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Full text of "Zentralblatt für Kinderheilkunde 22.1917"

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KINDERHEILKUNDE. 


EINE MONATSSCHRIFT FÜR PRAKTISCHE ÄRZTE. 


HERAUSGEGEBEN 


- VON 


San.-Rar Dr. E. GRAETZER 


IN FRIEDENAU-BERLIN, 


22. JAHRGANG 1917. 


LEIPZIG, 


VERLAG VON JOHANN AMBROSIUS BARTH 
| 1917. 


& 


Alle Rechte vorbehalten. 


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Inhaltsverzeichnis des 22. Jahrganges. 


Referate. 


Anton, Verschlechterung der Erblichkeit bei 'Trinkern 208. 
— Stauungspapille bei Turmschädel 240. 
v. Arnim, E., Nasendiphtherie Neugeborener 86. 


Bacalogla, C. u. Souban, F., Sur l’origine embryonnaire des myopathies pro- 
gressives 107. | 

Baginsky, A., Beitrag zur Kenntnis der Ruhr im kindlichen Alter 37. 

— Zur Therapie des Hydrops im kindlichen Alter 77. 

Bahrdt, H. u. Edelstein, F., Der Energie- und Stoffwechsel eines atrophischen 
Säuglings 31. 

— — Die flüchtigen Fettsäuren in frischer und verdorbener Säuglingsnahrung 29. 

— — Hanssen, P. u. Welde, E. F., Tierversuche über die Vermehrung von - 
terien und die Bildung flüchtiger Fettsäuren im Magen bei Fütterung von keim- 
reicher Nahrung 29. 

Ballaban, M., Über den orbitogenen Hirnabszeß 209. | 

Bauer, J., Schutz vor Infektionskrankheiten in Kinderheimen und Krippen 179. 

Beals, M. B., Refraction of mentally defective children 49. 

Becker, Die Dauererfolge der Behandlungen von Kindern in Nordseehospizen 186. 

Beekman, Precocions maturity in girls with report of a case 189. Eo o o 

Benders, A. M., Zwei Fälle von familiärer amaurotischer Demenz 168. 

Bergmann, E., Die physiologische Gewichtsabnahme und die Beziehungen zwischen 
Ernährung und Gewichtsverlauf bei 1000 Neugeborenen 178. i 

Bergmann-Grunwald, E., Fall von sogen. Hemispasmus der Unterlippe 30. 

Bernheim-Karrer, Einfluß der Milchzersetzung auf die Entstehung akuter Ver- 
dauungsstörungen der Säuglinge 158. ; 

Biesalski, K., Erfahrungen mit der Försterschen Operation bei Littlerscher 
Krankheit 128. TE 

Billquist, 0., Demonstration av en 6-månanders flicka, där diagnoen våger mellan 
myatonia congenita och progressiv spinal muskelatrofie, typ Werdnig-Hoff - 
mann 211. 

Boas, K., Kritische Bemerkungen über den ätiologischen Zusammenhang zwischen 
Chorea minor und Syphilis 243. 

Böhm, K., Beitrag zur pathologischen Anatomie und operativen Therapie des 
angeborenen Hydrophthalmus 15. 

Börger, F., Zwei Fälle von Arachnodaktylie 57. 

Bolten, G. C., Das klinische Bild der Epilepsie 65. 

Bomret-Laborderie, A., Traitement par la paracenteöse d'urgence de l’asphyxie 
„immédiate“ des nouveau-nés syphilitiques atteints d’ascite 48. 

Broca, A., Pseudo-mal de Pott hysterique 107. 

Brodrich-Pittard, N. N., Zur Methodik der Lezithinbestimmung in Milch 16. 

v. Brudziński, J., Neue Form des Nackenphänomens bei Kindern im Verlaufe von 
Gehirnhautentzündung: das Nackenphänomen an den oberen Extremitäten 4. 

Brunner, H., Gezeitenamplitude und epileptischer Anfall 240. 

Burr, Ch. W., Chronic dementia, cerebellar ataxia and epileptiform convulsions 
in a boy caused by ptomain poisoning from eating canned salikon 170. 


Chatelin, Ch., Le diagnostic de l’anencephalie avec ou sans hydrocéphalic appa- 
rente par la reoherche de la transparence du crâne 190. | 


IV Inhaltsverzeichnis, 


Christeller, E., Funktionelles und Anatomisches bei der angeborenen Verengerung 
und dem angeborenen Verschluß der Lungenarterie 241. 

Curschmann, H., Einige seltene Formen der Migräne 14. 

— Epidemie von myositischer Pseudogenickstarre 237. 


Dollinger, F., Fall von Bromoderma tuberosum bei einem 9 monatigen Säugling 
im Anschluß an Bromkalziummedikation 2. 

Drossaers, J. G., Bijdrage tot de localisatie von perifere facialis-verlammungen 190. 

Duane, A., Torticollis relieved by tenotomy of the inferior oblique 190. 

Dubs, J., Zur Pathologie des persistierenden Ductus omphalo-entericus 67. 


Eastman, J. N., Partielle Dauerkompression beider Carotides communes bei 
Epilepsie 209. 

Ebeler, F., Intrauterine Nabelschnurumschlingung 58. 

Egyedi, H., Kombination von syphilitischem Primäraffekt der Vulva mit iso- 
lierter diphtherischer Vulvitis 159. 

Ernberg, H., Fall av paralysie generale hos ett barn 210. 

Ernst, N. P., Atresia infrapapillaris duodeni congenita. Duodeno-Enteroanasto- 
mose 48. 

Etienne, 6., Vitiligo, Epilepsie et heredosyphilis 49. 


er H., Fall von rechtsseitiger sogenannter sklerotischer RN des Ge- 

irns 43. 

Fahrenkamp, K., Über einen atypischen Fall von Chorea minor mit Lähmungs- 
erscheinungen "240. 

Fingowa, N. u. Delbanco, E., Anal-, Vulva- und Nasendiphtherie als Komplikation 
des Typhus abdominalis 206. 

Fischl, R., Wesen und Behandlung der Zystitis und Zystopyelitis im Kindes- 
alter 120. 

Forterau-Brickdale, J. M., A case of congenitale hemihypertrophy 89. 

Franz, Th. u. Kuhner, M., Impfung von Schwangeren, Wöchnerinnen und Neu- 
geborenen 117. 

Franzen, B., Fall von paralytischer Luxation des Hüftgelenks infolge rechts- 
seitiger spastischer Rip 16. 


Gardnier, J., Congenital alsance of right plitoralis major and minor muscles 149. 

Gaugele, K., Die sogenannte Entbindungslähmung des Armes 15. 

— Behandlung der angeborenen Hüftgelenksverrenkungen 243. 

Gfrörer, W., Zum Einfluß der Schädelimpressionen auf den Neugeborenen und 
seine körperliche und geistige Entwicklung 67. 

Glousset, D. F., Malignant sympathicus tumor of the rigt suprarenal 90. 

Gött, Zur Kasuistik ungewöhnlicher Röntgenbefunde am kindlichen Thorax- 
mittelschatten 79. 

Graf-Haller, Anatomisch-physiologische Studien und Betrachtungen über kon- 
genitalen Hydrozephalus 168. 

Griffith, J. P. C., Fall von akuter zerebellarer Ataxie bei einem Kinde mit schneller 
und vollständiger Heilung 210. 

Grünfelder, B., Beeinflussung der Magensaftsekretion durch Infektion und deren 
Folgen auf die Magendarmstörungen des Säuglings 45. 

ne J. H., Orbital abscess with optic neuritis duo to acute ethmoiditis in a 
child 107. 

Guttmann, M., Einige Beispiele individueller körperlicher Entwicklung 137. 


Hänel, H. u. Bielschowsky, M., Olivozerebellare Atrophie unter dem Bilde des 
familiären Paramyoklonus 127. 

Hammar, J. A., Mikroskopische Analyse der Thymus in 14 Fällen sogenannten 
Thymustodes- 117. 

— Gewisse Fälle von Thymusasthma im Lichte der Thymustopographie. 118.. 

Hansen, Gehäufte kleine Anfälle bei Zwillingen 188. 

Heller, F., Blutzuckergehalt bei neugeborenen und frühgeborenen Kindern 17. 

Hellwig, A., Statistisches über den Kinobesuch der Kinder 45. 

Henschen, F. u. Reenstierna, J., Zur Pathologie der sogenannten Weilschen 
Krankheit: Fall von Proteusinfektion beim Säugling 197. 


Inhaltsverzeichnis. V 


Hess, R., Ernährungsbedingungen des Säuglings im Kriege 87. 

Hölder, H., Intrauterine Femurfraktur bei Spontangeburt in Schädellage 183. 
Hoffmann, E., Erythema infectiosum 33. 

Hofmann, A., Behandlung. des Hirnprolapses mit künstlicher Höhensonne 61. 
Holst, P. F., Orthotische Albuminurie und ihr Verhältnis zur Nephritis - 89. 


Janssen, Therapie des sogenannten Azetonerbrechens 118. 

Jaschke, R. Th., Das transitorische Fieber des Neugeborenen 16. 

Jauert, B., Über die in den Jahren 1896—1913 zur Beobachtung gelangten Hirn- 
abszesse in der Ohrenklinik des Kgl. Charit&krankenhauses und der Universitäts- 
ohrenklinik in Berlin 44. 

Jensen, Th., Hintere Hals- und Nackendrüsen bei Säuglingen in den ersten neun 
Lebenstagen 178. 

Johannsson, S., Om behandlingen av den tuberkulösa spondyliten med sarskilt 
avscende fastat vid Albees operation 148. 

John, M., Bedeutung der Tonsillen für Gesundheit und Wehrfähigkeit 166. 

Justitz, I Paravakzine, eine besondere Erscheinung der Blatternschutzimpfung 
238. 


Kirsch, A., Alkohol und Kindersterblichkeit 66. 

Kisskalt, K., Körperkonstitution der ostpreußischen Stadt- und Landschulkinder 
139. 

Kleinschmidt, H., Diabetes mellitus im Kindesalter 101. 

— Zur Prophylaxe der Kindertuberkulose 1%. 

Klinger, R. u. Schoch, E., Leistungsfähigkeit und Wert der baktcriologischen 
Diphtherieuntersuchungen 88. 

Koch, H., Die Tuberkulinbehandlung im Kindesalter 97. 
— TInitielfieber der Tuberkulose 97. 

Korach, L., Über traumatischen Scharlach 161. 

Kraupa, Beitrag zur Kenntnis kongenitaler Anastomosen der Papillen und Netz- 
hautgefäße 208. 

Krause, Ch., Serumtherapie bei Scharlach 77. 

Krause, W., Einfluß der hereditären Belastung auf Form und Verlauf der Tuber- 
kulose der Kinder 78. 

Bee A. u. Lenk, E., Einfluß des Fettgehalts der Milch auf die Labungsgeschwin- 

gkeit 46. 
Ana: J., Zur Therapie der Pneumokokkeninfektion des Auges durch Optochin 


Kulik, R., Beitrag zur Lehre von der retrobulbären Neuritis optici auf hereditärer 
Grundlage 18. 

Kunckel, D., Zur Kenntnis der Blutveränderungen bei Frühgeburten und debilen 
Kindern 97. 

Kutzinski, A., Aphasische Störungen nach gehäuften epileptischen Anfällen 188. 


Landau, H., Gramfestigkeit von Diphtheriebazillen und diphtherieähnlichen Ba- 
zillen und ihre differentialdiagnostische Bedeutung 145. 

Lang, Ta Chirurgische Behandlung des Hydrozephalus 242. 

Langer, H. u. Krüger, H., Die Gramfestigkeit der Diphtheriebazillen und Pseudo- 
diphtheriebazillen als differentialdiagnostisches Merkmal 3. 

Laquer, B., Hilfsschule, Ehe und Nachkommenschaft 203. 

Lazar, E., Die nosologische und kriminologische Bedeutung des Elternkonfliktes 
der Jugendlichen l. 

Lewis, F., Frissel Report of a case of acute poliomyelitis 149. 

Licen, E., Zur Symptomatologie der Herderkrankungen der motorischen Region 
bei Epileptikern 187. 

Lichtwitz, A., Die Durchbruchszeit der ersten Milchzähne 42. 

Liefmann, E., Harnsäuregehalt des kindlichen Blutes 58. 

Lövegren, E., Experimentelle Beiträge zur Kenntnis des alimentären Fiebers 57. 


Martin, E. G. u. Lowett, R. W., A method of testing muscular shength in infantile 
paralysis 90. 
May, C., Fall von malignen hämorrhagischen Varizellen 78. 


VI Inhaltsverzeichnis, 


Mayerhoier, E., Vakzination mit abgeschwächter SUN Bosse ymphe 137. 

Milligan, W., Cerebellar abscess; operation 170. 

Misch, W., Hemiplegie bei Diphtherie 184. | 

Mönkemöller, Die Strafe in der Fürsorgeerziehung 188. 

Mössmer, Kriegsneugeborene 11. 

Momm, Hat die eiweiß- und fettarme Nahrung einen Einfluß auf die Entwioklung 
der Frucht? 41. 

Moore, J. W., Fracture of the base of the skull withe escope of cerebrospinal fluid 
from the car. The effeot of atropine and epinephren upon the secretion 169. 

Morgenstern, K. u. Gruber, G. B., Multiple Hautinfarkte nach Masern 57. 

Münzberg, P., Die Gramfestigkeit der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen 
und ihre differentialdiagnostische Bedeutung 237. 

Mumson, J. F. u. Shaw, A. L., The pituiatry gland in epileptics 49. 


Naef, M. E., Psychosen bei Chorea 208. 

Nägeli, Th., Skoliosen infolge angeborener Anomalie der Wirbelsäule 16. 

Netter, A., Observation de méningite cerebro-spinale compliquée de cécité. Retour 
de la vision chez trois enfants atteents de cécité après la méningite cérébrospinale 
149. 

Nobel, E. u. Steinebach, R., Zur Klinik der Splenomegalie im Kindesalter 32. 

Noeggerath, Zwei Vorschläge zur Vorbeuge erhöhter Säuglingssterblichkeit im 
Sommer 1917 240. 

Norgaard, A., Quantitative Methode zur Bestimmung von Eiter im Urin Pyelitis- 
kranker mittels Wasserstoffsuperoxyd 118. 


Opitz, H., Beitrag zur ee des Friedmannschen Tuberkuloseheilmittels bei 
Kindern 31. 


Peller, S., nennen der Neugeborenen und Einfluß der Schwan- 
gerenernährung auf die Entwicklung des Fötus 179. 

Pfaundler, M., Schulorganisatorischer Vorschlag zur Minderung der Kindersterb- 
lichkeit an akuten Infektionskrankheiten 100. 

— Vorfensterlager zur Freiluftbehandlung von Säuglingen 138. 

— Körpermaßstudien an Kindern 177. 

— Kleinkinderkost im Kriege 204. 
v. Pirquet, Die Paravakzine 157. 


— Sitzhöhe und Körpergewicht 198. 
Platenga, P. u. Filippo, J., Anormale Zusammensetzung der Frauenmilch 178. 
Pottron, H., Beiträge zur Kenntnis der juvenilen Paralyse und juvenilen Tabes 17. 


Rach, E., Zur Radiologie pleuraler Ergüsse bei Kindern 30. 

Rattner, B., Fall von Bromoformvergiftung 3. 

Reiche, A., Welches sind die Lebensaussichten der vorzeitig geborenen Ķinder 
und durch welche Maßnahnıen lassen sich dieselben günstiger gestalten? 83. 

— Wachstum der Frühgeburten in den ersten Lebensmonaten 157. 

Reiche, F., Meningitis bei Diphtherie 2. 

v. Reuss, Beobachtungen über das Schicksal der Kinder eklamptischer Mütter 138. 

Reyerson, E. W., Recurrent spondylolisthesis, with paralysis; bove-splint trans- 
plantation 169. 

Richter, Frage der Dienstfähigkeit und Zurechnungsfähigkeit bei der erethischen 
Form des angeborenen Schwachsinns 243. 

Riedel, Aseptisches Fieber nach Bluterguß in die Bauchhöhle 39. 

Rolly, F., Bazillenträger, ihre Entstehung und Bekämpfung 169. 

Rominger, E., Rachitis und innere Sekretion 30. 

Rubenson, A., Ett fall av Diabetes insipidus med Jacksons epilepsi 148. 

Ruge, C., Einfluß der Kriegsernährung auf Fruchtentwicklung und Laktation 7. 


Sachs, E., Intracranial teleangiectasis symptomatology and treatment, with report 
of two cases 107. 

Schaefer, Zahnkrankheiten und Kriegsernährung 168. 

Schaeffer, H., Versuche über Abtötung von a LE durch O procin und 
Eucupin 98. 


Inhaltsverzeichnis, vi 


Schick, B., Zur Frage der physiologischen Körpe! gewichtsabnahmo des Neu- 
geborenen 138. 

Schiötz, C., Wachstum und Krankheit 158. 

Schippers, J. C., Wert der Luetinreaktion 79. 

Schloss, E., Über Rachitis 180. 

~~ Rachitis,, pathologische Chemie und Stoffwechsel 168. 

Schneiderhöhn, O., Zur Therapie der Hirschsprungschen Krankheit 80 

Schnitzer, H., Forensische Psychiatrie und Fürsorgeerziehung 189. 

Schüller, R., Eigenartige Schädeldefekte im Jugendalter 129. 

Segawa, M., Kombination angeborener und erworbener Skeletterkrankungen 79. 

Seitz, C., Gesundheitliche Kleinkinderfürsorge 123. 

Sellheim, Beeinflußbarkeit der Nachkommenschaft 241. 

Serog, Zerebellare Ataxie nach Diphtherie 62. 

Sharpe W. u. Farrel B. P., A new operative treatment for selected cases of cerebral 
spastic paralysis 169. 

See H. A., De beteekenis van het facialisverschijnsel voor de Konstitutie 


rt Appendektomie durch die linke Leistenbruchpforte bei normalem All- 
gemeinsitus 86. 

Soucek, A., Das Fleckfieber im Kindesalter 46. 

Soutter, Operation bei Hüftkontrakturen nach Poliomyelitis 16. 

Spiegelberg, Diphtheriebazillen beim Geflügel 128. 

Spiller, W. G., Severe jaundice in the newborn child. A cause of spastic cerebral 
diplegia 169. 

Stasubli, C., Eine physiologische Erklärung für die Eigenart des fötalen Blutkreis- 
laufes 239. 

Stahr, H., Zur Gramfärbung des Löfflerschen Diphtheriebazillus 80. 

Stevens, H. C., Mongolian idiocy and syphilis 89. 

Stümpke, G., Beobachtungen über Rektalgonorrhoe bei Kindern 202. 

Synnot, M. J., A case of Bells palsy 171. 

Taegen, H., Intrazerebrale, nicht auf Traumen beruhende Blutungen 77 

Tschirch, A., Zur Frage der Kriegsneugeborenen 180. 


van Wagenburg, G. A. M., Revaccineeringsneuralgieen 209. 
Wagner, G., Untersuchung von Blutausstrichen Scharlachverdächtiger nach 
Döhle in Untersuchungsämtern 81. 
Wartvinge, E., Tvä fall av myxoedema congenitalis 210. 
Weber, R., Beurteilung der psychischen Hemmungen für die Beurteilung durch 
Schul- und Gerichtsärzte 189. 
Wechselmann, W., Schulepidemien von Pityriasis alba maculata 5. 
Weihe, F., Die interlobäre Pleuritis im Kindesalter und ihr röntgenologischer 
Nachweis 98. 
— Kongenitale Zwerchfellhernie und ihre Darstellung im Röntgenbild 138. 
Whipham, T. A., Congenital word and letter blindness 171. 
Wilmanns, K., Beitrag zur Psychologie der Kinderaussagen vor Gericht 66. 
Wilms, Halsdrüsentuberkulose und Lazar ettbehandlung 237. 
Wolff, Das Abbottsche Verfahren in der Behandlung der Skoliosen 13. 
Wollenberg, Spontanheilung der angeborenen Hüftluxation 121. 
Wright, H. W., Infantile hemiplegia. A case with unusual ovset and obscure 
etiology 148. 
Wynkoop, D. W., Reflection on poliomyelitis 108. 


Ylipö, A., Chronisches Fieber ohne im leben erklärbare Ursache bei Myatonia 
congenita 198. 

— Vorübergehende, eventuell chronische Genitalodene bei Frühgeborenen auf 
Grund lokaler mechanischer Stauung 199. 


Zadek, J., Fall von Sklerodermie mit typischem Röntgenbefund 199. 
Zap ert, J., Gehäuftes Auftreten gutartiger Fazialislähmung beim Kinde 117. 
ber einen epileptiformen pseudobulbären Symptomenkomplex mit günstigem 
Verlauf 124. 
Zondek, H., Funktionsprüfungen bei Nephritis und orthotischer Albuminurie 15. 


VHI Inhalteverneichnis. 


Aus Vereinen und Versammlungen. 


Gesellschaften, vereinigte ärztliche Berliner 129. 
Gesellschaft für Kinderheilkunde 244. 
-—, für Psychistrie und Nervenkrankheiten, Berliner 28. 
—, niederrheinische,. für Natur- und Heilkunde, Bonn 130, 172. 211. 
—, medizinische, Freiburg 132. 
—, medizinische, Göttingen 173. 
—, medizinisch-naturwissenschaftliche, Jena 130. 
—, medizinische, Leipzig 71. 
—, schweizerischer Pädiater 90. 
V. Kongreß für Säuglingsschutz. und III. Krippenkonferenz 191. 
Kriegsärztliche Abende in Berlin 211. 
Landeskonferenz für Säuglingsschutz, Preußische 49. 
Verein für Schulgesundheitspflege, 15. Tagung des Deutschen 100. 
—, medizinischer, Greifswald 150, 173. 
—, ärztlicher, Hamburg 72, 130, 162, 173, 212. 
—, Naturhistorisch-medizinischer, Heidelberg 212. 
—, ärztlicher, Marburg 153, 154. 
—, unterelsässischer Ärzte 150. 
Vereinigung zur Förderung des Deutschen Hebammenwerens 51. 


Neue Bücher. 


Bendix, B., Lehrbuch der Kinderheilkunde 76. 

Brauer, L., Beiträge zur Klinik der Infektionskrankheiten und zur Imnimnitäts- 
forschung 27. 

Engel, St., Die Ernährung des Säuglings 248. j 

— u. Baum, M., Grundriß der Säuglingskunde nebst einem Grundriß der Säug- 
lingsfürsorge 76. 

Feer, Lehrbuch der Kinderheilkunde 195. 

Hecker, R. u. Werner, Hilfsbuch der Säuglingspflege 248. 

v. Jaschke, R. Th., Physiologie, Pflege und Ernährung des Neugeborenen 248. 

Magnus Hirschfeld, Sexualpathologie 135. 

Lobsien-Mönkemüller, Experimentelle praktische Schülerkunde 76. 

v. Mikulicz, J. u. Frau Tomasezewski, V., Orthopädische Gymnastik gegen Rück- 
'gratsverkrümmungen und schlechte Körperhaltung 195. 

v. Pirquet, ©., System der Ernährung 248. 

Ylppö, A., Neugeborenen., Hunger- und Intoxikationsazidosis i in ihren Beehüngeh 
zueinander 76. 

Ziehen, Th., Die Ceisteskrankheiten des Kindesalters 56. 


Neue Dissertationen. 
28. 135. 


Therapeutische Notizen. 


21. 53. 73. 94. 113. 132. 154. 174. 193. 212. 


Monatschronik. 


. 28. 56. 136. 176. 196. 


Zentralblatt tor 
Kinderheilkunde. 


Eine Monatsschrift für praktische Ärzte. 


22. Jahrgang. Januar 1917. Nr. 1. 


— 


I. Referate. 


Erwin Lazar, Die nosologische und kriminologische Be- 
deutung des Elternkonfliktes der Jugendlichen. (Eine 
psychiatrisch-pädagogische Studie aus der Kinderklinik in Wien.) 
(Zeitschr. f. Kinderhlkde. XI. 8.363.) An Hand von interessanten 

aispielen wird die große Bedeutung des Elternhasses für das Zu- 
standekommen dissozialer Erscheinungen bei jugendlichen Individuen 
auseinandergesetzt. Bekanntlich hat Freud als Wurzel alles Übels 
in diesen Fällen erotische Momente gesucht, und Verf. weist darauf 
hin, daß, wenn man schon durchaus nicht an die erotische Wurzel 
allen Übels glauben will, man wenigstens das Übel selbst anerkennen 
und seine Ursache und Wirkungen studieren muß. 


Solche Konflikte können auch in scheinbar besten Milieu vorkommen. 
Hier in kurzem Auszug das erste Beispiel. Ein als Säugling durch Schreien auf- 
fälliges Kind, das im 4. Monate durch einige Tage leichte Krampfanfälle gezeigt 
hatte, beginnt schon im 3. Lebensjahre auffallend trotzig, bockig zu werden, 
lügt gerne. Die Mutter, eine ganz ausgezeichnete Frau, die das Beste für ihre 
Familie will und "sogar selbst eifrig soziale und pädagogische Studien betreibt, 
hat mit ihren Besserungsbestrebungen keinen Erfolg. Der Vater, im Beruf das 
Muster eines Beamten, ein biederer Charakter ohne jeden Makel, ist zu Hause 
ein Tyrann. Er fordert unbedingten Gehorsam der Kinder, neigt zu Zornes- 
ausbrüchen; läßt aber andererseits den Kindern Dinge angehen, die besser ver- 
mieden werden sollen. Der Patient war anfangs ein ausgezeichneter Schüler 
und bis zur 3. Gymnasialklasse Vorzugsschüler. Dann langsames Abflauen, in 
der 6. Klasse nahe am Durchfallen, was in der 7. Klasse auch erfolgte. Dann 
Versuche mit Handelsschulen und ähnlichem. Alles scheiterte an dem Wider- 
willen des Patienten, er betrieb Sport, kam in schlechte Gesellschaft, verbrauchte 
viel Geld und bestahl wiederholt die Eltern. In den letzten Monaten ausge- 
sprochene Feindschaft gegen die Eltern. Patient ist wut- und haßerfüllt. Den 
Vater haßt er, weil Patient sich von ihm nicht als Kind behandeln lassen will; 
er habe immer an ihm etwas auszusetzen; er bekomme auch zu wenig Taschen- 
geld. Die Mutter habe er anfänglich sehr geliebt, sie sei ihm durch ewige 
Moralpauken zuwider geworden. Sie mache ihn entsetzlich nervös; ihre Stimme 
sei eintönig, langweilig; er lasse sich nicht bemuttern. In ähnlich ungünstiger 
Weise äußerte sich Patient über die Geschwister; das ganze Elternhaus sei ihm 
nur eine Hölle. 

Der junge Mann kam in eine private Erziehungsanstalt, in der nach kurzer 
Zeit Heilung eintrat. 


Zweifellos liegen in diesem Falle Erziehungsfehler der Eltern 
der Störung zugrunde, und zwar Erziehungsfehler, die bei dem neuro- 
pathischen Kinde viel stärkere schädliche Reaktionen auslösen, 

In einem anderen Falle führt das Moment zum Konflikt, daß 
das uneheliche Kind einer für dasselbe außerordentlich sorgenden 
Mutter über seine Herkunft im unklaren gelassen, von anderer Seite 
auf diese Unklarheit aufmerksam gemacht und gestichelt wird. Es 

Zentralbl. f, Kinderhikde. 22. 1 


2; Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 1. 


b 

entwickelt sich aus der Affinität zum unehelichen Vater, der in 
seiner Abwesenheit ideale Formen und Charakterzüge zuerkannt er- 
hält, eine schwere Feindschaft zwischen Mutter und Tochter, die 
zur Renitenz, Vagieren und sexueller Depravation führt. Ebenso 
häufig macht sich bei großen Kindern der Widerspruch gegen eine 
Wiederverehelichung des verwitweten Elternteiles geltend. Als kon- 
fliktbefördernd wirkt auch der materielle Niedergang einer 
Familie. In allen erwähnten Fällen ist das Vorgehen der Eltern 
nicht gegen die Kinder gerichtet, im Gegenteil, der Konflikt ent- 
wickelt sich bei bestehender Liebe und guter Behandlung durch die 
Eltern. 

Überall sieht man Kampf dieser Kinder zwischen Haß und Liebe. 
Dort wo der Haß einen ordentlichen Grund hat, reagiert er energisch 
ab und macht den dominierenden Liebesgefühlen wieder Platz; dort 
wo die einzelnen Handlungen der Eltern nur geringe Grade des Hasses 
verursachen, muß erst eine Summierung abgewartet werden, bis die 
Reaktion stürmisch erfolgt. Auch hier kann erst dann das primäre 
Liebesempfinden frei werden. Solange dies aber nicht der Fall ist, 
die Liebe sich nicht entfaltet, solange besteht der innere Zwiespalt 
und die Konfliktsstörung, die sehr leicht zur Neurose, zur Dissozialität 
und zur Kriminalität führt. Schick. 

F. Reiche, Meningitis bei Diphtherie. (Aus dem Kranken- 
haus Hamburg-Eppendorf.) (Ebenda. 11, S. 452.) Akute Meningi- 
tiden sind bei Diphtherie selten. Unter rund 8000 Fällen hat Verf, 
sie nur 8mal beobachtet. 2mal handelte es sich um eine Kombination 
mit sporadischer echter Genickstarre, davon einmal auf der Höhe 
der Diphtherieerkrankung. Das zweitemal 2—8 Wochen nach Ablauf 
der Diphtherie, Letzterer Fall verlief tödlich. Infektionsquelle un- 
bekannt. Patient war zweifellos Bazillenträger. Vier weitere Fälle 
waren Fälle von Mischinfektion (hämolytische Streptokokken, Gram- 
positive Staphylokokken, Pneumokokken und Kolibazillen), 

Zwei weitere Fälle sind dadurch interessant, daß ein schweres 
meningitisches Krankheitsbild (Benommenheit, Unruhe, Nackenstarre, 
Wirbelsäulenversteifung, Erbrechen, Kernigsches Symptom) auf der 
Höhe der Diphtherie vorlag, wobei das Punktat nur leicht getrübt 
war und trotz Kulturversuche sich steril erwies. Es gibt also ähn- 
lich wie bei anderen Infektionskrankheiten (Typhus, Scharlach, 
Masern, Pneumonie), wo diese Komplikation häufiger vorkommt, 
ausnahmsweise auch bei Diphtherie eine Meningitis serosa. 

Schick. 

F. Dollinger, Ein Fall von Bromoderma tuberosum bei 
einem 9monatigen Säugling im Anschluß an Bromkalzium- 
medikation. (Aus dem Kaiserin-Auguste-Viktoria-Haus in Berlin.) 
(Ebenda. 11. 8. 460.) Das Kind hatte wegen schwerem Keuchhusten 
im Laufe von 14 Tagen im ganzen 28 g (aBr, = 22,4 g Brom er- 
halten. Am 12. Tage, also nach 22 g ÜaBr, = 17,8 g Brom, zeigten 
sich auf der Haut die ersten Anzeichen einer Intoxikation in Gestalt 
kleiner Bläschen und Knötchen, die im Laufe weniger Tage zu 
großen, derben, warzenähnlichen "Knoten heranwuchsen. Trotz Aus- 
setzen des Broms vergrößerten sich die alten und ‚entstanden ı neue 


I. Referate. 8 


Eruptionen, und erst 10 Tage hernach kam der krankhafte Prozeß 
zum Stillstand. Bei der Entlassung des Kindes nach weiteren 
33 Tagen war zwar ein deutlicher Rückgang zu erkennen, aber es 
bestanden immer noch zahlreiche hanfkorn- bis erbsengroße einge- 
trocknete Hautwucherungen. 

Die Effloreszenzen juckten auffallend stark (was sonst Brom- 
ausschläge nicht tun), traten zuerst an Stellen auf, wo Kampfer 
injiziert worden war, und ähnelten anfänglich Varizellen. Die Unter- 
suchung des Urins auf Brom ergab noch 17 Tage nach Aussetzen 
des Broms deutlich positiven Befund, 39 Tage nach Aussetzen des 
Broms negativen Befund. Schick. 


H. Langer und H. Krüger, Die Gramfestigkeit der 
Diphtheriebazillen und der Pseudodiphtheriebazillen als 
differentialdiagnostisches Merkmal. (Aus dem Städtischen 
Untersuchungsamt Charlottenburg.) (D. m. W. 1916 Nr. 24.) Die 
Gramfestigkeit der Pseudodiphtheriebazillen ist wesentlich stärker 
als die der Diphtheriebazillen. Hierin liegt ein spezifisches Unter- 
scheidungsmerkmal. Es gilt für jedes Wachstumsstadium der Bazillen- 
kulturen, bedeutet daher eine Erweiterung der färberischen Diffe- 
renzierungsmöglichkeit. Verff. empfehlen folgende Färbezeiten: 


Anilinwasser-Gentianaviolett . . 2 Minuten 


Lugolsche Lösung... ... . 5 A 
Absoluter Alkohol. . . ... . 15 m 
Verdünntes Fuchsin . . . ... 1 Sekunde 


Grätzer, 


B. Rattner (Wildau), Ein Fall von Bromoformvergiftung. 
(Ebenda. 1916 Nr. 28.) Am 20. Juni d. J. wurde Verf. zu einem 
4 Jahre alten Knaben gerufen; dieser hatte 1/ Stunde vorher aus 
einer versehentlich unverschlossenen Bromofoımflasche getrunken, 
die dem Kinde zwecks Bekämpfung des Keuchhustens ärztlich ver- 
ordnet worden war. 

Kurz nach dem Genuß von Bromoform fällt das Kind um. 

Verf. findet den kleinen Patienten beinahe bewußtlos, zyanotisch, 
mit kaum fühlbarem frequenten Puls; sonst war nichts festzustellen. 

Das Kind bekommt eine Spritze 10°/,igen Kampfers; darauf 
folgen Übergießungen mit kaltem Wasser. Das Kind wacht auf, 
befindet sich aber im Zustand einer Verwirrtheit. Darreichung von 
starkem Kaffee und eine zweite Spritze Kampfer. Nach einiger Zeit 
kehrt das volle Bewußtsein wieder zurück, der Puls wird voller und 
langsamer. Nach 1/ Stunde ist der Knabe ziemlich mobil, antwortet 
auf Fragen und reagiert auf die Umgebung, ist jedoch nicht im- 
stande, beim Gehversuch das Gleichgewicht zu halten. Nach einiger 
Zeit kommt starkes Erbrechen und nach etwa 3 Stunden vollständige 
Genesung. 

Verf. will gleichzeitig bemerken, daß er die Menge des genossenen 
Bromoforms auf ungefähr 1 cem schätzt, d.h. das Kind hat die 
doppelte Maximaleinzeldosis (0,5 ccm) für Erwachsene und ungefähr 
die sechsfache Maximaleinzeldosis für 4jährige Kinder verbraucht. 

Grätzer. 
1* 


4 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 1. 


Joseph v. Brudziński, Über eine neue Form des Nacken- 
 phänomens bei Kindern im Verlaufe von Gehirnhautent- 
zündung: das Nackenphänomen an den oberen Extremi- 
täten. (Aus dem Karl- und Marie-Kinderspital zu Warschau.) 
(B. kl. W. 1916 Nr. 33.) Dieses Phänomen besteht darin, daß die 
passive Beugung des Kopfes eine Beugung in den Ellenbogengelenken 
und Hebung der Arme auslöst, gerade ebenso, wie bei dem früher 
bsschriebenen Wangenphänomen. 

Die Untersuchung des Kranken muß ebenso durchgeführt werden, 
wie bei der Auslösung des Nackenphänomens an den unteren Extremi- 
täten. Der Untersuchende steht rechts vom Kranken, die rechte 
Hand fixiert den Thorax des liegenden Kindes; man muß aber darauf 
achten, daß die rechte Hand des Kranken auf die rechte Hand des 
Arztes zu liegen kommt, da andernfalls die freie Bewegung der 
kindlichen Hand verhindert sein könnte. Mit der linken Hand wird 
nun eine mäßig kräftige Beugung des Kopfes nach vorne ausgeführt. 
In demselben Momente werden die oberen Extremitäten gebeugt 
und gehoben, die unteren führen dieselbe Bewegung aus. Dieser 
letzte Umstand erklärt uns die Tatsache, daß das Phänomen an den 
oberen Extremitäten bis jetzt der Beobachtung entging: durch die 
Vorgänge an den unteren Extremitäten wird nämlich unsere Auf- 
merksamkeit zu stark in Anspruch genommen, um die Bewegungen 
an den oberen wahrnehmen zu können, besonders dann, wenn die 
rechte Hand des Untersuchenden auf der rechten Hand des Kindes 
liegt und dadurch ihre Bewegung hemmt. Wenn jemand auch 
irgendwelche Bewegungen der oberen Extremitäten bemerkt hätte, 
so konnte er dieselben für Abwehrbewegungen halten. Es kommt 
hier aber noch in Betracht, daß nach Verf.s Untersuchungen das 
Nackenphänomen an den oberen Extremitäten nicht in allen den- 
jenigen Fällen vorhanden ist, wo es an den unteren Extremitäten 
auftritt; dieser Umstand könnte dazu Veranlassung geben, daß man 
diesen Reflex bei ungenügend darauf gerichteter Aufmerksamkeit 
für eine ganz zufällige Erscheinung hält. Nach einer Reihe von 
Untersuchungen kann Verf. mit Bestimmtheit behaupten, daß wir 
es hier mit einem neuen Phänomen bei Gehirnhautentzündung zu 
tun haben, welches man auch als Nackenphänomen bezeichnen muß. 
In Zukunft wird man deshalb zwischen a) Nackenphänomen an den 
oberen Extremitäten und b) Nackenphänomen an den unteren 
Extremitäten oder abgekürzt zwischen a) Nackenphänomen I und 
b) Nackenphänomen II unterscheiden müssen. 

Seit Verf. auf das Nackenphänomen an den oberen Extremitäten 
aufmerksam wurde, beobachtete er es in 35 Fällen gleichzeitig mit 
dessen Auftreten an den unteren Extremitäten, an den oberen Ex- 
tremitäten allein in 7, nur an den unteren Extremitäten in 2 Fällen. 

Das Nackenphänomen trat an den oberen Extremitäten allein 
in folgenden Fällen auf: in 5 Fällen akuter Infektionskrankheiten, 
in deren Verlaufe . meningeale Erscheinungen bemerkt wurden 
(4 Fälle von Typhus abdominalis, 1 Fall kruppöser Lungenentzündung 
eines Oberlappens) und endlich im Falle von Spondylitis cervicalis 
tuberculosa im Stadium der Verschlimmerung. Im Falle der Lungen- 


I. Referate. 5 


entzündung wurde notiert: starke Nackenstarre; positives Wangen- 
phänomen — Kontraktion beider oberer Extremitäten; das Nacken- 
phänomen nur an den oberen Extremitäten. Nach 7 Tagen keine 
Nackenstarre, alle Phänomene nicht mehr auslösbar. In allen 
4 Typhusfällen mit Reizung der Gehirnhaut war auch das Wangen- 
phänomen positiv. Im Falle von Spondylitis cervicalis beobachtete 
Verf. das Nackenphänomen nur an den oberen Extremitäten; 
Wangenphänomen positiv; gleichzeitig wurde auch eine Steigerung 
des Druckes der Zerebrospinalflüssigkeit bei vollkommen klarem 
Liquor festgestellt. Nacken- und Wangenphänomen verschwanden 
einige Zeit nach Anlegung eines immobilisierenden Gipsverbandes. 

Das Fehlen des Nackenphänomens an den oberen Extremitäten 
bei gleichzeitigem Auftreten desselben an den unteren Extremitäten 
fand Verf. in 2 Fällen. In einem dieser Fälle war auch das Wangen- 
phänomen völlig negativ; es wurde der Verdacht auf Meningitis 
tuberculosa ausgesprochen, da die zytologische Untersuchung der 
Zerebrospinalflüssigkeit 14: Zellen mit Vorwiegen der Lymphozyten 
ergab. Bei der Sektion fand man: einen Abszeß in der rechten 
Hemisphäre, Verdickung der Gehirnhaut an der Basis, starke Er- 
weiterung beider Seitenventrikel. 

Wir sehen also, daß das Nackenphänomen meistens gleichzeitig 
an den unteren und oberen Extremitäten auftritt. Unter 35 solchen 
beobachteten Fällen finden wir 22 Fälle von Meningitis tuberculosa, 
6 Fälle akuter Infektionskrankheiten mit meningealen Erscheinungen 
(5 Fälle von Lungenentzündung, 1 Fall von Typhus abdominalis), 
4 Fälle akuter eitriger Meningitis und 3 Fälle von Meningitis serosa. 
In allen 22 Fällen von Meningitis tuberculosa war auch gleichzeitig 
das Wangenphänomen positiv. In den übrigen Fällen dieser Gruppe 
war es 8mal positiv; 5mal negativ, und zwar in 2 Fällen akuter 
eitriger und in 3 Fällen seröser Meningitis. 

Die Untersuchungen führten zu folgenden Ergebnissen: das Auf- 
treten des Nackenphänomens an den oberen Extremitäten ist dem 
Auftreten desselben an den unteren Extremitäten als ebenbürtig an 
die Seite zu stellen; in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle treten 
beide Phänomene zusammen auf; in gewissen Fällen beobachtet 
man das Phänomene an den oberen Extremitäten bei gleichzeitigem 
Fehlen an den unteren. Das Nackenphänomen an den unteren 
Extremitäten allein kommt verhältnismäßig viel seltener vor; in 
diesen Fällen hat Verf. gleichzeitig auch das Fehlen des Wangen- 
phänomens festgestellt. Von besonderer Wichtigkeit ist die Tat- 
sache, daß Verf. in keinem Falle tuberkulöser Meningitis das Nacken- 
phänomen an den oberen Extremitäten allein ohne gleichzeitige Kon- 
traktion der unteren Extremitäten beobachten konnte. Grätzer. 

Wilhelm Wechselmann (Berlin), Über Schulepidemien von 
Pityriasis alba maculata. (Ebenda.) Im Frühjahr 1915 und 
1916 trat in einer Knaben- und Mädchenschule, im Frühjahr 1916 
in gleicher Weise in einer anderen Volksschule epidemisch eine vor- 
nehmlich das Gesicht befallende Hauterkrankung auf. Es war ein 
Drittel der Kinder betroffen; als schon eine Abnahme eingetreten 
war, zählte Verf. unter 600 Kindern 169 Erkrankte. 


6 Zentralblatt für Kinderheilkunde Nr. 1. 


Es handelte sich um Linsen- bis Pfennigstückgröße, in vereinzelten 
Fällen auch Markstückgröße erreichende runde oder unregelmäßig 
geformte Flecke, welche die Oberfläche der Haut nicht oder nur 
spurweise überragten; sie waren trocken, ihr Grund lebhaft oder 
blaßrot, verschiedenen Entwicklungsstufen entsprechend. Fast immer 
trugen die Flecke feine, weiße, die ganze Fläche zusammenhängend 
bedeckende Epidermisschüppchen in dünner Lage. Die Herde zeigten 
weder gelbliche Verfärbung, noch Nässen oder Krustbildung; nie 
fühlten sich die Schuppen fettig an. Ab und zu konnte man in der 
Nähe der Flecke einzelne stecknadelkopfgroße, braune Knötchen 
beobachten. Der Sitz der Krankheit war fast ausschließlich das 
Gesicht und der Hals, nur zweimal auch der Nacken. Eine be- 
sondere Lieblingsstelle war die Umgebung des Mundes. Oft bestand 
Jucken. | 

Untersuchungen auf Pilze verliefen ergebnislos; die bakterio- 
logische Untersuchung zeigte neben Staphylococcus albus auch 
Streptokokken. 

Die Erkrankung stellt einen trockenen Epidermiskatarrh dar, 
der in seiner Form durchaus der Pityriasis alba maculata entspricht, 
wie sie besonders Unna beschreibt. Der einzelne Fall bietet nichts 
Auffälliges, dagegen ist die große Ansteckungsfähigkeit höchst eigen- 
tümlich; diese wird bewiesen durch das schnelle Befallenwerden von 
Hunderten von Kindern, wobei sich oft Gruppen von Spielkameraden 
und Schulnachbarn nachweisen lassen. 

Nach Unnas Auffassung gehört die Pityriasis alba zu den 
seborrhoischen Ekzemen, und er stellt auch die epidemische Er- 
krankung in dieselbe Gruppe. Unna gibt auch an, daß sich aus der 
Pityriasis alba in verschiedenen seiner Fälle eine der bekannten 
Ekzemformen von seborrhoischem Typus, ja sogar ein paarınal 
nässende Ekzeme des Gesichts entwickelt hätten. In Verf.s Fällen 
konnte Ähnliches nie beobachtet werden, die auch sonstige Zeichen 
von Seborrhoe zumal des Kopfes bei den betroffenen Kindern nicht 
in bemerkenswerter Zahl festzustellen waren. Auch kleine Herde 
von Pityriasis waren auf dem Kopfe nicht vorhanden, soweit dieses 
ohne Rasieren erkannt werden konnte. 

Wenn nun auch die Ausbreitung seborrhoischer Ekzenmiherde 
durch Übertragung auf den eigenen Körper des Trägers nach dem 
klinischen Verlauf möglich erscheint, so ist doch von einem epide- 
mischen Umgreifen sonst nichts bekannt. 

Es erscheint daher doch erwägenswert, ob das epidemische Auf- 
treten nicht einen Zusammenhang mit der oft schnell um sich 
greifenden Impetigo contagiosa hat. In der Londoner Epidenue wies 
Abraham darauf hin, daß eine große Anzahl der Kinder an einer 
gewöhnlichen Impetigo contagiosa litt, während andere die bekannten 
roten Spuren, welche nach jener Krankheit zurückbleiben, aufwiesen; 
auch Eddowes meinte, daß eine Beziehung zu Impetigo bestände. 

In Verf.s Epidemie waren mehrere Fälle von Impetigo gleich- 
zeitig aufgetreten, und als die Zahl der Erkrankungen an Pityriasis 
im Herbst 1915 sehr gering geworden war, stieg die Zahl der Impetigo- 
fälle etwas an, wenn sie auch nicht entfernt einen epidemischen 


I. Referate. 7 


Umfang erreichte. Der Form nach wich sie von der gewöhnlichen 
Impetigo contagiosa etwas ab; die Borken waren braun, nicht honig- 
gelb und derb, nicht so bröckelig wie bei der gewöhnlichen Impetigo 
contagiosa. Auch die kleinen braunen Knötchen, die manchmal in 
der Umgebung der Pityriasisflecke beobachtet werden, hält Verf. 
für eingetrocknete, sehr kleine Impetigoherde. 

Verf. vermutet, daß die Epidemie durch den Streptococcus viri- 
dans hervorgerufen wird, wenn er auch bisher nur selten in dem 
Pityriasisherde aufgefunden wurde, weil er in diesen schon zugrunde 
gegangen sein kann. Es ist wahrscheinlich, daß der Erreger der 
Krankheit in die Schule von irgendeinem Kinde eingeschleppt wird 
und sich von Kind zu Kind überträgt; dafür sprechen auch die oben 
erwähnten Erkrankungen kleiner Gruppen. Für eine Infektion etwa 
durch gemeinsam benutzte Handtücher oder andere Gegenstände 
konnten keine Anhaltspunkte gefunden werden. 

In der Epidemie 1915 heilten alle Kinder ohne wesentliche Be- 
handlung in den Sommerferien ab, doch blieben einzelne leichte Fälle 
bestehen, und im Frühjahr 1916 trat die Erkrankung in der Schule 
in abgeschwächtem Maße und in geringerer Ausdehnung nochmals 
auf. Eine 5°/,ige Schwefelzinkpaste besserte und heilte die Mehr- 
zahl der Erkrankungsfälle in kurzer Zeit. Die Erkrankung konnte 
daher als durchaus harmlos aufgefaßt werden. Ebenso günstig ver- 
lief die Epidemie in Hamburg unter Pinselungen mit Benzoeborat- 
spiritus. 5 Grätzer. 

Carl Ruge II, Über den Einfluß der Kriegsernährung 
auf Fruchtentwicklung und Laktation. (Aus der Kgl. Uni- 
versitäts-Frauenklinik zu Berlin.) (Zbl. f. Gyn. 1916 Nr. 16.) Vor 
mehreren Wochen wurde die Universitäts-Frauenklinik um die Er- 
stattung eines Gutachtens ersucht über die Frage, ob die durch den 
Krieg bedingten schlechten Ernährungsverhältnisse einen nachteiligen 
Einfluß auf die Entwicklung des Nachwuchses und auf die Mütter 
während und nach der Schwangerschaft ausüben und etwa besondere 
Zulagekarten für eiweißhaltige Nahrungsmittel für schwangere und 
stillende Frauen notwendig erscheinen. Zur Beantwortung der ersten 
Frage wurde das Durchschnittsgewicht aller reifen Neugeborenen des 
Jahres 1915/16 mit dem des Jahres 1913 verglichen, und zwar 
wurden, um nur die Zeit mit knapper Ernährung zu berücksichtigen, 
die Kriegsmonate vom 1. Juli 1915 bis zum 80. Juni 1916 in Be- 
tracht gezogen. Dabei wurde festgestellt, daß der Unterschied 
zwischen den beiden Zahlen nur gering ist und innerhalb der physio- 
logischen Grenzen liegt. 

Das erstattete Gutachten lautete deshalb folgendermaßen: 

„Nach den bis jetzt vorliegenden Beobachtungen an Tieren und 
an der menschlichen Frau ist eine Beeinflussung der Entwicklung 
und des Wachstums der Frucht durch die Ernährung der Mutter 
nur in geringem Umfange möglich. Solange die Mutter gesund ist 
und eine normale Zusammensetzung des Blutes aufweist, vermag 
die Frucht die zu ihrem Aufbau nötigen Stoffe aus dem mütterlichen 
Blute, unabhängig von dem jeweiligen Ernährungszustand der Mutter, 
in genügender Menge aufzunehmen. So sieht man auch schwächliche 


8 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 1. 


und schlecht genährte Mütter Kinder von normalem Gewicht zur 
Welt bringen, und erst, wenn durch Krankheiten die Blutbeschaffen- 
heit geändert und der allgemeine Ernährungszustand schwer geschädigt 
wird, ist eine Beeinflussung der Frucht bemerkbar. Um bei Becken- 
enge der Mutter magere Früchte mit weichen Kopfknochen zu er- 
zielen, die leichter durch das enge Becken gehen, hat man vielfach 
in den letzten Monaten der Schwangerschaft besondere Errährungs- 
kuren mit Beschränkung der Kohlehydrate und Flüssigkeitszufuhr 
vorgenommen, aber auch hier die Erfahrung bestätigt gefunden, daß 
eine Beeinflussung der Frucht durch die mütterliche Ernährung nur 
in geringem Umfange möglich ist. 

Auch die Tierversuche haben ähnliche Resultate ergeben, es 
bedarf schon beträchtlicher Schädigungen der Mutter durch Nah- 
rungsentziehung, um die Frucht zu treffen. 

Soweit ich aus den Beobachtungen über das Gewichtsverhältnis 
der Kinder, die im letzten Jahre geboren worden sind, und über 
den Ernährungszustand der Mütter urteilen kann, hat die jetzt be- 
stehende Teuerung und Knappheit der Nahrungsmittel eine Schädigung 
des Nachwuchses nicht bewirkt, und es müßten die Ernährungs- 
verhältnisse viel schwerer beeinträchtigt werden, um etwas derartiges 
herbeizuführen. Im Jahre 1913 betrug in der Königlichen Universitäts- 
Frauenklinik bei 1685 reifen Früchten das Durchschnittsgewicht 
3349 g, im Jahre 1915/16 bei 1508 reifen Früchten 8319 g. Dieser 
geringe Unterschied liegt noch innerhalb der physiologischen Grenzen, 
da das Mittelgewicht der reifen Früchte für Deutschland zu 3250 g 
bestimmt ist. 

Wenn somit auch eine Schädigung des Nachwuchses unter den 
Verhältnissen, wie sie jetzt sind, nicht zu befürchten ist, so liegt 
doch auf der anderen Seite das Bedürfnis vor, den mütterlichen 
Körper durch möglichst gute Ernährung für die Ansprüche, die von 
der Frucht an ihn während der Schwangerschaft und während des 
Stillgeschäftes gestellt werden, zu entschädigen und kräftig zu erhalten. 

Es ist eine bei Tier und Mensch bekannte Beobachtung, daß 
schlechte Ernährung den Kräftezustand der Mütter während der 
Schwangerschaft beträchtlich herabsetzt und während der Laktation 
nicht nur die Quantität und Qualität der abgesonderten Milch ver- 
mindert, sondern auch zu schweren Erschöpfungszuständen führt, 
die einen günstigen Boden für körperliche und geistige Erkrankungen 
abgeben. 

Aus diesem Grunde müssen gerade für die schwangere und 
stillende Frau möglichst gute Frrährungsverhältnisse geschaffen 
werden. Dabei kommt es aber, wie die Erfahrungen bei der Ammen- 
ernährung zeigen, nicht auf die Auswahl besonderer Nahrungsmittel 
oder auf die Verabreichung theoretisch berechneter Kalorienmengen, 
sondern auf die reichliche Gewährung einer gemischten, den indi- 
viduellen Bedürfnissen und Gewohnheiten angepaßten Nahrung an. 

Eine besondere Bevorzugung der Fleisch- und Fettzufuhr hat 
sich in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft wegen der damit 
verbundenen übermäßigen Beanspruchung der Nieren, die zu einer 
bei Schwangeren häufigen Funktionsstörung führen kann, aber als 


I. Referate. 9 


schädlich erwiesen. Dasselbe gilt für die Laktationsperiode, wo die 
Milchproduktion, bei der menschlichen Frau wenigstens, eher durch 
Kohlehydrate als durch Fleisch- und Fettzufuhr gesteigert wird. 

Anders liegen die Verhältnisse ın den ersten Monaten der 
Schwangerschaft, wo bei der Neigung zum Erbrechen gröbere Nah- 
rungsmittel oft nıcht vertragen werden und mehr auf Eiweiß zurück- 
gegriffen werden muß. 

Zusammenfassend möchte ich meine Meinung dahin abgeben, 
daß es im Interesse der schwangeren und stillenden Mütter nötig ist, 
Zusatzkarten für Fleisch und Fett als auch für Kohlehydrate zu 
verabreichen, und zwar vom Beginn der Schwangerschaft bis 1/, Jahr 
nach der Geburt. Es genügt eine mäßige Vermehrung aller Nahrungs- 
mittel, bei den Kohlehydraten ist auf die leichtverdaulichen Rück- 
sicht zu nehmen, da Schwangere und Stillende oft mit Schwierig- 
keiten der Verdauung zu kämpfen haben.“ 

Zu demselben Ergebnis über die Gewichtsverhältnisse der Neu- 
geborenen kommt Momm, der an der Hand des Materials der 
Freiburger Klinik die Frage, „ob die jetzige gegen früher ganz anders 
zusammengesetzte, sehr eiweiß- und fettarme und oft ungenügende 
Kriegsnahrung einen Einfluß auf die Entwicklung des Kindes hat“, 
verneint. Er hat seiner Berechnung die Gewichte von 2000 g und 
mehr zugrunde gelegt, während Verf. ursprünglich nur die Kinder 
mit einer Länge von 48cm und mehr berücksichtigt hat, da er die 
Durchschnittszahlen der reifen Kinder feststellen wollte. Um einen 
Vergleich der Zahlen mit dem Freiburger Ergebnis zu ermöglichen, 
hat Verf. daher in der folgenden Tabelle ebenfalls das Durchschnitts- 
gewicht aller Kinder über 2000 g festgestellt; außerdem führt er 
jedoch den Jahresdurchschnitt dieser Kinder sowie der Kinder über 
48cm Länge an. Ferner erschien es zur genauen Beurteilung von 
Wichtigkeit, die Zahlen für die Kinder von Erst- und Mehrgebärenden 
getrennt anzuführen, da Verf. in dem letzten Kriegsjahr eine wenn 
auch geringe Zunahme der Mehrgebärenden in seinem Material fand 
(430/, gegen 39°/, im Jahre 1913). 


1913 1915 1916 
Januar = le u u a 3312 — 3294 
Februar ... aaas’ 3228 — 3351 
MATZ.: e a 8 ww % 200. 3359 — 3366 
Apri u sceo a a e 3200 — 3333 
Mai o a ae a e 3266 — 3155 
JUNE e ee 3294 -— 3245 
Jü a ee ee en 3351 3314 — 
August 2 iaaa a & 3259 3293 — 
September . . . . 2.2.2... 3350 3160 — 
Oktober . . . 2. 2.2.2.0. 3246 3281 — 
November .. 2... 2.2... 3245 3251 — 
Dezember . ........ 3386 3338 — 
Jahresdurchschnitt . .... 3291 3282 
Kinder von Erstgebärenden . 3189 3204 
Kinder von Mehrgebärenden . 3393 3356 
Kinder über 48cm Länge . . 3349 3319 
von Erstgebärenden . . . . . 3244 3246 


von Mehrgebärenden . . . „3454 3391 


10 Zentralblatt für Kinderheilkunde Nr. 1. 


Für das Jahr 1913 kamen von 2000 in den Gebärsaal aufge- 
nommenen Fällen 1789 mit Kindern über 2000 g in Betracht, von 
denen 1685 eine Länge von 48 cm und mehr hatten; in der Zeit vom 
1. Juli 1915 bis zum 80. Juni 1916 hatten bei 1759 Geburten 1586 
Kinder ein Gewicht über 2000 g und 1508 eine Länge von 48 cm 
und mehr. 

Der größte Unterschied findet sich, wie aus der Tabelle hervor- 
geht, in dem Jahresdurchschnitt der Kinder von Mehrgebärenden, 
der im Friedensjahr 3454 g gegen 3391 g im Jahr 1915/16, also 68 g 
beträgt. Diese Differenz und mehr noch die übrigen Unterschiede 
sind so geringfügig, daß sich irgendwelche Schlüsse daraus nicht 
ziehen lassen. Das Gewicht der Erstgeburten ist in dem Kriegsjahr 
sogar um eine Kleinigkeit größer als im Jahre 1913. 

Vergleichen wir die Monatsdurchschnitte der Tabelle mit den 
Zahlen von Momm, so finden wir stets bis auf eine Ausnahme 
(Mai 1916) in dem Gewicht der Berliner Kinder größere Werte. 
Als Jahresdurchschnitt berechnet Verf. aus der Freiburger Tabelle 
für 1912 das Gewicht von 8161 g, für 1915/16 (Juli bis Juni) 
3195 g; die entsprechenden Zahlen in seinem Material sind 8291 g 
und 3282 g, also 130 und 87g mehr. Diese Beobachtung stimmt 
mit der alten Erfahrung überein, daß in Brandenburg die Neugeborenen 
im allgemeinen etwas kräftiger entwickelt sind als in den süddeutschen 
Staaten. 

In der nächsten Zusammenstellung führt Verf. die Gewichts- 
masse der beiden Vergleichsjahre nach ihrer Größe an. Es wogen: 


Kinder 
von Erstgebärenden von Mehrgebärenden 

913 1915/16 1913 1915/16 
2000—3000 g 351 317 166 172 
3001—3500 g 486 389 259 266 

3501—4000 g 208 166 19 176 
4001—4500 g 40 3l 65 52 
4501—5000 g 4 1 10 14 
über 5000 g — — 2 2 
Sa. 1089 904 700 682 


Aus diesen Zahlen geht hervor, daß sich das Prozentverhältnis 
zwischen den kleinen, mittleren und großen Gewichtsmassen der 
Neugeborenen ebenfalls nur unwesentlich verändert hat, und daß 
auch jetzt nicht weniger schwere Kinder geboren werden wie im 
Frieden. 

Bei diesen vergleichenden Berechnungen interessierte Verf. ferner 
die Frage, ob sich ein Einfluß des Krieges auf das Zahlenverhältnis 
von Knabengeburten zu Mädchengeburten schon jetzt feststellen ließe. 
Dabei fand er bei dem Vergleich wieder des Jahres 1918 mit dem 
letzten Jahre 1915/16 einen bemerkenswerten Unterschied: während 
im Jahre 1918 auf 100 Mädchen nur 108 Knaben kamen, eine unter 
dem Durchschnitt von 106 stehende Zahl, verschob sich das Ver- 
hältnis auf 100:116, so daß also ein bedeutender Uberschuß der 
männlichen Früchte festzustellen ist. Die Zahlen sind jedoch zu 
klein, um allgemeine Schlußfolgerungen zuzulassen; ferner sind in 


I. Referate. | 11 


ihnen alle auf dem Kreißsaal entbundenen Fälle, also vom 5. Monat 
an, enthalten. Immerhin ist das Geschlechtsverhältnis auffallend 
hoch, da es bei Berücksichtigung aller Früchte, einschließlich der 
Fehlgeburten, auf 100:111 angegeben wird. Jedenfalls wäre eine 
Prüfung dieser Frage an großem Material von Interesse. 

Grätzer. 


Mössmer, Über „Kriegsneugeborene“. (Aus der Provinzial- 
Frauenklinik und Hebammenlehranstalt Posen.) (Ebenda.) Die Auf- 
sehen erregenden Angaben Kettners über die jetzige Häufigkeit 
kleiner, im Wachstum zurückgebliebener, zierlicher, auffallend magerer 
Neugeborener mit motorischer Unruhe sind, wenn sie in weitere 
Volkskreise dringen, dazu angetan, große Beunruhigung hervorzu- 
rufen, weil von diesen die behauptete Minderwertigkeit der Kinder 
naturgemäß auf die verringerte Nahrungsmenge zurückgeführt würde. 
Langstein ist diesen Behauptungen zwar sofort entgegengetreten, 
doch vorläufig mehr auf Grund allgemeiner Eindrücke wie unter 
Berufung auf Zahlen. Auch Bendix und Misch haben auf Grund 
der Beobachtungen in Säuglingsfürsorgestellen die Angaben Kettners 
nicht bestätigen können. Die folgenden Zeilen sollen einen Beitrag 
zum Vergleich von Neugeborenen vor und in dem Kriege auf Grund 
des Materials einer Entbindungsanstalt bringen. 


Was die Zusammensetzung des Materials betrifft, so besteht 
dieses zu etwa einem Drittel aus Stadt- und zu etwa zwei Dritteln 
aus Landbsvölkerung. Die Beobachtung erstreckt sich auf die Zeit 
vom 1. April 1915 bis zum 81. Mai 1916. Da der Anfang dieses 
Zeitraumes 8 Monate nach Beginn des Krieges fällt, so müßten sich 
die etwaigen Schädlichkeiten im Sinne Kettners bei den Neu- 
geborenen bereits bemerkbar machen. Zum Vergleiche sind Neu- 
geborene aus der Zeit vom 1. April 1913 bis zum 31. Mai 1914 heran- 
gezogen. Im ersten Falle handelt es sich um 825, ım letzten Falle 
um 1095 ausgetragene Kinder, d.h. Kinder von mindestens 48 cm 
. Länge und ohne Zeichen von Frühreife. 


Bei der Betrachtung der Kriegskinder unmittelbar nach der Ge- 
burt hat sich etwas Auffallendes nicht ergeben; sie hatten eine rosige, 
pralle Haut, gutes Fettpolster, vollen Rumpf und runde Glieder; 
nichts erinnerte daran, daß man es mit Kindern zu tun hatte, deren 
Mütter sie unter besonderen Umständen getragen hatten. Dieser 
allgemeine Eindruck wurde auch durch die genauere Begutachtung 
bestätigt. Das durchschnittliche Gewicht betrug 8340 g, die durch- 
schnittliche Länge 50,8cm gegen 8850 g bzw. 50,9cm vor dem 

iege. Dieser verschwindend geringe Unterschied liegt bei den an- 
geführten Beobachtungszahlen im Bereiche des möglichen Fehlers 
durch Zufall, wie durch Wahrscheinlichkeitsrechnung nachweisbar ist. 


-Wenn irgendwelche Verhältnisse, die in dem Kriege begründet 
sind, die Kinder in ihrer Entwicklung in utero beeinträchtigen 
würden, so müßten sie sich bei der langen Dauer des Krieges in zu- 
nehmendem Maße bemerkbar machen; denn die Ernährung ist nicht 
reichlicher und die Spannung der Gemüter nicht geringer geworden, 
wenn man diese beiden Faktoren als die Hauptschädlinge ansprechen 


12 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 1. 


will. Länge und Gewicht der Neugeborenen haben in den einzelnen 
Monaten der Beobachtungszeit folgenden Durchschnitt gezeigt: 


Durchschnitt. Länge Durchschnittl. Gewicht 


1915 April . ..... 50,6 cm 3390 g 
Malberg nr 51,0 „ 3377 „ 
Juni -. . 2 .2.. 50,8 „, 3119 „ 
Juli 2% 3 8% 50,8 „ 3279 „ 
August ..... 51,5 , 3463 „ 
September. . . . 51,0 ,, 3332 ‚, 
Oktober. .. . . 50,9 , 3391 ,, 
November 50,2 „ 3164 ‚, 
Dezember ae 50,5 ,, 3238 ,, 
1916 Januar . .... 50,5 ,, 3409 ,, 
Februar. .... 50,5 , 3248 „, 
März 51,0 , 3401 ,, 
April .. 2... 51,2 „ 3367 ,, 
Mai. 2 8 5 50,9 „ 3339 ,, 


Gewicht und Länge der Neugeborenen haben sich also im Laufe 
der Kriegsmonate nicht verringert. 

Nächst der Frage nach der durchschnittlichen Entwicklung der 
Kinder während des Krieges interessiert es, festzustellen, wie groß 
die Zahl der über den Durchschnitt entwickelten Kinder, d. h. Kinder 
von 4000 g und mehr Gewicht, unter den jetzigen Umständen ist. 
Während diese Zahl für Friedenszeiten z.B. von Fuchs für die 
Kieler Frauenklinik auf 8,3%, von Eltze sogar nur auf 8,86%% 
und aus mehreren anderen Kliniken ungefähr mit letzterer Zahl 
übereinstimmend berechnet ist, betrug während 8 Friedensjahren 
die hiesige Frequenz der Kinder über 4000 g 9,1°/, der lebensfähigen 
und 9,5°/, der ausgetragenen Kinder. Die letztere Frequenz stellte 
sich in Verf.s Material zur Kriegszeit auf 9,7°/ hat also keine Ab- 
nahme erfahren. Die durchschnittliche Länge dieser Kriegs-,,Riesen- 
kinder“ betrug 53,7 cm, ihr durehschnittliches Gewicht 4238 g. Was 
ihr Geschlecht betrifft, so wurden 57 Knaben und 23 Mädchen ge- 
boren; es kommen also 100 Mädchen auf 248 Knaben während des 
Krieges. Vor diesem war das Verhältnis der Geschlechter unter den 
hiesigen übermäßig entwickelten Kindern 100 Mädchen zu 223 Knaben. 
Dagegen ist eine nennenswerte Steigerung des Knabenüberschusses 
unter den hiesigen Kriegskindein nicht erfolgt; unter 825 Kriegs- 
kindern wurden 898 Mädchen und 427 Knaben, also auf 100 Mädchen 
107 Knaben geboren. 

Die weitere. Beobachtung der Neugeborenen durch die 9 bis 
10 Tage, während deren sie in der Anstalt zu sein pflegten, hat keine 
Abweichungen gegenüber dem Frieden ergeben. Zunächst sei fest- 
gestellt, daß alle Mütter fast ohne Ausnahme ihre Kinder stillen 
konnten, auch solche, die es früher nicht getan hatten, ein neuer 

Beweis gegen die angebliche Degeneration der weiblichen Brüste. 
Die physiologische Gewichtsabnahme der Kriegsneugeborenen bewegte 
sich in den gewohnten Grenzen. Bei der Entlassung am 9. bis 
10. Tage hatten die meisten ihr Anfangsgewicht wieder erreicht, nicht 
wenige schon wieder überschritten. Die von Kettner geschilderten 
nervösen Erscheinungen wurden in keinem Falle beobachtet. 

Grätzer. 


IL Referate. 18 


Wolff, Das Abbottsche Verfahren in der Behandlung 
der Skoliosen. (Arch. f. klin. Chir. 14. 1. S. 66.) Verf. berichtet 
über seine Erfahrungen mit dem Abbottschen Skoliosenredressement. 
Er geht davon aus, daß ebenso, wie wir einen Klumpfuß durch die 
. beste Gymnastik und die beste Maschine nicht heilen können, 
sondern nur durch gewaltsame redressierende Maßnahmen, die dauernd 
festgehalten werden, wir auch den skoliotischen Körper dauernd in 
- Korrektur halten müssen, zumal dann, wenn es sich um die Gerade- 
richtung der mit Knochenveränderungen an den Wirbeln und an 
den Rippen einhergehende Kyphoskoliose handelt. Die Formver- 
änderung bei der Skoliose ist, ätiologisch betrachtet, meist die Folge 
einer abnormen Weichheit der Wirbelknochen. Mechanisch betrachtet, 
handelt es sich um Verbiegung, Knickung und Rollung in sagittalen, 
frontalen und diagonalen Achsen. Die Anregung der Formveränderung 
. des Thoraxskeletts bei der Skoliose geht von den Wirbelkörpern aus; 
die skoliotischen Prozesse an den Wirbelbögen, den Rippen, den 
Fortsätzen sind sekundärer Natur. Der Wirbelkörper beschreibt eine 
Drehung nach hinten, wenn er am Lebenden der Belastung aus- 
gesetzt wird. Somit wäre die Belastung diejenige Kraft, welche die 
erste Veränderungen setzt, während die sekundären Veränderungen 
gewissermaßen bereits als funktionelle aufzufassen sind, denn sie 
treten erst mit dem Einsetzen der Bewegung, also einer Funktion, 
auf; die Belastung stellt keine Funktion, sondern eine mechanische 
Krafteinwirkung dar. Diese Auseinanderhaltung ist für den Verf. 
in praktischer Hinsicht wichtig. Der abnormen Belastung muß eine 
Entlastung entgegengesetzt werden. Bei dem Entlastungsproblem, 
bei dem am Lebenden ganz andere Verhältnisse als bei der Leiche 
obwalten, hat man stets nur an die Reihe der Wirbelkörper, nicht 
aber an die Wirbelbögen gedacht. Reckt man den Körper z. B. 
nach Wullstein, so vermehrt man insonderheit bei Einschaltung 
von drückenden Pelotten die Lordose und bewirkt dadurch eine 
stärkere Verzahnung und Eckung der Bogenabschnitte. Ganz anders 
beim Abbottschen Verfahren, wo man durch Kyphosierung bei 
Druck auf die Zwischenwirbelscheiben eine Entfernung der hinteren 
Flächen der Wirbelkörper und der Bogenteile voneinander bewirkt. 
Dadurch ist der Detorsion durch Angreifen an den langen Rippen- 
hebeln die Bahn geöffnet. 

Was die praktische Seite der Skoliosenfrage betrifft, so ist auf 
eine Heilung der Skoliose auch durch Abbotts Verfahren nicht zu 
rechnen, wenn man unter Heilung eine Wiederherstellung der nor- 
malen Form der Wirbel versteht. Wir können nur möglichst normale 
äußere Form und dadurch möglichst normale Funktionsverhältnisse 
schaffen ; alles andere muß der sich über Jahre erstreckenden Funktion 
der Wirbelsäule überlassen werden. 

Mit den mittels des Abbottschen Verfahrens erzielten Resul- 
taten ist Verf. zufrieden; man sieht als Ergebnis Mobilisierung der 
Wirbelsäule, meßbare Abflachungen und, was besonders wichtig ist, 
eine Verflachung des kammartigen Rippenbuckels. Ein dauernder 
Schaden wurde in keinem Fall beobachtet. Nachuntersuchungen 
nach 6—12 Monaten ergaben, daß zwar in einigen Fällen von dem 


14 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 1. 


Gewonnenen manches, keireswegs aber alles verloren gegangen war. 
Alle Patienten ließ Verf. im Verfolg der Behandlung gute Hessing- 
korsetts tragen, Übungen machen und Gipsbetten in Überkorrektur 
anwenden. \ Peltesohn. 

Hans Curschmann, Über einige seltene Formen der Migräne 
(D. Ztschr. f, Nervenheilk. 54. 1915. H. 2/3.) Verf. spricht sich für 
die vasomotorische Pathogenese der Migräne aus. Die Migräne ist 
nicht selten nur die Teilerscheinung einer allgemeinen vasomotorisch- 
sekretorischen Neurose, in manchen Fällen können die peripheren 
Symptome der letzteren Genese recht stark, den Zerebralsymptomen 
völlig koordiniert auftreten. 

Fall I. Die Migräneanfälle wurden seit einem Jahr substituiert 
durch Anfälle von starken Leibschmerzen, meist mit mehrmaligem 
Erbrechen von galligem Schleim, zuweilen mit Diarrhoe. 

Fall II. Typische Hemicrania ophthalmica tritt zum erstenmal 
während der dritten Gravidität auf. 3 Jahre später wieder dieselben 
Anfälle, ohne aber gravide zu sein. Dabei tritt eine Anschwellung 
der Mammae und starke Kollostrumsekretion auf, die sofort nach 
Beendigung des Anfalls verschwindet. Eine weitere vierte Gravidität 
verläuft wieder im .ersten Beginn und in den letzten Tagen mit 
Migräneanfällen. Demnach liegen enge Beziehungen zwischen der 
Funktion des Genitalapparates bzw. des ihm vorstehenden vegeta- 
tiven Nervensystems und der Hemikranie vor. 

Fall III. 42jähriger Arzt. Nach dem typischen Migräneanfall 
tritt äußerst heftiges Jucken in der linken Hohlhand und am linken 
vierten Finger sowie am linken Fuß, besonders an der vierten Zehe 
auf. Dann zeigen sich ganz rasch an diesen Stellen je eine oder 
mehrere linsen- bis pfenniggroße, ziemlich schlaffe Blasen mit 
serösem, bisweilen leicht hämorrhagischem Inhalt. Diese Erschei- 
nungen wurden plötzlich dureh eine schwere Nackenphlegmone be- 
seitigt und kehrten seitdem nicht wieder. 

Fall IV. Bevor der Kopfschmerz seinen Höhepunkt erreicht, 
sieht Patientin ganz regelmäßig verzerite Gesichter, Fratzen mit 
irgendwelchen Verstümmelungen. Bei diesen Fratzen ist die linke 
Seite röter, dunkler und verschwommener als die rechte. Dies Fratzen- 
sehen tritt stets im Beginn des Anfalls auf, dauert etwa 10 Minuten 
und wiederholt sich dann öfters im Lauf der Kopfschmerzen. Also 


stereotyp halluzinatorische Augenmigıäne. ri 


Fall V. 13jähriger Schüler. Anfälle von halbseitigem Kopf- 
schmerz mit Flimmerskotom nebst ganz stereotypen visuellen Er- 
scheinungen: ein weißes Männchen bewegt sich unter rhythmischen 
Bewegungen ‚nur vor dem rechten Auge“. Stauungspapille. Dia- 
genose: Tumor cerebri. Also symptomatische Migräne mit stereotypen 
Halluzinationen. 

Der erste Anfall der Migräne bei einem Kinde wiid sehr häufig 
diagnostisch verkannt. Er kann von ungewöhnlich schwerer und 
langdauernder Art sein und schließt sich nicht selten an eine 
Infektionskrankheit an. 

Fall VI. Kindermigräne unter dem Bilde der Meningitis nach 
Influenza. 


I. Referate. | 15 


Fall VII. Migräneanfall in der Scharlachrekonvaleszenz; Pseudo- 
urämie bei einem 11jährigen Kinde. 

Fall VIII. Symptomatische Augenmigräne als Frühsymptom der 
multiplen Sklerose. 

Fall IX. Heilung bzw. Beseitigung der Migräneanfälle durch das 

Auftreten einer multiplen Sklerose; letztere kann demnach einen 
ähnlichen tilgenden Einfluß auf die Migräne haben wie akute Infek- 
tionen, Stoffwechselkrankheiten oder auch physiologische Zustände, 
wie Schwangerschaft, Stillgeschäft und Wechsel. Im vorliegenden 
Fall hatte das Rückenmarksleiden die Genitalfunktion intakt ge- 
lassen, die Migräne aber beseitigt. Kurt Mendel. 
K. Gaugele, Über die sogenannte Entbindungslähmung 
des Armes. (Ztschr. f. orthopäd. Chir. 34. 1915. H. 3 u. 4.) In 
den meisten Fällen ist die Entbindungslähmung des Armes keine 
echte Lähmung, sondern eine der Distorsion des Schultergelenkes 
ähnliche Verletzung der Kapsel mit nachfolgender Schrumpfung. 
Meist bestehen dabei auch frische Epiphysenverletzungen. 

Die Behandlung besteht in frischen Fällen in Fixation des 
Oberarmes, in Abduktion und Außenrotation, bei veralteten in 
Tenotomie der Pektoralis oder Osteotomie. Kurt Boas. 

H. Zondek, Funktionsprüfungen bei Nephritis und ortho- 
tischer Albuminurie im Kindesalter. (Ztschr. f. klin. Med. 82. 
1915. H. 1 u. 2.) Es ist nicht angängig, die beiden großen und 
wichtigsten Komponenten, mit denen die kranke Niere neben dem 
Wasser fertig zu werden hat, nämlich N und NaCl, als zwei Faktoren 
zu behandeln, die in ihrer Elimination ohne Einfluß aufeinander 
sind. Eine Niere, die Kochsalz retiniert und N gut ausscheidet, 
kann man dadurch zu einer günstigeren Kochsalzausscheidung ver- 
anlassen, daß man sie auf der anderen Seite mit N entlastet. Für 
die Praxis folgt aus diesen Feststellungen, daß die Diät der Nieren- 
kranken nicht immer eine ganz strenge zu sein braucht. Man kann 
Nephritikern eine bestimmte ‘Menge Kochsalz zuführen, wenn man 
entsprechend geringere Eiweißmengen gibt, und man kann größere 
Mengen Eiweiß geben, wenn man das Kochsalz entzieht. Bei der 
diätetischen Behandlung der Nierenerkrankungen ist also strenges 
Individualisieren am Platze. Kurt Boas. 

K. Böhm, Beitrag zur pathologischen Anatomie und 
operativen Therapie des angeborenen Hydrophthalmus. 
(Aus der Universitäts-Augenklinik in Breslau.) (Klin. Monatsbl. f. 
Augenheilk. November-Dezemberheft 1915.) Verf. untersuchte vier 
Augen mit angeborenem Hydrophthalmus anatomisch. In allen vier 
Fällen war ein eigentlicher Schlemmscher Kanal nicht vorhanden. 
Die Hornhäute zeigten degenerative Erscheinungen, die Linse war 
kataraktös, die vorderen Ziliargefäße stark erweitert, Netzhaut und 
Aderhaut mehr oder weniger atrophisch, die Papille eleviert. Bei 
allen vier Augen war die Iridektomie ohne dauernden Erfolg aus- 
geführt worden. Auffallenderweise war bei zwei anderen Augen, wo 
die Irisschenkel in die Iridektomienarbe eingeheilt waren, das Sehen 
gut geblieben. De Dr Operationsmethode ist wohl die Sklerotomia 
anterior. Kurt Boas. 


16 Zentralblatt für Kinderheilkunde Nr. 1. 


Rud. Th. Jaschke, Über das transitorische Fieber des 
Neugeborenen. (Aus der Universitäts-Frauenklinik in Gießen.) 
(Ztschr. f. Geburtshilfe u. Gyn. 78. 1915. H. 1.) Auf Grund von 
Beobachtungen an 1000 Neugeborenen hält Verf. das transitorische 
Fieber nicht für ein Hungerfieber, sondern nimmt einen Zusammen- 
hang mit der Ansiedlung der Milchflora und mit dem Übergang von 
der kolostralen Nahrung zur Milchnahrung an. Kurt Boas. 

N. N. Brodrieh-Pittard, Zur Methodik der Lezithinbestim- 
mung in Milch. (Biochem. Ztschr. 67. 1915. S. 382.) Verf. fand, 
daß der Gehalt der Milch von der Laktationszeit und der Individualität 
der Milchtiere abhängig zu sein scheint. Der Lezithingehalt der Milch 
scheint mit dem Fettgehalt zuzunehmen. Kurt Boas. 

Th. Nägeli, Skoliosen infolge angeborener Anomalie der 
Wirbelsäule. (Aus der Chirurgischen Universitätsklinik in Zürich.) 
(Beitr. z. klin. Chir. 1916. Nr. 99. H. 1.) In den drei vom Verf. 
mitgeteilten Fällen war es durch einen keilförmigen Schaltwirbel zu 
einer Abbiegung an der Achse der Wirbelsäule gekommen. Klinisch 
erkennen wir diese an einer mehr oder weniger umschriebenen 
Skoliose. Die Symptome erinnern zum Teil an diejenigen einer 
frischen Spondylitis. Therapeutisch ist naturgemäß wenig zu er- 
reichen. Meist verlieren sich im Laufe der Zeit, wenn das Skelett 
ausgewachsen ist, die Beschwerden. Klinisch wichtig ist die Tat- 
sache, daß solche Anomalien die Ursache gewisser Skoliosen sind, 
die früher unter die Gruppe der habituellen Skoliosen gerechnet 
wurden. Kurt Boas. 

Soutter, Eine Operation bei Hüftkontrakturen nach 
Poliomyelitis. (Ztrbl. f. chir. u. mech. Orthopäd. 8. H. 4.) 
Verf. empfiehlt zur Beseitigung von Hüftkontrakturen nach Polio- 
myelitis folgendes Verfahren: 

Ein 8 Zoll langer Längsschnitt 2 Zoll hinter der Spina ant. sup. 
bis auf die Faszie. Letztere wird durch einen senkrechten Schnitt 
von der Spina bis zum Trochanter durchquert. Sehnen und Faszien 
werden mittels eines Osteotoms subperiostal von der Spina abgelöst 
und nach unten gedrängt. Die Hüfte läßt sich nunmehr hyper- 
extendieren. Gipsverband auf dem Bratfordrahmen. 

Die Vorteile der Methode sind folgende: Die Operation ist fast 
ohne Blutung und leicht ausführbar und erlaubt definitive Beseiti- 
gung der Kontraktur. Die Muskeln werden nicht wie sonst quer 
durchschnitten; ihre periostale Insertion wird einfach 1—1!/, Zoll 
nach unten verlagert. Kurt Boas. 

Bernhard Franzen, Ein Fall von paralytischer Luxation 
des Hüftgelenkes infolge rechtsseitiger spastischer Hemi- 
plegie. (Inaug.-Diss., Greifswald 1916.) Bericht über einen Fall 
von spastischer Verrenkung des Hüftgelenkes bei zerebraler Hemi- 
plegie bei einem jährigen Jungen. Schmerzen bestanden niemals. 
Der Druck auf das Hüftgelenk und den Femurschaft waren nicht 
schmerzhaft. Das Röntgenbild ergab keine Entzündung. Es bestand 
eine wirkliche permanente paralytische Luxation der rechten Seite, 
die Verf. als subspinosa bezeichnet. Die Reposition durch Adduktion 
des Oberschenkels und Vordrücken des Schenkelhalses gelang wegen 


EL Referate, 17. 


der Spasmen nicht. Es wurde dann die offene Tenotomie nach 
Böcker gemacht. Der Fall ging an tuberkulöser Meningitis zugrunde. 
Bei der Sektion fand sich als Folge der Einrenkung eine Coxitis 
tuberculosa. Die Hirnrinde zeigte die für Meningitis tuberculosa 
typischen Befunde. Als Ursache der zerebralen Hemiplegie ließ sich 
eine Porenzephalie feststellen. Die Hirnrinde war besonders links 
sehr stark abgeflacht, sie betrug stellenweise nur 2-8 mm. Der 
linke Seitenventrikel war stark erweitert, 4cm lang, 2,2 cm breit. 
Ebenso waren Hinter- und Vorderhirn bis zu Taubeneigröße er- 
weitert. Auch der rechte Seitenventrikel war erweitert, jedoch nur 
halb so stark. 

Verf. führt eine Reihe analoger Beobachtungen aus der Literatur 
an und bespricht ausführlich die Richtlinien der chirurgischen Therapie 
des sekundären Leidens. Kurt Boas. 


Heinrich Potiron, Beiträge zur Kenntnis der juvenilen 
Paralyse und juvenilen Tabes. (Inaug.-Diss., Heidelberg 1916.) 
Mitteilung von 4 Fällen von juveniler Paralyse bzw. Tabes: 


Fall I. 12jähriges Mädchen. Beide Eltern paralytisch. 5 Ge- 
schwister gesund. Patientin seit einem Jahre erkrankt. Der psy- 
chische, Reflex- und serologische Befund entsprach dem der juvenilen 
Paralyse. Bemerkenswert war der lebhafte Stimmungswechsel und 
das leicht reizbare, streitsüchtige Wesen. Keine Wutanfälle, keine 
paralytischen Anfälle. 


Fall II. 18jähriger Oberprimaner mit Taboparalyse. Vater 
syphilitisch, zeigt jetzt einseitige reflektorische Pupillenstarre. Er- 
krankung mit 17 Jahren. Mit 7 Jahren Scharlach. Im Anschluß 
daran trat eine Einschränkung des rechten Gesichtsfeldes auf mit 
späterer totaler Amaurose. Es bestand rechts Optikusatrophie und 
sklerotische Herde in der Gegend der Makula. Patient war ein 
vorzüglicher Schüler. Die Erkrankung begann in typischer Weise 
mit Nachlassen der Schulleistungen, leichten nervösen Beschwerden, 
vorübergehender Sprachstörung. In somatischer und serologischer 

Beziehung entsprach der Befund ganz der Paralyse, ebenso im psy- 
schischen Verhalten. Antiluetische Behandlung war erfolglos. Im 
Terminalstadium wiederholte petit mal ähnliche Zustände. Ein 
großer paralytischer Iktus. Auftreten von Angstzuständen. Exitus 
im paralytischen Anfall. 

. Fall III. 12jähriges Mädchen mit Paralyse. Vater luetisch, ein 
Bruder leidet an kongenitaler Lues. Patientin früher nicht syphilitisch. 
Plötzlicher Beginn mit apoplektiformen Anfällen, die häufig auf- 
treten und von flüchtigen Lähmungen begleitet sind. Auftreten von 
Angst- und Verfolgungsideen. Somatisch, psychisch und serologisch 
wurde das charakteristische Bild der Paralyse geboten. 

Fall IV. 7jähriges Mädchen mit Tabes. Mutter leidet seit 
8 Jahren an Tabes. Patientin selbst vom 1. Lebensjahr an syphi- 
litisch erkrankt. Mit 7 Jahren typische Tabes, dazu Wut- und Zorn- 
anfälle. Keine Zeichen von Paralyse. Auffallend waren die hoch- 
entwickelten Fähigkeiten. Aus dem Befunde sei hervorgehoben: 
genuine Optikusatrophie, Romberg negativ, Ataxie negativ. 

Zentralbl. f. Kinderhikde. 22. 2 


18 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Ne. 1. 


Im Anschluß daran wird die Frage literarisch eingehend zur 
Darstellung gebracht. Kurt Boas. 


Richard Kulik, Beitrag zur Lehre von der retrobulbären 
Neuritis optici auf hereditärer Grundlage. (Inaug.-Diss., 
Marburg a. L. 1914.) Bis jetzt umfaßt die Literatur über 800 ein- 
schlägige Fälle. Verf. liefert einen neuen Beitrag durch Mitteilung 
von 5 Fällen einer Familie mit Leberscher Erkrankung unter Bei- 
fügung des Stammbaumes. Die betreffenden 5 Fälle ‘werden mit 
Beschreibung der ophthalmoskopischen Bilder ausführlich geschildert. 
Die Erkrankung ging aus von einer hemeralopischen Frau, die selbst 
nicht an Leberscher Krankheit gelitten hatte. Die Tatsache der 
Latenz geht daraus hervor, daß ihre sämtlichen Söhne aus der Ehe 
mit einem gesunden Manne daran erkrankten, ebenso die Tochter 
und ein weiterer Sohn. Die Vererbung vollzog sich wie bei der 
Optikusatrophie, nur daß hier der weibliche Überträger selbst er- 
krankte. Als auslösendes Moment kam in Fall I die durch längeres 
Stehen in kaltem Wasser hervorgerufene Körperabkühlung in Be- 
tracht. Fall I und II verliefen typisch, das Sehvermögen sank immer 
mehr, und es bestand fast völlige Farbenblindheit im Gesichtsfeld. 
Fall III war bemerkenswert durch das frühzeitige Alter der Er- 
krankung (7. Lebensjahr). Im übrigen trat hier eine fast völlige 
Heilung ein. Das Sehvermögen betrug links ®/,, rechts 8/,—8/,., 
ebenso war keine Farbenblindheit vorhanden. Fall IV betraf ein 
weibliches Familienmitglied, was nur in etwa 12°/, aller Fälle vor- 
kommt. Es kam schließlich zu zentralen Skotomen und zu einem 
Visus von 1 bzw. 3m Finger. ‘Fall V trat ebenfalls zu einem sehr 
frühen Zeitpunkt auf, und zwar nach einem heftigen Nasenkatarrh. 
Der Visus sank allmählich bis 11/,—2 m Fingerzählen. Bemerkens- 
wert war dieser Fall durch das Auftreten eines doppelten Ring- 
skotoms am rechten Auge. Hier bestand eine wesentliche Zunahme 
der Sehkraft, die Verf. aber nicht auf das Konto des galvanischen 
Stromes setzt, der auch in den anderen Fällen versagte. Auffallend 
war in dem letzten Falle die weißgrünliche Verfärbung der Papille, 
die lebhaft an eine totale Atrophie erinnerte. Der Fall spricht für 
eine geringe Malignität des Leidens im früheren Lebensalter insofern, 
als er sich therapeutischen Einflüssen nicht ganz verschlossen hat. 

Das Zustandekommen der Ringskotome im letzten Falle läßt 
sich, wie Verf. des näheren darlegt, mit der Theorie Edingers über 
die Ätiologie der hereditären Neuritis optica nicht in Einklang bringen. 

Kurt Boas. 


II. Aus Vereinen und Versammlungen. 


Kramer: Demonstration eines Falles von unklarer Spinalerkrankung bei 
einem Kinde. Es handelt sich um einen 8jährigen Knaben. Das Leiden hatte 
sich seit dem Herbst 1913 eingestellt, angeblich nachdem er beim Spielen hin- 
gefallen war und sich dabei einen Schlüsselbeinbruch zugezogen hatte. Es stellte 
sich zuerst Schwäche des rechten, dann des linken Beines ein, die allmählich 
schlimmer wurde, bis er im Sommer 1915 nicht mehr gehen konnte, sondern 
im Bett bleiben mußte. Seit dem Herbst 1914 bestcht vollkommene Blasen- und 
Mastdarminkontinenz. Bei der Aufnahme im Oktober 1915 bestand eine Läh- 


Il. Aus ‚Vereinen und Versammlungen. 19 


mung beider Beine von Pyramidenbahntypus mit Patellarklonus, Fußklonus und 
doppelseitigem Babinski. Die Sensibilitätsprüfung ergab nur gelegentlich eine 
leichte Herabsetzung für Stiche am linken Fuß, sonst waren alle Qualitäten, 
auch die Berührungsempfindung, vollkommen intakt. Anfangs bestand am Gesäß 
Decubitus, der zu einem tiefen Abszesse führte und dann allmählich völlig ab- 
heilte. In der Gegend des abgeheilten Decubitus am Gesäß bestand späterhin 
eine leichte Herabsetzung der Sensibilität für Nadelstiche. Bei der Abtastung 
der tiefgehenden Abszeßhöhle fiel auf, daß diese Manipulation in der Tiefe nicht 
schmerzhaft war, ebenso gab der Knabe bei der Spinalpunktion keine Schmerz- 
äußerungen von sich. Die Blutuntersuchung ergab negative Wassermannsche 
Reaktion, in der Spinalflüssigkeit war keine Lymphozytose, keine Eiweißver- 
mehrung nachweisbar. Der Zustand blieb bis April 1916 unverändert, der Knabe 
lag dauernd zu Bett und konnte, auf die Beine gestellt, nur mit Unterstützung 
einen Augenblick stehen. Die Gehfähigkeit war aufgehoben. Seit April ist eine 
gewisse Besserung eingetreten; die Paresen an den Beinen sind geringer geworden, 
auch kann der Knabe, an einer Hand geführt, allerdings noch unsicher und müh- 
sam, gehen. Die Stuhl- und Urininkontinenz besteht unverändert fort. Die 
Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule hat keinen abnormen Befund ergeben. 
Die Diagnose des Falles ist unklar. Für eine hochsitzende Spina bifida, an die 
man denken könnte, hat die Röntgenuntersuchung keinen Anhalt ergeben. 
Gegen einen myelitischen Prozeß spricht der langsame Verlauf, gegen einen 
Tumor das Fehlen von Schmerzen und die Besserung in letzter Zeit. Zu denken 
wäre an eine Zyste mit wechselndem Füllungszustand. 


Diskussion. Schuster: Das vom Vortr. betonte Fehlen der röntgeno- 
logischen Veränderungen kann nicht ohne weiteres gegen die Annahme von 
Spina bifida und ähnlichen Affektionen verwertet werden. Es sind Fälle 
bekannt von sicherer Spina bifida bei kleinen Kindern, bei welchen unsere ersten 
Röntgenologen keine Veränderung feststellen kennten. — Henneberg glaubt, 
daß man einen gutartigen Tumor nicht ausschließen kann. Die Besserung kann 
durch ein durch das Wachstum bedingtes Weiterwerden des Wirbelkanals zu- 
stande gekommen sein. Auf Entwicklungsstörungen beruhende Lipome kommen 
im Wirbelkanal vor. — Kramer (Schlußwort) glaubt doch nicht, daß es sich 
um eine Spina bifida handelt, da die hoch lokalisierten Fälle — es kommt hier 
das Thorakalmark in Frage — doch eine große Seltenheit sind. 


Stier: Schwere degenerative Psychopathie bei einem Kinde. Demonstration: 
4jähriger Försterschn aus dem Harz ohne nachweisbare erbliche Belastung. 
Hübsches, wohlgewachsenes Kind. Intelligenz durchaus gut, rechnet im Zahlen- 
kreis bis fünf richtig, kennt alle wesentlichen Farben. Sprache dem Alter ent- 
sprechend. Intelligenzalter nach Binet 6—7 Jahre. Zeigt bei 6wöchigem Auf- 
enthalt in der Klinik im übrigen folgendes Bild: Hyypalgesie am ganzen Körper, 
Nahrungsaufnahme sehr reichlich, wahllos, keinerlei Interesse zum Spielen, wirft 
mit den Klötzen des Steinbaukastens nach der Wanduhr, zerbeißt den Ball, 
reißt dem aus Papier ausgeschnittenen Soldaten den Kopf ab, will „allen 
Menschen die Köpfe abhacken und sie in die Bcde schmeißen. Bei leichtestem 
Widerstand gegen sein Gebaren sofort aktiver Angriff auf Arzt, Pfleger oder 
Mitkranke, schlägt, stößt und tritt, kratzt und spuckt, wirft mit Sand und 
Steinen. Auch ohne sichtbare Veranlassung wirft er mit Steinen nach den anderen, 
tritt freundlich an sie heran, um sie dann zu kratzen und zu beißen. Läßt laut 
Flatus, entleert Urin und Kot ins Bett, schüttet Kaffee in die Betten der 
anderen in der offenbaren Absicht, sie dadurch zu ärgern und zu reizen. Spielt 
viel mit seinem Penis, stellt sich ins Bett, hebt das Hemd hoch und verweist 
lachend auf ihn, sagt spontan oft: „Ich sage immer Pinkelchen und Popo“, 
freut sich, wenn er deshalb gescholten wird. Bei uns keine Erekticnen, keine 
Onanie. Sagt plötzlich: ‚Ich will zum Fenster rausspringen, will tot sein und 
dich auch rausschmeißen‘‘. Sammelt im Garten Schmutz und Zigarrenstummel, 
kaut darauf, spuckt dann nach den anderen, lacht unbändig darüber. Auf der 
Krankenabteilung unsinniges Hin- und Herrennen mit grunzenden, gröhlenden, 
schreienden Lauten, dann wieder legt er sich zur Erde, rollt sich eine Stunde 
lang den langen Flur auf und ab, lutscht dabei an den Fingern. Auf Befragen 
fast niemals richtige, sondern meist bewußt falsche oder ablehnende Antwort. 
Keinerlei Liebe cder Anhänglichkeit cder irgendwelche höheren Gefühle, auch 
“nicht andeutungsweise. Als ihm Bonbons geschenkt werden, verschlingt er sie 


9* 


90 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 1. 


schnell und sagt sofort, wie immer: „Du, ich will dich kratzen und beißen,“ 
versucht es zu tun. Bei der Demonstration erst Personalangaben und Bezeich- 
nung der Bilder im Bilderbuch richtig, dann sehr lauter Flatus, lacht dazu; als 
er gescholten wird, schlägt er auf den Arzt ein und schimpft, wie auch sonst 
auf der Abteilung: ‚„Aas, Stinkschwein, Dusseltier, Rindvieh“ u. a. — Epi- 
kritisch verweist Vortr. darauf, daß wir dem Seelenleben dieser Kinder wohl 
eher näher kommen, wenn wir Vergleiche und Beziehungen nicht suchen in den 
komplizierten Verhältnissen der Erwachsenen, sondern in den primitiven Formen 
des Seelenlebens bei den Tieren, besonders den Jugendformen der höheren Tiere. 
Die triebhaften Tendenzen, die unter Verwertung der persönlichen Erfahrungen 
zur Erhaltung und Durchsetzung des Individuums gegenüber der Außenwelt 
drängen, sind bei diesem Kind in pathologischer Weise gesteigert und in ihrer 
Richtung zum Teil entgleist, so daß Lustgefühle mit Schabernacks- und Grau- 
samkeitshandlungen verbunden sind, die dem Normalfühlenden fernliegen. Die 
Prognose solcher Kinder mit Steigerung und Perversionen der triebhaften 
Tendenzen ist nach den Erfahrungen des Vortr., der eine Reihe solcher Kinder 
für die Dauer vieler Jahre verfolgt hat, nicht so schlecht, doch blieben auch bei 
bester Einwirkung von außen diese pathologischen Tendenzen als charaktero- 
logische Grundmerkmale in abgeschwächter Weise zum mindesten lange bestehen. 

Diskussion. Bonhoeffer fragt, ob sich periodische Erscheinungen fest- 
stellen ließen. Auffallend ist das leicht scherzhafte Verhalten, das den Fall von 
der gewöhnlichen Form der Moral insanity unterscheidet. Ahnlich verhielt sich 
ein Kind aus seiner Beobachtung, das sich später als zirkuläres Irresein erwies. 
Hier spricht gegen einen manischen Zustand das indifferente Verhalten. — 
Stier (Schlußwort): Etwas echt Periodisches ist nicht vorhanden, aber das 
Verhalten des Kindes wechselte an den verschiedenen Tagen. Es bestand im 
übrigen keine Depression und keine Hemmung. Andererseits ist das Kind affekt- 
los und stumpf. 


Bonhoeffer: Demonstration eines Kranken mit Perioden von Rinden- 
epilepsie bei zystischer Großhirnerkrankung. Der jetzt 22jährige Kranke hat 
seit dem 12. Lebensjahr 27—56 Tage dauernde Perioden von Rindenepilepsie 
mit täglich sich bis zu 20 und 30mal wiederholenden Anfällen. Während der 
ersten 2 Jahre der Krankheit hat sich allmählich zunehmend eine linksseitige 
Hemiplegie vom typischen Pyramidenbahncharakter entwickelt, die seitdem 
unverändert geblieben ist. Auf die Anfallsperiode folgt eine anfallfreie Zeit von 
1—3monatiger Dauer. Es bestanden niemals Hirndruckerscheinungen. Wa.-R. 
und Lumbalpunktion ergaben negatives Resultat. Bemerkenswert bei den im 
übrigen dem gewöhnlichen Typus folgenden Jacksonschen Anfällen ist eine 
während des Anfalles auf der Herdseite auftretende starke Erweiterung der 
Pupille bis zur Lichtstarre, während die andere Pupille sich nicht erweitert, aber 
auch lichtstarr wird. Das Bewußtsein bleibt erhalten. Die während der Anfalls- 
periode über den Zentralwindungen und dem anliegenden Stirnhirn vorgenommene 
Trepanation ergab in dem handtellergroßen Operationsgebiet einen eigenartigen 
Befund. Die Dura war schlaff, nach Beseitigung des Ödems der weichen Him- 
häute lagen die Windungen gelbgrau, runzelig, ohne deutlichen Windungstypus 
vor. Das ganze vorliegende Hirngebiet glich bei der Pulsation und bei der Be- 
tastung einem schwappenden Sack. Die Punktion ergab im ganzen Bereich des 
Operationsgebietes schon in der Tiefe von !/,cm und bis zur Tiefe von 4 cm 
wasserklare Flüssigkeit. Erst bei der Punktion in der Richtung des Hinter- 
hauptlappens kam man auf normale Konsistenz. Die Natur des Prozesses ist 
unklar. Vortr. denkt an einen ausgedehnten, mit Einschmelzung des Gewebes 
einhergehenden subkortikalen enzephalitischen Prozeß. Eine Beeinflussung der 
Perioden von Rindenepilepsie war weder durch Lumbalpunktion, noch durch 
die Trepanation, noch durch Hirnpunktion und Entleerung von 30 cem Flüssig- 
keit, noch durch medikamentöse Maßnahmen zu erzielen. 


Diskussion. Schuster: Der Fall des Herrn Vortr. erinnert ihn an einen 
ähnlichen Fall, den er schon seit 4 Jahren beobachtet. Bei einem jungen 
Mädchen sind — angeblich im Anschluß an eine starke Handquetschung — im 
12. Lebensjahr leichte Zittererscheinungen in der rechten Hand aufgetreten. 
Dann haben sich psychisch-epileptische und im Gefolge dieser rechtsseitige 
epileptische Krampfzustände entwickelt. Bei der ersten Untersuchung 1912 
konstatierte er ganz leichte rechtsseitige hemiparetische Symptome. Nie Gehirn- 


III. Therapeutische Notizen. 21 


drucksymptome. 1914 operierte Herr Geheimrat Bier die Patientin. Man fand 
eine weit über gänseeigroße Zyste, die von der hinteren Zentralwindung bis ins 
linke Stirnhirn ging. Der Zysteninhalt war eiweißhaltig. Nach der Operation 
anfängliche komplette motorische und sensorische Aphasie, die sich allmählich 
wieder zurückbildete.e. Ebenso nun wie in dem Falle des Vortr. traten auch in 
diesem Fall die epileptischen Erscheinungen nur pericdenweise auf, wenn auch 
nicht in so außerordentlich scharf und deutlich voneinander abgegrenzten und 
ausgeprägten Perioden. Jetzt, etwa 1 Jahr nach der Operation, hatte Patientin 
wieder einen Anfall. — Lewandowsky hat einen 25jährigen jungen Mann be- 
obachtet, der seit 14 Jahren an periodischen Anfällen leidet, und zwar tritt alle 
2—3 Jahre einmal eine Periode auf. Patient hat dann etwa 4 Tage lang täglich 
je einen Anfall. Nach Beschreibung des Patienten beginnt der Anfall mit Ziehen 
und Kribbeln in der linken Hand, das sich auf die ganze linke Seite ausbreitet. 
Die motorischen Erscheinungen beschränken sich auf den Arm. Es treten dabei 
auch Schmerzen im Kopf auf. Keine Bewußtseinstrübung. Nach dem letzten 
Anfall einer Pericde besteht jedesmal eine Lähmung des linken Armes von 
14 Tagen Dauer. Während der Lähmung ließen sich erhöhte Reflexe und leichte 
Pyramidensymptome nachweisen. Nachher war der Befund ein normaler. Um 
was für einen Prozeß es sich handelt, kann L. nicht bestimmen, er hat auch an 
eine zystische Erkrankung gedacht. Bei dem gutartigen Verlauf ist bisher zu 
einer Operation nicht geraten worden. — Bonhoeffer (Schlußwort): Bemerkens- 
wert ist die Unabhängigkeit der Anfallspericdgen von dem Füllungszustand der 
Zysten. Es müssen also andere, als die mechanischen Verhältnisse der Zysten- 
füllung an dem Auftreten der Anfälle die Schuld haben. 
(Berliner Gesellsch. f. Psych. u. Nervenkrankh., 19. Juni 1916.) 


III. Therapeutische Notizen.') 


Über Uzaron bei Durchfällen im Kindesalter. Von Dr. Kurt Ochsenius, 
Kinderarzt in Chemnitz. Des Verf.s Erfahrungen mit Uzaren stützen sich auf 
reichlich 100 Fälle von’ Darmkatarrhen bei Kindern im Alter von 9 Monaten 
bis zum vollendeten 3. Lebensjahre. Versagt hat das Mittel nur in einem 
einzigen Falle, in dem Verf. allerdings der Mutter hinsichtlich der Ausführung 
seiner diätetischen sowie medikamentösen Anordnungen nicht ganz trauen kann. 
Die Erfolge waren stets ausgezeichnet, mitunter frappant. Die Wirkung gestaltete 
sich so, daß die Kinder sehr bald ruhiger wurden, die Entleerungen sofort seltener 
und auch schnell konsistenter wurden, bis nach einigen Tagen der normale 
Stuhl eintrat, natürlich unter Einhaltung einer entsprechenden Diät. In 2 Fällen 
von Colitis membranacea, die mit außergewöhnlich starker Schleimabscnderung 
einhergingen, hat Verf. gegen dieses Symptom noch Bismutum bitannicum heran- 
gezogen und in dem einen Falle auch Einläufe mit Acid. tannicum. Sonst hat 
er stets mit Uzaron die Schleimabsonderung restlcs bekämpfen können. Obwchl 
der Geschmack nicht ganz angenehm ist und die Resorptien als Suppositorium 
vom Darme aus schneller vor sich gehen soll, so rät Verf. doch auf Grund seiner 
Erfahrungen am meisten die Einnahme per cs in Form des Liquor Uzara an. 
Nach mancherlei Versuchen möchte er als die beste Formel empfehlen: 

Rp. Lig. Uzara 
Tinct. Cinnamoni aa 5,0 
D.S. 3mal täglich 12—20 Tr. in Saccharinwasser zu geben. 


Im 3. Jahre zweckmäßig hiervon 16 Tropfen, später 20 Tropfen. Die darm- 
beruhigende Wirkung wird zurückgeführt auf eine periphere Reizung des 
Splanchnicus. Eine zentrale Wirkung, ähnlich der des Opiums, hat Verf. niemals 
beobachtet — auch nicht an sich selbst. Die blutdrucksteigernde Wirkung des 
Uzarons ist mitunter recht angenehm in der Privatpraxis, da die Kinder häufig 
sofort nach der ersten Dosis rosiger aussehen, was z. B. bei der Verfütterung 
von Eiweißmilch besonders erwünscht erscheint. Seit der regelmäßigen An- 
wendung des Liquor Uzara hat Verf. übrigens wesentlich seltener als früher und 
nur noch in vereinzelten Fällen bei Darmkatarırhen am Ende des l. und im 


1) Die mit * bezeichneten Notizen beziehen sich auf Erwachsene. 


22 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 1. 


2. Lebensjahre zur Eiweißmilch greifen müssen, was in der Kriegszeit den Eltern 
sicher recht angenehm war. Von einer Anwendung des Liquor Uzara in den 
ersten 3/, Jahren möchte Verf. ebenso wie von der eines jeden anderen Medika- 
mentes prinzipiell abraten, da das Bild der Wirkung der diätetischen Behandlung, 
die in dieser Zeit ganz allein das Wort zu reden hat, verschleiert würde. Dagegen 
kann er den Liquor Uzara für Erwachsene bei entsprechender Dosierung sehr 
empfehlen. Daß die Erfolge bei größeren Kindern ebenfalls glänzend sind, sei 
erwähnt, aber diese reagieren ja nicht so fein wie die kleineren und vertragen 
mancherlei. Hoffentlich wird das Uzaron schätzen gelernt, als Ostafrikaner nicht 
ein Opfer des Krieges. (M. m. W. 1915 Nr. 50.) 


Atropin bei Pylorospasmus. Von Dr. Kurt Ochsenius, Kinderarzt in 
Chemnitz. Die Vorschrift, die Stolte in den Rabowschen Arzneiverordnungen 
gibt, lautet: Sol. Atropini 0,01: 10,0, 3—4mal täglich 1—3 Tropfen vor der 
Mahlzeit. 1 Tropfen einer 1°/„igen wässerigen Lösung enthält durchschnittlich 
0,05 mg Atropin, also mehr als andere Autoren gaben, z. B. Ruhräh 0,03 mg 
3—4mal täglich und Birk, der in seinem Lehrbuch pro dosi 0,025 mg Atropin 
mit 0,25 mg Kokain gemischt empfiehlt. Verf. hat bei einem Kind zuerst die 
Birksche Ordination gegeben ohne jeden Erfolg, dann die Stoltesche mit 
durchschlagendem Erfolg. Wir müssen also annehmen, daß bei der niedrigen 
Dosierung die spezifische Magenwirkung des Atropins, welches bekanntlich zwar 
die automatischen motorischen Ganglien des Auerbachschen Magenplexus un- 
beeinflußt läßt, dagegen die zu ihm in Beziehung tretenden fördernden Vagus- 
endigungen lähmt und auf diese Weise eine beruhigende Wirkung auf die Magen- 
muskulatur und somit auf die Peristaltik ausübt, noch nicht zur Entfaltung 
gebracht worden ist. Ein Beweis dafür, daß die Stoltesche Atropindosis nicht 
zu groß ist, ist die Tatsache, daß die hemmenden Sympathikusenden nicht ge- 
lähmt werden, was sich sonst durch gesteigerte Schmerzempfindung gezeigt 
hätte. Nach Verf.s Erfahrung ist es zweckmäßiger, das Atropin nicht nur vor 
dem Trinken zu geben, sondern die Tropfen auf die Zeit vor und nach dem 
Trinken und eventuell während des Trinkens zu verteilen. Gerade durch letztere 
Modifikation gelang es, die schmerzhafte Peristaltik während des Trinkens zu 
unterdrücken, was im Interesse der Nahrungsaufnahme äußerst wünschenswert 
ist. Mit 3 Tropfen, also 0,15 mg Atropin, kam Verf. stets aus; aber er gab es 
nicht nur 3—4mal, sondern 5 bzw. 6mal = 0,75 bzw. 0,9 mg Atropin. Und ein 
Kind, dem die Mutter infolge eines Mißverständnisses wochenlang 8 Mahlzeiten 
gab (2 Nachtmahlzeiten), erhielt also im Alter von 6 Wochen 8mal 0,15 mg 
= 1,2 mg Atropin und vertrug dies ohne jeden Schaden (Maximaldosis für den 
Erwachsenen pro die = 3,0 mg). Mit Rücksicht auf die Erweiterung der Haut- 
gefäße durch das Atropin, eine Erscheinung, auf die man die Eltern vorbereiten 
muß, die aber in wenigen Tagen ausbleibt, hat Verf. jedesmal anfangs nur 
l Tropfen gegeben und ist erst allmählich zu 3 Tropfen übergegangen. Nach 
einiger Zeit — 2—3 Wochen — wurde dann der Versuch gemacht, die Atropin- 
menge einzuschränken. (D. m. Wschr. 1915 Nr. 51.) _ 


* Künstliche Höhensonne bei Pemphigus vulgaris. Von k. u. k. Stabsarzt 
Priv.-Doz. Dr. Brandweiner. (Aus dem k. u. k. Reservespital in Wien.) Vert. 
hat in einem Falle schöne Erfolge erzielt. (W. kl. W. 1915 Nr. 43.) 


* Über therapeutische Erfolge mit der Quarzlampe. Von G. Stümpke. 
In Fällen von hartnäckigem, jahrelang dauerndem Prurigo, Pruritus, bei Neuro- 
dermitis und subakuten und chronischen Ekzemen auf allgemein konstitutioneller 
und seborrhoischer Basis hat Verf. bemerkenswerte Erfolge erzielt. Auch bei 
rheumatischen Erkrankungen, Ischias usw. bewährte sich oft das ultraviolette 
Licht. y (M. m. W. 1915 Nr. 47.) 


* Die Behandlung der Furunkel und anderer eitriger Hauterkrankungen mit 
Salizylsäure empfiehlt Sanitätsrat Dr. Berkenbusch in Altenwald. Er benutzte 
10°/,ige Salbe, welche stark erweichende Wirkung äußert und auch bei Ekzemen, 
Impetigo usw. sich gut bewährt hat. (Ther. Mhf. 1915, Oktober.) 


Zur Anwendung der Levurinose bei Hautkrankheiten. Von Dozent Dr. 
Vörner in Leipzig. Das Präparat bewährte sich nicht allein bei Hautaffektionen 
ex ingestis, sondern auch da, wo Zustände der Sexualorgane in Betracht kamen: 
Akne des Pubertätsalters, Menstrual- und Graviditätsexantheme. Ferner bei 
der Akne trunci der Tuberkulösen, bei Furunkulose, Akne rosazea, Follikulitis, 


III. Therapeutische Notizen. 28 


Pruritus infolge Anämie und Chlorose, bei Prurigo der Kinder und bei rezidi- 
vierendem Herpes mucosae oris und dem gleichen Prozesse an den Genitalien. 
(M. m. W. 1915 Nr. 46.) 

* Pellidolsalbe als Ekzemheilmittel rühmt Dr. G. Harter in Wien. Er wendet 
seit 11/, Jahren die Salbe, sobald die ersten heftigen Erscheinungen abgeklungen 
sind, an und erzielt stets rasche Erfolge. (M. m. W. 1915 Nr. 41.) 

* Beitrag zur Behandlung der Urtikaris (Chlorkalziumkompretten). Von Prof. 
Dr. Otto Seifert in Würzburg. In einigen Fällen von Urtikaria und einem 
Falle von akutem umschriebenen Hautödem Quinckes war die Wirkung der 
Kompretten eine eklatante. Gegeben wurden 10 Stück pro die. 

| (Derm. Wschr. 1915 Nr. 42.) 

| * Zur medikamentösen Behandlung der benignen Metrorrhagien. Von 
Dr. Franz Ertl, Assistenten der k. k. Hebammenlehranstalt und Oberösterr. 
Landes-Frauenklinik in Linz a. D. Die chem. Fabrik Zyma A.-G. (Aigle, Schweiz) 
hat sich bemüht, ein Hydrastispräparat einzuführen, welches auch in bezug auf 
seine allgemeine, ausgedehnte Verwendbarkeit allen Wünschen gerecht wird. 
Dies scheint ihr mit dem neuen Mittel Hydrasenecion Zyma (dialysata Golaz 
titrat.) gelungen zu sein; denn Hydrasenecion Zyma ist ein Mittel, welches alle 
physiologischen Effekte der Hydrastis äußert in Verbindung mit jenen der 
weniger bekannten Senecio vulgaris, eines ebenfalls erfolgreichen und bisher 
meist nur in der Volksmedizin gebrauchten Hämostaticums. Des Verf.s klinische 
Erfahrungen sind befriedigend günstige. Verf. hat das Präparat in zahlreichen 
Fällen von Metrorrhagien und Metropathien hämorrhagischer Natur verwendet, 
und zwar bei: Endometritis haemorrhagica, Metritis chronica, Metrorrhagie bei 
Myomen, Metrorrhagien infolge entzündlicher Adnexerkrankungen. Das Mittel 
erwies sich als vollwertiger Ersatz des Extract. Hydrast. canad. fluid., ja über- 
traf vielfach noch dessen Wirkung und hat einen weniger unangenehmen Ge- 
schmack als Hydrastis canadensis. Als Indikation für die Anwendung von 
Hydrasenecion Zyma läßt Verf. alle Metrorrhagien gelten, die auf chronisch 
benignen Veränderungen der Uterusschleimhaut und der Uterusmuskelwand be- 
ruhen, sowie Blutungen, welche durch entzündliche Hyperämie des Genitales 
infolge Veränderungen der Umgebung hervorgerufen werden; gerade in letzteren 
Fällen ist ein Curettement wegen der schädlichen Propagierung des Prozesses 
sehr gefährlich, daher Hydrasenecion Zyma vorteilhaft zu verwenden ist. Der 
billige Preis und die exakte Wirkung sichern dem Mittel einen dauernden Platz 
in der modernen ÄArztepraxis. Als Dosis wurden 3x 20-30 Tropfen pro die je 
nach der Stärke der Blutungen verordnet. Bei profuser Menstruation wurde das 
Mittel am besten 8 Tage vor dem zu erwartenden Eintritt und während der 
Menses gegeben. — Eine schädliche Wirkung wurde niemals beobachtet, nament- 
lich die Magenfunktion wurde in keiner Weise gestört. Es kamen vielmehr die 
Blutungen in den meisten Fällen prompt 2—3 Tage nach der Verabfolgung zum 
Stillstand. Auch bei mehreren Perioden nacheinander wurde das Mittel mit 
Erfolg ordiniert. Die Dauer der Menstruation wurde dadurch verkürzt und das 
blutungsfreie Intervall verlängert. (Klin.-ther. Wschr. 1915 Nr. 50.) 

* Tampospuman in der gynäkologischen Praxis. Von Dr. W. Schönwitz 

(Prof. Nagelsche Klinik in Berlin). Tampospuman, von der Fabrik Luitpoldwerk 
in München hergestellt, enthält Suprarenin, Stypticin, Ferripyrin, Chininsulfat, , 
Phenacetin und ist in Form von Stiften und Tabletten erhältlich. Es bewährte 
sich bei Hypermenorhöen (Pubertät, Klimakterium, Anämie) und Blutungen 
infolge Endometritis, Metritis, Adnextumoren, Myomen usw. Gewöhnlich wurde 
der Stylus in den Zervikalkanal eingeschoben; wo dieser zu eng war, und bei 
frischen Adnexerkrankungen wurden die Tabletten in die Vagina eingelegt. Die 
Wirkung trat meist sehr rasch ein. Unangenehme Nebenwirkungen wurden nie 
beobachtet. (Ther. d. Gegenw. 1915 Nr. 12.) 


| * Ichthyol-Vaselin bei Erfrierungen. Von Christo Duschkow-Kessiakoff. 
Bei Erfrierungen l. und 2. Grades hatte den besten Erfolg 10°/,ige Ichthyol- 
Vaselinsalbe. Die Behandlung gestaltet sich folgendermaßen: Die gesunde Haut 
in der Umgebung der geschädigten Partien wird sauber gemacht. Auf sterilem 
Mull wird von der Ichthyol-Vaselinsalbe eine genügende Menge aufgestrichen. 
Diese Mullappen werden auf alle geschädigten Stellen gelegt. Darüber wird noch 
eine Lage steriler Mull gesetzt. Auf die ganze Partie und noch ein großes Stück 
proximalwärts wird der Prießnitzsche Umschlag gemacht. Der Prießnitzsche 


24 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 1. 


Umschlag wird jeden Tag, der Ichthyol-Vaselinlappen jeden 2.—3. Tag ge- 
wechselt. Die Resultate zeigen sich bald. Sie sind sehr gut. 
(Feldärztl. Beil. z. M. m. W. 1915 Nr. 40.) 

* Ein Fall von Wunderysipel durch Hefe kupiert. Von Sanitätsrat Dr. 
Grosch, Bad Pyrmont. Nachdem Verf. ein Erysipel bei einem Patienten, der 
gerade Hefe nahm, sehr milde verlaufen gesehen hatte, gab er einem Kranken 
mit ziemlich heftig einsetzendem Wunderysipel sofort reichlich Hefe (er bevcr- 
zugt das von den Pyrmonter Fermentwerken hergestellte Dauerpräparat „Fer- 
ment‘‘); der Patient war schon nach 2 Tagen fieberfrei und am 5. Tage frei von 
allen Krankheitserscheinungen. (Klin.-ther. Wschr. 1915 Nr. 46/47.) 


Ein Ersatz der Jodtinktur. Von Dr. Hermann Schmerz. (Aus der chir- 
urgischen Universiätsklinik zu Graz.) Als solcher wird alkoholische Tanninlösung 
(Acid. tannic. 10,0—5,0:100 Alkoh. 90°/,) bezeichnet, die, wie die bakterio- 
logischen Versuche ergaben, ebenso wirkt wie 5°/,ige Jodtinktur, aber um ein 
Drittel billiger ist als diese und keinerlei Reizwirkung ausübt. Sie ist haupt- 
sächlich da indiziert, wo ein kleines Operaticnsfeld wiederholt desinfiziert werden 
soll, also z. B. bei subkutanen und intravenösen sowie intralumbalen Injektionen, 
zum Bestreichen genähter Wunden usw. (M. m. W. 1915 Nr. 49.) 


Jodkali bet Keuchhusten zu versuchen, empfiehlt V. Lange, Kopenhagen. 
Man gebe es womöglich schon im katarrhalischen Stadium so früh wie möglich. 
| | (B. kl. W. 1916 Nr. 18.) 
Zum Milchbedarf des Kindes und zur Ätiologie und Behandlung der Rachitis. 
Von Prof. Dr. E. Feer. (Aus der Universitäts-Kinderklinik in Zürich.) Über- 
fütterung mit Milch ist ein sehr wichtiges ätiolegisches Moment für die Ent- 
stehung der Rachitis, und die beste Prophylaxe ist Redukticn der Milchmengen 
unter Zugabe von Kohlehydraten, Gemüse und Obst. Für den gesunden Sävg- 
ling ist das Maximum an Milch 600 g pro die, welche Menge auch am Ende des 
l. Lebensjahres nicht zu überschreiten, im 2. Jahre scgar stark zu beschränken 
ist. Am Anfang des 2. Jahres es 400 g, am Ende dieses Jahres 300—200 g, 
wobei man die Menge von Kohlehydraten, Obst und Gemüse vermehrt; Fleisch 
und Eier sind entbehrlich. Noch wichtiger sind diese Ernährungsprinzipien tei 
der Behandlung der manifesten Rachitis; bei jüngeren Säuglingen genügen 
300—400 g, bei älteren 500g in maximo pro die. Diesse Ernährung ist wirk- 
samer als die ausschließlich medikamentöse Therapie. (M. Kl. 1916 Nr. 8.) 
* Über die Bekämpfung von Darmentzündungen durch lösliche Kalksalze. 
Von Prof. Dr. H. Leo, Geh. Med.-Rat aus Bonn, zurzeit Oberstabsarzt in 
Warschau. Durch Tierexperimente wurde erwiesen, daß die Entzündung der 
Darmwand durch Zufuhr von Kalk unterdrückt werden kann, und es erscheint 
zweckmäßig, auch alle Darmentzündungen beim Menschen, jede Enteritis, Cholera, 
geschwürige Prozesse (Dysenterie, Typhus) so zu behandeln. Was die Form der 
Darreichung betrifft, so kcmmt dafür in erster Linie das Kalziumchlorid in 
Betracht, das man in der gebräuchlichen Form einer 5°/,igen Lösung unter Zu- 
satz eines Sirups verschreibt und von dem man täglich 5—10 g, eventuell auch 
mehr, einnehmen läßt. Ebenscgut kann man auch das weniger unangenehm 
schmeckende Calcium lacticum anwenden, sowie das ebenfalls in Wasser leicht lës- 
liche Calcium glycerinophosphoricum. Die schon immer bei Verdauungsstörungen 
der Kinder mit und chne Durchfall mit Erfolg angewandte Aqua Calcis und cer 
Zuckerkalk enthalten zu wenig Kalk, um eine eingreifende Wirkung zu gewähr- 
- leisten, sind aber in der Kinderpraxis wie bisher natürlich sehr am Platze. wenn 
es sich um leichtere Darmstörungen handelt. Bei schweren Enteritiden sind auch 
hier größere Kalkmengen indiziert. (B. kl. W. 1916 Nr. 23.) 
Zur Behandlung der Laryngitis diphtherica schreibt Dr. K. Pfister: 
„1. Ein Knabe, 4 Jahre alt, kam am 5. Krankheitstage in Behandlung; trotz 
der relativ langen Krankheitsdauer waren die stenotischen Erscheinungen gering, 
Herztätigkeit und Allgemeinzustand gut, kein sichtbarer Belag im Rachen — 
die Untersuchung des Rachenschleims ergab das Verhandensein von Diphtherie- 
bazillen; Injektion von 1500 A.-E.; am nächsten Tage vorübergehende Besserung 
(Respiration etwas leichter, Atmungsgeräusch weniger pfeifend-trocken); in der 
Nacht starke Atmungsnot, tiefe Einziehung des Sternums fast in toto; dabei 
große Unruhe, schwacher Puls, livide Verfärbung der Lippen — ein Krankheits- 
bild, das den baldigen Exitus befürchten ließ. Die Vorbereitung zur Verbringung 
des Patienten in das Krankenhaus behufs Vornahme der Tracheotomie war ge- 


III. Therapeutische Notizen. 25 


troffen; um das Herz bis dahin einigermaßen aufrecht zu erhalten, machte ich 
eine Kampferöl- (2:10) Einspritzung (1,0), also 0,2 Kampfer; zu meiner und der 
Umgebung Überraschung besserte sich nach kaum 10 Minuten das Allgemein- 
befinden auffallend, die Dyspnoe so weit, daß das Kind sich beruhigte, die 
Atmungsgeräusche fast ganz verschwanden. Bei diesem Befinden hielt man die 
Operation nicht mehr für geboten, sie wurde auch nicht mehr notwendig, nach 
4 Beobachtungstagen kam der Patient als Rekonvaleszent zurück. Ein zweiter 
Fall vor wenigen Tagen betraf ein 3 Tage vorher erkranktes Mädchen, 9 Jahre 
alt; die stenotischen Erscheinungen waren auch hier sehr stark ausgeprägt mit 
all den übrigen Folgezuständen; ich machte hier nach einer Injectio seri eine 
solche von Kampferöl, wie im vorigen Falle — mit dem gleichen Erfolge! In 
gleicher oben beschriebener Weise und in gleich kurzer Zeit besserten sich auch 
hier die Beschwerden und leitete die Besserung in Heilung über.‘ 

(Feldärztl. Beil. z. M. m. W. 1916 Nr. 5.) 


Laryngol. Von F. E. Stupnicki, Burgdorf. Auf seine Veranlassung hat 
Apotheker Dr. Lüsy (Burgdorf) diese Chloreton, Kampfer, Menthol, Eukalyptol 
und Ol. Pini in feinster Verteilung enthaltende Emulsion zu Inhalaticnszwecken 
hergestellt. Sie ist indiziert bei Katarrhen der Nase, des Kehlkopfes, der 
Trachea und Bronchien, bei Asthma, Pertussis, Heufieber u. dgl. 

(Schweiz. Corr.-Bl. 1916 Nr. 8.) 


Über die lokale Behandlung der Diphtherie mit Tribrom-f-Naphtol (Provido- 
form). Von Dr. Erich Leschke. (Aus der II. medizinischen Universitätsklinik 
der Kgl. Charite in Berlin.) Verf. ist so vorgegangen, daß er etwa 1 EBßlöffel 
der 5°/, alkoholischen Providoformtinktur auf ein Glas Wasser in homogener 
Emulsion mit Hilfe eines kräftigen Zerstäubers hat einatmen lassen. Wenn sich 
eine genügende Menge der Flüssigkeit in der Rachenhöhle angesammelt hat, 
wurde damit ausgiebig gegurgelt, und zwar so tief wie möglich, wobei stets 
etwas von der Flüssigkeit in die Speiseröhre laufen soll, um auch die hintersten 
Rachenteile zu treffen. Bei der völligen Ungiftigkeit des Mittels können auch 
größere Mengen schadlos verschluckt werden. Bei Leuten, die besondere Fertig- 
keit im Gurgeln haben, genügt es wohl auch, möglichst tief und ausgiebig gurgeln 
zu lassen. Jedoch scheint Verf., daß durch das Einatmen der zerstäubten Flüssig- 
keit die hinteren Rachenteile wirksamer getroffen werden. Bei Diphtherie des 
Kehlkopfes, der Luftröhre und der Bronchien wird man zweckmäßig eine 
konzentriertere Emulsion der Providoformtinktur in Wasser mit einem feineren 
Zerstäuber inhalieren lassen. Dabei ist besonders darauf zu achten, daß die 
Emulsion jedesmal frisch bereitet wird, sobald sie auszuflocken beginnt, was 
schon nach wenigen Stunden einzutreten pflegt. Sobald die Ausflockung eintritt, 
verliert das Mittel seine Wirkung auf die Diphtheriebazillen und außerdem wird 
der Inhalationsapparat durch die Flocken verstopft. Neuerdings hat Verf. auch, 
um eine größere Desinfektionskraft und Tiefenwirkung zu erzielen, namentlich 
nach Abstoßen der Beläge die Mandeln mit der unverdünnten 5°/, Tinktur ge- 
pinselt. Da in der Literatur bereits Berichte vorliegen, daß Pinselung mit Jod- 
tinktur die Bazillen schneller zum Verschwinden bringt, ist dies von dem spezifisch 
wirkenden Providoform um so mehr zu erwarten. Der klinische Erfolg dieser 
Behandlung äußert sich zunächst darin, daß die Beläge sich schneller abstoßen. 
Verf. hat gesehen, daß große Membranen bis zu 7x3 cm Größe sich in toto ab- 
stießen. Daß diese Reini der Mandeln durch die Behandlung objektiv be- 
schleunigt wurde, ging deutlich hervor aus dem Vergleich mit nicht lokal 
behandelten Patienten, ebenso auch aus der Verzögerung des Verlaufs bei Aus- 
setzen der Behandlung und bei Patienten, die die Behandlung nachlässig durch- 
führten. Verf. konnte geradezu aus der Art des Verlaufs solche säumige Patienten 
erkennen und überführen und dann auch bei ihnen nach gewissenhafterer Befolgung 
der Anordnung die günstige Wirkung feststellen. Im allgemeinen überzeugten 
sich die Patienten selbst sehr bald von der guten Wirkung der Behandlung und 
führten sie darum gern durch. Aber auch nach Abstoßen der Beläge und völliger 
Reinigung der Mandeln muß die Behandlung unverändert fortgesetzt werden, da 
ja die Diphtheriebazillen sich noch weiter in den Buchten der Mandeln halten. 
Da wir im Providoform ein so stark bakterizid wirkendes Mittel haben, lag es 
nahe, zu versuchen, die Patienten durch konsequente Weiterbehandlung bazillen- 
frei zu machen. Dieses Ziel wurde in der Tat bei der überwiegenden Mehrzahl 
der Fälle erreicht. Nur 2 Fälle, die aus äußeren Gründen früh entlassen werden 


26 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 1. 


mußten, hatten bei der Entlassung noch Diphtheriebazillen in den Krypten der 
Tonsillen. Beide waren gewissenhaft genug, zu Hause weiter regelmäßig mit 
Providoform zu gurgeln, und obwohl der eine Fall, ein Schulknabe, wie sich 
später herausstellte, im selben Zimmer und im selben Bett mit jüngeren Kindern 
zusammen untergebracht war, die noch keine Diphtherie gehabt hatten, ist keines 
dieser Kinder von ihm angesteckt worden. Auch dieser Knabe wurde nach der 
Entlassung später bazillenfrei. Die Vorzüge der lokalen Behandlung der Diphtherie 
mit Providoform liegen also darin, daß die Beläge sich rascher abstoßen, wodurch 
sowohl das subjektive Befinden wie der objektive Krankheitsverlauf günstig 
beeinflußt werden, sowie in der rascher erzielbaren Bazillenfreiheit und der da- 
durch gewährleisteten Verhütung weiterer Ansteckungen. 
(M. m. W. 1915 Nr. 41.) 


* Zur Behandlung des Asthma bronchiale mit dem Endobronchialspray. 
Von Stabsarzt Dr. Stephan. (Aus der Universitätsklinik für Hals- und Nasen- 
krankheiten in Berlin.) ‚Einen in jedem Falle sicheren Erfolg gewährleistet die 
Behandlung des Asthma bronchiale mit dem Endobronchialspray nicht. Über- 
haupt soll sie die sonstigen Behandlungsarten keineswegs ersetzen oder ver- 
drängen. Die mit der Jodtherapie erzielten Erfolge werden dieser Behandlungs- 
art immer eine hervorragende Stelle anweisen. Auch der Einfluß der Inhalations- 
therapie (Räucherung, Zerstäubung an Apparaten cder im Raum), der Pneumato- 
therapie, der Mechano- und Hydrotherapie auf das Asthma bronchiale soll nicht 
unterschätzt werden. Aber alle diese Behandlungsarten können nachgewiesener- 
maßen nur in einem Teil der Fälle günstig und zuverlässig wirkend befunden 
werden. Gerade bei den unbeeinflußbaren Fällen kann die endobronchiale Be- 
handlung nach den bisherigen Erfahrungen dringend empfohlen werden. Sie ist 
imstande, allein oder im Verein mit anderen therapeutischen Maßregeln in 
manchen sonst aussichtslosen Fällen noch Heilung zu erzielen. In der großen 
Mehrzahl der Fälle hat sie sich als hervorragendes Beruhigungsmittel für kürzere 
oder längere Zeit bewährt. Auch diese im Erfolg beschränkte Wirkung muß bei 
der Schwere des Leidens und den mit ihm verbundenen qualvollen Zuständen 
als ein wertvoller Gewinn bezeichnet werden.‘ (D. m. W. 1916 Nr. 4.) 


* Beitrag zur Jodbehandlung des Asthma bronchiale. Von Stabsarzt a. D. 
Dr. Grumme in Fohrde. Ein seit Jahren an Asthma leidender Patient bekommt 
täglich 2 Tabletten Jodtropon und hat jetzt im Laufe eines Jahres 660 Stück 
(= 33 g Jod. pur.) genommen. Er wurde von seinem Leiden befreit, nimmt am 
Feldzuge teil und hat manchmal große Strapazen zu überstehen. 
(D. m. W. 1916 Nr. 9.) 


Über Rhinovalin. Von Prof. Dr. Otto Seifert und Dr. Como. (Aus der 
Kgl. Universitäts-Poliklinik für Nasen- und Kehlkopfkranke in Würzburg.) Diese 
Lösung von Validol in Ol. Paraffin (Zimmer u. Co., Frankfurt a. M.) wird in 
Gläsern zu 10g abgegeben. Es wurde den Patienten angegeben, ein Augen- 
tropfglas bis etwa zur Hälfte (also etwa l cem) mit der Lösung vollzusaugen 
und diese Quantität bei leicht zurückgeneigtem Kopfe in die beiden Nasen- 
hälften einlaufen zu lassen, so daß auf jede Seite ungefähr die Hälfte dieser 
Menge trifft. Sobald die Patienten das Hinunterfließen in den Nasenrachen- 
bzw. Mundrachenraum verspüren, sollen sie sofort den Kopf leicht nach vorne 
überbeugen und mit etwas vorher schon bereitgehaltener Watte (eventuell einem 
Taschentuch) die Nase für etwa 1 Minute zuhalten, damit die gesamte Nasen- 
höhlenschleimhaut gewissermaßen mit der Lösung bespült wird. Die Watte 
(bzw. das Taschentuch) ist dann ohne weiteres bereit, nach Freilassung der 
Naseneingänge die überfließende Flüssigkeit aufzunehmen und damit den Mund 
vor deren Eindringen zu schützen. Das Mittel bewährte sich bei akutem 
Schnupfen, wo 3—4malige Applikation pro die genügte, um die lästigen Er- 
scheinungen zum Verschwinden zu bringen, sowie bei den trockenen Katarrhen 
(Rhinitis sicca, Rhino-Pharyngitis), wo durch 2—-3malige Behandlung pro die 
vor allem eine Milderung der subjektiven Beschwerden erreicht wurde. 
(Klin.-ther. W. 1915 Nr. 51.) 
Behandlung der Möller-Barlowschen Krankheit. Von Geh. Med.-Rat Prof. 
Dr. Peiper, Greifswald. Heilung ist nur durch Zuführung ungekochter Nah- 
rung möglich! In schwereren Fällen Ammenmilch, eventuell abgedrückt. Wo 
dies nicht möglich, rohe Kuhmilch, bei jüngeren Kindern verdünnt; vor der 


IV. Neue Bücher, 27. 


Mahlzeit wird die Milch auf Trinkwärme gebracht und 5mal am Tage in Mengen | 
von 150—200 ccm gereicht. Je nach der Schwere des Falles erhält das Kind 
2—3 Wochen hindurch die Kuhmilch in ungekochtem Zustande. Besonders wenn 
rohe Kuhmilch unverdünnt gegeben wird, ist der Stuhlgang des Kindes sorg- 
fältig zu überwachen, denn rohe, unverdünnte Kuhmilch wird, zumal bei jüngeren 
Kindern, auf die Dauer nicht vertragen. Es besteht ferner die Möglichkeit, daß 
trotz aller Vorsicht sich doch ein Milchfehler einschleichen kann. Die rohe Milch 
wird, wenn sie unverdünnt von jüngeren Säuglingen nicht vertragen werden 
sollte, mit kurz abgekochtem Wasser oder mit einer 3—65°/,igen, kurz gekochten 
Hafer- oder Reismehlabkochung verdünnt. Verträgt das Kind auch rohe, ver- 
dünnte Milch nicht, oder ist man nicht imstande, einwandfreie rohe Milch zu 
beschaffen, so muß man sich entschließen, die Milch gerade bis zum Aufwallen 
zu bringen, und dann sofort den Kochprozeß unterbrechen. Sobald die rohe 
Milch gut vertragen wird, geht man am 2. Tage oder, wenn die Darmverhältnisse 
es gestatten, sofort zur Verabreichung anderer sogenannter antiskorbutischer 
Nahrungsmittel über. Von jeber haben sich in der antiskorbutischen Therapie 
Vegetabilien bewährt. Auch beim Kinderskorbut ist die Zufuhr von Pflanzen- 
säuren nach der rohen Milch in erster Linie zu nennen. Insbesondere sieht man 
guten Erfolg von der Verabreichung von frischem Zitronen- oder Apfelsinensaft, - 
2—3 Teelöffel pro Tag in dünnem Zuckerwasser. Nehmen die Kinder den Satt 
nicht mit Wasser verdünnt, so gibt man ihn mit Kartoffel- oder Grießbrei. 
Kristallisierte Zitronensäure ist nicht zu verwenden. Auch Kirsch-, Himbeer-, 
Blaubeer-, Brombeer-, Erdbeer-, Preiselbeer-, Weintrauben-, Pfirsich- oder Orangen- 
saft ist zu geben. Neben den Fruchtsäften oder an Stelle derselben werden roher 
geschabter Apfel, Birne, Banane, Erdbeeren, Apfel- Pflaumen-, Rhabarbermus, 
Pfirsiche, Aprikose, Dattel, entkernte Kirschen oder Pflaumen, kurz die Früchte 
der Jahreszeit in kleinen Mengen, aber häufiger am Tage gereicht. Sehr empfehlens- 
wert ist die Verabreichung von 2—3 Teelöffeln Fleischsaft: 250 g rohes, saft- 
reiches Rindfleisch werden durch die Fleischmaschine gedreht und auf einer 
Fleischpreßmaschine durchgepreßt. Der frisch ausgepreßte Saft wird meist ohne 
jeden Zusatz von den Kindern gern genommen. Wird er verweigert, so mischt 
man ihn unter etwas Kartoffel- oder Grießbrei. Fleischextrakte und Fleisch- 
brühe kommen nicht in Betracht, da sie einflußlos bleiben. Das wirksame Agens 
scheint das Fleischeiweiß zu sein. Unter genauer Beobachtung des Stuhlganges, 
jede Überlastung des Magens sorgfältig vermeidend, geht man am 4. oder 5. Tage, 
wenn nicht schon früher, zur Gemüsekost über. Man gibt mittags einige Tee- 
löffel Spinat-, Blumenkohl-, Mohrrüben-, Kartoffelmus oder einige Spargelköpfe. 
Die Beikost wird auf alle Mahlzeiten verteilt. Bei jüngeren Kindern wird der 
rohe Fleischsaft baldmöglichst ausgesetzt. Bei Säuglingen, die an der Jahres- 
grenze stehen, ersetzt man ihn durch im Haushalt frisch geschabtes rohes Rind- 
fleisch, das mit Grießbrei zwischen zwei Untertassen über kochendem Wasser 
10 Minuten gedämpft wird. Fruchtsaft, Obst und Gemüse werden, wenn es die 
Verdauungszustände erlauben, überhaupt nicht mehr ausgesetzt. 
(D. m. W. 1916 Nr. 6.). 


