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Full text of "Zauberpflanzen und Amulette"

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nnd 

Amulette. 

Eil Beitrag m Cinrgescliiclite ml Votaicio. 



Xyr. XnX. Bllroxifeld. 



WIEN 1898. 



T«rlHg von Horltz Perips, 

Seilergasse 4 ((jrabaa). 






Meiner Frau gewidmet. 



56.^^1 a 



-- 6 — 

Mäuslein, 

M&iuslein, 

Da hast dn einen beinernen, 

Gib' mir einen steinernen — 

io ein Mauseloch geworfen, damit die zweiten Zähne so sehön 
und weiss werden, wie die der Mans. Mich hat man noch als 
Kind angewiesen, jeden Milchzahn in das flackernde Ofenfener zu 
werfen und dabei dieses Sprüchlein herzusagen, in dem steinern 
mit „eisern" variirt war. Nach Lanbe^) hat in der Teplitzer 
Gegend das Kind den Milchzahn hinter sich über die Schalter 
wegzuwerfen und dabei zu sagen: 

Mans, Maas hast einen beinernen Zahn, 
Wachs mir einen eisernen an! 

In älteren, namentlich ländlichen Haushaltungen werden die 
sich in den Familien forterbenden „Zahnperlen" aufbewahrt, 
denen zugleich Wert und Kraft von Amuletten beigemessen 
wird. Kleine Kaurimuscheln, Korallen, Glasperlen verschiedener 
Farbe und Grösse, die sogenannten Paternostererbsen (Samen von 
Abrus precatorius, die in den letzten Jahren als „Wetterpflanze* 
ausgeschrieen wurde), die reifen Samenkörner der Pfingstrose 
(Paeonia officinalis), Kügelchen aus wohlriechendem Holz, in 
Silber gefasste Zähne etc. werden, auf Fäden angereiht, den 
Säuglingen um den Hals gegeben. Am häufigsten werden Kindern 
rothe Korallen um den Hals gehängt, und es besteht der Aber- 
glaube, dass das Verblassen der Kügelchen Krankwerden be- 
deutet. Wie seltsam sich in den volksthümlichen Vorstellungen 
Vergangenheit und Gegenwart zusammenfinden, lehrt P 1 i n i u s, 
der von den Korallen erzählt : „Die Zweige sollen die Kinder 
vor Unglück schützen, wenn man sie ihnen anbindet !" ') und 
wenn der Polyhistor des ersten nachchristlichen Jahrhunderts 
beim Capitel Koralle ausdrücklich bemerkt, dass die Wahrsager und 
Priester Indiens das Tragen der Korallen zum Abwenden von 
Gefahren für heilig erklären, so ist damit der Hinweis auf ^ die 
Wiege der Menschheit^ gegeben ; der Aberglaube von heute hat 
das Alter der Menschheit. 

An die Schnüre mit Zahnperlen hängt man gerne, auch ein 
Stück Veilchenwurzel, eine Klapper oder einen Wolfszahn. In 
den ethnographischen Museen, die uns mit den Utensilien femer 
Naturvölker bekannt macheUi begegnet man Amulettschnüren, die 



') Laube, J., Voiksthtimliche Deberlieferangen aus Teplitz nnd Um- 
gebung, Prag 1896, p. 51. 

3) P 1 i n i u s , Nat. hist. XXXII, Cap. 11. 



— 9 - 

schlimmen Zauber des „ Beruf ens", „ Beschreiens^ oder „Ver- 
schreiens*', ebenso gegen den „bösen Blick f' werden mehrere 
Kräuter angewendet, die geradezu Berufs- oder Beschreikräuter 
heissen. Mit ihnen und den zu demselben Strauss gehörigen 
Pflanzen, die das Volk wider Zauber aller Art beim Menschen 
und beim lieben Vieh verwendet, wollen wir uns im Folgenden be- 
schäftigen ^). Selbstverständlich haben wir nur eine annähernde lieber- 
sieht, nicht monographische Vollständigkeit im Plane ^). 

Eines der gemeinsamen Momente, die sich bei Betrachtung der 
Berufs- und Zauberkräuter ergeben, ist ihr ehrwürdiges Alter. 
Volksglauben ist Altglauben, und Niemand ist, im Grunde genommen, 
conservativer, als das Volk, über dessen Wetterwendigkeit sich so 
Mancher zu beklagen Ursache zu haben glaubte. Was soll man 
zum Beispiel dazu sagen, dass schon Diosco'ride s, der Linn^ 
des 1. nachchristlichen Jahrhundertes, von dem Eräutlein „Alysson^ 
erzählt, es werde Menschen und Vieh umgehangen, um gegen Zauberei 
zu dienen! Andererseits spielt der Eränterzauber noch in das 
moderne und modernste Denken hinein. In Berlin gab es Mitte 
Februar 1898 einen seltsamen Rechtsfall. Angeklagt war die 
Amalie Heidfeld, weil sie dem Dienstmädchen Mauk durch Zauber- 
wurzeln und ähnlichen Hokuspokus einen beträchtlichen Geldbetrag 
entlockt hatte, ohne dass die unglücklich Liebende Stefan, den 
Uhlanen ihres Herzens, wieder gewonnen hat. Die Heidfeld berief 
sich auf zablreiche Atteste von „Damen", die ihre Sympathie- 
mittel mit Erfolg gebraucht hätten. Es half nichts. Die zauberische 
Amalie wurde zu drei Monaten Gefängnis verurtheilt. 

Mit kühlem Achselzucken wird man über das Mädchen der 
„unteren Classe", das auf den Leim gegangen, nicht hinweg- 



*) Cf. ü n g e r , Die Pflanze als Zaubermittel. Sitzb. der mathetu.- 
natiirwissensch. Classe d. Akad. d. Wissensch. XXXIK. Bd , Nr. 26. — 
Kerner, A. v. Marilaun, Pflanzenleben. 2. Aufl. 2. Bd. (1898) p. 695flf. 

— Kronfeld, Bei Mutter Grün. Capitel: Zauberpflanzen. — H ö f e r und 
Kronfeld, Die Volksramen der niederösterr. Pflanzen, Wien 1889. — 
Duftschmid, Obderennsische Hausmittel. Oesterr. botan. Zeitschr. 1852, 
Nr. 50-52. — Carus Sterne, Sommerblumen. Prag u. Leipzig 1884. 
Herbst und "Winterblumen. Prag u. Leipzig 1886. — Frank, A v. 
Fr a n k en a n. Vollständiges Kräuterlexikon etc. 6. Aufl., Leipzig 1766, S. 195. 

— Hölzl, Utber die Heil- und Zauberpflanzen der Riitheuen. Verhandl. d. 
zool.-botan. Ges. Wien 1861. pag. 149-160. — Neidhart, Fr. X., 
Die Pflanze in religiöser, abergläubischer und volksthümlicher Beziehung. 
Berichte d. natorhist. Ver. Augsburg 1867. — Chevalier, Der deutsche 
Mythos in der Pflanzenwelt. Jahresber. des Realgymn. in Smichow. Prag 1876. 

— Reling u. Bohn hörst, Unsere Pflanzen. 2. Aufl., Gotha l889. 

^) Die Kräuter, die zum „ Liebeszauber "* im schlechten Sinne dienen, 
habe ich schon in der „Wiener Medicinischen Wochenschrift" 18^9, Nr. 41, 
45 und 1890, Nr. 7, 8, 9 besprochen. 



— 10 — 

kommen. Glanbe und Aberglaube umspannt die ganze Menschheit. 
Die Alrannwnrzeli die die fromme Jnngfran von Orleans als 
nntrügliches Amulett bei sich getragen hat nnd die eine so 
bedentnngsvolle caltorgeschichtliche Bolle seit dem Alterthnme 
spielte, ist noch immer in Ehren. Ich weiss von dem anoh 
für die culturelie Seite der Pflanzen interessierten, im Sommer 
dieses Jahres jäh dahingeschiedenen Prof. Dr. Anton v. Kern er, 
dass eine hochgestellte Wiener Dame nicht ruhte, bis sie sich 
einen „Alraun^ verschafite. Wie viel der ErSuterzauber des 
vierblätterigen Klees noch am Ausgange des 19. Jahrhundertes 
bedeutet, ist Jedermann bekannt. 

Der leichteren XTebersicbt wegen sind die besonders bespro- 
chenen Pflanzen ihren botanischen (lateinischen) Namen nach in 
alphabetischer Folge angeführt. Die nur gelegentlich erwähnten 
Pflanzen und die deutschen Namen sind aus dem am Schlüsse 
befindlichen Register ersichtlich. 

Wien, im Herbste 1898. 



Actaea spicata. Christophskraat. In Schwaben als 
Zanberpflanze gerühmt und beim Christophlsgebet zur Beschwörung 
geldbewachender Geister („Christof ein") verwendet. Sanct Christoph 
vertritt hier den Thor, der als Schatzgott angerufen wurde. 
Letzterer trug Loki über das Wasser, wie der Heilige den 
Herrn (Chevalier, 1. c). Der Standort der Pflanze in düsteren 
Schluchten mag zu diesem Aberglauben Anlass gegeben haben. 
In Niederösterreich heisst die Pflanze wegen der Blüthezeit Johannis- 
und Sonnenwendkraut; sie gilt auch als Wundmittel. 



* 



Allium sativum. Knoblauch. Gehört zweifellos zu den 
Berufskräutern. Knoblauch und Zwiebel sind dem Volke mehr 
als blosse Zuspeisen. Mit Knoblauch bannten die Römer ihre 
bösen Hausgeister, die Lemuren. Denselben tragen noch neu- 
griechische Schifler als Amulett in der Mütze. Knoblauchkloben 
hängen auch die Slaven ihren kranken Kindern um den Hals, 
und die galizischen Juden haben diesen Brauch übernommen. 
Aber auch in Gablonz (Deutschböhmen) und in Ostpreussen gilt 
Knoblauch für zauberscheuchend. Zum Lobe über das blühende 
Aussehen eines Kindes fügt man in Königsberg die Bemerkung 
hinzu: „Knoblauch, Hyacinthenzwiebel, drei Mal weisse Bohnen". 
Und, weit von diesem Kulturkreise, binden die Esthen den Kin- 
dern bei der Taufe neben Geld und Brot auch Knoblauch in's 
Wickelband. (Andr6e, Ethnographische Parallelen, Stuttgart 1878, 
p, 42.) Bemerkenswerth ist, dass die Gelehrten auch jenes Moly, mit 
welchem Odysseus den Zauber der Circe unschädlich machte, für 
eine in Griechenland vorkommende Lauchart (Allium magicum) 
halten. Daraufhin könnte man für den Wiener Ausdruck „zwif'ln", 



- 12 ^ 

d. i. zum Gehorsam zwingen ''), gleichfalls mythischen Ursprung 
annehmen, obschon die Erklärung aus den hervorkommenden 
Thränen naheliegt. Bemerken swerth ist auch die Redensart des 
Simplicius Simplicissimus : „Ich wuchs auf wie ein Narr im 
Zwiebelland". Der Abenteurer gebraucht sie, da es ihm fidel 
geht ^). Die Zwiebel als Thränenquelle kommt bei Shakespeare 
mehrfach vor. In „Ende gut, Alles gut" (A. 5, Sc. 3) meint 
Lafen in grosser Rührung : „Meine Augen riechen Zwiebeln, ich 
muss weinen", und in „Antonius und Cleopatra" (A. 4, Sc. 2) 
sagt Enobarbus zu Antonius : 

.... Herr, was macht Ihr, 

Dass Ihr sie so betrübt? Seht, wie sie weinen; 

Ich alter Esel auch roch Zwiebeln. 

In demselben Drama (A. 1, Sc. 2) heisst es: „die Thränen, die 
diesen Kummer bewässern sollen, stecken in einem Zwiebel", und 
in „Der Widerspänstigen Zähmung" (Vorsp. Sc. 1) lesen wir: 

Und hat der Junge nicht die Weibergabe, 
Gebot'ner Thränen Schauer zu ergiessen, 
So kommt ihm eico Zwiebel wohl zu Statten, 
Die, heimlich in ein Taschentuch gewickelt, 
Tas Aug' unfehlbar unter Wasser setzt. 

In den Krümmungen der fädigen Wurzeln einer Zwiebel, 
die zu Neumond durch neun Tage eingesetzt war, suchen die 
Sieveringer nächst Wien „Nummern" für das Lotto. Auch thut 
man in der Wiener Gegend vor dem Gange zur Christmesse in 
zwölf Zwiebelschalen je ein Häufchen Salz ; man sieht dann 
nach, wo das Salz trocken geblieben und wo es feucht geworden ist, 
um die Witterung für die Monate des neuen Jahres voraussagen 
zu können. 

Dem Knoblauch wurden vordem ernstlich Heilkräfte zuge- 
schiieben (Cf. Frank, 1. c. p. 35). Man nannte ihn als be- 
sonderes Medicament Bauerntheriak. Frank widmet ihm folgendes 
Tractätlein : „Ist warm und trocken im vierten Grad, verdünnet, 
dringet durch, öfnet, zertheilet, dienet wider den Gift, die Colic 
oder Grimmen, so von Blehungen entstanden, widerstehet den 
Wurmen im Leibe, giftigen Schwämmen, so man etwa dergleichen 

') In Tirol findet sich, nach S c h ö p f 's Idiotikon, die gleiche Redens- 
art für zu Paaren treiben oder prügeln. Man vgl. auch die Redensart : „Sigst 
es, da bliad ma da Gnofl", an Jemanden, dem man die Feige zeigt. — 
Während der zweiten Tiirkenbelagerang (1683) gab es zn Wien einen schwach- 
sinnigen Menschen, Thanon, den das Volk spottweise mit „Baron ZwifU^ 
titnlirte. Er wurde während eines Anflaufes erschlagen, als er thörichter 
Weise in einen Brand schoss. 

^) Grlmmelshausen, Simplicius Simplicissimus, herausgegeben 
von Bobertag. Bd. I, p. 141. 



— 13 — 

gegessen bat, wenn einem ohngefehr eine Eidexe in den Mand 
gekrochen n. dgl. Die Pest zu verhüten, kann anch der Knoblauch 
mit Essig vermengt, gebraucht werden. In der Bresslauischen 
Contagion pflegten die Todtengräber täglich was vom Knoblauch 
zu käuen, und sich wohl darauf zu befinden, wie solches 
Purmann in seinem Pestbarbier mit vielen Umständen erzehlet. 
Von denen Juden wird er täglich genommen, und ein Schluck 
Brandewein darauf getrunken. Der Saft vom Knoblauch ist auch 
ein ßemedium, die "Würmer zu tödten, dergleichen Exempel 
Aug. Pfeifer von einem seltsamen Herzenswurm anführet. 
"Wenn der Saft äusserlich in den Nabel gestrichen wird, curiret 
er die Krätze, Verstopfung des Urins, den Schlag, und M . . . . 
beschwerungen ; Andere vermengen ihn mit Schweineschmalz, 
streichen ihn auf die Fusssohlen und stillen den Husten damit. 
"Wenn man den Knoblauch bey vollen Monden pflanzet und um 
diese Zeit wieder ausgrabet, soll er süsse schmecken. In denen 
Apotheken ist das Electnarium de Allio zu finden." Es mag hier 
bemerkt werden, dass man in Japan Schnupfen und Husten 
durch Aufhängen von Knoblauch im Hause verscheucht. 

Für salonfähig gelten die Laucharten, zumal der Knoblauch, 
schon lange nicht. In Shakespeare's „Coriolan" (A. IV, Sc. 6) wird 
verächtlich von „der Knoblauchfresser Athem" gesprochen, und 
Zettel mahnt im „Sommernachtstraum" (A. IV, Sc. 2) : „Wertheste 
Actörs, esst keinen Knoblauch, keine Zwiebeln : denn wir sollen 
süssen Athem von uns geben, und ich zweifle nicht, wir hören 
sie sagen : es ist eine süsse Komödie" ^). Doch kommt der Lauch 
(leek) gerade auch bei Shakespeare zu hoben Ehren, was wohl 
auf die alte Vorstellung zurückgeht, dass die Laucharten erhitzen 
und muthig machen. "Wenn der Spottvers von der Zwiebel als 
„des Juden Speise" spricht, so denken die Spötter kaum daran, 
dass in der Edda der Lauch als die erste und vornehmste Pflanze 
bezeichnet wird. In dem germanischen Schöpfungsgedicht Völuspa 
heisst es : 

Sonne von Süden schien auf die Felsen 
Und dem Grund entgrünte grüner Lauch. 



^) Man vergl. auch Shakespeare's „ Maass für Maass^ (A. III, Sc. 2), 
Lucio vom Herzog : „Er ist jetzt über die Zeit hinaus, und doch sag' ich 
dir, er würde eine Bettlerin schnäbeln, und wenn sie nach Schwarzbrot und 
Knoblauch röche", und „Heinrich IV.« (f. Th., A. III, Sc. 1): 

... Ich lebte 
Bei Käs' und Knoblauch lieber in der Mühle, 
Als in dem schönsten Schloss der Christenheit 
Beim feinsten Festschmaus sein Geschwätz zu hören. 



— 14 — 

Und Gudrun klagt: 

So iKrar mein Sigard bei Ginkis Söhnen 
Wie hoch aus Halmen edler Lauch sich hebt. 

Eb kann daher nicht Wunder nehmeDi dass die Wallüier, 
nachdem sie unter König Cadvallo am 1. März 640 über die 
Sachsen einen grossen Sieg errungen hatten, Lauchsträassohen 
als Siegeszeichen auf den Hut steckten. Am Davidstage (1. MSrz) 
trägt noch heute jeder Walliser sein Lauchsträusschen, und man 
verkauft an diesem Tage künstliche Lauchsträussohen in den 
Londoner Strassen. In Shakespeare's „Heinrich V.^ begegnen wir 
nun dem Lauch als bedeutungsvollem Feldzeichen des Elriegers. 
Da Pistol Fluellen grollt, sagt er mit Bezug auf den wällischen 
Kämpen (A. IV, Sc. 1): 

So sag ihm doch, ich würde seinen Lauch 
Ihm um den Kopf am Davidstage schlagen. 

In Scene 7 apostrophirt Fluellen den König Heinrich und 
erinnert ihn an die Herkunft des seltsamen Helmsehmnckes : 
„Wenn Euer Majestät desselbigen erinnerlich sein, die Wälschen 
thaten fürtrefilichen Dienst in einem Garten, allwo Lauch wachsen 
that, und steckten Lauch an ihre Monmouther Mützen, welcher 
. . pis auf diese Stunde ein ehrenvolles Feldzeichen 
(an honourable padge of the service) ist, und ich denke, Eure 
Majestät halten es nicht unter Eurer Würdigkeit, Lauch zu 
tragen am Sanct Davids-Tag." A. V, Sc. 1 rächt sich Fluellen 
an Pistol. Er trägt Lauch an der Mütze, trotzdem Davidstag 
vorüber ist, und zwingt Pistol, der das Symbol verspottet hat, 
den Lauch zu essen. Bedenkt man zu alledem, welche Eolle 
der Knoblauch noch gegenwärtig in Griechenland, Serbien, Italien 
und Spanien als Yolksnahrungsmittel spielt, so ergibt sich aus 
unserem kleinen Excurse nicht nur eine gewisse Begründung des 
Ansehens, welches Allium sativum im Volksglauben geniesst, 
sondern auch die Lehre, dass kein Volk dem anderen — seinen 
Lauch vorzuwerfen hat. 



Allium Yictorialis. Sieglauch, Allermannsharnisch. 
Die Zwiebel des Sieglauchs war im Mittelalter als Amulett 
für Kriegsleute im hohen Ansehen, weil sie von Fasern ketten- 
hemdartig umstrickt ist. Der Siegwurz wurde wohl auch die 
Gestalt eines Alrauns (cf. Mandragora) gegeben und dieselbe 
dann um theures Geld verkauft. Zwei solcher unechter Alraune 
aus der Sammlung E u d o 1 f 's II. befanden sich noch vor wenigen 
Jahren in der Hofbibliothek zu Wien. C 1 u s i u s erwähnt ans 
der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, dass Allium Yictorialis 



— 16 — 

in unseren Alpen „Lanlauch'' genannt und zur Vertreibung der 
düsteren Bergnebel verwendet wurde. Noch gegenwärtig hört man 
am Oetscher die Bezeichnung „Lanawurzen". Frank nennt die 
Siegwurz auch dUermannshamisch, Oberharnisch; Neunhämmerlein, 
Siebenhämmerlein, und sagt von ihr recht aufgeweckt: „Sie 
pfleget angehangen zu werden, und soll Gespenster, Poltergeister 
und Bergmänner vertreiben, auch die Wunden zusammenheilen, 
doch hat ein jeder von dergleichen Alfanzereyen Macht zu glauben, 
was er will." Auf die dem Sieglauch einsfc zugerautheten Wunder- 
kräfte beziehen sich mancherlei Märchen. Auf dem Harze wollte 
einst ein böser Geist ein Mädchen entführen. Dieses aber hielt 
ihm Allermannshamisch entgegen, worauf der Böse davonfuhr und 
wüthend schrie : 

AUermannshamiscb, du böses Kraut, 
Hast mir genommen meine junge Braut. 

Die Romantik von einst hat der Oekonomie von heute Platz 
gemacht. Wenn die Bauern noch jetzt beim Apotheker oder 
Drogisten Allermannshamisch verlangen, so brauchen sie ihn für 
den Viehstall. Die Heldenwurz, einst so berühmt wie 

Die Salbe ans Hexenkraut 

Unter Zanberäprüchen gekocht und gebraut — 

hat ihre Zauberrolle ausgespielt. 

A 1 n u s. Erle. Die Innenrinde, in Wein gekocht, als Heil- 
mittel gegen Zaubertränke. Die Erle, deren Stümpfe zu den 
Schauern des Moores gehören, ist der Baum, aus dem nach alt- 
germaniscbem Mythos das Weib erschaffen wurde. In den Erlen- 
zweigen wohnt der gespensterhafte Eibenkönig, von Goethe (nach 
Herder's Vorgang) „Erlkönig" genannt. Ein alter Spruch besagt : 

Erlenholz und rotlies Haar 
Sind auf gutem Grunde rar. 

In Niederbayern bei Niederaltaich stand das Bild des heiligen 
Hirmon auf einem Erlenstumpfe im Walde und kehrte wiederholt 
dahin zurück, als man versuchte, das Bild in einer Kirche unter- 
zubringen. Im Jahre 1340 baute man dort eine Wallfahrtskapelle ^ ^). 
Die gänzliche Entsagung von der Verwandtschaft geschah in 
althochdeutscher Zeit durch Zerbrechen einiger Stücke Erlenholz 
vor Gericht und auf dem Kopfe. Ein Kreuz aus Erlenholz, das 
das Wasser aus der Luft begierig anziehen soll, wurde von den 
mittelalterlichen Quellensuchern benützt. 



»0) Dr. M. Höfler: Wald- und Baumkult. München 1892, p. 145. 



— 16 — 

Antirrbinum maias und Orontium. Löwenmaul. 
Mit merkwürdiger rachenförmiger Blume. ^^Doranb'' volksthümlich 
und zauberberUhmt. Cf. Origanum vulgare. Scbon zeitig bat die 
Biumenfonn die Aufmerksamkeit der Menseben erregt. Tbeopbrast, 
Dioscorides und Flinius erzäblen, dass das Kraut den Träger 
scbön macbe und von ihm alles Böse abwende. Im Profil siebt 
die Blume wie ein verzerrtes Gesiebt ans, daber wobl ibr Ruf als 
starkes Berufskraut. Der alte Mattbioli erzäblt die rübrsame 
Gescbicbte eines Eettenbundes, der verzaubert war und erst zu 
bellen begann, als man Löwenmaul in seine Hütte legte. Unter 
dem Namen Dorant Epielte die Pflanze im Mittelalter eine grosse 
Holle. Mit Dosten (Origanum vulgare), dem zuliebe es alliterirend 
Dorant getauft wurde, war es das wirksamste Mittel wider 
Teufelskünste. In einem vogtländisnben Brauer märcben sagt 
ein Zwerg : 

Hältost du Dicht Dorant und Dosten, 
Wollt ich das Bier dir helfen kosten. 

oder nach einer anderen Version : 

liättest net Dorant und Dosten^ 
Solltest'» Bierle nicht kosten. 

Die Frau, die in den Keller gekommen war, um Bier zu 
holen, grifl:, als ihr ein Geist erschien, nach einem in der Nähe 
liegenden Strauss von Dosten und Dorant und ward so gerettet. 
Und ein Spuk raunt einer Frau zu : 

Heh' auf dein Gewand, 

Dass du nicht fallest in Dosten und Dorant. 

Allein die Kluge merkte die Absiebt, trat auf Dosten und 
1)01 ant eigens zu und scheuchte so den Zauber. Trotz dieser 
Tugenden ist Dorant doch auch eine Irrwurz ; denn es beisst : 

Stoss nur nicht an den Dorant, 

Sonst kommen wir nimmer in's Vaterland I 

Die eigentliche Irrwurz, an die noch beute Jäger glautieii, 
gehört aber zu den Farnkräutern, (cf. Athyrium Filix feraina.) 



