkeit  der 
Alliteration  und  volksmäßiger  Formen  und  Wendungen,  aber  auch  die  Vers- 
maße hat  Novius  mit  Pomponius  gemein  (A.  5);  doch  sind  lyrische  Maße 
nirgends  sicher  überliefert.  Dem  Novius  eigentümlich  ist  vielleicht  die  ver- 
hältnismäßige Häufigkeit  von  Bildern   aus   dem  Kinderleben  (v.  41.  62.  65). 

4.  Hieron.  zu  Euseb.  Chr.  ad  a.  Abr.  1928  =  J.  89:  L.  Pomponius 
Bononiensis,  Atellanarum  scriptor,  clarus  habetur.  Cic.  ep.  7,  31,  2  (J.  44) 
vides  exaruisse  iam  veterem  urbanitatem,  ut  Pomponius  noster  suo  iure  possit 
dicere:  Nisi  nos  pauci  retineamus  gloriam  antiquam  Atticam  (V.  191)  scheint 
ihn  als  lebend  vorauszusetzen.  Vellei.  2,  9,  6  sane  non  ignoremus  eadem 
■aetate  (wie  Valerius  Antias  u.  a.)  fuisse  Pomponium,  sensibus  celebrem,  ver- 
bis  rudern  et  novitate  inventi  a  se  operis  commendabilem.  Macr.  6,  9,  4  Pom- 
ponius, egregius  Atellanarum  poeta.  Vgl.  Fronto  p.  62  (s.  §  144,  2).  Sen. 
contr.  7,  3,  9  auctorem  huius  vitii,  quod  ex  captione  unius  verbi  plura  signi- 
ficantis  nascitur,  aiebat  (Cassius  Severus)  Pomponium  Atellanarum  scriptorem 
fuisse.  EMunk,  de  fab.  Atell.  (Lps.  1840)  93.  PRE.  5,  1876.  Seine  Über- 
reste (70  Titel)  bei  Munk,  fab.  At.  134.  Ribbeck,  com.3  269.  Die  Rechnung 
uach  victoriati  genügt  nicht  zur  Zeitbestimmung;  Mommsen,  RG.  26,  439. 

5.  Stoffe  außer  den  oskischen  Figuren  (Bucco  auctoratus,  adoptatus ; 
hirnea  Pappi,  Pappus  agricola,  praeteritus,  sponsa  Pappi;  Maccus,  Macci 
gemini,  Maccus  miles,  Sequester,  virgo;  Dossennus  wird  V.  27.  75.  109  ge- 
nannt) besonders  Stände  (Rustici,  Fullones,  Decuma  fullonis,  Leno,  Pictores, 
Piscatores,  Pistor,  Praeco,  Medicus  u.  a.),  Stammesunterschiede  (Campani, 
Galli,  Transalpini),  politische  (Petitor,  Pappus  praeteritus,  Praefectus  mo- 
rum)  und  kirchliche  (Aeditumus,  Aruspex,  Augur);  Satire;  Literarisches 
(Philosophia;  vgl.  v.  83.  138.  181),  auch  (als  Travestie?)  Mythologisches 
(Agamemno  suppositus,  Marsya,  wohl  auch  Atalanta,  Sisyphos,  Ariadne, 
Vahlen,  RhM.  16,  473,  und  vielleicht  Atreus).  Von  Tieren  sind  entnommen 
die  Titel  Asina[ria],  Capella,  Porcetra,  Vacca,  Verres  aegrotus  (und  salvos?), 
vielleicht  auch  Pecus  rusticum  (MHertz,  JJ.  107,  339).  Endlich  ein  Stück 
Satura  (§  6,  2.  95,  9.  144,  3;  darauf  bezieht  sich  auch  das  Zitat  wbei  Non. 
112,  9  Pomponius  .  .  .  saturarum).  Manche  Titel  klingen  wie  von  Palliaten 
(Adelphi,  Synephebi,  Syri,  Citharista[?],  Dotata);  der  Parasit  trat  auf  (V.  80), 
auch  V.  191  nisi  nos  pauci  retineamus  gloriam  antiquam  Atticam  führt  in 
die  Sphäre  der  Palliata  (doch  s.  Norden,  De  Stilone  xi).  Aus  einem  Pro- 
loge wohl  V.  101  poema  placuit  populatim  omnibus.  Persönliche  Anspielun- 
gen V.  15.  Daß  von  unmäßigem  Essen  geredet  wird  (V.  71.  73.  169.  187), 
entspricht  dem  Wesen  der  festen  Personen.  Prügeleien  (V.  157.  178),  Liebes- 
geschichten derbster  Art,  wie  Verkleidung  als  Mädchen,  V.  57 ff.  67 f.;  Mac- 
cus virgo;  Nuptiae;  Prostibulum.  Zahlreiche  Zoten  und  sonstiger  Schmutz 
(V.  64.  75.  97.  99.  139 f.  148.  180);  Wortwitze,  sehr  häufige  Alliteration; 
Sprichwörtliches  und  anderes  Volksmäßige.  Versmaße:  iambische  Senare 
und  Septenare,  trochäische  Septenare,  auch  (V.  164 f.)  Kretiker.  —  Leo, 
Herrn.  49,  169. 

6.  Einer  Atellane   gehörte   sicher  an   der  Überrest  bei  Varro  LL.  6,  68 
hos  (die  rustici)  imitans  Aprissius  (?ein  Aprissus  Inscr.  Rhen.  1711:  Aprusius 


§  151.  Pomponius.    §  152.  Die  Redner  Antonius  und  Crassus       283 

WSchulze,  Eigenn.  110)  ait  Ho  Bucco,  quis  meiubilat?  vicinus  antiquus  tuus\ 
Sulla  selbst  dichtet  Atellanen:  §  157,  3. 

152.  Die  Hauptredner  dieser  Zeit  sind  M.  Antonius  (J.  143 
— 87)  und  L.  Licinius  Crassus  (J.  140 — 91).  Antonius  verdankte 
was  er  war  seinem  trefflichen  Gedächtnis  und  seiner  angeborenen 
Lebendigkeit  und  wirkte  hauptsächlich  durch  glänzenden  Vortrag. 
Eine  kleine  rhetorische  Schrift  von  ihm  war  wohl  die  erste  eigentlich 
technische  in  lateinischer  Sprache.  Crassus,  ein  Mann  von  feine- 
rem Verstände  und  besserer  juristischer  Bildung,  war  ebendarum 
als  Redner  minder  hinreißend  als  Antonius,  dafür  aber  überzeugend 
durch  die  Klarheit  seiner  Auseinandersetzungen  und  gewinnend 
durch  heiteren  Witz  und  Gewähltheit  der  Sprache.  Seine  Vorliebe 
für  kurze  Sätze  läßt  ihn  als  Anhänger  der  modernen  Beredsamkeit 
erkennen. 

1.  M.  Antonius,  M.  f.  M.  n.  (so  auf  einem  Fragm.  der  Konsularfasten, 
CIL.  I2,  27),  geb.  143  (Cic.  Brut.  161;  vgl.  de  or.  2,  364),  Praetor  102,  Con- 
sul  99,  Censor  97,  durch  die  Marianer  getötet  87;  s.  Söderholm,  de  M.  An- 
tonio et  L.  Crasso,  Helsingf.  1853.  Klebs,  PW.  1,  2590.  OEnderlein,  de 
M.  Antonio  oratore,  Lps.  1882.  MKrueger,  M.  Antoni  et  L.  Crassi  fragm., 
Bresl.  1909.  Charakteristik  seiner  Redeweise  (außer  de  oratore,  wo  er  und 
Crassus  die  Hauptträger  des  Gesprächs  sind)  bes.  Cic.  Brut.  139 — 142  (vgl. 
207.  215.  301.  304),  zB.:  erat  memoria  summa,  nulla  meditationis  suspicio 
. .  verba  ipsa  non  illa  quidem  elegantissimo  sermone.  . .  sed  tarnen  in  verbis 
et  eligendis  . .  et  collocandis  et  comprehensione  devinciendis  nihil  non  ad  ra- 
tionem  et  tamquam  ad  artem  dirigebat;  verum  multo  magis  hoc  idem  in  sen- 
tentiarum  ornamentis  et  conformationibus.  . .  actio  singularis.  . .  gestus  erat 
non  verba  exprimens,  sed  cum  sententiis  congruens.  .  .  vox  permanens,  verum 
subrauca  natura,  sed  hoc  Vitium  huic  uni  in  bonum  convertebat ;  habebat 
enim  flebile  quiddam  in  questionibus  aptumque  cum  ad  fidem  faciendam  tum 
ad  misericordiam  commovendam.  Gesamtergebnis:  omnium  eloquentissimus 
quos  ego  viderim  (Cic.  Tusc.  5,  55).  Vgl.  de  or.  1,  172  Antonii  incredibilis 
quaedam  .  .  vis  ingenii  videtur,  etiamsi  scientia  iuris  nudata  sit,  posse  se 
facile  ceteris  armis  prudentiae  tueri. 

2.  Seine  Reden,  unter  denen  die  für  M'.  Aquilius  (J.  98)  wohl  die  be- 
rühmteste war,  gab  M.  Antonius  grundsätzlich  nicht  heraus,  nicht  sowohl 
(womit  er  selbst  es  scherzhaft  zu  begründen  pflegte)  aus  advokatischer 
Schlauheit  (§  44,  4)  als  vielmehr  in  der  Erkenntnis,  daß  sie  geschrieben  un- 
möglich gleichen  Eindruck  machen  könnten  wie  von  ihm  vorgetragen.  Nur 
eine  kleine,  wenig  bedeutende  Schrift  de  ratione  dicendi  veröffentlichte  er 
gelegentlich;  s.  Cic.  or.  18.  Brut.  163.  Quint.  3,  1,  19  (hoc  solum  opus  eins, 
atque  id  ipsum  imperfectum,  manet).  3,  6,  45.  Eine  Äußerung  daraus  bei 
Cic.  de  or.  1,  94.  or.  18  (und  danach  bei  Späteren).  Über  angenommene 
Benutzung  s.  §  162,  3.  Die  Nachrichten  über  die  von  Antonius  gehaltenen 
Reden  s.  bei  MKrueger  15. 

3.  L.  Licinius  L.  f.  C.  n.    (CIL.  I2,  27)    Crassus,    geb.  140   (Cic.  Brut. 


284  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

161),  trat  J.  119  zuerst  als  Redner  auf  (annos  natus  XXI,  Cic.  de  or.  3,  74; 
unrichtig  XIX  bei  Tac.  dial.  34;  s.  Nipperdey,  op.  323),  Schüler  des 
Coelius  Antipater  (§  137,  5,  Z.  10);  J.  118  Führer  der  Kolonie  nach  Narbo 
Martius.  Cos.  95,  Censor  92;  damals  wirkte  er  bei  der  Aufhebung  der  rhe- 
tores  latini  (§  44,  9)  mit  (Cic.  de  or.  3,  93.  Tac.  dial.  35)  f  91.  PRE.  4, 
1058,  18.  Söderholm  (A.  1).  MÖtte,  de  L.  Licinio  Crasso,  Lps.  1873.  Krueger 
(A.  1). 

4.  Die  Darstellung,  die  Cicero  in  seiner  Schrift  de  oratore  von  Crassus 
gibt,  ist  dadurch  getrübt,  daß  er  dem  Crassus  seine  eigenen  Ansichten  in 
den  Mund  legt  und  ihn  zu  einem  Vertreter  der  akademischen  Rhetorik 
macht.  Dies  geht  so  weit,  daß  dem  Crassus  sogar  (2,  142  vgl.  1,  190)  die 
Absicht  beigelegt  wird,  ein  Werk  de  iure  civili  in  artem  redigundo  zu 
schreiben.  Ebenso  werden  1,  154  ihm  die  Stilübungen  zugeschrieben,  die 
Cic.  in  seiner  Jugend  gemacht  hat  (vgl.  Quint.  10,  5,  2).  Namentlich  die 
Betonung  der  Notwendigkeit  vielseitiger  Bildung  für  den  Redner  (zB.  1, 
156 ff.)  stammt  aus  dieser  Quelle;  denn  in  Wahrheit  spricht  nichts  dafür, 
daß  sich  Crassus  in  dieser  Hinsicht  von  Antonius  und  andern  VorDehmen 
seiner  Zeit  wesentlich  unterschied  (Cic.  de  or.  2,  1).  Kroll,  RhM.  58,  585. 
Treuer  ist  die  Schilderung  Brut.  143—145.  148.  158—165;  zB.  143  erat 
summa  gravitas,  erat  cum  gravitate  iunctus  facetiarum  et  urbanitatis  . .  lepos; 
Latine  loquendi  accurata  et  sine  mölestia  diligens  elegantia;  in  disserendo 
mira  explicatio;  cum  de  iure  civili,  cum  de  aequo  et  bono  disputaretur ,  ar- 
gumentorum  et  similitudinem  copia.  145  ut  eloquentium  iurisperitissimus 
Crassus,  iurisperitorum  eloquentissimus  Scaevola  (§  154, 1)  putaretur.  158  vehe- 
mens  et  interdum  irata  et  plena  iusti  doloris  oratio,  .  .  idem  et  perornatus 
et  perbrevis.  159  iam  in  altercando  invenit  parem  neminem,  versatus  est  in 
omni  fere  genere  causarum.  162  quin  etiam  comprehensio  et  ambitus  ille  ver- 
borum  (der  Satzbau)  . .  erat  apud  illum  contractus  et  brevis,  et  in  membra 
quaedam,  quae  -neble:  Graeci  vocant,  dispertiebat  orationem  libentius  (vgl.  orat. 
223:  es  ist  die  asianische  Manier).  Tac  dial.  18  Graccho  pölitior  et  orna- 
tior  Crassus.  26  C.  Gracchi  impetum  aut  L.  Crassi  maturitatem.  Macr.  5, 
1,  16  sunt  stili  duo;  .  .  unus  est  maturus  et  gravis,  qualis  Crasso  adsigna- 
tur,  . .  alter  huic  contrarius,  ardens  et  erectus  et  infensus,  quali  est  usus  An- 
tonius.   Über  abfällige  Kritik  des  Rutilius  an  ihm  s.  Cic.  de  or.  1,  227. 

5.  Herausgegebene  Reden  des  Crassus.  Cic.  or.  132  Crassi  perpauca 
sunt,  nee  ea  iudiciorum.  Brut.  160  orationis  eins  (für  die  Vestalin  Licinia, 
J.  113)  scriptas  quasdam  partes  reliquit  . .  exstat  in  eam  legem  (de  colonia 
Narbonem  deducenda)  . .  oratio.  161  haec  Crassi  (pro  lege  Servilia)  cum 
edita  oratio  est  (J.  106),  . .  XXXIV  tum  habebat  annos.  162  est  etiam  L. 
Crassi  in  consulatu  (J.  95)  pro  Q.  Caepione  . .  non  brevis  ut  laudatio,  ut 
oratio  autem  brevis.  postrema  censoris  oratio,  in  his  omnibus  inest  quidam 
sine  ullo  fueo  veritatis  color.  163  vellem  plura  Crasso  libuisset  scribere. 
164  multa  in  illa  oratione  (pro  lege  Servilia)  . .  dieta  sunt,  plura  etiam  dieta 
quam  scripta,  quod  ex  quibusdam  capitibus  expositis  nee  explicatis  intellegi 
potent,  ipsa  illa  censoria  contra  Cn.  Domitium  collegam  non  est  oratio,  sed 
quasi  capita  rerum  et  orationis  commentarium  paulo  plenius.  Vgl.  §  44,  7. 
MÖtte  aO.  41.  Die  verhältnismäßige  Einfachheit  seiner  Redeweise  war  nicht 
nach  dem  Geschmacke  der    späteren  Rhetorik.    Nur  durch  Cicero  sind  uns 


§  152.  Der  Redner  Crassus.    §  153.  Andere  Redner  285 

einzelne  Stellen  aus  seinen  Reden  erhalten;  s.  Krueger  35.  Diese  Proben 
zeigen  häufige  Anwendung  der  Anaphora  und  der  rhetorischen  Frage  und 
sind  eben  wegen  ihrer  Lebendigkeit  angeführt,  geben  daher  nur  von  einer 
Seite  der  Beredsamkeit  des  Crassus  ein  Bild. 

153.  Neben  diesen  beiden  hervorragenden  Rednern  besaß  jene 
Zeit  tüchtige  Vertreter  der  Beredsamkeit  an  dem  Juristen  Q.  Scae- 
vola  (Cos.  95)  und  an  L.  Marcius  Philippus  (Cos.  91);  unter  den 
etwas  Jüngeren  waren  die  bedeutendsten  Redner  C.  Iulius  Caesar 
Strabo,  der  auch  Komödien  verfaßte,  C.  Aurelius  Cotta  (Cos.  75) 
und  P.  Sulpicius  Rufus,  neben  dem  auch  C.  Scribonius  Curio  (Cos.76) 
zu  erwähnen  ist. 

1.  Über  Scaevola  s.  §  154,  1. 

2.  L.  Marcius  Philippus,  geb.  um  144,  Cos.  91,  Censor  86,  gest. 
nach  77.  PRE.  4,  1538.  Cic.  Brut.  173  duobus  summis,  Crasso  et  Antonio, 
L.  Philippus  proxumus  accedebat,  sed  longo  intervallo  tarnen  proxumus. 
. .  erat  in  Philippo  . .  summa  libertas  in  oratione,  multae  facetiae;  . .  erat  . . 
Graecis  doctrinis  institutus,  in  altercando  cum  aliquo  aculeo  et  mdledicto 
facetus  (vgl.  166).    Da  er  aus  dem  Stegreif  zu  sprechen   pflegte  (Cic.  de  or. 

2,  316),  so  kennen  wir  nur  einige  aus  der  Erinnerung  angeführte  Worte 
aus  Reden  von  ihm,  bei  Cic.  off.  2,  73.  de  or.  3,  2.  Sallust  (hist.  I)  legt 
ihm  eine  Rede  gegen  Lepidus  (J.  78  f.)  in  den  Mund. 

3.  C.  Iulius  L.  f.  Caesar  Strabo  (CIL.  1,  p.  278,  IV,  auch  Sesquicu- 
lus  und  Vopiscus,  Mar.  Victor.  GL.  6,  8.  Varro  RR.  1,  7,  10.  Cic.  Phil. 
11,  11),  aed.  cur.  (J.  90;  Cic.  Brut.  305.  Ascon.  p.  26,  24,  somit  geb.  um 
J.  120);  Quaestor,  tr.  mil.  bis,  Xvir.  agr.  dand.  adtr.,  iud.,  pontif.  (nach  dem 
elogium  im  CIL.  aO.),  J.  87  mit  seinem  älteren  Bruder  Lucius  (Cos.  90)  von 
den  Marianern  erschlagen.  Cic.  Brut.  177  festivitate  et  facetiis  C.  Iulius  L. 
f.  et  superioribus  et  aequalibus  suis  omnibus  praestitit  oratorque  fuit  minume 
ille  quidem  vehemens,  sed  nemo  umquam  urbanitate,  nemo  lepore,  nemo  sua- 
mtate  conditior  (vgl.  de  or.  2,  98.  off.  1,  133.  Tusc.  5,  55).  sunt  eius  aliquot 
orationes,  ex  quibus,  sicut  ex  eiusdem  tragoediis,  lenitas  eius  sine  nervis  per- 
spici  potest.  de  or.  3,  30  novam  quandam  rationem  attulit  orationis.  . .  res 
. .  tragicas  paene  comice,  tristes  remisse,  severas  hilare,  forenses  scaenica  prope 
venustate  tractavit.  Wegen  dieser  Begabung  läßt  ihn  Cic.  in  de  or.  B.  2  den 
Vortrag  über  den  Witz  halten.  Ascon.  aO. :  idem  inter  primos  temporis  sui 
oratores  et  tragicus  poeta  bonus  admodwm  habitus  est.  huius  sunt  enim  tra- 
goediae,  quae  inscribuntur  Iuli.  Von  letzteren  kennen  wir  die  Titel  Adrastus, 
Teuthras,  Tecmessa;  Welcker,  Trag.  1398.  Ribbeck,  trag.3  263;  röm.  Trag. 
610.    Vgl.  §  134,  3.    Die  Reste  seiner  Reden  bei  Meyer2  330.    PRE.  4,  426,  8. 

4.  C.  Aurelius  M.  f.  Cotta,  geb.  um  J.  124  (Cic  Brut.  301),  91—82 
in  der  Verbannung,  Cos.  75,  f  74.  Klebs,  PW.  2,  2482.  Cic  Brut.  182  aetate 
inferiores  paulo  quam  Iulius,  sed  aequales  propemodum  fuerunt  C.  Cotta, 
P.  Sulpicius,  Q.  Varius,  Cn.  Pomponius  (vgl.  ebd.  221.  308;  dagegen  de  or. 

3,  50);  C.  Curio  (A.  6),  C.  Carbo  (Praetor  85,  f  82;  Brut.  221),  L.  Fuftus 
(Brut.  222),  M.  Drusus  (ebd.),  P.  Antistius  (ebd.  226).  . .  ex  Ms  Cotta  et 
Sidpicius  cum  meo  iudicio  tum  omnium  facile  primas  tulerunt.    Vgl.  de  or. 


286  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

1,  30.  or.  204.  Ascon.  p.  53,  19.  Cic.  Brut.  202  inveniebat  acute  Cotta,  dice- 
bat  pure  ac  solute.  . .  nihil  erat  in  eius  oratione  nisi  sincerum,  nihil  nisi 
siccum  atque  sanum  (vgl.  317.  or.  106.  de  or.  2,  98.  3,  31).  Zu  dieser  ver- 
ständigen Weise  stimmte  es  auch,  daß  er  die  Philosophie  schützte  und  sich 
an  die  neue  Akademie  (und  Antiochos)  anschloß;  s.  Cic.  de  deor.  nat.  1,  16. 

2,  1.  de  div.  1,  8.  Veröffentlicht  hat  er  keine  Reden  (or.  132).  Cottae  pro 
se  lege  Varia  quae  inscribitur,  eam  L.  Aelius  (§  148,  1)  scripsit  Cottae  ro- 
gatu,  Brut.  205;  vgl.  207  Cottam  miror,  summum  ipsum  oratorem  minumeque 
ineptum,  Aelianas  levis  oratiunculas  voluisse  existumari  suas.  Sallust.  (hist.) 
legt  ihm  eine  oratio  ad  populum  rom.  in  den  Mund.  Cicero  läßt  ihn  in  de 
or.  und  de  deor.  nat.  am  Dialoge  teilnehmen.    Meyer,  orat.2  339. 

5.  P.  Sulpicius  Rufus,  Altersgenosse  des  Vorigen,  etwa  121  geb.,  als 
Volkstribun  J.  88  von  den  Sullanern  geächtet  und  getötet.  PRE.  6,  1495,  35. 
Cic.  Brut.  203  fuit  Sulpicius  vel  maxime  omnium,  quos  quidem  ego  audive- 
rim,  grandis  et  ut  ita  dicam  tragicus  orator.  vox  cum  magna  tum  suavis  et 
splendida;  gestus  et  motus  corporis  venustus;  . .  incitata  et  volubilis,  nee  ea 
redundans  tarnen  nee  circumfluens  oratio.  Crassum  hie  volebat  imitari,  Cotta 
malebat  Antonium  (nach  Ciceros  Schilderung  der  Redeweise  beider  möchte 
man  dies  eher  umkehren);  sed  ab  hoc  vis  aberat  Antoni,  Crassi  ab  illo  lepos. 
Vgl.  de  or.  1,  131.  2,  88.  96.  3,  31.  de  har.  resp.  41.  Brut.  205  (vgl.  or.  132) 
Sulpici  orationes  quae  feruntur,  eas  post  mortem  eius  scripsisse  P.  Canutius 
putatur,  aequalis  meus,  homo  extra  nostrum  ordinem  meo  iudicio  disertissi- 
mus.  ipsius  Sulpici  nulla  oratio  est,  saepeque  ex  eo  audivi,  cum  se  scribere 
neque  consuesse  neque  posse  diceret.  Über  jenen  Cannutius  (dies  die  bessere 
Schreibung,  Nipperdey,  op.  307)  Cic.  Cluent.  29.  50.  58.  7 3 f.;  ein  Fragment 
bei  Prisc.  GL.  2,  381,  12. 

6.  Cic.  Brut.  207  Ms  duobus  (Cotta  und  Sulpicius)  eiusdem  aetatis  ad- 
numerabatur  nemo  tertius,  sed  mihi  placebat  (Cn.)  Pomponius  (s.  A.  4)  ma- 
xume,  vel  dicam  minume  displicebat.  210  erant  tarnen  quibus  videretur  illius 
aetatis  tertius  Curio,  quia  splendidioribus  fortasse  verbis  utebatur  et  quia 
Latine  non  pessime  loquebatur,  usu,  credo,  aliquo  domestico.  nam  litterarum 
admodum  nihil  sciebat.  213  fll.,  dort  auch  über  sein  Schaukeln  beim  Vortrag, 
das  ihm  den  Spottnamen  Burbuleius  eintrug  (Val.  Max.  9,  14,  5.  Plin.  NH. 
7,  55).  Vgl.  §  136,  12.  Als  Curio  pater  (vgl.  §  209,  1)  angeführt  bei  Prisc 
GL.  2,  385,  11  u.  Plin.  QVerz.  zu  B.  3  (Geographie).  Volkstribun  war  dieser 
C.  Scribonius  J.  90,  Consul  76,  und  starb  53;  PRE.  6,  879,  11.  Er  war  ein 
erbitterter  Feind  des  Caesar  (Suet.  Iul.  9.  49.  50.  52)  und  verfaßte  gegen 
ihn  eine  Streitschrift  in  dialogischer  Form;  s.  Cic.  Brut.  218.  Auch  war  er 
Pontifex  maximus  und  vielleicht  Schriftsteller  über  sakrale  Dinge;  daher 
Varros  Logistoricus  Curio  de  eultu  deorum. 

7.  Cic.  Brut.  174  horum  (Antonius,  Crassus,  Philippus)  aetati  prope 
coniunetus  L.  Gellius  . .  nee  erat  indoctus  nee  tardus  ad  exeogitandum  nee 
Bomanarum  rerum  immemor  et  verbis  solutus  satis.  sed  in  magnos  orator  es 
ineiderat  eius  aetas  ..  ita  diu  vixit  (etwa  J.  136  —  etwa  54),  ut  multarum 
aetatum  oratoribus  implicaretur.  Vgl.  ebd.  105  (familiaris  noster  L.  Gellius). 
Consul  war  er  J.  72,  Censor  70.  Münzer,  PW.  7,  1001.  LSchwabe,  Quaest. 
Catull.  112. 

8.  Außer   den    genannten    erwähnt  Cicero   im  Brutus    noch    eine    große 


§  153.  Sulpicius  Rufus  u.  a.  Redner.    §  154.  Q.  Mucius  Scaevola      287 

Anzahl  von  solchen,  die  Reden  hielten  (qui  tantum  in  dicentium  numero, 
non  in  oratorum  fuerunt,  176)  oder  gar  nur  clamatores  (182)  waren.  Er 
konnte  hierbei  nahezu  jeden  aufführen,  den  die  Magistratsverzeichnisse  ent- 
halten, kümmert  sich  aber  ziemlich  wenig  um  die  chronologische  Ordnung, 
sondern  schüttet  ab  und  zu  einen  Sack  voll  Namen  mit  magerer  Charakte- 
ristik aus,  wie  165f.  168f.  175.  178—180.  Noch  am  ehesten  erwähnenswert 
sind  die,  welche  in  dieser  Zeit  apud  socios  et  Latinos  oratores  habiti  sunt  (169), 
nämlich  Q.  Vettius  Vettianus  e  Marsis,  Q.  et  B.  Valerii  Sorani  (s.  §  147, 1  gE), 
C.  Rusticelius  Bononiensis,  und  besonders  omnium  eloquentissimus  extra  hanc 
urbem  T.  Be  tut  ins  Barrus  Asculanus,  cuius  sunt  aliquot  orationes  Asculi 
habitae  et  illa  Romae  contra  Caepionem  (§  136,  10  gE)  nobilis  sane,  cui  ora- 
tioni  Caepionis  ore  respondit  Aelius  (§  148,  1),  Brut.  169.  Ebd.  304  heißen 
oratores  non  Uli  quidem  principes  L.  Memmius  (vgl.  ebd.  136.  247)  et  Q.  Pom- 
peius, sed  oratores  tarnen.  Letzterer  Q.  Pompeius  Rufus  (Cos.  88)  etiam 
ipse  scripsit  eas  (orationes),  quibus  pro  se  est  usus,  sed  non  sine  Aelio  (ebd. 
206).    Daraus  ein  Zitat  bei  Prisc.  GL.  2,  385,  10? 

154.  Nächst  der  Beredsamkeit  entfaltete  die  mit  ihr  unmittel- 
bar zusammenhängende  Rechtsgelehrsamkeit  in  dieser  Zeit  das 
meiste  Leben.  Sie  hatte  einen  glänzenden  Vertreter  an  dem  Pontifex 
Q.  Scaevola  (Cos.  95),  einer  der  wohltuendsten  Gestalten  des  Römer- 
tunis. Ebenso  gründlich  wie  vielseitig  gebildet,  dabei  feind  aller  Pe- 
danterie, redegewandt  und  ein  freisinniger  Charakter  von  unbeug- 
samer Rechtlichkeit  und  ungetrübter  Lauterkeit  verkörperte  er  das 
Ideal  von  einem  Manne  des  Rechts,  dem  er  als  Sachwalter,  Ratgeber, 
Lehrer  und  Schriftsteller  sein  Leben  weihte.  Er  war  der  erste,  der 
mit  Anlehnung  an  die  stoische  Logik  eine  systematische  Bearbei- 
tung der  Rechtswissenschaft  unternahm,  die  allen  Nachfolgern  als 
Grundlage  diente.  Neben  seinen  Schriften  lebte  er  auch  durch  zahl- 
reiche Schüler  fort,  unter  denen  die  hervorragendsten  Lucilius  Baibus 
und  Aquilius  Gallus  waren.  Neben  ihm  wirkten  als  Juristen  beson- 
ders Sex.  Pompeius,  Aculeo  und  Q.  Cornelius  Maximus. 

1.  Q.  Mucius  P.  f.  (Sohn  des  §  133,  4  besprochenen)  P.  n.  Scaevola, 
Freund  des  Redners  L.  Crassus  (§  152,  3)  und  sein  Amtsgenosse  in  allen 
Ämtern  (zB.  dem  Consulat  95)  außer  der  Zensur  und  dem  Yolkstribunat ; 
Statthalter  in  Asien  (Ehrung  für  ihn:  Foucart,  Rev.  Phil.  25,  85);  von  den 
Marianern  ermordet  J.  82;  vgl.  Zimmern,  Privatrecht  1,  1,  284.  PRE.  5,  184, 11. 
Von  seinem  gleichnamigen  Oheim  (§  139,  3)  unterschied  man  ihn  durch  die 
Bezeichnung  als  pontifex  maximus,  zB.  Ascon.  p.  54,  12  Q.  Mucium  Scae- 
volam  pontificem  max.  eundemque  et  oratorem  et  iurisconsultum  significat. 
L.  Crassus  nennt  ihn  bei  Cic.  de  or.  1,  180  aequalis  et  collega  meus,  homo 
omnium  et  disciplina  iuris  civilis  eruditissimus  et  ingenio  prudentiaque  acu- 
tissimus  et  oratione  maxime  limatus  . .  atque ,  ut  ego  soleo  dicere,  iuris  peri- 
torum  eloquentissimus,  eloquentium  iuris  peritissimus.  Seine  Redeweise  zeich- 
nete sich   aus    durch   Klarheit,    Feinheit   und  Bündigkeit    des    Ausdruckes, 


288  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

s.  Cic.  de  or.  1,  229  dixit  . .  more  suo,  nullo  apparatu,  pure  et  dilucide  (was 
auf  stoische  Redeweise  hindeutet).  Brut.  145.  148.  163  (Scaevolae  dicendi 
elegantiam  satis  ex  iis  orationibus  quas  reliquit  habemus  cognitam).    De  or. 

1,  45  Panaetii  tui  läßt  auf  ein  Schülerverhältnis  schließen.  Wie  an  den 
Stellen,  wo  ein  Scaevola  kurzweg  und  fast  sprichwörtlich  genannt  ist  (wie 
bei  Hör.  E.  2,  2,  89),  vorzugsweise  an  ihn  als  den  berühmtesten  Träger 
dieses  Namens  zu  denken  sein  wird,  so  könnte  er  auch  der  von  Quint.  11, 

2,  38  wegen  seiner  Gedächtnisstärke  erwähnte  Scaevola  sein.  Sein  Interesse 
für  Systematisierung  des  ius  civile,  zumal  die  Schrift  Ttsgl  oqcov  (A.  2gE.) 
macht  glaublich,  daß  er  zur  Stoa  hielt  und  daß  er  der  doctissimus  pontifex 
(maximus)  Scaevola  ist,  von  dem  Augustin.  de  civ.  dei  4,  27  (nach  Varro) 
die  stoische  Dreiteilung  der  Götterlehre  (Götter  der  Dichter,  der  Philosophen, 
der  Staatsmänner)  und  sehr  freigeistige  Äußerungen  über  die  Volksreligion 
anführt;  s.  EZeller,  Vortr.  u.  Abh.  2  (Lpz.  1877)  119:  nur  sollte  nicht  aus 
der  Ungefährlichkeit  solcher  Äußerungen  abgeleitet  werden,  was  vielmehr 
Ausfluß  der  stoischen  Lehre  (§  166,  4)  und  der  allezeit  bewährten  Offenheit 
des  Scaevola  war. 

2.  Pompon.  dig.  1,  2,  2,  41  Q.  Mucius  P.  f.  pontifex  maximus  ius  civile 
primus  constituit,  generatim  in  libros  XVIII  redigendo.  Vgl.  Gell.  6,  15,  2 
Q.  Scaevola  in  librorum  quos  de  iure  civili  composuit  XVI0.  Zum  erstenmal 
erschien  hier  ein  umfassendes  einheitliches  und  gegliedertes  System  anstatt 
der  früheren  Gesetzesausdeutung  und  Kasuistik,  der  Gutachten  und  Präju- 
dizien. Er  hat  geleistet,  was  Crc.  de  or.  1,  190  den  Crassus  (§  152,  4)  als 
Ideal  hinstellen  läßt:  ut  primum  omne  ius  civile  in  genera  digerat,  quae  per- 
pauca  sunt,  deinde  eorum  generum  quasi  quaedam  membra  dispertiat,  tum 
propriam   cuiusque  vim  deßnitione  declaret.    S.  Rudorff,  röm.  Rechtsgesch. 

1,  161.  Karlowa,  röm  RGesch.  1,481.  Vgl.  MVoigt,  Abh.  sächs.  Ges.  7,  337 
(daselbst  sogar  Taf.  1  der  Versuch  einer  Wiederherstellung  der  Anlage  des 
Werkes;  vgl.  Bremer  62).  Es  war  getragen  von  dem  spezifisch  römischen 
Grundgedanken  des  freien  Verfügungsrechtes,  letztwillig  und  unter  Leben- 
den (uti  legassit  super  familia  tutelave,  ita  ius  esto,  dig.  50,  16,  120  vgl.  122. 
Gell.  4,  1,  17.  dig.  33,  9,  3  pr.  34,  2,  27  pr.),  woran  sich  die  Verpflichtung 
anderer  aus  Verletzungen  und  Verträgen  (Gell.  6,  15,  2.   dig.  17,  2,  30.    47, 

2,  76,  1),  sowie  die  Rechtsverfolgung  (dig.  19,  5,  11)  anschloß.  Die  Rück- 
sicht auf  den  Landbau  trat  hervor,  die  auf  den  Handel  zurück.  In  B.  2 
war  von  den  Legaten,  in  B.  14  von  den  Gesellschaften,  in  B.  16  vom  Dieb- 
stahl gehandelt.  An  dieses  Werk  lehnte  sich  die  Rechtsschriftstellerei  der 
nächsten  Zeit  ergänzend,  weiterbildend  und  berichtigend  an.  Vgl.  §  49,  6. 
So  schrieb  Ser.  Sulpicius  Notata  Mucii  (dig.  17,  2,  30  vgl.  Gell.  4,  1,  20  in 
reprehensis  Scaevolae  capitibus.  Gai.  inst.  1,  188  vgl.  3,  149),  Laelius  Felix 
Ad  Q.  Mucium  (Gell.  15,  27,  1.  4),  Gaius  (1,  188)  Ex  Q.  Mucio,  und  Sex. 
Pomponius  (§  350,  8)  Ad  Q.  Mucium  lectionum  libri  XXXIX;  dieses  letztere 
Werk  ist  in  den  Pandekten  statt  des  nicht  exzerpierten  Werkes  des  Q.  Mu- 
cius selbst  sehr  häufig  ausgezogen  und  ist  wohl  auch  dig.  41,  1,  53  f.  ge- 
meint (Zimmern  aO.  287,  A.  28).  Außer  diesem  Hauptwerke  verfaßte  Scaevola 
ein  Handbuch,  über  singularis  oqcov  (definitionum),  wohl  eine  kritische  Zu- 
sammenstellung von  regulae  iuris.  Es  wird  in  den  Pandekten  viermal  an- 
geführt (vgl.  35,  1,  7  pr.  Muciana  cautio),  und  ist  das  älteste  in  ihnen  be- 


§  154.  Q.  Scaevola  u.  a.  Juristen  289 

nutzte  Werk.  Unverfälscht  liegen  uns  Mucius'  Worte  kaum  irgendwo  vor. 
—  Die  Fragmente  in  Huschkes  IA.6  17.  Bkemer,  IAH.  1,  48.  —  ASchneider 
(§  133,  4E.)  22. 

3.  Pompon.  dig.  1,  2,  2,  42  Mucii  auditores  fuerunt  complures,  sed  prae- 
cipuae  auctoritatis  Aquilius  Gallus,  Baibus  Lucilius,  Sex.  Papirius,  C.  Iuven- 
tius.  . .  omnes  tarnen  hi  a  Ser.  Sulpicio  nominantur.  alioquin  per  se  eorum 
scripta  non  talia  exstant  ut  ea  omnes  appetant;  denique  nee  versantur  om- 
nino  scripta  eorum  inter  manus  hominum,  sed  Servius  (eis)  libros  suos  com- 
plevit,  pro  cuius  scriptum  ipsorum  quoque  memoria  habetur.  Unter  diesen 
gehört  sicher  Gallus  (§  174,  1)  der  ciceronischen  Zeit  an,  wie  Cicero  selbst 
eine  Zeit  lang  Zuhörer  bei  den  responsa  auch  (§  139,  3)  dieses  Q.  Scaevola 
war  (Lael.  1).  Sex.  Papirius  und  C.  Iuventius  sind  sonst  nicht  bekannt, 
falls  nicht  jener  das  ius  Papirianum  (§  71)  zusammengestellt  hat;  bei  Cic. 
Brut.  178  wird  einem  T.  Iuventius  zwar  Trockenheit  als  Redner,  dabei  je- 
doch magna  iuris  civilis  intellegentia  zugeschrieben.  L.  Lucilius  Baibus,  doc- 
tus  et  eruditus  homo  von  bedächtiger  Langsamkeit  (Cic.  Brut.  154),  war  der 
frühere  Lehrer  des  Ser.  Sulpicius  (§  174,  2). 

4.  Juristen  neben  Scaevola  waren,  außer  Antipater  (§  137,  5),  Q.  Tubero 
(§  139,  2)  und  Rutilius  Rufus  (§  142,  2),  auch  Q.  Lucretius  Vispillo  (in  pri- 
vatis  causis  et  acutus  et  iurisperitus ,  Cic.  Brut.  178)  und  Paulus  (Pompon. 
aO.  40:  richtiger  nach  Cic.  Lael.  101  Aulus)  Yerginius,  sowie  Volcacius,  der 
Lehrer  des  A.  Cascellius  (Plin.  NH.  8,  144;  vgl.  Mommsen  zu  den  dig.  1,  2, 
2,  45),  und  wohl  auch  C.  Sextius  Calvinus  (§  141,  6),  Pontidius  (Cic.  de  or. 
2,  275),  sowie  M.  Buculeius  (ebd.  1,  179). 

5.  Sex.  Pompeius,  Gnaei  Pompei  (Magni)  patruus  (Pompon.  dig.  1,  2, 
2,  40);  praestantissimum  ingenium  contulerat  ad  summam  iuris  civilis  et  ad 
perfeetam  geometriae  et  rerum  stoiearum  scientiam  (Cic.  Brut.  175  vgl.  de 
or.  1,  67.  3,  78.  off.  1,  19).  —  Wer  ist  der  bei  Fest.  170a,  25  (für  altlat. 
numero  =  nimiumf)  zitierte  Pompeius  Sextus? 

6.  Der  römische  Ritter  C.  (Visellius)  Aculeo  (PRE.  6,  2679,  1  u.  2),  der 
Freund  des  Redners  L.  Crassus  (Cic.  de  or.  2,  2),  verstand  nach  Cic.  de  or. 
1,  191  ita  ius  civile,  ut  ei  (außer  Q.  Scaevola)  nemo  de  eis  qui  peritissimi 
sunt  anteponatur,  und  vererbte  seine  Rechtskenntnis  auf  seinen  Sohn  C.  Vi- 
sellius Varro;  Brut.  264.  Dieser  wird  dort  auch  als  Redner  gerühmt;  ein 
Fragment  aus  einer  seiner  Reden  bei  Prisc.  GL.  2,  386,  7. 

7.  Q.  Cornelius  Maximus,  nur  bekannt  als  der  Lehrer  des  Trebatius 
Testa  (s.  §  207,  3)  und  aus  Cic  ep.  7,  13,  3  (idem  Q.  Cornelio  videbatur, 
vgl.  ebd.  7,  8,  2).  Vgl.  auch  Gai.  inst.  1,  136  (Maximus).  Dig.  33,  7,  16,  1 
(Cornelius). 

155.  Unter  den  Annalisten  dieser  Jahrzehnte  zeigt  Q.  Clau- 
dius Quadrigarius  darin  einen  gewissen  Fortschritt,  daß  er  die 
älteste  Sagengeschichte  beiseite  ließ  und  seine  römische  Geschichte 
erst  mit  dem  Einfall  der  Gallier  begann.  Auch  sonst  unterscheidet 
er  sich  immerhin  zu  seinem  Vorteil  von  dem  zeitlich  nicht  genau 
bestimmten  Valerius  Antias.  Dieser  ist  zwar  mit  seinem  sehr 
ausführlichen  Werke  der  bedeutendste  unmittelbare  Vorgänger  des 

Teuffei:  röm.  Literaturgesch.    Neub.  6.  Aufl.  I.  19 


290  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

Livius,  erscheint  jedoch  diyxh  seine  willkürlichen  Ausmalungen, 
ungeheuerlichen  Zahlenangaben  und  das  Bestreben,  sein  Geschlecht 
zu  verherrlichen,  als  ein  bezeichnender  Vertreter  der  jüngeren  An- 
nalistik.  Cn.  Aufidius  schrieb  sein  Geschichtswerk  wieder  srrie- 
chisch. 

1.  Vellei.  2,  9,  6  aequalis  Sisennae  . . .  Claudius  Quadrigarius  (s.  A.  2). 
Die  Person  des  Cl.  ist  unbekannt.  Der  Name  Quadrigarius,  der  ein  eigent- 
liches römisches  Cognomen  nicht  gewesen  sein  kann,  kommt  bei  Livius  nicht 
vor,  aber  bei  Velleius,  Seneca  und  Späteren,  und  ist  wohl  eine  Art  litera- 
rischen Spitznamens  (Vermutungen  über  seine  Bedeutung  bei  Unger  aO.  12 ; 
Mommsen,  röm.  Forsch.  2,  426).  Als  Titel  seines  Hauptwerkes  ist  Annales 
durch  Gellius  verbürgt.  Die  höchste  uns  bekannte  Buchzahl  ist  Q.  Claudius 
in  XXIII  annali  bei  Gell.  10,  13,  4.  Daß  schon  das  erste  Buch  von  der 
Eroberung  Roms  durch  die  Gallier  handelte,  zeigen  die  Überreste.  Dieser 
Beginn  seines  Werkes  zeugt  entschieden  für  den  auch  sonst  bewährten  kri- 
tischen Blick  des  Verfassers,  ebenso  seine  Beachtung  der  Chronologie  und 
der  inneren  Angelegenheiten.  Allerdings  hat  auch  er  (vgl.  A.  3)  bei  Schlacht- 
berichten auf  feindlicher  Seite  ungeheuere  Verlustzahlen  (Liv.  33,  10,  9.  38, 
23,  8.  Oros.  5,  3,  2.  5,  20,  6),  doch  braucht  man  diese  nicht  nur  auf  Rech- 
nung der  Geschichtschreiber  zu  setzen,  sondern  namentlich  auch  auf  schön- 
färbende Feldherrnberichte  (man  beachte,  neben  den  hohen  Zahlen  der 
Toten,  die  niedrigen  —  weil  kontrollierbaren  —  der  Gefangenen:  Liv.  36, 
19,  12.  36,  38,  8.  40,  28,  6.  40,  33,  6).  Vgl.  Unger  aO.  17.  —  Nach  der 
herrschenden  Gewohnheit  wird  Cl.  sein  Werk  bis  auf  seine  Zeit  fortgeführt 
haben;  in  Buch  XIX  kam  Sullas  Krieg  gegen  Archelaos  und  Mariue1  sie- 
bentes Consulat  (J.  87)  vor.  Die  späteste  sichere  Angabe  ist  aus  J.  82  bei 
Oros.  5,  20  {Claudius  historicus).  Das  erste  Buch  erzählte  noch  den  zweiten 
Samniterkrieg  (wenigstens  bis  zum  J.  320),  das  dritte  Buch  bereits  den 
ersten,  B.  5  und  6  den  zweiten  punischen  Krieg.  Daher  muß  die  Behand- 
lung des  Stoffes  sehr  ungleichmäßig  gewesen  sein:  anfangs  ganz  übersicht- 
lich, dann  in  zunehmender  Breite  je  näher  der  Verfasser  seiner  eigenen 
Zeit  kam,  so  daß  er  auch  selbstverfaßte  Reden  und  (Gell.  1,  7,  9.  3,  8,  8) 
Briefe  seiner  Erzählung  einverleibte.  Auch  im  einzelnen  war  die  Darstellung- 
umständlich.  Die  Sprache  ist  altertümlich,  aber  gelegentlich  blumenreich, 
die  Sätze  voll  wuchtiger  Worte,  aber  kurz  und  knapp,  und  unvermittelt 
nebeneinander  gerückt:  daher  sehr  nach  dem  Geschmacke  der  Zeit  des 
Fronto;  s.  Fronto  bei  Gell.  13,  29,  2  vir  modesti  atque  puri  ac  prope  coti- 
diani  sermonis  und  ep.  p.  114,  3  historiam  scripsere  . .  Claudius  lepide,  An- 
tias  invenuste,  Sisenna  longinque.  Gell.  15,  1,  4  Q.  Claudi,  optumi  et  since- 
rissimi  scriptoris;  9,  13,  4  Q.  Claudius  . .  purissime  atque  inlustrissime  sim- 
plicique  et  incompta  orationis  antiquae  suavitate  descripsit.  Dionysius  von 
Halikarnass  erwähnt  ihn  nicht;  Livius  nennt  ihn  zehnmal,  teilweise  gegen 
ihn  polemisierend.  Er  scheint  ihn  besonders  in  der  zweiten  Hälfte  der 
ersten  Dekade  und  in  der  vierten  und  fünften  Dekade  neben  Val.  Ant.  be- 
nutzt zu  haben.  S.  Unger  aO.  Die  meisten  Überreste  verdanken  wir  dem 
Gellius.  Sammlung  derselben  HPeter,  HRR.  1,  205;  HRF.  136.  —  Quadri- 
o-arius  könnte  auch  sein  derjenige  Claudius,  qui  annales  Acilianos  ex  graeca 


§  155.  Claudius  Quadrigarius  und  Valerius  Antias  291 

in  latinum  sermonem  vertu,  bei  Livius  25,  39,  12  (s.  §  127,  2);  aber  das  ist 
höchstens  eine  Möglichkeit.  Sicher  aber  darf  man  diese  Übersetzung  und 
die  Annalen  des  Cl.  nicht  für  ein  Werk  halten,  da  die  Annalen  des  Cl. 
erst  mit  dem  Einfall  der  Gallier,  die  des  Acilius  aber  mit  der  Gründung 
Roms  begannen.  Andere  haben  mit  Unrecht  gezweifelt,  ob  man  wegen  Liv. 
aO.  notwendig  an  eine  'Übersetzung'  des  Acilischen  Werks  durch  Claudius 
denken  müsse,  und  wie  Liv.  35,  14,  5  so  auch  jene  Stelle  nur  von  einer  Be- 
nutzung der  griechischen  Annalen  des  Acilius  in  den  lateinischen  des  Cl. 
verstanden.  Vgl.  HPeter,  JJ.  125,  104.  Cantarelli,  riv.  fil.  12,  1.  —  Plu- 
tarch  Num.  1  KXmSiog  ng  iv  iXsy^co  %q6vcov  —  ovrco  ydg  7tcag  iniyiyQUTtxai 
xo  ßißXlov  —  v.xX.  meint,  obwohl  gerade  dort  von  dem  Verluste  der  älteren 
Aufzeichnungen  iv  xolg  KsXxiKotg  itd&sai  xfig  noXscog  die  Rede  ist,  wohl 
keinesfalls  den  Cl.  Quadr.  (Appian.  Gall.  1,  3  iv  %Qovmccig  6vvrcc^s6i  donzi 
TLuvlco  t(p  Klttvdlcp  könnte  allenfalls  auf  dieses  Werk  gehen).  Der  bei  Cic. 
leg.  1,  6  (§  37,  5)  als  Nachfolger  des  Antipater  genannte  Clodius  ist  wohl 
für  Cl.  Quadr.  zu  halten.  S.  Unger  aO.  11.  —  Über  Claudius  s.  Giesebrecht, 
über  Q.  Cl.  Quadr.,  Prenzlau  1831.  Nissen,  krit.  Unters.  39.  Peter,  HRR. 
1,  ccxlv.   cclxxxvii.    ccxcvin.     FUnger,   Phil.  Suppl.  3,  2,  4  fll.     Niese,   PW. 

3,  2858.    Kahrstedt,  Die  Annalistik  von  Liv.  31 — 45  S.  95. 

2.  Valerius  Antias  (wohl  Nachkomme  des  Valerius  Antias  bei  Liv. 
23,  34,  9),  Verfasser  eines  bald  Annales  bald  Historiae  (oder  Historia)  ge- 
nannten Geschichtswerkes  von  mindestens  75  Büchern  (B.  75  zitiert  Gell.  6, 
9,  17;  B.  74  Priscian.  GL.  2,  489;  Münzer,  Herrn.  32,  469  ändert  mit  Unrecht 
die  hohen  Buchzahlen),  das  mit  der  Urzeit  Roms  begann  (Gell.  7,  7,  6;  erst 
das  zweite  Buch  handelte  von  Numa,  das  22.  von  der  sponsio  des  Ti.  Grac- 
chus, J.  136)  und  mit  immer  steigender  Ausführlichkeit  bis  in  die  sulla- 
nische  Zeit  herabreicht;  er  hatte  noch  von  den  Erben  des  J.  91  gestorbenen 
Redners  M.  Crassus  gesprochen,  Plin.  NH.  34,  14.    Holzapfel,  Riv.  stör.  ant. 

4,  51.  456  läßt  das  Werk  bis  zum  Tode  Caesars  reichen.  Über  die  Lebens- 
zeit des  Valerius  sind  wir  nicht  genau  unterrichtet.  MVoigt,  Abh.  d.  sächs. 
Ges.  d.  Wiss.  7,  776  behauptet,  daß  Valerius  sein  Werk  erst  um  J.  45  ver- 
faßt habe,  Holzapfel  erst  nach  J.  44,  was  schon  durch  Vell.  2,  9,  6  wider- 
legt würde  (vetustior  Sisenna  [§  156,  1]  fuit  Caelius  [§  137,  5],  aequalis 
Sisennae  Mutüius  [§  142,  3]  Claudiusque  Quadrigarius  [oben  A.  1]  et 
Valerius  Antias.  Sane  non  ignoremus  eadem  aetate  fuisse  Pomponium 
[§  151,  4]  etc.),  falls  dessen  chronologische  Angaben  zuverlässiger  wären.  In 
der  Sprache  fanden  sich  manche  Archaismen  (fr.  14.  16.  57  ff.  61  f.).  — 
Dionys.  Hal."  nennt  ihn  2,  13  und  1,  7  (s.  §  37,  5)  unter  den  iitcavoviisvoi. 
der  röm.  Geschichtschreiber  und  hat  aus  ihm  vieles  (zB.  was  zur  Verherr- 
lichung von  Valerii  dient);  AKiessling,  de  Dionys.  Hai.  auct.  20.  MVoigt 
aO.  685.  777.  Auch  Plutarchs  Poplicola  scheint  vorzugsweise  aus  ihm  ge- 
schöpft zu  sein  (HPeter,  die  Quellen  Plut.  45  und  HRR.  1,  cccxvm),  sowie 
das  elogium  des  M'.  Valerius  Maximus  CIL  l2,  183  (Hirschfeld,  Kl.  Sehr. 
814),  wie  er  denn  für  den  Ruhm  seiner  gens  gut  zu  sorgen  verstand  (Münzer, 
De  gente  Valeria,  Berl.  1891).  Von  Lateinern  hat  ihn  außer  Liv.  (s.  A.  3) 
besonders  Plin.  NH.  benutzt,  nach  den  QVerzeichnissen  in  9  BB  (Münzer, 
Beitr.  zur  Quellenkritik  233);  Cicero  nennt  ihn  niemals.  —  Fronto  p.  114 
Historiam  scripsere  . . .  Antias  invenuste  (§  37,  5). 

19* 


292  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

3.  Den  Val.  Ant.  kennen  wir  besonders  durch  Livius,  der  ihn  häufiger 
nennt  (in  den  erhaltenen  Büchern  35  mal)  und  stärker  benutzt  als  irgend 
einen  Vorgänger;  jedoch  geht  die  Behauptung,  daß  er  den  Rahmen  seines 
Werkes  von  ihm  entnommen  habe,  zu  weit.  In  den  ersten  Dekaden  folgt 
er  ihm  arglos  und  gibt  daher  nicht  bloß  seine  übertriebenen  Bürgerzahlen 
(bei  den  lustra),  sondern  spricht  auch  7,  36,  13  gutes  Mutes  von  30000  Er- 
schlagenen; 7,  37,  16  von  ad  quadraginta  milia  scutorum;  9,  27,  14  ad  tri- 
ginta  milia  caesa  aut  capta;  9,  43,  17  triginta  milibus  hostium  caesis;  9,  37, 
11  gar  caesa  aut  capta  eo  die  hostium  milia  ad  sexaginta  usw.  Nur  3,  5,  12 
die  schüchterne  Bemerkung:  difßcüe  ad  fidem  est,  in  tarn  antiqua  re,  quot 
pugnaverint  ceciderintve  exacto  adßrmare  numero;  audet  tarnen  Antias  Vale- 
rius  concipere  summas.  Vgl.  3,  8,  10.  In  den  helleren  Zeiten  aber,  wo  er 
auch  bessere  Quellen  hat  (wie  Polybios),  entdeckt  Liv.  die  Unzuverlässig- 
keit  und  Aufschneiderei  seines  Gewährsmannes  und  tadelt  ihn  nun  mit  um 
so  größerer  Bitterkeit,  je  weniger  die  in  früheren  Büchern  durch  Antias 
veranlaßten  Irrtümer  gut  gemacht  werden  konnten,  da  die  betr.  Bücher 
(Dekaden)  schon  veröffentlicht  waren.  In  Buch  21—24  nennt  er  seinen  Na- 
men nie  (obwohl  er  ihn  vielleicht  gelegentlich  benutzt),  in  den  späteren 
Büchern  namentlich  da,  wo  er  eine  Angabe  aus  ihm  zu  dem  polybianischen 
Bericht  hinzufügt.  So  heißt  es  26,  49,  3  scorpiones  maiores  minoresque  ad 
LX  captos  scripserim,  si  auctorem  Graecum  sequar  Silenum,  si  Valerium 
Antiatem,  maiorum  scorpionum  sex  milia,  minorum  tredecim:  adeo  nullus 
mentiendi  modus  est.  30,  19,  11  Valerius  Antias  quinque  milia  hostium  caesa 
ait.  quae  tanta  res  est,  ut  aut  impudenter  ficta  sit  (von  Antias)  aut  negle- 
genter  (von  andern)  praeiermissa.  36,  38,  6  duodetriginta  milia  hostium  caesa 
Antias  Valerius  scribit,  capta  tria  milia  et  quadringentos,  signa  militaria 
CXXIV,  equos  MCCXXX  . .  ubi  ut  in  numero  scriptori  parum  fidei  sit, 
quia  in  augendo  eo  non  alius  intemperantior  est,  magnam  victoriam  fuisse 
adparet.  33,  10,  8  si  Valerio  quis  credat  omnium  rerum  immodice  numerum 
augenti,  quadraginta  milia  hostium  eo  die  sunt  caesa,  capta  ubi  modestius 
mendacium  est,  quinque  milia  septingenti.  38,  23,  8  Valerius  Antias,  qui 
magis  (als  Claudius)  immodicus  in  numero  augendo  esse  solet.  Vgl.  auch  39, 
43,  1  Valerius  Antias,  ut  qui  nee  Catonis  orationem  legisset  et  fabulae  tan- 
tum  sine  auetore  editae  credidisset.  Wenn  daher  für  eine  Angabe  Valerius 
der  einzige  Gewährsmann  ist,  fügt  Livius  häufig  si  Valerio  credamus  (cre- 
das)  bei  (36,  19,  12.  39,  41,  6.  44,  13,  12)  oder  nennt  nur  den  Gewährsmann 
(38,  50,  5.  39,  22,  9.  39,  56,  7),  teilweise  unter  ausdrücklicher  Verwahrung, 
wie  37,  48,  1  {Valerius  Antias  auetor  est  rumorem  celebrem  Bomae  fuisse. 
. .  rumoris  huius  quia  neminem  alium  auctorem  habeo,  neque  adfirmata  res 
mea  opinione  sit  nee  pro  vana  praetermissd)  und  45,  43,  8  (HS  ducenties  ex 
ea.  praeda  redactum  esse  auetor  est  Antias.  . .  quod  quia  unde  redigi  potuerit 
non  apparebat  auctorem  pro  re  posui).  In  der  Tat  geht  bei  Valerius  die 
Zahlenlüge  ins  Abgeschmackte:  40000  Feinde  und  darüber  in  einer  Schlacht 
erschlagen  zu  lassen  ist  ihm  ganz  geläufig  (Liv.  33,  10,  8.  33,  36,  13.  34, 
15,  9.  36,  19,  12.  Oros.  4,  20).  Bei  Tolosa  aber  ließ  er,  sich  selbst  über- 
bietend, gar  octoginta  milia  Homanorum  sociorumque,  .  .  quadraginta  milia 
calonum  atque  lixarum  getötet  werden  (Oros.  5,  16).  Hirschfeld,  Kl.  Sehr. 
291.    Daß  dies  wie  andere  Ausmalungen  von  ihm   einfach   erdichtet  wurde, 


§  155.  Valerius  Antias,  Aufidius.    §  156.  L.  Sisenna  293 

erhellt  auch  daraus,  daß  er  mit  seinen  Angaben  sehr  häufig  ganz  allein 
stand;  s.  Gell.  6,  19,  8  Valerius  Antias  contra  decretorum  memoriam  con- 
traque  auctoritates  veterum  annalium  dixit.  Vgl.  ebd.  6,  8,  6.  Liv.  32,  6,  5 
Valerius  Antias  tradit  .  .  XII  milia  hostium  eo  proelio  caesa.  . .  ceteri  Graeci 
Latinique  auctores  . .  nihil  memorabile  actum  . .  tradunt.  Über  seine  tenden- 
ziöse Entstellung  der  Scipionenprozesse  aus  Verehrung  für  den  älteren  Scipio 
Africanus  s.  Mommsen,  röm.  Forsch.  2,  491.  Vgl.  §  257,  8  und  Kahrstedt 
(A.  1).  —  Die  Überreste  bei  HPeter,  HRR.  1,  237;  HRF.  151.  —  Liebaldt, 
de  Valerio  Antiate,  Naumb.  1840.  Schwegler,  RG.  1,  90.  Nissen,  krit.  Unter- 
such. 43.  HPeter,  HRR.  1,  cccv.  Nitzsch,  d.  röm.  Annalistik  (1873)  346. 
MVoigt,  Abh.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  7,  776.  vGutschmid,  Kl.  Sehr.  5,  526. 
Pascal,  Studi,  Turin  1900,  63.  —  ThFriedrich,  Biogr.  des  Barkiden  Mago, 
ein  Beitr.  z.  Krit.  d.  Val.  Ant.,  Wien  1880. 

4.  Cic.  Tusc.  5,  112  Cn.  Aufidius  praetorius  (seine  Praetur  wird  um 
J.  104  fallen)  pueris  nobis  (also  etwa  J.  94)  et  in  senatu  sententiam  dicebat 
nee  amicis  deliberantibus  deerat  et  Graecam  scribebat  historiam  et  videbat  in 
Utteris.  fin.  5,  54  equidem  e  Cn.  Auftdio  praetorio,  erudito  homine  oculis 
capto,  saepe  audiebam.  Er  erlebte  ein  hohes  Alter  (Cic.  de  dorn.  35).  CIG. 
2349  b  =  LeBas  2,  1802  {vnb  Tvaiov  Avcpidiov  Tvalov  viov  xov  cLvtiGxqa- 
vriyov)  aus  Adramyttion  bezieht  sich  wahrscheinlich  auf  seinen  Sohn  (PRE. 
I2,  2128,  5).  Von  jener  graeca  historia  haben  wir  keine  Überreste;  doch 
war  ihr  Inhalt  ohne  Zweifel  die  Geschichte  Roms.  WHarless,  de  Fabiis  et 
Aufidiis  (Bonn  1853)  46.    Klebs,  PW.  2,  2289. 

156.  L.  Cornelius  Sisenna  (J.  118 — 67)  verfaßte  eine  Geschichte 
der  jüngsten  Gegenwart,  hauptsächlich  der  sullanischen  Zeit,  in 
künstlichem  altertümelndem  Stile.  Außerdem  übersetzte  er  die  Er- 
zählungen des  Aristeides  von  Milet.  Aber  der  Plautuserklärer  Sisenna 
ist  von  dem  Geschichtschreiber  zu  scheiden.  —  Der  Freund  des 
letzteren  C.  Licinius  Macer  ging  in  seinen  Annalen  wieder  auf  die 
ältesten  Zeiten  zurück  und  berichtigte  deren  Darstellung  infolge 
fleißiger  Quellenforschung  mannigfach,  gestattete  aber  zugleich  der 
Rhetorik  und  wohl  auch  der  Vorliebe  für  sein  Geschlecht  und  die 
Sache  der  Plebejer  zu  viel  Einfluß. 

1.  Sisenna  muß  um  J.  118  geboren  sein  (Roth  aO.  p.  4),  war  Praetor 
J.  78  (SC.  de  Asclepiade,  CIL.  1,  p.  110  6TQuxr\yov  %axa  tioI.iv  -aal  hcl  j-eveov 

AsvTtiov  KoQvr\kLov  <^ vlovy  üiöewa,  vgl.  Cic.  Cornel.  1, 18  mit  Ascon. 

p.  58,  27  St..)  und  starb  J.  67  auf  Kreta  als  Legat  des  Pompeius  im  See- 
räuberkriege (Dio  36,  1  KoQvrjXiog  UiGtvvccg,  vgl.  Appian.  Mithr.  95  Aov%io<$ 
Ei6iwäg).    LRoth,  L.  Sisennae  vita,  Bas.  1834.    HPeter,  HRR.  1,  cccxxin. 

2.  Vellei.  2,  9,  5  (ungenau)  historiarum  (Milesiarum  OJahn,  s.  A.  3) 
auetor  iam  tum  (ums  J.  134)  Sisenna  erat  iuvenis;  sed  opus  belli  civilis 
(=  socialis?  ARiese  aO.  54)  Sullanique  post  aliquot  annos  ab  eo  senior e  edi- 
tum  est  (also  wohl  nicht  vor  J.  74).  Cic.  Brut.  228  inferioris  aetatis  (als 
P.  Antistius)  erat  proximus  L.  Sisenna,  doctus  vir  et  studiis  optumis  dedi- 
tus,  bene  Latine  loquens  (s.  aber  A.  3),  gnarus  reip.,   non   sine  facetiis,   sed 


294  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

neque  laboris  multi  nee  satis  versatus  in  causis  (doch  verteidigte  er  den 
f  Chirtilius  [so  die  Hss. :  C.  Hirtilius.,  Hirtuleius,  Rutilius  d.  Hrsgbr.]  nach 
Brut.  260,  und  J.  70  den  Verres,  s.  Cic.  Verr.  acc.  2,  110.  4,  43  vgl.  4,  33 
L.  Sisenna,  vir  Primarius ;  letzteren  gemeinsam  mit  Hortensius,  mit  dem  er 
auch  sonst  befreundet  war,  Sen.  controv.  1,  pr.  19  und  unten  §  157,  4); 
interiectusque  inter  duas  aetates  Hortensi  et  Sulpici  nee  maiorem  consequi 
poterat  et  minori  necesse  erat  cedere.  huius  omnis  facultas  ex  historia  ipsius 
perspici  potest;  quae  cum  facile  omnis  vincat  superiores ,  tum  indicat  tarnen 
quantum  absit  a  summo  quamque  genus  hoc  scriptionis  nondum  sit  satis  La- 
tinis  litteris  illustratum.  de  leg.  1,  7  Sisenna,  eius  (des  Macer)  amicus, 
omnes  adhuc  nostros  scriptores  . .  facile  superavit.  is  tarnen  neque  orator  . . 
umquam  est  habitus  et  in  historia  puerile  quiddam  conseetatur,  ut  unum 
Clitarchum  neque  praeter ea  quemquam  de  Graecis  legisse  videatur.  Diese 
Vergleichung  mit  einem  schwindelhaften  und  nach  romantischen  Effekten 
haschenden  Geschichtschreiber  Alexanders  d.  Gr.  ist  bezeichnend,  wenn 
auch  vielleicht  zu  ungünstig  für  Sisenna.  Wenig  bedeutet  Sallust.  lug. 
95,  2  L.  Sisenna  optume  et  diligentissime  omnium,  qui  eas  (Sullae)  res  dixere, 
persecutus  parum  mihi  libero  ore  locutus  videtur.  Also  stand  er,  wie  schon 
seine  Herkunft  es  ergab,  auf  Seite  der  Optimaten.  Sallust  setzte  das  Werk 
wohl  mit  seinen  Historiae  fort.  Nach  ihm  nannte  Varro  den  Logistoricus 
Sisenna  de  historia  (§  166,  2). 

3.  Für  die  Beurteilung  des  Werkes  von  Sisenna  ist  zu  beachten  die 
Äußerung  (bei  Gell.  1,  15,  2):  nos  una  aestate  in  Asia  et  Graecia  gesta  lit- 
teris ideirco  continentia  mandavimus ,  ne  vellicatim  aut  saltuatim  scribendo 
lectorum  animos  impediremus.  Titel  Historiae.  Umfang  jedenfalls  12  Bücher; 
über  diese  Zahl  hinaus  nur  ein  vereinzeltes  Zitat  bei  Non.  468,  10  Sisenna 
hißt.  Hb  XXIII  (aus  J.  82),  letztere  Zahl  ist  kaum  richtig:  in  B.  6  war  die 
Erzählung  schon  bis  J.  88  gelangt;  danach  müßte  Sisenna  für  sechs  Jahre 
17  Bücher  verbraucht  haben!  Über  das  Jahr  90  zurück  weisen  nur  einige 
Fragmente,  die  über  die  Urzeit  (Aeneas  usw.)  handeln  (Serv.  Aen.  1,  108. 
242.  11,  316)  und  wahrscheinlich  aus  einem  Prooemium  (in  der  Weise  des 
Sallust)  oder  einem  Exkurse  stammen.  Die  Überreste  zeigen  viel  Einzel- 
beschreibung, auch  Spuren  von  Reden  (bes.  B.  4)  und  Abschweifungen  (Philo- 
sophisches im  Sinne  des  Epikur):  die  Behandlung  war  demnach  wohl  um- 
ständlich (longinque,  Fkonto  oben  §  155,  1,  Z.  34).  Das  Meiste  bezieht  sich 
auf  den  marsischen  Krieg  (vgl.  Cic.  de  div.  1,  99)  und  ist  uns  durch  Nonius 
erhalten,  dessen  Auszüge  (hauptsächlich  aus  B.  3  u.  4)  uns  von  der  gezierten 
teils  altertümlichen  teils  wunderlich  theoretisierenden  Sprache  des  Sisenna 
einen  Begriff  geben;  vgl.  Cic.  Brut.  259  Sisenna  quasi  emendator  sermonis 
usitaii  cum  esse  vellet,  non  .  .  .  deterreri  potuit  quo  minus  inusitatis  verbis 
uteretur  . . .  ille  familiaris  meus  rede  loqui  putabat  esse  inusitate  loqui,  und 
Varro  LL.  8,  73  (Sis.  schrieb  patres  familiär  um)  und  bei  Gell.  2,  25,  9 
Sisenna  unus  *adsentio*  (nicht  adsentior)  in  senatu  dicebat:  also  bis  zur 
Karikatur  übertriebener  Analogist  (Reitzenstein,  Terentius  Varro  62);  vgl. 
Qüint.  1,5,13.  Tac  dial.  23.  Sammlung  bei  Peter,  HRR.  1,277;  HRF.  175. 
—  ARiese,  d.  Geschichtsw.  d.  Sis.,  Festschr.  z.  24.  Philol.-Vers.  (Lpz.  1865)  53. 
ASchneider,  de  Sis.  bist,  reliquiis,  Jena  1882.  Vgl.  OJahn,  Herrn.  2,  233.  — 
Als  Lebemann  nach   dem  Geschmacke    des  Sulla    zeigt   sich  Sisenna   darin, 


§  156.  L.  Sisenna  295 

daß  er  des  Aristeides  Sammlung  schlüpfriger  Erzählungen  {Milr\6iav.(k,  s. 
§  47,  1.  OJahn,  RhM.  9,  628.  Rohde,  Roman  2584)  übersetzte;  Ovid.  trist. 
2,  443  vertu  Aristiden  Sisenna,  nee  obfuit  Uli  historiae  (seinem  Geschichts- 
werk) turpes  inseruisse  iocos.  Fronto  ep.  p.  62  scriptorum  animadvertas 
particulatim  elegantis  .  .  Sisennam  in  lascivis.  Aus  Buch  13  dieser  Schrift 
finden  sich  bei  Charisius  (B.  2)  zehn  Stellen,  die  auch  in  ihrer  Dürftigkeit 
einen  Begriff  von  dem  schlichten  Erzählerton  der  Novelle  geben.  Auch  in 
Peters  HRR.  1,  297  und  Büchelers  Petron.4  239. 

Als  Erklärer  des  Plautus  wird  ein  Sisenna  genannt  von  Rufinus  GL. 
6,  560.  561  bei  metrischen  Bemerkungen:  Sisenna  in  commentario  Poenuli 
Plautinae,  Sisenna  in  Pudente,  S.  in  Amphitryone,  in  Captivis,  in  Aulularia. 
Sprachliches  aus  Sisenna  zum  Amphitruo  bei  Charisius  GL.  1,  198,  26.  203, 
27.  221,  6.  9.  Ygl.  noch  ebd.  107,  14.  120,  10.  Peter,  HRR.  1,  297.  Dieser 
Sisenna  wird  bisweilen  mit  dem  Historiker  Sisenna  vereinigt,  der  dann  zu- 
gleich der  älteste  Erklärer  des  Plautus  wäre.  S.  Ritschls  Parerg.  374.  376. 
385.  Aus  der  Vorliebe  des  Historikers  (s.  oben)  für  altertümliche  Sprache 
ließe  sich  seine  Beschäftigung  mit  Plautus  herleiten,  ja  man  hat  darauf 
hingewiesen  (Ritschl  aO.  385),  daß  von  den  5  Fragmenten  bei  Charisius  drei 
über  Adverbien  auf  -im  handeln  und  daß  in  S.s  Historien  sich  Vorliebe  für 
solche  Adverbia  zeige  (Gell.  12,  15).  Andererseits  aber  ist  die  Abfassung 
einer  Reihe  von  Plautus-Kommentaren  für  eine  Persönlichkeit  wie  die  des 
Historikers  S.  auffällig,  zumal  das  daraus  Mitgeteilte  gar  geringfügig  ist. 
Daß  in  der  Tat  der  Plautiner  S.  vom  Historiker  zu  trennen  ist,  zeigt  das 
Fragment  des  ersteren  bei  Charisius  p.  221,  9  Tractim  Plautus  in  Amphi- 
tryone, ubi  Sisenna  *pro  lente'  inquit  rnon  ut  Maro  georgicon  IUI  trac- 
timque  susurrant  inquit*,  wo,  wie  eine  unbefangene  Erklärung  zeigt,  das 
Vergilzitat  aus  Sisenna  stammt.  Auch  Bergk,  Phil.  29,  328  und  Bücheler 
(lat.  Deklin.2,  Bonn  1879,  123)  scheiden  beide  Sisennae;  letzterer  setzt  wegen 
der  Bemerkung  bei  Charis.  p.  203,  27  (?)  den  Plautuserklärer  in  die  nach- 
hadrianische  Zeit.  —  Im  allgem.  vgl.  über  Sisenna  Mommsen,  RG.  36,  611. 
Peter,  HRR.  1,  lii.  cccxxviii.    Niese,  PW.  4,  1512. 

4.  C.  Licinius  L.  f.  Macer  (auf  Denaren  aus  der  Zeit  des  Sulla, 
J.  84—81,  s.  Mommsen,  röm.  Münzwesen  607;  CIL.  1,  p.  137.  434),  Vater 
des  im  J.  82  geborenen  Redners  und  Dichters  Calvus  (s.  §  213,  5),  tr.  pleb. 
73  (als  solchen  läßt  ihn  Sallust  [Hist.]  eine  Rede  ad  populum  halten):  J.  66 
wegen  Erpressungen  in  seiner  praetorischen  Provinz  vor  dem  Praetor  Cicero 
angeklagt  und  von  ihm  verurteilt,  gab  er  sich  selbst  den  Tod;  PRE.  4, 
1075,  1.  Ihn  als  Redner  charakterisiert  Cic.  Brut.  238  C.  Macer  auctoritate 
semper  eguit,  sed  fuit  patronus  propemodum  diligentissimus.  huius  si  vita,  si 
mores,  si  voltus  denique  non  omnem  commendationem  ingeni  everteret,  maius 
nomen  in  patronis  fuisset.  non  erat  abundans,  non  inops  tarnen,  non  valde 
nitens,  non  plane  horrida  oratio;  vox  gestus  et  omnis  actio  sine  lepore;  at  in 
inveniendis  componendisque  rebus  mira  accuratio.  .  .  hie  etsi  etiam  in  publi- 
cis  causis  probabatur,  tarnen  in  privatis  illustriorem  obtinebat  locum. 

5.  Noch  deutlicher  tritt  Ciceros  Abneigung  zu  Tage  in  dem  Urteil  über 
Macer  als  Geschichtschreiber,  de  leg.  1,  7  quid  Macrum  numerem?  cuius 
loquacitas  habet  aliquid  argutiarum,  nee  id  tarnen  ex  illa  erudita  Graecorum 
copia,  sed  ex  librariolis  Latinis,  in  orationibus  autem  midtas  ineptias,  fdatio 


296  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

summa  impudentia.  Also  hat  Macer  gleichfalls  Reden  seinem  Werke  einver- 
leibt, und  dieses  war  überhaupt  redselig  gehalten.  Nonius  259  Licinius  Macer 
in  epistula  ad  senatum  bezieht  sich  sicher  nicht  auf  Sallusts  Hist. ,  aber 
auch  kaum  auf  einen  in  das  Geschichtswerk  eingelegten  Brief.  Erheblicher 
und  in  sich  glaublicher  als  Ciceros  Tadel  sind  die  Ausstellungen  von  Livius 
7,  9,  5  quaesita  ea  propriae  familiae  laus  leviorem  auctorem  Licinium  facit. 
cum  mentionem  eius  rei  in  vetustioribus  annalibus  nullam  inveniam  etc.,  und 
von  Dionys.  1,  7  (s.  §  37,  5).  6,  11  AinivvLog  -aal  ol  Ttsgl  TiXXiov  ovdsv  i^r\- 
tcckotss  ovts  t&v  sIkotojv  ovts  tobv  dwatcav  und  7,  1  Aiyiivvvog  aal  rsXXiog 
%ctl  aXXoi  6v%vol  ta>v  'Pcoficdav  avyyQcccpicov  ovdhv  i^rjtccxotsg  t&v  7tSQL  xovg 
Xqovovs  ccnQißag.  Wenigstens  würde  die  Gleichgültigkeit  gegen  die  Chrono- 
logie (die  freilich  jene  Annalisten  mit  ihren  Mitteln  doch  nicht  entwirren 
konnten)  zu  dem  rhetorischen  Charakter  des  Werkes  stimmen.  Auch  ist  sehr 
glaublich,  daß  die  lebhaft  antioptimatische  Richtung  des  Verfassers  sich  in 
seinem  Geschichtswerke  nicht  verleugnete,  obwohl  es  nicht  in  die  eigene 
Zeit  hinabgereicht  zu  haben  scheint.  Andererseits  hatte  er  vor  fast  allen 
seinen  Vorgängern  den  Vorzug  unmittelbarer  Quellenforschung,  wenn  er  sich 
auch  dabei  von  Fälschungen  täuschen  ließ  —  falls  er  nicht  selbst  der  Fäl- 
scher war.  Vgl.  Liv.  4,  7,  12  Licinius  Macer  auctor  est  et  in  foedere  Ardea- 
tino  et  in  linteis  libris  (s.  §  79,  3)  ad  Monetae  ea  inventa.  4,  20,  8  quod  tarn 
veteres  annales  quodque  magistratuum  libri,  quos  linteos  in  aede  repositos 
Monetae  Macer  Licinius  citat  identidem  auctores.  4,  23,  2  in  tarn  discrepante 
editione  (der  Konsuln)  et  Tubero  et  Macer  libros  linteos  auctores  profitentur. 
neuter  tribunos  mil.  eo  anno  fuisse  traditum  a  scriptoribus  antiquis  dissi- 
mulat.  Licinio  libros  haud  dubie  sequi  linteos  placet  et  Tubero  incertus  veri 
est.  In  keinem  Falle  berechtigen  diese  Stellen  zur  Annahme  ausgedehnter 
Quellenstudien  des  Macer. 

6.  Titel  des  Geschichtswerkes  von  Macer  ohne  Zweifel  Annales,  daneben 
auch  ungenauer  Historiae.  Das  Werk  umfaßte  jedenfalls  die  ältesten  Zeiten 
(Macrob.  1,  10,  17.  Dionys.  2,  52),  war  aber  in  B.  2  schon  bei  Pyrrhus  an- 
gelangt; über  die  Benutzung  des  Licinius  durch  Dionys.  Hai.  s.  M Voigt, 
Abh.  sächs.  Ges.  7,  756.  Bocksch,  Lpz.  Stud.  17,  165.  Es  wird  von  Livius 
nur  in  der  ersten  Dekade  (7  mal)  genannt;  das  letzte  Datum,  wobei  er  es 
anführt,  ist  aus  dem  Jahr  299.  Auch  die  Bücherzahl  ist  unbekannt  und  die 
Frage,  ob  er  bis  auf  die  eigene  Zeit  herabging,  daher  unlösbar:  nur  aus 
Buch  1  u.  2  sind  sichere  Anführungen  erhalten;  dann  folgen  gleich  Priscian. 
GL.  2,  525,  3  Aemilius  Macer  in  XVI  annalium:  omnium  etc.  (vgl.  Diomed. 
GL.  1,  369,  15  Aemilius  Macer:  omnium  etc.),  wo  Verwechslung  mit  Licinius 
Macer  mindestens  ebenso  glaublich  ist  wie  die  umgekehrte  bei  Plin.  NH. 
(s.  §  223,  7).  Nonius  221,  11  Licinius  rerum  Eomanarum  lib.  XXI  (wo  Name 
und  Zahl  gleich  unsicher)  ist  mit  Hertz  u.  a.  auf  Clodius  Licinus  (§  259,  6) 
zu  beziehen.  Er  selbst  scheint  sich  oft  an  Gellius  (§  137,  1)  angeschlossen 
zu  haben.  —  Die  Überreste  bei  Peter,  HRR.  1,  300;  HRF.  190.  —  Über 
Macer  einseitig  preisend  Liebaldt,  Licinius  Macer,  Naumb.  1848;  ebenso 
einseitig  herabsetzend  Mommsen,  RG.  I6,  434.  36,  613;  röm.  Chronol.2  88.  93; 
röm.  Forsch.  1,  315.  Gerechter  Schwegler,  RG.  1,  92  und  Peter,  HRR.  1, 
cccxxxvin.  Vgl.  auch  Nitzsch,  röm.  Annalistik  351.  v.  Gutschmid,  Kl.  Sehr. 
5,  531. 


§  156.  Liciniua  Macer.    §  157.  Sulla,  Lucullus  297 

157.  Wie  in  den  vorangehenden  Jahrzehnten  Scaurus,  Rutilius 
Rufus  und  Catulus,  so  verfaßte  jetzt  der  Diktator  L.  Cornelius  Sulla 
(J.  138 — 78)  eine  apologetische  und  sehr  ausführliche  Selbstbiogra- 
phie, commentarii  rerum  gestarum  in  22  Büchern,  die  nach  seinem 
Tode  von  seinem  Freigelassenen  Epicadus  ergänzt  und  abgeschlos- 
sen wurde.  Lucullus  (J.  114 — 57),  an  den  sie  gerichtet  war,  schrieb 
in  seiner  Jugend  selbst  auch  eine  Geschichte  des  marsischen  Krieges 
in  griechischer  Sprache.  Später  behandelte  ein  C.  Piso  den  Krieg 
zwischen  Sulla  und  Marius. 

1.  Sulla  war  Cos.  88  u.  80,  Diktator  82—79;  f  78.  Froehlich,  PW. 
4,  1522.  ThLau,  C.  Cornelius  Sulla,  Hamb.  1855.  Leo,  Herrn.  49,  161. 

2.  Sall.  J.  35,  3  Sulla  .  .  .  litteris  Graecis  atque  Latinis  iuxta  atque  doc- 
tissume  eruditus.  Plut.  Luculi.  1  EvXXag  tag  ccvzov  Ttqä^sig  ccvccygdcpajv  iusivcp 
(Lucullus)  TtQOö&cpwvrfiEv  a>g  6vvxcc£,oiiEV(p  ncci  diccd"i]6ovxi  xr\v  loxogiav  a^iSL- 
vov.  Vgl.  ebd.  4.  Süll.  6.  Sulla  37  xb  eiy.o6xov  kccl  Sevxeqov  x&v  V7t0(ivr}^cc- 
xcov  tcqo  dvslv  r\yb£Q<öv  t)  exeXevxcc  ygcccpcov  inavoaxo.  Suet.  gramm.  12  Cor- 
nelius Epicadus  (§  159,  8)  L.  Corneli  Sullae  dictatoris  libertus  calatorque  in 
sacerdotio  augurali,  .  .  librum  quem  Sulla  novissimum  de  rebus  suis  imper- 
fectum  reliquerat  (die  anderen  waren  also  vollendet)  ipse  supplevit.  Als  Titel 
wird  rerum  gestarum  (Gellius)  oder  commentarii  {vTio^vri^axa)  genannt.  Sulla 
in  XXI  rerum  suarum,  Priscian.  GL.  2,  476.  In  Sullae  historia,  Cic.  div. 
1,  172.  Sulla  hatte  sich  in  dem  Werke  als  begnadeten  Götterliebling  hin- 
gestellt, der  unter  dem  Schutze  der  Tyche  stand,  seine  Gegner  aber  (bes. 
den  Marius)  herabgesetzt.  Plutarch  hat,  besonders  im  Sulla  und  Marius, 
diese  Denkwürdigkeiten  sehr  stark  und  unvorsichtig  ausgebeutet,  und  auch 
sonst  haben  sie  zur  Entstellung  der  geschichtlichen  Wahrheit  beigetragen. 
Peter,   HRR.  1,  cclxxvi.     Die  Reste  daraus  ebd.  1,  195;  HRF.  127. 

3.  Ein  griechisches  Epigramm  Sullas  (an  Aphrodite:  zwei  Hexam.  u.  ein 
Pentameter)  bei  Appian.  bell.  civ.  1,  97.  —  Athen.  6,  p.  261  C:  NinoXaog 
(Damasc.)  ....  2vXXocv  cpr]6lv  .  .  .  %aiQSiv  ^.i^ioig  xca  ysXmxo7toiolg  cpiXoye- 
X(ov  ysvonsvov  .  .  .  i[Mpocvl£ov6i,  ö'  ccvxov  xb  nsgl  tavxa  IXccqov  ccl  VTt  uvzov 
ygaq)slaca  6uxvqiy.ul  ncoiMpdica  rrj  Ttutglcp  (pcovfj  (vgl.  Plut.  Sulla  2  u.  36. 
Welcher,  griech.  Tragödien  1362).  Damit  sind  wohl  Atellanen  gemeint;  s. 
§  10  u.  151.   Wilamowitz,  Gott.  Anz.  1897,  510. 

4.  L.  Licinius  L.  f.  Lucullus  (geb.  um  114,  Cos.  74,  f  57;  s.  sein  elo- 
gium  im  CIL.  1,  p.  292.  WDrumann,  GR.  4,  134.  PRE.  4,  1070)  war  fein  ge- 
bildet. Besungen  von  Cordubae  nati  poetae  (Cic.  Arch.  26).  Plut.  Luculi.  1 
6  AovnovXXog  i\6y.i\xq  %cci  Xsysiv  ixccvag  exccxeqccv  yXcöxxccv,  mßxs  xca  UvXXocg 
(s.  A.  2)  .  .  4-nsivo)  7tQ06sq)<x)vr}6£v  cog  6vvx(xh,o^iEV(p  "Kai  diccd"i]6ovtL  xr\v  iöxo- 
qiccv  afisivov.  .  .  Xiysxai  veov  övxcc  (ums  J.  88)  Ttgbg  (ÖQxr}6iov  xbv  dtytoXoyov 
xal  Uigevvuv  xbv  iöxoginov  ix  itcadiüg  xivog  eis  6%ovdi]v  7tQOsXd,ov67}g  ö^io- 
Xoyi]Gui ,  7Iqo&8ilevg)v  Ttoir^ia  neu  Xoyov  kXXr\viy.6v  xs  xca  qcoiici'Ctiov,  slg  o  xt 
ocv  Xd%rj  xovzcov,  xbv  Mccqgixov  ixxzXstv  tcoXe\lov.  kccl  Ttcog  eolksv  slg  Xoyov 
kXXr\viKbv  6  xXfjoog  cccpi'HEöd'cci.  diccöoofexcu  yao  EXXi\vwr\  xig  IöxoqLcx.  xov  Mccq- 
6iY.ov  tcoXe^iov  (vgl.  §  171,  3).  Vgl.  Cic.  Att.  1,  19,  10  non  dicam,  quod  tibi 
ut  opinor  Panhormi  Lucullus  de  suis  historiis  dixerat,  se,  quo  facilius  illas 


298  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

probaret  Eomani  hominis  esse,  idcirco  barbara  quaedam  et  66Xoixu  disper- 
sisse.  Das  soll  man  aber  nicht  ernst  nehmen.  Münzer,  Herrn.  49,  199.  Plut. 
Luc.  33  nennt  ihn  dstvbg  dnelv.  Vgl.  Cic.  Brut.  222,  der  ihn  ziemlich  nichts- 
sagend oratorem  acutum  nennt,  und  Tac.  dial.  37  (§  171,  5). 

5.  Auch  für  die  Philosophie  fehlte  es  dem  Lucullus  nicht  an  Interesse, 
Tgl.  Plut.  Luc.  1  ysv6\iBvog  TtQsaßvreQog  jjdiq  %avtäncc6Lv  .  .  aqpfyjcs  tr\v  dicc- 
voiccv  iv  (pLXoöocpicc  6%oXugsiv  kcci  ccvcc7tav8od'ai  xo  d'S(üQr\TLy.bv  avtf]g  iysiQag. 
Cic.  acad.  pr.  1  magnum  ingenium  Lud  Luculli  magnumque  optimarum  ar- 
tium  Studium,  tum  omnis  liberalis  et  digna  homine  nobili  ab  eo  percepta 
doctrina  ...  4  maiore  studio  Lucullus  cum  omni  litterarum  generi  tum  phi- 
losophiae  deditus  fuit  quam  qui  illum  ignorabant  arbitrabantur,  nee  vero  in- 
eunte  aetate  solum,  sed  et  pro  quaestore  aliquot  annos  et  in  ipso  bello.  .  . 
cum  autem  e  philosophis  .  .  putaretur  Antiochus  Philonis  auditor  excellere, 
eum  secum  et  quaestor  Tiabuit  (J.  87  f.)  et  post  aliquot  annos  imperator.  .  . 
delectabatur  autem  mirifice  lectione  librorum  de  quibus  audiebat.  Deshalb  be- 
teiligte ihn  Cicero  am  Dialoge  der  Acad.  pr.  und  nannte  das  zweite  Buch 
nach  ihm.  Antiochus  sollte  eine  ähnliche  Rolle  spielen  wie  Aristoteles  bei 
Alexander  und  spätere  Philosophen  bei  den  Diadochen;  Kroll  JJ.  1903 
XI  686.    Vgl.  de  fin.  3,  7  f. 

6.  Plut.  Mar.  45  Faiog  xig  üeiöcöv,  ccvr]Q  latogiKog ,  über  den  Tod  des 
Marius  mit  als  Quelle  genannt.  Da  er  sonst  nie  wieder  erwähnt  wird,  so  ist 
unbekannt,  welcher  der  Calpurnii  Pisones  er  war.  Der  §  132,  4  behandelte 
L.  Piso  ist  es  jedenfalls  nicht;  eher  der  Cos.  67.  Peter,  HRR.  1,  ccclxviii. 
Vgl.  §  179,  13,  1. 

158.  Der  sullanischen  Zeit  gehört  auch  der  Senator  L. Manlius 
an,  der  ein  euhemeristisch  gefärbtes  Reise-  und  Wunderbuch  ver- 
faßte, übrigens  von  Autoren  des  Namens  Manilius  und  Mallius 
schwer  zu  trennen  ist;  ferner  vielleicht  Tarquitius  Priscus,  der  die 
etruskische  Divinationsliteratur  ins  Lateinische  verpflanzte.  L.  Vol- 
tacilius  war  der  erste  nicht  frei  Geborene,  der  sich  zu  Rom  an  die 
Geschichtschreibung  wagte.  Er  war  ein  Anhänger  der  Pompejer 
und  verfaßte  für  sie  Parteischriften.  Auch  seine  scharfe  Zunge 
brauchte  er  zu  ihren  Gunsten. 

1.  Dionys.  ant.  1,  19  %qr\6\ibg  6v  qpijöt  Asvniog  Mdlltog,  <xvi]Q  ovy.  u6t\- 
{iog,  avtbg  Idslv  (in  Dodona,  folgen  4  griech.  Hex.).  Plin.  NH.  10,  4  primus 
atque  diligentissime  togatorum  de  eo  (den  Vogel  Phönix)  prodidit  Manilius 
(die  Hss.  hier  Mamillius,  aber  bei  der  gleich  folgenden  Erwähnung  und  im 
Autorenverzeichnisse  zu  B.  X:  Manilius)  Senator  ille  maxumis  nobilis  doc- 
trinis  doctore  nullo.  .  .  prodit  idem  Manilius  .  .  fuisse  eius  conversionis  an- 
num  prodente  se  P.  Licinio  Cn.  Cornelio  cos.  (J.  97)  CCXV.  Hier  wird  die 
Phönixperiode  mit  der  Vorstellung  vom  großen  Jahr  in  Verbindung  gebracht 
{Türk,  Myth.  Lex.  3,  3453).  Vgl.  Arnob.  adv.  nat.  3,  38  (Manilius).  Macrob. 
1,  10,  4  (Mallius).  Arn.  aO.  nennt  den  Manilius  neben  Granius,  Aelius,  Varro, 
Cornificius,  Cincius  als  Schriftsteller  über  die  novensiles;  Macr.  über  die 
Saturnalien.  Fest.  334  Sexagenarios  (de  ponte  olim  deiciebaniy,  cuius  causam 


§  158.  L.  Manlius,  Tarquitius  Priscus  299 

ManiKJius  hanc  referty.  Vgl.  noch  Varro  LL.  5,  31,  der  einen  Manlius  für 
die  Erzählung  von  der  Entführung  der  Europa  zum  Zeugen  anruft;  7,  16 
(iambische  Fragm.  mythologischen  Inhalts  eines  Manilius).  7,  28  (ein  scherz- 
haftes Epigramm  [?]  in  Iamben;  FPR.  283).  Es  ist  aber  nicht  ausgeschlossen, 
daß  sich  hinter  diesen  Anführungen  mehrere  verschiedene  Leute  verbergen, 
von  denen  einer  Verwandtschaft  mit  Nigidius  zeigt.  Wie  weit  die  verschie- 
dene Namensform  dafür  ins  Gewicht  fällt,  bleibt  zweifelhaft;  vgl.  WSchulze, 
Zur  Gesch.  lat.  Eigenn.  442.  —  Mommsen,  Sehr.  7,  72  hält  es  für  möglich, 
daß  jener  L.  Manlius  der  sei,  den  wir  aus  Münzen  Sullas  als  dessen  Pro- 
quästor  um  J.  84  (Mommsen,  röm.  Münzwesen  595)  und  aus  Schriftstellern 
(Liv.  per.  90.  Oros.  5,  110.  Caes.  b.  c.  3,  20.  Plut.  Sertor.  12)  als  Statthalter 
von  Gallia  Narbonensis  um  77  kennen.  Ganz  unklar  bleibt,  ob  er  mit  dem 
Manilius  zu  vereinigen  ist,  den  Gellius  (s.  §  99,  4)  als  Verfasser  eines  Ver- 
zeichnisses der  echten  plautinischen  Stücke  aufführt  (Ritschl,  Parerga  242). 
Funaioli,  GRF.  1,  84. 

2.  Macrob.  3,  20,  3  Tarquitius  Priscus  in  ostentario  arborario  sie 
ait.  Über  den  echt  etruskischen  Geschlechtsnamen  s.  Deecke  zu  OMüllers 
Etr.  I2,  470.  WSchulze,  Zur  Gesch.  lat.  Eigenn.  96.  Über  den  M.  Tarquitius 
Priscus  der  neronischen  Zeit  s.  Prosop.  3,  296.  Vgl.  Macr.  3,  7,  2  est  super 
hoc  Über  Tarquitii  transscriptus  ex  ostentario  Tusco.  Plinius  im  QVerz.  zu 
B.  2:  ex  .  .  Caecina  (§  199,  4)  qui  de  JEtrusca  diseiplina  scripsit,  Tarquitio 
qui  item.  Vgl.  ebd.  2,  199.  QVerz.  zu  B.  11.  Lyd.  de  ostent.  2  p.  7,  6  W. 
(%Qr\66n,£Q'<x  dh  xcciy  TagxvTco  reo  (rsXE6T7)y.  Ammian.  Marc  25,  2,  7  (J.  363 
n.  Chr.):  JEtrusci  haruspices  .  .  ex  Tarquitianis  libris  in  titulo  de  rebus  di- 
vinis  id  relatum  esse  monstrantes.  Lactant.  div.  inst.  1,  10,  2  hune  (Aescu- 
lapium)  Tarquitius ,  de  illustribus  viris  disserens,  ait  incertis  parentibus  na- 
tum  etc.  Also  Verquickung  mit  Euhemerismus.  Aus  seinem  Werke  könnte 
stammen,  was  Serv.  Verg.  ecl.  4,  43  (=  Macrob.  3,  7,  2)  aus  libri  Etrusco- 
rum  anführt.  Er  ist  wohl  auch  gemeint  bei  Festus  274  v.  ratitum:  Tarqui- 
<( folgt  eine  Lücke^>.  Auf  einer  verstümmelten  Inschrift  (CIL.  11,  3370)  scheint 
T.  (erhalten  uitio)  erwähnt  zu  sein  unter  Hinweis  auf  seine  lateinische  me- 
trische Bearbeitung  der  etruskischen  Disziplin  (es  hieß  etwa  ven\erandum 
discipul\inae  .  .  ritum]  carminibus  edidit,  s.  §  75,5;  Spuren  metrischer  Fas- 
sung finden  sich  in  dem  Fragment  bei  Macr.  3,  7).  EBormann,  Arch.-epigr. 
Mitteil.  11,  99;  Ost.  Jahr.  2,  129  (der  die  Lebenszeit  des  T.  ohne  ausrei- 
chende Gründe  zwischen  90 — 10  setzt).  Bei  Verg.  catal.  7,  3  ist  er  neben 
Selius  (?  s.  §  148,  1  gE.)  und  Varro  als  Vertreter  der  scholasticorum  natio 
genannt;  dadurch  ist  seine  Zeit  ungefähr  bestimmt.  Haupt,  op.  2,  152.  Der 
Vorname  des  Vaters  M.  auf  der  Inschrift  spricht  nicht  gegen  die  nahe- 
liegende Vereinigung  mit  C.  Tarquitius  P.  f.  Priscus  quaest.  81  (PRE.  6, 
1614,  5.  Mommsen,  röm.  Münzw.  600).  —  GSchmeisser,  de  etrusca  diseiplina 
(Bresl.  1872)  p.  14;  d.  etr.  Disziplin  (§  42,  1),  Liegn.  1881,  5.  Thulin,  Ita- 
lische sakrale  Poesie  1.  70. 

3.  Suet.  gramm.  27  (=  rhet.  3)  L.  Voltacilius  Pilutus  servisse  dicitur 
atque  etiam  ostiarius  vetere  more  in  catena  fuisse,  donec  ob  ingenium  et  Stu- 
dium litterarum  manumissus  aecusanti  patrono  subscripsit,  deinde  rhetoricam 
professus  Cn.  Pompeium  Magnum  (geb.  J.  106)  doeuit  patrisque  eius  (Cn.  Pom- 
peius  Strabo,  Cos.  89,  f  87)  res  gestas  nee  minus  ipsius  (ohne  Zweifel   bei 


300  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

dessen  Lebzeiten)  compluribus  libris  exposuit,  primus  omnium  libertinorum, 
ut  Cornelius  Nepos  opinatur,  scribere  historiam  orsus  (s.  §  36,  3).  Hieronymus 
zu  Euseb.  Chron.  1936  =  81:  Vultacilius  Plotus  latinus  rhetor,  Cn.  Pompei 
libertus  et  doctor,  scholam  Bomae  aperuit.  Daß  er  vielmehr  Freigelassener 
eines  Voltacilius  war,  zeigt  sein  Name.  Es  ist  natürlich  bedenklich,  diesen 
L.  Voltacilius  Pilutus  oder  Plotus  trotz  der  hs.  Abweichung  in  Vor-  und  Bei- 
namen zu  vereinigen  mit  M.  Voltacilius  (uotacilius  die  Hss.)  Pitholaus  bei 
Macr.  2,  2,  13,  wo  ein  Witz  von  ihm  über  den  eintägigen  Consul  (J.  45) 
Caninius  Rebilus  angeführt  wird:  ante  flamines,  nunc  consules  diales  fiunt, 
iambisch  gemessen  von  Crusius  RhM.  44,  459  (Hertz,  RhM.  43,  312).  Dafür 
spricht  aber,  daß  Voltacilius  als  Parteigänger  des  Pompeius  auch  den  Cae- 
sar selbst  verhöhnte.  Suet.  Iul.  75  Pitholai  carminibus  maledicentissimis  la- 
ceratam  existimationem  suam  civili  animo  tulit.  Bentley  hält  diesen  neL&6- 
laog  auch  für  den  Bhodius  Pitholeon  (IJsid'oXeav;  vgl.  TifioXaog  und  Tfyio- 
leav,  kgiötoXccog  und  kgt,6toXscov)  bei  Hör.  S.  1,  10,  22,  von  dem  Porph. 
zdSt.  berichtet:  huius  modi  (dh.  worin  verba  graeca  orationi  latinae  beige- 
mischt waren)  epigrammata  effutivit  magis  quam  scripsit  .  .  .  per  quam  ridi- 
cule  Graeca  Latinis  admiscuit. 

4.  Über  Trebius  Niger  und  Turranius  Gracilis  s.  §  132,  5  u.  6. 

159.  Seit  der  Mitte  des  siebenten  Jahrh.  d.  St.  scheint  der 
Jugendunterricht  allmählich  in  ein  festes  Geleise  gekommen  zu 
sein;  es  mehren  sich  daher  die  Namen  solcher,  die  zu  Rom  und  im 
übrigen  Italien  als  Lehrer  der  Grammatik  und  Rhetorik  wirkten, 
großenteils  freilich  Freigelassene  und  von  fremder  Herkunft.  Die 
meisten  waren  auf  jenen  Gebieten  zugleich  schriftstellerisch  tätig 
und  verbanden  mit  grammatischer  Forschung  auch  antiquarische 
und  literargeschichtliche.  Einzelne  gaben  nach  hellenistischer  Mode 
ihren  gelehrten  Werken  gebundene  Form;  so  L.  Accius,  Porcius 
Licinus,  Volcacius  Sedigitus,  Valerius  Soranus.  Als  Rhetor  wird  uns 
in  dieser  Zeit  L.  Plotius  Gallus  genannt,  als  Grammatiker,  die  zum 
Teil  auch  Philosophie  und  Rhetorik  lehrten,  Sevius  Nicanor,  Aure- 
lius  Opilius,  Antonius  Gnipho  und  Pompilius  Andronicus,  weiterhin 
Q.  Cosconius,  Ennius,  Epicadus,  Hypsicrates,  Nicostratus,  Servius 
Clodius  und  Staberius  Eros. 

1.  Sueton.  gramm.  3  (§  41,  1). 

2.  Suet.  rhet.  2  L.  Plotius  Gallus.  De  hoc  Cicero  in  epistula  ad  M. 
Titinium  sie  refert:  equidem  memoria  teneo  pueris  nobis  primum  Latine  do- 
cere  coepisse  Plotium  quendam.  ad  quem  cum  fieret  coneursus,  quod  studio- 
sissimus  quisque  apud  eum  exerceretur,  dolebam  mihi  idem  non  Heere;  con- 
tinebar  autem  doctissimorum  hominum  auetoritate,  qui  existimabant  Graecis 
exercitationibus  ali  melius  ingenia  posse;  s.  §  44,  9.  Die  Zeitbestimmung  des 
Sueton  (bei  Hieronymus),  J.  88 — 77,  stimmt  zu  Ciceros  Angabe  pueris  nobis 
(bei  Suet.  aO.;  vgl.  auch  Sen.  controv.  2,  pr.  5).  Vgl.  M.  Varro  bei  Non.  79 
Automedo  meus  quod  apud  Plotium  rhetorem  bubulcitarat,   erili  dolori  non 


§  159.  Grammatiker  und  Rhetoren  (Plotius,  Opilius)  301 

defuit.  Nach  Quint.  11,  1,  143  hatte  er  eine  Schrift  de  gestu  herausgegeben. 
Hunc  eundem  (nam  diutissime  vixit)  M.  Caelius  .  .  significat  dictasse  Atratino 
accusatori  suo  actionem  im  J.  56,  als  Cicero  den  Caelius  verteidigte  (Suet. 
rhet.  2).  Marx  läßt  daher  die  lateinischen  Rhetorenschulen  bis  in  diese  Zeit 
blühen  und  Cicero  in  de  or.  gegen  sie  polemisieren;  doch  s.  Kroll  RhM. 
58,  552.  Auf  ihn  bezieht  sich  auch  Cic.  Arch.  20  Marius  .  .  eximie  L.Plotium 
dilexit,  cuius  ingenio  putabat  ea,  quae  gesserat,  posse  celebrari;  dazu  Schol. 
Bob.  178  hie  primus  üomae  studio,  Latina  doeuisse  (jertur}.  Marx,  auet.  ad 
Her.  141.  Bei  Fronto  S.  20  N.  (nach  Hauler,  Mel.  Chatelain  622)  erscheint 
ein  Plautius  als  Abschreiber,  wie  es  scheint  von  Reden  des  C.Gracchus;  das 
könnte  Plotius  Gallus  gerade  als  Demokrat  sein. 

3.  Suet.  gramm.  5  Sevius  (s.  Hertz,  JJ.  107,  340.  WSchulze,  Zur  Gesch. 
lat.  Eigenn.  223)  Nicanor  primus  ad  famam  dignationemque  docendo  per- 
venit  fecitque  praeter  commentarios ,  quorum  tarnen  pars  maxima  intereepta 
dicitur,  saturam  quoque,  in  qua  libertinum  se  ac  dicplici  co gnomine  esse  (s. 
EHübner  in  IwMüllers  Handb.  I2,  674)  .  .  indicat.  In  seiner  Satire  fand 
sich  also  (wie  bei  Lucilius  und  Horaz)  eine  Selbstdarstellung  seiner  Persön- 
lichkeit. Sueton  führt  daraus  zwei  Hexameter  an,  worin  auslautendes  s  pro- 
sodisch  unbeachtet  bleibt;  sie  zeigen,  daß  er  den  Vornamen  M.  und  das 
zweite  Cognomen  Postumus  führte. 

4.  Suet.  gramm.  6  Aurelius  Opilius  (Opillius,  vgl.  WSchulze  276.  442), 
Epicurei  cuiusdam  libertus,  philosophiam  primo,  deinde  rhetoricam,  novissime 
grammaticam  doeuit.  dimissa  autem  schola  Rutilium  Bufum  (§  142,  1)  dam- 
natum  in  Asiam  secutus  (J.  92?)  ibidem  Smyrnae  simulque  consenuit  com- 
posuitque  variae  eruditionis  aliquot  Volumina,  ex  quibus  novem  unius  cor- 
poris .  .  Musarum  .  .  inscripsisse  se  ait  et  numero  divarum  et  appellatione 
(vgl.  Gell.  1,  25,  17  Aurelius  Opilius  in  primo  librorum  quos  Musarum  in- 
scripsit  wie  der  Rhetor  Bion  aus  Syrakus,  s.  Diog.  Laert.  4,  58).  Die  Musae 
enthielten  nach  der  Probe  bei  Gellius  Worterklärungen;  also  beziehen 
sich  wohl  auf  dieses  Werk  die  zahlreichen  Anführungen  bei  Varro  LL.  und 
besonders  Festus,  wo  der  Verf.  bald  Aurelius  genannt  wird  (Varro  7,  65. 
70.  106.  Fest.  68.  147  u.  sonst),  bald  Opilius  (Varro  7,  50.  67.  79.  Fest.  85), 
von  Festus  auch  Aurelius  Opilius  (141)  oder  Opilius  Aurelius  (163).  Vgl. 
Egger,  serm.  lat.  reliq.  p.  27  ff.  Usener,  Sehr.  2,  200.  Als  Glossograph  hatte 
er  Plautus  besonders  zu  berücksichtigen;  auch  zählt  Gellius  3,  3,  1  ihn 
unter  den  Verfassern  von  indices  der  Plautinischen  Stücke  auf,  wohin  ohne 
Zweifel  sein  libellus  qui  incribitur  pinax  mit  der  akrostichischen  Aufschrift 
Opillius  (Suet.  aO.)  gehört.  Osann  (aO.  S.  199)  vermutete  daher,  daß  daraus 
die  akrostichischen  Argumente  der  plautinischen  Stücke  (vgl.  §  99,  3)  ent- 
nommen seien.  Ritschl,  Parerga  180.  239.  321.  364.  xv.  Osann,  ZfAW.  1849, 
Nr.  25—28.  Goetz,  PW.  2,  2514.  Funaioli,  GRF.  1,  86. 

5.  Suet.  gramm.  7  M.Antonius  Gnipho,  ingenuus  in  Gallia  natus,  sed 
expositus,  a  nutritore  suo  manumissus  institutusque,  Alexandriae  quidem,  ut 
aliqui  tradunt,  in  contubernio  Dionysi  Scytobrachionis :  quod  equidem  non 
temer e  crediderim,  cum  temporum  ratio  vix  congruat  (letzteres  können  wir 
nicht  nachprüfen;  über  Dionysios  aus  Mytilene  6  6KVToßQa%icov  vgl.  ESchwartz, 
PW  5,  929.  Gnipho  mag  um  J.  114  geboren  sein),  fuisse  dicitur  ingenii  magni 
.  .  .  nee  minus  Graece  quam  Latine  doctus.  .  .  doeuit  primum   in  D.  Iulii 


302  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

(geb.  100)  domo  pueri,  deinde  in  sua  privata.  docuit  autem  et  rhetoricam,  ita 
ut  quotidie  praecepta  eloquentiae  traueret,  declamaret  vero  nonnisi  nundinis. 
scholam  eius  claros  quoque  viros  frequentasse  aiunt,  in  his  M.  Ciceronem, 
etiam  cum  praetura  fungeretur  (J.  66,  vgl.  Macrob.  3,  12,  8).  scripsit  multa, 
quamvis  annum  aetatis  quinquagesimum  non  excesserit.  etsi  Ateius  Phüologus 
'sein  Schüler,  Suet.  gramm.  10,  s.  §  211,1)  duo  tantum  Volumina  de  Latino 
sermone  (vgl.  Quint.  1,  6,  23)  reliquisse  eum  tradit;  nam  cetera  scripta  dis- 
cipulorum  eius  esse,  non  ipsius.  Daß  Gnipho  zu  Ennius'  Annalen  einen  Kom- 
mentar verfaßt  habe,  erschließt  Bücheler,  RhM.  36,  334  überzeugend  aus 
Schol.  Bern.  Verg.  georg.  2,  119  ^acanthV  Gnifo  commentatur  annalium 
libro  X  usw.,  vgl.  mit  Liv.  31,  45.  Aus  demselben  Werk  vielleicht  auch  eine 
jetzt  falsch  bezogene  Erklärung  bei  Charisius  GL.  1,  205,  1.  —  Vgl.  noch 
Welcher,  kl.  Sehr.  1,  436;  vgl.  ep.  Cycl.1  84.  Auch  s.  §  162,  5.  Goetz,  PW. 
1,  2618.  Funaioli,  GRF.  1,  98. 

6.  Suet.  gramm.  8  M.  Pompilius  Andronicus,  natione  Syrus,  studio 
Epicureae  seetae  desidiosior  in  professione  grammaticae  habebatur.  .  .  itaque 
cum  'se  in  urbe  non  solum  Antonio  Gniphoni  sed  ceteris  etiam  deterioribus 
postponi  videret,  Cumas  transiit  ibique  in  otio  vixit  et  multa  composuit.  Ar- 
mut zwang  ihn,  sein  Hauptwerk  annalium,  Ennii  elenchi  (s.  §  101,  4)  zu  ver- 
kaufen, quos  libros  Orbilius  redemisse  se  dicit  vulgandosque  curasse  nomine 
auctoris.  —  Über  seine  Schriftstellerei  eine  ganz  unsichere  Vermutung  von 
ThGompertz,  Wien.  Stud.  2,  139. 

7.  Q.  Cosconius,  als  Gewährsmann  angeführt  in  der  suetonischen  vita 
Terentii  (p.  32,  13  Rffsch.);  s.  §  108,6.  Er  ist  ohne  Zweifel  eine  Person  mit 
dem  von  Varro  LL.  6,  36  und  89  (Cosconius  in  actionibus)  erwähnten  Gram- 
matiker; in  actionibus  ist  Buchtitel  und  weist  auf  juristischen  Inhalt,  so 
daß  Cosc.  grammatische  und  juristische  Interessen  vereinigt  hätte.  Bei  Solin. 
2, 13  Lavinium,  quod  post  Troiae  excidium,  sicuti  Cosconius  perhibet,  quarto 
anno  extruetum  est  kann  derselbe  gemeint  sein.  Ritschl,  op.  3,  256.  Hertz, 
JJ.  85,  52.   Norden,  Ind.  lect.  Greifsw.  1895.    Reitzenstein,  Terent.  Varro  41. 

8.  Victorinus  GL.  6,  209,  9  Cornelius  Epicadus  (vgl.  §  41,4.  157,2)  in 
eo  libro  quem  de  metris  scripsit.  Es  scheint  der  erste  römische  Versuch  auf 
diesem  Gebiete.  Charis.  GL.  1,  110,  3  Epicadus  de  cognominibus.  Aus  einem 
antiquarischen  Werke  scheint  entnommen  Macr.  1,  11,  47  (de  sigillaribus  .  . 
Epicadus  refert  Herculem  etc.);  vgl.  Peter,  HRR.  1,  cclxxvii.  Goetz,  PW. 
4,  1311. 

9.  Ser.  Clodius,  eques  Rom.  und  Schwiegersohn  des  L.  Aelius;  s.  §  148,1. 
Plin.  NH.  25,  24  tradit  M.  Varro  Ser.  Clodium  eq.  Born.  etc.  Suet.  gramm.  3 
cum  librum  soceri  nondum  editum  fraude  intereepisset,  ob  hoc  repudiatus  se- 
cessit  ab  urbe.  Nach  seinem  Tode  schenkte  sein  (Halb-)Bruder  Papirius  Pae- 
tus  seine  hinterlassenen  Papiere  und  Bücher  dem  Cicero;  s.  ad  Att.  1,20,7 
(Ser.  Claudius)  und  2,  1,  12  (beide  v.  J.  60).  Vgl.  ep.  9,  16,  4  (an  Paetus) 
Servius,  frater  tuus,  quem  litter atissimum  fuisse  iudico,  facile  diceret  *hic  ver- 
sus Plauti  non  est.  hie  est\  quod  tritas  aures  haberet  notandis  generibus  poe- 
tarum  et  consuetudine  legendi.  Varro  LL.  7,  106  (vgl.  70  u.  66)  nennt  ihn 
nach  Aurelius  (oben  A.  4),  dessen  ganze  Richtung  er  geteilt  zu  haben  scheint, 
da  er  auch  ebensowohl  Glossograph  war  (s.  Varro  aO.  vgl.  Gell.  13,  23,  19 
in  Commentario  Ser.  Claudii)  wie  Verfasser  eines  Verzeichnisses  der  echten 


§  159.  Grammatiker:  Cosconius,  Serv.  Clodius  usw.  303 

plautinischen  Stücke  (Gell.  3,  3,  1).  Vielleicht  ist  der  bei  Serv.  Aen.  1,  52. 
176.  2,  229  genannte  Clodius  Scriba,  der  commentarii  glossographischen 
Inhaltes  in  mindestens  4  B.  geschrieben  hat,  mit  ihm  zu  vereinigen  (§211,  5). 
Vgl.  Ritschl,  Parerga  242.  365.    Funaioli,  GRF.  1,  95. 

10.  Staberius  Eros  .  .  emptus  de  catasta  (vgl.  Plin.  NH.  35,  199)  .  . 
temporibus  Sullanis  proscriptorum  liberos  .  .  gratis  in  disciplinam  recepit. 
Suet.  gramm.  13.  Fronto  p.  20  quorum  (der  älteren  römischen  Schriftsteller) 
libri  pretiosiores  habentur  .  .  si  sunt  a  Lampadione  (§  138,  4)  aut  Staberio 
(scripti).  Priscian.  GL.  2,  385  Staberius  de  proportione  (d.  h.  über  die  Ana- 
logie). Er  war  noch  Lehrer  des  Brutus  (geb.  um  J.  80)  und  Cassius  (Suet. 
aO.).  Ein  Märchen  war  wohl,  daß  Pablilius,  Manilius  und  er  eadem  nave 
nach  Italien  kamen  (Plin.  aO.,  der  ihn  übertreibend  conditor  grammaticae 
nennt,  s.  §  212,  3). 

11.  Festus  347  v.  senacula:  Nicostratus  in  libro,  qui  inscribitur  de 
senatu  habendo.  Vgl.  Mercklin,  Phil.  4,  428.  —  Macr.  sat.  3, 12,  7  est  Octavii 
Hersenni  (zwischen  Varro  und  Antonius  Gnipho  genannt)  Über  qui  inscri- 
bitur de  sacris  Saliaribus  Tiburtium,  in  quo  .  .  .  docet  usw. 

12.  Varro  LL.  5,  88  cohortem  in  villa  Hypsicrates  dicit  esse  Graece 
%6qtov.  Vgl.  Paulus  Festi  8  v.  aurum,  wo  irrig  Hippocrates.  Gell.  16, 12,  6 
id  dixisse  ait  (Cloatius  Verus)  Hypsicraten  quempiam  grammaticum ,  cuius 
libri  sane  nobiles  sunt  super  his,  quae  a  Graecis  accepta  sunt. 

13.  Suet.  gramm.  1  quod  nonnulli  tradunt  duos  libros  de  litteris  sylla- 
bisque,  item  de  metris  ab  eodem  Ennio  (dem  Dichter,  §  104,  5  E.)  editos,  iure 
arguit  L.  Cotta  (ob  der  §  197,  9  erwähnte?)  non  poetae,  sed  posterioris  Enni 
esse,  cuius  etiam  de  augurandi  disciplina  volumina  feruntur.  Mindestens 
das  letztere  Werk  kann  man  dem  Dichter  nicht  zuschreiben.  Aus  der  Schrei- 
bung S.  Ennius  im  Anecd.  Paris,  und  bei  Fest.  352  schließt  Marx  Lucil.  lr 
lviii  auf  den  Vornamen  Spurius,  Funaioli  GRF.  1,  102  auf  Sextus.  Ob 
dieser  Grammatiker  Ennius  auch  die  Schnellschrift  ausbildete?  s.  §  104,  5. 
Festus  352  v.  topper  Ennius  vero  sie:  topper  fortasse  valet  in  Enni  et  Pa- 
cuvi  scriptis.  Auf  den  Dichter  ist  aber  wohl  Varro  LL.  5,  86  (foedus,  quod 
fidus  Ennius  scribit  dictum)  zu  beziehen,  und  5,  55  nominatae,  ut  ait  Ennius^ 
Tatienses  a  Tatio.  S.  auch  §  41,  2,  Z.  13.  Vgl.  noch  Charis.  GL.  1,  98  erum- 
nam  Ennius  ait  per  e  solum  scribi  posse.  MHertz,  Sinnius  Cap.  9;  anal,  ad 
carm.  Hör.  hist.  3,  9.  Ribbeck,  JJ.  75,  314.  Breidenbach,  Zwei  Abh.  üb.  d. 
tiron.  Noten,  Darmst.  1900,  14. 

14.  Varro  LL.  5,  55  sed  omnia  haec  vocabula  (nämlich  Titienses  Mam- 
nenses  Lucer  es)  Tusca,  ut  Volnius,  qui  tragoedias  Tuscas  scripsit,  dicebat, 
Wohl  ein  Grammatiker,  gebürtig  aus  Etrurien,  der,  um  die  Literaturfähig- 
keit der  absterbenden  Sprache  seiner  Heimat  zu  beweisen,  etruskische  Tra- 
gödien schrieb.    OMüller,  Etr.  22,  293.  —  Über  Cincius  s.  oben  §  117,  4. 

160,  Schriftsteller  über  Land-  und  Hauswirtschaft  waren 
frühestens  um  die  Mitte  des  siebenten  Jahrhunderts  die  beiden 
Saserna  und  gegen  dessen  Ende  Tremellius  Scrofa. 

1.  Saserna  ist  ein  cognomen  in  der  gens  Hostilia  (Münzer,  PW.  8,  2512)r 
und  es  wäre  möglich,  daß  einer  der  bekannten  Hostilii  Sasernae,  zB.  der 
Münzmeister  J.  49  und  45,  mit  Saserna  filius  identisch  ist.    Colum.  1,  1,  12 


304  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

(vgl.  §  54,  2)  post  hunc  (Catonem)  duos  Sasernas,  patrem  et  filium,  qui  eam 
diligentius  erudierunt.  Varro  RR.  1,  2,  22  sequar  Sasernarum,  patris  et  filii, 
libros.  Sasernae  in  dem  QVerz.  von  Plin.  NH.  B.  10  Sasernae  pater  et  filius, 
ebd.  14.  15.  17.  18,  vgl.  B.  11  (Saserna)  und  17,  199  arbusti  ratio  mirum  in 
modum  damnata  Sasernae  patri  filioque,  celebrata  Scrofae,  vetustissimis  post 
Catonem  peritissimisque.    Vgl.  Varro  RR.  1,  16,  5   Sasernae   über  praecipit. 

1,  18,  2  Saserna  scribit.  2,  9,  6  quod  in  agri  cultura  (dies  ist  der  Name  des 
Werkes)  Saserna  praecepit.  Columella  1,  1,  4  id  non  spernendus  auctor  rei 
rusticae  Saserna  videtur  adcredidisse.  nam  in  eo  libro  quem  de  agri  cultura 
scriptum  reliquit  usw.  Wahrscheinlich  schloß  der  SoTin  das  vom  Vater  un- 
vollendet hinterlassene  Werk  ab  und  veröffentlichte  es.  Wenn  man  Wert 
darauf  legen  darf,  daß  Varro  die  Szenerie  von  B.  2  seiner  (im  J.  37  ge- 
schriebenen) Bücher  de  re  rust.  in  J.  67  verlegt,  so  müßte  es  vor  diesem 
Jahre  erschienen  sein.  Er  verwendete  die  auf  dem  Gute  der  Sasernae  in  Gallia 
cisalpina  gemachten  Erfahrungen,  zog  aber  auch  Catos  landwirtschaftliche 
Schrift  heran;  es  behandelte  (wie  Cato  de  r.  r.)  auch  mancherlei  nicht  ge- 
rade zur  Aufgabe  Gehöriges,  aber  dem  Landwirte  Nützliches,  worüber  Varro 
sich  öfters  lustig  macht,  zB.  RR.  1,  2,  22.  Reitzenstein  aO.  3. 

2.  Varro  RR.  1,  2,  10  collegam  (des  Varro),  XXvir  qui  fuit  ad  agros 
dividundos  Campanos  (J.  59).  .  .  Cn.  Tremellium  Scrofam,  virum  Omnibus 
virtutibus  politum,  qui  de  agri  cultura  JRomanus  peritissimus  existimatur. 

2,  1,  11  Scrofa  noster ,  cni  haec  aetas  defert  rerum  rusticarum  omnium  pal- 
mam.  Auf  diesem  Gebiete  war  er  auch  Schriftsteller;  s.  A.  1.  Colum.  2,  1,  2 
Tremellii  auctoritatem  revereri,  qui  cum  plurima  rusticarum  rerum  praecepta 
simul  eleganter  et  scite  memoriae  prodiderit  etc.  Vgl.  ebd.  1,  1,  12  Scrofa 
Tremellius,  qui  rusticationem  eloquentem  reddidit.  2,  1,  4.  Tremellius  legte 
offenbar  auf  geschmackvolle  Darstellung  besonderen  Wert;  deshalb  stieß 
ihn  die  Arbeit  der  Praktiker  Saserna  ab:  Varro  RR.  1,  2,  25  Scrofa  (Saser- 
narum) libros  despiciebat.  Bei  Varro  RR.  ist  Scrofa  in  B.  1  u.  2  Hauptteil- 
nehmer am  Gespräch.  Von  Plinius  wird  er  in  dem  QVerz.  zur  NH.  B.  11. 
14.  15.  17.  18  genannt,  immer  als  Scrofa.  PRE.  6,  2085,  5.  Auch  mit  dem 
etwa  gleichalterigen  Cicero  und  Atticus  war  er  befreundet.  Er  stammte  aus 
vornehmer  Familie,  gelangte  zur  Praetur  (Varro  RR.  2,  4,  2)  und  war  Pro- 
praetor  wohl  in  Gallia  Narbonensis  (vgl.  Varro  1,  7,  8  und  Mommsen  bei 
Reitzenstein  aO.  13);  Varro  behandelt  ihn  im  J.  37  anscheinend  noch  als 
lebend.    Lundström,  Eran.  13,  210. 

3.  Ob  der  sehr  erfahrene  Gutsbesitzer  C.  Licinius  Stolo,  mit  Tremel- 
lius (A.  2)  Träger  der  Unterredung  in  Varro  RR.  B.  1  und  neben  Cato, 
Saserna,  Tremellius,  Vergil  von  Columella  1,  praef.  32  (s.  §  54,  2.  293,  4). 
4,  11,  1  genannt,  über  Landwirtschaft  geschrieben  hat,  ist  ganz  unsicher. 
Er  war  jünger  als  Tremellius:  Varro  RR.  1,  3  (Stolo  zu  Tremellius)  tu  et 
aetate  et  honore  et  scientia  quod  praestas,  dicere  debes.  RReitzenstein  ,  de 
script.  rei  rust.,  Berl.  1884,  p.  8. 

4.  Sonst  unbekannt  ist  Mamilius  Sura,  von  Plinius  NH.  in  dem  QVerz. 
zu  B.  8.  10.  11.  17—19  aufgeführt,  im  Texte  selbst  aber  nur  18,  143  ge- 
nannt (Cato  .  .  Sura  Mamilius  .  .  Varro).  Mit  Aemilius  Sura  (s.  §  277,  5) 
ist  er  schwerlich  zu  vereinigen.  —  Über  M.  Ambivius,  Licinius  Menas,  so- 
wie C.  Matius  s.  §  54,  3. 


§  160.  Landwirte  (Sasernae  usw.).    §  161.  Philosophen  305 

161.  Die  Neigung  zum  Philosophieren  beschränkte  sich 
immer  noch  auf  enge  Kreise;  auch  mag  es  in  Betracht  kommen, 
daß  die  ganze  Zeit  von  104  bis  79  wenig  Muße  dafür  bot;  die  sich 
damit  befaßten,  verteilen  sich  ziemlich  regelmäßig  so,  daß  die  Ju- 
risten der  Stoa,  die  Redner  der  neuen  Akademie  oder  den  Peripate- 
tikern  zufielen.  Die  Lehre  Epikurs  fand  nur  unter  solchen  Anhang, 
die  dem  öffentlichen  Leben  fern  standen. 

1.  Cic.  de  or.  3,  78  quid  .  .  G.  Velleius  afferre  potest,  quam  ob  rem  vo- 
luptas  sit  summum  bonum,  quod  ego  non  possim  vel  tutari  .  .  vel  refellere  .  . 
hac  dicendi  arte,  in  qua  Velleius  est  rudis?  .  .  quid  est  quod  aut  Sex.  Pom- 
peius  (§  154,  5)  aut  duo  Balbi  aut  .  .  qui  cum  Panaetio  vixit  M.  Vigellius 
de  virtute  homines  Stoici  possint  dicere?  de  nat.  deor.  1,  15  cum  C.  Velleio 
Senator e,  ad  quem  tum  Epicurei  primas  ex  nostris  deferebant.  .  .  etiam 
Q.  Lucilius  Baibus,  qui  tantos  progressus  habebat  in  Stoicis,  ut  cum  excellen- 
tibus  in  eo  genere  Graecis  compararetur.  Diesem  Baibus  widmete  Antiochos 
eine  Schrift  (ebd.  16).  Gleichzeitig  waren  Q.  Catulus  (§  142,  4),  C.  Cotta 
(§  153,  4)  und  L.  Lucullus  (§  157,  4)  Anhänger  der  eklektischen  Akademie 
des  Antiochos;  etwas  später  der  ältere  Zeitgenosse  Ciceros  (Cic.  Brut.  230, 
vgl.  Ascon.  in  Pis.  p.  20,  12)  M.  Piso  (Cos.  61)  Schüler  des  Peripatetikers 
Staseas  (Cic.  de  or.  1,  104.  de  n.  deor.  1,  16.  ad  Att.  13,  19,  4),  der  Triumvir 
M.  Crassus  des  Alexander  Polyhistor  (Plut.  Crass.  3).  Zur  Stoa  aber  hielt 
außer  den  Genannten  besonders  Q.  Scaevola  (§  154,  1),  und  von  den  noch 
Älteren  P.  Rutilius  Rufus  (§  142,  2)  und  L.  Stilo  (§  148,  1).  Epikureer 
kennen  wir  (außer  Velleius)  in  T.  Albucius  (§  141,  3)  und  Pompilius  An- 
dronicus  (§  159,  6).  Philosophisches  Interesse  hatte  auch  der  Verf.  der 
Rhetorik  ad  Herennium  (§  162,  2). 

2.  Die  frühesten  epikureischen  Schriftsteller  unter  den  Römern,  Ama- 
finius,  Rabirius,  Catius,  gehören  —  nach  der  Art  zu  schließen,  wie  bei  Cic. 
acad.  post.  1,  5  von  ihnen  die  Rede  ist  —  erst  der  ciceronischen  Zeit  an; 
s.  unten  §  173. 

162.  Eine  achtungswerte  literarische  Erscheinung  der  sullani- 
schen  Zeit  sind  die  vier  Bücher  Rhetorica  ad  C.  Herennium, 
eine  vollständige  Rhetorik  nach  griechischen  Quellen,  die  in  der 
Lehre  von  der  Erfindung  dem  Hermagoras  folgt  und  auch  sonst 
hellenistische  Lehren  wiedergibt;  aber  der  noch  jugendliche  Ver- 
fasser steht  auf  römischem  Standpunkte,  streicht  alles,  was  dem  Rö- 
mer als  unpraktische  Tiftelei  erschien,  und  läßt  auch  die  Beispiele 
für  die  rednerischen  Figuren  meistens  als  römische  erscheinen.  Sein 
Lehrer,  dem  er  wohl  durchweg  folgt,  gehörte  zu  den  rhetores  latini; 
damit  hängt  wohl  auch  eine  bisweilen  auftretende  Abneigung  gegen 
die  Optimaten  zusammen.  Die  Darstellung  ringt  mit  der  Sprache.  Die 
Überlieferung  schreibt  das  Werk  irrtümlich  dem  Cicero  zu;  die  Hypo- 
these, die  den  Verfasser  mit  Cornificius  gleichsetzt,  ist  abzulehnen. 

Teuffei:  röm.  Literaturgesch.    Neub.  6.  Aufl.  I.  20 


306  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

1.  Der  ursprüngliche  Titel  des  Werkes  ist  nicht  mehr  zu  ermitteln;  s. 
Marx  73.  Zur  Charakteristik  vgl.  bes.  1,  1  illa  quae  Graeci  scriptores  inanis 
adrogantiae  causa  sibi  adsumpserunt  reliquimus ;  .  .  nos  ea  quae  videbantur 
ad  rationem  dicendi  pertinere  sumpsimus ;  non  enim  spe  quaestus  aut  gloria 
commoti  venimus  ad  scribendum,  quemadmodum  ceteri  etc. ;  4,  1  quibus  in 
rebus  opus  fuit  exemplis  uti,  nostris  exemplis  usi  sumus  et  id  fecimus  prae- 
ter consuetudinem  Graecorum,  qui  de  hac  re  scripserunt.  (Vgl.  überhaupt  die 
ganze  Vorrede  zu  B.  4).  Doch  hat  der  Verfasser  Erinnerungen  aus  gehörten 
und  gelesenen  Reden  für  seine  Beispiele  mit  verwertet  (s.  H Jordan,  Herrn. 
8,  75);  s.  A.  2.  4,  10  nomina  rerum  Graeca  convortimus.  B.  1 — 3,  16  handeln 
de  inventione  und  zwar  1.  2  im  genus  iudiciale,  3,  2—9  im  deliberativum, 
10 — 15  im  demonstrativum.  B.  3,  16  bis  Schi,  de  dispositione,  pronüntia- 
tione,  memoria;  B.  4  de  elocutione  (vgl.  3,  1  in  quarto  libro,  quem,  ut  ar- 
bitror ,  tibi  librum  celeriter  absolutum  mittemus):  die  erste  erhaltene  nach- 
aristotelische Behandlung  der  Stillehre  und  dadurch  wertvoll.  Über  die 
Figurenlehre  Münscher,  PW.  7,  1613. 

2.  Persönliche  Verhältnisse  des  Verfassers:  1,  1  etsi  negotiis  familiari- 
bus  impediti  vix  satis  otium  studio  suppeditare  possumus,  et  id  ipsum  quod 
datur  otii  lubentius  in  philosophia  consumere  consuevimus,  tarnen  tua  nos 
C.  Herenni  voluntas  commovit,  ut  de  ratione  dicendi  conscriberemus.  4,  69 
simul  lubenter  exerceamur  (Herennius  und  der  Verfasser)  propter  amicitiam, 
cuius  initium  cognatio  facit  (v.  1.  fecit),  cetera  philosophiae  ratio  confirmabit 
(v.  1.  confirmavit).  Ein  Ausfall  gegen  die  nutzlosen  amphiboliae  der  dialectici 
steht  2,  16.  3,  3  si  quando  de  re  militari  aut  de  administratione  reip.  scri- 
bere  velimus.  4,  17  haec  qua  ratione  vitare  possimus  in  arte  grammatica  .  .  . 
dicemus.  —  Scheinbares  Selbstlob  1,  16  (A.  3).  3,  19  (über  die  pronuntiatio) 
quare  et  quia  nemo  de  ea  re  diligenter  scripsit  —  nam  omnes  vix  posse  pu- 
tarunt  de  voce  et  vultu  et  gestu  dilucide  scribi,  cum  eae  res  ad  sensus  nostros 
pertinerent  —  et  quia  magnopere  ea  pars  a  nobis  ad  diccndum  conparanda 
est,  non  neglegenter  videtur  tota  res  corisideranda.  Aber  keiner  seiner  Leser 
hat  angenommen,  was  neuere  Gelehrte  für  möglich  gehalten  haben,  daß  er 
selbst  eine  Neuerung  in  der  Theorie  der  Rhetorik  gewagt  habe.  Über  Spu- 
ren epikureischer  Anschauungen  s.  Marx  83.  —  Über  die  Zeit  der  Schrift 
ergibt  sich  aus  den  Beispielen  folgendes':  1,  25  wird  der  Tod  des  Sulpicius 
erwähnt  (J.  88),  4,  68  scheint  sich  auf  die  Laufbahn  des  Marius  und  dessen 
letztes  Konsulat  zu  beziehen  (J.  86).  Anderseits  werden  4,  47  die  aus  Sena- 
toren und  Rittern  zusammengesetzten  Gerichte  der  Jahre  89 — 82  vorausge- 
setzt. Da  die  Beispiele  aus  vorhandenen  umgebildet  sein  können,  so  kann 
die  Abfassungszeit  auch  etwas  später  fallen;  doch  paßt  die  Sprache  gut  in 
jene  Zeit.  Über  die  Person  des  Verf.  ist  es  deshalb  schwer  zur  Klarheit  zu 
gelangen,  weil  er  sich  in  starker  Abhängigkeit  von  seinem  Lehrer  befindet, 
den  er  1,  18  nennt:  causarum  constitutiones  .  .  .  noster  doctor  tres  putavit 
esse.  Diesem  wird  man  auch  zB.  die  geschwollenen  Erörterungen  über  die 
Bildung  eigener  Beispiele  zuweisen  (4,  1 — 10).  Wahrscheinlich  stand  der 
Vf.  selbst  auf  seiten  der  Volkspartei,  auch  die  Herennii  hielten  sich  zu  die- 
ser. Vgl.  das  Sündenregister,  das  er  in  dem  letzten  Beispiel  der  adnomi- 
natio  4,  31  der  Nobilität  vorhält,  oder  die  Schilderung  der  Ermordung  des 
Ti.  Gracchus  4,  68   als  Beispiel  der  demonstratio.    Fowler  aO.  vScala,  JJ. 


§  162.  Die  Rhetorik  an  Herennius  307 

131,  221.  Doch  finden  sich  auch  entgegengesetzte  Urteile  wie  4,  45  aliquando 
reip.  rationes,  quae  malitia  nocentium  exaruerunt,  virtute  optimatium  revi- 
rescent.  Auffällig  ist  ferner  das  Zurücktreten  alles  Griechischen  namentlich 
auch  in  den  Beispielen  (doch  s.  4,  31.  34),  das  im  Verein  mit  der  antiopti- 
matischen  Tendenz  auf  Herkunft  aus  den  Kreisen  der  rhetores  latini  weist 
(Marx  141,  vgl.  §  44,  9.  159,  2).  Während  lateinische  Namen  fortwährend 
genannt  werden,  auch  die  der  in  den  Beispielen  benutzten  Autoren  (zB. 
Ennius  und  Gracchi),  sind  griechische  selten  und  werden  als  Urheber  der 
Beispiele  nie  genannt.  4,  1  ff.  erklärt  der  Vf.  nur  eigene  Beispiele  bringen 
zu  wollen,  vgl.  10  postremo  haec  quoque  res  nos  duxit  ad  lianc  rationem, 
quod  nomina  verum  Graeea,  quae  convertimus,  ea  remota  sunt  a  consuetudine. 
quae  enim  res  apud  nostros  non  erant,  earum  rerum  nomina  non  poterant 
esse  usitata  .  .  .  Ms  de  causis,  cum  artis  inventionem  Graecorum  probassemus, 
exemplorum  rationem  secuti  non  sumus.  Im  Folgenden  finden  sich  aber  doch 
entlehnte  Beispiele,  und  deshalb  hat  Marx  115  den  Vf.  einen  Lügner  ge- 
scholten (vgl.  über  4,  1 — 10  Wendland,  Progr.  Gott.  1914).  Doch  scheint  es, 
daß  er  die  Übersetzung  der  griechischen  und  die  Abänderung  der  lateini- 
schen Beispiele  für  eine  genügend  große  Arbeit  gehalten  hat,  um  die  Bei- 
spiele für  eigene  auszugeben.  Das  Verhältnis  zu  den  unmittelbaren  Quellen 
bleibt  ganz  unklar;  ob  auf  2,  50  conquisite  conscripsimus  und  4,  69  omnes 
rationes  honestandae  studiose  collegimus  elocutionis  im  Sinne  eines  ausge- 
dehnten Quellenstudiums  Wert  zu  legen  ist,  muß  mindestens  stark  bezwei- 
felt werden.  Marx  75  wird  Recht  haben,  wenn  er  in  dem  Vf.  einen  jungen 
Mann  und  in  seinem  Buche  eine  Nachschrift  von  Vorlesungen  sieht.  Doch 
s.  Römer  JJ.  119,  823.  Brzoska  1614.  Köhler  33.   Vgl.  bes.  A.  3. 

3.  Die  Einschätzung  unseres  Werkes  ist  z.  gr.  T.  von  dem  Urteil  über 
ihr  Verhältnis  zu  Ciceros  rhetorica  abhängig.  Schon  früh  hat  man  sowohl 
den  Vf.  von  Cicero  abhängig  gemacht  als  auch  umgekehrt  Cicero  von  dem 
Vf.,  und  letztere  Ansicht  hat  bis  in  neueste  Zeit  Anhänger  gefunden  (Kayser, 
Kröhnert,  Ammon).  Beide  sind  unhaltbar:  die  beiden  Werke  zeigen,  obwohl 
sie  beide  in  der  Lehre  von  der  Erfindung  das  System  des  Hermagoras  in 
einer  jüngeren  Gestalt  wiedergeben,  so  starke  Abweichungen  (Thiele  Diss.  3. 
Marx  119),  daß  die  Hypothese  der  direkten  Abhängigkeit  nicht  weit  hilft. 
Auffallend  ist  namentlich,  daß  die  Dreiteilung  der  insinuatio,  die  ad  Her. 
1,  16  als  neu  und  als  eigene  Erfindung  bezeichnet  ist  (adhuc  quae  dicta 
sunt  arbitror  mihi  constare  cum  ceteris  artis  scriptoribus ,  nisi  quia  de  insi- 
nuationibus  nova  excogitavimus,  quod  eam  soli  praeter  ceteros  in  tria  tem- 
pora  divisimus),  von  Cic.  de  inv.  1,  23  kurzweg  angenommen  wird.  Doch 
will  der  Vf.  mit  diesen  Worten  nicht  sagen,  'daß  die  Neuerung  von  ihm 
selbst  herrührt.  Schon  Ascensius  hatte  in  der  Vorrede  seiner  Ausgabe 
(Paris  1508)  die  Meinung  ausgesprochen,  daß  beide  die  Ansichten  desselben 
Lehrers  wiedergäben;  sie  ist  neuerdings  von  Thiele  namentlich  durch  die 
auffallenden  Übereinstimmungen  im  lateinischen  Ausdruck  gestützt  worden, 
die  sich  gerade  in  der  Wiedergabe  der  griechischen  Termini  finden  (Beide 
übersetzen  zB.  avTilr\ipi$  6cvti9,£6ig  cvyyv6^ir\  mit  absoluta  adsumptiva  con- 
cessio).  Da  aber  die  zahlreichen  Abweichungen  in  wesentlichen  Punkten 
der  Lehre  weder  vom  Au  ct.  ad  Her.  noch  von  Cicero  herrühren  können  (so 
richtig  Marx  120),  so  ist  eine  ähnliche,  aber  noch  kompliziertere  Hypothese 

20* 


308  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

nötig,  wie  sie  Marx  zu  begründen  sucht.  Er  nimmt  dann,  um  die  überein- 
stimmende Terminologie  zu  erklären,  Benutzung  des  Handbuches  des  Anto- 
nius an  (§  152,  2),  was  nicht  ohne  Bedenken  ist.  Vielleicht  hat  der  Yf.  den- 
selben Lehrer  wie  Cicero  gehört,  und  zwar  nach  diesem,  und  dieser  Lehrer 
hatte  unterdessen  unter  dem  Einflüsse  griechischer  Rhetoren  seine  Meinung 
in  verschiedenen  Punkten  geändert.  Ein  rhetor  latinus  konnte  eine  private 
Wirksamkeit  auch  nach  dem  J.  92  entfalten.  Vgl.  Kroehnert  21.  §  182,  1. 
—  Über  das  System  des  Hermagoras  vgl.  Thiele,  Hermag.,  Straßb.  1893;  da 
es  seinerseits  an  die  ältere  Entwicklung  der  Rhetorik  anknüpft,  so  ergeben 
sich  zahlreiche  Berührungen  unserer  Schrift  mit  Aristoteles'  Rhetorik  und 
namentlich  mit  Anaximenes;  s.  HWeber  46.  CPeters,  De  rationibus  inter 
artem  rhet.  IV.  et  I.  saec.  intercedentibus,  Kiel  1907. 

4.  Die  Darstellung  ist  schwerfällig,  besonders  im  Ausdruck  der  Satz- 
verbindungen, dem  Gebrauche  der  Partikeln  usw.  Die  Schlichtheit  zeigt 
sich  namentlich  im  häufigen  Wiederholen  derselben  Wendung.  Vieles  Ar- 
chaische, das  sich  namentlich  mit  der  Sprache  der  Komödie  berührt;  auch 
die  Orthographie  und  Formenbildung  ist  altertümlich.  Marx  162.  Thiel- 
mann, de  sermonis  proprietatibus  .  .  apud  Cornific.  et  in  primis  Cic.  libris, 
Straßb.  1879;  Herrn.  14,  629.  Wölfflin,  Phil.  34,  142.  144.  Vgl.  Marx'  Ind. 
verb. 

5.  Das  Werk  ist  vor  Hieronymus  anscheinend  von  niemandem  benutzt, 
falls  nicht  Cornificius  (s.  u.)  als  Benutzer  in  Betracht  kommt.  In  den  Hand- 
schriften, auch  den  ältesten,  wird  das  Werk  dem  Cicero  beigelegt;  daß  es 
auch  Hieronymus,  Rufmus,  Priscianus  (aus  Flavius  Caper  nach  Jeep,  DLZ 
1897,  492)  u.  a.  für  ciceronisch  hielten  (Marx  ed.  p.  5),  beweist  nur  ihre 
Urteilslosigkeit.  Eine  Interpolation,  die  auf  dem  Glauben  an  Ciceros  Autor- 
schaft beruht,  findet  sich  1,  20.  Die  schon  von  RRegius  im  J.  1491  behaup- 
tete, durch  Kayser  (Münchner  Gel.  Anz.  1852,  492  und  in  s.  Ausgabe)  wie- 
der aufgebrachte  Urheberschaft  des  Cornificius  stützt  sich  auf  Quintilian. 
Vgl.  diesen  3, 1,  21  nach  Nennung  von  Cicero :  scripsit  de  eadem  materia  (Rheto- 
rik) non  pauca  Cornificius,  dliqiia  Stertinius.  Aus  dem  Werke  des  Cornificius 
führt  Quintilian  verschiedenes  an,  insbesondere  lateinische  Bezeichnungen 
für  griechische  Kunstausdrücke  (vgl.  A.  1),  die  sich  genau  so  in  der  Rhe- 
torik ad  Herennium  finden.  So  Quint.  5,  10,  2  ideo  illud  Cornificius  contra- 
rium  appellat  =  ad  Her.  4,  25.  —  Quint.  9,  2,  27  oratio  libera,  quam  Corni- 
ficius licentiam  vocat  =  Her.  4,  48.  —  9,  3,  71  Cornificius  lianc  traductionem 
vocat  —  Her.  4,  20.  —  9,  3,  91  et  hoc  Cornificius  atque  Butilius  6%fnicc  X^sag 
putant  =  Her.  4,  35.  —  9,  3,  98  adicit  his  .  .  Cornificius  interrogationem  etc. 
=  Her.  4,  22 — 41.  An  andern  Stellen  entnimmt  Quintil.  demselben  Werke, 
ohne  es  zu  nennen,  Beispiele,  wie  9,  3,  31  (=  Her.  4,  20).  56  (=  Her.  4,  34). 
70  (=  Her.  4,  29).  72  (=  Her.  4,  30).  So  sehr  dies  ins  Gewicht  fällt,  so  be- 
weist es  doch  nicht  die  Autorschaft  des  Cornificius.  Denn  aus  Quint.  9,  3,  89 
ergibt  sich,  daß  dieser  eine  Monographie  über  die  Figuren  verfaßt  hat,  aus 
3,  1,  21  (scripsit  de  eadem  materia  non  pauca  Cornificius),  daß  er  vielleicht 
noch  andere  Teile  der  Rhetorik  behandelt  hatte.  Für  die  Abfassung  eines 
vollständigen  Handbuches  durch  ihn  spricht  nichts,  und  Quintilian  hat 
sicher  nur  das  Werk  über  die  Figurenlehre  benutzt.  Schon  die  Anführung 
bei   Quint.  3,  1,  21   (hinter   Cicero    und    vor   Celsus  und   Gallio)   zeigt,   daß 


§  162.  Die  Rhetorik  an  Herennius.    §  163.  Inschriften  309 

Cornificius  lange  nach  dem  Auct.  ad  Her.  geschrieben  hat,  und  daß  er  seine 
Abhandlung  über  Figuren  nach  Caecilius  verfaßte,  liegt  nahe  und  wird  durch 
Quint.  9,  3,  89  (sicut  Caecilius  Dionysius  JRutilius  Cornificius  Visellius  aliique 
non  pauci)  bestätigt.  Köhler  aO.  23.  Die  Übereinstimmung  zwischen  dem 
Auct.  und  Cornificius  erklärt  sich  vielleicht  daraus,  daß  dieser  (als  Einziger 
in  dieser  Zeit)  den  Auct.  benutzt  hat.  Marx  aO.  69  hat  also  die  Identifikation, 
an  der  er  noch  RhM.  43,  376  festhielt,  mit  Recht  abgewiesen,  und  ihm  sind 
Brzoska  1605.  Köhler  8  gefolgt,  während  Thiele  Gott.  Anz.  1895,  717  an 
ihr  festhält  und  Ammon  Bl.  bayr.  GW.  33,  409  sie  durch  eine  umständliche 
Hypothese  zu  retten  sucht.  Vgl.  JWerner,  Zur  Frage  nach  d.  Vf.  der  Heren- 
niusrhet. ,  Bielitz  1906.  —  Jener  Cornificius  ist  also  sicher  keiner  der  um 
die  Zeit  des  Cicero  lebenden  (Münzer  PW.  4,  1623)  und  auch  nicht  mit  Cor- 
nificius Longus  (§  209,  2)  identisch. 

6.  Das  Werk  wurde  im  Mittelalter  viel  gebraucht,  abgeschrieben  und 
interpoliert;  über  die  Hss.  s.  Marx  Ausg.  p.  10.  Die  Lücken  der  ältesten 
und  besten  (Paris.  7714  s.  IX,  Wirceb.  s.  IX/X,  Bern.  433,  Corbeiens.  s.  IX/X: 
Facsim.  des  Paris.  7714  und  d.  Bern,  bei  Chatelain  T.  16)  sind  in  den  jün- 
geren (beste  Bamberg.  423  s.  XII/XIII)  aus  einer  anderen  Überlieferung 
mehr  oder  weniger  ausgefüllt.  Gegen  CHalm,  analecta  Tüll.  I,  Münch.  1852 
und  RhM.  15,  536,  der  die  Zusätze  der  jüngeren  Hss.  nur  als  Interpolationen 
ansieht,  vgl.  LSpengel,  RhM.  16,  391;  JSimon,  die  Hss.  der  Rhet.  ad  Her., 
Schweinf.  1863.  64  II;  vDestinon,  de  codd.  Cornific.  ratione,  Kiel  1874. 

7.  Ausgaben  (s.  Marx  S.  60)  v.  PBurmann  (mit  Cic.  de  inv.),  Leid.  1761. 
Cornifici  Rhetoricorum  ad  Herennium  libri  rec.  et  interpretatus  est  CLKayser, 
Lps.  1854;  maßgebend  ed,  Marx,  Lips  1894  mit  vollständigem  Wortregister 
(vgl.  Thiele,  Gott.  Anz.  1895,  717).  Übers,  von  Kuchtner,  München  1911. 
Außerdem  in  den  Ausg.  der  rhet.  Schriften  Ciceros  und  in  dessen  Gesamt- 
ausg.  (§  177,  5).  —  Kammrath,  de  rhet.  ad  Her.  auctore,  Holzminden  1858. 
Mommsen,  RG.  26,  456.  RKrÖhnert,  de  rhet.  ad  Her.,  Königsb.  1873.  Brione, 
Annali  della  scuola  di  Pisa,  22,  3.  Netzker,  Hermag.  Cic.  Cornificius  quae 
docuerint  de  statibus,  Kiel  1879;  d.  constitutio  legitima  des  Cornif.,  JJ.  133, 
411.  GThiele,  de  Cornif.  et  Cic.  artibus  rhet.  Greifsw.  1889.  CKoehler,  de 
rhet.  ad  H.,  Berl.  1909.  Roch,  de  Cornif.  et  Cic.  artis  rhet.  praeceptoribus, 
Bad.  i/Östr.  1884.  Bochmann,  de  Cornificii  .  .  rerum  Rom.  scientia,  Lpz.  1875. 
HWeber,  üb.  d.  Quellen  d.  Rhet.  ad  Her.,  Zürich  1886.  Radtke,  obs.  crit. 
in  Cornif.  libros,  Königsb.  1892.  —  Brzoska,  PW.  4,  1605. 

163.  Unter  den  prosaischen  Inschriften  aus  den  Jahren  150 
— 80  sind  besonders  erwähnenswert  die  amtlichen  Urkunden,  wie 
die  tabula  Bantina,  lex  repetundarum,  lex  agraria  u.  a.  Die  In- 
schriften in  gebundener  Form  aus  dieser  Zeit  haben  teils  noch  das 
saturnische  Maß,  teils  sind  sie  im  volksmäßig  gehandhabten  Hexa- 
meter gehalten  oder  in  anderen  griechischen  Metren,  besonders  dem 
iambischen  Senar;  sie  lassen  die  steigende  Sicherheit  im  Gebrauche 
der  hellenischen  Formen  und  im  Ausdruck  der  Gedanken  deutlich 
erkennen. 


310  Republikanische  Zeit:  J.  240—84  v.  Chr. 

1.  Tabula  Bantina,  Rest  einer  Erztafel  in  Neapel,  gefunden  1790  zu 
Bantia  in  Apulien,  auf  der  einen  Seite  mit  lateinischem,  auf  der  andern  mit 
einem  (verschiedenen)  oskischen  Texte,  aus  den  J.  133—118.  Der  lateinische 
Text  ist  der  Schluß  eines  stadtrömischen  Gesetzes.  CIL.  1,  197.  Bruns,  fönt. 
iur.7  48.  DIE.  292. 

2.  Lex  (Acilia,  früher  unrichtig  Servilia)  repetundarum  vom  J.  123  oder 
122.    CIL.  1,  198.    Bruns,  fönt.7  55.    DIE.  293. 

3.  Gleichfalls  aus  der  Zeit  der  Gracchen  sind  wohl  die  Überreste  einer 
lex  de  quaestione  perpetua,  CIL.  1,  207.  208.  Bruns,  fönt.7  117.  DIE.  296, 
sowie  der  Meilenstein  des  Popilius  (Cos.  132)  CIL.  1,  551.  10,  6950.  DIE.  275, 
und  wohl  die  Inschrift  des  L.  Betilienus  L.  f.  Vaarus  aus  Aletrium,  CIL.  1, 
1166.    DIE.  291. 

4.  Schiedsrichterlicher  Spruch  von  Q.  und  M.  Minucius  in  einer  Grenz- 
streitigkeit zwischen  den  Genuates  und  Viturii,  vom  J.  117.  CIL.  1,  199  und 
5,  7749.    Bruns,  fönt.7  401    DIE.  294. 

5.  Lex  agraria  vom  J.  111,  früher  lex  Thoria  genannt  (die  aber  in  die 
Zeit  um  119  fiel);  erhalten  auf  der  Rückseite  der  lex  repet.  (oben  A.  2): 
CIL.  1,  200.    Bruns,  fönt.7  73.    DIE.  295. 

6.  Lex  parieti  faciendo  aus  Puteoli  vom  J.  105,  aber  erst  in  der  Kaiser- 
zeit eingehauen,  CIL.  1,  577.  10,  1781.  Bruns,  fönt.7  374.  DIE.  306.  Wiegand, 
JJ.  Suppl.  20,  661. 

7.  Im  Saturnius  oder  doch  ähnlich  gefaßt:  der  titulus  Mummianus 
(§  131,  8)  vom  J.  142  (CIL.  1,  541.  6,  331.  Ritschl,  op.  4,  82.  DIE.  285;  viel- 
leicht ist  die  erhaltene  Inschrift  nicht  das  Original,  sondern  eine  spätere, 
nicht  genaue  Wiederholung:  s.  Bücheler,  CLE.  3);  die  Grabschrift  des  Maar- 
cus  Caicilius  (CIL.  1,  1006.  6,  13696.  Ritschl  aO.  735.  CLE.  11.  DIE.  322); 
die  Inschrift  von  Sora  (CIL.  1,  1175.  10,  5708.  Ritschl  aO.  130.  CLE.  4.  DIE. 
284);  wie  auch  die  Grabschriften  des  Bäckermeisters  M.  Vergilius  Eurysaces 
und  seiner  Frau  Atistia  (CIL.  1,  1013  fll.  6,  1958.  Ritschl  aO.  749.  CLE  13. 
DIE.  323)  wohl  als  Saturnier  gemeint  sind,  sowie  vielleicht  (?)  CIL.  1,  1080 
amantissima  suis,  ftäe  maxsuma  pia.  Andere  saturnische  Trümmer  in  Inschr. 
s.  bei  Bücheler  aO.  p.  10. 

8.  Im  populären  Hexameter  (oben  S.  159):  der  titulus  Mummianus  CIL. 
1,  542.  9,  4672.  CLE  248.  DIE.  286,  sowie  die  fälschlich  Praenestinae  ge- 
nannten sortes  (CIL.  1,  1438—1454.  CLE.  331.  DIE.  370 fll.  Ritschl,  op.  4,  395; 
über  die  verwandten  von  Forum  Novum  ASwoboda,  WSt.  24,  485.  Außer- 
dem die  Grabschrift  des  Cn.  Taracius  (CIL.  1,  1202.  CLE.  362.  DIE.  334) 
und  des  Protogenes  (CIL.  1297.  CLE.  361.  DIE.  333).  Ein  daktylischer  Okto- 
meter  CIL.  1480.  Auch  Nr.  1038  läßt  daktylisches  Maß  erkennen.  Distichen 
Nr.  1011  und  1220  (DIE.  335  f.  CLE.  959  f.),  sowie  von  den  Scipionengrab- 
schriften  Nr.  38  (DIE.  93.  CLE.  958). 

9.  Iambisch  sind  von  den  inscriptiones  lat.  antiquissimae  (CIL.  Bd.  1), 
die  freilich  zT.  jünger  als  die  sullanische  Zeit  sind,  1007  von  rührender 
Schlichtheit  (CLE.  52-  DIE.  324).  1008  (CLE.  59.  DIE.  327).  1009  (CLE.  55. 
DIE.  326).  1010  (CLE.  185.  DIE.  328).  1012  (CLE.  58.  DIE.  329).  1019  (CLE. 
68.  DIE.  332).  1027  (CLE.  74.  DIE.  331).  1194  (23).  1267  (CLE.  57.  DIE.  330). 
1273  (32).  1277  (80).  1306  (CLE.  54.  DIE.  325).  1422  (26).  1431  (84);  tro- 
chäisch wohl  CIL.  1459;  LMüller,  JJ.  97,  214. 


Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr.  311 

ZWEITE  PERIODE. 
DAS  GOLDENE  ZEITALTER  DER  RÖMISCHEN  LITERATUR. 

CICERONISCHES  UND  AUGUSTEISCHES  ZEITALTER 
J.  83  v.  Chr.  — 17  n.  Chr. 

A.  Die  ciceronische  Zeit 
J.  83  —  43. 

Das  goldene  Zeitalter  der  römischen  Literatur  nennt  man  die 
Periode,  in  der  sie  in  der  stilistischen  Vollendung  ihren  Höhepunkt 
erreichte  und  die  von  den  Griechen  übernommenen  Formen  mit 
einem  reichen  Inhalt  erfüllte.  Es  verteilt  sich  an  zwei  Generationen: 
die  Prosa  ersteigt  den  Gipfel  in  der  ciceronischen  Zeit,  die  Poesie 
in  der  augusteischen. 

Im  Anfange  der  ciceronischen  Zeit  ist  die  Niederlage  der 
Volkspartei,  der  Sieg  des  Adels  eine  vollendete  Tatsache.  Dieser 
Zustand  war  indessen  ebenso  unhaltbar  wie  unberechtigt.  Die  No- 
bilität  war  zu  entartet  und  zu  sehr  durch  Selbstsucht  zerrissen,  als 
daß  ihre  Herrschaft  hätte  von  Bestand  sein  können ;  das  Volk  aber, 
äußerlich  durch  die  Ausdehnung  des  römischen  Bürgerrechts  auf 
alle  Italiker  zu  einer  furchtbaren  Macht  geworden,  war  in  Wirk- 
lichkeit das  blinde  Werkzeug  in  der  Hand  kühnen  Ehrgeizes.  Es 
lag  alles  fertig  für  die  Herrschaft  eines  Einzigen,  die  zu  behalten 
Sulla  zu  unbequem  gefunden  hatte,  so  daß  sogar  Abenteurer  wie 
Catilina  es  wagen  konnten  danach  zu  greifen.  Dem  Cn.  Pompeius 
wäre  sie  bei  mehr  Festigkeit  des  Willens  nicht  entgangen;  aber 
den  verwöhnten  Günstlinge  des  Glückes  brachte  seine  Eitelkeit  und 
Empfindlichkeit  zu  einem  Schaukelsystem,  durch  das  er  bei  beiden 
Parteien  Achtung  und  Vertrauen  einbüßte  und  dem  klaren  willens- 
starken Caesar  in  die  Hände  arbeitete.  Die  nächste  Frucht  dieses 
Verfahrens  war  das  erste  Triumvirat  (J.  60),  die  weitere  der  Krieg 
zwischen  Pompeius  und  Caesar,  des  ersteren  Tod,  des  Caesar  Sieg 
und  Alleinherrschaft.  Die  sinnlose  Ermordung  Caesars  bewirkte 
nur,  daß  die  fast  schon  tote  Republik  nochmals  durch  einen  neuen 
Bürgerkrieg  sterben  mußte;  der  Todeskampf  begann  von  neuem, 
abermals  bildete  ein  Triumvirat  die  Zwischenstufe  zur  Monarchie, 
und  wie  das  erste  dem  Cicero  die  Verbannung  gebracht  hatte,  so 

DO  / 

kostete  das  zweite  ihn  das  Leben. 

Der  Parteienkampf  der  Gracchenzeit  setzt  sich  in  unserer  Zeit 
fort,  erstreckt  sich  aber  weniger  auf  sachliche  Gegensätze  als  auf 


312  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

das  Streben  Einzelner  nach  Einfluß  und  Herrschaft.  Die  Parteien 
kämpfen  gegeneinander  unermüdlich  mit  den  Waffen  des  Geistes, 
mit  Wort  und  Feder,  auf  dem  Forum  und  im  Senat,  auch  dann 
noch,  als  bereits  die  rohe  Gewalt  sich  geltend  machte  und  zuerst 
Gladiatorenbanden,  dann  förmliche  Heere  die  Entscheidung  herbei- 
führten. Die  Beredsamkeit,  die  Geschichtschreibung,  die  politische 
Literatur  hat  daher  auch  in  dieser  Zeit  noch  fortwährend  das  Über- 
gewicht. Neu  ist  aber,  daß  jetzt  ein  Zweig  der  Literatur  um  den 
andern  die  Höhe  der  Kunst  erklimmt,  indem  das  Vorurteil  schwin- 
det, als  sei  die  literarische  Form  etwas  Unwichtiges  und  als  komme 
es  nur  auf  die  Sache  an.  Hierin  zeigt  sich  die  Unterwerfung  des 
Römertums  unter  den  hellenischen  Geist,  die  in  dieser  Zeit  zum 
festen  Ergebnis  wird  und  sich  über  immer  mehr  Gebiete  ausbreitet. 
Das  gilt  auch  von  Männern,  die  treu  zur  nationalen  Fahne  stehen, 
wie  Varro;  auch  sie  unterwerfen  sich  dem  literarischen  Prinzipat 
der  Griechen. 

In  den  herrschenden  Kreisen  ist  der  Abfall  vom  altrömischen 
Wesen  allgemein-,  nur  darnach  trachtet  ein  jeder,  daß  er  möglichst 
rasch,  auf  irgend  welchem  Wege,  durch  Raub  oder  durch  Käuflich- 
keit, zu  der  Möglichkeit  gelange,  es  andern  in  toller  Verschwendung 
gleichzutun.1)  Den  unnatürlich  gesteigerten  Gelüsten  kam  die  über- 
feinerte hellenische  Kultur  entgegen  und  ward  zur  Mode  wie  zum 
Bedürfnis.  Hellenen  sind  in  allen  Häusern,  als  Lehrer  der  Jugend, 
als  Vorleser,  als  Gesellschafter  im  Hause  und  auf  der  Reise;  und 
oft  sind  es  durch  Geist  und  Wissen  bedeutende  Männer,  die  sich  in 
den  Dienst  der  römischen  Großen  begeben  und  ihnen  zu  imponieren 
wissen:  Lucullus  hat  seinen  Antiochos,  M.  Crassus  den  Alexander 
Polyhistor,  L.  Piso  den  Philodemos.  Auch  Staseas  bei  M.  Piso, 
Philagros  bei  Metellus  Nepos  scheinen  sich  über  das  Gewöhnliche 
erhoben  zu  haben;  Cicero  hat  Diodotos,  Lyson,  Apollonios  in  seiner 
Umgebung;  M.  Brutus  den  Aristos,  Straton,  Poseidonios  und  Em- 
pylos.  Den  meisten  ist  es  zwar  wenig  Ernst,  hüben  und  drüben: 
der  Grieche  will  sorgenfrei  leben  und  der  Römer  in  seinem  Hof- 
staat auch  einen  Philosophen,  Dichter  und  eine  dienstwillige  Feder 
haben;  das  Leben  nach  den  Vorschriften  der  griechischen  Ethik  zu 
gestalten  fiel  den  Wenigsten  ein. 

Aber  tüchtigere  Naturen  und  solche,  denen  Reichtum  und  hohe 
Stellung  nicht  schon  als  Erbe  zugefallen  war,  erkennen  in  der  hel- 

1)  Düstere  Schilderungen  bei  Sall.  C.  10 — 13.  J.  41,  wo  die  Tendenz 
in  Rechnung  gezogen  werden  muß. 


Allgemeine  Charakteristik  313 

lenischen  Bildung  das  beste  Mittel  zur  Bereicherung  und  Verschöne- 
rung des  Lebens  oder  doch  ein  treffliches  Werkzeug,  durch  eigene 
Leistungen  ihre  Vorgänger  zu  überbieten"  und  sich  emporzuarbeiten. 
Hatten  schon  vorher  Verbannte  ihren  Aufenthalt  mit  Vorliebe  in 
hellenischen  Städten  genommen,  wie  Metellus  und  Rutilius  Rufus, 
so  wurde  es  jetzt  immer  häufiger,  daß  strebsame  junge  Römer  Bil- 
dungsreisen in  den  Osten  unternahmen,  namentlich  an  die  damaligen 
Hauptsitze  der  philosophischen  und  rhetorischen  Studien,  nach  Athen, 
Rhodos  und  den  kleinasiatischen  Städten,  und  am  Ende  der  cicero- 
nischen  Zeit  war  das  Beziehen  einer  griechischen  Hochschule  schon 
ein  Erfordernis  der  Bildung,  wie  das  Beispiel  des  jungen  Cicero  und 
Horaz,  des  L.  Bibulus,  Messala  u.  a.  zeigt. 

Andrerseits  ergossen  sich  nunmehr  über  Rom  außer  den  Hellenen 
der  Gegenwart  auch  die  Hellenen  der  Vergangenheit  in  ihren  Bü- 
chern: wie  schon  früher  Aemilius  Paullus  nach  seinem  Siege  über 
Perseus  eine  griechische  Bibliothek  nach  Rom  gebracht  hatte,  so 
kam  jetzt,  nach  der  Eroberung  Athens  durch  Sulla,  die  Bibliothek 
des  Apellikon  nach  Rom,  und  mit  ihr  besonders  die  meisten  Schriften 
des  Aristoteles  und  Theophrast;  durch  Lucullus  ebenso  reiche  Bücher- 
schätze aus  der  pontischen  Beute2),  so  daß  es  jetzt  Bücherfreunde 
gab  (wie  Varro  und  Cicero)  und  allmählich  ein  Buchhandel  sich 
ausbildete,  wie  ihn  z.  B.  Atticus  betrieb  (§  2,  2);  die  geistige  Be- 
deutung Roms  erhellt  vielleicht  am  besten  daraus,  daß  sein  Verlag 
auch  Mustertexte  griechischer  Klassiker  herstellte.  Auch  das  Über- 
setzen griechischer  Schriften  ins  Lateinische  wurde  hierdurch  ge- 
fördert. Zwar  die  Vornehmeren  bedurften  dessen  nicht,  da  sie  des 
Griechischen  vollkommen  mächtig  waren;  aber  auf  weitere  Kreise 
war  doch  nur  durch  Übersetzungen  zu  wirken.  Indessen  waren  es 
jetzt  nicht  mehr  Dramen,  auf  die  sich  die  Übersetzer  vorzugsweise 
warfen:  die  vornehme  Welt  ließ  dem  Volke  seine  hergebrachten 
Belustigungen  und  vergnügte  sich  selbst  in  griechischen  Schau- 
spielen. Wohl  aber  wurden  neben  den  Erzeugnissen  hellenistischer 
Frivolität,  wie  den  milesischen  Novellen  des  Aristeides,  auch  ernstere 
griechische  Schriften  durch  Amafinius,  Cicero  uud  Messala  über- 
tragen. 

Es  war  begreiflich  und  durch  die  griechischen  Lehrer  mitver- 
anlaßt,  daß  außer  der  klassischen  Literatur  der  Hellenen  auch  die 
der  Gegenwart  und  letzten  Vergangenheit  den  Römern  in  die  Hände 


2)  Vgl.  die  Zeugnisse  bei  Funaioli,  GRF.  1,  xxv. 


314  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

kam.  So  bildeten  die  Redner  sich  nicht  sowohl  nach  Demosthenes 
als  nach  den  hellenischen  Rhetoren  Kleinasiens,  die  über  die  Kunst- 
mittel der  attischen  Beredsamkeit  weit  hinausgingen;  und  als  später 
eine. jüngere  Schule  auf  Lysias  als  den  Attiker  vom  reinsten  Wasser 
zurückging,  so  wählten  doch  zum  Teil  eben  dieselben  Männer  in 
wunderbarem  Gegensatz  in  der  Poesie  sich  die  Alexandriner  zu  Vor- 
bildern. Aber  so  wunderbar  reich  und  unverwüstlich  war  der  helle- 
nische Geist,  daß  er  in  allen  seinen  Äußerungen  noch  mächtige 
Wirkungen  übte;  und  gerade  jetzt  geht  er  mit  dem  Römertum  einen 
Bund  ein,  dessen  Früchte  die  meisten  literarischen  Erscheinungen 
dieser  Periode  sind.  Unverkennbar  sind  die  Spuren  der  griechischen 
Einwirkung  in  dem  Reichtum  und  der  Mannigfaltigkeit,  welche  die 
Literatur  allmählich  gewinnt,  und  ganz  besonders  in  der  Sorgfalt, 
die  jetzt  der  Form  zugewendet  wird,  einer  Sorgfalt,  die  am  Ende 
der  ciceronischen  Zeit  teilweise  sogar  in  einseitige  Schätzung  der 
Form  ausartet. 

Die  praktische  Richtung  der  Literatur  und  der  Einfluß  der  po- 
litisch bewegten  Zeit  tritt  hervor  auf  den  Gebieten,  die  jetzt  haupt- 
sächlich Anbau  finden.  Vor  allem  erreicht  nun  der  kunstmäßige 
Betrieb  der  Beredsamkeit  seinen  Gipfelpunkt.  Schon  bisher,  als 
griechischer  Geschmack  und  griechische  Kunst  nur  vereinzelt  oder 
doch  nicht  in  breitem  Strome  einwirkten,  hatte  sie  es  zu  Leistungen 
gebracht,  die  in  Verarbeitung  und  Verwertung  der  politischen  und 
der  Rechtsfragen  und  in  packender  Kraft  den  Hellenen  mindestens 
ebenbürtig  waren;  und  noch  zu  Anfang  dieser  Periode  ist  Horten- 
sius  ein  glänzender  Beweis,  was  römisches  Talent  auch  bei  einseiti- 
ger Schulung  erreichen  konnte.3)  Ein  Fortschritt  war  von  Seiten  der 
Natur  und  Begabung  kaum  möglich;  er  war  es  nur  vermittels  der 
Kunst,  und  hier  erfolgte  er  durch  Cicero.  Unersättlich  im  Lernen, 
unermüdlich  arbeitend  an  seiner  geistigen  Vervollkommnung,  hat 
er  den  Gesichtskreis  und  die  Stoffe  der  Beredsamkeit  erweitert, 
reiche  Kenntnisse,  klares  Bewußtsein  der  Kunstgesetze  und  ein  ver- 
feinertes Gefühl  für  das  Schöne  und  Passende  im  sprachlichen  Aus- 
druck in  ihren  Dienst  gebracht  und  dadurch  dem  lateinischen  Stile 
Gesetz,  Bestimmtheit  und  Fülle  verliehen.  Willig  erkannten  auch 
die  Besten  seiner  Zeitgenossen  wie  Caesar  seine  Überlegenheit  und 


3)  Daß  sich  bereits  eine  gewisse  Topik  in  Rom  ausgebildet  hatte,  zeigt 
Cic.  div.  Caec.  43  si  quid  ex  vetere  oratione  aliqua:  *Iovem  ego  Optimum 
maximum9  aut :  f  Vellem  si  fieri  potuisset  iudices9  aut  aliquid  eiusmodi  edi- 
scere  potueris,  praeclare  te  paratum  in  iudicium  venturum  arbitraris. 


Allgemeine  Charakteristik  315 

Mustergültigkeit  an.  Zwar  mußte  er  am  Abende  seines  Lebens  die 
Erfahrung  machen,  daß  die  Jüngeren  sich  über  ihn  hinausgeschritten 
dünkten,  ihn  zu  asianisch  fanden  und  den  Namen  Attiker  ausschließ- 
lich für  sich  in  Anspruch  nahmen;  auch  in  der  Zeit  unmittelbar 
nach  ihm  sträubten  sich  Sallust  und  Asinius  Pollio  gegen  seinen 
Stil.  Aber  in  der  Hauptsache  blieb  dieser  siegreich;  sein  Sprach- 
schatz, Wortgebrauch  und  Satzbau  wurde  der  klassische  und  fand 
auch  in  späten  Jahrhunderten  immer  wieder  Bewunderung  und  Nach- 
ahmung. 