IV. Neue Bücher. 


L. Brauer. Beiträge zur Klinik der Infektionskrankheiten und zur Immunitäts- 
forschung. C. Kabitzsch, Würzburg. Bd. V, Heft 1. Preis M. 12.—. Heft 2 
M. 8.—. 

Wir haben schon so oft auf diese Hefte empfehlend hingewiesen, die dem 
Forscher und Praktiker immer wieder hochinteressante Arbeiten bringen, daß 
es genügt, auf den Inhalt der vorliegenden Hefte aufmerksam zu machen. 
Heft 1 enthält folgende Aufsätze: „Klinische und pathologisch-anatomische Be- 
obachtungen beim Fleckfieber‘‘ von Wolff, „Beiträge zur Pathologie und Therapie 
der Typhusbazillenträger‘‘ von Krause und Bumke, „Klinik und Pathogenese 
der Paratyphus B-Infektion“ von Stephan, „Beitrag zur Bakteriologie der 
Meningitis cerebrospinalis epidemica“ von Fischer, ‚Beziehungen des Ikterus 
epidemicus zum Ikterus catarrhalis und zur Weilschen Krankheit‘ von Ickert, 
„Die moderne Behandlung des Tetanus“ von Kreuter, ‚Bemerkungen zum 
Verlauf des Typhus abdominalis im ersten Kriegsjahr 1914“ von Fejes. Heft 2 


98 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 1. 


enthält: „Über Schwerhörigkeit im allgemeinen und Typhusschwerhörigkeit im 
besonderen“ von Wittmaack, „Zur Epidemiologie des Typhus abdominalis“ 
von Barrenscheen und Kyrbe, „Über Autolysine‘ von Billigheimer, „Die 
Typhusschutzimpfung und ihre Erfolge“ von Seiffert. Grätzer. 


Neue Dissertationen. 
(Aus deutschen Universitäten.) 


Abel, G., Über einen Fall von Doppelmißbildung (Berlin). — Bleckmann, 
Kombinierte Neosalvarsan- Quecksilberbehandlung der kongenitalen Lues (Straß- 
burg). — Bosshardt, M., Über einen Fall von hereditirem Defekt von Fingern 
(Marburg). — Eliassow, W., Erbliche Belastung und Entwicklung von Hilfs- 
schulkindern (Königsberg). — Gottschalk, J., Fall von Volvulus des Dünndarms 
im Säuglingsalter (Berlin. — Hoffmann, M., Beitrag zur Lehre von den 
hereditären und familiären Hirn- und Rückenmarkserkrankungen (Kiel). — 
Komes, B. O. H., Varicella bei Erwachsenen (Leipzig) — Krüsmann, M., 
Psychosen bei akuten Infektionskrankheiten, Deferveszenzdelirien, speziell bei 
Scharlach. — Leiser, K., Kehlkopftuberkulose im frühen Kindesalter (Berlin). 
— Meyer, H., Zur Biologie der Zwillinge (Berlin). — Olejniczak, B., Über 
einen durch Enteroanastomose geheilten Fall von Hirschsprungscher Krankheit 
(Kiel). — Paasche, B., Zur Frage der modernen Behandlung des Typhus im 
Kindesalter (Rostock). — Sauer, H., Gehäufte kleine Anfälle bei Kindern, 
Pyknolepsie (Greifswald). — Schirmeyer, L., Über die während der Wendung 
zustande kommenden Humerusfraktionen des Kindes (Kiel). — Thiele, F., Bei- 
. trag zur Eiweißmilchfrage (Berlin. — Wacker, A., Statistische Studie zur 
Ätiologie der Diphtherie mit besonderer Berücksichtigung des lokalen Auftretens 
der Krankheit in München während der Jahre 1880—1886 (München). 


V. Monats-Chronik. 


Berlin. Der Kaiser hat anläßlich des Geburtstages der Kaiserin jährlich 
50000 Mark als Beitrag zu der Erweiterung des Kaiserin- Auguste-Viktoria-Hauses 
zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit bewilligt. Die Erweiterung der An- 
stalt soll der vermehrten Ausbildung von Säuglingspflegerinnen und der Ver- 
größerung der Zentralstelle für Säuglingsschutz dienen. 

— Für Säuglinge im Alter bis zu einem Jahre, d. h. zunächst für die nach 
dem 1. Dezember 1915 geborenen, werden in Berlin vom 1. Dezember ab Zusatz- 
zuckerkarten ausgegeben, die zum Bezuge von !/, Pfund Zucker für jedes Kind 
im laufenden Kalendermonat berechtigen. 

— Durch einen Erlaß des preußischen Ministeriums des Innern vom 10. Ok- 
tober werden die Apotheker nochmals angehalten, Gummisauger jederzeit vor- 
rätig zu halten. 

Dresden. Das Landesgesundheitsamt beriet am 9. September über die 
vom Ministerium des Innern aufgestellten Grundsätze, betreffend gesetzliche 
Regelung der Säuglings- und Kleinkinderfürsorge in Sachsen. Bei der (unver- 
bindlichen) Aussprache kam man zu dem Ergebnis, daß besondere Fürsorge- 
bezirke für Säuglinge, uneheliche Kinder und Pflegekinder bis zum 6. Jahr zu 
bilden sind. Die Fürsorge soll sich erstrecken auf Belehrung und Beratung der 
Mütter, Beaufsichtigung der Kinder, wirtschaftliche Unterstützung von Mutter 
und Kind. Die Organisation und Überwachung der Maßnahmen im einzelnen 
(wie Mütterberatungsstellen, Stillbeihilfen usw.) soll eine Zentralstelle, der Landes- 
ausschuß für Säuglings- und Kleinkinderfürsorge, übernehmen. In ihm sollen 
unter Vorsitz des Ministers des Innern u. a. Vertreter der Regierung, der be- 
teiligten Behörden, die Leiter der Frauenkliniken in Leipzig, Dresden, Chemnitz, 
der Kinderklinik in Leipzig, des Säuglingsheims in Dresden Mitglieder sein. 


Verantwortlicher Redakteur: Sanitätsrat Dr. Eugen Graetzer in Friedenau-Berlin. — Verlag 
von Johann Ambrosius Barth in Leipzig. — Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. 


Zentralblatt tor 
Kinderheilkunde. 


Eine Monatsschrift für praktische Ärzte. 


22. Jahrgang. . Februar 1917. Nr. 2. 


L Referate. 
A. Aus deutschen Zeitschriften. 


H. Bahrdt und F. Edelstein, Untersuchungen über die 
Pathogenese der Verdauungsstörungen im Säuglingsalter. 
9. Mitteilung: Die flüchtigen Fettsäuren in frischer und 
verdorbener Säuglingsnahrung. (Aus dem Kaiserin-Auguste- 
Viktoris-Haus in Berlin.) (Ztschr. f. Kinderhlk. 11. S. 403.) Auch 
bei reichlicher Impfung mit Reinkulturen in Milch bildeten sich 
innerhalb der ersten Tage nicht soviel niedere flüchtige Fettsäuren, 
daß durch diese eine akute Verdauungsstörung erklärt werden könnte. 
Auch bei ganz frischen Fällen von akuter schwerer Verdauungs- 
störung fanden sich in der in Betracht kommenden, sofort unter- 
suchten Säuglingsnahrung keine nennenswerten Mengen flüchtiger 
Säuren. Diese Untersuchungsergebnisse sprechen also durchaus gegen 
eine überwiegende Bedeutung verdorbener Milch bei der Entstehung 
der akuten, gewöhnlichen Sommerdurchfälle der Säuglinge. 

Schick. 

H. Bahrdt, F. Edelstein, P. Hanssen und E. F. Welde, Unter- 
suchungen über die Pathogenese der Verdauungsstörungen 
im Säuglingsalter. 10. Mitteilung: Tierversuche über die 
Vermehrung von Bakterien und die Bildung flüchtiger 
Fettsäuren im Magen (und Darm) bei Fütterung von keim- 
reicher Milch. (Ebenda. 11. 8.416.) Es wurden Hunde mit 
Milch (einmal 200—400 g) gefüttert, die mit verschiedenen Milch- 
bakterien in Reinkultur infiziert war. Die Milch enthielt meist 
enorme Mengen von Bakterien. Nach 2 Stunden wurden die Hunde 
getötet und im Magen Keimzahl und Magenflora untersucht. Da- 
neben wurde auch der Dünndarm und zum Teil der Dickdarm 
untersucht und auf eventuelle pathologische Wirkungen geachtet. 
Die Keimzahl im Magen war in den meisten Versuchen trotz Zufuhr 
enormer Mengen von Bakterien sehr vermindert, meist auf ein 
Zehntel oder weniger. In einigen Versuchen, besonders mit Säure-. 
bildnern, war die Keimzahl im Magen nicht vermindert, zum Teil 
etwas erhöht. An dieser Bakterienvermehrung waren aber die ein- 
geführten Keimarten gar nicht oder nur zu einem Bruchteil beteiligt. . 
Es hatten sich vielmehr hauptsächlich andere, offenbar im Magen 
(oder im Munde) schon vorhandene Bakterien vermehrt. 

Bei den letztgenannten Versuchen zeigte sich keine Beschleuni- 
gung der Peristaltik oder leicht erkennbare Störung der Verdauung. 
Ebensowenig bei den anderen Versuchen, außer bei zweien. 

Zentralbl. f. Kinderhikde. 22. I 3 


80 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 2. 


Eine akute Verdauungsstörung bewirkten von den untersuchten 
Bakterienarten (Bact. acidophilus, Bact. acidi lactici, Bact. lactis 
aerogenes, Sporenbildner aus der Gruppe der Heu- und Kartoffel- 
bazillen, Bacterium coli, Bact. Flügge No. VII und eine Reihe anderer) 
nur Bacillus Flügge No. VII und ein stark wachsender Koli- 
stamm, also solche Bakterienarten, von denen es bereits bekannt 
ist, daß sie, in genügender Menge per os zugeführt, akute Gastro- 
enteritiden herbeiführen können. Bei diesen war eine Peristaltik- 
beschleunigung nachzuweisen. 

Die Bildung des Koagulums im Magen war bei Fütterung 
infizierter Milch zum Teil weniger fest als normal. Die Verdauung 
der Milch und die getrennte Entleerung von Molke und Koagulum 
in den Darm schien aber meist ungestört zu sein. 

Die Bestimmung der flüchtigen Fettsäuren in der infizierten 
Milch, im Mageninhalt und Darm ergab im Mageninhalt mehr 
flüchtige Fettsäuren als in der infizierten Milch, die Mengen ent- 
sprachen aber den bei gesunden und kranken Säuglingen gefundenen 
Mengen und sind nicht größer als bei Verfütterung nichtinfizierter 
Milch. Den durch die Milchverderbnis entstandenen Produkten kann 
also eine ursächliche Bedeutung für die Pathogenese akuter Ver- 
dauungsstörung nicht zuerkannt werden. Freilich handelte es sich 
bei diesen Versuchen um vorher gesunde Tiere und um normal 
dosierte Nahrungsmengen. Die Versuche sind daher noch unter 
anderen Bedingungen fortzusetzen. Schick. 

Erich Rominger, Rachitis und innere Sekretion. (Aus der 
Kinderklinik Freiburg i. Br.) (Ebenda. 11. 5.887.) Mit Hilfe des 
Abderhaldenschen Dialysierverfahrens gelang es nicht, eine Störung 
innersekretorischer Drüsen bei der Rachitis nachzuweisen. Untersucht 
wurden 41 Kinder und 6 gesunde Erwachsene; unter den Kindern 
waren 28 Rachitiker. Auf Abbau wurden Thyreoidea, Thymus, 
Hoden, Ovarium geprüft. Die Resultate waren nicht gesetzmäßig; 
auch der von Deutsch beobachtete ‚fast regelmäßig starke Abbau 
von Thymusgewebe“ durch normale Sera konnte Verf. nicht be- 
stätigen. Er hält die Abderhaldensche Dialysiermethode überhaupt 
noch nicht für eine klinisch für diese Fragestellung brauchbare 
Methode. Schick. 

Emmy Bergmann-Grunwald, Ein Fall von sogenanntem 
Hemispasmus der Unterlippe. (Aus dem Kaiserin-Auguste- 
Viktoria-Haus in Berlin.) (Ebenda. 11. 8.472.) Der 11 Monate 
alte Knabe zeigte beim Weinen auffallende Asymmetrie des Gesichts. 
Die rechte Hälfte der Unterlippe wird exzessiv nach unten gezogen; 
zugleich wird sie weit vom Processus alveolaris des Unterkiefers ab- 
gezogen und nach außen gewendet, so daß auch das innere Lippenrot 
sichtbar wird. Beim Lachen ist die Asymmetrie geringer deutlich. 
Die Ätiologie der Störung blieb unklar. Verf. hält sie für einen 
angeborenen Motilitätsdefekt im Bereich des unteren Fazialisastes. 
Lewandowsky vermutete, daß es sich um eine zentral bedingte 
Mitbewegung handelt. Schick. 

Egon Rach, Zur Radiologie pleuraler Ergüsse bei 
Kindern. (Aus der Kinderklinik in Wien.) (Ebenda. 12. 8.1.) 


I. Referate. 81 


Bei sagittalem, ventrodorsalem oder dorsoventralem Strahlengang 
ist zwischen Lunge einerseits, seitlicher Brustwand und Zwerchfell 
andererseits ein homogener Schatten erkennbar, der unten außen 
am breitesten ist und sich sowohl nach innen als nach oben all- 
‘mählich verschmälert und der in Form eines sich zuschärfenden 
Saumes bis zur Spitze hinaufreichen kann. Gegen diesen Schatten 
grenzt sich die Lunge in völlig scharfer Weise ab, sie erscheint unter 
Beibehaltung ihrer Form gleichmäßig von außen und von unten 
hiluswärts von der seitlichen Brustwand abgedrängt. Wenn die 
rechte Seite betroffen ist, kann sich der Schatten in Form eines 
annähernd horizontal gelagerten, dem interlobaren Spalt ent- 
sprechenden, medialwärts sich. zuspitzenden, bald schmäleren, bald 
breiteren Keiles zwischen Ober- und Mittellappen erstrecken. 

‘Bei größeren Ergüssen ist dann oft nur der ÖOberlappen in 
seiner Gestalt erhalten und mit seinen Rändern völlig scharf er- 
kennbar, während Mittel- und Unterlappen nicht deutlich hervor- 
treten und nur lufthaltige Reste noch wahrgenommen werden können. 

Solche Bilder sind mit Einzelschlagaufnahmen und harten Röhren 
zu gewinnen. Schick. 


. H. Opitz, Beitrag zur Wirkung des Friedmannschen 
Tuberkuloseheilmittels bei Kindern. (Aus dem Kinderkranken- 
haus in Bremen.) (Ebenda. 12. 8.4.) Auf Grund einer bis über 
5 Monate erstreckenden Beobachtung bei 10 Fällen von Lungen-, 
Bauchfell-» Knochen- und Hauttuberkulose hat Verf. nach An- 
wendung genannten Mittels keine erheblichen Besserungen, wohl 
aber eher Verschlechterungen feststellen können, zum mindesten 
wurde ein Fortschreiten der tuberkulösen Erkrankungen nicht ver- 
hindert. Fast ausnahmslos war außerdem mit den Injektionen eine 
sehr beträchtliche Alteration des Allgemeinbefindens verbunden. 
Verf. warnt daher vor der Anwendung des Mittels auch bei Kindern. 
| Schick. 


H. Bahrdt und F. Edelstein, Der Energie- und Stoff- 
wechsel eines atrophischen Säuglings. (Aus dem Kaiserin- 
Auguste-Viktoria-Haus in Berlin.) (Ebenda. 12. 8.15.) Es gibt 
Kinder im atrophischen Zustande mit gleichzeitig vorhandener 
Bilanzstörung, bei denen die Resorption des Energiespenders im 
Darm stofflich und kalorisch durchaus genügend ist und doch kein 
genügender und regelmäßiger Reparationsansatz besteht. Bei einem 
Atrophiker, der trotz kalorisch genügender Nahrung und günstiger 
äußerer Bedingungen nicht so rasch zunahm, wie das zu erwarten 
gewesen wäre, genügte weder Eiweiß-, noch Fett-, noch Wasser- 
ansatz zu einem raschen Ersatz verlorengegangener Körpersubstanz. 
An den dabei auftretenden Gewichtsschwankungen ist das Wasser 
mehr beteiligt, als seinem Anteil an einer normalen Körperzusammen- 
setzung entspricht. Das Wasser spielt also auch bei Gewichtsstill- 
stand und kleineren Gewichtsschwankungen eine ähnliche Rolle, wie 
sie bei raschen und großen Gewichtsstürzen bekannt ist. Auffallend 
ist, daß die vermehrte Wasserausscheidung während einer Periode 
des Gewichtsstillstandes hauptsächlich durch Haut und Lunge er- 

g* 


82 Zeniralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 2. 


folgte; man könnte daran denken, daß der Körper sich auf diese 
Weise vor Mineralverlusten durch die Niere schützen wollte. 

Die Wärmebildung kann beim Atrophiker abnorm hoch sein, 

auch ohne daß das körperliche Verhalten des Kindes oder klimatische 
Verhältnisse dies erklären. Diese erhöhte Wärmebildung kann mit 
dem ungenügenden Ansatz in Zusammenhang gebracht werden. Es 
könnte sich um eine primäre Störung der Ansatzfähigkeit handeln, 
wofür vielleicht aus dem Studium des Mineralstoffwechsels eine Er- 
klärung zu gewinnen ist; oder es könnte primär die Wärmebildung 
erhöht sein, etwa durch erhöhte Drüsenarbeit. Schick. 
. Edmund Nobel und Richard Steinebach, Zur Klinik der 
Splenomegalie im Kindesalter. (Aus der Kinderklinik in Wien.) 
(Ebenda. 12. 8.75.) Verff. bringen zu der Krankheitsgruppe, die 
mit Milzvergrößerung und Ikterus einhergehen, drei Beobachtungen; 
die erste betrifft ein 8 Jahre altes Mädchen mit hypertrophischer 
Leberzirrhose (Hanot), das seit dem 8. Lebensjahre an heftigen 
Schmerzattacken in der Lebergegend leidet. Während der Anfälle 
Fühlbarwerden der Leber, und bald darnach stellt sich regelmäßig 
Ikterus ein. Wa.-R. negativ und Blutbild normal. Alkoholgenuß 
minimal. Das Kind weist neben einem den Rippenbogen um zwei 
Querfinger überragenden harten Lebertumor auch eine bis in Nabel- 
höhe reichende Milzvergrößerung auf. Bei der Patientin wird die 
750 g schwere Milz operativ entfernt. 8 Tage nach der Operation 
war der Ikterus verschwunden, die Leber kleiner. 

Die anderen zwei Fälle sind Fälle von erworbenem hämo- 
lytischen Ikterus, Knaben, 8 bzw. 51/, Jahre alt. Der erstere 
zeigte Gelbfärbung seit dem 1. Lebensjahre, der zweite erst seit 
1 Monat. Bei beiden besteht Milzvergrößerung bei gefärbten Stühlen 
und gallenfarbstofffreiem Urin, dagegen Urobilinurie; Magenfunktion 
normal. Die Resistenz der roten Blutkörperchen ist herabgesetzt; 
das erste Kind hatte eine leichte Anämie, das zweite Kind war 
schwer anämisch. Bei beiden Kindern wurde die Milz exstirpiert, 
der Erfolg war sehr gut. Leider ging das zweite Kind, nachdem es 
sich von seinem fast moribunden Zustande vor der Operation gerade- 
zu glänzend erholt hatte, an einer Strangulation des Darmes durch 
Adhäsionen zugrunde. 

Verff. empfehlen für genannte Krankheitsbilder die Splenektomie 
und weisen darauf hin, daß der hämolytische Ikterus in frühester 
Jugend erworben werden kann. Seine Symptome sind oben schon 
angeführt. 

Im Blutbild des hämolytischen Ikterus ist eine Anısozytose mit 
bedeutendem Überwiegen stark hämoglobinhaltiger Mikrozyten typisch. 
Fallweise ausgeschwemmte kernhaltige rote Blutkörperchen sind fast 
ausschließlich Nermoblasten. 

Selbst bei hochgradiger Anämie wurden zum Unterschiede von 
der Anaemia perniciosa noımale Aziditätswerte des Magensaftes ge- 
funden. Die Milz ist wahrscheinlich an der Pathogenese des hämo- 
lytischen Ikterus hervorragend beteiligt; das histologische Bild ist 
durch die Blutfülle der Pulpa bei fast blutleerem Sinus ausgezeichnet; 
diese Verteilung ist wahrscheinlich die Folge einer Veränderung an 


I. Referato. 88 


den Kapillaren. Bei der Indikationsstellung zur Splenektomie ist zu 
berücksichtigen, daß eventuelle Operationsfolgen (Adhäsionen) unan- 
genehm werden können oder Rezidive auftreten; maßgebend ist außer 
dem Grad der Anämie die Möglichkeit, die Patienten unter Beob- 
achtung zu halten. 

Ist die Splenektomie beim hämolytischen Ikterus nicht ange- 
zeigt, so versuche man Röntgenbestrahlung der Milz und Eisen- 
medikation. Schick. 

Erieh Hoffmann, Erythema infectiosum (Großflecken oder 
Ringelröteln). (Aus der Universitätsklinik für Hautkrankheiten in 
Bonn.) (D. m. W. 1916. Nr. 26.) Neben den drei allgemein aner- 
kannten akuten exanthematischen Infektionskrankheiten des Kindes- 
alters, Scharlach, Masern und Röteln, werden in der modernen 
Pädiatrie noch zwei Erkrankungen angeführt, welche als vierte und 
fünfte Krankheit bezeichnet werden. Während aber über die Be- 
rechtigung der Abtrennung der ersteren, der sogenannten Dukes- 
Filatowschen Krankheit, noch keine Einigkeit erzielt ist, ist die 
letztere unter dem Namen Erythema infectiosum oder Großflecken 
als einzigartige Ausschlagskrankheit anerkannt, und in den neueren 
Lehrbüchern der Kinderheilkunde und Infektionskrankheiten, z. B: 
von Feer und Jochmann, wird ihr ein besonderer Abschnitt ge- 
widmet. Demgegenüber findet sich in den dermatologischen Lehr- 
büchern diese interessante Krankheit kaum erwähnt, und in ärzt- 
lichen Kreisen ist sie entsprechend ihrem seltenen Auftreten i in kleinen 
Epidemien noch so gut wie unbekannt. 

Verf. hat im ganzen etwa 40 Fälle von Erythema infectiosum 
gesehen, die fast durchweg ohne Fieber und nennenswerte Störung 
des Allgemeinbefindens verliefen und in der Mehrzahl einen so regel- 
mäßigen Verlauf nahmen und so charakteristische Erscheinungen 
machten, daß die Diagnose gewöhnlich keine besonderen Schwierig- 
keiten verursachte. Kennzeichnend sind die eigenartige Form, Aus- 
breitung und Reihenfolge des Hautausschlages. Die Krankheit be- 
ginnt fast immer ohne Vorboten mit einer plötzlich eintretenden 
Rötung der Wangen, die uns meist in Schmetterlingsform, über den 
größeren Teil beider Wangen symmetrisch verbreitet, bereits vor 
Augen kommt. Die Rötung ist gewöhnlich scharf begrenzt, besonders 
gegen die unteren Lider und Nase hin, und die Haut erscheint mehr 
hell- oder bläulichrot und zugleich etwas urtikariell, wie gedunsen, 
und fühlt sich mehr oder weniger heiß an. Seltener hat man Ge- 
legenheit, einzelne rote Scheiben zu sehen, meist ist schon Konfluenz 
eingetreten. Bei aufmerksamer Betrachtung lassen sich aber an den 
Rändern fast immer einzelne Flecke und Ringe erkennen, die sowohl 
nach den Augen wie besonders nach dem Halse hin auftreten und 
hier zumeist die charakterisiische annuläre oder Gitterzeichnung 
bilden, bei der mehrere Millimeter breite, rote, netzartige Streifen 
linsen- bis gut erbsengroße Felder normaler Haut kranzförmig ein- 
schließen ; nicht selten sieht man solche Streifen auch krebsscheren- 
artig von der erythematösen Fläche gegen die normale Haut vor- 
springen, so daß ein offener Ring gebildet wird. Die Nase kann frei- 
bleiben, aber auch in ihrem oberen Teil in Form eines beide Schmetter- 


84 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 2. 


lingsflügel des Gesichtserythems brückenartig verbindenden, etwa 
1—2 cm breiten Streifens beteiligt sein. Häufig ist auch die Gegend 
der Glabella, seltener die ganze Stirn und das Kinn von dem ge- 
dunsen aussehenden Erythem betroffen. Die Ohren und ihre Um- 
gebung sind meist frei, ebenso der behaarte Kopf. An den vorderen 
und seitlichen Halspartien, besonders der Unterkinngegend, seltener 
am Nacken, ist der annuläre und großfleckige Charakter des Ery- 
thems meist recht ausgesprochen. Schon am folgenden Tage bemerkt 
man das Erythem auch an den oberen Extremitäten, und zwar am 
deutlichsten und frühesten an der Streckseite der Oberarme; auch 
hier konfluieren die scheibenförmigen Erythemflecke schnell zu einer 
großen, bläulichroten, wie gedunsen aussehenden Fläche, an deren 
Rändern, besonders nach dem Ellbogen hin, einzelne erbsen- bis 
groschengroße Scheiben und Ringe deutlich hervortreten. Bald geht 
das Exanthem auch auf die Unterarme über, wo es Streck- und 
Beugeseiten befällt und besonders am Handgelenk schöne Scheiben 
und Ringe erkennen läßt; auch die Handrücken werden betroffen, 
doch weniger deutlich, während die Finger meist freibleiben. Am 
Rumpf findet sich gewöhnlich ein leichtes annuläres Erythem, das 
bald mehr an eine figurierte Roseola, bald mehr an eine Cutis 
marmorata erinnert, gelegentlich aber auch ganz fehlen kann; stärker 
ausgeprägt ist es fast immer am Gesäß und den Schultern, also an 
Stellen, an denen die Kleidung scheuert. Am 3. bis 4. Krankheits- 
tage oder früher sind auch die Beine ergriffen und zeigen rote Flecke, 
zum Teil in konfluierten Flächen sowohl an den etwas bevorzugten 
Streckseiten, wie an den Beugeseiten; auch hier wieder ist der 
scheiben- und ringförmige Charakter besonders in der Umgebung 
der Knie und an den Unterschenkeln am besten ausgeprägt. Die 
Fußrücken werden seltener betroffen, die Handflächen und Fußsohlen 
bleiben fast stets frei. Größere Scheiben zeigen innerhalb eines heller 
roten Randsaums meist ein mehr bläuliches, livides Zentrum, das 
sehr selten einen bräunlichen Farbenton annimmt. Am 6. bis 8. Tage 
ist dies gewöhnlich in der geschilderten Reihenfolge auftretende 
Exanthem, das während seines Bestehens in seiner Stärke nicht 
selten wechselt, meist im Verschwinden begriffen oder schon ganz 
abgeklungen. Hierbei kann es an manchen Stellen follikuläre, also 
den Haartaschen entsprechende Stippchen mehr oder weniger deut- 
lich zeigen, z.B. im Gesäß oder den Streckseiten der Arme. Nach 
seinem Rückgang hinterläßt es weder eine nennenswerte Gelbfärbung 
oder Pigmentierung, noch eine deutliche Schuppung; nur bei Kindern 
mit Seborrhoe oder rauher Haut (leichter Ichthyosis) sah Verf. ge- 
ringe Schuppung, z.B. auch an der Stirn. Am 6. bis 10. Tage, 
selten noch später, kann das Erythem sowohl im Gesicht wie an den 
Extremitäten, und zwar in der Umgebung der Ellbogen und des 
Handgelenks, seltener an den Knien, Unterschenkeln und dem Gesäß, 
noch einmal aufflammen und hierbei seinen großfleckigen (scheiben- 
förmigen) und ring- und gitterartigen Charakter nochmals in schönster 
Weise enthüllen, so daß man auch jetzt noch die Diagnose gut stellen 
kann. Diese Erscheinung ist aber nicht als ein Rezidiv anzusehen, 
die beruht vielmehr auf einer Schwäche und Labilität des, wie die 


I. Referate. 95 


histologische Untersuchung zeigt, stark geschädigten oberflächlichen 
(subpapillären) Gefäßnetzes. Das ergibt sich auch daraus, daß die 
Patienten dies rückfällige Erythem oft erst zeigen, wenn sie aus 
kalter Luft in einen warmen (geheizten) Raum eintreten oder wenn 
man vorsichtig die betreffenden Stellen reibt oder streicht. Auch 
die Haut der Lider kann bei gleichzeitiger Konjunktivitis befallen 
sein. Während das Exanthem so charakteristische Erscheinungen 
macht, läßt sich dies von den Erscheinungen an den Schleimhäuten 
nicht sagen. Nicht selten besteht etwas Schnupfen, und häufig sind 
die Rachenorgane etwas gerötet; doch ist diese Rötung nicht be- 
sonders scharf begrenzt, und Ring- oder Gitterzeichnung hat Verf. 
am Gaumen nie mit völliger Sicherheit feststellen können. Kopliksche 
Flecke oder Himbeerzunge fehlen stets. In einem Falle sah Verf. zu 
Beginn eine Angina lacunaris, wie sie auch Feer erwähnt, ein ander- 
mal bei einem sehr schwächlichen 3jährigen Kinde eine leichte 
Bronchitis. Eine Konjunktivitis ist besonders am unteren Lide häufig 
vorhanden, sie ähnelt der bei Masern vorkommenden und besteht 
in gleichmäßiger Schwellung und Rötung der Bindehaut ohne Vor- 
treten der Follikel; seltener ist auch die Konjunktiva des oberen 
Lides betroffen, nur ausnahmsweise auch die Conjunctiva bulbi ein 
wenig injiziert. Die Submaxillar-, Zervikal- und Axillardrüsen sind 
nicht selten etwas geschwollen; eine nennenswerte Vergrößerung der 
Nackendrüsen, wie bei Röteln, ist nicht nachweisbar. Fieber ist fast 
nie vorhanden, ganz leichte Temperatursteigerung auf 387,5—88° am 
Abend des 1. Krankheitstages nicht selten. Die meisten Kinder 
äußern keine Klagen, andere zeigen etwas Müdigkeit, Unruhe, ge- 
störten Schlaf, leichte Schluckbeschwerden. Im Urin, der stets sorg- 
fältig untersucht wurde, fand sich nur einmal — zugleich mit der 
bereits angeführten Bronchitis -- bei einem recht schwächlichen 
3jährigen Kinde vorübergehend èin wenig Eiweiß, sonst war und 
blieb er stets frei von abnormen Bestandteilen; auch die Diazo- 
reaktion war negativ. Im Blut wurde eine Leukopenie vermißt; die 
Zahl der Leukozyten war vielmehr gewöhnlich 6000—7200; eine 
relative Eosinophilie (7”—9°/,) und Lymphozytose (835—87°/,) wurde 
in mehreren Fällen festgestellt, während in anderen die Auszählung 
mehr der Norm entsprechende Befunde ergab. Betroffen wurden 
in der weitaus größten Mehrzahl Schulkinder im Alter von 6 bis 
14 Jahren, seltener jüngere von 2—5 und ältere bis zu 18 Jahren. 
Daß die Erkrankung auch auf noch jüngere Kinder und Erwachsene 
übertragen werden kann, geht aus Beobachtungen in der Literatur 
(Feer, Tobler) hervor. Bezüglich der Inkubationszeit, die auf 
7—14 Tage angegeben wird, wurden abweichende Beobachtungen 
nicht gemacht. Für direkte Ansteckung spricht, daß in einzelnen 
Schulklassen und Häusern gehäufte Fälle festgestellt werden konnten. 
Gleichzeitige Pediculosis capitis wurde manchmal, doch nur in einem 
Teil der Fälle gefunden. Die Ansteckungsfähigkeit und Empfänglich- 
keit ist aber nicht so groß, daß oft alle oder viele Kinder in einer 
Familie erkranken. Für die Differentialdiagnose ist vor allem die 
genaue Kenntnis des Hautausschlags wichtig, dessen charakteristische 
Form, Ausbreitung und Aufeinanderfolge dem Kundigen die Unter- 


: 86 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 2. 


scheidung von anderen Infektionskrankheiten (Scharlach, Masern, 
Röteln, Syphilis), toxischen Erythemen (Arznei- und Serumexanthemen) 
sowie verschiedenen Dermatosen (Erythema multiforme, Urtikaria) 
fast immer ermöglicht. 

Von Scharlach und Masern unterscheiden sich die Großflecken 
schon durch das Fehlen von Allgemeinerscheinungen sowie der 
charakteristischen Schleimhautveränderungen (Himbeerzunge, Strepto- 
kokkenangina einerseits, erhebliche katarrhalische Erkrankung und 
Kopliksche Flecke andererseits), ferner aber durch die eigenartige 
Konfluenz im Gesicht und an den Streckseiten der Extremitäten 
und die Scheiben- und Ringformen. Schwieriger ist die Differential- 
diagnose den Röteln gegenüber, zumal da Epidemien beider neben- 
einander nicht selten beobachtet werden. Beiden Erkrankungen ge- 
meinsam ist die geringe Störung des Allgemeinbefindens; bei Röteln 
aber fehlt das starke, schmetterlingsartige, scharf begrenzte Erythem 
im Gesicht, ferner der großfleckige Ausschlag an den Extremitäten 
mit der Ring- und Gitterbildung, endlich dauert das Exanthem bei 
-Großflecken länger, flammt noch am 6. bis 10. Tag nicht selten 
wieder auf; dagegen ist die charakteristische Schwellung der Nacken- 
drüsen, die aber nur beim Fehlen von Pediculi capitis verwertbar 
ist, nur den Röteln eigen. Die im Blut vom Verf. ab und zu ge- 
fundene leichte Lymphozytose und Eosinophilie ist erst näher zu 
prüfen, ehe sie diagnostisch verwertbar erscheint. Eine Verwechs- 
lung mit Syphilis ist bei einiger Aufmerksamkeit nicht gut denkbar. 
Auch toxische Erytheme werden sich bei sorgfältiger Prüfung wohl 
stets gut unterscheiden lassen, obwohl manche von ihnen auch 
annuläre Formen bilden, wie z. B. Jod; im Zweifelsfall wird genaue 
Befragung und Prüfung des Urins die Entscheidung bringen. Für 
das Serumexanthem gilt ähnliches; schon der Ausgang von der 
Injektionsstelle, die mehr nesselartige Beschaffenheit und das Auf- 
treten von Ödem, Fieber und Allgemeinstörungen erleichtert hier 
die Entscheidung. Dem Erythema exsudativum multiforme Hebras 
gegenüber bestehen ebenfalls wichtige Unterscheidungsmerkmale. 
Diese Dermatose, welche gewöhnlich auch fieberlos verläuft und 
mitunter an eine leichte Angina oder Rachenentzündung sich an- 
schließt, beginnt fast immer mit scheibenförmigen Effloreszenzen an 
den Handrücken und Streckseiten der Arme oder Beine, während 
das Gesicht nicht oder erst später beteiligt wird. Die Entzündung 
an den einzelnen Scheiben ist intensiver und eine Exsudation in 
Form leichter Abhebung der Epidermis (grau-opake Färbung im 
Zentrum) oder Blasenbildung (Erythema bullosum oder Herpes iris 
bei randständigem Bläschenkranz) meist vorhanden. Dem entspricht 
auch die längere Dauer der Einzeleffloreszenzen und das lebhaftere 
Jucken und Brennen. Auch ist eine so feine Ring- und Gitter- 
bildung und eine so starke Konfluenz, wie z.B. an den Oberarmen, 
nur den Großflecken eigen, während Erosionen und Blasen an der 
Mundschleimhaut, wie sie bei Erythema multiforme vorkommen, 
stets fehlen. Schwieriger kann anfangs die Abtrennung von manchen 
Formen von Urticaria rubra sich gestalten; wenigstens sah Verf. 
einige Fälle, in denen zunächst eine sichere Entscheidung nicht mög- 


I. Referate. 87 


lich war. Das stärkere Jucken und Brennen, die größere Flüchtig- 
‚keit der Nesseln, das Fehlen der feinen Ring- und Gitterbildung, 
die stärkere Beteiligung des Rumpfes gegenüber den Extremitäten, 
der unregelmäßigere Verlauf des Exanthems und das Ausbleiben des 
Aufflammens der charakteristischen Formen im Gesicht und an den 
Armen und Beinen wird die Abtrennung erythematöser Nesselaus- 
schläge aber bei weiterer Beobachtung ermöglichen. Von den scheiben- 
förmigen, roten Flecken der Pityriasis rosea unterscheiden sich die 
Großflecken durch das Fehlen der Schuppung beträchtlich. 
Grätzer. 
Adolf Baginsky, Beitrag zur Kenntnis der Ruhr im kind- 
lichen Alter (unter besonderer Berücksichtigung während 
der Kriegszeit beobachteter Krankenfälle). (Aus dem Städt. 
Kaiser- und Kaiserin-Friedrich-Kinderkrankenhaus in Berlin.) (M. Kl. 
1916. Nr. 46.) Verf. ist nicht imstande, den Ruhrerkrankungen der 
letzten 2 Jahre in Berlin Besonderheiten und auffällige Vorkommnisse 
unterzulegen; auch nicht nach der epidemiologischen Seite hin, soweit 
wenigstens seine Krankenhauserfahrungen für dieselbe Berücksichti- 
gung verdienen, und man könnte sich damit vollkommen beruhigen, 
wären nicht gerade In der ganz jüngsten Periode einige Beobachtungen 
vorgekommen, die imstande sind, die Aufmerksamkeit wachzurufen, 
und deren Erwähnung doch zweckmäßig erscheint. Es handelt sich 
um eine gewisse Häufung von schweren Erkrankungsformen, dabei 
mit 3 Todesfällen aus derselben Familie, und um überaus und un- 
gewohnt schwere Verwüstungen des Darmtrakts bei noch anderen 
zwei tödlich verlaufenen Fällen. Auch diese Fälle fallen nicht gerade 
aus dem Rahmen der sonstigen Erlebnisse, indes muß zugestanden 
werden, daß sie immerhin, ebenso dem klinischen Verlaufe nach, wie 
auch nach den Post-mortem-Befunden, nicht zu den alltäglichen 
Vorkommnissen gehören. Die etwas ungewohnte Zahl von Erkrankungs- 
fällen zeigte sich von Ende des Monats August bis Ende September: 
zur Aufnahme kamen, abgesehen von den sonst üblichen leichteren, 
in das Gebiet der einfachen sommerlichen diarrhoischen Säuglings- 
erkrankungen und einigen ebenso einfachen diarrhoischen Erkran- 
kungen auch älterer Kinder, die Verf. ausschaltet, acht Fälle sofort 
als Ruhrerkrankungen angesprochener oder aus dem Verlaufe als 
solche erkannter, ziemlich oder recht schwerer Erkrankungen. Die- 
selben standen in den Altersstufen von 1, 2, 21/,, 3, 4, 5!/, und 
10 Jahren und zeichneten sich dadurch aus, daß die Krankheit zu- 
meist mit schweren, zum Teil von nervösen Zufällen (Krämpfen und 
Bewußtlosigkeit) begleiteten dyspeptischen Störungen, Erbrechen und 
Durchfall, einsetzten; die Prostration der Kinder war erheblich, und 
einzelne verblieben in dem eigenartigen komatösen Zustande, in 
welchem sie eingebracht waren, bis zu dem tödlichen Ausgange. 
Wo: die Krankheit sich zur Genesung gestaltete, sah man die an- 
fängliche mittlere Fiebertemperatur (Temperaturen bis 39°C) in 
überaus unregelmäßiger, zackiger Kurve, mit nicht unerheblichen 
Sprüngen abklingen, während die rasch zum Tode führenden Er- 
krankungen in ebenso unregelmäßigen Schwankungen zwischen hohen 
Fiebertemperaturen (bis 89,5 und 40°C) und Kollapssenkungen (86° C) 


88 Zentralblatt für Kinderheilkunde Nr. 2. 


sich bewegten. Das Ganze ein häßliches, unregelmäßiges, schwer 
kontrollierbares und ungewohntes klinisches Krankheitsbild. Die Ent- 
leerungen der Kinder waren auf der Höhe der Erkrankung eigentlich 
kontinuierlich, bräunlich, blutig-schleimig, oder auch ganz blutig mit 
fetzenartigen Beimischungen und erfolgten aus der lähmungsartig 
geöffneten Analöffnung, aus welcher die blutig-schmierig aussehende 
Analschleimhaut sich hervordrängte. Der Leib dabei eingesunken 
und nur allenfalls zeitweilig etwas hervorgewölbt und auf Berührung 
schmerzhaft; die sensoriell benommenen, aber tief komatösen Kinder 
zeigten auf Druck keine Schmerzempfindlichkeit. Die Zunge trocken, 
Lippen trocken; brennender Durst. Komplizierende Symptome an 
den anderen inneren Organen kaum zu konstatieren, die Atmung 
oberflächlich, 40—50 in der Minute. Der Puls elend, die Zahl rapid, 
bis kaum zählbar (über 150). Der Tod erfolgte bei diesen Kindern 
unter allmählichem Versinken der Kräfte in tiefster Apathie, bei tief 
eingesunkenen Augen, verfallenem, tief leidendem Aussehen und 
leichenartiger Farbe in den letzten Stunden des Lebens, nachdem 
die Extremitäten längst trotz allen Erwärmungs- und analeptischen 
Hilfen bleich, blutleer und eiskalt waren und blieben. — Die Sektion 
bestätigte das klinisch als Dysenterie angesprochene und unzweifel- 
hafte Krankheitsbild durch geradezu erschreckende Verwüstungen, 
die der Intestinaltrakt aufwies. — Von den einfachen follikulären 
Schwellungen und Injektionen der Dünndarmschleimhaut in den 
mittleren Partien des Ileums sah man abwärtsgehend eine immer 
erheblicher werdende Schwellung und Injektion der Schleimhaut, 
von welcher sich die Peyerschen Haufen sowohl wie die solitären 
Follikel stark hervortretend heraushoben; oberhalb der Valvula 
Bauhini war die geschwollene, verdickte Schleimhaut von einem 
Kranz grauer Follikelhaufen umgeben; weiter abwärts im Colon fand 
man das ganze Darmrohr entlang die Schleimhaut in fast unförmiger 
Weise geschwollen, hier und da mit einem feineren oder gröberen, 
schmierigen oder membranartigen grauen Belag und vereinzelt auch 
flache, kleine geschwürähnliche Defekte. Die Mesenterialdrüsen bis 
Hasel- und selbst Walnußgröße geschwollen, von grauem, markigem 
Aussehen. Bei einem der Fälle, einem 10jährigen Knaben, der nach 
augenscheinlich etwas länger dauernder Erkrankung (seit 14 Tagen 
Diarrhöen, seit 2 Tagen blutige Stuhlgänge) ins Krankenhaus in tief 
apathischem, fast moribundem Zustand eingebracht war, lautet der 
Sektionsbefund wörtlich: „Magenschleimhaut stark verdickt mit 
mächtigen Falten, mäßig blutreich ; ebenso die Dünndarmschleimhaut. 
Von der Bauhinischen Klappe an sieht man die Diekdarmschleim- 
haut von schiefrigem, grünlichem und blutigem Aussehen; je weiter 
abwärts, desto mehr mit mächtigen pseudomembranösen Fetzen be- 
deckt, welche förmlich röhrenartige Gebilde darstellen. Das Ganze 
bis abwärts zum Anus ist eine schlaffe, weite, nekrotisch aussehende 
Rohrmasse mit flachen, weitverbreiteten Geschwürsflächen.‘‘ Ahnlich 
sind die Befunde bei den anderen Fällen. 

Wenn man nun diesen klinisch und pathologisch-anatomisch als 
Dysenterie festgelegten Fällen, von denen drei, wie oben erwähnt, 
in einer Familie vorkamen und tödlich endeten, die bakteriologischen 


I. Referate. 89 


Befunde gegenüberstellt, so wird man von der Unstimmigkeit der- 
selben in geradezu frappanter Weise überrascht. — Bei einem der 
Fälle ein atypischer Gärtner-ähnlicher Bazillus; bei sechs der Fälle 
keine Dysenteriebazillen —; bei dem letzten der Fälle mit schwer 
blutigen Stühlen und allerdings noch in einem komplizierenden ander- 
weitigen anatomischen Befund konnten aus dem der frischen Leiche 
entnommenen Herzblut nur Bakterien unbestimmter Art (Staphylo- 
kokken) nachgewiesen werden. 

Diese bakteriologischen Ergebnisse sind zunächst um so weniger 
dazu angetan, unsere klinischen Erwartungen an die Laboratorium- 
diagnose zu knüpfen, je sicherer die klinische Diagnose sich aufdrängt. 
Es wird weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben müssen, auf- 
zuklären, wodurch der rapide Ausfall der bakteriologischen Befunde 
gerade bei diesen allerschwersten Ruhrerkrankungen bedingt wird. 
Jedenfalls wird der negative Bakterienbefund nicht als maßgebend 
für die klinische Diagnose sein dürfen, vielleicht ebensowenig wie die 
oben geschilderten schwankenden Ergebnisse über die einzelnen 
Bakterientypen dazu führen dürften, die Erkrankungsformen nach 
besonderen Typen einzuteilen. — Klinisch haben wir es unzweifelhaft 
mit einheitlichen, zum mindesten gleichartigen Krankheitsformen zu 
tun, deren infektiöser Charakter und deren Bedrohlichkeit auch für 
das kindliche Leben feststeht. 


Zum Glück sind aber die schwersten Formen eben doch 'unge- 
wöhnlich und Seltenheiten, und wie man sieht, ist auch die epidemische 
Verbreitung der Krankheit bei einiger Vorsicht wohl vermeidbar; 
denn seither ist von neuen Erkrankungen nichts zugegangen, was 
wohl doch darauf hinweist, daß die Krankheit im Berliner Weich- 
bilde keine Verbreitung genommen hat. — Inwieweit, und ob über- 
haupt die Krankheiten zu Dysenterieerkrankungen der Krieger in 
Beziehung stehen können, ist nicht zu eruieren gewesen. Ein- 
schleppungen waren anamnestisch nicht nachzuweisen, und bei dem 
Fehlen positiver bakteriologischer Befunde ist auch ein Vergleich mit 
Infektionskeimen der Kriegsruhrfälle nicht zu machen. Unwillkürlich 
freilich erinnerten die anatomischen Befunde an die lang zurück- 
liegenden, aus dem 70er französischen Kriege, während sie sonst 
nur, in gleicher Schwere und Ausdehnung, in Berlin kaum je vor- 
gekommen sind. Grätzer. 


Riedel (Jena), Über aseptisches Fieber nach Bluterguß 
in die Bauchhöhle. (Zbl. f. Chir. 1916. Nr. 33.) Verf. schreibt: 


„Ein 11 Tage altes Kind, das von Ernst wegen Atresia duodeni 
congenita mit Duodeno-Enteroanastomose behandelt war, fieberte 
einige Tage, ebenso ein Ttägiges, das von Fockens wegen Ver- 
schlusses des Dünndarms in gleicher Weise operiert war; bei letzterem 
stieg die Temperatur am Tage nach der Operation sogar auf 41°; 
sie fiel danach aber rasch und wurde schnell normal; beide Kinder 
genasen. Ernst hält dieses Fieber für die Folge einer Infektion. 

Wenn die Bauchhöhle eines kleinen Kindes so infiziert wird, 
daß Fieber bis 41° entsteht, so dürfte das Kind verloren sein, nicht 
in wenigen Tagen normale Temperatur haben und gesund werden. 


40 Zentralblatt für Kinderheilkunde Nr. 2. 


? Es fragt sich, ob nicht Erfahrungen vorliegen, welche das Fieber 
der Kinder in anderer Weise erklären; solche Erfahrungen habe ich 
wenigstens bei Erwachsenen gemacht: 

1. Ida Freudenberg, 25, operiert 16. II. 1906. Das Mädchen ist 
-vor 3 Wochen in der Gynäkologischen Klinik nach Alexander-Adam 
operiert, in letzter Zeit von der Vagina aus sehr energisch massiert 
‚worden. Vorgestern abend Erbrechen bei 39,4° Temperatur, Schmerzen 
im Leibe. Mit der Diagnose ‚„Appendizitis‘ der Chirurgischen Klinik 
überwiesen. Morgens 40° Temperatur und 140 Puls, kein Erbrechen 
mehr. Unsicherer Befund. Inzision ergibt gesunde Appendix, aber 
‚Serum und zwei Fibringerinnsel, das eine von etwa 21/, cm Länge, 
-41/, cm Breite und 1 em Dicke, im kleinen Becken gelegen. 

Sie werden entfernt, worauf das Fieber sofort verschwindet. 
41. III. geheilt entlassen. 

2. Martha Kroll, 22, operiert 22. VI. 1908. Als akut entstandene 

Appendizitis der Klinik überwiesen mit 838,30 und. 112. Unsicherer 
Befund rechts unten, keine Bauchdeckenspannung, Wechselschnitt 
ergibt Appendix frei. Ziemlich viel sanguinolente Flüssigkeit im 
Bauche. Rechtes Ovarium enthält viele erbsengroße Zysten, dazu 
eine über haselnußgroße, geplatzte Corpus-luteum-Zyste. Beständige 
Blutung aus der Perforationsstelle. Zyste exstirpiert. Blutung steht 
nicht, Katgutfaden schneiden überall durch. Entfernung des ganzen 
Ovariums und der Appendix. Sofortiger Fieberabfall. Ungestörter 
Verlauf. 17. VII. geheilt entlassen. 
- 8. Hugo Weich, 25, operiert 27. VIII. 1908. Vor 4 Tagen 4m 
herabgestürzt auf Kopf und Bauch, sofort Leibschmerzen. Bauch 
treibt sich auf, seit 3 Tagen kein Abgang von Winden mehr. 2 Tage 
abwartend behandelt; weil aber heute morgen 38,4° Temperatur ge- 
messen wird bei 120 "Pulsschlägen, Pat. außerordentlich stark klagt, 
nicht mehr atmen kann, wird in der Mittellinie eingeschnitten, da 
schwere Kontusion des Darms vorzuliegen scheint, die eventuell zu 
Gangrän führen kann. 

Befund: Sehr viel blutiges Serum im Bauche, Darmschlingen 
gerötet, prall gespannt, eine mit Fibrin bedeckt; Dickdarm extrem 
gedehnt. Naht der Bauchdeckenwunde wegen des starken Meteoris- 
mus unmöglich, deswegen wiederholt derbes Rohr in den Anus ein- 
geführt, Luft und Kot entleert, bis Naht möglich ist. 

Am nächsten Tage 37,0° und 80, Pat. entleert noch mehr Kot; 
weiterhin Erbrechen, so daß der Magen zweimal pro die bis 31. VIII. 
ausgespült und von schwarzen Massen (Blut) befreit werden muß. 
Geheilt entlassen, aber 10. XII. 1908 mit deutlicher Kyphose wieder 
aufgenommen. 

Der reinste Fall ist vorangestellt. Hohes Fieber lediglich infolge 
eines geringfügigen Blutergusses in die Bauchhöhle nach unvernünftiger 
Massage seitens einer Hebammenschülerin. Die im kleinen Becken 
gelegenen Organe besichtigt und als durchaus gesund befunden. 

Ebenso beweisend dürfte Fall 2 sein; auch hier sofortiger Erfolg 
der Operation. Kompliziert ist dagegen Fall 8, so daß man das 
Fieber nicht ausschließlich auf den Bluterguß in die Bauchhöhle 
zurückführen kann. Wahrscheinlich Blutungen in die Magenschleim- 


I. Referate. 41 


haut, schwere Schädigung der Wirbelsäule, die zunächst trotz vier- 
wöchigen Aufenthaltes in der Klinik gar nicht bemerkt wurde; sie 
kam später als Kümmellsche Krankheit zum Vorschein; die Haupt- 
ursache des. Fiebers wird aber doch der Bluterguß in die Bauchhöhle 
gewesen sein. 

Für gewöhnlich sind Blutergüsse in die Bauchhöhle Folgen sehr 
schwerer Gewalteinwirkungen; meist rascher Kollaps, so daß es gar 
nicht zur Temperaturerhöhung kommen kann; oft genug führt ja 
auch die Verletzung, falls nicht rasch eingegriffen wird, bald zum 
Tode. Unser Pat. hielt sich mehrere Tage, der Organismus hatte 
Zeit, mit Fieber auf den Bluterguß zu reagieren. 

Ein glücklicher Zufall hat mir die drei Kranken in die Hände 
gespielt; ohne sie, besonders ohne die beiden ersten, würde ich auch 
nicht wissen, daß ganz geringfügige Blutungen in die Bauchhöhle 
Fieber verursachen können. 

Fall 1 hat aber noch seine Besonderheit. Nach der forcierten 
Massage 3 Tage vor der Operation = 39,4%. Diese Temperatur kann 
man mit Rücksicht auf Fall 2 als Folge des Blutergusses betrachten. 
Als ich aber die Kranke 2 Tage später bei 40° und 140 Pulsen 
operierte, fand sich nur Serum neben den beiden Fibringerinnseln 
im Bauche; sobald diese entfernt waren, verschwand das Fieber; 
sie müssen also doch schuld an demselben gewesen sein. 

Es liegt ein typischer Fall von aseptischem Serumerguß um 
einen Fremdkörper vor, wie er um jedes Corpus alienum erfolgen 
kann, gleichgültig, ob letzteres in einem Gelenke oder in einer 
Gallenblase steckt; noch kürzlich sah ich solche Anfälle von aseptischer 
Gallensteinkolik mit 89,50 Temperatur. Eine gewisse Prädisposition 
word wohl dazu gehören. 

Kleine Kinder, besonders Säuglinge, fiebern bekanntlich sehr 
leicht. Werden sie länger dauernden Operationen in der Bauchhöhle 
ausgesetzt, so wird Blut in letztere hineinfließen; sie können fiebern 
infolge dieses Blutergusses wie der restierenden Fibringerinnsel; ich 
sollte denken, daß dadurch das kurzdauernde Fieber der operierten 
beiden Kinder besser erklärt wird als durch Infektion.“ 

Grätzer. 

Momm, Hat die eiweiß- und fettarme Nahrung einen 
Einfluß auf die Entwicklung der Frucht? (Aus der Univer- 
sitäts-Frauenklinik Freiburg i. Br.) (Zbl. f. Gyn. 1916. Nr. 28.) 
Zweifelsohne besteht jetzt in einem großen Teile der ärmeren Be- 
völkerung eine Unterernährung, und zudem ist die Zusammensetzung 
der täglichen Nahrung eine ganz andere geworden. Die Eiweißzufuhr 
ist ganz außerordentlich herabgesetzt, da Fleisch infolge des hohen 
Preises und der Einführung der Fleischkarte nur in ganz geringem 
Maße verzehrt wird. Ganz dasselbe gilt für Fett. Jedenfalls darf 
man wohl sagen, daß besonders die ärmere Bevölkerung eine sehr 
eiweiß- und fettarme Nahrung zu sich nimmt und daß der Fett- 
ansatz bei ärmeren Frauen schwindet. Wenn auch Prochownick 
eine ganz andere Diät empfiehlt und dadurch die Entwicklung des 
Föten zu beeinflussen hoffte, so ist doch die Prochownickkur bei 
fetten Frauen eine wirkliche Entfettungskur, wodurch er beim Föten 


42 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 2. 


einen Fettansatz zu verhindern und ein weniger schweres Kind zu 
erzielen glaubt. | 

Es ist nun interessant, festzustellen, ob die jetzige, gegen früher 
ganz anders zusammengesetzte, sehr eiweiß- und fettarme und oft 
ungenügende Kriegsnahrung einen Einfluß auf die Entwicklung des 
Kindes hat. 

Verf. hat die Durchschnittsgeburtsgewichte der Kinder, die in 
der Klinik geboren wurden, für jeden Monat von 1912, in welchem 
Jahre es gerade allen Bevölkerungsschichten in Baden wirtschaftlich 
sehr gut ging, und der Kriegsjahre 1915 und 1916 berechnet und 
folgende Tabelle aufstellen können: 


1912 1915 1916 


Januar. . ... 3080 3238 3271 
Februar .. . . 3111 3166 3184 
März. ..... 3198 3132 3136 
April ..... 3197 3211 3197 
Mai . ....n. 3159 3047 3188 
Juni. ..... 3162 3176 3157 
Juli ...... 3118 3269 
August. .... 3237 3217 
September . . . 3174 3155 
Oktober . . . . 3117 3162 
November . . . 3187 3245 
Dezember . . . 3201 3157 


Bemerken möchte Verf., daß bei der Berechnung nur die Kinder 
von ärmeren Frauen, nämlich der 3. und 4. Klasse, herangezogen 
worden sind. Ferner sind nur Kinder von 2000 g und mehr Geburts- 
gewicht berücksichtigt worden, damit nicht Frühgeburten mit leichtem 
Gewicht die Durchschnittszahl einseitig beeinflussen. Auf Befragen 
gaben die Frauen durchweg an, daß sie besonders in den letzten 
Monaten nur selten Fleisch und Fett zu sich genommen hätten, und 
viele erklärten aus sich selbst heraus, daß sie an Gewicht abgenommen 
hätten. Trotzdem sehen wir gar keinen Einfluß auf das Geburts- 
gewicht der Kinder, und Verf. glaubt deshalb, nach dem Gesetz der 
großen Zahlen — es handelt sich für Jedes Jahr um etwas mehr als 
1000 Kinder — sagen zu dürfen, daß die jetzige eiweiß- und fett- 
arme Nahrung keinen Einfluß auf die Ausbildung der Frucht hat 
und daß eine Unterernährung der Mutter nicht eine Abnahme des 
Geburtsgewichtes der Kinder zur Folge hat. Die Ansicht, daß über- 
haupt die Frucht nicht durch die mütterliche Nahrung zu beein- 
flussen ist, wird durch diese Feststellungen in hohem Maße gestützt. 

Grätzer. 


Alfred Liehtwitz (Guben), Die Durchbruchszeit der ersten 
Milchzähne. (Fortschr. d. Med. 1916. Nr. 33.) Durch verschiedene 
Fälle war Verf. auf die Unrichtigkeit der bisher anerkannten Daten 
aufmerksam geworden, so daß er die Gelegenheit seiner nebenamt- 
lichen Tätigkeit als Schulzahnarzt benutzte, um an einer Reihe von 
Kindern die betreffenden Zahlen zu erhalten. Die dabei erhaltenen 
Ergebnisse, soweit sie sich auf den Durchbruch des ersten Zahnes 
beziehen, seien im folgenden mitgeteilt. 


I. Referate. | 48 


Die Statistik umfaßt 270 Kinder, die ohne jede Auswahl, ein- 
fach in der Reihenfolge ihres Erscheinens, notiert wurden. 


Der Durchbruch des ersten Zahnes erfolgt im 5. Monat bei 8 Kindern 
. 15 


’ 29 23 29 9 ?9 29 T. „ „ 53 29 
39 29 ’ 99 ’’ 29 39 8. ” 29 3 29 


39? 29 9 29 99 99 2? 9. 293 „ 8l 29 


39 „ 29 99 29 29 29 10. „ „ 34 99 
” „ 29 29 29 29 „ ll. „ 29 27 29 
29 29 99 99 29 99 12. 99 2 ?9 
29 29 29 29 29 29 mit l Jahre 29 32 23 
39 39 29 29 29 29 39 1? «4 29 „ 15 ” 


Bei diesen 270 Kindern erfolgte also der erste Zahndurchbruch 
vom 5. Monate an bis zum 16. Monat, das Mittel muß also aus 
diesen 12 Monaten genommen werden. Wir finden die folgenden 
Zahlen: 

im 5.— 8. Monat 79 Kinder 
„  9.—12. = 144 EN 
„ 13.—16. ss 47 , 


Da im 12. Monat nur 2 Kinder sind, kann dieser wohl fortgelassen 
werden, so daß sich als Durchschnittszeit für den Durchbruch des 
ersten Zahnes ergibt: der 9. bis 11. Monat. 

Der Schwächen seiner Statistik ist sich Verf. wohl bewußt. 
Erstens ist die Zahl der betreffenden Kinder eine sehr geringe, so 
daß schon dadurch Fehlerquellen nicht auszuschließen wären. Dann 
aber, und dies dürfte noch wichtiger sein, hat Verf. seine Fest- 
stellungen nur durch Befragen der Mütter der betreffenden Kinder 
treffen können, wobei freilich nur ganz bestimmte Bekundungen 
notiert wurden, während alle unsicheren Angaben fortgelassen worden 
sind. Dadurch wurde die Zahl der statistisch verwertbaren Kinder 
auf 270 herabgedrückt. Wenn nun auch im allgemeinen gerade über 
diesen Punkt eine Mutter auch noch längere Zeit später, es handelt 
sich um Kinder von meistens 6 bis zu 9 Jahren, ungefähr 50 unter 
6 Jahren, eine genaue Erinnerung zu haben pflegt, sei doch das 
Unsichere einer derartigen Feststellung zugegeben. 

Trotzdem dürfte die Mitteilung der Ergebnisse von Interesse 
und angebracht sein, da ja eine richtige Klärung dieser ganzen 
Frage gar nicht im Bereiche von Zahnärzten, sondern nur im Be- 
reiche von Kinderärzten bzw. Instituten, welche die Säuglinge und 
Kinder selbst in genügender Zahl beobachten können, liegt. Diese 
mögen veranlaßt sein, eingehende Untersuchungen anzustellen, um 
diese Frage, die ja möglicherweise auch gegen frühere Zeiten eine 
Änderung erfahren hat, zu klären und uns genaue Angaben und 
genaue zuverlässige Zahlen zu bringen, an denen es uns heute eben 
noch mangelt. Grätzer. 

H. Fabritius, Ein Fall von rechtsseitiger sogenannter 
sklerotischer Atrophie des Gehirns. (Arb. a. d. Pathol. Instit. 
der Univ. Helsingfors [Homen] I. 1913. H. 1 u. 2.) Im Alter von 
1 Jahr erkrankte die Patientin, die sich bis dahin anscheinend 
normal entwickelt hatte, ganz plötzlich an einem schweren Krampf- 
anfall, der sich einige Monate später wiederholte und jetzt eine 


44 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 2. 


linksseitige Lähmung zurückließ. Diese besserte sich jedoch ganz 
bedeutend im Laufe der Jahre; auch die Anfälle wurden allmählich 
leichter, so daß Patientin im Alter von 10—12 Jahren eine Schule 
besuchen konnte und Lesen und Schreiben lernte. Die Sprache war 
angeblich auch intakt. Vom 13. bis 14. Jahre traten aber wieder 
epileptische Anfälle auf, die dann bis zum Ende des Lebens fort- 
dauerten, ohne aber zahlreicher zu werden. Die Patientin soll monat- 
lich etwa einen Anfall gehabt haben. Die linksseitige Bewegungs- 
störung, die, wie gesagt, bereits sehr stark zurückgegangen war, 
wurde allmählich wieder schlimmer, so daß Patientin etwa vom 
40. Jahre an ganz bettlägerig wurde; gleichzeitig zunehmende Demenz. 
Tod im Alter von 53 Jahren an Pneumonie. 

Sektion. Schädel sehr dick (1 cm, stellenweise 16—17 mm). Die 
rechte Großhirnhemisphäre bedeutend kleiner als die linke (Gewicht 
bzw. 290 g und 560 g, der sagittale Durchmesser rechts 14 cm, links 
18cm). Die Gyri beiderseits der Hauptsache nach von normaler 
Konfiguration, rechts bedeutend schmäler. Der rechte Lobus und 
Polus frontalis sind ganz besonders stark atrophisch. Die Konsistenz 
der rechten Hemisphäre ist im Frontal- und Temporalteil bedeutend 
fester als links. Die Pia ist leicht ödematös, löst sich leicht ab. 
Gesamtgewicht des Gehirns einschließlich des ersten Zervikalsegments 
980g. Die beiden Kleinhirnhemisphären gleich groß und schwer. 
In der Nähe des rechten Frontalpols wurden zwei fingerspitzengroße 
Tumoren gefunden, die durch lose Adhärenzen teils mit dem Gehirn, 
teils mit der Innenseite der Dura mater verbunden waren. 

Mikroskopisch fand sich an den am stärksten atrophischen Partien 
der rechten Hemisphäre eine stellenweise sogar große Verminderung 
der Nervenzellen und besonders der oberflächlichen Rindenschichte. 
An diesen Stellen war auch eine Gliaproliferation zu sehen. In den 
übrigen Teilen der verkleinerten Hemisphäre lagen keine besonders 
großen Veränderungen vor. Eine Degeneration der Pyramidenbahn 
war nicht vorhanden. Allerdings war die rechte Pyramide etwas 
schmäler als die linke. 

Klinisch also das typische Bild der zerebralen Kinderlähmung. 
Was die anatomische Seite des Falles betrifft, so glaubt Verf. nicht 
an ein einfaches reines Zurückbleiben im Wachstum der einen Hirn- 
hemisphäre; es müssen noch gewisse pathologische Momente im 
Spiele sein, die uns aber noch unbekannt sind. Kurt Mendel. 

Bernhard Jauert, Über die in den Jahren 1896—1913 zur 
Beobachtung gelangten Hirnabszesse in der Ohrenklinik 
des Kgl. Charit&e-Krankenhauses und der Universitäts- 
Ohrenklinik zu Berlin. (Inaug.-Diss., Berlin 1914.) Bericht über 
76 Fälle von Hirnabszessen. Davon betrafen 28 das Kleinhirn, 48 
den Temporallappen. Die Heilungsquote der ersteren betrug 6 
= 37,8°/,, die der letzteren 21 = 56,7°/,. Alle nicht operierten 
Fälle endeten letal. Von den Kleinhirnabszessen waren 5 multipel 
(je 2 Abszesse), von den Temporallappenabszessen ebenfalls 5 (ein- 
mal 7, dreimal 3 und dreimal je 2 Abszesse). Zum Exitus gelangten 
ferner ausnahmslos alle mit Meningitis komplizierten Fälle: von 
Kleinhirnabszessen 83°%/,, von Temporallappenabszessen 27,7 °/o 


I. Referate, 45 


Die Verteilung der Fälle auf beide Geschlechter war annähernd 
gleich. Sehr häufig sind Fälle im Kindesalter. Bei diesen betrug 
bei beiden Abszeßarten der Heilungssatz 50°/,, die Gesamtzahl an 
den Kleinhirnabszessen 28°/,, an den Schläfenlappenabszessen 22°/,. 

Die betreffenden Krankengeschichten werden im Auszuge an- 
geführt. Kurt Boas. 


A. Hellwig, Statistisches über den Kinobesuch durch 
Kinder. (Zschr. f. Kinderforsch. 19. 1914. Nr. 4. S. 228.) Verf. 
geißelt die auch von psychiatrischer Seite scharf bekämpfte zu- 
nehmende geistige Verseuchung unserer Schuljugend durch den Besuch 
von Kinematographentheatern. Aus den interessanten statistischen 
Daten des Verf.s hier nur einiges: 

Von 47 Mädchen im Alter von 11 Jahren hatten nur zwei das 
Kinematographenthester überhaupt noch nicht besucht. In Jena 
besuchten von 1050 Kindern in 5 Wochen 524 Kinder das Kine- 
matographentheater, in 1 Woche 287 Kinder. 

Auffallen muß der starke Besuch der Kinematographentheater 
durch schwachbefähigte Kinder aus der Volksschule. Während der 
Durchschnitt in den Normalklassen nur 8°/, betrug, erreichte er in 
den Föörderklassen mehr als 16°/,. Kurt Boas. 

H. Geber, Favus bei Neugeborenen. (Aus der Klinik für 
Haut- und Geschlechtskrankheiten in Kolozsvär.) (Arch. f. Derm. 
u. Syph. 114. H. 1.) Verf. beobachtete morphologisch die ver- 
schiedenen Formen des Favus, die zweifellos von demselben Stamm 
verursacht wurden. Das Gewöhnliche war aber bei den Neugeborenen 
die herpetische Form, und nur seltener beobachtete Verf. das ge- 
wohnte Bild des Favus mit Skutulumbildung. 

Die Therapie bestand in folgendem: Die Borken und Schuppen 
wurden mit 5°/,igem Salızylvaselin mit täglichem Bade entfernt. 
Wurde dieser Zweck erreicht, so wurden die erkrankten Hautpartien 
in leichteren Fällen einmal, in schwereren zweimal mit 1%/yigem Jod- 
benzin abgerieben. Da aber nicht selten das Jod die zarte Haut der 
Säuglinge stärker reizte, so wurde versucht, die Wirkung des Jods 
mit einem Zinkpastaverband zu verhindern. In den meisten Fällen 
konnte dadurch, daß 10°/,iges Paraffinum liquidum zu dem Jod- 
benzin hinzugesetzt wurde, diese reizende Wirkung, die sehr unan- 
genehm werden kann, ausgesetzt werden. Durch 2—3 Wochen 


durchgeführte Behandlung brachte sämtliche Fälle zur Heilung. 
Kurt Boas. 


B. Grünfelder, Die Beeinflussung der Magensaftsekretion 
durch Infektion und deren Folgen auf die Magendarm- 
störungen des Säuglings. (Aus dem Waisenhaus und Kinderasyl 
der Stadt Berlin.) (Zschr. f.' exper. Path. u. Ther. 16. 1914.) Durch 
akute Infektionen tritt eine Störung der Sekretion ein. Die Magen- 
saftdrüsen werden in ihrer Funktion gestört. Die Störung beruht 
aber keinesfalls auf einer Veränderung in der Zusammensetzung des 
Drüsensekretes, sondern nur auf einer Verlangsamung der Sekret- 
bildung. In dieser verzögerten Sekretbildung ist der Grund für die 
verlangsamte Strömungsgeschwindigkeit des Magensaftes zu suchen. 


Zentralbl. f. Kinderhikde, 22. 4 


46 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 2. 


Darin allein ist die scheinbare Veränderung in der chemischen Zu- 
sammensetzung des Magensaftes während des Fiebers begründet. 

Während der Höchsttemperaturen sehen wir im reinen Magen- 
saft eine auffallende Verminderung des Gehaltes an freier HCl. Diese 
Schwankungen sind dadurch bedingt, daß wir, wie Pawlow sagt, 
„bei unserer Methodik den Saft nicht direkt aus den Labdrüsen er- 
halten; er fließt ja von ihnen ausgeschieden längs der von alkalischem 
Schleim bedeckten Magenwandung herab und wird hier unvermeid- 
lich teilweise neutralisiert, d.h. in seiner Azidität vermindert. Es 
ist nun ein konstantes Faktum, daß die Azidität des Saftes und die 
Absonderungsgeschwindigkeit miteinander eng verbunden sind; je 
stärker die Sekretion, desto höher ist die Azidität und umgekehrt“. 

Die Fermentproduktion ist aber resistenter. 

Der Anlaß zu den Versuchen des Verf.s war die bekannte Tat- 
sache, daß die meisten Säuglinge bei akuten Infektionen Magen- 
darmstörungen bzw. Ernährungsstörungen erleiden. Die Tierexperi- 
mente des Verf.s haben einwandsfrei ergeben, daß die Infektion in 
bestimmter Weise schädigend auf die Magensaftsekretion einwirkt. 
Es erscheint dem Verf. nun nicht zu gewagt, seine Ergebnisse auf 
die kindliche Pathologie zu übertragen. 

Somit würde also jede akute Infektion eine verlangsamte und 
verringerte Magensaftsekretion im Gefolge haben; und wenn wir 
dazu noch in Rechnung ziehen, daß normalerweise Milch sekretions- 
hemmend auf die Magendrüsen wirkt, so ist es ohne weiteres ein- 
leuchtend, daß Infektionen einen besonders deutlichen Einfluß ım 
schädigenden Sinne bei Säuglingen ausüben. Die auf dem geschädigten 
Sekretionsverlauf beruhende Verringerung des Säuregehaltes des 
Magens kann außerdem der Anstoß zu einer Änderung der normalen 
Verdauung sein. Schließlich kommt noch die Verringerung des 
Momentes der antiparasitären Wirkung der HCl dazu; denn die 
Magen-HC] soll ja auch noch im Duodenum antibazilläre Wirkung 
entfalten. Statt dessen werden noch die bis dahin durch das saure 
Medium zurückgehaltenen bakteriellen Elemente der Duodenalschleim- 
haut aufkeimen; denn der Übertritt pathogener Keime wird besonders 
dort möglich sein, wo wenig HCl vorhanden ist und wo viele Stoffe 
eingeführt werden, welche die HCl binden. Kurt Boas. 

A. Kreidl und E. Lenk, Der Einfluß des Fettgehaltes der 
Milch auf die Labungsgeschwindigkeit. (Aus: dem Physiolog. 
Institut der Universität in Wien.) (Biochem. Ztschr. 63. Nr. 2/8. S. 151.) 
Trotz gleicher Versuchsbedingungen schwankt die Labungszeit ver- 
schiedener Milchsorten ganz erheblich. Sie hängt im wesentlichen 
vom Fettgehalte der Milch ab. Eine Milch labt um so später, je 
Aattreicher sie ist. Kurt Boas. 


B. Aus ausländischen Zeitschriften. 


Alfred Soucek, Über das Fleckfieber im Kindesalter. 
(Aus einem Fleckfieberspital der Quartiermeisterabteilung Nr. 1.) 
(W. m. W. 1916. Nr.48.) Bei den verschiedensten Krankheiten 
sind wir meist einen leichteren Verlauf, einen günstigeren Ausgang 


L Referate. 47 


im Kindesalter zu sehen gewohnt. Der wachsende Organismus, das 
gesündere Herz und Gefäßsystem des Kindes reagieren anders krank- 
haften Prozessen gegenüber. Die schweren hämorrhagischen Exan- 
theme, wie sie oft beim Fleckfieber der Erwachsenen, besonders bei 
vorgerückterem Alter, vorkommen, sieht man beim Kinde selten. 
Auch die Dauer des Ausschlages ist bei Kindern oft kurz; Verf. sah 
Exantheme flüchtig in 1—2 Tagen verschwinden, so wie er es früher 
öfter beim Scharlach beobachten konnte. Fleckfieber ohne Exanthem 
sah er auch bei Kindern niemals einwandfrei. 


Den quälenden Kopfschmerz, die Benommenheit, die bei fleck- 
fieberkranken Erwachsenen fast die Regel sind, findet man bei den 
Kindern ungleich seltener. Ebenso sind die schweren Herz- und 
Gefäßsymptome bei ihnen kaum jemals zu konstatieren. Als Folge- 
erscheinungen treten nach Fleckfieber bei den älteren Individuen 
alle möglichen direkten und indirekten Symptome ziemlich häufig 
auf: langdauernde Herzschwächen, Pulsbeschleunigung, Neuritis, dann 
Parotitis, Phlegmonen und heftige Schmerzen, besonders in den 
Tibien, alles meist von ziemlich langem Bestand und schlechter Be- 
einflußbarkeit; auch die Rekonvaleszenz dauert manchmal unverhält- 
nismäßig lang. Anders ist dies beim Kinde: seltene Folgekrankheiten, 
kurze Rekonvaleszenz. 


Zur Tuberkulose besteht beim Fleckfieber aller Lebensalter eın 
gleiches Verhalten wie bei den Masern. Lymphomata beginnen zu 
wachsen und einzuschmelzen, seröse Pleuritis trıtt auf, latente Herde 
flackern auf. 


In allen Tebensaltern findet man weiter erhöhte Reflexe, Fuß- 
klonus, Dermographismus, besonders am Ende der 2. Krankheits- 
woche und lange in der Rekonvaleszenz. 


Bei einem 9jährigen Mädchen, das mit ziemlich undeutlichem 
Exanthem aufgenommen wurde, waren meningitische Symptome vor- 
handen: Nackensteifigkeit, verlangsamte Pupillenreaktion, Puls- 
arrhythmie, Dermographismus, erhöhte Reflexe und Kernig. Die 
Lumbalpunktion ergab kein Resultat für Meningitis. Der weitere 
Verlauf, die positive Weil-Felixsche Reaktion und die Bestätigung 
eines fleckfieberkundigen Arztes, der das Exanthem deutlich vor der 
Aufnahme gesehen hatte, erhärteten die Diagnose Fleckfieber. Das 
Kind genas rasch vollständig. 


Das Kernigsche Phänomen konnte Verf. dann auch bei anderen, 
besonders jugendlichen Fleckfieberkranken noch öfters finden. 

Eine erwähnenswerte Beobachtung ist weiter noch die in den 
verschiedenen Lebensaltern manchmal vorkommende, meist abend- 
liche, mäßige Temperatursteigerung, die manchmal mehrere Abende 
nacheinander, manchmal nur an etwa einem Abend in der Woche 
in der Rekonvaleszenz auftritt und dem Rekonvaleszenten sich nur 
durch erhöhtes Wärmegefühl kundgibt. Die leichten Temperatur- 
steigerungen konnte Verf. bei 8 Personen noch mehrere Monate nach 
dem Fleckfieber feststellen. Ob sie auf verborgener Tuberkulose, ob 
auf Schädigung des Wärmezentrums oder von Drüsen mit innerer 
Sekretion beruhen, konnte er klinisch nicht feststellen. 

4* 


48 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 2. 


Unter 23 kindlichen Fleckfieberfällen in der Zeit vom 1. März 
bis 1. August 1916 hatte Verf. keinen Todesfall; unter 92 Fällen 
Fleckfieberkranker über 14 Jahren im selben Zeitraume 5 Todes- 
fälle, davon 4 ältere Individuen über 40 .Jahre und 1 Mädchen mit 
15 Jahren, aber ausgesprochen lIymphatischem Habitus. 

Das Erkennen des Fleckfiebers im Kindesalter ist wichtig, da es 
der Ausgangspunkt schwerer Erkrankungen sein kann. Nicht er- 
kannte, leicht verlaufende Fleckfieberfälle können durchziehende 
Truppen schwer gefährden und Veranlassung einer Infektionsver- 
schleppung werden. Auch aus diesem Grunde muß sich die militär- 
ärztliche Tätigkeit weit über das rein Militärische hinaus auch auf 
die Zivilbevölkerung erstrecken, wodurch dann nicht nur eine edle, 
sondern auch sehr wichtige Forderung erfüllt wird. Grätzer. 

N. P. Ernst (Däne), Atresia infrapapillaris duodeni con- 
genita. Duodeno-Enteroanastomose. Heilung. (Aus dem 
St. Elisabeth-Krankenhaus.) (Hospitalstidende 1915. Nr. 48.) Es 
handelte sich um einen Knaben, der am 19. November 1914 ge- 
boren war. Die Geburt war normal, das Geburtsgewicht des Knaben 
war 43800g. Er bekam Brustmilch, aber hatte explosives gallen- 
farbiges Erbrechen nach jeder Mahlzeit; die Diurese war sparsam, 
und der Stuhl bestand nur aus geringen Mengen von Mekonium. 
Im Verlaufe von 7 Tagen war der Gewichtsverlust 700 g. Da der 
Zustand trotz täglicher Magenspülung und versuchsweise anderer 
Ernährung unverändert blieb, und das Kind jetzt täglich 30g an 
Gewicht verlor, wurde am 30. November in Äthernarkose Laparotomie 
vorgenommen. Bei der Plica duodenojejunalis fand man die Stenose, 
der Zwölffingerdarm war hier nur 8mm dick. Es wurde Duodeno- 
enteroanastomosis anterior antecolica vorgenommen. Die Operation 
dauerte 11/, Stunden. Der Knabe war nicht sehr angegriffen. Kein 
Fieber nach der Operation. Wenige Stunden nach der Operation 
wurde ein dünnes Milchgemisch, 80 cem, jede zweite Stunde dar- 
gereicht; nur einzelnes Erbrechen, am folgenden Tage verdaute Milch 
in dem Stuhl, nach 5 Tagen wurde das Kind entlassen, damit es bel 
der Mutter Brustmilch bekommen konnte. Nach 14 Tagen wurden 
die Nähte entfernt. Heilung per priman. Seitdem entwickelte das 
Kind sich normal. Mitte Oktober 1915 war das Gewicht des Kindes 
11200 g. Adolph H. Meyer (Kopenhagen). 

A. Bomret-Laborderie, Traitement par la paracentöße 
d’urgence de l’asphyxie „immédiate“ des nouveau-n6 
syphilitiques atteints d’ascite. (Journ. de méd. de Paris. 1914. 
No. 8.) In der Mehrzahl der Fälle gehen hereditär-luetische Kinder 
an der akuten Asphyxie infolge des erhöhten Bauchdruckes zugrunde, 
der infolge von Ansammlung von Aszites und progressiver Hyper- 
trophie der hauptsächlichsten Eingeweide, besonders Leber und Milz, 
eingetreten war. Es wird empfohlen, in solchen Fällen die spezifische 
Behandlung einzuleiten. ` 

Verf. führt zum Beweis für die Richtigkeit seiner Anschauungen 
einen Fall von Gaifami jun. kurz an, in dem ein asphyktisches 
Kind mit positiver Wa.-R. und starkem Aszites der spezifischen 
Behandlung (Kalomelinunktionen) unterzogen worden war. Die 


I 


Il. Aus Vereinen und Versammlungen. 49 


Parazentese lieferte 600 cem Aszites. Kein Rivalta, keine Gerinnung, 
220/ Eiweiß im Punktat. Es trat eine erhebliche Besserung ein. 
20 Tage post partum starb das Kind, das ins Elternhaus zurück- 
gekehrt war. Es mußte als absolut lebensfähig angesprochen werden. 
= Kurt Boas. 
d. F. Mumson und A. L. Shaw, The pituiatry gland in 
epileptics. (Arch. of internal medicine. XIV. 1914. No. 8.) Bei 
Epileptikern ist die Hypophyse meist kleiner als im Durchschnitt. 
Seltener kommen Vergrößerungen derselben vor. Die Struktur war 
kaum nennenswert verändert. Dagegen fand sich häufig eine Ver- 
größerung der Sella turcica und Kleinheit der Schilddrüse. 
Alles in allem lehnen die Verff. die Annahme, daß es sich bei 
der Epilepsie um eine Hypofunktion der Hypophysis handelt, als 
bisher nicht erwiesen ab. Kurt Boas. 


M. B. Beals, Refraction of mentally defective children. 
(Journ. of Ophthalmology, Otology and Laryngology. Juni 1915.) 
Verf. stellte in 242 Fällen von geistig zurückgebliebenen Schulkindern 
Refraktionsuntersuchungen an. 177 wurden Brillen verordnet, und 
123 hatten einen wesentlichen Nutzen davon. Die geistige Tätigkeit 
wurde lebhafter, in manchen Fällen war der Erfolg ein so erstaun- 
licher, daß die Kinder aus der Hilfsschulklasse genommen und in, 
die entsprechende Normalklasse transferiert werden konnten. Es ist 
daher auf die Refraktionsuntersuchung von Kindern mit psychischen 
Defekten großer Wert zu legen. Kurt Boas. 

G. Etienne, Vitiligo, épilepsie et höredo-syphilis. (Gazette 
med. de Paris. 1914. No. 257.) Verf. berichtet über einen 20 jährigen 
Studenten mit Epilepsie und unvollständiger rechtsseitiger Hemiplegie 
mit Steigerung der Reflexe vermutlich auf luetischer Basis. Daneben 
bestand ein ausgedehnter Vitiligo. Die Wa.-R. im Blute war deut- 
lich positiv. Es handelte sich also um eine Erkrankung auf dem 
Boden der hereditären Lues. Es ist dies therapeutisch sehr wichtig, 
da in solchen Fällen das Brom versagt, die spezifische Behandlung 
dagegen ausgezeichnete Resultate liefert. Kurt Boas. 


I. Aus Vereinen und Versammlungen. 


Il. Preußische Landeskonferenz für Säuglingsschutz 
in Berlin, 30. Oktober 1916. 


Vorsitzender: Kabinettsrat Kammerherr Dr. v. Behr-Pinnow. 

Als erster Redner zu dem Thema „Vorschläge für ein Kreisfürsorgegesetz, 
sprach Kabinettsrat Dr. v. Behr-Pinnow (Berlin). Der Referent wies darauf 
hin, daß die Bestrebungen der sozialen Hygiene, namentlich auf dem Gebiete 
der Mutter-, Säuglings- und Kleinkinderfürsorge, sowie der Tuberkulosebekämpfung 
einen erheblichen Umfang gewonnen haben dank der Tätigkeit der Kommunen 
und Privaten, sowie durch deren gemeinsames Arbeiten, und schließlich infolge 
der Anregungen und Hilfen der Staatsregierung. Eine umfassende Durchführung, 
die besonders für die ländlichen Verhältnisse dringend nötig ist, läßt sich aber 
auf diesem freiwilligen Wege nicht erreichen. Es treten vielfach stärkere Hinde- 

gründe, Mangel an Mitteln, weite Entfernungen u. a. in den Weg, so daß 
eine allgemeine Einführung ohne staatlichen Zwang und staatliche Unterstützung 


50 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 2. 


nicht zu erhoffen ist. Darum wird der Erlaß eines Kreisfürsorgegesetzes vor- 
geschlagen, das die Einrichtung eines Kreisfürsorgeamtes vorschreibt. Dieses 
Amt soll unter Leitung eines Kreisfürsorgearztes stehen und nur sozialhygienische 
Arbeiten betreiben, die private und sonstige Kräfte nicht ausführen können. 
Es soll anregen, zusammenfassen, beaufsichtigen und unterstützen. Neben den 
obligatorischen Aufgaben der Säuglings- und Tuberkulosenfürsorge ist noch un- 
bedingt die Wohnungsfürsorge zu betreiben. Für die Durchführung der sozial- 
hygienischen Arbeiten ist die Ausbildung und Heranziehung von geeigneten weib- 
lichen Kräften von größter Bedeutung. Wir bedürfen der Kriegsfürsorgerinnen, 
die nicht örtliche Krankenpflege und ähnliche Aufgaben zu übernehmen haben, 
sondern Gesundheitspflege treiben sollen, im negativen Sinne Abwehr von Er- 
krankungen und sonstigen gesundheitlichen Schädigungen, im positiven Anleitung 
zum vernunfsgemäßen Leben in Ernährung und Körperpflege, Bekleidung und 
Behausung usw. Zu solchen Stellungen werden nur besonders geeignete Persön- 
lichkeiten mit staatlichem Krankenpflegerinnenexamen in einem mindestens ein- 
jährigen Kursus ausgebildet werden können. Wenn die Fürsorgerinnen eine Zeit- 
lang in der Praxis gearbeitet haben, werden besonders Befähigte von ihnen zu 
einem weiteren Kursus zugelassen werden können, in dem sogenannte Kreis- 
pflegerinnen ausgebildet werden, d. h. Persönlichkeiten, die im Kreisfürsorgeamt 
unter dem Fürsorgearzt organisierend und namentlich die Tätigkeit der Für- 
sorgerinnen kontrollierend und begutachtend wirken. 


Der zweite Referent, Kreisarzt Med.-Rat Dr. Berger (Krefeld), führte etwa 
folgendes aus: Die deutschen Säuglinge müssen als Teile des deutschen Volks- 
verbandes in synthetischer Landesarbeit behandelt werden. Richtige Säuglings- 
fürsorge wird gekennzeichnet durch Mutterberatungsstellen und häusliche Für- 
sorge jeder Art. Leiter der Mutterberatungsstellen müssen Arzte sein, denen 
Fürsorgerinnen für Hausbesuche zur Seite stehen. Alle weiteren Fürsorgemaß- 
nahmen müssen sich nach Bedarf angliedern. Dahin gehören Förderung des 
Stillens, Milchküchen, Verbesserung des Hebammenwesens, Fürsorge für Schwangere, 
Mütter, Wöchnerinnen. Unsere Arbeit hat sich weiter auf das heranwachsende 
weibliche Geschlecht zu erstrecken. Die Fürsorge für die gefährdeten, Zieh- und 
unehelichen Kinder ist einheitlich zu regeln. Für gesundheitlich gefährdete und 
kranke Kinder sind besondere Einrichtungen notwendig. Durch gesundheitliche 
Schulung wird die Mitarbeit des ganzen Volkes erreicht. In der Fürsorge für 
kleine Kinder hat die Säuglingsfürsorge ihre Fortsetzung zu finden. Die gesamten 
Bestrebungen sind kreisweise zusammenzufassen in einem Kreisfürsorgeamt, an 
dessen Spitze der Landrat steht. Die gesamte Fürsorge liegt am zweckmäßigsten 
in der Hand des Kreiskommunalarztes, unter dem die Fürsorgerinnen arbeiten. 
Dem Kreiskommunalarzt liegt außerdem noch die Tuberkulosebekämpfung ob. 
Die Anstellung eines Kreiskommunalarztes ist in jedem Kreise durchführbar. 
Die Zusammenfassung der Säuglings- und Kleinkinderfürsorge und weiter der 
Tuberkulosefürsorge in dem Kreisfürsorgeamt ist notwendig, weil so allein von 
einem Mittelpunkte aus ersprießlich gearbeitet werden kann. Dem Fürsorgeamt, 
das möglichst zu einem Wohlfahrtsamt zu erweitern ist, liegt die fortlaufende 
Fürsorge für alle Altersklassen ob. 


Über „Die Organisation der Säuglingsfürsorge in der Provinz Sachsen“ er- 
stattete Oberpräsidialrat Breyer (Magdeburg) Bericht: Die ‚Hauptstelle für 
Säuglingsschutz‘‘ in Magdeburg wurde im Jahre 1910 gegründet. Sie sollte an 
Stelle der bisherigen vereinzelten privaten Fürsorge eine allgemeine und organisierte 
Bekämpfung der erschreckend zunebmenden Säuglingssterblichkeit setzen. Die 
Hauptstelle brachte es schon im ersten Jahre auf annähernd 1000 Mitglieder mit 
über 11000 Mark Jahresbeiträgen und erhielt auch sonst ansehnliche Zuwendungen. 
Ihre Tätigkeit war teils eine zentrale, nämlich vor allem Aufklärung über die 
Notwendigkeit intensiver Säuglingsfürsorge durch Veröffentlichung von Schriften 
und Flugblättern, durch Versammlungen, Vorträge und eine Wanderausstellung; 
ferner Belehrung der Mütter, Förde des Selbstetillens, Anregung von behörd- 
lichen Maßnahmen, Regelung des Verhältnisses zu den Ärzten der Provinz und 
Beschaffung von Pflegepersonen. Der zweite Teil war die Organisationsarbeit 
der Hauptstelle: Einrichtung von Kreisstellen in allen Landkreisen und von 
Ortsstellen in allen Städten über 10000 Seelen unter möglichster Eingliederung 
vorhandener Organisationen. Träger der Organisation sind die Kreise oder 
Städte selbst oder besonders geschaffene Vereine bzw. bereits bestehende. Den 


II. Aus Vereinen und Versammlungen. 61 


Mittelpunkt der Tätigkeit bilden in allen Fällen der Landrat oder Bürgermeister 
mit dem Kreisarzt, einigen anderen Ärzten, einem Geistlichen, Standesbeamten, 
einer Hebamme und geeigneten Frauen. Unter den Kreisstellen stehen auf dem 
Lande und in den kleinen Städten Ortsstellen. Die Kosten tragen außer der 
Hauptstelle die Kommunen und Vereine. Von den 70 Landkreisen und Städten 
über 10000 Seelen haben bereits 56 Säuglingspflegeeinrichtungen irgendwelcher 
Art. Trotzdem muß nach dem Kriege viel schneller und kräftiger organisiert 
werden, und zwar mit gesetzlichem Zwang. Es bedarf eines amtlichen Bureaus, 
eines gesetzlichen Rahmens und einer festen finanziellen Grundlage. Die Stadt- 
und Landkreise sind die gegebenen Träger; die Exemtion der kreisangehörigen 
Städte über 10000 Einwohner kommt sehr in Frage. Die Säuglingspflege muß 
künftig die erste und wichtigste Abteilung des zu gründenden Kreis- oder Stadt- 
Wohlfahrts- oder Fürsorgeamtes sein; weitere Abteilungen für andere Fürsorge- 
zweige wären anzugliedern. 

„Über die ärztliche und pflegerische Organisation in der Provinz Sachsen“ 
erstattete Reg.- und Geh. Med.-Rat Dr. Denecke Bericht. Bei der Hauptstelle 
für Säuglingsschutz besteht satzungsgemäß eine dreigliedrige Arztekommission, 
die die gesundheitlichen Schutzmaßregeln anregt und prüft, die in Versamm- 
lungen und Vereinen aufklärende Vorträge hält und bei geplanten Neueinrich- 
tungen sachverständigen Rat erteilt, wenn nötig nach Entsendung an Ort und 
Stelle. Im Vorstand der Kreis- und Ortsstellen ist immer der Kreisarzt und 
mindestens ein Arzt ehrenamtlich vertreten. Der Leiter der Säuglingsfürsorge- 
stelle ist ein vom Kreis oder von der Gemeinde vertraglich gegen Entgelt ver- 
pflichteter Arzt. Erkrankte Säuglinge werden von der Fürsorgestelle direkt 
einem Arzt überwiesen. Die pflegerische Organisation setzt ein mit der Beratung 
in den Fürsorgestellen. Die Fürsorgeschwestern mit zweijähriger Ausbildung 
überwachen das Gedeihen der vorgestellten Säuglinge durch Hausbesuche. Sie 
erhalten außerdem einen Fürsorgebezirk, halten aufklärende Wandervorträge 
und beaufsichtigen die Säuglingsfürsorgerinnen. Ein Teil der Hebammen erhält 
in den Gemeinden der Landkreise kleine Fürsorgebezirke als Säuglingsfürsorgerinnen 
im Nebenamt gegen Entgelt. Die übrigen Hebammen üben die Stillkontrolle 
gegen Entgelt in der bisherigen Weise aus mit der Aufgabe der Förderung des 
Selbststillens und der Verlängerung der Stilldauer. Für die nicht von Hebammen 
versorgten Bezirke werden gut vorgebildete Säuglingsfürsorgerinnen im Haupt- 
amt angestellt. Nach dem Kriege soll die Wöchnerinnenpflege in die Organisation 
eingegliedert werden. 


Außerordentliche Tagung der Vereinigung zur Förderung des 
deutschen Hebammenwesens, Hannover, 21. Oktober 1916. 


Vorsitzender: Rissmann (Osnabrück); Schriftführer: Burckhard (Würz- 
burg) und Mann (Paderborn). 


Säuglingsfürsorge und Hebammenwesen. 


Der Vorstand der Vereinigung hatte in Ansehung der Dringlichkeit einer 
Besprechung der Organisation der Säuglingsfürsorge die außerordentliche T 
trotz der Kriegslage beschlossen und als Berichterstatter die Herren Kehrer 
(Dresden), Mann und Rissmann bestimmt. 

Kehrer hatte in seinen mit Bemerkungen versehenen Leitsätzen die Not- 
wendigkeit der Bestellung besonderer Bezirksfürsorgerinnen betont, denen die 
Leitung der Fürsorgeämter zu übertragen wären. Diese Fürsorgerinnen sollen in 
den Mutterberatungsstellen dem Fürsorgearzt unterstellt sein, außerhalb der- 
selben selbständig handeln und nur dem Fürsorgeausschuß verantwortlich sein. 
Hierfür sind nur die besten Personen gut genug: Mehr als 25 Jahre alt, gut vor-, 
sehr gut ausgebildet, die sich nach einer Probezeit in leitender und organisatorischer 
Hinsicht als tüchtig erwiesen haben. Ihre Ausbildung soll sich (außer in der vor- 
liegenden Materie) auf Wohnungsaufsicht und -pflege, Krüppel-, Rachitis-, Blinden-, 
Taubstummenfürsorge, Tuberkulose, Syphilisbekämpfung, Vormundschaftswesen, 
Einrichtung und Betrieb von Milchküchen, Krippen, Kindererholungsmöglich- 
keiten u. a. m. erstrecken. Dafür sollen 3 Monate in einer Entbindungsanstalt 
(Wochenbett- und Säuglingspflege), 3 Monate in einem Säuglingsheim (Säuglings- 


52 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 2. 


pflege), 9 Monate in einer Säuglingskrankenanstalt (Säuglingskrankenpflege) und 
3 Monate in einer sozialen Fürsorgeanstalt zur Ausbildung vorgesehen werden. 
Ausnahmsweise könnten dafür gut veranlagte Hebammen unter Anrechnung 
des neunmonatigen Hebammenkursus auf ihre Ausbildung nach Verzichtleistung 
auf die Ausübung der Hebammenpraxis zugezogen werden. Die Hebammen in 
ihrer Gesamtheit, soweit sie geeignet und noch bildungsfähig seien, sollen unter 
Leitung des Fürsorgearztes und der Fürsorgerin mitwirkend und mit verantwort- 
lich herangezogen werden. 

Mann formulierte nach breiterer Darlegung des praktischen Bedürfnisses 
und in Ansehung der leichteren Finanzierung der Sache an ‘der Hand der 
Literatur unter besonderer Betonung der ländlichen Verhältnisse seine Leitsätze 
dahin, daß die Hebamme als Säuglingsfürsorgerin im Wochenbett unbedingt 
auch als selbständige Fürsorgerin zu gelten habe und daß zweckmäßig auch eine 
erweiterte Fürsorge über das Wochenbett hinaus der Hebamme nach gründ- 
licher Aus- und Weiterbildung übertragen werden könne, im Interesse der 
geringeren Kosten für die Allgemeinheit und der sozialen Besserstellung des 
Standes auch in erster Linie übertragen werden solle. — Wo bei dichterer Be- 
völkerung die Bestellung besonderer Säuglingsfürsorgerinnen sich als notwendig 
herausstellen sollte, seien auch hier die Hebammen zu wählen, da sie Einsicht 
und Erfahrung auf dem ganzen Gebiete mitbringen. Die Leitung der gesamten 
Fürsorge soll dem Kreisarzt vorbehalten werden und die Ärzte als Geburtahelfer 
und Kinderärzte in der Säuglingsfürsorge ausgiebig mitwirken. Vortr. beschränkte 
sich nur auf die Erörterung der Fürsorge für das Kind während der Schwanger- 
schaft, der Geburt, im Wochenbett und als älterer Säugling. | 

Rissmann, der in der geplanten und manchenorts auch schon vollzogenen 
Anstellung besonderer Säuglingsfürsorgerinnen trübe Aussichten für den deutschen 
Hebammenstand ersieht, stellte sich auf den Standpunkt, daß im Interesse des 
Hebammenstandes die Säuglingsfürsorge den Hebammen nicht vorenthalten 
bleiben. dürfe, daß die Hebamme aber auch zur Pionierarbeit im Dienste der 
gesamten Volkshygiene mit Vorteil und bei nicht großer Geldaufwendung heran- 
gezogen werden könne. Nach Ansicht von Kinderärzten solle ja auch die Säug- 
lingsfürsorgerin Hausbesuche bei Schwangeren machen, um sich mit diesen zu 
verständigen und sie zum Besuche der Beratungsstellen anzuhalten. Mit dieser 
Forderung sei erwiesen, daß sich in Wirklichkeit Mutterschutz und Säuglings- 
schutz nicht trennen lassen, weshalb die beiden nicht ungebührlich zu trennen, 
sondern baldigst zu vereinigen seien. Er verlangt daher in seinen Thesen, daß 
die Hebammenschwestern nach Möglichkeit in der Fürsorge überall verwendet 
und die Anstellung anderer Personen unterlassen werden solle; daß es Mutter- 
und Säuglingsschutz heißen müsse; daß die Hebammenschwester ihre ganze 
Ausbildung nur an der Hebammenschule erfahren solle; daß deren Ausbildung 
mindestens die gleiche sein müsse wie die sonstiger Schwestern. 

Alle drei Referenten waren sich einig, daß eine Säuglingsfürsorge unter 
Nichtberücksichtigung der Geburtshilfe unvollständig bleibt, und darin, daß die 
Hebammenschulen einen weiteren Ausbau nach der Seite der Säuglingsfürsorge 
erfahren müssen. 

Nach einer eingehenden Besprechung, an der sich die Herren H. Freund 
(Straßburg), v. Alvensleben (Magdeburg), Herzau (Halle), Hammerschlag 
(Neukölln), Langerhans (Celle), Burckhard (Würzburg), Brenneke (Magde- 
burg), Poten (Hannover), Klumker (Frankfurt), Krohne, Rott und Nacke 
(Berlin) beteiligten, wurden folgende Leitsätze angenommen: 

l. Die seit Jahren erstrebte Hebammenreform ist zurzeit noch dringender 
notwendig, um nach dem Friedensschluß eine zweckmäßige Bevölkerungspolitik 
in die Wege zu leiten. 

Dazu bedarf es: 

a) einer wirtschaftlichen Besserstellung der Hebammen; 

b) einer besseren Vorbildung und sorgfältigeren Auswahl der Schülerinnen; 

c) einer längeren und gründlicheren Ausbildung in den Hebammenschulen 
such in der Säuglingsfürsorge durch geeignete Erweiterungen. 

2. Die Hebamme ist berufen, in der Säuglingsfürsorge mitzuwirken. 

Eine Unterstellung der Hebamme unter andere weibliche Fürsorgepersonen 
darf nicht erfolgen. 


III. Therapeutische Notizen. 53 


III. Therapeutische Notizen.) 


i Gummiersatz bei der Flaschenernährung. Von Karl Oppenheimer, 
(München). Der Ersatzsauger, dessen Herstellung nicht geschützt ist, steht zum 
Verkauf bei Greiner, Mathildenstraße 12, zum Preis von 40 Pfennig per Stück. 
Er besteht aus einem Kork, durch den ein 5—6 cm langes Glasröhrchen führt. 
Die Kürze des Glasrohrs ermöglicht ein vollständiges Austrinken der Flasche. 
Das Mundstück ähnelt in der Form dem Gummisauger, wenn ihn das Kind 
beim Saugen breitgedrückt hat. Darin liegt ein Vorzug gegenüber den in früheren 
Zeiten angewandten Modellen, die aus Bein, Zinn oder Silber gefertigt waren und 
kein besonderes Mundstück aufwiesen. An olivenförmige Mundstücke gewöhnten 
sich die Kinder nur schwer. Der neue Sauger läßt sich leicht und gründlich aus- 
kochen und reinigen. Das Glas ist so dick, daß ein Abbrechen des Mundstücks 
nicht zu befürchten steht. Der einzige Nachteil, der sich während dreiwöchent- 
licher Versuche zeigte, besteht darin, daß manche Kinder anfangs beim Trinken 
den Mund zu voll bekommen und deshalb einen Teil der Milch wieder auslaufen 
lassen. Durch Verwendung von Mundstücken mit engerer Öffnung läßt sich 
dieser Mißstand bessern. Im allgemeinen wird es sich empfehlen, bei jüngeren 
Kindern Sauger mit cager Mundöffnung, bei älteren solche mit weiterer Öffnung 
anzuwenden. Die Gewöhnung an den neuen Sauger erfolgte bei manchen Kindern 
sehr schnell, bei anderen dauerte sie länger, in einem Fall einen ganzen Tag. 
Dieser Umstand wird denjenigen nicht in Erstaunen setzen, der weiß, wie schwer 
sich manche Brustkinder an die Flasche gewöhnen. (M. m. W. 1916. Nr. 27.) 
Zur Frage des Gummisaugerersatzes für Säuglinge schreibt Professor Dr. 
Finkelstein (Berlin): „Aus dem bereits für verschiedene chirurgische Zwecke 
als Gummiersatz verwendeten Sterilin (Azetylzellulose) Colman stellt die Firma 
O. Skaller, Berlin N 24, neuerdings auch Milchsauger her, die nach meinen 
Erfahrungen geeignet sind, die Gummisauger bis zu einem gewissen Grad zu er- 
setzen. Diese Sauger sind vor allem biegsam, anfänglich durchscheinend, ähnlich 
den Kristallsaugern, später getrübt, haben eine erhebliche Festigkeit und sind 
dehnbar, so daß sie über den Flaschenhals gezogen werden können und dort fest 
anliegen. Im Gebrauch weiten sie sich allmählich aus. Die Trinklöcher können 
mit kalter und heißer Nadel gestochen werden. Den Hauptnachteil im Gebrauch 
bildet der Mangel eines genügenden Grades von Elastizität. Namentlich in der 
Wärme bleibt die Spitze plattgedrückt, und ebenso gleichen sich größere 
Knickungen und Drehungen des ganzen Saugers nur schwer wieder aus. So 
kommt es leicht zum Stocken des Milchaustrittes und damit zum Einstellen 
weiterer Trinkversuche beim Kinde. Wenn die Pflegerin die Mahlzeit dauernd 
überwacht, kann diese Schwierigkeit durch geeignete Nachhilfe auch ohne be- 
sondere Vorrichtungen überwunden werden; sonst aber läßt sie sich — nach 
meinen Erfahrungen mit Sicherheit — dadurch beseitigen, daß man eine Ver- 
steifung einlegt. Die Firma gibt zu diesem Zwecke eine durchbohrte, in ein 
Röhrchen auslaufende Glaskugel bei, die in der Saugerspitze von selbst haftet 
und am Halse von den Lippen umfaßt wird. Damit haben alle Kinder bisher 
leicht und bereitwillig getrunken, während breitere und platte Formen, wie die 
von Oppenheimer (vgl. vorstehende Notiz) angewandten, oft verweigert wurden. 
Ein dem Sauger anfänglich noch anhaftender Geruch nach dem Lösungsmittel 
verliert sich schnell und hat bei unseren Versuchen kein Hindernis bedingt. 
Auskochbar sind die Sauger nicht; sie können nur mit kaltem oder lauem Wasser 
hie werden. Die Haltbarkeit erstreckte sich bei uns — einigermaßen behut- 
same Behandlung vorausgesetzt — auf mehrere Wochen; den jetzt erhältlichen 
schlechten Gummisaugern sind sie jedenfalls weit überlegen. Der Preis im Einzel- 
handel dürfte 40—45 Pfg. für das Stück betragen. (M. m. W. 1916. Nr. 36.) 
| Das Einnehmen‘ fetter Öle (Rizinusöl, Lebertran) ist, schreibt Professor 
Dr. Quincke (Frankfurt a. M.), unangenehm nicht nur durch den Geschmack 
bzw. Geruch, sondern mindestens ebensosehr durch das Gefühl, welches sie 
auf Lippen- und Mundschleimhaut hervorrufen. Man läßt sie desbalb bekanntlich 
statt aus einem Löffel lieber mit heißer Flüssigkeit schlucken, auf der sie 
hinunterschwimmen. Vorteilhaft ist es nun, wenn man diese Flüssigkeit nicht 
aus einer Tasse trinken läßt, sondern aus einem Sahnentopf mit enger Öffnung. 


1) Die mit * bezeichneten Notizen beziehen sich auf Erwachsene. 


54 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 2. 


Bei einer Füllung von 30—40 ccm Gesamtflüssigkeit kann man diese bequem in 
einem Schlucke hinuntergießen, fast ohne die Lippen zu benetzen. Als Schwemm- 
flüssigkeit (und zum Nachtrinken) dient (wenn beim Rizinusöl der Krankheits- 
zustand es erlaubt) am besten heiße Milch, da sie das Öl dünnflüssiger macht und 
zur Emulgierung der Ölreste beiträgt, welche der Mundschleimhaut etwa noch 
anhaften. Zweckmäßig ist es auch, unmittelbar vorher durch Nehmen einiger 
Schluck heißer Flüssigkeit die Mundschleimhaut zu benetzen. Noch besser als 
Milch deckt Schleimsuppe oder Brei; Lebertran läßt sich ja zwischenhinein 
nehmen. Zweckmäßig geformte Sahnentöpfe mit Teilung liefert Instrumenten- 
macher Dröll, Frankfurt a. M., Kaiserstraße 42. (M. m. W. 1916. Nr. 30.) 

Über primäre Nasendiphtherie. Von E. Bergh. Aus 35 beobachteten Fällen 
schließt Verf.: 

1. daß die primäre Nasendiphtherie vorzugsweise bei Individuen beobachtet 
wurde, die dem Alter von 1—10 Jahren angehörten, 

2. daß dieselbe vorzugsweise während der kälteren Jahreszeit beobachtet 
worden ist, 

3. daß als besondere Komplikationen Albuminurie, Herzlähmung, purulente 
Mittelohraffektionen aufgetreten sind, 

4. daß die Prognose bei Serumbehandlung als günstig zu betrachten ist, 

6. daß nach Einführung der Serumbehandlung jede lokale Therapie als 
überflüssig zu bezeichnen ist, 

6. daß bei serumbehandelten Fällen die durchschnittliche Remanenz der 
Diphtheriebazillen auf der Nasenschleimhaut nicht länger ist als die bei Diphtherie 
auf anderen Schleimhäuten, 

7. daß die hauptsächlichste Bedeutung der primären Nasendiphtherie darin 
liegt, daß sie Bazillenträger erzeugt. (Mschr. f. Ohrenheilk. 49. Nr. 9/10.) 

Tumenol. ven. bei Ulzerationen hat San.-Rat Dr. Rudolph (Magdeburg) 
mit bestem Erfolge seit 12 Jahren benutzt: 


Rp. Tumenol. ven. 5,0 
Zink. oxyd. 
Amyl. trit. 
Vaselin. flav. 
Lanolin. && 25,0 


Bei oberflächlichen Geschwüren ist diese Paste sehr wirksam und auch bei 
Kindern gut zu benutzen. Auch zur Nachbehandlung von Furunkeln, Panaritien, 
Abszessen gibt es kein besseres Mittel. (Ther. Mhf. 1916. Nr. 4.) 

* Über die Behandlung der Amenorrhoe und Oligomenorrhoe mit 
Glanduovin (Extraktum ovariale) unter gleichzeitiger Arsenbehandlung. Von 
Dr. Josef Hirsch, Frauenarzt, dirigierender Arzt am lIsraelitischen Kranken- 
heim in Berlin. Verf. hat mit dieser Therapie recht gute Erfolge erzielt. Natür- 
lich eignet sich die kombinierte Behandlung nicht für eine regelmäßige monat- 
liche Behandlung, da in diesem Falle die Arsengaben sich kumulieren würden. 
Aber es empfiehlt sich, zur erstmaligen Anregung der erloschenen oder schwachen 
Menstruation kombiniert zu behandeln, und zwar in der Form, daß 6 Glanduovin- 
gaben 6 Gaben von Natrium arsenicosum beigegeben werden (0,006—0,008—0,001 
in auf- und absteigender Richtung). Den anschließenden weiteren Glanduovin- 
dosen werden wiederum 6 gleiche Dosen von Natrium arsenicosum beigegeben. 
Die Injektion geschieht intramuskulär, und zwar so, daß die 2,1 ccm Flüssigkeits- 
menge umfassende Injektion 1,1l cem Glanduovin und die entsprechende Dosis 
von Natrium arsenicosum enthält. Die somit injizierten Arsengaben sind ver- 
hältnismäßig gering, so daß eine schädliche Wirkung selbst nach Wiederholung 
von 2—3monatlicher Pause nicht zu befürchten ist. Glanduovin hat sich als voll- 
ständig unschädlich erwiesen. In resistenten Fällen wird sich also empfehlen, 
die durch kombinierte Behandlung einmal angeregte Menstruaticn durch monat- 
liche Glanduovingaben in gleichmäßigem Typus zu erhalten. 

(Reichs-M.-Anz. 1916. Nr. 5.) 

* Neue Wege der Eklampsiebehandlung. Von Dr. Paul Rissmann, 
Direktor der Hebammenschule in Osnabrück. 1. Der Gebrauch von Morphium, 
von Chloral und von Kochsalzinfusionen bei der Eklampsie empfiehlt sich durch- 
aus nicht, dagegen haben wir im Luminalnatrium ein Schlafmittel, das allen 
Ansprüchen gerecht zu werden scheint. 2. Außer Luminal scheint in schwereren 
Fällen von Eklampsie die subkutane bzw. intramuskuläre oder die rektale An- 


III. Therapeutische Notizen. 55 


wend von Magnesiumsalzen günstig zu wirken, auch ein Aderlaß ist in ge- 
wissen Fällen empfehlenswert. 3. Eine möglichst schnelle Entbindung bleibt 
dabei stets anzustreben, wenigstens bei Geburtseklampsien. 

(Zschr. f. Geburtsh. Bd. 128.) 


+ Über granulierendes Wundöl Knoll. Von Dr. Fiedler. (Aus dem 
Reservelazarett Marien-Hospital in Düsseldorf.) Über 100 Fälle damit behandelt. 
Flächenhafte Wunden wurden mit in Öl getränkter Gaze verbunden und der 
Verband alle 2 Tage gewechselt. In Buchten wurde das Öl eingegossen, in Fisteln 
und Höhlen eingespritzt. Hauptgebiet: Wunden mit größerem Substanzverlust 
und Gewebszerfetzung. Außerordentlich rasches Abstoßen der Gewebsteile und 
Ausgranulieren unter recht geringer Sekreticn. (D. m. W. 1915. Nr. 39.) 


* Leukozon, ein neues Wundstreupulver. Von San.-Rat Dr. Martin Anker. 
(Aus der chirurgischen Abteilung des Lazaretts der Stadt Berlin in Buch.) Der 
wirksame Bestandteil des von den Chemischen Werken vorm. Dr. H. Byk in 
Charlottenburg hergestellten Leukozons ist das Kalziumperborat mit einem Gehalt 
von 11°/, Sauerstoff. Es kommt mit gleichen Teilen Talkum gemischt in den 
Handel als Leukozon. Verf. benutzte noch größere Verdünnungen: Leukozon, 
Talkum &ä 50,0 (mit nur 25°/, Kalziumperborat) und Leukozon 20,0, Talkum 
80,0 (mit 10°/, Kalziumperborat). Von der Anwendung des unverdünnten, also 
50°/, Kalziumperborat enthaltenden Leukozons hat Verf. gleich nach den ersten 
Versuchen Abstand genommen, weil zwar der Hauptvorzug dieses Wundstreu- 
pulvers, die sichtlich beschleunigte Heilung der Wunde, deutlich zutage trat, in- 
dessen die Klagen der Verwundeten über „Brennen in der Wunde“ sich allzu 
häufig wiederholten. Mit den verdünnten Präparaten sind im ganzen 72 Fälle 
behandelt worden. Verf. pflegt dieses Wundstreupulver in der Absicht einer 
pbysikalischen Austrocknung großer, stark absondernder Wunden anzuwenden. 
Jedoch nicht ausschließlich. Denn das Geheimnis einer raschen Überhäutung 
großer Wunden ist, ihnen Abwechslung zu bieten im Sinne einer Niederhaltung 
der stark wuchernden Granulationen, Anregung der überhäutenden Randzone 
und gute Austrocknung. Diese Austrocknung der Wunde bewirkt unbedingt das 
Leukozon als feines Pulver in hohem Maße. Es wirkt aber außerdem noch durch 
seine dauernde Sauerstoffabsonderung in hohem Maße fäulniswidrig. Denn bei 
seiner Anwendung reinigten sich die Wunden rascher als beim Gebrauch anderer 
Streupulver. Eine desodorierende Wirkung des Leukozons wurde nur beobachtet 
bei großen, oberflächlichen, auch stark sezernierenden und speckig belegten Ver- 
letzungen, konnte dagegen bei tiefen, penetrierenden und stinkenden Wunden 
nicht festgestellt werden, auch nicht bei Anwend der starken Konzentration. 
In solchen Fällen wurde zunächst der Geruch durch die auf der Abteilung üb- 
lichen feuchten Verbände mit Kampferwein und Chlorwasser (zu gleichen Teilen) 
oder mit Kampferkarbol beseitigt und dann erst Leukozon in Anwendung ge- 
bracht. Irgendwelche Nachteile sind bei der dauernden Behandlung der Wunden 
mit Leukozon niemals beobachtet worden. Schon bei der ersten Anwendung 
des Leukozons fiel vor allem besonders bei den tiefgreifenden, eitrig belegten 
und putriden Wunden die Tendenz zur raschen Heilung ins Auge, und diese 
Tendenz war so evident, daß sie die Veranlassung zur Anstellung weiterer Ver- 
suche unter Hinzuziehung von Kontrollversuchen mit anderen Wundstreupulvern 
bildete. Bei allen diesen Versuchen bestätigte sich ausnahmslos, geradezu in die 
Augen springend, die gemachte Erfahrung, daß unter Leukozonbehandlung die 
Wunde wesentlich schneller zur Heilung gelangt als unter den anderen üblichen 
Pulver- bzw. Salbenverbänden. Das Leukozon übte, und zwar sowohl in dem 
10°/,igen als auch im 25°/,igen Präparat, einen fast sichtlich fördernden Einfluß 
auf die Produktion guter Granulationen aus; es wirkte hervorragend austrocknend, 
reinigend und damit epidermisierend. Tiefe Wunden füllten sich rasch mit gut 
aussehenden Granulationen und wurden flacher; die eitrige, selbst profuse Wund- 
absonderung verminderte sich unter dem Leukozonpulver zusehends mit jedem 
Verbandswechsel. Der Belag verschwand, rote Granulationen schcssen auf, und 
der weißliche, periphere, die neue Behäutung darstellende Rand derselben rückte 
so rasch zentralwärts vor und zusammen, daß die Heilungsdauer der einzelnen 
Wunde gegenüber den sonstigen Verbandsmitteln schätzungsweise um etwa ein 
Drittel der Zeit verringert wurde. (B. kl. W. 1915. Nr. 25.) 


56 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 2. 


IV. Neue Bücher. 


Th. Ziehen. Die Geisteskrankheiten des Kindesalters. Zweite Hälfte. Berlin, 
Reutter u. Reichard. Preis M. 12,50. 

Infolge des Krieges hat sich die Herausgabe des Werkes verzögert, so daß 
erst jetzt die zweite Hälfte erschienen ist. Diese enthält die Psychosen ohne 
Intelligenzdefekte: affektive und intellektuelle Psychosen, psychopathische Kon- 
stitutionen und zusammengesetzte Psychosen. Die Vorzüge, die wir gelegentlich 
des Erscheinens der ersten Hälfte des Buches bei diesem aufzählen konnten, 
prägen sich auch hier aus, und die Beurteilung des Ganzen kann eine durchaus 
günstige sein. Der Arzt und der Lehrer werden in dem Werke alles finden, was 
sie suchen, und zwar so klar und präzis ausgedrückt, daß die Orientierung leicht 
ist und eine Umsetz des Gelesenen in die Praxis die besten Früchte tragen 
wird. Besonders eingehend ist das Kapitel von der psychopathischen Kon- 
stitution behandelt, entsprechend ihrer Wichtigkeit für die ärztliche und päda- 
gogische Tätigkeit. Möge dieser Abschnitt und das ganze Buch recht eingehend 
studiert werden. Grätzer. 


Eine Verfügung des preußischen Ministers des Innern, betr. Bekämpfung 
der Säuglingssterblichkeit und Gesunderhaltung der heranwachsenden Jugend, 
vom 3. Oktober 1916 ersucht die Regierungspräsidenten, geeignete Schritte zu 
tun, um die Ausbildung der reiferen weiblichen Jugend und der Mütter durch 
Einführung von Lehrgängen in Säuglings- und Kleinkinderpflege, durch Ver- 
anstalt von öffentlichen gemeinverständlichen Vorträgen, Mütterabenden und 
ähnliche Maßnahmen zu fördern. Zur Erreichung dieses Zieles ist es erforderlich, 
mit dem Roten Kreuz, dem Vaterländischen Frauenverein und gleichartigen 
Wohlfahrtsorganisationen wegen Durchführung einer umfassenden Werbung in 
Verbindung zu treten. Weiter sind die Kreisärzte, die Kommunalärzte, Kinder- 
ärzte und Ärztinnen, Lehrerinnen, Geistliche, Gemeindevorsteher und sonstige 
geeignete Persönlichkeiten heranzuziehen, um selbst solche Vorträge zu über- 
nehmen oder geeignete Personen für diesen Zweck zu gewinnen. In einigen 
Gegenden sind schon vor längerer Zeit mehrwöchige Lehrgänge, und zwar selbst 
in kleinen ländlichen Ortschaften, in der Weise eingerichtet worden, daß die 
jungen Mädchen und Mütter einer Gemeinde an zwei bis drei Abenden einer 
Woche versammelt und über Säuglings- und Kleinkinderpflege unterrichtet wurden. 
In mehreren Fällen haben anläßlich solcher Veranstaltungen auch praktische 
Unterweisungen, z. B. durch gelegentlichen Besuch von Säuglingsheimen und 
Krippen, stattgefunden. Von großem Wert wird es sein, im Anschluß an der- 
artige Belehrungen Flugschriften oder Merkblätter über Säuglings- und Klein- 
kinderpflege zu verteilen. 

Leipzig. Das Kinderkrankenhaus feierte am 6. Dezember 1916 sein 
25jähriges Bestehen. 

Kiel. a.o. Prof. Dr. v. Starck hat den Titel Geh. Med.-Rat erhalten. 

Würzburg. Prof. Rietschel (Dresden) hat einen Ruf als a. o. Prof. der 
Kinderheilkunde angenommen. 

Graz. a. o. Prof. Dr. F. Hamburger in Wien ist zum o. Prof. der 
Kinderheilkunde ernannt. 


Verantwortlicher Redakteur: Sanitätsrat Dr. Eugen Graetzer in Friedenau-Berlin. — Verlag 
von Johann Ambrosius Barth in Leipzig. — Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. 


Zentralblatt nı 
Kinderheilkunde. 


Eine Monatsschrift für praktische Ärzte. 


22. Jahrgang März 1917. Nr. 3. 


I. Referate. 
A. Aus deutschen Zeitschriften. 


Kurt Morgenstern und Georg B. Gruber, Multiple Haut- 
infarkte nach Masern. Aus der Kinderklinik des Pathologischen 
Instituts in Straßburg.) (Ztschr. f. Kinderhik. 12. S. 100.) Bei einem 
sehr elenden, rachitischen, 12 Monate alten Kind mit Masern und 
Lungenentzündung traten am 6. Tage auf der linken Seite "des 
Rückens mehrere bis erbsengroße, umschriebene, mit Schorf bedeckte 
Hautblutungen auf. Am folgenden Tage ödematöse Anschwellung 
des linken Beines, besonders des Oberschenkels (Thrombose der Vena 
femoralis sinistra). Dieses Ödem dehnt sich dann auf die ganze 
linke Hüftgegend aus. Das Kind stirbt wenige Tage später. Die 
nekrotischen Hautpartien wurden histologisch untersucht. Es handelte 
sich um lokal entstandene Thrombosen des kutanen Arteriengebietes 
der linken Seite. Diese Thrombosen führten zur hämorrhagischen 
bzw. ischämischen Nekrose und brachten Bilder eines anämischen 
Infarktes mit hyperämischer Randzone hervor. Schick. 

Elis Lövegren, Experimentelle Beiträge zur Kenntnis des 
alimentären Fiebers. (Aus dem Kinderasyl und Pathologischen 
Institut des Rudolf-Virchow-Krankenhauses in Berlin.) (Ebenda. 12. 
8. 110—160.) Bekanntlich hat Finkelstein mit seinen Mitarbeitern 
in Ergänzung seiner klinischen Beobachtung den experimentellen 
Nachweis dafür zu führen versucht, daß sowohl Zucker- als auch 
Kochsalzzufuhr alimentäres Fieber hervorzurufen imstande ist. Er 
wies darauf hin, daß Kochsalzzufuhr allein, dagegen Zucker nur im 
Verein mit Molke Fieber erzeugen und daß eine wesentliche Be- 
dingung für die Entstehung eines alimentären Fiebers das Bestehen 
einer Verdauungsstörung nötig ist. Die Versuche des Verf.s an Hunden 
gehen dahin, bei völlig gesunden Tieren während stattfindender 
Verdauungsarbeit Kochsalz und Zucker mit Umgehung des Darmes 
unmittelbar in das Pfortadersystem einzuführen. In der Tat kommt 
es dabei fast regelmäßig zu Temperatursteigerung vorübergehender 
Natur. Da die gleiche Salzmenge, subkutan in die peripherische Blut- 
bahn eingebracht, keine wesentliche Temperatursteigerung hervor- 
ruft, meint Verf., daß bei der Entstehung des Salzfiebers die 
Leber wahrscheinlich eine besonders wichtige Rolle spielt. 

. Schick. 

Friedrich Börger, Über zwei Fälle von Arachnodaktylie. 
(Aus der Kinderklinik in München.) (Ebenda. 12. 8. 161—184.) 
Der erste Fall betrifft einen 9 Jahre alten Knaben. Vater Potator 
und zuckerkrank. Geburt normal. Schon als Neugeborener sehr 

Zentralbl. f. Kinderhikde. 22. 5 


58 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 3, 


lang und mager, namentlich an Händen und Füßen. Als Säugling 
mager, die Augen waren hohl. Beim ersten Laufen mußte das Kind 
sehr große Schuhe haben, später waren sie immer „um mehrere 
Nummern größer als die der Altersgensssen. 

Bei der. Aufnahme (wegen Gelbsucht) zeigte sich neben auf- 
fallender Magerkeit und flügelförmigem Abstehen der Schulterblätter 
vom paralytischen Thorax das Extremitätenskelett eigentümlich ver- 
ändert. Arme und Beine, namentlich Hände und Füße erscheinen 
außerordentlich lang und schmal, der Calcaneus springt spornförmig 
vor. Hände und Füße sind grotesk überstreckbar. Röntgenologisch 
ist die Knochenstruktur intakt, der Verknöcherungsprozeß weiter 
fortgeschritten als bei einem 2 J ahre älteren Kontrollkind. Das Blut- 
bild des Pat. nähert sich dem eines Erwachsenen. Es besteht Iris- 
schlottern. 

Der zweite Fall mit analogen Erscheinungen ist ein Jahr alt. 
Dieser kam zur Obduktion. Die vordere Schädelgrube ist auffallend 
verändert, eine eigentliche solche besteht gar nicht, sondern die 
Dächer der Orbita springen stark konvex in das Schädelinnere vor. 

Es handelt sich bei dem vorliegenden Symptomenkomplex sicher- 
lich um einen angeborenen und partiellen Riesenwuchs, der durch 
die mangelhafte Anlage des Gesamtorganismus und vielleicht früh- 
zeitige (intrauterine) Erschöpfung speziell der endokrinen Drüsen 
bedingt ist. r Schick. 

E. Liefmann, Uber den Harnsäuregehalt des kindlichen 
Blutes. (Aus dem Säuglingsheim in Dresden.) (Ebenda. 12. S. 227.) 
Der Blutharnsäurewert des normalen, purinfrei ernährten Säuglings 
liegt zwischen 1,8—1,7 mg auf 100 ccm Blut. Er steigt im Laufe 
der Kindheit langsam an und erreicht beim Erwachsenen die uns 
schon bekannten Werte von 2—4 mg. Bei purinhaltiger Kost geht 
der Blutharnsäurewert schnell in die Höhe, um dann langsam wieder 
zur Norm abzufallen. Schwerere Allgemeinstörungen des Säuglings 
gehen mit Erhöhung der Blutharnsäurewerte einher. Bei hungernden, 
atrophischen, magendarmkranken, luetischen Kindern fanden sich 
daher hohe Blutharnsäurewerte, ebenso bei Eiterungen und speziell 
beim Fieber. Vermehrte Blutharnsäure wird anscheinend relativ 
lange vom Blute festgehalten. Nach Atophanfütterung tritt eine 
Verminderung, nach Protojoduret eine Erhöhung des Blutsäure- 
gehaltes ein. Infektiöse Hauterkrankungen, wie Dermatitis exfoliativa, 
gehen mit Erhöhung der Blutharnsäure einher. 

Bei Intertrigo, Erythrodermie und besonders bei Ekzemfällen 
konnte dieser Befund nicht erhoben werden. Chronische fieberlose 
Bronchitiden, verbunden mit den Erscheinungen der exsudativen 
Diathese von seiten der Nasen- und Rachenschleimhaut, ließen eine 
Vermehrung der Blutharnsäure erkennen. Diese Vermehrung ist aber 
kein obligates Symptom der exsudativen Diathese, und es ist nicht 
erlaubt, daraus einen Zusammenhang zwischen exsudativer Diathese 
und Uratdiathese zu konstruieren. Schick. 

Fritz Ebeler, Intrauterine Nabelschnurumschlingung. 
(Aus der gynäkologischen Klinik der Akademie Kon) (Zbl. f. Gyn. 
1916. Nr. 86.) 


IL Referate. . > 59 


| Frau Math. R., 30 Jahre alt. Aufnahme 25. IV. 1916. Letzte Menses am 
28. XII. 1915. Kohabitationstermin 12. I. 1916. In der Nacht vom 24. zum 
25. IV. 1916 Abgang von großen Mengen Fruchtwassers und Beginn von Blutungen. 
Gleichzeitig Einsetzen wehenartiger Schmerzen. Vom Abgang einer Frucht ist 
nichts bekannt. 

Bei der inneren Untersuchung tastet man in der Vagina den Fötus, auf den 
gleich näher eingegangen werden soll. Nach Durchtrennung der Nabelschnur 
erweist sich der Muttermund für zwei Finger durchgängig, im Cavum uteri fühlt 
man die Plazenta, die sofort in Chloräthyl-Atherrausch manuell entfernt wird. 
Reaktionslose Rekonvaleszenz. 

Der Föt hat ein grauweißliches Aussehen und mißt vom Scheitel bis zur 
Ferse 11 cm. Er ist etwas geschrumpft und zum Teil mumifiziert. Nirgends sind 
Mazerationsprozesse wahrnehmbar. Die ziemlich dünne Nabelschnur zieht von 
der zentralen Stelle der Plazenta zum linken Fußgelenk, umschlingt dieses in 
Form eines wahren Knotens und tritt über den unteren Teil des Abdomens zum 
Nabel. Das linke Bein steht im Hüftgelenk in leichter, im Kniegelenk in stärkerer 
spitzwinkeliger (Winkel zwischen Unter- und Oberschenkel etwa 30°) Beuge- 
stellung. Der von der Plazenta zum Fuß ziehende Abschnitt des Nabelstranges 
hat eine Länge von 6,9cm, das andere Stück eine solche von 3,2cm. Nach 
Lösung des Knotens mißt die Nabelschnur 1 cm mehr, so daß ihre Gesamtlänge 
11,1 cm beträgt. Während der fötale Abschnitt der Schnur von weicher, elastischer 
Konsistenz ist, befindet sich das plazentare Stück im Zustande trockener Mumi- 
fikation. Hinsichtlich des Umfanges des Nabelstranges ist zu bemerken, daß der 
fötale Teil etwa doppelt so voluminös ist wie der plazentare. Vergleicht man die 
beiden Füße miteinander, so fällt eine zwar nicht sehr ausgesprochene, aber doch 
deutlich wahrnehmbare Differenz auf, insofern, als der linke Fuß gegenüber dem 
rechten etwas atrophisch erscheint. Nach Abwicklung der Nabelschnur sieht man 
erst, welch starken Druck diese auf den umschlungenen Fuß ausgeübt hat. Dort, 
wo der Nabelstrang das Fußgelenk eingeschnürt hat, ist eine tiefe zirkuläre Furche 
wahrzunehmen. Die Kontinuität zwischen Fuß und Unterschenkel ist nur noch 
durch einen kurzen, fadenförmigen Gewebsstrang gewahrt. l 

Die mikroskopische Untersuchung der Nabelschnur ergab nicht unerhebliche 
Verschiedenheiten zwischen dem proximal und distal vom Knoten gelegenen 
Gewebe. Die Gefäße zeigen im fötalen Teile des Präparates nur geringe Ab- 
weichungen vom normalen Bau. Die beiden Arterien sind von der Vene deutlich 
zu unterscheiden durch die Größe ihres Lumens. Während die Arterienwände 
stark zusammengezogen sind und infolgedessen sehr klein und rundlich erscheinen, 
ist die Vene auf das Zwei- bis Dreifache dilatiert. In der Venenlichtung befinden 
sich zahlreiche, gut erhaltene, in den Arterien nur ganz vereinzelte, ihrer Wand 
dicht anliegende rote Blutkörperchen. In den Arterienwandungen sieht man 
nahe der Lichtung schwache Blutfarbstoffeinlagerungen; stärker davon durch- 
setzt ist die direkte Umgebung der Arterien. 

Anders im plazentaren Anteile des Nabelstranges, der im ganzen etwas 
dünner ist wie der eben besprochene Abschnitt. Hier fehlen die Gefäßlumina 
vollkommen. An ihrer Stelle findet man das ziemlich gleichmäßige Gewebe 
durchsetzt von mehreren, nach allen Richtungen sich verzweigenden, strichförmigen 
Spalträumen. Das Gewebe ist stellenweise in homogene Schollen umgewandelt, 
die wiederum von Zellkomplexen mit mehr oder weniger ausgesprochener Nekrosen- 
bildung umlagert und durchzogen werden. In den am besten erhaltenen Gewebs- 
partien nimmt man schwache Blutfarbstoffeinlagerungen wahr. 


Nach dem anatomischen und klinischen Bilde kann kein Zweifel 
bestehen, daß zur Zeit der Untersuchung das plazentare Nabelschnur- 
stück fast vollkommen nekrotisch war, während der fötale Abschnitt 
noch im ganzen normale Verhältnisse erkennen ließ. Der Tod des 
Kindes kann durch das Zusammenziehen des Knotens jedenfalls 
nicht bedingt sein. B 

Es handelt sich also um einen Fötus aus de 4. Schwangerschafts- 
monate, bei dem es durch Umschlingung der Nabelschnur in Form 
eines wahren Knotens zu einer fast vollkommenen Abschnürung des 

pt 


60 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 3. 


einen Fußes gekommen ist. Ob der Abort durch die Umschlingung 
der Nabelschnur hervorgerufen ist, läßt sich nicht mit Sicherheit 
entscheiden. 

Seitdem Montgomery im Jahre 1839 die Aufmerksamkeit auf 
folgenschwere Umschnürungen des Fötus durch die Nabelschnur ge- 
lenkt hat, suchte man ohne weiteres die Selbstabsetzungen der Glied- 
maßen auf diese Ursache zurückzuführen, bis Simonart 1846 auf 
die ätiologische Bedeutung der amniotischen Bänder und Fäden für 
die Genese fötaler Amputationen aufmerksam machte. Seit dieser 
Zeit ist die Tatsache, daß der Nabelstrang während des intrauterinen 
Lebens irgendwelche Schädigungen in dieser Hinsicht anrichten könne, 
nieht nur in Vergessenheit geraten, sondern so gut wie ganz geleugnet 
worden. Als gewichtigste Stütze diente dabei das Faktum, daß bei 
irgend erheblicher Abschnürung eines Kindesteiles die Nabelschnur 
selber den schwersten Insulten ausgesetzt sei und der durch Kom- 
pression seiner Gefäße ins Stocken gebrachte Blutkreislauf den 
Erstickungstod der Frucht bedinge, ehe es zu erheblicher Ein- oder 
gar Abschnürung einer Gliedmaße oder des Halses komme. Zwar 
wird ein sulzreicher Nabelstrang nur schwerlich eine Störung des 
Blutlaufes erleiden, aber er wird auch dem umschlungenen Teile 
keinen nennenswerten Schaden zufügen, und tatsächlich sind es nach 
dem übereinstimmenden Urteile der meisten Autoren gerade die 
dünnen, sulzarmen Nabelstränge, die die folgenschwersten Um- 
schlingungen hervorrufen. 

Die Ansichten über die Beeinflussung dieser Abschnürungen 
durch die Nabelschnur sind auch heute noch geteilt, wenn schon 
nicht geleugnet werden kann, daß die Möglichkeit ihres Vorkommens 
von den meisten Beobachtern bedingungslos zugegeben wird. Soweit 
es sich um Amputationen durch Umschnürung handelt, so werden 
diese nach Küstners Ansicht ausschließlich durch amniotische 
Bänder, nie durch die Nabelschnur bewirkt. Bei Bumm lesen wir, 
daß durch feste Umschnürungen der Extremitäten die unterhalb der 
Schlinge gelegenen Teile der Glieder in ihrer Entwicklung behindert, 
ja sogar abgetrennt werden können. Während diese Umschlingungen 
für gewöhnlich keinen weiteren Schaden anrichten, entsteht, wenn 
sie sehr fest und zahlreich sind, eine Behinderung der Zirkulation 
in der Schnur. Eine ähnliche Schilderung der Verhältnisse finden 
wir in dem Olshausen-Veitschen Lehrbuche der Geburtshilfe: 
„Es können übrigens auch durch feste Umschlingungen um Extremi- 
täten, wenn auch nicht spontane Amputationen, so doch wenigstens 
Einschnürungen der Weichteile bis auf den Knochen verursacht 
werden.“ 

Sind die einfachen Umschlingungen der Nabelschnur um Hals 
und Extremitäten der Frucht eine recht häufige, etwa bei jeder 
vierten Geburt vorkommende Erscheinung, so kommen die dadurch 
hervorgerufenen Ein- oder Abschnürungen verhältnismäßig selten zur 
Beobachtung. Hennig konnte im Jahre 1877 70 Fälle dieser eigen- 
artigen Wachstumshemmung aus der gesamten Literatur zusammen- 
stellen. Zwar wird durch die einfachen Umschlingungen der Tod 
des Fötus während der Schwangerschaft nur ganz ausnahmsweise 


L Referate. 61 


‚herbeigeführt, doch sind einige Fälle in der Literatur zu finden, in 
denen die Nabelschnur so fest um den Hals geschnürt war, daß der 
Tod eintreten mußte. 


Während es sich bei all diesen mehr oder weniger ausgeprägten 
Verunstaltungen um ein- bis mehrmalige einfache Umschlingungen der 
mitunter sehr langen Nabelschnur handelte, sind Abschnürungen durch 
wahre Nabelschnurknoten so gut wie gar nicht bekannt geworden. 

Der wahre Knoten der Nabelschnur ist schon an und für sich 
ein recht seltenes Ereignis. Hecker schätzt nach seinem Materiale 
sein Vorkommen auf 1:247 ein. Elsässer und Spiegelberg geben 
ungefähr 1:200 als Verhältniszahl an. Was den wahren Knoten 
im Verhältnis zu dem Lebensalter der beteiligten Frucht angeht, 
so kommen in der Heckerschen Statistik, der 83 wahre Knoten 
zugrunde gelegt waren, 73 bei reifen und 9 bei nahezu reifen Kindern 
zur Beobachtung. Nur einmal wurde ein wahrer Knoten bei einem 
250 g schweren Fötus beobachtet. Daraus erhellt ohne weiteres die 
große Seltenheit dieser Komplikation namentlich in frühen Monaten. 
Wenn man bedenkt, daß die wahren Nabelschnurknoten im allge- 
meinen dadurch entstehen, daß der Fötus infolge aktiver Bewegungen 
durch eine Schlinge der langen Nabelschnur schlüpft und diese sich 
später zuzieht, so kann man sich nicht genug wundern, daß dies im 
vorliegenden Falle möglich gewesen ist, wo die Nabelschnur doch nur 
die Länge des Fötus, d. h. 11 cm, gehabt hat. Die einzige hypo- 
thetische Erklärungsmöglichkeit ist die, daß es schon in ganz frühen 
Schwangerschaftswochen zur Knotenbildung gekommen sein muß. 

Was im besonderen die Entstehung der Knotenbildung in der 
Nabelschnur betrifft, so werden hierfür weiter Erschütterungen des 
Körpers verantwortlich gemacht, Fall, Stoß gegen den Leib, Tanzen, 
heftiges Erbrechen, Husten usw. 

Die Literatur der Abschnürungen durch wahre Nabelschnur: 
knoten scheint außerordentlich spärlich zu sein, ist doch der eben 
erwähnte Fall Hecker» der einzige, der dem Verf. zugänglich wurde. 
Es stellt somit obiger Fall von Abschnürung einer Extremität durch 
einen wahren Knoten der Nabelschnur ein Unikum der geburtshilf- 
lichen Literatur dar. Grätzer. 