Artemisia Abrotanum. Eberraute. Zauber mittel für 
Kinder. Diente nach Bock und Tabernaemontanus, unter das Kopf- 
kissen gelegt, wider böse Anfechtungen, Gespenster, Zauberei und 
Nestelknüpfen. Hiess auch Mugwurz (vom Keltischen, = wärmen) 
wegen der anregenden Würze, und galt als wirksames Mittel 
gegen Lungenschwindsucht. Daher der Vers, den eine Meerfee 



— 17 — 

sfMrach, ab in (B^las^w die Leiche eines jungen, an Tubercalose 
gestorbenen Mädchens zu Grabe getragen wurde : 

Wenn sie Nesselsaft tränken im März 
und Mügwurz ässen im Mai, 
, So gienge noch manch' fröhliche Maid 
Manter am Ufer des Clay. 

Dafür genas ein anderes Mädchen^ nachdem man der Weisung 
der Meerfrau gefolgt war : 

Ihr lasst sterben das Mädchen in eurer Hand, 
Und doch blübt die Mngwurz rings im Land. 

Interessast ist der österreichische Yolksname „Herrgotts- 
hölz'l" für die vielgepriesene Pflanze, die mit Artemisia Ab- 
sinthium, Inula Helenium, Eupatorium cannabinum, Valeriana 
officinalis und Tanacetum vulgare zu den am Mariä-Himmelfahrts- 
tage (15. August) gesammelten, in den Rauch- oder Rauhnächten 
(Thomastag, Weihnachtstag, Neujahr und drei Königstag) im Vieh- 
stall gegen Druden und Hexen angezUndeten Rauchkräutern 
gehörten (K e r n e r). 

Artemisia vulgaris. Beifuss, Wer Beifuss im Hause 
hat, dem kann der Teufel nichts anhaben. Am Johannistage 
sind unter der Wurzel Kohlen zu finden, die zu Gold werden, 
80 Einer Glück hat. Aus Beifuss wird der Johannisgürtel ge- 
flochten, den Leidende in's Johannisfeuer werfen, um ihre Gebreste 
zu verlieren. In Galizien und Mähren am 24. Juni geweiht und 
dann als Johannisgürtel um den Leib getragen, damit Kreuz weh, 
Verhexung u. s. w. gebannt bleiben. Schützt vor dem Müde- 
werden ; das weiss schon Plinius^^): „Artemisiam adligatam 
qui habet viator, negatur lassitudinem sentire." Schon die deutschen 
Väter der Botanik wetterten gegen den Aberglauben, der mit 
Beifuss getrieben wurde. Beispielsweise Bruntels: „Also haben 
die alten Heyden gegauckelt, so haben wir wie die Affen nach- 
gefolgt, und ist uff den heutigen tag solcher und dergleichen 
snperstitionen weder mass noch end." Konrad von Megenberg 
wendet sich besonders gegen die Meinung, dass Beifuss nicht 
ermüden lasse : „ez sprechent die maister, wer peipoz an diu 
pain pind, ez benem den wegraisern ir müed. daz verseuch, wan 
ich gelaub sein niht, ez war dann bezaubert.'' Was die unter der 
Wurzel gesuchten „Narrenkohlen" oder „Thorellensteine" anlangt, 
so sind sie nichts anderes als abgefaulte, theil weise schon humisirte 
Wurzelstücke. Daher die Sagen vom Golde der Schatzgräber, das 
sich Morgens in schwarze Kohlen verwandelte. 

'*) l c. xxvr. 

98. Nr. 119/98. 2 



— 18 — 

E. Reiterer theilt in der G-razer „Tagespost" '< vom 
13. Mai 1897 aus einem alten Bnche mit: „Nimm den Stengel 
vom Beifnss, wenn dieser blüht, und schneide den Zweig mög- 
lichst nahe am Boden ab. Am dritten Tage hefte ihn mit einem 
Stückchen Stahldraht an den First des Hauses, so dass die 
Spitzen der Pflanze nach abwärts stehen; kein Blitzstrahl wird 
jemals auf dieses niederfahren, keine Seuche ins Haus einkehren''. 



Athyrium Filix femin a. Waldfarn, und andere 
Farnkräuter. Das feingegliederte, „im Waldgedränge** hervor« 
kommende Laub, das braune Pulver an der Wedelunterseite, 
der eigenartige Wurzelstock, vor Allem aber das Fehlen 
jeglicher Blüte musste das Farnkraut frühzeitig schon als ein 
ganz besonderes, ein zauberhaftes erscheinen lassen. Sprechen wir 
vorerst von den häufigsten Arten, den beiden Schildfarnen, die, als 
Beminiscenz an die alte Anschauung, noch heutigen Tages als 
„männlich" und „weiblich" unterschieden werden (Polystichum 
Filix mas, Athyrium Filix femina), so geht von ihnen die 
Sage, dass sie nur um Mitternacht blühen, komme man hinzu, 
so verschwinde die Blüte. In zahlreichen deutschen Sagen 
wird die Johannisnacht (24. Juni) allein genannt, in der das 
Farnkraut blühe und Samen erzeuge, seltener die Christnacht. Das 
Holen des unbezahlbaren Samens ist aber ein gefährliches Be- 
ginnen ; wer Farnsamen haben will, müsse auf einem Kreuzwege 
die Mitternacht erwarten, sich nicht rühren (ansonst ihn der 
Teufel zerreisst), und dann komme der finstere Jäger und gebe ihm 
eine Düte voll. Wer Farnsamen besitzt, ist stark in der Arbeit, 
glücklich in allen seinen Unternehmungen, ja selbst unsichtbar, 
so Einer darnach Verlangen trägt! In Shakespeare's „Heinrich IV.", 
I. Th., A. 2, Sc. 1 sagt Gadshill: „Wir besitzen das Becept 
zum Farnsamen, womit man unsichtbar umherstreift." Nach 
galizischem Glauben öffnet die „Blüte" des Farnkrautes jedes 
Schloss und hilft Schätze entdecken (Oesterreich-Ungarn in Wort 
und Bild, Band Galizien, p. 803). Farnsamen, über Schusswunden 
gestreut, macht „des geschozes äne, daz geschoz vert uz" (fährt 
heraus!). Man nannte den Samen als Pendant zur Wünschelruthe 
(cf. C r y 1 u s) auch „ Wünschelsaraen". Die Verwandtschaft 
mit dem Bösen verräth das Famlaub durch seine Wirkung. 
Bringt man es in ein Baus, so entsteht Gezanke, daher es auch 
Greinkraut genannt wird. Anderseits hilft es gegen Zauber und 
Hexerei. Von dem grossen Adlerfarn werden die Blätter als Streu 
in die Ställe gelegt. 



- 20 - 

war ihm lüii sehr lieb, und alao zweifelte er nicht» dtss er 
damit UoiversalgUck haben würde, trug derohalb aolche Bttttar 
fleiasig bei aich, liess aie in die Hose einnähen, nahm aUerkuid 
Proben damit vor. Allein er hat damit kein Glttekbei 
Fraaenzimmern, kein Glftckim Spielen gehabt, 
in anmma gar nichts daran mehr befnnde n.** 



Atropa Belladonna. Tollkirsche. Das gefährliche 
Gifi^ant, dessen Saft die italieniscLen Frauen znm Yer- 
grössem der Angenpnpillen oder als Schminke nnd Haai färbe- 
mittel verwendeten ^'), wird in Galizien za Liebestränken, die 
gewiss nicht gleichgiltig sind, verwendet. In Salzburg ereignete 
es sich im Jahre 1802, dass ein Händler ans Triest angebliche 
Elettenwnrzeln erhielt, die in Wirklichkeit Tollkirschenworseln 
waren ^'). Eine Frau, welche einen Absud davon trank, starb 
kurz darauf. Infolge dessen verordnete die kurfürstliche Landes- 
regierung, dass Alle, welche von diesem Händler Klettenwurzeln 
gekauft haben, dieselben an die Ortsobrigkeit einliefern müssten. 

Die Tollkirsche oder die naheverwan^te Scopolina atropoides 
dürfte mit jenem Kraute M a u 1 d a (von : Mandragora?!) identisch 
sein, die bei den Litauern noch um das Jahr 1680 eine unheim- 
liche Bolle spielte : „Sie haben auch ein Kraut, das nennen sie 
Maulda, wenn sie einen was schuldig, sehen sie, wie sie ihm 
solches im Triiicken beybringen, der das Kraut in's Leib bekommt, 
muss sterben, dagegen hilfit die gantze Apothecke nicht." (So 
Pfarrer Prätorius im „Erleuterten Preussen", 1724, abgedruckt 
bei F. und H. T e t z n e r, Litauische Volksgesänge Eeclam's 
Universalhibliothek, Nr. 3694, p. 11.) 



•^ 



Betula alba. Birke. Zauberkra^Lig Tn Niederbayem 
werden nach KobelP^) die Kühe i Fru. jre zu gutem 
Gedeihen mit Birkenzweigen ausgetric' Die P i.upen lassen sich 
vertreiben, wenn man Birkenruthen in i Kohlgarten bringt und 
dabei ruft:. 

llaupen packt each, 
Der Mond geht weg, 
Die Sonne kommt. 



^') Daher der Name „Belladonna". 

'') Botan. Zeitg. 1804, p. GO. 

'*) K b e 1 1, Ueber Pflanzensagen nnd Pflanzen Symbolik, München 1875. 



— 81 - 

In BirkenhaiDeo fanden sich die gernaaiBischen Gaue zusammen. Die 
aus dem Birkenreis gemachten Hexenbesen wurden gegen Furunculosis 
geopfert ^^). Diente einst zu den Lictorenbllndeln („Betula terri- 
bilis magistratuum virgis^, Plinius XVI, 75). Die Birke gibt die 
Ruthen ?am Schlagen der Eander. Sie erzieht so Generationen. 
Daher das Lied aus dem 16. Jahrhundert : 

Grüss dich, dn edles Reise, 
Dein Fracht ist Goldes wert, 
Der jungen Kinder Weise, 
Dn machst sie fromm und gelehrt, 
Beugst ihren stolzen wilden Mut. 
Nicht besser Holz wird gefunden. 

Doch sagt der Herzog in Shakespeare's ,,Mass für Mass^ : 

.... zärtliche Väter binden 
Znsammen wohl die drohenden Birkenreiser 
Und stecken sie den Kindern hinter'n Spiegel 
Zum Schreck, nicht zum Gebrauch : bald wird die Buthe 
Verhöhnt, nicht mehr gescheut. (A. 1, Sc. 4.) 

Ein anderer Engländer sagt beim Anbohren der Birke, 
die ihm den Zuckersaft hergeben muss: 

Oh birch! thou cruel bloody tree 
J'eli be at last reveng'd of thee; 
Oft hast thou drunk the blood of mine; 
Now par an equal draught of thine. 

Birken, mit ihren zitternden Blättern und den duftigen 
silberschimmernden Stämmen sind im Mondlicht ein entzückender 
Schmuck der Heimat. Diese Stimmung hat Keiner so schön er- 
fasst, wie L e n a u in seinem „Postillon" : 

Ich sah in bleicher Silbertracht 
Der Birken Stämme prangen. 
Als wäre d'ran ans heller Nacht, 
Das Mondlicht blieben hangen. 

Ein culturhistorisch hochinteressantes Document über die 
Birke als Strafmittel wurde im vorigen Jahre vom russischen 
„Eijewljanin^ veröfientlicht. Es ist eine Resolution der Eiew- 
schen Gouvernements- Verwaltung vom 8. April 1849 und sie be- 
trifft folgenden tragikomischen Fall. Die Gouvernements- Verwal- 
tungen von Taurien und von Chersson hatten sich — jene am 
5., diese am 25. Februar 1849 — an die Eiew'sche Gouverne- 
ments* Verwaltung mit Gesuchen gewendet, in welchen erklärt 
wird, dass weder in dem einen, noch im anderen Gouvernement 
Birken wachsen, so dass es unmöglich sei, Ruthen zur Bestrafung 

'5) Höfler, 1. c. p. 13:^. 



- 22 - 

von VerbrecheTn zn beschaffen. Infolge dessen wird die Eiew'sche 
Verwaltung nm folgende Auskunft gebeten: ob es möglich sei, 
im Eiew'schen Gouvernement alljährlich 26.000 (III) Bündel 
Ruthen anzufertigen, and zwar 6000 fttr das Gk)uv. Taurien und 
20.000 für das Gonv. Chersson, und ferner: was die Zustellung 
dieser Bündel nach Ssimferopol, resp. Chersson kosten wtirde. In- 
folge dieses Gesuches schrieb die Eiew'scbe Gouvernements- 
Verwaltung allen Polizeibehörden im genanntea Gouvernement 
vor, unter der Hand die nothwendigen Daten za sammeln und 
auch den Modus def Anfertigung und Zustellung der Bnthen- 
bündel auszuarbeiten. Ob die Kiew'sche Gouvernements- Verwaltung 
den Auftrag der beiden anderen Verwaltungen wirklich aus- 
geführt hat, darüber liegt keine historische Urkunde vor. 

Birkenbüschel sind ein wichtiges Werkzeug für das „russi- 
sche" Schwitzbad. Pfarrer Prätorius (bei T e t z n e r 1. c.) erzählt 
von den Litauern: „Bekommen sie etwa Ungeziefer in die 
Kleider, so laufien sie in die Badstabe, und brennen sie mit 
Hitz heraus. Denn sie haben Badstnben, darin ist anstatt des 
Ofens von Feldsteinen ein Ofen zusammengefliehen, den machen 
sie recht glüend, giessen Wasser darauff, dass von dem Fraden 
oder Dünsten die Badstube so heiss wird, dass einer, der es nicht 
gewohnt, darin sterben möchte. Wenn sie nun in die heisse Bad- 
stube kommen, hat ein jeder einen Quast von Birken mit dem 
Laube, den legen sie aufF den Steinhaufen, machen ihn heiss und 
peitschen sich damit, dann laufien sie ins kalte Wasser, das ist 
ihr Bad." — Sehr häufig kommt die Birke im litauischen Volks- 
liede vor. Begnügen wir uns mit einigen Beispielen aus der 
Tetzner 'sehen Sammlung: 

Fröblicli in der vielgeliebten Heimat, 
Eine rote Preiselbeere, sprosst icb, 
In der Fremde liebeleerem Lafthaucb, 
Weh, zn welkem Birkenlanbe ward ich. 

Ich gieng dereinst znm Birkenwald. 
Kamen drei jange Bnrsche b'ild 
Zogen die Hütchen zierlich nnd fein: 
„Gnten Morgen Jnngfränlein." 



n. s. w. 



Kam auch die Mutter, 

Kam herangegangen, 

Brachte dem Manne 

Ein Birkenstöckchen. 

„Schilt nur, lehr nur, 

Du liebes Söhnlein, 

Thu nach deinem Behagea/ 



u. s. w. 



•-? 



~ 28 - 

Botrychium Lnnaria. Mondraate. Einst zauber- 
berühmt. "War für die Alchimisten eine Gk)ld- und Silberquelle. 
„Ankerkraat*' und „Beseichkraut^ in Oberösterreich. Gibt gute 
Milchy weswegen es mit dem Spruche : 

Gross dich Gott, Ankerkrant, 

Ich brock' dich ab nnd trag' dich z'Haus, 

Wirf bei mein Kühl fingerdick auf I 

abgepflückt wird. Dagegen glauben die Salzburger Aelpler, dass 
Kühe, welche von Botrychium fressen, weniger Milch geben, an der 
Milch abnehmen, „sich beseichen^. In den niederösterreichischen 
Yoralpen heisst die Pflanze Petersschlüssel, der alte Bock ver- 
zeichnet: St. Walpurgiskraut. 

Bryonia dioica und alba. Zaunrübe. Die an Hecken 

und Zäunen kletternde Giftpflanze hat mächtige Brübenwurzeln, 

die im Yolksmunde als Körfcheswurz bekannt und wegen ihrer 

vermeintlichen Zauberkrärte gerühmt waren. Stücke der "Wurzel 

legen die Dorfmädchen in manchen Gegenden noch jetzt, bevor 

sie zum Tanz gehen, in die Schuhe und sprechen dazu die 

Formel : 

KÖrfches Wurzel in meinem Schuh*, 
Ihr Junggesellen, lauft mir z^I 

Bei den galizischen Ruthenen : „Perestup." Gilt als Zauber- 
pflanze, die der Bauer nicht zu berühren wagt, auch wenn sie ihm 
die Culturen erdrückt. Als der echte Alraun (cf. Mandragora 
officinalis) der Mittelmeerländer noch im Schwange war und dessen 
die Gestalt eines kleinen Männchens bald durch natürlichen Zufall, 
bald nach Hilfe mit einem Schnitzmesser nachahmenden Wurzeln 
mit Gold aufgewogen wurden, fälschte man die gleich Heiligthümern 
gehüteten Alraunlein (auch Heck- uod Geldmännchen genannt) mit 
Figürchen, die man aus den Wurzeln der heimischen Zaun- 
rübe fertigte. 



Galtha palustris. Sumpfdotterblume. Am St. Georgs- 
tage werden von den galizischen Ruthenen den Kühen Kränze von 
CalÜ^a um die Hörner gewunden und dann, zerhackt, unter das 
Futter gemischt. Die Hexen können dann den Thieren im näch- 
sten Jahre die Milch nicht nehmen. 



_ 24 - 

Campanula rotundifolia. Bandblftttrige Olocken- 
blnme. „yaschreikräatl** im niederösterrdichisobea Viertel unter 
dem Manhartsberg. Die merkwürdig gestalteten Samenkapseln 
baben wobl auf die Pflanze die Aufmerksamkeit gelenkt. 



Corylus avellana. Haselnnsstraucb. Der breitlaabige, 
für stille Liebe wie gescbaffene Straucbi unter dem Alfred 
Tennyson's berrlicber „Enocb Arden'' beginnt: 

Dahinter ragt die Däne hoch gen Himmel 
Mit Hünengräbern : Haselnussgestränch, 
Im Herbst durchwogt von Ntissesuchern, grönt 
In einer Kesselschlacht der granen Däne . . . 

war nach Höfler früher das Zeichen der Mahl- und Gerichts- 
stätte. Bei einer Hasel stiess Adelgar , der Bayernberzog, 
seinen Lanzenscbaft in die Erde und sagte : 

Das lant hän ich gewnnnen 

die Beieren ze cren. 

die marke diene in immer möre. 

Mit der Haselgerte soll man alles Gewürm tödten. Die am 
Berchten- oder Johannestage geschnittene Wünschelruthe ist die 
Hasel gerte. Man sagt beim Schneiden im Lechrain : 

Ich schneide dich, liebe Rnte, 

Dass dn mir sollst sagen, 

Was ich dich will fragen, 

Und dich so lang nit rühren, 

Bis du die Wahrheit thust spüren. 

Felix von T h ü m e n war noch in seiner Kindheit Zeuge eines 
"Wünschelruthenganges ^*) : „Es war in einem sächsischen Dorfe, nicht 
gar zu -^eit von Dresden entfernt, ein Weingartenhüter das zaaber- 
verständige Medium, der gesuchte Gegenstand jedoch in diesem' 
Falle kein Schatz, sondern der kostbare schwarze Diamaut, die 
Steinkohle. Mit tief gesenktem Kopfe, weit nach vorn gebeagtem 
Oberkörper, so ging der Mann mit laugsam abgemessenem Schritte 
die Felder auf und ab, in ehrerbietig- seh euer Entfernung gefolgt 
von der andächtig-gläabigen Menge der Dörfler. In der linken 
Hand (in dieser, als dem Herzen näher liegend, ruht die Zaaber- 



*®) Schriften des Vereines zur Verbreitung naturwissenschaftlicher 
Kenntnisse. Wien 1881, S. 334. 



— 25 — 

kraft) hielt er eine ziemlich lange, sohv^ankeade Haselgerte wage- 
recht vor sich hin. Die Bnthe schnellte natürlich, darch das 
Gehen des Mannes veranlasst, unaufhörlich auf und ab, doch plötz- 
lich senkte sie sich auffallend gegen den Boden, der Träger blieb 
stehen und hob sie, scheinbar mit gewaltigster Eraftanstrengung, 
wieder empor — umsonst, es gelang ihm nicht völlig, immer und 
immer wieder neigte sich die Buthe; endlich schien das Medium 
diesen Kampf aufzugeben, schweigend machte es ein Zeichen gegen 
die abergläubische herandrängende Menge und sofort war ein 
bereitgehaltener Pfahl an der von der Wünschelruthe bezeichneten 
Stelle in den Boden getrieben. Hier war ein reiches Kohlenlager 
verborgen und der Besitzer des Grundstückes schier ausser sich 
vor Freude ; einen Zweifel auszusprechen, hätte Niemand wagen 
dürfen, das Niederschlagen der Wünschelruthe war ja das unfehl- 
barste Zeichen, unbedingter Glauben ward ihm entgegengebracht, 
wenn auch erprobte Bergleute und Markscheider das Gegentheil 
behaupteten." 

Die Hasel war früher zauberberühmt. Noch lebt sie als 
„Frau Hasel" im deutschen Volksliede. Man konnte der Wünschel- 
ruthe, die gewöhnlich gabelförmig war, durch einen Spruch die 
Kraft verleihen, Abwesende zu prügeln. Mit dieser „Schlagfertig- 
keit" mag auch das niederösterreichische Scherzwort „Haselnuss- 
salbe" für Prügel zusammenhängen, zu welchem noch bemerkens- 
wert, dass „salb'n" (salben) für prügeln oder schlagen in Wien 
und Niederösterreich häufig vorkommt. Mit der freundlichen Hasel 
führt das Volk Zwiesprache : 

Guten Tag, guten Tag, liebe Hasel mein, 
Warum bist da so grüne? — 
Bab' Dank, hab' Dank, wack'res Mägdelein, 
Warum bist du so schöne? 

Kinder soll man mit der Zauberruth e nicht schlagen, so 
kräftig auch der „Haslinger" wirken mag ; sie werden sonst 
bucklig. Bemerkens werth ist die Rolle, die der Hasel bei ver- 
schiedenen Nationen im Liebesleben zukommt. In der Christmessj 
gehen Mädchen und Bursche in Niederösterreich zum Gartenzaun, 
fassen einen haseinen Pfahl und sagen : 

Gartenzaun, ich schütt'r dick, 
Feines Lieb', ick wilt'r dick, 

worauf die Gestalt der oder des Zukünftigen erscheint. Im 
bayrischen Volksliede lässt sich der Klausner beim Abschied 
vernehmen : 



- S6 - 

B'hüat dich Gottl Schatserl; 
J musB a Klausner wer*n ; 
Bast a letzt. Schmatzerl, 
Haselnasskem ; 

Wer weiss, wir d' Nnss anfbeisst, 

Wer weiss, wer 

Alle Leute essen gern 
Schöne Haselnusskern. 

In „Der Widerspenstigen Zähmung" (A. 2, Sc. 1) sagt 
Petruchio zu Katharina : 

Wie fabelt auch die Welt, mein Käthchen hioke? 
Die böse Welt 1 Nein, wie ein Haselzweig 
Ist Käthe schlank und gerade, und auch so braun 
Wie Haselnuss und süsser als ihr Kern. 

Und in „Romeo und Julie" (A. 1, Sc. 4) wird von Frau 
Mab, der gütigen Fee, erzählt : 

Die Kutsch* ist eine hohle Haselnuss 
Vom Tischler Eichhorn oder Meister Wurm 
Verfertigt, die seit grauer Zeit die Wagner 
Der Feen sind .... 

Ferner heisst es in einem slavisohen (mährischen) Volks- 
liede („Oesterr.-Ungarn in Wort und Bild", Land Mähren, p. 217) : 

Hoch dort oben im Gebirg, 
Wandert' ich alleine. 
Da fand eine Haselnuss 
Ich im grünen Haine. 



und die Nuss barg süssen Kern, 
Voll und unverdorben, 
Ach, vergebens hab' ich treu 
Um mein Lieb geworben. 



Ja, vergebens warb ich treu 
um ein Liebeszeichen, 
Nimmer willst den Blumenstrauss 
Mir, du Stolze, reichen. 



Ei, und hab' ich dir*s versagt. 
Noch kann ich's gewähren. 
Sollst nicht, was dein Herz begehrt, 
Ewiglich entbehren. 

Auch die Medicin von früher hatte allen Respect vor dem 
Haselstrauch. Frank weiss von ihm viel Heilsames zu berichten. 
Er preist namentlich die Salbe aus der auf Corylus erwachsenen 
Mistel, die wider Hexerei und Bezauberung diene. 






- Sf8 - 

Lanfk&fer hasten dar€h*s Gestrftnob 
In ihrem gold'nen Panzerröckchen, 
Die Bienen hängen Zweig um Zweig 
Sich an der Edelheide GlÖckchen. 
Die Vögel schwirren ans dem Kraut, 
Die Luft ist voller Lerchenlani. 