In  Zusammenhang  mit  der  kunstmäßigen  Ausbildung  der  Bered- 
samkeit gewann  auch  deren  Theorie,  die  Rhetorik,  an  Bedeutung. 
Hier  herrschten  in  der  Schule  die  griechischen  Technographen, 
z.  B.  Hermagoras,  Molon,  Apollodoros,  Theodoros;  ihre  Lehrbücher 
wurden  beim  Unterrichte  entweder  in  der  Urschrift  zugrunde  ge- 
legt oder  in  einer  lateinischen  Übersetzung,  wie  sie  Valgius  anfer- 
tigte. Cicero,  der  in  seiner  ersten  Schrift  den  gleichen  Weg  ge- 
gangen war,  verfolgte  in  seinen  reiferen  Jahren  die  Bahn  der  philo- 
sophischen Rhetorik;  er  ließ  die  Streitfragen  der  Rhetorenschulen 
beiseite  und  paßte  den  Stoff  dem  Verständnis  weiterer  Kreise  an. 
Denn  an  die  Stelle  der  knappen  strengen  und  einseitigen  Methodik 
jener  Jugendschrift  setzte  er  unterhaltende,  durch  die  Vielseitigkeit 
seiner  Kenntnisse  und  das  Heranziehen  allgemeiner  Fragen  an- 
ziehende und  belehrende  Erörterungen. 

Nächstdem  gedieh  in  dieser  Zeit  die  politische  Literatur. 
Mit  der  Verbreitung  der  Bildung  war  der  Griffel  immer  mehr  zu 
einer  Macht  geworden,  und  an  Händen,  die  bereit  waren  ihn  zu 
führen,  war  Überfluß.  Um  alle  bedeutenden  Persönlichkeiten  und 
Vorgänge  der  Zeit  bildet  sich  daher  alsbald  eine  Literatur  von  Flug- 
und  Streitschriften,  von  Denkwürdigkeiten  und  Lebensbeschreibun- 
gen. Ebenso  steht  der  Briefwechsel  zu  einem  guten  Teile  in  sol- 
chem Zusammenhang,  teilweise  auch  die  Geschichtschreibung, 
wie  Cäsars  Beispiel  zeigt.  Aber  in  der  Hauptsache  dient  sie  der 
allgemeinen  Bildung,  die  immer  weitere  Kreise  erfaßt  und  auf  deren 
Bedürfnisse  die  Literatur  Rücksicht  nehmen  muß.  Die  Annalistik 
alten  Stiles  hört  nicht  auf,  gerät  aber  in  den  Hintergrund,  daneben 
treten  Abrisse  der  Chronologie,  wie  sie  Atticus  und  Nepos  ver- 
faßten, und  bequeme  Sammlungen  von  Biographien  und  Exempla; 
beliebt  ist  dabei  die  Gegenüberstellung  von  Griechen  und  Römern, 
wie  wir  sie  bei  Varro  und  Nepos  finden.  Für  die  stoffliche  Seite 
der  Geschichte  war  die  Einführung  einer  amtlichen  Zeitung  (acta 


316  Ciceronische  Zeit:  J.  84—43  v.  Chr. 

diurna)  durch  Caesar  (J.  59)  sowie  die  weitere  Ausbildung  und 
Verbreitung  der  Stenographie  (notae  Tironianae)  förderlich.  An 
Sallust  hat  diese  Zeit  einen  glänzenden  Vertreter  der  Richtung,  die 
von  dem  Bewußtsein ,  daß  Geschichte  zu  schreiben  eine  Kunst  sei, 
durchdrungen  ist  und  sowohl  in  der  Schilderung  der  Begebenheiten 
als  auch  der  handelnden  Charaktere  den  Kausalitäten  gerecht  zu 
werden  versucht. 

Ihren  Höhepunkt  erreicht  in  dieser  Zeit  die  antiquarische  For- 
schung, teils  weil  ihr  jetzt  erst  die  reichen  bibliothekarischen  Hilfs- 
mittel zu  Gebote  standen,  deren  gerade  dieser  Wissenszweig  nicht 
entraten  kann,  teils  weil  das  Gefühl  von  der  Überlegenheit  der  alt- 
römischen Zeit  jetzt  besonders  rege  wurde  und  man  in  der  Betrach- 
tung der  großen  Vergangenheit  ein  Mittel  zur  sittlichen  Erneuerung 
der  Nation  zu  finden  glaubte.4)  Der  berühmteste  Forscher  auf  die- 
sem Gebiet,  den  Rom  je  hervorgebracht  hat,  ist  Varro,  der  sich  in 
einem  langen  Leben  eine  erstaunliche  Fülle  des  Wissens  erwarb 
und  es  in  Schriften  niederlegte,  in  ehrlich  nationalem  Sinne  und 
so  reich,  daß  Jahrhunderte  davon  zehren  konnten.  Nächst  ihm  ge- 
nossen Valerius  Cato,  Nigidius  Figulus  und  Santra  das  meiste  An- 
sehen; auch  Aristokraten  wie  Valerius  Messala  (Cos.  53)  beteiligten 
sich  an  der  Erforschung  des  vaterländischen  Altertums.  Mit  diesen 
Studien  hängt  die  häufige  Bearbeitung  der  religiösen  Gebräuche 
zusammen,  wie  sie  Caecina,  Appius  Pulcher,  Valerius  Messala  und 
Trebatius  unternahmen;  hier  mag  der  Wunsch  mitgewirkt  haben, 
alte  Riten  aufzuzeichnen,  ehe  sie  ganz  in  Vergessenheit  gerieten, 
auch  wohl  der  Einfluß  der  griechischen  Theologie  und  seit  der  Be- 
gründung der  Monarchie  der  Wille  des  Fürsten,  der  die  alte  Reli- 
gion wiederherstellen  wollte.  Die  Lehrer  der  Bildung  waren  noch 
immer  meistens  Freigelassene  griechischen  Ursprunges,  wie  Curtius 
Nicias,  Lenaeus,  Ateius  Praetextatus,  Caecilius  Epirota;  selten  wid- 
meten sich  Freie  diesem  Berufe,  wie  Orbilius  Pupillus.  So  kam  es, 
daß  die  Lehrer  der  Grammatik  und  Rhetorik  meist  eine  Klienten- 
existenz führten,  die  für  die  Besseren  unter  ihnen  recht  auskömm- 
lich, gesellschaftlich  aber  keineswegs  beneidenswert  war. 

Außer  diesen  Lehrern  entsandte  Griechenland  nach  Rom  haupt- 
sächlich Philosophen,  und  durch  sie  fanden  philosophische  Wort- 
gefechte und  philosophische  Schriftstellerei  in  Rom  immer  mehr 
Eingang.   Eine  Seltenheit  aber  war  es,  daß  man  es  damit  so  wichtig 


4)  Norden,  JJ.  1901  VII  251. 


Allgemeine  Charakteristik  317 

nahm  wie  Cato  mit  seinem  stoischen  oder  der  ernste  Lucretius  mit 
seinem  epikureischen  Bekenntnis;  die  meisten  pflückten  aus  den 
verschiedenen  Systemen  die  ihnen  zusagenden  Früchte  und  hielten 
es  dabei  keineswegs  für  nötig,  die  ethischen  Lehren  der  Griechen 
ins  Leben  zu  übertragen.  Auch  die  Schriftsteller  auf  diesem  Ge- 
biete waren,  wie  die  Hauptphilosophen  des  damaligen  Hellas  selbst, 
Eklektiker  und  mischten  sich  die  einzelnen  Bestandteile  ihrer  Über- 
zeugungen nach  ihrem  persönlichen  Behagen.  So  hielt  Varro  in 
der  Ethik  zur  Akademie,  sonst  zur  Stoa,  M.  Brutus  umgekehrt  in 
der  Ethik  zur  Stoa,  sonst  zur  Akademie,  und  Cicero  ließ  am  liebsten 
die  verschiedenen  Lehren  gegeneinander  reden.  Außer  Lucretius 
haben  wir  aus  dieser  Zeit  nur  von  Cicero  Schriften  philosophischen 
Inhalts,  deren  Wert  nicht  zum  wenigsten  in  ihrer  Form  liegt,  in 
der  Gewandtheit,  womit  die  lateinische  Sprache  den  neuen  Stoffen 
angepaßt  ist. 

Die  Dichtung  spielte  auch  in  dieser  Zeit  noch  vielfach  die 
untergeordnete  Rolle  eines  Zeitvertreibes  für  vornehme  Leute;  hier- 
her gehört  das,  was  Varro,  M.  Cicero  und  Q.  Cicero  auf  diesem 
Gebiet  unternahmen.  Das  Bedeutendste  unter  diesen  leistete  noch 
der  freilich  durch  und  durch  prosaische  M.  Varro,  der  besonders 
in  seinen  saturae  Menippeae  die  Sprache  schulte,  sich  mannigfaltigen 
metrischen  Formen  anzubequemen :  so  wurde  er  ein  Vorgänger  der 
sich  an  die  Alexandriner  anlehnenden  Dichter,  die  ihn  freilich  als 
solchen  kaum  anerkannt  haben  würden.  Höheren  Flug  unternahm 
die  Dichtung  in  dem  Lebenswerke  des  Lucretius.  Sein  Lehrge- 
dicht ist  vollkommen  römisch  in  seiner  ehrlichen  Schroffheit  und 
altertümlichen  Sprache,  aber  zugleich  voll  von  dem  Geiste  der  helle- 
nischen Aufklärung:  in  seiner  Form  wandelt  es  auf  der  Bahn  des 
Ennius  weiter.  Die  jüngere  Generation,  die  sogenannten  Neote- 
riker,  wählten  sich  vorwiegend  die  alexandrinischen  Dichter  und 
ihre  peinlich  strenge  Technik  zum  Vorbild,  verbreiteten  sich  über 
die  von  ihnen  gepflegten  Zweige  der  Poesie  und  versuchten  sich  in 
den  mannigfaltigsten  Formen,  die  sie  bis  zu  voller  Meisterschaft 
bewältigten.  Hierher  gehört  vor  allem  Catullus,  der  größte  Ly- 
riker, den  Rom  erlebt  hat,  neben  ihm  seine  Freunde  Valerius 
Cato,  Furius  Bibaculus,  Licinius  Calvus  und  Helvius  Cinna;  ihnen 
standen  nahe  der  proteusartige  Varro  Atacinus  und  Cassius  aus 
Parma.  Nur  das  Drama  wurde  von  den  Neoterikern  vernachlässigt: 
in  ihrer  selbstgenügsamen  Abkehr  vom  Volke  fühlten  sie  sich  durch 
die  Teilnahme  der  Schule,  der  Freunde,  der  Kenner  befriedigt.   Die 


318  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

Bühne  sah  sich  daher  nach  dem  Aussterben  der  Togata  und  der 
kurzen  Blüte  der  Atellana  auf  die  Leistungen  der  Vergangenheit 
angewiesen,  und  ausgezeichnete  Schauspieler,  wie  im  Trauerspiel 
Aesopus  und  im  Lustspiel  Roscius,  hauchten  den  Stücken  der  Tra- 
giker und  Palliatendichter  des  sechsten  Jahrh.  d.  St.  neues  Leben 
ein.  Von  den  volkstümlichen  Gattungen  wurde  im  Laufe  der  cice- 
ronischen  Zeit  der  Mimus  in  die  Literatur  eingeführt,  der  mit  seiner 
Zügellosigkeit  den  Instinkten  des  hauptstädtischen  Publikums  ent- 
gegenkam. Für  ihn  arbeitete  der  römische  Ritter  D.  Laberius,  so- 
wie der  Freigelassene  und  Schauspieler  Publilius  Syrus. 

In  dieser  Zeit  wurde  auch  der  letzte  Rest  der  volkstümlichen 
Silbenmessung  beseitigt.  Das  fast  unhörbar  gewordene  und  daher 
von  Ennius  (s.  S.  158)  vor  Konsonanten  nicht  berücksichtigte  aus- 
lautende s  wurde  von  den  formstrengen  Dichtern  dieser  Zeit  grund- 
sätzlich und  regelmäßig  als  voller  Konsonant  behandelt,  nachdem 
sich  noch  M.  Varro  und  Lucretius  jener  Freiheit  bedient  hatten. 
Nur  die  Verschleifung  des  auslautenden  m  vor  anlautendem  Vokale 
blieb  für  alle  Zeit  bestehen.  Auch  die  Rücksicht  auf  die  volkstüm- 
liche Jambenkürzung  wurde  von  der  jüngeren  Dichterschule  auf- 
gegeben.5) 

Unter  den  literarischen  Persönlichkeiten  der  ciceronischen  Zeit 
besteht  ein  gewisser  Unterschied,  je  nachdem  sie  der  ersten  oder 
der  zweiten  Hälfte  derselben,  der  älteren  oder  der  jüngeren  Gene- 
ration, angehören.  Die  älteren,  deren  Jugend  in  die  Schreckenszeit 
der  Kämpfe  zwischen  Sulla  und  Marius  fiel,  haben  in  Literatur  und 
Leben  vielfach  noch  eine  gewisse  ernste  Haltung.  Das  Ende  des 
siebenten  Jahrh.  d.  St.  und  den  Anfang  des  achten  kennen  wir  aus 
Cicero  und  Catull  als  eine  stürmische,  entfesselte  Zeit;  es  ist  die 
Zeit  eines  Catilina,  eines  Clodius  und  einer  Clodia,  als  Zuchtlosig- 
keit  für  Genialität  galt  und  die  altrömische  Ehrbarkeit  aus  Leben 
und  Literatur  geschwunden  war.5)  Die  jüngere  Generation,  die  da- 
mals aufwuchs  und  frühzeitig  in  den  Strudel  hineingeriet,  wurde 
von  ihm  auch  verschlungen,  verzehrte  in  Sinnentaumel  rasch  ihre 
Kräfte  und  fand  ein  frühes  Ende.  Den  altrömischen  Dichtern  gegen- 
über, die  auch  durch  das  hohe  Alter,  das  sie  erreichten,  als  wahre 
Patriarchen  dastehen,  ist  es  auffallend,  wie  kurzlebig  die  Schrift- 

5)  Vgl.  Jachmann,  Grlott.  7,  69. 

6)  Cic.  pCael.  40  haec  genera  virtutum  non  solum  in  moribus  nostris, 
sed  vix  iam  in  libris  reperiuntur.  Dergleichen  ist  freilich  zu  allen  Zeiten 
gesagt  worden. 


Allgemeine  Charakteristik  319 

steller  dieser  Zeit  sind,  ein  Catullus,  Calvus,  Caelius  Rufus,  ja  auch 
Lucretius  und  Sallust.  Diejenigen  unter  ihnen,  denen  ein  längeres 
Leben  beschieden  war,  erreichten  zum  Teil  erst  in  der  augusteischen 
Zeit  den  Höhepunkt  ihrer  Wirksamkeit,  wie  Trebatius,  Asinius 
Pollio,  Q.  Tubero,  C.  Matius. 

Epoche  macht  in  dieser  Zeit  auf  dem  Gebiete  der  Prosa  Cicero, 
auf  dem  der  Poesie  die  Neoteriker:  Varro  und  Lucretius  stehen 
jenseits  dieser  Zeit.  Man  muß  aber  die  Gattungen  nicht  verwischen: 
derselbe  Licinius  Calvus,  der  als  Dichter  Revolutionär  war,  ge- 
hörte als  Redner  zur  attizistischen  Reaktion,  und  Cicero,  an  dem 
die  jüngeren  Redner  moderne  Unarten  finden  wollten,  dichtet  im 
Ennianischen  Stile  und  macht  sich  lustig  über  die  neumodischen 
Dichterlinge,  die  in  der  Poesie  dem  Euphorion  nachleiern. 7)  In  der 
Politik  gehen  die  Vertreter  der  Literatur  vollends  auseinander;  so 
ist  die  jüngere  Generation  zu  einem  Teile  republikanisch  gesinnt 
—  wie  Catullus,  Calvus  und  die  bedeutendsten  Teilnehmer  der  Ver- 
schwörung gegen  Caesar,  M.  und  D.  Brutus,  C.  Cassius  und  Cassius 
aus  Parma  —  zum  anderen  steht  sie  auf  Caesars  Seite,  wie  Helvius 
Cinna,  Sallust,  C.  Matius,  Q.  Tubero,  M.  Antonius,  Curio,  Trebatius, 
Asinius  Pollio  u.  a. 

Auch  das  ist  eine  Eigentümlichkeit  dieser  Zeit,  daß,  nachdem 
mit  dem  marsischen  Kriege  die  letzten  Schranken  zwischen  Rom 
und  Italien  gefallen  waren,  die  italischen  Landstädte  sich  in  zu- 
nehmendem Maße  an  der  Literatur  beteiligen  und  diese  allmählich 
aus  einer  römischen  zu  einer  italischen  machen.  Als  vollends  auch 
das  diesseitige  Gallien  in  den  Verband  gezogen  war  und  Italien 
nunmehr  seine  natürlichen  Grenzen  hatte,  strömten  auch  von  dort 
die  Talente  auf  den  größeren  Schauplatz.  Catull,  Cornelius  Nepos, 
Furius  Bibaculus,  Cassius  (Parmensis)  und  weiterhin  Aemilius 
Macer,  Cornelius  Gallus,  T.  Livius  sind  aus  Oberitalien  gebürtig, 
Varro  (Atacinus)  und  Pompeius  Trogus  sogar  aus  dem  jenseitigen 
Gallien.8)  Wollten  feinere  Ohren  auch  an  der  Sprache  dieser  Neu- 
römer etwas  heraushören,  was  sie  von  der  urbanitas  unterschied9), 


7)  Cic.  orat.  161  (poetae  novi).  Att.  7,2,1  (vswtsQOL  und  anovdsid^ovtsg; 
vgl.  §  212  a).  Tusc.  3,45  (cantores  Euphorionis).  Vgl.  auch  Quint.  12,10,12. 
Kroll,  Ausg.  d.  Orator  S.  12.    Sinzig  (§  189,  1). 

8)  Lagus,  studia  latina  provincialium,  Helsingfors  1849.  ABudinsky,  d. 
Ausbreitung  d.  lat.  Spr.,  Berl.  1881. 

9)  Cic.  Brut.  171;  de  or.  3,  42:  ob  darin  mehr  liegt  als  das  Bestreben, 
etwas  dem  'Arxi-AW^og  Entsprechendes  zu  haben? 


B20  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

so  besaßen  diese  umsoniehr  Frische  und  Eifer.  Die  langsamere 
Entwicklung  der  von  Rom  entfernteren  Teile  Italiens10)  bot  dazu 
den  Vorteil,  daß  sie,  unabhäu giger  von  den  rasch  wechselnden 
Moden  der  Hauptstadt,  treuer  am  Alten  festhielten11),  und  aus  dieser 
Quelle  schöpfend  führten  sie  in  der  folgenden  Zeit  oft  genug  neue 
Lebenskraft  in  die  von  der  ewigen  Unruhe  erschöpften  Adern  der 
Weltstadt. 

Durch  Umfang  und  nachhaltigen  Einfluß  seiner  schriftstelleri- 
schen Tätigkeit  nimmt  Cicero  in  dieser  Zeit  die  hervorragendste 
Stellung  ein.  Um  ihn  gruppieren  sich  die  Alteren  und  ein  Teil  der 
Jüngeren.  Etwas  älter  als  Cicero  sind  Varro  (geb.  116),  Aquilius 
Gallus,  die  Optimaten  M.  Crassus  (geb.  vor  115),  L.  Lucullus  (geb. 
um  114),  Hortensius  (geb.  114),  M.  Piso  (geb.  um  112),  sowie  Atti- 
cus  (geb.  109),  die  Übersetzer  des  Epikur  (§  173)  und  L.  Albucius. 
Gleichalterig  mit  Cicero  sind  Cn.  Pompeius  und  Laberius  (beide 
geboren  106),  Sulpicius  Rufus,  sowie  ungefähr  L.  Lucceius,  Q.  Tu- 
bero,  Q.  Cicero  (geb.  102)  und  Furius  Bibaculus  (geb.  103?).  Auch 
Tiro,  Trebatius  Testa  (geb.  um  89)  und  etwa  Nigidius  Figulus 
(Praetor  58)  gehören  noch  zu  seinem  Kreise.  Sonst  aber  übt  auf 
die  Jüngeren  Caesar  (geb.  100)  größere  Anziehungskraft.  Unter 
diesen  stehen  an  Lebensjahren  dem  Cicero  näher  Lucretius  (geb. 
99),  Cato  Uticensis  (geb.  95),  C.  Memmius  (Praetor  58),  Cornelius 
Nepos  (geb.  um  94),  Valerius  Cato,  Hirtius,  Oppius,  Munatius 
Plancus,  M.  Calidius,  C.  Trebonius,  Maecius  Tarpa,  C.  Cassius,  Va- 
lerius Messala.  Orbilius  Pupillus,  obwohl  schon  114  geboren,  ent- 
faltet erst  jetzt  seine  Wirksamkeit.  Die  noch  Jüngeren  haben,  so- 
weit sie  Gegner  der  werdenden  Monarchie  sind,  viele  Berührungs- 
punkte mit  Cicero  gemein,  sind  aber  fast  noch  mehr  von  ihm  um- 
worben als  daß  sie  seine  Gunst  suchen.  Dahin  gehören  M.  Brutus 
(geb.  85),  D.  Brutus  (geb.  nach  84),  Calvus  (geb.  82),  auch  Catull 
(geb.  87).  Unter  den  Caesarianern  dieses  Alters  hat  Cicero  zu  C.  Ma- 
tius  (geb.  um  84)  und  Caelius  Rufus  (geb.  um  88)  ein  freundliches 
Verhältnis,  ein  zweifelhaftes  zu  Asinius  Pollio  (geb.  84),  ein  feind- 
seliges zu  Sallust  (geb.  87)  und  M.  Antonius  (geb.  um  83).  Von 
Varro  Atacinus  (geb.  um  82)  sind  die  persönlichen  und  politischen 
Beziehungen  unbekannt. 

10)  Plin.  ep.  1,  14,  4  Brixia  ex  illa  nostra  Italia,  quae  multum  adhuc 
verecundiae,  frugalitatis  atque  etiam  rusticitatis  antiquae  retinet  ac  servat. 

11)  Noch  Suet.  gramm.  21  sagt:  in  provincia  . .  durante  adhuc  ibi  anti- 
quorum  memoria,  necdum  omnino  abolita  sicut  Romae. 


§  164.  Varro  (Leben)  321 

Das  Consulatsjahr  Ciceros  (63)  bildet  einen  gewissen  Wende- 
punkt wie  in  Ciceros  Leben  so  auch  in  der  Stellung  der  Parteien.12) 
Wir  zerlegen  hiernach  die  ciceronische  Zeit  in  zwei  Hälften  und 
teilen  der  ersten  diejenigen  Schriftsteller  zu,  deren  persönliche  oder 
literarische  Blütezeit  vor  jenes  Jahr  fällt,  der  zweiten  die  erst  nach 
63  zur  Blüte  gelangten. 

ERSTE  HÄLFTE  DER  CICERONISCHEN  ZEIT 

Die  Jahre  83—63 

164.  M.  Terentius  Varro,  geb.  J.  116  in  der  sabinischen  Stadt 
Reate,  wohl  aus  einem  ritterlichen  Geschlechte,  widmete  sich  von 
Anfang  an  hauptsächlich  der  Forschung  und  literarischer  Tätigkeit, 
blieb  aber  auch  dem  öffentlichen  Leben  nicht  fern  und  wurde  na- 
mentlich von  Pompeius  in  amtlichen  Stellungen  verwendet,  wo  es 
auf  Zuverlässigkeit  und  Tüchtigkeit  ankam.  Auch  im  Bürgerkriege 
kämpfte  er  auf  Seiten  der  Verfassungspartei  in  Spanien  gegen  Cae- 
sar, wurde  vom  Sieger  zum  Vorstande  der  zu  gründenden  öffent- 
lichen Bibliothek  bestimmt,  von  M.  Antonius  aber  (J.  43)  auf  die 
Achtungsliste  gesetzt.  Er  entging  dieser  Gefahr  und  erreichte  in 
beständiger  literarischer  Tätigkeit  fast  das  90.  Lebensjahr.  Varro 
ist  ein  Mann  von  wunderbarer  Fruchtbarkeit  und  Vielseitigkeit; 
dabei  zeigt  seine  Schrifts teilerei  eine  eigentümliche  Mischung  von 
schlichter  Volkstümlichkeit  und  universeller  Bildung,  von  haus- 
backener Lustigkeit  und  altfränkischer  Steifheit.  Varro  ist  ein 
ehrenhafter  Charakter,  bieder  und  nüchtern,  ein  Anhänger  der  guten 
alten  Zeit,  der  eifrig  auf  aUen  Gebieten  dem  echt  und  alt  Römischen 
nachgeht,  aber  auch  für  griechische  Bildung  zugänglich.  Seine  Dar- 
stellung hat  etwas  körnig  Frisches,  ist  aber  knapp,  springend  und 
abgerissen  und  bemüht  sich  nicht  um  Ebenmäßigkeit  und  Rundung. 

1.  Varro  schrieb  de  sua  vita  libri  III  (vgl.  §  166,  3).  Hiekonym.  in  Euseb. 
chron.  ad  a.  Abr.  1901  =  116  M.  Terentius  Varro  filosofus  et  poeta  nasci- 
tur.  Derselbe  ad  1990  =  27  M.  Terentius  Varro  filosofus  prope  nonagena- 
rius  moritur.  Eeatinus  nennt  ihn  Symmachus  ep.  1,  2:  vgl.  Varro  RR.  2, 
praef.  6.  2,  8,  3.  5.  6.  Ungenau  August,  civ.  d.  4,  1  Romae  natus  et  educa- 
tus.  Von  sich  wohl  sagte  er  im  Catus:  mihi  puero  modica  una  fuit  tunica 
et  toga,  sine  fasciis  caleiamenta,  equus  sine  ephippio,  balneum  non  cotidia- 


12)  Es  bedarf  kaum  eines  Wortes,  daß  dies  kein  literarhistorischer 
Gesichtspunkt  ist  und  es  in  jener  Zeit  noch  weniger  war  als  heute.  Bei 
der  Eigenart  des  Werkes  ging  es  aber  nicht  an,  diese  Anordnung  zu  zer- 
stören, und  der  wirkliche  Schaden,  den  sie  vielleicht  stiftet,  ist  in  der  Tat 
geringfügig. 

Teuf  fei:  röm.  Literaturgesch.   Neub.  6.  Aufl.  I.  21 


322  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

num,  alveus  rarus.  Schüler  des  Stilo  (§  148,  1)  und  des  Antiochos  aus  As- 
kalon  (Cic.  acad.  post.  1,  12),  wie  Cicero.  Befreundet  mit  Cn.  Pompeius 
(Gell.  14,  7,  2  Cn.  Pompeius  ...  M.  Varronem,  familiärem  suum,  rogavit 
usw.)  und  Atticus  (Cic.  Att.  2,  25,  1.  Varro  RR.  2,  1,  25.  2,  2,  2),  mit  Ci- 
cero aber,  bei  der  Verschiedenartigkeit  des  beiderseitigen  Wesens,  nie  be- 
sonders vertraut  (Roth  aO.  8).  Briefe  Ciceros  an  ihn,  ep.  9,  1 — 8.  Triumvir 
(capitalis  ?),  Volkstribun  (Gell.  13,  12,  6);  Aedil  (Vitruv.  2,  8,  9;  vgl.  Plin. 
NH.  35,  173).  Nach  Münzen  Pro  Q(uaestore)  des  Procos.  Pompeius  wahr- 
scheinlich 76  in  Spanien  gegen  Sertorius  (Roth  aO.  12),  wo  er  um  diese 
Zeit  diente  (Sall.  hist.  2,  fr.  69  haec  postquam  Varro  in  maius  more  rumo- 
rum  accepit),  sicher  im  Seeiituberkriege  (J.  67)  sein  Legat  (Varro  RR.  2, 
praef.  7.  Plin.  NH.  3,  101.  Flor.  1,  41,  10)  und  mit  einer  Corona  navalis 
(rostrata)  geehrt  (Plin.  NH.  7,  115.  16,  7),  wahrscheinlich  (Roth  aO.  17. 
Münzer,  Beitr.  278)  auch  im  mithridatischen  (J.  66).  Wohl  nach  diesem 
war  er  Praetor  (Themist.  p.  453  Dind. :  Bccqcov  trjv  e^utieXexvv  t]q%ev  a.q%r\v, 
vgl.  Appian.  b.  c.  4,  47  £6%$axr\yy\%m<i),  J.  59  Mitglied  des  Zwanzigeraus- 
schusses für  Ausführung  der  von  den  Triumvirn  durchgesetzten  lex  Iulia 
agraria  (Varr.  RR.  1,  2,  10,  vgl.  Plin.  NH.  7,  176).  Im  J.  49  mit  Afranius 
und  Petreius  Legat  des  Pompeius  in  Spanien  (Flor.  2,  13,  29)  mußte  er, 
nach  dem  Abfall  der  einen  seiner  Legionen,  sich  Caesar  ergeben  (Caes.  b.  c. 
1,  38.  2,  17 — 20)  und  scheint  sich  nun  am  Kriege  gegen  diesen  nicht  weiter 
beteiligt  zu  haben.  Er  machte  seinen  Frieden  mit  der  Monarchie  des  Cae- 
sar wie  später  mit  der  des  Augustus,  hörte  aber  nicht  auf,  das  Andenken 
des  Pompeius  hochzuhalten  und  aus  seiner  Kenntnis  mitzuteilen,  was  er 
Günstiges  über  ihn  berichten  konnte.  J.  47  widmete  Varro  dem  Caesar 
seine  Antiquitates  rerum  div.  (Lactant.  1,  6,  7.  Augustin.  civ.  d.  7,  35).  Be- 
stimmung zum  Bibliothekar,  Suet.  Caes.  44;  vgl.  Isid.  orig.  6,  5,  1.  M.  An- 
tonius, der  J.  47  auf  Caesars  Befehl  dem  Varro  ein  schon  geraubtes  Gut 
wieder  hatte  herausgeben  müssen  und  J.  44  desselben  sich  abermals  be- 
mächtigte (Cic.  Phil.  2,  103),  ächtete  ihn  J.  43;  aber  Fufius  Calenus  rettete 
ihm  das  Leben  (App.  b.  c.  4,  47),  während  ein  Teil  seiner  Bibliothek  (Gell. 
3,  10,  17)  und  sein  reicher  Grundbesitz,  wie  es  scheint,  für  ihn  verloren 
blieb  (Roth  aO.  28  f.).  Val.  Max.  8,  7,  3  Terentius  Varro  . .  non  annis,  qui- 
bus  saeculi  tempus  aequavit,  quam  stilo  vivacior  fuit  in  eodem  enim  lectulo 
et  Spiritus  eius  et  egregiorum  operum  cursus  exstinctus  est.  Plin.  NH.  29,  65 
ni  M.  Varro  LXXXIII  vitae  anno  proäiäisset  etc.  ebd.  7,  115  Varronis 
(in  der  öffentlichen  Bibliothek  des  Asinius  Pollio,  §  219,  21,  gegründet  J.  38) 
unius  viventis  posita  est  imago.  Vgl.  §  165,  1.  JGSchnelder,  vita  Varr.,  in 
s.  Script.  R.  R.  1,2,217.  PRE.  6,1688.  KLRoth,  das  Leben  des  Varro, 
Bas.  1857.  GBoissier,  la  vie  et  les  ouvrages  de  V.,  Par.  1861.  ARiese,  Phil. 
27,  288. 

2.  Allgemeine  Charakteristik.  Cic.  Brut.  60  diligentissimus  investigator 
antiquitatis.  acad.  post.  1,  9  nos  in  nostra  urbe  peregrinantes  . .  tut  lihri 
quasi  domum  reduxerunt.  . .  tu  aetatem  patriae,  tu  discriptiones  temporum, 
tu  sacrorum  iura,  tu  sacerdotum,  tu  domesticam,  tu  bellicam  disciplinam,  tu 
sedem  rtgionum,  locorum,  tu  omnium  divinarum  humanarumque  rerum  no- 
mina,  genera,  officia,  causas  aperuisti  plurimumque  idem  poetis  nostris  omni- 
noque  latinis  et  litteris  luminis  et  verbis  attulisti,   atque  ipse  varium  et  ele- 


§   164.  Varro  (Leben  und  Allgemeines)  323 

gans  omni  fere  numero  poema  fecisti  philosophiamque  multis  locis  incohasti, 
ad  impellendum  satis,  ad  edocendum  parum.  or.  Phil.  2,  105.  Bei  August. 
civ.  dei  6,  2  homo  omnium  facile  acutissimus  et  sine  ulla  dubitatione  doctissi- 
mus.  Empfindlich  ad  Att.  13,  18  (J.  45)  homo  nolvyqacp corarog  numquam  me 
lacessivit  (durch  Widmung  einer  Schrift  behelligt).  Dionys.  2,  21  TsQsvtLog 
Ovccqqcov  .  .  ccvrjQ  tcbv  xcctcc  trjv  ccvtr]v  fjliKiccv  ccn^iaaccvrcov  TtoXvTtsiQOtcctog. 
Quint.  10,  1,  95  Terentius  Varro,  vir  Romanorum  eruditissimus.  plurimos 
hie  libros  et  doctissimos  eomposuit,  peritissimus  linguae  latinae  et  omnis  anti- 
quitatis  et  rerum  graecarum  nostrarumque ,  plus  tarnen  scientiae  collaturus 
quam  eloquentiae.  12,  11,  24  quam  multa,  paene  omnia,  tradidit  Varro! 
Augustin.  civ.  d.  6,  2  M.  Varro  . .  tametsi  minus  est  suavis  eloquio,  doctrina 
tarnen  atque  sententiis  ita  refertus  est,  ut  in  omni  eruditione  . .  studiosum 
rerum  tantum  iste  doceat  quantum  studiosum  verborum  Cicero  delectat.  Weiter- 
hin: *vir  doctissimus  undecumque  Varro*  (Terentian.  Maur.  GL.  6,409,2846) 
qui  tarn  multa  legit,  ut  aliquid  ei  scribere  vacasse  miremur,  tarn  multa  scripsit 
quam  multa  vix  quemquam  legere  potuisse  credamus.  Sen.  cons.  ad  Helv. 
8,  1.  Apulei.  apol.  42  u.  a.  Plut.  Romul.  12  Ovccqqcovcc  xov  qpiÄotfoqpov, 
ccvöga  *Pco[lccI(üv  iv  Iötoqlcc  ßißliaxa>TccTov.    Vgl.  GRF.   1,  179. 

3.  Von  dem  Stilisten  Varro  sagt  Cic.  Att.  12,  6,  1  habes  Hegesiae  genus, 
quod  Varro  laudat.  Die  Neigung  zum  zerhackten  Stil  der  modernen  Rhe- 
torik wird  sich  in  den  Reden  und  anderen  verlorenen  Schriften  deutlicher 
ausgesprochen  haben  als  in  den  erhaltenen  Lehrschriften;  am  ehesten  ver- 
raten die  Reste  der  Sat.  Men.  etwas  davon.  Wo  wir  ihn  im  Zusammen- 
hange lesen  können,  erscheint  er  uns  als  einer  der  schlechtesten  Stilisten, 
die  Rom  hervorgebracht  hat;  er  ist  von  Ciceros  Stilreform  ganz  unberührt 
und  gemahnt  häufig  an  die  alte  Gesetzessprache.  Sein  Satzbau  ist  unge- 
lenk, da  er  mit  den  Subjekten  wechselt,  die  Nebensätze  vor  die  Hauptsätze 
stellt  und  allerlei  Satzteile  vor  die  Relativa  und  Konjunktionen  rückt.  Er 
braucht  archaische  Formen  und  vulgäre  Wendungen,  die  sonst  aus  der 
Literatursprache  verbannt  waren.  Vgl.  RR.  1,  2,  1  rogatus  ab  aeditumo,  ut 
dicere  didieimus  a  patribus  nostris,  ut  corrigimur  a  recentibus  urbanis,  ab 
aedituo.  Aber  es  ist  nicht  zu  verkennen,  daß  die  Masse  des  ihm  zuströmen- 
den Stoffes  nicht  bloß  die  geistige,  sondern  auch  die  stilistische  Verarbeitung 
gehindert  hat;  daher  sind  die  auch  inhaltlich  verworrenen  Bücher  de  LL. 
am  schlechtesten  stilisiert  und  bereiten  dem  Verständnis  erhebliche  Schwie- 
rigkeiten. Vgl.  auch  Quint.  und  August.  (A.  2).  —  Über  Varros  Sprache 
HReiter,  Quaest.  Varron.  gramm.,  Königsb.  1862.  Stünkel,  de  Varr.  ver- 
borum formatione,  Straßb.  1876.  AMüller,  de  priscis  verborum  formis  Varr., 
Halle  1877.  Heidrich,  Varroniana,  Melk  1890—92  III.  Krumbiegel,  de  Varr. 
scrib.  genere,  Lpz.  1892.  Norden,  RhM.  48,  547;  Kunstpr.  194.  Einiges  auch 
§  98,  7.    Goetz,  Idg.  Forsch.  31,  298. 

164  a.  Varro  ist  einer  der  größten  Kompilatoren  aller  Zeiten. 
Er  hat  wohl  die  gesamte  römische  und  einen  großen  Teil  der  grie- 
chischen Literatur  durchgearbeitet,  um  Notizen  zu  finden,  die  sich 
entweder  unmittelbar  auf  römische  Dinge  bezogen  oder  durch  Kom- 
bination mit  ihnen  in  Verbindung  gebracht  werden  konnten.  Na- 

21* 


324  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

mentlich  die  römischen  Antiquare  hat  er  so  gründlich  ausgebeutet 
daß  die  Späteren  sich  damit  begnügen  konnten,  auf  seine  Angaben 
zurückzugehen ,  und  die  älteren  Werke  in  Vergessenheit  geraten 
ließen.  Wie  bei  den  meisten  Polyhistoren,  so  war  auch  bei  ihm  das 
Urteil  wenig  entwickelt;  zudem  folgte  er  der  bequemen  Sitte  seiner 
Zeit,  die  ihm  gestattete,  alles  für  wahr  zu  halten,  was  er  irgendwo 
überliefert  fand.  Da  nun  gerade  auf  dem  Gebiet  der  römischen 
Altertumskunde  schon  die  Griechen  und  dann  ihre  römischen  Zög- 
linge einer  zügellosen  Kombinations-  und  Erfindungssucht  gefröhnt 
hatten,  so  konnte  bei  einer  kritiklosen  Sammlung  dieser  Gelehr- 
samkeit nur  ein  wüstes  Sammelsurium  herauskommen.  Wenn  Varro 
dennoch  mehr  bot,  so  verdankt  er  das  seiner  Bekanntschaft  mit  der 
hellenistischen  Philosophie,  vor  allem  mit  dem  pythagoreisch  ge- 
färbten Stoizismus  des  Poseidonios.  Wenn  ihn  dieser  auch  zu  sche- 
matischen Dispositionen  verleitete,  die  mehr  störend  als  förderlich 
waren,  so  lieferte  er  ihm  doch  die  leitenden  Gesichtspunkte  für 
seine  großen  Arbeiten  und  brachte  Ordnung  in  die  chaotischen 
Massen  seiner  Exzerpte.  Was  aber  Varro  namentlich  über  den  Stand- 
punkt eines  bloßen  Kompilators  heraushebt,  das  ist  sein  warmher- 
ziger Patriotismus  und  die  überall  hervortretende  ehrliche  Absicht, 
seinen  Zeitgenossen  in  der  alten  Zeit  einen  Spiegel  vorzuhalten  und 
sie  auf  diese  Weise  zur  Einfachheit  zurückzuführen.  Sein  Bestreben, 
in  der  Kultur-  wie  in  der  Sprachgeschichte  Römisches  vom  Griechi- 
schen abzuleiten,  das  so  oft  verwirrend  gewirkt  hat,  erklärt  sich  aus 
dem  Wunsche,  die  Römer  als  Hellenen  erscheinen  zu  lassen  und  sie 
dadurch  dem  Verständnis  der  östlichen  Reichshälfte  näher  zu  bringen. 

1.  Unter  den  von  Varro  benutzten  Autoren  sind  so  unzuverlässige  wie 
Timaios  und  Alexander  Polyhistor;  über  jenen  vgl.  zB.  Geffcken,  Timaios' 
Geogr.  d.  Westens,  Berl.  1892.  Ritter,  Diss.  Halens.  14,  292.  Maass,  De 
Sibyllarum  indicibus,  Greifsw.  1879,  32.  Samter  aO.  76,  über  diesen  Ritter 
344.  Über  die  von  Varro  benutzten  römischen  Annalisten  und  Antiquare 
vgl.  Münzer,  Beitr.  z.  Quellenkritik  d.  Plin.  162;  zB.  scheint  Iunius  Grac- 
chanus  (§  138,  2)  nur  von  ihm  benutzt  zu  sein.  Über  die  Benutzung  des 
Cn.  Gellius  vgl.  Samter,  Quaest.  Varron.,  Berlin  1891,  60.  Wie  wenig  es 
ihm  auf  Kritik  ankam,  zeigt  zB.  die  Herübernahme  der  Zahl  der  von  Romu- 
lus  geraubten  Sabinerinnen  (527)  aus  Valerius  Antias  (Mommsen,  Sehr.  4,  26). 
Auch  das  Interesse  für  Paradoxa  können  wir  bei  ihm  finden,  zB.  in  den 
zoologischen  Merkwürdigkeiten,  die  er  in  RR.  gelegentlich  erwähnt  und 
dem  Plin.  NH.  8  vermittelt.  Er  benutzt  zB.  Ciceros  admiranda  (Münzer, 
Beitr.  172),  Philostephanos ,  Archelaos  (Hempel,  De  Varr.  rer.  rustic.  aueto- 
ribus  36),  Isigonos  von  Nikaia  (Oder,  Phil.  Suppl.  7,  343;  doch  s.  Oehler, 
Paradoxi  Florent.  opusc,  Tübing.  1914). 


§  164  a.  Varro  als  Forscher  325 

Von  den  Benutzern  seien  genannt  Ovid  (§  249, 6),  Verrius  Flaccus  (Kkiegs- 
hammer,  Comment.  Jenens.  7,  73),  Vitruv  (Oder  aO.  365),  Sueton,  Censorinus, 
Cornelius  Labeo  (Agahd  113)  und  namentlich  die  Kirchenväter,  die  das  von 
Varro   gesammelte    Material    zur    Bestreitung    der    römischen    Religion   be- 
nutzten, so  Tertullian,  und  in  weitem  Umfange  Augustinus  (§  166,  4).    Vgl. 
das    Stemma  bei  Samter  87.    Die  Bedeutung  Varros   erhellt  besonders  da- 
raus, daß  er  auch  von  Griechen  stark  ausgebeutet  wird,  so  schon  von  Dio- 
nys  von  Halikarnass   (Kiessling,   De  Dion.  Hai.  auctoribus  lat. ,  Bonn  1858. 
ESchwartz,  PW.  5,  960),    dann   von   Juba    (Gläser,    Lpz.  Stud.  4,  157)    und 
Plutarch  (zB.  im  Leben  des  Romulus  und  Numa:  Peter,  Die  Quellen  Plut., 
Halle  1865,  146;  im  Leben  des  Poplicola:    Soltau,  Progr.  Zabern  1905).  — 
Varros  Gelehrsamkeit  aus  den  Exzerptoren  herzustellen  gelingt  vielfach ;  aber 
die  wiedergewonnene  Darstellung  einem  bestimmten  Werke  zuzuweisen,  ist 
nicht  immer  möglich,  zumal  da  Varro  sich  in  seinen  verschiedenen  Arbeiten 
stark   wiederholt  hat    (Münzer,    Beitr.  137.    Oder,  Phil.  Suppl.  7,  365).    Na- 
mentlich  zogen   sich    dieselben   Etymologien   durch   seine   Werke  hindurch; 
Münzer  265.  Samter  63.  Kriegshammer  aO.    Goetz,  Abh.  Sachs.  Ges.  27,  67. 
2.  Pythagoreisch  ist  Varros  Vorliebe  für  Zahlenspielerei,   die  im  Ver- 
ein mit  der  Vorstellung  von  einer  Sphärenharmonie  auch  seine  Musiktheorie 
beeinflußt    (§  166,  6  a).    Er  hat   gewiß   Poseidonios'   Timaioskommentar  be- 
nutzt; vgl.  Frick,  RhM.  58,  115.    Praechter,  Herrn.  46,407;  über  die  Sieben- 
zahl s.  §  165,  1.  166,  5.    Eine   eingehende   Darstellung   der  pythagoreischen 
Seelenlehre  war  in  Ant.  div.  B.  1  gegeben,  aus  denen  Ovid.  Met.  15  schöpft, 
s.  Schmekel,    De   Ovidiana    Pythagoreae    doctrinae    adumbratione,    Greifsw. 
1885  (dort  S.  76  eine  Übersicht  der  Stellen,  an  denen  Varro  über  pythago- 
reische Lehren  handelt).    In  der  Disposition  folgt  er  gern  der  Vierzahl  der 
stoischen  Kategorien  (Usener,  Sehr.  2,  277  ff.),   vgl.  rer.  hum.  20  fr.  1  et  ea, 
quae  ad  mortales  pertinent,  quadrifariam  dispertierim:  in  homines,  in  loca, 
in  tempora,  in  res   (s.  §  166,  4.   168,  1)  und   ähnlich  LL.  7,  5   quare  fit,  ut 
ideo  fere  omnia  sint  quadripertita  . .  igitur  initiorum  quadrigae  locus  et  cor- 
pus, tempus  et  actio,  wo  der  bezeichnende  Satz  folgt:   et  si  quid  excedit  ex 
hac   quadripartitione ,   tarnen   in   ea   ut  comprehendam.    Ein    Monstrum  von 
Disposition  sind  die  9x9  Teile    RR.  2,  1,  12,   deren   Durchführung  später 
Schwierigkeiten  macht  (ebd.  25—28).    Von  Poseidonios  hat  Varro  seine  Vor- 
stellungen von  den   Anfängen   der  Kultur  (Norden,  JJ.  Suppl.  19,  426)  und 
von  der  Entlehnung  fremder  Heuremata  durch  die  Römer  (Wendling,  Herrn. 
28,  335),  ihm  dankt  er  wohl   das  Interesse  für  Geographie   und  namentlich 
seine  Anschauung   von    einer    dreifachen  Religion:    die   wahre    ist  die   der 
Philosophen,    nach  der   die  Götter  Naturkräfte    sind,    aber   sie  ist  zu  hoch 
für  das  Volk,  dem  die  Staatsmänner  eine  für  seinen  Standpunkt  geeignete 
Religion  zurecht  gemacht?  haben,  die  umzustoßen   verfehlt  wäre.    Daneben 
steht  die  Religion  der  Dichter,   die  voll  von  törichten  Erfindungen  ist  und 
sich  besonders  für  das  Theater  eignet  (Schmekel,  Philos.  d.  mittl.  Stoa  448). 
Daß  auch  die  Meteorologie  des  Poseidonios  auf  V.  gewirkt  hat,  zeigt  Oder, 
Phil.  Suppl.  7,  309.  363.    Auch  in  seinen  sprachwissenschaftlichen  Arbeiten 
zeigt  sich  der  stoische  Einfluß,  der  hier  besonders  durch  Aerius   Stilo  ver- 
mittelt ist,  s.  §  167.    Damit  vertrug  es  sich  bei  dem   damaligen  Eklektizis- 
mus, daß  er  sich  in  vielen  Dingen  und  besonders  in   der  Erkenntnistheorie 


326  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

an  Antiochos  von  Askalon  anschloß,  dessen  Zuhörer  er  in  Athen  gewesen 
war  (Cic.  Acad.  1,  12).  Darum  läßt  ihn  Cicero  in  der  Neubearbeitung  der 
Academica  die  Lehre  des  Antiochos  vortragen,  vgl.  Att.  13,  12,  3  illam  Ä-ku- 
Si\\iw.r\v  ad  Varronem  transferamus ;  etenim  sunt  Antiochia,  quae  iste  valde 
probat.  Auf  dem  Standpunkt  des  Antiochos  steht  auch,  was  August,  civ.  d. 
19,  1 — 3  aus  der  Schrift  de  philosophia  mitteilt;  vgl.  bes.  349,  15  quomodo 
refutatis  ceteris  unam  eligat,  quam  vult  esse  Academieorum  veterum  (quos  a 
Piatone  institutos  usque  ad  Polemonem  . .  habuisse  certa  dogmata  vult  videri 
et  ob  hoc  distinguit  ab  Academicis  novis,  quibus  incerta  sunt  omnia  .  .)  eam- 
que  sectam,  idest  veterum  Academieorum,  sicut  dubitatione  ita  omni  errore 
carere  arbitretur,  longum  est  .  .  demonstrare.    Zeller,  Philos.  d.  Gr.  3,  l4,  692. 

3.  Das  Lob  Italiens  verkündet  Varro  in  begeisterten  Tönen  vom  Stand- 
punkte des  Landwirtes  RR.  1,  2,  3  vos,  qui  multas  perambulastis  terras,  ec- 
quam  eultiorem  Italia  vidistis?  . .  6.  contra  quid  in  Italia  utensile  non  modo 
non  nascitur,  sed  etiam  non  egregium  fit?  quod  far  conferam  Campano?  quod 
triticum  Apulo?  quod  vinum  Falerno?  quod  oleum  Venafro?  non  arboribus 
consita  Italia,  ut  tota  pomarium  videatur?  usw.  Ahnliche  Schilderungen 
kamen  auch  sonst  vor,  s.  Geffcken,  Herrn.  27,  381.  Auch  engerer  Lokal- 
patriotismus machte  sich  geltend;  s.  §  168,  2  und  LL.  5,  53  Aborigines  ex 
agro  Beatino,  qui  appellatur  Palatium,  ibi  consederunt  (Samter,  Quaest.  Varr. 
25);  namentlich  ließ  Yarro  die  Römer  allerlei  von  den  Sabinern  entlehnen 
(Wendling,  Herrn.  28,  348).  Die  Schilderung,  wie  sich  die  römische  Kultur 
aus  einfachen  Zuständen  allmählich  entwickelte,  ist  von  einer  gewissen 
Schwärmerei  für  das  Altertum  mit  seiner  größeren  Einfachheit  und  Sitten- 
reinheit durchsetzt.  Norden  JJ.  1901,  251.  Als  Landwirt  führt  er  das  aus 
RR.  2  pr.,  zB.  3  quod  nunc  intra  murum  fere  patres  familiae  conrepserunt 
relictis  falce  et  aratro  et  manus  movere  maluerunt  in  theatro  ac  circo  quam 
in  segetibus  ac  vinetis,  frumentum  locamus  qui  nobis  advehat,  qui  saturi  fia- 
mus  ex  Africa  et  Sardinia,  et  navibus  vindemiam  condimus  ex  insula  Coa 
et  Chia.  In  diesem  Sinne  handelte  er  über  die  tönernen  Götterbilder  der 
alten  Zeit  und  über  die  berühmten  Männer,  die  der  Staat  wegen  ihrer  Ar- 
mut unterstützen  mußte  (Münzer,  Beitr.  217.  264),  über  das  den  Frauen  im 
alten  Rom  auferlegte  Verbot  des  Weingenusses  (Wessner,  Herrn.  41,  462). 
Vgl.  §  165,  3. 

4.  Varro  folgt  der  Meinung,  nach  der  die  Römer  Abkömmlinge  der  Tro- 
janer und  die  lateinische  Sprache  ein  Ableger  des  äolischen  Dialektes  ist 
(vgl.  RR.  3,  12,  6.  LL.  5,  25.  101  f.  fr.  270.  295  Fun.).  Aus  diesem  itQ&tov 
ipsvdog  erklären  sich  viele  falsche  Konstruktionen,  die  er  weniger  selbst 
macht  als  von  anderen  übernimmt;  vgl.  zB.  über  die  Penaten  §  166,  4.  So 
ist  es  auch  durchaus  möglich,  obwohl  leider  nicht  zwingend  zu  beweisen, 
daß  er  die  verfehlten',  die  römische  Satura  mit  den  griechischen  Satyroi 
und  der  Freiheit  der  alten  Komödie  in  Beziehung  setzenden  Hypothesen  in 
Umlauf  gebracht  hat,  vgl.  §  6.  Auch  den  Namen  Italiens  leitete  er  aus  dem 
Griechischen  ab  (fr.  125  Fun.). 

165.  Die  Gesamtzahl  der  Schriften  Varros7  wie  sie  uns  durch 
ein  wohl  auf  ihn  selbst  zurückgehendes  Verzeichnis  bekannt  ist, 
belief  sich  auf  ungefähr  620  Bücher,  die  74  verschiedenen  Werken 


§  165.  Varro:  Schriftenkatalog,  Poetisches  327 

angehörten.  Von  den  poetischen  Werken  (den  saturae,  den 
pseudotragoediae  und  poemata)  kennen  wir  nichts  als  den  Namen; 
dagegen  läßt  sich  aus  den  Bruchstücken  der  zwischen  gebundener 
und  ungebundener  Rede  schwankenden  Saturae  Menippeae  (150  Bü- 
cher) einigermaßen  ein  Bild  der  Gattung  gewinnen.  Hier  erreicht 
Varro  eine  Frische  und  Lebhaftigkeit  des  Tones,  die  an  Lucilius 
erinnert. 

1.  Gell.  3,  10,  17  tum  ibi  addit   (M.  Varro  in  primo   librorum,  qui  in- 
scribuntur  Hebdomades),  se  quoque  iam  duodecimam  annorum  hebdomadem 
ingressum  esse  (also  über  77  Jahre  alt)   et  ad  eum  diem  septuaginta  hebdo- 
madas  librorum  (also  490)  conscripsisse.    Auson.  profess.  Burdig.  20,  1  omnis 
doctrinae  ratio  . .  quantam  condit   sexcentis  (rund)   Varro  voluminibus.    Ein 
weder  sachlich  noch  zeitlich    geordnetes,    doch    aus    guter  Quelle,    nämlich 
aus  Varro  selbst,  geschöpftes  Verzeichnis   der  Schriften  Varros   gab  Hiero- 
nymus   in    einem    der    (verlorenen)    Briefe   ad  Paulam    (vgl.  Hieron.  de  vir. 
illustr.  54).     Einige    Anführungen    daraus    enthält    Rufin.    apol.    2,  20.    Das 
Verzeichnis  des  Hieronymus  selbst  aber  fand  sich  in  einer  Hs.  zu  Arras  in 
der   praefatio   von  Rufins  Übersetzung    der  Homilien    des  Origenes    zur  Ge- 
nesis: im  J.  1847  veröffentlicht  und  erläutert  in  der  Hauptabhandlung  über 
die  Schrifts teilerei  Varros  von  Ritschl,   op.  3,  419.    Ein  Faksimile   der  Hs. 
ebd.  506.    Dann  von  Pitra,  Spicil.  Solesm.  3  (Par.  1855),  311  (vgl.  p.  i)  und 
(nach  zwei  Pariser  Hss.  der  Homiliae  in  Genesim)  von  Chappuis,  Sentences 
de  Varron  (Par.  1856)  117.    Vgl.  Ritschl,  op.  3,  524.    Das  Verzeichnis   gibt 
sich  selbst  als  unvollständig  (et  alia  plurima,  quae  enumerare  longum  est. 
vix   medium   descripsi  indicem  et  legentibus   fastidium  est),    und  enthält  39 
oder  (bei  Einzelzählung   der   in   einen  Posten   zusammengefaßten  inhaltlich 
nicht   bestimmbaren  singulares  libri  X,    also   }iov6ßißloi)   48  Nummern  (mit 
490  einzelnen  Büchern),   worin  aber  21  uns  aus   sonstigen  Anführungen  be- 
kannte   fehlen.    Das  Verzeichnis  muß   aus  Varros   Vorrede   zu    den  Hebdo- 
mades stammen  (s.  o.),  also  ist  die  Zahl  von  490  Büchern  unbedingt  zuver- 
lässig und  Hieron.  hat  nur  an  den   einzelnen  Titeln   gekürzt.    Es   lehrt  uns 
Varros  Schriftstellerei   bis  zum  J.  39   oder,   da  die  später  verfaßten  rerum 
rust.  libri  aufgenommen  sind,  bis  zu  einem  etwas  späteren  Termin  kennen. 
AKlotz,  Herrn.  46,  1;   doch  s.  Hendrickson,   Cl.  Ph.  6,  334.    Die   in   diesem 
Verzeichnis  genannten  Titel  werden  im   folgenden  mit  einem  *  bezeichnet. 
Hiernach  hat  Ritschl,  op.  3,  485,  die  Gesamtzahl  der  von  Varro  überhaupt 
verfaßten  Werke    auf  74,    die  Zahl    der  Bücher    annäherungsweise    auf  620 
berechnet,  so  daß    also   auf  die  letzten  in  vollständiger  Muße  verbrachten 
11 — 12  Lebensjahre  Varros   130  Bücher  fallen   würden.    Dem   letzten  Teile 
seines    Lebens    gehören    die    wichtigsten    und    umfangreichsten   Werke    an, 
seinen  früheren  Jahren  aber  die  poetischen  und  rednerischen  Arbeiten,  na- 
mentlich  die   saturae  Menippeae  und    die    logistorici.  —  Auffällig  sind  in 
dem  hieronymianischen  Verzeichnis  die  drei  zusammenstehenden  imto^icd  der 
Antiquitates  (§  166,  4  gE),  der  Imagines  (S.  335,  Z.  8  v.  u.),  der  BB.  de  1.  1. 
(§  167,  2E.):  es  ist  klar,  daß  Varro  diese  selbst  veranstaltete. 

2.  Von  Varros  Arbeiten    in    metrischer    Form    waren    vor    der  Ver- 


328  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

öffentlichung  des  Verzeichnisses  des  Hieronymus  nur  Epigramme  zu  den 
Imagines  und  Verse  aus  den  saturae  Menippeae  bekannt  (s.  u.).  Wie  sich 
Varro  in  den  Menippeae  an  den  Kyniker  Menippos  anlehnte,  so  mag  er  in 
den  *  pseudotragoediarum  libri  VI,  die  gewiß  nicht  für  die  Bühne  bestimmt 
waren,  die  tgaycodiai  der  Kyniker  Diogenes  nnd  Oinomaos  oder  des  Sillo- 
graphen  Timon  zum  Vorbild  genommen  haben.  Rohde,  gr.  Rom.  249.  Cru- 
sius,  lit.  Centr.-Bl.  1887,  279.  Ritschl,  op.  3,  527.  Dieterich,  Pulcinella  82. 
Gerhard,  Phoinix  von  Kolophon  234.  —  Dann  *  poematum  libri  X;  vgl. 
Diom.  GL.  1,  400  Varro  in  poetico  libro.  Varro  bei  Non.  428  verba  plura 
modice  in  quandam  coniecta  formam.  —  *  Satirarum  libri  IUI,  etwa  in  der 
Art  der  Lucilischen  und  im  Gegensatz  zu  den  menippeischen  (A.  3)  ganz 
in  Versen?  Aber  Horaz  nennt  niemals  den  Varro  als  seinen  Vorgänger  in 
der  Satire.  Schwerlich  meint  er  ihn  S.  1, 10,  47.  Ritschl,  op.  3,  431.  —  Auf 
ein  Lehrgedicht  Varros  de  rerum   natura  hat    man   geschlossen   aus  Quint. 

1,  4,  4  (die  Grammatik  könne  nicht  ignara  philosopkiae  sein  vel  propter 
Empedoclea  in  Graecis,  Varronem  ac  Lucretium  in  Latinis,  qui  praecepta 
sapientiae  versibus  tradiderunt),  den  Lactant.  div.  inst.  2,  12,  4  {Empedocles 
. .  de  rerum  natura  versibus  scripsit,  ut  apud  Romanos  Lucretius  et  Varro) 
ausschreibt,  in  jedem  Falle  ohne  Grund,  auch  wenn  Quint.  nicht  wie  Vellei. 

2,  36,  2  auctores  carminum  Varronem  ac  Lucretium  den  Ataciner  meint 
(s.  §  212,  1).    Vgl.  ARiese,  Varr.  sat.  Men.  16.    Reifferscheids  Sueton  408. 

3.  *Satirarum  Menippearum  libros  CL  nennt  Hieronymus  (A.  1). 
Quint.  10,  1,  95  alterum  illud  etiam  prius  satirae  genus,  sed  non  sola  carmi- 
num varietate  mixtum  condidit  Terentius  Varro  (vgl.  LMüller,  RhM.  24, 140). 
Probus  zu  Verg.  Ecl.  6,  31,  p.  336,  22  (auch  fr.  261  F.):  Varro  .  .  Menippeus 
(Athen.  4,  160c  Ovccqqcov  6  MsvLn-jiziog  iTCiKccXoviLSvos),  non  a  magistro,  cuius 
aetas  longe  praecesserat,  nominatus ,  sed  a  societate  ingenii,  quod  is  quoque 
(Menippus)  omnigeno  carmine  satiras  suas  expoliverat  (vgl.  Rohde,  griech. 
Roman  249).  Titel  einer  varron.  Satire:  Tucpr]  Msvitckov.  Cic.  Acad.  post.  8 
(J.  45 ;  Varro  spricht) :  in  Ulis  veteribus  nostris,  quae  Menippum  imitati  non 
interpretati  quadam  hilaritate  conspersimus ,  multa  admixta  ex  intima  philo- 
sophia,  multa  dicta  dialectice.  ebd.  9  (Cicero  redet  den  Varro  an ;  vgl. 
§  164,  2)  atque  ipse  varium  et  elegans  omni  fere  numero  poema  fecisti:  eine 
Stelle,  die  sich  wohl  auch  auf  diese  Menippeae  bezieht,  obwohl  poema  von 
einem  150  Bücher  umfassenden  und  zugleich  Prosa  enthaltenden  Werke 
nach  Ausdruck  und  Numerus  auffällt.  Gell.  2,  18,  7  Menippus,  cuius  libros 
M.  Varro  in  satiris  aemulatus  est,  quas  alii  cynicas,  ipse  appellat  Menippeas. 
Der  Kyniker  Menippos  aus  Gadara  (um  J.  250  v.  Chr.,  über  ihn  Wachsmuth, 
sillogr.  gr.2  78.  Helm,  Lucian  u.  Menipp,  Lpz.  1906)  hatte  als  öitovdoys- 
Iolos  Fragen  des  Lebens  und  der  Philosophie  in  lustigem  Tone  und  mit 
häufigen  Seitenhieben  auf  Anhänger  anderer  Systeme  in  einer  mit  Versen 
untermischten  Prosa  abgehandelt;  seine  Weise  ist  noch  aus  seinem  Nach- 
ahmer Lukianos  zu  erkennen.  Ein  sicherer  Fall  von  Nachahmung  liegt 
fr.  269  if.  vor  (Himmelfahrt,  Norden  269);  übrigens  soll  der  Titel  Menippeae, 
wie  auch  Cic.  aO.  sagt,  mehr  die  Gleichheit  des  Tones,  der  Behandlung 
und  der  Themen  als  eigentliche  Nachahmung  bedeuten.  Man  darf  auch 
nicht  vergessen,  daß  es  eine  ausgedehnte  an  Menippos  anknüpfende  oder 
sich  in  ähnlichem  Fahrwasser  bewegende  Literatur  gab,  die  auch  auf  Varro 


§  165.  Varro:  Saturae  Menippeae  329 

eingewirkt  hat.  Für  Varro  erhellt  die  Mischung  von  Prosa  und  Poesie  außer 
der  Stelle  des  Probus  auch  aus  den  Überresten  (s.  auch  fragm.  58  B.);  sie 
beruht  z.  T.  auf  den  reichlichen  Zitaten  aus  älterer  Poesie  (zB.  Plautus, 
Lucilius).  —  Es  finden  sich  in  den  Fragmenten  der  Menippeae  Varros  be- 
sonders häufig  die  bei  ihm  stets  beliebten  Rügen  des  Abfalls  der  Gegen- 
wart von  der  Einfachheit  der  alten  Zeit,  zB.  in  iieqI  iSsß^dtcov  (Hense,  RhM. 
61,  1).  Bunt  war  die  Einkleidung  (zB.  barocke  Personifikationen  von  Be- 
griffen): Gelehrsamkeit  und  Leben,  Mythologie  und  Geschichte,  Vergangen- 
heit und  Gegenwart  lieferte  den  Stoff;  im  Parmeno  wurde  die  Poetik,  in 
"Ovog  IvQccg  der  Wert  der  Musik  behandelt  (Holzer,  Varroniana,  Ulm  1890). 
Pseudulus  Apollo  nsgl  fts&v  dtayvooascog  verspottete  den  überhandnehmen- 
den Serapiskult,  im  Prometheus  über  war  die  Zweckmäßigkeit  der  Menschen- 
schöpfung erörtert  (Norden,  JJ.  Suppl.  19,  428).  Namentlich  fanden  sich, 
wie  auch  bei  Menippos,  Verhöhnungen  der  Philosophen  und  ihrer  Streitig- 
keiten (Armorum  iudicium,  loyo^ia%ia,  nsgl  ccIqsöscov,  tacpi]  MeviTtnov,  Pe- 
riplu  lib.  II  Ttegl  cpiloöocpLccg:  diese  die  einzige  aus  mehreren  Büchern  be- 
stehende Satire;  gegen  die  Astronomen  richtet  sich  der  Marcipor:  Norden 
269)  und  viele  Beziehungen  auf  die  Kyniker  (Cynicus,  l7t7toy.vav,  kvvoSi- 
da6y.ccliKoc.  (von  Norden,  Ind.  Greifsw.  1895,  xn  in  die  Zeit  um  J.  58  gesetzt), 
xvvoQrJT(OQ,  vSqoxvcov,  vgl.  Enaack,  Herrn.  18,  148).  In  dem  Titel  aKicciia%Lcc 
tcsql  tvcpov  erscheint  eines  der  beliebtesten  kynischen  Schlagworte  (Norden 
311).  Die  Anlage  ist  häufig  dialogisch,  und  Varro  scheint  dabei  manchmal 
in  eigener  Person  aufgetreten  zu  sein  (Anreden  Varro,  Marce  [562  B.  60. 
175.  505];  vgl.  die  Titel  Marcopolis,  Marcipor  und  Bimarcus);  s.  fr.  59  cum 
Quintipor  Clodius  tot  comoedias  sine  ulla  fecerit  musa,  ego  unum  libellum 
non  edolem  (ut  ait  Ennius)?  Den  Gedankengang  werden  wir  uns  in  der 
Weise  der  horazischen  Satiren,  locker  und  abspringend,  vorzustellen  haben; 
daher  ist  eine  Rekonstruktion  nur  selten  möglich  (vWilamowitz,  Herrn.  34, 
227).  Das  Ganze  war  offenbar  eines  der  eigenartigsten  Werke  der  römischen 
Literatur,  voll  Geist  und  Gemüt,  in  Vielem  den  lucilischen  Satiren  eben- 
bürtig; aber  noch  mehr  von  der  Popularphilosophie  abhängig.  —  Neben 
vielem  Volkstümlichen  (Sprichwörter,  Wortspiele,  Derbheiten,  Alliteration, 
Deminutiva)  findet  sich  auch  Griechisches  zahlreich  eingemischt,  einzelne 
Worte  wie  ganze  Verse.  Die  angewandten  Versmaße  sind  sehr  mannigfaltig 
und  wirklich  omni  fere  numero  gehalten;  dabei  meist  streng  durchgeführt. 
Die  iambischen  Verse,  bes.  Senare,  überwiegen;  nächstdem  Trochäen,  iam- 
bische  und  trochäische  Skazonten,  Hexameter  (und  Disticha),  Anapäste;  aber 
auch  Sotadeen  (Lachmanns  kl.  Sehr.  2,  68),  Galliamben,  Hendekasyllaben, 
Glykoneen,  Kretiker,  Bakchien.  Büchelers  Petronius  (1904)  p.  249.  Über- 
reste sind  fast  nur  durch  Nonius  erhalten;  die  größte  Zahl  fällt  auf  die 
Eumenides.  Für  die  Ausscheidung  des  zu  den  saturae  Menippeae  Gehörigen 
gibt  Gellius  die  besten  Anhaltspunkte,  danach  die  Verzeichnisse  bei  Vahlen 
aO.  203  und  ARiese  38.  Die  Titel  sind  oft  mythologisch  und  beruhen  auf 
allegorischer  Mythendeutung,  zB.  Endymiones  Eumenides  Meleagri  Sescu- 
lixes,  bald  griechisch  (zB.  nsgi  %cüqi6{lov  d.  h.  über  die  Trennung  der  Seele 
vom  Körper;  %a>  6s,  itsol  tv%r\g'.  Norden,  RhM.  48,  450)  bald  lateinisch,  gern 
aus  einem  Sprichwort  bestehend  (nescis  quid  vesper  serus  vehat;  cras  credo, 
hodie  nihil;  longe  fugit  qui  suos  fugit;  mutuum  midi  sedbunt;   ccXXog  ovtog 


330  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

*HQa.Y.Xf]s\  dlg  Tcaldsg  ol  yiqovtsg  u.  a.),  viele  doppelt,  zB.  Äborigines  tveqI 
ocvd'gdi'jtcov  cpv6scos;  Est  modus  matulae  7tsgl  itsd"r}g;  Desultorius  tcsqI  tov 
yguysiv;  svqev  i}  XoTtäg  tb  it&^a  nsgl  ysya(ir}7t6ta)v  usw.  Solche  Doppeltitel 
zB.  auch  bei  dem  Kyniker  Oinomaos  und  sonst  in  der  kynischen  Literatur 
(§  166,  2).  Oft  sind  sie  doppeldeutig,  indem  zB.  Modius  auf  das  Maßhalten 
hinweisen  soll  (Norden  272).  Über  Manius  fder  Frühaufsteher'  s.  Lafaye, 
Rev.  Phil.  19,  211.  Auf  eine  Satire  des  V.  führt  Geffcken,  Kynika  u.  Ver- 
wandtes, Heidelb.  1909,  58,  Tertullians  Schrift  de  pallio  zurück  —  kaum 
mit  Recht.  —  J.  45  läßt  Cicero  (Acad.  post.  8)  den  Varro  diese  Satiren 
vetera  sua  nennen.  Natürlich  erstreckte  sich  aber  die  Herausgabe  dieses  so 
umfänglichen  Werkes  über  eine  Reibe  von  Jahren:  so  schrieb  Varro  den 
Sexagessis  erst  nach  seinem  60.  Jahr  (s.  fragm.  485.  491.  493 f.  B.)  und  auch 
den  ysQovtodidd6Kcc%og  (181  ff.  B.)  und  den  Tithonus  tcsqI  yiJQcog  (544  ff.  B.) 
augenscheinlich  erst  als  Greis.  In  der  yL06^otoQvvr\  nsgl  y&ogäg  -noofiov 
(225  B.)  ist  wahrscheinlich  die  Schlacht  bei  Thapsus  (J.  46)  erwähnt.  Der 
Tgindgavog  (§  166,  3),  falls  er  hierher  gehört,  war  J.  60  verfaßt.  —  Sonst 
unbekannt  ist  Scantius  im  fr.  142  B.  ut  scribit  S.  rhorno  per  Dionysia?  (der 
Name  auch  Cic.  Mil.  75.  Plin.  NH.  2,  240.  WSchulze,  Zur  Gesch.  lat. 
Eigenn.  226). 

4.  Neuere  Sammlungen  der  Überreste  der  sat.  Men.  von  ARiese  (Lpz. 
1865)  und  Bücheler  in  d.  kl.  Ausg.  d.  Petronius  (5Berl.  1912).  —  Plessis- 
Lejay,  La  Menippee  de  V.,  Paris  1911.  Merckltn,  die  Doppeltitel  der  var- 
ron.  Menippeae  u.  Logistorici,  RhM.  12,  372;  vgl.  Phil.  13,  713.  ENorden, 
JJ.  Suppl.  18,  267.  —  Mommsen,  RG.  36,  603. 

166.  Die  prosaischen  Schriften  Varros  erstreckten  sich 
fast  über  alle  Gebiete  des  Wissens  und  der  literarischen  Tätigkeit : 
Beredsamkeit,  allgemeine  und  Literaturgeschichte,  Jurisprudenz, 
Grammatik,  Philosophie,  Geographie,  Landwirtschaft  usw.  Trotz 
seiner  enzyklopädischen  Richtung  hat  Varro  doch  immer  vorzugs- 
weise das  eigene  Vaterland  und  dessen  Vergangenheit  im  Auge  be- 
halten und  durch  diesen  Teil  seiner  Schrift  stellerei  mittelbar  und 
unmittelbar  noch  lange  einen  großen  Einfluß  ausgeübt.  Namentlich 
die  christlichen  Kirchenväter,  und  unter  diesen  ganz  besonders 
Augustinus,  haben  ihn  fleißig  gelesen  und  benützt.  Wenn  wir  von 
der  älteren  römischen  Religion  noch  einen  Begriff  haben,  so  ist  es 
fast  ausschließlich  Varros  Verdienst.  Die  bedeutendsten  unter  den 
prosaischen  Schriften  Varros  waren  die  Antiquitates  rerum  huma- 
narum  et  divinarum,  die  sich  auch  am  längsten  im  literarischen 
Verkehr  behaupteten,  die  Bücher  de  lingua  latina,  rerum  rustica- 
rum,  die  Enzyklopädie  der  artes  liberales  (Disciplinarum  libri),  und 
die  Imagines. 

1.  Reden:  *Orationum  libri  XXII  und  *Suasionum  libri  III.  Daß  erstere 
nicht  gehaltene  Übungsreden  (Flugschriften)  waren,  ist  möglich,  aber  nicht 
zu  beweisen;  dazu  gehört  wohl  Varros  laudatio  Porciae  (Cic.  Att.  13,48,2). 


§  166.  Varro:  Reden,  Logistorici  331 

Die  Suasiones  waren  gewiß  politischen  Inhalts.    Jedes  Buch  bestand  wohl 
aus  einer  Rede.    Ritschl,  op.  3,  433.  492. 

2.  * Aoy latOQt'Kcbv  libri  LXXVI,  Erörterungen  philosophischen  (beson- 
ders ethischen)  Inhalts  (loyoi)  mit  einem  reichen  Beiwerk  geschichtlicher 
Belege  (lötogica)  aus  Sage  und  Geschichte,  vielleicht  in  der  Weise  des 
Herakleides  Pontikos,  und  wie  Ciceros  Cato  und  Laelius  ernsthaft  und  po- 
pulär gehalten;  in  Prosa,  mindestens  teilweise  dialogisch.  Jedes  Stück  hatte 
einen  Doppeltitel,  dessen  erste  Hälfte  der  Name  einer  lebenden  oder  ge- 
storbenen Person  bildete,  die  mit  dem  Thema  in  irgend  welcher  Beziehung 
stand  und.  die  vielleicht  jedesmal  hauptsächlich  das  Wort  führte,  während 
die  zweite  Hälfte  den  Inhalt  in  lateinischer  Sprache  angab;  z.  B.  Atticus 
de  numeris  (pythagoreische  Zahlenlehre?  Schanz,  RhM.  54,  25);  Catus  de 
liberis  educandis;  Messala  de  valetudine;  Curio  de  deorum  cultu,  von  dessen 
Benutzung  bei  Späteren  man  sich  eine  Zeitlang  übertriebene  Vorstellungen 
machte  (Agahd,  JJ.  Suppl.  24,  8);  Marius  de  fortuna  (Norden,  RhM.  48,  540); 
Orestes  de  insania;  Fundanius  vel  Gallus  de  admirandis  (vgl.  Havet,  Rev. 
phil.  7,  177.  Lafaye,  Metam.  d'Ovide  212;  Fund,  war  Varros  Schwiegervater) ; 
Sisenna  de  historia.  Merkwürdig  Censorin.  9,  1  transeo  ad  opinionem  Pytha- 
goricam  Varroni  tracta-  tarn  in  libro,  qui  vocatur  Tiibero  et  intus  (f weiter 
unten')  subscribitur  de  origine  humana.  fScaurus'  handelte  über  Theater- 
geschichte (Norden,  RhM.  48,  529).  Abfassungszeit  wohl  im  höheren  Lebens- 
alter, um  J.  50  v.  Chr.  Noch  Apoll.  Sidon.  ep.  8,  6  E.  Varronem  logistori- 
cum  .  .  misi.  Ritschl,  op.  3,  403.  440.  482.  493.  ARiese,  Yarr.  sat.  Menipp. 
32.  53  und  die  Überreste  (besonders  zahlreich  aus  dem  Catus)  ebd.  247. 
Krahner,  Varronis  Curio  de  cultu  deorum,  Friedland  1851  (vgl.  Schwarz  JJ. 
Suppl.  16,  445).  Mercklin,  Phil.  13,  728.  Chappuis,  fragm.  des  ouvrages  de 
V.  intitules  Logistorici,  Hebdomades,  .  .  de  forma  philosophiae ,  Par.  1868. 
Hirzel,  Dialog  1,  329. 

3.  Zeitgeschichtliches:  *Legationum  libri  III  und  *de  Pompeio  III, 
sowie  *De  sua  vita  libri  III  (Charis.  GL.  1,  89,  28  Varro  de  vita  sua);  die 
ersteren  behandelten  wohl  Varros  Tätigkeit  als  Legat  des  Pompeius,  im 
Seeräuberkriege,  gegen  Mithridates  und  in  Spanien;  s.  §  164,  1.  Oehmichen, 
acta  Lips.  3,  432;  Plinian.  Stud.  27.  Reitzenstein ,  Herrn.  20,  517.  Münzer, 
Beitr.  275.  Die  Schrift  über  Pompeius  war  wohl  zu  dessen  Verteidigung 
geschrieben.  Ritschl,  op.  3,  436.  Appian.  b.  c.  2,  9  (vom  J.  60)  ncd  nq  ccv- 
t&v  (der  Triumvirn  Pompeius,  Caesar  und  Crassus)  tijvSs  rrjv  6v\icpQ06vvr\v 
övyygacpsvg  Ovccqqcov  svl  ßLßXioi  TtsgiXccßcbv  i7t8yQUips  Tqlxccqccvov  (vgl.  §  165, 
3  E.).  Hierher  gehört  auch  der  schon  J.  71  (Pompeius  cum  initurus  foret 
consulatum,  Gell.)  verfaßte  ElöccycnyL-abg  (vgl.  §  2,  3)  ad  Pompeium,  ex  quo 
disceret  quid  facere  dieereque  deberet  cum  senatum  consuleret  (Gell.  14,  7,  2). 
S.  §  166,  6,  d. 

4.  Werke  zur  römischen  Altertumskunde,  a)  *Antiquitatum 
libri  XLI  (im  hieronymianischen  Verzeichnis  unrichtig  XLV),  eine  römische 
Altertumskunde,  die  nach  sachlichen  Gesichtspunkten  in  zwei  Hälften  zer- 
fiel: rerum  humanarum  in  25  Büchern  (vier  Teile  von  je  sechs  Büchern, 
nebst  Einleitungsbuch),  und.  sodann  (quod  prius  exstiterint  civitates ,  deinde 
ab  eis  res  divinae  institutae  sint,  Augustin.  civ.  d.  6,  4)  16  rerum  divina- 
rum  (fünf  Teile  von  je  drei  Büchern,   gleichfalls  mit  einem  Buche  Einlei- 


332  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

tung);  Augustin.  civ.  d.  6,  3:  XLI  libros  seripsit  antiquitatum ;  hos  in  res 
humanas  divinasque  divisit,  rebus  humanis  XXV,  divinis  XVI  tribuit.  In 
den  res  humanae  legte  der  Verf.  seiner  Einteilung  (vgl.  auch  Varro  bei 
Nor..  92,  11)  die  Fragen  zugrunde:  qui  (homines)  agant,  ubi,  quando,  quid 
agant  entsprechend  dem  stoisch-grammatischen  Schema  ysvscdoyixov,  xoiti- 
%6v,  %qovikov,  nguy [iccr lkov  (Usener,  Sehr.  2,  286);  desgleichen  in  den  res 
divinae  die  entsprechenden:  qui  (homines)  exhibeant,  tibi,  quando,  quid  ex- 
hibeant,  dazu  kommt  dann  hier  noch  die  Frage:  quibus  exhibeant  (nämlich 
deis).  Aus  der  (bes.  für  die  res  divinae)  genauen  Inhaltsübersicht  bei  Au- 
gustin. aO.  ergibt  sich  folgende  streng  gegliederte  Einteilung  des  ganzen 
Werkes:  I.  Rerum  Humanarum  Libri  XXV  (vgl.  August,  civ.  d.  6,  4  rerum 
humanarum  libros  non  quantum  ad  orbem  terrarum,  sed  quantum  ad  solam 
Momam  pertinet  seripsit):  Buch  1  allgemeine  Einleitung  (librum  unum  sin- 
gularem  qui  communiter  prius  de  omnibus  loqueretur  in  capite  posuit).  Buch 
2- — 7  de  hominibus  (römische  Geschichte  mit  Bevorzugung  der  Kulturge- 
schichte). 8 — 13  de  locis  (Geographie  des  römischen  Reiches  mit  starker 
Bevorzugung  Italiens:  in  B.  8  war  Rom,  in  B.  11  Italien  behandelt,  so  daß 
für  den  Rest  von  Europa  und  Asien  und  Afrika  nur  B.  12.  13  übrig  blieben. 
Später  benutzt  von  Verrius  Flaccus,  Hyginus  de  urbibus  Italicis,  Plinius  u. 
a.;  Reitzenstein  ,  Herrn.  20,  516.  530.  Klotz,  Quaest.  Plin.  geogr.  9.  104 
u.  ö.  Samter  aO.  72.  14 — 19  de  temporibus  (s.  Gell.  3,  2,  1  Varro  in 
libro  rer.  human.,  quem  de  diebus  seripsit.  Serv.  Aen.  8,  526  Varro  de  sae- 
culis.  Über  diesen  Abschnitt  Kettner,  krit.  Bern,  zu  Varro  usw.,  Halle 
1868,  14.  Gruppe,  Herrn.  10,  51.  Münzer,  Beitr.  209.  Willemsen,  De  Varron. 
doctrinae  vestigiis  8).  20 — 25  de  rebus  (Gell.  1,  25,  1  Varro  in  libro  hu- 
manarum qui  est  de  bello  et  pace).  —  Jedenfalls  lag  dem  Cic.  Acad.  1,  9 
(J.  45)  das  Werk  vor;  eine  frühere  Abfassung  (um  J.  56)  sucht  Norden,  Ind. 
Greifsw.  1895  p.  xiv  zu  beweisen.  —  II.  Rerum  Divinarum  Libri  XVI:  Buch  1 
allgemeine  Einleitung  (et  istorum  exordio  unum  singularem,  qui  prius  de 
omnibus  loqueretur,  apposuit).  B.  2 — 4  de  hominibus  (2  de  pontifieibus. 
3  de  auguribus.  4  de  xvviris  sacrorum).  5 — 7  de  locis  (5  de  sacellis.  6  de 
sacris  aedibus.  7  de  locis  religiosis).  8 — 10  de  temporibus  (8  de  feriis, 
9  de  ludis  circensibus.  10  de  ludis  scaenicis).  11 — 13  de  sacris  (11  de 
consecrationibus.!  12  de  sacris  privatis.  13  de  sacris  publicis).  14 — 16  de 
deis  (14  de  deis  certis.  15  de  deis  incertis.  16  de  deis  praeeipuis  atque 
selectis).  —  Die  rer.  divin.  libri  suchten  dem  Verfalle  der  Staatsreligion 
entgegenzuwirken  und  waren  ad  Caesarem  pontificem  gerichtet  (Augustin. 
civ.  de  6,  2  se  timere  ne  pereant  [sc.  di\  non  ineursu  hostili,  sed  civium  ne- 
glegentia,  de  qua  illos  velut  ruina  liberari  a  se  dicit.  7,  35.  Lactant.  inst.  1, 
6,  7),  somit  wohl  Ende  47  herausgegeben.  Sie  bildeten  das  Hauptwerk  über 
römische  Religion,  die  Varro  in  allen,  selbst  den  kleinsten  Lebensäußerun- 
gen beobachtet  und  durchforscht  hatte.  Die  ungemein  fleißige  Sammlung 
und  die  Erhaltung  des  bei  früheren  Antiquaren  und  Annalisten  verstreuten 
Materiales  entschädigt  für  die  verzerrte  Darstellung  der  römischen  Religion, 
die  Varro  in  den  Rahmen  der  stoischen,  speziell  der  Poseidonischen  Theo- 
rien hineinzwängte  (s.  §  164  a  2).  Wenn  er  die  Penaten  aus  Troia  her- 
leitete (Wissowa,  Ges.  Abh.  95),  so  folgte  er  wenigstens  einer  patriotischen 
Tendenz    (§  164a  3);   aber  er  war   überhaupt  bereit,   römische  Götter  mit 


§  166.  Varro:  Antiquitates  333 

griechischen  zusammenzuwerfen  und  jede  sich  bietende  Kombination  auf- 
zugreifen, so  daß  er  das  Wesen  der  römischen  Religion  auf  lange  Zeit  hin- 
aus verdunkelt  hat.  Über  die  willkürliche  Zusammenstellung  der  Listen  der 
Sondergötter  s.  Wissowa,  Ges.  Abh.  304.  Otto,  RhM.  64,  449.  In  B.  1  war 
nach  der  Art  des  Poseidonios  zuerst  die  Doxographie  gegeben,  dann  über 
die  Unsterblichkeit  der  Seele  und  die  theologia  mythica,  physica  und  civilis 
gehandelt.  Die  Einteilung  der  Götter  in  B.  14 — 16  hat  mit  ihrem  innern 
Wesen  nichts  zu  tun,  sondern  ergibt  sich  daraus,  daß  bei  einigen  Göttern, 
besonders  denen  der  indigitamenta,  über  Natur  und  Wirkungskreis  kein 
Zweifel  sein  konnte  (certi),  während  über  die  eigentliche  Bedeutung  anderer 
gestritten  wurde.  Unter  di  praecipui  atque  selecti  verstand  er  20  Götter, 
die  vom  römischen  Volke  besonders  verehrt  und  durch  Tempel  und  Statuen 
ausgezeichnet  wurden.  Agahd  126.  —  Uns  sind  besonders  B.  1.  14 — 16  durch 
die  Kirchenväter,  vor  allem  durch  Augustin.  civ.  dei  bekannt;  die  Reste  dieser 
Bücher  am  besten  bei  Agahd,  JJ.  Suppl.  24,  1;  die  von  B.  16  auch  bei 
ESchwarz,  De  Varr.  ap.  sanctos  patres  vestigiis,  JJ.  Suppl.  16,  405;  die  von 
B.  1  auch  bei  Schmekel,  Philos.  d.  mittl.  Stoa  117.  Varro  hat  von  dem 
reichen  Stoffe,  den  er  in  diesem  seinem  Hauptwerke  gesammelt  hatte,  selbst 
ausgiebigen  Gebrauch  gemacht  und  vieles  daraus  in  späteren  Schriften 
wiederholt  (§  164a  iE);  s.  auch  Kriegshammer,  Comm.  Jen.  7,  87.  101.  Viel- 
leicht hat  schon  Cicero  in  nat.  deor.  B.  3  Varros  Material  benutzt;  s.  Bo- 
beth,  De  indicibus  deorum,  Lpz.  1904,  24.  Vom  ganzen  Werke  gab  es 
auch  eine  kürzere  Bearbeitung:  *£;wroft>]  antiquitatum  ex  libris  XLI[I] 
libri  Villi:  s.  §  165,  1  gE.  Ritschl,  op.  3,  444.  Krahner,  de  Varr.  antiq. 
..  libris  XLI,  Halle  1834;  ZfAW.  1852,385.  Mercklin,  Phil.  13,731.  Zu- 
sammenstellung und  Erläuterung  der  Überreste  bei  RMerkel  in  s.  Ausg. 
von  Ovids  Fasti  p.  cvi.  Mirsch,  de  Varr.  antiq.  rer.  humanarum  libris  (mit 
Fragmentsammlung),  Lpz.  Stud.  5,  1  (dazu  Gruppe,  Phil.  Wschr.  1883,  464). 
JFrancken,  fragmenta  Varronis  in  libris  Augustini  de  civ.  dei,  Leid.  1836. 
Die  grammatischen  Fragmente  auch  GRF.  1,  228.  Lüttgert,  Theologu- 
mena  Varroniana  a  s.  Augustino  in  iudicium  vocata,  Sorau  1858.  1859. 
LMercklin,  de  Varrone  coronarum  Rom.  interprete,  Dorp.  1859.  Über  die 
Benutzung  der  Antiq.  rer.  human,  bei  den  späteren  s.  Gruppe,  Comment. 
Momms.  540. 

b)  *Annalium  libri  III,  wohl  ein  chronologischer  Abriß  wie  der  annalis 
des  Atticus  und  die  chronica  des  Cornelius  Nepos.  Ritschl,  op.  3,  447. 
Urlichs,  Anfänge  der  griech.  Künstlergesch.  35;  die  Quellenregister  zu  Plin. 
S.  17.  Daß  diese  annales  (Charis.  GL.  1,  105,  6  Varro  ...  in  annali)  ebenso 
wie  die  res  urbanae  (unten  g)  entstellt  seien  aus  Antiquitates  rerum  huma- 
narum, ist  eine  haltlose  Vermutung  Gruppes  Comment.  Mommsen.  541. 
550.  825.    Vgl.  Sanders,  Amer.  J.  Archeol.  23,  28. 

c)  *de  vita  populi  romani  (vgl.  Dikaearchs  Biog  'EXXddog-,  vgl.  Varro 
RR.  1,  2,  16)  libri  IUI,  an  Atticus  gerichtet  (Charis.  GL.  1,  126),  nach  den 
Überresten  (gesammelt  von  Kettner  p.  21)  eine  Art  Kulturgeschichte;  auch 
hier  war  besonders  auf  das  allmähliche  Steigen  des  Luxus  geachtet.  Es 
war  z.  B.  von  den  Spielen  die  Rede,  von  Hochzeitsriten,  von  der  Nahrung, 
vom  Hausgerät,  aber  auch  das  staatliche  Leben  war  behandelt.  Abfassung 
vielleicht    um    J.  43    (Ritschl,    op.  3,  450).     Boissier    aO.    188.     HKettner, 


334  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

Varronis  de  vita  pop.  rom.  .  .  quae   exstant,    Halle  1863.    Wessnek,    Herrn. 
41,  460.    Kriegshammer,  Comm.  Jenens.  7,  111. 

d)  de  gente  populi  rom.  vier  Bücher;  s.  Arnob.  adv.  nat.  5,  8  Varro  .  . 
in  librorum  quattuor  primo,  quos  de  gente  conscriptos  Born,  pop.  dereliquit, 
curiosis  computationibus  edocet  ab  diluvii  tempore  (der  deukalionischen)  ad 
usque  Hirti  consulatum  et  Pansae  (J.  43)  annorum  esse  milia  nondum  duo. 
Somit  verfaßt  im  J.  43  oder  kurz  darauf;  ein  Versuch,  die  römische  Ge- 
schichte in  die  Weltgeschichte  einzureihen  und  damit  gleichsam  den  ge- 
schichtlichen Stammbaum  des  römischen  Volkes  aufzurichten;  Rom  erschien 
hier  als  der  Erbe  der  orientalischen  Weltreiche  (Roth,  Leben  d.  Varro  27. 
Trieber,  Herrn.  27,  321).  Diese  Genealogie  wurde,  nach  einer  chronologischen 
Einleitung,  über  die  sikyonische  und  athenische  Königsreihe  (B.  1  u.  2)  auf 
die  latinische  (B.  3)  und  dann  die  römische  (B.  4)  weiter  geführt,  mit  be- 
sonderer Berücksichtigung  desjenigen,  quid  Momani  a  quaque  traxerint 
gente  per  imitationem  (Serv.  Aen.  7,  176).  Varro  folgte  hier  der  Ansicht 
des  Poseidonios,  nach  der  die  Größe  der  Römer  besonders  in  der  Fähigkeit 
bestand,  sich  Fremdes  anzueignen;  vgl.  RSchöll,  Herrn.  11,  337.  Wendling, 
Herrn.  28,  335.  Die]  Schrift  ist  in  der  ersten  Hälfte  von  AugusTiN.  de  civ. 
d.  Buch  18  stark  benützt;  s.  bes.  c.  2.  13.  Francken,  fragm.  Varr.  124. 
Kettner,  varronische  Studien  (Halle  1865)  38;  die  Überreste  ebd.  63  und  in 
Peters  HRF.  228;  HRR.  2  p.  10;  RhM.  57,231.  Fraccaro,  Studi  Varroniani, 
Padua  1907. 

e)  de  familiis  Troianis  (römische  Patrizierfamilien,  die  von  Aeneas  oder 
seinen  Genossen  abstammen  wollten)  in  mehreren  Büchern  (Serv.  Aen.  5,  704 
Varro  in  libris  quos  de  familiis  Troianis  scripsit).  Vgl.  Ritschl,  op.  3,  445. 
Hertzberg  zu  s.  Übers,  d.  Aeneis  5,  116.  S.  369.    Samter  aO.  17. 

f)  Aetia  {Axxiu,  nach  dem  Vorgange  des  Kallimachos) ,  Erklärung  (der 
ratio,  causa)  römischer  Gebräuche  bes.  des  Privatlebens,  mittelbar  die  Haupt- 
quelle für  Plutarchs  Aixia.  (Jcof(caxa,  deren  unmittelbare  Quelle  Juba  sein 
wird;  nur  zweifelt  man,  ob  Juba  selbst  den  Varro  benutzte  oder  ob  er  das 
Varronische  erst  aus  zweiter  Hand  hat.  Mercklin,  Phil.  3,  267.  13,  710. 
Thilo,  de  Varrone  Plut.  auctore  praecipuo,  Bonn  1853  (dazu  Samter  aO.  40). 
Lagus,  Plutarchus  Varronis  studiosus,  Helsingf.  1847.  Ritschl,  op.  3,  451. 
FLeo,  de  Plutarchi  quaestionum  roman.  auctoribus,  Halle  1864.  Glaesser, 
de  Varron.  doctrinae  ap.  Plut.  vestigiis,  Lpz.  Stud.  4,  157.    Litt,  RhM.  59,  603. 

g)  *rerum  urbanarum  libri  III  (vgl.  Charis.  GL.  1,  133  Varro  de  rebus 
urbanis  III),  vielleicht  eine  Geschichte  der  Stadt  Rom  hauptsächlich  aus 
topographischen  Gesichtspunkten.  Ritschl  aO.  449.  Boissier  aO.  169.  OJahn, 
Herrn.  2,  235. 

h)  tribuum  über  (angeführt  von  Varro  LL.  5,  56),  nach  OMüller  nur 
ein  Spezialtitel  der  Ant.  rer.  hum.  Benutzt  in  den  Tribusartikeln  des  Festus? 
s.  Mercklin,  quaest.  Varr.  (Dorpat  1852)  5.  Kriegshammer  90.  Bormann, 
Eranos  345. 

Alle  diese  Schriften  (b— h)  sind  Ergänzungen  und  weitere  Ausführungen 
des  in  den  Antiq.  rerum  humanarum  behandelten  Stoffes.  Dagegen  kehrt 
der  in  den  res  divinae  erörterte  Stoff  in  keiner  Spezialschrift  wieder:  ob 
das  Zitat  des  Macrob.  sat.  1,  16,  19  Varro  in  augurum  libris  richtig  ist 
(statt  libro,  nämlich  antiquitatum),  ist  zweifelhaft,  s.  Ritschl,  op.  3,  480. 


§  166.  Varro:  Antiquarische  und  literarhistorische  Schriften         335 

5.  Literarhistorisches:  *de  bibliothecis  III,  wohl  mit  seiner  Berufung 
zum  Bibliothekar  zusammenhängend  (vgl.  fr.  297  F.).  Traube,  Abh.  1,103;  *de 
proprietate  scriptorum  III  (stilistisch  =  tcsqi  %aQay.xf]QO£ci  Ritschl,  op.  3,  463. 
Usener,  Sehr.  2,  284);  de  poetis  (die  römischen)  in  mehreren  Büchern  (Gell. 

1,  24,  3  epigramma  Plauti  . .  a  M.  Varrone  positum  in  libro  de  poetis  primo), 
enthielt  u.  a.  die  für  die  Folgezeit  maßgebenden  chronologischen  Untersu- 
chungen (Leo,  PF.  65.  GRF.  1,  209);  *de  poematis  III  (wohl  eine  Art  Poetik. 
GRF.  1,  213,  vgl.  319);  *de  lectionibus  III  (über  die  Rezitationen?  Ritschl 
aO.  460);  de  compositione  saturarum  (Non.  67).  Insbesondere  die  drama- 
tische Literatur,  und  innerhalb  dieser  namentlich  Plautus,  wurde  von  Varro 
in  einer  Reihe  von  Schriften  behandelt  (Ritschl  aO.  455).  So  *de  origini- 
bus  scaenicis  III,  benutzt  von  Val.  Max.  und  Plinius  (Cichorius,  Comment. 
Ribbeck  417.  Münzer,  Beitr.  145.  Leo,  Herrn.  39,  75.  GRF.  1,  215);  *de 
scaenicis  actionibus  (Aufführungen)  III  (so  Hieronymus;  bei  Charis.  GL.  1,95 
Varro  de  actionibus  scaenicis  V;  vgl.  de  dub.  nomin.  GL.  5,590.  GRF.  1,323); 
*de  actis  scaenicis  III  (so  bei  Hieron.,  dh.  über  die  dramatischen  Urkunden, 
die  Didaskalien;  diese  Schrift  war  wohl  die  Quelle  für  die  uns  erhaltenen 
dramaturgischen  Notizen,  s.  §  109,  4  u.  FSchoell,  RhM.  31,  471.  GRF.  1, 
219.  —  Ritschl,  op.  3,  457  schrieb  de  actibus  scaenicis  =  üb.  die  Aktein- 
teilung); *de  personis  (Masken  der  Schauspieler)  III;  *de  descriptionibus 
(Charakterschilderungen?)  III;  *quaestionum  Plautinarum  V  (wohl  zur  Er- 
klärung einzelner  dunkler  Ausdrücke)  und  de  comoediis  Plautinis  (über 
echte  und  unechte  Stücke,  vgl.  §  96,  4.  GRF.  1,  220)  mehrere  Bücher  (M 
Varro  in  libro  de  comoediis  PI.  primo,  Gell.  3,  3,  9).  Servius  Aen.  10,  894 
(ut  etiam  Varro  in  ludis  theatralibus  docet)  meint  eher  das  Buch  10  der 
Antiq.  rer.  div.,  das  de  ludis  scaenicis  handelte  (s.  oben  S.  332,  Z.  14  v.  u.) 
als  die  Einzelschrift  de  scaenicis  actionibus.  —  Ein  besonders  merkwürdiger 
Bestandteil  der  literarhistorischen  Schriften  Yarros  sind  seine 

*Imaginum  libri  XV  oder  Hebdomades,  ein  biographisches  Bilderbuch, 
herausgegeben  um  J.  39  (Gell  3, 10, 17).  Es  enthielt  außer  dem  prosaischen 
Text  700  Bildnisse  griechischer  und  römischer  Berühmtheiten  (Könige  und 
Feldherren;  Staatsmänner;  Dichter;  Prosaiker;  Fachmänner;  Künstler;  auf 
andern  Gebieten)  mit  je  einem  (metrischen)  elogium.  Das  erste  Buch  bil- 
dete wohl  die  Einleitung  nebst  den  14  Urvätern  der  in  den  folgenden  Bü- 
chern aufgestellten  Gattungen;  die  weiteren  14  Bücher  (oder  7  Zweibücher- 
Gruppen,  die  geraden  Zahlen  für  die  Nichtrömer,  bes.  die  Griechen,  die  un- 
geraden für  die  Römer)  enthielten  wohl  je  7  Hebdomaden  oder  49  imagines 
(14  x  49  =  686  -j-  14  =  700).  Die  Gliederung  nach  der  Siebenzahl  hing 
mit  Varros  Neigung  zur  Zahlenspielerei  zusammen,  die  er  dem  wiederauf- 
blühenden Pythagoreismus  verdankte;  vgl.  die  490  Bücher  §  165,  1.  Es  gab 
auch  (wohl  später)  eine  billigere  (Volks-)  Ausgabe,  aber  schwerlich  ohne  Bil- 
der, *>E7tLto[i7]v  ex  Imaginum  libris  XV  libros  IUI.  Vgl.  §  165,  1  gE.  Ritschl, 
op.  3,  554.  Nach  Usener,  Sehr.  3,  148  war  das  Werk  eine  buchhändlerische 
Spekulation,  bei  der  Varro  in  den  Dienst  des  Atticus  trat.  Plin.  NH.  35,  11 
imaginum  amorem  flagrasse  quondam  testes  sunt  Atticus  ille  Ciceronis  (s.  §  172, 

2,  d)  et  M.  Varro  benignissimo  invento,  insertis  voluminum  suorum  feeundi- 
tati  septingentorum  inlustrium  aliquo  modo  imaginibus.  .  .  inventor  muneris 
etiam  dis  invidiosi,  quando  (die  Berühmtheiten  im  Bilde)  in   omnes  terras 


336  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

misit,  ut  praesentes  esse  ubiqite  ceu  di  possent.  Gell.  3,  10,  1  31.  Varro  in 
primo  librorum,  qui  inscribuntur  hebdomades  vel  de  imaginibus.  3,  11,  7 
M.  Varro  in  libro  de  imaginibus  primo  Homeri  imagini  epigramma  hoc  ad- 
posuit.  Symmach.  epist.  1,  2  scis  Terentium  .  .  Reatinum  .  .  hebdomadum  libros 
epigrammatum  adiectione  condiisse.  .  .  in  socerum  .  .  tibi  delegamus  epigram- 
mata.  nam  et  Varronis  libri  diversis  notantur  auctoribus.  Vgl.  ebd.  1,  4. 
Auson.  Mosell.  305  forsan  et  insignes  Jiominumque  operumque  labores  (der 
griechischen  Architektur)  hie  habuit  deeimo  celebrata  volumine  Marci  heb- 
domas.  —  Die  Kunst  der  Buchillustration  war  in  hellenistischer  Zeit  voll 
entwickelt;  vgl.  Bethe,  Terenti  cod.  Ambros.  (Leiden  1903)  54.  Daß  die 
Schnellmalerin  Iaia  (Maia?  Laia?)  aus  Kyzikos  die  Illustration  besorgte  (vgl. 
Plin.  NH.  35,  147.  Fröhner,  Phil.  Suppl.  5,  18),  ist  eine  unsichere  auf  Text- 
änderung bei  Plin.  aO.  beruhende  Vermutung.  An  mechanische  Vervielfäl- 
tigung ist  sicher  nicht  zu  denken.  —  MHertz  ,  Arch.  Ztg.  8,  142.  Ritschl, 
op.  3,  452.  508.  528.  544.  564.  Mercklin  im  Dorpater  Ind.  lect.  1857  (wieder- 
abgedr.  in  Ritschls  op.  3,  530);  RhM.  13,  460;  Phil.  13,  742.  15,  709.  LÜrlichs, 
RhM.  14,  607.  JVahlen,  JJ.  77,  737.  MSchmidt,  RhM.  20,  298.  Thiele,  De 
antiq.  libris  pictis,  Marb.  1897,  22. 

Plinius  schöpfte  aus  Varro  viele  Nachrichten  über  die  bildenden  Künste, 
die  dieser  hauptsächlich  dem  Xenokrates  und  Antigonos  verdankte:  daß 
indessen  Varro  besondere  kunstgeschichtliche  Werke  verfaßt  habe,  ist  un- 
erweislich. Furtwängler,  Plin.  u.  s.  Quellen  in  der  Kunstgesch.  (Lpz.  1877), 
56.  ThSchreiber,  de  artificum  aetatibus  in  Plin.  NH.,  Lpz.  1872.  Oehmichen, 
Plinian.  Stud.  106.  203.  Münzer,  Herrn.  30,  499  (bes.  540);  Beitr.  285. 
6.  Fachwissenschaftliche  Schriften  (Ritschl  aO.  441): 
a)  *Disciplinarum  libri  IX,  bei  den  Römern  die  erste  encyklopä- 
dische  Zusammenfassung  der  artes  liberales,  wie  sie  durch  griechische 
Wissenschaft  ausgebildet  waren,  nämlich  1  grammatica,  die  systematische 
Einteilung  der  Grammatik  enthaltend  (Wilmanns,  Varr.  gramm.  98.  208. 
Usener,  Sehr.  2,  278.  310),  2  dialectica  (daraus  wohl  August,  de  princ.  dial. 
GRF.  1,  187.  278.  BFischer,  De  Aug.  libro  de  dial.,  Jena  1912,  3  rhetorica, 
4  geometria,  5  arithmetica,  6  astrologia  (OGruppe,  Herrn.  11,  237),  7?  mu- 
sica  (mindestens  mittelbar  benutzt  von  Martianus  Capella;  s.  §  452,  3  und 
Holzer,  Varroniana,  Ulm  1890.  Deiter,  Progr.  Posen  1881),  8  medicina, 
9  architectura  (vgl.  §  57,  1),  woraus  die  sieben  artes  liberales  wurden,  wie  sie 
sich  schon  bei  Augustinus  und  Martianus  Capella  finden.  Bezieht  sich  auf 
B.  8  die  Angabe  von  Plinius  NH.  29,  65  (eunetarer  in  proferendo  ex  his 
remedio,  ni  M.  Varro  LXXXIII  vitae  anno  prodidisset) ,  so  wäre  dieses 
Werk  eines  der  spätesten  des  Varro  (anders  Gruppe  aO.  239).  Falls  die 
Notiz  über  die  Wiederherstellung  des  im  J.  31  abgebrannten  Cerestempels 
bei  Plin.  34,  154  aus  B.  9  stammt,  so  würde  dieses  in  Varros  letzten  Jahren 
geschrieben  sein;  vgl.  Degering,  BphW.  1907, 1373  (doch  s.  Münzer,  Beitr.  263). 
Licentius  (FPR.  413)  bittet  Augustinus,  wie  es  scheint,  um  B.  6.  7  und  sagt 
von  Varro  V.  7  numerum  dedit  ille  tonos  mundumque  Tonanti  disseruit  canere 
etpariles  agitare  choreas  . .  ad  summam  astrorum  causas  clarosque  meatus,  obscu- 
ros  quorum  ille  situs  per  nubila  monstrat.  BFischer  55.  —  Wahrscheinlich  in 
diesem  Werk,  aber  gewiß  nicht  bloß  in  diesem,  hat  V.  die  Metrik  dargestellt. 
Er  folgt  hier  der  Derivationstheorie  d.  h.  einer  hellenistischen  Metrik,  die  alle 


§  166.  Varro:  Disciplinarum  libri  337 

Versmaße  aus  dem  Hexameter  bzw.  iambischen  Trimeter  ableitet.  Daß  diese 
Ableitung  gerade  auf  vier  Wegen  geschieht,  mag  Varros  eigene  Erfindung 
sein  (Caes.  Bass.  271,  5  omnia  metra  variantur  aut  adiectione  aut  detractione 
aut  concinnatione  aut  permutatione.  Doch  s.  Usener,  Sehr.  2,  287).  Wir 
kennen  Varros  Metrik  am  besten  durch  Caesius  Bassus  GL.  6,  255.  Vgl.  Leo, 
Herrn.  24,  280 ;  Gott.  Gel.  N.  1899,  495.  Diesem  System  folgt  Horaz  im  Bau 
seiner  lyrischen  Verse,  der  natürlich  nicht  gerade  von  V.  abhängig  zu  sein 
braucht;  vgl.  Kiessling  Einl.  zu  Hör.  Oden.  Im  allgemeinen  Ritschl,  op.  3, 
353.  441.  474.    Mercklin,  Phil.  13,  736. 

b)  Die  in  den  Discipl.  libri  zusammengefaßten  Fächer  hat  Varro  über- 
dies großenteils  auch  in  Einzelschriften  behandelt.  So  die  Grammatik 
(s.  S.  338  e),  die  Philosophie  (*de  forma  philosophiae  libri  EI;  vielleicht 
auch  ein  einzelnes  Buch  de  philosophia,  nach  Augustin.  civ.  d.  19,  1;  vgl. 
Ritschl,  op.  3,  441.  Krahner,  de  Varrone  ex  Martiani  satura  supplendo; 
c.  1:  de  Varronis  philosophia,  Friedland  1846.  Diese  philosophischen  Schrif- 
ten sind  sicher  nach  Ciceroa  Academica,  also  nach  J.  45,  verfaßt  (Wilmanns, 
Varr.  gramm.  libr.  9).  Ferner  eine  eigene  Rhetorik  (Varro  .  .  in  libro  III 
Wietoricorum,  Priscian.  GL.  2,  489)  und  die  ohne  Zweifel  pythagorisierenden 
*libri  IX  de  prineipiis  numerorum.  Über  die  geometria  s.  §  52,  2.  Zur 
Gromatik  (§  58)  die  Schrift  de  mensuris  (Priscian.  GL.  2,  420.  Boethius 
de  geometr.  p.  1234):  Ritschl,  op.  3,  475.  494.  —  *De  valitudine  tuenda 
liber  I:  eher  eine  selbständige  Ausführung  als  mit  dem  logistoricus  Messala 
de  valetudine  identisch  (Ritschl  aO.  440.  475). 

c)  Geographisches.  Außer  den  BB.  8  —  13  der  antiquit.  hum.  (s.  oben) 
die  Bücher  de  ora  maritima  (Serv.  Aen.  1,  108.  112.  5,  19.  8,  710),  wie 
es  scheint,  eine  Anweisung  für  die  Schiffahrt  (über  Küstenbildung  und  -Be- 
siedlung, Hindernisse  und  Gefahren  der  Schiffahrt,  Wind  und  Wetter,  Ebbe 
und  Flut  usw.);  von  Veget.  5,  11  libri  navales,  von  Solin.  11,  6  opus  quod 
de  littoralibus  est  genannt.  Vielleicht  ist  ein  Teil  dieser  Schrift  das  Buch, 
auf  das  Varro  LL.  9,  26  selbst  hinweist  in  libro  quem  feci  de  aestuariis 
(dh.  über  das  Gebiet  der  Ebbe  und  Flut).  Mommsen  zu  Solin.  p.  xix;  Herrn. 
18,  161.  DDetlefsen,  comment.  Mommsen.  27.  Reitzenstein,  Herrn.  20,  523; 
21,  240.  Oehmichen,  Plinian.  Stud.  47.  Schweder,  Phil.  46,  276.  —  Sachlich 
verwandt  ist  der  Witterungskalender  für  den  Seefahrer  ephemeris  navalis 
(Non.  71,  19).  Itiner.  Alex.  M.  3  p.  2,  11  Varro  Cn.  Pompeio  per  Hispanias 
militaturo  librum  illum  JEpJiemeridos  sub  nomine  elaboravit  (also  verfaßt  um 
J.  77).  Die  Windrose  beschrieb  V.  nach  Poseidonios  (Kaibel,  Herrn.  20,  579). 
Außerdem  noch  eine  zweite  Ephemeris  (agrestis  oder  rustica??  Reitzenstein, 
de  script.  R.  R.,  Berl.  1884,  44):  Prisc  GL.  2,  256,  20  Varro  in  ephemeride: 
postea  honoris  virtutum  causa  Iulii  Gaesaris  .  .  .  mensis  Iulius  est  appellatus 
(also  nach  J.  46  verfaßt).  Bergk,  RhM.  1,  367.  Oder,  Phil.  Suppl.  7,  364. 

d)  *de  iure  civili  libri  XV,  wohl  in  dem  Sinne  als  römisches  Privat- 
recht; Ritschl  aO.  444.  Für  eine  allgemeine  Einleitung  in  das  römische 
Recht  und  die  Hauptquelle  von  Pomponius  hält  ohne  Begründung  das  Werk 
Sanio,  Varroniana  in  den  Schriften  der  römischen  Juristen  (Lpz.  1867),  134; 
vgl.  ebd.  211.  Bonfante,  Rendic.  Ist.  Lombardo  42,  8.  Verwandten  Inhalts 
sind  wohl  auch  die  libri  de  gradibus  bei  Serv.  Aen.  5,  410,  die  sicher 
über  Verwandtschaftsgrade,  vielleicht  aber  noch  andere  gradus  (z.  B.  aetatis) 

Teuffei:  röm.  Literaturgesch.    Noub.  6.  Aufl.    I.  22 


338  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

handelten  (Schanz,  RhM.  54,  23).  Antiquarische  und  staatsrechtliche  Fragen 
neben  grammatischen  finden  sich  erörtert  in  den  Überresten  der  Episto- 
licae  quaestiones,  mindestens  in  acht  Büchern  (Ritschl  aO.  477):  in 
B.  4  dieser  epist.  quaest.  stand  die  epistula  ad  Oppianum,  wodurch  Varro 
den  früher  an  Pompeius  geschickten  commentarius  SLOayoayLübg  (§  166,  4  h) 
de  officio  senatus  habendi,  der  verloren  gegangen  war,  ersetzte:  Gell.  14, 
7,  3.  Außerdem  Briefe  ad  (Iulium)  Caesarem,  ad  Fabium,  ad  Fufium,  ad 
Marullum,  ad  Neronem  (sämtlich  bei  Non.  zitiert),  ad  Serv.  Sulpicium  (Gell. 
2,  10);  endlich  epistulis  Latiniae  Non.  419,  13,  vgl.  ep.  latina  141,  14  ep. 
latina  l.  I.  121,  12  ep.  Latina  Hb.  II  (Non.  473,  20):  nach  Havet,  Rev.  phil. 
7,  176  an  Latinier  gerichtet,  eher  eine  lateinische  Sammlung  zum  Unter- 
schied von  einer  griechischen.  —  Ritschl,  op.  3,  476.  494.  —  Über  die  *re- 
rum  rusticarum  libri  III  s.  §  168. 

e)  Grammatischen  Inhalts  waren  (außer  dem  Hauptwerke  *de  lingua 
latina  libri  XXV,  s.  §  167)  folgende  Einzelschriften:  de  antiquitate  litterarum 
(Priscian.  GL.  2,  8  Varro  in  II  de  antiquitate  litterarum),  an  (den  Tragiker  L.) 
Accius  gerichtet  und  daher  eine  der  ältesten  Schriften  Varros  (Ritschl  aO. 
469.  498.  Wilmanns  p.  117.  218.  GRF.  1,  183),  enthielt  vielleicht  die  später 
allgemein  üblichen  Benennungen  der  Buchstaben  (Marx,  Lucil.  2,  141);  *de 
origine  linguae  latinae  III  (an  Pompeius   gerichtet?    Ritschl,  aO.  470  GRF. 

1,  .184);  rtsgi  %uQuy.tr\Qo>v  (==  tvacov,  Formen  der  Wortbildung,  Usener,  Sehr. 

2,  162.  GRF.  1,  206),  mindestens  drei  Bücher  (Charis.  GL.  1,  189  Varro  in 
III  7t.  #.);  *de  similitudine  verborum  III  (=  de  analogia,  Ritschl.  aO.  468. 
GRF.  1,  185);  de  utilitate  sermonis  (Charis,  GL.  1,  123  Varro  de  ut.  s.  IUI), 
die  anomalia  in  den  Vordergrund  stellend  (Ritschl  aO.  469,  GRF.  1,  186); 
endlich  *de  sermone  latino  V  (so  Hieron.  und  Charis.;  dagegen  Rufin. 
GL.  6,  555  Varro  de  lingua  latina  ad  Marcellum ,  und  ebd.  556  zweimal 
Varro  in  lib.  VII  de  lingua  latina  ad  Marcellum,  Donat.  Ter.  Eun.  649 
Varro  in  Marcello,  vgl.  Wilmanns  p.  47.  170.  GRF.  1,  199),  die  Metrik  mit- 
behandelnd (Ritschl  aO.  463,  vgl.  Westphal,  griech.  Metrik  l2,  116,  173) 
und  für  die  Orthographie  Hauptquelle  der  späteren  Grammatiker.  Einen 
Auszug  des  Abschnittes  über  die  Akzente,  die  Varro  nach  Tyrannion  be- 
handelte, enthält  der  Sergius  in  Donat.  GL.  4,  525 ;  vgl.  Wilmanns  49,  Lentz 
zu  Herodian  1,  xxxi,  Scholl,  act.  Lips.  6,  5.  Usener,  Sehr.  2,  304.  Einen  an- 
deren die  Orthographie  des  Terentius  Scaurus  GL.  7,  29  (fr.  267 F.);  vgl. 
LLsener,  Sehr.  2,  201.  Nach  dem  einzigen  fr.  231  {Varro  ad  Libonem  primö) 
war  auch  die  Schrift  ad  Libonem  grammatischen  Inhaltes;  doch  wird  sich 
unter  diesem  Titel  eine  der  anderen  Schriften  verbergen. 

Goetz  Abh.  Sachs.  Ges.  27,  89  scheidet  drei  Perioden:  der  ersten  ge- 
hören die  Spezialarbeiten  an,  der  zweiten  L.  L.  und  de  serm.  lat.,  der 
dritten  die  Zusammenfassung  in  disc.  1.  I.  —  V.  sieht  in  der  lateinischen 
Sprache  eine  Mischung  aus  gallisch,  äolisch  und  etruskisch  (fr.  296)  und 
achtet  auf  die  dialektischen  Einschläge  darin,  ein  an  sich  gesunder  Gedanke, 
der  aber  infolge  des  damaligen  Zustandes  der  Sprachwissenschaft  und  des 
sabinischen  Lokalpatriotismus  (L.  L.  ed.  Götz-Schoell  p.  334  b.  fr.  119.  231. 
323  F.)  mehr  geschadet  als  genützt  hat.  In  der  Etymologie  ist  er  natürlich 
ein  Kind  seiner  Zeit  d.  h.  von  den  stoischen  Anschauungen  abhängig;  was 
dabei  herauskam,  zeigt  zB.  fr.  188  circenses  dicti,  quia  exhibebantur  in  cir- 


§  166.  167.  Varro:  Grammatisches  (de  L.  L.)  339 

cuitu  ensibus  positis.  271  Mircurius  per  i  dicebatur,  quod  mirandarum  verum 
esset  inventor.  420  carceres  quasi  arceres.  Vgl.  Mentz,  Comment.  Jenens.  4, 
11.  FMuller,  De  veterum  studiis  etymologicis,  Utrecht  1910.  Er  hat  Laut- 
wandel gelegentlich  beobachtet  (fr.  280.  Samter,  Quaest.  Varr.  73),  folgt 
aber  dem  jede  Willkür  zulassenden  Grundsatz  (L.  L.  5,  6),  daß  er  eintrete 
litterarum  demptione  aut  additione  et  propter  earum  traiectionem  aut  commu- 
taUonem  (Usener  Sehr.  2, 298).  Vgl.  WSchulze,  Abh.  Gott.  Ges.  NF.  5,  65. 
„Für  die  italische  Sprachkunde  ist  er  eben  durch  seine  Autorität,  die  die 
Vorgänger  erdrückte,  recht  eigentlich  der  Totengräber  einer  offenbar  reichen 
und  respektablen  Tradition  geworden."  Im  allgem.  AWilmanns,  de  Varr. 
libris  grammaticis  scripsit  relliquiasque  subiecit,  Berl.  1864,  Die  grammati- 
schen Fragmente  auch  bei  Funaioli,  GRF.  1,  179  und  hinter  Götz-Schoells 
Ausg.  von  de  1.  1. 

167.  Von  der  gesamten  literarischen  Tätigkeit  Varros  sind  zwei 
Schriften  auf  uns  gekommen,  de  liugua  latina  und  rerum  rustica- 
rum  libri  III.  Aber  von  den  ursprünglich  25  Büchern  de  lingua 
latina  sind  uns  nur  die  Bücher  5  bis  10  erhalten,  und  auch  diese 
am  Ende  von  B.  8  und  10,  sowie  am  Anfang  von  B.  7  und  9  ver- 
stümmelt, außerdem  vielfach  stark  verderbt.  Das  vollständige  Werk 
behandelte  in  seiner  ersten  Hälfte  die  Lehre  von  der  Bildung  und 
Beugung  der  Wörter,  in  der  zweiten  die  Syntax;  die  Grundlehren 
sind  Varro  durchaus  von  der  jüngeren  stoisch  beeinflußten  Gram- 
matik geliefert,  und  er  hat  auch  im  besten  Falle  nicht  mehr  getan 
als  das  lateinische,  meist  schon  von  seinen  Vorläufern  gesammelte 
Material  in  das  fertige  Fächerwerk  eingeordnet.  Das  ist  ihm  nicht 
ganz  gelungen:  das  disparate  Material  will  sich  nicht  recht  zu- 
sammenfügen, und  der  Schematismus  in  der  Anordnung  des  Stoffs 
tut  diesem  oft  Gewalt  an.  Die  Schreibweise  ist  altertümelnd  abge- 
rissen und  ungefüge,  da  Varro  im  Stoffe  erstickt  ist  und  zu  einer 
stilistischen  Schlußredaktion  sich  nicht  die  Zeit  genommen  hat. 
B.  5  fl.  waren  dem  Cicero  gewidmet;  das  Werk  ist  daher  —  wenig- 
stens teilweise  —  spätestens  J.  43  herausgegeben. 

1.  Daß  eine  äußerliche  Symmetrie  die  Anordnung  auch  (vgl.  §  166,4  a) 
der  Bücher  de  lingua  latina  beherrschte,  erhellt  aus  der  wiederholten  Her- 
vorhebung der  Disposition,  in  der  sich  die  Drei-  und  Yierteilung  kreuzen 
(Usenee,  Sehr.  2,  298).  1,  110  quoniam  omnis  operis  de  lingua  latina  tris 
feci  parteis,  primo  quemadmodum  vocabula  imposita  essent  rebus  (Etymologie), 
seeundo  quemadmodum  ea  in  casus  declinarentur  (Deklination  und  Konju- 
gation), tertio  quemadmodum  coniungerentur  (Syntax).  Vgl.  8,1.  —  5,  1 
quemadmodum  vocabula  essent  imposita  rebus  in  lingua  latina,  sex  libris  ex- 
ponere  institui.  de  Ms  tris  (außer  dem  ersten,  die  Einleitung  enthaltenden 
Buche,  also  B.  2 — 4)  ante  hunc  feci,  quos  Septumio  (qui  mihi  fuit  quaestor 
fügt    Varro   7,  109    hinzu)    misi.   in   quibus   est   de   diseiplina    quam   vocant 

22* 


340  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

£xv\Lo%oyiY.r\v.  quae  contra  eam  dicerentur,  volumine  primo  (B.  2);  quae  pro 
ea,  secundo  (B.  3);  quae  de  ea,  tertio  (B.  4).  in  his  ad  te  (Cicero)  scribam, 
a  quibus  rebus  vocabula  imposita  sint  in  lingua  latina,  et  ea  quae  sunt  in 
consuetudine  apud  poetas.  —  6,  97  quoniam  de  hisce  rebus  tris  libros  ad  te 
mittere  institui,  de  oratione  soluta  duo,  de  poetica  unum,  et  ex  soluta  ad  te 
misi  duo,  prior  em  (B.  5)  de  locis  et  quae  in  locis  sunt,  hunc  (B.  6)  de  tem- 
poribus  et  quae  cum  his  sunt  coniuncta,  deinceps  in  proxumo  (B.  7)  de  poe- 
ticis  verborum  originibus  scribere  incipiam.  —  7,  5  dicam  in  hoc  libro  de 
verbis  quae  a  poetis  sunt  posita,  primum  de  locis ,  dein  de  his  quae  in  locis 
sunt,  tertio  de  temporibus,  tum  quae  cum  temporibus  sunt  coniuncta.  —  8,  24 
de  quibus  utriusque  generis  (avaloylag  und  avca^aXias)  declinationibus  libros 
faciam  bis  temos:  prioris  tris  (B.  8 — 10)  de  earum  declinationum  disciplina, 
posterior is  (B.  11 — 13)  de  eius  disciplinae  propaginibus.  de  prioribus  primus 
(B.  8)  erit  hie:  quae  contra  similitudinem  (Analogie)  declinationum  dicantur, 
seeundus  (B.  9)  quae  contra  dissimilitudinem  (Anomalie),  tertius  (B.  10)  de 
similitudinum  forma,  de  quibus  quae  expedier  o,  singidis  tribus;  tum  de  alter  is 
totidem  scribere  ae  dividere  ineipiamus.  Buch  14  bis  25  behandelte  dann  die 
Syntax  (doch  s.  Riese,  Phil.  27,  296).  Vgl.  Spengel  praef.  p.  xxxiv.  Goetz- 
Schoell,  Proleg.  xxxviii.  Wilmanns  p.  22.  Augustins  Schrift  de  prineipiis 
dialecticae  wollten  Wilmanns  und  Reitzenstein  69  aus  B.  1  herleiten;  jedoch 
ist  eher  ein  Zusammenhang  mit  discipl.  1.  II  -wahrscheinlich  (Funaioli  187. 
BFischer  47).  Zusammenstellung  der  Überreste  aus  den  verlorenen  Büchern 
bei  Wilmanns  141.  GRF.  1,  186.  Oxe,  Varr.  librorum  de  1.  1.  argumentum, 
Kreuznach  1871. 

2.  Die  Widmung  an  Cicero  erstreckte  sich  auf  B.  5 — 25  (doch  s.  Riese, 
Phil.  27,  297).  Vgl.  Gell.  16,  8,  6  M.  Varro  de  lingua  latina  ad  Ciceronem 
quarto  vicesimo;  auch  Priscian.  GL.  2,  540  Varro  in  XXIIII  ad  Ciceronem.. 
Daraus,  daß  die  ersten  Bücher  dem  Septumius  (A.  1)  gewidmet  waren,  ist 
wohl  zu  schließen,  daß  sie  schon  vollendet  waren,  als  Varro  sich  entschloß 
mit  Cicero  eine  Art  Tauschhandel  der  Widmungen  einzugehen.  Schon  J.  47 
versprach  er  dem  Cicero  magnam  et  gravem  7iQ06cpmvr\Giv  (Cic.  Att.  13, 12,  3), 
wurde  aber  damit  nicht  so  schnell  fertig  wie  Cicero  wünschte,  so  daß  die- 
ser J.  45  ungeduldig  wurde  (biennium  praeteriit,  cum  ille  Kal7.imci8ris  assi- 
duo  cursu  cubitum  nulluni  processerit  aO.)  und  erst  auf  des  Atticus  Zureden 
sich  entschloß,  selber  den  Anfang  zu  machen  durch  Widmung  seiner  Aca- 
demica  an  Varro  (Att.  13,  12,  3.  13,  16,  1.  18).  Das  Werk  Varros  wurde 
also  erst  nach  dem  Erscheinen  von  Ciceros  Academica  (J.  45)  fertig,  ohne 
Zweifel  war  aber  vor  Ciceros  Tod  (Ende  43)  mindestens  ein  Teil  veröffent- 
licht. Unzureichend  begründet  ist  OMüllers  Vermutung,  es  sei  erst  nach 
Varros  Tod  unfertig  veröffentlicht  worden.  Vgl.  OMüllers  praef.  p.  in — xi 
und  dagegen  LSpengel,  Abh.  bayr.  Akad.  7,  2,  443;  Roth,  Leben  Varros  25. 
Wilmanns  37.  Reitzenstein  80.  Es  gab  von  dem  Werk  einen  Auszug:  *tm- 
ro^rjv  de  lingua  latina  ex  libris  X<X)>V  libri  Villi;  s.  §  165,  1  E.  Über  die 
Benutzer  Goetz-Schoell  p.  ix. 

3.  Das  Streben  nach  einer  schematischen  Disposition  (A.  1)  hat  auch 
hier  große  Unzuträglichkeiten  im  Gefolge  gehabt.  So  hat  Varro  das  dritte 
Buch  über  die  Etymologie  (B.  7)  nur  zustande  gebracht,  indem  er  die  dich- 
terischen Worte  von  den  übrigen  abtrennte,  und  die  Gründe  für  und  gegen 


§  167.  Varro:  de  L.  L.  341 

die  Analogie  in  ziemlich  gewaltsamer  Weise  auf  drei  Bücher  verteilt 
(Reitzenstein  31.  44).  Auch  im  einzelnen  herrscht  oft  arge  Konfusion,  schon 
deshalb,  weil  Varro  gern  über  seine  Belesenheit  stolpert.  Zur  Entscheidung 
der  Quellenfrage  tragen  die  ziemlich  reichlichen  Autorenzitate  (Goetz  aO.  76. 
Goetz  -  Sohoell  Proleg.  xliv)  nicht  viel  bei ,  da  ein  Teil  davon  sicher  aus 
den  Quellen  übernommen  ist.  Zwei  Ansichten  stehen  sich  gegenüber:  nach 
der  einen  hat  Varro  das  Material  selbst  aus  vielen  Quellen  zusammenge- 
tragen und  seine  eigenen  älteren  Werke  geplündert.  Die  in  B.  8  ent- 
wickelten Gründe  gegen  die  Analogie  werden  in  B.  9  widerlegt,  aber  ohne 
daß  die  Widerlegung  immer  zur  Behauptung  stimmt;  das  erklärt  Goetz  86 
aus  der  Benutzung  der  früheren  Schriften  De  similitudine  verborum  und 
De  utilitate  sermonis.  Während  dies  nur  eine  Möglichkeit  bleibt,  ist  das 
Zurückgreifen  auf  die  auch  zweimal  (6,  13.  18)  zitierten  Antiq.  sicher;  die 
vielen  Berührungen  des  Verrius  Flaccus  mit  unserer  Schrift,  die  nicht  auf 
direkter  Benutzung  beruhen,  erklären  sich  aus  beiderseitiger  Abhängigkeit 
von  den  Antiq.  (Kriegshammer,  Comment.  Jenens.  7,  101).  Nach  der  anderen 
Ansicht  entlehnt  Varro  sein  Material  aus  wenigen  Hauptquellen,  in  die  er 
nur  einzelne  Lesefrüchte  einarbeitet  (Reitzenstein,  M.  Terentius  Varro  und 
Johannes  Mauropus,  Lpz.  1901).  Danach  stammen  die  B.  5 — 7  (deren  Kom- 
position Ribbeck,  RhM.  41,  618  erörtert  hat)  in  der  Hauptsache  aus  Aelius 
Stilo,  dessen  Ausführungen  V.  in  B.  6  aus  einem  Traktat  des  Cosconius  de 
verbis  ergänzt  hat.  Von  B.  8  bilden  §  1 — 24  eine  Einleitung  in  die  Lehre 
von  der  Analogie,  den  Rest  des  Buches  führt  Reitzenstein  auf  Stilo  zurück, 
und  auf  diesen  weist  §  81  si  Marcus  Perpenna  virile  est  nomen  et  analogia 
sequenda,  Lucius  Aelia  et  Quintus  Mucia  virilia  nomina  esse  debebunt:  hier 
verwendet  Stilo  nach  antiker  Grammatikersitte  seinen  Namen,  ferner  den 
des  Mucius  Scaevola  und  des  Perpenna  cos.  92.  In  B.  9  redet  ein  jüngerer 
Grammatiker,  der  die  Analogie  energisch  gegen  Krates  und  seine  Schule 
verteidigt.  Ob  direkte  Beziehungen  zu  Caesars  Schrift  de  analogia  vorliegen, 
läßt  sich  nicht  ausmachen  (Reitzenstein  61).  In  der  Einleitung  zu  B.  10 
sagt  V. :  quarum  rerum  quod  nee  fundamenta  ut  debuit  posita  ab  ullo  neque 
ordo  ac  natura,  ut  res  postulat,  explicita,  ipse  eius  rei  formam  exponam. 
Das  mag  in  dem  Sinne  zu  deuten  sein,  daß  V.  hier  von  lateinischen  Quellen 
unabhängig  ist.  Vgl.  auch  Röhrscheidt,  Gott.  Anz.  1908,  791.  Woldt,  De 
analogiae  diseiplina  apud  gramm.  lat.,  Königsb.  1911.  VHenry,  De  sermo- 
nis hum.  origine  et  natura  V.  quid  senserit,  Par.  1883. 

4.  Einzig  maßgebende  Hs.:  Laur.  51,  10  s.  XI  in  Florenz  aus  Monte 
Cassino  stammend  (Faksim.  bei  Chatelain  T.  12);  von  ihr,  als  sie  noch  voll- 
ständig war  (jetzt  fehlt  Q.  II  =  5,  118 — 6,  61)  sind  die  übrigen  Hss.  (alle 
s.  XV  f.)  abgeschrieben.  AGroth,  de  Varr.  cod.  Florentino  (darin  vollstän- 
dige Vergleichung),  Diss.  Argentor.  4  (1880),  81.  Auch  das  von  Petrus  Dia- 
conus  exzerpierte  fragm.  Casinense  361  s.  XI  zu  LL.  5,  41 — 57  ist  vom 
Laur.  abhängig;  Goetz,  quaest.  Varron.,  Jena  1886.  Goetz-Schoell,  Ausg. 
p.  xn.  —  Neuere  Ausgaben:  von  LSpengel  (Berl.  1826;  2praef.  est  LSpengel, 
ed.  ASpengel,  Berl.  1885)  und  OMüller  (Lps.  1833;  nach  letzterem  Egger, 
Par.  1837)  und  bes.  Goetz-Schoell,  Lpz.  1910. 

168.  Weit  erfreulicher  für  den  Leser  sind  Varros  drei  Bücher 


342  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

reruni  rusti carinii,  die  wir  so  gut  wie  vollständig  besitzen.  Das 
erste  handelt  vom  Ackerbau,  das  zweite  von  der  Viehzucht,  das  dritte 
von  der  Vogel-  und  Fischzucht.  Wenn  der  achtzigjährige  Verfasser 
auch  weniger  auf  Lebenserfahrung  als  auf  Gelehrsamkeit  fußt,  so 
fühlt  man  doch,  daß  er  sich  auf  vertrautem  Gebiete  bewegt  und 
ein  inneres  Verhältnis  zu  seinem  Gegenstände  hat.  Die  Einkleidung 
ist  dialogisch  in  der  Weise  der  philosophischen  Schriften  Ciceros, 
aber  mit  lebhafterer  Szenerie  und  Handlung:  sie  ist  von  Varro 
dazu  benützt,  seinen  etwas  zopfigen,  aber  in  seiner  gutmütigen  Be- 
haglichkeit ansprechenden  Witz  spielen  zu  lassen.  Dagegen  verträgt 
sich  das  Prunken  mit  Notizengelehrsamkeit  und  Zitaten  schlecht 
mit  dem  künstlerischen  Charakter  des  Dialoges. 

1.  RR.  1,  1,  1  annus  octogesimus  admonet  me,  ut  sarcinas  colligam  ante 
quam  proficiscar  e  vita.  Die  Abfassung  fällt  somit  ins  J.  37.  Das  Gespräch 
von  B.  2,  an  dem  auch  Atticus  teilnimmt,  wird  ins  J.  67  (21.  April),  das 
von  B.  3  ins  J.  54  versetzt;  s.  2,  praef.  7.  3,  2,  3  spricht  Axius  von  dem 
Streit  zwischen  Interamnates  und  Reatini ,  den  auch  Cic.  Att.  4,  15,  5  eben 
im  J.  54  erwähnt;  dort  wird  auch  Axius  genannt.  Ebd.  1,  1,  4  scribam  tibi 
(seiner  Gattin  Fundania)  tres  libros  indices  (übersichtliche).  Dies  blieb 
stehen,  obwohl  B.  2  und  3  anderen  gewidmet  wurden,  dieses  dem  Q.  Pin- 
nius,  jenes  dem  Turranius  Niger,  der  vielleicht  auch  in  diesem  Fache  schrift- 
stellerte;  s.  Diom.  GL.  1,  368,  26  f  tyrannus  {Turranius  Keil)  de  agri  cul- 
tura  primo.  1,  1,  11  quo  brevius  (wegen  der  großen  Zahl  der  Vorgänger) 
de  ea  re  conor  tribus  libris  exponere,  uno  de  agri  cultura,  altero  de  re  pe- 
cuaria,  tertio  de  villaticis  pastionibus.  1,  5,  3  agri  culturae  quattuor  sunt 
partes  summae  . .  (4)  de  Ins  quattuor  generibus  singida  minimum  in  binas 
dividuntur  species  . .  6,  1  igitur  primum  de  solo  fundi  videndum  haec  quat- 
tuor, qua  sit  forma,  quo  in  genere  terrae,  quantus,  quam  per  se  tutus.  2, 
praef.  6  quoniam  de  agri  cultura  librum  Fundaniae  uxori  propter  eius  fun- 
dum  feci,  tibi,  Niger  Turrani  noster,  qui  vehementer  delectaris  pecore,  . .  de 
re  pecuaria  breviter  ac  summatim  percurram.  3,  1,  9  cum  putarem  esse  rerum 
rusticarum  . .  tria  gener a,  unum  de  agri  cultura,  alterum  de  re  pecuaria, 
tertium  de  villaticis  pastionibus,  tres  libros  institui,  e  queis  duo  scripsi:  pri- 
mum ad  Fundaniam  uxorem  de  agri  cultura,  secundum  de  pecuaria  ad  Tur- 
ranium  Nigrum.  qui  reliquus  est  tertius,  de  villaticis  fructibus,  hunc  ad  te 
(Q.  Pinnius)  mitto,  quod  visus  sum  debere  pro  nostra  vicinitate  et  amore  scri- 
bere  potissimum  ad  te.  Wie  diese  fortwährende  Einprägung  der  Disposition, 
die  sich  mit  pedantischer  Aufdringlichkeit  bis  in  alle  Einzelheiten  erstreckt, 
echt  varronisch  ist  (vgl.  §  167,  1),  so  kehren  in  diesem  Werke  auch  die 
Klagen  über  den  Untergang  der  alten  Sitteneinfalt  oftmals  wieder.  Tenden- 
ziös ist  der  Schluß  von  B.  1,  wo  der  aedituus  des  Tellustempels,  in  dem 
der  Dialog  stattfindet,  auf  der  Straße  durch  einen  Messerstich  getötet  wird : 
de  casu  humano  magis  querentes  quam  admirantes  id  Romae  factum  disce- 
dimus  omnes.  Über  die  Namenwitze  (Fundania,  Fundilius,  Agrasius,  Agrius, 
Stolo,  Scrofa,  Vitulus,    Vaccius,   Merula,   Pavo,   Pica,    Passer,    Parra,    Orata, 


§  168.  Yarro:  rer.  rust.  libri  343 

Murena  u.  a.)  s.  ASchleicheu,  nieletem.  Varron.  1  (Bonn  1S46),  1 — 12.  Über 
die  Führung  des  Dialoges  Hirzel,  Dialog  1,  552.  Ein  Versehen  2,  2,  20,  wo 
Atticus  sagt  ut  dixl,  während  1,  23  Scrofa  gesprochen  hatte. 

2.  Über  seine  Quellen  sagt  Yarro  1,  1,  12  (Yarros  Belehrung  entspringt) 
ex  radicibus  trinis,  et  quae  ipse  in  meis  fundis  colendo  animadverti  et  quae 
legi  et  quae  a  perüis  audii.  Er  zitiert  reichlich,  und  zwar  nicht  bloß  Fach- 
literatur (Waehler  aO.  47),  und  gibt  1,  1,  8  ein  Verzeichnis  der  mehr  als 
50  griechischen  Schriftsteller,  die  den  Gegenstand  behandelt  hatten.  Ein 
Verzeichnis  der  Zitate  bei  Gentilli  aO.  Was  er  aus  eigener  Erfahrung  zu- 
gefügt hat,  wird  man  nicht  auf  sehr  viel  schätzen  dürfen;  doch  s.  1,  8,  6 
hßc  consuetudine  in  Italia  utuntur  Beatini  (vgl.  2,  1,  14.  2,  9.  6,  1  u.  ö\); 
vgl.  Gentilli  159.  Viel  haben  ihm  gewiß  seine  römischen  Vorgänger  Cato, 
die  Sasernae,  Licinius  Stolo  und  Tremellius  Scrofa  geliefert;  über  Cato  vgl. 
Klotz,  Jahns  Arch.  10,  25.  Gentilli  131.  Tremellius  wird  redend  einge- 
führt und  spielt  im  ersten  und  zweiten  Buche  eine  erhebliche  Rolle,  ohne 
daß  seine  Schrift  erwähnt  wird  (§  160,  2).  Von  griechischen  Autoren  sind 
Aristoteles  und  Theophrast,  die  öfter  zitiert  werden,  nicht  oder  nur  aus- 
nahmsweise eingesehen  (trotz  Grntilli  104.  115);  vielmehr  weisen  die  zahl- 
reichen Berührungen  mit  den  Geoponika  (Hempel  75)  auf  weitgehende  Be- 
nutzung eines  griechischen  Werkes.  Dieses  wird  in  einer  der  Bearbeitungen 
des  Mago  (§  54,  1),  wahrscheinlich  der  des  Diophanes  (zwischen  80  und  70 
v.  Chr.)  zu  suchen  sein.  Heinze,  Comment.  Ribbeck  434.  Hempel  63.  Des- 
halb braucht  Diophanes  aber  nicht  der  einzige  griechische  Autor  zu  sein, 
den  Varro  ausschöpft  (Waehler  63),  und  mindestens  in  den  sich  bis  ins 
Einzelne  erstreckenden  Dispositionsschemata  wird  man  oft  Varros  eigene 
Arbeit  erkennen  dürfen.  Auch  hat  er  aus  seinem  reichen  Wissen  allerlei 
Allotria  eingefügt  und  ist  namentlich  gern  auf  etymologische  Fragen  ein- 
gegangen (Kkiegshammer,  Comment.  Jenens.  7,  104).  Gentilli,  Stud.  it.  11,99. 
Hempel,  De  Varr.  rerum  rust.  auetoribus,  Lpz.  1908.  Waehler,  De  Varr. 
rer.  rust.  fontibus,  Jena  1912.  —  Yarro  ist  seinerseits  von  einem  der  in 
den  Geoponika  verarbeiteten  Autoren,  aber  nur  in  geringem  Umfange,  be- 
nutzt worden  (Hempel  64),  in  größerem  von  den  späteren  römischen  Schrift- 
stellern über  Landwirtschaft,  vor  allem  von  Columella  (Waehler  aO.  8). 

3.  Über  die  hs.  Überlieferung  vgl.  §  122,  1;  über  Cod.  Vindob.  33 
Schoell,  WSt.  35,  75.  —  Kritische  Ausg.  von  HKeil;  s.  §  122,  1.  Ed.  mi- 
nor von  Keil-Goetz  Lpz.  1912.  Sonst  Ausg.  in  den  Script.  RR.  (§  54,  7) 
und  in  den  opera  Varronis  (§  169,  3).  Wortindex  von  Krumbiegel  (in  Bd.  3 
von  Keils  Ausg.),  Lpz.  1902.  —  Übersetzung  von  GGrosse,  Halle  1788.  — 
HKeil,  observat.  crit.  in  Catonis  et  Varronis  de  RR.  libros,  Halle  1849; 
obs.  crit.  in  Varr.  RR.,  Halle  1883.  Zahlfeldt,  quaest.  crit.  in  Varr.  RR., 
Berl.  1881. 

160.  Die  übrigen  Schriften  Varros  scheinen  sich  über  das  sechste 
christliche  Jahrhundert  hinaus  nicht  erhalten  zu  haben.  Die  söge- 
nannten  sententiae  Varronis ,  eine  Spruchsainmlung  wie  die  unter 
dem  Namen  des  Cato,  Seneca,  Publilius  Syrus  gehenden,  enthalten 
nichts  Varronisches. 


344  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

1.  Über  das  Verhältnis  des  Martianus  Capella  zu  Varro  CBöttger,  Jahns 
Aren.  13,  590.  Krahner,  de  Varrone  ex  Martiani  satura  supplendo,  Fried- 
land 1846.  BFischer  aO.  21.  Isidor  hat  die  36  Stellen,  an  denen  er  den 
Varro  nennt,  nicht  unmittelbar  aus  diesem  selbst.  HKettner,  varronische 
Studien  (Halle  1865)  2 — 37.  Schmekel,  Isidorus  von  Sevilla.  Berl.  1914. 
Daraus  ist  mit  ziemlicher  Sicherheit  zu  schließen,  daß  dem  Zeitalter  des 
Isidor  (§  496)  von  dem  varronischen  Nachlasse  nicht  mehr  vorlag  als  uns. 

2.  Die  Sententiae  Varronis,  152  an  Zahl  (abgedruckt  zB.  bei  Riese, 
Varr.  sat.  265),  finden  sich  in  den  Handschriften  unter  verschiedenen  Titeln 
(Sententiae  Varronis  ad  Papirianum  Athenis  audientem;  Proverbia  Varronis 
ad  Parianum;  Sententiae  Varronis  ad  Atheniensem  auditorem  morales  at- 
que  notabiles;  Varro  in  Moralibus  oder  in  libro  Moralium  udgl.)  Daß  die 
Sammlung  den  Namen  Varros  trägt,  besagt  sehr  wenig;  es  finden  sich  An- 
klänge an  Horaz,  Ovid  und  Syrus,  noch  mehr  aber  an  Seneca,  dessen  Werke 
eine  Hauptquelle  unserer  Sammlung  sind.  Germann  aO.  75.  Zur  Probe  zB. 
1  di  essemus,  ni  moreremur.  4  cum  natura  litigat,  qui  mori  grave  fert.  10  in 
multis  contra  omnes  saper e  desipere  est.  62  eo  tantum  studia  intermittantur , 
ne  omittantur.  82  imperabis  regibus,  si  imperes  fortunae.  qui  scies?  con- 
temne  ipsam.  86  sie  multi  libros  degustant  ut  convivae  delicias.  151  sie  stu- 
dendum,  ut  propter  id  te  putes  natum;  dergleichen  erinnert  an  Geist  und 
Ausdrucksweise  des  Seneca.  Mercklin  vermutete  gar,  daß  der  bei  dem  späten 
Grammatiker  Virgilius  Maro  (§  482,  5)  erwähnte  Varro  (p.  13,  24.  60,  22. 
80,  11  Huemer)  der  Verfasser  sei.  In  den  enzyklopädischen  Schriften  des 
Mittelalters  (zB.  Vincentii  Bellovacensis  Speculum  historiale  und  doctrinale, 
Arnoldi  de  Hollandia  Liber  Vaticani)  wurden  diese  Sentenzen  viel  benützt, 
Literatur:  Sententias  Varr.  ed.  Devit,  Padua  1843.  RKlotz,  die  Varro  bei- 
gelegten Denksprüche,  Jahns  Arch.  9,  582.  HDüntzer,  ebd.  15,  193;  vgl. 
JJ.  54,  135.  Mercklin,  Phil.  2,  480.  13,  739.  Quicherat,  pensees  inedites  de 
Varron,  Bibl.  de  l'ecole  des  chartes  3,  1  (Par.  1849),  3.  Sentences  de  Varr. 
ed.  Chappüis,  Par.  1856.  Ritschl  op.  3,  522.  Maßgebend  jetzt  Ausg.  von 
Germann,  Paderb.  1910.    Eine  apokryphe  Äußerung  auch  fr.  463  F. 

3.  Eine  verläßliche  Sammlung  und  Bearbeitung  des  ganzen  varronischen 
Nachlasses  fehlt  noch.  —  Älteres :  Varronis  opera  cum  notis  Scaligeri,  Tur- 
nebi  all.,  Par.  1569.  1585.  Cum  fragm.  APopma,  Leid.  1601;  c.  not.  var., 
Dortr.  1619  (wiederholt  ed.  Bipontina  1788  II).  Brunetti,  frammenti  minori 
di  V.,  Vened.  1874.  —  Mercklin  und  Riese,  die  varronische  Literatur  vom 
J.  1826—1868,  Phil.  13,  683.  27,  286.  Über  die  Literatur  von  1898—1908 
Mras,  JB.  143,  63. 

170.  Die  nächste  Stelle  nach  Varro  nahm  unter  den  Gelehrten 
P.  Nigidius  Figulus  (Praetor  J.  58)  ein,  der  in  umfassenden 
Werken  nicht  bloß  die  Grammatik,  sondern  auch  die  Theologie 
und  verschiedene  Zweige  der  Naturforschung  behandelte,  nament- 
lich aber  als  ein  zum  Okkultismus  und  zur  Astrologie  hinneigender 
Pythagoreer  auftrat.  Bei  seiner  Richtung  auf  das  Entlegene  und 
Absonderliche  gewann  er  wenig  Einfluß  und  wurde  bald  durch 
Varro  in  den  Schatten  gestellt. 


§   169.  Yarro:  Nachleben.    §  170.  Nigidius  Figulus  345 

1.  P.  Nigidius  (Cic.  pSull.  42.  Timae.  1.  Plut.  Cic.  20.  an  seni  27  u. 
sonst)  Figulus  (vgl.  Schol.  Lucan.  1,  639),  Praetor  58  (Cic.  ad  Qu.  fr.  1,  2, 
16),  also  spätestens  98  geboren.  Als  eifriger  Pompejaner  wurde  er  von 
Caesar  verbannt  (Cic.  farn.  4,  13  vom  J.  46).  Hieron.  zu  Euseb.  Chron.  a. 
Abr.  1972  —  45  Nigidius  Figulus  Pythagoricus  et  magus  in  exilio  moritur. 
Als  Pythagoreer  war  er  politisch  konservativ  und  leistete  dem  Cicero  gegen 
Catilina  wesentliche  Dienste  (pSull.  u.  Plut.  aO.).  Mystische  und  magische 
Richtung  des  damaligen  Pythagoreismus  (Zeller,  Ph.  d.  Gr.  3,  2,  109):  auch 
bei  Nig.  Fig.  Geheimkünste,  Herbeischaffen  von  Gestohlenem  (Apulei.  mag. 
42),  Nativitätsstellen  (Suet.  Aug.  94.  Dio  45,  1,  4  uqigxo.  t&v  Kuft3  kavxov 
xt\v  xs  xov  itokov  8iaY,Q6\n\6iv  Kai  xäg  xcav  aötigcov  diucpoQag  oaoc  xs  .  . 
ccTtorsXovöi  diiyvco  ytal  xccxct  xovxo  nccl  aixlav  a>g  tivag  unoQQr\xovg  Siccxqi- 
ßag  icoiovybsvog  l6%zv.  Lucan.  1,  639),  Abhalten  von  Konventikeln  und  Nach- 
ahmung des  zum  Wundermanne  sublimierten  Pythagoras  der  Legende  (A.  3). 
Vielleicht  auf  hierdurch  herbeigeführte  Begegnungen  mit  der  Polizei  bezieht 
sich  das  abiit  in  sodalicium  sacrilegii  Nigidiani  bei  Ps.  Cic.  in  Sali.  14; 
dem  offenbar  zu  seinem  Kreise  gehörenden  Vatinius  wirft  Cic.  Vatin.  14 
vor:  tu,  qui  te  Pythagoreum  soles  dicere  ...  cum  inaudita  ac  nefaria  sacra 
susceperis,  cum  inferorum  animas  dicere,  cum  puerorum  extis  deos  Manes 
mactare  soleas.    Vgl.  Mommsen,  RG.  36,  573. 

2.  MHertz,  de  Nigidii  studiis  atque  operibus,  Berl.  1845.  Quaest.  Nigi- 
dianae  von  JKlein  (de  vita  Nigidii,  Bonn  1861)  und  JFret  (Rössel  1867). 
Roehrig,  de  Nig.  Fig.,  Coburg  1887.  —  Sammlung  seiner  Fragmente  von 
ARiccobonus  (Bas.  1579),  JRutgers  (Var.  lect.,  Leiden  1618,  p.  246),  ASwo- 
boda,  Wien  1889:  der  astronomischen  bei  RMerkel,  Ovid.  Fast.  p.  lxxxvi. 
ABreysig,  de  N.  F.  fragmentis  apud  schol.  Germanici  servatis,  Berl.  1854. 

3.  Cic.  Timae.  1  fuit  vir  ille  cum  ceteris  artibus,  quae  quidem  dignae 
libero  essent,  ornatus  omnibus,  tum  acer  investigator  et  diligens  earum  rerum, 
quae  a  natura  involutae  videntur.  denique  sie  iudico,  post  illos  nobiles  Py- 
thagoreos  . .  hunc  exstitisse  qui  illam  (diseiplinam)  renovaret.  Gell.  4,  9,  1 
Nigidius  Figulus,  homo,  ut  ego  arbitror,  iuxta  M.  Varronem  doctissimus. 
Vgl.  ebd.  10,  11,  2  homo  in  omnium  bonarum  artium  diseiplinis  egregius 
u.  ö.  Schol.  Bob.  Cic.  Vatin.  146,  9  St.  fuit  Ulis  temporibus  Nigidius  qui- 
dam,  vir  doctrina  et  eruditione  studiorum  praestantissimus,  ad  quem  plurimi 
conveniebant.  haec  ab  obtreetatoribus  veluti  f actio  (so  Bücheler,  RhM.  34,  352 : 
actio  Hs.)  minus  probabilis  iactitabatur ,  quamvis  ipsi  Pythagorae  seetatores 
existimari  vellent.  Serv.  Aen.  10,  175  Nigidius  est  solus  post  Varronem,  licet 
Varro  pi'aecellat  in  tlieologia,  hie  in  communibus  (vgl.  §  142,  4)  litteris.  nam 
uterque  utrumque  scripsit. 

4.  Commentarii  grammatici  wahrscheinlich  in  30  Büchern  (Gell.  10, 
5,  1  P.  Nigidius  dicit  in  commentariorum  undetricesimo),  öfters  bei  Gell. 
Non.  und  sonst  angeführt:  sie  behandelten  die  Grammatik  in  ihrem  ganzen 
Umfange,  auch  Orthographie,  Synonymik,  Etymologie,  und  gingen  gern  auf 
die  Ursachen  der  Erscheinungen  und  die  Bedeutung  der  Suffixe  ein,  teil- 
weise im  Anschluß  an  Varro.  Gell.  17,  7,  5  anguste  perquam  et  obscure 
disserit,  ut  signa  rerum  ponere  videas  ad  subsidium  magis  memoriae  suae 
quam  ad  legentium  diseiplinam.  19,  14,  3  Nigidianae  commentationes  non 
proinde  (wie  die  des  Varro)  in  vulgus  exeunt,  et  obscuritas  subtilitasque  earum 


346  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

tamquam  purum  utüis  derelicta  est.  —  Daß  von  ihm  die  Bezeichnung  der 
Vokallänge  durch  einen  apex  herrührt,  vermutet  Usener,  Sehr.  2,  223;  doch 
s.  Swoboda  23.  —  Eine  rhetorische  Monographie  bezeugt  Quint.  11,  3,  143 
qui  de  gestu  scripserunt  circa  tempora  illa  (der  veteres),  Plotius  Nigidiusque. 

5.  Gell.  16,  6,  12  P.  Nigidius  in  libro  quem  de  extis  composuit.  7,  6,  10 
Nigidius  in  libro  I  augurii  privati.  Lyd.  de  ostent.  45  ö  Niyldiog  iv  xrj 
r&v  ovslqcov  zTaoxB'ipEi.  Boll  (bei  Bezold-Boll  SB.  Heidelb.  Ak.  1911,  11) 
weist  darauf  hin,  daß  von  den  dort  angeführten  Beispielen  eines  auf  Pom- 
pejus'  Seeräuberkrieg,  das  andere  auf  Catilina  paßt.  Vgl.  ebd.  27  (iqnJiLs- 
oog  ßgovroCxoTtici  .  .  Tiara  rbv  *Pcoiialov  <f>iyovlov  in  ttov  Täyr]rog) ,  ein  Ka- 
lender, der  die  Bedeutung  des  Donners  für  die  einzelnen  Monatstage  an- 
gibt, in  der  vorliegenden  Gestalt  sicher  nicht  von  Nigidius,  von  dem  jedoch 
ein  ähnliches  Werk  zugrunde  liegen  kann;  dafür  spricht  auch  die  Berufung 
auf  etruskische  Weisheit.  Jedenfalls  knüpft  der  Text  an  altbabylonische 
Beobachtungen  an.  Wachsmuth,  praef.  p.xxxvn.  Bergk,  op.  1,653.  GSchmeisser, 
de  etrusca  discipl.  (1872)  23.    Bezold-Boll  7. 

6.  Macrob.  3,  4,  6  Nigidius  de  dis  libro  nono  deeimo  (also  mindestens 
20  B.).  Das  Werk  suchte  das  Wesen  der  Götter  unter  Heranziehung  der 
griechischen  und  etruskischen  Religion  mit  Hilfe  der  Etymologie  und  der 
Kultgebräuche  aufzuhellen;  es  steht  durchaus  unter  stoisch-pythagoreischem 
Einflüsse,  also  wohl  bereits  dem  des  Poseidonios.  Geffcken,  Herrn.  49,  327. 
337.  Abgefaßt  war  es  vor  Varros  Antiquitates  divinae  (Swoboda  S.  27. 
Wissowa,  Ges.  Abh.  121).  Überreste  auch  bei  Merkel  Praef.  zu  Ov.  Fasten 
p.  clxxxv  ff. 

7.  Naturwissenschaftliche  Schriften.  Cic.  Timae.  1  (s.  A.  3).  a)  Ein 
astronomisches  (im  Grunde  astrologisches)  Werk  in  zwei  Teilen.    Serv.  Georg. 

1,  43  Nigidius  in  sphaera  graecanica;  218  Nigidius  commentario  sphaerae 
graecanicae ;  ebd.  19  Nigidius  . .  sphaerae  barbaricae.  Die  Sphaera  graeca- 
nica behandelte  den  Tierkreis  und  die  zugleich  mit  dessen  Zeichen  auf- 
gehenden übrigen  Sternbilder  des  griechischen  Sternhimmels  unter  Berück- 
sichtigung der  Sternsagen;  die  barbarica  die  ägyptischen  und  vielleicht 
auch  babylonischen  Zeichen  ebenfalls  nach  ihrem  Aufgange  mit  den  Tier- 
kreiszeichen unter  Erzählung  der  entsprechenden  Sternsagen.  Die  vorge- 
tragene Lehre  ist  alt,  die  unmittelbare  Quelle  vielleicht  Asklepiades  von 
Myrlea.  Boll,  Sphaera  349.  543.  Für  die  Sternsagen  scheinen  Erastosthenes' 
Katasterismen  benutzt  zu  sein.  Robert,  Erat,  catast.  16.  Swoboda  S.  49. 
—  b)  P.  Nigidii  in  seeundo   librorum  quos  de  vento  composuit  verba,  Gell. 

2,  22,  31.  Nigidius  de  ventis  IUI  alt,  Scholz  Bern.  Georg.  1,  428.  Nach 
Wachsmüth  (Lyd.  de  ost.  p.  xxxi)  stammt  daraus,  was  sich  bei  Lydus  ost. 
p.  23,  6  über  die  Wetterzeichen  findet.  Das  Werk  beruhte  auf  uraltem 
astrologischen  Aberglauben.  —  c)  Zoologisches.  Gell.  6,  9,  5  P.  Nigidius 
de  animalibus  libro  II  Macrob.  3,  16,  7  Nigidius  Figulus  .  .  in  .  .  libro  de 
animalibus  quarto.  Rutgers  aO.  270.  Serv.  Aen.  1,  178  Nigidius  de  liomi- 
num  natura  libro  IUI  (über  die  Zeugung);  in  Plin.  NH.  wird  er  zu  B.  6. 
7 — 11  (Zoologie)  und  B.  16  als  Quelle  genannt  und  15  mal  zitiert.  —  d)  Eine 
Schrift  de  terra  steckt  wohl  in  der  Anführung  bei  Serv.  Aen.  11,  715  Nig. 
de  terras;  daraus  wohl  auch  Plin.  NH.  6,  211—219.  Vgl.  JKlein  aO.  25. 
Boll,  Sphaera  351. 


§  170,  Nigidius  Figulus.    §  171.  Q.  Hortensius  347 

8.  Mau  vereinigte  früher  fälschlich  mit  Figulus  einen  sonst  unbekannten 
Schriftsteller  Bivtlliog  (Viceliius,  vgl.  WSchulze,  Zur  Gesch.  lat.  Eigenn. 
261;  oder  Vecellius?  da  zweimal  die  "Variante  ßsxelliog;  vgl.  den  häufigen 
Namen  Vecilius,  auch  Vecillius  CIL.  9,  936.  S.  auch  Mommsen,  RhM.  18,  590). 
Ihn  nennt  Laurent.  Lyd.  de  ostent.  3  p.  8,  25  neben  Figulus  selbst  und 
anderen  Schriftstellern  de  etrusca  disciplina,  und  ebd.  p.  54  p.  110,  6,  wo 
er  aus  den  etruskischen  Ritual-Liedern  des  Tages  ein  Bruchstück  nach  der 
lat.  Übersetzung  des  Vicellius  (Bi-aslXiog  6  ^Pcopcciog)  griechisch  mitteilt.  Vgl. 
Wachsmuth,  Laur.  Lyd.  de  ost.  p.  xxviii.  Bezold-Boll  7.  —  Von  einem 
sonst  gleichfalls  ganz  unbekannten  Fonteius  erwähnt  Lyd.  de  ost.  3  eine 
Schrift  über  die  etr.  Disziplin.  Eine  BgovroöKonlu  iv,  xüv  <&ovxr\Lov  xov 
^PcopaLov  gibt  er  ebd.  39 — 41  wieder.  Eine  Schrift  desselben  tvsqI  aycclyicc- 
tqjv  erwähnt  Lyd.  de  mens.  4,  2.  Sonst  wird  er  auch  noch  von  Lyd.  de 
mens.  4,  80.  de  mag.  in  prooem.,  dann  2,  12.  3,  42  genannt.  Wenn  auf  Lyd. 
mag.  pr.  Verlaß  wäre  (iiäoxvQsg  xovxcov  o  xs  Kanixcov  %<xl  <Povxrj'Cog  if-  cav 
-nee!  6  8iia.OY.ccliy.Ö3tcixog  Ovccqqcov),  so  hätte  er  vor  Varro  geschrieben.  S. 
JFSchultze,  quaest.  Lydian.  1,  38.  Wachsmuth  aO.  p.  xxvi.  LTraube,  var. 
libam.  crit.  (Münch.   1883)   37.    Bezold-Boll  8.    Kappelmacher,  PW.  6,2842. 

171.  Unter  den  Rednern  der  Optimatenpartei  war  der  bedeu- 
tendste Q.  Hortensius  Hortalus  (J.  114 — 50).  Als  Mensch,  mit 
den  Fehlern  der  damaligen  Nobilität  behaftet,  spielte  er  als  Redner 
durch  seinen  blühenden  modernen  Stil,  die  kunstreiche  Gewähltheit 
der  Sprache  und  nie  versagende  Sicherheit  des  mündlichen  Vortrags 
lange  Zeit  die  erste  Rolle,  bis  Cicero  ihn  überholte.  Auch  litera- 
risch war  er  tätig:  nicht  nur,  daß  er  einen  Teil  seiner  Reden  her- 
ausgab, sondern  er  verfaßte  auch  eine  Schrift  über  allgemeine  Fra- 
gen aus  dem  Gebiete  der  Beredsamkeit,  außerdem  Annales  im  Stile 
des  Ennius  und  andere  Kleinigkeiten.  Neben  ihm  sind  unter  den 
Optimaten  als  Redner  nennenswert  derTriumvir  M.  Licinius  Crassus 
(J.  116  —  53),  L.  Licinius  Lucullus  (J.  114 — 57),  M.  Pupius  Piso 
Calpurnianus  (Cos.  61),  sowie  auch  Cn.  Pompeius  Magnus  (J.  106 
— 48)  und  einige  andere. 

1.  Hortensius  war  Aedil  75,  Praetor  72,  Consul  69;  f  50,  nach  Seren. 
Sammon.  261  ff.,  der  Cic.  Brut.  328  mißversteht,  an  einem  Halsleiden.  Cic. 
Brut.  301  (der  eine  6vyaQi6Lg  des  Hort,  mit  sich  selbst  anstellt)  {erat  Hor- 
tensius) primum  memoria  tanta,  quantam  in  nullo  cognovisse  me  arbitror 
(Probe  bei  Sen.  controv.  1,  praef.  19),  ut  quae  secum  commentatus  esset,  ea 
sine  scripto  verbis  eisdem  redderet  .  .  302  aituleratque  minume  volgare  genus 
dicendi,  duas  quidem  res  quas  nemo  alius:  partitiones ,  quibus  de  rebus  dic- 
turus  esset,  et  collectiones  eorum,  qiiae  essent  dicta  contra  quaeque  ipse  dixis- 
set.  .  .  (die  partitio  macht  Cic.  pQu.  35  dem  Hort.  nach).  303  vox  canora  et 
suavis,  motus  et  gestus  etiam  plus  artis  habebat  quam  erat  oratori  satis. 
326  Hortensius  utroque  genere  (orationis  Asiatico)  florens  clamores  faciebat 
adulescens.   Jiabebat  enim  et  Meneclium  illud  Studium  crebrarum  venustarum- 


Q 


48  Ciceronische  Zeit:  J.  83 — 43  v.  Chr. 


que  sententiarum  . .  et  erat  oratio  cum  incitata  et  vibrans  tum  etiam  accu- 
rata  et  polita.  327  erat  excellens  iudicio  volgi  et  facile  primas  tenebat  adu- 
lescens.  . .  sed  cum  iam  Jionores  et  illa  senior  auctoritas  gravius  quiddam 
requireret,  remanebat  idem  nee  decebat  idem;  quodque  exercitationem  studium- 
que  remiserat,  quod  in  eo  fuerat  acerrimum,  concinnitas  illa  crebritasque  sen- 
tentiarum . .  vestitu  illo  orationis  quo  consneverat  ornata  non  erat.  Quint. 
11,  3,  8  diu  prineeps  orator,  aliquando  aemulus  Ciceronis  existimatus  est, 
novissime,  quod  vixit,  seeundus.  Über  seine  intolerabilis  potentia  und  seine 
dominatio  regnumque  iudiciorum  klagt  Cic.  Verr.  1,  35;  vgl.  div.  Caec.  24. 
44:  es  sind  dieselben  Vorwürfe,  die  später  gegen  ihn  selbst  gerichtet  wur- 
den. Hortensius'  Verhältnis  zu  Cicero,  der  ihm  im  Verresprozeß  eine  Schlappe 
beibrachte,  blieb  immer  etwas  gespannt,  und  dieser  hatte  sogar  vor,  eine 
angebliche  iniuria  des  H.  gegen  sich  zu  publizieren  (ad  Att.  4,  6,  3).  Nach 
dem  Tode  des  H.  aber  ehrte  Cicero  ihn  nicht  nur  durch  Beteiligung  an 
den  ersten  Academica  und  am  Hortensius,  sondern  er  gab  auch  in  seinen 
rhetorischen  Schriften  eine  unbefangene  und  warmherzige  Würdigung  des 
früheren  Rivalen.  Auf  freundschaftliche  Beziehungen  zu  Catull  weist  dessen 
c.  66,  doch  scheint  c.  95,  3  auf  ein  Zerwürfnis  hinzudeuten  (A.  3).  vWila- 
mowitz,  Reden  267. 

2.  Von  den  zahllosen  Reden,  die  Hortensius  im  Laufe  von  44  Jahren 
(von  J.  95  an)  meist  im  Interesse  der  Nobilität  gehalten  hat,  kennen  wir 
von  28  die  Anlässe;  s.  Luzac  119.  Meyer,  orat.  rom.2  361.  Herausgegebene 
Reden  (zB.  pro  Verre,  Quint.  10,  1,  23):  Cic.  Brut.  324  dicendi  genus  quod 
fuerit  in  utroque,  orationes  utriusque  etiam  posteris  nostris  indicabunt.  328  id 
declarat  totidem  quod  dixit,  ut  aiunt,  scripta  verbis  oratio,  or.  132  'dicebat 
melius  quam  scripsit.  Quint.  11,  3,  8  actione  valuisse  plurimum  . .  fides  est, 
quod  eius  scripta  tantum  intra  famam  sunt,  . .  ut  appareat  placuisse  aliquid 
eo  dicente  quod  legentes  non  invenimus.  —  Außerdem  Quint.  2,  1,  11  com- 
munes  loci  .  .  quibus  quaestiones  generaliter  traetantur,  quales  sunt  editi  a 
Q.  quoque  Hortensio,  ut  Sitne  parvis  argumentis  credendum?  vgl.  ebd.  2,  4,  27. 
Priscian.  GL.  2,  381,  10. 

3.  Vellei.  2,  16,  3  (über  die  virtutes  des  Minatius  Magius)  maxime  dilu- 
eide  Q.  Hortensius  in  Annalibus  suis  rettulit.  Das  ist  zu  verbinden  mit 
Plut.  Luc.  1,  5  veov  ovta  (Lucullus)  TiQÖg  'ÖQTriöiov  zbv  dinoloyov  y.ccl  St- 
csvväv  xhv  iöTOQixbv  Iy.  Ttaidius  tivog  slg  67tovdi]v  7CQO£XQ,ovGr\g  öiioloyfjöcci, 
nQod's^svav  7toirni<x  kccl  Xoyov  *EXXrivi%6v  rs  -aal  *P(0[lcc'Cx6v,  slg  otl  av  Xd%Tß 
tovrcöv,  tbv  MagöLKov  ixtsvslv  tioIb^ov.  Da  Sisenna  das  lateinische  und 
Lucullus  das  griechische  Geschichtswerk  schrieb,  so  bleibt  für  Hort,  das 
Gedicht  übrig,  das  eben  die  Annales  waren;  auf  diese  bezieht  sich  Catull 
95,  3  milia  cum  interea  quingenta  Hortensius  uno  (lückenhaft,  aber  jeden- 
falls stellt  Catull  den  Hort,  als  Schnelldichter  dem  Helvius  Cinna  gegen- 
über. Schwabe,  Quaest.  Catull.  268).  Dagegen  meint  mündliche  Mitteilungen 
Cic.  ad  Att.  12,  5,  3  de  bono  auetore  Hortensio  sie  aeeeperam;  vgl.  13,  32,  3 
ex  Hortensio  audieram;  13,  33,  3  non  temere  dixit  Hortensius.  Woelfflin, 
Herrn.  27,  652.  Fraccaro,  Rendic.  Accad.  Lincei  1910,  660.  Prter,  HRR.  2, 
xxix.  Münzer,  Herrn.  49,  196.  —  Liebesgedichte;  s.  Plin.  ep,  5,  3,  5  (§  31,  1). 
Ovid.  trist.  2,  441   nee  minus  Hortcnsi  nee  sunt  mivus  imprdba  Servi  car- 


§  171.  Q.  Hortensius  u.  a.  Redner  349 

mina.    Gell.  19,  9,  7  (§  31,  1).   Varr.  LL.  8, 14  Ortensins  in  poemaUs:  cervix. 
Vgl.  ebd.  10,  78. 

4.  Luzac,  de  Q.  H.  oratore,  Leid.  1810.  WDrumann,  Gesch.  Roms  32,  78. 
vdMühll,  PW.  8,  2470.  —  Büste  des  Hortensius  (qvintvs  hortensivs)  in  der 
Villa  Albani  zu  Rom;  abgebildet  Bernoulli,  röm.  Ikonogr.  1,  T.  4;  auch 
Ann.  deir  inst.  arch.  54,  T.  L. 

5.  Cic.  Brut.  230  Hortensius  . .  suos  inter  aequalis  M.  Pisonem  (A.  7), 
M.  Crassum,  Cn.  Lentulum  (Cos.  72),  P.  Lentulum  Suram  (Cos.  71)  longe 
praestitit.  Tac.  dial.  37  ex  his  (den  vetera  quae  et  in  antiquariorum  biblio- 
tliecis  adhuc  manent  et  cum  maxime  a  Mueiano  contrahuntur  ac  iam  . . 
edita  sunt)  intellegi  potest  Cn.  Pompeium  (A.  8)  et  M.  Crassum  non  viribus 
modo  et  armis  sed  ingenio  quoque  et  oratione  valuisse,  Lentulos  (A.  9)  et 
Metellos  (A.  10)  et  Lucidlos  (A.  6)  et  Curiones  (§  136,  12.  153,  6  und  209,  1) 
et  ceteram  procerum  manum  multum  in  his  studiis  operae  curaeque  posuisse. 
Unter  diesen  war  M.  Licinius  P.  f.  Crassus  Dives  im  J.  55  über  60  J.  alt 
(Plut.  Crass.  17),  Praetor  72,  Cos.  70  und  55,  Censor  65,  Mitglied  des  ersten 
Triumvirats,  f  53;  s.  Drumann,  GR.  48,  84.  PRE.  4,  1064.  Cic.  pMur.  48 
vir  summa  dignitate  et  diligentia  et  facultate  dicendi.  Brut.  233  mediocriter 
a  doctrina  instructus,  angustius  etiam  a  natura,  labore  et  industria  . .  in 
principibus  patronis  aliquot  annos  fuit.  Stärker  trägt  die  Farben  auf  Plut. 
Crass.  3. 