Arthur Hofmann (Offenburg), Über die Behandlung des 
Hirnprolpses mit künstlicher Höhensonne. (Zbl.f. Chir. 1916. 
Nr. 48.) Die gänzliche Machtlosigkeit, den Hirnprolaps zum 
Rückgang zu bringen, veranlaßte den Verf., bei solchen Fällen die 
künstliche Höhensonne anzuwenden. Er kann in kurzen Worten 
sagen, daß der Erfolg in zwei Fällen ein ganz überraschender war. 
Der allen angewandten Methoden trotzende Hirnprolaps wurde in 
wenigen Sitzungen zum völligen Verschwinden gebracht. Die beiden 
Fälle sind folgende: 

Fall I. Ein 10jähriger Junge erhielt einen Steinwurf gegen die linke 
Schläfengegend. 3 Wochen später wurde der Pat. unter schweren Symptomen 
der Behandlung zugeführt. Fieber, Benommenheit, Druckpuls, Erbrechen. 

` Die sofortige Trepanation mit Bildung eines fünfmarkstückgroßen Lappens 


zwischen Schläfen- und Stirngegend ergab Verletzung der Dura und einen sub- 
kortikalen Hirnabszeß, der etwa 50 ccm Eiter enthielt. Drainage, Tamponade. 


62 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 3, 


Im weiteren Verlauf bildete sich ein allmählich bis zu Faustgröße an- 
wachsender Prolaps, der den Knochenlappen zur Seite drängte. Das Aufpressen 
eines Gummischwammes hatte anfänglich Erfolg. Nach 5 Tagen jedoch trat 
starke Sekretion und Fieber auf mit neuem Hervorquellen des Prolapses. Druck- 
verbände mit Gazebausch hatten keinen Erfolg. Ein um Kopf und Brust an- 
gelegter Gipseverband, durch dessen Fenster über dem Prolaps Gazebäuschchen 
gegen denselben angepreßt und durch eine Art Extensionsverband festgehalten 
wurden, zeigte sich gleichfalls als erfolglos. 

Zunehmender Kräfteverfall und Benommenheit mit starkem Hervorquellen 
des Prolapses. Nachdem Verf. eigentlich alle Hoffnung aufgegeben hatte, nahm 
er eine Bestrahlung mit der künstlichen Höhensonne vor. Am 1. Tage 2 Minuten 
lang. Die folgenden 8 Tage je 5 Minuten lang. Es war geradezu auffallend, wie 
schon nach der zweiten Bestrahlung der Prolaps einzusinken begann und die 
Allgemeinerscheinungen sich zum Besseren wendeten. Nach der achten Bestrah- 
lung war der Prolaps eingesunken, die Sekretion hatte nahezu aufgehört und die 
Wunde war sauber geworden. Der Junge war wieder munter, und das Allgemein- 
befinden besserte sich von da ab rasch. Auch der Knochenlappen kehrte wieder 
an seine ursprüngliche Stelle zurück. 

Heute, nach 1 Jahr, ist. der Junge vollständig beschwerdefrei und geistig 
normal. 

Fall II. Ein 3jähriger Junge fiel mit dem Hinterkopf auf den Zahn einer 
Egge, welcher den Schädel perforierte und in das Hirn drang. Am 4. Tage nach 
der Verletzung wurde das Kind unter hohem Fieber und großer Unruhe in das 
Krankenhaus gebracht. 

Operation: Freilegung des Schädeldaches. Aus einem Loch von Bleistift- 
dicke ergießt sich Eiter und zerfallene Hirnmasse. Vergrößerung des Loches, 
Tamponade, Drainage. Im weiteren Verlauf stellt sich ein taubeneigroßer Hirn- 
prolaps ein. Bestrahlung mit künstlicher Höhensonne täglich 5 Minuten. Nach 
der zweiten Bestrahlung war der Prolaps eingesunken, nach der fünften die 
Wunde gereinigt. 

Auf Grund dieser Beobachtungen glaubt Verf. die „künstliche 
Höhensonne“ für die Behandlung des Hirnprolapses zur Nachprüfung 


warm empfehlen zu können. Grätzer. 


Serog, Zerebellare Ataxie nach Diphtherie. (Aus der 
Nervenabteilung des Militär-Genesungsheimes in Spa.) (M. Kl. 1916. 
Nr. 48.) Es handelte sich um einen Soldaten, der in unmittelbarem 
Anschluß an eine Diphtherie ein eigenartiges Krankheitsbild darbot. 
Hochgradige Ataxie ohne Störungen der Motilität stand im Vorder- 
grund. Das kommt bei Polyneuritis postdiphtherica ja vor. Aber in 
solchen Fällen müssen doch immer Sensibilitätsstörungen, zum 
mindesten Störungen der Lage- und Bewegungsempfindung vor- 
handen sein. Hier waren aber derartige Störungen, trotz mehr- 
facher genauer Untersuchungen, nie festzustellen, sowohl die Sensi- 
bilität war in allen Qualitäten völlig intakt — auch Schmerzen in 
den Armen oder Beinen bestanden damals nicht —, ebenso war die 
Bewegungsfähigkeit, grobe Kraft und elektrische Erregbarkeit aller 
Muskeln völlig normal. Wenn trotzdem auch einfache Bewegungen, 
wie Heben des Beines usw., nur unsicher und ungeschickt, und 
kompliziertere, wie Stehen und Gehen, überhaupt nicht möglich 
waren, so konnte das also nur durch Störungen im Zusammenwirken 
der Muskeln, durch Koordinationsstörungen bedingt sein, es war 
schon danach eine zerebellare Ataxie anzunehmen. Für eine solche 
sprach ferner auch die, besonders im Anfang, sehr starke Rumpf- 
ataxie und das Schwindelgefühl. Auch die sehr starke Hypotonie 
der Beine ohne Paresen und Sensibilitätsstörungen stimmte hierzu. 


I. Referate. 63 


Die Möglichkeit einer zentralen Affektion lag übrigens auch deshalb 
nahe, weil sowohl die Angaben des Pat. über Hinterkopfschmerzen 
und Nackensteifigkeit wie auch die jetzt noch bestehende Druck- 
schmerzhaftigkeit in der Nackengegend auf vorhergegangene menin- 
gitische Erscheinungen hinwiesen. Bezüglich der Art dieser Affektion 
war wohl am ehesten an eine Enzephalitis zu denken. Die Diagnose 
eines zerebellaren Prozesses erfuhr dann wenige Tage später eine 
auffallende Bestätigung dadurch, daß jetzt ein deutlicher Nystagmus, 
besonders beim Blick nach rechts, auftrat. 


Außerdem hatte Pat. damals aber auch spinale Symptome, und 
zwar sowohl Reiz- wie Ausfallerscheinungen. Zu den ersteren ge- 
hörten die sehr heftigen, anfallsweise auftretenden Schmerzen, die 
vom Kreuz aus beiderseitig gürtelförmig nach vorn in den Leib zu 
ausstrahlten, offenbar Wurzelreizsymptome, zu den letzteren das 
Fehlen der Bauchreflexe. 


Spinale Erscheinungen bei Diphtherie treten zwar an Häufig- 
keit gegenüber den typischen neuritischen weit zurück, sind aber 
doch anscheinend nicht gar so selten. Vor allem findet sich öfter 
Babinski. So konnte Rolleston in fast 20°, der von ihm unter- 
suchten Fälle von Diphtherie, Bamentlich der schweren, positiven 
Babinski nachweisen. 


Auch die anatomische Untersuchung des Rückenmarks bei 
Diphtherie hat häufig dort anatomische Veränderungen, z. B. solche 
in den Vorderhornzellen, ergeben. 


Anders steht es mit den zentralen Störungen echt diphtherischer 
Natur. Allerdings gibt es eine zentrale Störung, die im Gefolge der 
Diphtherie nicht selten auftritt, nämlich die diphtherische Hemiplegie. 
Diese Hemiplegie entsteht aber erst sekundär durch Gefäßverände- 
rungen im Verlauf von schweren Herzerkrankungen, manchmal bei 
gleichzeitiger akuter Nephritis, und es liegen ihr meist Hirnembolien 
‚infolge von Herzthrombose, seltener Gehirnthrombose zugrunde. Es 
handelt sich also bei der diphtherischen Hemiplegie gar nicht um 
eine zerebrale ‚„postdiphtherische‘‘ Lähmung im eigentlichen Sinne, 
der Zusammenhang mit der Diphtherie ist vielmehr nur ein indirekter. 

Die verhältnismäßige Häufigkeit der postdiphtherischen Hemi- 
plegie ergibt sich aus einer Statistik von Leede, der unter 800 
Diphtheriefällen vier derartige Fälle fand. Auch hier bestanden stets 
beträchtliche Störungen von seiten des Herzens, anatomisch handelte 
es sich meist um Embolien. Den Zusammenhang der Hemiplegie 
nach Diphtherie mit Störungen von seiten des Gefäßsystems betont 
auch Dynkin und weist auf die Möglichkeit hin, daß sich bisweilen 
eine solche Hemiplegie mit echter — neuritischer — postdiphtherischer 
Lähmung kombinieren kann. 


Sieht man also von dieser diphtherischen Hemiplegie, die nicht 
unter die eigentlichen zentralen diphtherischen Störungen zu rechnen 
ist, &b, so sind solche anscheinend recht selten. Zerebellare Störungen, 
wie die hier beschriebenen, scheinen bei Diphtherie bisher kaum be- 
obachtet zu sein. enigstens findet Verf. in der Literatur nur einen 
einzigen hierhergehörigen Fall. | 


64 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 3. 


Es handelt sich in dem erwähnten Falle um ein bis dahin ge- 
sundes 4jähriges Kind, bei dem in der zweiten Woche einer Diphtherie 
neben psychischen Störungen eine außerordentlich hochgradige 
motorische und statische Ataxie auftritt, wobei weder Lähmungen 
noch irgendwelche Sensibilitätsstörungen vorhanden waren. Die 
Sprache war skandierend und hesitierend, im weiteren Verlauf der 
Krankheit stellte sich auch vorübergehende Blasen- und Mastdarm- 
lähmung ein. Nach mehrmonatigem Bestand trat allmählich fast 
vollständige Heilung ein. Die Patellarreflexe waren anfangs gesteigert, 
später stets deutlich vorhanden, im Anfang bestand positiver Babinski 
beiderseits. | 


Die psychische Störung äußerte sich in der Weise, daß das 
Kind anfangs nicht mehr sprach, unartikulierte Schreie ausstieß und 
ganz stumpfsinnig erschien, später nahm es dann wieder Anteil an 
seiner Umgebung, war aber in seiner Stimmung noch sehr wechselnd 
und sehr leicht erregbar. 


Die Ataxie wird nur allgemein als zentrale oder als „zerebrale‘“ 
bezeichnet. Nach der genau gegebenen Krankengeschichte ist es 
aber wohl fraglos, daß es sich auch dort wie in obigem Falle um 
eine ausgesprochen zerebellare Ataxie gehandelt hat. Bemerkenswert 
in dieser Beziehung erscheint zunächst der Hinweis auf eine stärkere 
Rumpfataxie (die Ataxie zeigte sich auch beim Aufsitzen), ferner 
die Tatsache, daß das ataktische Schwanken bei Augenschluß nicht 
zunahm, und endlich die ganze Schilderung des Ganges, insbesondere 
die Bemerkung, daß das Kind beim Gehen leicht aus der Gang- 
richtung kam. 


Was die pathologisch-anatomische Grundlage des geschilderten 
klinischen Bildes betrifft, so nimmt der Autor eine diffuse Enzephalo- 
myelitis an mit vorwiegender Beteiligung der Brücke des Kleinhirns 
und der Medulla. 


Wie man sieht, besitzt der hier zitierte Fall weitgehende Ähn-. 
lichkeit mit dem Bilde, das der erste Fall anfänglich bot; nur daß 
die zerebellaren Störungen in diesem Falle noch viel ausgesprochener 
waren als in jenem, so daß völlige Abasie und Astasie bestand und 
ganz im Anfang sogar auch das Sitzen ohne Unterstützung unmög- 
lich war. In beiden Fällen traten die zerebellaren Störungen akut 
auf und bildeten sich bald beträchtlich, später langsamer wieder 
zurück. Eine gewisse Gleichartigkeit besteht auch darin, daß in 
beiden Fällen die Psyche mitbetroffen war, wobei aber in keinem 
der beiden Fälle die vorübergehenden psychischen Störungen den 
Charakter des bei Polyneuritis häufigen Korsakowschen Symptomen- 
komplexes hatten. 


Als Grundlage des ganzen Krankheitsbildes ist wohl auch in 
obigem Fall an eine diffuse Einzephalomyelitis zu denken, um so 
mehr, als ja hier, wie erwähnt, ausgesprochene spinale Symptome 
bestanden. Da später auch Erscheinungen von seiten der peripheren 
Nerven hinzutraten, so haben wir es hier mit dem eigenartigen Fall 
einer postdiphtherischen Nervenaffektion zu tun, bei der das gesamte 
Nervensystem betroffen war. | 


L Referate, z 65 


Das für eine Diphtherie höchst Ungewöhnliche des ganzen Sym- 
ptomenkomplexes ließ auch die Frage aufwerfen, ob hier sicher ein 
ätiologischer Zusammenhang mit der Diphtherie bestand und diese 
nicht etwa bloß das auslösende Moment für einen andersartig be- 
dingten Krankheitsprozeß dargestellt hatte, wobei vor allem an Lues 
zu denken war. Aber nachdem die Möglichkeit der Lues durch die 
Ergebnisse der Blut- und Liquoruntersuchung ausgeschaltet war, 
mußte man an der diphtherischen Ätiologie der Symptome um so 
mehr festhalten, als sie ja bei einem früher immer gänzlich nerven- 
gesunden Menschen im direkten Anschluß an eine schwere Diphtherie 
aufgetreten, außerdem von typischen postdiphtherischen Nerven- 
symptomen, wie Gaumensegel- und Akkommodationslähmung, be- 
gleitet und später von polyneuritischen Erscheinungen gefolgt waren. 

Noch kurz zu berühren wäre hier die Frage, ob etwa ein Zu- 
sammenhang der besonders lokalisierten und schweren Nervenaffektion 
mit der vorangegangenen Seruminjektion besteht. Pat. hatte ja im 
ganzen 8000 I.-E., also eine ziemlich große Dosis, erhalten. Man 
muß aber in dieser Beziehung wohl sagen, daß dafür keinerlei Anhalts- 
punkt vorliegt und daß alle sonstigen Erfahrungen gegen einen 
solchen Zusammenhang sprechen. Sicher aber bedeutsam für die 
Entstehung des ungewöhnlichen neurologischen Bildes ist es, daß 
die vorangegangene Diphtherie in ihrem ganzen klinischen Verlauf 
eine besonders schwere war. Dieser besonders schwere klinische 
Verlauf zusammen mit der folgenden eigenartigen Nervenstörung 
weist auf eine besondere Toxizität der Diphtheriebazillen in diesem 
Falle hin xnd legt die.Frage nahe, ob nicht in solchen Fällen irgend- 
wie besondersartige Erreger, etwa eine besondere Art von Diphtherie- 
swämmen, eine Rolle spielen. Wenn das richtig ist und wenn einmal 
eine derartigen klinischen Verlaufsformen entsprechende - Differenzie- 
rung von Diphtheriestämmen möglich sein sollte, so würde das viel- 
leicht auch eine therapeutische Bedeutung für die Zukunft gewinnen 
können. Grätzer. 

G. €. Bolten, Das klinische Bild der Epilepsie. (Mschr. f. 
Psych. u. Neurol. 39. 1916. H.1.) Migräne ist, ebenso wie Epilepsie, 
ein Symptomenkomplex, der bei sehr verschiedenen Erkrankungen 
und Läsionen vorkommen kann. In der Tat sind die Ursachen von 
Migräne und Epilepsie qualitativ vollkommen einander gleich, während 
diese ursächlichen Momente nur quantitativ sich unterscheiden (in 
dem Sinne, daß die leichteren Formen Migräne verursachen). Patho- 
genetisch ist zwischen beiden Symptomen ein so inniger Zusammen- 
hang, daß es rationell ist, die verschiedenen Arten der Migräne als 
eine rudimentäre Form der entsprechenden Epilepsiearten aufzufassen. 

- Ein Teil der Migränefälle ist, ebenso wie die genuine Epilepsie, 
die Folge von Hypothyreoidismus und Hypoparathyreoidismus. Diese 
Migränefälle stellen also in der Tat eine leichtere Form der genuinen 
Epilepsie dar. Diese thyreogenen Fälle der Migräne zeigen sehr gute 
Ergebnisse bei einer zweckmäßigen Schilddrüsentherapie (Ee stale 
Einspritzung frischen Preßsaftes). 

Der Migräneanfall ist ebenso wie der epileptische Anfall sowohl 
eine Vergiftungserscheinung wie auch eine Nützlichkeitsreaktion des 


66 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 3, 


Organismus zur Entfernung der in der Gehirnrinde angehäuften 
Toxine. Der Migräneanfall und der epileptische Anfall sind fast 
gleichwertige Entladungen. Kurt Mendel. 


K. Wilmanns, Ein Beitrag zur Psychologie der Kinder- 
aussagen vor Gericht. (Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Med. und 
öffentl. Sanitätswesen, 3. Folge, 47. 1. 8.1.) Ein 16jähriger, geistig 
beschränkter, aber gut gearteter Wirtssohn wird von einem 9jährigen 
Mädchen eines schweren Sittlichkeitsverbrechens beschuldigt. Er legt 
zunächst ein Geständnis ab, nimmt es aber in den späteren Vernebh- 
mungen wieder zurück. Der Verteidiger beantragt die Untersuchung 
des Täters auf seinen Geisteszustand. Der Sachverständige stellt 
eine Imbezillität mittleren Grades bei ihm fest. Er bestreitet das 
Vorliegen eines Zustandes gemäß § 51 StGB., hält aber die Ein- 
sicht in die Strafbarkeit der Handlung ($ 56 StGB.) bei dem Täter 
für ausgeschlossen. Dem Arzte gegenüber beharrt der Angeklagte 
auf seinen Unschuldsbeteuerungen und behauptet, sein ursprüng- 
liches Geständnis in der Angst und Verwirrung abgegeben zu haben. 
Da ein solches Verhalten mit dem scheuen und befangenen Wesen 
des geistig beschränkten jungen Menschen wohl vereinbar erscheint, 
und er im übrigen einen offenen und wahrheitsliebenden Eindruck 
macht, so geht der Sachverständige über die ihm zugestellte Auf- 
gabe hinaus und wirft die Frage nach der Glaubwürdigkeit der 
kindlichen Zeugin auf. Unter Hinweis auf die großen Widersprüche 
in ihren Angaben vor dem Gendarmen und Richter gibt der Sach- 
verständige der Vermutung Ausdruck, daß die Behauptungen des 
Kindes völlig aus der Luft gegriffen seien. Diese Vermutung findet 
eine starke Stütze in den Aussagen der Lehrer und Erzieher der 
Zeugin, wonach es ein lügnerisches, verleumderisches und sich gern 
wichtig tuendes Mädchen ist, das in sexuellen Dingen Erfahrung hat. 
Das Gericht schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen an. 


Von Interesse ist die Nachgeschichte des Falles: 7 Jahre nach 
dem Prozeß stellte Verf. weitere Nachforschungen an über das 
Schicksal des damaligen Angeklagten und der Belastungszeugin. 
Ersterer steht geistig auf derselben Stufe wie damals. Jedoch wurde 
bei ihm plötzlich ein Heldentenor von hervorragender Stimmfülle 
entdeckt, und er wirkt als solcher zurzeit an hervorragender Stelle 
und hat eine ausgezeichnete Laufbahn vor sich. Die Belastungs- 
zeugin wie ihre Eltern genießen einen sehr schlechten Ruf. Sie 
selbst soll in eine Besserungsanstalt gebracht werden. 

Kurt Boas. 


A. Kirschh Alkohol und Kindersterblichkeit. (Internat. 
Mschr. f. Erforsch. u. Bekämpf. d. Trinksitten. 24. Nr. 9 und 10.) 
Verf. untersuchte 230 Familien eines salzburgischen Dorfes mit 
805 Einwohnern, deren Gasthofverbrauch an Bier pro Jahr 2091 
betrug, ın bezug auf deren Nachkommenschaft. Im ganzen gingen 
675 männliche und 653 weibliche Kinder aus 208 Ehen hervor. 
22 Ehen waren steril. Die Trinkerfamilien wiesen die ‘größte Zahl 
unfruchtbarer Ehen auf, nämlich 14 5 ebenso die stärkste Säug- 
ADBRSIOENNEHEEN, | Kurt Boas. 


I. Referate. 67 


W. Gfrörer, Zum Einflusse der Schädelimpression auf 
den Neugeborenen und seine körperliche und geistige Ent- 
wicklung. (Aus der Universitäts-Frauenklinik in Würzburg.) (Zschr. 
f. Geburtshilfe u. Gyn. 75. H.1.) Verf. kommt auf Grund seiner 
Untersuchungen zu dem Ergebnis, der unkomplizierten Schädel- 
impression des Neugeborenen jeglichen Einfluß auf dessen spätere 
körperliche und geistige Entwicklung abzusprechen. Kurt Boas. 


B. Aus ausländischen Zeitschriften. 


J. Dubs, Zur Pathologie des persistierenden Ductus 
omphalo-entericus. (Aus dem Kantonsspital in Winterthur.) 
(Schweiz. Korr.-Bl. 1916. Nr. 45.) Es werden geschildert: 

1. Ein Fall von angeborener Dottergangsfistel mit 
Darmvorfall. Der Darmprolaps ist dabei so zustande gekommen, 
daß der behandelnde Arzt die prolabierte Schleimhaut des Dotter- 
ganges für ein Granulom hielt, das er durch Ligatur abtragen wollte. 

2. Ein Fall von Dottergangszyste, wie sie in der Literatur 
nur in vereinzelten Beobachtungen beschrieben ist. 


Fritzli B., 2 Jahre alt, von V. Bei dem 2jährigen, für sein Alter recht gut 
entwickelten, gesund aussehenden Knaben fiel seit längerer Zeit eine Vorwölbung 
in der Nabelgegend auf, die beim Husten angeblich größer geworden sei. In den 
letzten Wochen soll die Geschwulst rasch gewachsen sein, so daß der erst- 
behandelnde Arzt an „Sarkom der Nabelgegend‘“ dachte und den kleinen Pat. 
Herrn Direktor Stierlin zuwies. Abgang von Urin oder Stuhl aus dem Nabel 
sei nie beobachtet worden. 

Befund: Am Nabel des sonst gesunden Jungen eine gut taubeneigroße 
Prominenz, von normaler, aber dünner Nabelhaut überzogen, ziemlich prall ge- 
spannt, beim Pressen und Schreien sich nicht vergrößernd, aber auch. nicht 
reponibel, deutlich fluktuierend. 

Daraus wird auf Hernia umbilicalis cystica geschlossen. Bei der Operation 
zeigte sich nun folgendes: | 

Der Nabel wird nach Spitzy umschnitten. Sobald man nun die fibröse 
Hülle der fraglichen Nabelgeschwulst, die mit einem kurzen, derben Strang an 
der Nabelhaut befestigt ist, trennt, entleert sich eine reiehliche Menge gelblich- 
trüber, etwas schleimiger Flüssigkeit, und es präsentiert sich eine geräumige, 
weit über hühnereigroße Höhle, deren Wand von einer zarten, etwas atrophisch 
aussehenden Schleimhaut ausgekleidet ist, die in ihrem Aussehen an Darm- 
schleimhaut erinnert. Wulstiger und dicker wird der Schleimhautbesatz am 
Grunde des Hohlraumes; er bildet dort eine eigentliche Rosette mit einem 
kleinen Grübchen in der Mitte. Es gelingt aber auch mit feinen Sonden nicht, 
in einen Kanal hineinzukommen; die Zyste ist auch gegen die Tiefe hin voll- 
kommen geschlossen und steht mit dem Bauchinnern in keinerlei Verbindung. 
Durch die Zystenwand hindurch wird nun auf das Peritoneum eingeschnitten, 
und so entsteht das Bild, das die beigefügte Skizze verdeutlicht. 

Die Zyste ist an ihrem Grunde durch einen schmalen, derben Strang mit 
einer Deumschlinge verbunden, da, wo diese ee ihrem Mesenterialansatz 
eine Ausbuchtung zeigt. Ebenso ist die — auch gegen die Nabelhaut vollkommen 


geschlossene — Zyste mit dieser durch eine en kurze, derbe, bindegewebige 
Brücke verbunden (die obliterierten Art. und Vena omphalo-enter., das Lig. 
terminale). 


Das ganze Gebilde (Zyste + obliterierter Strang + Divertikel) wird ab- 
getragen da, wo es sich an den Darm ansetzt; der entstehende Defekt mit 
doppelter Nahtreihe geschlossen. Dann vernäht man das Bauchfell und den 
Nabelring. Ungestörter Heilungsverlauf. _ | 

Die mikroskopische Untersuchung der Zystenwand konnte leider aus 


68 Zentralblatt für Kinderheilkunde, Nr. 3. 


äußeren Gründen nicht gemacht werden; auch eine bakteriologische Prüfung 
des Zysteninhaltes unterblieb. 

Pat. V. Walter, 4 Wochen alt, von V. Nach dem Abfallen der Nabel- 
schnur sei am Nabel ein ‚kurzer roter Zapfen“ geblieben. Der behandelnde 
Arzt hat diesen roten Zapfen für ein Nabelgranulom gehalten und abgebunden. 
Die Ligatur schnitt durch, und bei einem Preßakt sei nun plötzlich vor dem 
Nabel ein großes, rotes, wurstförmiges Gebilde erschienen, worauf der Arzt die 
sofortige Überführung des Kleinen als Notfall in das Kantonsspital anordnete. 
Darminhalt hat sich aus dem „Nabelschnurrest‘‘ bisher nie entleert gehabt. 

Befund: In der Nabelgegend findet sich mitten auf aem Bauch ein quer 
zur Medianlinie gelegenes, wurstförmiges Gebilde, das in der Mitte durch einen 
dünnen Stiel nach dem Nabelring verläuft. Die Farbe ist dunkel- bis blaurot; 
die Oberfläche samtartig, nicht spiegelnd, schleimig. Stellenweise sieht man deut- 
lich kleine Partikelchen Darminhalt. Die Länge der querliegenden Geschwulst 
beträgt etwa 15—20 cm. An beiden etwas hornartig gestalteten Enden findet 
sich je eine Öffnung, durch die eine eingeführte Sonde in das Bauchinnere ver- 
schwindet. Der Stiel, durch den die wurstförmige Geschwulst mit dem Nabel- 
ring zusammenhängt, ist etwa 6 cm lang. Die Verbindungslinie der beiden ‚„End- 
hörner‘ ist in der Stielgegend leicht konkav ausgebuchtet. 

Aus diesem Befunde und der Anamnese wird die Diagnose auf Darmprolaps 
nach — vom Arzte eröffneter — Dottergangsfistel gestellt. 

Sofortige Operation. Ober- und unterhalb des Nabels werden die Bauch- 
decken etwas gespalten, dann wird der Nabel umschnitten und seitlich das 
Peritoneum eröffnet. Hierbei erfolgt — da bei dem sehr elenden Kind von 
Chloroform nur sehr sparsamer Gebrauch gemacht wird — durch einen Husten- 
stoß ein starker Prolaps von Dünndarmschlingen; sie werden sofort in dünne 
Kochsalzkompressen gehüllt und bleiben einstweilen ruhig liegen. Es gelingt nun 
leicht, die nach dem Nabelring führende Dünndarmschlinge zu finden und durch 
sanften Zug die ganze invertierte Partie zurückzustülpen, so daß schließlich 
nur ein bleistiftgroßes Loch mit wulstigem Schleimhautrande in einer Deum- 
schlinge dem Mesenterialansatz genau gegenüber übrig bleibt. Die ausgestülpt 
gewesene Darmpartie ist blaurot verfärbt, ist aber zweifellos ernährt und erholt 
sich gut trotz eines Längsrisses im Gekröse, den man mit zwei Knopfnähten 
schließt. | 

Der Sitz des persistierenden Ductus omphalo-entericus ist etwa 20 cm 
oberhalb der Bauhinschen Klappe; das Dünndarmstück ist bis fast dahin 
invertiert gewesen. Die Darmwandöffnung wird in der Längsrichtung mit Nähten 
in zwei Etagen geschlossen. Dann wird vorsichtig das ganze Dünndarm konvolut 
reponiert und endlich die Nabelöffnung in mehreren Etagen solide verschlossen. 

Das Kind ist bis jetzt gestillt worden; es wird daher die Mutter des 
Kleinen ebenfalls im Spital aufgenommen. 4: 

Im Laufe des Tages einigemal Erbrechen; gegen Abend trinkt das Kind 
gut und sieht ganz ordentlich aus. | 

Im Laufe des folgenden Tages bei gutem Puls, normaler Temperatur und 
weichem Abdomen einigemal Erbrechen, aber auch zweimal Stuhl. 

In den folgenden Tagen bildete sich unter Temperaturanstieg bis 39° ein 
kleiner Bauchdeckenabszeß, nach dessen Eröffnung bald völliges Wohlbefinden 
des kleinen Pat. eintrat. 

Pat. wird bei sehr gutem Ernährungszustand 14 Tage nach der Aufnahme 
geheilt entlassen. | 

e Anderweitige Mißbildungen konnten bei dem kleinen Knaben nie festgestellt 
werden. 


Aus der ihm zugänglichen Literatur der letzten 80 Jahre hat 
Verf. noch zwei Fälle finden können, bei denen gleichfalls durch 
einen ärztlichen Irrtum in der Diagnose und dementsprechend falsches 
therapeutisches Vorgehen ein Darmprolaps aus einer nicht erkannten 
Dottergangsfistel heraus erfolgte. 

Löwenstein berichtet von einem Kind, dem am 11. Tage' post 
partum die Nabelschnur abgefallen war. Es blieb ein vom Nabel 
vorragender, 1!/, cm hoher, roter, zylindrischer Wulst. Sofort nach 


I. Referate. 69 


Abtragung dieser Geschwulst, die für ein Granulom angesehen wurde, 
prolabierte eine Dünndarmschlinge; die Eventeration nahm rasch 
größeren Umfang an. An einer Stelle des Dünndarmes, gegenüber 
dem Mesenterialansatz, fand sich ein rundes Loch von 6 mm Durch- 
messer, das direkt ins Darminnere führte. Vernähung des Loches 
im Darm und Reposition der ganzen vorgefallenen Darmpartie, was 
nur sehr schwer und erst nach Erweiterung der Bauchwunde gelang. 
Vernähung der Austrittspforte. Heilung. 

Karewski berichtete in der freien Vereinigung der Chirurgen 
Berlins 1897 kurz über einen Fall von Dottergangsfistel, der als 
„Nabelrest‘“ von einem Arzte abgebunden war. Es entwickelte sich 
ein kolossaler Darmprolaps mit Intussuszeption. Tod, trotz Darm- 
resektion. 

Die Prognose des Darmprolapses aus einer Dottergangsfistel ist 
eine sehr ernste. Sträter konnte 1904 sechs solche Fälle zusammen- 
stellen, die alle letal ausgingen. Dazu kommt ein Fall von Subbotie, 
der ebenfalls mit dem Tod des Kindes endete. Bis 1904 ist nach 
Sträter einzig der Fall Briddons durchgekommen. Dazu gesellt 
sich zum Fall Löwenstein obiger mit Erfolg operierte Patient. 
Weitere Beobachtungen hat Verf. in der ihm zugänglichen Literatur 
keine mehr gefunden. Jedenfalls bleibt also. die operative Heilung 
bei einmal eingetretenem Darmvorfall und Evagination ein äußerst 
seltenes Ereignis. 


Daraus ergibt sich von selbst die Wichtigkeit der Diagnose und 
Therapie der Dottergangsfistel. 

Für den erstbehandelnden Arzt handelt es sich darum, die 
Differentialdiagnose zwischen dem immer vorhandenen kleinen 
Schleimhautprolaps einer Dottergangsfistell, einem Einteroteratom 
(Kolaczek) = Nabeldottergangsdivertikel und einem Nabelgranulom 
sicherzustellen. = 

Das ıst sehr einfach, wenn sich der Arzt zur Pflicht macht, 
jede „nicht heilende Nabelwunde‘ mit der Sonde zu untersuchen, 
und sich die folgenden Punkte gegenwärtig hält: 


. 1. Bei dem kleinen Geschwülstehen, das der teilweise Schleim- 
hautprolaps der Dottergangsfistel vortäuscht, befindet sich auf der 
Höhe immer eine kleine Öffnung, durch die eine eingeführte Sonde 
gegen das Bauchinnere zu verschwindet. Das ist weder beim Entero- 
teratom (Nabeldottergangsdivertikel) noch beim Granulom der Fall. 
Da die Schleimhaut am Nabelring unmittelbar in die Bauchhaut 
übergeht, dringt die Sonde um die Geschwulst herum nicht in den 
Nabelring ein. 

Der Austritt von Darmgasen oder kleinen Kotpartikelchen ist 
ebenfalls wichtig, da sonst auch mit der Möglichkeit eines offenen 
Urachus zu rechnen ist. Durch eine Nabelschnurligatur, die durch 
einen nicht beachteten Nabelschnurbruch gelegt wird, kann ein 
widernatürlicher Nabelafter entstehen. Die Unterscheidung zwischen 
diesem Anus ex omphalo und der Dottergangsfistel kann nicht. 
schwerer sein als zwischen jedem anderen Anus praeternaturalis und 
einer Kotfistel. | 


70 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 3. 


2. Das Nabelgranulom (Sarkomphalos, Fungus umbil.) eine 

durch verzögerte Wundheilung und gesteigerte Sekretion bedingte, 
kleine Granulationsgeschwulst am Nabel mit leicht höckeriger Ober- 
fläche und fast immer mit eitrigem Sekret bedeckt, hat keine Fistel- 
öffnung. 
8. Das iterstärsten: ın seiner äußeren Form sonst dem 
Granulom sehr ähnlich, hat glatte Oberfläche und ist mit weißlichem, 
klebrigem Schleim, aber nicht mit eitrigem Sekret bedeckt. Auch 
hier keine Fistelöffnung. 

In dubio soll also ein granulomähnliches Gebilde am Nabel, das 
in der Mitte eine Fistelöffnung trägt, den Arzt sofort veranlassen, 
die richtige Therapie einzuleiten. 

Es ist früher versucht worden, durch Anfrischung und Naht der 
Ränder, durch Ätzung und Heftpflasterkompression, durch Kaustik, 
durch Abbinden die Dottergangsfistel zum Obliterieren zu bringen 
-— immer ohne bleibenden oder sogar mit sehr schlechtem Erfolg. 

Angesichts der Gefahr des Darmprolapses bei der Dottergangs- 
fistel, der auch bei operativem Vorgehen eine erschreckend hohe, 
fast absolute Mortalität hat, in Anbetracht der großen Gefahren, die 
auch ein fast total zurückgebildeter Dottergang als Meckelsches 
Divertikel seinem Träger noch in späteren Jahren bringen kann 
(Darmverschluß, Diverticulitis usw.), ist von vornherein ein radikales 
Vorgehen bei der Behandlung der Dottergangsfistel angezeigt. Es 
kann nur in der radikalen operativen Entfernung des persistierenden 
Ductus omphalo-entericus bestehen. 

Barth war der erste, der diese Idee 1887 erwog; Alsberg hat 
sie erstmals 1888 — freilich mit letalem Ausgang — ausgeführt. 
Nach ihm haben aber dann Broca, gleichzeitig und unabhängig 
von ihm Stierlin, nachher Körte, Kehr, Hubbard und eine 
ganze Reihe weiterer Operateure durch vollständig guten Heilungs- 
erfolg die Berechtigung der operativen Radikaloperation zur Genüge 
erwiesen. Sträter stellte 1904 unter 22 derart behandelten Patienten 
nur 8 Todesfälle fest, die sich allesamt auf grobe Fehler der 
Indikationsstellung oder der Technik zurückführen lassen. Auch die 
neuesten Erfahrungen sind durchaus günstige — trotzdem ja die 
Operation a priori bei so jugendlichen Patienten nicht unbedenklich 
erscheinen könnte. 

Sie besteht im wesentlichen in Spaltung des Nabelringes durch 
einen ober- und unterhalb desselben geführten kleinen Längsschnitt. 
Dann wird der umgeschlagene Rand des Vorfalls ringsum vom Nabel 
freipräpariert; unter stetigem Anziehen der kleinen Geschwulst wird 
der ganze Darmanhang mit der zugehörigen Darmschlinge vor den 

abel gebracht. Der Dottergang wird am Darm abgetragen, das 
Loch im Darm vernäht, letzterer versenkt. Darüber Schluß des 
Nabelringes. | 

Bei stärkerem Darmprolaps — wie er auch in obigem Falle be- 
stand — muß nach Umschneidung des Nabels die Bauchhöhle er- 
öffnet werden, worauf von rückwärts her die Operation vollendet 
werden kann, wie bei der einfachen Dottergangsfistel. 


Il. Aus Vereinen und Versammlungen. 71 


Der Arzt darf deshalb bei richtig gestellter Diagnose mit bestem 
Gewissen zur operativen Entfernung des persistierenden Dotterganges 
raten; nur so bleibt der Träger desselben vor späteren schweren Ge- 
fahren bewahrt. ' Grätzer. 


I. Aus Vereinen und Versammlungen. 


Krieser: Gute kosmetische Resultate nach Tracheotomien. Eine Luft- 
röhrenfistel erweist dem Kranken momentan zwar einen lebensrettenden, in 
seinen Augen jedoch nur vorübergehenden Dienst, dessen Spur lebenslänglich 
die Eitelkeit des Trägers bzw. der Trägerin stört. Soweit es ohne Benach- 
teiligung der Sicherheit und Geschwindigkeit der Operation geschehen kann, 
mag auch der Arzt ein gewisses Mißverhältnis anerkennen und auf die Erzielung 
guter kosmetischer Resultate bedacht sein. Der Hautschnitt wird in der Längs- 
richtung in der 1!/,—2fachen Größe der zu verwendenden Kanüle an derjenigen 
Stelle oberhalb oder unterhalb des Schilddrüsenisthmus angelegt, wo man die 
Luftröhre möglichst nahe der Oberfläche tastet. Das irrtümliche Verziehen der 
Haut bei der Inzision erschwert den Eingriff sehr, wenn man sich nicht zur 
Verlängerung des Schnittes entschließen will. Dieser Fehler ist daher für das 
kosmetische Resultat nicht bedeutungslos. Dem Hautschnitt folgt ein einfacher 
technischer Kunstgriff, der die Anwendung der kleinen Schnitte ermöglicht. Er 
besteht darin, daß man das subkutane Fett, welches die Übersicht behindert, 
in solcher Ausdehnung exzidiert, bis kein Fettträubchen mehr das Gesichtsfeld 
einengt. Man führt das in der Weise aus, daß man mit der chirurgischen Pinzette 
das subkutane Fettgewebe anzieht und längs der Hautränder abträgt. Man 
braucht dabei nicht zu befürchten, daß man die oberflächlichen Venen eröffnet, 
da dieselben in die straffe Faszie eingewebt sind und dem Zuge nicht Folge 
leisten. Die einzige Vorsicht, die man beobachten muß, besteht darin, daß man 
bei der Exzision der Fettträubchen die Wundränder seitlich nicht einkerbt. So- 
bald dieser Akt der Operation ausgeführt ist, sieht man, daß die Hautöffnung 
die Neigung hat, eine rundliche Form anzunehmen, und bei ganz kleinen Kindern 
und fettarmen Hälsen, wo die Trachea fast unter der Haut liegt, umschließt der 
Hautrand knapp die Kanüle. Nunmehr sieht man die oberflächliche Faszie mit 
zwei in der Längsrichtung verlaufenden Venen deutlich vor Augen. Unter 
Schonung der Venen inzidiert man in der Längsrichtung in voller Ausdehnung 
des Hautschnittes, denn die straffe Faszie leistet dem stumpfen Auseinander- 
drängen, besonders an dem unteren Rande, einen erheblichen Widerstand. Ge- 
wöhnlich liegt an diesem Umstande die Verengung des Gesichtsfeldes, nicht an 
der Kleinheit der Hautwunde, die sich mit Leichtigkeit verziehen läßt. Nun- 
mehr werden die kurzen Halsmuskeln in der üblichen Weise stumpf auseinander- 
gedrängt und mit kleinen Häkchen ein wenig zur Seite gezogen. Ein zu star.es 
Beiseiteziehen ist zwecklos, da es den Platz in der Längsrichtung verengt. Ferner 
beachte man, daß man beim Einsetzen der Häkchen die Trachea nicht mit bei- 
seite zieht. Auch im weiteren Verlaufe der Operation ist man völlig auf die 
Leitung des Auges angewiesen, da der kleine Schnitt die Einführung selbst des 
kleinen Fingers zur Orientierung nicht gestatten soll. Das Interstitium oberhalb 
oder unterhalb des Isthmus sieht man bei einiger Übung ebenso gut wie bei 
einem großen Schnitt, und man findet die unmittelbar dahinter gelegene Trachea 
leicht, wenn man sie, besonders bei der unteren Tracheotomie, nicht zu weit 
abwärts sucht, wo sie sich rasch in die Tiefe senkt. Somit verursacht nur der 
kurze Augenblick, in welchem das Fettgewebe in der geschilderten Weise ent- 
fernt wird, eine Zeitversäumnis, während im übrigen weder die Sicherheit noch 
die Geschwindigkeit durch den kleinen Schnitt beeinträchtigt wird. Es wird dies 
vor allem dadurch bewiesen, daß selbst bei schwerster Atmungsinsuffizienz in 
dieser Weise vorgegangen wurde, ohne daß nur ein einziger Todesfall während 
der Operation stattfand. Auch sonst ist kein Nachteil der kleinen Schnitte be- 
obachtet worden, wie z. B. das Auftreten eines Hautemphysems infolge des engen 
Wundkanales. Die Sekretion ist geringer, die Heilung rascher als sonst, da die 
AbstoBung des sich leicht infizierenden und nekrotisch werdenden subkutanen 


72 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 3.| 


Fettes fortfällt. Sollte sich bei der Operation irgendeine Komplikaticn ereignen, 
wie z. B. das Auftreten einer stärkeren Blutung, so kann man sich durch Ver- 
längerung des Schnittes leicht helfen. 

(Med. Gesellschaft zu Leipzig, 11. Juli 1916.) 

-= R. Hahn: Familiäre Lues. Eine Frau war mit ihren beiden Kindern allem 
Anschein nach durch den auf Urlaub befindlichen Mann bzw. Vater mit Lues 
infiziert. Die Diagnose wurde zuerst bei den Kindern wegen ihres eigenartigen 
Haarausfalls (Alopecia luetica) gestellt. Außer sehr stark vergrößerten, etwas 
grauweiß verfärbten Tonsillen wurden keine Zeichen von Lues gefunden, des- 
gleichen kein Primäraffekt. Doch deuteten die geschwollenen Kiefer- und Hals- 
drüsen auf eine Infektion im Munde, eventuell der Tonsillen selbst. Die Mutter 
zeigte knopfförmige breite Kondylome an den Genitalien. Im Anschluß daran 
demonstriert Vortr. zwei andere Fälle von Alopecia luetica bei Erwachsenen, 
vergesellschaftet mit einseitiger Iritis luetica in beiden Fällen. Zum Schluß 
berührt Vortr. die Wichtigkeit auch anscheinend unscheinbarer Symptome wegen 
der großen Gefahr der Familieninfektion und weist kurz auf die Tätigkeit der 
Fürsorgestelle der Landesversicherungsanstalt hin, deren Arbeit als grundlegend 
für die Errichtung der vom Reichsversicherungsamt für das gesamte Reich vor- 
gesehenen Fürsorgestelle gegolten hat. 


Urban: Gangrän der Hand nach einfachen Knochenbrüchen. Ein 3jähriges 
Kind bricht das linke Schlüsselbein durch Fall von der Treppe, indirekter Bruch 
ohne nennenswerte Verschiebung. Velpeauscher Verband. Nach 7 Tagen Auf- 
nahme ins Marienkrankenhaus mit völlig abgestorbener Hand und Vorderarm. 
Amputation am Oberarm. Ein 8jähriger Knabe bricht den linken Oberarm un- 
mittelbar oberhalb des Elibogengelenkes durch Fall auf die ausgestreckte Hand. 
An demselben Tage wattierter Gipsverband. Ödem der Hand. Am nächsten 
Morgen wird der Gipsverband in der ganzen Länge aufgeschnitten. Nach 5 Tagen 
Aufnahme ins Marienkrankenhaus mit Nekrose der Hand. In beiden Fällen 
fanden sich keinerlei Zeichen von Druck des Verbandes, der vielfach als Ursache 
für die Nekrose angeschuldigt wird. Im zweiten Falle muß die Schwere der 
Verletzung mit Zerreißung der A. cubitalis und zahlreicher Kollateralen und die 
ungewöhnlich starke Schwellung und pralle Härte der Weichteile als Ursache 
der Nekrose angenommen werden. Im ersten Falle ist als wahrscheinlich eine 
Thrombose der A. axillaris infolge der Zerreißung der Intima der A. subclavia 
anzunehmen, indem die Arterie zwischen Schlüsselbein und linker Rippe ge- 
quetscht war. 

Haenisch: Röntgenbefunde. 12 Jahre altes Mädchen ist tags zuvor beim 
Turnen mit dem linken Knie gegen eine Sprossenleiter geschlagen. Der Fall wird 
dem Vortr. mit Verdacht auf I'raktur des Condylus femoris intern. zur Unter- 
suchung geschickt. Es findet sich eine knochenharte, tiefliegende, ovale Resistenz 
oberhalb des medialen Kondylus, die bei Druck schmerzhaft ist. Eine Kondylus- 
fraktur ist wohl auszuschließen, da die Schmerzhaftigkeit besonders in Ruhe zu 
gering, das Kniegelenk frei ist usw. Der Tumor macht den Eindruck einer 
Exostose, wegen der Schmerzhaftigkeit ist im Hinblick auf das Trauma auch an 
ein prallgefülltes, tiefliegendes Hämatom zu denken. Der Röntgenbefund zeigt 
nun zunächst, daß es sich um eine gestielte kartilaginäre Excstcse handelt, die, 
langgestreckt, von der Epiphysenlinie aus aufwärts, neben dem Femur liegt. 
Des weiteren aber findet sich, was bis jetzt gesehen zu haben, Vortr. sich nicht 
entsinnt, eine Fraktur im Stiel der Exostose, die bei dem Trauma entstanden ist. 
— 7jähriges Mädchen wird dem Vortr. zur Untersuchung der Wirbelsäule über- 
wiesen. Der Großmutter war eine bis dahin unbeachtete Vorwölbung der unteren 
Wirbelsäule aufgefallen. Der konsultierte Arzt konnte sich von einer Erkrankung 
der Wirbelsäule nicht überzeugen. Im Sitzen erscheint die Lendenwirbelsäule 
etwas vorgewölbt, keine Druckschmerzhaftigkeit, kein Stauchungsschmerz usw. 
Als Vortr. die Patientin zur rein frontalen Aufnahme rein seitlich legte und die 
Wirbelsäule streckte, fiel ihm eine lordosenartige Einsenkung der untersten 
Brustwirbelsäule auf. Die Aufnahme zeigt nun, daß die Processus spinosi des 
il. und 12. Brustwirbels vollkommen fehlen, während die Processus spinosi der 
oberen Brustwirbelkörper und der Lendenwirbelsäule gut ausgebildet sind. Die 
daraufhin gemachte Sagittalaufnahme klärte den Fall restlos auf. Hier sieht 
man, daß am 11. und 12. Brustwirbel die Bögen nicht zur vollkommenen Ver- 
einigung gekommen sind. Es besteht ein schmaler Spalt in der Mittellinie. Die 


IlI. Therapeutische Notizen. 78 


Processus spinosi sind gar nicht gebildet. Es handelt sich also um den geringsten 
Grad einer partiellen, als Rhachischisis bezeichneten Hemmungsmißbildung. Zu 
einer Spina bifida-Bildung ist es bei dem schmalen Spalt nicht gekommen, auch 
sonst fehlen alle äußeren Zeichen der Mißbildung. 
| (Arztl. Verein in Hamburg, 4. April 1916.) 


III. Therapeutische Notizen.!) 


l Die Behandlung des Keuchhustens. Von Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Peiper 
in Greifswald. Die Zahl der gegen Keuchhusten empfohlenen Medikamente ist ' 
ungeheuer. Die jedem dieser Mittel nachgerühmten ‚sicheren‘ Erfolge beruhen 
auf Irrtümern. Bisher gibt es bestimmt kein „Spezifikum‘‘ gegen Keuchhusten. 
Am ehesten kann man im Frühstadium dem Chinin und seinen Derivaten noch 
eine gewisse Beeinflussung der Krankheit nachrühmen durch Minderung und 
Milderung der Anfälle. Es gibt aber Fälle genug, bei denen auch dieses Mittel 
versagt. Wählt man das Chininum muriaticum, so wird dieses in der Dosis 
von 0,05 für das erste, 0,1 für das zweite, 0,2 für das dritte, 0,3 für die folgenden 
Jahre 3mal täglich in. Pulverform oder. in Form der Gelatineperlen oder 
Schokoladenplätzchen gegeben. Nötigenfalls kann das Chinin auch in Suppo- 
sitorienform appliziert werden. Im allgemeinen sind Säuglinge gegen den bitteren 
Geschmack, auf den ältere Kinder überhaupt nicht aufmerksam zu machen sind, 
wenig empfindlich. Sehr gern wählt Verf. das Chininum tannicum wegen seiner 
Geschmacklosigkeit; es enthält aber nur 25°/, Chinin und ist daher in 3fach 
stärkerer Dosis als das vorige Präparat zu geben. An Stelle des Chinins kann. 
auch das nicht bittere Euchinin, und zwar in so viel Dezigrammen, als das Kind 
Jahre zählt, 3mal täglich gegeben werden. Das Chinin verordnet man 7—10 Tage 
hindurch, dann, wenn erforderlich, nach einer 8—10tägigen Pause abermals in 
derselben Dosis. Auch Antipyrin (0,1—0,5) und Aristochin (0,1—0,3) 3mal täg- 
lich wird empfohlen. Vielfach wird das Chinin oder andere Medikamente, wie 
pulverisierte Borsäure, Resina benzoës, Natrium sozojcdolicum u. a., durch Ein- 
stäubungen auf die Kehlkopfschleimhaut appliziert, ohne daß man bei objektiver, 
Prüfung einen besonderen Erfolg erzielen kann. Den Einblasungen folgt meist 
ein starker Anfall mit Expektoration, auf die für eine gewisse Zeit Ruhe eintritt. 
Beruhigend wirken oft Inhalationen, zu denen Verf.. 1°/,ige Natriumbromat- 
lösungen verwendet. Nehmen die Anfälle an Heftigkei, zu, co müssen wir uns 
zur vorsichtigen Anwendung narkotischer Mittel entschließen, sofern nicht ernstere 
Lungenkomplikationen vorliegen. Von den Narkoticis bewährt sich das Bromo- 
form, von dem man !/,jährigen Säuglingen 1—2 Tropfen, älteren 2—4 Tropfen, 
2—4jährigen Kindern 3—4 Tropfen 3mal täglich in Wasser gibt. Die Mutter 
muß euf die sorgfältige Abzählung der Tropfen aufmerksam gemacht werden. 
Bromoform ist nicht bei leerem Magen zu verabfolgen. Bei einiger Vorsicht 
lassen sich Intoxikationen sicher vermeiden. Auch das Atropin erweist sich als 
ziemlich zuverlässig (Rp. Atrop. sulf. 0,003:10 Aqu. dest. DS. 2mal täglich 
1—5 Tropfen) oder Belladonnaextrakt (Rp. Extr. Bellad. 0,03—0,1: 10,0 Aqu, 
Foeniculi DS. 2—3mal täglich 5, 10—15 Tropfen). Bei heftigen Anfällen gibt 
man Chloralhydrat (1,0—5,0: 100,0 Aqu. dest. DS. 2—3mal täglich 10 ccm), das 
von den Kindern meist gut vertragen wird. Auch das Morphium ist in solchen 
bedrohlichen Fällen unter Vorsicht anzuwenden; bei Säuglingen 2—3mal !/, mg, 
bei älteren Kindern !/;—l mg täglich, oder Ccedein 1—2 mg bei ljährigen, 
2—3 mg für ältere Kinder. (D. m. W. 1916. Nr. 10.) 

- . Eine neue Behandlungsmethode des Keuchhustens. Von Prof. R. Kraus: 
(Aus dem ‚Bakteriologischen Institut des Departemento Nacicnal de. Higiene in 
Buenos Aires.) Verf. suchte im Sputum das Mittel zur Behandlung; er nahm 
an, daß im Sputum der hypothetische Erreger sein müsse und daß außerdem 
Eiweißkörper des Sputums die Krankheit beeinflussen könnten. Zu diesem 
Zwecke wurde Sputum der Keuchhustenkinder, womöglich steril, gesammelt, 
nd nachdem man sich davon überzeugt hatte, daß keine Tuberkelbazillen 
(mikroskopisch, Antiforminverfahren, Tierversuch) vorhanden seien, wurde das 


— na | 
-3 ,b Die mit * bezeichneten Notizen beziehen sich auf Erwachsene. 
Zentralbl. f. Kinderhikde. 22. 6 


74 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 2. 


Sputum in gleicher Weise, wie wir es mit den Bakterien machen, verarbeitet. 
Das Sputum wird gewaschen, nachher mit Ather versetzt und in Flaschen 3 bis 
4 Tage lang auf der Schüttelmaschine geschüttelt. Nachher wird der Ather ver- 
dampft und das hämogenisierte Sputum, nachdem es auf seine Sterilität in 
Nährböden und Tierkörpern geprüft wurde, in Fläschchen zu lccm verfüllt. 
Dieses Präparat wird Kindern subkutan in Abständen von 2—3 Tagen in 
Mengen von 1—3 ccm injiziert. Diese Methode wurde in drei Spitälern studiert. 
Verf. möchte resümierend das Urteil der Kliniker dahin zusammenfassen, daß 
das Mittel in erster Linie absolut unschädlich ist, weder lokal noch allgemein 
Reaktionen auslöst. In einzelnen Fällen bloß konstatiert man lokale Schmerz- 
haftigkeit und eine vorübergehende Temperatursteigerung. In vielen Fällen, 
' welche in verschiedenen Stadien der Krankheit in Behandlung kamen, ist inso- 
fern bereits nach der 1. und 2, Injektion eine Anderung des Krankheitsbildes zu 
konstatieren, als die Zahl der Anfälle abnimmt, die Dauer kürzer ist und der 
Charakter derselben sich ändert. Das Erbrechen, welches vorher bestanden hat, 
hört auf, und auch der Auswurf wird gering, schleimig und verschwindet bald 
gänzlich. Durch die weitere Behandlung werden die Anfälle derart geändert, 
daß der Husten nur mehr einen katarrhalischen Charakter hat. In sehr vielen 
Fällen hört nach 10—14 Tagen auch der katarrhalische Husten auf, so daß die 
Krankheit wesentlich abgekürzt wird. (D. m. W. 1916. Nr. 10.) 


Über die Behandlung von Durchfällen bei Kindern mit basisch gerbsaurem 
Kalk. Von Dr. Eugenie Steckelmacher. (Aus der Heidelberger Kinderklinik.) 
Das Mittel, 85,6°/, Gerbsäure und 14,4°/, CaO enthaltend, ein graubraunes, in 
Wasser unlösliches Pulver, wurde bei Säuglingen zu 1—2 g, bei älteren Kindern 
bis 2,5 g pro die bei 36 Fällen angewandt (meist pulverisierte Tabletten zu 0,5 g, 
der Nahrung beigemischt), stets anstandslos eingenommen und als völlig un- 
schädlich erkannt. Eine spezielle diätetische Behandlung wurde unterlassen, 
also z. B. dyspeptische Säuglinge unter der üblichen Halbmilch-Schleimnahrung 
belassen. Trotzdem meist sehr prompter Erfolg. Ausgezeichnet reagierten einige 
parenterale und Entwöhnungsdyspepsien von Brustkindern. Auch bei Kindern 
jenseits des 1. Lebensjahres wurde oft die günstige Wirkung konstatiert. Prompt 
wirkte das Mittel bei 2 Fällen von Colica mucosa, und auch bei 5 Fällen von 
dysenterieformen Enterokolitiden wurde in kurzer Zeit durchgreifende Besserung 
erzielt (hier allerdings daneben auch diätetische Behandlung). 

(Ther. d. Gegenw. 1916. Nr. 4.) 

Jodnatrium als Prophylaktikum gegen Scharlach gab Dr. K. Lossen, als 
Scharlach ins Reservelazarett Wetzlar eingeschleppt worden war und sich in 
seiner Station zu verbreiten begann. Seitdem er Jodnatrium 10: 200, 3mal täg- 
lich 1 Teelöffel, ordinierte, kam kein Scharlachfall mehr vor. Zu der Medikation 
war Verf. durch die Überlegung gekommen, daß das Jod schon wenige Minuten 
nach der Aufnahme in den Körper auf allen Schleimhäuten ausgeschieden wird, 
die Sekretion stark anregt und so die Krankheitskeime fortschwemmen könnte; 
außerdem besitzt das Jod auch in dieser Form zweifellos desinfizierende Kraft. 

(M. m. W. 1916. Nr. 28, Feldärztl. Beil.) 

Beitrag zur Behandlung der Diphtheriebazillenträger. Von Dr. H. Mühsam 
Berlin). Seit mehr als 1 Jahre hat Verf. bei solchen vor allem den Mund in 

ung bringen lassen: Wurzeln wurden gezogen, Zahnhöhlen behandelt, Zahn- 
stein entfernt usw. Durch diese Zahnbehandlung wurden sämtliche Patienten 
von ihren Diphtheriebazillen befreit. (M. Kl. 1916. Nr. 31.) 

* {fber die Entstehung des Hustens und seine Bekämpfung mit Thyangol- 
pastillen. Von Dr. M. Gutstein. (Aus der Friedrichstadt-Klinik für Lungen- 
kranke zu Berlin.) Verf. benutzte zu den Versuchen die unter dem Namen 
Thyangol von der Chemischen Fabrik Dr. Thilo, Mainz, in den Handel gebrachten 
Pastillen. Die 'Thyangolpastillen stellen pfennigstückgroße Kugelsegmente von 
dunkelbraunroter Farbe und wachsigharziger Konsistenz dar. Nach Angabe der 
Fabrik enthalten sie pro Pastille 

Anästhesin 0,03 

Phenacetin 0,08 
und kleine Mengen (je 0,0015) Thymol und Ol. Eucalypti. Sie hinterlassen 
beim Zergehen ein taubes Gefühl an der Mundschleimhaut, das etwa 1—2 Stunden 
anhält. Trotzdem wurden die Pastillen von den Patienten nur selten zurück- 
gewiesen. In Dosen von 6—10 Pastillen pro die angewandt, wobei Verf. die 


Er u ER Br T E 


IH. Theespestische Notizen. 75 


Patienten anwies, die Pastillen auf den hinteren Teil der Zunge zu bringen und 
durch langsames Hin- und Herbewegen zum Zergehen zu bringen, haben sich die 
Thyangolpastillen als gutes Mittel erwiesen, den Husten infolge Rachenerkrankungen 
(Pharyngitis sicca, hypertrophicans, ulosa) zu unterdrücken bzw. zu mildern. 
Nun ist es ja bekannt, daß solcher ohne Expektoration gefolgter Hustenreiz will- 
kürlich unterdrückt werden kann. Leider vermögen nicht alle Kranken so viel 
Willenskraft aufzubringen, um dem durch ein Kitzelgefühl vom Jugulum ein- 
geleiteten Hustenreiz nicht nachzugeben. Es ist daher sehr angenehm, daß wir, 
ohne zu den Narkoticis greifen zu müssen, in den unschädlichen Thyangol- 
pastillen ein Mittel besitzen, um die Kranken von diesem lästigen Symptom zu 
befreien. Wie weitere Versuche ergeben haben, gelingt es auch bei Erkrankungen 
der tiefer gelegenen Teile des Respirationstraktus, z. B. Bronchitis, Lungen- 
tuberkulose, durch die Thyangolpastillen in einem großen Prozentsatz der Fälle 
den Husten stark zu vermindern und die Dysphagiebeschwerden der Larynx- 
tuberkulösen zu beseitigen (2—3 Pastillen vor der Nahrungsaufnahme). 
(M. Kl. 1915. Nr. 44.) 
* Zur Therapie der Skabies. Von Alfred Perutz. (Aus der II. Abteilung 

für Geschlechts- und Hautkrankheiten des k. k. Allgem. Krankenhauses in Wien.) 
Die günstigen Resultate, die zur Bekämpfung der Kleiderlaus, des mutmaß- 
lichen Überträgers des Flecktyphus, mit ätherischen Ölen erzielt wurden, ließen 
den Versuch gerechtfertigt erscheinen, eine durch die kriegerischen Ereignisse 
in besonders gehäuftem Maße aufgetretene Epizoonose, die Skabies, damit zu 
behandeln. Als zweckmäßigstes Mittel wurde in dieser Hinsicht das Oleum anisi 
gefunden. Das Oleum anisi wurde in 1°/,iger Salbenform (Oleum anisi 1,00, 
Vaselini ad 100,0) derart gegeben, daß der an Skabies erkrankte Patient an drei 
aufeinander folgenden Tagen früh und abends vom Halse bis zu den Füßen mit 
besonderer Berücksichtigung der Prädilektionsstellen der Skabies, Interdigital- 
räume, Axillarfalten, Kreuzbeingegend, Penis und Skrotum, eingeschmiert wurde 
und am darauffolgenden Tage ein Bad nahm. Schon nach der ersten Einreibung 
begann der lästige Juckreiz aufzuhören, der Kranke fühlte sich wohler, konnte 
nachts wieder schlafen, nach vier Einreibungen waren die subjektiven Erschei- 
nungen der Krätze geschwunden, doch wurde der Patient vorsichtshalber noch 
ein viertes und fünftes Mal geschmiert. Nach dem Reinigungsbade waren die 
Kranken gesund und wurden vom Spitale entlassen. Auf der Abteilung wurden 
60 Patienten, die wegen Skabies aufgenommen wurden, mit der Oleum anisi- 
Salbe behandelt. Bei keinem der im Spitale behandelten Fälle wurde ein Rezidiv 
beobachtet. Es wurden nie (sowohl bei erwachsenen Männern und Frauen als 
auch bei Kindern) weder Dermatitiden noch Schädigungen der Niere konstati: rt. 
Die Oleum anisi-Salbenbehandlung läßt sich sehr gut bei ambulatorischen 
Patienten verwerten, und hier kommen ihre Vorzüge gegenüber der Wilkinson- 
oder Perubalsambehandlung besonders zur Geltung: die absolute Ungiftigkeit, 
Sauberkeit und der geringe Preis der Salbe. Gelegentliches postskabiöses Jucken 
wurde mit Schwefelpräparaten erfolgreich behandelt. Verf. verwendete hierbei 
entweder eine 5°/,ige Schwefelsalbe oder eine 10°/%ige Solutio Vlemingkx- 
Schüttelmixtur: 

Solut. Vlemingkx 10,0 

Zinci oxyd. 

Talci Veneti 

Glycerini 

Aqu. destillat. a& ad 100,00. 

(W. kl. W. 1915. Nr. 37.) 


+ Therapie des Erysipels mit Jod-Guajacol-Glyzerin. Von Dr. E. Söcsy. 
(Aus dem St. Johann-Hospital in Budapest.) Verf. ordinierte: 
Rp. Guajacol. pur. 
Tinct. Jod. äa 10,0 
Glycerin pur. 80,0 
m. f. linim. 
Täglich 3malige Bepinselung weit über die Grenze der affizierten Partie hinaus. 
Dazu Bleiwasserumschläge zur Linderung der Schmerzen. Diese Behand] 
bewirkte bedeutend verkürzte Krankheitsdauer. (D. m. W. 1915. Nr. 35.) 
* Trichlorbutyifettsanres Ammonium als Hustenmittel hat Dr. M. Wolf- 
heim mit recht gutem Erfolge bei Bronchitis, Emphysem, Stauungskstarrhen, 


76 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 3. 


nervösem Husten usw. angewandt. Das Präparat, das nicht nur lösende, sondern 
auch reflexherabsetzende Eigenschaften hat, kommt in Tabletten zu 0,1 g in den 
Handel (Athenstädt u. Redeker). Man gibt 3mal täglich 2 Stück (bei schwereren 
Fällen auch 2stündlich), am besten in heißem Wasser gelöst. 

ur (Fortschr. d. M. 1915. Nr. 52.) 


IV. Neue Bücher. 


St. Engel und Maria Baum. Grundriß der Säuglingskunde nebst einem Grund- 
riß der Säuglingsfürsorge. Dritte und vierte Auflage. Wiesbaden, J. F. Berg- 
mann. Preis gebunden M. 5.50. . 

Im Jahre 1911 erschien die erste Auflage dieses Buches, 1915 die zweite, 
und jetzt ist — trotz des Krieges — eine neue nötig geworden! Aber vielleicht 
nicht trotz des Krieges, sondern gerade infolge des Krieges, durch den jedes 
Kindesleben . bedeutend wertvoller erscheint, jeder Säugling ein kostbares Gut 
für die Zukunft des Deutschen Reiches darstellt. „Kein Säugling darf durch 
Unkenntnis seiner Lebensbedingungen, darf durch mangelnde Fürsorge, durch 
jene noch immer viel verbreiteten, festwurzelnden Unsitten der Ernährung und 
Pflege, durch unbegründete Vorenthaltung der mütterlichen Brust u. a. m, 
gefährdet werden, wenn immer wir auch fernerhin stark und fest dastehen 
wollen“, heißt es im Vorwort des Buches, dessen Zweck und Ziel es ist, auf- 
klärend und belehrend zu wirken, und das diesen Zweck in vollendeter Weise er- 
füllt, sowohl mit seinem klaren und präzisen Text, wie mit seinen zahlreichen 

ten Abbildungen. Grätzer. 

p Bendix. Lehrbuch der Kinderheilkunde. Berlin und Wien 1916. Urban 
& Schwarzenberg. Preis M. 16.—, geb. M. 18.50. 

l Ein Lehrbuch der Kinderheilkunde, welches, wie dieses, in 7. Auflage 

erscheinen kann, bedarf wohl nicht mehr empfehlender Worte, da die Praxis 

selbst das gewichtigste Kriterium geliefert hat. Viele Tausende von Kollegen 
haben es mit der Note „sehr gut‘ versehen, es weiter empfchlen und mit dieser 

Empfehlung sich gewiß Dank erworben. Der Verfasser hat trotzdem das Ganze 

noch einmal durchgearbeitet, Verbesserungen angebracht und gewisse Kapitel 

erweitert. Er kann sicher sein, daß diese 7.. Auflage nicht die letzte sein wird, 
Ee | Grätzer. ` 

‚Lobsien- Mönkemüller.. Experimentelle praktische Schülerkunde. Leipzig und 
Berlin 1916, B. G. Teubner. Preis M. 4.—, geb. M. 5.—. 

„Die nachfolgenden Darlegungen haben ausschließlich praktische Bedürfnisse 
im Auge. -Sie wollen helfen, dem ‚psychologisch interessierten Lehrer eine Reihe 
von Untersuchungsmethoden in die Hand zu geben, die die experimentelle 
Pädagogik geschaffen hat und die heute noch nicht die Beachtung gefunden 
haben, die sie verdienen, damit er sich auf Grund eigener Experimente eine 
bessere Grundlage für die Beurteilung der Eigenart seiner Schüler und ihrer 
Leistungen sowie für ein die diesen angemessenes Unterrichtsverfahren verschaffe, 
als ihm durch bloße unmittelbare Beobachtung möglich ist.‘“ Diese im Vorwort 
skizzierte Aufgabe erfüllt das Sach aufs beste. Es wird auch dem Arzte mannig- 
fache Anregungen geben. Grätzer. 
A. Ylppö. Neugeborenen-, Hunger- und Intoxikationsazidosis i in ihren Beziehungen 

zueinander. Berlin 1916, J. Springer. Preis M. 7.—. 

Die Säurevergiftung, als Ursache der verschiedensten Störungen im Kindes- 
alter. eine große Rolle spielend, wurde durch die Hypothese von Czerny und 
Keller in der Pädiatrie aktuell und zog eine Reihe von Untersuchungen nach 
sich, welche zur Vertiefung der Azidosefrage wesentlich beitrugen. In origineller 
Weise greift Ylppö diese Frage an und macht ‘durch neue Untersuchungs- 
methoden interessante Feststellungen, welche hohes Interesse erregen. 

Grätzer. 


Be TER T3 N, no A 
Fa 
erg 


“ Verantwortlicher Redakteur: Sanitätsrat Dr. Eugen Graetzer in Friedenau-Berlin. — Verlag . 
. von Johann An brosius Barth in Leipzig. — Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. ' 


Zentralblatt tar 
Kinderheilkunde. 


Eine Monatsschrift für praktische Ärzte. 


22. Jahrgang. April 1917. Nr. 4. 


I. Referate. 
A. Aus deutschen Zeitschriften. 


Adolf Baginsky (Berlin), Zur Therapie des Hydrops im 
kindlichen Alter. (Arch. f. Kinderheilk. 66. H. 1u.2.) Persönliche 
Erfahrungen des Verf.’s mit den bekannten Mitteln: wie Muttermilch, 
chlorarme Nahrung, Schwitzen, Digitalis usw., die im Original nach- 
gelesen werden müssen. Hecker. 

Charlotte Krause (Leipzig), Über Serumtherapie bei Schar- 
lach. (Aus der II. inneren Abteilung des Auguste-Viktoria-Kranken- 
hauses zu Berlin-Schöneberg.) (Ebenda.) Im Ganzen wurden 28 Fälle 
mit Scharlachrekonvaleszentenserum intravenös behandelt, davon waren 
5 Fälle sogenannte Scarlatina gravissima, 11 Fälle Scarlatina gravis 
und 12 Fälle mit hohem Fieber. Es starben 4 Fälle, und zwar solche 
mit Scarlatina gravissima. Die Serumtherapie muß, falls sie über- 
haupt angewendet wird, in den ersten 8 Tagen erfolgen. 24 mal, d.h. 
in 85°/, der Fälle, wurde kritischer Temperaturabfall erzielt, in 25°/, 
der Fälle traten Nebenwirkungen auf, die in Kollaps und Schüttel- 
frost bestanden. Die zahlreichen Nebenwirkungen sind vielleicht auf 
die vorangegangene serotherapeutische Behandlung der Serumspender 
zurückzuführen, deshalb ist Serum von schon vorher behandelten 
Patienten streng zu vermeiden. Da bei den schwersten Fällen die 
Serumtherapie teilweise in Stich gelassen hat, so ist die Behauptung 
von Koch, daß die Einwirkung des Rekonvaleszentenserums so deut- 
Jich sei, „daß man ihr kaum die eines anderen nicht chirurgischen 
Mittels auf irgendeine schwere Krankheit, nicht einmal die des Diph- 
therieantitoxins auf die Diphtherie, an die Seite stellen kann‘, ver- 
früht. Hecker. 

Hermann Taegen (Berlin), Intrazerebrale, nicht auf Traumen 
beruhende Blutungen im Kindesalter. (Ebenda.) Auf Grund der 
eigenen und aus der Literatur zusammengesteilten Fälle kommt Vert. zu 
folgenden Schlußsätzen: Intrazerebrale Blutungen kommen im Kindes- 
alter vor bei Purpura hämorrhagica; bei mit hämorrhagischer Dia- 
these verbundenen Erkrankungen, und zwar bei der aplastischen 
Anämie, der Leukämie und der Lues congenita; bei Endocarditis 
und bei Keuchhusten. — In allen Fällen von iutrazerebraler Blutung 
ist eine Gefäßschädigung anzunehmen. — Intrazerebrale Blutungen 
führen entweder unter Bewußtseinsverlust zum sofortigen Tode oder 
machen allgemeine Hirnsymptome oder schließlich ausgesprochene 
Herderscheinungen, doch können auch bei nennenswerten Blutungen 
alle zerebralen Erscheinungen fehlen. Die Möglichkeit einer Aus- 


Zentralbl, f. Kinderhikde. 22. 7 


78 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 4. 


heilung von intrazerebralen Blutungen ist bei der Purpura hämor- 
rhagica anzunehmen; in den anderen Fällen bisher unbewiesen. 
Hecker. 

C. May (Worms), Ein Fall von malignen hämorrhagischen 
Varizellen. (Ebenda.) Das 1 Jahr alte Mädchen war auf der gesamten 
Haut, auch der des behaarten Schädels, sowie vereinzelt auf der Mund- 
schleimhaut bedeckt von äußerst zahlreichen, meist schon eingetrock- 
neten, zum Teil konfluierenden, rötlichen Bläschen von Stecknadel- 
kopf- bis Erbsengröße. Die Gesäßgegend bis herab zu den Ober- 
schenkeln war dunkelblaurot verfärbt und bis tief ins Unterhautzell- 
gewebe hinein derb infiltriert. — Exitus letalis. Hecker. 

Walter Krause (Elberfeld). Der Einfluß der hereditären Be- 
lastung auf Form und Verlauf der Tuberkulose der Kinder. 
(Ebenda.) Bei der schwersten Form kindlicher Tuberkulose, bei der 
Meningitis, ist, wenn man Heredität nur bei Tuberkulose der Mutter 
annimmt, in 93°/, keinerlei hereditäre Belastung vorhanden. Bei 
der Miliartuberkulose in 94°/,, ebenso bei der Peritonitis. Bei der 
Lungentuberkulose dagegen findet sich nur in 62°/, der Fälle keine 
Belastung. In demselben Sinne sprechen die Zahlen bei der leichteren 
: Tuberkulose anderer Organe. Das Ergebnis wird noch klarer, wenn 
man nicht nur die Form, sondern auch den Verlauf ansieht und das 
Verhältnis der Belasteten zum ungünstigen Ausgang prozentualiter 
feststellt. Dann findet man, daß bei der Meningitis auf 20°/ Be- 
lastete 100°/, Todesfälle, bei Miliartuberkulose auf 47°/, Belastete 
100°/, Todesfälle bzw. ungünstiger Verlauf, bei Peritonitis auf 17%, 
Belastete etwa 80°/, Todesfälle bzw. ungünstiger Verlauf, bei Tb. pul- 
monum auf 56°/, Belastete etwa 37°/, Todesfälle bzw. ungünstiger 
Verlauf kommen. Man sieht also daraus, daß die Zahl der Todesfälle 
in umgekehrtem Verhältnis zur Zahl der durch elterliche Tuberkulose 
Belasteten steht; daß sich bei den schweren Formen der Tuberkulose 
elterliche Belastung seltener findet, als bei den chronisch verlaufenden 
Formen. 

Es müssen also Kräfte wirksam sein, die veranlassen, daß Kinder, 
bei deren Eltern Tuberkulose vorhanden gewesen ist, nicht so leicht 
an den schweren Formen akuter Tuberkulose zugrunde gehen, sondern 
eher leichteren oder chronisch verlaufenden tuberkulösen Erkran- 
kungen anheimfallen, während die große Menge der akuten Formen, 
vor allem der Meningitis tuberkulosa, die hereditär nicht belasteten 
Kinder trifft. Welcher Art diese Kräfte sind, läßt sich aus dieser 
Statistik nicht ersehen, aber man fasse sie mit dem Namen ‚‚Immun- 
stoffe“ zusammen. | 

Die im Blute nachgewiesenen Antikörper bei tuberkulösen Indi- 
viduen scheinen in hereditärer Beziehung keine oder nur eine geringe 
Rolle zu spielen. Ob die Übertragung von Antitoxin durch die Mutter- 
milch wirksam ist, läßt sich aus den Tabellen nicht beurteilen, viel- 
leicht wird nur die Fähigkeit, leichter Immunstoffe zu bilden, über- 
tragen, vielleicht, wie Much schreibt, durch spezifische (?) Immun- 
zellen (feste). 

Wenn man jetzt von diesem Standpunkt aus die Erfahrungen 
an Türken, Argentiniern, Negern usw. berücksichtigt, wo in bisher 


I. Referate. 79 


tuberkulosenfreien Gegenden die Tuberkulose wie eine schlimme 
Seuche auftritt, so könnte man vielleicht sagen, daß gerade dort, wo 
der Mensch im ständigen Kampfe mit dem Tuberkelbazillus liegt, 
sich eine vererbbare Immunität herangebildet hat, die den noch ganz 
von Tuberkulose unberührten Völkerschaften fehlt. 

Zum Schluß weist Verf. noch auf Reibmayers Büchlein über 
die Immunisierung der Familien bei erblichen Krankheiten hin, indem 
er schreibt, daß sich aus den angeführten Beobachtungen folgender 
Schluß ergebe: „Je mehr von den Ahnen einer Familie direkt mit 
der Tuberkulose oder mit der Latenz derselben gekämpft haben, eine 
desto größere Widerstandskraft erben die jüngsten Generationen und 
erweisen sich desto befähigter, die gefährlichste Siebung, die die 
Tuberkulose bei belasteten Familien stets im ersten Kindesalter vor- 
nimmt, zu passieren.“ Hecker. 


J. C. Schippers, Über den Wert der Luetinreaktion für 
die Kinderpraxis. (Kinderkrankenhaus Amsterdam.) (Ztschr. f. 
Kinderhlk. 12. S. 239.) Untersuchungen an 20 Kindern mit Lues 
hereditaria im Alter von 3 Monaten bis 15 Jahre. Keine Reaktion 
in 5 Fällen, verspätete in einem Falle, pustulöse Reaktion in 8 Fällen, 
papulöse in 11 Fällen. Kontrolluntersuchungen an 54 Kindern. 
Verf. kann die Reaktion für die Kinderpraxis nicht empfehlen, da 
dieselbe nicht genügend verläßlich ist, etwa 16°/, negativ bei Lues, 
etwa 6°/, positiv bei Nichtlues. Die Beobachtung beansprucht zuviel 
Zeit (wenigstens 8 Tage) und zuviel Erfahrung. Schick. 


Theodor Gött, Beitrag zur Kasuistik ungewöhnlicher 
Röntgenbefunde am kindlichen Thoraxmittelschatten. 
(Kinderklinik München.) (Ebenda. 12. 8.314.) 2 Fälle. Der erste 
(5 Jahre altes Mädchen) zeigte neben dichten von der Lungenwurzel 
aus weit in die Lungenfelder hineinragenden Schatten einen lang- 
gestreckten, spindelförmigen Schatten, der sich zum Teil mit dem 
der Wirbelsäule deckt, aber doch besonders nach links hinausragt 
und bis zum Zwerchfell reicht. Rach hatte angegeben, daß solche 
Schatten für Senkungsabszesse bei Spondylitis sprechen. In diesem 
Falle wäre diese Diagnose wohl möglich, doch ist bis jetzt nach einem 
halben Jahre kein Gibbus aufgetreten. 

In einem zweiten Falle (2?/i Jahre altes Kind) mit ähn- 
licher Schattenbildung beruhte, wie die Obduktion bewies, die 
Schattenbildung auf leukämischer Wucherung des Gewebes im 
Bereiche des hinteren Mediastinums. Zum Unterschiede von dem 
durch Rach beschriebenen, flach bogenförmigen Schatten zeichnen 
sich die Schatten in den berichteten Fällen aus durch ihre auf längere 
Strecken hin fast oder ganz geradlinig verlaufende Grenzkontur. 

Schick. 

Masayo Segawa, Über die Kombination angeborener und 
erworbener Skeletterkrankungen. (Kinderklinik und Patho- 
logisches Institut Wien.) (Ebenda. 12. S.246.) Der vom Verf. 
klinisch und histologisch. genau untersuchte Fall von Osteogenesis 
imperfecta erwies sich histologisch als mit zwei erworbenen Affek- 
tionen (Barlowscher Krankheit und Rachitis) kombiniert. Bei Osteo- 


7* 


80 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 4. 


genesis imperfecta congenita ist das Längenwachstum nicht gestört, 
hingegen das Dickenwachstum hochgradig beeinträchtigt. Im vor- 
liegenden Fall war das Längenwachstum durch die beiden kompli- 
zierenden Erkrankungen beeinträchtigt. Die enchondrale Ossifikation 
ist bei der Osteogenesis imperfecta nur insofern gestört, als die im 
Rahmen derselben sich abspielende Knochenapposition, wie überall 
im Skelett, gehemmt ist. Das Knochenmark zeigt keine wesentlichen 
Veränderungen. Die im beschriebenen Fall vorgefundenen schweren 
Veränderungen sind durch den Morbus Barlow bedingt. 


Charakteristisch für Osteogenesis imperfecta sind die "subperi- 
ostalen, mit wenig Dislokation einhergehenden Frakturen. Der Kallus 
ist übermächtig entwickelt. Der pathologische Knochenprozeß be- 
ruht bei der Osteogenesis imperfecta congenita auf einer zur Porose 
führenden Disharmonie zwischen An- und Abbau, wobei bald mangel- 
hafte Apposition, bald gesteigerte osteoklastische Resorption, bald 
beide eine Rolle spielen. Schick. 


0. Sehneiderhöhn, Die Therapie bei der Hirschsprungschen 
Krankheit. (Kinderklinik Straßburg.) (Ebenda. 12. 8.321.) 
Ausführliche Übersicht über die Frage. Die Erkrankung ist charakteri- 
siert durch seit der Geburt bestehende, immer intensiver werdende 
Obstipation mit mäßiger Auftreibung des Abdomens. Der Stuhlgang 
kann wochenlang, ja 2 Monate ausbleiben. Verf. bringt vier. eigene 
Beobachtungen, von denen zwei mit inneren Mitteln (Darmspülungen, 
Öleinläufe, Einlegen eines Darmrohres) behandelt und zwei operiert 
wurden. Die zwei intern behandelten sind in sehr gebessertem Zu- 
stand entlassen worden, eines ist 4 Monate später infolge mangel- 
hafter Pflege zu Hause gestorben. Von den zwei operierten Patien- 
tinnen starb eine an den Folgen der Operation, eine wurde geheilt. 

Interessant ist die Tabelle über die chirurgischen Eingrifte bei 
den Fällen der Literatur: Von 151 intern behandelten Fällen 
wurden 88 geheilt, 14 gebessert, gestorben sind 79. Ohne Erfolg wurden 
6 Fälle und mit unbekannten Erfolg 14 behandelt. Die Zahlen bei 
den 148 chirurgisch behandelten Fällen lauten: geheilt 67, gebessert 9, 
gestorben 52, ohne Erfolg behandelt 8, mit unbekanntem Erfolg 12. 
Es schneidet daher die interne Behandlung statistisch betrachtet 
schlecht ab. Trotzdem will jeder Fall individuell betrachtet werden, 
bei vielen Fällen ist der interne Erfolg sehr schön. Man wird ins- 
besondere im Beginne oder bei relativ frühzeitiger Behandlung die 
interne Behandlung zunächst versuchen können. Schick. 


Hermann Stahr, Zur Gram-Färbung des Löfflerschen Diph- 
theriebazillus. (Aus dem Pathologischen Institut in Danzig.) 
(M. m. W. 1916. Nr. 29.) Seit einer Reihe von Jahren zieht Verf. 
mit Erfolg bei der Diphtheriediagnose — neben dem kulturellen Ver- 
halten und dem Ausschlag der M. Neisserschen Polkörnchenfärbung, 
und neben seiner Morphologie und Lagerung — ein eigentümliches 
Verhalten des Diphtheriebazillus gegenüber der Gramschen Färbung 
heran. Bei oft wiederholter eingehender Prüfung an einem großen 
Material hat sich gerade dieses Verhalten als ein sehr brauchbares 
Hilfsmittel bei der Diphtheriediagnose erwiesen. 


I. Referate. | | 8 


Es darf als allgemein bekannt gelten, daß der Löfflersche 
Bazillus sich nach der Gramschen Methode darstellen läßt. daß er 
aber die Färbung nicht lange festhält, vielmehr bei etwas energischerer 
Entfärbung, gewöhnlich mit Alkohol absolutus, gramnegativ wird; 
während man z.B. wirklich grampositive Streptokokken stunden- 
lang mit Alk. abs. behandeln kann, ohne daß sie die Farbe loslassen. 
Dabei braucht wohl kaum erwähnt zu werden, daß im Gegensatz 
dazu alle diphtherieverdächtigen Stäbchen, welche grampositiv 
bleiben, ebensowenig als echte Diphtheriebazillen in Betracht kommen, 
wie wir heute noch grampositive Stämme von Meningokokken als 
solche anerkennen. Und andererseits steht es fest, daß gramnega- 
tive verdächtige Stäbchen, falls eben vorsichtig entfärbt wurde, die 
also die Gramfärbung nie behielten, von vornherein als Diphtherie- 
bazillen auszuschalten sind. Der echte Diphtheriebazillus steht eben 
mit seiner geringen Gramfestigkeit in der Mitte zwischen beiden. 

Aus diesem genugsam bekannten Verhalten gegen Gram er- 
klären sich auch die widersprechenden Angaben, die wir noch in 
Leitfäden und Handbüchern finden, wo einige Verfasser mit derselben 
Sicherheit angeben, der Diphtheriebazillus sei gramnegativ, wie andere 
ihn als grampositiv ansprechen. ` 

Es ist demnach eigentlich sehr naheliegend gewesen zu versuchen, 
ob sich nicht das besondere Verhalten zur Gramfärbung an den 
Bazillenleibern selbst zur Darstellung bringen ließe, indem diese. sich 
partiell entfärbt zeigten — wenn nur die Entfärbung nicht gar zu 
plötzlich, sondern langsam genug von statten ginge. Dies ist aber 
in wünschenswerter Weise der Fall, und es ist deshalb in praxi gar 
keine besondere Vorkehrung für eine allmähliche Entfärbung nötig; 
man hat vielmehr nur zur rechten Zeit den Objektträger mit dem 
Bazillenausstrich aus dem Alkohol zu heben, und es gelingt bei einiger 
Aufmerksamkeit ganz leicht, den echten Diphtheriebazillus in der 
Weise zur Darstellung zu bringen, daß ein Teil des einzelnen Stäb- 
chens bereits entfärbt (also rot, in der Gegenfärbung), ein Teil dagegen 
— vielfach das kolbige Ende, wenn es sich um derartige Formen 
handelt — noch schwarzblau gefärbt erscheint. 

Diese restlich gefärbten Teilstücke der Bazillen sind aber nicht 
etwa identisch mit den Polkörnchen, die man ja manchmal nach 
Gram ganz besonders schön gefärbt sieht, was mit größerer Sicher- 
heit, z. B. bei Behandlung mit Formalinlösung und Methylenblau zu 
erzielen ist. Die hier empfohlene und vielfach erprobte Teilfärbung 
des echten Diphtheriebazillus nach Gram fixiert also im Bilde das 
ganz eigentümliche Verhalten des Diphtheriebazillus gegenüber der 
Gramfärbung, ohne daß der Nachprüfende irgendeinen Bericht über 
die Herstellung des Präparates einzufordern hätte, wie er sonst, bei 
positiver oder negativer Darstellung (nach Gram) hinzugefügt werden 
müßte (Zeitangaben usw.). Wir haben somit ein sehr brauchbares 
Hilfsmittel zur Differentialdiagnose in der Hand, welches besonders 
im Massenbetriebe der Untersuchungsämter willkommen sein wird. 

Grätzer. 

G. Wagner, Die Untersuchung von Blutausstrichen Schar- 

lachverdächtiger nach Döhle in Untersuchungsämtern. (Aus 


82 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 4. 


dem Hyigienischen Institut in Kiel) (Ebenda. 1916. Nr. 29.) 
Rehder unterscheidet: 


1. kleine runde Einschlüsse 

s große Jange § l als atypische Einschlüsse 
4. ,„ lange j3 

a a Era: | : als typische Einschlüsse 
7. Trypochäten s 


Rehder ist also bei seinen zahlreichen Versuchen zu einer be- 
stimmten Vorstellung vom Typus eines Scharlacheinschlusses gelangt, 
den er aber nicht, wie Döhle es neuerdings tut, auf die spirochäten- 
artigen Formen beschränkt wissen will. Indessen scheint nach den 
Ergebnissen anderer Forscher die Frage, welche Einschlüsse für den 
Scharlach spezifisch sind, noch nicht so weit geklärt zu sein, daß 
bei der Untersuchung von der Berücksichtigung der sogenannten 
atypischen Einschlüsse ganz abgesehen werden dürfte, zumal Über- 
gangsformen reichlich vorkommen. Es ließe sich daher vielleicht 
ein ähnliches, etwas vereinfachtes Schema, in das — ebenfalls im An- 
schluß an Rehder — auch die Einschlußprozente aufzunehmen wären, 
auch den Untersuchungen in Untersuchungsämtern zugrunde legen. 
Als Muster für ein derartiges Schema, das auch die nötigen Er- 
läuterungen für den behandelnden Arzt enthalten würde, würde sich 
vielleicht das folgende eignen: 

Blutausstrich: ...................- 


Zahl der gemusterten Leukozyten: ... 
Darunter enthielten Einschlüsse: ... in Prozenten:.... 


Mithin Zahl Davon waren 


Verteilung der Einschlüss aaa 
a a nn d. Einschlüsse|] kleine | große | gewundene 


Leukozyten mit 1 Einschluß 


„ » 2 Einschlüssen 
29 > 3 ?? 
39 3? 4 239 
und mehr 
Durchschnittszahl | | 
(der in jedem Leukozyten enthaltenen Es fanden sich in den gemusterten 
Einschlüsse) Leukozyten mithin: 
«.. Proz. Einschlüsse. 
Erläuterung: 


1. Die Untersuchung des Einschlußbildes im Laboratorium ge- 


stattet nicht, die Diagnose „Scharlach“ oder „nicht Scharlach“ mit 


völliger Sicherheit zu stellen. 

2. Das Einschlußbild bietet dem behandelten Arzt ein wichtiges 
Unterstützungsmerkmal für die klinische Diagnose. Beim Fehlen 
der Einschlüsse erscheint Scharlach so gut wie ausgeschlossen, falls 
der Ausstrich am 2.—6. Krankheitstage angefertigt wurde. 

8. Je höher die Zahl der Einschlußprozente, je größer die Durch- 
schnittszahl der in jedem befallenen Leukozyten enthaltenen Ein- 


L Referate. 88 


schlüsse, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß es sich um 
Scharlach handelt; kleine Einschlüsse kommen auch bei anderen 
Krankheiten häufiger vor, große selten, gewundene niemals. Letztere 
können als spezifisch für Scharlach gelten. 


Die Auszählung eines Präparates nach diesen Gesichtspunkten 
dürfte bei einiger Übung nicht viel mehr als 15 Minuten erfordern, 
wobei man in altbewährter Weise zweckmäßig die Randpartien der 
Ausstriche, in denen sich die Leukozyten anzuhäufen pflegen, vor- 
zugsweise besichtigt. Auch Hilfskräfte, die nur technisch geschult 
sind, werden sich für diese Arbeit anlernen lassen. Eine übermäßige 
Belastung der Untersuchungsstellen wäre also nicht zu befürchten. 
Andererseits würde der behandelnde Arzt auf diese Weise eine ein- 
gehende Vorstellung von dem Einschiußbild erhalten, die ihm bei zu- 
nehmender Erfahrung eine wichtige Stütze bei der Diagnosestellung 
sein könnte. 


Alles in allem dürfte der Nutzen, der bisher der Erkenntnis und 
damit der Bekämpfung des Scharlachs durch die Untersuchung von 
Blutausstrichen in den Untersuchungsstellen erwachsen ist, soweit 
Verf.s Kenntnis reicht, sich in sehr bescheidenen Grenzen halten. 
Durch Ausbau der Diagnostik unter den angeführten Gesichtspunkten 
könnte sich aber vielleicht in dieser Hinsicht ein wesentlicher Fort- 
schritt erzielen lassen. 


Besonders würde sich der Versuch lohnen, auch zur Verhütung 
der Weiterverbreitung der Krankheit von der Döhleschen Ein- 
schlußdiagnose Gebrauch zu machen. Die bisherige Praxis, bei Epi- 
demien z. B. in Schulen die betroftenen Klassen zu schließen, "muß 
ähnlich, wie es bei der Diphtherie zu beobachten war, zu einer Weiter- 
verbreitung des infektiösen Virus führen, wenn unter den frei umher- 
laufenden Kindern solche sind, die eine Scharlacherkrankung leich- 
testen Grades durchmachen und dann meist ohne ärztliche Aufsicht 
sind. Fälle von Scharlach ohne Exanthem sind bekanntlich nichts 
Seltenes, und es erscheint nicht ausgeschlossen, daß unter mancher 
anscheinend harmlosen Angina, die den Kranken kaum bettlägerig 
macht, ihn jedenfalls nicht zum Arzt treibt, sich ein leichter Schar- 
lach verbirgt. Werden solche Fälle nicht als Scharlach erkannt und 
dementsprechend isoliert, so ist der Weiterverbreitung Tor und Tür 
geöffnet. Durch systematische Untersuchung aller solcher Fälle 
würde vielleicht, da gewöhnliche Anginen in der Regel keine Leuko- 
zytenveränderung zeigen, mancher unerkannte Scharlachkranke als 
solcher ermittelt werden. Namentlich für die Schulärzte dürfte sich 
auf diesem Wege, vielleicht unter Heranziehung einer Untersuchungs- 
stelle, Gelegenheit bieten, zur Dune dieser Volkskrankheit 
beizutragen. Grätzer. 


Adalbert Reiche, Welches sind die Lebensaussichten der 
vorzeitig geborenen Kinder und durch welche Maßnahmen 
lassen sich dieselben günstiger gestalten? (Aus dem Kaiserin- 
Auguste-Viktoria-Haus in Berlin.) (Ther. Mh. 1916. Nr.8.) Die 
Lebensaussichten eines frühzeitig geborenen Kindes werden in der 
Praxis im allgemeinen sehr gering bewertet. Mortalitätszahlen von 


84 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 4. 


980%, (Budin) und 80°/, (Birk) für Kinder unter 1500 g Geburts- ` 
gewicht lassen allerdings diese Ansicht als gerechtfertigt erscheinen. 
Andererseits aber haben Untersuchungen, die Kl. Bakker an einem 
Material von 1422 Frühgeburten angestellt hat, ergeben, daß es bei 
geeigneter Pflege gelingt, fast die Hälfte aller spontan frühgeborener 
Kinder im Gewichte von 1500—2500 g solange zu erhalten, bis sie 
ein Jahr geworden sind, von welchem Zeitpunkte an man sie für 
ebenso widerstandsfähig halten kann wie normale Kinder. Noch 
günstiger gestalten sich die Verhältnisse bei den in der Frühgeburten- 
abteilung des Kaiserin-Auguste-Viktoria-Hauses aufgenommenen früh- 
zeitig geborenen Kindern. So beträgt nach den Zahlen von drei 
Jahresberichten die Sterblichkeit dieser Kinder für jedes Jahr 22,0 
bis 86,9°/,, d.i. durchschnittlich 31,5°/, von 197 eingelieferten Kin- 
dern, unter denen sich 171 Kinder mit einem Gewicht von unter 2000 g 
befanden. Wenn man nun noch die in den ersten 24 Stunden nach 
der Aufnahme gestorbenen Kinder abrechnet, so sinkt die Mor- 
talitätszahl auf 14,0—20,5°/, = durchschnittlich 17,0%/,. Fröbelius 
bestimmte die Lebensfähigkeit eines frühzeitig geborenen Kindes 
nach dem Verhältnis von Längen- und Dickenwachstum. Als In- 
dikatoren für das letztere benutzte er den Brust- und den Kopf- 
umfang. Die Formel von Fröbelius lautet: Lebensfähigkeit (V) 
= [Brustumfang (b) — yR Körper.änge (c)] — [Kopfumfang (a) — 
Brustumfang (b)], also V = (b —c) — (a — b). 

Entsprechende Berechnungen, angestellt an dem Frühgeburten- 
material des Kaiserin-Auguste-Viktoria-Hauses (200 Kinder), haben 
im allgemeinen die Richtigkeit dieser Formel bestätigt. Wenn auch 
eine Anzahl Kinder, deren Vitalität nach der Formel von Fröbelius 
negativ ausgefallen war, am Leben geblieben ist und sich noch leid- 
lich entwickelt hat, so wiesen doch alle wirklich lebenskräftigen 
Kinder mit einem Geburtsgewicht von 800—1200 g eine positive 
Zahl gleich V auf. 

Gerade für die Praxis kann diese Formel als gutes Hilfsmittel 
dienen zur Prognosenstellung über die Lebensaussichten eines früh- 
zeitig geborenen Kindes. 

Ganz besonders wertvoll für die Beurteilung der Lebensfähig- 
keit ist der Umfang des Brustkorbes. Leider wird dieser Maßgröße 
im jüngsten Kindesalter ein viel zu geringer Wert beigemessen. Er 
ist aber das beste Maß für die Beurteilung des Dicken- bzw. des 
Breitenwachstums. Für die Praxis hat Verf. feststellen können, daß 
im allgemeinen Kinder mit einem Brustumfang von weniger als 
22,5—23 cm nicht lebensfähig sind. 

Wenn daher bei dem menschlichen Organismus der Geburts- 
vorgang an sich keine Störung des Wachstums mehr verursachen, 
wenn die weitere Entwicklung des Körpers auch extrauterin bei ent- 
sprechender Pflege und Ernährung ungestört weiter vor sich gehen 
soll, so muß das Kind nach einer intrauterinen Entwicklung von 
mindestens 28 Wochen ein Körpergewicht von mindestens 1000 g, 
eine Körperlänge von 34cm, einen Brustumfang von 22,5—23 cm 
und einen Kopfumfang von 26,5—27 cm erreicht haben. 

Ob nun aber diese günstigen Lebensaussichten bei den einzelnen 


L Referate, 85 


Kindern, die eine gewisse Reife erlangt haben, auch in Erfüllung gehen, 
hingt zum allergrößten Teil von ihrer Pflege und Ernährung ab. 

Ein Einfluß läßt sich allerdings nur schwer ausschalten. Das 
ist der der erblichen Belastung und der einiger Allgemeinerkrankungen 
der Mutter. Von den letzteren wirken neben einer mütterlichen Lues 
oder Tuberkulose, besonders die Eklampsie, Herzerkrankungen, un- 
stillbares Erbrechen und Gonorrhoe ungünstig auf die Entwicklung 
des Kindes ein. Ebenso sind die Lebensaussichten der Kinder schlecht, 
die aus Familien mit hoher Mortalität stammen. 

Die Mehrzahl der frühzeitig geborenen Kinder aber stammt aus 
gesunden Familien. Wenn es gelingt, sie vor den ersten Schädigungen 
des extrauterinen Lebens zu bewahren, so können sie sich zu voll- 
kommen gesunden Menschen entwickeln. Die Aufzucht ist keine un- 
dankbare Aufgabe, sondern entschädigt die aufgewandte Mühe und 
Arbeit vollkommen. Besonders in der jetzigen Zeit, in der bei den 
großen Menschenverlusten des Volkes jedes menschliche Lebenswesen 
eine Rolle spielt, müssen wir alle danach trachten, einen recht hohen 
Prozentsatz der vorzeitig geborenen Kinder am Leben zu erhalten. 

Die Lebenserhaltung der Frühgeborenen hängt nicht allein von 
der Entwicklung des Organismus ab, sondern auch vom Vermeiden 
vieler Fehler, von der Verhütung manch unglücklicher Zufälle, die in 
den ersten Lebensstunden auf den ja noch unreifen Organismus ein- 
wirken, die aber meist durch sachgemäßes Handeln wohl hätten ver- 
mieden werden können. 

Viele dieser Kinder fallen einer gleich nach der Geburt ein- 
tretenden Abkühlung zum Opfer. Dieser initiale Wärmeverlust setzt 
die Lebensaussichten eines frühzeitig geborenen Kindes ganz erheb- 
lich herab. | 

Man muß also hier alles tun. um dem Kinde Wärme zuzuführen, 
eventuell in Anstaltsbehandlung. Welde hat eine zweckmäßige 
Transportkouveuse hergestellt, die warm zu empfehlen ist. Dazu 
kommt als notwendig: Brustmilchernährung, eventuell mit aus- 
gespritzter Milch und Sonderernährung. 

Man fange mit Mahlzeiten von 5—10 ccm Frauenmilch an und 
richte sich mit der Steigerung der Menge und der Abnahme der Zahl 
der Mahlzeiten ganz nach dem Gedeihen des Kindes. Je kleiner das- 
selbe ist, um so notwendiger sind häufige, aber kleine Mahlzeiten. 

Der tägliche Gesamtnahrungsbedarf ist bei einem vorzeitig ge- 
borenen Kinde verhältnismäßig höher wie bei ausgetragenen Kindern. 
Wenn wir den Nahrungsbedarf nach Kalorien pro Kilogramm Körper- 
gewicht berechnen, so beträgt der Energiequotient bei Kindern mit 
einem Gewicht unter 1500 g durchschnittlich 130 Kalorien, der bei 
Kindern von etwa 1800 g ungefähr 120 Kalorien, und bei den Kindern 
über 2000 g nähert er sich fast vollkommen dem eines ausgetragenen 
Kindes. 

Da nun aber der menschliche Organismus nicht nur ın der Masse, 
dargestellt durch das Körpergewicht, sondern auch in die Länge 
wächst, so kann man auch den Nahrungsbedarf bestimmen nach 
einer Wachstumseinheit, die das Verhältnis zwischen Körpergewicht 
und Körperlänge darstellt. Diese Größe erhält man dadurch, daß 


86 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 4. 


man das Körpergewicht durch die Körperlänge dividiert, man nennt 
sie das Streckengewicht. Sie zeigt von allen Wachstumsgrößen die 
größte Regelmäßigkeit und nimmt ohne Unterbrechung von der Be- 
fruchtung bis zur Erreichung des maximalen Körpergewichts zu. 


Der für die einzelnen Monate erforderliche Bedarf an Frauen- 
milch läßt sich nun dadurch bestimmen, daß man das Strecken- 
gewicht mit 7 multipliziert. Die so erhaltene Zahl ist die Minimal- 
nahrung, die der Organismus zum gesetzmäßigen Wachstum bedarf. 
Nach Kalorien umgerechnet stimmt dieser Nahrungsbedarf fast voll- 
kommen mit den durch die energetische Berechnung erhaltenen 
Zahlen überetn. Grätzer. 


Snoy, Appendektomie durch die linke Leistenbruch- 
pforte bei normalem Allgemeinsitus. (Aus der Krankenpflege- 
anstalt vom Roten Kreuz in Kassel.) (Zbl. f. Chir. 1916. Nr. 37.) 
Die Abtragung des Wurmfortsatzes durch eine Operationswunie, die 
bei linksseitiger Herniotomie gesetzt wurde, dürfte zu den größten 
Seltenheiten gehören. Wenigstens hat Verf. in der Literatur der letzten 
Jahre einen solchen Fall nicht gefunden. 1913 hat Kanewskaja 
bei Operation einer kindskopfgroßen linksseitigen Leistenhernie eines 
38jährigen Mannes den Blinddarm im Bruchsack gefunden. Der 
zurückgeschlagene Wurm wurde aber durch einen im rechten Hypo- 
gastrium angelegten neuen Schnitt entfernt. 


Verf.’s Fall ist folgender: 


Sehr elendes, blasses, männliches Kind von 5 Wochen. Ernährungszustand 
schlecht, Gewicht 4,4 kg; beiderseits diffuse Bronchitis; öfter Husten, ohne daß 
Auswurf zu erlangen ist. Linksseitig eingeklemmter Leistenbruch von mehr als 
Walnußgröße die Haut über der Hernie blaurot verfärbt, aber nicht verdünnt, 

Aufnahme 14. VI. 1916 nachmittags. Sofortige Operation in Äthertropf- 
narkose. Im eröffneten Bruchsack liegt eine Dünndarmschlinge. Der zuführende 
Dünndarmschenkel läßt sich leicht vorziehen, der abführende nur etwa 2 Quer- 
finger, dann erscheint am Wundrand das Coecum, voran der Wurmfortsatz. Der 
Wurm ist 6cm lang (nach der Herausnahme gemessen). Ein lcm langes Stück 
seines freien Endes ist infolge verkürzten Mesenteriolums winkelig abgeknickt, 
verdickt und entzündlich verändert. Um bequemer arbeiten zu können, wird 
jetzt die quere Bauchmuskulatur !/,cm eingekerbt. Die Appendix wird mit dem 
Thermokauter amputiert, der Stumpf versenkt. Das Coecum wird an seinen 
Platz geschoben. Schluß der Bruchpforte. Primäre Heilung. Nahrungsaufnahme 
und Stuhl des Kindes ist normal. Am 2. VII. 1916 geheilt entlassen. 

Es handelt sich offenbar um ein ungewöhnlich bewegliches 
Coecum, das an und für sich nicht pathologisch ist. Die Röntgen- 
durchleuchtung und Platte nach kontrastgebendem Einlauf in den 


Dickdarm ergab normalen Allgemeinsitus.  Grätzer. 


Erna v. Arnim, Über Nasendiphtherie Neugeborener. (Aus 
der Universitäts-Frauenklinik in Kiel.) (Zbl. f. Gyn. 1916. Nr. 51.) 
Als auf der Wochenstation wiederholt Fälle von eitrigem Schnupfen 
vorkamen, wurde zuerst an Lues gedacht und die Wa.-R. angestellt. 
Erst als diese versagte und eine Häufung der Fälle eintrat, wurde 
die bakteriologische Untersuchung des Nasensekrets vorgenommen 
und in allen Sekreten Diphtheriebazillen gefunden. Verf. mahnt, 
bei Säuglingen mit Nasensekretion nicht nur die Wa.-R. anzustellen, 
sondern sogleich auch das Sekret zu untersuchen. Grätzer. 


~ L Referate. 87 


Rudolf Hess, Die Ernährungsbedingungen des Säuglings 
im Kriege. (Aus der Universitäts-Kinderklinik zu Straßburg i. E.) 
(Ztschr. f. Bevölk. Politik u. Säuglingsfürs. 9. Nr. 4 u. 5.) Die Er- 
nährungsbedingungen des Säuglings wurden auf Grund der durch 
den Krieg bedingten Lage einer Betrachtung unterzogen. 

Dabei ergab sich: 

1. Die Möglichkeit zum Stillen ist durch die wirtschaftlichen 
Maßnahmen (Reichswochenhilfe, Stillprämie usw.) auch für die un- 
ehelichen Mütter günstiger als früher. Das drückt sich an dem 
größeren Prozentsatz der Brustkinder im Vergleich zu Friedens- 
zeiten aus. 

2. Die künstliche Ernährung ist bisher, was die Quantität an- 
belangt, durch die Regelung der Milchverteilung nicht beeinträchtigt. 
Die erforderlichen Zusätze zur Säuglingsnahrung konnten beschafft 
werden, wenn auch zu hohen Preisen. Die Qualität der Milch ist 
hinsichtlich ihres kalorischen Wertes nicht gesunken. Dagegen sind 
Bedenken über den hohen Säuregehalt nicht von der Hand zu weisen. 
Dieser stellt für den Säugling zweifellos eine große Gefahr dar. 

8. Die Säuglingsstatistik hat bisher, August und September 1914 
ausgenommen — verglichen mit Friedenszeiten — keine höbere Er- 
krankungs- bzw. Sterbeziffer erreicht. Hierin und in der nicht un- 
günstigen Entwicklung (gemessen an der Gewichtszunahme) äußert 
sich ein befriedigender Erfolg der Ernährung. 


Ausblicke und Leitsätze. Auf Grund der gewonnenen Er- 
fahrungen sind wir berechtigt, mindestens für Kriegsdauer, hoffent- 
lich aber darüber hinaus, folgende Forderungen aufzustellen: 

1. Hinsichtlich der künstlichen Ernährung: 


a) Beschaffung einer einwandfreien Kindermilch. 

b) Bereitstellung der Zusätze, wie Zucker und Mehle, die für 
den Stoffwechsel des Säuglings unerläßliche Bestandteile 
darstellen und nicht entbehrt werden können. 


2. Noch weitergehende Förderung des Stillens durch 


a) intensivere Aufklärung, beginnend schon im Unterricht der 
weiblichen Fortbildungs- und Industrieschulen, der Ober- 
klassen der Volks- und Töchterschulen. Dieser Unterricht 
ıst möglichst durch einen Arzt zu erteilen; 

b) vermehrte Außenarbeit der Fürsorge. 

Hier müßten Mittel und Wege gefunden werden, auch 
im Frieden zu den ehelichen Säuglingen Zutritt zu ge- 
winnen (wie es zurzeit durch den Säuglingsschutz an- 
gebahnt ist); 

c) die Regelung der sozialen Fürsorge für die Mütter, be- 
sonders auch für eheliche, gegebenenfalls durch Heim- 
arbeit an Stelle der außerhäuslichen Tätigkeit, oder ge- 
setzlichen Forderung von Stillstuben in Fabrikbetrieben 
mit vielen weiblichen Arbeitskräften. 

d) Abgabe zweckmäßiger preiswerter Nahrung an die Stillende 
als Teil der aufzuwendenden Unterstützung. Grätzer. 


88 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 4. 


B. Aus ausländischen Zeitschriften. 


R. Klinger und E. Sehoch, Über die Leistungsfähigkeit und 
den Wert der bakteriologischen Diphtherieuntersuchungen. 
(Aus dem Hygiene-Institut der Universität Zürich.) (Schweiz. 
Korr.-Bl. 1916. Nr.48.) Das Material umfaßt die im Züricher 
Hygiene-Institut während eines Jahres (Mai 1915 bis Ende April 1916) 
ausgeführten Diphtherieuntersuchungen, welche zum größten Teil 
aus Stadt und Kanton Zürich, zum kleineren aus anderen Kantonen 
der Ostschweiz stammen. 

Es wurden in der angegebenen Zeit im ganzen 8312 Unter- 
suchungen ausgeführt. Von diesen waren positiv 1048 (81,5°),). 
Hiervon bereits bei der ersten Untersuchung (nach 13—14 Stunden) 
875 (84°/,), dagegen erst am zweiten Untersuchungstage der Kultur 
(36—48 Stunden) 168. Bei beiden Untersuchungen negativ waren 
2269 Fälle. 

Nach der ärztlichen Diagnose und nach den Befunden zusammen- 
gestellt, ergeben diese 3312 Untersuchungen folgende Verteilung: 


i ? 
Ärztliche Diagnose Summe Bakteriologis cher Befund 
positiv | negativ | posive in °/, 
1. Diphtherie . 2 2.2... | 1062 602 460 57%, 
2. Diphtherie? Diphtheriever- 
dacht usw. . . . 2.2... ' 761 225 526 30°%/, 
3. Angina mit Belag, Angina ne- 
erotica und ähnliche... . . 116 39 77 35°/, 
4. Anginen ohne nähere Angaben 1058 75 983 T 
5. Nasendiphtherie, verdächtige 
Rhinitis usw. . . ..... 98 45 53 46°/, 
6. Konjunktivalabstriche bei 
Verdacht auf Augendiphtherie _ 24 16 8 66°/, 
7. 1) E E A E E 56 25 31l 450/3 
8. Pseudokrupp . . ..... | 16 4 12 25°%/, 
9. Scharlachangina . . . .. . 131 18 113 14°/, 


Die Tabelle zeigt, daß bei den zur Zeit des Abstriches vom Arzt 
für Diphtherie gehaltenen Fällen in 57°/, Löfflersche Bazillen nach- 
weisbar waren, während bei den bloß Diphtherieverdächtigen (Gruppe 2 
und 3) 30—85°/, positive Resultate erhalten wurden. Die Erkran- 
kungen mit Verdacht von Nasen-, Augen- und Kehlkopfdiphtherie 
erwiesen sich in 45—66°/, als tatsächlich durch Diphtheriebazillen 
bedingt, während die große Zahl der leichten Anginen zum größten 
Teil negativ waren ; es ist aber immerhin bemerkenswert, daß unter 
denselben doch etwa 7°/, als Diphtherie entlarvt werden konnten. 

Es wurde nun, um der klinischen Diagnose etwas sicherer zu 
sein, als es die oft in Eile geschriebenen Begleitformulare der Unter- 
suchung gestatten, in der überwiegenden Mehrzahl der bakteriologisch 
negativ gebliebenen Fälle aus den Gruppen 1 und 7 (zum kleineren 
Teil auch aus anderen Gruppen) an den betreffenden Arzt geschrieben 
mit der Bitte, kurz mitzuteilen, ob der weitere klinische Verlauf dem 
negativen Befund recht gab oder ob die Diagnose Diphtherie auf- 
recht erhalten werde. Es wurden im ganzen 758 Antworten erhalten 
mit folgendem Ergebnis: Der klinische Verlauf 


I. Referate. 59 


sprach gegen Diphtherie . . . . . 5839 mal 
eher gegen Diphtherie . ... .. 4T ,„ 
ergab Scharlach . . . . ..... 82 „ 
blieb fraglich . . . . 2.2222. 40 , 
sprach eher für Diphtherie . .. . 19 „ 
sprach entschieden für Diplıtherie . 831 ,„ 
Summa 758 


Aus dem Vorhergehenden folgt, daß die bakteriologische Unter- 
suchung der an sie zu stellenden Anforderung einer sicheren und 
raschen Diagnose der Diphtherie zwar in den meisten, jedoch nicht 
in allen Fällen genügt. Es muß deshalb betont werden, daß es ein 
entschiedener Fehler ist, wenn der Arzt bei typischer oder sehr ver- 
dächtiger Erkrankung an Diphtherie mit der Injektion des Heil- 
serums wartet, bis er das Ergebnis der bakteriologischen Unter- 
suchung erhält. Sowie einigermaßen begründeter Verdacht auf Diph- 
therie besteht, sollte stets sofort eine entsprechende Serumdosis in- 
jiziert werden, da wir wissen, daß die Diphtherie um so gutartiger 
verläuft, je früher das Serum verabreicht wird. Grätzer. 


Peter F. Holst (Norwegen), Über orthotische Albuminurie 
und ihr Verhältnis zu Nephritis. (Aus der medizinischen 
Abteilung B des Reichshospitals.) (Norsk Magazin for Lägevidens- 
koben. 1915. N.11.) Der Verf. teilt den Sektionsbefund eines an 
akuter Lungentuberkulose gestorbenen 16jährigen Burschen mit, 
welcher seit 6 Jahren an orthotischer Albuminurie gelitten hatte. 
Weder makroskopisch noch mikroskopisch zeigten die Nieren Zeichen 
einer vorhandenen oder abgelaufenen Entzündung. Im Anschluß an 
diesen Fall teilt der Verf. seine Erfahrungen über orthotische Albu- 
minurie (15 genau untersuchte Fälle) mit und diskutiert ihr mög- 
liches Verhältnis zu Nephritis. Ein solches Verhältnis ist zweifel- 
haft; jedenfalls gibt es eine Gruppe von orthotischen Albuminurien 
(10 der Fälle des Verf.s gehörten zu dieser Gruppe), wo man kein 
Recht oder keinen Grund hat, anzunehmen, daß die Albuminurie 
von nephritischen Veränderungen verursacht wird. 

| Adolph H. Meyer (Kopenhagen). 


J. M. Forterau-Brickdale, A case of congenital hemihyper- 
trophy. (Lancet, 3. Juli 1915.) Mitteilung eines Falles von echter 
rechtsseitiger Hemihypertrophie bei einem 9 Monate alten Kinde aus 
gesundem Hause. Kurt Boas. 


H. C. Stevens, Mongolian idiocy and syphilis. (Journ. of 
the amer. med. Assoc. 64. 1915. p. 1636.) 24 Fälle von Mongolismus 
wurden auf die Wassermannsche und Nonnesche Reaktion und 
auf die Ross- Jonesche und Langesche Goldsolprobe untersucht. 
Dabei ergab sich folgendes: Wassermann im Blute positiv in 10°/% 
im Liquor in 25°/,, in zwei Fällen zweifelhaft. Pleozytose war in 
20°/, vorhanden, Globulinvermehrung in 90°), Goldsolreaktion in 
90°/, innerhalb der luetischen Zone. Zwei Geschwister von unzweifel- 
haft luetischer paterner Deszendenz wiesen nur eine Pleozytose und 
eine zweifelhafte Langesche Reaktion auf. Kurt Boas. 


90 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 4. 


E. G. Martin and Robert W. Lowett, A method of testing 
muscular shength in infantile paralysis. (Journ. of the 
amer. med. Assoc. 65, 1915. p. 1512.) Angabe einer Methode zur 
Messung der groben Kraft einer bestimmten Muskelaktion. Die Muskel- 
kontraktionen werden durch eine sinnreiche Vorrichtung auf eine 
balancierende Feder übertragen, aus deren verschiedengradigem Aus- 
schlag die Stärke der Kontraktion abgelesen werden kann. Die Verff. 
geben tabellarisch eine Reihe von Normalwerten an, die eine Ver- 
gleichung mit den entsprechend herabgesetzten Werten z.B. bei 
Poliomyelitis zulassen. Die Methode setzt uns in den Stand, den 
jeweiligen Zustand der Muskelaktion im Verlauf und während der 
Behandlung der Poliomyelitis zu beobachten. Kurt Boas. 

Daniel F. Glousset, Malignant sympathicus tumor of the 
rigt suprarenal. (Arch. of intern. Med. 15. 1915. p. 341.) Mit- 
teilung eines Falles von rechtsseitigem sympathischen Nebennieren- 
tumor bei einem 2jährigen Kinde. Der Tumor war maligner Natur, 
wofür seine infiltrative und metastatische Beschaffenheit sprach. 

Kurt Boas. 


I. Aus Vereinen und Versammlungen. 


l. Dr. Stirnimann (Luzern): Vitamine und Wachstum. (Erscheint als 
Referat in diesem Blatte.) 

Boissonnas (Genf) frägt den Vortr. an, welchen Einfluß die Vitamine auf 
das allgemeine Befinden haben. i 

Hüssy (Aegeri) hat bei seinen Versuchen keinen besonderen Einfluß von 
den Vitaminen konstatieren können. 

Feer (Zürich glaubt, daß das Vollbrot, welches der Krieg uns gebracht hat, 
Vitamine enthält und darum nicht mehr aufgegeben werden sollte. 

Combe (Lausanne) hat eine Serie von Versuchen angestellt, welche seit 
sechs Monaten fortgesetzt werden bei Säuglingen, bei rachitischen und hypo- 
trophischen Kindern. Diese Versuche wurden Herrn Sekundärarzt Dr. Burnier 
anvertre ıt, welcher leider durch die Mobilisation verhindert wurde, seine Arbeit 
für die heutige Sitzung fertig zu stellen. Combe hat den Eindruck, daß die 
Vitamine keinen nachweisbaren Einfluß auf das Wachstum gehabt haben. Da- 
gegen bei den Rachitischen hat die radiologische Untersuchung ergeben, daß die 
Vitamine einen günstigen Einfluß auf den Wachstumsprozeß zu bewirken scheinen. 
Bei der Athrepsie sah Com be das Gewicht und den Appetit zunehmen. Die thera- 
peutische Wirkung dieses Medikaments verdient noch studiert zu werden. 

Prof. Stooß bemerkt, daß Roehmann (Breslau) in einem ganz kürzlich 
erschienenen Buch: ‚Uber künstliche Ernährung und Vitamine‘ mitteilt, daß 
es ihm gelungen ist, Tiere mit einer täglich gleichbleibenden Nahrung am Leben 
zu erhalten, die ausschließlich aus Eiweiß, Fetten, Kohlehydraten und Salzen 
bestand, aber frei von Vitaminen. Nach Roehmann besteht also die alte Lehre 
von der Bedeutung der Grundstoffe für die Ernährung zu Recht. Roehmann 
meint, daß allem Anscheine nach Vitamine auch für das Wachstum nicht not- 
wendig sind. 

Die Mißerfolge bei der Ernährung mit bestimmten pflanzlichen Eiweiß- 
stoffen erklärt Roehmann damit, daß die betreffenden Proteine ‚„unvollkommene 
Eiweißkörper“ sind. Gibt man die fehlenden Atomgruppen als „Ergänzungs- 
stoffe‘“ zu, so gleicht sich der Minderwert aus. Roehmann hält die ganze Vitamin- 
lehre für verfehlt. 

2. Boissonnas (Genf): Über einen Fall von Lipodystrophie. Sechsjähriger 
Knabe, bis zum vierten Jahre zeigte das Gesicht keine Abnormität. Nach einem 
Keuchhusten bemerkt die Mutter eine progressive Abmagerung des Gesichtes. 
Bei einem ordentlichen Körperzustand fällt die starke Abmagerung des Ge- 
sichtes auf. Die Wangen sind hohl, die Ohren dünn. Die Haut ist weich, die 


Il. Aus Vereinen und Versammlungen. 91 


Augen tief eingesunken. Beim Kneifen der Wange hat man den Eindruck, daß 
nichts sich zwischen der Haut und der Schleimhaut befindet. Die Muskulatur 
des Gesichtes ist normal entwickelt und funktioniert gut. Hals dünn, der Fett- 
schwund erstreckt sich bis zum Sternum, zur Klavikula, hinten bis zum Schulter- 
blatt, die Arme sind normal. Der Thorax und das Abdomen haben eine normale 
Fettschicht, dagegen ist eine Verdickung der Fettschicht an den Schenkeln und 
Hinterbacken bemerkbar. Das Skelett zeigt Spuren von Rachitis. Diese Affek- 
tion wurde bis jetzt bei weiblichen Individuen beobachtet, deswegen ist dieser 
Fall interessant. 

Feer (Zürich) berichtet über einen Fall, den er in Zürich beobachtet hat. 
Er verabreichte Milch von thyreoidektomierten Ziegen, ohne eine besondere 
Wirkung gesehen zu haben. Die Affektion ist stationär geblieben. 


3. Dr. Welti (Rheinfelden): Wirkung der Sole auf den kindlichen Orga- 
nismus. Im Solbad wird die Haut durch die salzige Lösung imbibiert und im- 
prägniert; diese wirkt dort, an der Oberfläche der Haut wahrscheinlich auch 
durch wechselnde Auskristallisierung und Verflüssigung, als Nervenreiz auf die 
Funktionen der Haut als Gefühlsorgan, Zirkulationsorgan („Hautherz‘“ und 
Lymphe), als Se- und Exkretionsorgan, als Atmungsorgan und Wärmeregulator 
und damit reaktiv nachweislich mächtig auf die mannigfaltigste Weise auf die 
damit zusammenhängenden tieferen Organsysteme und den ganzen Stoffwechsel. 
Bei Badetemperaturen, die in der Schwankungsbreite des sogenannten Indiffe- 
renzpunktes liegen, können wir deshalb im Solbad doch konstante (auch nach 
dem Bade und sogar der Badekur noch fortdauernde), dabei zumeist „insensible“ 
Hautreize auslösen von mächtiger Wirkung. 

Die Kenntnis einer „spezifischen‘‘ Wirkung der Sole auf die verschieden- 
artigsten Anämien, Anomalien des Lymphapparates und die sogenannte Skro- 
fulose der Kinder geht auf die Zeit der ersten Anwendung der Sole zu Heil- 
zwecken zurück und befestigt sich täglich. 

Nun sind ja beim kindlichen Organismus die Blut- und Lymphbahnen 
und ihre Elemente, sowie wohl auch die Nervenbahnen noch im Wachstum be- 
griffen, zeigen oft in größter Kombinationsfähigkeit Hypo- und Hyperplasien, 
was zu den bunten Bildern der Anämien, Ischämien, Diathesen, Konstitutions- 
anomalien, Arthritismen, Leukämien usw. führt. Auf alle diese Zustände wirkt 
das Solbad durch den Antrieb der Hautfunktionen und dadurch auf die Ent- 
wicklung der Nervenbahnen (auch der trophischen) und der Ernährungsbahnen. 
Auffallend ist der gesteigerte Appetit, das zunehmende Körpergewicht und das 
meist stark gesteigerte Längenwachstum. Das Solbad wirkt aber auch reinigend 
und resorbierend (Entgiftung von Blut- und Nährgiften) durch die gesteigerte 
Se- und Exkretion, den gesteigerten Stoffwechsel und den Säfte- und Zell- 
austausch, stärkend durch die Unterstützung zur Behebung der Hypoplasien und 
prophylaktisch durch die Bahnung einer rascheren und ausgiebigeren Haut- 
reaktion als Abwehr gegen äußere Reize. 

N Gerade für die kindlichen Diathesen, Konstitutionsanomalien und Lymph- 
atismen sind die Solbäder ein spezifisches Heilmittel und dadurch ein leider 
noch zu sehr unterschätztes Prophylaktikum gegen Skrofulose und Tuberkulose. 

Dr. H. Keller (Rheinfelden): Ich möchte dem Vortrage des Kollegen 
Dr. Welti die Resultate meiner experimentellen und klinischen Untersuchungen 
beifügen. 

2) Blutuntersuchungen und Gewichtsbestimmungen. 

Im Kindersanatorium Rheinfelden wurden in den Jahren 1913 bis 1915 
260 Knaben und 414 Mädchen, total 674 Kranke mit dem Apparat von Prof. 
Sahli auf Hämoglobin untersucht. Dasselbe war im Durchschnitt bei den 
Knaben um 8,9°/,, bei den Mädchen um 8,3°/, vermehrt. Das Gewicht hat bei 
denselben Knaben um 1,567 kg, bei den Mädchen um 1,700 kg zugenommen bei 
einer mittleren Kurzeit von 27 Tagen. Die Hämoglobin- und Gewichtszunahme 
sämtlicher 674 Kinder beträgt 8,6°/, bzw. 1,633 kg. 

Die Beobachtung der größeren Vermehrung des Hämoglobins bei den 
Knaben und der größeren Gewichtszunahme bei den Mädchen wurde auch von 
Dr. Häberlin am Meere und von Dr. Leuch bei den züricherischen Ferien- 
kolonien gemacht. 

"u Die von allen Autoren konstatierte Nachwirkung der Solbadkur habe ich 
bei zehn Kindern aus Markirch im Elsaß, die wegen dem Ausbruch des Krieges 


92 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 4. 


erst im Winter nach Hause zurückkehren konnten, nachweisen können. Diese 
Kinder zeigten nämlich 72 Tage nach absolvierter Kur folgende Zahlen: 

Anfangs Hämoglobingehalt 60,5—70, Ende Hämoglobingehalt 70,8—70. 
Vermehrung demnach 10,3°/,, Gewichtszunahme 3,620 kg. 

Die Gesamtzahl der in den Jahren 1904 bis 1915 im Sanatorium ver- 
pflegten Kinder beträgt 3855. Die mittlere Gewichtszunahme dieser Kinder 
beträgt 1,597 kg, die mittlere Kurdauer 27 Tage, die mittlere Vermehrung pro 
Kurtag 60,1 g. 

Bei sieben Kindern wurden die roten und weißen Blutkörperchen gezählt; 
sechs davon weisen Vermehrung des Hämoglobins und der roten Blutkörperchen 
bei gleichzeitiger Verminderung der weißen Blutkörperchen auf; bei einem 
Kinde nahm der Hämoglobingehalt ab, während die Zahl der roten Blutkörperchen 
gleich blieb. Die Vermehrung des Hämoglobins und der roten Blutkörperchen 
kann nicht, durch bloße Auswanderung nach der Haut unter dem Einfluß des 
Salzreizes, erklärt werden, sondern muß vielmehr als eine vermehrte Blutbildung 
unter der Einwirkung der Solbadkur aufgefaßt werden. 

b) Die Solbäder wirken auf den Stoffwechsel, wie vielfach von mir aus- 
geführte frühere Untersuchungen beweisen, im Sinne erhöhten Anbaues und 
besserer Ausscheidung der Abbaustoffe. Dabei konnte ich folgendes feststellen: 


Der Stickstoffoxydationskoeffizient a EA nimmt zu, ebenso der Respira- 
Gesamt = N 
tionsgaswechsel (CO, + O2); der Respirationsquotient — nimmt ab. Die Diu- 


rese wird mächtig angeregt; die Ausscheidung der Chloride, der Schwefelsäure, 
des Kalkes, des Harnstoffs und der Harnsäure ist stark vermehrt, die der Phos- 
phorsäure dagegen vermindert. i 

Die Schweißabsonderung nimmt ebenfalls zu. Der ganze Lebensprozeß 
wird intensiver und infolgedessen wird bei Kranken die Resorption und Aus- 
scheidung von Entzündungsresiduen gefördert. 

4. Prof. Dr. Combe, Dr. Blanc (Lausanne): Traitement de la Tuber- 
culose pulmonaire par les rayons x. 

Combe (Lausanne): Die starken Dosen von zehn H. bewirken, wie die 
vorgelegten Bilder es beweisen, sowohl beim Säugling als beim älteren Kinde 
eine Neubildung von Bindegewebe, welche die tuberkulösen Herde abkapseln. 
Man soll noch studieren, ob durch die Einwirkung auf den Thymus die starken 
Dosen nicht einen nachteiligen Einfluß auf das Skelettwachstum haben. Um 
diese Frage zu erleuchten, hat Combe eine Serie von Versuchen bei Kaninchen 
angestellt, welche noch nicht abgeschlossen sind. Jedenfalls wird man vorläufig 
mit Vorsicht große Dosen bei Säuglingen anwenden. 

Feer hat auch spontane Heilung von Lungentuberkulose beim Säugling 
gesehen. Er hält es für möglich, daß starke Bestrahlung beim Säugling noch 
nach Jahren Störungen (speziell des Wachstums) ergeben könnte. 

5. Dr. Mallet (Genf): La méningite cérébrospinale à Genève. Vieusseux 
beschrieb 1806 die erste Epidemie in Genf unter dem Namen ‚Fièvre cérébrale 
ataxique“. Seit 1871 konnte Vortr. nur 55 Fälle wieder ausfindig machen. Seit 
1900 wird die Krankheit endemisch in Genf. Drei Maxima wurden konstatiert 
1904, 1908, 1914 bis 1915, diese Maxima entsprechen denjenigen der schweize- 
rischen Statistik und sind wohl auf eine gemeinsame Ursache zurückzuführen, 
nämlich auf die großen Militärmanöver und auf die Mobilisation. Die Mortalität 
hat seit 1900 abgenommen, seitdem man die Lumbalpunktion und die Sero- 
therapie eingeführt hat. Die jungen Leute bis zum 30. Jahre sind meist be- 
troffen (74°/, auf 55 Fälle), die Kinder bis zum 16. Jahre waren in 38°/, erkrankt. 
Die Diagnose wird sichergestellt durch den Nachweis des Meningokokkus in 
der Zerebrospinalflüssigkeit. Man kann ihn direkt im Zentrifugat durch Färbung 
nachweisen oder in Kulturen nach Conradi (1/, Zerebrospinalflüssigkeit, ?/, Gelose). 
Die chronische Form ist nicht selten beim Kinde. Je früher und massiver die 
Seruminjektionen gemacht werden, desto besser ist das Resultat. 

Wieland (Basel) hat in den letzten Jahren viel weniger Fälle als in den 
Jahren 1907 bis 1908 beobachtet. Er kann die Ansicht von Mallet nicht be- 
stätigen, daß durch die Mobilisation eine Rekrudeszenz der Krankheit eingetreten 
sei. In Basel, wo sehr viele Truppen aufgeboten wurden, traf diese nicht zu. 


II. Aus Vereinen und Versammlungen. 98 


Die Prognose betrachtet er besser bei Säuglingen als bei den älteren Kindern. 
Die Serotherapie hat ihm gute Resultate gegeben. 

Prof. Stooß: Die Prognose ist bei Säuglingen mit ausgesprochener Menin- 
gitis ungünstig ohne Serumtherapie. Wird rechtzeitig eingespritzt, so wird sie 
sehr viel günstiger. Große Dosen sind notwendig. Bei einem Säugling, der be- 
wußtlos am sechsten Tag in Behandlung kam, wurden 115ccm eingespritzt (in 
sechs Mal). Das Kind heilte restlos aus. 

6. Dr. Monnier (Zürich): Über die chirurgische Behandlung der sogenannten 
kongenitalen Pylorusstenose beim Säugling. Die sogenannte kongenitale Pylorus- 
stenose kann in den meisten Fällen durch die innere Therapie mit Erfolg be- 
handelt werden. Es gibt aber renitente Fälle mit rapidem Sturz der Gewichts- 
kurve, bei welchen es angezeigt ist, das Hindernis am Pylorus operativ zu be- 
seitigen. Wir besitzen in der Operation von Rammstedt ein elegantes, rapides 
und wirksames Mittel, die spastischen Erscheinungen zu beseitigen. In Narkose 
wird die meist stark verdickte Muskulatur des Pylorus der Länge nach gespalten, 
die Schleimhaut bleibt unberührt. Die Inzisionslippen klaffen dann um einige Milli- 
meter. Eine Naht wird nicht gemacht, höchstens kann man einen Zipfel Netz auf 
die Wunde nähen. — Monnier operierte auf diese Weise drei Patienten der Feer- 
schen Klinik; die sehr heruntergekommenen Säuglinge vertrugen den Eingriff aus- 
gezeichnet, bei zwei Säuglingen hörte das Erbrechen sofort auf, bei dem dritten 
nach drei Tagen, und die Ernährung konnte bald in normaler Weise vor sich 
gehen. Nach kurzer Erwähnung der Krankengeschichten kommt der Vortr. zu 
dem Schlusse,. daß man sich früher zur Operation entschließen wird, seitdem 
wir eine einfache und ungefährliche Methode besitzen, die viel leichter auszuführen 
ist als die Gastroenterostomie. 

Diskussion. d’Espine (Genf): Gewiß ist die Methode von Rammstedt 
und die Resultate, die Monnier erzielte, sehr interessant. Man darf aber nicht 
vergessen, daß fast verzweifelte Fälle sich mit interner Behandlung noch erholen 
können, wie eine herumgereichte Photographie es beweist. Durch stufenweise 
Darreichung von Nahrung kann man den Pylorus allmählich dilatieren. 

Stooß (Bern) hat bei seinen Fällen nie Gelegenheit gehabt, einen operativen 
Eingriff vornehmen zu lassen. Die fettarme kondensierte Chamer Milch wird 
gut vertragen, Frauenmilch muß entfettet werden. 

Reber (Basel) berichtet von einem mit Erfolg durch Rammstedt ope- 
rierten Fall. 

7. Dr. E. de Reynier (Neuchâtel): Une 6pidemie de teigne chez les éco- 
liers. Diese Epidemie, verursacht durch das Mikrosporon Audouini betraf 98 Kinder 
im Alter von 3—15 Jahren. Die Behandlung nach Sabouraud wurde mit 
Erfolg durchgeführt. | 

8. Prof. Dr. E. Feer (Zürich): Die Pachymeningitis hämorrhagica interna 
beim Säugling. Die Krankheit ist im Gegensatz zu früheren Ansichten nicht 
sehr selten — fünf 'Fälle in drei Jahren am Züricher Kinderspitale — und dia- 
gnostisch wichtig. Sie betrifft meist chronisch ernährungsgestörte, anämische 
Säuglinge vom dritten Monat an. 

Der Beginn erfolgt unter den Zeichen gesteigerten Hirndruckes: Erbrechen, 
Unruhe, gesteigerte Patellarreflexe, Muskelhypertonie, daneben oft etwas Fieber; 
in schweren Fällen mit Somnolenz, Nackenstarre, Konvulsionen, Strabismus. 
Immer ist die Fontanelle vorgewölbt und gespannt. Die Lumbalpunktion er- 
gibt meist blutigen Liquor; der Blutgehalt wird in der Praxis wohl oft auf ein 
ungeschickte Punktion bezcgen; die gleichmäßige rote Färbung oder der gelb- 
liche Ton oder die Anwesenheit ausgelaugter Erythrozyten zeigt aber, daB es 
sich nicht um eine frische Blutung handelt. Die Punktion der großen Fontanelle 
(2cm neben der Medianlinie, feine Nadel) ergab in meinen Fällen stets in der 
Tiefe von wenigen Millimetern blutigen Liquor. Sehr charakteristisch sind Netz- 
hautblutungen, die in fünf Fällen nur einmal fehlten. Die Papille kann das Bild 
der Neuritis oder der Stauung ergeben. 

Die Dauer erstreckt sich über Monate. Meist tritt völlige Heilung ein; 
einmal trat nach Monaten ein Rezidiv mit Fazialisparese ein. Ein Fall heilte 
mit einseitiger Erblindung (Atrophie der Papille) und mit Hydrozephalus (ex- 
ternus) aus. 

Die Ätiologie ist unsicher, vielleicht mehrfach. Nasendiphtherie und Lues 
(Rosenberg) waren nie vorhanden. Trauma war nie nachzuweisen. Geburts- 


Zentralbl. f. Kinderhikde. 22. 8 


94 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 4. 


trauma des späten Auftretens wegen unwahrscheinlich. Auf eine hämorrhagische 
Diathese weist vielleicht ein Fall hin, wo bei hochgradiger Anämie kleine Haut- 
.‚blutungen auftraten. 

Anatomisch fand sich in diesem Falle unter der Dura blutig-seröse Flüssig- 
keit mit feinen gefäßreichen Membranen durchzogen; die Dura war fest mit dem 
Schädel verwachsen. | 

Differentialdiagnostisch sind der blutige Liquor spinalis, den wir stets 
steril fanden (Punktionstrauma ausschließen!),, mehr noch cerebralis und be- 
sonders die Netzhautblutungen entscheidend. Luetischer Hydrozephalus, seröse 
und tuberkulöse AD kommen in Erwägung. 

Therapeutisch wirken Punktionen der großen Fontanelle entlastend und gut. 

Hüssy (Ageri) frägt an, wie lange die Blutungen in der Retina nachweisbar 
sind (6—8 Wochen). 

ieland und d’Espine besprechen die Rolle eines Traumas auf die Ent- 
zündung. 
Nach Schluß der offiziellen Sitzung vereinigte ein Bankett sämtliche Mit- 
glieder auf der Terrasse des Hotel Terminus. In feinsinniger Weise toastierte der 
Präsident auf das Vaterland und wies auf die Aufgaben der Schweizer Ärzte 
nach dem Kriege. Dr. de Reynier dankte im Namen von Neuenburg. Nach 
einem gemeinsamen Besuch des Pavillon Jeanjaquet und des wunderschönen 
Hôpital des Cadolles trennte man sich mit einem ‚Auf Wiedersehen in Lausanne“, 

(Gesellschaft Schweizerischer Pädiater. 25. Juni 1916.) 
(Ref. aus d. Schweiz. Corr.-Bl.) 


IH. Therapeutische Notizen.!) 


Bei Asphyxia neonatorum wendet Dr. Rothschild (Delmenhorst) folgendes 
einfache Verfahren an: In eine größere Badewanne mit warmem Wasser wird das 
neugeborene Kind so hineingesetzt, daß das Kind mit dem Gesicht nach oben 
sieht, also gleichsam auf dem Rücken schwimmt. Alsdann macht man mit dem 
mit seinem Rücken auf der flachen Hohlhand ruhenden kindlichen Körper Be- 
wegungen in der Längsrichtung der ganzen Badewanne, so daß beim Entgegen- 
- drücken gegen die Wassermasse die Armchen und Beinchen sich von selbst empor- 
schlagen, dagegen beim Zurückgehen diese wieder von selbst in die Ruhelage, 
d.h. an dem Körper anliegend, zurückgehen. In eine zweite, kleine Wanne mit 
kaltem Wasser, die daneben steht, wird das Kind nach einigen Schwimm- 
bewegungen für einen Moment hineingesetzt und dann die Schwimmbewegung 
wieder von neuem begonnen. Der Vorteil dieses einfachen Verfahrens dürfte darin 
bestehen, daß Verletzungen ausgeschlossen sind und eine stärkere Abkühlung 
vermieden wird. (M. m. W. 1916. Nr. 28.) 