Die weisse oder Moorheide (Erica tetralix) , die von den 
Mac Donalds als Abzeichen getragen wird, gilt in England als 
glückbringend und als Symbol des heimatlichen Herdes. In diesem 
Sinne hat Prinz Friedrich Wilhelm von Prenssen, als er 
im Jahre 1855 um Prinzessin Victoria von England warb, ihr 
weisses Heidekraut gereicht. — In der alten Mediein hielt man von 
unserer Erica viel. Man vergl. Fr'ank (a. a. 0. p. 242) :, Wie 
dieses Kraut den Stein zermalme, erzehlet Matthiolus. Es digeriret, 
dient der M . . . , item wider die Lähmung, Schmerzen und 
Eeissen der Glieder, den Stein, Milz-, Magen- und Bückenbesohwe- 
rungen, und vermehrt die Milch. Das hieraus verfertigte Oel 
ourirt die alten um sich fressenden Geschwüre, das Wasser und 
die Schmerzen im Leihe, auch Schmerzen und Röthe der Augen.*' 

Erigeron acre. Berufskraut, Dauron. Hat nach einem 
alten Pflanzenkenner den Namen daher, „weil die Kinder, so man 
wegen ihres Abnehmens vor beschrien hält, damit gebadet, wieder 
besser werden^. Etwas von dem Kraute legte man Säuglingen 
gegen das Berufen auch in die Wiege. Das berichtet u. A. 
Frank unter „Conyza ooerulea", wie unsere Pflanze in den 
alten Officinen hiess : „ Die Weiber pflegen dieses Kraut denen 
Eändern in die Wiege zu legen und wollen sie hiermit vor 
Zauberey verwahren". Nach Duftschmid dient Dauron — 
dieser Name klingt an Alchemistensprache an ! — auch gegen Wetter- 
schäden und wird gegen das Verhexen oder Beschreien des Viehs 
an die Stallthüre gesteckt. Ausser diesem eigentlichen „Berufs- 
kraut" zählt Carus Sterne^'') von naheverwandten Korb- 
blütlern Inula Conyza , Palicaria dysenterica und Palioaria 
vulgaris zu den Berufskräutern. Alle galten in der Apotheke 
vordem als „ Conyza ^^ und enthalten ein scharfes, ätherisches 
Oel, welches, durch Eäucherung oder Abkochen freiwerdend, 
Ungeziefer zu tödten vermag. In diesem Sinne ist ein gewisser 
Wert dieser Gruppe von Berufskräutern nicht abzusprechen. 
Die vier Compositen haben auch gemeinsam, dass sie auf 

") Herbst- und Winterblumen. S. 201. 



— 30 — 

heiten ein Biisobel Liebfranenstroh an das Kopfende des Betteö 
hiengen und da^m vor dem Schlafengehen sprachen : 

Heil sei dir dn heilig Kraut ! 
Hilf nns znm gesanden, 
Auf dem Oelberg wurdest du 
Allererst ge fanden. 

Du bist gut für manches Woh, 
Heilest manche Wunden 
Bei der Jungfrau heil'gem Strauss 
Lasse uns gesunden 1 

Verbreitet ist noch der Brauch, Marien - Bettstroh den 
Säuglingen in die Wiege zu legen, damit sie und ihre Hiitter 
vor Zaubereien gesichert sind. Am Feste der Harien-Kräuterweihe 
iehlte Labkraut früher in keiner katholischen Kirche. 



* 



Gentiana cruciata. Krcazeozian. Galt einst für ein 
sehr kräftiges Kraut. Das Sprüchlein 

Modelgeer 

Aller Wurzel eer 

war viel im Schwange. Für die der PÜanze mit aufiällig eben- 
massig im Kreuz gestellten Blättern zugemntheten Wunder sprechen 
die alten Namen bei Frank : Speerenstich, Heil aller Schäden, 
EngeliKurz, Himmelstengel, St. Peterskraut; Sibyllen würz. In der 
Kirche zu Werder bei Potsdam befindet sich ein altes Gemälde, 
auf welchem Christus als Apotheker dargf^stellt ist, wie er in 
einer Hand wage die Sünden der Menschheit durch Kreuz würz in's 
Gleichgewicht biingt. Wenn der Jäger des Schusses sicher sein 
wollte, musste er den Flintenstein mitKrenzwu^z „füttern".. Noch 
in der neueren Zeit machte die Kreuzwurz viel von sich reden, 
da ein ungarischer Schullehrer sie als unfehlbares Mittel 
gegen Wassersucht anpries. Der deutsche „Vater der Botanik" 
Hieronymus Bock, der schon darauf aufmerksam macht, dass 
der Querschnitt des Wurzelstockes aussieht, als ob er mit einem 
Speere kreuzweise durchstochen wäre (daher „Speerenstich"), fügt, 
nach Aufzählung aller Fähigkeiten der Gentiana cruciata, die treu- 
herzige Bemerkung hinzu: „Es muss aber an allen Orten Zauberei 
sein, niemand ist, der solches mit Ernst widerfechtet." 

Glechoma hederacea. Gundelrebe. Heilkräftig und 
Zauber widrig. Wer in der Walpurgisnacht (letzte April nacht) einen 



- 32 — 

GundelrebenkraDZ tiä'gt, erkeDnt alle Hexen. Auch melkte man 
die Sühe, wenn sie im Frühjahr zum ersten Mal ausgetrieben 
wurden, durch einen solchen Kranz, um die Milch zu vermehren 
und die Thiere vor jederlei Schaden zu schützen. Als einst 
Petrus heftiges Zahnweh hatte, sagte ihm der Heiland: 

Nimm drei Gundelreben 

Und läse* sie deinen Mnnd umschweben. 

Der Name Gundelrebe (auch Gundermann) wird nach 
Grimm auf die Walküre Gundr ^bezogen, nach Schmeller 
(Bair. Wörterbuch) hängt er einfach mit Gund (feuchter Ort) 
zusammen. 

Hedera helix. Epheu (Fig. 3). Schützt gegen Verzaube- 
rung. Im Mittelalter glaubte man, dass Löfiel aus Epheuholz gegen 
Bräune und Halskrankheiten überhaupt gut seien. In Ostpreussen 
httt man den Epheu, in den Stuben gepflegt, für einen Zank- 
erreger. Bemerkenswert ist, dass die Namen von Epheu und 
Eibe (cf. Taxus) im Angelsächsischen identisch iv lauten. 
Griechen und Römer verwendeten denselben Epheu, der sich in 
Festesfreude um ihre Stirne schlang, als Grabespflanze — ein Memento 
mori, das heim heitersten Beginnen ernste Gedanken anregen 
sollte. U n g e r gedenkt einer zu Athen befindlichen Stel^, die 
zwischen Gatten und Gattin ein kleines Kind zeigt, wie es der 
allzu früh verblichenen Mutter ein Epbeublatt reicht. Darunter 
liest man : 

Nike, Tochter des Dosiiheus, aas Thasia, 
Herztheure und liebend-besorgte, lebe wohl 1 

Bei H r a z, Ode 4, heisst es in der Einleitung zu einer Ein- 
ladung: „Ich habe vom Epheu eine grosse Menge, mit Jem Du 
geschmückt wirst." In der zweiten Epistel wird Bacchus als 
der „Schlaf- und Epheulaubfrohe" bezeichnet. 



Herniaria glabra. Bruchkraut. „Nimm ma nix^ 
(Nimm mir nichts) in Oberösterreich. Die Festigkeit, mit welcher 
dieses an sandigen Stellen wachsende Kraut seine Stengel mit- 
telst Würzelchen im Boden befestigt hält, veranlasste den Aber- 
glauben, dass selbst eine Hexe aus einem Hause, in welchem das- 
selbe aufbewahrt wird, nichts wegnehmen könne. Unter ^Nimm 
ma nix" werden, wie ich schon gelegentlich der Besprechung der 



^ 35 - 

Yolksthüm liehen Liebeskräuter erwähnte, aaoh Alchemilla alpina 
und das Widerthonmoos (Polytrichum commune) verstanden. 
„Nimm-ma-nix'' ist ein wohl schon uralter imperativischer Eräuter- 
namen, dessen Name zugleich Zauber- oder Besprechungsformel 
war. Der schriftdeutsche Name Bruchkraut erinnert an den 
früheren Gebrauch des jetzt als Herba Herniariae bei Blasenleiden 
angewendeten Krautes wider Brüche. 



Helleborus viridis. Grüne Niesswurz. Die Wurzel wird in 
der Christnacht in die drei Messen mitgenommen und wenn die Kühe 
verzaubert sind, gibt man ihnen drei kleine Stücke davon, in den 
drei höchsten Namen, drei Morgen hinter einander (Schwaben). 



Hypericum perforatum. Johanniskraut. Die Blätter 
sehen infolge lichter Drüsenpunkte wie durchstochen aus. Der 
aus den gelben Blumenblättern beim Zerquetschen quellende Saft 
wird an der Luft roth. Diese umstände haben das um Johannis 
(24. Juni) erblühende Kraut, das der Teufel vor lauter Wut 
durchstochen hat, als wunderthätiges erscheinen lassen. Dient wider 
verhextes Vieh und wird unter die Schwelle gegraben. Zum 
Verscheuchen von Gewittern wird Johanniskraut auf den Herd 
geworfen. In der Havelgegend, wo das der Legende nach aus 
Johannes des Täufers Blut entsprossene Kraut Hartenaue heisst, 
hört man bei starken Gewittern den Vers: 

Ist desn keine alte Frane, 
Die kann pflücken Hartenane, 
Dass sich das Gewitter stane? 

Teufelsbanner, Jageteufel, Teufelsflucht, Fuga daemonum, 
unseres Herrn Gottes Wundkraut — so weit verstieg man sich in 
den Complimenten für das wunderbare Kraut! Mit Dosten (cf. 
Origanum vulgare) und dem Sumpfporst (Ledum palustre, „weisse 
Heid**) begegnen wir der die fünf Blumenblätter zur Erinnerung 
an Christi Wunden tragenden Pflanze in dem Vers : 

Dosten, Hartan, weisse Heid' 
Thun dem Teufel alles leid. 

Merkwürdig ist die Verwendung* des Johanniskrautes in 
Schlesien zum Liebesorakel (cf . Leucanthemum). Der aus 
den Stielen der Blüten beim Abreissen hervorquellende rothe Saft 
bleibt manchmal aus oder ist grau gefärbt. Dies wird nun als 
günstig oder ungünstig aufgenommen und durch den Spruch 
angedeutet: 
da Nr. 119/98. 3 



Bist mir gut, 
Qibst Mir Blat, 
Bist mir gram, 
Gibst mir Schlunm. 

Uit Eränzen ans Johumiskntnt sohmUoken woh die um du 
JobaiiDis jener Tanzenden nnd werfen, uaob den EilSaohen der 
Feuer, die Eifinze anf die DKoher 
der Eänaer, damit diese vor Brand- 
schaden geeiehert bleiben. In dem 
am HariK-HimmeHahrtetage ge- 
weihten Bnsohen, der aus nenn 
Kräutern beatebt, darf nach 
Bchwäbiscber Vorstellung das Jo- 
banniskisut nicbt fehlen. Ausaer 
ihm zählt N e i d h B r t anf : Thy- 
mian (Thymus) , Gartenrante 
(Bnta) , Gundelrebe (Glecboma), 
Wnrzel nnd Erant von der Meister- 
wurz (Imperatoria), vom Tenfels- 
abbiaa (Scabioaa), Liebstöckel (Le- 
visticnm), Eberraute (Artemisia 
ahrotanum) und das Kraut der 
Mauerrante (Aaplenium Bnta mn- 
raria). 




llex aquifolium. Stech- 
palme. Hit Mistel (cf. Viscum albnm) 
der Zimmeisohmuck der englischen 
Weihnachten (Holly). Der Sage 
nach jene „Palme", mit der der 
Heiland hei aeinem Einzüge in 
Jerusalem begrttast wurde; aie eis 
hielt zor Erinnernng an den Yar- 
rath, der an Christus gettht wurde, 
Stacheln. Wird in Oesterreieb mit 
„Seg'nbam" (Juniperus Sabina) zn den Palmbnsoben des 
heiligen Palmsonntag verwendet. YolkathUmlich gSchradlbanm" 
genannt. Scbradl b«dentet Kobold oder Gespenst Gerhard 
Hauptmann h^t in diesem Sinne eine „Eian Schratt" in 
seiner „Versunkene;! Glocke" eingeiUhrt Wenn die HUhtier 
nä9btlic];i er weile grossen Lärm erhebe^ und die Leute aie her* 
naqh zerrupft fi^p, so bei^t ea in der , Oetacbergegend : „Der 
Scbradl bat sie geritten.' Sohradl ach wein iat ein soloboai dem 



Fig. 4. 

Hex aquifolium (Stechpalme). 



die Borsten wirr auf dem Riste enlBtreben. Gegen den Saliradt 
Verden die Zweige von Ilez aqnifolinm in die Ettbnersteige gelegt. 
Gegentlber dieser seiner dttmonisohen Seite wird Steohpalmlanb 
als trenes Immergrttn gefeiert. So von Scheffel: 



In Ohnet'a „Steinbrnoh" kann man von Hex als Wirts - 

bansgrUn über dem Thor der Sobenke lesen. Frank in seinem 

Kränterlexikon sagt von der Steobpalme: „Wird in der Golioa 
gerübmet." 



Jnniperiia oommanis. Wacbbolder. Zanbermittel. 
Der Bauoh vertreibt Schlangen, Qewtlrm und Geister. Der Trank 
ans den Beeren IKsst die Znknnlt schanen. Ein StrKossohen von 



Pig. ö. 
TadiliMd«r. 



Wacbbolder an dem Hat wird in den österreiohitohen Alpen als 
Kittel gegen Ermiidnng angesehen. Dieselbe Yorstellnng hat 
L n t h e r geleitet, als er im ersten Bnoh der ESntge ein Wort, 



das eigeDtlioh eine anf dem Horeb waohseiide Gineterart bezeich- 
nete, mit Waohholder verdentsohte : , Eliea eotste sieh and sohlief unter 
einem Waokbolder*. FBr die aneserordentliobe Achtnng, die der 
Strancb genieest, sprieht der ümetand, dus der Tiroler Bauer 
vor ihm den Hnt sieht. Im Grimm'eohen Uäiohea ,von dem 
Uachandelboom' wird dorob eioeo Yogel, der stob anf einen be- 
stimmten Wachbolder setzt, ein Mord Terrathen : 

Hain Matter, dar mich achlmcht, 

Hein Valer, der mich >bi, 

H' in Schwester der Huianicben 

Sacht klle meine Benicban, 

BiDdt sie in eio seiden Tnoh, 

Legt's nnter den HftchBndelboom. 

Kywitt, tyiritt, T«t yör'n Bchöän Togel btln ikl 

Dos BayriBcb-Oeaterreiohisohe sagt fttr Waohholder Erona- 
wett'n (Oronawett'n) , abd. chranawitn = niederes Kernholz. 

HKofig eind darans gebildete Familien- nnd Ortsnamen. In 
Wien gibt es mehrere Eronawetter, einen Eronabethleitner, Erona- 
hetter nnd Eronawittleithner, femer einen Kranabitter, Ernnewitter, 
Ersnavetter. Nach A. F r a ok m ay r'*), der im Waobbolder 
„Fran Wachhilt", eine Minne der dentaohen Mythologie erkenot, 
gibt es in Nieder* nnd OberÖBterreioh, Salzburg, Steiermark, 
ESrnten, Erain nnd Tirol unter den Ortsnamen: 8 Eranabeth, 
2 Eranabetbleithen, 2 Eranawetter, 4 Eranawitter, 2 Erana- 
wittergnt, 2 EroaabethmQhle, 2 Eionawitten nnd 2 Eronawitet. 
Wachholder, der schon hei den beidnisoben Bnmdopfeni dienlich 
war, wird znm Ansräncbem der Erankenstnbe verwendet. 

Ja, als der bayrische Sohnlmeiater Sohmeltzl im Jahre 
1548 nach Wien kam, sah er gegen die Pest: 

in den gaeien nnd ringen 
Bttlich hundert Fe wer p rinnen, 
Von kranwithole weyranch dann. 
Damit der Infft sich ra;nisen thn. 

Die wtirzig-bitteren Beeren gelten für aasnebmend heil- 
krfiftig. Oft wird gesagt: 



Und als im Jahre 1832 in Gaaden bei Wien die Cholera 
wilthete, kam ein Vogel ans dem Walde nnd rief: 



d.-chir. OntralM. STI (1881), Nr. f 



- 37 - 

Aehnlioh weiss eine Salzbnrger Sage zu berichten. Als die 
grosse Pest grimmig in Salzburg wütbete, da hörte eines Tages 
ein graues Mstnnchen auf einem Baume einenjVogel, der also rief : 

Esst's Kranawit und Bibemell 
Dann sterbt Ihr nicht so schnell. 

Der Alte machte es bekannt und die Pest war gebrochen. 

Pimpanell oder Bibemell ist die auch sonst als Magenmittel 
gepriesene Wurzel einer Dolde (Pimpinella magna). Der Vers 
wurde in den verschiedensten Gegenden Deutschlands zu schweren 
Zeiten gehört; bald war es ein Vogel, der die Botschaft brachte, 
bald liess sich eine Stimme vom Himmel, ein Engel, oder ein 
.Holzfräulein" vernehmen. Nachdem Burg Andechs in Oberbaiern 
45 Jahre verwüstet gelegen war (seit 1209), hörte ein blindes 
Weib von Widdersberg eine Stimme, welche sie hiess, einen Wach- 
holderstrauch aufsuchen und sich mit der Wurzel die Augen 
bestreichen. Sie that es und sah plötzlich. (Dr. Andr. Senestrey, 
Wallfahrten nach Andechs.) Nach einer anderen Legende aus 
dem Salzburgischen wurde ein Bauer durch einen Wachholder 
aus tödtlicher Krankheit gerettet. (Sage von Unserer Lieben Frau 
zu Kösslarn.) Wachholder ist eines von „neunerlei Agen- 
holz'', ans dem der zauberkräftige Schemel angefertigt sein 
muss. „Agenholz" ist dem Wortsinne nach Nadelholz. Ausser 
Wachholder werden zu dem Schemmel genommen : Fichte, Tanne, 
Kiefer, Legföhre, Sevenbaum (Juniperus Sabina), Lärche, Zirbe und 
Eibe (K e r n e r). 

Merkwürdig ist der Brauch, Krankheiten auf den Wach- 
holder zu transplantieren, oder, wie er volksthümlich heisst, zu 
„wenden" ^^). Ln oberösterreichischen Hausruck viertel geschieht 
dies folgendermassen : Man trägt das kranke Kind zu einer 
Wachholderstaude. Ein altes Weib murmelt einige Gebete, dann 
schneidet es drei Zweigspitzen vom Strauche ab, die sie unter 
frommem Gemurmel in das Haus der Eltern trägt und an der 
Mauerecke, wo das Cruciflx seinen Platz bat, aufhängt. Hier müssen 
sie bis zum nächsten Neumonde unberührt hängen bleiben. Am 
ersten Morgen des Neumondes nimmt sie die Zweige herab und 
trägt sie zum Wachholderstrauche zurück, um sie mit drei neuen 
zu vertauschen. Dasselbe geschieht dann jedesmal zu Beginn des 
Neumondes bis zum dritten Male, wobei stets das kranke Kind zu- 
gegen sein muss. Nach solchem dreimaligen „Wenden" ist der 
kleine Patient von seinem Leiden geheilt. In Deutschland steckten 
die Eltern, wenn kleine Kinder kränkelten, Wolle und Brot in 
den Wachholderbusch einer anderen Feldflur und sagten dabei : 



20 



) Pruckmayr, 1. c. 



— 38 - 

Ihr Hollen und Hollinnen 

Hier bring' ich ench was zu spinnen 

Und zn essen. 

Dur sollt spinnen nnd essen 

Und meines Kindes vergessen. 

In Oberösterreich apostrophiert man auch den bekannten 
Waobholderbranntwein : 

Kran&wit brannte im Haas 
Treibt Dootor und Bader ans 

nnd fasst den ganzen Respeet vor Jnnipems, ans dessen Holz 
man die Gesnndheitspfeifen fertigt, in dem Satz zusammen : 

Vor Hollerstand'n *^) nnd Eranawitt'n 

Bock* i mein Hnat und noag mi bis halbe Mitt'n. 

Nach altdeutschem Brauch wurde die Feststube mit Wach- 
bolder bestreut. „ Zierlich mit Wachholdernadeln — überstreut des 
Saales Boden^, beisst es in F.W.We b er's „ Dreizehnlinden ". Hö f 1er '^) 
bemerkt zutreffend, dass beim Wachholder wie beim HoUer alter 
Gultglaube und volksmedioinische Anwendung Hand in Hand gehen. 
Weon man vor Sonnenaufgang eine Wachholdergerte (Martins-^ 
d. j. 'V^o^^Ai^g^^®) mit den Worten : „Stecken I Ich thue dich 
schntjAHi im Namen der heiligen Dreifaltigkeit" abschneidet^ so 
kann man mit ihm prügeln, ohne dass es der Geschlagene merkt, kann 
damit Schlangen vertreiben etc. Bei Diebsbesprechungen wird der 
Strauch vor Sonnenaufgang mit der linken Hand gegen Osten 
gebogen und dabei gesprochen : „Ich thu dich hucken 
und drucken, bis der Dieb dem N. N. sein gestohlen Gut wieder 
bringt." Dann legt man einen Stein auf den Wipfel, unter den 
Stein einen Verbrecherschädel (Erinnerung an das Menschenopfer I). 
Hat man das Gestohlene so durch Zauber erzwungen, dann muss 
man schleunigst den Busch wieder loslassen und den Stein hin- 
legen, wie man ihn gefunden ; sonst kommt der Besprecher selbst 
zu Schaden. 

Der aus den Beeren gebrannte Wachholderbranntwein ist 
allgemein bekannt: i^Hachondel mit 'm Knüppel" ist — neben 
dem Danziger Goldwasser — in der dortigen Gegend ein volks- 
thümliches Getränk. Eigentlich heisst der Schnaps nur Hachondel. 
Yerlai^gt man ihn „mit 'n Knüppel", so heisst das, dass man 
Zucker dazu haben will. Zum umrühren in den hohen Gläsern 
bedient man sich eines hölzernen Löffels aus Wachholderholz, 
der eben „Knüppel" heisst. (Köln. Volksztg., 24. Jänner 1897.) 



*^) Sambncns nigra. 
") 1, c. p. 114. 



— 39 - 

Leucanthemum vtilgarie. Orakelblntiie. Sie galt 
schon in den Zeiten ritterlicher Minne ak „Blume defr ünent- 
scbiedenheit'*. Durch Goethe's Gretchen wurde sie in die altän 
Rechte der liebeskttndenden Rupfblume ^^) wieder eingesetzt. Die 
Zahl der um die gelbe, aus Böhrenblütchen zusammengesetzten 
Scheibe herumstehenden weissen Strahlblütchen ist entweder gerade 
oder ungerade. Im ersteren Falle ^eht der Herzenswunsch in Er- 
füllung, im letzteren nicht. „li^bt mich — liebt äiich nicht ^ 
war der früher am häufigsten beim Abrupfen gesprochene Spruch ; 
jetzt findet tnan ihn gewöhnlibh su: „Er (Sie) liebt mich — 
vom Herzen — mit Sthtnerzen — ein wenig — oder gar nicht" 
erweitert. Aber auch andere grosse Fragen muss die Orakelblumfe 
beantwO!rten. Sie entscheidet übe^ den künftigen Beruf mit 
den Sprüchen: „Edelmann, Bettelmann, Bur (Bauer) . . ." 
oder „Edelmann, Belttelmann, Major . . .''i über Heiiat und 
Ledigbleiben: vi^^dig si — Hochzig h» ^^ In*ä Chlösterli ga, . ." 
oder „Heiraten — ledig bleiben — Klosterfrau werden . . ." ; 
schliesslich gar metaphysisch über das zweite Leben: „Himmel 
— Fegfttr — Höir ..." Wiö bei den während des Rupfens 
der Orakelblume gesprochenen Worten, so ist in den kindlichen 
Zählreimen gerade und ungerade entscheidend. Laube führt 
zahlreiche solche Spielreime an, aus denen ich auf gut Glück 
einige herausgreife : 

ABC Paerpendickl 

Dn blBt ä schlimmer Mckl I 

Mäderle schau, schau, 
Es kommt der Wauwau, 
Hot^ Banzbl abi Rucken, 
Und's Pfeifel in 'n Maul. 

Jakob hat kein Brot zu Haus, 
Jakob macht sich gar nichts dräus, 
Jakob hin, Jakob her, 
Jakob ist ein Zuttelbär. 

Vielleicht besteht nicht blos diese äusserliche Beziehung 
zwischen den Orakelsprüchen der Grossen und den Zählreimen 
der Kinder; vielleicht hangen sie auch ursächlich zusammen. Ich 
spreche bieinit eine ituthmassung aus, deren Beurth eilung und 



*^) „Bapfblumen^ (äargüferiten) sind die meisten Korbblütler, deren 
Blüten in Strahl nnd Scheibe gesondert ist. Am häufigsten dient aber 
Leucanthemum zum Liebesorakel. In der altdeutschen „Bedeutung der 
Blumen^ heist es: «Wer Rupfblumen trägt ungempft, der weiss nichts Be- 
sonderes an seiner Liebsten; wer sie gerupft trägt bis auf zwei Blätter, der 
versteht dabei Gerechtigkeit, wem aber ein Blättchen stecken bleibt, so be- 
deutet es, dass ihm Unji^tlck gisschöheh sei.** 



- 40 — 

weitere Yerfolgnng ich gerne dem berufeneD Folkloristen über- 
lasse. Besonders möchte ich auf die Zählreime die Aufmerksam- 
keit lenken, die deutlich erotischen Beigeschmack haben; so aus 
Laube 's Sammlung: „Hopp Marianne], hopp Mariannel — Geh 
mit mir in 'n Keller — XTem ä Bier'l, um ä Weinl — üem en 
Muschketeller'*. 