6.  Über  L.  Lucullus  s.  §  157,  4.  Dessen  Bruder,  M.  Licinius  Lucul- 
lus,  nach  seiner  Adoption  (durch  M.  Terentius  Varro)  M.  Terentius  M.  f. 
Licinianus  Varro,  Cos.  73  (PRE.  4,  1074,  9),  wird  von  Cicero  (Brut.  222) 
neben  Q.  Octavius  Cn.  f.  und  Cn.  Oetavius  M.  f.  (Cos.  76)  unter  den  poli- 
tischen Rednern  aufgeführt. 

7.  Cic.  Brut.  236  M.  Piso  (Cos.  61)  quidquid  habuit  habuit  ex  disci- 
plina,  maximeque  ex  omnibus,  qui  ante  fuerunt,  Graecis  doctrinis  eruditus 
fuit.  habuit  a  natura  genus  quoddam  acuminis,  quod  etiam  arte  limaverat, 
quod  erat  in  reprehendendis  verbis  versutum  et  sollers  (vgl.  ad  Att.  1,  13,  2). 
.  .  is  cum  satis  floruisset  (als  Redner)  adulescens,  minor  haberi  est  coeptus 
postea;  deinde  ex  virginum  iudicio  (J.  73?)  magnam  laudem  est  adeptus  et 
ex  eo  tempore  . .  tenuit  locum  tarn  diu  quam  ferre  potuit  laborem.  Ascon.  zu 
Cic.  in  Pis.  p.  20,  13:  Pupius  Piso  eisdem  temporibus  quibus  Cicero,  sed 
tanto  aetate  maior,  ut  adulescentulum  Ciceronein  pater  ad  eum  deduceret, 
quod  in  eo  et  antiquae  vitae  similitudo  et  multae  erant  litter ae.  orator  quo- 
que melior  quam  frequentior  habitus  est.  Cic.  fin.  5,  1  cum  audissem  (zu 
Athen)  Antiochum,  ut  solebam,  cum  M.  Pisone.  de  nat.  deor.  1,  16  M.  Piso 
si  adesset,  so  wäre  auch  die  peripatetische  Schule  vertreten,  ad  Att.  13, 
19,  4  (J.  45,  als  Piso  hiernach  schon  tot  war):  confeci  V  libros  tcsqI  rsl&v, 
ut  .  .  7CSQL7tarririy.cc  M.  Pisoni  darem.  de  or.  1,  204  est  apud  M.  Pisonem  .  . 
Peripateticus  Staseas. 

8.  Cn.  Pompeius  Magnus,  geb.  106,  Cos.  70,  55  und  (sine  collega)  52, 
Triumvir  60,  f  48.  Nach  Tac  dial.  37  (s.  A.  5)  gab  es  geschriebene  Reden 
von  ihm.  Cic  Brut.  239  (kaum  unbefangen)  maiorem  dicendi  gloriam  ha- 
buisset,  nisi  eum  maioris  gloriae  cupiditas  ad  bellicas  laudes  abstraxisset. 
erat  oratione  satis  amplus,  rem  prudenter  videbat;  actio  vero  eins  habebat  et 
in  voce  magnum  splendorem  et  in  motu  summam  dignitatem.    Vellei.  2,  29,  3 


350  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

sanctitate  praecipuus ,  eloquentia  medius.  Quint.  11,  1,  36  Pompeius  dbunde 
disertus  verum  suarum  narrator.  Plut.  Pompei.  1  Ttifta.v6xr\s  loyov.  Schreiben 
von  ihm  aus  dem  Anfange  des  Bürgerkriegs  (J.  49)  bei  Cic.  ad  Att.  8,  11 
A.  C  und  12  A— D. 

9.  Die  Lentuli  bei  Tac.  dial.  37  sind  wohl  die  Cic.  Brut.  230  (s.  A.  5) 
genannten,  von  denen  Cn.  Cornelius  Lentulus  Ciodianus  ebd.  234  und  der 
Catilinarier  P.  Cornelius  Lentulus  Sura  ebd.  235  als  Redner  geschildert 
wird  (vgl.  ebd.  308  Lentuli  duö).  Außerdem  Cn.  (Cornelius)  Lentulus  Mar- 
cellinus (Cos.  56)  ebd.  247;  P.  Cornelius  Lentulus  Spinther  (Cos.  57)  und 
L.  Cornelius  Lentulus  Crus  (Cos.  49)  ebd.  268. 

10.  Zu  den  Metelli  bei  Tac.  dial.  37  (A.  5)  vgl.  Cic.  Brut.  247  duo 
Metelli,  Celer  (Cos.  60.  Münzer,  PW.  3,  1208)  et  Nepos  (Cos.  57;  Münzer 
aO.  1216),  non  nihil  in  causis  versati,  nee  sine  ingenio  nee  indocti.  ad  Att. 
6,  3,  10  (J.  50)  orationem  Q.  Celeris  mihi  velim  mittas  contra  M.  Servilium. 
Vgl.  ep.  5,  4,  2. 

11.  Über  L.  Lucceius  §  172,  5. 

12.  Andere  Redner  dieser  Zeit  zählt  Cicero  auf,  ohne  aber  die  Ver- 
öffentlichung ihrer  Reden  zu  erwähnen,  Brutus  237  (P.  Murena,  C.  Censo- 
rinus,  L.  Turius).  239  (C.  Piso,  M\  Glabrio,  L.  Torquatus).  240  (D.  Silanus, 
Q.  Pompeius  A.  f.  Bithynicus).  241  (P.  Autronius,  L.  Octavius  Reatinus, 
C.  Staienus).  242  (C.  und  L.  Caepasii,  C.  Cosconius  Calidianus,  Q.  Arrius). 
245  (T.  Torquatus  T.  f.,  doctus  vir  ex  Bhodia  disciplina  Molonis).  246  (M. 
Pontidius;  M.  Valerius  Messala  (Niger)  Cos.  61,  s.  Mommsen,  ephem.  epigr. 
3,  1).  Erucius,  der  Ankläger  des  Sex.  Roscius  (s.  §  179,  2),  heißt  Antoniaster 
(geschmackloser  Nachahmer  des  Redners  Antonius)  bei  Cic.  p.  Varen.  fr.  10. 
p.  232  Müll.  =  930  Or. 

172.  Auf  dem  Gebiete  der  Geschichtschreibung  war  unter  den 
älteren  Zeitgenossen  Ciceros  besonders  tätig  sein  Freund  T.  Pom- 
ponius  Atticus  (J.  109 — 32).  Er  veröffentlichte  neben  anderem 
einen  Annalis,  eine  knappe  Jahrtafel  der  römischen  Geschichte,  mit 
Hinzufügung  der  gleichzeitigen  Geschichte  auswärtiger  Völker  und 
mit  Berücksichtigung  der  Familiengeschichte  der  bedeutenden  rö- 
mischen Geschlechter.  Außerdem  verfaßten  geschichtliche  Werke 
Procilius,  Hortensius,  Lucceius,  Sulpicius,  L.  Tubero  und  andere 
noch  weniger  bedeutende. 

1.  T.  Pomponius  Atticus,  seit  der  Adoption  durch  seinen  Oheim  Q.  Cae- 
cilius  Q.  f.  Pomponianus  Atticus,  der  durch  seinen  Briefwechsel  mit  Cicero 
(§  184,  2)  und  durch  des  Nepos  lobende  Schilderung  (§  198, 7)  bekannte 
Geldmann  und  Buchhändler.  Atticus  ist  (zufällig)  der  älteste  römische  Buch- 
händler, den  wir  kennen.  Er  betrieb  das  Geschäft  mittels  seiner  Sklaven 
im  großen.  Cokn.  Nep.  Att.  13,  3  namque  erant  in  ea  (familia)  pueri  litte- 
ratissimi,  anagnostae  optimi  et  plurimi  librarii,  ut  ne  pedisequus  quidem  quis- 
quam  esset,  qui  non  utrumque  horum  pulchre  facere  posset.  Vermutungen 
über  die  Einrichtung  des  Verlages  (Beziehungen  zu  Nepos,  Varro,  Tyran- 
nion)  bei  Usenek,  Kl.  Sehr.  3,  145;   über   das  Ansehen   der  jixxi%iavk  ävti- 


§  172.  T.  Pomponius  Atticus  351 

YQacpcc  griechischer  Autoren  ebd.  143.  In  seiner  Freundschaft  mit  Cicero 
war  Atticus  durchaus  nicht  etwa  nur  der  empfangende  Teil.  Cicero  hatte 
vor  seiner  Einsicht  in  politischen  und  literarischen  Fragen  große  Achtung: 
ad  Att.  1,  14,  3  meis  orationibus,  quarum  tu  Aristarchus  es.  16, 11, 1  nostrum 
opus  tibi  probari  laetor;  .  .  .  cerulas  enim  tuas  miniatulas  illas  extimescebam ; 
vgl.  15,  14,  4.  Attici  epistularum  ad  Cic.  reliquiae  ed.  Consoli.  Rom  1913. 
—  Hullmann,  de  Pomp.  Att.,  Utr.  1838.  GBoissier,  Ciceron  et  ses  amis,  Par.7 
1884.  PRE.  I2,  2094.  EFialon,  de  T.  Pomp.  Att.,  Par.  1861.  Drumann,  Gesch. 
Roms  5,  5. 

2.  Schriften  des  Atticus:  a)  Cornel.  Nep.  Att.  18,  6  unus  Über  graeee 
confectus  de  consulatu  Ciceronis;  vgl.  Cic.  Att.  2,  1,  1  (J.  60)  tuus  puer  .  . 
mihi  commentarium  consulatus  mei  graeee  scriptum  reddidit  .  .  .  quamquam 
tua  illa  .  .  horridula  mihi  atque  incompta  visa  sunt,  sed  tarnen  erant  ornata 
hoc  ipso,  quod  ornamenta  neglexerant.   Also  ein  Hypomnema,  kein  Enkomion. 

b)  Annalis.  Cic.  Brut.  13  salutaiio  .  .  illius  Ubri,  quo  me  hie  (Atticus) 
affatus  .  .  excitavit.  .  .  quo  omnem  rerum  {nostrarum  fügt  OJahn  aus  19  ein; 
vgl.  aber  auch  or.  120)  memoriam  breviter  et  . .  perdiligenter  complexus  est.  Dar- 
aus ergibt  sich  Veröffentlichung  im  J.  47.  Münzer,  Herrn.  40,  50.  —  15  .  .  ut 
explicatis  ordinibus  temporum  uno  in  conspectu  omnia  viderem.  19  eis  (durch 
Ciceros  Schrift  de  rep.  vom  J.  51)  .  .  ad  veterum  rerum  nostrarum  memoriam 
comprehendendam  .  .  incensi  sumus  (Atticus  spricht).  Vgl.  ebd.  42.  44  (te, 
quem  rerum  rom.  auetorem  laudare  possum  religiosissimum).  74.  orat.  120 
quem  laborem  (nicht  bloß  die  römische  Geschichte  sed  etiam  imperiosorum 
populorum  et  regum  illustrium  kennen  zu  lernen)  nobis  Attici  nostri  levavit 
labor,  qui  conservatis  notatisque  temporibus  .  .  annorum  septingentorum  me- 
moriam uno  libro  colligavit.  Er  begann  also  erst  mit  Gründung  der  Stadt 
und  zählte  nach  deren  Jahren,  ad  Att.  12,  23,  2  scriptum  est  in  tuo  an- 
nali.  Vgl.  Cornel.  Nep.  Hann.  13,  1  und  Ascon.  zu  Cic.  in  Pis.  p.  19,  5  St. 
{Atticus  in  annall).  Schol.  Veron.  zur  Aen.  2,  717.  Solin.  Polyh.  1,  27.  Cor- 
nel. Nep.  Att.  18,  1  moris  etiam  maiorum  summus  imitator  fuit  antiqui- 
tatisque  amator;  quam  adeo  düigenter  habuit  cognitam,  ut  eam  totam  in  eo 
volumine  exposuerit ,  quo  magistratus  ordinavit.  nulla  enim  lex  neque  pax 
neque  bellum  neque  res  illustris  (auch  literarische,  Cic.  Brut.  72;  s.  §  94,  2) 
est  populi  Rom.,  quae  non  in  eo  suo  tempore  sit  notata,  et  .  .  sie  familiarum 
originem  subtexuit,  ut  ex  eo  clarorum  virorum  propagines  possimas  cognoscere. 
Also  starkes  Interesse  für  Genealogie,  dem  durch  Zufügung  der  Filiation 
gedient  wurde.  Die  literarischen  Daten  entnahm  er  aus  Varro  (Leo,  PF.  66 
Münzer  56),  die  historischen  anscheinend  z.  T.  aus  jüngeren  Annalisten 
(Münzer  70.  75);  unter  den  Daten  der  auswärtigen  Geschichte  waren  die 
attischen  bevorzugt  (Münzer  80).  Das  Vorbild  war  die  Chronik  Apollodors. 
FSchneider,  de  Attici  annali,  ZfAW.  6  (1839),  33.  Benutzt  hat  das  Werk 
Cicero  im  Brutus  und  sonst  in  seinen  letzten  Jahren  (Münzer  aO.  53*.  60), 
ferner  Velleius,  der  daraus  die  warme  Verteidigung  der  Athener  (2,  23)  ge- 
nommen haben  könnte.  Hirschfeld,  Kl.  Sehr.  778.  Münzer,  Herrn.  49,  199. 
Unsicher  ist  die  Hypothese  einer  Abhängigkeit  der  Capitolinischen  Fasten 
von  Atticus;  vgl.  Cichorius,  Lpz.  Stud.  9,  249.  FUnger,  JJ.  143,  472.  Die 
Reste  bei  Peter,  HRR.  2,  6  (vgl.  ebd.  xx).  HRF.  214. 

c)  Corn.  Nep.  Att.  18,  3  fecit  hoc  idem  separatim  in  aliis  libris,  ut  M.  Bruti 


352  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

rogatu  luniam  familiam  a  stirpe  ad  hanc  aetatem  ordine  enumeraverit  (wozu 
aber  viel  Erfindung  oder  unkritische  Nachsicht  gegen  die  Familiendichtungen 
erforderlich  war;  vgl.  §  80,  2.  81,  1.  4),  notans  qui  a  quoque  ortus  quos  ho- 
nores  quibusque  temporibus  cepisset.  pari  modo  Mareelli  Claudii  de  Marcello- 
rum,  Scipionis  Cornelii  et  Fabii  Maximi  Fabiorum  et  Aemiliorum.  Vermu- 
tungen über  die  Anlässe  bei  Münzeb  aO.  93.  Vgl.  §  166,  4  e. 

d)  Imagines.  Plin.  NH.  35,  11  imaginum  amorem  flagrasse  quondam 
testes  sunt  Atticus  itte  Ciceronis  edito  de  iis  volumine  et  M.  Varro  (auch  Plin. 
QVerz.  zu  B.  7.  33  ist  Atticus  aufgeführt).  Dasselbe  Werk  meint  Nep.  Att. 
18,  5  attigit  poeticen  quoque  .  .  nam  de  viris,  qui  honore  rerumque  gestarum 
amplitudine  ceteros  Born,  popidi  praestiterunt,  exposuü  iia,  ut  sub  singulorum 
imaginibus  facta  magistratusque  eorum  .  .  quaternis  quinisve  ver&ibus  de- 
scripserit. 

3.  Cic.  ad  Att.  2,  2,  2  (J.  60)  Dicaearchus  .  .  a  quo  multo  plura  didiceris 
quam  de  Procilio.  Varro  LL.  5,  148  a  Procilio  relatum.  154  ut  Procilius 
aiebat.  Plin.  NH.  8,  4  (Nachricht  aus  J.  81).  Im  QVerz.  zu  B.  12.  13,  wo  die 
Hss.  auf  Flavius  Proculus  führen,  will  HBrunn,  de  indic.  Plin.,  Bonn  1856, 
21  Flavius  Procilius  einsetzen.  Die  Ausführungen  weisen  auf  Annalen,  Ci- 
ceros  Äußerung  auf  nolirslai.  Möglicherweise  der  trib.  pleb.  56  Procilius. 
Peter,  HRR.  1,  ccclxii.  316.    HRF.  198.     Münzer,  Beitr.  z.  Quellenkr.  165. 

4.  Über  die  Annalen  des  Q.  Hortensius  §  171,3.  Über  Luculis  Geschichte 
des  marsischen  Kriegs  §  157,  4. 

5.  Cic.  ad  fam.  5,  12,  1  (J.  56)  an  L.  Lucceius  Q.  f.:  genus  scriptorum 
tuorum,  .  .  vicit  opinionem  meam,  .  .  ut  cuperem  quam  celerrime  res  nostras 
monumentis  commendari  tuis.  (2)  .  .  videbam  Italici  belli  et  civilis  historiam 
iam  a  te  paene  esse  perfectam,  dixeras  autem  mihi  te  reliquas  res  ordiri. 
(3)  .  .  gratiam  illam  de  qua  .  .  in  quodam  prooemio  scripsisti.  (4)  si  liberius 
(freimütig),  ut  consuesti,  agendum  putabis  usw.  Ascon.  p.  70,  22:  fecit  eum 
(Catilinam,  J.  64)  reum  inter  sicarios  L.  Lucceius  paratus  (ad  dicendum) 
eruditusque;  ebd.  71,  4  hoc  Lucceius  quoque  Catilinae  obicit  in  orationibus, 
quas  in  eum  scripsit.  Vielleicht  sind  dies  die  scripta,  die  dem  Cicero  ge- 
fielen und  in  ihm  den  Wunsch  erregten,  sein  Konsulat  von  jenem  behandelt 
zu  sehen,  was  Lucceius  halb  versprach  (Cic.  Att.  4,  6,  4),  aber  nie  ausführte. 
Ein  Brief  von  ihm  an  Cicero  (aus  J.  45)  ep.  5,  14.  PRE.  4,  1156.  Peter, 
HRF.  213. 

6.  Cic.  Att.  13,  30,  3  (J.  45):  in  Libonis  annali  quattuordecim  annis 
post  (J.  132)  praetor  est  factus  Tuditanus  quam  consul  Mummius.  13,  32,  3 
eum  (den  Tuditanus)  video  in  Libonis  praetorem.  13,  44,  3  (J.  45)  Cottam 
(§  197,  9)  mi  velim  mittas.  Libonem  mecum  habeo.  Dies  könnte  derselbe  Libo 
sein,  an  den  Varro  eine  Schrift  von  mehreren  Büchern  gerichtet  hat  {Varro 
ad  Libonem  primo,  Macrob.  3,  18,  13),  also  wohl  sein  und  des  Pompeius 
Freund  L.  Scribonius  Libo  (PRE.  6,  881,  13).  Dann  wäre  aber  Appian.  b.  c. 
3,  77  (oi)ds  nsv  xici  itSQi  tov  Bcc66ov  doxst,  Aißcovi  d'  öxi .  . .)  auf  einen  andern 
zu  beziehen  oder  mit  Perizonius  Aißioj  zu  schreiben,  da  das  dort  Erzählte 
(aus  J.  46)  eher  auf  einen  Caesarianer  schließen  läßt.  Vgl.  MHertz,  Bresl. 
Ind.  lect.  1864/65,  p.  13.    Peter,  HRR.  1,  ccclxiv.  318.    HRF.  198. 

7.  Cornel.  Nep.  Hann.  13,  1  quibus  consulibus  inierierit  (Hannibal)  non 
convenit.  namque  Atticus  (gibt  das  Jahr  183  an)  .  .  at  Polybius  (das  J.  182), 


§  172.  Libo  u.  a.  Historiker.    §  173.  Philosophen  (Amafinius  u.  a.)       353 

,  .  Sulpicius  antem  Blitho  (das  J.  181).  —  Serv.  Aen.  1,  6  Sauf  eins  La- 
tium  dictum  ait,  quod  ibi  latuerant  incolae  usw.  Vielleicht  der  Freund  des 
Atticus  L.  Saufeius  (PRE.  6,  847):  vgl.  zB.  Cic.  Att.  14,  18,  4  (hier  scheint 
eine  Schrift  des  Saufeius  erwähnt  zu  sein).  15,  4,  3  (Saufeius  als  Epikureer). 
Nep.  Att.  12,  3  L.  Saufeii  eq.  R.  aequalis  sui,  qui  complures  annos  studio 
ductus  philosophiae  habitabat  (Athenisy. 

8.  L.Aelius  Tubero,  Jugendfreund  und  Schwager  des  M.Cicero,  J. 61 — 58 
Legat  des  Q.  Cicero  in  Asien.  Klebs,  PW.  1,  534.  Cic.  pLig.  10  homo  cum 
ingenio  tum  etiam  äoctrina  excellens.  ad  Q.  fr.  1,  1,  10  (J.  60)  legatos  habes 
.  .  de  quibus  honore  et  dignitate  et  aetate  praestat  Tubero,  quem  ego  arbitror, 
praesertim  cum  scribat  historiam,  multos  ex  suis  anncdibus  posse  deligere  quos 
velit  et  possit  imitari.  Zweifelhaft  ist,  ob  dieses  Geschichtswerk  vollendet 
und  herausgegeben  wurde  oder  als  Stoffsammlung  auf  seinen  Sohn  Q.  Tubero 
(§  208,  1)  überging.  Das  erstere  ist  nicht  zu  schließen  aus  dem  Plural  AiXioi 
bei  Dionys.  Hal  ant.  1,  7  (oben  §  37,  5).  Nach  ihm  nannte  Varro  seinen 
Logistoricus  f Tubero  de  origine  humana'.  Wie  Cicero  hielt  auch  Tubero 
sich  zur  (neuen)  Akademie,  und  der  Skeptiker  Ainesidemos  richtete  an  ihn 
seine  JJvqqöjvsiol  loyoi  (Phot.  Bibl.  212, 1,  p.  169  Bk.).  Peter,  HRR.  1,  ccclvi. 
HRF.  199. 

173.  Vorgänger  Ciceros  in  gemeinverständlicher  Behandlung 
philosophischer  Gegenstände  in  lateinischer  Sprache  waren  C.  Ama- 
finius, Rabirius  und  T.  Catius.  Alle  drei  stellten  unter  Verzicht 
auf  stilistischen  Aufputz  die  epikureische  Lehre  in  engem  Anschluß 
an  die  griechischen  Quellen  treu  und  anspruchslos  dar.  Sie  fanden 
Beifall  und  Nachfolger. 

1.  Ciceros  Äußerungen  über  diese  Vorgänger  gehen  hauptsächlich  vom 
stilistischen  Gesichtspunkte  aus.  Acad.  post.  5  vides  ipse  .  .  non  posse  nos 
Amafinii  aut  Rabirii  similes  esse,  qui  nulla  arte  adhibita  de  rebus  ante  oculos 
positis  vulgari  sermone  disputant.  .  .  nullam  denique  artem  esse  nee  dicendi 
nee  disserendi  putant.  (6)  iam  vero  physica,  si  Epicurum  i.  e.  si  Democritum 
probarem,  possem  scribere  ita  plane  ut  Amafinius.  Tusc.  1,  6  multi  iam  esse 
libri  Latini  dieuntur  scripti  inconsiderate  ab  optimis  Ulis  quidem  viris  sed 
non  satis  eruditis.  fieri  autem  potest ,  ut  rede  quis  sentiat  et  id  quod  sentit 
polite  eloqui  non  possit  usw.  2,  7  eorum  qui  se  philosophos  appellari  volunt 
.  .  dieuntur  esse  Latini  sane  multi  libri,  quos  non  contemno  equidem,  quippe 
quos  numquam  legerim;  sed  .  .  .  lectionem  sine  ulla  delectatione  neglego.  4,6 
C.  Amafinius  .  .  .  cuius  libris  editis  commota  multitudo  contulü  se  ad  eam 
potissimum  diseiplinam.  (7)  post  Amafmium  multi  eiusdem  aemuli  rationis 
multa  cum  scripsissent,  Italiam  totam  oecupaverunt  .  .  et  facile  ediseuntur  et 
ab  indoctis  probantur. 

2.  Rabirius  wird  außer  Acad.  1,  5  (s.  A.  1)  nicht  genannt,  da  er  mit 
dem  Dichter  C.  Rabirius  (§  252,  9)  nicht  zu  vereinigen  ist. 

3.  Cic.  ep.  15,16,1  (J.  45):  Catius  Insuber  (aus  Ticinum;  vgl.  §  198, 1), 
Epicureus,  qui  nuper  est  mortuus,  quae  ille  Gargettius  (Epikur)  et  iam  ante 
Democritus  si'dcoXcc,  hie  spectra  nominat.  15,  19,  2  Epicurus ,  a  quo  omnes 
Catii  et  Amafinii,  mali  verborum  interpretes,  proficiseuntur.   Quint.  10,  1,  124 

Teuffei:  röm.  Literaturgesch.   Neub.  6.  Aufl.  I.  23 


354  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

in  Epicureis  levis  quidem  sed  non  iniucnndus  tarnen  auctor  est  Catius.  Plin. 
ep.  4,  28,  1  imagines  Corneli  Nepotis  et  Titi  Cati  (zur  Aufstellung  iri  einer 
Bibliothek,  s.  §  198,  1).  Porphyr,  zu  Hör.  sat.  2,  4,  1  *Unde  et  quo  Catius?7 
(in  manchen  Aufschriften  der  Satire  heißt  er  M.  Catius) :  Catius  Epicureus 
fuit,  qui  scripsit  quattuor  libros  de  rerum  natura  et  de  summo  bono.  ebd. 
Acro  zu  v.  48  (p.  166  K.):  irridet  eum,  qui  de  opere  pistorio  in  libro  scripsit, 
Catius  Miltiades ;  wo  Cruquius  hat:  irridet  eum,  qui  de  op.  pist.  in  suo  libro 
scribit  de  se  ipso:  *haec  primus  invenit  et  cognovit  Catius  Miltiades\  Vgl. 
Teuffels  Comm.  zu  Hör.  sat.  2,  S.  114. 

174.  Ein  würdiger  Schüler  des  Pontifex  Q.  Scaevola  war  der 
ehrenfeste  und  tüchtige  Jurist  C.  Aquilius  Gallus,  von  dem  es 
freilich  unsicher  ist,  ob  er  literarisch  tätig  war.  Seine  Gleichgültig- 
keit gegen  politische  Tätigkeit  zeugt  ebenso  von  der  zunehmenden 
Abkehr  vom  Staate  wie  von  der  beginnenden  Ausbildung  der 
Jurisprudenz  zu  einem  selbständigen  Berufe.  Vielseitiger  und  frucht- 
barer war  sein  Schüler  Servius  Sulpicius  Rufus  (J.  105 — 43), 
eine  friedliche  Natur,  den  Extremen  abhold,  als  Redner  tüchtig, 
achtbar  als  Gelehrter,  und  auch  der  Poesie  nicht  fremd.  Weitaus 
am  bedeutendsten  aber  war  er  als  Kenner  und  Lehrer  des  Rechts 
und  Verfasser  zahlreicher  Schriften,  durch  die  er  auf  die  Ausbil- 
dung der  Rechtswissenschaft  einen  lange  fortwirkenden  Einfluß  ge- 
wann. Er  setzte  die  Bestrebungen  seines  Lehrers  Q.  Mucius  Scae- 
vola zur  Systematisierung  des  Rechtes  mit  Hilfe  der  stoischen  Logik 
fort  und  scheute  sich  nicht,  Scaevolas  Ansichten  zu  bekämpfen. 
Gleichzeitige  Juristen  waren  P.  Orbius  und  Precianus,  mindestens 
ein  Rechtskenner  C.  Furius  Camillus. 

1.  Plin.  NH.  17,  2  pulcherrima  domus  .  .  .  .  C.  Aquilii  eq.  JR.,  clarioris 
illa  etiam  quam  iuris  civilis  scientia.  Prätor  66  mit  Cicero,  f  vor  44;  Klebs, 
PW.  2,  327.  Cic.  pCaec.  78  (J.  69):  iuris  civilis  rationem  numquam  ab  aequi- 
tate  seiunxit,  .  .  iustus  .  .  et  bonus  vir  .  .  .  ita  peritus  ac  prudens,  ut  ex  iure 
civili  non  scientia  solum  quaedam,  verum  etiam  bonitas  nata  videatur.  Brut. 
154.  Pompon.  dig.  1,  2,  2,  42  ex  quibus  (den  auditores  Mucii)  Gallum  (vorher 
Aquilius  Gallus  genannt)  maximae  auctoritatis  apud  populum  fuisse  Servius 
(A.  2)  dicit.  Vgl.  §  154,  3.  Auch  Ulpian  kennt  ihn  nur  aus  zweiter  Hand 
(dig.  19,  1,  17,  6  Gallus  Aquilius,  cuius  Mela  refert  opinionem,  rede  ait), 
und  in  den  Digesten,  wo  er  etwa  ein  dutzendmal  genannt  wird,  ist  niemals 
ein  bestimmter  Buchtitel  namhaft  gemacht.  Vielleicht  gehen  daher  diese 
Erwähnungen  auf  Anführungen  zurück,  die  sein  Schüler  Sulpicius  Rufus 
über  mündliche  responsa  des  Aquilius  machte.  Nur  von  einigen  rechtlichen 
Formularen  wissen  wir,  daß  Aquilius  sie  irgendwie  (als  Prätor?)  veröffent- 
licht hat.  So  zB.  die  Aquiliana  stipulatio  et  acceptilatio  (inst.  3,  29,  2.  dig. 
46,  4,  18,  1)  und  formulae  de  dolo  malo  aus  seiner  Prätur  (Cic.  off.  3,  60.  61. 
nat.  deor.  3,  74).  Pernice,  Labeo  1,  3  nennt  ihn  daher  den  letzten  Ausläufer 
der  Cautelarjurisprudenz.     Auch  als  Gerichtsredner  übte   er  eine  erhebliche 


§  174.  Juristen:  Aquilius  Gallus,  Sulpicius  Rufus  355 

Tätigkeit  aus  (illud  suum  regnum  iudiciale,  ad  Att.  1,  1,  1);  doch.  s.  Cic. 
Top.  51.  Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Privatrechts  1,  1,  287.  Huschke,  JA.6  23. 
Bremer,  JAH.   1,  111.  Jörs,  PW.  2,  328. 

2.  Ser.  Sulpicius  Q.  f.  Rufus,  mit  Cicero  ungefähr  gleichalterig  (aetates 
vestrae  .  .  nihil  aut  non  fere  multum  differunt,  Cic.  Brut.  150),  Prätor  65, 
Cos.  51 ,  J.  46  von  Cäsar  zum  Prokonsul  von  Achaia  ernannt ;  f  43  auf 
einer  Sendung  von  Mutina.  PRE.  6,  1497.  Ursprünglich  hatte  er  sich  zu- 
sammen mit  Cicero  zum  Redner  ausgebildet,  verzichtete  aber  erst  vom  J.  77 
an  auf  Wetteifer  mit  diesem  und  wandte  sich  vorzugsweise  der  Rechts- 
wissenschaft zu,  in  der  er  einen  bedeutenden  Fortschritt  begründete.  Cic. 
(der  ihn  immer  geflissentlich  lobt)  Brut.  152  existumo  iuris  civilis  magnum 
usum  .  .  apud  multos  fuisse,  artem  (Systematik)  in  hoc  uno.  quod  numquam 
effecisset  ipsius  iuris  scientia,  nisi  eam  praeterea  didicisset  artem  .  .  .  (die 
Logik).  153  sed  adiunxit  etiam  et  litterarum  scientiam  et  loquendi  elegantiam, 
quae  ex  scriptis  eius,  quorum  similia  nulla  sunt,  facillume  perspici  potest. 
(154)  cumque  discendi  causa  duobus  peritissimis  operam  dedisset,  L.  Lucilio 
Balbo  (§  154,  3)  C.  Aquilio  Gallo,  Galli  .  .  celeritatem  subtilitate  diligentia- 
que  superavit,  Balbi  .  .  tarditatem  vicit  expediendis  conficiendisque  rebus. 
Pompon.  dig.  1,  2,  2,  43  institutus  a  Balbo  Lucilio,  instructus  autem  maxime 
a  Gallo  Aquilio,  qui  fuit  Cercinae.  itaque  libri  complures  eius  (des  Rufus) 
exstant  Cercinae  confecti.  .  .  huius  volumina  complura  exstant  (noch  in  der 
Zeit  des  Pomponius).  reliquit  autem  prope  CLXXX  libros.  Brutus  bei  Cic. 
Brut.  156  audivi  nuper  (J.  47)  eum  (den  Sulp.  Rufus)  studiose  et  frequenter 
Sami,  cum  ex  eo  ius  nostrum  pontificium,  qua  ex  parte  cum  iure  civili  con- 
iunctum  esset,  vettern  cognoscere.  Gelehrter  Briefwechsel  mit  Varro:  §  166,  6,  d. 
Seine  rege  Responsionstätigkeit  schildert  Cic.  pMur.,  zB.  9  tibi  necesse  pu- 
tas  etiam  adversariis  amicorum  tuorum  de  iure  consulentibus  respondere. 
Seine  Berühmtheit  beweist  Petr.  137,  9  iurisconsultus  .  .  .  esto  quicquid  Ser- 
vius  et  Labeo. 

3.  Eine  Probe  der  rednerischen  Bildung  des  Rufus  gibt  besonders  sein 
Trostschreiben  an  Cicero  über  den  Tod  der  Tullia  (J.  45),  ep.  4,  5;  ein 
Muster  sachlicher  Erzählung  ist  sein  Bericht  über  den  Tod  des  M.  Marcellus 
ebd.  4,  12  (J.  45).  Quint.  10,  1,  116  Ser.  Sulpicius  insignem  non  immeriio 
famam  tribus  orationibus  meruit.  10,  7,  30  feruntur  aliorum  quoque  (als  des 
Cicero  Entwürfe  von  Reden)  et  inventi  forte,  ut  eos  dicturus  quisque  com- 
posuerat,  et  in  libros  digesti.  ut  causarum  quae  sunt  actae  a  Ser.  Sulpicio, 
cuius  tres  orationes  (vollständige,  von  ihm  selbst  herausgegebene)  exstant. 
sed  hi  de  quibus  loquor  commentarii  ita  sunt  exacti,  ut  ab  ipso  (Sulp.)  mihi 
in  memoriam  posteritatis  videantur  esse  compositi  (anders  als  die  erst  von 
Tiro  herausgegebenen  commentarii  des  Cicero).  Von  jenen  tres  orationes 
nennt  Quintilian  (4,  2,  106;  vgl.  10,  1,  22  und  Festus  153)  eine  pro  Aufidia, 
und  eine  andere  contra  Auftdiam  (6,  1,  20),  falls  die  letztere  Bezeichnung 
(statt  der  ersteren)  nicht  auf  einem  Schreib-  oder  Gedächtnisfehler  Quinti- 
lians  beruht;  s.  auch  FSchöll,  RhM.  3  4,  86.  Im  allgem.  s.  Meyer,  or.  rom.2 
398;  auch  oben  §  44,  12.  —  Quint.  10,  5,  4  et  illa  ex  Latinis  conversio  mul- 
tum et  ipsa  contulerit.  ac  de  carminibus  quidem  (Verwandlung  lateinischer 
Gedichte  in  Prosa)  neminem  credo  dubitare,  quo  solo  genere  exercitationis 
dicitur  usus  esse  Sulpicius  (falls  dies  nicht  der  §  153,  5  besprochene  Redner 

23* 


356  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

ist).  Unter  den  Verfassern  von  Liebesgedichten  führt  Plin.  ep.  5,  3,  5  (s.  oben 
§  31,  1)  auch  Ser.  Sulpicium  auf.  Vgl.  Ovid.  trist.  2,  441  (§  171,  3). 

4.  Juristische  Schriften  des  Sulpicius  Rufus.  (Die  Bruchstücke  bei 
Huschke  ,  JA.5  91.  Bremer,  JAH.  1,  139.)  Ser.  Sulpicius  iureconsultus ,  vir 
aetatis  suae  doctissimus,  in  libro  de  sacris  detestandis  secundo,  Gell.  7, 
12,  1.  Ser.  Sulpicius  in  libro  .  .  de  dotibus,  ebd.  4,  3,  2.  Gell.  4,  1,  20  Ser. 
Sulp,  in  reprehensis  Scaevolae  capitibus.  Commentar  zu  den  XII  Ta- 
feln (§  86,  6).  Pompon.  dig.  1,  2,  2,  44  Servius  duos  libros  ad  Brutum  per- 
quam  (Ad  Brutum  itemque?)  brevissimos  Ad  edictum  subscriptos  reliquit. 
Vgl.  Ulp.  ebd.  14,  3,  5,  1  Servius  libro  primo  Ad  Brutum  (ob  verfaßt  ums 
J.  54?  s.  MVoigt;  Abh.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  7,  338):  die  beiden  letzteren 
Titel  bezeichnen  dasselbe  Werk.  Vielleicht  auch  bei  Varro  LL.  5,  40  dividit 
in  eo,  Servius  scribit  Sulpicius  etc.  Ableitung  des  Wortes  religio  von  relin- 
quere  bei  Macrob.  3,  3,  8  dem  Ser.  Sulpicius,  von  Gell.  4,  9,  8  dem  Masu- 
rius  Sabinus  (§  281,  1)  zugeschrieben.  Plin.  NH.  28,  26  Servii  Sulpicii  .  . 
commentatio  est  quamobrem  mensa  linquenda  non  sit.  Über  seine  responsa 
berichteten  seine  Zuhörer  (A.  5).  In  den  Digesten  wird  er  öfters  angeführt, 
ohne  daß  sich  aber  unmittelbare  Auszüge  aus  seinen  Werken  fänden;  schon 
Ulpian  hat  seine  Schriften  nicht  mehr  in  den  Händen.  Zimmern,  Gesch.  d. 
PRechts  1,  1,  290.  RSchneider,  de  Ser.  Sulp.  Rufo,  Lpz.  1834  IL  Rüdorff, 
RGesch.  1,  163.  235.  OKarlowa,  RG.  1,  483.  Über  seine  Latinität  Schmalz, 
ZfGW.  35,  90. 

5.  Pompon.  dig.  1,  2,  2,  44  ab  hoc  (dem  Sulp.  Ruf.)  plurimi  profecerunt, 
fere  tarnen  hi  libros  conscripserunt :  Alfenus  Varus  Gaius  {Catus  Huschke, 
s.  §  208,  3  E.),  A.  Ofdius,  T.  Caesius,  Aufidius  Tucca,  Aufidius  Namusa, 
Flavius  Priscus,  C.  Ateius,  Pacuvius  Labeo  (§  207,  6),  Labeonis  Antistii  pater, 
Cinna,  Publicius  Gellius  (?).  ex  his  decem  libros  octo  conscripserunt,  quorum 
omnes  qui  fuerunt  libri  digesti  sunt  ab  Aufidio  Namusa  in  CXXXX  libros. 
Unter  den  genannten  sind  keine  Schriften  bekannt  von  T.  Caesius  und  Fla- 
vius Priscus.  Zu  den  weniger  berühmten  gehört  auch  Cinna,  als  juristi- 
scher Schriftsteller  angeführt  dig.  23,  2,  6.  35,  1,  40,  1  (Bremer  1,  272);  so- 
wie Publicius,  ebd.  31,  50,  2.  35,  1,  51,  1.  38,  17,  2,  8  (Africanus  et  Publi- 
cius), der  aber  wohl  einer  späteren  Zeit  angehört,  so  daß  bei  Pompon.  aO. 
vielleicht  mit  den  Herausgebern  Publius  Gellius  zu  lesen  sein  wird.  C.  Ateius 
ist  wohl  derselbe,  von  dem  es  dig.  23,  3,  79,  1  heißt:  Ateius  scribit  Servium 
respondisse,  und  vielleicht  der  Vater  cles  berühmten  Juristen  C.  Ateius  Capito. 
Letzterer  heißt  bei  Pompon.  aO.  47  Schüler  des  A.  Ofilius.  Der  Vater  war 
Volkstribun  55  und  Prätor  (vielleicht  J.  52);  PW.  2,  1903.  Bremer  269.  Servii 
auditores  werden,  wohl  nach  dem  Sammelwerke  des  Aufidius  Namusa,  an- 
geführt dig.  33,  4,  6,  1.  33,  7,  12  pr.  33,  7,  12,  6.  39,  3,  1,  6.  Bremer  JAH. 
1,  273. 

6.  Cic.  Brut.  179  cuius  (des  T.  Iuventius,  §  154,  3)  auditor  P.  Orbius, 
meus  Ifere  aequalis,  .  .  .  in  iure  civili  non  inferior  quam  magister  fuit.  Im 
J.  63  war  er  Prätor  in  Asien;  vgl.  Cic.  pFlacc.  76.  —  Ein  Precianus  iure- 
consultus bei  Caesar  in  Gallien,  Cic.  ep.  7,  8,  2  (J.  54).  Einen  Volcacius  s. 
§  154,  4.  —  C.  Camillus,  geschickter  Jurist  und  geschäftlicher  Berater  Ci- 
ceros  und  seiner  Familie;  ep.  5,  20,  3  (J.  49).  14,  5,  2  (J.  50).  14,  14,  2  (J.  49) 
und  sonst.    Er  ist  wohl  eine  Person  mit  dem  scherzhaft  als  Feinschmecker 


§  174.  Sulpicius  Rufus.    §  175.  Cicero  (Leben)  357 

(ep.  9,  20,  2  vom  J.  46)   und   Neuigkeitskrämer  (Att.   13,  33,  4;    vgl.  13,  6,  1 
aus  J.  45)  bezeichneten  Camillus. 

175.  M.  Tullius  Cicero  war  geboren  am  3.  Jan.  106  auf  seinem 
väterlichen  Gute  bei  Arpinum  als  Sohn  eines  römischen  Ritters. 
Nachdem  er  sich  allseitig  vorbereitet  hatte,  trat  er  als  Redner  zu- 
erst unter  Sullas  Diktatur  auf.  Zu  seiner  weiteren  Ausbildung 
brachte  er  zwei  Jahre  (79 — 77)  in  Griechenland  und  Kleinasien 
zu,  war  75  Quaestor  in  Sicilien,  69  curulischer  Aedil,  66  Praetor 
(urbanus),  63  Consul.  Die  energische  Unterdrückung  der  in  seinem 
Consulatsjahre  ausgebrochenen  catilinarischen  Verschwörung  brachte 
ihm  großen  Ruhm,  bot  aber  den  Triumvirn  den  Vorwand  zur  Ent- 
fernung  des  unbequemen  Consularen  durch  seinen  Feind  P.  Clodius. 
Ende  April  58  verließ  Cicero  Italien  und  lebte  zu  Thessalonike  und 
Dyrrhachion  als  Verbannter.  Am  4.  August  57  zur  Rückkehr  er- 
mächtigt langte  er  am  4.  September  wieder  in  Rom  an  und  ver- 
suchte wiederum  eine  selbständige  politische  Rolle  zu  spielen,  mußte 
sich  aber  bald  den  Weisungen  der  Triumvirn  fügen.  Im  J.  53  wurde 
er  Augur.  Vom  31.  Juli  51  bis  30.  Juli  50  hatte  er  die  Provinz 
Kilikien  als  Proconsul  zu  verwalten.  Nach  Rom  zurückgekommen, 
traf  er  den  Kampf  zwischen  Caesar  und  der  Senatspartei,  an  deren 
Spitze  Pompeius  stand,  bereits  ausgebrochen.  Nach  langem  Schwan- 
ken begab  er  sich  im  Juni  49  zu  Pompeius  nach  Dyrrhachion,  wo 
er  sich  auch  während  der  Schlacht  bei  Pharsalos  (9.  August  48) 
befand.  Von  Ende  September  48  bis  September  47  lebte  Cicero 
zu  Brundisium,  des  Siegers  Ankunft  und  die  Erlaubnis  zur  Rück- 
kehr nach  Rom  erwartend,  die  ihm  Caesars  Großmut  gewährte.  Die 
Jahre  46  und  45,  in  unfreiwilliger  Muße  verbracht,  waren  um  so 
fruchtbarer  an  literarischen  Arbeiten.  Der  15.  März  44  rief  Cicero 
in  die  politische  Tätigkeit  zurück,  verwickelte  ihn  aber  bald  in  die 
Kämpfe  mit  M.  Antonius,  die  mit  seiner  Achtung  durch  das  zweite 
Triumvirat  und  seiner  Tötung  (7.  Dezember  43)  endigten. 

1.  Leben  Ciceros  von  Plutarch,  der  besonders  Tiro  (§  191,  2)  benutzt. 
Gudeman,  The  sources  of  Plut.  life  of  Cic. ,  Philad.  1902.  —  Suringar,  Cic. 
comm.  rerum  suarum  s.  de  vita  sua;  acc.  annales  Ciceroniani,  Leid.  1854. 
S  Martini,  Cic.  autobiographia,  Turin  1885.  —  Von  neueren  Darstellungen 
CMiddleton,  life  of  Cicero,  Lond.  1741  IL  Druman^,  Gesch.  Roms  5,  216 — 716. 
6,  1 — 380.  Teuffel,  PRE.  6,  2182,  sowie  (ausgeführter  u.  ohne  Quellennach- 
weisungen) in  Studien  u.  Charakt.  (1871)  289.  FBrückner,  Leben  d.  Cic.  I: 
d.  bürgerliche  u.  Privatleben,  Gott.  1852.  DGerlach,  Cicero,  Bas.  1864  (gegen 
Mommsen,  §  176,  2).  WForsyth,  life  of  Cic,  Lond.  1864  IL  ATrollope,  life 
of  Cic,  Lond.  1880  IL  Morawski,  Cicero  (poln.),  Krakau  1911.  ESchwartz, 
Charakterköpfe  l3,  101.  Bardt,  Rom.  Charakterköpfe,  Lpz.  1913.  GBoissier, 


358  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

Ciceron    et   ses    amis,  Par.14  1908.     OESchmidt,  Cic.  u.  Terentia,  JJ.   1898  I 
174;  Cic.s  Villen,  JJ.   1899  III  328.  466. 

2.  Jäcklein,  Cic.s  Verbannung,  Bamb.  1875.  Buning,  Progr.  Coesfeld 
1894.  Rauschen  (§  187,  2).  Oppenrieder,  de  Cic.  proconsule  Ciliciae,  Augsb. 
1853.  d'Hugues,  de  Cic.  in  Cilicia  proconsulatu,  Straßb.  1859;  sur  le  pro- 
consulat  de  Cic,  Paris  1876.  FHoffmann,  Phil.  15,  662.  CHartung,  de  pro- 
consulatu Cic,  Würzb.  1868.  WSternkopf,  de  rebus  a  Cic.  inde  a  tradita  Ci- 
licia usque  ad  relictam  Italiam  gestis,  Marb.  1884.  JZiehen,  ephemerides 
Tüll,  a  Mart.  49  usque  ad  Aug.  48  a.  Chr.,  Budapest  1887.  OESchmidt,  Der 
Briefw.  Cic.s  vom  Prokons,  bis  Cäsars  Ermordung,  Lpz.  1893.  Strachan- 
Davidson,  Cic.  and  the  fall  of  the  republic,  Lond.  1895.  Beere,  Die  Haltung 
Cic.s  beim  Ausbr.  des  Bürgerkr.,  Zürich  1900. 

3.  Über  die  erhaltenen  Bildnisse  des  Cicero  s.  Bernoulli,  röm.  Ikonogr. 
1,  132;  2  p.  VI.  An  der  neuerdings  berühmt  gewordenen  Büste  in  Madrid 
mit  der  Inschrift  m  •  cicero  an  •  lxiiii  ist  zwar  das  Bruchstück  mit  der  In- 
schrift (CIL.  1,  p.  281)  echt,  der  Kopf  aber  modern.  Aldenhoven,  Arch.  Ztg. 
1885,  235.    Bernoulli  aO.    EHübner,  Bildwerke  in  Madrid  115. 

4.  Cicero  ist  bei  seinen  Lebzeiten  von  Leuten  wie  Clodius,  Piso  und 
Antonius  wegen  seiner  politischen  Haltung,  von  Licinius  Calvus  und  Brutus 
wegen  seiner  Redeweise  angegriffen  worden.  Diese  Polemik  hat  sich  auch 
nach  seinem  Tode  fortgesetzt,  wie  das  Verhalten  des  Asinius  Pollio  und 
Cestius  Pius  und  vielleicht  die  Ps.  Sali.  Invektive  zeigt.  Sie  sammelt  sich 
in  der  Rede,  die  Cassius  Dio  dem  Calenus  in  den  Mund  legt  (46,  1 — 28). 
Doch  stempelte  ihn  sein  Tod  zu  einem  Märtyrer,  und  als  solcher  ist  er  in 
den  Deklamatorenschulen  gefeiert  worden;  auch  die  Biographien  des  Tiro 
und  Nepos  waren  in  enkomiastischem  Tone  gehalten.  Die  Mustergültigkeit 
seines  Stiles  stand  selbst  denen  fest,  die  in  der  Pointierung  über  ihn  hin- 
ausgingen (zB.  §  288,  1  E.).  Zu  ihnen  gehört  auch  Quintilian,  der  eifrigste 
Verkünder  seiner  Ruhmes.  Den  Späteren  ist  er  eine  unantastbare  Größe, 
seine  Schriften  die  Fundgrube  der  korrekten  schriftlateinischen  Prosa:  als 
der  große  Stilist  rettet  er  sich  durch  das  Mittelalter  in  die  Renaissance, 
die  sich  an  ihm  für  antike  Formschönheit  begeistert.  Zielinski,  Cic.  im 
Wandel  der  Jahrh.8,  Lpz.  1912.  Petzold,  De  Cic.  obtrectatoribus  et  lauda- 
toribus  Rom.,  Lpz.  1911. 

170.  Cicero  ist  eine  geistig  reichbegabte  Natur,  vielseitig,  ge- 
wandt, dabei  wohlwollend,  auf  das  Edle  gerichtet  und  mit  rastlosem 
Eifer  dem  selbstgesteckten  hohen  Ziele  nachstrebend,  überaus  ach- 
tungswert in  einer  Zeit,  da  die  meisten  niedriger  Selbstsucht  fröhnten. 
Aber  er  war  aus  weichem  Stoff  gebildet,  allen  Eindrücken  von  außen 
zugänglich,  ohne  die  Festigkeit  des  Innern,  die  auch  in  schwierigen 
Lagen  das  Gleichgewicht  bewahrt.  Seine  bewegliche  Phantasie,  seine 
Feinfühligkeit  und  unendliche  Erregbarkeit  hat  ihn  zu  einem  lie- 
benswürdigen Menschen  und  zu  einem  großen  Redner  gemacht,  aus 
dem  jede  angeschlagene  Saite  voll  und  reich  wiederklang;  sie  machte 
ihn  vorzüglich  geeignet  zum  Vermittler  und  Dolmetscher  helleni- 


§  175.  Cicero  (Leben).    §  176.  Cicero  (Charakteristik)  359 

scher  Feinheit  und  Formschönheit,  aber  zugleich  auch  zu  einem 
schwankenden  Charakter,  rasch  wechselnd  zwischen  Aufschwung 
und  Abspannung,  empfindlich,  launisch,  eitel,  durch  jede  Schärfe 
verwundet,  ängstlich  vor  Gefahren  und  verzagt  in  bösen  Tagen. 
Wohl  mochten  auch  andere  ihre  schwachen  Stunden  haben;  aber 
nicht  bei  vielen  kehrten  sie  so  regelmäßig  wieder  und  keiner  hatte 
wie  er  das  Mißgeschick,  daß  das  Auf-  und  Abwogen  seiner  Stim- 
mungen in  urkundlichen  Belegen  auf  die  Nachwelt  kam.  Immer 
vom  Augenblick  völlig  hingenommen,  eignete  sich  Cicero  wenig 
zum  Staatsmanne  und  hatte  doch  weder  Selbsterkenntnis  genug 
um  dies  einzusehen,  noch  Entsagung  genug  um  danach  zu  handeln. 
So  dienten  die  Anläufe,  die  er  machte,  um  eine  politische  Rolle  zu 
spielen,  nur  dazu,  seine  Schwäche  an  den  Tag  zu  bringen.  In  einer 
Zeit,  wo  nur  Männer  mit  eiserner  Energie,  die  alles  aufs  Spiel 
setzten,  etwas  bedeuteten,  träumte  er  von  der  Aufrechterhaltung 
der  überlebten  Senatsherrschaft,  unter  derem  Schutze  auch  politische 
Mittelmäßigkeiten  wie  er  selbst  eine  gewisse  Wirksamkeit  entfalten 
konnten.  Trotz  alles  guten  Willens  besaß  er  doch  nicht  die  Ruhe 
und  den  Scharfblick,  um  den  rechten  Weg  zu  erkennen,  noch  den 
Mut  und  die  Ausdauer  um  darauf  fortzu wandeln.  Abwechselnd  sah 
er  sich  daher  benutzt  und  beiseite  geschoben,  angezogen  und  ab- 
gestoßen, enttäuscht  durch  die  Schwäche  der  Freunde  und  durch 
die  Stärke  der  Gegner,  und  schließlich  gleich  sehr  bedroht  von  den 
Extremen,  zwischen  denen  hindurch  er  einen  Weg  gesucht  hatte. 

1.  Von  Urteilen  der  Alten  s.  bes.  Asinius  Pollio  bei  Sen.  suas.  6,  24 
huius  viri  tot  tantisque  operibus  mansuri  in  omne  aevum  praedicare  de  in- 
genio  atque  industria  supervacuum  est.  .  .  utinam  moderatius  secundas  res  et 
fortius  adversas  ferre  potuisset!  .  .  .  sed  quando  mortalium  nulli  virtus  per- 
fecta contigit,  qua  maior  pars  vitae  atque  ingenii  stetit,  ea  iudicandum  de 
homine  est.  Ferner  das  Elogium  des  Velleius  2,  66  Nihil  tarn  indignum  Mo 
tempore  fuit,  quam  quod  .  .  .  Cicero  proscriptus  est  abscisaque  scelere  Antoni 
vox  publica  est,  cum  eius  salutem  nemo  defendisset,  qui  per  tot  annos  et  pu- 
blicam  civitatis  et  privatam  civium  defenderat.  Nihil  tarnen  egisti,  M.  Antoni 
....  rapuisti  tu  M.  Ciceroni  lucem  sollicitam  et  aetatem  senilem  .  .  .,  famam 
vero  gloriamque  factorum  atque  dictorum  adeo  non  abstulisti,  ut  auxeris.  vivit 
vivetque  per  omnem  saeculorum  memoriam  ....  citiusque  e  mundo  genus 
hominum  quam  (Ciceronis  nomen}  cedet.  Quint.  12,  1,  16.  Ps.  Sall.  (§  206)  5 
homo  levissimus,  supplex  inimicis,  amicis  contumeliosus,  modo  harum  modo 
illarum  partium,  fidus  nemini,  levissimus  Senator,  mercennarius  patronus  usw. 
Schrift  des  Asinius  Gallus  (§  276,  3)  gegen  Cicero  und  die  Gegenschrift  des 
(nachmaligen  Kaisers)  Claudius  (§  286,  2),  sowie  die  des  Suetonius  (§  347,  2) 
gegen  Didy.mos;  vgl.  Zielinski,  Cic.  im  Wandel  der  Jahrh.,  13.  347.  Lützen, 
Progr.  Eschwege  1907,  21. 


360  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

2.  Cic.  hat  den  bei  einem  Römer  selbstverständlichen  und  von  ihm  auch 
niemals  geleugneten  Ehrgeiz  besessen,  es  im  Staate  möglichst  weit  zu  bringen 
und  zuerst  Senator,  dann  Konsul  zu  werden  und  als  Konsular  eine  ange- 
sehene Rolle  zu  spielen.  Jenes  war  möglich,  wenn  er  seine  Beredsamkeit 
geschickt  ausnutzte,  um  sich  einflußreiche  Verbindungen  zu  schaffen,  dieses, 
wenn  alle  Versuche,  den  Einfluß  des  Senates  zu  brechen,  vereitelt  wurden. 
Durch  diese  Erwägungen  war  seine  politische  Haltung  gegeben,  die  kein 
Verständiger  ihm  zum  Vorwurf  machen  wird.  Denn  er  war  von  der  Würde 
des  Senates  und  dem  Glänze  der  senatorischen  Stellung,  der  ihn  als  homo 
novus  doppelt  blendete,  ehrlich  überzeugt  und  konnte  in  seiner  Lage  kaum 
anders  handeln  als  er  gehandelt  hat.  Ein  festes  politisches  Programm,  etwa 
den  Glauben  an  eine  bestimmte  Verfassung  (Zielinski,  Cic.  im  Wandel  5. 
341),  hatte  er  nicht:  aber  wer  sonst  hatte  den?  Was  ihn  leitete,  war  im 
allgemeinen  die  Rücksicht  auf  die  politische  und  persönliche  Konstellation 
des  Augenblicks;  aber  etwas  anderes  war  bei  dem  Fehlen  eigentlicher  Par- 
teien und  eines  ausgebildeten  Parteiprogrammes  auch  kaum  möglich.  Lehr- 
reich sind  namentlich  die  Äußerungen  des  Q.  Cicero  (§  190,  4),  die  man 
nicht  abschwächen  sollte;  s.  auch  1.  agr.  2,  49;  ad  Att.  1,  1.  2.  4,  2.  Vgl. 
FCauer,  Cic.  polit.  Denken,  Berl.  1903.  RHeinze,  Cic.  polit.  Anfänge,  Abh. 
Sachs.  Ges.  1909,  945  (dazu  Bardt,  BphW.  1910,  426).  Volquardsen,  Cic.  als 
polit.  Charakter,  Kiel  1907.  Nachdem  er  das  Ziel  seines  politischen  Ehr- 
geizes erreicht  hatte,  mochte  ihm  als  Lebensideal  erscheinen,  was  er  — 
vielleicht  im  Anschluß  an  jüngere  Stoiker  —  de  rep.  3,  4  f.  ausspricht:  quid 
potest  esse  praeclarius,  quam  cum  verum  magnarum  tractatio  atque  usus  cum 
illarum  artium  studiis  et  cognitione  coniungitur?  aut  quid  P.  Scipione,  quid 
C.  Laelio,  quid  L.  Philo  perfectius  cogitari  potest?  qui  ne  quid  praetermitte- 
rent,  quod  ad  summam  laudem  clarorum  virorum  pertineret,  ad  domesticum 
maiorumque  more  metiam  hanc  a  Socrate  adventiciam  doctrinam  adlii- 
buerunt. 

3.  Cic.s  Bedeutung  für  die  römische  Literatur  liegt  zum  großen  Teil 
auf  dem  formalen  Gebiet.  Das  haben  die  Alten  ganz  richtig  erkannt  und 
ihn  zum  Kanon  der  lateinischen  Prosa  gemacht,  vgl.  zB.  Quint.  10,  1, 105  ff., 
bes.  112  quare  nem  immerito  ab  hominibus  aetatis  sitae  regnare  in  iudieiis 
dictus  est,  apud  posteros  vero  id  consecutus,  ut  Cicero  iam  non  hominis  no- 
men  sed  eloquentiae  habeatur.  hunc  igitur  spectemus,  hoc  propositam  nobis  sit 
exemplum,  ille  se  profecisse  sciat,  cui  Cicero  valde  placebit.  Außer  auf  seinem 
Streben  nach  Konzinnität  beruht  sein  stilistischer  Vorrang  auf  seinem  Pu- 
rismus, der  ihn  an  das  wirklich  lebendige  Sprachgut  bindet  und  aus  die- 
sem eine  sorgfältige  und  überlegte  Auswahl  treffen  läßt.  Wo  er  genötigt 
ist,  neue  Worte  zu  bilden,  tut  er  es  mit  der  größten  Vorsicht  (§  183,  2), 
griechische  Worte  führt  er  in  den  sorgfältig  stilisierten  Werken  nur  mit 
entschuldigenden  Bemerkungen  ein  (Linderbauer,  De  verborum  mutuatorum 
apud  Cic.  usu,  Metten  1892.  93.  11).  Laurand,  Etudes  19—106.  Norden, 
Kunstpr.  212. 

4.  In  früheren  Jahrhunderten  trübte  die  Bewunderung  des  Stilisten  den 
Blick  für  unbefangene  Beurteilung  des  Charakters  und  Staatsmanns.  Doch 
s.  FGaliant,  correspondance  inedite  (Par.  1818)  1,  295  (vgl.  Ri^schl,  op.  3, 
701).     Die   versäumte    Kritik  wurde   aber   überreichlich    nachgeholt    durch 


§  176.  177.  Cicero  (Allgemeines)  361 

Dkumann,  GR.  6,  411,  der  den  Charakter  Ciceros  nach  allen  Seiten  hin  zwar 
gründlich,  aber  unter  Verkennung  aller  entschuldigenden  Umstände  be- 
leuchtet hat.  Auch  Mommsen,  RG.  36,  619  hat  fast  nur  hervorgehoben,  was 
Cic.  nicht  war  (und  z.  T.  gar  nicht  sein  wollte).  Vgl.  jetzt  bes.  Zielinski, 
der  wiederum  nach  der  apologetischen  Seite  zu  weit  geht. 

177.  Cicero  besaß  in  wunderbarem  Maße  die  Gabe,  Fremdes 
in  sich  aufzunehmen  und  es  innerlich  verarbeitet  in  leichter,  fließen- 
der Sprache  aus  sich  herauszusetzen.  Er  hat  infolgedessen  die  rö- 
mische Literatur  um  mehrere  Gebiete  bereichert,  die  für  sie  bis 
dahin  kaum  erschlossen  waren,  und  ist  der  Schöpfer  einer  dem 
Geist  der  lateinischen  Sprache  angepaßten  Schriftprosa  geworden, 
deren  Fülle  und  Rundung  für  lange  Jahrhunderte  mustergültig  war. 
Daß  die  sachliche  Tiefe  seiner  theoretischen  Schriften  mit  der  sti- 
listischen Leichtigkeit  nicht  immer  gleichen  Schritt  halt,  erklärt 
sich  daraus,  daß  er  seinen  eigentlichen  Lebenszweck  in  der  Beteili- 
gung an  der  Politik  erblickte  und  nur,  wenn  diese  ihm  verleidet 
oder  versperrt  war,  Zeit  für  eingehende  Beschäftigung  mit  den 
Wissenschaften  faud,  wie  es  namentlich  in  den  Jahren  45  und  44 
der  Fall  war.  Seinen  Lebensberuf  erblickte  Cicero  bis  in  die  besten 
Mannesjahre  in  seiner  Tätigkeit  als  Redner,  und  hier  zeigte  sich 
sein  Talent  in  vollstem  Glänze.  Er  bereitete  die  zu  haltenden  Reden 
sorgfältig  vor  und  gab  sie  großenteils  nachher  in  verbesserter  Fas- 
sung heraus.  Ferner  wurden  die  hier  gewonnenen  Erfahrungen  und 
die  aus  der  akademischen  Philosophie  geschöpften  Anregungen  auf 
dem  rhetorischen  Gebiete  in  rhetorischen  Schriften  verwertet.  Dann 
dehnte  er  die  wissenschaftliche  Schriftstellerei  auch  auf  andere  Ge- 
biete aus,  zunächst  auf  die  Staats  Wissenschaft,  ferner  auf  Ethik 
und  Religionsphilosophie,  und  versuchte  sich  sogar  in  den  faßliche- 
ren Fächern  der  theoretischen  Philosophie.  Daneben  führten  aus- 
gebreitete persönliche  Beziehungen  und  die  Gewohnheit,  mit  der 
Feder  zu  denken,  zu  einem  überaus  regen  Briefwechsel. 

1.  Zeitliche  Aufeinanderfolge  der  Hauptschriften  Ciceros:  J.  81  pro 
Quinctio.  —  ^0  pro  Roscio  Amerino.  —  70  Verrinen.  —  69  pro  Caecina.  — 
66  de  imperio  Cn.  Pompei.  —  63  Consulatsreden:  de  lege  agraria,  pro  Ra- 
birio,  in  Catilinam,  pro  Murena.  —  62  pro  Sulla,  p.  Archia.  —  59  pro 
Flacco.  —  57  f.  Reden  post  reditum.  —  56  pro  Sestio,  in  Vatinium,  pro 
Caelio,  de  provinciis  cons ,  pro  Balbo.  —  55  in  Pisonem,  de  oratore.  — 
54  de  republica,  pro  Plancio,  p.  Rabirio  Postumo.  —  52  pro  Milone,  de 
legibus.  —  46  Brutus,  Paradoxa,  Orator,  pro  Marcello,  p.  Ligario.  —  45  pro 
Deiotaro,  de  finibus,  Academica,  Tusculanae.  —  44  de  natura  deorum,  Cato 
maior,  de  divinatione,  de  fato,  topica,  Laelius,  de  officiis,  Philippicae  I — IV. 
—  43  Philippicae  V— XIV. 


362  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

2.  ELange,  quid  de  ingenio,  litteris,  poetis  Graec.  Cic.  senserit,  Halle 
1880.  ESchollmeyer,  quid  Cic.  de  poetis  Rom.  iudicaverit,  Halle  1884. 
RWurzer,  de  Cic.  tragoediae  Rom.  iudice,  Czernowitz  1885.  Kubik,  de  Cic. 
poetarum  lat.  studiis,  Diss.  Yindob.  1,  237.  Zillinger,  Cic.  u.  d.  altröm. 
Dichter,  Würzb.  1911.  Rigal,  Cic.  quatenus  artium  amator  extiterit,  Paris 
1890.  AKiessling,  coniectan.  III,  iv.  JSchäfler,  BlbayrGW.  20,  285.  Causeret: 
§  181,  2. 

3.  Allgemeines  über  Ciceros  Sprache  (das  Besondere  bei  den  einzelnen 
Gattungen  und  Schriften).  Wörterbücher:  MNizolii  thesaurus  Cic.  (Brix.  1535), 
Bas.  1559;  Venet.  1570  und  sonst,  zB.  Patav.  1734  (cur.  Facciolati);  Lond. 
1820  III.  Clavis  Cic,  ed.  Ernesti  (bei  s.  Ausg.  u.  sonst,  zuletzt  von  Rein, 
Halle  1831).  Lex.  Cic.  von  GSchütz,  Lpz.  1817  (Bd.  18.  19.  s.  Ausg.).  Mer- 
guet,  Handlex.  zu  Cic,  Lpz.  1905.  —  Lebreton,  Etudes  sur  la  langue  et  la 
gramm.  de  Cic,  Paris  1901.  Laurand,  Etudes  sur  le  style  des  discours  de 
Cic,  Paris  1907.  Norden,  Kunstpr.  212.  Parzinger,  Beitr.  z.  Kenntn.  d. 
Entw.  des  Cic.  Stils.  Landshut  1911.  Dillingen  1912  II.  MWetzel,  de  consec. 
temp.  Cic,  Gott.  1877.  WKriebel,  der  Periodenbau  bei  Cic.  u.  Liv.,  Prenzl. 
1873.  WSchuppe,  de  anacoluthis  Cic,  Berl.  1860.  Mihaileanu,  De  comprehens. 
relat.  ap.  Cic,  Berl.  1907.  Hatz,  Zur  Hendiadys  in  Cic.  Reden,  Schwein- 
furt 1886.  MWiegandt,  De  metaphorarum  usu  Cic,  Rostock  1910.  JTheobald, 
de  annominationis  et  allitterationis  ap.  Cic  usu,  Bonn  1853.  —  HGenthe, 
de  proverbiis  a  Cic.  adhibitis,  Commentat.  Mommsen.  268. 

4.  Die  Überlieferung  geht  auf  antike  Ausgaben  zurück,  die  z.  T.  eine 
größere  Anzahl  von  Schriften  zusammenfaßten;  vgl.  §  178,  3.  Hs.  Apparat 
zu  Cicero  von  Garatoni  in  Ravenna:  Hal^4,  Münch.  GA.  26  (1848),  285;  von 
HLagomarsini  (über  80  Bde,  s.  WvHumboldts  Werke  5,253.  264);  jetzt  ver- 
schollen. —  Halm,  zur  Hss.- Kunde  der  cic  Sehr.,  Münch.  1850;  RhM.  9, 
321;  Jahns  Arch.  15,  165  u.  sonst.  —  Über  die  Bekanntschaft  des  früheren 
Mittelalters  mit  Ciceros  Werken  s.  PSchwenke,  Phil.  Suppl.  3,  402.  Norden, 
KP.  700.  706  u.  ö.  —  Genaueres  s.  bei  den  einzelnen  Schriften. 

5.  Gesamtausgaben:  Venet.,  Iunt.  1534 — 37  IV  von  PVictorics.  Venet. 
Aid.,  von  PManutius  1540 — 46  IX.  A  DLambino  emend.  et  aueta,  Par.  1566 
IV  u.  sonst.  Cum  notis  var.  cura  Graevii,  Amst.  1684  ff.  XI;  unvollständig. 
Cum  clavi  Cic.  ed.  Ernesti,  Lpz.  1737 ff.  VI;  zuletzt  1820  fll.  V.  Cum  delect. 
comm.  (stud.  JOliveti),  Par.  1749  IX;  Genev.  1743  ff.  E  rec  Graevii  (cura 
GGaratonii),  Neap.  1 7 7 7 fr .  (unvollständig).  Recogn.  GSchütz,  Lpz.  1814ff.  XX. 

—  Rec.  COrelli,  Zürich  1826 — 30  IV;  editio  altera  emendatior,  cur.  Orelli, 
GBaiter,  CHalm,  Zürich  1845—62  IV;  z.  ed.  I  (u.  II)  als  Bd.  5:  Cic.  scho- 
liastae,  C.  Marius  Victorinus ,  Rufinus,  C.  Iulius  Victor,  Boethius,  Favonius 
Eulogius,  Asconius  Pedianus,  scholia  Bobiensia,  scholiasta  Gronovianus,  edd. 
COrelli  et  GBaiter  1833,  und  als  Bd.  6—8  Onomast.  Tullianum,  1836—38  III. 

—  Cic  opera  omnia  uno  volumine  ed.  Nobbe,  Lpz.2  1850.  —  Recogn.  RKlotz, 
Lpz.2  1863 — 71  XI  Bände  (Bd  XI:  index  nominum):  neu  bearbeitet  von 
CFWMüller,  Lpz.  1878  fll.,  davon  P.  I  Vol.  I.  II  scripta  rhet.  (rec.  WFried- 
rich),  P.  II  Vol.  I— III  orat.,  P.  III  Vol.  1.  II  epist.  P.  IV  Vol.  I— III  philos. 
Neue  krit.  Ausg.  in  Bibl.  Teubn.  in  Vorbereitung.  —  Edd.  Baiter  et  LKayser 
(Lpz.  1861—69  XI,  in  B.  11  ind.  nom.). 


§  177  a.  Cicero  (Jugendschriften)  363 

177a.  Schon  in  früher  Jugend  versuchte  sich  Cicero  auf  ver- 
schiedenen Gebieten  der  Literatur.  Er  verfaßte  unter  anderen  Ge- 
dichten einen  Pontios  Glaukos  in  trochäischen  Tetrametern ,  über- 
setzte im  Maße  der  Urschrift  die  &cuv6{i£vcc  des  Aratos,  ferner  den 
Olxovonixög  des  Xenophon  u.  a.  Sogar  an  Theoretisches  wagte  er 
sich  schon:  als  junger  Mensch  schrieb  er  noch  unter  dem  Einflüsse 
der  Schule  eine  unreife  Rhetorik  zusammen ,  in  der  die  Lehre 
von  der  Erfindung  hauptsächlich  nach  Hermagoras  vorgetragen 
wird. 

1.  Plut.  Cic.  2  iQQvr]  izcog  Ttgnd'VfiotsQov  inl  7Coir\XLwqv,  xai  xi  nonr^ia- 
xiov  %xi  nctidbg  ccvxov  diccomfexcu  üovxLog  TXctv%o<s  iv  xBXQa^iixQO)  ■nsnoiinLi- 
vov.    Vielleicht  war  es  die  Übersetzung  einer  Partie  aus  Aischylos'  Drama. 

Admodum  adulescentulus  (nat.  d.  2,  204)  übersetzte  Cic.  die  <&atv6{isva  des 
Aratos;  denen  er,  vielleicht  erst  J.  60  (HJokdan,  krit.  Beitr.  299)  die  IJqo- 
yvaaxvad  desselben  Dichters  folgen  ließ;  er  schreibt  ad  Att.  2,  1,  11  pro- 
gnostica  mea  cum  oratiunculis  prope  diem  expecta.  Außer  abgerissenen  Frag- 
menten beider,  die  sich  fast  sämtlich  als  Zitate  bei  Cicero  selbst  finden, 
hat  sich  ein  großes  Bruchstück  der  Phainomena  (von  480  Vv.)  selbständig 
erhalten  (bes.  Harl.  647  s.  IX.  Dresd.  183  s.  X).  Alles  findet  sich  gedruckt 
zB.  Baiter-Kayser  11,  96.  Müller  4,  3,  360.  PLM.  1,  3.  Die  Übersetzung  ist 
recht  frei  und  strebt  mit  Glück  nach  Abwechslung  im  Ausdruck.  Cic.  hat 
den  Arat  bereits  mit  Schollen  gelesen  und  berücksichtigt  die  Kritik  des 
Attalos  und  Hipparch,  trotzdem  sind  ihm  verschiedene  Mißverständnisse 
untergelaufen.  Die  Technik  ist  sauber  und  nähert  sich  in  der  Bildung  des 
Yersschlusses  der  derNeoteriker;  schließendes  s  wird  noch  elidiert.  MGündel, 
De  Cic.  poetae  arte,  Lips.  1907,  51.  Drachmann,  Herrn.  43,  414.  Über  Ennius- 
nachahmung  s.  Norden,  Vergils  Aen.  367.  413.  Wreschniok,  De  Cic.  Lucre- 
tioque  Ennii  imit.,  Bresl.  1907.  Die  in  dem  genannten  Harl.  zu  Cic.  Arat. 
erhaltenen  Scholien  gab  heraus  J Vogels,  Crefeld  1884.  87.  IL  Vgl.  Reiffer- 
scheid,  ann.  d.  inst.  1862,  108;  Bresl.  ind.  schol.  1885/86,  11.  GKaüffmann, 
Bresl.  phil.  Abh.  3,  4.  —  Von  anderen  Gedichten  Cic.s  (§  189)  läßt  sich 
nicht  entscheiden,  ob  sie  schon  in  seine  Jugend  fallen.  —  Maybaum,  De  Cic. 
et  Germ.  Arati  interpr.,  Rost.  1889.  Grollmus,  De  Cic.  poeta,  Königsb.  1887. 
Atzert,  De  Cic.  interprete  Graecorum,  Gott.  1908.    Leo,  Herrn.  49,  191. 

2.  Cic.  off.  2,  87  Xenophon  in  eo  libro,  qui  Oeconomicus  inscribitur, 
quem  nos,  ista  fere  aetate  cum  essemus  qua  es  tu  nunc  (im  einundzwanzigsten 
Jahre)  e  graeco  in  latinum  convertimus.  Die  Übersetzung,  aus  der  Columella 
vieles  entlehnte,  hatte  drei  Bücher;  doch  ist  diese  Einteilung  vielleicht  erst 
später  gemacht.  Die  Übersetzung  war  recht  getreu,  vgl.  Hier.  Eus.  chron. 
2  pr.  1  (Cic.)  in  Xenophontis  oeconomico  lusit;  in  quo  opere  ita  saepe  aureum 
illud  flumen  eloquentiae  quibusdam  scabris  et  turbulentis  obicibus  retardatur, 
ut  qui  interpretata  nesciunt,  a  Cicerone  dicta  non  credant.  Reste:  Baiter- 
Kayser  11,  50.  Müller  4,  3,  307.  Quint.  10,  5,  2  vertere  graeca  in  latinum  .  .  . 
id  Cicero  ipse  frequentissime  praecipit,  quin  etiam  libros  Piatonis  atque  Xe- 
nophontis edidit  hoc  genere  translatos  (vgl.  Hieron.  ad  Eus.  chron.  praef. 
p.  1,  5  Seh.).     ERichter,  Xen.   in   d.  röm.  Litt.,  Berl.  1905,  5.     Lundstrom, 


364  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

Eran.  12,  1.  Virck,  Cic.  qua  ratione  Xen.  oec.  verterit,  Berl.  1914.  Über  die 
Übersetzungen  von  Piatos  Timaeus  und  Protagoras  s.  §  186,  9  u.  9a. 

3.  De  inventione:  Cic.  de  or.  1,  5  (absichtlich  verkleinernd)  quae 
pueris  aut  adulescentulis  nobis  ex  commentariolis  nostris  incohata  (er  ließ  sie 
angeblich  unfertig)  ac  rudia  exciderunt  vix  hac  aetate  digna  et  hoc  usur 
quem  ex  causis  .  .  .  tot  tantisque  consecuti  sumus.  Vgl.  1,  23.  Quint.  3,  6,  60 
Cicero  his  pulcherrimos  illos  de  oratore  libros  substituit.  —  Die  Hss.  (in  den 
besseren  fehlt  freilich  der  Titel,  die  Würzburger  Hs.  hat  die  Unterschrift 
explicit  Über  rethoricae)  nennen  das  Werk  Rhetorica,  ebenso  Priscian  GL. 
2,  81.  469.  489.  545  {Cicero  in  1  rhetoricon  udgl.).  Auch  bei  Quintilian  blickt 
dieser  Name  durch  oder  vielmehr  der  wohl  außerdem  gangbare  Rhetorici 
(sc.  libri;  vgl.  des  Plinius  studiosi  III,  s.  §  312,  2):  2,  15,  6  in  rhetoricis, 
quos  sine  dubio  ipse  non  probat.  3,  1,  20  rhetoricos  suos.  3,  5,  14  ex  Cic. 
rhetorico  I.  .  .  ipse  hos  libros  improbat.  3,  6,  50  (Cicero  in  libris  rhetoricis 
=  de  inv.  1,  10)  und  58  (in  primo  Ciceronis  rhetorico).   Hieronym.  adv.  Rufin. 

1,  p.  137  lege  ad  Herennium  Tullii  libros,  lege  Rhetoricos  eins  aut re- 

volve  tria  Volumina  de  oratore.  Quint.  2,  14,  4  cum  M.  Tullius  etiam  in  ipsis 
librorum,  quos  hac  de  re  (über  die  Rhetorik)  primum  scripserat,  titulis  Graeco 
nomine  utatur.  Unrichtig  ist  die  Benennung,  die  ihr  AWeidner  in  s.  Aus- 
gabe p.  vi  nach  einigen  Stellen  der  Schrift  und  nach  Quint.  3,  6,  64  (vgl. 
auch  Iul.  Vict.  429,  12  H.)  gegeben  hat:  Ars  rhetorica;  auch  der  Name 
frhetorice'  (dafür  Eussner,  BlbayrGW.  16,  1)  ist  nicht  genügend  beglaubigt. 
Haellingk,  Comment.  Studemund.,  Straßb.  1889,  333. 

4.  Cic.  de  inv.  2,  4  quod  quoniam  nobis  voluntatis  accidit ,  ut  artem  di- 
cendi  perscriberemus,  non  unum  aliquid  proposuimus  exemplum,  cuius  omne& 
partes  . .  exprimendae  nobis  necessario  viderentur,  sed  omnibus  unum  in  lo- 
cum  coactis  scriptoribus ,  quod  quisque  commodissime  praecipere  videbatur, 
excerpsimus  etc.  ebd.  5  quos  (Aristoteles,  Isokrates  und  deren  Nachfolger) 
. . .  nobis  omnes,  quoad  facultas  tulit,  proposuimus  et  ex  nostra  quoque  non- 
nihil  in  commune  contulimus.  Hermagoras  wird  genannt  1,  8.  12.  16.  97; 
überhaupt  verschleiert  Cic.  seine  Abhängigkeit  von  griechischen  Quellen 
und  Lehren  nicht  wie  der  Auct.  ad  Her.  Quint.  3,  6,  59  sunt  velut  regestae 
in  hos  commentarios\  quos  adolescens  deduxerat,  scholae,  et  si  qua  est  in  his 
culpa,  tradentis  est.  ebd.  3,  11,  10.  18  (in  Rhetoricis  Hermagoran  est  secutus). 
FBader  p.  18 — 24.  Trotz  seiner  Versicherung  hat  Cic.  kaum  etwas  Eigenes 
geboten,  sondern  die  Lehren  seines  Meisters  aufgezeichnet.  Dieser  folgte 
dem  System  des  Hermagoras,  nahm  aber  auch  an  der  Form,  in  der  er  es 
benutzte,  noch  allerlei  Veränderungen  vor,  die  einen  Ausgleich  mit  anderen 
rhetorischen  Systemen  herbeiführen  sollten,  aber  nicht  durchweg  zweck- 
mäßig waren.  Wer  dieser  Lehrer  war  und  in  welchem  Verhältnis  er  zu 
dem  des  Auct.  ad  Her.  stand,  bleibt  unklar:  s.  darüber  §  162,  3.  Auf  rho- 
dischen  Einfluß  weist  besonders  die  Einsetzung  des  Namens  Rhodii  in 
ältere  Beispiele  1,  47.  2,  87.  Marx  161  erinnert  daran,  daß  der  rhodische 
Rhetor  Apollonios  Molon  J.  87  in  Rom  war  und  von  Cic.  gehört  wurde. 
Wie  die  Schlußworte  zeigen  (vgl.  auch  1,  5  E.  9),  wollte  Cic.  das  ganze 
System  der  Rhetorik  darstellen,  behandelt  aber  in  den  beiden  Büchern  nur 
die  inventio.  Und  zwar  bespricht  B.  1  nach  einem  kurzen  Abriß  der  Stasis- 
lehre   (§  10 — 19)    die   sechs  Teile  der  Rede,    B.  2  enthält   die    ausführlich© 


§  177.  Cicero  (de  inventione)  365 

Darlegung  der  Stasislehre.  Vgl.  Thiele,  Quaest.  de  Cornifici  et  Cic.  artibus, 
Greifsw.  1889.  Losgelöst  sind  die  Prooemia,  die  philosophischen  Einfluß 
verraten;  das  zu  B.  1  führt  mitten  in  die  hellenistischen  Debatten  über  die 
Berechtigung  der  Rhetorik  hinein  (vgl.  Philodem  ed.  Sudhaus,  Suppl.  Lpz. 
1895)  und  polemisiert  sogar  gegen  Hermagoras,  der  die  Behandlung  der 
Theseis  für  die  Rhetorik  in  Anspruch  nahm.  Dies  und  Anderes  (Norden, 
JJ.  Suppl.  19,  427)  scheint  auf  Poseidonios  zu  weisen  (vgl.  Philippson  A.  5). 
Doch  beruft  sich  Cic.  auch  1,  61  auf  Aristoteles,  Theophrast  und  die  Peri- 
patetiker. 

5.  Da  die  Ansicht,  daß  Cic.  die  Schrift  ad  Herennium  (§  162)  benutzt 
habe,  unhaltbar  ist,  so  entfällt  auch  das  auf  diese  Weise  gewonnene  Argu- 
ment für  die  Bestimmung  der  Abfassungszeit.  Unrichtig  ist  auch  die  Be- 
hauptung von  Philippson,  JJ.  133,  421,  Cic.  habe  die  Lehren  des  Poseido- 
nios (A.  4E.)  mündlich  von  diesem  gehört  und  die  Schrift  sei  deshalb  erst 
im  J.  77  ediert:  das  widerspricht  Ciceros  eigener  Angabe  (A.  3).  Eher  läßt 
sich  die  Beobachtung  verwerten  (Marx,  Auct.  ad  Her.  76),  daß  die  beim 
Auct.  ad  Her.  angeführten  Beispiele  aus  den  80  er  Jahren  hier  fehlen  und 
nichts  über  J.  92  hinausweist,  was  bei  der  sonstigen  Übereinstimmung  der 
beiden  Schriften  ins  Gewicht  fällt.  Freilich  gewinnen  wir  auch  so  nur  den 
Termin  für  Ciceros  Studienzeit,  nicht  für  die  doch  wohl  von  ihm  selbst  be- 
sorgte Herausgabe  (Eussner,  BlbayrGW.  16,  2):  viel  später  kann  aber  auch 
diese  nicht  fallen,  wegen  pueris  aut  adulescentulis  kaum  nach  J.  86.  —  Die 
Sprache  ist  noch  unausgeglichen  und  ungelenk,  übrigens  in  den  Prooemien 
viel  reicher  als  in  den  technologischen  Partien.  PhThielmann,  de  sermonis 
proprietatibus  . .  ap.  Cornificium  et  in  primis  Cic.  libris  (de  inv.  p.Quinct. 
pSRosc),  Straßb.  1879.    Ströbel  (A.  7). 

6.  Commentar  des  Marius  Victorinus  (§  408,  6)  zu  der  Schrift.  Excepta 
ex  Grillii  commento  (§  445,  7)  bei  Halm,  Rhet.  lat.  min.  p.  596.  —  Über 
einen  (wertlosen)  mittelalterlichen  Kommentar  eines  Theodoricus  Brito, 
homo  barbaricae  nationis  zu  Cic.  de  inv.  s.  PThomas,  Mel.  Graux  41.  Noch 
spätere  Kommentare  bei  Delisle,  Not.  et  extr.  36  (1899).  Wisen,  De  schol. 
rhet.  ad  Her.  usw.,  Upsala  1905.  Vgl.  Suringar,  hist.  schol.  lat.  1,  212. 
REllis,  Journ.  phil.  9,  61.  13,  86.  ERohde,  Sehr.  2,  98.  Bücheler,  RhM. 
38,  637.  39,  168. 

7.  Die  besten  Hss.  sind  eine  Pariser  (7774  A),  Würzburger  und  St.  Galler 
Hs.  (Facsim.  Chatelain  T.  18),  alle  s.  IX:  darüber  Ströbel,  Phil.  45,  469; 
BlbayrGW.  30,  92;  Tulliana,  Münch.  1908.  Dazu  kommen  die  zahlreichen 
Anführungen  bei  den  späteren  Rhetoren.  —  Sonderausgaben:  cum  not. 
varior.  von  PBurmann,  Leid.  1761  (neugedruckt  v.  Flindemann,  Lpz.  1828). 
Cic.  artis  rhetoricae  libri  II  rec.  AWeidner,  Berl.  1878.  —  FBader,  de  Cic. 
rhet.  libris,  Greifsw.  1869.  AKnackstedt,  de  Cic.  rhetoricorum  libris  ex 
rhetoribus  emendandis  I,  Gott.  1873;  II  Helmstedt  1874.  Weidner  vor  s. 
Ausg.  p.  xxn. 

178.  Zum  Redner  war  Cicero  wie  wenige  schon  von  Natur 
berufen:  die  außerordentliche  Beweglichkeit  seines  Geistes,  seine 
lebhafte  Einbildungskraft,  sein  leicht  entzündliches  und  warmes 
Gefühl,  ein  ganz  ungewöhnliches  Formtalent,  eine  unerschöpfliche 


366  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

Fülle  des  Ausdrucks,  ein  glückliches  Gedächtnis,  die  Gabe  des 
schlagenden  und  erheiternden  Witzes,  dazu  günstige  Stimmmittel 
und  eine  würdevolle  Gestalt,  —  dies  alles  führte  ihn  wie  von  selbst 
auf  das  Hauptfeld  seiner  Tätigkeit.  Aber  er  tat  auch  seinerseits 
alles,  um  hier  das  Höchste  zu  erreichen:  erst  nach  langer  müh- 
seliger Vorbildung,  theoretischer  wie  praktischer,  begann  er  öffent- 
lich zu  reden  und  stand  nie  stille,  sondern  arbeitete  fortwährend 
an  seiner  Vervollkommnung,  trat  immer  wohlvorbereitet  auf,  be- 
trachtete jede  gelungene  Leistung  als  eine  Stufe  und  einen  Sporn 
zu  einer  noch  vollendeteren,  und  suchte  sich  der  Aufgabe  und  der 
Mittel,  sie  zu  erreichen,  durch  fortgesetztes  Nachdenken  und  Stu- 
dium bewußt  zu  werden.  Dadurch  hat  er  nach  dem  allgemeinen 
Urteil  schon  der  alten  Kunstrichter  den  Platz  zur  Seite  des  De- 
mosthenes  oder  gleich  nach  ihm  erreicht,  nach  dem  er  selbst  strebte. 
Obwohl  er  an  seinen  Ernst  und  die  daraus  fließende  Kraft  nicht 
hinanreicht,  übertrifft  er  ihn  an  Mannigfaltigkeit,  Glanz  und  Fülle 
des  Ausdrucks:  die  zwischen  beiden  liegenden  Jahrhunderte  hatten 
nicht  vergeblich  an  der  Verfeinerung  der  rednerischen  Mittel  ge- 
arbeitet. Die  Worte  strömen  ihm  so  reichlich  zu,  daß  er  manchmal 
breit  wird,  oft  aber  ist  seine  Redseligkeit  auch  ein  Mittel,  um  die 
Schwäche  seiner  Gründe  zu  verdecken.  In  der  Form  liegt  seine 
Stärke:  sie  ist  klar,  gewählt,  rein,  rund,  sachgemäß,  anschaulich, 
geschmackvoll  und  blendend.  Alle  Tonarten,  vom  leichten  Scherz 
bis  zum  tragischen  Ausdrucke,  stehen  ihm  zu  Gebote,  besonders 
aber  gelingt  ihm  die  Sprache  der  Überzeugung  und  Empfindung, 
die  er  durch  feurigen  Vortrag  noch  wirkungsreicher  zu   machen 

Do  O 

wußte,  weshalb  er  überwiegend  in  Strafprozessen  tätig  war.  Frei- 
lich artet  dieser  Vorzug  manchmal  auch  in  Effekthascherei  aus, 
und  der  Prunk  der  Worte  verhüllt  oft  die  Armut  der  Gedanken 
oder  die  Bedenklichkeit  der  Sache;  aber  dabei  steht  Cicero  ganz 
innerhalb  der  Tradition  der  antiken  Gerichtsrede.  Auch  daß  er  in 
der  Annahme  von  Verteidigungen  nicht  sehr  wählerisch  war,  hat 
er  mit  den  Sachwaltern  aller  Zeiten  gemein.  Als  Ganzes  sind 
seine  Reden  oft  nicht  befriedigend  und  können  es  als  aycjvCd^iatcc 
eg  tö  7taQa%Q'Y}{ia  auch  nicht  sein;  es  fehlt  ihnen  nicht  selten  an 
Schärfe  der  Auffassung  und  Anordnung;  desto  wirksamer  sind  viele 
Einzelheiten. 

1.  Wir  kennen  Ciceros  rednerische  Entwicklung  aus  seiner  Selbstschil- 
derung im  Brut.  301  ff.,  deren  apologetische  Tendenz  man  aber  in  Betracht 
ziehen  muß.    Cic.   gibt  hier  zu,   daß   er  anfangs   an   einem    gewissen  Über- 


§  178.  Cicero  als  Redner  367 

schwang  gelitten  habe,  der  sich  auch  in  übermäßiger  Anstrengung  der 
Stimme  zeigte.  Seine  Freunde  rieten  ihm,  den  Beruf  des  Sachwalters  ganz 
aufzugeben,  aber  das  ließ  sein  Ehrgeiz  nicht  zu,  und  so  beschloß  er,  ut 
consuetudinem  dicendi  mutarem,  nach  Kleinasien  zu  gehen.  Er  hörte  in 
Athen  den  Demetrios  Syros,  in  Kleinasien  Menippos  von  Stratonikeia,  Dio- 
nysios  von  Magnesia,  Aischylos  von  Knidos  und  Xenokles  von  Adramyttion, 
zuletzt  Apollonios  Molon  in  Rhodos:  is  dedit  operam,  si  modo  id  consequi 
potuit,  ut  nimis  redundantis  nos  et  superfluentis  iuvenili  quadam  dicendi  im- 
punitate  et  licentia  reprimeret  et  quasi  extra  ripas  diffluentis  coerceret.  ita 
recepi  nie  biennio  post  (J.  77)  non  modo  exercitatior,  sed  prope  mutatus;  nam 
et  contentio  nimia  vocis  resederat  et  quasi  de f erverat  oratio,  lateribusque 
vires  et  corpori  mediocris  habitus  accesserat.  Er  leugnet  also  keineswegs 
seine  Beziehungen  zu  den  Asiani  (§  182,  3.  4),  bemerkt  aber  von  Menippos: 
si  nihil  habere  molestiarum  nee  ineptiarum  Atticorum  est,  hie  orator  in  Ulis 
numerari  recte  potest.  Jener  jugendliche  Überschwang  ist  in  den  beiden 
ersten  Reden  bemerklich  (§  179,  1),  und  orat.  107  führt  Cic.  selbst  p.  Rose. 
A.  72  als  Beispiel  dafür  an.  Die  nach  der  kleinasiatischen  Reise  gehaltene 
Rede  p.  Q.  Rose,  ist  von  Schwulst  frei  und  zeigt  den  Charakter  der  Bered- 
samkeit des  Hortensius  (§  179,  3).  Die  spätere  Entwicklung  überschauen 
wir  noch  nicht  genügend;  natürlich  paßt  Cic.  den  Ton  dem  Gegenstande 
an,  und  Laurand  Etudes  219  versucht  sogar,  die  Anwendung  der  drei  Stil- 
arten zu  verfolgen  (§  182,  4,  1).  Fiegl,  Cic.  quatenus  ad  Asianum  genus 
accesserit,  Görz  1870. 

2.  Die  Praxis  der  Reden  stimmt  mit  der  Theorie  im  ganzen  überein. 
Da  diese  aber  griechisch  ist,  so  kommen  allerlei  durch  die  römischen  Ver- 
hältnisse und  die  Tradition  des  römischen  Forums  bedingte  Abweichungen 
vor;  namentlich  übt  die  Stasislehre  (§  177,  4)  keine  unbedingte  Herrschaft 
aus.  FRohde,  Cic.  quae  de  inv.  praeeipit  quatenus  secutus  sit,  Königsb. 
1903.  Preiswerk,  De  inventione  orationum  Cic,  Basel  1905.  Ziegeler,  Zwölf 
Reden  Cic.  disponiert,  Bremen  1904.  AHaacke,  de  disposit.  orat.  Cic,  Burg 
1873.  Kunz,  Inhalt  und  Gliederung  Ciceron.  Reden,  Wien.  Neustadt  1902. 
Mury,  Extraits  et  analyses  des  prineipaux  discours  de  Cic.  3Paris  1910. 
Geringer  ist  der  Einfluß  der  philosophischen  (akademischen)  Rhetorik  (§  182, 2). 
Eine  ausgeführte  Thesis  enthält  die  Rede  pro  Murena,  doch  finden  sich 
auch  sonst  allgemeine  Sätze  und  philosophische  Sentenzen  (nat.  deor.  1,  6E.): 
indeß  kann  dies  ebenso  wie  die  Verfeinerung  der  dialektischen  Kunst  im 
Vergleich  zur  demosthenischen  Zeit  aus  dem  Eindringen  der  Philosophie  in 
die  allgemeine  Bildung  stammen  und  braucht  nicht  mit  den  Forderungen 
der  Akademie  zusammenzuhängen.  Ranft,  Quaest.  philos.  ad  orat.  Cic.  per- 
tinentes,  Lpz.  1912.  Lieby,  Quantum  philos.  studio  Cic.  tribuerit,  Paris  1901. 
Preiswerk,  Griech.  Gemeinpl.  in  Cic  Reden,  Festschr.  Basel  1907,  27. 
FSauer,  Die  Verwendung  der  Gesch.  in  Cic.  Reden,  Ludwigsh.  1910.  — 
Vgl.  Cics  Urteil  über  sich  Brut.  321  cum  propter  adsiduitatem  in  causis  et 
industriam  tum  propter  exquisitius  et  minime  volgare  orationis  genus  animos 
hominum  ad  me  dicendi  novitate  converteram.  nihil  de  me  dicam,  dieam  de 
ceteris,  quorum  nemo  erat  qui  (wie  ich)  videretur  exquisitius  quam  volgus 
hominum  studuisse  litteris,  quibus  fons  perfeetae  eloquentiae  continetur  (wo- 
bei besonders  an  die  akademische  Philosophie  gedacht  ist);  nemo  qui  philo- 


368  Ciceronische  Zeit:  J.  83-43  v.  Chr. 

sophiam  . .  ius  civile  . .  memoriam  rerum  Romanarum  teneret,  . . .  nemo  qui 
breviter  arguteque  inluso  aäversario  laxaret  iudicum  animos  atque  a  severi- 
taie  paulisper  ad  hilaritatem  risumque  traduceret ;  nemo  qui  dilatare  posset 
atque  a  propria  ac  definita  disputatione  hominis  ac  temporis  (ady  commune m 
quaestionem  universi  generis  orationem  traducere  (von  der  Hypothesis  zur 
Thesis  übergehen,  §  182,  2,  2);  nemo  qui  delectandi  gratia  digredi  parumper 
a  causa;  nemo  qui  ad  iracundiam  magno  opere  iudicem,  nemo  qui  ad  fletum 
posset  adducere,  nemo  qui  animum  eins  —  quocumque  res  postularet  impellere. 
Orat.  108  nemo  orator  tarn  multa  ne  in  Graeco  quidem  otio  scripsit  quam 
multa  sunt  nostra,  eaque  hanc  ipsam  habent  quam  probo  varietatem;  vgl.  div. 
Caec.  40  f.  72.  Cic.  sieht  selbst  seine  Stärke  in  seiner  Leidenschaftlichkeit, 
orat.  129 ff.,  wo  zB.  130  quid  ego  de  miserationibus  loquar?  quibus  eo  sum 
usus  pluribus,  quod  etiamsi  plures  dicebamus,  per  orationem  mihi  tarnen  omnes 
relinquebant  (vgl.  pSull.  Mur.  Flacc.  Sest.  Balb.  und  die  besonders  ausge- 
führte peroratio  der  Rede  pMil.).  Ebd.  132  nullo  enim  modo  animus  audien- 
tis  aut  incitari  aut  leniri  potest,  qui  modus  a  me  temptatus  non  sit  .  .  nulla 
me  ingenii,  sed  magna  vis  animi  inflammat,  ut  me  ipse  non  teneam.  Quint. 
10,  1,  105 — 112  (Vergleich  mit  Demosthenes,  wie  ihn  Cic.  selbst  heraus- 
gefordert und  Caecilius  von  Kaiakte  in  der  6vyv.Qicig  4r\iio6%'£vovg  %cu  Ki- 
■KSQcovog  gezogen  hatte).    12,  1,  19 — 21. 

Über  Cic.s  Witz  Quint.  6,  3,  3  non  solum  extra  iudicia  sed  in  ipsis  etiam 
orationibus  habitus  est  (Cic.)  nimius  risus  affectator.  Deshalb  läßt  er  auch 
in  de  orat.  B.  2  einen  Vortrag  über  den  Witz  halten  (s.  §  182,  2,  2).  Vgl. 
Macrob.  2,  1,  13.  Drumann,  GR.  6,  599.  AHaacke,  de  Cic.  in  orationibus 
facetiis,  Burg  1886.  Faulmöller,  Üb.  d.  Verwendung  des  Witzes  u.  d.  Satire 
bei  Cic,  Erlang.  1906.  Herwig,  Das  Wortspiel  in  Cic.  Reden,  Attendorn 
1889.    Gürlitt,  RhM.  57,  337. 

3.  Die  Reden  sind  wohl  alle  für  die  Herausgabe  verändert:  namentlich 
bei  denen,  die  als  politische  Flugschriften  dienen  sollten,  ist  es  vorauszu- 
setzen. Daher  läßt  Dio  46,  7,  3  den  Calenus  zu  Cic.  sagen:  rj  oi'si  xivcc 
ccyvosiv,  ort  \ir\8iva  td>v  ftöLV\Lu.6xä)v  Gov  xovxcov  Xoycov,  ovg  i-nSsdoaticcg,  slgr]- 
xag,  aXXä  7tccvxag  ccvxovg  \isxcc  xccvxa  ovyyiyQCicpccg;  Es  wird  auch  bezeugt 
teils  durch  das  Vorhandensein  der  commentarii  (§  180,  3  und  dort  Quint. 
10,  7,  30),  teils  durch  das  einer  stenographischen  Nachschrift,  Ascon.  in 
Mil.  37,  15  itaque  non  ea  qua  solitus  erat  constantia  dixit.  manet  autem  illa 
quoque  excepta  eius  oratio,  scripsit  vero  hanc  quam  legimus  ita  perfecte,  ut 
iure  prima  haberi  possit.  Cic.  bezeugt  selbst  Zusätze  ad  Att.  1,  13,  5  in 
illam  orationem  Metellinam  addidi  quaedam-,  daß  das  z.  T.  auf  Attikus'  Rat 
geschah,  ergibt  sich  aus  1,  14,  5  meis  orationibus,  quarum  tu  Aristarchus  es. 
Vgl.  Brut.  91.  Tusc.  4,  55.  Plin.  ep.  1,  20,  7.  §  180,  Ib.  Ofperskalski,  De 
Cic.  orationum  retractatione,  Greifswald  1914.  Ausnahmsweise  wurde  eine 
Rede  abgelesen  wie  post.  red.  in  sen.,  pPlanc.  74  recitetur  oratio,  quae 
propter  rei  magnitudinem  dicta  de  scripto  est.  Von  einer  Rede  für  Cornelius 
erzählte  Cornelius  Nepos  HRF.  223  se  praesente  iisdem  paene  verbis,  quibus 
edita  est,  eam  pro  Cornelio  seditioso  tribuno  defensionem  peroratam.  In  be- 
sonderen Fällen  ist  es  auch  unten  bei  den  einzelnen  Reden  bemerkt.  Lau- 
rand, Etudes  1.    Norden,  SB.  Berl.  Ak.  1913,  29.    Vgl.  §  44,  7. 

4.  Die  Reden  wurden  teils  einzeln   publiziert   (vgl.  ad  Att.  4,  2,  2.   Qu. 


§  178.  Ciceros  Reden  (Allgemeines)  369 

fr.  3,  1,  11.  ad  Brut.  1,  3,  4.  4,  2)  teils  in  Corpora  zusammengefaßt.  Dies 
geschah  zB.  bei  den  Verrinen,  die  Cic.  or.  103  als  accusationis  Septem  libri 
zitiert  und  von  denen  Gkll.  1,  7, 1  (vgl.  13,  21, 16)  einen  Über  spectatae  fidei 
Tironiana  cura  atque  disciplina  factus  las.  Von  seinen  orationes  consulares, 
dh.  denen,  die  er  in  seiner  Eigenschaft  als  Consul  gehalten  hatte,  nicht 
denen  des  Consulatsjahres,  veranstaltete  er  selbst  im  J.  60  eine  Sammlung, 
die  Demosthenes'  philippischen  Reden  entsprechen  sollte  (ad  Att.  2,  1,  3). 
Die  Caesarianae  werden  mehrfach  unter  diesem  Titel  zitiert.  Auf  eine  zeit- 
lich geordnete  Ausgabe  des  Tiro  führt  die  §  191,  2  genannte  subscriptio; 
vgl.  dazu  Fronto  S.  20  N.  nach  der  Lesung  von  Hauler,  Mel.  Chatelain  622: 
exempla  aut  a  Tirone  emendata  aut  a  Domitio  Balbo  deseripta  aut  ab  Attico 
aut  Nepote.  Auf  eine  Sammlung  der  Reden  Ciceros,  worin  jede  Rede  ein 
eigenes  Buch  bildete,  weisen  Zitate  wie  Chams.  GL  1,  368,  28  Cicero  cau- 
sarum  decimo  tertio;  vielleicht  auch  Quint.  5,  10,  98  Cicero  pro  Caecina 
. .  et  alia  in  eodem  libro  plurima.  Vgl.  PHildebrandt ,  De  Cic.  schol.  Bo- 
biens.,  Gott.  1894,  9.  Sammelhss.,  die  eine  Mehrzahl  von  Reden  enthalten 
und  antike  Corpora  wiedergeben,  sind  zB.  folgende:  Vatic.-Basilic.  S.  Petri 
H  25  s.  IX  (Facsim.  bei  Chatelain  T.  26)  enthält  Pis.,  Font.,  Flacc,  Phi- 
lipp.; Paris.  7794  s.  IX  (Chat.  T.  23)  enthält  pridie  quam  iret  in  exilium 
(§  180,  6),  post  red.  in  sen.,  post  red.  ad  Quir.,  de  domo,  Sest.,  Vatin.,  de 
prov.  cons.,  de  har.  resp.,  Balb.,  Cael.,  also  ein  Corpus  der  den  J.  (58)57/6 
angehörenden  Reden  (hg.  von  WPeterson,  Oxf.  1910);  dieselben  zehn  Reden 
nebst  den  Caesarianae  (§  179,  41,  1)  im  Bruxell.  5345  s.  XII;  im  Monac. 
18787  s.  X  (Chatelain  T.  27)  Philipp.,  pro  imp.  Pomp.,  Mil.,  Süll.,  Plane, 
Caec,  Marc.  Über  Harleanus  2682  (früher  Coloniensis)  s.  XI  vgl.  Clark, 
Anecd.  Oxon.  I  7  (1891);  über  Holkhamensis  (Cluniacensis)  WPeterson  ebd. 
I  9  (Facsim.  Chatelain  T.  27  a).  Die  Reden  oder  einzelne  Gruppen  waren 
öfters  alphabetisch  geordnet  (vgl.  Niebuhr  zu  Cic.  pFont.,  Rom  1820,  67; 
s.  §  179,  3,  2),  öfters  zeitlich  (so  zB.  in  den  oben  erwähnten  Paris.  7794 
und  Brux.  5345;  HJordan,  quaest.  crit.,  Königsb.  1886,  3;  vgl.  §  295,  2. 
374,  5).  —  Umfassendere  Sammlungen  namentlich  in  (jüngeren  Hss.  zB. 
Wolfenbüttel.  205  s.  XV  (38  Reden);  Laur.  48,  25  s.  XV  Chatelain  T.  24) 
gibt  41  Reden;  Vatic.-Palat.  1525  s.  XV  (Chatelain  T.  25)  enthält  die  mei- 
sten Reden.  Wichtig  ist  Paris.  14749  s.  XV,  in  dem  der  verlorene  Clunia- 
censis Poggios  benutzt  ist.  — ■  Daß  es  schon  früher  erhebliche  Varianter 
gab  und  wir  damit  rechnen  müssen,  in  jungen  Hss.  sehr  alte  Lesarten  zu 
finden,  zeigt  zB.  das  Papyrosfragment  von  pCael.  aus  s.  V  (§  179  Nr.  34,  1), 
Über  die  indirekte  Überlieferung  vgl.  Emlein,  De  locis  quos  ex  Cic.  orat.  lau- 
davit  Quintil.,  Heidelb.  1907. 

4.  Über  den  Kommentar  des  Asconius  s.  §  295,  2,  Die  scholia  Bobiensia 
stellen  heute  einen  Kommentar  zu  zwölf  Reden  dar,  darunter  den  verlorenen 
in  Clod.  et  Curionem,  de  rege  Alexandrino,  de  aere  alieno  Milonis;  doch 
waren  ursprünglich  mehr  Reden  behandelt.  Sie  rühren  von  einem  Verf. 
her,  der  stilistischen  Ehrgeiz  besitzt  und  in  erster  Linie  rhetorisch  erklärt, 
ohne  doch  das  Historische  außer  Acht  zu  lassen.  Ältere  Kommentare,  da- 
runter der  des  Asconius  (ob  direkt?),  sind  natürlich  benutzt.  Die  Stelle 
155,  3  feriarum  Latinarum  sacrificio  solebat  hoc  observari,  ut  de  hostia  civi- 
tates  adiacentes  portiuneulas  carnis  aeeiperent  ex  Albano  monte   seeundum 

Teuffei:  röm.  Literaturgesch.    Neub.  6.  Aufl.  I.  24 


370  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

veterem  superstitionem  hat  man  für  Abfassung  in  christlicher  Zeit  gel- 
tend gemacht;  das  ist  nicht  zwingend,  und  vollends  nicht,  wenn  die  ent- 
scheidenden Worte  später  zugesetzt  sind  (Stangl,  RhM.  65,  106).  Keines- 
falls fällt  die  Abfassung  vor  das  4.  Jahrh.  —  Mai  fand  den  Kommentar  in 
einer  Hs.  aus  Bobbio,  deren  Reste  jetzt  im  Vatikan  und  Mailand  sind  (Va- 
tic.  5750  und  Ambros.  E  147  sup.),  und  gab  ihn  zuerst  in  Cic.  trium  orat. 
fragm.  (Mail.  1814),  namentlich  aber  Class.  Auct.  2  (1828)  heraus.  Ferner 
ed.  Orelli,  Züricher  Ausg.  5,  2  (18 — 33).  Hildebrandt,  Lpz.  1907  und  bes. 
Stangl  (s.  u.).  Vgl.  Gaumitz,  Zu  den  Bob.  Cic.  schol.,  Dresden  1884.  BSchil- 
ling,  De  schol.  Bobiensibus,  Dresden  1892.  Hildebrandt,  dgl.  Gott.  1894. 
Der  sogenannte  Scholiasta  Gronovianus  (s.  auch  §  177,  5  Z.  10),  allein  er- 
halten im  Leid.  Voss.  Q.  138  s.  X,  aus  verschiedenartigen  Kommentaren 
zusammengewachsen,  gibt  Erklärungen  zu  Verr.  2,  1,  1 — 62  (dies  ist  der 
älteste  Teil,  etwa  aus  s.  V,  ähnlich  den  Bobbio  -  Scholien) ;  zu  div.  in 
Caec;  Verr.  1,  16—20;  Verr.  1,  1—45;  Catil.  II— IV;  Lig.;  Marc;  Deiot.; 
Rose.  Am.;  de  imp.  Pomp.;  Mil.  ThStangl,  der  sog.  Gronovscholiast,  Prag 
1884.  GLandgrap  zu  Cic.  Rose.  p.  3  (§  179,  2,  2).  Ferner  unbedeutende 
kleinere  Scholien.  —  Alle  diese  Texte  jetzt  zusammen  in  Cic.  orationum 
scholiastae  ed.  Stangl.  Bd.  2,  Lpz.  1912.  —  Sonstige  alte  Herausgeber  und 
Erklärer  des  Cic.  sind  Fronto,  Flavius  Caper,  Volcacius,  Statilius  Maximus; 
s.  d.  Auch  Sacer:  s.  §  179,  19,  1.  Vgl.  Prisc.  GL.  3,  316,  2  commentatores 
pröbatissimi  (der  Reden). 

5.  Ausgaben  sämtlicher  Reden  von  Manutius  (Ven.  1546  IH),  Lambinus 
(Ven.  1570  III),  Graevius  (cum  not.  var.,  Amsterd.  1695 — 99  III),  Klotz  (Lps. 
1835—39  III).  Clark  u.  Peterson,  Oxf.  1900—1910  VI  (maßgebender  Ap- 
parat). 

6.  Ausgewählte  Reden  für  den  Schulgebrauch  zB.  von  Madvig  (12  Reden, 
Kopenh.4  1858).  Halm  (u.  WSternkopf)  (18  Reden  erklärt,  Berl.5-14  1882  ff. 
VII)  u.  a.  —  Neuere  Textausgaben  der  orationes  selectae:  die  des  Haller 
Waisenhauses  (21 1883  cur.  OHeine);  Halm  (18  Reden,  Berl.  21887),  Eber- 
hard u.  Hirschfelder  (19  Reden,  Lpz.2  1879).    HNohl,  Lpz.  1884  ff.  III. 

7.  Sprachliches  zu  den  Reden:  Merguet,  Lexikon  zu  den  Reden  d.  Cic, 
Jena  1873 — 84  IV.  —  DRohde  (§  195,  10).  JStraub,  de  tropis  et  figuris  in 
orat.  Demosth.  et  Cic,  Aschaffenb.  1883.  ARoschatt,  d.  Gebr.  der  Paren- 
thesen in  Cics  Reden  u.  rhet.  Sehr.,  Acta  semin.  Erl.  3,  189.  Schönberger, 
Tulliana,  Augsb.  1911.  Vgl.  §  179,  1,  1.  —  Berichte  über  die  Literatur  von 
Landgraf,  JB.  35,  1  u.  ö.  May,  JB.  134,  123.  153,  38.  Schönberger,  JB.  167, 
280.    Luterbacher,  JB.  phil.  Ver.  seit  1898. 

8.  Ciceros  sämtliche  Reden,  übersetzt  v.  Osiander,  Stuttg.  (Metzler). 
Ausgewählte,  übers,  v.  GWendt,  Stuttg.  (Metzler,  Klass.  d.  Alt.)  1858; 
Jenicke,  Lpz.  (Engelmann)  1858  ff. ;  Siebelis,  Stuttg.  (Hoffmann)  1861  ff. 

179.  Die  erhaltenen  Reden  Ciceros  sind  in  zeitlicher  Ordnung 
folgende : 

1)  pro  Quinctio,  gehalten  J.  81,  eine  Verhandlung  in  iudicio, 
betrifft  eine  Privatklage,  die  sich  aus  einem  Gesellschaftsverhältnis 
ergab.    Ciceros  Klient  ist  in  die  Stellung  eines  Klägers  gedrängt 

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COLLEGE 


§  179.  Ciceros  Reden  (pQuinct.,  pRosc.  A.)  371 

und  klagt  auf  Entscheidung  der  eingegangenen  sponsio  praeiudi- 
cialis  zu  seinen  Gunsten.  Die  Verhandlung  ist  nur  ein  Ausschnitt 
aus  dem  Hauptprozesse;  Quinctius  soll  nachweisen,  bona  sua  ex 
edicto  P.  Burrieni  praetor is  dies  XXX  possessa  non  esse. 

1.  In  den  älteren  Reden  zeigt  die  Sprache  noch  mehr  vulgäre  Bestand- 
teile als  später,  nachdem  sich  Cicero  einen  festen  Stil  ausgestaltet  hatte. 
Richtiger  sagt  man,  daß  Cic.  später  in  seinem  Purismus  noch  strenger  wird. 
Auch  ist  er,  dessen  Vorzug  niemals  straffe  Kürze  war,  in  dieser  Zeit  häufig 
sehr  breit.  —  EWölfflin,  Phil.  34,  142.  GLandgraf,  de  Cic.  elocutione  in 
orat.  pQu.  et  pRosc.  Am.,  Würzb.  1878.  Hellmuth,  de  sermonis  proprieta- 
tibus  in  Cic.  prioribus  (von  81 — 69)  orat.,  Acta  semin.  Erl.  1,  101.  Thiel- 
mann s.  §  162,  4;  stilist.  Bemerk,  zu  den  Jugendwerken  Cic.s,  BlbayrGW. 
16,  202.  352.  Ernst,  de  genere  dicendi  et  compos.  rhetorica  in  prioribus 
Cic.  orat.,  Neuruppin  1885.    Vgl.  unten  Nr.  26,  1,  Z.  6. 

2.  Den  dritten  Teil  der  Rede  pQuinctio,  der  einen  Punkt  von  unterge- 
ordneter Wichtigkeit  ausführte,  scheint  Cicero  selbst  bei  der  Veröffent- 
lichung weggelassen  zu  haben;  vgl.  §  44,  7.  Über  die  Wahrscheinlichkeit 
des  Sieges  Kübler,  Z.  Sav.  St.  RA.  14,  74;  über  die  politische  Seite  des 
Prozesses  RHeinze,  Abh.  Sachs.  Ges.  1909,  954.  —  Drumann,  GR.  32,  79.  5, 
232.  FLKeller,  Semestria  ad  M.  Tüll.  Cic.  1,  1  (Zur.  1842);  dazu  Mommsen, 
Sehr.  3,  548.  ERau,  disput.  iuridica  ad  Cic.  pQu.,  Leid.  1825.  JFrei,  der 
Rechtsstreit  des  Quinctius,  Zur.  1852.  SBenfey,  zur  Jurist.  Erkl.  d.  Rede  pro 
Q.,  Phil.  10,  126.  WOetling,  Cic.s  Quinctiana,  z.  Verständnis  u.  zur  rhetor. 
Würdigung,  Oldenb.  1882;  philol.-jurist.  Kommentar,  Festschr.  Hamm  1907. 
Analisi  giuridica  von  Nicastro,  Melfi  1912.  ECosta,  Le  orazioni  di  diritto 
privato  di  Cic,  Bologna  1899.    Roby,  Roman  private  law  2  (Cambr.  1902)  453. 

3.  Abgesehen  von  geringfügigen  Bruchstücken  im  Turin  er  Palimpsest. 
s.  IV/V  (s.  Peyron,  Cic.  orat.  p.  Scauro  usw.  p.  214,  vgl.  §  180,  2)  ist  diese 
Rede,  die  in  Italien  vor  dem  J.  1405  bekannt  wurde,  nur  in  jüngeren  Hss. 
s.  XV  erhalten.    Clark,  Anecd.  Oxon.  I  11  (1909)  3. 

2)  pro  Sex.  Roscio  Am  er  in  o,  J.  80  gehaltene  erfolgreiche 
Verteidigungsrede  gegen  die  Anschuldigung  des  Vatermords.  Der 
Fall  war  dadurch  erschwert,  daß  ein  Günstling  des  Diktators  Sulla, 
Chrysogonus,  der  eigentliche  Gregner  war.  Auf  das  Zureden  von 
Roscius'  vornehmen  Freunden  übernahm  Cicero  trotzdem  die  Ver- 
teidigung und  führte  sie  freimütig,  aber  doch  vorsichtig,  um  Sulla 
nicht  zu  verletzen.  Die  Rede  ist  schulmäßig  streng  gegliedert,  breit 
in  der  Darstellung  und  rhetorisch  aufgeputzt. 

1.  Cic.  Brut.  312  prima  causa  publica  pro  S.  Roscio  dieta  tantum  commen- 
dationis  kabuit,  ut  non  ulla  esset,  quae  non  digna  nostro  patrocinio  videretur. 
Orat.  107.  —  Drumann,  GR.  5,  234.  ANikl,  abundantiam  iuvenilem  in  or. 
p.  R.  A.  notavit,  Kempten  1836.  Über  das  Politische  RHeinze,  Abh.  Sachs. 
Ges.  1909,  960;  über  die  Beweisführung  Lincke,  Comment.  Fleckeis.  (Lpz. 
1890)  187.    May,  Rhythm.  Analyse  d.  Rede  pRosc,  Lpz.  1905. 

2.  Die  Rede  war   schon   Petrarca   bekannt.    AHortis,    Cic.  nelle  opere 

24* 


372  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

di  Petr.,  Triest  1878.  Später  wurde  sie  auch  von  Poggio  (um  1415)  in  Cluny 
nebst  der  pro  Murena  aufgefunden;  daher  beruht  der  Text  beider  Reden 
auf  Abschriften  des  verlorenen  Cluniacensis,  der  auch  pMil. ,  pClu.,  pCael. 
enthielt;  wichtig  ist  bes.  Paris.  14749  s.  XV  (21).  Clark,  Anecd.  Oxon.  I  10 
(1905).  Poggio  fand  auch  die  Reden  pCaec,  de  leg.  agr.,  in  Pis.,  pRab. 
Post.,  pRab.  perduellionis  reo,  pRosc.  com.;  über  die  auf  ihn  zurück- 
gehende Überlieferung  dieser  Reden  s.  Clark  ebd.  I  11  (1909).  —  Sonder- 
ausgaben von  Osenbrüggen  (mit  Einl.  und  Kommentar,  Braunschweig  1844), 
Gossrau  (Quedlinb.  1853),  Halm-Sternkopf  (Ausgew.  Reden  I,  Berl.12  1910), 
SKarsten  (Utr.  1861),  FRichter'  (Lpz.2  1877  von  AFleckeisen,  vgl.  dens. 
JJ.  93,  548).  Mit  . .  dem  schol.  Gronov.  hrsg.  u.  erkl.  v.  GLandgraf2,  Lpz. 
1914  (für  das  Sprachliche  sehr  reichhaltig).  Auch  eine  Schulausgabe  von 
dems.,  Gotha  1882. 

3)  pro  Q.  Roscio  comoedo,  nach  der  gewöhnlichen  Annahme 
gehalten  im  J.  76.  Gegenstand  der  Rede  ist  ein  Sklave  (Panurgus), 
den  der  Kläger,  C.  Fannius  Chaerea,  dem  Roscius  zur  Ausbildung 
in  der  Schauspielkunst  übergeben  hatte,  unter  der  Bedingung,  daß 
der  Gewinn,  den  einst  die  Kunst  des  Sklaven  eintrüge,  zwischen 
dem  Herrn  und  dem  Lehrer  geteilt  werde.  Nun  hatte  aber  ein  ge- 
wisser Flavius  jenen  Panurgus  getötet  und  dafür  zuerst  dem  Roscius 
und  dann  dem  Fannius  Schadenersatz  bezahlt;  um  dessen  Tilgung 
handelt  es  sich.  Die  Sachlage  war  für  Roscius  ungünstig,  und  Cicero 
sucht  sie  daher  zu  verschleiern. 

1.  Die  Rede  verrät  ein  Streben  nach  gorgianischen  Figuren,  aber  keinen 
Schwulst;  es  ist  die  Art,  die  Cic.  dem  Hortensius  zuschreibt  (Brut.  302.325). 
ThHuebner,  De  Cic.  or.  pRosc,  Königsb.  1906.  Fraglich  ist,  ob  die  Klage 
auf  Darlehen,  Literalkontrakt  oder  Stipulation  beruht  und  ob  der  zweite 
Teil  der  Rede  (von  15  an),  den  Cic.  selbst  als  voluntaria  bezeichnet  im 
Gegensatz  zur  superior  oratio  necessaria,  einen  eigentlichen  Klagegrund  ent- 
hält. EHuschke,  Richters  krit.  Jahrb.  1840,  481.  vBethmann-Hollweg,  röm. 
Zivilproz.  2  (Bonn  1865),  804.  JBaron,  Zeitschr.  d.  Savigny-Stift.  1,  116. 
ERuhstrat,  ebd.  3,  34.  Costa  (s.  o.  Nr.  1,  2)  29.  Roby  (Nr.  1,  2)  486.  HPflueger, 
Cic.  Rede  p.  Q.  R.,  Lpz.  1904.  Garrelon,  Etüde  sur  le  plaidoyer  pRosc, 
Bordeaux  1891.  Morgan,  Harv.-St.  12,  237.  Drumann,  GR.  5,  346,  der  die 
Rede  erst  ins  J.  68  setzt.  S.  dagegen  Landgraf  (§  179,  1,  1),  Anh.  1.  Über 
die  Zeit  auch  WSternkopf,  JJ.  151,  41.    Mayr,  WSt.  22,  115. 

2.  Der  Anfang  der  Rede  ist  mit  dem  Schluß  derjenigen  pro  C.  Rabirio 
perduellionis  reo  (Nr.  19),  die  in  der  von  Poggio  (s.  oben  Nr.  2,  2)  gefun- 
denen Hs.  ihr  unmittelbar  vorausging,  durch  Ausfall  einiger  Blätter  ver- 
loren gegangen.  —  Or.  p.  R.  C.  ed.,  illustr.  CASchmidt,  Lpz.  1839.  —  Über- 
setzt von  Osenbrüggen,  in  Jahns  Archiv  11,  544. 

4)  pro  M.  Tullio,  gehalten  vor  reciperatores  J.  12  oder  71, 
Klage  im  Namen  des  Tullius  gegen  einen  von  dessen  Nachbarn, 
den  sullanischen  Veteranen  P.  Fabius,  der  ein  Landhaus  des  Tullius 


§  179.  Ciceros  Reden  (pRosc— Verr.)  373 

(im  Gebiete  von  Thurii)  zerstört  und  seine  Sklaven  erschlagen  hatte. 
Cicero  scheint  um  die  Hauptfrage,  ob  Fabius  sich  der  iniuria  gegen 
Tullius  schuldig  gemacht  habe,  vorsichtig  herumzugehen. 

1.  Tac.  dial.  20  quis  (nunc)  de  exceptione  et  formula  perpetietur  illa 
immens a  volumina  quae  pro  M.  Tullio  aut  A.  Caecina  legimus?  —  Die  Da- 
tierung hängt  davon  ab,  ob  mit  dem  Praetor  Metellus  (39)  P.  oder  L.  ge- 
meint ist  (N.  74  oder  87  bei  Münzer,  PW.  3,  1230).  Costa  (Nr.  1,  2)  55. 
Roby  (Nr.  1,  2)  503.    Drumann,  GR.  5,  258. 

2.  Nur  sehr  unvollständig  erhalten  durch  zwei  Palimpseste  s.  IV/V  zu 
Turin  und  Mailand;  zuerst  herausg.  v.  APeyron  und  AMai,  s.  §  180,  2. 
S.  dort  auch  CBeiers  Ausgabe.  —  EHuschkes  Text  und  Kommentar  in 
GHuschkes  Anal.  lit.  (Lps.  1826)  77.  Keller,  semestr.  1,  3,  653.  PKrüger, 
Herrn.  5, 146.  Hubert,  Herrn.  48,  631.  —  CBeier,  iurispr.  in  Cic.  p.  T.,  Jahns 
Jahrb.  1  (1826),  214.    vSavigny,  verm.  Schrift.  3,  228. 

5)  Divinatio  (in  Caecilium),  wodurch  sich  Cicero  (J.  70)  das 
Recht  erkämpfte,  als  Ankläger  des  Verres  (gegen  Hortensius)  auf- 
zutreten statt  des  von  dem  Bedrohten  vorgeschobenen  Scheinklägers 
Q.  Caecilius  Niger;  und 

6 — 11)  in  Verrem,  6  Reden  in  zwei  actiones,  die  einzige  An- 
klage, die  Cicero  übernommen  hat.  Auf  Bitten  der  Sieuli,  denen 
er  durch  seine  Quästur  bekannt  war,  belangte  er  den  Verres  wegen 
seiner  Erpressungen  in  der  prätorischen  Provinz  Sicilien.  In  der 
ersten  actio  am  5.  August  70  hielt  Cicero  die  erste  Rede  als  Ein- 
leitung zur  eigentlichen  Klage.  Darauf  brachte  er  in  der  neuntägi- 
gen Verhandlung  die  einzelnen  Klagepunkte  in  der  Weise  vor,  daß 
er  gleichsam  nur  die  Überschriften  gab,  den  Text  aber  durch  Zeugen- 
verhör und  Verlesung  von  Urkunden  sich  von  selbst  bilden  ließ. 
Als  dann  der  Beklagte  seine  Verurteilung  voraussehend  freiwillig 
in  die  Verbannung  gegarigen  war,  verarbeitete  Cicero  den  reich- 
haltigen Stoff  zu  den  fünf  Büchern  der  actio  secunda:  de  praetura 
urbana,  de  iurisdictione  Siciliensi,  de  frumento,  de  signis,  de  sup- 
pliciis.  In  diesen  nicht  wirklich  gehaltenen  Reden  gibt  sich  Cicero 
den  Anschein,  als  habe  sich  Verres  zur  zweiten  Verhandlung  (accu- 
satio)  gestellt  und  als  solle  durch  diese  Reden  auf  die  Findung  des 
Urteils  noch  eingewirkt  werden.  Sie  gehören  durch  Reichhaltigkeit 
des  Inhalts,  Lebendigkeit  und  Anschaulichkeit  der  Darstellung  zu 
den  vorzüglichsten  des  Cicero. 

1.  Über  die  Motive  zur  Übernahme  des  Prozesses  s.  Heinze  aO.  971. 
Die  Divinatio  ist  ein  sachlich  wie  sprachlich  glänzendes  Beispiel  einer  di,a- 
ßoXrj,  voll  von  Ausfällen  gegen  die  dem  Untergange  geweihten  senatorischen 
Gerichte  (8 f.  24.  70).  Caecilius  (aus  Sicilien)  war  ein  u7tslevd'SQi7ibg  uv&qoj- 
Ttog,  hvo%og  reo  iovdctt&iv  (Plut.  Cic.  7).    LFriedländer,  Sittengesch.8  4,  239. 


374  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

Daher  des  Cic.  Witz:  quid  Iudaeo  cum  verre?  (Plut.  aO.).  —  WSluiter,  de 
Cic.  div.  in  Caec. ,  Leid.  1832.  WSternkopf,  Gedankengang  d.  div.  in  C, 
Dortmund  1905. 

2.  Nachdem  Cic.  die  Anklage  übertragen  war,  ließ  er  sich  eine  Frist 
von  110  Tagen  geben  und  verwendete  50  davon,  um  in  Sicilien  Material 
gegen  Verres  zu  sammeln.  Da  aber  Gefahr  vorlag,  daß  der  Prozeß  bis  ins 
folgende  Jahr  verschleppt  wurde,  denn  beide  Consuln  standen  auf  Verres' 
Seite,  so  beschloß  Cic.  die  Sache  womöglich  durch  die  actio  prima  zur 
Entscheidung  zu  bringen;  diese  bestand  daher  in  ihrem  wesentlichen  Teile 
in  einer  Anklage  tabulis  testibus  privatis  publicisque  litteris  auctoritatibus- 
que  (33),  die  auf  perpetua  oratio  verzichtete  und  sich  zur  Publikation  nicht 
eignete;  was  Cic.  veröffentlicht  hat,  ist  nur  die  Einleitung.  Sie  begründet 
mit  den  Machenschaften  des  Yerres,  weshalb  Cic.  eine  schleunige  Entschei- 
dung herbeizuführen  sucht,  und  bereitet  auf  die  schonungslosen  Angriffe 
gegen  die  Senatsgerichte  vor.  Über  die  Chronologie  s.  Zielinski,  Phil.  52, 
248.  Kübler  ebd.  54,  464.  Bardt,  Herrn.  39,  643.  —  Die  actio  secunda  läßt 
vielfach  erkennen,  daß  sie  nicht  ivccymvios  ist,  indem  sie  oft  in  epideiktisch 
gehaltene  Beschreibungen  übergeht.  Cic.  weist  or.  103  selbst  auf  den  Wechsel 
des  Tones  in  accusationis  Septem  libris  hin  und  nennt  die  Stellen  de  Hen- 
nensi  Cerere,  de  Segestana  Diana,  de  Syracusarum  situ  (4,  106.  72.  117)  ebd. 
210  (vgl.  167)  als  Beispiele  für  numerosa  oratio.  —  Drumann,  GR.  5,  263. 
327.  Zu  B.  4  vgl.  König,  de  Cic.  in  Verr.  artis  operum  aestimatore,  Jever 
1863.  WGöhling,  de  Cic.  artis  aestimatore,  Halle  1877.  HDegenkolb,  die 
lex  Hieronica  .  . ,  Beitr.  z.  Erkl.  d.  Verrinen,  Berl.  1861. 

3.  Die  wichtigsten  Hss.  der  Verrinen  sind  der  Paris  7774  A  s.  IX  (B.  4 
u.  5.  Facsim.  Chatelain  T.  31,  1),  der  sehr  wertvolle  vatikanische  Palim- 
psest  (Regin.  2077  s.  IV?,  Facsim.  Zangem.  und  Wattenb.  Tf.  4,  Chatelain 
T.  32  vgl.  Peterson,  Praef.  xm),  Paris.  7776  s.  XI  (Chatelain,  T.  31,  2), 
und  Cluniacensis  (Holkham.)  s.  IX  (B.  2.  3).  Ein  Palimpsest-Bl.  (s.  III?)  zu 
Verr.  2,  1,  44 — 45  in  Turin  (Chatelain  T.  30).  Papyrusfragm.  aus  B.  1  und  2 
in  Oxyrh.  Pap.  8,  153.  10,  142.  Pap.  greci  e  lat.,  Firenze  1912,  43  (Ramo- 
rino).  —  HKarbaum,  de  auctor.  grammaticorum  in  constit.  lect.  in  Verr., 
Diss.  Hai.  6,  71.  —  Ausgaben  der  Verr.  von  GZumpt  (Berl.  1831;  Text  be- 
sonders, ebd.  1830),  GLong  (with  a  commentary,  2Lond.  1862).  EThomas, 
Paris  1892  ff.,  Peterson,  Oxf.  1907.  Einzeln  lib.  II  von  Creuzer  und  Moser, 
Gott.  1847.  —  Rede  g.  Caecil.  u.  g.  Verr.  IV  u.  V,  erkl.  von  CHalm  (aus- 
gew.  Reden  II,  Berl.8  1882).  Dieselben  Reden  einzeln  von  Richter-Eberhard - 
Nohl  (Div.  in  Caecil.,  Lpz.2 1884;  in  Verr.  IV,  Lpz.4  1988,  und  V,  Lpz.2 1879). 
—  B.  IV  u.  V  par  EThomas,  Par.  1886.  85.  B.  IV  nach  Lehrs  übersetzt 
von  Pfündtner,  Königsb.  1879. 

12)  pro  M.  Fonteio,  vom  Jahre  697  in  einer  Repetundenklage; 

nur  unvollständig  erhalten. 

1.  Den  größten  Teil  des  Erhaltenen  verdankt  man  dem  Vatic.-Basilic. 
(s.  §  178,  3).  Niebuhr  (§  180,  2)  fügte  aus  dem  palimps.  Palatino- Vaticanus 
24  s.  V  (Chatelain  T.  32)  neue  Bruchstücke  des  ersten  Teils  hinzu  (auch 
in  Mais  class.  auct.  2,  363);  die  aus  einer  Hs.  in  Cues  s.  XII  bei  JKlein 
(§  180,  2)  S.  57  gehören  zum  Teil  nicht  zu  dieser  Rede,  sondern  zu  pFlacco 


§  179.  Ciceros  Reden  (Verr.— pCluent.)  375 

(s.  u.).  —  Über  den  Inhalt  der  Rede  s.  Drumann,  GR.  5,  329.  ARSchneider, 
quaest  in  Cic.  p.  Font.,  Lps.  1876.  Fonteius  hatte  Gallien  in  einer  für  die 
Provinzialen  drückenden  Weise  verwaltet;  in  dem  erhaltenen  Teile  sucht 
Cic.  besonders  zu  zeigen,  daß  seine  Verwaltung  für  die  Römer  vorteilhaft 
war  und  daß  auf  das  Zeugnis  der  Gegner  nichts  zu  geben  sei. 

13)  pro  Caecina,  aus  dem  J.  69,  gehalten  vor  reciperatores, 
über  eine  sehr  verwickelte  Erbschaftsstreitigkeit,  wobei  Cicero  auf 
die  juristische  Seite  der  Sache  sehr  genau  eingehen  muß. 

1.  Cic.  orat.  102  tota  mihi  causa  pro  Caecina  de  verbis  interdicti  fuit: 
res  involutas  definiendo  explicavimus,  ius  civile  laudavimus,  verba  ambigua 
distinximus.  Vgl.  Tac  dial.  20  (oben  S.  373,  Z.  4).  Verteidiger  der  Gegen- 
partei (des  S.  Aebutius)  war  C.  Piso. 

2.  Beste  Hss.:  Tegernseensis  s.  XI,  Erfurtensis  s.  XII.  Bruchstücke  im 
Turiner  Palimps.,  s.  oben  Nr.  4,2;  vgl.  auch  2,  2.  —  Sonderausgabe  von 
AJordan  (Lps.  1847,  dazu  Nachtrag  de  cod.  Tegernseensi,  Lps.  1848).  — 
EHuschke  in  JGHuschkes  analect.  lit.  164.  Drumann,  GR.  5,  335.  LKeller, 
semestr.  lib.  II  (Zur.  1843)  u.  dazu  Mommsen,  Sehr.  3,  558.  Costa  (Nr.  1,  2) 
73.  Weitere  Literatur  bei  Boegli,  Üb.  Cic.  Rede  für  Caec,  Burgdorf  1906,  5; 
Beitr.  z.  Lehre  vom  ius  gent.,  Burgd.  1913,  61».  Analisi  giuridica  von  Ni- 
castro,  Melfi  1912.  Über  den  Stil  Laurand,  Etudes  284.  ZfAW.  1848,  865. 
GZimmemmann,  de  A.  Caecina  (1852),  p.  6. 

14)  de  imperio  Cn.  Pompei,  gehalten  im  J.  66  von  Cicero 
als  Praetor  zur  Unterstützung  der  von  Catulus  und  Hortensius  be- 
kämpften lex  Manilia,  durch  die  Pompeius  ein  außerordentliches 
Kommando  zur  Beendigung  des  Mithridatischen  Krieges  erhalten 
sollte.  Die  Rede  nähert  sich  dem  ysvog  enidEiKXLXov,  das  Lob  des 
Pompeius  ist  stark  aufgetragen,  die  Anordnung  durchsichtig,  die 
Darstellung  meisterhaft. 

1.  Cic.  or.  102  fuit  ornandus  in  Manilia  lege  Pompeius:  temperata  ora- 
tione  ornandi  copiam  persecuti  sumus.  Fronto  p.  221  mihi  profecto  ita  vide- 
tur,  neminem  umquam  neque  Romana  neque  Graecorum  lingua  faeundius  in 
contione  populi  laudatum,  quam  Cn.  Pompeius  in  ista  oratione  laudatus  est, 
ut  mihi  ille  videatur  non  ita  suis  virtutibus  ut  Ciceronis  laudibus  Magnus 
cognominatus.  Vgl.  Schol.  Gronov.  p.  316 — 322  St.  —  Handschriften  der 
Erfurtensis  (s.  oben  Nr.  13,  2),  Harleianus,  Tegernseensis  u.  a.  —  Drumann, 
GR.  5,356.  Heinze,  Abh.  Sachs.  Ges.  1909,  983.  ANikl,  levitatem  et  falla- 
ciam  argumentationis  in  Cic.  or.  etc.  ostend.,  Kempten  1842.  Bauermeister, 
Cic.  Rede  de  imp.  P.  nach  ihrem  rhet.  Werte,  Luckau  1861.  Über  den  Stil 
Laurand,  Etudes  284.  —  Ausgaben  von  CBenecke  (Lps.  1834),  Halm  (Lps. 
1849  und  ausgew.  Rdn.  I,  Berl.12  1910),  Gossrau  (Quedlinb.  1854),  FRichter 
(Lpz.3  1883  v.  Eberhard).    ASWilkins,  Lond.  1885.    Preud'homme,  Gand  1893. 

15)  pro  A.  Cluentio  H  ab  ito,  Verteidigung  wegen  Giftmordes 
und  Richterbestechung  aus  dem  J.  66,  als  sittengeschichtliches  Do- 
kument von  großem  Interesse. 


376  Ciceroniselie  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

1.  Quint.  2, 17,  21  Cicero  se  tenebras  offudisse  iudicibus  in  causa  Cluentii 
gloriatus  est.  Vgl.  ebd.  4,  5,  11  (Tadel  der  partitio).  6,  5,  9.  11,  1,  61—63.  74. 
Apoll.  Sid.  ep.  8,  10  M.  Tullius  ..  pro  Cluentio  ipse  se  vicit.  —  Hss.:  Pog- 
gios  Cluniacensis  (o.  2,  2).  Laur.  51,  10  s.  XL  Bruchstücke  im  Turiner  Pa- 
limpsest.  —  Ausgaben  von  JClassen,  Bonn  1831,  WRamsay,  Oxf.8  1889. 
WPeterson,  Lond.  1899.  JFausset,  4Lond.  1901.  —  Erörterungen  des  Rechts- 
falls Drumann,  GR.  5,  360.  CNiemeyer,  der  Prozeß  gegen  Cl.,  Kiel  1871. 
CBardt,  zu  Cic.s  Cluentiana,  Neuwied  1878.  Nettleship,  lectures  and  essays 
(Lond.  1885)  67.    Boll,  Comment.  Monac.  1891,  201. 

16 — 18)  Drei  Reden  de  lege  agraria  contra  P.  Servilium  Rul- 
lum,  die  frühesten  von  Ciceros  Consulatsreden  (J.  63).  Er  bekämpft 
darin  den  von  Caesar  veranlaßten  demokratischen  Vorschlag  des 
Volkstribunen  Servilius,  für  den  Ankauf  und  die  Verteilung  von 
Ländereien  in  Italien  einen  Zehnerausschuß  mit  den  ausgedehntesten 
Befugnissen  einzusetzen.  Den  zugleich  gegen  Pompeius  gerichteten 
Autrag  bekämpft  Cicero  in  schärfster  Form,  indem  er  ihn  nament- 
lich vor  dem  Volke  als  staatsfeindlich  hinzustellen  sucht.  Die  erste 
Rede  ist  am  1.  Jan.  im  Senat  gehalten  (übrig  ist  uur  der  letzte  Teil), 
die  zweite  und  (kurze)  dritte  an  das  Volk  gerichtet,  eine  vierte 
(gleichfalls  kurze)  ist  nicht  auf  uns  gekommen. 

1.  Eine  Übersicht  seiner  Consulatsreden  gibt  Cic.  selbst  Att.  2,  1,  3 
(§  178,  3)  und  nennt  dort  vier  Reden  gegen  dieses  Gesetz.  Cic.  ist  ent- 
schlossen, das  Gesetz,  dessen  wahren  Urheber  Caesar  {cum  istis  tuis  aucto- 
ribus  2,  98  vgl.  1,  16.  2,  23)  und  dessen  gegen  Pompeius  gerichtete  Absicht 
er  erkannte,  um  jeden  Preis  zu  Falle  zu  bringen ,  2,  101  si  hoc  dissuadere 
est  ac  non  disturbare  atqiie  peruertere.  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  wollen 
seine  Reden  beurteilt  sein,  nicht  als  Gradmesser  für  seine  sozialpolitische 
Einsicht,  die  freilich  kaum  größer  war  als  die  seiner  Standesgenossen  (Pöhl- 
mann,  Gesch.  der  sozialen  Frage  2,  454).  Vor  dem  Volke  trägt  er  stark  auf 
und  versucht  mit  dem  Schreckgespenst  des  regnum  (2,  15.  24.  57.  75)  und 
der  Tyrannis  (2,  32)  sowie  eines  wiedererstehenden  und  Rom  bedrohenden 
Capua  (2,  76 ff.  vgl.  1,  18)  die  biederen  Quiriten  bange  zu  machen,  ja  er 
operiert  mit  der  Möglichkeit  einer  Kolonie  auf  dem  Janiculum  in  capite  at- 
que  cervicibus  nostris  (2,  74).  Er  selbst  sucht  als  popularis  zu  erscheinen 
(2,  6  ff.  102,  vgl.  1,  23),  der  die  libertas  des  Volkes  verteidige  (2,  16.  24.  29. 
75),  ein  warmes  Herz  für  dessen  Nöte  habe  (genus  ipsum  legis  agrariae 
vituperare  non  possum  2,  10)  und  die  Gracchen  bewundere  (2,  10.  31.  81). 
Namentlich  muß  er  sich  von  dem  Verdachte  reinigen,  mit  Sullas  Regierung- 
einverstanden  zu  sein,  und  diesem  Zwecke  dient  die  dritte  Rede  (vgl.  2,  81 
und  anderseits  1,  12).  Vor  dem  Senat  spricht  er  gemäßigter,  greift  aber 
auch  hier  den  Rullus  (1,  2  vgl.  2,  48)  und  seinen  Schwiegervater  (1,  14  vgl. 
2,  69.  3,  3.  8.  13)  persönlich  auf  das  heftigste  an.  Für  die  Beurteilung 
kommt  zunächst  nur  die  Frage  in  Betracht,  ob  die  von  ihm  angewendeten 
Mittel  zur  Erreichung  des  beabsichtigten  Zieles  geeignet  waren,  und  das 
sind  sie  zweifellos.    Rullus  zog  seine  Anträge  selbst  zurück.    Plin.  NH.  7,  117 


§  179.  Ciceros  Consulatsreden  377 

te  dicente  legem  agrariam,  hoc  est  alimenta  sua,  abdicarunt  tribus.  In  der 
zweiten  Rede  dankt  er  zugleich  für  das  ihm,  dem  liomo  novus,  suo  anno 
übertragene  Consulat. 

2.  Beste  Hss.:  Erfurtensis  (s.  oben  Nr.  13,  2),  Palat.  1525  s.  XV.  — 
Rec.  et  expl.  WZumpt,  Berl.  1861.  -  Drumann,  GR.2  3,  141.  Mommsen,  RG. 
36,  182.  —  HSchwarz,  miscellanea  philol.  (Lps  1878),  3—24.  Haenicke,  zu 
Cic.s  Reden  de  lege  agr.,  Stettin  1883. 

19)  pro  C.  Rabirio  perduellionis  reo,  aus  J.  63.  C.  Caesar  hatte 
Rabirius  wegen  der  37  Jahre  zurückliegenden  Tötung  des  Volks- 
tribunen Appuleius  Saturninus  belangen  lassen,  um  gegen  die  Senats- 
partei zu  manifestieren.  Der  Volkstribun  T.  Labienus  brachte  eine 
Klage  auf  perduellio  nach  dem  veralteten  duumviralen  Verfahren 
ein,  und  da  dieses  sich  als  undurchführbar  erwies,  strengte  er  einen 
Multprozeß  gegen  ihn  an.  In  diesem  verteidigte  ihn  zuerst  Horten- 
sius,  dann  Cicero,  der  auch  hier  sein  Verfahren  als  das  wahrhaft 
volksfreundliche  hinstellt. 

1.  Cic.  in  Pis.  4  ego  in  C.  Rabirio  perduellionis  reo  .  .  senatus  auctori- 
tatem  sustinui  contra  invidiam  atque  defendi.  Aus  dieser  Stelle  stammt  wohl 
die  falsche  Überschrift  perduellionis  reo.  Orat.  102  ius  omne  retinendae 
maiestatis  Babirii  causa  continebatur :  ergo  omni  genere  amplificationis  exar- 
simus.  Für,  die  Auffassung  der  Sachlage  ist  maßgebend  bes.  §  8  quid  ego 
ad  id  long  am  orationem  comparem ,  quod  est  in  eadem  multae  irrogatione 
praescriptum ,  hunc  neque  suae  neque  alienae  pudicitiae  pepercisse?  und  10 
nam  de  perduellionis  iudicio,  quod  a  nie  sublatum  esse  criminari  soles,  meum 
crimen  est,  non  Habiri.  Die  peroratio  geht  auf  das  Mitleid  aus,  bes.  §  37. 
Die  Rede  ist  unvollständig  erhalten  (der  Schluß  fehlt,  s.  oben  Nr.  3,  2)  durch 
junge  Hss.,  die  von  dem  Funde  Poggios  abhängig  sind,  s.  oben  Nr.  2,  2; 
dazu  gab  Niebuhr  1820  einige  Bruchstücke  aus  einem  palimps.  Palatino- 
Vaticanus  heraus  (§  180,  2).  —  Ein  alter  Erklärer  bei  Charis.  GL.  1,  211,  20 
quod  iudicii  genus  (vorher  ist  Rabirius  perduell.  reus  erwähnt)  Sacer  in 
eandem  orationem  M.  Tullii  ab  Horatio  sumptum  ait  usw.  —  Über  die  Sache 
vgl.  Mommsen,  RG.  36,  169.  Drumann  32,  150.  RLallier,  rev.  hist.  12  (1880), 
257.  HWirz,  JJ.  119, 177.  —  HPutsche,  d.  genus  iudicii  der  Rede  Cic.  pRab., 
Jena  1881.  ASchneider,  Festschr.  f.  Windscheid,  Zürich  1889.  OSchulthess, 
d.  Prozeß  des  Rab.,  Frauenfeld  1891.  vdMühll,  De  Appul.  Saturn.,  Basel 
1906,  7.  Dafür,  daß  die  Rede  wirklich  in  einem  Perduellionsprozesse  ge- 
halten sei,  tritt  wieder  ein  WWegehaupt,  Cic.  Rede  pRab.,  Hamburg  1912. 
—  Sonderausg.  von  EHeitland,  Cambr.  1882. 

20 — 23)  Die  vier  Reden  in  L.  Catilinam,  in  Sachen  der  catili- 
narischen  Verschwörung.  Die  erste,  am  8.  Nov.  63  im  Senat  ge- 
sprochen, hält  dem  Catilina  seine  neuesten  Schritte  im  einzelnen 
vor;  die  zweite,  vom  9.  November,  gibt  dem  Volke  von  den  Vor- 
gängen im  Senat  und  Catilinas  Abreise  aus  Rom  Nachricht;  die 
dritte,  vom  Abend  des  3.  Dezember,  teilt  dem  Volke  die  auf  Grund 


378  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

der  den  Allobrogern  abgenommenen  Briefschaften  erfolgte  Verhaf- 
tung der  in  Rom  befindlichen  Catilinarier  mit;  die  vierte  ist  am 
5.  Dezember  im  Senat  gehalten  und  unterstützt  den  Antrag  auf 
Hinrichtung  der  Verhafteten.  Cicero  hat  alle  Reden  für  die  Her- 
ausgabe erweitert,  schon  um  das  von  ihm  eingeschlagene  Ver- 
fahren nachträglich  zu  rechtfertigen,  und  wohl  auch  bei  der  Zu- 
sammenfassung   der    Consulatsreden    noch    apologetische    Zusätze 

gemacht. 

1.  Daß  Cic.  mit  der  Veröffentlichung  der  in  einer  so  heiklen  Sache  ge- 
haltenen Reden  außer  dem  Wunsche,  seine  Verdienste  ins  rechte  Licht  zu 
stellen  (3,  1.  4,  1.  20),  den  Zweck  verbindet,  seine  angreifbaren  Handlungen 
zu  motivieren,  ist  selbstverständlich.  Es  waren  dies  zwei:  er  hatte  Catilina 
nicht  verhaftet,  sondern  aus  der  Stadt  getrieben,  und  er  hatte  die  Catili- 
narier hinrichten  lassen.  Über  jenen  Punkt  spricht  er  1,  27.  2,  3.  vgl.  3,  3. 
16  f.,  über  diesen  2,  28  und  4:  Manches  klingt  so,  als  sei  es  zur  Abwehr 
späterer  Angriffe  geschrieben,  so  4,  1.  9.  20  quanta  manus  est  coniuratorum 
. .  tantamme  inimicorum  multitudinem  suscepisse  video  . . .  quodsi  aliquando 
■alicuius  furore  et  scelere  concitata  manus  ista  plus  vdluerit  quam  vestra  ac 
reip.  dignitas,  me  tarnen  meorum  factorum  atque  consiliorum  numquam  pae- 
nitebit.  Über  die  Umarbeitung  der  4.  Rede  bei  der  Herausgabe  s.  Chambalu, 
Progr.  Neuwied  1888.  Eine  Dublette,  die  durch  einen  Zusatz  3,  25  ent- 
standen ist,  bespricht  Norden,  SB.  Berl.  Ak.  1913,  6.  Sonnenburg,  RhM. 
68,  459.  —  Zur  Sache  vgl.  besonders  Drumann  GR.  5,  377.  Mommsen,  RG. 
36,  175;  Sehr.  7,  84.  GBoissier,  La  coniuration  de  Cat.2,  Paris  1908.  RWirtz 
(§  205,  6).  CHachtmann,  die  chronol.  Bestimmung  von  Cic.  in  Cat.  I  u.  II, 
Seehausen  1877.  AWeidner,  Phil.  Anz.  8,  410.  AWZumpt,  JJ.  Suppl. 
7,  577  und  bes.  CJohn,  die  Entstehungsgesch.  der  Catilinar.  Verschwörung, 
ebd.  8,  703.  782;  JJ.  131,  841;  Phil.  46,  650.  Ogorek,  wann  hat  Cic.  in  Cat. 
I  u.  II  gehalten?  Rudolfswert  1878.  79  II.  AKühn,  quo  die  Cic.  or.  in  Cat.  I 
habuerit,  Bresl.  1885.  Füsslein,  Über  Cic.  1.  Rede  geg.  Cat.,  Merseb.  1889. 
1899  II.  Haccius,  Gliederung  der  1.  catil.  Rede,  Weißenburg  1897.  — 
EvStern,  Catil.  u.  d.  Parteikämpfe  in  Rom  der  Jahre  66 — 63,  Dorp.  1883. 

2.  F AWolf  machte  sich  den  Scherz,  mit  ernster  Miene  die  Unechtheit 
einer  dieser  Reden  anzudeuten,  und  behauptete  dies  später,  immer  noch 
doppelsinnig,  von  altera  ex  mediis  duabus.  Demgemäß  wurde  denn  von 
scharfsinnigen  Leuten  die  Unechtheit  zuerst  bald  von  II,  bald  von  HI,  weiter- 
hin von  IV  f erwiesen',  ja  schließlich  auch  von  I!  Der  reichlich  aufgewir- 
belte kritische  Staub  hat  sich  jetzt  längst  wieder  gelegt.  Vgl.  zB.  über 
diese  Frage  die  verständigen  Bemerkungen  von  Drumann,  GR.  5,  470.  Auch 
Madvig,  op.  acad.  2,  338.  Zielinski,  Phil.  Suppl.  9,  218.  Eine  besonnene 
Kritik,  die  nicht  aus  scheinbaren  oder  wirklichen  Anstößen  sofort  den  Fehl- 
schluß der  Unechtheit  zieht,  wird  diese  Reden  unangefochten  lassen. 

3.  Diese  Reden  sind  in  sehr  vielen  zum  Teil  stark  verfälschten  Hss. 
erhalten;  zu  den  besten  gehören  zB.  Vossian.  s.  XI,  Ambros.  C  29  inf.  s.  X 
(Facsim.  Chatelain  T.  28,  3)  und  Holkhamensis  s.  IX.  Ein  Papyrusfragment 
in  Pap.  Rylands  1,  61.  —  Ausgaben  von  CBenecke  (Lpz.  1828),  Halm  (Aus- 


§  179.  Ciceroa  Reden  (Catil.— pArch.)  379 

gew.  Rdn.  III,    Berl.14  1900),    Richter    (Lpz.7   1912    von    Nohl).    APasdera, 
Turin  1885. 

24)  pro  L.  Murena,  erfolgreiche  Verteidigung  des  nach  lex 
Tullia  de  ambitu  belangten  designierten  Cos.  L.  Licinius  Murena 
(Nov.  63).  Die  Rede  enthält  wenig  eigentliche  Argumente,  da  Hor- 
tensius  und  Crassus  vor  Cicero  gesprochen  hatten ,  ist  aber  geist- 
reich und  heiter,  mit  allerlei  Witzen  über  Jurisprudenz  und  Stoi- 
zismus, deren  Vertreter  dem  Cicero  in  Murenas  Mitbewerber  Ser. 
Sulpicius  Rufus  und  M.  Cato  gegenüberstanden;  außerdem  beutet 
sie  die  Furcht  der  Geschworenen  vor  einem  Consulat  des  Catilina 
eifrig  aus.  Die  Rede  ist  jedoch  nicht  so  gehalten,  wie  sie  geschrie- 
ben ist. 

1.  Quint.  6,  1,  34.  11,  1,  69f.  Plut.  Cic.  35.  In  57  sind  de  Postumii  cri- 
minibus,  de  Servii  adolescentis  nur  die  Überschriften  gegeben;  s.  Nr.  34,  1. 
§  44,  7.  Außerdem  hat  gegen  das  Ende  der  überlieferte  Text  durch  den 
Zufall  verschuldete  Lücken,  wie  73.  80.  85.  Gegen  die  unbegreifliche  Ver- 
dächtigung der  Rede  durch  StHaupt,  Ist  Cic.  R.  p.  Mur.  echt?,  Znaim  1911 
vgl.  Harrer,  ClPh.  9,  83.  Erweiterungen  bei  der  Herausgabe  im  J.  62  sucht 
Rosenberg,  StudieD  zur  Rede  Cic.  p.  M.,  Hirschberg  1902  wahrscheinlich  zu 
machen.  —  Vgl.  Drumann,  GR.2  4,  200.  5,  477.  Niebuhr,  kl.  Sehr.  2,  213. 
AGrumme,  Cic.  or.  pMur.  dispositio,  Gera2  1898. 

2.  Über  die  Hss.  s.  oben  Nr.  2,  2.  —  Ausgaben:  Rec.  et  explieavit 
WZumpt,  Berl.  1859.  Erklärt  von  GTischer  (Berl.  1861),  Halm  (Ausgew.  Rdn. 
VII,  Berl.5  1893),  AKoch  (und  Landgraf,  Lpz.2  1885).  —  Übersetzt  von 
GWendt,  Stuttg.  1869. 

25)  pro  P.  (Cornelio)  Sulla,  aus  dem  J.  62,  erfolgreiche  Ver- 
teidigung gegen  die  Anklage  auf  Teilnahme  an  der  catilinarischen 
Verschwörung.  Da  über  die  Teilnahme  an  der  ersten  Verschwörung 
schon  Hortensius  gesprochen  hatte,  so  beschränkt  sich  Cicero  auf 
die  zweite,  wobei  er  mit  vielen  Worten  entschuldigen  muß,  daß  ge- 
rade er  diese  Verteidigung  übernommen  habe. 

1.  Schol.  Bob.  p.  77 — 84  St.  Da  über  die  Sache  selbst  nicht  viel  zu 
sagen  ist,  so  redet  Cic.  viel  von  sich  und  seinen  Verdiensten  und  weist 
eingehend  den  Vorwurf  zurück,  daß  er  ein  peregrinus  rex  sei  (22).  Ein 
eigentümliches  Licht  fällt  auf  diese  Verteidigung,  wenn  die  bei  Gell.  12, 
12,  2  erzählte  Geschichte  wahr  ist:  cum  emere  vellet  in  Palatio  domum  et 
peeuniam  in  praesens  non  haberet,  a  P.  Sulla,  qui  tum  reus  erat,  mutua 
sestertium  viciens  tacita  aeeepit  usw.  Münzer,  PW.  4,  1518.  —  Beste  Hs.: 
Monac.  18787  (Tegernseensis).  —  JEverts,  de  Cic.  or.  p.  Sylla,  Nymwegen 
1835.  —  Ausgaben  von  Frotscher  (Lps.  1831;  Kommentar  1832),  Halm  (Lps. 
1845  und  Ausgew.  Rdn.  VII,  Berl.5  1893),  FRichter  (und  Landgraf,  Lpz.3 
1885),  SReid  (Cambr.  1882). 

26)  pro  Archia,  gehalten  im  Jahr  62  zur  Verteidigung  von 
des  griechischen  Dichters  Archias'  bestrittenem  Bürgerrechte. 


380  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

1.  Tac.  dial.  37  nee  Ciceronem  magnum  oratorem  P.  Quintius  defensus 
aut  Licinius  Archia  faciunt:  Catilina  et  Milo  et  Verres  et  Antonius  hanc 
Uli  famam  circumdederunt.  Die  Rede  enthält  viel  Deklamation  und  ist  des- 
wegen Cicero  abgesprochen  worden,  zuerst  von  WSchröder  (Lpz.  1818;  da- 
gegen Platz,  Seebodes  krit.  Arch.  1820— 22j;  dann  von  WBüchner  (Schwe- 
rin 1839.  1841,  dagegen  JLattmann,  Gott.  1847).  Aber  Cic.  bittet  die  Richter 
selbst  §  3  um  die  Erlaubnis,  uti  prope  novo  quodam  et  inusitato  genere  di- 
cendi.  Vgl.  18  utar  vestra  benignitate,  quoniam  me  in  hoc  novo  genere  di- 
cendi  tarn  diligenter  attenditis.  Und  da  die  Rechtslage  sehr  einfach  war,  so 
hatte  er  hier  einmal  Gelegenheit,  &szLytoizsQov  (§  182,  2,  2)  de  studiis  huma- 
nitatis  ac  litterarum  (3)  und  de  amore  gloriae  (28)  zu  reden  und  Zeugnis 
davon  abzulegen,  was  er  der  griechischen  Bildung  verdankte.  Daß  die  Er- 
örterungen über  die  Beziehungen  zwischen  Dichtern  und  Feldherren  (23 — 27) 
sehr  im  Allgemeinen  bleiben,  liegt  daran,  daß  er  auf  Archias'  Verhältnis 
zu  Lucullus  in  jener  Zeit,  wo  dieser  mit  Pompeius  auf  gespanntem  Fuße 
stand  und  Cic.  es  mit  diesem  nicht  verderben  wollte,  nicht  eingehen  mag. 
WSternkopf,  Die  Ökonomie  d.  Rede  f.  Arch.,  Herrn.  42,  337. 

2.  Beste  Hss.:  Bruxellensis  (Gemblacensis)  5352  s.  XII  (Facsim.  Chate- 
lain  T.  33),  Erfurtensis  s.  XII  (s.  oben  Nr.  13,  2).  —  Ausgaben  von  Stüren- 
burg  (Lps.  1832.  Lpz.  1839),  Halm  (Ausgew.  Rdn.  III,  Berl.14  1900),  FRichter 
(Lpz.6  1905  von  Nohl).  EThomas,  Paris10  1912.  PThomas,  Mons  1882.  Reid, 
Cambr.2  1884. 

3.  Zur  Erklärung:  Schol.  Bob.  p.  175  St.  ThReinach,  De  Archia,  Paris 
1890.  FJacobs  in  Ersch  und  Grubers  Allg.  Enc.  1,  5,  137.  Drumann,  GR2 
4,  213.    JMay,  Die  Rhythmen  in  d.  Rede  pArch.,  Durlach  1906. 

27)  pro  L.  (Valerio)  Flacco,  aus  dem  J.  59,  erfolgreiche  Ver- 
teidigung gegen  eine  Repetundenklage  wegen  der  Verwaltung  von 
Kleinasien,  die  D.  Laelius  erhoben  hatte. 

1.  Macrob.  Sat.  2,  1,  13  pro  L.  Flacco,  quem  repetundarum  reum  ioci 
opportunitate  de  manifestissumis  criminibus  exemit.  is  iocus  in  oratione  non 
exstat:  mihi  ex  libro  Furii  Bibaculi  notus  est.  Vor  Cic.  hatte  Hortensius 
gesprochen,  der  Flaccus1  Anteil  an  der  Festnahme  der  Allobroger  und  Cic.s 
Verdienste  um  die  Entdeckung  der  Verschwörung  gepriesen  hatte  (ad  Att. 
2,  25,  1).  Cic.  kann  sachliche  Gründe  kaum  vorbringen  und  versucht  zB. 
die  Glaubwürdigkeit  der  griechischen  Zeugen  anzuzweifeln  und  Flaccus' 
Verurteilung  als  ein  Opfer  an  die  Manen  des  Catilinariers  Lentulus  hinzu- 
stellen. —  Die  Rede  hat  im  Anfang  eine  Lücke,  die  von  AMai  mit  Hilfe 
des  scholiasta  Bobiensis  (p.  93 — 108  St.)  und  aus  einem  cod.  Ambros.  (§  180,  2) 
zum  Teil  ausgefüllt  wurde.  Haupthandschrift  der  Vatic.  Basilic.  s.  VIII/IX 
(§  178,  3),  der  indessen  nur  §  39—54  enthält.  Sonst  Paris.  14749.  Für 
§  75—83  fehlt  hs.  Beglaubigung:  sie  sind  nach  Mitteilungen  Peutingers 
aus  einer  verschollenen  Hs.  zuerst  gedruckt  in  der  Ausg.  des  Cratander, 
Basel  1528.  Vgl.  Mommsen,  Sehr.  7,  36.  —  Drumann,  GR.  5,  619.  ABergmann, 
Einl.  in  Cic.  Rede  f.  Fl.,  Schneeberg  1893.  FSchöll,  RhM.  51,  381.  Lezius 
Phil.  NF.  14,  593.  —  Ausgabe:  erklärt  von  duMesnil,  Lpz.  1883. 

28 — 31)  Vier  Reden  post  reditum,  nämlich  (28)  oratio  cum 
senatui  gratias  egit,  (29)  cum  populo  gratias  egit,  beide  stark  epi- 


§  179.  Cicero3  Reden  (pArch. — post  red.)  381 

deiktisch,  (30)  de  domo  sua  ad  pontifices,  um  die  Ungültigkeit  der 
Weihung  seines  Hausplatzes  durch  Clodius  und  somit  die  Statt- 
haftigkeit von  dessen  Rückgabe  zu  beweisen,  diese  drei  aus  dem 
Sept.  57,  (31)  de  haruspicum  responsis,  letztere  aus  dem  J.  56  und 
veranlaßt  durch  die  Erklärung  der  haruspices,  das  Heilige  werde 
mißachtet,  was  Clodius  auf  Ciceros  Hausbau  an  geweihter  Stätte 
gedeutet  hatte,  Cicero  nun  aber  umgekehrt  auf  Clodius  bezieht. 

1.  Die  erste  Rede  ist  eine  Danksagung  für  das,  was  der  Senat  und  be- 
sonders P.  Lentulus  und  Pompeius  zu  Gunsten  von  Ciceros  Rückberufung 
getan  hatten;  damit  verbindet  sich  ein  maßloser  Ausfall  gegen  die  ihm 
feindlichen  Consuln  des  J.  58,  Gabinius  und  Piso,  und  eine  Rechtfertigung 
seines  Verhaltens  (ad  Att.  4,  1,  5).  Der  zweiten  Rede,  ad  Quirites,  fehlt  es 
zwar  an  äußerer  Beglaubigung,  jedoch  sind  sachliche  und  zum  Teil  auch 
wörtliche  Berührungen  mit  der  ersten  Rede  keine  Verdachtsgründe.  Auf  den 
Vergleich  mit  Marius  (19  f.)  wird  hier  mehr  Nachdruck  gelegt  als  vor  dem 
Senat.  MLange,  de  Cic.  altera  post  reditum  oratione,  Lpz.  1875.  Als  Datum 
der  dritten  Rede  ergibt  sich  aus  ad  Att.  4,  2,  2  der  30.  Sept.  57:  acta  res 
est  accurate  a  nöbis,  et  si  umqiiam  in  dicendo  fuimus  aliquid  .  .  tum  pro- 
fecto  dolor  reique  magnitudo  vim  quandam  nobis  dicendi  dedit.  Aus  Quint. 
10,  1,  23  sehen  wir,  daß  auch  Calidius  de  domo  Ciceronis  sprach.  Auch 
diese  Rede  ist  eine  Abrechnung  mit  den  Feinden,  vor  allem  mit  Clodius: 
3 — 31  hält  er  ihm  eine  Äußerung  vor,  die  er  über  Cic.s  Eintreten  für  Pom- 
peius' Ausstattung  mit  einem  fünfjährigen  Imperium  getan  hatte,  34 — 42 
seine  rechtswidrige  Adoption,  namentlich  aber  sein  ungesetzliches  Vorgehen 
gegen  Cic,  mit  dem  seine  Anträge  für  Gabinius  und  Piso  kontrastieren; 
zur  Sache  kommt  er  eigentlich  erst  100.  —  Die  vierte  Rede  ist  in  der  Form 
eines  Kommentares  zu  dem  Gutachten  der  Haruspices  eine  heftige  Schmäh- 
schrift gegen  Clodius;  Cic.s  eigene  Sache  ist  in  §  8 — 17  erledigt.  Mit  größe- 
rer Ausführlichkeit  als  sonst  wird  dem  Clodius  sein  ganzes  Sündenregister 
vorgehalten.  Auch  an  einem  so  heiklen  Punkt  wie  Clodius'  Verhältnis  zu 
den  Triumvirn  (47)  geht  Cic.  nicht  vorüber.  Hier  wie  in  allen  diesen  Reden 
ist  von  der  avt-r}6is  ein  starker  Gebrauch  gemacht.  Über  die  Zeit  vgl.  Hilde- 
brandt, De  schol.  Cic.  Bobiens.  24. 

2.  Die  Reden  sind  unzweifelhaft  echt,  obwohl  früher  vielfach  bestritten. 
JMarkland  (Remarks  on  the  epistles  of  Cic,  to  Brutus  etc.,  d.  1745,  vgl. 
Wolfs  Ausg.  p.  xlvii)  fand  mit  seinen  Zweifeln  gewichtige  Unterstützung 
an  FAWolf  (Cic.  quae  vulgo  feruntur  orat.  IV  etc.,  Berl.  1801),  dessen  An- 
sicht für  Kayser  (in  s.  und  Baiters  Ausg.  4,  ix)  u.  a.  maßgebend  war;  vgl. 
MLeopold,  de  orat.  IV  quae  iniuria  Cic.  vindicantur,  Leiden  1890.  Darüber 
vielerlei  Verhandlungen;  zB.  Savels,  De  vindicandis  Cic.  V  orationibus, 
Köln  1828.  Neuere  Literatur:  Drumann,  GR.  22,  254.  262.  GLahmeyer,  orat. 
de  harusp.  resp.  originem  Tullianam  etc.,  Gott.  1849;  WHoffmann,  de  fide 
orat.  Cic.  de  har.  resp.,  Burg  1878.  ADietzsch,  RhM.  12,  529.  Grotenfeld, 
de  or.  Cic.  de  domo  inventione  et  dispositione,  Helsingf.  1879.  CRück,  de 
Cic.  or.  de  domo,  Münch.  1881. 

3.  Beste  Handschrift    der   Parisinus  7794   s.  IX,   dann  Harleianus   4927 


382  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

b.  XII,  Bruxell.  5345  s.  XII;  zu  dem  Corpus  dieser  Reden  gehört  auch  die 
unechte  pridie  quam  in  exilium  iret  (§  180,  6).  —  HWagner,  Cic.  or.  post 
red.  in  senatu  rec,  Lps.  s.  a.  (1858). 

32)  pro  P.  Sestio,  vom  März  56,  erfolgreiche  Verteidigung 
gegen  die  Anklage  auf  vis,  mit  Aufbietung  aller  Mittel  der  Bered- 
samkeit. Mehr  noch  aber  als  von  der  Anklage  und  dem  Angeklagten 
spricht  der  Redner,  vor  dem  schon  Calvus,  Crassus  und  Hortensius 
gesprochen  hatten,  von  sich  selbst  und  der  Partei  der  Optimaten 
und  stempelt  dadurch  auch  diese  Rede  zu  einer  Selbstverteidi- 
gung- 

1.  ad  Q.  fr.  2,  3,  5  a.  d.  IV  Id.  Febr.  Sestius  ab  indice  Cn.  Nerio  Pu- 
pinia  de  ambitu  est  postulatus  et  eodem  die  a  quodam  M.  Tullio  de  vi.  is 
erat  aeger.  domum  ut  debuimus  ad  eum  statim  venimus  eique  nos  totos  tra- 
didimus  idque  fecimus  praeter  hominum  opinionem,  qui  nos  ei  iure  suseensere 
putabant  .  .  (6)  a.  d.  III  Id.  Febr.  dixi  pro  Bestia  . . .  incidique  in  eum  lo- 
cum  in  dicendo,  cum  Sestius  multis  . .  vulneribus  acceptis  subsidio  Bestiae 
servatus  esset,  hie  7iQo<pKovoiiri6d{Lriv  quiddam  evxcciqcos  de  iis,  quae  in  Sestium 
adparabantur  crimina,  et  eum  ornavi  veris  laudibus.  Ebd.  2,  4,  1  Sestius 
noster  absölutus  est  a.  d.  V  Id.  Mart.,  et  . .  omnibus  sententiis  absolutus  est 
.  .  scito  hoc  nos  in  eo  iudicio  consecutos  esse,  ut  omnium  gratissimi  iudica- 
remur.  nam  defendendo  moroso  homini  cumulatissime  satis  fecimus  et  . .  Va- 
tinium  . .  concidimus.  Die  §  15 — 70  und  96 — 143  sind  Exkurse,  die  Cic.  im 
eigenen  Interesse  einlegt;  sie  sind  für  die  Herausgabe  entweder  erst  ge- 
schrieben oder  doch  erweitert.  —  Schol.  Bob.  p.  125 — 144.  Madvig,  op.  ac. 
1,  411.  524.  Drümann,  GR.  5,  664.  LRoersch,  rev.  de  l'instr.  publ.  Beige 
1883,  285.    AGrumme,  Orat.  Sest.  disp.,  Gera  1902. 

2.  Haupths.:  der  Paris.  7794  s.  IX,  dann  Bruxell.  5345  s.  XII.  —  Aus- 
gaben von  MMüller  (Köslin2  1831),  Lotzbeck  (Baireuth  1829,  mit  p.  leg. 
Man.),  Orelli  (mit  der  Cael.,  Zur.  1832,  sodann  vor  dem  Züricher  Lektions- 
katal.  1834  und  Heidelb.  1835),  Halm  (Lps.  1845,  sowie  Ausgew.  Rdn.  IV,, 
Berl.6  1886),  HAKoch  (Lpz.2  1877  von  Eberhard). 

33)  (Interrogatio)  in  P.  Vatinium  testem,  mit  dem  Prozesse 
des  Sestius  zusammenhängend;  Vatinius  war  in  diesem  als  Belastungs- 
zeuge aufgetreten  und  hatte  Cicero  durch  abfällige  Äußerungen  über 
seine  Verteidigung  des  Cornelius  und  seinen  Fortgang  aus  Rom  im 
J.  58  schwer  gereizt.  Auch  diese  Rede  erreichte,  wenigstens  nach 
Ciceros  Überzeugung,  ihren  Zweck. 

1.  Cic.  ad  Qu.  fr.  2,  4,  1  (s.  Nr.  32,  1),  wo  Cic.  fortfährt:  dis  liominibus- 
que  plaudentibus  .  .  .  homo  petulans  et  audax  valde  perturbatus  debilitatus- 
que  discessit.  In  der  veröffentlichten  Rede  füllt  die  eigentliche  interrogatio 
nur  die  letzten  Paragraphen;  das  übrige  ist  eine  heftige  und  giftige  Invek- 
tive,  in  der  Cic.  sogar  die  Jugend  des  Gegners,  über  die  er  nichts  zu  sagen 
weiß,  verdächtigt  (11)  und  ihm  einen  Toilettenfehler  vorhält  (30).  Eine 
Klippe,  die  Cic.  vorsichtig  zu  umschiffen  sucht  (15.  22.  38),  war  des  Vati- 
nius Verbindung  mit  Caesar.    Schol.  Bob.  p.  144 — 152.    Drumann,  GR.  5,  682. 