* Palliative Behandlung von Zahnschmerzen. Von Bat.-Arzt Dr. du Mont, 
zurzeit im Felde. „Gelegentlich außerordentlich heftiger Zahnschmerzen, die 
weder durch Extraktion eines (übrigens gesunden) Zahnes noch durch energische 
Jodeinpinselungen auch nur im geringsten beeinflußt wurden und mir Tag und 
Nacht Keine Ruhe ließen, zog ich, um auf irgendeine Weise etwas Linderung zu 
finden, den Duft von Kölnischem Wasser ein. Bei dieser Gelegenheit kamen 
einige Tropfen dieser Flüssigkeit auf meine Nasenschleimhaut, und in demselben 
Augenblick waren die Zahnschmerzen dauernd verschwunden. Ich habe nun 
namentlich jetzt während des Krieges, aber auch in der Friedenspraxis, diese 
Versuche in einer ganzen Reihe von Fällen, und zwar mit Schwefeläther, wieder- 
holt und hatte jedesmal denselben Erfolg. Die Anwendung ist außerordentlich 
einfach. Ich gieße auf ein erbsengroßes Stück Watte einige Tropfen Ather und 
stecke die angefeuchtete Watte je nach dem Sitze der Schmerzen in das rechte 
oder linke Nasenloch des Patienten. Ein leichter Druck auf die Nase genügt 
dann, um bei nach hinten geneigtem Haupte einige Tropfen auf die Nasenschleim- 
haut gelangen zu lassen. Die Watte wird darauf meist vom Patienten selbst 
schleunigst entfernt, und der Schmerz ist verschwunden, und zwar nicht für 
einige Minuten, sondern für lange Zeit. Diese Versuche wurden nicht nur bei 


` 21) Die mit * bezeichneten Notizen beziehen sich auf Erwachsene. 


II. Therapeutische Notizen. 95 


kariösen Zähnen, sondern auch bei Wurzelhautentzündungen, rheumatischen 
Zahnschmerzen stets mit gleichem Erfolge vorgenommen.“ 
(D. m. W. 1916. Nr. 11.) 

Praktische Vorschläge zur Sommertherapie. Von Dr. phil. Karl Hoff- 
mann (Altona). Eine häufig vorkommende ärztliche Ordination bei den Magen- 
darmerkrankungen der Kinder lautet ungefähr: 

Rp. Acid. mur. dilut. 0,5 
Tinct. opii spl. gtt. 5 
Ag. dest. 80,0 
Mucilago 
Gummi arab. 
Sir. rub. Idaei a 10,0 
M. Ds. Teelöffelweise zu geben. 

Verf. zeigt, daß eine solche Verordnung recht unzweckmäßig ist. Aq. dest. 
steht manchmal in den Apotheken wochenlang und kann dann stark bakterien- 
haltig werden. Mucil. gummi arab. oder Mixt. gummosa, ebenso Zucker- und 
Fruchtsaftlösung sind leicht zersetzlich, erstere für den Magen sicher nicht gerade 
zuträglich. Man korrigiere also lieber mit Saccharin und benutze Mucil. Salep, 
so daß die zweckmäßige Ordination lauten würde: 

Rp. Acid. mur. dilut. 0,5 
(Tinct. opii simpl. gtt. V.) 
Mucil. Salep ad 100,0 
Tabl. Sacchar. 1/ $ 
M. Ds. Teelöffelweise zu geben. 
(Arztl. Rdsch. 1916. Nr. 22.) 


* Über die Behandlung der äußeren Tuberkulose mit Lecutyl und künst- 
 liohem Sonnenlicht. Von Dr. Artur Strauß. (Aus der Lupusheilanstalt der 
städtischen Krankenanstalten in Barmen.) In der Vereinigung der örtlichen und 
allgemeinen Lecutylbehandlung mit künstlichen Sonnenbädern scheint Verf. nach 
seinen bisherigen Erfahrungen ein überraschend einfacher und sicherer Weg zur 
Bekämpfung der äußeren Tuberkulose in allen ihren Erscheinungsformen er- 
schlossen zu sein, der unter Ausschaltung kostspieliger, langwieriger, umständ- 
licher und schmerzhafter örtlicher Lichttherapie vor allem dadurch sich aus- 
zeichnet, daß er nicht nur zur Heilung der äußeren Erscheinungsformen, sondern 
auch zur erfolgreichen Behandlung des tuberkulösen Menschen führt. Verf. ging 
in folgender Weise vor: Die Kranken erhielten 2—3 mal wöchentlich ihren 
örtlichen Lecutylverband. Nebenher wurden sie bei ambulanter Behandlung 
2—3 mal wöchentlich, bei klinischer möglichst täglich allgemein bestrahlt. Die 
Verbände blieben liegen, die örtlichen Herde wurden also dem Lichte nicht aus- 
gesetzt. Die Bestrahlungszeiten wurden langsam bis zu 1/, Stunde und mehr bei 
einem Abstand von ungefähr 1 m bis 50 cm gesteigert, und in jeder Sitzung wurde 
dem Licht der künstlichen Höhensonne unter gleichzeitiger Benützung des Glüh- 
lampenringes nacheinander die vordere und hintere Körperfläche ausgesetzt. 
(M. m. W. 1916. Nr. 13.) 

* Eine in Krankenliäusern epidemisch auftretende Fadenpilzerkrankung der 
Haut (Ekzema marginatum Hebrae). Von Dr. W. Fischer. (Aus dem Dermato- 
logischen Vereinslazarett der Stadt Berlin in Leichtkrankenhaus-Plötzensee.) So 
wie es Hebra geschildert hat, ist das Leiden zweifellos selten, wichtig ist aber 
auch noch jetzt sein Hinweis auf dessen Prädilektionsstellen, nämlich die Leisten- 
beugen. Wenn man darauf achtet, wird man bei vielen Menschen an den Innen- 
- seiten der Oberschenkel, wo das Skrotum anliegt, einen oder mehrere rundliche, 
leicht erythematöse, oft auch ganz reizlose, diffus kleieförmig schuppende Kreise 
finden. Untersucht man die Randschuppen im Mikroskop nach Kalilaugen- 
aufhellung, so fallen im Präparat zahlreiche gewundene Pilzfäden und Sporen- 
ketten auf. In diesem Zustand ist die Affektion nicht progredient und verursacht 
keine subjektiven Beschwerden. Durch bestimmte Momente, wie dauernde Bett- 
wärme, feuchte Umschläge, Bäder usw., wird nun häufig der bis dahin ruhende 
Prozeß akut. Der primäre Herd wird entzündlich gereizt, fängt an zu jucken, 
es entwickeln sich an seinem Rande oft Bläschen, und es kann nun mit einem 
Schlage zu einer Ausbreitung über große Partien des ganzen Körpers kommen. 
Oft werden zuerst die Gelenkbeugen, speziell die Achselhöhlen, wo ja ähnlich 
wie in der Genitoanalgegend eine feuchtwarme Atmosphäre herrscht, befallen; 


8* 


96 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 4. 


mindestens ebensooft, vielleicht noch häufiger findet aber eine Pilzansiedlung 
auch auf den freien Körperflächen statt. In diesem Stadium treten die sub- 
jektiven Beschwerden, wie Brennen und dauerndes Juckgefühl, meist stark in den 
Vordergrund und sind namentlich für bettlägerige Personen außerordentlich 
lästig und quälend. In den Leistenbeugen selbst kann es, allerdings viel seltener, 
währenddem zur Bildung großer, nässender Flächen kommen; diese Form nähert 
sich am meisten der alten Beschreibung von Hebra. Hinsichtlich der klinischen 
Merkmale kann man bei der generalisierten Erkrankung zwei Formen unter- 
scheiden. In den akutesten Fällen treten erythematöse, diffus schuppende Herde 
in großer Anzahl auf, die zum Teil durch Konfluenz entweder eine diffuse Aus- 
dehnung gewinnen oder, wenn sie zentral abheilen, zu unregelmäßig begrenzten, 
girlandenförmigen und polyzyklischen Figuren auswachsen. Diese Form ent- 
steht meist nach feuchten Umschlägen und lokalisiert sich häufig anfangs scharf 
entsprechend den Hautpartien, auf denen die Kompressen appliziert waren (Brust- 
umschläge!) Die zweite Form verläuft langsamer und bildet einen richtigen 
herpetischen Fleck mit kleinen Bläschen, erhabenem Rande und mehr oder weniger 
ausgeprägter zentraler Heilungstendenz. Natürlich finden sich auch Übergänge 
zwischen diesen beiden charakteristisch erscheinenden Formen. An den Händen 
und Füßen, wo sich die Mykose an den Interdigitalfalten lokalisiert, ist ihr 
Aspekt der eines chronischen oder subakuten Ekzems; übrigens sind diese 
Stellen bei dem hier in Betracht kommenden Verlauf fast nie befallen. Auch für 
den, der mit den hier skizzierten klinischen Bildern nicht vertraut ist, läßt sich 
stets die Diagnose sehr schnell und leicht durch den mikroskopischen Pilznachweis 
in den Hautschuppen stellen. Eine richtige Diagnosenstellung ist aber unerläß- 
lich und deshalb wichtig, weil von ihr die allein erfolgreiche Therapie abhängt. 
Puder und indifferente Pasten nützen nichts und halten die Progredienz nicht auf, 
vielmehr muß von vornherein antiparasitär behandelt werden! Für isolierte 
Herde eignet sich am besten Jodtinktur, die bei stärkerer Hautreizung zuerst 
eventuell verdünnt werden kann. Bei diffuserer Ausbreitung arbeitet man zweck- 
mäßig mit Schwefel- oder Chrysarobinsalben. Einige Rezepte mögen hier folgen: 


Sulfur praecipitatum 10—20 


Vaselinum flavum ad 100 
Chrysarobin 0,25—0,5 
Zink. oxydat. 30 
Vaselinum flavum ad 100 
Anthrarobin 1,0 
Tumenol 4,0 
Ather 15,0 
Tinctur. Benzoes ad 30,0 


Bei ausgedehnten Fällen, die man tunlichst isoliert oder Spezialabteilungen 
überweist, sind zur Haftung der Salben Verbände empfehlenswert. Auch nach 
der klinischen Heilung, die einige Wochen in Anspruch nimmt, muß noch eine 
Zeitlang weiter behandelt werden. (D. m. W. 1915. Nr. 48.) 


* Ein Beitrag zur Therapie des Erysipels des Stammes und der Extremitäten. 
Von Dozent Dr. Otto Kren. (Aus der dermatologischen Abteilung des Kaiser- 
Jubiläums-Spitals der Stadt Wien.) Das kontinuierliche warme Wasserbad hat 
sich als außerordentlich nützlich erwiesen: Erleichterung sämtlicher Beschwerden, 
Rückgang des Fiebers, baldiger Stillstand des lokalen Prozesses. Bei 10 Fällen 
durchschnittliche Heildauer von 4 Tagen. Bei Kindern, Greisen, kranken Per- 
sonen bleibt auch bei dieser Behandlung Erysipel ein gefährliches Leiden, auch 
ist hier sowie bei geschwächtem Herzen die Wasserbehandlung nur mit Vorsicht 
anzuwenden: am besten bloß tagsüber (12—16 Stunden). Ein degeneriertes Herz 
bildet eine strikte Kontraindikation für die Wasserbettbehandlung. 

(W. kl. W. 1915. Nr. 29.) 


Verantwortlicher Redakteur: Sanitätsrat Dr. Eugen Graetzer in Friedenau-Berlin. — Verlag g 
von Johann Ambrosius Barth in Leipzig. — Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. 


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Zentralblatt tür 
Kinderheilkunde. 


Eine Monatsschrift für praktische Ärzte. 


22. Jahrgang. Mai 1917. Nr. 5. 


I. Referate. 
A. Aus deutschen Zeitsehriften. 


Herbert Koch, Die Tuberkulinbehandlung im Kindes- 
alter. (Aus der Kinderklinik Wien.) (Ztschr. f. Kinderhlk. 13. S. 1.) 
Verf. tritt für die Tuberkulinbehandlung auch im Kindesalter ein. 
In der Methodik bevorzugt er die Injektion des Tuberkulins in 
größerer Flüssigkeitsmenge (20 bzw. 10 ccm) und den Wechsel der 
Injektionsstelle. Beides setzt die Reaktion an der Injektionsstelle 
herab, die größere Flüssigkeitsmenge wird besser resorbiert. Für 
alle Dosen sind nur zwei Verdünnungen nötig, die eine 1:100000 
die zweite 1:10000. Die Anfangsdosis beträgt 0,1 der ersten Ver- 
dünnung (= 1 u = 1/o mg Alttuberkulin, die Enddosis 10 cem 
der zweiten Verdünnung. Um die Enddosis zu erreichen, sind bei 
langsamer Steigerung 25 in geometrischer Progression steigende Dosen 
nötig. Die Dauer der Behandlung beträgt etwa 9—12 Wochen. Die 
Erfolge der Behandlung, selbstverständlich unterstützt durch Frei- 
luftliegekur und reichliche Ernährung, sind sehr gute. Zur Behand- 
lung ungeeignet sind schwere phthisische Prozesse, Amyloidose, 
miliare Tuberkulose und Meningitis tuberculosa. Schick. 

Herbert Koch, Initialfieber der Tuberkulose. (Aus der 
Kinderklinik Wien.) (Ebenda. 3. 8.9.) In drei tuberkulosefrei 
in die Klinik aufgenommenen und hier unabsichtlich mit Tuberkulose 
infizierten Fällen konnte der Verlauf des Frühstadiums der Tuber- 
kulose, d. i. die Zeit von der Infektion bis zum Auftreten der 
Pirquetschen Reaktion, beobachtet werden. Außer einem in allen 
drei Fällen in der 7. Woche post infeetionem vorkommenden Fieber 
deutete kein Symptom auf den Beginn der Tuberkuloseerkrankung 
hin. Dieses Fieber wird als Initialfieber der Tuberkulose be- 
zeichnet und zeigt schon den Typus des tuberkulösen Fiebers. Im 
dritten Falle konnte röntgenologisch zur Zeit der positiven kutanen 
Reaktion das Auftreten einer Drüsenschwellung am Hilus nach- 
gewiesen werden. Schick. 

D. Kunckel, Zur Kenntnis der Blutveränderungen bei 
Frühgeburten und debilen Kindern. (Städtisches Kinderasyl 
und Waisenhaus Berlin.) (Ebenda. 13. 8.101.) Untersucht wurden 
60 Frühgeburten, 7 Zwillinge, 7 debile Kinder; letztere zwei Gruppen 
sind nicht sichere Frühgeburten. Der Hämoglobingehalt sinkt normaler- 
weise von der Geburt allmählich und beträgt am Ende der 4. Woche 
85%/, bei Frühgeburten finden sich zu dieser Zeit Werte von 
50—60°/,. Die Zahlen im 2. und 3. Monat betragen normalerweise 

Zentralbl, f. Kinderhikde, 2. 9 


98 Zentralblatt für Kinderheilkunde. N r. 5. 


(ärmere Volksschichte) 70°/, bzw. 65°/,, später 50—60°/,. Die Zahlen 
bei.Frühgeburten blieben beträchtlich zurück (46,5—55,2°/, im 2. bis 
4. Monat). Die Erythrozytenzahl ist dagegen ungefähr normal. Es 
besteht also geringer Hämoglobingehalt des einzelnen roten 
Blutkörperchens (Chloranämie). Die Zahl der weißen Blutkörperchen 
ist bei gesunden Frühgeburten niedrig, bei Erkrankungen steigt die 
Zahl rasch. En 
Bei Besprechung der Atiologie der Anämie lehnt Verf. äußere 
Bedingungen (Ernährung, äußere Lebensbedingungen) ab. Auch die 
Annahme eines angeborenen Eisenmangels ist als alleinige Ursache 
nicht genügend. Die Prognose der Anämie ist günstig. Therapeutisch 
wurde in einzelnen Fällen durch Freiluftkur Besserung erzielt. 
Schick. 
-F. Weihe, Die interlobäre Pleuritis im Kindesalter und 
ihr röntgenologischer Nachweis. (Aus der Kinderklinik Frank- 
furt a. M.) (Ebenda. 13. 8.119.) In der Atiologie spielt cie 
Tuberkulose eine große Rolle, aber auch die Pneumonie kann 
häufig zur Entwicklung der interlobären Pleuritis führen. Mit Aus- 
nahme eines Falles waren alle Kinder akut erkrankt. In der Mehr- 
zahl bestanden Zeichen einer Allgemeininfektion, Angina, Bronchitis. 
2 Fälle zeigten ein infektiöses, scharlachähnliches Erythem. Einmal 
schloß sich die Erkrankung direkt an Masern an. 4 Fälle waren Teil- 
oder Folgeerscheinung einer Bronchopneumonie. Das Fieber war 
durchweg sehr hoch intermittierend (Schwankungen zwischen 41° 
und 36°). Auffallend waren kollapsartige morgendliche Remissionen. 
Das Fieber dauerte 8 Tage bis 3 Wochen. Die Besserung war meist 
eine ganz plötzliche; von heute auf morgen waren die Kinder genesen. 
Mit dem hohen Fieber und schweren Allgemeinbefinden kontrastierte 
der minimale bzw. negative Lungenbefund. Erst das Röntgenbild 
ermöglichte die Diagnose. Das schattengebende Exsudat lag stets 
-zwischen Ober- und Mittellappen rechts, nur einmal links zwischen 
Ober- und Unterlappen. Der Schatten ist bleistiftdick, bandförmig. 
Viermal konnte bei Punktion seröses Exsudat nachgewiesen werden. 
Die Punktion ist schwierig. Schick. 
Hans Schaeffer, Versuche über Abtötung von Diphtherie- 
bazillen durch Optochin und Eucupin. (Aus der bakteriolog. 
Abteilung des Hygienischen Universitätsinstituts zu Frankfurt a. M.) 
(B. kl. W. 1916. Nr. 38.) Die Versuche, die in üblicher Weise an- 
gestellt wurden, zeigten, daß das Optochin hydrochloricum sich noch 
in der Konzentration von 1:10000, zuweilen von 1:20000 entwick- 
lungshemmend erwies. Das ist eine recht beträchtliche Wirkung, 
wenn wir berücksichtigen, daß z. B. die Karbolsäure demselben 
Diphtheriestamm gegenüber erst in der Konzentration von 1: 1000 
entwicklungshemmend wirkte, während in der Konzentration 1 :2000 
bereits Wachstum eintrat. PR 
' Schon diese entwicklungshemmende Wirkung des Optochins gegen- 
über Diphtheriebazillen wäre nicht ohne Bedeutung, wenn es gelänge, 
sich dieser auf der Tonsille des Diphtheriekranken oder des Bazillen- 
trägers zu bedienen und dadurch die Krankheitserreger in ihrer Ent- 
wicklung ungünstig zu beeinflussen. Wie noch weiter unten gezeigt 


I. Referate © 99 


werden wird, kann als sicher angenommen werden, daß selbst bei 
Anwesenheit von Körperflüssigkeiten die entwicklungshemmende 
Konzentration des Optochins erreicht werden kann. 

Verf. hat zum Vergleich das Chininum hydrochloricum heran- 
gezogen und sich im orientierenden Versuch davon überzeugt, daß 
dieses eine entwicklungshemmende Wirkung auf Diphtheriebazillen 
ausüben kann, wiewohl dieselbe geringer ist als die des Optochins: 
1:4000 bei Chinin. hydrochlor., 1:10000 bei Optochin hydrochlor. 

Morgenroth verdanken wir eine Reihe von weiteren Derivaten 
des Chinins, so Amylhydrocuprein (Eucupin). Dieses Präparat, über 
welches Morgenroth und Tugendreich bereits berichtet haben, 
erwies sich im Hemmungsversuch noch erheblich wirksamer als das 
Optochin. Konzentrationen von 1:100000 waren in vielen Fällen 
wirksam, solche von 1:50000 in allen Fällen. Diese außerordentliche 
Wirksamkeit gegenüber Diphtheriebazillen macht dies Präparat für 
den Versuch einer lokalen Anwendung bei Kranken oder Bazillen- 
trägern noch geeigneter als das Optochin. 

Soviel von den Hemmunssversuchen. 

Was nun die Abtötung von Diphtheriebazillen betrifft, so hat 
Verf. darüber eine Reihe von Versuchen mit vier tiervirulenten 
Diphtheriestämmen ausgeführt. Das übereinstimmende Ergebnis 
dieser Abtötungsversuche war, daß innerhalb von 45 Minuten alle 
untersuchten Stämme noch durch die Konzentration des Optochins 
von 1:400 abgetötet wurden; in einer Anzahl der Versuche tötete 
auch die Konzentration 1:800 ab. Die Zeitdauer von 45 Minuten 
ist nicht nötig, da andere Versuche zeigten, daß auch nach 10 Minuten 
bereits in der Verdünnung 1:400 Abtötung eintritt. 

Dieses Resultat ist bemerkenswert, wenn man berücksichtigt, 
daß z. B. Karbolsäure erst in mehr als 1°/,igen Lösungen abtötend 
wirkt. Diese Desinfektionswirkung des Optochins ist geringer wie die 
mancher uns bekannter Desinfektionsmittel, z. B. die des Sublimats. 
Doch können begreiflicherweise solche Mittel für therapeutische 
Zwecke nicht in Betracht kommen. Wenn auch das Optochin den 
Pneumokokken gegenüber eine sehr viel höhere Wirksamkeit zeigt 
als gegenüber den Diphtheriebazillen, so wäre es nach 8.’3 Meinung 
doch nicht richtig, die geringere Wirkung gegenüber Diphtherie- 
 bazillen zu übersehen. 

Das Eucupin erwies sich, wie nach den Hemmungsversuchen 
schon anzunehmen war, dem Optochin auch in der Abtötung über- 
legen. Es tötete einen Stamm: in der Konzentration 1:2000, 
einem anderen gegenüber zeigte es sich noch in der Konzentration 
1:8000 wirksam. 

1°/,ige und wahrscheinlich höher konzentrierte Lösungen des 
Optochins und Eucupins könnten ohne jedes Bedenken sowohl zum 
Gurgeln wie zum Pinseln der Tonsillen benutzt werden; solche Kon- 
zentrationen des Optochins werden an der viel empfindlicheren Kornea 
ohne Schaden verwendet. Der unangenehm bittere Geschmack, der 
diesen Chininderivaten eigen ist, könnte vielleicht mittels Saccharin 
oder dergleichen korrigiert werden. 

‘ Man kann natürlich auf Grund der bisher vorliegenden Versuche 
9* 


100 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 5. 


nichts darüber aussagen, ob die abtötende Wirkung auch im Organis- 
mus eintreten wird. Um auch dafür Anhaltspunkte zu gewinnen, 
sind vor allem Versuche zur Lösung der Frage nötig, ob diese Mittel 
in Anwesenheit von Körperflüssigkeiten ihre Wirksamkeit beibehalten. 
Deshalb wurden noch Abtötungsversuche im Menschenserum aus- 
geführt. Dabei konnte man beobachten, daß die Basen des Chinins, 
Optochins und Eucupins nicht gleich stark im Serum ausfielen. Stellt 
man von einer 5°/,igen Lösung von salzsaurem Chinin, Optochin 
und Eucupin eine !/s°/,ige Lösung in konzentriertem Menschenserum 
her, so kann man sehen, daß die Eucupinbase am stärksten, die 
Chininbase am schwächsten ausfällt. Diese Mischungen töten 
Diphtheriebazillen sicher ab. !/, Stunde Einwirkung genügt, um 
eine Vernichtung der. Bazillen in allen drei Fällen herbeizuführen. 
Dieses Ausfallen der Base scheint für die Wirksamkeit der Mittel 
im menschlichen Organismus zweckmäßig zu sein, da man sich 
leicht vorstellen kann, daß durch dieses Ausfallen an den Tonsillen 
gewissermaßen ein Depot geschaffen wird, von dem aus stets ge- 
nügende Mengen des Desinfektionsmittels zur Abtötung und Hem- 
mung abgegeben werden können. 

Die anästhesierende Wirkung von Optochin und Eucupin zeigt, 
daß die Mittel auch in die Tiefe des Gewebes einzudringen ver- 
mögen. Diese Eigenschaft macht die beiden Mittel zur Desinfektion 
der Krypten und Lakunen der Tonsillen besonders geeignet und läßt 
die meisten anderen Desinfektionsmittel hinter ıhnen zurücktreten, 
da diese sich bereits an der Oberfläche des Gewebes erschöpfen. 

Grätzer. 

M. Pfaundler (München), Schulorganisatorischer Vorschlag 
zur Minderung der Kindersterblichkeit an akuten Infek- 
tionskrankheiten. (M. m. W. 1916. Nr. 32.) Masern und Keuch- 
husten sind fast nur (Diphtherie und Scharlach hauptsächlich) im 
vorschulpflichtigen Alter lebensgefährlich. Gelänge es, bei gleich- 
bleibender Gesamthäufigkeit dieser Krankheiten den Ansteckungs- 
termin nur bis in das 6. Lebensjahr aufzuschieben, so würde die 
Masern- und die Keuchhustenmortalität je um rund 50°/, vermindert 
werden und 'es würden beispielsweise in München jährlich allein an 
Masern- und Keuchhustentodesfällen etwa 860 eingespart werden. 
Der überwiegende Teil der Masern- und Keuchhustensterbefälle geht 
darauf zurück, daß Kinder, die die Krankheit in der Schule oder 
Spielschule erworben haben und selbst ohne Gefährdung überstehen, 
ihre jüngeren Geschwister (Wohnungsgenossen) infizieren. Rigoroseste 
Vorkehrungen zur Verhütung von Masern- und Keuchhustenver- 
breitung in der Schule sind in größeren Gemeinden nicht ohne 
schwere Störung des Unterrichtsbetriebes und Beeinträchtigung des 
Lehrerfolges allgemein durchführbar; sie bringen überdies den Schul- 
kindern selbst kaum Nutzen. Es empfiehlt sich aber dort, wo 
Parallelklassen bestehen, die Scheidung der Gesamtjahrgänge nach 
dem Vorhandensein oder Fehlen gefährdeter (jüngerer) Geschwister 
und Wohnungsgenossen vorzunehmen und Vorkehrungen gegen die 
Verbreitung von Masern und Keuchhusten in der einen Kategorie 
von Klassen zu unterlassen, in der anderen mit erhöhter Schärfe zu 


L Referate, 101 


treffen. Als Schutzmaßnahmen kommen namentlich das System der 
kurzfristigen Schulschließungen und die Kontrolle vor Unterrichts« 
beginn in Betracht. Grätzer. 

H. Kleinsehmidt, Diabetes mellitus im Kindesalter. (Aus 
der Universitäts-Kinderklinik in Berlin.) (M. Kl. 1916. Nr. 49). 
Jedem Arzt ist bekannt, daß der Diabetes mellitus im Kindesalter 
eine zwar seltene, aber schwere Erkrankung darstellt. Immerhin ist 
es kein Zufall, wenn Verf. augenblicklich gleichzeitig drei Kinder 
mit dieser Erkrankung zu behandeln hat. Denn die Seltenheit geht 
nicht so weit, daß wir in einer Großstadtklinik nicht dauernd Ver- 
anlassung hätten, uns mit dem Diabetes des Kindes zu beschäftigen. 
Um eine Zahl zu nennen, kann Verf. erwähnen, daß er im Laufe 
der letzten drei Jahre 14 Kinder im Alter von 2—14 Jahren wegen 
Diabetes zu behandeln hatte, und zwar 9 Knaben und 5 Mädchen. 
Davon fallen 12 auf das erste Dezennium, 2 auf das zweite. Diese 
Zahl würde wahrscheinlich noch größer sein, wenn man sich in der 
Klinik nicht im wesentlichen auf die Behandlung von Kindern aus 
den minderbemittelten Kreisen beschränkte. Denn es steht ja fest 
daß der Diabetes die wohlhabenden Volksschichten weit mehr befällt, 
als die ärmeren Klassen. Unter den genannten Kindern befinden 
sich nur zwei aus gebildeten Kreisen. Der Diabetes spielt also 
zweifellos auch in der ärmeren Bevölkerung eine nicht zu unter- 
schätzende Rolle. 

Wer die beiden 6 und 7 Jahre alten Mädchen und den Yjährigen 
Knaben betrachtet, dem wird ohne weiteres auffallen, wie verhältnis- 
mäßig gut sie aussehen. Ihr Ernährungszustand ist zwar nicht 
glänzend, aber doch nicht schlechter als von zahlreichen Kindern, 
bei denen wir keinerlei Krankheitserscheinungen auffinden können. 
Das Gleiche gilt von ihrer Farbe, ihrer Stimmung und Leistungs- 
fähigkeit. Diese Tatsache steht in einem gewissen Gegensatz zu dem, 
was Verf. eingangs sagte, daß es sich nämlich beim Diabetes des 
Kindes um eine schwere Erkrankung handelt. Hier haben wir 
leichte, günstig beeinflußte Krankheitsfälle vor uns. Verf. kennt 
das 6)Jährige Mädchen seit 20 Monaten, das 7jährige seit 13 Monaten 
und den Knaben seit einem Vierteljahre.. Alle drei kamen mit 
hohen Zuckerwerten und zum Teil geringer Azidose, aber doch mit 
den Erscheinungen der leichten Form des Diabetes in Behandlung, 
denn ihre Glykosurie ließ sich durch weitgehende Ausschaltung der 
Kohlehydrate in der Nahrung beseitigen. Also es gibt auch im 
Kindesalter diese leichte Form der Erkrankung. Verf. fand sie unter 
den genannten 14 Fällen 5mal, während 2mal die mittelschwere, 
7mal die schwere Form beobachtet wurde. v. Noorden hat schon 
vor Jahren den Standpunkt vertreten, daß es falsch ist, wenn viel- 
fach angenommen wird, die Krankheit setze im Kindesalter sofort 
mit der als schwere Form bekannten Glykosurie ein. Der Ernst der 
Erkrankung beruht vielmehr darauf, daß der Übergang von der 
leichten Form in die schwere bei Kindern viel rapider eintreten 
kann als bei Erwachsenen. 

Manches Mal wird an die Möglichkeit eines Diabetes erst so 
spät gedacht, daß bereits die schwere Form sich ausgebildet hat, 


102 . Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 5. 


wenn die Diagnose gestellt wird, ja Verf. hat wiederholt Kinder im 
- präkomatösen Stadium und im Koma aufgenommen, bei denen bis 
dahin der Charakter der Erkrankung nicht erkannt war. Das liegt 
an der relativen Seltenheit der Krankheit im Kindesalter und der 
keineswegs immer eindeutigen Symptomatologie. Wie oft werden. 
Kinder gebracht mit der Angabe, daß sie abgemagert sind, daß sie 
sich matt fühlen, und es liegt kein Diabetes vor, Wie oft hört man 
von starkem Durstgefühl oder großen Urinmengen, und die Unter- 
suchung des Urins läßt Zucker vermissen, die Symptome finden 
ihre einfache Erklärung in der Austrocknung der Mundhöhle bei 
behinderter Nasenatmung und in Pollakisurie oder Enuresis auf 
nervöser Basis. Wo die Trias Durst, Hunger und sichtliche Ab- 
magerung vorhanden ist, da muß unbedingt mit dem Bestehen eines 
Diabetes gerechnet werden, aber wir müssen uns bewußt bleiben, 
daß auch einmal das eine oder andere Symptom dieser Trias fehlen 
kann; Verf. hat Kinder gesehen, die bei hohen Zuckerwerten ver- 
hältnismäßig kleine Urinmengen hatten, er hat Fälle beobachtet, 
in denen keine Angabe über vermehrtes Nahrungsbedürfnis vorlag. 
Man muß auch darauf gefaßt sein, von ganz anderer Seite auf die 
Krankheit hingewiesen zu werden. So können die Zuckerflecke in 
der Wäsche das erste sein, was der Mutter auffällt, oder ‚‚der süß- 
liche Geruch aus dem Magen“, das heißt der Azetongeruch, gibt die 
Veranlassung, den Arzt aufzusuchen. Das einzig Richtige ist bei alle- 
dem, regelmäßig den Urin nicht nur auf Eiweiß, sondern auch auf 
Zucker zu untersuchen, wenn man ein Kind überhaupt gründlich 
untersuchen will. | 
Soviel in dieser Beziehung ärztlich gefehlt werden mag, so 
glaubt Verf. doch nicht, daß es lediglich hiermit erklärt werden 
kann, wenn der Diabetes des Kindes vielen nur in der schweren 
und schwersten Form bekannt geworden ist. Auch hält Verf. es für 
zu weit gegangen, wenn z.B. v. Noorden annimmt, daß speziell 
im Säuglingsalter zahlreiche Fälle unentdeckt bleiben. Dazu wird 
denn doch, seitdem wir die alimentäre Melliturie kennen, zum 
mindesten in Anstalten regelmäßig auch in diesem Alter eine Unter- 
suchung auf Zucker vorgenommen. Vielmehr ist Verf. der Ansicht, 
daß die Tendenz zur Progression der Erkrankung beim Kinde 
recht verschieden ist und bei vielen schon sehr schnell zu schweren 
Erscheinungen führt zu einer Zeit, wo bei anderen noch keinerlei 
beängstigende Symptome sich bemerkbar machen. Wenigstens findet. 
man bei einer nach den Beobachtungen der Eltern gleichen Krank- 
heitsdauer von wenigen Wochen das eine Kind mit einer leichten 
Glykosurie, das andere bereits in einem unrettbar verlorenen Zu- 
stande. Schon Naunyn hat einen akuten und einen chronischen 
Diabetes unterschieden, und die Mitteilungen in der Literatur führen 
Verf. ın gleicher Weise wie seine eigenen Beobachtungen zu der 
Annahme, daß die akute Form besonders das Kindesalter betrifft. 
Worin der Grund hierfür liegt, ist vorläufig nicht klarzustellen. Vor 
allen Dingen muß man wohl an den relativ kleinen Alkalibestand 
des Organismus denken, der es unter Umständen in kürzester Zeit 
zu schwerer Azidose kommen läßt; doch will Verf. ausdrücklich 


. I, Referate. er 108 


bemerken, daß das Lebensalter nicht unbedingt maßgebend für den 
langsameren oder schnelleren Verlauf ist. 

Ein letzter Grund, weshalb die weitaus größte Zahl de Kide: 
diabetesfälle von vornherein als schwer imponiert haben, ist die Art 
des therapeutischen Vorgehens. Wer sich lediglich darauf beschränkt, 
die Kohlehydrate in der Nahrung einzuschränken oder auszuschalten, 
kann auf Erfolge nicht rechnen. Ein vielgelesenes Lehrbuch enthält 
als Beispiel absolut amylazeenfreier Tageskost einen Speisezettel, 
nach dem einem Kinde ohne Angabe des Alters neben Gemüse, 
Radieschen, Gurke, 40 g Butter und Speck, 5 Eier, 210g Käse und 
250 g Fleisch gegeben werden sollen. Das gleiche Lehrbuch enthält 
aber auch die Angabe, daß es nur einmal bei einem 14jährigen 
Knaben gelang, den Urin völlig zuckerfrei zu machen, und das nur 
auf wenige Tage. Hier wird das Grundprinzip jeder Diabetes- 
behandlung nicht erfüllt, nämlich die quantitative Regelung der 
Nahrung. „Nichts ist bei dem Diabetiker mehr zu fürchten,“ sagt 
Naunyn, „wie die Überlastung seines ganzen Stoffwechsels. Es 
gibt kein dem Diabetiker in jeder Menge oder, wie auch geschrieben 
wird, absolut erlaubtes Nahrungsmittel, alles muß ihm quantitativ 
zugemessen werden, die Kohlehydrate und die (eiweißhaltige) Fleisch- 
nahrung, damit er nicht zu viel, und das Fett, damit er nicht zu 
viel, aber auch nicht zu wenig davon genieße.“ Die quantitative 
Regelung erfolgt auf Grund einer Berechnung des Kalorienbedürf- 
nisses, wie sie sich leicht mittels einer Nahrungsmitteltabelle, z. B. 
der von Schall und Heisler, ausführen läßt. Wir wissen, daß der 
Erwachsene rund 35 Kalorien pro Kilogramm Körpergewicht ge- 
braucht und das 1jährige Kind 70. Es läßt sich also leicht taxieren, 
wieviel ein Kind in den verschiedenen Lebensaltern nötig hat. 
Natürlich darf bei dieser Bestimmung des Gesamtkostmaßes die 
durch den Zuckerverlust bedingte Kalorienschmälerung nicht außer 
acht gelassen werden. Die qualitative Regelung geschieht dann 
weiter in der Weise, daß man dem älteren Kinde ungefähr 2 g, dem 
jüngeren 3g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht in Form von 
Fleisch, Ei und Käse zuerteilt, an Kohlehydraten reichlich Gemüse, 
Obst und zunächst noch 100g Brot bzw. Kartoffeln oder Hafer- 
flocken läßt, um den an notwendigen Kalorien noch fehlenden Rest 
durch Fett, in erster Linie Butter, zu ergänzen. Hat man das Kind 
auf diese Diät eingestellt, so ist es leicht, durch langsame Verminde- 
rung der Kohlehydratation die Toleranzgrenze zu bestimmen. Wenn, 
wie es oft der Fall ist, sich die Notwendigkeit ergibt, Brot und Mehl 
fast vollkommen auszuschalten, ist es von Vorteil, ein Diabetiker- 
brot als Ersatz zu verwenden, von dem noch größere Mengen ver- 
tragen werden. Verf. verfügt in dieser Beziehung über gute Er- 
fahrungen mit dem sogenannten Primärbrot (Diaetei, Breslau V). 

Die Durchführbarkeit einer solchen Ernährungskur ist beim 
Kinde im hohen Grade abhängig von seiner Erziehung. Das an 
Selbstbeherrschung und Unterordnung gewöhnte Kind wird hier 
keine .besonderen Schwierigkeiten bieten, während ein anderes, dem 
in jeder Beziehung stets nachgegeben wurde, den Arzt in eine höchst 
unangenehme Situation bringen kann.. Nur von diesem Gesichts- 


104 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 5. 


punkte aus ist es zu verstehen, wenn v. Noorden sagt, daß bei 
der „unberechenbaren Launenhaftigkeit der kindlichen Geschmacks- 
richtung jeder einzelne Fall der Gegenstand besonderen Studiums 
sein muß“. In solcher Sachlage ist es natürlich das Ratsamste, die 
Toleranzbestimmung in einer Krankenanstalt durchzuführen, ohne 
jedoch hier durch vollständige Isolierung dem Kinde die Möglichkeit 
einer genügenden Ablenkung zu nehmen. Hat sich nach einiger Zeit 
die Toleranz einigermaßen gehoben, so läßt sich leichter auch zu 
Hause die Behandlung fortführen, natürlich unter regelmäßiger Kon- 
trolle des Urins. Für mittelschwere und schwere Fälle empfiehlt 
sich jedoch unter allen Umständen der Aufenthalt in der Klinik. 

Bis zu welcher Menge die Kohlehydrate gesteigert werden können, 
ohne daß wiederum Glykosurie auftritt, ist recht verschieden. Das 
6jährige Mädchen hat es auf 150g Brot und 100g Kartoffeln ge- 
bracht neben den im Gemüse und Obst enthaltenen Kohlehydrat- 
mengen, das 7jährige Mädchen auf 80g Haferflocken, 50g Brot 
und 50 g Kartoffeln, der 9jährige Knabe verträgt zurzeit 100 g Brot 
und 25g Haferflocken, in einem vierten Falle konnte Verf. bis zu 
100g Brot und der gleichen Menge Kartoffeln steigern. Wie weit 
gelegentlich die Toleranz gehoben werden kann, lehrt eine interessante 
Beobachtung von Hürter. Hier konnte bei einem 11jährigen Mädchen 
durch eine Belastungsprobe mit 420g Weißbrötchen bzw. 50g 
Traubenzucker keine Glykosurie mehr hervorgerufen werden, so daß 
Hürter von einer anscheinenden Heilung des Diabetes spricht. 
Ahnlich liegen Fälle von Schmitz und v. Noorden. 

Aber sehen wir von diesen Einzelbeobachtungen ab, so ıst doch 
auch bei einer Toleranz von der Höhe, wie wir sie selbst verschiedent- 
lich erreichten, eine vollkommene Latenz der Erkrankung vorhanden. 
Keinerlei Symptome brauchen mehr auf die Stoffwechselstörung hin- 
zuweisen, das Körpergewicht steigt an, und die Leistungsfähigkeit ist 
uneingeschränkt. Die Kinder haben teilweise die Schule besucht, 
das 6jJährige Mädchen hatte sogar den ersten Platz inne. Verf. 
stellte Zunahmen von 2,7, 3,5 und 1,9 kg fest. Leider besteht jedoch 
in dieser Beziehung keine Regel. In zwei Fällen blieb trotz kalorisch 
durchaus genügender Ernährung jede Gewichtsvermehrung aus, auch 
mußte Verf. Neigung zu Untertemperaturen und eine gewisse Wachs- 
tumshemmung konstatieren. 

Viel wesentlicher noch ist die Tatsache, daß in allen Beobach- 
tungen die Neigung zum Rezidivieren der Glykosurie nicht zum 
Verschwinden zu bringen war. Die verschiedensten Anlässe lösten 
nach wechselnd langen Pausen von Wochen oder Monaten immer 
wieder die Zuckerausscheidung aus. Bald waren es psychische Ein- 
wirkungen, eine schlechtere Note im Zeugnis, als erwartet war, der 
Verzicht auf eine Reise, die die Geschwister mitmachen durften, und 
dergleichen. Bald waren es leichte Erkrankungen, ein Nasenrachen- 
katarrh, eine Parotitis, eine Parulis oder ein Durchfall. Nach Verf.s 
Erfahrungen ist der Einfluß solcher Erkrankungen auf den Verlauf 
des kindlichen Diabetes nicht hoch genug einzuschätzen. Denn, wenn 
auch vielfach die Glykosurie schnell wieder zum Verschwinden zu 
bringen ist, so tritt doch, zumal bei einer Häufung derartiger 


I. Referate. 105 


Störungen, allmählich eine bedenkliche Verminderung der Toleranz 
ein. Besteht also beispielsweise eine Disposition zu Katarrhen der 
oberen Luftwege, so muß dies als eine ernste Komplikation der 
Erkrankung angesprochen werden. Die Wichtigkeit interkurrenter 
Infektionskrankheiten für den Verlauf des Diabetes ist vom Er- 
wachsenen bereits hinreichend bekannt. Unter Verf.s Fällen übten 
die Masern dreimal einen ausgesprochen ungünstigen Einfluß aus, 
ja einmal machte sich die Erkrankung nach dem Ablaufe der Masern 
überhaupt zum erstenmal bemerkbar. In einem Falle Naunyns 
führten Varizellen bei einem Kinde schwere Azidosis und Tod im 
Koma in 10 Tagen herbei. Auf der anderen Seite kann Verf. er- 
wähnen, daß bei dem T7jährigen Mädchen eine schwere hämor- 
rhagische Nephritis mit Urämie keinen ungünstigen Einfluß hatte. 
Diese Patientin war übrigens die einzige, welche eine der beim Er- 
wachsenen so häufigen diabetischen Komplikationen durchmachte, 
nämlich eine Pyodermie. 

Die Besprechung der Zwischenfälle führt uns unmittelbar zu 
der Behandlung der mittelschweren und schweren Diabetesfälle über. 
Denn das ist eben der Weg, wie aus leichten Diabeteserkrankungen 
trotz sorgsamster Behandlung unter unseren Augen innerhalb von 
Monaten oder Jahren die mittelschwere und schwere Form hervor- 
geht. Unter einer mittelschweren Erkrankung verstehen wir die- 
Jenige, bei der es nicht mehr gelingt, durch einfache Beschränkung 
oder vorübergehende Ausschaltung der Kohlehydrate den Kranken 
zuckerfrei zu machen, sondern bei der besondere Maßnahmen er- 
forderlich sind, um dieses Ziel zu erreichen. Der erreichte Toleranz- 
wert bleibt gleichwohl gewöhnlich ein recht beschränkter. Die Maß- 
nahmen, die hier notwendig werden, bestehen zunächst in Bettruhe 
und einer noch strengeren Durchführung der Forderungen, die Verf. 
für die Behandlung des leichten Diabetes aufgestellt hat, also einer 
genauen Dosierung des Gesamtkostmaßes und im besonderen auch 
der Eiweißzufuhr. Weiterhin aber sieht man sich gezwungen, in diesen 
Fällen, wenigstens vorübergehend, die Eiweißmenge in der Nahrung 
noch weiter zu beschränken, da auch das Eiweiß als Zuckerbildner 
in Betracht kommt. . Die angenehmste Form, in der das geschehen 
kann, sind die Gemüsetage nach v. Noorden, bei denen Fett in 
ausgiebigem Maße gewährt, die Kohlehydrate aber nur in Form von 
Gemüse und Eiweiß nur im Eigelb dargereicht wird. Sie können 
zu wiederholten Malen — etwa wöchentlich einmal — zwischen 
strenge Kost mit 40—50 g Diabetikerbrot eingeschaltet werden und 
sind beim Kinde einer längere Zeit durchgeführten, völlig brot- und 
mehlfreien Nahrung vorzuziehen. Genügt dies noch nicht, oder 
wenn gleichzeitig, wie es oft der Fall ist, bei starker Beschränkung 
der Kohlehydrate Neigung zu Azidosis besteht, kann man von der 
Haferkur im Anschlusse an einen oder zwei Gemüsetage und mit 
nachfolgenden Gemüsetagen Gutes sehen. v. Noorden selbst emp- 
fiehlt sie für den Kinderdiabetes, Langstein und v. Pfaundler 
treten für sie ein, Lauritzen und Forschbach geben eklatante 
Beispiele des guten Erfolges beim Kinde. Auch Verf. hat die Hafer- 
kur einige Male mit Erfolg angewandt, bei einem 2!/,jährigen Kinde 


106 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 5. 


allerdings versagte sie vollkommen. So ergibt sich der. Übergang 
zu den schweren und schwersten Fällen, in denen man sich lediglich 
darauf beschränken muß, durch Vermeiden des allzu reichlichen 
Gebrauches von Kohlehydraten, bei genauer Normierung des Kost- 
maßes die Zuckerausscheidung nach Kräften auf einem niedrigen 
Niveau zu halten, Das Wichtigste in der Behandlung. bleibt dann 
eigentlich nur noch die Bekämpfung der Azidose durch große Alkali- 
gaben. Verf. verwendet Alkali immer, wenn Azeton oder Azetessig- 
säure vorhanden ist, Ja er ist für eine prophylaktische Darreichung, 
solange saurer Urin ausgeschieden wird. Der Säuregehalt des Urins 
ist ein einfacher und doch sehr exakter Maßstab für die Azidose 
und damit für die Gefahr, in der das Kind schwebt. Als Alkali 
benutzt Verf. Natrium bicarbonicum oder Natrium und Kalium 
citricum āa. Das gelegentliche Vorkommen von Ödemen nach großen 
Alkaligaben ist ein geringer Nachteil gegenüber der außerordentlich 
wichtigen Beeinflussung der Azidose. Sechs der schweren Fälle 
boten, als sie in Behandlung kamen, trotz gemischter Kost, bereits 
die Zeichen ausgesprochener Azidose. 40, 60, ja 80g Alkalı pro Tag 
reichten nicht aus, um die saure Reaktion des Urins in die alkalische 
umschlagen zu lassen. Hier war natürlich an eine Rettung nicht 
mehr zu denken. Das Koma trat bereits nach kurzer Zeit ein und 
führte in knapp 24 Stunden zum Tode. In diesem Stadium sah 
Verf. auch keinen Einfluß mehr von intravenöser Injektion einer 
5°/ ıgen Natrium-bicarbonicum-Lösung. 

Außer der Alkalibehandlung kennt Verf. keine wirksame medika- 
mentöse Therapie des kindlichen Diabetes. Opium, Nährhefe und 
Fermocyltabletten, die er gelegentlich versuchte, mußten bald wieder 
aufgegeben werden. 

'$o ist das Krankheitsbild des Diabetes im Kindessiter trotz 
aller Fortschritte, die die Diabetesbehandlung im Laufe der Jahre 
gemacht hat, noch immer ernst. Die Fortschritte aber, die erreicht 
sind, sollten wenigstens voll ausgenutzt werden, wie das heute noch 
nicht in genügendem Maße geschieht. 

Es ıst klar, daß man unter diesen Verline sich immer 
wieder ätiologischen Uberlegungen hingibt. Doch ist man hierin 
beim Kinde noch kaum so weit wie beim Erwachsenen. Die Erb- 
lichkeit spielt eine geringere Rolle. Unter den genannten 14 Fällen 
fand sich zweimal Diabetes in der. Aszendenz, einmal Fettsucht. 
Immerhin will Verf. erwähnen, daß wiederholt das Auftreten der 
Erkrankung bei Geschwistern beschrieben wurde. Für Lues, die 
v. Noorden und Wegeli einige Male angetroffen haben, ergab sich 
nur einmal ein Anhaltspunkt, jedoch kein: Beweis. Die Wa.-R. war 
in den Fällen, welche untersucht werden konnten, negativ. Die Be- 
vorzugung der semitischen Rasse, die man: beim Erwachsenen findet, 
ist beim Kinde nach v. Noorden weniger ausgesprochen, von den 
hier erwähnten Kindern war nur eins jüdisdh. ` Die. richtigste Vor- 
stellung, die wir uns von der Ätiologie machen können, ist wohl die, 
daß es sich um das Versagen eines bestimmten Organs. oder Organ- 
systems handelt, das durch angeborene Anlage nur eine beschränkte 
Lebensdauer besitzt. er o | Grätzer. 


——. 


"I. Referate.. 0, 107 


B. Aus ausländischen Zeitschriften. 


Ernest Sachs, Intracranial teleangiectasis: symptomatoly 
and treatment, with report of two cases. (Amer. Journ. of the 
med. Sciences. 150. $. '65.) Mitteilung zweier Fälle von zerebraler 
Teleangiektasie im Kindesalter. Beide verliefen unter dem Bilde der 
Jacksonschen Epilepsie. In beiden Fällen wurde operativ elin- 
gegriffen, im ersten Falle ohne, im zweiten mit Erfolg. Die Sektion 
des ersten Falles ergab ein Gefäßkonglomerat im Gebiete der ober- 
flächlichen Kortikalarterien der motorischen Region. Im zweiten 
Falle betraf die Teleangiektasie die Gefäße der Dura und Pia mater. 

Kurt Boas. 

J. H. Guntzer, Orbital abscess with optic neuritis duo 
to acute ethmoiditis in a child. Operation. Recovery. 
(Laryngoscope. September 1914. In dem Falle des Verf. handelte 
es sich um ein 7 jähriges Kind, das zuerst unter den Erscheinungen 
einer Schwellung des rechten Auges erkrankte. Es bestand deut- 
licher Exophthalmus. Der Bulbus stand nach unten und auswärts, 
Ferner bestand eine deutliche Zellentzündung der Orbita mit Schwel- 
lung der Ober- und Unterlider beiderseits. Der Visus betrug 20/20 
Die Bindehautgefäße waren infiziert. Die Fundusuntersuchung ergab 
eine rote Scheibe, der Rand war verwaschen, die Arterien normal, 
die Venen verbreitert. Die Diagnose lautete auf Neuritis optica. 
Es wurde an dem am meisten vorstehenden Teile der Nase eine 
Inzision gemacht oberhalb der Augenbraue und der Druck durch 
Eiterentleerung abgestellt. Am nächsten Tage wurde das ethmoidale 
Labyrinth von außen her eröffnet. 6 Wochen danach war der 
Augenhintergrund normal und der Visus betrug jetzt 2%/,.. 

K. Boas. 

A. Broca, Pseudo-mal de Pott hysterique. (Arch. d’elec- 
trieit6 med. 1916. 8.264.) In dem Falle des Verf.s handelt es sich 
um einen . 7jährigen Knaben, der ganz die Erscheinungen des 
Pottschen Buckels zeigte. Die Lendenwirbelsäule war nach hinten 
und etwas nach rechts konvex. Wenn Pat. etwas mit der Hand 
aufheben sollte, so stützte er sich mit der anderen Hand wiederholt 
auf den Schenkel vor dem Bücken. Dabei faltete er die Knie. 
Beim Befehl, aus dem Bett zu springen, fiel er auf die Beine in 
absolut gerader Haltung, aber nur für einen Augenblick, nahm dann 
gleich wieder die anomale Haltung an. Die Erkrankung bestand 
seit 8 Tagen und hatte begonnen nach einem Falle ohne Schmerzen. 
Im Röntgenbilde erschienen die Wirbelkörper vollständig in Ordnung, 
die Zwischenwirbelscheiben waren klar und regelmäßig auf der 
Röntgenplatte zu sehen. 2 Tage vor dem Falle hatte Pat. der Vor- 
stellung eines Buckligen in einem Kinematographen beigewohnt. 

Dies war also cie auslösende Ursache des hysterischen Pseudo potts. 
| K. Boas. 

C. Bacalogla et F. Souban, Sur l’origine embryonnaire des 
myopathies progressives. (Compt. rend. hebdomad. des Séances 
de la Société de Biolog. LXXIX. No.12. 1916. p. 559.) Verf. 
berichtet über zwei ‚Fälle von primärer Myopathie. Der erste Fall 


108 Zentralblatt für Kinderheilkunde, Nr. 5. 


entsprach dem ‚Type facio-scapulo-humoral“ von Landouzy- 
Dejerine, der zweite dem hypertrophischen Typus. 

Das Fettgewebe organisiert sich und ersetzt die degenerierten 
Muskelfasern. Es entsteht nicht aus der Umwandlung der Muskel- 
fasern, Der Ursprung dieser Fettzellen muß in den verbindenden 
Zellen des Sarkolemms gesucht werden, die autogenetisch dem 
embryonären Mesenchym des Bindefettgewebes am nächsten stehen. 
Die Gefäße und Nerven zeigen in den Fällen von progressiver 
Myopathie keinerlei Veränderungen. K. Boas. 

D. W. Wynkoop, Reflection on poliomyelitis. (Med. Record. 
90. 1916. S. 545.) Verf. berichtet ausführlich über seine Beobachtungen 
anläßlich einer Poliomyelitisepidemie. Das Durchschnittsalter der 
Patienten beträgt 5 Jahre, der älteste Kranke .war.16 Jahre, der 
jüngste 1 Jahr alt. Die Zeit zwischen dem Beginn der Erkrankung 
und der zu diagnostischen Zwecken ausgeführten Lumbalpunktion 
betrug 1—7 Tage. Lähmungserscheinungen zeigten von 24 Patienten 
acht. In einem Falle trat der Exitus ein. Eine teilweise oder voll- 
ständige Heilung innerhalb eines Monats wurde in 7 von 8 Fällen 
erzielt. Lähmungen beider Extremitäten lagen in 80°/, vor, Läk- 
mungen beider Füße in 10°/,, solche des rechten Armes in 10°/,, des 
rechten Oberschenkels in 10°/,, des Deltoideus in 10°/,, der Lenden- 
muskeln in 10°/,, der Nacken- und Atemmuskeln in 10°/,. Letztere 
verlaufen meist tödlich. Koryza, Nasen- und Rachenerscheinungen 
fehlten meist. An Prodromalerscheinungen war folgendes zu beob- 
achten: belegte Zunge in 90°),, Fieber in 100°/, Kopfschmerzen 
in 90°,, steifer Nacken in 80°), Erbrechen in 40°), Rücken- 
schmerzen in 40°/,, Gastroenteritis in 25°,, Reizbarkeit in 300/9, 
Konjunktivitis in 40°/,. Zwischen den ersten Krankheitssymptomen 
und den Lähmungserscheinungen lag in der Regel eine Frist von 
etwa einer Woche. Die Zahl der Lymphozyten betrug im Durch- 
schnitt etwa 233. Am höchsten war dieselbe in einem Falle mit 690. 
In diesem waren keine Lähmungen vorhanden. In 80°/, der Fälle 
zeigte sich der Liquordruck erhöht. Fälle ohne Erhöhung des Liquor- 
druckes verlaufen nach den Erfahrungen des Verf.s schwerer als 
lumbal punktierte. Wenn bereits eine Lähmung besteht, soll von 
einer Lumbalpunktion Abstand genommen werden. 10 Tage nach 
dem Beginn hat die Lumbalpunktion keine diagnostische Bedeutung 
mehr. Schädliche Nachwirkungen der Lumbalpunktion hat Verf. nie 
beobachtet. Es wird dann ausführlicher auf die Technik der Lumbal- 
punktion eingegangen. Postparalytische Schmerzen wurden in 100°), 
der Fälle verzeichnet. Diese können in den ersten Wochen eine 
große Ausdehnung annehmen. Man gebe keine Opiate, sondern ver- 
ordne Massage; man gebe die gewöhnlichen Analgetika. Empfehlens- 
wert ist auch das Einpacken der gelähmten Glieder in Wolle. Von 
Medikamenten ist Urotropin zu empfehlen. Verf. berichtet kurz 
über zwei differentialdiagnostisch schwierige Fälle. In dem ersten 
Falle war eine epileptische Hysterie auszuschließen, im zweiten Falle 
lag eine tertiäre syphilitische Neubildung nahe der Hirnbasis vor. 
Die differentialdiagnostische Entscheidung. wurde von der Lumbal- 
punktion geliefert. Obgleich ein niedriger Lumbaldruck vorhanden 


aa uM M ŘŘÁ ee e 


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II. Aus Vereinen und Versammlungen. 109 


war, sprachen die Symptome doch mehr zugunsten einer Polio- 
myelitis. Bezüglich der ätiologischen Auffassung der Poliomyelitis 
hält Verf. eine Infektion für vorliegend. Diese muß sehr elektivcn 
Charakters sein. Dies beweist z. B. ein Fall, in welchem von 
10 Kindern einer Familie, die alle unter 16 Jahre alt waren, nur 
1 Kind an Poliomyelitis erkrankte. Eine sechswöchentliche Quarantäne 
hält Verf. bei Poliomyelitis nicht für notwendig. K. Boas. 


I. Aus Vereinen und Versammlungen. 


XV. Tagung des Deutschen Vereins für Schulgesundheits- 
pflege und VII. Versammlung der Vereinigung der Schulärzte 
Deutschlands, Berlin, 16. und 17. Februar 1917. 


(Nach der D. m. W. 1917 Nr. 12.) 


Auf den Versammlungen beider Vereine gelangten die Themen: 

1. Ausbau des schulärztlichen Dienstes und 

2. Einfluß des Krieges auf die Gesundheit der Jugend 
zur Verhandlung. 

Der erste Verhandlungsgegenstand war gewählt worden, weil eine einheit- 
liche Regelung des schulärztlichen Dienstes und die Anstellung von Schulärzten 
an sämtlichen Gemeinden von seiten der preußischen Staatsregierung in Bälde 
zu erwarten steht. 

Steinhaus (Dortmund) behandelte die „Mindestforderungen an den schul- 
ärztlichen Dienst“. Diese bestehen in einer regelmäßigen Überwachung der 
hygienischen Einrichtungen des Schulhauses und seiner sämtlichen Nebenanlagen, 
auf dem Gebiete der Schülerhygiene in der Untersuchung der Schulneulinge, in 
regelmäßigen Klassenbesuchen und Sprechstunden für die Kinder und ihre -Eltern 
sowie in einer Nutzbarmachung aller örtlichen ärztlichen Einrichtungen und 
Wohlfahrtseinrichtungen hinsichtlich der sozialen Hygiene des schulpflichtigen 
Alters. Die sogenannten Reihen- oder Nachuntersuchungen geschlossener Jahr- 
gänge im dritten oder vierten und achten Schuljahre hielt der Vortr. für ent- 
behrlich, gab aber anheim, sie in der zu erlassenden einheitlichen Dienstanweisung 
vorzusehen. Diese muß schließlich eine Bestimmung darüber enthalten, daß der 
Schularzt in Fragen der Unterrichtshygiene, soweit ärztliche Gesichtspunkte in 
Betracht kommen, die Schulverwaltungen zu beraten hat. Die Erfüllung dieser 
Mindestanforderungen setzt eine besondere Ausbildung der Schulärzte in der 
Schulhygiene voraus, da diese weder durch die allgemeinen Universitätsstudien 
noch durch die praktische Erfahrung in ausreichendem Maße vermittelt werden. 
Die Schulhygiene stellt ein umfangreiches Spezialgebiet dar, auf dem besondere 
Kenntnisse vermittelt werden müssen. Dies ist möglich in Kursen für Ärzte an 
den Universitäten, an den Akademien für praktische Medizin und in Großstädten, 
die schon Fortbildungskurse auf anderen Gebieten aufweisen. Notwendige Formu- 
lare für den schulärztlichen Dienst sind: der Überwachungsbogen für jedes 
kranke Kind, die statistische Jahrestabelle über die ermittelten Krankheiten und 
eine  Übersichtstabelle über das Ergebnis der Lernanfängeruntersuchungen. 
Wünschenswerte Formulare sind: 1. der Personalschein für jedes Kind; 2. die 
Mitteilungen an die Eltern von dem ermittelten Krankheitszustande mit der Auf- 
forderung, die ärztliche Behandlung zu bewirken; 3. der anamnestische Frage- 
bogen an die Eltern vor der Einschulung des Kindes; 4. die Wägungs- und 
Messungstabellen sowie eine Übersicht über die Unterrichtsdispense. Für den 
zu erstattenden Jahresbericht hielt der Vortr. für notwendig: 1. einen Revisions- 
besuch über die hygienischen Einrichtungen des Schulhauses; 2. ein Journal für 
die Sprechstundentätigkeit; 3. Verzeichnis der Überwachungsschüler und 4. der 
Vorschläge zu besonderen Kuren. Mit diesen Formularen und Journalen ist die 
Erstattung eines Jahresberichtes möglich. Wenn der schulärztliche Dienst in 
dem geschilderten Umfange ausgeübt wird, so ist namentlich bei umfassender 


110 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 5. 


sozialhygienischer Betätigung und bei Erstattung eines Jahresberichtes eine 
Honorierung der te mit 75 Pf. pro Kind als angemessen anzusehen; unter 
den Satz von 50 Pf. sollte unbedingt nicht heruntergegangen werden. 

Bei der nachfolgenden Besprechung stellten sich die meisten Herren, Flachs 

(Dresden), Abel (Jena), Gottstein (Charlottenburg), Haag (Heilbronn) und 
Oebbecke (Breslau) — die beiden letzteren nur für das achte Schulentlassungs- 
jahr — auf den Standpunkt, daß geschlossene Untersuchungen ganzer Jahrgänge 
notwendig seien. Lewandowski (Berlin) hielt sie mit dem Vortr. für entbehr- 
lich. Flachs und Oebbecke halten den Personalschein für jedes Kind für 
unbedingt erforderlich, Haag erklärt ihn für wünschenswert. Die Erhebung der 
Vorgeschichte ist nach Ansicht ven Flachs, Gottstein und Lewandowski 
notwendig. Abel trat dafür ein, die Wägungen und Messungen sämtlicher 
Kinder vorzunehmen, da sie für anthropologische Studien unerläßlich seien. 
Haag erklärte sie für undurchführbar in den ländlichen Bezirken. Bezüglich 
der Sprechstunden betonte Lewandowski, daß sie täglich stattfinden müßten, 
während Haag betonte, daß sie auf dem Lande nicht einmal l4täglich möglich 
seien, wenn der Amtsarzt seinen ganzen Bezirk schulärztlich betraue. Er und 
Lewandowski hoben die Notwendigkeit des mündlichen Verkehrs mit den 
Müttern in der Sprechstunde hervor. Schriftliche Mitteilungen halten sie mit 
dem Vortr. für entbehrlich. Beninde (Berlin) wies darauf hin, man möge die 
Mindestanforderungen so stellen, daß sie auch für die ländlichen Bezirke maß- 
gebend sein könnten. Mit Abel ist er der Ansicht, daß die Krankheitsbegriffe 
fest umschrieben sein müßten, damit sich eine einheitliche, 1913 auch vom 
Reichstage gewünschte Morbiditätsstatistik ermöglichen lasse. 
Die Versammlung beschloß, dem Antrage des Vortr. folgend, die Bildung 
einer Kommission, die eine einheitliche Dienstanweisung, einheitliche Formulare 
und einheitliche Krankheitstabelle beraten und zusammenstellen soll. In die 
Kommission wurden gewählt: Oebbecke (Breslau), Thiele (Chemnitz), Starck 
(Fürth), Flachs (Dresden), Borchmeier (Recklinghausen), Steinhaus (Dort- 
mund) und ein noch zu bestimmender Oberamtsarzt aus Württemberg. | 

Die am nächsten Tage stattfindende Versammlung des Deutschen Vereins 
für Schulgesundheitspflege fand unter dem Vorsitze von Abel (Jena) statt. 


Bachauer (Augsburg) und Thiele (Chemnitz) behandelten dann das 
Thema: Die Einwirkung des Krieges auf die Gesundheit der Jugend. 

Bezüglich des Säuglingsalters führte Bachauer aus, daß der Ernährungs- 
zustand der Säuglinge infolge Gewährung von 1 Liter Milch noch nicht gelitten 
habe. Bedarf und Angebot decken sich zurzeit noch. Ungünstige Momente sind 
aber die körperliche Schwäche der. stillenden Mütter und die umfangreiche 
Frauenarbeit. Bachauer teilt Erfahrungen aus dem Augsburger Wöchnerinnen- 
heim und der Mütterberatungsstelle mit. Die Neugeborenen hatten 1913 und 
1916 das gleiche Gewicht. Bei dem Vergleich von 1070 Säuglingen aus den 
Jahren 1913 und 1916 im Alter von 2, 3 und 6 Monaten ergab sich, daß die 
2- und 3monatigen Kinder eine durchschnittliche Gewichtsabnahme von 100 g 
aufwiesen, die 6monatigen eine durchschnittliche Zunahme von 100g. Bei den 
Kleinkindern hat sich keinerlei ungünstiger Einfluß des Krieges bislang gezeigt. 
Massenuntersuchungen fehlen leider. Bachauer hat 1319 Kleinkinder unter- 
sucht und dabei festgestellt, daß Gewichtszunahme und Längenwachstum sich 
mit den Zahlen von Camerer und Friedenthal deckten. Auch der v. Pirquet- 


3 
Index ae 75 hielt sich in entsprechender Höhe. Messungen, Wägungen, Inspek- 
tion und Bestimmung der Indizes beweisen, daß die Kleinkinder nicht unterernährt 
sind. Thiele führte aus, daß neben den günstigen Einflüssen — erhöhte Pflege 
der Leibesübungen und Gewährung freier ärztlicher Behandlung der Kinder der 
Kriegsteilnehmer durch die Kriegsfürsorge — eine Reihe ungünstiger sich geltend 
gemacht habe. Dahin sind zu rechnen die Frauen- und Kinderarbeit, der Seifen- 
mangel, der zu einer Verme der parasitären Hautkrankheiten (Krätze und 
Läuse) geführt hat, die mangelnde Reinigung, Lüftung und Heiz der Schul- 
räume. Hinsichtlich der Ernährung glaubt Thiele feststellen zu können, daß 
wir von 1916 ab den schädigenden Einfluß der Nah inschränkung datieren 
können. Die Untersuchungen der Autoren aus den Jahren 1914/15 sind nicht 
mehr verwertbar (Bachauer, Thiele, Lommel, Hepner, Hamburger Ärzte- 
verein); Schlesinger hat mit der maßgebenderen Verwertung örtlich vorge- 


II. Aus Vereinen und Versammlungen. | 111 


nommener Untersuchungen ermittelt, daß die jüngeren Kinder ein geringes 
Zurückbleiben in der Gewichtszunahme, die Kinder besserer Familien und. die 
älteren Kinder größere Gewichtsverluste zeigen, die durch Fortfall der Luxus- 
ernäh bzw. Verlust der Fettreserven bedingt sind. Thiele hat durch eigene 
Untersuchung in Chemnitz, in Fabrikvororten, kleinen Landstädten und rein 
ländlichen Gemeinden festgestellt, daß die l4jährigen Kinder !/,—1 kg und mehr 
Gewichtsverlust aufwiesen. Dieses ist unbedenklich bei gesunden Kindern. Der 
Gesundheitszustand war im allgemeinen günstig. Im besonderen ergab sich bei. 
den Schulneulingen eine Steigerung der Zahl der Kinder mit ungenügendem 
Ernährungszustande und der Zahl der Tuberkuloseerkrankungen; bei den 14 jährigen 
' Kindern zeigten sich dieselben Erscheinungen, daneben aber eine erhebliche Zu- 
nahme der Fälle von Blutarmut. Die Mehrzahl der. schlecht genährten Kinder 
ist schon vorher minderwertig gewesen. Der Krieg hat gelehrt, daß die kon- 
stitutionelle Anlage das Wichtigste ist, da die konstitutionell schwachen Kinder 
besonders gefährdet sind. Zusammenfassend führte Thiele aus, daß für die 
esamte Schuljugend sich ernstliche Schädigungen durch den Krieg nicht ergeben 
ätten; ungünstig seien die Verhältnisse in den Städten, dagegen sehr günstig 
in den ländlichen Bezirken. Um Gefahren von den Kindern fernzuhalten, empfahl 
er in Anlehnung an die Eingabe des Deutschen Städtetages: 1. die Gewä 
von Milch, Käse und Quark an die 7—12jährigen Kinder; 2. die Bereitstellung 
der Gerste für die Ernährung der Kinder; 3. die Entsendung möglichst vieler 
Kinder zu einem Landaufenthalte; 4. die ärztliche Überwachung des Kindes. 
Bachauer verwies auf die Untersuchungen Schlesingers an der schulent- 
lassenen Jugend und ergänzte seine Ausführungen durch die Mitteilung über das 
Ergebnis eigener Untersuchungen an 338 Schulentlassenen. Er fand eine größere 
Gewichtsabnahme bei den 16jährigen. Es ist daher der schulentlassenen Jugend 
bezüglich der Ernährung besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. 

In der Besprechung betonten Flachs (Dresden) und Lewandowski 
(Berlin) an Hand eigenen Materials, daß geringe Gewichtsabnahmen (bis 1 kg) 
festgestellt werden konnten. In dem Schulbezirke Lewandowskis zeigten 1915 
60°), und 1916 45,3°/, der Schulneulinge Gewichtsabnahmen. Er hob mit Roth 
(Braunschweig) hervor, daß die eingeführten öffentlichen und Schulspeisungen 
eine Besserung der Verhältnisse bewirkt hätten. Rabnow (Schöneberg), Kraut- 
wig (Cöln) und Lewandowski legten ebenfalls der Entsend möglichst vieler 
Kinder auf das Land große Bedeutung bei. Sie führten aus, daß das Gesamtbild, 
das die schulpflichtige Jugend darböte, ungünstiger geworden sei. Rabnow und 
Krautwig wiesen darauf hin, daß es den Säuglingen infolge Einführung der 
Reichswochenhilfe und der Ausdehnung der Fürsorge gut gehe. Lewandowski 
fand 3—5°/, der Schulentlassenen für die militärische Vorbereitung ungeeignet. 
Seydel (Charlottenburg) und Weber (Berlin) teilten für die höheren Lehr- 
anstalten und für die Volksschulen mit, daß seit Herbst 1916 ein Umschlag in 
den Gewichtsverhältnissen der Kinder eingetreten sei. Ernstlichere Schädigungen 
hätten sich aber noch nicht eingestellt. Steinhaus (Dortmund) lenkte mit 
Thiele die Aufmerksamkeit auf die Beobachtung, daß die Tuberkulosesterblich- 
keit und die Erkrankungen an offener Tuberkulose unter den Kindern infolge 
Aktivierung latenter Herde durch die Herabsetzung der Widerstandskraft, die 
auf die Unterernährung zurückzuführen ist, eine Zunahme zeigen. Dieser Tat- 
sache ist im schulärztlichen Dienst besondere Beachtung zu schenken. Kehr 
(Düsseldorf) wies darauf hin, daß die erhöhte Zufuhr von Fruchtsäften in der 
Nahrung zu einer Zunahme der Zahnkrankheiten geführt habe. Die Zeit sei aber 
noch zu kurz, um ein abschließendes Urteil zu ermöglichen. 


Präsident Bumm (Kaiserliches Gesundheitsamt) dankte zum Schlusse im 
Namen der Behörden für die anregenden Verhandlungen, die es den Behörden 
ER ee hätten, sich ein Bild von den in Frage kommenden Verhältnissen zu 
schaffen. 

Abel führte im Schlußwort aus, daß der Vorstand des- Vereins geeignete 
Anträge — u. a. den Antrag auf Brotzulage für die 17—18jährigen Jugend- 
lichen — an die in Frage kommenden Behörden abfassen werde. 

Die Notwendigkeit der schulärztlichen Überwachung für die gesamte deutsche 
Jugend und ihr Ausbau nach dem Kriege. | 


| Gastpar (Stuttgart) betonte einleitend, daß zum ersten Male von einer 
schulärztlichen Beaufsichtigung der gesamten Jugend die Rede sei. Das be- 


112 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 5. 


deute ein Programm für die Zukunft. Schulärzte seien die Ärzte nur insoweit 
als es sich um die Fernhaltung der Schädigungen der Kinder durch den Betrieb» 
der Schule und den Unterricht handelt. Alles andere geht über die Pflicht der 
Schule hinaus, ist soziale Hygiene, die in Verbindung mit der Schule betrieben 
werden kann. Die Beseitigung der ermittelten Krankheitszustände macht die 
wesentliche Arbeit aus; die medizinalpolizeiliche Tätigkeit an den Schulen ist 
in 6 Wochen erledigt. Die schulärztliche Überwachung der Jugend weist noch 
wesentliche Lücken auf, die des Ausbaues bedürfen: Schulärzte fehlen auf dem 
Lande, an den höheren Lehranstalten, an den Fortbildungsschulen und bei den 
Jugendorganisationen, wo sie die Einstellungsuntersuchungen vorzunehmen und 
die Überwachung durchzuführen hätten. Notwendig ist schließlich die Über- 
wachung des Spielalters.. Die Überwachung in den Schulen kommt meist zu 
spät. Die Infektionskrankheiten, die Tuberkulose, die Rachitis und Skrofulose 
schädigen das Kind vor der Einschulung. Die hygienischen Einrich en der 
Kindergärten und Horte sind auch oft genug nicht einwandfrei. Die schulärzt- 
liche Tätigkeit muß sich auch auf sie erstrecken. Um dem Schularztdienst diesen 
Ausbau zu geben, steht uns ein Weg offen, der der Gesetzgebung; er darf nicht 
in das Belieben einzelner Gemeinden und Schulverwaltungen gestellt werden, 
wobei nicht verkannt werden soll, daß einzelne Gemeinden Vorbildliches bisher 
schon geleistet haben. Vortr. besprach dann eingehend das württembergische 
Gesetz vom Jahre 1912, das den beamteten Ärzten den Schularztdienst über- 
tragen hat. Dieses Gesetz enthält Bestimmungen über die Mindestleistungen der 
Schulärzte. Die Gemeinden können über sie namentlich bezüglich der sozialen 
Fürsorge hinausgehen. Diese Fürsorgetätigkeit kann nicht gesetzlich geregelt 
werden. Es besteht Einmütigkeit in Sachverständigenkreisen darüber, daß dem 
Schularzt die Fürsorgeschwester beigegeben werden muß. Für die Mindestleistungen 
des Schularztes sind bestimmte Formulare nötig; im übrigen kann, namentlich 
hinsichtlich der sozialen Fürsorge, der Schularzt sich seinen Dienst so einrichten, 
wie er es für nötig hält. Die Kosten der Fürsorge für die Kinder können von den 
Landesversicherungsanstalten und Krankenkassen getragen werden. Beiträge von 
seiten der Gemeinden sind nicht zu umgehen; sind diese besonders bedürftig, so 
sind Staatsbeiträge vorzusehen. Höhne (Berlin) stellte die Forderung auf, daß 
der Schularzt für alle Volks-, Mittel- und Fortbildungsschulen zu verlangen sei. 
Er wies auf Beschlüsse verschiedener Lehrerverbände hin, die den fachmännisch 
vorgebildeten Arzt als Berater jeder Schule verlangt hätten. Nach einer Zusammen- 
stellung des preußischen Ministeriums hatten 1911 nur 2100 von 52000 Gemeinden 
in Preußen Schulärzte; auf rund 25 Gemeinden kam also nur ein Schularzt. 
Besonders ist die Versorgung der ländlichen Gemeinden mit Schulärzten ins 
Auge zu fassen. Von 64/, Millionen Volksschulkindern wachsen 3 Millionen in 
Preußen auf dem Lande auf. Dominikus (Schöneberg) und Marschall v. d. Goltz 
hatten auf dem Fortbildungsschultage den Schularzt für diese Kategorie von 
Schulen bereits verlangt. Vier Städte im Reiche haben aber erst Fortbildungs- 
schulärzte. Auch die Privat- und Sonderschulen sind ärztlich zu überwachen. 
Die Schulkindergärten nach dem Muster Charlottenburgs sind weiter auszubauen. 
Höhne verbreitete sich dann über die Ausgestaltung des schulärztlichen Dienstes. 
Die dienstlichen Obliegenheiten müssen einheitlich gestaltet werden. Die Be- 
stimmungen müssen klar, nicht zu eng umgrenzt und für Stadt und Land die 
gleichen sein. Im übrigen sei den Gemeinden freie Bewegung zu lassen, da der 
Staat nur die Mindestforderungen normieren könne. Auch die Vordrucke für den 
ärztlichen Dienst seien tunlichst zu vereinfachen und vorher von den Pädagogen 
zu begutachten; die Führung des Personalscheins soll ohne viel Schreibarbeit für 
die Lehrer möglich sein. Fürsorgeämter, Schulschwester und Familienversicherung 
können uns nur vorwärts bringen, wenn es sich darum handelt, die kranken 
Kinder zu heilen. Große Bedeutung hat die Untersuchung der letzten Jahrgänge 
zum Zwecke der Berufsberatung. Für die Verhältnisse nach dem Kriege hat sich 
die schulärztliche Tätigkeit besonders der Fürsorge für die ihres Ernährers be- 
raubten Kinder, der militärischen Jugendvorbereitung und der Förderung be- 
sonders begabter Kinder zuzuwenden. Wie Höhne sich diese letztere Betätigung 
denkt, ist unklar. Neu und bemerkenswert war indes ein anderer Vorschlag, 
die schulpflichtig werdenden Kinder 1 Jahr vor der Einschulung ärztlich zu 
untersuchen; ich glaube, daß seine Durchführung ernstlicher Erwägung wert ist. 


Roller (Darmstadt) behandelte noch einmal die Frage des Ausbaues der: 


III. Therapeutische Notizen. 113 


schulärztlichen Tätigkeit an den höheren Lehranstalten. Der von ihm in der 
Einleitung gegebene historische Überblick lehrte, welcher Widerstand von seiten 
der Pädagogen dem Bestreben, auch die Schüler und Schülerinnen höherer Lehr- 
anstalten ärztlich zu betreuen, entgegengesetzt wird. Es waltet noch immer der 
Gedanke ob, daß der Schularzt Vorgesetzter der Lehrkörper werden könne und 
daß öfters Konflikte unabweislich seien. So fest hat sich dieser Gedanke ein- 
genistet, daß trotz der Erfahrungen in Sachsen-Meiningen seit 1901 und seit 
Erlaß des württembergischen Schularztgesetzes 1912, trotz der Erfahrungen in 
einer Reihe deutscher Städte und trotz der Referate von Gastpar (1905), 
Schmidt, Wehrmann (1907) und Profé (1907), Leubuscher und Döll 
(1911), Dörnberger und Stelzner (1914), sich der Schularzt an der bei 
weitem größten Zahl der Gemeinden noch keinen Eingang verschafft hat. 
Roller konnte deshalb auch nur feststellen, daß der Widerstand der Oberlehrer 
noch vorhanden ist und daß überall da, wo Schulärzte an höheren Lehranstalten 
sich betätigen, keinerlei Unannehmlichkeiten sich herausgestellt hätten. Sie sind 
auch undenkbar. Auch der Einwand, daß das Elternhaus für die Kinder Sorge 
genug trage, ist hinfällig; abgesehen davon, daß dies oft genug nicht der Fall ist, 
sind viele Eltern höherer Schüler pekuniär ungünstig gestellt. Nach einer von 
Roller mitgeteilten Statistik waren bei 10—19°/, der Schüler von Realanstalten 
die Eltern Handwerker und Subalternbeamte. Der Vortr. stellte deshalb erneut 
die Forderung nach Schulärzten an allen höheren Lehranstalten. Ihre Haupt- 
aufgabe habe darin zu bestehen, ein richtiges Bild über den körperlichen und 
geistigen Zustand der Schüler zu gewinnen und beide fortlaufend zu kontrollieren, 
Vorkehrungen zu treffen, daß Schädigungen durch den Schulbetrieb von den 
Kindern ferngehalten blieben und die als krank ermittelten der ärztlichen Behand- 
lung zuzuführen. Der Schularzt hätte auch an den höheren Lehranstalten der 
Hygiene des Schulhauses seine Aufmerksamkeit zuzuwenden und in Fragen der 
Unterrichtshygiene beratend mitzuwirken. Eine wichtige Aufgabe der Schulärzte 
erblickt Roller in einer planmäßigen Elternbelehrung. ; 

In der sich anschließenden Besprechung wurde besonders Beachtliches 
‚nicht vorgebracht. 


III. Therapeutische Notizen.') 


* Über Seifenersatz schreibt K. Oppenheimer (München): In der Zeit 
der Seifenknappheit dürfte vielleicht ein Verfahren interessieren, das ich in der 
Notkrippe an der Auerfeldstraße 6 seit etwa 6 Wochen mit gutem Erfolg an- 
wende. Nach allerhand Versuchen, bei denen mich der Besitzer der Chemischen 
Fabrik Aubing, Herr Dr. Bloch, in dankenswerter Weise mit seinem fach- 
männischen Rat unterstützte, werden die Kinder in der genannten Krippe im 
täglichen Bade statt mit Seife mit Bolus alba gewaschen, dem 21/,°/, kalzinierte 
(wasserfreie) Soda zugesetzt ist. Von dem anfänglich probierten Zusatz von 
10 bzw. 5°/, Soda mußte Abstand genommen werden, weil die Haut an den 
Händen der Pflegerinnen rissig wurde. Der jetzige Zusatz von 2?/,%/, Scda ge- 
nügt vollständig zur Säuberung der Kinder und greift die Hände der Pflegerinnen 
nicht an, obwohl eine der Damen täglich 20 Kinder zu baden hat. Sämtliche 
Kinder, auch die Säuglinge, vertragen die Waschung gut, die aber nur auf den 
Körper Anwendung findet. Die Köpfe der Kinder werden mit einer Gallerte ge- 
waschen, die jeweils am Abend zuvor in der Weise hergestellt wird, daß 10g 
Soda und 10g feingeschnittene Seife mit 1 Liter Wasser aufgekocht werden. Für 
ein Kind braucht man täglich etwa 15g von dem Bolus-Sodapulver, was einer 
Ausgabe von 0,3 Pfennig gleichkommt. Das Pulver wird wie Seife auf einen 
Waschlappen genommen. Ebenso wie Bolus läßt sich auch Kaolin (Tonerde) 
verwenden, das noch billiger und stets erhältlich ist. 

(M. m. W. 1916. Nr. 18.) 

* Über Seifenersatz. Von Prof. Karl Herxheimer. (Aus der Dermato- 
logischen Universitätsklinik in Frankfurt a. M.) Wenn man Talk, Bolus oder ähn- 
liche Silikate durch Bindemittel zusammenschweißt, so läßt sich die Masse in 


1) Die mit * bezeichneten Notizen beziehen sich auf Erwachsene. 
Zentralbl. f. Kinderhikde. 22. 10 


114 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 5. 


Stücke pressen, die sich nach dem Aussehen und in der Form von der gewöhn- 
lichen Waschseife nicht unterscheiden, so daß also die Suggestion vorhanden ist, 
daß man gewöhnliche Seife vor sich habe. Eine solches Präparat stellt die Frank- 
furter Hirsch-Apctheke her, wobei die Silikate durch einen Pflanzenschleim zu- 
sammengehalten werden und wobei die reinigende Wirkung durch Zusatz ven 
Saponinen erhöht ist. Wenn man mit einem derartigen Seifenersatz, dessen Be- 
standteile in Deutschland jederzeit reichlich vorhanden sind, und der absolut 
fettfrei ist, sich z. B. die Hände wäscht, so bekommt man auf den Händen 
scheinbar einen schaumigen Überzug, der nach einiger Reibung mit Wasser ab- 
gespült wird, die Hände werden dann ebenso rein wie nach Gebrauch der rich- 
tigen Seife. Dieser Überzug ist aber kein richtiger Schaum, sondern, wie auch 
das Mikroskop lehrt, ein weißlicher Brei, der zahlreiche Kristalle enthält. Zwar 
finden sich hierin auch einzelne Blasen, es sind aber Luftblasen, die durch den 
Druck des Deckglases ihre Gestalt verändern. Beim richtigen Schaum findet sich 
Blase an Blase, die wohl, weil sie einen feinen Überzug von fettsaurem Natron 
haben, ihre Gestalt auf Druck nicht verändern. Der Seifenersatz hat den Vor- 
zug, nicht abzubröckeln, wenn er nicht sehr stark durchnäßt wird. Ferner ist er 
außerordentlich sparsam, da Stücke in der gewöhnlichen Seifenform im Gewicht 
von etwa 100g nach l4tägigem Gebrauch kaum abnahmen; ein weiterer Vor- 
zug ist die Billigkeit, da sich ein Stück wie das genannte auf etwa 20 Pfennige 
stellt. Zu diesem Preis ist die Seife in der Hirsch-Apotheke in Frankfurt a.M., 
in deren Laboratorium sie hergestellt wird, als Sapartil zu haben. Wenn man sich 
einige Wochen mit dem Seifenersatz wäscht, verspürt man ein angenehmes Ge- 
fühl in der Haut. Allerdings macht bei fortgesetztem Gebrauch der Seifenersatz 
die Haut etwas trocken, jedoch ist er bisher wochenlang auch von empfindlicher 
Haut ohne jeden Nachteil ertragen worden. Selbstverständlich ist er auf behaarter 
Haut, insbesondere der Kopfhaut, nicht anzuwenden, ebensowenig eignet er sich 
zum Rasieren. Ein kleiner Nachteil ist ferner das Schmutzigwerden des Wasch- 
wassers und Flecke, die der Brei auf Stoffen, z. B. Kleidern, macht; diese können 
jedoch ohne weiteres vollkommen durch Bürsten entfernt werden. Der An- 
wendungskreis des Seifenersatzes ist bisher nicht auf die Wäsche ausgedehnt 
worden, durch die mechanischen in dem Ersatz enthaltenen Mittel wird vielleicht 
die Wäsche auf die Dauer beschädigt. Der Seifenersatz hat ferner die Fähig- 
keit, Medikamente, scgar in Lösungen, aufzunehmen. Es können bis zu einem 
gewissen Prozentsatz Schwefel, Salizylsäure und deren Salze, Naphthol, Teer, 
Sublimat usw. inkorpcriert werden. Aber auch ohne die Medikamente eignet sich 
die Seife in hervorragender Weise zur Entfernung ven Schuppen auf unbehaarter 
Haut, eine Eigenschaft, die namentlich für die Behandlung der Psoriasis wichtig 
ist. Es ist hiernach kaum nötig hervorzuheben, daß bei solcher Haut, bei der 
mechanische Alterationen vermieden werden müssen, der Seifenersatz keine An- 
wendung finden darf, z. B. bei Ekzemen. (B. kl. W. 1916. Nr. 17.) 


* Über die Höhensonnenbehandlung des Lupus und anderer tuberkulöser 
Erkrankungen der Haut. Von Priv.-Doz. Dr. G. A. Rost. (Aus der Universitäts- 
klinik für Hautkrankheiten in Bonn.) Ä 


1. Durch Allgemeinbestrahlung mit der künstlichen Höhenscenne allein 
kann bei Lupus und anderen tuberkulösen Erkrankungsformen der Haut und 
der Schleimhäute neben einer auffallenden Besserung des Allgemeinzustandes 
eine — unter Umständen an Heilung grenzende — günstige örtliche Beeinflussung 
erzielt werden. 


2. Beschleunigt und vertieft werden kann diese örtliche Besserung durch 
Kombination mit Quarzlampenbestrahlung. | 


3. Dieses kombinierte Verfahren gestattet die Behandlung schwerster 
Formen. Es ist infolge der geringen örtlichen Reaktionen fast schmerzlcs und 
infolge der Abkürzung der Gesamtbehandlungsdauer wie der Dauer der einzelnen 
Sitzungen erheblich billiger als z. B. die bisherige Lichtbehandlung, ohne be- 
züglich der Resultate hinter dieser zurückzustchen; im Gegenteil bezüglich der 
Dauerheilung diese letztere vielleicht noch übertreffend. 


4. Für Schleimhautlupus sowie die Formen der chirurgischen Tuberkulose 
eignet sich besonders die Kombination mit (gefilterten) Röntgenstrahlen. Auch 
hierbei ist eine Beschleunigung des Heilungsprozesses unverkennbar. 

(D. m. W. 1915. Nr. 39.) 


III. Therapeutische Notizen. 115 


Pellidolsalbe als Ekzemmittel. Von Universitätsdozenten Dr. S. C. Beck in- 
Pest. Verf. wendet die 2°/,ige Pellidolsalbe schon seit längerer Zeit sowohl bei 
Gesichtsekzemen exsudativer Kinder wie auch bei chrcnischen, mit Licheni- 
fikation einhergehenden Ekzemen der Erwachsenen an und war mit der Wirkun 
des Mittels zumeist sehr zufrieden. Besonders günstig schien die Pellidolsalbe 
bei Lighen sol. chron. Vidal der Hinterhaupt- und Nackengegend mit sekundärer 
Ekzematisatien zu wirken. Da aber das Vaselin speziell bei Kindern keine ideale 
Salbengrundlage ist, benutzt Verf. oft an Stelle des Vaselins Unguent. simpl. 
bzw. emolliens.. Es steht jedoch außer Zweifel, daß das Pellidol auch Reiz- 
erscheinungen hervorrufen kann, so daß bei seiner Verordnung gewisse Vorsicht 
geboten ist, geradeso wie z. B. bei Teerpräparaten. 

| (M. m. W. 1915. Nr. 51.) 

* Über den Einfluß der vollständigen Gaumenmandelentfernung (Tonsillek- 
tomie) auf den Gelenkrheumatismus. Von Marine-Assistenzarzt Dr. Walther 
Taube. Verf. kommt zu folgendem Ergebnis: f 

1. Bei allen an Gelenkrheumatismus und ähnlichen, leichteren oder schwereren 
Allgemeinerscheinungen Erkrankten ist auf die gründliche Untersuchung der 
Mandeln das größte Gewicht zu legen. Der Arzt muß vor allem daran denken, daß 
ein Zusammenhang besteht, daß Herderkrankung und Allgemeinerscheinungen 
hinsichtlich ihrer Schwere sich durchaus verschieden verhalten können, daß endlich 
den Patienten ihre Mandelgrubenerkrankung gar nicht zum Bewußtsein zu 
kommen braucht. ; | 

2. Ist einmal die Mandelgrubeneiterung. als Grunderkrankung des Gelenk- 
rheumatismus sicher festgestellt, dann scll der Arzt die Mandeln restlos und 
gründlich entfernen oder dafür Sorge tragen, daß der Eingriff in seinem Sinne 
von einem Facharzt ausgeführt wird. Ein guter Zustand der Mundhöhle ist für 
die Operaticn unerläßlich. u 

3. Über den Wert oder Unwert einer Behandlungsart entscheiden nicht 
nur einige charakteristische Fälle, sondern eine große Anzahl. Deshalb ist es letztens 
nötig, daß jeder Arzt möglichst viele Fälle von tonsillar bedingtem und behan- 
deltem Gelenkrheumatismus zusammenstellt; Hauptwert muß vor allem auf 
die erzielten Dauererfolge gelegt werden. Ganz besonders berufen dazu, die 
Methode der Mandelbehandlung bei Gelenkerkrankungen und die Dauererfolge 
bis ins einzelste nachzuprüfen und zu beurteilen, erscheinen die Militärärzte. 
Denn keinem Arzt steht so viel einschlägiges Material zu Gebote, und keiner 
kann das endgültige Schicksal seiner Patienten so genau verfolgen wie der Militär- 
arzt, der jeden Behandelten nicht nur während der Dienstzeit beobachten, son- 
dern jahre- und jahrzehntelang über ihn die genauesten Erkundigungen ein- 
ziehen kann. (Ztschr. f. ärztl. Fortbild. 1915. Nr. 22/23.) 


* Hexophan, ein neues Mittel gegen Gicht und Rheumatismus. Von 
Dr. L. Ad. Beeck (Berlin). Verf. hat bei interner Darreichung von 3—4mal 
täglich 1 g sehr gute Erfolge erzielt. (D. m. W. 1916 Nr. 16.) 

* Eine vorläufige Mitteilung über Behandlung der Trigeminusneuralgie mit 
Trichloräthylen machte Pleßner. Das Mittel wird auf Watte geträufelt zum 
Inhalieren. Manchmal genügen 3—8 Tropfen, aber es können auch 30—60 
nötig sein. Die Methode hat sich sehr gut bewährt, besonders wenn sie recht- 
zeitig angewandt wurde. Von den 14 Fällen wurden 5 in wenigen Tagen mit 
sehr kleinen Dosen geheilt, 6 erst-nach 3—6 Wochen. 

(Berl. Gesellsch. f. Psych. u. Nervenkrankh., 13. III. 16.) 
Heilung eines Falles von Morbus maculosus Werlhofi durch Koagulen 
Kocher-Fonio. Von Doctorand med. Christo Duschkow-Kessiakoff in Sofia. 
Es handelte sich um einen recht schweren Fall bei einem 5!/, Monate alten 
Kinde, bei dem die Injektion von lccm einer 10°/,igen Koagulenlösung, in 
physiologischer Kochsalzlösung gelöst, subkutan Heilung herbeiführte. 
(D. m. W. 1916. Nr. 25.) 


Sennax in der Kinderpraxis. Von Dr. Kollwitz in Berlin. In neuerer 
Zeit hat die chemische Fabrik Knoll ein Sennapräparat geschaffen, das Sennax, 
welches vor den bisher angewandten Sennesblätterzubereitungen wesentliche Vor- 
züge zu haben scheint, namentlich für die Kinderpraxis, weil es gern genommen 
wird, sehr gut haltbar ist, bequem dosiert werden’ kann und keinerlei Kneifen 
verursacht. Man hat aus den Folia Sennae das wirksame Glykosid extrahiert, 
von den harzigen Bestandteilen befreit und in eine angenehm schmeckende 


10* 


116 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 5. 


Zubereitung übergeführt. Es gibt Sennaxtabletten, die Verf. nur ältere Kinccr 
nehmen läßt, meist ein Stück vor dem Zubettgehen, und flüssiges Sennax, das 
Verf. für die kleineren Kinder vorzieht, !/,—1l Kaffeelöffel voll abends. Auch 
Säuglingen von 3 Mcnaten ab läßt Verf. etwa 1/, Kaffeelöffel voll bei hart- 
näckigen Obstipaticnen geben. Verf. hat nie über Störungen oder mangelhafte 
Erfolge zu klagen gehabt, so daß er das Sennax für die Kleinkinderprskis als 
zweckmäßiges Abführmittel empfehlen kann. (D. m. W. 1916 Nr. 28.) 


Über Keuchhustenbehandlung. Von Dr. Kurt Ochsenius, Kinderarzt in 
Chemnitz. In einer früheren Arbeit hat Verf. auf Grund eines Materials von 
95 Fällen eine neue Behandlungsweise des Keuchhustens beschrieben. Inzwischen 
ist die Zahl der so in der Privatpraxis behandelten Kinder auf 447 gestiegen, 
das Verfahren selbst noch weiter ausgebaut worden, so daß Verf. sich berechtigt 
glaubt, hierüber an dieser Stelle zu berichten. Nach seiner Erfahrung findet 
man klinisch die ersten und bei komplikationslosen Fällen einzigen Veränderungen 
stets im Rachen: Rötung und Schwellung der Schleimhaut, besonders an den 
Seitensträngen. Am besten kann man das bei Säuglingen beobachten, deren 
Rachenschleimhaut gewöhnlich noch nicht durch Katarrhe verändert ist. Dem 
objektiven Befunde entsprechend klagen die erwachsenen Patienten, deren Verf. 
fünf aus wissenschaftlichem Interesse mitbchandelt hat — Mütter, die sich an 
ihren Kindern infiziert hatten —, über ein Gefühl kr mpfartigen Zusammen- 
ziehens im Halse, das allmählich immer stärker wird, bis ein Hustenanfall erfolgt, 
nach dem vorübergehend Ruhe eintritt. Dieser Vorgang beruht darauf, daß der 
vermehrt abgescnderte Schleim auf die Schleimhaut des Rachens läuft; da nun 
beim Keuchhusten die Reflexzone für den Hustenreiz stark vergrößert ist, so 
löst jede Berührung der hinteren Rachenwand und der Umgebung des Kehl- 
kopfes einen Hustenanfall aus. Verf. suchte nun vor allem die katarrhalischen 
Erscheinungen im Rachen durch Bepinseln, besonders der Seitenstränge, mit 
einer Höllensteinlösung zu bekämpfen, in dem Bestreben, die Entzündung zu 
lokalisieren und auf diese Weise gleichzeitig die Schleimabsonderung zu ver- 
mindern. Die Patienten spürten sofort Erleichterung und Befreiung, die mehrere 
Stunden anhielt, bis dann die Schleimabsonderung und damit der Hustenreiz 
von neuem einsetzte. In einer Anstalt müßte demgemäß ein idealer Erfolg zu 
erzielen sein, wenn man nach oder besser vor jedem drohenden Anfall die 
Pinselung ausführen könnte. Als Resultat seiner Versuche möchte Verf. für die 
Privatpraxis zusammenfassend folgendes empfehlen: Solange die Doppelanfälle 
andauern, wird am besten täglich 2mal, mindestens aber lmal gepinselt, und 
zwar mit einer 2°/,igen Arg.-nitr.-Lösung, von deren tadelloser Beschaffenheit 
man sich stets überzeuge. Wenn die Entzündungserscheinungen im Halse zurück- 
gehen und die Anfälle wesentlich abnehmen, kann man zu Pinselungen an jedem 
zweiten Tag übergehen, steigere aber, nicht zum mindesten auch aus psychischen 
Gründen, die Konzentration auf 3 und 4°/, und führe dies durch, bis der Husten 
völlig aufhört. Sehr bewährt hat sich Verf. im letzten Jahr als unterstützendes 
Moment das täglich 3malig durchgeführte Einträufeln einer Silberlösung in die 
Nase. 

Rp. Argent. proteinic. 
Argent. colloid. aa 0,1 
Aqua dest. ad 10,0 


D.S. Nasentropfen. 3mal täglich 5 Tropfen in die Nase träufeln. 

Es ist erstaunlich, welche enormen Schleimmengen aus dem Nasenrachen- 
raum entleert werden. In einer Reihe von Fällen bewährte es sich besonders, 
das Einträufeln in der letzten Stunde vor dem Schlafengehen 2mal vorzunehmen. 


(M. m. W. 1916 Nr. 26.) 


Verantwortlicher Redakteur: Sanitäterat Dr. Eugen Graetzer in Friedenau-Berlin. — Verlag 
von Johann Ambrosius Barth in Leipzig. — Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. 


Zentralblatt u 
Kinderheilkunde. 


Eine Monatsschrift für praktische Ärzte. 


22. Jahrgang. Juni 1917. Nr. 6. 


I. Referate. 


Theodor Franz und Max Kuhner, Über die Impfung von 
Schwangeren, Wöchnerinnen und Neugeborenen. (Heb- 
ammenlehranstalt und III. Geburtshilfliche Klinik Wien.) (Ztschr. 
f. Kinderhkde. XIII. 8.141.) In einem, wenn auch geringen Teile 
der Fälle wird durch vorherige Vakzination der schwangeren Mutter 
eine Unempfänglichkeit (Immunität) für Vakzine beim Neu- 
geborenen hervorgerufen. Diese Immunität dürfte nicht lange an- 
halten. Vom praktischen Standpunkte haben diese Verhältnisse keine 
Bedeutung. 

Die Impfung bei Neugeborenen verläuft im übrigen stets ohne 
jede Schädigung und erzielt sicher den. gleichen Schutz gegen Va- 
riola wie Vakzination in späteren Lebensperioden. Bekannt ist das 
Fehlen des Fiebers bei der Vakzine des Neugeborenen. Schick. 


J. Aug. Hammar, Mikroskopische Analyse der Thymus in 
14 Fällen sogenannten Thymustodes. (Ztschr. f. Kinderhkde. 
XIII. 8.153.) Schöne histologische Untersuchungen über Verände- 
rungen der Thymus bei Fällen von sog. Thymustod. Es ergibt sich, 
daß es nicht angängig ist, von einem festen Strukturbild der Thymus 
bei solehen Fällen zu sprechen, höchstens besteht eine gewisse Ver- 
schiebung des Strukturbildes im Verhältnis vom Mark zur Rinde, 
die aber doch noch innerhalb des Rahmens des Normalen zu liegen 
kommt. Diese Verschiebung spricht wohl für eine beeinflußte Thymus- 
funktion, erklärt aber nicht den akuten Tod. Schick. 


Fritz Heller, Der Blutzuckergehalt bei neugeborenen 
und frühgeborenen Kindern. (Hebammenlehranstalt und Kinder- 
klinik Straßburg.) (Ztschr. f. Kinderhkde. XIII. 8.129.) Unter- 
suchungen mittels der Mikromethode nach Bang. Die Reduktions- 
werte bei oben erwähnten Kindern bewegen sich im wesentlichen 
innerhalb derselben physiologischen Variationsbreite, wie sie dem 
älteren Säugling und dem Erwachsenen zukommt. Weder das Alter 
noch die Nahrungsmenge noch auch die Zeit der Nahrungsaufnahme 
hat irgendwelchen nennenswerten Einfluß auf das Verhalten des 
Blutzuckers. Auch der Harn des gesunden neugeborenen Kindes 
enthält in den ersten Lebenstagen keinen Zucker. Schick. 

Julius Zappert, Über ein gehäuftes Auftreten gutartiger 
Fazialislähmung beim Kinde. (Ztschr. f. Kinderhkde. XIII. 
S. 185.) Verf. hat von Ende Mai bis Anfang Juli 1914 vier 
Kinder mit frisch entstandener peripherer Fazialislähmung beobachtet 
(3 Knaben 9, 10, 11 Jahre, und ein 4 Jahre altes Mädchen). Das 

Zentralbl, f. Kinderhikde. 22. 11 


118 | Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 6. 


Einsetzen erfolgte bei völligem Fehlen irgendwelcher Begleiterscheinun- 
gen. Die elektrische Erregbarkeit war deutlich vorhanden, die Zuckung 
war etwas träger. Die Prognose der Fälle wurde günstig gestellt. 
Alle vier Fälle heilten innerhalb 2—3 Wochen. 

Zum Unterschiede von Fazialislähmung bei Poliomyelitis ist 
darauf hinzuweisen, daß bei diesen in der Regel deutliche Allgemein- 
symptome und zerebrale Reizerscheinungen im Beginn zu beob- 
achten sind. Trotzdem könnten beschriebene Fälle leichteste For- 
men von Poliomyelitis darstellen. Schick. 


J. Aug. Hammar, Gewisse Fälle von Thymusasthma im 
Lichte der Thymustopographie. (Ztschr. f. Kinderhkde. XIII. 
S. 218.) Topographisch-anatomische Betrachtungen, die dafür ver- 
wertet werden, daß die Dyspnoe und der Stridor inspiratorischer 
Art, wenn ein operatives Hervorziehen der Thymus Erleichterung 
schuf, nicht durch einen in oder gleich unterhalb der Brustapertur 
durch die Thymus auf die Luftröhre geübten Druck bewirkt sein 
kann; denn die Thymus wird bis an die Herzbasis immer umfang- 
reicher, und die Respirationsbeschwerden müßten beim Hervorziehen 
oder beim exspiratorischen Hervorpressen des Organs verstärkt werden. 
Die Druckstelle muß daher an oder unterhalb der dicksten Stelle 
der Thymus, d.h. an oder unterhalb der Herzbasis, gesucht werden. 
Unter Umständen. könnte schon die Bifurkationsstelle in Betracht 
kommen. Überdies kann sich die Thymus bei ihrer breiten Form 
beiderseits tief in die Pleurahöhlen vorbuchten und unter Umständen 
der freien Entfaltung der Lungen dann ein gewiß nicht geringes 
Hindernis entgegenstellen. 

Leider war Verf. nicht in der Lage, diese Verhältnisse an einem 
klinisch beobachteten Falle kritisch nachzuprüfen. Schick. 


A. Norgaard, Über eine quantitative Methode zur Be- 
stimmung von Eiter im Urin Pyelitiskranker mittels 
Wasserstoffsuperoxyd. (Reichshospital Kopenhagen.) (Ztschr. 
f. Kinderhkde. XIII. S. 244.) Eiterzellen zersetzen bekanntlich 
H,0,. Die entwickelte Luftmenge ist proportional der Anzahl der 
Leukczyten. Verf. hat einen einfachen Apparat konstruiert und 
die Brauchbarkeit desselben an zahlreichen Fällen durch Parallel- 
bestimmungen mittels Zählung der Zellen nachweisen können. 
| Schick. 


Janssen, Die Therapie des sogenannten Azetonerbrechens. 
(Aus der Kinderklinik in Göttingen.) (B. kl. W. 1916. Nr. 40.) In 
der Literatur ist das Krankheitsbild des Azetonerbrechens wieder- 
holt beschrieben worden. Das Wesen der Krankheit bezeichnet 
Hecker als ein Leiden, das sich als dem Kindesalter eigentümliche 
periodisch wiederkehrende Stoffwechselkrisen charakterisiere. Es äußert 
sich in schweren Fällen durch hartnäckiges, mehrere Tage andauerndes 
Erbrechen alles Genossenen, starke Ausscheidung von Azetonkörpern 
durch Urin und Atemluft, bedeutenden Kräfteverfall und rasche 
Rekonvaleszenz; in leichten Fällen durch schwer beeinflußbare Ver- 
dauungsbeschwerden mit Neigung zu Erbrechen und Verstopfung, 
Kräfteverfall und Ausscheidung von Azetonkörpern. 


I. Referate. 119 


Wie Waldvogel und Hillinger nachwiesen, ist schon eine 
geringe Azetonmenge im gesunden kindlichen Organismus physio- 
logisch. Eine gesteigerte Menge von Azetonkörpern tritt bei Inanition, 
vor allem bei dem Fehlen von Kohlehydraten auf. Die Bedeutung 
des Azetons bei Infektionskrankheiten hat L. F. Meyer bearbeitet. 
Er folgert, daß bei infektiösen Prozessen vorhandene Inappetenz 
eine mangelnde Kohlehydratzufuhr bedingt. 

Das Azetonerbrechen befällt größtenteils Kinder, die schwächlich 
und leicht erregbar sind. Hecker stellt fest, daß fast ausschließlich 
Kinder besser situierter Kreise an Agetonerbrechen erkranken. Bei 
dem wiederholten Vorkommen, daß Geschwister erkranken, schließt 
er auf eine gewisse Heredität. 

Der erste Anfall des Erbrechens setzt plötzlich ein. Prodrome 
können vorangehen. Eine äußere Veranlassung ist meistenteils nicht 
vorhanden. Die Anfälle wiederholen sich in Pausen. Die Kinder 
machen einen schwerkranken Eindruck. Jede Nahrungszufuhr ist 
unmöglich. Die geringste Menge wird sofort erbrochen. Infolge der 
Entwässerung der Organe stellt sich quälender Durst ein. Zu dem 
Erbrechen gesellt sich fast ständig Verstopfung. Die Atemluft und 
der Urin enthalten große Mengen von Azeton. Dieser Zustand kann 
2—8 Tage anhalten, um dann wieder plötzlich zu verschwinden. 

Zur Pathogenese der Erkrankung sind die von Hecker erhobenen 
Blutbefunde bemerkenswert. Er stellte ein starkes Überwiegen der 
Lymphozyten während des Anfalls fest. Im Intervall ist ebenfalls 
eine geringe Lymphozytose vorhanden. Seiner Ansicht nach liegt 
eine Störung im Abbau des Fettes vor auf der Basis einer vorhandenen 
Disposition. Die Disposition findet sich bei Kindern aus neuropathi- 
schen und gichtischen Familien mehr als bei anderen Kindern und 
ist begründet in einer Rückständigkeit der Körperentwicklung, in 
einem Infantilismus gewisser Organe oder Zellgruppen, die zur Fett- 
verdauung in besonderer Beziehung stehen. 

Über die Ursachen des Erbrechens sind die Ansichten geteilt. 
Wie schon erwähnt worden ist, kann im kindlichen Organismus Kohle- 
hydratkarenz sowie Infektion Azetonausscheidung hervorrufen. Heub- 
ner hält die Azetonämie beim Azetonerbrechen für einen Folgezustand 
der schweren Inanition. Dagegen beobachteten andere Autoren das 
Auftreten von Azeton beim Auftreten der Attacke oder schon vorher. 
Da das Erbrechen nicht die Folge der Azetonämie sein kann, faßt 
Hecker das Erbrechen sowie die Azetonämie als Symptome derselben 
Stoffwechselstörung auf. 

Nach Anschauung der Göttinger Kinderklinik ist die Ursache 
speziell des Erbrechens in einer nervösen Komponente dieser Stoff- 
wechselstörung zu suchen. Es ist wiederholt beobachtet worden, daß 
Infektionskrankheiten von Azetonerbrechen begleitet sind. Es scheint, 
daß die Infektion einen nervösen Reiz hervorruft, der als Reaktion 
das Erbrechen zur Folge haben kann. Beachtenswert sind auch die 
Fälle, wo mit dem Azetonerbrechen eine Spasmophilie einhergeht. 

Die Wirkung der Behandlung des Brechanfalls durch Zufuhr 
großer Mengen von Wasser entweder in den Magen oder durch hohen 
Einguß in den Darm, d.h. die Sistireung des Erbrechens, erfolgt 

11* 


120 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 6. 


überraschend schnell. In einzelnen Fällen scheint es, daß die recht- 
zeitige Zufuhr von Wasser die Krise vermieden hat. 

Es ergibt sich aus den Beobachtungen, daß man durch große 
Wasserzufuhr den akuten Anfall kupieren kann. Abgesehen von 
hohen Klistieren gelingt sie auf dem Mundwege. Man macht hier 
von der Eigenschaft des Magens Gebrauch, die wir von den akuten 
schweren Ernährungsstörungen kennen, daß nämlich, wenn man den 
Magen mit großen Mengen heißen Mineralbrunnens füllt, in dem 
größten Teil der Fälle das Erbrechen aufhört. Bei der Behandlung 
des Azetonerbrechens ist es notwendig, daß der Arzt durch seine 
Gegenwart dafür sorgt, daß die Wassermenge auch wirklich getrunken 
wird, und daß der erste Brechreiz durch strenge Verwarnung unter- 
drückt wird. In der Göttinger Kinderklinik wird als Flüssigkeit 
meist Lullusbrunnen verwendet. Man kann auch alkalische und 
muriatische Säuerlinge verwenden. Die Flüssigkeit muß heiß ge- 
nossen und kann mit Saccharin oder Zucker gesüßt werden. Eine 
Stunde später kann Kartoffelbrei oder eine Mehlspeise gegeben werden. 

Grätzer. 

Rudolf Fisehl, Über das Wesen und die Behandlung der 
Zystitis und Zystopyelitis im Kindesalter. (D. prakt. Arzt. 
1916. Nr.5 u.6.) Bei der weitaus größten Mehrzahl der Fälle hat 
man es mit lokalen, aszendierenden, auf dem Wege der Urethra (bei 
Mädchen), der Verbindungsbahnen zwischen Rcktum und Blase (bei 
Knaben) zustande kommenden, vom Darm ausgehenden Infektionen 
zu tun, welche oft lange Zeit auf die unteren Harnwege begrenzt 
bleiben und nur ganz ausnahmsweise zu Nephritis und zum Einbruch 
in die Blutbahn führen. Sie sind, rechtzeitig diagnostiziert, einer 
lokalen Therapie in der Regel zugänglich und haben im allgemeinen 
eine günstige Prognose. 

Was die Therapie selbst anbelangt, so kann man bei leichteren 
Fällen erst innere Behandlung versuchen, so mit Cystopurin, wobei 
ausreichende Dosierung und nicht zu langer Gebrauch des Mittels 
anzuraten sind. Erstere soll selbst bei Säuglingen nicht unter drei 
Tabletten pro Tag betragen. Fälle, die innerhalb einer Woche bei 
diesem Vorgehen, das man durch reichliches Trinkenlassen von Wasser 
oder diuretisch wirkender Brunnen unterstützt, keine durchgreifende 
Besserung zeigen, sollen zunächst ein anderes Mittel erhalten; was 
diese betrifft, so hat Verf. über Hexal, Urotropin, Helmitol und Boro- 
vertin ausgedehntere Erfahrungen, während er Hippol und die Salizyl- 
präparate nur selten anzuwenden Gelegenheit fand. Bringt dieser 
Wechsel des Medikamentes nicht innerhalb einiger Tage den erhofften 
Effekt, der sich besonders in Abfall des event. vorhandenen Fiebers, 
Klärung des Harns und Besserung der vorhandenen Miktionsstörungen 
manifestieren muß, hält Verf. den Zeitpunkt für gekommen, mit den 
Blasenspülungen zu beginnen. Bei strenger Asepsis und Vermeidung 
von zu stark reizenden Lösungen kann man, was die Situation nicht 
gar so selten erfordert, Wochen und Monate lang spülen und gelangt 
bei genügender Ausdauer schließlich doch zu einem befriedigenden 
Ergebnis. So brauchte es in einem erst kürzlich ung zugekommenen 
Falle, der sich durch besondere Hartnäckigkeit auszeichnete, einer 


I. Referate. 121 


zweimonatigen Behandlung der Blase mit Ausspülungen, bevor der 
Effekt eintrat, welcher, wie die Nachfrage ergab, anhält. 

Auch bei den Blasenauswaschungen ist ein Wechsel der Spül- 
flüssigkeiten empfehlenswert, da man auf solche Weise rascher zum 
Ziele gelangt; Verf. beginnt in der Regel mit Lösungen von über- 
mangansaurem Kali in der Konzentration von 1:5000, substituiert 
diese nach einer Woche durch 2°/, Borsäuresolution, welche ledig- 
lich zur Reinspülung dient und von einer Applikation von Argentum 
nitricum in der Stärke von 1Y/,—1°%/,, gefolgt ist, die einige Minuten 
in der Blase gelassen wird. 

Einen ziemlich sicheren und relativ frühzeitigen Anhaltspunkt 
für die Wirkung der Blasenspülungen gibt die Besserung der Blasen- 
kapazität, welche sich danach beurteilen läßt, wieviel Flüssigkeit 
zurückgehalten und mit welcher Kraft diese ausgestoßen wird; der 
Effekt in dieser Richtung pflegt der Anderung der Harnbeschaffen- 
heit vorauszugehen. 

Als ultima ratio erübrigt in besonders hartnäckigen und durch 
die beschriebenen Methoden unbeeinflußbaren Fällen die Vakzine- 
therapie, wie sie Wright empfohlen hat. Grätzer. 

Wollenberg (Berlin), Spontanheilung der angeborenen Hüft- 
gelenksluxation. (Zbl. f. chir. Orth. 1916. Nr. 9.) Gelegentlich eines 
Vortrages Joachimsthals über „Spontanheilung einer angeborenen 
Hüftluxation‘‘ erwähnte Verf. einen von ihm beobachteten ähnlichen 
Fall, dessen Röntgenbild er gelegentlich in einer zwanglosen Ver- 
sammlung Berliner Orthopäden demonstriert hat. 


Es handelte sich damals (am 26. März 1909) um ein 4jähriges Mädchen, 
das rechtzeitig ohne Kunsthilfe geboren sein soll. Die Fruchtwassermenge ist 
unbekannt. Ein jüngerer Bruder und eine Schwester sollen gesund sein. 

Die kleine Patientin hat Masern, Keuchhusten und Scharlach durchgemacht, 
ist sonst stets gesund gewesen. | 

Seit das Kind gehen lernte, fiel den Eltern der schwankende Gang auf. 

Der Gang des Kindes erinnert an den Luxationsgang, ist leicht schwankend, 
ohne direkt watschelnd zu sein. Trendelenburg beiderseits negativ. Die Palpation 
zeigt beide Köpfe in normaler Gegend. Beide Trochanterspitzen stehen etwa 
fingerbreit oberhalb der Roser-N&latonschen Linie. Länge beider Extremitäten 
gleich. Es besteht doppelseitiges Genu valgum, besonders links. Keine vermehrte 
Lendenlordose. 

Die Röntgenuntersuchung fördert nun ein eigenartiges Bild zutage: Beide 
Köpfe stehen innerhalb der Pfannen, aber beide Pfannen haben keine normal 
geschweiften Dächer, sondern verlaufen nach oben ganz seicht und flach. Im 
oberen Pfannendache sieht man beiderseits ganz deutliche, grubenförmige, nach 
außen oben sich öffnende Einkerbungen, wie sie uns als sogenannte „Gleit- 
furchen‘ aus der Anatomie der Hüftluxation bekannt sind. Beide Pfannen- 
gründe sind scheinbar etwas verdickt. 

Am 20. Oktober 1913 konnte Verf. das Kind nachuntersuchen. Der Befund 
ist im allgemeinen derselbe, nur ist jetzt das Genu valgum verschwunden. Es 
fällt auf, daß beide Trochanteren etwas seitlich prominieren und daß beide 
Oberschenkel beim Stehen etwas hyperextendiert gehalten werden, wobei der 
Bauch vorgestreckt und der Rumpf etwas hintenüber gehalten wird. Der Gang 
hat sonst jetzt nichts Auffallendes mehr an sich, nur soll das Kind ziemlic 
leicht ermüden. 

Der Röntgenbefund zeigt keine wesentliche Änderung gegen früher. 


Im vorigen Jahre hatte Verf. nun Gelegenheit, wieder einen 
derartigen Fall zu beobachten und zu behandeln, bei dem es sich 
jedoch nur um eine einseitige Affektion handelt: 


122 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 6. 


7jähriges Mädchen. Geburt ohne Schwierigkeiten. Hereditär keine Anhalts- 
punkte. Niemals soll ein Anzeichen für eine schmerzhafte oder entzündliche Hüft- 
erkrankung bestanden haben. 

Erst mit 4 Jahren fiel auf, daß das Kind links etwas hinkte, besonders bei 
Ermüdung. Schmerzen haben dabei in keiner Weise bestanden. 

Der Gang ist links eine Spur schleppend, erinnert an Luxationsgang. 

Linkes Bein und linke Gesäßhälfte abgemagert. Linkes Bein gegen rechtes 
um etwa lcm verkürzt. Trendelenburg links angedeutet positiv. 

Bewegungen in linkem Hüftgelenke aktiv und passiv frei, nur die Abduktion 
gelingt links nicht ganz so vollständig wie rechts. 

Es besteht eine geringe linkskonvexe Lumbalskoliose. 

Das Röntgenbild zeigt ein normales rechtes Hüftgelenk, links dagegen erheb- 
liche Veränderungen. 

Das obere Pfannendach ist abgeflacht, verläuft steil nach oben und zeigt 
dort, wo seine Fläche sichtbar wird, jene wabenartige Knochenstruktur, die 
wir bei wachsenden Individuen normalerweise sehen, ebenso wie auch in diesem 
Falle auf der rechten Seite, nur daß dieses wabenartige Knochenfeld links viel 
ausgedehnter zutage tritt als rechts. In der äußersten Ecke des Pfannendaches 
ist die bekannte „Gleitfurche‘‘ noch eben angedeutet. Der Pfannengrund ist 
links gegen rechts stark verdickt, der Y-Knorpel dementsprechend verlängert. 
Die ‚„Tränenfigur‘‘ ist links sichtbar, aber deutlich verbreitert und weniger 
markant als rechts. Der ganze linke Oberschenkel inklusive Trochanter major, 
Hals und Kopf ist schmächtiger als die entsprechenden Gebilde der rechten Seite. 
Der linke Kopf steht zwar in der Pfanne, aber etwas höher als der rechte: die 
Epiphysenlinie des Kopfes zeigt rechts ungefähr nach dem unteren Ende der 
„Tränenfigur“ hin, links aber bildet sie gewissermaßen eine Verlängerung des 
Y-Knorpels. 

© Wollten wir rechts dieselbe Einstellung der Kopfepiphysenlinie zum 
Y-Knorpel erzielen, so müßten wir den rechten Oberschenkel stark adduzieren; 
wollten wir links dieselbe Stellung erzielen wie rechts, so müßten wir den 
linken Oberschenkel maximal abduzieren. 

Rechts wird der größte Teil des Kopfkernes von der Pfanne umfaßt, links 
nur ein kleiner Teil desselben. 

Um die Gehfähigkeit zu bessern, wurden Massage, Widerstandsgymnastik, 
Freiübungen verordnet, die innerhalb 4 Wochen bereits ausgezeichnet wirkten: 
Trendelenburg erwies sich nunmehr als völlig negativ, die leichte Ermüdbarkeit 
war verschwunden. Die Besserung hat bei noch wiederholter Behandlung weiter 
angehalten, so daß bei einer Nachuntersuchung in diesem August, also 1 Jahr 
nach Beginn der Behandlung, der Gang und die Leistungsfähigkeit des Kindes 
dem Normalen ziemlich nahe kommt. Die linksseitige Beinverkürzung wird 
durch eine Sohlenerhöhung ausgeglichen. 

Eine jetzt vorgenommene Röntgenuntersuchung ergibt noch den gleichen 
Befund wie früher. 


Die beiden eben beschriebenen Fälle stellen mit Sicherheit, der 
eine doppelseitig, der andere einseitig, Veränderungen des Hüft- 
gelenkes dar, die genau denen der angeborenen Hüftluxation ent- 
sprechen — mit dem einzigen Unterschiede, daß eben keine Luxa- 
tion vorliegt. Gleichwohl weisen in dem ersten Falle die ausge- 
sprochenen „Gleitfurchen“ darauf hin, daß der Stand der Köpfe 
zu irgendeiner Zeit des Lebens vor oder nach der Geburt einmal 
ein anderer gewesen ist als jetzt, und zwar der einer Luxation in 
ihren Frühstadien, zumindest der einer Subluxation. Im” zweiten 
Falle ist die „Gleitfurche‘ nur noch angedeutet, der Kopf hat aber 
auf der linken Seite eine wesentlich andere Position, und zwar eine 
höhere. Lage innerhalb der Pfanne, als auf der rechten. 

In beiden Fällen hat also früher einmal eine Subluxation oder 
gar Luxation bestanden, die aber, da niemals irgendeine ärztliche 
Beeinflussung der Hüftgelenke erfolgt ist, entweder bereits intra- 


I. Referate. 123 


uterin oder nach der Geburt, und zwar wohl sehr bald nach der Ge- 
burt, von selbst reponiert wurde, wahrscheinlich durch zufälliges oder 
nicht zufälliges Einnehmen einer analogen Beinstellung, wie wir sie 
bei unseren Repositionsmanövern anwenden. 


Verf. glaubt daher, daß wir von einer „Spontanheilung“ der 
angeborenen Hüftgelenksverrenkung in solchen Fällen mit Recht 
sprechen dürfen, und möchte als Kriterium dieser Fälle hinstellen, 
daß sie genau den Eindruck einer von uns durch Reposition und 
retinierende Verbände geheilten Hüftluxation machen. Diese Fälle, 
bei denen man die Spontanheilung doch sehr früh setzen muß, be- 
weisen wieder, daß man noch sehr lange nach der Reposition die 
anatomischen Kennzeichen der Luxationshüfte erkennen kann. 

Grätzer. 


C. Seitz, Gesundheitliche Kleinkinderfürsorge (Bl. f. 
Säuglingsfürs. 1916. Nr. 9.) Kurz zusammengefaßt wären für eine 
großzügige und umfassende Kleinkinderfürsorge folgende Forderungen 
zu erfüllen: 

1. Unterricht. a) für alle Kinder am Ende der Volksschule in 
den Grundregeln der Gesundheitspflege; b) für alle heranwachsenden 
Mädchen in den Fortbildungsschulen über Kinderpflege und Errnäh- 
rung; c) für Fürsorgerinnen, Kindergärtnerinnen, Ordensschwestern 
in Kleinkinderfürsorge. 

2. Belehrung und Beratung der Mütter in Kleinkinderfürsorge- 
stellen, in denen die Kostkinder pflichtgemäß vorzustellen sind. 

8. Erlaß entsprechender ortspolizeilicher Vorschriften über die 
gesundheitlichen Anforderungen an Krippen und Bewahranstalten 
bezüglich Räume, Einrichtung, Betrieb und ärztliche Aufsicht. 

4. Angliederung von Infektionsabteilungen an gemeindliche bzw. 
Distriktskrankenhäuser. 

5. Errichtung von Heilstätten für chronisch Kranke und von 
Erholungsheimen für schwächliche Kleinkinder. 

Um diesen umfangreichen Forderungen gerecht zu werden, müssen 
Staat, Distrikte, Gemeinden und private Wohltätigkeit zusammen- 
helfen. Die Sorge für die Organisation des Unterrichtes obliegt dem 
Staate, der auch einen allmählich zu steigernden Etatsposten in das 
Budget für die Zwecke der Kleinkinderfürsorge einstellen sollte — 
ohne dabei die für Zwecke der Säuglingsfürsorge ausgeworfenen Mittel 
zu schmälern. Sache des Staates ist es auch, die für Durchführung 
eines einwandfreien gesundheitlichen Betriebes in den genannten 
Kleinkinderanstalten nötigen Vorschriften zu erlassen. Vom Staate 
ist auch die Einbeziehung der Familien in die gesetzliche Kranken- 
versicherung herbeizuführen, denn nur mit solcher Hilfe sind die 
Gemeinden imstande, die großen, sie durch eine gut durchgeführte 
Kleinkihderfürsorge treffenden Kosten zu tragen; solche erwachsen 
beim erweiterten Unterricht, bei der Organisation der Fürsorgestellen 
und besonders bei der Krankenhausbehandlung. Den Gemeinden 
stehen späterhin Ersparnisse in Aussicht, wenn. durch diese Fürsorge 
eine gesunde Generation heranwächst. Die Familien, welche ihre 
Kinder tagsüber in Pflege geben, sind zu einem ıhren Verhältnissen 


124 Zentralblatt für. Kinderheilkunde. Nr. 6. 


entsprechenden Beitrag heranzuziehen. An den Kosten der Klein- 
kinderfürsorge in Orten bzw. Gegenden mit großer Industrie ist auch 
diese zu beteiligen, da sie selbst Interesse hat an einem gesunden 
Nachwuchs kräftiger Arbeiterschaft. Der privaten Wohltätigkeit end- 
lich bleibt ein weites Feld der Betätigung bei Errichtung und Unter- 
halt der Heilstätten und Erholungsheime, welche das wichtige End- 
glied in der Reihe der Fürsorgemaßnahmen bilden. Grätzer. 


J. Zappert (Wien), Über einen epileptiformen pseudo- 
bulbären Symptomenkomplex mit günstigem Verlauf. (Neur. 
Zbl. 1916. Nr. 17.) Unter diesem Titel beschrieb Verf. im Jahre 1913 
ein Krankheitsbild des Kindesalters, dem er glaubte, eine klinische 
Sonderstellung einräumen zu dürfen. Die zwei beobachteten Fälle 
boten folgende gemeinsame Merkmale dar: Bei Kindern im Alter 
von 2—83 Jahren tritt, ohne daß vorher Konvulsionen oder Zeichen 
von Spasmophilie vorhanden gewesen wären, plötzlich ein Anfall 
nach Art eines epileptischen auf. Nach 1—2 Wochen kommt es zu 
einem neuen Anfall, dann wiederholen sich die Konvulsionen in 
kürzeren Zwischenräumen und steigern sich bereits mehrere Wochen 
nach Beginn der Erkrankung zu häufigen, während des Tages und 
namentlich gegen Ende der Nacht auftretenden epileptiformen An- 
fällen. Außerdem stellen sich kurze Attacken ein, bei denen die 
Kinder zusammensinken, meist nach vorne fallen und für ganz kurze 
Zeit bewußtlos sind. Auf dem Höhepunkt der Krankheit sind 80 
und noch mehr derartiger schwacher und starker Anfälle innerhalb 
24 Stunden zu zählen. Auch in der anfallsfreien Zeit zeigen sich blitz- 
artige Zuckungen in den Extremitäten ‚im Gesicht und namentlich 
um den Mund, ohne daß es hierbei zu Bewußtseinstrübung kommt. 
Gleichzeitig wird die Sprache schwerfällig und undeutlich, es stellt 
sich Speichelfluß ein, auch das Schlucken ist gestört. Am ganzen 
Körper besteht ein grobwelliger Tremor, das Gehen wird taumelnd, 
ungeschicekt, hört schließlich vollständig auf. Die unteren Extremi- 
täten sind leicht spastisch, die Reflexe gesteigert. Die Intelligenz 
der Kinder ist während der ganzen Zeit völlig ungestört; sie spielen, 
sind relativ heiter. Nach mehrmonatiger bzw. mehrjähriger Dauer 
dieser Symptome lassen die Anfälle sichtlich nach, während die 
pseudobulbären Merkmale noch eine Zeitlang auf gleicher Höhe ver- 
bleiben. Allmählich tritt auch hier eine Besserung ein, und es kommt 
schließlich zu einem Schwinden sämtlicher Krankheitszeichen, von 
denen die Undeutlichkeit der Sprache am längsten bestehen bleibt. 
Schließlich fehlen alle Krankheitssymptome. Während der ganzen 
Dauer dieser zerebralen Reizsymptome bestehen Störungen von 
seiten des Verdauungstraktes, die sich in starker Appetitlosigkeit 
und einer schwer zu bekämpfenden Stuhlträgheit äußern. In dem 
einen Falle waren die ersten Anfälle einige Wochen nach einem hoch 
fieberhaften, schweren Dieckdarmkatarrh aufgetreten. 

Dieses Krankheitsbild hatte Verf. zur Zeit seiner ersten Mit- 
teilung bei zwei Kindern — beides Knaben — im Alter von 2 und 
21/, Jahren beobachtet. Bei einem derselben hatte die ganze Krank- 
heit etwa ®/, Jahr, bei dem anderen nahezu 4 Jahre gedauert. 


I. Referate. 125 


Ein glücklicher Zufall brachte Verf. Gelegenheit, einen dritten 
hierher gehörigen Fall kennen zu lernen, dessen Krankengeschichte 
kurz folgende ist: 


Ernst E., 3 Jahre alt. Das Kind war gesund, hatte nie Fraisen gehabt 
und rechtzeitig laufen und sprechen gelernt. Ende September 1914 stellten sich 
Störungen von seiten des Magens und Darmes, Erbrechen, Abführen, ein, die 
weder durch Diät noch durch Medikamente zu bekämpfen waren. Anfang Oktober 
trat während der Nacht ein heftiger Anfall von Krämpfen im Gesicht und an 
allen Extremitäten mit Bewußtlosigkeit auf. Solche Anfälle wiederholten sich 
mehrmals innerhalb der nächsten 14 Tage, dann alle 3—5 Tage und schließlich 
täglich; namentlich die frühen Morgenstunden waren nahezu alltäglich gestört. 
Neben diesen großen Anfällen zeigten sich bereits etwa 14 Tage nach der ersten 
Attacke ganz ze Anfälle von Stöhnen oder Seufzen, Bewußtlosigkeit, Nach- 
vorne-fallen. Im Januar 1915, also etwa !/, Jahr nach Beginn der Krankheit, 
traten körperliche Symptome, und zwar Sprachschwierigkeiten, Gehstörungen 
und Zittern am ganzen Körper hinzu. Als Vortr. den Knaben im März 1915 
sah, hatte der Zustand seinen Höhepunkt erreicht. Große und kleine Anfälle 
waren 20mal und noch öfters am Tage zu beobachten, außerdem bestanden fort- 
währende Muskelzuckungen, namentlich um den Mund, sowie grobwelliges 
Wackeln des ganzen Körpers. Die Sprache war sehr erschwert, lallend, so daß 
das Kind es vorzog, überhaupt nicht zu sprechen. Die Zunge zeigte einen deut- 
lichen Tremor, doch bestanden weder SpeichelfluB noch namhafte Schluck- 
beschwerden. Die Augenbewegungen waren frei, der Augenhintergrund normal. 
Sehr beträchtlich waren die Gehstörungen; das Kind weigerte sich überhaupt 
zu gehen; versuchte man, es auf den Boden zu stellen, so setzte es die Beine 
breit und ungeschickt auf, machte einige taumelnde Schritte und zeigte Neigung 
zum Umfallen. Kopfschmerz, Erbrechen, Pulsverlangsamung fehlten. Die Intelli- 
genz des Kindes ist vollkommen normal, der Augenausdruck lebhaft, das Interesse 
für die Ereignisse der Umgebung ein gewecktes. Es besteht starke Appetit- 
losigkeit und hartnäckige Verstopfung. 

Ende März 1915 stellte sich — wie die Mutter mit Nachdruck behauptet, 
nach einigen ausgiebigen Darmentleerungen — eine rasche Besserung ein. Zu- 
erst schwanden die großen, dann die kleinen Anfälle, schließlich die Geh- und 
Sprachstörungen. Zu gleicher Zeit kam es wieder zu regelmäßiger Darmtätigkeit. 
Seit April 1915, also seit 1 Jahre, ist das Kind vollkommen gesund, entwickelt 
sich körperlich und geistig ausgezeichnet und hat trotz vorübergehender neuer- 
licher Darmstörungen nie wieder einen Anfall gehabt. 


Es besteht kaum ein Zweifel, daß dieser Fall sich klinisch jenen 
anreiht, welche Verf. in seiner ersten Mitteilung beschrieben hat. 
Das plötzliche Einsetzen der Konvulsionen mit dem raschen Er- 
reichen des Höhepunktes, die Kombination der gehäuften großen 
und der zahlreichen kleinen Anfälle, die Muskelzuckungen im Ge- 
sicht und das Wackeln des Körpers, die Schwierigkeit zu sprechen, 
die beträchtlichen Gehstörungen und die trotz der schweren Krank- 
heitssymptome unversehrte Intelligenz — all diese Merkmale decken 
sich so sehr mit jenen der beiden früher beschriebenen Fälle, daß 
die Stellung der Diagnose und der günstigen Prognose noch inner- 
halb des schwersten Krankheitsstadiums möglich war. Selbst die 
Altersstufe zu Beginn der Erkrankung und das Geschlecht waren 
dieselben wie in den beiden anderen Fällen. Daß alle drei Knaben 
jüdischer Abstammung waren, ist wohl nur ein Zufall. Die Unter- 
schiede dieses dritten Falles gegenüber den beiden früher veröffent- 
lichten bestanden nur in der geringeren Intensität und in der kürzeren 
Dauer der Krankheit. Hingegen waren die Darmerscheinungen bei 
diesem Knaben ausgeprägter und boten sehr bemerkbare Begleit- 
symptome des nervösen Krankheitsbildes. Ebenso wie in den beiden 


126 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 6. 


ersterwähnten Fällen ist auch hier vollige Heilung eingetreten, in- 
sofern man von einer solchen nach 1!/,jährigem Wohlbefinden sprechen 
kann. 

Die Schwierigkeiten der klinischen Diagnose bei diesem Krank- 
heitsbilde hat Verf. bereits in seiner ersten Mitteilung gewürdigt. 
Wenn man die Fälle in ihrem Höhestadium sieht, denkt man wohl 
in erster Linie an eine Epilepsie bzw. an einen Status epilepticus. 
Trotzdem sprechen schon in dieser Krankheitsperiode einige Momente 
gegen diese Diagnose. Die rasche Steigerung der Zahl der Anfälle bis 
zu einem innerhalb weniger Wochen erreichten Status epilepticus, 
die hochgradigen Hirnreiz- und Pseudobulbärsymptome, welche auch 
nach Abnahme der Konvulsionen eine Zeitlang fortbestehen, und 
endlich die auffallend klare Intelligenz sind mit der Annahme einer 
beginnenden Epilepsie nicht gut vereinbar. Insbesondere aber spricht 
der Ablauf der Erscheinungen gegen Epilepsie. Selbst wenn man mit 
länger dauernden Remissionen rechnet, wie sie namentlich bei der 
kindlichen Epilepsie manchmal zu beobachten sind, so sind doch 
Pausen von 5 bzw. 5°/, Jahren bei völlig unbehandeıten Fällen etwas 
ganz Ungewöhnliches. So lange ist es, seit bei den erst beschriebenen 
Fällen die Krankheitserscheinungen geschwunden sind. Bei dem 
dritten Falle sind seit der Genesung 1!/, Jahr vergangen. Alle drei 
Kinder sind auch im Gegensatz zu dem etwas trägen, stumpisinnigen 
Verhalten latent Epileptischer geistig ungemein regsam, intelligent, 
lebhaft; der älteste der Knaben, der jetzt 12 Jahr alt ıst, hat sogar 
im Privatunterricht leicht den Stoff von zwei Volksschulklassen in 
einem Jahre bewältist. Es wäre jedenfalls ein höchst sonderbarer 
Zufall, wenn die bei Epilepsie so seltenen langdauernden Remissionen 
gerade bei drei Fällen auftreten würden, die sich durch die Art und 
den Verlauf der Konvulsionen auch sonst von dem Symptomenbilde 
der kindlichen Epilepsie unterscheiden. 

Nach dem Gesagten erscheint die Abtrennung des beschriebenen 
Krankheitsbildes von der Epilepsie berechtigt, wenn man nicht etwa 
von „einer akuten, geheilten Epilepsie‘ sprechen wollte. 

Von sonstigen organischen Erkrankungen käme differentialdis- 
gnostisch höchstens nur das Anfangsstadium der diffusen Hirnsklerose 
in Betracht. In bezug auf die rasch sich steigernden verschiedenartigen 
Krämpfe und die ausgeprägten Pseudobulbärerscheinungen bilden beide 
Krankheiten vorübergehend manche Ähnlichkeiten. Eine Verwechslung 
ist aber nicht möglich, da bei der diffusen Hirnsklerose ein rapider 
geistiger Verfall und eine stete Zunahme der Lähmungserscheinungen 
zum typischen Krankheitsbilde gehören. Daß wir es auch nicht mit 
einer Enzephalitis, einem Hirntumor, einer multiplen Sklerose zu 
tun haben, ist aus dem Ablauf der Erkrankung ohne weiteres ersicht- 
liche. Es bleibt uns also nichts übrig, als an eine toxische Affektion 
des Gehirns zu denken, ohne daß wir freilich darüber im unklaren 
sind, daß mit dieser Bezeichnung nur unser Unvermögen, vorüber- 
gehende, nicht zur Zerstörung führende Zellschädigungen des Zentral- 
nervensystems klinisch zu erkennen, ausgedrückt ist. 

Von diesem Gesichtspunkt aus könnten wir das hier beschriebene 
Krankheitsbild noch am ehesten mit den kindlichen Konvulsionen in 


I. Referate. 127 


Beziehung bringen, die sich, namentlich bei Darmstörungen, so häufig 
einstellen. Daß derartige Krämpfe nicht ans Säuglingsalter gebunden 
sind, ist eine bekannte Tatsache und wurde Verf. neuerlich durch 
die Beobachtung eines 10jährigen Knaben bestätigt, bei welchem 
wiederholte Anfälle von azetonischem Erbrechen mit allgemeinen 
Krämpfen einhergegangen waren. Daß auch in obigen Fällen z. T. 
recht ausgeprägte Darmstörungen die nervösen Erscheinungen be- 
gleiteten, hat Verf. bereits zu wiederholten Malen hervorgehoben ; 
ob diese tatsächlich eine ätiologische Bedeutung besitzen, wagt er 
nicht zu behaupten. Zeichen von Spasmophilie fehlten bei allen drei 
Kindern (die elektrische Erregbarkeit wurde allerdings nicht unter- 
sucht). Die Beobachtungszeit der Fälle kann mit Rücksicht auf die, 
wenn auch unwahrscheinliche Epilepsiediagnose nicht als abgeschlossen 
betrachtet werden; doch bestärkt Verf. die weitere Beobachtung der 
beiden zuerst mitgeteilten und die Kenntnis des dritten Falles in der 
Annahme, daß wir es mit einem selbständigen, von der Epilepsie zu 
trennenden Krankheitsbilde des frühen Kindesalters zu tun haben. 

! Grätzer. 