W a 1 1 h e r von der Yogelweide, der schon die echt- 
deutsche Sitte des „Lesens ''oder Schioksalsuchens mit ungleich grossen 
Halmen anwendet, macht hiezu die freundliche Bemerkung: „Da 
beeret (gehört) ouch geloube zue''. Man muss an die Kraft der „ Wunder- 
blume **, — so auszeichnend benennt der Niederösterreioher die 
Orakelblume! — eben glauben. Der durch unglückliches Lieben 
tief verstimmte Hermann G i 1 m, dem wir das einzigschöne Lied : 
„Stell' auf den Tisch die duftenden Reseden, die letzten rothen 
Astern, trag' herbei . . .** verdanken, spottet auch der zwischen 
den wehenden Grashalmen in heiterer Sommerluft erblühenden 
Orakelblume : 

Gesenkten Hauptes in den Wiesenbeeten, 

Als ahne sie der Sense TodesMeb, 

Steht silberweiss die Blome des Propheten. 

Wahrsagerin, sag' an, hat sie mich lieb? 

Und du sagst ja, d n lügst, ich will*s beweisen : 

schäme dichl so jung, so zart, so licht, 

Geschaffen, um den Sommertag zu preisen, 

Und lügen I denn sie liebt mich nicht I 

Ganz so, wie die Strahlen der Orakelblume habe ich die 
Fiederblättchen der fälschlich „Akazie" genannten, aus Nord- 
amerika stammenden Kobinia Pseudacacia abrupfen gesehen. Bin 
merkwürdiges Liebesorakel verzeichnet H o 1 u b y (Oest. botan. 
Zeitschr. 1878) für die ungarischen Slovaken. Wenn die jungen 
Hanipflanzen die ersten vier Blätter zeigen, pflegen die heirats- 
lustigen Mädchen irgendwo am Bande des Feldes zwei solche 
Pflanzen mit einem farbigen Faden zusammenzubinden, um dann, 
wenn das Geschlecht der Pflanze bereits zu erkennen ist, nach- 
zusehen, ob die zusammengebundenen Sämlinge gleiches oder un- 
gleiches Geschlecht haben; ist die eine Pflanze weiblich, die 
andere männlich, dann schliesst das Mädchen auf eine baldige 
Heirat. Um aus der grosssen Zahl der hiehergehörigen Beispiele 
noch eines anzuführen, gilt im Elsass bei den heiratslustigen 
Mädchen folgendes Liebesorakel als probat. Haben mehrere Be- 
werber ihre Augen auf eine Schöne geworfen und begehrt sie zu 
wissen, welchen davon das Geschick ihr zum Manne bestimmt 
hat, so pflückt sie das mit ganz besonderen Kräften ausgerüstete 
Eräutlein Ehrenpreis (Veronica sp.), im Volke auch 
„Männertreu" genannt, legt davon so viele kleine Zweiglein 



— 41 — 

in je ein StflekcbeD Papier, als es Liebhaber sind, und achreibt 
auf jedes den Namen eines derselben. Diese Zetteloben gibt sie 
sodann beim Sohlafengeben unter das Kopfkissen. Wenn sie die- 
selben dann am folgenden Uorgen eröffnet, so zeigt das frisch 
nnd grfin gebliebene Zweiglein den künftigen Gatten an, während 
die anderen, velohe welk geworden sind, die unbeständigen 
Freier bedeuten. Von dem orakelnden Johanniskraut wurde schon 
unter HTpericum berichtet. 



Linaria alpina. Alpen) ein kraut. Wird schon vonH aller 
als Älpenblnme besungen. gBesohrelkräutl" in den bairisoben Alpen. 
Verwandt mit Ändrrhinum, das man vergleichen wolle. 



Iiithospermnm offioinale. Steinsame. Die kalk- 
reiofaen, mit Säuren aufbrausenden Samen dienen gegen Hamgries. 
Auch werden sie als Zaubermittel verwendet. F 1 i n i u s geräth 
bei E^wfihnnng der Pflanze mit den perleuartigen Samen in wahres 
Entzttcken nnd meint: „Ich habe wirklich unter den Pflanzen nichts 
gesehen, was so wunderbar wäre ... die seltsame Eracheinnng 
aus einer Pflanze bervorgewachsener Steine . . . Debrigens ist es eine 
ganz ansgemacbte Sache, dasB eine Drachme dieser Steinohen, 
in weissem Wein getrunken. Blasensteine zerstört und abtreibt." 



Ly cinm barbarnm. Booksdom. Schon beiDioscorides 
(I, 119) als Zanbermittel zum Befestigen an Fenstern und Thilren 
empfohlen. 

Mandragora offioinalis. Alratm. Die berühmteste 
aller Zanberpflanzen. Ein in den Mittel- 
roeeriändern wild vorkommendes Nacht- 
schattenge wachs, treibt es eine rübenföimige 
Wurzel und eine dem Boden angedrückte 
Blattrosette, über welcher mehrere grosse 
Blnmeu emporragen. Uit etwas Phantasie 
kann man in der Wurzel die Gestalt eines 
nackten Uensohen erblicken und in den vier 
Wnrzelästen Arme und Beine. Daher die 
. . Pflanze bei Pythagoras: „dv^painöiAOp- 

^0^" die menschenähnliche heisst. Ein in 
der Erde wachsender kleiner Menseh, ein leibhaftiger Homnn- 
onlua mosste frühzeitig Sinnen nnd Denken anregen. Josephns 



- 42 - 

Fla V i n 8 erstattet genauen Bericht über die Art und Weise, 
wie die von den Griechen als Zauber wnrzel der Ciree betrachtete 
Mandragora (wörtlich: „die Herdensammelnde") zn graben Bei 

Schon P 1 i n i n s (XXV, 94) schreibt vor: ^Das Ansgraben 
geschieht, nachdem man sich überzengt hat, dass kein entgegen- 
gehender Wind herrscht, und nachdem man, das Gesicht gegen 
Westen gerichtet, mit einem Schwerte drei Kreise gezogen." 
Josephus F 1 a y i u s übertrumpft ihn, indem er sagt, man dürfe 
die Mandragora nicht selbst aus den Boden ziehen, sondern ein 
schwarzer Hund müsste angetrieben werden, die mit dem oberen 
Theile an seinen Schweif festgebundene Wurzel auszuraufen, 
worauf man ein markerschütterndes Geschrei von der Mandragora 
vernehme und der Hund todt hinstürze. Der Alraungtäber müsse 
sich, wie Odysseus bei den Sirenen, die Ohren mit Wachs verstopfen, 
um das Geheul der Wurzel zu überleben. Von diesem dem 
Menschen unertrSglichen Mandragorageschrei weiss auch Shake- 
speare: 

Weh^ wenn ich da zu früh erwachen sollte, 
Wenn micli ein ekelhafter Dunst nmqnalmt, 
Wenn's kreischt, als grübe man Alräunchen ans, 
Bei deren Ton der Mensch von Sinnen kommt — 

klagt Julie (Eomeo und Julie, A. 4, Sc. 3), bevor sie den 
Schlaftrunk nimmt, und Suffolk (Heinrich VI., 11. Th., A. 3, Sc. 2) 
meint von seinen Hassern: 

Was soll ich sie verfluchen? Wenn ein Finch 

Todbringend wäre, wie Alrannonstöhnen, 

Ich fände Worte, so durchbohrend scharf, 

So herb, verrncht nnd greulich anzuhören .... 

Laban soll sich seinen Hausgötzen aus dieser Wurzel 
(„Dudaim^ der Bibel) geschnitzt und eine alttestamentarische 
Dame ihr die Erföllung der heissesten Wünsche zu verdanken 
haben. Dioscorides weiss im ersten Jahrhunderte unserer 
Zeitrechnung noch nichts von dem zauberischen Graben und den 
wundersamen Kräften der Alraunwurzel, um so merkwürdiger ist 
es, dass in dem berühmten Codex der Wiener Hofbibliothek ein 
Dioscoridesbild aus dem fünften nachchristlichen Jahrhundert zu 
finden ist, welches den Meister die ihm von einer allegorischen 
Figur dargereichte Mandragorawurzel beschreiben und dieselbe 
zugleich von einem Zeichner skizzieren lässt; zu Füssen des 
Dioscorides fällt der eben verendende Hund rüoküber. „ Sollte **, 
fragt P e rger in seiner Studie über den Alraun (Schriften der zoolog.- 
botan. Ges., Wien 1856, p. 721) mit Becht, „das eine der ersten 
Ergänzungen und Vermehrangen sein, die später dem Meister von 



— 43 — 

80 vielen freigebigen Schriftsteilem beigegeben wurden ?^ Auf- 
fällig ist an dem Bilde das in späteren Alrannfigoren nioht wieder- 
kehrende Detail, dass die Beste der der Wurzel aufsitzenden 
Blattrosette als eigentlicher „Kopf' des Alraunmännohens styli- 
siert sind. 

Für den deutschen Vorstellungskreis, dem Alrunen — eine 
Bezeichnung, die ofienbar mit Rune, raunen zusammenhängt — ur- 
sprünglich die heiligen, prophetischen Frauen, so die Aurinia, die 
Yelleda und Ganna bedeuten, wuchsen die Fabeleien des Josephus 
Flavius mit germanischem Mythos und christlichem Mysterium zu- 
sammen. So sagt die heilige Hildegard von der Alraunwurzel, 
sie sei, als von menschlicher Gestalt und aus derselben Erde^ wie 
Adam entstanden, der Versuch ang des Teufels mehr als alle 
übrigen Pflanzen ausgesetzt. Kein Nothleidender verschmähe es, 
solchen Alraun mit frischem Wasser abzuwaschen, in sein Bett 
zu legen und zu sprechen : »Herr, der du den Menschen aus 
Lehm ohne Schmerzen gebildet hast, hier lege ich dieselbe Erde, 
welche jedoch niemals gesündigt hat, zu mir, damit meine sündige 
Erde jenen Frieden, den dieselbe ursprünglich besass, wieder er- 
lange. '^ Von den speculativen Verkäufern des Alrauns wurden 
auch die Schauer des Schindangers benützt, um von dem gläubigen 
Abnehmer möglichst viel Geld zu erpressen. Der echte Alraun 
wachse nur unter dem Hochgerichte und gerade an der Stelle, 
wo ein Junggeselle den Schreckenstod durch den Strang ge- 
funden. Als seine letzte Lebensäusserung lasse der Gehenkte . . ., 
doch schweigen wir von der nur für den Gerichtsarzt be- 
stimmten, nur von ihm bei einer Justificirung zu controlierenden 
Einzelheit 1 Thatsache ist es, dass die Alraunwurzel seither 
in deutschen Landen auch unter dem Namen „ Galgenmännlein ^ 
volksthümlich war. 

Wer nun eine Alraunwurzel beim Theriakkrämer um die 
für vergangene Jahrhunderte sehr grosse Summe von 50 bis 
60 Thalern gekauft hatte, trug sie vorsichtig nach Hause, wusch 
sie mit rothem Wein und gab ihr ein Kleid von weisser und 
rother Seide, dazu wohl auch ein Mäntelchen. In der nachstehen- 
den Fig. 9 der nackte Alraun zu sehen, welcher zu Anfang 
des vorigen Jahrhunderts in der Sammlung des Prof. Hermann 
von der H a r d t (Marienburg) verwahrt und von Samuel 
S h m i d in seiner 1739 veröfientlichen Abhandlung über Alraune 
nach der Natur abgezeichnet wurde. Ganz „ Natur ^ ist die 
Wurzel freilich nicht. Man merkt ihr an, dass weidlich mit dem 
Schnitzmesser nachgeholfen wurde, vielleicht, dass selbst die 
Wurzel^ern, die die „Haare^ des langen Gnomenbartes aus- 
machen, angepappt sind. Ausser diesem frisierten Alraun er- 



- 44 - 

blicktin wir (Fig. 6, naoh H. Wagner) einen, der dem aus der 
Erde heransgeholten , nach Abschneiden der BlKtter ohneweiteca 
gleichen mag. Sein Pendant bildet ein Alraun in ToiBobriha- 
mSsaiger Toilette. Dass Zuiälligkeiten, die in fiBbeien Zeiten 
iUr gebeimniBvolle Abnioht angesehen wurden, Natnnpiele, 
niofat nur der Alrannvorzel Henscheuähnliohkeit zn er- 
hüben, sondern selbst ein Stück Banmwnrzel in Coboldgestalt 
verwandeln können, zeigt die Fig. 8. In ibr habe ich eine menBohen- 
lörmig gewachsene Banmwnrzel ans dem stfidtisoben tfnsenm von 
Baden bei Wien, stark verkleinert, wiedergegeben. Wer weiss, en 
welchen Hexen stUcklein einst dieses Holz verwendet wurde, das 
in seiner HüBslichkeit an Shakespeare'« Bezeichnung „ AlrSunoben" 




Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. 

fllt den FriedeDSriobter Sobaal {Heinrieb IV., 2. Tb., Ä. 3, So. 2) 
erinnert I War eine Alraonwurzel besonders abenteuerliob gewachsen, 
dann profitierte davon Belbstverstäudlicb die Fabelei. In Mets 
beaasB ein reicher Jude einen Alraun, der den Uenschenkopf auf 
dem Körper eines Hahnes trug. Das kleine ITngetbttm sollte aus 
einem Hühnerei entstanden sein, dass ein Uann bebrütet hatte I 
Im Jahre 1792 machte sich in Wien ein Mann daran, das erste 
Ei einer schwarzen Henne, dnrch 31 Tage zu einem Alraun 
auszubluten. Er hielt es aber nnr 21 Tage ans ... . (Grazer 
Zeitung 1792, Kr. 88). 

Was leistete nun ein echtar Alraun oder, wie man ihn 
sonst anoh in der guten alten Zeit nannte: Hecke mSnnoban, 



- 46 - 

Geruch, als den einer verbrannten Wnrzel gerochen." Diese 
Anfriditigkeit konnte dem weitverbreiteten Alraanglaaben keinen 
Abbruch thnn. Im Jahre 1703 entrüstete sich ein ungenannte» 
Mitglied des CoUegium curiosornm wiederum zu einer Erklärung 
gegen den Alraun: „Die Historien von solcher Alraunwurzel oder 
Eobolgen, welche meistens von alten Weibern und einfältigen 
Leuten geglaubt werden, weil sie wider alle Vemunit, Billigkeit 
und Ordnung der Natur streiten, halte ich vor unmöglich, aber- 
gläubisch und blosse Einbildungen. Geschehen sie aber durch 
Zutbuung des Teufels, so sind sie sündlich und unverantwortlich, 
und dieses ist von Mandragora oder Alraunwurzel meine Meinung. ** 
(Unger, a. a. 0. p. 315.) 

Bei dem hohen Geldwert, den ein Alraun hatte, daohten die 
herumziehenden Theriakkrämer zeitig an ein Surrogat. Zuerst 
grifi man nach dem „wilden Alraun *', dem auf felsigen Plätzen 
der Alpen, Sudeten und des Biesengebirges, in der deutschen 
Heimat also, wild vorkommenden Allermannshamisch (Allium 
Victoriaiis, s. d.). An sich zauberberühmt, musste er mit seinem 
manchmal puppenförmig gerathenden oder leicht zurichtbaren 
Wurzelstock den echten Alraun ersetzen helfen. So rührten die 
Alraune Kaiser Rudolfs IL, von denen ein Paar, „Männchen 
und Weibchen^, mit sammtenem Gewände angethan, in der Wiener 
Hofbibliothek verwahrt wird, vom Sieglauch her. Einer dieser 
kleinen Kerle aus dem „Cimeliarchium physicum'' des Alchemisten- 
kaisers ist in unserer Figur 7 verewigt. Aller mannsharnisch statt 
Alraun konnte man sich noch gefallen lassen. Fälschung und 
Betrügerei war es aber, wenn aus* den Wurzeln der all verbreiteten 
Zaunrübe (Bryonia, s. d.) Alraune geformt und anst&itt eehter 
um schweres Gold verkauft wurden. Die Wurzel wurde entwed|r 
zugescbnitzt oder noch jung in eine menschliche Hohlform hinein^ 
gesteckt, die sie bei weiterem Wachsthum annehmen musste. 
Hieronymus Bock oder, wie er lateinisch hiess : Tragus, sehreibt 
diesbezüglich in seinem „Kreuterbuch'^ : „Solent namque* illi 
Bryoniae radici effigiem humanam utriusque sexus insculpere, 
postea que in calida arena conservare, in qua ubi, aliquandiu 
detenta fuerint et imagines intabescunt ac aliam arte fasern 
induunt, apparentque e terra ita natae. Hoc pacto miseri et 
imprudentes homines decepti Bryoniam pro Mandragora emunt.^ 
Im Jahre 1Ö34 warnt schon Fuchs vor den Landstreichern : 
„Dazu liegen (lügen) sie noch viel mehr, das man solche wurtsel 
muss unter dem Galgen graben mit etlichen ceremonieu' und 
teufelsgespenster, dfts ich hab hie wollen anzeygen darmit sieh eyn 
yeglicher vor solchen hüben wisse zehnten.^ Im steievischen 
Landesarchiv zu Graz befindet sich ein den betrefEenden Preoess-' 



- 47 - 

acten als Corp ns delicti beigelegter falscher Alraun, den der Land- 
profos^ Glöckerl im Jahre 1609 zwei Landsknechten za Kaindorf 
bei PöUan abgenommen hat. Beim Verhör wird der sohwonghafte 
Hand^^ mit falschem Alraun einbekannt. Die G-efoppten sind 
zumeist Bauern. Nach dem Arrest folgt als Strafe für die Alraonr 
f iUsiDhnng die Landesverweisung. In Baumbach 's „ Truggold ** . 
wird von solchem Alraunschwindel erbaulich berichtet. 

Merkwürdig ist die Wandlung, die der Mandragoraglaaben 
auf galizischcm und Bukowinaer Boden genommen hat. (H ö 1 z 1, 
a. a. 0.) Wie ich schon in meinen Mittheilungen über die Liebes- 
kränter betonte, ist die „Matraguna^ dtar Biomanen in der Buko- 
wina mit Atropa Belladonna (s. d.) und Soopolina atropoides 
identisch. Aus diesen Kräutern werden Zaubertränke gebraut, 
diot sejibst den Tod herbeiführen können, wofür die Leute euphe- 
mistisch sagen: „Er hat die Matraguna bekommen **. Der Trank 
ist so der wahre Lethetrank, wie er auch von der echten 
Mandragora bereitet wurde. „Gib mir Mandragora zu trinken^, 
sagt Cleopatra (Shakespeare's „Antonius und Cleopatra^, A. 1, 
Sc. 5) zu Charmian, „dass ich die Kluft der langen Zeit 
verschlate) wo mein Antonius fort ist^. Den galizischen Buthenen 
ist die „Matryguna'^ eine geheimnisvolle Pflanze, deren Beschreibung 
zumeist auf das Bittersüss (Solanum Dulcamara) passt, während 
die von ihr erzählten Geschichten mutatis mutandis auf 
den Alraun stimmen. Wer die Matryguna besitzen will, 
muss nüchtern und andächtig, im Feiertagsge wände um 12 ühr 
Mittags zu ihr gehen, ihr Geschenke darbieten, sie mit 
einem Zauberspruche beschwören und die „Careca" (Kaiserin!) 
um die Erlaubnis bitten, sie aus der Erde nehmen zu dürfen ; 
dabei, stösst sie dann einen Schrei aus u. s. w. u. s. w. Mit 
Becht weist Hölzl darauf hin, dass „Matraguna" durch eine 
im Bomanischen häufige Vertauschung der Liquida r und n aus 
„Mandragora" entstanden ist und schliesslich zu einer Collectiv- 
bezeichnung für Pflanzen verschiedener Art geworden ist. Be- 
merkenswerterweise handelt es sich aber überall um Solanaceen, 
die auch der modernen Toxicologie und Pharmacie von hohem 
Wert sind. 

Vom Stechapfel (Datura Stramonium) glaubt man, dass 
er durch die Zigeuner, die ihn zu ihren Hexenkünsten brauchten, 
überall hin, wo er jetzt als auffälliges Unkraut vorkommt, 
aus dem Orient herbeigetragen wurde. Dass die Zigeuner sich 
auch der Atropa und Scopolina zu ihren Umtrieben bedienten, 
ist für die Bukowina gewiss. Das altlitauische „Maolda" (cf. 
Atropa), als Name einer zu argen Listen verwendeten Pflanze, 
lehnt sich u^yerkfpinbar. an das . Wort .Mandragora an. Tollkirsche 



— 48 — 

und Scopolba, vereint mit dem Bilsenkrantund der Mandragora haben 
80 sinnverwirrende Kräfte in sich, dass sie gewiss wesentliche 
Bestandtheile der Hexensalbe waren. Es liegen auch Ori- 
ginalrecepte für Hexensalben in der Literatar vor, die es begreif- 
lich erscheinen lassen, dass die damit bestrichene unglückliche 
„einen tiefen natürlichen Schlaft nnd unterschiedliche Phantaseyen 
(hat), darin der Hexe vor lanter Tanzen, Fressen, SanfEen, Musik 
u. dgl. träumt, also dass sie ver meyne t, sie sei geflogen**. 
Yalvasor (in seiner „Ehre des Herzogthumes Crain**, Laibach 
1689), dem wir diese Aeusserung entnehmen, lässt die Hexensalbe 
aus dem „Schlafi-Nachtschatten** (Atropa Belladonna), der „Wolfls- 
wurtz** (Aconitum) und einigen gleichgiltigen Ingredienzien zu- 
sammengesetzt sein. In keinem der Becepte fehlen giftige Solanaceen, 
in vielen finden wir auch die narkotische Mohnpflanze, Wolfs- 
milcharten, Schierling und Taumellolch. Es ist sicher, dass Tausende 
und Abertausende, die den schrecklichen Tod als Hexen gefunden 
haben, die für sie so verhängnissvolle „Besessenheit** von den 
gefahrlichen Zauberpflanzen hatten. Die Solanaceen zumal, mit 
der Mandragora an der Spitze, spielen in dieser Hinsicht eine 
so bedeutende Bolle , dass ihrer keine Culturgeschichte ver- 
gessen sollte. 

* 

Medicago arborea. Baumförmiger Schneckenklee. 
Häufig in den Gärtchen der Arbeiter zu Lilienfeld (N.-Oest.) ge- 
zogen und als Beschreikraut verwendet. Kinder werden damit 
beräuchert ^*). 

Melilotus coerulea. Blauer Steinklee. „Neidklee** 
in Oberösterreich. Man räuchert damit in Ställen, um das be- 

schrieene Vieh zu heilen. 

* 
* * 

Ononis spinös a. Hauhechel. Amulet, um den Hals 
zu tragen gegen Hieb und Stich, gegen Bäuber und Diebe. 
Hemmt wegen seiner Dome die Schnitter bei der Arbeit; daher 
Symbol der Hindernisse in der Blumensprache. „Hauhechel**, er- 
klärt Fuchs, „dass es so tiefi einwurtzelt, das maus mit 
Haven muss ausreutten**, also von hauen, während Eniphof 
(1733) Heuhechel, „weil das hev bleibt daran hangen,** für 
richtig hält. In Niederösterreich auch „Liabe Frauenschucherl ** 
wegen der zygomorphen Blüte. Doch dabei mit mythischem Be- 
züge, wie die volksthümliche Bezeichnung „unser liab'n Frau 

>«) Kissling in der Oest. Botan. Zeit. 1888, pag. 379. 



— 49 — 

Betisiroh" ans Wiener-Nenstadt lehrt. Das spiessige Erant soll 
die Leiden Hariens symbolisicnwD. 

* * 

Origanum vulgare. Dosten. Soll im Hanse als 
Arcanum gegen Zauberei, Hexerei, Diebstahl etc. sorgfältig ver- 
wahrt werden. Es ging das Sprüchlein : „Vor Dosten nnd Dorant 
(cf. Antirrhinnm) fliehen Nixen nnd Wichtlein''. Der Teufel wollte im 
Badischen ein Mädchen entführen, aber die Mutter hatte es heimlich 
mit Zauberkräutern versehen. Der Teufel entfloh mit dem Rufe : 

• Dosten und Johanniskraut '^) 

Verführen mir meine junge Braut. 

und als die Hexe von Hildesheim in einen Garten schlich, 
um Unheil zu stiften, wurde sie durch Dill und Dosten gebannt : 

Dillen und Dust 

Dat hev ick nich gewusst. 