§  179.  Ciceros  Reden  (pSest. — prov.  cons.)  383 

—  Hss.  wie  in  der  Sestiana.  —  Ausgabe  von  Halm,  Lps.  1846.    Vgl.  Madvig, 
op.  acad.  1,  508. 

34)  pro  M.  Caelio  (§  209,  5),  aus  dem  April  56.  Caelius  war 
auf  Betreiben  der  Clodia,  mit  der  er  einige  Zeit  ein  Liebesverhält- 
nis unterhalten,  sich  aber  dann  überworfen  hatte,  wegen  verschie- 
dener Verbrechen  belangt  worden.  Cicero  sprach  nach  Caelius  und 
M.  Crassus;  daher  geht  die  Rede  von  den  eigentlichen  crimina  be- 
sonders auf  die  Ermordung  des  Dio  aus  Alexandria  und  den  Gift- 
mordversuch an  Clodia  ein,  die  Cicero  mit  Bosheiten  überschüttet; 
einen  breiten  Raum  nimmt  die  Schilderung  von  Caelius'  Vorleben 
und  die  Verteidigung  seines  Lebenswandels  ein.  Die  Disposition 
ist  dadurch  gestört,  daß  in  die  ausgearbeitete  Rede  Abschnitte,  die 
bei  der  Verhandlung  improvisiert  werden  mußten,  ohne  ausglei- 
chende Schlußredaktion  eingelegt  worden  sind. 

1.  Quint.  4,  2,  27  ut  si  defendendus  sit  M.  Caelius,  nonne  optime  patro- 
nus  occurrat  prius  conviciis  luxuriae  petulantiae  inpudicitiae  quam  veneficii? 
in  quibus  solis  omnis  Ciceronis  versatur  oratio.  Die  Überschrift  De  teste 
Fufio  hinter  §  19  beweist,  daß  Cic.  hier  gekürzt  hat  (vgl.  Nr.  24,  1).  Norden 
aO.  zeigt,  daß  die  §§  25 — 30.  35.  48 — 50  bei  der  Verhandlung  selbst  impro- 
visiert sind  und  daher  Dubletten  zu  anderen,  vorher  ausgearbeiteten  Teilen 
der  Rede  bilden.  Caelius  wurde  freigesprochen.  —  Handschriften:  Paris. 
7794  s.  IX  (Facsim.  Chatelain  T.  23)  und  Poggios  Cluniacensis  (o.  2,  2): 
für  einige  Stellen  auch  der  Mailänder  und  der  Turiner  Palimpsest,  s.  §  180,  2. 
Papyrosfragm.  Oxyrh.  Pap.  10,  142.  —  Ausg.:  CVollgraff,  Leiden  1887. 
v  Wageningen,  Groning.  1908.  Über  den  Ankläger  L.  Sempronius  Atratinus 
Münzer,  Herrn.  44,  135.  Ferner  LSchwabe,  Quaest.  Catull.  63.  66.  Madvig, 
op.  acad.  1,  375.  WOetling,  librorum  mss.  Cic.  or.  p.  C.  condicio,  eiusdem 
Caelianae  virtutus  et  vitia,  Gott.  1868.  CBarwes,  quaest.  Tüll.  spec.  I  ad 
Cael.  or.  spectans,  Gott.  1868.  FSchöll,  RhM.  35,  542.  Norden,  SB.  Berl. 
Ak.  1913,  12. 

35)  de  provinciis  consularibus,  gehalten  Ende  Mai  56.  Die 
Rede  bedeutet  eine  tiefe  Demütigung  Ciceros,  der  für  die  Abmachun- 
gen der  Triumvirn  dh.  für  die  Verlängerung  von  Caesars  Statt- 
halterschaft in  Gallien  eintreten  muß  und  daher  genötigt  ist,  diese 
Schwenkung  mit  vielen  Worten  zu  beschönigen.  Ein  Trost  für  ihn 
lag  darin,  daß  er  gleichzeitig  die  Abberufung  seiner  Feinde  Gabi- 
nius  und  Piso  beantragen  und  ihre  Provinzialverwaltung  in  den 
schwärzesten  Farben  malen  kann. 

1.  Auf  diese  Rede  bezieht  sich  wahrscheinlich  ad  Att.  4,  5,  1  (ich  habe 
dir  mein  letztes  Werk  nicht  geschickt)  etiam  (dudum  enim  circumrodo,  quod 
devorandum  est)  sübturpicula  mihi  videbatur  esse  palinodia.  sed  valeant  recta 
vera  honesta  consilia.  non  est  credibüe,  quae  sit  perfidia  in  istis  principibus 
. . .  ego  mehercule  mihi  necessitatem  volui  imponere  huius  novae  coniunctionis. 


384  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

—  Handschriften  wie  bei  Nr.  34.  —  Dbumann,  GR.  5,  706.  Mommsen,  RG. 
36,  323.  Madvig,  op.  2,  1.  EMüller,  Einleit.  zu  Cic.  de  pr.  cons.,  Kattowitz 
1886.  Bernhard,  Üb.  Cic.  Rede  von  d.  Konsularprov. ,  Dresd.  1890.  Hilde- 
brandt, De  schol.  Cic.  Bobiens.  25.  —  Erklärt  von  GTischer,  Berl.  1861. 

36)  pro  L.  (Cornelio)  Balbo  aus  dem  J.  56.  Baibus  aus  Grades 
hatte  im  J.  12  durch  Pompeius  das  Bürgerrecht  erhalten  und  später 
sowohl  ihm  als  auch  Caesar  wichtige  Dienste  geleistet.  Auf  Be- 
treiben eines  Gegners  der  Triumvirn  wurde  er  wegen  Anmaßung 
des  Bürgerrechts  verklagt;  auf  Pompeius'  Bitten  verteidigte  ihn 
Cicero,  der  nach  Pompeius  und  Crassus  zu  Worte  kam. 

1.  Handschriften  wie  bei  Nr.  34.  —  Madvig,  op.  2,  13.  Drumann  22,  511. 
WPaul,  stud.  Ciceroniana,  Berl.  1875.  EJullien,  etude  sur  Cic.  pBalbo, 
Lyon  1881;  de  L.  Com.  Balbo,  Paris  1886.  JHoche,  de  Cornelio  Balbo,  Roß- 
leben 1882.  AGasqut,  de  Cic.  pBalbo  oratione,  Paris  1886.  HKaden,  Quaest. 
ad  Cic.  Balbianam  spectantes,  Gießen  1912.  —  Ausg.  von  Reid,  Cambr.  1879. 

37)  in  L.  (Calpurnium)  Pisonem,  aus  dem  J.  55.  Piso  hatte 
auf  Ciceros  Antrag  (Nr.  35)  seine  Provinz  eher  verlassen  müssen 
als  er  wollte,  und  war  zudem  seit  Jahren  durch  heftige  Schmähun- 
gen Ciceros  gereizt  worden.  Nach  seiner  Rückkehr  machte  er  seinem 
Arger  im  Senat  durch  einige  Ausfälle  Luft:  auf  diese  antwortet 
Cicero  durch  eine  maßlose  Invektive,  in  der  er  sein  Leben  und  seine 
SteUung  mit  der  des  Piso  vergleicht  und  namentlich  dessen  Zuge- 
hörigkeit zur  epikureischen  Schule  zu  seiner  Verhöhnung  benutzt. 

1.  Ascon.  11,  2  haec  oratio  dicta  est  Cn.  Pompeio  Magno  Herum  M.  Crasso 
Herum  coss.  ante  paucos  dies,  quam  Cn.  Pompeius  ludos  faceret  (§  65).  Die 
Synkrisis  des  Piso  mit  sich  selbst  führt  Cic.  bis  §  67  durch,  am  Schlüsse 
droht  er  mit  einem  Repetundenprozesse.  Seine  Angriffe  erschöpfen  ohne 
jede  Schonung  den  ganzen  Vorrat  der  Invektiventopik.  Ziemlich  das  Ärgste 
steht  §  13  meministine  caenum  cum  ad  te  . .  venissem,  nescio  quo  c  gurgustio 
te  prodire  involuto  eapite  soleatum,  et  cum  isto  ore  foetido  taeterrimam  nobis 
popinam  inhalasses,  excnsatione  te  uti  valetudinis,  quod  diceres  vinulentis  te 
quibusdam  medicaminibus  soler e  curari?  . .  paulisper  stetimus  in  Mo  ganea- 
rum  tuarum  nidore  atque  fumo,  unde  tu  nos  . .  turpissime  ructando  eiecisti. 
Als  Epikureer  nennt  er  ihn  maialis  (19),  Epicure  noster  ex  hara  producte 
non  ex  schola  (37)  usw.  Süss,  Ethos,  Lpz.  1910,  259.  Drumann  6,  4.  Piso 
hat  geantwortet,  ad  Qu.  fr.  3,  1,  11  (Sept.  54)  alterum  est  de  Calventi  Mari 
(das  ist  Piso)  oratione  quod  scribis.  miror  tibi  placere  me  ad  eam  rescribeve, 
praesertim  cum  illam  nemo  lecturus  sit,  si  ego  nihil  rescripsero,  meam  in  illum 
pueri  omnes  tamquam  dictata  perdiscant.  Diese  Antwort  Pisos  liegt  uns  nach 
einer  modernen  Hypothese  in  der  Invektive  des  Ps.  Sali.  (§  205,  6)  noch 
vor.  —  Der  Anfang  ist  verloren.  Elf  Bruchstücke  daraus  gibt  die  Hand- 
schrift zu  Cues  (s.  oben  Nr.  12,  1).  Die  Rede  ist  in  guter  Überlieferung  nur 
teilweise  erhalten,  in  dem  Turiner  Palimpsest  und  in  dem  cod.  Yatic.  Basi- 
lican.  (§  178,  3)  s.  VIII,  der  aber  nur  §  32 — 74  enthält  nebst  einigen   alten 


§  179.  Cicero:  Reden  nach  der  Rückkehr  385 

Scholien  (mitgeteilt  von  Reifferscheid,  Bresl.  ind.  schol.  1885/86,  10);  die 
vollständigeren  Hss.,  zB.  der  Erfurtensis  und  die  Poggiohss.,  zeigen  eine 
starke  Verschlechterung,  namentlich  viele  Glosseme.  Stroebel,  Die  Hss.  zu 
Cic.  in  Pis.,  Nürnb.  1893. 

38)  pro  Cn.  Plancio,  vom  J.  54.  Plancius  hatte  als  Quaestor 
dem  in  der  Verbannung  weilenden  Cicero  wesentliche  Hilfe  geliehen; 
bei  der  Bewerbung  um  die  Adilität  hatte  er  den  Iuventius  Late- 
rensis  geschlagen  und  war  von  ihm  auf  Grund  der  lex  Licinia  de 
sodaliciis  wegen  unerlaubter  Wahlbeeinflussung  belangt  worden. 
Außer  der  Widerlegung  dieser  Beschuldigung  und  den  üblichen  Dar- 
legungen über  Plancius'  Vorleben  und  seine  Verdienste  um  Cicero 
bringt  dieser  vieles  vor,  was  Iuventius  über  seine  repulsa  trösten 
und  seinen  eigenen  discessus  im  J.  58  rechtfertigen  soll. 

1.  ad  Qu.  fr.  3,  1,  11  (Sept.  54)  orationes  efflagitatas  pro  Scauro  et  pro 
Plancio  äbsolvi.  Schol.  Bob.  p.  152 — 169.  —  Handschriften:  Monac.  17787 
(Tegernseensis) ,  Erfurtensis.  Ein  Pergamentfragment  s.  V  mit  schlechtem 
Text  ed.  deRicci,  Mel.  Chatelain  442.  —  Drumann,  GR.  6,  45.  —  Ausgaben 
von  GGaratoni,  Bologna  1815,  EWunder,  Lps.  1830,  EKöpke,  Lpz.3  1887 
(von  Landgraf),  Kerin  u.  Allcroft,  Lond.  1891. 

39)  pro  C.  Rabirio  Postum o,  aus  dem  J.  54.  Rabirius,  der 
Adoptivsohn  des  im  J.  63  von  Cicero  verteidigten  Senators,  war 
wegen  seines  Anteiles  an  den  von  Gabinius  in  Alexandria  verübten 
Erpressungen  belangt  worden.  Cicero,  der  sich  in  seiner  damaligen 
Lage  sogar  zur  Verteidigung  seines  Todfeindes  Gabinius  hatte  ver- 
stehen müssen,  übernahm  auch  die  anrüchige  Sache  des  Rabirius. 

1.  Quint.  3,  6,  11  pro  Bdb.  Post.  Cicero  prima  parte  orationis  in  hoc 
intendit,  ut  actionem  competere  in  equitem  Bomanum  neget,  secunda  nullam 
ad  eum  pecuniam  pervenisse  confirmat.  4,  2,  10.  Vgl.  Suet.  Claud.  16.  Cic. 
muß  natürlich  Ausflüchte  machen  wie  33 :  si  nie  invitum  putas,  ne  Cn.  Pom- 
pei  anvmum  offenderem,  defendisse  causam,  et  illum  et  me  vehementer  ignoras. 
Auch  Caesar  trat  energisch  für  Rabirius  ein  (41).  —  Alle  Hss.  stammen 
aus  Poggios  Cluniacensis  (oben  Nr.  2,  2).  —  Drumann,  GR.  6,  71.  Halm,  über 
Ciceros  Rede  pro  R.  P.,  Abh.  Münch.  Ak.  7,  3,  621. 

40)  pro  T.  Milone,  aus  dem  J.  52.  Milo  war  wegen  der  Er- 
mordung des  P.  Clodius  durch  seine  Banden  angeklagt  und  die 
Sache  lag  von  vornherein  ungünstig  für  ihn,  da  ihn  Pompeius  fallen 
ließ.  Cicero  wollte  aber  den  Mann,  dem  er  vieles  verdankte,  nicht 
im  Stiche  lassen  und  verteidigte  ihn  allein.  Da  das  Forum  von  Be- 
waffneten umstellt  war,  so  sprach  er  befangen  und  stockend;  die 
sehr  sorgfältig  angelegte  und  mit  den  stärksten  Mitteln  arbeitende 
Rede,  die  er  veröffentlichte,  hat  mit  der  gehaltenen  nur  geringe 
Ähnlichkeit.   Milo  wurde  verurteilt  und  ging  in  die  Verbannung. 

Teuf  fei:  röm.  Literaturgesch.    Neub.  6.  Aufl.   I.  25 


386  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

1.  Vorzügliche  Sacherklärung  des  Ascon.  p.  30 — 46  (ed.  ill.  Frotscher, 
Freiberg  1845).  Dort  p.  30,  2  (vgl.  36,  29)  hanc  dixit  Cn.  Tompeio  III  cos. 
a.  d.  VI  Id.  April.  Ebd.  37,  3  respondet  his  (den  Anklägern  M.  Antonius 
und  P.  Valerius  Nepos)  unus  M.  Cicero:  et  cum  quibusdam  placuisset  ita 
defendi  crimen,  interfici  Clodium  pro  rep.  fuisse  . . ,  Ciceroni  id  non  placuit 
. .  itaque  cum  insidias  Milonem  Clodio  fecisse  posuissent  accusatores,  quia 
f casum  id  erat  (nam  forte  illa  rixa  commissa  fuerat),  Cicero  apprehendit  et 
contra  Clodium  Miloni  fecisse  insidias  disputavit,  eoque  tota  oratio  eius  spec- 
tavit.  Ebd.  37,  14  Cicero  cum  inciperet  dicere,  exceptus  acclamatione  Clodia- 
norum,  qui  se  continere  ne  metu  quidem  circumstantium  militum  potuerunt. 
itaque  non  ea  qua  solitus  erat  constantia  dixit.  manet  autem  illa  quoque  ex- 
cepta  (stenographisch  nachgeschrieben)  eius  oratio:  scripsit  vero  hanc  quam 
legimus  ita  perfecte,  ut  iure  prima  haberi  possit.  Schol.  Bob.  112, 10  et  extat 
alius  praeterea  Über  actorum  pro  Milone,  in  quo  omnia  interrupta  et  inpolita 
et  rudia,  plena  denique  maximi  terroris  agnoscas.  hanc  orationem  postea  legi- 
timo  opere  et  maiore  cura  . .  conscripsit.  Dio  40,  54.  Die  veröffentlichte  Rede 
ist  sehr  sorgfältig  disponiert  und  stilisiert,  enthält  aber,  wie  es  bei  dem 
ungünstigen  Tatbestande  nicht  anders  möglich  war,  vieles  extra  causam  (92), 
namentlich  eine  fortwährende  diaßoXrj  gegen  Clodius;  Milo  wird  geradezu 
als  Tyrannenmörder  gepriesen  (80),  ja  sogar  die  Gottheit  wird  bemüht 
(83 — 91).  Die  miseratio  ist  mit  Tränen  und  der  hochpathetischen  Ethopoiia 
des  Milo  (93)  sehr  wirkungsvoll  ausgestattet.  Quint.  6,  5,  10  quid  pro  Mi- 
lone? (näml.  consilium  maxime  mirer?)  quod  non  ante  narravit  (§  24 — 29) 
quam  praeiudiciis  omnibus  reum  liberaret?  quod  insidiarum  invidiam  in  Clo- 
dium vertit,  quamquam  re  vera  pugna  fuerat  fortuita  (vgl.  6,  3,  49)?  quod 
factum  et  laudavit  et  tarnen  voluntate  Milonis  removit?  quod  Uli  preces  non 
dedit  et  in  earum  locum  ipse  successit?  Schol.  Bob.  p.  111 — 125.  Schol.  Gron. 
p.  322f.  Vgl.  unten  §  210,  2  gE.  und  §  268,  6.  —  Haupthss.:  Tegernseensis, 
Erfurtensis  (aus  ihm  gab  die  Rede  in  lithographischer  Nachbildung  heraus 
WFreund,  Bresl.  1838),  Harleianus,  dazu  für  einzelne  Stellen  der  Turiner 
Palimpsest.  KBecher,  De  codd.  in  Milon.  aestimandis,  Jena  1913.  —  Aus- 
gaben von  Osenbrüggen  (2Hamb.  1872  von  HWirz),  CHalm  (Berl.10  1899), 
J.  und  A  Wagener  (Mons2  1876),  FRichter  (Lpz.5  1907  von  Nohl).  Clark, 
Oxf.  1895,  Wessner  (mit  d.  ant.  Komm.),  Bonn  1911,  AKlotz,  Lpz.  1914.  — 
Ins  Griechische  übers,  von  WBirkler,  Stuttgart  1860. 

2.  Curth,  de  artificiosa  forma  or.  p.  M.,  Berl.  1833.  LSpengel,  ZfAW. 
1843,  432.  Meusburger,  quatenus  Cic.  in  or.  pMil.  observaverit  praecepta 
rhetorica,  Ried  1882.  —  LLange,  obs.  ad  Cic.  or.  Mil.,  Gießen  1864.  65  II. 
Grümme,  Cic.  or.  Mil.  dispositio,  Gera  1900. 

3.  Auch  die  wirklich  gehaltene  Rede  hatte  sich  erhalten.  Vgl.  A.  1 
und  Quint.  4,  3,  17  Ciceroni  quoque  in  prooemio,  cum  diceret  pro  Milone, 
degredi  fuit  necesse,  ut  ipsa  oratiuncula  qua  usus  est  patet.  Ein  Fragment 
dieser  ersten  Rede  steht  bei  Quint.  9,  2,  54  und  Schol.  Bob.  173,  8.  HGau- 
mitz,  zu  den  Bobienser  Cic -Scholien,  Dresd.  1884,  1. 

41)  pro  M.  Marcello,  im  J.  46  im  Senat  an  Caesar  gerichtet 
zum  Danke  für  die  Zurückberufung  dieses  seines  alten  Gregners 
(§  202,  5). 


§  179.  Cicero:  Reden  vor  Caesar  387 

1.  Die  drei  Heden  pMarc.  Lig.  Deiot.  wurden  schon  im  Altertum  als 
rCaesarianae'  zusammengefaßt;  s.  Non.  437,  9  M.  Tullius  in  Caesarianis 
(=  pMarc.  2).  Sery.  Aen.  11,438  Cicero  in  Caesarianis  (==  'pDeiot.  12).  Prob. 
GL.  4,  27,  18  Cicero  ...  in  Caesarianis  (=  pDeiot.  41)  u.  a. 

2.  Die  Rede  schließt  an  den  Dank  für  die  bewiesene  Milde  überschwäng- 
liche  Lobsprüche  Caesars  und  die  Bitte,  im  Interesse  des  Staates  auf  sein 
Leben  bedacht  zu  sein.  Ep.  4,  4,  3  (Herbst  46):  Caesar  . .  repente  praeter 
spem  dixit  se  senatui  roganti  de  Marcello  ne  ominis  quidem  causa  negatu- 
rum.  . .  itaque  cum  omnes  ante  me  rogati  gratias  Caesari  egissent  . .  ego  ro- 
gatus  mutavi  meum  consilium.  nam  statueram  . .  in  perpetuum  tacere.  fregit 
hoc  meum  consilium  et  Caesaris  magnitudo  animi  et  senatus  officium,  itaque 
pluribus  verbis  egi  Caesari  gratias.  Auch  diese  Rede  hat  ihre  Beglau- 
bigung durch  Anführungen  und  Zeugnisse  nicht  vor  Anfechtungen  der 
Zweifelsüchtelei  schützen  können;  namentlich  hat  F  AWolf  allen  seinen 
Scharfsinn  aufgeboten,  um  zu  beweisen,  daß  die  Rede  schlecht  sei  und  des- 
wegen nicht  ciceronisch;  s.  die  Vorrede  vor  s.  Ausg.  (Berl.  1802).  Wolf  fand 
noch  bei  Kayber  (in  s.  und  Baiters  Cic.-Ausg.  5,  vin)  und  SSchmid,  Üb.  d. 
Echtheit  d.  Rede  pMarc,  Zürich  1888  Zustimmung.  Gegen  Wolf  zuletzt 
FHahne,  orat.  pMarc.  defendit,  Jena  1876  und  HSchwakke,  de  Cic.  quae 
fertur  or.  pMarc,  Erl.  1886. 

3.  Schol.  Ambe.  p.  271.  Schol.  Gronov.  p.  295  ff.  Drumann,  GR.  6,  262. 
—  Handschriften:  Bruxellensis  5345  (Gemblacensis),  Ambros.  C  29  inf.  s.  X, 
Harleianus  2682  s.  XL  Reeder,  De  codd.  in  orat.  Caesar,  aestimandis,  Jena 
1906.  —  Ausg.  von  Fausset,  2Oxf.  1906  (mit  Ligar.  und  Deiot.),  von  FRichter 
(Lpz.4  1904  von  Eberhard),  AKlotz,  Lpz.  1914. 

42)  pro  Q.  Ligario,  öffentliche  Fürsprache  bei  Caesar  für  die- 
sen verbannten  Pompejaner,  vom  J.  46. 

1.  Ligarius  wurde  von  Q.  Aelius  Tubero  angeklagt,  der  selbst  auf 
pompejanischer  Seite  gestanden  hatte,  so  daß  Cic.  sein  Verhalten  mit  dem 
des  Ligarius  vergleicht;  er  wendet  sich  an  Caesars  Milde  (1),  da  es  sich 
nicht  um  einen  eigentlichen  Rechtsfall  handelt.  Unklar  bleibt  das  Verhält- 
nis der  nach  §  37  auf  dem  Forum  gehaltenen  Rede  zu  der  vom  23.  Sept. 
46,  über  die  Cic.  ep.  6,  14,  2  an  Ligarius  schreibt:  ego  . .  cum  . .  venissem 
mane  ad  Caesarem  atque  omnem  adeundi  et  conveniendi  illius  indignitatem 
et  molestiam  pertulissem,  cum  . .  ego  essem  locutus,  quae  causa  quae  tuum 
tempus  postulabat,  non  solum  ex  oratione  Caesaris,  quae  sane  mollis  et  libe- 
ralis  fuit,  sed  etiam  ex  oculis  et  vultu  . .  hac  opinione  discessi,  ut  mihi  tua 
salus  dubia  non  esset.  Daß  die  Rede  erst  später  aufgezeichnet  ist,  ergibt 
sich  aus  ad  Att.  13,  44,  3  (Juli  45):  Brutus  mihi  T.  Ligari  verbis  nuntia- 
vit,  quod  appellatur  L.  Corfidius  in  oratione  Ligariana  (§  33),  erratum  esse 
meum.  sed  ut  aiunt  iwritLoviKÖv  aiiccgTr^ia.  sciebam  Corfidium  pernecessarium 
Ligariorum,  sed  eum  video  ante  esse  mortuum.  da  igitur  quaeso  negotium 
Pharnaci  Antaeo  Salvio,  ut  id  nomen  ex  Omnibus  libris  tollatur.  Der  Name 
ist  aber  stehen  geblieben.  Über  die  Zeit  s.  Drumann  32,  635.  OESchmidt, 
Briefwechsel  257.  Die  Veröffentlichung  erfolgte  im  Mai  oder  Juni  45  (ad 
Att.  13,  12,  19);  im  Juni  erklärt  er,  einen  Zusatz  über  die  Gattin  Tuberos 
nicht  mehr  anbringen   zu  können   (OESchmidt  321).    Schol.  Gron.   p.  291  ff. 

25* 


388  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

—  Die  Hss.  wie  bei  Nr.  41,  3.  —  Ausgaben  von  Soldan  (Hanau  1839),  Halm 
(Ausgew.  Rdn.  V,  Berl.10  1899),  FRichter  (s.  Nr.  41,  3),  Fausset  2Oxf.  1906. 

—  Übers,   u.   mit  Anmerk.   v.  HKkatz,   Stuttg.  1869.    Vgl.  FSchoell,  RhM. 
55,  489. 

2.  CGuttmann,  de  earum  quae  vocantur  Caesarianae  orationum  genere 
dicendi,  Greifsw.  1883,  wollte  (nach  vWilamowitz  ,  Herrn.  12,  332)  zeigen, 
daß  Cicero  in  der  Rede  pro  Marcello  vor  Caesar  Asianer  sei,  aber  in  den 
Reden  pLig.  und  pDeiot.  aus  Rücksicht  auf  Caesar  den  Attiker  (oben  S.  87) 
spiele.    Doch  s.  Laurand,  ßtudes  338.    Skrbinzek,  Progr.  Villach  1908. 

43)  pro  rege  Deiotaro,  Verteidigung  dieses  galatischen  Für- 
sten gegen  die  Anschuldigung  eines  Mordversuches  auf  Caesar,  ge- 
halten in  dessen  Hause,  Oktober  oder  November  45. 

1.  Cic.  ep.  9,  12,  2  (Dez.  45)  oratiunculam  pro  Deiotaro,  quam  require- 
bas,  habebam  mecum,  quod  non  putaram.  itaque  eam  tibi  misi,  quam  velim 
sie  legas  ut  causam  tenuem  et  inopem  nee  scriptione  magno  opere  dignam: 
sed  ego  hospiti  veteri  et  amico  munusculum  mittere  volui  levidense  crasso  filo, 
cuiusmodi  ipsius  solent  esse  munera.  Schol.  Ambr.  p.  272.  Schol.  Gron. 
p.  298 ff.  —  Handschriften  wie  bei  Nr.  41,  3.  —  Ausgaben  von  Frotscher 
(Lps.  1835),  Soldan  (Hanau  1836),  CHalm  (Ausgew.  Rdn.  V,  Berl.10  1899), 
FRichter  (s.  Nr.  41,  2). 

44 — 57)  In  M.  Antonium  orationum  Philippicarum  libri 
XIV,  aus  den  J.  44  und  43.  Die  erste  (vom  2.  Sept.  44)  sucht  den 
Redner  wegen  seiner  langen  Abwesenheit  vom  Schauplatze  der 
politischen  Tätigkeit  zu  rechtfertigen,  beklagt  sich  über  einen  neu- 
esten Angriff  seines  ^Freundes'  M.  Antonius  und  weist  diesen  auf 
die  richtige  politische  Bahn.  Als  Antonius  hierüber  aufgebracht 
am  19.  September  im  Senat  eine  Rede  hielt,  worin  er  des  (ausge- 
bliebenen) Cicero  ganze  öffentliche  Laufbahn  beleuchtete,  arbeitete 
der  Angegriffene  eine  Gegenrede  aus,  der  er  die  Einkleidung  gab, 
als  sei  sie  auf  der  Stelle  zur  Erwiderung  im  Senat  gehalten  wor- 
den, veröffentlichte  sie  (die  zweite  philippische)  aber  erst  nach  des 
Antonius  Abgang  aus  Rom.  Die  dritte,  vom  20.  Dezember,  bean- 
tragt, nach  herber  Kritik  an  den  Handlungen  des  Antonius,  den 
man  für  einen  Landesfeind  erklären  müsse,  daß  der  Senat  den  D. 
Brutus  und  Octavian  für  ihren  Widerstand  gegen  den  Consul  An- 
tonius belobe;  als  dies  geschah,  teilte  Cicero  den  gefaßten  Beschluß 
noch  an  demselben  Tage  dem  Volke  in  der  vierten  Rede  mit,  die 
ebenfalls  den  Nachdruck  auf  die  Staatsfeindlichkeit  des  Antonius 
legt.  Die  fünfte  (vom  1.  Jan.  43)  stellt  den  Antrag,  jenen  Gegnern 
des  Antonius  Auszeichnungen  zu  verleihen,  diesen  selbst  aber  wie 
einen  Reichsfeind  zu  behandeln  und  nicht  durch  Gesandte  mit  ihm 
zu  verkehren.  Nachdem  am  4.  Jan.  die  erste  Hälfte  dieses  Antrags 


§  179.  Cicero:  Philippische  Reden  389 

angenommen,  statt  der  zweiten  aber  noch  ein  gütlicher  Versuch  be- 
schlossen war,  verkündete  dies  Cicero  dem  Volke  an  demselben  Tage 
in  der  sechsten  Rede.  Die  siebente  (Ende  Januar)  dringt  aber- 
mals auf  Kriegserklärung  gegen  Antonius,  da  der  Friede  schimpf- 
lich, gefährlich  und  unhaltbar  sei.  Daß  auch  nach  dem  Scheitern 
jenes  Versuchs  nur  eine  halbe  Maßregel,  nämlich  die  Erklärung 
des  tumultus,  beschlossen  wurde,  tadelt  die  achte  (3.  Februar)  und 
macht  neue,  übrigens  ziemlich  belanglose  Vorschläge.  Die  neunte 
(4.  Febr.?)  befürwortet  als  Ehrenbezeugung  für  seinen  auf  der  Ge- 
sandtschaftsreise zu  Antonius  verstorbenen  Freund,  Ser.  Sulpicius, 
die  Errichtung  eines  Standbildes-,  von  Antonius  ist  dabei  kaum  die 
Rede.  Die  zehnte  (spätestens  Ende  Februar)  beantragt  nach  hefti- 
gen Ausfällen  gegen  Q.  Fufius  Calenus,  der  eine  andere  Ansicht 
vertreten  hatte,  die  nachträgliche  Bestätigung  der  von  M.  Brutus 
in  Makedonien  und  Griechenland  eigenmächtig  getroffenen  Maß- 
regeln. Die  elfte  (gegen  Mitte  März  43)  spricht  (vergebens)  dafür, 
daß  die  Bestrafung  des  Dolabella,  der  den  Proconsul  von  Asien, 
0.  Trebonius,  hingerichtet  hatte,  dem  C.  Cassius  übertragen  werde. 
In  der  zwölften,  die  fast  unmittelbar  auf  die  vorige  folgte,  sucht 
Cicero  die  beschlossene  abermalige  Gesandtschaft  an  Antonius,  für 
die  er  selbst  in  einer  vorübergehenden  Verblendung  eingetreten 
war,  rückgängig  zu  machen  und  sich  von  der  Teilnahme  daran  zu 
befreien;  er  gibt  als  Grund  die  Gefahren  an,  die  ihm  auf  dieser 
Reise  drohen.  Die  dreizehnte  (20.  März  43)  verteidigt  seine 
Kriegspolitik  gegen  die  Friedensmahnungen  des  M.  Lepidus  und 
Munatius  Plancus;  Cicero  benutzt  namentlich  einen  Brief  des  An- 
tonius an  Hirtius  und  Octavian,  um  Stimmung  gegen  ihn  zu  machen. 
Endlich  die  vierzehnte  (22.  April  43)  beantragt  ein  großes  Dank- 
fest wegen  des  Sieges  über  Antonius  bei  Forum  Gallorum  und  Aus- 
zeichnungen für  die  siegreichen  Feldherren;  diese  seien  als  Sieger 
über  einen  Staat sfeind,  für  den  man  Antonius  endlich  erklären 
müsse,  mit  dem  Titel  Imperator  zu  benennen.  Der  Ton  dieser  Phi- 
lippiken ist  gereizt,  die  Sprache  leidenschaftlich  und  lebhaft. 

1.  Brut,  ad  Cic.  2,  3,  4  (April  43)  nach  Erwähnung  der  fünften  und 
zehnten  Rede:  iam  concedo,  ut  vel  Phüippici  vocentur,  quod  tu  quadam  epi- 
stula  iocans  scripseras.  Cic.  ad  Brut.  2,  4,  2  de  te  etiam  dixi  tum  quae  di- 
cenda  putavi.  liaec  ad  te  oratio  perferetur ,  quoniam  te  video  delectari  Phi- 
lippicis  nostris.  Plut.  Cic  24.  48.  Nur  Gellius  zitiert  sie  als  Antonianae. 
Da  Arusianus  zwei  Stellen  aus  einer  16.  Rede  anführt  und  Nonius  aus  lib. 
IV  und  XIV  Worte  zitiert,  die  sich  dort  nicht  finden  (vgl.  Schol.  Bob. 
120,  24  mit  Stangls  Anm.),  so  hat  es  noch  ein  zweites  Corpus  dieser  Reden 


390  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

gegeben.  Müller  Ausg.  2,  3,  569.  4,  3,  287.  Aber  aus  Appian.  b.  c.  3,  52  f.  läßt 
sich  nicht  mit  LSimon,  JJ.  1911  XXVII  412  folgern,  daß  Cic.  zwischen  Rede 
5  und  6  noch  eine  gehalten  habe,  die  von  Appian  benutzt  sei.  —  Die  Haupt- 
hs.  ist  der  Vatic.-Basilican.  H  25  s.  IX  (§  178,  3),  dann  Vossian.  0  2  s.  X, 
Tegernseensis  s.  XI  u.  a.  OGuenther,  De  Philipp,  cod.  Jenensi,  Jena  1909. 
—  Ausgaben  der  Phil.:  von  Wernsdorf  (Lps.  1821  f.  II;  verb.  Text  ebcL 
1825),  von  RKing,  2Oxf.  1877,  Clark,  Oxf.  1900;  die  erste  von  de  la  Yille 
de  Mirmont,  Paris  1902;  die  zweite  (welche  besonders  berühmt  ist,  luv.  10, 
125)  bes.  herausg.  von  Wernsdorf  (mit  Übersetzung,  Lpz.  1815),  JGantrelle, 
Par.2  1882,  Sihler,  New  York  1903.  Die  erste  und  zweite  erkl.  von  Halm 
(Ausgew.  Rdn.  VI,  Berl.8  1905)  und  AKoch  (Lpz.8  1899  von  AEberhard),  die 
dritte  bis  zehnte  von  WSternkopf,  Berl.  1912  f. 

2.  Drumann  l2,  122.  Ganter,  JJ.  149,  618.  Ruete  (§  187,  2).  JMitter- 
mayr,  Beitr.  zur  Erkl.  der  ersten  Phil.  R.  (Aschaffenb.  1841);  zur  zweiten 
(ebd.  1843.  45).  Gegen  AKrauses  Verdächtigung  der  vierten  (Cic.  Phil.  IV 
expl.  et  Ciceroni  derogavit,  Berl.  1839,  und  Jahns  Archiv  13,  297)  s.  AJordan, 
ZfAW.  1840,  611.  Schuster,  vindiciae  Cic.  or.  Phil,  quartae,  Lüneb.  1851  f. 
Schirlitz,  De  Cic.  phil.  nona,  Wetzlar  1844.  Zur  Chronologie  OESchmidt, 
de  epist.  Cassian.  25.  27.  34.  —  Einen  besonderen  Stil  zeigen  diese  Reden 
nicht,  obwohl  man  es  behauptet  hat.  OHauschild,  de  sermonis  proprietat. 
in  orat.  Phil.,  Diss.  Halens.  6,  233.    Laurand,  liltudes  325. 

180.  Außer  diesen  57  Reden  sind  Bruchstücke  erhalten  von 
ungefähr  20  weiteren ?  und  von  etwa  30  anderen  wissen  wir  den 
Namen.  Dazu  kommt  noch  eine  Anzahl  nur  geschriebener  (nicht 
gehaltener)  Lobreden,  nämlich  auf  Caesar  (vom  J.  56)  ?  den  jünge- 
ren Cato  (J.  46)  und  dessen  Schwester  Porcia  (J.  51). 

1.  Erhebliche  Bruchstücke  sind  erhalten:  a)  von  den  zwei  Cornelianae: 
pro  C.  Cornelio  de  maiestate,  vom  J.  65;  die  principes  klagten  den  Corne- 
lius wegen  Umgehung  der  tribunizischen  Interzession  an,  und  Cic.  über- 
nahm die  Verteidigung  wohl  mit  Rücksicht  auf  die  Bewerbung  ums  Con- 
sulat  (vgl.  Vatin.  5);  s.  Ascon.  p.  47 — 63  St.  und  Quint.  8,  3,  3  nee  fortibus 
modo,  sed  etiam  fulgentibus  armis  proeliatur  in  causa  Cicero  Cornelii;  vgl. 
6,  5,  10.  10,  5,  13.  GBeck,  quaest.  in  Cic.  p.  Cornelio  orationes,  Lps.  1877. 
Heinze,  Abh.  Sachs.  Ges.  1909,  995.  Münzer,  PW.  4,  1252 ;  b)  von  der  oratio 
in  toga  Candida,  J.  64  im  Senat  gegen  die  Wahlumtriebe  seiner  Mitbewer- 
ber C.  Antonius  und  Catilina  gehalten,  vgl.  Bücheler,  Q.  Cic.  p.  9.  PKöt- 
schau,  de  Cic.  or.  in  toga  Candida,  Lpz.  1881 ;  zu  Asconius'  Zeiten  (p.  72, 17) 
liefen  Erwiderungen  auf  diese  Rede  Cic.s  um,  die  von  Feinden  Ciceros  auf 
die  Namen  des  Catilina  und  des  Antonius  gefälscht  waren;  c)  von  der 
Senatsrede  in  Clodium  et  Curionem  aus  J.  61  durch  schol.  Bob.  85 — 91. 
Vgl.  ad  Att.  1, 16,  8.  3, 12,  2.  Schol.  Bob.  85,  4  non  rei  postulantur  a  Tullio 
vel  G.  Curio  vel  P.  Clodius,  sed  quoniam  habuerant  in  senatu  quandam  iur- 
giosam  decertationem ,  visum  Ciceroni  est  hanc  orationem  conscribere  plenam 
sine  dubio  et  asperitatis  et  facetiarum.  GBeck,  Einl.  und  Dispos.  zu  Cic. 
Rede  in  Clod.,  Zwickau  1886:  d)  von  der  pro  M.  Aemilio  Scauro,  der 
wegen   Erpressungen   in   Sardinien    belangt   wurde,    vom  J.  54;   s.  Drumann, 


§  180.  Cicero:  verlorene  Reden  391 

GR.  6,  36.  Ascon.  p.  22 — 29.  HGaumitz,  de  Scauri  caussa  repetundarum, 
Lpz.  Stud.  2, 249 ;  e)  interrogatio  de  aere  alieno  Milonis  aus  dem  J.  53,  ver- 
anlaßt durch  Clodius'  Behauptung,  Milo  habe  seine  Schulden  zu  gering  an- 
gegeben, und  durch  seine  Ausfälle  gegen  Cic.  Schol.  Bob.  169 — 174. 

2.  Wichtigste  Hss.  für  die  Fragmente  der  Reden:  Ambros.  R  57  sup. 
s.  V  palimps.  (Facsim.  Chatelain  Tf.  29,  1),  Taurinensis  A  II  2  (Chatelain 
Tf.  29t  2),  Vatic.-Palat.  24  s.  V  (Chatel.  T.  32,  2).  —  Sammelausgaben  der 
Bruchstücke  einzelner  Reden:  Sex  orationum  partes  ineditae,  ed.  AMai, 
2Mail.  1817;  Auetor.  class.  2,  277.  Orat.  p.  Fonteio  et  C.  Rabir.  fragmenta 
ed.  Niebuhr,  Rom  1820.  Orat.  p.  Scaur.,  Tüll,  et  in  Clod.  fragmenta  inedita 
ed.  Peyron,  Stuttg.  1824.  Orat.  p.  Tüll.,  in  Clod.,  p.  Scauro,  p.  Flacco 
fragm.  ined.  coli.  CBeier,  Lps.  1825,  nebst  Indices,  Lpz.  1831.  JKlein,  üb. 
eine  Handschr.  des  Nik.  v.  Cues  nebst  ungedruckten  Fragm.  Cic.  Reden, 
Berl.  1866;  dazu  Traube,  0  Roma  nobilis,  München  1891.  —  Die  Bruch- 
stücke der  Reden  in  den  Gesamtausgaben  zB.  bei  Baiter-Kayser  11,  1  und 
bei  CFWMüller  4,  3,  231.  Halm,  Beitr.  z.  Berichtig,  der  cic.  Fragmente, 
Münch.  SBer.  1862  2,  1.  FBelin,  de  Cic.  orationum  deperditarum  fragmen- 
tis,  Par.  1875.  —  Verzeichnis  der  Reden,  von  denen  Bruchstücke  nicht  er- 
halten sind,  zB.  bei  CFWMüller  4,  3,  289. 

3.  Skizzen  und  Entwürfe  von  Reden  des  Cic.  veröffentlichte  aus  dessen 
Nachlaß  sein  Freigelassener  Tiro.  Quint.  10,  7,  30  plerumque  autem  multa 
agentibus  acciäit,  ut  maxime  necessaria  atque  initia  scribant,  cetera  quae 
domo  adferunt  eogitatione  complectantur ,  subitis  ex  tempore  oecurrant  quod 
fecisse  M.  Tidlium  commentariis  ipsius  apparet.  ebd.  31  Ciceronis  ad  prae- 
sens modo  tempus  aptatos  (commentarios)  Tiro  contraxit.  Vgl.  ebd.  4,  1,  69 
Cicero  pro  Scauro  ambitus  reo,  quae  causa  est  in  commentariis  (nam  bis  eun- 
dem  defendit),  prosopopoeia  . .  utitur.  Hieronym.  apol.  ad  Rufin.  2,  469  Vall. 
(in  commentariis  causarum,  pro  Gabinio).   CFWMüllers  Cic.  4,  3,  291. 

4.  Über  Ciceros  laudatio  Porciae  s.  ad  Att.  13,  37,  3.  13,  48,  2.  Ob  Bru- 
tus1 Gattin  oder  deren  Tante  gemeint  ist  (PW.  5,  1343,  25),  ist  nicht  sicher 
auszumachen.  —  ad  Q.  fr.  3,  8,  5  Serrani  Domestici  filii  funus  perluctuosum 
fuit  a.  d.  VIII  Kai.  Dec.  (J.  54),  laudavit  pater  scripto  meo. 

5.  Plut.  Caes.  54  ^ygccips  KmEgcov  iynm[Liov  Kdrcovog,  övoiicc  tq>  Xoyco 
fr^liEvos  Kdtcovw  nccl  itollolg  6  Xöyog  t)v  diu  6itovSf\g,  d>g  slnog,  vnb  tov 
dsivordtov  rcov  qtitoqcov  slg  trjv  y.aVki6tr\v  7tZTtoii\\i,£vog  vtco&sgiv.  Abfassungs- 
zeit J.  46  zwischen  Brutus  und  Orator.  FSchneider,  de  Ciceronis  Catone 
minore,  ZfAW.  1837,  Nr.  140.  Göttling,  opusc.  153.  Busch  (§  201,4)  12. 
Baiter-Kayser  11,  67.  Müller  4,  3,  327.  Der  Inhalt  dieser  Lobrede  auf 
Cato  erregte  wegen  freimütiger  Äußerungen  bei  Caesar  einigen  Anstoß  (ad 
Att.  12,  40,  1.  13,  27,  1),  obwohl  er  ihre  formelle  Vorzüglichkeit  anerkannte 
(ebd.  13,  46,  2);  er  veranlaßte  daher  zuerst  den  Hirtius  zu  einer  Gegen- 
schrift und  schrieb  dann  selbst  einen  Anticato  (s.  §  195,  7).  Auch  M.  Bru- 
tus schrieb  (Anfang  45)  einen  Cato  (§  210,  2  E).  HPeter,  Geschichtl.  Lit. 
1,  165. 

6.  Die  untergeschobene  Rede  pridie  quam  in  exilium  iret  (überliefert 
in  dem  Corpus  der  Reden  des  J.  57/6)  s.  zB.  bei  Baiter-Kayser  11,  156  und 
bei  CFWMüller  4,  3,  425.  Über  die  erdichteten  Streitreden  zwischen  Sallust 
und  Cic.  s.  unten  §  205,  6.    Die  Rede,  die  Cassius  Dio  44,  23—33  dem  Cic. 


392  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

in  den  Mund  legt,  ist  auf  Grund  guten  Materiales  von  dem  Historiker  selbst 
gemacht;  FStraumer,  de  Cic.  or.  ap.  Cass.  Dion.,  Chemnitz  1872. 

181.  In  der  Lehre  von  der  Beredsamkeit  war  Cicero,  wie  es 
nicht  anders  sein  konnte,  Schüler  der  Griechen.  Nach  einem  Jugend- 
versuch, den  er  später  selbst  verurteilte,  trat  er  in  reiferen  Jahren 
mit  selbständigen  rhetorischen  Schriften  auf,  nicht  um  die  Theorie 
weiter  zu  führen,  sondern  teils  um  seiner  Überzeugung  von  der 
Notwendigkeit  einer  philosophischen  Rhetorik  Ausdruck  zu  geben, 
teils  um  seine  eigene  Stellung  in  der  Geschichte  der  römischen  Be- 
redsamkeit darzulegen  und  seine  rednerische  Weise  gegen  Wider- 
sacher zu  verteidigen.  Dabei  weiß  er  die  Hauptsätze  der  Rhetorik 
in  anziehender  Weise  gemeinverständlich  darzustellen  und  sein  redne- 
risches Ideal  mit  echter  Wärme  zu  vertreten.  In  seinem  Kampfe 
gegen  die  unfruchtbaren  Tifteleien  der  Schulrhetorik  gerät  Cicero 
sogar,  indem  er  absichtlich  übertreibt,  in  das  Extrem  des  bloßen 
Empirismus  und  läßt  öfters  Schärfe  der  Begriffe  vermissen. 

1.  Über  Ciceros  Stellung  zu  der  asiatischen  und  der  attischen  Bered- 
samkeit 8.  auch  S.  87.  Harneckek,  JJ.  125,  601.  129,  42.  —  Piderit,  Kunst- 
wert der  rhetorischen  Schriften  Cic.s,  JJ.  82,  503.  LSpengel,  RhM.  18,  495. 
Corcio,  le  opere  retoriche  di  Cic,  Acireale  1900.  Laurand,  De  Cic.  studiis 
rhet.,  Paris  1907.  Kroll,  JJ.  1903  XI  681.  WHeinicke,  De  Cic.  doctrina  quae 
pertinet  ad  materiam  et  inventionem,  Königsb.  1891.  HJentsch,  Aristotelis 
ex  arte  rhetorica  quid  habeat  Cicero,  Berl.  1866;  de  Aristotele  Cic.  in  rhe- 
torica  auctore,  Guben  1874.  75  II.  Causeret,  sur  la  langue  de  la  rhetorique 
en  Cic,  Par.  1887.  —  Über  die  Benutzung  der  ciceron.  Rhetorica  bei  den 
späteren  Rhetoren  ThStangl,  BlbayrGW.  19,  184.  277.  334.  —  D  Wollner, 
d.  aus  der  Krieger-  u.  Fechter-Sprache  entlehnten  Wendungen  in  den  rhe- 
tor.  Sehr.  d.  Cic.  Quint.  Tac,  Landau  1886.  —  Ausg.  der  rhetor.  Schriften 
von  Friedrich,  Lpz.  1891.  Wilkins,  Oxf.  1901.  03  II.  —  Literaturbericht 
von  Stroebel  JB.  80,  166.  84,  319;  von  Ammon  ebd.  105,  203  usw.,  zuletzt 
143,  112. 

2.  Den  Prosarhythmus  hat  nicht  erst  Cic  in  Rom  eingeführt  (s.  zB. 
§  136,  9),  aber  er  hat  ihn  zuerst  eingehend  geschildert  und  seine  Berechti- 
gung verteidigt.  Der  rhythmische  Fall  der  Rede  stellt  sich  häufig  von  selbst 
ein  (§  61),  als  Kunstmittel  ist  er  von  den  Sophisten  des  5.  Jahrh.  eingeführt 
worden  und  Isokrates  hat  die  ersten  Regeln  darüber  aufgestellt,  die  von 
seinen  Schülern  und  Nachfolgern  weitergebildet  wurden.  Zu  Cic.s  Zeit 
befolgten  die  Schulen  darin  eins  feste  Praxis.  Obwohl  die  ganze  Rede 
rhythmisch  sein  kann,  so  sind  fast  nur  die  Rhythmen  der  Satzschlüsse 
recht  greifbar  und  auch  allein  in  den  hellenistischen  Rhetorenschulen  ge- 
lehrt worden.  Der  ursprüngliche  Reichtum  der  rhythmischen  Satzschlüsse 
(Klauseln)  hat  sich  allmählich  verringert,  so  daß  in  dieser  Zeit  noch  vier 
Klauseln  in  Gebrauch  waren.  Sie  wurden  in  der  Praxis  allgemein  ange- 
wendet, und  ihre  Berechtigung  zu  ^bestreiten  ist  erst  den  Attizisten  einge- 
fallen  (§  182,  4).    Cic  hat  die  Anwendung  des  Rhythmus   durch  die  Praxis 


§  181.  182.  Ciceros  rhetorische  Schriften  393 

der  Rhetorenschule  gelernt  und  wendet  die  rhythmische  Klausel  überall  an, 
wo  er  kunstmäßig  stilisiert;  als  er  aber  die  Klauseln  wissenschaftlich  be- 
handeln wollte,  mußte  er  sich  erst  in  die  Theorie  hineinarbeiten.  So  kommt 
es,  daß  seine  theoretischen  Erörterungen  sich  nicht  völlig  mit  seiner  Praxis 
decken  und  auch  die  neuere  Forschung  (zß.  Wüst,  Diss.  Argent.  5,  227)  in 
die  Irre  geführt  haben.  Das  Richtige  bei  EMüller,  De  numero  Cic,  Kiel 
1886.  Norden,  Kunstpr.  909.  JWolff,  JJ.  Suppl.  26,  577.  Vgl.  Bornecque 
(§  187,  2).  Zielinski,  Das  Klauselgesetz  in  Cic.  Reden,  Phil.  Suppl.  9  H.  4. 
Der  konstrukt.  Rhythmus  in  Cic.  Reden,  Phil.  Suppl.  13,  1.  Laurand,  £tu- 
des  sur  le  style  des  discours,  Paris  1907,  107.  Zander,  Eurythmia  Ciceronis, 
Lpz.  1914. 

182.  Die  erhaltenen  rhetorischen  Schriften  Ciceros  sind  nach 
der  Zeit  ihrer  Abfassung  folgende: 

1)  Rhetorica  (Rhetorici,  de  inventione):  s.  §  177a,  3. 

2)  de  oratore  libri  tres,  verfaßt  J.  55,  eingekleidet  in  die  Form 
eines  Gesprächs,  das  die  beiden  größten  Redner  der  letzten  Gene- 
ration, L.  Crassus  und  M.  Antonius,  mit  anderen  namhaften  Red- 
nern ihrer  Zeit  im  J.  91  halten.  Durch  diese  Einkleidung  hat  die 
Behandlung  an  Leichtigkeit,  Vielseitigkeit  und  Lebendigkeit  ge- 
wonnen und  die  Trockenheit  systematischer  Darlegung  mit  Glück 
vermieden.  Die  äußere  Einkleidung  ist  die  des  platonischen  Dia- 
loges, vor  allem  des  Phaidros;  nach  der  Sitte  des  antiken  Dialoges 
läßt  Cicero  seine  Personen  unbedenklich  seine  eigenen  Ansichten 
aussprechen.  Obwohl  die  dramatische  Kunst  des  Piaton  bei  weitem 
nicht  erreicht  ist,  so  ist  das  Werk  doch  durch  den  Reichtum  sei- 
nes Inhaltes  und  die  gefeilte  Darstellung  zu  den  vollendetsten  des 
Cicero  zu  rechnen.  Platonisch  ist  auch  die  Forderung  einer  philo- 
sophischen Rhetorik,  die  das  ganze  Werk  wie  ein  Leitmotiv  durch- 
zieht; aber  Cicero  entnimmt  die  Gedanken,  mit  denen  er  sie  be- 
gründet, nicht  dem  Piaton  selbst,  sondern  den  jüngeren  Vertretern 
der  Akademie,  deren  persönliche  Einwirkung  er  selbst  erfahren 
hatte.  Das  erste  Buch  erörtert  die  Bildung  zum  Redner,  das  zweite 
die  Behandlung  des  Stoffes,  das  dritte  die  Form  und  den  Vortrag 
der  Rede. 

1.  Cic.  ad  Att.  4,  13,  2  (Nov.  55)  de  libris  oratoriis  factum  est  a  me 
düigenter;  diu  multumque  in  manibus  fuerunt,  describas  licet,  ad  Att.  13, 
19,  4  sunt  etiam  de  oratore  nostri  tres  mihi  vementer  probati.  in  eis  quoque 
eae  personae  sunt,  ut  mihi  tacendum  fuerit;  Crassus  enim  loquitur,  Antonius, 
Catulus  senex,  C.  Iulius  frater  Catuli,  Cotta,  Sulpicius.  puero  me  hie  sermo 
inducitur ,  ut  nullae  esse  possent  partes  meae.  ep.  1,  9,  23  (J.  54)  scripsi 
Aristotelio  more,  quemadmodum  quidem  volui,  tres  libros  in  disputatione  ac 
dialogo  de  oratore  . . .  abhorrent  enim  a  communibus  praeeeptis  atque  omnem 
antiquorum  et  Arlstoteliam  et  Isocrateam  rationem   oratoriam  conplectuntur. 


394  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

Die  Aristotelische  Art  liegt  darin,  daß  die  einzelnen  Personen  über  ihre 
Meinungen,  die  sie  fertig  mitbringen,  längere  zusammenhängende  Vorträge 
halten  und  nicht  wie  im  sokratisch-platonischen  Dialoge  die  Wahrheit  durch 
Hin-  und  Herreden  und  Fragen  gefunden  wird.  Die  Behauptung  der  An- 
lehnung an  Aristoteles'  und  Isokrates'  Lehren  bedeutet  nicht,  daß  diese  un- 
mittelbar benutzt  sind  —  was  nirgends  geschehen  ist  — ,  sondern  daß  Cic. 
den  Vertretern  der  philosophischen  Rhetorik  folgt,  zu  denen  man  auch  den 
Isokrates  rechnete  (de  inv.  2,  7.  ad  Att.  2,  1,  1),  nicht  den  Schulrhetoren. 
FBrückner,  quid  Cic.  in  libris  de  or.  ex  Isocrate  et  Aristotele  mutuatus  sit, 
Schweidnitz  1849.  Warum  Cic.  den  Scaevola  nach  dem  1.  B.  abtreten  läßt, 
begründet  er  Att.  4, 16,  3.  Eine  Anspielung  auf  die  Schrift  auch  ep.  7,  32,  2. 
Jedem  Buche  geht  eine  an  Quintus  als  an  den  Adressaten  des  Werkes  ge- 
richtete Einleitung  voraus,  die  mit  dem  eigentlichen  Dialoge  künstlerisch 
nicht  verbunden  ist  —  auch  das  in  der  Weise  des  Aristoteles.  Die  Anleh- 
nung an  Piatons  Phaidros  zeigt  sich  u.  a.  1,  28,  wo  Cic.  selbst  auf  dieses 
Vorbild  hinweist,  und  am  Schlüsse  in  dem  vaticinium  auf  Hortensius,  das 
dem  auf  Isokrates  nachgebildet  ist.  Hirzel,  Dialog  486.  Kiaulehn,  Diss. 
Hai.  23,  175. 

2.  Aus  welcher  Quelle  die  Argumente  für  die  Notwendigkeit  einer  phi- 
losophischen Rhetorik  stammen,  deutet  Cic.  selbst  an  3,  110  nunc  enim 
apud  Philonem,  quem  in  Academia  vigere  audio,  etiam  harum  iam  causarum 
cognitio  exercitatioque  celebratur.  Das  steht  in  einem  kunstvoll  in  die  Lehre 
vom  Ausdruck  eingeschobenen  Exkurse  (54 — 143),  der  in  seinem  Hauptin- 
halte nur  von  einem  griechischen  Philosophen  und  zwar  einem  Akademiker 
herrühren  kann.  Vgl.  orat.  12  fateor  me  oratorem  . .  non  ex  rhetorum  offi- 
cinis,  sed  ex  Academiac  spatiis  extitisse.  Brut.  332  E.  vArnim,  Dio  v.  Prusa 
97  sieht  Ciceros  Quelle  in  Philon  von  Larissa  (vgl.  Tusc.  2,  9),  Kroll  RhM. 
58,  552  weist  auf  den  Einfluß  des  Antiochos  von  Askalon  hin.  Vgl.  u.  5,  1. 
Ranft  aO.  9.  Den  Wert  philosophischer  Bildung  erweist  Cic.  durch  das 
platonische  Argument,  daß  der  Redner  die  psychologische  Wirkung  be- 
rechnen müsse,  durch  die  Forderung  ausgedehnter  allgemeiner  Kenntnisse 
(verum  silva  magna  3,  92),  über  die  eben  in  unserem  Dialoge  eingehend  ge- 
sprochen wird,  und  durch  das  Verlangen,  den  konkreten  Fall  (von  Herrna- 
goras  Hypothesis  genannt)  nach  Möglichkeit  auf  einen  allgemeinen  (Thesis) 
zurückzuführen,  vgl.  Brut.  322  (o.  §  178,  1).  ad  Qu.  fr.  3,  3,  4  Cicero  tuus 
nosterque  summo  studio  est  Paeoni  sai  rhetoris,  hominis  opinor  valde  exerci- 
tati  et  ooni.  sed  nostrum  instituendi  genus  esse  paulo  eruditius  et  thetico- 
teron  non  ignoras.  Den  Einfluß  dieser  Lehren  auf  die  Praxis  untersucht 
Ranft,  Quaest.  philosophicae  ad  orationes  Cic.  pertinentes,  Lpz.  1912.  — 
Cic.  kennt  aber  auch  die  sonstigen  Debatten  zwischen  Philosophen  und 
Ehetoren  und  scheint  zB.  1,  82 — 93  einen  Dialog  des  Charmadas  zu  be- 
nutzen. Dem  Vortrage  des  Caesar  über  den  Witz  (2,  216 — 289)  liegt  eine 
uns  auch  sonst  bekannte  peripatetische  Lehre  zugrunde.  Arndt,  De  ridiculi 
doctrina  rhet.,  Bonn  1904.  Dagegen  werden  die  technischen  Lehren  sehr 
kurz  abgehandelt  und  die  Schulrhetoren  mit  Schmähungen  überschüttet,  die 
sich  deutlich  gegen  Griechen  richten  (1,  23.  105.  3,  228),  nicht  wie  Marx 
Auct.  ad  Her.  141  wollte,  gegen  die  rhetores  latini  (§  159,  2).  Auf  die  atti- 
zistische  Bewegung  (s.  u.  3,  1)  weist  Cic.  mit  keinem  Worte  hin.    Ein  wirk- 


§  182.  Ciceros  rhetorische  Schriften  39t) 

liches  Gespräch  liegt  nicht  zugrunde,  und  die  von  den  beteiligten  Personen 
vorgetragenen  Ansichten  sind  nicht  ihre  eigenen,  sondern  im  allgemeinen 
■die  des  Cic.  selbst  (§  152,  4).  Vgl.  ep.  9,  8  (an  Varro  bei  Zusendung  des 
Academicus)  puto]  fore,  ut  cum  legeris  mirere  nos  id  locutos  esse  inter  nos, 
quod  numquam  locuti  sumus:  sed  nosti  morem  dialogorum.  —  vanVessem, 
De  Cic.  de  orat.  libris,  Galopiae  1896. 

3.  Die  Überlieferung  der  Schriften  de  oratore,  Brutus  und  orator  (vgl. 
unten  Nr.  3,  2.  Nr.  4,  2)  ist  eine  doppelte;  sie  ruht  einerseits  auf  dem  alten 
codex  Laudensis,  der  auch  de  inv.  und  Auct.  ad  Her.  enthielt;  er  wurde  1422 
zu  Lodi  aufgefunden  und  ging  später,  nachdem  davon  Abschrift  genommen 
worden,  wieder  verloren.  Unmittelbare  Abschriften  vom  Laud.  oder  solchen 
gleichwertig  sind  für  die  drei  Schriften  Vatican. -Ottobon.  2057  (im  Nov. 
1422  geschrieben);  für  Brut,  und  Or.  Florent.  Magliabecch.  I,  1,  14  (1423 
geschrieben);  für  de  orat.  und  Or.  Vatic.-Palat.  1469.  Abhandlungen  über 
den  Laudensis  und  seine  Abschriften:  Detlefsen,  Kieler  Phil. -Vers.  1869,  94. 
Heerdegen,  RhM.  38,  120;  JJ.  131,  105.  245;  BlbayrGW.  22,  98;  vor  s.  Ausg. 
des  Or.  PReis,  Studia  Tulliana  ad  Orat.  pertin.,  Diss.  Argent.  12,  161. 
LMeister,  Quaest.  Tullianae,  Lpz.  1912  (dazu  Stroux  JB.  phil.  Ver.  39, 171). 
Sabbadini,  Le  scoperte  dei  codici  usw.,  Firenze  1905,  99.  Die  Abkömmlinge 
des  Laud.  geben  allein  das  Werk  de  oratore  vollständig  (integri):  außerdem 
ist  diese  Schrift  und  der  orator  verstümmelt  erhalten  in  sonst  guten  Hss. 
(Codices  mutili),  zB.  in  dem  wichtigsten  Vertreter  dieser  Klasse,  dem  Abrin- 
censis  s.  IX  (Facsim.  Chatelain  T.  19),  im  Harleian.  2736  s.  IX/X  u.  a. 
Ströbel,  Cic.  de  orat.  cod.  mutilos  examinavit,  Acta  Erlang.  3,  1.  —  Aus- 
gaben zB.  von  Hfnrichsen  (Kopenh.  1830).  FEllendt  (Königsb.  1840  II). 
Rec.  IBake,  Amsterd.  1863.  Erklärt  v.  Piderit,  Lpz.6  1886  (besorgt  von 
Harnecker);  von  GSorof,  Berl.2  1882.  B.  LH.  by  SWilkins,  Lond.  1879.  81; 
Oxf.  1892.  Stangl,  Lpz.  1893.  B.  1  von  Courbaud,  Paris  1905.  —  Übersetzt 
v.  Dilthey  u.  FBaur,  Stuttg.  1859;  RKühner,  Stuttg.  1858. 

3)  Brutus,  verfaßt  zu  Anfang  des  J.  46,  eine  DarsteHung  der 
Geschichte  der  römischen  Beredsamkeit ,  deren  wahrer  Zweck  ist, 
die  Stelle  zu  bestimmen,  die  Cicero  selbst  in  dieser  Entwicklung 
einnimmt,  und  ihn  gegen  die  Vorwürfe  der  Attizisten  zu  verteidigen. 
Die  Schrift  ist  höchst  wertvoll  durch  die  freilich  manchmal  er- 
drückende FüUe  des  darin  ausgeschütteten  historischen  Materials, 
viele  treffende  und  lebendige  Charakteristiken,  sowie  durch  die 
Aufschlüsse  über  Ciceros  eigenen  Bildungsgang.  Die  dialogische 
Form  ist  mit  mehr  Ernst  und  Geschick  behandelt  als  in  den  philo- 
sophischen Schriften;  doch  fehlt  es  nicht  an  größeren  und  kleineren 
stilistischen  Unfertigkeiten. 

1.  Die  Schrift  ist  abgefaßt  während  Caesars  Diktatur,  von  der  Cic.  mit 
schlecht  verhüllter  Erbitterung  redet  (24.  157.  281),  vor  dem  Tode  des  Cato 
und  Metellus  Scipio  (118.  212)  und  vor  der  Abfassung  der  Lobschrift  auf 
Cato  und  des  Orator  (de  div.  2,  1).  Er  widmet  sie  dem  Brutus  z.  T.  wohl 
in  der  Hoffnung,  daß  dieser  etwas  gegen  den  Tyrannen  unternehmen  werde 


396  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

(OESchmidt,  Briefw.  38),  namentlich  aber  weil  Brutus  in  das  feindliche  atti- 
zistische  Lager  übergegangen  war  und  er  ihn  wieder  zu  sich  herüberzuziehen 
hoffte.  Diese  Absicht  tritt  außer  in  22  namentlich  im  Schlußwort  hervor, 
s.  332  quid  te  exercuit  Pammenes,  vir  longe  eloquentissimus  Graeeiae,  quid 
illa  vetus  Academia  atque  eius  heres  Aristus  (der  Bruder  des  Antiochos  s.  o. 
2,  2)  hospes  et  familiaris  meus,  si  quidem  similes  maioris  partis  oratorum 
futuri  sumus?  Diese  Hoffnung  trog,  und  es  schloß  sich  an  die  Übersen- 
dung der  Schrift  der  in  §  210,  2  behandelte  Briefwechsel,  auf  den  Cic.  im 
Orator  mehrfach  Bezug  nimmt. 

2.  Auf  eine  Einleitung  folgt  ein  Dialog  zwischen  Cic,  Brutus  und  Atti- 
cus,  wobei  diesen  beiden  die  Aufgabe  zufällt,  allerlei  für  Cic.  schmeichel- 
hafte Dinge  zu  sagen,  die  er  in  eigenem  Namen  nicht  vorbringen  konnte. 
Atticus  ist  deshalb  beteiligt,  weil  sein  liber  annalis  (§  172,  2)  dem  Cic.  das 
chronologische  Gerüst  geliefert  hat.  Vieles  entnimmt  Cic.  der  Literatur, 
auch  Dinge,  die  er  mündlich  gehört  zu  haben  vorgibt  (Hendrickson,  Am. 
JPh.  27,  184).  Zu  Anfang  steht  ein  Abriß  der  Geschichte  der  attischen  Be- 
redsamkeit (2(5 — 51),  der  bereits  Gelegenheit  bietet,  die  von  den  Attizisten 
getadelte  Verwendung  des  Rhythmus  zu  verteidigen  (32  f.)  und  von  den 
Asiani  abzurücken  (51).  Die  Schilderung  der  römischen  Beredsamkeit  leidet 
unter  Überlastung  mit  Material,  da  Cic.  gegen  200  Redner  aufzählt,  auch 
solche,  von  denen  rednerische  Tätigkeit  sich  bloß  vermuten  ließ,  wie  C.  Fa- 
bricius  und  Ti.  Coruncanius:  hier  und  oft  führt  den  Cic.  die  Rücksicht  auf 
befreundete  Senatoren  und  das  Interesse  für  die  Geschichte  der  Nobilität 
über  sein  Thema  hinaus.  Eingehend  behandelt  werden  namentlich  Cato 
Censorius,  Antonius  und  Crassus,  Hortensius  und  Cicero,  die  beiden  letzte- 
ren Paare  in  der  Form  der  Synkrisis.  Von  dem  Grundsatz,  Lebende  nicht 
zu  erwähnen  (231),  macht  Cic.  außer  bei  sich  fast  nur  bei  Caesar  eine  Aus- 
nahme, der  hier  (im  Gegensatz  zu  den  politischen  Äußerungen,  s.  A.  1)  mit 
Lob  überschüttet  wird.  Es  kommt  ihm  auf  eine  Charakteristik  des  Stiles 
der  einzelnen  Redner  an,  nicht  auf  das  Biographische,  das  sich  freilich 
manchmal  vorgedrängt  hat  (s.  o.).  Leo,  Biographie  219.  Dabei  wendet  er 
die  in  der  Rhetorenschule  ausgebildeten  Kategorien  an,  die  er  nicht  etwa 
neu  zu  schaffen  braucht.  Haenni,  Die  lit.  Kritik  in  Cic.  Brutus,  Freib.  Schw. 
1905.  Stroux,  De  Theophr.  virtutibus,  Lpz.  1912,  81.  Das  eigentliche  Ziel 
ist  aber,  die  eigene  Redeweise  gegen  die  attizistischen  Vorwürfe  zu  ver- 
teidigen und  die  Verkehrtheit  der  attizistischen  Bestrebungen  aufzuzeigen. 
Jenes  geschieht  in  der  berühmten  Schilderung  der  eigenen  Entwicklung: 
er  habe  in  seiner  Jugend  an  einem  gewissen  Überschwange  gelitten,  doch 
habe  ihm  Molon  diesen  abgewöhnt,  Hortensius  dagegen  sei  in  der  asiani- 
schen  Manier  stecken  geblieben.  Dieses  meist  beiläufig  (s.  o.),  besonders  in 
der  Schilderung  des  Calidius  (274)  und  Calvus  (284),  an  die  sich  aber  ein 
eingehender  Exkurs  über  die  Attiker  anschließt.  FMüller,  Brutus  eine 
Selbstverteid.  des  Cic,  Colberg  1874. 

3.  Die  Schnelligkeit  der  Abfassung  und  die  Masse  des  Stoffes  haben 
nicht  nur  stilistische,  sondern  auch  sachliche  Unebenheiten  im  Gefolge  ge- 
habt (Kroll,  Einl.  6).  Das  Auffallendste  ist  die  doppelte  Nennung  des  Mo- 
lon (307.  312),  über  die  Norden  SB.  Berl.  Ak.  1913,  2.  Mängel  der  Kompo- 
sition bespricht  auch  Sabbadini,  Riv.  fil.  29,  259. 


§  182.  Ciceros  rhetorische  Schriften  397 

4.  Die  vorhandenen  Handschriften  stammen  (alle  s.  XV)  aus  dem  ver- 
lorenen Laudensis  (§  182,  2,  2).  Der  Nebentitel  de  claris  oratoribus  scheint 
auf  Flavius  Blondus  zurückzugehen  (Detlefsen,  Verh.  d.  27.  Philol.  Vers.  98). 
—  Ausgaben  von  HMeyer  und  GBernhardy  (Halle  1838),  CPeter  (Lpz.  1839), 
Ellendt  (Königsb.  1825  u.  besonders  1844),  OJahn  (Berl.5  1908  v.  WKroll), 
CBeck  (Cambridge  in  Massachusets3  1853),  Piderit  (erklärt,  Lpz.3  1889  von 
Friedrich),  rec.  Stangl,  Prag  1886.  Martha2,  Paris  1907.  —  Vgl.  MNaumann, 
de  fönt,  et  fide  Bruti  Cic,  Halle  1883.  —  Übersetzt  v.  WTeuffel,  Stuttg. 
1850. 

4)  Der  Orator  ad  M.  Brutuni  ist  durch  die  Debatte  mit  Brutus 
über  den  richtigen  Stil  veranlaßt  und  gleichfalls  noch'  im  J.  46  ver- 
faßt. Er  stellt  ein  Ideal  des  vollkommenen  Redners  auf  und  be- 
handelt ausführlich  die  Lehre  von  den  Stilarten  und  vom  Rhythmus, 
die  geschickt  zur  Verteidigung  des  eigenen  Stiles  und  zur  Wider- 
legung der  Attizisten  benutzt  werden.  Cicero  hat  sich  diese  Auf- 
gabe nicht  leicht  gemacht  und  gute  Quellen  von  Aristoteles'  Rhe- 
torik an  sorgfältig  studiert. 

1.  Die  Abfassungszeit  ergibt  sich  aus  35  itaque  hoc  sum  adgressus  sta- 
tim  Catone  absolute-  (§  183,  5);  als  vollendet  erwähnt  Cic.  die  Schrift  ad  Att. 
12,  6  a  (s.  u.),  Mitte  Sept.  46  ep.  12,  17,  2  (an  Cornificius)  proxime  scripsi 
de  optimo  genere  dicendi  und  Ende  Jan.  45  in  ep.  6,  18,  4  Oratorem  meum 
tanto  opere  a  te  probari  vehementer  gaudeo.  mihi  quidem  sie  persuadeo,  me 
quiequid  habuerim  iudicii  de  dicendo  in  illum  librum  contidisse.  Im  Dez.  46 
spielt  Caecina  ep.  6,  7,  4  auf  §  35  an.  Ferner  s.  ep.  15,  20, 1  Oratorem  meum 
(sie  enim  inscripsi)  Sabino  tuo  commendavi.  Die  Schrift  ist  also  ebenfalls 
rasch  gearbeitet;  daher  war  dem  Cic.  §  29  ein  Versehen  passiert,  indem  er 
Eupolis  statt  Aristophanes  genannt  hatte;  er  bittet  ad  Att.  12,  6a  Chremes, 
tantumne  ab  re  tua  est  oti  tibi,  ut  etiam  Oratorem  legas?  macte  virtute!  mihi 
quidem  gratum,  et  erit  gratius,  si  non  modo  in  tuis  libris  sed  etiam  in  alio- 
rum  per  librarios  tuos  Aristophanem  reposueris  pro  Eupoli.  Die  gewünschte 
Änderung  ist  in  unserer  Überlieferung,  die  in  §  29  Aristophane  hat,  durch- 
gedrungen. 

2.  Die  Veranlassung  zu  der  Schrift  war  ein  Briefwechsel  mit  Brutus, 
der  durch  die  Übersendung  des  Brutus  veranlaßt  war;  Cic.  spielt  mehrmals 
darauf  an,  bes.  52  quod  quidem  ego  Brüte  ex  tuis  litteris  sentiebam,  non  te 
id  sciscitari,  qualem  ego  in  inveniendo  et  in  collocando  summam  esse  orato- 
rem vettern,  sed  id  mihi  quaerere  videbare,  quod  genus  ipsius  orationis  Opti- 
mum iudicarem.  174  sed  quid  quaero  velisne  (eine  ausführlichere  Rhythmus- 
lehre), cum  litter is  tuis  eruditissime  scriptis  te  id  vel  maxime  velle  perspexerim? 
Die  ganze  Anlage  der  Schrift  ist  bestimmt,  die  Unfähigkeit  der  Attizisten 
ins  Licht  zu  setzen  und  ihre  Forderungen  als  unbegründet  zu  erweisen.  Die 
Lehre  von  den  Stilarten  soll  die  Notwendigkeit  dartun,  alle  drei  zu  be- 
herrschen, während  jene  nur  das  genus  tenue  anwenden,  und  der  Abschnitt 
über  den  Rhythmus  soll  diesen  als  ein  natürliches  Erfordernis  der  Rede  er- 
weisen, auf  das  jene  mutwillig  verzichten.  Auch  die  Forderung  allgemein- 
philosophischer Bildung  wird  wiederholt,  und  §  11 — 19  sind  eine  Art  Reka- 


398  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

pitulation  des  Exkurses  in  B.  3  de  orat.  Vgl.  Schlittenbauer,  Die  Tendenz 
von  Cic.  Oi%,  JJ.  Suppl.  28,  183.  Krolls  Einl.  Die  Quellen  sind  hauptsäch- 
lich solche,  die  Theophrasts  Lehren  wiedergeben  oder  fortsetzen,  vgl.  Kroll, 
RhM.  62,  87.  Stroux  (o.  3,  2)  99  u.  ö.  Mayer,  Theophr.  ttsql  Mt-Ecog  p.  xi. 
Für  die  grammatischen  Erörterungen  149 — 164  scheint  eine  gegen  die  Ana- 
logie gerichtete  Schrift  etwa  des  Varro  benutzt  zu  sein.  Zur  Lehre  vom 
Rhythmus  s.  Münscher,  Charites  f.  Leo  322  und  Kroll  Einl.  14,  für  192—194 
ist  Aristoteles'  Rhetorik  direkt  benutzt  (woran  Usener,  Sehr.  2,  306  eine 
gewagte  Vermutung  knüpft).  Die  Schrift  verfehlte  ihre  Wirkung  auf  Bru- 
tus, ad  Att.  14,  20,  3  (Mai  44)  quin  etiam,  cum  ipsius  preeibas  paene  ad- 
duetus  scripsissem  ad  eum  de  optimo  gener e  dicendi,  non  modo  mihi  sed 
etiam  tibi  scripsit  sibi  illud  quod  mihi  placeret  non  probari. 

3.  Die  Hss.  teilen  sich  wie  bei  den  Büchern  de  oratore  in  zwei  Klassen, 
die  Abkömmlinge  des  cod.  Laudensis  und  die  Codices  mutili.  Vgl.  §  182, 
2,  2  und  die  dort  angeführte  Literatur,  bes.  Reis;  auch  §  182,  3,  2.  CSteg- 
mann,  de  oratoris  Tüll,  mutilis  11.,  Jena  1875.  —  Ausgaben  von  HMeyer, 
Lps.  1827,  FGöller,  Lps.  1838,  CPeter  und  GWeller,  Lpz.  1838,  OJahn, 
Berl.3  1869,  Piderit,  Lpz.2  1876,  Stangl,  Lpz.  1885.  Bes.  Heerdegen,  Lpz. 
1884  und  (erkärt)  von  ESandys,  Cambr.  1885.    Kroll,  Berl.  1913. 

5)  Partitiones  oratoriae,  um  J.  54  verfaßt,  eine  Übersicht 
über  das  Gesamtgebiet  der  Rhetorik  in  Form  von  Fragen  (die  Ci- 
cero seinen  Sohn  stellen  läßt)  und  Antworten,  ein  ziemlich  trocke- 
ner Katechismus. 

1.  Die  Schrift  muß  um  die  Zeit  verfaßt  sein,  wo  Cic.s  Sohn  Rhetorik 
trieb,  dh.  nach  ep.  ad  Qu.  fr.  3,  3,  4  (o.  2,  2)  um  J.  54.  Cic.  sagt  dort:  si 
nobiscum  eum  rus  aliquo  eduxerimus,  in  hanc  nostram  rationem  consuetudi- 
nemque  inducemus,  d.  h.  in  eine  akademisch  gefärbte  Rhetorik.  Marx,  Berl. 
Woch.  1892,44;  Auct.  ad  Her.  81.  Eine  solche  sind  die  part. ,  s.  139  ex- 
positae  tibi  omnes  sunt  oratoriae  partitiones,  quae  quidem  e  media  illa  nostra 
Academia  effloruerunt  neque  sine  ea  aut  inveniri  aut  intellegi  aut  traetari 
possunt  (folgt  ein  Hinweis  auf  Logik  und  Ethik).  Das  Ganze  ist  eine  e16cc>- 
yayi]  ttccrä  ttsvöiv  nal  aitoKQiaiv,  ohne  daß  die  dialogische  Form  sehr  durch- 
geführt wäre;  Gespräche  zwischen  Vater  und  Sohn  sind  gerade  in  der  rö- 
mischen Literatur  nicht  auffallend  (Norden,  Herrn.  40,  519).  Das  Streben 
nach  übersichtlichen  Einteilungen  hat  manche  Eigentümlichkeiten  der  Lehren 
im  Gefolge,  doch  läßt  sich  im  Grunde  alles  bei  anderen  Rhetoren  oder 
Philosophen  nachweisen.  Die  philosophisch  beeinflußten  Partien  weisen  auf 
die  Akademie  als  Quelle,  so  die  Behandlung  der  Theseis  63 — 67,  der  vir- 
tutes  und  vitia  76 — 82,  die  detaillierte  Einteilung  der  Güter  86  f.,  die  Lehre 
von  den  Ursachen  93 f.  Manches  deutet  auf  Ansichten,  die  dem  Antiochos 
eigentümlich  sind,  so  über  die  Gerechtigkeit  78,  über  bona  necessaria  und 
non  necessaria  und  die  Freundschaft,  die  geistigen  und  körperlichen  Güter 
87,  über  die  Lust  90,  über  die  maximarum  rerum  artes  140  (o.  Nr.  2,  2  re- 
rum  silva  magna).  78 f.  ist  von  einer  virtus  oratoria  die  Rede:  nihil  est  enim 
aliud  eloquentia  nisi  copiose  loquens  sapientia  (eine  ursprünglich  stoische, 
von  Antiochos  aufgenommene  Anschauung).  Vgl.  u.  6,  1.  Ob  Cic.  einen 
akademischen  Abriß  frei  übersetzt  oder   die  philosophischen  Gedanken  in 


§  182.  Ciceros  rhetorische  Schriften  399 

einen  rhetorischen  Katechismus  hineinarbeitet,  bleibt  zweifelhaft.  Kleine 
Versehen  finden  sich  67  und  86  f.  (eine  Dublette  wie  Brut.  312,  s.  o.  3,  3). 
Merchant,  De  Cic.  part.,  Berl.  1890.    PSternkopf,  dgl.,  Münster  1914. 

2.  Den  Titel  Partitiones  oratoriae  (einige  Hss.  de  partitione  or.)  be- 
glaubigt Quint.  3,  3,  7.  Beste  Hs.  Paris.  7231  s.  XI  (Facsim.  bei  Chatelain 
T.  22);  dann  Paris.  7696  s.  XII.  Ströbel,  z.  Hss.-Kunde  u.  Krit.  von  Cic. 
partit.  orat.,  Zweib.  1887.    Ausgabe  von  Piderit  (erklärt,  Lpz.  1867). 

6)  Topica  ad  C.  Trebatium,  eine  Darstellung  der  Topik  für 
den  Bedarf  des  griechischen  Redners,  im  Juli  44  auf  der  Seefahrt 
von  Velia  bis  Regium  niedergeschrieben.  Cicero  folgt  einem  Ge- 
währsmann, der  die  aristotelische  Topik  in  stoischem  Sinne  um- 
arbeitet, wahrscheinlich  dem  Antiochos  von  Askalon. 

1.  Cic.  top.  5  ut  veni  Veliam  . .  haec,  cum  mecum  libros  non  haberem, 
memoria  repetita  in  ipsa  navigatione  conscripsi  tibique  ex  itinere  misi.  Vgl. 
ad  fam.  7,  19  (an  Trebatius,  Juli  44)  ut  primum  Velia.  navigare  coepi,  in- 
stitui  Topica  Aristotelia  conscribere  . . .  cum  librum  tibi  misi  Regio  scriptum, 
quam  planissime  res  illa  scribi  potuit.  —  Wie  aus  1.  6  hervorgeht,  glaubt 
Cic.  den  Inhalt  der  aristotelischen  Topik  wiederzugeben,  folgt  also  einem 
Gewährsmann,  der  dasselbe  behauptet.  Nun  erwähnt  Cic.  selbst  die  Stoa 
(6),  und  es  findet  sich  starker  Einfluß  der  stoischen  Logik,  ja  die  ganze 
Einteilung  der  Topoi  erfolgt  mit  Hilfe  der  stoischen  Kategorien.  Dabei  ist 
Aristoteles'  Rhetorik,  bes.  2,  23,  sehr  ausgebeutet,  so  daß  Thielscher,  Phil. 
NF.  21,  52  auf  den  Gedanken  kam,  in  diesem  Werke  Ciceros  eigentliche 
Quelle  zu  sehen.  Richtiger  hat  Wallies  die  Verquickung  aristotelischer 
und  stoischer  Lehren  auf  Antiochos  zurückgeführt,  auf  den  auch  viele  Einzel- 
heiten weisen  und  auf  den  auch  Boethius  392,  8  (zu  §  76)  aufmerksam 
macht.  Der  Inhalt  der  Topik  findet  sich  schon  de  or.  2,  163 — 173,  wo  eben- 
falls Antiochos  als  Quelle  wahrscheinlich  ist  (vgl.  or.  46.  122).  Kroll,  RhM. 
58,  590.  Die  Lehre  von  den  Theseis  und  Hypotheseis  79  ff.  stimmt  mit  dem 
überein,  was  in  den  part.  or.  darüber  gelehrt  wird. 

Auf  die  juristischen  Interessen  des  Trebatius  nimmt  Cic.  bisweilen 
Bezug,  Quint.  3,  11,  18.  5,  10,  64  (scribens  ad  Trebatium  ex  iure  ducere 
exempla  maluit);  vgl.  51.  72.  100.  —  Die  Topica  sind  nicht  mit  den  rheto- 
rischen, sondern  im  Corpus  der  philosophischen  Schriften  überliefert.  Hand- 
schriften: Leid.  84  und  86  (§  184,  2,  3),  Einsidl.  324  s.  X  (Chatelain  T.  21), 
zwei  SGall.  s.  X  830  (Facsim.  Chatelain  T.  21).  854.  Ottob.  1406  s.  X. 
Friedrich,  JJ.  139,  281.  Über  des  Boethius  Kommentar  zu  der  Schrift  s. 
§  478,  5.  —  Brandis,  RhM.  3  (1829),  547.  JKlein,  de  fontibus  Top.  Cic, 
Bonn  1844.  Wallies,  de  fönt.  top.  Cic,  Halle  1878.  CHammer,  de  Cic.  to- 
picis,  Landau  1879. 

7)  De  optimo  genere  oratorum,  Vorwort  zu  den  von  Cicero 
übersetzten  Reden  des  Demosthenes  und  des  Aeschines  für  und 
wider  Ktesiphon,  aus  der  Zeit  um  J.  46. 

1.  Der  Titel  stammt  gewiß  nicht  von  Cic,  steht  aber  schon  bei  Ascon. 
30,  5.  Das  Schriftchen  handelt  zuerst  über  den  Vorrang  des  Demosthenes 
und   den  Nutzen    einer  Übersetzung    aus   ihm   (1 — 18)  und  gibt    dann    eine 


400  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

historische  Einleitung  zu  den  beiden  Reden  (19—23).  Die  Übersetzung  sollte 
den  Römern  zeigen,  daß  die  größten  Attiker  ganz  anders  reden  als  der  da- 
mals als  echtester  Attiker  besonders  zur  Nachahmung  empfohlene  nüchterne 
Lysias  (s.  S.  84.  315.  319).  Der  Gedanke  von  3  optumus  est  orator,  qui  di- 
cendo  animos  audientium  et  docet  et  delectat  et  permovet  auch  orat.  69. 
Gegen  die  Asianer  8  eos  (die  kräftigen  attischen  Redner)  imitemur,  si  possu- 
mus;  si  minus,  Mos  potius,  qui  incorrupta  sanitate  sunt,  quod  est  proprium 
Atticorum,  quam  eos,  quorum  vitiosa  abundantia  est,  qudlis  Asia  multos  tulit. 
Cicero  erwähnt  §  10  seine  Rede  pro  Milone;  vgl.  Ascon.  aO.  —  Haupths. 
SGall.  818  s.  XI  (Chatelain  T.  20).  —  Ed.  cum  comment.  AStatti,  Löwen 
1552;  (nebst  top.  u.  partit.)  v.  Saalfrank,  Regensb.  1823;  OJahn  an  s.  Ora- 
tor.   Quicherat  (am  Brutus),  Paris  1900.    Hedicke,  Sorau  1889. 

183.  Die  philosophischen  Studien  betrieb  Cicero  ursprüng- 
lich wie  die  meisten  vornehmen  Römer,  um  seiner  Bildung  einen 
Abschluß  zu  geben;  erst  in  seinen  letzten  Jahren,  als  er  sich  in 
seiner  staatsmännischen  und  rednerischen  Tätigkeit  gehemmt  sah, 
schrieb  er,  um  sich  zu  beschäftigen  und  zu  vergessen,  in  kurzer 
Zeit  eine  Menge  von  Büchern  philosophischen  Inhalts.  Er  gibt  da- 
rin seine  griechischen  Quellen  in  freier  Weise  und  nicht  ohne  ge- 
legentliche Mißverständnisse  wieder.  Seine  Quellenstudien  erstrecken 
sich  vorzugsweise  auf  neuere  griechische  Philosophen;  von  Piaton 
und  vollends  von  Aristoteles  hat  er  wie  die  meisten  seiner  Zeitge- 
nossen nur  ungenügende  oder  getrübte  Kenntnis.  Da  sein  Interesse 
wie  das  der  gesamten  zeitgenössischen  Philosophie  sich  auf  die 
Ethik  richtete,  so  ließ  er  die  schwierigen  Fragen  der  Logik  und 
Physik  gern  beiseite,  und  genaue  scharfe  Begriffsbestimmungen 
sind  ihm  fast  zuwider.  Aus  den  verschiedenen  Systemen  wählte  er 
das  ihm  Zusagende  aus.  Am  meisten  sprach  ihn  die  Lehre  der 
neueren  Akademiker  an,  die  sich  mit  der  Darlegung  des  Für  und 
Wider  und  der  Erkenntnis  des  Wahrscheinlichen  begnügten  und 
durch  ihre  Berücksichtigung  der  Rhetorik  seinen  Bedürfnissen  ent- 
gegenkamen, so  wie  auf  dem  Gebiete  der  Sittenlehre  der  stoische 
Idealismus  in  seiner  gemilderten  jüngeren  Form;  dagegen  unterhielt 
er  wenigstens  in  seiner  späteren  Zeit  keine  Beziehungen  mehr  zum 
Epikureismus.  Erheblicher  als  der  sachliche  Wert  dieser  Schriften 
ist  der  formale  Nutzen,  den  Cicero  gestiftet  hat,  indem  er  zuerst 
philosophische  Gegenstände  in  der  Muttersprache  auf  faßliche  und 
geschmackvolle  Weise  behandelte  und  somit  Schöpfer  einer  philo- 
sophischen Sprache  für  die  Römer  wurde.  Er  kleidet  den  philoso- 
phischen Vortrag  meist  dialogisch  ein,  ohne  es  mit  der  Durch- 
führung des  Dialoges  sehr  ernst  zu  nehmen;   vielmehr  sind  diese 


§  183.  Cicero  als  Philosoph  401 

Schriften  oft  nicht  viel  mehr  als  geschickte  Auszüge  aus  den 
Quellen,  die  nur  äußerlich  in  den  Rahmen  eines  Gesprächs  gefügt 
sind. 

1.  Daß  Cic.  in  der  Schriftstellerei  Trost  für  die  Gestaltung  der  politi- 
schen Verhältnisse  suchte,  sagt  er  oft,  besonders  in  den  Briefen,  zß.  ep. 
4,  3,  4.  6,  12,  5  sed  est  unum  perfugium  doctrina  ac  litterae,  quibus  semper 
usi  sumus,  quae  secundis  rebus  delectationem  modo  habere  videbantur ,  nunc 
vero  etiam  salutem,  vgl.  9,  2,  5.  Acad.  1,  11  ego,  dum  me  ambitio  dum  hono- 
res  dum  causae,  dum  reip.  .  . .  procuratio  multis  officiis  implicatum  et  con- 
strictum  tenebat,  animo  haec  (das  Studium  der  Philosophie)  inclusa  habebam 
et  ne  obsolescerent  renovabam  cum  licebat  legendo.  nunc  vero  et  fortunae 
gravissimo  percussus  vulnere  (Tod  der  Tullia)  et  administratione  reip.  libera- 
tus  doloris  medicinam  a  philosophia  peto  et  otii  oblectationem  hanc  honestis- 
simam  iudico.  In  div.  2,  1  nach  Caesars  Tode  gibt  er  eine  Übersicht  über 
seine  philosophische  Schriftstellerei,  die  ihm  während  Caesars  Tyrannis 
Trost  geboten  habe:  nunc  ..  tantum  huic  studio  relinquendum,  quantum  va- 
cabit  a  publico  officio  et  munere.  nat.  deor.  1,  6 — 9.  Drumann  6,  321.  Von 
diesen  Studien  sind  die  rhetorischen  nicht  zu  trennen,  vgl.  §  182.  —  Über 
seine  Neigung  für  die  Akademie  Tusc.  2,  9  itaque  mihi  semper  Peripateti- 
corum  Academiaeque  consuetudo  de  omnibus  rebus  in  contrarias  partes  disse- 
rendi  non  ob  eam  caussam  solum  placuit,  quod  aliter  non  lasset  quid  in 
quaque  re  veri  simile  esset  inveniri,  sed  etiam  quod  esset  ea  maxima  dicendi 
exercitatio.  div.  2,  4.  paradox,  prooem.  2  nos  ea  philosophia  plus  utimur, 
quae  peperit  dicendi  copiam  et  in  qua  dicuntur  ea,  quae  non  multum  discre- 
pent  ab  opinione  populari.  Q.  Cic.  pet.  cons.  46  nennt  ihn  einen  homo  Pla- 
tonicus. 

2.  Daß  Cic.  als  Philosoph  unselbständig  und  Eklektiker  ist,  versteht  sich 
von  selbst;  aus  dem  ersteren  kann  ihm  einen  Vorwurf  nur  machen,  wer 
die  Geschichte  der  römischen  Literatur,  aus  dem  letzteren,  wer  die  Ge- 
schichte der  hellenistischen  Philosophie  nicht  kennt.  Selbst  die  akademische 
Skepsis,  zu  der  Cic.  sich  öfters  bekennt,  hatte  er  durch  Philon  in  einer 
bereits  abgeschwächten  Form  kennen  gelernt,  und  er  gibt  ihr  unter  Anti- 
ochos'  Einfluß  die  Wendung,  daß  es  bei  der  Entscheidung  über  Falsch  und 
Richtig  auf  die  Übereinstimmung  der  hervorragendsten  Philosophen  an- 
komme. Antiochos,  der  auf  Cic.  sehr  stark  gewirkt  hat,  bekannte  den  Eklek- 
tizismus ganz  offen,  aber  auch  die  mittlere  Stoa,  deren  Einfluß  ihm  beson- 
ders durch  Poseidonios  zukam,  näherte  sich  akademischen,  platonischen 
und  pythagoreischen  Lehren.  Tnsc.  4,  7  nullis  unius  disciplinae  legibus  ad- 
stricti,  quibus  in  philosophia  necessario  pareamus,  quid  sit  in  quaque  re 
maxime  probabile,  semper  requiremus.  5,  82  quoniam  te  nulla  vincula  impe- 
diunt  ullius  certae  disciplinae  libasque  ex  omnibus,  quodcumque  te  maxime 
specie  veritatis  movet.  Daß  aber  ein  römischer  Senator  eigene  philosophische 
Lehrmeinungen  vortrug,  kam  gar  nicht  in  Frage;  Cie.s  Arbeit  konnte  nur 
darin  bestehen,  die  fremden  Gedanken  geschickt  anzuordnen  und  sie  in 
eine  gefällige  lateinische  Form  zu  gießen.  Jenes  erreicht  er  gewöhnlich 
durch  Anwendung  des  Dialoges  (A.  3),  dieses  durch  Schöpfung  einer  philo- 
sophischen   Terminologie,    nat,  deor.  1,  8  complures   Graecis   institutionibus 

Teuffei:  röm.  Literaturgesch.    Neub.  6   Aufl.  I.  26 


402  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

eruditi  ea  quae  didicerant  cum  civibus  suis  communicare  non  poterant,  quod 
illa  quae  a  Graecis  accepissent  Laune  dici  possc  difjldercnt.  quo  in  genere 
tantum  profecisse  videmur,  ut  a  Graecis  ne  verborum  quidem  copia  vince- 
remur.  ad  Att.  12,  52,  3  dices,  qui  talia  conscribis?  jiTCÖy^acpcc  sunt,  minore 
labore  fiunt;  verba  tantum  affero,  quibus  abundo;  vgl.  ep.  13,  63,  1.  Plut. 
Cic.  40  avtm  d'  h'qyov  t)v  tb  tovg  cpLXoöncpovg  övvtsXslv  diuXoyovg  kcc\  [ista- 
cpQd£eiv  tivd  tov  nidzcovos  neu  t&v  diccXsHtixibv  t)  cpvöw&v  6vo[idt(av  hY.CC.- 
ütov  sig  cPooficd'x?jv  astaßdXXsiv  didXsntov.  tnsivog  ydg  iötiv  wg  cpcc6iv  6  xocl 
tr)v  cpccvzccöLav  uccl  %i]v  övyv.a.tdd'SGiv  %ai  tr\v  S7to%r)v  -aal  tr)v  Kcctdlrupiv, 
%zi  öl  tb  aTO{LOv  tb  d^iegsg  tb  "/.svbv  äXXcc  ts  %oXXa  twv  toiovtcov  i^ovoiidöccg 
iCQ&Tog  7)  {idXiötcc  Pa^iccloLg,  td  {ihv  \LSta(poQalg  td  d'  oIy.ei6t7]Giv  aXXcug  yvm- 
QLfia  jcca  7tQoö7]yoQcc  ti7i%avr}6diiEvog.  Cic.  hat  diese  sprachliche  Aufgabe,  die 
ihm  durch  seinen  Purismus  nicht  gerade  erleichtert  wurde,  glänzend  ge- 
löst (fin.  3,  3.  15),  fin.  3,  40  mihi  videris  Latine  docere  philosopliiam  et  ei 
quasi  civitatem  dare,  quae  quidem  adhuc  peregrinari  Momae  videbatur  nee 
offerre  sese  nostris  sermonibus,  et  ista  maxime  propter  limatam  quandam 
et  rerum  et  verborum  tenuitatem.  Die  Zutat  seines  eigenen  Urteils  und  Ge- 
schmacks hebt  er  hervor  de  fin.  1,  6.  7.  off.  1,  6.  Man  wird  ihm  gern  glau- 
ben, was  er  Att.  13,  19,  5  sagt:  sunt  vehementer  mftuvd  Antiochia,  quae 
diligenter  a  me  expressa  acumen  habent  Antiochi,  nitorem  orationis  nostrum, 
si  modo  est  aliquis  in  nobis. 

3.  Cic.  knüpft  an  die  gleichzeitige  hellenistische  Philosophie  an,  nicht 
an  die  des  4.  Jahrh.  oder  die  noch  ältere.  Wenn  er  trotzdem  Piaton  und 
Aristoteles  oft  im  Munde  führt,  so  geschieht  es  natürlich  nicht  in  der 
Absicht  der  Täuschung,  denn  die  Akademie  behauptete  auch  dann  noch 
von  Piatons  Lehren  auszugehen,  als  sie  sich  ganz  von  ihnen  entfernt  hatte, 
und  Antiochos  wollte  ebenfalls  die  Philosophie  des  Piaton  und  Aristoteles 
wiederherstellen.  An  Piatons  Schriften  schätzt  er  besonders  die  künstle- 
rische Form:  den  Protagoras  und  den  Timaios  hat  er  zwar  übersetzt  (§  184,9), 
aber  letzteren  als  eine  Darstellung  der  pythagoreischen  Lehre  aufgefaßt. 
Mit  Aristoteles'  Lehrschriften  ist  er  nur  wenig  vertraut,  eher  kannte  er  seine 
Dialoge.  vHeusde.,  Cic.  cpiXonXdzav,  Utr.  1836.  FGloel,  über  Cic.s  Studium 
des  Piaton,  Magdeb.  1876.  FSaltzmann,  Cic.s  Kenntnis  der  piaton.  Sehr., 
Cleve  1885.  86  IL  Ritter,  üb.  Cic.s  Bekanntschaft  mit  aristotel.  Philosophie, 
Zerbst  1846.  vBaumhauer,  de  Aristotelis  vi  in  Cic.  scriptis,  Utr.  1841.  WTho- 
mas,  de  Aristotelis  i^ooteowoig  Xoyoig  deque  Ciceronis  Aristotelio  more,  Gott. 
1860.  In  vielen  Dingen  lehnt  er  sich  an  Piatons  Dialoge  an,  bes.  in  de 
rep.  an  die  Politeia  (vgl.  auch  §  182,  2),  weist  aber  selbst  auf  Aristoteles  hin 
ad  Att.  4,  16,  2  quoniam  in  singulis  libris  utor  prohoemiis  ut  Aristoteles  in 
iis,  quos  i^atsgixovg  vocat.  ebd.  13,  19,  4  quae  autem  his  temporibus  scripsi, 
kgiötöteXsLov  morem  habent,  in  quo  sermo  ita  inducitur  ceterorum ,  ut  penes 
ipsum  sit  prineipatus.  Leo,  Gott.  Nachr.  1912,  274.  Über  die  Prooemien 
vgl.  auch  Att.  16,  6,  4  (§  184,  15,  1).  Gewiß  aber  liegen  ihm  auch  Dialoge 
seiner  unmittelbaren  Lehrer  vor,  die  der  Art  der  Popularphilosophen  durch 
Einlage  von  Dichterstellen  und  reichliche  Verwendung  von  Beispielen  fol- 
gen, Tusc.  2,  26,  wo  er  nach  Übersetzung  einer  QjjGig  aus  Aischylos'  Pro- 
metheus sich  auf  den  Vorgang  der  athenischen  Philosophen  beruft:  der 
Stoiker  Dionysios  habe  viele  Verse  eingelegt,  sed  is  quasi  dietata,  millo  de- 


§  183.  Cicero  als  Philosoph  403 

kctu,  nnlla  elegantia:  Philo  et  proprio  numero  et  leeta  poemata  et  low  adiun- 
(jebat.  Vgl.  das  Lob  des  Epikureers  Zenon  nat.  cleor.  1,  59  non  igitur  ille 
ut  plerique,  sed  isto  modo  ut  tu,  distinete  graviter  ornate.  Der  Sosos  des  An- 
tiochos  war  jedenfalls  ein  Dialog.  Hirzel,  Dialog  1,  420.  457.  —  Nicht  auf- 
fallend ist  also  das  Mißverständnis  über  das  Wesen  der  platonischen  Ideen 
im  Orat.  7—10.  In  Bezug  auf  Aristoteles'  nikomachische  Ethik  heißt  es  de 
fin.  5,  12  quare  teneamus  Aristotelem  et  eius  filium  Nicomachum,  cuius  aecu- 
rate  scripti  de  moribus  libri  dieuntur  Uli  quidem  esse  Aristoteli,  sed  non 
video  cur  non  potuerit  patris  similis  esse  filius,  eine  Äußerung,  die  es  zweifel- 
haft macht,    ob  Cicero  je  dieses  Werk  selber  gesehen  hat,  s.  Madvig  zdSt. 

4.  Über  die  Art,  wie  Cic.  seine  Quellen  benutzt,  kann  man  aus  seinen 
eigenen  Angaben  ganz  Verschiedenes  entnehmen.  Die  Einen  (bes.  Usener 
Epicurea  lxvi)  haben  sich  außer  auf  Att.  12,  52  (A.  2)  auf  Att.  16,  11,  4 
berufen,  wo  er  über  die  Arbeit  an  de  off.  spricht:  eum  locum  Posidoniits 
persecutus  est.  ego  autem  et  eius  librum  accersivi  et  ad  Athenodorum  Calvum 
scripsi,  ut  ad  me  xa  xecpdXuicc  mitter  et ,  quae  expecto.  Daraus  haben  sie  ge- 
folgert, daß  Cic.  im  allgemeinen  nur  eine  Quelle  und  auch  diese  womög- 
lich nur  in  Exzerpten  benutze  (so  Hirzel,  Madvig,  Schmekel).  Andere  ver- 
weisen auf  Cic.s  Quellenzitate  und  sehen  in  Störungen  des  Gedankenganges 
Beweise  seiner  Selbständigkeit  (die  dann  freilich  wenig  schmeichelhaft  für 
ihn  sind)  und  seiner  inneren  Entwicklung.  Vgl.  bes.  Lörcher,  Das  Fremde 
(§  184,  6);  JB.  162,  2.  Richtig  ist  im  ganzen  die  erste  Ansicht,  nur  muß 
man  damit  rechnen,  daß  Cic.  mit  den  Gedanken  seiner  Vorlage  frei  schaltet, 
gelegentlich  Nebenquellen  heranzieht  und  aus  dem  reichen  Schatze  seiner 
Belesenheit  Zusätze  macht,  zu  denen  besonders  die  römischen  Beispiele  ge- 
hören. Vgl.  Att.  13,  19,  5  über  die  Academica  (A.  2E.);  und  gewiß  über- 
traf er  als  Stilist  die  meisten  seiner  Gewährsmänner. 

5.  Ciceronis  hist.  philosophiae  antiquae  etc.,  collegit  FGedike,  Berl.3 
1815.  RKühner,  Cic.  in  philosophiam  inerita,  Hamb.  1825.  BKrische,  For- 
schungen, Bd.  1.  Gott.  1840.  Drumann,  GR.  6,  650.  EZeller,  Philos.  d. 
Griechen  3,  l4,  671.  FÜberweg,  Grundriß  l10,  300.  RHirzel,  Unters,  zu  Cic. 
philos.  Schriften,  Lpz.  1877 — 1883  III.  CTuiaucourt,  essai  sur  les  traites 
philosophiques  de  Cic.  et  leurs  sources  grecques,  Par.  1885.  Schmekel,  Die 
Philos.  d.  mittl.  Stoa,  Berl.  1892.  MSchneidewin,  Die  ant.  Humanität,  Berl. 
1897.  Burmeister,  Cic.  als  Neuakademiker,  Oldenb.  1860.  Goedeckemeyer, 
Gesch.  d.  griech.  Skeptiz.,  Lpz.  1905,  130.  CHartfelder,  de  Cic.  Epicureae 
doctrinae  interprete,  Karlsr.  1875.  GBehncke,  de  Cic.  Epicureorum  philoso- 
phiae existimatore,  Berl.  1879.  MBernhardt,  de  Cic.  graecae  philosophiae 
interprete,  Berl.  1865.  VClavel,  de  Cic.  Graecorum  interprete;  acc.  Cice- 
ronianum  lexicon  Graeco-Latinum ,  Par.  1869.  VLevin,  six  lectures  intro- 
duetory  to  the  philosophical  writings  of  Cic,  Lond.  1871.  JWalter,  Cice- 
ronis philosophia  moralis,  Prag  u.  a.  1878 — 1883  II.  Stoerling,  Quaest.  Cic. 
ad  relig.  spect.,  Jena  1894. 

6.  Eine  Handschrift,  die  alle  philosophischen  Schriften  Cic.s  enthielte, 
gibt  es  nicht.  Doch  läßt  sich  noch  eine  umfänglichere  Sammlung  nach- 
weisen, die  de  nat.  deor.,  de  div.,  Tim.,  de  fato,  top.,  parad.,  Lucullus,  de 
leg.  umfaßte.  Von  ihr  sind  abgeleitet  die  jetzt  wichtigsten  Hss  ,  zwei  Lei- 
deuses    (Vossiani  84    s.  X   und  86    s.  XI;    vgl.    §  177,  4),    der  Laurentianus 

26* 


404  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

S.  Marci  257  s.  X  und  der  Vindob.  189  s.  X.  Vgl.  darüber  CFWMüller, 
JJ.  89,  127.  261.  605.  Reiffers cheid ,  RhM.  17,  295.  Dickhoff  (§  184,10,3). 
Schramm  (§  184,  2,  3).  Ausgabe  dieses  Corpus  von  Plasberg,  Lpz.  1908  ff. 
Cod.  Heinsianus  (Leid.  118)  phototypice  ed.  Plasberg,  Leiden  1912.  —  Mehr 
als  600  Auszüge  aus  Ciceros  philos.  Schriften,  angefertigt  von  einem  Pres- 
byter Hadoardus,  im  Vatic-Regin.  1762  s.  IX;  sie  enthalten  nur  bereits 
Bekanntes.  Darüber  Narducci,  bull,  delle  scienze  matem.  15  (1882),  512; 
Kendic.  dell'  Acad.  dei  Lincei  1885,  152.  Suringar,  de  onlangs  gevonden 
fragm.  v.  Cic,  Leid.  1883  und  bes.  Schwenke,  Phil.  Suppl.  5,  399  (daselbst 
auch  Abdruck  der  Sammlung).  Mollweide,  WSt.  33,  274.  Über  Cratanders 
(§  187,  5)  Hss.  zu  Cic.s  philos.  Schriften  KLehmann,  WochklassPh.  1888,  472. 
—  Gesamtausgabe  der  philosophischen  Schriften  Ciceros  cum  scholiis  PMa- 
nutii,  Ven.  1546  II.  Die  Ausgaben  von  JDavis  (Cambridge  1736ff.  VI;  ed. 
GRath,  Halle  1804—20  VI)  und  AGörenz  (Lpz.  1809—13  III)  sind  unvoll- 
endet geblieben.    Neueste  kritische  Revision  v.  Schiche,  Prag  1884  fll. 

7.  Literaturberichte  in  ZGW.  von  Schiche,  zuerst  Bd.  34  JB.  341,  zu- 
letzt JB.  phil.  Ver.  29  (1903)  67;  in  JB.  von  Schwenke  seit  Bd.  35,  74, 
Deiter  seit  Bd.  84,  69,  Lörcher  Bd.  162,  1  (bis  1911). 

184.  Eine  Aufzählung  seiner  philosophischen  Schriften  gibt 
Cicero  selbst,  de  divin.  2,  1 — 3.  Nach  der  Zeit  ihrer  Abfassung  sind 
es  folgeude: 

1)  De  republica,  verfaßt  im  J.  54 ff.  und  vor  seiner  Abreise 
nach  Kilikien  (J.  51)  herausgegeben,  in  sechs  Büchern,  von  denen 
aber  kaum  ein  Drittel  auf  uns  gekommen  ist.  Die  Schrift  bildet 
gewissermaßen  den  Übergang  von  Ciceros  praktischer  Wirksamkeit 
zur  theoretischen  Schriftstellern;  man  kann  sie  als  eine  Umarbei- 
tung der  platonischen  Politeia  im  römisch -stoischen  Sinne  be- 
zeichnen. Der  Grundgedanke  ist,  daß  der  Staat  eine  auf  das  Recht 
und  auf  den  Nutzen  der  Gesamtheit  begründete  Gemeinschaft  ist. 

1.  Cic.  de  div.  2,  3  his  libris  adnumerandi  sunt  sex  de  rep.,  quos  tum 
scripsimus  cum  gubemacula  reip.  tenebamus.  Caelius  ep.  8,  1,  4  (Mai  51) 
tui  politici  libri  omnibus  vigent.  Att.  5,  12,  2  (Juli  51)  omni  de  reip.  statu 
litteras  exspecto  tioXixiy.iox^ov  quidem  scriptas,  quoniam  meos  cum  Thcdlu- 
meto  nostro  pervolutas  libros.  6,  1,  8.  leg.  3,  4.  Tusc  4,  1.  OESchmidt, 
Briefw.  11.  75. 

2.  Die  Entstehungsgeschichte  dieses  Werkes  können  wir  aus  Ciceros 
Briefen  verfolgen.  Den  ursprünglichen  Plan,  nur  Verstorbene  redend  einzu- 
führen, änderte  Cic.  auf  das  Zureden  des  Cn.  Sallustius  (§  192,  1)  dahin  ab, 
daß  er  selbst  mit  seinem  Bruder  das  Wort  führte,  kehrte  aber  bald  wieder 
zu  der  ursprünglichen  Anlage  zurück,  verlegte  die  Szene  ins  J.  129  und 
machte  zu  Sprechern  den  jüngeren  Africauus,  Laelius,  Aelius  Tubero,  Fu- 
rius  Philus  u.  a.  Mitglieder  des  Scipionenkreises;  unter  ihnen  Rutilius  Ru- 
fus,  von  dem  Cic.  den  Inhalt  des  Gespräches  erfahren  zu  haben  vorgibt. 
Vgl.  ad  Qu.  fr.  3,  5,  lf.  Richarz,  de  politicorum  Cic.  libr.  tempore,  Würzb. 
1829.    Die  Form  ist  ein  Versuch,  die  platonischen  Dialoge  und  speziell  die 


§  184.  Ciceros  philosophische  Schriften  (de  rep.)  405 

Politeia  nachzuahmen;  der  eschatologische  Traum  des  Scipio  am  Schlüsse 
entspricht  auch  in  seiner  Stellung  dem  des  Armeniers  Er.  Hirzel,  Dialog 
1,  459.  Doch  ist  sich  Cic.  über  die  Verschiedenheit  seiner  Politeia  von  der 
platonischen  klar,  vgl.  2,  3.  21  f.  66.    Hinze  2. 

3.  Die  Erörterungen  über  Wesen  und  Zweck  des  Staates  und  den 
Wechsel  der  Staatsformen  im  l.B.  beruhen  auf  Panaitios.  Für  den  im  2.B. 
geführten  Nachweis,  daß  der  römische  Staat  dem  Ideal  entspricht,  ist  außer- 
dem Polybios  herangezogen;  hier  wird  die  Abfolge  der  verschiedenen  römi- 
schen Verfassungen  erzählt.  Für  eine  Einzelheit,  den  Passus  über  die  Nach- 
teile der  maritimen  Lage  (§  7  ff.),  ist  Dikaiarchos  eingesehen  (Att.  6,  2,  3). 
Auch  die  im  3.  B.  vorgetragenen  Lehren  über  Ursprung  und  Wesen  des 
Rechts,  die  sich  mit  de  leg.  1  eng  berühren,  fußen  wohl  auf  Panaitios; 
beide  Autoren  werden  auch  1,  15.  34.  2,  27.  4,  3  genannt.  Schmekel  55.  67. 
Leo,  Mise.  Cic.  (Gott.  1892)  12.  Daß  die  Grundbegriffe  erst  im  3.  Buch  er- 
örtert wurden,  war  kein  Vorzug  der  Komposition.  Im  4.  Buche  war  die 
Frage  der  Erziehung  unter  beständiger  Polemik  gegen  Plato  behandelt,  im 
5.  die  Ausbildung  des  Staatslenkers;  vom  6.  ist  nur  der  Schluß  kenntlich: 
der  apokalyptische  Traum  des  Scipio,  der  die  Belohnung  hervorragender 
Männer  nach  dem  Tode  schildert,  gibt  eine  aus  Poseidonios,  vielleicht  aus 
dessen  Protreptikos  stammende  Apokalypse  wieder.  Cokssen  (Nr.  8,  2). 
Norden,  Vergils  Aeneis  B.  6  Einl.  WVolkmann,  Die  Harmonie  d.  Sphären 
in  Cic.s  Traum,  Bresl.  1908.  Sueton  verteidigte  dieses  Buch  gegen  die  An- 
griffe des  Didymos,  s.  Suid.  v.  TgdyxvAXog  (§  347,  2).  Gratama,  de  Cic.  de 
rep.  et  de  leg.  libris,  Gron.  1827.  vPersijn,  de  politica  Cic.  doctrina  in 
libris  de  rep.,  Amst.  1827.  SZachariä,  üb.  Cic.s  Bücher  vom  Staat,  Heidelb. 
1823.  ISchubert,  quos  Cic.  de  rep.  I  et  II  auetores  secutus  sit,  Würzb.  1883. 
Hinze,  Quos  Script,  gr.  Cic.  in  libr.  de  rep.  adhibuerit,  Halle  1900.  ADes- 
jardins,  De  scientia  civ.  ap.  Cic,  Beauvais  1858. 

4.  Ein  Teil  des  sechsten  Buchs,  der  Traum  des  Scipio,  ist  früh  geson- 
dert, vervielfältigt  und  erklärt  worden,  letzteres  namentlich  von  Macrobius 
(s.  §  444,  4),  auch  von  Favonius  Eulogius  (vgl.  §  443,  4).  Deshalb  ist  das 
Somn.  Scip.  auch  in  den  Ausgg.  des  Macrobius  abgedruckt.  Haupthss.  des 
Textes  (und  des  Macrobius-Kommentars):  Paris.  6371  s.  XI,  Bamb.  s.  XI, 
Monac.  6362  s.  XI,  14436  s.  XI  u.  a.  —  GGernhard,  de  Cic.  somn.  Scip., 
opusc.  lat.  p.  373.  Eine  griechische  Übersetzung  von  Maximus  Planudes  (um 
1330)  s.  bei  CHess,  Cic.  Cato  etc.  ex  gr.  interpr.,  Halle  1832  p.  70  ff.,  auch 
herausg.  von  FBrüggemann,  Conitz  1840  und  in  Mosers  Ausg.  p.  547,  end- 
lich auch  (von  1,  16  an)  bei  Matthaei,  brev.  hist.  animal.,  Mosq.  1811,  91. 
—  Sonderausg.  v.  CMeissner,  Lpz.3  1886. 

5.  Sonst  war  von  dem  Werk  außer  einzelnen  Bruchstücken  nichts  be- 
kannt, bis  AMai  sehr  beträchtliche  Teile  in  einem  vatikanischen  Palimpsest 
(Vatic.  5757  s.  IV?  Faksimile  bei  Zangemeister  u.  Wattenbach,  Taf.  17, 
Chatelain  T.  39,  2,  auch  bei  Pfaff  aO.)  entdeckte  und  herausgab,  Rom  1822 
(und  Stuttg.  1822),  auch  in  Class.  auet.  Rom  1828,  2,  1  —  386  und  abermals 
Rom  1846.  Nach  ihm  GSchütz  (Lpz.  1823),  FHeinrich  (Bonn  1823;  ed. 
maior,  cum  comm.  crit.  in  libr.  I,  Bonn  1828),  HMoser  (Frankf.  1826),  Osann 
(Gott.  1847).  —  Rieu,  schedae  Vaticanae  (Leid.  1860)  p.  1—126.  Tran- 
skription der  Hs.  von  Buren,  Suppl.  Papers  of  the  Am.  School   in  Ronie  2 


406  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

(New  York  1908)  84.  Über  den  bedeutenden  Wert  der  zweiten  Hand  des 
Palimps.  s.  AStrelitz,'  de  antiquo  Cic.  de  rep.  librorum  emendatore,  Bres- 
lau 1874.  Bkltz,  d.  hs.  Überlieferung  von  Cic.  de  rep  ,  Jena  1880.  KPfaff, 
de  diversis  manibus  quibus  Cic.  de  rep.  libri  correcti  sunt,  Heidelb.  1883. 
Francken  (§  177,  4).  Über  die  Zitate  bei  Lactantius  Brandt,  Festscbr. 
Heidelberg  1896,  19.  —  Neueste  Ausg.  von  KZiegler,  Lpz.  1915.  Übersetzt 
von  HMoser  (in  der  Metzlerscben  Samml.,  Rom.  Pros.  22 f.). 

2)  De  legibus,  angefangen  wohl  zwischen  J.  52  und  48,  nach 
der  Beendigung  des  vorigen  Werkes,  um  der  itolirela  nun  auch 
vonoi  zur  Seite  zu  stellen,  wieder  aufgenommen  J.  46,  aber  wahr- 
scheinlich nicht  zu  Ende  geführt  und  auch  von  Cicero  selbst  nicht 
mehr  herausgegeben;  wenigstens  erwähnt  er  das  Werk  weder  in 
seinen  Briefen  noch  sonst  jemals.  Es  bestand  wohl  ursprünglich 
aus  sechs  Büchern,  auf  uns  gekommen  sind  aber  nur  drei  nebst 
einigen  Bruchstücken  des  Weiteren.  Auch  das  Erhaltene  hat  Lücken; 
und  hätte  Cicero  das  Werk  selbst  herausgegeben,  so  würde  er  ohne 
Zweifel  eine  Vorrede  hinzugefügt  haben,  während  es  jetzt  sogleich 
mit  dem  Gespräche  beginnt.  Das  erste  Buch  behandelt  dieselbe 
Frage  wie  das  dritte  von  de  republica,  nämlich  die  nach  dem  Ur- 
sprünge des  Rechts:  dieses  wird  zu  den  Grundlehren  der  stoischen 
Weltanschauung  in  Beziehung  gesetzt  und  aus  der  Natur  herge- 
leitet. So  nimmt  das  Buch  die  Stelle  einer  Einleitung  ein;  die  eigent- 
lichen Gesetze  beginnen  im  zweiten  Buche  mit  dem  göttlichen  Recht: 
Cicero  gibt  nach  einer  sich  mit  dem  ersten  Buche  inhaltlich  decken- 
den Einleitung  (7 — 14)  zunächst  den  Wortlaut  der  sakralen  Be- 
stimmungen und  knüpft  daran  seine  Erläuterungen.  Dasselbe  ge- 
schieht im  dritten  Buche  mit  dem  Beamtenrecht.  Obwohl  Cicero 
fortwährend  auf  Plato  Bezug  nimmt,  entwirft  er  doch  seine  Gesetze 
für  römische  Verhältnisse  und  unter  Anlehnung  an  geltendes  rö- 
misches Recht,  indem  er  die  Sprache  der  Zwölftafelgesetze  geschickt 
nachbildet.  Das  vierte  Buch  sollte  de  iudieiis  handeln;  über  den 
Inhalt  der  übrigen  lassen  sich  nur  unsichere  Vermutungen  auf- 
stellen. 

1.  Auf  Abfassung  zwischen  J.  52  (Augurat  des  Cic.  2,  32;  Tod  des  Clodius, 
ebd.  42)  und  J.  48  (Pompeius  noch  am  Leben,  1,  8.  3,  22)  fähren  auch  die  Zeit- 
anspielungen zwar  nicht  mit  voller  Sicherheit,  da  sie  auch  bloß  der  Einklei- 
dung angehören  könnten,  aber  doch  mit  Wahrscheinlichkeit;  denn  Cic.  hatte 
sich  über  die  zeitliche  Fixierung  des  Gespräches  noch  nicht  entschieden  und 
ließ  es  vorläufig  in  der  Gegenwart  spielen.  Damals  aber  wurde  das  Werk 
nicht  vollendet  (Unterbrechung  durch  die  kilikische  Verwaltung  und  dann  die 
Bürgerkriege);  vgl.  Brut.  19  ut  illos  de  rep.  libros  edidisti,  nihil  a  te  mne  acce- 
piimis,  und  Tusc.  4,  1    wird  wohl  die  Schrift  de  rep.  erwähnt,  nicht  aber  de 


§  184.  Ciceros  philosophische  Schriften  (de  leg.)  407 

legibus.  Wiederaufnahme  J.  46,  s.  ep.  9,  2,  5  modo  nobis  stet  . .  et  scribere  et 
legere  TtoXiteias  et  si  minus  in  curia  atque  in  foro,  at  in  litteris  et  libris  . . 
navare  remp.  et  de  moribus  ac  legibus  quaerere.  Auch  weisen  1,  52.  54.  57 
daraufhin,  daß  Cic.  sich  mit  dem  Gedanken  an  de  fin.  und  Acad.  trug;  5  ff., 
daß  er  Geschichte  zu  schreiben  gedenkt  (also  nicht  nach  Caesars  Ermordung 
geschrieben).  Aber  auch  jetzt  blieb  das  Werk  liegen,  vielleicht  infolge  des 
zunehmenden  Eifers  für  systematische  Philosophie  oder  überhaupt  wegen 
anderer  literarischer  Pläne  und  Arbeiten.  Die  Unfertigkeit  zeigt  sich  in 
Mängeln  der  Disposition  und  in  dem  Fehlen  sowohl  einer  Vorrede,  gegen 
den  Grundsatz  in  singulis  libris  utor  prooemiis  (Att.  4,  6,  2;  vgl.  16,  6,  4), 
als  auch  einer  Einleitung  zum  Gespräch  (Hirzel  476).  Dieses  wird  von 
Cicero,  seinem  Bruder  Quintus  und  Atticus  geführt.  Dafür  daß  das  Werk 
sich  ursprünglich  auf  sechs  Bücher  erstreckte  oder  erstrecken  sollte,  spricht 
teils  der  Vergleich  mit  der  Schrift  de  rep.  teils  die  Anführung  bei  Macrob. 
sat.  6,  4,  8  Cicero  in  quinto  de  legibus.  Für  acht  Bücher  nicht  überzeugend 
duMesnil,  Ausg.  S.  6.  10.    Hirzel,  Dialog  1,  471. 

2.  Über  die  Abfassungszeit  s.  CPeter  Ausg.  des  Brutus  (1839)  p.  264. 
Horrmann,  JJ.  125,  601.  Im  allgemeinen  Feldhügel,  über  C.  de  legg.,  Zeitz 
1841.  Drumann,  GR.  6,  104.  Reitzenstein,  Gießener  Festschr.  f.  Mommsen 
1893/4,  1.  Lazic,  Die  Entst.  von  Cic.  de  leg.,  Wien  1912.  Über  die  Anlage 
von  B.  2  und  3  Boegel,  Xagitsg  297.  Möglich  ist,  daß  B.  1  später  hinzu- 
gefügt ist. 

3.  Cic.  hielt  Piatons  Nomoi  für  eine  Fortsetzung  der  Politeia  und  wollte 
demgemäß  eine  Ergänzung  zu  de  rep.  liefern.  1,  15  si  quaeres,  ego  quid 
expectem,  quoniam  scriptum  est  a  te  de  optimo  reip.  statu,  consequens  esse 
videtur  ut  scribas  tu  idem  de  legibus:  sie  enim  fecisse  video  Piatonern  illum 
tuum,  quem  tu  admiraris.  3,  4  quoniam  leges  damus  liberis  populis,  quaeque 
de  optima  rep.  sentiremus,  in  sex  libris  ante  diximus,  aecommodabimus  hoc 
tempore  leges  ad  illum  quem  probamus  civitatis  statum.  Vgl.  1,  20.  2,  14.  23. 
3,  32.  Anklänge  an  Piaton  und  besonders  an  dessen  Nomoi  sind  häufig. 
Das  erste  Buch  vertritt  jüngere  stoische  Anschauungen  über  das  Recht,  wie 
sie  Panaitios  vortrug,  und  folgt  vielleicht  diesem,  aber  sicher  sind  Einlagen 
aus  Antiochos  gemacht,  und  dieser  kann  auch  die  Quelle  des  Ganzen  sein. 
Reitzenstein  (A.  2).  Schmekel  55.  Hinze  (Nr.  1,  3)  55.  Laudien,  Herrn.  46, 
108.  Für  das  zweite  Buch  sind  Antiquare,  Juristen  (Scaevolae  47)  und  Inter- 
preten der  zwölf  Tafeln,  etwa  Aelius  Stilo,  benutzt,  für  die  Vergleichung 
griechischer  und  römischer  Gräbersitten  56  f.  63 — 66  wohl  Poseidonios.  Bösen, 
De  XII  tabb.  lege,  Gott.  1893,  14.  Bögel,  Inhalt  und  Zerlegung  des  2.  B., 
Kreuzburg  1907.    Lörcher,  JB.  162,  129. 

4.  Haupthss.:  Vossiani  84  s.  X  u.  86  s.  XI,  Heinsianus  118  s.  XI,  alle 
in  Leiden:  darüber  ESchramm,  De  Cic.  11.  de  leg.  recensendis,  Marb.  1897. 
S.  auch  HJordan,  Beitr.  225;  Quaest.  Tüll.,  Königsb.  1884.  —  Ausgaben 
von  JDavis  (Cambr.  1727.  1745,  wieder  herausg.  v.  Rath,  Halle  1818.  Bd.  5), 
Görknz  (Lpz.  1803),  Moser  und.CREuzER  (Frankf.  1824),  Bake  (Leid.  1842), 
Feldhügel  (Zeitz  1852  f.  II).  Ex  recognitione  IVahlen,  Berl.2  1883.  In 
Htjschkes  Jurisprud.  Anteiust.5  (1886)  19.  Erkl.  v.  duMesnil,  Lpz.  1879,  von 
GSichirollo  ,  Päd.  1885.  Die  von  Cicero  eingelegten  Gesetznachbildungen 
mit   sprachlicher  Erläuterung    über   die   Archaismen    darin    abgedruckt  bei 


408  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

HJordan,  krit.  Beitr.  230.   —   Übersetzt  von   FSeegek  (Metzlersche  Samml.) 
und  WZumpt  (Klotzsche  Übers,  der  philos.  Schriften,  T.  2). 

3)  Paradoxa,  dem  M.  Brutus  gewidmet,  verfaßt  im  April  des 
J.  46,  unmittelbar  nach  dem  Brutus,  ehe  noch  die  Kunde  vom  Tode 
des  M.  Cato  nach  Rom  gelangt  war,  und  vor  dem  Orator.  Wegen 
seines  geringen  Umfanges  ist  das  Schriftchen  de  div.  2,  1 — 4  nicht 
eigens  aufgeführt.  Der  Inhalt  ist  eine  in  rhetorischem  Diatriben- 
stil  gehaltene  Darstellung  von  sechs  auffallenden  Sätzen  der  stoi- 
schen Lehre. 

1.  In  der  Einleitung  erklärt  Cic,  stoische  Sätze  behandeln  zu  wollen, 
aber  nicht  in  der  dürftigen  Manier  der  Stoiker,  sondern  nach  der  akade- 
misch-peripatetischen  Art  (nos  ea  philosophia  plus  utimur,  quae  peperit  di- 
cendi  copiam),  was  als  eine  Spielerei  erscheint:  ego  tibi  illa  ipsa,  quae  vix 
in  gymnasiis  et  in  otio  Stoici  pröbant,  ludens  conieci  in  communes  locos  . . 
accipies  igitur  hoc  parvum  opusculum  lucubratum  his  iam  contractioribus 
noctibus  . .  et  degustabis  genus  exercitationum  earum  quibus  uti  consuevi, 
cum  ea  quae  dicuntur  in  scholis  ftstixäg  (§  188,  2,  2)  ad  nostrum  hoc  Ora- 
torium transfero  dicendi  genus.  Er  hält  diese  Sätze  auch  für  sokratische, 
prooem.  mihi  ista  nagado^a  quae  appellant  maxime  videntur  esse  Socratica, 
vgl.  23.  Luc.  136.  Der  Ton  ist  populär  und  lebhaft,  ein  Zuhörer  oder  Gegner 
wird  angeredet,  Beispiele  angeführt,  drastische  Worte  nicht  gescheut.  Aus 
dem  obigen  Zeitansatz  erklären  sich  die  Berichtigungen,  die  für  Parad.  2 
in  fin.  4,  52  und  für  Parad.  5  in  fin.  3,  33  f.  liegen.  Anders  Lörcher,  Das 
Fremde  209.  —  CMorgenstern,  proleg.  in  Cic.  P.,  Seebodes  Mise.  crit.  1, 
1,  386.    Drumann,  GR.  6,  288. 

2.  Handschriften:  Voss.  84  u.  86.  Vindob.  189  s.  §  183,  5.  —  Ausgaben 
von  Gernhard  (mit  Cato,  Lpz.  1819).  Borgers  (Leid.  1823).  Orelli  (mit 
Tusc,  Zur.  1829),  Moser  (Gott.  1846).  —  Übersetzt  von  FBaur  (Stuttg.  1854), 
RKühner  (Stuttg.  1864).  Griechische  Übersetzung  von  Petavius  (Par.  1653 
und  bei  CHess,  Cic.  Cato  usw.  s.  oben  Nr.  1,  4)  sowie  von  Morisoto  (ed. 
Wensch,  Halle  1841). 

4)  Wie  Cicero  mit  den  Paradoxa  den  Standpunkt  des  Redners 
noch  nicht  völlig  verlassen  hatte,  so  war  seine  uns  nicht  erhaltene 
Consolatio  rein  aus  persönlichem  Bedürfnis  und  augenblicklichen 
Verhältnissen ?  dem  Tode  seiner  Tochter,  hervorgegangen  und  sehr 
populär  gehalten.  Sie  wurde  verfaßt  im  März  des  J.  45,  unter  haupt- 
sächlicher Benützung  von  Krantors  Schrift  hsqI  Ttev&ovg. 

1.  Vgl.  ad  Att.  12,  14,  3  (8.  März  45)  nihil  de  maerore  minuendo  scrip- 
tum ab  ullo  est,  quod  ego  non  domi  tuae  legerim  . .  quin  etiam  feci  quod 
profecto  ante  me  nemo,  ut  ipse  me  per  litteras  consolarer.  quem  librum  ad  te 
mittam,  si  descripserint  librarii:  adfirmo  tibi  nullam  consolationem  esse  talem. 
12,  20,  2  velim  me  facias  certiorem  . .  Pertinent  ad  eum  librum,  quem  de 
luctu  minuendo  scripsimus.  Ein  wörtliches  Zitat  Tusc.  1,  65;  vgl.  3,  76.  4,  63. 
divin.  2,  3.  22.  Plin.  NH.  praef.  22  (Cicero)  in  consolatione  filiae  Crantorem, 
inquit,  sequor.  —  Die  Bruchstücke  bei  Baiter-Kayser  11,  71  und  Mür.T.er  4, 


§  184.  Ciceros  philosophische  Schriften  (parad.,  consol.,  Hort.)      409 

3,  332.  Vgl.  Halm,  Beitr.  zu  den  Cic.  Fragm.  S.  32.  FSchneider,  de  conso- 
latione  Cic,  Bresl.  1835.  B ASchulz,  dgl.,  Greifsw.  1860.  Drumann,  GR.  6, 
319.  Cicero  hat  aus  dieser  consolatio  Einlagen  in  Tuscul.  1  u.  III  gemacht. 
Buresch,  Lpz.  Stud.  9,  94  (daselbst  auch  über  deren  Benützung  durch  Hiero- 
nymus  in  ep.  60  ad  Heliodorurn  über  den  Tod  des  Nepotianus;  vgl.  KSchenkl, 
WSt.  16,  38);  vgl.  Schmekel  150.  Pohlenz,  Herrn.  41,  330;  Progr.  Götting. 
1909,  15. 

2.  Eine  Fälschung  ist  M.  Tullii  Cic.  Consolatio,  liber  nunc  primum  re- 
pertus  et  in  lucem  editus,  Colon.  1583  (gedruckt  auch  zB.  in  Klotz'  Ausg. 

4,  3,  372).  Vgl.  Schulz  aO.  58.  TSage,  The  Ps.  Cic.  Consolatio,  Chicago 
1910. 

5)  Erst  in  seinem  Hortensius,  den  er  im  April  oder  Mai  45 
veröffentlichte,  gab  Cicero  eine  Art  Vorrede  zu  den  beabsichtigten 
eigentlichen  philosophischen  Schriften,  um  den  Wert  der  Philoso- 
phie für  das  Glück  des  einzelnen  nach  dem  Vorgange  des  aristote- 
lischen Protreptikos  auch  Laien  klar  zu  machen.  Auch  der  Hor- 
tensius  ist  bis  auf  eine  Anzahl  Bruchstücke  verloren  gegangen. 

1.  Cic.  de  div.  2,  1  cohortati  sumus  ut  maxime  potuimus  ad  philosophiae 
Studium  eo  libro,  qui  est  inscriptus  Hortensius.  Vgl.  Augustin.  conf.  8,  7,  17 
lecto  Ciceronis  Hortensio  excitatus  eram  studio  sapientiae  etc.  Trebell.  Sa- 
lon. Gallien.  2  M.  Tullius  in  Hortensio,  quem  ad  exemplum  protreptici 
scripsit.  An  dem  Gespräche  nahmen  Cicero,  Hortensius,  Lucullus  und  Ca- 
tulus  teil;  es  spielte  nach  der  fr.  16  erwähnten  Rede  pCornelio  (J.  64)  und 
vor  Catulus1  Tode  (J.  60).  Nachdem  über  den  erziehlichen  Wert  von  Poesie, 
Geschichte  und  Beredsamkeit  gesprochen  war,  griff  Hort,  die  Philosophie 
heftig  an;  ihre  Verteidigung  übernahm  Catulus  und  Cicero.  Die  Darstellung 
war  schwungvoll,  die  Philosophie  selbst  wurde  redend  eingeführt.  Die  reli- 
giöse Färbung  einzelner  Partien  scheint  auf  Poseidonios  hinzuweisen;  aber 
der  Grundstock  der  Gedanken  stammte  aus  Aristoteles'  itQOTQsitTLY,6s-}  vgl. 
Bernays,  d.  Dialoge  des  Aristoteles  (Berl.  1863)  116.  Bywater,  Journ.  of 
philol.  2,  55.  7,  64.  Usener,  Sehr.  3,  9.  Hirzel,  Herrn.  10,  80.  Diels,  Arch. 
Gesch.  Philos.  1,  477.  Hartlich,  Lpz.  Stud.  11,  291.  Plasberg,  De  Cic.  Hort., 
Berl.  1892  (Hauptarbeit,  dazu  Usener,  Sehr.  2,  353).  —  Benutzt  hat  die 
Schrift  Augustinus  Contra  Acad.  B.  1  (vgl.  conf.  3,  4,  7);  s.  Ohlmann,  De 
Aug.  dialogis,  Straßb.  1897.  Dkewniok  (Nr.  7,  2).  Die  Überreste  bei  Baiter- 
Kayser  11,  55  und  Müller  4,  3,  312.  Vgl.  Usener,  Dion.  Halic.  de  imit. 
(Bonn  1889)  117.    Drumann,  GR.  6,  322. 

2.  Der  Hortensius  war  angeblich  noch  im  11.  und  12.  Jahrh.  auf  der 
Insel  Reichenau  und  in  der  Abtei  Bec  (in  Frankreich)  vorhanden.  Da  aber 
Ciceros  Lucullus'  (vgl.  S.  411)  im  Mittelalter  liber  ad  Hortensium  oder  ad 
Hort,  dialogus  hieß,  so  wird  jene  Angabe  vielmehr  auf  diesen  zu  beziehen 
sein.  KSchenkl,  Phil.  31,  563.  Hortis,  Cicerone  nelle  opere  del  Petrarca 
51—53.  PThomas,  Rev.  Phil.  3,  152.  GVoigt,  Wiederbeleb,  d.  class.  Altert. 
I2,  39.    Plasberg  12. 

6)  De  finibus  bonorum  et  malorum,  fünf  Bücher,  verfaßt 
in  der  ersten  Hälfte  des  J.  45,  unmittelbar  vor  den  Academica,  und 


410  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

dem  Brutus  gewidmet,  eine  Zusammenstellung  der  Lehren  der  wich- 
tigsten Schulen  über  das  höchste  Gut  und  Übel,-  also  über  eine 
Hauptfrage  der  praktischen  Philosophie,  wie  die  Academica  die 
Hauptlehre  der  theoretischen  Philosophie  behandeln,  die  Erkennt- 
nislehre. Ciceros  Quellen  für  die  Darstellung  der  epikureischen, 
stoischen  und  akademisch-peripatetischen  Lehre  sind  jüngere  Ver- 
treter der  betreffenden  Schulen,  für  die  Kritik  dieser  Lehren  der 
auch  im  5.  Buche  benutzte  Antiochos  von  Askalon.  Der  Schwierig- 
keit,  aus  diesen  verschiedenen  Elementen  ein  organisches  Ganze 
herzustellen,  ist  Cicero  nicht  ganz  Herr  geworden;  doch  ist  dieses 
Werk  durch  Sorgfalt  der  Darstellung  vielleicht  das  vorzüglichste 
unter  Ciceros  eigentlich  philosophischen  Schriften. 

1.  Cic.  de  div.  2,  2  cum  fundamentum  esset  phüosophiae  in  fmibus  bo- 
norum et  malorum,  perpur gatus  est  is  locus  a  nobis  quinque  libris,  ut  quid 
a  quoque  et  quid  contra  quemque  philosophum  diceretur  intellegi  posset.  Aus 
Att.  12, 12,  2  (März  45)  geht  hervor,  daß  Cic.  am  Epicurus  (also  wohl  B.  1.  2) 
keine  Personen  der  Vergangenheit  beteiligen  will.  Ende  Mai  ist  der  Torquatus 
dh.  B.  1  fertig  (Att.  13,  32,  2).  ad  Att.  13,  12,  3  (Ende  Juni)  nunc  illam  Ttsgl 
tsXgöv  Gvvtcci-iv  sane  mihi  probatam  Bruto,  ut  tibi  placuit,  despondimus,  id- 
que  cum  non  nolle  mihi  scripsisti.  Wenige  Tage  später  13,  19,  4  ita  confeci 
quinque  libros  tieqI  teX&v,  ut  Epicurea  L.  Torquato,  Stoica  M.  Catoni,  Peri- 
patetica  M.  Pisoni  darem.  avs^EGntov  id  fore  putaram,  quod  omnes  Uli  de- 
ccsserant.  Gleich  darauf  21  a,  1  illud  rectumne  existimas  quoiquam  ante  quam 
Bruto,  cui  de  auctore  7tQ06cpo)vä>?  scripsit  enim  Baibus  ad  me  se  a  te  quin- 
tum  de  finibus  librum  descripsisse,  in  quo  non  sane  multa  mutavi,  scd  tarnen 
qnaedam.  tu  autem  commodc  feceris,  si  reliquos  continueris,  ne  et  ocSioQ^aita 
liabeat  Baibus  et  ecoXcc  Brutus,  de  leg.  1,  52.  Drumann,  GR.  6,  323.  Lörcher, 
Das  Fremde  82. 

2.  Eingekleidet  ist  das  Werk  in  drei  Gespräche,  in  denen  Cicero  nach 
der  Weise  des  Aristoteles  sich  selbst  die  Hauptrolle  zugeteilt  hat,  im  übri- 
gen aber  nur  Gestorbene  auftreten  läßt,  nämlich  im  ersten  Gespräche  (B.  I 
u.  II),  das  ins  J.  50  gesetzt  wird,  den  L.  Manlius  Torquatus  und  C.  Vale- 
rius  Triarius,  von  denen  der  erstere  die  epikureische  Lehre  vorträgt  (B.  I), 
die  dann  Cicero  (B.  II)  zu  widerlegen  sucht;  im  zweiten  (B.  III.  IV),  ins 
J.  52  gesetzt,  den  jüngeren  Cato,  der  die  stoische  Lehre  darlegt  (B.  III), 
worauf  Cicero  (B.  IV)  zeigt,  daß  sie  von  der  des  Antiochos  aus  Askalon 
nicht  wesentlich  abweiche;  im  dritten  (B.  V),  das  sich  als  im  J.  79  gehalten 
gibt,  den  M.  Pupius  Piso,  der  die  Lehre  der  Akademiker  und  Peripatetiker 
darstellt,  L.  Tullius  Cicero  u.  a.  Das  5.  Buch  und  mindestens  Teile  des  2. 
und  4.  beruhen  auf  Antiochos  von  Askalon,  vgl.  5,  16  Carneadia  nobis  ad- 
hibenda  divisio  est,  qua  noster  Antiochus  libenter  uti  solet.  81  scio  ab  An- 
tiocho  nostro  dici  sie  solere.  8,  14.  Das  erste  Buch  ist  wohl  (trotz  Lörcher 
aO.  1)  aus  einem  jüngeren  Epikureer  geschöpft  (Bignone,  Riv.  Fil.  37,  54. 
Phitjppson,  RhM.  66,  231).  Für  das  3.  Buch  ist  sicher  die  Benutzung  eines 
jüngeren    Stoikers,    den    zB.    Hirzel    in  llekaton,    Lörcher  in  Diogenes  von 


§   184.  Cicero»  philosophische  Schriften  (de  fin.,  Acad.)  41  1 

Babylon  gesehen  hat,  während  v Arnim,  Stoic.  fr.  1,  xxvm  eine  Epitome  aus 
verschiedenen  stoischen  Werken  mit  doxographischen  Zutaten  die  Quelle 
sein  läßt.  Ob  Chrysipp,  dessen  Lehre  das  Fundament  bildet,  direkt  benutzt 
ist,  bleibt  zweifelhaft.  Lörcher  will  in  der  Entstehung  des  Werkes  drei 
Entwicklungsstufen  scheiden,  die  sich  aber  nicht  zur  Evidenz  bringen  lassen. 

3.  Im  allgemeinen  vgl.  die  Vorreden  von  Madvig,  Görenz  u.  a.  Hirzel 
(§  183,  4)  2,  567.  Lörcher,  Das  Fremde  und  das  Eigene  in  Cic.  de  fin.  u. 
Acad.,  Halle  1911;  JB.  162,  77.  Fowler,  Panaetii  et  Hecat.  fragm.  (Bonn 
1885)  13.    Hartfelder  (s.  §  183,  4),  p.  8.  21. 

4.  Handschriften:  Palatino -Vaticanus  1513  s.  XI  (Facsim.  Chatelain 
T.  43,  1),  dann  Palat.  1525  s.  XV,  Paris.  6331  s.  XII  (Facsim.  Chatelain  T. 
43,  2)  u.  a.  S.  darüber  Madvigs  Proleg.  Pur  die  Beachtung  der  sog.  dete- 
riores  Schiciie,  JB.  phil.  Ver.  ZfGW.  33,  187,  Gustafsson,  Herrn.  15,  465. 
—  Ausgaben  von  JDavis  (Cambridge  1728.  1741.  Oxf.  1809,  in  Raths  Ausg. 
Bd.  1),  Görenz  (Lpz.  1813),  Orelli  (mit  Acad.,  Zur.  1827),  GWOtto  (Lpz. 
1831)  und  besonders  Madvig  (Kopenh.  1839.  31876).  Ferner  Alanus  (Dublin 
1856).  Hutchinson,  Lond.  1909.  Erklärt  von  Böckel  (Bd.  1,  Berl.  1872), 
Holstein  (Lpz.  1873).    Revised  and  explained  by  Reid,  Lond.  1883  III. 

5.  Übersetzt  von  GDroysen,  Lpz.  1841.  FBaur  (Stuttg.  1854,  Class.  d. 
Alt.  1854).    vKirchmann,  Berl.  1875. 

7)  Academica,  verfaßt  im  J.  45,  zuerst  in  zwei  Büchern,  die 
nach  (Q.  Lutatius)  Catulus  und  (L.  Licinius)  Lucullus  benanut  wa- 
ren, dann  in  vier  Büchern.  Von  der  ersten  Bearbeitung  ist  das 
zweite  Buch  (Lucullus)  erhalten,  von  der  zweiten  (Academica  poste- 
riora)  der  erste  Teil  des  ersten  Buches  und  einzelne  Bruchstücke. 
Der  Lucullus  enthält  die  Erkenntnislehre  der  jüngeren  Akademie 
(des  Antiochos  und  Philon),  während  der  Catulus  die  Begründung 
der  extremen  Skepsis  des  Karneades  nebst  einer  allgemeinen  Dar- 
stellung der  Geschichte  der  Akademie  umfaßt  haben  mag.  Der  An- 
fang  der  zweiten  Bearbeitung  gibt  allgemeine  Erörterungen  und 
eine  Übersicht  über  die  Geschichte  der  Philosophie  von  Sokrates 
bis  auf  Arkesilaos,  den  Vorgänger  des  Karneades  und  Philon.  Cicero 
widmete  der  akademischen  Lehre  deswegen  eine  besondere  Darstel- 
lung, weil  er  sich  durch  dieses  System  überhaupt  am  meisten  an- 
gezogen fühlte  (§  183),  und  für  unsere  Kenntnis  der  Skepsis  bildet 
seine  Schrift  eine  Hauptquelle. 

1.  Nach  div.  2,  1  sind  die  Acad.  vor  de  fin.  geschrieben,  was  man  mit 
Unrecht  bezweifelt  hat.  Plasberg  (Nr.  5, 1)  6.  Neben  Catulus  und  Lucullus, 
die  beide  die  Ansicht  des  Antiochos  vertraten,  nahmen  in  der  ersten  Fas- 
sung noch  Hortensius  und  Cicero  am  Gespräche  teil;  bald  aber  setzte  Ci- 
cero an  deren  Stelle  den  Cato  und  M.  Brutus;  als  darauf  Atticus  schrieb, 
Varro  nehme  es  übel,  daß  Cicero  ihm  noch  nie  eine  Schrift  gewidmet  habe, 
so  wurde  das  ganze  Werk  noch  einmal  völlig  umgearbeitet,  in  vier  Bücher 
abgeteilt    und    dem    Varro    gewidmet.    Tn    dieser    /weiten  Bearbeitung  ließ 


412  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

Cicero  den  Varro  die  Ansichten  des  Antiochos  vortragen  und  führte  selbst 
die  des  Philon  aus.  Die  erste  Bearbeitung  hatte  Atticus  schon  abschreiben 
lassen,  als  Cicero  sich  zu  ihrer  Umschmelzung  entschloß.  Über  die  erste 
Bearbeitung  Att.  13,  32,  3  (29.  Mai)  Catulum  et  Lucullum  ut  opinor  antea 
(misi  ut  tibi  daretur).  his  libris  nova  prooemia  sunt  addita,  quibus  eorum 
uterque  laudatur.  Über  das  Verhältnis  der  beiden  Bearbeitungen  s.  beson- 
ders ad  Att.  13,  13,  1  ex  duobus  libris  contuli  in  quattuor.  grandiores  sunt 
omnino  quam  erant  Uli,  sed  tarnen  multa  detracta.  . .  multo  Jiaec  erunt  splen- 
didiora,  breviora,  meliora.    13,  16,  1    illam  'Ay.aoriiiaiy.riv   övvtai-iv   totam  ad 

Varronem  traduximus.  primo  fuit  Catuli,  Luculli,  Iiortensii.  deinde  .  .  eos- 
dem   illos  sermones  ad    Catonem  Brutumque   transtuli.    ecce  tuae  litterae  de 

Varrone.  nemini  visa  est  aptior  Ävno%üa  ratio.  Vgl.  ebd.  12,  3  etenim  sunt 
Antiochia,  quae  iste  (Varro)  valde  probat.  19,  3  dbsolvi  .  .  Academicam  omnem 
quaestionem  libris  quattuor.  in  eis  quae  erant  contra  äycctaXr]ipLuv  praeclare 
collecta  ab  Antiocho,  Varroni  dedi;  ad  ea  ipse  respondeo,  tu  es  tertius  in 
sermone  nostro.  Fertig  war  diese  zweite  Bearbeitung  vor  Mitte  Juli  (Att. 
13,  23,  2);  der  Brief,  mit  dem  sie  dem  Varro  übersandt  wurde,  ist  ep.  9,  8. 
Die  übrigen  Briefstellen  bei  Plasberg  28.  Oben  §  167,  2.  Vgl.  S.  409,  Nr.  5,  2. 
Allerlei  Vermutungen  darüber  bei  Birt,  antikes  Buchwesen  354. 

2.  Der  Lucullus  beginnt  mit  einem  die  Skepsis  widerlegenden  Vortrage 
des  Lucullus,  der  auf  Antiochos  beruht  und  zwar  wie  es  scheint  auf  dem 
Dialoge  Sosos,  neben  dem  Lörcher,  Das  Fremde  (Nr.  6,  3)  240  die  Benutzung 
noch  einer  anderen  Schrift  des  Antiochos  annimmt.  Die  Einwürfe  des  Ci- 
cero gegen  den  Standpunkt  des  Antiochos  sind  mit  Hirzel  aus  Philon  her- 
zuleiten, während  Schmekel,  Festgabe  f.  Susemihl,  Lpz.  1898,  32  und  Lörcher 
aO.  daneben  den  Kleitomachos  eingesehen  sein  lassen.  Daß  in  den  Acad 
post.  Varro  die  Lehren  seines  Lehrers  Antiochos  vorträgt,  sagt  Cic.  selbst 
mehrfach.  Er  selbst  spielte  in  den  verlorenen  Büchern  den  Anwalt  der 
Sache  Philons.  Diese  Bücher  hat  Augustinus  für  B.  2  und  3  seiner  Schrift 
Contra  Academicos  benutzt.  Drewniok,  De  Aug.  contra  Acad.  libris,  Bresl. 
1913.  Ranitz,  de  libr.  Acad.,  Lps.  1809  und  in  Acta  soc.  Lips.  2  (1812),  165. 
ABrandis,  RhM.  3  (1829),  543.  Drumann,  GR.  6,  327.  BKrische,  üb.  Ciceros 
Akademika,  Gott.  1845.  Diels,  Doxogr.  gr.  (Berl.  1879)  119.  KFHermann, 
Phil.  7,  466.  Engstrand,  de  libris  Cic.  Acad.,  Ups.  1860.  Hirzel  (§  183,  4) 
3,  251.    Hoyer,  Die  Heilslehre,  Bonn  1897,  112.    Lörcher,  Diss.  Hai.  17,380. 

3.  Handschriften  für  den  Lucullus  Voss.  84  und  86  und  der  Vindob. 
189  s.  §  183,  5;  für  die  Acad.  posteriora  ist  die  älteste  Hs.  Paris.  6331  s.  XII 
(§  184,  6,  4),  sonst  junge  aus  s.  XV,  zB.  ein  interpolierter  Gedanensis.  — 
Ausgaben  von  JDavis  (Cambridge  1725.  1736;  bei  Rath  Bd.  3),  Görenz 
(T.  II,  1810),  Orelli  (mit  de  fin.,  Zur.  1827);  Plasberg,  Lpz.  1908.  Text 
revised  and  explained  by  SReid,  Lond.a  1885.  —  Übersetzt  von  HMoser 
(Stuttg.  Metzler). 

8)  Tusculanae  disputationes,  so  benannt  nach  Ciceros  Gut 
bei  Tusculum,  weil  die  dort  geschriebenen  Gespräche  auch  als  dort 
gehalten  dargesteUt  werden.  Angefangen  wurden  sie  J.  45 ,  been- 
digt und  in  fünf  Büchern  herausgegeben  J.  44;  nach  de  finibus  und 
vor  de  divinatione  und  de  fato.   Sie  sind  dem  M.  Brutus  gewidmet 


§  184.  Ciceros  philosophische  Schriften  (Tusc.)  413 

und  handeln  meist  in  populärem  Ton  von  der  menschlichen  Glück- 
seligkeit, ihren  Störungen  und  deren  Überwindung.  Die  von  Cicero 
benutzten  Quellen  sind  stoische  oder  stoisch  beeinflußte. 

1.  Cic.  ad  Att.  13,  32,  2  Dicaearchi  tcbqI  tyvxfjg  utrosque  velim  mittas  et 
-nccTußcc6S(os.  Tq wollt wbv  non  invenio  et  epistolam  eins  quam  ad  Aristoxe- 
num  misit.  tres  eos  libros  maxime  nunc  vellem ;  apti  essent  ad  id  quod  cogito 
(vgl.  Tusc.  1,  24).  15,  2,  4  quod  prima  disputatio  Tusculana  te  con/irmat 
sane  gaudeo.  15,  4,  3.  Inhalt:  Cic.  div.  2,  2  libri  Tusculanarum  disputa- 
tionum  res  ad  beate  vivendum  maxime  necessarias  aperuerunt.  I  enim  est  de 
contemnenda  morte,  II  de  tolerando  dolore,  III  de  aegritudine  lenienda,  IV 
de  reliquis  animi  perturbationibus ,  V  . .  docet  ad  beate  vivendum  virtutem 
se  ipsa  esse  contentam.  Der  Dialog  wird  von  Cic.  und  einem  nicht  näher 
bezeichneten  Zuhörer  in  sehr  matter  Weise  geführt.  Die  in  der  Überliefe- 
rung erst  spät  erscheinenden  Buchstaben  M  und  A,  die  zur  Unterscheidung 
der  redenden  Personen  dienen,  sind  aus  Mund  A  entstanden;  sie  bedeuten 
ticc&riTjjs  und  d«?atfxaÄo?  und  sind  byzantinischen  Ursprungs.  Pohlenz,  Herrn. 
46,  627. 

2.  Das  erste  Buch  beweist,  daß  der  Tod  kein  Übel  sei,  erstens  für  den 
Fall  der  Unsterblichkeit  der  Seele  (bis  §  81),  zweitens  für  den  Fall  ihrer  Ver- 
gänglichkeit. Der  erste  Teil  ist  sicher  aus  Poseidonios  geschöpft,  während 
dies  für  den  zweiten  anzunehmen  trotz  Corssen  RhM.  36,  506  unmöglich  ist: 
diesen  scheint  Cic.  hauptsächlich  seiner  eigenen  Consolatio  zu  entnehmen. 
Corssen,  De  Posidonio  Rhodio,  Bonn  1878.  Schmekel  132.  Reinhardt  JJ.  153, 
473.  Pohlenz,  Progr.  Gott.  1909.  Das  zweite  Buch,  das  sich  mit  B.  2  de  fin. 
vielfach  berührt,  könnte  aus  Panaitios'  Schrift  de  tolerando  dolore  (fin.  4,  23) 
stammen.  Pohlenz,  Herrn.  44,  23.  Das  dritte  und  vierte  Buch  bewegen  sich 
in  den  Anschauungen  Chrysipps,  die  aber  teilweise  durch  Jüngere  (Anti- 
ochos?)  vermittelt  sein  mögen,  auch  hat  Cic.  eigene  Materialien  hineinge- 
arbeitet, v  Arnim,  Stoic.  fr.  1,  xx.  Pohlenz,  Herrn.  41,  321.  Im  fünften  Buche 
stammen  §  68 — 82  sicher  aus  Poseidonios'  Protreptikos,  das  Vorhergehende 
scheint  auch  aus  Poseidonios,  der  Rest  des  Buches  aus  Antiochos  zu  stam- 
men. Die  Ansicht  Hirzels,  Unters.  3,  342,  wonach  Philon  die  Hauptquelle 
des  Ganzen  ist,  läßt  sich  nicht  aufrecht  erhalten.  —  Drumann,  GR.  6,  347. 
OHeine,  de  Cic.  Tusc,  Halle  1854;  de  fontibus  Tusc,  Weim.  1863.  HMuther, 
über  die  (rhetorische)  Komposition  des  ersten  und  fünften  Bnches,  Coburg 
1862.  Zietschmann,  de  Tusc.  disp.  fontibus,  Halle  1868.  CHartfelder  (s. 
§  183,  4)  S.  18.  43.  Poppelreuter,  quae  ratio  intercedat  inter  Posidonii  7C£qI 
itad'üv  TiQcty ftar slccg  et  Tusc.  Cic,  Bonn  1883.  Hoyer_,  de  Antonio  Ascalo- 
nita,  Bonn  1883.  Kreuttner,  Andronici  nsgl  ■jtccd'&v  I,  Heidelb.  1884.  Fowler, 
Panaetii  et  Hecat.  fragm.  (Bonn  1885)  8.  Diels,  RhM.  34,  487.  Saltzmann 
(§  183,  4),  II,  Anhang.    Lürcher,  JB.  162,  92. 

3.  Handschriften:  Gudian.  294  s.  IX— X,  Paris.  6332  s.  X  (Facsim.  Cha^ 
telain  T.  44,  1),  Bruxell.  5351  s.  XII.  Über  Vatic.  3246  s.  IX  Stroebel 
Phil.  49,  49;  über  Cambrai.  842  s.  IX  Rossbach,  Phil.  NF.  17,  94.  Über,  die 
recensio  Pohlenz,  Progr.  Gott.  1909,  19.  —  Ausgaben:  JDavis  (Cambr.  1709. 
1723  u.  öfters,  bei  Rath  T.  2),  FAWolf  (Lpz.  1792.  1807.  1825),  RKühner 
(Jena5  1874),    Orelli    (mit   den  Paradoxa,    Zur.  1829),    RKlotz    (Lpz.  1835; 


414  Ciceroniscbe  Zeit:  J.  83 — 43  v.  Chr. 

Nachträge,  Lpz.  1843),  Moser  (Hannover  1836  III),  Süfflh  (Mannh.  1845), 
GTischek  (81884.  87  II,  von  GSorof),  MSkyffert  (Lps.  1864).  Pohlenz,  Lpz. 
1912.  Dougan  (B.  1.  2),  Cambr.  1905  (mit  krit.  App.).  —  Übersetzt  von 
FBaur,  Stuttg.  1854.    RKühner,  Stuttg.  1855. 

9)  Timaeus,  Übersetzung  eines  Teiles  des  gleichnamigen  pla- 
tonischen Dialoges,  geschrieben  nach  den  Academica,  also  J.  45 
oder  44;  aus  der  unvollständigen  Einleitung  ergibt  sich,  daß  die 
Übersetzung  in  einem  Dialoge  Platz  finden  sollte,  an  dem  außer 
Cicero  Nigidius  und  Kratippos  teilnahmen;  Nigidius  vertrat  die 
pythagoreische  Lehre. 

1.  Priscian.  GL.  2,  403,  19  Cicero  in  Timaeo.  Die  Überschrift  De  uni- 
verso  hat  keine  Beglaubigung.  Die  Abfassungszeit  ergibt  sich  aus  dem  Pro- 
oemium:  Multa  sunt  a  nobis  et  in  Academicis  conscripta  contra  physicos  et 
saepe  cum  P.  Nigidio  . .  disputata.  fuit  enim  vir  ille  cum  ceteris  artibus  .  . 
ornatus  Omnibus  tum  . .  Nigidius,  der  J.  45  starb  (§  170),  war  also  bereits 
tot.  Das  Gespräch  sollte  in  Ephesos  spielen,  wohin  Cic.  auf  der  Reise  nach 
Cilicien  im  Sommer  51  kam,  Nigidius  ex  legatione  decedens  und  Kratippos 
aus  Mitylene.  Die  Vorrede  ist  aber  unvollendet  und  möglich,  daß  Cic.  bald 
oder  in  einem  späteren  Buche  noch  weitere  Personen  auftreten  lassen  wollte. 
Fries,  EMI.  55,  18;  Woch.  kl.  Ph.  18,  246.  Die  Übersetzung  ist  ziemlich 
getreu,  schwache  Spuren  führen  auf  die  Benutzung  von  Poseidonios1  Kom- 
mentar zum  Timaios.  Piasbergs  Ausgabe  ermöglicht  eine  bequeme  Verglei- 
chung  mit  der  Vorlage.  Atzert,  De  Cic.  interprete  Graecorum,  Gott.  1908, 
11.  Fries,  RhM.  54,  566.  Lörciier,  JB.  162,  62.  Der  Text  bei  Baiter-Kayser 
8,  131.    Müller  4,  3,  214.    Plasberg  157. 

2.  Das  Fragment  war  in  die  oben  §  183,  5  erwähnte  Sammlung  philo- 
sophischer Schriften  aufgenommen  und  steht  daher  in  den  beiden  Vossiani 
und  dem  Vindobon.  Fries,  RhM.  54,  555.  —  Im  allg.  vgl.  Drumann,  GR. 
6,  353.  KFHermann,  de  interpretatione  Timaei  a  Cic.  relicta,  Gott.  1842 
(grundlegend).  Hochdanz,  Quaest.  crit.  in  Tim.  Cic,  Nordhausen  1870.  Hirzel, 
Dialog  1,  541. 

9a)  Auch  eine  treue  Übersetzung  des  platonischen  Protago- 

ras  scheint  Cicero  um  dieselbe  Zeit  angefertigt  zu  haben. 

1.  Cic.  fin.  1,  7  sagt  ausdrücklich  über  das  wörtliche  Übersetzen  aus 
Plato:  id  {ad  civium  meorum  Cognitionen  Platonem  aut  Aristotelem  trans- 
ferre)  neque  feci  adhuc  (bis  J.  45)  nee  mihi  tarnen  ne  faciam  interdictum 
puto.  Die  letzten  Worte  scheinen  schon  auf  einen  Plan  hinzudeuten,  wie 
ihn  Cicero  im  Protagoras  verwirklichte:  der  ausdrücklichen  Angabe  fin.  aO. 
kann  man  nur  durch  die  Annahme  ausweichen,  daß  Cic.  hier  den  von  ihm 
in  seiner  Jugend  übersetzten  Protagoras  unerwähnt  gelassen  habe,  weil  er 
nur  zur  Übung  von  Cicero  verfertigt,  vielleicht  gar  nicht  von  ihm  selbst 
herausgegeben,  sondern  erst  nach  seinem  Tode  veröffentlicht  worden  war. 
Puilippson,  JJ.  133,  423.  vHeusde,  Cic.  cpiXoTtldrav  92.  274.  Drumann,  GR. 
6,  354.  KFHermann,  de  Tim.  Cic,  Gott.  1842,  3.  —  Cicero  in  Protagora, 
Prisc.  GL.  2,  182.  247.  402.    Donat.  Ter.  Phorm.  4,  3,  6.  —  Hjeron.  ad  Paui- 


§  184.  Ciceros  philosophische  Schriften  (Tini.,  Prot.,  nat.  deor.)     415 

mach.  1,  308  Vall.  und  ad  Sunn.  et  Fret.  1,  643.    Die  Reste:  Baitei>Kayser 
11,  54.    Müller  4,  3,  310. 

10)  De  natura  deorum,  drei  Bücher,  begonnen  J.  45/44  und 
vollendet  nach  den  Tusculanen.  Sie  sind  gleichfalls  dem  M.  Brutus 
zugeeignet.  Das  Gespräch,  an  dem  Cicero  selbst  teilnimmt,  wird 
in  die  latinischen  Ferien  ungefähr  des  J.  77  gesetzt,  und  C.  Velleius 
vertritt  dabei  die  epikureische,  Q.  Lucilius  Baibus  die  stoische, 
C.  Aurelius  Cotta  die  akademische  Schule.  Cicero  war  im  Grunde 
nicht  religiös  interessiert  und  verfolgte  bei  diesem  Werke  nicht 
den  praktischen  Zweck,  den  Wert  einer  vernunftgemäßen  Religion 
darzulegen,  sondern  er  wollte  sich  auf  dem  durch  Poseidonios  in 
den  Vordergrund  gerückten  Gebiete  der  Theologie  versuchen.  Da 
das  ihm  vorliegende  Material  disparater  Natur  war,  so  fehlt  es  nicht 
an  Widersprüchen,  Ungleichheiten,  Unklarheiten,  Flüchtigkeiten, 
die  das  Werk  zu  einem  der  am  wenigsten  erfreulichen  unter  Cice- 
ros Schriften  stempeln. 

1.  Cic.  div.  2,  3  quibus  (Tusc.)  editis  tres  libri  perfecti  sunt  de  natura 
deorum.  Für  den  Titel  deorum  natura  nach  Grammatiker- Anführungen  Diels, 
Doxogr.  121;  doch  spricht  für  die  andere  Form  die  Klausel.  Vgl.  ebd.  7. 
Att.  13,  39,  2  libros  mihi  .  .  mittas,  et  maxime  <frccidQov  tisqi  fteüv  et  IIccX- 
Xddog(?).  Dkumann,  GR.  6,  349.  Vahlen,  Ges.  Sehr.  1,  56(5.  Eine  auffallende 
Flüchtigkeit  liegt  in  nudius  tertius  3,  18. 

In  den  epikureischen  Vortrag  des  ersten  Buches  ist  eine  doxographische 
Übersicht  eingelegt  (25 — 41),  die  von  Thaies  bis  auf  Diogenes  von  Babylon 
reicht  und  sich  mit  Philodems  Schrift  über  die  Frömmigkeit  so  nahe  be- 
rührt, daß  direkte  Benutzung  möglich  ist.  Die  Darlegung  der  epikureischen 
Lehre  selbst  (18 — 24.  42 — 56)  stammt  aus  einem  jüngeren  Epikureer,  etwa 
dem  §  59  genannten  Zenon.  Die  Widerlegung  scheint  in  ihrem  Schlußteil 
(115 — 124)  auf  das  §  123  zitierte  fünfte  Buch  von  Poseidonios  tcsqX  fteebv 
zurückzugehen,  der  Hauptteil  verwendet  Argumente  des  Karneades  mit 
stoischen  Anklängen,  so  daß  man  an  Kleitomachos ,  Poseidonios  und  Anti- 
ochos  als  Quelle  gedacht  hat.  Die  Darlegung  der  stoischen  Theologie  in 
B.  2  beruht  in  der  Hauptsache  auf  Poseidonios  und  zwar  wohl  auf  der 
Schrift  7i£Qi  frsäiv  (vgl.  Wendland,  Arch.  Gesch.  Philos.  1,  200.  Diels,  Ele- 
mentum  2.  vArnim,  Stoic.  fr.  1,  xxx),  ihre  Widerlegung  im  dritten  Buch  auf 
Kleitomachos,  der  Katalog  der  homonymen  Götter  (42.  53 — 60)  ist  aus  an- 
derer Quelle  (Varro  ?)  eingelegt.  Michaelis,  De  origine  indicis  deorum  cogno- 
minum,  Berl.  1898.  Bobeth,  De  indieibus  deorum,  Lpz.  1904.  —  Vgl.  über 
Philodemos  als  Quelle  für  B.  I  LSpengel,  Abh.  bayr.  Akad.  10,  1.  1863. 
Sauppe,  de  Philod.  de  pietate,  Gott.  1864.  Der  Abschnitt  Cic.  de  n.  d.  1, 
25 — 41  mit  Gegenüberstellung  des  Entsprechenden  aus  Philodem  in  Diels' 
Doxographi  529.    Vgl.  ebd.  121. 

2.  Krische,  Forschungen  1,  34  (Kommentar  zu  1,25 — 41).  Hirzel,  Unters. 
(§  183,  4)  I  De  nat.  deor.,  Lpz.  1877.  Schwenke,  Quellen  v.  Cic.  d.  n.  d., 
iTJ.  119,  49.  129.  Lengnick,  ad  einendandos  Cic.  de  n.  d.  11.  quid  ex  Philodemo 


416  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

tisqI  Bvösßslag  redundet,  Halle  1872.  Fowler,  Panaetii  et  Hecat.  fragm., 
Bonn  1885,  10.  Wendland,  Philons  Schrift  üb.  d.  Vorsehung  (ßerl.  1892)  84. 
Reinhakdt,  Bresl.  phil.  Abh.  3,  2  (1888).  Schmekel  87.  Stoerling  (Nr.  12,1). 
Hoyer,  RhM.  53,  40.  Vick,  Herrn.  37,  228.  Cropp,  De  auctorib.  quos  secu- 
tus  Cic.  usw.,  Gott.  1909;  Lörcher,  JB.  162,  12. 

3.  Handschriften:  Leid.  Voss.  84  und  86.  Vindob.  189.  Dieckhopp,  De 
Cic.  libris  de  n.  d.  recensendis,  Gott.  1894.  —  Ausgaben  von  JDavis  (Cambr. 
1718.  1723  u.  sonst;  bei  Rath  T.  VI),  Heindorf  (Lps.  1815),  Moser  und 
Creuzer  (Lps.  1818),  Schütz  (Halle  1820),  FAst  (Münch.  1829),  Schümann 
(Berl.4  1876),  with  introduction  and  commentary  by  JBMayor,  Cambr.  1880 
—  85  III.  Erki.  v.  AGoethe,  Lpz.  1887,  von  Giambelli,  Turin  1896.  1904  II. 
Maßgebender  Apparat  bei  Plasberg,  Lpz.  1911.  —  Übersetzt  von  GHMoser 
(Metzlersche  Sammlung),  RKühner  (Stuttg.,  Hoffmann).  —  B.  2  par  Thiau- 
coürt  und  par  Picavet,  beide  Par.  1886. 

4.  Als  Scherz  war  gemeint  das  Schriftchen:  Cic.  de  n.  d.  liber  quartus 
ex  pervetusto  cod.  ...  ed.  P.  Seraphinus  (dh.  HCludius  in  Hildesheim,  gest. 
1835),  Bonon.  (Berl.)  1811. 

11)  Cato  maior  oder  de  senectute,  an  Atticus  gerichtet,  Ende 
45  oder  anfangs  44  geschrieben.  Das  Gespräch  wird  ins  J.  150  ge- 
setzt. Die  Einkleidung  ist  aber  nebensächlich,  die  Schrift  ist  viel- 
mehr ein  zusammenhängender  Vortrag  zum  Lobe  des  Alters,  in 
lebhafter  leicht  faßlicher  Darstellung  mit  Beimischung  vieler  Bei- 
spiele aus  Dichtung  und  Geschichte.  Den  Stoff  lieferten  griechische 
Popularphilosophen  wie  etwa  Ariston  von  Keos  oder  Chios.  Catos 
Charakter  ist  mit  sichtlicher  Teilnahme  ausgeführt. 

1.  Cic.  div.  2,  3  interiectus  est  etiam  nuper  liber  is  quem  ad  nostrum 
Atticum  de  senectute  misimus.  Att.  14,  21,  3  legendus  mihi  saepius  est  Cato 
maior  ad  te  misstis,  amariorem  enim  me  senectus  facit.  —  Zur  Abfassungs- 
zeit Maurer,  JJ.  129,  386.  KAllen,  Am.  J.  Ph.  28,  297;  im  Mai  44  lag  die 
Schrift  fertig  vor  (Att.  14,  21,  3). 