Hans Hänel und Max Bielschowsky, Olivozerebellare Atrophie 
unter dem Bilde des familiären Paramyoklonus. (Journ. f. 
Psychol. u. Neurol. 21.) Klinisch: 26 jähriger Patient. Verspätete 
Entwicklung der ersten Jahre, dann nach guten Fortschritten Still- 
stand und Verbleiben auf einer halbkindlichen Stufe leichter Im- 
bezillität. Körperlich: Verlangsamung und Unbeholfenheit aller Be- 
wegungen, besonders des Sprechens und der Schrift; Zittern ohne 
ausgesprochene Ataxie, klonische krampfhafte Muskelzuckungen, vor- 
wiegend in der Nacken- und Schultermuskulatur, die mit völliger 
Regelmäßigkeit sich vor jedem Einschlafen einstellen, von Zeit zu 
Zeit aber sich zu tage- und wochenlangen Anfällen verstärken und 
sich dann auf den übrigen Körper mit Ausnahme von Gesicht, 
Händen und Füßen ausbreiten. Ganz langsame Verschlechterung 
des Zustandes. Tod durch Suizid. Ältere Schwester des Pat. zeigte 
schon früh langsame Sprache und Bewegungen, ferner zittrige Schrift, 
Kyphoskoliose, alltägliche, 1/ Stunde bis mehrere Stunden dauernde 
Anfälle von Gesichtszucken, Drehen und Nicken des Kopfes beim 
Einschlafen, zuweilen auch bei Tage. Klinische Diagnose: Familiärer 
Paramyoclonus multiplex. 

Anatomisch: 1. Chronische Zellveränderungen in der Hirnrinde, 
Proliferation der faserigen Glia im Stratum zonale und in der äußeren 
Rindenschicht, geringe Kapillarfibrose, d.h. also Veränderungen, wie 
man sie physiologisch im Präsenium findet; da Pat. erst 26 Jahre 
alt war, weist der Befund auf einen vor der Zeit verbrauchten, inva- 
liden Menschen hin. 2. Veränderungen des Kleinhirns und seiner 
Fasersysteme: hochgradige Schrumpfung des Wurms und der Hemi- 
sphären, weitgehende Kleinhirnsklerose (am schwersten betroffen ist 
das Stratum moleculare und die Schicht der Purkinjeschen Zellen). 
Dem starken Ausfall der zerebellofugalen Neurone erster Ordnung 
steht die relative Intaktheit der zentripetalen Faserung gegenüber, 
die sich in der guten Konservierung der Moos- und Kletterfasern 
manifestiert. Von den Faseıbündeln der Kleinhirnschenkel ist nach- 


128 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 6. 


weislich nur der beiderseitige Tractus olivocerebellaris, welcher durch 
die Corpora restiformia mit der Kleinhirnrinde in Verbindung ge- 
setzt wird, stark degeneriert. Die untere Olive, welche als Ursprungs- 
kern des Tractus olivocerebellaris anzusehen ist, ist völlig verödet, 
während alle übrigen Kerne und Faserzüge in dem betreffenden 
Niveau der Oblongata völlig unversehrt sind. In der zweigliedrigen 
zerebellofugalen Bahn ist nur der kortikonukleare Abschnitt, welcher 
die Purkinjeschen Zellen und deren Axone umfaßt, schwer ver- 
ändert. — Es erscheint zweifellos, daß die Parenchymerkrankung 
des Kleinhirns und der Olive eine primäre und nicht etwa eine Folge- 
erscheinung entzündlicher oder vaskulärer Prozesse ist; es handelt 
sich also um eine primär-degenerative Systemerkrankung; ob an- 
geboren oder erworben, läßt sich mit Sicherheit nicht entscheiden. 
Was die nosologische Klassifikation anbetrifft, so zeigt der patho- 
logisch-anatomische Befund, daß der Fall zur Gruppe der zere- 
bellaren Heredoataxien gehört (olivozerebellare Form). 


. Der vorliegende Fall sowie die Untersuchung von 3 Kindern 
einer Familie mit amaurotischer Idiotie deuten darauf hin, daß eine 
direkte und sehr enge Verbindung zwischen den Endformationen der 
olivozerebellaren Fasern und den Purkinjeschen Zellen bestehen 
muß, und daß deren Untergang unmittelbar die Degeneration des 
olivozerebellaren Systems nach sich zieht. Von welcher Beschaffen- 
heit diese Verbindung ist, darüber läßt sich jetzt noch nichts Sicheres 
sagen. Kurt Mendel. 


Spiegelberg, Diphtheriebazillen beim Geflügel. (Zbl. f. 
Bakteriologie, Parasitenkunde usw. 75. H. 4.) Verf. isolierte von 
der Rachenschleimhaut von 20 Tauben und 3 Hühnern (gesunden 
und kranken) Bazillen, die in ihrer Morphologie sowie in der Färbung 
nach Neisser den Menschendiphtheriebazillen gleichen. Aus Trauben- 
zucker bildete ein Teil der Stämme Säure, die anderen wuchsen 
alkalisch. Virulenzprüfung am Meerschweinchen wurde nicht vor- 
genommen, wohl aber erzeugte ein Teil der Stämme, Tauben intra- 
muskulär eingespritzt, Nekrosen; Kontrollen mit Zusatz von Diph- 
therieantitoxin wurden nicht ausgeführt. Bei Agglutination mittels 
spezifischer Sera wechselnde Resultate. Mit einem hochwertigen 
Serum für Menschendiphtheriebazillen (Titer 1:10000) agglutinierte 
einer der Taubenstämme bis zum Titer 1:2560, die anderen zwischen 
1:20 und 1:640. Zum Schluß weist der Verf. auf die hohe epidemio- 
logische Bedeutung des Wachstums von echten Diphtheriebazillen 
auf den Geflügelschleimhäuten hin. Kurt Boas. 


K. Biesalski, Meine Erfahrungen mit der Försterschen 
Operation bei der Littleschen Krankheit. (Ztschr. f. orthopäd. 
Chir. 85. 1915. 8.56.) Die auf Grund von 9 nach Foerster ope- 
rierten Fällen von Littlescher Krankheit gewonnenen Erfahrungen 
des Verf.’s stehen im Widerspruch zu der ablehnenden Haltung, die 
Gaugele und Gumbel diesem Verfahren gegenüber eingenommen 
haben. Verf. warnt jedoch, das Indikationsgebiet der Foersterschen 
Operation allzusehr auszudehnen. Bei Littlescher Krankheit ist 
sie jedoch durchaus am Platz im Verein mit einer planmäßig aus- 


II. Aus Vereinen und Versammlungen. 129 


zubauenden und zu erweiternden systematischen Übungsbehand- 
lung. Kurt Boas. 


R. Sehüller, Über eigenartige Schädeldefekte im Jugend- 
alter. (Fortschritte auf d. Gebiete der Röntgenstrahlen. 23. 1915. 
H.1.) Verf. berichtet über drei Fälle, in welchen ausgedehnte 
Schädeldefekte im Jugendalter schmerzlos und ohne Gehirnsymptome, 
also nahezu unbemerkt in Erscheinung traten, ohne daß dieselben 
auf eine der bisher bekannten Ursachen (Entwicklungsanomalien, 
Trauma, Druckatrophie, Entzündungen oder Neoplasmen) mit Sicher- 
heit bezogen werden konnten. In einem Falle bestand gleichzeitig 
eine Dystrophia adiposogenitalis, in einem anderen ein Diabetes 
insipidus. In zwei Fällen wurde ein relativ rasches Zurückgehen der 
Schädeldefekte wahrgenommen. Mit Rücksicht auf das eigenartige 
Röntgenbild bezeichnet Verf. die von ihm beschriebenen Schädel- 
defekte als „Landkartendefekte“. Kurt Boas. 


I. Aus Vereinen und Versammlungen. 


Cassel: Über Mißbildungen am Herzen und an den Augen bei Mongolismus 
der Kinder. Unter den 60 beobachteten Fällen befanden sich 8 nachweisbare 
angeborene Herzfehler. Im wesentlichen zeigten sie als Krankheitserscheinunge®n: 
Blausucht ohne wassersüchtige Anschwellungen. Die Blausucht konnte dauernd 
bestehen, sie war aber auch nur in den ersten 8 Lebenstagen bemerkbar, schließ- 
lich kam sie auch nur in Anfällen zur Beobachtung. Es fanden sich systolische, 
langgezogene, laute und scharfe Geräusche am Herzen. Bei drei Kranken be- 
stand doppelseitiger Linsenstar an beiden Augen. Die Behandlung des Mongolismus 
ist bisher ergebnislos. 

(Vereinigte ärztliche Gesellschaften, Berlin, 20. XII. 1916.) 


Habermann: Vorstellung schwerer, Tuberkulose vortäuschender Fälle von 
Syphilis congenita. Bei einem 26jährigen, sehr schwächlichen Mädchen haben 
sich seit 10 Jahren fortschreitende, ausgedehnte Geschwüre in der Genitalgegend 
und an den Oberschenkeln entwickelt, seit 5 Jahren wurde auch der Kopf er- 
griffen. Bei der Aufnahme bestanden ausgedehnte flache Ulzerationen fast der 
ganzen linken Kopf- und Gesichtshälfte, völliger Defekt des rechten Ober- und 
Unterlides, Panophthalmitis des rechten Auges, Defekt an der Oberlippe rechts, 
schließlich ausgedehnte Narben am rechten Oberschenkel und an den Genitalien, 
in welchen sich auf Lupusknötchen verdächtige Einlagerungen zeigten. Weder 
die Familienanamnese noch andere Stigmata wiesen auf Lues congenita hin, so 
daß erst der positive Ausfall der Wa.-R. die Diagnose sicherstellte. Unter Sal- 
varsan- und Jodbehandlung überhäuteten die Geschwüre sich ziemlich rasch. 
Quecksilber mußte wegen bestehender Nierenreizung vermieden werden. Das 
Allgemeinbefinden hob sich, das Körpergewicht nahm um 10 Pfund zu, obwohl 
die Wa.-R. dauernd positiv blieb. In ähnlicher Weise wies der zweite Fall, ein 
10jähriges, schlecht entwickeltes Mädchen, ausgedehnte Hautgeschwüre der linken 
Kopfhälfte auf, zum Teil mit wallartigen, ziemlich morschen Rändern. Kleinere 
Herde zeigten sich an den Nates, am Periost der Finger, ferner strahlige Narben 
am Rücken. Das Kind war jahrelang (zum Teil in dermatologischen Spezial- 
abteilungen) mit Salben und Röntgenstrahlen ohne wesentlichen Erfolg behandelt 
worden. Wa.-R. war dauernd negativ. Auch hier fehlten anamnestische und 
sonstige Verdachtsmomente für Lues congenita völlig (Knochen-, Augen- und 
Zahnstigmata), so daß erst die Therapie (Salvarsan, Jod, Schmierkur) durch 
ihren schnellen Erfolg die Richtigkeit der Diagnose erwies, wie sich aus dem Ver- 
gleich der Anfangsmoulage mit dem jetzigen Befunde ergibt. Auch während der 
Kur trat keine Schwankung der negativen Wa.-R. ein. Auf den geringen dia- 


130 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 6. 


gnostischen Wert der negativen Wa.-R. selbst bei ausgedehnten tertiärsyphili- 
tischen Erscheinungen wird hingewiesen im Gegensatz zum Frühstadium, und 
die Notwendigkeit einer probatorischen kombinierten Behandlung in diesen Fällen 
betont. Hervorgehoben wird ferner die geringe praktische Bedeutung, welche 
die vielgenannte „provokatorische Salvarsaninjektion“ gewonnen hat, ausge- 
nommen bei primärer Lues mit ansteigender Wa.-R., wo nicht selten positive 
Schwankungen auftreten. Hier kann jedoch die Diagnose stets schon vorher durch 
den Spirochätenbefund gesichert werden. 
(Niederrhein. Gesellschaft für Natur- und Heilkunde, Bonn, 17. VII. 1916.) 


Lexer: Chirurgische Demonstrationen. Aneurysma fusiforme A. bra- 
chialis congenitum bei einem ljährigen Kinde. Von der Achselhöhle bis zur 
Ellenbeuge des rechten Armes zeigen sich drei flache, pulsierende und schwirrende 
Anschwellungen. Der Druck auf diese oder auf die A. axillaris ließ sofort die ganze 
Hand anämisch werden. Infolgedessen wurde 2 Monate lang für immer längere 
Zwischenräume ein Kompressionsverband angewandt, durch welchen schließlich 
erzielt wurde, daß die Hand bei Druck auf die Arterie nicht mehr blutleer wurde. 
Sodann Operation. Die A. axillaris erweiterte sich spindelförmig, fast zu Daumen- 
dicke, und verlief mehrfach gewunden in ähnlicher Stärke bis zur Ellenbeuge, 
wo sie ziemlich stark abgesetzt, wieder normale Stärke erlangte. Die Nebenäste 
waren stark erweitert. Die Gefäßwandung sah makroskopisch schwielig verdickt 
aus, vielleicht infolge der Kompressionsbehandlung. Wegen der Wandveränderung 
war die durch Raffung geplante Verengung des Lumens nicht möglich, da die 
Matratzennähte durchschnitten. Infolgedessen Resektion der ganzen A. bra- 
chialis. Heilung ohne Störung und ohne Folgen für die Zirkulation. 

(Medizinisch-naturwissenschaftliche Gesellschaft in Jena, 18. V. 1916.) 


Neumann: Familiärer Diabetes. Bericht über zwei Familien mit stark 
gehäuftem Auftreten von Diabetes mellitus. Bei der ersten litten alle vier Söhne 
an der Krankheit, wovon zwei ihr schon 2!/, bzw. 7 Jahre alt erlagen. Eltern 
und sonstige Familienmitglieder zuckerfrei, dagegen zeigte der Vater bei Trauben- 
zuckerdarreichung eine die Norm weit überschreitende Zuckerausscheidung im 
Urin, so daß eine Schwäche der Kohlehydratverbrennung, ein latenter Diabetes 
nach Naunyn angenommen werden muß. Bei der anderen Familie erkrankten 
von den 11 Kindern und sieben Enkelkindern der gesunden, im Alter von 83 bzw. 
76 Jahren gestorbenen Eltern sechs an Diabetes mit vier Todesfällen. Außerdem 
zeigte dieselbe degenerierte Familie drei tödliche Geisteserkrankungen und vier 
sonstige Todesfälle in jugendlichem Alter, so daß eine Mortalität von etwa 70°), 
resultiert. (Arztlicher Verein in Hamburg, 7. III. 1916.) 

Siegel: Weitere Beobachtungen zur Konzeptionsfähigkeit der Frau und 
Geschlechtsbestimmung des Kindes. Nach den schon im Juli 1915 veröffent- 
lichten Beobachtungen über die Empfängnisfähigkeit der Frau wird über 220 
Fälle eine neue Kohabitationskurve ausgestellt. Die Beobachtungen sind an 
kurzfristigen Urlauben von Mannschaften gewonnen worden, indem angenommen 
wurde, daß wir durch kurzfristige Urlaube in der Lage sind, nach Möglichkeit 
genau umschriebene Kohabitationszeiten zu erhalten. Es wurden nur kohabi- 
tationsmögliche Tage berücksichtigt, d. h. alle Urlaubstage des Mannes, die er 
zu Hause verbrachte, weil angenommen wird, daß bei der langen Trennung von 
Mann und Frau an jedem Urlaubstage ehelich verkehrt wurde. Die Kohabitations- 
kurve zeigt einen Anstieg der Empfängnisfähigkeit der Frau unmittelbar nach 
Beendigung der Menses, welche am sechsten Tage post Menstruationsbeginn mit 
52°/, den Höhepunkt erreicht. Die Kurve hält sich bis zum elften und dreizehnten 
Tage annähernd auf gleicher Höhe und fällt dann bis zum 22. Tage steil ab, um 
von da ab einer fast absoluten Sterilität Platz zu machen. Es wurden nur Fälle 
mit. regelmäßigem 28tägigen Menstruationszyklus berücksichtigt. Bei Frauen 
mit kürzerem oder längerem Zyklus würde sich die Kurve entsprechend ver- 
kürzen oder verlängern. Für die fakultative Sterilität nach dem 22. Tage post 
Menstruationsbeginn bis zur nächsten Menstruation, also für das Prämenstruum, 
wird wahrscheinlich die mechanische Behinderung der Eiwanderung, bedingt 
durch den Tubenverschluß der prämenstruellen Schwellung, die Ursache sein. 
Diese Kohabitations- bzw. Konzeptionskurve ist in wissenschaftlicher, sozialer 
und volkswirtschaftlicher Hinsicht besonders wichtig. — Die Beobachtungen 
über die Konzeptionsfähigkeit der Frau bekommen eine besondere Bedeutung 
dadurch, daß wir durch sie vielleicht in der Lage sind, einen Aufschluß über die 


IL. Aus Vereinen und Versammlungen, 131 


Verhältnisse zu gewinnen, wann aus einem Verkehr ein Knabe, wann ein Mädchen 
entsteht. Auf die Untersuchungen von Thuri, Pflüger und R. Hertwig hin 
scheint bei den Tieren, insbesondere dem Frosch, die Entstehung der Männchen 
hauptsächlich an eine Kopulation überreifer Eier mit den weiblichen Samenzellen 
gebunden zu sein. Junge Eier würden dann Weibchen ergeben. Weil der Fol- 
likelsprung ungefähr in die Mitte des Menstrualintervalls fällt, ist eine Dreiteilung 
des Menstrualintervalls in der Form vorgenommen worden, daß die Kinder aus 
den Kohabitationen vom 1.—9. Tage, vom 10.—14. Tage und vom 15.—22. Tage 
nach Menstruationsbeginn in je einer Rubrik gesammelt worden sind. Es ergab 
sich dabei das Eigenartige, daß in der Rubrik I (Kohabitationen vom 1.—9. Tage 
nach Menstruationsbeginn) in 86°/, Knaben, in der Rubrik III (Kohabitationen 
vom 15.—22. Tage nach dem Menstruationsbeginn) in 86°/, Mädchen ‘erzeugt 
wurden. Die Rubrik II (vom 10.—15. Tage) bildet ein Übergangsstadium. Für 
diese Erscheinung wird nun folgende Erklärung gegeben: Das Mädchen entsteht 
kurz nach dem Follikelsprung, wobei der Follikelsprung individuell verschieden, 
ungefähr in die Zeit vom 10.—15. Tage nach Menstruationsbeginn, gestellt wird. 
In Rubrik III (vom 15.—22. Tage) wird das Spermatozoen ein junges weibliches 
Ei treffen. Die Kopulation dieses jungen weiblichen Eies ergibt tatsächlich Mäd- 
chen. Schwieriger wird die Erklärung bei den Knaben, weil ja hier einerseits nach 
den Hertwigschen Untersuchungen die Geschlechtsbildung an ein überreif kopu- 
liertes Ei gebunden ist, weil andererseits die Spermatozoen nach Höhne und 
Behne innerhalb 48 Stunden nach der Kohabitation zugrunde gehen. Wenn 
nun die Kohabitation am 6. Tage nach Menstruationsbeginn stattgefunden hat, 
so erleben die Spermatozoen aus dieser Kohabitation den nächsten Follikelsprung 
nicht mehr. Weil nun aber aus Kohabitationen am 6. Tage nach Menstruations- 
beginn nach den Beobachtungen Siegels tatsächlich Kinder entstehen, und 
zwar Knaben, so muß also das Ei unbedingt die Menstruation überdauern, es 
darf bei der Menstruation nicht zugrunde gehen und auch nicht abortiert werden. 
Überdauert das Ei die Menstruation, so ist das Ei nach der Menstruation ein über- 
reifes Ei geworden. Es entsteht aus dem überreif kopulierten Ei ein Knabe. Die 
Möglichkeit, daß die Menstruation den Abort des unbefruchteten Eies bedeutet, 
kann um so eher in Zweifel gezogen werden, weil diese Anschauung von Simpson 
aus der Mitte des letzten Jahrhunderts stammt und die neuesten wissenschaft- 
lichen Untersuchungen (Pflüger, L. Fränkel) eine andere Erklärung der Men- 
struation mindestens offen lassen. Wenn die Menstruation nicht den Abort des 
unbefruchteten Eies bedeutet, dann findet die gesteigerte Empfängnisfähigkeit 
der Frau direkt nach der Menstruation, wie sich aus der Kohabitationskurve 
ergibt, sofort eine Erklärung, weil hier die Eieinnistungsbedingungen besonders 
günstig sind. Weil Siegels Theorie über die Empfängnisfähigkeit der Frau und 
über die kindliche Geschlechtsbildung absolut fundiert ist in dem Moment, wo 
das Ei die Menstruation überdauern kann, do wird die alte Theorie der Abortierung 
des unbefruchteten Eies ganz ernstlich in Zweifel gezogen. Da die Frau im alle 
gemeinen nur ungenaue Angaben über den letzten Menstruationsbeginn machen 
kann, sind die Beobachtungen besonders schwierig. Man sieht das, wenn man aus 
den Gesamtzahlen der Vorausbestimmung für das kindliche Geschlecht die ehe- 
lichen herauszieht. Berücksichtigt man nur diese, so wird für Rubrik I, d.h. 
vom 1.—9. Tage nach Menstruationsbeginn mit 95°, Wahrscheinlichkeit ein 
Knabe, für Rubrik III, d.h. vom 15.—22. Tage nach Menstruationsbeginn mit 
einer Wahrscheinlichkeit von ebenfalls 95°/, ein Mädchen erzielt. Die Freiburger 
Frauenklinik versucht deshalb durch besonders konstruierte Menstruationskalender 
die Frau auch für den Frieden zur Beobachtung ihrer Menstruation zu erziehen. — 
Bei der Bedeutung, die diese Beobachtung für unseren Staat und für die Regene- 
ration des männlichen Geschlechtes nach dem Kriege hat, wäre eine allgemeine 
Organisation in dem Sinne zweckmäßig, daß der Staat Zentralen gründete, nach 
denen die kurzfristigen Urlaube der Mannschaften zu melden sind. Die Aufgaben 
dieser Zentralen müßten dann entsprechende Nachforschungen sein. Ein Ver- 
such, diesen Weg einzuschlagen, scheiterte leider. Wenn nun tatsächlich aus den 
Kohabitationen vom 1.—9. Tage nach Menstruationsbeginn vorwiegend Knaben, 
aus Kohabitationen vom 15.—22. Tage nach Menstruationsbeginn vorwiegend 
Mädchen entstehen würden, dann können Knaben- und Mädchengeburten ge- 
regelt werden, sofern nur irgendwie der Wille zur Regelung besteht. Der Wille 
zur Regelung wäre auch leicht durchzuführen, indem entweder zu den Zeiten 


132 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 6. 


des gewünschten Geschlechtes verkehrt wird, zu Zeiten des nichtgewünschten 
Geschlechtes nicht verkehrt wird, oder, wenn letzteres wegen sexueller Potenz 
nicht möglich ist, zu diesen nicht gewünschten Zeiten ein nach Möglichkeit sicheres 
Präventivmittel angewandt wird. (Freiburger med. Gesellschaft, 30. V. 1916.) 


II. Therapeutische Notizen.') 


Die Herstellung von Kunsthonig mit Zitronensaft als Inversionsmittel. Von 
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. phil. et med. Theodor Paul. Kunsthonig ist sehr 
geeignet, das mangelnde Fett der täglichen Kost zu ersetzen. Er ist aber im 
Handel viel zu teuer, Herstellung im Hause ist wünschenswert und leicht zu 
bewerkstelligen. Verf. gibt folgende Vorschrift zur Bereitung von Kunsthonig 
im Haushalt: „Man übergieße 2 Pfund Zucker in einem irdenen oder emaillierten 
Topf mit !/, Liter Wasser und füge den aufgekochten und durch ein kleines 
engmaschiges Sieb (Haarsieb) gegossenen Saft (etwa 60g) einer großen Zitrone 
hinzu. Dann erhitzt man unter ständigem Umrühren mit einem Holzlöffel bei 
gelindem Feuer langsam bis zum Kochen, erhält unter fortgesetztem Rühren 
10 Minuten lang in ganz schwachem Sieden und schäumt, wenn notwendig, ab. 
Bei starkem und längerem Kochen bekommt der Kunsthonig einen sogenannten 
„Bonbongeschmack“. Um ihm einen angenehmen, dem Honig ähnlichen Geruch 
und Geschmack zu erteilen, fügt man der halb erkalteten Masse unter gutem 
Umrühren je nach Bedürfnis eine kleine Menge Honigaroma hinzu, welches in 
den Apotheken und Drogengeschäften zu kaufen ist. Das Färben geschieht mit 
Hilfe von sogenanntem Karamelzucker, der in der Weise bereitet wird, daß man 
etwas von der Masse in einem Kaffeelöffel über offenem Herd erhitzt, bis sie 
eine tief dunkelbraune Farbe angenommen hat, und den gebildeten Farbstoff 
in einem Eßlöffel Wasser auflöst. Je nachdem man mehr oder weniger von 
dieser Auflösung dem Kunsthonig hinzufügt, kann man diesem eine hellgelbe bis 
dunkelgelbe Farbe verleihen.‘‘ — In dem nach dieser Vorschrift hergestellten 
Kunsthonig ist der Rübenzucker zu ungefähr 60°/, in Invertzucker übergeführt, 
während mit den Kunsthonigpulvern des Handels im allgemeinen nur ein 
Inversionsgrad von etwa 25°/, erzielt wird. Da 1 Pfund Zucker im Kleinhandel 
jetzt 30 Pf. kostet, so stellt sich 1 Pfund dieses Kunsthonigs auf 26 Pf., wozu 
noch die Ausgabe für das Honigaroma kommt. Der Kunsthonig stellt einen 
wohlschmeckenden und ausgiebigen Brotaufstrich dar, so daß es auch bei der 
augenblicklich bestehenden Zuckerknappheit besonders in kinderreichen Familien 
sehr vorteilhaft ist, von der zugewiesenen Zuckermenge einen Teil zur Her- 
stellung von Kunsthonig zu verwenden. Die Fabriken von ätherischen Ölen 
bringen jetzt ein sehr brauchbares Honigaroma (Honigparfüm) zum Preise von 
30—40 Mk. für l kg in den Handel, von welchem ungefähr 0,4—0,5 g genügen, 
um die nach obiger Vorschrift aus 2 Pfund Zucker bereitete Kunsthonigmenge 
zu aromatisieren. Für den Gebrauch im Haushalt ist es zweckmäßig, dieses 
Honigaroma mit Weingeist zu verdünnen (lg Honigaroma + 19g Weingeist). 
Mit 1 Kaffeelöffel (= etwa 5 ccm) dieser Lösung kann der aus 1 Pfund Zucker 
bereitete Kunsthonig aromatisiert werden. (M. m. W. 1916 Nr. 24.) 


Vorsicht beim Morchelgenuß! Von Prof. Dr. Umber in Charlottenburg. 
Verf. hatte kürzlich auf einer seiner Krankenabteilungen in Westend Gelegen- 
heit, 3 Fälle von Morchelvergiftung kurz hintereinander zu beobachten. Es sind 
die ersten der Art, die ihm unter einer außerordentlich großen Zahl von beob- 
achteten Vergiftungen aller Art zur Kenntnis kommen, und er will daher weitere 
Kreise auf das Krankheitsbild und seine Verhütung hinweisen. Diese Erfah- 
rungen sind sehr lehrreich. Sie zeigen, daß die frischen Morcheln als Gericht 
— auch wenn giftige Lorcheln sich darunter befinden — unschädlich sind, so- 
fern das Kochwasser davon nicht mitgenossen wird. Die 3 Fälle beweisen das 
mit der Schärfe des Experiments. Das Kochwasser indessen enthält die Gift- 
stoffe und kann zu schweren Vergiftungen führen. 7—10 Stunden nach der 
giftigen Mahlzeit beginnen die Krankheitserscheinungen: Schlechtbefinden, ge- 
häuftes Erbrechen, Magenschmerzen, nach 24—48 Stunden Ikterus, Leber- 


1) Die mit * bezeichneten Notizen. beziehen sich auf Erwachsene. 


III. Therapeutische Notizen. 133 


schwellung, Milzschwellung und in schweren Fällen schwere Bewußtseinstrübung 
— in Verf.s erstem Fall mit furibunden Delirien —, die dann, wenn sie einen 
erschöpften Organismus treffen oder ein nicht intaktes Herzgefäßsystem, auch 
den Tod herbeiführen können. Es ist daraus die ernste Warnung abzuleiten, 
das Dekokt frischer Morcheln wegzugießen und nicht mitzugenießen oder gar 
nachträglich zu Suppen, Saucen usw. zu verwenden, wie das in Haushaltungen 
erfahrungsgemäß oft geschieht. Denn wenn das Morchelgericht giftige, schwer 
erkennbare Lorcheln enthält, ist eine Giftschädigung durch das Kochwasser sehr 
riskant. Bei getrockneten Morcheln ist die Gefahr der Lorchelvergiftung nicht 
in diesem Maße vorhanden, denn beim Trocknen der Pilze geht das Gift ver- 
loren. Daß die volkstümlichen Erkennungsmittel der Pilzgiftigkeit, Schwarz- 
werden eines silbernen Löffels, Blauanlaufen der durchschnittenen Pilze, trügerisch 
sind, beweist der zweite Fall, in dem diese ‚Vorsichtsmaßregeln‘“ durchgeführt 
worden waren. (D. m. W. 1916 Nr. 21.) 


* Die vaginale Trockenbehandlung mit Bolus-Biozyme. Von Dr. Fritz 
Berg. (Aus der Frauenabteilung des Städt. Krankenhauses in Berlin-Lichten- 
berg.) Verf. hat sehr gute Resultate erzielt. Das Präparat (Vial & Uhlmann, 
Frankfurt a. M.) besteht aus 2°/, Bolus und Biozyme, einer abgepreßten Kultur- 
hefe, die ihrem Gehalt an Zymase und ihrer Gärkraft nach der frischen Hefe 
vollkommen gleichwertig ist. Es muß allerdings in alle Buchten und Falten der 
Scheide gelangen und deren Schleimhaut direkt aufliegen, weshalb vorher alles 
Sekret sorgfältig entfernt werden muß. Es kommen auch Bolus-Biozyme- 
Vaginalkugeln in den Handel, die von den Patientinnen selbst eingelegt werden 
können. Ä (D. m. W. 1916 Nr. 14.) 


* Behandlung der klimakterischen Blutungen mit Röntgenstrahlen. Von 
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. K. Franz (Aus der Universitäts-Frauenklinik Berlin.) 
In den weitaus meisten Fällen haben wir in der Röntgenbehandlung ein sicheres 
und gefahrloses Mittel. Seit 5 Jahren wendet Verf. die Bestrahlungsbehandlung 
bei allen klimakterischen Blutungen an, und er kann sagen, daß er kaum einen 
Mißerfolg gehabt hat. Die Technik der Bestrahlung hat’im Laufe der Jahre ge- 
wechselt. Jetzt wird sie mit möglichst harter Strahlung serienweise ausgeführt. 
Verf. benutzt in neuerer Zeit die Müllerschen Siederöhren, gibt der Haut an 
drei aufeinanderfolgenden Tagen auf 9 Feldern etwa 300 x und 3 mm Aluminium 
mit 23cm Fokushautabstand und wiederholt die Serie in 14 Tagen. Durch- 
schnittlich ist nach 4 Serien die Amenorrhoe erreicht. Das muß das Ziel sein. 
Es ist nicht möglich, mit Sicherheit so zu dosieren, daß die Blutungen etwa um 
die Hälfte vermindert werden oder daß eine Regelmäßigkeit zu erreichen wäre. 

(Ther. d. Gegenw. 1916 Nr. 3.) 

* Über Behandlung des Juckens bei Lichen schreibt P. G. Unna (Ham- 
burg): ‚Die große Verschiedenheit dieser Bedingungen erklärt dann auch so- 
wohl die anscheinende Regellosigkeit des Juckens beim Lichen wie auch die 
Tatsache, daß die tiefen Kratzeffekte beim Lichen eine weit geringere Verbreitung 
besitzen als beim kallösen Ekzem und ein gewisser Kontrast besteht zwischen 
Ausbreitung und Dauer dieses Hautleidens und der subjektiven Empfindungen 
einerseits und den geringen Kratzspuren andererseits, ein Kontrast, der unter 
Umständen für die Differentialdiagnose zwischen Lichen und pruriginösem 
(kallösem) Ekzem von Bedeutung werden kann. Es kommt hierbei in Betracht, 
daß dort, wo die heftigsten Juckanfälle einsetzen, z. B. an den Unterschenkeln 
und Vorderarmen, das Kratzen wegen der viel härteren Hornschicht ziemlich 
wirkungslos abgleitet, daher bald aufgegeben und nicht konsequent bis zum 
Bluten fortgesetzt wird. Bei dieser Sachlage ist es ein Glück, daß das Jucken 
beim Lichen fast immer kausal behandelt werden kann, da der unbekannte 
Erreger mit großen Arsendosen und der Karbol-Sublimat-Schmierkur wirksam 
bekämpft wird, welche beide das primäre Jucken sicher und, wenn auch nicht 
rasch, so doch im Laufe weniger Wochen völlig beseitigen. Man muß freilich mit 
den zweckmäßigerweise keratinierten Pillen auf 10 Stück und mehr pro Tag steigen. 


Acid. arsenicosi 0,5 
Carbonis pulv. 3,0 
Sapo med. pulv. 0,5 
Seb. pilul. 6,0 


f. pil. No. 100 
obd. len. ard. Keratin. 


Zentralbl. f. Kinderhlkde. 22. i 12 


134 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 6. 


Die genannte Schmierkur wird mit folgender Salbe ausgeführt, bei der das 
Ung. Zinci zum Schutze der Haut gegen Sublimat und Karbol notwendig ist. 


Ung. Zinci ad 500,0 
Acidi carbolici 5,0 
Sublimati 2,0 


M.S. Lichensalbe. 
Die Salbe wird täglich 2mal am ganzen Körper eingerieben und bewährt sich 
hauptsächlich bei den universellen, zu schweren Nervensymptomen führenden 
Fällen durch sofortige Beruhigung des Nervensystems. Gegen das intensive 
lokale Jucken (Spannungsjuoken) sind sehr heiße Abschreckungen zur Beseitigung 
der Blutwallungen sowie ein Erweichen der Hornschicht durch öfteres Ein- 
schäumen mit einer Natronsuperoxydseife zu empfehlen. Auch Betupfen der 
einzelnen Papeln mit einer Mischung von Milchsäure und Karbolsäure zu gleichen 
Teilen und darauffolgendes Einfetten mit Ung. Hebra oder obiger Lichensalbe 
hilft in vielen Fällen. Sehr wirksam ist auch die abschälende Bepinselung der 
einzelnen Knötchen mit Schälkollodium: 

Acidi salicylici 

Anaesthesini aa 10 

Collodii 80 

M. Pinsel im Kork 
vor der unmittelbar darauffolgenden Einreibung der Lichensalbe.“ 

(B. kl. W. 1916 Nr. 20.) 
Moronal. Darüber schreibt Dr. Otto Harzbecker (Berlin): „Das Problem 
des Ersatzes des Liq. Alum. acet., der die Vorzüge des allgemein verwendeten 
Präparates besitzt, ohne dessen störende Nebeneigenschaften, ist bereits vielfach 
angeschnitten, ohne bisher in einwandfreier Weise gelöst zu sein. Von der 
Chemischen Fabrik von Heyden A.-G., Dresden-Radebeul, wurde dem Verf. vor 
längerer Zeit ein Präparat überreicht, mit der Bitte, festzustellen, ob dieses, 
Moronal genannt, den zu stellenden Ansprüchen genüge. Moronal ist ein basisch 
formaldehydschwefligsaures Aluminium. Die von Verf. benutzten 2°/,igen Lösungen 
in dest. Wasser blieben klar und ohne jedes Sediment. Da das Präparat in 
Tabletten zu 0,5 und 2 g abgeteilt war, so ist die Dosierung ebenso einfach wie 
bequem. Auf Verf.s Anregung hin werden jetzt auch größere Originalpackungen 
angefertigt, um Be Mengen schnell und ohne besondere Wägung bereiten 
zu können. Die therapeutische Wirkung ähnelt derjenigen des Liqu. Alum. acet., 
hat jedoch den Vorzug, die Haut in keiner Weise zu mazerieren, wie bisher 
alle essigsauren Tonerdepräparate. Auch bei der Verwendung in Salben- wie 
in Puderform hatte Verf. durchweg zufriedenstellende Resultate. Besonders an- 
genehm erschien ihm die wäßrige 2°/,ige Lösung zum Gurgeln als Therapie bei 
Anginen. Der Geschmack ist angenehm, die Wirkung überraschend kupierend. 
Alles in allem genommen, glaubt Verf., daß das Problem eines wirklich brauch- 
baren und zweckmäßig zu verwendenden Ersatzes des Liqu. Alum. acet. mehr 
oder minder durch dieses Präparat gelöst sein dürfte.“ 
(Allg. m. Ztg. 1916 Nr. 50.) 
Über Behandlung der Vulvovaginitis infantum läßt sich Priv.-Doz. Dr. V. Mucha 

(Wien) aus. Verf.’s therapeutische Maßnahmen bestehen gewöhnlich in täglichen 
Spülungen der Vagina mit desinfizierenden Lösungen (1/,—!/,°/, Protargol oder 
1: 1000 AgNO, oder 1—3: 1000 Hegonon). Sie werden in der Weise durchgeführt, 
daß ein die Hymenalöffnung eben passierender Nelatonkatheter in die Vagina 
eingeführt und hierauf eine vorsichtige Spülung mit einer Handspritze an- 
geschlossen wird. In Fällen mit weiterer Hymenalöffnung oder bei bereits zer- 
störtem Hymen werden Pinselungen der Vagina mit !/,—2°/, Lapislösung mit 
Hilfe eines watteumwickelten Holzes oder Metallstäbchens vorgenommen. Etwa 
vorhandene Urethritiden wurden mit Injektionen mit Hilfe eines Guyonschen 
Katheters oder bei größeren Kindern mittels Pinselungen behandelt, ebenso wurden 
bei etwa vorhandener Rektalerkrankung örtliche Spülungen vorgenommen. Ver- 
suche, die Behandlungsdauer der Erkrankung durch Vakzinebehandlung abzu- 
kürzen, führten zu keinen befriedigenden Ergebnissen. Die Dauer der Behandlung 
erstreckte sich in allen Fällen auf mehrere Monate (4—9), und sind selbst dann 
noch Rezidive vorgekommen. Was die Behandlung der nicht gonorrhoischen 
Vulvovaginitis anlangt, so pflegt Verf. nur in jenen Fällen, in denen ausgesprochene 
eitrige Sekretion nachweisbar ist, eine lokale Behandlung mit desinfizierenden 


IV. Neue Bücher. 135 


Spülungen in der gleichen Weise wie bei der gonorrhoischen Erkrankung vorzu- 
nehmen. In allen Fällen mit schleimig-eitriger oder schleimiger Sekretion findet 
man mit der Verordnung häufiger Sitzbäder sowie roborierender interner oder 
Arsenbehandlung das Auslangen. Die Prognose in allen diesen Fällen ist ab- 
solut günstig, die Behandlungsdauer meist wesentlich kürzer als bei der gonor- 
rhoischen Erkrankung, Rezidive sind auch bei diesen Fällen keine Seltenheit, 
was von vornherein verständlich ist, da ja die Erkrankung in den meisten Fällen 
vom Allgemeinzustande der Kinder abhängig ist. (W. m. W. 1916 Nr. 28.) 


Über die adstringierenden Wirkungen der ameisensauren Tonerde und speziell 
des Ormizets. Von Prof. Dr. A. Loewy in Berlin. Verf. empfiehlt als Adstringens 
Ormizet, eine Lösung von ameisensaurer Tonerde mit der etwa doppelt moleku- 
laren Menge Alkalisulfates, die weit mehr ausgesprochene adstringierende Wir- 
kung besitzt als die essigsaure Tonerde und letztere auch sonst in ihren Eigen- 
schaften übertrifft. Bei Unterschenkelgeschwüren war schon bei ganz schwachen 
Lösungen von 0,3—1,5°/, (1 EBlöffel der 5°/,igen Ormizetlösung auf 1 Tassen- 
kopf bis !/, Liter Wasser) eine deutliche Einwirkung zu erkennen. Die Ulcera 
waren hand- bis doppelhandgroß, zum Teil jauchend, und waren zuvor mit allerlei 
Mitteln, auch mit essigsaurer Tonerde, erfolglos behandelt worden. Unter 12 Fällen 
trat 9mal in 8—10 Tagen der Erfolg ein, obwohl es sich um Kranke der niedrigsten 
Stände handelte. Auch bei Scheidenkatarrhen war die Wirkung recht zufrieden- 
stellend. (D. m. W. 1916 Nr. 49.) 

* Siebzehn weitere mit Lecutyl behandelte Fälle von Lupus. Von A. Strauß. 
2—3mal wöchentlich Verband mit Lecutylsalbe. Befriedigende Ergebnisse, aber 
auch Versager. Bei Behandlung der oberen Luftwege verstäubt Verf.: Ung. Le- 
cutyl 20,0, Tinct. foenic. 6,0, Saccharin 0,1, Paraffin. liq. ad 100,0. 


Iv. Neue Bücher. 


Magnus Hirschfeld. Sexualpathologie. I. Teil. Bonn 1917, A. Marcus & 
E. Webers Verlag. Preis: M. 8.40, geb. M. 10.—. 

Dieser erste Teil des Werkes enthält sechs, von einer Anzahl instruktiver 
Bildtafeln begleitete Kapitel: Geschlechtsdrüsenausfall, Infantilismus, Frühreife, 
Sexualkrisen, Onanie, Automonsexualismus. Nur ungern legt man das Buch, 
wenn man es zu lesen begonnen, aus der Hand, so interessant und lehrreich ist 
es durchweg. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie langjährige Erfahrungen 
auf diesem Gebiete dem Verfasser zu Gebote stehen und wie er es versteht, diese 
Erfahrungen seinen Lesern zu übermitteln. Die zahlreichen Krankengeschichten, 
die er bringt, lassen diesen keinen Augenblick ermüden. Wir erwarten mit Un- 
geduld die weiteren Teile dieses sehr empfehlenswerten Werkes. Grätzer. 


Neue Dissertationen 
(aus deutschen Universitäten). 


Buck, E., Größenmessungen an oberhessischen Schulkindern, zugleich ein 
Beitrag zur Frage des menschlichen Wachstums (Gießen). — Engel, A., Die 
Eigenart der akuten Psychosen im Kindesalter (Halle). — Enneker, G., Nieren- 
erkrankungen während der Schwangerschaft und ihre Bedeutung für Mutter und 
Kind (Tübingen). — Ewald, L., Studien über Albuminurie der Neugeborenen 
(Gießen). — Friedberger, J., Der Einfluß der Geburtenfolge auf die Sterblich- 
keit der Kinder (Heidelberg). — Fuhge, G., Fall angeborener Hauterkrankung, 
sog. Ichthyosis sebacea (Heidelberg). — Goerner, R., Körpermessungen an sam- 
ländischen schul- und vorschulpflichtigen Kindern, ein Beitrag zur Konstitutions- 
statistik (Königsberg). — Hinneberg, O. K. W., Zur Kenntnis der angeborenen 
Hornhauttrübungen (Rostock). — Hoferer, E., Angeborene Speiseröhrenverenge- 
rung, kombiniert mit angeborenem umschriebenen Fettgewebsmangel (München). — 
Hofmann, F., Behandlungsmethoden der Asphyxie des Neugeborenen (Würz- 
burg). — Morgenstern, H., Günstige Beeinflussung schwerer postdiphtherischer 
Schluck- und Atemlähmungen durch Hypophysenpräparate (Straßburg). — Pett- 


12* 


136 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 6. 


ker, W., Zur forensischen Beurteilung der Brandstiftung bei jugendlichen Im- 
bezillen (Kiel). — v.Redwitz, Kongenitale Darmatresien und Stenosen (Mün- 
chen). — Rischke, M., Über Variation der Körperlänge im Säuglingsalter (Mün- 
chen). — Schlake, F., Körpermessungen von Landkindern an der Südküste des 
Kurischen Haffes (Königsberg). — Sebald, G. A., Vier Fälle von progressiver 
Paralyse beim Kinde (München). — Stockleb, R., Beziehungen zwischen Neuro- 


fibromatose und kongenitaler Elephantiasis (Jena). — Süßmayr, H., Über einen 
Hydrozephalus mit besonders schwerer Mißbildung der oberen Extremitäten. 
(München). (Beitr. z. Klin. d. Tbe. Bd. 34 H. 1—3.) 


V. Monats-Chronik. 


Nach der neuesten Statistik des Kaiserlichen Gesundheitsamtes weist die 
Säuglingssterblichkeit in Deutschland fortdauernd günstige Ziffern auf. 
Auf je 100 Lebendgeborene kamen Sterbefälle im ersten Lebensjahre vor in 
deutschen Orten mit 15000 und mehr Einwohnern im Jahre 1913: 14,2, 1914: 
15,5, 1915: 14,4 und 1916: 13,3. Für die 26 deutschen Großstädte mit 200000 
Einwohnern und mehr stellen sich die Zahlen noch günstiger. Auf je 100 Lebend- 
geborene starben dort 1914: 15,3, 1915: 13,9 und 1916 nur 13,0 Kinder im ersten 
Lebensjahre. 

Infolge einer in den Ärztl. Mitt. veröffentlichten Anregung haben sich mehrere 
Kollegen auf dem Lande (in Pommern, Harz, Lippe) bereit erklärt, erholungs- 
bedürftige Kinder großstädtischer Ärzte, denen die Verhältnisse nicht 
gestatten, ihre Kinder auf eigene Kosten zur Erholung aufs Land zu senden, 
während der Sommermonate unentgeltlich aufzunehmen. Zur Förderung dieses 
dankenswerten kollegialen Liebeswerkes erklärt sich das Generalsekretariat des 
L.W.V. bereit. 

Berlin. Die neun Säuglingsfürsorgestellen des Berliner Magistrats, die 
sich bisher nur um die Gesundheitspflege der im ersten Lebensjahr stehenden 
Kinder bemühten, haben ihren Wirkungskreis seit Anfang April auf die Kinder 
in den ersten bis sechsten Lebensjahren ausgedehnt. Es wird in allen Säuglings- 
fürsorgestellen an jedem Freitag für Kinder dieser Altersstufe eine besondere 
Sprechstunde abgehalten. 

Charlottenburg. Die Einrichtung besonderer Schulschwesterstellen hat 
sich nicht bewährt. Es hat sich herausgestellt, daß es wichtiger ist, in der sozialen 
Fürsorge vorgebildete Schulhelferinnen anzustellen, und nicht nur in der Kranken- 
pflege erfahrene Schwestern. Die Stadtverordneten haben deshalb beschlossen, die 
Einrichtung der Schulschwestern aufzuheben und nur noch Helferinnen in den 
verschiedenen sozialen Einrichtungen der Stadt für Schulkinder zu beschäftigen. 

München. Der Preis der Otto-Heubner-Stiftung für die beste pädiatrische 
Arbeit der verflossenen vier Jahre ist Prof. Pfaundler zuerkannt worden für 
seine Arbeit: „Körpermaßstudien an Kindern‘. 

Karlsruhe. Rückgang der Geburten. Die allgemeine Geburtsziffer hat 
in Baden 1914 die niedrigste seit 1815 beobachtete Geburtenzahl erreicht. Nach 
den Angaben der Standesämter wurden im Jahre 1914 insgesamt 59697 Geborene 
gemeldet; davon waren 58092 lebend, 1605 tot und 5422 unehelich geboren. Im 
Jahre 1913 waren zur Welt gekommen 59752 Kinder, darunter 58267 lebend, 
1485 tot und 5129 unehelich Geborene. Immerhin ist die Abnahme der Geburten 
im Jahre 1914 wesentlich geringer gewesen als in den Jahren 1912 und 1913. Die 
Totgeborenen haben gegenüber dem Jahre 1913 um 120, die unehelich Geborenen 
um 293 zugenommen. Unter den Neugeborenen des Jahres 1914 waren 1432 Zwil- 
linge und 21 Drillinge. 

Wien. Dr. Erw. Lazar hat sich für Kinderheilkunde habilitiert. 

Graz. Titularprofessor Dr. Tobeitz wurde zum a. o. Professor ernannt. 


Verantwortlicher Redakteur: Sanitätsrat Dr. Eugen Graetzer in Friedenau-Berlin. — Verlag 
von Johann Ambrosius Barth in Leipzig. — Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. 


Zentralblatt tür 
Kinderheilkunde. 


Eine Monatsschrift für praktische Ärzte. 


22. Jahrgang. Juli 1917. Nr. 7. 


I. Referate. 
A. Aus deutschen Zeitschriften. 


Max Guttmann, Einige Beispiele individueller körper- 
licher Entwicklung. (Ztschr. f. Kinderhkde.. XII. S. 248.) 
Untersuchungen eines Gymnasialprofessors, die namentlich prak- 
tische Arzte zur Nachahmung anregen könnten. Es sind Messungen 
der körperlichen Entwicklung, die sich von anderen durch den Grad 
ihrer Genauigkeit unterscheiden. Erstens sind die Individuen 
stets am Geburtstag gemessen, und zweitens sind dieselben 
Individuen durch eine Reihe von Jahren, viele durch 28 Jahre 
hindurch, beobachtet worden. Verf. führt 11 interessante Bei- 
spiele an. Die gleicharticen Linien z.B. dreier Brüder kıeuzen sich 
oft, überholen sich, treffen sich dann wicder, bis sie nach dem 
20. Lebensjahre eine vorläufige Bestäncigkeit annehmen. Der Jüngste 
dieser Familie zeigt das stärkste Wachstum und das größte Gewicht 
bis zum 16. Lebensjahr, bei einem zweiten Falle ist der mittlere Sohn 
am größten, das Gewicht aber am geringsten. Im allgemeinen hat 
der Mensch am Ende des 2. Lebensjahres die Hälfte seiner ganzen 
Größe erreicht. Wenn keine Krankheiten die Entwicklung stören, 
wird auch tatsächlich das Doppelte erreicht. Schick. 


Ernst Mayerhofer, Die Vakzination mit abgeschwächter 
Kuhpockenlymphe. (Wilhelminenspital Wien) (Ztschr. f. 
Kinderhkde. XIII. S.361.) Bei freier Belichtung der Vakzine durch 
die Quarzquecksilberlampe wird die Lymphe vollständig abgetötet. 
Durch Anwendung verschiedener Lichtfilter konnte die Abschwächung 
so gestaltet werden, daß die Lymphe nur sehr milde und modifiziert 
verlaufende Impfreaktionen hervorbringt. Der Impfschutz ist trotz- 
dem verläßlich. Als stark wirksames Lichtfilter bewährte sich das 
gewöhnliche Glas der Impfröhrchen, gelbe Lösungen, wie eine ge- 
sättigte Kaliumbichromatlösung, oder blaue Lösungen (Kupfersulfat- 
lösung). Die Technik der Belichtung ist einfach. Die gewöhnlichen 
gläsernen Impfröhrchen werden durch 8—10 Minuten unter Uw- 
wenden bestrahlt, oder man füllt Impfstoff in eine Quarzeprouvettc 
und legt dieselbe verstöpselt und versiegelt in eine bei Zimmertempe- 
ratur gesättigte, wässerige, filtrierte Lösung von Kaliumbichromat: 
Höhe der Flüssigkeitsschicht ca. 2—3cm; Dauer der Belichtung 
40 Minuten. Verf. denkt daran, diesen Impfstoff dann zu verwenden, 
wenn man kranke, schwache oder rekonvaleszente Kinder eines 
Spitals wegen Blatterngefahr impfen muß. Schick. 

Zentralbl, f. Kinderhikde. 22. 13 


138 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 7. 


B. Schiek, Zur Frage der physiologischen Körpergewichts- 
abnahme des Neugeborenen. (Kinderklinik u. Frauenklinik 
Schauta Wien.) (Ztschr. f. Kinderhkde. XIII. S. 257.) Es wurde 
versucht, durch forcierte Zufuhr von Frauenmilch in dosierten 
Mengen, die dem Körpergewicht des betreffenden Neugeborenen ent- 
sprechend berechnet wurden, die Körpergewichtsabnahme zu unter- 
drücken. In den ersten 2—3 Lebenstagen erhielten die Kinder 10°/,, 
in den folgenden bis 15°/, des Körpergewichtes zugeführt. In 9 Fällen 
gelang die Unterdrückung des Körpergewichtes vollkommen. Die 
physiologische Körpergewichtsabnahme ist daher Folge der geringen 
Nahrungszufuhr der ersten Tage. Es besteht eine Lücke zwischen 
intra- und extrauteriner Ernährung, die sich künstlich 
ausfüllen läßt. Diese Lücke ist nicht nur durch die zögernde und 
ungenügende Brustdrüsensekretion bedingt, sondern auch durch di: 
Ungeschicklichkeit und Hilflosigkeit des neugeborenen Kindes. Das 
Bestreben nach Vermeidung jeglicher Körpergewichtsabnahme ist 
überflüssig. Schick. 

M. Piaundler, Vorfensterlager zur Freiluftbehandlung 
von Säuglingen. (Ztschr. f. Kinderhkde. XIII. 8.282.) Es be- 
steht aus einem mit wenig Handgriffen festzumachenden Holzrost, 
auf dem die Säuglinge in Weidenkörben liegend an die Luft gebracht 
warden können. Die Gesamteinrichtung (6 Holzroste, 12 Körbe für 
Säuglinge, Schutzdach usw. für 12 Säuglinge) kostete 194 Mark. 

Schick. 

A. v. Reuss, Beobachtungen über das Schicksal der 
Kinder eklamptischer Mütter. (Kinderklinik, Frauenklinik 
Schauta, dritte geburtshilfliche Klinik Wien.) Die Zahl der während 
oder kurz nach der Geburt eklamptischer Mütter absterbenden Kinder 
beträgt 30—40°/,. Die Nachuntersuchung überlebender 46 Kinder 
ergab, daß das weitere Gedeihen des Kindes durch die mütterliche 
Erkrankung in der Regel nicht mehr zu befürchten ist, wenn (das 
Kind die ersten Tage überlebt hat. 

Eine toxische Schädigung des Kindes durch die Muttermilch 
ist höchst unwahrscheinlich. Wenn es nicht die Schwere der mütter- 
lichen Erkrankung verbietet, so ist der natürlichen Ernährung an 
der Mutterbrust vor der künstlichen unbedingt der Vorzug zu geben. 

Schick. 

F. Weihe, Über kongenitale Zwerchfellhernie und ihre 
Darstellung im Röntgenbild. (Kinderklinik Frankfurt a/Main.) 
(Ztschr. f. Kinderhkde. XIII. S. 299.) 21/, Monate alter Säugling. 
Klinisch bestanden schwere asphyktische Anfälle auch in der Zwischen- 
zcit, meistens starke Dyspnoe. Die Perkussion ergibt Verlagerung 
des Herzens nach rechts. Vorne links auffallend heller und tym- 
panitisch klingender Lungenschall. Rückwärts links absolute Dämp- 
fung und Fehlen jeden Atemgeräusches. Diese Dämpfungsverhält- 
nisse rückwärts wechseln, z. B. tritt aus links hinten unten tympa- 
nitischer Schall auf. Röntgenologisch konnten dann bei Bariumfütte- 
rung Darmschlingen im linken Thoraxraum nachgewiesen werden. 
Der Fall kam zur Obduktion, wobei sich auch eine Hypoplasie der 
linken Lunge zeigte. Schick. 


I. Referate. | 139 


Karl Kisskalt, Die Körperkonstitution der ostpreußi- 
schen Stadt- und Landschulkinder. Ein Beitrag zur sozialen . 
Anthropologie. (Aus dem Hygienischen Institut der Universität in 
Königsberg.) (D. m. W. 1916. Nr. 25.) Die Blässe und Schwächlich- 
keit der Großstadtjugend ist schon längst sprichwörtlich geworden. 
Wer aber genauer darauf achtet und nicht das besonders Auffallende 
für typisch nimmt, wird leicht Unterschiede bemerken. Stellt man. 
sich vor ein Gymnasium und betrachtet die herauskommenden 
Schüler, so sieht man zwar relativ zahlreiche bebrillte Augen, aber das 
Aussehen ist durchschnittlich wesentlich gesünder, kräftiger als das 
der Volksschüler in ärmeren Stadtteilen, bei denen eingefallene 
Wangen, Blutarmut, Rachitis fast die Regel sind. 

Aufgabe der Wissenschaft ist es, diese Unterschiede ziffermäßig 
auszudrücken. Bei allen Versuchen, vorhandene ungünstige Zustände 
zu verbessern, wird man mehr erreichen, wenn man vergleichende 
Zahlen vorbringen kann. Entsprechend der Erwartung haben denn 
Messungen in zahlreichen Städten ergeben, daß in Schulen, die von 
Kindern bemittelter Stände besucht werden, Körperlänge und Ge- 
wicht wesentlich größer waren als in Volksschulen. Ä 

Dies stimmt auch mit den experimentellen Untersuchungen von 
Aron überein, der fand, daß, wenn junge Hunde unterernährt wären, 
zw.r anfangs die Länge auf Kosten der chemischen Beschaffenheit 
der Organe zunimmt; wird aber der Versuch lange: fortgeführt, so 
b: iben uie Tiere dauernd klein, selbst wenn sie später genügend Futter 
ernalten. 

Verf. hat nun auch in Königsberg Untersuchungen dieser: Art 
vornehmen lassen. Sie geschahen in einem Gymnasium an 289 
Schülern, in der Sackheimer Volksschule an 571 Schülern. 

Es zeigte sich hier wieder, was durch die erwähnten Messungen 
in anderen Städten gefunden worden ist, daß die aus bemittelten . 
Funilien stammenden Gymnasiasten im gleichen Alter größer und 
schwerer sind als die Volksschüler. 

Gegen alle die Messungen ist aber ein gewichtiger Einwand zu 
machen. Die Bevölkerung Deutschlands ist nicht einheitlicher Ab- 
stammung. Es könnte wohl sein, daß die Bemittelten ciner anderen 
Rasse angehören als die Unbemittelten; daß es sich bei den besonders 
exakt ausgeführten Mcssungen von Geissler und Uhlitzsch in 
Fr.iberg i. S. bei den ersteren um Kinder germanischer, bei den 
letzteren wendischer Abstammung handelt und daß die gleichen Ver- 
hältnisse bei den Untersuchungen von Hasse in Gohlis und von 
Rietz in Berlin vorlagen. Für Königsberg gilt das Gleiche; man darf 
annehmen, daß ein großer Teil der Landbevölkerung in der Umgebung 
pr.ußisch-litauischer Abstammung ist; in der Stadt sind sicher viel 
mchr eingewanderte Germanen vorhanden. Ob sie bei der starken 
Zuwanderung vom Lande her in allen Klassen der Bevölkerung noch 
überwiegen, läßt sich von vornherein nicht sagen. Zu diesen beiden 
Elementen kommen in der Stadt noch wenice Slawen (Polen) und 
andere Zuwanderer, wie in jeder Hafenstadt. 

Verf. hat nun versucht, den obigen Einwand zu berücksichtigen 
dadurch, daß er auch Messungen der Landbevölkerung machen ließ. 

13* 


140. Zentralblatt für Kinderheilkunde Nr. 7. 


- Es wurden gemessen 168 Kinder in Quednau, kaum 2 km nörd- 
lich von Königsberg, 285 Kinder in Pobethen, in der Mitte des Sam- 
landes gelegen, und 178 bzw. 887 Kirder in Schaaksvitte an der Süd- 
küste des Kurischen Haffs. Die Bevölkerung ist fast durchweg 
preußisch-litauischer Herkunft, nur die von Schaaksvitte hat etwas 
lettischen (kurischen) Einschlag. Pobethen liegt in einer frucht- 
baren Gegend. Schaaksvitte ist ein Fischerdorf, doch wird viel Land- 
bau getrieben. Die Männer in Quednau arbeiten schon teilweise in 
der Stadt, doch ist die Haushaltung ganz ländlich. Die Kinder aller 
dieser Orte sind von blühender Gesundheit, so daß jeder Mensch und 
Arzt seine Freude daran haben kann. 

Es zeigte sich, daß die gut ernährten Landkinder nicht etwa die 
gleichen Maße aufweisen wie die Stadtkinder aus wohlhabenden 
Kreisen, sondern durchweg geringere Größe und Gewicht haben. 

Man könnte annehmen, daß es sich bei letzteren um eine Do- 
mestikationserscheinung handelt, denn vielfach wird angenomn.en, 
daß die Stadtbevölkerung mehr Neigung hat, in die Länge zu wachsen, 
als die Landbevölkerung, aus Gründen, die uns eben unbekannt sind, 
wie die der Bildung des Yankeetypus in Amerika und Australien. 
Viel wahrscheinlicher ist es aber, auch aus historischen Gründen, caß 
das eingewanderte germanische Element größer ist als das litauische. 
Dies findet sich auch bei den Militärmessungen. Nach Ewert stehen 
die Ostpreußen zwar über dem Durchschnitt, stehen aber an Größe 
hinter den Oldenburgern, Schleswig-Holsteinern, Mecklenburgeın, 
Westfalen, Hannoveranern, Pommern, Rheinländern zurück. Nach 
Schwiening ist sogar die Zahl der sehr großen (über 170 cm) Ost- 
preußen unter dem Durchschnitt Deutschlands, anderseits aber auch 
die Zahl der wegen Mindestmaß (unter 154cm) Untauglichen. Daß 
bei ersterer Tatsache die geringere Körpergröße der Masuren eine 
sehr wesentliche Rolle spielt, scheint K. nicht richtig, da auch bei 
diesen die Zahl der wegen Mindermaßes Untauglichen unter dem 
Durchschnitt ist. Im Dienst spielen allerdings diese Verhältnisse keire 
wichtige Rolle; auch in letzter Zeit konnte man beobachten, daß die 
Rekruten aus Ostpreußen die Strapazen besser ertragen als die gleich- 
zeitig hier ausgebildeten größeren Schleswig-Holsteiner. 

Dabei handelt es sich überwiegend um Leute vom Lande und aus 
kleinen Städten. Königsberg mit (1910) 245994 Einwohnern macht 
nur 11,88°%/, der Gesamtbevölkerung Ostpreußens (2064175) aus; 
die folgenden 8 Städte mit über 10000 (39000 bis 13000) Einwohneın 
nur 8,8°/,, die sämtlichen Gemeinden mit über 2000 Einwohnern 32,9°/,. 

Man kann also wohl annehmen, daß zwischen den Gymnasiasten 
und den Landkindern einfach Rassenunterschiede maßgebend sind. 

Wie ist es nun mit den Stadtschulkindern? Vergleicht man cie 
Zahlen, so findet man, daß Länge und Gewicht ziemlich genau mit 
denen der Landschulkindern zusammenfallen. Soll das nun heißen, 
daß zwischen der vielfach unterernährten, blutarmen Bevölkerung 
der äußeren Stadtteile und der kräftigen Landjugend sich kein 
Unterschied ziffermäßig nachweisen läßt? So könnte es scheinen, 
wenn man nur die Zahlen von Länge und Gewicht ermittelt hat; 
man könnte annehmen, daß sie der gleichen Rasse angehören und 


I. Referate. 141 


deshalb kleiner und leichter sind als die ‚Gymnasiasten ; aber ebenso 
könnte es der Fall sein, daß sie der gleichen Rasse wie die der letzteren 
angehören oder eine Mischung beider und infolge der schlechten 
sozialen Verhältnisse unterentwickelt sind. 


Andere Methoden haben hier eine schärfere Unterscheidung ge- 
‚stattet. Bei den Untersuchungen waren gleichzeitig noch Unterarm- 
umfang und Druckkraft (Collinsches Dynamometer) gemessen worden. 


Die Messung des Unterarmumfanges erfordert, wie ja bekannt- 
lich auch die der Körperlänge, einige Übung; Verf. möchte daher 
‘nun die Resultate eines und desselben Untersuchers hier wieder- 
geben. Auch gegen die Messung der Druckkraft können Einwände 
gemacht werden. Die Schwankungen bei derselben Person sind ziem- 
-lich stark, die Psyche ist von Einfluß, und man darf solche Messungen 
-2.B. nicht an einem Tage vornehmen, an dem der Nachmittag un- 
erwartet schulfrei gegeben wird, da man sonst viel zu hohe Werte 
erhalten würde. lm ganzen aber ist das Instrument für Massen- 
" untersuchungen gut verwendbar, da die Fehler sich dann ausgleichen, 
und die gleichmäßig verlaufenden Kurven zahlreicher Autoren lassen 
‘das erkennen. Den Schülern wurde vor jeder Untersuchung gezeigt, 
wie das Instrument zu fassen und zu dıücken ist. Es wurde zweimal, 
manchmal fünfmal gedrückt, in den folgenden Tabellen jedoch des 
richtigeren Vergleichs halber nur das Resultat des stärkeren der 
beiden ersten Drucke wiedergegeben. 


Aus den Zahlen sieht man: Die größte Druckkraft haben die 
Gymnasiasten. Nach ihnen folgen die Landschulkinder, wie eg auch 
nach der übrigen körperlichen Entwicklung zu erwarten war. Sie 
sind. also nicht etwa infolge des Landlebens kräftiger als jene.: In 
einem deutlichen Abstand aber folgen nunmehr die Stadtvolksschul- 
kinder, so daß sich mit dieser Methode ihre Unterlegenheit unter den 
gleichgroßen und gleichschweren Landschulkindern deutlich ergibt. 
Und dies, trotzdem der Unterarmumfang nicht hinter dem der Land- - 
kinder zurücksteht. Man sieht daraus, daß die Äußerungen der 
Muskelkraft nicht allein von .der Quantität des Muskels abhängen. 
Wesentlich ist daneben die Wirkung der Psyche, des Impulses; und 
diese geringe Leistung .der unterernährten Kinder stimmt mit der 
öfter gefundenen Tatsache überein, daß Kinder, die in ihrer körper- 
lichen Entwicklung zurückgeblieben sind, auch geistig nicht so 
leistungsfähig sind. Vielleicht kann man auch an eine andere Be- 
schaffenheit der Muskelmasse denken, denn aus den Untersuchungen 
von Aron wissen wir, daß, wenn ein Organismus infolge Unter- 
ernährung im Wachstum zurückbleibt, er auch chemisch anders be- 
schaffen, wasserreicher ist. 


Was auch die Ursache sein mag: sicher ist, daß die Körperkraft 
der Stadtvolksschulkinder geringer ist als die der gleichgroßen und 
gleichschweren Landschulkinder. Hieraus darf man mit Sicherheit 
schließen, daß sie in ihrer körperlichen Entwicklung zurückgeblieben 
sind. Dann sind sie aber wohl auch in Länge und Gewicht zurück- 
geblieben. Sie gehören also einer größeren Rasse an als die Land- 
“kinder oder, wahrscheinlicher, einer Mischung der größeren und 


"142 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 7. 


kleineren Rasse, und ihre Minderwertigkeit ist auf schlechtere soziale 
Verhältnisse zurückzuführen. 

Wichtig erscheint aber noch, daß die Kinder aus Quednau, das 

nahe bei der Großstadt liegt und deren Väter teilweise dort arbeiten, 
ebenso kräftig sind wie die anderen Landkinder. Hier ist der Weg voi- 
gezeichnet, auf dem eine Besserung der Zustände unter der Arbeiter- 
. bevölkerung erfolgen könnte. Denn zwar ist zweifellos richtig, daß das 
Wachstum durch Nahrungsaufnahme, durch Ansatz .erfolgt, daß, 
wenn die Nahrungsmittel in der Stadt so leicht zu erhalten wären 
wie auf dem Lande, wenn durch Verbesserung der Wohnungsverhält- 
nisse, die Bewegung im Freien der Appetit auch für eine einfache 
Kost gefördert würde, der Ernährungszustand der unbemittelten 
Bevölkerung in der Stadt ebenso gut sein könnte wie auf dem Lande. 
‚Aber die Erfahrung hat eben immer ergeben, daß dies nicht so ist. 
Unter derartigen noch überwiegend ländlichen Verhältnissen wie 
Quednau ist noch nicht die Unterernährung vorhanden, sie beginnt, 
‚wie Grotjahn hervorhebt, erst mit dem Aufhören der Natural- 
wirtschaft. 
-~ Im übrigen ist gerade das Klima Ostpreußens geeignet, ein  kräf- 
tiges Geschlecht zu schaffen. Jedem Neuankömmling, der nicht von 
Anfang an sich verweichlicht, fällt, wenn er sich erst : an das Klima 
gewöhnt hat, die Zunahme des Appetits auf. 

Verf. möchte im Gegensatz zu den anderen Autoren Einfluß des 
Klimas auf den Nahrungsbedarf nicht gering veranschlagen. Aller- 
dings sagt man richtig, daß unsere Haut unter der Kleidung in einem 
gleichmäßigen, tropischen Klima ist; aber in kühleren Gegenden 
dürfte ihre Wärme wohl mehr als in warmen durch stärkere Durch- 
"blutung hervorgerufen werden, die dann natürlich mit einer stärkeren 
Wärmeabgabe verbunden ist, abgesehen davon, daß man sich un- 
willkürlich mehr Bewegung macht. Es ist auch auffallend, daß die 
‘Personen, bei denen die bisher größte Nahrungsaufnahme konstatiert 
wurde (bis über 8000 Kalorien pro Tag), amerikanische Holzfäller 
waren, die im Winter untersucht wurden, daß ferner die Milch der 
"Polartiere einen außerordentlich hohen Fettgehalt hat (Walfisch 19,8%/,, 
Renntier 17,2°/,).. Die Natur läßt den Appetit anscheinend über das 
‚momentane Nahrungsbedürfnis ansteigen. Damit erklärt sich auch 
der Panniculus adiposus, den wir im Norden viel stärker ausgeprägt 
sehen als im Süden. — Auch die relativ niedere Tuberkulosesterblich- 
keit Königsbergs, die früher hervorgehoben wurde im Gegensatz zu 
‚den Binnenstädten, dürfte durch die Abhärtung infolge der ständigen 
wehenden Winde bedingt sein; allerdings hat sie nicht in dem Maße 
abgenommen, wie in reicheren deutschen Städten. Über die auf- 
fallend hohe Säuglingssterblichkeit Ostpreußens sind wir leider durch 
wissenschaftliche Arbeiten sehr wenig informiert, interessant ist es 
aber, daß sie in dem berüchtigten Sommer 1911 keine derartige 
Neigung zeigte wie im übrigen Deutschland, da die Temperatur hier 
nicht besonders hoch war. Grätzer. 

Thiele-Chemnitz, Der Einfluß der kriegsmäßig verän- 
derten Ernährung auf unsere heranwachsende Jugend. 
(Ebenda.) Das Material umfaßt 1055 Knaben, die Ostern 1916 nach 


L Referate. 148 


' 8 jähriger Schulzeit die Volksschule verlassen. Sie stehen also im 
Beginn der Entwicklungszeit (Pubertät), der Zeit des stärksten 
Wachstums. Ihre Ernährungsbedingungen sind sicher die gleichen 
wie die der Erwachsenen. Wenn Rössle gegenüber dem Jenaer 
.- Material hervorhebt, daß das dortige jugendliche Arbeitermaterial 
infolge guten, ja gesteigerten Verdienstes und demzufolge nicht 
schlechterer Ernährung vielleicht doch nicht ganz einwandfrei sei, 
so ergaben Nachfragen in Chemnitz, daß von den 1055 Konfirmanden 
330 = 81,8% auf Arbeit gingen (im wesentlichen als Laufjungen, 
Boten), die sicher nicht besonders gut entlohnt wird und nur wenige 
Stunden (höchstens 8) am Tage umfaßt. Die Knaben entstammen 
in der Mehrzahl Arbeiterfamilien. Die Feststellungen geben sicher 
eine ausreichende und einwandfreie Stichprobe über den Einfluß der 
jetzigen Ernährung auf die Mehrzahl der Chemnitzer Bevölkerung. 
Dank der zufällig fast genau vor dem Eintritt der kriegsmäßig ver- 
änderten Lebensweise (Ostern 1914) vom Verf. (l. c.) berechneten 
Durchschnittszahlen von Körperlänge und Körpergewicht der Chem- 
nitzer Schulkinder in den verschiedenen Lebensaltern stehen sichere 
Vergleichszahlen zur Verfügung. 

Die Durchschnittszahlen vor dem Kriege sind für Knaben im 
Alter von 14 Jahren (8. Schuljahr) folgende: 


Gesunde: 143,0 cm Länge, 84,5 kg Gewicht 
Blutarme: 143,0 Per 83,2 a 5 
Tuberkulöse: 138,0 ,, „ 8318 , m 


Auch die diesjährigen (— die Untersuchungen fanden im 
Februar d. J. statt —) Knaben sonderte Verf. in Gesunde, Blutarme 
und Tuberkulöse, nachdem er 144 Knaben = 13,7°/, wegen Wirbel- 
säulenverkrümmungen, Herzfehlern und anderen die Gesundheit 
schwerer beeinträchtigenden Körperfehlern ausgeschieden hatte. Es 
blieben: 

720 Knaben = 68,3°%/, Gesunde 
160 a = 15,2°/, Blutarme und 
30 „ = 2,3°%, Tuberkulöse 


übrig, aus denen die Zahlen errechnet sind. Danach betrug das 
Durchschnittsgewicht dieser ‚Kriegskonfirmanden“: 


Gesunde: 145,4 cm Länge, 36,8 kg Gewicht 
Blutarme: 141,7 ,, » 824, 5 
Tuberkulöse: 148,7 ,, » 82,2 ,, 5 


- Es ergibt sich also für gesunde Knaben nicht nur kein Verlust, 
sondern eine nicht unerhebliche Zunahme an Körperlänge und Körper- 
gewicht. Ihre Entwicklung ist sonach sicher nicht irgendwie ungünstig 
beeinflußt worden. 

Etwas anders scheinen aie Verhältnisse bei den blutarmen Knaben 
zu liegen. Hier ist ein geringer Rückschritt festzustellen. Wenn wir 
aber daneben die Zahlen für Tuberkulöse halten, die wiederum eine 
wesentliche Verbesserung ihrer Körperverhältnisse aufweisen, so 
können wir uns dieses Ergebnis wohl nur aus den kleinen Zahlen er- 
klären, die uns zur Verfügung standen. Und mit kleinen Zahlen kann 


144 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 7. 


man keine statistische Sicherheit erlangen. Wenn wir dies bei den 
blutarmen Knaben nicht annehmen wollen — auf Grund vielfacher 
statistischer Erfahrungen neige ich eher dazu —, so muß uns diese 
Feststellung ein Hinweis darauf sein, in der jetzigen Zeit beschränkter 
Ernährungsverhältnisse auf unsere weniger widerstandsfähigen Kinder 
besonders Obacht zu geben. 

Es dürfte weiter von Wert zur Beurteilung der ganzen Frage 
sein, wenn wir nicht nur Körpergröße und Körpergewicht früher und 
jetzt miteinander vergleichen, sondern überhaupt den durchschnitt- 
lichen Gesundheitszustand der gleichalterigen und gleichartigen Kinder 
früher und jetzt gegenüberstellen. 

In folgender Tabelle finden wir in Prozentzahlen die wesent- 
lichsten Gesundheitsstörungen, die in den letzten 3 Jahren vor dem 
Kriege, 1911, 1912 und 1913, an den Konfirmanden gefunden wurden. 
"Unter 1915 sind die gleichen Zahlen der jetzt untersuchten 1055 Knaben 
eingetragen. 


Es litten an || Jahrgang 


1911 1912 1913 1915 


Jahrgang | Jahrgang | Jahrgang 


Ungenügendem Ernährungszustand . 
Blutarmut . .. 22.222200. | 
Wirbelsäulenverkrümmung . .. . . 
Knochen- und Gelenktuberkulose . . 
Adenoiden Wucherungen . . . . . . 
Lungentuberkulose . ....... 
Herzfehller .... 2... 22.. 
Sehstörungen . . . 2». 2.22.20. 
Gehörstörungen . . . . saasa.’ 
Nervenleiden ...... SE A ; 


Auch hier sehen wir keine wesentlichen Unterschiede, wenn auch 
zu berücksichtigen ist, daß die Zahlen von 1911—1918 nicht nur die 
männlichen, sondern auch die weiblichen Schulentlassenen umfassen. 
So erklärt sich auch der auffällige Abfall der Prozentzahl bei den 
Wirbelsäulenverkrümmungen und vielleicht auch unter den Seh- 
störungen. Fügt man noch den allgemeinen Eindruck hinzu, den 
die im Laufe des letzten Kriegsschuljahres vorgeführten Schulkinder 
machen, so kann sich Verf. durchaus den Jenaer Schulärzten an- 
schließen, die übereinstimmend mit den dortigen Schulleitern der 
Ansicht waren, daß bei den Schulkindern von schlechter Ernährung 
nichts zu merken sei. Auch gelegentlich der Aussprache über Diph- 
therie im Ärztlichen Verein zu Hamburg vom 16. November 1915 
wurde gegenüber einer Ansicht, die die derzeitige Schwere des Ver- 
laufes der Diphtherie auf die Teuerung und die „dadurch bedingte 
Unterernährung, die auch jetzt vorhanden ist“, zurückgeführt hatte, 
von Fraenkel betont, daß die in das Eppendorfer Krankenhaus 
aufgenommenen diphtherieerkrankten Kinder ‚ganz und gar nicht 
schlechter genährt sind als die in Friedenszeiten mit der gleichen 
Erkrankung zur Aufnahme gelangenden.“ 

Der Tagespresse entnimmt Verf, einen Bericht des württem- 
bergischen Bezirksarztes Engelhorn, der in den letzten Monaten 


L Referate. 145 


„2562 Schulkinder im Alter von 6, 10 und 13 Jahren untersucht und 
dabei die Beobachtung gemacht hat, daß der Ernährungszustand 
dieser Kinder durchschnittlich sehr gut war, mit wenigen Ausnahmen 
mindestens so günstig war wie vor dem Kriege. Diese günstige Er- 
fahrung ist sowohl bei Land- wie bei Stadtkindern gemacht worden.“ 
. Und endlich liegt eine Veröffentlichung von Hepner-Mannheim 
vor, wonach bei den Schulanfängern der dortigen Volksschulen im 
Jahre 1915 durchaus keine Erscheinungen einer geringeren körper- 
lichen Entwicklung festzustellen gewesen sind. Zu etwas anderen 
Ergebnissen allerdings kam schon Mitte des Jahres 1915 der Charlotten- 
.burger Schularzt Kettner, der bei den Säuglingen und Kleinkindern, 
die er in der Fürsorgestelle beobachten konnte, vielleicht dank der 
erweiterten Reichswochenhilfe keine wesentliche Beeinträchtigung der 
Körperentwicklung finden konnte. Nur glaubte er Zunahme der 
Rachitis und der Tetanie (spasmophilen Diathese) feststellen zu 
„müssen, was er auf die verschlechterten häuslichen Verhältnisse und 
vielleicht auf die ungünstige nervöse Beeinflussung der jungen Mütter 
während der Schwangerschaft zurückführt. Bei den Schulkindern 
dagegen konnte er einen deutlichen Einfluß der veränderten Er- 
nährung auf ihre körperliche Entwicklung beobachten. Die Zunahme 
des Körpergewichtes blieb ebenso wie: die Zunahme des Längen- 
wachstums um 1 kg bzw. 2cm zurück. Er hat aber eine direkte 
Schädigung der Gesundheit — das betont er ausdrücklich — hierdurch 
noch nicht eintreten sehen, sieht sich jedoch veranlaßt, die maß- 
'gebenden Stellen auf seine Beobachtungen hinzuweisen. | 
Man kann trotzdem wohl übereinstimmend mit den anderen 
erwähnten Beobachtern in deutschen Großstädten sagen, daß bis 
‚jetzt im allgemeinen von einem ungünstigen Einfluß der durch den 
Krieg veränderten und zum Teil sicher herabgesetzten Ernährung 
auf unsere heranwachsende Jugend keine Rede sein kann. Immerhin 
gibt der etwas ungünstigere Befund bei schon früher nicht ganz ein- 
 wandfreien Kindern einen erneuten Hinweis darauf, daß etwaiger 
Nahrungszuschuß in erster Linie unseren Kindern zugute kommen 
muß. Selbstverständlich müssen diese wichtigen Untersuchungen 
fortgesetzt werden. Es geht um unsere Zukunft. = Grätzer 
Hans Landau, Über die Gramfestigkeit von Diphtherie- 
und diphtherieähnlichen Bazillen und ihre differential- 
diagnostische Bedeutung. (Aus dem Königl. Institut für In- 
fektionskrankheiten ‚Robert Koch“ zu Berlin.) (B. kl. W. 1916. 
Nr. 41.) Langer und Krüger haben kürzlich als neues Differen- 
zierungsmittel von Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen eine 
verlängerte Gramfärbung empfohlen; das Wesentliche ihrer Methode 
ist, daß sie nicht nur so lange entfärben, bis keine Farbwolken mehr 
abgehen, sondern 96°/, Alkohol 15 Minuten lang auf die Präparate 
zur Entfärbung einwirken lassen. Nach dieser Zeit seien die echten 
Diphtheriebazillen vollständig entfärbt, die Pseudodiphtheriebazillen 
dagegen halten auch dann noch die Gramfärbung fest. Ihre Unter- 
suchungen beziehen sich auf 10 Stämme von echter und 5 Stämme 
von Pseudodiphtherie; die Autoren kommen zu dem Schluß, daß 
ihre Ergebnisse es rechtfertigen, ihre Färbung als unbedingt spezifisch 


146 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 7. 


anzusehen. In einer späteren Arbeit hat Langer auf Grund der- 
Untersuchungen von etwa 500 Diphtherie- und Pseudodiphtherie- 
stämmen die unbedingte Spezifität seiner Färbung bestätigt gefunden. 
Unter den untersuchten Diphtheriestämmen befanden sich auch 
zwei atypische, in der Neisserfärbung negative Kulturen, von denen 
die eine für Meerschweinchen virulent, die andere aber avirulent war; 
beide verhielten sich gegenüber der verlängerten Gramfärbung wie 
echte Diphtherie. 

Bei einer Nachprüfung an einem vorläufig allerdings nur kleinen 
Material konnte Verf. Langers Angaben bestätigen, mehrere diph- 
theroide Stämme hielten bei verlängerter Gramfärbung die dunkel- 
blaue Farbe vollkommen fest, während sich echte Diphtheriebazilln 
völlig entfärbten. Gewiß ist die Methode als weiteres Differenzierung s- 
mittel innerhalb der Gruppe Diphtherie- und Pseudodiphtherie- 
bazillen von Interesse und verdient besonders auch bezüglich der 
praktischen Anwendung bei ganz jungen Kulturen, wo die Neisser- 
färbung versagt, weitere Nachprüfung. Was jedoch den Anspruch 
einer unbedingten Spezifität betrifft, so möchte Verf. auf die von 
ihm kürzlich beschriebenen, der Leptothrix nahestehenden Bakterien- 
arten hinweisen, die zuweilen den echten Diphtheriebazillen äußerst 
ähnlich, dabei aber noch weniger gramfest sind als diese. Diese 
Mikroorganismen können vor allem bei den Originalabstrichen, für 
die Langer und Krüger ihre Färbung ebenfalls empfehlen, aber 
auch gelegentlich in der Kultur Anlaß zu Zweifeln geben. Ein kürz- 
lich von L. gezüchteter Stamm, der den oben genannten Baktericn- 
arten angehört, war nach Neisser gefärbt außerordentlich diphtherie- 
ähnlich und zeigte nach einigen Generationen auf Löfflerserum gutes 
Wachstum, in den meisten Kulturen traten gar keine Fäden auf; 
der mit diesem Stamm am Meerschweinchen angestellte Tierversuch 
verlief vollständig negativ. Was die Gramfärbung betrifft, trat hier 
schon bei der gewöhnlichen Färbemethode teilweise Entfärbung ein, 
nach Langers Methode entfärbten sich die Stäbchen vollständig. 
Man könnte daran denken, daß es sich hier um eine avirulente Diph- 
therie handle; dagegen spricht aber die Herkunft von dem Zahnfleisch 
eines gesunden Laboratoriumsangestellten, der bei recht häufigen 
Untersuchungen vielfach Leptothrix, aber niemals Diphtheriebazillen 
geliefert hat, sowie die Tatsache, daß doch gelegentlich in einigen 
Generationen dieses Stammes einzelne der Leptothrix ähnliche Fäden 
auftraten. Anscheinend liegen die Verhältnisse so, daß die Gruppe 
der gewöhnlichen xeroseähnlichen Diphtheroiden — wie Verf. in 
mehreren Fällen bestätigen konnte — in der Tat meistens viel gram- 
fester ist als die echte Diphtherie, während eine andere, auf unseren 
Platten nur seltener gedeihende Gruppe, die der Leptothrix nahe 
steht, sich umgekehrt viel schneller entfärbt als die echte Diphtherie. 
Ob man die Angehörigen dieser Gruppe zur Pseudodiphtherie rechnen 
soll, mag fraglich sein; in jedem Falle handelt es sich um zuweilen 
äußerst dipherieähnliche Stäbchen, bei denen man ein einfaches 
Differenzierungsmittel gut brauchen könnte und bei denen die 
Langersche Färbemethode versagt! Verf.’s weitere Beobachtungen 
an dem obengenannten, der Leptothrix nahestehenden Stamm, näm- 


I. Referate. 147 


lich das im Vergleich zu den meisten ' Angehörigen dieser Gruppe 
bessere Wachstum auf Löfflerserum und die auffallend starke Ähnlich- 
keit mit echter Diphtherie bei Neisserfärbung, rechtfertigen die bereits 
vom Verf. gemachte Bemerkung, daß auf die Möglichkeit der Ver- 
wechslung derartiger Bakterien mit Diphtherie vielleicht nicht immer 
genügend geachtet wird ; insbesondere ist dabei an die Fälle zu denken, 
bei denen der direkte nach Neisser gefärbte Ausstrich diphtherie- 
positiv ist, die Kultur aber dann negativ bleibt. Daß solche Fälle 
bei echter Diphtherie vorkommen, ist nach Neissers u. a. Beob- 
achtungen wohl nicht zu bezweifeln, sie sind aber wohl recht selten. 
Wenn aber z.B. Schürmann und Pringsheim unter 483 Diph- 
therieuntersuchungen neben 99 positiven Kulturbefunden 27 Fälle 
fanden, in denen sie mikroskopisch Diphtherie diagnostizierten, 
während die Kulturen negativ waren, so daß also in jedem 5. Fall 
die Kultur versagt hätte, so muß man dabei doch wohl an die Mög- 
lichkeit eines Irrtums denken. Jedenfalls dürfte es empfehlenswert 
sein, Fällen, in denen sich der mikroskopisch positive Befund in der 
Kultur nicht bestätigt, neuerdings nochmals nachzugehen. Die Unter- 
scheidung der Diphtheriebazillen von Angehörigen der Leptothrix- 
(und wohl auch der Streptothrix- und Aktinomyzes-)gruppe sch: int 
doch in der Praxis in manchen Fällen schwieriger zu sein, als meist 
angenommen wird. 

Was nun anderseits die echten Diphtheriebazillen betrifft, so 
scheinen darunter doch auch gelegentlich Kulturen vorzukommen, 
die eine größere Gramresistenz zeigen. Hierhin gehört eine jüngst 
vom Verf. beobachteter Fall. Das zur Untersuchung auf Diphtherie 
eingesandte Material stammte aus der Nase eines siebenjährigen 
Kindes; die Kultur auf Löfflerserum war gut gewachsen, mikroskopisch 
wies sie Bazillen von typischer Form und Lagerung, besonders viel 
Keulenformen auf, nach Neisser zeigten aber nur wenige Exemplare 
Polfärbung. Der mit diesem Stamm am Meerschweinchen angestellte 
Tierversuch verlief deutlich positiv: am zweiten Tage nach der In- 
jektion von 2 Ösen der Löfflerserumkultur starb das Tier, und zwar 
mit dem typischen Sektionsbefund des Diphtherietodes. Hier ergab 
nun die Gramfärbung nach Langer von der ersten Löfflerserumplatte 
keine vollständige Entfärbung; die Stäbchen erschienen allerdings 
nicht dunkelblau, wie Verf. es bei den diphtheroiden Stäbchen sah, 
zeigten aber in der Mehrzahl einen amphoteren Farbenton, teils mehr 
zum Rot, teils zum Blau neigend, im besonderen hatten die Keulen- 
formen zum Teil einen ziemlich reinen blauen Farbenton. Eine ab- 
geimpfte Platte ergab dann allerdings vollkommene Entfärbung nach 
Langer. Auch in mehreren anderen Fällen, die nicht im Tierversuch 
geprüft wurden, jedoch mikroskopisch typische Diphtherie waren, 
hat Verf. dasselbe amphotere Verhalten bei der Langerschen Färbung 
gesehen. Ebenfalls amphoter bei der Langerschen Methode er- 
wiesen sich diphtherieähnliche, im Blaupräparat durchbrochene 
Neisser-negative Stäbchen, die aus der Nase eines erwachsenen 
Diphtheriebazillenträgers gezüchtet wurden; der mehrmals, auch mit 
großen Dosen (4 Ösen) wiederholte Tierversuch ergab, daß es sich 
um echte Diphtherie handelte. Grätzer. 


148 Zeutralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 7. 


B. Aus ausländischen Zeitschriften. 


Sven Johannsson, Om behandlingen av den tuberkulösa 
spondyliten med sarskilt avscende fastat vid Albees ope- 
ration. (Hygiea. LXXIX. 1917. 8. 145.) (Schwedisch.) Nach 
einem kurzen Resümee über die verschiedenen Methoden, die im 
Laufe der Zeiten bei Behandlung der tuberkulösen Spondylitis zur 
Anwendung gekommen sind, bringt Verf. einen etwas ausführlichen 
Bericht über Technik, Resultate und Indikationsstellung bei der 
Albeeschen Operation, wobei er sich besonders bei einer von Wol- 
.kott aufgestellten Statistik über 642, an verschiedenen Kranken- 
häusern in Amerika operierte Fälle aufhält. 
. Verf. selbst hat 12 Fälle nach der Albeeschen Methode operiert: 
.6 Mädchen und 6 Knaben, der jüngste 8 Jahre, der älteste 12 Jahre. 
Ein.Fall führte 41/, Monate nach der Operation zu Tod an Miliar- 
tuberkulose. In den übrigen Fällen hält Verf. das Resultat für zu- 
‚friedenstellend. Die Fälle, die gegenwärtig als am geeignetsten zur 
Operation nach dieser Methode angesehen ‚werden, sind teils akute 
Fälle ohne Deformität, wo der Prozeß so lokalisiert ist, teils fort- 
geschrittene Fälle mit Deformität, doch erst nachdem diese auf un- 
blutigem Wege so vollständig als möglich korrigiert worden ist. 
! | K. Boas. 

~ A. Rubenson, Ett fall av Diabetes insipidus med Jack- 
sons epilepsi. (Higiea. LXXIX. 1917. S. 268. Schwedisch.) 
.Ein zwölfjähriger vorher gesunder Knabe ohne hereditäre Belastung, 
der vor zwei Jahren ziemlich plötzlich auffallend große Mengen Wasser 
zu trinken begonnen hatte, und seitdem auch von einer bedeutenden 
.Polyurie beschwerdet worden war, wurde wegen epileptischen An- 
fällen ins Krankenhaus gebracht. Die Krämpfe waren von einem 
unregelmäßigen Jacksonschen Typus und im Kopf und in den 
oberen Extremitäten lokalisiert. Angestellte Versuche zeigen, daß die 
Polyurie die von Tallquist, Erich Meyer u. a. aufgestellten 
diagnostischen Forderungen auf Diabetes insipidus ziemlich gut er- 
füllt. Lumbalpunktion am Tage nach einem Krampfanfall ergab 
einen Druck von 26cm H,O, im übrigen, auch Röntgenuntersuchungen 
des Schädels, nichts Objektives von Bedeutung. Nach Injektion von 
Pitutrin (Parke, Davis & Co.) kommt es während der ersten 8 Stunden 
zu einer auffallenden Verminderung der Harnmenge unter Zunahme 
der Ausscheidung von Kochsalz und Stickstoff. Nach etwa drei Wochen 
allmähliche Remission der krankhaften Symptome mit Aussetzen der 
Krampfanfälle, Besserung des Allgemeinbefindens und bei ausgeführter 
Lumbalpunktion normaler Druck der Zerebrospinalflüssigkeit nur 
noch mit Fortsetzen der Polyurie. — Eine sichere Diagnose kann vor- 
Jäufig nicht gestellt werden. Von diskutierten Möglichkeiten scheint 
eine Form chronischer, seröser.Meningitis dem Verf. am schwierigsten 
aufzuschließen, doch unter Berücksichtigung, daß auch andere zere- 
brale Krankheitszustände, wie Tumor cerebri sowie auch eine eigen- 
artige Form genuiner Epilepsie nicht unmöglich seien. K. Boas. 

Harold W. Wright, Infantile hemiplegia. A case with 
unusualonset and obscure etiology. (Journ. of the Amer. med. 
Assoc. LXIV. 1915. S. 1577.) Ein 1 Jahr 7 Monate altes Kind — 


— = E e M 
ESEE O m —- a a ë — 


-1I. Aus Vereinen und Versammlungen. 149 


Mutter Alkoholikerin — bekam beim Zahnen eine wechselseitige, 
spastische Hemiplegie von flüchtigem Charakter, welche sich schließ- 
lich stabilisierte.. Zeitweise bestanden daneben klorische Krämpfe 
und Augenhintergrundsveränderung. Als Ursache dieser Störungen 
nimmt Verf. wiederholte Blutungen aus der Arteria lenticulo-striata in 
die medialen Gebiete der Capsula interna und des Linsenkerns an. 
Möglicherweise lag auch eine rekurrurende Blutung auf dem Boden 
einer hämorrhagischen Diathese vor. Als auslösendes Moment kam 
der Akt des Zahnens in Betracht. Diese wiederholten Blutungen 
haben zu einer abwechselnden Steigerung und Herabsetzung des 
intrakraniellen Druckes geführt, der die zeitweiligen Inter- und 
Remissionen ausreichend erklären würden. (? Ref.) K. Boas. 
F. Lewis, Frissel Report of a case of acute poliomyelitis. 
(Journ. of the Amer. med. Assoc. LXIV. 1915. S. 509.) In dem 
Falle des Verf.’s trat im Verlauf einer fieberhaften Bronchitis eine 
isolierte Blasenlähmung aut. Der Befund in der Spinalflüssigkeit war 
nicht eindeutig. Per exclusionem gelangte Verf. zu der Diagnose 
einer Poliomyelitis. K. Boas. 
John Gardnier, Congenital alsance of right pectoralis 
major and minor muscles. (Journ. of the Amer. med. Asscc. 
LXIV. 1915. S. 508.) In dem Falle des Verf.’s fehlte der M. pecto- 
ralis maior und minor auf der einen Seite. Statt dessen sah und 
fühlte man nur einen derben bindegewebigen Strang. Der M. deltoi- 
deus und subclavius waren in den klavikulären Partien hyper- 
trophisch, wodurch die grobe motorische Kraft des Armes auf der 
mißbildeten Seite nicht nur nicht geringer, sondern sogar größer sein 
soll als auf der anderen gesunden Seite. K. Boas. 
Arnold Netter, Observation de méningite c6örebro-spinale 
compliquée de cécité. Retour de la vision chez trois 
enfants atteents de cécité après la meningite cérebro- 
spinale. (Annales d’oculistique. LXXIX. 1916. 8. 209.) Der Fall 
des Verf.’s betrifft ein 21 Monate altes Mädchen mit Meningitis 
cerebrospinalis epidemica. Es wurden drei Seruminjektionen mit 
gutem Erfolg gemacht. Seit zwei Wochen sieht Patientin nichts mehr. 
Der Augenspiegelbefund ist normal. Die Diagnose lautete auf Hydro- 
zephalus. Bei der Lumbalpunktion entleerte sich der Liquor cerebro- 
spinalis im Bogen. Nach der zweiten Lumbalpunktion kehrte die 
Sthfunktion langsam wieder. Auch zwi weitere Fälle von Amaurose 
nach Meningitis cerebrospinalis epidemica wurde erfolgreich mit 
Lumbalpunktion und daran sich anschließenden Seruminjekticnen be- 
handelt. Verf. empfiehlt daher, bei solchen Zuständen häufige Lumbal- 


punktionen mit hohen Seruminjektionsdosen zu kombinieren. 
K. Boas. 


I. Aus Vereinen und Versammlungen. 


Uhlig: Zur Behandlung der Noma. Bei einem 14 jährigen Knaben entstand 
im Anschluß an Typhus abdon.inalis eine ausgedehnte Noma der rechten Wange. 
Bei der Aufnahme am 7. Oktober fand sich eine fast handflächengroße Gangrän 
der rechten Wange, der Patient machte einen sehr elenden, schwerkranken Ein- 
druck. Zur Behandlung wurden etwa !/,;,cm von der Grenze zwischen nekro- ` 


150 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 7. 


tischem und lebendem Gewebe die Weichteile der rechten Wange mit Diathermie 
koaguliert und in diesem Koagulationsbezirk das Gewebe mit dem Messer scharf 
durchtrennt. Die Operation ließ sich auf diese Weise in kürzester Zeit ohne den 
geringsten Blutverlust bewerkstelligen. Der Patient erholte sich rasch, so daß 
am 28. November der erste Akt der Cheiloplastik nach Israel mit der von Hacker 
angegebenen Modifikation vorgenommen werden konnte. Der Defekt am Halse wurde 
durch Transplantation gedeckt. (Greifswalder med. Verein, 1. XII. 1916.) 


Eugen Schlesinger: Der Einfluß der durch die Kriegslage veränderten 
Ernährung auf die schulpflichtige und die herangewachsene Jugend. Während 
übereinstimmend bei den Säuglingen und auch bei den Kleinkindern die Ent- 
wicklung und Gewichtszunahme während des Krieges nicht oder kaum hinter der 
zu Friedenszeiten zurückstehend gefunden wurde, führten die — wenig zahlreichen 
— Untersuchungen bei Schulkindern zu recht verschiedenen Ergebnissen. Vortr. 
stellte seine Untersuchungen an 1300 Knaben und jungen Leuten an, in gleichem 
Umfange an minderbemittelten Volksschülern, Mittelschülern aus dem Mittel- 
stande und Fortbildungsschülern, Lehrlingen aller Berufe. Vierteljährliche 
Wägungen und Vergleiche mit dem Schülermaterial aus genau denselben Schulen, 
demselben „sozialen Milieu‘, in früheren Jahren. — Die Längenmessung ergab 
1916 günstigere Verhältnisse; die Beurteilung der Gesamtentwicklung, der Kon- 
stitution auf Grund der Methode der Inspektion ergab 1916 bei den Volksschülern 
eine geringe Verschlechterung. Die Durchschnittsgewichte zeigten 1916 einen 
deutlichen Rückstand, besonders bei einer Gegenüberstellung der gleichaltrigen 
und gleichgroßen, also annähernd gleich gut entwickelten Knaben. — Im ersten 
und noch mehr im zweiten Vierteljahr 1916 war das Verhältnis zwischen der Zahl 
der Kinder mit Gewichtszu- und -abnahmen ungünstiger als 1913, im dritten 
Vierteljahr aber nahmen 90°/, der Kinder zu; es setzte ein, wenn auch vielleicht 
nur vorübergehender, Ausgleich der ungünstigen Verhältnisse des ersten Halbjahrs 
ein. Stärkere Gewichtsverluste wiesen fast nur die älteren Knaben und Lehrlinge 
auf (bis zu 2!/,kg im ersten Halbjahr), bei den jüngsten Schulkindern betrug der 
Rückstand durchschnittlich nicht mehr als !/, kg. Bei den Mittelschülern aus ge- 
ordneten Verhältnissen lagen die Gewichtsverhältnisse etwas ungünstiger als bei 
den Volksschülern: Der Gewichtsverlust war im allgemeinen um so stärker, je 
besser die Kinder und jungen Leute früher genährt waren. Für die Annahme und 
Besorgnis, daß die Entwicklung, das Wachstum der Kinder aufgehalten worden 
wäre, liegt gar kein Grund vor. Wohl ist die Zahl der mageren Kinder von 
7—15°/, auf 10—18°/, gestiegen, aber der Gesundheitszustand ist so gut wie früher; 
eine Verringerung der Widerstandskraft der Kinder gegenüber Infektionen, ins- 
besondere gegenüber der Tuberkulose, ist nicht zu bemerken. In Berücksichtigung 
des geringeren Fettansatzes bzw. des Gewichtsverlustes kommen in Betracht u. a. 
Erhöhung des Milchanteils, Hinweis auf die Kriegsküchen. 

Besprechung. Fehling: Die Mitteilungen des Vortr. sind sehr interessant; 
sie zeigen, daß gleich wie wir Erwachsenen so auch die heranwachsende Jugend 
durch die Kriegsernährung abnimmt. Man hatte das Gleiche von den Neugeborenen 
behauptet. Nach den experimentellen Untersuchungen Reebs bewirkt ja 
Nahrungsentzug beim trächtigen Muttertier Gewichtsabnahme der Früchte. Wie 
andere Kliniken, so konnten auch wir nachweisen, daß das Durchschnittsgewicht 
der Neugeborenen im Kriege nicht abgenommen hat. Zum Vergleich nahm ich 
300 Neugeborene von Anfang 1914 und ebensoviele von 1916: 

1914 reife Knaben durchschnittliche Länge 50,5 Gewicht 3457 


„ Mädchen 25 » 50,3 er 3371 
1916 ,, Knaben 3 „ 49,3 z$ 3434 
„ Mädchen Br „ 49,9 M: 3380 


Also eine Gewichtsabnahme, die zu gering ist, als daß sie Bedeutung beanspruchen 
dürfte, aber merkwürdigerweise eine Abnahme der Länge. Zählt man die Gewichte 
der Knaben und Mädchen zusammen, so ergibt sich für 1914: 3414 Durchschnitts- 
gewicht, für 1916: 3407. Man darf also beruhigt den Schluß ziehen, daß die 
Kriegsernährung der schwangeren Frauen diese noch nicht geschädigt hat. 

Ph. Kuhn fragt den Vortr., ob er die mangelhafte körperliche Ausbildung 
der Schuljugend bei seiner Betrachtung über das Körpergewicht mit in Betrəcht 
gezogen hat. In den Schulen wird seit Kriegsbeginn nicht genügend Turnunterricht 
erteilt. Dieser Zustand ist für die Wehrhaftmachung unserer Jugend nicht un- 
bedenklich. (Unterelsässischer Arzteverein, Straßburg, 28. X. 1916.) 


“gr u ee Ti ee ee u a BR ei 


Oo n eo” Aa,’ O CS 


II. Aus Vereinen und Versammlungen. 151 


Just: Tuberkulintherapie. Vortr. stellt einen 9 jährigen Knaben vor, bei 
dem er tuberkulöse Drüsengeschwülste an beiden Kieferwinkeln durch direkt in 
die Geschwülste eingespritztes Tuberkulin AF zum Schwinden gebracht hat. Im 

anzen wurden zwölf Injektionen in acht Wochen gemacht, steigend von !/, oo 

bis 1o mg. Die Drüsen am Rande des Unterkiefers sind noch leicht geschwollen, 
kettenförmig beiderseits bis zum Kinn zu fühlen. Vortr. hat neben diesem Falle 
noch bei einem 6 Morate alten Kinde eine bereits vereiterte Lymphdrüse durch 
Einspritzen von Tuberkulin in die Drüse selbst zum Schwinden gebracht. Vortr. 
weist darauf hin, daß der Weg, in das Lymphgefäß direkt Heilmittel einzuführen, 
theoretisch betrachtet Erfolg verspricht, weil ja die meisten Krankheitsgifte be- 
sonders im Lymphgefäßsystem sich verbreiten. Da die Lymphstämme selbst für 
Injektionen sich wohl kaum eignen dürften, bleibt als zunächst einziger Weg die 
Lymphdrüse. Es empfiehlt sich eventuell, falls die Drüsen durch die Krankheit 
noch nicht geschwollen seien, diese durch einen Hautreiz zur Schwellung zu 
bringen und so der Injektion zugänglicher zu machen. Vortr. hat auch die Pon- 
dorfschen Impfstriche stets dicht unterhalb größerer Lymphdrüsengebiete an- 
gelegt; so an den Armen unterhalb des Ellbogens oder unterhalb der Achseln, an 
den Beinen unterhalb der Leisten. Er will damit die in den Impfstrichen sich 
entwickelnden Heilstoffe möglichst direkt dem Lymphgefäßsystem zuführen. 

Weygandt: Degeneratio adiposo-genitalis bei Hirnbasistumor. Ein von 
jeher geistig schwach beanlagtes Mädchen, das aus der dritten Klasse konfirmiert 
worden war, hatte schon eine Reihe von Jahren Parese am linken Bein. Mit 
15 Jahren kamen die Menses, mit 161/, verschwanden sie wieder. Es stellten sich 
Schwindel, Bewußtlosigkeit, Inkontinenz, Pupillenstarre und Sehschwäche ein. 
Mit 16°/, Jahren kam sie unter der Diagnose ‚Lues cerebri ?“ in die Irrenanstalt 
Friedrichsberg. Der Kopf hatte 57,5cm Umfang, die Pupillen waren different 
und starr, es lag Stauungspapille, Optikusatrophie und Amaurose vor. Die Knie- 
reflexe waren gesteigert, besonders links. Es traten Kopfschmerzen, Schwindel, 
Ohnmachten, Hinstürzen auf, ferner unwillkürliche Bewegungen der Finger und 
der Gesichtsmuskeln links. Schon bald wurde Schlundsondenernährung nötig. 
Der Spinaldruck war etwas erhöht. Wa.-R. und Pleozytose lagen nicht vor. Das 
Punktat zeigte Lymphozyten, einige mit plasmatischem Hof wie bei Entzün- 
dungen; sehr wenige polynukleäre Leukozyten, keine Tumorzellen, keine Abbau- 
zellen, keine Spuren von Blutpigment. Bald war durch Röntgen eine stärkere Er- 
weiterung des Türkensattels nachweisbar, die Hinterfortsätze waren verschwunden. 
Mit 17!1/, Jahren kehrten die Menses wieder. Während vorher eine Gewichts- 
abnahme von 7,5kg eingetreten war, stellte sich nun Fettsucht ein, vor allem 
im Gesicht, mit wulstigen Lippen, an Nacken, Brüsten und Abdomen. Der Leib- 
umfang unter dem Nabel betrug 98 cm. Mit 20 Jahren wog sie 79 kg. Die Haut 
zeigte etwas Pigmentflecken. Der klinische Zustand wechselte, zeitweise war 
Patientin ganz heiter, sang, lachte, machte Witze und Verse, an die frontale 
Witzelsucht erinnernd. Dann wieder herrschten Benommenheit und Krampfanfälle 
vor. Aus dem Serum war nach Abderhalden Abbau von Hypophyse nachweisbar. 
Das Blutbild zeigte 4,6 Millionen rote und 6800 weiße Blutkörperchen; unter den 
letzteren fanden sich 50°/, polymorphkernige und 3°/, eosinophile Leukozyten, 
24°/, kleine und 23°/, große Lymphozyten. Der Hämoglobingehalt war normal. 
Anwendung von Pituglandol brachte etwas Gewichtsabnahme. Wegen bedroh- 
licher Hirndruckerscheinungen wurde (mit 19 Jahren) eine Trepanation und Punk- 
tion des Seitenventrikels durch Prof. Sudek vorgenommen. Das subjektive Be- 
finden hat sich darauf entschieden gebessert gezeigt. Im ganzen war der Zustand 
schwankend. Bemerkenswert war die Polyurie, bis zu 2800 ccm, sowie alimen- 
täre Glykosurie, die Scham- und Achselhaare waren sehr spärlich. Allmählich 
traten Blutungen an dem Zahnfleisch und an den Beinen auf. Patientin wurde 
hochgradig schwerhörig. Schließlich verschwanden die Menses wieder, die Adi- 
posität ging zurück; in schwer kachektischem Zustande, 35 kg schwer, starb die 
Patientin, 22!/, Jahre alt. Der Schädel war auffallend dünnwandig, an manchen 
Stellen durchlöchert. Die Trepanationsöffnung war fast ganz wieder geschlossen. 
Die Türkensattelgrube ist außerordentlich weit. Der Oberkiefer war hochgradig 
prognath, wie bei einem Senegalneger. Das Hirn war ödematös, die Windungen 
platt, stellenweise von etwas einfachem Typus. Das Gewicht betrug 1320g. An 
der Basis nach dem rechten Thalamus zu findet sich eine fast hühnereigroße, ziem- 
lich harte Geschwulst, angelagert an sie ein fast taubeneigroßes zystisches Ge- 


152 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 7. 


bilde. Die Tumormasse erstreckte sich diffus in die Brückensubstanz hinein. Von 
da bis zum vierten Ventrikel lag wieder eine Zyste. Die Ventrikel waren sehr weit. 
Die Hirngefäße erschienen sehr zart. Die Hypophyse wog 0,55 g; sie war knopfartig 
plattgedrückt. Der Tumor erwies sich histologisch als ein Gliosarkom, vielfach mit 
Gefäßen durchsetzt, teils recht diekwandig, teils sehr dünnwandig. Die Hypophysen- 
schnitte zeigten normales Drüsengewebe und nur als kleinen Randstreifen Neurohypo- 
physen-Gewebe, dazwischen durch breite Drüsengänge angedeutet eine Pars inter- 
media. Die Hirnrinde zeigte die Zellanordnung eng, doch regelmäßig. Es fanden 
sich keinerlei Gliavermehrung, keine Trabantzellen, keine Gefäßvermeh und 
-veränderung, keine Spuren einer Entzündung. In der Schicht der toben Pyra: 
miden fanden sich Zellen mit dick geschwollenem, ungefärbtem Kern und Zell- 
protoplasma von wabiger Struktur. Der Optikus war völlig atrophisch. Schild- 
drüse, Nebenniere, Eierstock waren normal. Wenn auch die krankhaften Sym- 
ptome bis in die Jugend zurückreichten, müssen wir doch den Tumor als Grund- 
lage der ganzen Erkrankung ansehen. Er rief sowohl lokale Störungen als auch 
allgemeine Erscheinungen hervor. Durch Druck auf die Hypophyse wurden die 
adiposo-genitalen Symptome veranlaßt. Auffallend ist nun, daß zunächst die 
Genitalstörung kam, dann wieder verschwand, aber nunmehr erst die Fettsucht 
eintrat. Dieser Wechsel spricht gegen die kürzlich von Trömner vertretene 
Auffassung, daß die Adiposität erst sekundär durch die Genitalstörung und nicht 
direkt durch die Hirnstörung bedingt sei. Besonders zu beachten ist der wechsel- 
volle Verlauf. Nach den Fällen von Goldstein hätte man daraus eher auf eine 
Hypophysenschädigung durch Meningitis serosa schließen können, unter Aus- 
schließung eines Tumors der Hypophyse. Einer meiner Assistenten hatte in einer 
klinischen Darstellung des Falles trotz meiner Mahnung zur Vorsicht sich auf 
Meningitis serosa unter Verwerfung von Tumor festgelegt. Die Sektion beweist 
aber, wie auch ein Schädelbasistumor einen wechselvollen Verlauf bedingen kann. 
Der Eingriff zwecks Druckentlastung durch Ventrikelpunktion war allerdings in 
der Wahrscheinlichkeitsannahme einer Meningitis serosa geschehen. Aber die 
darauf Bande subjektive Besserung glaube ich doch mit dem Eingriff bis zu 
gewissem Grade in Zusammenhang bringen zu dürfen. Das Leben dauerte nach der 
Operation immerhin noch 31/, Jahre, während es ohne den Eingriff nach meiner 
rzeugung trotz des langsamen Tumorwachstums wohl eher zugrunde gegangen 
wäre. Dieses Ergebnis würde mich veranlassen, trotz der traurigen Erfahrungen, 
die in einem von Nonne und mir zitierten, ziemlich analog gelagerten Falle ge- 
macht wurden, bei dem sogleich nach dem Eingriff der Exitus eintrat, doch bei 
einer ähnlich gelagerten Affektion unter Hirndruckerscheinungen wieder zu einem 
solchen entsprechenden Eingriff zu raten. Schließlich ist auch auffallend, daß 
der Drüsenteil der Hypophyse klinisch keine Symptome zeigte, obwohl er doch 
stark zusammengedrückt war; histologisch ließ er allerdings keine deutliche Ver- 
änderung erkennen. Die Neurohypophyse hat wohl einen hochgradigen Schwund, 
aber keine deutliche Gewebsveränderung gezeigt. Die Fettsucht war in den letzten 
Lebensmonaten völlig zurückgetreten. Der Hirnrindenbefund weist nur auf eine 
geringe Entwicklungshemmung hin. Damit stimmt auch die relativ erhaltene 
Intelligenz der Patientin zusammen, die selbst in vorgeschrittener Kachexie trotz 
Amaurose und Schwerhörigkeit die Arzte gewöhnlich aus dem Schall ihrer Tritte 
und dem Tonfall sogleich erkannte. Der Fall zeigt wieder, wie häufig gerade kom- 
pliziertere, atypische Zusammenhänge auf dem Gebiete der Adiposogenitaldystrophie 
zu finden sind. (Hamburger ärztl. Verein, 3. X. 1916.) 


Zangemeister: Über Gewichtsveränderungen in der Schwangerschaft, der 
Geburt und im Wochenbett. Der Zweck der Untersuchungen, die teils von mir, 
teils von Frl. Dr. Lehn unternommen wurden, war, die Möglichkeit zu gewinnen, 
abnorme Gewichtsveränderungen als solche zu erkennen und zu beurteilen. Die 
Feststellung der durchschnittlichen Gewichtsveränderung war namentlich bei 
Schwangeren insofern mit gewissen Schwierigkeiten verbunden, als die einzelnen 
Frauen ein sehr verschiedenes, absolutes Gewicht hatten, so daß die Mittelwerte 
von Zufälligkeiten in hohem Maße abhängig waren; außerdem besteht keine kon- 
stante Gewichtszunahme in der Schwangerschaft; die Schwangeren nahmen oft 
vorübergehend wieder ab; und schließlich besteht gegen Ende der Schwangerschaft 
sogar eine mit Gesetzmäßigkeit eintretende Gewichtsabnahme, welche die Be- 
rechnung von Mittelwerten, wie sie von Gassner und Baumm vorgenommen 
wurden, in ihrer Bedeutung sehr beeinträchtigt. Erst als ich dazu überging, 


II. Aus Vereinen und Versammlungen. 153 


lediglich die Differenz gegenüber dem in der Schwangerschaft erreichten Höchst- 
gewicht in Rechnung zu setzen, gelang es, die durchschnittlichen Verhältnisse zu 
ermitteln. Von der 27. Woche der Schwangerschaft ab besteht eine durchschnitt- 
liche Gewichtszunahme um 400 g pro Woche. Schwere Schwangere nehmen mehr 
zu, leichte Schwangere weniger. In den letzten Wochen der Schwangerschaft 
nimmt das Körpergewicht um 1kg im Mittel (bei 23°, der Schwangeren aber 
über 2kg) ab. Diese eigenartige Gewichtsabnahme ließ sich bei 96°), aller. 
Schwangeren nachweisen; ihr Beginn fällt zumeist auf den drittletzten Tag der 
Schwangerschaft. Aber bereits 20°, der Schwangeren befinden sich im Beginn 
der letzten Schwangerschaftswoche wieder in Abnahme. Die Ursache der Ge- 
wichtszunahme liegt einesteils im Eiwachstum. Das Ei nimmt in den letzten 
12 Wochen der Schwangerschaft um 3000 g zu; andererseits beruht die Gewichts- 
zunahme auf einer Veränderung im mütterlichen Organismus; ungefähr 0,6 kg 
pro Monat fallen diesem Faktor zu. Die Gewichtsabnahme hat sich noch nicht 
eindeutig. aufklären lassen. Zum Teil beruht sie auf einer Zunahme der Diurese, 
zum Teil auf einem Fettschwund der Schwangeren. Unter pathologischen Um- 
ständen sehen wir eine abnorme Gewichtszunahme vor allem bei stärkerem Hydrops 
gravidarum. Es ließ sich feststellen, daß in solchen Fällen die Diurese stets er- 
heblich reduziert war, obwohl eine Albuminurie in den betreffenden Fällen 
(wenigstens zu Anfang) nicht bestand. Es handelt sich also um eine Wasser- 
retention im Orgsnismus infolge funktioneller, offenbar noch nicht anatomischer 
Schädigung der Niere. Ich muß aber betonen, daß es in der großen Mehrzahl der 
Fälle von noch leichtem Hydrops, auch wenn er über die unteren Extremitäten 
hinausgeht, zunächst nicht zu einer Gewichtsveränderung kommt, und daß auch 
die Harnmenge bei solchen Schwangeren normal ist. Die erstgenannte Form mit 
Wasserretention stellt demnach das zweite schwerere Stadium des Hydrops dar, 
mit Beteiligung der Nierenfunktion. Die Gewichtskontrolle bietet bei hydropischen 
Schwangeren ein ausgezeichnetes Mittel, um den Stand der Erkrankung zu ver- 
folgen und die Behandlung danach einzurichten. Es hat sich gezeigt, daß bei ein- 
tretender Wasserretention, also bei abnorm: starker Gewichtszunahme, der 
Hydrops unter Bettruhe und erheblicher Einschränkung der Flüssigkeitszufuhr 
der Nahrung, unter Umständen unter Zuhilfenahme von Digitalispräparaten und 
Schwitzprozeduren in der Regel schnell zurückgeht. Eine abnorme Gewichts- 
abnahme in der Schwangerschaft finden wir einmal bei intrauterinem .Fruchttod 
und zum anderen beim Rückgang des eben erwähnten Hydrops. Im Verlauf der 
Geburt nimmt das Körpergewicht um 10°/,, das sind 6kg im Durchschnitt ab. 
Je größer die Kinder sind und je länger die Geburt dauert, um so stärker ist der 
Gewichtsverlust. Die Gewichtsabnahme hat ihre Ursache in dem Fortfall des 
Eies, sowie in dem Arbeitsverlust, welcher während der Geburt eintritt. Bisher 
war uns die Größe des Eigewichts deshalb nicht bekannt, weil sich die Frucht- 
wassermenge nicht genau ermitteln ließ. Berechnet man nun bei einem größeren 
Material den Gesamtgewichtsverlust während der Geburt für verschieden lange 
Geburtszeiten, so ergibt sich eine Kurve. An derselben läßt sich durch Extra- 
polieren der Nullpunkt recht genau konstruieren, d. h. derjenige Punkt, bei welchem 
jeglicher Gewichtsverlust durch Arbeit wegfällt. Hier bleibt allein der Eiverlust 
bestehen. Da das Mittel des Gewichts von Frucht und Plazenta bekannt ist, läßt 
sich somit die mittlere Fruchtwassermenge ermitteln; es ergeben sich daraus fol- 
gende. Zahlen: Eigewicht im Mittel 4900g (davon Fruchtwasser 1100g, Frucht 
und Plazenta 3800 g), Blutverlust 200g, Arbeitsverlust 65g pro Stunde. Im 
Wochenbett findet nochmals ein Gewichtsverlust von 1,6 kg im Mittel in den ersten 
10 Tagen statt. Bei Hydropischen fand sich an Stelle einer sonst 7!/, kg im ganzen 
betragenden Abnahme (in der Geburt und im Wochenbett) eine solche von 121/, kg 
im Mittel. (Ärztl. Verein zu Marburg, 28. VI. 1916.) 


Jores: Über Hydrops congenitus. Vortr. demonstriert mikroskopische Prä- 
parate eines einschlägigen Falles. Der 42cm lange Fötus hatte allgemeine Haut- 
wassersucht und erheblichen Aszites (400 ccm). Die Eihäute zeigten makroskopisch 
und mikroskopisch nichts Abnormes. Die Mutter, VI.-para, hatte Ödeme und 
eiweißhaltigen Urin. Es sollen auch andere Kinder von ihr gleiche Erkrankung 
gehabt haben. Die Sektion des Fötus ergab starke Vergrößerung der Milz (58 g) 
und Leber (200g) und mikroskopisch die extramedullären Blutbildungsherde, 
in der Art und Zusammensetzung, wie sie Schridde zuerst nachgewiesen hat. 
Die Herde waren außer in Milz, Leber, Nieren auch in den Nebennieren nach- 


Zentralbl, f. Kinderhikde. 22. 14 


154 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 7. 


weisbar. Das Vorkommen von Myeloblasten in den Herden konnte durch positiven 
Ausfall der Oxydasereaktion nachgewiesen werden. Auch konnte eine geringe 
Entwicklung des lymphatischen Gewebes, besonders in der .Milz, bestätigt werden. 
Kernhaltige rote Blutkörperchen waren in allen Blutbildungsherden reichlich vor- 
handen. Eisenhaltiges Pigment war nur in den Leberzellen nachweisbar. Im 
Leichenblut waren Erythroblasten und Myeloblasten vorhanden, während Myelo- 
zyten, Leuko- und an nur sehr spärlich vorhanden waren. Vortr. 
erörtert die Anschauungen über das Wesen der Erkrankung, insbesondere die 
Frage, ob eine fötale Anämie oder Leukämie anzunehmen sei, oder eine Steigerung 
der Hämatopoöse mit nicht reparatorischem Charakter, und betont, daß eine Ent- 
scheidung über die bestehenden .Kontroversen zurzeit noch nicht möglich sei. 
| ` (Ärztl. Verein zu Marburg, 28. VI. 1916.) 


III. Therapeutische Notizen.) 


Solarson, schon von Klemperer empfohlen, haben Prof. Dr. M. Joseph 
und Dr. J. Arnson (Berlin) intramuskulär bei Lichen ruber planus und Pso- 
riasis angewandt und bemerkenswerte Erfolge erzielt. Das Präparat (Bayer & Co., 
Elberfeld), das Mono-Ammoniumsalz der Heptinchlorarsinsäure, kommt in Am- 
pullen zu 1,2ccm (= 0,003 Arsen) in den Handel. Verff. begannen mit l ccm 
(bei Kindern mit 0,6 ccm) pro dosi täglich und stiegen nach 10 Tagen auf 2 ccm; 
während der nächsten 20 Tage erfolgte jeden zweiten Tag eine Einspritzung bis 
3 ccm, so daß im ganzen 45 g im ersten Monat gegeben wurden. Die Arsenwirkung 
schien rascher und intensiver zu erfolgen als bei anderen Arsenpräparaten. Die 
Injektionen waren schmerzlos und ohne Nebenwirkungen. 

(Ther. d. Gegenw. Febr. 1916.) 


Cignolin bei Psoriasis empfiehlt Prof. Dr. C. Bruck. Da nach seinen Er- 
fahrungen die schwächeren und mittleren Konzentrationen von Cignolin sich 
nur bei einem Teil der Fälle genügend wirksam erwiesen, wurden Salben mit 
6°/, Cignolin angewendet. Die Salbe wurde auf die kranken Stellen mit Borsten- 
pinsel kräftig eingerieben und ein Verwischen über gesunde Partien möglichst 
vermieden. Die Wirkung war eine äußerst prompte. Schon nach 1—2 Tagen 
trat intensivste Hautfärbung und mäßige Entzündung auf, und die Herde heilten 
selbst bei inveterierten Fällen auffallend rasch ab. Nach 2—3 Tagen wurde aus- 
gesetzt, 1—2 Tage mit indifferenten Salben oder Trockenpinselungen behandelt 
und dann wieder erneut Cignolin angewendet. In vereinzelten Fällen wurde bis 
zu 10°/,iger Konzentration gestiegen, ohne daß Verf. jedoch den Eindruck hatte, 
daß diese Konzentration therapeutisch mehr leistet als die 5°/,ige, bei der das 
Optimum der therapeutischen Wirkung zu liegen scheint. Schädigungen oder 
Unbequemlichkeiten hat Verf. bei seinen Patienten nicht gesehen; auch wurde 
niemals eine Generalisierung der Psoriasis oder eine Konjunktivitis beobachtet. 
In der Praxis elegans dürfte allerdings diese mit starker, wennzwar in einiger 
Zeit wieder verschwindender Verfärbung einhergehende intensive Behandlung 
nur mit Vorsicht anzuwenden sein. Nach den bisherigen Resultaten dürfte der 
Schluß berechtigt sein, daß in dem Cignolin zwar kein idealer Ersatz für das Chry- 
sarobin gefunden, immerhin aber ein beträchtlicher Fortschritt erreicht ist. Daß 
es bedeutend intensiver wirkt als en scheint fraglos. Neben dem Vor- 
teil, der darin besteht, daß das Cignolin ein chemisch gut definierter Körper ist, 
während wir im Chrysarobin nur ein Gemisch verschiedener, zum Teil noch frag- 
licher Substanzen vor uns haben, dürfte der Hauptvorzug des neuen Präparates 
darin liegen, daß relativ mäßige Konzentrationen (5°/,) bezüglich Schnelligkeit 
der Wirkung bei mäßigen Entzündungserscheimungen einen therapeutischen Effekt 
erzielen können, wie er sonst nur mit ganz starken Chrysarobindosen und unter 
erheblichen inflammatorischen Reaktionen zu erreichen ist. Die Nachteile dieser 
Cignolinkonzentrationen bezüglich Haut- und Wäscheverfärbung sind dieselben 
wie bei der Chrysarobinbehandlung. (Derm. Wschr. 1916 Nr. 32.) 

Über die erste Versorgung bei Nasenverletzungen. Von Dr. Eugen Schle- 
singer, beratendem Hals-, Nasen-, Ohrenarzt bei den Vereinslazaretten in Nürn- 


1) Die mit * bezeichneten Notizen beziehen sich auf Erwachsene. 


III. Therapeutische Notizen. 155 


berg. Bei Nasenverletzungen wird meist das Innere der Nase vernachlässigt. Ver- 
wachsungen sind die Folge. Einfache Tamponade genügt, diese zu verhüten. 
Einige Verhaltungsmaßregeln müssen bei der Tamponade beachtet werden. Der 
Tampon muß zum Nasenloch herausragen; am besten wird er mit Heftpflaster 
befestigt werden, damit er nicht nach hinten rutschen kann. Vor allem aber ist 
wichtig, daß er mindestens täglich einmal gewechselt wird, damit keine Schädi- 
gung des Mittelohrs durch Infektion eintritt. Aus demselben Grunde empfiehlt 
es sich, Jodoformgaze zu gebrauchen. Der Eingriff erfordert nur einige Sekunden; 
das Material dazu ist immer vorhanden. 

(M. m. W. 1916 Nr. 14, Feldärztl. Beil.) 
=- * Kohlensäurewundpulver zur vaginalen Pulverbehandlung.. Von Dr. Felix 
Mendel in Essen. Das Pulver, bestehend aus Natr. bicarb., Weinsäure und Zucker 
(Chem. Fabrik Dr. Klopfer, Dresden) entwickelte langanhaltende desinfizierende, 
anästhesierende und antiphlogistische Eigenschaften und bewährte sich ausge- 
zeichnet, 1—3 mal täglich appliziert mittels des Sikkators oder besser eines 
von Verf. konstruierten Pulverbläsers (Gebr. Lappe, Essen). Das Kohlensäure- 
wundpulver wurde hauptsächlich zur Beseitigung des Fluors angewandt, mochte 
dieser als Folge einer Allgemeinerkrankung auftreten oder seine Ursache in einer 
lokalen Reizung der Scheide, des Uterus oder seiner Adnexe finden. In allen 
Fällen wurde in kurzer Zeit eine auffällige Verminderung des Ausflusses, in vielen 
Fällen eine vollständige Beseitigung desselben erzielt. Eitrige Ausflüsse verloren 
während der Behandlung allmählich ihren purulenten Charakter, wurden schleimig, 
nahmen allmählich ab, um bald ganz zu sistieren. Gleichzeitig war ein Rückgang 
der Entzündungserscheinungen, besonders wenn es sich um entzündliche Ver- 
änderungen der Vagina und der Zervix handelte, zu konstatieren. Erosionen 
am Muttermund überhäuteten sich schnell nach diesem Wundpulver, übelriechende 
Ausflüsse, mochten sie von Pessarien, Ulzerationen oder anderen Ursachen her- 
rühren, wurden bald geruchlos, was von empfindlichen Frauen oft spontan an- 
gegeben wurde. | (M. m. W. 1916 Nr. 39.) 

Behandlung der Diphtherie mit Myrrhentinktur. Von Dr. Ströll (München). 

Seit 1892, somit 24 Jahre, behandelt Verf. erfolgreich die Diphtherie mit Myrrhen- 
tinktur, und da er jetzt über 190 Fälle (mit nur 3 Todesfällen) verfügt, so glaubt 
er diese Behandlung in Erinnerung bringen zu dürfen. Sie besteht in innerlicher 
'Darreichung von 4°/, iger Myrrhentinkturlösung und in Inhalationen von 0,1°/,iger 
Thymollösung. Die Verordnung lautet: a 
g l Rp. Tinct. Myrrh. 

Glyzerin aa 8,0 

Aqu. dest. ad 200,0 

S. Nach Bericht. 

Davon gibt man den Kindern in den ersten 2 Lebensjahren -1 Kaffeelöffel (5,0), 
größeren Kindern bis zum 15. Jahre 1 Kinderlöffel (10,0), nach dem 15. Lebens- 
jahre und Erwachsenen 1 Eßlöffel (15,0). Die Arznei wird bei Tage 1 stündlich 
und bei Nacht 2stündlich gegeben und darf nachts ja nicht ausgesetzt werden, 
bevor nicht bedeutender Schwund des Belages eingetreten ist. Zur Inhalation, 
welche nur tagsüber l1stündlich vorzunehmen ist, und bei Nacht nur in sehr 
schweren Fällen und bei Kehlkopfdiphtherie 2 stündlich nötig ist, diene folgende 
Lösung: 

Rp. Thymol 0,5 
Alkohol. absolut. 5,0 
Aqu. dest. tepid. ad 500,0 

S. Zum Inhalieren. 


Die Ablösung des Belages beginnt nach 36 bis spätestens 72 Stunden. Hat 
der Belag sehr bedeutend abgenommen, so ist seltener (2—3 stündlich) zu in- 
halieren. Der Erfolg der Myrrhentinktur besteht in der Hervorrufung einer Leuko- 
zytose, wodurch dann der Organismus in der Lage ist, wirksamer gegen die Diph- 
theriepilze und deren Toxine anzukämpfen. (Allg. m. Ztg. 1916 Nr. 37.) 

Rachitistherapie ohne Lebertran. Von Priv.-Doz. Dr. Th. Gött. (Aus der 
Kinderabteilung des Städtischen Krankenhauses München-Schwabing.) Verf. hat 
mit Candiolin gute Erfolge erzielt und den Eindruck gewonnen, daß das Mittel 
den Phosphorlebertran zu ersetzen vermag. (D. m. W. 1916 Nr. 38.) 

Praktische Erfahrungen mit Candiolin. Von Dr. E. O. Burchard in Berlin. 
Im Anschluß an die Ausführungen von Impens, deren Ergebnisse an Stoffwechsel- 


14* 


156 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 7. 


untersuchungen und systematischen Tierversuchen zeigten, daß das Kalziumsalz 
der Kohlehydratphosphorsäure bzw. das sie enthaltende Präparat Candiolin im 
Haushalte wachsender Individuen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, hat 
Verf. fortlaufend Versuche mit diesem Präparat bei Kindern angestellt. Es wurden 
zu diesen Versuchen 50 Packungen zu 100 Candiolin-Tabletten à 1 g verbraucht.?) 
Nach einigen Tastversuchen bei allgemein unterernährten Kindern während der 
ersten 4 Wochen, welche das Resultat ergaben, daß das Candiolin im allgemeinen 
durchaus gut vertragen wurde, keinerlei Störungen des Allgemeinbefindens machte, 
vielmehr eine deutliche Besserung des Kräftezustandes und in mehreren Fällen 
nachweisliche Gewichtszunahme bis zu 3 und 4 Pfund bewirkte, ging Verf. zu 
systematischen Versuchen über. Vorausschickend möchte er bemerken, daß bei 
diesen sich über länger als 6 Monate erstreckenden Versuchen niemals irgend- 
welche bemerkenswerten Nebenerscheinungen unangenehmer Art sich zeigten. 
In 2 oder 3 Fällen trat bei kleineren Kindern, die nach Angabe der Mutter ohnehin 
zur Obstipation neigten, eine leichte Stuhlverstopfung auf, welche in wenigen 
Tagen ohne medikamentöse Behandlung durch zweckmäßig geregelte Diät sich 
beseitigen ließ, ohne daß das Mittel ausgesetzt zu werden brauchte. Die zu den 
Versuchen ausgewählten Kinder lassen sich in 3 Gruppen teilen: 

l. solche mit allgemeiner Rachitis ohne besondere anderweite Krankheits- 

erscheinungen, 

2. rachitische Kinder mit deutlichen Erscheinungen gleichzeitiger Skrofulose, 

3. rachitische Kinder mit Reizerscheinungen seitens des Nervensystems. 
In allen 3 Gruppen war eine deutliche Besserung des Allgemeinbefindens, des 
Kräfte- und Ernährungszustandes unverkennbar. Am gleichmäßigsten zeigte sie 
sich bei den Kindern der 1. Gruppe, welche durchweg an Gewicht zunahmen und 
in ihren Lebensfunktionen reger wurden. Schwankender waren die Bilder natur- 
gemäß in der Gruppe der gleichzeitig mit Skrofulose behafteten Kinder. Eine 
regelmäßige Gewichtszunahme war in Fällen schwerer Abszedierungen, skrofu- 
löser Ohrerkrankungen, Ausschläge und Entzündungen nicht festzustellen. Wohl 
aber trat in mehreren dieser Fälle bereits nach 8tägigem Einnehmen des Can- 
diolins ein Stillstand des bisherigen Kräfteverfalls und des bedrohlich sinkenden 
Körpergewichts ein. In 3 Fällen dieser Art, bei denen Verf. die Behandlung mit 
Candiolin durch mehrere Monate durchführte, zeigte sich ganz allmählich eine 
Besserung des Allgemeinbefindens und eine langsame Zunahme des Körpergewichts, 
wie Verf. sie in entsprechenden, nicht mit Candiolin behandelten Fällen von Skrofu- 
lose bei ausgesprochen rachitischen Kindern nicht beobachtet hat. Am inter- 
essantesten, aber bis jetzt noch am wenigsten abgeschlossen sind die Beobachtungen 
an den Kindern der 3. Gruppe. Es handelte sich hier um rachitische Kinder von 
6 Monaten bis zu 8 Jahren, bei denen nervöse Reizzustände von leichter Erregbar- 
keit bis zu epileptiformen Krampfanfällen in verschiedener Art und Stärke auf- 
traten. Die Besserung des Allgemeinbefindens entsprach auch bei den Kindern 
dieser Gruppe den günstigen Beobachtungen bei denen der ersten. Ein Rückgang 
der Spasmophilie war in 2 Fällen (3 bzw. 5 Jahre alte Kinder) besonders auf- 
fallend. In beiden Fällen handelte es sich um rachitische Weichheit der Schädel- 
kapsel, verbunden mit Deformation. In dem einen traten Wutanfälle mit nach- 
folgender Bewußtlosigkeit, in dem anderen Zuckungen der Gesichtsmuskulatur 
choreatischer Art auf. Beide Kinder haben die spasmophilen Erscheinungen bei 
erheblicher Gewichtszunahme (4—5 Pfund) nach 3 Monaten Candiolin-Darreichung 
verloren. In der Dosierung des Mittels ging Verf. individualisierend vor, meistens 
mit 2g pro Tag beginnend und nach dem Alter der Kinder auf 4—6 g steigend. 

(D. m. W. 1916 Nr. 26.) 


1) Das Mittel gelangt sowohl in Tabletten wie als Pulver in dem; Handel. 
25g reichen etwa für 8 Tage. 


te 


Verantwortlicher Redakteur: Sanitätsrat Dr. Eugen Graetzer in Friedenau-Berlin. — Verlag 
von Johann Ambrosius Barth in Leipzig. — Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. 


Zentralblatt tür 
Kinderheilkunde. 


Eine Monatsschrift für praktische Ärzte. 


22. Jahrgang. | August 1917. Ä Nr. 8. 


I. Referate. 
A. Aus deutsehen Zeitschriften. 


C. v. Pirquet, Die Paravakzine. (Ztschr. f. Kinderhkde. XII. 
S. 809). Paravakzine ist eine eigentümliche Hautinfektion, die ge- 
legentlich nach Impfung mit Kuhpockenlymphe eintritt, am häufigsten 
bei Anwendung abgeschwächter Lymphe und bei schwacher Skari- 
fikation der Haut. Sie ist klinisch charakterisiert durch langsame 
Ausbildung eines intensiv roten, stark erhabenen Knötchens (der 
paravakzinalen Papille), die in der zweiten Woche nach der Impfung 
einen Durchmesser von 4—6 mm erreicht, in der dritten Woche ab- 
blaßt und später spurlos verschwindet. Die Paravakzine kommt 
sowohl bei Revakzinierten als auch bei Eıstvakzinierten vor, ist also 
nicht eine allergische Modifikation der echten Vakzine. Sie läßt sich 
sowohl auf denselben als auch auf einen anderen Menschen über- 
tragen und behält dabei ihren von der Vakzine verschiedenen Cha- 
rakter. Sie hinterläßt weder Immunität noch Alleıgie gegen nach- 
folgende Infektion mit Vakzine; dagegen Allergie gegen weitere para- 
vakzinale Infektion. Sie dürfte durch einen Parasiten bedingt sein, 
der neben dem echten Vakzineerreger in der Kälberlymphe vor- 
kommt. Die Kenntnis der Paravakzine ist für den praktischen Arzt 
ungemein wichtig, da sie vakzinale Effekte vortäuscht. Schick. 

A. Reiche, Das Wachstum der Frühgeburten in den 
ersten Lebensmonaten. II. u. III. Mitteilung. (Kaiserin Auguste- 
Viktoria-Haus Berlin.) (Ztschr. f. Kinderhkde. XII. S. 832 u. 
S. 849.) 2. Mitteilung: Ende des siebenten und Anfang des achten 
Fötalmonates beginnt beim Menschen eine Periode des Dicken- 
wachstums. Die fötale Entwicklung des Brustkorbes ist für die 
Lebensfähigkeit der vorzeitig geborenen Kinder von großer Be- 
deutung. Kinder mit einem Brustumfang unter 21cm sind nicht 
lebensfähig, diejenigen mit einem Brustumfang unter 23cm haben 
noch eine zweifelhafte Prognose. Mangelhafte Entwicklung des 
Brustkorbes ist möglicherweise einer der Gründe für das Auftreten 
asphyktischer Anfälle. 

Die Wachstumskurve des Kopfumfanges geht in den letzten 
Fötalmonaten der Brustumfangskurve fast parallel und flacht sich 
erst in den ersten Monaten nach der rechtzeitig erfolgten Geburt ab. 
Chronische Erkrankungen, wie Rachitis und Lues congenita, üben einen 
deutlichen hemmenden Einfluß auf das Brust- und Schädelwachs- 
tum aus. 