Wenn die Hexen auf der Folterbank ohnmächtig wurden, 
beräuoherte man sie mit Dosten, um sie vom Teufel los zu kriegen. 
In einer Brüxer Sage heisst es : „. . . Buben, nun thut euch 
kein schwarzer Zwerg etwas, denn das Kraut r a n t, welches 
an den schönen Perlenschnüren hängt, schützt euch, bis der 
Pfarrer kommt und euch ordentlich tauff 

Erwähnung verdient eine neue hygienische Anwendung des 
zauberberühmten Dosten. Den zahlreichen, bisher meist mit wenig 
Ei folg durchgeführten Versuchen, dem Tabak die giftige Wirkung 
des Nicotins zu benehmen, ohne ihm gleichzeitig alle anderen, 
für den Baucher wertvollen Bestandtheile zu entziehen, hat näm- 
lich Dr. Gerold (Halle) ein weiteres Verfahren zugesellt. Er 
behauptet, in dem Safte von Origanum vulgare, bei gleichzeitiger 
Anwendung von Tannin, ein geeignetes Mittel zur Imprägnirung 
des Tabaks gefunden zu haben, welcher hiedurch vollkommene 
Unschädlichkeit erlange, ohne am schönen Aeusseren, an seinem 
Aroma und Geschmack irgend welche Einbusse zu erleiden. 



Faeonia officinalis. Pfingstrose. Die Samen werden 
zu Zahnperlen für Kinder verwendet. Samen und Wurzel wider 



*^) cf. Hypericum. 
98. Nr. 119/98. 



— 60 - 

die fallende Sucht um den Hals gehängt (Frank), Zauberpflanze, 
die der heilige Specht vor dem Abgepflücktwerden schlitzt. ,,Prae- 
cipinnt cruere noctn, qnoniam si picus Martins videat, taendo 
in oonlos impetum faciat" (P 1 i n i u s XXV, 29). 

Petroselinum sativam. Petersilie. Die rnthenische 
Braut in Westgalizien trägt auf dem Wege zur Kirche Brot und 
Petersilie, um dadurch die bösen Geister abzuhalten. In Mähren 
macht dasselbe Kraut, wenn es zwischen dem 24. und 26. Juni 
gesäet wurde, bei Kühen den Einfluss der Hexen unwirksam. In 
vielen Gegenden bekommt das Kind am ersten Jahrestage seiner 
Geburt einen Petersilienkranz aufgesetzt, weil es dann die gefähr- 
lichste Zeit überstanden hat. Verbreitet ist auch der Aberglaube, 
dass eine aus der Erde gezogene Petersilien würze), in Gedanken 
an eine bestimmte Person wieder eingepflanzt, dieser den 
Tod bringe. 



■-»• 

* 



Potentilla repens. Kriechendes Fünffingerkrant. 
Schützt, unter die Schwelle des Stalles vergraben, das Vieh gegen 
Verhexung. 



* 
* 



Primula minima. Kleinste Schlüsselblume. Wenn ich 
diese schönblühende, zwergige Alpenblume unter den Zauber- 
kräutern anführe, so geschieht es, weil ich vermuthe, dass sie 
mit dem Schwindelkraut identisch ist, dessen sich Seiltänzer von 
jeher als Arcanum bedienten. Saltarino, dem wir schöne Aufsätze 
über „fahrendes Volk" verdanken, erzählt von einem Seiltänzer, 
der anno 1649 kopfüber in die Seine stürzte, als er von dem 
Tharme von Nesle nach dem Thurme Grand Pr^vot ging. „Viel- 
leicht", meint Victor F o u r n e 1, „vergass er vor der Produotiou 
jene Wurzel zu kauen, welche seine Berufsgenossen vor Schwindel 
sicherte. Er hatte aber wenigstens die Vorsicht gebraucht, die 
ihm nicht leid that, nämlich sein Seil über den Flnss zu spannen." 
Auch B n n e t spricht von jenem Wunderkraute und behauptet 
sogar, dass die Gemsen und Steinböcke die Blätter desselben 
kauen, bevor sie die Gipfel der Gebirge erklettern. In C 1 u s i u s* 
Geschichte der Pflanzen Pannoniens (1583) findet man bei 
„Auricula ursi minima", d. i. eben Primula minima: „Alpium 
incolis Craftkraut et Schwindelkraut ab effectu dicitur" I 



* 



Prnnns Padns. 
Tranfaenkirsche. Dag Holz 
gilt für zanberkrSftig. 
Die Hexen können es 
nicht leiden. Wer eine 
Bnthe vom Banme am 
Cbarfreitagmorgen ab- 
geschnitten hat nnd 
mit ihr znr Eirche ging, 
konnte alle Hexen er- 
kennen. Ein Krenz vom 
Holze der Elae- oder 
Elfenbeere hült den 
Teufel ferne nnd macht 
unsichtbar. 



Fig. 10. 
Traabenbirsche. 



Rosa caniua. Hundsrose. Die wilde Heckemose, die 
moderne Systematik er in eine Unzahl von Arten zeraplittert 
haben, war schon in germanischer Vorzeit hochgeachtet. Ihr Holz 
dnrlte auf dem Soheiterhanfen, der die Leichen verzehrte, nicht 
fehlen. In hellen Hond nachten sprechen Zigeunerfranen ihre 
Zanberformeln am liebsten im Rosenstranch. Sind es kinderlose 
jnnge Franen, so erbitten eie so viele Kinder als der Stranoh 
Blnmen oder Knospen tiSgt. Ein Zauberspruch gegen die Uacht 
der Krank heitadümon in Lil;i, den die christlichen Zigenner vor 
SoDDenaafgang bei einem Rosenstranche sprechen, lautet naob 
VI islocki: 

Unser Herr Jeaa ging, 

Anf dem Falde mäd' er giog, 

Beim Bache er sass 

Und ihm ein Fisuhlain sagte ; 

„0 Herr! Blatter der Rose 

Gib mir, o Hen ! 

Wärme der Sonne, 

Wärme des Feuers 

Babe ich niemals!" 

Db. weinte der Hen und sprach : 

Nenn boae Eiader (Krankheiten) 

Zu den Menschen werden kommen. 

Und die Menschen werden sterben. 

Wärme der Sonne, 

W&rme des Faners 

Immer du habest, 

Wenn aas Blatt der Hose 

Zu dir kommen wird; 

Im Namen Gottes! 



- 62 - 

Brach eine Hexe einen Zweig der Hagerose ab, so war sie 
entlarvt Wehrwölfe waren machtlos der Heckenrose gegenüber 
nnd liefen entzaubert als Menschen davon. Die durch die Bosengall- 
wespe (Bhodites rosae) hervorgemfenen Moosgallen oder Bedeguare 
gelten noch heute für zauberkrfiftig. Die Galle heisst auch 
Schlafkunz, Schlafkonrad und Nesseln der Frau Holle (s. Hol- 
lunder, Sambucus nigra). Sie hilft Kindern gegen Behexung und 
Krämpfe. Erwachsenen bringen die Schlafäpfel prophetische 
Träume. Odin legte den Schlafapfel unter das Haupt der Brun- 
hilde. Die Hecken- oder Hundsrose heisst in Oesterreich Hetschepetsoh, 
ihre rothen Früchte nennt man Hetscherln. Die Sage (auch in 
Wien verbreitet) kennt einen domenumsprossten Hetscherlberg, 
auf dessen Gipfel ein Teich mit lauter „verwunschenen^ Fischen 
anzutreöen ist. Im Scherze wünscht man Missliebige auf den 
Hetscberlberg, wie etwa sonst in das Pfeöerland. Mag eine Zu- 
sammenstellung der Sage vom Hetscherlberg mit „Domröschen^ 
nicht ganz einwandfrei sein, so ist doch unverkennbar die Be- 
ziehung dieser Schlafäpfel zum Schlafdom des nordischen Götter- 
glaubens. Mit diesem trifft Odin die Walküre Brunhild (Edda, 
Hrafnagaldr, 22). 

Da hebt sich vou Osten ans dem Eliwagar 
Des reiikalten Riesen (Nörwi) dornige Ruthe, 
Mit der er in Schlaf die Völker schlägt, 
Die Midgard bewohnen, vor Mitternacht. 

Die Bedeguare, ihr Pulver oder den weinigen Absud ver- 
wendete man gegen Durchfall, Nieren- und Steinleiden sowie 
gegen den Biss toller Hunde. Auch als Zahnmittel wurden sie vom 
Volke gebraucht. Man nahm eine frische Rosengalle in den Mund 
und hielt das Gesicht über siedendes Wasser. Eis fielen dabei 
manchmal die kleinen Maden der Gallwespen aus den Bedeguar- 
stücken in^s Wasser und die Leute glaubten, dass es die Würmer 
aus den Zähnen waren. (P. B. S t o 1 z i s s i, Die Rose, Pharm. 
Post 1890.) Aehnlich glauben die Leute, die den Samen des Bilsen- 
krautes (Hyoscyamus niger) auf heisses Blech werfen und den 
Dunst gegen Zahnweh aufsaugen — an sich eine nicht unver- 
nünftige Medication — dass die aus den zerplatzenden Samen 
hervortretenden weissen Keime die „Würmer^ der bösen Zähne seien. 

Frank rühmt von der Heilkraft der Hagebutte: „Die 
Blätter werden im weissen und rothen F . . . . gebrauchet, heilen 
die Wunden und Kopf Wassersucht. Die Früchte . . . treiben den 
Stein. Der Schwamm (Bedeguar) curiert den Stein und Nieren- 
wehe, auch der tollen Hunde Biss, stillet die Steinschmerzen. 
Die WOrmgen, welche darinnen gefunden werden, vertreiben die 
Wurme im Leibe. Die Wurzel kau man, Splitter auszuziehen, 



— 58 — 

applioieren. Han findet von dem wilden Rosenbanm unterschie- 
dene Präparata als die eingemachte Frucht, den dicken Saft, 
Spiritnm und Wasser aus denen Schwämmen. Wenn der Spiritus 
alkalisiret oder öfters überzogen wird, so dienet er wider 
den Stein. ** 

Von der wilden Weinrose (Rosa rubiginosa) wird nach 
Laube um Teplitz erzählt, sie rieche darum so gut, weil auf 
ihr die Mutter Gottes auf der Flucht nach Egypten Windeln ge- 
trocknet habe ; daher die Bezeichnung „Mnttergottesdom''. Seit- 
dem blühen manche Hagrosen weiss und haben so grosse Kraft, 
dass sich die Hexen davor fürchten. 

Ruta graveolens. Raute. Zauberpflanze, der man 
namentlich gegen Gifte ausserordentliche Kräfte zumuthete. Sie 
war ein Hauptbestandtheil des Hithridat und des Theriak. Die 
salernianische Schule stellte zur Zeit, da mit Giftbechern noch 
Politik gemacht wurde, den Satz auf : 

Salvia cam Ruta 
Facinnt pocula tuta. 

ZU deutsch: 

Salbei und Baute, vermengt mit Wein, 
Lässt Dir den Trank nicht schädlich sein. 

Aus diesem Grunde fand die Raute, die gegenwärtig noch in Bos- 
nien als Amulet gegen Verschreien der Kinder angewendet wird, einen 
Platz in den Hausgärten. Aus Baute wurde mit Hilfe anderer Kräuter 
der „Yierräuberessig^ bereitet, so genannt, weil während der Pest von 
Marseille vier Bäuber, die sich seiner bedienten, ohne Ansteckunga- 
gefahr die Pestkranken und Todten geplündert haben sollen. 
Zu diesem Pestessig oder Spitzbubenessig (franz. vinaigre de 
quatre voleurs) werden ausser Baute Wermuth, Rosmarin und 
Wachbolderbeeren, Lavendel, Kalmus, Knoblauch, Zimmt, Muskat 
und Gewürznelken genommen. Ein solches Getränk hat jedenfalls 
^ Kraft ^ in sich. Rue bedeutet im Französischen Baute und Beue. 
Reue aber ist mit Treue verwandt. Zugleich symbolisiert das 
haltbare Grün des Krautes, dessen Aroma der Verwesung 
widersteht, die Erinnerung. Bei dem ländlichen Feste im „Winter- 
märchen'' (A. 4, Sc. 3) sagt Perdita: 

. . . Werte Herrn, 

Ftir ench ist Baut und Rosmarin ; sie halteu 
Färb' und Geruch den ganzen Winter lang ; 
Dank nnd Erinnerang sei ench beschieden . . . 



- 64 — 

Auch Ophelia vertheilt neben Boemarin Baute , letztere 
überaus sinnig an den König. Schuldbeladen, wie er ist, soll er 
durch die Baute an den Gemordeten eriDuert werden. Bei der 
Auiführung des i, Hamlet^ im Wiener Burgtheater legte FrSulein 
Barsescu gerade hierauf verständnisvolles Gewicht, und ein 
leiser Schauer durchdrang die Zuhörer, wenn sie zum Könige ge- 
wendet sprach : „Da ist Baute für Euch und hier auch für mich. 
Wir können sie auch Beu- und Gnadenkraut nennen. ..." Id 
Wahrheit, ein Beukraut dem verbrecherischem Könige, ein Gnaden- 
kraut dem unglücklich liebenden Mädchen ! Die Baute als Trauer- 
pflanze begegnet uns ferner in „Bichard IL" (A. IH, Sc. 5). 
Der Gärtner pflanzt Baute dort, wo die Königin mit ihren 
Thrfinen den Boden netzte : 

Dies Plätzchen netzten ihre Thränen; hier 
Pflanz' ich ein Rautenbeet als tranr'ge Zier. 
Bald mahnen wehmuthsvoll die jungen Sprossen 
An einer Königin Thränen, die hier flössen. 

Salix. Weide. Ein Zauber- und Unglücksgewächs. Zwei 
der verbreitetsten Arten sind auf Seite 55 abgebildet. Ophelia 
muss ihr junges Leben lassen, da der W e i d e n zweig bricht, 
nach welchem sie in ihrer Angst gegriffen : 

Sie stieg hinauf, um ihre wilden Kränze 

An den gesenkten Zweigen aufzuhängen ; 

Da brach ein falscher Ast, und niedersinken 

Die rankenden Trophäen und sie selbst 

In's weinende Gewässer . . . (Hamlet, A. 4, Sc. 7.) 

Nach germanischem Glauben hielt sich im Weidicht der 
Todesgott Vidharr auf, und der von der Vebme Verurtheilte 
wurde mit einer Weidenruthe erdrosselt. In einem lithauischen 
Volkslied — abgedruckt bei Herder, „Stimmen der 
Völker" — klagt ein Mann den „Weidbaum" an, seinem Bruder 
jähen Untergang bereitet zu haben; wie Ophelia, hielt sich 
dieser an der schwanken Gerte fest. Vorzüglich in England ist 
die Weide das Symbol unglücklicher Liebe geworden. Wer dächte 
nicht an Desdemona^s Lied vcn der Weide ? Ferner sagt 
Benedict zu Claudio („Viel Lärm um Nichts", A. 2, So. 1) : 
„Nun, zum nächsten Weidenbaum, in eucrn eigenen Angelegen- 
heiten, Graf. Auf welche Art wollt ihr euren Kranz tragen ? 
. . . Tragen raüsst ihr ihn einmal, denn der Fürst hat eure Herrin 
gekapert." Die unglückliche Dido lässt Shakespeare dem 
absegelnden Aeneas mit einem Weidenzweig zuwinken („Kauf- 
mann von Venedig", A. 5, Sc. 1): 



. . In solcher Naotit 
Stand Dido, in der Hand den Weidenzv«)g, . 
Am vilden Seegestad, dam Liabsten winkead 
Zur Bttckkehr naoh C&rtbaga . . 

Als der Bote Bona der Schwester des französischen Königs, die 
Ueldnng bringt, Heinrich habe sich mit Lady Grey vermählt, da rnft sie: 
Sog* ihm, ich trüg' in Hoffnung, dass er bald 
Ein Witwer werd', nm ihn den Woidenkranz. 

(Heinrich VI,, in. Th . A. 3, S«. 3,) 

Von der so zeitig im Jahre erwachenden Weide werden die 
heimischen Palmkätzcben genommen, die in der Kirche geweiht, 
das Hans vor Blitz und Gewitter schützen and bei den ver- 
schiedensten Erankbeiten angewendet werden. Selbst im anige- 
klfirtesten Hanse findet man diesen Rest des Rränterzaabers. 



Fig. 11. Fig. 12. 

Vielfach wird die Weide, wie Jnniperns und Sambucus (a. d.), 
znm Wenden, d. i. Uebertragen (Tranaplantieren) von Krankheiten 
genommen. Darüber läaat sich schon Cr r i ni m in der deutscheu 
Mythologie ans. Westend orp verzeichaet folgenden niuler- 
IKndisohen Gebrauch: Wer vom kalten Fieber genesen will, gehe 
irUh Morgens zn einem alten Weidenbanme; knüpfe 3 Knoten in 
einen Ast nnd spreohe dazn : 

gOfl moi^n, olde, 

ik geef od de Holde, 

goe morgen, otde! 

Dann kehre er um nnd laufe, ohne sich nmznsehen, eilends forti 



- M — 

Bei den Gzeohen wendet iqkii das TranipliDtiereo folgender- 
mBHen an **) : Wer du Fieber hat, soll Abends za einer alten 
Weide gehen, die am Wasaer steht, and dort so lange hleiben, 
bis der Fieberanfall vorttber ist Dann binde er etwas von sich an 
den Baum, nnd lanfe, so schnell er kann, nach Harne ; wogegen 
das Fieber an dem Banm bKngen bleibL Er kann aber anoh einen 
h51zemen Keil in den Banm einsohlageo nnd dabei mfen: gDa 
schlag ich dich ein, daas dn nicht mehr anf mich kommstl* So 
wird er des Fiebers ebenfalls los ; nnr darf er beim Nachhanse- 
gehen sich nicht melden, wenn ihn eine Stimme mfen sollte ; nnd 
nmseben darf ar sich ebenfalls nicht. Gemeinsam ist bei dieser 
seltsamen Therapie, dass der Patient Bewegung macht, bis er in 
Schweiss kommt Das zn erreiehan, wird die von P. B a n m- 
garten ans EramsrnBuBter mitgethailta Uethode zweifellos 
geeignet sein : Han lanfe 72 U a 1 nm den Weidenstamm hemm, 
und sage jedesmal 

Wind dich, Widl, wind dich, 

Fieba Sand 72 ; 

DÜa Fioha, dfis ih hau, 

Döi hing ili dran. 

Gh^n Blntwallongen stelle man sich zn Johannes auf einen 
Bretterboden, bücke auf einen grünbelanbten Banm and spreche 
folgenden Segen: 

Ich ateh' anf Holi nnd leh' aat Holi, 
Anf Mache grüne Zwol^, 
Dn beiUgw QsUt, ich bitte dich, 
HUr, dtas daa Sanaeu echweigsl 
Denn Niemand «elu bb, was dn Teiast, 
Wie mir ed Haih, o heiL'ger OeistI 

Ancb Blnt IKsst sich dcroh Eiaat nnd Beschwörung bannen. 
So Einer starkes Nasenblnten hat, nehme man eine Wurzel der 
Eornblnme, rieche zn ihr nnd sage dazu : 

Drei Brnnnen atehn im Paradies, 

Ihr Wasser lit wie Hanjg eUai, 

Der eine filMst, der andre gieaat, 

Ein Blümchen aus den dritten sprieaat ~ 

Sieh' itill — wenn ich will r 

Eine starke BIntnng stillen die Teplitzer, indem sie einen 
Lappen mit dem friaohen Blute in einen neuen irdenen Topf thnn 
nnd mit „Eupferwasser" begiessen. Um die Wände zu heilen, 
mnas der Lappen täglich im üieasenden Wasser ansgewasohen 



J") Prnckmayr: Had.-ehir. Centralbl. XVI (1881), Kr. 27. 



— 67 - 

und in dem Topf mit Bisenvitriollösnng feaoht gehalten werden. 
Nach der Vorstellmig derselben Leute wird einem Jäger „der 
Sohnss yerkeilt**, wenn man einen Lappen von seinen Kleidern 
mit einem Holzkeil vor Sonnenaufgang in einer hohlen Weide 
festmacht. So lange der Lappen nicht herunterfSllt oder von dem 
Betreffenden aufgefunden wird, hat er keinen sicheren Schuss. 

Nach Duftschmid werden in den oberösterreiohischen 
Alpen die Speikwurzeln zum Transplantiren oder „ Wenden ** der 
Krankheiten benützt. Zu den Wendwnrzeln werden mehrere 
Kräuter gerechnet : so Achillea Chiavennae, Geum reptans, Nardus 
stricta, Primula farinosa. H ö f e r in seinem etymologischen Wörter* 
'buch berichtet vom „Schwund wenden ** bei Mensch und Vieh 
Folgendes: Unter Schwund oder Schelm wird jede unbestimmte 
Krankheit verstanden. Man pflegt mit der Hand, einem Messer- 
rücken oder Aermel den kranken Körper zu bestreichen, oft wird 
um ein Glied ein Faden gebunden, oft auch etwas in der Erde 
begraben. Dazu kommen Sprüche (davon „Ansprechen*' der Krank- 
heit). Das Fieber wird gewendet, indem man Körner säet und 
dazu spricht : 

72 Fieber seint, ey ia ! 

Das, was ich han, bau' ich an, 

Nehm's Vater, Nehm's Sohn etc. 

Wenn der Same aufgeht, ist das Fieber verschwunden 
Probatum est I Verwandt ist im gewissen Sinne die Vorstellung, 
dass man den Alp beschäftigt, um sich von ihm nicht martern 
zu lassen. So sagt man in Teplitz (Laube): 

01p I 

Bist geboren wie ä Kolb, 

Musst sieben Wosser woden, 

Musst sieben Beeme blöden (abblüten), 

Musst sieben Karchen weichen (weihen), 

Musst sieben Barche (Berge) steichen, 

Musst sieben Thäler weiten, 

Musst sieben Strossen schreiten ; 

Derweile werd*s Tag! 

Auch versprach man dem Alp vor den Schlafengehen ein 
Stück neugebackenes Brot oder eine neugebackene Semmel. Kam 
nun jemand zufällig und forderte solches, so hatte er sich 
als Alpdrücker verrathen. Die zwingende Kraft eines Mittels 
wird sonst auch gerne durch ein Sprüchlein bestärkt. So hatte 
(nach der Grazer „Tagespost", 10. März 1897) der Sympathie- 
doctor Hieronymus Bodenwinkler, Schneider in Donnersbachwald, 
den Zaubersegen : 



— 58 — 

Auf meine Kraft mnsst du vertrauen, 
Darfst auf eig'ne Kraft nit bau'n, 
Blitz, Gott, Donner, alle Heiligen, 
Müg'n sich bei mein Werk betheilig*n. 
Kriz, Krenz, neb'nfdl, 
niaz sei dir g'holfn und allenval. 

Dabei fuhr der Schneider mit einer „Lachskrall" (Lachszehe) 
über's kranke Vieh, neun Mal hin und neun Mal her. 

Von giösstem Interesse ist es, gerade beim Capitel „ Wenden **, 
wie an einem classischen Beispie], die weite Verbreitung eines 
und desselben Völkerglaubens zu beobachten. Den lehrreichen 
Hinweisen A n d r ^ e's (1. c. p. 81 fif.) zufolge, wurden 
noch im vorigen Jahrhunderte in England hruchleidende Kinder 
durch gespaltene Eschen durchgezogen (6 r i m m, Deutsche Mytho* 
logie). Nach magdeburgischem Glauben wird ein krankes Kind 
geheilt, wenn es zwei Brüder durch einen von ihnen gespaltenen 
Kirschbaum durchziehen. In Wehlau (Provinz Preussen) sucht 
man, wenn Kranke die „Keile" (H . . . nvergr<)Säerung) haben, eine 
armsdicke Eiche im Walde, spaltet den Stamm und zieht das kranke 
Kind drei Mal durch den Spalt, der dann wieder verkeilt wird. 
Der Czeche sagt, wenn das Fieber kommt : Raufe dir ein Büschel 
Haare aus, reisse ein Stückchen vom Kleide ab, stecke die Sachen 
in das Loch einer weissen Weide und treibe einen Hagedornkeil 
hinein; so muss das Fieber aufhören. Wenn Krankheit in den 
Dörfern östlich vom Niassasee herrscht, so kriechen die Neger 
unter einer gekrümmten Ruthe hindurch, deren beide Enden in 
die Erde gesteckt sind, waschen sich dort mit Medicin und ver- 
graben diese sammt dem bösen Einfluss (L i v i n g s t o n e). 

Wie noch in unseren Tagen an die besondere Macht der 
Weide geglaubt und sie geradezu als Wünschelruthe (cf. Corylus 
Avellana) verwendet wird, geht aus folgendem, vom „Berliner 
Localanzeiger", 23. Februar 1898, mitgetheilten Falle hervor : 
„Im Dorfe Dreissigacker bei Meiningen mangelte es schon lange 
an Wasser. Bereits 1848 legte man einen zweiten Brunnen an ; 
er genügte aber nicht, und so wurden im Laufe der 80er Jahre 
neue Bohrungen vorgenommen. Mit der zunehmenden Bevölkerung 
wuchs der Wassermaügel wieder. Alle Bemühungen sachver- 
ständiger Geologen, die man zu Rathe zog, waren jetzt erfolglos. 
Von allen Seiten hiess es : „ Hier ist eben absolut kein Wasser 
zu finden.*' Da wurde bekannt, dass in Ortschaften an der Rhön, 
die in Bezug auf das Trinkwasser noch schlimmer daran waren, 
Quellen mit Hilfe von Weidenruthen gesucht und gefunden 
worden waren. Erkundigungen bestätigten das Gerücht. Nunmehr 
machte man auch hier Versuche, und siehe da, die Wunderrnthen 
zeigten, fast an der höchsten Stelle der Flur, zwölf Wasseradern. 