2.  Nach  einer  allgemeinen  Einleitung  (4 — 14)  werden  vier  Vorwürfe, 
die  man  gegen  das  Alter  zu  erheben  pflegt,  widerlegt,  weniger  in  strenger 
Gedankenfolge  als  durch  historische  Beispiele  und  Dichterstellen.  Das  histo- 
rische Interesse  führt  oft  weit  über  den  Zweck  der  Abhandlung  hinaus, 
die  Daten  sind  aus  Atticus'  liber  annalis  entnommen.  Münzer,  Herrn.  40,  61. 
Unter  den  Digressionen  ist  besonders  die  über  die  Freuden  des  Landlebens 
(51 — 59)  breit  ausgeführt.  Einen  Hinweis  auf  eine  Quelle  enthält  §  3  omnem 
sermonem  tribuimus  non  Tithono,  ut  Aristo  Chilis  (Cius  PV)  —  parum  enim 
esset  auctoritatis  in  fabula  —  sed  M.  Catoni  seni.  Ob  hier  der  Stoiker  von 
Chios  oder  der  Peripatetiker  von  Keos  gemeint  ist,  läßt  sich  kaum  ent- 
scheiden. Teles  ed.  Hense2  114.  Giesecke,  JJ.  145,  209.  Das  von  Cic.  be- 
nutzte Material  ist  z.  T.  auch  in  der  Schrift  des  Juncus  über  das  Alter 
(Stob.  5,  1026.  1049.  1060)  verwertet,  der  nicht  etwa  von  Cic.  abhängig  ist. 
Wilhelm.  Die  Schrift  des  J.  tcsqI  yrjQcog,  Bresl.  1911.  Cic.  hat  zu  der  popu- 
lärphilosophischen Hauptquelle  Lesefrüchte  aus  Piaton  und  Xenophons  Cy- 
ropädie  hinzugefügt  und  manches  aus  eigenen  Werken,  bes.  den  Tusculauen, 


§  184.  Ciceros  philosophische  Schriften  (Cato,  de  div.)  417 

wiederholt,  van  derTon,  C.  m.  explicatur  et  e  graecis  fontibus  illustr.,  Löwen 
1821 ;  coinm.  ad  quaest.  de  Cic.  Cat.,  Löwen  1822.  JSchroeter,  De  Cic.  Cat. 
in.,  Lpz.  1911.  Drumann,  GR.  6,  350.  GSchneider,  ZfGW.  33,  689.  Stettner, 
C.  m.  eine  polit.  Tendenzschr.,  ZöG.  61,  684.  865. 

3.  Handschriften :  Paris.  6332  s.  IX  (oben  Nr.  8,  3),  Leid.  Voss.  F.  12 
s.  X  (Faksim.  Chatelain  T.  40  a),  Leid.  Voss.  0  79  s.  IX/X  (Chatel.  T.  41, 1). 
BDahl,  z.  Hss. -Kunde  u.  Kritik  des  cic.  Cato,  Christiania  1885.  86  II.  KTo- 
mänetz,  Wert  u.  Verh.  der  Hss.  v.  Cic.  Cato,  Hernais  1883.  86  II. 

4.  Ausgaben  (Auswahl):  Gernhard  (mit  Parad.,  Lps.  1819),  FWOtto 
(Lps.  1830),  RKlotz  (Lpz.  1831).  Madvig  (Kopenh.  1835),  GTischer  (Halle 
1847),  JSommerbrodt  (Berl.12  1896),  CNauck  (Berl.  1855),  GLahmeyer  (Lpz.4 
1877),  Meissner-Landgraf  (Lpz.5  1907),  JSReid  (Carnbr.3  1906),  ThSchiche 
(mit  Lael.,  Lpz.  1893),  AStickney  (m.  Lael.,  New  York  1887),  Kornitzer, 
Wien  1892,  Moore,  New  York  1904.  Maßgebender  Apparat  bei  Simbeck, 
Lpz.  1912. 

5.  Griechische  Übersetzung  von  ThGaza  bei  Hess  (oben  Nr.  1,  4)  p.  3  ff. ; 
deutsche  zB.  von  GBauer,  Lpz.  1841,  FJacobs  (in  Klotz'  Übers,  von  Cic.s 
philos.  Sehr.  Teil  2)  u.  a. 

12)  De  divinatione,  zwei  Bücher:  sie  vervollständigen  die 
Schrift  über  das  Wesen  der  Gottheit  und  behandeln  die  Frage y  ob 
die  Gottheit  ihren  Willen  durch  Zeichen  offenbart.  Sie  wurden  im 
J.  44  nach  dem  Cato  maior  und  nach  Caesars  Tod  herausgegeben 
und  sind  in  die  Form  einer  Unterredung  auf  dem  Tusculanum  zwi- 
schen Cicero  und  seinem  Bruder  eingekleidet.  Das  erste  Buch  gibt 
die  Lehren  der  Stoiker  (aus  Poseidonios  itegl  {lavTLxyjg),  das  zweite 
die  der  Akademiker  über  den  Gegenstand  (hauptsächlich  wohl  nach 
Kleitomachos).  Die  Volksvorstellungen  und  die  einschlägigen  staat- 
lichen Einrichtungen  werden  möglichst  geschont,  doch  gibt  der 
Augur  Cicero  auch  so  noch  manchen  dankenswerten  Aufschluß; 
seine  eigene  skeptische  Betrachtung  der  Sache  blickt  durch  die  oft 
humoristische  Behandlungsweise  hindurch. 

1.  Die  Anspielungen  auf  Caesars  Tod,  zB.  2,  93,  sind  in  die  schon  vor- 
her fertig  gestellte  Schrift  eingelegt;  ebenso  die  Vorrede  zu  B.  2,  in  der 
Cic.  erklärt,  sich  wieder  der  Politik  zuwenden  zu  wollen.  Durand,  Mel. 
Boissier  173.  Große  Schwierigkeiten  ergaben  sich  daraus,  daß  die  Wider- 
legung des  Kleitomachos  sich  auf  eine  ältere  Form  der  stoischen  Lehre 
von  der  Weissagung  bezog  als  die  in  B.  1  dargestellte;  auch  an  Spuren 
von  Flüchtigkeit  und  ungenügender  Schlußredaktion  fehlt  es  nicht.  Die  Be- 
schreibung der  Astrologie  7,  87 — 97  stammt  aus  Panaitios;  vgl.  Wendland 
(Nr.  12,  2)  33.  Boll,  JJ.  Suppl.  21,  181.  In  B.  1  finden  sich  Berührungen 
mit  dem  ebenfalls  auf  Poseidonios  fußenden  Manilius,  über  die  vgl.  Malchin, 
De  auetoribus  quibusdam  (Rostock  1893)  41.  Begriffsbestimmung  der  divi- 
natio  1,  9  earum  verum  quae  fortuitae  putantur  praedictio  atque  praesensio  ; 
vgl.  Gell.  4,  11,  1.  Drumann,  GR.  6,  352.  Höfig,  Cic.s  Ansichten  von  der 
Staatsreligion,  Krotoschin  1865.    Stoerling,   Quaest.  Cic.  ad  religionem  spec- 

Teuffel:  röm.  Literaturgesck.   Neub.  6.  Aufl.   I.  27 


418  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

tantes,  Jena  1894.  Schichb,  de  fontibus  libr.  Cic.  de  div.,  Jena  1875.  Hart- 
fjglder,  d.  Quellen  v.  Cic.  de  div.,  Freiburg  i.  Br.  1878;  RhM.  36,227.  PCorssen 
(oben  Nr.  8,  2)  p.  13.  Diels,  doxogr.  224.  Heeringa,  Quaest.  ad  Cic.  de  div. 
pertinentes,  Groningen  1906;  Phil.  NF.  22,  560.  WSander,  Quaest.  de  Cic. 
libr.  de  div.,  Gott.  1908.  Benützung  von  Coelius  Antipater?  OMeltzkr,  JJ. 
105,  430;  von  Claudius  Pulcher  (199,  1)?  Zingler,  De  Cic.  historico  18. 

2.  Handschriften:  wie  bei  de  nat.  deor.,  s.  oben  Nr.  10,  3.  —  Ausgaben 
von  JDavis  (Cantabr.  1721  u.  sonst;  ed.  Rath,  Halle  1807),  HMoser  (Frankf. 
1828),  LGiese  (Lpz.  1829),  Thoresen,  Kopenh.  1894.  —  Zöchbauer,  zu  Cic. 
de  div.  (B.  2),  Hernais  1878.  —  Übersetzt  von  Moser  (Stuttg.  Metzler), 
RKühner  (Stuttg.  Hoffmann). 

13)  De  fato,  Schlußstein  der  religionsphilosophischen  Abhand- 
lungen Ciceros  und  gleichfalls  J.  44  geschrieben ,  an  Anfang  und 
Schluß  verstümmelt.  Das  Schriftchen  bekämpft  die  Ansichten  der 
Stoiker  über  die  £i^aQ^iivri,  besonders  über  die  Astrologie,  vom 
Standpunkte  der  Akademiker  aus;  es  scheint,  daß  die  Argumente 
des  Karneades  gegen  Chrysipp  dem  Cicero  durch  Antiochos  ver- 
mittelt sind.   Die  Darstellung  verrät  Spuren  von  Flüchtigkeit. 

Cic.  de  div.  2,  3  quibus  (de  n.  d.  und  de  div.),  ut  est  in  animo,  de  fato 
si  adiunxerimus,  erit  dbunde  satisfactum  toti  huic  quaestioni.  de  fat.  2  Hir- 
tius  noster,  cos.  designaius  .  .  post  interitum  Caesaris.  Das  Verlorene  läßt 
sich  besonders  aus  Augustin  de  civ.  dei  B.  5  ergänzen;  in  der  Lücke  vor 
§  5  scheint  die  Darlegung  der  Lehre  des  Chrysipp  ausgefallen  zu  sein. 
Einen  Hinweis  auf  Antiochos  als  Quelle  enthält  44  verbis  eos  non  re  dissi- 
dere.  §  5  f.  sind  eine  Einlage  aus  Poseidonios.  Drumann  ,  GR.  6,  353.  Mei- 
necke, de  fönt.  . .  Cic.  de  fato,  Marien werder  1887.  Gercke,  JJ.  Suppl.  14, 
689.  Schmekel  155.  Stuve,  Ad  Cic.  de  f.  librum  obs.,  Kiel  1895.  Lörcher, 
Diss.  Hai.  17,  337;  JB.  162,  54. 

2.  Handschriften  wie  beim  Lucullus,  oben  Nr.  7,  3.  —  Ausgaben  (mit 
de  divin.)  von  Davis,  Moser;  besonders  von  Bremi  (Lps.  1795).  —  Übers, 
von  Moser  (an  de  divin.). 

3.  Nuovi  frammenti  del  Cicerone  de  fato  di  recente  scoperti  in  palini- 
psesti  dal  LCFerrucci,  Modena  1853,  wiederholt  bei  seinen  Fabularum  libri 
tres,  Forocornelii  1867.  Diese  Fälschung  findet  sich  abgedruckt  und  nach 
Verdienst  gezüchtigt  von  Ritschl,  op.  3,  674.  Vgl.  Schneide win,  Gott.  gel. 
Anz.  1853,  1917.    Linker,  ZföG.  5,  81.  423. 

14)  Laelius  oder  de  amicitia,  dem  Atticus  zugeeignet,  nach 
dem  Cato  maior  und  vor  dem  Werk  über  die  Pflichten ;  ebenfalls 
noch  im  J.  44  geschrieben.  Das  Gespräch  wird  geführt  von  dem 
jüngeren  Laelius  und  dessen  Schwiegersöhnen  C.  Fannius  und  Q.Mu- 
cius  Scaevola  und  wird  zu  dem  eben  (J.  129)  erfolgten  Tode  des 
jüngeren  Africanus  in  Beziehung  gesetzt.  Die  vorgetragenen  Lehren 
sind  hauptsächlich  die  des  Theophrast,  der  direkt  benutzt  sein  mag; 


§  184.   Ciceros  philosophische  Schriften  (de  fato,  Lael.)  419 

doch  sind  sie  mit  jüngeren  stoischen,  etwa  dem  Standpunkte  des 
Panaitios  entsprechenden  Ansichten  vermischt. 

1.  Cic.  oif.  2,  31  de  amicitia  alio  libro  dictum  est.  Gell.  17,  5,  1  Cicero 
in  dialogo,  cui  titidus  est  Laelius  vel  de  amicitia.  1,  3,  10  eum  librum  (des 
Theophrast  nsol  cpdiccg)  M.  Cicero  videtur  legisse,  cum  ipse  quoque  librum 
de  amicitia  componeret.  Die  in  §  16  gegebene  Disposition  [de  amicitia  quid 
sentias,  qualem  existumes ,  quae  praeeepta  des)  wird  nicht  pedantisch  inne- 
gehalten. Stoische  und  peripatetische  Ansichten  finden  sich  nebeneinander, 
sind  aber  nicht  leicht  auseinander  zu  halten,  da  die  stoische  Lehre  von  der 
Freundschaft  an  Aristoteles  und  Theophrast  anknüpft.  Konsolatioasgedanken 
erscheinen  §  11 — 15,  §  24  stammt  aus  fin.  5,  63.  Aristoteles  ist  nicht  di- 
rekt benutzt.  Braxator,  quid  in  conscribendo  Lael.  valuerint  Arist.  Eth. 
Nie,  Halle  1871.  Hevlbut,  De  Theophr.  libr.  tceqI  ydiag,  Bonn  1876. 
Bohnenblust,  Beitr.  zum  Topos  n.  cpillccg,  Bern  1905  (vgl.  Pohlenz,  BphW. 
1906,  1792).  MHofpe,  De  Cic.  Laelii  fontibus,  Bresl.  1912.  EWeissenborn, 
Gedankengang  v.  Cic.  Lael.,  Mühlh.  in  Thür.  1882. 

2.  Die  beste  Hs.  ist  ein  Codex  s.  IX/X  früher  bei  FDidot  in  Paris  (dar- 
über Mommsen,  Sehr.  7,  9),  wo  jetzt?;  dann  Monac.  15514  s.  X,  Gudian.  335 
s.  X,  Laur.  50,  45  s.  X  (Chatel.  T.  42)  u.  a.  —  Neuere  krit.  und  erklär. 
Ausgaben  zB.  von  Gernuard  (Lps.  1825),  CBeier  (Lps.  1828),  RKlotz  (Lpz. 
1833),  MSeyfpert  (Lpz.2  1876  von  CFWMüller  mit  reichem  sprachlichen 
Komm.).  Reid,  Cambr.2  1883.  TiiSchiche  (s.  Nr.  11,  4).  Shuckburgh,  Lond. 
1885.  AStickney  (oben  Nr.  11,  4).  Kornitzer,  Wien  41906.  —  Über  die 
Klauseln  Blum,  Comment.  Aenipont.  1913.  —  l  hersetzt  zB.  von  Schreiber 
und  Grosse  (Halle  1827),  vStrombeck  (Braunschw.  1827,  mit  den  übrigen 
sogen,  kleinen  Schriften),  griechisch  von  Petavius  bei  Hess  (oben  Nr.  1,  4)  99. 

15)  De  gloria,  zwei  Bücher,  im  Juli  des  J.  44  vollendet,  aber 
nicht  erhalten. 

1.  Cic.  off.  2,  31  nunc  dicamus  de  gloria,  quamquam  ea  quoque  de  re 
duo  sunt  nostri  libri.  Die  genaue  Abfassungszeit  ergibt  sich  aus  den  Briefen, 
bes.  Att.  15,  27,  2.  16,  2,  6.  16,  3,  l.  Mit  dem  Prooemium  war  Cic.  ein  Ver- 
sehen passiert,  Att.  16,  6,  4  nunc  neglegentiam  meam  cognosce.  de  gloria  li- 
brum ad  te  misi;  at  in  eo  prohoemium  idem  est  quod  in  Academico  tertio. 
id  evenit  ob  eam  rem,  quod  liabeo  volumen  prohoemiorum ;  ex  eo  eligere  soleo, 
cum  aliquod  cvyyQcc^na  institui  .  .  .  itaque  statim  novum  prohoemium  exaravi 
et  tibi  misi;  tu  illud  desecabis,  hoc  adglutinabis.  Gell.  15,  6,  1.  Drumann, 
GR.  6,  355.  FSchneider,  melet.  in  Cic.  de  gl.,  ZfAW.  1839,  Nr.  28.  —  Noch 
Petrarca  will  die  Schrift  besessen  haben  (ep.  sernl.  15,  1,  p.  1049  Basil. 
libros  Cic.  de  gloria  ab  hoc  habui.  . .  singulares  libri  II  de  gl  quibus  visis 
me  ditissimum  existimavi.  .  .  novi  nihil  praeter  Mos  de  gl.  libros  II  et  ali- 
quot orationes  aut  epistolas);  doch  s.  G  Voigt,  Wiederbel.  des  klass.  Alter- 
tums l8,  39.  Vgl.  auch  Hand,  Ersch  u.  Grubers  Encykl.  1,  17,  238.  Houtis, 
Cic.  nelle  opere  del  Petrarca  (Triest  1878)  53.  Die  Bruchstücke  bei  Baiter- 
Kayser  11,  69  und  Müller,  4,  3,  330. 

16)  De  offieiis,  in  drei  Büchern,  an  Ciceros  Sohn  Marens  ge- 
richtet.  Auch   diese  Schrift  ist  in  der  unfreiwilligen  Mnße  verfaßt, 

27* 


420  Ciceronische  Zeit:  J.  83-43  v.  Chr. 

die  M.  Antonius  dem  Cicero  nach  Caesars  Tod  im  J.  44  aufnötigte, 
und  ist,  wie  die  anderen  aus  dieser  Zeit,  rasch  auf  das  Papier  ge- 
worfen. Das  erste  Buch  handelt  vom  Sittlichen,  das  zweite  vom 
Nützlichen,  das  dritte  vom  Konflikt  des  Sittlichen  mit  dem  Nutzen. 
Als  Hauptquelle  dienten  dabei  Vertreter  der  mittleren  Stoa,  in  den 
zwei  ersten  Büchern  Panaitios,  im  dritten  Poseidonios.  Gewürzt 
und  belebt  hat  Cicero  seine  Darstellung  durch  zahlreiche  Beispiele 
aus  der  römischen  Geschichte,  aber  dadurch  auch  Ungleichheit  in 
die  Behandlung  gebracht.  Der  sittliche  Standpunkt  ist  nicht  der 
rigoristische  der  alten  Stoa,  sondern  der  eines  praktischen  Politikers 
und  ist  wohl  schon  von  Panaitios  und  Poseidonios  den  römischen 
Anschauungen  angenähert  worden. 

1.  Off.  1,  6  sequimur  . .  potissimum  Stoicos,  non  ut  interpretes ,  sed,  ut 
sölemus,  e  fontibus  eorum  iudicio  arbitrioque  nostro  quantum  quoque  modo 
videbitur  hauriemus.  Att.  15,  13,  6  (Okt.  44)  nos  Ms  cptXoaocpov^Ev  (quid 
enim  aliud?)  et  tä  ntgl  tov  Ka&rjxovtos  magnifice  explicamus  nQOöcpcovoviiev- 
que  Ciceroni.  16,  11,  4  tu  nsol  tov  xcc&iJKovtog,  quatenus  Panaetius,  absolvi 
duobus.  illius  tres  sunt,  sed  cum  initio  divisisset  ita,  tria  genera  exquirendi 
ofßcii  esse  . .  de  duobus  primis  praeclare  disseruit,  de  tertio  pollicetur  dein- 
ceps,  sed  nihil  scripsit.  .  .  eum  locum  Posidonius  persecutus  est.  ego  autem 
et  eius  librum  arcessivi  et  ad  Athenodorum  Calvuni  scripsi,  ut  ad  me  tcc  %scpü- 
luicc  mitteret.    Gell.  13,  28,  1. 

2.  Cic.  hat  die  drei  Bücher  des  Panaitios  zu  zweien  zusammengezogen, 
und  die  Spuren  dieses  Verfahrens  sind  in  B.  1  noch  deutlich.  Daß  er  seine 
Selbständigkeit  gewahrt  hat,  sagt  er  2,  60  Panaetius,  quem  multum  in  Ms 
libris  secutus  sum,  non  interpretatus ;  als  Zutaten  sind  für  uns  Beispiele  aus 
der  römischen  Geschichte  und  Einlagen  aus  Poseidonios  kenntlich.  In  B.  3 
hat  er  den  Grundtext  des  Poseidonios  mehrfach  erweitert;  §  63  nennt  er 
als  seine  Quelle  Hekatons  Schrift  de  officio  an  Q.  Tubero.  Vgl.  8  quem 
locum  miror  a  Posidonio  breviter  esse  tactum  in  quibusdam  commentariis, 
praesertim  cum  scribat  nulluni  esse  locum  in  tota  pMlosopMa  tarn  nccessa- 
rium.  ChGarve,  philosophische  Anm.  und  Abhandl.  (Bresl.G  1819).  RKühner, 
Cic.  mer.  p.  108.  Drumann,  GR.  6,  357.  Grysar,  Proleg.  ad  Cic.  libr.  de  off., 
Köln  1844.  Dahlbäck,  de  off.  Cic.  comm.,  Upsala  1860.  ADesjardins,  les 
devoirs  de  Ciceron,  Par.  1805.  FCadet,  examen  du  traite  des  devoirs  de 
Cicero,  Par.  1865.  RHikzel  (§  183,  4)  2,  721.  Klohe,  De  Cic.  libr.  de  off. 
fönt.,  Greifsw.  1889.  Sciimekel  18.  Jungblut,  Die  Arheitsw.  Cic.  im  1.  B.; 
Cic.  und  Panaitios  im  2.  B.,  Frankf.  M.  1907.  1910  II.  Lörcheh,  JB.  162, 
144.    AGrumme,  Dispos.  des  1.  B.,  Gera  1904. 

3.  Handschriften:  Bern.  391  s.  X  (Chatelain  T.  45,  1),  Paris.  6601  s.  X 
(Chatel.  T.  45,  2),  Ambros.  C.  29  inf.  s.  X  (s.  .).).  111,  221),  Bamb.  s.  X, 
Wirceb.  s.  X,  Leid.  Voss.  Q.  71  s.  X  (Chatel.  T.  45,  4)  usw.  Popp,  Acta 
sem.  Erl.  3,  245.  Atzert,  RhM.  68,  419;  De  cod.  Harleiano  2716,  Osnabr. 
1914.  —  Ausgaben  von  GGraevivs  (cum  not.  var.  Ainsterd.  1688.  1710. 
Neapel   1771),  Heusinger  (Braunscbw.  1783;    repet.  suisq.  animadvers.  auxit 


§  184.  Cicero  de  off.    §  185.  Cicero  als  Jurist  421 

ThZumpt,  Braunschw.  1838),  Degen  (Berl.1  1848,  umgearbeitet  von  Bonnell), 
Gernhard  (Lps.  1811),  CBeier  (Lps.  1820f.  II,  nebst  Ind.,  Lps.  1831),  Ols- 
hausen  (Schlesw.  1823),  Stürenburg  (Lps.  1834.  1843),  WLund  (Kopenh.  1849), 
GFUnger  (Lpz.  1852),  vGruber  (Lpz.3  1874),  OHeine  (Berl.6  1885),  CFWMüller 
(Lpz.  1882),  Holdes  (Cambr.5  1884),  Schiche  (Prag  1885).  B.  3  ed.  Holden, 
Lond.  1899.  —  Übersetzungen  zB.  von  Hottinger,  Zur.  1820,  WZumpt,  Lpz. 
1841,  Übelen  u.  FBaur,  Stutt.  1856,  RKühner,  Stuttg.   1859. 

17)  De  virtutibus,  wegen  der  Verwandtschaft  des  Inhaltes 
wohl  kurz  vor  oder  nach  der  Schrift  über  die  Pflichten,  also  gleich- 
falls im  J.  44,  verfaßt,  aber  nicht  erhalten. 

1.  Hjekon.  in  Zach.  1,  2  (6,  792  Vallars.)  quattuor  virtutes,  . .  . ,  de  qui- 
bus  plenissime  in  officiorum  libris  Tullius  disputat,  scribens  proprium  quoque 
de  quattuor  virtutibus  librum.  Charis.  GL.  1,  208,  15  Cic.  in  commentario 
de  virtutibus.  Augustin.  de  trin.  14,  11.  Aus  einer  Schrift  des  Antonius  de 
]a  Säle  sucht  Fragmente  der  Schrift  wieder  zu  gewinnen  Knoellinger,  Cic. 
de  virt.  fragm.,  Lpz.  1908.  Jedoch  unterliegt  dieser  Versuch  allerlei  Be- 
denken. Lörcher,  JB.  162,  164.  —  Baiter-Kayser  11,  76;  CFWMüller  4,  3, 
340.  —  Drumann,  GR.  6,  359. 

18)  De  auguriis,  aus  unbekannter  Zeit,  jedenfalls  nach  dem 

J.  51  geschrieben,  in  dem  Cicero  Augur  wurde. 

1.  In  de  divin.  wird  die  Schrift  nicht  erwähnt,  aber  2,  75  spricht  Cic. 
die  Absicht  aus,  über  das  ins  augurum  zu  schreiben.  Danach  scheint  es, 
als  sei  die  Schrift  erst  nachher  verfaßt.  Drumann,  GR.  6,  352.  —  Hirzel, 
Dialog  1,  537.  Die  Überreste  bei  Baiter-Kayser  11,  55,  Müller  4,  3,  312. 
—  Charis.  GL.  1,  105.  122.  139  Cicero  de  auguriis.  Serv.  Aen.  5,  738  Cicero 
in  auguralibus  (libris).  —  Über  Ciceros  Übersetzung  von  Xenophons  oUovo- 
fuxog  s.  §  177  a,  2;  von  Piatons  Protagoras  s.  §  184,  9  a. 

185.  Auf  dem  Gebiete  der  Rechtswissenschaft  war  Cicero, 
wie  auf  dem  der  Philosophie,  nur  Dilettant,  wenn  auch  ein  unter- 
richteter. Er  war  zu  sehr  Redner  und  zu  wenig  geschaffen  für 
scharfe  Begriffsbestimmung,  als  daß  er  hier  ein  dankbares  Feld 
seiner  Tätigkeit  hätte  finden  können.  Doch  verfaßte  er  als  Nach- 
folger Scaevolas  eine  systematische  Schrift  de  iure  civili  in  ar- 
tem  redigendo. 

1.  ad  fam.  7,  30,  2  verwechselt  Cicero  in  der  Bestimmung  des  Begriffs 
proprius  Besitz  und  Eigentum.  Über  Cicero  als  Rechtsgelehrten  außer  einer 
Reihe  älterer  Schriften:  Zimmern,  Gesch.  d.  Privatr.  1,  1,  288  u.  a.  Drumann, 
GR.  6,  644.  Platner,  de  part.  Cic.  rhet.  quae  ad  ras  spectant,  Marb.  1829. 
deCaqueray,  les  passages  de  droit  prive  dans  ...  Ciceron,  Rennes  1857. 
AGasquy,  Cic.  iurisconsulte,  Paris  1886.  ECosta,  Cic.  giureconsulto,  Bologna 
1911.    Vgl.  §  48,  4  u.  6. 

2.  Quint.  12,  3,  10  componere  aliqua  de  iure  coeperat.  Gell.  1,  22,  7 
M.  Cicero  in  libro  qui  inscriptus  est  de  iure  civili  in  artem  redigendo.  Vgl. 
was  Cicero    (de  or.  2,  142  ff.)    unter    der  Maske  des  Crassus    (§  152,  4)    von 


422  Ciceronisclio  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

sich  sagt,  besonders :  est  nobis  pollicilus  ius  civile,  quod  nunc  diffusum  et 
dissipatum  esset,  in  certa  genera  coacturum  et  ad  artem  facilem  redacturum. 
Chams.  GL.  1,  138  Cicero  de  iure  civili.  Über  die  Schrift  vgl.  Dirksen  hinter- 
lass.  Sehr.  1,  1.  Dbumann,  GR.  6,  107.  Die  Vermutung,  daß  sie  ursprüng- 
lich, einen  Teil  des  Werkes  de  legibus  bilden  sollte,  und  als  dieses  liegen 
blieb,  besonders  herausgegeben  wurde,  hat  keine  Wahrscheinlichkeit  für 
sich.  —  Baiter-Kayser  11,  55.    Müller  4,  3,  311.    Bremer,  JAH.   1,  127. 

186.  Auch  als  Geschichtschreiber  war  Cicero  tätig,  und  de 
leg.  \,  5  f.  (vgl.  de  or.  2,  51 — 63)  gibt  er  eine  scharfe  Charakteristik 
der  ganzen  bisherigen  Geschichtschreibung  und  deutet  an,  daß  er 
der  Mann  wäre,  auch  auf  diesem  Gebiete  wenigstens  stilistisch  neu- 
gestaltend aufzutreten.  Ein  ungewöhnliches  Maß  geschichtlicher 
Kenntnisse  besaß  Cicero  allerdings,  und  seine  Reden  wie  seine  phi- 
losophischen und  rhetorischen  Schriften  (insbesondere  der  Brutus) 
sind  Zeugen  davon-  indessen  stand  ihm,  wo  es  sich  am  die  eigene 
Zeit  handelte,  seine  Unfähigkeit  von  der  eigenen  Person  abzusehen 
hindernd  im  Wege,  auch  war  sein  Interesse  besonders  auf  die  sena- 
torische Familiengeschichte  gerichtet.  Doch  ist  es  wohl  glaublich, 
daß  er  sich  bei  längerem  Leben  diesem  Gebiete  zugewandt  hätte; 
wirklich  verfaßt  hat  er  nur  Schriften  über  sein  Consulat  und  eine 
(vielleicht  nie  vollendete)  Geheim  geschieh  te;  aber  alles  dieses  ist  für 
uns  verloren. 

1.  Plut.  Cic.  41  dwvooviisvog,  Sg  Xeystcu,  ti]v  •kcitqiov  lötogiccv  ygaepf/ 
TtsgtXccßslv  Kccl  itoXXcc  övft/ii|at  tcov  hXX7\viKCov  ueä  oXojg  rovg  6vvr]yii^vovg 
Xoyovg  avt<Q  y.cx.1  [ivQ'ovg  ivtav&a  tgeipca  etc.  Corn.  Nep.  HRR.  2,  40  (cod. 
Gud.  278;  p.  99,  29  Nipp.):  ille  (Cic.)  fuit  unus,  qui  potuerit  et  etiam  debue- 
rit  historiam  digna  voce  pronuntiare,  quippe  qui  Oratorium  eloquentiam  rudern 
a  maioribus  aeeeptam  perpoliverit ,  phiJosophiam  ante  cum  incomptam  Lati- 
num sua  conformarit  oratione.  ex  quo  dubito,  interitu  eius  utrum  res  publica 
an  historia  magis  doleat.  —  Über  die  Geschichtschreibung  teilt  Cic.  die  An- 
sichten seiner  Zeit,  nach  der  sie  zur  epideiktischen  Beredsamkeit  gehört 
oder  ihr  nahe  steht  (orat.  37.  66,  o.  §  36)  und  stark  pathetische  Wirkungen 
erstrebt,  wie  sie  der  Brief  an  Lucceius  (ep.  5,  12)  eingehend  schildert. 
Reitzenstein,  Hellenist.  Wundererzählungen  84.  Scheller  (§  36,  4)  79.  Dar- 
um genügen  ihm  auch  die  früheren  römischen  Geschichtswerke  nicht,  weil 
sie  seinen  stilistischen  Anforderungen  nicht  entsprechen  (leg.  1,  5  ff.,  wo 
zB.  deest  enim  historia  litteris  nostris.  Brut.  228).  Infolgedessen  behauptet 
er  auch,  (Brut.  66),  Philistos  und  —  Thukydides  seien  verdunkelt  worden 
durch  —  Theopomp.  In  der  Theorie  erkennt  er  die  Forderung  an  primam 
esse  historiae  legem  ne  quid  falsi  dicere  audeat  (de  or.  2,  62;  vgl.  ebd.  62 — 64. 
leg.  1,  5),  in  der  Praxis  mutet  er  dem  Lucceius  zu  (fam.  5,  12,  3):  amori 
nostro  plusculum  etiam  quam  concedit  veritas  largiare;  vgl.  Brut.  41  conces- 
sum  est  rhetoribus  ementiri  in  historiis,  ut  aliquid  dicere  possin  t  argutius. 
Seine  Kenntnis   der  römischen  Geschichte  ist  nicht  unerheblich;  sie  liefert 


§  186.  Cicero  als  Historiker  423 

ihm  die  zahlreichen  Beispiele,  mit  denen  er  seine  Schriften  und  nicht  zum 
wenigsten  die  Reden  belebt.  Schönberger,  Beispiele  aus  d.  Gesch.,  ein 
Kunstmittol  Cic.s,  Augsb.  1911.  Soweit  sie  aus  Historikern  stammen,  ist  an 
Benutzung  des  Atticus,  Nepos  und  jüngerer  Annalisten  in  erster  Linie  zu 
denken.  Vgl.  auch  fin.  5,  51  f.  —  Drumann,  GR.  6,  677.  Schwegler,  GR. 
1,  93.  DGerlach,  d.  röm.  Geschichtschr.  96.  KBerns,  Cic.s  Ansicht  v.  d. 
Gesch.,  Attendorn  1880.  HHenze,  Quom.  Cic.  de  hist.  iudieaverit,  Jena  1899. 
JZingler,  De  Cic.  historico,  Berl.  1900.  RSchnetz,  Cic.s  histor.  Kenntnisse, 
Gießen  1913. 

2.  Commentarius  consulatus  sui  graece  compositus  {vtcö^vthlo,  tf\g 
v7raT£i<xg),  im  Jahre  60  ausgearbeitet,  nachdem  die  Hoffnung,  daß  andere 
seine  Taten  verherrlichen  würden,  fehlgeschlagen  war.  Att.  1,  19,  10.  1, 
20,  6.  2,  1,  1  mens  autem  Über  totum  Isocrati  myrothecium  atque  omnes  eins 
diseipidorum  arculas  ac  non  nihil  etiam  Aristotelia  pigmenta  consumpsit  . . 
Quamquam  ad  nie  scripsit  iam  Mhodo  Posidonius  sc,  nostrum  illud  hypom- 
nema  cum  leger  et  . .  non  modo  non  excitatum  esse  ad  scribendum ,  sed  etiam 
plane  deterritum.  Es  führte  also  den  Namen  vnoiLvrmcc  eigentlich  nicht 
mit  Recht;  gleichzeitig  beschäftigte  sich  auch  Cicero  mit  einer  lateinischen 
Bearbeitung  dieses  Stoffes :  ad  Att.  aO.  Vgl.  Plut.  Caes.  8.  Crass.  13.  Dio 
46,  21.  CFWMüllers  Cic.  4,  3,  398.  HRF.  209.  Jenes  vnoiivrma  ist  eine 
Hauptquelle  von  Plutarchs  Cicero.  Weizsäcker,  JJ.  111,  417.  Thouret,  Leipz. 
Stud.  1,  306.  ESchmidt,  de  Cic.  comm.  de  consulatu  a  Plut.  expresso,  Jena 
1885.  Vgl.  §  189,  3.  Denselben  Stoff  behandelte  auch  eine  epistula  non 
medioeris  ad  instar  voluminis  scripta,  quam  Pompeio  in  Asiam  de  rebus  suis 
in  consulatu  gestis  miscrat  Cicero  (Schol.  Bob.  p.  167,  23).  pSulla  67  epistu- 
lam  meam,  quam  ad  Pompeium  de  meis  rebus  gestis  et  de  summa  rc  publica 
misi. 

3.  'Avix&ota,  schon  im  J.  59  begonnen,  Att.  2,  6,  2  itaque  aneedota, 
quae  tibi  uni  legamus,  Theopompio  genere  aut  etiam  asperiore  multo  pangen- 
tur]  nach  Caesars  Tode  auf  Atticus'  Betreiben   wieder    aufgenommen,    Att. 

14,  14,  5  et  hortaris  me,  ut  historias  scribam,  ut  colligam  tanta  eorum  sce- 
lera,  a  quibus  etiam  nunc  obsidemur!  14,  17,  6  librum  meum  illum  aneedoton 
(Gen.  plur.)  nondum  ut  volui  perpolivi,  aber  erst  nach  Ciceros  Tode  ver- 
öffentlicht. Dasselbe  Werk  meint  Dio  39,  10  (vgl.  46,  8):  ßißliov  xi  dctioq- 
qt\tov  6vvid"r\%s  y.cu  IniyQcctysv  avt(p  mg  nal  tzsqI  täv  savtov  ßovXsviid- 
tav  a7toloyi6\i6v  tiva  l%ovxi  . .  .  (wegen  starker  Angriffe  auf  Caesar  und 
Crassus)  Kccreörm^vatö  ts  avrb  %ai  TtccQsdcoxs  reo  itaidi  TCQ06taS,<xg  ol  \Lrfi 
ctvayv&vca  nrjrs  87\\L06i£vaai  xa  ysyDccpiLevcc,  nqlv  ccv  {LStcdXd^fl.  Ascon.  p.  65, 7 
Cic.  in  expositione  consiliorum  suorum  (vgl.  Augustin.  c.  Iulian.  5,  5).  Charis. 
GL.  1,  146  Cic.  in  ratione  consiliorum  suorum.  Boeth.  de  inst.  mus.  1,  1 
Tullius  in  libro  quem  de  consiliis  suis  composuit.  CFWMüllers  Cic.  4,  3,  338. 
Peter  aO.  209.  Vgl.  Drumann,  GR.  6,  360.  Hirzel,  RhM.  47,  368.  ESchwartz, 
Herrn.  32,  557    Dagegen  beziehen  sich  die  Stellen  ad  Att.  15,  2,  2.  15,  4,  3. 

15,  13,  3.  15,  27,  2.  16,  2,  6  auf  einen  geplanten  Dialog  im  Stile  des  Hera- 
kleides über  Caesars  Tod,  an  dem  auch  Varro  beteiligt  werden  sollte  (ad 
Att.  16,  11,  3.  12)  und  an  dem  Trebonius  beteiligt  zu  werden  wünscht  (ep. 
12,  16,  4).    Hirzkl,  Dialog  1,  547. 

4.  Admiranda  disparaten  Inhalts  (Plin.  NH.  31,  12.  51;  vgl.  7,  18.  85. 


424  Ciceronische  Zeit:  J.  83-43  v.  Chr. 

29,  60.  Colum.  3,  8,  2),  aus  unbekannter  Zeit.  Die  Reste:  Baiter-Kayser 
11,  76.  CFWMüller  4,  3,  340.  Vgl.  die  griechischen  ftaviidoiu  und  Ttagd- 
do£,cc,  Hirzel  aO.  369  erinnert  an  die  vielen  bei  Theopomp  vorkommenden. 

5.  Priscian.  GL.  2,  267,  5  Cicero  in  Chorographia  (mit  den  Varianten 
(h)ortogr.,  cosmogr.,  chronogr.).  Wirklich  hatte  sich  Cic.  im  J.  69  auf  Atti- 
cus'  Veranlassung  mit  geographischen  Studien  beschäftigt  (Att.  2,  4.  6.  7. 
9.  12)  und  Dikaiarch  und  Alexander  Lychnos  gelesen  (ebd.  12,  4.  20,  6. 
22,  7). 

6.  Die  Witze  Ciceros  (vgl.  §  178,  1  gE.)  wurden  von  anderen  eifrig  ge- 
sammelt; wohlgefällig  bemerkte  Cicero,  daß  seine  guten  Einfälle  selbst  in 
Caesars  Sammlung  von  aTtocpd'bypcctcc  (§  195,  5)  Zutritt  fänden.  Eine  eigene 
Sammlung  ciceronischer  facete  dicta  gab  C.  Trebonius  heraus  (§  210,  9). 
Über  eine  ähnliche  umfassendere  Sammlung  Tiros  s.  §  191,  2.  Quint.  8,  6, 
73  Ciceronis  et  in  quodam  ioculari  libello  (folgt  ein  Epigramm).  Sammlung 
des  etwa  hierher  Gehörigen  bei  Müller  4,  3,  341. 

7.  Eine  satirische  Schrift  Ciceros,  die  unter  falschem  Namen  gegen 
seinen  Todfeind  gerichtet  war,  erwähnt  der  ScnoL.  Bob.  p.  166,  2  extat  libel- 
lus  Ciceronis  qui  ita  inscribitur  *~Edictum  L.  JRacili  tr.  pV ,  quod  sub  no- 
mine ipsins  Cicero  scripsit  in  invectionem  P.  Clodi.  —  Eine  Fälschung  ist 
das  Ermahnungsschreiben  Orpheus  ad  M.  filium  Athenas  (oder  de  adolescente 
studioso);  s.  AWeichert,  de  L.  Vario  etc.  297.  —  Andere  Cicero  fälschlich 
beigelegte  Schriften:  'Synonyma',  eine  für  den  ciceronischen  Sprachge- 
brauch nicht  unwichtige  Schrift  eines  unbekannten  alten  Grammatikers  (vgl. 
EBährens  bei  WBeck,  de  different.  Script,  lat.  18),  schon  bei  Isidor  6,  473 
Arev.  angeführt  und  in  alten  Hss.  (zB.  Leid.  Voss.  F.  24  s.  IX)  erhalten: 
s.  Hagen  aO.  cxvn.  cxx.  Gedruckt  bei  Orelli2  4,  1063.  LMahne,  Cic.  . . . 
Synonyma  ad  L.  Veturium,  Leid.  1850,  denuo  ebd.  1851.  Proben  dieser 
Synonyma  nach  einer  eigenen  Hs.  gibt  LBachmann,  zur  Hss. -Kunde,  Rost. 
1854,  17.  Eine  ähnliche  Schrift  sind  die  Differentiae  sermonum  Ciceronis 
aus  Berner  Hss.  s.  IX  u.  X  herausg.  von  Hagen,  anecd.  Helvet.  (Lps.  1870) 
275;  vgl.  ebd.  cxvn.  Goetz,  PW.  5,  484.  Vgl.  auch  §  42,  4.  Ferner  de  no- 
tis  (Orelli8  4,  939)  u.  a. 

187.  Die  vier  auf  uns  gekommenen  Sammlungen  ciceronischer 
Briefe  enthalten,  mit  Einschluß  der  90  an  Cicero  gerichteten,  im 
ganzen  864  Stücke.  Sie  haben  einen  teils  persönlichen,  teils  poli- 
tischen Inhalt  und  sind  ein  unerschöpflicher  Schatz  sowohl  für  die 
Zeitgeschichte  wie  für  die  Biographie  des  Verfassers;  denn  bei 
einem  Manne,  der  so  rasch  zu  denken  und  so  lebhaft  zu  fühlen 
pflegte  wie  Cicero,  dem  es  Bedürfnis  war  seine  Gedanken  und 
Empfindungen  einem  vertrauten  Freunde  wie  Atticus  sofort  auszu- 
sprechen, gewährt  ein  solcher  Briefwechsel  einen  oft  nur  aUzutiefen 
Einblick  in  sein  Innerstes.  Daher  haben  die  Ankläger  Ciceros  ihren 
Stoff  zum  größten  Teile  diesen  Briefen  entnommen.  Jedenfalls  sind 
es  historische  Dokumente  ersten  Ranges,  die  uns  sowohl  von  der 
geistigen  Kultur  ihrer  Zeit  wie  von   dem  Todeskampfe  der  römi- 


§  187.  Ciceros  Briefe:  Allgemeines  425 

scheu  Republik  ein  überaus  lebendiges  Bild  geben;  sie  lehren  uns 
aber  auch  den  Stilisten  Cicero  in  seiner  Fähigkeit,  sich  den  ver- 
schiedensten Stoffen  anzupassen,  erst  recht  kennen. 

1.  Der  früheste  Brief  ist  vom  J.  68,  der  späteste  vom  28.  Juli  43;  aus 
Ciceros  Consulat  ist  keiner  erhalten.  Fronto  ad  M.  Antonin.  p.  107  omnes 
Ciceronis  epistulas  legendas  censeo,  mea  sententia  vel  magis  quam  omnes  eins 
orationcs.    epistulis  Ciceronis  nihil  est  pcrfectius.    Vgl.  auch  oben  §  46,  1. 

2.  In  den  Briefen  an  Atticus  und  andere  nahe  Freunde  läßt  Cic.  sich 
gehen,  die  an  Fernerstehende  sind  meist  wohlberechnet  und  wohlstilisiert. 
Einen  Maßstab  für  die  Stilisierung  bietet  die  Anwendung  oder  Nichtan- 
wendung der  Klausel  (Bornecque,  La  prose  metrique  dans  la  corresp.  de 
Cic,  Paris  1898.  Tyrrell,  Hermath.  31,  289)  und  die  Zufügung  oder  Weg- 
lassung der  Titel  und  des  Briefdatums  (Gurlitt,  Festschr.  Hirschfeld  16. 
Pease,  Stud.  for  Gildersleeve  395).  Dammann,  Cic.  quom.  in  epp.  sermonem 
hominibus  et  rebus  accommodaverit,  Greifsw.  1910.  RAbeken,  Cic.  in  s.  Briefen 
usw.,  Hannover  1835.  ep.  9,  21,  1  (übertreibend)  quid  tibi  ego  videor  in  epi- 
stulis? nonne  plebeio  sermone  agere  tecum?  .  .  .  epistulas  vero  cotidianis  ver- 
bis  texere  solemus.  Die  Atticusbriefe  sind  zum  großen  Teil  nur  skizziert 
und  daher  oft  unverständlich,  wirkliche  Dialoge  zwischen  Abwesenden,  wie 
es  Briefe  nach  der  antiken  Theorie  sein  sollten.  Sie  sind  reich  an  a.iviy\iaxa 
und  a.lXr\yoQitti  (vgl.  diä  örmeicov  Att.  13,  32,  3),  Sprichwörtern,  geflügelten 
Worten  und  griechischen  Konversationswendungen,  ja  ganzen  griechischen 
Sätzen  wie  Att.  6,  4.  5.  9,  4  (daher  als  Quelle  für  das  damals  gesprochene 
Griechisch  nicht  unwichtig,  s.  Bolzenthal,  de  Graeci  sermonis  proprietati- 
bus  in  Cic.  epist.,  Cüstrin  1884.  Steele,  Am.  J.  Ph.  21,  387.  AFont,  De 
Cic.  graeca  vocab.  usurpante,  Paris  1894).  Wie  er  den  Freund  mehrfach 
bittet  zu  schreiben  quod  in  buccam  venerit  (1,  12,  4.  7, 10.  14,  7,  2),  so  wirft 
er  häufig  unter  dem  Eindruck  des  Augenblicks  seine  Billets  hin,  5,  14,  3 
habes  epistulam  plenam  festinationis  et  pulveris.  6,  4,  3  Jiaec  festinans  scripsi 
in  itinere  atque  agmine.  Daher  ist  er  hier  weniger  Purist  als  sonst  und 
braucht  zB.  Wendungen  der  Konversationssprache,  vocabula  sordida  und 
hybride  Bildungen  wie  facteon  1,  16,  1-3.  Namentlich  läßt  er  verschiedene 
Verba  wie  esse  venire  facere  fort,  die  sich  der  Adressat  je  nach  dem  Zu- 
sammenhange ergänzen  mußte,  und  gestattet  sich  auch  andere  Ellipsen.  — 
AStinner,  de  eo  quo  Cic.  in  epistolis  usus  est  sermone,  Oppeln  1879.  Krause, 
stilist.  Bemerk,  aus  Cic.s  Briefen,  Hohenst.  1869.  Landgraf,  BlbayrGW.  16, 
274.  317.  Tyrrell  vor  s.  Ausg.  d.  Briefe  1,  lxxvii.  PMeyer,  de  Cic.  ad  Att. 
sermone,  Bayreuth  1887.  KRein,  Üb.  Cic.  Briefstil,  Chemnitz  1895.  Patzner, 
De  parataxis  usu  in  Cic.  epp.,  Diss.  Vindob.  9,  119.  —  Zur  Chronologie: 
vGruber,  de  temporibus  atque  serie  epistolarum  Cic,  Strals.  1836.  Über 
J.  59  Abbott,  Am.  J.  Ph.  19,  389.  GRauschen,  Ephemerides  Tullianae  rerum 
inde  ab  exilio  Cic.  (Mart.  58)  usque  ad  extremum  annum  54  gestarum, 
Bonn  1886.  EKörner,  de  epistulis  a  Cic.  post  reditum  (J.  57)  ad  finem  a.  54 
datis,  Lps.  1885.  Kapelle,  De  epist.  a.  54  scriptis,  Münster  1906.  OESchmidt, 
Der  Briefw.  des  Cic.  vom  Procons.  bis  Caesars  Ermordung,  Lpz.  1893.  Schiche, 
Progr.  Berl.  Werdergymn.  1895.  97.  1905  III.  LMoll,  de  temp.  epist.  Tüll, 
quaest.    (J.  51 — 50),   Berl.  1883.    WSternkopf,  quaest.   chronol.   de  rebus   a 


426  Cicercmische  Zeit:  J.  83—43  v.  Cbr. 

Cic.  indc  a  tradita  Gilicia  provincia  usque  ad  relictam  italiain  gestis,  Marb. 
1884;  zur  Chronol.  d.  Briefe  aus  d.  J.  48  u.  47,  Dortmund  1891.  ERuete, 
d.  Correspondenz  Cic.s  in  den  JJ.  44  u.  43,  Marb.  1883.  Vgl.  die  Tabellen 
von  Körner  und  OESchmidt  in  Mendelssohns  Ausgabe.  Anderes  s.  bei  den 
einzelnen  Sammlungen. 

3.  Cicero  selbst  hat  die  von  ihm  geschriebenen  Briefe  nicht  gesammelt, 
noch  weniger  sie  herausgegeben;  aber  schon  bei  seinen  Lebzeiten  trugen 
ihm  Nahestehende  sich  mit  derartigen  Gedanken.  Vgl.  ad  Att.  16,  5,  5 
(vom  J.  44)  mearum  epistularum  nulla  est  6vvuycoyr\;  scd  habet  Tiro  instar 
LXX,  et  quiäem  sunt  a  te  quaedam  sumcndae.  cas  ego  oportet  perspiciam, 
corrigam;  tum  denique  edcntur ;  und  an  Tiro  (fara.  16,  17,  1  vom  J.  46)  tuas 
quoque  epistulas  vis  referri  in  volumina.  Doch  behielt  Cic.  von  den  stilisti- 
schen Briefen  Konzepte  zurück,  die  sich  zum  Teil  in  seinem  Nachlasse  fan- 
den. Bardt,  Herrn.  22,  264.  JSchoene,  Herrn.  38,  316.  Nach  Ciceros  Tode 
wurde  das  Sammeln  und  Herausgeben  seines  Briefwechsels  eifrig  betrieben, 
gewiß  zunächst  von  Tiro,  der  ja  schon  bei  Lebzeiten  Ciceros  die  Sammlung 
von  dessen  Briefen  geplant  hatte.  Daß  jene  70  Briefe  etwa  durch  die  Emp- 
fehlungsschreiben des  13.  B.  ad  fam.  gebildet  würden",  ist  eine  unbeweis- 
bare Vermutung.  Cornelius  Nepos,  in  dem  vor  dem  J.  34  verfaßten  Teile 
seiner  Biographie  des  Atticus  (Att.  16,  3),  kennt  durch  private  Mitteilung 
XI  volumina  Briefe  an  Atticus  vom  J.  63 — 43  (s.  §  188,  2,  2);  sie  waren 
zwar  noch  nicht  herausgegebeu,  wie  er  ausdrücklich  sagt,  wohl  aber,  scheint 
es,  schon  zur  Herausgabe  zusammengestellt.  Wie  unsere  Sammlung  von 
16  B.  sich  zu  diesen  11  volumina  (Buchrollen  oder  Faszikel?)  verhält,  bleibt 
ganz  problematisch.  Die  für  uns  früheste  Erwähnung  eines  veröffentlichten 
Briefes  aus  dem  ciceroniseben  Briefwechsel  findet  sich  erst  bei  Sen.  suas. 
1,  5  =  ep.   15,  19. 

4.  Atticus  vermittelte  die  Herausgabe  oder  doch  die  Sammlung  der  an 
ihn  gerichteten  ciceronischen  Briefe  (§  188,  2);  die  übrigen  scheint  Tiro 
(oben  A.  3)  wenigstens  teilweise  veröffentlicht  zu  haben.  Die  beiden  Haupt- 
sammlungen des  Atticus  und  des  Tiro  schlössen  bezüglich  des  Inhalts  ein- 
ander aus  (die  beiden  Ausnahmen  ep.  8,  16  =  Att.  10,  9  A;  ep.  9,  14  =  Att. 
14,  17  A  bestätigen  nur  die  Regel),  und  beide  Herausgeber  unterdrückten 
ihre  eigenen  Briefe  an  Cicero.  —  Tiro  ordnete  den  Briefwechsel  jedenfalls 
nach  den  Personen  der  Empfänger  und  veröffentlichte  die  so  entstandenen 
Sonderbriefwechsel  je  nach  dem  vorgefundenen  Stoffe  in  mehreren  oder 
einzelnen  Büchern;  der  Stoff,  der  zu  einheitlichen  Büchern  nicht  ausreichte, 
und  vereinzelte  Briefe  wurden  in  Sammelbüchern  (an  zwei  und  mehr  Emp- 
fänger) untergebracht,  auch  frühere  schon  herausgegebene  Sammlungen  in 
späteren  Büchern  durch  nachträglich  erst  geschriebene  oder  zugänglich  ge- 
wordene Briefe  ergänzt.  Daß  aus  Cic.s  jüngeren  Jahren  weniger  Briefe  auf- 
zutreiben waren  und  das  Material  etwa  erst  seit  J.  51  reichlicher  floß,  ist 
begreiflich.  Zu  dieser  Tironischen  Sammlung  gehören  wohl  die  uns  ver- 
bliebene Sammlung  ad  Q.  fratrem  (§  188,  3),  die  (nur  zum  kleinsten  Teil) 
erhaltene  ad  Brutum  (§  188,  4);  namentlich  aber  ist  die  sog.  Sammlung  ad 
familiäres  (§  188,  1)  aus  der  Tironischen  erwachsen.  So  erklären  sich  Zitate 
wie  Gell.  1,  22,  19  in  libro  epistularum  M.  Ciceronis  ad  L.  Plan  cum  (d.  i. 
der  das  10.  Buch  beginnende  und  darin  vorwiegende  Adressat)  et  (und  zwar) 


§  1S7.  Giceros  Briefe:  Allgemeines  427 

in  epistula  Asini  l'ollionis  ad  Cic.  usw.  (=  ep.  10,  33,  5);  vgl.  12,  13,  21  in 
Ubro  M.  Tullli  epislularum  ad  Ser.  Sulpicium  (=  ep.  4,  4,  4).  Non.  83,  30 
Cicero  ad  Varronem  (d.  i.  der  das  Buch  beginnende  Adressat)  epistula  Paeti 
(vielmehr  ad  Paetum  —  ep.  9,  20,  3);  zu  ihnen  stimmen  die  Überschriften 
im  cod.  Medic.  —  Ferner  können  zu  jener  Tironischen  Ausgabe  die  uns 
mir  aus  Zitaten  bekannten  Sammlungen  gehören:  Nonius  führt  an  p.  450 
Buch  9  (437  B.  7;  37  B.  5)  ad  Hirtium;  293  B.  4  ad  Powpeium  (die  beiden 
Zitate  =  Cic.  ad  Att.  8,  11  D,  2.  3;  doch  s.  Gurlitt,  Berl.  ph.  Wschr.  1887, 
891.  Vgl.  noch  §  186,  2),  286  und  436  B.  3  ad  Caesarem,  329  und  426  B.  3 
ad  Caesarem  iuniorem  (darin  auch  Briefe  Octavians:  Guulitt,  Progr.  Steg- 
litz 1888),  92  B.  3  ad  Pansam,  509  B.  2  ad  Axium  (vgl.  Fronto  p.  107.  PW. 
2,  2633;  erwähnt  auch  im  SC.  de  Oropiis,  Herrn.  20,  270),  275  B.  2  ad  filium; 
ferner  zitiert  Macrob.  2,  1,  14  B.  2  ad  Cornelium  Nepotem;  desgleichen 
Priscian.  GL.  2,  490  B.  1  ad  Calvum  (Harnecker,  JJ.  125,  604).  Ferner  wer- 
den ohne  Angabe  der  Buchzahl  zitiert  ciceronischc  Briefe  ad  Gatonem  (Non. 
264  [=  ep.  15,  4,  2].  273  [ebd.  15,  3,  2].  438),  ad  31.  Titinium  (Suet.  rhet.  2), 
ad  Hostilium  (Charisius  GL.  1,  110),  ad  Caerelliam  (Quint.  6,  3,  112;  vgl. 
Auson.  p.  146  Seh.)  —  Erwähnt  werden  auch  s%h]viY.ui  (tcqos  'Jf^ro^rjv,  ttqos 
Pogyiuv,  Tcgog  nilonu  tbv  Bv^dvnov  etc.)  bei  Plut.  Cic.  24  (Nahe  p.  10). 
Über  Ciceros  Briefwechsel  mit  dem  jungen  Octavian  s.  Gurlitt,  Berl.  phil. 
Woch.  1887,  1616.  Die  kümmerlichen  Überreste  dieser  Sammlungen  sind 
zuletzt  zusammengestellt  bei  Baiter-Kayser  11,  38  u.  Müller  4,  3,  292.  — 
BNake,  hist.  crit.  Ciceronis  epistularum,  Bonn  1801.  FLeighton,  hist.  crit. 
Cic.  ep.  ad.  fam.,  Lps.  1877;  und  bes.  LGurlitt,  de  Cic.  epistulis  earumque 
pristina  collectione,  Gott.  1879;  JJ.  121,609;  ebd.  1901  VII  532.  Peter, 
Abh.  sächs.  Ges.  20,  35  u.  ö. 

5.  Die  Briefe  des  Cicero  wurden  mehrere  Jahrhunderte  fleißig  gelesen 
(s.  die  Übersicht  der  Anführungen  bei  Nake,  hist.  crit.  38)  und  auch  aus- 
gezogen: Fronto  ad  Antonin.  p.  107,  7  memini  me  excerpsisse  ex  Ciceronis 
epistulis  ea  dumtaxat,  quibus  inesset  aliqua  de  eloquentia  vel  philosophia  vel 
de  rep.  disputatio;  praeterea  si  quid  clegantius  aut  verbo  notabili  dictum  vi- 
deretur ;  vgl.  ebd.  107,  2.  Vielleicht  liegt  der  Rest  eines  Auszugs  der  Briefe 
ad  fam.  vor  in  dem  Text  des  Turiner  Palimpsestblattes  enthaltend  ep.  6,  9, 
1 — 2.  6,  10,  1  —  6  (neue  Vergleichung  von  PKrüger,  Herrn.  5,  146).  Doch 
wurden  die  Briefe  weitaus  nicht  in  dem  Grade  und  so  lange  fort  gelesen, 
wie  die  meisten  anderen  ciceronischen  Schriften.  Wir  finden  nur  vereinzelte 
Spuren  des  Vorhandenseins  von  Handschriften  und  ihrer  Benützung  im 
Mittelalter  (Orelli  vor  s.  Ausg.  p.  vi;  auch  Haupt,  op.  3,588.  G  Voigt,  RhM. 
36,  474).  Daß  unsere  gesamte  Überlieferung  dieser  Briefe  auf  einen  Arche- 
typus zurückgeht,  kann  man  aus  gewissen  Spuren  vermuten.  Sternkopf, 
Herrn.  46,369.  Neu  verbreitet  wurden  sie,  als  Petrarca  im  J.  1345  in  Verona 
die  Briefe  an  Brutus  (B.  1;  vgl.  §  188,  4,  1),  Q.  Cicero,  den  Brief  an 
Octavianus  (§  185,  5)  und  die  Briefe  an  Atticus  wieder  entdeckt  hatte 
(Petrarcae  ep.  de  reb.  fam.  24,  3).  Die  Hs.,  in  der  Petrarca  diese  Briefe 
(in  obiger  Reihenfolge)  fand,  ist  wieder  verloren  gegangen,  und  es  ist  nur 
eine  unmittelbar  davon  genommene  Abschrift  (jetzt  cod.  Medic.  49, 18  s.  XIV, 
Faksimile  bei  Chatelain  T.  34,  2)  erhalten.  Dies  ist  indessen  nicht  die- 
jenige, welche  sich,  wie  wir  wisseu,  Petrarca  selbst  angefertigt  hat  (siehe 


428  Ciceronische  Zeit:  S.  83-43  v.  Chr. 

Voigt  und  Viertel  aO.):  vielmehr  gehörte  die  noch  erhaltene  von  mehreren 
Lohnschreibern  gefertigte  (Rühl,  RhM.  36,  21.  Mendelssohn,  JJ.  121,  863) 
einem  jüngeren  Zeitgenossen  Petrarcas,  dem  florentinischen  Staatskanzler 
Coluccio  Salutato.  Doch  enthält  diese  Hs.  nicht,  wie  behauptet  worden  ist, 
die  einzige  Überlieferung,  sondern  es  kommen  auch  andere  daneben  in 
Betracht.  ALehmann,  De  Cic.  ad  Att.  epp.,  Berl.  1892.  CClark,  Phil.  NF. 
14,  195. 

6.  Die  sogen.  Briefe  ad  familiäres  sind  nicht,  wie  man  früher  nach 
einer  irreführenden  Angabe  des  Flavius  Blondus  glaubte  (Italia  illnstrata 
p.  346  ed.  Bas.:  Petrarcha  epistolas  Ciceronis  Lentulo  inscriptas  —  so  heißt 
die  Sammlung  nach  ihrem  ersten  Briefe  —  Vercellis  reperisse  gloriatus  est; 
Viertel,  RhM.  36,  150),  gleichfalls  von  Petrarca  gefunden  worden.  Petrarca 
kannte  vielmehr  nur  jene  eine  von  ihm  in  Verona  entdeckte  Briefsammlung 
(s.  oben  A.  5).  Eine  Handschrift  der  Sammlung  ad  familiäres  wurde  in 
Vercelli  gefunden  und  war  um  1390  schon  bekannt.  Coluccio  Salutato  ver- 
schaffte sich  auch  von  dieser  Hs.  durch  den  Mailänder  Pasquino  de  Capellis 
eine  Abschrift;  jetzt  codex  Med.  49,  7  (Chatelain  T.  36).  Ihr  Original,  der 
ehemalige  Vercellensis,  ist  gleichfalls  erhalten  als  cod.  Med.  49,  9  s.  IX/X 
(Chatelain,  T.  34,  1).  Seit  Orelli  hielt  man  diesen  Mediceus  für  die  Quelle 
aller  vorhandenen  Hss.  der  Briefe  ad  familiäres  (außer  dem  Turiner  Frag- 
ment oben  A.5,  Z.  7).  Diese  Ansicht  ist  hinfällig  geworden,  nachdem  Hand- 
schriften aufgefunden  sind,  die  eine  vom  Med.  unabhängige  Überlieferung 
bieten:  bes.  Harleiani  2682  s.  XI  und  2773  s.  XII.  Vgl.  Mendelssohn  Praef. 
Kiener,  Stud.  it.  9,  369.  Gurlitt,  JJ.  Suppl.  21,  509.  —  Über  die  diploma- 
tische Geschichte  der  Briefe'  s.  Orellis  bist.  crit.  epist.  Cic.  vor  s  Ausg.2 
p.  v.  CSchneider,  de  cod.  Med.  cp.  Cic.  auetoritate,  Bresl.  1832.  FHofmann, 
d.  krit.  Apparat  von  Cic.s  Briefen  an  Att.,  Berl.  1863.  Detlefsen,  JJ.  87, 
651.  MHaupt,  op.  2,  83.  112.  AViertel,  die  Wiederauffindung  von  Cic.s 
Briefen  durch  Petrarca,  Königsb.  1879;  JJ.  121,  231.  GVoigt,  Leipz.  SBer. 
1879,41;  Lit,  Centr.Bl.  1879,  1425.  OESchmidt,  RhM.  40,611.  Sabbadini, 
Le  scoperte  34.  40  u.  ö.  —  OStreicher,  de  Cic.  epp.  emendandis,  Commen- 
tat.  Ienens.  3  (1884),  97. 

7.  ALehmann,  Quaest.  Tüll.  I:  de  Cic.  epistulis,  Prag  1886.  Madvig, 
adv.  crit.  3,  133.  ChNisard,  notes  (bes.  sachliche)  sur  les  lettres  de  Cic, 
Par.  1882.  —  Übersicht  über  die  Literatur  zu  Cic.  Briefen:  KSchirmer,  Phil. 
45,  133.    Schmalz,  JB.  39,  34.    Gurlitt  ebd.  84,  87.  97,  1.  105,  145.   109,  1. 

8.  Ausgaben  sämtlicher  Briefe:  rec.  Wesenberg  (Lps.  1872.  73  II).  The 
correspondence  of  Cicero  (chronologisch  geordnet  mit  Kommentar  usw.);  by 
YTyrrell  and  CPurser,  Dublin -Lond.2  1890  ff.  VI  (l8,  1904).  Text  von 
Purser,  Oxf.  1901—03  III. 

9.  Übersetzungen  von  MWieland  (und  DGräter),  Zur.  1808 — 21  VII; 
von  HMoser  u.  a.  (in  der  Metzlerschen  Sammlung,  Bdchn.  51 — 76),  FMezger 
(Stuttg.  Hoffmann  1859  ff.). 

10.  Auswahlen  mit  Anmerkungen  von  FHofmann  —  Andresen  —  Stern- 
kopf, Berl.7  1898.  s95  II,  Süpfle  (Karlsruhe11  1908  von  Boeckel),  AWatson, 
Oxf.2  1874,  JFrey,  Lpz.8  1881.  Bardt,  Lpz.  1896—99  III.  —  Übersetzt  in 
den  Metzlerschen  Klass.  d.  Alt.,  Stuttg.  1854. 


§  188.  Ciceros  Briefe:  einzelne  Sammlungen  429 

188.  Erhalten  sind  folgende  Sammlungen: 

l)  Epistulae  (ad  familiäres),  IG  Bücher  aus  den  J.  62 — 43, 
geordnet  nach  den  Personen  der  Empfänger  (mit  Ausnahme  von 
Buch  XIII),  ohne  daß  die  zeitliche  Abfolge  durchgehends  ge- 
wahrt ist. 

1.  Der  überlieferte  Titel  dieser  Sammlung  ist  (nach  den  Subskriptionen 
im  Med.)  einfach  M.  Tulli  Ciceronis  epistularum  ad  P.  Lentulum  (=  B.  1), 
ad  C.  Curionem  (B.  2),  ad  App.  Claudium  (B.  3),  ad  Ser.  Sulpicium  (B.  4) 
usw.  nach  den  Haupt-  oder  wenigstens  den  ersten  Adressaten  des  betr. 
Buches.  Vgl.  A.  2  u.  §  187,  4.  Die  gewöhnliche  Bezeichnung  ad  familiäres 
hat  keine  hs.  Beglaubigung  (vgl.  dazu  Suet.  Iul.  56  [§  195,  8]);  junge  Hss. 
und  alte  Ausgaben  nennen  sie  epistolae  familiäres  (vgl.  Quint.  1,  1,  29. 
Gennad.  v.  £11.  63).  Unbeglaubigt  ist  auch  der  früher  vielfach  gebräuchliche 
Name  ad  diversos  (vgl.  Hieron.  v.  ill.  69.  99.  135  [§  434,  2].  Gennad.  v. 
ill.  92).    Sie  sind  hier  durchweg  als  ep.  zitiert. 

2.  Buch  1  enthält  (mit  Ausnahme  von  Nr.  10)  nur  Briefe  an  P.  Lentu- 
lus,  B.  3  nur  Briefe  an  Appius  Claudius  Pulcher,  B.  8  nur  Briefe  des  M. 
Caelius  (§  209,  6)  an  Cicero,  B.  14  nur  Briefe  des  Cicero  an  Terentia  und 
die  übrige  Familie,  B.  16  ausschließlich  Briefe  an  Tiro  (den  Herausgeber) : 
hier  auch  ganz  unbedeutende,  auch  solche  die  nicht  von  M.  Cicero  herrühren, 
und  solche,  die  nur  über  Tiro  handeln,  nicht  an  ihn  gerichtet  sind  (16,  16); 
B.  13  bringt  lauter  Empfehlungsschreiben,  B.  15  überwiegend  amtliche 
Korrespondenz.  Andere  Bücher,  zB.  4 — 7,  lassen  gar  keine  oder  nur  ver- 
schiedene sich  kreuzende  Ordnungsprinzipien  erkennen,  die  Briefe  an  Cas- 
sius  und  Trebonius  stehen  teils  im  15.,  teils  im  10.  und  12.  Buche.  —  Die 
Sammlung  beruht  wohl  zum  Teil  auf  den  Tironischen  Briefen,  jedenfalls  ist 
sie  zum  großen  Teil  aus  den  Einzelsammlungen  zusammengesetzt,  die  noch 
Nonius  als  solche  gelesen  hat  (§  187,  4):  warum  gerade  diese  Teile  zu 
einer  größeren  Einheit  zusammengefaßt  wurden,  wann  dies  geschah  und  von 
wem,  ist  unaufgeklärt.  Vielleicht  weist  die  Gleichheit  der  Buchzahl  darauf, 
daß  die  Sammlung  ein  Seitenstück  zu  der  ad  Att.  bilden  sollte.  Peter 
aO.  54. 

3.  Über  die  Hss.  s.  §  187,  6.  Ausgaben  zB.  von  PManutius  (Aid.  1575 
u.  sonst,  dessen  Kommentar  bes.  von  GRichter,  Lpz.  1779.  80  II),  GGrae- 
vius  (cum  notis  variorum ,  Amsterd.  1677.  1693  II  u.  sonst),  Cellarius  und 
Corte  (Lpz.3 1771),  Martyni-Laguna  (Vol.  I  Lps.  1804;  Anfang  des  Kommen- 
tars in  Jahns  Archiv  2  [1833],  249.  365  und  mit  PVictorii  curae  tertiae-  in 
epp.  von  Orelli,  Zur.  1840) ;  bes.  von  LMendelssohn,  Lpz.  1893.  Vgl.  §  187,  8. 
Epp.  ad  Paetum  ed.  Zenoni,  Vened.  1908;  ad  Trebatium  ed.  Bellissima, 
Rom   1908. 

4.  Die  nicht  von  Cicero  herrührenden  Briefe  (Clarorum  virorum  epist. 
etc.)  mit  Komm,  von  BWeiske  (Lpz.  1792).  Ep.  ad.  Lucceium  (5,  12)  ed. 
ill.  Frotscher,  Annaberg  1838  (darüber  auch  CSchneider,  Bresl.  1837.  Will- 
mann, Halberst.  1883).  Caelii  Run*  et  Ciceronis  epp.  mutuae  ed.  Suringar, 
Leid.  1845;  ed.  Antoine,  Paris  1894.  —  JMüller,  z.  Krit.  u.  Erkl.  der  Br. 
an  Lentulus,  Innsbr.  1862.  BNake,  der  Briefwechsel  zw.  Cic.  u.  Caelius,  JJ. 
89,  60;    zw.  Cic.  u.  D.    Brutus,  JJ.    Suppl.  Bd.  8,  647;    de    Caeli  Rufi   epist. 


480  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

libro,  Symb.  philol.  Bonn.  373;  de  Planci  et  Cic.  epistulis,  Berl.  1866.  LGur- 
litt,  (1.  Briefwechsel  zw.  Cic.  u.  D.  Brut.,  JJ.  121,  609.  OKSciimidt,  de  epi- 
stulis et  a  Cassio  et  ad  Cussiuui  datis,  Lps.  1877.  Sternkopf,  Cic.  u.  Matius, 
Dortmund  1901. 

2)  Ad  Atticum,  gleichfalls  16  Bücher.  Sie  beginnen  mit  dem 
J.  68  und  hören  einige  Monate  vor  Ciceros  Tode  auf.  Es  sind  ver- 
trauliche Briefe,  in  denen  sich  der  Schreiber  mit  voller  Unbefangen- 
heit äußert,  und  oft  in  einer  nur  dem  Empfänger  verständlichen 
andeutenden  Ausdrucksweise  geschrieben.  Zum  Teil  lesen  sie  sich 
wie  Selbstgespräche.  Die  Veröffentlichung  (ohne  die  entsprechen- 
den Briefe  des  Atticus)  erfolgte  ohne  Zweifel  erst  nach  dem  Tode 
des  Adressaten,  war  aber  von  diesem  schon  vorbereitet. 

1.  Cic.  ad  Att.  8,  14,  2  ego  tecum  tamquam  mecum  loquor. 

2.  Corn.  Nepos  Att.  16,  3  XI  (man  verbessert  XVI)  Volumina  epistula- 
rum  ab  consulatu  eins  (des  Cic.)  usque  ad  extremum  tempus  ad  Atticum 
missarum.  quae  qui  legat  non  muH  um  desideret  historiam  contextam  eorum 
temporum  .  . .  omnia  de  studiis  pvincipum,  vltiis  ducum,  mutationibus  rei 
publicae  perscripta  sunt,  non  enim  Cicero  ea  solum  quae  vivo  se  acciderunt 
futura  praedixit,  sed  etiam  quae  nunc  usu  veniunt,  cecinit  ut  vates.  Aber 
die  ersten  11  Briefe  unserer  Sammlung  gehören  der  Zeit  vor  J.  63  an; 
Sternkopf  Progr.  Elberfeld  1889.  Die  Anordnung  ist  im  ganzen  chronolo- 
gisch, wenn  man  von  B.  12.  13  absieht;  doch  sind  auch  hier  deutliche 
Spuren  einer  zeitlichen  Reihenfolge  vorhanden.  Die  Briefe  aus  den  letzten 
Monaten  Ciceros  vom  9.  Dec.  44  an  sind  vielleicht  aus  Rücksicht  auf  Octa- 
vian  unterdrückt  (vgl.  Nake,  bist.  crit.  17,  n.  30);  beleidigende  Äußerungen 
über  diesen  stehen  in  der  Sammlung  nicht  (Gurlitt,  JJ.  149,  217),  freilich 
sehr  scharfe  über  Caesar.  Aus  der  gleichen  Vorsicht  und  wohl  auch  aus 
Bescheidenheit  (§  187,  4  Z.  6)  sind  die  Briete  des  Atticus  weggelassen,  ob- 
wohl sie  zum  Verständnisse  der  ciceronischen  oft  unentbehrlich  sind  und 
Cicero  sie  sorgfältig  aufbewahrt  hatte  (Att.  9,  10,  4).  Aus  jener  Ängstlich- 
keit des  Atticus  erklärt  sich  auch,  daß  die  Sammlung  erst  nach  dem  Tode 
des  Empfängers  (J.  32)  veröffentlicht  wurde,  was  aus  Corn.  Nep.  aO.  deut- 
lich erhellt.  Aus  dem  Umstand ,  daß  einerseits  Asconius  in  s.  Cicero-Kom- 
mentar (§  295,  2,  verfaßt  um  J.  55)  die  Briefe  ad  Att.  nicht  erwähnt  und 
andererseits  Seneca  ad  Lucil.  97.  118  (§  289,  5)  daraus  schon  zitiert,  ver- 
mutet Bücheler,  RhM.  34,352  (ähnlich  Leo,  Gott.  Nachr.  1895,441),  daß 
der  Briefwechsel  mit  Atticus  erst  um  das  J.  60  n.  Chr.  veröffentlicht  worden 
sei.  Dann  wären  also  die  epp.  ad  Att.  erst  ein  volles  Jahrhundert  nach 
Ciceros  Tod  bekannt  gemacht  worden,  was  der  sachlichen  Wahrscheinlich- 
keit völlig  widerspricht.  Asconius  kann  die  Benutzung  der  (schon  veröffent- 
lichten) Briefe  deshalb  unterlassen  haben,  weil  sie  meistens  undatiert  waren 
und  ihre  Datierung  mühsame  Einzehintersuchungen  erfordert  hätte.  Vgl. 
auch  das  Zitat  bei  Seneca  de  brevit.  vitae  5  (verfaßt  vor  dem  J.  49)  quam 
flebiles  (Cicero)  voces  exprimit  in  quadam  ad  Atticum  epistula  . .  .  "quid 
agam  hie  quaeris?  moror  in  Tusculano  meo  semüiber\  alia  deineeps  adicit, 
quibus  et  priorem  aetatem   complorat  et  de  praesenti  queritur  et  de  futura 


§  188.  Ciceros  Briefe:  einzelne  Sammlungen  431 

desperat,  wo  freilich  Lipsius,  da  sich  das  Zitat  in  unserer  Sammlung  nicht 
findet,  ansprechend  ad  Axium  (§  187,  4)  vermutet.  Jedesfalls  spricht  die 
Fassung  der  Stelle  des  Seneca  dafür,  daß  Seneca  den  13 rief  selbst  gelesen 
hat,  und  gegen  die  Annahme  Büchelers,  daß  sich  das  Zitat  auf  Cic.  ad  Att. 
13,  31,  3  semiliberi  saltem  simus  beziehe  und  Seneca  das  ungenaue  Zitat 
einer  Mitteilung  aus  der  noch  nicht  veröffentlichten  Sammlung  ad  Atticum 
verdanke.    Peter,  Abb.  Sachs.  Ges.  20,  38. 

3.  Über  die  Hss.  s.  §  187,  5.  —  Über  eine  Blattversetzung  am  Ende 
von  B.  4  s.  Mommsen,  Sehr.  7,  28.  Sternkopf,  Herrn.  40,  1.  —  Ausgaben 
von  Manutius  (Vened.  1547  und  oft),  Victorius  (Florenz  1571),  Graevius 
(Amsterd.  1684.  1693.  1727  II),  Boot  (rec.  et  adn.  ill.,  Amsterd.  21886).  Vgl. 
§  187,  8.  —  Schiche,  z.  Chronol.  v.  B.  15  ad  Att.  in  d.  Festschr.  d.  Friedr.- 
Werderschen  Gymn.,  Berlin  1881,  225;  zu  Cic.  ad  Att.,  2.  Teil,  Berl.  1883. 
OESchmidt,  JJ.  129,  331.  —  RMücke,  de  locis  aliquot  graecis  in  Cic.  epp. 
ad  Att.,  Ilfeld  1878. 

3)  Ad  Quintum  fratrem,  drei  Bücher,  aus  den  J.  60 — 547 
nur  eine  kleine  Auswahl  aus  der  gesamten  Korrespondenz.  Ohne 
Zweifel  ist  nie  mehr  herausgegeben  worden. 

1.  Der  Herausgeber  dieser  Sammlung  kann  Tiro  sein.  Über  die  Hss. 
§  187,  5.  —  Die  Verwirrung  in  Buch  2,  durch  eine  Vertauschung  von  je 
zwei  Doppelblättern  des  Archetypus  entstanden,  brachte  in  Ordnung  Mommsen, 
Sehr.  7,  13.  Sternkopf,  Herrn.  39,  383.  —  Ausgaben  von  JHoffa  (Heidelb. 
1843),  maßgebend  Sjügken,  Lpz.  1911;  mit  den  Briefen  ad  Brut,  von  Manu- 
tius (Frankf.  1580  und  sonst),  von  Sjögren,  Lpz.  1914  und  cum  notis  vario- 
rum;  acc.  Q.  Cic.  de  petit.  cons.  c.  comm.  Valerii  Palermi,  Hagae  Com. 
1725. 

2.  Ep.  1,  1  vom  J.  60,  mit  der  Ausdehnung  und  Feile  einer  Abhandlung 
(über  Provinzialverwaltung),  eine  Art  von  Gegengeschenk  für  des  Bruders 
Sendschreiben  de  petitione  (§  190,  4).  Ed.  Antoine,  Paris  1888.  MSchneide- 
win,  Eine  Instruktion  an  einen  Verwaltungschef,  Berl.  1907.  Pichon,  Rev. 
Phil.  34,  140. 

4)  Briefwechsel  zwischen  M.  Brutus  und  Cicero,  sehr  unvoll- 
ständig erhalten.   Die  Reste  sind  von  großem  historischen  Interesse. 

1.  Dieser  Briefwechsel  umfaßte  einst  neun  Bücher  und  zwar  war  das 
jetzt  als  B.  1  überlieferte  ursprünglich  das  letzte,  neunte.  Non.  421,  31  Cic. 
. . .  ad  Brutum  Hb.  Villi  fi.  Clodius.  tr.  pl.  des.  usw.'  =  jetzt  Cic.  ad 
Brut.  1,  1,  1.  Für  Buch  1  (richtig:  9)  sind  die  Haupthss.  der  Medic.  49,  18 
(darin  lautet  die  Subscriptio :  Ad  Brutum  epistolarum  Über  primus  explicit. 
ineipit  ad  Q.  epistolarum  primus)  und  die  von  Cratander  benutzte  Hs.;  s. 
§  187,  5.  OESchmidt,  Phil.  49,  38.  —  Zu  diesem  ersten  Buch  (18  Briefe) 
fügte  Cratander  1528  sieben  Briefe  quod  a  Ciceroniana  dictione  dbhorrere 
non  videbantur  et  in  vetusto  codice  primum  locum  obtinerent ,  die  man  seit 
Schütz  als  zweites  Buch  bezeichnet.  Eine  Handschrift  derselben  ist  nicht 
bekannt.  vStreng,  de  Cic.  ad  Brut,  epist.  libro  H,  Helsingfors  1885.  Die 
Worte  Cratanders  zeigen,  daß  in  dem  cod.  vetustus  die  sieben  neuen  Briefe 
dem  sog.  B.  1    vorangingen;    sie    werden    also    ursprünglich    auch    dem  B.  9 


432  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

angehört  haben.  Damit  stimmt,  daß  sich  die  Briefe  des  sog.  zweiten  Buchs 
auf  die  Zeit  vor,  die  des  ersten  auf  die  nach  der  Schlacht  bei  Mutina  be- 
ziehen; es  herrscht  zeitliche  Anordnung.  Noch  ein  Eragm.  aus  B.  8  bei 
Non,  527,  25,  der  296,  8  auch  B.  7  zitiert.  Aus  B.  1  eine  Anführung  bei 
Serv.  Aen.  8,  395.  LGurlitt,  JJ.  131,  561.  KWermuth,  quaest.  de  Cic.  epp. 
ad  Brut,  Basel  1887.  Über  eine  Blattversetzung  Sternkopf,  Herrn.  46,  355. 
—  Ausgabe  von  Sjögren,  Lpz.  1910;  s.  auch  oben  Nr.  3,  1. 

2.  Amm.  Marc.  29,  5,  24  zitiert  ad  Brut.  1,  2,  5  als  ciceronisch  (Tulli- 
anum  illud).  Plut.  Brut.  53  tö  iniaxöXiov  (Bqovtov),  siTtsQ  aga  x&v  yvrjclcov 
iavl:  aber  über  die  Echtheit  gerade  dieses  (nicht  erhaltenen)  Briefes  und 
des  ciceronischen  ad  Brut.  1,  9  s.  Mommsen,  Herrn.  15,  102.  Die  Unechtheit 
beider  Bücher  hat  zuerst  JTunstall  behauptet  (epistola  ad  C.  Middleton, 
Cambr.  1741,  und  Observations  etc.,  Lond.  1744),  dann  besonders  JMarkland 
(Remarks  etc.,  Lond.  1745),  wogegen  ihre  Echtheit  an  Middleton  (the  epistl. 
of  Cic.  and  Br.  with  a  dissertation,  Lond.  1743)  und  neuerdings  an  KFHer- 
mann  glückliche  Verteidiger  fand;  vgl.  dessen  Vindiciae  latinitatis  epp.  Cic. 
ad  Br.,  Gott.  1844;  Gott.  gel.  Anz.  1844,  1934.  1845,  961.  1310;  Abh.  Gott. 
Ges.  2,  189.  3,  143;  Vindiciarum  Brutinarum  epimetrum,  Gott.  1845.  Gegen 
Hermann  wieder  WZumpt,  de  Cic.  et  Bruti  epp.  quae  feruntur,  Berl.  1845; 
Berl.  Jahrb.  1845.  2,  Nr.  91  fll.  FBecher,  de  Cic.  quae  feruntur  ad  Brut, 
epistulis,  Jena  1876;  RhM.  37,  576;  Phil.  Suppl.  4,  502;  Phil.  44,  471.  Nip- 
perdev,  Abh.  sächs.  Ges.  5,  71.  RHeine,  de  Cic.  et  Bruti  epistulis  mutuis, 
Lps.  1875.  PMeyer,  üb.  d.  Frage  der  Echtheit  des  Briefwechsels  Cic.  ad 
Brut.,  Zürich  1882;  d'Addozio,  De  Bruti  vita,  Neapel  1895.  Aber  diese 
Angreifer  des  ciceronischen  Ursprungs  dieser  Briefe  sind  auf  allen  Punkten 
geworfen  worden  und  es  steht  heute  deren  Echtheit  sicherer  denn  je.  Was 
man  gegen  die  Sammlung  geltend  gemacht  hat,  ist  von  geringer  Erheb- 
lichkeit, besonders  die  Widersprüche  von  Ciceros  vertraulichen  Urteilen 
über  Personen  mit  seinen  öffentlichen  oder  mit  Äußerungen  zu  anderer  Zeit. 
Der  schlichte  Charakter  der  Brutus-Briefe,  in  denen  rhetorischer  Schwulst 
fehlt,  sieht  nicht  nach  Fälschung  aus,  stimmt  vielmehr  ganz  zu  Brutus' 
atticis tischer  Richtung.  Auch  an  der  Echtheit  der  Briefe  1,  16.  17,  die  man 
am  längsten  verdächtigt  hat,  ist  nicht  zu  zweifeln  (Müllemeister,  Progr. 
Emmerich  1897.  ESchwartz,  Herrn.  33,  215  ff.).  Vgl.  §210,  1  ff.  Vgl.  zB. 
Madvig,  adv.  3,  197.  OESchmidt,  JJ.  127,  559.  129,  617.  LGurlitt,  Phil. 
Anz.  1883,  720;  Phil.  Suppl.  4,  551;  5,  591.  JJ.  121,  610.  129,  855.  145,  413. 
KSchirmer,  Phil.  Anz.  13,  765;  die  Sprache  des  Brutus  in  den  bei  Cic.  über- 
lieferten Briefen,  Metz  1884.  ESchelle,  Der  neueste  Angriff  usw  ,  Dresden 
1897. 

5)  Sicher  ist  die  Unechtheit  des  Briefes  ad  Octavianum. 

1.  Der  Brief  steht  z.B.  im  Med.  49,  18  (§  187,  5),  in  Berol.  252  (Erford.) 
s.  XII  (§  179,  13,  2),  befand  sich  in  der  Hs.  Cratanders  (oben  Nr.  4,  1)  und 
ist  in  den  Cicero- Ausgaben  gedruckt;  zB.  bei  Baiter-Kayser  10,  465,  bei 
Sjögren  (o.  Nr.  3,  1)  p.  143.    CBerns,  Commentat.  phil.  Lips.  (Lps.  1874)  177. 

189.  In  der  Poesie  übte  sich  Cicero  gelegentlich  schon  seit 
frühen  Jahren,  vornehmlich  aus  stilistischen  Absichten:  Verse  zu 
schmieden  wurde  ihm  bei  seiner  hervorragenden  Beanlagung  für 


§  189.  Ciceros  Gedichte  433 

die  Form  nicht  schwer.  In  späteren  Jahren  verfaßte  er  ein  Helden- 
gedicht über  Marius,  namentlich  aber  bewog  ihn  sein  brennendes 
Verlangen  nach  Ruhm  in  wunderlicher  Verblendung  dazu,  seine 
Taten  und  Leiden  zum  Gegenstande  von  Epen  im  Ennianischen 
Stile  zu  machen,  nicht  zum  Vorteil  für  seinen  Ruf.  Denn  außer 
dem  Spott,  den  sein  übertriebenes  Selbstlob  herausforderte,  konnte 
auch  der  Stil  seiner  Dichtungen  bei  der  eben  damals  aufkommen- 
den modernen  Dichterschule  wenig  Beifall  finden. 

1.  Über  Cicero  als  Dichter  vgl.  Sen.  exe.  controv.  3  praef.  8  Ciceronem 
eloquentia  sua  in  carminibus  destituit.  Sen.  de  ira  3,  37,  5.  Tac.  dial.  21. 
luv.  10,  124  fo  fortunatam  natam  me  consule  BomamV  Antoni  gladios  po- 
tuit  contemnere,  si  sie  omnia  dixisset.  Mart.  2,  89,  3  Carmina  quod  scribis 
Musis  et  Apolline  nullo  Laudari  debes:  lioe  Ciceronis  lidbes.  Plut.  Cic.  40 
ry  d\  7tQog  xr\v  7iolr\Giv  svv.oXla  7calt,(ov  i%QT]ro'  liyzxai  ycHg,  bnr\viy.a  qvsit] 
itQog  xb  xoiovxov,  xrjg  vvy.tos  £nr\  TtoLSlv  tcsvxcckogicc.  Über  sein  abfälliges 
Urteil  über  die  modernen  Dichter  s.  §  212  a.  Schol.  Bob.  137, 12  manifestum 
est  amatorem  poeticae  rei  Tullium  fuisse,  qiiamvis  ad  oratoriam  .  . .  non  vi- 
deatur  in  versibus  par  sui  fuisse.  Drumann,  GR.  6,  681.  Frantzen,  de  Cic. 
poeta,  Abo  1800.  vHeusde,  Cic.  cpiXonldrav  (Utr.  1836)  25.  34.  Ribbeck, 
röm.  Dicht.  1,  296.  MGrollmus,  de  Cic.  poeta,  Königsb.  1887.  Guendel,  De 
Cic.  poetae  arte,  Lpz.  1907.  Simzig,  Quid  Cic.  de  imitatoribus  Alexandrino- 
rum  censuerit,  Capodistria  1912.  Kubik  (§  177,  2)  241.  Die  Reste  zB.  bei 
Baiter-Kayser  11,  89.    Müller  4,  3,  350.    FPR.  298. 

2.  Über  seine  Jugendversuche,  den  Poritios  Glaukos  und  s.  Übersetzung 
des  Aratos  s.  §  177  a,  1.  Bei  anderem  ist  die  Abfassungszeit  unbestimmbar. 
Iul.  Capitol.  Gordian.  3,  2  adidescens  cum  esset  Gordianus  . .  poemata  scrip- 
sit  . .  et  quidem  euneta  illa  qiiae  Cicero  edidit,  M  avium  (A.  3)  et  Ära  tum 
et  Halcyonas  (vgl.  Non.  65  Cicero  f  aleyon,  folgen  2  Hex.)  et  Uxorium 
(der  Pantoffelheld?)  et  Nilum  (Casaubonus:  Limona  s.  unten),  quae  quidem 
ad  hoc  scripsit,  ut  Ciceronis  poemata  nimis  antiqua  viderentur.  —  Serv.  buc. 
1,  57  Cicero  in  elegia  quae  f  talia  masta  (v.  1.  talamasta)  inscribitur  (folgt 
ein  Hexameter;  Thalia  maesta  Heinsius,  ©av^aGrd  Hertz,  ltalia  maesta 
Urlichs,  Eos  1,  151).  —  Auch  Abschnitte  aus  Homer  (de  div.  2,  63.  de  fin. 
5,  49),  Aeschylos  (Tusc.  2,  23),  Sophokles  (ebd.  2,  20)  u.  a.  übersetzte  Cicero 
metrisch.  —  Suet.  vita  Ter.  p.  34,  2  R.  Cicero  in  Limone  (As^mv  =  Pra- 
tum\  Plin.  ISIH.  praef.  24.  Gell.  NA.  praef.  6.  Suid.  s.  v.  Iläiicpdog  ... 
%yQ<xipE  XsLfiwvcc  Eött,  ds  noixiXcov  7CSQio%ri):  es  folgen  vier  Hexameter  über 
Terenz  als  glücklichen  Bearbeiter  Menanders;  danach  war  das  Gedicht  lite- 
rarisch-kritischen Inhalts,  vgl.  Ritschl,  op.  3,  263.  —  Epigramme:  Plin.  ep. 
7,  4,  3  (epigramma  [laseivum  lusum;  vgl.  Auson.  op.  28,  4,  9  p.  146  Seh.] 
Ciceronis  in  Tironem  suum;  vgl.  Grollmus  aO.  49).  Quint.  8,  6_,  73.  —  Leo, 
Herrn.  49,  194. 

3.  Quint.  11,  1,  24  in  carminibus  utinam  pepercisset  (das  Selbstlob  spar- 
samer angebracht),  quae  non  desierunt  carpere  maligni.  Dahin  gehören  aus 
dem  J.  60  die  drei  Bücher  de  suo  consulatu  im  epischen  Versmaß.  Schol. 
Bob.  165,  8  de  consulatu  suo  scripsit  poetico  metro,  quae  mihi  videntur  opera 

Teuffei:  röm.  Literaturgesch.    Neub.  6.  Aufl.  I.  28 


434  Ciceromsclie  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

minus  digna  talis  viri  nomine.  Att.  2,  3,  3;  vgl.  1,  19,  10  poema  expectato, 
ne  quod  genus  a  me  ipso  laudis  meae  praetermittatur.  de  div.  1,  17 — 22: 
dort  ein  großes  Bruchstück,  eine  Rede  der  Urania,  die  zeigt  wie  der  zeit- 
geschichtliche Inhalt  mit  mythologischem  Flitter  geschmacklos  behangen 
war.  Aus  diesem  Werke  stammen  die  beiden  berüchtigten  (A.  1)  Verse: 
0  fortunatam  natam  me  consule  üomam  (Quint.  9,  4,  41  u.  a.)  und  Cedant 
arma  togae,  concedat  laurea  laudi  (off.  1,  77  u.  a.).  Drumann,  GR.  5,  601. 
EHeikel,  Adversaria  ad  Cic.  de  cons.  suo  poema,  Helsingf.  1912.  —  Ferner 
das  (ums  J.  55)  verfaßte  Epos  de  temporibus  meis,  gleichfalls  in  drei 
Büchern.  Vgl.  ep.  1,  9,  23  (J.  54  noch  nicht  herausgegeben)  quia  verebar 
non  eos,  qui  se  laesos  arbitrarentur  —  etenim  id  feci  parce  et  molliter  —  sed 
eos,  quos  erat  infinitum  bene  de  me  meritos  omnis  nominare.  ad  Q.  fr.  3,  1, 
24  mirificum  embolium  cogito  in  secundum  librum  meorum  temporum  inclu- 
dere,  dicentem  Apollinem  in  concüio  deorum,  qualis  reditus  duorum  impera- 
torum  futurus  esset  (des  Gabinius  und  Piso),  quorum  alter  exercitum  perdi- 
disset,  alter  vendidisset.  2,  13,  2.  2,  15,  5  (Caesar  liest  im  Mai  54  das  erste 
Buch  und  lobt  es).  Att.  4,  8b.  3?  Drumann,  GR.  6,  20.  —  Außerdem  schrieb 
Cicero,  im  J.  54,  ein  Lobgedicht  auf  Caesar  als  den  Bezwinger  Britanniens; 
ad  Q.  fr.  3,  1,  11  (poema  ad  Caesarem).  Vgl.  2,  13,  2.  3,  4,  4.  3,  8,  3. 
3,  9,  6  (quod  me  hortaris  ut  absolvam,  habeo  absolutum  suave,  mihi  quidem 
uti  videtur,  %nog  ad  Caesarem).  Vgl.  Drumann,  GR.  3,  322.  Unbestimmt  ist 
die  Abfassungszeit  des  Epos  Marius,  Att.  12,  49,  1  (J.  45).  Aus  leg.  1,  1 
ergibt  sich,  daß  der  jüngere  Q.  Scaevola  (§  139,  3)  ein  lobendes  Epigramm 
darauf  machte,  aber  nicht,  daß  der  Marius  nicht  allzu  lange  vor  ihrer  Ab- 
fassung (J.  52)  geschrieben  wurde.  MHaupt,  op.  1,  211.  Grollmus  aO.  22. 
Die  Verherrlichung  des  Volksmannes  könnte  sogar  empfehlen,  das  Gedicht 
früher  anzusetzen  (so  Ribbeck).  Anderseits  buhlte  Cicero  seit  J.  56  um  Cae- 
sars Gunst.  Eine  Verherrlichung  des  Marius,  seines  Landsmannes,  seines 
Verwandten,  des  Vorgängers  Caesars  in  der  Führerschaft  der  Volkspartei, 
der  auch  mit  Caesar  durch  Verschwägerung  verbunden  war,  konnte  damals 
Cicero,  der  überhaupt  den  Marius  mit  Lob  überschüttet,  sehr  wohl  zweck- 
mäßig erscheinen :  und  gerade  er  war  der  Mann  dazu,  an  den  Klippen  der 
Aufgabe  vorbeizukommen.  Die  Briefstelle  Att.  2,  15,  3  (§  59)  kann  für  frühere 
Abfassung  nichts  beweisen,  da  die  Herkunft  des  dort  angeführten  Hexa- 
meters In  montes  patrios  et  ad  incunabula  nostra  unklar  ist. 

4.  Neueste  Sammlungen  der  ciceronischen  Fragmente  bei  Baiter-Kayser 
Bd.  11  (1868)  und  Müller  4,  3  (1879),  231.  Halm,  Beitr.  z.  Berichtig,  der 
ciceron.  Fragm.,  Lpz.  1862  (=  Münch.  SBer.  1862  2,  1).  FHoppe,  zu  den 
Fragmenten  u.  der  Sprache  Cic.s,  Gumbinnen  1875. 

190.  Ciceros  jüngerer  Bruder  Quintus  (J.  102  —43)  zeigte  zwar 
infolge  seiner  sorgfältigen  Bildung  lebhafte  Teilnahme  für  die  Lite- 
ratur, besonders  für  Poesie,  und  scheint  mit  seinem  Bruder  die 
Leichtigkeit  der  Gestaltung  geteilt  zu  haben,  aber  er  gelangte  zu 
keinem  Ansehen,  weil  er  immer  im  Schatten  seines  Bruders  stand. 
Er  unternahm  ein  annalistisches  Werk  und  übersetzte  Tragödien 
des  Sophokles  udgl.   Wir  haben  noch  sein  commentariolum  peti- 


§  190.  Q.  Cicero  435 

tionis,  ein  Sendschreiben  über  die  richtige  Art  der  Bewerbung  um 
das  Konsulat,  an  seinen  Bruder  Marcus,  verfaßt  Anfangs  64,  und 
einige  Briefe. 

1.  Auf  J.  102  als  Geburtsjahr  des  Q.  Cicero  ist  aus  seiner  Ämterlauf- 
bahn zu  schließen:  Aedil  65,  Praetor  62,  Propraetor  in  Asien  61 — 58,  Legat 
des  Pompeius  in  Sardinien  56,  des  Caesar  in  Gallien  und  Britannien  54 — 52, 
seines  Bruders  in  Kilikien  51.  Er  wurde  mit  diesem  geächtet  und  samt 
seinem  Sohne  getötet  J.  43;  s.  Drumann,  GR.  6,  719.  WPütz,  de  Q.  Cic. 
vita  et  scriptis,  Düren  1833.  HBlase,  de  Q.  Cic.  vita,  Bedburg  1847.  PRE. 
6,  2234.    Bücheler,  Q.  Cic.  reliq.  p.  1—24. 

2.  Schol.  Bob.  zu  Cic.  p.  175,  31  St. :  fuit  enim  Q.  Tullius  non  solum 
epici,  verum  etiam  tragici  carminis  scriptor.  Cic.  Att.  2, 16,  4  (J.  59):  Q.frater 
.  .  me  rogat,  ut  annales  suos  (schwerlich  in  gebundener  Form)  einendem  et 
edam.  ad  Q.  fr.  2,  11,  4  (J.  54)  ad  Callisthenem  et  ad  Philistum  redeo,  in 
quibus  te  video  volutatum.  .  .  sed,  quod  adscribis,  aggrederisne  ad  historiam? 
me  auctore  potcs.  2,  15,  4  (J.  54)  o  iucundas  mihi  tuas  de  Britannia  litte- 
ras!  . .  te  vero  vitoftsav  scribendi  egregiam  habere  video.  quos  tu  situs,  quas 
naturas  rerum  et  locorum,  quos  mores,  quas  gentes,  quas  pugnas,  quem  vero 
ipsum  imperatorem  habes!  (Also  sollte  es  ein  Epos  werden.)  ego  te  libenter 
. .  adiuvabo  et  tibi  versus  quos  rogas  . .  mittam.  3,  4,  4  (J.  54)  sine  ulla  meher- 
cule  ironia  loquor:  tibi  istius  generis  in  scribendo  priores  partes  tribuo  quam 
mihi.  Vgl.  3,  5  und  6,  7  (J.  54)  quattuor  tragoedias  XVI  diebus  absolvisse 
cum  scribas,  tu  quidquam  ab  alio  mutuaris?  et  nädog  quaeris,  cum  Electram 
et  f  trodam  (Troadas  Schütz,  Aeropam  Bücheler)  scripseris?  ..  sed  et  istas 
et  Erigonam  mihi  velim  mittas.  ebd.  8,  1,  13  in  ea  (epistula)  nihil  sane  erat 
novi  praeter  Erigonam,  quam  si  . .  accepero  scribam  ad  te  quid  sentiam;  nee 
dubito,  quin  mihi  placitura  sit.  3,  9,  6  ne  aeeidat  quod  Erigonae  tuae,  cui 
soli  Caesare  imperatore  Her  ex  Gallia  tutum  non  fuit.  Eine  'Rqiyovri  gab  es 
zB.  von  Sophokles.  Cic.  de  fin.  5,  3  tum  Quintus:  . .  Sophocles  . . ,  quem 
scis  quam  admirer  quamque  eo  delecter.  ad  Q.  fr.  2,  15,  3  (J.  54)  Evvösl- 
Ttvovg  UocponXsovg  quamquam  a  te  aetam  (faetam  Buecheler)  fabellam  (ein 
Satyrspiel?  s.  Ribbeck,  röm.  Trag.  620)  video  esse  festive,  nullo  modo  pro- 
bavi.  ep.  16,  8,  2  ego  (Q.)  certe  singulos  eins  (des  Euripides)  versus  singula 
testimonia  puto.  Der  Untergang  dieser  Produkte  ist  sicher  kein  Verlust  für 
die  Weltliteratur. 

3.  Drei  Briefe  des  Q.  Cicero  an  Tiro,  ep.  16,  8  (J.  49).  26.  27  (J.  44) 
und  einer  (ebd.  16,  16)  an  seinen  Bruder  Marcus  (J.  60?).  Zusammen  bei 
Bücheler  (A.  4)  p.  64.  Vgl.  noch  Cic.  ad  Q.  fr.  2,  14,  2  in  brevi  epistula 
%Qay\LccTiK(hs  valde  scripsisti.  3,  1,  19  epistulam  tuam  .  .  Aristophaneo  modo 
valde  et  suavem  et  gravem. 

4.  Das  Sendschreiben  an  seinen  Bruder  Marcus,  als  dieser  sich  J.  64 
um  das  Consulat  bewarb  (commentariolum  petitionis  58),  veranschaulicht  die 
damals  besonders  schwunghaft  betriebene  Amtserschleichung,  vielleicht 
unter  Mitbenützung  von  Theophrast  tcsqI  cpdonniccg  (Cic.  ad  Att.  2,  3,  3). 
Die  Anlage  ist  geordnet,  aber  pedantisch,  die  Darstellung  trocken  und 
nüchtern  (Bücheler  p.  3.  7  f.).  Die  Gliederung  gibt  §  2  cotidie  tibi  hoc  ad 
forum   descendenti  meditandumst :   novus  sum,   consulatum  peto,    Borna   est. 

28* 


436  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

Für  den  Standpunkt  vgl.  5  persuadendum  iis  {optimatibus)  nos  semper  cum 
optimatibus  de  rep.  sensisse,  miriime  popularis  fuisse,  si  quid  locuti  popula- 
riter  videamur,  id  nos  eo  consilio  fecisse,  ut  nobis  Cn.  Pompeium  adiungere- 
mus.  42  opus  est  magno  opere  blanditia,  quae  etiamsi  vitiosa  est  et  turpis 
in  cetera  vita,  tarnen  in  petitione  necessaria  est.  Auffallend  ist  die  Ähnlich- 
keit mit  der  Rede  in  toga  Candida  (in  der  Marcus  Gedanken  aus  der  Schrift 
des  Bruders  benützt  hat),  der  für  Murena  und  dem  ersten  Briefe  des  M. 
an  seinen  Bruder  Quintus  (1,  1).  Diese  und  andere  Gründe  gegen  die  Ur- 
heberschaft des  Q.  (und  für  Abfassung  durch  einen  Rhetor  des  ersten  christl. 
Jahrh.)  bei  Eussner,  commentariolum  petitionis  examinatum,  Würzb.  1872. 
Hendrickson,  Am.  J.  Ph.  1892,  200;  Public.  Univ.  Chicago  6  (1903)  71.  S. 
aber  dagegen  HWirz,  philol.  Anz.  5  (1873),  499.  Tyrrell,  the  letters  of 
Q.  Cic,  Hermath.  5  (1877),  40;  Ausg.  d.  Briefe  (§  187,  8)  1,  p.  lxv.  Leo, 
Gott.  Nachr.  1895,  447.  Beltrami^  De  comment.  petit.,  Pisa  1892.  Aus  falsch 
eingefügten  Nachträgen  folgert  Bruhn,  JJ.  1908  xxi  258,  daß  die  Schrift 
nicht  vom  Verf.  herausgegeben  worden  sei.  Die  besten  Hss.  sind  Harleian. 
2682  s.  XI  u.  Berol.  252  s.  XII  (s.  Bücheler  p.  11).  Gedruckt  als  Anhang 
der  Briefe  ad  Q.  fratr.  Sonderausgaben  von  Valerius  Palermus  (§  188,  3,  1), 
CGSchwarz  (cum  animadv.,  Altorf  1719),  Hoffa  (perpet.  adnot.  illustr.,  Lps. 
1837).  Tijdemann,  in  Q.  Cic.  de  pet.  cons.  adnotat. ,  Leid.  1838  f.  Q.  Cic. 
rell.  recogn.  Bücheler,  Lps.  1869.  Text  bei  Eussner  aO.  p.  24;  scholia  cri- 
tica  ebd.  p.  36. 

5.  Ausonius  ecl.  17  p.  16  Seh.  läßt  auf  ein  eigenes  Gedicht  des  Ver- 
gleichs wegen  16  (20)  Hexameter  des  Q.  Cicero  über  die  zwölf  Zeichen  des 
Tierkreises  folgen;  dieselben  auch  bei  Bücheler  aO.  68.  AL.  642.  FPR.  315. 
Baiter-Kayser  Cic.  11,  138.  Müller  4,  3,  405.  —  Das  einem  Cicero  in  jün- 
geren Hss.  beigelegte  Epigramm  auf  die  Frauen  (AL.  268.  PLM.  4,  359) 
gehört  dem  Pentadius  (§  398,  5). 

191.  Ciceros  Freigelassener  und  Freund,  M.  Tullius  Tiro,  über- 
lebte seinen  Patron  lange  und  sorgte  in  treuer  Hingabe  für  sein 
Andenken.  Er  beschrieb  Ciceros  Leben,  gab  seine  Reden  und  Briefe 
heraus,  und  sammelte  wohl  auch  seine  Witzworte.  Außerdem  ver- 
faßte er  kompilatorische  Schriften  enzyklopädischen  und  gramma- 
tischen Inhalts  und  scheint  auch  der  Dichtung  nicht  fremd  geblie- 
ben zu  sein.  Besonders  bekannt  aber  ist  sein  Name  geworden  durch 
die  Einführung  der  stenographischen  notae  Tironianae. 

1.  Cic.  ep.  16,  4,  3  innumerabilia  tua  sunt  in  me  officia:  domestica, 
forensia;  urbana,  provincialia ;  in  re  privata,  in  publica,  in  studiis,  in  litte- 
ris  nostris.  16,  17,  1  v-aveav  esse  meorum  scriptorum  soles.  Vgl.  Att.  7,  5,  2. 
Gell.  6,  3,  8  Tiro  Tullius,  M.  Ciceronis  libertus,  sane  quidem  fuit  ingenio 
liomo  eleganti  et  haudquaquam  verum  litter arumque  veterum  indoctus,  eoque 
ab  ineunte  aetate  liberalster  instituto  adminiculatore  et  quasi  administro  in 
studiis  litterarum  Cicero  usus  est.  ebd.  13,  9,  1.  15,  16,  2.  Freigelassen  wurde 
er  J.  54  (Cic.  ep.  16,  16).  J.  50  war  er  noch  adulescens  (ad  Att.  6,  7,  2). 
Hieron*m.  zu  Euseb.  Chron.  ad  a.  Abr.  2013  (Freher.  2012)  =  4  M .  Tullius 
Tiro,  Ciceronis  libertus,  qui  primus  notas  commentus  est,  in  Puteolano  prae- 


§  191.  M.  Tullius  Tiro  437 

dio  (vgl.  Cic.  ep.  16,  21,  7)  usque  ad  centesimum  annum  consenescit.  Engel- 
bronner,  de  Tirone,  Amst.  1804.  ALion,  Tironiana,  in  Secbodes  Aren.  1824, 
246  und  (vgl.  §  220,  9)  Gott.  1846.  Deumann,  GR.  6,  405.  PRE.  6,  2207. 
Mitzschke,  M.  Tüll.  Tiro,  Berl.  1875.  Jaufmann,  dgl.,  Dillingen  1897.  HRR. 
2,  xviii. 

2.  Ascon.  p.  41,  28  ut  legimus  apud  Tironem  libertum  Ciceronis  in  libro 
IUI  de  vita  eius.  Tiro  verteidigte  in  dieser  Schrift  den  Cicero  und  suchte 
sein  Andenken  von  Verunglimpfung  zu  reinigen.  Plutarch,  der  sie  anführt 
(Cic.  41.  49),  hat  sie  jedenfalls  bei  einem  Teile  seines  Bio?  Kixtgcovos 
benützt,  s.  HPeter,  Quellen  Plutarchs  129.  RWirtz  (§  205,  6)  41.  Tac. 
dial.  17.  Gell.  4,  10,  6.  15,  16,  2  a  Tirone  .  .  librorum  patroni  sui  studio- 
sissimo.  HRF.  212.  Eine  auf  ihn  zurückgehende  Handschrift  der  Reden 
des  Cic.  bei  Gell.  1,  7,  1  {in  oratione  Cic.  V  in  Verr.,  libro  speetatae  fidei, 
Tironiana  cura  atque  diseiplina  facto)  und  13,  21,  16  (in  uno  atque  in 
altero  antiquissimae  fidei  libro  Tironianö).  Von  dieser  Tätigkeit  hat  sich 
eine  Erinnerung  in  der  Subscriptio  des  Stafcilius  (§  374,  2)  erhalten:  Sta- 
tilius  Maximus  versus  emendavi  ad  Tyronem  et  Laecanianum  et  Dom(i- 
tium)  et  alios  veteres.  Nach  Fronto  bei  Hauler,  Mel.  Chatelain  622  waren 
Exemplare  des  Cicero  a  Tirone  emendata  besonders  wertvoll.  Quint.  10,  7, 
31  (§  180,  3).  Über  seine  Tätigkeit  als  Herausgeber  ciceronischer  Brief- 
sammlungen s.  §  187,  3  u.  4.  Endlich  galt  er  für  den  Urheber  der  Samm- 
lung von  ioci  Ciceronis.  Quint.  6,  3,  5  utinam  libertus  eius  Tiro,  aut  alius 
quisquis  fuit,  qui  tris  hac  de  re  libros  edidit,  parcius  dictorum  numero  in- 
dulsissent  etc.  Macrob.  S.  2,  1,  12  liberti  eins  libros,  quos  is  de  iocis  patroni 
composuit.  Schol.  Bob.  in  Sest.  p.  140,  16  hoc  etiam  dictum  . .  Tullius  Tiro 
.  .  inter  iocos  Ciceronis  adnumerat.    Vgl.  §  186,  6. 

3.  Gell.  6,  3,  10  (Tiro)  epistulam  conscripsit  ad  Q.  Axium,  familiärem 
patroni  sui,  confidenter  nimis  et  calide,  in  qua  sibimet  visus  est  orationem 
(des  alten  Cato)  pro  JRliodiensibus  acri  subtilique  iudicio  percensuisse  (wahr- 
scheinlich in  maiorem  gloriam  patroni).  10,  1,  7  quod  .  .  Tiro  Tullius  .  .  in 
epistula  quadam  enarratius  scripsit  ad  hunc  fere  modum.  13,  9,  2  (Tullius 
Tiro)  libros  complures  de  usu  atque  ratione  linguae  Latinae,  item  de  variis 
atque  promiseuis  quaestionibus  composuit.  in  Ms  esse  praeeipue  videntur  quos 
graeco  titulo  %av§ixta.<$  inscripsit.  ibi  de  his  stellis  . .  hoc  scriptum  est  (folgt 
ein  längeres  Zitat).  Dieses  Werk  benützte  wohl  auch  Plin.  NH.,  der  zu 
B.  2  (Weltall,  Gestirne  usw.)  im  QVerz.  anführt  Tullius  Tiro.  Charis.  GL, 
1,  207  ^novissime'  Tiro  in  pandecte  non  rede  ait  dici  etc.  GRF.  1,  390.  — 
Cic.  ep.  16,  18,  3  (J.  45):  tu  (Tiro)  nullosne  tecum  libellos?  an  pangis  aliquid 
Sophocleum?  fac  opus  appareat. 

4.  Suetonius  (p.  135  Rff.)  und  aus  ihm  Isidor  orig.  1,  21  und  eine  Cas- 
seler  Hdschr.  der  Notae  Tironis  et  Senecae  (§  289,  8.  WSchmitz,  symb.  philol. 
Bonn.  532) :  vulgares  notas  Ennius  primus  mitte  et  centum  invenit  . .  .  (siehe 
§  104,  5)  Romae  primus  Tullius  Tiro,  Ciceronis  libertus,  commentatus  (wohl 
commentus,  s.  oben  A.  1)  est  notas,  sed  tantum  praepositionum.  post  eum 
Vipsanius  Philargyrus  (Freigelassener  des  Agrippa  —  §  220, 10  — ?  s.  OLeh- 
mann  aO.  12)  et  Aquila,  libertus  Maecenatis  (auch  bei  Dio  55,  7;  s.  §  220,8) 
alius  alias  addiderunt.  denique  Seneca  contracto  omnium  digestoque  et  aueto 
numero  opus  effecit  in  quinque  milia. 


438  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

5.  Unter  der  Aufschrift  Notae  Tironis  (Tyronis)  et  Senecae  (A.  4)  ist 
eine  reichhaltige  Sammlung  von  Abkürzungen  für  die  Schnellschrift,  aus 
verschiedener  Zeit  und  in  sechs  commentarii  zerfallend,  auf  uns  gekommen, 
veröffentlicht  zuerst  von  Gruter  in  s.  Thesaurus  inscriptionum,  Heidelb. 
1603.  Handschriften:  cod.  Cassellanus  (aus  Fulda  stammend)  s.  VIII  (Faksim. 
von  Ruess,  Lpz.  1914),  Paris.  190  s.  IX  u.  a.  Vgl.  Kopp,  Palaeogr.  crit. 
(Mannh.  1817)  §  331  und  Zeibig  aO.  57;  dazu  ThSickel,  Urk.  d.  Karolinger 
1,  326;  das  Göttweiher  lexic.  Tironianum,  Wiener  SBer.  38  (1861),  3.  Über 
die  Tiron.  Notae  s.  besond.  die  Untersuchungen  von  WSchmitz,  Beiträge 
zur  lat.  Sprach-  und  Lit.-Kunde  (Lpz.  1877)  179—306  usw.,  bes.  Commen- 
tarii notarum  Tiron.,  Lpz.  1893;  ferner  Zeibig,  Gesch.  und  Lit.  der  Geschwind- 
schreibkunst, Dresd.2  1874.  OLehmann,  de  notis  Tir.  et  Senecae,  Lps.  1869. 
Mitzschke,  Quaest.  Tiron.,  Rostock  1875.  F  Ruess,  die  Tachygraphie  der 
Römer,  Münch.  1879.  Chatelain,  Introd.  ä  la  lecture  des  not.  Tir.,  Paris 
1900.  Johnen,  Gesch.  d.  Stenographie,  Berl.  1911.  Mentz,  Arch.  f.  Urkunden- 
forsch. 4,  1.  5,  1.  —  Eine  Darstellung  der  alten  Notenschrift  (des  Tullius) 
aus  s.  XII  (von  John  of  Tilbury)  bei  VRose,  Herrn.  8,  303.  Genauer  kann 
auf  diese  die  Geschichte  der  Schrift  angehenden  Fragen  hier  nicht  einge- 
gangen werden. 

6.  Epigramm  eines  anderen  Freigelassenen  Ciceros,  des  Tullius  Laurea, 
zu  Ehren  seines  früheren  Herrn  gewendet,  bei  Plin.  31,  7.  Drei  griechische 
Epigramme  von  ihm  AP.  7,  17.  7,  294.  12,  24. 

192.  Der  gebundenen  Form  bedienten  sich  in  dieser  Zeit  außer 
Varro,  Hortensius,  den  beiden  Cicero  u.  a.  auch  der  Satiriker  L. 
Abuccius  und  der  Didaktiker  Egnatius  (de  rerum  natura),  sowie 
vielleicht  Yolumnius  und  Ninnius  Crassus.  Ein  Nachzügler  des  grie- 
chisch-römischen Lustspiels  scheint  Quintipor  Clodius  gewesen  zu 
sein.  Größeres  Ansehen  gewann  der  römische  Ritter  D.  Laberius 
(um  J.  106 — 43),  der  es  mit  glänzendem  Erfolg  unternahm,  die 
Volksposse,  den  Mimus,  literaturfähig  zu  machen,  was  nicht  ohne 
starke  Annäherung  an  die  Palliata  abging  (§  8).  Nach  der  Über- 
lieferung war  mit  Laberius  fast  gleichalt  M.  Furius  Bibaculus 
aus  Cremona:  in  Wirklichkeit  aber  war  er  wohl  jünger  und  gehört 
erst  in  die  Generation  der  Neoteriker.  Er  war  Verfasser  von  Scherz- 
und  Spottgedichten  in  der  Weise  des  Catull,  ferner  eines  schwül- 
stigen Epos  über  Caesars  gallischen  Krieg  und  einer  Aethiopis, 
endlich  auch  von  prosaischen  Lucubrationes  mit  buntem  Inhalt. 

1.  Varro  RR.  3,  2,  17  L.  Abuccius  (so  die  gute  Überlieferung  an  bei- 
den Stellen,  s.  Keil  zdSt.;  vgl.  Hertz,  JJ.  107,  338;  der  Name  zB.  CIL.  6, 
8117  ff.),  homo,  ut  scitis,  adprime  doctus,  cuius  Luciliano  charactere  sunt  li- 
belli,  dicebat  etc.  Vgl.  ebd.  3,  6,  6  Hortensius,  . .  quem  secuti  multi,  ut 
quidem  Abuccius  aiebat.  Nach  Varros  Ausdrucksweise  war  Abuccius  im 
J.  54  (s.  §  168,  1  Z.  4)  schon  gestorben.  —  Macrob.  sat.  6,  5,  2  Egnatius 
de  rerum  natura  libro  primo  (nach  Accius  in  Philoctete  und  vor  Lucretius 


§  192.  D.  Laberius  und  andere  Dichter  439 

in  secundö)',  ebenso  ebd.  12  (nach  Livius,  Ennius,  Accius,  vor  Cornificius). 
In  den  dort  angeführten  Hexametern  wird  auslautendes  s  einmal  abgeworfen 
(Berge,  op.  1,  430).  EBährens,  Anal.  Catull.  45;  comment.  Catull.  219  u.  a. 
vereinigen  diesen  E.  mit  dem  bei  Catull.  38,  19.  39,  1  genannten  ohne  aus- 
reichende Begründung.  Skutsch,  PW.  5, 1993.  —  Cic.  ad  Q.  fr.  2,  9,  3  (J.  54) 
virum  te  putabo,  si  Sallustii  Empedoclea  legeris,  hominem  non  putabo  (über 
die  Stelle  s.  §  203,  2).  Auf  den  Geschichtschreiber  Sallustius  bezieht  dies 
ASchöne,  JJ.  93,  751;  auf  den  in  Ciceros  Briefen  erwähnten  Cn.  Sallustius 
(vgl.  §  184,  1,  2)  Teuffel,  PRE.  6,  703,  3.  —  GL.  5,  574  cyma:  alii  cymam, 
ut  Volumnius  (stridentis  dabitur  patella  cymae\  Diesen  Hendekasyllabus 
schreibt  Bücheler,  JJ.  111,  126  dem  bei  Cicero  erwähnten  P.  Volumnius 
Eutrapelus  (PRE.  6,  2743)  zu.  —  Ninnius  Crassus:  §  150,  3. 

2.  Non.  448  Varro  in  Bimarco:  cum  Quintipor  Clodius  tot  comoedias 
sine  ulla  fecerit  Musa,  ego  unum  libellum  non  edolem?  Die  Bezeichnung  als 
conwediae  macht  wahrscheinlich,  daß  es  Palliaten  waren.  Vgl.  §  15,  1.  Er- 
wähnt wird  er  auch  bei  Non.  117  Varro  epistula  ad  Fufium  (§  166,  6  d, 
Z.  13)  *Quintiporis  Clodi  f  ant  foriae  {Antipho  eris  Bücheler  u.  LMüller) 
ac  poemata  eius  gargaridians  dices:  ffO  Fortuna,  o  Fors  Fortuna"  (=  Ter. 
Phorm.  841,  wo  Geta,  Sklave  des  Antipho,  den  Vers  spricht). 

3.  Von  den  Mimen  des  Laberius  kennen  wir  44  Titel:  sie  und  die 
Überreste  zeigen,  wie  der  mimus  alle  früheren  Gattungen  der  Komödie  in 
sich  aufgenommen  hat.  Neben  den  palliatenähnlichen  Titeln  (vgl.  §  8,  4) 
finden  sich  auch  von  Ständen  und  Beschäftigungen  entnommene,  wie  Augur, 
Catularius,  Centonarius,  Colorator,  Fullo,  Piscator,  Restio,  Salinator,  Stami- 
nariae  (fWeberinnen'  Heraeus,  Petron  u.  d.  Glossen  8) ;  Intrigen-  und  Cha- 
rakterstücke wie  Aries,  Cancer,  Carcer,  Imago,  Nuptiae,  Paupertas,  Taurus; 
Aulularia,  Caeculi,  Galli,  Gemelli,  Late  loquentes  (Cic.  de  or.  3,  46),  Soro- 
res,  Stricturae,  Virgo;  Cretensis,  Tusca;  Anna  Perenna,  Lacus  Avernus; 
Compitalia,  Natal,  Parilia,  Saturnalia.  Daß  er  auf  der  Höhe  der  Zeitbildung 
stand,  erhellt  aus  Anspielungen  auf  Fythagorea  dogma,  Cyniea  haeresis,  De- 
mocritus,  Necyomantia  (aus  J.  44;  vgl.  fr.  63  den  Witz  über  Pläne  und  Ein- 
richtungen Caesars);  aber  auch  die  Sittenlosigkeit  der  Zeit  ist  reichlich 
vertreten.  Gegen  die  Annahme  von  Göttertravestien  wendet  sich  Crusius, 
JJ.  1910  XXV  95.  Kühne  Wortbildungen  des  Laberius  zB.  Gell.  16,  7,  1 
Laberius  in  mimis  quos  scriptitavit  oppido  quam  verba  finxit  praelicenter ; 
vgl.  V.  154.  Manches  mußte  dem  Charakter  der  Gattung  zu  Liebe  aus  der 
Sprache  des  Pöbels  aufgenommen  werden  (Gell.  19,  13,  3  quae  a  Laberio 
ignobilia  nimis  et  sordentia  in  usum  linguae  Latinae  intromissa  sunt).  La- 
berius gibt  v.  55  die  Erklärung:  versorum,  non  numerum  (numerorum  Büche- 
ler, nummorum  Dziatzko)  numerc  studuimus.  Seine  Senare  sind  gebaut  wie 
die  der  früheren  szenischen  Dichter  (mit  Jambenkürzung)  und  leicht  fließend; 
außer  Jamben  auch  Trochäen,  vereinzelt  Kretiker  (V.  2);  sehr  unsicher  der 
Paroemiacus  v.  84.    Die  Reste  in  Ribbecks  com.3  339. 

Am  Abend  seines  Lebens  wurde  Laberius,  wenn  der  tendenziös  ge- 
färbten Überlieferung  zu  trauen  ist,  zur  Strafe  für  seine  republikanische  Frei- 
mütigkeit (vgl.  zB.  Macrob.  2,  7,  4.  5)  und  überhaupt  wegen  seiner  scharfen 
Zunge  (Sen.  contr.  7,  3,  9.  Macr.  2,  3,  10.  2,  6,  6)  von  Caesar  schwer  gede- 
mütigt.   Dieser,   dessen  Motive  uns  unklar  sind,  nötigte  den  Dichter,   der 


440  Ciceronische  Zeit:  J.  83—43  v.  Chr. 

bis  dahin  für  die  von  Magistraten  gegebenen  Spiele  (vgl.  Mach.  2,  6,  6)  zwar 
Mimen  verfaßt,  aber  —  was  ihm  schon  seine  Stellung  als  eq.  Rom.  verbot 
—  darin  natürlich  nicht  mitgespielt  hatte,  selbst  aufzutreten  und  zwar  an- 
geblich in  einem  Wettstreit  im  mimischen  Stegreif-Spiel,  wozu  Publilius 
Syrus  seine  Nebenbuhler  herausgefordert  hatte  (§  212,  3).  Sueton.  Iul.  39 
luclis  (des  J.  46)  D.  Laberius  eques  Born,  mimum  suum  egit.  Daß  dies  bei 
der  ersten  Feier  dieser  Spiele  im  J.  46  geschah,  geht  aus  Cic.  ep.  12,  18 
hervor:  equidem  sie  iam  öbdurui,  ut  ludis  Caesaris  nostri  animo  aequissimo 
viderem  T.  Plancum,  audirem  Laberii  et  Publilii  poemata.  OESchmidt,  Cice- 
ros  Briefw.  252.  Vgl.  die  Hauptstelle  über  Laberius  bei  Macrob.  sat.  2,  7: 
dort  §  2  Laberium,  asperae  libertatis  equitem  Moni.,  Caesar  . .  invitavit,  ut 
prodiret  in  scaenam  et  ipse  ageret  mimos,  quos  scriptitabat.  Der  ergreifende 
Prolog  zu  diesem  unfreiwilligen  Auftreten  des  J.  45  ist  erhalten  Macrob.  2, 
7,  3  (aus  Gell.  8,  15).  Laberius  unterlag:  statimque  (Caesar)  Publilio  pal- 
mam  et  Laberio  anulum  aureum  (um  den  durch  sein  Auftreten  seiner  Ritter- 
würde gleichsam  ledig  gewordenen  wieder  einzusetzen)  cum  quingentis  sester- 
tiis  dedit.  Vgl.  Gell.  17,  14,2  C.  Caesarem  ita  Laberii  maledicentia  et  adro- 
gantia  (nach  Caesars  Meinung)  offendebat,  ut  aeeeptiores  sibi  esse  Publilii 
quam  Laberii  mimos  praedicaret.  Laberius  erkannte  selbst,  daß  seine  Zeit 
vorüber  sei:  non  possunt  primi  esse  omnes  omni  in  tempore:  summum  ad 
gradum  cum  claritatis  veneris,  consistes  aegre  . . . :  cecidi  ego,  cadet  qui  sequi- 
tur  v.  127.  In  jenem  Prolog  des  J.  46  nennt  sich  Laberius  60  Jahre  alt 
(ego  bis  tricenis  annis  actis  sine  nota  Eques  Romanus  e  Lare  egressus  meo 
Domum  revertar  mimus),  war  somit  um  106  geboren.  Cic.  ep.  7,  11,  2  er- 
wähnt ihn  im  J.  53  neben  Valerius  (§  207,  5).  Hieron.  zu  Eus.  Chron.  ad 
a.  Abr.  1974  =  43  Laberius  mimorum  scriptor  deeimo  mense  post  C.  Caesa- 
ris interitum  Puteolis  moritur  (also  Jan.  43).  Seine  Popularität  beweist  das 
Vorkommen  von  zwei  Versen  auf  einem  römischen  Grabstein:  Not.  sc.  1912, 
87.  Leo,  Herrn.  48,  147.  Über  Lab.  Grysar,  der  röm.  Mimus  (1854)  290. 
Mommsen,  RG.  36,  590.    EHoffmann,  RhM.  39,  471. 

4.  Hieron.  in  Euseb.  Chron.  ad  a.  Abr.  1914  =  103  (im  cod.  Amand. 
und  Freher.  zu  1915  =  102)  M.Furius  poeta  cognomento  Bib acutus;  ältere 
Furii  mit  diesem  Cognomen  bei  Liv.  22,  49,  16.  Val.  Max.  1,  1,  9)  Cremonae 
nascitur.  S.  aber  A.  6.  Quint.  10,  1,  96  iambus  .  .  cuius  acerbitas  in  Catullo, 
Bibaculo,  Horatio  .  .  reperietur.  Diomed.  GL.  1,  485  (s.  §  33, 1).  Tac  A.  4,  34 
carmina  Bibaculi  et  Catulli  referta  contumeliis  Caesarum  leguntur;  sed  ipse 
divus  Iulius,  ipse  divus  Augustus  (gegen  ihn  schrieb  also  Bibaculus)  et  tu- 
lere  ista  et  reliquere.'  Die  Überreste  des  Bib.  (Hendekasyllaben,  Iamben, 
Hexameter)  in  LMüllers  Catullus  (1870)  p.  89.  FPR.  317.  Der  Hexameter 
bei  Schol.  luv.  8,  16  (Bibaculus:  'Osce  senex  Catinaeque  puer,  Cumana  me- 
retrix')  wird  aus  einem  Epigramm  sein.  Erwähnung  von  Valerius  Cato 
(§  200,  1),  die  ebenso  wie  die  Anwendung  des  Hendekasyllabus  auf  Zuge- 
hörigkeit zu  den  Neoterikern  hinweisen,  und  Orbilius  (unten  A.  5  und  6; 
§  200,  3).  —  Pltn.  NH.  praef.  24  über  die  Wahl  von  Büchertiteln:  nostri 
. .  facetissimi  Lucubrationum  (inscripserunt),  puto  quia  Bibaculus  erat  et 
vocabatur:  danach  war  der  Titel  scherzhaft  gewählt.  Daraus  wohl  Macrob. 
sat.  2,  1,  13  is  iocus  (des  Cicero  aus  J.  59)  .  .  mihi  ex  libro  Furii  Bibaculi 
notus  est  (§  179,  27,  1).    Mit  Beziehung  auf  dieses  Werk  wohl  Messala  Cor- 


§  192.  Furius  Bibaculus  441 

vinus  in  quadam  epistola  . .  non  esse  sibi  dicit  rem  cum  Furio  Bibaculo,  ne 
cum  Ticida  quidem  aut  litteratore  Catone  (Suet.  gramm.  4).  Bährens,  Komm, 
zu  Cat.  p.  13. 

5.  Zu  Hör.  s.  2,  5,  40  (vom  J.  30)  seu  pingui  tentus  omaso  (vgl.  Gl.  Phi- 
lox.  omasum  . .  ty  teöv  rdXXav  yXcMty)  Furius  hibemas  cana  nive  conspuet 
Alpes  bemerkt  Porph.  :  hie  versus  Furi  Bibaculi  est.  ille  enim,  cum  vellet 
Alpes  nivibus  plenas  describere,  ait  rIuppiter  hibemas  cana  nive  conspuit 
Alpes''  (diesen  Vers  führt  Quint.  S,  6,  17  als  Beispiel  einer  dura  translatio 
an).  Genauer  Acro  zdSt. :  Furius  Bibaculus  in  pragmatia  belli  Gallici  *Iup- 
piter  usw.'  Aus  diesem  Epos  stammen  wahrscheinlich  auch  die  bei  Macrob. 
in  B.  6  (FPR.  318)  als  Vorbilder  Vergils  angeführten  (11)  Hexameter:  dar- 
unter 6  kriegerischen  Inhalts.  Macrobius  zitiert  sie  aus  Furius  in  I  (und 
IV)  annali;  und  Furius  in  sexto,  deeimo,  undeeimo.  Ferner  Schol.  Veron. 
Aen.  9,  379  <(Lücke)>  in  annalibus  belli  Gallici  (folgt  ein  Hexameter).  Schwer- 
lich gehören  diese  gewandten  Verse  dem  altertümlichen  Furius  von  Antium 
(§  150,  1).  Bährens,  Komment.  Catull.  21.  —  Nicht  ohne  "Wahrscheinlich- 
keit hat  man  auch  auf  Furius  Bibaculus  bezogen  Hör.  s.  1,  10,  36  turgidus 
Alpinus  iugulat  dum  Memnona,  dumque  diffingit  Rheni  luteum  caput;  dazu 
Acro  :  Bibaculum  quendam  poetam  Gallum  tangit,  der  demnach  neben  dem 
durch  Rheni  luteum  caput  bezeichneten  bellum  Gallicum  auch  eine  Aethio- 
pis  verfaßt  (oder  wenigstens  in  das  bell.  Gall.  einen  pomphaften  Vergleich 
über  den  Tod  des  Memnon  eingeflochten)  haben  müßte;  bei  Porphyrio  zdSt. 
las  man:  [Cornelius  Alpinus  Memnona]  hexametris  versibus  nimirum  descri- 
bit:  aber  die  eingeklammerten  Worte  fehlen  in  der  besten  Überlieferung. 
Bei  der  Zuweisung  des  bellum  gallicum  an  Bibaculus  macht  es  freilich 
Schwierigkeit,  daß  er  in  seinen  Iamben  den  Caesar  angegriffen  hat  (A.  4: 
oder  hat  Bibaculus  nur  den  Augustus,  nicht  auch  den  Caesar  angegriffen?), 
in  jenem  Epos  ihn  verherrlicht  haben  soll,  daß  er  dort  knapp  und  scharf, 
hier  schwülstig  und  geschmacklos  erscheint:  doch  wird  diese  Schwierigkeit 
für  überwindlich  halten,  wer  die  in  aufgeregten  Zeiten  häufigen  Wandlun- 
gen politischer  Zu-  oder  Abneigung  erwägt  und  die  verschiedenen  Anforde- 
rungen der  Stilgattungen  (wie  zB.  das  Epigramm  Knappheit,  das  Epos 
Fülle  und  hohen  Stil  verlangt)  nicht  außer  Acht  läßt.  Auch  der  Einwand, 
daß  er  als  Neoteriker  keine  Epen  habe  schreiben  dürfen,  verfängt  nicht. 

6.  Bibaculus  lebte  bis  etwa  J.  24,  da  er  des  Orbilius  (geb.  J.  114,  §  200,  3) 
greisenhafte  Gedächtnisschwäche  erwähnt,  die  freilich  auch  schon  zehn 
Jahre  eher  eingetreten  sein  kann  (vixit  prope  ad  centesimum  aetatis  annum 
amissa  iam  pridem  memoria,  ut  versus  Bibaculi  docet:  f  Orbilius  ubinam  est, 
litterarum  oblivioV  Suet.  gr.  9).  Auch  des  Valerius  Cato  (§  200,  1)  summa 
senectus  erlebte  er  (Suet.  aO.).  Nach  Hieronymus  (A.  4)  ist  Bibaculus  J.  103 
geboren,  er  wäre  also  selbst  ein  Achtziger  gewesen,  als  er  über  die  Schwäche 
des  alten  Orbilius  sich  ausließ:  was  schwer  glaublich  ist.  Auch  die  Verse 
über  Cato  (§  200,  1)  zeigen,  daß  ein  beträchtlich  Jüngerer  spricht.  Außer- 
dem sind  seine  Epigramme  in  Ton,  Verskunst  und  republikanischer  Haltung 
denen  des  Catull  und  seiner  Genossen  eng  verwandt,  und  auch  seine  Be- 
ziehungen zu  Cato  (mei  ...  Catonis,  Suet.  aO.)  weisen  ihn  in  diesen  Kreis. 
Deshalb  ist  die  Vermutung  Nipperdeys  op.  500  ansprechend,  daß  jene  An- 
gabe des  Geburtsjahrs  bei  Hieronymus  irrig  und  Bibaculus  um  etwa  20  Jahre 


442  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

jünger  gewesen  sei.  —  AWeichert,  de  M.  Furio  Bibaculo,  in  s.  Hell.  poet. 
Rom.  331.  Nipperdey,  op.  498.  AWissowa,  die  den  Dichter  Furius  betr. 
Stelle  in  Hör.  s.  2,  5,  Bresl.  1867.  Camozzi,  Riv.  filol.  16,  161.  Skutsch, 
PW.  7,  320. 


ZWEITE  HÄLFTE  DER  CICERONISCHEN  ZEIT 
Die  Jahre  63—43. 

193.  In  diesen  Jahren,  als  die  politischen  Stürme  sich  im  Bürger- 
kriege austobten ,  trat  Caesar  in  den  Vordergrund.  Innerhalb  dieser 
Zeit  heben  sich  wiederum  zwei  Generationen  gegen  einander  ab. 
Zur  älteren  gehören,  außer  Caesar  selbst,  Cornelius  Nepos  und  Cae- 
sars Fortsetzer  Hirtius  und  Oppius;  von  Gelehrten  und  Lehrern 
Valerius  Cato  und  Orbilius;  der  Stoiker  Cato;  die  Redner  Calidius 
und  Memmius;  endlich  der  Dichter  Lucretius. 

194:.  C.  Iulius  C.  f.  C.  n.  Caesar  war  geboren  den  13.  Juli  100. 
Als  Verwandter  des  Marius  geriet  er  nach  Sullas  Sieg  in  Gefahr, 
diente  J.  80 ff.  in  Asien,  begann  seine  rednerische  und  staatsmän- 
nische Laufbahn  mit  Anklagen  gegen  Mitglieder  des  Adels  wegen 
Erpressungen,  bildete  sich  J.  75  in  Rhodos  weiter  aus,  wurde  Quae- 
stor  (J.  6T)  in  Hispania  ulterior,  Aedil  65,  pontifex  maximus  63, 
war  Praetor  62,  Propraetor  in  Hispania  ulterior  61  f.,  Consul  59, 
nachdem  er  J.  60  mit  Pompeius  und  Crassus  das  erste  Triumvirat 
geschlossen  und  sich  von  jeher  durch  aüe  Mittel  als  Mann  des 
Volkes  hinzustellen  gewußt  hatte.  In  den  Jahren  58 — 50  war 
Caesar  Proconsul  in  Gallien:  mit  gewaltiger  Energie  unterwarf  er 
dieses  Land  und  ordnete  dessen  innere  Verhältnisse,  zugleich  aber 
entwickelte  er  seine  großen  strategischen  Fähigkeiten,  verschaffte 
sich  reiche  Mittel  und  bildete  ein  kriegsgewohntes  und  treu  ergebe- 
nes Heer  heran.  Mit  diesem  erkämpfte  er  sich  J.  49 — 46  die  Allein- 
herrschaft (Cos.  II  48,  III  46),  die  er  J.  45 f.  innehatte  als  Consul 
sinecollega  (IV  J.  45,  V  44)  und  dictator  reip.  constituendae,  bis 
er  am  lö.TMärz  44  den  Streichen  seiner  Mörder  erlag. 

1.  Quellen  für  das  Leben  Caesars:  seine  commentarii ,  Suetons  divus 
Iulius,  Plutakchs  ßio?  Kcdcagog,  Appians  'Epcpvlia.  Über  die  Quellen  der 
beiden  letzten  s.  HPeter,  Quellen  Plutarchs  (1865)  119.  Thouret,  Leipz. 
Stud.  1,  324.  —  Drumann,  GR.2  3,  126.  696.  vLimburg-Brouwer,  Caesar  en 
zijne  tijdgenooten,  Groningen  1844 — 46  III.  Mommsen,  RG.  Bd.  3.  AFroude, 
Caesar,  a  sketch,  Lond.2  1886.  Sihler,  Caesar,  Lpz.  1912.  —  Köchly  und 
Rüsxow,  Einl.  zu  Caes.  üb.  d.  gall.  Krieg  (1857)  S.  9  (bis  J.  51).  (Napoleon 
III),  Histoire  de  Jules  Cesar,  Paris  1865.  66  (mit  Atlas)  II  (fortgesetzt  von 
Stoffel,   s.  §  196,  10).    Veith,   Gesch.  d.  Feldzüge  Caesars,   Wien  1906.  — 


§  193.  194.  C.  Caesar.    §  195.  Caesars  Schriften  443 

Über  die  Bildnisse  Caesars    Bernoulli,    röm.  Ikonogr.  1,  145    (der  übrigens 
2,  vi  die  ausdrucksvolle  Berliner  Basaltbüste  für  zweifellos  modern  erklärt). 

195.  Caesars  Begabung  ist  von  wunderbarer  Vielseitigkeit: 
ebenso  groß  als  Staatsmann  wie  als  Feldherr,  war  er  durch  Klar- 
heit des  Geistes  und  eiserne  Kraft  des  Willens  zum  Herrscher  über 
eine  ihrer  selbst  nicht  mehr  mächtige  Zeit  berufen,  erkannte  diesen 
Beruf  frühzeitig  und  verfolgte  ihn  mit  dem  ganzen  Aufwand  seiner 
geistigen  Mittel,  durch  List  wie  Kühnheit,  mit  ruhiger  Stetigkeit 
und  weitsichtiger  Berechnung.  Aber  die  Eigenschaften,  die  ihn  zum 
Herrscher  Roms  emporhoben,  waren  wenig  geeignet,  ihn  zum  glän- 
zenden Schriftsteller  zu  machen.  Obwohl  er  die  Sprache  in  Rede 
wie  Schrift  mit  vollkommener  Sicherheit  handhabte,  so  war  ihm 
doch  beides  oft  nur  ein  Mittel  für  bestimmte  politische  Zwecke 
und  nach  Gegenstand  wie  Art  durch  diese  Zwecke  bedingt.  Darum 
legte  er  selbst  nur  geringen  Wert  auf  seine  Beredsamkeit,  obwohl 
er  darin  in  seiner  Zeit  allein  dem  Cicero  nachstand  und  sich  durch 
vornehme  Haltung,  Feinheit  und  siegreiche  Gewalt  in  Sprache  und 
Vortrag  auszeichnete;  noch  geringer  schätzte  er  gewiß  die  Verse, 
die  er  in  seiner  Jugend  und  auch  noch  später  machte,  weil  es  zum 
guten  Ton  gehörte.  Den  nüchternen  Denker  bekundet  das  Schrift- 
stellern über  Sprachrichtigkeit,  den  heiteren,  gewinnenden  Lebe- 
mann das  Sammeln  von  Witzen;  der  Politik  dienten  die  Schriften 
gegen  den  zum  Märtyrer  der  Republik  erhobenen  Catofsowie  Cae-  w^hlAtö 
sars  bedeutendste  literarische  Leistung,  die  commentarii.  Die  Ab- 
fassung eines  astronomischen  Werkes  stand  wohl  mit  Caesars 
Kalenderverbesserung  in  Zusammenhang. 

1.  Caesar  als  Redner.  Cic.  Brut.  252  de  Caesare  .  .  ita  iudico,  .  .  illum 
omnium  fere  oratorum  Latine  loqui  elegantissime  (vgl.  unten  A.  4),  nee  id 
solum  domestica  consuetudine  .  .  sed  .  .  multis  litteris,  et  eis  quidem  reconditis 
et  exquisitis,  summoque  studio  et  diligentia  est  consecutus.  261  Caesar  ratio- 
nem  adhibens  consuetudinem  vitiosam  et  corruptam  pura  et  incorrupta  con- 
suetudine emendat  (A.  4)  .  .  .  hanc  cum  habeat  praeeipuam  laudem,  in  com- 
munibus  non  video  cui  debeat  cedere:  splendidam  quandam  minum«qwe r*itete- 
ratoriam  rationem  dicendi  tenet,  voce  motu  forma  etiam  magnifica  et  generosa 
quodammodo.  Fronto  ep.  p.  123  Caesari  facultatem  dicendi  video  imperato- 
riam  fuisse.  Quint.  10,  1,  114  C.  Caesar  si  foro  tantum  vacasset,  non  alius 
ex  nostris  contra  Ciceronem  nominaretur .  tanta  in  eo  vis  est,  id  acumen,  ea 
concitatio,  ut  illum  eodem  animo  dixisse  quo  bellavit  appareat;  exornat  tarnen 
liaec  omnia  mira  sermonis,  cuius  proprie  Studiosus  fuit,  elegantia.  Tac.  A.  13, 
3  dietator  Caesar  summis  oratoribus  aemulus.  Suet.  Iul.  55  post  aecusationem 
Dolabellae  (J.  77;  unrichtig  die  Zahl  bei  Tac.  dial.  34)  haud  dubie  prlncipi- 
bus  patronis  adnumeratus  est.  Vgl.  noch  Quint.  12,  10,  11  (§  44,  12).  Vellei. 
2,  36.    Tac  dial.  21  (A.  2).    Apulei.  apol.  95.    Plut.  Caes.  3.    Drumann  675. 


444  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

2.  Caesars  Reden.  Cic.  Brut.  262  orationes  eius  mihi  vehementer  proban- 
tur,  compluris  autem  legi.  Tac.  dial.  21  läßt  seinen  Lobredner  der  neuen 
(kaiserlichen)  Beredsamkeit  sagen:  concedamus  C.  Caesari,  ut  propter  magni- 
tudinem  cogitationum  et  occupationes  verum  minus  in  eloquentia  effecerit  quam 
divinum  eins  ingenium  postulabat,  .  .  nam  in  orationibus  minorem  esse  fama 
sua  etiam  admiratores  eins  fatentur.  nisi  forte  quisquam  Caesaris  pro  Decio 
Samnite  .  .  ceterosque  eiusdem  lentitudinis  ac  teporis  libros  legit.  Gell.  4,  16, 
8  C.  Caesar,  gravis  auctor  linguae  Latinae,  .  .  in  Dolabellam  actionis  I  lib.  I 
(die  Hss.  hier  verderbt  inlibusti).  5,  13,  6  in  oratione,  quam  pro  Bithynis 
(Nipperdey,  op.  327.  449)  dixit,  hoc  principio  usus  est  (vgl.  Iul.  Rufin.  8,  p.  40, 
24  Halm).  13,  3,  5  repperi  in  oratione  C.  Caesaris,  qua  Flautiam  rogationem 
suasit  (J.  70?).  Vgl.  Non.  354.  Schol.  Bob.  130,  11  Caesaris  orationes  contra 
hos  (Memmius  und  Domitius,  J.  58)  exstant,  (quibus)  et  sua  acta  defendit  et 
Mos  insectatur.  ebd.  146,  20  ibi  (im  Senat)  habitae  sunt  tres  illäe  orationes 
contra  Domitium  et  Memmium.  Suet.  Iul.  6  in  amitae  laudatione  (J.  68)  . .  sie 
refert.  55  orationes  aliquas  reliquit,  inter  quas  temere  quaedam  feruntur,  wie 
die  pro  Metello  (§  44,  8)  und  apud  milites  in  Hispania.  Man  hat  Caesar  zu 
den  Attizisten  gerechnet,  kaum  mit  Recht;  daß  er  als  Grammatiker  Ana- 
logist war  (A.  4),  hat  damit  nichts*  zu  tun.  Kroll,  Cic.  orat.  S.  11.  Norden, 
Kunstpr.  209.  Zusammenstellung  der  Überreste  von  C.s  Reden  und  der  Nach- 
richten über  sie  bei  Meyer,  orat.2  408,  in  Nippebdeys  Ausg.  (von  1847)  749 
u.  in  Küblers  Ausg.  3,  133. 

3.  Caesars  Gedichte.  Tac  dial.  21  nisi  qui  et  carmina  eorundem  (des 
Caesar  und  M.  Brutus)  miratur.  fecerunt  enim  et  carmina  et  in  bibliothecas 
rettulerunt,  non  melius  quam  Cicero,  sed  felicius,  quia  istos  fecisse  pauciores 
sciunt.  Suet.  Iul.  56  feruntur  et  a  puero  et  ab  adulescentulo  quaedam  scripta, 
ut  f Landes  Herculis\  tragoedia  tOedipus'>,  item  (Dicta  collectanea\  quosom- 
nes  libellos  vetuit  Augustus  publicari  ebd. :  reliquit  et  . .  poema  quod  inscri- 
bitur  rIter\  .  .  gedichtet  dum  ab  urbe  in  Hispaniam  ulteriorem  quarto  et  vi- 
censimo  die  pervenit  (J.  46).  Erhalten  sind  von  ihm  nur  sechs  Hexameter 
aus  einem  literarisch-kritischen  Gedicht  über  die  lateinische  Komödie,  die 
ein  geistreich  formuliertes  Kunsturteil  über  Terenz  (Suet.  v.  Ter.  p.  34,  7 
Rff.)  enthalten.  Plin.  ep.  5,  3,  5  (§  31,  1)  läßt  auf  Liebesgedichte  (Epigramme?) 
schließen.  Vgl.  noch  Plut.  Caes.  2  7ioir\\iaxa  yocctpcüv.  —  Das  früher  aus  Plin. 
NH.  19,  144  angenommene  Gedicht  Caesars  über  ein  Gemüse  (!)  erledigt  sich 
durch  die  richtige  Lesart  der  Stelle:  olus  quoque  silvestre  est,  triumpho  divi 
luli  carminibus  praeeipue  iocisque  militaribus  celebratum;  alternis  quippe 
versibus  exprobravere  lapsana  (Xaipccvrj)  se  vixisse  apud  Durrachium,  praemi- 
orum  parsimoniam  cavillantes.    est  autem  id  cyma  silvestris. 

4.  Sueton.  Iul.  56  reliquit  et  de  analogia  duos  libros,  .  .  (quos)  in  tran- 
situ  Alpium,  cum  ex  citeriore  Gallia  conventibus  peractis  ad  exercitum  rediret, 
.  .  feeit  (Winter  53 f.?,  54 f.  nach  Hendrickson).  Fronto  p.  221  .  .  C.  Caesa- 
rem  .  .  duos  de  analogia  libros  scrupulosissimos  scripsisse,  .  .  de  nominibus 
declinandis,  de  verborum  aspirationibus  et  rationibus.  Cic.  Brut.  253  qui  etiam 
in  maxumis  oecupationibus  ad  te  (Cic.)  .  .  de  ratione  Latine  loquendi  aecura- 
tissime  scripserit.  Gell.  19,  8,  3  C.  Caesar,  .  .  vir  ingenii  praecellentis,  sermonis 
praeter  alios  suae  aetatis  castissimi,  in  libris  quos  ad  M.  Ciceronem  de  ana- 
logia conscripsit.    Suid.  s.  v.  rdtog  IovX.  Kala,  führt  das  Werk»  auf  als  r£^v7j 


§  195.  Caesars  Schriften  445 

yga^iiarLyct].  Cicero  war  sehr  gut  behandelt  (vgl.  A.  7),  in  der  Einleitung 
sagte  er  ihm  (fr.  1F.):  ac  si,  ut  cogitata  praeclare  eloqui  possent,  nonnulli .  . 
elaboraverunt,  cuius  te  paene  principem  copiae  atque  inventorem  bene  de  no- 
mine ac  dignitate  populi  Born,  meritum  esse  existimare  debemus,  hunc 
facilem  et  cotidianum  novisse  sermonem  nunc  (so  die  Hs.  num  Lallemand) 
pro  relicto  est  habendum.  Cicero  quittiert  Brut.  252  (s.  A.  1).  Ferner  bekannte 
er  in  der  Einleitung  seine  puristischen  Grundsätze  (Gell.  1,  10,  4):  tamquam 
scopulum  sie  fugias  inauditum  atque  insolens  verbum.  In  der  eigentlichen 
Erörterung  polemisierte  er  bereits  gegen  Varro  (fr.  14);  daß  seine  Schrift 
als  Entgegnung  auf  Cic.  de  orat.  3,  37  ff.  gemeint  (and  daher  J.  54  abgefaßt) 
sei,  behauptet  Hendrickson,  Class.  Phil.  1,  97  kaum  mit  Recht.  Möglich  ist 
aber,  daß  Cic.  orat.  155  ff.  sich  gegen  Caesar  wendet.  Reitzenstein,  Yarro  62. 
Die  Überreste  in  Nipperdeys  Caes.  (1847)  p.  753,  in  Küblers  Ausg.  3,  140  bei 
Funaioli  GRF.  1,  145.  FSchlitte,  de  C.  Iulio  Caesare  grammatico,  Halle  1865 
(die  Fragmente  p.  13).  ChrHauser,  Caes.  bell.  gall.  et  bell.  civ.  cum  prae- 
ceptis  grammaticis  comparatio,  Villach  1883.  Vgl.  Köchly(-Rüstow),  Einl.  zu 
Caes.  b.  g.  S.  90. 

5.  Cic.  fam.  9,  16,  4  (J.  46)  audio  Caesarem,  cum  volumina  iam  confecerit 
ccTtocpftsyiLcctcov,  si  quod  affer atur  ad  eum  pro  meo  quod  meum  non  sit  reicere 
solere.    Bei  Suet.  Iul.  56  (oben  A.  3)  dieta  coUectanea. 

6.  Astronomisches.  Macr.  1,  16,  39  Julius  Caesar  siderum  motus,  de 
quibus  non  indoctos  libros  reliquit,  ab  Aegyptiis  diseiplinis  liausit.  Plin.  NH. 
im  QVerz.  zu  B.  18  unter  den  einheimischen:  ex  .  .  L.  Tarutio,  qui  Graece 
de  astris  scripsit,  Caesare  dietatore,  qui  item.  Wirklich  ist  er  im  B.  18  oft 
genannt,  so  wie  von  Ptolemäus  und  Lydus.  Auf  dasselbe  Werk  (oder  einen 
Teil  desselben?)  beziehen  sich  Schol.  Lucan.  Phars.  10,  185  quia  suus  (Cae- 
saris)  Über,  quem  composuit  de  computatione ,  non  inferior  libro  Eudoxi  sit; 
vgl.  ebd.  187  est  autem  Über  fastorum  divi  Iulii  Caesaris,  qui  ordinationem 
continet  anni  seeundum  auetoritatem  Chaldaeorum,  quem  in  senatu  recitavit. 
Ptolem.  appar.  275,  12  Kcdcao  {hr\Qri6B  tag  rwv  ccötqov  iTttarj^ocalccs)  iv 
'IrccXicc.  Nipperdeys  Ausg.  757.  Kübler  3,  150.  Wie  die  Worte  des  Plinius 
zweifelhaft  lassen,  ob  das  Werk  griechisch  oder  lateinisch  geschrieben  war, 
so  möchte  auch  das  Schweigen  Suetons  über  dieses  Werk  darauf  führen, 
daß  es  nicht  eigentlich  von  Caesar  verfaßt,  sondern  in  seinem  Auftrag  und 
nach  den  von  ihm  gegebenen  Gesichtspunkten  von  einem  anderen  (Sosigenes, 
Plin.  NH.  18,  211  f.?)  ausgearbeitet  und  (unter  seinem  Namen?)  heraus- 
gegeben war.  Vgl.  Mommsen,  röm.  Chron.2  78.  66.  295.  EHuschke,  röm. 
Jahr  116. 

7.  Suet.  Iul.  56  reliquit  et  de  analogia  duos  libros  et  Anticatones  toti- 
dem  .  .  (quos)  sub  tempus  Mundensis  proelii  (17.  März  45)  fecit.  luv.  6,  338 
duo  Caesaris  Anticatones.  Prisc.  6,  36  p.  227,  2  Caesar  in  Anticatone  priore. 
Mart.  Cap.  5,  468  Catonem  Tullius  laudans  et  duobus  voluminibus  Caesar 
aecusans.  Also  eine  zweimalige  Behandlung  des  Stoffes,  durch  die  verschie- 
denen Lobschriften  auf  Cato  veranlaßt,  nicht  eine  Rede  in  zwei  Büchern? 
vgl.  Schol.  luv.  aO.  Caesar  .  .  libros  duos  famosissimos,  vitam  Catonis,  edidit, 
quos  Anticatones  inscripsit.  Doch  wird  Klotz,  Caesarstud.  158  Recht  haben, 
der  bei  Suet.  Anticatonis  schreibt.  Die  Schrift  war  gegen  Ciceros  Lobschrift 
auf  Cato  (§  180,  5)  gerichtet,  unter  starken  Schmeicheleien  für  Cicero  (Plut. 


446  Ciceroirische  Zeit:  J.  63 — 43  v.  Chr. 

Caes.  3.  Cic.  39.  Pltn.  NH.  7,  117),  aber  mit  desto  größerer  Bitterkeit  gegen 
Cato:  er  stellte  den  vergötterten  Helden  der  republikanischen  Partei  darin 
als  eine  teils  verächtliche  teils  lächerliche  Figur  dar  und  ließ  an  ihm  nichts 
Gutes  (Plut.  Caes.  54.  Cato  min.  36.  52.  54.  Plin.  ep.  3,  12).  Cicero  äußerte 
sich  gegen  Caesar  selbst  über  diese  Schrift  anerkennend  (Att.  13,  50,  1.  13, 
51,  1),  anders  freilich  nach  Caesars  Tod  (top.  94  quibus  Omnibus  generibus 
usus  est  nimis  impudenter  Caesar  contra  Catonem  meum).  Sieglin,  Berl.Woch. 
1883,  1455.  Vgl.  Wartmann,  Leben  des  Cato  (1858)  161.  Dyroff,  RhM.  50, 
481.  Drumann  679.  Kübler  3,  145.  Busch  (§  201,  4)  17.  Roulez,  Rev.  de 
1'instr.  publ.  19,  2  (über  eine  angeblich  im  16.  Jahrh.  in  Lüttich  befindliche 
Hs.  der  Anticatones). 

8.  Caesar  stand  natürlich  in  einem  ausgebreiteten  Briefwechsel;  es 
gab  mehrere  nach  seinem  Tode  veranstaltete  und  veröffentlichte  Sammlungen 
seiner  Briefe,  die  teilweise  in  einer  Geheimschrift  gehalten  waren  (Schlüssel 
dazu  bei  Sueton.  Iul.  56;  vgl.  Gell.  17,  9,  3).  Suet.  aO.  epistulae  quoque  eius 
ad  senatum  exstant  et  ad  Ciceronem,  item  ad  familiäres  domesticis  de  rebus 
usw.  Gell.  17,  9,  1  libri  sunt  epistularum  G.  Caesaris  ad  C.  Oppium  et  Bal- 
bum  Cornelium,  gut  rebus  eius  absentis  curabant.  Zusammenstellung  der  An- 
führungen von  Briefen  des  Caesar  an  die  Genannten  u.  a.  in  Nipperdeys  Caes. 
(1847)  766,  bei  Kübler  3,  202.  Briefe  von  Caesar  an  Cic.  u.  a.  bei  Cic.  Att. 
9,  6  A.  7  C.  13  A.  16.  10,  8  B. 

9.  Über  Caesar  als  Stilisten  überhaupt  Hirtius,  b.  g.  8,  praef.  7  erat  in 
Caesare  facultas  atque  elegantia  summa  scribendi.  Er  ist  Analogist  und  Pu- 
rist (A.  1.  4)  und  achtet  mit  größter  Peinlichkeit  auf  Gleichmäßigkeit  und 
Deutlichkeit;  den  Grundsatz,  ungebräuchliche  Worte  zu  meiden  (A.  4),  hat 
er  wirklich  durchgeführt.  So  hat  er  Perfektformen  auf  -ere  neben  denen  auf 
-erunt,  Superlative  auf  -umus  neben  -imus  fast  nie  und  meidet  quia,  quam- 
quam,  quamvis,  antequam,  haud.  Mit  Vorliebe  wiederholt  er  beim  Relativum 
das  Beziehungswort,  z.  B.  b.  g.  1,  49,  1  ultra  eum  locum,  quo  in  loco  Ger- 
mani  consederant.  Literatur:  Caesarlexika  von  HMeusel,  Berl.  1884  fll.  (das 
beste);  RMenge  u.  SPreuss,  Lpz.  1885  fll.  (nur  zu  den  echten  Schriften;  dazu 
Preuss,  vollst.  Lexikon  zu  d.  pseudo-caesar.  Sehr.,  Eisenach  1884);  Merguet, 
Jena  1886.  —  FFröhlich,  Realistisches  und  Sprachliches  zu  Caes.  in  d. 
Festschr.  z.  Zürich.  Phil.- Vers.  1887.  Costantini,  Dello  stilo  di  Cesare,  Triest 
1889.  RMenge,  Üb.  d.  Relativum  in  d.  Spr.  Caesars,  Halle  1889.  RFrese, 
Beitr.  z.  Beurt.  d.  Sprache  Cäsars,  München  1900.  Lehreton,  Caesariana  synt. 
quatenus  a  Cic.  differat,  Paris  1901.  Dernoschek,  De  eleg.  Caes.  sive  de  comm. 
de  b.  g.  et  de  b.  c.  differentiis,  Lpz.  1903.  Klotz,  Caesarstud.  205.  NSchneider, 
De  verbi  in  ling.  lat.  colloc.  (bes.  bei  Caes.),  Münster  1912.    Vgl.  §  196,  11 E. 

196.  Erhalten  sind  von  Caesars  schriftstellerischen  Arbeiten  nur 
seine  commeutarii  (Tagebücher).  Sie  erzählen  die  Geschichte  der 
ersten  sieben  Jahre  des  gallischen  Kriegs  in  sieben  und  die  Ge- 
schichte des  Bürgerkriegs  bis  zum  alexandrinischen  in  drei  Büchern 
und  halten  die  Mitte  zwischen  einer  bloßen  Stoffsammlung  oder  den 
rasch  hingeworfenen  Bemerkungen  eines  Tagebuchs  und  einem  sorg- 
fältig ausgefeilten  geschichtlichen  Werke.    Aber   so   einfach   und 


§  196.  Caesars  commentarii  447 

schlicht  die  Form  ist,  so  anziehend  ist  sie  in  ihrer  Kürze,  Durch- 
sichtigkeit und  Sachlichkeit:  der  Inhalt  aber,  der  sich  als  der  un- 
mittelbare Niederschlag  der  Ereignisse  gibt,  ist  aufs  reichlichste 
erwogen  und  abgewogen.  Ohne  jemals  plump  die  Wahrheit  zu  ver- 
letzen, versteht  der  Verfasser,  der  von  sich  nur  in  der  dritten  Person 
spricht,  meisterhaft  die  Kunst,  die  Tatsachen  zu  seinen  Gunsten  zu 
ordnen  und  am  rechten  Orte  zu  schweigen;  ohne  je  in  Prahlerei  zu 
verfallen  oder  auch  nur  den  Schein  der  unparteiischen  Erzählung 
aufzugeben,  weiß  er  seine  Person  und  sein  Verdienst  aufs  treff- 
lichste ins  Licht  zu  setzen  und  sein  Handeln  als  berechtigt  hinzu- 
stellen. Die  Bücher  über  den  gallischen  Krieg  veröffentlichte  Caesar 
wahrscheinlich  erst  nach  dessen  Beendigung  J.  51;  die  über  den 
Bürgerkrieg  weiter  zu  führen  ist  er  wohl  durch  den  Tod  verhindert 
worden. 

1.  Suet.  Iul.  56  reliquü  et  verum  suarum  commentarios  Gallici  civilisque 
belli  Pompeiani.  Cic.  Brut.  262  etiam  commentarios  quosdarn  scripsit  verum 
suarum.  valde  quidem,  inquam,  probandos ;  nudi  enim  sunt,  recti  et  venustiy 
omni  ornatu  orationis  tamquam  veste  detracta.  sed  dum  voluit  alios  habere 
parata,  unde  sumerent  qui  vellent  scribere  historiam,  ineptis  gratum  fortasse 
fecit,  qui  volent  illa  calamistris  inurere:  sanos  quidem  homines  a  scribendo 
deterruit;  nihil  est  enim  in  historia  pura  et  illustri  brevitate  dulcius.  Hirtius 
b.  g.  8,  praef.  Caesaris  nostri  commentarios  rerum  gestarum  Galliae  .  .  con- 
texui  etc.  constat  inter  omnes  nihil  tarn  operose  ab  aliis  esse  perfectum,  quod 
non  horum  elegantia  commentariorum  superetur.  qui  sunt  editi,  ne  scientia 
tantarum  rerum  scriptoribus  desit,  adeoque  probantur  omnium  iudicio  ut  prae- 
repta,  non  praebita  facultas  scriptoribus  videatur.  .  .  ceteri  quam  bene  atque 
emendate,  nos  etiam  quam  facile  atque  celeriter  eos  perfecerit  scimus.  Fronto 
211  N.  fac  memineris  .  .  (?.  Caesar em  atrocissimo  bello  Gallico  cum  alia  multa 
militaria  tum  .  .  scripsisse  (§  195,  4).  Sueton.  Iul.  56  Pollio  Asinius  parum 
diligenter  parumqae  integra  veritate  compositos  putat,  cum  Caesar  pleraque 
et  quae  per  alios  erant  gesta  temere  crediderit  et  quae  per  se  vel  consulto  vel 
etiam  memoria  lapsus  perperam  ediderit,  existimatque  rescripturum  et  correc- 
turum  fuisse  (§  221,  6).  Letzteres  kann  nur  etwa  vom  bell.  civ.  gelten;  s. 
Köchly-Rüstow,  Einl.  z.  gall.  Krieg  93.  Nachweis  einer  Anzahl  Entstellungen 
des  Tatsächlichen  zB.  bei  Drumann,  GR.2  3,  678.  Cassius  Dio  stellt  die  Unter- 
werfung Galliens  ganz  nach  Caesar  dar,  hat  ihn  aber  vielleicht  nur  durch 
Vermittlung  des  Livius  benutzt;  HHaupt,  Phil.  41,  152.  Jelgersma,  de  fide 
et  auctorit.  Cassii  Dionis,  Leid.  1879.    ESchwartz,  PW.  3,  1706. 

Die  Hss.  führen  auf  den  Titel  belli  Gallici  libri,  nur  hinter  B.  8  findet 
sich  rerum  gestarum  belli  Gallici  liber,  zT.  mit  dem  Zusatz  ephimeris.  Aber 
Hirtius  sagt  commentarii  (8  pr.  2.  4,  3.  15,  5),  ebenso  Cic.  (A.  1).  Kelsey, 
Transact.  Amer.  Assoc.  36,  211.  Strabo  4,  p.  177  nennt  das  Werk  vtco^vt]- 
ILcctcc,  Plut.  Caes.  22  (sowie  Symmach.  ep.  4,  18  und  Arator  ep.  ad  Parthen. 
39)  icprtfieQideg  (vgl.  Appian.  Celt.  18  iv  tcctg  Idlccig  —  dafür  icpr^i8QOig  Wölff- 
lin,  phil.  Anz.  5,  181  —  ävccyqacpaig  ra>v  IdL&v  %Qy<av),  Suid.  (s.  v.  Tdiog  Iov- 


448  Ciceronische  Zeit:  J.  63—48  v.  Chr. 

liog  Kcclöag)  nsgl  tov  löiov  ßiov.  In  der  Tat  bedeutet  commentarii  das- 
selbe wie  vno\ivy\\iuxa,  nicht  Erinnerungen,  sondern  zwanglose  Aufzeich- 
nungen für  den  eigenen  Gebrauch;  wo  diese  wie  hier  literaturfähig  werden, 
verzichten  sie  doch  auf  die  in  Geschichtswerken  übliche  rhetorische  Stili- 
sierung. Daraus  erklärt  sich  der  stilistische  Charakter  dieser  Bücher,  die 
außer  dem  Laune  und  plane  dicere  keinen  weiteren  literarischen  Ehr- 
geiz zu  kennen  scheinen.  Vgl.  Fkese  (§  195,  9).  AKlotz,  Cäsarstudien,  Lpz. 
1910,  1.  Namentlich  erklärt  sich  so  das  Fehlen  von  direkten  Reden;  eine 
Ausnahme  macht  1,  20.    ThFabia,  De  orat.  in  comm.  de  b.  g.,  Paris  1889. 

Durch  wunderlichen  Irrtum  wurden  die  commentarii  schon  frühe  dem 
Suetonius  beigelegt;  zB.  von  Orosius  6,  7  hanc  historiam  Suetonius  Tran- 
quillus  plenissime  explicuit,  cuius  nos  competentes  portiuneulas  decerpsimus 
(folgt  Auszug  aus  Caesar),  und  Apoll.  Sid.  ep.  9,  14  (§  349,  1)  versteht  unter 
den  opera  Suetonii  gewiß  auch  die  commentarii:  an  der  nämlichen  Stelle 
bezeichnet  er  bell.  gall.  B.  8  wegen  der  an  Baibus  gerichteten  Vorrede  des 
Hirtius  vor  B.  8  als  Balbi  ephemerisl  Auch  in  vielen  und  alten  Hss.  der 
commentarii  erscheinen  sie  unter  dem  Namen  Suetons.  Vgl.  Roths  Suet. 
p.  ci.  Der  Irrtum  entstand  wohl,  weil  man  den  Titel  nicht  von  den  durch 
Caesar  beschriebenen,  sondern  geführten  Kriegen  verstand  und  Sueton  als 
dem  Biographen  Caesars  auch  die  Beschreibung  seiner  Taten  beilegte. 

2.  Die  Handschriften  der  commentarii  zerfallen  in  zwei  Klassen, 
deren  Lesarten  zT.  in  sehr  alte  Zeit  zurückgehen;  die  eine  (a)  enthält  nur 
die  acht  Bücher  de  bello  gallico,  die  andere  (ß)  gibt  alle  Bücher  mit  den 
Fortsetzungen.  Zur  ersteren  (den  fintegri'  oder  flacunosi')  gehören  bes. 
Paris.  5763  (Floriacensis)  s.  IX/X  (Chatelain  T.  46)  und  sein  Doppelgänger 
Vatic.  3864  s.  XI,  Bongars.  I  in  Amsterdam  s.  IX/X,  Paris.  5056  (Moysiacen- 
sis)  s.  XII  (Chatel.  T.  47)  u.  a.;  zur  zweiten  (den  sog.  cinterpolati')  der  Paris. 
5764  (Thuaneus)  s.  XI  (Chatel.  T.  48),  Vatic.  3324  (Ursinianus)  s.  XII.  Die 
Scheidung  in  die  beiden  Klassen  erfolgte  frühe:  schon  Orosius  hat  zu  seinem 
Auszug  des  b.  g.  (A.  1)  Hss.  der  zweiten  Klasse  benutzt.  RSchneider,  ZfGW. 
39,  Jahresber.  154.  Auch  die  wertlosen  Scholia  in  Caes.  et  Sali.  (ed.  Hedicke, 
Quedlinb.  1879)  aus  einem  cod.  Paris,  s.  IX  folgen  meist« der  Klasse  ß.  Über 
cod.  Ashburnham.  7  (jetzt  in  Florenz)  s.  X  s.  Stangl,  Phil.  45,  213.  Karo, 
RhM.  48,  311.  WMüller  (§  197,  7):  er  gehört  zur  ersten  Klasse  und  ist  doch 
vollständig,  außerdem  zählt  er  die  bella  durch  von  B.  1 — 13,  indem  er  dem 
b.  c.  nur  2  statt  3  Bücher  gibt.  Über  die  Hss.  beider  Klassen  s.  Nipperdeys 
Ausg.  1847,  p.  37.  Frigell  und  Holder  vor  ihren  Ausgg.  BDinter,  quaest. 
Caesar.,  Grimma  1876  (cap.  I  de  codd.  Caes.).  HWalther,  de  Caes.  codd. 
interpolatis ,  Grünb.  1885.  RSchneider  und  HMeusel,  ZfGW.  39,  Jahresber. 
151.  173.  ebd.  40,  Jahresber.  262.  Sydow,  Festschr.  Vahlen  251.  AKlotz, 
RhM.  64,  224.  —  In  hs.  Subskriptionen  (zB.  im  Floriac,  Ashburnham.)  finden 
sich  Vermerke  über  Besorgung  kritischer  Ausgaben  des  bell.  gall.  (vgl. 
§  41,  2):  Iulius  Celsus  Constantinus  v.  c.  legi  und  Flavius  Licerius  Firminus 
Lupicinus  legi  (letzteren  hält  richtig  Sikmond,  notae  ad  Ennod.  p.  78  für 
den  Sohn  der  Euprepia,  der  Schwester  des  Ennodius  (§  479);  vgl.  Ennod. 
ep.  2,  15.  23.  3,  28.  6,  26.  dict.  8  p.  488). 

3.  Ausgaben  der  commentarii  (mit  den  Fortsetzungen)  von  ILipsius, 
Antv.  1585,   IIScaliger,  Leid.  1606.    Jungermann,  c.  not.  var.,   Frankf.  1604. 