Die 3. Mitteilung bezieht sich auf das Wachstum von Zwillings- 
geburten: Durch die Entwicklung mehrerer Kinder im Mutterleibe 

Zentralbl, f. Kinderhikde, 22. 15 


158 Zentralblatt für Kinderheilkunde Nr. 8. 


wird das Wachstum der Geschwisterkinder meist gleichmäßig in ge- 
ringem Maße beeinträchtigt, und zwar in der Regel das Massenwachs- 
tums, nur in Ausnahmsfällen das Längenwachstum. Auch die vor- 
zeitig geborenen Kinder versuchen schon in den ersten Lebens- 
monaten diesen Verlust wieder einzuholen. Die Wachstumskurven 
der Zwillingskinder gehen, solange keine interkurrenten Krankheiten 
störend einwirken, parallel zueinander; auch diejenigen der Kinder, 
bei denen ein größerer Wachstumsunterschied bei der Geburt be- 
stand. Die Wachstumsverhältnisse des Brust- und des Kopfumfanges 
werden kaum von der Mehrlingsschwangerschaft beeinflußt. Bei den 
einzelnen Geschwisterkindern gehen auch diese Kurven parallel zu- 
einander. f Schick. 
Bernheim-Karrer, Über den Einfluß der Milchzersetzung 
auf die Entstehung akuter Verdauungsstörungen der 
Säuglinge. (Ztschr. f. Kinderhkde. XIII. S. 435.) Es wurden 
80 zum Teil frühgeborene, zum Teil in Reparation von chronischen 
Ernährungsstörungen befindliche, zum Teil noch dekomponierte Säug- 
linge mit sorglos in der Milchküche aufbewahrter Milch ernährt. 
45°/, zeigten, trotzdem die Milch oft zersetzt war, keine Störungen, 
30°/, wiesen Durchfälle auf, deren Ursache eine parenterale Infektion 
(Influenza) war. 15°/, hatten alimentär bedingte Dyspepsien, und nur 
bei 9°%/, konnte die Säuerung der Milch für die Darmstörung verantwort- 
lich gemacht werden. Es ergibt sich daraus, daß die Milchzersetzung 
im Haushalt zum mindesten keine ausschlaggebende Rolle bei der 
Auslösung der Sommerdurchfälle spielt. (Daraus folgt natürlich nicht, 
daß unsere jetzigen Anforderungen an eine tadellos gewonnene und 
transportierte Milch herabgesetzt werden dürfen. Ref) Schick. 
Carl Sehiötz, Wachstum und Krankheit. Schulhygienische 
Studien. (Ebenda. XIII. S. 398.) Untersuchungen, die eigentlich 
wegen des Verhaltens des Wachstums zum endemischen Kropf vor- 
genommen wurden. Unter Kindern mit dieser Erkrankung über- 
wogen am meisten zwischen 11 und 14 Jahren die Mädchen. Er 
findet, wie auch andere Autoren, den günstigen Einfluß besserer 
Hygiene auf das Wachstum. Interessant ist, daß die strumösen 
Kinder (Arbeitertöchter) in allen Jahresklassen eine größere Länge 
besitzen wie die strumafreien, was dahin zu verwerten ist, daß höherer 
Wuchs für endemischen Kropf disponiert, daher die populäre Vor- 
stellung richtig ist, daß das Kind krank (richtiger krankheits- 
disponiert) wird, weil es stark wächst. Verf. bespricht den wachstums- 
fördernden Einfluß, den eine gesteigerte Schilddrüsenfunktion haben 
kann, und weist darauf hin, daß die Stadtbevölkerung großwüchsiger 
sei als die Landbevölkerung. Holmgren sieht hierfür die Ursache 
in der größeren Häufigkeit der Infektionskrankheiten, die imstande 
seien, die Schilddrüsenfunktion anzuregen. Verf. hält diese Auf- 
fassung für unrichtig, da die arme Bevölkerung der Städte klein- 
wüchsig ist, trotzdem sie am meisten an Infektionskrankheiten er- 
krankt. Verf. meint, daß die einsame, versteckte Lage vieler Gebirgs- 
täler, der Mangel an Anregung, das ewige Einerlei die Disposition 
für endemischen Kropf steigere, während das nervenreizende Leben 
der Großstadt ein Übermaß der Schilddrüsentätigkeit begünstigt, 


L Referate. 159 


wodurch auch das Wachstum gefördert wird. Verf. betont überdies, 
daB man die große Gesundheit der Landkinder nicht allzusehr be- 
rühmen solle. Die frische Luft werde nicht ausgenützt, die Schlaf- 
räume sind dunkel und ungesund, auch die Milch wird nicht im Hause 
verbraucht, sondern verkauft. Der Kropf ist nach Verf.’s Ansicht 
ein Symptom — eine klinisch erweisbare Hypertrophie eines im Ver- 
hältnis zu den funktionellen Anforderungen insuffizienten Organs. 

Ahnliche Steigerung der Disposition für Krankheitsvorgänge in 
den Wachstumsjahren findet sich für Tuberkulose und orthotische 
Albuminurie, Schulanämie, Chorea u. a. Aus den Erfahrungen des 
Verf.s ist noch die Tatsache der geringeren Widerstandskraft der 
Mädchen, ihre ungleich größere Kränklichkeit zu erwähnen. Diese 
ist am deutlichsten zwischen 11. und 15. Lebensjahr, weshalb Verf. 
die gemeinsame Schule nach dem 11. Lebensjahr verwirft. Das hohe 
Maß der Arbeitszeit, das Stillsitzen ist unvereinbar mit der Gesund- 
heit während der Eniwicklungszeit. 

Auch die Jahreszeiten haben Einfluß auf das Wachstum und damit 
auf die Krankheitsdisposition. Das geringste Längenwachstum findet 
sich von August bis Mitte Dezember, das Höchstmaß des Wachs- 
tums Ende April bis Ende Juli. Gerade in die letzte Zeit fallen leider 
die Schlußprüfungen der Schule. Die geringe Kränklichkeit im 
Herbst hat nicht nur seinen Grund in dem kräftigenden Einfluß der 
Sommerferien, sondern auch in den obenerwähnten Wachstums- 
verhältnissen. Schick. 

Heinrich Egyedi, Eine Kombination von syphilitischem 
Primäraffekt der Vulva mit isolierter Vulvitis diphtherica. 
(Aus dem Epidemielaboratorium des Militär-Generalgouvernements in 


Lublin.) (D. m. W. 1916. Nr. 44.) 

Am 2. August 1916 kam das sieben Jahre alte Bauernmädchen J. K. zur 
Untersuchung. Das schwach gebaute, sehr herabgekommene Kind klagt seit zwei 
Tagen über Schmerzen in der Schamgegend und Beschwerden beim Gehen. Von 
Kinderkrankheiten hat das Kind nach Angabe der Mutter bloß Varicella über- 
standen, an Halserkrankungen hat sie nie gelitten. Die großen Labien — das 
linke weniger — sind innen und außen mit einer graugelben (speckigen) Membran 
belegt, die Vulva ist gerötet und scheidet eine serös-eitrige Flüssigkeit aus. Die 
Inguinaldrüsen beiderseits mäßig vergrößert, aber schmerzlos; Rachen, Mandel, 
Nasenhöhle, wie Halsdrüsen unverändert. Die Körpertemperatur beträgt 37,7, 
Pulsfrequenz 104. Die inneren Organe weisen keine Krankheitssymptome auf. 
Die von der Membran angefertigten Ausstrichpräparate (mit Gram, Fuchsin, 
Methylenblau gefärbt) zeigen Diphtheriebazillen in haufenweiser Anordnung als 
beinahe allein anwesende Bakterien, nur hier und da mit Gram-positiven Kokken 
vermengt. Spezifische Färbung nach Neisser weist typische Formen auf mit 
regelmäßigen Polkörnern. An der Löfflerplatte wachsen schon nach 16 Stunden 
üppige Diphtheriekolonien neben wenigen Kolonien des Staphylococcus citreus. 

Auf Grund des Ergebnisses wird das Mädchen ins Kinderspital gebracht, 
wo sogleich eine Seruminjektion (4000 Immunitätseinheiten) vorgenommen wurde, 
als deren Resultat die Temperatur schon am folgenden Tage auf die Norm sank, 
um erst nach drei Tagen wieder zu subfebriler Temperatur anzusteigen. Diese 
hält dann mit kurzen Intermissionen zwei Wochen an. [Dieser zweite Anstieg 
der Temperatur vom 7. August an ist aber offenbar keine diphtherische Erschei- 
nung, sondern — wenn auch selten in so frühen Stadien (etwa fünfte Woche nach 
der Inokulation) — schon als erstes Zeichen der luetischen Allgemeininfektion 
aufzufassen.] Das lokale Bild ändert sich auch insofern, als schon am nächsten 
Tage die Membranen schwinden; die Hyperämie und Schwellung läßt aber nur 
wenig nach, und an Stelle der Membranen bleiben breite, flache, wenig sezer- 

15* 


160 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 8. 


nierende Geschwüre zurück. Die Behandlung mit Kal. hyperm. bringt in den 
folgenden Tagen keine Besserung. Die Geschwüre vergrößern sich und bekommen 
eine immer härtere Umgebung. Es wird vom reichlichen Reizserum eine Spiro- 
chätenuntersuchung vorgenommen (Dunkelfeld, Tuschpräparate, Giemsa), welche 
eine Unmenge von typischen Syphiliserregern ergibt. Transferierung ins vene- 
rische Spital. 

‘Die Reinkultur wurde zur Bestätigung der Diagnose Diphtherie — wenn 
auch die Ausstrichpräparate hierüber keinen Zweifel zuließen — weiter geprüft: 
Auf Gilyzerinagar üppig-schleimiges, auf Agar spärliches Wachstum, hier und 
dort mit Verzweigungen. . Milch wird nicht koaguliert, auf Gelatine sind in drei 
Tagen keine Kolonien aufgegangen. Auf Bouillon und Traubenzuckerbouillon 
feinkörniges Wachstum mit Bildung von Bodensatz. Die auf. Bouillon in 
24 Stunden gebildete Säure entspricht 1,4 ccm !/,, normaler Lauge. Indol schwach 
positiv. Verimpfung 0,75ccm der 24 stündigen Bouillonkultur tötet Meer- 
schweinchen erst in sieben Tagen, ist also für dasselbe wenig pathogen. Krankheits- 
symptome: Nach 24 Stunden häufiges Entleeren von blutigem Urin, vom zweiten 
Tage angefangen geringe, später keine Nahrungsaufnahme, Schwäche, strake Ab- 
magerung. Exitus. Sektionsbefund: An der Impfstelle in breiter Strecke narbige 
Verwachsung der Haut mit der darunter liegenden Bauchmuskulatur, weiter 
ringsherum Membranen mit weniger vorgeschrittener Organisation und sulziges 

em mit Blutungen durchsetzt. Niere und Nebenniere hyperämisch, Pleura- 
exsudat nicht vorhanden. Ausstrichpräparate und Kultur ergaben an der Impf- 
stelle, sowie von der sulzigen Masse zahlreiche Diphtheriebazillen. 

Das Vorhandensein der Primäraffekte wurde einerseits durch den weiteren 
klinischen Verlauf, anderseits durch Wassermannsche Probe bestätigt. Befund 
am 28. August: Das rechte wie linke Labium stark infiltriert, livid verfärbt, mit 
breitem, oberflächlichem Geschwür — als Hilfsmoment für die sukzessive Inoku- 
lation der linken Schamlippe dürfte wohl der durch den Diphtherieprozeß be- 
dingte stärkere Ausfluß gelten —; in der Inguinalgegend nußgroße, harte, indolente 
Drüsen, die zervikalen und retroaurikularen Drüsen vergrößert. Wa.-R. am 
26. August positiv (+ +). 

Über den Infektionsmodus konnte Folgendes ermittelt werden: 
Der Verdacht der Mutter und die Aussage des Kindes, wonach ein 
in demselben Hause wohnhafter alter Maurer das Mädchen infiziert 
hat, wurde einerseits durch das bei dem Beschuldigten konstatierte 
rezente Ulcus durum, anderseits durch das Verhör der Nachbarn be-. 
stätigt, vor denen sich der Verbrecher mit seiner Tat noch gerühmt 
hatte. | 

Die Frage, woher die Superinfektion mit Diphtherie entstand, 
konnte Verf. befriedigend nicht lösen. In der Zeit der Erkrankung 
waren nämlich in der Stadt nur drei Diphtherieerkrankungen, in der 
Umgebung des Kindes aber kein einziger Fall. Auch hat in den 
letzten Monaten die Diphtherie nie stärkere Ausbreitung angenommen, 
wodurch man mit einer größeren Zahl von Bazillenträgern rechnen 
müßte. Unter solchen Umständen erscheint also eine Infektion durch. 
Kranke oder Bazillenträger als unwahrscheinlich. Die zweite Mög- 
lichkeit, daß das Mädchen selbst die Bakterien als Bazillenträgerin 
hatte oder überhaupt vom Rachen aus die Infektion erfolgte, wurde 
dadurch entkräftet, daß das wiederholte Kultivieren vom Rachen- 
abstriche keine Diphtheriebazillen ergab. Es wurde nur in geringer 
Zahl Corynebacterium fusiforme gefunden. Es ist demnach nicht 
von der Hand zu weisen eine dritte übrigbleibende Erklärung, daß. 
nämlich die schon längere Zeit vor der Infektion angesiedelten und 
in der Vulva anwesenden Diphtheriebazillen eventuell! Pseudo- 
diphtheriebazillen in dem Primäraffekte einen guten Boden fanden 
und ihre pathogene Tätigkeit entfaltet haben. Das letztere Moment, 


: L Referate. ; 161 


nämlich die nur durch die luetische Veränderung zustandegekommene 
höhere lokale Disposition, scheint auch den Umstand zu erklären, 
daß der Prozeß auf der Vulva isoliert blieb, trotzdem die bazillenhaltige 
Flüssigkeit bei der ersten Untersuchung mit der Zeit bis zu Tropfen 
heranwuchs. 

Zur Bestätigung dieser Ansicht und als Beweis der Haltbarkeit 
der Bazillen in der Vulva möchte Verf. die Tatsache anführen, daß 
nach über drei Wochen Krankheitsdauer am 25. August sich noch 
im Ausstriche vereinzelte diphtherieähnliche Bazillen vorfanden, 
welche sich bei der Kultivierung als noch lebensfähige Diphtherie- 
bazıllen erwiesen. Es ist wohl ein nicht geringer Beweis der Wider- 
standsfähigkeit dieses Mikroorganismus, daß er — oberflächlich ge- 


legen und dadurch zugänglich für Desinfizientien — doch den Spü- 
lungen mit Kal. hyperm., dann täglicher Bestreuung mit Kalomel 
trotzte. Grätzer. 


L. Korach (Hamburg), Über traumatischen Scharlach. 
(D. m. W. 1917. Nr. 1.) Verf. schildert einen interessanten Fall. 
Ein junger Arzt, der, bisher trotz wiederholter Gelegenheit zu einer 
Scharlachinfektion von dieser verschont geblieben, akquiriert die 
Krankheit, als er, kurz nachdem er sich eine frische Handwunde zu- 
gezogen, mit Scharlachkranken in direkte Berührung kommt. 
48 Stunden nach der Verletzung und direkten Berührung mit dem 
Scharlachvirus Entwicklung einer Lymphangitis scarlatinosa. Am 
dritten Tage schwere Allgemeinerschtinungen, Beginn des Scharlach- 
exanthems am Halse, am vierten Tage Ausbreitung des Exanthems, 
beginnende Angina, 24 Stunden später vollständig entwickelter Schar- 
lach mit typischer Lokalisation. Grätzer. 


Josef Kudrnáč, Zur Therapie der Pneumokokkeninfek- 
tion des Auges (Pneumokokkenkonjunktivitis) durch Op- 
tochin. (Aus dem Krankenhaus Horvitz.) (D. m. W. 1917. Nr. 3.) 
Im April und Anfangs Mai hatte Verf. Gelegenheit, eine Endemie 
von Pneumokokkenkonjunktivitis unter den Kindern des Waisen- 
hauses zu beobachten. 

Die klinischen Symptome verliefen stürmisch, so daß der zuerst 
konsultierte Arzt akutes Trachom diagnostizierte und die Kinder in 
das Krankenhaus überwies. Die sofort vorgenommene Untersuchung 
sämtlicher Kinder ergab noch mehrere Fälle, teils in beginnender 
Entwicklung, teils auf der Höhe der Krankheit. 

Der klinische Verlauf stellte sich folgendeıraßen dar: Ohne 
große subjektive Beschwerden begann der Prozeß meistens gleich- 
zeitig auf beiden Augen. Nur ausnahmsweise — in zwei Fällen — 
entwickelte sich die Krankheit zuerst auf einem Auge, um nach ein- 
wöchiger Dauer auf das bisher nicht betroffene Auge überzugehen. 
Leichtes Lidödem mit Rötung der Conjunctiva tarsı und Schwel- 
lung der Übergangsfalten leitete den Prozeß ein. Die starke Be- 
teiligung der Übergangsfalten war besonders in den Fällen auffallend, 
die früher eine Keratoconjunctivitis ekzematosa durchgemacht hatten 
und noch durch Maculae corneae die Spuren der vorangegangenen 
Affektion aufwiesen. 


162 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 8. 


Binnen zwei, höchstens drei Tagen nach Beginn der Krankheit 
waren hier die Übergangsfalten in starke Wülste verwandelt, so daß 
sie bei Ektropionierung des unteren Lides stark emporragten — in 
analoger Weise, wie man dies bei Conjunctivisis ekzematosa zu sehen 
gewohnt ist. Und nicht nur die untere, sondern bald darauf auch die 
obere Übergangsfalte zeigte diese Veränderung. 

Bei allen diesen Kranken beobachtete man neben den Horn- 
hauttrübungen auch Rhinitis chronica, Schwellungen der Pharynx- 
schleimhaut, erbsengroße Iymphatische Knoten am Halse und in der 
Nackengegend — also eine manifeste ekzematöse Dyskrasie, die wahr- 
scheinlich eine prädisponierende Rolle für so starke Beteiligung der 
Übergangsfalten spielte. Dort, wo keine Symptome dieser exsuda- 
tiven Diathese nachzuweisen waren, war die Falte gerötet und mäßig 
geschwollen. 


Die Conjunctiva bulbi war immer stark beteiligt. Vier, höchstens 
fünf Tage nach Beginn war sie stark injiziert, besonders in der Nähe 
des Hornhautrandes, in der Höhe des Lidspaltes beiderseits mit 
einem Stich ins Bläuliche, wie man das bei keiner anderen Binde- 
hautentzündung zu sehen pflegt. Außerdem war die Konjunktiva 
immer mehr oder minder aufgelockert, so daß es bei einigen Fällen 
zu wirklicher Chemosis kam. 


Im weiteren Krankheitsverlauf entwickelten sich bei der Mehr- 
zahl der Fälle Follikel in der entzündeten Bindehaut, und zwar zueıst 
im äußeren Winkel des unteren -Lides, um sich langsam und nur 
spärlich weiter stets nur in der Konjunktiva des unteren Lides zu 
verbreiten. Dies war auch die Ursache, warum der konsultierte Arzt 
ein akutes Trachom diagnostiziert hatte. Im Ausstrichpräparat 
reichlich Pneumokokken. Die Pneumokokken waren auf der Höhe 
der Krankheit im mikroskopischen Bilde reichlich nachzuweisen; 
nach einigen Tagen waren sie fast verschwurden, nur mehr ver- 
einzelt vorhanden. 


Es handelte sich also nicht um Trachom, sondern um einen harm- 
losen follikulären Katarrh, den die starke Infektion durch Pneumo- 
kokken verursacht hatte. Der weitere Verlauf hat dies bewiesen; nie 
war der Tarsus stark infiltriert, so daß die Mündungen der Meibom- 
schen Drüsen dauernd sichtbar blieben; nie wurde die Hornhaut in 
den Prozeß einbezogen, in keinem Falle ist es zum Pannus gekommen, 
die Follikel verschwanden schließlich vollkommen, ohne Narben zu 
hinterlassen. 

Von Beschwerden ist mäßige Schleimsekretion, starker Tränen- 
fluß und geringe Lichtscheu zu nennen. 

Besonders erwähnenswert scheint folgender Fall zu sein: 

P. H., zwölf Jahre alt, am 15. Mai 1916 im Krankenhause aufgenommen. 
Heute erkrankt. Starke Kopfschmerzen, Mattigkeit, Husten, Schmerzen beim 
Schlucken. Temperatur 40°. 

An Lungen, Herz, Abdomen nichts Pathologisches nachzuweisen. Tonsillen 
geschwollen, Rachenschleimhaut gerötet. Trockener Husten, kein Auswurf, keine 
Atemstörungen. 

Temperatur ist am vierten Tage nach Krisis völlig abgefallen. Interessant 
ist aber, daß nach dem Abfall der Temperatur die Augenerkrankung sich zeigte 
und in der oben geschilderten Weise sich entwickelte. Es handelte sich also 


L Referate, 163 


offenbar um eine Pneumokokkeninfektion, die zuerst die Tonsillen, dann die 
Augen betroffen hat. 

So wie in diesem Falle die Angina den ganzen Prozeß ein- 
geleitet hat, so hat Verf. in einem anderen Falle wiederum die Angina 
an die bestehende Augenerkrankung sich anschließen sehen. 

F. S., 10 Jahre alt, am 15. Mai 1916 aufgenommen. Beiderseitige Pneumo- 
kokkenkonjunktivitis. Am 20. Mai Fieber 38,4°. Klinischer Befund: Angina, 
brettharte Schwellung der submaxillaren Lymphdrüsen an der linken Seite. 

Die Therapie der Konjunktivitis bestand zuerst in Duschierung 
mit Argentum nitricum, Einträufelung von Zincum sulfuricum, Na- 
trium biboracicum. Diese Therapie hat keine besonderen Resultate 
gezeigt. g 

Deshalb hat Verf. nach der Kenntnis der Atiologie den Versuch 
mit Optochin gemaeht. Nach Anästhesierung mit Kokain wurde 
eine 2°P/,ige Lösung von Optochin hydrochloricum dreimal täglich 
eingeträufelt, so wie es Schur für die Behandlung des Ulcus corneae 
empfohlen hat. Der Erfolg war überraschend. Der intensive Katarrh 
der Bindehaut war schon 24 Stunden nach der ersten Instillation 
fast verschwunden. In den folgenden 24 Stunden, also 48 Stunden 
nach Beginn der Behandlung, waren mittelsel were Fälle schon 
klinisch als gesund anzusehen; die schwersten nach drei Tagen. Ohne 
Optochinbehandlung dauerte die Krankheit durchschnittlich fünf 
Wochen. Im mikroskopischen Bilde konnte Verf. zu dieser Zeit kaum 
mehr Pneumokokken auffircen. 

Da Verf. das Kokain — um ein reines Bild der Optochinwirkung 
zu gewinnen — ausschalten wollte und 2°/,ige Lösungen ohne dieses 
unangenehmes, starkes Brennen verursachten, hatte Verf. in weiteren 
sechs Fällen 1°/,ige Lösungen viermal täglich angewandt; zuerst 
wurde Kokain ganz weggelassen, dann in sehr geringen Dosen an- 
gewandt; die Beschwerden für die Patienten waren gering, die Er- 

folge nicht minder gut. Verf. kann diesen Modus bei dieser Krank- 
heit warm empfehlen. 

Der praktische Wert dieser spezifischen Behandlung ist für den 
Arzt und vor allem auch für den Amtsarzt sehr erheblich. Die 
rasche, erfolgreiche und dabei sehr einfache Bekämpfung der epi- 
demisch oder endemisch auftretenden Pneumokokkenkonjunktivitis 
gibt ihnen die Möglichkeit, den Prozeß rasch zum Stillstand zu 
bringen und weitere Verbreitung der Krankheit auf diese Weise zu 
verhindern. Grätzer. 


Fr. Rolly, Bazillenträger, ihre Entstehung und Be- 
kämpfung. (Aus der Med. Klinik und dem Krankenhaus St. Georg 
in Leipzig.) (M. m. W. 1916. Nr. 34.) Aus Verf.’s Versuchen erhellt, 
einen wie großen Einfluß die Schleimhaut auf die auf ihr vegetierende 
Bakterienflora auszuüben vermag. Vor allen Dingen steht fest, daß 
durch irgendwelche Desinfizientien den Bakterien auf den Schleim- 
häuten nicht beizukommen, noch die Zusammensetzung der Bak- 
terienflora zu ändern ist. Will man deswegen bei den Bazillen- 
trägern die pathogenen Keime auf den Schleimhäuten entfernen, so 
haben nur solche Methoden Aussicht auf Erfolg, welche die Schleim- 
haut in ihrer Tätigkeit zu beeinflussen vermögen. 


- 164 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 8. 


Da Verf. nun vor bereits 8 Jahren mit Versuchen beschäftigt 
war, welche den Einfluß der ultravioletten Strahlen auf die Haut, 
Schleim- und seröse Häute und Bakterien zum Gegenstand hatten, 
so hat Verf. auch die Einwirkung dieser Strahlen auf die Mund- 
schleimhaut und auf die Bakterienflora der Mundhöhle einem ge- 
-nauen Studium unterzogen. Als Lichtquelle diente die sogenannte 
künstliche Höhensonne. Die Mundhöhle der Patienten wurde in 
einem Abstand von 85—40 cm von der Lichtquelle bestrahlt, indem 
bei den liegenden Patienten durch einen Mundsperrer der Mund offen 
gehalten und mittels eines gewöhnlichen Glasspatels die Zunge nieder- 
‚gedrückt wurde. Die stark hautreizende Lichtwirkung der Strahlen 
wurde durch sorgfältiges Abdecken der Gesichtshaut der Patienten 
und namentlich der Lippen ausgeschaltet. 

Es ist seit langem bekannt, daß die ultravioletten' Strahlen nur 
die ganz auf der Oberfläche von festen oder flüssigen Substraten 
liegenden Keime abtöten, und keineswegs in die Tiefe wirken. Dem- 
nach kann bei den vielen Buchten und Falten, wie sie die Mund- 
höhle bietet, bei Vorhandensein von Schleim, in welchem die Bakterien 
häufig eingebettet liegen, und da die in der Nase vorhandenen Bak- 
terien einer Bestrahlung überhaupt nicht zugänglich sind, eine Ab- 
tötung vieler Bakterien durch die ultravioletten Strahlen nicht zu- 
stande kommen. Dagegen war anzunehmen, daß bei einer Beein- 
flussung der Mundschleimhaut durch die Strahlen und durch eine 
folgende Entzündung die Bakterienflora sich ändern würde. 

Verf. sah nach der Bestrahlung der Mundhöhle von Diphtherie- 
bazillenträgern, wobei die einzelnen Patienten sich graduell sehr ver- 
schieden verhielten, nach kürzeren oder längerdauernden Bestrah- 
lungen ein Erythem oder oberflächliche Verschorfungen und Ulzera- 
tionen mit leichten Schwellungen und Schluckbeschwerden auftreten. 
auch ganz geringe Temperatursteigerungen (stets unter 1/,° C); aber 
schwerere Erscheinungen und Veränderungen im Rachen hat Verf. 
niemals konstatieren können. 

Die ersten 4 Diphtheriebazillenträger, deren Mundhöhle Verf. 
mit ultravioletten Strahlen auf solche Weise behandelte, wurden 
nach je 3—9 maligem Bestrahlen von 4—10 Minuten langer Dauer 
an ebensovielen aufeinanderfolgenden Tagen bazillenfrei. Bei weiteren 
Untersuchungen zeigte sich, daß auch hierbei Versager vorkommen. 
Und zwar stellte es sich heraus, daß besonders bei solchen Fällen die 
ultravioletten Strahlen nur einen geringen Einfluß auf die Bakterien- 
tlora der Mundhöhle ausübten, bei welchen sie keine genügende Ge- 
websentzündung hervorgerufen hatten und die Patienten also relativ 
unempfindlich des Strahlen gegenüber waren. Blieb der gewünschte 
Erfolg aus, dann konnte aber regelmäßig eine Änderung der Bak- 
terienflora der Mundhöhle nach den Bestrahlungen konstatiert werden, 
insofern die Diphtheriebazillen stets eine Abnahme im Vergleich zu 
den anderen die Mundhöhle bewohnenden Bakterien, besonders 
Pneumokokken, erfahren hatten. Insofern war also ein Unterschied 
in der Zusammensetzung der Bakterienflora zwischen abgebundenen 
Darmteilen und der Mundhöhle zu erkennen, als hier in der Mund- 
höhle nach der Entzündung besonders die auch sonst auf ihr vege- 


I. Referate. Se 165 


tierenden ‘Keime sich vermehrten, in abgebundenen Darmteilen da- 
gegen nicht in erster Linie das Bacterium coli. Der Unterschied 
hängt sicherlich damit zusammen, daß nach der Entzündung in den 
abgebundenen Darmteilen die Zusammensetzung des Inhaltes abnorm : 
wird, in der Mundhöhle aber eine abnorme Zusammensetzung des 
Inhaltes durch den Schluckakt verhindert wird. Der Endeffekt ist 
jedoch derselbe, da die Zusammensetzung der Bakterienflora sowohl 
in der Mundhöhle wie in dem Darmteil nach Aufhören der Entzün- 
dung wieder die normale war. 

Auch ‘möchte Verf. nicht unerwähnt en daß Verf. die Be- 
strahlungen bei 2 Diphtheriebazillenträgern, bei welchen Bestrah- 
lungen mit ultraviolettem Lichte allein nicht zum Ziele geführt 
hatten, noch mit gleichzeitiger Infektion von Staphylococcus aureus 
und Pneumokokken verband, indem Verf. stets nach den Bestrah- 
lungen Agarkulturen der genannten Bakterien auf die bestrahlten 
Mundschleimhautpartien 3 und 6 Tage lang täglich einrieb. Der 
Erfolg war gut, die Diphtheriebazillen waren verschwunden. Weitere 
Untersuchungen müssen zeigen, ob dieses kombinierte Verfah:en der 
einfachen Bestrahlung vorzuziehen ist. Alleiniges Einiühien dieser 
Bakterien ohne gleichzeitige Beeinflussung der Schleimhaut hatte in 
weiteren Fällen, wie Verf. sich überzeugte, nicht den gewünschten 
Einfluß. 

Bei zwei der ohne Erfolg mit ultravioletten Strahlen behandelten 
Diphtheriebazillenträger trat im Verlauf der Beobachtung eine folli- 
kuläre Angina mit Fieber hinzu. Das Überstehen dieser Krankheit 
hat beide Bazillenträger bazillenfrei gemacht. Bei dem einen Pa- 
tienten hat Verf. die Bakterienflora der Mundhöhle vor, während 
und nach dcin Auftreten der Angina bakteriologisch untersucht. Die 
Angirs selbst war durch Pneumokokken hervorgerufen, und schon 
2 Tage nach Beginn der Angina waren die Diphtheriebazillen völlig 
eo und blieben es dann auch für die Folgezeit. Auch nach 
Auftreten von Scarlatina und einer gewöhnlichen Streptokokken- 
rhinitis waren bei zwei hartnäckigen Diphtheriebazillenträgern Diph- 
theriebazillen später nie mehr nachzuweisen. Ebenso hat Prip beob- 
achtet; daß bei 14 unter 15 Diphtheriebazillenträgern, ferner nach 
Scharlach und einem Katarrh der Nase und Bronchien die Bazillen 
nach dem Überstehen einer Angina verschwunden waren. Dieselbe 
Erfahrung machte Schiötz nach einer Kokkenangina. Ferner konnte 
Kretschmer durch Tonsillenquetschungen häufig recht schnell die 
Diphtheriebazillen entfernen. 

Alle diese Beobachtungen weisen also darauf hin, daß durch das 
Auftreten einer akuten Entzündung, durch die dadurch hervor- 
 gerufene veränderte Gewebstätigkeit der Schleimhaut, durch die ent- 
‘ zündliche Hyperämie, durch das mit der Entzündung verbundene 
abnorme Wuchern der Pneumokokken (oder auch anderer Bakterien, 
aber nicht Diphtheriebazillen), vielleicht auch durch vermehrte Tätig- 
keit von Leukozyten usw. den Diphtheriebazillen und anderen patho- 
' genen Bakterien am ehesten beizukommen ist und sie am schnellsten 
. zu eliminieren sind. Verf. glaubt nicht, daß den ultravioletten Strahlen 
dabei eine irgendwie besondere Wirkung zukommt, es werden viel- 


166 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 8. 


leicht auch öfter wiederholte geeignete Pinselungen der Mundschleim- 
haut mit oberflächlich ätzenden und entzündungserregenden Sub- 
stanzen denselben Endeffekt erzielen können. 

Nicht unerwähnt möchte Verf. lassen, daß bei einem Diphtherie- 
bazillenträger, bei welchem die Tonsillen infolge chronischer Entzün- 
dung stark vergrößert und zerklüftet waren und bei welchem Be- 
strahlungen mit der Quarzlampe keine Bazillenfreiheit brachten, nach 
einer Exstirpation beider Tonsillen Bazillenfreiheit eintrat, ohne daß 
eine Diphtherie der Wunde eingetreten wäre. 

Bei solchen Bazillenträgern nun, bei welchen die pathogenen 
Bakterien im Darme sich aufhalten, wird man ganz ähnlich bestrebt 
sein müssen, einen akuten Katarrh und eine Entzündung der Darm- 
schleimhaut mehrere Male hervorzurufen. Ebenso wird, wenn die 
Typhusbazillen in den Gallenwegen und den Gallengängen etabliert 
und keine Gallensteine vorhanden sind, eine Bakterienfreiheit dieser 
Teile nur durch eine akute Entzündung der Schleimhaut der Gallen- 
gänge und rasche Entfernung der Bakterien in den Darm zu erreichen 
sein. Etwa vorhandene Gallensteine müßten natürlich vorher operativ 
entfernt werden. Grätzer. 


M. John, Über die Bedeutung der Tonsillen für Gesund- 
heit und Wehrfähigkeit. (Aus dem Reservelazarett Baracken und 
der Inneren Abteilung des St. Marienhospitals Mülheim-Ruhr.) (Ebenda.) 
Päßler hat die Ansicht geäußert, daß „als Ursache der sogenannten 
Diathesen eine chronische Infektion vom Typ der chronischen Ton- 
sillitis anzusehen sei“ und „daß eine große Reike der sogenannten 
Manifestationen der Diathesen durch die Beseitigung der Infektions- 
quelle sich gleichfalls beseitigen läßt“. Rohmer hält es zwar „mit 
der eindeutigen und alltäglichen klinischen Erfahrurg für unverein- 
bar, die sogenannten Diathesen, wie PäBler es will, als Folge vcn 
Mandelinfektionen aufzufassen“. Nach Verf.s Erfahrungen dürfen 
wir indes doch als sicher gelten lassen, daß eine chronische Infektion 
von den Tonsillen aus sehr wohl den Boden für eine exsudative cder 
neuropathische Diathese abgeben kann. Wenigstens lassen sich die 
in ihr Bild hineingehörenden Erscheinungen, wie Hyperplasie des 
Iymphadenoiden Gewebes, Neigung zu Erkältungen, labile Körper- 
temperatur, angiospastische Pseudoanämie und zahlreiche andere vaso- 
motorische Symptome (Schweiße, Ohnmachten, Migräne, Schwindel, 
Farbenwechsel, Brechneigung, Urtikaria usw.) durch Behandlung der 
Tonsillen in vielen Fällen günstig beeinflussen. 

Wilhelm U., 121/, Jahre, von Kind auf behinderte Nasenatmung, ständig 
kalte Füße und Frösteln. keinen rechten Appetit, häufig Kopfschmerzen, Brech- 
neigung, beim Fahren auf der Elektrischen oder auf der Eisenbahn sofort an- 
haltendes Erbrechen. Im Alter von 2!/, Jahren Lungen- und Mittelohrentzündung, 
mit 8 Jahren zum zweiten Male Lungenentzündung. Öfters Halsentzündungen. 
Vor 2 Jahren zum ersten Male etwa 3 Wochen lang hohes Fieber mit Schwindel, 
Kopfschmerzen und Erbrechen; ebenso vor 4 Monaten und bei Beginn der Be- 
handlung im Oktober 1913. Diesmal gleichzeitig auch schmerzhafte Schwellung 
mehrerer Gelenke, namentlich der Kniegelenke. Die Tonsillen stark gerötet und 
geschwollen, ohne Belag. Beiderseits am unteren Rande des Musc. sternocleido- 
mastoideus bis bohnengroße Lymphdrüsen zu fühlen. Gebiß intakt. Schon nach 


dem erstmaligen Absaugen der Tonsillen, wobei mehrere übelriechende Mandel- 
pfröpfe entfernt werden konnten, verspürt der Pat. deutliche subjektive Besse- 


ee DA nn __ u, | 


I. Referate. 167 


rung, indem Kopf- und Gelenkschmerzen nachließen. Die Temperatur war am 
folgenden Tage von 39,4 auf 37,3 abgesunken und die Attacke zur großen Über- 
raschung der Eltern so gut wie überstanden. Nach mehrwöchentlicher Behandlung 
der Tonsillen verschwanden auch all die früheren Beschwerden, das Körpergewicht 
stieg um über 5 kg an, sogar das Fahren auf der Elektrischen und auf der Bahn 
war wieder möglich. Bis heute sind niemals mehr Anginen oder gar schwer fieber- 
hafte Attacken wie vor Oktober 1913 aufgetreten. Es besteht lediglich seit einiger 
Zeit wieder Intoleranz gegen Fahren auf der Bahn 


Der vorstehenden Krankengeschichte ist als außerordentlich be- 
merkenswert zu entnehmen, daß der bei Beginn der Behandlung 
12!/, jährige Patient seit frühester Jugend eine Schwellung der lym- 
phatischen Elemente, Neigung zu Erkältungen und fieberhaften Er- 
krankungen, endlich mannigfache vasomotorische Störungen (Frösteln, 
kalte Füße, Kopfschmerzen, Brechneigung, Intoleranz gegen Bahn- 
fahren), also Manifestationen einer exsudativen Diathese aufzuweisen 
hatte und daß nach Behandlung der Tonsillen alle diese Erscheinungen 
bis auf die Intoleranz gegen Bahnfahren vollständig verschwar.den. 
Verf. ist überzeugt, daß eine gelegentlich noch einmal wieder auf- 
genommene Behandlung der Tonsillen auch die Intoleranz gegen 
Bahnfahren, dieses letzte Überbleibsel aus dem vasomotorischen 
Symptomenkomplex, beseitigt haben würde. Gerade diese Kranken- 
geschichte sollte die Notwendigkeit, daß nämlich die Behandlung unter 
Umständen zu wiederholen ist, sobald Dauerresultate nicht erzielt 
werden konnten, noch einmal mit allem Nachdruck unterstreichen. 

‚Wenn wir nun mit der wirklich auch bei Kindern meist ohne 
größere Schwierigkeiten durchführbaren Behandlung der Tonsillen so 
viele jugendliche Individuen von ihren ständig rezidivierenden An- 
ginen befreien können, so beugen wir dadurch gleichzeitig vielen 
Gelenkrheumatismen, Herz- und Nierenleiden vor, die ja immer 
wieder im Anschluß an eine Tonsillitis auftreten. Und das ist gewiß 
von ungeheurer Wichtigkeit für die heranwachsende Jugend und die 
Volksgesundheit überhaupt. Schon aus diesem Grunde allein wäre 
es dringend zu wünschen, wenn die Behandlung der Tonsillen von 
allen Ärzten geübt würde und wenn ganz besonders der Schularzt 
auch diesen Organen gebührende Aufmerksamkeit widmen würde. 
Ganz abgesehen von den verhütbaren Erkrankungen könnten durch 
Behandlung der Mandeln viele ewig erkältete, müde, appetitlose, blaß 
und schlecht aussehende ‚Drüsenkinder“ körperliche Frische und 
Widerstandsfähigkeit erlangen, die sie ihre sonst verkümmerte Jugend 
auch in vollen Zügen genießen läßt. Die Zahl der einst dienstfähigen 
jungen Leute würde dadurch zweifellos erheblich vermehrt, besonders 
wenn auch in Vorbeobachtungsstationen und Lazaretten die Ton- 
sillen mehr als bisher beobachtet und behandelt würden. Freilich, 
überall da, wo der kindliche Organismus spezifisch, z. B. tuberkulös 
infiziert ist, wo also die Halsdrüsen skrofulöser Natur sind, wird 
durch die Behandlung der Tonsillen kein rechter Erfolg zu erwarten 
sein, ein Nutzen aber auch hier insofern, als gerade solche aus der 
großen Masse der „Drüsenkinder“ herausgehobenen Individuen mehr 
als bisher einer energischen Behandlung mit künstlicher Höhensonne 
zugeführt werden könnten und sollten, deren große Heilwirkung auf 
Tuberkulose noch viel zu wenig ausgenützt wird. Grätzer. 


168 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 8. 


Schaefer (Berlin-Pankow), Zahnkrankheiten und Kriegs- 
ernährung. (B. kl. W. 1916. Nr. 50). Während im Jahre 1911 in 
der 6. Gemeindeschüle zahnkrank waren 88%, der Mädchen und, 
46,5°/, der Knaben, im Jahre 1914 53°/, bzw. 58°/,:bei den Mädchen. 
der 3. Schule 65°/,, "befanden sich im Februar 1916 unter den Mädchen 
der 3. Gemeindeschule nur 35°/,, und am 1. Juli 1916 in der 6. Ge- 
meindeschule nur 22°, (Mädchen) und 15°/, (Knaben). Also eine 
wesentliche Abnahme der Zahnkranken, zweifellos unter dem. Ein- 
fluß der Kriegsernährung. Auch anderen Schulärzten ist diese Tat- 
sache bereits aufgefallen. Worauf sie zurückzuführen ist, ob auf die 
geringe Fleischnahrung, den überwiegenden Brotgenuß oder andere 
Bestandteile der Ernährung, läßt Verf. unerörtert. Grätzer. 


Ernst Schloss, Über Rachitis. Pathologische Chemie und 
Stoffwechsel. (Aus dem Großen Friedrichswaisenhaus der Stadt 
Berlin.) _(Ebenda.) Nach einem „Allgemeinen Überblick“ erörtert 
Verf. den Stoffwechsel im einzelnen: den organischen, den Kalk- 
stoffwechsel, den Phosphorsäureumsatz, den Magnesiastoffwechsel, den 
Stoffwechsel der Alkalien, den Chlor- und Schwefelumsatz und die 
Kohlensäure. Grätzer. 


Graf-Haller, Anatomisch- T A Studien und Be- 
trachtungen über den kongenitalen Hydrozephalus. (Virch. 
Arch. CCXXII. 1917. H. 2.) Nach entwicklungsgeschichtlichen 
und physiologischen Betrachtungen werden die anatomischen Ver- 
hältnisse am Gehirn bei chronischem Hydrozephalus näher beschrieben. 
Man unterscheidet zwei Gruppen von Hydrozephalen, eine Gruppe, 
bei der das Foramen am Ende des 4. Ventrikels (oder auch das 
Foramen Monroi) geschlossen ist, und eine zweite, größere Gruppe, 
bei der die Foramina im Gegenteil erweitert sind. Eine Erweiterung 
der Ventrikel kommt zustande durch vermehrte Liquorbildung, durch 
Behinderung des Liquorabflusses aus den Ventrikeln und durch ver- 
ringerte Widerstandsfähigkeit‘ der Ventrikelwand.. Dem letzten 
Moment schreibt der Verf. keine erhebliche Rolle zu. K. Boas. 


B. Aus ausländischen Zeitschriften. 


A. M. Benders, Zwei Fälle von familiärer amaurotischer 
Demenz. (Psych. en neurol. Bladen. 1916. Nr. 4) Familiäre 
amaurotische Idiotie bei einem Schwesternpaar. Unter dem Namen 
der spät-infantilen und juvenilen amaurotischen Idiotie sind Fälle 
zusammengebracht, welche unter sich kleinere oder größere Differenzen 
zeigen, die zum Teil sicherlich nicht als nur quantitativer Art be- 
trachtet werden können. Diese Differenzen beziehen sich sowohl 
auf klinische als auch auf anatomische Befunde und lassen sich nicht 
durch verschiedene Dauer des Krankheitsverlaufs oder etwa ein 
anderes quantitatives Moment erklären. 

Die zahlreichen Übergangsformen zwischen. den verschiedenen 
„Lypen“ der endogenen Krankheiten haben zu der Meinung Ver- 
anlassung gegeben, daß alle endogenen Krankheiten unter sich ver- 
wandt sind. Dies ist aber nach Verf.’s Ansicht nicht der Fall. Allen 


I. Referate. 169 


endogenen Krankheiten ist das Entstehen aus einem defekten Keim- 
plasma gemeinsam; aber weiter geht die allen gemeinsame Verwandt- 
schaft nicht. Näheres hierüber in einer Arbeit des gleichen Verf.’s in 
demselben Heft („Das Wesen der anormalen Anlage bei den endo- 
genen organischen Nervenkrankheiten‘“). Kurt Mendel. 

William Sharpe and Benjamin P. Farrel, A new operative 
treatment -for selected cases of cerebral spastic paralysis. 
(Journ. of the Amer. med. Assoc. LXIV. 1915. S. 482.) Die 
Verff. unterzogen 65 Fälle (unter einer Gesamtzahl von 201 Fällen) 
von spastischer Hemi- bzw. Paraplegie mit Hirndrucksymptomen 
(Stauungspapille, erhöhter Liquordruck) einer dekompressiven Trepa- 
nation. In der Mehrzahl der Fälle. kamen erhebliche Besserungen 
zustande, auch in intellektueller Beziehung. Kurt Boas. 

Edwin W. Ryerson, Recurrent spondylolisthesis, with 
paralysis; bove-splint transplantation. (Ebenda. LXIV. 
1915. 5. 24.) In dem Falle des Verf.s, ein 15 jähriges Mädchen be- 
treffend, führten Bewegungen der Wirbelsäule nach rückwärts 
Schmerzen, Taubheitsgefühl und Lähmungen in den Beinen herbei. 
Bei Biegungen der Wirbelsäule nach vorne sistierten diese Erschei- 
nungen. Die Ursache dieser Erscheinungen bestand darin, daß der 
fünfte Lumbalwirbel sich auf dem Kreuzbein verschob. Es wurde 
eine Knochentransplantation der Tibia auf Lenden- und Kreuzbein- 
wirbel vorgenommen. Es kam so zu einer Fixation, die eine Verschieb- 
lichkeit des fünften Lumbalwirbels fernerhin unmöglich machte. 

Kurt Boas. 

J. Walter Moore, Fracture of the base of the skull with 
escope of cerebrospinal fluid from the car. The effect 
of atropine and epinephren upon the secretion. (Amer. 
Journ. of the med. Sciences. CXLIX. 1915. S. 580.) Ein 6jähr. 
epileptisches Kind erlitt beim Ballspielen durch Sturz von der Treppe 
eine Schädelbasisfraktur. Aus dem linken Ohr floß anfänglich blutig 
tengierter, später klarer Liquor cerebrospinalis ab. Dieser Zustand hielt 
tagelang an. Schließlich kam das Kind unter meningitischen Erschei- 
nungen (Nackensteifigkeit, positiver Kernig) ad exitum. Die ex- 
perimentelle Prüfung des Einflusses von Atropin und Epinephrin 
auf die Sekretion des Liquor cerebrospinalis fiel im Sinne einer Hyper- 
sekretion aus. Kurt Boas. 

. William 6. Spiller, Severe jaundice. in the newborn child. 
A cause of spastic cerebral diplegia. (Ebenda. CXLIX. 1915. 
8.345.) Mitteilung von vier Fällen spastischer zerebraler Diplegie 
ım Anschluß an einen Ikterus neonatorum, der von kürzerer oder 
längerer Dauer war. In dem ersten Falle handelte es sich um ein 
vorher ganz gesundes Kind, im zweiten um ein 1!/, Monate zu früh 
zur Welt gekommenes Kind. Mit Ausnahme des vierten Falles, in 
dem die Littlesche Krankheit klinisch vollständig ausgeprägt war, 
handelte es sich um abortive Formen der Littleschen Krankheit. 
Durch die Cholämie kommt es nach Ansicht des Verf.’s zu einem 
hämorrhagischen Zustand, der zu Blutungen im Schädel führen kann. 
In einem Falle von Pitfield ergab die Sektion subaurale Blutungen, 
in einem anderen Falle traten Verwachsungen zwischen -Dura und 


170 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 8. 


Kleinhirn zutage. In einem Falle, in dem das betreffende Kind 
einige Stunden nach der Geburt einen Ikterus mit anschließender 
beginnender spastischer zerebraler Diplegie bekam, konnte die weitere 
Entwicklung des Krankheitsprozesses durch Bluttransfusion kupiert 
werden. Kurt Boas. 

W. Milligan, Cerebellar abscess; operation; recovery. 
(Proceedings of the Royal Society of Medicine. London 1914.) 15jähr. 
Junge. 1909 Eiterung beider Ohren. Rechts Radikaloperation, links 
Lokalbehandlung. Wiederaufgenommen 1918. Rechtes Ohr voll- 
kommen gesund. Die antrotympanische Höhle war vollkommen epi- 
dermisiert. Seit den letzten drei Wochen Klagen über heftige Kopf- 
schmerzen, besonders in der Stirnhirngegend. Pat. fühlte sich krank, 
hatte aber kein Erbrechen außer einem Tag vor der Wiederaufnahme. 
Pat. war sehr verstopft. Er machte einen ganz verständigen Ein- 
druck, jedoch waren die Gehirnfunktionen etwas verlangsamt. Tem- 
peratur 98,2 Fahrenheit, Puls 66, Atemfrequenz 18. Keine Lähmung. 
Kniesehnenreflexe gleichmäßig gesteigert. Kein Babinski. Aus- 
gesprochene Ataxie. Dysdiadochokinesis vorhanden. Pupillen gleich 
und erweitert. Neuritis optica (?). Nystagmus beim Blick nach links 
(assoziierte Seite). Linker Gehörgang gefüllt mit dichtem polypösen 
Gewebe und Eiter. Eine genaue Labyrinthuntersuchung war deshalb 
nicht möglich. 

Diagnose: Linksseitiger Kleinhirnabszeß. 

Vor der Operation wurde viermal Liquor cerebrospinalis ent- 
nommen. Derselbe war klar und unter Druck. 

Operation: Radikale Warzenfortsatzeröffnung. Eröffnung durch 
die hintere Wand des Antrum. Eröffnung und Inzision der Dura. 
Entleerung eines Abszesses, der etwas mehr als !/, Unze Eiter enthielt. 
Drainage. 

Die bakteriologische Untersuchung des entleerten Eiters 
ergab in der Hauptsache eine reine Streptokokkeninfektion. Daneben 
fanden sich einice wenige Staphylokokken. 

Es trat vollständige Heilung ein. Kurt Boas. 

Ch. W. Burr, Chronic dementia, cerebellar ataxia and 
epileptiform convulsions in a boy caused by ptomain 
poisoning from eating canned salikon. (Journ. of the Amer. 
med. Assoc. LXII. 1914. S. 1712.) Der Fall des Verf.’s betrifft 
einen 14jähbrigen Jungen, der nach dem Genuß von Räucherlachs 
akut an Vergiftungserscheinungen erkrankte. Pat. hatte eine vorüber- 
gehende Hemiplegie, ferner Krampfanfälle und Dekubitus, zeitweise auch 
Delirien. In psychischer Beziehung war Pat. im allegemeinen stumpf 
und teilnahmslos. In diesen Zustand brachten vorübergehende akute 
zeitw.ise Delirien eine Änderung. Nach 1!/, Jahren bestand bei dem 
Pat. eine schwere zerebellare Ataxie, in psychischer Beziehung be- 
stand Verwirrtheit und Demenz. Das klinische Bild glich im ganzen 
dem einer juvenilen Paralyse (Sprachstörung, stumpf-euphorisches 
Verhalten, Ataxie, Reflexsteigerung, epileptiforme Krämpfe). Als 
Ursache der Erkrankung vermutet Verf. eine diffuse Schädigung der 
Rinde mit vorwiegender Beteiligung der Nervenzellen und geringerer 
der Gefäße. Kurt Boas. 


II. Aus Vereinen und Versammlungen. 171 


M. J. Synnot, A case of Bell’s palsy. (Arch. of Ped. XXXII. 
1915. 8. 210.) Bei einem 6jähr. Mädchen entwickelte sich im An- 
schluß an einen Schreck eine rechtsseitige periphere Fazialislähmung. 
Keine Entartungsreaktion. Nach Ansicht des Verf.’s liegen der Er- 
krankung vasomotcrische Störungen zugrunde, die sich bereits früher 
in Gestalt einer Ohnmacht dokumentiert hatten. Kurt Boas. 

T. A. Whipham, Congenital word and letter blindness. 
(Ophthalmoscope. January 1916.) Verf. berichtet über einen Fall 
von angeborener Wort- und Buchstabenblindheit bei einem 8 jähr. 
Mädchen. Die Störung war nicht absolut, da immerhin ein oder zwei 
Buchstaben erkannt wurden. Bemerkenswert war die positive Wa.-R. 

Kurt Boas. 


II. Aus Vereinen und Versammlungen. 


Schultze: Angeborene Schilddrüsenatrophie (sogenanntes Myxödem). Der 
Vortr. zeigt ein Mädchen, das 15 Jahre alt ist, aber nur die Länge von 97 cm 
hat, also diejenige eines vierjährigen Mächens. Die Gesichtshaut und die Gesichts- 
farbe ist typisch myxomatös, nicht aber die Haut am Körper sonst. Sie ist im 
Gegenteil schlaff, besonders im Nacken und Rücken in langen Falten abhebbar, 
auf den Handrücken etwas gerunzelt, wie bei alten Leuten, außerdem trocken und 
abschilfernd. Die Kopfhaare und die Augenbrauen sind nur schwach entwickelt, 
die Schamhaare fehlen völlig. Die Nase ist breit, stark sattelförmig, die Ober- 
lippe etwas vorstehend, die Augenlidspelte horizontal gestellt (nicht wie bei 
Mongolismus schief). Die Zunge nicht breiter als normal, von normaler Beschaffen- 
heit. Fontanelle geschlossen. Leichtes rachitisches Eingebogensein der unteren 
Rippenbogengegend; geringe Genu valgum-Stellung.e Die Zähne sämtlich sehr 
kurz und breit; unvollständig entwickelt. Die Röntgendurchleuchtung der Hand- 
knochen ergibt das typische Bild wie bei Myxödem. Es sind an den Handwurzeln 
nur drei Knochenkerne sichtbar, das epiphysäre Wachstum fehlt. Der Gaumen 
steht abnorm hoch. Der Bauch ist vorgetrieben, ein kleiner Nabelbruch vor- 
handen. Die Durchleuchtung des Herzens ergibt ein breites, kugeliges, gedrungenes 
Herz. Besonders ist der rechte Vorhof stärker als normal nach rechts vorgebuchtet. 
Ein abnormer Schatten in der Mediastinalgegend fehlt; die Wirbelzeichnung der 
oberen Dorsalwirbel tritt sogar ungewöhnlich deutlich hervor. Keine Spur von 
einer Schilddrüse abtastbar. Zwischen den scharf vortretenden Bändern der 
Sternocleidomastoidei und dem Kehlkopf starke Vertiefungen. Die Gehirnfunk- 
tion verlangsamt und vermindert. Das Kind ist stets sehr ruhig, spricht selten, 
lacht und lächelt aber oft. Es spielt ganz verständig mit kleineren Kindern und 
versteht, was man von ihm will, führt nach Aussage ihrer Mutter sogar Aufträge 
aus, ist also nicht eigentlich idiotisch. — Der Hämoglobingehalt beträgt nur 50 
nach Sahli. Die Anzahl der Leukozyten ist nicht erhöht, die Lymphozyten be- 
tragen 25°/,, die roten Blutkörperchen erscheinen nicht voluminöser. Der Ham 
ist normal, ebenso der Stuhl. Harn- und Stuhlentleerung sind normal. — Das 
Kind stammt aus Ohligs, einer kropffreien Gegend zwischen Köln und Elberfeld. 
Seine Eltern sowie ein älterer Bruder der Kranken sind gesund. Während der 
Schwangerschaft sollen bei der Mutter stärkere Blutungen dagewesen sein. Das 
Kind wurde mit sieben Monaten geboren, soll abnorm klein, aber sehr dick ge- 
wesen sein und sah in den ersten vier Monaten nach seiner Geburt gelb aus 
(Ikterus? myxomatöse Färbung?) Die beiden mittleren oberen Schneidezähne 
erschienen erst im Alter von vier Jahren. Laufen wurde mühsam erst mit 4!/, Jahren 
gelernt, Sprechen erst mit sechs Jahren, und zwar langsam und undeutlich, später 
aber allmählich besser. Das Kind war stets außergewöhnlich ruhig, „kann den 
ganzen Tag über sitzen, ohne etwas zu tun“, und ist geistig sehr zurück, lernte 
nicht lesen. Die Haare sollen zuerst lockig gewesen sein, wurden später glatt und 
fielen mehr und mehr aus. Die Nägel waren oft spröde und rissig; die Haut schuppte 
leicht; an der Haut der Fußsohlen entstanden nach längerem Gehen oft Blasen. 
Der Nabelbruch war angeboren. Das Körperwachstum ging sehr langsam vor sich, 


Di 


172 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 8. 


in den letzten vier Jahren im ganzen nur 2cm. Bemerkenswert ist die Tatsache, 
daß das Kind, als es vom vierten Jahre an drei Jahre hindurch täglich eine 
Tablette eines Schilddrüsenpräparates erhielt, entschiedene Besserung erfuhr. Es 
wurde munterer, die Zahnbildung, das Gehen und Sprechen entwickelte sich 
rascher. Leider wurde in den letzten drei Jahren keine Schilddrüse mehr ge- 
genen. — Es handelt sich also um einen der seltenen Fälle von angeborenem 

childdrüsenschwunde, dessen Ursache völlig unbekannt ist. Man kann von 
keiner eigentlichen Myxioditie sprechen, da eben eine Idiotie fehlt. Nennt man ein 
„reines“ Myxödem diejenige Form der Erkrankung, bei der die Haut des ganzen 
Körpers geschwollen ist, so würde diese Bezeichnung für unsere Kranke nicht 
zutreffen. Indessen ist eine derartige Unterscheidung bedeutungslos, da das 
Wesentliche jedesmal der Schilddrüsenschwund ist, auf dessen Altersatrophie 
man sogar unter anderen Alterserscheinungen auch die Schlaffheit und Runze- 
lung der Altershaut ursächlich hat zurückführen wollen. Eine Ursache der 
Schilddrüsenerkrankung ist bei der Kranken nicht zu entdecken. Die Untersuchung 
des Blutes auf die Wa.-R. fiel negativ aus. — In einem sehr schweren Falle von 
Myxödem bei einem älteren Herrn, bei dem eine Verwechslung mit Arterio- 
sklerose und Ödem nach Herszchwäche stattgefunden hatte, wurde von dem 
Vortr. als Ursache eine früher dagewesene Eiterung in der vorderen Halsgegend 
festgestellt. Diese hatte offenbar zu einer Thyreoditis mit folgendem Schwund 
der Drüse geführt. Die fortdauernde Darreichung von Merckschen Thyreodin- 
tabletten führte zu völligem Verschwinden der Myxödemsymptome, die wieder 
sich einzustellen begannen, sobald die Therapie ausgesetzt wude. 


v. Franqué: Geburtenrückgang, Arzt und Geburtshelfer. Nur die ärzt- 
lichen Gesichtspunkte werden besprochen. An der Bonner Klinik zeigte sich in den 
letzten 20 Jahren ein Rückgang der Frauen mit sechs und mehr Kindern um 
62°/,,, eine Zunahme der 1—2 kindrigen um 59°/,,; die Frauen mit 3—5 Kindern 
blieben gleich. Die Frauen mit 3—5 Kindern machen noch immer !/,, die mit 6 
und mehr Kindern !/, der Gesamtzahl aus — also kein Rückgang der Zeugungs- 
fähigkeit. — Vom ärztlichen Standpunkt aus dürfen einer gesunden Frau 6 Kinder 
in 15 Jahren, und zwar vom 20.—35. oder besser 18. bis 32. Lebensjahr unbedenk- 
lich zugemutet werden. Eine gewisse Regelung der Geburtenzahl und -folge 
(mindesten 2 Jahre, besser 2!/, Jahre Pause zwischen den Geburten) muß als ärzt- 
lich berechtigt anerkannt werden im Interesse der Mütter und der Kinder. Ob 
der Arzt bei aus medizinischen Gründen wünschenswerter Einschränkung nur 
die Enthaltsamkeit empfehlen oder Präventivmittel anraten soll, muß dem Ge- 
wissen und Ermessen des Einzelnen überlassen bleiben. — Besprechung des un- 
günstigen Einflusses des Frauenstudiums auf die Geburtenzahl. Anempfehlung 
der Herabsetzung des Heiratsalters bei Frauen bis zum 18.—20. Lebensjahre, da 
in diese Zeit das Optimum für die erste Geburt fällt. — Warnung vor dem Verbot 
der antikonzeptionellen Mittel, durch das die Verbreitung der gerade jetzt (Heeres- 
angehörige in Feindesland!) sehr gefährlichen Geschlechtskrankheiten befördert 
würde. Dringlichkeit eines Kurpfuschereiverbots. Bekämpfung der kriminellen 
Aborte. Einschränkung der Schwangerschaftsunterbrechung aus ärztlicher In- 
dikation, der operativen Sterilisation und der überängstlichen Warnung vor 
weiteren Geburten. Eine Verbesserung der geburtshilflichen Kunst kann den Ge- 
burtenrückgang in nennenswerter Weise nicht wettmachen, einen großen Einfluß 
könnte aber eine Verbesserung der gesımten geburtshilflichen Ordnung mit ge- 
setzlich geregelter ausgiebiger Fürsorge für alle Schwangeren, Gebärenden und 
Wöchnerinnen gewinnen, die mindestens ebenso wichtig ist, wie die Säuglings- 
fürsorge. (Erscheint ausführlich in den Würzburger Abhandlungen aus dem 
Gesamtgebiete der praktischen Medizin, herausgegeben von Seiffert und Müller.) 

(Niederrhein. Ges. f. Natur- u. Heilk. (Med. Abt.), Bonn, 15. V. 1916.) 


O. Meyer: Pneumothorax. Demonstration dreier Diapositive eines fünf 
Monate alten Kindes. Es handelt sich um ein;Mädchen, das, als drittes Kind zur 
rechten Zeit geboren, vor drei Wochen fieberhaft an unklaren Lungensymptomen 
erkrankte und angeblich eine Influenza überstanden haben soll. In voller Re- 
konvaleszenz kam das Kind nach Hamburg, entwickelte sich bei der üblichen 
Kuhmilchmischung gut und erkrankte von neuem am 3. April mit Erbrechen, 
und 39,4% Temperatursteigerung. Die Inspektion ergab beschleunigtes Atmen, 
Unbeweglichkeit der ganzen rechten Thoraxhälfte, perkutorisch war rechts und 
links der Schall gleich sonor, und auskultatorisch fehlte auf der ganzen. rechten 


IL, Aus Vereinen und Versammlungen. 173 


Seite jedes Atmungsgeräusch. Die Plötzlichkeit des Eintritts, das totale Aus- 
schalten einer ganzen Seite und der sonore Schall sicherten die Diagnose Pneumo- 
thorax. Durch baldige Punktion mit einer dickeren Pravazspritze Erleichterung. 
Am dritten Tage unter Zugrundelegung der Diagnose Röntgenaufnahme. Das 
erste Bild zeigt im rechten Thorax eine große Luftblase, die sich weit ins linke 
Mediastinum vordrängt, zweites Diapositiv entwickelt die Verhältnisse nach 
einer Punktion: Kleinerwerden der Blase, deutliches Hervortreten des Herz- 
schattens; das dritte Bild endlich, das nach drei Wochen aufgenommen worden 
ist, zeigt die auch heute noch bestehende Heilung. Das Kind war nach drei 
Wochen fieberfrei und entwickelt sich vorzüglich. Therapie: Wiederholte Punk- 
tionen und Inunktionskur wegen luetischer Belastung. | 
(Arztl. Verein in Hamburg, 13. VI. 1916.) 


Göppert: Fall von angeborener Lebererkrankung. Der Fall zeigte während 
seines zweiten und dritten Lebensjahres Galaktosurie. Bei Milchnahrung und 
Milchzuckergaben wurde nur Galaktose ausgeschieden. Bei Galaktosefütterung 
wurde schon bei 10g über ein Drittel wieder ausgeschieden. Toleranz gegen die 
übrigen Zuckerarten nicht herabgesetzt. Die Toleranz gegen Milchzucker wurde 
durch Vermehrung der Gärung im Darme anscheinend gesteigert. Bestimmung 
der Zuckerart durch Gärungsprobe und den charakteristischen Schmelzpunkt 
der Osazone. (Mediz. Gesellsch, in Göttingen, 30. XI. 1916.) 


Gross: Fall von chronisch familiärem Ikterus. Es handelt sich um einen 
16jährigen Jungen, dessen Vater dieselben Krankheitssymptome zeigt und der 
die charakteristischen Erscheinungen des chronisch familiären Ikterus darbietet. 
Die Blutkörper haben verminderte Resistenzfähigkeit. Der Fall ist insofern von 
Interesse, als bei ihm mit Sicherheit als Ursache einehereditäre Luesangenommen 
werden kann. Patient suchte die Klinik auf wegen eines kleinen, seit einem Jahr 
bestehenden Geschwürs am Knöchel mit dem typischen Aussehen einer syphi- 
litischen Affektion. Wa.-R. war positiv. Auf Salvarsanbehandlung verschwand 
das Geschwür,. der Allgemeinzustand des Patienten, vor allem die Anämie, 
besserte sich wesentlich. Der Hämoglobingehalt ging von 30%, auf 70°, in 
die Höhe. Die Untersuchung des Blutes auf Resistenzfähigkeit der roten Blut- 
körper zeigte ebenfalls nach der antisyphilitischen Behandlung eine wesentliche 
Besserung. 

Th. Naegeli: Demonstration eines sechsjährigen Mädchens mit Situs viscerum 
inversus totalis. Das Mädchen wurde wegen einer tuberkulösen Peritonitis in die 
Klinik eingeliefert. Die Familienanamnese ergab keine Besonderheiten. Das 
Kind hatte sich normal entwickelt, zeigte keine Störungen von seiten der inneren 
Organe. Die Untersuchung ergab, daß das Herz auf der rechten Seite, der Magen 
ebenfalls rechts, die Leber dagegen links gelegen war. Irgendwelche anderen 
Anomalien fehlten. Die Röntgenaufnahme bestätigte den Befund. Der Ent- 
stehungsmechanismus dieser Anomalie ist noch unklar. Es handelt sich um eine 
normale Entwicklung sämtlicher Organe, nur bieten sie das Spiegelbild des ge- 
wöhnlichen Befundes dar. Experimentell gelang es Dareste, bei Hühnerembryo- 
nen einen Situs inversus dadurch zu erzeugen, daß der linke Teil bis 41—40°, 
der rechte nur bis 12—16° im Brutschrank erwärmt wurde. Es soll in dem 
stärker erwärmten linken Teil der Area vasculosa eine raschere Entwicklung statt- 
haben, wodurch die embryonale Anlage des Herzens eine Ausbuchtung nach links 
erfährt (weil der linke Teil schneller wuchs). Unter dem Einfluß der Kreislauf- 
organe fand nachher auch die umgekehrte Lage der anderen Organe statt. Spe- 
mann exzidierte ganz kleine Ektomesodermalstückchen aus der Rückenplatte 
bei Triton und Rana, drehte sie um 90—180° und implantierte sie wieder in die 
Wunde. In allen Fällen trat Situs inversus auf, Pressler bestätigte die Ex- 
perimente und konstatierte, daß die Leberanlage gleich die linke Seite einnahm. 
- In den meisten Fällen, in denen es zur Umlagerung der Baucheingeweide kam, 
erfolgte auch Dextrokardie. Über die Faktoren, die beim Menschen den Situs 
inversus veranlassen, ist nichts Positives bekannt. Auf Grund der experimen- 
tellen Untersuchungen ist der Schluß berechtigt, daß es sich um eine Umlagerung 
der Mesoentodermplatte in frühester Zeit handelt, wodurch primär eine Ver- 
lagerung der Baucheingeweide und erst sekundär die des Herzens und der Brust- 
organe stattfindet. (Greifswalder med. Verein, 3. XI. 1916.) 


Zentralbl. f. Kinderhikde, 22. 16 


174 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 8. 


II. Therapeutische Notizen.) 


Suprarenin in der Dermatologie. Von .Prof. Dr. P. G. Unna (Hamburg). 
Verf. schreibt: „Mit fast allen gebräuchlichen Pasten einerseits, mit Euoerinun 
anhydricum andererseits bildet die Sol. Suprarenini (1: 1000) als 10%,iger Zu- 
satz sehr wirksame Kühlpasten und Kühlsalben. Die Wirkung derselben ist um 
so tiberraschender, je stärker Hyperämie, Nässen und Jucken vorher waren, bei- 
spielsweise beim Gesichtsekzem der Säuglinge. Als ein sehr mildes, stark ein- 
trocknendes Pastenvehikel empfehle ich hierfür besonders die Pasta albuminis 
aluminata?), bei der man dann die sofort einsetzende Anämie beobachten kann 
ohne das Hindernis einer Decke von Zinkoxyd. 

Pasta albuminis aluminata 45 
Sol. Suprarenini 5 
Mf. pasta. | 

Aber man kann die Suprareninlösung auch mit ähnlichem Erfolge allen 
en a und Zinkschwefelpasten zusetzen. Ebenso überraschend günstig wirkt 
die Suprareninpaste beim kleinvesikulösen Hand- und Fingerekzem, wo wir bisher 
gewohnt waren, Zinkoxyd- und essigsaure Tonerde-haltige Schüttelmixturen zu 
verordnen. Hat man es mit einem krustösen Ekzem zu tun, so wird man diese 
Paste aber natürlich nicht auf die Krusten bringen, sondern diese erst abweichen, 
Z. B. mit dem 

Eucerinum alum. acet.: 
Lig. aluminis acet., Aquae destill. aà 25 
zn anhydrici 50 


Wo dann beim Abwischen oder Abwaschen die Krusten sich ablösen und die 
‚rote, spongiöse, serumabscheidende Stachelschicht frei zutage tritt, da gehört die 
Alaun + Suprareninpaste hin. Sie legt diese Hautstellen momentan trocken, 
wobei auch die Röte und das Jucken an Ort und Stelle aufhören. Dann bedeckt 
man die Stelle wieder mit der Eucerinsalbe, Hebrascher Salbe oder dergl. Auf 
.fettiger, roter Haut, z. B. bei Rosacea, genügt dagegen die Alaun + Suprarenin- 
aste allein. Sie übertrifft alle anderen Besten, z. B. das sehr gute Zink-Schwefel- 
attan in solchen Fällen, in denen die Haut des Gesichts anfallsweise stark 
schwillt und rot wird, da sie ein sofortiges Abblassen herbeiführt, ohne die sonstige 
Behandlung irgendwie zu stören. Ist die juckende Haut bei Gesichtsekzem rot, 
aber zugleich spröde, rissig oder schuppend, so tritt an Stelle der Alaunpaste eine 
| Eucerinsalbe mit Suprarenin: l 
Sol. Suprarenini 
Aq. destill. 45 
IR anhydrici 50 


Ebenso ausgezeichnet wie bei Gesichtsekzemen und Rosacea wirkt die äußer- 
liche Suprareninbehandl auch bei allen mit starker Hyperämie und Jucken 
einhergehenden Genital-, Vulvar- und Analekzemen und hämorrhoidalen Ent- 
Een dungen Sehr wirksam endlich sind diese Suprareninpasten und -salben bei 
akuten OÜdemen, wie sie nach CO,-Applikation, bei Schälkuren des Gesichts, nach 
 Chrysarobin-, Cignolin- und Pyrogallolpräparaten auftreten. Bei diesen gibt man 
mit Vorteil das Suprarenin auch innerlich, wobei gegen die oxydative Zersetzung 
in der Flasche etwas Sirup als reduzierendes Korrigens hinzugefügt werden muß. 
l | Sol. Suprarenini 5 

Syr. simplicis 20 
Aq. destill. ad 100 
M. S. Täglich 6—10 Teelöffel z. n. 

Diese innere Darreichung allein genügt oft schon bei Urtikaria, Lichen 
urticatus der Kinder, Quinckes Ödem und ist zu empfehlen neben der sonstigen 
Behandlung bei Frost, Varizen und Raynauds Krankheit, Herpes und Zoster. 


1) Die mit * bezeichneten Notizen beziehen sich auf Erwachsene. 

2) I. Album. Ovi sicc. 17, Aq. destill. 70. — II. Aluminis 9, Aq. destill. 70. 
— Lösung II wird heiß zur kalten Lösung I gesetzt und das Gemisch auf 87 ein- 
gedampft.e. Dann fügt man hinzu Tinct. benzoes 3, Ichthyol 1, Cinnabaris 0,5, 
Ol. amygdalarum 8,5. — S. Pastas-albuminis aluminata. 


II. Therapeutische Notizen. 175 


Man bemerkt fast jedesmal dabei, daß nach wenigen Tagen auch das Allgemein- 
befinden sich durch Anregung der peripheren Zirkulation hebt. Deswegen ist auch 
bei Arteriosklerose die innere Darreichung anzuraten im Verein.mit Ichthyol- 
bädern. Bei Purpura haemorrhagica ist das Suprarenin bereits von Deckers, 
Meessen und Bott mit gutem Erfolge innerlich gebraucht und empfohlen worden. 
Während die starke äußere Suprareninbehandlung bei Hautkrankheiten immer 
nur zeitweise in die Hauptbehandlung einzugreifen bestimmt ist, da eine fort- 
gesetzte Anwendung durch die Nebenwir en der lokalen Anämie (Trockenheit, 
Jucken) schädlich wirken würde, hat Verf. die innere Behandl z. B. bei Urti- 
karia, Arteriosklerose, Frost monatelang ununterbrochen und ohne alle schäd- 
lichen Folgen durchführen können. (Derm. Wschr. 1916 Nr. 20.) 


Erfahrungen mit dem Dauerhefepräparat Biozyme veröffentlicht Dr. F. Arn- 
heim (Berlin). Er hat besonders bei Furunkeln sehr gute Wirkung gesehen. Es 
scheint den anderen pulverförmigen Trockenhefepräparaten an Wirksamkeit weit 
überlegen zu sein und wirkte auch da, wo jene versagten. 

(Ther. d. Gegenw. 1916 Nr. 9.) 

Klinischer Beitrag zur Lokalbehandlung der Diphtherie mit Eueupin. Von 
Sekundärarzt Dr. Sommer. (Aus der inneren Abteilung des Krankenhauses 
Magdeburg-Sudenburg.) Es wurden 44 Fälle von schwerster Rachen- und Nasen- 
diphtherie behandelt mit basischem Eucupin (5°/,ige Lösung in Alkohol. absol.), 
das gepinselt oder aufgesprayt wurde (3stündlich, in schwersten Fällen 2stündlich). 
Die Fälle wurden dadurch entschieden günstig beeinflußt, die lokalen Erschei- 
nungen und Beschwerden schwanden rascher als sonst, die Patienten wurden 
schneller bakterienfrei. (B. kl. W. 1916 Nr. 43.) 


Erfahrungen mit dem „Aromatischen Lebertranersatz in Pulverform Fischol“, 
zugleich ein Beitrag zur praktischen Verwendbarkeit der Hefe im frühesten Kindes- 
alter. Von Dr. Riehn. Die Idee, ein die Nukleine der Hefe in Verbindung mit 
glyzerinphosphorsaurem Kalk enthaltendes Präparat in all denjenigen Erkrankungs- 
zuständen anzuwenden, welches bisher vorwiegend der Lebertranbehandlung vor- 
behalten galten, hat sich in der Praxis auf das beste bewährt. Fischol ist ein 
Präparat von vorzüglicher Wirkung bei Rachitis leichten, mittleren und schweren 
Grades, es leistet gute Dienste gegenüber der Spasmophilie und der exs. Diathese 
und hat sich gegenüber den im Gefolge der mannigfaltigsten Erkrankungen im 
Kleinkindesalter auftretenden allgemeinen Entwicklungsstörungen als ein hervor- 
ragendes Kräftigungsmittel erwiesen. Die Wirkung des Fischols steht ceteris 
paribus derjenigen des Lebertrans nicht nur nicht nach, sondern vermag sie sogar 
zu übertreffen. Bei den auf Spasmophilie beruhenden Erkrankungszuständen 
des Säuglingsalters scheint Fischol Phosphorlebertran und Kalzium entbehr- 
lich zu machen. Im Wettbewerb mit Lebertran hat Fischol den unbedingten 
Vorzug der Schmackhaftigkeit und unbegrenzten Haltbarkeit, namentlich in der 
heißen Jahreszeit; seine Aufnahme stößt nicht auf Schwierigkeiten seitens der 
Kinder; störende Nebenwirkungen, wie sie bei Lebertran nicht selten zu beob- 
achten sind, sind als ausgeschlossen zu betrachten. Angesichts der durch die 
Kriegsnot bedingten Schwierigkeit, Lebertran in ausreichender Menge und zu 
wohlfeilem Preise für die Behandlung kleiner Kinder verfügbar zu machen, ver- 
dient Fischol als wertvolle Bereicherung des Heilmittelschatzes doppelte Be- 
achtung. (Ther. Mh. 1916 Nr. 9 u. 10.) 

Ein schmerzstillendes Gurgel- und Mundwasser ist nach Dr. H. Floer in 
Essen (Ruhr) ein wasserlösliches Anästhesin, das unter dem Namen ‚‚Subcutin- 
Mundwasser‘‘ (Chemisch-pharmazeutisches Institut von Dr. E. Rickert, Frank- 
furt a. M.) ausgegeben wird; ein schmerzstillendes und zugleich desinfizierendes 
Mund- und Gurgelwasser. Das Subcutin-Mundwasser ist eine 2°/, ige Lösung von 
paraphenolsaurem Anästhesin, absolut ungiftig, schmerzstillend und besitzt eine 
gut desinfizierende und adstringierende Wirkung. Bei den Kranken erfreut sich 
dieses Gurgelwasser, das Verf. nun seit mehr als 6 Jahren ununterbrochen ver- 
ordnet hat, der größten Beliebtheit. Wer es einmal gebraucht hat, verlangt es 
stets wieder. Sehr günstige Erfolge sah Verf. außer bei oberflächlichen Mund- 
affektionen, Stomatitis, Zungenaffektionen und Rissen besonders bei katarrhalischer 
und follikulärer Angina, Diphtherie, akuter Pharyngitis, Seitenstrangentzün- 
dungen usw. Bei Mandelabszeß hilft es natürlich nicht. Die Subeptinlösung eignet 
sich auch vorzüglich zu Spülungen der Nase und des Nasenrachenraumes, wodurch 
große Erleichterung bei akutem Schnupfen oder Nasenrachenschnupfen erzielt 

16* 


176 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 8. 


wird. In der Regel verordnet Verf. das Subcutin-Mundwasser zum Gurgeln und 
Spülen in einer Verdünnung von 1:3 Teilen Wasser. Bei Kindern, die nicht 
gurgeln können, läßt er die verdünnte Lösung mittels Sprays anwenden, was bei 
der Ungiftigkeit des Mittels ohne Bedenken intensiv geschehen kann. Auch Pin- 
selungen bei Rachenkatarrh mit Subcutinlösung sind sehr zweckmäßig und ver- 
schaffen wenigstens vorübergehend große Erleichterung. 

(D. m. W. 1916 Nr. 23.) 

Die Ichthyolbshandluaz bei Furunkelı empfiehlt Dr. W, Türckheim 
(Berlin. Der Furunkel wird mit Ichthyol oder dem billigeren gleichwertigen 
Ichthynat mittels Glasstabs bis zum Rande der entzündlichen Rötung bestrichen, 
dann mit gutklebendem Leukoplast, dachziegelföürmig bedeckt. Am nächsten 
Tage wird das Pflaster abgenommen, bei sehr empfindlichen Patienten mit Hilfe 
von Benzin, und das Verfahren täglich so lange fortgesetzt, bis der letzte Eiter- 
rest verschwunden ist; schließlich einfache Salbenverbände. Verf. hat nach diesem 
Verfahren Achseldrüsenabszesse, Panaritien, Mastitiden und sogar tiefe Hals- 
karbunkel behandelt. Selbstverständlich darf auch hierbei nicht schematisiert 
werden, sondern in notwendigen Fällen erst ein eröffnender Einschnitt gemacht 
werden. Doch ist meist nur eine kleine Öffnung notwendig, welche sich die Pa- 
tienten lieber machen lassen als eine größere Operation. 

(Ther. d. Gegenw. 1916 Nr. 9.) 

Über Paraftinal. Von Prof. F. Blum (Frankfurt a. M.). Das Präparat 
(Chem. Fabrik Dr. Weil, Frankfurt a. M.), eine schmackhafte Emulsion von 
reinstem Paraffin, hat sich bei chronischer Obstipation als reizloses Gleitmittel 
und zur Lockerung der Kotmassen gut bewährt. Es bereitete in sehr vielen Fällen 
in Dosen von 1—2 mal täglich 1 EBlöffel milden Stuhl ohne sonstige Beihilfe oder 
mit einem Abführmittel, dessen Dosis aber beträchtlich verkleinert werden kann. 
Auch zur Auflockerung harter Kotmassen bei kleinen Kindern ist es gut zu be- 
nutzen, | (M. Kl. 1916 Nr. 42.) 

* Rhinovalin, ein neues Schnupfenmittel, eine Lösung von Validol in Paraffin, 
empfiehlt warm Dr. Striepecke (Berlin). Ein Augentropfglas wird bis zur 
Hälfte mit der Lösung gefüllt; diese Quantität läßt man dem Pat. bei leicht 
zurückgeneigtem Kopfe in die beiden Nasenhöhlen einlaufen, so daß jede Hälfte 
ungefähr die halbe Flüssigkeitsmenge empfängt. Sobald der Pat. das Hinunter- 
fließen in den Nasenrachen- bzw. Mundrachenraum verspürt, hat er den Kopf 
leicht nach vorn überzubeugen und mit etwas Watte (oder einem Taschentuch) die 
Nase etwa eine Minute lang zuzuhalten, damit die gesamte Nasenhöhlenschleim - 
haut möglichst mit der Lösung bespült wird. Die Watte nimmt dann nach Frei- 
gabe der Naseneingänge ohne weiteres die überfließende Flüssigkeit auf und 
schützt so den Mund vor deren Eindringen. Man kann den Patienten auch ruhig 
die Prozedur selbst vornehmen lassen, man wird sehen, daß auch der scheinbar 
Ungeschickte ganz leicht mit dieser einfachen Applikationsmethode zustande 
kommen wird. Die Behandlung hat bei Rhinitis acuta und Rhinitis und Rhino- 
Pharyngitis sicca sich sehr bewährt. (Allg. m. Ztg. 1916 Nr. 22.) 


IV. Monats-Chronik. 


Jena. Das von der Carl-Zeiss-Stiftung in Verbindung mit einem neuen Lehr- 
stuhl für Kinderheilkunde errichtete Kinderkrankenhaus mit Poliklinik für 
Mütter- und Säuglingsberatung unter Leitung des Prof. Ibrahim ist eröffnet 
worden. 

Dortmund. Für die neue Stelle eines amtlichen Säuglingsarztes ist 
Prof. Engel in Berlin, früher Oberarzt der Düsseldorfer Kinderklinik, gewählt. 


Verantwortlicher Redakteur: Sanitätsrat Dr. Eugen Graetzer in Friedenau-Berlin. — Verlag 
von Johann Ambrosius Barth in Leipzig. — Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. 


Zentralblatt tar 
Kinderheilkunde. 


Eine Monatsschrift für praktische Ärzte. 


22. Jahrgang. September 1917. Nr. 9. 


I. Referate. 
A. Aus deutschen Zeitschriften. 


M. Pfaundler, Körpermaßstudien an Kindern. (Ztschr. f. 
Kinderhkde. XIV. 8.1.) Diese Studie ist auch als eigenes Buch im 
Handel erscheinen. Im ersten Kapitel (von der Variation der 
Körperlänge) betont Verf. die Uneinheitlichkeit der Ursachen für 
„Untermaßigkeit‘‘, insbesondere muß diese nicht Ausdruck einer Er- 
krankung sein. Es entsteht die Frage, ob die an einer großen Anzahl 
von gesunden Schulkindern angetroffene Variation von Körperlänge 
(und Körpergewicht) eine reguläre Zufallsvariation sei. Diese kann 
mittels einer mathematischen Formel (Gaussische Fehlerfunktion) 
erkannt werden. Letztere dürfte der Allgemeinheit Schwierigkeit 
im Verständnis machen. Die Variationen (sogen. Streuung) nimmt 
absolut mit dem Alter der Kinder bis zur Pubertät zu. 

Das zweite Kapitel betrifft das Verhalten der Körpermaße in 
verschiedenen Ständen. Meist wird dieses vom Standpunkte einer 
Untermaßigkeit der Armenkinder betrachtet. Es ergeben sich 
Anhaltspunkte dafür, daß man besser von einer Übermaßigkeit 
der Kinder der Reichen zu sprechen hat. Verf. meint, daß diese 
Übermaßigkeit keine besonders günstig zu wertende Erscheinung 
sel, sondern ein präzipitiertes, einseitig beschleunigtes Längenwachs- 
tum darstellt. Als Ursachen hierfür kommt die äußerst wechselvolle, 
stark eiweißhaltige Kost, die mehr sitzende, bequeme Lebensweise 
und psychische Momente in Betraeht. 

Das dritte Kapitel handelt von Wachstumskurven und Wachs- 
tumsgesetzen. Gewöhnlich wird die Längenwachstumskurve als 
Parabel beschrieben. Verf. zeigt, daß diese Ansicht unrichtig ist, daß 
sich hingegen befriedigende Übereinstimmung zwischen der mensch- 
lichen Wachstumskurve in ihrem extrauterinen Verlauf bis zur Voll- 
endung des Wachstums mit einem anderen Kurventypus ergibt. Das 
Konzeptionsalter (das Alter von der Konzeption an gerechnet) ist 
proportional der Körperlänge in dritter Potenz. Dieses Gesetz würde 
für das Massenwachstum die Konstanz der Maßenzunahme in 
der Zeiteinheit bedeuten. 

Im 4. Kapitel (von der Körperoberfläche) bespricht Verf. ein neues, 
mit Kastner ausgearbeitetes Verfahren zur Bestimmung der Körper- 
oberfläche: Bedeckung von Kopf, Hals, Rumpf in toto, ferner der 
Extremitäten einer Körperhälfte mit 25cm Leukoplaststreifen 
(nach Art eines Verbandes). Die Pflasteroberfläche wird mit Tusche 
bestrichen, die Pflasterstücke werden dann auf eine glatte Fläche 
ausgebreitet, und die Oberfläche der gefärbten Partien wird plani- 


Zentralbl. f. Kinderhikde. 22. 17 


178 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 9. 


metriert. Die Resultate dieser Methodik werden mit den Werten 
durch andere Methodik (Meehsche Formel) verglichen. 

In den letzten zwei Kapiteln wird das energetische Oberflächen- 
gesetz bzw. das Verhalten des Körpervolumens und der Körper- 
dichte erörtert. Die außerordentlich interessante Studie wird zur 
Lektüre im Original wärmstens empfohlen. Schick 

E. Bergmann, Die physiologische Gewichtsabnahme und 
die Beziehungen zwischen Ernährung und Gewichts- 
verlauf bei 1000 Neugeborenen. (Kaiserin- Auguste-Viktoria- 
Haus Berlin.) (Zeitschr. f. Kinderhkde. XIV. S. 149.) Von 1000 Neu- 
geborenen hatten 611 Kinder bis zur Entlassung (Ablauf der 2. Woche) 
das Anfangsgewicht erreicht oder überschritten. Von diesen 611 Kin- 
dern haben 114 erst am 10. Tage ihr Anfangsgewicht erreicht = 11,4°/,. 
Diese Zahlen stimmen mit den Zahlen von Pies am gleichen, aber 
noch kleinen Material überein. 

Die durchschnittlichen Tagestrinkmengen haben nach Verf.’s 
Ansicht zum mindesten keinen entscheidenden Einfluß auf den 
Charakter der Gewichtskurve der Neugebornen nach dem Gewichts- 
minimum. Kinder mit steilen und Flächenkurven trinken ungefähr 
gleiche Mengen. Verf. denkt an die Möglichkeit individueller Rück- 
ständigkeit der Assimilation für die Fälle mit schlechter Zunahme 
bei entsprechenden Trinkmengen. 

P. Platenga und J. Filippo (Haag, Holland), Anormale Zu- 
sammensetzung der Frauenmilch. (Ztschr. f. Kinderhkde. XIV. 
S. 166.) Untersuchungen, ob die Frauenmilch in den Fällen, wo die 
Kinder kurz vor dem Auftreten der Menstruation während der Lak- 
tation Störungen zeigen (Unruhe, Unlust des Kindes zum Trinken, 
vermehrte Stuhlentleerungen, eventuell Erbrechen, Körpergewichts- 
stillstand), analoge Veränderungen aufweist, wie wir sie bei der 
Kolostrummilch der ersten Tage vorfinden. Es zeigte sich tatsäch- 
lich eine analoge wechselnde Steigerung des Chlorgehalts, Abnahme 
des Milchzuckergehaltes trotz Fehlens von Stauung in der Brustdrüse. 
Dabei war die Milchmenge geringer als normal; wo die Sekretion sehr 
stark abnahm, wurde die Milch gelb wie Kolostrum. Mikroskopisch 
wurden Kolostrumkörperchen nachgewiesen. Letztere werden als mit 
Fett beladene Epithelzellen angesehen. Schick. 

Theodor Jensen, Hintere Hals- und Nackendrüsen bei 
Däuglingen in den ersten neun Lebenstagen. (Frauen- 
klinik u. Säuglingsheim Dresden.) Ztschr. f. Kinderhkde. XIV. 
D. 176.) 240 Kinder, von denen jedes ungefähr zehnmal untersucht 
wurde. Bei 104 = 43°/, waren Nackendrüsen nachweisbar. 24 mal 
waren sie gleich nach der Geburt, 24 mal vom 1. Tage, 16 mal vom 
2. Tage, 14 mal vom 3. Tage an nachweisbar. Kein Fieber. Nach 
diesem Ergebnis können die vergrößerten Drüsen wohl zum über- 
wiegenden Anteil nicht durch Infektion vom Nasenrachenraum oder 
Infektion überhaupt zustande gekommen sein. Ein Teil mag wirk- 
lich durch das Eintreten von Scheidenbakterien in den Mund des 
Kindes bei der Passage durch den Geburtskanal oder durch Schnupfen-, 
Grippeinfektion des adenoiden Gewebes bedingt sein. Ein durch 
Kaiserschnitt geborenes Kind hatte ebenfalls vergrößerte Nacken- 


1. Referate. 179 


drüsen. Ein Zusammenhang dieser Drüsenhyperplasie mit den 
späteren Drüsenhyperplasien der Lymphatiker oder den Kindern mit 
exsudativer Diathese läßt sich bis jetzt nicht nachweisen. Zur Ent- 
scheidung müssen die Kinder nach längerem Intervall nachuntersucht 
werden. Schick. 
J. Bauer (Düsseldorf), Der Schutz vor Infektionskrank- 
heiten in Kinderheimen und Krippen. (D. m. W. 1917. Nr. 7.) 
Kinderheime, Krippen und Kinderbewahranstalten, wie sie durch 
den Krieg in großer Anzahl entstanden sind, sollen jeden Neuankömm- 
ling als infiziert betrachten. Der Neuaufgenommene wird, sofern 
er Masern und Keuchhusten noch nicht überstanden hat, 14 Tage, 
sonst 7 Tage in einem Einzelzimmer oder Boxe abgesondert. Erst 
dann kommt er in die gemeinschaftlichen Räume. Es wird vor- 
geschlagen, daß der einen Infektionskranken behandelnde Arzt dem 
Patienten ein Zeugnis darüber ausstellt, daß er die betreffende In- 
fektionskrankheit überstanden hat, sofern es sich um eine Krankheit 
handelt, die im allgemeinen eine langdauernde Immunität hinter- 


läßt, also um Masern, Scharlach, Keuchhusten im kindlichen Alter 
im besonderen. Grätzer. 


Sigismund Peller, Längengewichtsverhältnis der Neu- 
geborenen und Einfluß der Schwangerenernährung auf 
die Entwicklung des Fötus. (Aus der III. niederösterreichischen 
Landesgebärklinik und Hebammenschule und dem Seminar für 
soziale Medizin an der Universität in Wien.) (D. m. W. 1917. Nr. 27.) 
In der Maßen- und Gewichtsentfaltung der Neugeborenen machen 
sich biologische und soziale Momente in charakteristischer Weise 
geltend. Der Index der Körperfülle ist bei Mehrgeborenen größer 
als b2i Erstgeborenen. Einer jeden Länge entspricht bei Mehr- 
geborenen ein größeres Durchschnittsgewicht als bei Erstgeborenen, 
bei letzteren ein größeres als bei Mehrlingsgeburten. 

Diese Unterschiede wären mit der ‚Tumortheorie‘“ des Fötus 
vereinbar und ließen sich mit verschiedener durchschnittlicher 
Schwangerschaftsdauer erklären. 

Einer jeden beliebigen Länge entspricht bei den Kindern lediger 
Nichthausschwangerer 1. ein kleineres Gewicht als bei den Kindern 
lediger Hausschwangerer und 2. ein größeres Gewicht als bei den 
ehelichen Früchten der Klinik und Kindern des wohlhabenden Mittel- 
standes, wobei letztere die geringsten Werte aufweisen. 

Der Index der Körperfülle wird größer, wenn gegen Ende der 
Gravidität die Schwangere eine Besserstellung erfährt (,Haus- 
schwangerschaft‘); er wird kleiner, wenn sich die Graviden auch in 
den früheren und mittleren Schwangerschaftsmonaten einer Besser- 
stellung erfreuen (die Verheirateten der Klinik und die Angehörigen 
des wohlhabenden Mittelstandes). Dieses Verhalten des Index steht 
mit der bekannten zeitlichen Inkongruenz zwischen Längen- und 
Gewichtswachstum des Fötus in Zusammenhang. 

Die durch soziale Momente bedingten Unterschiede lassen sich 
also nicht durch verschiedene Schwangerschaftsdauer als Folge der 
Ruhe und Pflege erklären. Es geht aus ihnen vielmehr hervor, daß 


17* 


180 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 9. 


die Ernährung der Schwangeren einen mitbestimmenden Faktor in 
der Entwicklung des Fötus abgibt. Grätzer. 

Ernst Schloß, Über Rachitis. (Aus dem Großen Friedrichs- 
waisenhaus der Stadt Berlin-Rummelsburg.) IV. Die therapeu- 
tische Beeinflussung der rachitischen Stoffwechselstörung. 
(B. kl. W. 1916. Nr. 51.) Für eine Organotherapie der Rachitis fehlt 
noch jede Grundlage. Phosphor ist ganz wirkungslos, wogegen der 
Lebertran die größtmögliche Wirkung auf den rachitischen Stoff- 
wechselprozeß ausübt. Bei der natürlichen Ernährung bedarf man 
noch der Kalk- bzw. Kalkphosphorsäuretherapie, wobei das Tri- 
kalziumphosphat den Vorzug verdient. Die kombinierte Lebertran- 
Kalkphosphortherapie hat die besten Erfolge. Sehr wichtig ist die 
Ernährungsfrage. Frauenmilch ist für den künstlich genährten Rachı- 
tiker ein direktes Heilmittel, nur muß man eben die dem Körper 
nötigen Mineralien, die in der Frauenmilch nur wenig vorhanden sind, 
hinzufügen. Die Darmvorgänge spielen eine große Rolle: die Ab- 
hängigkeit der Kalk- und Phosphorbilanz von der Konsistenz des 
Stuhles und von der Schnelligkeit seiner Passage durch den Darm 
ist unumstritten; jede Nahrungsänderung, die zur Bildung fester 
Entleerungen führt, verschlechtert die Kalk- und Phosphorbilanz, 
jede Konsistenzverringerung kann zur besseren Retention der knochen- 
bildenden Mineralien führen. Milchzucker, noch besser Malzextrakt 
beeinflußt den Stoffwechsel günstig, Mehle, dextrinisierter Zucker, 
die Kaseine wirken umgekehrt. Sehr wichtig ist der frühzeitige 
Übergang zur gemischten Kost, d.h. zur Gemüse- und Obstzufuhr. 
Die Erklärung für diese günstige Wirkung der gemischten Ernährung 
gegenüber reiner Milchnahrung läßt sich in verschiedener Richtung 
suchen. Es kommen folgende Momente in Betracht: 

1. Die Beseitigung der Obstipation mit ihrer fast obligaten un- 
günstigen Wirkung auf den Kalkumsatz. | 

2. Der reichliche Kalkgehalt der Gemüse, in einer Form, die nach 
der Lahmannschen Lehre besonderen Wert haben soll. Röhmann 
glaubt, daß der Kalkin den Gemüsen kolloidal gebunden ist und daher 
besser ausgenützt wird. 

3. Der reiche Gehalt an Gesamtalkalien, der die bei der Rachitis 
mögliche relative Alkalopenie ausgleichen soll, zum mindesten aber 
im Darm günstige Umlagerungsbedingungen für die Salze schafft. 

4. Der Gehalt an Ergänzungsstoffen bzw. Vitaminen. 

Wir sehen, es bestehen genug Erklärungsmöglichkeiten für die 
gute Wirkung der gemischten Kost, und es ist möglich, daß alle zu- 
sammenwirken. Grätzer. 

A. Tsehireh, Zur Frage der Kriegsneugeborenen. (Aus 
der Universitäts-Frauenklinik in Jena.) (M. m. W. 1916. Nr. 47.) 
Angeregt durch die Arbeiten von Momm, Ruge II und Mössmer 
über den Einfluß der Kriegskost auf die Entwicklung der Frucht 
ist auch Verf. dieser Frage näher getreten. Er wollte die Ergebnisse 
der obengenannten Veröffentlichungen nachprüfen und ferner fest- 
stellen, ob die Hausschwangerenkinder schwerer sein würden, als 
diejenigen von Frauen, die kreißend in die Anstalt eingeliefert wurden. 
Sollte die Beantwortung des ersten Punktes auch bei seinem Material 


L. Referate. 181 


im Sinn der obengenannten Autoren verneinend ausfallen, und würde 
tatsächlich eine für die Hausschwangerenkinder günstige Gewichts- 
differenz bestehen, dann müßten Momente für diese Erscheinung 
bei der Entwicklung der Früchte im Spiele sein, die sicherlich un- 
abhängig von der Ernährung der Mutter sind. 

Verf. hat seinen Beobachtungen das Friedensjahr 1918 und das 
Kriegsjahr 1. September 1915 bis 31. August 1916 zugrunde gelegt, 
eine Zeit, von der man annehmen muß, daß sich die Kriegsernährung 
in ihrer Wirkung auf die Frucht mit Sicherheit geltend machen 
würde. Von den Hausschwangeren hat er nur diejenigen ausgewählt, 
die mindestens 4 Wochen vor ihrer Niederkunft in die Anstalt auf- 
genommen worden sind. Somit hat er eine Gewähr dafür, daß sich 
bei ihren Kindern gegebenen Falles die Einflüsse ihres Klinikaufent- 
haltes zeigen werden. Bei seinen Berechnungen hat Verf. nach dem 
Vorgang von Momm, Ruge II und Mössmer nur reife Früchte, 
also Kinder, die 2000 g und mehr gewogen und mehr als 48 cm ge- 
messen haben, berücksichtigt. Kinder unter diesem Gewicht und 
Maß sind als unreif fortgelassen worden. In der folgenden Zusammen- 
stellung finden sich für die beiden angegebenen Jahre die Durch- 
schnittsgeburtsgewichte. Aus diesen sind dann die Gewichtsunter- 
schiede der Kinder, die von den Hausschwangeren und derjenigen, 
die von den zur Geburt eingelieferten Frauen geboren worden sind, 
berechnet worden. Diese Differenzen sind mit einem --Zeichen 
versehen, wenn sie zugunsten der Hausschwangerenkinder ausgefallen 
sind. Es ergibt sich: 


Erstgebärende Mehrgebärende 
Jahr ; SA ; 
Haus- Ein- Ä Haus- Ein- A 
schwangere| gelieferte Differenz schwangere gelieferte Differenz 
1913 3181 3143 + 33 3379 3262 + 117 
1915/16 3324 3150 + 174 3387 3176 + 211 


Was zeigt uns die Tabelle? Sie zeigt uns, daß die Kriegskinder 
nicht kleiner geworden sind, sondern sich mit dem Gewicht der im 
Friedensjahr 1913 geborenen Kinder etwa das Gleichgewicht halten. 
Auch die Zahl der schweren Kinder ist nicht geringer geworden. 
Denn von den zu unserer Berechnung benutzten Kindern haben ge- 
wogen: 

1915/16 


| 1918 | 


über 3600 18,3 Proz. I 15,4 Proz. 


über 4000 2 5 Proz. 5, 3 Proz. 
Summe | 20,8 Proz. 20,7 Proz. 


Es bestätigt sich also auch hier wieder, daß die Kriegsernährung 
mit ihren wesentlichen Beschränkungen hinsichtlich des Eiweiß- und 
Fettgenusses keinen Einfluß auf die Entwicklung der Früchte hat. 
Wir müssen mit Momm annehmen, daß die Ansprüche des sich ent- 
wickelnden Fötus durch Erhöhung des mütterlichen Stoffwechsels 


182 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 9. 


und durch Anpassung befriedigt werden. Er entwickelt sich tat- 
sächlich rücksichtslos wie ein Parasit auf Kosten der Mutter. 

Die Frage, ob die Kinder der Hausschwangeren schwerer sind, 
als die der eingelieferten Frauen,. muß bejaht werden. Es handelt 
sich bei diesen Gewichtsunterschieden nicht um einzelne Gramme, 
sondern sie betragen, abgesehen von einer Ausnahme, mehr als 100, 
ja mehr als 200g. 1913 übertreffen die Hausschwangeren ihre 
kreißend eingelieferten Mitschwestern in ihrer Leistung um 38g bzw. 
um 117 gegen 174g und sogar 2ilg im Jahre 1915/16. Das sind 
Zahlen, an denen wir nicht so ohne weiteres vorübergehen dürfen. 
Wie kann man sich diese zum Teil doch recht auffällige Gewichts- 
differenz erklären? Nach Verf.’s Ansicht kommt die Ernährung der 
Mutter für die Entwicklung des Kindes nicht in Betracht. Außerdem 
ist noch zu bemerken, daß der Speisezettel in der Klinik im Laufe 
des letzten Kriegsjahres stark eingeschränkt werden mußte. An- 
fragen bei den eingelieferten Frauen haben ferner ergeben, daß das 
Essen außerhalb der Klinik mindestens ebensogut, wenn nicht besser 
ist. Der Unterschied ist wohl dadurch zu erklären, daß die Haus- 
schwangeren in der Klinik unter guten hygienischen Verhältnissen 
nur leichte körperliche Arbeit verrichten, von der sie sich in an- 
gemessenen größeren Ruhepausen erholen können. Draußen dagegen 
muß von den Frauen zum Teil recht schwere und gerade jetzt im 
Kriege vermehrte Arbeit geleistet werden, von der sie sich nicht in 
dem Maße ausruhen, wie die Hausschwangeren. Diese eben skizzierte 
Anschauung wird durch die Tabelle außerordentlich gestützt; sehen 
wir doch die Differenz der Gebrutsgewichte bei den Hausschwangeren 
und den anderen Frauen im Gegensatz zu 1913, wo sie 88g bzw. 
117g beträgt, im Kriegsjahr 1915/16 zu 174g und sogar zu 2llg 
anwachsen. 

Bei der jetzigen fett- und eiweißarmen Ernährung unserer Frauen 
lag die Annahme nahe, daß sie im Stillgeschäft eine Störung erfuhren. 
Auch diese Befürchtung ist hinfällig. Wie Baumm und Illner 
schon im Jahre 1894 nachgewiesen haben, wird in der Regel eine 
dem Säugling bekömmliche Milch produziert, wie auch immer die 
Mutter ernährt werden mag. Diese Feststellung haben die Autoren 
durch eine Reihe verschiedener Ernährungsversuche begründet. Diese 
bestanden in der Verabreichung von Eiweißkost, einer möglichst 
N-freien Kost, von Mastkost, von sauren, salzigen Speisen und von 
Gemüse, von vermehrter flüssiger Nahrung und von Alkohol in Form 
von 1!/, Litern Lagerbier pro die. Die sorgfältig beobachteten Ex- 
perimente haben ergeben, daß zwar Schwankungen in der Milch- 
zusammensetzung, besonders beim Fett zu beobachten sind, aber die 
Grenzwerte übersteigen weder nach oben noch nach unten kaum 
diejenigen, wie sie gelegentlich auch unter ganz normalen Verhält- 
nissen gefunden werden. Auch Verf. steht auf dem Standpunkt, daß 
durch die Ernährung der Mutter keine Beeinflussung der Laktation 
stattfindet. Es wird grundsätzlich gestillt, und Verf. hat gerade in 
der Kriegszeit ausgezeichnete Erfolge erzielt. Bei der Durchsicht 
der Gewichtskurven hat Verf. im Kriegsjahr 1915/16 nur 2°/, schlecht 
gedeihende Kinder gefunden. 


L Referate. 188 


Verf. faßt nun seine Ergebnisse in folgenden Sätzen zusammen: 

1. Die Kriegskinder sind nicht leichter als die im Frieden Ge- 
borenen. Die Ernährung hat demnach keinen Einfluß auf die Frucht- 
entwicklung. | 

2. Die Kinder von Hausschwangeren sind schwerer, als die Kinder 
von kreißend in die Klinik eingelieferten Frauen. Die Ursache ist 
nicht in der besseren Ernährung, sondern in der geringen Arbeits- 
leistung und in der Ruhe der Hausschwangeren zu suchen. 

3. Die Laktation wird durch die Kriegsernährung nicht beein- 
flußt. Grätzer. 


Helene Hölder, Intrauterine Femurfraktur bei Spontan- 
geburt in Schädellage. (Aus der Universitäts-Frauenklinik in 
Tübingen.) (Zbl. f. Gyn. 1917. Nr. 5.) Da die Fälle von Oberschenkel- 
fraktur bei unkomplizierter Spontangeburt in Schädellage mit der 
üblichen Kunsthilfe bei Inempfangnahme des Kindes einerseits sehr 
selten sind, andererseits aber unter Umständen von forensischer 
Wichtigkeit werden können, mag der Bericht über eine in der Tübinger 
Frauenklinik gemachte Beobachtung interessieren. 


Es handelt sich um eine 21 jährige Erstgebärende. Während der Schwanger- 
schaft war sie wegen Gonorrhoe behandelt worden, sonst völlig gesund. Wasser- 
mann negativ. Letzte Pericde 22. Dezember 1914. Aufnahmebefund am 15. Sep- 
tember 1915: Fundus am Rippenbogen. Kopf beweglich im Beckeneingang. 
Rücken rechts, Herztöne rechts unten gut. Weichteile sehr straff. Keine ent- 
zündlichen Erscheinungen. Portio vaginalis 1cm lang, Muttermund Grübchen, 
läßt die Fingerkuppe eindringen. Becken normal. Wehenbeginn am 26. Sep- 
tember, also am normalen Ende der Schwangerschaft, 7 Uhr abends. Befund 
äußerlich wie bei der Aufnahme: Zweite Schädellage.e Der Kopf ist erst am 
nächsten Morgen 9 Uhr 30 Minuten völlig ins Becken eingetreten. Impression 
fand nicht statt. Blasensprung 11 Uhr 10 Minuten. 12 Uhr 30 Minuten mittags 
Geburt eines lebensfrischen Mädchers in erster Hinterhauptslage. Dammschutz 
in Seitenlage, wegen der straffen Weichteile sehr schwer. 

Nach der Geburt des Kopfes wendet sich das Gesicht des Kindes — entgegen 
der angenommenen zweiten Schädellage — zur rechten Schenkelbeuge der Mutter. 
Der Kopf wird in dieser Stellung etwas nach unten gedrängt, bis die vordere 
rechte Schulter geboren ist, sodann wird durch leichtes Heben des Kopfes die 
linke hintere Schulter über den Damm geleitet. Noch ehe sie aber über den 
Damm getreten ist, hört man ein deutliches Krachen. Auch der Rücken tritt 
entsprechend der ersten Schädellage aus. Der Zug am Kinde bei der Durch- 
leitung des Rumpfes erfordert auffallend viel Kraft; die Entwicklung des kind- 
lichen Rumpfes gelingt unverhältnismäßig schwer und langsam. Trotz der straffen 
Weichteile trat kein Dammriß ein. 

Sobald das Kind, das sogleich kräftig schreit, zwischen den Schenkeln der 
Mutter liegt, fällt eine Deformität des linken Oberschenkels auf. Nachdem ab- 
genabelt ist, wird im oberen Drittel des Femur eine erhebliche Dislokation und 
deutliche Krepitation festgestellt. Auch im Röntgenbild ist eine Querfraktur 
im oberen Drittel der Femurdiaphyse mit Winkelstellung ohne Kallus zu erkennen. 
Sonst zeigt das Kind keine Besonderheiten. Gewicht 2950 g, Länge 48 cm. 

Im Heftpflasterextensionsverband glatte Heilung im Verlauf von 10 Tagen 
mit ziemlich starker Callusbildung. 


Auf ausdıücklich dahin gerichtete Fragen cibt die Mutter an, 
daß sie im 6. Monat der Schwangeischaft einmal auf der Straße ge- 
fallen sei und sich das Knie aufgeschürft habe. Der klinische Befund, 
ebenso das Röntgenbild, beweisen eine ganz frische Verletzurg ohne 
Kallus. Daß das Kind damals diesen Schaden erlitt, kann also nicht 
angenommen werden. Ebenso ist mit Sicherheit eine Verletzung nach 


184 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 9. 


vollendeter Geburt auszuschließen, da die Fraktur noch vor dem 
Abnabeln bemerkt wurde. 

Eine Expression nach Kristeller, die das Unglück verursacht 
haben könnte, hat während der Geburt nicht stattgefunden. Die 
Wehen waren dauernd gut; Krampfwehen traten nicht auf. Aller- 
dings war die Kreißende sehr ungebärdig und warf sich oft herum, 
daß sie jedoch dabei das Kind geschädigt haben könnte, liegt kaum 
im Bereich der Möglichkeit, 

Da ein deutliches Krachen gehört wurde, außerdem die Ent- 
wicklung des Rumpfes auffallend schwierig war, ist es das Wahr- 
scheinlichste, daß der Oberschenkel erst während der Durchleitung 
der Schultern frakturierte. 

Verfasserin nimmt an, daß eine Regelwidrigkeit des Geburts- 
mechanismus zu diesem unglücklichen Zufall führte, und zwar stellt 
sie sich das folgendermaßen vor: Der hintere linke Oberschenkel 
ging nicht, wie es die Regel ist, beim Übertritt aus der Gebärmutter- 
höhle in den Geburtskanal des Beckens in Streckstellung über, 
sondern behielt seine ursprüngliche Beugehaltung bei. Vielleicht 
darf man annehmen, daß der während der Geburt erfolgte Übergang 
des Rückens aus zweiter in erste Stellung dazu beitrug, die Beine 
des Kindes eine ungünstige Haltung im Sinne einer Beugung in den 
Hüften bewahren zu lassen. Erst innerhalb des kleinen Beckens, an 
einer Stelle des Geburtskanals, deren Durchmesser kleiner ist als 
die Länge des Oberschenkels, wurde nun der Femur zur Streckung 
gezwungen. DBei der Haltung des linken Oberschenkels, der hinten 
lag, mußte sich bei der durch die straffen Weichteile erschwerten 
Entwicklung des Kindes das linke Knie an der hinteren Beckenwand 
anstemmen. Während der kindliche Körper entsprechend der ver- 
längerten Beckenausgangsachse nach oben gezogen wurde, mußte mithin 
notwendigerweise der linke Femur abgeknickt werden. Grätzer. 

Walter Misch, Über Hemiplegie bei Diphtherie (6 Fälle). 
(Aus der II. inneren Abteilung des städt. Krankenhauses Moabit 
zu Berlin.) (Neurol. Zbl. 1916. Nr. 22.) Das Vorkommen von Hemi- 
plegien bei Diphtherie ist ein so seltenes, daß die Beobachter von 
solchen, denen meist das Material größerer Infektionsabteilungen zur 
Verfügung stand, einen einzelnen oder wenige in verschiedenen Jahren 
beobachtete Fälle der Publikation für wert hielten. Die ersten der- 
artigen Fälle wurden in den achtziger Jahren beschrieben, und die 
meisten seither erschienenen Mitteilungen über dieses Thema gingen 
über eine einzelne kasuistische Mitteilung nicht hinaus. Erst im 
Jahre 1913 sind aus drei großen Epidemien mehrere Fälle zusammen- 
gestellt worden: Leede sah in Hamburg-Eppendorf im Verlaufe von 
4 Jahren 4 Fälle bei einer durchschnittlichen Jahresaufnahme von 
2000 Diphtheriefällen, Dynkin in St. Petersburg (Infektionsabteilung 
des Städt. Krankenhauses) 2 Fälle, und Rolleston in London 
6 Fälle unter mehr als 9000 Diphtheriefällen. Von diesen drei 
Autoren wird die gesamte Kasuistik der Diphtheriehemiplegien zu- 
sammengestellt, von Leede im ganzen 68 Fälle, von Dynkin 72, 
von Rolleston 65 Fälle, so daß sich eine neue Zusammenstellung 
an dieser Stelle erübrigt. 


wen 
RE TE -— [nt f maei > 


L Referate. 185 


Das seltene Vorkommen der Hemiplegien bei Diphtherie ver- 
anlaßt Verf., hier 6 Fälle mitzuteilen, die während der letzten großen 
- Berliner Diphtherieepidemie gegen Ende des Jahres 1915 beobachtet 
wurden. Während die Fälle der erwähnten Autoren während eines 
größeren Zeitraumes, die von Leede z.B. im Verlaufe von 4 Jahren 
gesammelt wurden, ist an. Verf.’s Material als besonders auffallend 
hervorzuheben, daß von den 6 Fällen, von denen zwei zu Beginn oder 
vor der Epidemie beobachtet wurden, vier innerhalb 8 Monaten, vom 
September bis November, als die Epidemie ihren Höhepunkt erreicht 
hatte, in Erscheinung traten. Nach dieser Zeit wurde, trotz des 
großen Materials von zeitweise 300 Betten, nicht ein einziger Fall 
von Hemiplegie bei Diphtherie mehr beobachtet. 

Die Häufung der Hemiplegien innerhalb eines kurzen Zeitraumes 
und insbesondere zu der Zeit, als die Epidemie ihren Höhepunkt er- 
reicht hatte, kann nicht als bloßer Zufall aufgefaßt werden. Es muß 
dies mit irgendeiner Besonderheit, die ja eine jede Epidemie hat, in 
Zusammenhang gebracht werden, mit irgendeiner besonderen Affinität, 
die das Virus dieser Epidemie hatte und die auf dem Höhepunkt der 
Epidemie am stärksten hervortrat. 

Aus der Tabellierung der Fälle geht nun hervor, daß es sich in 
allen Fällen um äußerst schwere Diphtherieerkrankungen mit schwerer 
Allgemeinschädigung besonders des Zirkulationsapparates handelt. 
Insbesondere war das Herz stets schwer geschädigt, was sich nicht 
immer durch physikalische Befunde am Herzen selbst nachweisen 
ließ, sondern sich stets durch sehr schlechte Qualität des Pulses 
dokumentierte; auch eine sehr schmerzhafte Leberschwellung war 
fast stets vorhanden, und die in fast allen Fällen vorliegende, ganz 
vorübergehend auftretende Nephritis ist vermutlich ebenfalls auf eine 
Stauungsniere zurückzuführen. Kennzeichnend für die starke Virus- 
affinität zum Herzen in dieser Epidemie war das Ergebnis der Sek- 
tionen, daß, im Gegensatz zu der klassischen Lehre von der reinen 
Herzmuskelentzündung, bei Diphtherie auffallend häufig, bei den 
Herzfällen so gut wie regelmäßig, beginnende Endokarditiden nach- 
weisbar waren. Wenn in den Hemiplegiefällen keine Endokarditis 
gefunden wurde, so ist das vermutlich darauf zurückzuführen, daß 
der Exitus eingetreten war, bevor sich noch das vollständige Bild 
des Diphtherieherzens in seiner ganzen Schwere ausbilden konnte. 
Es ist also in allen Fällen die schwere Herzaffektion als Grund- 
krankheit der Hemiplegie anzusehen. 

Als anatomische Grundlage der Hemiplegie fand sich in allen 
Fällen, die zur Sektion kamen, ein Embolus eines Gehirngefäßes, 
der nachweisbar von Parietalthromben der dilatierten Herzventrikel 
stammte. Die überlebenden Fälle zeigten eine Restitution der 
Lähmungserscheinungen, die ebenfalls eine Embolie annehmen ließ. 
In zwei der zur Sektion gekommenen Fälle lag der Embolus an der 
Gehirnbasis in der Carotis interna an der Abgangsstelle der Art. 
cerebri media; hier war natürlich der Funktionsausfall ein so beträcht- 
licher, daß die Kinder wenige Stunden nach eingetretener Embolie 
zum Exitus kamen, noch bevor sich ein Erweichungsherd markieren 
konnte. 


186 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 9. 


Der Eintritt der Lähmung fiel in 5 der Fälle auf den 16. bis 
20. Tag der Diphtherieerkrankung, was mit den von Leede und von 
Dynkin gemachten Erfahrungen ungefähr übereinstimmt; nur in 
einem Fall wurde die Hemiplegie erst am 31. Krankheitstage beob- 
achtet. Es ist aber in diesem Fall nicht ausgeschlossen, daß sie bei 
dem Kinde eine Zeitlang übersehen wurde. Das regelmäßige Auftreten 
der Hemiplegie in der dritten Woche ist offenbar darauf zurück- 
zuführen, daß sich die schweren Herzaffektionen erst zu dieser Zeit 
zu ihrer Höhe entwickelt haben. | 

Die Lähmungen verteilten sich zu gleichen Teilen auf die beiden 
Körperhälften. Es wurden 4 Mädchen und 2 Knaben betroffen. 
Das Alter schwankte zwischen 4 und 9 Jahren; es ist dabei zu be- 
tonen, daß unter dem in dieser Epidemie sehr großen Material von 
zum Teil sehr schweren, tödlich geendeten Diphtherieerkrankungen 
von Erwachsenen, besonders im Alter von 20 bis 30 Jahren, niemals 
eine Hemiplegie beobachtet wurde. 

Hervorzuheben ist, daß sich in 5 der Fälle Gaumensegellähmungen, 
in einem Fall auch eine Schlucklähmung fanden. Diese Lähmungen 
waren meist schon vor der Hemiplegie aufgetreten, im Laufe der 
zweiten Woche, und sind wohl in ihrer auffallenden Regelmäßigkeit, 
die auch Dynkin hervorhebt, nur als Zeichen der Schwere der be- 
stehenden Allgemeininfektion verwertbar. 

Der Exitus erfolgte in der Hälfte der Fälle. Er trat nach 
12 Stunden bis 12 Tagen ein. In allen Fällen ist er als Folge der be- 
stehenden Herzaffektion zu betrachten; in einem Fall zeigte der 
Exitus das typische Bild des für Diphtherie charakteristischen akuten 
Herztodes, zu einer Zeit, als die Zirkulationsstörungen und die hemi- 
plegischen Erscheinungen schon bedeutend gebessert waren. 

Bei den übrigen 3 Fällen, die nicht zum Exitus kamen, zeigte 
die nach 4 bis 8 Monaten vorgenommene Nachuntersuchung eine 
bedeutende Restitution der bestehenden Lähmungserscheinungen. 
Insbesondere ließen sich keine Zeichen einer Sprachstörung und eines 
Intelligenzdefektes mehr nachweisen. Ausgesprochene Lähmungs- 
erscheinungen fanden sich in dem einen Fall nur noch im Gebiete 
der Hand-, in dem anderen Fall im Gebiete der Peroneusmuskulatur, 
bei dem dritten Fall bestand nur noch eine leichte Fazialisparese; 
eine vollständige Hemiplegie blieb in keinem der Fälle bestehen.. 
Die Prognose dieser infantilen Hemiplegie ist also quoad functionem 
relativ gut zu stellen. Grätzer. 

Beeker, Die Dauererfolge der Behandlungen von Kin- 
dern in Nordseehospizen. (Aus dem städtischen Fürsorgeamt 
für Lungenkranke in Charlottenburg.) (M. Kl. 1916. Nr. 51.) Aus 
der Zusammenstellung geht hervor, daß die erzielten Resultate sehr 
günstig sind. Die Kinder waren durchgehends sowohl ihrer Ab- 
stammung und ihrer Umgebung nach als auch nach ihrem eigenen 
Zustand hochgradig von der Lungentuberkulose bedroht. Alle waren 
mehr oder weniger schwer skrofulös und blutarm, einige waren früher 
in einer Lungenheilstätte gewesen, andere litten an Knochen- und 
Brustfelltuberkulose, eine große Anzahl war bei der Entsendung be- 
reits auf Lungentuberkulose verdächtig, nämlich 1910 von 24 Kindern 7, 


L Referate, 187 


1911 von 16 Kindern 6, 1912 von 20 Kindern 7, 1913 von 21 Kindern 4, 
1914 von 23 Kindern 12, insgesamt von 104 Kindern 31, also fast ein 
Drittel sämtlicher Kinder. Von allen Kindern wurden nur 4, nämlich 
vom Jahrgang 1910: 3 und von 1914: 1, tuberkulös. Bei diesen ver- 
läuft die Tuberkulose, soweit man es bis jetzt beurteilen kann, 
günstig, und man kann wohl mit Recht annehmen, daß ein Grund 
für den günstigen Verlauf eben die Kräftigungskur an der See ge- 
wesen ist. 

Auch auf den Verlauf der Knochen- und Bauchfelltuberkulose 
ist der günstige Einfluß des Seeaufenthaltes unverkennbar. Die 
Mehrzahl der Kinder wurde dadurch geheilt, und bei dem Kinde, das 
später einen Rückfall bekam, hatte an dem schließlichen günstigen 
Ausgang der Aufenthalt an der See wohl auch einen guten Anteil. 

Nicht so günstig ist der Erfolg bei Asthma. Von den acht 
Kindern wurden nur zwei geheilt; bei den anderen sechs blieb das 
Leiden bestehen, wenn auch in weniger hohem Grade. 

Nach allem ist der Aufenthalt an der See als ein vortreffliches 
Mittel zur Verhütung der Tuberkulose bei schwer bedrohten Kindern 
anzusehen. Auf eins sei jedoch hingewiesen. Nach den Erfahrungen 
eignen sich nicht alle Kinder für das Nordseeklima. Die Kinder 
können sehr schwer skrofulös und auch recht blutarm sein, sie müssen 
aber einen leidlichen Ernährungszüstand haben. Kinder mit sehr 
schwerer Blutarmut und besonders Kinder mit hochgradiger Ab- 
magerung, mit welker, schlaffer Haut, eignen sich eher für das mildere 
„Sedative“ Klima der Ostsee. Grätzer. 

E. Lieen, Zur Symptomatologie der Herderkrankungen 
der motorischen Region bei Epileptikern. (Monatsschr. f. 
Psychol. u. Neurol. XLI. 1917. H. 1.) Bei einer seit Kindheit an 
allgemeiner Epilepsie leidenden Frau blieb im 67. Lebensjahre nach 
einigen Anfällen eine kurzdauernde Parese der linken Körperhälfte 
zurück, verbunden mit klonischen Zuckungen in der linken unteren 
Extremität und den linksseitigen Bauchmuskeln. Hierauf wieder 
generalisierte Anfälle, ohne Andeutung von Halbseitenerscheinungen, 
bis, nach mehr als 2 Jahren, wieder nach einer Serie von Anfällen, 
eine linksseitige spastische Hemiparese zurückblieb, die sich aber 
diesmal mit klonischen Krämpfen im Bereiche der oberen Extremität 
verband. 6 Wochen später ähnlicher Zustand, doch mehr mit Be- 
teiligung der distalen Armabschnitte. Später wurden entweder all- 
gemeine Anfälle ohne Halbseitenerscheinungen beobachtet, oder, 
wenn solche bestanden, äußerten sie sich in einer auf die Anfälle 
folgenden linksseitigen Hemiparese ohne Krämpfe. Nur zweimal 
wurden isolierte Krämpfe der linken Körperhälfte (beide Extremi- 
täten betreffend) beobachtet. 

Es konnte sich handeln 1. um eine „organische“ Epilepsie mit 
atrophischen Sklerosen im Hirn und Fortschreiten des Prozesses von 
den primär veränderten Partien (stumme Region) aus, 2. um eine 
Kombination von genuiner Epilepsie mit Hirntumor, spez. Gliom, 
8. um eine Allgemeinerkrankung der Hirnrinde im Sinne einer ge- 
nuinen Epilepsie verbunden mit stärkerer Akzentuation und herd- 
förmiger Gestaltung des für dieselbe charakteristischen Prozesses. 


188 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 9. 


4. um das zufällige Zusammentreffen einer, sei es genuinen, sei es 
auf einer anderen Grundlage beruhenden Epilepsie mit arteriosklero- 
tischen Veränderungen. — Die Sektion ergab nun die Koexistenz 
einer auf anderer Grundlage bestehenden Epilepsie mit einem Endo- 
theliom der Dura in der Gegend der rechten vorderen Zentralwindung. 
Mit dem Manifestwerden dieses neuen Herdes nahm die Anzahl der 
epileptischen Anfälle bedeutend zu, und es trat namentlich die 
Neigung zu gehäuften Anfällen auf. Außerdem machte sich die Jackson- 
komponente durch die Anfälle mehrere Tage überdauernde halb- 
seitige Lähmungen, einige Male verbunden mit Krämpfen, bemerkbar. 
Einmal begannen auch die Krämpfe links, und zweimal wurde beob- 
achtet, daß die Krämpfe in der linken Körperhälfte stärker waren 
als in der rechten. Isolierte Jacksonkrämpfe entsprechend dem 
erkrankten Fokus wurden nie beobachtet. Das konstanteste Symptom 
der Halbseitenläsion war eine spastische linksseitige Parese, die im Bein 
länger anhielt. Kurt Mendel. 

Arnold Kutzinski, Aphasische Störungen nach gehäuften 
epileptischen Anfällen. (Monatsschr. f. Psychol. u. Neurol. XL. 
1916. H. 4.) 7jähr. Kind. Anfangs Petitmalanfälle, dann schwere 
Krampfanfälle, bis zu 40 an einem Tage. Außerdem bestand eine 
hochgradige zerebellare Ataxie und Asymergie, eine Hypotonie der 
Extremitäten, eine Herabsetzung der Sehnenreflexe, gelegentlich posi- 
tiver Babinski nach den Anfällen, sowie eine Sprachstörung, die im 
wesentlichen das Bild der motorischen Aphasie bot. Mit dem Auf- 
hören der Anfälle besserte sich die Sprachstörung ım Verlaufe von 
etwa 2 Monaten sehr schnell, nur einzelne Reste waren noch nach- 
weisbar. Verf. hält es für wahrscheinlich, daß sich im Anschluß an 
die gehäuften epileptischen Anfälle eine Hirnschwellung (Reichardt) 
entwickelt hat, die ihrerseits zu dem herdähnlichen Symptomen- 
komplex, besonders zu den Herdsymptomen der Aphasie, geführt hat. 

Ein zweiter Fall lag ganz ähnlich; die Sprachstörung wurde 
jedesmal etwas gebessert, wenn die Anfälle seltener waren, mit dem 
allmählichen Aufhören der Anfälle kam auch die Sprachstörung zum 
Abklingen. In diesem Falle bestanden anfangs nur isolierte Zuckungen 
im Gebiete der rechten Fazialis nach Jacksonschem Typus. 

Kurt Mendel. 

Hansen, Gehäufte kleine Anfälle bei Zwillingen. (Psych.- 
neurol. Woch. XIVIIL 1916/17. Nr. 41/42.) Zwillinge, die erblich 
belastet (Oheim Epileptiker), seit dem 10. Lebensjahre an Petitmal- 
Anfällen leiden. Dazu unruhiges Wesen, lebhafites Temperament. 
Alle angewandten Mittel ohne wesentlichen Erfolg. 

Kurt Mendel. 

Mönkemöller, Die Strafe in der Fürsorgeerziehung. (Ztschr. 
f. Kinderforschung. XIX. 1914. H. 3—5.) Verf. bespricht die Ein- 
wirkung der Strafe auf die verschiedenen psychopathologischen Typen 
der Fürsorgezöglinge: die angeborenen Schwachsinnigen, die ethisch 
und moralisch Verkommenen, die Schwachsinnigen, die zu stärkeren 
Stimmungsschwankungen neigen, die Epileptiker, die paranoischen 
Naturen, die Dementia praecox-Kranken, die hysterischen Naturen, 
die nervösen Naturen und die psychopathischen Konstitutionen. 


er e Dir ee 


I. Referate. ` 189 


Zusammenfassend bemerkt Verf., daß zwar ein Teil der Fürsorge- 
zöglinge durch die Strafe günstig beeinflußt wird, daß aber bei einem 
nicht unbeträchtlichen Teile der Fürsorgezöglinge schwere psychia- 
trische Bedenken in den Strafvollzug hineinragen. 

Verf. gibt dann eine Anzahl von Reformvorschlägen an. Vor 
allem fordert er die Mitarbeit des Psychiaters. Für wünschenswert 
hält er, die ärztliche Untersuchung der Fürsorgezöglinge vor dem 
Strafvollzug oder zum mindesten möglichst bald nach der Ein- 
lieferung in die Fürsorgeanstalt vorzunehmen. K. Boas. 


H. Schnitzer, Forensische Psychiatrie und Fürsorge- 
erziehung. (Ztschr. f. Psychother. u. med. Psychol. VI. 1914. 
H. 2. S. 75.) Verf. schildert an der Hand von 18 kurzen Kranken- 
geschichten die verschiedenen Typen der Fürsorgezöglinge. Am 
häufigsten liegt bei ihnen Imbizillität vor. In 2 Fällen bestand 
Idiotie. In den meisten Fällen liegt die Frage nach der Zurechnungs- 
fähigkeit klar, nur bei den Psychopathen bestehen in dieser Hinsicht 
oft große Schwierigkeiten. Die Fürsorgezöglinge nehmen unter den 
Kriminellen eine besondere Stellung ein. Die Strafmündigkeitsgrenze 
trägt den tatsächlichen Verhältnissen nicht genügend Rechnung. Im 
übrigen muß jeder Fürsorgezögling individuell behandelt werden. 
Verf. fordert darum mit Recht eine Reform des Jugendstrafrechts, 
von der er sich weiteren Segen für die Fürsorgeerziehung und das 
Institut der Jugendgerichte erhofft. K. Boas. 


R. Weber, Über die Beurteilung der psychischen Hem- 
mungen für die Beurteilung durch Schul- und Gerichts- 
ärzte. (Ztschr. f. Medizinalbeamte. 1915. Nr. 5.) Auch bei psychisch 
normalen Menschen wird eine große Zahl von zweckwidrigen, un- 
sinnigen, verbrecherischen oder gar verrückten Trieben beobachtet. 
Der Mensch an und für sich ist zu Jedem Verbrechen veranlagt. Alle 
Triebe werden durch die psychischen Hemmungen geregelt, entweder 
ganz unterdrückt oder in einer dem Charakter des Einzelnen an- 
gepaßten Weise zur Ausführung gebracht. Die psychischen Hem- 
mungen beruhen auf der physiologischen Tätigkeit anatomisch vor- 
gebildeter Organe, die in hohem Maße entwicklungsfähig sind. Alle 
Hemmungen dienen letzten Endes der Erhaltung der Art und der 
Person. Sie sind entwicklungsgeschichtlich aus den Urhemmungen 
(Fortpflanzung und Selbsterhaltung) abzuleiten. Die Kenntnis dieser 
Tatsachen ist wichtig für die Beurteilung der Verantwortlichkeit bei 
Straftaten und Verbrechen besonders jugendlicher Personen. 

K. Boas. 


B. Aus ausländisehen Zeitschriften. 


F. Beekman, Precocions maturity in girls with report 
of a case. (Arch. of Pediatrie. XXXII. 1915. Nr. 4.) Bericht über 
ein 6 jähriges frühentwickeltes Mädchen, bei dem bereits die Periode 
aufgetreten war. Zeitweise bietet Patientin eigenartige Anfälle von 
‘Zwangslachen dar, die ebenfalls in diese Zeit fallen. Auch die Epi- 
physenentwicklung war der Pubertät entsprechend. Psychisch und 


190 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 9. 


sexuell dagegen entsprach die Patientin der Pubertät nicht. Die 
Sella tureica schien etwas erweitert. 

Der Hypergenitalismus beim Hypernephrom hat mit echter 
prämaturer Pubertät nicht das Mindeste zu tun. Kurt Boas. 

Alexander Duane, Torticollis relieved by tenotomy of 
the inferior oblique. (Arch. of Ophthalmology. XLV. 1916. 
Nr. 1.) Der Fall des Verf.’s betrifft ein drei Jahre altes Mädchen mit 
Torticollis. Es bestand eine kongenitale Insuffizienz des rechten’ 
Rectus superior. Fixation mittels des paretischen Auges. Scharfe 
sekundäre Abweichung nach dem linken (gesunden) Auge. Die voll- 
ständige Tenotomie des linken Obliquus inferior brachte vollständige 
Heilung. | 
Der Verf. bespricht ausführlich die Technik der Operation und 
das Zustandekommen solcher Torticollisfälle.. Der Torticollis beruht 
demnach auf dem lateralen und vertikalen Doppelsehen infolge der 
Ablenkung der Augen. Solche Pseudotorticollis kann auch auf 
anderen angeborenen Abweichungen beruhen, z. B. angeborener Läh- 
mung des Rectus inferior. In einem Falle, in dem bei einem 22 jähr. 
Mädchen eine vertikale Abweichung von 30° infolge einer Lähmung 
des Rectus inferior bestand, half die orthopädische Behandlung gar 
nichts. Verf. bsseitigte dann das Leiden vollständig durch eine Teno- 
tomie des Rectus superior. 

Des Zeitpunkt, zu dem operiert werden soll, hängt von den 
Symptomen ab. Man soll frühzeitig, sogar schon mit drei oder vier 
Jahren, operieren. Man soll erst eine orthopädische»Behandlung ver- 
suchen und die Refraktion korrigieren wie bei anderen Formen des 
Strabismus. Man halte sich aber nicht zulange damit auf. Es kommt 
im wesentlichen darauf an, zunächst die vertikale Abweichung zu 
beseitigen. Es geschieht das am besten durch eine Tenotomie des 
Obliquus inferlor. Kurt Boas. 

J. G. Drossaers, Bijdrage tot de localisatie von perifere 
facialis-verlammungen. (Nederlandsch Tijlisch. voor genees- 
kunde. I. 1916. Nr. 15.) Verf. berichtet über einen Fall von rechts- 
seitiger peripherer Fazialislähmung bei einem Kinde mit starker 
Schwellung und Druckempfindlichkeit der rechten Gesichtshälfte. 
Beim Versuch, das rechte Auge zu schließen, wird der Bulbus nicht 
aufwärts bewegt. Eine Kontraktion des Musculus levator palpebrae 
war beim Versuch, bei abwärts gerichtetem Blick die Augen zu 
schließen, nicht möglich. 

Verf. nimmt als Ursache der Erkrankung eine Kernlähmung 
auf dem Boden einer Poliomyelitis acuta an. Kurt Boas. 

Ch. Chatelin, Le diagnostic de l’anenc6phalie avec ou 
sans hydroc&phalie apparente par la recherche de la 
transparence du crâne. (Bulletin de la Société de Pédiatrie de 
Paris. 1914. Nr. 4.) Es gelang dem Verf. in zwei Fällen von ‚anen- 
c&phalie hydroc&phalique“ (Gruveilhier) die richtige Diagnose durch 
die Transparenz des Schädels bei Durchleuchtung desselben zu stellen. 
In beiden Fällen war der ganze Schädel durchleuchtbar (mit Ausnahme 
der Fossa cerebellosa im zweiten Falle). In letzterem Falle bot der 
Schädel ein vollkommen normales Bild dar. Kurt Boas. 


II. Aus Vereinen und Versammlungen. 191 


II, Aus Vereinen und Versammlungen. 


V. Kongreß für Säuglingsschutz und Ill. Krippenkonferenz. 
Karlsrune, 24. und 25. Mai 1917. 


I. Als erster Redner zu dem Thema ‚Die Mutterschaftsversicherung‘‘ sprach 
Dr. Alfons Fischer (Karlsruhe) über: Die sozialhygienischen Wirkungen der 
Reichswochenhilfe. Der Redner hat im Auftrage der Deutschen Vereinigung für 
Säuglingsschutz den Versuch gemacht, statistische Unterlagen für die sozial- 
hygienischen Wirkungen der Reichswochenhilfe zu bringen. So wurde vor allem 
danach geforscht, wie sich die Stilltätigkeit nach Umfang und Dauer unter dem 
Genuß der Reichswochenhilfe gestaltet hat und wie viele unter den Säuglingen 
der im Jahre 1915 unterstützten Mütter das erste Lebensjahr überschritten haben. 
Zugleich wurde geprüft, welchen Einfluß die Säuglingsfürsorgestellen ausgeübt 
haben. Die notwendigen Unterlagen für diese Untersuchung wurden, soweit es 
sich um außerbadisches Material handelt, vorzugsweise vom Hauptverband 
deutscher Ortskrankenkassen zur Verfügung gestellt; sie beziehen sich auf die 
Städte Dresden, Plauen, Sonneburg, Stuttgart und Frankenthal (Pfalz). Der 
badische Zahlenstoff, welcher mit Hilfe von fünf allgemeinen Ortskrankenkassen 
und drei großen Betriebskrankenkassen gewonnen wurde und aus Karlsruhe, 
Mannheim, Pforzheim, Offenburg und Konstanz stammt, ist in Vergleich gesetzt 
mit dem Jahre 1911, für welches in Baden eine ähnliche Erhebung amtlich ver- 
anstaltet worden ist. Das Material betrifft etwa 6000 Wöchnerinnen des Jahres 
1915 und 17000 Entbundene des Jahres 1911. Fischer kommt zu dem Ergebnis, 
daß unter dem Einfluß der Reichswochenhilfe die Stillziffern verhältnismäßig 
sehr groß, die Stilldauer sehr lang und die Säuglingssterblichkeit sehr niedrig 
wurden. Von den 1314 Frauen, welche in Dresden während des in Betracht ge- 
zogenen Jahres die Reichswochenhilfe empfangen und deren Kinder das erste 
Lebensjahr überschritten haben, haben 86,76°/, gestillt; von ihnen haben 50,08°/, 
über drei Monate und 21,08°/, über zwei Monate die Stilltätigkeit ausgeübt. Die 
Sterblichkeit unter den Kindern der unterstützten Frauen belief sich auf 7%, 
während die Säuglingsmortalität im Jahre 1914 zu Dresden 12,2°/, betrug. Die 
Sterblichkeit betrug in den genannten fünf badischen Städten unter den in Betracht 
kommenden Kindern des Jahres 1911 16,74°/,, im Jahre 1915 dagegen nur 9,46°/,; 
in den dazugehörigen Landgebieten belief sich die Säuglingsmortalität im Jahre 
1911 auf 17,18°/,, im Jahre 1915 dagegen nur auf 10,76°/,. 


Der zweite Vortragende, Oberarzt Dr. Rott (Berlin), behandelte: Die Ge- 
staltung der Mutterschaftsversicherung nach dem Kriege. Die Notwendigkeit, die 
Reichswochenhilfe nach dem Kriege fortzuführen, ist nicht nur von den Wohl- 
fahrtsvereinigungen, sondern auch von Krankenkassen und wirtschaftlichen Ver- 
bänden betont worden. Reichstag und Abgeordnetenhaus haben sich auch bereits 
mit der Frage beschäftigt. Die Hauptschwierigkeiten für die Einführung einer 
allgemeinen Mutterschaftsversicherung liegen in erster Linie in der Abgrenzung 
des Bevölkerungskreises, der einer Wochenhilfe bedarf, zum anderen in der Art 
der Durchführung. Beschränkt man sich bei Regelung der Frage auf die wirklich 
wochenhilfsbedürftigen Weiblichen, aber auch auf nicht weniger als diese, dann 
würden für eine allgemeine Mutterschaftsversicherung folgende Teile der Bevölkerung 
in Betracht kommen: 1. die bisher schon Zwangsversicherten; 2. die Ehefrauen 
der Zwangsversicherten, die nicht selbstversichert sind; 3. solche, die nicht unter 
die Zwangsversicherung fallen, aber ein Einkommen von nicht mehr als 4000 Mark 
haben. Die Ausgestaltung würde durchzuführen sein: 1. durch den Ausbau der 
Reichsversicherungsordnung im Sinne der Leistungen der Reichswochenhilfe, 
ohne die Personalbeschränkung derselben, und unter Einbeziehung der nicht- 
versicherten Ehefrauen der Versicherten in bezug auf Wochenhilfe und Stillgeld; 
2. durch Bildung einer zwangsmäßigen, als Reichskasse zu gestaltenden Mutter- 
schaftsversicherungskasse für alle nicht unter die Reichsversicherungsordnung 
fallenden Ehefrauen, deren eigenes oder Familieneinkommen 4000 Mark nicht 
übersteigt. Der Ausbau der Reichsversicherungsordnung soll bestehen 1. in einer 
Erhöhung der Wochenhilfeleistungen; 2. in der Änderung der freiwilligen Leistungen 
in Regelleistungen, insbesondere in bezug auf Schwangerenhilfe, Geburtshilfe und 
Stillgeld. Die Kosten dürfen nicht den Krankenkassen allein aufgebürdet werden. 
Das Reich nıuß einen Zuschuß gewähren. Die Zwangsversicherung für die nicht 


192 ‚Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr, 9. 


von der Reichsversicherungsordnung erfaßten Personen wird am besten durch 
die Landesversicherungsanstalten durchgeführt werden. 