- 59 - 

Natürlich begegneten die Dörfler bei ihren Esperimenten Stiche* 
leien und argen Verspottungen. Sie Hessen sich aber nicht irre 
machen. Und der Zufall sollte ihnen Recht geben I Es wurde 
mit der Ausschachtung begonnen, und heute herrscht grosse Freude 
— in einer Tiefe von 6V9 t^ wurde die erste Ader mit genügen- 
dem Wasser vorgefunden. In ganz Dreissigacker glaubt man nun 
steif und fest an die Zauberkraft der Wiinschelrathe.'' 

* * 

Sambucus nigra. HoUunder. Der schirmende Haus- 
genosse vor des BauernWohnnng. Bei Hans Sachs nennt eine Frau den 
Mann ihren „lieben Hollerstock *'.^^. Ein traulicher Strauch, bei dem 
man von wirklicher Freundschaft, ja Pietät des Menschen für ihn 
sprechen kann, lieber den Namen Hollunder, Holler, abd. holantar, 
holuntar, holandir, mhd. holunter, holenter, verkürzt holder, holler, 
sind verschiedene Ansichten geltend gemacht worden. Die 
Einen versuchen die Herleitung von Holder = Bruchholz und 
dar = Baum, Grimm lehnt Holunder an hohl an ; es ist nämlich 
eines der besonderen Merkmale des Strauches, dass seine Aeste 
im Alter mit leichtem Mark angefüllt sind. Gleichsinnig äussert 
sich P e r g e r : holantBr, engl, the hoUowtree, der hohle Baum, 
Hohl — ter. IJnverwehrt bleibt aber, im Bestimmungsworte den 
Namen Frau Holla's zu erkennen, welche das Volksdenken mit 
dem Strauche in deutlichen Zusammenbang bringt. Schon in dem 
bekannten Kinderreime: 

Ringel, Ringel, Reiha, 

Sai ma nns'ra dreia, 

Setz ma nns am HoUerbnsch, 

Mach ma alle hnsch, husch, husch ! 

zunaal in der zweiten Strophe desselben, welche die Kleinen singen : 

Sitzt 'ne Frau im Ringelein, 
Mit sieben kleinen Kinderlein, 
Was essens gern? Fischlein. 
Was trinkens gern? Rothen Wein '^j. 

") Grimm, Frauennimen aus Blumen. 

'^) Man vergleiche auch die Fassung bei J. P. Friedr. Richter, 
„Flegeljahre"* (Stattgart 1804-1805) Sämmtliche Werke, 21. Band. Berlin 
1841, p. 245 : 

Ringe, ringe, Reihe, 
's sind der Kinder dreie, 
Sitzen auf dem Holderbusch. 
Schreien alle Musch, Mnsch, Musch t 
Setzt euch nieder 1 

Es sitzt 'ne Frau im Rio gelein, 
Mit 7 kleinen Kindern. 
Was essens gern? — Fischelein. 
Was trinkens gern? ^- Rothen Wein, 
Setzt euch nieder I 



— 60 - 

erkennen wir deutlich Frau Holla, die den ihr anvertrauten 
Menschchen Atzung bietet ; diese selbst werden mit Vöglein ver- 
glichen, welche von Holla's Strauche auffliegen. Die Beziehung 
wird noch klarer, wenn man erwägt, dass Frau Holla junger 
Eheleute Schirmerin war und die Frommen mit Kindersegen 
beschenkte ; merkwürdig ist diesbezüglich die Wiener Redensart : 
„Die Kinder vom Hollerbaum herabbeuteln*', von neugeborenen 
Kindern. „Wenn man sich", meint P erger, „bei vielen Pflanzen 
nicht erklären kann, wie sie im Volke Bedeutung bekamen, so 
begreift man dies beim HoUunder wieder sehr leicht, indem der 
starke Dutt seiner Blüten, seine Fülle von Früchten, sein leichtes 
Mark und seine im Vertrocknen hohl werdenden Zweige . . . 
mehr als genügend hinreichen, die Auimerksamkeit zu erregen, 
abgesehen davon, dass man auch bald seine schweisstreibende 
Kraft kennen lernte, die sich in so vielen Krankheiten heilsam 
erwies, dass man ihn schon zur Zeit des Heidenthums als heilig 
betrachtete." 

Robert B u r n s singt : 

0, war' mein Lieb' ein Holderstraach, 
Wie der, voll Blumen joder Ast, 
0, war' ich selbst ein Vögelein! 
Auf seinen Zweigen hielt ich Rast. 

Wie wollt' ich trauern, sah' ich ihn 
Entblättern des Novembers Weh'n! 
Wie singen, sähe bltihn'd und grün, 
Ich wieder ihn im Lenze steh'n ! 

Unsere Vorfahren betrachteten den Strauch als die Wohnung 
des guten Hausgeistes, der Hollermutter oder Frau EUhorn. Bei 
den Dänen schaut sie in der Dämmerung durch die Fenster und 
sieht, ob Alles im Hause in Ordnung ist. Bei den Letten wohnt 
der Gott Puschkait unter dem Baume, dem Brot und Bier hin- 
gestellt werden, und bei den Polen ist es der König der Zwerge 
Pikulik — jetzt heisst so das aus Hollundermark gefertigte 
Stehmännchen — der mit seinen Schaaren unter dem Baume 
haust. Nach der Vorstellung des galizischen Ruthenen hat dagegen 
der Gottseibeiuns unter der Wurzel des schwarzen HoUunders 
seinen gewöhnlichen Wohnort, was schon durch den Namen, 
Baznik-Biesnik, angedeutet wird. Daher darf man den Strauch 
nur Vormittags abhauen ; wenn sich die Sonne zum Untergange 
neigt, ist unter der Wurzel schon Dämmerung eingetreten, 
während welcher der Teufel die grösste Macht hat. Erwähnens- 
wert scheint mir, was der abenteuerliche Simplicissimus erzählt: 



- 61 — 

„Zuletzt nahm ich eine Pistol auf den Arm and band das Pferd 
an einen starken Holderstranch'* ^®). 

Für den Landmann ist der HoUunder eine wahre Haas- 
apotheke. Wer Zahnweh hatte, begab sich mit einem Messer zam 
Hollander and sprach drei Mal: 

Liebe Frau Hölter, 

Leih mir ein Spalter, 

Den bring ich encb wieder. 

Dann löste er ein Stück von der Rinde ab, schnitt sich 

einen Span ans dem Holze and ging nach Hanse. Hier ritzte er 

mit dem Span das Zahnfleisch, bis derselbe blatig war, woraaf 

er ihn in den Stamm wieder einfügte, am das Weh aaf den 

Hollander za übertragen. Auch "Fieber und Rothlauf können durch 

die Formel : 

Zweig:, ich biege dich, 
Fieber, nnn lass mich ; 
Hollerast, hebe dich anf, 
Rothlanf, setz' dich drauf, 
Ich hab' dich einen Tag 
Hab's du nun Jahr und Tag. 

auf das geduldige Holz übertragen werden^*'). Nett ist, dass in 
Shakespeare*s „Lustigen Weibern" (A. 2, Sc. 3) der Dr. Cajus 
als „Hollunderherz" apostrophiert wird. 

Ein Verwandter des schwarzen HoUunders ist der Zwerg- 
hollunder oder Attich, Sambucus Ebulus, der früher als kräftiges 
Rossmittel galt und daher bei keiner Burg fehlte. Noch heute 
wächst Attich auf dem Gremäuer der Burgruinen. Zieht der 
Tiroler Landmann vor „Frau Has^l" den Hut, so ist „Herr 
Attich" in Hochachtung beim Franzosen. Frkrankt dem Land- 
manne in der Montagne uoire (Südfrankreich) Vieh oder ver- 
schlimmert sich ein Geschwür, dann sucht er Attich, Sambucus 
Ebulus, auf dem Felde, dreht ein Büschel davon in der Hand, 
macht eine Verbeugung und sagt: „Guten Morgen, Herr Attich, 
wenn du die Würmer nicht da wieder wegnimmst, so schneide 
ich dir die Füsse ab." 



Scabiosa succisa. Teufelsabbiss. Der Wurzelstock 
sieht unten wie abgebissen aus. Der Teufel biss hinein, da er 
das Heilkraut dem Menschen nicht gönnte. Schützt gegen Teufel 
und Hexen. Wie Prätorius in der „Gestriegelten Bockenphilo- 

*^) 6ri mmelshau sen, 1. c. Bd. 1, p. 253. 
^•) Wegen des Transplantierens der Krankheiten wären auch Jnniperas 
und Salix zu vergleichen. 



- 62 - 

Sophie** zu erzählen weiss, hat der Teufelsahbiss za Johannis bis 
12 Uhr Nachts ganze Wurzeln ; „ergo, so muss der Teufel in 
dem Moment, da die Mittemacht vorbei ist, gleichsam so schnell 
als der Blitz in der Erde, als eine Schermaus oder Maulwurf 
herumreiten und diese Wurzeln abfressen.** — Ein „sympathetisches 
Mittel** : „Vom Teufelsahbiss nehme vier bis fünf Wurzeln, zer- 
schneide sie, hSnge die Stücke an einem Faden auf den blossen 
Hals. Sobald sie eintrocknen, werden die Augen besser. 
Hernach wirf die Wurzeln in fliessendes Wasser!* 

Sempervivum tectornm. Hauswurz. War dem 
Donar gewidmet („Donner würz**, „Donnerbart**) und wird, in 
deutlicher Erinnerung daran, noch heutigen Tages überall, wo 
Deutsche wohnen, auf Dächern gepflanzt. K a r 1 's des G-rosseu 
Capitulare de villis, das dem deutschen Landmann die Gewächse 
vorschreibt, die wegen ihres Nahrungs- oder Heil wertes zn 
pflanzen sind, verlangt ausdrücklich, dass jeder Bauer „Jovis 
barbam** als Mittel gegen den Blitz auf seinem Hanse besitze. 
Französisch heisst das Kraut noch heute : „Barbe de Joves.** 
In Galizien erkennt man die Häuser der deutschen Colonisten 
schon von weitem an der Hauswurz. Hauswurz legt sich nach 
Reiterer (1. c.) die steierische Bäuerin auf die Stirne, wenn sie 
Kopfweh hat. Allgemein bekannt. Speciell nur im Donnersbach- 
tbal traf dieser Gelehrte den Aberglauben : der Saft der Haus- 
wurz, vermengt mit Gummi, rothem Arsenik und Alraun, gibt 
ein Arcanum, das, auf die Hand gestrichen, ermöglicht, glühendes 
Eisen anzufassen. Nach Neidhart 1. c. gebraucht man den 
Saft der Hauswurz gegen aufgesprungene Lippen, gegen „Scherzen 
und Schrunden**^ daher auch „Scherzenkraut** genannt. 

Als „unguentum grecum ad caput** ist in P f e i f f e r 's 
Arzneibuche aus dem 12. Jahrhundert ein interessantes Reoept 
mitgetheilt, in dem „hüswurz** eine wichtige Rolle spielt ; es 
lautet: „Rute mani palnm I, hüswurz m. II, epphes m. V, folia 
lauri m. Y, scozwurze (Artemisia abrotanum !) m. V. Disin allin 
solt du vil harte nuwen (conterrere) mit dem ezziche joch sih in 
durch ein tnoch in ein erin vaz. Daz selbe vaz solt du begrabin 
in der erden niun tage unde solt ez vil vaste obenan betuon 
(verschliessen). ünde dar nach solt du ez biderbum (benützen). 
Nim ein cupher vaz oder ein heriniz vaz unde güz 6in mez oles 
dirzuo, daz andir des handigiu ezzichis dar in unde begrabiz in 
der erde nun tage, unde dar nach so engrab sie unde biderbe 
sie ze allen den erzentin, so da gesribin ist in dem arzinbuoche. 
Och is sin vile gut ze der wundun unde ze der houbitsweren.** 



^ 



- 63 - 

Senecio vulgaris. Kreuzkraut. Diese Composite gilt, 
wie Erigerou acre (s. d.), als Berufskraut. Auch sie hat Früchtchen 
mit weissen Haarscliöpfchen, die an den Bart eines winzigen 
Kobolds erinnern könnten. Daher auch der Name SeneciOi d. i. 
Greisenkraut. Früher wurde es auch „Baldgreis", „Grrimmenkraut" 
(weil es gegen das Grimmen im Leihe diente) und St. Jacobskraut 
genannt. Frank berichtet von seinen Kräften : „ist kalt, zer- 
theilet, ziehet die Wunden zusammen, curiret die Galienkrankheit, 
gelbe Sucht, das Brechen und Blutspeyen, Hüftenwehe, den 

der Weiber und tödtet die Wurme, Aeusseilich 

dient es in Entzündung der Brüste, grindichten Köpfen, Kröpfen, 
Schmerzen des Magens, verhaltenen U . . ., Gichtschmerzen, Wunden 
tmd dergleichen. Man hat hievon ein destillirtes Wasser. Das 
Kraut hängt man in dreytägigen Fiebern an." 

* 

Soldanella alpin a. Alpenglöckchen. „Beschrei- 
kräutel" in Bayern. Des Teufels Glockenblume heisst des Kräutchen 
im Salzburgischen; er wollte in ihm die Campanula nachahmen. 



* 



Stachys recta. Gerader Ziest. Beschreikraut. Ung er 
Cl* c. p. 319) macht die flüchtige Bemerkung, dass ihm nicht 
liekannt sei, wie diese Fflaoze ,.in's Geschrei kam, gegen das 
"Verschreien wirksam zu sein" und erwähnt, dass das Kraut in 
ixanchen Gegenden Deatschlands zu abergläubischen Zwecken unter 
der Thürschwelle vergraben werde. Dagegen berichtet Carus 
Sterne (1. c. p. 429): „Der straffe Ziest ist eine berühmte 
I^flanze geworden, seit Leonhard Fuchs in ihm das erste oder 
lierakleische Eisenkraut (Sideritis) des Dioscorides entdeckt zu 
liaben glaubte, welches alle Eisen wunden schnell heilen, Glieder 
nnd Sehnen stärken und alle Gliedschmerzen und Geschwülste 
schnell vei treiben sollte . . . der straffe Ziest . . . führt noch 
jetzt in den Apotheken den Namen Herba Sideritidis. Ehemals 
führten die Soldaten und Gladiatoren das angeblich von Herakles, 
dem Gotte warmer Heilbäder, entdeckte Wundkraut bei sich. Im 
Uittelalter rechnete man die plötzlich auftretenden Gliederschmerzen, 
den sogenannten Fluss (Gicht und Kheumatismus), sowie Lähmungen, 
andauernde Schwäche u. s. w. zu den Krankheiten, welche dämo- 
nischer Natur seien und durch den „bösen Blick **, Beschreien der 
Kinder u. s. w. angehext werden könnten, und nannte daher das in Form 
von Bädern, Waschungen und Eäucberungen zum Vertreiben der un- 
natürlichen Krankheit gebrauchte Bad- oder Glied kraut auch Abnehm- 
kraut, Beruf- oder Beschreikraut. Das abergläubische Volk trug 



- 64 — 

den Zieat in deiTastbe odei verginb Ihn nnter der TbQnchwelle, 
um die boaen Einflüsse vom EauBe fernznbalten. Und wie die 
Weiber nicbt in den Tempel des Heraklea eintreten dnrften, bo 
nützt nach Wiener Glanben sein Eraat — dort Bbenmatiaebkrant 
genannt — nnr den Männern, die Franen mUasen bei gleicben 
Leiden Haiienbettatrob (Galium) aawenden. Von diesem verbreiteten 
Oebrancbe zu BSdern und Waschniigen, namentliob anob bei der 
sogenannten ^engliBclien Krankheit" der Kinder, rllbrt wabraobein- 
licb der Name Ziest her, der ans dem Slavisobea tn stammen 
Bcbeint. Im Böhmischen heisst die Pflanze aämlioh Ciatec, was 
snmittelbar mit Cistiti, reinigen und öiato, rein, maammenza- 
bKogeu Bcbeint." 

Taxns baocata. Eibe. Galt aohon DioBOorides 
nnd F 1 i n i u 8 als nnbeimlicher Banm. L i n n 4 spottet darüber, 



Fig. 13. 
Eibe. 

da er auf Gotbland die Lente ibre Stuben mit TaxnsgrSn ans- 
tapezieren aah. Ein Stüohchen Holz, aui blossem Leibe getragen, 



— 65 — 

diente wider Zaubereien. Der Eibenzweig bannte und löste den 
Zauber. Im Märchen von Bolands Schildknappen verwandelt die 
Alte die tibermiitbigen Knappen mit der Eibe Hilfe zu Stein, um 
sie mit derselben wieder zu entzaubern. Die Taxusbogen waren 
zur Zeit des Pfeilscbiessens die gesuchtesten. Ein Nürnberger 
Consortium hat im Jahre 1559/60 aus Oberösterreich nicht weniger 
als 36.650 Eibenbogen bezogen ^^). Bei Shakespeare („Richard IL" 
A. 3, Sc. 3) heisst es: 

Betbrüder lernen selbst, die Eibenbogen, 

Die zwiefach tödtlichen, anf dich zu spannen. 

Ausser der Zähigkeit wirkte also auch der Zauber des 
Holzes. War Taxus wegen des düsteren Grün schon bei den alten 
Griechen ein Trauerzeichen, so ist er auch später Friedhofbaum 
geblieben. In „Romeo und Julie", A. 5, Sc. 3, sagt Paris auf dem 
Friedhofe zu seinem Pagen : 

Dort nnter jenen Eiben strecke dich, 

Das Ohr am hohlen Boden haltend, nieder. 

Vom Todtenbaum zum Unglücksbaum war der Gedanken- 
gang nicht weit : 

Dann, als sie kaum erzählt die Höllenmär, 
Erklärten sie sogleich, sie wollten hier 
An einer ÜDglücks-Eibe Stamm mich binden, 
Und preis mich geben solchem schnöden Tod. 

(Shakespeare's „Tit. Andron." A. 2, Sc. 2.) 

Andererseits wurden dem „gottverfluchten Eibenbaum" wieder 
Heilkräfte zugerühmt. Oslander, in seinem Buche „Die Volks- 
arzneimittel", welches zu Tübingen im Jahre 1826 erschien, 
führt zerstossene Taxusblätter, die mit Bier zu nehmen seien, als 
Mittel gegen Hunds wuth, Schlau genbiss und Insectenstich an. Das 
Medicament sei in Wien unter dem Namen des „schwarzen- 
bergischen Mittels" bekannt. 

Ihrer Verbreitung nach gebort die Eibe zu den ausster- 
benden Bäume. Conwentz hat seine Untersuchungen 
in letzter Zeit auch auf Scandinavien ausgedehnt und sich dabei 
u. A. die prähistorischen Holzgefässe genau angesehen und mikro- 
skopisch untersucht. Das Eibenholz ist am kleinsten Splitterchen 
durch die eigenthümlich spiraligen Verdickungen der Holzzellen, 
die allen anderen einheimischen Nadelhölzern fehlen, mit Sicher- 
heit zu erkennen. Professor Conwentz hat in den archäologischen 
Museen von Stockholm, Lund, Christian ia und Kopenhagen im 

"') Conwentz: Die Eibe in Westpreussen. Abhandlungen zur 
Landeskunde der Provinz Westpreussen. Hefl III, Danzig 1892. 

98. Nr. 119/98. 5 



— 66 — 

Ganzen 61 vorgeschichtliche Uolzgerätbe untersucht; davon be- 
standen nicht weniger als 50 aus flibenholz. Und zwar sind es 
nach dem Zeugnisse der nordischen Archäologen lauter einheimische, 
an Ort und Stelle gefertigte Geräthe. Das deutet darauf hin, dass 
die Eibe auch dort frUher viel häufiger war als jetzt. Auch in 
der Schweiz wurde die Eibe in prähistorischer Zeit vielfach benützt. 
Die Pfähle der Pfahlbauten bestehen zum Theile aus diesem 
Material, nach Heer auch Bogen und Messer. Eiben erreichen ein 
wahres Methnsalemalier. Der englische Dichter William Words- 
roth sagt von alten Eibenbäumen seiner Heimat : 

.... finster schauen sie, 
Dem Uneingeweibiei) : ein güsaulier tScbatteii, 
Auf des grasloseiu, rulhliclihraunen Bodrii, 
(Ihn färbt der Abfall des verkümnjerndeii 
Laubwerkes ewig), unter desseu dunkelm, 
AVie für ein Fest mit freudelosen Beeren 
Bedecktem Zweigdach um die Mittagsstunde 
üespeustische Gestalten weilen mugen. 
Schweigen und Vorschau ; Furcht und Uofluuug auch, 
Die zitternde ; Tod das Skelett, und Zeit 
Der Schatten — dort, gleichwie in einem Tempel, 
Den die Natur erhob, den nioos'ge Steine 
In wüster Reih', Altären gleich, bedecken 
Vereinte Feier zu begehen, oder 
In stummer Ruh' zu liegen, und dem Sturz 
Der Wasser des üebirges zu gehorchen, die 
Aus Glaramanns tiefsten liöhlon murmeln. 

Aus dem llolze der uralten Eiben im Berliner Herrenhans- 
garten, unter denen Felix Mendelssohu-Bartholdy) Spohr, Moscheies, 
Paganini, Heine und Humboldt weilten und unter dem B i s- 
m a r c k seinen politischen Gedanken nachhing, Hess im vorigen 
Jahre ein Verehrer des Fürsten einen Becher fertigen und über- 
sandte ihn nach Friedrichsruh mit einem G-edichte , in dem 
es hiess : 

Von Eibenholz ein Decher 

Sei Dir, o Fürst, geweiht, 

Der mahn', ein stummer Sprecher, 

Dich au vergangene Zeit. 

Du selbst, der Eibe gleichend 

Scheinst du, so zäh, so fest, 

AVeit mit den "Wurzeln reichend 

Und weit mit dem Geäst. 



Thalictrum. Wiesenraute. Wurzel und Kraut in das 
Bett gelegt, hilft gegen das Beschrieensein der Kinder. 



* 



— 67 — 

Tilia enropaea. Linde. Der freundliche, die Menschen 
durch Duft und Schatten erfreuende Baum, der in den Volks- 
liedern und Sagen so olt vorkommt, hat nach der allgemeinen 
Vorstellung besondere Kräfte. Lindenbast sichert vor Zauber- 
werken, Lindenasche auf den Aeckern vor Ungeziefer. Behextes 
Vieh schl&gt man mit Lindenruthen, die auch die Hexe treffen. 
Die Verehrung des Volkes für die Linde spricht sich auch darin 
aus, dass an seinem Stamme am häufigsten Marienbilder befestigt 
werden. Der Baum mit allen seinen Theilen ist wie der HoUunder 
iür den Landmann noch heute eine förmliche Apotheke. Wozu 
-Alles die jetzt bis auf die Lindenblüthen wohl ganz obsolete 
Xinde verwendet wurde, mag aus F r a n k's Bemerkungen hervor- 
gehen : „Die Blüthen sind warm und 'trocken im ersten Grad, 
zertheilen, dienen dem Haupt, werden im bÖsen Wesen, Schwindel 
und Schlagflüssen gebrauchet. Die Blätter und Rinden sind temperirt 
im warmen und trocken im ersten Grad, .... dienen äusserlich in 
Brandschäden. Der Samen ist wider allerhand Flüsse und Verblutungen 
zuträglich. Die aus dem Feuer gezogenen Lindenen Scheite pflegt man 
mit Essig zu besprengen, und das geronnene Geblüt zu zertheilen, 
vorzuschlagen. So thun auch äusserlich die Blätter in Gesch wären 
des Mundes bey Kleinen Kindern und Geschwulst der Füsse gut. 
Der Schleim aus der Rinde heilet Brandschäden und Wunden. 
Die Feuchtigkeit und das Wasser, welches aus dem Mark der 
zerschnittenen Linde hervorrinnt, machet die Haare wachsend. 
Sonst ist auch aus den Lindenblüthen ein destillirtes Wasser zu 
bekommen." 