§  19(3.  Caesars  bell.  gall.  449 

JGoduinus,  Par.  1678  (mit  ind.  verb.).  Ex  rec.  IDavisii,  Cantabr.  1706.  1727. 
C.  not.  var.  ed.  Graevius,  Leid.  1713  II.  Ebenso  cura  FOudendorpii,  Leid.  1737 
(u.  Stuttg.  1822  II).  —  Rec.,  quaest.  criticas  praemisit  Nipperdey,  Lps.  1847. 
Annot.  crit.  instruxit  Dübner,  Par.  1867  IL  —  Texte  von  Nipperdey  (Lps.4 
1881),  EHopfmann  (Wien3  1898),  Kraner  (Lps.  1861),  Dübner  (Par.  1866), 
Whitte,  Kopenh.3  1877.  Dinter  (Lps.  1864 ff.  III),  Kübler,  Lpz.  1893—97  III 
(mit  den  Fragmenten),  DuPontet,  Oxf.  1900  (schlecht)  u.a.  —  Literatlir- 
berichte von  RSchneider,  JBphilVer.  11,  151  usw.,  Meusel,  ebd.  20,  214. 
86,  20  usw.    Nitsche  33,  19.    Heller,  JB.  68,  1  ff.  bis  89,  86  (vgl.  A.  9). 

4.  Deutsche  Übersetzungen  zB.  von  ABaumstark  (Stuttg.,  Metzler),  sowie 
(gall.  Krieg)  von  Köchly  und  Rüstow  (Berl.6  1886).  —  Über  eine  griechische 
(herausg.  von  Jungermann,  Frankf.  1606,  von  Baumstark,  Freib.  i.  B.  1834), 
die  man  früher  für  kritisch  wertvoll  hielt,  die  aber  erst  nach  RStephanus' 
Ausg.  Par.  1544  gemacht  ist,  8.  Heller,  Phil.  12,  107. 

5.  Napoleon  (I),  precis  des  guerres  de  Cesar,  Par.  1835.  Rüstow,  Heer- 
wesen u.  Kriegführung  Caesars,  Gotha  1855;  Nordhausen  1862.  Jahns,  Caes. 
Commentarien  in  ihrer  lit.  und  kriegswissenschaftlichen  Folgewirkung,  Militär- 
Wochenbl.  1883,  7tes  Beiheft  343  fll.  —  Über  die  Glaubwürdigkeit  der  Comm. 
Caes.  Bresemer  (Berl.  1835),  FWinkelmann  (Jahns  Archiv  2,  533),  FEyssen- 
hardt  (JJ.  85,  755),  FSeck  (de  .  .  fide  Essen  1860.  64  II).  HRauchenstein 
(A.  9),  Petsch,  d.  hist.  Glaubwürdigk.  v.  Caesars  b.  gall.,  Glückst.  1885.  86  H. 
PHuber,  dgl.  Bamberg  1914.  Fröhlich,  Die  Glaubw.  Caes.  in  s.  Bericht  üb. 
d.  Feldz.  geg.  d.  Helv.,  Aarau  1903  u.  a.   Vgl.  A.  8 

6.  Daß  das  bell.  gall.  in  der  vorliegenden  Gestalt  erst  am  Ende  des 
Krieges  publiziert  ist,  ergibt  sich  aus  1,  28,  5  Boios  petentibus  Haeduis  .  . 
covcessit,  quibus  Uli  agros  dederunt  quosque  postea  in  parem  iuris  libertatis- 
que  condicionem  receperunt.  Dieses  postea  bezieht  sich  auf  die  Zeit  nach  52, 
da  die  Bojer  7,  10  noch  als  zinspflichtig  erwähnt  werden.  Anderseits  weist 
7,  6,  1  cum  iam  ille  urbanas  res  virtute  Cn.  Pompei  commodiorem  in  statum 
pervenisse  intellegeret  auf  das  Fortbestehen  des  guten  Einvernehmens  zwischen 
Caesar  und  Pompeius,  also  auf  die  Zeit  vor  Ende  50.  Es  ist  aber  durchaus 
wahrscheinlich,  daß  Caesar  die  einzelnen  Bücher  jedesmal  am  Schlüsse  des 
Jahres  in  der  Ruhe  des  Winterquartieres  wenigstens  skizzierte,  vor  der 
Herausgabe  aber  eine  Schlußredaktion  vornahm,  die  nicht  alle  Spuren  der 
allmählichen  Entstehung  tilgte.  Dieser  gehört  der  auch  sprachlich  auffällige 
Zusatz  1,  28,  5  an  und  wohl  die  ethnographischen  und  geographischen  Ex- 
kurse, unter  denen  die  Schilderung  Britanniens  (5,  12 — 14)  sowie  Galliens 
und  Germaniens  (6,  11 — '28)  hervorragt.  Die  Ansicht,  daß  die  einzelnen  Bücher 
und  womöglich  Buchteile  bald  nach  den  Ereignissen  geschrieben  und  publi- 
ziert seien  und  1,  28,  5  eine  spätere  Interpolation  sei,  haben  bes.  Heckeh, 
Quaest.  de  Caes.  comm.  de  b.  g.,  Groning.  1888  und  ChEbert,  Üb.  die  Entst. 
von  Caes.  b.  g.,  Erlangen  1909  (vgl.  HSchiller,  Progr.  Fürth  1899,  28.  Vogel 
JJ.  1900  [V]  218)  behauptet,  aber  mit  Unrecht,  vgl.  Klotz,  Caesarstudien  16. 
Meusel,  JB.  phil.  Ver.  39,  28.  Die  geographischen  Exkurse  verraten  Bekannt- 
schaft mit  Poseidonios  (Müllenhoff,  Deutsche  Altertumsk.  4,  29.  Wilkens, 
De  Strab.  rer.  Gallicarum  fontib.,  Marb.  1886);  sie  zeigen  sprachliche  Be- 
sonderheiten, die  aber  wohl  einer  anderen  Erklärung  bedürfen  als  der  durch 
Interpolation,   wie   sie  Meusel,   JB.  phil.  Ver.  36,  20.    Klotz  26   aufstellen; 

Teuffei:  röm.  Literaturgesch.   Neub.  6.  Aufl.  I.  29 


450  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

wenn  dieser  S.  148  diese  Interpolation  nicht  bloß  in  nachaugusteische,  son- 
dern sogar  in  nachtaciteische  Zeit  setzen  will,  so  ist  das  nicht  annehmbar. 
Vgl.  Ebert,  GöttAnz.  1912,  283.  Über  die  Zeit  der  Herausgabe  s.  noch 
CESchneider  in  Wachlers  Philomathie  1,  184.  GMezger,  üb.  d.  Abfassungs- 
zeit v.  Caes.  bell,  gall.,  Landau  1875.  Kebec,  quo  tempore  scripserit  Caes. 
libr.  de  b.  gall.,  Odessa  1881.  • 

Da  Caesar  seine  Kriegsunternehmungen  ohne  Auftrag  des  Senates  aus- 
geführt hatte,  so  bemüht  er  sich  fortwährend,  sie  als  notwendige  Verteidi- 
gungsmaßregeln hinzustellen.  Sein  Bericht  beschränkt  sich  auf  die  kriege- 
rischen Vorkommnisse.  Diese  erzählt  er  als  Römer  für  Römer,  ohne  eine 
Regung  von  Mitgefühl,  aber  auch  ohne  Schönfärberei ,  selbst  bei  Grausam- 
keiten und  Treulosigkeiten  gegen  ein  Volk,  das  nichts  als  sein  Recht  und 
seine  Unabhängigkeit  wider  den  ehrgeizigen  Störer  seines  Friedens  verteidigte. 
Gallien  gilt  ihm  schon  2,  35  (vgl.  3,  7)  für  pacata  und  aller  folgende  Wider- 
stand für  Rebellion;  nur  3,  10  heißt  es  omnes  homines  natura  libertati  stu- 
dere  et  condicionem  servitutis  odisse.  Gegen  die  im  Senat  an  seinem  Erobe- 
rungskriege geübte  Kritik  (Plut.  Cato  51)  richtet  sich  vielleicht  4,  13,  2  ex- 
pectare  vero,  dum  hostium  copiae  augerentur  equitatusque  reverteretur,  summae 
dementiae  esse  iudicabat.  Auch  sonst  finden  sich  namentlich  in  B.  1  Bos- 
heiten gegen  die  Optimaten,  z.  B.  1,  39,  2.  Eine  gewisse  Wärme  fühlt  man 
durch  nur  bei  tüchtigen  Leistungen  seiner  Getreuen;  Q.  Cicero  wird  ge- 
flissentlich, mit  Rücksicht  auf  seinen  Bruder  gelobt.  May,  Caes.  als  Beurt. 
s.  Heeres,  Neiße  1896.  Auch  hütet  sich  Caesar  durch  allzu  technisch  mili- 
tärische Haltung  die  Wirkung  seines  Berichts  auf  weitere  Kreise  zu  beein- 
trächtigen. Beurteilende  Inhaltsübersicht  bei  Köchly  und  Rüstow,  Einl.  z. 
gall.  Krieg  51.  Petersdorff,  Caesar  num  in  b.  g.  enarrando  non  nulla  e 
fontibus  transscripserit,  Beigard  1879.  Vgl.  Venediger,  JJ.  119,  786  u.  dazu 
HSchiller,  BlbayrGW.  16,  389. 

6.  Ausgaben  des  bellum  gallicum:  ECSchneider  (rec.  et  ill.,  Halle  1845 
bis  1855  II;  nur  B.  I — VII),  Frigell  (rec,  codd.  contulit,  comm.  instr.,  Upsala 
1861  III),  recens.  AHolder  (darin  Wortindex  zu  B.  I— VH),  Freib.  i.  B.  1882. 
HMeusel,  Berl.  1894  (Schultext2  Berl.  1908).  Gertz,  Kopenh.  1896—1904  in. 
Hodges,  Lond.  1909.  —  Erkl.  von  Kräner-Dittenberger-Meusel,  Berl.17 1914. 

8.  Erläuterungsschriften.  APlaten,  de  tide  et  auctoritate  Caes.  b.  gall., 
Liegnitz  1854.  HKöchly  u.  WRüstow,  Einl.  z.  Caes.  gall.  Krieg,  Gotha  1857. 
TRHolmes,  Caes.  Feldz.  in  Gallien  u.  Britannien,  übers,  v.  Schott-Rosenberg, 
Lpz.  1913.  vGöler,  Caesars  gall.  Krieg  u.  Teile  s.  Bürgerkriegs,  Freib.2 1880 
II.  vCohausen,  Caes.  gg.  d.  Germanen  am  Rhein,  Bonn  Jahrb.  43, 1.  WRüstow, 
Atlas  zu  Caes.  gall.  Kr.,  Stuttg.  1868.  CFMeyer  u.  AKoch,  Atl.  zu  Caes.  b. 
g.,  Essen  1879.  vKampen,  Descriptiones  nobiliss.  ap.  class.  locorum  I:  xv  ad 
Caes.  b.  g.  tabb.,  Gotha  1883.  ROehler,  Bilderatlas  zu  Caes.  b.  g. ,  2Lpz. 
1907. 

9.  Zahllos  wurden,  seitdem  Napoleon  III  (§  194,  1)  diesem  Gegenstande 
seine  Studien  zugewandt  hatte,  die  geographischen  und  militärischen  Bei- 
träge dazu  aus  Frankreich.  Aufzählung  und  Beurteilung  der  einschlägigen 
Arbeiten  von  Heller,  Phil.  13,  358.  19,  465.  22,  99.  285.  26,  652.  31,  314. 
511.  49,  681.  Thomann,  der  französ.  Atlas  zu  Caes.  b.  g.  (s.  §  194,  1  Z.  7),  Zur. 
1868—74  III.  —  EDesjardtns,  geogr.  de  la  Gaule  Romaine,  Par.  1876—78  II. 


§  196.  Caesars  bell.  gall.  und  civ.  451 

JMaissiat,  Ces.  en  Gaule,  Par.  1865 — 81  III.  JSchlumberger,  Caesar  u.  Ario- 
vist,  Kolmar  1877.  vKampen,  die  Helvetierschlacht  bei  Bibracte,  Gotha  1878. 
Rauchenstein,  d.  Feldz.  Caes.s  gg.  die  Helvetier  m.  Abh.  üb.  d.  Glaubwürdigk. 
v.  Caes.  b.  gall.,  Jena  1882.  CJullian,  Vercingetorix,  Paris  1903  (deutsch 
Glogau  1906).  HBircher,  Bibracte,  Aarau  1904.  JLange,  Alesia,  Culm  1909. 
Ausfeld,  Gergovia,  Darmst.  1911.  Huber,  Der  Helvetierkrieg,  BlbayrGW. 
48,  295. 

10.  Die  drei  Bücher  des  bellum  civile  sind  nach  Beendigung  des  Bürger- 
krieges (also  nach  der  Schlacht  bei  Munda?)  verfaßt,  vgl.  3,  57,  5  ut  postea 
confecto  hello  reperiebamus.  18,  5.  60,  4.  Caesar  wurde  gewiß  durch  den  Tod 
verhindert,  das  Werk  zu  vollenden,  das  jetzt  schließt:  haec  initia  belli  Ale- 
xandrini fuerunt.  Warde  Fowler,  ClPh.  3,  129.  Hirtius'  Worte  b.  g.  8  pr. 
3  qui  me  mediis  interposuerim  Caesaris  scriptis  setzen   die  Herausgabe   des 

b.  c.  voraus.  Kalinka,  WSt.  34,  203.  Es  ist  unverkennbar  schwächer,  flüch- 
tiger gearbeitet  und  enthält  manche  unzweifelhafte  Nachlässigkeiten  und 
Unrichtigkeiten;  aber  es  hieße  Übermenschliches  fordern,  wenn  man  gerade 
bei  diesem  Thema  strenge  Objektivität  von  ihm  verlangte.  Drumann  678^ 
Über  die  Benutzung  durch  Livius,  auf  dem  die  Erzählung  des  Cassius  Dio 
beruht,  vgl.  LWilhelm,  Liv.  u.  Caesars  b.  c,  Straßb.  1901.  Judeich,  Caesar 
im  Orient,  Lpz.  1885,  20.  ESchwartz,  PW.  3,  1706.  Übrigens  ist  der  Text, 
für  den  die  eine  Hss.-Klasse  (§  196,  2)  versagt,  verdorben  überliefert.  Über 
die  Einteilung  in  zwei  Bücher  (A.  2)  JZingerle,  WSt.  14,  83.  Kelsey,  CUourn. 
2,  49.  Zur  Sache  FHofmann,  de  origine  b.  c.  Caesariani,  Berl.  1857,  und 
ThMommsen,  AvGöler,  s.  A.  8.  RSchneider,  Ilerda,  Berl.  1886.  Stoffel,  Hist. 
de  Jul.  Cesar,  Guerre  civile;  Fortsetzung  des  Werkes  von  Napoleon  III  (§  194, 
1)  (m.  Atl.),  Par.  1888  II.  JvHefner,  Geographie  zu  Caesars  b.  c. ,  Münch. 
1836.  LHeuzey,  Operations  militaires  de  Ces.  etudiees  sur  le  terrain  de  Mace- 
doine,  Par.  1886.  Kromayer,  Antike  Schlachtfelder  2  (Berl.  1907)  399  (Phar- 
salus).    3  (Berl.  1912)   719  (Afrika).  —  Glöde,  die  Glaubwürdigk.  C.s  im  b. 

c,  Kiel  1871.  Vgl.  A.  8.  Strenge,  d.  tendenziöse  Charakter  v.  Caes.  b.  c, 
Lüneb.  1873.  75  IL    Basiner,  de  b.  c.  Caes.,  Dorp.  1883. 

11.  Ausgaben  des  b.  c:  ThPaul,  Prag  1889,  Holder  (Lpz.  1898,  mit 
Wortindex),  Meusel,  Berl.2  1912;  mit  Anmerkungen  von  Held  (Sulzbach4 
1857),  Doberenz  u.  Dinter,  Lpz.5  1884.  Kraner-Hofmann-Meusel,  Berl. 11 1906. 
Übers,  von  AHorneffer,  Lpz.  1909. 

Neuere  (nicht  ernst  zu  nehmende)  Bestreitungen  der  Verfasserschaft 
Caesars:  (HMosner)  num.  Caesar  b.  c.  scripserit,  Culmb ach  (1865).  Heidtmann, 
Essen  1867.  RWutke,  quaest.  Caesarianae,  Neisse2  1885.  RMenge,  de  auc- 
toribus  comm.  de  b.  c.  (2,  1 — 16)  qui  Caesaris  nomine  feruntur,  Weim.  1873 
(2,  1 — 4.  8 — 16  sollen  von  Trebonius  §  210,  9  sein);  Emend.  Caesarianae, 
Halle  1894.  Vgl.  HSchiller,  Entst.  u.  Echtheit  d.  Corp.  Caes.,  Fürth  1899. 
Walther,  Echtheit  u.  Abfassung  d.  Schriften  d.  Corp.  Caes.,  Grünberg  1903. 
Für  3,  108 — 112  sucht  den  Hirtius  als  Verf.  zu  erweisen  BDinter,  Quaest. 
Caesar.,  Grimma  1876,  32;  für  2,  23 — 44  den  Asinius  Pollio  Landgraf,  Der 
Bericht  des  As.  P.,  Lpz.  1890;  den  Curio  u.  a.  PMenge,  Progr.  Pforta  1910  f. 
II.  Alle  die  Versuche  (vgl.  auch  Petersdorff,  Venediger  A.  6  E.),  in  den 
caesarischen  Commentarien  wörtliche  Benutzung  der  von  Legaten  an  Caesar 
erstatteten  Berichte  aus  der  Verschiedenheit  des  Sprachgebrauchs,  des  Stils 

29* 


452  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

usw.  nachzuweisen,  sind  mißlungen.  Natürlich  hat  Caesar  bei  der  Abfassung 
jener  das  in  seiner  Kriegskanzlei  befindliche  Material  und  darin  die  Mel- 
dunsren seiner  Offiziere  und  die  von  ihm  an  den  Senat  erstatteten  Berichte 
(vgl.  b.  g.  2,  35.  4,  38.  7,  90.  Suet.  Iul.  56)  je  nach  Bedürfnis  benützt,  aber 
auch  in  der  Schilderung  des  von  den  Legaten  Geleisteten  und  Berichteten 
waltet  derselbe  Geist,  dieselbe  Sprache,  derselbe  Stil  wie  im  übrigen.  Ehren- 
fried, Qua  ratione  C.  legatorum  relationes  adhibuerit,  Würzb.  1888. 

197.  Nach  Caesars  Tode  betrachtete  der  Kreis  seiner  nächsten 
Vertrauten  es  als  Pflicht,  auch  diejenigen  Feldzüge  zu  beschreiben, 
die  Caesar  selbst  nicht  mehr  geschildert  hatte,  also  sein  letztes  Jahr 
in  Gallien,  den  alexandrinischen,  afrikanischen  und  spanischen  Krieg. 
Die  auf  uns  gekommenen  Darstellungen  dieser  Feldzüge  stammen 
von  verschiedenen  Verfassern.  Völligen  Mangel  an  stilistischer  Be- 
fähigung zeigt  der  spanische  Krieg;  in  weit  geringerem  Maße  der 
afrikanische ;  in  jenem  ist  die  Darstellung  zerhackt  und  stammelnd, 
in  diesem  geschmacklos  gewunden  und  schwülstig.  Die  Erzählung 
des  achten  Kriegsjahres  in  Gallien  rührt  von  A.  Hirtius  her,  der 
nicht  ohne  Geschick  Caesars  Schreibweise  nachahmt.  Auch  die  des 
alexandrinischen  Feldzugs  verrät  einen  gebildeten  Verfasser  und  das 
Bestreben,  den  von  Caesar  gewählten  Ton  zu  treffen;  den  Namen 
des  Urhebers  zu  ermitteln,  ist  nicht  möglich.  Der  afrikanische  und 
spanische  Krieg  rühren  wohl  von  Männern  her,  die  in  untergeordneter 
Stellung  den  Krieg  mitgemacht  hatten  und  daher  von  Cäsars  Freun- 
den ersucht  worden  waren,  ihre  Erinnerungen  aufzuzeichnen,  viel- 
leicht als  Vorarbeit  für  eine  spätere,  kunstgerechtere  Darstellung. 
Jedenfalls  wurden  diese  Bella  nicht  lange  nach  Caesars  Tode  zu 
einem  Corpus  zusammengefaßt. 

1.  Suet.  Iul.  56  Alexandrini  Africique  et  Hispaniensis  (belli)  incertus 
auctor  est  alii  Oppium  putant,  alii  Hirtium,  qui  etiam  Galilei  belli  novis- 
simum  imperfeciumque  librum  suppleverit.  Vgl.  die  von  Suet.  aO.  ausdrück- 
lich dem  Hirtius  beigelegte  Vorrede  zu  b.  g.  VIII:  coaetus  adsiduis  tuis 
voeibus,  Balbe,  . .  rem  difficillimam  suseepi.  Caesaris  nostri  commentarios 
rerum  gestarum  Galliae  non  cohaerentibus  (?  comparantibus  Hss.)  superiori- 
bus  atque  insequentibus  eins  scriptis  contexui  (dh.  fhabe  ich,  indem  ich  die 
zwischen  b.  g.  VII  und  b.  c.  I  klaffende  Lücke  durch  b.  g.  VIII  ausfüllte, 
in  Zusammenhang  gebracht'),  novissimumque  imperfectum  ab  rebus  gestis 
Alexandriae  confeci  usque  ad  exitum  non  quidem  civilis  dissensionis ,  cuius 
ftnem  nullum  videmus,  sed  vitae  Caesaris.  . .  mihi  ne  illud  quidem  aeeidit, 
ut  Alexandrino  atque  Africano  bello  interessem.  quae  bella  . .  ex  parte  nobis 
Caesaris  sermone  sunt  nota  (eine  Stelle,  die  man  nicht  zu  ändern  hat,  son- 
dern zu  erklären:  vgl.  Hirschfeld,  Sehr.  807).  Hieraus  erhellt,  daß  diese 
Fortsetzung  nach  Caesars  Tod  verfaßt  ist,  damals  als  der  Krieg  mit  Anto- 
nius wahrscheinlich  geworden,  somit  für  den  Bürgerkrieg   in   der  Tat  kein 


§  197.  Fortsetzer  Caesars  453 

Ende  abzusehen  war,  und  von  einem  Vertrauten  des  Caesar,  aber  nicht  von 
Cornelius  Baibus,  also  entweder  von  C.  Oppius  oder  A.  Hirtius.  Letzteren 
bezeichnet  Sueton  (s.  oben)  unzweideutig  als  Verfasser  von  b.  g.  VIII:  und 
so  auch  die  Hss.  (Hirtii  incipit  liber  VIII  u.  dgl.).  In  jener  Vorrede  zu 
b.  g.  VIII  spricht  Hirtius  die  Absicht  aus,  alle  Kriege  bis  auf  Caesars 
Tod  zu  beschreiben,  und  stellt  sie  als  bereits  verwirklicht  hin.  Aber  wahr- 
scheinlich konnte  Hirtius,  da  er  schon  am  27.  April  43  fiel,  diesen  Plan 
nicht  mehr  vollständig  ausführen  und  gelangte  nur  zum  Abschluß  des  b. 
g.  VIII  (und  vielleicht  des  b.  Alex.,  doch  vgl.  A.  6).  Klotz,  JJ.  1909  XXIII 
570  nimmt  an,  daß  er  die  Erzählung  bis  auf  Caesars  Tod  geführt  und  daß 
Livius  seine  Darstellung  benutzt  habe.  Nach  seinem  Tode  trugen  die  Ver- 
trauten Caesars  Sorge,  daß  auch  die  übrigen  Kriege  Caesars  nicht  unge- 
schildert  blieben,  und  fügten  zur  äußeren  Vervollständigung  die  auf  ihre 
Veranlassung  von  Teilnehmern  verfaßten  Darstellungen,  das  bell.  (Alex.), 
Afr.  und  b.  Hisp.,  hinzu.  Drumann,  GR.2  3,  65.  Strack,  Bonn.  Jahrb.  118, 
139.  Nipperdby,  ed.  Caes.  1847,  p.  8.  Köchly-Rüstow,  Einl.  z.  gall.  Krieg 
105.  Vgl.  auch  Petersdorff,  ZfGW.  34,  215.  HSchiller,  BlbayrGW.  16,246. 
Dahms,  Curae  Hirtianae,  Rostock  1906. 

2.  Sowohl  Hirtius  als  Oppius  besaßen  die  Bildung,  die  zur  Abfassung 
eines  Geschichtswerkes  nötig  war,  beide  aber  auch  zu  viel  literarische 
Übung,  als  daß  sie  die  Verf.  des  bell.  Hisp.  und  Afr.  sein  könnten.  Hir- 
tius verfaßte  auf  Caesars  Veranlassung  J.  45  von  Spanien  aus  eine  Gegen- 
schrift gegen  Ciceros  Lobrede  auf  Cato,  in  der  Form  eines  Sendschreibens 
an  Cicero,  voll  Schmeicheleien  für  den  letzteren  (Cic.  Att.  12,  40,  1  qualis 
futura  sit  Caesaris  vituperatio  contra  laudationem  meam,  perspexi  ex  eo 
Ubro,  quem  Hirtius  ad  me  misit;  in  quo  colligit  vitia  Catonis,  sed  cum  ma- 
ximis  laudibus  meis.  41,  4.  44,  1.  45,  3.  47,  3).  Ein  kurzer  Brief  von  Hirtius 
an  Cicero  bei  Cic.  Att.  15,  6.  Die  Überreste  des  Hirtius  zB.  in  Dinters 
Caes. -Ausg.  3,  159. 

3.  Oppius  verfaßte  gleichfalls  Schriften.  Vor  allem  ein  Leben  Caesars, 
angeführt  von  Plut.  Pompei  10  {Chatim  [Uv,  8t av  7tSQL  Kcclöagog  7tolsiiicov 
tj  (filcov  diec%£yr\Tai,  ocpodgu  dtl  tciotsvsiv  \lzxu  svXccßsiccs)  und  17  (über  Cae- 
sars persönliche  Tapferkeit),  sowie  Suet.  Iul.  53  {circa  victum  G.  Oppius 
adeo  indifferentem  docet  ut  etc.).  Daraus  mag  auch  stammen,  was  Plin.  NH. 
11,  104  (C.  Marium  . .  Oppius  auctor  est)  über  des  Marius  Härte  gegen  sich 
selbst  anführt.  Vgl.  Suet.  Iul.  52  C.  Oppius  . .  librum  edidit,  non  esse  Cae- 
saris fdium  quem  Cleopatra  dicat.  Im  ersten  Teil  der  plutarchischen  Bio- 
graphie Caesars  scheint  Oppius  benutzt  zu  sein.  Thouret,  Leipz  Studien 
1,  346.  Außerdem  Charis.  GL.  1,  147,  3  Oppius  de  vita  Cassii  (Caesaris 
HPeter),  idem  de  vita  prioris  Africani  (Gell.  6,  1,  2).  Es  ist  zu  vermuten, 
daß  die  erstere  Schrift  gegen  den  Caesarmörder  C.  Cassius  gerichtet  war, 
die  letztere  aber  eine  Vergleichung  des  Caesar  mit  dem  älteren  Africanus 
anstellte,  die  wohl  zu  Caesars  Gunsten  ausgefallen  sein  wird  (Mommsen,  röm. 
Forsch.  2,  502).  Diesen  Oppius  (nicht  den  b .  Afr.  68,  4  genannten  Legaten) 
glaubten  manche  an  der  FortsetzuDg  der  caesarischen  Commentarien  betei- 
ligt; s.  Suet.  Iul.  56  (oben  A.  1):  möglich  wäre  dies  nur  für  das  bell.  Alex, 
(doch  vgl.  A.  6);  bell.  Afr.  und  Hisp.  verraten  eine  zu  niedrige  Bildungs- 
stufe, als  daß  sie  dem  Oppius  zugeschrieben  werden  dürften  (A.  7.  8);  über- 


454  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

dies  können  beide  schon  darum  nicht  von  Oppius  sein,  weil  die  Verfasser 
in  den  Kriegen  mitfochten,  Oppius  aber  damals  sich  in  Rom  befand  (eben- 
so wie  der  ältere  Baibus,  A.  4).  —  CKrebs,  lect.  Diodor. ,  Hadamar  1832 
p.  35.    HRR.  2,  Lxm.  46. 

4.  Auch  L.  Cornelius  Baibus  aus  Gades  (§  179,  36),  an  den  der 
Brief  des  Hirtius  vor  b.  g.  VIII  gerichtet  ist,  scheint  selbst  über  Caesar  ge- 
schrieben zu  haben;  s.  Suet.  Iul.  81  cuius  rei  (Vorzeichen  von  Caesars  Tod) 
. .  auctor  est  Cornelius  Baibus,  famüiarissimus  Caesaris,  welcher  letztere 
Ausdruck  Beziehung  auf  den  Baibus  minor  (§  209,  4)  nicht  empfiehlt.  Über 
Sid.  Apoll.  9,  14  (quis  .  .  Balbi  ephemeridem  [über  Caesar]  adaequaverit)  vgl. 
§  196,  1  gE.  Briefe  des  Baibus  maior  an  Cicero  aus  J.  49  bei  Cic.  Att.  8, 
15  A.  9,  7B.  9,  13  A;  ein  gemeinschaftlich  mit  Oppius  verfaßter  ebd.  9,  7  A. 
Sie  sind  gut  stilisiert;  auffällig  etwa  si  hoc  te  reicis  rwenn  du  dich  hierauf 
verlegst'.  Vgl.  FFröhlich,  unten  A.  7,  und  dazu  Wölfflin,  phil.  Anz.  5 
(1873),  180.  EJullien,  de  Com.  Balbo,  Par.  1886.  JHoche,  dgl.,  Roßleben 
1882.  HRR.  2,  lxi.  Hellmuth,  Über  die  Spr.  des  Sulp.  Galba  u.  Com.  Bai- 
bus, Würzb.   1888. 

5.  Die  Anlage  von  bell.  gall.  VIII  ist  wohlgeordnet,  die  Sprache  ahmt 
die  des  Caesar  nach,  doch  ist  die  Darstellung  ohne  Caesars  Frische;  sie 
hat  vielmehr  etwas  Mattes,  Lebloses  und  Eintöniges  (Nipperdey  1847,  p.  13). 
So  namentlich  im  Satzbau  (Vorliebe  für  cum,  Verbindung  durch  Relative 
u.  dgl.)  und  in  der  WortstelluDg.  EFischer,  B.  8  des  b.  g.  u.  das  b.  Alex., 
Passau  1880.    Klotz  160. 

6.  Das  (nach  c.  1 — 33  unpassend  so  benannte)  bellum  Alexandrinum 
verrät  verglichen  mit  B.  VIII  de  b.  g.  größere  stilistische  Gewandtheit  und 
(wohl  infolge  des  anziehenden  Stoffes)  lebhaftere  Färbung ,  teilt  auch  mit 
b.  g.  VIII  manche  sprachliche  Eigenheiten  (zB.  das  Fehlen  von  licet,  quam- 
vis,  antequam;  s.  jedoch  §  195,  9),  zeigt  aber  auch  in  vielen  Punkten  be- 
stimmte Abweichungen,  so  daß  es  bedenklich  ist,  es  mit  Nipperdey  und 
Klotz  180  (wegen  angeblich  unmilitärischer  Ausdrucksweise)  gleichfalls  dem 
Hirtius  beizulegen.  Gegen  Hirtius  (und  gegen  Oppius,  der  nach  Hirtius  das 
nächste  Anrecht  hätte,  A.  3  E.)  sprechen  zwei  Stellen  (3,  1.  19,  6),  welche 
die  Teilnahme  des  Verf.  am  alex.  Krieg  zu  bezeugen  scheinen,  den  doch 
Hirtius  (und  Oppius)  nicht  mitgemacht  hat  (b.  g.  8,  praef.  8).  Da  das  Buch 
einheitlich  ist,  so  geht  es  auch  nicht  an,  c.  1 — 21  dem  Caesar  und  den  Rest 
dem  Hirtius  zuzuweisen  (JZingerle,  WSt.  14,  75);  ähnlich  verfehlt  Landgraf, 
Unters,  zu  Caesar,  Münch.  1888;  d.  Bericht  d.  Asinius  Pollio,  Erlangen  1890; 
Comment.  WölfH.  17.  Überhaupt  ist  die  sprachstatistische  Methode,  soweit 
sie  positive  Resultate  erzielen  wollte,  an  diesen  Commentaren  zuschanden 
geworden.    Ausgabe  von  RSchneider,  Berl.  1888.    Vgl.  Judeich  (§  196,  10)  4. 

7.  Dagegen  im  bell.  Africanum  (oder  Africum :  Klotz,  Caesarstud.  157) 
ist  die  Erzählung  umständlicher  und  befolgt  äußerlich  die  Zeit  Ordnung;  die 
Verehrung  des  politisch  unzurechnungsfähigen  Verfassers  für  Caesar  ist 
täppisch,  ebenso  der  geflissentlich  an  den  Tag  gelegte  Haß  gegen  die  Pom- 
pejaner;  die  Sprache  zeigt  viele  Nachlässigkeiten  und  vulgäre  Wendungen 
(zB.  unrichtigen  Gebrauch  des  Plqpf.),  Streben  nach  Großartigkeit  ohne  die 
Befähigung  dazu,  einen  beschränkten  Wortschatz  (interim  zB.  steht  68  mal), 
Anwendung  von  Ausdrücken  und  Konstruktionen  (zB.  sehr  oft  Inf.  hist.),  die 


§   197.  Fortsetzer  Caesars  455 

bei  Hirtius  fehlen  (Nipperdey  p.  15).  Vgl.  A.  2.  Es  wird  von  einem  sub- 
alternen Teilnehmer  am  Kriege  herrühren;  es  dem  Asinius  Pollio  zuzu- 
schreiben, war  ein  in  jeder  Hinsicht  unglücklicher  Gedanke.  Asini  Poll.  (!) 
de  b.  Afr.  comm.  ed.  Wölfflin  et  Miodonski,  Lpz.  1889  (auch  in  der  Re- 
censio  verfehlt,  vgl.  WMüller,  De  Caes.  b.  Afr.  recensione,  Rostock  1893), 
besser  ed.  Wölfflin  bei  Kubier  Bd.  3.  Erkl.  von  RSchneider,  Berl.  1905. 
FFröhlich,  das  b.  Afr.  sprachl.  u.  hist.  behandelt,  Brugg  1872.  Widmann, 
Phil.  50,  565.  AKöhler,  s.  A.  8.  Wölfflin,  SB.  bayr.  Ak.  1889,  1,  328.  — 
ChTissot,  la  campagne  de  Cdsar  en  Afrique,  Mem.  de  l'acad.  des  inscr.  31 
(1884),  2. 

8.  Umständlich  bis  zur  Unfähigkeit,  Wesentliches  und  Unwesentliches 
zu  unterscheiden,  ist  auch  das  bell.  Hispaniense,  und  ebenso  ist  das 
Äußerliche  in  der  Anlage  hier  ins  Unleidliche  gesteigert;  die  Ausdrücke 
der  Volkssprache  sind  hier  zahlreicher  und  erstrecken  sich  außer  dem  Plqpf. 
auch  auf  falsche  Anwendung  des  Konjunktivs,  bez.  des  Indikativs,  und  viele 
einzelne  Wendungen  (quod  statt  des  accus,  c.  inf,  hene  multi  u.  dgl.);  sogar 
grobe  Sprachschnitzer  sind  häufig  genug.  Von  Satzbau  und  Stil  ist  kaum 
eine  Spur.  Zu  dieser  Unbildung  bilden  einen  heiteren  Gegensatz  die  mannig- 
fachen Zitate  (zB.  aus  Ennius),  die  der  Verf.  anbringt  (Nipperdey  p.  24), 
und  die  Gespreiztheit  in  den  Reden  und  Schlachtberichten.  AKlotz,  JJ.  1909 
XXIII  560  vermutet  in  dem  Verf.  einen  Offizier  der  5.  Legion.  —  Degen- 
hart, de  b.  Hisp.  elocutione  et  fide,  Würzb.  1877.  AKöhler,  de  b.  Afr.  et 
Hisp.  latinitate,  Acta  semin.  Erl.  1,  367.  Wölfflin,  Arch.  Lex.  12,  159. 
Vulic,  Hist.  Unters,  zum  b.  Hisp.,  Münch.  1896.  —  CSchneider,  nova  bell.  Hisp. 
recensio,  und  de  indagando  belli  Hisp.  scriptore,  Bresl.  1837. 

9.  L.  Aurunculeius  Cotta,  der  Legat  Caesars  in  Gallien  (f  J.  54  oder 
53;  Klebs,  PW.  2,  2555)  verfaßte  nach  Athen.  6,  p.  273  utsgl  rf]s  'Pwiicciav 
■jioXitsiag  Guyypajifio;,  o  ty  ■jtuxQico  rj^iätv  (ein  Römer  spricht)  ysyQccmca  (pcovfj, 
das  aO.  für  den  Zug  nach  Britannien  (J.  55)  zitiert  wird.  Bücheler,  JJ.  111, 
136.  Unklar  ist  Cic.  Att.  13,  44,  3  (J.  45)  scire  omnia  non  acerbum  est,  vel 
de  Cotta  . .  .  Cottam  velim  mihi  mittas  (nach  dem  Tusculanum).  Libonem 
(§  172,  6)  mecum  habeo  et  habueram  ante  Caseam:  die  letzten  Worte  scheinen 
auf  ein  sonst  unbekanntes  geschichtliches  Werk  eines  Casca  (eines  der  Brü- 
der P.  und  C.  Servilius  Casca,  PRE.  6,  1120,  46.  47?)  zu  gehen.  Vgl.  §  159, 
13.    Peter,  HRR.  2,  LXI. 

198.  Cornelius  Nepos  war  gebürtig  aus  Oberitalien  und  be- 
freundet mit  Atticus,  Cicero  und  seinem  jüngeren  Landsmann  Catull. 
Seine  Lebenszeit  fäUt  wohl  zwischen  J.  99  und  24.  Neben  belang- 
losen Liebesgedichten  waren  drei  Bücher  Chronica  sein  frühestes 
Werk;  auch  ein  geographisches  scheint  er  verfaßt  zu  haben.  Seine 
übrigen  Schriften  zeigen  Vorliebe  für  das  Kulturgeschichtliche, 
worin  sich  der  Einfluß  des  Varro  geltend  machen  mag,  und  für  die 
moralisierende  Lebensbeschreibung.  So  die  fünf  Bücher  Exempla, 
die  ausführlichen  Schilderungen  des  älteren  Cato  und  des  Cicero, 
besonders  aber  sein  letztes  und  umfassendstes  Werk  de  viris  illu- 


456  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

stribus,  mindestens  sechzehn  Bücher,  worin  Römer  und  Ausländer 
neben  einander  behandelt  waren.  Was  davon  erhalten  ist,  nämlich 
aus  dem  Buche  de  latinis  historicis  die  Lebensbeschreibungen  des 
Cato  und  des  Atticus  und  das  Buch  de  excellentibus  ducibus  exte- 
rarum  gentium,  empfiehlt  sich  zwar  durch  Übersichtlichkeit,  An- 
spruchslosigkeit der  Darstellung,  Milde  und  Wärme  der  Beurteilung, 
läßt  aber  (namentlich  das  Feldherrenbuch)  bezüglich  der  sachlichen 
Genauigkeit  und  Zuverlässigkeit,  der  geschichtlichen  Auffassung 
und  ebenso  hinsichtlich  des  Stils  auch  mäßige  Ansprüche  unerfüllt. 
Auch  der  Ausdruck  schwankt  haltlos  zwischen  literarischer  und 
volkstümlicher  Sprache.  So  erweist  sich  Nepos  als  ein  durchaus 
mittelmäßiger  Schriftsteller. 

1.  Vorname  unbekannt.  Heimat:  Auson.  op.  23,  9  nennt  Gallien  als 
Heimatland  des  Nepos.  Plin.  NH.  3,  127  Nepos,  Padi  accola.  Plin.  ep.  4, 
28,  1  an  Vibius  Severus:  Herennius  Severus  . .  magni  aestimat  in  bibliotheca 
sua  ponere  imagines  municipum  tuorum,  Cornelii  Nepotis  et  T.  Catii  (des 
Insubrers  §  173,  3).  Da  von  den  vier  Städten  des  Insubrergebietes  (Ptol.  3, 
1,  33)  nur  Ticinum  am  Po  liegt,  so  könnte  dies  die  Vaterstadt  des  C.  N. 
sein  (Mommsen,  Sehr.  4,  396).    Anders  FUnger,  Abh.  Münch.  Akad.  16,  1,  135. 

2.  Lebenszeit.  Hieronym.  ad  Pammach.  12  (2,  419  Vall.):  refert  ..  Cor- 
nelius Nepos  se  praesente  . .  eam  pro  Cornelio  . .  defensionem  peroratam  (J.  65, 
s.  §  180,  la).  Plin.  NH.  9,  137  Nepos  Cornelius,  qui  divi  Augusti  prineipatu 
obiit  (vgl.  10,  60),  me,  inquit,  iuvene  violacea  purpura  vigebat  . .  nee  multo 
post  rubra  Tarentina,  huic  successit  dibapha  Tyria.  . .  Jiac  P.  Lentulus 
Spinther  aedilis  curulis  (§  63)  primus  in  praetexta  usus  improbabatur.  Vgl. 
ebd.  36,  59.  2,  169  Nepos  Cornelius  auetor  est  Eudoxum  quendam  sua  aetate, 
cum  Lathyrum  regem  (Ptolemaeus  VIII  Lathyros  J.  117 — J.  81)  fuger  et  usw. 
J.  44  starb  ihm  ein  Sohn  als  puer  (Cic.  Att.  16,  14,  4).  Aus  den  angeführten 
Stellen,  sowie  aus  der  Bewunderung,  mit  der  er  an  Atticus  (geb.  109)  em- 
porblickt, läßt  sich  schließen,  daß  Nepos  etwa  um  J.  99  geboren  war.  Corn. 
Nepos  25,  19,  1  (quoniam  fortuna  nos  superstites  ei  esse  voluit)  beweist  keine 
Altersgleichheit  mit  Atticus  (wie  Unger  aO.  136  will).  Aus  unerkennbarem 
Grunde  berichtet  Hieron.  zu  Eus.  Chron.  erst  ad  a.  Abr.  1977  =  J.  40: 
Cornelius  Nepos  scriptor  historicus  clarus  habetur.  Er  überlebte  den  Catull 
(Att.  12,  4)  und  Atticus  (f  J.  32;  Att.  19,  1),  ohne  daß  aber  bekannt  ist,. 
wie  lange  er  nach  Herausgabe  des  Zusatzes  zum  Atticus  (s.  S.  458,  Z.  17 
v.  u.)  noch  lebte.  —  Exemplare  des  Cicero  a  Domitio  Balbo  descripta  aut 
ab  Attico  aut  Nepote  erwähnt  Fronto  bei  Hauler,  Mel.  Chatelain  625. 

3.  Verhältnis  zu  Atticus,  Cicero  und  Catull.  Att.  13,  7  saepe  propter 
familiaritatem  domesticis  rebus  interfuimus.  Da  Atticus  J.  86 — 65  in  Athen 
lebte,  kann  die  familiaritas  nicht  vor  64  begonnen  haben.  —  Gell.  15,  28,  1 
zu  stark:  Cornelius  Nepos  . .  M.  Ciceronis  ut  qui  maxime  amicus  familiaris 
fuit.  Es  gab  einen  Briefwechsel  des  Cicero  mit  Nepos  (s.  S.  427,  Z.  13). 
Rest  daraus  bei  Suet.  Iul.  55;  von  einem  Briefe  des  Nepos  an  Cic.  bei 
Lactant.  inst.  3,  15,  10  (s.  §  50,  3).    Anderes  bei  Cic.  ad  Att.  16,  5,  5  (Juli  44) 


§  198.  Cornelius  Nepos  457 

Nepotis  epistulam  expecto.  cupidus  ille  meorum?  qui  ea,  quibus  maxime 
yccvQiw,  legenda  non  putet.  16,  14,  4  (Nov.  44)  male  narras  de  Nepotis  filio; 
valde  melier cule  moveor  et  moleste  fero.  nescieram  omnino  esse  istum  puerum. 
Catull  mochte  an  den  Landsmann  von  der  Heimat  aus  empfohlen  sein  und 
fand  an  ihm  einen  Gönner,  der  seiner  auch  in  den  Chronica  (A.  4)  rühmend 
gedachte;  s.  Catull.  1,  3. 

4,  Nicht  erhaltene  Schriften.  1)  erotische  Gedichte.  Plin.  ep.  5,  3,  6 
a  bonis,  inter  quos  vel  praecipue  numerandus  est  P.  Vergilius,  Cornelius 
Nepos  .  .  non  quidem  In  senatores,  sed  sanctitas  morum  non  distat  ordinibus. 
—  2)  Chronica.  Catull.  1,  5  iam  tum  cum  ausus  es  unus  Italorum  Omne 
aevum  tribus  explicare  ehartis,  Doctis,  luppiter,  et  laboriosis.  Gell.  17,21,3 
Cornelius  Nepos  in  primo  chronico  (vgl.  17,  21,  1  ex  libris  qui  chronici  ap- 
pellantur).  Auson.  ep.  16  apologos  Titiani  et  Nepotis  chronica,  quasi  alios 
apologos  (nam  et  ipsa  instar  sunt  fabularum)  . .  misi.  Daß  Saturn  als  Mensch 
behandelt  war  (Min.  Fel.  Oct.  21,  4),  deutet  auf  Euhemerismus.  Das  Ganze 
war  wohl  ein  chronologischer  Abriß,  wie  ihn  auch  Atticus  und  Varro  ver- 
faßten, nur  vielleicht  gleichmäßiger  auf  Außerrömisches  erstreckt  (zB.  auf 
die  Lebenszeit  griechischer  Helden,  wie  Alexanders  d.  Gr.,  und  Dichter,  wie 
Homer  und  Archilochos).  Für  die  griechischen  Daten  lag  gewiß  Apollodors 
Chronik  der  Arbeit  zugrunde,  für  die  römischen  führen  Spuren  auf  Cato 
und  Cassius  Hemina.  Münzer,  Beitr.  z.  Quellenkritik  334.  Benutzung  durch 
Velleius  läßt  sich  nicht  erweisen.  Rohde,  Sehr.  1,  85.  Die  wenigen  An- 
führungen daraus  in  Halms  Ausg.  (1871)  119.  HPeter,  HRF.  218;  HRR. 
2,  25.  —  Nach  Catull.  aO.  scheinen  diese  Chronica  nicht  nach  J.  60  her- 
ausgegeben zu  sein  (vgl.  Schwabe,  quaest.  Catull.  296):  die  Worte  ebenda 
unus  Italorum  legen  nahe,  daß  Nepos  früher  schrieb  als  Varro  und  Atticus 
ihre  ähnlichen  Abrisse,  was  hinsichtlich  der  Arbeit  des  Atticus  sicher  ist 
(§  172,  2,  b).  Cicero  benutzte  die  Schrift,  ehe  die  des  Atticus  erschien.  — 
3)  Exempla.  Charis.  GL.  1,  146  Nepos  exemplorum  II.  Gell.  6,  18,  11 
Cornelius  Nepos  in  libro  exemplorum  quinio  . .  litteris  mandavit.  Nach  den 
Anführungen  daraus  (bei  Halm  aO.  120.  Peter  HRF.  224;  HRR.  2,  26)  scheint 
es,  daß  darin  im  Geiste  des  Kynismus  und  in  der  Art  des  Varro  das  alte 
Rom  der  Gegenwart  gegenübergestellt  war,  die  u.  a.  in  ihrem  Bauluxus 
geschildert  war.  Mamurra  (f  J.  45?)  war  darin  genannt,  und  vielleicht 
stammt  daraus  auch  Suet.  Aug.  77  non  amplius  ter  bibere  eum  sollt  am  super 
cenam  in  castris  apud  Mutinam  (J.  44/3)  Cornelius  Nepos  tradit.  Über  Be- 
nutzung durch  Valerius  Maximus  Traube,  SB.  bayr.  Ak.  1891,  405,  durch 
Plinius  s.  LUrlichs  (A.  5  E.).  Münzer  Beitr.  322.  Wissowa  aO.  1411  nimmt 
daneben  ein  besonderes  kulturhistorisches  Werk  an.  —  4)  Leben  des  Cato. 
Corn.  Nep.  Cat.  3,  5  huius  de  vita  et  moribus  plura  in  eo  libro  persecuti 
sumus,  quem  separatim  de  eo  feeimus  rogatu  T.  Pomponii  Attici;  quare  stu- 
diosos  Catonis  ad  illud  volumen  delegamus.  —  5)  Leben  des  Cicero  zu  dessen 
Verherrlichung  wohl  nach  seinem  Tode  verfaßt.  Gell.  15,  28,  2  Cornelius 
Nepos  . .  .  M.  Ciceronis  ut  qui  maxime  amicus  familiaris  fuit  .  .  in  librorum 
primo  quos  de  vita  illius  composuit  errasse  videtur.  —  6)  Geographisches 
Werk,  wie  es  scheint  in  der  Weise  der  Paradoxographen  (vgl.  Ciceros  Ad- 
miranda,  oben  §  186,  4),  ohne  Sichtung  der  Nachrichten,  doch  mit  Angabe 
der  Ortsentfernungen.    Plin.   NH.  5,  4    minus   profecto    mirentur   portentosa 


458  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

Graeciae  mendacia  de  his  . .  prodita,  qui  cogitent  nostros  nuperque  paulo 
minus  monstrifica  quaedam  . .  tradidisse,  . .  quaeque  alia  Cornelius  Nepos  avi- 
dissime  credidü.  Über  die  Benutzung  durch  Plinius  AKlotz,  Quaest.  Plin.  16. 
Die  sonstigen  Erwähnungen  des  Werkes  bei  Halm  aO.  126.  Cipolla,  Nepote 
e  le  scienze  naturali,  Riv.  fil.  11,  372.  Columba,  Boll.  fil.  cl.  5, 11.  —  7)  Suet. 
gramm.  4  Cornelius  Nepos  libello,  quo  distinguit  litter  atum  (den  gelehrten 
Grammatiker)  ab  erudito  (dem  Gebildeten):  eher  eine  Einzelschrift  (polemi- 
schen Charakters?)  als  etwa  die  Vorrede  der  grammatici  illustres  (S.  459, 
Z.  8). 

5.  Sueton  bei  Hieron.  2,  821  Vall. :  (de  viris  illustribus  scripserunt) 
apud  Latinos  . .  Varro  (in  den  Imagines),  Santra,  Nepos,  Hyginus  (et  . .  Tran- 
quillus).  Gell.  11,  8,  5  in  libro  Corneli  Nepotis  de  inlustribus  viris  XIII 
(über  Cato  an  de  hist.  lat.).  Charis.  GL.  1,  141  Cornelius  Nepos  inlustrium 
XV  und  Cornelius  Nepos  inlustrium  virorum  libro  XVI;  vgl.  ebd.  220  Ne- 
pos de  inlustribus  viris  II.  Auf  Einzelteile  Verweisungen  bei  Corn.  Nepos 
selbst:  Dion.  3,  2  sed  de  hoc  in  eo  libro  plura  sunt  exposita,  qui  de  histori- 
cis graecis  conscriptus  est.  Daneben  ein  Buch  über  die  römischen  Geschicht- 
schreiber: daraus  sind  erhalten  die  vitae  des  Atticus  und  des  Cato  (Censo- 
rius)  mit  der  Überschrift  ex  libro  Cornelii  Nepotis  de  latinis  historicis,  und 
mit  derselben  Überschrift  Bruchstücke  aus  den  Briefen  der  Cornelia,  der 
Mutter  der  Gracchen  (§  123,  6  Z.  8):  im  letzten  Fall  ist  freilich  die  Buch- 
angabe nicht  richtig;  Nepos  konnte  vielmehr  die  Gracchen  nur  in  einem 
Buch  de  Latinis  oratoribus  behandeln.  Nipperdey,  op.  99.  Endlich  über 
Cicero  als  Geschichtschreiber  (§  186,  1  Z.  3)  eine  Notiz  im  cod.  Guelferb. 
Gud.  278  s.  XIII  Cornelius  Nepos  in  libro  de  historicis  latinis  (fr.  17).  Vgl. 
auch  Suet.  rhet.  3  (§  158,  3  Z.  7).  Also  ging  wohl  ein  einleitendes  Buch 
voran  und  es  folgten  paarweise  die  Griechen  und  die  Römer,  so  daß  jenen 
die  geraden,  diesen  die  ungeraden  Zahlen  entsprachen.  Über  die  Zahl  der 
Bücher  Hafner,  Quaestiunculae  Plinianae,  Neuburg  1898.  Das  Buch  de  lat. 
hist.  wurde  noch  zu  Atticus'  Lebzeiten  herausgegeben  (zwischen  J.  35  u.  33); 
bei  einer  neuen  Ausgabe  nach  dessen  Tode  (J.  32)  fügte  Nepos  den  Schluß 
hinzu:  Att.  19,  1  hactenus  Attico  vivo  edita  a  nobis  sunt,  nunc  . . .  reliqua 
perseqaemur ;  vielleicht  bald  nach  der  Schlacht  bei  Actium  (J.  31),  infolge 
deren  Octavian  den  Titel  Imperator  erhielt  (s.  19,  2  in  affinitatem  pervenit 
Imperatoris,  Divi  filii)  und  vor  J.  27,  wo  er  den  Titel  Augustus  erhielt 
(Caesar  19,  3 f.  20,  3.  5).    Mommsen,  Mon.  Ancyr.  p.  53. 

Praef.  8  in  hoc  exponemus  libro  de  vita  excellentium  imperatorum. 
15,  4,  6  uno  hoc  volumine  vitam  excellentium  virorum  complurium  concludere 
comtituimus,  quorum  separatim  multis  milibus  versuum  complures  scriptores 
ante  nos  explicarunt.  23,  13,  4  tempus  est  huius  libri  facere  finem  et  Boma- 
norum  explicare  imperatores,  quo  facilius  collatis  utrorumque  factis,  qui  viri 
praeferendi  sint,  possit  iudicari.  Unter  den  nichtrömischen  imperatores  wer- 
den zuerst  die  griechischen  (20)  in  ziemlich  genau  innegehaltener  chrono- 
logischer Reihenfolge  behandelt,  dann  folgt  ein  Nachtrag:  nach  einer  kurzen 
Übersicht  über  die  griechischen  Könige,  die  zugleich  imperatores  waren, 
Hamilcar  und  Hannibal.  Vgl.  21,  1,  1  hi  fere  fuerunt  graecae  gentis  duces 
(darunter  auch  der  Karier  Datames),  qui  memoria  digni  videantur ,  praeter 
reges;   namque  eos   attingere   noluimus,   quod   omnium   res  gestae  separatim 


§  198.  Cornelius  Nepos  459 

sunt  relatae  (in  dem  Buche  de  regibus).  Jenes  griechische  Heldenbuch  (vitae 
1 — 20)  ist  Atticus  gewidmet  (praef.  1,  1):  der  Nachtrag  wurde  (bei  einer 
neuen  Ausgabe)  erst  später  nach  dem  Tode  des  Atticus  (J.  32;  Hann.  13,  1 
Atticus  —  scriptum  reliquit)  hinzugefügt;  da  die  Vita  des  Datames  beginnt: 
venio  nunc  ad  fortissimum  virum  maximique  consilii  omnium  barbarorum, 
exceptis  duobus  Carthaginiensibus  Hamilcare  et  Hannibale,  so  gehört  sie  viel- 
leicht auch  zu  diesem  Nachtrage.  —  Auf  ein  Buch  de  poetis  latinis  weisen 
Anführungen  bei  Sueton,  vita  Terent.  p.  27,  6.  31,  2  R. ,  auf  eines  de  gram- 
maticis  vielleicht  Suet.  gramm.  4  (s.  A.  4  E.).  —  Hiernach  waren  die  viri 
illustres  nach  den  Gebieten  unterschieden,  worin  sie  sich  auszeichneten, 
und  innerhalb  dieser  wiederum  Nichtrömer  (Titel  des  erhaltenen  Buches 
de  exellentibus  ducibus  exterarum  gentium)  und  Römer  neben  einander 
behandelt,  ganz  wie  in  den  Imagines  des  Varro  (oben  S.  335).  Die  An- 
führungen aus  nichterhaltenen  Büchern  bei  Halm  aO.  121.  HRR.  2,  35. 
HRF.  219.  Daß  in  diesem  Werk  auch  die  Künstler  (Maler  usw.)  behandelt 
gewesen  und  daß,  wie  Brunn  und  Furtwängler  (s.  §  313,  3)  behaupteten, 
diese  Künstlerbiographien  von  Plinius  NH.  benutzt  worden  seien,  ist  ganz 
unwahrscheinlich.  Urlichs,  d.  Quellenregister  zu  Plin.  letzten  Büchern 
(Würzb.  1878).  Münzer,  Beitr.  327.  Zur  Charakteristik  des  vollständigen 
Werkes  vgl.  auch  16,  1,  1  vereor  . .  ne  non  vitam  eius  enarrare,  sed  histo- 
riam  videar  scribere.  15,  1,  3  cum  exprimere  imaginem  consuetudinis  atque 
vitae  velimus.  25,  19,  1  rerum  exemplis  lectores  docebimus  .  .  suos  cuique  mo- 
res plerumque  conciliare  fortunam.  Moralisieren  auch  8,  2,  3.  8,  3,  2.  Att. 
19,  1.  Das  Werk  scheint  öfters  von  Plutarch  benutzt  (fr.  6.  7.  9.  10),  aber 
vgl.  Peter  lvi.    Soltau,  JJ.  153,  123.  357. 

6.  Mäßig  ist  das  Lob  bei  Gell.  15,  28,  1  Cornelius  Nepos  rerum  memo- 
riae  non  indiligens;  Plinius  (A.  4gE.)  bezichtigt  ihn  spöttisch  großer  Leicht- 
gläubigkeit. Zu  der  Vorstellung,  die  wir  hiernach  von  seiner  Bedeutung 
als  Schriftsteller  erhalten,  stimmt  durchaus,  was  von  ihm  auf  uns  gekommen 
ist.  Man  begreift  nicht,  warum  er  unter  den  duces  oder  imperatores  gerade 
diese  ausgewählt,  andere  (darunter  Aratos,  Philopoemen,  Kleomenes  III) 
übergangen  hat;  ebenso  steht  die  Ausführlichkeit  der  Behandlung  keines- 
wegs immer  im  Verhältnis  zur  Wichtigkeit  des  Geschilderten,  und  Nepos 
gesteht  selbst,  daß  er  sich  über  die  richtige  Auswahl  des  Stoffes  nicht  klar 
ist  (16,  1).  Wo  er  sich  an  das  Enkomion  anschließt,  disponiert  er  bald  nach 
Tugenden  (Epam.),  bald  nach  Taten  (Ages.).  Mit  der  Nennung  von  Quellen 
(wie  Deinon,  Polybios,  Seilenos,  Theopompos,  Thukydides,  Timaios,  Xeno- 
phon)  ist  er  so  freigebig  wie  ein  Antiquar;  dabei  ist  Thukydides  der  ein- 
zige Autor,  dessen  direkte  Benutzung  wir  nachweisen  können  (vit.  Themist., 
EdMeyer,  Forsch.  2,  68).  In  der  Hauptsache  folgt  er  Büchern  tibql  ivdol-cov 
avdgcbv,  die  dem  seinigen  ähnlich  waren  und  deren  reicheres  Material  er 
mit  großer  Inkonsequenz  verkürzt.  Die  Quellen  werden  flüchtig  behandelt 
und  oft  mißverstanden.  Die  Reihenfolge  der  duces  und  die  Anordnung  des 
Stoffes  in  ihren  vitae  ist  planlos;  Wichtiges  und  Unwichtiges  wird  nicht 
gehörig  unterschieden;  schlimme  geschichtliche  und  geographische  Irrtümer 
und  Verwechslungen,  sogar  Entstellungen  um  des  rhetorischen  Effektes  willen 
sind  nicht  selten;  das  Chronologische  wird  oft  vernachlässigt  und  um  so 
größere  Teilnahme  dem  Pathetischen,   Kuriosen  und  Anekdotenhaften,   zB. 


460  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

den  Todesarten  zugewendet.  Vgl.  pr.  1  non  dubito  fore  plerosque  Attice, 
qui  hoc  genus  scripturae  leve  et  non  satis  dignum  summorum  virorum  per- 
sonis  iudicent,  cum  relatum  legent,  quis  musicam  docuerit  Epaminotidam,  aut 
in  eius  virtutibus  commemorari  saltasse  eum  commode  scienterque  tibiis  can- 
tasse.  S.  darüber  Nipperdeys  größere  Ausgabe,  auch  Ungek  aO.  146.  Die 
Anlage  ist  in  den  verschiedenen  Viten  willkürlich  verschieden,  die  Charak- 
teristik der  einzelnen  meist  einseitig,  indem  sie  unter  Anlehnung  an  das 
Enkomion  vorzugsweise  die  Lichtseiten  hervorkehrt  und  den  gerade  Geschil- 
derten als  den  größten  in  seiner  Art  hinstellt  und  auch  sonst  gern  über- 
treibt. Der  Stil  ist  ebenso  ungleich;  er  hat  etwas  Zierliches,  so  lange  er 
sich  in  kurzen  Sätzen  bewegt;  unternimmt  der  Verfasser  größere  Perioden, 
so  verwickelt  er  sich  in  der  Regel  und  stolpert.  Sprachschatz  und  Wort- 
stellung zeigen  wenig  Abwechslung;  einzelne  Wörter  und  Konstruktionen 
weichen  von  dem  Sprachgebrauche  der  mustergültigen  Prosaiker  der  Zeit 
ab:  Nepos  ist  von  Ciceros  Stilreform  nicht  ergriffen  und  hinter  seiner  Zeit 
zurückgeblieben.  Zu  der  Schlichtheit  des  Tones  steht  die  Verwendung  rhe- 
torischer Mittel  im  Gegensatz:  bisweilen  finden  sich  rhythmische  Satzschlüsse, 
Antithesen  mit  törichten  Paronomasien  und  Alliteration.  5,  1,  2  non  magis 
amore  quam  more  ductus.  25,  8,  4  sie  ille  consensionis  globus  huius  unius 
dissensione  disiectus  est.  Aber  wer  deshalb  den  Schriftsteller  in  einen  ande- 
ren Zeitraum  verlegen  wollte,  würde  weit  über  das  Ziel  hinausschießen. 
Eine  Zeit,  die  neben  einem  Cicero  und  Caesar  nicht  nur  einen  Varro  um- 
schließt, sondern  auch  die  Verfasser  des  bell.  Afr.  und  Hisp. ,  die  endlich 
bald  darauf  einen  Vitruv  sah,  hat  auch  Raum  für  einen  Stilisten  wie  Cor- 
nelius Nepos.  Allem  nach  war  er  ein  gutmütiger,  wohlwollender,  ehrlicher, 
aber  geistig  ziemlich  beschränkter  Mensch  und  Schriftsteller.  Vgl.  Nipper- 
deys Einleit.  (1849)  xxi.  xxvin.  Leo,  Biogr.  193.  Lippelt,  Quaest.  biogra- 
phicae,  Bonn  1889,  37. 

7.  Die  obige  Darstellung  hielt  daran  fest,  daß  das  Feldherrenbuch  ein 
Werk  des  Cornelius  Nepos  sei:  aber  die  Hss.  geben  vielmehr  als  Überschrift 
I/iber  Aemilii  Probi  de  excellentibus  dueibus  exterarum  gentium  und  nennen 
nur  als  Verfasser  des  Atticus  und  Cato  den  Cornelius  Nepos  (o.  A.  5,  Z.  10). 
Gifanius  (in  s.  Ausgabe  des  Lucrez,  Antw.  1566,  p.  394a)  erkannte,  daß  auch 
die  duces  dem  Cornelius  angehören.  Die  Veranlassung  zu  jener  falschen 
Benennung  gab  ein  schülerhaftes  Epigramm,  gedruckt  auch  zB.  AL.  783. 
PLM.  5,  83,  das  in  den  Hss.  hinter  dem  Feldherrenbuche  steht.  Es  hat 
aber  zu  diesem  nur  insofern  eine  Beziehung,  als  es  dem  Anschein  nach 
eine  Abschrift  davon  begleitete,  die  ein  Probus  (10)  dem  Kaiser  Theodo- 
sius  IL  übersendet:  Probus  selbst,  sein  Vater  und  Großvater  (11)  —  also 
wohl  drei  Lohn-  und  Schönschreiber  —  hatten  das  corpus  (11)  hergestellt. 
Traube,  SB.  bayr.  Ak.  1891,  409  (anders  FVogel,  JJ.  151,  779).  Dieses  Epi- 
gramm verursachte  dann  die  falsche  Unterschrift,  die  in  den  Hss.  dem  Epi- 
gramm folgt  Aemilii  Probi  de  exe.  duc.  ext.  gent.  Über  explicit,  und  diese 
wieder  die  falsche  oben  genannte  Überschrift.  Bergk,  Phil.  12,  580,  ver- 
suchte einen  Teil  des  Namens  aus  Mißverständnis  von  EM(endavi)  probvs  zu 
erklären.  Rinck  u.  a.  gaben  sich  große  Mühe,  diesen  (Aemilius)  Probus 
unter  Theodosius  als  den  Verfasser  der  fraglichen  vitae  zu  erweisen.  Aber 
ein  solcher  Ansatz  des  Werkes  ist  literaturgeschichtlich  und   stilistisch  un- 


§  198.  Cornelius  Nepos  461 

möglich:  übrigens  auch  deshalb,  weil  schon  Ampelius  (§  359,  1)  cap.  14. 
16.  33  offenkundig  das  Heldenbuch  benutzt  hat  (Auszüge  daraus  auch  im 
Schol.  Bob.  p.  141,  24  St.,  wo  sich  auch  der  Name  des  Werkes  fde  viris 
illustribus'  angedeutet  findet  p.  141,  25.  143,  2).  Die  unbestritten  von  Cor- 
nelius Nepos  herrührenden  und  in  allen  guten  Hss.  zugleich  mit  dem  Feld- 
herrenbuche überlieferten  vitae  des  Cato  und  des  Atticus  zeigen  die  gleichen 
sachlichen  und  sprachlichen  Eigentümlichkeiten  und  dieselbe  allgemeine 
Auffassung  und  Neigung,  die  behandelten  Helden  zu  retten  und  zu  erhöhen, 
wie  die  der  duces.  Auch  die  vergleichenden  Blicke  des  Verfassers  auf  die 
politischen  Verhältnisse  seiner  Zeit  passen  trefflich  auf  den  Ausgang  der 
Republik  (Eum.  8,  2.  Ages.  4,  2.  Cato  2,  2  u.  a.  Gemss,  ZfGW.  37,  Jahres- 
ber.  390).  Unhaltbar  ist  die  Ansicht  von  FUnger,  Abh.  bayr.  Akad.  16,  1 
(1881),  der  das  Feldherrenbuch  dem  Hyginus  (§  262)  beilegen  will;  s.  da- 
gegen Lupus,  JJ.  125,  379.  Rosenhauer,  phil.  Anz.  13,  733.  AMayr,  stimmt 
der  Cato  u.  Att.  des  Nep.  in  Spr.  u.  Stil  mit  den  vitae  ducum  überein?, 
Cilli  1883.  Schüller,  Progr.  Görz  1897.  Auch  für  die  Annahme,  daß  das 
uns  vorliegende  Werk  ein  spät  gemachter  Auszug  aus  dem  ursprünglichen 
sei,  gibt  es  keinen  irgend  haltbaren  Grund.  Madvig,  op.  2,  123.  Lachmann, 
kl.  Sehr.  2,  188.  Fleckeisen,  Phil.  4,  345.  Nipperdey  (1849)  p.  xxxvi.  Für 
diese  Ansicht  Thyen,  de  auetore  vitarum  C.  N.  quae  feruntur,  Osnabr.  1874. 
Vgl.  noch  HHaupt,  de  auctoris  de  viris  ill.  (unten  §  414,  4)  libro  (Würzb. 
1876)  39. 

8.  Die  hs.  Überlieferung  ist  sehr  mangelhaft.  Von  der  besten  Hand- 
schriftenklasse ist  jetzt  nur  noch  ein  Vertreter  erhalten,  der  cod.  Parcensis 
zu  Löwen  s.  XV  (Roth,  RhM.  8,  626;  vgl.  Phil.  26,  706),  und  auch  in  die- 
sem fehlen  die  vita  Attici  und  die  Bruchstücke  der  Cornelia  (o.  A.  5,  Z.  11); 
andere  Vertreter  derselben  Klasse  waren  der  cod.  Danielis  oder  Gifanii,  der 
beste  von  allen;  dann  vielleicht  der  Leidensis  Boecleri  (s.  A.  9);  beide  Hss. 
sind  jetzt  verschollen.  Von  der  zweiten  beträchtlich  schlechteren  Hss.- Klasse 
ist  der  beste  der  Gudianus  166  s.  XII/XIT1:  die  übrigen  meist  stark  ver- 
fälschten Hss.  sind  s.  XV.  Vgl.  de  librorum  numero  et  auetoritate  in  Roths 
Ausg.  (1841)  p.  207.  251.  Nipperdeys  Text- Ausg.  p.  3.  Gemss,  Zur  Reform 
d.  Textkrit.  des  C.  N.,  Berl.  1888.    Gercke,  JJ.  Suppl.  22,  34. 

9.  Hauptausgaben  von  DLambin  (Par.  1569),  ASchott  (cum  notis  var., 
Frankf.  1608),  Böcler  (Straßb.  1640.  1656),  vStaveren  (Leid.  1734.  1773. 
Stuttg.  1820  II,  cur.  Bardili).  Bremi  (mit  Anmerkungen,  Zur.4  1827).  — 
Erste  kritische  Ausgabe  von  LRoth,  Aemilius  Probus  etc.;  praemissa  sunt 
Rinckii  prolegomena,  Bas.  1841.  Erklärt  von  Nipperdey  (größere  Ausg.), 
Lpz.  1849  (2.  Aufl.  von  Lupus,  Berl.  1879,  kl.  Ausg.11  von  KWitte  1913). 
Revision  von  Nipperde*,  Berl.  1867  (Text  mit  knappem  Apparat).  Apparatu 
critico  adiecto  ed.  Halm,  Lps.  1871.  —  Textum  constit.  Cobet,  Leid.2  1884. 
Rec.  et  verb.  ind.  add.  Gitlbaur,  Freib.  i.  B.5  1907.  Rec.  et  emend.  AWeid- 
ner,  Prag2  1888.  Texte  zB.  von  Halm  u.  Fleckeisen  (Lps.2  1884,  mit  WBuch 
von  Haacke,  161912).  GAndresen,  Prag  1884  (m.  Wörterb.  v.  KJahr).  Wörter- 
bücher von  Koch  und  Georges,  Hann.6  1888,  Eichert,  Bresl. 12  1891.  —  Mit 
Verbesserung  der  sprachlichen  und  sachlichen  Fehler  oder  vervollständigt 
von  Völker  u.  Crecelius,  Lps.4  1893,  Ortmann  (Lpz.5  1891),  FVogel  (Berl.2 
1885  von  KJahr),  JLattmann  (Gott.8  1889). 


462  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

11.  FRinck,  saggio  di  un  esame  critico  etc.,  Venedig  1818:  umgearbeitet 
in  Roths  Ausgabe.  FRanke,  comm.  de  C.  N.  vita  et  scriptis,  Quedlinb.  1827. 
Lieberkühn,  de  auctore  vit.  quae  sub  nomine  C.  N.  feruntur,  Lps.  1837;  vin- 
diciae  librorum  iniuria  suspectorum,  Lps.  1844  (defensio  C.  N.  contra  Aem. 
Pr.  librarium).  RHanow,  de  Com.  Nep.,  Züllichau  1850.  ALinsmayer,  de 
vit.  exe.  duc,  Münch.  1858.  Grasberger,  zur  Würdigung  des  C.  N.,  Eos  1, 
225.  Peter,  HRR.  2,  xl.  Wissowa,  PW.  4,  1408.  De  fontibus  et  auetorit. 
C.  N.  v.  Hisely  (Delft  1827),  Wichers  (Groningen  1828),  Ekker  (acta  soc. 
Rheno-Traiect.  3,  1828,  193).  JFreudenberg,  quaest.  hist.  in  C.  N.,  Cöln  1839; 
Bonn  1842.  Vgl.  PNatorp,  Quos  auetores  secuti  sint  .  .  Cornelius  Iustinus, 
Straßb.  1876;  ZöG.  27,  561.  WKlotz,  die  Quellen  z.  Phokion  im  . . .  Nepos, 
Lpz.  1877.  GFricke,  de  fönt.  Plut.  et  Nep.  in  v.  Phocionis,  Berl.  1883. 
MMohr,  d.  Quellen  d.  Plut.  u.  Nepotischen  Themist.  usw.,  Berl.  1879.  Goethe, 
die  Quellen  des  Nep.  zur  griech.  Gesch.,  Gr.-Glogau  1878.  Hähnel,  die 
Quellen  des  N.  im  Leben  Hannibals,  Jena  1888.  —  Zur  vita  Alcibiadis 
JWiggers  (Lpz.  1833),  Catonis  vHeemfra  (Leid.  1825),  Attici  JHeld  (Prole- 
gomena,  Bresl.  1826),  Miltiadis  Casson,  Klio  14,  69. 

12.  Wörterbücher,  Indices  s.  oben  A.  9.  ADornheim,  Beitr.  z.  Latinität 
des  N.,  Detmold  1861.  BLupus,  der  Sprachgebrauch  des  N. ,  Berl.  1876. 
Pretzsch,  Zur  Stilistik  d.  Nep.,  Spandau  1890.  Norden,  Kunstpr.  204.  — 
Berichte  von  Gemss,  JB.  phil.  Ver.    Bitschofsky,  JB.  72,  75. 

199.  Das  Auguralwesen  wurde  in  dieser  Zeit  von  einer  Anzahl 

vornehmer  Mitglieder   des  Augurenkollegiums   behandelt.   So  von 

Appius  Claudius  (Cos.  54),  der  sich  ähnlich  wie  Nigidius  Figulus 

auch  mit  Totenbeschwörungen,  Geisterseilerei  und  ähnlichem  Spuk 

abgab;  ferner  von  C.  Marcellus,  M.  Messala  (Cos.  53),  L.  Caesar  und 

Veranius.   Über  verwandte  Gebiete  schrieben  Gelehrte  wie  Granius 

Flaccus,  der  die  Indigitamenta  und  das  ius  Papirianum  behandelte, 

und  Aufustius,  über  die  etruskische  Haruspicin  vor  allen  A.  Caecina 

u.  a.   Mit   der   aus   Ägypten   eingeführten  Astrologie   befaßte   sich 

L.  Tarutius,  der  aber  griechisch  schrieb.   Der  Einfluß  der  stoischen 

und  der  neupythagoreischen  Theologie,  d.  h.  der  Richtung  des  Po- 

seidonios  ist  in  dieser  Literatur  nicht  zu  verkennen. 

1.  Appius  Claudius  Ap.  f.  Pulcher,  Augur  seit  59,  Cos.  54,  Cen- 
sor  50,  f  48.  Münzer,  PW.  3,  2849  und  Bull.  inst.  1860,  225.  1861,  63, 
CIL.  1,  619.  Cic.  Brut.  267  Appius  Claudius,  collega  et  familiaris  meus,  .  . 
et  satis  Studiosus  et  valde  cum  doctus  tum  etiam  exercitatus  orator  et  cum 
auguralis  tum  omnis  publici  iuris  antiquitatisque  nostrae  bene  peritus  fuit. 
Tusc.  1,  37  ea  quae  meus  amicus  (zeitweise)  Appius  vsxvoiiavtslcc  faciebat. 
div.  1,  132  psychomantia,  quibus  Appius  . .  uti  solebat.  ep.  3,  4,  1  (J.  51)  an 
ihn :  illo  libro  augurali,  quem  ad  me  amantissime  scriptum  suavissimum  mi- 
sisti.  leg.  2,  32  est  ..  inter  Marcellum  (C.  Claudius  Marcellus,  der  Cos.  50 
oder  der  49)  et  Appium,  optimos  augures,  magna  dissensio  (nam  eorum  ego 
in  libros  ineidi),  cum  alteri  placeat  auspicia  ad  utilitatem  esse  reip.  compo- 
sita,  alteri  disciplina   vestra   (augurum)   quasi   divinare  videatur  posse.    Daß 


§  199.  Antiquare,  Ap.  Claudius,  Messala  463 

letzteres  die  Ansicht  des  Appius  war,  erhellt  aus  div.  2,  75.  Pest.  298  (v. 
sollistimum)  Ap.  Pulcher  in  auguralis  disciplinae  libro  I  ait.  Aus  Cic.  ep. 
3,  9,  3.  3,  11,  4  ergibt  sich,  daß  Cicero  im  J.  50  noch  weitere  Bücher  des 
Werkes  erwartete.    IAH.  1,  243. 

2.  M.  Yalerius  Messala  (Rufus,  s.  u.),  Cos.  53;  PRE.  6,  2347.  Macr.  1, 
9,  14  M.  Messala,  Cn.  Domitii  in  consulatu  collega  idemque  per  annos  LV 
augur,  de  Iano  ita  incipit  (vgl.  Lyd.  mens.  4,  1).  Gell.  13,  14,  5  f.  (über  das 
pomerium).  13,  15,  3  Über  M.  Messalae  auguris  de  auspiciis  primus  (folgt 
ein  größeres  Bruchstück).  13,  16,  1  Messala  in  eodem  libro  de  minoribus 
magistratibus.  Fest.  161  Messala  augur  in  explanatione  auguriorum. 
253  . .  ssala  in  expla.  351  Messala  augur  ait  (vgl.  379,  18).  —  Ebd.  321 
(erklärt  wird  eine  Stelle  der  XII  Tafeln)  ne  Valerius  (quidem  Messala^  in 
XII  explanati(one  rem  expedivit.  hie  ta}men  in  eo  libro,  qu(em  de  dictis 
in)volute  inseribit  usw.    355  . .  tione  XII  ait.    Zweifelhaft  ist,  ob  dieser  Va- 

v  lerius,  dessen  Cognomen  Messala  nur  auf  Ergänzung  beruht,  mit  dem  Schrift- 
steller über  Auguralwesen  zu  verbinden  ist.  Huschke  denkt  an  Valerius 
Soranus  (§  147, 1).  Vgl.  §  86,  6.  Unten  §  222,  3  E.  RSchöll,  XII  tabb.  p.  37. 
Huschke,  LA.6  47.  Dieser  Messala,  der  fünfundzwanzig  Jahre  Augur  war, 
also  ein  sehr  hohes  Alter  erreichte,  ist  gewiß  auch  der  wiederholt  von  Pli- 
nius  als  Messala  senex  bezeichnete  (vgl.  QVerz.  B.  35  ex  .  .  Messala  oratore 
[§  222],  Messala  sene.  34,  37.  35,  8,  auch  hier  neben  dem  Messala  orator), 
der  an  anderen  Stellen  des  Plinius  Messala  Rufus  heißt  (QVerz.  B.  7.  34; 
zitiert  7,  173).  Plin.  NH.  35,  8  similis  causa  Messalae  seni  expressit  Volu- 
mina illa,  quae  de  familiis  condidit  usw.  Daraus  ein  Bruchstück  ebd.  34, 
137.  Fest  stehen  also  Schriften  de  auspiciis  und  de  familiis  (§  166,  4  e), 
sowie  ein  Kommentar  zu  den  xn  tabb.,  in  denen  sich  alle  Anführungen 
unterbringen  lassen.  HPeter,  JJ.  127,  107;  HRF.  265;  HRR.  2,  lxxviii.  65. 
IAH.  1,  263. 

3.  Priscian.  GL.  2,  380,  3  Lucius  Caesar:  *certaeque  res  auguranturS 
Fest.  161  maiorem  consulem  L.  Caesar  putat  dici  eum  qui  etc.  Dadurch  er- 
halten ihre  genauere  Beziehung  die  Anführungen  bei  Priscian.  GL.  2,  270 
{Caesar  in  auguralibus)  und  Macr.  1,  16,  29  {Iulius  Caesar  XVI0  auspicio- 
rum  libro  negat  nuudinis  contionem  advocari  posse).  Vielleicht  der  Consul 
90  (PRE.  4,  425,  7,  älterer  Bruder  des  oben  §  153,  3  Genannten)  f  87. 
Huschke,  IA.6  46.   IAH.  1,  106. 

4.  Fest.  289  Veranius  in  eo,  qui  est  auspiciorum  de  comitiis.  Festus 
158  Veranius  in  libro  (quem  inscripsit  priscarum  vo}cum,  nach  der  Ergän- 
zung des  Ursinus  {qui  est  de  verbis  pontifiycum  Reitzenstein).  Macr.  3,  6, 14 
Veranius  pontificalium  eo  libro,  quem  fecit  de  supplicationibus ;  vgl.  ebd.  3, 
5,  6  in  pontificalibus  quaestionibus.  3,  2,  3  Veranius  ex  primo  libro  Pictoris 
(vgl.  §  116,  7)  über  porricere.  3,  20,  2  Veranius  de  verbis  pontificalibus.  Da 
hiernach  Veranius  schon  von  Verrius  Flaccus  benützt  war,  so  scheint  er 
noch  in  die  Zeit  der  Republik  zu  fallen;  später  als  unter  Augustus  keines- 
falls. EHübner,  ephem.  epigr.  2,  73,  denkt  an  den  bei  Tac  ann.  2,  56  und 
sonst  erwähnten  Legaten  des  Germanicus  Q.  Veranius,  Hirschfeld  richtiger 
an  den  von  Augustus  als  Archaisten  genannten  (Suet.  86).  Vereinzelt  steht 
Veranius  Flaccus  bei  Suet.  Aug.  86  (§  209,  12),  daher  man  dort  Verrius 
Flaccus   oder  Granius  Flaccus   lesen  wollte:    aber   richtiger  wird  man  eine 


464  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

Stütze  für  das  Cognomen  Flaccus  auch  des  Veranius  bei  Mach.  1,  15,  21  fin- 
den (Verrium  Flaccum,  iuris  pontißcii  peritissimum ,  dicere  solitum  refert 
Varro),  wo  Verrius  aus  zeitlichen  Gründen  nicht  paßt.  OHirschfeld  ,  Sehr. 
798.  Vgl.  noch  §  222,  3  gE.  Reitzenstein,  Bresl.  phil.  Abh.  1,  4,  47.  IAH. 
2,  5.    Funaioli,  GRF.  1,  429. 

5.  Plinius  QVerz.  zu  B.  2:  Caecina,  qui  de  Etrusca  diseiplina  (scripsit, 
insbes.  über  die  Blitzlehre).  Reste  dieser  Schrift  bei  Sen.  nat.  qu.  2,  31 — 49. 
Plin.  NH.  2,  137 — 138,  bei  Fest.  Serv.  u.  a.  Vgl.  Schol.  Veron.  zu  Aen. 
10,  198  (p.  445,  5  H.)  über  die  Gründung  von  Mantua.  Derselbe  Verfasser 
ist  wohl  durch  Varros  Vermittlung  auch  Quelle  für  Plin.  NH.  11,  197  Cae- 
cinae  Volaterrano  dracones  emieuisse  de  extis  laeto  prodigio  traditur;  vgl. 
10,  71.  Münzer,  Beitr.  z.  Quellenkritik  244.  Cic.  ep.  6,  6,  3  (J.  46  oder  45 
an  Caecina)  si  te  ratio  quaedam  Etruscae  diseiplinae,  quam  a  patre  .  .  acce- 
peras,  non  fefellit.  Die  Familie  (etr.  Ceicna)  stammte  aus  Volaterrae  in 
Etrurien  (s.  o.),  wo  sie  zu  den  mächtigsten  gehörte;  OMüller,  Etr.  I2,  486. 
Der  Vater  scheint  der  von  Cicero  J.  69  (als  er  etwa  40  J.  alt  war)  vertei- 
digte Caecina  (§  179,  13)  zu  sein.  Sen.  nat.  quaest.  2,  56,  1  haec  (über  ful- 
guratio)  apud  Caecinam  invenio,  faeundum  virum  et  qui  habuisset  aliquando 
in  eloquentia  nomen,  nisi  illum  Ciceronis  umbra  pressisset.  Cic.  ep.  6,  9  (J.  46) 
et  patre  eins  .  .  plurimum  usi  sumus  et  hunc  a  puero,  quod  et  spem  magnam 
mihi  afferebat  summae  . .  eloquentiae  et  vivebat  mecum  coniunetissime  . .  etiam 
studiis  communibus,  semper  dilexi.  Jene  Schrift  scheint  er  erst  später  ver- 
faßt zu  haben.  Suet.  Iul.  75  Auli  Caecinae  criminosissimo  libro  .  .  laceratam 
existimationem  suam  civili  animo  tulit.  Doch  hatte  ihn  Caesar  deshalb  aus 
Italien  verbannt,  trotzdem  der  Angriff  in  die  Zeit  des  offenen  Krieges  fiel: 
armatus  adversario  male  dixi,  sagt  Caecina  selbst  in  dem  lebendig  geschrie- 
benen Briefe  (vom  J.  46)  bei  Cic.  ep.  6,  7,  womit  er  eine  (in  Siciiien  ver- 
faßte) Schrift  (in  Prosa,  vielleicht  in  Form  eines  Schreibens  an  Caesar)  be- 
gleitet, welche  die  Aufhebung  seiner  Verbannung  von  Caesar  erwirken  sollte. 
Titel  fQuerelae'?  s.  ebd.  6,  6,  8  {Caesar)  mitis  clemensque  natura,  qualis  ex- 
primitur  praeclaro  Mo  libro  querelarum  tuarum.  Die  Begnadigung  nach 
dem  afrikanischen  Kriege  (b.  Afr.  89)  sicherte  ihm  wohl  nur  das  Leben; 
jedenfalls  war  Anf.  45  die  Verbannung  noch  nicht  aufgehoben.  OESchmidt, 
Briefwechsel  269.  Empfehlungsschreiben  für  ihn  vom  J.  46/5  Cic.  ep.  6,  9. 
13,  66  hominis  omnibus  mecum  studiis  offieiisque  coniunetissimi ;  der  Emp- 
fänger soll  ihn  in  reliquiis  veteris  negotiationis  (in  Asien,  vgl.  6,  6,  2.  6,  8,  2) 
colligtndis  unterstützen.  Drumann,  GR.  6,  279.  GZimmermann,  de  A.  Caecina 
scriptore,  Berl.  1852.  Münzer,  PW.  3,  1237.  GSchmeisser,  de  Etrusca  discipl. 
(Bresl.  1872),  23;  die  etr.  Disziplin,  Liegn.  1881,  13. 

6.  Plinius  NH.  im  QVerz.  zu  B.  11  (insectorum  genera):  ex  auetoribus 
. .  Iulio  Aquila,  qui  de  Etrusca  diseiplina  scripsit  (ob  der  Freigelassene  des 
Maecenas  bei  Dio  55,  7,  6?  s.  OMüller,  Etr.  22,  34),  Tarquitio  (s.  §  158,  2), 
qui  item,  Umbricio  Meliore  (aus  Etrurien,  der  Hof-Haruspex  des  Kaisers 
Galba),  qui  item.  Letzterer  ist  auch  zu  B.  10  (volucrum  naturae)  als  Quelle 
genannt  (vgl.  NH.  10,  19  Umbricius  haruspicum  in  nostro  aevo  peritissimus) 
und  für  die  Behandlung  der  oscines  und  alites  §  6 — 91  die  Hauptquelle, 
der  Plinius  auch  die  Zitate  älterer  Auguralschriftsteller  und  des  Griechen 
Hylas,  der  externorum  de  auguriis  peritissime  scripsisse  putatur  (§  38),  ver- 


§  199.  Antiquare  und  Theologen  465 

danken  wird.  Tac.  bist.  1,  27.  Plut.  Galb.  24.  OMüller  aO.  22,  13.  34. 
Schmeisser,  etr.  Diszipl.  25.  27.  Detlefsen,  Herrn.  36,  1.  —  Arnob.  3,40  Cae- 
sius  et  ipse  (wie  der  vorher  genannte  Nigidius  §  170)  disciplinas  Etruscas 
sequens  Fortunam  arbitratur  et  Cererem  Genium  Jovialem  ac  Palem  {esse 
penates)  usw.  Sonst  unbekannt  (wenn  nicht  etwa  mit  dem  §  174,  5  Z.  3  ge- 
nannten Juristen  zu  verbinden;  so  auch  MHertz,  Berl.  phil.  Woch.  1888, 
302):  der  Name  weist  auf  Etrurien.  Schmeisser,  etr.  Disziplin  31.  Wissowa, 
Ges.  Abh.  124. 

7.  Censorin.  d.  n.  3,  2  Granius  Flaccus  in  libro,  quem  ad  Caesarem 
de  indigitamentis  scriptum  reliquit.  Paul.  dig.  50,  16,  144  G.  Fl.  in  libro  de 
iure  Papiriano  (§  71,  1)  scribit.  Vgl.  Macr.  1,  18,  4  (Varro  et  Gr.  FL).  Fest. 
277  (Gran.).  Arnob.  3,  31  (vir  ingenio  praepotens  atque  in  doctrina  praeci- 
puus).  38.  6,  7  (wo  schwerlich  Granius  Licinianus,  §  359,  4,  gemeint  ist); 
wohl  auch  5,  18  (Flaccus).  Auch  der  für  einen  Ausdruck  der  Blitzlehre  bei 
Festus  214h,  23  angeführte  Grapus  könnte  aus  Granius  verschrieben  sein. 
Jedenfalls  ist  er  ein  Antiquar  der  ausgehenden  Republik,  den  später  beson- 
ders Cornelius  Labeo  herangezogen  hat;  ihn  mit  Granius  Licinianus  gleich- 
zusetzen berechtigt  nichts.  Funaioli,  PW.  7,  1819.  Hirschfeld,  Sehr.  245. 
Schmeisser,  Quaest.  de  etr.  disc,  Berl.  1872,  26.    IAH.  1,  260. 

8.  Paul.  Festi  (also  Verrius  Flaccus)  94  Aufustius  genius,  inquit,  est 
deorum  filius  etc.  Prisc  GL.  2,  383  Aufustius:  omnia  argumentata  nomina 
etc.  Daher  wird  auch  in  dem  Auszug  (aus  Varro)  GL.  7,  35  abnesti  fusti 
grammatici  liber  ad  Asinium  Pollionem  zu  schreiben  sein:  Aufusti  gramm.; 
Usener,  Sehr.  2,  212.  218. 

9.  Cic.  div.  2,  98  L.  Tarutius  Firmanus,  familiaris  noster,  in  primis 
Chaldaeicis  rationibus  eruditus,  urbis  nostrae  natalem  diem  repetebat  . .  .  Bo- 
mamque,  in  iugo  cum  esset  luna9  natam  esse  dicebat  nee  eius  fata  canere 
dubitabat.  Vgl.  Plut.  Romul.  12  (wonach  er  auf  die  Bitte  seines  Freundes 
Varro  die  Konzeption  und  Geburt  des  Romulus  und  die  Gründung  Roms 
auf  ägyptische  Daten  bringt).  Lyd.  mens.  1,  14  (Tccqqovuos  o  n,ccd"r}[Lcctix6g 
stellt  das  Horoskop  der  Stadt  Rom).  Plin.  QVerz.  zu  B.  18  ex  L.  Tarutio, 
qui  graece  de  astris  scripsit  (§  195,  6).    Mommsen,  Chronol.2  145. 

10.  Über  Cornelius  Baibus  s.  §  209,  4.  —  Sonst  unbekannt  ist  ein  Ti- 
tius,  der  als  Gewährsmann  über  priesterliche  Tracht  zweimal  von  Festus 
erwähnt  wird  205,  2  offendices  ait  esse  Titius  nodos,  quibus  apex  retineatur 
et  remittatur.  At  Veranius  (oben  A.  4)  ...  289,  22  Titi(us  autem  ait,  quod 
ex  lana  fiaty  sueida  alba  vesti(mentum  dici  ricam  idque  essey  triplex  usw. 
Wenn  er  eine  Person  wäre  mit  dem  bei  Macr.  3,  11,  5  Genannten  (Tertius 
eum  de  ritu  sacrorum  multa  dissereret,  vgl.  Hertz,  de  Cinciis  39)  so  müßte 
er  nach  Vergil  angesetzt  werden. 

200.  Andere  Gelehrte  waren  zugleich  Lehrer:  so  der  einfluß- 
reiche Kritiker  P.  Yalerius  Cato,  der  als  Haupt  der  neoterischen 
Dichterschule  angesehen  wurde  und  auch  selbst  Gedichte  in  dem 
alexandrinisierenden  Geschmacke  dieses  Kreises  verfaßte.  Die  im 
vergilischen  Nachlaß  auf  uns  gekommenen  bukolisch-erotischen  Ge- 
dichte Dirae  und  Lydia  hat  man  ihm  ohne  ausreichende  Gründe 

Teuffei:  röm.  Literaturgesch.    Neub.  6.  Aufl.   I.  30 


466  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

beigelegt.  In  ähnlicher  Lage  wie  Cato  war  auch  der  charaktervolle, 
aber,  grämliche  L.  Orbilius  Pupillus  aus  Beneventum  (J.  114  — 
c.  17),  udcI  Freigelassene  wie  Curtius  Nicias. 

1.  Suet.  gr.  11  P.  (der  Vorname  im  ind.  gramm.  p.  98,  9  lt.)  Valerius 
Cato,  ut  nonnulli  tradiderunt,  Burseni  cuiusdam  libertus  ex  Gdllia  (cis- 
alpina?);  ipse  libello  cui  est  titulus  Hndignatio'  (gewiß  in  Versen)  ingenuum 
se  natum  ait  et  pupillum  relictum  eoque  facilius  licentia  Sullani  temporis 
(J.  82 — 80)  exutum  patrimonio.  Danach  kann  man,  da  der  Römer  erst  mit 
dem  25.  Lebensjahre  mündig  ward,  Catos  Geburt  um  J.  100  ansetzen:  man 
soll  damit  nicht  zu  weit  herabgehen,  da  C.  noch  bei  Philocomus  (§  148,  3) 
hörte  und  selbst  als  Lehrer  der  'neumodischen  Dichter'  (§  213  f.)  nicht  un- 
erheblich älter  als  diese  gewesen  sein  wird.  Vgl  auch  §  192,  6.  Daß  ein 
Grammatiker  als  Haupt  dieser  Dichterschule  verehrt  wird,  ist  bei  Nach- 
ahmern des  Kallimachos  nicht  auffällig.  Suet.  aO.  (Cato)  docuit  multos  et 
nobiles  visusque  est  peridoneus  praeceptor,  maxime  ad  poeticam  tendentibus,  ut 
quidem  apparere  vel  Ms  versiculis  potest  'Cato  grammaticus,  Latina  Siren, 
qui  solus  legit  ac  facit poetas'  (d.  h.  erliest  sie  vor,  vgl.  §41,  1  Z.  14  und  be- 
gründet dadurch  ihren  Ruf),  is  scripsit  praeter  grammaticos  Ubellos  etiampoemata, 
ex  quibus  praecipue  probantur  Lydia  et  Diana.  Lydiae  Ticida  (§  213,  1) 
meminit  'Lydia  doctorum  maxima  cura  Über'',  Dianae  Cinna  c Saecula  per- 
maneat  nostri  Dictynna  Catonis' :  die  Schüler  und  guten  Freunde  nahmen 
im  Urteil  den  Mund  etwas  voll  (s.  gleich  unten  Bibaculus).  Die  Lydia  war 
wohl  ein  gelehrt-erotisches  Gedicht  alexandrinischer  Art  wie  Philetas'  Bittis 
und  Antimachos'  Lyde,  die  Diktynna  ein  Epyllion,  von  dessen  Inhalt  Ciris 
286  ff.  einen  Begriff  gibt  (Sudhaus  Herrn.  42,  485.  Schwabe,  Observ.  in  Cirin, 
Dorpat  1871,  4).  Auf  erotische  Gedichte  deutet  Ovid.  trist.  2,  436  et  leve 
Cornifici  parque  Catonis  opus.  Daß  bei  Catull  95  zu  ergänzen  ist  parva  mei 
mihi  sint  cordi  monumenta  (Catonisy,  at  populus  tumido  gaudeat  Antimacho 
(Leo,  Herrn.  38,  305),  ist  möglich,  aber  nicht  zu  beweisen.  Suet.  aO.  weiter- 
hin: vixit  ad  extremam  senectam,  sed  in  summa  pauperie  et  paene  inopia, 
.  .  postquam  Tusculana  villa  creditoribus  cesserat.  Es  folgen  zwei  Epigramme 
des  Bibaculus  (§  192,  4)  über  den  Gegensatz  der  äußeren  kümmerlichen 
Lage  des  Cato  (mei  .  .  .  Catonis)  zu  seiner  geistigen  Bedeutung:  tantam  sa- 
pientiam  legt  er  ihm  bei,  nennt  ihn  unicum  magistrum,  summum  grammati- 
cum,  optimum  poetam  und  schließt:  En  cor  Zenodoti,  en  iecur  Cratetis!  Über 
Catos  kritische  Bemühungen  für  Lucilius  s.  §  143,  5:  in  die  Luciliusstudien 
war  Cato  durch  Vettius  Philocomus  eingeführt  worden  s.  §  148,  3.  Vgl.  noch 
Suet.  gramm.  4  Valerium  Catonem,  poetam  simul  grammaticumque  notissimum. 
Vgl.  LSchwabe,  Quaest.  Catull.  305.  Nipperdey,  op.  491.  Berge,  Beitr.  z.  lat. 
Gramm.  1,  126,  2. 

2.  Die  Sammlung  der  sog.  vergilischen  carmina  minora  (§  229,  1)  ent- 
hält neben  anderem  auch  Dirae  (183  Hex.),  Verwünschungen  eines  Gutes, 
das  dem  Dichter  in  den  Bürgerkriegen  entrissen  worden  war.  Da  die  zweite 
Hälfte  (v.  104—183)  eine  Klage  um  die  geliebte  Lydia  bildet  und  diese 
auch  im  ersten  Teil  (V.  41.  89.  95)  genannt  wird,  so  vermuteten  JScaliger, 
Näke  u.  a.,  daß  Valerius  Cato  der  Verfasser  sei.  Aber  weder  die  Unmündig- 
keit  noch    die   sullanische  Zeit  (A.  1)  treffen   bei  diesem  Gedichte  zu,    das 


§  200.  Valerius  Cato  467 

vielmehr  eher  auf  die  Ackerverteilungen  des  J.  41  hinweist;  Rothstein  denkt 
wegen  V.  9  Trinacriae  sterilescant  gaudia  vobis  an  die  J.  21  nach  Sizilien 
geschickten  Kolonien  (dagegen  Kroll,  RhM.  60,  552);  Reitzenstein  sieht  in 
dem  Lycurgus,  dessen  impia  facta  den  Dichter  um  sein  Gut  bringen,  Octa- 
vianus  (Drei  Vermutungen  32).  Vgl.  Ribbeck,  RhM.  50,  558.  KFHermann,  ges. 
Abh.  114.  Merkel  zu  Ibis  p.  364.  Den  Anlaß,  das  Gedicht  Vergil  zuzuschreiben, 
bot  wohl  die  Tatsache,  daß  auch  er  im  J.  41  sein  Gut  eingebüßt  hatte. 
Sonstige  Übereinstimmung  mit  seinen  Verhältnissen,  seiner  Denkweise  und 
dichterischen  Eigentümlichkeit  ist  nicht  vorhanden.  —  Ribbeck  (röm  Dicht. 
1,  311)  hält  Valerius  Cato  zwar  für  den  Urheber  beider  Gedichte,  glaubt 
sie  aber  erst  geschrieben,  als  er  durch  die  Ackerverteilungen  des  J.  41  wieder 
an  die  ihm  durch  die  sullanische  Achtung  des  J.  81  zugefügte  Unbill  er- 
innert wurde.  Also  nach  vierzig  Jahren!  Aber  aus  diesem  in  seiner  Häufung 
gleichartiger  Verwünschungen  —  vgl.  Ovids  Ibis,  Euphorions  'Agal  —  ein- 
tönigen und  wenig  erfreulichen  Gedicht  redet  die  Maßlosigkeit  der  Jugend  oder 
des  noch  ungebrochenen  Schmerzes.  Da  die  Ereignisse  des  Jahres  41  für  sich 
das  Gedicht  genügend  erklären,  so  ist  nur  der  Name  Lydia  der  dünne 
Faden,  an  dem  die  Scaligersche  Vermutung  hängt.  Und  hier  gerade  mahnt 
zur  Vorsicht  der  Name  der  Indignatio,  den  man  sofort  mit  den  Dirae  ver- 
binden würde,  wenn  nicht  die  bestimmte  Inhaltsangabe  bei  Suet.  aO.  es 
verböte.  Für  Cato  tritt  auch  Eskuche,  De  Valerio  Catone  deque  Diris  et 
Lydia,  Marb.  1889,  ein.  Das  Zerfallen  des  Gedichts  in  zwei  Teile,  f Dirae' 
und  fLydia',  erkannte  FJacobs,  Verm.  Sehr.  5,  639;  es  handelt  sich  in  Wahr- 
heit um  zwei  getrennte  Gedichte ,  die  von  verschiedenen  Verfassern  her- 
rühren können  (Rothstein,  Herrn.  23,  508).  Über  die  —  freilich  ganz  lockere 
—  strophische  Gliederung,  bezeichnet  durch  Kehrverse  und  im  Bembinus 
durch  rote  Anfangsbuchstaben,  vgl.  KFHermann  aO.  118;  HKeil,  ALZ.  1849, 
Nr.  61.  Auch  Göbel,  de  ephymn.  (Gott.  1858)  48;  die  stroph.  Compos.  d. 
Dirae,  Warendorf  3  861;  Valeri  Catonis  carmina  rec,  Warendorf  1865. 
Von  einem  zweiten  Redenden  und  Wechselgesang  ist  in  den  Dirae  keine 
Spur;  Battarus  ist  nichts  als  Angeredeter,  ohne  weitere  Persönlichkeit. 
Der  geschichtliche  Ausgangspunkt  ist  in  beiden  Gedichten  nicht  derselbe. 
Zwar  sagen  die  Dirae,  daß  die  Trennung  von  der  auf  dem  Gute  zurück- 
bleibenden Lydia  (V.  41.  89.  95)  den  Verlust  besonders  schmerzlich  mache 
(ohne  daß  der  Zusammenhang  der  Lydia  mit  dem  Gute  klar  würde).  Aber 
die  'Lydia'  beneidet  das  Gut  um  den  vorübergehenden  Besitz  der  Geliebten 
und  beklagt  ihre  Abwesenheit;  daß  der  Dichter  das  Gut  besessen  und  ver- 
loren habe,  wird  mit  keinem  Worte  angedeutet.  Er  wirft  die  Frage  auf,  ob 
die  Trennung  von  der  Geliebten  die  Strafe  dafür  sei,  daß  er  ausus  castos 
violare  pudores  (V.  53),  und  beantwortet  sie  unter  Aufwand  von  mythologi- 
scher Gelehrsamkeit  und  in  dem  tändelnden  unmännlichen  Tone  der  Ele- 
giker  der  augusteischen  Zeit,  deren  Anfängen  wohl  beide  Gedichte  ange- 
hören. Die  Mischung  der  bukolischen  und  erotischen  Motive  namentlich  in 
der  Lydia  mag  durch  Vergil  angeregt  sein ;  vgl.  auch  Lyd.  9  o  fortunati  ni- 
mium  mit  Georg.  2,  458  o  fortunatos  nimium;  ferner  Dir.  8  montibus  et  silvis 
=  Ecl.  2,  5;  Dir.  32  formosaeque  cadent  umbrae,  formosior  Ulis  mit  Ecl.  5, 
44  formosi  pecoris  custos,  formosior  ipse.  Auch  Spuren  einer  Nachahmung 
von  Catull  c.  64  finden   sich  (Eskuche  74).    Reitzenstein  aO.  43    entscheidet 

30* 


468  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

sich  für  die  Abfassung  zwischen  J.  39  und  34.  —  Ausgaben:  Vgl.  §  229,  5, 
in  Bukmanns  Anth.  lat.  2,  p.  649  und  Wernsdorfs  PLM.  3,  1.  Rec.  et  ill. 
Putsche,  Jena  1828.  Val.  Catonis  carmina  cum  animadv.  FNaekii;  acc.  de 
V.  C.  eiusque  vita  ac  poesi  diss.,  Bonn  1847.  Ferner  in  den  Ausgaben  der 
App.  Vergil.,  zB.  Bährens  PLM.  2,  73.    Vollmer  ebd.  1,  67.    Curcio  2,  2,  48. 

3.  Suet.  gr.  9  L.  (der  Vorname  im  ind.  gramm.  p.  98,  7  R.)  Orbilius 
Pupillus  Beneventanus  .  .  primo  apparituram  magistratibus  fecit,  deinde  in 
Macedonia  comiculo,  mox  equo  meruit  functusque  militia  studio,  repetiit  .  .  .; 
ac  professus  diu  in  patria  quinquagesimo  demum  anno  Bomam  consule  Cice- 
rone (J.  63)  transiit,  docuitque  maiore  fama  quam  emolumento.  namque  iam 
persenex  pauperem  se  .  .  quodam  scripto  fatetur  (s.  aber  Suet.  gr.  8).  librum 
etiam  cui  est  titulus  f  peridlogos  (peri  alogon  Beroaldus,  TCsgiaXyqg  Toup) 
edidit  continentem  querelas  de  iniuriis,  quas  professores  neglegentia  aut  am- 
bitione  parentum  acciperent  (daraus  wohl  Prisc.  GL.  2,  381,  1  Orbilius  ^quae 
nix  ab  hominibus  consequi  possunt').  fuit  autem  naturae  acerbae  .  .  etiam  in 
discipulos,  wofür  Horatius  (ep.  2,  1,  71)  und  Domitius  Marsus  (§  243,  1)  zitiert 
werden,  ac  ne  principum  quidem  virorum  insectatione  abstinuit.  . .  vixit  prope 
ad  centesimum  aetatis  annum  (§  192,  6)  .  .  statua  eius  Beneventi  ostenditur 
in  Capitolio.  .  .  marmorea  habitu  sedentis  ac  palliati  appositis  duobus  scriniis. 
reliquit  filium  Orbilium  et  ipsum  grammaticum  professorem.  Erwähnungen 
aus  seinen  Schriften  ebd.  4  u.  8.  Vgl.  §  159,  6.  Manche  (zB.  Reisig,  Nipper- 
dey,  ThSchmid,  Phil.  11,  54)  halten  ihn  für  den  grammaticorum  equitum  doc- 
tissimus,  dessen  Herbigkeit  in  den  Eingangsversen  von  Horaz  sat.  1,  10,  4 
der  Feinheit  und  Milde  des  Valerius  Cato  gegenübergestellt  wird  (§  143,  5). 
—  AG  Lange,  verm.  Sehr.  182.    Funaioli,  GRF.  1,  134. 

4.  Suet.  gramm.  14  Curtius  Nicia  haesit  Cn.  Pompeio  et  C.  Memmio ; 
sed  cum  codicillos  Memmi  ad  Pompei  uxorem  de  stupro  pertulisset  (vor  J.  52), 
proditus  ab  ea  Pompeium  offendit  domoque  ei  interdictum  est.  fuit  et  Cice- 
ronis  familiär is  (folgen  Belege  aus  dessen  epp.  ad  Dolabellam  [=  ep.  9,  10, 
1,  wo  Niciam  nostrum]  und  Att.  12,  26,  2  vom  J.  45  nosti  Niciae  nostri  im- 
becillitatem,  mollitiam,  consuetudinem  victus).  huius  de  Lucilio  libros  (vgl. 
§  143,  5)  etiam  Santra  comprobat.  Cicero,  der  ihn  öfter  erwähnt,  nennt  ihn 
immer  Nicias,  nur  ad  Att.  7,  3,  10  N.  Cous.  Vielleicht  ist  er  mit  dem  durch 
Herodians  Vermittlung  öfter  in  den  Homerscholien  genannten  Aristarcheer 
Nikias  identisch.  Hillscher,  JJ.  Suppl.  18,  373.  Funaioli,  GRF.  1,  382. 
Münzer,  PW.  4,  1868. 

201.  Die  stoische  Lehre  brachte  der  jüngere  Cato  (J.  95 — 46) 
zu  Ehren,  indem  er  sich  offen  zu  ihr  bekannte  und  in  Wort,  Leben 
und  Sterben  ihre  Grundsätze  verwirklichte.  Deren  Starrheit  stimmte 
trefflich  zu  der  Unbeugsamkeit  von  Catos  Charakter,  von  der  eine 
gewisse  Einseitigkeit  und  Selbstbeschränkung  unzertrennlich  war. 
Auch  als  Redner  folgte  er  der  stoischen  Art,  ohne  große  Bedeutung 
zu  gewinnen. 

1.  M.  Porcius  Cato,  Urenkel  des  Censorius,  geb.  95  (Groebe,  Herrn.  42, 
310),  Volkstribun  62,  Praetor  54,  gab  sich  nach  der  Schlacht  bei  Thapsus, 
April  46,  zu  Utica   selbst  den  Tod.     Bei  allem  Mangel  an  Weitsichtigkeit 


§  200.  Orbilius.    §  201.  Cato  Uticensis  469 

und  geistiger  Beweglichkeit  war  er  doch  ehrenwert  durch  die  Treue,  Festig- 
keit und  Uneigennützigkeit,  womit  er  der  Republik  diente.  Vgl.  Plutarchs 
Cato  minor  (wohl  nach  Paetus  Thrasea,  §  299,  7).  Cic.  p.  Mur.  60  ff.  Cha- 
rakteristik bei  Sall.  Catil.  74.  Übertreibend  im  Sinne  der  Deklamatoren- 
schule (A.  4)  Vellei.  2,  35,  2;  vgl.  Drumann,  GR.  5,  153.  PRE.  5,  191 U 
Köchly,  Akad.  Vorträge  1,  53.  Wartmann,  Leben  d.  Cato  v.  Utica,  Zur.  1858. 
Mommsen,  RG.  36,  459.    DGerlach,  Cato  der  jüngere,  Bas.  1866. 

2.  Willkürlich  Hieron.  Eus.  Chron.  zu  a.  Abr.  1948  (Amand.  1949)  = 
69  M.  Porcius  Cato  Stoicus  phüosophus  agnoscitur.  Als  Stoiker  läßt  ihn 
Cicero  im  3.  und  4.  B.  von  de  fin.  auftreten.  Cic.  Brut.  118  Stoici  .  .  traducti 
a  disputando  ad  dicendum  inopes  reperiuntur.  unum  excipio  Catonem,  in  quo 
perfectissimo  Stoico  summam  eloquentiam  non  desiderem.  119  habet  a  Stoicis 
id  quod  ab  Ulis  petendum  fuit,  sed  dicere  didicit  a  dicendi  magistris  eorum- 
que  more  se  exercuit.  leg.  3,  40  nee  est  umquam  longa  oratione  utendum,  nisi 
aut  peccante  senatu  .  .  tolli  diem  utile  est  aut  cum  tanta  causa  est,  ut  opus 
sit  oratoris  copia;  .  .  quorum  generum  in  utroque  magnus  noster  Cato  est. 
Verwendung  der  Philosophie,  s.  §  50,  4.  Quint.  11,  1,  36  Cato  eloquens  Senator 
fuit.  Plut.  Cato  min.  5  6  Xoyog  veccgbv  {ihv  ovdhv  ovdh  xoywpbv  £i%sv ,  cdX 
r\v  ögfriog  nccl  7r£Qi/Jtad'r}g  %cd  xQcc%vg.  ebd.  23  tovxov  {iovov  cov  Katar  zms 
Siaöm^sG^cci  cpecöi,  tbv  Xoyov  (die  Rede  gegen  die  Catilinarier),  da  sie  der  Cos. 
Cicero  habe  nachschreiben  lassen  (schwerlich  liegt  Verwechslung  mit  der 
Rede  vor,  die  Sallust  Catil.  52  ihm  in  den  Mund  legt;  vgl.  Vellei.  2,  35,  3). 
FSchneider,  de  Catone  üticensi  oratore,  ZfAW.  1843,  112.  Gegen  Metellus 
Scipio,  den  Entführer  seiner  Braut,  schrieb  Cato  (t<5  7tixQ<p  ngocxQ^ßci^svog 
tov  'Aq%i16%ov)  Iamben,  s.  Plut.  Cat.  min.  7.  Das  Einzige,  was  von  ihm  auf 
uns  gekommen  ist,  ist  sein  Brief  an  Cicero  vom  J.  50,  ep.  15,  5. 

3.  Plin.  NH.  7,  113  Uticensis  Cato  unum  ex  tribunatu  militum  (J.  67) 
philosophum,  alterum  ex  Cypria  legatione  (J.  58)  deportavit  nach  Rom.  Be- 
sonders befreundet  war  Cato  mit  den  Stoikern  Antipatros  aus  Tyros  (Plut.  4), 
Athenodoros  (ebd.  10  u.  16),  Apollonides  (ebd.  65  f.);  doch  auch  mit  dem 
Peripatetiker  Demetrios  (ebd.),  sowie  mit  Philostratos  (ebd.  57). 

4.  Schon  gleich  nach  seinem  Tode  wurde  Catos  Gestalt  ein  Streitgegen- 
stand für  die  politischen  Parteien,  s.  §  180,  5.  195,  7.  210,  2.  215,  2.  220,  3. 
Horaz  nennt  ihn  mehrfach  als  Beispiel  stoischer  Tugend  (Corssen  JJ.  1907 
XIX  592),  und  als  solches  kennt  ihn  die  Rhetorenschule,  die  besonders  seinen 
Tod  verherrlicht;  daher  seine  häufige  Erwähnung  bei  Seneca  Vater  und  Sohn 
und  die  Rolle,  die  er  bei  Lucan  spielt.  Dazu  kommt,  daß  bei  der  Oppo- 
sition gegen  die  Monarchie  die  Verherrlichung  Catos  und  seines  Todes  in 
Prosa  und  Versen  ein  beliebtes  Thema  war;  s.  AL.  397  fll.  PLM.  4,  58. 
BBusch,  De  Catone  quid  ant.  scriptores  censuerint,  Münst.  1911. 

202.  Unter  den  Rednern  dieser  Generation  erwarb  sich  An- 
erkennung besonders  M.  Calidius,  einer  der  Bahnbrecher  und  Haupt- 
vertreter der  neuattischen  Richtung,  daan  auch  der  talentvolle,  aber 
sittenlose  C.  Memmius:  dieser  versuchte  sich  zugleich  in  der  Poesie 
und  ist  auch  als  Beschützer  von  Dichtern  durch  seine  nicht  immer 
ungetrübten  Beziehungen  zu  Lucretius  und  Catullus  bekannt.  Außer- 


470  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

dem  sind  als  Redner  zu  nennen  P.  Sestius,  M.  Claudius  Marcellus, 
M.  Favonius  und  der  bekannte  Bedränger  des  Cicero,  P.  Clodius. 

1.  Hieron.  Eus.  Chron.  ad  a.  Abr.  1953  =  64  Apollodorus  Pergamenus 
(vgl.  §  44,  10)  .  .  .  praeceptor  Calidii  et  Augusti ;  ebd.  1960  =  57  M.  Cali- 
dius orator  clarus  habetur  (er  war  damals  Praetor,  Cic.  p.  red.  in  sen.  22. 
Cass.  Dio  39,  11),  qui  hello  postea  civili  Caesarianas  partes  secutus  (vgl.  Caes. 
b.  c.  1,  2),  cum  togatam  Galliam  regeret,  Placentiae  obiit  (etwa  J.  47,  sicher 
vor  Ciceros  Brutus).  Erfolglose  Bewerbung  ums  Konsulat  für  J.  51  und  50 
(LMoll,  de  temp.  epp.  Cic,  Berl.  1883  p.  1).  Ehreninschrift  für  ihn  aus 
Pergamon  Ath.  Mitt.  1912,  297  [6  dfj^og]  hi^Lriosv  Mec&gyiov  Koclsidiov 
Koivxov  vlbv  xbv  kavxov  ndtgcovcc.  Eingehende  Schilderung  seiner  redne 
rischen  Eigentümlichkeit  bei  Cic.  Brut.  274—278,  der  man  anfühlt,  daß 
sich  Cicero  mit  einem  zu  Ansehen  gelangten  gemäßigten  Vertreter  der 
gegnerischen  Richtung  (s.  S.  76.  278)  auseinandersetzt.  Daselbst  zB.:  non 
fuit  orator  unus  e  multis,  potius  inter  multos  prope  singularis  fuit:  ita  recon- 
ditas  exquisitasque  sententias  mollis  et  pellucens  vestiebat  oratio  .  .  quae  pri- 
mum  ita  pura  erat,  ut  nihil  liquidius,  ita  libere  fluebat,  ut  nusquam  adhae- 
resceret.  nulluni  nisi  loco  positum  .  .  verbum  videres  nee  vero  ullum  aut  du- 
rum aut  insolens  aut  humüe  aut  longius  ducium  .  .  nee  vero  haec  soluta  nee 
diffluentia,  sed  astrieta  numeris  (darin  also  mit  Cicero  gegen  die  extremen 
Attizisten  übereinstimmend)  .  .  accedebat  ordo  rerum  plenus  artis,  actio  libe- 
ralis,  totumque  dicendi  placidum  et  sanum  genus.  .  .  aberat  .  .  illa  laus,  qua 
permoveret  atque  incitaret  animos,  quam  plurimum  pollere  diximus,  nee  erat 
ulla  vis  atque  contentio.  Dort  spöttelt  auch  Cicero  über  den  kraftlosen  und 
matten  Ton  (tarn  solute,  tarn  leniter,  tarn  oscitanter)  der  Anklagen  des  Cali- 
dius  (vgl.  Cael.  bei  Cic.  ep.  8,  9,  5  Calidius  in  aecusatione  satis  frigidus). 
Vgl.  Vellei.  2,  36,  2.  Reden  von  ihm:  in  Q.  Gallium  ambitus  reum  (J.  64, 
vgl.  Eussner,  comment.  petit.  1872,  21;  zwei  Bruchstücke  daraus  Fest.  309, 
31.  Non.  208,  27;  Verteidiger  war  Cicero,  Brut.  277.  Ascon.  p.  68,  20);  de 
domo  Ciceronis  (J.  57;  §  179,  30.  Quint.  10,  1,  23);  pro  M.  Aemilio  Scauro 
(J.  54,  er  verteidigte  mit  fünf  anderen,  darunter  auch  Cicero  s.  §  180,  1.  c; 
Ascon.  p.  23,  26);  pro  libertate  Tenediorum  (J.  54  mit  Cicero,  Bibulus,  Fa- 
vonius, Cic.  ad  Q.  fr.  2,  9,  2);  pro  se  ambitus  reo  gegen  zwei  Gallii,  die  sich 
für  die  frühere  Anklage  rächten  (J.  51,  Cael.  bei  Cic.  ep.  8,  4,  1.  8,  9,  5 
Calidius  in  defensione  sua  disertissimus).  Vgl.  Münzer,  PW.  3,  1353.  HMeyer, 
orat.  fr.2  436.  vWilamowitz,  Herrn.  12,  333.  367.  ERohde,  Sehr.  2,  81.  Har- 
necker, JJ.  125,  607. 

2.  Cic.  Brut.  247  C.  Memmius  L.  f.  (der  Beiname  Gemellus  ist  un- 
richtig, s.  Borghesi,  oeuvr.  1,  152.  Mommsen,  röm.  Münzw.  597)  perfectus 
litteris,  sed  Graecis,  fastidiosus  sane  Latinarum;  argutus  orator  verbisque 
dulcis,  sed  fugiens  non  modo  dicendi  verum  etiam  cogitandi  laborem.  Seine 
Liebesgedichte  (§  31,  1;  vgl.  Ovid.  trist.  2,  433  Memmi  Carmen)  scheinen 
aber  doch  nicht  griechisch  gewesen  zu  sein,  aber  seine  Vorliebe  für  grie- 
chische Literatur  ließ  ihn  die  Bestrebungen  der  Neoteriker  unterstützen. 
Volkstribun  J.  66.  Als  Praetor  (J.  58)  trat  er  gegen  Caesar  auf,  ließ  sich 
aber  später  von  ihm  gewinnen  (Suet.  Iul.  73  Gai  Memmi,  cuius  asperrimis 
orationibus  non  minore  acerbitate  rescripserat,  etiam  suffragator  mox  in  peti- 


§  202.  Redner:  Calidius,  Memmius  u.  a.  471 

tione  consulatus  fuit).  Propraetor  in  Bithynien  J.  57  f.,  wo  Helvius  Cinna 
und  Catull  in  seiner  cohors  waren  (§  213,  2.  214,  4).  J.  53  wegen  ambitus 
bei  der  Bewerbung  um  das  Consulat  belangt,  ging  er  nach  Griechenland 
in  die  Verbannung,  wo  er  ums  J.  49  starb.  Kein  gutes  Licht  auf  ihn  wirft 
es,  daß  er,  dem  Lukrez'  Lehrgedicht  gewidmet  war,  Epikurs  Haus  in  Athen 
abbrechen  lassen  wollte.  Cic.  ep.  13,  1.  —  PRE.  4,  1755,8.  Mommsen,  Münzw. 
597.  Ygl  unten  S.  473  Z.  15  v.  u.  FB(ockemüller)  ,  Grenzboten  1869  2,  129. 
Marx,  Bonner  Studien  116;  JJ.  1899  III  537. 

3.  P.  Sestius  war  Quaestor  63,  tr.  pl.  57,  Propraetor  in  Kilikien  J.  50 
(Plut.  Brut.  4)  und  trat  später  auf  Caesars  Seite.  Über  die  Langweiligkeit 
seiner  Rede  gegen  Antius  s.  Catull.  44, 10  nam  Sestianus  dum  volo  esse  con- 
viva,  orationem  in  Antium  petitorem  (sc.  magistratus?)  plenam  veneni  et  pesti- 
lentiae  legi.  Cicero,  der  ihn  J.  56  verteidigte  (s.  §  179,  32),  dachte  gleich- 
falls von  seinen  Fähigkeiten  gering  (idimrrig,  Plut.  Cic.  26;  nihil  umquam 
legi  scriptum  6r\6tioi8s6xBQ0v.  Att.  7,  17,  2).    PRE.  6,  1128,  6. 

4.  M.  Claudius  Marcellus,  der  bekannte  Gegner  Caesars,  Cos.  51  (Cass. 
Dio  40,  58  aü'  o  ts  MaQKsXXog  ö  Magyiog  neu  6  'Povcpog  6  UovX-JtUiog  [§  174,  2], 
6  iihv  diä  tr\v  rav  vo^cov  i^insigiccv ,  u  8s  diu  ttjv  täv  Xoycov  dvvccybiv  f]Q£- 
ftriöccv),  f  45;  als  Redner  auch  im  Brut.  248  gerühmt,  besonders  weil  er 
sich  Cicero  zum  Vorbild  nahm  und  durch  Kratippos  in  die  peripatetische 
Lehre  eingeführt  war;  doch  mag  Ciceros  Urteil  durch  politische  Rücksichten 
getrübt  sein.  Darum  ist  er  auch  einer  der  wenigen,  die  dort  aus  der  Zahl 
der  Lebenden  erwähnt  werden  (s.  §  182,  3,  1).  Vgl.  auch  §  179,  41.  Münzer, 
PW.  3,  2760.  —  L.  Herennius  Baibus,  Mitankläger  des  M.  Caeliua  (J.  56. 
Ciu.  pCael.  25)  und  des  Milo  (J.  52.   Ascon.  p.  32,  28  St.). 

5.  P.  Clodius  Pulcher,  Quaestor  J.  61,  trib.  pleb.  58,  f  52;  s.  Drumann, 
GR2.  2,  172.  Froehlich,  PW.  4,  82.  Elberling,  de  Cl.  P.,  Kopenh.  1839. 
IGentile,  Clodio  e  Cicerone,  Mailand  1876.  Cic.  pCael.  27  P  Clodius  . .  cum 
inflammatus  ageret  . .  voce  maxima,  tametsi  probabam  eius  eloquentiam,  tarnen 
non  pertimescebam ;  aliquot  enim  in  causis  eum  videram  frustra  litigantem. 
J.  54  trat  er  als  Ankläger  des  Procilius  auf,  sowie  als  Verteidiger  des  M. 
Scaurus.  Über  ersteren  Prozeß  Cic.  Att.  4,  15,  4  Publius  sane  diserto  epilogo 
criminans  (ruey  mentes  iudicum  commoverat.  Tac  a.  11,  7  prompta  sibi 
exempla,  quantis  mercedibus  P.  Clodius  aut  C.  Curio  contionari  soliti  sint. 
Velle.  2,  45,  1  (disertus).    Plut.  Caes.  9  (Xoyat  Xa^ingog). 

6.  M.  Favonius  (Drumann,  GR.  3,  32.  Münzer,  PW.  6,  2074),  Aedil  53, 
Praetor  49,  f  42_,  der  Freund  und  Feind  durch  übertriebene  Schroffheit 
gleich  unbequeme  Nachäffer  des  jüngeren  Cato  (§  201),  wird  öfters  als  Red- 
ner erwähnt.  Cic.  Att.  2,  1,  9  aecusavit  Nasicam  (J.  60)  inhoneste  Qioneste 
Rinkes)  ac  modeste  {moleste  Malaspina)  tarnen;  dixit  ita  ut  Mhodi  videretur 
molis  potius  quam  Moloni  operam  dedisse.  ad  Q.  fr.  2,  9,  2  (pro  Tenediorum 
libertate  J.  54;  s.  §  202,  1).  Wahrscheinlich  ist  er  auch  gemeint  bei  Gell. 
15,  8,  wo  eine  Stelle  ex  oratione  Favorini  (Fannii  Pithoeus),  veteris  oratoris, 
non  indiserti  viri  gegen  den  Luxus  mitgeteilt  wird,  die  jener  hielt  cum 
legem  Liciniam  de  sumptu  minuendo  suasit:  dies  wäre  dann  wohl  nicht  die 
oben  §  141,  7  Z.  20.  143,  1  Z.  17  erwähnte  lex  Licinia  sumptuaria,  sondern 
die  J.  55  beantragte,  später  aber  von  den  Antragstellern  wieder  zurück- 
gezogene lex  Licinia  Pompeia  (Cass.  Dio  39,  37). 


472  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

203.  T.  Lucretius  Carus  (geboren  wahrscheinlich  J.  96,  ge- 
storben am  15.  Okt.  55)  behandelte  in  den  sechs  Büchern  seines 
Lehrgedichts  de  rerum  natura  die  Physik  und  Psychologie  des  Epi- 
kur  in  der  Absicht,  eine  ethische  Wirkung  zu  erzielen.  Hat  der 
Dichter  sich  auch  wenigstens  nach  unseren  Anschauungen  vergriffen, 
indem  er  jene  mechanische  Lehre  dichterisch  zu  gestalten  unternahm, 
so  liegt  doch  etwas  Erhebendes  in  der  Hingabe  und  Anhänglichkeit 
an  Epikur,  seinen  Herrn  und  Meister,  in  der  edlen  Begeisterung 
eines  Apostels,  der  die  Lehre  seines  Meisters  als  Erlösung  aus  der 
Nacht  des  Aberglaubens  predigt,  in  dem  ehrlichen  Eifer,  womit  er 
auf  die  falschen  Götzen  losschlägt,  dem  warmen  Ton  innerster  Über- 
zeugung, in  dem  er  verspricht,  den  Menschen  die  Furcht  vor  den 
Göttern,  vor  den  eigenen  Leidenschaften,  vor  dem  Tode  zu  beneh- 
men und  ihnen  die  Wahrheit  und  den  Frieden  der  Seele  zu  schenken. 
Bewunderungswürdig  ist  die  geistige  Kraft  und  Ausdauer,  die  sich 
im  Ringen  mit  dem  spröden  Stoffe  kundgibt:  oft  genug  bricht  durch 
die  Fesseln  des  Planes  die  große  Begabung  des  Dichters  hervor. 
Wie  zur  Erholung  von  der  strengen  begrifflichen  Darstellung  ver- 
weilt Lucrez  gern  und  mit  glücklichstem  Erfolge  bei  der  Ausmalung 
von  Bildern  aus  dem  Natur-  und  Menschenleben.  Aber  doch  ist 
der  Grundton  des  Ganzen  ernst  und  trübe  und  nicht  selten  bitter. 
Man  fühlt  dem  Dichter  die  getäuschten  Lebenshoffnungen,  die  pei- 
nigenden Seelenkämpfe  nach,  die  er  hinter  sich  hat.  Die  Darstel- 
lung ist  ungleich :  oft  schwerfällig,  unfrei  und  ungelenk,  aber  ebenso 
oft  anschaulich,  treffend  und  kühn,  bald  von  hinreißender  Wärme, 
bald  von  einer  Herbigkeit,  die  ihres  besonderen  Reizes  nicht  ent- 
behrt: trotz  aller  Ungleichheiten  die  Leistung  eines  Sprachgewalti- 
gen. Das  schwer  verständliche  Gedicht,  das  zudem  die  Lehre  einer 
isolierten  Schule  vertrat  und  sich  einer  eben  damals  abkommenden 
Technik  bediente,  fand  in  seiner  eigenen  Zeit  nicht  die  gebührende 
Beachtung;  die  Späteren  zeigen  sich  zwar  mannigfach  von  ihm  be- 
einflußt, doch  hat  das  Altertum  die  ernste  Größe  und  Hoheit  dieses 
Einsiedlers  unter  den  Dichtern  nicht  recht  zu  fassen  vermocht. 
Zahlreiche  Anstöße  in  dem  Werke  erklären  sich  daraus,  daß  es  von 
seinem  Verfasser  nicht  zu  Ende  gebracht  werden  konnte. 

1.  Hieronym.  Euseb.  Chr.  ad  a.  Abr.  1922  (so  Amand.  u.  Freh.:  zu  1923 
Bern.)  =  95  T.  Lucretius  poeta  nascitur,  qui  postea  amatorio  poculo  in  fu- 
rorem  versus,  cum  aliquot  libros  per  intervalla  insaniae  conscripsisset ,  quos 
postea  Cicero  emendavit,  propria  se  manu  interfecit  anno  aetatis  XL  IUI 
(also  51).  Wahrscheinlich  hat  hier  wie  sonst  öfters  Hieronymus  die  Geburt 
um  ein  Jahr  zu  spät   angesetzt:    s.  Marx  aO.  139.    Auf  ein   anderes  Todes- 


§  203:  Titus  Lucretius  473 

jähr  führt  Donat.  vita  Vergil.  2  usque  ad  virilem  togam,  quam  XVII  (rich- 
tig XV)  anno  natali  (15.  Okt.)  accepit  isdem  Ulis  consulibus  Herum  duobus, 
quibus  erat  natus  (nämlich  55,  Cn.  Pompeio  II  und  M.  Licinio  Crasso  II), 
evenitque,  ut  eo  ipso  die  Lucretius  poeta  decederet,  und  diese  genaue  auf 
Sueton  zurückgehende  Nachricht  verdient  gewiß  volles  Vertrauen.  Für  die 
Richtigkeit  dieses  Ansatzes  spricht  auch,  daß  Ciceros  Äußerung  über  Lucre- 
tius vom  J.  54  (s.  A.  2),  im  Zusammenhange  mit  seiner  Tätigkeit  als  Her- 
ausgeber, den  Tod  des  Dichters  voraussetzt.  Dann  steckt  ein  Fehler  in 
jenem  anno  aetatis  XLIIII  und  L.  ist  vielmehr  im  42.  Jahre  gestorben, 
oder  J.  99  ist  als  Geburtsjahr  anzusetzen.  In  der  Münchener  Hs.  14429  s.  X 
steht  die  Notiz :  Titus  Lucretius  poeta  nascitur  sub  consulibus.  ann  xx  u  >  n  an 
Virgilium.  Dazu  Erklärungsversuche  von  Usener,  Sehr.  2,  156.  196;  aber 
die  Notiz  beruht  auch  auf  Hieronymus:  Gundermann,  RhM.  46,  489;  ferner 
über  Geburts-  und  Todesjahr  Polle,  Phil.  25,  499.  26,  560.  Sauppe,  Quaest. 
Lucret.  Gott.  1880,  3.  Woltjer,  JJ.  129,  134  und  bes.  Marx,  RhM.  43,  136. 
Der  ftavticcöiog  Kägog  der  Inschrift  von  Oinoanda  ist  nicht  Lucr.  AKoerte, 
RhM.  53,  160.  Pichon,  Travaux  recents  sur  la  biogr.  de  L.,  Journ.  Sav. 
1910,  70. 

Daß  Lucrez  wahnsinnig  geworden  sei  und  im  Wahnsinn  Hand  an  sich 
gelegt  habe,  ist  an  sich  natürlich  möglich.  Nichts  berechtigt  zu  der  An- 
nahme (zB.  Teuffels),  daß  dem  Gottesleugner  jenes  schreckliche  Ende  von 
Gläubigen  angedichtet  worden  sei.  Unwillkürlich  vergleicht  man  das  ähn- 
liche Schicksal  von  Tasso,  Hölderlin,  Lenau,  FRaimund,  ALindner  u.  a.  Die 
Angabe  über  die  Veranlassung  der  Krankheit,  den  Liebestrank,  ist  natür- 
lich ebenso  verkehrt,  wie  es  heutzutage  ähnliche  laienhafte  Angaben  über 
Krankheitsursachen  sind.  Ebensowenig  steckt  wohl  ein  Kern  von  Wahr- 
heit in  der  Angabe,  daß  Lucrez  aliquot  libros  per  intervalla  insaniae  ge- 
schrieben habe;  völlig  abenteuerlich  sind  die  Versuche,  in  dem  durchweg 
von  klarem  Denken  und  intensiver  geistiger  Arbeit  zeugenden  Werk  Spuren 
des  Wahnsinns  aufzuzeigen.  Giri,  II  suieidio  di  Lucr.,  Palermo  1895. 
Stampini,  dgl.,  Messina  1896.  —  Über  die  sonstigen  Lebensverhältnisse  des 
Dichters  ist  nichts  bekannt,  Lucrez  ist  darüber  ganz  schweigsam.  Von  Zeit- 
genossen nennt  er  nur  den  Memmius,  dem  er  sein  Werk  widmet:  1,  26  te 
sociam  studeo  scribendis  versibus  esse,  quos  ego  de  verum  natura  pangere 
conor  Memmiadae  nostro,  quem  tu  dea  tempore  in  omni  omnibus  ornatum 
voluisti  excellere  rebus.  Über  die  Anreden  an  ihn  Curcio,  De  conversionibus 
Lucr.,  Catania  1903.  Diesen  Memmius  hält  man  mit  Recht  für  eine  Person 
mit  dem  oben  §  202,  2  Genannten.  Auf  den  Münzen  der  Memmier  findet 
sich  Venus  von  Cupido  bekränzt  (Sauppe,  Phil.  22,  182),  und  zwar  ist  es  die 
uns  durch  die  Venus  fisica  Pompeiana  bekannte  Schutzgöttin  Sullas,  die 
dessen  Schwiegersohn  Memmius  adoptiert  hatte.  Marx,  Bonn.  Stud.  122. 
Hadzsits,  Cl.  Ph.  2,  187.  Aus  der  Art,  wie  er  den  Memmius  nennt  und  um 
seine  Gunst  wirbt,  und  aus  dem  in  der  gens  Lucretia  sonst  ganz  unge- 
bräuchlichen Cognomen  Carus  (auch  CIL.  9,  1867  ist  es  ganz  zweifelhaft) 
läßt  sich  wohl  schließen,  daß  Lucrez  nicht  von  vornehmer  Herkunft  war, 
sondern  etwa  der  Sohn  eines  Freigelassenen  oder  ein  Freigelassener.  Marx, 
Exercitat.  gramm.  spec,  Bonn  1881  p.  8.  Die  Frage,  ob  das  Gedicht  ur- 
sprünglich  für    Memmius  und    dann   erst  für   das   Publikum   bestimmt   ge- 


474  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

wesen  sei,  hätte  nie  aufgeworfen  werden  sollen.  —  Kannengiesser,  JJ.  131, 
59.  SBrandt,  JJ.  131,  601.  Mit  der  jungrömischen  Dichterschule  (Cato,  Ca- 
tullus  usw.)  hatte  er  keine  Berührung,  wie  schon  seine  von  Ennius  beein- 
flußten sprachlichen  und  metrischen  Grundsätze  zeigen  (A.  5).  —  Angeb- 
liches Bildnis  auf  einem  geschnittenen  Stein  (Impronte  gemm.  del  Instit. 
2,  78;  bull.  1831,  112)?  zB.  auch  als  Titelzierde  in  Munros  Ausgabe:  Ber- 
noulli,  röm.  Ikonogr.   1,  235. 

2.  Unter  Cicero  schlechtweg  hat  Hieronymus  (s.  A.  1  Z.  4)  den  berühmten 
Redner  verstanden,  nicht  dessen  Bruder  Quintus,  und  auch  sonst  spricht 
für  letzteren  gar  nichts.  Gegen  die  Geschichtlichkeit  der  ganzen  Nachricht 
hat  man  mit  Unrecht  geltend  gemacht  (s.  Gneisse,  De  vers.  in  Lucr.  repe- 
titis  46),  daß  Cicero  hierüber  nie  eine  Silbe  sagt  und  von  Lucrez  nie  Verse 
anführt.  Es  liegt  ja  ein  Urteil  Ciceros  über  Lucrez  vor:  ad  Q.  fr.  2,  9,  3 
(J.  54)  Lucreti  poemata  (vgl.  Gell.  1,  21,  5  in  carminibus  Lucreti,  und  Vellei. 
2,  36,  2)  ut  scribis  ita  sunt:  multis  luminibus  ingenii,  multae  tarnen  artis, 
d.  h.  fich  stimme  deiner  Ansicht  bei,  daß  das  Werk  viele  Beweise  natür- 
licher Begabung  enthält,  jedoch  auch  die  bewiesene  Kunst  sehr  achtbar  ist'. 
Die  Stelle  ist  unnötigerweise  mit  vielen  Änderungsvorschlägen  belästigt  wor- 
den, z.  B.  (yioriy  multae  Bergk,  Leo.  Die  unmittelbar  bei  Cicero  folgenden 
Worte  sed  cum  veneris  sind  nicht  durch  Textänderungen  gefügig  zu  machen, 
sondern  heißen  einfach:  f  Aber  Näheres  mündlich'.  Marx,  BphW.  1891,  834. 
Über  diese  ganze  Stelle  Polle,  Phil.  25,  501.  Bergk,  op.  "1,  425.  Vahlen, 
op.  1,  155.  Nettleship,  journ.  of  phil.  13,  85.  Kubik,  diss.  Vindobon.  1,  341. 
Reitzenstein  ,  Drei  Vermutungen  55.  Norden,  Kunstpr.  182.  Hendrickson, 
Am.  J.  Ph.  22,  438.  Jedenfalls  war  Ciceros  Tätigkeit  bei  der  Veröffentlichung 
des  Werkes  eine  untergeordnete,  und  es  scheint  fast,  als  hätte  er  der  Paten- 
schaft bei  einem  so  polizeiwidrigen  oder  doch  seinen  Anschauungen  nicht 
entsprechenden  Werke  sich  halb  geschämt.  Sicher  war  sie  kein  starker 
Beweis  für  die  auch  sonst  zweifelhafte  Behauptung  (bei  Plin.  ep.  3,  15,  1) 
M.  Tullium  mira  benignitate  poetarum  ingenia  fovisse.  Eher  ist  aus  Lucre- 
tius'  Nachahmung  von  Ciceros  Aratea  (s.  Munro  zu  Lucr.  5,  619)  auf  ein 
Verhältnis  beider  zu  schließen.  Vgl.  noch  Nep.  Att.  12,  4  quem  post  Lu- 
cretii  Catullique  mortem  multo  elegantissimum  poetam  nostram  tulisse  aetatem 
etc.  Ovip.  am.  1,  15,  23.  trist.  2,  425.  Vitruv.  9,  3.  Vellei.  2,  36,  2  aucto- 
res  carminum  Varronem  ac  Lucretium.  Quint.  10,  1,  87  Macer  et  Lucretius 
legendi  quidem,  sed  non  ut  phrasin,  i.  e.  corpus  eloquentiae,  faciant.  elegantes 
in  sua  quisque  materia,  sed  alter  liumilis,  alter  (Lucr.)  difficilis.  Stat.  silv. 
2,  7,  76  docti  furor  arduus  Lucreti.  Die  Berührungen  mit  Catull  (c.  64) 
werden  sich  aus  gemeinsamer  Benutzung  des  Ennius  erklären.  Horaz  ver- 
rät besonders  in  seinen  Satiren  Vertrautheit  mit  Lucrez,  zB.  1,  1,  13  (Lucr. 
2,  104.  5,  164).  118  (Lucr.  3,  938).  1,  3,  38  (Lucr.  4,  1153).  1,  5,  101  (Lucr. 
5,  82).  1,  6,  4  (Lucr.  3,  1028).  18  (Lucr.  3,  69).  ep.  1,  16,  38  (Lucr.  2,  1005). 
c.  1,  26,  6  (Lucr.  4,  2).  Doch  mag  manches  ebenso  wie  der  bonus  Ancus 
(c.  4,  7,  15  vgl.  Lucr.  3,  1025)  nicht  aus  Lucrez,  sondern  aus  Ennius  (A.  149) 
stammen.  EGöbel,  ZöG.  8,  421.  Reisacker,  Hör.  u.  sein  Verh.  zu  Lucr., 
Bresl.  1873.  AWeingartner,  de  Horatio  Lucretii  imitatore,  Halle  1874.  Mer- 
rill, On  the  infl.  of  L.  on  Horace,  Berkeley  1905.  Gell.  1,  21,  7  non  verba 
sola,  sed  versus  prope  totos  et  locos   quoque  Lucreti  plurimos  sectatum  esse 


§  203.  Titus  Lucretius  475 

Verglimm  videmus.  Vgl.  §  228,  6gE.  So  mag  auch  Verg.  G.  2,  490  fll.  vor- 
zugsweise an  Lucrez  denken.  Woll,  De  poet.  lat.  Lucr.  imitatoribus,  Freib. 
1907.  Wöhler,  d.  Einfluß  d.  Lucr.  auf  die  Dichter  d.  august.  Zeit.  I  (Ver- 
gil),  Greifsw.  1876.  Einfluß  auf  Ovid,  s.  Zingerle,  Ovids  Verhältn.  2,  12; 
bedeutender  auf  Manilius  (§  253,  5  E.)  und  Aetna  (§  307,  1).  Die  Altertümler 
des  ersten  christl.  Jahrh.  zogen  Lucrez  dem  Vergil  vor  (Tac.  dial.  23)  und 
auch  die  des  zweiten  schätzten  ihn;  Front.  zB.  p.  105  {mitte)  etiam  si  Lu- 
cretii  aut  Ennii  excerpta  habes.  JJessen,  über  Lucr.  und  sein  Verhältnis  zu 
Catull  und  Späteren  (bes.  Arnobius),  Kiel  1872.  Vgl.  §  214,  6.  Benutzung 
des  Lucrez  bei  den  Panegyrikern  Brandt,  RhM.  38,  606;  bei  Späteren  über- 
haupt s.  Bd.  3,  568.  Woll  39.  Die  Christen  bekämpfen  ihn  einerseits  als 
Leugner  der  göttlichen  Vorsehung,  andrerseits  spielen  sie  seine  Argumente 
gegen  die  heidnischen  Götter  aus  und  schöpfen  manche  naturwissenschaft- 
lichen Kenntnisse  aus  ihm.  Philippe,  Rev.  de  l'hist.  rel.  30,  204.  34,  19.  — 
Zur  Chronologie  des  Werkes:  Buch  4  nach  J.  69:  denn  4,  73 fll.  wird  das 
Überspannen  der  Theater  mit  vela  erwähnt,  was  erst  in  jenem  Jahr  auf- 
kam; B.  6  nach  J.  59;  denn  6,  109  werden  die  über  das  Theater  gespannten 
carbasina  vela  erwähnt,  die  erst  damals  eingeführt  wurden  (Plin.  NH.  19,23). 
1,  29  effice  ut  interea  fera  moener a  militiai  per  maria  ac  terras  omnis  sopita 
quiescant  .  .  .  patriai  tempore  iniquo  passen  am  ehesten  auf  den  Mithridati- 
schen  Krieg.  Vgl.  Marx,  Exercitat.  gramm.  13;  Bonner  Stud.  115.  SBrandt, 
JJ.  131,  601. 

3.  Zur  Charakteristik  des  Werkes.  Alle  Bücher  außer  dem  vierten  haben 
selbständige  Prooemien,  die  den  Epikur  fast  wie  einen  Gott  preisen:  3,  3 
te  sequor,  o  Graiae  gentis  decus  ...  (9)  tu  pater,  es  rerum  inventor  . . .  tuis- 
que  exy  inclute,  chartis,  floriferis  ut  apes  in  saltibus  omnia  libant,  omnia  nos 
itidem  depascimur  aurea  dicta,  aurea  perpetua  semper  dignissima  vita.  An- 
schluß an  Empedokles:  1,  729  nil  tarnen  hoc  (Emp.)  hdbuisse  (Siciliam)  vivo 
praeclarius  in  se  . .  ut  vix  humana  videatur  stirpe  creatus.  Hinweis  auf 
seinen  wichtigsten  Vorgänger  Ennius:  1,  117;  vgl.  A.  5  und  Vahlen,  SB. 
Berl.  Ak.  1896,  717.  Buch  1  beginnt  mit  einem  Hymnos  auf  Venus,  der  zu 
dem  epikureischen  Standpunkte  nicht  paßt,  aber  der  Tradition  des  Lehrge- 
dichts entspricht  (A.  1).  Reitzenstein,  drei  Vermutungen  44.  Norden,  Agn. 
Theos  150.  350.  Lucrez  ist  von  seiner  Lehre  und  ihrer  unmittelbaren  Evi- 
denz so  fest  überzeugt,  daß  er  mit  mitleidigem  Behagen  dem  Irregehen 
der  anderen  zusieht  (2,  7 — 13),  und  an  die  Verdienstlichkeit  seines  Unter- 
nehmens glaubt  er  so  sicher,  daß  er  sich  Tag  und  Nacht  (1,  143.  4,  996  f.) 
damit  beschäftigt  und  sich  über  alle  Schwierigkeiten  des  Gegenstandes 
(1,  413  ff.  921)  und  der  lateinischen  Behandlung  (propter  egestatem  patrii 
sermonis  1,  140.  832.  3,  261)  hinwegsetzt,  in  der  Hoffnung  auf  Ruhm  (1,  922), 
den  er  mit  seiner  liebenswürdigen  Offenheit  in  Anspruch  nimmt  primum 
quod  magnis  doceo  de  rebus  et  artis  relligionum  (vgl.  63  ff.  84  ff.  2,  44,  wo 
entsprechend  mortis  timores  stehen)  animos  nodis  exsolvere  pergo;  deinde 
quod  obscura  de  re  tarn  lucida  pango  carmina,  Musaeo  contingens  cuncta 
lepore  (1,  930—933);  auch  wegen  der  Neuheit  seines  Beginnens  (1,  926  avia 
Pieridum  peragro  loca  nullius  ante  trita  solo  .  .  .  iuvatque  novos  decerpere 
flores,  vgl.  2,  1023  ff.)  für  die  römische  Literatur.  Die  eigentliche  Absicht 
geht  darauf,  durch  die  Beseitigung  der  Furcht  vor  den  Göttern  und  vor  dem 


476  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

Tode  dem  Menschen  Seelenfrieden  und  Glück  zu  verschaffen.  3,  23  at  contra 
nusquam  apparent  Acherusia  templa.  37  metus  ille  foras  praeceps  Acherun- 
tis  agendus,  funditus  humanam  qui  vitam  turbat  ab  imo  omnia  suffundens 
mortis  nigrore  neque  ullam  esse  voluptatem  liquidam  puramque  relinquit.  Ein 
Gottesleugner  ist  Lucr.  so  wenig  wie  Epikur,  aber  für  seine  Weltanschau- 
ung ist  die  Religion  belanglos.  Die  Götter  des  Volksglaubens  zu  erwähnen 
hindert  ihn  nichts;  s.  Siemering,  Die  Behandlung  der  Mythen  bei  L.,  Tilsit 
1891.  Ein  Zug  von  Schwermut  geht  durch  seine  ganze  Weltanschauung, 
zB.  3,  870 — 977  und  oft.  Reisacker,  der  Todesgedanke  .  .  bes.  bei  Epikur 
und  Lucretius,  Trier  1862.  Dabei  bekunden  ein  edles  Gemüt  viele  ergrei- 
fende   Schilderungen    aus    dem   Menschenleben    (1,  938  ff.  2,  1163  ff.  3,  907  ff. 

5,  223  ff.)  wie  aus  der  leblosen  Natur  (2,  29  ff.  144  ff.  352  ff.). 

4.  Das  Werk  ist  so  eingeteilt,  daß  B.  1.  2  die  Physik,  3.  4  die  Anthro- 
pologie, 5.  6  die  Kosmologie  behandeln.  Daß  die  Lehre  Epikurs  ziemlich 
rein  wiedergegeben  wird,  versteht  sich  bei  dieser  Schule  von  selbst,  ebenso 
daß  Lucr.  die  Schriften  des  Meisters  selbst  benutzt.  Ausgeschlossen  ist  dies 
aber  für  die  Kritik  der  übrigen  Systeme  in  B.  1,  da  sich  Epikur  mit  Kritik 
nicht  abgegeben  hat,  und  für  die  Polemik  5,  110 — 405,  die  sich  gegen  Pa- 
naitios  zu  richten  scheint;  ferner  für  die  Consolatio  (3,  830 — 1094),  die  wohl 
nach  einem  jüngeren,  populäre  Trostgedanken  benutzenden  Epikureer  ge- 
arbeitet ist,  und  für  die  Behandlung  einzelner  Naturphänomene  in  B.  6,  die 
sich  mit  Poseidonios'  Interessen  berührt.  S.  Rusch  (A.  4);  über  6,  906 — 1089 
AFritzsche,  RhM.  57,  363.  HSchröder,  Lucr.  und  Thukyd.  (Pestbeschreibung 

6,  1138ff.),  Straßb.  1898.  Daß  Lucr.  jüngeren  Epikureern  und  Nachschriften 
gehörter  Vorlesungen  folgt,  ist  durchaus  möglich,  vgl.  Lackenbacher,  WSt. 
32,  208.  Anklänge  an  Piaton  sammelt  Shorey,  Harv.  Stud.  12.  Vgl.  über 
Quellen  und  System  bes.  Epicurea  ed.  Usener,  Lps.  1887  (Hauptquellenbuch 
über  die  epikureische  Philosophie).  Giussani  Ausg.  Bd.  1.  ALange,  Gesch. 
des  Materialismus2  1,  99.  139.  Royer,  les  arguments  du  materialisme  dans 
L.,  Par.  1883.  Bruns,  Lucrez-Studien,  Freib.  1884.  Siemering,  Quaest.  Lu- 
cret, Königsb.  1867  II.  Woltjer,  Lucr.  philosophia  cum  fontibus  conipa- 
rata,  Groningen  1877.  Thume,  Die  Quellen  des  L.,  Reichenberg  1907.  08  IL 
Bockemüller,  Stud.  zu  Lucr.  u.  Epik.,  Stade  1877.  GLohmann,  Quaest.  Lucr. 
(cap.  II  de  ratione  inter  Lucr.  et  Epic),  Braunschw.  1882.  PRusch,  de  Posi- 
donio  Lucretii  auctore  (in  B.  6),  Greifsw.  1882;  Lucr.  u.  die  Isonomie,  JJ. 
133,  777.  Hallier,  Lucr.  carm.  e  fragmentis  Empedoclis  adumbratum,  Jena 
1857.  Bästlein,  quid  L.  debuerit  Empedocli,  Schleusingen  1875.  FJobst, 
Üb.  d.  Verh.  zwischen  Lucr.  u.  Emped.,  Münch.  1907  (Einfluß  ist  höchstens 
auf  den  Ausdruck  möglich).  Dyroff,  Zur  Quellenfr.  bei  Lucr.,  Bonn  1904 
(Theophrast  und  Dikaiarch  mittelbare  Quelle  für  B.  5).  JMasson,  the  atomic 
theory  of  L.,  Lond.  1884.  ThBindseil,  Quaest.  Lucr.,  Anclam  1867;  de  om- 
nis  infinitate  ap.  Lucr.,  Eschwege  1870.  Hörschelmann,  Observat.  Lucr.  alte- 
rae,  Lips.  1877  (über  das  inane;  dazu  Teichmüller,  RhM.  33,  310).  Gneisse, 
das  omne  bei  L.,  JJ.  121,  837.  FHöfer,  zur  Lehre  von  der  Sinneswahrneh- 
mung in  Lucr.  IV,  Stendal  1874.  HSchütto,  Theorie  der  Sinnesempf.  bei 
L.,  Danzig  1888.  Reisacker,  quaestiones  Lucr.,  Bonn  1847;  Epicuri  de  ani- 
morum  natura  doctrina  a  Lucr.  tractata,  Cöln  1855.  MEichner,  Adnot.  ad 
Lucr.  ...  de  animae  natura  doctrinam,  Berl.  1884.    HHempel,  die  Ethik  des 


§  203.  Titus  Lucretius  477 

L. ,    Salzwedel    1872.     Diebitsch,    d.  Sittenlehre    des  L.,    Ostrowo   1886.    — 
vFilek,  Die  geogr.  Ansch.  des  L.,  Wien  1910. 

5.  Die  Sprache  zeigt  in  Formenlehre,  Wortwahl  und  Syntax  vieles  Alter- 
tümliche (zB.  ficta  statt  fixa  3,  4,  eew,  noenu,  Genit.  auf  -ai),  das  z.  gr.  T. 
aus  Ennius  entnommen  ist  (Wreschniok  :  §  177  a  1),  während  prosaisch-pedan- 
tische Wendungen  auf  Rechnung  des  Stoffes  kommen  Qiuc  accedit  uti,  quod 
superest,  häufiger  Gebrauch  der  Casus  obliqui  von  is  usw.),  der  auch  die 
große  Zahl  der  schleppenden  Perioden  verschuldet  hat:  auf  100  V.  kommen 
31,  7  Nebensätze,  während  Ennius  17,  Lucilius  24,  9,  Catull.  c.  64  21  hat 
(Slössarczyk,  De  periodorum  structura  ap.  dactylicos  Romanos,  Bresl.  1908). 
Auf  etymologische  Spielereien  in  stoischem  Geschmack  macht  Reitzenstein, 
Straßb.  Festschrift  1901,  156  aufmerksam.  In  der  metrischen  und  prosodi- 
schen  Technik  schließt  sich  Lucr.  eng  an  Ennius  an,  wirft  daher  auslauten- 
des s  ab,  setzt  einsilbige  Worte  ans  Versende  und  wagt  kühne  Tmeseis 
wie  1,  452  seiungi  seque  gregari.  Auch  Ciceros  Gedichte  scheint  er  zu 
kennen,  falls  die  Ähnlichkeiten  nicht  auf  Enniusbenutzung  beruhen.  Maybaum 
(§  177a  1)  16. 

Sprache  und  Metrik.  WAltenburg,  de  usu  antiquae  locutionis  in  Lucr., 
Gotha  1857.  Proll,  de  formis  antiquis  Lucr.,  Bresl.  1859.  RSchubert,  de 
Lucr.  verborum  formatione|,  Halle  1865.  Cartauld,  La  flexio  dans  L.,  Par. 
1898.  Bouterwek,  Lucr.  quaestiones  gramm.,  Halle  1861.  FWHoltze,  syn- 
taxis  Lucr.  lineamenta,  Lps.  1868.  LStädler,  de  sermon  Lucr.,  Jena  1869. 
Kraetsch,  de  abundanti  dicendi  genere  Lucr.,  Berl.  1881.  Hiden,  De  casuum 
syntaxi  Lucr.,  Helsingf.  1896.  Vahlen,  Opusc.  1,  155.  CWolff,  de  Lucr. 
vocabulis  singularibus,  Halle  1878.  Feustell,  De  comparationibus  Lucr., 
Halle  1893.  vRaumer,  Die  Metapher  bei  L.,  Erlangen  1893.  GKühn,  Quaest. 
Lucr.  gramm.  et  metr.,  Bresl.  1869.  Büchel,  de  re  metrica  Lucr.,  Höxter 
1874.  Birt,  Hist.  hexametri  lat. ,  Bonn  1876,  20.  Paulson,  Lucrezstudien, 
Göteb.  1897.  Mirgel,  De  synaloephis  et  caesuris,  Gott.  1910.  Vgl.  auch  zahl- 
reiche Bemerkungen  in  Norden,  Comm.  zu  Aeneis.  B.  6.  —  Index  Lucretia 
nus  von  Paulson,  Göteb.  1911. 

6.  Die  Nichtvollendung  verrät  sich  durch  Lücken,  Wiederholungen, 
doppelte  Fassungen  usw.  Schlagend  ist  die  Beobachtung  von  Mewaldt, 
Herrn.  43,  286,  daß  auf  B.  2  ursprünglich  B.  4  folgte  und  das  Prooemium 
des  letzteren  teils  diesen  Zustand  widerspiegelt,  teils  den  nach  Einschub 
von  B.  3.  Aber  weder  ist  die  Vorstellung  berechtigt,  daß  Cicero  ein  wüstes 
Konglomerat  von  Entwürfen  vorfand,  noch  daß  er  mit  dem  Vorgefundenen 
eigenmächtig  schaltete.  Vgl.  Purmann,  JJ.  67,  658.  FPolle,  Phil.  25,  503. 
Marx,  RhM.  43,  137.  Leo,  PF.  39.  van  der  Valk,  De  Lucr.  carmine  perfecto, 
Kampen  1902.  Brieger,  Phil.  NF.  21,  279.  Bockemüller,  Stud.  zu  Lucr.  u. 
Epikur  (Stade  1877)  1,  17.  Stürenburg,  de  Lucr.  libro  primo,  acta  Lips.  2, 
367.  Mussehl,  De  Lucr.  1.  I  condic.  ac  retract.,  Greifsw.  1912.  Moricca, 
Riv.  fil.  41,  106.  FNeumann,  de  interpolationibus  Lucr.,  Halle  1875.  AFor- 
biger,  de  L.  carmine  a  scriptore  serioris  aetatis  pertractato,  Lps.  1824. 
AKannengiesser,  de  L.  versibus  transponendis,  Gott.  1878.  KGneissü,  de  ver- 
sibus  in  Lucr.  carmine  repetitis,  Straßb.  1878.  GLohmann  (A.  4)  p.  3  de 
repetitionibus.    Tohte,  JJ.  119,  541.  —  Über  die  Proömien  s.  Vahlen,  Berl. 


478  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

SBer.  1878,  479.    Sauppe,   Quaest.  Lucr.  1880,  11.    Susemihl,  Greifsw.  1884; 
Phil.  44,  745.    Sonnenburg,  RhM.  62,  33.    Giri,  Riv.  fil.  40,  87. 

7.  Über  Lucrez  und  sein  Werk  zB.  Grasberger,  de  Lucr.  carmine,  Münch. 
1856.  CMartha,  le  poeme  de  Lucr.,  Par.7  1909.  JMasson,  Lucr.,  Epicurean 
and  poet,  Lond.  1909.  —  Mommsen,  RG.  36,  594.  Brieger,  in  der  Gegen- 
wart 8  (1875),  169.    Marx,  JJ.  1899  III  532. 

8.  Alte  Commentatoren :  Valerius  Probus  (§  300,  3).  Hieronym.  in  Ruf. 
(2,  472  Vall.),  s.  §  41,  4.  Vgl.  Steup,  de  Probis  81.  —  Das  Mittelalter  hin- 
durch war  Lucr.  verschollen;  JJessen,  Phil.  30,  236.    Vgl.  Haupt,  op.  3,  641. 

9.  Der  gut  überlieferte  Text  wird  durch  die  Ausgabe  des  Probus  be- 
gründet sein.  Von  dem  längst  verlorenen  Archetypus  (etwa  s.  IV — V,  ohne 
Wortabteilung),  auf  den  alle  vorhandenen  Hss.  des  Lucrez  zurückgehen, 
waren  noch  im  9.  Jahrh.  drei  Abschriften  vorhanden.  Davon  besitzen  wir 
noch  eine,  den  Vossianus  F.  30  s.  IX  in  Leiden  (foblongus';  Faksimile  Lei- 
den 1908  und  bei  Chatelain  Tf.  56.  57),  s.  Göbel,  RhM.  15,  401.  Von  der 
zweiten  dem  oblongus  sehr  ähnlichen  Abschrift,  die  Poggio  aus  Deutsch- 
land nach  Italien  brachte,  stammen  die  zahlreichen  meist  stark  verfälschten 
italienischen  Hss.  (Hosius,  RhM.  69,  109),  endlich  von  der  dritten  sind  ab- 
geleitet der  Vossianus  Q.  94  s.  X  (rquadratus')  in  Leiden  (Faksimile  Leiden 
1913  und  Chatelain  Tf.  58)  und  die  Bruchstücke  in  Kopenhagen  und  Wien 
(acht  schedae  Havnienses  und  zehn  Vindobonenses,  Chatelain  Tf.  59.  60), 
s.  Henrichsen,  de  fragm.  Gottorpiensi  Lucr.,  Eutin  1846.  S.  bes.  Lachmanns 
Commentar  p.  3.  Auch  Polle,  Phil.  25,  528.  517.  —  Woltjer  (neue  Prüfung 
der  Leidenses),  JJ.  119,  769.  Dort  auch  ein  verfehlter  Versuch,  bis  zu  einem 
noch  älteren  als  dem  Lachmannschen  Archetypus  aufzusteigen:  s.  dagegen 
Brieger,  JJ.  127,  553.  —  Eine  jener  interpolierten  italienischen  Hss.  ist  der 
Monac.  816  a  s.  XV,  einst  im  Besitze  des  PVictorius  (cod.  Victorianus) :  die 
Verbesserungen  darin  rühren  wahrscheinlich  von  Pontanus'  Schüler  MMa- 
rullus  (f  1500),  her;  s.  LSpengel,  Münchn.  Gel.  Anz.  33  (1851),  771.  WChrist, 
quaest  Lucr.,  Münch.  1855.  EGöbel,  quaest.  Lucr.  crit.,  Salzb.  1857:  RhM. 
12,  453.  De  cod.  Victor,  von  Sauppe,  Schriften  423  und  Bouterwek  (Halle 
1865).    Munros  Ausg.  p.  7.  27. 

10.  Auf  dieser  hs.  Grundlage  stellte  Lachmann  zuerst  den  Text  des 
Lucretius  her  in  seiner  epochemachenden  Bearbeitung,  die  jedoch  in  der 
Annahme  von  Textstörungen  und  demgemäß  in  der  Aufnahme  eigener  Ände- 
rungen (Umstellungen)  viel  zu  weit  ging:  Lucretii  de  rerum  natura  libri 
sex.  CLachmankus  recensuit  et  emendavit,  Berol.  1850  (41871),  dazu:  Lach- 
manni  in  L.  libros  commentarius,  Berol.  1850  (41882;  zum  Commentar  index 
copiosus  von  Härder,  Berl.  1882).  —  Vgl.  die  Übersichten  von  Polle,  Phil. 
25,  484.  26,  290.  524.    ABrieger,  JB.  2,  1097  bis  126,  1  (1903). 

11.  Ausgaben  (vgl.  Munro  1,  p.  3 — 23).  Aldina  I  (1500)  cura  HAvancti; 
cum  comm.  BPh,  Bonon.  1511.  Iuntina  (cura  PCandini),  Flor.  1512.  Cum 
comm.  Lambini,  Par.  1564.  1570.  Francof.  1583  und  oft.  Cum  collectan. 
Gifanii,  Antv.  1566  und  oft.  Cum  notis  ThCreech,  Oxon.  1695  und  oft.  Cum 
notis  var.  ed.  Havercamp,  Leid.  1725  IL  Ed.  CWakefield,  Lond.  1796  III, 
Glasg.  1813  IV  (vgl.  Madvig,  op.  1,  306).  Ed.  Eichstaedt,  Vol.  I  (Prolegg., 
Text,  Index)  Lps.  1801.    Ed.  Forbiger,  Lps.  1828.    Rec.  CLachmann  (s.  A.  10). 


§  204.  Die  jüngere  Generation  479 

Ed.  JBernavs,  Lps.  1852.  Ed.  Brieger,  Lps.  1894  (1899),  Bailey,  Oxf.  1898, 
Merrill,  New  York  1907.  With  notes  and  a  translation  by  JMunro,  Cambr.5 
1903  III  (daneben  auch  Textausgabe).  Redigiert  und  erklärt  von  Bocke- 
müller, Stade  1873.  74  II.  Mit  Comm.  von  Giussani,  Turin  1896—98  IV. 
Commentar  zu  B.  1  von  Bernays  in  Ges.  Abh.  (Berl.  1885)  2,  1.  —  B.  3  erkl. 
von  RHeinze,  Lpz.  1897  (vortrefflich);  von  Duff,  Cambr.  1903.  B.  1  von  Pas- 
cal, Rom  1904;  B.  1,  1 — 550  von  Benoist  u.  Lantoine,  Par.  1892.  With  in- 
trod.  and  notes  to  1.  I.  III.  V  by  FKelsev,  Boston  1884.  B.  5  av.  comment. 
par  Benoist  et  Lantoine,  Par.5  1906;  von  Ragon,  Paris  1897. 

12.  Übersetzungen  von  LvKnebel  (Lpz.  1821  u.  1831),  WBinder  (Stutt- 
gart 1868 f.),  MSeydel  (München  1881). 

204.  Die  jüngere  Generation,  deren  beste  Lebensjahre  in  die 
stürmische  Zeit  des  Bürgerkrieges  zwischen  Caesar  und  Pompeius 
fielen,  war  genötigt,  in  diesen  Kämpfen  Stellung  zu  nehmen,  und 
erhielt  dadurch  einen  leidenschaftlich  erregten  Charakter,  wie  im 
Leben  so  großenteils  auch  in  der  Literatur.  Getragen  von  den  Er- 
gebnissen der  bisherigen  Entwicklung,  mit  hellenischer  Bildung  ge- 
sättigt und  der  eigenen  Kraft  bewußt,  schlug  man  mutig  neue  Bahnen 
ein  und  suchte  es  den  Griechen  auch  in  der  Feinheit  der  Technik 
gleich  zu  tun.  Sallust  in  der  Geschichte,  Catull  in  der  Poesie  zei- 
gen, wie  erfolgreich  dieses  Streben  war;  und  beide  Altersgenossen 
waren  nur  die  hervorragendsten  unter  einer  großen  Zahl  von  Mit- 
strebenden: in  der  gebundenen  Form  Varro  Atacinus  und  Licinius 
Calvus,  der  dem  Catull  wohl  nahezu  gleichkam;  auf  anderem  Ge- 
biete der  Syrer  Publilius:  in  prosaischer  Darstellung  M.  und  D.  Bru- 
tus, Caelius  Rufus,  Cornificius,  Curio,  Furnius  und  viele  andere. 
Sogar  eine  Frau,  Hortensia,  erscheint  unter  den  Rednern,  andere 
Frauen,  wie  Catulls  Lesbia,  machen  Gedichte.  Diese  Zeitgenossen 
verfolgen  in  der  Beredsamkeit  teilweise  unter  dem  Einflüsse  der 
attizistischen  Strömung  die  gleiche  Geschmacksrichtung  auf  das 
Einfache  und  Schmucklose,  aber  mit  solcher  Absichtlichkeit,  daß 
von  einer  Rückkehr  zur  Natur  nicht  die  Rede  sein  kann.  In  der 
Poesie  streben  sie  in  der  Wahl  der  Stoffe  wie  in  der  Technik  den 
alexandrinischen  Dichtern  nach  und  zeigen  daher  auch  unterein- 
ander eine  große  Familienähnlichkeit.  So  verfassen  Epyllien  mit 
mythologischem  Inhalt  Valerius  Cato  (Diana),  Catull  (Hochzeit  des 
Peleus),  Calvus  (Io),  Cinna  (Zmyrna),  Cornificius  (Glaucus),  Caeci- 
lius  (Cybele);  Epithalamien  und  Hymenäen  Catullus,  Calvus  und 
Ticidas;  für  Spottgedichte  ist  der  Hendekasyllabus  beliebt.  Dann 
entsprach  es  dem  alexandrinischen  Vorgang,  freilich  auch  den  locke- 
ren Sitten  der  Zeit  und  dieser  Kreise,  daß  fast  ein  jeder  gelegent- 


480  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

lieh  auch  Liebesgedichte  fertigte.  In  den  politischen  Anschauungen 
aber  gehen  sie  auseinander,  und  diese  üben  einen  großen  Einfluß 
auf  die  Literatur  aus.  Wie  bedeutende  Zeitereignisse  alsbald  eine 
ganze  Literatur  hervorrufen,  so  begleitet  die  Poesie  mit  ihren  Gaben 
die  Männer  und  Vorgänge  des  Tages;  die  Geschichtschreibung  ver- 
rät durch  Wahl  und  tendenziöse  Behandlung  des  Stoffes  den  Ein- 
fluß der  Politik,  und  die  Beredsamkeit  fängt  bereits  an  ihn  darin 
zu  empfinden,  daß  ihr  das  gewohnte  Feld  der  Wirksamkeit  ver- 
kümmert wird. 

1.  Epigramme  auf  Zeitereignisse  s.  §  31,  2.  Iamben  §  33,  2.  Trochäen 
zB.  auf  den  Tod  des  Crassus:  §  11,  2  E.  Cic.  ad  Q.  fr.  2,  3,  2  (J.  56)  cum 
omnia  maledicta,  versus  denique  öbscenissimi  in  Clodium  et  Clodiam  diceren- 
tur.  Die  anonymen  Epigramme  zum  Preise  Caesars  und  bes.  seines  Zuges 
nach  Britannien  aus  dem  cod.  Voss.  86  (AL.  419—426.  PLM.  4,  59—71) 
beziehen  sich  auf  Kaiser  Claudius  (426,  7  Germanice  Caesar). 

2.  Zu  dieser  Generation  gehört  (außer  Bibaculus  §  192,4)  auch  Maecius. 
Er  war  J.  55  von  Pompeius  bei  der  Einweihung  seines  Theaters  mit  der 
Auswahl  der  Stücke  betraut.  Cic.  ep.  7,  1,  1  nöbis  erant  ea  perpetienda, 
quae  Sp.  Maecius  probavisset  (hier  hat  der  Med.:  quae  s.  p.  maecius,  d.  i. 
Sp.  Maecius,  wie  im  Sc  hol.  Cruq.  S.  735  b  Spurius  Metius  Tarpa  steht;  un- 
richtig ist:  quae  scilicet  P.  Maecius,  so  Victorius,  auch  Jordan,  Herrn.  8,  89). 
Hör.  sat.  1,  10,  38  nennt  den  Tarpa  in  einer  Art  Amtsstellung  (etwa  als 
magister  collegii)  bei  Dichtervorlesungen  im  collegium  poetarum  (§  94,  7. 
134,  2).  Dazu  vgl.  Porph.  nam  hi  fere,  qui  scaenae  scribebant,  ad  Tarpam 
(vorher  Maecius  Tarpa)  velut  emendatorem  ea  adferebant.  Vgl.  Verhandl. 
Heidelb.  Philol.-Vers.  163.  Nipperdey,  op.  503.  Man  wird  den  Maecius  nicht 
früher  ansetzen  dürfen,  da  er  noch  bei  Hör.  AP.  287  als  lebend  erwähnt 
und  noch  der  junge  Piso  (§  239,  7)  für  seine  künftigen  Gedichte  an  das 
Urteil  des  Maecius  (Maeci  iudicis)  verwiesen  wird.  Auch  in  Donats  Zusatz 
zu  Süetons  vita  Ter.  p.  25  R.  duos  Terentios  poetas  fuisse  scribit  Maecius 
ist  wahrscheinlich  derselbe  Tarpa  gemeint. 