- II. Die Ausbildung der Kreisfürsorgerin. Der erste Vortragende, Priv.-Doz. 
Dr. Groth (München), behandelte den Lehrplan und Ausbildungsgang der Kreis- 
fürsorgerinnen. Die Eigenart der ländlichen Bevölkerung verlangt, daß die inner- 
halb eines örtlich begrenzten ländlichen Gebietes arbeitende Fürsorgerin eine 
diesen besonderen Aufgaben angepaßte Vor- und Ausbildung erfährt. Als wünschens- 
wert erscheint im Interesse ihres Ansehens, daß die Fürscrgerin die ihr über- 
antworteten Volksschichten durch ein gewisses Maß von allgemeiner Bildung über- 
ragt. Es ist daher in der Regel der erfolgreiche Besuch einer höheren Mädchen- 
schule oder einer gleichwertigen Erziehungsanstalt zu fordern, wenn es auch nicht 
unbedenklich ist, daß dadurch geeignete Persönlichkeiten von ihrer Mitwirkung 
ferngehalten werden. Unerläßlich ist eine gründliche Ausbildung in allgemeiner 
Krankenpflege und der Nachweis der bestandenen staatlichen Prüfung, wo eine 
solche eingeführt ist. Da die Säuglings- und Kleinkinderfürsorge den größten 
und wichtigsten Teil der gesamten Fürsorge bildet, ist zu verlangen, daß die in 
der Krankenpflege erworbenen Kenntnisse durch eine etwa halbjährige Ausbildung 
in anerkannten Säuglingsheimen bzw. Säuglings- und Kinderkrankenanstalten zu 
erweitern sind, wobei eine theoretische und praktische Unterweisung in der ge- 
schlossenen, halboffenen und offenen Fürsorge, Mutterschutz, Pflegekinder- und 
Vormundschaftswesen, Krüppelfürsorge, Bevölkerungslehre und die Grundlagen 
der sozialen Versicherung, sowie die gesetzlichen Bestimmungen über Mutter- und 
Kinderschutz zu erteilen ist. Besondere Lehrgegenstände sollen ferner Armen- 
pflege und Hauswirtschaftslehre für wirtschaftlich schlecht gestellte Familien 
bilden. Der Abschluß des Lehrganges erfolgt, soweit tunlich, durch eine mehr- 
wöchige praktische Tätigkeit unter Leitung einer Kreisfürsorgerin und durch Ab- 
legung einer Prüfung. 

Die zweite Vortragende, Fräulein Wilhelmine Schubert (München) 
machte über Die Anforderungen der Praxis an die Kreisfürsorgerin etwa folgende 
Ausführungen: Die Kreis- und Bezirksfürsorgerin wird die praktische Tätigkeit 
in ihrem Arbeitsgebiet damit beginnen, daß sie alle jene Persönlichkeiten kennen 
zu lernen sucht, die — durch Beruf oder Neigung — in der Fürsorge tätig oder 
dafür interessiert sind: Kreisarzt, Verwaltungsbeamte, Arzte des Kreises, Vor- 
mundschaftsrichter, die Gemeindewaisenräte und die Gemeindevorsteher, Ge- 
meindeschwestern, Schwesternschaften, die Träger aller vorhandenen Wohlfahrts- 
einrichtungen, Hebammen. Aus dieser Fühlungnahme ergibt sich von selbst, daß 
die Fürsorgerin Einblick gewinnt in die Art und die Lebensgewohnheiten der Be- 
völkerung (Landwirtschaft, Industrie, Hausindustrie), insbesondere in gesundheit- 
licher Hinsicht. Die praktische Tätigkeit wird in allen Orten, in denen Fürsorge- 
einrichtungen schon bestehen, an diese angegliedert werden. Sind noch keine 
vorhanden, so ist es Aufgabe der Fürsorgerin, ihre Einrichtung anzuregen und 
vorzubereiten. Bei allen vorhandenen Fürsorgestellen (Säuglings- und Klein- 
kinder-, Tuberkulose-, Krüppelfürsorgestellen) soll die Fürsorgerin, soweit mög- 
lich regelmäßig, als Helferin des Arztes anwesend sein. Die belehrende Tätigkeit 
besteht im wesentlichen im Abhalten von Vorträgen mit praktischen Unter- 
weisungen in Säuglings- und Kinderpflege und Ernährung und den einfachsten 
Grundsätzen der häuslichen Hygiene bei Mütterabenden, in Mädchenvereinigungen, 
bei Fortbildungsschülerinnen und, wo sich das ermöglichen läßt, in den obersten 
Klassen der Mädchenschulen. Die wichtigste Arbeit der Fürsorgerin besteht in 
lückenlosen, nach Bedürfnis und Möglichkeit wiederholten Hausbesuchen bei 
allen Schwangeren, Wöchnerinnen, Müttern von Säuglingen und Kleinkindern 
und bei allen Pflegekindern des Bezirkes. 

An die Verhandlungen schloß sich eine rege Aussprache an. 


Krippenkonferenz. 


Kommerizenrat Übelen (Hannover-Linden): „Zur Frage der Fabrikkrippe.‘“ 
Nach den Berichterstattungen der Krankenkassen ist die Zunahme der weib- 
lichen Versicherten im Kriege auf eine halbe Million zu schätzen. Am 1. April 1917 
waren mehr Frauen als Männer krankenversicherungspflichtig: 4266000 gegen 
4230000. Während für die Frau gesetzliche Bestimmungen vorhanden sind 
(Reichsversicherungsordnung, Gewerbeordnung), die ausreichend sind, um sie 
vor gesundheitlichen Nachteilen zu schützen, ist das Kind, dem die Mutter durch 


III. Therapeutische Notizen. 198 


außerhäusliche Erwerbstätigkeit entzogen wird, in seinem Dasein schwer ge- 
fährdet. In Gegenden mit ausgedehnter weiblicher Fabrikarbeit herrscht oft er- 
schreckend hohe Säuglingssterblichkeit. Geht die Mutter zur Arbeit, so kann sie 
ihr Kind nicht stillen. Es gilt daher, Maßnahmen zu treffen, die die Weiterstillung 
des Kindes — möglichst ein halbes Jahr — wenigstens aber ein Vierteljahr — 
ermöglichen. Neben der von Rott vorgeschlagenen Maßnahme, für das erste 
Vierteljahr nach der Geburt ein Arbeitsverbot zu erlassen, kommt die Einrichtung 
von Fabrikkrippen in Betracht, die sich in Österreich und auch in ihrer eigent- 
lichen Heimat, den romanischen Ländern, gut bewährt haben. Es sind zwei Formen 
von Fabrikkrippen zu unterscheiden: 1. die Fabrikstillkrippe oder Stillstube; 
2. die bei uns bekanntere Form, eine Krippe wie jede andere, die im Bereiche 
‘der Fabrik liegt und neben künstlich genährten Säuglingen auch Kinder bis zum 
dritten bis sechsten Lebensjahre, bisweilen auch Schulkinder aufnimmt und sich 
damit dem Kindergarten und Kinderhort nähert. Der Zweck der Stillkrippe ist 
ausschließlich, der Arbeiterin die Möglichkeit zu geben, ihr Kind selbst zu stillen, 
auch nach der Wiederaufnahme der Arbeit. Um dies durchführen zu können, be- 
darf es auch der Gewährung von Arbeitspausen von seiten der Fabrikleitung. 
Daß die Stillkrippe bisher in Deutschland vereinzelt geblieben ist, dürfte auf Be- 
denken in gesundheitlicher und finanzieller Hinsicht zurückzuführen sein. Nach 
den vorliegenden ärztlichen Berichten sind die geäußerten gesundheitlichen Be- 
denken nicht stichhaltig. Was den zweiten Grund anbetrifft, so kann der Vortr., 
der Generaldirektor der Mechanischen Weberei in Hannover-Linden, die seit vielen 
Jahren eine Fabrikkrippe für 50 Säuglinge, 80 Kleinkinder im Alter von 2—6 Jahren 
und 110 Schulkinder bis zu 14 Jahren unterhält, einen Nachteil für den Fabrik- 
betrieb nicht erblicken. Dagegen erwachsen einem Betriebe durch eine Krippe 
auch schon insofern Vorteile, als sie sich die Arbeiterinnen seßhaft machen kann. 
Die Krippe der Mechanischen Weberei erfreut sich auch bei der Arbeiterschaft 
großer Beliebtheit. Die Kosten der Einrichtung einer Fabrikkrippe sind aller- 
dings keine geringen. Sie sind nicht groß, beschränkt man sich nur auf eine Still- 
krippe, größer, wenn die Krippe auch mit größeren Kindern belegt werden soll; 
aber die Kosten machen sich bezahlt. Man kann auch mit bescheidenen Mitteln 
hygienisch einwandfreie Einrichtungen schaffen. 


Privatdozent Hohlfeld (Leipzig): „Die Gefahr der Infektionskrankheiten 
in den Krippen und ihre Bekämpfung.“ Die Gefahr der ansteckenden Krank- 
heiten ist in der Krippe groß, weil diese Krankheiten in den Jahren, denen die 
Krippenkinder angehören, ungleich häufiger zum Tode führen als jenseits dieser 
Altersgrenze. Dazu kommt die Eigenart des Krippenbetriebes, der es mit sich 
bringt, daß die Kinder jederzeit außerhalb der Krippe eine ansteckende Krank- 
heit erwerben und in die Krippe einschleppen können. Wer diese Krankheiten 
wirksam bekämpfen will, muß daher immer auf dem Posten sein. Deshalb ist die 
Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten in erster Linie eine Aufgabe für den 
Arzt und das Pflegepersonal. Erfüllen diese ihre Pflicht, so kann man die an- 
steckenden Krankheiten wirksam bekämpfen, wenn die Raumfrage in befriedigen- 
der Weise gelöst ist. Dazu gehört die Beschränkung des Betriebes auf die Ver- 
sorgung von etwa 40 Kindern, die Vermeidung von Überfüllung, besonders im 
Aufnahmeraum, und eine zweckmäßige Verteilung der Kinder neben dem Vor- 
handensein von Absonderungsräumen. Diphtherie und Masern verlangen be- 
sondere Abwehrmaßregeln. 

Den Verhandlungen folgte eine rege Diskussion. 


III. Therapeutische Notizen. 


Zur Behandlung des Scharlachs schreibt Dr. Ströll (München): ‚Bei dieser 
Krankheit ist gleich von deren Beginn an folgende Inhalation bei Tag (2 stünd- 
lich) nötig: 

Rp. Thymol 0,5 
Alkoh. absolut. 5,0 
Aqu. dest. tepid. ad 500,0 

S. z. inhalieren. 


Zentralbl. f. Kinderhikde. 22. 18 


194 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 9. 


Diese Inhalationen müssen bis zur Apyrexie fortgesetzt werden. Hierdurch 
werden die Bakterien im Munde und Rachen vernichtet und so die Entstehung 
von Komplikationen, wie schwere Angina, Lymphadenitis, Otitis media, verhütet. 
Um aber auch die Wirkung der Scharlachtoxine zu zerstören und dadurch eine 
Nephritis zu verhindern, ist weiter noch nötig gleich vom Beginn des Scharlachs 
an Darreichung folgender Arznei: 

Rp. Natr. benzoic. 


Tinct. Myrrh. 5,0 

Aqu. dest. 100,0 

Syr. cort. aurant. 20,0 
S. n. Bericht. 


Diese Arznei muß bis zur Fieberlosigkeit 2 stündlich gegeben werden, und 
zwar bei Kindern ein Kinderlöffel (10,0), bei Erwachsenen ein Eßlöffel. Bei dieser 
Behandlung erfolgt auch entweder eine sehr rasche Abschuppung oder nur eine 
sehr geringe, so daß die Dauer der Erkrankung gekürzt wird. Da Verf. den Er- 
folg dieser Behandlung erst an 5 Patienten erproben konnte, ihm aber zahlreiche 
Scharlachfälle nicht zu Gebote stehen, so bittet er um Nachprüfung. 

(Allg. m. Zztg. 1916. Nr. 50.) 


Providoformbehandlung der Diphtherie. Von Dr. G. A. Wätzoldt und 
Dr. J. v. Roznowski. (Aus der I. und II. inneren Abteilung des Städtischen 
Krankenhauses Moabit in Berlin.) Verff. konnten durch die Behandlung weder 
eine Beschleunigung des lokalen Krankheitsablaufes, noch eine Beschleunigung 
des Eintritts der endgültigen Bazillenfreiheit erzielen. Auch ist nach ihren Er- 
fahrungen unwahrscheinlich, daß eine dauernde Providoformbehandlung Diph- 
theriebazillenträger bazillenfrei machen könnte. Versuche mit der Salbenbehand- 
lung der Nasendiphtherie sind noch nicht abgeschlossen, doch berechtigen die 
bisherigen Erfahrungen nicht zu großen Hoffnungen. 

(Ther. d. Gegenw. Novemb. 1916.) 


Bei Nasendiphtherie spritzt Dr. H. Schwerin (Berlin) nicht in jedem Falle 
Serum ein, sondern nur bei Fällen mit hoher Temperatur und schwerer Beein- 
trächtigung des Allgemeinbefindens.. Sonst genügt es, mehrmals täglich weiße 
Präzipitatsalbe mit einem Glasstäbchen tief in die Nasenlöcher einzustreichen, 
nachdem etwa vorhandene Borken vorher mit Öltampons aufgeweicht sind. 
Diese Behandlung wirkte ausnahmslos vorzüglich. (M. m. W. 1916. Nr. 46.) 

Schwerste Larynxstenose in zwei Fällen durch Suprarenin beseitigt. Von 
Dr. Riebes (Hachenburg). Einmal handelt es sich um einen 2 jährigen Knaben 
mit fortgeschrittener Diphtherie, bei dem die Tracheotomie nicht mehr indiziert 
erschien, weil der Prozeß schon auf den Bronchialbaum hinabgestiegen zu sein 
schien. Verf. trug gerade Augentropfen bei sich, die er bei Schwellung und Rötung 
der Bindehaut mit promptem Erfolge benutzt: 


Rp. Zink. sulfur. 0,01 
Cocain. mur. 0,1 
Suprarenin (1: 1000) 3,0 
Ag. dest. 10,0 


Es kam ihm nun der Gedanke, diese auch gegen die Zuschwellung der kaum 
lidspaltengroßen Stimmritze zu versuchen, um dem qualvollen Zustande des 
Kindes ein Ende zu machen. Er träufelte mit der Tropfpipette erst durch das 
eine Nasenloch 5 Tropfen ein, nach einigen Minuten ebenso durch das andere — 
der Zustand besserte sich allmählich, und nach 24 Stunden war die Lebensgefahr 
beseitigt. Im anderen Falle lag Laryngitis stridula acutissima bei einem 5 jähr. 
Kinde vor. Starke Rötung und Schwellung der Stimmbänder, der Regio intra- 
arytaenoides und Epiglottis. Hier wirkte obige Therapie sofort: der Stridor 
schwand fast augenblicklich, um nicht mehr wiederzukehren. — Wenn Verf. noch 
hinzufügt, wie eine unverdünnte käufliche Suprareninlösung (20 Tropfen), mittels 
weichen Katheters einmal in die entleerte Blase eingebracht, bei einem alten 
Prostatiker mit fieberhafter Prostatitis die 4 Wochen lang aufgehobene Fähigkeit 
spontanen Urinierens dauernd wiederherstellte, so ist wohl die weitere Empfehlung 
des Mittels als Antistenotikum überflüssig. (Ther. d. Gegenw. 1917. Nr. 2.) 


IV. -Neue Bücher. — V. Monatsechronik. 195 


IV. Neue Bücher. 


Feer. Beer der Kinderheilkunde. 4. Aufl. Jena, G. Fischer. Preis M. 13, 

geb. M. 15. 

Das Feersche Lehrbuch hat auffallend rasch die 4. Auflage erlebt, ein 
Zeichen der Wertschätzung, deren es sich unter den Fachgenossen erfreut. Wir 
haben bereits in früheren Jahren genügend hervorgehoben, daß das Werk diese 
Wertschätzung durchaus verdient. Jetzt, wo sich die Notwendigkeit allenthalben 
geltend macht, für einen gesunden und starken Nachwuchs zu sorgen, wo die 
Kinderheilkunde zweifellos noch mehr an Bedeutung gewinnen wird, ist die Ge- 
nugtuung und Freude für uns um so größer, daß wir Deutschen ein solches Lehr- 
buch besitzen. Grätzer. 
J. v. Mikulicz und Frau V. Tomasczewski. Orthopädische Gymnastik gegen 

Rückgratsverkrümmungen und schlechte Körperhaltung. 4. Aufl. Jena, 

G. Fischer. Preis M. 3, geb. M. 4,50. 

Auch dieses Buch, das schon vor dem Kriege sich einen sehr großen Freundes- 
kreis erworben und ebenfalls mit vollem Recht erworben hat, wird jetzt doppelt 
willkommen sein. Die 108 Figuren im Text ergänzen den Text aufs beste und 
führen die nötigen Übungen ausgezeichnet dem Auge vor. Grätzer. 


vV. Monats-Chronik. 


Berlin. Dr. Bahrdt, Oberarzt des Kaiserin- Auguste-Viktoria-Hauses zur 
Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit, ist zum Nachfolger von Prof. Rietschel 
als Dirigierender Arzt des Städtischen Säuglingsheims nach Dresden berufen. 

Berlin-Neukölln. Der Magistrat hat den Stadtverordneten den Bau 
eines städtischen Säuglingsheims vorgeschlagen. — Die neue Hebammenlehr- 
anstalt der Provinz Brandenburg ist eröffnet worden. Die Brandenburgische 
Hebammenlehranstalt in Frankfurt a. O. wird am 1. Oktober geschlossen. Die 
Lehrgänge in Neukölln beginnen am 2. Oktober jeden Jahres. 

Hamburg. Der Verein Kinder-Poliklinik und Säuglingsfürsorge Rothen- 
burgsort ist in sein neues Heim in der Marckmannstraße übergesiedelt. Leitende 
Ärzte: Dr. Carl Stamm und Dr. Oscar Emden (z. Z. im Heeresdienste). 

Vom 1.—1l. Oktober 1917 findet in Frankfurt a.M. ein Lehrgang für 
Kleinkinderfürsorge statt, der die sozialhygienische und sozialpäda- 
gogische Fürsorge für Kleinkinder behandeln wird. Veranstalter ist der 
Deutsche Ausschuß für Kleinkinderfürsorge, der in Form dieses Lehr- 
ganges sein gesamtes Arbeitsprogramm entwickeln wird, das eine planmäßige 
Ausgestaltung der öffentlichen und freiwilligen Fürsorgebestrebungen auf diesem 
Gebiet in Stadt und Land bezweckt. Für den Lehrgang ist folgende Disposition 
vorgesehen: 

I. Sozialhygienische Fürsorge: Verhütungsmaßregeln gegenüber Er- 
nährungskrankheiten, ansteckenden Kinderkrankheiten und konstitutionellen Er- 
krankungen. (Aufklärung durch Beratungs- und Fürsorgestellen, ärztliche Über- 
wachung von Krippen und Kindergärten sowie von Kostkindern, gesundheits- 
polizeiliche Desinfektions- und Isoliervorschriften usw.) Fürsorge für erkrankte 
Kinder in Familie und Krankenhaus, namentlich bei übertragbaren Krankheiten. 
— Fürsorge für erholungs- und kräftigungsbedürftige Kleinkinder. 

II. Sozialpädagogische Fürsorge: Erziehungshilfe bei schwer erzieh- 
baren und nicht vollsinnigen Kleinkindern, sowie bei sonstiger Erschwerung der 
häuslichen Erziehung. Fürsorge für aufsichtsbedürftige Kleinkinder erwerbs- 
tätiger Mütter in Stadt und Land. — Ersatzerziehung von Kleinkindern in der 
öffentlichen Armen- und Waisenpflege sowie in der Fürsorgeerziehung. 

Wie bei dem im Vorjahre abgehaltenen ersten Lehrgange werden Vorträge 
von Vertretern von Wissenschaft und Praxis mit Besichtigungen einschlägiger 
Anstalten abwechseln. Eine wertvolle Bereicherung des Lehrganges liegt darin, 
daß die vom Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht zusammen- 
gestellte Wanderausstellung ‚Das Kleinkind“ sich zur gleichen Zeit in Frank- 
furt a. M. befindet. 

Anmeldungen zur Teilnahme an dem Lehrgange werden bis zum 31. August 
1917 an die Geschäftsstelle des Deutschen Ausschusses für Klein- 


18* 


196 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 9. 


kinderfürsorge, Frankfurt a. M. Kottenhofweg 26, erbeten, bei der auch 
weitere Auskunft zu erhalten ist. 

In Düsseldorf soll am 1. Oktober 1917 eine Sozialakademie für Frauen 
als Ausbildungsstätte in sozialer Arbeit eröffnet werden. Bekanntlich 
ist unter der Führung des den ganzen Regierungsbezirk Düsseldorf umfassenden 
Vereins für Säuglingsfürsorge, der längst schon sein Arbeitsgebiet auf die ganze 
Wohlfahrtspflege ausgedehnt hat und seinen Namen jetzt dementsprechend auch 
in „Verein für Säuglingsfürsorge und Wohlfahrtspflege im Regierungsbezirk 
Düsseldorf“ umgeändert hat, eine sehr rege Tätigkeit in sozial-hygienischer und 
sozial-pädagogischer Ausbildung entfaltet worden. Hier ist zuerst ein großer, 
dicht bevölkerter, zusammenhängender Verwaltungsbezirk nach einheitlichen 
Gedanken mit einem Netz von Fürsorgeeinrichtungen überzcgen worden. In 
allen Kreisen des Regierungsbezirkes wirken gut ausgebildete Fürsorgerinnen, 
denen auch äußerlich und wirtschaftlich eine ihrem Können und ihren Leistungen 
entsprechende Stellung eingeräumt worden ist. Auch die systematische Fort- 
bildung der Hebammen in Säuglingspflege, die Einrichtung von Wanderlehr- 
kursen zur Verbreitung nützlicher Kenntnisse in Säuglingsfürsorge und persön- 
licher Gesundheitspflege, Wanderkurse zwecks Aufklärung in sozialer Hinsicht 
und manch anderes mehr ist zuerst im Regierungsbezirk Düsseldorf neu ge- 
schaffen worden und hat sich von da aus auf andere Teile des Landes, des Reiches 
und auch des Auslandes verbreitet. Nun hat sich der Verein nach längerer Vor- 
bereitung und Erwägung entschlossen, die bisherigen Ausbildungsarbeiten syste- 
matisch zusammenzufassen und zu einer Sozialakademie für Frauen zu erweitern. 
Die neue Anstalt wird in zweijährigem, abgeschlossenem Lehrgange alle weiblichen 
Kräfte der Fürsorge und der sozialen Berufsarbeit heranbilden, so z. B.: Kreis- 
fürsorgerinnen, ländliche Wohlfahrtsbeamtinnen, städtische Wohlfahrts-, Armen- 
und Waisenpflegerinnen, Fürsorgerinnen für Mutter- und Säuglingsberatungs- 
stellen, Trinkerfürsorgestellen, Fürsorgestellen für Geschlechtskranke, Geistes- 
kranke und für andere Einrichtungen der offenen Fürsorge und Gesundheitspflege, 
Geschäftsführerinnen und Sekretärinnen von Vereinen für Gemeinwohl, für länd- 
liche Wohlfahrtspflege, Armenpflege, für Kinder- und Jugendfürsorgeausschüsse, 
Hortleiterinnen, Jugendleiterinnen, Jugendpflegerinnen, Schulpflegerinnen, Jugend- 
gerichtshelferinnen, Gemeindehelferinnen, Beamtinnen von Rechtsauskunftsstellen, 
Arbeitsnachweisen, Gewerbeassistentinnen, Fabrikpflegerinnen, Gefangenenfür- 
sorgerinnen, Wohnungspflegerinnen und Wohnungsfürsorgerinnen usw. Den 
Abschluß des Lehrganges wird eine Prüfung unter der Leitung eines staatlichen 
Kommissars bilden, auf Grund deren ein Befähigungsdiplom ausgestellt wird. 
Angeschlossen an diesen zweijährigen Lehrgang werden zahlreiche Kurse von 
kürzerer oder längerer Dauer, welche bereits auf irgendeinem Gebiet vorgebildeten 
Gruppen von Frauen eine spezialistische Ausbildung oder eine Zusatzausbildung 
vermitteln sollen, oder welche als Wiederholungs- und Fortbildungskurse zu be- 
trachten sind. An der Gründung der Anstalt, die im wohlerwogenen Gegensatz 
zu manchen neuentstandenen Ausbildungsstätten ähnlicher Art auf Gründlich- 
keit und Vertiefung der Ausbildung Wert legen will, ist außer den sämtlichen Stadt- 
und Landkreisen des Regierungsbezirks die Versicherungsanstalt Rheinprovinz 
beteiligt. Die Leitung liegt in den Händen eines Kuratoriums, dessen Vorsitzender 
der Regierungspräsident zu Düsseldorf ist und dem der Oberpräsident der Rhein- 
provinz, der Vorsitzende der Landesversicherungsanstalt, Vertreter der Ober- 
bürgermeister und Landräte des Regierungsbezirks sowie eine Reihe von Männern 
und Frauen angehören, die eine führende Stellung auf dem Gebiete der sozialen 
Arbeit einnehmen. Die Berufung einer in diesen Fragen hervorragend befähigten 
Frau als Studiendirektorin dürfte demnächst erfolgen. Die nötigen Räume stellt 
die Stadt Düsseldorf in ihrem schönen Kunstausstellungspalast am Rhein zur Ver- 
fügung. Für die praktische Ausbildung werden alle die zahlreichen guten Ein- 
richtungen sozialer und hygienischer Art benutzt werden, die der ja heute schon 
ein einheitliches Ganze bildende Regierungsbezirk Düsseldorf bietet. Damit ist 
eine seltene Gelegenheit auch für die praktische Unterweisung an der neuen Aus- 
bildungsstätte gegeben. 


Verantwortlicher Redakteur: Sanitätsrat Dr. Eugen Graetzer in Friedenau-Berlin. — Verlag 
von Johann Ambrosius Barth in Leipzig. — Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. 


Zentralblatt tür 
Kinderheilkunde. 


Eine Monatsschrift für praktische Ärzte, 


22. Jahrgang. Oktober 1917. Nr. 10. 


I. Referate. 
A. Aus deutschen Zeitschriften. 


Folke Henschen und John Reenstierna (Stockholm), Zur Patho- 
genese der sogenannten Weilschen Krankheit: Ein Fall von 
Proteusinfektion beim Säugling. (Ztschr. f. Kinderheilkunde. 
XIV. 8.185.) Das 2 Monate alte Kind zeigte intensiven Ikterus der 
Haut und Schleimhäute, Konjunktivitis, leichten Schnupfen, beider- 
seitige Otitis und blutiges Erbrechen. Leber nicht vergrößert. Milz 
fraglich. Harn gelbgrün, enthält Gallenfarbstoff, Albumen und massen- 
haft Leukozyten, keine Zylinder. Krankheitsdauer vom Beginn des 
Ikterus an gerechnet 4 Tage. Am Tage nach der Aufnahme ge- 


. storben. 


Bei der Obduktion fand sich keine Hepatitis; mikroskopisch 
wurden erhebliche Mengen von weißen Blutkörperchen innerhalb der 
Leberkapillaren nachgewiesen. Schwere entzündliche Veränderungen 
wiesen die Nieren auf, in denen auch Bakteriennachweis am Schnitt 
gelang. Diese Bakterien dürften wohl identisch mit den kulturell 
aus dem Leichenblut gezüchteten Stämmen sein, die sich ale Proteus 
erwiesen. Schick. 

C. v. Pirquet, Die Milch als Nahrungseinheit (System der 
Ernährung I.). (Ebenda. XIV. 5.197.) Die in dem System nieder- 
gelegten Tatsachen und Überlegungen haben für den praktischen Arzt 
sehr große Bedeutung. Sie werden dem praktischen Arzt die Mög- 
lichkeit geben, in der Praxis mit einfachen Mitteln die Ernährung 
eines Menschen selbständig zu regeln. Erfahrungsgemäß ist die 
Kalorienberechnung bei Rücksichtnahme auf die einzelnen chemischen 
Teilsubstanzen (Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate) für die Praxis zu 
ompliziert. Ähnliche Erfahrung hat man äuch bei der Ernährung 
der Nutztiere gemacht. Für die Klinik brauch; man statt der 
chemischen oder physikalischen Einheit (Kalorie) eine physio- 
logische Einheit des Nährwertes. Als diese schlägt Verf. die 
Mileh vor. Als theoretisches Grundmaß dient eine Milch, von 
welcher ein Gramm bei der Oxydation im menschlichen Körper eine 
Wärmemenge von 667 kleinen Kalorien freiwerden läßt. Den Nährungs- 
wert von 1 g Milch nennt v. Pirquet Nem (Nahrungs-Einheit-Milch), 
kurz n geschrieben. Der Nahrungswert von 100 g Milch heißt Hekto- 
nem, der Nahrungswert von 1000g Milch Kılonem. Für große Mengen 
von Nährwerten dient das Tonnenem = Nährungswert von 1000 kg 
Milch. 

Alle Nahrungsmittel werden nun in bezug auf ihren Nahrungs- 
wert mit der Milch verglichen und so zubereitet bzw. in solche 


Zentralbl. f. Kinderhikde. 22. 19 


198 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 10. 


Portionen geteilt, daß ihr Nahrungswert entweder gleich 100 g Milch 
` =— 100 nem = 1 hektonem beträgt. Die Aufschreibung der genossenen 
Nahrungsmengen gestaltet sich sehr einfach. Es wird nicht das Ge- 
wicht der Nahrung notiert, sondern die Zahl der gegessenen Portionen. 
Dabei muß noch der Eiweißwert der Nahrung kontrolliert werden. 
Schick. 


C. v. Pirquet, Sitzhöhe und Körpergewicht. (System der 
Ernährung II... (Ebenda. XIV. S. 211.) Die Sitzhöhe ist die 
Distanz von der Sitzfläche zur Scheitelhöhe. Sie steht in enger 
Beziehung zum Körpergewicht und ist daher als das wichtigste 
Grundmaß des menschlichen Körpers anzusehen.. Bei gleicher Ent- 
wicklung von Muskulatur und Fettpolster ist das Verhältnis zwischen 
dem Kubus der Sitzhöhe und dem Körpergewichte in allen Lebens- 
altern konstant. 

Beim muskelkräftigen Erwachsenen und beim fetten Säugling 
ist der Kubus der Sitzhöhe gleich dem zehnfachen Körpergewicht 
(z. B. Sitzhöhe 40 cm, zehnfaches Gewicht 6400 g, das Maximal- 
gewicht eines Kindes von 40 cm daher 6400 g). Man kann dies auch 
so ausdrücken, daß man sagt: in einem Würfel, dessen Seite die 
Sitzhöhe ist, kann bei voller Ausnützung des Raumes die Masse 


von 10 Säuglingen Platz finden. Stellt man den Index Y107 Gewicht: 
Sitzhöhe in diesen Fällen auf, so beträgt sie 100; beim heran- 
wachsenden Kinde ist sie ungefähr 94, bei äußerster Abmagerung 
kann sie bis auf 81 herabsinken Diese Indexzahlen (v. Pirquet 
nennt sie „Gelidusi“) sind ein gutes objektives Maß für den Er- 
nährungszustand des Menschen. 

Der Ausdruck Gelidusi leitet sich aus folgender Konstruktion ab: 


3 8 — 

Ge = Gewicht zehnfach, Geli = Y10 Gewicht = YGe = Gewicht 
zehnfach linear, du = dividiert durch, sı = Sitzhöhe. Schick. 

Arvo Yllpö, Chronisches Fieber ohne im Leben erklär- 
bare Ursache bei Myatonia congenita. (Aus dem Kaiserin- 
Auguste-Viktoria-Haus.) (Ebenda. XIV. S. 229.) Bei einem Säug- 
ling, der an typischer Myatonia congenita litt, wurde vom 3. Lebens- 
monate bis zu seinem Tode (1 Jahr 14 Tage alt) ein ununterbrochenes, 
hoch remittierendes Fieber konstatiert. Das Kind nahm während 
dieser Zeit leidlich zu, wurde nicht besonders anämisch und hatte 
auch sonst kein besonderes krankes Aussehen. Die aktiven Be- 
wegungen wurden langsam, aber ständig kräftiger. Die Ursache des 
chronischen Fiebers konnte im Leben nicht erklärt werden. Die 
Stühle waren zeitweise etwas schaumig oder schleimig, meist jedoch 
normal. Erst bei der Sektion wurden geschlossene kleine Eiterherde 
in den vergrößerten Mesenterialdrüsen und chronisch entzündliche 
Erscheinungen im Darm festgestellt und das Fieber auf diese Befunde 
zurückgeführt. Neben Bronchopneumonia acuta als Todesursache 
ist noch hervorzuheben, daß die graue Farbe des Gehirns sich infolge 
auffallender Blässe nur wenig von der weißen Substanz abhob und 
daß die gesamte Muskulatur auffallend blaß und schwach ent- 
wickelt war. Schick. 


I. Referate. 199: 


Arvo\Yllpö, Vorübergehende, eventuell chronische Genital- 
ödeme bei Frühgeborenen auf Grund lokaler mechanischer 
Stauung. (Aus dem Kaiserin-Auguste-Viktoria-Haus.) (Ebenda. 
XIV. S 248.) Unter 235 Frühgeborenen wurde in 4 Fällen ein 
akut auftretendes, scharf umschriebenes Ödem der Genitalgegend 
beobachtet. Zweimal traten die Ödeme bei Kindern auf, die in eine 
Stoffwechselschwebe eingespannt waren. Verf. führt diese Ödeme 
auf mechanischen Druck des Ligamentum inguinale auf die Lymph- 
gefäße zurück. Außerdem dürfte auch eine ungünstige Funktion des 
Lymphgefäßsystems bei Frühgeburten ätiologisch beteiligt sein. 

Schick. 

H. Kleinsehmidt, Zur Prophylaxe der Kindertuberkulose. 
ım Kriege (Aus der Universitäts-Kinderklinik in Berlin.) (D. m. W. 
1917. Nr. 32) Die Häufung der Kindertuberkulose infolge des 
Krieges ist neben der einseitigen Kohlehydraternährung zurückzu- 
führen auf eine vermehrte Infektionsgelegenheit mit humanen und 
bovinen Tuberkelbazillen. Für die humane Infektion ergibt sich 
eine vermehrte Gelegenheit durch die kürzere oder längere Ent- 
fernung vieler Kinder aus dem elterlichen Hausstand, die ver- 
schlechterten Wohnungsverhältnisse und die Rückkehr im Heeres- 
dienst an Tuberkulose Erkrankter in die Familie. Für die bovine 
Infektion ist die verminderte tierärztliche Kontrolle der Viehbestände 
und das vielfache Fehlen sachkundiger Stallschweizer verantwortlich 
zu machen. Eine Besserung der bestehenden Verhältnisse ist nur 
durch eine zielbewußte Prophylaxe zu erreichen. Sie muß vor allem 
in der Aufklärung aller Lungentuberkulösen über die Art ihrer Er- 
krankung und die außerordentlich leichte Übertragbarkeit auf junge 
Kinder bestehen, es muß ferner eine allgemeine Warnung vor dem 
Genuß ungekochter Milch erfolgen, und schließlich ist die Zurück- 
haltung im Felde schwer Erkrankter in Anstalten zu erwägen. 

Grätzer. 


J. Zadek, Ein Fall von Sklerodermie mit typischem 
Röntgenbefund (Sklerodaktylie). (Aus der inneren Abteilung 
des Krankenhauses der Stadt Neukölln.) (B. k. W. 1917. Nr. 2.) 
Die Sklerodermie wird jetzt überwiegend als Angiotrophoneurose 
aufgefaßt. Über die Ursache der eigentümlichen Krankheit gehen die 
Ansichten noch weit auseinander. Mancherlei spricht dafür, daß die 
krankmachende Ursache am sympathischen Nervensystem angreife, 
mancherlei auch für eine ursächliche Störung der inneren Sekretion. 
Über einen in mehrfacher Beziehung interessanten Fall mit besonderem 
Röntgenbilde der erkrankten Knochen sei in folgendem berichtet. 

Aus der Krankengeschichte ist im Auszuge folgendes bemerkens- 
wert: 


Anamnestisch ist hervorzuheben, daß die l5jährige Patientin vor °/, Jahren 
eine Halsentzündung mit Fieber durchgemacht hat. Unmittelbar daran schlossen 
sich Gelenkschwellungen an Händen und Füßen mit starker Schmerzhaftigkeit. 
Nach 14 Tagen bemerkte Patientin ein ‚Steif- und Festwerden‘ der Gelenke und 
der Haut, und zwar besonders an beiden Händen und im Gesicht. Die Haut 
wurde überall zu eng und straff gespannt, diese Spannungen waren — besonders 
im Gesicht — schmerzhaft. Dazu kamen Kribbeln der Gesichts- und Hände- 
haut, Schmerzen bei Berührungen der Backen, die besonders straff und schmerz- 

19* 


900 Zentralblatt für Kinderheilkunde, Nr. 10. 


haft waren, und der Stirn, Feuchtigkeit der Hände, Vorderarme, Unterschenkel 
und Füße, die dauernd kalt waren. Die Augen traten etwas hervor. Allmählich 
wurden die Handgelenke beiderseits immer weniger beweglich: Patientin konnte 
Gegenstände nicht festhalten und voll umfassen, keine Faust mehr bilden; die 
Finger wurden ‚unsicher und steif“. Die Kopfhaare fielen stark aus, und vorüber- 
gehend war auch der Hals steif: Kopfbewegungen nach der Seite waren be- 
schränkt und schmerzhaft. Einige Wochen nach dem Beginn der Erkrankung 
traten schließlich Hautverfärbungen auf: am Halse, im Nacken, an den Händen 
und Vorderarmen, späterhin an den Knien und besonders an der Hinterseite der 
Oberschenkel färbte sich die Haut tiefbraun. In jüngster Zeit soll die Intensität 
der Pigmentation abgenommen haben, dagegen sind neue Gelenkschmerzen und 
angeblich auch Schwellungen der Handgelenke aufgetreten, seit etwa 8 Wochen 
dazu Herzklopfen bei stärkeren Bewegungen. Die Füße und Fußgelenke sind 
zuletzt frei gewesen. — Frühere Krankheiten sind nicht bekannt. Die Menstruation 
hat mit dem 14. Jahre eingesetzt und war regelmäßig, bis sie plötzlich, 3 Monate 
nach dem Beginn der Erkrankung, bis heute ausblieb. Aus der Familienanamnese 
ist nichts Besonderes bemerkenswert, speziell sind Nervenleiden nirgends vor- 
gekommen. 

Aus dem im Oktober 1916 erhobenen Befunde ist folgendes hervorzuheben: 
Kleine, grazil gebaute Patientin in mittlerem Ernährungszustand. Größe 151 cm, 
Gewicht 34 kg. Das Gesicht sieht eigentümlich gedunsen aus, indem die Backen 
beiderseits und das Kinn stark pron:inieren. Der Gesichtsausdruck ist dabei 
durch Beschränkung der mimischen Bewegungen starr. Die Haut ist prall ge- 
spannt, hart, stark glänzend, auf der Unterlage wenig, stellenweise gar nicht 
verschieblich. Die Nasenflügel und Lippen sind verkürzt, die Haut an Nase und 
Mund derb und straff, so daß Mund und Nase sehr klein erscheinen. Die Stirn- 
haut ist besonders gespannt, dünn und herb, dabei spiegelartig glänzend; die 
Venen sind deutlich sichtbar und heben sich deutlich ab. Die Bulbi sind nicht 
prominent, die Lidspalte ist weit, die Augen erscheinen groß, weil die Haut der 
Oberlider gespannt und verkürzt ist. Auch am übrigen Körper ist die Haut 
stellenweise — besonders an den Vorderarmen und Händen — derb, dünn, ge- 
spannt und glänzend. Ihre Farbe ist teils die gewöhnliche, teils dagegen bräun- 
lich pigmentiert, besonders am Nacken und Hals, an der Breitseite der Vorder- 
arme, an den Knien und in extremem Grade an der Hinterseite der Oberschenkel 
und an den Nates. In der Kniekehle ist eine scharfe Grenze zwischen normaler 
Farbe und Pigmentierung symmetrisch zu finden. Die Schleimhäute (Mund, 
Augen, Vagina) sind nirgends pigmentiert. Füße und Hände fühlen sich dauernd 
feucht und kalt an. Die Fußgelenke sind gut beweglich, ohne Krepitation, Gelenk- 
konturen normal, keine Druckschmerzhaftigkeit, ebenso die Zehengelenke. Der 
Gang ist normal. Dagegen verhalten sich die Handgelenke anders; ihre Beweg- 
lichkeit ist aktiv und passiv stark beschränkt, besonders links; Flexion ist kaum 
möglich. Keine Krepitation. Die Gelenkkonturen sind zurzeit normal. Die Haut 
an den Handgelenken und Fingern ist sehr dünn, atrophisch, glatt, glänzend, 
derb, unverschieblich. Die Finger laufen unter gleichmäßiger Verjüngung fast 
spitz aus, die Muskulatur ist atrophisch, die Beweglichkeit in den Metakarpo- 
phalangeal- und Interphalangealgelenken ist stark beschränkt. Dagegen besteht 
nirgends besonderer Druckschmerz an den Händen. Die Haut der Endphalangen 
bietet keine besonderen Erscheinungen im Vergleich zu der der übrigen Finger- 
glieder. Die Nägel sind ohne Besonderheit. Händedruck = 0, da die Hände 
zum Greifen und Umfassen nicht brauchbar sind. — Die inneren Organe bieten 
keine Besonderheiten bis auf das Herz. An allen Ostien ist ein leises systolisches 
Geräusch, besonders an der Spitze, hörbar, der zweite Pulmonalton ist akzentuiert; 
normale Größe und Konfiguration. Der Blutdruck beträgt !3%/,, (Reckling- 
hausen). Nervensystem: Motilität und Sensibilität nicht gestört, abgesehen da- 
von, daß die Empfindung an den Händen naturgemäß etwas herabgesetzt ist. 
Die Reflexe sind normal. Hirnnerven in Ordnung, Augenhintergrund frei. 
Schlaf, Appetit, Intelligenz der Patientin ist normal. Die Schilddrüse ist nicht 
vergrößert, die Genitalien sind (soweit feststellbar) nicht verändert. Urin hell, 
spezifisches Gewicht 1014—1016, Menge 1!/, Liter, ohne Eiweiß und Zucker, 
Auch nach Traubenzuckerzufuhr (100 g) und Lävulose (100g) kein Saccharum 
im Harn, ebenso nicht nach subkutaner Injektion von Adrenalin (1 ccm 1: 1000). 
Stuhl ganz normal. Kein Fieber. Puls 70—80, weich, regelmäßig. Die Blut. 


I. Referate. 201 


untersuchung ergab: Erythrozyten 4170000, Leukozyten 10800, Hämoglobin 82°/,. 
Blutbild der Leukozyten: von den polymorphkernigen Leukozyten: neutrophile 
51°/,, eosinophile 5°/,, basophile 0°/,; Lymphozyten 34°/,; große mononukleäre 
10°%/,; keine Übergangsformen, keine Myelozyten; besonders auffällig waren große 
pathologische Lymphozyten. Die Wa.-R. war negativ. Die Röntgenbilder zeigen 
an den Füßen (Gelenken usw.) keine Besonderheiten, ebenso keinen patho- 
logischen Befund an der Halswirbelsäule und an der Sella turcica. Starke 
Knochenveränderungen bestehen an beiden Händen, und zwar genau symmetrisch. 
Die Handwurzelknochen sind normal geformt, sämtliche Metakarpalknochen sind 
auffallend dünn und in der Mitte stark verjüngt; ganz besonders ausgesprochen 
an beiden Metakarpalknochen der 4. Finger. Die Grundphalangen sind ebenfalls 
stellenweise atrophisch. Die Hauptveränderung hat die Endphalangen betroffen. 
Sämtliche Finger bis auf die Endphalangen beider 4. Finger sind erkrankt. . 
Die Daumen zeigen die geringste Veränderung: die Spitzen der Endphalangen 
erscheinen etwas aufgelockert. An den übrigen Fingern finden sich schwere Zer- 
störungen. An einzelnen Fingern ist mehr als die Hälfte des Knochens ver- 
schwunden, an einigen Stellen — besonders an der Endphalange des 3. Fingers 
rechts — sind seitliche, spitz auslaufende Zacken und Fortsätze des Knochens 
deutlich sichtbar. Im übrigen fehlen Knochenverdickungen und Auflagerungen 
anz. 

i Die Diagnose lautete: Sklerodermie (Sklerodaktylie). Poly- 
arthritis rheumatica. Mitralinsuffizienz. 

Die Therapie bestand in Bädern, Massage, Elektrisieren und 
Fibrolysininjektionen. 

Uber den Verlauf ist nur so viel zu bemerken, daß Gelenk- 
rezidive nicht in die Erscheinung getreten sind. Im übrigen keine 
wesentliche Veränderung. Leichte Gewichtszunahme. Fibrolysin- 
injektionen ohne greifbaren Erfolg. Leidliches Befinden. 

Was vorstehendem Fall von Sklerodermie so interessant erscheinen 
läßt, ist einmal der akute Beginn der Krankheit nach einer Hals- 
entzündung und einem sich anschließenden Gelenkrheumatismus. Es 
wäre denkbar, daß die Sklerodermie schon vorher eingesetzt hat, 
unbemerkt geblieben ist und erst nach dem Abklingen des fieber- 
haften Prozesses stärker in die Erscheinung getreten und der Patientin 
zum Bewußtsein gebracht worden ıst. Die Angaben der Patientin 
sowohl wie der Mutter lauten jedoch so präzise dahin, daß vor der 
Halsentzündung und den Gelenkschwellungen keinerlei Störungen 
vorhanden waren; da überdies als offenbare Folge dieses Gelenk- 
rheumatismus ein Herzklappenfehler (Mitralinsuffizienz) aufgetreten 
und die bis dahin regelmäßige Menstruation plötzlich 3 Monate nach 
dem Beginn der Krankheit ausgeblieben ist, liegt es um so näher, 
den Beginn der Sklerodermie zum mindesten in zeitliche, vielleicht 
in ursächliche Beziehungen mit der Angina und dem Gelenkrheuma- 
tismus zu bringen. Man müßte sich dann die Sachlage so denken, 
daß derselbe Infekt, der für die fieberhafte Gelenkentzündung und 
Angina in Frage kommt, für die Auslösung der Sklerodermie ver- 
antwortlich zu machen ist. Daß dann im Verlauf der Erkrankung 
Störungen der inneren Sekretion hinzugetreten sind, erhellt einmal 
aus der Cessatio mensium, fernerhin aus dem Auftreten des Ex- 
ophthalmus. Es ist schwierig zu entscheiden, inwieweit die großen 
Augen der Patientin lediglich durch die eingetretene Verkürzung der 
Lidhäute zu erklären sind; bei genauer Beobachtung und unter Be- 
rücksichtigung früherer Photographien der Patientin und ihrer An- 
gaben, wonach die Augen erst vor einiger Zeit größer wurden, ist 


202 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 10. 


Verf. doch zu der Überzeugung gekommen, einen echten Exophthal- 
mus vor sich zu haben. Inwieweit die Pigmentationen zu den Er- 
scheinungen der Störungen der inneren Sekretion zu rechnen sind, 
läßt sich bei dem heutigen Stande unseres Wissens nicht abschätzen, 
zumal da die Thyreoidea nicht vergrößert gefunden wurde. 

Im übrigen geht aus der Schilderung des Status hervor, daß 
augenblicklich noch verschiedene Stadien der Krankheit bestehen; 
im gedunsenen Gesicht mit den prallen, hervorspringenden Backen 
und dem prominenten Kinn ist mehr das erste Stadium mit ödema- 
töser Schwellung (Sklerödem) zu finden, an den Händen mehr das 
atrophische Stadium. Offenbar ist die starke Beschränkung der 
Beweglichkeit der Handgelenke bei fehlendem pathologischen Befund 
in der Hauptsache bedingt durch die an den Händen am stärksten 
ausgesprochene, schmerzhafte Hautveränderung (Verkürzung, Atrophie) 
sowie durch die schwere Knochenveränderung (Metakarpus und End- 
phalangen). Auffallend erscheint schließlich die Hyperleukozytose 
und Lymphozytose im Blute. 

Das stärkste Interesse beansprucht das Röntgenogramm der 
Hände. Zwar sind einzelne Röntgenbilder atrophischer Prozesse der 
Knochen und vor allem der Endphalangen, auch von Verdickungen 
und Anlagerungen veröffentlicht, jedoch derartige schwere Zerstörungen 
der Knochen bei reiner Sklerodaktylie bisher nicht bekannt geworden. 
Dagegen sind ganz ähnliche Bilder wie das hier vorliegende bei 
Raynaudscher Krankheit (symmetrische Gangrän der Finger) be- 
schrieben worden. Damit haben wir einen Hinweis, in wie nahen 
Beziehungen diese beiden Trophoneurosen offenbar stehen, um so 
mehr, als in obigem Fall ebenfalls eine symmetrische Verteilung des 
pathologischen Prozesses an beiden Händen zu konstatieren ist. Um 
so wichtiger — und darin liegt die prinzipielle Bedeutung — erscheint 
deshalb der hier vorliegende überraschende Befund symmetrischer, 
schwerer, atrophischer Knochenprozesse bei reiner Sklerodaktylie 
ohne ulzeröse, gangränöse Veränderung der bedeckenden Weichteile 
an den Fingerspitzen, wobei es sich also klinisch nicht etwa um eine 
Kombination mit Raynaudscher Krankheit handelt. Grätzer. 

Gustav Stümpke, Beobachtungen über Rektalgonorrhoe 
bei Kindern. (Aus dem dermatologischen Krankenhause II in 
Hannover-Linden.) (M. m. W. 1916. Nr. 49.) In Verf.s Kranken- 
material war das Vorkommen der Rektalgonorrhoe bei der Vulvo- 
vaginitis der Kinder wesentlich häufiger, als das manche Beobachtungen 
früherer Autoren ergaben. In 59 Fällen der Jahrgänge 1914—1916 
wurden 33mal (also in 55,9°/,) Gonokokken in den Abstrichen aus 
dem Rektum nachgewiesen. 

Was den Verlauf der Rektalgonorrhoe des Kindes anlangt, so 
kann Verf. im allgemeinen dem Urteil früherer Beobachter sich an- 
schließen, daß es sich um ein äußerst chronisches Leiden handelt, 
das therapeutischen Einflüssen gegenüber sich sehr refraktär verhält. 
Er konnte mehrfach sehen, daß die Gonokokkenpräparate der Rektal- 
schleimhaut länger positiv waren, als die aus der Urethra und 
Vagina angefertigten, d.h. daß in zahlreichen Fällen viele Monate 
lang positive Befunde im Rektum anzutreffen waren. 


I. Referate, 208 


Auf der anderen Seite machte er in einer Minderzahl von Fällen 
die entgegengesetzte Beobachtung, daß nämlich die Rektumpräparate 
ohne jede Behandlung schon nach ganz kurzer Zeit (2—83 Wochen) 
dauernd negativ ausfielen, und er hält es nicht für ausgeschlossen, 
daß in solchen Fällen, vorausgesetzt, daß auch die sonstigen Vor- 
. bedingungen vorhanden sind, nicht eine eigentliche Erkrankung der 
Schleimhaut vorlag, sondern daß die Gonokokken als Nebenbefund 
in einer sonst gesunden Schleimhaut festgestellt wurden. 

Leider mußte Verf. auch einige Rückfälle an Rektalgonorrhoe 
verzeichnen, wobei die Verhältnisse allerdings so lagen, daß im 
Vordergrunde des Krankheitsbildes eine heftige Vulvovaginitis stand, 
so daß die klinisch lange nicht so in die Erscheinung tretende Er- 
krankung der Rektalschleimhaut mit einer gewissen Wahrscheinlich- 
keit von der Vulva aus zustande gekommen war. 


Noch ein Wort zu den klinischen Erscheinungen, die äußerst 
gering sind! Dieselben bestehen fast durchweg lediglich in einer 
stärkeren Rötung und Schwellung der erkrankten Schleimhaut. Ge- 
schwürige Prozesse sind nach den Mitteilungen von Mucha sehr 
selten, auch Verf. hat sie in den Fällen, die er daraufhin untersuchte, 
nicht gefunden. Dagegen scheint es, daß ganz oberflächliche Erosionen 
hier und da zur Beobachtung gelangen. Uber Abszesse und Strik- 
turen, die im Verlauf einer Rektalgonorrhoe in seltenen Fällen ent- 
stehen können, ist Verf. nichts bekannt, er hat sie bei seinem Material 
nicht gesehen. Grätzer. 


B. Laquer (Wiesbaden), Hilfsschule, Ehe und Nachkommen- 
schaft. (Ebenda.) Anknüpfend an ein Referat in der gerichtlich- 
medizinischen Abteilung des 1913er internationalen medizinischen 
Kongresses, stieß Verf. in einem Versuch, die Unterlagen und Ziele 
der Eugenik in die Kreise der Ärzte und gebildeten Laien zu tragen, 
auf die Frage, ob und wieviel Hilfsschulentlassene heiraten, welche 
Aussichten wirtschaftlich solche Ehen haben und wie die Nach- 
kommenschaft dieser verheirateten Hilfsschüler und Hilfsschülerinnen 
beschaffen ist, ob also nicht letzten Endes eine dysgenische Kette 
vor uns liegt, welche aufzuzeigen und zu durchbrechen unsere Pflicht 
ist. Die Zahl dieser ins Leben und in die Ehe tretenden Hilfsschul- 
entlassenen ist nicht gering; in Deutschland gibt es zurzeit (1913) 
in 330 deutschen Städten 1850 Hilfsschulklassen mit 40000 Schülern 
und Schülerinnen (allein in Berlin 1913 bei 224187 Volksschulkindern 
2830, d.h. über 1 Promille); und wenn man diese 1 Promille der 
Gesamtzahl der in den deutschen Volksschulen untergebrachten etwa 
10747000 Volksschulkinder zugrunde legt, so ergibt sich die Zahl 
von 107470 Schwachbefähigten — schwachbefähigt auch für den 
Kampf um die wirtschaftliche Existenz und für Erzeugung einer 
tüchtigen Nachkommenschaft, für Hinaufpflanzung, nicht für bloße 
Fortpflanzung. Man kann, ohne den Zahlen und Tatsachen Gewalt 
anzutun, auch von den 716400 Jungen und Mädchen, welche Privat- 
und höhere Schulen besuchen, 1 Promille schwachbefähigte rechnen; 
dann erhöht sich die obige Zahl auf etwa 115000. Zieht man die 
Absterbeziffern ab, so ist die Möglichkeit der Kinderzeugung für 


204 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 10. 


etwa 10000 Paare, von denen Mann oder Frau vorher schwach- 
befähigt und hilfsschulbedürftig gewesen, jährlich gegeben, wobei nur 
die Zahl der staatlichen Eheschließungen, nicht die der zeugungs- 
willigen Paare zugrunde liegt. 

Daß unsere Hilfsschulen lange genug bestehen, um die Ehereife 
der von ihnen entlassenen Zöglinge zu ermöglichen, beweist folgende 
‚ Aufstellung: Halle a. d. Saale 1860 (Jahr der Errichtung der Hilfs- 
schule), Dresden 1867, Leipzig 1881, Elberfeld 1881, Braunschweig 
1886, Reichenbach i. V. 1886, Krefeld 1886, Chemnitz 1886, Aachen 
1888, Kassel 1888, Düsseldorf 1888, Bremen 1889, Altona 1889, 
Erfurt 1890, Weimar 1890, Hamburg 1892. 

An die Leiter dieser Schulen sandte Verf. nun einen Fragebogen 
mit der Bitte um Ausfüllung; natürlich wurde die streng vertrauliche 
Behandlung der Namen und der Herkunft im voraus zugesagt und 
eine ebenso taktvolle und vorsichtige Erforschung der Familien und 
Lebensverhältnisse der verheirateten Hilfsschulentlassenen empfohlen. 
Die betreffenden Schulen sollten mit römischen, die erforschten Ehen 
mit arabischen Ziffern veröffentlicht werden. 

Die Fragebogen waren gerade verschickt worden, als der Krieg 
ausbrach; nur ein Hilfsschulleiter hatte etwa 100 Fragebogen aus- 
gefüllt; die Durchsicht derselben ergab, daß die Aszendenz der 
Kinder zu stark betont worden und die Hauptfrage der dysgenischen 
Kette zu wenig beobachtet worden war; bei einer eventuellen Wieder- 
holung ist eine mündliche Einzelinstruktion der Hilfsschulleiter und 
ein Zusammenarbeiten mit ärztlichen Sachverständigen dringend er- 
forderlich. Ä Grätzer. 


M. Pfaundler (München), Kleinkinderkost im Kriege. 
(Ebenda. 1916. Nr. 50.) Verf. betrachtet die Verhältnisse, wie sie 
jetzt in München bestehen, und zeigt, daß dem Bedarf an Nahrung 
ın den einzelnen Bestandteilen wie im ganzen für kleine Kinder ent- 
sprochen ist, und zwar hinsichtlich der Kohlehydrate sogar im Über- 
schuß. 


Unter den Nahrungsmitteln dürfte Nichtbeschaffbarkeit wegen 
zu hohen Preises für manche Kreise in Frage kommen bei Fleisch 
und Ei. Es wurde daher erwogen, wie sich Konsum und Bedarf zu- 
einander stellen würden, wenn Fleisch und Ei aus unserer Klein- 
kinderkost gänzlich und ersatzlos gestrichen wären. Solches würde 
sich lediglich beim Eiweiß und demgemäß beim Gesamtbrennwert 
als Minderung bemerkbar machen, wie folgt: 


Eiweiß pro kg und Tag Kalorien pro kg und Tag 
K 


Konsum Bedarf onsum Bedarf 
Dreijährige . .. .... 3,68 3,68 111 81 
Fünfjährige . ...... 3,0g 3,3g 93 -78,5 


Altere Kleinkinder kämen hiernach für Eiweiß also etwas unter 
die ‚„Bedarfszahlen“ Camerers. Hier wird man sich jenes der 
Siegertschen Versuche erinnern, der sich auf einen 41/,jährigen 
Knaben bezieht. Dieser nahm täglich 1,89 g Eiweiß bei insgesamt 
84,4 Kalorien pro Kilogramm zu sich; in den 19 Tagen der Kontrolle 
gestalteten sich Stickstoff- und Gewichtsbilanz reichlich positiv; ja 


L Referate, 205 


bei weiterer Reduktion der Eiweißzufuhr auf etwa 0,7g pro Kilo- 
gramm soll der Stiekstoffansatz unverändert geblieben sein! Auch 
wer dem Vorkommen solcher Chittenden-Hindhede-Rekords im 
Kleinkindesalter nur beschränkte Bedeutung beimessen wollte, wird 
hiernach zur Vermutung gelangen, daß der oben gemeinte Fünf- 
Jährige mit 3,0 g Eiweiß und 93 Kalorien pro Kilogramm noch ganz 
gut fahren würde. An Stelle der von Siegert geforderten und als 
wahrer Eiweißbedarf bezeichneten 9—10 Eiweißkalorien von 100 Ge- 
samtkalorien trifft es in der jetzigen Münchener Kriegskost des Fünf- 
jährigen noch bei völligem Weglassen von Fleisch und Ei 13,2 Eiweiß- 
kalorıen auf 100 Gesamtkalorien, und die letzteren übersteigen den 
Bedarf. 

Mit einem ausreichenden Brennwert und Eiweißgehalt sind noch 
nicht alle Forderungen, die wir an ein Kostregime stellen, erfüllt. 
Es muß noch verlangt werden, daß die Nahrung auch sogenannte 
Rohkostbestandteille und gewisse „Komplemente“ im Sinne von 
F. v. Müller enthalte, an denen durch einseitige Zusammensetzung 
oder Denaturierung Mangel eintreten kann, daß sie abwechslungs- 
reich, in richtiger ‚Korrelation‘ der Bestandteile, wohlschmeckend 
und bekömmlich sei. All dies trifft für die jetzige Kleinkinderkost 
zu. Ihrer Bekömmlichkeit und ihren Dauererfolgen nach dürfte sie 
für die überwiegende Mehrzahl der Kleinkinder der in vielen Kreisen 
der städtischen Bevölkerung (besonders Wohlhabende und Mittel- 
stand) vormals üblichen sogar überlegen sein. Was hier die Kriegs- 
kost von der Friedenskost unterscheidet, ist im wesentlichen folgendes: 
Jene hält sich im ganzen nicht allzu weit vom Bedarf, ist jedenfalls 
keine richtig abundante oder mästende, ihre vegetabilischen Bestand- 
teile überwiegen stark die animalischen, besonders sind gegenüber 
der noch vielfach üblich gewesenen Luxuskonsumption in den Kom- 
ponenten der sogenannten „kräftigen Kost“, nämlich Milch, Ei und 
Fleisch, erhebliche Beschränkungen eingetreten (Milch !/, Liter pro 
Tag, Ei und Fleisch nur gelegentlich auftretende Gerichte). Gerade 
das aber sind die Forderungen, die von vielen neueren Kinderärzten 
(wie Czerny, Heubner u. a.) seit der Jahrhundertwende immer 
wieder und sehr nachdrücklich aufgestellt worden sind. Die heutige 
Kriegskost für Kleinkinder deckt sich im großen und ganzen mit 
jener, die den besagten Fachleuten für das Gros der Fälle als die 
Kost der Wahl erscheint, als jene Diät, die vorbeugend und mitunter 
abwehrend wirksam ist gegen wichtige und häufige Kleinkinder- 
schäden. Zu diesen zählen gewisse Formen von Anämie, Anorexie, 
Obstipation, von nervösen Störungen, von chronischen und rezidi- 
vierenden Haut- und Schleimhautprozessen und Lymphoidgewebs- 
hyperplasien, die auf dem Boden angeborener Anlage u. a., besonders 
durch ein habituelles und vielfach üblich gewordenes Übermaß von 
„kräftiger Kost“ geweckt und gefördert werden. Nach dieser Auf- 
fassung von rationeller Kleinkinderkost ist von der gegenwärtigen 
Zwangslage Nutzen und nicht Schaden zu gewärtigen. Grätzer. 

F. Hahn (Nürnberg), Meningitis nach Angina; Trepana- 
tion; Heilung. (Ebenda. 1916. Nr. 52.) Es handelte sich um 
einen l5jährigen, bisher gesunden Schüler, der nach einer Angina 


.206 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 10. 


lacunaris so schwere Gehirnerscheinungen bekam, daß der Fall hoff- 
nungslos erschien. Die Operation brachte vollkommene Heilung. Man 
hatte es mit einer progressiven, phlegmonösen Leptomeningitis im 
Bereich des rechten Schläfenlappens zu tun. Grätzer. 

Nadejda Fingova und E. Delbanco, Anal-, Vulva- und Nasen- 
diphtherie als Komplikation des Typhus abdominalis. 
(Aus der Infektionsabteilung des Alexanderspitals in Sofia.) (Derm. 
Wochenschr. 1916. Nr. 38.) 


Am 8. Mai 1916 trat in die Kinderabteilung des Alexanderspitals das Kind 
Eugenia P. im Alter von 8 Jahren ein. 

Die ältere Frau, welche das Kind brachte, erzählte, daß es seit 10 Tagen. 
leidend sei. Anfangs hätte es über schwache Kopfschmerzen geklagt und Mangel 
an Appetit gezeigt. Allmählich habe sich der Zustand verschlimmert. Die Über- 
führung ins Spital sei notwendig geworden durch den großen Schwächezustand, 
die heftigen Kopf- und Brustschmerzen. Quälendes Durstgefühl. Temperatur 
habe zwischen 38 und 39° geschwankt. Der Vater an der Front, gesund. Die 
Mutter seit 2 Monaten an Typhus abdominalis krank. Ein 6jähriges Brüderchen 
seit einigen Tagen unwohl. Ein zweites — Wickelkind — gesund. 

Die kleine Patientin ist von schwacher Konstitution. Bei vollem Bewußt- 
sein beantwortet sie jede Frage zusammenhängend, jedoch apathisch. Nachts 
phantasiert sie. Das Gesicht ist blaß und müde. Brustorgane ohne nachweis- 
bare Veränderungen. Die Zunge trocken und dick belegt, die Lippen gesprungen 
und wie versengt. Der Bauch etwas aufgetrieben, ohne Knurren in der lleozökal- 
gegend. Auf der Bauchhaut sind 3—4 Roseolen zu bemerken. Die Milz bei 
Palpitation leicht vergrößert. Die Herztöne dumpf. Puls weich, ohne klaren 
Dikrotismus. 

Am 10. Mai gab das Blut ausgesprochene Widalsche Reaktion. 

Bis zum 13. Mai dauerte dieser Zustand. Das Kind hat häufige, dünne, 
kaffeebraune, stinkende Stuhlgänge. 

Vom 13. Mai an besserte sich der Zustand. Das Kind wird munterer, will 
sich im Bettchen aufsetzen, verlangt zu essen, schläft ruhig. Die Temperatur 
fällt lytisch und steht vom 17. Mai bis 19. Mai unter 37%. Die Herztätigkeit ist 
befriedigend. 

Am 19. Mai morgens läßt das Kind beim Urinieren einen Wehlaut ver- 
nehmen und klagt über Schmerzen in der Vulva. Die Untersuchung ergibt, daß 
die Vulva gerötet und geschwollen ist. An den inneren Seiten der beiden großen 
Labien finden sich Ulzerationen mit dieckem, schmutziggrauem, schwer ablös- 
barem Belag bedeckt. Die Ulzerationen erstrecken sich in Form schmaler Gräben 
bis an die Klitoris und umsäumen diese. Ebensolche, aber etwas kleinere Ulze- 
rationen sind auch in der engsten Umgebung des Anus zu bemerken und auf 
der geschwollenen, über den Analring sich verwulstenden Rektalschleimhaut. 
Die Schleimhautwulst ist wieder durch grabenförmige Geschwürsbildung in mehrere 
Lappen geteilt. Die Inguinaldrüsen, besonders rechts, geschwollen. Aus der Nase 
fließt eine schmutzige, dünne Materie. Das rechte Nasenloch ist gänzlich ver- 
stopft, seine Umgebung geschwollen. Abends Temperatur 37,8°.! 


ł Der verehrten Kollegin bin ich für die Mitbeobachtung des Falles zu 
besonderem Dank verpflichtet. Differentiell-diagnostisch kamen für uns nur noch 
ulzeröse Prozesse auf der Basis der typhösen Erkrankung in Analogie der Gaumen- 
geschwüre bei der Angina typhosa (Angina typhosa ulcerosa) u. a. in Betracht. 
Der äußere Aspekt neigte aber sehr bald die Diagnose nach der Seite der 
Diphtherie. Die Beteiligung der Nase und die bakteriologische Untersuchung 
klärten rasch den Fall. — Ob echt typhöse Ulzerationen an den Genitalien, 
nicht zu verwechseln nit Nekrosen im Anschluß an embolische Prozesse, die mir 
beim Typhus abdominalis aus der Literatur bekannt sind, überhaupt jemals 
beobachtet wurden, entzieht sich bei der derzeitigen Unmöglichkeit einer ge- 
nügenden Literatureinsicht meiner Kenntnis. Die Ausscheidung der Bazillen mit 
Harn und Fäzes läßt die Möglichkeit zu. In meiner gemeinsam mit Haas ge- 
fertigten Arbeit über die Analdiphtherie in der Unnafestschrift ist für die 
Diphtherie der Haut- und Schleimhaut der Genitokruralgegend die Möglichkeit 


I. Referate. 207 


Am nächsten Tage sind die Veränderungen in der Nase und an der Vulva 
vorgeschritten. Die bakteriologische Untersuchung des Sekretes aus der Nase 
und den Ulzerationen an der Vulva ergibt das Vorhandensein des Klebs-Löffler- 
bazillus. Von der Rachenschleimhaut und der Tonsillargegend, welche äußerlich 
nicht verändert sind, werden keine Klebs-Löfflerbazillen gewonnen. Serumein- 
spritzung von 3000 1.-E. Außerlich wird Jodoform verwendet. 

Am dritten Tage nach der Injektion beginnt die Reinigung der Ulzerationen. 
Die Sekretion aus der Nase vermindert sich gleichzeitig; am 30. Mai (am 8. Tage 
nach der Injektion) erhält die Vulva wieder ihr normales Aussehen. 

Am 11. Mai (3 Tage nach Eintritt der Eugenia P.) wird auf die Abteilung 
ihr Brüderchen Sparre P. gebracht, 6jährig, welches die gleichen klinischen 
Symptome und Erscheinungen seit 6—7 Tagen zeigt: Kopfschmerzen, Schlaf- 
losigkeit, Bauchschmerzen, allmähliches Steigen der Temperatur. Der Allgemein- 
zustand ist schlecht, die Zunge dick, belegt. Der Bauch aufgetrieben, hart; die 
Milz vergrößert. Keine Roseola, geringe Konstipation. Die Blutuntersuchung 
ergibt ausgesprochene Widalsche Reaktion. 

Der schwere typhöse Zustand dauert bei ihm bis zum 16. desselben Monats. 

Vom 16. beginnt eine Besserung des Zustandes, die Temperatur fällt lytisch. 

Am 2. Tage nach dem Erscheinen der Veränderungen in der Nase und an 
der Vulva des Mädchens verschlimmert sich der Zustand des Brüderchens; ohne 
Temperatursteigerung wird das Kind von neuem sehr schwach, apathisch, liegt 
ununterbrochen; sein Gesicht erblaßt. An diesem Tag ist der Nals rein, aber 
die Nase verstopft; aus derselben fließt dicker, grauer Eiter. Die Angulardrüsen 
sind vergrößert. Im Sekret aus Hals und Nase wird mit Bestimmtheit das Vor- 
handensein des Klebs-Löfflerbazillus festgestellt. Hier wurde eine Seruminjektion 
mit 4000 I.-E. gemacht. 

Vom 21. bis 25. Mai dauerte die Verschlimmerung des Zustandes. Die Drüsen 
vergrößern sich immer mehr und mehr, der Hals rötet sich, dem Mund entströmt 
der typische, unangenehme Diphtheriegeruch. Das Kind wird immer schwächer. 
Die Herztöne werden dumpf und leise. Puls klein und weich. 

Am 25. Mai stirbt das Kind trotz spezifischer Behandlung und aller ana- 
leptischen Mittel. 

Anzuführen ist noch, daß die Kinderbettehen nebeneinander standen und 
die Kinder stets in Berührung waren. 


Es ist klar, daß in den beiden beschriebenen Fällen es sich um 
eine Bauchtyphuserkrankung handelt, durch bakteriologisch bewiesene 
Nasendiphtherie kompliziert, welch letztere beim Jungen auf die 
Nase beschränkt blieb, dagegen beim Mädchen auch auf die Vulva 
übertragen wurde. 

Wahrscheinlich ist die Ansteckung vom Mädchen auf das 
Brüderchen übergegangen, nach dem Verlauf der Erkrankung zu 
urteilen. Indem Vorausetzung bleibt, daß die Primärdiphtherie der 
Nase viel öfter vorkommt als die der Vulva und daß die Primär- 
Nasendiphtherie manchmal in sehr leichter Form erscheinen kann 
(larvierte Diphtherie nach Heubner), sogar ohne im Anfang bemerkt 
zu werden, kann man mit größter Bestimmtheit annehmen, daß die 
Vulvainfektion der kranken Eugenia P. eine Folge der Naseninfektion 
gewesen ist. 

Die Quelle der Infektion bleibt in diesem Falle etwas dunkel. 
Die Infektion kann von außen durch gesunde Bazillenträger erfolgt 
sein oder hat sıch in den Kindern selbst befurden und sich entwickelt, 
nachdem die Widerstandsfähigkeit des Organismus gegen die bakterielle 


einer Infektion durch eventuell mit den Fäzes zur Ausscheidung kommende 
Diphtheriebazillen erwogen worden neben dem sicherlich viel häufiger vor- 
kommenden, als die Regel zu bezeichnenden Modus der Kontaktinfektion mittels 
der Finger bei einer Rachen- oder Nasendiphtherie. | Delbanco. 


208 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 10. 


Infektion sich vermindert hat infolge der typhösen Erkrankung. Diese 
Voraussetzung entspricht auch den früheren Beobachtungen in der 
Kinderabteilung, wo im Jahre 1908 eine Diphtherieepidemie ausbrach. 
Von sämtlichen Insassen erkrankten bloß 7, von welchen 5 an Typhus 
abdominalis, 1 an Influenza und 1 an Skrofulose litten. Folglich 
erkranken vorzugsweise solche, welche durch eine allgemeine oder 
lokale Schwäche für die Infektion besonders prädisponiert sind.! 
Anton, Verschlechterung der Erblichkeit bei Trinkern. 
(Die Alkoholfrage. XI. 1915. H. 3. S. 242.) Verf. führt aus, daß 
die richtige Erkenntnis falsch angewendet ist, welche dahin geht, 
daß die Trunksucht nicht nur Ursache, sondern auch die Folge einer 
erblichen Anlage ist. Weiterhin geht Verf. auf jede Schädigungen 
des Alkohols ein, welche an und für sich geeignet sind, vorhandene 
Konstitutionen zu untergraben und eine Verschlechterung der Erb- 
lichkeit zu setzen, welche aber bei richtiger Aufklärung vermieden 
werden können. Der Alkohol gefährdet zweifellos Konstitution und 
Schicksal der kommenden Generation in vielfacher Weise. Man 
muß sich dies klar vor Augen halten, denn das Schicksal und die 
menschliche Freiheit werden nicht von außen, sondern von innen ent- 
schieden. \ Kurt Boas. 
M. E. Naef, Uber Psychosen bei Chorea. (Monatsschr. f. 
Psych. u. Neurol. XLI. 1917. H. 2. 5. 65 und Inaug.-Dissertation. 
Leipzig.) Die bei Chorea auftretenden Psychosen zeigen, der Ver- 
schiedenheit der ätiologischen Ursachen entsprechend, keinen einheit- 
lichen Charakter. Nach den als funktionelle Choreaformen ange- 
sehenen Choreaformen finden sich auch ausgeprägte Geistesstörungen 
vom Charakter der Erschöpfungspsychose, nämlich Psychosen mit 
Sinnestäuschungen und traumhafter Desorientierung und Verworren- 
heit, die in höheren Graden der Erregung zu Delirium acutumartigen 
Formen führt. Die Psychose überdauert die Chorea meist um mehrere 
Monate und geht allmählich in Heilung ohne Intelligenzdefekt über. 
Außerdem kommen Geistesstörungen völlig anderen Charakters bei 
chronischen Choreaformen vor (bei Paralyse, Huntingtonscher 
Chorea usw.). Kurt Boas. 
Kraupa (Teplitz), Ein Beitrag zur Kenntnis kongenitaler 
Anastomosen der Papillen und Netzhautgefäße. (Ztschr. f. 
Augenheilk. Dez. 1916.) Fall I: Eigenartiger Konvolut von Venen, 
die von den Hauptstämmen an der Papille abzweigend, in der Macula 
ein Anastomosennetz bilden. Diese Anastomose ist wohl angeboren. 


1 Zu diesen Erfahrungen und Ausführungen der verehrten Kollegin be- 
merke ich noch, daß die erwähnten 5 Typhusfälle ebenso wie die vorliegende 
Beobachtung mit Bezug auf die Mischinfektion mit dem Diphtheriebazillus ein 
außerordentliches Interesse beanspruchen. Meines Wissens ist diese Komplikation 
des Typhus abdominalis etwas ganz Seltenes oder überhaupt noch nicht be- 
schrieben. Eine Bestätigung dieses brachte mir eine Auskunft von Herrn 
Dr. Walter Gaethgens, Abteilungsvorsteher am Hygienischen Institut in Ham- 
burg. Ihm verdanken wir die erschöpfende Bearbeitung des Typhus abdominalis 
in Lubasch-Ostertag von 1915. Die Literatur ist bis Ende 1913 berücksichtigt. 
Hier aber wie auch in der letzten Auflage des Kolle-Wassermann findet sich 
diese Komplikation nicht aufgeführt. Gaethgens teilte mir dann noch freund- 
lichst mit, daß auch in der ihm zugänglichen Literatur bis Juni 1916 diese 
Komplikation nicht bekannt geworden sei. Delbanco. 


1. Referate. 209 


Fall II: Ungewöhnliche Form eines Typus inversus, bei welchem 
die Gefäße sich nicht mehr teilen und verzweigen, außerdem findet 
sich eine seichte, graugrünliche Grube im inneren unteren Quadranten, 
aus der drei zilioretinale Arterien entspringen. Kurt Boas. 


B. Aus ausländischen Zeitschriften. 


H. A. Shteeman, De beteekenis van het facialisver- 
schijnsel voor de Konstitutie. (Nederl. maandschr. v. verlosk, 
vrouwenz. en kindergeneesk. IV. 1915. Nr. 7. S. 416.) Bei 27 Kindern 
mit ungenügendem Ernährungszustand war Chvostek positiv; davon 
hatten 50°, auch einen positiven Erb. Verf. erblickt in 81°, der 
Fälle die Ursache dieser Störungen in mangelhafter Funktion des 
Verdauungstraktus. Durch Besserung des allgemeinen Ernährungs- 
zustandes wurden die genannten Symptome zur Herabsetzung bzw. 
Verschwinden gebracht. 

Von 100 anderen Kindern hatten 72°% positiven Erb und 
Chvostek. Bei 69°/, von ihnen war ein ungenügender Ernährungs- 
zustand gegeben. Eine Labilität der Gefäße bestand in 90°/, das 
vegetative Nervensystem war in 81°/, der Fälle in Mitleidenschaft ge- 
zogen. 

Man kann daraus den Schluß entnehmen, daß das Vorhandensein 
sowohl des Chvostek als auch des Erb den höchsten Grad, des Erb 
allein den mittleren und des Chvostek allein den leichtesten Grad 
einer konstitutionellen Anomalie darstellt. Der Einfluß der Diät- 
behandlung und der spezifischen Therapie (Phosphorlebertran) war 
sehr deutlich in den Fällen des Verf.’s nachzuweisen. Kurt Boas. 

G. A. M. van Wagenburg, Revaccineeringsneuralgieen. 
(Nederlandsch Tijdschr. voor Geneeskunde. I. 1916. Heft 1. No. 18.) 
Verf. beobachtete in zahlreichen Fällen nach der Revakzination sehr 
heftige Neuralgien zirkulärer Natur. Dieselben begannen im Rücken 
in der Gegend der letzten Dorsal- bis ersten Lumbalsegmente, 
pflanzten sich dann ins Epigastrium fort und strahlten bis in den 
Leib aus. Sie imponierten aber nicht als Magendarmschmerzen. 
Verf. erblickt als Ursprung dieser eigenartigen Neuralgien eine Affek- 
tion des Sympathikus. Zumeist treten diese Neuralgien am 14. Tage 
nach der Wiederimpfung auf und hielten etwa 5, höchstens 6 Tage 
lang an. Kurt Boas. 

J. R. Eastman, Partielle Dauerkompression beider Caro- 
tides communes bei Epilepsie (Operationsresultate). (Amer. 
Journ. of med. Science. August 1915.) Verf. sah in 3 Fällen von 
Epilepsie nach der partiellen Dauerkompression beider Karotiden eine 
weitgehende Besserung eintreten und empfiehlt diese namentlich bei 
jugendlichen Personen mit genuiner oder traumatischer Epilepsie. 

Kurt Boas. 

M. Ballaban, Über den orbitogenen Hirnabszeß. (Prager 
med. Wochenschr. 1915. Nr. 3.) Mitteilung eines Falles von orbito- 
genem Hirnabszeß. Nur die exakteste neurologisch-klinische Beob- 
achtung ist imstande, das Bestehen eines orbitogenen Hirnabszesses 
zu konstatieren oder zu vermuten. Speziell einer im Ablaufe eines 


210 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 10. 


Hirnabszesses auftretenden Neuritis optici und einem für Meningitis 
positiveren Liquorbefund ist keine besondere Bedeutung beizulegen. 
Kurt Boas. 

J. P. €. Griffith, Ein Fall von akuter zerebellarer Ataxie 
bei einem Kinde mit schneller und vollständiger Heilung. 
(Amer. Journ. of the med. Science. 1916. No. 1.) An der Hand 
eines eigenen und 17 in der Literatur mitgeteilter Fälle gibt Verf. 
ein Bild der akuten zerebellaren Ataxie im Kindesalter. Als un- 
mittelbare Ursache werden häufig akute Infektionen und Traumen 
angegeben. Vestibularapparat und Labyrinth zeigten keine Störungen; 
ob sicher Läsionen im Kleinhirn vorhanden sind, läßt sich nicht mit 
Bestimmtheit sagen, kann aber angenommen werden. Störungen des 
Bewußtseins von längerer oder kürzerer Dauer wurden 11mal beob- 
achtet, andere Störungen, wie Krämpfe, Delirien usw., rühren nicht 
von Läsionen im Kleinhirn her, ebenso wie Sprachstörungen, die in 
8 Fällen zur Beobachtung kamen. Die Patellarreflexe waren meist 
lebhaft oder gesteigert. In 9 Fällen bestand Fußklonus. Selten 
bestand Hypotonie der Beinmuskulatur. In allen Fällen war Ataxie 
der Extremitäten vorhanden; willkürliche Innervation der Sphinkteren 
fehlte 3mal, Nystagmus war 5mal, Neuritis optici 1mal vorhanden. 
Vollständige Heilung trat in 7 Fällen ein, in einigen anderen be- 
deutende Besserung. Kurt Boas. 

H. Ernberg, Fall av paralysie générale hos ett barn, 
med diskussion. (Hygiea. LXXVIII. 1895/1916. [Schwedisch].) 
In dem Falle des Verf.s handelt es sich um ein jetzt 10jähriges 
Kind mit kongenitaler Lues. In der Jugend traten bereits gewisse 
Gangstörungen sowie Zeichen von Neuropathie in die Erscheinung. 
Manifest wurden die Symptome der infantilen Paralyse im 8. Lebens- 
jahre. Es bestanden deutliche Sprach- und Schriftstörungen, auf 
körperlichem Gebiete Lichtstarre der Pupille und Hyperästhesie. 
Die „vier Reaktionen“ im Blut und Liquor cerebrospinalis waren 
sämtlich positiv. Der Fall des Verf.s stellt den zweiten in Schweden 
beobachteten Fall von Paralyse im Kindesalter dar. Der erste Fall 
ist im Jahre 1908 von H. Marcus beschrieben worden. Kurt Boas. 

E. Warfvinge, Två fall av myxoedema congenitalis, med 
diskussion. (Hygiea. LXXVIII. 1891/1916. [Schwedisch].) Mit- 
teilung zweier Fälle von typischem Myxödem, die anfänglich unter 
der Flagge der Rachitis segelten. Sowohl das Symptomenbild als 
auch die Röntgenaufnahmen waren charakteristisch. In beiden Fällen 
erzielte die Thyreoidinbehandlung gute Erfolge. Diese erfolgte in 
steigenden Dosen. 

Besprechung. Ernberg macht auf gewisse Schwierigkeiten aufmerksam, 
welche sich bei der Dosierung der Schilddrüsenpräparate ergeben. Nach Ver- 
abfolgung von 1—1!/, Tabletten sah er bereits Intoxikationserscheinungen, die 
andererseits auch nach stärkeren Dosen (2 Tabletten) ausblieben. Auch bei noch 
kleineren Dosen beobachtet man manchmal starkes Schwitzen. Es ist daher 
zweckmäßig, in jedem Fall von Myxödem erst eine gewisse Toleranzgrenze für 
Schilddrüsenpräparate auszuwerten, ehe man an eine entsprechende Behandlung 
herangeht. 

Grund will die tägliche Thyreoidinmenge auf 0,20 mg beschränkt wissen. 


Er führt ferner an, daß Alt vor der eigentlichen Schilddrüsenbehandlung bei 
Myxödem erst Jod verabreicht, während Siegert die ersten 3—4 Wochen Arsen 


II. Aus Vereinen und Versammlungen. 211 


als Liquor arsenicosum, 3—6 Tropfen täglich, gibt. Dabei soll die Kost eine 
vegetabilische sein. Man kann dann bis auf 0,30 mg Schilddrüsenextrakt hinauf- 
gehen, ohne Intoxikationserscheinungen befürchten zu müssen. 
Kurt Boas. 

0. Billquist, Demonstration av en 6-månanders flicka, 
där diagnosen våger mellan myatonia congenita (Oppen- 
heim) och progressiv spinal muskelatrofii, typ Werdnig- 
Hoffmann. (Hygiea. LXXVIII. 1882/1916. [Schwedisch.) Mit- 
teilung eines Falles bei einem 6 Monate alten Säugling, bei dem 
die Differentialdiagnose schwankte zwischen Myatonia congenita 
Oppenheim und progressiver spinaler Muskelatrophie, Typus Werdnig- 
Hoffmann. In der Familie kamen 3 Fälle von spastischer Heredo- 
degeneration vor, ferner eine Fehlgeburt und eine Frühgeburt der 
Mutter. An Symptomen zeigte Pat. u.a.: hochgradige Adipesitas, 
palpable Muskelatrophie, Kontrakturen an den oberen Extremitäten 
in der für Myatonia congenita charakteristischen Art und Weise, 
typisches faradisches und galvanisches Verhalten, fibrilläre Zuckungen 
der Zunge (zuerst von Krabbe beschrieben), negative Wa.-R. im Blut, 
keine Intelligenzstörungen. Im Anschluß an die Mitteilung des Falles 
wird die Differentialdiagnose nach allen Richtungen hin ventiliert 
und die verschiedenen Erklärungsversuche der angeborenen Myatonia 
diskutiert. Kurt Boas. 


II. Aus Vereinen und Versammlungen. 


Langstein (Berlin): Die künftige Gestaltung der Kinderernährung im Kriege. 
Die Verhältnisse des Lebensmittelmarktes haben es notwendig gemacht, eine 
Reihe von speziellen Rohstoffen, die früher für Kinder verwendet wurden, der 
allgemeinen Ernährung zuzuführen. Vortr. behandelt zuerst die Ernährung der 
gesunden Säuglinge. Der kranke Säugling braucht eine Reihe malzhaltiger 
Zuckerpräparate. Zugelassen ist Löfflunds Nährmaltose und Löfflunds Malz- 
suppenextrakte (500—700 g), Soxhlets verbesserte Liebigsuppe, außerdem be- 
währte Konserven, wie Eiweißmilch und Buttermilchpräparate, ferner Plasmon, 
Nutrose, Ramogen und Malzsuppenextrakt für die Hellersche Malzsuppe. Für 
kranke Säuglinge ist 75°/,iges \urzugsweizenmehl vorgesehen. Um Mißbräuche 
zu verhüten, ist bestimmt: die Verordnung darf nur für 1 Monat erfolgen, und 
bei Verabreichung der betreffenden Präparate wird die Milch- und die Zucker- 
karte eingezogen. Es ist jetzt Gelegenheit zu einer ausgedehnten Stillpropaganda 
gegeben. (Kriegsärztliche Abende in Berlin, 22. Mai 1916. 

Habermann: Weitgehende Besserung eines an skrofulöser Keratitis leidenden 
Kindes nach Gonokokkenvakzineeinspritzungen. Bei einem 4jährigen Mädchen, 
welches wegen Vulgovaginitis gonorrhoica und schwerer skrofulöser Kerato- 
konjunktivitis sowie skrofulösem Gesichts- und Kopfekzem in Behandlung kam, 
wurde durch Einspritzung von Gonokokkenvakzine (!/,—10 Millionen intravenös) 
nicht nur die Gonorrhoe günstig beeinflußt, sondern es trat auch eine über- 
raschende Besserung der Augenerkrankung und des Allgemeinbefindens ein, nach- 
dem die vorhergegangene örtliche Behandlung mit gelber Augensalbe und Atropin- 
einträufelung monatelang ohne Erfolg gewesen war. Besonders nach den höheren 
Dosen, die stärkere Fieberreaktionen (bis zu 39°) auslösten, bildeten sich die 
Phlyktänen und Lichtscheu usw. geradezu sprunghaft nach jeder Einspritzung 
zusehends zurück. Auch bei anderen Hautkrankheiten entzündlicher Art (Sykosis, 
Furunkulose usw.) scheint diese jetzt vielfach empfohlene sogenannte unspezifische 
Fiebertherapie oft günstig einzuwirken. Neben verschiedenen Heterovakzinen 
wurden auch intramuskuläre Einspritzungen von Milch nach Saxl und Müller 
sowie schließlich Erhöhung der Körpertemperatur durch protrahierte heiße Bäder 
(Weiss) zum Teil mit Erfolg ausgeführt. 

(Niederrhein. Gesellsch. f. Natur- u. Heilkunde in Bonn, 11. Dezember 1916.) 


212 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 10. 


Rüder: Knochenmißbildung. Vortr. stellt Röntgenbilder vor von einem 
Neugeborenen, bei dem sich kolbige Verdickungen der Tibia zeigten. Die Tibia 
zeigt beiderseits eine Verkürzung um die Hälfte und eine Verdiekung um reich- 
lich das Doppelte bei vollkommen normaler Fibula. Andere Veränderungen 
waren am Knochensysteni nicht zu konstatieren. Lues wurde nicht nachgewiesen. 
Wa.-R. negativ. In der Familie keine Mißbildungen anamnestisch nachweisbar. 
Anamnestisch von Interesse war, daß ein Freund des Ehemannes, der im Felde, 
die Frau besuchte, bei dem an den Unterschenkeln sofort dieselben Mißbildungen 
auffielen. Er leugnet aber. Vortr. zeigt als Gegensatz zu dieser pathologischen 
Veränderung der Diaphyse einen extremen Fall von Chondrodystrophie, einen 
Phokomelus, im Diapositiv. Obere und untere Extremitäten fehlen vollkommen. 
Arme und Beine liegen den Schultern bzw. dem Becken direkt an. Dieser Fall 
wurde schon früher demonstriert. Eine Ursache für obige Mißbildung der Tibia 
konnte nicht festgestellt werden. (Arztl. Verein in Hamburg, 17. Oktober 1916.) 

Moro: Zur Statistik der Pneumokokkenperitonitis. Einem in der letzten 
Sitzung geäußerten Wunsche des Herrn Menge entsprechend, bringe ich eine 
Statistik über die an der Kinderklinik beobachteten Fälle von Pneumokokken- 
peritonitis. Wir verfügen nur über 19 bakteriologisch festgestellte Fälle. Alle 
wurden operiert. Mortalität 57°/,. Nur 3 Kinder jünger als 4 Jahre. Sämtliche 
19 Fälle betrafen das weibliche Geschlecht. Trotz der relativ geringen Zahl und 
ohne daran zweifeln zu wollen, daß von der Erkrankung gelegentlich auch 
Knaben befallen werden, gibt das Ergebnis doch zu denken, wieso es kommt, 
daß ein Prozeß, für den ziemlich allgemein der hämatogene Ursprung ange- 
nommen zu werden pflegt, so ausgesprochen das weibliche Geschlecht bevorzugt. 

Besprechung. Menge: Die Tuberkulose der Genitalien hat ihren Sitz 
fast ausschließlich in der Tube, und zwar in deren abdominellem Teile. Nun ist 
die Genitaltuberkulose sicher sekundär. Analog könnte man sich vorstellen, daß 
hämatogen zuerst eine Pneumokokkensalpyngitis entsteht und von ihr ausgehend 
eine Pneumokokkenperitonitis. — Wilms: Wie bei der Appendizitis die ent- 
zündliche Schwellung der Schleimhaut schließlich zu einer Inkarzeration des 
Wurmfortsatzes in sich selbst (venöse Stauung bei arterieller Zufuhr) führt und 
von da aus sich die Entzündung auf das Peritoneum fortsetzt, so kann ähnlich 
auch durch entzündliche Schwellung des anderen abdominellen Schleimhaut- 
organes, der Tube, schließlich eine Infektion des Peritoneums zustandekommen. 
Als das Primäre ist jedenfalls die Schleimhautentzündung anzunehmen. — Voll- 
hardt: Bei Nephrosen tritt oft der Tod durch Pneumokokkenperitonitis ein. 

(Naturhist.-med. Verein Heidelberg, 23. Januar 1917.) 


III. Therapeutische Notizen.: 


| Therapeutische Vorschläge aus dem Gebiete der Kinderheilkunde. Von 
Prof. F. Göppert (Göttingen. Zur Behandlung des Erbrechens bei 
schweren Magendarmerkrankungen. In der Regel weicht das Erbrechen 
bei den schweren Magendarmerkrankungen des Säuglings schon der üblichen 
Wasserdiät, doch besteht es bei einer Anzahl von Fällen, die an der Grenze der 
Intoxikation stehen, trotz Teediät weiter fort. Die übliche Verordnung, kleine 
Mengen kühlenden Getränkes zu geben, wirkt keineswegs immer erbrechenstillend 
und wird der wichtigsten Indikation, nämlich eine gründliche Durchspülung des 
Körpers zu bewirken, nicht gerecht. Dagegen gelingt es leicht, und zwar fast 
bei allen überhaupt noch in poliklinischer Behandlung zu rettenden Kindern, 
das Leiden sofort zu heben, wenn man mittels Schlundsonde 200 ccm und mehr 
Salzwasserlösung, und zwar am besten von Lullus- oder Karlsbader Mühlbrunnen, 
oder eines alkalischen Säuerlings einführt. Wichtig und für das Wohlbefinden 
des Kindes zweifellos auch sonst förderlich ist, daß die Flüssigkeit auf 39—40° C 
erhitzt wird. Es empfiehlt sich, die Sonde durch die Nase einzuführen (Katheter- 
stärke 5—7 mm). Aber auch sonst ist die Indikation zu einer forcierten Wasser- 
speisung nicht allzu ängstlich abzuwägen. Ein großer Teil der Intoxikations- 
erscheinungen, namentlich im Sommer, beruht mehr als auf etwas anderem auf 
der Verdurstung der Gewebe oder wird zum mindesten durch starke Wasser- 


1) Die mit * bezeichneten Notizen beziehen sich auf Erwachsene. 


II. Therapeutische Notizen. 218 


speisung gehoben. Man sieht nämlich in solchen Fällen nach Darmspülung oder 
Magenfüllung innerhalb von !/,—!/, Stunde oft einen so intensiven Umschlag 
des Befindens, daß man geradezu diagnostisch die scheinbar bösartigsten Fälle 
als leichte entlarven kann. Für Fälle, die man nicht unter klinische Obhut 
nimmt, empfiehlt sich daher die skizzierte Magenfüllung mit einer entsprechenden 
Darmspülung. Auch zu letzterer nehme man selbst beim hoch fiebernden Kinde 
stets eine mindestens 38—39° warme Flüssigkeit, z. B. 2—3 Liter Wasser mit 
russischem Tee oder 4 Händen voll weißem Ton. Bei über den Beginn der Tee- 
diät fortdauerndem Erbrechen scheint mir aber das beschriebene Verfahren 
obligatorisch. Eine besondere Rolle scheint mir das Erbrechen zu spielen, das 
bei den wirklich schweren Intoxikationen am 2. Tage der Behandlung wieder 
eintritt, wenn wir mit der von Finkelstein zuerst eingeführten und immer 
noch besten Therapie beginnen, nämlich dem Kinde 2stündlich 5 cem Brust- 
michl, Eiweißmilch, Buttermilch oder Molke reichen. Hier reserviere man den 
Magen für das, was er allein leisten kann, nämlich für die Nahrungsverdauung, 
und zwar muß man die kleinen Mengen unverdünnt geben und höchstens noch 
kleinste Mengen Wasser (nicht Tee) nebenher reichen. Die Wasserversorgung 
geschieht vom Mastdarm aus durch permanente Irrigation. Die hierzu nötige 
Ringersche Lösung kann man folgendermaßen herstellen: 1 gehäufter Teelöffel 
Salz auf 1 Liter Wasser, dazu 4—10 EBlöffel Kalkwasser. Als Notbehelf dienen 
4stündliche Bleibeklistiere von etwa 100g der gleichen Lösung, die mit dem 
Irrigator eingeführt werden müssen. Doch gehören solche Fälle womöglich in 
klinische Behandlung. 

Zur Behandlung der Rumination im Säuglingsalter. Das Wieder- 
käuen im Säuglingsalter ist, wie das mechanische Selbst-Hin- und Herwiegen 
des Körpers und das onanistische Reiben, eine Folge davon, daß der Säugling 
nicht in der Beschäftigung mit der Außenwelt, sondern in Gefühlen des eigenen 
Körpers seine Unterhaltung findet. Ich möchte es mit den Käfigkrankheiten 
der Tiere vergleichen. Die Rumination wird namentlich durch unzweckmäßige 
alimentäre Behandlungsversuche, aber selbst bei Brusternährung recht oft lebens- 
bedrohlich und wirkt auf alle Fälle entwicklungshemmend. Die therapeutische 
Aufgabe ist, einen dem Kinde adäquaten Reiz zu finden, der das Kind veranlaßt, 
sein Interesse auf die Außenwelt zu projizieren. Das kann gelingen durch Herum- 
tragen, Ausfahren im offenen Wagen, Verlegung auf eine Station mit älteren 
Kindern. In anderen Fällen bleibt dies wirkungslos, und man erreicht das Ziel 
dadurch, daß man an einem Faden über dem Bett eine Anzahl verschiedener 
Spielsachen, kleine Spiegel, Klappern, buntes Papier aufhängt, doch muß man 
auch hiermit wechseln, denn sobald Gewöhnung eintritt, beginnt das Leiden 
von neuem. Kleine Klapse, Anrufen usw. unterstützen pädagogisch die Maß- 
regel; denn schon im 7. bis 8. Monat besteht ein ausgesprochenes Schuldbewußt- 
sein. Der Phantasie des Arztes muß es überlassen bleiben, nach diesen An- 
deutungen den richtigen Weg zu finden. 


Zur Behandlung des Kollapses mit Zyanose bei Neugeborenen. 
Bei gesunden Brustkindern der ersten 14 Lebenstage erlebt man mitunter 
folgendes Krankheitsbild, das Verf. schon an anderer Stelle kurz erwähnt hat. 
Den Abend vorher war das Kind noch munter; vielleicht etwas unruhiger. 
Nachts trank es aus der Brust wenig oder gar nicht, und der in den Vormittags- 
stunden eiligst herbeigerufene Arzt findet ein grau-zyanotisch verfärbtes Kind 
zum Teil schon mit schnappender Atmung vor. Gewiß ist dies eine Todesart, 
wie wir sie bei der akuten Bronchitis und Bronchopneumonie des Neugeborenen 
auch ohne Hustenerscheinung finden. Alle möglichen Formen akuter Sepsis 
führen so zum Tode, gelegentlich auch einmal ein ganz akutes Erysipel. Aber 
ein erheblicher Prozentsatz dieser Kinder ist mit einem Schlage zu bessern, 
wenn man ihnen 100—150g Tee zu trinken gibt. Spätestens nach 1 Stunde 
findet man ein völlig munteres Kind vor. Die Erscheinung ist so häufig, daß 
Verf. rät, bei diesen Kindern nie ein Urteil zu fällen, bevor man nicht das kleine 
Experiment gemacht hat. Der Grund dieses schweren Anfalles kann nur auf 
einer Verdurstung beruhen, und da ist es wichtig, festzustellen, daß Verf. diesen 
Zustand eben nur bei Brustkindern gesehen hat. Bei diesen wird ja das Flüssig- 
keitsbedürfnis in einer so knappen Weise gedeckt, daß z. B. ein darmkrankes 
älteres Kind allein dadurch, wie im ersten Abschnitt erwähnt, intoxikations- 
ähnliche Zustände bekommen würde. Die dem Zustand vorhergehende Nahrungs- 


Zentralbl. f. Kinderhikde. 22. 20 


214 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 10. 


verweigerung steigert den Nahrungsmangel aufs höchste, und trotzdem würde 
es beim gesunden reifen Kinde nicht zu diesem Zustande kommen. Es gehört 
eben dazu, daß das Kind erkrankt ist, und diese Krankheit ist meistenteils ein 
scheinbar harmloser Schnupfen, den man mit Mühe nur nachweisen kann. Oft 
äußert sich die Infektion dann dadurch, daß sich nun langsam ein leichterer oder 
schwerer Husten entwickelt. In einem Falle ging ein solches Kind 14 Tage später 
an einer Bronchitis zugrunde. Meist bleibt es aber bei einer unbedeutenden 
Schwellung und Rötung der Nasenschleimhaut. Nicht mit einer Bronchitis zu 
verwechseln ist, daß man bei längerer Dauer des Zustandes etwas gröberes 
Rasseln, gelegentlich auch einmal vorübergehend etwas Knistern hört. Im 
übrigen können auch ausgesprochen atelektatische Zustände durch Durst ver- 
schlimmert und somit durch Wasser gebessert werden. Doch hat dies mit dem 
Gros der Fälle nichts zu tun. Sie sind und bleiben gebessert, sobald man die 
Wiederkehr des Durstes durch Tee verhindert. Durch 4stündliches Frottieren 
mit gleichen Teilen Spiritus und Glyzerin bzw. Franzbranntwein kann man einem 
künftigen Versinken in Sopor gewiß vorbeugen, und diese Verordnung dürfte 
auch für alle Fälle zweckmäßig sein. Aber bei reifen Kindern ist dies nicht not- 
wendig. Mit Rücksicht auf ein 11/, kg schweres frühgeborenes Kind, das den 
gleichen Zustand zeigte und ebenso durch Wasser geheilt wurde, möchte Verf. 
darauf hinweisen, daß ähnliche Zustände bei Frühgeborenen bekannt sind. Erst 
neuerdings weist Birk darauf hin, daß diese Erscheinungen am besten durch 
gewaltsame Fütterung beseitigt werden. Er deutet sie als Folgen des Hungers. 
Doch dürfte es sich wahrscheinlich. auch hier um Durstschädigung handeln. 
Während es sich hier um Neugeborene in der ersten, selten in der zweiten Lebens- 
wocne handelt, kann man doch gelegentlich auch bei älteren Brustkindern das 
gleiche erleben und auf die gleiche Art heilen, wenn ein Brustkind, das an akutem 
Schnupfen erkrankt ist, namentlich in heißer Jahreszeit, die Nahrung eine Zeit- 
lang völlig verweigert. Einen solchen Fall hat Verf. in dem zitierten Buche be- 
schrieben. Die Kenntnis der Durstschädigung ist daher nicht nur beim darm- 
kranken Kinde, wie Verf. oben geschildert, von lebensrettender Bedeutung. 

Behandlung des Azetonerbrechens. Bei bestimmten Kindern, die 
meist außerdem mit Fett und Eiweiß überernährt sind, tritt periodisch ein 
Erbrechen auf, das 2—3 Tage dauert. Weitere Krankheitserscheinungen fehlen. 
Doch bedarf es bei den meisten der Kinder irgendeiner kleinen besonderen 
Schädigung, um den Anfall auszulösen, so z. B. meist einer leichten Nasen- 
racheninfektion, seltener einer erheblichereren Erkrankung, wie fieberhafte Grippe, 
spastische Bronchitis und ähnlicher. Azetonämie und Azetonurie begleiten den 
Zustand und wachsen während desselben an, gehen ihm aber wenigstens nicht 
regelmäßig vorher. Auch die kleinsten Mengen gekühlter Nahrung werden er- 
brochen. Diesen Zustand kann man sofort beseitigen. Man erinnere sich, daß 
auch beim darmkranken Kinde das fortgesetzte Brechen bei nüchternem Magen 
verschwindet, wenn wir den Magen mit warmem Wasser dehnen. Man lasse die 
Kinder in höchstens 5—10 Minuten 250—300 g eines erwärmten Mineralbrunnens 
(Karlsbader, Lullusbrunnen oder alkalisch-muriatische Säuerlinge) trinken. Zucker- 
zusatz und Schokoladenplätzchen erleichtern die Prozedur, sind aber nicht not- 
wendig. Ernster Zuspruch muß einen etwaigen Brechversuch während des 
Trinkens unterdrücken. Nachher ist es nicht mehr nötig, und man kann ruhig 
im Sinne der Kohlehydrattherapie, die u. a. Hecker empfohlen hat, 1 Stunde 
hinterher einen dicken Kartoffelbrei reichen lassen. Das prompte Aufhören des 
Erbrechens ist sicher durch die Dehnung des Magens bedingt. Daß die Wirkung 
anhält, ist aber Wasserwirkung, also Wirkung der Durchspülung. Denn es ge- 
lingt, das gleiche Ziel auf folgenden, allerdings weniger angenehmem Wege zu 
erreichen. Man gibt dem Kinde ein hohes Klistier mit etwa 1—2 Liter warmem 
Tee, läßt die erste Menge ausstoßen, gießt dann noch einmal !/,—®/, Liter in den 
en ein. Die Entleerung wird möglichst lange gehindert. Oft erfolgt überhaupt 
eine mehr. 


Behandlung der akuten Mageninsuffizienz der Säuglinge. Kinder 
zwischen !/, und 1!/, Jahren, die chronisch darmgeschädigt sind, zeigen recht 
häufig ein Leiden, das bisher wenig beachtet worden ist. Meist handelt es sich 
um Kinder, die, schon von vornherein ernährungsgestört, eine bazilläre Ruhr mit 
ein oder mehreren Rückfällen durchgemacht haben. Doch kann auch eine Kette 
von leichteren Darmerkrankungen das Kind in diesen Zustand versetzen. Nach 


III. Therapeutische Notizen. 215 


der letzten Darmerkrankung ist der Stuhl wieder normal geworden. Das Kind 
beginnt sich zu erholen. Schon will man es aus der Behandlung entlassen, da 
wird berichtet, daB der Appetit schlechter wird, die Stühle ein wenig häufiger, 
ein wenig zerfahrener. Zum mindesten sind aber vom Darm aus keine alarmierenden 
Erscheinungen vorhanden. Bald stellt sich ein- oder zweimal am Tage leichtes 
Erbrechen ein, und wenn man nicht bald eingreift, tritt namentlich bei den 
Ruhrrekonvaleszenten in wenigen Stunden ein bedrohlicher Verfall ein, der die 
Hoffnung, hier noch helfend einzugreifen, anfänglich gering erscheinen läßt. 
Hebert man diesen Kindern 3—4 Stunden nach der so kärglich aufgenommenen 
Nahrung den Magen aus, so findet man noch erhebliche Reste vor. Man lasse 
dann im ausgespülten Magen 100—150 cem der Spülflüssigkeit, am besten eines 
der bezeichneten Brunnen, zurück, lasse 8, höchstens 12 Stunden kleine Wasser- 
mengen reichen und gebe dann 3stündlich 30 g Buttermilch mit 1—2°/, Mehl 
bzw. die gleiche Menge zusatzfreier Molke 2mal in 24 Stunden. Bei Buttermilch 
steigt man um 100—150 ccm pro Tag, setzt, wenn man auf !/, Liter angekommen 
ist, 1—2°/, Nährzucker hinzu. Sobald man ungefähr 700 ccm erreicht hat, 
reduziert man die Zahl der Mahlzeiten auf 6 und führt kurz darauf statt einer 
Buttermilchflasche eine Mittagsmahlzeit in Gestalt von in Gemüsebrühe (das 
Gemüse wird selbstverständlich nicht mitgegeben) oder Bouillon gekochtem Gries 
ein. Nach ungefähr 6 Wochen kann man dann die Buttermilch allmählich durch 
die gewöhnliche Milchmischung ersetzen, wobei freilich 500—600 ccm Milch die 
Höchstmenge bilden. Bei Anwendung von Molke steigt man erst in der gleichen 
Weise auf 7x60ccm Molke, gibt dann etwa 70 ccm Molke, 40 ccm Schleim, 
steigt höchstens bei größeren Kindern auf eine Tagesmenge von 500 ccm Molke 
und 200 ccm Schleim an und ersetzt nun täglich ungefähr 50 cem Molke durch 
50 ccm Milch. Dabei ist es wichtig, daß man nur °/, der Molke ersetzt. Zu 
gleicher Zeit führt man die Mittagsmahlzeit ein und verteilt die Molkenmahl- 
zeiten erst auf 6, dann auf 4. Zusatz von Plasmon etwa 10—20 g pro Tag, 
d. h. 1—2°/,, beeinträchtigt den Erfolg nicht wesentlich. Im allgemeinen zieht 
Verf. die Buttermilchtherapie vor, weil er in ihr bei diesem Leiden die größere 
Erfahrung hat. Doch hat er den gleichen Erfolg mit Molke erzielt. Jedenfalls 
verdient die akute Mageninsuffizienz des chronisch darmkranken Säuglings eine 
sehr viel größere Beachtung, als sie bisher gefunden hat. Mit der Aufklärung 
des Krankheitsbildes ist zugleich der Weg zur erfolgreichen Beseitigung gegeben. 
(Ther. Mhft. 1916. Nr. 12.) 


Ein neuer Ersatzsauger für Kindermilchflaschen aus präpariertem Elfenbein. 
Von Dr. Hunseus. (Aus dem Cecilienheim des Vaterländischen Frauenvereins 
Hannover.) Der Mangel an Rohgummi seit Kriegsbeginn machte es notwendig, 
für die Herstellung von Gummisaugern sich des regenerierten Gummis zu be- 
dienen. Abgesehen von der Tatsache, daß zeitweilig ein direkter Mangel auch 
an diesen so hergestellten Saugern vorhanden war, haben diese sich im Gebrauch 
nicht sonderlich bewährt. Sie reißen leicht ein und sind nicht lange haltbar. Aus 
diesen Gründen war es erklärlich, daß sich allerorten geschäftstüchtige Menschen 
fanden, die einen Ersatz für Gummisauger herzustellen sich bemühten. Teils aus 
Hartgummi, Glas oder Zelluloid in Olivenform, teils in Gestalt den sonst üblichen 
Gummisaugern nachgeahmt, lassen alle diese ‚„Ersatzsauger‘“ die Weichheit und 
Elastizität der echten Gummisauger vermissen. Nun hat der in Elfenbeindrechs- 
lerei erfahrene Fabrikant Otto Hartz in Hannover! nach vielerlei Versuchen einen 
Sauger aus präpariertem Elfenbein hergestellt, der diese beiden Eigenschaften 
aufweist und dabei leicht zu reinigen ist. Die Sauger sind aus einem Stück Elfen- 
bein gedreht und werden mittels eines Schraubgewindes auf ein aus Knochen be- 
stehendes Saugröhrchen, welches den Flaschenverschlußkork durchbohrt, auf- 
geschroben. Die Reinigung der beiden an sich selbständigen Teile kann sach- 
gemäß verschieden vorgenommen werden. Das Unterteil (Kork und Saugröhrchen) 
wird man zweckmäßigerweise vor jedem Gebrauch auskochen, während man den 
eigentlichen Sauger nach Reinigung mit kaltem Wasser entweder in sterilem Wasser, 
Borwasser (3°/,) oder einer Lösung von Kal. hypermanganic. (1: 1000) aufbewahrt. 
Bei Einlegen in letztere Lösung nimmt das Elfenbein eine schwärzliche Farbe an, 
die aber belanglos ist. Bei trockener Aufbewahrung erhärtet das Elfenbein, es 
wird aber sofort wieder weich und quellt in seine ursprüngliche Form wieder auf, 


1 Firma: ,Desa“, Deutsche Elfenbein-Sauger G. m. b. H., Hannover. 
20* 


216 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 10. 


wenn es in Wasser oder die eben genannten wäßrigen Lösungen gelegt wird. 
Längeres Auskochen führt zu einer bleibenden Formveränderung und ist deshalb 
nicht anzuraten. Nach längerer Prüfung kann Verf. diesen Elfenbeinsauger nur 
empfehlen. Die Kinder, welche bei den aus harten Stoffen hergestellten Ersatz- 
saugern Schwierigkeiten beim Trinken machten, sich oft verschluckten und ein 
Weitertrinken oft verweigerten, nahmen infolge der Weichheit den Elfenbein- 
sauger ohne Widerstreben. Da bei richtiger Behandlung der Sauger unbegrenzt 
haltbar und leicht zu reinigen ist, scheint der Preis von 2 bis 3 Mark je nach 
Größe bei der Kostspieligkeit des Rohmateriels durchaus en 
(M. Ki. 1917. Nr. 17.) 

* Die Behandlung der Urtikaria.. Von P. G. Unna (Hamburg). Bei chro- 

nischer Urtikaria müssen wir in erster Linie die anfängliche Hyperämie beseitigen. 


Das geschieht z. B. durch innere Medikation von Ammoniak in Verbindung mit 
Menthol: 


Rp. Ammon. carbon. 5,0 
Liq. Ammon. anis. 5,0 
Syr. simpl. 20,0 


Ap. Menth. pip. ad 200,0 
M. S. Stündlich 1 Kinderlöffel zwischen den Mahlzeiten. 

Wenn ausnahmsweise Ammoniak nach einigen Tagen vom Magen nicht mehr 
vertragen wird, gibt man Ichthyol in Pillen oder Kapseln (1—2 g täglich). Auch 
extern appliziere man Ichthyol; am besten betupft man Quaddeln mit reinem, 
etwas mit Wasser verdünntem Ichthyol, läßt dasselbe antrocknen und wischt über 
die ganze trockene Fläche Pasta Zink. mollis so oft auf, als ein Juckanfall sich 
meldet. Ein Aderlaß wirkt bisweilen sehr gut. Auch Suprarenin hat sich bewährt: 

Rp. Sol. Suprarenin. (1: 1000) 2,0—5,0 
Syr. simpl. 2,0 

Aq. dest. ad 100,0 

M. S. Stündlich 1 Teelöffel. 

Man kann mehrere Tage hindurch täglich 1—2 g dieser Lösung geben, bis 
der volle Erfolg erreicht ist. Endlich wären noch zu nennen Schwefelbäder. Auch 
sie wirken anämisierend, wenn sie mit gewissen Vorsichtsmaßregeln gegeben 
werden, nämlich nicht zu stark (50—100 g Schwefelleber auf ein Bad), nicht zu warm 
(etwa 350 C) und ohne die Haut nachher abzureiben oder abzutrocknen. Die Haut 
wird entweder mit Zinkpuder sanft trocken gewischt, oder besser noch, der Patient 
geht, ohne abzutrocknen, mit einem Badetuch umhüllt ins Bett und pudert erst 
nach einer halben Stunde ein, wenn die Haut trocken geworden ist. Diese Bäder 
sind besonders indiziert bei Komplikation mit Ekzem. Die Dauer der Bäder wird 
nach dem Gefühl des Patienten dosiert und kann eine halbe Stunde und mehr be- 
tragen. Ganz vortreffliche Wirkung sieht man auch von lauwarmen Douchen, 
die aus einer Gießkanne in Kopfhöhe langsam über den Körper gegossen werden. 
Auch bei Bädern und Douchen ist eine Hauptsache, daß der erzielte anämi- 
sierende Effekt nicht durch Abreiben der Haut wieder in sein Gegenteil verkehrt 
wird. Also auch hier: Trocknen im Bett, dann Puder oder Paste. Steht man 
einem schweren Falle von universeller Urtikaria mit geröteter hyperästhetischer, 
geschwollener, zerkratzter, mit Quaddeln besetzter Haut gegenüber, so ist die 
Reihe der angegebenen anämisierenden Mittel die allein in Betracht kommende. 
Anders bei unkomplizierter und örtlich begrenzter Urtikaria. Hier sind gefäß- 
lähmende Mittel, Säuren und Atropin, am Platze, z. B. Mixtura sulfur. acid. 
Althergebracht ist die äußere und innere Anwendung von Hausessig (Acid. acet. 
4°/,) und Zitronensäure. Moderner ist die Ordination von Salizyl, Natr. salizyl., 
Aspirin, Salol. Auch Baldrian wirkt gut, vor allem der Tee; aber auch Baldrian- 
präparate: Bornyval, Validol, Bromural. In letzterem ist auch Brom eine wirk- 
same Komponente. Stärker und rascher wirkt Atropin (Injektion von 0,001 oder 
Pillen zu 0,0005 3—4 stündlich. Man kann es neben Suprarenin haben: dieses 
zur Nacht, wo es den hyperämisierenden Einfluß der Bettwärme aufhebt, am 
Tage Atropin. (B. kl. W. 1916. Nr. 30/31. ) 


Verantwortlicher Redakteur: Sanitätsrat Dr. Eugen Graetzer in Friedenau-Berlin. — Verlag 
von Johann Ambrosius Barth in Leipzig. — Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. 


Zentralblatt tür 
Kinderheilkunde. 


Eine Monatsschrift für praktische Ärzte. 


22. Jahrgang. November 1917. Nr. 11. 


I. Referate. 


Eugen Schlesinger (Straßburg i. E.), Der Einfluß der durch 
die Kriegslage veränderten Ernährung auf die Schulpflicht 
der herangewachsenen Jugend. (Arch. f. Kinderheilk. LXVI. 
H. 8—4.) Der Einfluß der Krıiegskost und der durch die Kriegslage 
bedingten Ernährungsschwierigkeiten auf Kinder und die heran- 
wachsende Jugend gibt keinen Anlaß zur Besorgnis und Beunruhigung. 
Man sieht keine ungünstige Beeinflussung des allgemeinen Gesund- 
heitszustandes der Kinder. Eine Hemmung des Wachstums läßt sich 
mit Sicherheit ausschließen. Das allgemeine konstitutionelle Ver- 
halten erfährt wohl eine unbedeutende Verschlechterung; die Anzahl 
der mangelhaft entwickelten Knaben nimmt in der Volksschule etwas 
zu. Das Gewicht der Kinder im Schulalter und der jungen Leute 
blieb allerdings im Sommer 1916 etwas zurück gegenüber früheren 
Jahren, und zwar ist der Unterschied um so größer, je älter die 
Kinder sind: bei den jüngsten Kindern bis zum 9. Lebensjahre ist 
er ganz unbedeutend, bei den Lehrlingen beträgt er in den einzelnen 
Gruppen bis 21/, kg. Auch ist der Rückstand aus dem Mittelstand 
etwas größer als bei denen aus den unteren Ständen, indem ihre von 
vornherein größere Reserve stark angegriffen wird. Aber dieser 
Gewichtsverlust kann nach seiner Größe und seiner Art, einem reinen 
Fettverlust, zu ernster Besorgnis keine Veranlassung geben. Zudem 
sieht man, daß bereits im Herbst 1916 durch die günstigeren Er- 
nährungsverhältnisse während des Sommers und durch andere physio- 
logische Umstände sich wieder ein, wenn auch vielleicht nur vorüber- 
gehender, Ausgleich der ungünstigen Gewichtszunahmen im Winter 
und Frühjahr anbahnt. Die Gewichtszunahmen sind im dritten 
Vierteljahr 1916 um ebenso viel, wenn nicht in noch höherem Maße, 
regelmäßiger und größer als in der gleichen Periode früherer Jahre, 
wie die Gewichtsstillstände und -abnahmen im ersten und nament- 
lich im zweiten Vierteljahr 1916 weit häufiger sind als in den ent- 
sprechenden Zeitabschnitten vor dem Krieg. 

Immerhin verdienen die festgestellten Gewichtsabnahmen Be- 
rücksichtigung; für die herangewachsene Jugend ist der Brotanteil 
bereits erhöht worden; für die jüngeren Schulkinder ist eine Erhöhung 
des Milchanteils ins Auge zu fassen, vielleicht mancherorts in der Form 
eines zweiten Frühstücks in der Schule, um ihnen die Zulage auch 
sicherzustellen. Mit Nachdruck sind die Lehrlinge auf Verminderung 
ihrer Ausgaben für Bier und Tabak, die älteren der Volksschüler aber, 
namentlich wenn die Mutter außerhalb ihrer Familie auf Arbeit geht, 
auf die Kriegsküchen hinzuweisen. Hecker (München). 


Zentralbl. f. Kinderhikde. 22. 21 


218 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 11. 


Karl Wedholm (Upsala), Über den Einfluß der Säuglings- 
ernährung auf Ernährungszustand und Entwicklung der 
Muskulatur im Kindesalter. (Ebenda.) Brustkinder sind in 
den ersten zwei Lebensjahren wohlgenährter und muskelkräftiger 
als künstlich ernährte. Nach Beendigung des 2. Lebensjahres be- 
steht betreffs des Körperfettes und der Muskulatur kein auffallender 
Unterschied zwischen beiden. Als eine der Ursachen für die schlechtere 
Entwicklung der Muskulatur bei den Flaschenkindern muß die in 
diesem Alter so gewöhnliche Rachitis angesehen werden. 

Hecker (München). 


Ingeborg Chievitz geb. Jacobsen und Adolph H. Meyer (Kopen- 
hagen), Weitere Untersuchungen über den Keuchhusten 
nebst einer Methode zur früheren Diagnose der Krankheit. 
(Ebenda.) Komplementbindung eines Menschenserums mit dem 
Bordet-Gengouschen Bazillus als Antigen macht es überaus wahr- 
scheinlich, daß das fragliche Individuum den Keuchhusten hat oder 
kürzlich hatte. Das Ausbleiben der Reaktion ist dagegen kein 
sicheres Anzeichen dafür, daß das Individuum die Krankheit nicht 
hat oder nicht kürzlich hatte, indem die Komplementbindung erst 
etwa in der 3. oder 4. Krankheitswoche einzutreten scheint und 
nach Verlauf weniger Monate schwinden kann, in einzelnen Fällen 
noch schneller, in seltenen Fällen sogar auszubleiben scheint, wegen 
Mangel an komplementbindenden Antistoffen des Serums. Die Verff. 
sind der Ansicht, daß der Bordet-Gengousche Bazillus ohnehin 
zweifellos der Keuchhustenbazillus ist. Hecker (München). 


Adolf Baginsky (Berlin, Die „Einheitsschule“ in schul- 
hygienischer Beleuchtung. (Ebenda.) Zum Referate nicht ge- 
eignet. Hecker (München). 


Tierarzt Dr. Scheiber (Cöln-Lindenthal), Milchversorgung 
und Milchverwertung während des Krieges in Flandern. 
(Ebenda.) Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen über Milch- 
produktion in Flandern. Die Milchwirtschaft wird in der gemischten 
Form, als Zucht- und als Abmelkwirtschaft, betrieben. Die Kuh 
dient in erster Linie als Mistlieferantin für eine intensive Acker- 
wirtschaft. Die Milchlieferung nimmt erst die zweite Stelle ein. 
Die Laktationsperiode der flandrischen Kühe dauert 10—11 Monate, 
die jährliche Milchleistung beträgt 2800—8000 Liter mit einem durch- 
schnittlichen Fettgehalt von 3,6°/,. Die Haltung der Milchkühe ent- 
spricht der modernen Hygiene. Gemolken wird fast ausnahmslos 
fast dreimal täglich. Eine Reinigung der Trinkmilch durch Zentri- 
fugieren mit nachfolgendem Zusammengießen von Rahm und Mager- 
milch wird nicht gemacht. Der Milehhandel ist nicht ausgedehnt, 
meist holen die Konsumenten die Milch in offenen Kannen aus dem 
Gehöfte. Die Milehkontrolle ist mangelhaft; die Notwendigkeit von 
Stallkontrollen und die Mitwirkung von Tierärzten ist unbekannt. 
Von Maßnahmen, während des Krieges entstanden, ist die Milch- 
versorgung des spanisch-amerikanischen Hilfskomitees zu nennen, 
die sich auf Kinder bis zu 3 Jahren, die alten und kranken Leute 
der unbemittelten Klassen erstreckt; die Wohlhabenden müssen sehen, 


1. Referate. 219 


woher sie ihre Milch bekommen: ferner das Oeuvre de la goutte de 
lait, eine private wohltätige Einrichtung, die aber nur mangelhaft 
funktioniert. Eine unter Mitwirkung des deutschen Generalgouverne- 
ments ausgegebene Zeitschrift ‚Der Landmann“ sorgt für Aufklärung. 
Die Buttererzeugung wird von der deutschen Militärverwaltung sehr 
gefördert. 

Im ganzen ist die Frage der modernen Milchversorgung in 
Flandern noch so gut wie ungelöst. Die bescheidenen Anfänge sind 
größtenteils erst durch den Krieg hervorgerufen worden. 

5 Hecker (München). 

Mathilde Windmüller (Breslau), Uber Pellidol. (Ebenda.) 
Günstige Erfahrungen wurden gemacht bei Verbrennungen mit 
20/,iger P.-Vaselinsalbe, bei Pemphigus neonatorum und nässenden 
Ekzemen mit 5°/,igem P.-Boluspuder, bei chronischen Ekzemen mit 
20/ iger P.-Zinkpasta. 5 Hecker (München). 

R. Koch (Frankfurt a. M.), Über Serumtherapie bei Schar- 
lach. (Ebenda.) Erwiderung auf die Abhandlung von Charlotte 
Krause. (Ebenda. LVI. H. 1—2.) Hecker (München). 

Charlotte Krause (Berlin), Erwiderung auf Kochs Be- 
merkungen zu meiner Arbeit über Serumtherapie bei 
Scharlach. (Ebenda.) Hecker (München). 

E. Slawik, Meningismus nach Injektion von Neosalvarsan 
bei einem Säugling. (Aus der Universitäts-Kinderklinik der Prager 
Findelanstalt.) (M. Kl. 1917. Nr. 14.) Die Krankheitserscheinungen 
des Zentralnervensystems traten am 9. Tage nach der Salvarsan- 
injektion auf. Das Kind war vorher gesund. Wie ein Blitz aus 
heiterem Himmel überraschten die schweren und das Leben ge- 
fährdenden Krämpfe. 3 Tage lang schwebte das Kind zwischen Leben 
und Tod und erholte sich langsam von der schweren Erkrankung. 
Eine Schädigung ist ihm nicht geblieben, da dasselbe bei der Ent- 
lassung gesund war und seit seiner Entlassung aus der Anstalt nach 
Mitteilung seiner Mutter gesund geblieben ist und sich normal weiter- 
entwickelt hat. 

Es war nun das Niheliegendste, beim Ausbruch der Erkrankung 
an einen epileptischen oder eklamptischen Anfall zu denken. Gegen 
Epilepsie sprach der Umstand, daß der Nachweis einer hereditären 
Disposition für dieselbe nicht vorlag. Für die Annahme einer 
Eklampsie fehlten frühere anderweitige Zeichen einer spasmophilen 
Diathese. Auch die Erscheinungen vom Magendarmtraktus her 
waren von zu geringfügiger Art, als daß sie als auslösende Ursache 
für einen eklamptischen Anfall betrachtet werden konnten. Dem 
Erbrechen nach der Injektion von Salvarsan maß Verf. keine große 
Bedeutung zu, da er es nach Salvarsaninjektionen bei Säuglingen 
ziemlich häufig, mitunter auch mit Diarrhoen verbunden, auftreten 
und nach 1—2 Tagen spontan ohne stärkere Beeinträchtigung des 
Allgemeinzustandes schwinden sah, Erscheinungen, die auch schon 
von anderen Autoren beobachtet worden sind. 

Die Diagnose lautete: zerebrale Erkrankung, schwankte aber 

zwischen eitriger Meningitis oder seröser Meningitis bzw. Meningismus. 

Die Lumbalpunktion brachte die Entscheidung. Die Klarheit, der 
21” 


220 Zentralblatt für Kinderheilkunde Nr. 11. 


geringe Eiweißgehalt und das negative zytologische Resultat des 
Punktates führte also mit Berücksichtigung der eingangs erwähnten 
Kriterien zur Diagnose des Meningismus. Als Ursache der Erkrankung 
kam nur das Salvarsan in Betracht, da sich aus dem zeitlichen 
Zusammenfall der Erscheinungen mit der Injektion auch deren 
kausaler Zusammenhang in eindeutiger Weise erklären ließ. 

Außer dem ätiologischen Moment verdient das Alter des Indi- 
viduums und der günstige Ausgang der Erkrankung hervorgehoben 
zu werden. Bei einem erst 5 Monate alten Säugling ist derselbe 
bemerkenswert. Von besonderem Interesse sind ferner die Augen- 
symptome. Sie zeigten das Bild einer vorübergehenden Amaurose. 
Der leere Blick des Kindes trotz sonstigen klaren Bewußtseins, das 
Fehlen des binokularen Einstellens der Augen und das langsame 
Wiederkehren des Erkennens von Gegenständen (z. B. der ihm ver- 
trauten Milchflasche) machen es wahrscheinlich, daß das Kind auch 
nach Abklingen der zerebralen Erscheinungen noch einige Zeit blind 
war. Diese Erscheinung findet Verf. beim Meningismus infektiöser 
Ätiologie nirgends erwähnt. In seinem Falle bildet die vorüber- 
gehende Erblindung eine Komplikation, welche als eine spezifische 
Wirkung des Salvarsans auf den Augenapparat selbst aufzufassen ist. 

Die zerebralen Erscheinungen nach Injektion von Salvarsan und 
Neosalvarsan standen ım Beginn ihrer Anwendung wegen ihres 
schweren, meist letalen Ausganges ım Vordergrund des Interesses. 
Ihr gehäuftes Auftreten bei den sogenannten metaluetischen Er- 
krankungen des Zentralnervensystems, der Paralyse und Tabes, ferner 
bei Lues des Gehirns und der Menningen mahnte zur äußersten Vor- 
sicht bei dem Gebrauche des Mittels. Diese Komplikationen wurden 
nun in derartigen Fällen als Folge der Einwirkung des Salvarsans 
auf ein geschädigtes Zentralnervensystem gedeutet. Im Gegensatze 
hierzu stehen jene analogen Zwischenfälle, bei denen, wie in obiger 
Beobachtung, eine Voruntersuchung des Individuums derartige 
Schäden des Zentralnervensystems nicht auffinden läßt. Die Ur- 
sachen für deren Zustandekommen bleiben uns meist unklar. 

Obige Beobachtung betrifft zwar keinen Todesfall, wohl aber 
sehr ernste und schwere Krankheitserscheinungen infolge einer Neo- 
salvarsaninjektion, welche einen jungen Säugling gefährdeten. Wir 
müssen diesen Fall zu jenen rechnen, welche derartige Salvarsan- 
schädigungen trotz genauer Voruntersuchung nicht ausschließen 
lassen. Denn Verf. hat keine Zeichen, weder einer vorhergegangenen 
oder bestehenden Erkrankung des Zentralnervensystems noch des 
Zirkulationsapparats, bei dem Kinde feststellen können, die zu einer 
besonderen Vorsicht oder zu einer Kontraindikation der Salvarsan- 
injektion hätten mahnen müssen. Eine Insuffizienz der Nierenfunktion 
lag nach dem negativen Ergebnisse der Harnanalyse ebenfalls nicht 
vor. Von technischen Fehlern, die zur Verantwortung herangezogen 
werden könnten, da dieselben nach Ansicht Ehrlichs das Entstehen 
solcher Salvarsanschäden begünstigen, ist der „Gruppenwasserfehler‘“ 
auszuschließen. Verf. übt bei jeder Injektion wie auch bei der 
Zubereitung der Lösung peinliche Sterilisation aller dazu notwendigen 
Gegenstände. Ein anderer Fehler, der bei zu langem Stehen des 


I. Referate. 221 


Salvarsans dadurch entstehen kann, daß sich durch Oxydation das 
stärker toxische Produkt, das Paramidophenylarsenoxyd, bildet, kann 
für diesen Fall auch ausgeschlossen werden. Zur Bestätigung dieser 
Behauptung kann der Umstand angeführt werden, daß ein zweiter 
Säugling, dem die zweite Hälfte der Lösung gleichzeitig injiziert 
wurde, vollständig gesund blieb. Endlich wäre eine dritte Möglich- 
keit zu erwägen, und zwar die Überdosierung. Verf. verwendete 
0,075 g Neosalvarsan, eine Menge, die der üblichen Dosierung von 
0,015g pro Kilogramm Körpergewicht bei normaler Entwicklung 
eines mehrmonatigen Säuglings entspricht. Verf. hat bis dahin an 
dieser Dosierung bei zahlreichen Fällen festgehalten, ohne einen 
Schaden zu sehen. Dennoch ist er aber seit dieser Erfahrung mit 
der Dosierung vorsichtiger geworden und verwendet 0,01 g Neosalvarsan 
pro Kilogramm zur intramuskulären Injektion. 

Verf. ist somit geneigt, jene Idiosynkrasie des Zentralnerven- 
systems gegen Salvarsan anzunehmen, welche die überempfindliche 
Reaktion des Zentralnervensystems verursacht hat. Dennoch möchte 
er diese Erklärung als ein Ultimum refugium für jene seltenen 
Fälle hinstellen, in denen es trotz genauester Analyse des Individuums 
nicht gelingt, einen organischen Fehler als Ursache des Salvarsan- 
schadens aufzudecken. Keinesfalls kann aber dieser Fall von der 
weiteren Behandlung der Säuglinge mit Salvarsan abschrecken. Da- 
gegen mahnt uns derselbe, vor allem bei poliklinischem oder ambu- 
latorischem Material, das nach der Injektion der ärztlichen Kontrolle 
entzogen ist, bei der Dosierung äußerst vorsichtig zu sein. 

Grätzer. 

Körner (Muskau), Die bakteriologische Nachuntersuchung 
bei Diphtherie und die Behandlung der Bazillenträger. 
(Ebenda.) Verf. schreibt: 

„Im Sommer 1915 trat in der hiesigen Gegend eine Diphtherie- 
epidemie auf, welche außerordentlich hartnäckig war und sich bis in 
den Sommer 1916 hinein erstreckte. Wiederholte Beobachtungen 
machten in mir den Verdacht rege, daß die scheinbar genesenen und 
dem Verkehr mit anderen Personen wiedergegebenen Patienten häufig 
wohl doch noch in der Lage seien, die Krankheit weiter zu ver- 
breiten, d. h. daß ein Teil von ihnen als Bazillenträger zu betrachten 
sei. Es ergab sich die Notwendigkeit, alle Diphtheriekranken, welche 
in Zukunft in Behandlung kamen, einer bakteriologischen Nach- 
untersuchung zu unterziehen. Dies wurde genau durchgeführt, in- 
dem ich bei allen Patienten 4 Wochen nach der Seruminjektion einen 
Rachenabstrich in den bekannten, in den Apotheken erhältlichen 
Papierbeuteln an das Königliche Medizinaluntersuchungsamt in Bres- 
lau einschickte. 

Das Ergebnis war bei den ersten 50 in Behandlung kommenden 
Fällen folgendes: Von den 50 bakteriologisch untersuchten Fällen 
ergaben 82 einen negativen Befund, 18 einen positiven, d. h. 4 Wochen 
nach der Seruminjektion waren 36°/, der Erkrankten noch Bazillen- 
träger. Bei der 2 Wochen später vorgenommenen wiederholten bak- 
teriologischen Untersuchung dieser 18 positiv befundenen waren 10 
negativ, 8 positiv. Von diesen 8 positiven nach weiteren 2 Wochen 


229 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 11. 


5 negativ, 3 positiv. Nach weiteren 3 Wochen von diesen 3 positiven 
1 negativ, 2 positiv. Nach weiteren 4 Wochen diese beiden noch 
positiv. Nach weiteren 3 Wochen beide auch noch positiv. 

Also nach 18 Wochen waren von den 50 Fällen 2 immer noch 
als Bazillenträger zu betrachten. 

Da in diesen beiden besonders hartnäckigen Fällen ein gewisser 
Grad von Mandelhypertrophie bestand, so war anzunehmen, daß die 
Lakunen der Mandeln und vielleicht noch mehr der Raum hinter 
den Mandeln den Bazillen einen guten Schlupfwinkel boten. Alles 
fleißige Gurgeln mit desinfizierenden Lösungen war vergebens gewesen. 

Auf Anfrage bei dem Spezialarzt für Halskrankheiten Dr. J. 
in G., ob es sich nicht empfehle, die Tonsillotomie vorzunehmen, 
wurde mir erklärt, daß nach seiner Überzeugung das Vorhandensein 
von Diphtheriebazillen nicht als Behinderungsgrund für die Tonsillo- 
tomie zu betrachten sei, er rate aber, zunächst einmal 10—14 Tage 
lang täglich eine energische Pinselung des Rachenraumes mit einer 
5°/,igen wäßrigen Lösung von Methylenblau vorzunehmen und dann 
noch einmal eine bakteriologische Untersuchung folgen zu lassen. 

Da die beiden Patienten auf dem Lande wohnten, so ließ ich 
durch die in dem betreffenden Dorfe ansässige Gemeindeschwester 
die Pinselung 2 Wochen hindurch mittels des bekannten Rachen- 
pinsels mit gebogenem Drahtstiel vornehmen, und zwar abends spät, 
damit die Kinder nicht in die Lage kamen, durch Trinken von vielem 
Wasser die Lösung bald wieder zu entfernen. Die Eltern wurden 
darauf aufmerksam gemacht, daß durch die Pinselungen der Urin 
sich grün färben würde. 
= Irgendwelche unangenehmen Wirkungen haben die Pinselungen 
nicht gehabt. Nach der letzten Pinselung wartete ich noch mehrere 
Tage ab, um dann die bakteriologische Untersuchung folgen zu lassen. 

Das Ergebnis war negativ. Die hypertrophischen Mandeln waren 
abgeschwollen, und das vorher immer etwas gedunsen aussehende 
Gesicht der Kinder sah wieder frisch und normal aus. 

Ich habe seitdem den Grundsatz, jeden Diphtheriefall, bei 
welchem die bakteriologische Untersuchung 4 Wochen nach der 
Seruminjektion einen positiven Befund ergibt, mit der genannten 
Methylenblaulösung zu behandeln. Das Resultat ist auch weiterhin 
gleich gut geblieben. 

Für den behandelnden Arzt (denn nicht der Medizinalbeamte, 
sondern der behandelnde Arzt hat den Diphtheriefall der Ortspolizei- 
behörde als erledigt zu melden) ergibt sich aus den obigen Aus- 
führungen die dringende Notwendigkeit, jeden Diphtheriefall einer 
bakteriologischen Nachuntersuchung zu unterziehen, ehe er ıhn als 
erledigt abmeldet. Der Segen, der dadurch gestiftet wird, wiegt die 
geringe Mühe reichlich auf.“ Grätzer. 

Steber, Zum Verlaufe und zur Behandlung schwerer 
Spulwurmerkrankungen. (Aus der Chirurgischen Abteilung des 
Städtischen Krankenhauses in Cöln-Mülheim.) (D. m. W. 1917. Nr. 33.) 
Verf. schreibt: 

„Der durch Askariden bedingte Darmverschluß (Ileus verminosus), 
von Leichtenstern noch bezweifelt, ist nun schon häufiger. be- 


I. Referate, 228 


obachtet worden. Im allgemeinen führt er trotz recht bedrohlicher 
Erscheinungen durch rechtzeitige energische interne Therapie zu 
gutem Ausgang. Im folgenden berichte ich zuerst über einen Fall 
von Wurmileus, der ohne operativen Eingriff verloren gegangen wäre 
und der noch nach dem Eingriff der Beseitigung der ungeheuren 
Askaridenmengen durch innere Mittel erhebliche Schwierigkeiten be- 
reitete. 

Es handelt sich um ein 7jähriges Mädchen, das, am 17. April 
1917 nachmittags mit heftigen Leibschmerzen erkrankt, hier nachts 
zur Operation kam. Es bot das ausgesprochene Bild des Darm- 
verschlusses, mit eingefallenem Gesicht, aufgetriebenem, gespanntem 
Leib, kleinem schnellen Puls, Erbrechen und Stuhlverhaltung. Bei 
der Laparotomie zeigte sich ein etwa 15 cm langes Ileumstück 40 cm 
oberhalb der Ileozökalklappe durch Askaridenmassen völlig verstopft, 
auf das doppelte Lumen verbreitert, mit blaurötlich verfärbtem, matt- 
glänzendem Serosaüberzug. Im Becken fand sich reichlich trüb 
seröses Exsudat. Im weiter verlaufenden Ileum und besonders im 
Zökum und Colon ascendens waren noch unzählige Würmer. 