Trifolium sp. Klee. Unstreitig die populärste, den 
„Glücksklee" oder „vierblättrigen Klee" liefernde 
und so auch die eigentlich salonfähige, selbst unserer aufgeklärten 
Zeit noch vielsagende Zauberpflanze. Wann und wer zum ersten 
Male den Glücksklee mit Bewusstsein gepflückt, wird ebenso 
wenig zu ermitteln sein, wie der Name des Mädchens bekunnt 
ist, die als Erste die Oiakelblume (cf. Leucanthemum) aus der 
wogenden Wiese genommen und die Strahlen zum Liebesorakel 
abgerupft hat. Carus Sterne verzeichnet als die ältesten 
ihm bekannt gewordenen Nachrichten über den vierblättrigen 
Klee diejenigen des abenteuerlichen Dichter ritters C y r a n o 
von Bergerac, der im Jahre 1655 starb. Er erzählt 
vom vierblättrigen Klee, wie er nur unter dem Galgen 
wachse — ein Analogen zur Alraun-Sage 1 (siehe Mandragora) 
— aus dem Blute der Gehängten entstehe und am ersten 
Tage, da der Mond sichtbar sei, um Mitternacht gepflückt werden 

5* 



— 68 — 

mÜFge, um im Spiele Glück zu bringen. Wer ein vierblättriges 
Kleeblatt im Schuh oder sonst irgendwo bei sich trug, sollte die 
Hrxen, Zauberer, wohl auch die Feen erkennen. Indess muss 
bemerkt werden, dass Petrus Pena und Lobelius schon ans dem 
Jahre 1570 („Stirpium adversaria**, p. 382) einen vierblättrigen^ 
Klee (Quadrifolium phyllon fuscum hortorum) beschrieben, der 
höchst wahrscheinlich mit der noch heute in den Gärten gepflegten 
Spielart des kriechenden Klees (Trifolium repens, var. foliis 
fusco-nigris) identisch ist. . Zudem gedenkt Shakespeare, 
der bekanntlich im Jahre 1616 starb, des vierblättrigen Klees 
in solchem Zusammenhange, dass man von seiner Volksthümlich- 
keit schon in dieses Dichters Zeit überzeugt sein muss. In den 
„Lustigen Weibern" (A. 3, Sc. 2) sagt der Wirt: „He speks 
holyday, he smells April and May; he will carry% he will 
carry% tis in bis b u 1 1 o n s, he will carry't." Diese Stelle wird 
sinngemäss übersetzt: „Er spricht lauter Sonntag, er doftet 
Mai und April ; der kriegt sie, der fand das Kleeblatt.'' 
Auch in einem der G r i m m'schen Märchen, das gewiss ein ehr- 
würdiges Alter hat, kommt der Zauberklee vor. Ein Mädchen 
findet vierblättrigen Klee und erkennt durch dessen Kraft, dass 
der schwere Balken, mit dem ein Zauberer den Hahn beladen 
hat, nur ein Strohhalm ist. Nach der von Laube mitgetheilten 
Tradition aus Teplitz, die jedenfalls auch ein hohes Alter hat, darf 
vierblättriger Klee von dem Glückskind, das ihn findet, nicht 
mit blossen Händen angefasst werden. Wie innig die Vorstellung 
vom vierblättrigen Klee mit deutscher Denkart verknüpft ist, 
zeigt R ü c k e r t in seinen Kinderjahren ; er sagt: 

Wie viel Zeit irh damuls hatt.e, 
Als ich stundenlang am See 
Suchte nach dem vierten Blatte 
An dem dreiblättrigen Klee. 

Am Tage vor Bartholomee 

Sprach ich: Nun blüht mir nimmer Klee! 

Da fand ich an der Statt 

Noch ein vierblätt'rig Blatt. 

Der Roth- oder Wiesenklee (Trifolium pratense ^2), von dem 
in den meisten Fällen das zauberische Blatt genommen wird, 



"**) Rother Klee wird von llummeln aufgesucht und erfolgreich belegt; 
wo viel rother Klee, kommen daher viele Hammeln vor, die in ihren nnter- 
irdiseben Nestern viel Honig speichern. Das macht die Feldmäuse gedeihen 
und in mäusereichen Zeiten vermehren sich die Katzen. So ist die biologische 
Kette zwischen zwei im Systeme so weit ausein auderstehenden Lebewesen 
hergestellt (Darwin). £s ist dem Verfasser gelungen, eine ähnliche Ab- 
hängigkeit zwischen den Eisenhntarten nnd der Hummelgattnng zu con- 



- 69 - 

wurde anfangs der schönen Blamea wegen in den Garten gehalten, 
erst in der josephinischen Zeit erkannte man seinen hohen wirt- 
schaftlichen Wert. Otto Brunlels erzählt vom E>thklee, 
„weliclier anch im Elsass würt geneonet Fleischblam, darnmb das 
sein blnm rothfärbig gleich dem gereuchten Fleisch, wächst vfi 
den wysen, blUet gemeiynhlich vmb vnseres Herren leichnamstag, 
wurdt auch zu desselbigen Festes Ceremonien gebrauchet, und vmb 
die Stangen kert^en geflechtet". 

Nicht nur das Zusammentreten der Blütezeit mit einem 
kirchlichen Feiertage, auch die Blattform des Klees ist in den 
Dienst christlicher Symbolik gestellt worden. In Irland ist das 
Kleeblatt das dem heiligen Patrick geweihte Nationalzeichen. Die 
Legende erzählt, dass der fromme Mann den Iren, die den Begrifi 
der Dreifaltigkeit nicht zu fassen vermochten, ein Kleeblatt gezeigt 
habe, an dem drei Blättchen aus einem Stiel hervorwuchsen. Zar 
Erinnerung . daran nahm die „g^^^^^ Insel" den weissen Wiesen- 
klee mit der Harfe der alten Barden in ihr Wappen und schmückt 
sich am St. Patrick-Tage mit Kleesträasschen. Wie auch hier 
Christenthum über Heidentham obsiegte, zeigt der Umstand, dass 
schon den Druiden der Klee eine heilige Pflanze war, die im 
Zauberkessel nicht fehlen durfte. Vom vierblättrigen Klee meinen 
die Leute, man müsse ihn an Sonntagen im G-ebetbuche in die 
Kirche mitnehmen, dann wirke er um so kräftiger. Und wenn 
man an einem Sonntag vor Sonnenaufgang einen vier blättrigen 
Klee pflückt und im Schuh versteckt, so erkennt man in detr 
Kirche alle Hexen. Vielleicht hängt auch mit der symbolischen 
Beziehung des Kleeblattes zur christlichen Religion seine Ver- 
wendung als Motiv in der gothischen Baukunst zusammen. In 
der Werners-Capelle zu Bacharach bildet ein Kleeblatt den Grund- 
riss. Das ist wohl ein Ausnahmsfall. Aber die Fensterbogen 
imitieren vielfach die Gestalt des Kleeblattes, und kleinere darch- 
brochene Kleeblätter säumen die Fenster ein; ein classisches 
Beispiel hiefÜr ist an der Kathedrale zu Carcassonne aus dem 



statiereo. Hummeln sind in der gegenwärtigen Schöpfung die einzigen Thiere, 
welche sich den Honig aus den Nectarien der Aconitumarten holen können 
und mit ihrem zottige i Körper der Blamenform so genan angepa^st sind — 
der Parafftnausguss der Blume gleicht völlig dem Körper der Hammel! — 
dass nothwendig eine Bostäabung der Bläthennarben mit den von anderen 
Blflthen mitgebrachten Pollen stattfinden muss. Vergleicht man die Yer- 
breitangslinie der Aconitnmarten mit jener der Gattung Bombus (Hummel), 
so erkennt man a^s Consequenz dieser Symbiose von Eisenhat und Hammel, 
dass die Blnme anf der ganzen Welt nur dort vorkommt, wo die Imme 
schwärmt. Auch Drude, in seinem ausgezeichneten Handbuch der Pflanzen- 
geographie (Stuttgart 1890, S. 122) weist auf die pflanzengeographische Be- 
deutang dieses Falles hin. 



— 70 — 

14. Jahrhunderte zu sehen. An dem alten Kirchlein von Gatea- 
stein (Niederösterreich), vor dem ich diese Zeilen schreibe, ist das 
Eleeblattmotiv an jedem Fenster verwendet. Die grossen Spitz- 
bogenfenster zeigen das Kleeblatt im oberen Ende, das kleine 
Fenstereben ist ein von einem Kleeblatt ansgeflillter Kreis. 

War die Form des Kleeblattes durch Natur und Kunst dem 
Volke so sehr vertraut, so ransste es um so mehr aufiallen, wenn 
es zeitweise statt drei vier Blättchen trug, wie Kinder auf die 
Welt kommen, die statt fünf sechs Finger zeigen. Da man die 
Erscheinung, die als Abzweigung eines überzähligen Blättchens 
vom normalen Endblätteben oder den Seitenblättchen aufzufassen 
ist '^), nicht zu deuten wusste, stand man vor dem vierblättrigen 
Klee wie vor etwas Uebernatilrlichera, Wunderbarem. Er hat seinen 
Ruf, wie schon eingangs erwähnt, bis heute erhalten. Zufälle, wie 
sie in diesem Wirrsal der Zufälligkeiten täglich vorkommen können, 
tragen dazu bei, das Renoram6e des vierblättrigen Klees selbst in 
unseren Tagen womöglich noch zu verstärken. So begab es sich 
vor einigen Jahren, dass ein „Europa-Müder", bevor er zum Hafen 
ging, um sich nach der neuen Welt einzuschlE^en, noch ein Mal 
in wehmuthsvoller Abschiedsstimraung den Garten seiner Vater- 
stadt betrat. Wie er so in Gedanken zwischen den Beeten wandelte, 
erschaute sein Auge einen vierblättrigen Klee. Ohne des Verbotes 
za achten, betrat er den Rasen und püilckte das Gliickszeichen, 
um es mit in*s neue Leben hinüberzunehmen. Ein Wächter, der 
ihn bemerkte, führte ihn zum Aufseher des Gartens. Als die Amts- 
handlung zu Ende war, dampfte gerade das Amerika-Schifi aus 
dem Hafen. Aergerlich sah ihm der wider Willen Zurückgebliebene 
nach. Bald darauf hörte man, dass das Fahrzeug mit Mann und 
Maus im Sturme verlorengegangen sei. 

Die „Glücksklee "-Pflanzen, die, artig mit Bändchen geschmückt, 
in den Blumenhandlungen verkauft werden, sind keine eigentlichen 
Klee- (Trifolium-), sondern Sauerklee(Oxalis) Arten. Es gibt unter 
ihnen solche, die constant yiertheilige Blätter haben, wie die 
hienach benannte Oxalis tetraphylla. Mit dieser Art „ Glücksklee ** 
wird ein schwunghafter Handel getrieben, bei dem die Detail- 



'•) Das abnorme Vorkommen einer vierten Fieder bei iingerförmig zu- 
Mammengesetzten Blättern wird nach Masters (Vegetable Teratology, London 
1869, p. 301) als Pleophyllie bezeichnet. Ich habe in den „Studien aar 
Teratologie der Gewächse"/ (Verhandl. d zoolog.-botan. Ges. 1886, S. 103 bis 
122) schon mitgetheilt, dass ich die Vierblättrigkeit unter den Schmetter- 
lingsbltttlern auch bei Trifolium repens, Cytisas alpinus, Cytisus labnrnum, 
Pbaseolus maltiflorus, aber auch bei Fragaria sp. beobachtet habe. Es kommen 
ausser der viertheiligen, auch fünftheilige und — nach den Autoren — auch 
6 — lOzählige Kleeblätter vor, wodurch jedenfalls schon d«r Uebergang zum 
gefiederten Folium compositum gegeben ist. 



- 71 — 

geschäfte viel verdienen. C. Platz & Sohn ia Erfurt geben 10 Stilck 
Oxalis tetraphjlla um 45 kr. ab. Einzeln bekommt man sie in 
Wien kaum billiger als um 15 — 30 kr. 

* * 

Verbascum Tbapsus. Königskerze. Zu den prächtigsten 
ßlumen, welche im Hochsommer erscheinen, gehört die Königs- 
kerze. Schon in ihrem Namen liegt Auszeichnendes. Denn auf 
öden Plätzen, wo sonst wenig anmutender Flor, ragen kerzen- 
gerade die mit grossen gelben BiUten versehenen Aehren der 
majestätischen königlichen Pflanze empor. Da sie geradeaus gegen 
Himmel weist, eine „Kerze ohne Licht", wie sie der Botaniker 
Trattinick nannte, heisst sie wohl auch Himmelbrand, ini Alt- 
deutschen himilbrando. Bedeutet doch „Brand", hergenommen von 
der emporlodernden Flamme, überhaupt etwas Prächtiges. Hilde- 
brand und Hadubrand leiten sich davon her. Und, merkwürdig 
genug, spricht der Kärntner die Königskerze als „Hillebrandt" 
an. Zur Zeit, da man in Jeglichem, das da wächst und blüht, 
besondere „Krafit und Würckung" vermuthete, glaubte man den 
Himmelbrand als treuliches Mittel wider Brandwunden benützen 
zu können. Und innere Entzündungen sind es, gegen welche der 
„Wollkrautthee" noch heutigen Tages volksthümliche Anwendung 
findet. Nach Pfarrer Kneipp ist Königskerze eine wichtige 
Arznei und wird als Thee oder Tinctur gebraucht. Der Woll- 
blumenthee gilt als Katarrh- und rheumatisches Mittel. Die in 
Milch gekochten Blätter werden als Ueberschläge auf schmerzhafte 
Hämorrhoidalknoten appliciert. Dr. Quinlon in Dublin hat 
gefunden, dass die Blätter und Blüten oder die ersteren aliein, in 
Milch gekocht, nicht nur den Husten der Schwindsüchtigen er- 
leichtern, sondern auch die schwächenden Durchfälle mildern. Das 
Oel aus den Blüten wird in den homöopathischen Apotheken als 
„Mnllein Oel" geführt. Die Verbascumtinctur di^^nt äusserlich 
wider Gesichtsneuralgieen, gegen — Bettnässen etc. 

Kommt man früh Morgens, wenn die Kräuter noch im Thaue 
baden, zur Stelle, da die Königskerze wächst, so bemerkt man 
rings um die Blütenähren abgefallene Blumenkronen auf dem 
Boden. Die Yerbascumblüten sind von kurzer Dauer, sie sind 
ephemer, sagt der grundgelehrte Mann, aber ihn belehrt eines 
Besseren — das Blumenmärchen. Nachts im Mondenschein führen 
die Elfchen um die hohe Kerze ihren ßingeltanz auf. Nicht anders 
wie Männlein und Weiblein um den Maienbaum. Unbelauscht 
wissen die den Blumenkelchen entsprossenen Elfchen gar lustig 
und fröhlich zu sein. Da stossen sie denn gegen die Königskerze 
an oder schlagen gar nach derselben mit artigen Stäben. Es fallen 



- 72 — 

die gelben Blüten nieder, dann kommt der Dootor PfiSikcu daza, 
mit Biille und Notizbuch, und sagt: die Verbascnmbliiten sind 
kurzlebig, sie sind ephemer. Das ist der grosse Unterschied 
zwischen Stuben Weisheit und Volksglauben. Und so der Himmel- 
brand Euch unter dem Namen „ünholdenkerze^ vorkommt, werdet 
Ihr nun wissen, woher diese Ansprache. Denn die holdesten 
Elichen sind unverdient „Unholden" geheissen. Unholdes hat 
aber die Königskerze gar nichts an sich. Sonst trüge sie die 
Muttes Gottes nicht gleich einem Szepter in den Händen, wovon 
der alte Segensspruch herrührt : 

Unsere liebe Fran gebt über Land, 
Hat den Himmelbrand in der Hand. 

Auch in der Fassung : 

Unsere liebe Frau geht drei Mal über das Land, 
Sie trägt den Himmelbrand in der Hand — 

kommt der Segensspruch vor. Wenn Einer mit schlimmer Wände 
behaftet ist, hat man ihn mit den Blüten des Himmelbrandes za 
berühren und drei Mal den Spruch zu sagen. In der Rolle einer 
hilfreichen Marienblume tritt hier die Königskerze auf. Damit mag 
zusammenhängen, dass die Mädchen in Ostpreussen die Königskerze 
zur Orakelblume machen. Die Mädchen hängen einen grünen 
Himmelbrandstengel über das Bett. Je länger die Pflanze andauert, 
ohne zu welken, desto länger währt das Leben des betre£Eenden 
Mädchens. Auch tragen die Mädchen Himmelbrand oder Königs- 
kerze zur Weihe in die Kirche. Die schöne Blumenähre nimmt 
die Mitte ein im Büschel von 77 verschiedenen Kräutern, deren 
jedes zauberkräftig ist (C h e v a 1 i e r). Einen gar prächtigen 
Anblick gewährt die blühende Königskerze. Wie gleich Anfangs 
bemerkt, hat dies Anlass gegeben zu dem auszeichnenden Namen. 
Daher kommt es aber auch, dass im „Paradiesgärtlein" die 
Königskerze zum Vergleiche mit „grossen Herren" benützt wird. 
Die Stelle lautet: 

Darum wie dies Eräutlein bringt sein Blum' 
Anf langen Stengeln schön ringsumb, 
Also ziert Gott die grossen Herren 
Und bringet sie zu hohen Ehren. 



Verbena officinalis. Eisenkraut. Schon bei den alten 
Griechen und Eömern hatte dieses überall wild vorkommende Unkrant, 
das eigentlich nur durch die starren Zweige auffällt, ausserordentlichen 
Ruf. Es hiess nach dem Griechischen Hierobotane, d. i. heiliges Kraut. 
Verbena wurde als Symbol der heimatlichen Erde fremden Völkern 



— 73 - 

cntgegengetragen. Wie P]inms berichtet, wurde mit diesem Opfer- 
krant der Tisch des Jupiter abgestäubt. Auch das Hittelalter 
kam der Yerbena, die deutsch „Isenkraut" genannt wurde und 
den Mann, der sie trug, stich-, hieb- und schussfest machen sollte, 
mit besonderer Achtung entgegen. Damit Eisenkraut voll seine 
Wirkutig thue, musste es unter Einhaltung bestimmter Vorsichten 
gegraben werden. Von Pfeiffer 's alten deutschen Arznei- 
büchern widmet das zweite, aus der Mitte des 13. Jahrhunderts 
stammend, dem „chrout verfaena*' ein eigenes Capitel. Dasselbe 
lautet: »Ein chrout heizet verbena, daz ist i'dr manich dincb 
nutze nnde guot. Von demselben chrüte saget uns M a c e r, der 
best arcet, der ie wart, daz si habe gr6ze chraft an ir, swer si 
neme mit würz mit alle unde bedecke si in der cewesen haut 
unde ge zuo dem siechen, daz er der würz nicht inne werde, 
unde Sprech 2U0 im : „wie versihestü dich ze leben unde wie 
gehabestü dich?"; sprichst der siech danne : „ich gehabe mich wol", 
zwar, so geniset er wol ; sprichet er: „ich gehab mich übel", s5 
enchümt er nimmer ouf ; spricht er : „ine mach mich nü niht 
baz gehaben" oder: „ich gehabt mich gerne baz, möht ich", so 
gf niset er wol ; er muoz aver michel arbeit liden in dem legere. 
Der die selben würz graben wil, der sol si umbeiizen mit golde 
nnde mit silber unde Sprech dar obe einen pater noster unde 
credo in deum unde Sprech : „ich gebiute dir, edeliu würz verbena, 
in nomine patris et filii et spiritus sancti unde bi den zwein und 
sibenzech namen des almehtigen gotes unde bi den vier engelen 
Michahel, Gabriel, Eaphahel, Antoniel, bi den vier evangelisten 
Johanne, Matheo, Luca, Marco, daz du neheine tugende in dirre 
erde verlazest, dune sist immer in miner gewalt mit der chreft 
unde mit den tugenden unde Dich got beschafien hat unde gezieret. 
Amen." Mit dieser Beschwörung und dem goldenen oder silbernen 
Werkzeug ist es noch nicht genug. „Des selben nachtes" — so 
fährt die mehr als sechshundert Jahre alte Handschrift fort, die 
auch ein bemerkenswertes Sprachdenkmal bildet — „solt du lazen 
ligen bi der würz silber unde golt unz des morgens, e diu suune 
ouf g^, s5 grab die würzen, daz du si mit demisen nime rüerest. 
So wasch si danne mit wine und wihe si danne an ant Marien 
tage der ereren unde gehalt si danne mit michelem flize. Diu 
selbe würz ist guot den frowen, die ze chemenaten gent : habent 
sie die selben bi in, in gewirret nimmer dahein twalmen unde 
habent guot rouwe." 

Schon in diesem aus Bayern stammenden Arzneibuch wird 
unter den vielen Wunderwirkungen des Eisenkrautes angeführt : 
„Swelchem Eindelin man sie umbe pindet, daz erch'dmt (erschreckt) 
nicht unde hat guot ruowe unde enmach ez nieman versprechen." 



— 74 — 

Damit aber seien die Kräfte der Verbena noch nicht erschöpft. 
„Swelch mensch niht slafen mach und in dem slafe unraowe hat, 
hat ez verbenam bi im, iz bat als palde gaote raowe. Swer die 
verbenam bi im hat, swen er da mit rileret, der mnoz im holt 
sin. Swer die verbenam bei im hat, der gedarf nimmer 
dehein zonber gefarten. Swer verre riten sol, der binde 
verbeiam unde (.rtimesiam (Vgl. Artemisia) dem ross umbe den 
schopp, zi^ar, ez erlit nimmer, ez enwirt ouch nimmer ze raeche. 
Swen der alp tringet, rouchet er sich mit der verbena, ime 
en wirret als pald niht. Swer die verbenam bi im hat, der enwirt 
des weges nimmer mttede nnde enwirt nimmer irre. Verbena diu 
machet den menschen liep unde genneme unde zallen ziten fr6m- 
uot. Macer der wil daz festen im sime buoche, daz verbena als 
manige tugende hap als manich zwi an ir wahret.*' 

Betreffend die besondere Vorsicht, die beim Graben der 
Verbena gebraucht werden soll, ist auch an den alten Spruch za 
erinnern : 

Ve;been hilft dir sehr, 

Dass dir die Frawen werden hold, 

Doch branch kein eisen, 

Grahs mit goldt. 

Der Brauch der Verbena ist noch lebendig. Gegen schmerzhaftes 
Zahnen und gegen das Verschreien wird Kindern.. Eisenkraut in 
einem Säckchen um den üals gehängt. In Morleys Werke 
über die Skrofeln wird empfohlen, die Wurzel der Verbena mit 
einer Elle weissen Atlasbandes um den Hals zu tragen. Doctor 
Paris ist in der geschichtlichen Einleitung zu seiner Pharmako- 
logie eine ausreichende Erklärung für den Verbena- Wunder- 
glauben geglückt. Hiernach bezeichnete der Ausdruck verbena 
(gleichsam h e r b e n a) alle Kräuter, welche man ihrer Ver- 
wendung bei den Opfern wegen für heilig hielt. Da aber vor- 
züglich ein Kraut für diese Gebräuche verwendet wurde, so be- 
zeichnete das Wort verbena nach und nach das eine besondere 
Kraut, das Eisenkraut, das seinen grossen Ruf bis in unsere 
aufgeklärten Tage zu erhalten wusste. 



Veronicra bellidioides. Bellisartiger Ehrenpreis. 
Beschreikräutl in Niederösterreich. Wird gegen Verschreien oder 
Verhexen des Viehes in Anwendung gebracht. 



Viscum album. Leimmistel. Die seit Alters zauber- 
berUhmte Schmarotzerpflanze dient auch wider Kinderbehexung. 



— 75 - 

Mit deutlichem mythischem Bezog ist die Mistel das Grün der 
englischen Weihnaohtsstabe. Fernab vom moiernen englischen 
Salon, in Wales, wird die Mistel am Weihnachtsabend unter das 
Dach gehängt. Die Bursche führen die Mädchen darunter und 
wünschen ihnen, gewiss nicht ohne herzhaften Euss und Um- 
aimung, glückliche Christnacht und glückliches Neujahr. In 
Frankreich, das gegenwärtig dem von Misteln fast ganz ent- 
blössten England zum guten Theil den Weihnachtsvorrath liefert, 
spielt der merkwürdige Strauch seine Hauptrolle zu Neujahr. Da 
werden seine Zweige mit dem Rufe: „Au gui (Mistel) Tan neuf^ 
cder „Aguilanneui'' ausgeboten und verkauft. PI in ins sagt 
im 16. Boche seiner Naturgeschichte über die zauberberübmte 
Mistel : „Die Druiden halten nichts für heiliger als die Mistel 
und den Baum, auf welchem sie wächst, namentlich wenn es eine 
Eiche ist. Sie wählen an sich schon die Eichenhaine und ver- 
richten ohne deren Laub kein Opfer. . . Ja, sie glauben. Alles, 
Mas an den Eichen wächst, sei vom Himmel gesandt, und sehen 
dies als einen Beweis an, dass die Gottheit selbst sich diesen 
Baum er^vählt habe. Die Mistel ist aber nur sehr selten; 
hat man sie gefunden, so wird mit grosser Feierlichkeit dahin 
gezogen, und vor Allem am 6. Tage nach dem Neumonde. . . 
Sie nennen diesen Tag mit einem eigenen Worte den allheilenden, 
bereiten Opfer und Mahlzeiten unter dem Baume und führen zwei 
weisse Stiere herbei, deren Hörner dann zum ersten Male umbunden 
werden. Der Priester im weissen Kleide besteigt hierauf den 
Baum und schneidet mit einer goldenen Sichel die Mistel ab, die 
in einem weissen Tuche aufgefangen wird. Sodann opfern sie 
Tbiere und bitten die Gottheit, sie wolle ihr Geschenk denen, 
welchen sie es gegeben hat, segnen. Sie glauben, ein von diesem 
Gewächs bereiteter Trunk mache ein jedes unfruchtbare Thier 
fruchtbar ; auch sei es ein Hilfsmittel wider alle Gifte. Soviel 
Verehrung bezeugen oft ganze Völker den gewöhnlichsten 
Dingen." 