205.  C.  Sallustius  Crispus  aus  Amiternum  (J.  86 — 35)  wid- 
mete nach  einem  bewegten  Leben  seine  letzten  Jahre,  nach  Caesars 
Tode,  der  Geschichtschreibung.  Als  treuer  Anhänger  Caesars  und 
gemaßregelter  Senator  hatte  er  Grund  zum  Hasse  gegen  die  Opti- 
maten  und  stellte  seine  Feder  in  den  Dienst  dieses  Hasses.  Zuerst 
verfaßte  er  eine  Schrift  über  die  Verschwörung  des  Catilina  (bel- 
lum Catilinae),  mit  scheinbarem  Streben  nach  Unparteilichkeit,  in 
Wahrheit,  um  die  Verschwörung  als  eine  Folge  der  sullanischen 
Restauration  hinzustellen  und  der  von  Cicero  gegebenen  Darstellung 
entgegen  zu  arbeiten.  Die  Behandlung  läßt  in  der  Feststellung  des 
Tatsächlichen  und  der  zeitlichen  Folge  der  Ereignisse  öfters  Ge- 
nauigkeit vermissen,  sie  sucht  vielmehr  die  inneren  Zusammenhänge 


§  205.  Sallust:  Leben  481 

der  Tatsachen,  die  Stimmung  der  Zeit  und  die  Beweggründe  der 
leitenden  Männer  zu  erforschen  und  stellt  sie  in  einer  teils  eigen- 
artig gewählten,  teils  an  Cato  angelehnten  Sprache  künstlerisch  ab- 
gerundet dar.  In  Vorzügen  und  Mängeln  steht  dem  Catilina  der  Krieg 
gegen  Iugurtha  nahe.  Er  führt  die  römische  Senatsherrschaft 
in  ihrer  tiefsten  Entwürdigung  vor  und  schließt  mit  dem  Ausblick 
auf  den  Helden  der  Demokratie  Marius.  Je  ruhiger  und  kühler  die 
Haltung  ist,  die  der  Geschichtschreiber  anscheinend  annimmt,  um 
so  lebhafter  fühlt  sich  der  Leser  von  der  kunstvoll  gesteigerten  Er- 
zählung ergriffen.  Endlich  das  umfangreichste  und  ausgereifteste 
Werk  des  Sallust,  die  fünf  Bücher  Historiae,  setzten  das  Werk 
des  Sisenna  fort;  sie  begannen  mit  Sullas  Todesjahr  (J.  78)  und 
waren  bis  67  geführt,  vielleicht  ohne  zum  Abschluß  gelangt  zu 
sein.  Das  Werk  war  ähnlich  angelegt  wie  die  beiden  kleineren 
Schriften:  erhalten  haben  sich  daraus  nur  vier  Reden,  zwei  Briefe 
und  —  neuerdings  nicht  unerheblich  vermehrte  —  Bruchstücke. 
Fälschlich  tragen  Sallusts  Namen  zwei  Suasorien  ad  Caesarem  se- 
nem  de  republica  und  eine  invectiva  gegen  Cicero,  an  die  Ciceros 
Erwiderung  angeschlossen  ist. 

1.  Die  Schreibung  Sallustius  ist  die  besser  beglaubigte  und  etymologisch 
richtige.  —  Hieronym.  zu  Euseb.  ehr.  ad  a.  Abr.  1930  =  87  (im  cod.  Freher. 
erst  zu  1931  =86)  Sallustius  Crispus  scriptor  historicus  in  Sabinis  Amiterni 
nascitur  (vgl.  Ciiron.  min.  1,  214  M.  Mario  VII  et  Cinna  II  [J.  86].  Ms 
conss.  natus  est  Salustius  die  Jcal.  Od.);  und  ad  1981  =  36  Sallustius  diem 
öbiit  quadriennio  ante  Actiacum  bellum.  Chron.  pasch.  1,  p.  347  Dind.: 
.  .  vTcdtcav  Magiov  tb  £'  y.cä  Klvvcc  xb  ß'  (J.  86)  UccXovßtiog  iyevvrjd'r}  xa- 
Xuvdcug  öxrcö/?(Hcas ,  und  p.  359  vjc.  Kivöcoglvov  xca  £aßivov  (J.  39)  Ecclov- 
cziog  ccTti&avs  %qo  XQiüv  Idütv  [Lutdiv  (13.  Mai)  =  Chron.  min.  1,  217  Pulcro 
et  Flacco  (J.  38).  his  conss.  obiit  Salustius  die  III.  id.  Mai.  Gell.  17,  18 
M.  Varro  . .  in  libro  quem  scripsit  "Pius  aut  de  pace*  C.  Sallustium  scripto- 
rem  seriae  illius  et  severae  orationis,  in  cuius  historia  noiiones  censorias  fieri 
atque  exerceri  videmus,  in  adulterio  deprehensum  ab  Annio  Milone  loris  bene 
caesum  dicit  (nach  Sallusts  Tode,  Varro  f  27)  et  cum  dedisset  peeuniam 
dimissum.  Vgl.  Porph.  Hör.  sat.  1,  2,  41.  Serv.  Aen.  6,  612.  Ps.  Cic.  in 
Sali.  14.  —  Volkstribun  52.  Ob  50  leg.  pro  quaest.  in  Syrien?  Mommsen, 
Herrn.  1,  171  =  Rom.  Forsch.  2,  434.  Durch  die  Censoren  J.  50  aus  dem 
Senat  gestoßen  (Ps.  Cic.  16.  Dio  40,  63);  von  Caesar  49  wiedereingesetzt 
durch  (erneuerte)  Übertragung  der  Quaestur  (Ps.  Cic.  17;  vgl.  21).  J.  48  be- 
fehligte er  eine  Legion  in  lllyrien  (Oros.  6,  15,  8).  J.  47  Caesars  Unterhänd- 
ler mit  den  aufständischen  Legionen  in  Campanien  (App.  b.  c.  2,  92.  Dio 
42,  52,  1).  J.  46  Praetor  (b.  Afr.  8.  34)  und  Statthalter  von  Afrika;  bell. 
Afr.  97.  Als  solcher  bereicherte  er  sich  durch  Erpressungen  und  kaufte 
Caesars  Villa  in  Tibur  sowie  die  horti  Sallustiani;  s.  Ps.  Cic.  19.  Dio  43,  9. 
Tac  ann.  3,  30  Crispum  equestri  ortum  loco  C.  Sallustius,  rerum  Born,  floren- 

Teuffel:  röm.  Literaturgesch.    Neub.  6.  Aufl.  I.  31 


482  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43    v.  Chr. 

tissimus  auctor,  sororis  nepotem  in  nomen  adscivit  usw.  (vgl.  Hon,  carni.  2,  2. 
sat.  1,  2,  48)  —  Bildnisse?  Bernoulli,  röni.  Ikonogr.  1,  200. 

2.  Sall.  Cat.  4  ubi  animus  ex  multis  miseriis  atque  periculis  requievit 
et  mihi  reliquam  aetatem  a  re  publica  procul  habendam  decrevi  . . .  statui  res 
gestas  populi  B.  carptim,  ut  quaeque  memoria  digna  videbantur ,  perscribere 
.  . .  igitur  de  Catilinae  coniuratione  quam  verissume  potero  (!)  paucis 
absolvam.  Der  ursprüngliche  Titel  ist  kaum  zu  ermitteln;  Sali,  spricht  im- 
mer von  coniuratio,  die  Alten  nennen  sie  oft  Catilina,  die  Hss.  bellum  Cati- 
linae oder  b.  Catulinarium  (darüber  Wölfflin,  Arch.  Lex.  1,  277),  vgl.  auch 
die  Suidasstelle  A.  7.  Verfaßt  ist  sie  nach  Caesars  Tode  (53.  54);  über  die 
Abfassungszeit  Büdinger,  SB.  Wien.  Ak.  123,  3.  Hauptquelle  war  vielleicht 
Cicero  de  consiliis  suis  (§  186,  3),  und  es  ist  nicht  unmöglich,  daß  die  Ver- 
öffentlichung dieser  Schrift  dem  Sali,  die  Feder  in  die  Hand  drückte.  Jeden- 
falls behandelt  er  Cic.  mißgünstig  und  verkleinert  seine  Verdienste  nicht 
nur  unter  das  Maß,  das  Cic.  selbst  ihnen  gab,  sondern  auch  unter  das 
historisch  richtige.  Das  Gerücht  von  Caesars  Beteiligung  an  der  ersten  Ver- 
schwörung widerlegt  er,  indem  er  es  ignoriert,  aber  von  dem  Crassus'  Be- 
teiligung betreffenden  Klatsch  redet,  ohne  eine  Entscheidung  zu  treffen; 
seine  Beteiligung  an  der  zweiten  ist  von  seinen  aristokratischen  Neidern 
aufgebracht  (c.  49).  Sein  eigentliches  Ziel  ist  aber,  die  Verschwörung  und 
die  Korruption ,  aus  der  sie  hervorging ,  als  eine  Folge  der  oligarchischen 
Mißwirtschaft,  besonders  der  Sullanischen  Restauration  hinzustellen.  Cati- 
lina erscheint  —  weit  über  seine  wirkliche  Bedeutung  hinaus  —  als  ein 
Zentrum  aller  oligarchischen  Laster.  Wenn  Sali,  der  Sempronia  eine  wichtige 
Rolle  und  sogar  eine  Charakteristik  gab,  so  tat  er  dies  wohl  aus  Feindschaft 
gegen  ihren  Sohn,  den  Caesarmörder  D.  Brutus.  Sachliche  (namentlich  zeit- 
liche) Ungenauigkeiten  sind  der  Darstellung  vielfach  nachgewiesen  worden. 
RDietsch,  quo  tempore  quoque  consilio  Sali.  Catilinam  scripserit,  Grimma 
1856.  WIhne,  Würzb.  Philol.-Vers.  (Lpz.  1869)  105.  Dübi,  de  Cat.  Sali.  fönt, 
ac  fide,  Bern  1872;  JJ.  113,  851.  CJohn,  Entstehungsgesch.  der  Catil.  Ver- 
schw.,  JJ.  Suppl.  B.  8,  701;  RhM.  31,  401.  Buresch,  Comm.  Ribbeckianae 
219.  JBesser,  de  Catil.  coniur.,  Lps.  1881.  Thiaucourt,  Etüde  sur  la  coniur. 
de  Cat.  de  Sali.,  Paris  1887.  Falke,  De  Sali.  Cat.,  Münster  1894.  Bauz,  Die 
Würdigung  Ciceros  bei  Sali.,  Einsiedeln  1904.  ESchwartz,  Herrn.  32,  554 
(grundlegend).    RWirtz  (A.  6)  25.    S.  auch  §  179,  20,  1. 

Ausgaben  von  FKritz,  ed.  illustr.,  Lps.  1828.  RDietsch,  Lpz.  1864. 
Schmalz,  Gotha2 1886.  PThomas,  Brüss.  1884.  MCook,  Lond.  1884.  AEussner, 
Lpz.  1887.  Ahlberg,  Göteb.  1911  (maßgebender  Apparat).  —  Übersetzt  von 
CHolzer,  Stuttgart  1868. 

3.  lug.  5  bellum  scripturus  sum,  quod  P.  B.  cum  Iugurtha  gessit,  pri- 
mum  quia  magnum  et  atrox  variaqae  victoria  fuit,  dehinc  quia  tunc  primum 
superbiae  nobilitatis  obviam  itum  est.  Bellum  Iugurthinum  (so  in  der 
Überschrift  des  Paris.  Sorb.  und  bei  Quint.  3,  8,  9),  wohl  hauptsächlich  nach 
Poseidonios  und  Sisenna  (optume  et  diligentissime  omnium  qui  eas  res  dixere 
persecutus  95,  2);  zweifelhaft  bleibt  die  Benutzung  der  Denkwürdigkeiten 
des  Sulla,  Scaurus  und  Rutilius  und  anderer  Quellen  (ebd.  17,  7  ex  libris 
PuniciSf  qui  regis  Hiempsalis  dicebantur,  nobis  interpretatum  est).  Am  ehesten 
läßt  sich  die  Abhängigkeit  von  Sulla  in  c.  105—113  glaublich  machen.  Vi- 


§  205.  Sallust:  die  einzelnen  Werke  483 

telli,  Stud.  it.  6,  353.  In  Ortsschilderung,  Völkerkunde  und  Chronologie 
ist  die  Darstellung  nicht  sehr  zuverlässig.  Auch  hier  schreibt  Sali,  gegen 
die  Nobilität,  wenn  er  auch  sehr  geschickt  die  Maske  der  Unparteilich- 
keit trägt.  Iugurthas  Person  ist  im  Grunde  nebensächlich,  so  sehr,  daß 
nicht  einmal  sein  Ende  erzählt  wird.  Für  ihn  handelt  es  sich  um  die  Be- 
stechlichkeit (avaritia  magistratuum  43,  5)  und  den  Hochmut  (64,  1  von 
Metellus:  contemptor  animus  et  superbia,  commune  nobilitatis  malum)  der 
Optimaten,  denen  es  damals  zuerst  gelingt  eine  Niederlage  beizubringen. 
Das  geschieht  durch  das  Auftreten  des  Memmius,  dem  eine  bedeutungsvolle 
Rede  in  den  Mund  gelegt  wird  (c.  31),  durch  die  lex  Mamilia  und  nament- 
lich durch  die  Wahl  des  Marius  zum  Consul.  Mit  dem  Ausblick  auf  ihn 
schließt  die  Schrift:  ihm  wird  Gallien  und  damit  der  Krieg  gegen  die  Cim- 
bern  übertragen.  Die  Schrift  schließt  mit  den  Worten:  et  ea  tempestate  spes 
atqiie  opes  civitatis  in  Mo  sitae.  Anlage  (Einleitung,  Exkurse,  Reden)  wesent- 
lich dieselbe  wie  im  Catilina;  sogar  Wiederholung  von  Wendungen  aus  die- 
sem und  dem  lug.  selbst;  doch  ist  das  Verhältnis  der  einzelnen  Teile  mehr 
ausgeglichen,  WIhne,  ZfGW.  34,  47.  HWirz,  d.  stoffl.  und  zeitl.  Gliederung 
des  lug.,  Festschr.  d.  Zur.  Kantonsschule  1887,  1.  Lauckner,  Die  künstler. 
u.  polit.  Ziele  d.  Monogr.  üb.  d.  lug.  Krieg,  Lpz.  1911.  —  Ausgaben  von 
GHerzog,  Lpz.  1840.  OEichert,  Bresl.  1867.  PThomas,  Brüss.  1877.  Brooke, 
Lond.  1885.  Ahlberg,  Göteb.  1915.  —  Widmann,  de  Memmii  oratione,  Blau- 
beuren  1857.  Mommsen,  Herrn.,  1,  427;  über  die  von  Sali,  vernachlässigte 
Chronologie  des  Krieges  ders.,  RG.  26,  146.  155.  Pelham,  Journ.  phil.  7 
(1877),  91;  Lauckner  57.  Lafaye,  Mel.  Boissier  315.  VCanter,  Cl.  Journ. 
6,  290.  Für  die  Genauigkeit  der  Ortsschilderungen  JSchmidt,  RhM.  44,  397. 
45,  318.    Übersetzt  von  CHolze,  Stuttg.  1868. 

4.  Historiae,  ihrem  Stoffe  nach  eine  Fortsetzung  von  Sisennas  Werk. 
Absichtliche  Übergehung  der  Geschichte  des  Sulla,  lug.  95,  2.  Der  Inhalt 
erstreckte  sich  bis  senos  per  annos  (Auson.  op.  13,  2,  61).  Der  Beginn  mit 
J.  78  ist  sicher  (Anfangsworte :  Res  populi  Born.  M.  Lepido  Q.  Catulo  coss. 
ac  deinde  militiae  et  domi  gestas  composui;  vgl.  auch  Auson.  aO.),  und  nichts 
in  den  Überresten  weist  über  J.  67  hinaus,  so  daß  es  nahe  liegt,  das  Werk 
für  unvollendet  zu  halten.  Die  Anordnung  war  annalistisch,  die  Darstellung 
trotz  der  Versicherung  1,  6  neque  me  diversa  pars  in  civilibus  armis  movit 
a  vero  ebenso  parteiisch  wie  in  den  Monographien.  Das  1.  Buch  enthielt 
zu  Anfang  eine  von  Haß  gegen  die  Nobilität  durchsetzte  Sittengeschichte 
und  eine  zurückgreifende  Erzählung  der  Geschichte  Sullas,  der  ebenso  miß- 
günstig charakterisiert  wurde  wie  später  Pompeius,  Metellus  und  Lentulus, 
während  Sertorius  herausgestrichen  und  gegen  die  invidia  scriptorum  (1,  88) 
in  Schutz  genommen  wird.  Auch  hier  waren  geographische  Exkurse  ein- 
gelegt, in  denen  Sardinien  und  Corsica  (B.  2),  Pontus  (B.  3)  und  das  fretum 
Siculum  (B.  4)  geschildert  waren.  Für  die  Zwecke  der  Rhetorenschule  veran- 
staltete man,  vielleicht  im  2.  Jahrh.  n.  Chr.,  eine  Sammlung  aller  sallusti- 
schen  Reden  (15)  und  Briefe  (6),  geordnet  nach  ihrer  Reihenfolge  in  den 
Bella  und  Historiae  (HJordan,  Herrn.  6,  74):  darin  sind  aus  den  Hist.  er- 
halten vier  Reden  Lepidi,  Philippi,  Cottae,  Macri  (KJNeumann,  Herrn.  32, 
314)  und  zwei  Briefe  Cn.  Pompei  (Sabbadini,  Boll.  fil.  2,  213)  und  Mithridatis. 
Vollständig  ist  diese  Sammlung  uns  nur  durch  Vatican.  3864  s.  X  (Facsim. 

31* 


484  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

bei  Chatelain  T.  54,  2)  überliefert:  darin  die  Bemerkung:  C.  Crispi  Sallusti 
orationes  excerptae  de  bellis  explicit  feliciter.  C  Crispi  Sallusti  orationes  ex- 
cerptae  de  historiis  incipit  feliciter.  Orelli,  bist.  crit.  eclogarum  ex  Sali, 
bist,  Zur.  1833.  Wölfflin,  Phil.  17,  154  und  bes.  Jordan,  RhM.  18,  584. 
Sonderausg.  von  Fighiera,  Savona  1897.  —  Außerdem  einige  größere  Über- 
reste aus  B.  2  und  3,  erhalten  durch  Teile  einer  Hs.  s.  IV/V,  die  sich  in 
Berlin,  Rom  und  besonders  in  Orleans  befinden  und  die  sich  als  zu  den 
hist.  gehörig  schon  dadurch  erweisen,  daß  darin  der  Anfang  der  Rede  des 
Cotta  und  der  Schluß  des  Briefes  des  Pompeius  (s.  oben  Z.  21)  erhalten  ist; 
das  fragmentum  Berolinense  (in  Toledo  gefunden,  zuerst  herausg.  von  Pertz, 
Abh.  Berl.  Akad.  von  1847,  Berl.  1848,  als  Fragm.  des  Sallust  erkannt  von 
Roth,  RhM.  8,  433);  die  fragmenta  Vaticana  Reg.  1283  (Faksimile  in 
Zangem.-Wattenbachs  Exempla  Tf.  7  u.  bei  Chatelain  Tf.  51 ;  vgl.  HJordan, 
Herrn.  5,  396.  14,  634.  Hauler,  Wien.  Stud.  10,  136);  die  fragmenta  Aure- 
lianensia  (cod.  196  M)  1886  entdeckt  und  von  Hauler  entziffert;  vgl.  Wien. 
Stud.  9,  25  (auch  ebd.  16,  247):  alles  auch  in  Jordans  Ausg.3  1887  p.  127. 
Diese  Fragmente  beziehen  sich  auf  die  Jahre  75 — 73.  —  Benützt  wurden 
die  Historien  von  Livius  u.  a.,  von  Plutarch  und  Cassius  Dio,  besonders 
auch  von  Licinianus  und  Iulius  Exuperantius  (§  445,  3);  wir  können  ihre 
Existenz  bis  ins  5.  Jahrh.  verfolgen.  Über  die  direkte  und  indirekte  Be- 
nutzung vgl.  Maurenbrecher,  Ausg.  1,  2;  JB.  101,  249.  Neuere  Sammlungen 
der  Überreste  der  Hist.  von  Kritz  (Lps.  1853;  Erfurt  1856),  dann  in 
Dietschs  Ausg.  v.  1859  Bd.  2,  B  Maurenbrecher,  Lpz.  1891/93  II  (maßge- 
bend). Für  die  Reden,  Briefe  und  die  selbständig  erhaltenen  Bruchstücke 
(s.  o.)  bes.  Jordans  Sallust3  1887,  111.  Vgl.  HJordan,  de  Sali.  hist.  libri  II 
reliquiis,  Königsb.  1887.  Jürges,  De  Sali.  hist.  reliquiis,  Gott.  1892.  — 
Sali.  orat.  et  epist.  ex  hist.  ed.  Orelli,  Zur.  1831  (und  öfters).  GLinker, 
Sall.^  hist.  prooemium  .  .  restituere  tentavit,  Marb.  1850.  Schlimmer,  hist. 
rerum  gest.  in  Sali,  libris,  Utr.  1860.    Vgl.  RKlotz  in  Jahns  Arch.  15,  362. 

4  a.  Das  Urteil  des  Seneca  contr.  3  pr.  8  orationes  Sallustii  in  honorem 
historiarum  leguntur  bezieht  sich  nicht  auf  die  in  die  Geschichts werke  ein- 
gelegten, sondern  auf  selbständige  Reden  des  Sali.  Ascon.  34,  30  bezeugt 
inimicissimas  contiones  de  Milone  aus  J.  52.  Ribbeck,  RhM.  46,  333.  Fronto 
p.  123  Ventidius  itte,  postquam  Parthos  fudit  fugavitque,  ad  victoriam  suam 
praedicandam  orationem  a  G.  Sallustio  mutuatus  est.  Diese  Rede  konnte  er 
etwa  bei  seinem  Triumph  (27.  Nov.  38)  vortragen;  sie  mag  eine  Hauptquelle 
für  den  Partherkrieg  gebildet  haben.    Hirschfeld,  Sehr.  780. 

5.  Durch  denselben  Vaticanus  3864  (A.  4  Z.  22)  sind  überliefert  eine 
Rede  und  ein  Brief  Ad  Caesarem  senem  de  re  publica,  beide  sicher  aus 
der  Kaiserzeit  und  der  Rhetorenschule ,  die  das  Thema  behandelte  (Quint. 
3,  8,  47  C.  Caesari  suadentes  regnum  adfirmabimus,  stare  iam  remp.  nisi 
uno  regente  non  posse).  Die  Rede  gibt  sich  als  nach  dem  Siege  gehalten, 
und  der  Zeitpunkt  könnte,  falls  der  Verf.  sich  überhaupt  den  Kopf  des- 
wegen zerbrochen  hat,  der  Herbst  47  sein.  Der  Verf.  hat  die  Vorstellung, 
daß  dem  Staat  mit  allgemeinen  Redensarten  und  Deklamationen  über  den 
Reichtum,  den  Luxus  usw.  geholfen  werden  könne;  darin  Banalitäten  wie 
5,  4  suam  quoique  rem  familiärem  finem  sumptuum  statueris  und  utopische 
Vorschläge  wie  7,  7  quare  iollendus  est  fenerator  in  posterum,  uti  suas  quis- 


§  205.  Sallust:  Fälschungen  485 

que  res  curemus  . .  Die  positiven  Vorschläge  stehen  in  zwei  Sätzen  am 
Schlüsse  8,  6  ne  uti  adhuc  militia  iniusta  aut  inaequalis  sit,  cum  dlii  tri- 
ginta  pars  nullum  Stipendium  faciant.  et  frumentum  id,  quod  antea  prae- 
mium  ignaviae  fuit,  per  municipia  et  colonias  Ulis  dare  conveniet,  qui  stipen- 
diis  emeritis  domos  reverterint.  Als  Stilübung  nach  Sallust,  dessen  Wort- 
und  Gedankenschatz,  Orthographie  und  Syntax  bis  zur  Übertreibung  nach- 
geahmt werden  (immane  dictust  2,  7),  ist  die  Leistung  ganz  achtbar;  daß 
sich  historische  Verstöße  nicht  finden,  will  bei  der  geringen  Zahl  mitge- 
teilter Tatsachen  nicht  viel  besagen:  jedoch  wird  man  das  Schriftchen 
nicht  zu  tief  herunterrücken  wollen.  Die  Beispiele  für  Pompeius'  Grausam- 
keit (Domitius,  Carbo,  Brutus)  waren  der  ßhetorenschule  nicht  fremd  (Val. 
Max.  6,  2,  8).  —  Der  Brief  (12,  1  perlectis  litteris)  will  geschrieben  sein 
nach  der  Unterwerfung  Galliens  (12,  5),  als  Caesar  noch  dort  weilt  (2,  2 
inter  labores  militiae  interque  proelia  victorias  Imperium  statui  admonendum 
te  de  negotiis  urbanis)  und  der  Konflikt  mit  dem  Senat  bereits  ausgebrochen 
ist;  der  adversus  consul  (2,  3)  könnte  dann  C.  Claudius  Marcellus  Cos.  50 
sein  (Pöhlmann  234),  aber  hier  fehlt  es  nicht  an  Auswahl.  Wunderlich  ist, 
daß  als  besonders  gefährliche  nobiles  M.  Bibulus,  L.  Domitius,  M.  Cato 
(als  ingenium  versutum  loquax  callidum),  L.  Postumius  (sonst  unbekannt) 
und  M.  Favonius  genannt  werden  (c.  9),  aber  nicht  Pompeius  u.  a.  Noch 
wunderlicher,,  daß  der  Verf.  dem  Caesar  in  einem  Augenblicke,  wo  Krieg 
und  Sieg  noch  zweifelhaft  waren,  eingehende  Ratschläge  für  die  Reform 
des  Staatswesens  gibt.  Neben  soliden  Kenntnissen  findet  sich  ebenso  leeres 
Geschwätz  wie  in  der  Rede  (Deklamationen  gegen  Reichtum  und  Habsucht 
7,  3.  8,  4)  und  ein  grober  historischer  Irrtum,  4,  2:  at  hercule  a  M.  Catone 
(Herculem  catonem  Hs.)  L.  Domitio  ceterisque  eiusdem  factionis  quadraginta 
senatores,  multi  praeter ea  cum  spe  bona  adulescentes  sicutei  liostiae  mactatae 
sunt  —  eine  Stelle,  der  man  weder  durch  Textänderung  (Pöhlmann  226) 
noch  durch  Interpretation  (Bardt,  Berl.  phil.  Woch.  1904,  940)  aufhilft.  Die 
Prosopopoiia  der  patria  am  Schlüsse  (vgl.  Cic.  orat.  85)  weist  auf  die  Rhe- 
torenschule;  die  Rede  und  die  Invective  gegen  Cicero  sind  bereits  benutzt. 
Die  beiden  Machwerke  stammen  trotz  der  Sallustnachahmung  hier  und  dort 
schwerlich  von  demselben  Verfasser,  wie  Orelli  und  Jordan  annehmen; 
letzterer  setzt  diesen  in  die  Zeit  zwischen  den  Flaviern  und  Antoninen, 
Orelli  in  die  des  Fronto  und  hält  ihn  für  den  Urheber  der  Zusammenstel- 
lung der  sallustischen  Reden  und  Briefe.  Vgl.  Teuffel,  Tübinger  Progr. 
1868,  13.  HJoRDAn,  de  suasoriis  ad  Caes.  senem,  Berl.  1868  (gut).  OHar- 
tung,  de  Sali,  epistolis  ad  Caes.,  Halle  1874.  Den  sallustischen  Ursprung 
beider  verficht  wieder  Spandau,  eine  Salluststudie,  Baireuth  1869  und  na- 
mentlich Pöhlmann,  Aus  Altertum  und  Gegenwart  NF.  (München  1911)  184; 
den  des  Briefes  ebenso  wenig  überzeugend  LHellwig,  de  genuina  Sali,  ad 
Caes.  epistula,  Lpz.  1873.  S.  dagegen  F Vogel,  act.  semin.  Erlang.  1,  341. 
KSchenkl,  ZföG.  22,  668.    Bester  Text  in  Jordans  Sallust3  141. 

6.  Die  gegenseitigen  invectivae  (diese  Benennung  gibt  die  Überliefe- 
rung, daneben  auch  controversiae :  Gurlitt,  Phil.  Suppl.  5,  597)  Sallusts 
und  Ciceros  stammen  sicher  nicht  von  diesen  beiden.  Die  des  Sallust  will 
die  Antwort  auf  maledicta  sein,  die  Cicero  im  Senat  gegen  ihn  geschleu- 
dert hatte,  ohne  daß  Bezug  auf  diese  genommen  würde.    Reitzenstein  und 


486  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  t.  Chr. 

Schwartz,  welche  die  Rede  wirklich  im  Senate  gehalten  sein  lassen,  nehmen 
daher  den  Ausfall  des  Teiles  an,  der  diese  Antwort  enthalten  habe.  Fast 
alles  paßt  ins  J.  54  und  auf  einen  Gegner,  den  Cicero  ähnlich  gereizt  hatte 
wie  Piso,  ohne  daß  doch  dieser  (wie  Schwartz  annimmt)  der  Verf.  sein 
kann.  Aber  die  Annahme,  daß  Cicero  noch  in  dem  Hause  des  Crassus 
wohne,  das  in  Wahrheit  im  J.  58  zerstört  war,  macht  diesen  Ansatz  un- 
möglich. Auch  die  Behauptung,  daß  Cic.  im  Senat  eine  Tyrannis  ausübe 
(1  E.),  paßt  nicht  zu  seiner  Stellung  im  J.  54,  sondern  eher  auf  die  Zeit 
nach  Caesars  Tode.  Eher  wäre  es  möglich,  an  ein  dem  Sallust  nach  dessen 
Tode  untergeschobenes  Pamphlet  zu  denken  (vgl.  §  180,  1).  Der  Ton  ist 
maßlos  heftig,  vgl.  5  liomo  levissimus,  supplex  inimicis,  amicis  contumeliosus, 
modo  liarum  modo  illarum  partium,  fidus  nemini,  levissimus  Senator,  mer- 
cennarius  patronus,  cuius  nulla  pars  corporis  a  turpitudine  vacat:  lingua 
vana,  manus  rapacissimae,  gula  immensa,  pedes  fugaces,  quae  honeste  nomi- 
nari  non  possunt  inlwnestissima.  Die  Ähnlichkeiten  mit  der  Rede  des  Cale- 
nus  bei  Dio  46,  1  fll.  stammen  wohl  aus  der  Benützung  gleicher  Quellen. 
Die  Schriften  Ciceros  sind  fleißig  benutzt,  während  sich  beweisende  An- 
klänge an  Sallust  nicht  finden;  s.  die  Nachweise  von  Kurfess  unter  dem 
Texte.  Die  Schrift  wird  schon  von  Quintilian  arglos  als  sallustisch  ange- 
führt (4,  1,  68;  9,  3,  89;  auch  11,  1,  24);  weiterhin  ebenso  von  Donatus  und 
Servius  (s.  diesen  zur  Aen.  6,  623).  Die  invectiva  in  Sallustium  (20)  wird 
von  Diomed.  GL.  1,  387  unter  dem  Namen  eines  Didius  zitiert,  der  sehr 
wohl  der  Verf.  sein  kann:  de  perfecto  (von  comedor)  amoigitur  apud  veteres, 
comestus  an  comesus  et  comesurus.  sed  Didius  (so  die  Hss.:  Tullius  Jordan, 
Epidius  Linker;  s.  §  211,  4.  Brzoska,  PW.  6,  59)  ait  de  Sallustio  (comesto 
patrimonio\  Sie  setzt  die  andere  Invective  voraus  und  erwidert  auf  ihre 
Angriffe,  indem  sie  die  Tatsachen  aus  Sallusts  Leben  nicht  ungeschickt 
verwertet;  für  dieses  ist  sie  eine  zwar  nicht  lautere,  aber  keineswegs  wert- 
lose Quelle.  Sie  kann  aus  der  Rhetorenschule  stammen,  obwohl  sie  sich 
nicht  in  sorgfältiger  Mimesis  Ciceros  gefällt.  Reitzensteih  aO.  92.  RWirtz 
aO.  51.  Vgl.  Corradi,  quaestura  85,  GHerzog  (Programme  v.  Gera  1834 fll.), 
Vogel,  Act.  Erlang.  1,  325.  Reitzenstein,  Herrn.  33,  87.  ESchwartz  ebd.  101. 
HWmz,  Festg.  f.  Büdinger,  Innsbruck  1898  (mit  Text).  Scholl,  RhM.  57, 
159.  Zielinski,  Cic.  im  Wandel  der  Jahrh.  347.  RWirtz,  Beitr.  z.  Catil. 
Verschwörung,  Bonn  1910.  PPetzold,  De  Cic.  obtrectatoribus ,  Lpz.  1911, 
29.  66.  Kurfess,  JVTnem.  40,  364.  Erhalten  in  alten  Hss.  von  s.  X  an;  vgl. 
Kurfess,  De  Sali,  in  Cic.  invect. ,  Berl.  1913.  Textrevisionen  von  Baiter  in 
Orellis  Cic.  22,  1421;  Baiter-Kaysers  Cic.  11,  147  (in  Müllers  Cic.  4,  3,  315); 
Jordans  Sallust  (31887)  155.  Sonderausgabe  von  Kurfess,  Lpz.  1914  (dort 
p.  XIII  weitere  Literatur). 

7.  Alte  Erklärer.  Aemilius  Asper  (Lyd.  de  magistr.  3,  8  Al^iiXiog  iv  xm 
v7to[ivriiLccTi  %<hv  ZaXXovatiov  lötOQimv.  Charis.  GL.  1,  216,  28  Asper  commen- 
tario  Sallustii  historiarum  I)\  s.  §  374,  1.  Suidas  v.  Zr\voßios:  Zr]v6ßios 
60(pi6trjs  naidsvöccs  iitl  jLöqiixvov  Kcci6(XQog  zygaips  .  .  neTcccpQcc6iv  zXXriviH&g 
tobv  Igxoql&v  2ccXov6tiov  tov  Qa^at-nov  Ictoqlxov  tüv  kccXov[l£v(üv  ccvrov 
BsX&v  (Bella).  Ein  Unbekannter  zum  Catil.  bei  Suringar,  hist.  schol.  1,  254. 
Wie  eine  Sammlung  der  Reden  (s.  A.  4),  so  gab  es  vielleicht  (vGutschmid) 
eine  der  geographischen  Abschnitte  des  Sallust  (?).  Vgl.  Müllenhoff,  Deutsche 


§  205.  Sallust:  Nachleben  und  Überlieferung  487 

Altertumskunde  1,  75.  —  Lob  der  sallustischen  Ortsschilderungen  bei  Li- 
cinianus  unten  §  206,  4  E.  und  Avien.  ora  marit.  36  inclitam  descriptionem , 
qua  locorum  formulam  imaginemque  .  . .  paene  in  obtutus  dedit  lepore  linguae. 

8.  Handschriften.  Über  die  Überlieferung  der  Reden  und  Briefe  aus 
den  Historien  s.  A.  4.  —  Die  Hss.  der  Bella  zerfallen  in  zwei  Klassen^ 
In  der  besseren  (mutili)  fehlt  lug.  103,  2  bis  112,  3.  Die  besten  Vertreter 
derselben  sind  vor  allen  Paris.  16024  (Sorb.  500)  s.  X  (Chatelain  Tf.  52,  1), 
dann  Paris.  16025  (Sorb.  1576)  s.  X  (Chatelain  Tf.  52,  2);  sonst  gehört  zu 
ihr  zB.  der  Nazarianus  (Palat.  889  s.  XI):  Die  *  andere  (sonst  vielfach  ver- 
fälschte) Klasse  (integri)  füllt  jene  große  Lücke  im  lug.  aus  und  bietet  auch 
sonst  mehrfach  (Cat.  6,  2.  lug.  21,  4.  44,  5)  Echtes,  das  in  der  ersten  Klasse 
ausgefallen  ist:  sie  ist  durch  Hss.  von  s.  XI  an  vertreten.  Ihr  Text  geht 
auf  denselben  Archetypus  zurück  wie  der  der  mutili;  die  Ergänzungen  sind 
aus  anderer  Quelle  eingetragen  (ähnlich  wie  die  Iuvenalverse  im  Oxon.,  s. 
§  331,  8).  Sali,  de  bello  I.  partem  extremam  ed.  Wirz,  Zürich  1897.  Mauren- 
brecher, Die  Überl.  der  Iugurthalücke,  Halle  1903.  Der  Text  des  Vatic. 
3864  (s.  A.  4)  für  die  Reden  und  Briefe  geht  auf  antike  Auszüge  zurück 
und  beweist  im  Verein  mit  den  Sallustzitaten  der  antiken  Schriftsteller  das 
hohe  Alter  vieler  Varianten.  Sehr  zu  beachten  ist,  daß  ein  nur  in  minder- 
wertigen Hss.  erhaltener  Satz  C.  6,  2  sich  in  dem  Oxyrh.  Papyros  6,  195 
s.  V  findet.  Hauler,  WSt.  17,  122.  W  Ahlberg,  Proleg.  in  Sali.,  Göteb.  1911 
(grundlegend).  Ältere  abweichende  Ansichten  über  das  Verhältnis  der  zwei 
Klassen  zu  einander  von  Roth  (RhM.  9,  129.  630),  Dietsch  (Ausg.  von  1859), 
Wölfflin  (Phil.  17,  519,  und  dagegen  Brentano,  de  Sallustii  codd.,  Frankf. 
1864  p.  2  ff.),  HJordan  (Herrn.  1,  231.  3,  460.  11,  330),  HWirz,  de  fide  cod. 
Paris.  1576,  Aarau  1867;  Phil.  Anz.  1,  151;  ZGW.  31,  272.  KNipperdey, 
op.  540.  Hertz,  JJ.  95,318.  AWeinhold,  Acta  Lips.  1,183.  ThDieck,  de 
ratione  quae  inter  Vat.  3864  et  Paris.  500  intercedat,  Halle  1872.  GBöse, 
de  fide  cod.  Sali.  Vat.  3864,  Gott.  1874.  OAnhalt,  quae  ratio  in  libris  recen- 
sendis  Sali,  adhibeatur,  Jen.  1876.  AEussner,  Phil.  25,  343  u.  im  Würzb. 
Festgruß  (1868)  158.  184.  LKuhlmann,  de  Sali.  cod.  Par.  500,  Oldenb.  1881; 
quaest.  Sali,  crit.,  Oldenb.  1887.  Schlee,  Zwei  Berliner  Sallusthss,  Sorau 
1899.  ANitzschner  ,  de  locis  Sali,  qui  ap.  script.  vet.  leguntur,  Gott.  1884. 
Eingehende  Übersicht  von  Maurenbrecher,  JB.  101,  189. 

9.  Ausgaben  zB.  Basel  1538  (von  Glareanus).  Ed.  Carrio,  Antv.  1573. 
1580.  JGruter,  Frankf.  1607.  JWasse,  Cantabr.  1710.  E  rec.  et  c.  notis 
GCortii,  Lps.  1724  (Wiederabdruck  Lps.  1825  ff.).  Cum  notis  var.  ed.  Haver- 
camf,  Haag  1742  II  (Wiederabdruck  durch  Frotscher,  Lps.  1828  III),  DGer- 
lach  (var.  lect.,  commentarios  et  ind.  adiecit,  Bas.  1823 — 41  III;  denuo  ed., 
Bas.  1832;  rec,  adnot.  crit.,  indicibus  instruxit;  acc.  historicorum  Rom. 
fragm.  a  LRotl  collecta,  Bas.  1852  II;  berichtigter  Text,  Stuttg.  1870), 
FKritz  (c.  comm.,  Lps.  1828.  1834  f.  II  nebst  Ind.,  wozu  die  Fragmenta  1853; 
succincta  annot.  illustr.,  Lps.  1856),  WFabri  (mit  Anmerk.  Nürnb.2  1845), 
COrelli  (Zur.  1840  u.  1853),  RDietsch  (Lps.  1843—1846;  große  krit.  Aus- 
gabe, Lps.  1859  II;  mit  deutschen  Anmerk.,  I.  Lpz.  1864),  RJacobs  (Berl. 
101894  von  Wirz),  Long-Frazer,  Lond.  1884.  Charpentier-Lemaistre,  Par. 
1908.    Lallier,  Par.  1912. 

Texte  zB.  von  GLinker  (Wien  1855),  AEussner  (Lpz.  1887).    AScheindler, 


488  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

3Lpz.  1907,  IPrammer,  Wien  1886  (dazu:  sallust.  Miszellen,  Wien  1887),  Noväk 
(Prag  1888/91),  Ramorino  (Turin  1897),  und  besonders  HJordan  (mit  knap- 
pem kritischem  Apparat,  Berl.3  1887). 

10.  Übersetzungen  zB.  von  Neuffer  (Lpz.  1819),   Cless  (Stuttg.  1855 
u.  1865  II),  Dietsch  (Stuttg.   1858). 

206.  Sallust  ist  eine  stark  ausgeprägte  Individualität,  und  seine 
Werke  zeigen  ein  scharfes  Profil  schon  deshalb,  weil  er  sie  in  den 
Dienst  einer  bestimmten  Tendenz  stellt  und  diese  mit  lebhafter 
innerer  Anteilnahme  durchführt.  Indem  der  Absicht,  die  Untaug- 
lichkeit  der  Nobilität  nachzuweisen,  alles  andere  untergeordnet 
wird,  entsteht  etwas  in  seiner  Art  Neues,  das  sich  nicht  restlos  aus 
der  vorhergehenden  Entwicklung  der  Historiographie  erklären  läßt. 
Was  ihn  zur  Anknüpfung  reizen  konnte,  war  die  mit  starken  rhe- 
torisch-pathetischen Mitteln  arbeitende  peripatetische  Geschicht- 
schreibung, die  meist  einzelne  Persönlichkeiten  in  den  Vordergrund 
schob  und  oft  aus  der  Darlegung  ihrer  Motive  die  Ereignisse  ab- 
leitete. Aber  von  dieser  Darstellungsweise  entfernten  ihn  zwei  Dinge: 
seine  Tendenz  und  das  Vorbild  des  Thukydides.  Jene  verbot  es 
ihm,  die  Personen  einseitig  zu  betonen,  die  vielmehr  auch  der  Ab- 
sicht des  Ganzen  dienstbar  gemacht  werden  mußten,  und  den  Leser 
durch  abwechselnde  Stimmungseffekte  zu  unterhalten,  wofern  nicht 
auch  diese  im  Sinne  der  Tendenz  lagen.  Zum  Nachahmer  des  Thuky- 
dides hat  den  Sallust  gewiß  die  Vorliebe  des  modernen  Attizismus 
für  diesen  Schriftsteller  gemacht-,  aber  er  begnügt  sich  nicht  mit 
einer  Nachbildung  seiner  Sprache  und  seines  gedrängten,  den  Leser 
zum  Nachdenken  zwingenden  Stiles,  sondern  er  gibt  sich  auch  wie 
jener  den  Anschein  strenger  Objektivität  und  hält  alles  fern,  was 
nicht  für  seine  Erzählung  unentbehrlich  ist.  Was  ihn  von  Thuky- 
dides unterscheidet,  ist  das  größere  Interesse  für  die  handelnden 
Personen  und  die  Gewohnheit,  sie  zu  charakterisieren,  mit  der  er 
an  die  hellenistische  Geschichtschreibung  anknüpft,  namentlich  aber 
die  raffinierte  Verschiebung  und  Beleuchtung  der  Tatsachen,  die 
er  seiner  Tendenz  zuliebe  vornimmt  und  die  ihn  in  den  schärfsten 
Gegensatz  zu  seinem  Vorbilde  stellt:  der  Anschluß  an  Thukydides 
gerade  in  so  subjektiven  Werken  wirkt  beinahe  wie  perverses  Raffine- 
ment und  wird  nur  durch  die  überlegene  Kunst  des  Schriftstellers 
möglich  gemacht.  In  den  von  der  Erzählung  ganz  losgelösten  ge- 
dankenreichen Prooemien,  den  scharf  umrissenen  Charakteristiken 
und  den  geographischen  Exkursen  folgt  er  der  Art  des  Poseidonios. 
Im  Stil  entlehnt  er  vieles  aus  Thukydides  und  läßt  Graecismen  fast 


§  206.  Sallust:  Charakteristik  489 

in  demselben  Umfange  in  die  Sprache  eindringen  wie  die  auguste- 
ischen Dichter;  das  archaische  Kolorit,  das  die  griechischen  Kunst- 
richter an  Thukydides  fanden,  suchte  er  durch  engen  Anschluß  an 
Cato  zu  erreichen.  So  entsteht  eine  eigentümlich  gemischte  Sprache, 
die  seit  den  Zeiten  des  Archaismus  lebhafte  Bewunderung  und  Nach- 
ahmung gefunden  hat. 

1.  Mart.  14,  191  primus  Bomana  Crispus  in  Mstoria.  Quint.  2,  5,  19 
Livium  a  pueris  magis  (legi  velim)  quam  Sallustium,  etsi  hie  historiae  maior 
est  auetor,  ad  quem  tarnen  intellegendum  iam  profectu  opus  sit.  —  Vellei. 
2,  36,  2  aemulum  Thucydidis  Sallustium.  Quint.  10,  1,  101  nee  opponere 
Thucydidi  Sallustium  verear.  Sen.  suas.  6,  21  hoc  (zusammenfassende  Be- 
urteilung beim  Berichten  des  Todes  einer  bedeutenden  Person)  semel  aut 
Herum  a  Thucydide  factum,  item  in  paucissimis  personis  usurpatum  a  Sal- 
lustio.  Über  die  historiographische  Kunst  des  Sali,  hat  das  Wichtigste 
ESchwartz,  Herrn.  32,  559  gesagt  (vgl.  PW.  3,  1690).  Reitzenstein,  Hellenist. 
Wundererzählungen  84  bringt  seine  Monographien  in  Zusammenhang  mit 
Ciceros  Brief  an  Lucceius  (ep.  5,  12),  in  dem  er  eine  Theorie  der  histori- 
schen Monographie  findet,  doch  s.  Scheller,  De  hellenist.  hist.  conscr. 
arte  80.  Lauckner  59  (§  36,  7).  Im  Grunde  ist  Sali,  ohne  die  hellenistische 
und  speziell  die  peripatetische  Geschichtschreibung  nicht  denkbar,  wenn 
er  auch  auf  ihre  Mittel  zu  verzichten  scheint;  und  in  den  Exkursen,  nicht 
bloß  den  geographischen,  sondern  auch  den  sittengeschichtlichen  und  der 
Charakterzeichnung  dienenden  folgt  er  dem  Poseidonios.  Theissen,  De  Sali. 
Liv.  Tac.  digressionibus,  Berl.  1911.    Vgl.  Wachsmuth,  Einl.  657. 

Daß  der  moralisierende,  wohl  auch  von  Poseidonios  beeinflußte  Ton 
(§  236,  4)  zu  dem  Vorleben  Sallusts  wenig  stimme,  ist  oft  bemerkt  worden. 
Am  lärmendsten  schon  von  Lenaeus  (§  211,  3),  der  tanto  amore  erga  patroni 
(des  Cn.  Pompeius)  memoriam  extitit,  ut  Sallustium  historicum,  quod  eum 
oris  probi,  animo  invereeundo  (also  als  einen  Tugendheuchler)  scripsisset, 
acerbissima  satura  laceraverit ,  lastaurum  et  lurconem  et  nebulonem  popino- 
nemque  appellans  (Bücheler,  Petr.  ed.  min.4  p.  245)  et  vita  scriptisque  mon- 
strosum,  praeterea  priscorum  Catonis  verborum  ineruditissimum  furem  (Sueton. 
gramm.  15;  vgl.  unten  A.  8  Z.  7).  Aber  auch  Gellius  (s.  §  205,  1  Z.  14) 
bemerkt,  daß  man  Vorkommnisse  wie  das  im  Hause  Milos  nach  dem  streng 
aburteilenden  Tone  in  den  Schriften  des  Sallust  nicht  für  möglich  halten 
sollte;  Macrobius  nennt  deshalb  (sat.  3,  13,  9)  den  Sallust  gravissimus  alienae 
luxuriae  obiurgator  et  censor.  Auch  Symmachus  bezeichnet  ihn-  (ep.  5,  68,  2) 
als  einen  scriptor  stilo  tantum  probandus ;  nam  morum  eius  damna  non  si- 
nunt,  ut  ab  illo  agundae  vitae  petatur  auetoritas.  Vgl.  Lactant.  inst.  d.  2, 12 
quod  quidem  non  fugit  hominem  nequam  Sallustium,  qui  ait  rnostra  omnis 
vis  etc.  [Cat.  1,  2]'.  rede,  si  ita  vixisset  ut  locutus  est.  servivit  enim  foedissi- 
mis  voluptatibus  suamque  ipse  sententiam  vitae  pravitate  dissolvit.  Eine  Nach- 
wirkung der  eigenen  Vergangenheit  darf  man  wohl  in  einem  gewissen  Pessi- 
mismus finden,  den  der  Geschichtschreiber  verrät,  einem  Anfluge  von  Über- 
sättigung und  Menschenverachtung.  Vgl.  auch  Löbell,  zur  Beurteilung  des 
Sali.,  Breslau  1818.  —  Als   eine  Hilfe   bei   seinen   geschichtlichen  Arbeiten 


490  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

ließ  sich  Sallust  von  dem  Gelehrten  Ateius  (§  211,  1)  ein  breviarium  rerum 
omnium  Romanarum  verfassen  (vgl.  HJordan,  Krit.  Beitr.  352);  er  selbst 
hatte  es  weniger  mit  Quellenstudien  als  mit  der  künstlerischen  Gestaltung 
des  überlieferten  Materiales  zu  tun. 

2.  Wahrheitsliebe.  Die  üblichen  Beteuerungen  Catil.  4,  2  statui  res  gestas 
populi  Born.  . .  perscribere ,  eo  magis  quod  mihi  a  spe,  metu,  partibus  reip. 
animus  Über  erat.  4,  3  u.  18,  1  quam  verissume  potero.  Hist.  1,  6  neque  me 
divorsa  pars  in  civilibus  armis  movit  a  vero.  Dem  entsprechend  Augustin. 
civ.  dei  1,  5  Sallustius,  nobilitate  veritatis  historicus.  Isidor.  orig.  13,  21,  10 
Sallustius,  auctor  certissimus.  Dem  gegenüber  hat  schon  Mommsen  den  ten- 
denziösen Charakter  seiner  Schriftstellerei  betont.  Vollständigkeit  und  Ge- 
nauigkeit des  einzelnen  hat  aber  Sali,  nicht  erstrebt  (Oros.  7,  10,  4.  Vonsc. 
Firm.  6,  3);  namentlich  die  Zeitangaben  sind  häufig  unbestimmt  (interea, 
isdem  temporibus,  dum  haec  aguntur):  in  bewußtem  Gegensatz  zur  Annalistik 
verhüllt  er  lieber  das  chronologische  Gerüst  der  Darstellung  als  daß  er  es 
hervorhebt.  Oft  werden  auch  die  verbindenden  Mittelglieder  der  Tatsachen 
weggelassen.  Von  einem  Eingreifen  der  Götter,  und  sei  es  auch  nur  die 
farblose  Tyche  des  Hellenismus,  von  Vorzeichen,  Orakeln  usw.  weiß  die 
nüchterne,  aufgeklärte  Denkweise  des  Sallust  nichts:  auch  hierin  ist  er  ein 
gelehriger  Schüler  des  Thukydides. 

3.  Über  die  Prooemien  sagt  Quint.  3,  8,  9  C.  Salhistius  in  bello  Iugur- 
ihino  et  Catilinae  nihil  ad  historiam  pertinentibus  principiis  orsus  est.  Das 
gilt  nicht  von  Cat.  3  f.  lug.  4,  wo  Sali,  in  der  üblichen  Weise  das  Interesse 
des  Lesers  für  seinen  Stoff  zu  wecken  sucht  und  ähnlich  wie  Cicero 
begründet,  weshalb  er  sich  nicht  der  Politik  widme.  Wohl  aber  trifft  es 
auf  die  Anfänge  der  Prooemien  zu,  die  von  dem  Vorrange  des  Geistes  über 
den  Körper,  dem  Wert  der  wissenschaftlichen  Betätigung  und  dem  Nutzen 
der  Geschichte,  insofern  sie  dem  Nachruhm  dient,  in  gedrängter  Kürze  han- 
deln. Sali,  hat  hier  die  von  Poseidonios  im  Protreptikos  ausführlich  ent- 
wickelten Gedanken  epitomiert.  Pahl,  de  prooemiis  Sali.,  Tüb.  1859.  RKuhn, 
die  Einl.  zu  Sali.  Cat.  u.  Jug.,  Tauberbischofsheim  1868.  HJordan,  Krit.  Bei- 
träge 353.  Boissier,  Journ.  de  Sav.  1903,  59.  KWagner,  De  Sali,  prooem. 
fontibus,  Lpz.  1910.  WJager,  Nemesios  130.  Gedankendes  Poseidonios  auch 
C.  51,  3.  J.  85, 17.  Sallust  liebt  es  überhaupt,  allgemeine  Gedanken  formel- 
haft zuzuspitzen.  Fronto  p.  48  Nab.  gnomas  egregie  convertisti,  hanc  quidem 
quam  hodie  accepi  prope  perfecte,  ut  poni  in  libro  Sallustii  possit. 

4.  Die  Reden  bei  Sallust  haben  alle  etwas  Eindringliches  und  Ergrei- 
fendes und  sind  der  Eigentümlichkeit  und  Stellung  des  jedesmal  Redenden 
weit  mehr  angepaßt  als  die  des  Livius.  Urkundlich  sind  sie  aber  natürlich 
nicht.  So  ergäbe  sich  für  Catilinas  Anrede  an  seine  Genossen  ein  anderer 
Inhalt  aus  Cic.  pMur.  25  und  Plut.  Cic.  14;  und  von  dem,  was  bei  Cic. 
Att.  12,  21  (vgl.  pSest.  61.  Vellei.  2,  35,  3.  Plut.  Cato  min.  23)  aus  Catos 
Rede  im  Senat  mitgeteilt  wird,  findet  sich  nichts  in  der  von  Sallust  dem 
Cato  in  den  Mund  gelegten.  Schon  darum  sind  auch  die  übrigen  Reden 
bei  Sallust  in  demselben  Sinne  gemeint,  wie  es  Thukydides  (1,  22)  von  den 
seinigen  aussagt.  Dabei  zeigen  sie  eine  größere  rednerische  Übung  (vgl. 
§  44,  6  g  E.)  und  fortgeschrittenere  Kunst  als  die  des  altattischen  Histori- 
kers.   In  seiner  Begründung  verkehrt,  aber  der  Anschauung  seiner  Zeit  ent- 


§  206.  Sallust:  Technik  491 

sprechend  ist  der  Ausspruch  des  Licinianus  (p.  33,  9  Fl.):  Sallustium  non  ut 
historicum  ahmt  sed  ut  oratorem  legendum.  nam  et  tempora  reprehendit  sua 
et  delicta  carpit  et  eontiones  inserit  et  dat  in  censum  (?)  loca,  montes,  flumina 
et  hoc  genus  amoena  et  culta  (?)  et  comparat  disserendo.  Über  Sen.  contr.  3 
pr.  8  s.  §  205,  4  a.  S.  auch  oben  §  36,  5  das  Urteil  des  Trogus  über  die 
saliustischen  Reden.  Von  den  bei  Sallust  vorkommenden  Briefen  ist  der 
des  Lentulus  an  Catilina  (Cat.  44)  insofern  historisch,  als  Lentulus  wirklich 
an  Catilina  geschrieben  hatte  (vgl.  Cic.  in  Cat.  3,  12);  und  ähnlich  mag  es 
sich  mit  dem  des  Catilina  (c.  35)  und  dem  des  Pompeius  an  den  Senat  ver- 
halten. Aber  die  von  Sali,  eingelegten  Briefe  sind  natürlich  seine  eigene 
Erfindung.  Schnorr  v.  Carolsfeld,  die  Reden  u.  Briefe  bei  Sali.,  Lpz.  1888. 
Gerstenberg,  Über  die  Reden  bei  Sali.,  Berl.  1892. 

5.  Urteile  über  die  Sprache  Sallusts.  Ateius  ermahnte  den  Asinius 
Pollio  (ut)  vitet  maxime  obscuritatem  Sallustii  et  audaciam  in  translationibus 
(Suet.  gr.  10).    Zur  letzteren  Eigenschaft  vgl.  Quint.  9,  3,  12.    Sen.  contr.  9, 

1,  14  (s.  A.  6)  T.  Livius  (als  Ciceronianer)  tarn  iniquus  Sallustio  fuit,  ut 
hanc  ipsam  sententiam  (die  Sali,  aus  Thuk.  entlehnt  hatte)  et  tamquam  trans- 
latam  et  tamquam  corruptam  dum  transfertur  öbiceret  Sallustio.  nee  hoc 
amore  Thucydidis  facit,  ut  illum  praeferat,  sed  laudat  quem  non  timet  et 
facilius  putat  posse  a  se  Sallustium  vinci,  si  ante  a  Thucydide  vincatur. 
Asinius  Pollio  bei  Gell.  10,  26.  —  Gell.  NA.  4,  15,  1  elegantia  orationis 
Sallustii  verborumque  fingendi  et  novandi  Studium  (vgl.  1,  15,  18  novatori 
verborum  Sallustio;  ebd.  6,  17,  8.  10,  21,  2)  cum  multa  prorsus  invidia  fuit, 
multique  non  medioeri  ingenio  viri  conati  sunt  reprehendere  pleraque  et  ob- 
treetare.  in  quibus  plura  inscite  aut  maligne  vellicant.  Vgl.  10,  26.  Quint. 
10,  3,  8  sie  (langsam)  scripsisse  Sallustium  aeeepimus,  et  sane  manifestum  est 
etiam  ex  opere  ipso  labor  (nämlich  der  stilistische). 

6.  Über  Nachahmung  des  Thukydides  durch  die  Attizisten  Cic.  Brut.  287. 
orat.  30.  opt.  gen.  15:  Asinius  Pollio  (der  freilich  den  Sali,  tadelte,  A.  8) 
muß  ihm  in  vieler  Hinsicht  geglichen  haben.  Kürze.  Sen.  contr.  9,  1,  13 
cum  sit  praeeipua  in  Thucydide  virtus  brevitas,  hac  cum  Sallustius  vicit  et 
in  suis  illum  castris  cecidit.  . .  ex  Sallusti  sententia  nihil  demi  sine  detri- 
mento  sensus  potest.  L.  Sen.  ep.  19,  5  (=  114),  17  Sallustio  vigente  ampu- 
tatae  sententiae  et  verba  ante  expeetatum  cadentia  et  obscura  brevitas  fuere 
pro  eultu.  Quint.  4,  2,  45  vitanda  est  etiam  illa  Sallustiana ,  quamquam  in 
ipso  virtutis  locum  obtinet,  brevitas  et  abruptum  sermonis  genus.  10,  1,  32 
illa  Sallustiana  brevitas,  qua  nihil  apud  aures  vacuas  atque  eruditas 
potest  esse  perfectius.  102  immortalem  illam  Sallustii  velocitatem.  Gell. 
3,  1,  6  Sallustium,  vel  subtilissimum  brevitatis  artificem.  Macrob.  sat.  5,  1,  7 
breve  (dicendi  genus),  in  quo  Sallustius  regnat.  Stat.  silv.  4,  7,  55  Sallusti 
brevis.  Apoll.  Sidon.  carm.  2,  190.  23,  151.  Apulei.  apol.  95  (parsimonia). 
—  Bei  der  Wahl  de3  Thukydides  zum  Vorbilde  wird  auch  der  Wunsch 
mitgewirkt  haben,  einen  der  Bedeutung  der  geschilderten  Ereignisse  (C.  4, 

2.  4.  J.  5,  1)  entsprechenden  Stil  zu  finden,  vgl.  C.  3,  2  facta  dictis  exae- 
quanda  sunt  (vgl.  Isokr.  4,  13.  Diod.  20,  2,  2):  Thukydides  galt  für  beson- 
ders cctzMoticiTwog  und  nsyuXocpvrjg.  Als  sein  Nachahmer  verzichtet  er  auch 
auf  die  Anwendung  der  Klausel;  daher  hat  er  viele  Hexameterschlüsse. 

7.  Graecismen.    Quint.  9,  3,  17  ex  Graeco  translata  vel  Sallustii  plu- 


492  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

rima.  Es  finden  sich  Anklänge  besonders  an  Thukydides1  Reden  und  einige 
Reden  des  Demosthenes  (Kornitzer,  ZöG  38,  611;  WSt.  19,  158),  an  Xeno- 
phons  Cyropädie  und  Memorabilien,  an  den  Menexenos  und  den  7.  Brief 
des  Dato.  Aber  es  finden  sich  auch  syntaktische  Graecismen  wie  sanctus 
alia,  Oceani  longinqua;  er  lehnt  sich  dabei  an  die  neumodische  Poesie  an, 
da  der  Theorie  nach  die  Geschichtschreibung  der  Poesie  nahestand  (Norden, 
Kunstpr.  91).  Gerlachs  Ausg.  3,  331.  Pofpos  Thucyd.  6,  372.  Dolega,  de 
Sali,  imitatore  Thucyd.,  Demosth.,  Bresl.  1871.  Mollmann,  quatenus  Sali,  e 
scriptorum  graec.  exemplo  pendeat,  Königsb.  1878.  Robolski,  Sali,  quo  iure 
Thucydidis  exemplum  secutus  esse  videatur,  Halle  1881.  Mack,  Quae  ratio 
interc.  inter  "Sali,  et  Thuc,  Kremsier  1906. 

8.  Die  Archaismen  bestehen  in  Schreibungen  wie  maxumus,  Curenae, 
labos,  Bildungen  wie  paeniturum  (von  paenitet),  audaciter  und  hauptsächlich 
in  Wendungen  wie  multi  mortales,  virile  secus,  prosapia,  dem  Gebrauche 
von  apud  für  ad  und  in  c.  Abi.  u.  a.  Doch  geht  daneben,  für  uns  nicht 
immer  unterscheidbar,  eine  Neigung  zu  analgetischen  Neubildungen  einher 
(Nonden  bei  Gercke-Norden  l2,  448),  zu  denen  Sali,  durch  Sisenna  veran- 
laßt sein  mag  (§  156,  3).  Vgl.  Lenaeus  A.  1  Z.  21.  Augustns  bei  Suet. 
Aug.  86  verbis  quae  C.  Sallustius  excerpsit  ex  originibus  Catonis.  Suet. 
gramm.  10  (vgl.  §  211,  1)  Asinius  Pollio  in  libro  quo  Sallustü  scripta  repre- 
hendit  ut  nimia  priscorum  verborum  affectatione  oblita.  Vgl.  Gell.  10,  26,  1 
Asinio  Pollioni  in  quadam  epistula,  quam  ad  Plancum  scripsit,  et  quibus- 
dam  aliis  C  Sallustü  iniquis.  Asinius  behauptete  auch,  Ateius  habe  zum 
Gebrauch  des  Sallust  antiqua  verba  et  figuras  gesammelt  (s.  auch  oben 
A.  iE.):  siehe  §  211,  1  Z.  14  v.  u.  Epigramm  bei  Quint.  8,  3,  29  et  verba 
antiqui  multum  furate  Catonis,  Crispe,  Iugurthinae  conditor  historiae.  Fronto, 
epist.  p.  62  M.  Porcius  eiusque  frequens  sectator  G.  Sallustius.  Vgl.  ebd. 
p.  36.  Serv.  Aen.  1,  6  Cato  in  originibus  hoc  dicit,  cuius  auctoritatem  Sal- 
lustius sequitur  (Catil.  6).  So  lug.  31,  1  =  Caton.  reliq.  p.  27,  1,  Jord.  85,  8 
=  p.  50  J.  Deltour,  de  Sallustio  Catonis  imitatore,  Par.  1859.  GBrünnert, 
de  Sali,  imitatore  Catonis  Sisennae  aliorumque,  Jena  1873.  Auf  Vorcato- 
nisches  gehen  diese  Archaismen  aber  nicht  zurück;  sie  sind  dazu  bestimmt, 
die  Darstellung  feierlicher,  pathetischer  zu  machen,  namentlich  aber  ihr 
ein  ähnlich  archaisches  Kolorit  zu  geben,  wie  es  die  des  Thukydides  be- 
saß. PSchultze,  de  archaismis  Sali.,  Halle  1871.  Angeblich  ist  in  den  späte- 
ren Schriften  (bes.  Hist.)  die  altertümliche  Färbung  stärker  als  in  den 
früheren;  s.  Wölfplin,  Phil.  34,  146;  auch  Jordan,  Krit.  Beitr.  350. 

9.  Alle  einzelnen  Mittel  dienen  dem  Hauptzweck,  den  archaischen  Stil 
wiederzugeben.  Der  Bau  und  die  Verbindung  der  Sätze  ist  daher  höchst 
einfach  und  schmucklos,  teilweise  sogar  einförmig,  namentlich  durch  das 
häufig  an  die  Spitze  gestellte  igitur.  Überhaupt  wiederholt  Sallust  gewisse 
Lieblingswendungen  unermüdlich,  wie  paucis  tempestatibus  (lug.  96,  1)  statt 
brevi  tempore.  Der  Eindruck  der  Einfachheit  wird  namentlich  auch  durch 
die  ausgedehnte  Anwendung  des  infinitivus  historicus  herbeigeführt.  Inner- 
halb des  Satzes  aber  geht  Sallust  der  Konzinnität  aus  dem  Wege  und  liebt 
jähen  Wechsel  der  Konstruktion,  des  Subjekts  und  Ausdrucks.  Parallele 
Kola  und  Kommata  sind  ihm  nicht  ganz  fremd,  aber  er  meidet  eigentliche 
Perioden  —  kurz,  er  erscheint  als  Antipode  Ciceros.    Norden,  Kunstpr.  200. 


§  206.  Sallust:  Sprache  493 

Wortindex  in  Dietschs  Ausg.  1859.  OEichert,  Wörterb.  zu  Sali.,  Hann.  1890. 
Nachweisungen  bei  Gerlach  3,  307.  Fighieka,  La  lingua  e  la  gramm.  di 
Sali.,  Savona  1900.  LConstans,  de  sermone  Sali.,  Par.  1880.  Ostling,  de 
elocutione  Sali.,  Upsala  1862.  Badstübner,  de  Sali,  dicendi  genere,  Berl. 
1863.  Laws,  de  dicendi  genere  Sali.,  Rössel  1864.  Kraut,  d.  vulgäre  (!)  Ele- 
ment in  d.  Spr.  des  Sali.,  Blaubeuren  1881.  Uri,  quatenus  ap.  Sali,  sermo- 
nis  plebeii  vestigia  appareant,  Par.  1885.  Zeitfuchs,  de  orthographia  Sali., 
Sondersh.  1841.  AAnschütz,  selecta  capita  de  syntaxi  Sali.,  Halle  1873. 
LHellwig,  zur  Synt.  des  S.  I,  Ratzeb.  1877.  AKunze,  Sallustiana,  Lpz. 
1892—98  III.  KMeyer,  die  Wort-  und  Satzstellung  b.  Sali.,  Magdeb.  1880. 
Ahlberg  (§  205,  8)  166. 

10.  Die  scharf  ausgeprägte  Eigentümlichkeit  des  Sallust  forderte  ebenso 
zum  Widerspruch  heraus  wie  sie  in  einer  Zeit,  da  man  das  Absonderliche 
bewunderte  und  aufsuchte,  ihre  Anziehungskraft  ausüben  mußte.  Den  Wider- 
spruch vertritt  nicht  bloß  Lenaeus  und  Asinius  Pollio  (A.  1  u.  5),  sondern 
auch  Sallusts  Gegenfüßler  in  der  Geschichtschreibung,  T.  Livius  (A.  5).  Da- 
gegen fühlte  sich  Tacitus  wahlverwandtschaftlich  zu  Sallust  hingezogen. 
Er  nennt  ihn  (ann.  3,  30)  rerum  Romanorwn  florentissimus  auctor,  und  der 
Einfluß  des  Sallust  auf  seine  eigene  historische  Art  ist  ganz  unverkennbar. 
Einen  geschmacklos  übertreibenden  Nachahmer  fand  Sallust  in  der  Zeit 
des  Augustus  an  Arruntius  (§  259,  7).  Über  seine  Nachahmung  durch  Tro- 
gus  und  Iustinus  s.  Sellge  (§  258,  11).  Für  die  Zeit  des  Fronto  mußte  ein 
so  pikanter,  mit  dem  Reiz  der  Altertümlichkeit  ausgestatteter  Schriftsteller 
wie  Sallust  besonders  anziehend  sein.  Er  spielt  denn  auch  in  dem  Brief- 
wechsel zwischen  Fronto  und  M.  Aurelius  eine  große  Rolle.  Wiederholt 
findet  sich  die  Zusammenstellung  Cato,  Sallust  und  Cicero  (p.  93.  105.  149), 
indem  an  Sallust  die  rednerische  Seite  hauptsächlich  hervorgehoben  wird. 
Namentlich  werden  seine  Antithesen  (p.  107;  vgl.  108 ff.  162)  und  seine  Sen- 
tenzen (p.  48)  bewundert.  Unter  dem  Einfluß  dieser  Zeitrichtung  nimmt 
auch  Gellius  mehrmals  (3,  1.  4,  15.  10,  26)  für  Sallust  Partei  gegen  seine 
Widersacher.  Er  ist  nunmehr  Schulautor  (vgl.  Spartian.  Sever.  21,  2.  Auson. 
264,  61 P.  Kroll,  Bresl.  phil.  Abh.  6,  2,  23)  und  findet  daher  besonders  im 
vierten  und  fünften  Jahrh.  viele  Nachahmer,  wie  Ammianus  (§  429,  5), 
L.  Septimius  (Dictys  §  423,  4),  Aurelius  Victor  (§  414,  2),  Hegesippus  (§  433,  5), 
Augustinus  (Wölfflin,  Phil.  Anz.  11,  35);  auch  Sulpicius  Severus  (§  441,2) 
bedient  sich  gern  sallustischer  Wendungen,  und  die  Schrift  des  Exuperan- 
tius  (§  445,  3)  ist  fast  ein  sallustischer  Cento.  Vgl.  Bd.  3,  574.  Bei  Atil. 
Fort.  GL.  6,  275,  15  ist  ille  =  Sallust.  Über  diese  Nachahmer  s.  FVogel, 
b{ioiori\xsg  Sallustianae ,  Acta  Erlang.  1,313;  quaest.  Sali.  II,  ebd.  2,405. 
Vgl.  auch  Wölfflin,  Herrn.  9,  254.  Klebs,  RhM.  47,  537.  Im  Mittelalter 
war  Sallust  sehr  beliebt  und  angesehen  (Wölfflin,  phil.  Anz.  11,  35). 

11.  Literatur  über  Sallust  überhaupt.  Löbell,  zur  Beurteilung  des  Sali., 
Bresl.  1818.  Ulrici,  Charakteristik  der  antiken  Historiographie  125.  De 
Gerlache,  etudes  sur  Salluste,  Brüssel2  1859.  Teuffel,  Tübinger  Doktoren- 
verz.  v.  1868  S.  1—21.  RDietsch,  Stuttg.  Philologen  -  Versamml.  (Stuttg. 
1857)  27.  ThVogel,  de  Sali,  vita,  moribus  ac  scriptis,  Mainz  1857.  MJaeger, 
de  vita  Sali.,  Salzb.  1879;  de  Sali,  moribus  et  scriptis,  Salzb.  1884.  Th. 
Rambeau,  Charakt.   der   bist.  Darstell,  des  Sali.,   Burg  1879.  1892  II.    Pajk, 


494  Ciceronische  Zeit :  J.  63—43  v.  Chr. 

Sali,  als  Ethiker,  Wien  1892 — 95  III.  Gerstenberg,  Ist  Sali,  ein  Parteischriftst.  ? 
Berl.  1893.  Volpis,  Sali,  storico  partigiano,  Pola  1911.  Peter,  Wahrh.  u. 
Kunst  339.  Bellezza,  Dei  fonti  e  dell'  autoritä  di  Sali.,  Milano  1891.  Be- 
richt von  Eussner,  JB.  10,  152.    Maurenbrecher,  JB.  101,  165.  113,  228. 

207.  Was  das  Recht  angeht,  so  hatte  Caesar  den  Plan  gefaßt, 
das  geltende  ms  civile  in  einem  Gesetzbuch  zu  sammeln,  und  sein 
Gehilfe  dabei  war  der  gelehrte  Jurist  A.  Ofilius,  dessen  schrift- 
stellerische Tätigkeit  das  ganze  Gebiet  des  Rechts  umspannte.  Nächst 
diesem  war  der  bedeutendste  Rechtskenner  der  vielseitig  gebildete 
witzige  jüngere  Freund  des  Cicero,  C.  Trebatius  Testa,  der  noch 
weit  in  die  augusteische  Zeit  hinein  lebte  und  Lehrer  des  Antistius 
Labeo  war.  Ungefähr  gleichalt  mit  Cicero  war  der  republikanisch 
gesinnte,  charaktervolle  und  gleichfalls  witzige  Jurist  A.  Cascellius. 

1.  Suet.  Iul.  44  (destinabat)  ius  civile  ad  certum  modum  redigere  atque 
ex  immensa  diffusaque  legum  copia  optima  quaeque  et  necessaria  in  paucissi- 
mos  conferre  libros.  Isid.  orig.  5,  1,  5  leges  redigere  in  libros  primus  cos. 
Pompeius  instituere  voluit,  sed  non  perseveravit,  obtrectatorum  metu  (wohl  vor 
den  Juristen),    deinde  Caesar  coepit  id  facere,  sed  ante  interfectus  est. 

2.  A.  Ofilius,  Schüler  des  Ser.  Sulpicius,  s.  §  174,  5.  Pompon.  dig.  1, 
2,  2,  44  ex  Jiis  auditoribus  plurimum  auctoritatis  habuit  Alfenus  Varus  et 
A.  Ofilius,  ex  quibus  .  .  Ofilius  in  equestri  ordine  perseveravit.  is  fuit  Cae- 
sari  familiarissimus  et  libros  de  iure  civili  plurimos  et  qui  omnem  partem 
operis  fundarent  reliquit.  nam  de  legibus  vicensimae  (dh.  über  die  Erbschafts- 
steuer) primus  (Sanio,  rechtshist.  Abh.  1845,  78:  de  legibus  XX  libros)  con- 
scripsit:  de  iurisdictione  idem  edictum  praetoris  (vgl.  dig  2,  7,  1,  2.  43,  20, 
1,  17.  43,  21,  3,  10)  primus  diligenter  composuit.  (45)  . .  ex  his  Trebatius 
perltior  Cascellio,  Cascellius  Trebatio  eloquentior  fuisse  dicitur,  Ofilius  utro- 
que  doctior.  Schüler  von  ihm  waren  Tubero  (ebd.  46)  und  Ateius  Capito 
(ebd.  47).  In  den  Digesten  (von  Ulpian)  wird  angeführt  Ofilius  libr.  V  iuris 
partiti  (32,  55,  1.  4.  7),  Of.  libr.  XVI  actionum  (33,  9,  3,  5.  8),  Of.  ad  Atti- 
cum  (50,  16,  234,  2).  Als  Juristen  erwähnt  ihn  Cic.  ep.  7,  21  (J.  44)  und 
vielleicht  Att.  13,  37,  4  (J.  45);  vgl.  ep.  16,  24,  1  (J.  44).  Rudorpf,  röm. 
Rechtsgesch.  1,  164.  EHuschke,  Z.  f.  gesch.  Rechtswiss.  15,  186.  Karlowa, 
Rechtsgesch.  1,  486.    Kipp,  Gesch.  d.  Quellen3  103.    Bremer,  JAH.  1,  330. 

3.  Pompon.  dig.  1,  2,  2,  45  fuit  eodem  tempore  (wie  Ofilius)  et  Treba- 
tius, qui  idem  (item  oder  quidem?  oder  Trebatius,  Quinti  C.  M.  auditor. 
fuit  ex  etc.)  Corneli  Maximi  (§  154,  7)  auditor  fuit.  ex  his  Trebatius  peri- 
tior  usw.  (s.  A.  2).  ..  Trebatii  complures  (Jibri  exstant),  sed  minus  frequen- 
tantur.  47  Antistius  Labeo  . .  institutus  est  a  Trebatio.  Geboren  war  C.  Tre- 
batius Testa  um  J.  89  zu  Velia  in  Lucanien,  kam  als  adolescens  nach  Rom 
und  in  Verbindung  mit  Cicero,  der  ihn,  zur  Verbesserung  seiner  Vermögens- 
umstände, J.  54  nach  Gallien  an  Caesar  empfahl  (ep.  7,  5),  wo  er  mindestens 
ein  Jahr  blieb.  Aus  dieser  Zeit  sind  Ciceros  Briefe  an  ihn,  ep.  7,  6  —  18; 
dazu  aus  J.  44  ebd.  21.  20.  19  und  aus  unbekannter  Zeit  ebd.  22.  Daher 
blieb  er   auf  Caesars  Seite,   aber  vermittelnd   und   mäßigend;   ebenso   auch 


§  207.  Juristen:  Ofilius,  Trebatius,  Cascellius  495 

unter  Augustus;  s.  Hör.  sat.  2,  1.  Iustinian.  inst.  2,  25  pr.  dicitur  Augustus 
convocasse  prudentes,  inter  quos  Trebatium  quoque,  cuius  tunc  auctoritas  ma- 
xima  erat.  Er  scheint  noch  ums  J.  14  gelebt  zu  haben.  Porphyrio  zu  Hör. 
aO.  ad  Trebatium  scribit  equitem  Bomanum  (letzteres  durch  Octavian  ge- 
worden? Teuffel  zu  Hör.  sat.  2,  1,  29).  hie  est  Trebatius  iuris  peritus,  qui 
locum  obtinuit  (inter  poetas,  was  zwar  zu  dem  Bilde  des  heiteren  Lebe- 
mannes stimmen  würde,  aber  im  maßgebenden  Monac.  fehlt)>  et  aliquot 
pbros  de  civili  iure  composuit  et  de  religionibus  novem  (vielmehr  XI?).  Letz- 
tere bei  Gell.  7,  12,  4  C.  Trebatius  .  .  in  libro  de  religionibus  seeundo;  Macr. 
3,  7,  8  (Trebatius  religionum  libro  nono)  und  3,  3,  5  (Trebatius  libro  deeimo 
religionum)-,  vgl.  ebd.  1,  16,  28.  3,  3,  2.  4,  3,  5,  1.  Serv.  Aen.  11,  316  (Tre- 
batius de  religionibus  libro  VII).  Unter  seinen  rechtswissenschaftlichen 
Schriften  finden  wir  von  libri  de  iure  civili,  ad  edictum  praetoris  und  von 
seinem  Kommentar  zum  Edictum  aedilium  curulium  Spuren  in  den  Digesten. 
Zimmern,  Gesch.  des  PRechts  1,  1,  297.  OStange,  de  Tr.  et  eius  loco  inter 
aequales,  Berl.  1849.  PRE.  6,  2078.  Teuffels  Kommentar  zu  Hör.  sat.  II 
(Lpz.  1857), -S.  10.  Karlowa,  Rom.  Rechtsg.  1,  487.  Krüger,  Gesch.  d.  Quellen2 
73.  Kipp,  Gesch.  d.  Quellen3  104.  Die  Fragmente  bei  Huschke,  JA.6  43. 
Bremer,  JAH.  1,  376. 

4.  Pompon.  aO.  45  A.  Cascellius  (Sohn  des  bei  Cic.  pBalbo  45,  Val. 
Max.  8,  2,  1  genannten?  s.  Mommsen  aO.),  Quintus  Mucius  Volosii  auditor, 
denique  in  illius  honorem  testamento  Publium  Mucium  nepotem  eius  reliquit 
heredem.  Die  verderbten  Worte  sind  (vgl.  Mommsen  zdSt.,  Sehr.  7,  186)  etwa 
so  zu  lesen:  A.  Cascellius,  Volcacii  (vgl.  Plin.  HN,  8,144  Volcacium  nobilem 
qui  Cascellium  ius  doeuit),  Q.  Muci  (§  154, 1)  auditoris,  auditor;  besser  Jörs: 
Q.  Mucii  et  Volcacii  auditor.  S.  auch  PRE.  5,  188.  Weiter  berichtet  Pom- 
pon. aO.  über  Cascellius:  fuit  autem  quaestorius  nee  ultra  proficere  voluit, 
cum  Uli  etiam  Augustus  consulatum  offerret,  ex  his  etc.  (s.  A.  2).  Cascellii 
scripta  non  extant  nisi  unus  Über  bene  dictorum  (Sammlung  seiner  Witz- 
worte durch  einen  anderen?  vgl.  §  121,  6.  191,  2.  195,  5).  Da  er  (AvXog 
KaönsXiog  Avlov  vlog  ''PcofliXia)  im  SC  de  Oropiis  J.  73  (§  218,  3)  unter  den 
senatorischen  Beisetzern  erscheint,  so  bekleidete  er  die  Quaestur  vor  jenem 
Jahr:  war  also  spätestens  J.  104  geboren.  Mommsen,  Sehr.  5,  508.  Val.  Max. 
6,  2,  12  Cascellius,  vir  iuris  civilis  scientia  clarus,  quam  periculose  contumax! 
nullius  enim  aut  gratia  aut  auetoritate  compelli  potuit,  ut  de  aliqua  earum 
rerum  quas  triumviri  dederant  formulam  componeret  (wohl  als  Praetor  urba- 
nus),  hoc  animi  iudicio  universa  eorum  beneßeia  extra  omnem  ordinem  legum 
ponens.  idem  cum  multa  de  temporibus  liberius  loqueretur  (unter  Augustus) 
. .  duas  res  .  .  magnam  sibi  licentiam  praebere  respondit,  senectutem  et  orbi- 
tatem.  Vgl.  noch  Hör.  AP.  371:  ob  er  dort  noch  als  Lebender  erwähnt 
wird?  s.  Mommsen  aO.  Quint.  6,  3,  87.  Macr.  2,  6,  1  (Cascellius  iuris  con- 
sultus  urbanitatis  mirae  libertatisque  habebatur,  mit  Anführung  eines  Witzes 
von  ihm  aus  dem  J.  56).  Er  ist  wohl  der  Urheber  des  iudicium  Cascellia- 
num  sive  secutorium  bei  Gai.  inst.  4,  166.  169.  Angeführt  wird  er  in  den 
dig.  13 mal,  meist  durch  Vermittlung  von  Labeos  libri  posteriores;  s.  Lenels 
palingenes.  107.  Lagemans,  de  A.  Cascellio,  Leid.  1823.  Zimmern,  Gesch.  d. 
PRechts  1,1,299.  Dirksen,  Sehr.  2,435.  Karlowa,  Rechtsgesch.  1,487.  Kipp 
aO.  104.  Krüger  73.  Jörs  PW.  2, 1634.  Huschke,  JA.6  46.  Bremer,  JAH.  1,368. 


496  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

5.  L.  Valerius  iureconsultus ,  ex  domesticis  atque  intimis  familiaribits 
des  Cicero  (ep.  3,  1,  3  vom  J.  52),  auch  witzig  wie  sein  Alters-  und  Fach- 
genosse Trebatius  (ebd.  1,  10),  wie  es  scheint  aus  Apulien  gebürtig  (Apu- 
liam  tuam,  ebd.  vom  J.  54).  Nicht  unwahrscheinlich  ist  es,  daß  er  gemeint 
ist  auch  ebd.  7,  11,  2  (J.  53,  an  Trebatius):  si  diutius  frustra  afueris,  non 
modo  Ldberium  sed  etiam  sodalem  nostrum  Valerium  pertimesco.  mira  enim 
persona  induci  potest  Britannici  iureconsulti ;  woraus  nicht  mit  Sicherheit 
zu  schließen  ist,  daß  auch  er  wirklich  Mimen  verfaßt  habe  (§  8,  Z.  3).  Mög- 
licherweise (vgl.  §  147,  1)  ist  er  auch  der  Valerius,  der  als  Erklärer  der 
zwölf  Tafeln  erwähnt  wird  (§  86,  6).    Vgl.  §  199,  2. 

6.  Pompon.  dig.  1,  2,  2,  44  (vgl.  §  174,  5)  ab  hoc  (Ser.  Sulpicio,  §  174,  2) 
plurimi  profecerunt,  fere  tarnen  hi  libros  conscripserunt  ...  Pacuvius  Labeo 
Antistius  (Ant.  streicht  Mommsen),  Labeonis  Antistii  (§  265,  1)  pater.  Über 
den  Vornamen  des  Vaters  (Pacuvius)  s.  Hertz  zu  PrisciAn.  GL.  2,  381  und 
JJ.  91,  215.  Derselbe  ist  gemeint  bei  Gell.  5,  21,  10  prima  epistula  (des 
Sinnius  Capito)  scripta  est  ad  Pacuvium  Labeonem.  Er  war  einer  der  zu 
Caesars  Ermordung  Verschworenen,  f  42.  Vgl.  Appian.  b.  c.  4,  135  iß%l 
Gocpiu  yv<i)Qi^o<s).    PW.  1,  2557.    Kipp  aO.  104.    Krüger  72. 

208.  Ein  Geschichtswerk,  das  anscheinend  bis  auf  seine  Zeit 
herabreichte,  verfaßte  der  Caesarianer  Q.  Aelius  Tubero,  der  zu- 
gleich Redner  war,  am  meisten  Anerkennung  aber  als  juristischer 
Schriftsteller  fand.  Nach  der  formellen  Seite  wurde  er  auf  letzterem 
Gebiete  übertroffen  von  P.  AlfenusVarus  aus  Cremona  (Cos.  39). 
Mit  den  Grammatikern  berührte  sich  am  nächsten  der  Jurist  C. 
Aelius  Gallus,  als  Verfasser  eines  Verzeichnisses  juristischer  Aus- 
drücke mit  Sacherklärungen.  Der  dem  Caesar  und  noch  dem  Au- 
gustus  eng  befreundete  und  literarisch  vielseitig  angeregte  Ritter 
C.  Matius  schrieb  auch,  obgleich  nur  über  —  Kochkunst.  Ein 
Geschichtswerk  des  C.  Sulpicius  Galba,  Großvaters  des  späteren 
Kaisers,  hat  nur  geringe  Beachtung  gefunden. 

1.  Tubero  ist  der  Sohn  des  L.  Tubero  §  172,  8.  Pompon.  dig.  1,  2,  2,  46 
post  hos  (Ofilius,  Trebatius)  Q.  (quoque  Hs.)  Tubero  fuit,  qui  Oßlio  operam 
dedit;  fuit  autem  patronus  (patricius  Hs.)  et  transiit  a  causis  agendis  ad  ius 
civile,  maxime  postquam  (Ende  46)  Q.  Ligarium  accusavit  nee  obtinuit  apud 
C.  Gaesarem.  . .  Tubero  doctlssimus  quidem  habitus  est  iuris  publici  et  pri- 
vati  et  complures  utriusque  operis  libros  reliquit;  sermone  tarnen  antiquo  usus 
affeetavit  scribere  et  ideo  parum  libri  elus  grati  habentur.  Altertümelnden 
Stil  hatten  auch  die  übrigen  Schriften  des  Tubero.  Seine  Anklagerede  gegen 
Ligarius  kannte  noch  Quintilian  (10,  1,  23.  11,  1,  78.  80.  5,  13,  20.  31).  Von 
seinen  juristischen  Schriften  nennt  Gell.  14,  2,  20  (praeeepta  Aelii  Tubero- 
nis)  super  officio  iudicis,  woraus  vielleicht  ebd.  14,  7,  13  in  libro  IX  Tube- 
ronem  dicere  ait  (vgl.  ebd.  14,  8,  2).  Anführung  von  Ansichten  des  Tubero 
dig.  32,  29,  4.  33,  6,  7  pr.  (Ofilius,  Cascellius,  Tubero).  33,  10,  7,  1,  2.  Saay- 
mans  Vader,  de  Q.  Aelio  Tub.,  Leid.  1824.  Bremer,  JAH  1,  358.  Huschke, 
JA.6  43.    Karlowa  1,  487.    Kipp  104.   Krüger  63.    Als  Geschichtschreiber  wird 


§  208.  Juristen:  Tubero,  Alfanus  Varus  497 

er  (TovßtQcov  Ailiog,  was  nicht  auf  seinen  Yater  zu  beziehen  ist,  s.  §  172,  8) 
von  Dionys.  1,  80  deivbg  ccvi]Q  %a\  itsgl  tr\v  ovvccy<oyr]v  tfjg  lörogiag  iTti^sX^g 
genannt  und  ist  wohl  der  Q.  Aelius  Tubero,  dem  dieser  seine  Schrift  über 
Thukydides  widmet  (c.  1.  55);  vgl.  ant.  1,  7  (Ailioi)  u.  Liv.  4,  23,  1  (Valerius 
Antias  et  Q.  Tubero).  Tubero  Hb.  XIV  historiarum  zitiert  Nonius  481.  Das 
Werk  reichte  von  den  ältesten  Zeiten  bis  (mindestens)  zum  Beginn  des 
Krieges  zwischen  Caesar  und  Pompeius  (fr.  11).  Die  Anführungen  daraus  in 
HRR.  1,  311;  HRF.  199  Soltau  Herrn.  29,  631;  JJ.  155,  414  will  die  An- 
nalen  dem  Vater  zuschreiben,  wogegen  schon  die  Anführung  des  VornameDs 
durch  Livius  spricht.  Vgl.  Münzer,  PW.  4,  1481.  Eine  Monographie  erwähnt 
Gell.  6,  9,  11  Aelium  quoque  Tuberonem  libro  ad  C.  Oppium  scripto  roece- 
currif  dixisse  Probus  adnotavit.  Da  Oppius  der  Caesarianer  ist  (§  197),  so 
könnte  diese  Schrift  ein  Leben  Caesars  sein  und  aus  ihr  stammen,  was 
Suet.  Caes.  56.  83  mitteilt;  dann  würde  auch  fr.  11  zu  dieser  Monographie 
gehören  und  uns  jeder  Anhalt  dafür  fehlen,  bis  zu  welchem  Zeitpunkte  Tu- 
bero sein  Geschichtswerk  herabgeführt  hatte.  Auch  scheint  er  der  Q.  Tubero 
zu  sein,  den  Plinius  unter  den  Quellen  von  B.  2.  18  (vgl.  ebd.  18,  235  und 
Schol.  German.  p.  132  Br.  aus  einer  astronomischen  Schrift)  und  36  nennt. 
Klebs  PW.  1,  537.    Peter,  HRR.  1,  ccclv. 

2.  Sueton.  Galb.  3  avus  (des  am  24.  Dez.  3  v.  Chr.  geborenen  Kaisers 
Galba)  clarior  studiis  quam  dignitate  (non  enim  egressus  praeturae  gradum) 
multiplicem  nee  ineuriosam  historiam  edidit.  Plut.  Romul.  17  ag  'Ioßccg  cpr\6l 
rdXßav  EovlitL-Kiov  IgxoqsIv  (über  den  Verrat  der  Tarpeia).  Oros.  5,  23  fuisse 
tunc  (J.  76)  Pompeio  XXX  milia  peditum.  .  .  Galba  scribit,  Sertorium  autem 
LX  m.  ped.  .  .  liabuisse  commemorat.  Wohl  auch  gemeint  von  Plin.  NH. 
QVerz.  zu  B.  36  C.  Galba.  Es  könnte  ein  Annalenwerk  gewesen  sein.  Un- 
wahrscheinlich ist  die  (von  FUnger,  Abh.  d.  bayr.  Ak.  16,  1,  154  wieder 
empfohlene)  Ansicht  des  Vossius  de  hist.  lat.  1,  18,  nach  der  Sulpicius 
Galba  mit  Sulpicius  Blitho  (§  172,  7)  für  eine  Person  zu  halten  wäre.  Peter, 
HRR.  1,  ccclxvii.  HRF.  237.  Von  seinem  Vater,  dem  Praetor  des  J.  54,  ein 
Brief  an  Cicero  ep.  10,  30;  vgl.  Hellmuth  (§  197,  4). 

3.  P.  Alfenus  Varus;  über  den  Vornamen  P.  s.  Henzen,  CIL.  1,  467. 
Pompon.  dig.  1,  2,  2,  44  ex  Ms  auditoribus  (des  Ser.  Sulpicius,  §  174,  2)  plu- 
rimum  auetoritatis  liabuit  Alfenus  Varus.  . .  ex  quibus  Varus  et  consul  fuit 
(suff.  J.  39).  Er  ist  wohl  der  Alfenus  bei  Catull  (30);  ob  auch  der  Varus 
bei  eben  diesem  (10.  22)?  s.  Haupt,  op.  1,  97.  Kiessling,  comment.  Momm- 
sen.  354;  vgl.  aber  §  213,  4.  Ferner  ist  er  wohl  der  Varus,  der  mit  Vergil 
bei  Siron  Philosophie  hörte  (§  224,  3.  Schol.  Veron.  zu  Verg.  ecl.  7,  9, 
Serv.  zu  ecl.  6,  13.  Aen.  6,  264),  sowie  der  Alfenus  Varus,  der  als  Legat 
des  Octavian  J.  40  dem  Vergil  (ecl.  6)  sein  väterliches  Gut  bei  Mantua  zu 
schützen  versprach  (vgl.  ecl.  9,  27),  und  der  Alfenus  vafer  bei  Hör.  sat.  1. 
3,  130,  der  omni  abiecto  instrumento  artis  clausaque  tabema  doch  noch  (po- 
tentialiter)  sutor  erat,  wozu  Porphyrio  :  urbane  Alfenum  Varum  Cremonensem 
deridet,  qui  abieeta  sutrina  quam  in  munieipio  suo  exercuerat  Momam  petiit 
magistroque  usus  Sulpicio  Icto  ad  tantum  dignitatis  pervenit,  ut  et  consula- 
tum  gereret  et  publico  funere  efferretur.  Gellius  7,  5,  1  Alfenus  letus,  Ser. 
Sulpicii  diseipulus  rerumque  antiquarum  non  ineuriosus,  in  libro  digestorum 
XXX1V°,  conieetaneorum  autem  11°  (über  das  Verhältnis  beider  Titel  vgl. 

Teuf  fei:  röm.  Literaturgesch.    Neub.  6.  Aufl.  I.  32 


498  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

Mercklin,  Phil.  19,  653:  von  den  Digesta  hatten  die  Bücher  33  ff.  den  Unter- 
titel Coniectanea).  Dig.  3,  5,  20  pr.  apud  Älfenum  libro  XXX  Villi0  dige- 
storum.  Nach  dem  Florent.  Index  hatten  die  Digesta  40  Bücher,  es  war 
eine  Sammlung  von  Responsen  (des  Serv.  Sulpicius,  Heimbach,  ZfRGesch. 
2,  340.  Mommsen  zu  dig.  10,  2,  27)  und  von  Aufidius  Namusa  in  seine  Samm- 
lung (§  174,  5)  aufgenommen.  Die  Hersteller  der  justinianischen  Digesten 
haben  das  Werk  des  Alfenus  nur  in  zwei  Auszügen  gekannt  und  benutzt, 
in  einem  der  ursprünglichen  Ordnung  des  Werkes  folgenden  Auszug  des 
Paulus  (§  377,  4:  Alfeni  digesta  a  Paulo  epitomata,  Pauli  epitomae  Alfeni 
digestorum)  und  in  einem  Auszug  eines  Unbekannten,  der  sich  der  Ordnung 
des  edictum  perpetuum  anschloß  {Alfeni  digesta).  Vgl.  Lenel,  Palmgen.  37. 
Bemerkenswert  ist  besonders  das  längere  Bruchstück  dig.  5,  1,  76,  weil  es 
von  philosophischer  Bildung  zeugt  {quod,  ut  pliilosoplii  dicerent,  ex  particulis 
minimis  consisteremus) ;  andere  verraten  Kenntnis  des  Griechischen,  fast  alle 
einen  einfachen  und  fließenden  Stil.  EOtto,  P.  Alfenus  Varus,  im  Thesaur. 
iur.  rom.  5,  1631.  Zimmern,  Gesch.  d.  PRechts  1,  1,  295.  EHuschke,  Z.  f. 
gesch.  Rechtsw.  15,  187  (der  bei  Pomponius  aO.  in  der  verderbten  Lesart 
Alfenus  Varus  Gaius  das  letzte  Wort  in  Catus  umändern  möchte).  Klebs 
u.  Jörs,  PW.   1,  1472.   Karlowa  1,  485.   Krüger  69.    Kipp  103. 

4.  Gell.  16,  5,  3  C.  Aelius  Gallus  in  libro  de  significatione  verborum 
quae  ad  ius  civile  pertinent  secundo  (Definition  von  vestibulum)  =  Macr.  6, 
8,  16,  nur  mit  dem  Beisatze  von  vir  doctissimus.  Dig.  50,  16,  157  C.  Aelius 
Gallus  libro  I  de  verborum  quae  ad  ius  civile  pertinent  significatione  (Defi- 
nition von  partes  und  via).  Abgekürzter  Titel  bei  Serv.  georg.  1,  264  Aelius 
Gallus  de  verbis  ad  ius  civile  pertinentibus  vallos  . .  appellat;  und  Festus 
218b  postliminium  receptum  Gallus  Aelius  in  libro  primo  significationum  quae 
ad  ius  pertinent  ait  esse  cum  qui  etc.;  273a  reus  nunc  dicitur  qui  causam 
dicit.  .  .  at  Gallus  Aelius  libro  II  significationum  verborum  quae  ad  ius 
pertinent  ait:  reus  est  qui  etc.;  302b  saltum  Gallus  Aelius  l.  II  significatio- 
num quae  ad  ius  pertinent  ita  definit;  352b  flumen  rede  dici  ait  Aelius  Gal- 
lus libro  II  quae  ad  ius  pertinent.  Mehr  als  ein  zweites  Buch  wird  niemals 
angeführt,  da  Festus  352,  5  (notayvit  Aelius  in  XII  (tabulisy  signi(ficarey, 
auf  Aelius  Stilo  (§  148,  2)  sich  bezieht.  Vielleicht  war  die  Anlage  alpha- 
betisch; vgl.  Reitzenstein,  Bresl.  phil.  Abh.  1,  84.  Aelius  Gallus  oder  Gal- 
lus Aelius  kurzweg  zitiert  Festus  außerdem  noch  19  mal.  Diese  ausgedehnte 
Benützung,  sowie  die  Gegenüberstellung  von  nunc  mit  at  Gallus  Aelius 
p.  273a  zeigt,  daß  das  Werk  des  Gallus  schon  dem  Verrius  Flaccus  als  Vor- 
arbeit vorlag.  Gallus  Aelius  bei  Gaius  dig.  22,  1,  19  pr. ;  C.  Aelius  bei 
Priscian.  GL.  2,  382,  1  (s.  Lachmann,  kl.  Sehr.  2,  248).  Heimbach,  C.  Aelii 
Galli  fragmenta  rec.  et  illustr.,  Lps.  1823.  Huschke,  JA.6  37.  Bremer,  JAH. 
1,  245.    PW.  1,  492.    Krüger  76. 

5.  C.  Matius,  geb.  um  J.  84,  der  treue  Freund  des  Caesar,  durch  sein 
mildes  und  besonnenes  Wesen  vorzüglich  geeignet  zu  der  Vermittlerrolle, 
die  er  spielte,  ohne  sich  auf  das  Parteigetriebe  oder  amtliche  Tätigkeit 
einzulassen.  Er  übertrug  seine  Liebe  zu  Caesar  auch  auf  Octavian  und 
scheint  erst  um  den  Beginn  unserer  Zeitrechnung  gestorben  zu  sein;  s.  Plin. 
NH.  12,  13  primus  C.  Matius  ex  equestri  ordine,  divi  Augusti  amicus,  in- 
venit  nemora  tonsilia  intra  hos  LXXX  annos.    vLeutsch,  ZfAW.  1834,  164. 


§  208.  Aelius  Gallus,  C.  Matius.    §  209.  Caesarianer  499 

PRE.  4,  1643.  Cic.  ep.  7,  15,  2  (J.  53)  C.  Matii,  suavissimi  doctissimique 
hominis.  11,  27,  5  (J.  44)  ut  liaec  cpiXoöocpoviisvcc  scriberem,  tu  me  impulisti. 
.  .  omnia  me  tua  delectant.  sed  maxime  maxima  cum  fides  in  amicitia  .  . 
tum  lepos,  humanitas,  litterae.  Apollodoros  aus  Pergamon  widmete  ihm  seine 
Ars  (Rhetorik),  Quint.  3,  1,  18.  Sein  Brief  an  Cicero  über  seine  Stellung  zu 
Caesar  (ep.  11,  28  vom  J.  44)  ist  ein  treues  Spiegelbild  seines  edlen  Ge- 
mütes und  feingebildeten  Geistes.  Ein  mit  Trebatius  zusammen  an  Cicero 
gerichtetes  Schreiben  des  Matius  (J.  49)  ad  Att.  9,  15  A.  Wohl  erst  unter 
August  verfaßte  er  sein  Werk  über  Küche  und  Keller  (vgl.  §  54,  3),  dessen 
Gegenstand  für  seine  Harmlosigkeit  und  seine  Richtung  auf  verfeinerten 
Lebensgenuß  bezeichnend  ist.  Nach  ihm  benannt  minutal  Matianum  (Ge- 
hacktes ä  la  Matius)  Apic.  4,  174  und  die  mala  Matiana  Colum.  5,  10,  19. 
12,  45,  5.    Plin.  NH.  15,  49  u.  sonst. 

209.  Unter  den  übrigen  Anhängern  Caesars  verdienen  etwa 
folgende  Erwähnung,  bekannt  meist  als  Redner  oder  als  Verfasser 
erhaltener  Briefe :  der  reichbegabte  Taugenichts  C.  Scribonius  Curio 
(Volkstribun  J.  50),  Q.  Cornificius,  der  sich  als  Dichter  den  Neote- 
rikern,  als  Redner  den  Attizisten  anschloß ;  der  Triumvir  M.  Anto- 
nius (J.  83 — 30),  sowie  L.  Baibus;  von  schwankenden  Politikern 
der  talentvolle  und  geistreiche  M.  Caelius  Rufus  und  der  charakter- 
lose L.  Munatius  Plancus  (Cos.  42).  Auch  des  letzteren  langjähriger 
Legat,  C.  Furnius,  war  Redner,  ebenso  der  junge  L.  Sempronius 
Atratinus  (Cos.  34),  Q.  Volusius  und  der  Archaist  Annius  Ciniber; 
auch  von  Hortensia  gab  es  noch  im  ersten  Jahrh.  n.  Chr.  eine  ver- 
öffentlichte Rede. 

1.  Yellei.  2,  48,  3  G.  Curio  trib.  pl.  (J.  50;  Sohn  des  §  153,  6  erwähnten, 
f  49)  . .  eloquens,  audax,  suae  alienaeque  et  fortunae  et  pudicitiae  prodigus, 
homo  ingeniosissime  nequam  et  facundus  malo  publico.  PRE.  6,  880, 11.  Über 
die  Zeit  seiner  Geburt  eine  Vermutung  unten  A.  5.  Über  seine  rednerische 
Eigenart  Cic.  Brut.  280  ita  facile  soluteque  verbis  volvebat  satis  interdum 
acutas,  crebras  quidem  certe  sententias,  ut  nihil  posset  ornatius  esse,  nihil  ex- 
peditius.  atque  hie  parum  a  magistris  institutus  naturam  habuit  admirabilem 
ad  dicendum;  industriam  non  sum  expertus,  Studium  certe  fuit.  In  diesen 
Worten  liegt  trotz  Schlittenbauer  (§  182,  4,  2)  194  nichts,  was  ihn  als  Atti- 
zisten kennzeichnet.  Reden  von  ihm  gab  es  noch  in  der  Zeit  des  Tacitus; 
s.  dial.  37  (§  171,  5).  Meyer,  ORF.2  481.  Briefe  von  Cic.  an  ihn  ep.  2,  1—7 
(aus  J.  53  und  51). 

2.  Hieron.  zu  Eus.  Chron.  a.  Abr.  1976  =  J.  41  Comificius  poeta  a 
militibus  desertus  interiit.  . .  huius  soror  Cornificia,  cuius  insignia  exstant 
epigrammata.  Dies  kann  der  Zeit  nach  nur  der  in  Afrika  gegen  T.  Sextius 
gefallene  ehemalige  Quaestor  des  Caesar  (Propraetor  48)  sein,  der  auch  mit 
Cicero  befreundete  (an  ihn  ep.  12,  17 — 30  aus  J.  45 — 43)  Q.  Cornificius 
(Drumann,  GR.  22,  530.  Münzer  u.  Wissowa.  PW.  4,  1624),  den  Cicero  (ep. 
12, 18,  1)  etwas  spitzig  zu  den  magni  oratores  zählt;  ebd.  12,17,2  empfiehlt 
er  ihm  seinen  Orator   zu   freundlicher  Aufnahme:    in   quo   saepe   suspicatus 

32* 


500  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

sum  te  ab  iudicio  nostro,  sie  scilicet  ut  doctum  hominem  ab  non  indocto, 
paullulum  dissidere.  ebd.  12,  20  me  amabis  et  scripto  aliquo  lacesses.  Er  ge- 
hörte wie  Licinius  Calvus  sowohl  zu  den  Neotorikern  als  auch  zu  den  Atti- 
zisten;  denn  ohne  Zweifel  ist  er  eine  Person  mit  dem  dichtenden  Freunde 
Catulls,  den  dieser  um  paulum  quidlubet  allocutionis  bittet  (c.  38),  und  dem 
Verf.  von  Liebesgedichten  (leve  Cornifici  .  .  opus,  Ovid.  trist.  2,  436).  Ein 
Hendekasyllabus  bei  Macr.  6,  4,  12,  ein  daktylischer  Rest  aus  einem  Epyl- 
lion  Glaucus  ebd.  6,  5,  13;  ein  lyrischer  Vers  (Dactylen?)  bei  Serv.  Georg. 
1,  55.  Die  Tradition,  daß  Verg.  ecl.  7,  22  ihn  mit  dem  befreundeten  Co- 
drus  meint  (Schol.  Veron.),  kann  richtig  sein,  ist  aber  für  uns  unkontrollier- 
bar; dazu  würde  Philarg.  zu  ecl.  3,  106  stimmen:  dicit  Cornificius  ab  ipso 
Vergilio  audisse  (sey,  quod  Caelium  Mantuanum  quendam  tetigit,  doch  ist 
hier  neben  Cornificius  auch  Cornutus  überliefert.  Wertlos  aber  sind  die 
von  den  Vergilscholiasten  mitgeteilten  Legenden,  die  ihn  zu  einem  obtrec- 
tator  Vergilii  machen,  sowie  die  Behauptung  des  Cledonius  GL.  5, 43, 2, 
der  nach  Schulfuchserei  schmeckende  Spottvers  auf  Vergil  hordea  qui  dixit 
(ge.  1,  210)  super  est  ut  tritica  dicat  rühre  von  Cornificius  Gallus  her  (wohl 
Verwechslung  mit  Cornelius  Gallus).  Ganz  von  ihm  zu  trennen  ist  Corni- 
ficius Longus  (das  Cognomen  bei  Serv.  Aen.  3,  332),  der  mindestens  drei 
Bücher  de  etymis  deorum  (so  Priscian  GL.  2,  257,  6,  Etymorum  libro  tertio 
Macr.  sat.  1,  9,  11.  in  Etymis  ebd.  1,  17,  62)  verfaßt  und  in  diesem  Werke 
die  etymologische  und  allegorische  Methode  der  Stoa  angewendet  hatte. 
Da  er  Cic.  nat.  deor.  2,  67  zitiert  und  von  Verrius  Flaccus  benutzt  wird, 
aus  dem  die  acht  Zitate  bei  Festus  stammen,  so  ist  er  in  die  augusteische 
Zeit  zu  setzen.  Gegen  die  Gleichsetzung  mit  Q.  Cornificius  spricht  auch 
die  Erwägung,  daß  dieser  zwischen  45  und  41  in  Syrien  und  Afrika  zu 
einer  solchen  Schriftstellerei  schwerlich  Zeit  und  Stimmung  gefunden  hätte. 
Später  benutzt  dieses  Werk  Cornelius  Labeo,  dem  Macrobius  und  Arnob.  3,  38 
ihre  Zitate  verdanken.  Funaioli,  GRF.  1,  473.  Bergk,  op.  1,  545.  JBecker, 
ZfAW.  1847,  1060.    Wissowa,  PW.  4,  1630. 

3.  M.  Antonius  der  Triumvir,  vgl.  Drumann,  GR.  I2,  46.  Groebe,  PW. 
1,  2595.  Als  Redner  geriet  er  leicht  in  ein  falsches  Pathos  hinein,  wurde 
dann  schwülstig,  dunkel  und  nach  der  Behauptung  seines  obendrein  dem 
Purismus  huldigenden  Feindes  Cicero  oft  auch  fehlerhaft.  Cicero  führt  das 
auf  mangelhafte  Bildung  zurück,  Phil.  2,  101  rhetori  duo  (milia  iugerum 
divisisti):  quid  si  te  disertum  facere  potuisset?  Augustus  (Suet.  Aug.  86)  ta- 
delte ihn  ut  insanum,  quasi  ea  scribentem,  quae  mirentur  potius  homines 
quam  intellegant  und  verspottete  malum  et  inconstans  in  eligendo  genere  di- 
cendi  ingenium  eius;  vgl.  Cic.  Phil.  3,  21  f.  Att.  10,  8  f.  14,  3  f.  Nicht  ohne 
Grund  nannte  man  ihn  deshalb  einen  Anhänger  der  asianischen  Redeweise 
(Plut.  Ant.  2,  vgl.  Suet.  aO.).  Seine  Briefe  an  Cicero  aus  dem  J.  49  (Att. 
10,  8A.  10,  10,  2)  und  44  (14,  13  A;  vgl.  auch  noch  Cic.  or.  Phil.  8,  25fll.  13, 
22fll.)  zeigen  einen  ungekünstelten  Stil.  Plin.  NH.  14,  148  M.  Antonio,  isenim 
.  .  avidissime  adprehenderat  hanc  palmam  (der  Leistungsfähigkeit  im  Trinken), 
edito  etiam  -volumine  de  sua  ebrietate.  . .  exiguo  tempore  ante  proelium  Actia- 
cum  id  volumen  evomuit  (vgl.  Drumann,  GR.  1,  379).  In  Wahrheit  war  es 
vielleicht  eine  philosophische  Schrift  nsal  /uith]s,  und  sua  ist  boshafte  Ent- 
stellung.   Darauf,  sowie  auf  seinen  Briefwechsel  mit  Octavian  (wovon  Pro- 


§  209.  Cornificus,  M.  Antonius,  Baibus,  Caelius  Rufus  501 

ben  bei  Sueton,  zB.  Aug.  69),  bezieht  sich  Ovid.  ex  Pont.  1,  1,  23  Antoni 
scripta  leguntur.  ESchelle,  de  M.  Antoni  quae  supersunt  epp. ,  Frankenb. 
i.  S.  1883. 

4.  Asinius  Pollio  an  Cicero  (ep.  10,  32,  3  J.  43)  Baibus  quaestor  .  . 
ludis  (die  er  zu  Gades  veranstaltete)  praetextam  de  suo  itinere  ad  L.  Ben 
tulum  procos.  sollicitandum  (J.  49,  um  ihn  zum  Verlassen  des  Pompeius  und 
zur  Rückkehr  nach  Rom  zu  bewegen,  Att.  15  A.  Vellei.  2,  51,  3)  posuit. 
et  quidem  cum  ageretur,  flevit  memoria  rerum  gestarum  commotus.  ebd.  5 
praetextam  (des  B.)  si  voles  legere,  Gallum  Gornelium  (§  232),  familiärem 
meum,  poscito.  Vgl.  Welckek.  gr.  Trag.  1402.  Ribbeck,  röm.  Trag.  625. 
Dieser  Baibus  ist  der  zum  Unterschiede  von  seinem  Oheim  (§  197,  4)  Bai- 
bus minor  genannte,  nämlich  L.  Cornelius  P.  f.  Baibus,  der  noch  lange  in 
die  augusteische  Zeit  hinein  lebte  (jedenfalls  noch  J.  13),  J.  32  cos.  suff. 
war  und  J.  19  als  Proconsul  ex  Africa  triumphierte;  Drumann,  GR.  22,  528. 
Groag,  PW.  4,  1268.  Da  er  nach  Vellei.  aO.  auch  ad  pontificatum  adsur- 
rexit  und  literarische  Neigungen  besaß,  so  ist  es  nicht  unmöglich,  daß  er 
der  Cornelius  Baibus  ist,  aus  dem  Serv.  Aen.  4,  127  etwas  über  den  Hyme- 
näus  anführt  und  auf  den  sich  bezieht  Macr.  3,  6,  16  Cornelius  Baibus 
i^r\yr\xiY.öiv  libro  XVIII0.  Dieser  Titel  bezeichnet  keinen  Vergilkommentar 
(HRF.  1  p.  xxi),  sondern  ein  sakralrechtliches  Werk;  s.  §  42,  1. 

5.  M.  Caelius  M.  f.  Rufus.  Plin.  NH.  7,  165  C.  Mario  Cn.  Carbone 
III  cos.  (J.  82)  a.  d.  V.  Kai.  Iunias  M.  Caelius  Rufus  et  C.  Licinius  Calvus 
eadem  die  geniti  sunt,  oratores  quidem  ambo,  sed  tarn  dispari  eventu.  Aber 
nach  der  Art,  wie  Cicero  (Brut.  273.  279)  von  beiden  spricht,  können  sie 
nicht  wohl  ganz  gleichalt  gewesen  sein;  vielmehr  muß  Caelius  älter  sein, 
da  er  nach  Cic.  pCael.  18  schon  J.  59  per  aetatem  magistratus  petere  potuit; 
und  damit  stimmt  auch  seine  amtliche  Laufbahn  (56  schon  Mitglied  im 
Rat  seiner  Vaterstadt  Cic.  Cael.  5;  quaest.  57?  tr.  pl.  52,  aed.  cur.  50, 
praet.  48).  Danach  wird  Caelius  um  88  geboren  sein.  Statt  Caelius  hätte 
Plinius  vielleicht  den  Curio  (A.  1)  nennen  sollen.  Seine  Heimat  war  ein 
Municipium,  dessen  Name  wohl  bei  Cic.  pCael.  5  in  einer  hs.  Verderbnis 
versteckt  ist  (Tusculani  Baiter).  Vgl.  Nipperdey,  op.  299.  Wegehaupt,  Cael. 
Ruf.  4.    Groebe,  Herrn.  36,  612. 

6.  Der  junge  Caelius  wurde  von  seinem  Vater  bei  Cicero  und  Crassus 
eingeführt  (pCael.  9.  39.  72)  und  kam  dadurch  in  ein  engeres  Verhältnis  zu 
ihnen.  Dies  machte  den  Cic.  nachsichtig  gegen  des  Caelius  lockere  Sitten 
und  verschwenderische  Lebensweise,  und  er  verteidigte  ihn  J.  56  (s.  §  179, 
34)  gegen  Anschuldigungen  der  Clodia  (§  214,  3),  zu  deren  ausschweifendem 
Kreise  er  längere  Zeit  gehörte,  von  der  er  sich  aber  später  lossagte.  Wäh- 
rend Ciceros  Abwesenheit  in  Kilikien  (J.  51)  hatte  Caelius  ihm  die  Neuig- 
keiten aus  Rom  zu  berichten.  Dieser  Briefwechsel  (17  Briefe;  Br.  16  doppelt 
erhalten;  vgl.  Att.  10,  9  A)  füllt  Buch  VIH  von  Cic.  epp.  Caelius  zeigt  darin 
ein  schlagfertiges,  scharfes,  etwas  klatschsüchtiges  Urteil  über  Personen 
und  Zustände,  trotz  allem  Schwanken  in  bezug  auf  die  eigene  Stellung, 
lebhafte  Darstellung,  einen  humoristischen  Ton,  originelle  Schreibweise  mit 
geschickter  Beimischung  von  Ausdrücken  der  Umgangssprache  und  ohne 
pedantische  Bemühung  um  Glätte.  Vgl.  §  188,  1,  A.  2  u.  4.  Nach  Ausbruch 
des  Bürgerkriegs  trieben  den  Caelius  seine  Schulden  in  das  Lager  Caesars, 


502  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

und  dieser  ernannte  ihn  zum  Praetor  für  J.  48.  Als  solcher  wollte  er  in 
revolutionärer  Weise  tabulae  novae  einführen,  ward  aber  abgesetzt  und  bald 
darauf  erschlagen.  Er  ist  wohl  auch  der  Rufus  des  Catull,  der  diesen  aus 
der  Gunst  der  Clodia  verdrängte  (c.  77)  und  in  c.  69  (wohl  auch  c.  71)  ver- 
spottet wird;  den  Caelius  c.  58.  100  hält  man  besser  fern;  s.  LSchwabe, 
quaest.  Catull.  64.  85.  133.  FSchoell  JJ.  121,  483.  Vgl.  Dkumann,  GR.  22, 
347.  WWegehaupt,  das  Leben  d.  Cael.  Ruf.,  Bresl.  1878.  Wieschhölter,  de 
Caelio  Rufo  oratore,  Lpz.  1886.  Münzer,  PW.  3, 1266.  —  FBecher,  d.  Sprach- 
gebr.  d.  Caelius,  Ilfeld  1888.  FBurg,  de  Caeli  Run  genere  dicendi,  Freib. 
i.B.  1888. 

7.  Über  Caelius  als  Redner  Cic.  Brut.  273  splendida  et  grandis  et  eadem 
inprimis  faceta  et  perurbana  . .  oratio,  graves  eins  contiones  aliquot  fuerunt 
(auch  J.  50  als  Aedil  de  aquis,  Frontin.  aq.  76;  daraus  ein  Fragm.  GL.  5, 
590,  21),  acres  accusationes  tres  (gegen  C.  Antonius  59,  L.  Calpurinus  Bestia 
den  Vater  des  Atratinus,  iterum,  56;  J.  51  gegen  Q.  Pompeius  Rufus,  so- 
wie als  patronus  des  repetund.  klagenden  Peregrinen  Pausanias),  .  .  defen- 
siones  . .  sane  tolerabiles:  bes.  J.  56  pro  se  gegen  L.  Sempronius  Atratinus 
(daraus  Telia  cincinnatus  Quint.  1,  5,  61?),  auch  pro  Milone  und  Saufeio  52. 
Aus  der  Rede  gegen  Bestia  Plin.  n.  h.  27,  4  hoc  fuit  venenum  (aconitum) 
quo  interemptas  dormientes  a  Calpurnio  Bestia  uxores  M.  Caelius  (Caecilius 
Hss.)  accusator  obiecit;  hinc  illa  atrox  peroratio  eius  in  digitum.  Münzer, 
Herrn.  44,  135.  Darnach  Quint.  6,  3,  69  melius  obicientem  crimina  quam  de- 
fendentem.  10,  1,  115  multum  ingenii  in  Caelio  et  praecipue  in  accusando 
multa  urbanitas;  asperitas  Caelii  ebd.  10,  2,  25;  vgl.  Tac.  dial.  18.  21  (sor- 
des  verborum,  hians  compositio,  inconditi  sensus).  25  (amarior).  Er  scheint 
sich  also  mehr  zu  den  Attizisten  gehalten  zu  haben  als  zu  Ciceros  Rede- 
weise, obwohl  er  in  seiner  Jugend  von  diesem  Anleitung  zur  Beredsamkeit 
bekommen  hatte  (A.  6);  jedoch  bezieht  sich  Cic.  Brut.  273  E.  nicht  darauf, 
sondern  auf  seine  politische  Haltung.  Vellei.  2,  68,  1  M.  Caelius,  vir  elo- 
quio  animoque  Curioni  (A.  1)  simillimus,  sed  in  utroque  perfectior,  nee  minus 
ingeniöse  nequam.  Sen.  de  ira  3,  8,  6  Caelium  oratorem  fuisse  iraeundissi- 
mum  constat.  Seine  Reden  kannten  noch  Quintilian,  Plinius  (ep.  1,  20,  4) 
und  Tacitus  (dial.  21.  25).  Die  Überreste  bei  Meyer,  ORF.2  460.  Sehr  an- 
schauliche Schilderung  aus  einer  Rede  bei  Quint.  4,  2,  123.  Witze  über 
Clodia  ebd.  8,  6,  53.  Harnecker,  Berl.  Woch.  1884,  225;  WochklPhil.  1886, 
1098. 

8.  L.  Munatius  Plancus,  Caesars  Legat  und  für  J.  42  von  ihm  zum 
Cos.  ernannt;  nach  Caesars  Tode  schlug  er  sich  nach  einigem  Schwanken 
auf  die  Seite  des  Senats,  dann  auf  die  des  Antonius,  später,  als  es  diesem 
schlecht  zu  gehen  anfing,  auf  die  des  Octavian.  Censor  J.  22,  aber  allge- 
mein mißachtet.  Horaz  richtet  an  ihn  c.  1,  7.  PRE.  5,  204,  9.  Prosop.  2, 
390.  LRoth,  Mitt.  der  Basler  Altert.-Ges.  4  (Bas.  1852).  deKlerck,  disq.  de 
etc.,  Utr.  1855.  AKleijn,  de  L.  et  T.  Munatiis  Plancis,  Leid.  1857.  Bei  Suet. 
rhet.  6  und  Plin.  NH.  7,  55  heißt  er  orator;  orator  insignis  habetur  bei 
Hieronymus  zu  a.  Abr.  1992  =  25;  summa  eloquentia  bei  Cic.  ep.  10,  3,  3 
vgl.  13,  29,  1.  Ascon.  31,  30  St.  Non.  221.  Seine  rhetorische  Bildung,  aber 
auch  seine  Eitelkeit,  erhellt  aus  seinen  Briefen  an  Cicero  (ep.  10,  4.  7 — 9. 
11.  15.  17  f.  21.  23  f.)  aus  J.  44  und  43,  die  sehr  gut  stilisiert  und  periodi- 


§  209.  Munatius,  Furnii,  Annius  Cimber  503 

siert  sind,  mit  Antithesen  u.  dgl.  trefflich  ausgestattet  (verborum  sententiarum- 
qiie  gravitas,  ebd.  10,  12,  1.  16,  1.  19,  1),  aber  ohne  regelmäßige  Klauseln. 
Rhodius,  De  syntaxi  Planciana,  Bautzen  1894;  De  Planci  sermone,  ebd.  1896. 
Bergmüller,  Die  Latinität  der  Briefe  des  PL,  Erlang.  1897. 

9.  Hieronym.  zu  Euseb.  Chron.  a.  Abr.  1980  =  37  Furnii  pater  et  filius 
clari  oratores  hdbentur,  Quorum  filius  consularis  ante  patrem  moritur.  Vgl. 
Tac.  dial.  21  (verderbte  Stelle:  fich  will  nicht  die  mittelmäßigen  unter  den 
alten  "Rednern  nennen')  nee  unum  de  populi  ganuti  (=  Canuti?  §  153,  5E.) 
mit  Atti,  de  Furnio  et  Toranio  {Coranio  z.  T.  Hss. ,  sonst  unbekannt)  qui- 
que  dlii  in  eodem  valetudinario  Jiaec  ossa  et  Jianc  maciem  produnt.  Der 
Vater  (C.  Furnius)  war  mit  Cicero  befreundet;  tr.  pleb.  50.  Er  war  Legat 
des  L.  Plancus  (A.  8)  J.  44 f.  und  trat  mit  ihm  zu  Antonius  über,  bei  dem 
er  bis  Actium  blieb.  Von  Octavian  wurde  er  begnadigt  und  J.  29  adlectus 
inter  constilares  (Dio  52,  42).  Daß  er  Redner  war,  bestätigt  auch  Cic.  ep. 
10,  26,  2  (qui  alienas  causas  tarn  facile  discas).  Plut.  Anton.  58  nennt  ihn 
gar  dsivotatog  sItcblv  'Paiuxicov.  Auf  ihn  bezieht  sich  wohl  Hör.  sat.  1,  10,  86 
te,  candide  Furni,  wozu  Acro  hie  historiarum  elegantia  damit  (später).  Von 
dem  Sohne  (Cos.  17)  berichtet  eine  ausgesuchte  Schmeichelei  gegen  Octavian 
Sen.  de  benef.  2,  25,  1.    Kappelmacher,  PW.   7,  375. 

10.  L.  Sempronius  L.  f.  Atratinus,  Cos.  34,  triumphierte  12.  Okt.  21 
pro  cos.  ex  Africa  (CIL.  1,  p.  461).  Hieronym.  zu  Eus.  chron.  ad  a.  Abr.  1996 
=  21  Atratinus,  qui  XVII  natus  annos  Caelium  (s.  A.  7)  aecusaverat  (J.  56; 
also  geboren  73),  clarus  inter  oratores  habetur,  ad  extremum  morborum 
taedio  in  balneo  voluntate  exanimatus  heredem  reliquit  Augustum.  Fortunat. 
Rh  et.  min.  124,  26  Atratinus  Caelium  pulchellum  lasonem  appellat.  Cicero 
nennt  ihn  (pCael.  2)  seinen  necessarius,  sagt  von  ihm  (ebd.  8)  ornate  docte- 
que  dixisti  und  nennt  ihn  (ebd.  15)  disertus  adolescens.  Als  Redner  im  Senat 
J.  40  neben  Messala  genannt  bei  Ioseph.  b.  iud.  1,  14,  4.  PRE.  6,  973,  8. 
Münzer,  Herrn.  44,  135. 

11.  Vatinius  an  Cicero,  ep.  5,  10a,  2  (J.  45)  defenditur  (Catilius)  a  Q. 
Volusio,  tuo  discipulo.  Falls  er  mit  dem  von  Catull  verspotteten  Epiker 
(§  212,  7)  identisch  wäre,  so  würde  das  zu  seinem  Verhältnis  zu  Cicero 
nicht  übel  passen.    Vgl.  PRE.  6,  2745,  5. 

12.  Cic.  Phil.  11,  14  T.  Annius  Cimber  Lysidici  filius  (also  eines 
Freigelassenen  oder  Sklaven),  Anhänger  des  M.  Antonius  und  durch  ihn  zur 
Praetur  gelangt  (ebd.  13,  26).  Über  seine  literarische  Richtung  s.  das  schon 
von  Ausonius  op.  27,  13,  5  nicht  mehr  verstandene  Epigramm  auf  ihn  Verg. 
catal.  2  (auch  Quint.  8,  3,  33):  Corinthiorum  (d.  h.  mit  dem  Edelrost  der 
Altertümlichkeit)  amator  iste  verborum,  Iste  iste  rhetor ,  namque  (iamque 
Buecheler)  quatenus  totus  Thucydides,  tyrannus  Atticae  febris  (der  unerbitt- 
liche Lehrmeister  in  krankhaftem  Attisch),  Tau  gallicum  (wegen  der  galli- 
schen Herkunft  des  Annius  Cimber?),  min  (tiiv)  et  sphin  (acplv)  et  —  male 
Uli  sit  (Fluch  dem  grammatischen  Raritätenkrämer):  ita  omnia  ista  verba 
7niscuit  fratri  (als  ein  Tränkchen,  an  dem  er  sterben  mußte:  man  beschul- 
digte den  Annius  Cimber  des  Brudermords:  Quint.  aO.  Cic.  Phil.  11,  14. 
13,  26).  Danach  scheint  er  den  Lehrerberuf  ausgeübt  zu  haben,  ehe  er  in 
die  staatliche  Laufbahn  gelangte.  Als  Altertümler  nennt  ihn  auch  Octavian 
bei  Suet.  Aug.  86  an  M.  Antonius:  tu  dubitas  Cimberne  Annius  an  Veranius 


504  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

Flaccus  imitandi  sint  tibi?  dh.  wohl:  du  schwankst  zwischen  A.  C.  und  den 
pontificalia  verba  des  Ver.  (§  199,  4)  und  schreibst  daher  in  der  Sprache 
des  Cato.  Huschke,  de  Annio  Cimbro,  Rost.  1824  und  bes.  Bücheler,  RhM. 
38,  507.    Vgl.  auch  §  19,  iE. 

13.  Auch  Caesars  Günstling,  der  Ritter  Mamurra  aus  Formiae,  j  45 
(Cic.  Att.  13,  52,  1;  vgl.  auch  OHirschfeld,  Sehr.  786)  war  literarisch  und 
zwar  dichterisch  tätig,  wie  es  scheint  in  gebundener  Form;  s.  Catull.  57,7 
und  105:  Mentula  conatur  Pipleium  scandere  montem,  Musae  furcülis  prae- 
cipitem  eiciunt.    Vgl.  §  214,  5.    Schwabe,  quaest.  Catull.  187.  226. 

14:  Val.  Max.  8,  3,  3  Hortensia,  Q.  Hortensi  (§  171,  1)  filia,  cum  ordo 
matronarum  gravi  tributo  a  triumviris  (J.  43)  esset  oneratus  nee  quisquam 
virorum  patrocinium  eis  aecommodare  änderet,  causam  feminarum  apud  trium- 
viros  et  constanter  et  feliciter  egit;  repraesentata  enim  patris  faeundia  impe- 
travit  ut  etc.  Vgl.  Appian.  b.  c.  4,  32.  Quint.  1,  1,  6  Hortensiae  Q.  filiae 
oratio  apud  triumviros  habita  legitur  non  tantum  in  sexus  honorem. 

210.  Von  den  Teilnehmern  der  Verschwörung  gegen  Caesar 
war  der  weder  moralisch  noch  geistig  hochstehende  M.  Iunius  Bru- 
tus der  literarisch  tätigste,  namentlich  auf  dem  Gebiete  der  Philo- 
sophie und  der  Beredsamkeit;  des  D.  Brutus  und  C.  Cassius  Schreib- 
weise kennen  wir  aus  Briefen  an  Cicero;  ebenso  den  Cassius  aus 
Parma  und  C.  Trebonius,  die  beide  überdies  in  der  Poesie  dilettierten. 
Außerdem  verfaßten  Geschichts werke  in  einem  dem  Caesar  abge- 
neigten Sinne  Ampius  Baibus,  Actorius  Naso  und  Tanusius  Gernmus. 

1.  M.  Iunius  Brutus.  Plutarchs  Brutus.  Drumann,  GR.  4,  21.  PRE.  4, 
518.  532.  Slevogt,  de  M.  Bruti  vita  et  scriptis,  Petersb.  1870.  OESchmidt, 
Verh.  40.  Phil.  Vers.  165.  ESchwartz,  Herrn.  33,  237.  Cic.  Brut.  324  von 
Hortensius:  annis  ante  decem  causas  agere  coepit  (nämlich  J.  95,  s.  Brut.  229 
L.  Crasso  Q.  Scaevola  coss.  primum  in  foro  dixit),  quam  tu  (Brutus)  es  natus. 
Gegen  das  sich  hiernach  ergebende  Geburtsjahr  85  spricht  Vellei.  2,  72,  1 
hunc  exitum  M.  Bruti  XXXVIIum  annum  agentis  (J.  42)  fortuna  esse  vo- 
luit  (vgl.  Liv.  per.  124  annorum  erat  circiter  XL).  Dies  würde  auf  J.  79 
oder  78  als  das  Geburtsjahr  des  Brutus  führen,  und  diesen  Ansatz  setzt 
auch  die  Sage  voraus,  daß  Caesar  (geb.  100)  selbst  der  Vater  des  Brutus 
gewesen  sei;  ferner  paßt  dazu,  daß  Plut.  3  ihn  im  J.  58  als  [leiqü-kiov  mit 
Cato  nach  Cypern  reisen  läßt.  Daher  schreibt  mit  vieler  Wahrscheinlich- 
keit Nipperdey,  op.  301,  bei  Cic.  aO.  ante  sedeeim  (Seeck  septemdeeim).  Vgl. 
Seeck,  RhM.  56,  631;  Herrn.  42,  505.  Groebe  ebd.  304.  Vgl.  Nep.  Att.  8,  1 
occiso  Caesare  . .  sie  M.  Bruto  usus  est,  ut  nullo  ille  adulescens  aequali  fami- 
liarius  quam  hoc  sene  (Atticus  geb.  109).  J.  51  war  Brutus  bereits  Schwieger- 
sohn (Cic.  ep.  3,  4,  2)  des  App.  Claudius  (§  199, 1).  Aur.  Victor  ill.  82  Athe- 
nis  philosophiam,  Bhodi  (sonst  nicht  bezeugt)  eloquentiam  didicit  (Lehrer  in 
Athen  Pammenes,  sowie  Aristos,  der  Bruder  des  Antiochos,  Cic.  Brut.  332. 
Orat.  105.  Acad.  post.  1,  12.  Plut.  Brut.  2),  Cytheridem  mimam  cum  An- 
tonio et  Gallo  amavit  (vgl.  §  232,  1  und  Flach,  JJ.  119,  793).  . .  civili  bello 
. .  Pompeium  secutus  est,  quo  victo  veniam  a  Caesare  aeeepit  et  procos.    Gal- 


§  210.  M.  Brutus  505 

Harn  (cisalp.)   rexit  (J.  46).    J.  44   durch  Caesar  praetor  (uro.);   f  nach   der 
Schlacht  bei  Philippi,  J.  42.  —  Bildnisse:   Bernoulli,  röm.  Ikonogr.  1,  187. 

2.  Cicero  pflegt  den  M.  Brutus  übertrieben  zu  loben  (zB.  Brut.  22),  zu- 
erst als  den  Liebling  Caesars,  dann  als  dessen  Mörder;  er  widmete  ihm  de 
finibus,  Paradoxa,  de  nat.  deor.,  Tusc,  den  Brutus  und  den  Orator.  Die 
stilistischen  Grundsätze  beider  waren  aber  verschieden,  da  Brutus  eich  ent- 
schieden zu  den  Attizisten  bekannte;  Cicero  suchte  ihn  durch  seinen  Bru- 
tus von  der  Unrichtigkeit  dieses  Standpunktes  zu  überzeugen.  Darauf  bat 
Brutus  um  eingehendere  Begründung,  und  diese  gab  Cicero  im  Orator, 
ohne  doch  seinen  Zweck  zu  erreichen;  Att.  14,  20,  3  (Mai  44)  cum  ipsius 
precibus  paene  adductus  scripsissem  ad  eum  de  optimo  gener e  dicendi,  non 
modo  mihi  sed  etiam  tibi  scripsit  sibi  illud,  quod  mihi  placeret,  non  probari. 
Ebd.  15,  1  a,  2  Brutus  noster  misit  ad  me  orationem  suam  . .  petivitque  a  me, 
ut  eam  . .  corrigerem  . .  est  autem  oratio  scripta  elegantissime  sententiis  ver- 
bis,  ut  nihil  possit  ultra,  ego  tarnen,  si  illam  causam  habuissem,  scripsissem 
ardentius  . .  quo  enim  in  gener e  Brutus  noster  esse  vult  (im  yivog  i6%vov  der 
Attiker)  et  quod  iudicium  habet  de  optimo  genere  dicendi,  id  ita  consecutus 
in  ea  oratione  est,  ut  elegantius  esse  nihil  possit;  sed  ego  secutus  aliud  sum 
usw.  Tac.  dial.  18  ex  Calvi  (§  213,  6E.)  et  Bruti  ad  Ciceronem  missis  epi- 
stulis  (§  46,  5.  Harnecker  JJ.  125,  604)  facile  est  deprehendere  Calvum  qui- 
dem  Ciceroni  visum  exsanguem  et  aridum,  Brutum  autem  otiosum  atque  di- 
iunctum,  rursusque  Ciceronem  a  Calvo  quidem  male  audisse  tamquam  solutum 
et  enervem,  a  Bruto  autem  . .  tamquam  fractum  atque  elumbem.  An  seiner 
Redeweise  wird  gravitas  gerühmt  (Quint.  12,  10,  10.  Tac  dial.  25).  Nament- 
lich verwarf  er  rhythmischen  Fall  der  Prosa  (Quint.  9,  4,  76);  daher  Cice- 
ros  ausführliche  Verteidigung  des  Prosarhythmus  im  Orator.  Übereinstim- 
mend urteilen  Quint.  10,  1,  123,  daß  er  in  seinen  philosophischen  Schriften 
multo  quam  in  orationibus  praestantior  suffecit  ponderi  rerum,  und  Tac 
dial.  21  Brutum  philosophiae  suae  relinquamus.  nam  in  orationibus  minorem 
esse  fama  sua  etiam  admiratores  eius  fatentur.  nisi  forte  quisquam  . .  Bruti 
pro  Deiotaro  rege  (vgl.  Cic  Brut.  21.  ad  Att.  14,  1,  2)  ceterosque  eiusdem 
lentitudinis  ac  teporis  libros  legit,  nisi  qui  et  carmina  eorundem  miratur; 
feceruyit  enim  et  carmina  (s.  §  195,  3).  Vgl.  Stat.  silv.  4,  9,  20  Bruti  senis 
oscitationes  (langweilige  Reden).  Andere  veröffentlichte  Reden  des  Brutus  : 
de  dictatura  Pompei  (Quint.  9,  3,  95)  vom  J.  51,  die  am  17.  März  44  auf 
dem  Capitol  gehaltene  (Cic  Att.  15,  lb,  2),  sowie  sonstige  contiones  Bruti 
(falsa  quidem  in  Augustum  probra,  sed  multa  cum  acerbitate  habent,  Tac 
A.  4,  34) ;  ferner  die  Stilübung  pro  Milone  (orationem  Brutus  exercitationis 
gratia  scripsit,  Quint.  10,  1,  23  vgl.  10,  5,  20.  3,  6,  93.  Ascon.  37,  4  quam 
formam  M.  Brutus  secutus  est  in  ea  oratione,  quam  pro  Milone  composuit 
et  edidit,  quasi  egisset.  Schol.  Bob.  p.  112,  15);  laudatio  seines  Schwieger- 
vaters App.  Claudius  (Diomed.  GL.  1,  367)  und  seines  Oheims  M.  Cato  (Cic 
Att.  13,  46,  2.  vgl.  12,  21,  1.  Schol.  Lucani  2,  234  Us.  Busch  [§  210,  4]  34), 
auf  die  Augustue  antwortete  (§  220,  3).  Meyer,  ORF.2  446.  Filbey,  Class. 
Phil.  6,  325. 

3.  Über  des  Br.  philosophische  Schriften  s.  Cic  acad.  post.  1,  12.  Hin- 
neigung zur  f alten'  dh.  von  Antiochos  wiederhergestellten  Akademie,  Cic 
Brut.  120.  149.    Schriften:  de  virtute  (an  Cicero  gerichtet,  s.  fin.  1,  8.    Tusc. 


506  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

ö,  1.  Sen.  consol.  ad  Helv.  9,  4ff.  vgl.  8,  1),  tisqi  xccd-rjy.ovxog  (Sen.  ep.  95,45; 
vgl.  M.  Brutus  de  officiis  bei  Priscian.  GL.  2,  199),  de  patientia  (Diomed. 
GL.  1,  383).  —  Jugendarbeiten  waren  wohl  die  Auszüge  aus  Fannius,  Anti- 
pater  (s.  §  137,  4  u.  6g  E.)  und  Polybios  (Plut.  Brut.  4.  Suid.  s.  v.  Bgovxog' 
^ygecipsv  .  .  .  IJoXvßiov  xov  Icxoqikov  ßißlcov  i7tixo{irjv;  s.  §  257,  8). 

4.  Briefe.  (M.)  Brutus  in  epistulis  (Quint.  9,  4,  75.  Diomed.  GL.  1,  388. 
Priscian.  ebd.  2,  474;  vgl.  Plin.  NH.  33,  39  M.  Bruti  in  Philippicis  campis 
epistulae  reperiuntur,  frementes  fibulas  tribunicias  ex  auro  geri),  ad  Caesar em 
(Charis.  GL.  1,  130),  ad  Ciceronein  (Tac  dial.  18).  Über  den  Briefwechsel 
des  Br.  mit  Cicero  s.  §  188,  4.  —  Das  Erzeugnis  eines  Rhetors  sind  die  auf 
uns  gekommenen  Briefe  des  Brutus  in  griechischer  Sprache  (zB.  in  Hebchers 
epistolographi  Graeci,  Par.  1873,  p.  177),  die  schon  Plutarch  in  seinem  Bru- 
tus 2  als  echt  benutzte.  Vgl.  Suidas  s.  v.  Bgovxog.  Hercher,  Phil.  8,  187. 
9,  592.  Marcks,  symb.  ad  epistologr.  gr.  (Bonn  1883)  23.  —  Die  Verse  des 
Brutus  (s.  Tac.  dial.  21,  oben  A.  2)  scheinen  verliebten  Inhalts  gewesen  zu 
sein  nach  der  Aufzählung  bei  Plin.  ep.  5,  3,  5  (oben  §  31,  1).  —  Der  Rhe- 
tor  Empylos,  der  Vertraute  des  Brutus  (wohl  eine  Person  mit  dem  gleich- 
namigen aus  Rhodos,  s.  Cic.  bei  Quint.  10,  6,  4),  hatte  ein  ^lkqov  fig'v,  ov 
cpccvlov  dh  6vyyQaii[icc  itsgl  rf}g  KcciöccQog  ccvaLgeöscog  o  BQOvxog  iitiyiy  qccnx  ai 
—  offenbar  eine  Verteidigung  der  Tat  —  verfaßt,  schwerlich  in  lateinischer 
Sprache. 

5.  D.  Iunius  Brutus,  im  Sommer  43  durch  M.Antonius  hingerichtet. 
Seine  Briefe  an  Cicero  aus  J.  44  und  43  (ep.  11,  1.  4.  5 — 11.  13  a.  19.  20. 
26.  26)  sind  traurige  Belege  der  Kopflosigkeit  und  Hasenherzigkeit,  die  er 
seit  seiner  Teilnahme  an  der  Ermordung  Caesars  fortwährend  bewies.  Sprach- 
lich bieten  sie  (außer  valde  quam  fsehr')  kaum  etwas  Auffälliges.  Drumann, 
GR.  4,  9.  PRE.  4,  513,  19.  Nake,  d.  Briefwechsel  zw.  Cic.  und  D.  Brut.,  JJ. 
Suppl.  3,  647.    Gebhard,  De  D.  Bruti  genere  dicendi,  Jena  1891. 

6.  C.  Cassius  Longinus,  etwas  älter  als  M.  Brutus  (Plut.  Brut.  29.  40), 
J.  53  ff.  Quaestor  in  Parthien,  49  tr.  pleb.;  für  44  mit  M.  Brutus  zum  Prae- 
tor ernannt,  f  nach  der  Schlacht  bei  Philippi  (J.  42).  Eine  schroffe,  schnei- 
dige Natur,  aber  selbstsüchtig,  ohne  höhere  Ziele  (vgl.  Plut.  Brut.  29. 
comp,  cum  Dione  1.  Brut.  37  Kdoöiog  xolg  'ETtiycovgov  loyoig  %gconevog  kccl 
7tsgl  xovxav  %&og  %%<ov).  Von  seinen  Briefen  an  Cicero  ist  ep.  15,  19  (J.  45) 
ein  gutgelaunter  Widerhall  von  Ciceros  Schreiben;  12,  11 — 12  (aus  J.  43) 
geschäftliche  Berichte,  zum  Teil  mit  berechneter  Schmeichelei  für  Cicero. 
Zitat  aus  C.  Cassii  epistula  ...  ad  Dolabellam  bei  Charis  GL.  1,  123,  13. 
Vgl.  Drumann,  GR.  2,  98.  Froehlich,  PW.  3,  1727.  OESchmidt,  de  epp.  et 
a  Cassio  et  ad  Cassium  datis,  Lps.  1877. 

7.  C.  Cassius  Parmensis,  der  nach  seiner  Teilnahme  an  der  Ermor- 
dung Caesars  in  Asien  befehligte  (J.  43).  Darüber  berichtet  er  an  Cicero 
in  dem  unterwürfigen  und  auch  dessen  Schreibweise  nachahmenden  Briefe 
ep.  12,  13.  Nach  der  Schlacht  bei  Actium  wurde  er  hingerichtet.  Drumann 
GR.  2,  136.  Skutsch,  PW.  3,  1743.  Porphyrio  zu  Hör.  ep.  1,  4,  3  scribere 
quod  Cassi  Parmensis  opuscula  vincat]  hie  est  Cassius,  qui  in  partibus  Cassii 
et  Bruti  cum  Horatio  tribunus  militum  militavit.  quibus  victis  Aihenas  se 
contulit  (erst  J.  31).  Q.  Varius  ab  Augusto  missus,  ut  eum  interficeret ,  stu- 
dentem  repperit  et  perempto  eo  scrinium  cum  libris  tulit.    unde  multi  credi- 


§  210.  Cassii  Longinus  und  Parmensis,  Trebonius  u.  A.  507 

derunt  Thyestem  Cassii  Parmensis  fuisse  (die  letzten  Angaben  sind  aus  einer 
Verwechslung  des  Offiziers  Q.  Attius  Varus  [vgl.  b.  g.  8,  28,  2.  b.  c.  3,  37,  6] 
mit  dem  Tragiker  L.  Varius,  §  223,  2,  entstanden;  s.  auch  Porph.  Hör.  sat. 
1,  10,  62);  scripserat  enim  multas  alias  tragoedias  Cassius.  Acito  (II  226  K.) 
Epicureus  fuit  et  poeta  . .  aliquot  generibus  stilum  exercuit.  inter  quae  opera 
elegia  et  epigrammata  eins  laudantur.  Aus  einem  schmähenden  Briefe  des 
Cass.  Parm.  an  Octavian  eine  Stelle  bei  Suet.  Aug.  4.  Aus  einer  epistula 
Cassi  Parmensis  ad  M.  Antonium  bei  Plin.  NH.  31,  11.  Hinkiambus  eines 
Cassius  bei  Quint.  5,  11,  24,  von  Ribbeck  CRF.  266  dem  Cassius  Severus 
zugeschrieben.  Praetexta  Brutus  eines  Cassius;  s.  §  134,  5 E.  AWeichert,  de 
L.  Varii  et  Cassii  Parmensis  vita  et  carminibus,  Grimma  1836.  Welcher, 
d.  gr.  Tragödien  1403.  (Die  Hexameter  betitelt  Cassii  Orpheus  in  Feas 
Horaz  2,  p.  216,  Wernsdorfs  PLM.  2,  310  haben  den  Italiener  Antonius  Thy- 
lesius  saec.  XVII  zum  Verfasser,  s.  Weichert  aO.  198.) 

8.  Dem  Cassius  Parm.  ungefähr  gleichzeitig  ist  der  Schnelldichter 
Cassius  Et  ruscus  bei  Horaz  sat.   1,  10,  69;  s.  Kirchner  zdSt. 

9.  C.  Trebonius,  Quaestor  60,  trib.  pl.  55,  J.  54ff.  Caesars  Legat  in 
Gallien  und  im  Bürgerkriege  auf  dessen  Seite;  praet.  urb.  48;  Cos.  45;  im 
Febr.  43  durch  Dolabella  getötet.  PRE.  6,  2083,  9.  J.  47  scheint  er  eine 
Sammlung  der  Witzworte  Ciceros  verfaßt  zu  haben;  ep.  15,  21,  1 — 3,  zB. 
liber  iste,  quem  mihi  misisti,  quantam  habet  declarationem  amoris  tui!  pri- 
mum  quod  tibi  facetum  videtur  quidquid  ego  dixi,  . .  deinde  quod  illa  .  .  flunt 
narrante  te  venustissima.  quin  etiam,  antequam  ad  me  veniatur,  risus  omnis 
paene  consumitur.  Sein  eigener  Brief  an  Cicero  (ep.  12,  16)  vom  J.  44  ist 
sehr  herzlich  gegen  den  alten  und  den  jungen  Cicero  und  begleitet  versi- 
culi  (Iamben  gegen  M.  Antonius?),  in  bezug  auf  deren  Ungeniertheit  er 
meint:  turpitudo  personae  eins  in  quam  liberius  invehimur  nos  vindicabit  (3). 
Auch  bittet  er  (4):  tu,  sicut  mihi  pollicitns  es,  adiunges  me  quam  primum 
ad  tuos  sermones.    Vgl.  auch  §  196,  11. 

10.  T.  Ampius  Baibus,  trib.  pl.  63,  Praetor  58,  Freund  des  Cicero 
(Rede  pro  T.  Ampio,  Quint.  3,  8,  50),  eifriger  Pompejaner;  Klebs,  PW.  1, 
1978.  Äußerungen  über  Caesar  aus  dem  Geschichtswerke  des  Ampius  bei 
Suet.  Iul.  77;  vgl.  Cic.  ep.  6,  12,  5  (J.  46)  cum  Studium  tuum  consumas  in 
virorum  fortium  f actis  memoriae  prodendis.  —  M.  Actorius  Naso,  nach 
Sueton.  Iul.  9  (vgl.  52  Naso)  Verfasser  eines  Werkes  über  Caesar  oder  die 
Zeit  des  Bürgerkrieges,  scheint  dadurch  datiert,  daß  Sueton  in  seinem  d. 
Iul.  als  Quellen  nur  Zeitgenossen  Caesars  zitiert;  Haupt,  op.  1,  72.  —  Über 
Tanusius  §  212,  7. 

211.  Unter  den  Gelehrten  und  Lehrern  war  der  bedeutendste 
der  Grieche  L.  Ateius  Praetextatus,  ein  vielseitiger  und  frucht- 
barer Schriftsteller,  der  sich  selber  Philologus  nannte  und  dessen 
Interesse  sich  besonders  auf  die  Glossographie  richtete;  nächstdem 
S  antra,  der  auch  über  Literaturgeschichte  schrieb;  ferner  des  Cn. 
Pompeius  Freigelassener,  Lenaeus,  Gavius  Bassus  und  die  Rhetoren 
M.  Epidius  und  Sextus  Clodius.  Vielleicht  gehört  auch  der  Reise- 
besehreiber  Statius  Sebosus  dieser  Zeit  an. 


508  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

1.  Sueton.  gramm.  10  L.  (der  Vorname  im  ind.  p.  98  R;  vgl.  Z.  3  v.  u.) 
Ateius  Philologus  libertinus  Athenis  est  natus.  Er  fiel  wohl  bei  der  Er- 
oberung Athens  J.  86  als  Beute  dem  Centurio  M.  Anteius  zu  (Plut.  Sulla  14) 
und  wurde  später  von  diesem  freigelassen.  Da  er  noch  dem  Asinius  Pollio 
bei  seiner  Geschichte  behilflich  war  (s.  u.  und  §  221,  3),  so  lebte  er  min- 
destens bis  J.  29.  Suet.  aO. :  hunc  Capito  Ateius  (§  265,  3,  der  Enkel  des 
Freilassers),  notus  iuris  consultus,  inter  grammaticos  rhetorem,  inter  rhetores 
grammaticum  fuisse  ait.  de  eodem  Asinius  Pollio  in  libro,  quo  Sallustii 
scripta  reprehendit  ut  nimia  priscorum  verborum  affectatione  oblita,  ita  tra- 
dit:  fin  eam  rem  adiutorium  ei  fecit  maxime  quidem  Ateius  Praetextatus, 
nobilis  grammaticus  latinus,  declamantium  deinde  auditor  atque  praeceptor, 
ad  summam  Philologus  ab  semet  nominatus*.  ipse  ad  Laelium  Herrn  am  (ob 
eine  Person  mit  dem  §  148,  3E.  erwähnten?)  scripsit  se  in  Graecis  Utteris 
magnum  processum  habere,  in  latinis  non  nullum,  . .  audisse  Antonium  Gni- 
plionem  (§  159,  5)  . .  praecepisse  autem  multis  et  claris  iuvenibus,  in  quis 
Appio  quoque  et  Pulchro  Claudiis  fratribus  (vgl.  §  199,  1),  quorum  etiam 
comes  in  provincia  (in  Cilicien  und  der  Prov.  Asia)  fuerit.  Philologi  appel- 
lationem  assumpsisse  videtur,  quia  . .  multiplici  variaque  doctrina  censebatur. 
quod  sane  ex  commentariis  eins  apparet,  quamquam  paucissimi  exstent.  de 
quorum  tarnen  copia  sie  altera  ad  eundem  Hermam  epistola  significat:  ( Hylen 
nostram,  quam  omnis  generis  coegimus,  uti  scis,  octingentos  in  libros  (die 
nicht  herausgegeben  zu  sein  brauchen)',  coluit  postea  familiarissime  C.  Sal- 
lustium  et  eo  defuneto  Asinium  Pollionem,  quos  historiam  componere  aggressos 
alterum  (Sallust)  breviario  rerum  omnium  Bomanarum,  ex  quibus  quos  vellet 
eligeret,  instruxit,  alterum  (Asinius)  praeeeptis  de  ratione  scribendi.  quo  ma- 
gis  miror  Asinium  credidisse  antiqua  eum  verba  et  figuras  solitum  esse  colli- 
gere  Sallustio,  cum  sibi  sciat  nil  aliud  suadere  quam  ut  noto  civilique  et 
proprio  sermone  utatur  vitetque  maxime  obscuritatem  Sallustii  et  audaciam 
in  translationibus  (=  iistacpogalg).  Seine  persönliche  Überzeugung  von  dem 
besten  Stile  brauchte  den  Ateius  nicht  zu  hindern,  für  Sallust  auf  dessen 
ausdrückliche  Bestellung,  wie  jenes  breviarium,  so  auch  eine  Sammlung 
von  Archaismen  zu  machen.  Fest.  181  zitiert  Ateius  Philologus  in  libro 
glossematorum  und  öfter  ohne  Angabe  der  Schrift.  Charis.  GL.  1,  134,  4 
Ateius  Philologus  tuvcckcov  III.  Charis.  GL.  1,  127,  17  Ateius  Philologus 
librum  suum  sie  edidit  inscriptum  "an  amaverit  Didum  Aeneas*  (Graff  aO. 
308).  Ateius  wird  noch  angeführt  von  Plin.  NH.  QVerz.  zu  B.  4  und  als  L. 
Ateius  ebd.  zu  B.  3,  ferner  Prisc.  GL.  2,  383,  8.  Serv.  Aen.  1,  601.  Graff, 
Melanges  greco-rom.  de  Tacad.  de  St.  Petersb.  2,  274.  Goetz,  PW.  2,  1910. 
Funaioli,  GRF.  1,  136. 

2.  Suet.  gramm.  14  huius  (des  Curtius  Nicias,  §  200,  4)  de  Lucilio 
libros  etiam  Santra  comprobat.  Vgl.  Martial.  11,  2,  7  sdlebrosum  Santram. 
Hieronym.  de  vir.  illustr.  (2,  821  Vall.)  praef. :  fecerunt  hoc  idem  (dh.  schrie- 
ben de  viris  illustribus)  . .  apud  Latinos  Varro  (geb.  116),  Santra,  Nepos 
(geb.  um  99),  Hyginus  (geb.  um  64).  Gell.  7,  15,  5  ne  si  Aelii  quidem, 
Cincii  et  Santrae  dicendum  ita  censuissent.  Verrius  Flaccus  (bei  Festus  277) 
und  Quint.  12,  10,  16  erwähnen  den  Santra  bei  literaturgeschichtlichen 
Fragen.  Sueton.  vit.  Terent.  (p.  31,  10  R.)  Santra  Terentium  existimat  .  .  non 
tarn  Scipione  et  Laelio  uti  potuisse  . . .  quam   C.  Sulpicio  Gallo  etc.    Festus 


§  211.  Grammatiker:  Ateius,  Santra  u.  A.  509 

277  quam  rem  (über  reciniati  mimi  planipedes)  diligenter  exsequitur  Santra 
libro  II  de  antiquitate  verborum.  Schol.  Veron.  Aen.  5,  95  Santra  de  anti- 
quitate  verborum  libro  III  ait  etc.  ad  Aen.  2,  171  ut  Santra  antiquitatium 
libris.  Non.  170,  21  Santra  de  verborum  antiquitate  III  (oder  l.  II):  quod 
(des  Naevius  b.  Punicum,  s.  §  95,  8)  volumen  unum  nos  lectitavimus  et  postea 
(in  anderen  Handschriften)  invenimus  septemfariam  divisum.  Aus  Santra 
nuntiis  (nuptiis  Ribbeck)  Bacchus  führt  Nonius  (s.  Ribb.  trag.2  p.  228,  röm. 
Trag.  616)  vier  (unvollständige)  Senare  an,  von  denen  mindestens  drei  hel- 
lenisch sorgfältigen  Bau  haben.  Der  Name  Santra,  den  man  für  afrikanisch 
gehalten  hat  (Mercklin,  Phil.  3,344,  wegen  Mart.  6,39;  s.  aber  ebd.  7, 
20,  1),  ist  vielmehr  etruskisch.  WSchulze,  Zur  Gesch.  lat.  Eigenn.  342.  — 
Lersch,  ZfAW.  1839,  Nr.  13 f.  43;  Sprachphilosophie  3,  165.  Egger,  Lat. 
serm.  vet.  reliq.  18.  LPreller,  ausgew.  Aufsätze  377.  Bücheler,  RhM. 
40,  148. 

3.  Süet.  gramm.  15  Lenaeus,  Magni  Pompei  libertus  et  paene  omnium 
expeditionum  comes,  defuncto  eo  filiisque  eius  (zuletzt  starb  Sextus,  J.  35) 
scliola  se  sustentavit  . .  ac  tanto  amore  erga  patroni  memoriam  exstitit,  ut 
Sallustium  historicum  . .  acerbissima  satura  laceraverit  (s.  §  206,  1).  tradüur 
autem  puer  adhuc  Athenis  subreptus  refugisse  in  patriam,  . .  verum  . .  gratis 
manumissus.  Schol.  luv.  1,  20  (Auruncae  alumnus)  vel  Lenium  (Lenaeum 
Casaubonus)  dielt,  quia  et  ipse  satiras  scripsit.  Auch  über  Arzneimittel 
schrieb  er  (Pompeius  Lenaeus  Magni  libertus  Plin.  NH.  25,  5);  s.  §  53,  1. 

4.  Suet.  gramm.  28  M .  (so  im  Ind.  gramm.  p.  99  R.,  s.  aber  unten) 
Epidius  calumnia  notatus  ludum  dicendi  aperuit  doeuitque  inter  ceteros 
M.  Antonium  et  Augustum  (auch  den  Vergil,  s.  §  224,  3).  quibus  quondam 
C.  Cannutius  . .  malle  [se~\  respondit  Isaurici  esse  diseipulum  quam  Epidii 
calumniatoris.  hie  Epidius  ortum  se  a  C  Epidio  Nucerino  praediedbat.  — 
Yon  ihm  ist  zu  trennen  C.  Epidius,  der  Verf.  eines  paradoxographischen 
oder  pseudo-naturwissenschaftlichen  Buches:  Plin.  NH.  im  QYerz.  zu  B.  17 
C.  Epidio  und  17,  243  qualibus  ostentis  Aristandri  apud  Graecos  volumen 
scatet,  .  .  apud  nos  vero  C.  Epidi  commentarii,  in  quibus  arbores  locutae 
quoque  reperiuntur.  HPeter,  RhM.  22,  153.  Der  Senar  GL.  6,  79,  18  quid 
ais,  Epidia?  (Epidice  Gaisford)  tibi  facilior  erit  amor  (Ribbeck,  Com.  fr. 
p.  135)  hat  mit  Epidius  trotz  Bährens,  FPR.  327  nichts  zu  tun.  Vgl.  noch 
§  205,  6.    Brzoska,  PW.  6,  59. 

5.  Suet.  gramm.  29  =  rhet.  5  Sex.  Clodius  e  Sicilia,  Latinae  simul 
Graecaeque  eloquentiae  professor  (vgl.  Sabinum  [Sextum?]  Clodium  uno  die 
et  Graece  et  Latine  declamantem  bei  Sen.  controv.  9,  3,  13),  male  oeulatus  et 
dicax  par  oculorum  in  amicitia  M.  Antonii  triumviri  extrisse  (?)  se  aiebat. 
. .  a  quo  (M.  Antonio)  mox  consule  (J.  44)  ingens  etiam  congiarium  aeeepit. 
Vgl.  Cic.  Phil.  2,  43  (rhetorem  . .  salsum  hominem).  3,  22.  ad  Att.  4,  15,  2 
(J.  54)  vereor  ne  lepore  te  suo  detineat  diutlus  rhetor  Clodius.  Zu  trennen 
von  ihm  ist  gewiß  der  Theologe:  Arnob.  adv.  gent.  5,  18  Sex.  Clodius  sexto 
de  diis  Graeco  (Graecorum  Canter)  =  Lactant.  inst.  1,  22,  11  Sex.  Clodius  in 
eo  libro  quem  Graece  scripsit.  Bernays,  Theophrast  über  die  Frömmigkeit 
S.  10  erinnert  an  die  Schrift  des  KXoadiog  NsaTtoXlzrig  Koog  xovg  cc7isxo{i8vovg 
x&v  aaQx&v  Porph.  de  abst.  1,  3  (vgl.  26).  —  Der  bei  Servius  (zu  Aen.  1,  176 
Clodius  Scriba  commentariorum  quarto,  vgl.  ebd.  52.  2,  229)  angeführte  Glosso- 


510  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

graph  Clodius  ist  jedenfalls  wiederum  ein  anderer  (§  159,  9.  263,5).  Brzoska, 
PW.  4,  66. 

6.  Von  einem  Grammatiker  Gavius  Bassus  werden  angeführt  Schriften 
de  origine  verborum  et  vocabulorum  (Gellius  2,  4,  3.  3,  19,  1.  5,  7)  in  min- 
destens 7  Büchern  (ebd.  11,  17,4),  de  verborum  significatione  (Mach.  3,  18,2), 
commentaria  (Gell.  3,  9.  18,  3):  alle  diese  Anführungen  mögen  sich  auf 
dasselbe  glossographisch-etymologische  Werk  beziehen.  Ferner  de  dis  (Mach. 
1,  9,  13  vgl.  3,  6,  17.  Lyd.  de  mens.  4,  2;  vgl.  Quint.  1,  6,  36.  Lactant.  inst. 
1,  22,  9).  Da  er  nach  Gell.  3,  9,  8  den  equus  Seianus  noch  zu  Argos  sah, 
dessen  letzter  Eigentümer  C.  Cassius  J.  36  den  Tod  fand,  so  scheint  er 
dieser  (spätestens  der  augusteischen)  Zeit  anzugehören.  JKretzschmek,  de 
fönt.  Gell.  p.  99  f.  Funaioli,  GRF.  1,  486;  PW.  7,  866.  —  Bei  Fest.  166b,  3. 
170b,  27.  355a,  7  ein  Curiatius  als  Worterklärer.  Vgl.  Mercklin,  de  Varr. 
tralaticio  scrib.  genere,  Dorp.  1858,  8. 

7.  Statius  Sebosus,  von  Plinius  genannt  im  QVerz.  zu  B.  2  u.  9,  so- 
wie als  Sebosus  zu  B.  3.  5 — 7.  12.  13.  Nachrichten  aus  ihm  ebd.  6,  201  (An- 
gabe der  Fahrzeit  zu  den  insulae  Hesperidum)  und  9,  46  (Wunder  des  Flusses 
Ganges).  Hudemann,  ZfAW.  1852,  Nr.  3.  Einen  Sebosus  nennt  als  Freund 
des  Lutatius  Catulus  und  lästigen  Nachbarn  Cicero,  Att.  2,  14,  2.  2,  15,  3 
(J.  59). 

212.  Dichter  dieser  Zeit,  die,  soviel  wir  wissen,  den  politischen 
Kämpfen  fern  blieben,  waren  der  vielgestaltige  P.  TerentiusVarro 
aus  Atax  (J.  82 — 37)  und  Publilius  Syrus;  jener  schilderte  in  einem 
Epos  Caesars  Krieg  im  Lande  der  Sequaner  (bellum  Sequanicum) 
und  verfaßte  Saturae,  ist  aber  bekannter  geworden  als  geschmack- 
voller und  formgewandter  Bearbeiter  alexandrinischer  Helden-  und 
Lehrgedichte  (Argonautae,  Chorographia  u.  a.),  auch  in  der  Liebes- 
dichtung versuchte  er  sich.  Im  ganzen  zeigt  er  die  Eigenart  der 
neoterischen  Dichter,  ohne  daß  man  doch  nähere  Beziehungen  zu 
ihnen  nachweisen  könnte.  Publilius  Syrus  (aus  Antiochia  ge- 
bürtig?) dichtete  mit  vielem  Beifall  für  das  Theater  Mimen,  die 
noch  in  der  neronischen  Zeit  aufgeführt  wurden.  Ihr  reicher  Schatz 
an  Sprüchen  der  Lebensweisheit  wurde  im  ersten  christlichen  Jahrh. 
ausgezogen  und  im  Beginne  des  Mittelalters  aus  anderen  Quellen 
vermehrt.  Beiden  Dichtern  gleichzeitig  war  der  durch  Catull  in 
üblen  Geruch  gebrachte  Verfasser  von  breitspurigen  Annales,  Ta- 
nusius  Geminus  aus  Oberitalien,  der  sich  später  zur  Geschichte 
wandte  und  nach  Caesars  Tode  in  einer  Historia  die  jüngste  Ver- 
gangenheit Roms  behandelte. 

1.  Hieronym.  in  Euseb.  Chron.  ad  a.  Abr.  1935  =  J.  82  P.  Terentius 
Varro  vico  Atace  (richtiger  Porphyr,  zu  Hör.  aO.  ab  Atace  fluvio  dictus, 
jetzt  Aude)  in  provincia  Narbonensi  nascitur.  qni  postea  XXXVum  annum 
agens  Graecas  litter as  cum  summo  studio  didicit.    Hör.  sat.  1,  10,  46  hoc  (die 


§  212.  P.  Terentius  Varro  511 

Satire)  erat  experto  frustra  Varrone  Atacino  . .  melius  quod  scribere  possem. 
Hiernach  war  Varro  zur  Zeit  der  Abfassung  dieser  Satire  (J.  36,  s.  Teuffel, 
RhM.  4,  111)  bereits  nicht  mehr  am  Leben.  Diese  Satiren,  sowie  das  bellum 
Sequanicum  in  eine  frühere,  nationale  Periode  des  Varro  zu  setzen,  berech- 
tigt nichts.  Prisc.  GL.  2,  497  P.  Varro  belli  Sequanici  libro  II,  folgt  ein 
Hexameter.  Der  Stoff  lag  dem  Varro  nach  Zeit  und  Schauplatz  besonders 
nahe;  das  Gedicht  behandelte  wohl  Caesars  Krieg  gegen  Ariovist  (J.  58), 
der  sich  im  Gebiet  der  Sequaner  festgesetzt  hatte  (Caes.  b.  g.  1,  30 — 54), 
oder  den  ganzen  damit  beginnenden  gallischen  Feldzug  und  kennzeichnet 
Varro  als  einen  Anhänger  Caesars. 

2.  Quint.  10,  1,  87  Atacinus  Varro  in  iis,  per  quae  nomen  est  adsecutus, 
interpres  operis  dlieni,  non  spernendus  quidem,  verum  ad  augendam  facul- 
tatem  dicendi  partim  locuples.  Vell.  2,  37,  3  auctoresque  carminum  Varro- 
nem  ac  Lucretium,  wo  schwerlich  M.  Varro  gemeint  ist,  s.  §  165,  2gE. 
Quintilian  bezieht  sich  auf  Varros  Argonautae,  eine  freie  Bearbeitung  der 
'AQyovuvTiy.cc  des  Apollonios  aus  Rhodos:  Prob.  Verg.  G.  2,  126  Varro  qui 
quattuor  libros  de  Argonautis  edidit;  Schol.  Veron.  ad  Verg.  Aen.  2,  82 
Varro  Argonautarum  primo;  Prob.  Verg.  G.  1,  14  traditur  ...  in  corpore 
Argonautarum  a  Varrone  Atacino;  Audax  GL.  7,  332,  7  Varro  . . .  in  Argo- 
nautis, auch  preisend  erwähnt  von  Ovid.  am.  1,  15,  21.  AA.  3,  335.  trist. 
2,  439.  ex  Pont.  4,  16,  21  (?  vgl.  §  252,  1).  Prop.  2,  34,  85.  Stat.  silv.  2, 
7,  77.  Sen.  controv.  7,  2,  28  illos  optimos  versus  Varronis  —  Apoll.  Rh.  3, 
748  f.  Wörtliche  Entlehnung  aus  Ennius:  Serv.  Verg.  Aen.  10,  396.  RUnger, 
de  Varr.  Atac,  Friedl.  1861.  Vergil  folgt  ihm  gewiß  öfter  als  wir  nach- 
weisen können;  FRütten,  De  Verg.  studiis  Apollonianis ,  Münster  1912,  12. 
—  Außerdem  ein  geographisches  Werk  in  Hexametern,  dessen  Name  bei 
Prisc.  GL.  2,  100,  15  in  der  Verderbnis  (h)ort(h)ograp7iia  sich  verbirgt:  dar- 
aus ist  längst  richtig  chorographia  gebessert  (andere  cosmograplüa).  Nach 
einer  allgemeinen  Einleitung  (zB.  über  die  Bewegung  der  Himmelskörper, 
Gestirne,  Zonen)  war  Europa  (Fest.  381,  4  Varro  in  Europa*?),  Asien  und 
Afrika  der  Reihe  nach  behandelt,  wohl  nach  einem  Werke  des  Alexander 
aus  Ephesos  (mit  dem  Beinamen  6  Av^vog)-.  vgl.  Röper,  Phil.  18,  433.  Mei- 
neke,  Anal.  Alex.  374;  von  Plin.  NH.  benützt  B.  3—6  (Erdkunde,  ex  .  .  . 
Varrone  Atacino).  Ritschl,  op.  3,  432.  Unrichtig  Flach,  Hesych.  Mil.  ono- 
matol.  p.  37.  —  Ferner  aus  der  Bearbeitung  des  Aratus  die  sieben  wohl 
gebauten  Hexameter  bei  Serv.  Verg.  G.  1,  375  (==  Arat.  942.  954 fll.).  Frag- 
lich ist  der  Titel  Ephemeris:  Schol.  Verg.  G.  1,  397  p.  265  H.  Varro  in 
ephemeride  (so  Bergk:  epimenide  ist  überliefert)  (nubes  sicut  vellera  lanae 
constabuntf  sicut  et  Aratus  (nämlich  938):  das  scheint  aber  Prosa  zu  sein 
und  kann  aus  den  Ephemerides  des  Reatiners  (vgl.  §  166,  6,  c  E.)  stammen. 
Bergk,  RhM.  1,  372.  —  Ferner  teilte  Varro  die  erotische  Richtung  der  Ale- 
xandriner. Prop.  2,  34,  85  haec  quoque  perfecto  ludebat  Iasone  Varro,  Varro 
Leucadiae  maxima  flamma  suae,  haec  quoque  lascivi  cantarunt  scripta  Ca- 
tulli  usw.  Ovid.  trist.  2,  439  is  quoque,  Phasiacas  Argo  qui  duxit  in  undast 
non  potuit  Veneris  furta  tacere  suae.  Das  sind  aber  die  einzigen  Spuren 
seiner  Liebesdichtungen,  weil  seine  Nachfolger  (Cornelius  Gallus)  ihn  ver- 
dunkelten: kaum  war  es  die  außerrömische  Abkunft,  die  ihn  nicht  zu  Ein- 
fluß gelangen  ließ.    Da  Leucadia  ein  Pseudonym  ist  wie  Delia^und  Cynthia, 


512  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

so  liegt  es  nahe,  an  Elegien  zu  denken  (trotz  Jacoby  RhM.  60,  69).  —  Das 
Epigramm  (AL.  414.  PLM.  4,  64)  auf  das  Grab  des  reichen  Galliers  Licinus 
(der  erst  unter  Tiberius  starb;  Schol.  luv.  1,  109.  PRE.  4,  1081)  wurde  wohl 
wegen  der  Landsmannschaft  (?)  dem  Varro  beigelegt  (Überschrift :  Terentii 
Varronis  Atacini;  vgl.  Schol.  Pers.  2,  36  non  invenustum  Varronis  epi- 
gramma).  Ebenso  wissen  wir  von  Varros  Satiren  einzig  durch  Horaz  aO. 
Der  Spondiacus  fr.  24  (sicher  nicht  aus  den  felegiae')  erinnert  an  die  Tech- 
nik der  Neoteriker.  FWüllner,  de  Varronis  Atacini  vita  et  scriptis,  Münster 
1829.  Dort  auch  die  spärlichen  Überreste,  außerdem  bei  Riese,  Varr.  Me- 
nipp.  261.    FPR.  332. 