Es fragte sich nun, wie der Wurmknäuel am besten aus dem 
Ileum beseitigt werden konnte, um die Lebensfähigkeit und Tätig- 
keit des Darmes wiederherzustellen. Lejars empfiehlt, den Darm 
zu eröffnen und die Würmer herauszubefördern. Aber abgesehen 
von der Infektiosität dieser Manipulationen, verträgt der dann genähte 
Darm weniger die sofort einzuleitende energische Wurmabtreibungs- 
kur. Deshalb wurden aus dem uneröffneten Darm vom Wurmknäuel 
die Askariden erst einzeln, dann haufenweise gelockert und abwärts 
in das Zökum gestrichen. 

Alsbald nach der Operation wurde zur Anregung der darnieder- 
liegenden Darmperistaltik ein Einlauf gegeben, dann zur Abtreibung 
der Würmer Santonin mit Kalomel ä& 0,05, dann wieder ein Einlauf. 
Nach einigen Stunden bekam die Patientin einen Eßlöffel Rizinusöl 
in Kognak, was noch zweimal im Tage wiederholt wurde. Dazwischen 
wurde durch den elektrischen Glühlichtbogen der Bauch erwärmt. 
Die Spannung und Druckempfindlichkeit des Leibes ließ darauf nach, 
das Erbrechen blieb aus, das Aussehen besserte sich, Stuhl oder 
Flatus erfolgten aber nicht. 

Am 2. Tage wurden, nachdem eine zweimalige Gabe von Santonin 
und Kalomel abwechselnd mit Rizinusöl erfolglos geblieben war, 
2 Tassen Knoblauch in Milch und Knoblaucheinlauf verabreicht. 

Am 3. Tage wurde Oleum Chenopodii dreimal täglich 8 Tropfen 
mit nachfolgendem Rizinusöl versucht. Daraufhin trat zum ersten- 
mal Stuhl ein mit Abgang von etwa 10 Askarıiden. 

Am 4. Tage gingen dann auf weitere Gaben von Oleum Cheno- 
podii und Oleum Ricini mehr Würmer ab. Am 5. Tage wurden sie 
massenhaft entleert. Die Kur wurde fortgesetzt, bis der Stuhl dauernd 
von Würmern freiblieb. 

Andere Symptome und anderen Verlauf hatte die Krankheit bei 
der am 17. März 1917 aufgenommenen 51/,jährigen Schwester der 
Patientin gezeigt. Sie war angeblich seit 2 Tagen erkrankt mit Stuhl- 
` verhaltung und Leibschmerzen. Die Patientin war sehr unruhig, 


224 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 11. 


hatte einen kleinen, schnellen Puls und eingefallenes Gesicht. Der 
Bauch war aufgetrieben, gespannt, nirgends umschrieben druck- 
empfindlich. Erbrechen hatte die Patientin nicht. Das Bild ent- 
sprach weder einem Ileus noch einer Peritonitis. Es wurde letztere 
angenommen. Bei der Operation nach einigen Stunden fand sich 
wenig seröses Exsudat im kleinen Becken. Die Dünndarmschlingen 
waren gebläht, überall durchgängig. Im Zökum und Kolon waren 
zahlreiche Spulwürmer, ohne das Lumen zu verstopfen. Das Peri- 
toneum war frei von entzündlichen Erscheinungen. Es lag also weder 
Peritonitis noch Ileus vor. Die Appendix schien entzündlich verdickt. 
Im Lumen steckte ein Spulwurm. Appendix mit Spulwurm wurde 
entfernt. Bald nach der Operation wurde versucht, durch Einlauf 
die Peristaltik anzuregen. Es trat auch alsbald dünne Stuhlentleerung 
ein. Auf Santonin mit Kalomel erfolgte nochmals Stuhl. Die Un- 
ruhe des Kindes nahm aber von Stunde zu Stunde zu. Mehrmals 
im Laufe des Tages sprang es aus dem Bett und zeigte sich völlig 
verwirrt. Unter Krämpfen kam es dann abends ad exitum. 

Im Gegensatz zum erstbeschriebenen Falle war hier die Ein- 
wirkung der Würmer vorwiegend toxischer Art. Neben der Parese 
des Darmes traten die zerebralen Symptome in den Vordergrund. 
Im ersten Falle war das Bedrohliche die Obturation des Ileums, 
nach deren Behebung war die Hauptgefahr beseitigt. Trotzdem die 
Würmer danach noch 3 Tage und länger im Dickdarm verweilten, 
richteten sie keinen weiteren Schaden an. 

Im zweiten Falle führten sie mit ihren Produkten schon am 
8. Tage durch die zerebrale Intoxikation den Tod herbei. 

Am wirksamsten erwies sich unter den Wurmmitteln das Oleum 
Chenopodii. Im zweiten Falle kam es bei dem schnellen Verlauf 
nicht zur Anwendung- Ob es denselben hätte aufhalten können, 
erscheint zweifelhaft. Jedenfalls verdient es unter den Mitteln gegen 
Askariden den Vorzug.“ Grätzer. 

K. E. F. Schmitz, Über die Gramfestigkeit der Diphtherie- 
bazillen und ihre theoretische und praktische Bedeutung. 
(B. kl. W. 1917. Nr. 6.) Bei einer Reihe von Diphtherie- und Pseudo- 
diphtheriereinkulturen konnte festgestellt werden, daß bei 15 Minuten 
dauernder Entfärbung in absolutem Alkohol die Diphtheriebazillen 
den Gramfarbstoff leichter abgeben wie die Pseudodiphtheriebazillen. 

Diese von Langer und Krüger beobachtete Tatsache kann 
jedoch nicht als ein Merkmal gedeutet werden, das sie scharf von 
den Pseudodiphtheriebazillen trennt, und zwar aus folgenden Gründen: 

1. entfärben sich auch die echten Diphtheriebazillen nicht voll- 
kommen. Die Reste der Blaufärbung sind bei Gegenfärbung mit 
schwächeren Farbstoffen (Eosin, Vesuvin) leicht nachweisbar. 

2. Einige Monate alte Kulturen echter Diphtheriebazillen zeigten 
ziemlich hochgradige Grampositivität, besonders die sogenannten 
Degenerationsformen behielten die Gramfarbe sehr fest. 

3. Es konnte bei 2 Stämmen, die auch in ihrem sonstigen Ver- 
halten, besonders in dem langsamen Abbau der Vergärungsfähigkeit 
von Traubenzucker, einen Übergang zu den Pseudodiphtheriebazillen 
bildeten, beobachtet werden, daß dieselben bei der Herauszüchtung 


I. Referate. 225 


die Gramfarbe sehr leicht, nach einigen Monaten jedoch sehr schwer 
abgaben, sich also zuerst wie Diphtherie- und später wie Pseudo- 
diphtheriebazillen verhielten. Es erleichtert uns also eher die Gram- 
färbung mit der verlängerten Entfärbung den Nachweis, daß sich 
Diphtheriebazillen in Pseudodiphtheriebazillen umwandeln können. 


4. Bei einer großen Reihe von Rachenabstrichuntersuchungen 
konnte festgestellt werden, daß die aufzufindenden saprophytischen 
Bakterien (Heubazillen und sonstige Stäbchen, Staphylokokken, 
Streptokokken, Sarcinen, Hefen usw.) in der Mehrzahl bei der ver- 
längerten Entfärbung die Gramfarbe ebenfalls abgaben. Dieses Ver- 
halten läßt sich in den Originalpräparaten fast durchgängig finden, 
in dem Kulturpräparat sind die Bakterien etwas häufiger gut Gram- 
positiv. Es verhindert dieses Verhalten die leichtere Auffindung der 
Diphtheriebazillen im ÖOriginalpräparat. Auch die Auffindung im 
Kulturpräparat beim Vorhandensein von Kokken ist wegen dieser 
wechselnden Färbung der letzteren nicht erleichtert. Grätzer. 


Jacobitz, Die spezifische Entfärbung der Diphtherie- 
bazillen nach Langer. (Aus dem Königl. hygienischen Institut 
Beuthen O.-S.) (Ebenda.) Unter 220 zur Untersuchung auf Diphtherie- 
bazillen eingesandten Proben fanden sich bei zweien Stäbchen, die 
ihrem Aussehen, ihrer Lagerung, der bei allen deutlich auftretenden 
Polkörnchenfärbung und der gewöhnlichen Gramfärbung nach als 
typische Diphtheriebazillen anzusehen waren, während in den Prä- 
paraten nach Langer sich nebeneinander ausgesprochen Gram-positive 
und Gram-negative Stäbchen fanden. In dem einen Fall überwogen 
die Gram-positiven Stäbchen. Beide Arten von Stäbchen waren auch 
in Ausstrichpräparaten von derselben Kolonie vorhanden. Bei Uber- 
tragung einer einzelnen Kolonie auf frische Löfflerplatten waren ın 
dem einen Falle nach 24 Stunden bei 37° alle Stäbchen, nach Langer 
behandelt, entfärbt, während in dem anderen Falle erst nach einer 
weiteren Überimpfung vollkommene Entfärbung aller Bazillen fest- 
gestellt werden konnte. Die weitere bakteriologische Prüfung der ın 
Rede stehenden Stäbchen auf Säurebildung und Trübung im Thiel- 
schen Nährboden, anaörobes Wachstum und im Tierversuch ergab, 
daß es sich um eche, virulente Diphtheriebazillen handelte, und 
zwar beide Male um einen Diphtheriestamm mit einer nicht geringen 
Anzahl von Individuen, deren Gramfestigkeit durch eine 15 Minuten 
lang durchgeführte Entfärbung nicht vermindert wurde. 

Die beiden Erkrankungen betrafen Kinder von 1 bzw. 9 Jahren, 
die beiden zur Untersuchung eingesandten Mandelabstriche waren 
am 5. Krankheitstage entnommen. 

In einem dritten Falle — es handelte sich um einen Abstrich 
von den Mandeln und dem weichen Gaumen einer 31jährigen Frau — 
ergab die Untersuchung der Löfflerplatte neben anderen Bakterien, 
insbesondere Kokken, reichlich Diphtheriebazillen gleichende Stäbchen 
mit Polkörnchenfärbung, die bei der Färbung nach Langer sich voll- 
ständig entfärbten, mit der gewöhnlichen Gramfärbung aber keinen 
blauen, sondern einen helleren, mehr violetten Farbenton zeigten. 
Die weitere genaue Untersuchung ergab, daß die Stäbchen nicht 


226 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 11. 


Diphtheriebazillen waren, sondern zu den von Landau näher be- 
handelten, der Leptothrix nahestehenden Bakterien gehörten. 

Diese Beobachtungen zeigen, daß der Wert der von Langer 
angegebenen spezifischen Entfärbung der Diphtheriebazillen wohl nur 
als ein bedingter anzusehen ist und daß die Langersche Methode 
hinsichtlich ihrer differentialdiagnostischen Bedeutung noch eingehender 
Nachprüfung bedarf. Grätzer. 


Doernberger (München), Hebung der Volkskraft durch 
Kräftigung unserer Jugend. (M. m. W. 1917. Nr.1.) In den 
folgenden Leitsätzen, welche die Kommission zur Beratung von 
Fragen der Erhaltung und Mehrung der Volkskraft annahm, sollen 
nur die Wünsche zusammengefaßt werden, welche in der Haupt- 
sache der ärztliche Verein schon lange hegte, welche jedoch gerade 
jetzt allen, die es angeht, dringend ans Herz gelegt werden sollen. 


Leitsätze. 


Trotzdem sich unsere Jugend in diesem Kriege stark und aus- 
dauernd erwies, veranlassen die Verluste an Menschenleben sowie die 
Verringerung der Geburten während der Kriegszeit die Forderung, 
auf die Heranbildung des Nachwuchses zu einem wehr-, berufs- und 
lebenstüchtigen Volk noch mehr wie sonst bedacht zu sein. 

An die Kleinkinderfürsorge muß sich die Sorge für die heran- 
wachsenden Knaben und Mädchen anschließen, mit der Schulpflicht 
beginnend und bis zur Militärpflicht reichend. 

Die körperliche Erziehung ist in ihrem Werte und ihrer Not- 
wendigkeit neben die geistige zu stellen. 


Volksschule. 


Im Unterricht soll ausgiebige Belehrung über Pflege des Körpers 
und der Gesundheit stattfinden. 

Die von den Schulärzten erkannten Schwächen und Krankheiten 
sind mit allen verfügbaren Mitteln zu bekämpfen. 

In der Beratung der Angehörigen sollen Liehrerschaft und Schul- 
pflegerin den Arzt unterstützen. Aufgabe letzterer ist es, in Kriegs- 
zeiten ganz besonders. die Kinder, deren Väter im Feld stehen, ver- 
wundet oder gefallen sind, deren Mütter in Arbeit oder sonst ver- 
hindert sind, der Fürsorge, der Behandlung zuzuführen. 

Behandlungsmöglichkeiten (Schulpolikliniken, Schulzahnkliniken 
u. dgl.), etwa auf dem Boden freier Arztwahl, sind für Unbemittelte 
mehr wıe bisher zu schaffen. Für die Behandlung der Kinder Kassen- 
angehöriger wäre die Schaffung der Familienversicherung im Auge 
zu behalten. 

Die Absonderung Ansteckender, besonders Tuberkulöser, ist sehr 
wichtig. P | 

Leibliche Ubungen sind, abgesehen vom allgemeinen Schul- 
unterricht in einwandfreien Hallen und im Freien, noch durch 
Sonderturnkurse, durch vermehrte Wanderungen, Eislauf im Winter, 
Schwimmunterricht u. dgl. sowie verstärkten Spielbetrieb zu pflegen. 

Die Fürsorge durch Kinderheilstätten, Waldschulen, Ferien- 
kolonien, Speisung ist noch nicht genügend. Freiwillige Spenden in 


I. Referate. 297 


reichem Maße, größere Zuschüsse des Staates und der Gemeinde 
sind notwendig. 
Die Einrichtung der Schulärzte ist auey auf alle Landbezirke 
auszudehnen. 
leeren 


Bei den Volksschulentlassenen müssen sich Jugendpflege, ärzt- 
liche Beratung und Überwachung in die Hand arbeiten. Die allge- 
meine Einführung von Pflichtturnstunden ist immer wieder zu ver- 
langen. Der Eintritt in Turn-, Sport-, Wander- und Wehrkraftvereine 
mit anerkannt guter Leitung ist durch die Schulbehörde und die 
Lehrherren zu empfehlen und zu fördern. 

Wo Pfliehtturnunterricht innerhalb des Fortbildungsschulbetriebes 
nicht möglich wäre, hätte die Schulbehörde den Nachweis der Teil- 
nahme an Vereinsübungen obengenannter Art zu fordern. Die Art 
der Leibesübungen muß nach Berufsgruppen verschieden sein. 

Die persönliche Gesundheit und körperliche Ausbildung der Fort- 
bildungsschüler beiderlei Geschlechts ist durch Schulärzte und Ge- 
werbeärzte in ausreichender Zahl zu überwachen und zu beraten. 

Die für die körperliche Erholung und Erziehung notwendige 
freie Zeit ist außerhalb des Sonntags von den Lehrherren auf gesetz- 
lichem Weg zu erlangen. 

Belehrungen gesundheitlicher Art sind auf dieser Altersstufe be- 
sonders wichtig (Alkohol, Tabak, Geschlechtsreife). 


Höhere Lehranstalten. 


An den höheren Lehranstalten sind die körperlichen Leistungen 
bei Knaben und Mädchen neben den geistigen höher zu bewerten 
als bisher. Befreiungen vom Turnunterricht müssen Ausnahmen sein 
für körperlich ganz Unfähige. Mit Fehlern Behaftete sind nicht ganz 
zu befreien, sondern nur von bestimmten Übungen, oder je nach 
Art des Fehlers in Schonungsklassen zu vereinigen, orthopädischem 
Turnunterricht bzw. dem Spezialarzt für Orthopädie zuzuweisen, Die 
pflichtgemäßen Jugendspiele müssen mit allem Ernst unter möglichst 
allgemeiner Teilnahme betrieben werden. Der Eintritt ın bewährte 
Vereinigungen, welche die Hebung der Volks- und Wehrkraft durch 
Ertüchtigung der Jugend bezwecken, ist seitens der Schule zu be- 
fürworten. Die Schule hat für die leibliche Erholung und Kräftigung 
die nötige Zeit zu gewähren und auf die hierfür festgesetzten Stunden 
bei Einteilung und Bemessung der Hausaufgaben Rücksicht zu nehmen. 

Die Gesundheit der Schüler verträgt keine weitere Belastung des 
Lehrplanes. Derselbe ist zugunsten der körperlichen und geistigen 
Gesundheit der Jugend von allem UÜberflüssigen zu befreien, auch 
darf nicht durch die erwünschte vermehrte körperliche Erziehung an 
der Schule die Zahl der Unterrichtsstunden vermehrt und dadurch 
die freie Zeit außerhalb des Unterrichts verkürzt werden. Die Lehr- 
kräfte sollten sich möglichst selbst an der leiblichen Ertüchtigung 
der Jugend als Förderer und Führer beteiligen. 

Schulärzte sind für alle höheren Knaben- und Mädchenschulen 
aufzustellen als Berater für die Schüler, deren Angehörige und die 
Lehrer in Fragen der gesundheitlichen Erziehung. 


2928 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 11. 


Militärische Jugenderziehung. 


Vom 17. Lebensjahr an ziehe die Heeresleitung in Ergänzung 
der Wehrpflicht alle deutschen Jünglinge in Stadt und Land zur 
vorbereitenden militärischen Erziehung heran, wobei die Schule von 
ihren Rechten nichts einzubüßen brauchte 

Die nötige Zeit ist für Schüler von der Schule, für Berufs- 
beflissene von den Dienst- und Lehrherren durch gesetzliche Verord- 
nung zu erwirken. 

Die Ansprüche an den Körper müssen der jugendlichen Leistungs- 
fähigkeit angepaßt und dürfen nicht überspannt werden. 

Die Einrichtung von Schonungsgruppen macht auch die Schwäch- 
lichen tüchtiger, deren Heranziehung besonders wichtig ist. Ärztliche 
Anfangsuntersuchung und fortlaufende Überwachung scheiden auch 
hier die völlig Untauglichen aus, schützen vor Schädigung, fördern 
den Zweck. 

Überhaupt ist es notwendig, daß die Ärzte bei Bemessung der 
Leistungsfähigkeit, bei Beurteilung der Gesundheitsverhältnisse der 
ım Schul- und Lehralter stehenden Jugend mehr als bisher gehört 
werden. 

Zur Durchführung einer umfassenden körperlichen Jugend- 
ertüchtigung in Stadt und Land muß der Staat sich der weiteren 
Mithilfe der bisher bewährten Kräfte versichern und neue heran- 
bilden, muß für die nötige freie Zeit und ausreichende, brauchbare 
Übungsgelegenheiten (Hallen, Plätze, Gelände) Sorge tragen. 

Grätzer. 

H. Sauer, Über gehäufte kleine Anfälle bei Kindern 
(Pyknolepsie). (Mschr. f. Psych. u. Neurol. XL. 1916. H. 5.) 
Verf. gebraucht für die Friedmannschen gehäuften kleinen Anfälle 
das Wort Pyknolepsie. „Das Bedürfnis nach einem neuen Namen 
für das neue, von Friedmann beschriebene Krankheitsbild liegt 
sicherlich (? Ref.) vor, mag es sich nun um eine eigene Krankheit 
handeln oder nicht.“ Bezüglich der Frage nach der Einordnung des 
Krankheitsbildes (Epilepsie? Hysterie?) und der Berechtigung, es als 
nosologische Einheit aufzufassen, bestehen noch Meinungsverschieden- 
heiten. 

Verf. teilt 8 Krankengeschichten mit. Sie zeigen, daß, wenn 
auch gewöhnlich jeder Fall Monotonie bezüglich feiner Anfälle auf- 
weist, doch die Anfälle in den verschiedenen Fällen recht different 
sein können. Gemeinsam allen Fällen ıst das Intaktbleiben von 
Persönlichkeit und Intelligenz, ihr periodisches, stark gehäuftes, Auf- 
treten und die Unbeeinflußbarkeit durch jegliche Therapie. Es gibt 
Fälle mit motorischen Reizerscheinungen und Fälle ohne solche, 
Fälle mit ganz oberflächlicher Bewußtseinstrübung und solche mit 
Aufhebung des Bewußtseins oder mit Abänderung der Bewußtseins- 
vorgänge nach Art von Ausnahmezuständen. Die Tiefe der Bewußt- 
seinsstörung kann sogar bei ein und demselben Patienten wechseln. 

Der Krankheitsbegriff der Pyknolepsie ım Kindesalter ist weiter 
als bisher, und zwar vermutlich so zu fassen, daß solche Fälle 
Pyknolepsien sind, die ein Intaktbleiben von Intelligenz und Psyche, 


I. Referate. 229 


große Häufung der Anfälle, periodisches An- und Abschwellen sowie 
wahrscheinlich auch Sistieren um die Pubertätszeit zeigen. 

Die wesentlichste Schwierigkeit bleibt die sichere Abgrenzung 
von der Epilepsie. Die Auffassung von Redlich, Bolten u. a., 
daß allen als Narkolepsie beschriebenen Fällen epileptische Störungen 
zugrunde liegen, kann nicht als berechtigt anerkannt werden. (In 
einer Erwiderung [Mschr. f. Psych. XLI. H.2] führt Bolten aus, 
daß diese Auffassung durchaus nicht die seine oder diejenige Redlichs 
sei. Nach Bolten beruhen weitaus die meisten Fälle gehäufter kleiner 
Anfälle auf Epilepsie, und zwar meist auf organischer oder zerebraler 
Epilepsie, und einige auf gemeiner Epilepsie.) Kurt Mendel. 

Edward Flatau und Jozef Handelsmann, Experimentelle 
Untersuchungen zur Pathologie und Therapie der Menin- 
gitis cerebrospinalis epidemica. (Zeitschr. f. d. ges. Neurol. 
u. Psych. 1916. XXXI. H.1—8.) Experimente an 72 Hunden 
zwecks Erzeugung einer experimentellen Zerebrospinalmeningitis so- 
wie zur Frage der Behandlung derselben. Behufs Meningitiserzeugung 
wurden einerseits pyogene Bakterien (Streptokokken, Staphylo- 
kokken), andererseits aber hauptsächlich die sogenannte Genickstarre 
erzeugenden Bakterien (Weichselbaumsche Meningococcus intra- 
cellularis, Fränkelsche Pneumococeus) angewandt. Es zeigte sich 
u. a, daß die intralumbale Meningokokkeninjektion bei Hunden 
zwar eine schwache Entzündung der Hirn- und Rückenmarkshäute 
zu erzeugen vermag, daß jedoch klinische Erscheinungen (außer 
Alterationen des Liquor cerebrospinalis) fast gar nicht zustande 
kommen und daß folglich histologische Alterationen weit deutlicher 
auftreten, als dies, nach den klinischen Erscheinungen zu urteilen, 
scheinen könnte. Näheres über den experimentellen Teil ist im 
Original nachzulesen. 

Zu therapeutischen Zwecken wurden angewandt: 

1. Antipneumokokkenserum; es wirkte auf die Entwicklung der 
Krankheit entschieden hemmend ein; je früher die Serumbehandlung 
begann, desto länger hielt die Fortschrittshemmung der Meningitis 
an; bei rechtzeitig und systematisch durchgeführter Behandlung tritt 
Genesung ein. 

2. Chemische Mittel (Urotropin, Metallpräparate). Das prophy- 
laktisch per os bei Hunden angewandte Urotropin wirkt möglicher- 
weise hemmend auf den entzündlichen Vorgang in den Häuten ein, 
während das subkutan und intravertebral verabreichte Urotropin 
keine spezielle Wirkung auf den Verlauf der Meningitis ausübte; 
es kann sogar eine schädliche Wirkung entfalten, und zwar infolge 
einer starken Hyperämie der Meningen. Silberpräparate zeigten keinen 
Erfolg. 

5. Chirurgische Eingriffe (Trepanation mit nachfolgender Durch- 
spülung des Zentralnervensystems mit physiologischer Kochsalzlösung). 
Aus den diesbezüglichen Experimenten der Verff. lassen sich vorerst 
keine Schlüsse ziehen. Kurt Mendel. 

Heinrich Higier, Ein ohne Bewußtseinstrübung ablaufendes 
paralytisches Äquivalent der genuinen Epilepsie in Form 
von Status hemiparalyticus. (Deutsche Ztschr. f. Nervenheilk. 


280 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 11. 


LV. 1916. H. 1—83.) Der Status hemiparalyticus idiopathicus tritt 
stereotyp als vorübergehende Lähmung auf. Bei Individuen, die ent- 
weder schon vorher Jacksonsche epileptische Anfälle gezeigt haben 
oder erst später solche bekommen, treten in verschiedener Häufigkeit 
in Intervallen von Tagen, Wochen oder Monaten, aber auch mehr- 
mals am Tage, zuweilen eingeleitet in den betroffenen Extremitäten 
von sehr intensiven Parästhesien, Lähmungen auf, die meist mono- 
oder hemiplegisch sind und zwischen Stunden und Sekunden dauern. 
Die aktive Motilität wird ganz ausgeschaltet, dagegen bleibt die 
passive Beweglichkeit intakt, die Sensibilität, Sehnen- und Haut- 
reflexe bleiben vollständig erhalten. 

Verf. teilt in der vorliegenden Arbeit folgenden Fall mit: 
56jähriger Kaufmann. Früher gesund. Lues und Potus negiert. 
Vor 10 Jahren allgemeiner epileptischer Krampfanfall, vor 4 Jahren 
apoplektiformer Insult mit 1stündigem Bewußtseinsverlust, ohne eine 
Lähmung auf motorischem oder sensiblem Gebiete zu hinterlassen. 
Ab und zu leichte Schwindelanfälle. Eines Tages plötzliche Läh- 
mung des rechten Armes, sie geht rasch vorüber, wiederholt sich 
darauf oft, geht gelegentlich auf das Bein und die Gesichtshälfte 
über und wird in der Regel von Sprachstörungen begleitet. Die 
Lähmung oder Schwäche wird ab und zu von einem pıickelnden 
Gefühl in den Fingern und der Zunge eingeleitet oder begleitet. Der 
Ausfall der Motilität dauert 1—5 Minuten, ist meist absolut, das 
Bewußtsein ist nicht getrübt. Sehnen- und Hautreflexe bleiben 
normal, die Sensibilität ungestört, die Pupillenreaktion prompt. 
Keine tonischen oder klonischen Zuckungen. Linke Seite stets ganz 
frei. Zuweilen folgen sich die Anfälle Schlag auf Schlag. Herz und 
Puls ohne Sonderheit. Arteriosklerose, erhöhter Blutdruck. Keine 
Zeichen eines organischen Leidens. Augengrund, Intelligenz normal. 
Keine hysterischen Stigmata. Vom 5. Tage an wurden die Anfälle 
seltener, um schließlich ganz aufzuhören. 

Verf. meint, daß es sich um eine genuine Epilepsie handelt, die 
möglicherweise als spät aufgetretene (Epilepsia tarda) mit Him- 
arterioskleroe in losem Zusammenhang steht. Nichts spricht für 
eine organische Hirnerkrankung (Hirnlues, Hirntumor, intrameningeale 
oder intrazerebrale Blutung). 

Solche Fälle von Status hemiparalyticus epilepsiae genuinae ge- 
hören zu den größten. Seltenheiten. Kurt Mendel. 

Rudolf Ganter, Uber die Behandlung der Epilepsie mit 
salzarmer Kost und Sedobrol und Sedobrol und Lumi- 
nal. (Monatsschr. f. Psych. u. Neurol. XL. 1916. H. 6.) 1. Salz- 
arme Kost (etwa 10g Kochsalzgehalt) und 2—3 Sedobroltabletten 
am Tage. Behandlung von 99 Kranken (66 Männer, 33 Frauen). 
Geheilt 7°/, guter Erfolg bei 52°/,, geringer Erfolg bei 25°/,, kein 
Erfolg bei 15°,. Kur nicht unvermittelt unterbrechen! Eventuelle 
Nebenwirkungen: Bromerscheinungen an der Haut, gesteigerte Reiz- 
barkeit und Streitsucht. 

2. Salzarme Kost, Sedobrol und Luminal (2—8mal täglich 
0,1 Luminal + 2,0—8,0 Brom). Wo mit 0,1 Luminal und Brom 
nicht viel zu erreichen ist, bleibt auch 0,2 ohne ersichtlichen Einfluß. 


I. Referate. 231 


Eventuelle Nebenwirkungen: Schläfrigkeit, Benommenheit, Tatlosig- 
keit, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen. Frauen scheinen vielfach dem 
Luminal gegenüber eine größere Empfindlichkeit an den Tag zu legen 
als Männer; das Gleiche gilt für das Sedobrol. 

Psychisch defekte, verwirrte, geisteskranke, verblödete Epilep- 
tiker geben keine geeigneten Objekte für die Behandlung ab. Auch 
die kurz dauernden Bewußtseinstrübungen scheinen wenig beeinfluß- 
bar zu sein. 

In der Behandlung der Epilepsie mit salzarmer Kost und Sedo- 
brol haben wir ein die einfache Brombehandlung weit übertreffendes 
Mittel (7%/, gegen 2,5°/, Heilungen). Das Luminal ist eventuell ein 
sehr wirksames, unterstützendes Mittel, das in Dosen von 0,1 meist 
lange Zeit ohne Schaden gegeben werden kann. Kurt Mendel. 

Fr. Lüscher (Bern), Gibt es eine Chorea laryngis? (Ztschr. 
f. Laryngol. Rhinol. u. die Grenzgebiete. VIII. 1917.) Diese beiden 
von dem Verf. beobachteten Fälle sind grundverschiedener Natur. 
Der den Knaben betreffende ist als eine reine Chorea minor zu be- 
trachten; die Larynxerscheinungen sind nur als Teilerscheinungen 
anzusehen, während der zweite Fall ganz sicher auf hysterischer 
Basis beruht. Die Chorea im allgemeinen und die des Larynx ist nur 
ein hysterisches Symptom. Die nämlichen Erscheinungen traten bei 
der Patientin schon vor 6 Jahren auf und waren von äußerst hart- 
näckiger Natur, insofern als die Patientin während voller 2 Jahre 
mit diesem quälenden Husten zu tun hatte. Alle Versuche medikamen- 
töser, mechanischer, psychischer Natur brachten damals keine Heilung, 
einzig eine Wachsuggestion führte schließlich zum erwünschten Ziele. 

Wenn wir alle Fälle der uns zugänglichen Literatur und unsere 
eigenen durchsehen, so erhalten wir den bestimmten Eindruck, daß 
ein großer Teil dieser Choreafälle entweder rein hysterischer Natur 
ist oder Chorea mit hysterischen Erscheinungen vergesellschaftet. 
Absolut reine Choreafälle, bei denen von Hysterie keine irgendwelchen 
Anhaltspunkte vorhanden wären, sind jedenfalls nur wenige. Und 
was nun die Chorea laryngis bzw. die Sprachstörung betrifft, so ist 
auch nicht ein einziger Fall bekannt, bei dem nur der Larynx in 
Frage käme. Bei allen Fällen sind neben den laryngealen Erschei- 
nungen auch andere choreatische Symptome mit verbunden. Die 
Beobachtungen am Larynx sind auch sehr verschiedener Natur; 
bald tritt Husten in Anfällen auf, bald beherrscht er das Bild fast 
vollständig, indem er den Pat. kontinuierlich quält. 

Die Sprachstörungen werden bald mit, bald ohne Husten be- 
obachtet und sind ebenfalls schr verschiedener Natur. Bald zeigt 
der Pat. das Bild des Stotterers, dann wieder das der Anarthric oder 
das der reinen hysterischen Aphonie usw. Allen Fällen kommt es zu, 
daß im Schlaf der Husten aussetzt. Das laryngoskopische Bild 
— wo es aufgenommen werden konnte — zeigte in der größten Zahl 
der Fälle keine Abnormitäten, weder in der anatomischen Anord- 
nung, noch in der Funktion der Stimmbänder. Der Husten ist nicht 
bedingt durch Veränderungen des Larynx, sondern sehr wahrschein- 
lich durch choreatische Zuckungen der Respirationsmuskulatur mit 
Einschluß des Zwerchtelles. 


232 Zentralblatt für Kinderheilkunde Nr. 11. 


Nach diesen Zusammenstellungen und eigenen Beobachtungen 
dürfen bzw. müssen wir mit Schech, Onodi und anderen Autoren 
absolut einig gehen, daß der Begriff ‚Chorea laryngis“ nur „Unheil“ 
anstiftet und deshalb aus der Nomenklatur ausgeschaltet werden 
sollte. Es gibt wohl eine Chorea laryngis, wenn man so will, aber 
keine genuine; sie ist nur die Teilerscheinung der allgemeinen Chorea. 
So wenig wir von einer Chorea des rechten Beines oder des Rumpfes 
sprechen, ebensowenig sollen wir von einer Chorea laryngis als solcher 
sprechen. Kurt Boas. 


0. Heitzmann, Drei seltene Fälle von Herzmißbildung. 
(Virchows Arch. f. pathol. Anatom. CCXXII. 1916. H. 1.) Kasuistik. 
Fall I: Defekt des Septum ventriculorum, Dextraposition der Aorta, 
Atresie der Pulmonalarterie, Persistenz des Ductus Botallı und einer 
linken Vena cava superior. 

Fall II: Defekt des Septum ventriculorum, Transposition der 
Gefäße, rudimentärer rechter Ventrikel und linker Vorhof, Fehlen 
des Ostiums und der Klappen der Triscuspidalis, offenes Foramen 
ovale, Persistenz des Ductus Botalli, Stenose der Aorta. 

Fall III: Abgang der linken Koronararterie aus der Pulmonalis. 
Dadurch war eine hochgradige schwielige Myokardveränderung mit 
Aneurysma cordis im normalen Blutversorgungsgebiet der linken 
Arteria coronaria bedingt. Kurt Boas. 


Richard Bielnig, Der Einfluß von Extrakten endokriner 
Drüsen auf den Mineralstoffwechsel und das Blutbild 
rachitischer Säuglinge. (Biochem. Ztschr. LXIII. 1914. S. 95.) 
Das Ergebnis der Untersuchungen des Verf.s ist folgendes: 

Im Blute des rachitischen Säuglings zeigte sich: 

1. Nach der Injektion von Hammelparathyreoideaextrakt eine 
mäßige Lymphozytose mit Verminderung der neutrophilen Leuko- 
zyten und der Monozyten. 

2. Nach der Injektion von Kälberthymusextrakt starke Vermeh- 
rung der Monozyten auf Kosten der neutrophilen Leukozyten. 

3. Nach der Injektion von Rinderhypophysenvorderlappen Mono- 
zytose und relative Leukopenie. 

Weiterhin ergab sıch: 

1. Injektion von Hammelparathyreoidea bedingte eine deutliche 
Verbesserung der Retention von P, Ca und Mg, die nach dem Aus- 
setzen der Injektion sich wieder rasch verlor. Sie war ohne Einfluß 
auf den Eiweißumsatz. 

2. Kälberthymus hatte keinen Einfluß auf die N-, P-, Ca- und 
Mg-Bilanz. 

3. Der Einfluß der Injektion von Hypopdysenvorderlappen kam 
nicht eindeutig zum Ausdruck. Trotz vermehrter Kotbildung (latente 
Verdauungsstörung) wurde eine mäßige Vermehrung der N- und 
analog der P-Retention beobachtet. Ca- und Mg-Bilanz wurden da- 
gegen ungünstig beeinflußt. Kurt Boas. 


II. Aus Vereinen und Versammlungen. — III. Therapeutische Notizen. 288 


I. Aus Vereinen und Versammlungen. 


Wichmann stellt vor: a) ein Kind mit Lymphangioma simplex der Mund- 
schleimhaut; b) Exantheme der Tuberkulose. a) Wie das histologische Präparat 
zeigt, verlaufen die Lymphgefäße bis in die Spitzen der Papillen, während 
normalerweise die Papillen keine oder nur stellenweise Lymphgefäße ent- 
halten. Manche Höhlen enthalten ein bauchiges Endothel, es handelt sich 
also nicht nur um Ektasien, sondern um einen hyperplastischen Prozeß. 
b) I. Ein 9jähriges Mädchen mit disseminiertem, fleckenförmigem, mit zen- 
tralen narbigen Depressionen einhergehenden Ausschlag im Gesicht und an 
den Extremitäten. — II. Eine 35jährige Patientin mit symmetrisch unterhalb 
der Augen und in der Schläfengegend angeordneten, blauroten, pastösen Herden 
von Linsen- bis Markstückgröße (Angiolupoid). — II. Einen 11jährigen Knaben 
mit auf beiden Händen symmetrisch entwickelten, serpiginösen, aus Papeln 
zusammengesetzten Herden. Der Fall wurde als Granuloma annulare von 
Dr. Brinitzer diagnostiziert. In allen drei Fällen bestand hereditäre Belastung 
mit Tuberkulose; die lokale Tuberkulinreaktion erwies sich als stark positiv; 
sie wurde in Form der vergleichenden Intrakutanreaktion in Normalhaut und 
Krankheitsherd ausgeführt. Vortr. hat diese Methode seit einem Jahre in der 
Weise ausgearbeitet, daß er bei Kindern für jede Injektion 1/1oo—?!/1000 mg, bei 
Erwachsenen 1/1o—}/1o mg Alttuberkulin in je O,lccm Flüssigkeit einspritzt. 
Zum Vergleich wird ferner physiologische Kochsalzlösung in gleicher Flüssigkeits- 
menge in Normalhaut und Krankheitsherd eingespritzt.e. Zur Diagnose der 
Tuberkulide ist diese Methode um so wertvoller, als es ja nur höchst selten 
gelingt, die Bazillen nachzuweisen. Bei Anwendung der subkutanen Reaktion 
würden große Dosen nötig sein, um die Tuberkulide zur Reaktion zu bringen. 
Diese Methode ist daher besonders bei Kindern gefährlich und hier besser nicht 
anzuwenden. Die kutanen Reaktionen ergeben ein unzuverlässiges Resultat, da 
sie nicht quantitativ verwertbar sind. Histologisch zeigt nur der FallI einen 
deutlich tuberkuloiden Bau mit Erweichungsherden. Im Falle II und III ist dieser 
Bau nur angedeutet. 

Sieveking: Häufigkeit der Tuberkulosesterblichkeit des Kindesalters in 
Hamburg von 1906 bis 1915. Besprechung an Hand einer Kurve. Der bedeutenden 
Abnahme im 1. Lebensjahre entspricht eine zwar geringere, doch stetige in allen 
übrigen Jahresklassen bis zum vollendeten 15. Lebensjahre hin. Dieser im 
Gegensatz zu Preußen (nach Kirchner) günstige Stand kann in den eigen- 
artigen Verhältnissen der Großstadt (Zuzug junger, gesunder Eltern, Fürsorge: 
arbeit) begründet sein. Er wird bestätigt durch die Erfahrungen der Schulärzte. 
Jedenfalls ermuntert er zu eifriger Weiterarbeit der gerade auf diesem Gebiete 
Erfolg versprechenden Fürsorgearbeit aller Art. 

(Arztl. Verein in Hamburg, 27. Nov. 1916.) 

Hoffmann: Rezidivierende Okulomotoriusläihmung bei einem 9jährigen 
Mädchen. Beginn des Anfalls mit starken migräneartigen Kopfschmerzen in der 
linken Stirnseite, Erbrechen und Übelkeit. Nach einigen Tagen mit gleich- 
zeitigem Eintritt der linksseitigen Okulomotoriuslähmung Verschwinden der Kopf- 
schmerzen und der Allgemeinsymptome. Rückgang unter vorübergehendem 
Wiederauftreten der Kopfschmerzen nach einigen Wochen. Diese sehr seltenen 
Fälle werden periodische Augenmuskellähmung oder auch, da zwischendurch auch 
Migräneanfälle ohne Lähmung auftreten, ophthalmoplegische Migräne genannt. 
Daß es sich, wenigstens in diesem Falle, um eine organische Erkrankung handelt, 
beweist die Ea.-R. im Levator palp. sup. In anderen Fällen wurden patho- 
logisch-anatomisch exsudative Prozesse, Tumoren oder Tuberkel gefunden. 
Therapie: Strychnin. (Naturhistor.-mediz. Verein in Heidelberg, 3. Juli 1917.) 


II. Therapeutische Notizen. 


Über die Behandlung der kindlichen Vulvovaginitis mit Tierkohle (Merck). 
Von Priv.-Doz. D. H. Geber in Kolozvar. Verf. hat seine Fälle durch folgendes 
Verfahren auffallend rasch gonokokkenfrei gemacht und geheilt: Vulva und Vagina 
spült er mit Hilfe eines weichen Gummikatheters reichlich mit einer Lösung von 
10,000 Kalium hypermanganicum aus. Nach der Spülung trocknet er die Vagina 


Zentralbl. f. Kinderhikde. 22. 22 


234 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 11. 


durch einen Harnröhrenspiegel hindurch gründlichst aus, so lange, bis der zur 
Austrocknung benützte Wattebausch keine Flüssigkeit mehr ansaugt. Durch den 
eingeführten Harnröhrenspiegel hindurch, diesen langsam und vorsichtig heraus- 
ziehend, bläst er reichlich Tierkohle ein. Mit kleiner Übung und Geschicklichkeit 
können wir durch entsprechende Bewegungen des Spiegels beim Herausziehen 
‚desselben auch erreichen, daß sich die so reichlich mit Falten versehene Vagina 
mehr oder weniger glättet, so daß der eingestäubte feine Kohlenstaub alle Teile 
der Scheide reichlich bedeckt. Sein Verfahren wendet Verf. täglich zweimal an, 
und zwar morgens und nachmittags. Natürlich untersucht er in jedem einzelnen 
Falle auch die Harnröhre, und wenn dieselbe ebenfalls mit Gonokokken infiziert 
ist, was für die meisten Fälle zutrifft, unterzieht er sie ebenfalls entsprechender 
Behandlung. Bei seinen Fällen wendet er zur Behandlung der Harnröhre 2°/,iges 
Hegonon an. Ebenso gründlich untersucht er alle Fälle auf das Bestehen von 
Paraurethralgängen, einer Bartholinitis, hin, weil ein diesbezügliches Versehen 
alle unsere Mühe vergebens machen würde, indem die zurückgebliebene ständige 
Infektionsquelle die etwa geheilte Vulva und Vagina von neuem infizieren könnte. 
(W. kl. W. 1917. Nr. 9). 
Typhus und Typhusschutzimpfungen bei Schwangeren und Wöchnerinnen. 
Von Alexander Tschirch in Jena. Bei der im Herbst 1915 in Jena aufge- 
tretenen Typhusepidemie bot sich in der Jenenser Frauenklinik die Gelegenheit 
zur Beobachtung von 3 Fällen von Abdominaltyphus in Schwangerschaft und 
Wochenbett und über die Einwirkung der bei 60 Hausschwangeren vorgenommenen 
Schutzimpfung. Durch die im allgemeinen seltene Komplikation der Schwanger- 
schaft mit Typhus wird sie in den ersten Monaten häufig unterbrochen, ebenso 
aber auch in ihrer zweiten Hälfte. Während der ersten beiden Geburtsperioden 
treten in der Regel keinerlei Störungen auf. In der Nachgeburtsperiode kann es 
zu stärkeren Blutungen kommen. Der Verlauf des Wochenbetts wird im allge- 
meinen nicht beeinträchtigt. Der plazentare Übergang von Agglutininen von der 
Mutter auf das Kind kommt auch ohne Infektion des letzteren vor. Typhus- 
schutzimpfungen können in den letzten 4 Schwangerschaftsmonaten ohne Schaden 
für Mutter und Kind vorgenommen werden. Allgemeinreaktionen treten bei 
Wöchnerinnen häufiger und stärker auf als bei Schwangeren. Nachteilige Folgen 
hat die Impfung weder für den Geburts- noch für den Wochenbettverlauf. Die 
erfolgreiche Schutzimpfung der Mutter darf nicht als eine solche des Kindes auf- 
gefaßt werden. (Arch. f. Gyn. CV. H. 3. — D. m. W. 1916. Nr. 30.) 


Die Mittelohrerkrankungen bei Masern und Scharlach. Von Professor 
Dr. F. Göppert in Göttingen. Über die Prophylaxe schreibt Verf.: „Jede Be- 
handlung sollte am besten mit der Prophylaxe beginnen, und manche Autoren 
glauben in der Tat, durch Bekämpfung des Nasenkatarrhs vorbeugend wirken 
zu können. Es werden Einträufelungen von 1°/,iger Höllensteinlösung (Weiß) 
oder Paraffin (Nadoleczny) in die Nase empfohlen. Es bleibt Sache des 
Temperaments, ob man hiervon wirklich Nutzen erwartet. Die Einträufelung 
von Paraffinum liquidum oder das Einstreichen einer halbflüssigen Salbe mittels 
Löffelstiels in die Nase l 
Liquoris Aluminii acetici . - 2,0 
Adipis Lanae ...x...o 8,0 
Paraffini liquidi ad. . . . . 20,0 


ist zweifellos für die Nasenpflege günstig und auch deswegen empfehlenswert. 
Bei stark eiterigem Schnupfen empfiehlt es sich, vorher etwas zur Hälfte mit 
warmem Wasser verdünntes Wasserstoffsuperoxyd einzuträufeln. Hier ist aber 
eine genaue Nasenuntersuchung angezeigt, denn eiteriger Schnupfen in der 
zweiten Hälfte der Krankheitswoche ist oft ein Symptom von Nasendiphtherie. 
Hier kann eine Serumspritze Krupp, Konjunktivaldiphtherie, gelegentlich wohl 
auch Mittelohrdiphtherie verhindern. Prophylaktisch wirkt auch zweifellos alles, 
was die Atmung anregt. So ist bei kleinen Kindern die absolute Ruhe zu ver- 
meiden. Sie müssen aus dem Bett herausgenommen und aufgesetzt werden. 
Die übliche betäubende Behandlung durch Abschluß von Luft und Licht ist zu 
verwerfen. Senfmehlbäder mit kühler Begießung müssen den soporösen Kranken 
vor den Schädigungen durch diesen Sopor schützen. Soweit es hierdurch ge- 
lingt, einen schlimmeren Verlauf der Bronchitis zu vermeiden, beugen wir auch 
dem schlimmen Verlauf der Ohrenentzündung in gewissem Grade vor.“ 
(Ztschr. f. ärztl. Fortb. 1917. Nr. 5.) 


III. Therapeutische Notizen. 285 


Zur Technik der Intubation bei diphtherischem Krupp. Von Dr. Kurt 
Morgenstern. (Aus der Universitäts-Kinderklinik zu Straßburg i. Els.) Verf. 
empfiehlt, einen kleineren Tubus, als für das betreffende Alter des Kindes vor- 
geschrieben ist, zu nehmen (den für ein um 1 Jahr jüngeres Kind). Es wird da- 
durch der Tubus häufig samt der obturierenden Membran ausgehustet und der 
Luftweg frei oder wenigstens die Extubation infolge Ausbleibens der reaktiven 
Schwellung der Schleimhaut wesentlich erleichtert und die Entstehung von 
Dekubitalgeschwüren und Narbenstenosen vermieden. (Ther. Mhf. Mai 1917.) 


Frauenmilch bei Erkrankungen jenseits des Säuglingsalters. Von Professor 
Dr. L. Langstein. (Aus dem Kaiserin-Auguste-Viktoria-Hause zur Bekämpfung 
der Säuglingssterblichkeit im Deutschen Reiche, Charlottenburg.) Bei gewissen 
schweren Störungen ist Frauenmilch auch bei Kindern jenseits des 1. Lebens- 
jahres, sogar nach dem 2. und 3. Lebensjahr, von recht großem Nutzen. Verf. 
meint insbesondere Fälle von „‚‚intestinalem Infantilismus‘, ferner langwierige 
dysenterische Affektionen, namentlich dann, wenn das Urogenitalsystem in Mit- 
leidenschaft gezogen ist. Aber auch septische Zustände mit hochgradigem 
Marasmus gehören zu den Krankheiten, die, wenn überhaupt, auch beim Kinde 
nach dem 1., im 2. und 3. Lebensjahre, durch nichts besser beeinflußt werden 
können als durch langdauernde Ernährung mit Frauenmilch. Verf. möchte bei 
dieser Gelegenheit gleich bemerken, daß er nicht etwa eine durch viele Monate 
durchgeführte ausschließliche Ernährung mit Frauenmilch meint. Die ausschließ, 
liche Ernährung mit Frauenmilch, deren Menge Verf. durchschnittlich bei diesen 
älteren Kindern zwischen 500 und 800g hält, die in langsamem Anstieg unter 
genauer Beobachtung des’ Kindes erreicht wird, soll sich nur über einen Zeit- 
raum von wenigen Wochen erstrecken. Es hängt das ganz von dem Zustande 
des Darmes bzw. der Entleerungen, von der Gewichtskurve, vom Allgemein- 
befinden ab. Bei den genannten schweren Zuständen kann man gerade im 
Medium der Frauenmilch den Kindern lebenswichtige Stoffe zuführen, deren sie 
für Rekonstruktion und Neuaufbau von Gewebe bedürfen, fein pürierte Gemüse, 
kleine Fleischmengen, Quark, aber auch Kohlehydrate, auf die sie, wenn sie 
ihnen in Kombination mit Tiermilch gereicht würden, unbedingt mit akuten 
Darmerscheinungen und Gewichtsabsturz reagieren würden. Das gilt insbesondere 
für manche Fälle von intestinalem Infantilismus, eine Erkrankung, die Verf.s 
Meinung nach keineswegs ein einheitlicher Krankheitsbegriff ist, sondern die 
Affektionen mit verschiedenartiger Pathogenese und auch dadurch bedingter ver- 
schiedenartiger Therapie umfaßt. Bei einer Reihe von ihnen scheint die schwere 
Psychopathie, bei einer anderen die schwere chronische Verdauungsinsuffizienz 
die primäre Störung zu sein. Gerade bei einer Reihe solcher Fälle hat Verf. 
sich von dem eminent kurativen Effekt der Frauenmilch überzeugen können, 
‘wenn man nur Geduld hat und monatelang dem Kinde, auch wenn es 1?!/, und 
2 Jahre überschritten hat, keine Kuhmilch, sondern nur Frauenmilch gibt und 
auf die Frauenmilch nun andere wichtige Nährstoffe superponiert, Fleisch, Ei- 
weiß, oder auch als Nutrose, Plasmon oder Larosan, Reis, Gerste, fein püriertes 
Gemüse, Kalk. Dann sieht man selbst in verzweifelten Fällen Erfolge, wenn 
man nur die Geduld hat, genügend lange, 4 Monate und länger, bei dieser 
Frauenmilchtherapie zu bleiben. Vollständige Heilung und Gewichtsansatz durch 
Frauenmilch allein hervorzurufen, wird wohl kaum möglich sein. Dazu wären 
Mengen notwendig, wie wir sie dem Kinde nur schwer beibringen können, und 
diese einseitige, rein flüssige Kost ist für viele Monate bei älteren, wenn auch 
in ihrer Entwicklung stark zurückgebliebenen Kindern sicher nichts Wünschens- 
wertes. Aber ein Zeitraum von 6—8 Wochen genügt im allgemeinen auch, um 
die Reparation vor allem der gestörten Darmfunktion so weit einzuleiten, daß 
man andere Nahrungsmittel superponieren kann. Die Entwöhnung von der 
Frauenmilch muß vorsichtig geschehen. Unter Umständen kann man schon 
durch eine Zugabe von 50g Kuhmilch dem Kinde wiederum schaden. Des- 
wegen wird man die erste Menge, die man gibt, nicht höher halten als einige 
Kubikzentimeter. Werden diese vertragen, ist die langsame Auswechslung der 
Frauenmilch gegen Kuhmilch unbedenklich. Vor Rezidiven ist man allerdings 
niemals geschützt. (Ther. Mhf. 1917. Nr. 3.) 


22* 


286 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 11. 


IV. Neue Bücher. 


Lehrbuch der Säuglingskrankheiten. Von W. Birk. 2. Aufl. Bonn, Marcus 
u. Weber. Preis M. 6.—, geb. M. 7,60. Ein sehr gutes und für den Praktiker 
nützliches Werk, das in den jetzigen Zeiten sicherlich noch größere Verbreitung 
finden wird als früher. Der Verfasser versteht es, kurz und klar alles Not- 
wendige zu betonen und das Gesagte interessant zu machen. Diese 2. Auflage 
dürfte bald von einer dritten gefolgt werden. Grätzer. 


Das Kind und seine Pflege. Von R. Flachs. 3. Aufl. Dresden, Zahn u. 
Jaensch. Preis M. 4.—. Ein derartiger populärer Berater und Führer der Mütter, 
herausgebracht von einem bekannten Kinderarzt, hat heute erhöhte Bedeutung 
und sollte von den Kollegen ihrer Klientel warm empfohlen werden. Es verdient 
das Büchlein diese Empfehlung durchaus, und es dürfte großen ee stiften. 

rätzer. 


Neue Dissertationen 
(aus deutschen Universitäten). 


Benecke, E., Hämorrhagische Diathesen mit Thrombopyämie und fehlender 
Regeneration im Knochenmark bei Jugendlichen (Berlin). — Bittner, G., An- 
geborene Verletzungen am kindlichen Schädel (Würzburg). — Borchmann, H., 
Der angeborene Hautdefekt (Leipzig). — Buchold, F., Einfluß der Kriegs- 
ernährung auf die Entwicklung der Neugeborenen (Berlin). — Burger, P., 
Beitrag zur Frage der kongenitalen Fingerkontrakturen, des kongenitalen und 
idopathischen Hohlfußes (Straßburg). — Clodius, A., Zur Frage der Anämien 
des Kindesalters (Kiel). — Cremer, A., Über Hygroma colli congenitum (Berlin). 
— Dörr, A., Zwei Formen der angeborenen Coxa vara (Würzburg). — Dommel, J., 
Behandlung der Menorrhagien junger Mädchen ohne tastbare Genitalveränderung 
(Berlin). — Eitel, H., Die wahre Reaktion der Fäzes gesunder Säuglinge bei 
verschiedener Ernährung (Berlin). — Fricke, R., Beitrag zur Kasuistik des 
kongenitalen Radiusdefekts (Berlin). — Gabriel, E., Trauma als Krankheits- 
ursache im Kindesalter (Berlin. — Heidsieck, E., Hysterie im Kindesalter 
(Kiel) — Heymann, A., Zur Lehre von der partiellen Myotonia congenita 
(Kiel). — Herbst, K., Stoffwechselversuche an kräftigen und schwäehlichen 
Schulkindern (Berlin). — Hirthreiter, O., Zur Kasuistik der kongenitalen 
Ösophago-Trachealfistel (München). — Hornbostel, P., Psychische Störungen 
bei Chorea (Kiel). — Konopinski, B., Kasuistische Beiträge zur Magendarm- 
schwimmprobe bezüglich der Lebensdauer eines Neugeborenen (Würzburg). — 
Kühne, A., Anwendung des künstlichen Pneumothorax bei Kindern (Berlin). 
— Kwoczek, J., Beitrag zur Frage der Beziehungen zwischen asphyktischer 
und schwerer Geburt und nachhaltigen psychischen und nervösen Störungen 
(Breslau). — Michalczyk, E., Beiträge zur Statistik und Behandlung von Hasen- 
scharten (Breslau). — Pfeiffer, G. K. V., Klinische Untersuchungen über die 
Harnentleerung beim Säugling (Leipzig). — Rohrs, H., Ödem und Albuminurie 
bei Scharlachnephritis (Berlin). — Schulz, H., Untersuchungen über den Blut- 
wassergehalt tuberkulöser Kinder des ersten und zweiten Lebensjahres (Berlin). 
— Schulz, L., Zur Kenntnis der kongenitalen Lipome des behaarten Kopfes 
(Breslau). — Specht, A., Geburt bei Minderjährigen (Kiel). — Spiegelberg, H. E., 
Fieber und Tuberkulose im Kindesalter (Berlin). — Vitense, J., Das anatomische 
Verhalten des Magens bei Rachendiphtherie (Kiel). — Weltmann, M., Die Ver- 
letzungen der kindlichen Extremitäten unter der Geburt (Breslau). 


Verantwortlicher Redakteur: Sanitätarat Dr. Eugen Graetzer in Friedenau-Berlin. — Verlag 
von Johann Ambrosius Barth in Leipzig. — Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. 


Zentral blatt tür 
Kinderheilkunde. 


Eine Monatsschrift für praktische Ärzte. 


22. Jahrgang. Dezember 1917. Nr. 12. 


I. Referate. 


Paul Münzberg, Die Gram-Festigkeit der Diphtherie- 
und der Pseudodiphtheriebazillen und ihre differential- 
diagnostische Bedeutung. (Aus dem Hygienischen Institut der 
Universität Breslau.) (D. m. W. 1917. Nr. 34.) Zusammenfassung. 
Die Beobachtungen von Langer und Krüger, nach welchen ein 
ausgesprochener und weitgehender Unterschied der Diphtherie- und 
der Pseudodiphtheriebazillen in bezug auf ihre Färbbarkeit besteht, 
sind mit der Einschränkung zutreffend, daß zwar Diphtheriebazillen 
niemals einer 15 Minuten langen Entfärbung standhalten, daß aber 
hie und da auch die Pseudodiphtheriebazillen die beschriebene, einer 
15 Minuten langen Entfärbung trotzende Gram-Beständigkeit ver- 
missen lassen. 

In der Praxis kann diese Methode als gelegentliches Unter- 
stützungsmittel gute Dienste leisten, namentlich wo es sich um die 
Differenzierung von Reinrkulturen handelt; hier wird eine Gram- 
Beständigkeit, die eine Entfärbung von länger als 15 Minuten über- 
dauert, Diphtherie mit Sicherheit ausschließen lassen. 

Bei den alltäglichen diagnostischen Untersuchungen hingegen 
wird der Langerschen Methode ein nur sehr beschränkter Wert 
zuerkannt werden können, da sie höchstens für 6--8-Stunden-Prö« 
parate, falls hier die Diphtheriebazillen verhältnismäßig rein ent- 
halten sind, einen Erfolg verspricht, also in Fällen, wo an sich nicht 
allzu oft Zweifel vorhanden zu sein pflegen. Grätzer. 

Wilms (Heidelberg), Halsdrüsentuberkulose und Lazarett- 
behandlung. (Ebenda.) Verf. ist ein entschiedener Gegner der 
Exstirpationsbehandlung, bei der Rezidive häufig vorkommen und 
vorkommen müssen, da bei der Operation gewöhnlich kleine, auch 
schon mit Tuberkulose infizierte Drüschen zurückgelassen werden. 
Anders bei der Röntgenbehandlung! Diese dauert zwar länger, aber 
sie verhütet fast sicher Rezidive, immunisiert gewissermaßen gegen 
neue Infektionen und kann ambulant durchgeführt werden. 

S Grätzer. 

H. Curschmann (Rostock), Uber eine Epidemie von myo- 
sytischer Pseudogenickstarre. (Ebenda.) Verf. beobachtete 
ein gehäuftes, epidemisches Auftreten einer durchaus eigenartigen 
Form des akuten, fieberhaften Muskelrheumatismus der Halsregion 
während eines bestimmten Zeitabschnittes (1908, Januar bis April) 
in einem bestimmten Stadt- und Vorortbezirk (Mainz). Unter den 
Befallenen befanden sich auch Kinder. Um „gewöhnlichen“ Muskel- 
rheumatismus konnte es sich nicht handeln; hohe Temperaturer 
und schwerer subjektiver Krankheitszustand, das Fehlen einer Wan- 

_ Zentralbl. f. Kinderhikde 22. 23 


288 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 12. 


derung“ des Muskelprozesses sprachen schon dagegen. Allen Fällen 
war gemeinsam die heftig schmerzhafte akute Erkrankung der Mm. 
sternocleidomastoidei und trapezii, welche Nackenstarre bedingte. 
Die Muskelaffektion dauerte im Durchschnitt 6—8 Tage. Stets war 
im Beginn katarrhalische Angina, Rötung und Schwellung der Ton- 
sillen vorhanden, die akut mit hohem Fieber und der Myositis plötz- 
lich einsetzte oder nach einem Vorstadium (influenzaartig). Das 
Fieber hörte in leichten Fällen bald auf, sonst blieb eine hohe Febris 
continua, die lytisch ablief. Erbrechen war im Beginn stets vor- 
handen, meist auch heftige Kopfschmerzen. Das Bild ähnelte also 
sehr einer Genickstarre. Aber sonst fehlten alle meningitischen Er- 
scheinungen, und das Leiden wurde sofort durch Salizyl günstig 
beeinflußt und stellte sich als harmlos heraus. Es handelte sich 
zweifellos um eine rheumatische Affektion mit epidemischem Charakter, 
um eine infektiöse Genese des Muskelrheumatismus, wie sie auch von 
Lenhartz bereits beobachtet worden ist. Grätzer. 
L. Justitz, Paravakzine, eine besondere Erscheinung bei 
der Blatternschutzimpfung. (M. m. W. 1917. Nı.5.) Eine 
wenig bekannte, eigenartige Hautinfektion, welche hie und da bei 
der Schutzimpfung gegen Blattern auftritt, hat v. Pirquet Para- 
vakzine genannt und sagt von derselben, daß es sich um eine selb- 
ständige, von der Vakzine zu trennende Infektion handelt. Er meint, 
daß der Erreger der Paravakzine neben dem Erreger der echten Vak- 
zine in dem vom Kalbe gewonnenen Impfstoff häufig vorkommt 
und daß Paravakzine gewöhnlich nur deswegen nicht zur Geltung 
gelangt, weil sie von der Vakzine überwuchert wird. In der älteren 
Impfliteratur wurde Paravakzine als Keloid, hervorgegangen aus 
den Inzisionen, aufgefaßt. Und in der Tat ist die Ähnlichkeit mit 
einem Keloid eine auffallende, so daß Chirurgen, denen Verf. Para- 
vakzine zeigte, auf die Frage, die Sache als Keloid bezeichneten. Verf. 
zitiert nunmehr die Beschreibung von Pirquet: ‚Inokulation der 
Paravakzine bewirkt die sehr langsame Ausbildung einer blutroten, 
saftigen Papel, die nach 10—20 Tagen eine maximale Ausdehnung 
von 4-5 mm erreicht und dann langsam eintrocknet, um allmählich 
zu verschwinden. Zum Unterschiede von der Vakzine behält die 
Papel der Paravakzine auch auf ihrem Höhepunkte die blutrote 
Farbe bei, umgibt sich mit keiner geschwollenen, entzündeten Area, 
sondern zeigt höchstens für kurze Zeit einen undeutlich geröteten, 
nicht geschwollenen Hof. Die Paravakzine hat mit der vakzinalen 
Immunität nichts zu tun, ihre Entwicklung wird weder durch vak- 
zinale Immunität gestört, noch übt sie selbst einen immunisierenden 
Einfluß gegenüber einer späteren Vakzination. Die Paravakzine 
läßt sich mit dem Saft der Papel auf weitere Hautstellen übertragen.“ 
Verf. möchte nach seinen Beobachtungen noch hinzufügen, daß 
die Papel sich am 5. Tage nach der Inokulation zu entwickeln be- 
ginnt, nicht näßt und schuppend verschwindet. Zwei Umstände 
veranlaßten Verf., auf die Paravakzıne aufmerksam zu machen, 
erstens wird dieselbe gewiß in vielen Fällen als positiver Impferfolg 
angesehen, was tatsächlich nicht der Fall ist, zweitens die inter- 
essanten Beobachtungen, welche er gelegentlich der Impfung von 
Blatternrekonvaleszenten gemacht hat. DBei diesen kam nämlich 


L Referate, 289 


ausnahmslos Paravakzine zur Entwicklung, während mii demselben 
Impfstoff und gleichzeitig auf dieselbe Weise geimpfte Kontroll- 
personen einwandfreie Revakzine entwickelten. 

Die Impfung wurde in allen Fällen mit frischem Impfstoff aus 
der k. k. Wiener Impfstoffgewinnungsanstalt vorgenommen, bei 
2 Fällen des Epidemiespitales durch kleine Inzisionen, bei 4 Fällen 
des dortigen Zivilspitals mittels Schabmethode. Von den 6 Variola- 
rekonvaleszenten waren 5 vorher nicht Geimpfte, 1 in der Inkubations- 
zeit ohne Erfolg geimpft. 

Mit den 2 Fällen des Epidemiespitales wurden gleichzeitig 4 Kon- 
trollpersonen geimpft, welche sehr schöne Revakzine entwickelten. 
Der Impfstoff wurde in der gewöhnlichen Weise und Menge aufgetragen. 

Durch diese Tatsachen gewinnen v. Pirquets Annahmen, daß 
es sich bei Paravakzine um einen selbständigen Erreger handelt, 
sowie daß Paravakzine keine Blatternimmunität bedingt, erhöhte 
Bedeutung. Wir sehen ja doch gerade in den Fällen mit durch über- 
. standene Variola erworbener Immunität ausnahmslos Paravakzine 
auftreten. Dort wurde eben durch die bestehende Immunität nur 
den Vakzinekeimen die Entwicklung unmöglich gemacht, während 
sich die Paravakzinekeime, welche eben mit Blatternimmunität 
nichts zu tun haben, ungehemmt ausbreiten konnten. Daß der 
verwendete Impfstoff genügend Vakzinekeime enthielt, beweist die 
sehr stark gewachsene Revakzine der 4 Kontrollpersonen, bei welchen 
sie, durch keine spezifische Immunität gestört, die Paravakzine unter- 
drücken konnte. Erscheinungen, welche gewiß recht eindeutig sind 
und eine kräftige Stütze für. die Klärung der Paravakzinefrage im 
Sinne v. Pirquets darbieten. 

Nachdrücklich möchte Verf. daher mit v. Pirquet die Wichtig- 
keit der Paravakzine betonen, besonders deswegen, weil durch ihre 
Beachtung eine unrichtige Beurteilung des Impferfolges vermieden 
werden kann, und darauf hinweisen, daß unter allen Umständen 
Impflinge mit Paravakzine unbedingt nochmals zu impfen sind. 
Schließlich bemerkt Verf. noch, daß ein Impfstoff, nach dessen Ver- 
wendung bei gewöhnlichen Impfungen Paravakzine gehäuft auftritt, 
als minderwertig zu bezeichnen wäre, da er vakzinekeimarm ist. 

Grätzer. 

C. Staeubli (Zürich-St. Moritz, Eine physiologische Er- 
klärung für die Eigenart des fötalen Bluikreislaufs. 
(Ebenda. 1917. Nr. 8.) Mit der Geburt erfährt das Sauerstoff- 
bedürfnis des kindlichen Organismus momentan eine. ganz bedeutende 
Zunahme. Die Blutbildung wie die Zirkulation müssen schon im 
Fötalleben auf die Anforderungen des extrauterinen Lebens ein- 
gestellt sein. Im fötalen Organismus kommt es infolge der starken 
Durchmischung des von der Plazenta kommenden arteriellen Blutes 
mit venösem Blute zu einer „relativen Anoxyhämie‘“. Infolgedessen 
wird kompensatorisch die Bildung von roten Blutkörperchen und 
von Blutfarbstoff stark gesteigert, die Herzarbeit durch die Blut- 
vermischung bedeutend erhöht. Die Funktionen, welche auf diese 
Art schon intrauterin an Anforderungen angepaßt sind, die das ab- 
solut notwendige Maß weit übersteigen, vermögen dann momentan 
den Bedürfnissen des extrauterinen Lebens: zw entsprechen, wenn 

23° 


240 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 12. 


bei der Geburt der kindliche Organismus plötzlich auf seinen eigenen 
Wärme- und Stoffhaushalt angewiesen wird. Grätzer. 

Noeggerath, Zwei Vorschläge zur Vorbeuge erhöhter 
Säuglingssterblichkeitt im Sommer 1917. (Aus der Uni- 
versitätskinderklinik in Freiburg i. Br.) (Ebenda. 1917. Nr. 28.) 
Die Vermeidung oder wenigstens Einschränkung des in diesem 
Sommer drohenden Anstieges der Säuglingssterblichkeit haben wir 
in weitem Ausmaße ın der Hand: Erziehung der Bevölkerung zu 
besseren Pflegesitten und Ermöglichung vermehrten Selbststillens 
sind die erreichbaren Mittel. Hierzu wird vorgeschlagen: 

1. In den einzelnen Bundesstaaten soll unter Leitung der etwa 
bestehenden Organisationen der Fürsorge für Mutter und Kind und 
der Herren Medizinalreferenten in den Ministerien des Innern durch 
Verteilung volkstümlich geschriebener, belehrender Artikel!) mit 
Hilfe der Kanzeln, Schulen, Tageszeitungen und Fürsorgestellen 
die Kenntnis von der Größe der Gefahr der Sommersterblichkeit 
der Säuglinge, ihrer Entstehungsursachen und den Verhütungsmaß- 
regeln unter der ganzen Bevölkerung verbreitet werden, wie dies 
jetzt erstmalig in Baden geschieht. 

2. Die gesetzgebenden Körperschaften im Reiche sollten mit 
möglichster Beschleunigung in die Prüfung der Möglichkeit eintreten, 
die Reichsstillbeihilfe auch auf diejenigen Mütter auszudehnen, die 
ihre Kinder pach Ablauf des dritten Lebensmonats während der 
Sommermonate weiterstillen. Grätzer. 

Hans Brunner, Gezeitenamplitude und epileptischer An- 
fall. (Deutsches Arch. f. klin. Medizin. CXX. H.2u.3.) In dem 
zeitlichen Auftreten des epileptischen Anfalls sind ähnliche Schwan- 
kungen zu erkennen, wie sie an den Gezeiten des Meeres, weniger 
deutlich an den Gezeiten der Atmosphäre zu becbachten sind. 

Kurt Mendel. 

G. Anton, Stauungspapille bei Turmschädel. Bemer- 
kungen zu den verschiedenen Arten der Hirnhöhlenerweiterung. 
(Monatsschr. f. Psych. u. Neur. XXXIX. 1916. H.6.) Fall von 
Hydrozephalus mit Turmschädel und Stauungspapille bei einem 
4jährigen Knaben. Es wurde der Balkenstich ausgeführt. Hier- 
durch wurde für mehrere Jahre die Stauungspapille beseitigt, und 
auch die geistige Entwicklung des Pat. besserte sich; die Gehirn- 
pulsation erschien wieder. 

Für das Auftreten des Hydrocephalus internus kommen drei 
Ursachen in Betracht: 

1. Die Steigerung der Absonderung der Flüssigkeit, 

2. die Behinderung des Abflusses durch die Venen und Lymph- 
räume, 

3. der mangelnde Druck von seiten der Hirnwandungen und 
Schädelwandungen. _ Kurt Mendel. 

_K. Fahrenkamp, Über einen atypischen Fall von Chorea 
minor mit Lähmungserscheinungen, nebst einem Beitrag 


1) Als Unterlage hierzu kann das vom Kaiserin Auguste-Victoria-Haus zur 
Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit usw. herausgegebene „Hitzemerkblatt“ 
(Berlin bei J. Springer) empfohlen werden; auch stehen Exemplare des erwähnten 
eigenen Artikels zur Verfügung. 


I. Referate. 241 


zur Kenntnis des Gordonschen Reflexes. (Deutsche Zeitschr. 
f. Nervenheilk. LIV. 1916. H.5.) Chorea minor bei einem 9jähr. 
Kinde mit bulbärparalytischen Symptomen: Paralyse der Hals- und 
Nackenmuskulatur, Dysphagie, Mutismus. Außerdem unwillkürlicher 
Harn- und Stuhlabgang. Schließlich konnte das Gordonsche Reflex- 
phänomen lange Zeit hindurch beobachtet werden. Gordon beob- 
achtete im Jahre 1901, daß in zahlreichen Fällen von Chorea minor 
beim Auslösen des Patellarreflexes nicht eine kurze Zuckung allein 
auftritt, sondern daß der Unterschenkel durch eine an die Reflex- 
zuckung sich anschließende ‚‚tonische Kontraktion‘‘ des M. quadriceps 
längere Zeit gestreckt bleibt, um dann langsam in seine Ruhelage 
zurückzusinken. Der Gordonsche Reflex ist sehr unbeständig. 
Mit Hilfe des Saitengalvanometers konnte bewiesen werden, daß 
der (rordonsche Reflex nicht als ein tonisch verlängerter Patellar- 
reflex aufzufassen ist, sondern als eine choreatische Mitbewegung, 
die auch ganz unabhängig von dem Beklopfen der Patellarsehne 
beim Aufheben des Oberschenkels sich einstellen kann. Diese chorea- 
tischen Zuckungen zeigen in ihren Aktionsstromkurven keine wesent- 
liche Verschiedenheit von den bei willkürlich innerviertem Muskel 
gewonnenen Kurven, und nach dem Verhalten der Reaktionszeit 
ist anzunehmen, daß dieser, die tonische Nachdauer vortäuschende 
Tetanus der choreatischen Zuckung, der sich nicht von einem Willkür- 
tetanus in dem Aussehen der Aktionsstromkurve unterscheidet, auch 
gleichen Gehirnteilen seine Entstehung verdankt. Kurt Mendel. 

E. Christeller, Funktionelles und Anatomisches bei der 
angeborenen Verengerung und dem angeborenen Verschluß 
der Lungenarterie, insbesondere über die arteriellen Kol- 
lateralbahnen bei diesen Zuständen. (Virch. Arch. 1916. Nr.1.) 
Verf. schlägt vor, die Stenosen und Atresien der Pulmonalarterie vom 
funktionellen Standpunkt aus nach dem Fehlen oder der Ausbildung 
von Kollateralen einmal für die Beförderung des venösen Blutes in den 
linken Ventrikel, dann des arteriellen Blutes zu den Lungen einzu- 
teilen. Beim Fehlen der Kollateralen geschieht die Kompensation 
durch Hypertrophie des rechten Ventrikels. 

Verf. berichtet alsdann über einen Fall von angeborener totaler 
Atresie der Pulmonalarterie im Bereich der Klappen mit gleichseitiger 
Verengerung der Arterie und des Konus. Die kompensatorischen Vor- 
richtungen bestanden in einer Hypertrophie des ganzen Herzens, in 
Defekten im Septum, der Vorhöfe und der Kammern sowie ın Er- 
weiterung der oberen Ösophagealarterie. Der Ductus Botalli war 
verschlossen. Kurt Boas. 

Sellheim, Die Beeinflußbarkeit der Nachkommenschaft. 
(Reichsmedizinalanzeiger. 1917. Nr. 1.) Der Tübinger Hochschul- 
lehrer sieht auch beim Menschen eine Möglichkeit des Einflusses auf 
das den Eltern in ihren Keimdrüsen anvertraute Keimplasma, z. B. 
könne man notorisch ungünstige Einwirkungen, wie Mißbrauch von 
gewissen Giften vermeiden, könnte dem Geburtshelfer Vermeidung 
jeglicher Schädigung der Frucht zur Pflicht gemacht werden, und 
endlich dürfe die Mutter das Kind, besonders beim Selbststillen, 
nicht vernachlässigen. Das wären die wesentlichen, bisher bekannten 
Punkte, weitere dürfen hoffentlich die fortschreitende Forschung noch 


242, Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 12. 


ergeben. Der Ruf nach der ,Fortpflanzungspolizei“ sei nutzlos, man 
müsse vielmehr die gewonnenen Forschungslehren ins Volk tragen. 
Kurt Boas. 

Georg Lang, Chirurgische Behandlung des Hydrozephalus. 
(Inaug.-Diss. Heidelberg 1916.) Zwei Fälle von Dauerdrainage des 
Hydrozephalus mit Einlegen einer Kalbsarterie an der Heidelberger 
Klinik verdienen der näheren Beschreibung. Bei dem einen Kind 
wurde ein Hydrozephalus, wahrscheinlich infolge Tumor, diagnostiziert. 
Operation: Inzision unter Lokalanästhesie über dem rechten Stirn- 
bein. Der weiche, filzige Knochen wird bis auf eine handtellergroße 
Öffnung abgetragen. Punktion. Ohne tiefes Eingehen kommt schon 
Liquor in großer Menge aus dem mutmaßlichen, vergrößerten Seiten- 
ventrikel. Ablassen von etwa 50 cem Flüssigkeit. Einführen einer 
mittelgroßen, präparierten Kalbsarterie in den Seitenventrikel. durch 
eine kleine Duraöffnung. Das Arterienrohr drainiert den Hydro- 
cephalus int. in den Epiduralraum bzw. unter die Haut. Zurück- 
klappen und Fixieren des Hautlappens. Die Dauerdrainage heilte 
gut ein. Allgemeinbefinden war gut. Kind war stets teilnahmsvoll 
und verständig. Nach Entfernung der Fäden wurde es auf die innere 
Abteilung verlegt. 

Der andere Fall mit der Diagnose ‚„Hydrocephalus internus“ 
wurde ebenfalls von Professor Wilms in Mischnarkose operiert. Sub- 
temporale Umschneidung eines Hautlappens in Fünfmarkstückgröße. 
Zurückklappen des Musc. temp. Eröffnung der Dura in minimaler 
Ausdehnung, um den vermutlich erweiterten Ventrikel zu punktieren. 
Man erhält Liquor, schräg nach hinten und innen. In dieser Rich- 
tung wird auf einem Katheter eine sterilisierte Kalbsarterie einge- 
schoben, aus der nun der Liquor abfließt. Temporalmuskel und 
Hautlappen werden rasch auf die Offnung gelegt, um ein zu rasches 
Abfließen zu verhindern, und mit Naht geschlossen. Arterie wurde 
mit Naht fixiert. Pat. ist vollkommen ruhig, und auffallende Besse- 
rung ist eingetreten. 9 Tage nach der Operation wurden die Fäden 
entfernt; es besteht noch eine kleine fistelnde Stelle. Nach 14 Tagen 
schließt sich die Fistel, gleichzeitig tritt Fieber auf. Es bildete sich 
ein subkutaner Abszeß. Abfluß von dickem rahmigen Eiter. Wunde 
schließt sich wieder vollkommen. Der Zustand des Kindes wurde 
Jedoch wieder schlechter. Die zunehmende Verschlechterung bestimmte 
zur Vornahme des Balkenstiches zur Verminderung des Hirndruckes. 
Professor Wilms machte unter Lokalanästhesie auf Scheitelhöhe 
einen Medianschnitt, präparierte die Galea stumpf zurück bis zur 
Freilegung der Sutura sagitt. und coron. Es wird links von der 
Kreuzungsstelle beider, und zwar etwa 2 cm nach hinten von der 
linken Sutura coron. und 1!/, cm nach lateral von der Sutura sagitt. 
eingegangen, indem mit dem Trepan ein etwa 7 mm im Durchmesser 
großes Loch gebohrt wird, worauf man durch die freiliegende Dura 
in die Tiefe punktiert, bis heller Liquor abfließt. Ablassen von etwa 
80—40 ccm Liquor. Pat. läßt keinen Erfolg verspüren im Gegensatz 
zur Dauerdrainage bei der ersten Operation. Er starb 8 Tage nach 
der Operation. | 

Alle diese Methoden haben die Therapie des Hydrozephalus 
nicht wesentlich gebessert. Es sind wohl vorübergehende Erfolge 


L Referate. | 248 


erzielt worden. Abgesehen von der Punktion und der Drainage sind 
die Methoden von Payr, v. Bramann und Anton noch sehr jung, 
so daß deren weiterer Ausbau in der Zukunft liegt. Kurt Boas. 
K. Gaugele, Über die Behandlung der angeborenen Hüft- 
gelenkverrenkungen. (Ztschr. f. orthopäd. Chirurgie. XXXIV. 
H. 3 u. 4.) Angabe einer Bandage, die eine Verkürzung der Gips- 
verbandperiode und eine sorgfältige Kontrolle der Nachbehandlung 
gestattet. Die Resultate des Verf.s sind seit Benutzung der Bandage 
sehr gute. Kurt Boas. 
Richter, Die Frage der Dienstfähigkeit und Zurech- 
nungsfähigkeit bei der erethischen Form des angeborenen 
Schwachsinns. (Deutsche militärärzti. Ztschr. 1915. H. 1 u. 2.) 
Von den beiden Formen des angeborenen Scl:wachsinns verhindert 
nach Ansicht des Verf.s die erethische (erregte, variable) Form in 
jedem Falle die Ausbildung und die Ausübung des militärischen 
Dienstes im Sinne der Anlage 1 h 15. Für die torpide (stumpfe, 
apathische, anergetische) Form stellt Verf. anheim, zu bedenken, daß 
diese einmal, wenn auch selten, in die erethische übergehen kann. 
Bei bestehender Erkenntnis der Strafbarkeit einer Handlung muß 
selbst bei dem Vorhandensein einer gewissen Urteilsschwäche die 
Zurechnungsfähigkeit beim angeborenen Schwachsinn angenommen 
werden. Im Interesse der militärischen Disziplin muß die Grenze 
der Unzurechnungsfähigkeit im Gegensatz zur Grenze der Dienst- 
unbrauchbarkeit beim angeborenen Schwachsinn, speziell bei den 
moralisch minderwertigen erethischen Schwachsinnigen, durchaus eng 
gehalten werden. Selbstverständlich soll bei berechtigtem Zweifel 
die Frage der Zurechnungsfähigkeit zugunsten des Angeklagten ent- 
schieden werden. Kurt Boas. 
Kurt Boas, Kritische Bemerkungen über den ätiologi- 
schen Zusammenhang zwischen Chorea minor und Syphilis. 
(Ztschr. f. d. ges. Neurol. u. Psych. XXXVII. 1917.) Eine echte 
syphilitische Chcrea minor gibt es nicht, weder auf der Grundlage 
einer angeborenen, noch auf derjenigen einer erworbenen Syphilis. 
Dagegen gibt es zweifellos gewisse Formen der kongenitalen 
Hirnlues, die vorwiegend unter dem Bilde choreiformer Zuckungen 
verlaufen. Bei näherer Betrachtung dieser Fälle wird man auch 
anderweitige Symptome einer syphilitischen Hirnerkrankung finden, 
wie z. B. Nystagmus. Für diese Fälle wird man verlangen müssen, 
daß sie erstens nach der serologischen Richtung den Hauptbedingungen 
einer syphilitischen Erkrankung genügen, d. h. zum mindesten posi- 
tive Wa.-R. ım Blute, unter Umständen vielleicht — dies bleibt 
weiteren Untersuchungen vorbehalten — in demselben Sinne sprechende 
Veränderungen des Liquor cerebrospinalis. In zweiter Linie müssen 
gewisse Atypien ım Verlaufe, z. B. lange Dauer und Neigung zu 
Rezidiven, vorhanden sein, ferner gewisse symptomatologische Eigen- 
arten, wie sie oben erwähnt wurden. An dritter Stelle wäre als 
Kriterium für eine syphilitische Grundlage der Beweis durch die 
Wirksamkeit der antısyphilitischen Therapie zu erbringen, wobei das 
Schwergewicht auf die Quecksilberbehandlung zu legen ist, während 
einer günstigen Beeinflussung durch die Salvarsanbehandlung geringerer 
Wert beizumessen wäre. 


244 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 12. 


Noch weniger als mit der echten, selbständigen Chorea minor 
bestehen ätiologische Zusammenhänge zwischen der Syphilis und der 
Huntingtonschen Chorea. Hier liegen sicherlich bloß rein zufällige 
Komplikationen vor ohne jede innere Krankheitsverwandtschaft. 

Endlich bestehen auch keine endogenen Beziehungen zwischen 
Paralyse und Chorea. Es ist auch hier wieder darauf hinzuweisen, 
daß schon die Verschiedenheit in den Altersstufen, in denen eine 
Paralyse einerseits, eine echte Chorea minor andererseits in die Er- 
scheinung tritt, von vornherein gegen einen solchen Zusammenhang 
spricht, wenn man von den eminent seltenen Fällen von Zusammen- 
treffen der Chorea minor mit juveniler Paralyse abstrahiert, wie sie 
bisher bloß in einem Falle (Major) in der Literatur beschrieben 
worden ist. Schon der Umstand, daß bei dem Zusammentreffen von 
Chorea und Paralyse sowohl die Chorea als auch die Paralyse zahl- 
reiche Abweichungen von dem gewöhnlichen Symptomenbilde jeder 
der beiden Erkrankungen aufweist, deutet darauf hin, daß wir es 
hier mit einer Abart der progressiven Paralyse zu tun haben, näm- 
lich dem von Binswanger als hämorrhagische Form der Paralyse 
bezeichneten Typus, welchem auch ein entsprechendes anatomisches 
Substrat in Gestalt feinster miliarer Blutungen in der Hirnsubstanz 
zur Seite steht. Jedenfalls kann es sich hierbei niemals um eine 
echte Form der Chorea minor handeln, sondern stets nur um ein 
atypisches Syndrom der Paralyse, bei welchem choreiforme Zuckungen 
das Krankheitsbild beherrschen, genau so wie in anderen Fällen 
paralytische Anfälle dem ganzen Krankheitsbilde ein besonderes 
Grepräge verleihen. Kurt Boas. 


I. Aus Vereinen und Versammlungen. 


Kriegstagung der Gesellschaft für Kinderheilkunde, 
Leipzig, 22. September 1917. 
(Nach D. m. W.) 


1. A. Schloßmann (Düsseldorf): Kinderkrankheiten im Kriege. 

Die Folgeerscheinungen des Krieges in bezug auf das Kindesalter sind lokal 
verschieden. Erfahrungen eines einzelnen dürfen daher nicht verallgemeinert 
werden; durch Aussprache der verschiedenen Beobachter aus den verschiedenen 
Gegenden des Reiches, wie sie ein Kongreß zeitigt, wird man am ehesten zu einem 
richtigen Gesamtbild gelangen. Zweifelsfrei hat unter der Einwirkung des Krieges 
eine beträchtliche Verminderung der Geburtenzahl in Deutschland stattgefunden. 
Im Regierungsbezirk Düsseldorf bezifferte sich diese Zahl 1914: 29,5, 1915: 21,8, 
1916: 16,3 auf 1000. Insgesamt wird man in Deutschland mit einer Geburten- 
zahl von unter einer Million zu rechnen haben. Qualitativ läßt aber das Neu- 
geborene nichts zu wünschen übrig, in guter Entwicklung und mit normalem 
Gewicht kommen die Kinder zur Welt. Der Begriff ‚‚Kriegsneugeborene‘ wurde 
mit Unrecht geprägt. Trotz der scharfen Inanspruchnahme der weiblichen Arbeits- 
kräfte hat die natürliche Ernährung eher zu- als abgenommen. Erkrankungen 
durch Unterernährung sind im Kriege viel seltener als Erkrankungen durch Über- 
fütterung in der Friedenszeit. Insbesondere fällt die Abnahme von Ekzem, Ra- 
chitis und Spasmophilie auf. Dagegen haben die Erkrankungen an kongenitaler 
Lues zugenommen. Die Schulkinder befinden sich nach übereinstimmendem 
Urteil bei durchaus genügender Nährstoffzufuhr in gutem Zustande, erst jenseits 
des zehnten Lebensjahres macht sich eine Verminderung der Gewichtszunahme 
— innerhalb erträglicher Grenzen — geltend. Von Seuchen ist das Kindesalter 
dank der öffentlichen Gesundheitspflege verschont geblieben. Nur die Tuber- 
kulose scheint in Zunahme zu sein. Dabei soll dahingestellt sein, ob die stärkere 


II. Aus Vereinen und Versammlungen. 245 


Verbreitung der Tuberkulose eine Folge der Verminderung der Widerstands- 
fähigkeit des Kindes oder der größeren Infektionsmöglichkeit ist. Auch die Pro- 
gredienz der Tuberkulose im Kindesalter, sowohl der allgemeinen als der Lungen- 
tuberkulose, ist auffallend und vielleicht mit dem mangelnden Fettansatz in 
ursächliche Verbindung zu bringen. Dringend notwendig ist deshalb, daß der 
Behandlung der Tuberkulose wieder volle Aufmerksamkeit zuteil und besonders 
die frühzeitige Behandlung kindlicher Tuberkulose erleichtert wird. Die akuten 
epidemischen Kinderkrankheiten haben mit der Länge des Krieges weder sich 
auffällig gehäuft, noch einen bösartigen Charakter angenommen. Ursachen lokaler 
Steigerung dieser Erkrankungen waren mitunter schlecht geführte Kinderheime 
und Krippen. Schwere Fälle von Ruhr kamen auch im Kindesalter zur Beob- 
achtung. Im ganzen ist der Verlauf der Infektionskrankheiten aber günstig und 
beweist, daß durch die Kriegsernährung eine konstitutionelle Schädigung der 
Kinder nicht eingetreten ist. 


Besprechung. Göppert (Göttingen) bestätigt die günstige Entwicklung 
der Kinder während des Krieges, freilich oft auf Kosten der Mütter, die auf wichtige 
Lebensmittel zugunsten der Kinder verzichten. Die Zunahme der Kindertuber- 
kulose ist auch ihm außer Zweifel, und zwar bezieht er sie auf die vermehrte In- 
fektionsgelegenheit (Pflege durch Schwindsüchtige). Daß die Ernährung nicht 
die Hauptrolle bei der beobachteten Tuberkuloseverbreitung spielt, geht aus der 
Zunahme der Tuberkuloseerkrankungen in der ländlichen Bevölkerung hervor. 

Brüning (Rostock) hat in seinem Tätigkeitsbereiche eine Zunahme der 
Rachitis beobachtet, Vogt (Magdeburg) ebenfalls. 

Noeggerath (Freiburg) weist darauf hin, daß die Ernährung für gesunde 
Kinder wohl ausreichend ist, nicht aber für schwächliche, für die Zulagen von 
Eiweiß und Fett mitunter wünschenswert wären. Bezüglich des Nervensystems 
im Kindesalter gibt das Verhalten der Kinder bei Fliegerangriffen interessante 
Aufschlüsse. Ergriffen wird eigentlich nur das konstitutionell minderwertige 
Kind, während das normale gleichgültig bleibt. 


Siegert (Cöln) hat gelegentlich von Fliegerangriffen nur in den Familien 
aufgeregte Kinder gesehen, in denen aufgeregte Eltern waren. Rachitis ist nach 
seiner Beobachtung nicht seltener geworden. 

Keller (Berlin) erblickt in der Zunahme der Tuberkulose in Polen einen 
Beweis für die Bedeutung der Ernährung bei der Ausbreitung der Tuberkulose. 

Hohlfeld (Leipzig) fordert für Krippe und Kinderheim ärztliche Leitung. 

Birk (Kiel) beobachtete schwere toxische Schädigungen bei Einreibung 
von Kindern mit dem im Kriege mancherorts gebräuchlichen Vaselineöl. 

Rietschel (Würzburg) glaubt, daß die Zunahme der Tuberkulose mehr 
durch die Ernährungsbesonderheiten bedingt ist als durch Verbreitung der In- 
fektionsmöglichkeit. Auf die Häufigkeit von Oxyuren und Enuresis macht er 
aufmerksam. 

Meier (München) regt eine Erklärung der Gesellscnart für Kinderheilkunde an 
über die Gefahren, die von schlecht geführten Krippen dem Kindesalter erwachsen. 

Peiper (Rostock) macht für das Auftreten von Oxyuren und Trichophytie 
hauptsächlich den Mangel von Seife verantwortlich. 

Flachs (Dresden) lenkt die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung des psychi- 
schen Faktors für das Ernährungsresultat. 

Lugenbühl (Wiesbaden) verlangt eine Zulage von eiweiß- und fettreichen 
Nahrungsmitteln für schwache, besonders für darmschwache ältere Kinder, die 
oft das Kohlehydrat nicht zu assimilieren imstande sind. 

Langstein (Berlin): Die Kriegsernährung der Säuglinge nähert sich einem 
Idealzustand, dagegen ist die älteren Kindern zustehende Nahrung nicht für alle 
Kinder verdaubar. Eine Erhöhung der Eiweiß- und Fettration wäre auch wegen 
der Zunahme der Tuberkulose von Bedeutung. Die ärztliche Leitung der Krippe 
darf sich nicht auf gelegentliche Überwachung beschränken, sondern nur bei täg- 
licher Kontrolle wird man der Infektionsgefahr Herr werden. 

T'hiemich (Leipzig) schließt sich der Forderung auf Erhöhung der Eiweiß- 
und Fettration für ältere Kinder an. ° 

L. F. Meyer (Berlin): Für die Bedeutung der Ernährung bei der Immunität 
spricht der verschiedenartige Ablauf der Ruhr bei gut ernährten Soldaten einer- 
seits und schlechter ernährten Landeseinwohnern im besetzten Gebiet anderer- 
seits. Während die Mortalität bei Soldaten relativ gering blieb, stieg die Sterb- 
lichkeit bei der Panjeruhr in diesem Jahre auf 20—30%,. Auch im klinischen 


246 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 12. 


Ablauf der Ruhr zeigten sich Verschiedenheiten. Die Panjeruhr führte in nahezu 
der Hälfte der Fälle zu Ödemen, die bei Soldaten nur sehr selten auftraten. Ein 
besonders schwerer Verlauf zeichnete die Kinderruhr aus. 

Auch Bauer (Düsseldorf) betont den schweren Verlauf der diesjährigen 
Ruhr bei Kindern. 

Niemann (Berlin) hat die Erfahrung gemacht, daß in ländlichen Bezirken 
noch immer die Überernährung mit Milch auch während des Krieges im Schwange ist. 

Schloßmann (Schlußwort): Die toxischen Erkrankungen nach Einreibung 
mit Vaselineöl sind aller Wahrscheinlichkeit nach auf Verunreinigungen noch 
unklarer Art zurückzuführen. 

2. Birk (Kiel): > Demonstrationen zur Behandlung der Thymushyperplasie 
des Säuglings mit Röntgenstrahlen. 

Es gibt zwei verschiedene Formen der Thymushyperplasie des Säuglings: 
erstens die im Bilde des Status thymico-Iymphaticus vorkommende und zweitens 
die einfache, angeborene Thymushyperplasie beim im übrigen normalen Kinde. 
Im ersten Falle ist die Vergrößerung der Thymus eins der Symptome, im zweiten 
Falle ist sie die Krankheit selbst. Beim Status thymico-Iymphaticus ist 
nur die Veranlagung angeboren, die eigentlichen krankhaften Erscheinungen 
dagegen entwickeln sich erst im Laufe des Säuglingsalters.. Wenn also schon bei 
der Geburt eine hyperplastische Thymus vorhanden ist, so kann sie unmöglich 
zu einem Status thymico-lIymphaticus gehören, sondern muß etwas grundsätzlich 
anderes sein. Ein zweiter Unterschied wird durch den ‚plötzlichen Tod“ ge- 
geben, an dem viele Kinder mit Status thymico-lymphaticus sterben. Dieser 
ist aber nichts Charakteristisches für den Status thymico-lymphaticus, sondern 
kommt auch bei anderen Kindern vor, aber immer nur bei nervösen. Dieser 
nervöse Einschlag spielt stets in den Status Iymphaticus hinein und ist die Ur- 
sache des Thymustodes. Die Thymus hat mit dem plötzlichen Tode aber nichts 
zu tun. Das deutet auch schon die Art des Sterbens an: die Kinder sterben an 
einem akuten, irreparablen Herzstillstand, aber nicht an Erstickung. Demgegen- 
über ist die einfache Thymushyperplasie angeboren. In der Literatur finden 
sich eine große Anzahl derartiger Fälle beschrieben. Auch Vortr. hat einen Fall 
beim Neugeborenen am Tage nach der Geburt klinisch festgestellt, im Röntgen- 
bilde die hyperplastische Drüse wiedergefunden und diese am nächsten Tage bei 
der Sektion ebenfalls nachgewiesen. Die Wirkung der hyperplastischen Thymus 
ist ein Druck auf die Luftröhre. Letztere ist in diesen Fällen — im Gegensatz 
zum Status thymico-Iymphaticus — nicht als normal anzusehen, da auf sie der 
Druck der Thymus schon bei der fötalen Entwicklung einwirkt. Ihr knorpeliger 
Aufbau wird schwer geschädigt, es kommt sogar zur Erweichung der Trachea. 
Damit werden für späterhin die Vorbedingungen geschaffen, daß die Thymus 
die Luftröhre zusammendrücken kann. Während beim Status thymico-lympha- 
ticus also die Thymusbehandlung unnütz und überflüssig ist, ist sie bei der ein- 
fachen Thymushyperplasie außerordentlich indiziert. Man hat dann die Wahl 
zwischen chirurgischer und Röntgenbehandlung. Vortr. hat fünf Kinder mit 
einfacher Thymushyperplasie behandelt und in allen Fällen ein klinisch wie ana- 
tomisch sehr befriedigendes Ergebnis erzielt. 

Besprechung. Lange (Leipzig) weist auf die Veränderungen der Gefäße 
durch die Thymushyperplasie hin. 

Göppert (Göttingen) hat schon bei häufiger Durchleuchtung auch ohne 
nachweisbare Verkleinerung der Thymushyperplasie Besserung der Erscheinungen 
beobachtet. 

Siegert (Cöln) warnt vor einer vorschnellen Einteilung im Sinne von Birk, 
die ihm zu schematisierend erscheint. 

3. Kleinschmidt (Berlin): Zur Kenntnis der akuten Iymphatischen Leuk- 
ämie im Kindesalter. 

Die Vielgestaltigkeit des Krankheitsbildes macht eine Gruppeneinteilung 
nach klinischen Gesichtspunkten notwendig. Neben die geläufige Krankheits- 
form, die durch die generalisierte Hyperplasie der peripherischen Lymphdrüsen 
charakterisiert ist, tritt diejenige, welche durch Schwellung der mediastinalen 
Drüsen und der Thymus die Erscheinungen des Mediastinaltumors macht, und 
weiter der Mikulicz-Typ durch Vergrößerung der Tränen- und Speicheldrüsen. 
Hierher gehört auch das Chlorom, eine Leukämie mit hauptsächlicher Lokali- 
sation subperiostal am Gesicht und Schädel. Am wenigsten gewürdigt wurde 
bisher die anämische Form, bekannter sind die perakut verlaufenden Formen 


II. Aus Vereinen und Versammlungen. 247 


unter schwerster hämorrhagischer Diathese und gangränös-nekrotischen Pro- 
zessen im Rachen. Bei Besprechung der Blutveränderungen legt Vortr. besonderes 
Gewicht auf die sog. aleukämischen Formen der Erkrankung, wie es ihrer Häufig- 
keit entspricht, und den Wechsel der Leukozytenwerte bei dem gleichen Krank- 
heitsfall. Die kleinzelligen Formen der lymphatischen Leukämie überwiegen 
die großzelligen. Die pathologisch-anatomischen Veränderungen gleichen den- 
jenigen beim Status lymphaticus. Diese Tatsache, in Verbindung mit der bei 
Infekten gelegentlich auftretenden lymphatischen Reaktion im Blute lympha- 
tischer Kinder, legt die Vermutung nahe, daß die Entstehung der Iymphatischen 
Leukämie eine Disposition voraussetzt, wie sie im Status Iymphaticus gegeben ist. 

Nonne: Scapula scaphoidea (Graves). l4jähriger Knabe, der den aus- 
gesprochenen Typus der Scapula scaphoidea (Graves) zeigt. Der Knabe kam 
wegen körperlicher Adynamie auf die Abteilung von Nonne. Er war blaß und 
mager. Die inneren Organe waren normal. Es fanden sich keine Zeichen von 
Lues hereditaria, doch ergab die Untersuchung des Blutes Wa.-R. + + +. Von 
körperlichen sonstigen Degenerationszeichen fanden sich hier: Rigidität und 
Schlängelung der A. radialis; psychische Stigmata fehlten. Patient war unehe- 
lich geboren. Die Untersuchung der Mutter ergab ausgesprochene Paralyse. 
Vier Wochen später starb die Mutter an einer akuten Infektion, und Nonne 
konnte die Obduktion ausführen. Makroskopisch: Paralyse, Aortitis syphilitica 
incipiens. Nonne referiert über die einschlägigen Arbeiten von Graves, Kellner 
und Clemens, Kollert, E. Reye und Dräseke. Es dürfte nach diesen Ar- 
beiten feststehen, daß Scapula scaphoidea zu den Degenerationsstigmata zu 
zählen ist. Als belastend kommen in Betracht Lues, Alkoholismus, Tuberkulcse, 
Psychopathien der Aszendenten. ‚‚Die Scapula scaphoidea ist in der Rangklasse 
ein Degenerationszeichen, das klinisch und kriminalanthropologisch zu verwerten 
ist“ (Dräseke). Für die Wichtigkeit der Lues, als dieses Degenerationszeichen 
determiniert, spricht wieder der hier vorgestellte Fall. 


Rüder: Mißbildung bei einem Neugeborenen. Gleich nach der Abnabelung 
kollabierte das äußerlich sehr wohlgestaltete, kräftige, ausgetragene Kind, das 
vorher mehrfach laut geschrien hatte. Die Sektion ergab einen kindsfaustgroßen 
Defekt links im Zwerchfell, vor dem vorn links nur eine schmale Spange erhalten 
war. Durch die vorhandene Lücke war der Magen, und zum großen Teil der Dünn- 
darm, in die Brusthöhle übergetreten, und beide hatten das Herz vollkommen 
nach rechts verdrängt. In der Familie der Eltern waren keine Mißbildungen 
sonst vorgekommen. Das erste Kind ist normal entwickelt. 


Wichmann: @Gesichtslupus. Vorstellung eines l4jährigen Mädchens, das 
seit dem 2. Lebensjahre einen vorgeschrittenen Gesichtslupus aufweist. Das 
untere Drittel der Nase, die Oberlippe waren zerfressen; beiderseits bestanden 
Hornhautgeschwüre sowie eine starke Entzündung der Lider. Infolge der be- 
stehenden Lichtscheu war Sehen fast unmöglich, so daß das Mädchen auf Führung 
angewiesen war. Das Kind ist lediglich mit Tuberkulinimpfung nach Ponndorf 
behandelt worden, welche im Verlaufe _von- 5 Monaten viermal durchgeführt 
wurde, und zeigt jetzt eine ideale Abheilung, bis auf relativ geringe Lupusreste; 
äußerlich hat keine Behandlung stattgefunden. Histologisch sieht man, wie ein 
neugebildetes, Iymphozytenreiches Granulationsgewebe gegen die tuberkulösen 
Herde vordringt. Im ganzen wurden 55 Kranke mit Haut-, Schleimhaut- und 
Knochentuberkulose der Behandlung nach Ponndorf unterzogen; in 9 Fällen 
fand eine deutliche günstige Beeinflussung der Tuberkulose statt. Eine derartige 
erfolgreiche Einwirkung wie in dem oben dargelegten Falle hat Vortr. auf Grund 
seiner Erfahrungen bei anderen Tuberkulinmethoden nicht feststellen können, 
auch muß betont werden, daß diese Methode ungefährlich ist. Wenn im Vergleich 
zu den von Ponndorf veröffentlichten Ergebnissen die Anzahl der günstigen 
Erfahrungen prozentualiter gering ist, so kann dies nicht nur in dem verschieden- 
artigen Material bedingt sein, sondern liegt in dem einer jeden Tuberkulinmethode 
eigenen Fehler begründet, daß nicht immer ein Tuberkulin verwandt wird, auf 
welches die Rezeptoren der Tuberkuloseantikörper des betreffenden Patienten 
passen. Vortr. verwendet daher seit Monaten zur Behandlung einen Extrakt, 
der aus den Lymphdrüsen des betreffenden Patienten selbst hergestellt ist 
(aktive und passive Immunisierung durch ‚‚Eigenextraktbehandlung‘“). Demon- 
striert wird ein 24jähriger junger Mann, der einen Lupus der Nase aufwies und 
nun durch Verabfolgung eines aus seiner exstirpierten submentalen Lymphdrüse 
gewonnenen Extraktes geheilt ist. (Arztl. Verein in Hamburg, 27. Febr. 1917.) 


248 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 12. 


III. Neue Bücher. 


R. Th. v. Jaschke. Physiologie, Pflege und Ernährung des Neugeborenen. Wies- 
baden, I. F. Bergmann, 25M. 

Der „Neugeborene“ ist jetzt nicht nur für die Eltern, sondern auch für den 
Staat ein in höchstem Grade wertvolles Gut. Die Ärzte werden sich noch mehr 
als bisher mit diesem Gut zu beschäftigen haben, sie müssen ihre Kenntnisse er- 
weitern und vertiefen, um das kostbare Gut der Allgemeinheit zu erhalten, gesund 
und kräftig zu erhalten. Eine lückenlose Darstellung der Physiologie des Neu- 
geborenen einschließlich der gesamten Pflege besaßen wir noch nicht, und es ist 
deshalb das Werk des Gießener Klinikers um so freudiger zu begrüßen, das uns 
in vortrefflicher Weise in Wort und Bild — das Werk enthält 94 sehr gute Ab- 
bildungen — über den neuesten Stand dieser Materie unterrichtet. Ein weit- 
umfassendes Literaturverzeichnis bildet den Abschluß des Buches, das zweifellos 
in die Bibliothek jedes modernen Praktikers gehört und eingehenden Studiums 
wert ist. Grätzer. 
C. v. Pirquet. System der Ernährung. Berlin, J. Springer. 1. Teil. 8M. 

Auch dieses Buch, welches einem der wichtigsten Abschnitte der gleichen 
Materie gewidmet ist und einen sehr erfahrenen Kinderarzt zum Autor hat, kann 
des Interesses der Ärzte sicher sein, zumal heute, wo mehr als je die Ernährung 
im Mittelpunkte wissenschaftlicher Erörterungen und praktischer Maßnahmen 
steht. Der Praktiker muß heute vertraut sein mit allen Einzelheiten dieses Gegen- 
standes und wird daher ein Buch wie das vorliegende gern zur Hand nehmen. 

Grätzer. 
St. Engel. Die Ernährung des Säuglings. Wiesbaden, I. F. Bergmann. 3,70 M. 

Auch hier eine Unterweisung über zweckmäßige Ernährung des Säuglings 
nach modernen Prinzipien. Kurz und leicht faßlich soll das Thema dem be- 
schäftigten Praktiker dargestellt werden, und der Verfasser hat es in der Tat 
verstanden, diese Aufgabe aufs beste zu lösen. Trotz des geringen Umfanges 
enthält das Büchlein alles, was zu wissen nötig ist, ja, noch 15 Abbildungen findet 
man darin. Das kleine Werk verdient weite Verbreitung und wird sie finden. 

Grätzer. 
R. Hecker und Schwester Woerner. Hilfsbuch der Säuglingspflege.e München, 
F. Hanfstaengl. Preis: 1 M. (bei 50 Stück 90 Pfg., bei 100 Stück 80 Pfg. 

Ein populäres Buch im besten Sinne des Wortes! In kurzer Zeit war die 
erste Auflage vergriffen. Kein Wunder, denn auch die Mütter sind sich heute 
darüber klar, daß ausreichende Kenntnisse über Pflege und Ernährung des Säug- 
lings unbedingtes Erfordernis sind. Präzis und klar gibt das Büchlein Auskunft 
selbst über die — scheinbar — nebensächlichsten Dinge, in Wort und Bild, was 
zu tun, was zu unterlassen ist, will man den Säugling am Leben und gesund er- 
halten. Jeder Arzt empfehle es seiner Klientel. Grätzer. 


Wegen der Schwierigkeiten in der Herstellung muß das Er- 
scheinen des 
‚„Zentralblattes für Kinderheilkunde“ 


bis auf weiteres eingestellt werden. 

Der unterzeichnete Verlag möchte die Gelegenheit benutzen, 
um Herrn Sanitätsrat Dr. Eugen Grätzer, der die Redaktion des 
Zentralblattes während eines Zeitraumes von 22 Jahren .mit Umsicht, 
Liebe und Geschick geführt hat, den herzlichsten Dank für seine 
ersprießliche Tätigkeit auszusprechen. 


Leipzig. Johann Ambrosius Barth. 


Verantwortlicher Redakteur: Sanitätsrat Dr. Eugen Graetzer in Friedenau-Berlin. — Verlag 
von Johann Ambrosius Barth in Leipzig. — Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. 


Namenverzeichnis des 22. Jahrganges. 


Abel 28. 

Anker 55. 
Anton 208, 240. 
Arnheim 175. 
v. Arnim 86. 
Arnson 154. 


Bacalogla 107. 
Bachauer 110. 
Baginsky 37, 77. 
Bahrdt 29, 31, 195. 
Ballaban 209. 
Bauer 179. 

Beals 49. 

Beck 115. 

Becker 186. 

Beeck 115. 
Beekman 189. 

v. Behr-Pinnow 49. 
Benders 168. 

Berg 133. 

Berger 50. 

Bergh 54. 
Bergmann 178. 


Bergmann-Grunwald 30. 


Berkenbusch 22. 

` Bernheim-Karrer 158. 
Bielschowsky 127. 
Biesalski 128. 
Billquist 211. 

Birk 246. 

Blanc 92. 
Bleckmann 28. 
Blum 176. 

Boas 243. 

Böhm 15. 

Börger 57. 
Boissonnas 90. 
Bolten 65. 
Bomret-Labordrie 48. 
Bonhoeffer 20. 
Bosshardt 28. 
Brandweiner 22. 
Breyer 50. 

Broca 107. 
Brodrich-Pittard 16. 
Bruck 154. 

v. Brudzinski 4. 


Buck 135. 
Brunner 240. 
Burchard 155. 
Buro 170. 


Cassel 129. 

Chatelin 190. 
Christeller 241. 
Combe 92. 

Como 26. 
Curschmann 14, 237. 


Delbanco 206. 
Denecke 5l. 
Dollinger 2. 
Drossaers 190. 
Duane 190. 
Dubs 67. 


Duschkow-Kessiakoff 23, 


115. 


Eastman 209. 
Ebeler 58. 
Edelstein 29, 31. 
Eggedi 159. 
Eliassow 28. 
Emden 195. 
Engel 135, 176. 
Enneker 135. 
Ernberg 210. 
Ernst 48. 

Ertl 23. 

Ewald 135. 


Fabritius 43. 
Fahrenkamp 240. 
Farrel 169. 

Feer 24, 93. 
Fiedler 55. 
Filippo 178. 
Fingowa 206. 
Finkelstein 53. 
Fischer 95, 191. 
Fischl 120. 

Fioer 175. 
Forterau-Brickdale 89. 
v. Franqué 172. 
Franz 117, 133. 


Franzen 16. 
Friedberger 135. 
Fuhge 135. 


Gardnier 149. 
Gastpar 111. 
Gaugele 15, 243. 
Gfrörer 67. 
Glousset 90. 


Göppert 173, 212. 


Goerner 135. 
Gött 79, 155. 
Gottschalk 28. 
Graf-Haller 168. 
Griffith 210. 
Grosch 24. 
Gross 173. 
Groth 192. 
Gruber 57. 
Grünfelder 45. 
Grumme 26. 
Guntzer 107. 
Gutstein 74. 
Guttmann 137. 


249 


Habermann 129, 211. 


Hänel 127. 
Haenisch 72. 
Hahn 72. 
Hamburger 56. 


Hammar 117, 118. 


Hansen 188. 
Hanssen 29. 
Harter 23. 
Harzbecker 134. 
Heller 117. 
Hellwig 45. 
Henschen 197. 
Herxheimer 113. 
Hess 87. 
Hinneberg 135. 
Hirsch 54. 
Hölder 183. 
Hoferer 135. 


Hoffmann 28, 33, 95. 


Hofmann 61, 135. 
Hohlfeld 193. 


250 


Holst 89. 
Hunaeus 215. 


Ibrahim 176. 


Janssen 118. 
Janssen 118. 
Jaschke 16. 
Jauert 44. 
Jensen 178. 
Johannsson 148. 
John 166. 
Jores 153. 
Joseph 154. 
Just 151. 
Justitz 238. 


Kaupa 208. 
Kisskalt 139. 
Kleinschmidt 101, 
246. 
Klinger 88. 
Koch 97. 
Kollwitz 115. 
Komes 28. 
Korach 161. 
Kramer 18. 
Kraus 73. 
Krause 77, 78. 
Kreidl 46. 
Kren 96. 
Krieser 71. 
Krüger 3. 
Krüsmann 28. 
Kuhner 117. 
Kedrnáč 161. 
Kulik 18. 
Kunckel 97. 
Kutzinski 188. 


199, 


Landau 145. 
Lang 242. 
Lange 24. 
Langer 3. 
Langstein 211. 
Laquer 203. 
Lazar 1, 136. 
Leiser 28. 
Lenk 46. 
Leo 24. 
Leschke 25. 
Lewis 149. 
Lexer 130. 
Licen 187. 
Lichtwitz 42. 
Liefmann 58. 
Lövegren 57. 
Loewy 135. 
Lossen 74. 
Lowett 90. 


Mallet 92. 
Martin 90. 


May 78. 
Mayerhofer 137. 
Meyer 28, 172. 
Milligan 170. 
Misch 184. 
Mönkemöller 188. 
Mössmer 11. 
Momm 41. 
Monnier 93. 

du Mont 94. 
Moore 169. 
Morgenstern 57, 135. 
Moro 212. 

Mucha 134. 
Mühsam 74. 
Münzberg 237. 
Mumson 49. 


Naef 208. 
Nägeli 16, 173. 
Netter 149. 
Neumann 130 
Nobel 32. 
Noeggerath 240. 
Nonne 247. 
Norgaard, 118. 


Ochsenius 21, 22, 116. 
Olejniczak 28. 

Opitz 31. 
Oppenheimer 53, 113. 


Paasche 28. 

Paul 132. 

Peiper 26, 73. 

Peller 179. 

Perutz 75. 

Pettker 135. 

Pfaundler 100, 138, 177, 
204. 

Pfister 24. 

v. Pirquet 157, 197, 198. 

Platenga 178. 

Plessner 115. 

Pottron 17. 


Quinke 53. 


Rach 30. 
Rattner 3. 

v. Redwitz 136. 
Reenstierna 197. 
Reiche 2, 83, 157. 
v. Reuss 138. 
Reyerson 169. 
de Reynier 93. 
Richter 243. 
Riebes 194. 
Riedel 39. 
Riehn 175. 
Rietschel 56. 
Rischke 136. 
Rissmann 54. 


Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 12. 


Roller 112. 
Rolly 163. 
Rominger 30. 
Rost 114. 
Rothschild 94. 
Rott 191. 

v. Roznowski 194. 
Rubenson 148. 
Rudolph 54. 
Rüder 212, 247. 
Ruge 7. 


Sachs 107. 
Sauer 28. 
Schaefer 168. 
Schaeffer 98. 
Schick 138. 
Schiötz 158. 
Schippers 79. 
Schirmeyer 28. 
Schlake 136. 
Schlesinger 150, 154. 
Schloss 168, 180. 
Schlossmann 244. 
Schmerz 24. 
Schneiderhöhn 80. 
Schnitzer 189. 
Schoch 88. 
Schönwitz 23. 
Schubert 192. 
Schüller 129. 
Schultze 171. 
Schwerin 194. 
Sebald 136. 
Sécsy 75. 
Segawa 79. 
Seifert 23, 26. 
Seitz 123. 
Sellheim 241. 
Serog 62. 
Sharpe 169. 
Shaw 49. 
Shteeman 209. 
Siegel 130. 
Snoy 86. 
Sommer 175. 
Souban 107. 
Soucek 46. 
Soutter 16. 
Spiegelberg 128. 
Spiller 169. 
Stäubli 239. 
Stahr 80. 
Stamm 195. 

v. Starck 56. 
Steckelmacher 74. 
Steinebach 32. 
Steinhaus 109. 
Stephan 26. 
Stevens 89. 
Stier 19. 
Stirnimann 90. 
Stockleb 136. 


Sachverzeichnis. 


“Strauss 95, 135. 
 „Striepecke 176. 


Umber 132. 
Unna 133, 174, 216. 


251 


Weygardt 151. 
Whipham 171. 


Ströll 155, 193. Urban 72. Wichmann 247. 
Stümpke 22, 202. Wilmanns 66. 
Stupnicki 25. Wilms 237. 
Süssmayr 136. Vörner 22. Wolff 13. 
Synnot 171. Wollenberg 121. 
Wright 148. 
Wacker 28. Wynhoop 108. 
RT Wätzold 194. 
Thiele 28, 110 van Wagenburg 209. . 
Tobeitz 136. Wagner 81. Yllpö 198, 19. 
er : rfvi 210 
Tschirch 180. Warfvinge ° 


Türckheim 176. Weber 189. 


Welde 29. 
Welti 91. 


Übelen 192. 
Uhlig 149. 


Wechselmann 5. 
Weihe 98, 138. 


Zadek 199. 
Zangemeister 152. 
Zappert 117, 124. 
Zondek 15. 


Sachverzeichnis des 22. Jahrganges. 


Abbottsches Verfahren bei Skoliosen 

13.. 

Albuminuvie, Funktionsprüfungen bei 
orthotischer 15. 

— , orthotische, und ihr Verhältnis zur 
Nephritis 89. 

Alkohol und. Kindersterblichkeit 66. 

Ammonium, trichlorbutylfettsaures, als 
Hustenmittel 75. 

Anenzephalie hydroc&phalique 1%. 

Aneurysma fusiforme A. brachialis 

congenitum 130. 

Appendektomie dureh die linke Lei- 
stenbruchpforte 86. 

Arachnodaktylie, zwei Fälle 57. 

Asphyxia neonatorum, Behandlung 
94. 


Asthma bronchiale, Endobronchial- 
spray bei 26. 

— —, Jodbehandlung 26. 

Aszites, Behandlung bei hereditär-lue- 
tischen Kindern 48. 

Ataxie, zerebellare,Inach Diphtherie 62. 

—, Fall akuter zerebellarer 210. 

Atresia infrapapillaris duodeni 
genita 48. 

Atrophie, olivozerebellare, unter dem 
Bilde des familiären Paramyoklonus 
127. 

Atrophischer Säugling, Energie- und 
Stoffwechsel eines 31. 

Atropin bei Pylorospasmus 22. 

Azetonerbrechen, Therapie 118, 214. 

E Krankheit, Behandlung 
6. 


con- 


Bazillenträger, Entstehung und Be- 
kämpfung 163. 

Biozyme 175. 

Blut, Harnsäuregehalt des kindlichen 58. 

Bluterguß in die Bauchhöhle, asep- 
tisches Fieber nach 39. 

Blutkreislauf, Eigenart des fötalen 
239. 

Blutungen; intrazerebrale, nicht auf 
Traumen beruhende 77. 

—, Röntgenbehandlung der klimakte- 
rischen 133. 

Blutveränderungen bei Frühgeburten 
und debilen Kindern 97. 

Blutzuckergehalt bei neugeborenen 
und frühgeborenen Kindern 117. 

Bolus-Biozyme zur vaginalen Trocken- 
behandlung 133. 


Bromoderma tuberosum im Anschluß 


an Bromkalziummedikation 2. 
Bromoformvergiftung, Fall 3. 


Candiolin bei Rachitis 155. 

Chlorkalziumkompretten bei Urti- 
karia 23. 

Chorea, Psychosen bei 208. 

—, atypischer Fall mit Lähmungs- 
erscheinungen 240. 

— und Syphilis 243. 

Cignolin bei Psoriasis 154. 


Darmentzündungen, lösliche Kalk- 
salze bei 24. 

Degeneratio adiposo-genitalis bei 
Hirnbasistumor 151. 


252 


Zentralblatt für Kinderheilkunde. 


Nr. 12. 


Demenz, zwei Fälle von familiärer | Erbrechen bei schweren Magendarm- 


amaurotischer 168. 

Diabetes im Kindesalter 101. 

—, familiärer 130. 

— insipidus mit Jacksonscher Epi- 
lepsie 148. 

Diarrhöen, Uzaron bei 21. 

—, Behandlung mit basisch gerbsaurem 
Kalk 74. 

Diphtherie, Meningitis bei 2. 

— , Tribrom-ß-Naphthol bei 25. 

— , zerebellare Ataxie nach 62. 

—, Leistungsfähigkeit der bakteriologi- 
schen Untersuchungen 88. 

— , Myrrhentinktur bei 155. 

— , Eucupin bei 175. 

—, Hemiplegie bei 184. 

— , Providoform bei 19. 

Diphtheriebazillen, zur Gramfärbung 
80. 

— und Pseudodiphtheriebazillen, 
Gramfestigkeit 3, 145, 237. 

— , Abtötung durch Optochin und Eu- 
cupin 98. 

— beim Geflügel 128. 

Diphtheriebazillenträger, Behand- 
lung 74. 

Diplegie, spastisch zerebrale, bei Ic- 
terus neonatorum 169. 

Ductus omphalo-entericus, zur Pa- 
thologie des persistierenden 67. 

Duodenum, angeborene Atresie 48. 


Eiter im Urin Pyelitiskranker, qanti- 
tative Bestimmung 118. 

Eklampsie, Behandlung 54. 

Eklamptische Mütter, Schicksal der 
Kinder 138. 

Ekzem, Pellidol bei 23, 115. 

Ekzema marginatum Hebrae 9. 

Elternkonflikt der Jugendlichen 1. 

Entbindungslähmung des Armes 15. 

Entwicklung, Beispiele individueller 
körperlicher 137. 

Epilepsie bei zystischer Großhirn- 
erkrankung, Perioden von Rinden— 20. 

—, Hypophyse bei 49. 

—, Vitiligo, Syphilis hereditaria 49. 

—, klinisches Bild 65. 

—, gehäufte kleine Anfälle beiZwillingen 
188. 

— , aphasische Störungen nach gehäuften 
Anfällen 188. 

—, zur Symptomatologie der Herd- 
erkrankungen der motorischen Region 
bei 187. 

= Dion der Karotiden bci 

9. 

Epileptiformer pseudobulbärer Sym- 
ptomenkomplex 124. 

Epileptischer Anfall, Gezeitenampli- 
tude und 240. | 


Femurfraktur, 


Fieber 


erkrankungen, Behandlung 212. 
Erfrierungen, Ichthyolvaseline bei 23. 
Ernährung des Säuglings im Kriege 87. 
— im Kriege, Einfluß auf die schul- 

pflichtige und heranwachsende Jugend 

150. | 
Ersatzsauger aus Elfenbein 215. 
Erysipel, Behandlung 96. 

— durch Hefe kupiert 24. 

—, Jod-Guajakol-Glyzerin bei 75. 
Erythema infectiosum 33. 
Eucupin bei Diphtherie 175. 


Fabrikkrippe, zur Frage 192. 
Fazialisparalyse, Fall 171, 190. 

— , gehäuftes Auftreten 117. 
Fazialisphänomen und Konstitution 


209. 
intrauterine ` bei 


Spontangeburt in Schädellage 183. 


Fettsäuren, flüchtige, in frischer, und 


verdorbener Säuglingsnahrung 29. 


— , Bildung flüchtiger — im Magen und 


Darm von Tieren bei Fütterung von 

keimreicher Milch 29. 

des Neugeborenen, 
risches 16. 

— , zur Kenntnis des alimentären 57. 

Fischol 175. 

Fleckfieber im Kindesalter 46. 

Frauenmilch, anormale Zusammen- 
setzung 178. 

Freiluftbehandlung von Säuglingen, 
Vorfensterlager zur 138. 

Frühgeburten, Lebensaussichten 83. 

— Bilutveränderungen bei 97. 

—, Wachstum in den ersten Lebens- 
monaten 157. 

Frühreife, Fall 189. 

Fürsorgeerziehung, Die Strafe in der 
188. 

— forensische Psychiatrie und 189. 

Furunkel, Behandlung mit Salizyl- 
säure 22. 


— , Ichthyol bei 176. 


transıto- 


Gangrän der Hand nach Knochen- . 
brüchen 72. 

Geburtenrückgang und Arzt 172. 

Gehirn, Fall von sklerotischer Atrophie 
43. 

— s. auch Hirn. 
Gelenkrheumatismus, 
Tonsillektomie 115. 
Genitalödeme bei Frühgeborenen 199. 
Gericht, Psychologie der Kinderaus- 

sagen vor 66. 
Geschlechtsbestimmung des Kindes 
130. 
Gesichtslupus, Fall 247. 
Gewichtsabnahme, die physiologische 
— und die Beziehungen zwischen Er- 


Einfluß der 


Sachverzeichnis. 


nährung und Gewichtsverlauf bei 1000 

Neugeborenen 178. 
Gewichtsveränderungen in Schwan- 

gerschaft, Geburt und Wochenbett 152. 
Glanduovin bei Amenorrhoe 54. 
Gummisaugerersatz 53. 


Hals- und Nackendrüsen, hintere, 
bei Säuglingen in den ersten neun 
Lebenstagen 178. 

Halsdrüsentuberkulose 
rettbehandlung 237. 


und Laza- 


Harnsäuregehalt des kindlichen Blu- : 


tes 58. 
Hautinfarkte nach Masern 57. 
Hebammenwesen, Säuglingsfürsorge 
und 5l. 


Hemihypertrophie, Fall angeborener 


Hemiplegie, Fall infantiler 148. 

— bei Diphtherie 184. 

Hemispasmus der Unterlippe 30. 

Hemmungen, Beurteilung der 
chischen 189. 

Hexophan bei Gicht und Rheumatis- 
mus 115. 
Hilfsschule, 
schaft 203. 

Hirnabszeß, orbitogener 209. 

Hirnabszesse, von 1896-1913 beob- 
achtete 44. 

Hirnprolaps, Behandlung mit künst- 
licher Höhensonne 61. 

Hirn s. auch Gehirn. 

Hirschsprungsche Krankheit, The- 
rapie 80. 

Hüftgelenkkontrakturen nach Polio- 
myelitis, Operation bei 16. 

Hüftgelenkluxation infolge spasti- 
scher Hemiplegie, paralvtische 16. 


psy- 


Ehe 


und Nachkommen- 


—, Spontanheilung der angeborenen 121. 


—, Behandlung der angeborenen 243. 

Hustenmittel, Thyangolpastillen als 
4. 

—, trichlorbutylfettsaures 
als 75. 

Hydrophthalmus. zur pathologischen 
Anatomie und operativen Therapie des 
angeborenen 15. 

Hydrops, zur Therapie 77. 

— congenitus 155. 

Hydrozephalus, anatomisch-physiolo- 
gische Studien über angeborenen 168. 

—, chirurgische Behandlung 242. 

Hypophyse bei Epileptikern 49. 

Ichthyol bei Furunkeln 176. 


Ammonium 


Ichthyolvaseline bei Erfrierungen 23. 


Ikterus, Fall von chronisch familiärem ` 


173. 
Impfung von Schwangeren, Wöchne- 
rinnen und Neugeborenen 117. 


Zentralbl. f. Kinderhlkde. 22. 


253 


Infektionskrankheiten, schulorgani- 
satorischer Vorschlag zur Minderung 
der Kindersterblichkeit an akuten 100. 

— in Krippen 193. 

— , Schutz in Kinderheinien und Krippen 
179. 

Jodnatrium als Prophylaktikum gegen 
Scharlach 74. 

Jodtinktur, Ersatz für 24. 

Jucken bei Lichen, Behandlung 133. 


Kalk, basisch gerbsaurer, bei Durch- 
fällen 74. 

Kalksalze, lösliche, bei Darmentzün- 
dungen 24. 

Keratitis scrophulosa, Gonokokken- 
vakzineeinspritzungen bei 211. 

Keuchhusten, Behandlung 73, 116. 

—, Jodkali bei 24. 

Kinderaussagen vor Gericht 66. 

Kinderernährung im Kriege 211. 

Kinobesuch der Kinder 45. 

Kleinkinderfürsorge, gesundheitliche 
123. 

Kleinkinderkost im Kriege 204. 

Knochenmißbildung 212. 

Koagulen bei Morbus Werlhofii 115. 

Körpergewichtsabnahme des Neu- 
geborenen, physiologische 138. 

Körperkonstitution der ostpreußi- 
schen Stadt- und Landschulkinder 139. 

Körpermaßstudien an Kindern 177. 

Kohlensäurewundpulver zur vagi- 
nalen Behandlung 155. 

Kollaps mit Zyanose bei Neugeborenen, 
Behandlung 213. 

Konzeptionsfähigkeit der Frau und 
Geschlechtsbestimmung des Kindes 
130. 

Kreisfürsorgerinnen, Lehrplan, Aus- 
bildungsgang, Anforderungen der Pra- 
xis 192. 

Krieg, Einwirkung auf die Gesundheit 
der Jugend 110. 

—, Kinderernährung im 211. 

— , Kleinkinderkost im 204. 

—, Kinderkrankheiten im 244. 

Kriegsernährung, Einfluß auf Frucht- 
entwicklung und Laktation 7. 

Kriegsneugeborene, über 11, 180. 

Krippen, Gefahr der Infektionskrank- 
heiten 193. 

Kunsthonig, Herstellung 132. 


Längengewichtsverhältnis der Neu- 
geborenen und Einfluß der Schwan- 
serenernährung auf die Entwicklung 
des Fötus 179. 

Laryngitis diphtherica, Behandlung 24. 

Laryngol 25. 

Larynxstenose, durch Suprarenin be- 
seitigt 194. 

Lebererkrankung, Fall angeborener 
173. 


24 


254 Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 12. 


Lecutyl bei Lupus 135. Nachkommenschaft, Beeinflußbar- 
— bei Tuberkulose 95. keit 241. 

Leukämie, akute lymphatische 246. | Nackenphänomen bei Meningitis 4. 
Leukozon als Wundstreupulver 55. Nahrung, hat die eiweiß- und fettarme 
Lezithinbestimmung in Milch 16. — Einfluß auf die Entwicklung der 


Levurinose bei Hautkrankheiten 22.| Frucht? 4l. 
Lichen, Behandlung des Juckens bei | Nasendiphtherie, primäre 54. 


133. — Neugeborener 86. 
Lipoiddystrophie, Fall 90. —, Behandlung 194. 
Littlesche Krankheit, Förstersche | Nasenverletzungen, erste Versorgung 
Operation bei 128. 154. 
Luetinreaktion, Wert 79. Nebennierentumor, maligner sym- 


Lungenarterie, Funktionelles und Ana- pathischer 90. 
tomisches bei funktioneller Verenge- | Nephritis, Funktionsprüfungen bei 15. 
rung und angeborenem Verschluß 241. | Neuritis optici auf hereditärer Grund- 
Lungentuberkulose, Behandlung mit | lage, retrobulbäre 18. 
Röntgenstrahlen 92. Noma, Behandlung 149. 
Lupus, Höhensonnenbehandlung 114. | Nordseehospize, Dauererfolge in 186. 
— , Lecutyl bei 135. 
Öle, Einnehmen fetter 53. 
Optochin bei Pneumokokkenkonjunk- 
tivitis 161. 
 Ormizet 135. 
| 


Mageninsuffizienz der Säuglinge, Be- 
handlung der akuten 214. 
Magensaftsekretion, Beeinflussung 
durch Infektion 45. 
Masern, Hautinfarkte nach 57. 
Meningitis bei Diphtherie 2. 
—, Nackenphänomen bei 4. 
— Peer pina NS in Genf 92. 
, Amaurose nach 149. 
Metrorrhagien, Behandlung der benig- 
nen 23. 


| Pachymeningitis haemorrhagica in- 
terna beim Säugling 93. 

Papillen- und Netzhautgefäße, kon- 
genitale Anastomosen 208. 

Paraffinal 176. 

Paralyse, Fall von progressiver 210. 

—, zur Kenntnis der juvenilen progres- 


| siven 17. 
an en a 16 — , operative Behandlung der zerebralen 
—, Einfluß des Fettgehaltes auf die p Tar 169. ji bellare At 
Labungsgeschwindigkeit 46. aramyoklonus, olivozerebellare Atro- 
— als Nahrungsmittel 197 phie unter dem Bilde des familiären 
f 127. 


Milchzähne, Durchbruchszeit der ersten 
42. 

Milchzersetzung, Einfluß auf die Ent- 
stehung akuter Verdauungsstörungen 
der Säuglinge 158. ' Pellidol bei Ekzem 23, 115. 

Mißbildung bei einem A cupeborenen. 


247. . nel ä ; 
Möller-Barlowsche Krankheit ..| Pityriasis alba maculata, Schulepide- 


Barlow. i Er 
Pleurale E > bei Kindern, zur 
Mongolismus und Syphilis 89. Radiologie 30, i Kinde 


—, Mißbildungen am Herzen und an den | 


Paravakzine, die 157, 238. 
Pectoralis major et minor, Fehlen 


| Pemphigus, künstliche Höhensonne bei 
22. 


A n bei 129. Pleuritis, interlobuläre, und ihr rönt- 
Morchel sh. Vorsicht beim 132 Ä genologischer Nachweis 98. 
Mo 3t Be ‚ Pneumokokkenkonjunktiv itis, Op- 


tochin bei 161. 
Pneumokokkenperitonitis, zur Sta- 
tistik 212. 


Mutterschaftsversicherung, Gestal- 
tung nacn dem Kriege 191. l 
Myatonia congenita, chronisches Fie- Püeumothorax, Fall 172. 


ber bei 198. | : Si | 
— — oder progressive spinale Muskel- une. dealer 


atrophie 211. ni 
Myopathie, primäre 107. = ER an einer Epidemie 
ee ae Lok — acuta, Fall 149. 
we i Pottscher Buckel, Pseudo- 107. 
Proteusinfektion beim Säugling 197. 


Nabelschnurumschlingung, intra- | Providoform bei Diphtherie 25, 194. 
uterine 58. Pseudogenickstarre, Epidemie 237. 


ppn 


Sachverzeichnis. 


Psoriasis, Cignolin bei 154. 
Psychopathie, Fall schwer degenera- 
tiver 19. 
Psychosen bei Chorea 208. 
Ptomainvergiftung, chronische De- 
menz, zerebellare Ataxie und Kon-: 
vulsionen nach 170. | 
Pyelitis, quantitative Methode der 
Eiterbestimmung im Urin bei 118. 
Pylorospasmus, Atropin bei 22. 
Pylorusstenose beim Säugling, chirur- 
gische Behandlung der kongenitalen 93. 


Quarzlampe, Erfolge mit der 22. 


Rachitis 180. 

— , Milchbedarf des Kindes und Ätiologie . 
und Behandlung der 24. 

— und innere Sekretion 30. 

— , Candiolin bei 155. 

—, pathologische Chemie und Stoff- 
wechsel 168. 


Refraktion bei geistig zurückgebliebe- . Spondylolisthesis 


nen Kindern 49. 
Reichswochenhilfe, 

Wirkungen 191. 
Rektalgonorrhoe bei Kindern 202. 
Revakzinationsneuralgien 209. 
Rhinovalin 26, 176. 
Röntgenbehandlung derLungentuber- 

kulose 92. 
— der klimakterischen Blutungen 133. 
Ruhr im kindlichen Alter 37. 
Rumination, Behandlung 213. 


| 
sozialhygienische 


| 


i 
Säuglingsernährung im Kriege 87. | 
Säuglingsfürsorge in der Provinz: 
Sachsen 50. 
— und Hebammenwesen 31. 
Säuglingsschutz, Landeskonferenz für : 
49. 
Säuglingssterblichkeit, zwei Vor- | 
schläge zur Vorbeuge erhöhter 240. | 
Scapula scaphoidea 247. 
Schädelbasisfraktur mit Liquor cere- 
brospinalis aus dem Ohr 169. 
Schädeldefekte, eigenartige 129. 
Schädelimpression, Einfluß auf den. 
Neugeborenen 67. 
Scharlach, Jodnatrium als Prophylak- | 
| 


„kum 74. 
‚ Serumthcerapie 77. 
— , traumatischer 161. 
—, Behandlung 193. 
Scharlachverdächtige, Untersu- 
chung von Blutausstrichen in Unter- | 
suchungsämtern 81. 
Schulärztliche Überwachung für die | 
gesamte deutsche Jugend 111. 
Schulärztlicher Dienst. Mindestfor- 
derungen 109. 


:Skabies, 


i Tabes, 


: Tonsillektomie, 


'Trigeminusneuralgie, 


Tuberkulinfrage, 


255 


l Schwachsinn, Dienstfähigkeit und Zu- 


rechnungsfähigkeit bei der erethischen 
Form des angeborenen 243. 
‚Seifenersatz 113. 
'Sennax 115. 
Situs viscerum 
Fall 173. 
Sitzhöhe und Körpergewicht 198. 
Behandlung 75. 
Skeletterkrankungen, Kombination 
angeborener und erworbener 79. 
Sklerodermie mit typischem Röntgen- 
befund 199. 
Skoliose, Abbottsches Verfahren bei 13. 
infolge angeborener Anomalie der 
Wirbelsäule 16. 


inversus totalis, 


: Solarson 154. 


Sole, Wirkung auf den kindlichen Giga: 
nismus 91. 


'Sozialakademie für Frauen 196. 
'Spinalerkrankung, unklare 18. 


Splenomegalie, zur Klinik 32. 


. SNpondylitis tuberculosa, Albeesche Ope- 


ration bei 148. 

Knochentrans- 
plantation bei 169. 

Stauungspapille bei Turmschädel 240. 


Subeutin-Mundwasser 175. 


Suprarenin in der Dermatologie 174. 

Syphilis, familiäre 72. 

—, Mongolismus und 89. 

— und Chorea 243. 

— congenita, Tuberkulose vortäuschen- 
de Fälle 129, 


zur Kenntnis der juvenilen 17. 


'Tampospuman in der Gynäkologie 23. 


Teleangiektasie, zwei Fälle zerebraler 
107. 


'Thoraxmittelschatten, ungewöhn- 


liche Röntgenbefunde am 79. 
Thyangolpastillen bei Husten 74. 
'Thymusasthma im Lichte der Thymus- 

topographie 118. 
Thymushyperplasie des 

Röntgenbehandlung 246. 


Säuglings, 


'Thymustod, Analyse der Thymus bei 


117. 

Einfluß auf Gelenk- 
rheumatismus 115. 

Tonsillen, Bedeutung für Gesundheit 
und Wehrfähigkeit 166. 


' Torticollis, Tenotomie des Obliquus in- 


ferior bei 190. 

Tracheotomie, gute kosmetische Re- 
sultate nach 71. 

Trichloräthy- 
len bei 115. 

Trinker, Verschlechterung der Erblich- 
keit bei 208. 

Tuberkulinbehandlung im 
alter 97. 


Kindes- 


zur 15l. 
24* 


256 ` > Zentralblatt für Kinderheilkunde. Nr. 12. 


Tuberkulose, Einfluß der hereditären Vulvitis diphtherica, Kombination von 
Belastung auf Form und Verlauf 78. syphilitischem Primäraffekt der Vulva 
—, Lecutyl und künstliches Sonnenlicht mit 159. 
bei äußerer 95. . Vulvovaginitis infantum, Behandlung 
—, Initialfieber 97. 134. 
—, zur Prophylaxe der Kinder- 199. 
Tuberkuloscheilmittel, zur Wirkung 
des Friedmannschen 31. ; Wachstum und Krankheit 158. 
Tumenol bei Ulzerationen 54. 'Weilsche Krankheit, zur Pathologie 
Turmschädel, Stauungspapille bei 240. ; 197. 
Typhus abdominalis, Anal-, Vulva- Werlhofsche Krankheit, Koagulen 


und Nasendiphtherie als Komplikation | bei 115. 


206. Wort- und Buchstabenblindheit, 
Fall angeborener 171. 
Urtikaria, Behandlung 216. ‚Wundöl Knoll 55. 


— , Chlorkalziumkompretten bei 23. 
Uzaron bei Durchfällen 21. 

Zahnkrankheiten und Kriegsernäh- 
Vakzination mit abgeschwächter Kuh- rung 168. 


pockenlymphe 137. ' Zahnschmerzen, palliative Behand- 
Varizellen, Fall von malignen hämor- lung 94. 

rhagischen 78. Zerebellarabszeß, Operation 170. 
Vitamine und Wachstum 90.  Zwerchfellhernie, kongenitale 138. 


Vitiligo, Epilepsie und Syphilis here- : Zystitis und Zystopyelitis, Wesen und 
ditaria 49, ‚ Behandlung 120. 


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