Dem germanischen Vorstellungskreise war die Mistel 
besonders wert. Haider fiel durch einen Mistelzweig, den der 
tückische Loke durch den blinden Hödur nach ihm werfen liess. 
Es ist unter den Gelehrten ein hitziger Kampf darüber geführt 
worden, ob die Mistel der deutschen Vorzeit mit Viscum album 
identisch sei. '^) Auf Voluspa XXIX wurde Gewicht gelegt, ^o 
die Mistel dünn und schön (fagr) genannt wird ; das sollte auf 

<^) Man vergleiche zur Geschichte dieser — nan hoffeDtlich gegenstands' 
losen — Streitfrage meinen Autsaiz im: Biologischen Central blatt 1887, mein 
offenes Schreiben an Professor Kornhnber: „Zur Biologie der Mistel'', 
Wien 1888, femer meine Mittheilnngen in: „Die Katar«, 1891, S. 182. 



- 76 - 

unsere lilistel nicht passen. Aber von dem lebendigen Grün, und 
den brüchigen Zweigen ganz abgesehen, hat das Isländische 
misteltheinni, das Angelsächsische raisteltan für die Mistel, nnd 
das kommt mit dem Englischen misteltoe überein; es ist ein 
zusammengesetztes Wort, in dem der zweite Theil „Zweigt 
bedeutet. Wie S c h o u w („Die Erde, die Pflanzen und der 
Mensch^, Aus dem Dänischen, Leipzig 1851, S. 277) betont, hat 
sich im dänischen teen als Bezeichnung für den schmalen (Eisen-) 
Stab am Spinnrocken erhalten, und in Westgothland heisst die 
Mistel vispelten. Von den grossen Zweiflern ist namentlich einge- 
wendet worden, dass Viscum album, wie es im Wiener Prater 
auf Pappeln, sonst auch auf Obstbäumen häußg wächst, überall 
in grosser Menge anzutreffen ist, dagegen auf der Eiche, wo 
wieder die europäische Riemenblume (Loranthas europaeus) als 
naheverwandtes Schmarotzergewächs heimisch ist, zu den grössten 
Seltenheiten gehört. Indess spricht gerade diese, schon von 
P 1 i n i u s bemerkte Thatsache für die ausserordentliche Wert- 
schätzung und Beachtung, welche die als Earität auf Eichen vor- 
kommende Leimmistel seither gefunden hat Von mancher Seite 
ist mit apodictischem Eifer gesagt worden, dass Viscum album 
auf der Eiche überhaupt nicht wachse. Seit aber T u b e u f im 
Münchner botanischen Vereine (1889) ein unzweifelhaftes Beleg- 
stück des Viscum album auf der Eiche aus Nordfrankreich vor- 
weisen konnte, muss die principielle Richtigkeit dieses Vor- 
kommens zugegeben werden, und es haben die zwar spärlichen, 
aber von glaubwürdigen Autoren gemachten Angaben über diesen 
Gegenstand Anspruch auf Vertrauen. 

Und die Mistel, die im nordischen Mythos von den Druiden 
mit Gold von der Eiche geschnitten wird, die Balder um sein 
frohes Leben bringt, kann — bei ruhiger Erwägung der ent- 
scheidenden Momente — nur Viscum album, nicht aber Loran- 
thus europaeus gewesen sein. Erstens kommt Loranthus europaeus 
nördlich' der Alpen nur in Oesterreich, Mähren und Böhmen vor, 
im nördlichen und nordwestlichen Deutschland fehlt sie. Zweitens 
ist die Riemenblume oder eigentliche Eichenmistel, wo sie auf 
der Eiche wächst, keine Seltenheit, und es wäre nicht zu 
begreifen, wie ihr so ausserordentlicher Rang von altersher hätte 
zutheil werden sollen. Im 13. Buche seiner Naturgeschichte sagt 
zudem Plinius: „Alexander Cornelius nennt den Baum, aus 
welchem das Schifi Argo gemacht sei, Eon; er sei der Eiche, 
welche die Mistel (Viscum) trägt, ähnlich und könne gleich der 
Mistel weder durch Wasser noch durch Feuer zerstört werden. 
So viel ich weiss, kennt ihn Niemand weiter.^ Aus dieser vagen 
Stelle ist natürlich nichts über die Natur der Eichenmistel zu 



~ 77 — 

gewinneD, ebenso wenig aus dem Satze des 11. Capitels im 
16. Buche: „Auch soll auf Eichen die Mistel (Viscum) wachsen." 
Von Wichtigkeit aber ist der Anfang des 93. Capitels im 
16: Buche, der also lautet: „Von der Mistel gibt es drei Arten. 
In Euboea nämlich nennt man die auf der Tanne und Lärche 
(in abiete ac larice) wachsende Stelis, die in Arkadien wachsende 
heisst Hyphear. Viscum aber faeisst die auf der Eiche, der Stein- 
eiche, der wilden Pflaume, der Terebinthe, sonst aber auf keinem 
Baum wachsende Pflanze. Die am häuflgsten auf der Eiche vor- 
kommende heisst Hyphear Dryos.'' Was das Hyphear Arkadiens 
sei, lässt sich nicht sagen. Dagegen lassen sich die drei anderen 
von Plinius genannten Misteln mit botanisch genau unterschiede- 
nen Arten identificieren, und zwar : Stelis = Viscum laxum, 
Viscum XVI, 93 = Viscum album, Hyphear Dryos = 
Loranthus europaeus. 

Es ist somit unzweifelhaft, dass die Druidenmistel, die all- 
bekannte Mistel des Vogelleims und der mistletoe der britischen 
Weihnachtsstube einerlei Art sind. Das germanische Julfest, an 
dessen Stelle das Christenthum Weihnachten eingesetzt hat, konnte 
ohne die Mistel nicht gefeiert werden. Festhalle und Festgericht 
waren mit Mistelzweigen geschmückt. Bedenkt mau dies, so dürfen 
engb'sche Weihnachten „deutscher" genannt werden, als die an 
die trauliche Tanne sich anschliessenden Bräuche. „Danreiss in. die 
Stuben legen*', was noch eher eine Ausschmückung der Feststube 
mit Tannenreisig als die Aufrichtung des geputzten „Christ- 
banmes" ist, kommt in einer Predigt des berühmten Geiler von 
Eaysersberg (für Strassburg) erst im Jahre 1508 vor. Vom 
wiiklichen, „mit Puppen und Zucker behängten" Tannenbaum er- 
balten wir durch Dannhauer im Jahre 1654 erste Kunde. 
AVie ich im ersten Capitel meines Buches „Bei Mutter Grün" 
näher nachweise, erfolgte die allgemeine Zuziehung der Taune 
zum Weihnachtsfeste in Deutschland erst nach den Freiheits- 
kriegen im zweiten Zehnt unseres Jahrhunderts. Mannigfache 
Sagen knüpfen sich an unsere Mistel. Durch einen auf einer 
Basel erwachsenen Mistelstrauch wurden zwei Männer im preussi- 
schen Sam lande aat einen Schatz aufmerksam, der unter den 
Wurzeln begraben war. Sie mussten aber nach einem Jahre, an 
demselben Tage, da sie das Zaubergold gehoben hatten, sterben. 
Einmal kam zu armen Hirten, die am krainischen Triglavberge 
wohnten, ein alter Mann und bat um Zehrung und Obdach. Die 
Hirten, gaben ihm Beides. Beim Weggehen gestand er, ein ver- 
fluchter Raubritter zu sein, der nun schon 300 Jahre ruhelos 
über die Erde wandeln müsse. Er wisse eine Mistel, die auf 
einer Eiche wachse, und diese Mistel s.ollten die Leute holen, um 



- 78 — 

mit ihr einen Schatz in der Burg des Ritters zu heben. Sie 
thaten, wie ihnen befohlen, hoben eine Schatztmhe und wurden 
von da ab reiche Leute, die vergnügt und glücklich bis an ihr 
seliges Ende lebten. In diese Sage spielt schon der sympathische 
Hauch der christlichen Legendenwelt hinein. Die Eiche, auf der 
die wunderthätige Mistel wuchs, war durch ein Ghristasbild 
kenntlich. Die Mistehweige kreuzen sich an dem lebenden 
Busche in auffallend regelmässiger Weise. Diese Eigenthümlichkeit 
trug der Mistel das Epitheton ,,heiiiges Kreuzholz^ ein. Damit 
hängt zusammen, dass nach Marter'^) im Wienerwald vordem 
aus Mistelholz Rosenkränze geschnitzt wurden. Gerade in Oester- 
reich werden der Mistel von der Landbevölkerung noch heute 
besondere Kräfte zugerühmt. Ein Amulet mit drei Mal geweihtem 
Mistelblatt hilft den Kindern wider die Berufung und den bösen 
Blick. Es muss sechs Mal an jedem Neumonde erneuert werden. Die 
Zahl sechs und der Neumond kommen mit Bezug auf die Draiden* 
mistel schon bei Plinius vor. In die Palmsonntags-Palmbuschen 
wird gerne auch ein Mistelzweig gethan. Ein Mistelzweig auf 
der Thürsch welle schützt vor der Trnd (Alpdrücken). Im Kuh- 
stalle erleichtert Mistelgrün der Kuh das Kalben und bannt die 
Hexe. Mistelzweige, die in der heiligen Nacht an die Obstbäume 
gebunden werden, schützen sie vor Raupen-, Hagel- und Blitz- 
schaden. Es ist klar, dass diese Vorstellung zum Mistelzweig des 
germanischen Jul festes hinüberleitet. Ein Mistelzweig, insgeheim 
in's Schlafgemach verwahrt, bringt Eheleuten den mit schmerz- 
licher Sehnsucht erwarteten Kindersegen. Nach W u 1 1 k e ist die 
Mistel auch dem deutschen Volke noch lange keine entthronte 
Zauberfee. Die Pflanze muss, wenn sie wirken soll, im Zeichen 
des Löwen an den beiden Frauentagen gesammelt werden. Eine 
in Silber gefasste Mistelbeere dient den Kindern als Amulet. 

Es konnte nicht fehlen, dass Viscum album auch in der 
volksthümlichen Medicin Anwendung fand und von hier selbst in 
die alten Ofücinen und Droguerien überging. Frank in seinem 
„Kräuterlexikon" rühmt vom Viscum, dessen weissen Beeren er 
purgierende Kraft zuschreibt: „Es erweichet, zertheilet, ziehet 
Splitter aus, erweichet die harten und drüsigten Schwulsten, 
und heilet alte Geschwäre. Der Eichenmistel und vornehmlich der 
Haselmistel sind die besten, und pflegen wegen ihrer irdischen 
Theile die Säure wegzunehmen, die allzustarken Bewegungen des 
Geblütes zu hemmen, auch in der hinfallenden Krankheit gut zu 
thun." Aehnlich klingt die Anpreisung, die wir schon früher in 
Durante's „Herbario (Venedig 1636) lesen: 



**) Verzeichnis der österr. Gewächse. Wien 1780. 



N 



- 79 — 

Discutit, emollit Viscum, tum coDCoquit, atque 
Extrahit, abscessns sanat, vetera ülcera mollit; 
Scabritias unguis pellit, tenuatque lienem, 
Hnic caednm vertigo simnl, morbusque cadacus. 

BemerkeDswert ist namentlich der Ruhm, welchen die 
Uistel als Mittel gegen die Fallsucht (Epilepsie) genoss, einer 
Krankheit, die in ihrem geheimnisvollen Zusammenhang mit dem 
Nervensystem früherer Zeiten als Ergebnis specificischer Behexung 
galt. Hoch oben, oft in schwindelnder Höhe aus dem Aste empor- 
wachsend, sollte die Mistel den „Schwindel" vertreiben. Dieser 
primitiven Vorstellung verdankt wohl Viscum album seine sym- 
pathetische Anwendung gegen Fallsucht. Für Volksmedicia und 
gelahrte Heilkunde vieler Jahrhunderte wirkte eben der Edda 
(Hawamal, Ed. Simrock, 138) wundersame Mahnung mit, die im 
Princip mit der Homöopathie übereinstimmt: 

Dies rath ich, Loddi'afnir, vernimm die Lehre, 

Wohl dir, wenn du sie merkst: 

Wo Oel getrunken wird, ruf die Erdkraft an ; 

Erde trinkt und wird nicht trunken. 

Feuer hebt Krankheit, Eiche Verhärtung, 

Aehre Vergiftung, 

Der Hausgeist häuslichen Hader, 

Mond mindert Tobsucht, 

Hundsbiss heilt Hnndshaar, 

Rune Bereduog, 

Die Erde nehme Nass auf. 



Beg^i^ter. 



Seite 

Abies 77 

Abnehmkrant 63 

Abras precatorius 6 

Achillea Chiavennae 57 

Aconitum 48 69 

Actaea spicata 11 

Adlerfarn 18 

Agenbolz, neunerlei 37 

Akazie 40 

Alchemilla alpina 33 

AUermannsharnisib .... 14 46 

AUinm magicum 11 

AUium sativam 11 

Alliam Victoriaiis .... 14 46 

Alnus 15 

Alpenglöckcben 63 

Alpenleinkrant 41 

Alraun .... 10 14 23 41 67 

Alraun, wilder 46 

AlysBon 9 

Ankerkraut 23 

Autirrhinum 49 

Antirrhinum niaiu.s '. 16 

Antirrbinnm Orontinm .... 16 

Artemisia 74 

Artemisia Abrolanum 16 34 62 

i^rtemisia Absintbiuiu .... 17 

Artemisia vulgaris 17 

Asplenium Rata muraria . . 19 34 

Atbyrium Filix femina .16 18 

Atropa Belladonna .... 20 47 

Attich 61 

Auricula nrsi minima 50 



Seite 

Baldgreis 63 

Barbe de Joves 62 

Baumförmiger Scbneckenklee . . 48 

Bedegoare 52 

Beifttss 17 

Bellisartiger Ehresprela .... 74 

Berafskräiiter ... 9 28 63 

Bescbrei kraut »fr .... 9 41 63 

Beseichkraut 23 

Betula alba 20 

Bibemell 36 

Bilsenkraut 48 52 

Biike 20 

Bitteraüss 47 

Blauer Steinklee 48 

Bocksdorn 41 

Bobne 11 

Botrycbium Lunaria . . 19 23 

Bruchkraut 32 

Bryonia 46 

Bryonia alba 23 

Bryonia dioica < . ^3 

C'ältha palustris 23 

Campanula 63 

Campanula rotundifolia .... 24 

Cbristopbskraut 11 

cistec 64 

Oonyza coerulea 28 

Corylus avellana 1^4 58 

Oraftkraut .... ... 50 

Cytisus alpinus 70 

Cytisus Labnrnum ... . 70 



81 - 



Stite 

Datura Stramonium 47 

Daaron 28 

Dillen 49 

Donnerbart . . 62 

Donnorwurz 62 

Dorant 16 49 

Dosten IG 33 49 

Drosera longifolia 27 

Drosera rotandifolia 27 

Dudaim 42 

Dust 49 

Eberraute 16 34 

Ehrenpreis 40 

Ehrenpreis, bellisartiger .... 74 

Eibe 32 37 64 

Eiche 58 75 

Eisenhut 68 

Eisenkraut 63 72 

Elfenbeere 51 

EUhoru 60 

Elsenbeere 51 

Engelsüss 19 

Engelwurz 30 

Epheu 32 

epphes 62 

Erdmännlein 45 

Erica tetralix 28 

Erica vulgaris 27 

Erigeron acre 28 63 

Erle 15 

Er^thraea ramosissima .... 29 

Esche 58 

Eupatorium cannabinum ... 17 

Europäische Eiemenblume ... 76 

Farnkräuter 16 18 

Farnsamen 18 19 

Fichte 37 

Fleischblum 68 

Folia lauri 62 

Fragaria 70 

Fuga daemonum 33 

Fünffingerkraut, kriechendes . . 50 

Galgenmännlein 43 45 

Galium 64 

Galium verum 29 

Gartenraute 34 

Geldmännchen 23 

Gentiana cruciata 30 

Gerader Ziest 63 

Geum reptans 57 

Gewürznelken 53 

98. Nr. 119/98. 



Seite 

Ginster 36 

Glechoma 34 

Glechoma hederacea 30 

Glückshändchen 19 

Glücksklee 67 

Glücksmännlein 45 

Goldmännlein 45 

Greinkran t . 18 

Grimmenkraut 63 

Grüne Niesswurz 33 

Gundelrebe 30 34 

Gundermann 32 

Hagebutte 52 

Hagedorn 58 

Hagerose 52 

Hanf 40 

Hartan 33 

Hartenaue 33 

Haselnuss • • • 24 

Hauhechel 48 

Hauswurz 62 

Heckenrose 51 

Heckmännchen ... . 23 44 

Hedera helix 3i 

Heid, weisse 33 

Heidekraut 27 

Heiderich 27 

Heil aller Schäden 30 

Heiliges Kreuzholz 78 

Helleborus viridis 33 

Herba Sideritidis 63 

Herniaria glabra 32 

Herrgottshölz'l 17 

Hetschepetsch 52 

Hetscherln 52 

Hexenkraut 16 

Hexensalbe 48 

Hierobotane 72 

Hillebrandt 71 

Himilbrando 71 

Himmelbrand 71 

Himmelstengel 30 

Holderbusch 59 

Holler 59 

Hollerbusch 59 

HoUerstaud^n 38 

Hollunder 52 59 

Holly 34 

Hundsrose 51 

hüswnrz 62 

Hyacinthe 11 

Hyoscyamus niger 52 

Hypericum 49 

6 



- 82 - 



Hypericum perforatnm 
Hyphear 



Hex aquifolinm 
Imperatoria . . 
Innla Conyza . 
Innia Helenlum 
Irrwurz • . . 
Iseiibraut . . . 



16 



Jagetenfel 

Johannishändchen 

Johanniskrant 11 33 

Johanniswtirzel 

Jovis barba 

Juniperus 55 

Juuiperus communis 

Juniperus Sabina .... 34 



• ♦ • • 



Kalmus 

Kiefer 

Kirschbaum .... 
Klee, vierblättriger . . 
Kleinste Schlüsselblume 
Klettenwurzel .... 

Knoblauch 

Königskerze 

Kornblume 

Körfcheswurzl 

Kraftkraut 

Krenzenzian 

Kreuzkraut 

Kreuzwurz 

Kriechender Klee 

Kriechendes Fünffingerkraut . 
Kronawett'n 



11 



Seite 
33 
77 

34 
34 
28 
17 
19 
73 

33 
19 
49 
19 
62 
61 
35 
37 

53 

37 

58 

67 

50 

20 

53 

71 

56 

23 

50 

30 

63 

30 

68 

50 

36 



Ijabkraut 

Ladies bedstraw 

Lanawurzen 

Lanlauch 

Lärche 37 

Larix 

Lauch 

Lavendel 

Ledum palustre 

Legföhre 

Leimmistel 

Leucanthemum 

Leucanthemum vulgare .... 

Levisticum 

Liabe Frauen schucherl . . . 
Liebfrauenstroh 



29 
29 
15 
15 
77 
77 
13 
53 
33 
37 
74 
67 
39 
34 
48 
29 



Liebstöckel . . 

Linaria alpina 

Linde 

Lithospermum ofücinale .... 
Loranthus europaeus .... 

Löwenmaul 

Lycium barbarum 

niachandelboom .... 
Mandragora . 14 19 20 23 
Mandragora officinalis .... 
Maria-Bettstroh .... 

Marienbettstroh 

Marienbündel 

Martinsgerte 

Matraguna 

Mauerraute 19 

Maulda 20 

Medicago arborea 

Meisterwarz 

Melilotus coerulea 

Mistel 

misteltan 

misteltheinni 

misteltoe 

Mithridat 

Modelgeer 

Mohnpflanze 

Moly 

Mondraute 19 

Moorheide 

Moosgallen 

Mugwurz 

Malleinöl 

Muskat 

Muttergott esbettstroh 

Muttergottesdorn 



Nardus stricta .... 
Narrenkohlen .... 

Neidklee 

Nessel 

Nesseln der Frau Holle 
Neunerlei Agenholz . . 
Neunhämmerlein . . . 
Niesswurz, grüne . . . 
Nimm-ma-nix .... 



Seite 
34 
41 
67 
41 
76 
16 
41 
36 
67 
41 
29 
64 
29 
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47 
34 
47 
48 
34 
48 
34 
76 
76 
76 
53 
30 
48 
11 
23 
2d 
52 
16 
71 
53 
29 
43 

57 
17 
48 
17 
ö2 
37 
15 
33 
. 33 



Oberharnisch 15 

Ononis spinosa 48 

Orakelblume 3^ 67 

Orant 49 

Origanum vulgare .... 16 49 

Oxalis tetraphylla 70 



— 83 — 



Seite 

Paeonia offlciaalis 6 49 

Palmbusclien 78 

Palmkätzchen 55 

Pappeln 76 

Paternostererbsen 6 

Perestup 23 

Pestessig 53 

Petersilie 50 

Petersschlüssel 23 

Petroselinum sativnm 50 

Pfingstrose 6 49 

Phaseolns mnltifiorns 70 

Pimpanell 36 

Pimpinella magna . . 37 

Polypodium vulgare 19 

Polystichum Filix mas .... 18 

Polytrichnm commune . ... 33 

Potentilla repens 50 

Preiselbeere 22 

Primula farinosa 57 

Primula minima 50 

Prunus Padus 51 

Pnlicaria dysenterica 28 

Pulicaria vulgaris 28 

Quadrifolium phyllon fuscum . 

hortorum 68 

Raucbkräuter 17 

Baute 53 

Rheumatischkrant 64 

Biemenblume, europäische ... 76 

Robin ia Pseudacacia 40 

Rosa canina 51 

Rosa rubiginosa 53 

Rosmarin 53 

Rothklee 68 

Rue 53 

Rundblättrige Glockenblume . . 24 

Rupfblume 39 

Ruta 34 

Ruta graveolens 53 

rate 62 

Salbei 53 

Salix 54 61 

Salvia 53 

Sambucus Ebulus 61 

Sambucus nigra .... 52 55 59 

Sanct Jacobskraut 63 

Sauet Peterskraut ...... 30 

Sanct Walpurgiskraut .... 23 

Sauerklee 70 

Scabiosa 34 



Seite 

Scabiosa succisa 61 

Scherzenkraut 62 

Schierling 48 

Schildfarn 18 19 

Schlafäpfel 52 

Schlafdorn 62 

Schlaff-Nachtschatten 48 

Schlafkonrad 52 

Schlafkunz 52 

Schltlsselblume, kleinste ... 50 

Schmetterlingsblüth r 70 

Schneckenklee, baumförmiger . 48 

Schradlbaum . . 34 

Schwarzenbergisches Mittel . . 6Ä 

Schwindelkraut 50 

Scopolina atropoides ... 20 47 

scozwurze 62 

Sebenbaum 37 

Seg'nbam 34 

Sempervivum tectorum .... 62 

Senecio vulgaris 63 

Sibyllenwurz 30 

Sideritis 63 

Siebenhämmerlein 15 

Sieglauch 14 

Solanaceen 48 

Solanum Dulcamara 47 

Soldanella alpina 63 

Sonnenthau 27 

Sonnenwendkraut 11 

Speeren stich 30 

Speikwurzeln 57 

Spitzbubenessig 53 

Stachys recta 63 

Stechapfel 47 

Stechpalme 34 

Steineiche 77 

Steinklee, blauer 48 

Steinsame 41 

SteUs 77 

Stoanneidkraut 19 

Sumpfdotterblume 23 

Sumpfporst 33 

Tabak 49 

Tanacetum vulgare 17 

Tanne 37 77 

Taumellolch 48 

Tausendguldenkraut 29 

Taxus 32 

Taxus baccata 64 

Terebinthe 77 

Teufelsabbiss 34 61 

Teufelsbanner 33 

6* 



Tinloliflnclit 

Thalictrnm 

TherUk 

Thor«l)Bn Steins 

Thymian 

TbymnB 

Tili» europae» 

TollkiNch« 20 

Traab«nkirEche 

Trifolium 

Trifalinm pratenae 

Trifoliam rapenB 68 

TOpfelfarn 

Vnhaldmkerze 

Uoser Lieben Frao B«ttatroh 
Unserer Franen Bettetrob . . 
UnaerM Herrn Gottes Wnndkraot 

Valeriana aßcin^is 

Vei leben vnnel . 

Terbascum Thapans 

Verbeen 

Terbena officinalis 

TerachreikranU ...... 34 

Veronlca 

Veronica beUidioidei 

Veraweigtea Tanseadgaldenbraat 
VierbIftttrigerElee .... 10 

VierrftnberesBig 

Tucam albnm 34 



Seite 

Viscnm laxnm ........ 77 

vispelteu 76 

TJnaigre de qnatre voleara . . 63 

Wacbholder 35 53 

Waldfam 18 

Weide 54 

Weinroae, wilde ..,..,. 53 

Weime Hvide 28 H3 

WendwDrzeln . B7 

Wennath 63 

WetterpHanie 6 

Widerthonmooa 33 

Wieaeaklee 68 

Wieaenraate 66 

Wilde Pflanme 77 

Wilde Weinroae 63 

Wilder Airann 46 

Wolffawartz 48 

Wolfamilch 48 

Wollkraut 71 

Woliblamen 71 

Wünachelmthe .... 18 24 58 

WQDBcfielsamen 18 

Eanniftbe 23 46 

Zieit, gerader 63 

Zlmmt 53 

Zirbs 87 

Zwerghall oader 61 

Zwiebel 11 



1 Horitz Perlea. — Druckerei der k. Wiener Zeitung. 



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