3.  Hieronym.  zu  Euseb.  Chron.  1974  =  43  (Laberius'  Todesjahr,  8.  §  192, 3): 
Publilius  (so  cod.  Amand.:  Publius  die  übrigen)  mimographus  natione 
Syrus  Bomae  scaenam  tenet.  Über  den  richtigen  Namen  Publilius  (statt 
Publius)  s.  Sillig  zu  Plin.  aO.  Wölfflin,  Phil.  22,  439.  Plin.  NH.  35,  199 
talem  (pedibus  cretatis)  Publilium  f  lochium  (Antiochium  OJahn,  Phil.  26,  11), 
mimicae  scaenae  conditorem,  et  astrologiae  consobrinum  eius  ManiJium  An- 
tiochum  (vgl.  §  253,  2  E.),  item  grammaticae  Staberium  Erotem  eadem  nave 
advectos  videre  proavi  (vgl.  ebd.  8,  209).  Macr.  2,  7,  6  Publilius,  natione 
Syrus,  cum  puer  ad  patronum  domini  esset  adductus,  promeruit  eum  non 
minus  salibus  et  ingenio  quam  forma.  (7)  ob  haec  et  alia  manumissus  et 
maiore  cura  eruditus,  cum  mimos  componeret  ingentique  adsensu  in  Italiae 
oppidis  agere  coepisset,  productus  Bomae  per  Caesaris  Judos  (J.  46)  omnes, 
qui  tunc  scripta  et  operas  suas  in  scaenam  locaverant ,  provocavit  ut  singuli 
secum  posita  invicem  materia  pro  tempore  contenderent.  nee  ullo  recusante 
super 'avit  omnes,  in  quis  et  Laberium.  (8)  unde  Caesar  adridens  hoc  modo 
pronuntiavit  *favente  tibi  me  victus  es,  Laberi,  a  Syro'  Publilio  palmam  . . 
dedit.  tunc  Publilius  ad  Laberium  recedentem  ait  (quicum  contendisti  scriptor 
liunc  speetator  subleva'  (im  weiteren  Wettstreit  des  Publilius  mit  anderen 
Bewerbern).  Publilius  hatte  also  seine  Fachgenossen  zu  einem  mimischen 
Stegreifspiel  herausgefordert.  EHoffmann,  RhM.  39,  471.  In  der  Kunst  des 
Improvisierens  war  der  volkstümliche  Mimus  stark.  Cic.  ep.  12, 18,  2  (Herbst 
46)  equidem  sie  iam  obdurui,  ut  ludis  Caesaris  nostri  animo  aequissimo  vide- 
rem  T.  Plancum,  audirem  Laberi  et  Publili  poemata.  Gell.  17,  14,  1  Pu- 
blilius mimos  scriptitavit ;  dignus  habitus  est,  qui  subpar  Laberio  iudicaretur. 
(3)  huius  Publilii  sententiae  feruntur  pleraeque  lepidae  et  ad  communem  ser- 
monum  usum  commendatissimae ,  ex  quibus  sunt  istae  singulis  versibus  cir- 
cumscriptae  usw.  Daß  seine  Gnomen  von  den  Deklamatoren  der  augusteischen 
Zeit  lebhaft  bewundert  wurden,  bezeugt  Seneca  d.  Ae.,  zB.  controv.  7,  2,  14. 
7,  3,  8  Cassius  Severus,  summus  Publili  amator,  aiebat  non  illius  hoc  Vitium 
esse  (nämlich  raffiniert  zugespitzte  sententiae),  sed  eorum,  qui  illum  ex  parte 
qua  transire  deberent  imitarentur ,  non  quae  apud  eum  melius  essent  dieta 
quam  apud  quemquam  comicum  tragicumque  aut  Bomanum  aut  Graecum. 
Sen.  de  tranq.  an.  11,  8  Publilius,  tragicis  comicisque  vehementior  ingeniis, 
quotiens  mimicas  ineptias  et  verba  ad  summam  caveam  speetantia  (auf  die 
Galerie  berechnet)  reliquit,  inter  multa  alia  cothurno,  non  tantum  sipario, 
fortiora  et  hoc  ait.  epist.  8,  8  quantum  disertissimorum  versuum  inter  mimos 
iacetl  quam  multa  Publilii  non  excalceatis,  sed  cothurnatis  dicenda  sunt! 
Bei  Petron.  c.  55  wird  die  Frage  aufgeworfen:   quid  putas  inter  Ciceronem 


§  212.  Publilius  Syrus  513 

et  Publilium  interesse?  Vgl.  §  8,  6.  Auch  Zeitanspielungen  scheint  Publilius 
gelegentlich  angebracht  zu  haben;  solche  auf  Caesars  Tod  bezeugt  Cic. 
Att.  14,  2,  1.  Vgl.  14,  3E.  Vgl.  die  Zeugnisse  für  Publilius  in  WMeyers 
Ausg.  p.  1. 

4.  Von  den  Stücken  des  Publilius  sind  nur  zwei  Titel  bekannt:  Non. 
133,  7  Publili  putatoribus  (die  Gärtner)  und  Prisc.  GL.  2,  532,  25  Publius 
in  murmunthone.  Das  erklärt  sich  wohl  nicht  daraus,  daß  er  vorzugsweise 
Schauspieler  und  Improvisator  war  und  seine  Stücke  fast  nur  in  Bühnen- 
exemplaren umliefen,  sondern  aus  dem  geringen  Interesse  der  Grammatiker 
für  seine  wenige  Glossen  enthaltende  Sprache.  Die  zahlreich  in  seinen 
Stücken  enthaltenen  kernigen  Sprüche  wurden  bereits  im  ersten  christlichen 
Jahrh.  (Gellius  17,  14  kennt  schon  eine  Sammlung)  zusammengestellt  und 
herausgegeben.  Die  bei  Gellius  aO.  aus  Publilius  mitgeteilten  14  einzeili- 
gen Sprüche  kehren  (bis  auf  einen)  in  noch  vorhandenen  Spruchsammlun- 
gen wieder,  auch  die  von  den  beiden  Seneca  als  publilisch  genannten  fünf 
Sprüche  finden  sich  darin.  Danach  hat  man  den  Inhalt  jener  Sammlungen, 
obwohl  keine  Hs.  den  Publilius  als  Verfasser  nennt,  dennoch  dem  Grund- 
stock nach  mit  Recht  auf  Publilius  zurückgeführt,  und  dies  wird  bestätigt 
durch  die  Exzerptensammlung  des  cod.  Veron.  168  s.  XIV  (Flores  moralium 
autoritatum),  die  60  Verse  mit  den  Herkunftsangaben:  Publius,  ex  sententiis 
Publii,  Publius  Syrus,  Publius  mimus  bietet.  Danach  war  etwa  der  ursprüng- 
liche Titel:  Publilii  Syri  mimi  sententiae.  Von  diesen  60  Versen  sind  16 
aus  anderen  Quellen  nicht  bekannt.  WMeyer,  die  Samml.  d.  Spruchverse 
(1877)  47.  61;  doch  hatte  schon  Maffei,  de'  teatri  antichi  e  moderni  (Ve- 
rona 1753)  118  aus  derselben  Veroneser  Hs.  von  jenen  16  Versen  12  ver- 
öffentlicht (Loewe,  RhM.  34,  624).  —  Die  uns  erhaltenen  Sammlungen  bieten 
ungefähr  700  Sprüche  (einzeilig,  meist  iambische  Senare,  doch  auch  trochä- 
ische Septenare)  und  sind  verschiedenartige  Auszüge  aus  einer  alphabetisch 
geordneten  Ursammlung,  aus  der  (unmittelbar  oder  mittelbar)  der  Schreiber 
des  cod.  Veron.  geschöpft  hat.  Über  den  Zusammenhang  mit  griechischer 
Spruchweisheit  Andeutungen  bei  Nauck,  Mel.  Greco-rom.  3  (Petersb.  1872) 
187;  vgl.  Scheibmaier  (A.  6)  19. 

5.  Die  erste  Redaktion  (bei  WMeyer  27),  zB.  in  den  Parisini  2676 
s.  X— XI  und  7641  s.  X,  gibt  265  Sprüche  von  A— N.  Als  Ersatz  für  die 
zweite  früh  verlorene  Hälfte  (welche  die  Sprüche  von  0 — V  enthielt)  wur- 
den 149  prosaische  Sentenzen,  meist  aus  Seneca  de  moribus  (§  289,  10)  auf- 
genommen. Diese  ganze  Sammlung  erhielt  nach  dem  bekannteren  Verfasser 
den  Titel  Sententiae  (oder  Proverbia)  Senecae.  Die  zweite  Redaktion  (JT) 
enthielt  über  450  Verse;  der  Vaticano-Palatinus  239  s.  X — XI  enthält  von 
dieser  Redaktion  die  Buchstaben  A — I.  Der  Rest  läßt  sich  aus  dem  Frisin- 
gensis  (s.  u.)  gewinnen.  Die  dritte  (Z)  stark  umgestaltete  findet  sich  in 
einem  Turic.  C  78  s.  X  von  C— V:  den  Anfang  dazu  (A— D)  gibt  Monac. 
6369  s.  XI:  im  ganzen  137  Sprüche,  darunter  50,  die  in  den  anderen  Samm- 
lungen fehlen.  Vollständig  herausg.  von  WMeyer,  SB.  Münch.  Ak.  1872  2, 
538.  Über  den  dem  Monac.  ähnlichen  Vatic.  Reg.  1762  s.  IX  s.  WMeyer, 
Abh.  Münch.  Ak.  17,  1,  22.  —  Das  vollständigste  Corpus  (W)  ist  das  aus  der 
Verbindung  der  ersten  und  zweiten  Redaktion  entstandene  des  cod.  Fri- 
singensis  (jetzt  Monac.  6292)  s.  XI,  im  ganzen  649  Verse.    Benutzt  wurde  der 

Teuffei:  röm.  Literaturgesch.     Neub.  6.  Aufl.  I.  33 


514  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

Frisingensis  schon  (von  JGretser)  in  der  Ingolstädter  Ausg.  v.  1600.  —  Da 
die  Sprüche  fast  durchaus  aus  allgemeinen  Klugheitsregeln  und  Sätzen  all- 
täglicher Lebensanschauung  bestehen,  und  Seneca  (ep.  33,  7)  schreibt:  pueris 
sententias  ediscendas  damus,  so  ist  es  glaublich,  daß  die  Sammlung  in  den 
Schulen  verwendet  wurde.  So  zitiert  Hieronymus  epist.  ad  Laetam  107  (1, 
679  Vall.)  den  jetzt  durch  den  cod.  Veron.  als  publilisch  erwiesenen  Vers 
Aegre  reprehendas  quod  sinas  consuescere  und  fügt  hinzu:  legi  quondam  in 
scholis  puer.  —  Die  älteren  Ausgaben  (s.  Wölfflin,  Phil.  22,  454.  WMeyers 
Ausg.  p.  14)  sind  wegen  ihrer  Vermischung  der  verschiedenen  Bestandteile 
und  wegen  starker  Interpolation  heute  unbrauchbar.  Erste  urkundliche  Aus- 
gabe: Publilii  Syri  sententiae  rec.  Wölfflin,  Lps.  1869.  Revisionen  von 
ORibbeck  in  den  Com.  lat.2  p.  309  (nebst  p.  lxxxix.  cxxxiii;  dagegen  richtig 
WMeybr,  Beobacht.  des  Versakzents,  Abh.  Münch.  Akad.  17,  1,  21)  und 
ASpengel,  Berl.  1874.  Neue  Rezension  von  WMeyer,  Lpz.  1880  (mit  voll- 
ständigem Apparat  und  Wortindex).  —  Publ.  Syr.  sententiae,  rec.  ill.  OFrie- 
drich;  acc.  Caecilii  Balbi,  Pseudosenecae,  proverbiorum  falso  inter  Publi- 
lianas  receptae  sententiae,  Berl.  1880.  Ed.  Bickford-Smith,  Lond.  1895.  Vgl. 
noch  besonders  WMeyer,  die  Sammlungen  der  Spruchverse  des  Publilius, 
Lpz.  1877  S  ferner  Wölfflin,  Phil.  11,  191.  16,  618.  22,  437;  phil.  Anz.  9,51. 
CHartung,  Phil.  37,  569. 

6.  Aus  der  Ursammlung  (A.  4E.)  ist  auch  eine  Reihe  von  Publilius- 
Sprüchen  in  eine  Sentenzensammlung  übergegangen,  die  in  doppelter  (län- 
gerer und  kürzerer)  Fassung  handschriftlich  vorliegt  (zB.  im  Frisingensis, 
jetzt  Monac.  6292  s.  XI;  Paris.  2772  s.  X).  Gedruckt  als  Caecilii  Balbi 
de  nugis  philosophorum  quae  supersunt  prim.  ed.  Wölfflin,  Bas.  1855. 
Dieser  Verfassername  und  Titel,  den  Wölfflin  nach  ChPetersen,  Verh.  d. 
Kasseler  Phil.-Vers.  1844,  109  der  ohne  Namen  überlieferten  Sammlung  aus 
Ioannes  Saresber.  (Policrat.  3,  14)  beilegte,  beruht  auf  einem  Irrtume:  s. 
Reifferscheid,  RhM.  16,  12,  Wölfflin  ebd.  615  und  PRE.  I2,  2244.  Wis- 
sowa,  PW.  3,  1196.  In  Wahrheit  ist  der  sog.  Caecilius  Baibus  in  seinem 
Hauptbestand  eine  antike  lateinische  Übersetzung  einer  griechischen  Gnomen- 
sammlung, deren  Benutzung  sich  zuerst  im  9.  Jahrh.  nachweisen  läßt  (Traube, 
Abh.  bayr.  Ak.  19,  2,  369):  s.  WMeyer,  die  Samml.  d.  Spruchv.  d.  Syr.  45. 
Scheibmaier,  de  sententiis  quas  dicunt  Caecilii  Balbi,  Münch.  1879.  Über 
die  in  diese  Übersetzung  später  eingeschobenen  Publilius-Verse  s.  Meyer 
aO.  44.    Scheibmaier  aO.  27.    Auch  OFriedrich  (A.  5)  10.  81. 

7.  Sen.  ep.  93,  9  paucorum  versuum  Über  est  (das  kurze  Leben  des  Me- 
tronax),  et  quidem  laudandus  atque  utilis.  annales  Tanusii  scis  quam  pon- 
derosi  sint  et  quid  vocentur.  hoc  est  vita  quorundam  longa  et  quod  Tanusii 
sequitur  annales.  Hier  ist  nach  der  Ansicht  von  Haupt,  op.  1,  71.  Schwabe, 
quaest.  Cat.  278  mit  quid  vocentur  hingewiesen  auf  Catull.  36,  1  annales 
Volusi,  cacata  Charta  (vgl.  ebd.  6  electissima  pessimi  poetae  scripta;  19  plena 
ruris  et  inficetiarum,  und  95,  7  Volusi  annales  Paduam  morientur  ad  ipsam, 
d.  h.  in  der  Heimat  des  Verf.)  und  Volusius  dann  eine  Verhüllung  des  wirk- 
lichen Namens  Tanusius.  Dagegen  Sonnenburg,  Hist.  Unters,  für  ASchäfer, 
Bonn  1882,  158,  der  die  Gleichung  Volusius  =  Tanusius  mit  Recht  be- 
streitet; s.  LSchwabe,  JJ.  129,  380.  Die  Annalen  des  Volusius,  vielleicht 
des  §  209,  11    genannten,    waren   eine   Dichtung  im   ennianischen  Stile.  — 


§  212.  Tanusius,  Caliclus.    §  212  a.  Die  Neoteriker  515 

Tanusius  schrieb  vielleicht  erst  nach  Caesars  Tode  eine  historia  (§  210),  er- 
wähnt von  Suet.  Iul.  9  (Tannusius  Geminus  in  historia),  Strako  17,  829 
(wo  statt  r<xßiviog  6  t&v  'Pcoiuxicov  ovyyQcccpsvg  nach  der  besten  Hs.  Tavvoiog 
zu  lesen  ist,  vgl.  Niese,  RhM.  38,  601)  und  Plut.  Caes.  22.  Sie  behandelte 
die  letzte  Vergangenheit  (fr.  1  bezieht  sich  auf  Sertorius)  und  war  Caesar 
nicht  günstig.  Vielleicht  ist  der  bei  Macr.  sat.  1,  61,  33  genannte  Geminus 
gleichfalls  dieser  Tanusius,  s.  Schwabe,  JJ.  aO.  385.  —  HRR.  2,  lxv.  49. 
HRF.  239.    RUnger,  de  Tanusio  Gemino,  Friedland  1855. 

8.  Nep.  Att.  12,  4  L.  lulium  Calidum,  quem  post  Lucretii  Catullique 
mortem  multo  elegantissimum  poetam  nostram  tulisse  aetatem  vere  videor  posse 
contendere,  neque  minus  virum  bonum  optimisque  artibus  eruditum,  post 
proscriptionem  equitum  (nachdem  die  Liste  der  Geächteten  aus  dem  Ritter- 
stande bereits  geschlossen  war)  propter  magnas  eins  Africanas  possessiones 
in  proscriptorum  numerum  a  P.  Volumnio  praefecto  fabrum  Antonii  absen- 
tem  relatum  expedivit  (Atticus).  Nepos  überschätzt  freundschaftlich  diesen 
sonst  nie  genannten  Dichter.  Möglicherweise  ist  er  mit  dem  von  Cicero  (ep. 
13,  6,  3  J.  56)  an  Valerius  Orca  procons.  Afr.  empfohlenen  L.  Iulius  aus 
Afrika  zu  vereinigen. 

212  a.  Die  Dichtung  dieser  Zeit  wird  von  einem  Kreise  gleich- 
stehender Genossen  beherrscht,  die  als  ihr  Haupt  den  Valerius 
Cato  ansehen  (§  200).  Sie  zeigen  in  sachlicher  wie  formaler  Hin- 
sicht eine  starke  Ähnlichkeit  und  treten  nach  außen  als  eine  Klique 
auf,  die  ihren  Mitgliedern  Schutz  und  Förderung  gewährt  und  die 
Gegner  rücksichtslos  angreift.  Als  ihre  eigentlichen  Vorbilder  be- 
trachten sie  die  alexandrinischen  Dichter,  unter  denen  die  dunkelsten 
und  gelehrtesten  ihnen  die  liebsten  sind-,  daher  pflegen  sie  nament- 
lich das  mythologische  Epyllion,  daneben  Elegie  und  Epigramm, 
in  einzelnen  Fällen  greifen  sie  auch  auf  die  ältere  griechische  Lyrik 
zurück.  Namentlich  aber  suchen  sie  die  formale  Technik  der  Ale- 
xandriner getreu  nachzuahmen  und  brechen  daher  grundsätzlich 
mit  den  prosodischen  Freiheiten,  welche  die  römische  Poesie  durch 
den  Anschluß  an  die  gesprochene  Sprache  genossen  hatte.  So  konse- 
quent aber  das  Bestreben  erscheint,  eine  Poesie  zu  schaffen,  an  der 
außer  der  Sprache  nichts  lateinisch  ist,  so  wenig  lassen  sich  bei 
der  Ausführung  die  national-römischen  Züge  zurückdrängen,  und 
der  begabteste  Dichter  dieses  Kreises  ist  innerlich  von  dem  Alexan- 
drinismus  so  wenig  berührt,  daß  er  unter  allen  römischen  Dichtern 
die  stärkste  Eigenart  zeigt. 

1.  Daß  auch  die  Zeitgenossen  diesen  Dichterkreis  als  eine  Einheit 
empfanden,  zeigen  die  Äußerungen  Ciceros.  Tusc.  3,  45  (von  Ennius)  o  poe- 
tam egregium!  quamquam  ab  liis  cantoribus  Euphorionis  contcmnitur.  Att. 
7,  2,  1  (J.  50)  ita  belle  nobis  flavit  ab  Epiro  Jenissimus  Onchesmites.  hunc 
G7tovdeid£ovtcc,  si  cui  voles  t&v  vsarsgcov,  pro  tuo  vendito.    Orat.   1(51  eorum 

33* 


516  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

verborum,  quorum  eaedem  erant  postremae  duae  litterae  quae  sunt  in  opti- 
mus,  postremam  litter  am  detraliebant,  nisi  vocalis  insequebatur :  ita  non  erat 
ea  offensio  in  versibus,  quam  nunc  fugiunt  poetae  novi.  Die  Abneigung  gegen 
Ennius  hat  einen  stofflichen  und  einen  formalen  Grund.  Einmal  erschien 
er  als  der  Vertreter  des  kyklischen  Epos,  das  man  nach  dem  Vorgange  des 
Kallimachos  verwarf  —  ein  Urteil,  das  auch  Ciceros  epische  Gedichte,  die 
annales  Volusi  (§  212,  7)  u.  a.  traf.  An  den  Versen  des  Ennius  störten  me- 
trische Unbeholfenheiten  und  prosodische  Freiheiten  wie  der  Abwurf  des  s, 
den  sich  Catull  nur  noch  einmal  gestattet  (c.  116,  8).  Als  Nachahmer  des 
Euphorion  kennen  wir  besonders  Cornelius  Gallus,  und  ihn  mag  Cicero  an 
jener  Stelle  im  Auge  haben:  auch  Parthenios  (§  213,  3)  wandelte  ganz  in 
den  Bahnen  des  Euphorion.  Dieser  zeigt  auch  die  Vorliebe  für  67tovdsLd£ovTs$, 
die  wir  dann  bei  den  Neoterikern  wiederfinden  (Skutsch,  Aus  Verg.  Früh- 
zeit 74).  Lieblingsgattungen  dieser  Dichter  sind  das  Epyllion  (Heumann,  De 
epyllio  Alexandrino,  Lpz.  1904),  das  Epigramm  und  das  Epithalamium ;  ein 
Lieblingsmaß  der  Hendekasyllabus ,  der  auch  erst  von  Alexandrinern  (Pha- 
laikos)  wieder  aufgebracht  worden  war. 

2.  Die  historische  Bedeutung  der  Neoteriker  liegt  vornehmlich  darin, 
daß  sie  mit  ihren  formalen  Forderungen  durchgedrungen  sind:  nach  ihnen 
gibt  es  keinen  Abwurf  des  s  mehr,  keine  Iainbenkürzung,  keine  Senare,  an 
deren  Stelle  jetzt  der  Trimeter  tritt  (doch  s.  §  284,  3).  Aber  auch  für  viele 
andere  Einzelheiten  der  Technik  werden  sie  maßgebend,  und  die  auguste- 
ische Poesie  steht  auf  ihren  Schultern:  dabei  spielen  Cornelius  Gallus  und 
Asinius  Pollio  (Catull  12,  6)  eine  wichtige  Vermittlerrolle.  Als  cantores  Eu- 
phorionis  hat  Bährens  FPR.  317  diese  Dichter  zusammengestellt;  auch  die 
Ciris  (§  230,  2)  zeigt  alle  Eigentümlichkeiten  der  neoterischeHilPoesie. 

\TlsJjl  213.  Zu' den  Vertretern  dieser  Richtung  gehören 'Ticidas,  der 

.■        *  Verfasser  von  Liebesgedichten  (auf  Perilla),  sowie  C.  Helvius  Cinna, 

//*       /)        der  in  seinem  mythologischen  Epos  Zmyrna  und  seinem  Propemp- 

rW'#yy«t/f  tikon  für  Asinius  Pollio  mühsam  auf  den  Pfaden  der  gelehrten 
alexandrinischen  Dichter  einherschritt,  namentlich  aber  ein  anderer 
Freund  Catulls,   der  reichbegabte,   charaktervolle   und   schneidige 

hf\  \aGAla  ^'  ^cm^us  Calvus  (J.  82 — 47),  der;  ebenso  bedeutend  als  gericht- 
licher Redner  wie  als  Dichter,  auf  beiden  Gebieten  seine  große  na- 
türliche Lebhaftigkeit  mit  Bewußtsein  durch  künstlerische  Zucht  in 
Schranken  hielt.  In  der  Beredsamkeit  huldigte  Calvus  der  neuatti- 
schen  Richtung,  in  der  Poesie  wußte  er  alexandrinische  Formstrenge 
mit  Leidenschaftlichkeit  des  Inhaltes,  in  Liebe  wie  in  Haß,  zu  ver- 
einigen in  der  Weise  des  Catull  und  ihm  am  meisten  ebenbürtig. 

1.  Ovid.  trist.  2,  433  (nach  Catullus  und  Calvus,  vor  Cinna)  quid  referam 
Ticidae,  quid  Memmi  Carmen,  apud  quos  rebus  abest  nomen  nominibusque 
pudor?  Apul.  apol.  10  accusent  . .  Ticidam  similiter,  quod  quae  Metella  erat 
Perillam  scripserit.  Pentameter  des  Ticidas  zum  Preise  von  Valerius  Catos 
Lydia  bei  Suet.  gr.  11.  Ticidas  neben  Furius  Bibaculus  und  (Valerius)  Cato 
genannt    ebd.  4.    Prisc.   GL.  2,  189,  2    "sole*    (als    Vokativ)    quoque   antiqui. 


§  213.  Helvius  Cinna  517 

Ticidas  (so  hier  die  Hss.,  bei  Suet.  gr.  11  der  Nominativ  Ticida)  in  hyme- 
naeo:  'felix  lectule  tdlibiis  sole  amoribus.'*  Diese  Gattung  kommt  wohl  durch 
die  Beschäftigung  mit  Sappho  auf,  vgl.  Catull  c.  61. 

2.  C.  (Catull.  10,  30)  Helvius  (Gell.  19,  13,  5)  Cinna  war  mit  Catull 
im  Gefolge  des  Praetors  Memmius  (§  202,  2)  in  Bithynien  (Catull.  10,  29. 
Cinna  fr.  11).  Sonst  ist  aus  seinem  Leben  sehr  wenig  bekannt.  Ob  er  ein 
Landsmann  Catulls  war?  Vgl.  Cinna  bei  Gell.  19,  13,  5  at  nunc  me  Cenu- 
mana  (die  Cenomani  wohnten  um  Verona  und  Brixia)  per  salicia  bigis  raeda 
rapit  citata  nanis.  Kiessling  aO.  353  denkt  an  Brixia  als  Geburtsort:  dort 
war  die  gens  Helvia  nach  den  Inschriften  stark  verbreitet.  Flut.  Brut.  20 
nennt  den  bei  Caesars  Leichenfeier  (J.  44)  aus  Verwechslung  mit  L.  Corne- 
lius Cinna  (PW.  4,  1287)  irrtümlich  erschlagenen  caesarisch  gesinnten  Volks- 
tribunen Cinna  (C.  Helvius  Cinna  heißt  er  bei  Val.  Max.  9,  9,  1 ;  Helvius 
Cinna  bei  Suet.  Iul.  85,  vgl.  52.  Cassius  Dio  44,  50)  zum  Unterschied  von 
jenem  Cornelius  Cinna  einen  non\x ixbg  ScvrjQ.  Danach  ist  die  Identität  des 
gleichnamigen  und  gleichzeitigen  Volkstribuns  mit  unserem  Dichter  von 
vornherein  sehr  wahrscheinlich.  Eine  kleine  Schwierigkeit  macht  freilich 
die  Stellung  des  Volkstribuns  auf  Caesars  Seite,  insofern  wir  bei  dem 
Freunde  Catulls  eher  caesarfeindliche  Haltung  voraussetzen,  was  bestätigt 
würde,  falls  in  Catulls  Ged.  113,  das  an  Cinna  gerichtet  ist,  Mucillam  zu 
schreiben  und  ein  Angriff  auf  Caesar  zu  erblicken  wäre:  doch  könnte  auch 
Cinna  wie  Catull  (§  214,  5)  sich  später  mit  Caesar  ausgesöhnt  haben.  Er 
müßte  allerdings  zugleich  zu  seinem  eifrigsten  Parteigänger  geworden  sein. 
Vgl.  auch  S.  283  §  192,  5.  Verg.  ecl.  9,  35  widerspricht  jenem  plutarchi- 
schen  Hauptzeugnis  nicht  unbedingt,  sofern  daraus  nicht  mit  Notwendig- 
keit folgt,  daß  zur  Zeit  der  Abfassung  jenes  Gedichts  (J.  40)  Cinna  noch 
am  Leben  war.  Kiessling  aO.  353.  Über  das  Ansehen  Cinnas  als  Dichter 
vgl.  auch  Valgius  in  schol.  Veron.  Verg.  ecl.  7,  22  (§  233,  1).  Mit  den 
Quellen  unvereinbar  ist  die  Auskunft  Ribbecks  (röm.  Dicht.  1,  343),  es  sei 
nicht  Helvius  Cinna,  sondern  Cornelius  Cinna  bei  Caesars  Leichenfeier  ge- 
tötet worden;  s.  LSchwabe,  Phil.  47,  169. 

3.  Hauptwerk:  Smyrna  (Zmyrna),  die  Sage  von  der  unnatürlichen  Liebe 
der  Smyrna  (Myrrha)  zu  ihrem  Vater  Kinyras  behandelnd,  also  schon  dem 
Stoife  nach  alexandrinisch.  Daß  Cinna  an  diesem  Epos  trotz  seinem  ge- 
ringen Umfange  (Catull.  95,  9.  Serv.  Verg.  ecl.  9,  35  Smyrnam,  quem  libel- 
lum  decem  annis  elimavit),  neun  Jahre  feilte  (Catull.  95.  Quint.  10,  4,  4. 
Porphyr.  Hör.  AP.  388),  ist  bezeichnend  für  seine  Richtung  auf  mühsames 
Ausklügeln  von  Inhalt  und  Form.  Die  Folge  war,  daß  L.  Crassicius  (§  263,  2) 
einen  Kommentar  dazu  verfaßte.  Mart.  10,  21,  4  non  lectore  tuis  opus  est, 
sed  Apolline  Ubris:  iudice  te  maior  Cinna  Marone  fuit.  Nachahmung  durch 
den  Dichter  der  Ciris  macht  Sudhaus,  Herrn.  42,  493  wahrscheinlich.  Unter 
den  Liebesdichtern  nennt  ihn  Ovid.  trist.  2,  435  Cinna  quoque  Ms  comes  est 
(vgl.  A.  1);  daß  die  betreffenden  Gedichte  illepida  waren,  ist  dem  Gellius 
(s.  §  31,  1)  ebenso  zu  glauben  wie  daß  C.  non  ignobilis  neque  indoctus  poeta 
(Gell.  19,  13,  6)  war.  Lyrisches:  Gell.  9,  12,  12  Cinna  in  poematis  (Hink- 
iambus);  ebs.  19,  13,  5  (Hendekasyllaben).  Non.  87,  27  Cinna  in  epigramma- 
tis;  bei  Isidor.  orig.  6,  12,  2  steht  ein  Epigramm  Cinnas,  geschrieben  zur 
Begleitung  eines  Geschenks,  eines  aus  Bithynien  (A.  2)  mitgebrachten  Exem- 


518  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

plars  oder  einer  Übersetzung  von  Aratos'  <frcav6[i£vu.  Traube,  Festschr.  f. 
Christ  372.  Bei  Charis.  GL.  1,  124  vier  Hexameter  aus  Cinnas  Propempti- 
con  Pollionis  (des  jungen  Asinius  Pollio  §  221,  für  eine  Reise  nach  Griechen- 
land, s.  Kiessling  aO.  352.  Cichorils,  Unters,  zu  Lucil.  259).  Erklärung  zu 
diesem  Gedichte  von  Hyginus  (Charis.  GL.  1,  134,  12  lulius  Hyginus  in 
Cinnae  propemptico).  Der  damals  in  Rom  lebende  Parthenios,  der  die  römi- 
schen Dichter  mannigfach  beeinflußte  (§  150,  6.  230,  2.  3.  230,  3,  1),  schrieb 
auch  ein  Ttqon^Tcxi-Aov  (Steph.  Byz.  s.v.  KwQvxog'  %6%i<s  Kikmiag.  JJccQd'ivLog 
7tQ07rsinzxt,H<p).  Ob  Cinna  mit  ihm  in  engerer  Verbindung  stand?  Parthenios 
iXtfcpfh)  vnb  Kivvcc  IctcpvQOV ,  oxs  Mi&Qiduxriv  *Pa)yLuioi  y.ax87toXi{ir\6civ  (Suid. 
s.  v.).  Kiessling  352  erklärt ,  Cinnas  Vater  habe  den  Parthenios  faus  der 
Beute  gekauft';  das  können  die  Worte  aber  nicht  heißen;  man  möchte  Zvlla. 
statt  Klvva  einsetzen.  Hillscher  JJ.  Suppl.  18,  404.  —  Im  allg.  Weichert, 
poet.  lat.  vitae  (Lps.  1830)  147;  die  Überreste  von  Cinnas  Gedichten  ebd. 
187,  in  LMullers  Catull  87.  FPR.  323.  —  AKiessling,  de  C.  Helvio  Cinna 
poeta,  Comment.  Mommsen.  351.    Skutsch,  PW.  8,  226. 

4.  Gleichfalls  mit  einem  Gedichte  mythologischen  Inhalts,  etwa  in  epi- 
scher oder  galliambischer  Form  (§  214,  6  Z.  26),  auf  Kybele,  beschäftigte 
sich  —  nach  Catull.  35,  13  —  ein  anderer  Freund  Catulls,  Caecilius  in 
Novum  Comum,  ohne  daß  aber  bekannt  wäre,  ob  es  jemals  fertig  gestellt 
und  veröffentlicht  worden  ist.  —  Hierher  gehört  auch  Varus,  der  literarisch 
gebildete  Freund  Catulls  (22;  vgl.  10),  den  .man  gewöhnlich  mit  Alfenus,  dem 
Adressaten  von  c.  30  vereinigt  (§  208,  3):  ebensowohl  kann  man  ihn  halten 
für  den  von  Hieronymus  zu  J.  1994  (Freherian.  zu  1993)  =  23  erwähnten: 
Quintilius  Cremonensis  Vergili  et  Horati  familiaris  moritur,  auf  dessen  Tod 
sich  Horaz.  c.  1,  24  bezieht  (ad  Vergüium),  der  ihm  als  feinem  Kunstrichter 
auch  AP.  438  ein  Denkmal  gesetzt  hat;  Porphyr.  zdSt.:  hie  erat  Quintilius 
Varus  Cremonensis  (poeta  Cremonensis  Acro  und  comment.  Cruquii)  amicus 
Vergilii,  eques  Bomanus.  Schwabe,  quaest.  Catull.  289.  —  Aus  den  Cretica 
eines  Unbekannten  (de  qua  in  creticis  f  versibus)  vier  Hexameter,  davon  ein 
67tovdELccg<ov,  bei  Hygin.  fab.  177.    Bährens  misc.  crit.  19.    FPR.  327. 

5.  C.  Licinius  Macer  (Cic.  ad  Q.  fr.  2,  4,  1)  Calvus  (mit  doppeltem 
Zunamen;  s.  Drumann,  GR.  4,  208),  Sohn  des  Annalisten  Licinius  Macer 
(§  156,  4),  Val.  Max.  9,  12,  7.  Geboren  am  28.  Mai  82;  s.  §  209,  5.  Ander- 
seits setzt  Ciceros  Brief  an  Trebonius,  ep.  15,  21,  4  (J.  47),  den  nicht  lange 
vorher  erfolgten  Tod  des  Calvus  voraus;  vgl.  unten  die  Stelle  aus  Cic.  Brut, 
(verfaßt  J.  46).  Seneca  contr.  7,  4,  7  erat  (Calvus)  parvolus  statura,  propter 
quod  etiam  Catullus  in  liendecasyllabis  (53,  5)  vocat  illum  ' salaputtium  diser- 
tumy  (vgl.  des  Wortes  wegen  C.  lulius  P.  f.  Salaputis  CIL.  8,  10570).  Daher 
Ovid.  trist.  2,  431  exigui  Calvi.  Von  seiner  klugen  und  liebenswürdigen 
Persönlichkeit  legen  Catulls  Gedichte  an  ihn  (A.  7)  Zeugnis  ab.  Allgemeine 
Charakteristik  des  Calvus  Cic.  Brut.  279  facienda  mentio  est  . .  duorum  ado- 
lescentium  qui,  si  diuiius  vixissent,  magnam  essent  eloquentiae  laudem  con- 
secuti,  nämlich  C.  Curio  (§  209,  1)  und  C.  Licinius  Calvus.  283  Calvus  .  . 
orator  fuit  cum  litteris  eruditior  quam  Curio  tum  etiam  aecuratius  quoddam 
dicendi  et  exquisüius  afferebat  genus.  quod  quamquam  scienter  eleganterque 
traetabat,  nimium  tarnen  inquirens  in  se  atque  ipse  sese  observans  metuens- 
que,  ne  viiiosum  colligeret,  etiam  verum  sanguinem  deperdebat.    itaque  eius 


§  213.  Licinius  Calvus  519 

oratio  nimia  religione  attenuata  doctis  et  attente  audientibus  erat  illustris,   a 
multitudine  autem  et  a  foro  . .  devorabatur.    (284)  Tum  Brutus:  Atticum  se, 
inquit,  Calcus  noster  dici  oratorem  volebat;  inde  erat  ista  exilitas,  quam  ille 
de  industria  consequebatur.    ep.  15,  21,  4  genus  quoddam   sequebatur  in  quo, 
iudicio  lapsus  quo  valebat,  tarnen  assequebatur  quod  probarat.    multae  erant 
et  reconditae  litterae,  vis  non  erat.    . .  de  ingenio  eius  valde   existimavi  bene. 
Vgl.  Tac.  dial.  18  (s.  §  210,  2).    Quint.  10,  1,  115   inveni  qui  Calvum  prae- 
ferrent  omnibus.    .  .  est  (Calvi)  et  sancta  (vgl.  12,  10,  11)  et  gravis  oratio  et 
frequenter  vehemens  quoque.    imitator  autem  est  Atticorum  fecitque  Uli  pro- 
perata  mors  iniuriam.    Sen.  contr.  7,  4,  6  Calvus,  qui  diu  cum  Cicerone  ini- 
quissimam  litem  de  principatu  eloquentiae  habuit,  usque  eo  violentus  actor  et 
concitatus  fuit,  ut  in  media  eius  actione  surgeret  Vatinius  reus  et  exclamaret 
*rogo  vos  iudices  num,  si  iste  disertus  est,  ideo  nie  damnari  oportet9  . .  sole- 
bat praeterea  excedere   subsellia  sua  et  impetu  latus  usque  in  adversariorum 
partem  transcurrere.    . .  compositio   quoque  eius  in   actionibus  ad   exemplum 
Demosthenis  riget:  nihil  in  illa  placidum,   nihil  lene  est,   omnia  excitata  et 
fluctuantia.    Das  widerspricht  freilich  dem  theoretischen  Attizismus,  der  viel- 
leicht teilweise  aus  dem  Antagonismus  gegen  Cicero  entsprang.    Die  andere 
Seite,  die  knappe  Form,  heben  hervor  auch  Tac.  dial.  25  (adstrictior),  Apül. 
apol.  95  (argutiae);  dagegen  Fronto  p.  114  Nab.  in  iudiciis  .  .  Calvus  rixa- 
tur.  —  Suet.  Aug.  72  habitavit  primo  in  domo,  quae  Calvi  oratoris  fuerat. 

6.  Tac.  dial.  21  ipse  mihi  (einem  Verfechter  der  neumodischen  Bered- 
samkeit) Calvus,  cum  unum  et  viginti,  ut  puto,  libros  (dh.  Reden)  reliquerit, 
vix  in  una  et  altera  oratiuncula  satisfacit.  nee  dissentire  ceteros  ab  hoc  meo 
iudicio  video:  quotus  enim  quisque  Calvi  in  Asitium  (PW.  2,  1579?)  aut  in 
Drusum  legit?  at  hercle  in  omnium  studiosorum  manibus  versantur  aecusa- 
tiones,  quae  in  Vatinium  inscribuntur,  ac  praeeipue  seeunda  (es  waren  also 
mindestens  drei)  ex  his  oratio;  est  enim  verbis  ornata  et  sententiis,  auribus 
iudicum  aecommodata.  ebd.  34  uno  et  vicesimo  (aetatis  anno)  Caesar  Dola- 
bellam,  alter o  et  vicesimo  Asinius  Pollio  C.  Catonem,  non  multum  aetate 
antecedens  Calvus  Vatinium  iis  orationibus  insecuti  sunt,  quas  hodie  quoque 
cum  admiratione  legimus.  Vgl.  Quint.  12,  6,  1  cum  . .  Calvus,  Caesar,  Pollio 
multum  ante  quaestoriam  omnes  aetatem  (damals  das  30.  Lebensjahr)  gra- 
vissima  iudicia  suseeperint.  Den  P.  Vatinius  hat  Calvus  mehrere  Male  an- 
geklagt, das  erste  Mal  J.  58  (ex  lege  Licinia  Iunia?),  dann  de  ambitu  e 
lege  Tullia  (J.  56?),  darauf  lege  Licinia  de  sodaliciis  im  Juli  54,  als  Cicero 
den  Angeklagten  verteidigte  (ep.  1,  9,  4.  19);  s.  Nipperdey,  op.  330.  GMat- 
thies,  Comment.  philol.  (Lps.  1874)  99.  Bährens,  commentar.  Cat.  p.  264. 
BSchmidt,  Catull.  p.  lv.  So  verteidigte  Calvus  auch  J.  56  den  P.  Sestius 
(Schol.  Bob.  p.  125,  25  St.),  ein  andermal  den  Messius,  und  nach  Sen.  aO. 
war  der  Epilog  zu  dieser  Rede  non  tantum  emollitae  compositionis  sed  in- 
fraetae.  —  Tac  dial.  23  isti  (Altertümler)  qui  rhetorum  nostrorum  conimen- 
tarios  fastidiunt  oderunt,  Calvi  mirantur:  hier  sind  schwerlich  Arbeiten  des 
Calvus  zur  Rhetorik  gemeint,  auch  nicht  der  gelehrte  Briefwechsel,  den 
Calvus  mit  Cicero  über  Fragen  der  Beredsamkeit  führte  (s.  §  210,  2),  son- 
dern eher  Entwürfe  zu  Reden  (§  180,  3).  Nipperdey  aO.  313  liest  L.  Aeli 
(§  148)  statt  Calvi,  Harnecker,  JJ.  125,  604.  —  MKrüger,  Lic.  Calvus  (als 
Redner),  Bresl.  1913. 


520  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

7.  Seneca  contr.  7,  4,  7  carmina  quoque  eius  (des  Calvus),  quamvis  iocosa 
sint,  plena  sunt  ingentis  animi,  wofür  als  Beispiel  ein  scharfes  Wort  gegen 
Pompeius  angeführt  wird;  vgl.  Schol.  Lucan.  7,  726.  Suet.  Iul.  73  Gaio 
Calvo  post  famosa  epigrammata  (vgl.  ebd.  c.  49)  de  reconciliatione  per  ami- 
cos  (Catull?  vgl.  §  214,  5)  agenti  nitro  ac  prior  scripsit.  So  wissen  wir  ron 
Hendekasyllaben  (in  poematis,  zB.  gegen  Q.  Curius  PW.  4,  1840),  und  von 
Choliamben  (gegen  Tigellius).  Anderseits  Liebesgedichte;  s.  §  31,  1.  Ovjd. 
trist.  2,  431  par  (wie  bei  Catulls  Lesbia-Liedern)  fuit  exigui  simüisque  licentia 
Calvi,  detexit  variis  qui  sua  furta  modis.  Vgl.  Prop.  2,  25,  4.  2,  34,  89  haec 
etiam  docti  (also  wohl  in  alexandrinischer  Weise)  confessa  est  pagina  Calvi, 
cum  caneret  miserae  funera  Quintiliae,  die  wohl  seine  Frau  war.  Catull. 
96,  5  certe  non  tanto  mors  immatura  dolori  est  Quintiliae,  quantum  gaudet 
amore  tuo.  Vgl.  Diomed.  GL.  1,  376,  1  Calvus  alibi  (Hb.  I  Riese,  JJ.  105, 
755)  ad  uxorem  (doch  ist  das  folgende  Zitat  prosaisch  und  könnte  höchstens 
aus  einem  Briefe  stammen;  s.  Keil  zdSt.).  Aus  jenen  Klagen  über  den  Tod 
seiner  Frau  (Elegien)  stammt  vielleicht  fr.  15  bei  Charis.  GL.  1,  101  Calvus 
in  carminibus:  cum  iam  fulva  cinis  fuero.  Übrigens  dichtete  auch  Parthe- 
nios  Klagelieder  auf  seine  Gattin  Arete.  Prisc.  GL.  2,  170  Calvus  in  epiifia- 
lamio  (daktylisch),  Charis.  GL.  1,  147  Licinius  Calvus  in  poemate  (glyko- 
neisch).  Auch  der  Freundschaft  war  ein  Teil  seiner  Gedichte  geweiht;  vgl. 
Charis.  GL.  1,  77,  3  Calvus  ad  amicos  (poetisches  Sendschreiben?):  ne  tricli- 
narius.  Außerdem  ein  Epos  Io,  Serv.  Verg.  ecl.  6,  47.  8,  4  Calvus  in  Io, 
(Probus)  GL.  4,  226,  8.  234,  32:  nach  des  Kallimachos  'lovg  aqpt|t??  Schnei- 
ders Callim.  2,  33.  Das  Gedicht  scheint  in  der  Ciris  benutzt;  s.  Sudhaus, 
Herrn.  42,  280.  —  Bei  Martial.  14,  196  Calvi  de  aquae  frigidae  usu  ist, 
nach  der  Umgebung  zu  schließen  (haec  tibi  quae  fontes  et  aquarum  nomina 
dicit  . .  Charta),  wohl  ein  (Lehr)gedicht  gemeint  (Hertz).  Vgl.  Friedländer, 
Mart.  2,  S.  300.  —  Die  Überreste  seiner  Gedichte  an  Lachmanns  (p.  85)  und 
LMüllers  (p.  83)  Catull,  bei  Weichert  aO.  131.  FPR.  320.  Als  einer  der 
begabtesten  Dichter  dieses  Kreises  wird  er  häufig  mit  Catull  zusammenge- 
nannt, zB.  Hör.  sat.  1,  10,  18  simius  iste  nil  praeter  Calvum  et  doctus  can- 
tare  Catullum.  Prop.  2,  25,  4.  34,  87.  Ovid.  am.  3,  9,  62  (cum  Calvo,  docte 
Catulle,  tuo).  trist.;  2,  431.  Plin.  ep.  1,  16,  5.  4,  27,  4.  Gell.  19,  9,  7.  Ge- 
dichte Catulls  an  ihn:  14.  50.  96.  Vgl.  LSchwabe,  quaest.  Catull.  255.  Im 
allgem.  s.  Weichert,  poetar.  lat.  vitae  etc.  89.  RUnger,  Valg.  Ruf.  (1848) 
47.  FPlessis,  essai  sur  Calvus,  Caen  1885.  Plessis  u.  Poirot,  Calvus,  Par. 
1896.    Curcio,  De  Cic.  et  Calvi  genere  die,  Acireale  1899. 

214.  In  C.  Valerius  Catullus  aus  Verona  (J.  87 — um  54)  be- 
sitzt die  römische  Literatur  ihren  größten  lyrischen  Dichter.  Er 
wandelte  auch  in  den  Fußstapfen  der  Alexandriner  und  wird  in  den 
Dichtungen  nach  ihrem  Muster  seine  Hauptleistungen  gesehen  ha- 
ben; aber  seine  wahre  Begabung  entfaltete  er  erst  da,  wo  eigenes 
Empfinden  ihn  zum  Dichten  zwang,  vor  allem  in  der  Liebe  zu 
Lesbia.  Er  ist  einer  der  wenigen  Römer,  denen  das  Dichten  wirk- 
liches Lebensbedürfnis  ist,  der  nichts  war  und  sein  wollte  als  ein 
Dichter.    Zu    gleichmäßiger    Vollendung,    Reife    und    ungetrübter 


§  214.  Catull  521 

Schönheit  durchzudringen  verhinderte  ihn  freilich  sein  lebhaftes 
Temperament  nnd  sein  frühes  Ende;  er  ist  immer  Jüngling  geblie- 
ben, leidenschaftlich  in  Liebe  nnd  Haß,  heißblütig  und  rücksichts- 
los, von  argloser  Hingebung  und  unendlicher  Reizbarkeit,  bald  zart 
bald  derb,  bald  innig  bald  heftig,  die  Schranken  der  Sitte  und  die 
Linie  des  Maßes  kecken  Fußes  überspringend,  ein  unbedachter  lie- 
benswürdiger Wildling:  aber  die  Unmittelbarkeit,  mit  der  der  Dich- 
ter sein  reiches  Innenleben  schildert,  fesselt  und  entzückt  den  Leser. 
Die  umfangreichen  unter  dem  Einfluß  der  Schule  stehenden  Dich- 
tungen zeigen  diese  Eigenschaften  am  wenigsten:  aber  auch  hier 
hält  sich  Catull  von  den  Geschmacklosigkeiten  und  Verirrungen 
der  alexandrinischen  Vorbilder  ziemlich  frei  und  betont  oft  in  wohl- 
tuender Weise  die  allgemein  menschlichen  Züge  (besonders  in  c.  61). 
Unvergleichlich  ist  der  Einklang  von  Stoff  und  Form,  die  Durch- 
sichtigkeit des  Gedankens,  die  Anmut,  Kraft  und  Wärme  des  Ge- 
fühls in  den  kleineren  Liedern,  besonders  den  Hendekasyllaben  und 
lamben,  die  von  der  Laune  des  Augenblicks  geboren  den  Stempel 
eiu es  echten  Dichtergeistes  tragen. 

1.  Die  Hss.  geben  nur  Cognomen  und  Heimat  an  (Catulli  Veronensis 
Über).  Den  Vornamen  bieten  Apul.  apol.  10  (accusent  C.  Catullum,  quod 
Lesbiam  pro  Clodia  nominarit)  und  Hieron.  chron.  a.  Abr.  1930  —  87  Gaius 
Valerius  CatuUus  scriptor  lyricus  Veronae  nascitur.  Den  Geschlechtsnamen 
auch  Suet.  Iul.  73.  Porphyr,  zu  Hör.  sat.  1,  10,  19.  Charis.  GL.  1,  97  (vgl. 
Haupt,  op.  2,  68).  Varro  LL.  7,  50  (vgl.  Schwabe,  JJ.  101,  350).  Der  Vor- 
name Q.  in  einigen  Hss.  (bei  Plin.  NH.  37,  81  ist  er  längst  beseitigt)  hat 
keine  Gewähr.  Scaligers  Vermutung  im  Ged.  67,  12  (Quinte)  ist  geistreich, 
aber  nicht  richtig.  S.  Schwabe,  quaest.  Catull.  6.  11.  Munro,  criticisms  of 
Cat.  68.  Geburtsort  Verona,  auch  Ovid.  am.  3,  15,  7.  Plin.  NH.  36,  48.  Mart. 
1,  61,  1.  10,  103,  5.  14,  195  u.  sonst.  Vgl.  Cat.  39,  13.  Er  stammte  aus  an- 
gesehener wohlhabender  Familie,  und  sein  Vater  stand  im  Verkehr  mit 
Caesar,  Suet.  Iul.  73  (unten  A.  5).  Valerii  sind  in  Oberitalien,  bes.  auch  in 
Verona,  sehr  zahlreich:  Valerii  Catulli  sind  überhaupt  selten:  M.  Annius 
Valerius  CatuUus  L.  Valerius  CatuUus  M^essalinusy  CIL.  5,  7239  (Susa), 
nach  Borghesi,  op.  5,  528,  ein  Nachkomme  des  Bruders  des  Dichters;  vgl. 
L.  Valerius  CatuUus  Cohen,  med.  imper.2  1,  142  nr.  536.  Valerius  CatuUus 
Suet.  Calig.  36.  CIL.  14,  2095.  —  Besitzung  in  Sirmio,  die  er  nach  der 
Heimkehr  aus  Bithynien  in  dem  stimmungsvollen  c.  31  begrüßt,  und  bei 
Tibur,  c.  44. 

2.  Todesjahr.  Hieron.  aO.  a.  Abr.  1959  =  58,  aber  in  den  codd.  A(mand.) 
P(etav.)  F(reher)  erst  zu  1960  =  57:  CatuUus  XXX  aetatis  anno  Bomae 
moritur.  Hieronymus  (oder  Sueton)  bleibt  sich  also  (s.  A.  1)  bei  Geburts- 
und Todesjahr  gleich.  Aber  daß  das  letztere  unrichtig  auf  (58  oder)  57  be- 
stimmt wird,  erhellt  aus  Catull  113,  2  consule  Pompeio  . .  nunc  Herum 
(J.  55);  vgl.  55,  6.  11,  12  und  29,  20  (nach  Herbst  55);  ob  53,  2  erst  auf  die 


522  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

zweite  Hälfte  5t  geht,  bleibt  zweifelhaft,  da  Calvus  schon  vorher  den  Vati- 
nius  angeklagt  hatte,  s.  oben  §  213,  6.  Sonst  scheint  über  J.  55 — 54  hin- 
auszuweisen  nur  c.  52  sella  in  curuli  Struma  Nonius  sedet,  per  consulatum 
peierat  Vatinius,  sofern  Vatinius  erst  am  Schlüsse  des  J.  47  Cos.  war.  Aber 
daß  er  schon  viel  früher  mit  Bestimmtheit  darauf  rechnete  (und  somit 
schwören  mochte  fita  consul  fiam,  ut  haec  vera  sunt')  zeigt  Cic.  in  Vat.  6. 
11;  vgl.  Schol.  Bob.  p.  144,  15  St.;  und  in  diesen  Schwindelhoffnungen  wurde 
Vatinius  wohl  durch  die  Verabredungen  der  Triumvirn  in  Luca  bestärkt 
(J.  56,  vgl.  Cic.  Att.  4,  8b,  2).  Vgl.  auch  Ellis,  commentary  in  Cat.  p.  142. 
Da  ferner  die  Jahre  54  —  47,  besonders  52  und  49,  einem  Catull  überreichen 
Stoff  zu  beißenden  Epigrammen  bieten  mußten  und  doch  davon  in  seinen 
Gedichten  (vgl.  über  deren  Sammlung  A.  7)  keine  Spur  sich  findet,  so  ist 
in  der  Tat  wahrscheinlich,  daß  er  J.  52 ff.  nicht  erlebt  hat.  Zugleich  ist  fest- 
zuhalten, daß  Catull  jung  gestorben  ist  (Ovid.  am.  3,  9,  61  iuvenalia  cinctus 
tempora.  .  .  docte  Catulle,  im  Elysium).  Und  dies  ist  er,  auch  wenn  man 
seinen  Tod  ins  J.  54  oder  53  setzt,  da  gegen  die  Richtigkeit  des  Geburts- 
jahrs 87  sich  nichts  einwenden  läßt.  Der  irrige  Ansatz  des  Todesjahrs  bei 
Hieronymus  ist  wohl,  wie  oft,  aus  einer  ungenauen  oder  entstellten  Angabe 
der  Lebensjahre  Catulls  bei  Sueton  entstanden.  Willkürlich  ist  der  Ansatz 
der  Lebenszeit  Catulls  zwischen  82 — 52  bei  BSchmidt,  Cat.  p.  lxii.  Vgl. 
überhaupt  Schwabe,  quaest.  Cat.  33. 

3.  Verhältnis  zu  Lesbia.  Prop.  3,  34,  87  haec  quoque  lascivi  cantarunt 
scripta  Catulli,  Lesbia  quis  ipsa  notior  est  Helena.  Ovid.  trist.  2,  427  sie 
sua  laseivo  cantata  est  saepe  Catullo  femina,  cui  falsum  Lesbia  nomen  erat, 
nee  contentus  ea  multos  volgavit  amores,  in  quibus  ipse  suum  fassus  adulte- 
riumst  (seine  Untreue,  Riese,  JJ.  105,  753).  Martial.  8,  73,  8  Lesbia  dieta- 
vit,  docte  Catulle,  tibi  u.  a.  Daß  sie  eigentlich  Clodia  geheißen  hat,  bezeugt 
Apuleius  (s.  A.  1).  Eine  alte  und  sehr  wahrscheinliche  Vermutung  vereinigt 
sie  mit  der  berüchtigten  Clodia,  der  etwas  älteren,  um  J.  94  geborenen 
Schwester  des  P.  Clodius  (geb.  c.  93).  Diese  durch  Schönheit  und  Geist  her- 
vorragende Frau  war  unglücklich  verheiratet  an  ihren  Vetter,  den  Q.  Caeci- 
lius  Metellus  Celer,  Cos.  60,  f  (durch  seine  Gattin?)  59,  der  uns  auch  durch 
seinen  empfindlichen  und  anmaßlichen  Brief  an  Cicero  (ep.  5,  1  J.  62)  be- 
kannt ist;  vgl.  noch  Cic.  Att.  1,  18,  1  Metellus  non  homo,  sed  litus  atque 
aer  et  solitudo  mera  (ähnlich  Cat.  c.  83);  s.  PW.  3,  1208.  Besonders  spricht 
für  die  Gleichsetzung  der  Lesbia  mit  dieser  Clodia  c.  79,  wo  neben  Lesbia 
(=  Clodia)  ein  Lesbius  (also  =  Clodius)  pulcher  mit  deutlicher  Anspielung 
auf  den  Beinamen  des  P.  Clodius  Pulcher  erwähnt  wird;  auch  ein  Vetter 
Sextus  (Cic.  dorn.  25  u.  ö.)  teilt  sich  mit  ihm  in  die  Ehre,  hier  gemeint  sein 
zu  können.  Gegen  die  früheren  Zweifel  Rieses  (JJ.  105,  747)  u.  a.  an  der 
Gleichheit  beider  s.  KPSchulze,  ZfGW.  28,  699.  Bährens,  analecta  Catull. 
(Jena  1874)  3;  comm.  in  Catull.  p.  31.  Francken,  Lesbia-Clodia,  Verslag.  d. 
Amsterd.  Akad.  2,  11  (1879).  FSchöll,  JJ.  121,  481.  Fenner,  Quaest.  Catull., 
Barmen  1896.  Münzer,  PW.  4,  106.  Clodia,  lebhaft,  gebildet  und  in  allen 
Liebeskünsten  erfahren,  wußte  den  leidenschaftlichen  geistreichen  Jüngling 
aus  der  Provinz  in  ihr  Netz  zu  locken  und  darin  mehrere  Jahre  lang  (etwa 
61 — 58,  Schwabe,  quaest.  129)  festzuhalten,  so  daß  er  die  glühendsten  Lie- 
der an  sie  richtete,  auch  nach  Zerwürfnissen  wieder  zu  ihr  zurückkehrte, 


§  214.  Catull:  Leben  523 

bis  ihm  endlich  die  Augen  über  sie  aufgingen;  ergreifend  sind  die  Abschieds- 
lieder c.  8.  76.  Den  Verlauf  dieses  Verhältnisses  durch  Catulls  Gedichte 
hindurch  zu  verfolgen,  ist  mehrfach  versucht  worden;  s.  die  Ausleger  und 
Jungclaussen,  zur  Chronologie  usw.  (Itzehoe  1857)  8.  Schwabe,  quaest.  71. 
358.  Ribbeck,  Catullus  (1863)  29.  56.  Vorländer,  de  Catulli  ad  Lesbiam 
carminibus,  Bonn  1864.  Kroon,  quaest.  Cat.,  Leid.  1864.  RWestphal,  Ca- 
tulls Gedichte  (Breslau  1867)  33.  100.  Gegen  des  letzteren  Phantasie  von 
verliebten  Beziehungen  zwischen  Clodia  (Lesbia)  und  —  Cicero  s.  Rettig, 
Catulliana  1  (Bern  1868),  3.  Heskamp,  de  C.  vita  et  ordine  quo  carm.  amat. 
sunt  scripta,  Münster  1869.    Über  Caelius  s.  §  209,  6. 

4.  Aufenthalt  Catulls  in  Bithynien  im  Gefolge  des  Propaetor  Mem- 
mius  (§  202,  2)  mit  Helvius  Cinna  u.  a.  vom  Frühling  57  bis  dahin  56,  aber 
ohne  die  erwartete  Ausbeute;  s.  c.  4  (Cichorius,  Festschr.  Hirschfeld  467). 
10,  6.  28,  7.  31,  5.  46,  1.  Schwabe,  quaest.  158.  Wehrmann,  fasti  praet.  62. 
64.  Auf  der  Rückreise  Besuch  am  Grabe  seines  schon  früher  (vgl.  65,  1. 
68a,  19.  68b,  91)    in  Troas   gestorbenen  Bruders:  c.  101.    Schwabe  aO.  176. 

5.  Freund  und  Feind:  Eng  verbunden  war  C.  besonders  mit  Calvus 
(§  213,  5):  14, 1  Ni  te  plus  oculis  meis  amarem,  incundissime  Calve.  50.  53.  96. 
Deshalb  werden  0.  und  Calvus  von  den  Späteren  gern  als  ebenbürtiges 
Dichter-  und  Freundespaar  zusammen  genannt:  siehe  die  zahlreichen  oben 
§  213,  7  gE.  Z.  7  v.u.  verzeichneten  Stellen.  Dann  auch  befreundet  mit 
Cinna  (§  213,2):  10,30.  95.  113.  Mit  Nepos,  dem  er  die  Sammlung  widmet 
(c.  1,  falsch  erklärt  von  Vahlen,  SB.  Berl.  Ak.  1904,  1067).  Über  Varus  s. 
§  208,  3.  Eine  ironische  (?)  Danksagung  an  den  optimus  omnium  patronus 
Cicero  49  (ob  auf  dessen  Verteidigung  des  Vatinius,  s.  §  213,  6,  anspielend?); 
vgl.  BSchmidt,  Cat.  p.  xl.  —  Angriffe  auf  Caesar  und  Anhänger  desselben. 
Suet.  Iul.  73  Vdlerium  Catullum,  a  quo  sibi  versiculis  de  Mamurra  (§  209, 13. 
Cat.  29  vom  Ende  55,  und  besonders  c.  57;  s.  auch  OJahn,  Herrn.  2,  240) 
perpetua  Stigmata  imposita  non  dissimulaverat,  satis  facientem  eadem  die  ad- 
hibuit  cenae  hospitioque  patris  eins  sicut  consueverat  uti  perseveravit.  Vgl. 
Tac  ann.  4,  34  (oben  §  192,  4).  Gegen  Mamurra,  den  decoctor  Formianus 
(c.  41.  43),  besonders  gerichtet  sind  außerdem  (unter  dem  Namen  Mentula) 
c.  94.  105.  114.  115;  vgl.  29,  13.  Gegen  drei  sonst  nicht  bekannte  Kreaturen 
Caesars  (Otho,  Libo,  Fuficius)  richtet  sich  c.  54.  Aber  Catull  ist  kein  Poli- 
tiker, ihm  fehlt  überhaupt  die  rechte  Teilnahme  für  das  öffentliche  Wesen: 
aber  wie  seine  Genossen  in  dem  literarischen  Jung- Rom  war  auch  er  Rai- 
sonneur,  Oppositionsmann,  der  nicht  sachlich,  sondern  persönlich  urteilte. 
Heftige  Ausfälle  auch  gegen  Memmius  (§  202,  2.  213,  2)  und  Vertreter  der 
altmodischen  Dichtung  wie  Hortensius  (c.  95),  Volusius  und  Suffenus 
(§  212,  7  f.),  sowie  den  Redner  Sestius  (c.  44).  Viele  der  angeredeten  Per- 
sönlichkeiten vermögen  wir  nicht  zu  identifizieren;  Piso  c.  28.  47  könnte 
L.  Calpurnius  Caesoninus  sein  (§  179,  35.  PW.  3,  1387).  Vgl.  im  ganzen 
Schwabe,  quaest.  182.  Pleitner,  Catulls  Gedichte  an  Caesar  und  Mamurra, 
Speier  1849.    vBraitenberg,  Cat.s  Verhältnis  zu  s.  Zeit,  Prag  1882. 

6.  Die  gelehrten  Gedichte  Catulls  sind  vorzugsweise  Nachbildungen 
alexandrinischer  oder  in  alexandrinischem  Geschmack:  ihnen  verdankt  er 
den  Beinamen  doctus  Lygd.  (Tib.)  3,  6,  41.  Mart.  1,  61,  1.  7,  99,  7.  8,  73,  11. 
14,  152.    Dahin  gehört  das  kleine  mühsam  gedrechselte  Epos  über  die  Hoch- 


524  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

zeitsfeier  des  Peleus  und  der  Thetis  (c.  64),  das  in  Anlage,  Verskunst,  in 
der  Manier  der  psychologischen  Ausmalung,  vor  der  die  Erzählung  des  Tat- 
sächlichen zurücktritt  (vgl.  die  Ciris),  und  in  einer  Menge  einzelner  Züge 
die  alexandrinische  Weise  nachbildet;  ob  das  Gedicht  ohne  weiteres  als 
Übersetzung  (so  Merkel  ad  Ov.  Ib.  p.  360;  Riese,  RhM.  21,  498)  etwa  des 
Kallimachos  gelten  darf,  ist  schon  deshalb  kaum  zu  entscheiden,  weil  in 
der  kunstvollen  Weise  des  alexandrinischen  Epyllions  ein  zweiter  Stoff 
(Ariadne  auf  Naxos)  eingeschachtelt  ist,  Catull  also  zwei  Vorbilder  gehabt 
haben  könnte.  Die  Berührungen  mit  Nonnos  beruhen  auf  der  beiderseitigen 
Benutzung  alexandrinischer  Vorbilder.  Reitzenstein,  Herrn.  35,  86.  Darin 
Nachahmung  des  Euphorion  (§  32,  1.  212  a,  1  S.  319)?  64,  30  Oceanmque,  mari 
totum  qui  amplectitur  orbem  =  Euphor.  fr.  158  Mein.  'Slneavog,  tq>  n&6a 
hsqiqqvtos  h'dsdsTeci  x&oov.  Zu  V.  111  nequiquam  vanis  iactantem  cornua 
ventis  liegt  das  Original  eines  unbekannten  Dichters  bei  Cic.  Att.  8,  5,  1 
vor:  noXXa  (idtriv  xsQcieGGiv  ig  tjsqcc  d'vn^vavrcc.  Der  moralisierende  Schluß 
könnte  von  Cat.  selbst  herrühren.  Vgl.  noch  OSchneider,  Callim.  2,  791. 
Heumann  (§  212  a,  1)  38.  In  diesem  Gedicht  sind  die  spondeischen  Versaus- 
gänge (A.  9)  sowie  die  Alliteration  besonders  häufig.  —  Ferner  die  Über- 
setzung eines  sapphischen  Epithalamium  (c.  62),  dann  die  Übersetzung  von 
Kallimachos1  Elegie  auf  die  Locke  der  Königin  Berenike  (c.  66  vWilamowitz, 
Reden  195)  nebst  Widmung  an  Hortensius  (c.  65;  vgl.  116,  2),  und  ganz  be- 
sonders der  Attis  (c.  63)  in  galliambischem  Maß,  ein  Meisterstück  in  Stim- 
mung und  Form,  das  gleichfalls  von  alexandrinischen  Vorbildern  und  zwar 
von  Kallimachos  (vWilamowitz,  Herrn.  14,  194)  abhängig  ist.  Vgl.  Haupt, 
op.  2,  75.  KPSchulze,  de  Catullo  Graecorum  imitatore,  Jena  1871.  Weiden- 
bach, de  Catullo  Callimachi  imitatore,  Lps.  1873.  WHenkel,  de  Catullo 
Alexandrinorum  imitatore,  Jena  1883.  In  alexandrinischer  Art  ist  ferner 
das  die  Liebe  zu  Lesbia  behandelnde  Gedicht  auf  Allius  (c.  68),  nament- 
lich in  der  Anlage  und  der  kunstvollen  Heranziehung  des  mythologischen 
Beispieles;  den  vorangehenden  Geleitbrief  (V.  1 — 40)  hat  man  oft  als  be- 
sonderes Gedicht  abtrennen  wollen.  Skutscii,  Sehr.  46.  Vahlen,  SB.  Berl. 
Ak.  1902,  1024.  Altkamp,  Progr.  Warendorf  1912.  Das  Gedicht  stellt  eine 
Mischung  von  objektiver  und  subjektiver  Liebeselegie  dar  (§  32,  1).  Der 
elegischen  Form  bedient  sich  auch  c.  67,  das  Zwiegespräch  mit  der  Tür 
einer  lebenslustigen  Dame  in  Verona  und  ein  Ausschnitt  aus  der  chronique 
scandaleuse  dieser  Stadt.  Kroll,  Phil.  NF.  17,  139.  Zu  den  gelungensten 
Schöpfungen  gehört  das  reizende  Lied  auf  die  Vermählung  des  Manlius 
Torquatus  (c.  61),  das  römischen  Sinn  und  römische  Sitte  in  zierlicher 
griechischer  Gewandung  zeigt.  Reste  von  Hochzeitsliedern  in  gleichem  (gly- 
koneischem)  Maße  auch  unter  den  Fragmenten  der  Schulgenossen  Calvus 
und  Ticida.  Der  Hymnus  auf  Diana  (c.  34)  wird  eine  bloße  Studie  und 
nicht  für  einen  bestimmten  kirchlichen  Anlaß  gedichtet  sein.  Aus  Sappho 
(ycclvsTod  [ioi  zfjvog  i'oog  ftsoici)  ist  auch  c.  51  übersetzt,  aber  nach  persön- 
lichen Zwecken  umgebildet  und  als  Huldigung  an  Lesbia  geschickt;  in  dem- 
selben Versmaß  (der  sapphischen  Strophe)  auch  das  Absagegedicht  an  sie 
(c.  11).  Kalinka,  Wiener  Eranos  1909,  157.  —  Eine  zweite  Gattung  von 
Gedichten  behandelt  persönliche  Anliegen  und  auf  sie  allermeist  grün- 
dete und  gründet  sich  mit  Recht  der  Ruhm  des  Dichters.    Dahin  gehören 


§  214.  Catull:  Dichtungen  525 

ganz  besonders  die  eigentlich  lyrischen  und  iambischen  Gedichte  und  die 
Epigramme.  Diese  halten  sich  mit  richtigem  Takte  von  gelehrten  Anspie- 
lungen fern,  die  freilich  auch  in  den  großen  Gedichten  nicht  häufig  sind, 
gewinnen  den  Leser  durch  anspruchslose  Schlichtheit  und  sind  unmittelbare 
Ergüsse  von  Liebe  und  Haß  (85  odi  et  amo),  Freund-  oder  Feindschaft,  bald 
von  wohltuender  Wärme,  bald  von  ätzender  Bitterkeit  (Quint.  10, 1,  96  iambi 
acerbitas  in  Catullo.  Cat.  36,  5  truces  iambi  40,  2).  Wie  alles  an  Catull  ge- 
sund ist,  so  ist  es  auch  die  Sinnlichkeit  und  Derbheit  (lascivus  Catullus, 
Prop.  3,  34,  87.  Ov.  trist.  2,  427;  vgl.  Mart.  1,  praef.)  des  übermütigen  un- 
vergohrenen  Junggesellen:  doch  vergißt  sich  der  ""ungezogene  Liebling  der 
Grazien'  nicht  gerade  selten  bis  zu  häßlicher  Zote  und  widerwärtiger  Grob- 
heit. Vgl.  c.  16,  5  nam  castum  esse  decet  pium  poetam  ipsum,  versiculos  ni- 
hil necesse  est,  qui  tum  denique  habent  salem  ac  leporem,  si  sunt  molliculi  ac 
parum  pudici.  Besonders  arg  c.  39.  Natürlich  findet  sich  auch  hier  Ent- 
lehntes, wie  wir  es  von  c.  99  nachweisen  können  (Harnecker  JJ.  133,  273), 
und  überhaupt  ist  Catulls  Bekanntschaft  namentlich  mit  der  iambischen 
und  epigrammatischen  Poesie  der  Griechen  vorauszusetzen;  eine  ihm  in 
mancher  Hinsicht^  ähnliche  Erscheinung  ist  Alkaios  von  Messene  (Reitzen- 
stein,  PW.  1,  1506).  Lafaye,  Cat.  et  ses  modeles,  Par.  1894.  Drachmann, 
Catuls  digtning,  Kopenh.  1887.  —  Scheinbare  Nachahmung  des  Lucrez  bei 
Catull  Munro  zu  Lucr.  3,  57;  critic.  of  Cat.  72.  JJessen,  über  Lucr.  u.  s. 
Verh.  zu  Catull,  Kiel  1872.  Froebel,  Ennio  quid  debuerit  Cat.,  Jena  1910. 
7.  Daß  die  Gedichte  Catulls  zuerst  einzeln  an  die  Adressaten  verschickt 
und  so  im  engen  Kreise  verbreitet  wurden,  ist  bei  ihrem  Inhalte  selbstver- 
ständlich und  wird  bewiesen  zB.  durch  die  Rückbeziehung  von  c.  16,  12 
auf  c.  5  und  7;  vgl.  54,  6  irascere  Herum  meis  iambis.  Der  über  Catulli  (so 
die  Hss.;  vgl.  A.  1;  auch  Terent.  Maur.  2899)  zählt  2286  Verse  und  geht 
damit  über  den  durchschnittlichen  Umfang  poetischer  c Bücher'  beträchtlich 
hinaus :  sonst  sind  die  umfangreichsten  Bücher  die  lucrezischen  mit  durch- 
schnittlich 1235  Vv.  (die  höchste  Zahl  B.  5  mit  1457  Vv.).  Danach  und 
nach  der  unverkennbaren  Dreiteilung  des  jetzigen  Buches  (A.  8)  möchte 
man  glauben,  daß  aus  drei  Einzelbüchern  erst  nachräglich  das  vorliegende 
zusammengewachsen  sei;  auch  das  Widmungsgedicht  an  Cornelius  Nepos, 
das  einen  libellus  begleitet,  würde  gut  als  Vorrede  zu  einem  Einzelbuch 
passen;  doch  werden  weder  Einzelbücher  noch  eine  Mehrheit  von  Büchern 
jemals  angeführt,  nur  einigemale  das  Zitat  metrisch  oder  inhaltlich  näher 
bestimmt;  Sen.  contr.  7,  4,  7.  Charis.  GL.  1,  97,  13  Cat.  in  hendecasyllabis 
(=  c.  42,  5.  53,  5).  Non.  134,  21  Cat.  Priapeo  (?=  fragm.  2).  Caes.  Bass. 
GL.  6,  262,  19  Cat.  in  Anacreonteo.  Quint.  9,  3,  16  C.  in  epithalamio  (=  c.  62, 
45).  Alles  dies  nötigt  nicht  zur  Annahme  einer  einstigen  Mehrzahl  von 
Büchern,  auch  nicht  daß  Mart.  11,  6,  16  (vgl.  4,  14,  13)  Catulls  Werk  nach 
den  ersten  besonders  berühmten  Gedichten  mit  dem  Namen  fpasser'  be- 
zeichnet. Brunei  (A.  13)  p.  603.  Ellis,  comm.  p.  1.  Süss,  act.  Erlang.  1,  21. 
Birt,  antikes  Buchwesen  401  und  das  A.  8  Angeführte.  Gar  nichts  beweist, 
daß  Catull  1,  4  die  dem  Nepos  übersandte  Sammlung  als  nugae  bezeichnet; 
denn  so  konnte  der  Dichter  nicht  bloß  die  kleinen  Gedichte  (1 — 60)  nennen, 
sondern  wenn  es  ihm  beliebte,  auch  die  großen.  Vahlen,  SB.  Berl.  Ak. 
1904,  1073.    Höchstens   ließe   sich   aus   der   Beschaffenheit   des  Buches,   das 


526  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

mancherlei  Fragmentarisches,  Zerrüttetes,  Ungeordnetes  enthält,  der  Schluß 
ziehen,  daß  die  vom  Dichter  veranstaltete  Ausgabe  nach  seinem  frühen  Tode 
aus  seinem  Nachlaß  durch  einen  Freund  zu  einer  Gesamtausgabe  erweitert 
worden  sei;  doch  kann  daran  unsere  Überlieferung  die  Schuld  tragen. 
Reitzenstein,  PW.  6,  110.  —  Die  uns  erhaltene  Sammlung  enthält  gewiß 
fast  alles,  was  das  Altertum  von  Catull  kannte.  Die  meisten  der  soge- 
nannten catullischen  ^Fragmente'  beruhen  auf  Irrtümern;  als  bezeugt  darf 
nur  ein  Priapeum  gelten  (fr.  1  f.  Schw.)  und  die  Darstellung  eines  Liebes- 
zaubers (Plin.  n.  h.  28,  19).  Schwabes  Catull  1866  p.  169.  1886  p.  102.  Süss, 
acta  Erlang.  1,  15.  Gegen  Bährens1  Annahme  eines  prosaischen  Werkes  Ca- 
tulls  wegen  Serv.  Verg.  ge.  2,  95,  wo  Catullus  im  Gegensatze  zu  Cato  die 
rhaetische  Traube  tadelt,  und  Varro  LL.  6,  6  (Catulus  Hs,  zu  verb.  Pacu- 
vius)  s.  HPeter,  JJ.  115,  749.  —  Die  Herausgabe  wird,  nach  den  in  der 
Sammlung  enthaltenen  Zeitandeutungen  (s.  A.  2),  um  J.  54  erfolgt  sein.  Sie 
müßte  in  das  erste  Viertel  des  Jahres  fallen,  wenn  Cicero  ad  Q.  fr.  2,  13,  4 
(vom  Juni  54)  auf  Cat.  25,  2  anspielte  (s.  CBarth,  adv.  38,  7  p.  1730.  Bü- 
cheler,  Greifsw.  ind.  schol.  1868/69  p.  16.  Vgl.  auch  Munro,  criticisms  of 
Cat.  p.  71).  Aber  das  ist  unwahrscheinlich;  auch  daß  Cic.  Att.  13,  25,  3 
(J.  45)  auf  Cat.  3,  9  anspielt  und  15,  1,  1  (J.  44)  auf  Cat.  3,  16,  ist  unsicher. 
Morawski,  Abh.  Ak.  Krakau  1903,  377.  Ältestes  Zitat  aus  Catull  (62,  1 
vesper  adest)  bei  Varro  LL.  7,  50,  falls  Schwabe,  JJ.  101,  350  richtig  ver- 
bessert: dicit  Valerius.  Catull  gewann  sofort  hohes  Ansehen:  vgl.  Nep.  Att. 
12,  4;  die  Parodie  auf  Cat.  4  in  Verg.  catal.  8  (vgl.  3,  6  nach  Cat.  29,  24); 
Höh.  sat.  1,  10,  19;  Prop.  2,  25,  4;  Vele.  2,  36,  2  neque  ullo  in  suscepti  ope- 
ris  sui  carmine  minorem  Catullum  und  die  anderen  Testimonia  in  Schwabes 
Catull  1886  p.  vn  f.  Catull  von  Asinius  Pollio  getadelt:  §  221,  6.  Cat.  und 
die  Augusteer:  Rand  Harv.  Stud.  17,  15.  Über  Catulls  Nachahmung  seitens 
der  Späteren  (besonders  in  den  Priapea,  bei  Ovid,  Ausonius  und  am  stärk- 
sten in  der  Ciris  und  bei  Martial):  Danysz,  de  scriptorum  rom.  studiis  Ca- 
tull, Bresl.  1876;  vgl.  Süss  aO.  6.  Pauckstadt  (§  322,  7)  und  die  Übersicht 
in  Schwabes  Catull  (1886)  p.  vnff. 

8.  Die  überlieferte  Ordnung  der  Gedichte,  die  in  ihrem  Kern  ohne 
Zweifel  von  Catull  selbst  herrührt,  ist  die  daß  die  umfangreicheren  die 
Mitte  der  Sammlung  einnehmen  (c.  61  —  68)  und  von  den  kleineren  um- 
schlossen sind,  indem  die  iambischen  und  in  melischen  Maßen  gehaltenen 
Gedichte  vorausgehen  (Hendekasyllaben,  Choliamben,  sapphische  Strophen 
usw.),  die  im  elegischen  Maße  (Epigramme)  nachfolgen,  zu  denen  c.  65—68 
ebenso  den  Übergang  bilden  wie  c.  61  vom  ersten  zum  zweiten  Teile.  Im 
einzelnen  wird  die  Anordnung  der  Gedichte  oft  durch  das  Bestreben  der 
Abwechslung  bestimmt  und  ebenso  wie  in  der  Properzsammlung  sachlich 
Zusammengehöriges  durch  Fremdes  auseinandergehalten;  eine  Serie  von  An- 
griffen gegen  Gellius  bilden  c.  88 — 91.  Über  das  Genauere  s.  vFröhlich, 
Abh.  Münch.  Akad.  3,  3,  691.  Wkstphal,  Catulls  Ged.,  Bresl.  1867,  S.  1. 
Süss  aO.  23.  28.  KPSciiclze,  Catullforschungen,  Festschr.  d.  Friedr.-Werder- 
schen  Gymn.,  Berl.  1885,  195.  Bährens,  Commentar.  p.  57.  BSchmidt,  Cat. 
p.  lxxxix.    ASeitz,  de  Cat.  carm.  in  tres  partes  distribuendis,  Rastatt  1887. 

9.  Die  Sprache  Catulls  zeichnet  sich  aus  durch  überraschende  Klar- 
heit, Schlichtheit  und   Eleganz:    in   den    gelehrten    gräzisierenden  Arbeiten 


§  214.  Catull:  Gedichtsammlung,  Technik  527 

findet  sich  freilich  vereinzelt  manches  Steife  und  Gekünstelte  (zB.  64,  18 
nutricum  tenus,  vgl.  %Ltd"r\  und  rtT-frog;  64,  8  diva  .  .  .  retinens  in  summis 
urbibus  arees;  vgl.  itoliov%og  'A&dva  u.  a.  m.),  auch  manches  Altertümelnde 
(A.  6E.);  namentlich  im  Attis  veranlaßte  das  der  lateinischen  Sprache  nicht 
zusagende  Versmaß  und  das  Vorbild  des  Kallimachos  allerlei  Sonderbar- 
keiten.  Auch  die  Wortstellung  ist  recht  gesucht  (Norden,  Aeneis  B.  6 
S.  382 ff.).  Aber  in  seinen  besten  Stücken,  den  kleinen  Gelegenheitsgedichten, 
hat  C.  dies  völlig  abgestreift:  in  ihnen  enthüllt  sich  der  leichtgeschürzte 
sermo  urbanus  (zB.  häufige  Deminutiva,  sprichwörtliche  oft  alliterierende 
Wendungen)  in  reizender  Natürlichkeit.  Hier  macht  er  auch  im  Gegensatz 
gegen  die  Technik  der  Schule  (§  212  a)  Konzessionen  an  die  echtrömische 
Prosodie  und  läßt  10,  26.  27  Iämbenkürzung,  116,  8  Abfall  des  s  zu.  Wort- 
indices  an  Silligs,  Dörings  (1834),  Ellis'  (1878)  und  Schwabes  (1886)  Aus- 
gaben und  von  Wetmore,  New  Haven  1913.  —  FHeussner,  obs.  gramm.  in 
C.  librum,  Marb.  1869.  KHupe,  de  genere  dicendi  C,  Mimst.  1871.  Over- 
holthaus,  syntaxis  Catull.  cap.  II,  Gott.  1875.  BZiegler,  de  C.  sermone 
quaest. ,  Freib.  i.  B.  1879.  RFisch,  de  Cat.  in  vocabulis  collocandis  arte, 
Berl.  1875.  EClemens,  de1  Cat.  periodis,  Gott.  1886.  Reeck,  Beitr.  z.  Syntax 
des  C,  Bromb.  1889.  Slotty,  De  pluralis  usu  Catull.,  Jena  1905.  Bednara, 
Cat.  et  Ov.  quib.  rationib.  linguam  metro  dact.  accommod.,  Arch.  Lex.  14, 
317.  532.  Vahlen  Opusc.  2,  215.  Außerdem  vgl.  das  §  32,  4.  5  Angeführte. 
—  Metrik:  Catullus  handhabt  die  mannigfaltigsten  Versmaße  (bes.  versus 
minuti;  vgl.  Ser.  Augur,  bei  Plin.  ep.  4,  27,  4)  mit  der  sicheren  Hand  des 
Meisters  (elegantissimus  poetarum  Gell.  6,  20,  6),  welche  die  gestatteten 
Freiheiten  weder  übermäßig  ausnutzt  noch  ängstlich  vermeidet  (vgl.  Plin. 
NH.  praef.  1;  Plin.  ep.  1,  16,  5)  und  sich  von  Künstlichkeit  und  Kleinlich- 
keit fern  hält.  Die  Hexameter  werden  im  Anschluß  an  die  hellenistischen 
Vorbilder  gebaut;  was  sie  schwerfällig  erscheinen  läßt,  ist  die  Zulassung 
von  Perioden  (21  Nebensätze  auf  100  Verse,  während  Lukrez  31,7,  Vergil 
Aen.  15  hat).  Namentlich  ist  das  Distichon  noch  nicht  zu  ovidischem  Wohl- 
klang abgeschliffen.  Im  Hexameter  finden  sich  häufig  sogen.  Spondiaci 
nach  alexandrinischem  Vorbild,  sogar  drei  aufeinanderfolgende  64,  78 — 80; 
vgl.  Cic.  Att.  7,  2,  1  hunc  67tovd8iut;ovT<x  si  cui  voles  tä>v  vscoteqcov  (s.  S.  319,  7) 
pro  tuo  vendito,  vgl.  §  230,  2,  2).  In  den  kleineren  Gedichten  verwendet  er 
außer  dem  Distichon  den  iambischen  Trimeter  und  Tetrameter,  Choriambus, 
Phalaeceus,  Glyconeus,  Asclepiadeus  maior,  Priapeus,  die  sapphische  Strophe ; 
bei  weitem  am  häufigsten  und  glücklichsten  gebraucht  ist  das  Lieblings - 
maß  des  Catull,  der  phaläkische  Elfsilbler:  einmal  mit  dem  sonst  unerhörten 
Spondeus  statt  des  Dactylus  (55)  verwandt  dh.  nach  anderer  Theorie  gebaut. 
Dann  besonders  gelungen  die  Galliamben  (c.  63;  vgl.  A.  6,  solche  schon  bei 
Varro  §  165,  5;  s.  auch  §  213,  4  Z.  1),  ferner  die  raschen  und  schneidigen 
von  Spondeen  völlig  reinen  Iamben  —  auch  dies  eine  alexandrinisierende 
Spielerei  (c.  4.  29)  u.  a.  AReeck,  de  C.  carminum  re  grammatica  et  metrica, 
Bresl.  1872.  Nobbe,  de  metr.  Cat.,  Lps.  1820—21  II.  JBaumann,  de  arte 
metr.  Cat.,  Landsb.  a/W.  1881;  und  eben  darüber  LMüllers  Ausg.  p.  lix, 
s.  auch  Birt,  hist.  hex.  lat.  (1876)  23.  OFranke,  de  artificiosa  carrn.  Cat. 
compositione  (acc.  Useneri  epimetrum  de  c.  lxviii),  Greifsw.  1866  (vgl.  dazu 
Ellis  in  s.  Ausg.2  p.  223    de   aequabili    partitione    carminum  Catulli,    auch 


528  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

0  Ribbeck,  NSchweiz.  Mus.  1,  213).  Ziwsa,  die  eurhythmische  Technik  des 
Cat.,  (Hernais)  Wien  1879.  1883  II;  der  lntercalar  bei  Cat.,  Wien  Stud.  2, 
298.  4,  271. 

10.  Handschriften.  Schon  Gellius  6,  20,  G  klagt  über  libri  (Catulls)  de 
corrupüs  exemplaribus  facti.  In  den  Glossarien  (§  42,  5)  wird  Catull  nur 
sehr  spärlich  benutzt:  s.  darüber  Schwabe,  JJ.  131,  803.  Im  Mittelalter  war 
er  fast  verschollen.  Die  Angabe  G Voigts  (Wiederbeleb,  d.  klass.  Altert.  22, 
335),  daß  Servatus  Lupus,  Abt  von  Ferneres  (f  um  862),  den  Catull  gelesen 
habe,  beruht  auf  einem  Mißverständnis:  s.  Schwabe,  Herrn.  20,  495.  —  Sämt- 
liche erhaltene  Hss.  des  liber  Catulli  sind  jung  —  nur  c.  62  steht  auch  in 
der  Blumenlese  des  cod.  Par.  8071  (Thuaneus)  s.  IX — X  (s.  das  Faksimile 
bei  Chatelain  T.  14)  —  und  alle  stammen  von  einem  cod.  Veronensis,  den 
bereits  Rather,  Bischof  von  Verona,  J.  965  gebrauchte,  der  aber  nachher 
lange  Zeit  verschollen  war,  bis  er  um  den  Anfang  des  14.  Jahrh.  in  Verona 
wieder  auftauchte  und  von  einzelnen  benutzt,  später  auch  abgeschrieben 
wurde,  dann  aber  wieder  verloren  ging.  Die  älteste  und  beste  erweislich 
unmittelbare  Abschrift  des  V(eronensis)  ist  der  Paris.  14137  (Germanensis) 
vom  J.  1375  (Faksim.  von  Chatelain,  Paris  1890);  nächstverwandt  mit  diesem 
ist  der  wohl  gleichfalls  unmittelbar  aus  V  um  J.  1400  abgeschriebene  0(xo- 
niensis)  (Faksim.  in  Ellis'  Ausg.2  p.  146).  Postgate,  Cl.  Rev.  13,  438.  Bei 
den  ungefähr  70  anderen  Hss.  (darüber  Ellis'  Proleg.;  Hermath.  28,  17,  s. 
auch  Schwabe  Ausg.  1886  p.  V.  Halb,  Herrn.  34,  137;  Cl.  Ph.  3,  233)  ist 
nicht  klargestellt,  durch  wie  viele  und  welche  Mittelglieder  sie  mit  dem 
cod. 'Veron.  zusammenhängen;  weder  der  von  Hale  hervorgezogene  Roma- 
nus (Ottobon.  1829)  noch  der  von  Schulze  (Herrn.  23,  88;  Neuauflage  von 
Baehrens'  Ausg.)  benutzte  Marcianus  tragen,  wie  man  sie  auch  immer  ab- 
leitet, zur  Textgestaltung  wesentlich  bei.  Die  Ansicht  von  Bährens  (Ana- 
lecta  Catull.  31;  Ausg.  p.  xvi),  daß  alle  Hss.  (außer  O)  unmittelbar  oder 
mittelbar  von  G  abstammen,  ist  unhaltbar:  s.  LSchwabe,  Jen.  Lit.-Zeit.  1875, 
513  und  BSchmtdt,  ebd.  1878,  207;  Cat.  p.  ein.  RSydow,  de  recensendis  Cat. 
carrn.,  Berl.  1881.  Morgenthaler,  De  Cat.  codd.,  Straßb.  1909.  Vergebliche 
Versuche  die  ursprüngliche  Beschaffenheit  der  Urhandschrift  (zB.  hinsicht- 
lich der  Zeilenzahl,  der  Verderbnisse,  Lücken,  Umstellungen)  zu  ergründen 
in  Lachmanns  Ausgabe.  Haupts  op.  1,  35.  Berge,  RhM.  15,  507.  Über  die 
kritische  Geschichte  der  catullischen  Gedichte  s.  Haupt,  op.  1,  2.  276.  Tu. 
Heyse,  Catull  übers.  (1855)  279.  LSchwabe,  Verhandl.  der  Meißener  Philo- 
logenvers. (Lpz.  1864)  111;  Dorpater  Ind.  lect.  1865;  vor  s.  Ausg.  (1866) 
p.  i  und  Phil.  24,  351.  —  AGehrmann,  de  rat.  crit.  inde  a  Lachmanno  in 
eraend.  Cat.  adhibita,  Braunsb.  1879. 

11.  Ausgaben:  über  die  ältesten  s.  Ellis  vor  s.  Ausg.2  p.  lix.  Ed. 
Aid.  (von  HAvancius)  Ven.  1502.  1515.  Cum  comm.  AMureti,  Ven.  1554, 
Achillis  Statu,  Ven.  1566.  Cum  castigationibus  JScaligeri,  Par.  1577  und 
öfter  (der  von  Scaliger  benutzte  und  stark  überschätzte  cod.  Cuiacianus  vom 
J.  1467  ist  in  England  wieder  aufgetaucht:  Ellis,  Hermathena  3,  124  und 
in  s.  Catullausg.2  p.  liv).  Cum  comm.  IsVossn,  Lond.  1684,  AVulpii  (Patav. 
1710.  1737),  FWDöring,  Lps.  1788—1792  II,  kleinere  Ausg.,  Altona  1834. 
Recogn.  Sillig,  Gott.  1823.  Epochemachend:  Ex  rec.  CLachmanni,  Berol. 
1829.  31874.    Recogn.  LSchwabe,  Gissae  1866;  Berl.  1886.    Recogn.   REllis, 


§  214.  Catull:  Handschriften  und  Ausgaben  529 

Oxon.2  1878.  Dazu  Ellis,  a  commentary  on  Cat.,  Oxf.2  1889  (Nachträge 
gibt  Schwabe,  JJ.  117,  257).  Recens.  et  interpretatus  est  EBährens,  Lps. 
1876—85  II  (Bd.  I2  von  KPSchulze,  Lpz.  1893).  Traduit  war  ERostand, 
texte  revu  av.  un  commentaire  par  EBenoist  et  EThomas,  Par.  1882.  1890  II. 
Erkl.  von  ARiese,  Lpz.  1884;  von  GFriedrich,  Lpz.  1908.  —  Texte  von 
MHaupt  (Cat.  Tib.  Prop.,  Lps.7  1912.  cur.  Vahlen-Helm),  LMüller  (Cat.  Tib. 
Prop.,  Lps.  1870).  BSchmidt,  Lpz.  1887  (daneben  eine  ed.  maior  mit  Pro- 
leg.).   Postgate,  Lond.  1889.    Merrill,  Boston  1893.    Ellis,  Oxf.  1904. 

12.  Übersetzt  zB.  von  ThHeyse  (Berl.2  1889),  Hertzberg  u.  Teufffl 
(in  den  röm.  Dichtern,  Stuttg.  1862,  mit  Einl.  u.  Anm.),  RWestphal  (C.s 
Gedichte  in  ihrem  geschichtlichen  Zusammenhange  übersetzt  und  erläutert, 
Bresl.  1867;  Catulls  Buch  der  Lieder,  Bresl.  1884).  Pressel,  Berl.2  1884. 
Amelung,  Jena  1911. 

13.  Abhandlungen  allgemeinen  und  sachlichen  Inhalts.  GHelbig, 
deutsche  Jahrb.  1842,  1213  (zur  Charakteristik  des  C).  Jüngclaussen  ,  zur 
Chronologie  der  Gedichte  des  C,  Itzehoe  1857.  LSchwabe,  quaest.  Catullia- 
narum  liber  I,  Gissae  1862  (Vol.  1,  1  s.  ersten  Ausg.).  Bruner,  de  ordine 
et  temporibus  carminum  C. ,  Acta  soc.  sc.  Fennicae  7  (Helsingf.  1863),  599. 
ORibbeck,  Val.  Cat.,  eine  literarhistorische  Skizze,  Kiel  1863;  BRichter,  de 
Catulli  vita  et  carminibus,  Freiberg  1865.  Mommsen,  RG.  36,  332.  600.  MHaupt, 
in  dessen  Biogr.  v.  Beiger,  Berl.  1879,  238.  Couat,  etude  sur  Catulle,  Par. 
1875.  Nettleshtp,  Lectures  and  essays,  Lond.  1885  p.  84.  Vaccaro,  Cat.  e 
la  poesia,  Palermo  1885.  Grebe,  Studia  Catulliana,  Amsterd.  1911.  Slater, 
The  poetry  of  C,  Manchester  1912. 

14.  Zur  Kritik  und  Erklärung  (Auswahl):  RPeiper,  Catullus,  Beitr.  zur 
Kritik,  Bresl.  1875.  JMunro,  criticisms  and  elucidations  of  Catullus,  2Lond. 
1905.  Birt,  RhM.  59,407;  Phil.  NF.  17,425.  EBährens,  Analecta  Cat., 
Jen.  1874.  Zu  einzelnen  Gedichten  (vgl.  A.  6):  61  und  62:  KPleitner,  des 
C.  Hochzeitsgesänge  krit.  behandelt,  Dillingen  1858  (Studien  zu  C,  Dillingen 
1876;  vgl.  auch  A.  5  E.).  —  62:  ABonin,  d.  62.  Ged.  des  Cat.,  Bromb.  1884. 
Ballin,  Dessau  1894.  Fürst,  Melk  1887.  —  63:  Zehme,  de  Cat.  c.  lxiii,  Lau- 
ban  1859.  —  64:  EFritze,  c.  lxiv  rec.  et  ili.,  Halberst.  1863.  JAndre,  de 
C.  c.  lxiv,  Rostock  (Gotha  1873).  Pascal,  Stud.  it.  12,  219.  —  66:  Kortz, 
Progr.  Cöln-Ehrenfeld  1902.  —  67:  Cahen,  RPh.  26,  164.  Magnus,  Phil.  NF. 
20,  296.  Wick,  Neapel  1910.  —  68:  EEichler,  quo  iure  Cat.  c.  68  in  duo 
carmina  dirimatur,  Oberhollabrunn  1872.  Harnecker,  Cat.s  68.  Ged.,  Friede- 
berg 1881.  Hörschelmann,  Ind.  Dorpat  1889.  Birt,  Ind.  Marburg  1890.  Weber, 
Quaestiones  Cat.,  Gotha  1890.  Kalb,  Progr.  Ansbach  1900.  vMess,  RhM. 
63,  488.  Bischof,  Progr.  Kaaden  1908.  Berichte  von  RRichter,  JB.  2,  1447. 
6,  300;  von  Magnus  ebd.  51,  145.  97,  190.  101,  84.  126,  108. 

215.  Die  aufgeregte  Zeit  mit  ihren  Parteikänrpfen  brauchte  die 
Macht  der  Feder  und  schätzte  deren  Einfluß.  Abgesehen  davon, 
daß  man  die  gehaltenen  Reden  immer  häufiger  veröffentlichte,  um 
sie  über  den  Kreis  der  Hörer  hinaus  wirken  zu  lassen,  bekämpfte 
man  einander  auch  mit  besonderen  Flugschriften.  Gegen  Caesar 
schrieben  solche  M.  Yarro,   C.  Scribonius   Curio   und   A.  Caecina. 

Teuffol:  röm.  Literaturgesch.   Neub.  6.  Aufl.  I.  34 


530  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

Andere  benützten  Tagesereignisse,  um  ihre  politischen  Ansichten 
auszusprechen  oder  anzudeuten.  Dazu  diente  namentlich  auch  die 
Form  der  Leichenrede  oder  der  Lobschrift  (laudatio)  auf  einen  kürz- 
lich Gestorbenen.  So  rief  Catos  Tod  in  Utica  eine  ganze  Literatur 
ins  Leben.  Zu  seinem  Lobe  schrieben  Cicero,  M.  Brutus,  M.  Fadius 
Gallus  und  Munatius;  im  entgegengesetzten  Sinne  A.  Hirtius,  Caesar 
selbst,  Metellus  Scipio  und  später  Augustus.  Ebenso  wurde  Catos 
Tochter,  Porcia,  bei  ihrem  Tode  der  Gegenstand  von  laudationes 
des  M.  Varro,  Lollius  und  Cicero;  auch  an  Brutus  knüpfte  eine 
tendenziöse  Literatur  an.  Manche  bedienten  sich  auch  der  gebun- 
denen Form  und  schleuderten  Epigramme  und  Pasquille  gegen  die 
Machthaber. 

1.  Über  Varros  ToiTtagavog  vom  J.  60  s.  §  166,  3  E.  Curios  Schrift  vom 
J.  59  s.  §  153,  6.  A.  Caecina  s.  §  199,  5.  Über  die  Angriffe  der  Dichter  auf 
Caesar  s.  §  158,  3  Z.  7  v.  u.  192,  4.  213,  7.  214,  5.    Peter,  Gesch.  Lit.  1,  163. 

2.  Über  die  Schriften  aus  Anlaß  von  Catos  Tode  (J.  46)  s.  Wartmann, 
Leben  des  Cato  von  Utica  (Zur.  1858)  145.  BBusch,  De  Catone  quid  anti- 
qui  scr.  censuerint,  Münster  1911.  Über  Ciceros  Cato  §  180,  5.  Zu  dessen 
Ergänzung  verfaßte  M.  Brutus  seine  Schrift;  s.  §  210,  2.  Des  Hirtius  Anti- 
cato  s.  §  197,  2,  über  die  Anticatones  des  Caesar  §  195,  7.  Die  Lobschrift 
des  M.  Fadius  Gallus  erschien  wahrscheinlich  im  Juli  oder  August  45;  s. 
Cic.  ep.  7,  24,  2;  vgl.  25,  1.  Catos  Freund  Munatius  Rufus  6vyyQa^a  tcsql 
Kdtcovog  i^EÖco-ns,  <b  \iäliGTa  Ogaöeag  (§  299,  7)  inri7ioXov&r}6sv.  Plut.  Cat. 
min.  37  vgl.  25.  Valer.  Max.  4,  3,  2  id  Munatius  Rufus,  Cypriacae  expedi- 
tionis  (des  Cato  J.  58)  fidus  comes,  scriptis  suis  significat  Dagegen  hatte 
Metellus  Scipio  schon  bei  Catos  Lebzeiten  ein  ßißXLov  herausgegeben  ßXccßcpr}- 
lilccg  y.ux£%ov  xov  Kdxavog,  ebd.  57.  Über  Augustus'  Schrift  s.  Süeton  Aug.  85 
multa  varii  generis  prosa  oratione  composuit,  ex  quibus  nonnulla  in  eoetu 
familiarium  velut  in  auditorio  recitavit,  sicut  rescripta  Bruto  de  Catone,  quae 
Volumina  cum  iam  senior  ex  magna  parte  legisset,  fatigatus  Tiberio  tradidit 
perlegenda.  Busch  37  ff.  OESchmidt,  Flugschr.  aus  der  Zeit  d.  1.  Triumvi- 
rat, JJ.  1901  VII  621. 

3.  Porcia,  Tochter  (nicht  Schwester,  wie  Mommsen,  Herrn.  15,  99  wollte, 
s.  Bühl,  JJ.  121,  147)  des  Cato  Uticensis  und  Gemahlin  zuerst  des  M.  Bi- 
bulus  (s.  §  255,  2),  dann  des  M.  Brutus.  Ihre  Krankheit  erwähnt  Brutus 
ep.  ad  Cic.  1,  17,  7;  und  als  sie  in  Abwesenheit  ihres  Gatten  sich  ent- 
schlossen hatte  dict  vÖ6ov  KccxuXintlv  xov  ßlov  (Plut.  Brut.  53),  machte  Bru- 
tus seinen  Freunden  in  Rom  Vorwürfe,  daß  sie  es  nicht  verhindert  hätten 
(cbg  a.yLslr\&Ei6rig  vn  ccvxcöv,  Plut.  aO.).  Trostschreiben  Ciceros  an  Brutus, 
ep.  ad  Brut.  1,  9.  Die  Darstellung,  als  ob  sie  erst  nach  dem  Tode  ihres 
Gatten  (mittels  feuriger  Kohlen,  die  sie  schluckte)  sich  den  Tod  gegeben 
hätte,  ist  eine  Erfindung  der  Rhetorenschulen.  —  Cic.  Att.  13,  48,  2  (J.  45) 
laudationem  Porciae  tibi  misi  correctam.  . .  et  velim  M.  Varronis  et  Lollii 
mittas  laudationem.  Lollii  utique;  nam  illam  legi;  volo  tarnen  regustare. 
Drumann  5,  198. 


§  215.  Flugschriften.    §  216.  Acta  senatus  u.  populi  531 

216.  Die  Tagesneuigkeiten  wurden  seit  J.  59  regelmäßig  in 
den  acta  veröffentlicht,  und  zwar  die  Senatsprotokolle  in  den  acta 
senatus,  die  staatlichen  und  privaten  Vorkommnisse  in  den  acta 
populi  oder  acta  diurna.  Letztere  waren  ein  amtliches  Tageblatt, 
unter  einem  amtlichen  Herausgeber,  wurden  jeden  Tag  öffentlich 
ausgestellt,  von  Unternehmern  abgeschrieben  und  versandt.  Echte 
Überreste  von  diesen  acta  sind  nicht  auf  uns  gekommen. 

1.  Sueton.  Iul.  20  inito  honore  (des  Consulats,  J.  50)  primus  omnium 
instituit,  ut  tarn  senatus  quam  populi  diurna  acta  confierent  et  publicarentur. 
An  sich  bezeichnet  acta  das  Geschehene  oder  Verhandelte  selbst,  insbeson- 
dere Amtshandlungen  der  Behörden,  dann,  als  abgekürzter  Ausdruck  (statt 
commentarii  actorum),  die  Aufzeichnung  dieser  Gegenstände.  Von  den  Ver- 
handlungen des  Senats  waren  vor  Caesar  nur  die  Beschlüsse  regelmäßig 
aufgenommen  und  in  geeigneten  Fällen  veröffentlicht  worden;  Caesar  dehnte 
die  Aufzeichnung  und  Veröffentlichung  auch  auf  die  Verhandlungen  aus. 
Die  Aufzeichnung  (Protokollierung)  bestand  dann  die  ganze  Kaiserzeit  hin- 
durch (noch  vom  J.  438  n.  Chr.  haben  wir  gesta  in  senatu  urbis  Romae  de 
recipiendo  codice  Theodos  ianae),  aber  die  Veröffentlichung  untersagte  schon 
August  (Suet.  Aug.  36  auctor  et  aliarum  verum  fuit,  in  quis,  ne  acta  sena- 
tus publicarentur).  Gegenstand  dieser  Protokolle  waren  außer  den  gefaßten 
Beschlüssen  auch  die  im  Senat  gestellten  Anträge,  die  eingelaufenen  Be- 
richte und  Schreiben,  in  der  Kaiserzeit  besonders  auch  die  durch  den  Quaestor 
vorgetragenen  Reden  der  Kaiser  und  die  Akklamationen  der  Senatsmitglie- 
der. Die  Abfassung  des  Protokolls  besorgten  Senatoren,  die  zuerst  der  Con- 
sul,  dann  der  Kaiser  beauftragt  hatte;  später  der  curator  actorum  senatus, 
von  Hadrian  an  der  Beamte  ab  actis  senatus.  Aufbewahrt  wurden  diese 
acta  senatus  teils  im  Reichsarchiv  (tabularium),  wo  sie  wohl  nur  Senats- 
mitgliedern (und  für  bestimmte  Zwecke)  zugänglich  waren,  teils  in  beson- 
deren Abteilungen  der  öffentlichen  Bibliotheken,  zu  denen  man  nur  auf  aus- 
drückliche Erlaubnis  des  praefectus  urbi  Zutritt  erhielt.  Manche  Verhand- 
lungen des  Senats  fanden  aber  auch  in  die  acta  populi  Aufnahme  und 
wurden  dadurch  allgemein  zugänglich.  EHübner,  JJ.  Suppl.  Bd.  3,  564.  Groag 
ebd.  23,  712.  WRein,  PRE.  I2,  132.  147.  Kubitschek,  PW.  1,  287.  Außer- 
dem zB.  VLeclerc,  des  journaux  chez  les  Romains,  Par.  1838.  WASchmidt, 
Zeitschr.  für  Geschichtswiss.  1  (1844),  303.  Lieberkühn,  de  diurnis  Rom. 
actis  (Weim.  1840);  epist.  crit.  ad  LeClercium  (Lps.  1844).  Renssen,  de  di- 
urnis aliisque  Rom.  actis,  Groningen  1857.  Mommsen,  röm.  Staatsrecht  3, 
1017.    Peter,  Gesch.  Lit.  1,  205. 

2.  Der  römische  Staatsanzeiger,  die  acta  diurna  populi  heißen  auch 
acta  diurna  oder  acta  populi  rom.  oder  acta  populi  oder  acta  publica,  acta 
urbana,  rerum  urbanarum  acta,  acta  urbis,  diurna  populi  rom.,  oder  diurna 
(zB.  luv.  6,  483)  oder  acta  (zB.  luv.  2,  136)  schlechtweg;  auch  commentarii 
diurni  Suet.  Aug.  64;  bei  den  griechischen  Schriftstellern  toj  xolvu  vTto\Lvf\- 
ficcra  oder  einfach  v7toiivrJiLccTa.  Mitteilung  der  Neuigkeiten  aus  Rom  an 
Abwesende  war  vor  Caesar  Sache  der  Privattätigkeit  gewesen,  und  diese 
erlosch  auch  nach  Caesars  Einrichtung  nicht,  wie  zB.  Ciceros  Briefwechsel 

34* 


532  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

während  des  Prokonsulates  zeigt  (s.  zB.  ad  Att.  3,  15,  6.  6,  2,  6.  ep.  12,  23,  2); 
durch  Caesar  aber  wurde  die  Zusammenstellung  und  Veröffentlichung  der 
Nachrichten  eine  regelmäßige  und  amtliche.  Die  Vorkehrung  entsprach  so 
sehr  einem  dringenden  Bedürfnisse  nicht  nur  der  Römer  in  der  Fremde, 
sondern  auch  der  Bewohner  der  Weltstadt  selbst  und  der  sonstigen  Ange- 
hörigen  des  Reiches,  daß  sie  ohne  Unterbrechung  fortbestand  und  wohl  erst, 
als  sie  mit  Verlegung  der  kaiserlichen  Residenz  nach  Konstantinopel  ihre 
Bedeutung  einbüßte,  allmählich  aufhörte.  Der  Inhalt  dieser  acta  war  teils 
ein  amtlicher  (Vorgänge  in  der  kaiserlichen  Familie,  Verordnungen  der 
Kaiser  und  der  Behörden,  Beschlüsse  oder  auch  Verhandlungen  des  Senats 
und  sonstige  Vorfälle,  die  man  zur  allgemeinen  Kenntnis  bringen  wollte, 
zB.  Prodigien,  Kuriositäten,  Siege  bei  den  Wagenkämpfen?  Friedländer, 
SG.  28,  520),  teils  ein  privater,  bestehend  ans  Familiennachrichten  aller  Art, 
Anzeigen  von  Geburten,  Heiraten,  Ehescheidungen,  Todesfällen  udgl.,  die 
man  an  die  Leitung  eingesandt  hatte  (darin  sprach  zB.  bei  Traueranzeigen 
fder  tiefgebeugte  Gatte'  saucius  pectus,  Quint.  9,  3,  17).  Die  offizielle  Zu- 
sammenstellung wurde  in  albo  veröffentlicht,  und  wie  man  früher  von  den 
annales  sich  Abschriften  gemacht  hatte  (oben  §  76),  so  wurden  jetzt  diese 
acta  durch  zahlreiche  scribae  vervielfältigt  und  an  ihre  Besteller  versandt. 
Nach  Verlauf  einiger  Zeit  kam  das  Original  in  das  Staatsarchiv  und  konnte 
dort  für  schriftstellerische  Zwecke  benützt  werden.  Auszüge  daraus  waren 
die  Acta  Muciani  (§  314,  1)  und  Acholii  (§  387,  1).  In  den  Privatbiblio- 
theken werden  die  acta  bei  ihrer  Massenhaftigkeit  nicht  leicht  vollständig 
gewesen  sein;  vielleicht  wurden  sie  von  Anfang  nur  in  Auszügen  bezogen. 
Vgl.  EHübner  aO.  594.    Kubitschek  aO.  290. 

3.  Ein  Machwerk  des  15.  Jahrb.  sind  die  elf  Fragmente  von  acta  po- 
puli,  zuerst  von  Pighius  (1615)  in  seinen  Annales  2,  378  veröffentlicht,  die 
nach  ihrem  Hauptverfechter,  Dodwell  (Praelect.  Camden.,  Oxon.  1692,  p.  665), 
gewöhnlich  fragmenta  Dodwelliana  genannt  werden.  Gegen  deren  Echtheit 
s.  besonders  Wesseling,  Probabilia  (Franeker  1731)  p.  354  und  AErnesti  an 
s.  Sueton  (Lpz.  1748).  HHeinze,  de  spuriis  actorum  diurnorum  fragmentis, 
Greifsw.  1860.  Vergebliche  Verteidigung  von  Lieberkühn,  bes.  in  Vindiciae 
librorum  iniuria  suspectorum,  Lps.  1844,  p.  1. 

217.  Eine  Mittelstellung  zwischen  der  beurteilenden  und  der 
bloß  berichtenden  Tagesliteratur  nehmen  die  Briefe  ein,  deren  wir 
aus  dieser  Zeit  in  den  ciceronischen  Sammlungen  eine  große  An- 
zahl besitzen,  meist  von  Cicero  selbst,  aber  auch  von  nicht  wenigen 
Zeitgenossen. 

1.  Über  die  Briefe  s.  §  46;  über  die  Caesars  s.  §  195,  8;  über  die  von 
M.  Brutus  s.  §  210,  4. 

2.  Über  die  ciceronischen  Briefsammlungen  s.  §  187  und  188.  Außer 
den  Briefen  von  Cicero  selbst  sind  darin  enthalten  Briefe  von  seinem  Bru- 
der Qnintus  (§  190,  3),  von  seinem  Sohne  (ep.  16,  21.  25),  M.  Brutus  (§  188,  4. 
vgl.  §  210,  4),  Ser.  Sulpicius  (§  174,  2;  Schmalz,  ZfGW.  35,  90),  M.  Marcel- 
lus  (ep.  4,  11;  Schmalz  aO.  128),  Q.  Metellus  Celer  (§  214,  3),  Q.  Metellus 
Nepos  (ep.  5,  3),  Vatinius  (ebd.  5,  9.  10;  Schmalz,  d.  Latinität  des  Vatinius, 


§  217.  Briefliteratur.    §  218.  Inschriften  533 

Mannheim  1880),  L.  Lucceius  (§  172,  5),  A.  Caecina  (§  199,  5),  Pompeius 
Bithynicus  (ep.  6,  16),  M\  Curius  (ep.  7,  29;  Schmalz,  ZfGW.  35,  137),  M. 
Caelius  Rufus  (§  209,  6),  Dolabella  (ep.  9,  9;  Schmalz,  ZfGW.  35,  131),  Mu- 
natius  Plancus  (§  209,  8),  Ser.  Sulpicius  Galba  (ep.  10,  30),  C.  Asinius  Pollio 
(§  221,  5),  Lepidus  (ep.  10,  34.  35),  D.  Brutus  (§  210,  5),  C.  Matius  (§  208,  5), 
C.  Cassius  (§  210,  6),  Cassius  Parmensis  (§  210,  7),  P.  Lentulus  (ep.  12,  14. 
15),  C.  Trebonius  (§  210,  9),  M.  Cato  (§  201,  2).  Dazu  als  Beilagen  zu 
Briefen  an  Atticus  Briefe  des  Cn.  Pompeius  (§  171,  8),  Caesar  (§  195,  8), 
Baibus  (§  197,  1),  M.  Antonius  (§  209,  3). 

218.  Von  den  lateinischen  Inschriften  aus  den  Jahren  84 
bis  44  hat  keine  mehr  das  saturnische  Maß.  Unter  den  prosaischen 
sind  die  wichtigsten  die  lex  Cornelia  de  XX  quaestoribus  vom  J.  81, 
das  Senatusconsultum  de  Asclepiade7  Polystrato,  Menisco  in  amico- 
rum  formulam  referendis  vom  J.  78,  die  lex  Antonia  de  Termessi- 
bus  vom  J.  71,  die  lex  Rubria  de  civitate  Gralliae  cisalpinae  um  49, 
die  lex  Julia  municipalis  vom  J.  45,  sowie  die  über  die  Verfassung 
der  Kolonie  Urso  (Osuna)  aus  J.  44.  Sie  zeigen  durchweg  die  alter- 
tümliche Gesetzessprache  und  sind  von  den  Fortschritten  der  lite- 
rarischen Prosa  unberührt. 

1.  Die  metrischen  Inschriften  aus  dem  7.  Jahrh.  d.  St.,  ohne  genauere 
Zeitbestimmung,  s.  §  163,  7 — 9. 

2.  Die  lex  Cornelia  des  Dictators  Sulla  de  viginti  quaestoribus  (CIL. 
1,  202.  PM.  29.  Bruns  fönt.7  89.  DIE.  307),  ungefähr  aus  J.  81  (vgl.  Tac 
ann.  11,  22),  ist  zum  Teil  erhalten  auf  einer  unter  den  Trümmern  des  Sa- 
turnustempels  zu  Rom  ausgegrabenen  Erztafel. 

3.  Das  SC,  wodurch  Asclepiades  und  Genossen  für  viri  boni  et  amici 
erklärt  werden,  ist  lateinisch  (nur  sehr  unvollständig  erhalten)  und  griechisch 
abgefaßt:  CIL.  1,  203.  PM.  30.  Bruns  fönt.7  176.  DIE.  308.  Nur  griechisch 
erhalten  sind  die  SSCC  de  Oropiis  vom  J.  73  (Mommsen,  Sehr.  5,  495.  JG. 
7,  413.    Bruns7  180)  und  de  Aphrodisiensibus  J.  42  CIG.  2,  2737.    Bruns7  185. 

4.  Die  lex  Antonia  bestätigt  die  Autonomie  der  Stadt  Termessus  maior 
in  Pisidien:  CIL.  1,  204.  PM.  31.    BrüxNS7  92.    DIE.  309. 

5.  Die  lex  Rubria:  CIL.  1,  205  =  11,  1146.  PM.  32.  Ritschl,  op.  4,  34. 
Bruns7  97.  DIE.  311.  Gradenwitz,  SB.  Heidelb.  Ak.  1915  N.  9.  —  Einneues 
Bruchstück  vielleicht  desselben  Gesetzes  wurde  zu  Ateste  gefunden:  Momm- 
sen, Sehr.  1,  175.    Bruns7  101. 

6.  Die  Tafel  von  Heraklea,  sogen,  lex  Iulia  municipalis  des  Caesar  über 
die  Rechtsverhältnisse  der  Municipien:  CIL.  1,  206.  PM.  33.  34.  Bruns7  102. 
DIE.  312.  Hauptschrift  darüber  von  Savigny,  Verm.  Sehr.  3,  279.  Vgl.  Hackel, 
WSt.  24,  542.  Mitteis,  Z.  Sav.  St.  rom.  Abt.  1912,  159.  —  Eine  lex  munici- 
palis enthält  auch  die  der  augusteischen  Zeit  angehörige  lamina  Tudertina 
und  die  lamina  Florentina;  s.  CIL.  1,  p.  263.    Bruns7  157 f. 

7.  Lex  coloniae  Genetivae  Iuliae  s.  Ursonensis  vom  J.  44,  aber  in  ihrer 
Fassung  wohl  erst  aus  dem  Ende  des  ersten  christl.  Jahrh.,  J.  1871  ff.  bei 
Osuna  in  sehr  beträchtlichen  Bruchstücken  gefunden:    deBerlanga,   Malaga 


534  Ciceronische  Zeit:  J.  63—43  v.  Chr. 

1873.  76.    EHübner  u.  Mommsen,  ephem.  epigr.  2, 105.  221.  3,  89;  Sehr.  1, 194. 
CIL.  2  Suppl.  5439.    Dessau  6087.    Bruns7  122     Fabricius,  Herrn.  35,  205. 

8.  Erwähnung  der  rogatio  Hirtia  (vom  J.  46?)  auf  der  Erztafel  CIL.  1, 
627  f.  p.  184. 

9.  Von  den  datierten  Inschriften  aus  den  J.  84—44  (CIL.  1,  573—626) 
sind  besonders  erwähnenswert  die  aus  der  sullanischen  oder  etwas  früheren 
Zeit  (Nr.  584 — 586  und  587 — 589  vom  populus  Laodicensis  af  Lyco,  popu- 
lus  Ephesius  und  Avaicov  xb  holvov),  das  doppelsprachige  SC.  für  drei 
griechische  Nauarchen  vom  J.  78  CIL.  1,  203.  Viereck  (§  129,  1)  31,  wie 
der  Grenzstein  des  M.  Terentius  Varro  Lucullus  (PRE.  4,  1074,  9)  Nr.  583 
DIE.  270;  die  campanische  Weihinschrift  (Nr.  573  DIE.  304  b  Dess.  6303) 
worauf  in  seri-om  Iunonis  Gaurae  contulerunt  (J.  71),  und  die  aus  Furfo 
(Nr.  603.  Bruns7  203.  Dessau  4906.  DIE.  310  vom  J.  58),  letztere  wegen  ihres 
bäurischen  Lateins;  HJordan,  Herrn.  7,  201;  Beitr.  z.  Gesch.  d.  lat.  Spr.  250. 

10.  Bleierne  Schleudergeschosse  (glandes)  mit  Inschriften  u.  a.  aus  der 
Belagerung  von  Henna  (J.  133),  Asculum  (J.  90  f.),  Perusia  (J.  41  f.),  letztere 
teilweise  mit  derben  Soldatenwitzen,  wie  peto  Octaviani  culum;  L.  Antoni 
calve,  Fulvia,  culum  pandite;  Fulviae  landicam  peto;  L  Antoni  calve, 
peristi  C.  Caesarus  victoria;  esureis  et  me  celas.  CIL.  1,  644  fll.  ThBergk, 
Inschriften  röm.  Schleudergeschosse,  Lpz.  1876.  Desjardins,  les  balles  de 
fronde  de  la  republique,  Par.  1874—75.  Kritische  Gesamtausgabe:  Zange- 
meister, glandes  plumbeae  latine  inscriptae,  ephem.  epigr.  Bd.  6  (1885). 
Liebenam,  PW.  7,  1377. 

11.  Sogenannte  tesserae  gladiatoriae,  bis  jetzt  ungefähr  hundert  da- 
tierte aus  den  Jahren  96  v.  Chr.  bis  88  n.  Chr.;  dazu  noch  einige  ältere  bis 
gegen  J.  114  zurückgehend.  Den  Beginn  ihres  Aufkommens  brachte  man 
zusammen  mit  der  staatlichen  Anerkennung  der  Gladiatur  unter  dem  Con- 
sulat  des  P.  Rutilius  J.  105  (Bücheler,  RhM.  38,  476.  Mommsen,  Herrn.  21, 
273).  Noch  nicht  erklärt  ist  die  merkwürdige  jetzt  gesicherte  Aufschrift 
spectavit;  neuerdings  sieht  man  darin  Bescheinigungen  über  erfolgte  Inku- 
bation. Verzeichnisse:  CIL.  1,  717—774.  776b;  in  der  Abhandl.  Ritschls 
darüber  op.  4,  572.  Nachträge:  eph.  epigr.  3,  161.  203;  bull.  arch.  1879, 
252.  1880,  141.  1882,  8.  1884,  11;  1889,  173  vgl.  Dess.  5161.  Vgl.  noch  Fried- 
länder,  SGesch.  2,  531  und  bes.  Mommsen,  Herrn.  21,  260.  AElter,  RhM. 
41,  517;  PIMeier,  RhM.  42,  122.    Rostowzew,  Klio  Beih.  3,  2. 

12.  Ziegel  mit  Jahresangabe  aus  Municipien  (Veleia)  von  den  Jahren 
76—11  im  CIL.  1,  p.  202  =  Dess.  8646. 

13.  Verwünschungen  (devotiones)  aus  republikanischer  Zeit  im  CIL.  1, 
818—820.  DIE.  386  fll;  vgl.  Wuensch,  CIA.  app.  (1897)  p.  xxv;  Sethian. 
Verfluchungstafeln,  Lpz.  1898.  Audollent,  Defixionum  tabellae,  Paris  1904. 
Dessau  8746  ff. 

14.  Grabschrift  des  L.  Manneius  Q.  (libertua)  medicus,  cpv6iv.bg  olvo- 
86xt}s  nach  der  Methode  des  Asklepiades  aus  Prusa  (PW.  2,  1632),  also  wohl 
aus  der  Zeit  des  Pompeius,  CIL.  1,  1256.  10,  338.    Dess.  7791. 

15.  Scherzhafte  (?)  Wandinschrift  aus  Pompeii:  Urna  aenia  pereit  de 
taberna.  sei  quis  eam  rettulerit  dabuntur  etc.  im  CIL.  1,  1254.  4,  64.  Eine 
andere  ebendaher  mit  dem  genauen  Datum:  C.  Pumidius  Dipilus  heic  fuit 
a.  d.  V.  nonas  octobreis  M.  Lepid.  Q.  Catul.  cos.  (J.  78),  ebd.  1,  590.  4, 1842. 


REGISTER 


Abuccius,  L.  192, 1 
Accius,  L.  134.  93,12 
Acilius ,     C. ,     Historiker 

127,  2 
Acilius,  L.,  Jurist  125,  4 
Acta  diurna  216,  2 
Acta  senatus  216, 1 
Actorius  Naso  210,  10 
Aculeo,  C.  154,6 
Aelius  Gallus,  C.  208,4 
Aelius  Paetus,  P.  125, 1 
Aelius  Paetus,  S.  125,2 
Aelius  Stilo,  L.   148 
Aelius  Tubero,  L.  172,8 
Aelius  Tubero,   Q.,   Cos. 

118.    139,2;    vgl.    Cuntz 

Stromateis(Grazl909)49 
Aelius  Tubero,  Q.,  Caesa- 

rianer  208,  1 
Aemilius  Lepiclus  Porcina 

131,5 
Aemilius  Paulus,  L.  123,  8 
Aemilius  Probus  198,  7 
Aemilius  Scaurus,M.,  Cos. 

115.  136,  10 
Aemilius  Severianus   mi- 

mographus  8, 1 
Aesopus,  Schauspieler  13, 4 
Afranius,  L.  145 
Ainesidemos  172,  8 
Aischines  182,  7 
Akrosticha  26,  3 
Akteinteilung  16,  7 
Akzent,  Rücksicht  auf  93 
Albucius,  T.  141,  3.  143,  4 
Alexander  Lychnos  212,  2 
Alexander  Polyhistor  164 

a,  1 
Alfenus  Varus  208,3 
Alfius  137,9 
Alliteration  61, 1.  93,  3 
Alphabet  60  a.  90,2.  93,7 
Amafinius  173,  1 
Ambivius  Turpio  16,  13  f. 
Ampius  Baibus  210, 10 
avayvcüQi6^,6g  16,  1 
annales  maximi  76,  2  f. 


annales  pontificum  76 
Annalisten  37 
Annius  Cimber  209,  12 
Annius  Luscus  136,  6 
Anonymus  de  rebus  bel- 

licis  56,  3 
Antiochos  v.  Askalon  153, 

4.  157,5.  161,1.  164a,  2. 

182,2,2;  5,1;   6.  1.   183, 

2.   184,2,3;    6,2;    7,  1  U. 

2;   13,1 
Antiquare  42.  1 
Antonius,    M. ,    Cos.    99. 

152. 1  f. 

Antonius,    M.,    Tuiumvir 

209,3 
Antonius  Gnipho  159,  5 
Apellikon,  S.  313 
Apollodor,    Chronograph 

172.2  198,4 
Apollodor  v.Karystos  110, 

4.  5 
Apollodor    v.    Pergamon 

44,  10 
Apollonios  Molon  177a,  4. 

178,1 
Apollonios    von     Rhodos 

212,  2 
Aprissius  151,  6 
Aquilius,  Palliatendichter 

107,3 
Aquilius     Gallus     154, 3. 

174,  1 
Aratos  177  a,  1.  212,2 
Archaismen  206,  8 
Archelaus  148,  3 
Archestratos  103,  4 
archimimus  8,  7 
Architekten  57 
Ariston  184,  11 
Aristoteles  182,2,  1;  4,2. 

183,  3.  184,  5, 1 
Arvallied  65 
Asianismus  44,  11.  178,  1. 

179,  42,  2 
Aspiraten  93,  15 
Astrologie  52,  4  f. 


Ateius,  C,  Jurist  174,  5 
Ateius  Philologus  211,  1 
Atellana  9.  10.  18,2 
Atilius ,    Palliatendichter 

107,2 
Attius    134,12;    .  s.    auch 

Accius 
Attizismus  44,11.  182,3, 

2  ff.   194,2.  210,2 
Aufidius,  Cn.  155,  4 
Aufidius  Tucca  und  Na- 
|    rausa  1 74,  5 
j  Aufustius  199,  8 
j  Augenärzte  55,  2 
augurum  libri  77, 1 
j  Aurelius  Cotta,  C.,Cos.  75. 

153,4 
Aurelius  Opilius  159,4 
Aurunculeius     Cotta,     L. 

197,9 
Autobiographie  37,  7 

Baibus  s.  Ampius,  Caeci- 

lius,  Cornelius,  Domitius, 

Lucilius 
Bassus,  Gavius  211,  6 
Bathyllos,   Pantomime  8, 

13 
Bellum  Africanum  197,  7 
Bellum        Alexandrinum 

197,6 
Bellum  Hispaniense  197,8 
Betutius,  T.  153,  8 
Blossius,  C.  139, 1 
Brief,  poetischer  25.  46 
Bruti   epitome    Fanniana 

136,  9 
Brutus  s.  Iunius 
Bucco  9,  3 
Buchhandel  2,  2 
Bucolica  29 

Caecilius,  St.  106 
Caecilius      aus      Comum 

213,4 
Caecilius  Baibus  212,  6 


536 


Register 


Caecilius  Metellus   Celer 

171,10 
Caecilius  Metellus  Nepos 

171,10 
Caecilius     Metellus,    Q., 

Cos.  206.  123,2 
Caecilius  Metellus  Mace- 

donicus,  Q.,  131,  7 
Caecilius  Metellus  Numi- 

dicus  141,  2 
Caecina,  A.  199,  5 
CaeliusRufus  179,34.  209, 

5—7 
Caesar  s.  Iulius 
Caesius  199,  6 
Caesius,  T.  174,5 
Calidius,  M.  202, 1 
Calliopius  109,  2 
Calpumius  Piso,  C,  157,  6 
Calpurnius  Piso,  L.,  Cos. 
133  132,4 
Calpurnius  Piso  Caesoni- 

nus,  L.,  179,  37 
Calpurnius  Piso,  M.  161, 1 
Carnillus,  C.  174,  6 
Canius,  C.  136,  10 
Cannutius,  P.  153,  5 
canticum  13,3.  16,5.  98,5. 

111,  7 
Carmen  61,  1 
Carvilius,  Sp.  128 
Casca  197,9 
Cascellius,  A.  207,4 
Cassius,C,  praet.44  210,6 
Cassius  Etruscus  210,  8 
Cassius  Hemina  132,  1 
Cassius  Parmensis  210,  7 
Catius,  T.  173,  3 
Cato  s.  Porcius,  Valerius 
Catullus  142,  4  E.  vgl.  Va- 
lerius 
Catulus  s.  Lutatius 
censoriae  tabulae  78,  2 
centones  26,  2 
Charmadas  182,2,2 
Chorlieder   der  Tragödie 

13,5  der  Komödie  16,3 
Chronographie  38,  2 
Cicero  s.  Tullius 
Cincius  Alimentus  117 
Cinna,  Jurist  174, 5  s.  auch 

Cornelius,  Helvius 
Ciris  212a,<#2.  213,3.7 
Claudius,  Übersetzer  des 

Acilius  127,2 
Claudius,     Ap.,     Redner 

136,2 
Claudius  Caecus,  Ap.,  90 
Claudius    Marcellus,    M. 

202,4 


Claudius  Pulcher,  Ap.,  Cos. 

54  199,  1  s.auchClodius 
Claudius        Quadrigarius 

155,1 
Clodia  179,  34.  214,  3 
Clodius,  Ser.  159,  9 
Clodius,  S.  211,5 
Clodius  Pulcher,  P.  202,  5 
Coelius     Antipater     137, 

5—8 
Commedia  dell1  arte  8, 12 
commentarii  regum  72 
Cornelia,  Mutter  der  Grac- 

chen  123,6 
Cornelius',     Grammatiker 

95,8 
Cornelius  Baibus,   L.,    d. 

Ae.  197,4 
Cornelius  ßalbus,  L  ,  Cos. 

32  209,4 
Cornelius    Cethegus,    M., 

Cos.  204  123,3 
Cornelius  Epicadus  159,  8 
Cornelius  Gallus  32, 1 
Cornelii  Lentuli  171,  9 
Cornelius     Maximus,     Q. 

154,  7 
Cornelius  Nepos  198 
Cornelius    Scipio   Africa- 

nus  maior  123,  5 
Cornelius  Scipio,  P.,  Afri- 

cani  filius  127,  3 
Cornelius  Scipio  Africanus 

minor  131,  1 
Cornelius    Scipio    Nasica 

Cos.  162  127,4 
Cornelius    Scipio   Nasica, 

P.,  Jurist  125,3 
Cornelius    Scipio    Nasica 

Serapio  136,  7 
Cornelius     Sisenna     156, 

1—3 
Cornelius  Sulla  157,  1—3 
Cornelius  Valerianus  53,1 
Cornificius  162,  5 
Cornificius,  Q.  209,2 
Coruncanius,  Ti.  89 
Cosconius,  Q.  159,  7 
Cotta  s.  Aurelius,  Aurun- 

culeius 
Crassus  s.  Licinius,  Nin- 

nius 
Curiatius  211,  6 
Curtius  Iustus  54,  6 
Curtiua  Nicia  200,4 
Cyprianus  als  Epiker  21,  2 
Cyriilglossen  42,  7 

Decius,    P. ,     praet.     115 
136,5 


Deklamationen  45,  5  f. 
Demophilos  97,  2 
Demosthenes  182,  7 
devotiones  218, 13 
Diatribe  50,  3 
Didius  205,  6 
Didymos  184, 1,  3 
digesta  49,  8 
Dikaiarchos  184, 1,  3;  8, 1 
Diphilos    15,  2.    97,  7.  17. 

21.   110,6 
Dirae  200,  2 
diverbium  13,  3.   16,  5 
dominus  gregis  12,  2 
Domitius  ßalbus  178,  4 
Dossennus  9,  3 
Drama  3.  6,2.  12 
Duenosinschrift  83,  6 
Duiliusinschrift  83,  9 

echoici  versus  26,  4 
eclogae  29, 1 
Egnatius  192,  1 
Elegie  32 
elogia  81,  2  f. 
embolium  8, 13 
Empylos  210,4 
Ennius,Q.  100-104.  S.159. 

161 
Ennius  der  Grammatiker 

159,  13 
ephemerides  39,  3 
Epicharmos  103,  5 
Epidii,  C.  M.  211,4 
Epigramm  31 
Epikur  203,4 
Epithalamium  22 
Epos  19—21 
Eratosthenes  170,  7 
Erucius  171,  12 
Etruscorum  libri  77,  5 
Euemeros  103,  6 
Euphorion  212a,  1.  214,6 

S.  319 
exempla  36,  4 
exodium  6,  3.   7,  4.   10,  1 

Fabel  27 

Fabius  Dossennus  9,  3 
Fabius  Labeo,  Q.  125,  5 
Fabius  Maximus  Ailobro- 

gicus  131,  2 
Fabius  Maximus  Cuncta- 

tor,  Q.  123,  1 
Fabius  Maximus  Servilia- 

nus  116,6.  132,3 
Fabius    Pictor,    Num.  (?) 

116,6 
Fabius  Pictor,  Q.  116 


Register 


537 


Fabius  Pictor,  Ser.  125,  5 

133,3 
fabula  palliata  15  f. 
fabula  praetexta  14 
fabula  tabernaria  17 
fabula  togata  17 
fabula  trabeata  17, 1 
Fadius  Gallus  215,2 
Fannius,  C.  136,9 
fasti  74 f. 

Favonius,  M.  202,6 
Feldmesser  58 
Fescenninen  4.  5 
Flavius,  Cn.  88 
Flavius  Fimbria,  C.  140,  5 
Flavius  Licerius  Firminus 

196,2 
Flavius  Priscus  174,  5 
Flavius  Procilius  172,  3 
Fonteius  170,8 
Fronto,  Astrologe  52,  4 
Fulvius  Flaccus,  M.  136,  3 
Fulvius  Nobilior,M.  126,1 
Fulvius  Nobilior,  Q.  126,2 
Furius,  A.,  Dichter  149, 1 
Furius  Bibaculus  192,  4 
Furius  Philocalus  74,  8 
Furius  Philus  131,  6 
Furmi  209,9 

Gannius  19,  1 

Gellius ,     Cn. ,      Annalist 

137,1 
Gellius,  L.,  Redner  153,  7 
Gellius,  P.,  Jurist  174,  5 
Gellius,    S.,    angeblicher 

137,2 
Geminus  212,  7 
Geographie  60 
Geschichtschreibung      36 

—39 
Glossare  42,  5 — 9 
Grabgedichte  31,  2.  32,  6 
Gracchus  s.  Sempronius 
Graezismen  206,  7 
Grammatiker  41 
Granius  praeco  143,  3 
Granius  Flaccus  199,  7 
Griechen,    Verhältnis    zu 

2,1 

Griechischer  Einfluß  91  f. 

Hatilius,  L.  16,  14 
Heilkunde  55 
Hekaton  184, 16,  2 
Helvius  Cinna  213,  2  f. 
Hendekasyllaben      33,  2. 

34,2 
Herennius ,    Rhetorik    an 

162 


Herennius  Baibus,  L.  202, 4 
Hermagoras  162,3.  177  a, 

4.  S.  315 
Hexameter,    daktylischer 

19,2 
Hirtius,  A.   197 
historia  37,  3 
Historia  miscella  39,  5 
Hochzeitslieder  5,  3.  4 
Hortensia  209,  14 
Hortensius    Hortalus,    Q. 

171,1—4.   179,3 
Hostius,  Epiker  146, 1 
Hugutio  42,  9 
Hymnen  21,  3.  30,  2 
Hypsicrates  159,  12 

Iacchus  132,  7 

lambenkürzung  93  S.  318 

Iambus  33 

Idyll  29,  1 

Inschriften    40.    83.    129. 

163.  218 
Invectivae  Sallustii  et  Ci- 

ceronis  205,  6 
Iohannes  de  Ianua  42,  9 
iouxmenta-Inschrift  83,  4 
Isagogische  Schriften  2,  3 
Isidori  glossae  42,  6 
Isokrates  182,  2,  1 
Iulius  Caesar,  C.  194—197 
lulius  Caesar,  L.   199,  3 
Iulius  Caesar  Strabo  153,3 
lulius  Calidus  212,  8 
Iulius  Celsus  Constantinus 

196,2 
Iunius  Brutus,  D.  210,  5 
Iunius  Brutus,  M.,  Jurist 

133,2 
Iunius  Brutus,  M.,  praet. 

44  188,4.  210,  1—4 
Iunius  Congus  138,  3 
Iunius  Gracchanus  138,  2 
Iuventius,    Palliatendich- 

ter  114,  1 
Iuventius,  C,  Jurist  154,  3 

Kallimachos  212  a,  1.  213, 

7.  214,6 
Karagöz  8, 12 
Karneades  141,  2.  143,  3 
Kleitomachos  143,  3.  184, 

10,  1;  12,1 
Komödie  12,  1.  15  ff. 
Kontamination  16,1.  9.  97, 

14.  98,2.    106,3.    107,5. 

111,3 
Krantor  184,  4 
Krates  v.  Mallos  138,4 


Kriegsschriftsteller  56 
kritische  Zeichen  41,  2 

Labeo  s.  Fabius,  Pacuvius 
Laberius,  D.  192,  3 
Laelius,  C.  131,3 
Laelius  Archelaus  148,  3 
Laevius  150,  4  f. 
Landwirtschaft  54 
latini  rhetores  44,  9.  159, 

2.  162,  2  f. 
laudationes  funebres43,3. 

44,2.  81,4—7 
Laurentii     epithalamium 

22,2 
leges  regiae  70 
legis  actiones  87 
Lehrgedicht  23.  32,  7 
Lepidus  s.  Aemilius 
Leucadia  212,  2 
lex  Acilia  163,2 
lex  agraria  163,  5 
lex  Antonia  218,  4 
lex     coloniae     Genetivae 

218,  7 
lex  Cornelia  218,  2 
lex  XII  tab.  86.  148,  2 
lex  lulia  municipalis  218, 6 
lex  Rubria  218,  5 
lex  Tappula  140, 1 
Liber  glossarum  42,  8 
Libo,  Annalist  172,  6 
libri  lintei  79 
Licinius  Calvus  213,5 — 7 
Licinius  Crassus,  L.,  Cos. 

95  152,3—5 
Licinius  Crassus,  P.,  Cos. 

205  123,4 
Licinius  Crassus,  P.,  Cos. 

131  133,5 
Licinius     Crassus     Dives 

171,5 
Licinius  Imbrex  107,  4 
Licinius  Lucullus,  L.,  Cos. 

74  157,  4  f. 
Licinius  Lucullus,  M.,  Cos. 

73  171,6 
Licinius  Macer  156,  4 — 6 
Licinius  Stolo  160,  3 
Licinius  Tegula  114,  3 
Livius  Andronicus  94 
LiviusDrusus,  M.,  Cos.  112 

136,11 
Livius  Drusus,  C.  139,  4 
Loblieder  82,  3  f. 
Lollius  215,3 
Lucceius,  L.  172,  5 
Lucilius,  C.  143.  93,  13 
Lucilius  Baibus,  L.  154,  3 
Lucretius,  T.  203 


538 


Register 


Lucretius     Vespillo,     Q. 

154,4 
Lucullus  s.  Licinius 
ludi  91,21.  92,5 
ludus  talarius  9,  6 
Luscius  Lanuvinus  107,  5 
Lutatius  Catulus,  Q.  142,4 
Lutatius  Daphnis  142,4 
Lydia  200,  2 
Lyrik  30.  34 

Maecius  Plautus  96—99 

Maccus  9,  3 

Maecius,      Grammatiker 

147,3 
Maecius,  Sp.,   Kunstrich- 
ter 204,  2 
Märchen  47,  4 
Mago  54, 1.  168,  2 
Mamilius  Sura  160,  4  vgl. 

158,  1 
Mamurra  209,13 
Manilius ,  Paradoxograph 

(?)  158,  1  vgl.  160,4 
M.'  Manilius  133, 1 
Manlius,  L.  158, 1 
Marcius  vates  66,  1  f. 
Marcius  Figulus  133,  6 
Marcius     Philippus,     L. 

153,2 
Marius,  C.  S.  156 
Masken  16,  13 
Mathematik  52,  1—3 
Matius,  C.  208,  5 
Matius,  Cn.  150,  2 
Memmius,  C.  202,2 
Memorialverse  23,  2 
Menander   15,  2.   97,  3.  4. 

8.  15.  18.    107,5.    110,  1. 

2.  3.  6 
Menelaos    aus    Marathus 

135,4 
Menippea  28,  3.  165,  3 
Messala  s.  Valerius 
Metellus  s.  Caecilius 
Metellus  Scipio  215,  2 
Metriker  42,  2 
Metrik  93 

Milesia  fabula  47, 1 
mimae  8,  8 
Mimus   7.  8 
Minucius   Prothymus    16, 

13 
Modestus,  Fälschung  56,  3 
motoriae  fabulae  16,  2 
Mucius  Scaevola,  P.,  Cos. 

133  133,4 
Mucius  Scaevola,  Q.,  augur 

139,  3 


Mucius  Scaevola,Q. ,  ponti- 

fex  154 
Mumrnii,  L.  Sp.  131,8 
Munatius  Plancus  209,  8 
Munatius  Rufus  215,  2 
Mythographi  42, 10 

naenia  82 
Naevius,  Cn.  95 
Naturwissenschaft  53 
Nelei  Carmen  94,  9 
Neoteriker  212  a.   S.  317. 

319;  jüngere  34 
Nicostratus  159,  11 
Nigidius  Figulus  170 
Nikias,  Grammatiker  200, 

4  vgl.  Curtius 
Ninnius  Crassus  150,  3 
Novelle  47 
Novius  151,1—3 
Numae  libri  72,1  f. 

occentatio  3,  3 

Octavius  Hersennius  159, 

11 
Octavius  Lampadio  138,  4 
Ofiliu*,  A.  207,2 
Oppius,  Landwirt  54,  5 
Oppius,  Caesarianer  197,3 
Orbilius  200,  3 
Orbius,  P.  174,  6 
Orthographen  42,  3 
Osberni  Panormia  42,  9 
Osci  ludi  9,  2 

Pacuvius,  M.  105 
Pacuvius  Labeo  207,  6 
Panaitios   131,1.    139,  2f. 

143,  3.    154,1.    184,1,3; 

2,3;   12,1;   16,2 
Pantomimus  8 
Papirianum  ius  71 
Papirius,  L.  aus  Fregellae 

123,7 
Papirius,  Sex.,  Jurist  1 54, 3 
Papirius  Carbo,   C,    Cos. 

120  136,4 
Pappus  9,  3 
Papstbriefe  46, 12 
7tuQccy.axu%oyri  16,  5 
Parthenios  213,  3 
Paulus,  Grammatiker  137, 

6E.  145,3 
Peitholeon  158,  3 
Pergamener  41, 1 
Philemon  15,  2.  10.  19 
Philocalus  74,8 
Philodemos    von    Gadara 

184, 10, 1 
Philologie  41 


Philon  von   Larissa    182, 

2,2.   183,2.   184,7,2 
Philosophie  50  f. 
Philoxenusglossen  42,  7 
Piso  s.  Calpurnius,  Pupius 
planipes  7,  3.  8, 10 
Piaton     182,  2,  1.     183,  3. 
184,1,2;  2,3;  9,  1;  9a 
Plautius  96,  5 
Plautus  s.  Maecius 
Plotius  Gallus  159,  2 
Poetik,  hellenistische  20, 1 
Polemius  Silvius  74,  9 
Polybios  131,  1.  184,  1,  3. 

5.  154 

Pompeius  Magnus  171,  8 
Pompeius,  S.,  Jurist  154,  5 
Pompeius  Lenaeus  211,  3 
Pompeius  Rufus,  Q.  153,  8 
Pompilius,  Dichter  146,  2 
Pompilius        Andronicus 

159,6 
Pomponius ,       Centonen- 

dichter  26,  2 
Pomponius,  L.  151,  4f 
Pomponius  Atticus  172 
Pontifices,   libri   u.   com- 

mentarii  73 
Popillius  Laenas,  P.  136,8 
Porcia  215,3 
Porcius    Cato     Censorius 

118—122.   2,  1 
Porcius  Cato,  M.,  Cos.  118 

141,1 
Porcius  Cato  d.  J.,  M.,201. 

215,2 
Porcius  Cato    Licinianus, 

M.,  125,6 
Porcius  Licinus  146,  4 
Poseidonios  164a,  2.  170, 

6.  177  a,  4.  183,2.  184, 
1,3;2,3;  5,1;8,2;9,1; 
10,1;  12,1;  13,1;  16,2 
203,4.  206,1.3 

Postumius    Albinus,    A. , 

Annalist  127,  1 
Postumius   Albinus,    Sp  , 

Redner  131,9 
praeficae  82,  2 
pragmatici  45,  4 
Precianus  Ictus  174,6 
Priami  carmen   94,  9 
privata  monumenta  80 
Procilius  172,  3 
7CQ0yv^ivd6[iata  45, 5.  46, 7 
Prolog  16,  10.  99,  2 
Prosa,  älteste  35 
Prosarhythmus     136,  9. 

181,2 
7iQ0ü(07ta  TtgotatL-nd.  16,11 


Register 


539 


Publicius  vates  66, 1 
Publicius(?)  174,5 
Publilius  Pellio  10,14.  97, 

9.  13 
Publilius  Syrus  212,  3—6. 

8,6 
Pupius  Piso,  M.  171,7 
Purismus     176,  3.    179, 1. 

195,9 
Pylades,  Pantomime  8,  13 

Quinctius  Atta,  T.  144 
Quintilius  Yarus  213,  4 
Quintipor  Clodius  192,  2 

Rabirius  173,  2 

Rätsel  26,1 

Rechtswissenschaft  48  f. 

Reden  in  Geschichtswer- 
ken 36,  5 

Redner  43—45 

Reim  11,3.  26,4 

responsa  49,  6 

Rhetoren  44,  9  f.  45,  lff. 

Rhetorica  ad  Herennium 
162 

Rhintonica  18 

Römer,  Eigenart  1 

Roman  47,  2 

Roscius,  Q.  179,  3 

Rutilius  Rufus,  P.  142, 
1—3 

Sabidius  64,  2 
Sabinus  Tiro  54,  4 
Saliorum  carmina  64.  li- 

bri  77,  2 
Sallustius     Crispus ,     C. 

205  f. 
Saliustii      Empedoclea 

192, 1 
Salomonis  glossae  42,  9 
Santra  211,  2 
Sappho  22, 1.  214,  6 
Sasernae  160, 1 
Satura  4.  6.  28 
Saturnier  62.  93.  163,  7 
Satyrdrama  9,  7 
Saufeius  172,  7 
Scaevola  s.  Mucius 
Schauspieler    3,  4.     Zahl 

16,4 
Schlachtenschilderungen 

36,6 
Scholia  Bobiensia  zu  Ci- 
cero 178,  4 
Scipio   s.  Cornelius,  Me- 

tellus 
Scipionengrabschriften 

83,8 


Scipionenkreis  131,1.  184, 

Scribonius    Curio    praet. 
121.  136,12 

Scribonius  Curio,  C,  Cos. 

76  153,6 
Scribonius  Curio,  C,  trib. 

pl.  50  209,1 
Scribonius    Libo    tr.    pl. 

149  131,4 
Statius  Sebosus  211,  7 
Seilenos  137,  6 
Sempronius  Asellio  142,  5 
Sempronius  Atratinus  209, 

10 
Sempronius  Gracchus,  C, 

tr.  pl.  123.  135 
Sempronius  Gracchus,  Ti., 

Cos.   177  123,  6 
Sempronius  Gracchus,  Ti., 

tr.  pl.  133   135 
Sempronius  Sophus  89  • 
Sempronius       Tuditanus 

138,1 
Senar  20,  2 
Septenar,      trochaeischer 

11,3.  84,2 
serpentini  versus  26,  4 
Servilius  Caepio,  Q.  136, 

10 
Sestiu3,    P.,    trib.    pl.  57 

202,  3.   214,  5 
Sevius  Nicanor  159,  3 
Sisenna ,      Grammatiker 

156,  3;  s.  auch  Cornelius 
Sornatius  132,  7 
sortes  Praenestinae  163,  8 
Sotades  103,  3 
Spruchgedicht  24 
Staberius  Eros  159,  10 
statariae  fabulae  16,  2 
Stenographie  44,8.  104,5. 

191,5 
Suasoriae    ad    Caesarem 

205,5 
subscriptiones  41,  2 
Sueius  150,  6 
Suetonius  23,  3 
Suffenus  214,  5 
Sulla  s.  Cornelius 
Sulpicius      Apollinaris 

109,3 
Sulpicius  Blitho  172,  7 
Sulpicius  Galba  Cos.  144 

131,4 
Sulpicius  Galba,C,  quaest. 

120  141,4 
Sulpicius  Galba,  C,  Großv. 

d.  Kaisers  208,  2 
Sulpicius  Gallus,  C.  124 


Sulpicius  Rufus,  P.,  trib. 

pl.  88  153,5 
Sulpicius    Rufus ,    Jurist 

174,  2—4 
Synonymik  42,  4 

tabula  Bantina  163,  1 
tabulae  publicae  78 
Tagetici  libri  77,  5.  170,  8 
Tanusius  212,  7 
Tarquitius  Priscus  158,  2 
Tarutius,  L.  199,  9 
Terentius  Varro,  M.    164 

—169 
Terentius   Afer,   P.,    108 

—111 
Terentius  Varro,  P.,  212, 

lf. 
Tertius,  Antiquar  199,  10 
tesserae  gladiatoriae  218, 

11 
testamentum  porcelli  28, 

3.  49,1 
Theaterbauten  12,  2 
Theophrast  182,4,2;    14, 

1.  190,4 
Thukydides  206,6 
tibiae  16,  6 
Ticidas  213,  1 
Timaios  164  a,  1 
Titinius  112 
Titius,  Antiquar  199, 10 
Titius,  C,  Redner  141,  7 
Torquati,  Epigrammdich- 
ter 31, 1 
Trabea  107,  1 
Tragödie  13 
Trebatius  Testa  207,  3 
Trebius  Niger  132,  5 
Trebonius,     C,     cos.  45 

210,9 
Tremellius   Scrofa   160, 2 

(Tremelius  Heraeus  Arch. 

Lex.  14,466   Lundström 

Eran.  13,  210) 
Tripertita  125,  2 
Triumphallieder  84 
Troja  und  Rom  91,  8 
Tubero  s.  Aelius 
Tullius    Cicero,    M.,    175 

—  189 
Ps.  Cicero    in  Sallustium 

205,6 
Tullius  Cicero,  Q.  190 
Tullius  Tiro,  M.  191 
Turpilius  113 
Turranius  Gracilis  132,  6 
Tyrannion  166,  6  e.  172, 1 
Tyrannus  132,  6 


540 


Register 


Umbricius  Melior  199,  6 
urbanitas  S.  319 

Valerius,  Palliatendichter 

114,2 
Valerius,  L.,  Ictus  207,  5 
Valerius,    Q.,    aus    Sora 

147,1 
Valerius  Aedituus   146,  3 
Valerius  Antias  155,21*. 
Valerius  Cato    200.  212  a 
Valerius  Catullus  214 
Valerius  Messala,  M.,  Cos. 

53  199,  2 
Valerius  Valentinus  140, 1 
Varus  s.  Alfenus,  Quinc- 

tilius 


Varus ,     Freund     Catulls 

213,4 
Vatronius,  Palliatendich- 

ter  114,2 
Vecellius  170,8 
Velleius,    C,    Epikureer 

161,  1 
Vennonius,     Historiker 

137,3 
Veranius,  Antiquar  199, 4 
Verträge  68 f. 
Vettius  Philocomus  148,  3 
Vicellius  170,  8 
Virgilius ,      Grammatiker 

95,8 
Visellius     Aculeo,     C, 

Rechtskenner  154,  6 


Volcacius,  Jurist  154,  4 
Volcacius  Sedigitus  147,  2 
Volkspoesie  11 
Volnius,  Tragiker  159, 14 
Voltacilius  Pilutus  158,  3 
Volumnius  192, 1 
Volusius,  Epiker  212,7 
Volusius,  Q.,  Redner  209, 

11 
Vulgärlatein  35,  2 

Witz  3,  2 
Xenophon  177  a,  2 

Zauberformeln   11, 2,   61; 

85 
Zwölftafeln  86 


Friedrich  Lübkers 
Reallexikon  des  klassischen  Altertums 

8.  Aufl.  in  vollst.  Neubearb.  hrsg.  von  J.  Geffcken  und  E.  Ziebarth  in  Verb,  mit  B.  A.  Müller. 

Unter  Mitwirk.  v.E.  Ho  ppe,W.  Liebenam,  E.  Pernice,  M.  Wellmann  u.a.  Mit8  Plänen. 

Geh.M.26.— , geb.M.28.—  Ausg.m.Schreibpap.durchsch.in2Bdn.  Geh.M.32.-  geb.M.36- 

Die  Neubearbeitung  des  Lübkerschen  Reallexikons  will  den  häufig  geäußerten  Wünschen  nach  einem  Buche 
entsprechen,  das  in  knapper  Form,  vor  allem  durch  Hinweise  auf  die  nötigen  Quellen  und  Hilfsmittel,  dem 
Suchenden  Belehrung  über  Einzelheiten  aus  der  Literatur  und  dem  ganzen  Leben  der  Antike  bringen  soll.  Es 
soll  in  keiner  Weise  die  große  Pauly-Wissowasche  Realenzyklopädie  ersetzen  oder  gar  verdrängen;  beider  Ziele 
sind  völlig  andere:  der  Lübker  gibt  keine  selbständigen  Abhandlungen  wie  jene  vorzüglichen,  in  der  Wissen- 
schaft stetig  verwerteten  Artikel  der  Realenzyklopädie,  sondern  gibt  in  einem  im  Charakter  von  Notizen  gehaltenen 
Stile  den  nötigen  Apparat  über  die  Tatsachen  und  die  Forschung  unter  Verzicht  auf  alle  subjektiven  Urleile 
über  Personen  und  Sachen,  weshalb  auch  seine  Artikel  ohne  den  Namen  des  Verfassers  bleiben.  Das  so  völlig 
neugeschaffene  Buch  hofft  sich  als  ein  nützliches,  die  philologisch-historischen  Studien  in  weiterem  Umfange 
förderndes  Unternehmen  zu  erweisen.  Es  wird  insbesondere  ebenso  dem  Philologen  an  den  höheren  Schulen  in 
Verbindung  mit  den  Fortschritten  der  Wissenschaft  zu  bleiben  erleichtern,  wie  dem  Forscher  auf  verwandten  Gebieten, 
dem  neueren  Historiker,  dem  Kunst-  und  Literaturhistoriker,  dem  Theologen  wie  Juristen  ermöglichen,  sich  über 
die  grundlegenden  und  verwandten  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  antiken  Kultur  bequem  zu  unterrichten. 

Einleitung  in  die  Altertumswissenschaft 

Herausgegeben  von  Alfred  Gercke  und  Eduard  Norden. 

I.  Band.    1.  Methodik  (A.  Gercke).   2.  Sprache  (P.  Kretschmer).   3.  Griechische  und  römische  Literatur  (E.  Bethe 

P.  Wendland  und  E.  Norden).    4.  Antike  Metrik  (E.  Bickel).    2.  Auflage.    Geh.  M.  13.—,  geb.  M.  15.- 

II.  Band.   1.  Griechisches  und  römisches  Privatleben  (E.  Pernice).  2.  Griechische  Kunst  (Fr.  Winter).   3.  Grie- 
chische und  römische  Religion  (S.  Wide).   4.  Geschichte  der  Philosophie  (A.  Gercke).   5.  Exakte  Wissenschaften 

und  Medizin  (J.  L.  Heiberg).    2.  Auflage.    Geh.  M.  9.  —  ,  geb.  M.  10.50. 

III.  Band.    1.  Griechische  Geschichte  bis  zur  Schlacht  bei   Chaironeia  (C.  F.  Lehmann-Haupt).    2.  Griechische 
Geschichte  seit  Alexander  (K.  J.  Beloch).    3.  Römische   Geschichte  bis  zum  Ende  der  Republik  (K.  J.  Beloch). 
4.  Die  römische  ( Kaiserzeit  (E.  Kornemann).     5.  Griechische  Staatsaltertümer  (B.  Keil).    6.  Römische  Staats- 
altertümer (K.  J.  Neumann).    2.  Auflage.    Geh.  M.  10  — ,  geb.  M.  12.— 

Bei  Bezug  aller  drei  Bände  ermäßigt  sich  der  Preis  auf  M.  28.—  (geh.)  u.  M.  32.—  (geb.) 
„Diese  Einleitung  in  die  Altertumswissenschaft  ist  eine  ausgezeichnete  Leistung,  und  die  ganz  überwiegende 
Mehrzahl  der  Beiträge  steht  vollkommen  auf  der  Höhe  ihrer  Aufgabe,  indem  sie  nicht  nur  dem  Anfänger  eine 
zuverlässige  und  gründliche  Einführung  in  Methode  und  Wissensstand  der  einzelnen  Disziplinen  geben,  sondern 
an  vielen  Punkten  auch  ihrerseits  die  Forschung  selbständig  weiterführen  und  um  wesentliche  Ergebnisse  be- 
reichern, also  die  unlösbare  Vereinigung  von  Forschung  und  Lehre,  die  das  Rückgrat  unseres  akademischen 
Lehrbetriebes  bildet,  vortrefflich  zum  Ausdruck  bringen.  Vor  die  Aufgabe  gestellt  zu  entscheiden,  welche  Ab- 
schnitte das  höchste  Maß  von  Anerkennung  verdienen,  kommt  der  Kritiker  in  eine  gewisse  Verlegenheit,  weil 
die  Wahl  zwischen  vielem  Guten  schwer  ist."  (Georg  Wissowa  in  den  „Neuen  Jahrbüchern4'.) 

Die  griechische  u.  lateinische  Literatur  u.  Sprache 

(Die  Kultur  der  Gegenwart,  hrsg.  von  Professor  P.  Hinneberg).   3.  Aufl.    Geh.  M.  12. — , 

in  Leinwand  geb.  M.  14.—,  in  Halbfranz  geb.  M.  16.—. 

Inhalt:  I.  Die  griechische  Literatur  und  Sprache.  Die  griechische  Literatur  des  Altertums:  U.  v.  Wila- 
mowitz-Moellendorff.  —  Die  griech.  Literatur  des  Mittelalters:  K.  Krumbacher.  —  Die  griech.  Sprache: 
J.  Wackernagel.  —  IL  Die  latein.  Literatur  und  Sprache.  Die  röm.  Literatur  des  Altertums:  Fr.  Leo.  —  Die 
latein.  Literatur  im  Übergang  vom  Altertum  zum  Mittelalter:  E.  Norden.  —  Die  latein.  Sprache:  F.  Skutsch. 

Vergil:  Aeneis  Buch  VI 

Von  Eduard  Norden.    2.  Aufl.    Geheftet  M.  12.—,  gebunden  M.  14.—. 

Der  Kommentar  stellt  sich  die  Aufgabe,  die  gerade  in  letzter  Zeit  wieder  lebhaft  betriebenen  Vergilstudien 
für  den  Zweck  der  Exegese  zu  verwerten  und  zu  erweitern. 

Die  Neuauflage  berücksichtigt  das  dem  Verfasser  zugänglich  gewordene  reiche  Material  an  Zuschriften, 
Dissertationen,  Aufsätzen  in  Zeitschriften,  Rezensionen  usw.  Die  Beobachtungen  zur  lateinischen  Dichtersprache 
ließen  sich  an  der  Hand  des  Thesaurus  bzw.  des  Thesaurusmaterials  vielfach  auf  neue  Grundlagen  stellen. 
Heinzes  Vergilwerk  konnte  mit  reichem  Nutzen  vom  Kommentar  selbst  berücksichtigt  werden.  Insbesondere 
aber  ist  das  immer  enger  gewordene  Verhältnis  des  Verfassers  zu  dem  Dichter  der  Betrachtung  zugute  ge- 
kommen, wie  vielfach  der  freundschaftliche  Rat  von  U.  v.  Wilamowitz.  Nach  der  Anlage  der  Ausgabe  bespricht 
die  Einleitung  zusammenfassend  Fragen  der  Komposition  und  Quellen  und  versucht,  der  vergilischen  Nekyia 
ihren  Platz  in  der  Entwicklung  der  hellenisch-altchristlich-mijtelalterlichen  Jenseitsvorstellungen  anzuweisen. 
Dem  Text  mit  knappem  Apparat  und  beigegebener  metrischer  Übersetzung  folgt  der  Kommentar,  in  dem  neben 
der  fortlaufenden  Quellenanalyse  und  sachlichen  Exegese  auch  auf  die  grammatisch-technische  Erklärung  be- 
sonderes Gewicht  gelegt  worden  ist.  Eine  Schlußbetrachtung  sucht  der  ästhetischen  Bedeutung  des  Gedichts 
auf  historischer  Grundlage  gerecht  zu  werden. 

Ennius  und  Vergilius 

Kriegsbilder  aus  Roms  großer  Zeit  von  Eduard  Norden.   Geh.  M.  6.—,  geb.  M.  7.60. 

Zum  ersten  Male  wird  hier  das  Abhängigkeitsverhältnis  Vergils  von  Ennius  untersucht.  Es  verbinden  sich,  vom 
Verfasser  ungewollt,  Wissenschaft  und  erlebte  Gegenwart :  die  Discordia  der  Völker,  Waffenfabrikation,  Flotten- 
bau, das  Ringen  der  Großmächte  zu  Lande  und  zur  See,  die  Gegensätze  von  Volksheeren  und  Söldnerheeren 
sowie  manches  andere  dieser  Art  sehen  wir  in  gewaltigen  Bildern  der  beiden  Dichter  vorüberziehen. 

VERLAG  VON  B.  G.  TEUBNER  IN  LEIPZIG  UND  BERLIN 


f  Fritz  Baumgarten,  Franz  Poland,  Richard  Wagner 

r\i#»  ViP>11^rticr>Vt#»  T^nltnr  3-»  stark  vermehrte  Aufl.  Mit  479  Abb.,  9  bunten,  4  einfarbigen  Tafeln, 
J-/1C  IJCUCIII0L.IIC  XVU1LU1.  einem  Plan  und  einer  Karte.  Geh.  M.  10.— ,  in  Leinw.  geb.  M.  12  50. 
„Eine  wohlgelungene  Leistung,  die  mit  großer  Gewissenhaftigkeit  gemacht  und  von  reiner  Begeisterung 
für  die  Sache  getragen  ist!  Die  Sorgfalt  und  die  Kenntnis  der  Verfasser  verdienen  aufrichtige  Anerkennung : 
das  Ergebnis  ist  ein  Buch,  das  ein  glückliches  Muster  populärer  Behandlung  eines  manchmal  recht  spröden 
Stoffes  darstellt.  Man  möchte  ihm  recht  weite  Verbreitung  in  den  Kreisen  derjenigen  wünschen,  die  sich 
nicht  bloß  mit  dem  konventionellen  Namen  des  »Gebildeten*  zufriedengeben,  sondern  in  Wahrheit  zu  dem 
geschichtlichen  Verständnis  unserer  heutigen  geistigen  und  politischen  Lage  vorzudringen  trachten.  Den 
Schülern  der  oberen  Klassen  unserer  Gymnasien  sowohl  als  auch  den  Studierenden  unserer  Hoch- 
schulen, besonders  den  Anfängern  wird  das  Werk  Ausgangspunkt  und  eine  solide  Grundlage  für 
weitere  quellenmäßige  Studien  sein."  (Historische  Vierteljahrsschrift.) 

Die  hellenistisch-römische  Kultur,  f ^„Ä5  £^'ÄK£&ft£ 

„In  dem  glänzend  ausgestatteten  Werke  behandeln  tüchtige  Gelehrte  einen  kulturell  vielleicht  für  die  Gegen- 
wart ganz  besonders  wichtigen  Stoff.  Der  Geist  lebendiger  Anschauung  spricht  gleich  aus  den  ersten  Zeilen. 
Die  Verfasser  verstehen  es,  die  Dinge  selbst  im  Bild  sprechen  zu  lassen;  die  geschickte  Auswahl  und  Verwer- 
tung der  technisch  ausgezeichnet  gelungenen  Abbildungen  ist  nicht  ihr  kleinstes  Verdienst."   (Der  Kunstwart.) 

Die  griechische  Kunst  an  Kriegergräbern.  £"£"»/ "  w2.k  ^£  m.^- 

Dieser  archäologische  Kriegsvortrag  versucht  die  bildende  Kunst  der  Hellenen  am  Kriegsgrabe  von  den 
mykenischen  Stilen  bis  zum  Alexandersarkophag,  also  ihr  Werden  aus  primitiven  Anfängen  und  besonders  ihre 
klassische  Vollendung  im  5.  und  4.  Jh.  v.  Chr.  vorzuführen,  in  der  Hoffnung,  daß  daraus  die  Kunst  unserer  Tage 
brauchbare  Anregungen  und  jeder  empfängliche  Betrachter  Erhebung  über  die  Not  der  Zeit  zu  schöpfen  vermag. 

Antllrf*   TppTrnik'    Sechs  Vorträge  von  H.  Diels.  Mit  50  Abbildungen  und  9  Tafeln.  Geh.  M.  3.60, 

„  . .  In  meisterhafter  AVeise  und  mit  erstaunlicher  Beherrschung  auch  abgelegener  kulturgeschichtlicher 
Gebiete  aller  Zeiten,  zugleich  in  ausgeprägt  praktischem  Sinn,  der  darauf  bedacht  ist,  die  betreffenden  Auf- 
gaben experimentell  zu  prüfen  und  ihre  Lösung  lebendig  vor  Augen  zu  stellen,  hat  Diels  es  verstanden,  ein 
Stück  großer  Vergangenheit  wieder  zu  erschließen."  (J.  Ilberg  in  den  Neuen  Jahrbüchern.) 

Charakterköpfe  aus  der  antiken  Literatur.  It^l^i^LlT-räi^ 

und  Euripides.  3.  Sokrates  und  Flato.  4.  Polybios  und  Poseidonios.  5.  Cicero.  4.  Aufl.  Geh.  M.  2.20,  geb.  M.  2.80. 
II.  Reihe:  1.  Diogenes  der  Hund  und  Krates  der  Kyniker.  2.  Epikur.  3.  Theokrit.  4.  Eratosthenes.  5.  Paulus. 
2.  Aufl.     Geh.  M.  2.20,  geb.  M.  2.80. 

„.  .Schwartz  beherrscht  den  Stoff  in  ganz  ungewöhnlicher  Weise :  das  Reinstoffliche  aber  tritt  allmäh- 
lich ganz  in  den  Hintergrund,  dafür  erglänzt  jede  einzelne  der  Erscheinungen  um  so  klarer  und  mächtiger 
im  Lichte  ihrer  Zeit.  Wir  lernen  jeden  einzelnen  der  geistigen  Heroen  als  ein  mit  innerer  Notwendigkeit 
aus  seiner  Epoche  hervorgehendes  Phänomen  betrachten  und  einschätzen."  (Das  literarische  Echo.) 

Kaiser  Constantin  u.  die  christliche  Kirche.  ZSeELt^lTJüu.]^. 

„...Niemand  wird,  wenn  auch  in  Einzelheiten  widersprochen  wird,  bestreiten  wollen,  daß  das  Buch  als 
Ganzes  die  bedeutendste  Leistung  auf  diesem  Gebiete  ist.  Der  Verf.  hat  erreicht,  was  er  in  der  Vorrede 
als  sein  Ziel  angibt:  das  geschichtliche  Leben  dieser  Zeit  als  ein  untrennbares  Ganzes  zu  sehen,  Politisches  und 
Kirchliches,  Heidnisches  und  Christliches  in  gleicher  Schärfe  zu  erfassen.  Alles  in  allem  ist  zu  sagen,  daß  das  Buch 
ein  Kunstwerk  ist:  es  ist  ein  weltgeschichtlich  höchst  bedeutender  Abschnitt  in  mustergültig  wissenschaftlicher 
Methode  untersucht  und  in  vollendeter  Darstellung  behandelt  worden."       (Historische  Vierteljahrsschrift.) 

Römische  Charakterköpfe  in  Briefen.  SS^Y^oÄIÄ  *& 

„Bardt  zeigt  sich  als  feinsinniger  und  phantasievoller  Historiker,  der  die  Menschen  der  Vergangenheit 
lebendig  vor  sich  sieht  und  auf  Grund  dieser  Intuition  dem  Leser  vor  Augen  stellt,  immer  geistreich  und 
fesselnd,  mit  interessanten  Ausblicken  auf  moderne  Literatur  und  Geschichte.  Das  Buch  ist  auch  sehr  über- 
sichtlich angelegt  und  vom  Verlage  geschmackvoll  ausgestattet.  So  kann  es  jedem  Freunde  des  Altertums 
warm  empfohlen  werden."  (W.  Kroll  in  der  Schlesischen  Zeitung.) 

■\7o-rrri1o  <*r-\Jor»V»^  T^oVit-mL-  Von  Richard  Heinze.  2.  Auflage.  Geheftet  M.  12.— , 
V  ergll&     epibCne      ±  CUI1I11K.     in  Halbfranz  gebunden  M.  14.—. 

„Heinzes  Buch  bedeutet  wohl  den  tiefsten  Einblick,  der  bisher  in  Vergils  Dichterwerkstätte  geschehen  ist. 
Noch  nie  ist  mit  so  viel  Liebe  und  durchdringendem  Scharfsinn  der  ganze  ungeheure  Weg  nachgegangen  worden, 
der  von  dem  Chaos  der  bis  auf  Vergil  vorhandenen  Tradition  der  Äneas-Sage  bis  zur  Vollendung  jener  zwölf 
Bücher  führte,  die  vom  Augenblick  ihres  Erscheinens  an  klassisch  sein  sollten.  Nicht  die  Widersprüche  und 
Lücken  des  Werkes  bilden  den  Ausgangspunkt  von  Heinzes  Betrachtungen :  was  Vergil  erstrebt  hat,  was  sein  Stoff, 
seine  Vorbilder,  seine  Nation  und  seine  Zeit  forderten,  das  ist  hier  die  Frage. .  . ."      (Beilage  zur  Allgem.  Z{g.) 

Die  orientalischen  Religionen  im  römischen  Heidentum. vco;^an;>2 

Autorisierte  deutsche  Ausgabe  von  Georg  Gehrich.     2.,  verb.  Aufl.     Geh.  M.  5. — ,  geb.  M.  6. — 

„...Das  Werk  bildet  die  Fundgrube  für  die  religionsgeschichtlichen  Forschungen  der  Gegenwart,  so- 
weit es  sich  um  die  Zusammenhänge  des  Urchristentums  mit  den  damaligen  Mysterienreligionen  handelt. 
Die  formvollendete  Darstellung  des  Stoffes  und  seine  großzügige  Behandlung  sichern  dem  Werk  eine  füh- 
rende Stellung."  (Christliche  Freiheit.) 

T^iJf*  Tv/T\7<2tf»ri*ar»  Hf»Q  lVfitVira  Ein  Beitrag  zur  Religionsgeschichte  der  römischen  Kaiserzeit. 
A^IC  lVlVÖlCllCll  UCÖ  iVllU.ll  ct.  Von  Franz  Cumont.  Autorisierte  deutsche  Übersetzung  von 
Georg  Gehrich.  Mit  o  Abb.  im  Text  und  auf  2  Tafeln,  sowie  1  Karte.  2.  Aufl.  Geh.  M.  5. — ,  geb.  M.  5.60. 
Cumonts  umfassende  Forschungen  über  den  Kultus  des  iranischen  Lichtgottes  Mithra,  welcher  im  Gewände 
der  antiken  Mysterien  seit  dem  Anfange  unserer  Zeitrechnung  auch  im  Abendlande  zahlreiche  Anhänger  ge- 
wann und  als  mächtiger  Nebenbuhler  des  Christentums  mit  diesem  um  die  Weltherrschaft  rang,  gehören  nach 
dem  Urteil  maßgebender  Fachgenossen  zu  dem  Bedeutendsten,  was  in  jüngster  Zeit  auf  dem  Gebiete  der 
Religionsgeschichte  des  Altertums  geleistet  worden  ist.  Das  vorliegende  Buch  faßt  die  Ergebnisse  dieser 
Forschungen  in  knapper  Darstellung  zusammen. 

Verlag  von  B.  G.  Teubner  in  Leipzig  und  Berlin 


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THE  INSTITUTE  OF  MED1AEVAL  STUDIES 
59  QUEEN'S  PARK  CRESCENT 
TORONTO  -  5,    CANADA 


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